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Full text of "Münchener medizinische Wochenschrift"

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University  of  Illinois  Urbana-Champaign 


https://archive.org/details/munchenermedizin6011unse 


M  M. 


MÜNCHENER 

MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

O.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  A.  Bier,  M.  v.  Gruber,  H.  Helferich,  M.  Hofmeier,  L.  v.  Krehl, 

München.  Freiburg  i.  B.  Berlin.  München.  Eisenach.  Würzburg.  Heidelberg. 

Fr.  Lange,  W.  v.  Leube,  G.  v.  Merkel,  Fr.  Moritz,  Fr.  v.  Müller,  F.  Penzoldt,  B.  Spatz,  R.  Stintzing, 

München.  Stuttgart.  Nürnberg.  Köln.  Münch' n.  Erlangen.  München.  Jena. 


REDIGIERT 


HOFRAT  DR  BERNHARD  SPATZ 

PRAKT.  ARZT. 


LX.  JAHRGANG. 


MÜNCHEN 

VERLAG  VON  J.  E.  LEHMANN1' 


1913. 


I.  Originalartikel. 


Seite 

Abderhalden,  Ueber  Serumfermentwirkung  bei  Schwangeren 

und  Tumorkranken  .  .  . 411,  763 

—  Zur  Frage  der  Spezifizität  der  Schulzfermente . 462 

—  Bemerkung  „Zur  Geschichte  der  Serodiagnoetik  der 

Schwangerschaft“  von  R.  Freund . 701 

—  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  des  Nachweises  von 

auf  blutfremde  Stoffe  eingestellten  Ferment  n  .  1386,  1549 

—  Gedanken  über  den  spezifischen  Bau  der  Zellen  der  einzelnen 

Organe  und  ein  neues  biologisches  Gesetz  .  ...  2385,  2712 

—  Weiterer  Beitrag  zur  Frage  nach  dem  E*nfluss  des  Blut¬ 

gehaltes  der  Substrate  auf  das  Ergebnis  der  Prüfung  auf 
spezifisch  eingestellte  Abwehrfermeute  mittels  des  Dialysier- 
verfahrens.  (Aus  dem  physiologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Halle  a.  S.)  .  .  2774 

—  und  An  dr  ye  wsk  y ,  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  optischen 
Methode  und  des  Dialysierverfahrens  bei  Infektionskrank¬ 
heiten.  Untersuchungen  über  Tubeikulose  bei  Rindern. 

(Aus  dem  physiologischen  Institute  der  Universität  Halle  a.  S.)  1641 

—  und  Fodor,  Ueber  Abwehrfermente  im  Blutserum 

Schwangerer  und  Wöchnerinnen,  die  auf  Milchzucker  ein¬ 
gestellt  sind.  (Aus  dem  physiologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Halle  a.  S.) . 1880 

—  und  Schiff,  Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Spezifität 
der  Abwehrfermente.  Das  Verhalten  des  Blutserums 
schwangerer  Kaninchen  gegenüber  verschiedenen  Organen. 

(Aus  dem  physiolog  sehen  Institute  der  Universität  Halle  a.  S.)  1923 

—  und  Weil,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Fehlerquellen  des  Dia¬ 

lysierverfahrens  bei  serologischen  Untersuchungen.  Ueber 
den  Einfluss  des  Blutgehaltes  der  Organe.  (Aus  dem  Physio¬ 
logischen  Institute  der  Universität  Halle  a.  S.) . 1703 

Ae rzte Ordnung  und  Gesetz  über  die  Errichtung  einer  Aerzte- 
kammer  und  ärztlicher  Ehrengerichte  im  Grossherzogtum 

Hessen  .  ...  820 

Alexandrescu-Dersca,  Ueber  ein  neues  Verfahren  der  intra¬ 
venösen  Neusalvarsaninjektion.  (Spital  Filantropia.  III.  Medi¬ 
zinische  Klinik  zu  Bukarest) . 1601 

Allemann,  Marion  Sims . 138 

—  John  Shaw  Billings . 1096 

Althoff,  Ueber  zwei  Fälle  von  schwerer  Bleivergiftung  in  der 

Messingindustrie  ....  530 

Altmann  und  Dreyf  us  G.  L  ,  Salvarsan  und  Liquor  cerebrospi¬ 
nalis  bei  Frütisyphilis,  nebst  ergänzenden  Liquorunter¬ 
suchungen  in  der  Latenzzeit.  (Aus  der  dermatologischen 
Klinik  und  der  medizinischen  Klinik  des  städtischen 

Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.) .  464,  531 

Altstaedt,  s.  u.  Deyke  und  Altstaedt. 

Alwens,  Neuere  Fortschritte  in  der  Röntgentechnik  und  -dia- 

gnostik  (Ulustr.) .  2682  2740 

Andree,  Exstirpation  eines  kleinfaustgrossen  Hirnhauttumors 
in  Lokalanästhesie.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des 
Vereinskrankenhauses  zum  Roten  Kreuz  in  Bremen).  (Ulustr.)  528 
Andryewskys  u.  Abderhalden  und  Andryewsky. 

Anitschkow,  Ueber  experimentell  erzeugte  Ablagerungen  von 
Cholesterinestern  und  Anhäufungen  von  Xanthomzellen 
im  subkutanen  Bindegewebe  des  Kaninchen.  (Aus  dem 
pathologischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br.)  .  2555 
Ansprenger,  Einige  interessante  Missbildungen  der  männ¬ 
lichen  Generationsorgane.  (Aus  dem  patholog.  Institut  des 

Krankenhauses  München  Schwabing.)  (Illustr) . 1707 

Anton,  Zur  Erinnerung  an  Fritz  Gustav  v.  Bramann . 1438 

Arnold,  Ueber  orthotische  Albuminurie  und  ihre  Beziehungen 
zur  Tuberkulose  nach  Untersuchungen  bei  Hautkranken, 
inbesondere  bei  Hauttuberkulose  und  Syphilis.  (Aus  der 
Universitätsklinik  für  Hautkrankheiten  in  Würzburg)  .  .  458 

Ascher  s.  u.  Mehler  und  Ascher. 

Aschoff,  Wie  entstehen  die  reinen  Cholesterinsteine?  (Aus 

dem  pathologischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  B.)  1753 

— ,  Krönig  und  Gauss,  Zur  Frage  der  Beeinflussbarkeit 
tiefliegender  Krebse  durch  strahlende  Energie.  (Aus  dem 
pathologisch-anathomischen  Institut  und  der  Universitäts- 
Frauenklnik  zu  Freiburg  i.  Br.)  (Mit  einer  Tafel.)  .  .  337  413 
Auerbach,  Pericarditis  caseosa  und  Unfall.  (Aus  dem  israeli¬ 
tischen  Krankenhause  Köln-Ehrenfeld) . 1829 

Aumann,  Reiseskizzen  aus  Mittelbrasilien.  (Ulustr.)  . 1888 

Authenrieth  und  Funk,  Ueber  kolorimetrische  Bestimmungs¬ 
methoden:  Die  Bestimmung  des  Gesamtcholesterins  im 


Seite 

Blut  und  in  Organen.  (Mitteilung  aus  der  medizinischen 
Abteilung  des  chemischen  Universiiätslaboratoriums  zu 

Freiburg  i.  B.)  (Ulustr.) . 1243 

Authenrieth  und  Funk,  Zur  Kenntnis  der  Liebermannschen 
Cholestqlreaktion.  (Aus  der  med.  Abteilung  des  ehern. 
Universitätslaboratoriums  Freiburg  i.  Br.) . 1776 


Baar,  Ueber  Ureterenstrikturen,  die  eine  Nephrolithiasis  Vor¬ 
täuschen  .  2838 

Bachem,  Ein  haltbarer  Ersatz  der  Jodtinktur  in  fester  Form. 

(Aus  detn  Pharmakologischen  Institut  der  Universität  Bonn.)  2626 
Bacmeister,  Das  Auftreten  virulenter  Tuberkelbazillen  im  Blut 
na«  h  der  diagnostischen  Tuberkuliniujektion.  (Aus  der 

medizinischen  Universitätsklinik  Freiburg  i.  Br.) . 343 

Bade,  Zur  Behandlung  der  spondylitischen  Lähmungen  ....  1432 
Baer  G. -Davos,  Das  Perkussionsquantimeter.  (Aus  Dr.  Turbans 

Sanatorium,  Davosplatz.)  (Ulustr.)  . 132 

—  Ueber  extrapleurale  Pneumolyse  mit  sofortiger  Plombierung 

bei  Lungentuberkulose.  (Ihustr.) . 1587 

Baer  J.- Wiesbaden,  Vesikovaginalfistel  auf  intravesikalem  Wege 
geschlossen.  (Aus  der  urolog.  Privatklinik  Dr.  Henrique 
Bastos  in  Lissabon.)  (Illustr.) . .  .  2053 


— -  Littiotripsie  eines  walnussgrossen  Steines  (Inkrustation)  und 
nachfolgende  Extraktion  einer  Haarnadel  aus  der  Blase 

eines  siebenjährigen  Mädchens.  (Illustr ) . 2118 

Baermann  u  Heinemann,  Die  Behan  llung  der  Amöben¬ 
dysenterie  mit  Emetin.  (Aus  dem  Zentralhospital  zu  Pe- 

toemboekan  [Sumatras  Ostküste]) . 1210 

—  —  Die  Intrakutanreakt  on  bei  Syphilis  und  Frambösie. 

(Aus  dem  Zentral-Hospital  zu  Petoemboekan  [Sumatras 

Ostküste]).  .  1537 

Baetge,  Be  andlung  der  Malaria  tertiana  mit  Neosalvarsan.  (Aus 

der  med.  Klinik  Düsseldorf.)  (Ulustr ) . .  2776 

Bäumel,  Ueber  einen  Quellstiftträger.  (Ulustr.) .  2283 

Bä  um  ler.  Die  Differentialdiagnose  der  Pocken . 1361 

v.  Baeyer  H,  Mechanische  Behandlung  der  tabisehen  Ataxie. 

(Aus  der  orthopäd.  Station  des  Krankenhauses  München 

1.  d.  Isar.)  [Illustr]  .  2621 

Bang,  Ueber  den  klinischen  Nachweis  von  Hyperglykämie.  (Aus 

dem  medizinisch  chemischen  Institut  der  Universität  Lund.)  2277 


Bardach,  Zur  therapeutischen  Anwendung  intravenöser  Arthi- 
goninjektinnen.  (Aus  der  Univ.-Klinik  für  Haut-  und  Ge- 


schlechtekranke  in  Heidelberg.) .  2622 

Barladean,  Methoden  der  Wasserdestillation.  (Ulustr.).  .  .  .  1601 

Basler,  Einiges  über  den  Tastsinn.  (Illustr.)  .  . 1809 

Bass,  Untersuchungen  am  Blutserum  von  Gichtikern . 2176 

Bauer,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden . 1549 


Beck,  Ist  konstitutionelle  Syphilis  vom  Ohr  aus  zu  diagnosti¬ 
zieren?  (Aus  der  k.  k.  Universitäts-Ohrenklinik  in  Wien)  2778 
Behrendt,  Die  Folgen  der  neuen  zahnärztlichen  Prüfungsordnung  1213 
Benario,  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  Diabetes  insipidus. 

(Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  in 

Frankfurt.)  (Illustr.) . .  1768 

Benedek,  Ueber  Hautreaktionen  mit  Noguchis  Luetin  bei  Para¬ 
lytikern.  (Aus  der  neurologisch-psychiatr.  Universitätsklinik 
zu  Klausenburg  (Ungarn).  (Ulustr.)  (Mit  einer  Tafel)  .  .  .  2033 
Bennecke,  Ueber  pseudo  cholezystische  Symptome  bei  Typhus. 

(Aus  der  mediz.  Klinik  zu  Jena.) . 1251 

—  Behandlung  schwerster  Sepsis  mit  intravenöser  Infusion 
grösserer  Mengen  menschlichen  Normalserums  nach  voraus¬ 
gegangenem  Aderlass.  (Aus  der  medizin.  Klinik  in  Jena)  1926 

—  Klinische  Beobachtungen  über  „Isticin“,  ein  neues  Abführ¬ 


mittel.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Jena) .  2789 

Bennigson  s.  u.  Borchardt  und  Bennigson. 

Bergeat,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden.  (Aus  dem 
Institut  für  Orthopädie  und  Medikomechanik  von  Dr.  von 

Baeyer  und  Dr.  Bergeat  in  München) . 1377 

—  Zum  Ausbau  der  bayerischen  ärztlichen  Staudesorganisation 

(Ehrengeriachtsordnung) . 1834 

Berger,  F.,  Köln,  Weitere  statistische  und  klinische  Beobachtungen 

in  der  Salvarsantherapie  der  Syphilis .  2394 

Berger  H.,  Berlin,  Zur  Psychologie  der  falschen  LiteraLuxangaben  652 
Berger  H,  Jena,  Ueber  den  Nachweis  der  Spirochäten  des  Para¬ 
lytikergehirns  im  Tieiexperiment.  (Aus  der  psychiatr.  Klinik 
zu  Jena) . 1921 


259587 


1* 


IV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

v.  Bergmann,  G.,  Das  spastnogene  Ulcus  pepticum.  (Aus  der 


mediz.  Abteilung  des  Altonaer  Stadt-Krankenhauses.)  (Illustr.)  169 

—  Ueber  Beziehungen  des  Nervensystems  zur  motorischen 
Funktion  des  Magens.  (Aus  der  medizinischen  Abteilung 

des  A.tonaer  Stadt-Kiankenhauses)  . .  2459 

Bernoulli,  Einfluss  der  Digitalis  auf  die  Erholung  des  Herzens 
nach  Muskelarbeit  (Aus  dem  pharmakologischen  Institut 

der  Universität  Basel.)  (Illustr.) . 967 

Bertlich,  Thrombose  des  Sinus  cavernosus  bei  einem  5  Monat 
alten  Säugling.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik 

Hai  e  a.  S . 1435 

ßestelmeyer,  „Eine  Woche  Bauchchirurgie“  in  Düsseldorf  .  .  2709 
Bett  mann,  Ueber  kombinierte  Behandlung  des  Lupus  mit  Alt¬ 
tuberkulin  und  Aurum-Kalium  cvanatum.  (  Aus  der  Heidel¬ 
berger  Universität  Hautklinik) . 79H 

Beyer,  Ein  Fall  von  spontaner  Uterusruptur  in  der  Schwanger¬ 
schaft.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Landkrankenhauses 

zu  Hanau.)  (Illustr.) . 25 

Beyer  B.,  Ueber  die  Bedeutung  des  Abderhaldenschen  Dialysier- 
verfalircns  für  die  psychiatrische  Diagnostik.  (Aus  dem 
Bürgerhospital  in  Stuttgart  und  dem  Sanatorium  Herzog¬ 
höhe  in  Bayreuth.)' .  2450 

Beyer  W.,  Diphtheriebazillen  im  Harn.  (Aus  der  medizinischen 

Universitätsklinik  in  Rostock.) . 240 

—  Ueber  die  intravenöse  Anwendung  des  Diphtherie -Heil¬ 

serums.  (Aus  der  Medizinischen  Universitätsklinik  Rostock.) 
(Illustr.) . 1867 

Biberstein  s.  u.  Frank,  Rosenthal  und  Biberstein. 

Binswanger,  Die  Abderhaldensche  Seroreaktion  bei  Epilep¬ 
tikern  ...  .  . -  .  2321 

Bitter,  Ein  brauchbarer,  leicht  zu  beschaffender  Organextrakt 
zur  Anstellung  der  Wassermannscben  Reaktion.  (Aus  dem 

Kgl.  Hygienischen  Institut  in  Kiel.) . 1819 

Bittorff,  Friedrich  Albin  Hoffmann .  2524 

Blech  er,  Kampferöl  bei  Peritonitis  und  Douglasabszess.  (Aus 

dem  Garnisonlazarett  Darmstadt)  .  .  1261 

Bl  es,  Die  Köhlersche  Knochencrkrankung.  (Illustr.) . 1941 

Bleuler,  Träume  mit  auf  der  Hand  liegender  Deutung  .  .  2519 


Blümel,  Aktuelles  auf  dem  Gebiet  der  Lungentuberkulose  2796,  2846 
Boas,  Zwei  Fälle  von  Reinfektion  bei  Salvarsan-Quecksi lber- 


behandelten  Patienten  nebst  einer  Zusammenstellung  un¬ 
serer  Resultate  mit  der  kombinierten  Behandlung.  (Aus 

dem  R.  Berghs  Plospital  in  Kopenhagen.) .  2620 

Bo  dm  er,  Ueber  Chemotherapie  der  Lungentuberkulose,  speziell 
das  Finklersche  Heilveifahren.  (Aus  dem  Sanatorium  Cla- 

vadel  bei  Davos.) . 1756 

Bo  ecke  r,  Zur  operativen  Behandlung  des  chronischen  Oedems  1774 
Boehncke,  Beobachtungen  bei  der  Chemo-Serotherapie  der 
Pneumokokkeninfektion.  (Aus  dem  Kgl.  Institut  für  expe¬ 
rimentelle  Therapie  zu  Frankfurt  a.  M.) . 398 

Bo  hm,  Hegonon  in  der  Gonorrhöebehandlung .  2787 


Bollag,  Beitrag  zur  Kalziumtherapie  (Kalzine)  bei  Urtikaria  im 

AVochenbett.  (Aus  dem  Frauenspital  Basel-Stadt.)  ....  2514 
Borchardt  und  Bennigson,  Blutzuckeruntersuchungen  bei 
chronischen  Nephritiden.  (Aus  der  Kgl.  medizinischen  Klinik 


zu  Königsberg.) .  2275 

Bornstein,  Ueber  den  Stoffwechsel  der  Geisteskranken.  (Aus 
der  physiol.  Abteilung  am  allgemeinen  Krankenhaus  St.  Georg 

in  Hamburg.)  ...  •  1994 

Bossi,  Psychiatrie  und  Gynäkologie . •  .  .  .  .  134 

llrahm  s.  u.  Freund  und  Brahm. 

Brauer,  Ueber  die  Beschaffung  und  Bereitstellung  radioaktiver 

Substanzen .  2149 

Breiger,  Ueberblick  über  die  Entwicklung  und  die  Erfolge  der 

Lichttherapie  in  den  erden  15  Jahren . 363 

Brenner,  Ein  Beitrag  zur  Anwendung  des  Fibrolysins  bei 

chronischer  Pneumonie  . 1547 

Brix,  Ueber  einen  durch  Operation  geheilten  Fall  von  puerperaler 

Sepsis.  (Illustr.) . 1325 

—  Ein  Fall  von  Situs  inversus  totalis.  (Aus  der  Diakonissen¬ 
anstalt  zu  Flensburg) .  2790 

Br ommer,  Ueber  die  Behandlung  der  Bauchdecken  und  des 
muskulären  Beckenbodens  bei  Wöchnerinnen  mittells  des 
Bergonieschen  ATerfahrens.  (Aus  der  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  Erlangen.)  (Illustr.)  ...  2325 

Bruck  C.  K.  und  Glück,  Ueber  dio  Wirkung  von  intravenösen 
Infusionen  mit  Aurum-Kalium  cyanatum  (Merck)  bei  äusserer 
Tuberkulose  und  Lues.  (Aus  der  Kgl.  dermatolog.  Univer¬ 
sitätsklinik  zu  Breslau )  (Illustr.) . 57 

—  und  Sommer,  Ueber  die  diagnostische  und  therapeutische 
Verwertbarkeit  intravenöser  Arthigoninjektionen.  (Aus  der 
Kgl.  Dermatologischen  Klinik  zu  Breslau)  .......  1185 

Bruck  F. -Berlin,  Zur  persönlichen  Prophylaxe  der  Syphilis  .  .  650 

—  Uebor  den  diagnostischen  Wert  der  Abderhaldenschen 

Serumreaktion  (Fermentreaktion) . 1775 

Bruegel,  Bewegungsvorgänge  am  pathologischen  Magen  auf 
Grund  röntgenkinomatögraphischer  Untersuchungen.  (Aus 
dem  Röntgeninstitut  Dr.  Bruegel,  und  Dr.  Kaestle  zu 


München.)  (Illustr.) . . .  179,  593 


Seite 

Brün  eil  s.  u.  Flatow  und  Brtinell. 

Brüning,  Einfacher  Handschutz  bei  eitrigen  Operationen.  (Aus 

der  Chirurg.  Universitäts-Poliklinik  zu  Giessen . 1716 

Bruno,  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  der  spinalen  Kinderlähmung  1995 
Bucky,  Kombinierte  Augenelektrode  und  Augenirrigationsgefäss. 

(Illustr.) . 186 

—  und  Frank,  Ueber  Operationen  im  Blaseninnern  mit  Hilfe 

von  Hochfrequenzströmen.  (Illustr.)  . 348 

Biirker,  Die  physiologischen  AVirkungen  des  Höhenklimas  auf 

das  Blut  und  ihre  Deutung .  ...  2442 

Büttner- W  obst,  Die  von  Pirquetsche  Kutanreaktion  im  Diensto 

der  Schwindsuchtsprophylaxe . 133 

Bufe,  Erfahrungen  mit  Ureabromin  bei  der  Alkoholentziehung. 

(Aus  dem  Kurhause  AVilhelmshof  für  Alkohol-  und  nerven¬ 
kranke  Männer) .  2624 

Bumm  u.  Voigts,  Zur  Technik  der  KarzinombestraliluDg.  (Aus 

der  Universitäts  Frauenklinik  zu  Berlin.)  (Illustr)  ....  1697 
Burkhardt,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Chirurgie  der 

Leber  und  des  Pankreas . 1155 

Butzengeiger,  Erfahrungen  mit  Mesbe  in  der  Behandlung 
chirurgischer  Tuberkulosen.  (Aus  der  chirurgischen  Abtei¬ 
lung  der  städt  Krankenanstalten  zu  Elberfeld.) . 128 

• 

Caan,  Zur  Behandlung  maligner  Tumoren  mit  radioaktiven  Sub¬ 
stanzen.  (Aus  dem  Samariterhaus  zu  Heidelberg.)  ....  9 

—  Therapeutische  Versuche  mit  lokaler  Thoriumcliloridbe- 

handlungbei  Karzinommäusen  und  Sarkomratten.  (Aus  dem 
Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zuFrankfurt  a.  M.)  1078 

Chiari,  Ueber  familiäre  Chondrodystrophia  foetalis . 248 

Christen,  Vereinfachung  der  dynamischen  Pulsdiagnostik. 

(Illustr.)  . . 1372 

—  Zur  Extensionsbehandluug  der  Oberarmbrüche.  (Illustr.)  .  1545 

Cimbal,  Schutz  vor  Schlafmittelvergiftungen .  2626 

Cohn,  M. -Moabit Berlin,  Die  röntgenologischo  Darstellung  des 

Wurmfortsatzes . 1042 

Cohn  P.,  Mannheim,  Ueber  Behandlung  mit  „Hetoleinträufelung“ 

bei  Iritis . 979 

Conradi  E.,  Ueber  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  im 
Nasen-  und  Rachensekret  ernährungsgestörter  Säuglinge. 

(Aus  der  Kinderklinik  der  Akademie  für  praktische  Medizin 
zu  Köln.) . 512 

—  Tuberkulosenachweis  im  Tierversuch  mit  Hilfe  der  Pirquet,- 

schen  Reaktion.  (Aus  der  Kinderklinik  der  Akademie  für 
praktische  Medizin  zu  Köln.)  . 1592 

Conradi  II.,  Ueber  ein  neues  Prinzip  der  elektiven  Züchtung 
und  seine  Anwendung  bei  Diphtherie.  (Aus  der  Kgl.  Zen¬ 
tralstelle  für  Gesundheitspflege  in  Dresden.)  . 1073 

Cords,  Die  Bedeutung  der  „Sonderdruckzen'rale*  für  den  Aka¬ 
demiker  .  2681 

Gramer,  Ein  neuer  Amerikanismus  in  der  Medizin  . 251 

Crede,  Antiseptische  Behandlung  der  Perbouitis  .  . . 2117 

Credd-Hörder,  Ueber  die  „Spätinfektion“  der  Ophthalmoblen¬ 
norrhoe.  (Aus  der  Privat-Frauenklinik  San. -Rat  Dr.  Steffek 

und  Dr.  Crede-Hörder  zu  Berlin .  23 

Cremer,  John  Seemann  j .  ...  1831 

Cuno,  Erfahrungen  mit  Tuberkulin  Rosenbach.  (Aus  Dr.  Christs 

Kinderhospital  in  Frankfurt  a.  M ) . 25.15 

Cuntz,  Ueber  ungünstige  Wirkungen  des  Hexamethylentetramins 

(Urotropins).  (Aus  der  Hautklinik  der  Universität  Heidelberg)  1656 


Danielsen,  Allgemeine  eitrige  Peritonitis  durch  Bandwurm. 


(Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Beuthen  O.Schl.)  .  .  .411 

v.  Dapper  und  Jürgensen,  Ueber  die  Indikationen  des  Kis- 

singer  Neuen  „Luitpold- Sprudels“ . 808 

Daser,  Sir  Jonathan  Hutchinson . 1605 


David,  Akute  primäre  diphtherische  Lungenentzündung.  (Aus 

der  med.  Universitätsklinik  zu  Halle  a.  S.)  (Illustr.)  .  .  .  2341 
Decker,  Ueber  gutartige  Polypen  des  Mastdarms  und  des  S 
romanum.  (Aus  Dr.  Deckers  Sanatorium  für  Magen-,  Darm-, 
und  Zuckerkranke  in  München) . 589 

—  Ueber  eine  praktische  künstliche  Afterbandage  und  Mast¬ 

darmvorfallbandage.  (Aus  Dr.  Deckers  Sanatorium  für 
Magen-,  Darm-  und  Zuckerkranke  in  München).  (Illustr.)  700 

Denker,  Wird  in  Deutschland  der  praktische  Arzt  in  genügender 

Weise  in  der  Oto  Rhino-Laryngologie  ausgebildet?  ....  1606 
Dessauer,  Versuche  über  die  harten  Röntgenstrahlen  (mit  Berück¬ 
sichtigung  der  Tiefenbestrahlung).  (Illustr.) . 696 

—  Arbeiten  über  harte  Röntgenstrahlen . 1383 

Dessauer,  Fortschritte  in  der  Erzeugung  harter  Röntgenstrahlen. 

(Illustr ) .  2268 

Deycke  und  Altstaedt,  Anderthalb  Jahre  Tuberkulosetherapie 
nach  Deycke-Much.  (Aus  der  Direktorialabteilung  des  all¬ 
gemeinen  Krankenhauses  Lübeck) . 2217 

—  und  Much,  Einiges  über  Tuberkulin  und  Tuberkulose¬ 

immunität.  (Aus  der  V.  med.  Abteilung  und  dem  Institut 
für  experimentelle  Therapie  des  Eppendorfer  Kranken¬ 
hauses)  . 119,  190 


1913 


INHALTS-VERZEICHNIS 


V 


Seite  | 

Dieterle,  Hirschfeld  und  Klinger,  Studien  über  den  ende¬ 
mischen  Kropf.  (Aus  dem  Ilygieneinstitut  der  Universität 

Zürich.)  (Illu8tr.) . 1818 

Dietl,  Ueber  Arsenregenerin  und  Regonerin.  (Aus  dem  Kinder- 

spitale  der  allgemeinen  Poliklinik  in  Wien)  .......  2049 

Di  etlen,  Orthodiagraphie  und  Teleröntgenographie  als  Methoden 

der  llerzmessung,  (lllustr.)  . 17(13 

Döllner,  Eine  neue  Tafel  zur  Bestimmung  der  Sehschärfe  und 

Refraktion  der  Analphabeten.  (lllustr.) . 25(59 

Doorfler,  Bemerkungen  zur  Behandlung  der  Lungentuberkulose 
in  der  allgemeinen  Praxis  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Wilmschen  Pfeilerresektion  .  . . 12(58 


Doinikow,  Ueber  das  Verhalten  des  Nervensystems  gesunder 
Kaninchen  zu  hohen  Salvarsandosen.  (Aus  dem  Georg-Speyer¬ 


haus  und  dem  neurologischen  Institut  in  Frankfurt  a.  M.)  79(5 

Donati  s.  u.  Morpurgo  und  Donati. 

Dreisbach,  Auch  eine  ,, Pilzvergiftung“ . 591 

Dreuw,  Ueber  Druckscheidenspülungen  in  der  gynäkologischen 
Praxis  vor  vaginalen  Operationen  und  bei  der  Prostituierten¬ 
untersuchung.  (lllustr.) . 1382 


Dreyfus  s.  u.  Altmann  und  Dreyfus. 

Dreyfus,  Neosalvarsan  (Aus  der  Medizinischen  Klinik  des 

Städtischen  Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.) . (53U 

- —  Die  Injektion  konzentrierter  Altsalvarsanlösung  mit  der 


Spritze.  (Aus  der  Medizinischen  Klinik  des  Städtischen 

Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.)  (lllustr.) .  2333 

v.  Düring,  Vom  Kriegsschauplatz  in  Montenegro . 92(5 

Duhot,  Eine  neue  Spritze  zur  Injektion  von  konzentrierter,  unter 

Luftabschluss  bergestellter  Neosalvarsanlösung.  (lllustr.)  .  1U88 

Dunbar,  Dr.  Heino  Trautmann  f.  (lllustr.) .  2793 

v.  Düngern  und  H  alp  ern,  Ueber  Komplementbindungsreaktion 
mit  Liquor  cerebrospinalis  bei  Karzinom.  (Aus  der  bio¬ 
chemischen  Abteilung  des  Instituts  für  experimentelle  Krebs¬ 
forschung  in  Heidelberg) . 1923 

D  u  n  z  e  1 1 ,  Die  Ditferentialauszählung  der  weissen  Blutkörperchen 
in  der  Zählkammer.  (Aus  der  II.  medinischen  Klinik  zu 

München)  .  . . 261(5 

Durlacher,  Ueber  eine  Frühgeburtseinleitung  bei  platt  rachiti¬ 
schem  Becken  bei  Gravidät  des  rechten  Hornes  eines  Uterus 
bicornis  unicollis  mit  einigen  epikritischen  Bemerkungen  1882 


Ebstein,  Claude  Bernard . 2912 

Ehrenreich,  Ein  Momentverschluss  an  der  v.  Recklinghausen- 
schen  Armmanschette.  (Aus  dem  Med.-Poliklin.  Institut 

der  Universität  Berlin.)  (lllustr.)  ....  2792 

Ehrmann  und  Wolff,  Untersuchungen  am  Blutserum  von 
Gichtikern.  (Aus  dem  medizinisch-poliklinischen  Institut 

der  Universität  Berlin) . 2115 

Eichholz,  Die  Vermeidung  der  Anaphylaxiegefahr  durch  eine 
neue  Art  der  Serumeinverleibung.  (Injektionsfertiges  Trocken¬ 
serum.)  (Aus  der  bakteriologischen  Abteilung  der  chemischen 

Fabrik  von  E.  Merck  in  Darmstadt) .  2558 

Eich  mann,  Schwangerschafts-Toxikodermien  durch  Ringersche 

Lösung  geheilt.  (Aus  der  Hebammenschule  in  Osnabrück)  183 
Eicke,  Die  Goldreaktion  im  Liquor  cerebrospinalis.  (Aus  der 


dermatologischen  Abteilung  des  Rudolf-Virchow- Kranken¬ 
hauses  Berlin.)  (lllustr.)  .  .  . 2713 

Eijkman,  Ueber  die  Ursache  der  Beriberikrankheit . 871 

Eisler  s.  u.  Lenk  und  Eisler. 

—  Radiologische  Studien  über  Beziehungen  des  Nervensystems 

zur  motorischen  Funktion  des  Magens.  (Aus  dem  Röntgen¬ 
institut  der  allgem.  Poliklinik  in  Wien.) .  2734 

Ellis  s.  u.  Swift  und  Ellis. 

Emmerich  M. -Nürnberg,  Ueber  Rubidium  in  der  Quelle  des 

Bades  Adelholzen  (Primusquelle)  in  Oberbayern . (598 

Emmerich  R.  und  Loew- München,  Erfolgreiche  Behandlung 
des  Heufiebers  durch  lange  Zeit  fortgesetzte  tägliche  Chlor¬ 
kalziumzufuhr  .  2676 

Engelhorn,  Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft. 

(Aus  der  Universitäts  Frauenklinik  Erlangen.) . 587 

—  Ueber  die  Beeinflussung  des  Hämoglobinkatalysators  in  der 

Schwangerschaft  (Weichardtsche  Reaktion).  (Aus  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  zu  Erlangen.) . 1195 

Erhardt,  Experimentelles  über  Mäusekarzinom  . 1484 

Erlacher,  Zur  Behandlung  von  Skoliosen  durch  Gipsverbände 
nach  Abbott.  (Aus  der  chirurgisch-orthopädischen  Abteilung 

der  Universitäts-Kinderklinik  Graz.)  (lllustr.) . 1312 

Erne,  Funktionelle  Nierenprüfung  mittels  Phenolsulfonphtalein 

nach  Rowntree  und  Geraghty . 510 


Ertl,  Klinische  Versuche  mit  wehenanregenden  Mitteln.  (Aus 

der  Oberösterreichischen  Landes  Frauenklinik  Linz  a.  Donau.)  973 
Esch  P.,  Zur  Frage  des  Tuberkulosennachweises  durch  beschleu¬ 
nigten  Tierversuch.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts  Frauenklinik 


zu  Marburg.) . 187 

—  Die  Monopolisierung  der  Unfalltherapie . 1385 

Espeut,  Uterusruptur  nach  Pituglandol,  (Aus  dem  evangelischen 

Krankenhause  Gelsenkirchen.) . 1774 


Seite 

Ewald,  Eine  typische  Verletzung  am  Condylus  medialis  femoris. 

(Aus  dem  orthopädischen  Institut  von  Dr.  Ottendorf  und 
Dr.  Erwald  in  Hamburg  und  Altona.)  (lllustr.) . 16(52 


Fabian,  Ueber  die  Behandlung,  des  Lymphosarkoms.  (Aus  dem 

chirurgisch  poliklinischen  Institut  der  Universität  Leipzig.)  1870 
Faginoli,  Weiteres  über  die  Thermopräzipitinreaktion  bei  Tuber¬ 
kulose.  (Aus  dem  Institut  für  spozioll«^ Pathologie  innerer 

Krankheiten  der  Kgl.  Universität  Catania.)  . 1480 

Falkner,  Direkte  Behandlung  der  tuberkulösen  Peritonitis  mit 
Jod  präparaten.  (Aus  dem  öffentlichen  Krankenhause 

Deutsch-Liebau) . 978 

Faulhaber,  Zur  Diagnose  und  Behandlung  des  chronischen 

Ulcus  pylori.  (lllustr.) . 915,  983 

Fauser,  Zur  Frage  des  Vorhandenseins  spezifischer  Schutz¬ 
fermente  im  Serum  von  Geisteskranken . 584 

—  Die  Serologie  in  der  Psychiatrie  . •  .  1984 

Feiber,  Lithotripsie  oder  Lithotomie?  ...  247 

Fellenberg,  Eine  Pinzette  zur  Erleichterung  der  Peritonealnaht 

in  der  Tiefe  des  Beckens.  (lllustr.) . 2(580 

Felten-Stoltzenberg,  Ueber  negativen  Druck  in  den  langen 

Röhrenknochen  des  Hundes . 134 

Fi  chera,  Experimentelle, histologische  und  klinische  Forschungen 

über  die  Geschwülste . 2176 

Fiessler,  Zur  Frage  der  gesetzlichen  Bestimmungen  für  die 

ärztliche  Berufstätigkeit .  1831,  1884 

Finckh,  Der  Arzt  als  Patient  ....  361 

Finger,  Dichotomie  unter  Aerzten . 1385 

Finkeistein,  Otto  L.  Heubner  ...  703 

Finsterer,  Ueber  die  Freilegung  inoperabler  Magenkarzinomo 
zur  Röntgenbestrahlung  und  die  damit  erzielten  Erfolge. 

(Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  Iiofrat  Hochenegg 

in  Wien)  . . 855 

Fischei,  Jodipin  per  elysma  bei  Prostatitis . (551 

Fischer  A.  -  Karlsruhe ,  Die  Begriffe  „Soziale  Hygiene“  und 

„Soziale  Medizin“ . 1943 

—  Lehrreiche  Angaben  aus  dem  Statistischen  Jahrbuch  der 

Stadt  Berlin .  2737 

Fischer  B.  -  Frankfurt,  Das  Urteil  der  Frankfurter  Strafkammer 

im  Prozess  Spohr . 1550 

Fischer  J.-Bad  Nauheim,  Seekrankheit  und  Vagotonie  ....  1649 
Flath,  Zur  Kasuistik  der  subkutanen  Leberruptur.  (Aus  der 
chirurgischen  Abteilung  des  Krankenhauses  der  Barm¬ 
herzigkeit  in  Königsberg  i.  Pr.) .  75 

Flatow,  Praktische  Winke  zur  Bestimmun'g  der  Harnsäure  und 
und  Purinkörper  im  Urin.  (Aus  der  II.  mediz.  Klinik  der 
Akademie  für  praktische  Medizin  zu  Köln  a.  Rb.)  .  .  .  .  354 

—  und  B  r  ü  n  e  1 1 ,  Eine  klinisch  einfache  Methode  quantitativer 
Urobilinogenbestiramung.  (Aus  der  II.  mediz.  Klinik  der 


Akademie  für  prakt.  Medizin  Cöln  a.  Rh.) . .  .  .  234 

F  o  d  o  r  s.  a.  Abderhalden  und  Fodor. 

Foerster,  Zur  Psychologie  der  Aussagen  Unfallverletzter  .  .  .  1880 

Forcart,  Larosan  als  Ersatz  für  Eiweissmilch . 1199 

Fraenkel.  A.-Badenweiler-ITeidelberg,  Ueber  hustenstillende 

Mittel  und  über  ein  neues  Kodeinpräparat  . 522 

Fr  ä  nkel  J.,  Die  Entstehungsweise  übermässiger  Beckenneigung. 

(Aus  der  Kgl.  Chirurgischen  Universitäts  Klinik  in  Berlin.) 

(lllustr.) . 579 

Fran  c  k  E.-Berlin,  Das  neue  russische  Arbeiterversicherungsgesetz  301 
Frank  E.  R.  W.-Berlin  s.  a.  Bucky  und  Frank. 


Frank  C.  und  Rosenthal  H.,  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Spezifität  der  proteolytischen  Schutzfermente  (Ab¬ 
derhalden).  (Aus  der  medjz.  Klinik  der  Universität  Breslau.)  1425 

—  und  Biberstein,  Experimentelle  Untersuchungen  über 
die  Spezifität  der  proteolytischen  Abwehr  (Schutz)-fermente 

f  Abderhalden.)  (Aus  der  mediz  Klinik  der  Universität  Breslau.)  1594 

—  W.-Dudweiler,  Seltenheiten  aus  der  Praxis . 1149 

Frankhauser,  Ueber  die  Behandlung  einer  ausgedehnten 

schweren  Verbrennung  mit  dem  Warmluftstrom.  (Aus  der 

Bezirksheilanstalt  Stephansfeld  i.  E.) .  2625 

Freudenberg,  Ein  elektrisches  Beckendammheizkissen  in  Bade¬ 
hosenform.  (Aus  der  chirurgisch-urologischen  Privatklinik 

von  Dr.  A.  Freudenberg  in  Berlin.)  (lllustr.) . 981 

Freund  R.  und  Brahm,  Die  Schwangerschaftsdiagnose  mittelst 
der  optischen  Methode  und  des  Dialysierverfahrens.  (Aus 
der  Frauenklinik  der  Kgl.  Charitee  und  aus  dem  mediz  - 

chem.  Laboratorium.) . 685 

Freund  R.  und  Brahm,  Zur  Geschichte  der  Serodiagnostik  der 
Schwangerschaft.  (Aus  der  Frauenklinik  der  Kgl.  Charitee 
zu  Berlin.) .  . . 700 

—  Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  und  Tumor¬ 
kranken  . 7(53 

Fried,  Zur  Seradiagnostik  der  malignen  Geschwülste.  (Aus  dem 

medizin. -klinischen  Institut  der  Universität  München  .  .  .  2782 

Friede  mann,  Ueber  intravenöse  Dauerin  fussion . 12(54 

Fried  länder,  Seekrankheit  und  Vagotonie  ...  ....  1830 

Friedmann,  Ueber  intravenöse  Dauerinfusion.  (Ans  dem  kom¬ 
munalen  Krankenhaus  zu  Langendreer  i.  W.)  (lllustr.)  .  .  1022 


VI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Friedrich,  Aus  den  griechischen  Kriegslazaretten  zu  Saloniki 

und  Athen  am  Ausgang  des  zweiten  Balkankrieges  2497,  2570 

2628 

v.  Frisch,  Ueber  den  Farbensinn  der  Bienen  und  die  Blumen¬ 
farben  .  15 

Fritsch,  Erfahrungen  über  die  Röntgentherapie  der  tuberkulösen 

Halslymphome.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Breslau.)  2610 
Froesch,  Ueber  eine  Komplementbindungsreaktion  bei  ange- 
bnrnem  Schwachsinn  und  anderen  degenerativen  Zuständen 
des  Zentralnervensystems.  (Aus  dem  Hygieneinstitut  der 

Universität  Zürich.)  .  .  911 

Fromme  und  Ruhncr,  Die  Nierenfunktionsprüfung  mittels  des 
Phenolsulfonphthaleins.  (Aus  der  Universitäts- Frauenklinik 

der  Kgl  Charitee  zu  Berlin) . 588 

Frühwald,  Ueber  konzentrierte  intravenöse  Neosalvarsaninjek- 
tionen  (Aus  der  dermatologischen  Klinik  der  Universität 

Leipzig.)  ...  .  . .  .  .  2512 

Fuchs,  A -Kaufbeuren,  Tierexperimentelle  Untersuchungen  über 
die  Organspezifität  der  proteolytischen  Abwehrfermente 

(Abderhalden)  ...  .  2230 

Fuchs  H.,  Ueberleitungsstörung  im  Verlauf  der  Salvarsanbehand- 
lung  bei  einem  Patienten  mit  ppäter  Sekundärines.  (Aus 

der  dermatologischen  Klinik  in  Basel.)  illlustr.) .  2339 

Fuchs,  M -Liegnitz,  Beitrag  zur  Behandlung  gastrischer  Krisen  1327 
Fuchs,  R.-Miii.chen,  s.  u  Lampd  und  Fuchs. 

Fürth,  Ein  Bakterium  der  Faecalis-alcabgenes-Gruppe  als  wahr¬ 
scheinlicher  Erreger  bei  sechs  typhusähnlich  verlaufenen 
Erkrankungen  in  Ostasien.  (Aus  dem  Kaiserlichen  Gouverne- 
mentslazaiett  und  der  bakteriologischen  Untersuchungs¬ 
station  des  Gouvernements  Kiautschou  in  Tsingtau.)  .  .  .  2669 
Funk,  A.  Freiburg,  s.  u.  Autbenrieth  und  Funk. 

Funk,  C.-London,  Fortschritte  der  experimentellen  Beriberi- 
forschung  in  den  Jahren  1911-1913.  (Ans  der  bioche¬ 
mischen  Abteilung  des  Lister-Instituts,  London  SW  )  .  .  1997 

—  Diät  und  diätetische  Behandlung  vom  Standpunkt  der  Vitamin¬ 
lehre.  (Aus  dem  Cancer  Hospital  Research  Institute,  London  )  2614 


Galli,  Allgemeine  Eindrücke  von  Amerika  gelegentlich  der 
14.  deutschen  ärztlichen  Studienreise  .  .  .  .  . 

Gambaroff,  Die  Diagnose  der  t  ösartigen  Neubildungen  und 
der  Schwangerscha't  mittels  der  Abderhaldenscben  Methode. 
(Aus  dem  Krebsforschungen  stitutder  Universität  zu  Moskau) 
Gastpar,  Ueber  Angenuntersuchnngen  bei  Schulkindern.  (Illustr  ) 
Gatiss,  s.  u.  Aschoff,  Krönig  und  Gauss 

Gebb,  Experimentelle  und  klinische  Versuche  über  Chemo¬ 
therapie  b  i  der  DiplobazilUninfektion  dos  menschlichen 
Auges.  (Aus  der  Kgl  Universi'ä's- Augenklinik  zu  Greifswald) 
Geigel,  Die  Zäsur  im  hörbaren  Atmen . 

—  Konvexe  Kehlkopfspiegel . 

Geinitz,  Zur  Behandlung  der  Varizen  mittelst  des  Spiral -c.hn'ttes. 

(Aus  der  chirurgischen  Abteilund  des  St.  Johannes-Hospitals 

in  Bonn)  .  .  .  ....... 

Geissler,  Ueber  Blut  in  der  ^pinalfliissigkeit . 

Genneri  ch,  Die  Behandlung  von  Geschlechtskrankheiten  1556, 

—  Weitere  Beiträge  zur  Reinfectio  syphilitica  nach  Salvarsan 

und  zur  Biologie  der  humanen  Svphdis  ...  .  2391, 

Gerber,  Die  bisherigen  Erfahrungen  mit  der  Salvarsan-  und 
Neosalvarsanbehandlung  der  lokalen  Spirochfltoken  (Aus 
der  Kgl  Universitäts-Poliklinik  für  Hals-  und  Nasenkranke 
zu  Königsberg)  .  .  .  .  .  . 

—  Die  Behandlung  der  Hals-,  Nasen-  und  Ohrerkrankungen 

mit  Salvarsan  und  anderen  Arsen präparaten . 

Gerhardt,  Ueber  Scbulterschmetz  bei  Pleuritis.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  zu  Würzburg)  .  ....  .  .  . 

Gerlach,  Eine  sicher  fixierbare  Otodiatherm  -  Elektrode  und 
Messungen  über  den  Grad  der  Durchwärmung  des  Ohres 
bei  der  Otodiathermie.  (Aus  der  Abteilung  für  Ohren-, 
Nasen-  und  Halskranke  des  Stadtkrankenhauses  Dresden- 

Johannstadt)  (Illustr.) . . . 

Giemsa,  Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Spirochätosen.  (Ans 
dem  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten  in  Ham¬ 
burg)  (Illustr)  . 

Gildemeister,  Ueber  die  physikalisch  chemischen  und  physio¬ 
logischen  Vorgänge  im  menschlichen  Körper,  auf  denen 
der  psychogalvanische  Reflex  beruht.  (Ans  dem  physio¬ 
logischen  Institut  zu  Strassburg  i.  Eis.)  (Illustr.)  .  .  .  . 

Glaessner  und  Kreuzfuchs,  Ueber  den  Pylorospasmus.  (Aus 
der  IV.  med.  Klinik  und  dem  Röntgeninstitut  der  allgem. 

Poliklinik.)  .  . 

Glas-München,  Ueber  geistige  Erkrankungen  und  Fürsorge  für 

psychisch  Erkrankte  im  Kriege . 

Glück  s.  u.  Bruck  und  Glück. 

Glücksmann  und  Gobbi,  Desinfizierende  Wirhung  des 
Solargyls.  (Aus  dem  Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie 

der  Universität  Freiburg  in  der  Schweiz) . 

Goebel,  Ersatz  von  Finger-  und  Zehe  mhalan  gen.  (Aus  der 
Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin:  Chir.  Klinik  der 
K.  A.  Lindenburg.)  (Illustr.) . ' . 


139 

1644 

647 


964 

1926 

2679 


1257 

121 

16U9 

2460 


634 

2411 

2873 


2523 

1074 


2389 


582 

1496 

2788 


356 


Seite 

Go e bell  Ersatz  von  Fingergelenken  durch  Zehengelenke.  (Aus 
dem  Anscharkraukenhaus  und  der  Chirurg.  Universitäts- 

Poliklinik  in  Kiel.)  (Illustr.) .  . 1598 

Goetz,  Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen . 1097 

Goldstein,  K.,  Ein  Fall  von  Akromegalie  nach  Kastration  bei 
einer  erwachsenen  Frau.  (Vus  der  Nervenpoliklinik  der 
psychiatrischen  Klinik  der  Universität  Königsberg  i.  Pr.)  .  757 

Goldstein,  M.,  Ein  kasuistischer  Beitrag  zur  Chorea  chronica 
heroditaria.  (Aus  der  Kgl.  Universitätsklinik  für  Nerven- 
und  Geisteskrankheiten  in  Halle  a.  S.)  .  .  .  .  .  .  1659 

Gorn,  Ueier  Versuche  mit  kolloidalem  Palladiumhydroxydul 
„Leptinol“.  (Aus  der  Brandenburgischen  Provinzialirren¬ 
anstalt  Sorau ) . 1935 

Goudsmit,  Zur  Technik  des  Abderhaldenschen  Dialysierver- 

fabrens  . 1775 

Gräf  E.,  Ein  vergessener  geburtshilflicher  Handgriff  .  .  .2910 

Grafe,  Die  Stellung  des  Eiweisses  im  Stoffwechsel  des  fiebernden 
Menschen  und  ihre  theoretische  und  praktische  Bedeutung. 

(Aus  der  medizin  Klinik  in  Heidelberg.) . 569 

Grassmann,  Aerzi  liehe  Besichtigungsreise  nach  Bad  Reichen¬ 
hall  am  9.  und  10  Vlai  1913  . 1151 

—  15  Fall«  paroxysmaler  Tachykardie . 1597 

—  Muss  die  Prognose  der  Herz-  und  Gefässerkrankungen  auf 

dem  toten  Punkte  bleiben? .  2503 

Graul,  Ueber  neuere  Anschauungen  in  der  Ernährungstherapie 

des  D  abetes  mellitus  .  ...  421 

Grober,  Ueber  Selbstheilung  von  Basedowscher  Krankheit. 

(Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Jena.)  (Illustr.)  8 

—  Fortschritte  in  der  Behandlung  des  Diabetes  mellitus  (Illustr.)  927 
Groedel,  F.  M.,  Vierjährige  Erfahrungen  mit  unterbrecherlosen 

(Gleichrichter)  Röntgenapparaten  und  einige  wichtige 
Neuerungen  an  denselben.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage 
der  Apparatbeurteilung  durch  den  Arzt.  (Ans  der  inneren 
Klinik  des  Hospitals  zum  Heiligen  Geist  in  Frankfürt  a.  M.  471 

—  Die  röntgenologische  Darstellung  des  Prozessus  vermiformis. 

(Aus  der  inneren  Klinik  am  Hospital  zum  heiligen  Geist 

in  Frankfurt  a.  M.)  (Illustr.) .  744,  1042 

—  Versuche  über  die  harten  Röntgenstrahlen . 1090 

Grosser  und  Schaub,  Zur  Pathologie  des  Morbus  Banti.  (Aus 

der  Kinderklinik  des  städtischen  Krankenhauses  in  Frank¬ 
furt  a.  M .  76 

Grote  s.  u.  Schnitz  und  Grote. 

Grünherg,  Beitrag  zur  Behandlung  der  Lues  mittelst  Aurum 

Kalium  Cyanatum .  ...  .  1711 

Grünwald,  Ein  einfaches  Verfahren  der  tracheo-bronchialen 

Injektion  zur  As  hmabehandlung . 1377 

Grumann,  Zur  Kasuistik  der  l’itnitrinwirknng . 1436 

Grund,  Feber  atrophische  Myotonie.  (Aus  der  med.  Klinik  in 

Halle  a  S)  (Illustr.) .  863,923 

v.  Gu  1  a  t-W  « 1 1  e  n  b  u  rg,  Ein  ausserordentlicher  Fall  von 

menschlichem  Wiederkäuen,  illlustr.)  .  .  .  .  .  .  2568 

Gundermann,  Ueber  eine  häufige  Anomalie  der  unteren  Brust¬ 
wirbelsäule.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Giessen.) 
(lllusir.) .  . 1878 

—  Zur  Pathologie  des  grossen  Netzes.  (Aus  der  chirurgischen 

Klinik  zu  Giessen.)  ....  2278 

—  Zur  Pathologie  der  Leber.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik 

zu  Giessen  ) .  .  2332 

Gunsett,  Eine  Fehlerquelle  beim  Ablesen  der Sabourand-NoirA 

Tabletten.  (  llustr  )  . .  .  980 

G werder,  Die  Plombierung  der  tuberkulösen  Lunge.  (Aus  dem 

Sanatorium  Arosa  in  Arosa.)  ...  2668 


Härtel,  Salvarsan  bei  Chorea  gravidarum.-  (Aus  der  Provinzial- 

Frauenklinik  und  He*  ammonschule  zu  Breslau.) . 184 

Häuer,  Ein  seltener  Fremdkö' ner  in  der  männlichen  Harnröhre  530 
Hahn  B.,  Ueber  intravenöse  Melubrintheranio.  (Aus  der  inneren 

Ab'eilung  der  Krankenanstalt  Magdeburg-Sudenburg.)  .  2232 
Hahn  H,  Ueber  die  erfolgreiche  Behan  ilung  von  haemophilen 
Blutungen  mittels  des  Thermokauters.  (Aus  der  Univers.- 

Kinderklinik  in  Heidelberg.)  .  . 971 

Halpern  s.  u.  v.  Düngern  und  Halpern. 

Halpern,  Ueher  Serodiagnost  k  der  Geschwülste  mittelst  Kom 
plemeutablenkumrsieaktion.  (Ans  der  serologischen  Ab¬ 
teilung  des  Instituts  für  experimentelle  Krebsforschung.)  914 
Hamburger  F,  Wien,  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  des 
Nachweises  von  auf  blutfremde  Stoffe  eingestellten  Fer¬ 
menten  .  1549 

—  Bemerkungen  zu  dem  Artikel  Abderhaldens  „Gedanken 
über  den  spezifischen  Bau  der  Zellen  d--r  einzelnen  Organe 

und  ein  neues  biologisches  Gesetz“  .  2711 

Hamburger  V.,  Steinfeld,  Die  hämatologische  Diagnose  der 

Röteln .  ....  . 2120 

Hamm.  Ein  seltener  Fall  von  Kolipyämie;  zugleich  ein  Beitrag 
zur  klin.  Bedeutung  des  Bakterienanaphylatoxins.  (Aus 
der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Strassburg.)  (Illustr.)  .  .  292 

Hammer,  Ein  neues  Wundpulver . 1150 

Hanssen,  Ueber  den  Geburtenrückgang . 2004 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


VII 


Seite 

H  apk  o,  Experimentelle  and  klinische  Untersuchungen  über  Kreis- 
laufdiagnostik  mit  d<-m  Ene  gometer.  (Aus  der  inneren 
Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  Altona  a.  E.)  - 

(lllustr.)  ....  1473 

Harbitz,  Ueher  angeborene  Tuberkulose.  (Vom  pathologisch- 

anatomischen  Institut  zu  Christiania  in  Norwegen.)  .  .  .  741 

Ha  rmsen,  Radfahren  unter  aktiver  Beteiligung  eines  Beines  mit 

steifem  Kniegelenk.  (lllustr.) .  ....  78 

Hartmann  E. -Sanatorium  Schömberg  b.  Wildbad,  Ueber  ambu¬ 
lante  Tuberkulinbehandlut  g .  2001 

Hartmann  J.-Leipzig,  Zur  Sensibilität  des  Peritoneums  und  der 

Bauchfaszien  .  2729 

Hartmann  J.,  Beitrag  zur  ambulanten  Tuberkulinbehandlung. 

(Aus  der  Lnngenfürsorgestelle  Pfaffenhofen  a.  Ilm)  ....  1710 

—  Zur  ambulanten  Tuberkuhnbehandlung  .  2406 

Har  tu  n  g ,  Beitrag  zur  Beseitigung  der  Emboliegefahr  bei  l  araffin- 

injektionen .  2730 

H  a  u  c  k  ,  Spontane  tödliche  Gehirnblutung  bei  einem  Hämophilen. 

(Aus  der  medizinischen  Kl  nik  in  Erlangen.)  (lllustr.)  .  .  1147 

—  Ueber  tödliche  Wirkung  des  Aurum  Kalium  cyanatum  als 

Blutgift  beim  Menschen.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Erlangen.)  1824 

Hau  de  k  s.  u.  Holzknecht  und  Haudek. 


Hauser,  Vierlinge  und  Vierlingsmütter.  (Aus  der  grossherzogl.- 

meklenhurg.  Universitäts-Frauenklinik  Rostock.)  (lllustr.)  812 
Hausmann,  Die  Psoaspalpat'on  und  der  Psoasschmerz  .  .  .  2517 

Haymann,  Zur  Pathologie  und  Klinik  der  otogenen  Grosshirn- 
ahszesse.  (Auh  der  K.  Universitäts  Ohrenklinik  und  -Poli¬ 
klinik  in  München.) . .  .  • . 65,  135 

Hegar,  Beitrag  zur  Frage  der  Sterilisierung  aus  rassehygienischen 

Gründen .  .  .  .  .  . 243 

Hegner,  Zur  Anwendung  des  D'alysierverfahrens  nach  Abder¬ 
halden  in  der  Augenheilkunde.  (Aus  der  Universitäts- 

Augenklinik  Jena.) . 1138 

—  Ueber  experimentelle  Uebertragung  von  Tumoren  auf  das 

Auge  . .  .  .  .  ....  2722 

Heidenhain  A.,  Kurze  Bemerkungen  über  Dämmerzustände  .  2175 
Heidenhain  L„  In  di  kationsstell  ung  beim  akuten  Stein  Verschluss 
des  Ductus  choledochus  nebst  statistischen  und  technischen 
Bemerket  gen.  (Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu 

Worms  a.  Rh) .  . 1019 

Heilner  und  Petri,  Ueber  künstlich  herbeigeführte  und  natür¬ 
lich  vorkommende  Bedingungen  zur  Erzeugung  der  Abder¬ 
haldensehen  Reaktion  und  ihre  Deutung.  (Aus  der  Kgl. 
Universitäts-Frauenklinik  München  und  dim  pathologischen 
Institut  des  Krankenhauses  München-Schwabing.)  In30,  1775 
Heimann,  Zur  Bewertung  der  Abderhaldenschen  Schwanger¬ 
schaftsreaktion.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu 

Breslau.) . .  .  .  . 915 

Heimann  F.,  Thymus,  Ovarien  und  Blutbild.  Experimentelle 

Untersuchungen.  (Aus  derKgl.Univ -Frauenklinik  zu  Breslau)  2829 
Heine,  Ueber  die  Höhe  des  Hirndruckes  bei  einigen  Anyen 

krankheiten. (Aus  der  Universitäts-Augenklinik  zuKiel  )1305,  2441 
Heineke,  Wie  verhalten  sich  die  blutbildenden  Organe  beider 
modernen  Tiefenbesirahlung?  (Aus  der  chirurgischen  Uni¬ 
versitäts-Poliklinik  in  Leipzig.)  ...  .  .  '  .  .  .  2657 

Heinemann  H. -Sumatra  s.  u.  Baermann  und  Heinemann. 

Hein  emann  O.- Berlin,  Irrtümliche  Karzinomdiagnose  infolge 

eines  grossen  Speichelsteins .  1940,  2711 

Heinrichsen,  Ein  Fall  von  Verletzung  durch  Hornstich  .  .  .  2283 
Heinz,  Diogonal  Ein  bromhaltiges  Derivat  des  Veronals  =  Di- 

brompropyldiäthylbarbitursäure . 2618 

Helferich,  Ueber  operative  Nearthrosis  . .  2769 

H eis  ler,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden  .  2460 

H  e  1 1  i  n  ,  Die  Beeinflussung  von  Lungenerkrankungen  durch  künst¬ 
liche  Lähmung  d>  s  Zwerchfells  (Phrenikotomie)  ...  .  872 

Helly,  Zur  Pathologie  der  Nebenniere.  (Aus  dem  pathologisch¬ 
anatomischen  Institut  zu  Würz  bürg.) . 1811 

He  n  dry  s  u.  Schlimpert  und  Hendrv. 

Hengge,  Scheiden  pul  verbläser  „Antileukon“.  (lllustr.)  ....  2680 
Henius,Ein  neuer  Gärungssaccharome'er  (Diabetometer).  (lllustr  )  1603 
Henrich,  Beitrag  zur  Klinik  der  direkten  UnterHiichnngsmethoden. 

(Aus  der  grossherzoglichen  Universitätsklinik  für  Hals  und 

Nasenkranke  in  Freiburg  i  Br.  (lllustr.)  .  2666 

Hentig,  Alkohol  und  Verbrechen  in  Bayern  .  .  2525 

v.  Herff  ().,  Verbesserte  Serres  fines.  (Aus  dem  Frauenspital 

Basel  Stadt.) . 2912 

Herrenknecht,  Ein  einfacher  Nasenersatz.  (Aus  der  zahn¬ 
ärztlichen  Universitäts-Poliklinik  Freibnrg  i.  Br.)  .  .  .  .  2842 

Herrligkof  fer  und  Lipp,  Neuere  klinische  Erfahrungen  über 
die  Wirksamkeit  der  Dt'irkheimer  Maxquelle.  (Aus  dem  In¬ 
validen-  und  Genesungsheim  Ichenhausen  der  Landesver- 

sicherungsan-ta’t  Schwaben  )  .  1932 

Herrmann,  Ueber  Radium,  seine  therapeutische  Anwendung 

und  Wirkung .  .  .  2236 

Hertel,  Ueber  die  Verminderung  des  Augendrucks  beim  Coma  dia- 

boticum.  (Aus  der  Universitäts-Augenklinik  Stmsshurg  i  Eis  )  1191 
Herxhe  im  er  G  ,  Ueber  -de  Lymphoblasten-  (grosszeilig  lympha¬ 
tische)  und  Mvolob'aHtenleukämie.  (Aus  dem  pathologischen 
Institut  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Wiesbaden)  2506,  2573 


Seite 

Herxheimer  K. -Frankfurt,  Nachtrag  zu  meiner  Mitteilung  „Hei¬ 
lung  eines  Falles  von  Hautsarkomatose  durch  Thorium  X“  185 

—  Ueber  Haarbruch.  (Aus  der  dermatolog  sehen  Klinik  des 
städtischen  Krankenhauses  in  Frankfurt  a.  M.)  (lllustr.)  .  1141 

Her  zb  erg,  Eine  neue  Ab  rtuszange  (lllustr.)  .  ....  2120 

Herzog,  Kritisches  zur  Verkürzung  der  Knochenleitung  hei  nor¬ 
malem  Gehör.  (Aus  der  Königl.  Universitäts-Ohrenklinik 

München)  .  18,  79 

Heubner,  Ueber  die  Wirkung  von  intravenösen  Infusionen  mit 

Aurum-Kalium  cyanatum . 357 

v.  Heuss,  Die  ambulante  Behandlung  des  varikösen  Symptomen- 
komplexes  —  insbesondere  des  Unterschenkolgoschwüres  — 

mit  der  Klebrobinde  .  .  2172 

Hildebrand  B.-Fro  bürg,  Ein  Beitrag  zur  Behandlung  der  Er¬ 
krankung  an  Oxyuris  vermibularis  .  .  .  131 

Hildebrandt  W. -Freiburg,  Ctdoroformnarkose  und  Leberkrank¬ 
heiten  . 527 

—  Hepatitis  parenchymatosa  .  .  .  . .  2529 

Hirsch  A.-Wien,  Icterus  neonatorum  und  GallenfarbstofEsekretion 

bei  Föten  und  Neugeborenen  .  .  .  2346 

Hirsch  G.- Halberstadt,  Zur  Behandlung  der  Tabes,  besonders 

.  der  Schmerzen  und  Parästhesien .  ...  1036 

Hirsch  Gg  ,  Die  Röntgentherapie  bei  Myomen  und  Fihrosis  nteri. 

(Ans  der  Kgl.  Poliklinik  für  Frauenleiden  zu  München)  .  .  906 
Hirschfeld  s.  u.  Dieterlo,  Hirschfeld  und  Klinger. 

Hirschko witz.  Röstweizen  als  Diütotikum  ......  409 

Hirz,  Vergleichende  Untersuchungen  über  die  Wirkung  von  Uzara 
und  Opium.  (Aus  dem  pharmakologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Marbu'g  a.  L.)  (lllustr.) . .  .  .  .  2220 

Hoehl,  Zur  Kenntnis  der  Neosa1 varsanwirkung  bei  Keratitis 
parenchymatosa.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts  -  Augenklinik 

München)  ...  .72 

v.  Hoesslin,  Ueber  Lymphozytose  bei  Asthenikern  und  Neuro- 

pathen  und  deren  klinische  Bedeutung .  1129,  1206 

Hötzel,  Neue  Gesichtspunkte  für  die  therapeutische  Anwendung 
des  Kamphers,  insbesondere  in  bezug  auf  die  Behandlung 

der  Lungenentzündung . 2793 

Hoff  mann  J. -Breslau,  Seearankheit  und  Hypnose .  2054 

Hoffmann  M,  Ueber  doppcltbrechende  Myeline  in  Katarakten 

(Aus  der  Kgl.  Universitäts-Augenklinik  zu  München.)  .  .  .  741 

Hoffmann  R.  München,  Ueber  das  Anovarthyreoidserum  .  .  693 

Hofmann  A-Offenburg.  Zur  Operation  der  akuten  Pankreatitis  2456 
Hofmeister,  Beiträge  zur  Chirurgie  des  Choledochus.  (Aus 
dem  Karl-Olga-Krankenhaus  und  dem  Ludwigsspital  zu 

Stuttgart.)  .  .  ...  .  .  ...  225 

Hohlweg,  Weitere  Erfahrungen  über  die  Behandlung  der 
Pyelitis  mit  Nierenbeckenspülungen.  (Aus  der  medizin. 
Klinik  in  Giessen  ) .  1420,  1491 

—  Zur  Funktionsprüfung  der  Leber.  (Aus  der  medizinischen 

Klinik  Giessen.) .  .  2271 

Hohmann,  Meine  Erfahrungen  mit  der  Stoffelschen  Operation 

bei  spastischen  Lähmungen.  (lllustr.)  . .  .  1368 

Holzknecht  s  u.  Singer  und  Holzknecht. 

Holzknecht,  Eine  Fehlerquelle  beim  Ablesen  der  Sabouraud- 

Noirö  Tabletten .  .  ....  1150 

—  Das  neue  Zentra'röntgeninstitut  im  k.  k.  allgemeinen  Kran¬ 
kenhause  in  Wien  und  einige  technische  Neuerungen. 

( 1 1 1  us  t )  ...  ...  .  .  .  .  ■  ...  1698 

—  Durchleuchtungs  Kompressorium  mit  Bucky-Effekt.  (Illu“tr.)  2727 

—  und  Haudek,  Rewegungsvorgäuge  am  pathologischen 
Magen  auf  (trund  röntgenkinematographischer  Untersuchung  413 

—  und  Sgalitzer,  Papaverin  zur  röntgenologischen  Ditfe- 
rentialdiagnose  zwischen  Pv lorospasmus  und  Pylorusstenose. 

(Aus  dem  Zentralröntgenlaborator. um  des  Wiener  allge¬ 


meinen  Krankenhauses.)  .' . 1989 

Hübschmann,  Spätperforation  eines  Meckelschen  Divertikels 
nacn  Trauma.  (Ans  dem  pathologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Leipzig,  (lllustr.) .  2051 

Hu  eck  s.  u.  Wacker  und  Hueck. 

Hüssy,  Ein  Fall  von  tödlicher  Peritonitis  nach  Laminariadila- 

tation.  (Aus  dem  Frauenspital  Baselstadt.)  .  .  ...  922 

Hügel,  Radium-  und  Mesothorbestrahlung  bei  Schwerhörigkeit 

und  Ohrensausen  ...  .  2110 

H  u  i  s  m  a  n  s ,  Der  Telekardiograph,  ein  Ersatz  des  Orthodiagraphen. 

(lllustr.) .  2400 

Jacob,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Myositis  (Aus  der  medizi¬ 
nischen  Klinik  in  Würzburg)  (lllustr)  ...  .  1089 

Jäger,  Ein  neuer,  für  di-  Prax's  brauchbarer  Sekaleersatz  (Tenosin). 

(Aus  der  Kgl.  Universitäts  Frauenklinik  in  Erlang-  n)  .  1714 
Jakob  u.  Weygandt,  Mittei1  nngen  über  experimentelle  Syphilis 

des  Nervensystems,  (lllustr.)  .  ....  21)37 

Jancke,  Beitrag  zur  Diagnostik  der  Rückenmarkstumoren.  (Aus 

der  med.  Uni versitätskl  nik  zu  Jena.)  (Illus  r)  .  .  1033 

Janeway,  Eine  neue  Gastr  'tomiemethode.  (Aus  der  Abteilung 
für  experimentelle  Chirurgie  an  der  Universität  von  New 
York  und  Bellevue  Hospital  medical  College.)  (lllustr.)  .  1705 


VIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Jansen,  Ein  einfacher  Verband  zur  Behandlung  des  Schlüssel¬ 
beinbruches.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Städtischen 

Krankenhauses  in  Stralsund.)  (Illustr.) . 474 

.laschke,  Ueber  die  Verwendung  des  Narkophins  in  der  Ge¬ 
burtshilfe.  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Giessen.)  72 
.Telke,  Intraperitoneale  Anwendung  von  Kollargol  bei  diffuser 

eiteriger  Peritonitis.  (Aus  dem  Kreiskrankenhaus  Bernburg).  1828 
J  e  n  s  e  n  ,  Ueber  Nitritintoxikation  bei  der  Injektion  der  Beckschen 

Wismutpaste.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  Dresden.)  (Illustr.)  12(12 
Jessen,  Beitrag  zur  Freundschen  Emphysemoperation.  (Aus 

dem  Waldsanatorium  Davos) . 1033 

Ueber  Pneumolyse.  (Aus  dem  Waldsanatorium  Davos)  .  1591 

—  Eine  neue  Rippenschere  und  ein  neuer  stumpfer  Muskel¬ 
haken.  (Aus  dem  Waldsanatorium  Davos.)  (Illustr.)  .  .  .  2733 
Ingebrigtsen,  Regeneration  von  Achsenzylindern  in  vitro.  (Aus 


dem  Laboratorium  des  Rockefeiler  Institute  for  Medical 

Research,  New  York.)  Illustr.)  .  .  • . 22(55 

Jö  dicke,  Die  differentialdiagnostische  Abgrenzung  einiger 
Krampfformen  durch  das  Blutbild.  (Aus  den  Kückenmühler 

Anstalten  in  Stettin.  (Illustr.) . .  1085 

J  o  1 1  e  s ,  Azotometer  zur  quantitativen  Bestimmung  des  Harnstoffes, 
der  Harnsäure  und  der  Purinbasen  im  Harne.  (Aus  dem 
chemisch  mikroskopischen  Laboratorium  von  Dr.  M.  und 

Prof.  Dr.  Ad  Jolles  in  Wien.)  (Illustr.) .  2345 

Jores,  Ueber  eine  verbesserte  Methode  der  Konservierung  ana¬ 
tomischer  Objekte . 976 

Josefson,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Möglichkeit 
einer  Uebertragung  der  Kinderlähmung  durch  tote  Gegen¬ 
stände  und  durch  Fliegen.  (Aus  der  Medizin.  Staatsanstalt 

[Bakteriol.  Abteilung]  in  Stockholm . 69 

Issel  s.  u.  Schlimpert  und  Issel. 

Jüngling,  Bedingt  die  Methode  der  Hautdesinfektion  mit  Jod¬ 
tinktur  eine  Gefahr  der  Jodintoxikation  für  den  operierenden 
Arzt?  (Aus  der  Kgl.  chir.  Universitätsklinik  zu  Tübingen.) 

(Illustr.) . 1766 

Jürgensen  s.  u.  v.  Dapper  und  Jürgensen. 

Jungmann,  Die  Abhängigkeit  der  Nierenfunktion  vom  Nerven¬ 
system.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu 

Strassburg  i.  Eis.) . 1760 

Junker,  Zur  Goldzyanbehandlung  der  Lungentuberkulose.  (Aus 

der  Lungenheilstätte  Cottbus  bei  Kolkwitz.) . 1376 

Justi,  Ueber  Ruhr  und  ihre  Behandlung .  ....  764 

Ivaefer,  Zur  Behandlung  des  Schlüsselbeinbruchs.  (Aus  dem 
Krankenhaus  „Rotes  Kreuz“  für  Fabrikarbeiter  in  Odessa ) 

(Illustr.)  . 1599 

Kämmerer,  Zur  Frage  der  antitryptischen  Wirkung  des  Blut¬ 
serums.  (Aus  dem  medizinisch-klinischen  Institut  der 

Universität  München.)  . 1873 

Käsbohrer,  Erfahrungen  mit  Noviform.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg. 

Univer.-Poliklinik  München)  .  2455 

Kaestle,  Vereinfachte  Magen- Bioröntgenographie.  (IlluHtr.)  .  .  346 


Kaestner,  Der  Arzt  in  der  Rechtsprechung  302,  872,1495,1554,2287 

—  Das  erste  Vierteljahrhundert  der  preussischen  Aerztekammern  1097 

—  Das  ehrengerichtliche  Verfahren  und  die  Rechtsprechung 

des  preussischen  Ehrengerichtshofes  für  Aerzte  in  den 
Jahren  1912/13  ...  2527 

—  Muss  der  Arzt  kommen? .  2795 

Kabanow,  Ueber  die  Diagnose  der  Magendarmaffektionen  mit 

,  Hilfe  des  Abderhaldenschen  Dialisierverfahrens.  (Aus  dem 
physiologischen  Institut  und  aus  der  medizin.  Klinik 

Halle  a.  S . 2164 

Kahn  E.,  Zum  Nachweis  der  „Tuberkelbazillen“  im  strömenden 
Blut.  (Aus  der  Direktorialabteilung  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Nürnberg.) . 345 

Kahn  F.,  Der  Einfluss  von  Thorium  X  auf  keimende  Pflanzen. 

(Aus  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Kiel.  (Illustr)  454 
Kall,  Die  praktische  Verwendbarkeit  der  provozierenden  Wirkung 


des  Salvarsans.  (Aus  der  Hautabteilung  in  Jena)  ....  803 
Kanngiesser,  Hat  die  Blutsverwandtschaft  der  Eheleute  einen 

schädlichen  Einfluss  auf  die  Gesundheit  der  Nachkommen?  762 
Kantorowicz,  Ein  Fall  von  Kieferaktinomykose  odontogenen 
Ursprungs.  (Aus  dem  Kgl.  zahnärztlichen  Universitäts¬ 
institut  zu  München.)  (Illustr.)  . 1938 

Katz,  Ueber  intravenöse  Injektionen  von  konzentriertem  Neo- 
salvarsan.  (Aus  der  Hautabteilung  des  städtischen  Kran¬ 
kenhauses  Nürnberg) . .  2337 

Ivauffmann  M.-IIalle,  Ueber  ein  neues  Entfettungsmittel:  kolloi¬ 
dales  Palladiumhydroxydul  („Leptynol“) . 525 

—  Weitere  Erfahrungen  mit  kolloidalem  Palladiumhydroxydul 

(Leptynol)  .  . . 1260 

Kaufmann  E,  Emil  Ponfick .  2843 

Keil,  Die  Bewegung  des  Brustkorbs  bei  der  Atmung.  (Aus  dem 

Prager  Handelsspitale.)  (Illustr.) .  2457 

Keller,  Ueber  Funktionsprüfungen  der  Ovarialtätigkeit.  (Aus 

der  Universitäts-Frauenklinik  Strassburg  i.  Eis) . 2162 

Kellner,  Die  mongoloide  Idiotie.  (Illustr.) . 746 

Kessler  s.  u  Schmiz  und  Kessler. 


Seite 

Kessler,  Tuberkelbazillenuachweis  im  Blut.  .  . . 346 

Kielleuthner,  Ueber  den  Wort  der  intravesikalen  Operationen  969 

—  Wandlungen  in  der  Lehre  der  Prostatahypertrophio  .  .  .  1701 
Kienböck,  Ueber  das  Sigma  elongatum  mobile  (Röntgenbefund) 

(Aus  dem  Röntgeninstitut  im  Sanatorium  Fürth  in  Wien.) 
(Illustr.) .  .  .  . .  68 

—  Ueber  Beschwerden  bei  rudimentärer  Eventratio  diaphrag- 

matica.  (Aus  dem  Röntgeninstitut  im  Sanatorium  Fürth  in 
Wien.)  (Illustr.) . 2219 

King,  Ueber  trockenes  Plazentapulver  und  seine  Anwendung 


bei  dem  Abderhaldenschen  Dialysierverfahren  bezüglich  der 
Diagnose  der  Schwangerschaft.  (Mitteilung  aus  dem  Unter¬ 
suchungslaboratorium  Parke,  Davis  &  Co ,  Detroit,  U.S.A.)  1198 
Ki  rcliberg,  Druck-  und  Saugbehandlung  in  der  ärztlichen  Praxis. 

(Illustr.) . 1653 

Kirchner,  Ueber  Corytin  und  seine  Anwendung  in  der  Ohren¬ 
heilkunde.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  Würzburg.)  1934 
Kisch,  Ueber  Aethertropfnarkosen  nach  vorheriger  Injektion  von 
Pantopon-Atropinschwefelsäure.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen 

Universitätsklinik  zu  Berlin.) . 352 

Klapp,  Physiologische  Chirurgie.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg.  Klinik 

zu  Berlin.) .  793 

Klausner,  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Kontraluesin 
(Richter),  einem  molekular  zerstäubten  Quecksilber.  (Aus 
der  Deutschen  dermatologischen  Universitätsklinik  in  Prag  )  62 

De  Kleijn  s.  u.  Magnus  und  Kleijn. 

Klein,  Röntgenbehandlung  bei  Karzinom  des  Uterus,  der  Mamma 
und  der  Ovarien.  (Aus  der  Kgl.  gynäk.  Universitäts-Poli¬ 


klinik  in  München.) .  905 

Kleinschmidt  H.,  Ueber  Hautdiphtherie  mit  ungewöhnlich 
starker  Antitoxinbildung.  (Aus  der  mediz.  Klinik  zu  Mar¬ 
burg.)  (Illustr.) . 1477 

—  Bemerkungen  zur  Technik  der  Radikaloperationen  von 
Leistenhernien.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Verbands¬ 
krankenhauses  in  Berlin-Reinickendorf.)  (Illustr.)  ....  1929 
Klinger  s.  u.  Dieterle,  Hirschfcld  und  Klinger. 

Klotz,  Die  Beeinflussung  des  inoperablen  Uteruskarzinomes 
mit  Strahlen-  und  intravenöser  Chemotherapie.  (Aus  der 

Universitäts-Frauenklinik  Tübingen.) . 1704 

Klunker,  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Conradi-Trochschen 
Tellurplatte  zum  Diphtherienachweis.  (Aus  dem  hygienischen 

Institut  der  Universität  Jena.)  .  .  • . 1025 

Koch,  Ueber  Scharlachrekonvaleszentenserum.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  des  städt.  Krankenhauses  Frankfurt  a.  M.) 

(Illustr.) .  2611 

Koch  R.,  Ueber  die  Konservierung  des  Scharlachrekonvaleszenten¬ 
serums  . 291 1 

Ko  ebner,  Die  Musterverträge  der  Krankenkassenkommission 
des  Deutschen  Aerztevereinsbundes  und  die  ärztlichen 

Tarifverträge . 1329 

Kölle,  Weiteres  zur  Behandlung  der  Sklerodermie  mit  Coeliacin  24 
König,  Erfolgreiche  Gelenkplastik  am  Ellbogen  durch  Implan¬ 
tation  einer  Elfenbeinprothese.  (Aus  der  chirurgischen 

Klinik  in  Marburg.)  (Illustr.) . 1136 

Kohlschütter,  Ein  Wort  zur  Frage  des  frühen  Aufstehens 
nach  Bauchoperationen.  (Aus  dem  Knappschaftskranken- 
haus  im  Fischbachtal  Kr.  Saarbrücken.) . 1378 


Kohn,  Glättolin  als  Ursache  einer  hartnäckigen  Dermatitis  colli  1205 
Kolb  K.,  Gelingt  es  mittelst  der  Abderhaldenschen  Ferment¬ 
reaktion,  den  Nachweis  eines  persistierenden  oder  hyper¬ 
plastischen  Thymus  zu  führen?  (Aus  der  chirurgischen 
Klinik  der  Universität  Heidelberg.) .  .  .  1(542 

—  und  Laubenheimer,  Zur  Beurteilung  der  prophylak¬ 

tischen  Serumtheräpie  des  Tetanus  (Aus  der  chirurgischen 
Klinik  und  dem  hygienischen  Institut  zu  Heidelberg.)  .  .  456 

—  Ueber  unsere  Dauerresultate  bei  der  Pylorusumschnürung 
mittelst  Faszie,  Ligamentum  teres  hepatis  und  Netz  nach 
Wilms  als  Ersatz  der  unilateralen  Pylorusausschaltung. 

(Aus  der  chirurgischen  Klinik  der  Universität  Heidelberg.)  2400 


Krabbel,  Bernhard  Bardenheuer  f .  .2121 

Krecke,  Ueber  chronische  Appendizitis . 572 

Kreisch,  Ein  Fall  von  Missed  labour . 1263 

Kreiss,  Eine  seltene  Missbildung  des  Thorax.  (Aus  der  Königl. 

Frauenklinik  Dresden.)  (Illustr.) . 1435 

Kreuter,  Edwin  E.  Goldmann .  2725 

Kr  öl,  Ein  merkwürdiger  Todesfall  nach  Salvarean.  (Aus  der 
Abteilung  für  Chronischkranko  des  Bürgerspitals  zu  Strass¬ 
burg  i.  Eis.) . • . 1712 

Kreuzfuchs  s.  u.  Glaessner  und  Kreuzfuchs. 

Krönig  s.  u.  Aschoff,  Krönig  und  Gauss. 


Krukenberg,  Ein  neuer  Vorschlag  zur  Radiotherapie  .  .  .  .2112 
Küster,  Indikationen  und  Resultate  abdominaler  Tampondrai¬ 
nage.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau.)  241 
Küttner,  Der  angeborene  Turmschädel.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg. 


Klinik  zu  Breslau.  (Illustr.)  .  .  .  2209 

Kuhn,  Die  erste  Hilfe  bei  Asphyxien  mittels  direkter  Einbla¬ 
sung  von  Luft.  (Illustr.) . .  .  647 

Kutschern,  Gegen  die  Wasserätiologie  des  Kropfes  und  des 

Kretinismus.  (Illustr.) . 393 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


IX 


Seite 

Lade,  Anwendung  der  Hermann-Perutzschen  Reaktion  bei  der 
Prüfung  von  Lumbalpunktaten.  (Aus  der  Abteilung  für 
Haut- und  Geschlechtskrankheiten  und  dem  bakteriologisch- 
serologischen  Institut  des  allgemeinen  Krankenhauses 

St.  Georg  in  Hamburg) . 590 

Lampe  A.  E,  Zur  Technik  der  Bereitung  der  Organe  für  das 
Abderhaldensche  Dialysierverfahren.  (Aus  der  I.  medizin. 
Klinik  zu  München.) . 28.31 

—  und  Papazolu,  Serologische  Untersuchungen  mit  Hilfe 
Abderhaldenschen  Dialysierverfahrens  bei  Gesunden  und 
Kranken.  Studien  über  die  Spezifität  der  Abwehrfermente. 

(Aus  dem  physiologischen  Institut  der  Universität  Hallo  a  S. 

und  dem  physiologischen  Institut  zu  Bukarest)  .  .  1423,  1533 

—  und  Fuchs  R..  Serologische  Untersuchungen  mit  Hilfe 
des  Abderhaldenschen  Dialysierverfahrens  bei  Gesunden 
und  Kranken.  Studien  über  die  Spezifität  der  Abwehr¬ 
fermente.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  zu  München)  2112,  2177 

Langbein,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Diagnose  perforierender 
Aneurysmen  der  Hirnarterien.  (Aus  der  medizinischen 


Klinik  zu  Leipzig) .  .  22 

Laquer,  Ein  Vorstoss  gegen  die  Antialkoholbowcgung  ....  1443 

—  Alkoholforschungsinstitute .  2598 

Laubenheimer  s.  u.  Kolb  und  Laubenheimer. 

Le  hie,  Die  Behandlung  der  Vorderhauptslagen.  (Aus  der 

Königl.  Universitäts-Frauenklinik  München) . Stil) 


Lehmann,  Die  wirksamen  und  wertvollen  Bestandteile  des 
Kaffeegetränks  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  koffein¬ 
freien  Kaffees  Hag  und  des  Thumkaffees.  (Aus  dem  hy¬ 
gienischen  Institut  der  Universität  Würzburg.)  .  .  281,  357 

Leng  nick,  Beitrag  zur  Operation  des  Mastdarmvorfalls  bei 

Kindern.  (Aus  der  städtischen  Heilanstalt  zu  Tilsit.)  .  .  .  2405 
Lenk  undEisler ,  Experimentell-radiologische  Studien  zur  Physio¬ 
logie  und  Pathologie  des  Verdauungstraktes.  (Aus  dem 
Röntgeninstitut  der  allgemeinen  Poliklinik  Wien.)  (Illustr.)  1031 
—  —  Radiologische  Studien  über  Beziehungen  des  Nerven¬ 

systems  zur  motorischen  Funktion  des  Magens.  (Aus  dem 
Röntgeninstitut  der  allgemeinen  Poliklinik  in  Wien.)  (Illustr.)  2048 
Leo,  Neue  Gesichtspunkte  für  die  therapeutische  Anwendung 
des  Kampfers.  (Aus  dem  pharmakologischen  Institut  der 


Universität  Bonn) .  2397 

Leschke,  Ein  Troikart  mit  seitlichen  Oeffnungen.  (Aus  der 
II.  medizinischen  Universitätsklinik  der  Kgl.  Chariteo  in 

Berlin.)  (Illustr.) .  2627 

I. esser,  Die  Mobilisierung  des  Glykogens.  (Aus  dem  Labora¬ 
torium  der  städtischen  Krankenanstalten  Mannheim.)  .  .  .  341 

Leusser,  Der  neue  Kissinger  Sprudel  und  seine  Bedeutung  für 

Herz  und  Gefässkrankheiten . 754 


Leva,  Ueber  einige  körperliche  Begleiterscheinungen  psychischer 
Vorgänge,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  psychogal- 
vanischen  Reflexphänomens.  (Aus  dem  physiologischen 
Institut  und  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  der  Uni¬ 


versität  Strassburg.)  (Illustr.)  .  2386 

Levinger,  Gesichtsschutzvorrichtung  aus  Papier.  (Illustr.)  .  .  1604 
Lewin  L.,  Ueber  photodynamische  Wirkungen  von  Inhaltsstoffen 

des  Steinkohlenteerpechs  am  Menschen  ....  •  .  .  .  .  1529 
Lewinski,  Ueber  den  Wert  intravenöser  Arthigoninjektion. 

(Aus  der  Akademischen  Klinik  für  Hautkrankheiten  in 

Düsseldorf.) .  2784 

Lewinsohn,  Ein  nenes  Herzplessimeter.  (Illustr.) . 923 

Lewy,  Modifizierter  Ileftpflastergipsverband  bei  der  Klumpfuss- 
i  ehandlung.  (Aus  dem  orthopädischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Freiburg  i.  Br.)  (Illustr.) . 1263 

Le  xer ,  Die  praktische  Verwendung  der  freien  Transplantation  2059,  2123 
Lichtenstein,  Zur  Serumreaktion  nach  Abderhalden.  (Aus 

der  Universitäts-Frauenklinik  in  Leipzig.)  . . 1427 

Liofmann,  Die  Unterscheidung  verwandter  Bakterienarten  durch 
die  Ausfällung  ihres  Eiweisses  mittels  konzentrierler  Salz¬ 
lösungen.  (Aus  der  bakteriologischen  Abteilung  des  Rudolf 

Virchow-Krankenhauses  zu  Berlin.) . 1417 

Li  ep mann,  Der  Antifluor,  ein  neues  Instrument  zur  Trocken¬ 
behandlung  der  Scheidenkatarrhe.  (Illustr.) . 1388 

LifBchütz,  Geben  die  Cholesterinfette  die  Liebermannsche 

Cholestolreaktion?  .  .  . . 1549 

—  Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Cholesterins  und  des 

Oxycholesterins .  2346 


Lindemann,  Vereinfachung  der  Anaürobenzüchtung  nebst  An¬ 
gabe  eines  praktisch  verwertbaren  neuen  Kulturverfahrens. 

(Aus  der  Kgl.  Univers.-Frauenklinik  in  Halle  a.  S.)  (Illustr.)  236 
—  und  Aschner,  Ueber  Natur  und  Verbreitung  vasokonstrik- 
torischer  und  wehenerregender  Substanzen  im  Körper. 

(Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Halle  a.  S.) 

(Illustr.) .  2278 

Lindig,  Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  und 

Tumorkranken.  (Aus  der  Univcrs.  Frauenklinik  Jena.)  288,  702 

Lingel,  Grenzen  der  Reklame  . 1267 

L  i  p  p  s.  u.  Herrligkoffer  und  L'pp. 

Litzner,  Zur  Diagnostik  und  Klinik  der  nichttuberkulösen  Er¬ 
krankungen  der  Lungenspitze.  (Aus  der  K.  Kloster-Heil¬ 
anstalt  für  Lungenkranke  in  Bad  Rehburg  bei  Hannover.)  2452 


Seite 

Loew  s.  u.  Emmerich  und  Loew. 

Loewe,  Ueber  IJautimplantation  an  Stelle  der  freien  Faszien¬ 
plastik  . 1320 

Löwen  he  im,  Digifolin,  ein  neues  Digitalispräparat.  (Aus  der 

II.  medizin.  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  Nürnberg)  2502 
Loewi  0.,  Ueber  die  Abhängigkeit  experimentell-diabetischer 
Störungen  von  der  Kationenmischung.  (Aus  dem  pharma¬ 
kologischen  Institut  der  Universität  Graz) . 690 

Loh  mann,  Die  Bedeutung  des  Rhodans  im  Speichel .  83 

Lubinus,  Die  Heilgymnasten  in  Schweden  und  in  Deutschland  1327 
Lunckenbein,  Zur  Behandlung  maligner  Geschwülste  ....  1931 
Lust,  Ueber  den  Einfluss  der  Alkalien  auf  die  Auslösung  spas- 
mophiler  Zustände.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in 

Heidelberg).  (Illustr.) . 1482 

—  Ueber  die  missbräuchliche  Verwendung  von  Eiweisswaeser 
bei  der  Behandlung  akutar  Nahrungsstörungen  von  Säug¬ 
lingen.  (Aus  der  Heidelberger  Kinderklinik.) .  2720 


Maccabruni,  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Abderhaldenschen 
Reaktionen  bei  der  Serumdiagnose  der  Schwangerschaft. 

(Aus  dem  Fortbildungsinstitut  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  in  Mailand) . 1259 

Magnus  G.,  Wundbehandlung  mit  Zucker.  (Aus  der  chirurgischen 

Klinik  Marburg) . . . 406 

Magnus  R.  und  de  Kleijn,  Ein  weiterer  Fall  von  tonischen 
„Halsreflexen“  beim  Menschen.  (Aus  dem  pharmakolo¬ 
gischen  Institut  der  Reichsuniversität  Utrecht  [Holland].) 

(Illustr.) .  2566 

Maier  L.,  Einfluss  hygienischer  Verhältnisse  auf  die  Morbidität 
und  Mortalität  der  Masernpneumonie.  (Aus  der  Kgl.  Uni¬ 
versitäts-Kinderklinik  München )  636 

Mandelbaum,  Eim  merkwürdiges  Phänomen  bei  Meningitis 
tubcrculosa  post  mortem.  (Aus  dem  pathologischen  Institut 

des  städt.  Kranhauses  München-Schwabing.). . 1195 

Mangold,  Weitere  Beobachtungen  über  willkürliche  Kontrak¬ 
tionen  des  Tensor  tympani.  (Aus  dem  physiologischen  In¬ 
stitut  der  Universität  Freiburg  i.  B.)  (Illustr.) . 1027 

Mann,  Klinische  Erfahrungen  mit  Codeonal.  (Aus  der  inneren 

Abteilung  des  Freiburger  Diakonissenhauses.) . 474 

Mar  es  c  h,  Ueber  den  Lipoidgehalt  der  sogen.  Appendixkarzinome. 

(Aus  der  Prosektur  der  kaiserl. -königl.  Krankenanstalt  Ru¬ 
dolfstiftung  in  Wien.) . 189 

Marcuse,  Fürst  Alexander  von  Plohenlohe,  ein  Vorläufer  der 

Christian  Science . 27,  82 

Massini,  Radiologische  Studien  über  Beziehungen  des  Nerven¬ 
systems  zur  motorischen  Funktion  des  Magens.  (Aus  der 

medizinischen  Klinik  in  Basel.) .  2460 

Mathes,  Zur  Technik  der  intrauterinen  Injektionsbehandlung  .  2406 
Mayer  A.-Frankenhausen,  Verwendung  der  elektrischen  Taschen¬ 
laterne  als  diagnostisches  Hilfsmittel  bei  unsicheren  Hydro- 
zelen . 301 

—  Die  Beziehungen  der  Koli-Pyelitis  zur  Fortpflanzungstätig¬ 
keit.  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Tübingen.)  ,  .  .  1479 

Mayer  M.,  Rocha-Lima  und  Werner,  Untersuchungen  über 
Verruga  peruviana.  (Aus  dem  Institut  für  Schiffs-  und 

Tropenkrankheiten  zu  Hamburg.)  (Illustr) . 739 

M  a  y  e  r  W. -Fürth,  Schaffung  einer  gesetzlichen  Ehrengerichts¬ 
ordnung  für  Bayerns  Aerzte . 1721 

Mayer  W. -Tübingen,  Die  Bedeutung  der  Abderhaldenschen 
Serodiagnostik  für  die  Psychiatrie.  (Aus  der  Universitäts¬ 
klinik  für  Nervenund  Gemütskrankheiten  Tübingen.)  .  .  .  2044 

—  LTobcr  die  Spezifität  der  Abderhaldenschen  Abwehrfermente. 

(Aus  der  Universitätsklinik  für  Gemüts-  und  Nervenkrank¬ 
heiten  Tübingen.) .  2874 

Mees,  Ueber  alkoholische  reflektorische  Pupillenstarre.  (Aus 
der  inneren  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  St.  Rochus 

in  Mainz.) . 1200 

Mehl  er  und  Ascher,  Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Tuber¬ 
kulose.  Versuche  mit  Borcholin  (Enzytol).  (Aus  dem  Sana¬ 
torium  für  chirurgische  Tuberkulose  in  Georgensgmünd  bei 

Nürnberg.) .  748,  1041 

Meirowsky,  Beobachtungen  an  lebenden  Spirochäten.  (Illustr.)  1870 

—  Beobachtungen  an  lebenden  Spirochäten .  2042 

— -  Ueber  Methoden  zum  Nachweis  von  Sprossungsvorgängen 

an  Spirochäten  . 2783 

Menzer,  Ueber  bakteriologische  Harnuntersuchungen  bei  akuter 

und  chronischer  Nephritis .  2002 

Merckens,  Ein  Fall  schwerster  Melaena  neonatorum  geheilt 
durch  Injektion  von  defibriniertem  Menschenblut.  (Aus  der 
akademischen  Kinderklinik  zu  Köln  a.  Rh.)  .  .  •  .  .  .  .  971 

Mertens,  Die  Behandlung  granulierender  Wunden  mit  Ilelfoplast  2792 
Meseth,  Thorium  X  bei  inneren  Krankheiten.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Universitätsklinik  zu  Erlangen.) . 210  > 

Meyer  W.- Hagen,  Ueber  die  erfolgreiche  Behandlung  von  haemo- 

philen  Blutungen  mittels  des  Thermokauters  . 1549 

Meyer  W.,  Die  chirurgische  Behandlung  des  Oesophaguskarzi 

noms.  (Aus  dem  Deutschen  Hospital  New  York.)  ....  1816 


X 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Michelsen,  Die  Krankheit  und  der  Tod  Otto  Nicolais  ....  1777 
Mörchen,  Ueber  Diogenal,  ein  neues  Sedativum.  (Aus  dem 

Kurhaus  Ahrweiler)  .  2671 

Mokrzecki,  Zur  Salvarsanhehandlung  des  Milzbrand  ...  .  1089 

v.  Molo  Hans-Wien,  A.  De  Nora  (Dr.  A.  Noder)  als  Lyriker  und 

Satiriker .  2844 

Moro,  Erythema  nodosum  und  Tuberkulose.  (Aus  der  Heidel¬ 
berger  Kinderklinik  ) .  1142 

—  Ueber  rezidivierende  Nabelkoliken  bei  älteren  Kindern  .  .  2827 
Morpurgo  und  Donati,  Beitrag  zur  Frage  der  Vererbung  der 

Anlage  zur  Geschwulstentwu-klung.  (Aus  dem  Institute  für 
allgemeine  Pathologie  der  Universität  zu  Turin.)  .....  626 

—  und  Satta,  Ueber  Austausch  von  Nährstoffen  unter  Para- 
bioseratten.  (Aus  dem  Institute  für  allgemeine  Pathologie 

der  Universität  zu  Turin.) . 1536 


Muchs,  u  Deycke  und  Much. 

Müller  Ch.-Immenstadt,  Physikalische  und  biologische  Grund¬ 
lagen  der  Strahlenwirkung  radioaktiver  Substanzen,  be¬ 
sonders  des  Mesothoriums  und  der  Ersatz  derselben  durch 


Röntgenstrahlen  .  2448 

Müller  H.- Mainz,  Dauererfolge  der  Salvarsanabortivkuren  der 

Jahre  1910—1911 . 408 

Müller  M.-Metz,  Die  Notwendigkeit  einer  obligatorischen  Ein¬ 
führung  der  Blutuntersucbung  nach  Wassermann  bei  der 
Kontrolle  der  Prostitu  erten  und  deren  Bedeutung  für  die 

allgemeine  Prophylaxe  der  Syphibs . 299 

—  „Vasocommotio  cerebri“,  ein  neuer  Symptomenkomplex  von 
Gehirnerscheinnngen  schwerster  Art  nach  Sal  arsaninfu- 
sionen,  eine  mittelbare  Folge  des  Wasserfehlers . 805 


Müller  P.,  Eine  neue  Fasszange.  (Aus  der  chirurgischen  Abtei¬ 
lung  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Ulm  )  (lllnstr.)  .  .  2345 
Müller  P.  Th.,  Vorläufige  Mitteilung  über  bakteriologische  Befunde 
bei  Flecktyphus.  (Aus  dem  Seelazarett  San  Bartolomeo  und 


dem  hygienischen  Institut  Graz.) . 1364 

Müller  R. -Kiel,  Einiges  von  der  Entwicklung  der  Hygiene  und 

ihrer  Hilfswissenschaften  in  Grossbritannien  .  .  .  .  1716 

—  Blechdeckel  mit  Gipsschicht  für  Petrischalen.  (Aus  dem 

hygienischen  Institut  der  Universität  in  Kiel.)  .  .  .  1548 

—  Hygieni-ches  ans  Nordamerika  ....  ....  417,  475 

M  u  1  z  e  r ,  Zur  Technik  der  Blutentnahme  für  die  Wassermannsche 

Reaktion.  (Ans  der  Klinik  für  syphilitische  Hautkrankheiten 
der  Universität  Strassburg  i.  E.)  (lllustr.)  . . 1429 

Naegeli,  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Hämatologie 

für  die  Neurologie .  194,  252 

Nassauer  Hugo  Salus.  (lllustr.) .  •  .  .  .  .  535 

—  Dichotomie  unter  Aerzten  .  .  . . 1153 

—  Die  Hohe  Schule  für  Aerzte  und  Kranke  2182,  2235,  2286, 

2347,  2409,  2466,  2526,  2583,  2631,  2682,  2739,  2795,  2845 
Neudörfer,  Ueber  Pvlorospasmus  und  Ulcus  ventriculi.  (Aus 

dem  Kaiserin  Elisabeth-Krankenhaus  in  Hohenems-,  .  .  .  760 

Neumayer,  Zur  Gabengrösse  des  Neosalvarsans.  (Aus  dem  Be- 

zirksspitale  in  Kljuc,  Bosnien.)  .  .  2672 

Neupert,  Die  Psychoneurosen  und  ihre  Behandlung  .  .  537,  593 

Neu  wir  th.  Pituitrin  in  der  Eröffnungsperiode  . 2120 

Noguchi,  Studien  über  den  Nachweis  der  Spirorhaete  pallida 
im  Zentralnervensystem  bei  der  progressiven  Paralyse  und 
bei  Tabes  dorsalis.  (Aus  dem  Rockefeller  Institute  for  Me¬ 
dical  Research  in  New  York)  . 737 

v.  Noorden,  Ueber  Indikationen  und  Wirkungen  des  Homburger 

Tonschlammes  .  .  .  296 

Nussbaum,  Ein  einfaches  Hilfsmittel  bei  der  Reposition  aus¬ 
getretener  Hernien  der  Säuglinge . 1433 


Obermüller  H.,  Ueber  „Coagulen-Kocher-Fonio“,  ein  neues 

Blutstillungsmittel  und  seine  Anwendung  in  der  Rhinologie  2832 
Oberndorfer,  Die  syphilitische  Aortenerkrankung  (Aus  dem 
pathologischen  Institut  des  städtischen  Krankenhauses 

München-Schwabing.)  (lllustr,) . . 505 

Oeri,  Erstickungsanfall  infolge  Durchbruchs  einer  tuberkulösen 
Drüse  in  den  Bronchus.  (Aus  dem  Lungensanatorium 

Braunwald.)  ......  ...  . 410 

Openchowski,  Zur  Diagnostik  der  Lokalisation  des  Magen- 

ge-chwüres.  (lllustr.) .  .  .  .  ...  2606 

Orlovius,  Eine  neue  Flasche  zur  sterilen  Aufbewahrung  von 
Blut  für  bakteriolog'sche  Zwecke.  (Aus  der  K.  Universitäts- 

Frauenklinik  zu  Halle  a.  S.)  (lllustr.) .  2627 

Orten  au,  Zur  bayerischen  Standesorganisation . 478 

—  Bad  Reichenhall .  . 982 

—  Zur  bayer.  Ehrengerichtsordnung  und  Standepgüederung  2058 

Orth,  UeUer  einen  Fall  von  rupturiertem  Aneurysma  einer  Hirn¬ 
arterie  durch  Trauma . 1038 


P äs s ler,  Sind  die  sogen.  Diathesen  Konstitutionsanomalien?  .  2604 
Pagenstecher  s.  a.  Wolze  und  Pagenstecher. 


Seite 

Pagenstoch  er  A.-Brannschweig,  Ueherdie  Benutzung  von  Sekun¬ 
därstrahlen  zur  Verstärkung  der  Röntgenstrahlen Wirkung  1319 
—  Ueber  die  praktische  Identität  von  Radium  und  Röntgen¬ 
strahlen  ...  .  .  ....  .  2562 

Pagenstecher  E. ,  Gastropexie  vermittelst  des  Ligamentum 
teres.  (Ans  dem  Diakonissenhaus  Paulinenstiftung  zu 

Wiesbaden.)  ....  24 

Papazola  8  u.  Lampfi  und  Papazolu. 

Parreidt,  Ueber  die  erfolg  eiche  Behandlung  von  hämophilen 

Blutungen  mittels  des  Thermokauters . 1150 

Payr,  Zur  Prophylaxe  und  Therapie  peritonealer  Adhäsionen. 
(Eisenfüllung  des  Magendarmkanals  und  Elektromagnet.) 

(Aus  der  Chirurg  Klinik  zu  Leipzig.)  (lllustr.) .  2601 

P  e  i  s  e  r ,  Eine  Präzissionswage  für  die  Säuglingsernährung  (lllustr.)  475 
Perutz,  Ueber  Aluminium  lacticum,  ein  haltbares  Eratzpräparat 
der  essigsauren  Tonerde.  (Aus  der  Kgl  dermatologischen 

Universitätsklinik  in  Würzburg.) . 1261 

Petri  s.  a.  Heilner  und  Petri. 

Petri,  Ueber  das  Auftreten  von  Fermenten  im  Tier-  und  Menschen¬ 
körper  nach  parenteraler  Zufuhr  von  art-  und  individuum¬ 
eigenen  Serum  (Aus  der  Kgl  Universitäts  Frauenklinik 
München  um!  dem  patholog.  Institut  des  Krankenhauses 


München-Schwabing ) . 1137 

Petridis,  Ueber  Serodiagnostik  der  Geschwülste  nach  v  Düngern. 

(Aus  der  chirurgischen  Univ*  rsitätsklinik  und  der  sero¬ 
logischen  Abteilung  des  Instituts  für  Krebsforschung  zu 

Heidelberg.)  . 1318 

Pfitzer  s.  u.  Thannhauser  und  Pfitzer. 

Pipo,  Zum  70.  Geburtstag  Ludwig  Heusners  . .  2680 

Plate,  Ueber  einen  Fall  von  Meningitis  saturnina  (Aus  der 
Abteilung  für  physikalische  Therapie  des  allgemeinen 

Krankenhauses  St.  Georg  zu  Hamburg.) .  2343 

Plaut,  Zur  Wertschätzung  der  Brendel-Müllerschen  Reaktion  .  238 

Ploeger,  Zum  Heimgange  Kopps . .  .  .  .  193 

Plotkin,  Zur  Frage  von  der  Organ spezifität  der  Schwanger¬ 
schaftsfermente  gegenüber  Plazenta . 1942 

Pöhlmann,  Ist  die  Ausführung  der  Brendel-Müllerschen  Reaktion 

durch  den  praktischen  Arzt  empfehlenswert? . 591 

Pollag,  Zur  Aetiologie  der  Appendizitis . 2119 

Pol  land,  Zur  Bewertung  der  internen  Hg-Darreichung.  (Aus  der 

Grazer  dermatologischen  Klinik.) . 590 

Port,  Die  Nervenpunktlehre  von  Cornelius  und  die  schwedische 

Massage  . .  2732 

Praetorius,  Pemphigus  malignus,  durch  einmalige  intravenöse 

Blutinjektion  geheilt . 867 

Pribram,  Ueber  die  adialysabeln  Harnbestandteile.  (Aus  der 

medizinischen  Klinik  K.  v.  Jaksch  in  Prag.) .  2047 

P  ür  ck  h  au  er  H. -Dinkelsbühl,  Aerzte  und  gemeinnützige  Unter¬ 
nehmungen  .  .  .  .  • .  820 

Pürckhauer  R. -München,  Ueber  Verletzungen  der  Ligamenta 

cruciata  des  Kniegelenks.  (lllustr.) .  73 


Querner,  Ueber  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen  im  strömen¬ 
den  Blut.  (Aus  der  III.  medizinischen  Abteilung  des  all¬ 
gemeinen  Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf.)  .  .  .  .  401 


Raab,  Zur  Technik  der  Blutentnahme  für  die  Wassermannsche 

Reaktion  .  1941 

Rabinowitsch  M.,  Ueber  den  Flecktyphuserreger.  (Aus  der 
chemisch-hakteriologischen  Abteilung  des  Gouvernements- 

Semstwo  Krankenhauses  in  Charkow.) .  2351 

Rabow,  Prof.  Dr  Louis  Bourget  f . 2180 

Ranke,  Die  Tuberkulose  der  verschiedenen  Lebensalter.  .  .  .  2153 
Rapp,  Die  Kgl.  Bayer.  Verordnung  über  das  Apothekenwesen 

vom  27.  Juni  1913 . 2002 

Rauch  s.  u.  Roichmann  und  Rauch. 

Rauenbuscb,  Beitrag  zur  Filariosis  des  Auges  . 2910 

Rauschenberger,  Ein  Fall  von  gonorrhoischer  Tendovaginitis. 

(Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  der  Kgl.  Cbaritfi  zu  Berlin  )  1828 
Rautenberg  E.,  Die  Vorhofregistrierung  beim  Menschen.  (Aus 

dem  Kreisurankenbaus  Berlin-Lichterfelde.)  . 2912 

von  Recklinghausen,  Neue  Apparate  zur  Messung  des  arte¬ 
riellen  Blutdrucks  beim  Menschen  (Aus  dem  Laboratorium 
für  experimentelle  Pharmakologie  zu  Strassburg  i.  Eis.) 

(lllustr.) . 817,  869 

Reich  art  ,  Ueber  eine  eigentümliche,  typische  Deformierung  des 
Griffel fortsatzes  der  Ulna.  (Aus  der  physikalischen  Heil¬ 
anstalt  des  Thennia-Sanatoriums  in  Bad  Pistyan.)  .  .  .  1146 

Reichel,  Erfahrungen  mit  dem  Skopolamindämmerschlaf  in  Ver¬ 
bindung  mit  Morphium,  I’antopon  und  Na'kophin.  (Aus 
der  Chirurg.  Privatklinik  von  Hofrat  Krecke  in  München.)  638 
Reichmann  M.-Chieago,  Zur  Fremdkörperlokalisation  im  Auge  ’  816 
v.  Reichmann  V.,  Kurze  Mitteilung  über  eine  akute  Schwefel¬ 
säure-  und  Kupfer8ulfatvergiftung  mtt  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Blutbefundes.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 
zu  Jena.) . 


181 


1913 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XI 


Seite 

v.  Reichmann  V.,  Zur  Druckbestimmung  des  Liquor  cerebro¬ 
spinalis.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena.)  ' .  .  .  926 

—  Ueber  die  Prognose  und  Theiapie  der  Meningitis.  (Aus 

der  med.  Klinik  zu  Jena.) . 1374 

—  u.  Rauch  F.,  Zwei  geheilte  Fälle  von  Meningitis  tuber- 
culosa.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Jena.)  (Illusir.)  ....  1430 

Re  in  ach,  Die  Frri  htnng  von  Sä'  glingspflegematenal-  und 
Wäschedepots  im  Ansch'uss  an  die  bestehenden  Säuglings¬ 
fürsorgeeinrichtungen  oder  als  eigene  Institutionen.  .  .  1380 


Reschad  u.  Schilling,  Ueber  eine  neue  Leukämie  durch 
echte  Uebf-rgangsformen  (Splenozytenleukämie)  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Selbständigkeit  dieser  Zellen.  (Aus  der 
dermatob 'gischen  Abteilung  des  Krankenhauses  St.  Georg.)  1981 
Rethi,  Die  elektrolytische  Behandlung  der  Trigeminusneuralgien. 

(Aus  der  Kal.  Universitäts-Poliklinik  für  Hals-  und  Nasen¬ 
kranke  zu  Kön'gsberg  i.  Pr.)  (Illustr.) . 295 

Reu  sch,  Ein  einfaches  und  billiges  Garungsaccharometer.  (111.)  2406 
Reuter,  Ueber  eine  neue  Lampe  zur  Diaphonoskopie  und 

Endoskopie.  (Illustr.)  ...  .  ...  ...  1548 

Riedel  B.  Jena,  Ueber  Mittelohrfisteln  und  Perforationen  ander 
Schädelbasis,  Zysten  und  abnorme  Knochenbildungen  da¬ 
selbst.  (Illustr.)  .  .  .  . 1248 

—  Ueber  die  Tonsillektomie  bei  Kindern .  2269 

Riedel,  K.,  Ueber  subkutane  und  intramuskuläre  Melubrin- 

therapie.  (Aus  der  inneren  Abteilung  der  Diakonissenanstalt 

zu  Halle  a.  S .  2454 

Rieländer,  Zum  70.  Geburtstag  von  F.  Ahlfeld .  2346 

Riemer,  Ueber  die  Beeinflussung  der  Agglutinierbarkeit  von 

Typhusbazillen  durch  den  Alkaligehalt  des  Nährbodens  .  .  908 
Rigi  er.  Ueber  Neuborny  val.  (Aus  der  „Ernst-Ludwig-Heilanstalt“ 

in  Darmstadt . 249 

Rocha-Limas  u.  Mayer,  Rocha-Lima  und  Werner. 

R  o  e  m  h  e  1  d  L.,  Zur  Kritik  der  modernen  elektrischen  Entfettungs¬ 
kuren.  (Aus  dem  Sanatorium  für  innere  und  Nervenkrank¬ 
heiten  Schloss  Hornegg  a.  N.) .  2877 

v.  Romberg,  Ueber  Digitalis.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik 

in  München.)  .  .  .  .  s  .  1 

Rominger,  Ueber  Erzeugung  von  Komplementbindungsreak¬ 
tionen  durch  Zusatz  von  chemischen  Substanzen  zum 
normalen  Serum.  (Aus  dem  Institut  für  experiment.  Krebs¬ 
forschung  der  Universität  Heidelberg)  .  .  .  .  .  !  .  859 

Rosenberg,  Ueber  das  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  Blut.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Allge¬ 
meinen  Krankenhauses  Hagen  i.  W . 404 

Rosen  ow.  Klinische  Beiiräge  zur  Therapie  der  Leukämie  mit 
Thorium  X.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu 

Königsberg.)  (Illustr.) .  ...  2214 

Rosenthal,  E.-Pest,  Zur  Frage  der  antitryptischen  Wirkung  des 

Blutserums  . 2175 

Rosenthal  F. -Breslau  s.  u.  Frank,  Rosentbal  und  Biberstein. 

Rost,  Welches  ist  der  wirksame  Bestandteil  der  Reckschen 
Wismutpaste?  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  der  Universität 

Heidelberg.)  ....  .  .  2280 

Rothmann,  Ueber  „negativen“  Druck  in  den  langen  Röhren¬ 
knochen  des  Hundes.  (Aus  d*-m  physiolog.  Institut  der 

Universität  Breslau.  (Illustr.)  . 1664 

Rotky,  Ueber  den  Diastasegchalt  des  Fäzes.  (Aus  der  medizin. 

Klinik  von  R.  v  Jaksch,  Prag.)  ...  .  .  .  2158 

Rotter,  Die  therapeutischen  Erfahrungen  mitRotters  Antiseptikum  1671 
Rubner  s.  u.  Fromme  und  Hübner. 

Rüb samen.  Klinisch-experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Wirksamkeit  der  Wcbenrait'el  in  der  Nachgehurtsperiode. 

(Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  Dresden.)  illlustr.)  .  .  .  627 

—  Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft  mittels  der 

optischen  Methode  und  des  Dialysierverfahrens.  (Aus  der 
Kgl.  Frauenklinik  Dresden.) . 1139 

—  Klinisch  experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wirksam¬ 

keit  synthetischer  Wehemittel.  Aus  der  Kgl.  Frauenklinik 
Dresden.)  illlustr.) .  2724 

Rüder,  Ueber  den  Wert  der  Alquie-Alexanderschen  Operation  305 
Rühl,  Wie  können  wir  aus  der  1  rinschau  und  aus  der  Thomp- 

sonschen  Zweig’äserp>obe  sicherere  Ergebnisse  gewinnen?  2233 
Rütten  s.  u.  Stüber  und  Riitten. 

Rupprecht,  Die  Prostitution  jugendlicher  Mädchen  in  München  12 

—  Arzt  und  Jugendfürsorge .  2464 


Saalfeld,  Zur  Technik  der  intravenösen  Salvarsaninjektion  .  .  2338 
Saat  hoff,  Thyreose  und  Tuberkulose.  (Aus  der  Kuranstalt 
Dr.  Saathoff  für  innere  und  Nervenkrankheiten  in  Oberst¬ 
dorf.)  .  .  .  230 

—  Die  Anwendung  der  klinischen  Methoden  in  der  Praxis  .  2183 
Saenger,  Ueber  plötzliche,  klinisch  rätselhafte  Todesursachen 
während  od-r  kurz  nach  der  Geburt  (Aus  der  Kgl.  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  und  dem  pathologischen  Institut  der 
Kgl.  Universität  München.)  .  .....  .  1321 

Salge  B.,  Zur  Beruhigung  schreiender  Säuglinge  durch  Anblasen. 

(Aus  der  Universitäts  Kinderklinik  zu  Strassburg  i.  E.)  .  .  2842 


Seite 

v.  Salis,  Erfolgreiche  Adrenalinbehandlung  bei  rezidivierter 

Osteomalazie.  (Aus  dem  Franenspital  Basol  Stadt.)  ....  2563 
Sander,  Ein  Fall  von  akuter  Spondyarthritis  gonorrhoica  .  .  1830 
Saniter,  Geburtshilfliches  Besteck.  (Illustr.)  .  .  ....  1437 

Sasse,  Ulcus  callosum  ventriculi (Schrumpfmagen).  Exstirpation, 
nebst  Bemerkungen  überden  dauernden  Verlust  des  Magens 
sowie  über  die  Technik  der  Magenresektion.  (Aus  der 
chirurgischen  Abteilung  des  St.  Marienkrankenhauses  zu 

Frankfurt  a.  M.)  .  . 650 

Satta  s.  u.  Morpurgo  und  Satta. 

Sauerbruch  s.  a.  Spengler  und  Sauerbrnch. 

Sauerbruch,  Die  Beeinflussung  von  Lungenerkrankungen  durch 
künstliche  Lähmung  des  Zwerchfells  (Phrenikotomie). 
(Illustr.) .  625,  1041 

—  Fortschritte  in  der  chirurgischen  Behandlung  der  Lungen¬ 
krankheiten.  (Illustr)  1890,  1944 

Schaub  s.  u.  Grosser  und  Schaub. 

Schaumann,  Ueber  die  Ursache  der  Beriberikrankheit  .  .  .  1264 

Scheidemandel,  Ueber  die  Bedeutung  der  bakteri"log.  Harn¬ 
untersuchung  für  die  Diagnose  und  Therapie  (speziell  der 

akuten  Nephritis) .  ...  1722,  1778 

Scheiding,  Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen  .  .  .  1268 

Schelle,  Zum  Andenken  an  Dr.  med.  Benedikt . 1942 

Scherbak,  Leichtes  Erkennen  kleinster  Plazentardefekte  .  .  1327 
Scherer,  Ueber  das  Vorkommen  von  Tuberkulose  und  Syphilis 

in  Deutsch  Südwest- Afrika .  ...  1488 

Schick,  Die  Diphtherietoxin-Hautreaktion  des  Menschen  als 
Vorprobe  der  prophylaktischen  Diphtherieheilseruminjektion. 

(Aus  der  k.  k.  Universitäts-Kinderklinik  in  Wien.)  ....  2608 
Schickele,  Kritischer  Rückblick  über  wichtige  gynäkologische 

Arbeiten  aus  dem  Jahre  1912  . .  652,  708 

Schiff,  s.  u.  Abderh 'Iden  und  Schiff. 

Schiff  E.,  Ist  das  Dialysierverfahren  Abderhaldens  differential¬ 
diagnostisch  verwenbar?  (Aus  dem  Physiologischen  Institut 
der  Universität  Halle  a.  S.) . 1197 

—  E.-Wien,  Die  Abgabe  von  Radiumpräparaten  aus  öffent¬ 
lichen  Stationen  zur  Behandlung  privater  Kranker  ....  250 

Schilling,  s.  u.  Reschad  und  Schilling. 

Schilling  V.-Torgau,  Zur  Frage  der  neuen  Rossschen  Entwick¬ 
lung  des  Syphiliserregers.  (Aus  dem  Institut  für  Schiffs¬ 
und  Tropenkrankheiten  in  Hamburg) .  .  .  186 

Schlagin  tweit  und  Stepp,  Studien  über  die  Pankreassekretion 
bei  Sekretionsstörungen  des  Magens.  Nach  Experimenten  am 
Dauerfistelhund.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Giessen.)  1865 
Schlayer,  Ueber  die  Quellen  dauernder  Blutdrucksteigerung. 


(Ans  der  I.  med  Klinik  zu  München.)  .  63 

—  Notiz  zur  Funktionsprüfung  der  Niere.  (Aus  der  I.  medi¬ 
zinischen  Klinik  in  München ) . 800 

Schlecht,  Ueber  allgemeine  und  lokale  Eosinophilie  bei  Ueber- 
empfindlichkeit  gegen  organische  Arsenpräparate.  (Aus 
der  medizinischen  Klinik  in  Kiel.) .  ...  ....  800 


Schlimnert  und  Hendry,  Erfahrungen  mit  der  Abderhalden- 
SchwTangerscbaftsreaktion  (Dialysierverfahren  und  Ninhylrin- 
reaktion).  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i  Br.)  681 

—  und  Issel,  Die  Abderhaldensche  Reaktion  mit  Tierplazenta 

und  mit  Tierserum.  (Aus  der  Univers.  Frauenklinik  Frei¬ 
burg  i.  Br.)  .  .  .  .  1758 

Schlossmann,  Die  Oekonomie  im  S'off-  und  Kraftwechsel  des 

Säuglings.  (Aus  der  akademischen  Kinderklinik  in  Düsseldorf.)  285 

—  Adolf  Baginsky .  1095 

Schmerz,  Improvisierte  Heissluftapparate.  (Aus  der  Chirurg. 

Universitätsklinik  zu  Graz.)  (Illust) . 2169 

Schmidt  A.-Halle,  Chronische  diphtherische  Infektion  der  Lungen 

(Illustr) .  20 

Schmidt  H.-Bonn  s.  u  Stursberg  und  Schmidt. 

Schmidt  J.  E.  Bemerkungen  über  Dünndarmstenose.  (Aus  der 

chirurgischen  Universitätsklinik  Würzburg )  illlnstr.)  .  .  919 

Schmincke,  Ein  Beitrag  zur  Blutregeneration  bei  Eisenverab¬ 
reichung  ...  ...  . 1199 

Schmiz  und  Kessler,  Typhusepidemie  bei  einem  Dragoner- 

reyiment  . 1324 

Schnaudigel,  Hornhaut'äsionen  nach  Narkosen . 1600 

Sehnde,  Ein  neuer  prakt'scher  Vierzellcnbadeschalter.  (Illustr.)  1715 

—  Das  elektrische  Entfettungsverfahren  mittels  des  „Degras- 

sator“  nach  Dr.  Sehnde.  (Hlu-tr.) . 1936 

Schneider,  Ueber  eine  neue  Geburtszange  und  ihre  Anwendung. 

(Aus  der  Frauenklinik  der  Universität  Heidelberg.)  (Illustr.)  2790 
Schneider  H.-Bonn,  Ueber  Erblichkeit  des  Atherom.  (Illustr.)  294 
Schöne,  Zur  Behandlung  von  Vorderarmfraktnren  mit  Bolzung. 

(Aus  der  Kgl  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald.)  (Illustr)  2827 
Scholl,  Einigung  zwischen  Krankenkassen  und  Aerzten  in  Bayern  1666 
Schreiber  E.,  Kurze  Bemerkungen  über  Salvarsan-  resp.  Neo- 
sal varsaninjektionen.  (Aus  der  inneren  Abteilung^  des 
Krankenhauses  Magdeburg-Sudenburg . 1993 

—  Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Cholesterins  und  Oxy- 

choles'erins  nach  Antenrieth  und  Funk .  2001 

Sehr  ei  ber  R,  Zur  Therapie  der  Raynaudsohen  Krankheit  (Ans 
der  Kgl  chirurgischen  Universitätsklinik  und  Poliklinik  zu 
Berlin.) . 1255 


XII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Schröder,  Eine  Freiluftbehandlung  des  Typhus  vor  hundert 

Jahren  und  einiges  vom  Typhus  überhaupt . 

Schüffner,  Ist  die  Beriberi  eine  auch  in  Europa  heimische 
Krankheit?  (Aus  dem  Hospital  der  Senembah-Maatschappy 
in  Deli-Sumatra.) . ' . 

—  und  Vervoort,  Das  Oleum  chenopodii  gegen  Ankylosto- 

rniasis  und  eine  neue  Methode  der  WertbestimmuDg  von 
Wurmmitteln.  (Aus  dem  Hospital  der  Senembah  Maat- 
schappy  in  Deli . 

Schütz,  Gelenkwinkelmesser.  (Illustr.)  . 

Sc  hui  tz,  Technik  und  Ergebnisse  meiner  Blutgerinnungsmethode. 
(Aus  der  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses  Cnarlotten- 
burg-Westend.)  (Illustr.)  ...  . 

—  u.  Grote,  Untersuchungen  mit  dem  Abderhaldenschon 
Dialysierverfahren  bei  Scharlach.  (Aus  der  II.  inneren  Ab¬ 
teilung  und  dem  bakteriologischen  Institut  des  Kranken¬ 
hauses  Charlottenburg-Westend.)  ... 

Schulz,  Ueber  Auftreten  eiweissspaltender  Fermente  im  Blut 
während  der  „prämortalen  Stickstoffsteigerung“.  (Aus  der 
ehern.  Abteilung  des  physiolog.  Instituts  in  Jena)  .  .  . 
Schumacher,  Eine  Gruppe  von  (i  klassischen  Botulismus¬ 
erkrankungen  in  der  Eifel  und  der  Nachweis  ihres  Erregers, 

des  Bacillus  botulinus . 

Sch  urig,  Zur  Behandlung  der  Ischias . 

Schuster,  Ueber  traumatische  Spätapoplexie.  (Aus  der  inneren 
Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  zu  Chemnitz.)  .  .  .  . 
Schwaer,  Ueber  die  hämatologische  Diagnose  der  Röteln.  (Aus 

dem  Stadtkrankenhause  zu  Lüdenscheid.) . 

Schwarz  E.,  Der  Wachstumsreiz  der  Röntgenstrablen  auf  pflanz¬ 
liches  und  tierisches  Gewebe.  (Aus  der  chirurgischen  Uni¬ 
versitätsklinik  zu  Tübingen.)  (Illustr.) . .  .  . 

Schwarz  G.,  Ruptur  des  graviden  Uterus  nach  vorausgegangenem 
klassischen  Kaiserschnitt.  (Aus  dem  städtischen  Kranken¬ 
haus  Elbing ) .  ... 

Schwenke,  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Döhleseben 
Leukozytenoinschlüsse  bei  Scharlach.  (Aus  der  Kgl.  Uni¬ 
versitäts-Kinderklinik  Breslau.)  ...  . 

Schwyzer,  Der  Flourgehalt  des  Karlsbad wassers . 

Seeligmann,  Ueber  ein  erfolgreiches  Heilverfahren  bei  einem 
Sarkom  (Rezidiv)  des  Eierstocks,  das  die  Wirbelsäule  er¬ 
griffen  hatte . 

—  Die  Beeinflussung  des  inoperablen  Uteruskarzinoms  mit 
Strahlen  und  intravenöser  Chemoterapie  ....... 

Sbguin,  Paul  Segond . 

Sehrt,  Die  thyreogene  Aetiologie  der  hämorrhagischen  Metro- 
pathieen  mit  Bemerkungen  zur  Theorie  der  Eklampsie  und 
des  habituellen  Aborts.  (Aus  der  Universitäts  Frauenklinik 
Freiburg  i.  Br.) . 

—  Die  Extraktion  der  Lungenfremdkörper  beim  Kinde.  (Illustr.) 

Sehrwald,  Erysipei  und  Tätowierung . 

—  Zur  Geschichte  der  Malariaübertragung . 

Seitz,  Ueber  galvan.  Nervenmuskelerregbarkeit  in  der  Schwanger¬ 
schaft  und  über  Schwangerschaftstetanie.  (Aus  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  Erlangen.) . 

Sellheim,  Neue  Wege  zur  Steigerung  der  zerstörenden  Wirkung 
der  Röntgenstrahlen  auf  tiefliegende  Geschwülste.  (Aus 

der  Universitäts-Frauenklinik  Tübingen.) . .  . 

v.  Seydel,  Generalstabsarzt  v.  Vogl . 

—  Generalstabsarzt  z  D.  v.  Bestelmeyer . 

Sevderhelm  s.  u.  Veraguth  und  Seyderhelm. 

Sgalitzer  s.  u.  Holzknecbt  und  Sgalitzer. 

Siegel,  Der  Dämmerschlaf  in  der  Geburtshilfe  mit  konstanten 
Skopolaminlösungen.  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik 

Frei  bürg  i.  Br.) . 

Siegrist,  Nervöses  Fieber  bei  Tabes  dorsalis.  (Aus  der  II.  med. 

Klinik  der  Akademie  Köln.)  (Illustr.) . 

Simmonds,  Hypophysis  und  Diabetes  insipidus.  (Aus  dem 
pathologischen  Institut  des  allgemeinen  Krankenhauses 

St.  Georg  in  Hamburg.)  (Illustr.) .  .... 

Singer  und  Holzknecht,  Radiologische  Anhaltspunkte  zur 
Diagnose  der  chronischen  Appendizitis.  (Aus  der  I.  medi¬ 
zinischen  Abteilung  des  k.  k.  Krankenhauses  „Rudolf¬ 
stiftung“  und  dem  Zentralröntgenlaboratorium  des  k.  k.  all¬ 
gemeinen  Krankenhauses  in  Wien.)  (Illustr.)  ...... 

Sippe  1,  Die  Behandlung  der  Uterusmyome  mit  Röntgenstrahlen 

Sobotta,  Zur  Hamburger  Universitätsfrage . 

Sommer  s.  u.  Bruck  und  Sommer. 

Speck,  Ueber  Noviform  zur  Wundbehandlung.  (Aus  der  Chirurg. 

Abteilung  des  Diakonissenhauses  zu  Leipzig-Lindenau.)  .  . 
Spengler  L.  Davos  u.  Sauerbruch  F.-Zürich,  Die  chirurgische 

Behandlung  der  tuberkulösen  Pleuraexudate . 

Spielmeyer,  Fortschritte  der  Hirnrindenforschung . 

Spiethoff,  Zur  therapeutischen  Verwendung  des  Eigenserums. 
(Aus  der  Hautabteilung  Jena.) .  ... 

—  Ueber  die  Hirndruckerhöhung  bei  Lues  nach  Salvarsan. 

(Aus  der  Hautabteilung  Jena.) . 

Spitzy,  Zur  Ausnützung  der  lespiratorischen  Kräfte  in  der 
Skoliosenbehandlung.  (Aus  der  chirurgisch-orthopädischen 
Abteilung  der  Kinderklinik  in  Graz.) . 


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30 

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Seite 

Spitzy,  Ein  Instrument  zur  radikalen  Phimosenbeseitigung. 
v  Xus  der  chirurgisch-orthopädischem  Abteilung  der  Univer¬ 
sitäts-  Kinderklinik  Graz.)  (Illustr.) . 975 

Sprengel,  Die  Assistenten-  und  Praktikanten  frage . 1264 

—  Modifizierter  Heftpflastergipsverband  bei  der  Klumpfuss- 

behandlung . 1490 

Stäubli,  Beitrag  zur  Kenntnis  und  zur  Therapie  des  Asthma. 

(Illustr.) .  .  .  113 

—  lieber  vergleichende  Temperaturmessungen  und  deren 

klinische  Bewertung.  (Illustr.)  . 1017,  1090 

v.  Stauf fenberg,  Der  Wandel  der  Anschauungen  über  Gehirn¬ 
lokalisation  .  2466 

Stange,  Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft.  (Aus 
,  der  Provinzial  Hebammen-Lehranstalt  und  Frauenklinik  zu 

Magdeburg) . 1084 

Stander,  Allgemeine  Diagnostik  und  Behandlung  der  Pankreas¬ 
erkrankungen  .  2290 

Stein,  Die  kosmetische  Korrektur  der  Fazialislähmung  durch  freie 
Faszienplastik.  (Aus  der  chirurgisch-orthopädischen  Anstalt 

von  Dr.  Stein  in  Wiesbaden.)  (Illustr.) . 1370 

Steiner,  Ueber  die  Physiologie  der  Linkshändigkeit  ...  .  1098 

S  t  ei  si  n  g,  Ueber  die  Natur  des  bei  der  Abderhaldenschen Reaktion 
wirksamen  Fermentes.  (Aus  dem  hygienischen  Institut  der 

Universität  Lemberg) . 1535 

Stepp  s.  u.  Schlagintweit  und  Stepp. 

Stern  C.,  Die  Anwendungsart  des  Salvarsans  und  Neosalvarsans, 
Infusion  oder  Injektion?  (Aus  der  akademischen  Klinik 

für  Hautkrankheiten  in  Düsseldorf) . (591 

Stern  K. -Fürth,  Ueber  Entfernung  von  Tätowierungen.  (Illustr.)  2731 
Stoeltzner,  Ueber  Larosan,  einen  einfachen  Ersatz  der  Eiweiss¬ 
milch.  (Aus  der  Kinder-Poliklinik  und  der  Säuglingsklinik 

an  der  Universität  Halle  a.  S.) . 291 

Stoffel,  Beiträge  zu  einer  rationellen  Nervenchirurgie.  (Illustr.)  175 

—  Neues  über  das  Wesen  der  Ischias  und  neue  Woge  für  die 

operative  Behandlung  des  Leidens.  (Illustr) . 1365 

Straub,  Ueber  die  Gefährlichkeit  der  Kombination  von  Morphin 
mit  allgemeiner  Narkose  und  mit  Schlafmitteln  (Aus  dem 
pharmakologischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br.) 
(Illustr.) . 1823 

—  Ueber  Zersetzung  und  Konservierung  von  Skopolaminlö- 

süngen.  (Aus  dem  pharmakolog.  Institut  der  Universität 
Freiburg  i.  Br.) .  2279 

Stüber  und  Rütte n,  Uebei  eine  einfache  Methode  zur  Bestim¬ 
mung  des  phagozytären  Index  uud  dessen  klinische  Be¬ 
deutung.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Freiburg  i.  Br.) 

(Illustr.) . • . 1585 

Stümpke  ,  Ueber  Jodostarin.  (Aus  dem  dermatolog.  Stadtkranken¬ 
haus  II  Hannover-Linden) . 1489 

Sturm,  Ueber  orthotische  Albuminurie  bei  Tuberkulose.  (Aus 

dem  Sanatorium  Wehrawald.) . 763 

Stursberg  und  Schmidt  H.,  Ueber  Blutdruckmessung  nach 
Körperarbeit  und  ihre  Bedeutung  für  die  Beurteilung  der 
Arbeitsfähigkeit.  (Aus  der  medizin.  Universitätsklinik  zu 

Bonn.) . 174 

Sudhoff,  Johann  Christoph  Huber  f  .  .  .  1042 

—  Syphilis  und  Pest  in  München  am  Ende  des  15.  und  zu 

Anfang  des  16.  Jahrhunderts . 1439 

—  Viktor  Fossel  f  .  2407 

—  Johann  Christian  Reil  im  Befreiungsjahre  1813  .  2578 

Sultan,  Eine  seltene  Indikation  zur  Darmresektion . 761 

—  Eigentümliches  Verhalten  von  Fremdkörpern.  (Illustr.)  .  .  1038 
Sutherland,  ein  kleiner  Wink  für  das  Präzipitationsverfahren 

in  der  gerichtsärztlichen  Praxis .  2054 

Swift  und  Ellis,  Die  kombinierte  Lokal- und  Allgemeinbehand¬ 
lung  der  Syphilis  des  Zentralnervensystems.  (Aus  dem 
Hospital  des  Roekefeller  Institute  for  Medical  Research 


New  York.) .  1977,  2054 


Thannhauser  und  Pfitzer,  Ueber  experimentelle  Hypergly 
kümie  beim  Menschen  durch  intravenöse  Zuckerinjektion 


(Aus  der  II.  medizin.  Klinik.)  (Illustr.) . 2155 

The  de  ring,  Zur  Therapie  des  Herpes  tonsurans  .  2679 


Therstappen,  Beitrag  zum  Krankheitsbild  der  Ostitis  fibrosa. 

(Aus  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Köln.)  (Illustr.)  1379 
Tiegel,  Eiterbecken  mit  Stiel.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des 

städtischen  Luisenhospitals  zu  Dortmund  )  (Illustr.)  .  .  .  1941 


Thilo  O,  Zur  Behandlung  des  Formalinekzem .  2841 

Többen,  Die  Beeinflussung  der  Neuralgie  des  Plexus  brachialis 
durch  Kuhlenkampfsche  Anästhesie.  (Aus  der  Chirurg.  Ab¬ 
teilung  des  St.  Josef-Hospitales  Oberhausen.) . 1883 

T  o  ff ,  Handwerker- und  Arbeiterkrankenversicherung  inRumänien  2409 
Trautmann,  Ueber  Halslymphdrüsentuberkulose  jin  ihrer  Be¬ 
ziehung  zu  den  Tonsillen  und  zur  Lunge  . 866 

—  Die  Technik  der  extrakapsulären  Totalexstirpation  der  Ton¬ 
sille.  (IlluBr.) .  2223 

Treplin,  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Darminvaginationen  .  .  .  1204 
Trümmer,  Ueber  Ortizon.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik 

für  Nasen-  und  Kehlkopfkrankc  in  Würzburg.) .  2565 


mS. _ INHALTS-VERZEICHNIS. _ _ _  ^  XIII 


Seite 

Trumpp,  Erkrankung  von  Geschwistern  an  Heine-Medinscher 

Krankheit . O  .  .  1029 

v.  Tschermak,  Die  führenden  Ideen  in  der  Physiologie  der 

Gegenwart . 2328 

Tschudnowsky,  Zur  Frage  über  den  Nachweis  der  Abwehr¬ 
fermente  mittels  der  Optischen  Methode  und  des  Dialysier- 
verfahrens  nach  Abderhalden  im  Blutserum  bei  Schwanger¬ 


schaft  und  gynäkologischen  Erkrankungen.  (Aus  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  zu  Jena.)  . 2282 

Tuszewski,  Ueber  Elarson.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des 

Krankenhauses  Berlin-Reinickendorf.) .  2875 


Uffenheimer  A.,  Der  Stand  der  Heine-Medinschen  Krankheit 

(epidemischen  Kinderlähmung)  in  Bayern . 2883 


Yeiel,  Beitrag  zur  Arteriitis  obliterans.  (Aus  der  I.  medizinischen 

Klinik  in  München.) . .  .  256(1 

Veil,  Beitrag  zum  Studium  der  gutartigen  Albuminurien.  (Aus 

der  medizinischen  Universität s  Poliklinik  zu  Strassburg  i.  E.)  2717 
Vera  gut h  und  Seyderhelm,  Ueber  raschwirkende  Beeinflus¬ 
sung  abnormer  Leukozytenbilder  durch  ein  neues  Verfahren. 

(Aus  dem  Privatlaboratorium  von  Dr.  0.  Veraguth,  Kurhaus 


Rigi-Kaltbad  und  Zürich.)  (Ulustr.)  ....  2211,  2284,  2664 

Verse,  Ueber  das  Vorkommen  der  Spirochaete  pallida  bei  früh  - 
und  spätsyphilitischen  Erkrankungen  des  Zentralnerven¬ 
systems.  (Aus  dem  pathologischen  Institut  der  Universität 

Leipzig.)  (Illustr.) . •  2446 

Vervoort,  s.  u  Schüffner  und  Vervoort. 

Voelckel,  Ueber  das  Nachweisverfahren  der  Diphthcriebazillen 
nach  v.  Drigalski  und  Bierast.  (Aus  der  Kgl.  Zentralstelle 

für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  Dresden.) . 1888 

Vogel  F.-Bilin,  Traumatische  Scheidenruptur  mit  Dünndarm¬ 
vorfall  . 1326 

Vogel  K.-Dortmund,  Die  allgemeine  Asthenie  des  Bindegewebes 

in  ihren  Beziehungen  zur  Wundheilung  und  Narbenbildung  851 
Vogt,  Morbus  Addisonii  und  Schwangerschaft.  (Aus  der  Kgl. 

Frauenklinik  Dresden.) . 1821 

Voigts,  s.  u.  Bumm  und  Voigts. 

Voigts,  Mesothorium  als  Röntgenstrahlenersatz  in  der  Gynä¬ 
kologie.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  in  Berlin.)  1188 

Voll,  Schmerzlose  Entbindungen . 800 

Vollert,  Zur  Therapie  des  Hordeolum  und  der  Blepharitis  ciliaris 

mit  Histopin  . 1658 

Vorberg,  Die  Energos  Co . 222 

Vulpius,  Zur  Behandlung  der  inneren  Verletzungen  des  Knie¬ 
gelenks.  (Aus  der  Professor  Dr.  Vulpiusschen  orthopädisch¬ 
chirurgischen  Klinik  in  Heidelberg.) . 453 

—  Ueber  die  Arthrodese  des  Hüftgelenkes.  (Aus  der  Professor 

Dr.  Vulpiusschen  orthopädisch- chirurgischen  Klinik  in 
Heidelberg.)  (Illustr.) . 691 

—  Ueber  die  Lichtbehandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose. 

(Aus  dem  Sanatorium  Solbad  Rappenau  für  Knochen-, 
Gelenk-  und  Drüsenleiden.) . 1079 


Wacker,  Welches  ist  der  wirksame  Bestandteil  der  Beckschen 
AVismutpaste?  (Aus  dem  pathologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  München.)  .  .  .  . . .  2674 

—  und  Hueck,  Ueber  experimentelle  Atherosklerose  und 

Cholesterinämie.  (Aus  dem  pathologischen  Institut  der 
Universität  München.)  (Illustr.) .  2097 

Wagner  A.,  Ein  Beitrag  zur  Aderlasstherapie  bei  Polyzythämie. 

(Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena.)  . 408 

Wagner  G.,  Erfahrungen  mit  der  Conradi-Trochschen  Tellurplatte 
zum  Diphterienachweis.  (Aus  dem  hygienischen  Institut 

der  Universität  Kiel.)  (Illustr.) . 457 

Wahle,  Zwei  Fälle  von  Neosalvarsanvergiftung.  (Aus  der  Klinik 

für  Hautkrankheiten  der  städt.  Krankenanstalt  Lindenburg  854 
Waibel,  Die  Verletzungen  und  traumatischen  Erkrankungen 

der  Zehen  und  ihre  Begutachtung  in  Unfallsachen  ....  467 

Walkhoff,  Die  erste  biologische  Radiumwirkung .  2000 

Walther,  Synthetisches  Hydrastinin-Bayer,  ein  Ersatz  fiirExtr. 

Hydrastis  canadensis  fluidum . 694 

v.  Wassermann,  Ueber  die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der 

Serodiagnostik . 1331 

Weber  A,  Automatische  Entwicklung  von  Röntgenplalten.  (Aus 

der  medizinischen  Klinik  in  Giessen.)  ...  • . 1264 

—  Ueber  intravenöse  Injektionen  kleiner  Mengen  von  Menschen¬ 

blut  bei  der  Behandlung  schwerer  Anämien  (Aus  der 
medizinischen  Klinik  zu  Giessen.)  . . 1307 

—  Ueber  die  Registrierung  des  Druckes  im  rechten  Vorhof 

und  über  den  Wert  des  oesophagealen  Kardiogramms  für 
die  Erklärung  des  Jugularvenenpulses.  (Aus  der  medizischen 
Klinik  zu  Giessen.)  (Illustr.) .  2553 


Seite 

Weber  A.,  Ueber  den  Wert  der  Serumtherapie  bei  Tetanus.  (Aus 
der  inneren  Abteilung  der  Diakoniesenanstalt  zu  Halle  a.  S.) 


(Illustr.) .  .  2232 

Weber  F.  P.-London,  Ueber  die  traumatische  Thrombose  der 

Vena  cava  inferior  in  bezug  auf  Lebensversicherung  .  .  1434 
Weber  F.,  Ein  Fall  von  Pfählungsverletzung.  (Aus  der  Kgl. 

Universitäts-Frauenklinik  München) .  .  .  .  1770 


Weber  H.,  Extensionstisch  zur  Einrenkung  angeborener  Hiift- 

luxationen.  (Aus  der  orthopäd.  Klinik  in  München.)  (Illustr.1  1999 
Wechsel  mann,  Ueber  tausend  subkutane  Neosalvarsaninjek- 
tionen.  (Aus  der  dermatolog  Abteilung  des  Rudolf- Virchow- 


Krankenhauses  in  Berlin.)  . 1309 

Wegen  er,  Serodiagnostik  nach  Abderhalden  in  der  Psychiattie. 

(Aus  der  psychiatrischen  Klinik  Jena) . 1197 

Weichsel,  Ueber  luetische  perniziöse  Anämie.  (Aus  der  medi- 


Weil  a.  Halle  s.  u.  Abderhalden  und  Weil. 

Weinbrenner,  Willy  Thorn  f . 1  :)H3 

Wein  er t,  Ueber  rektale  Temperatursteigerungen.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Universitätsklinik  Heidelberg.)  .  .  . 1542 

Weiser,  Ein  neuer  Apparat  zur  Diathermiebehandlung  von 
Ohrenkrankkeiten  (Ototherm  e).  Aus  der  inneren  Abteilung 
des  Stadtkrankenhauses  Dresden-Johannstadt)  (Illustr.)  .  2521 
Weiss,  Ueber  klinische  Erfahrungen  mit  Digipan.  (Aus  der 

medizinischen  Klinik  und  Nervenklinik  Tübingen.)  (Illustr.)  249  9 
Weiss  R.,  Ein  einfacher  Apparat  zur  Bestimmung  der  Chloride 

im  Harn  (Chlorometer)  .  2842 

Werner  s.  u.  Mayer,  RocherLima  und  Werner. 

Werner  P.  und  v.  Zubrzycki,  Ueber  die  Beeinflussung  der 
Opsonie  durch  Elektrargol.  (Aus  der  II.  gyäkolog.  Klinik 

in  Wien.) . 583 

Werner  R.,  Erfahrungen  mit  den  chemisch-physikalischen  Be¬ 
handlungsmethoden  des  Krebses  im  Samariterhause.  (Aus 
dem  Institut  für  Krebsforschung  in  Heidelberg.)  .....  2100 
Werther,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Pyämide.  (Illustr.)  .  .  .  1709 
Wertheimber,  Die  Behandlung  des  Ulcus  varicosum  mit  ein¬ 
fachen  Kleisterverbänden . 1490 


Werthern,  Ueber  Erfahrungen  mit  der  Blasennaht  beim  hohen 
Steinschnitt  an  Kindern.  (Aus  der  Medizinschule  der  eng¬ 
lisch-amerikanischen  Mission  in  Tsinanfu,  Nordchina.)  .  .  134 

Wesener,  Zweijährige  Erfahrungen  mit  der  Wassermannschen 


Reaktion . 1816 

Weygandt  W. -Hamburg -Friedrichsberg  s.  u.  Jakob  und  Wey- 
gandt. 

Wiegels,  Ileus  und  Appendizitis.  (Aus  der  chirurgischen  Privat¬ 
klinik  von  Hofrat  Krecke  in  München.)  (Illustr.) . 1644 

Wieland,  Neuere  Forschungen  über  die  Ursache  der  Beriberi- 

krankheit . 706 

Wilke,  Arnold  Heller . 987 

Wilms,  Welche  Formen  der  thorakoplastischen  Pfeilerresektion 
Bind  je  nach  Ausdehnung  und  Schwere  der  Lungenerkran¬ 
kung  zu  empfehlen?  (Illustr.) . 449 

Windosheim,  Zur  Therapie  der  schweren  Anämie.  (Aus  dem 

städtischen  Krankenhaus  Erfurt.) .  2235 

Wittek,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden.  (Aus  der  Grazer 

chirurgischen  Universitätsklinik.)  (Illustr.) . 1657 

Witzei,  Allgemeines  über  Bruchbehandlung  und  Besonderes  über 

den  Riesenbruch.  (Hernia  permagna)  . . 516 

—  Das  Ulcus  duodeni  chronicum  und  seine  Behandlung  .  .  875 


—  Dürfen  wir  die  Möglichkeit  einer  fori  schreitenden  Throm¬ 
bose  und  die  Thromboembolie  noch  als  unmeidbar  ansehen?  2632 
Wolf,  Ein  ungewöhnliches  Repositionshindernis  bei  typischem 


Knöchelbruch  mit  Luxation  des  Fusses  nach  aussen.  (Aus 

dem  Garnisonslazarett  Leipzig  )  (Illustr.) . 868 

W  olff  H. -Berlin  s.  u.  Ehrmann  und  Wolff. 

W  0 1  f  f  -  Karlsruhe ,  Eine  einfache  neue  Bestrahlungslampe  für 

Gleich-  und  Wechselstrom.  (Illustr.) . 185 

Wolff-Eisner,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  von 
Aborten  ausgehende  Infektionsgefahr  und, ihre  Verhütung. 

(Aus  der  bakteriologischen  Abteilung  des  Krankenhauses 

Friedrichshain.)  (Illustr.) . 473 

Wolze  und  Pagenstecher,  Erfolgreiche  Behandlung  eines  in¬ 


operablen  Mandelsarkoms  mit  Cuprase  und  Röntgenstrahlen  1036 
Wulff,  Ueber  Verbrennungen,  nach  Rovsings  Methode  behandelt. 

(Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  des  Reichshospitals 
Kopenhagen) . 1651 


Ylppö,  Icterus  neonatorum  und  Gallenfarbstoffsekretion  beim 
Fötus  und  Neugeborenen.  (Aus  dem  Kaiserin  Auguste 
Victoria-Haus  zur  Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  im 
Deutschen  Reiche) . 2161 


Zalewski,  Beobachtung  einer  beginnenden  Spontanruptur  des 
Uterus  gelegentlich  einer  Sectio  suprapubica  (Aus  der  I’ro- 
vinziäl-Hebammen-Lehranstalt  und  Frauenklinik  Breslau  )  2456 


XIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Zangemeister,  Ein  Handgriff  zur  Umwandlung  der  Gesichts¬ 
lage.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts  Frauenklinik  Marburg.)  .  1241 
Ziegler,  Eine  neue  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  von 

Uraten  in  Blutserum .  1083 

Zieler,  Ueber  orthotisclie  Albuminurie  bei  Tuberkulose  ....  1041 
Zimbler,  Ein  Fall  von  Uterusperforation  durch  einen  Fremd¬ 
körper  .  1773 

Zimmermann,  Ueber  Tenosin,  ein  neues  Sekaleersatzpräparat. 

(Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Jena.) .  2675 


Seite 

Zimmern,  Infusion  oder  Injektion  des  Salvarsans.  (Aus  der 
dermatologischen  Klinik  des  Städtischen  Krankenhauses  zu 

Frankfurt  a  M  ) . 1087 

Zink,  Bildet  die  Kehlkopftuberkulose  eine  Kontraindikation  bei 
der  Lungenkollapstherapie?  (Aus  der  Baseler  Heilstätte  für 

Brustkranke  in  Davos.) . 1924 

Zinsser,  Ein  einfacher  Nasenersatz.  (Klinik  für  Hautkranke  der 
städtischen  Krankenanstalt  Lindenburg  Köln-Lindenthal.) 

(Illustr.) .  2734 

v.  Zubrzycki  s.  u.  Werner  und  v.  Zubrzycki. 


II.  Namen-Register. 

(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel.) 


Seite 

A. 

Aaron  . 201 1 

Abbott  ....  731,  1110 

Abderhalden  86,'  365,  4M, 
462  654,  701,  763,  1043, 
1386.  1402,  1549,  1641, 

1703,  1842,  1880,  1923, 
2 '30,  2190,  2191,  2240, 
2244,  2385,  2434,  2712, 
2774,  2799,  2805 


Abel-Berlin  275,  1014,  1847 
Abel  Wiesbaden  .  1054 
Abelin  .  .  425,  2636,  2917 

Abels .  730,  2474 

v.  Aberle  .  .  781,  2369 

Abesser  .....  772 

Abi .  2853 

Abraham . 1342 

Abrami . 277 

Abrikossow .  2424 

Abulow  ....  664,  1285 

Ach  ....  946,  1115 

Achard .  2029 

Acker . 845 

Ackerley  ...  .  843 

Ackermann  .  .  443,  1522 

Adam  . 1514 

Adamson .  2024 

Adler-Prag . 1576 

Adler  L.-Berlin-Schöne- 
berg  .  ....  1221 

Adler  L.-Wien  ....  2371 


Adler  S.- Berlin-Pankow  715 
Adolf  Friedrich,  Herzog 
von  Mecklenburg  .  541 
Ahlfeld  314,  658,  1504,  2296 
Ahrens  495,  785,  1857,  1858 
2086,  2251 

Aichel . 1164 

Aisenstadt  .  .  .  .  !  2423 
Aizner  .......  371 

Alamartine  ...  .  1048 

Albahary  .  .  .  2078,  2584 
Alban-Dorau  ...  2080 
Albanus  213,  951, 1569,  1793 
Albers-Scbönberg  652,  730, 
950, 1390,  2080,  2259 

Albert . 1347 

Al  bracht . 1845 

Albrecht  Graz  ....  2479 
Alhrecht  H. -München  1220, 
1348,  2865 

Albrecht  P.-Wien  51,  1167, 
1728 

Albrecht  W. -Berlin  265,  1571 


Albee  ....  1339,  1907 

Albu  .  .  .  710,  1902,  2364 

Alcock . 1955 

Alden . 1851 


Seite 

Aleman  ....  2359 
Alexander  B.  .  479 

Alexander  F  G.  .  .  .  2131 
Alexander-Nürnberg  .  2315 


Alexander  F.-Frankfurt  200 
Alexander  S.-Herlin  .  1637 
Alexander  W. -Berlin  .  935, 
1502 

Alexandrescu-Dersca  .  1601 


Alexejew . 1622 

Alfaro . 1904 

Alglave . 1049 

A|gyogyi . 2376 

Alkan . 1789 

Allard  .  619,  898,  994.  1064 
Allemann  .  139,  1096,1289, 
1751 

Allen  A.  R . 1852 

Allen  C.  W.  .  •  .  2592 

Allison . 1  39 

Allmann  1107,  2435,  2805 

Allport . 604 

Alsberg . 1342 

Alt  . 675 

Althoff . 530 

Altmann  ....  .  464 

Alt  schul  ...  1339,  2366 

Altstaedt . 2217 

Alvarez  ....  319,  2477 

Alwens  445,  833,  1341, 1909, 
2313,  2682 

Alzheimer  .....  2427 
Amann  O  -München  .  52 

Ainann  R. -Zürich  .  .  1343 

Amberg .  2804 

Amberger  .  .  .  .  .2144 

Amblard .  2537 

Amelung .  2069 

Amerling  .....  258 

Amrein .  2536 

Amstrong . 2019 

Andenino  . 1169 

Anderes . 1565 

Andereya .  2702 

Andersen  Kristen  Krist- 
iansand  .....  1338 
Andersen  R.  P.  .  .  .  483 

Anderson .  2693 

Ando  .  2067 

Andree  H. -Bremen  .  .  529 
Andrd  K. -Marburg  .  .  1677 
Andryewsky  ...  .1641 
Andrewes  ...  1735 

Andrews  . 312 

Andriescu  ....  1050 
Andronow  .  .  .  .  53 

Andvord . 551 

Angela . 1850 

v.  Angerer  .  .  .  82,  1214 
v.  Angydn . 2190 


,  Seite 

Anitschkow  601,  938,  1279 
1845,  2419,  2555 
Anschütz  ...  .  159 

Ansprenger . 1707 

Anton  1438,1782,2024,2309 

Antoni . 661 

Antonowsky . 663 

Aoki  .  38,  1217,  1901,  1902, 
2801 

Aoyama  ....  2588,  2690 

Aparicio  . 318 

Apolant  .  1505,  1675,  2851 

Apt . 312 

Archibald . 16’ 2 

Arent  de  Besehe  .  .  .  602 
Ardin-Delteil  ....  2539 
Argyris  .....  2131 

A  rinkin .  2809 

Arisawa  ....  1513 

Armand-Delille  .  .  .  322 
Arnaud  ...  ...  548 

Arnd .  207,  431 

Ameth  .  .  994,  2248 

Arnold  J. -Halle  .  .  427 
Arnold  W.- Würzburg  .  458 


Arnoldi  .  .  884,  1450,  2476 
ArnspergerH. -Dresden  1686 
1782 

Arnsperger  L.-Karls- 


ruhe  .  92,  1116,  2366 

Arnstein  1110,  1897,  2548 
Aron  E.-Berlin  ....  430 
Aron  H.-Breslau  2071,  2371 
Aronsohn  ....  429,  602, 
2298,  2921 

Arrou . 1895 

d’Arsonval . 894 

Artamonow . 1624 

v.  Arx . 1507 

Arzt  97,  828,  1124,  1731, 
2195 

Asanow .  2746 

Asch  P.-Strassburg  .  2430 


Asch  R.-Breslau  1349,  1619, 
1951 

Aschaffenburg  309,  1282, 
2261 

Aschenheim  379,  2071,  2372 

Asch-r . 748,  1041 

Aschner  B.-Halle  542,  617, 
1290,1291,1565,2306,2779 
Aschner  B.  Rumänien  1052 
Asch  off  337,  782,  1221,  1753, 
2198,  2533 

Ascoli  ....  1902,  2534 


Ashby .  2643 

Ask .  2353 

Askanazy .  2071 

v.  Assen  .  .  731 


Assmann  .  .  .  1296,  1843 


Seite 

Assmy . 1956 

Astrachanowa  ....  2809 

d’ Astros . 323 

Attias . 717 

Auer .  2243 


Auerbach-Baden  Baden  265 
Auerbach  B.  Köln-Ehrenfeld 
839,  1829 

Auerbach  Fr.-Berlin  262, 2916 
Auerbach  S. -Frankfurt  200, 
258, 1516,  1739,  2428 


Aufrecht . 767 

v.  Aufschnaiter  .  .  .  .1012 

Augagneur . 1577 

Augstein  .....  1453 

Anlhorn . 667 

Aumann-Berlin  .  .  .  1888 
Aumann-Hamburg  .  .  94 

Austregeliso .  2805 

Autenrieth  .  .  1243,  1776 

Auvray . 479 

Avö-Lallement  ....  1730 


Axenfeld  .  710,  1453,  1513 
Axnausen  39.  91,  106,  731, 
732,  832,  2543,  2705 
Axionow  .  .  .  1288,  2810 
Ayrignac .  2478 


B. 

Baar .  479,  2838 

Bab .  2541 

Babesch  43,  1051, 1052,  2303 
Babitzki  .  .  482,  826,  827 

Babonneix . 333 

Bacaloglu . 1050 

Bach-Elster  .  .  894,  2802 
Bach- Marburg  ....  710 

Bachem .  2626 

ßachrach  675,  1069,  2132, 
2367 

Bachstez . 264 

Back . 1851 

Backhaus . 1681 

Bacmeister  343,  715,  1003, 
1398,  1952,  2585 

Baculescu . 548 

Bade  .  732,  780,  1432,  2368 

Badt . 1693 

Badtke . 1225 

Baecher . 1342 

Baedeker .  2208 

Bähr  F.-Hannover  204,  1789, 
2587 

Baehr  G  -Freiburg  1216,2023 
Baehr  G.-NewYork  1280, 
1340 

Baehr  G.-Wien  .  .  .  2747 
Baensch  . 496 


Seite 


Baer  G.-Davos  Platz  132,206, 
1587.  2800 

Baer  J.- Wiesbaden  2053, 21 18 
Baermann  1132,  1399,  1400, 

1537 

Baerthlein  1221,  1283,  2921 
Baetge  .  1275,  2379,  2776 

Baetzner . 1565 

Bäimel .  2283 

BaetimerJena  ....  1687 
Baeuuier  E.-Berlin  1619, 1620 

Bäumler  . 1361 

v.  Baeyer  .  .  .  1353,  2621 
Bnginsky  .  883,  2419,  2470 
Bahrdt  ...  1617,  2372 

Bail  .  .  1284,  1726,  1784 

Bailey .  2023 

Bain . 843 

Baisch  B.  -  Heidelberg  427, 
428 


Baisch  K.-München  366,  442, 
1290,  1560,  1725,  2531 
Bakofen  .....  1626 

Balance . 887 

Balds . 1278 

Balatu .  43 

Baldowsky . 1285 

Balfour . 1612 

Ball .  2643 

Bailas  . 2196 

Ballerini .  2355 

Balliano . 881 

Balzer . 1071 

Bamberg  .  .  1219,  1901 

Bamberger  .  .  .  .  2927 

Bandelier  ,  823,  2914 

Bang  J.-Lund  .  990,  2277 

Bang  S.-Dänemark  .  .  2245 
Banga . 1860 


Bangert  .  . 
Bankart  . 
Bankowski 
Banti  .  .  . 
Bar  .  .  .  . 


.  .  833 

1955,  2643 
1217,  2539 
.  .  .  1960 
655,  1045,  1967 


Baranczik  1287,  1288,  1622 
Barannikow  ...  1621 
Bäräny  97,  219,  264,  445, 
720,  827,  900,  2362,  2428 


Barberio .  2750 

Barbo  . 792 

Barchet . 372 

Bardach  B.-Wien  .  .  .  264 
Bardach  K. -Heidelberg  2622 
Bardachzi  107,  498,  1576, 
2365 

v.  Bardeleben  .  .  .  2701 
Bardswell  1953,  1955,  2694 

Bargeron . 1898 

Barikine . 427 

Barkan . 662 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XV 


Seite 

Banker-London  .  .  .  843 
Barker  L.  F. -Baltimore  2017 


Barkla  .  .  . 

.  .  .  2023 

Barladean  .  . 

fl 601,  2357 

Bäron  .... 

.  .  .  1278 

Barrenschen  . 

.  1446 

Bärsony  .  .  . 

.  89,  1278 

Bartel  ... 

.  .  .  2590 

Bartels 5  .  .  . 

.  .  1274 

Barth  .... 

.  207,  209 

Barthälemy  . 

.  1048 

Bartolotti  .  . 

...  487 

Bary  .... 

.  .  .  1792 

Barykin  . 

.  999 

Basch  .  . 

.  769,  1789 

Bashford 

2259,  2353 

Basler  1809, 197 

2,  2190,  2242 

Bass  C.  C.-New  Orleans  217, 

1344 

Bass  R.-Prag  1054, 2176, 2473 

Basset  .  .  . 

.  .  .  .  1617 

Bastian  .  . 

.  .  886 

Bastianelli 

.  770,  1907 

Bateson 

.  .  1959 

Battle  .... 

.  1070,  2*395 

Bauer-Erlangen 

.  .  .  1549 

Bauer -Wien 

.  .  .  .  2372 

Bauer  A.- Breslau  1559,  2070 
Bauer  F.A.-Inner-Arosa  369 
Bauer  J.-Innsbruck  881,  939, 
1001,1222,1620, 2007,2363 
Bauer  J. -Düsseldorf 659, 1466, 
2007,  2299 

y.  Bauer  J. -München  .  1335 
Bauer  R.-Wten  388,  1413, 
1620,  2549 

Bauer  Th. -Wien  .  .  .  1731 
Bauereisen  104,  655,  1164, 
1291,  1340,  1397,  1741 
Baum-Kiel  .  .  160,  161 
Baum  H  -München  309, 1104, 
1296,1445,2189, 2242,2636 
Baumgarten  .  ...  2378 

Baumgartner  .  .  .  318 

Baumm  G.-Breslau  .  833 
Baumm  H  -  Königsberg  2419 
Baumm  P. -Breslau  .  .  317, 
1349,  1451 

Baur  E . 1680 

Baur  J.-Zürich  ....  1106 
Baur  J.-Basel-Land  .  .  2421, 
2476 

Bayer  C.-Prag  ....  92 

Bayer  G. -Innsbruck  .  38 

Bayer  H  -Jena  ....  1389 
Bayer  H.-Strassburg  .  1044, 
2297 

Bayer  R  -  Bonn  203, 314,  2355 
Bayer  S. -Innsbruck  .  .  2853 


Bayerthal . 1511 

Bayet .  98,  1907 

Bayon . 940 

Bazy  L. -Paris  ....  933 
Bazy  P.-Paris  ....  934 

Bazzicalupo . 1849 

Beard  ........  2064 

Becher . 732 

v.  Bechterew  .  2691,  2748 
Beck-Tübingen  .  .  .  714 
Beck  C . 1219 


v.  Beck  B. -Karlsruhe  .  1338 
Beck  C.- Frankfurt  659,  2537, 
2806 

Beck  C.  -  Chicago  218,  842, 
2020 

Beck  J. -Chicago  .  .  .  1689 
Beck  K.-Heidelberg  2242 


Seite 

Beckers  ....  316,  1109 

Bäclbre  .  .  .  950,  2082 

Beckmann  H.-Wien  .  2705 
Beckmann  W.  -  St.  Pe¬ 
tersburg  . 1340 

Beckurts . 426 

Bedeschi . 1168 

Bedson . .  2540 

Beer . 934 

Beerwald  .  904,  1725 

Behne . 1045 

Behr  .  .  .  147,  2478 

Behrend-Stetlin  .  .  .  429 
Behrend-Pest  ....  2372 


Behrendt  H. -Königs¬ 
berg  . 1213 

Behrenroth  207,  1054,  1561, 
2641 


v.  Behring  .  . 

1109,  1221 

Bejau . 

...  44 

De  Bekker 

.  .  .  2479 

Beläh . 

...  41 

Belfield  .... 

.  .  .  1223 

Bellinger  .  . 

.  .  .  1848 

Bellini  .... 

.  .  .  2750 

Belloir  .... 

.  .  .  2029 

Beltz . 

.  .  .  161 

Benario  .  .  446, 

1115,  1768 

v.  Benczur  .  . 

...  992 

Benda  .... 

.  2543 

Bendix  .  259, 

1415,  2871 

Bened-k  9%  1449,  2033, 

2249,  2302 
Benedict-Pest  . 

.  .  .  2137 

Benedict  F.  G.-Ameiika 
1276,  1841 

Benedikt  M.-Wien  620,  730, 
1069,  2693,  2763 

Benelli . 316 

Benestad . 551 

Benfey . 1617 

Benjamin . 1358 

Benjamins  .  .  .  2140 

Benians  ...  .  .  2694 

Bennecke(311,l25l,l926  2788 

Bennigsor. .  2275 

Benon . 1783 

Benthin  .  .  656,  840,  1456 

Bentlein . 2010 

Bentmann . 1949 

Bei  tzen .  2358 

Berblinger . 50,  674 

Berczeller  .  .  1397,  2748 

Beresnegonsky  .  39,  1676 
Berg  A.  A. -Chicago  .  1224 
Berg  P.-Würziiurg  .  2586 
Berg  R.-Oberloschwitz  2364 
Berg  W.-Strassburg  .  105 

van  den  Bert;  .  .  2 1 39,  2140 
Bergeat  1377,  1637,  1693, 
1834,  2493,  2822,  2870 
Bergei  ....  1002,  1675 

Bergeil  .......  880 

Berger-Aschaffenburg  .  951 

Berger  F.-Köln  2394,  2420 
Berger  H. -Berlin  -  Friedenau 
652 

Berger  H  -Jena495, 784, 1857, 
1921,  2085 

Bergl  . .  2805 

v.  Bergmann  -  Freiburg  784 
v.  Bergmann  G. -Altona  720, 
769,  786,  832,  890,  895, 
897,  948,  1566,  2459,  2542 
v.  BergmannGg  -Irkutsk  2531 
Bergmann  H. -Posen  .*‘2822 
2927 


Beck  O.-Wien  .  1569,  2778 
Beck  R. -Schweden  .  .  2359 
Beck  S.  C.-Pest  1863,  2534 

Becker  G . 368 

Becker  W . 376 

Becker  C  - München  .  2743 
Becker  E.- Hildesheim  1728 
Becker  J  -Dortmund  .  93 

Becker  K.-Göttingen  .  2804 
Becker  Ph.F.  Frankfurt  661 
Becker  W.-Bremen  428,  1163 
Becker  W.  H. -Giessen  2138 


Bergmann  J.  -  Charlot¬ 


tenburg  . 259 

Bergmeister  ....  675 

!  Bergonib  . 950 

Bergsma . 656 

Bergstrand . 1340 

Bäriel  . . 2012 


Bering  ....  1951,  1971 
Berkeley-London  .  .  .  2083 
I  Berkeley  W.  N. -New- 

York . 1851 

i  Berkowitz  A.-Pest  .  .  2192 


Seile 

Berkowitz  R.-München  93 
ßerUtzky .  2808 


Berliner 
v  Bermann  .  1849, 
Bernard  L.  220,  221, 
Bernard-Dresden  . 
Berner  ....  601, 

Bernhard  . 

Bernhardt  .  .  . 

Bernheim  W. -Breslau  . 
Bernheim-Karrer  .  .  . 
Bernheimer  .  . 
Bernoulli  .  .  967, 

Bernstein  J.-Halle  .  . 
Bernstein  P. -Berlin  .  . 
Berry  .  .  .  957,  1954, 
Bertarelli  . 

Bertels  .  . 
Bertelsmann 
Bertheim  . 


621 


314, 


1049, 


2137 

2704 

2064 

600 

2072 

882 

660 

1583 

2373 

2918 

2535 

2414 

1614 

1955 

488 

2532 

1277 

2686 

2850 

1435 

1562 

1792 

2806 

1343 

2539 


Bertholet 
Bertlich  . 

Bertog  . 

Bertrand 
Berwald  .  . 

Besenbruch 
Bosredka  1217,  1750, 
Besselmann  1633, 1636, 1692 
Best  Dresden  154,  895,  2921 
Best-Rostock  .  .  947,  1618 

Besta . 260 

Bestelmeyer  .....  2709 
Beth  ........  2376 

Bethe . 2148 

Betke  .  .  781,  2008,  2545 

Bettmann  J. -Leipzig  .  1842 
Bettmann  M  -Berlin  .  1676 
Bettmann  S. -Heidelberg  494, 
798,  1451 

Beumer-Greifs 1  ald  .  .  1280 
Beumer  H. -Charlotten¬ 
burg  ....  938,  1893 

De  Beurmann  ....  958 
Beuthin  .  .  ...  1447 

Beuttner  317, 1782,2007,2022 
Beyer-Hanau  .  .  .  25 

Beyer  B. -Bayreuth  1560, 2450 
Beyer  W.- Rostock  240,  1867 

Beyermann . 2140 

Beythien . 424 

Bezais  .... 

Biach  M-Wien 
Biach  P.-Wien  . 

Bialo  .... 

Bjalokur  .  .  . 

Bianchi  .... 

Biberfeld  .  .  . 

Bibergeil  .  • 

Biberstein  .  .  . 

Bickel  A  -Berlin 
Bickel  H.-Bonn 

Bidou  . 

Bie  . 

ßiedl  .  .  1103,  1167, 

Biehl . 377 

Biehler . 2532 

de  Biehler . 323 

Bieling . 1673 

Bielschowsky- Marburg  214, 
710,  1512 

Bi  elscho  wsky-Berlin 

Bien . 

Biener  ... 

Bier-Berlin.  275,  313, 

2858 

Bier  J. -Breslau  .  .  . 

Bier  M. -Berlin  ... 
Bierast  .  ,  1342,  1398, 
Bierbaum 
Bierer 
Bierger  . 

Biermann 
Bierry 
Biesalski 
Biggs  .  . 

Bigi  -  Terran  uo  va  -  Brac 
chiolini 
Billet  .  . 

Bilsted  . 


773, 

731, 


40, 


2423 

2014 
1620 

998 

1108 

1167 

1898 

1848 

1595 

483 

1511 

1782 

2015 
1960 


263, 

733j 


9, 


2427 
.  2374 
,  2688 
2753, 

,  2302 
.  2437 
1507 
827 
1222 
483 
493 
2130 
781 
604 

2077 

2918 

2298 


Seite 


Seite 


Bindseil  .  .  .  1341,  1784 

Bing  R . 2187 

Bing  H.  J.  Kopenhagen  2359, 
2804 

Binger . 2915 

Bingler . 1561 

Binswanger  2007, 2084,  2321, 
2479 

v.  Björkenheim  599,  1678 
Birch-Hirschfeld  1514,  2641) 
Bircher  1559,  1976,  2355, 
2418,  2533,  2802 

Birk . 1219 

Birkheimer . 1903 


.  .  256, 

Berlin  879, 
-Berlin  .  . 


1627, 


547 

2023 

309 

2194 

37 

2078 

1819 

2693 

1845 


Birnbaum 
B  rt  . 

Bischoff 
Bischoff  H. 

Bischoff  M 
Bishop 
Bitter  . 

Bittner 

Bit torf  427,  1056,  1562, 

2525 

Bittrolf  .......  1396 

Blackford .  2592 

Blackwell . 1957 

Bad .  90 

Blaizot  ....  1792,  2763 
Bland-Sutton  .  .  .  1733 

Blandy .  2696 

Blanluet . 829 

Blaschko .  2805 

B'au .  99,  1568 

Blauei  ...  .  870,  882 

Blecher  .  .  .  .  1251,  2246 
Bleeck  .  .  ...  937 

Blencke  .  .  162,  330,  1231 

Bles  . 1941 

B  essing  . .  2353 

Bleuler  256,  309,  366,  424, 

599,  657,  1560,  2519, 

Bley . 

Blick  .....  .728, 
Bloch-Beuthen  .  1636, 

Bloch  A. -Frankfurt  .  . 

E.  Kattowitz  .  . 

F. -Fran/ensbad 
R.-Zborowitz 


96,  1342, 
.  .  1273, 


2742 

885 

1176 

1692 

380 

376 

2196 

828 

1447 

2071 

2796 

2641 

1952 

165 

1790 


Bloch 
Bloch 
Bloch 
Blöte  .  . 

Blühdorn 
Blütnel  . 

Blum  L.  , 

Blum  D.-Köln  .  . 

Blum  L.  Strassburg 
Blum  R.-Berlin 
Blum  V.-Wien  445, 1069, 1577 
Blumberg  .  .  .  498,  2705 

Blumenau  ....  996,  1622 
Blumenfeld-Wiesbaden  1560 
Bluinenfeld  E.-Berlin  .  992 

Blumenthal  A. -Berlin  .  1620 
Blumenthal  F. -Berlin  2476, 
2916 

Blumenthal  Gg.-Berlin  1846, 
1908,  1909 

Blumenthal  W.-Reichenhall- 
Charlottenburg  .  2584 
Blumrn  .  .  34,  256,  1014 

Blumreich . 766 

Boas  K.  .......  .  2699 

Boas  H.- Kopenhagen  549, 
1111,  2016,  2357,  2358, 
2620 

Boas  J. -Berlin  263,  826, 

Bocci 


209,  2134, 
.  .  2699, 


2364 
2242 
1452 
2646 
2759 
958 
1756 
2301 
1791 
602 

-Lüdenscheid 


Bock  . 

Bockhorn 
Boden 
B"din  .  . 

Bodmer  . 

Boechat . 

Boeckel  . 

Böcker  W  -Berlin 
Boecker  W 
1774 

Boehm . 257 

Böhm  Jena . 951 

Böhm  F.-Prag  ....  2196 


Boehm  G. -München  .  1164 
Boehm  G.-Schleswig  .  936 


Böhm  M.-ßerlin 

731,  2419 

Böhme  .  .  .  . 

.  .  .  2026 

Böhmig  .  .  .  . 

.  .  1292 

Boehncbe  . 

398,  1046 

Böing  .  .  .  . 

.  .  .  1109 

Bönniger  .  .  . 

674,  2705 

Bönning  .  .  . 

.  .  .  1681 

Boerma  .  .  .  . 

.  .  1729 

Bösch  .  .  .  . 

...  90 

Böttcher  .  .  . 

.  .  .  1730 

Böttger  .  .  .  . 

.  .  1726 

Böttrich  .  .  .  . 

1415,  1896 

Bogason  .  .  . 

.  2014 

Bogdanowitsch 

1278,  1340 

Bohm  .  .  .  . 

.  2787 

Bogoras  .  .  . 

1621,  1676 

Bohne  .  .  .  . 

1281,  1282 

Boikow  .  .  . 

.  999 

du  Bois-Reymondl214,  2469 

Boissonnas  .  . 

.  .  .  1617 

Boit  ...  770 

2069,  2368 

v.  Bokay  323, 

2299,  2ä01, 

2373,  2689 

Böiiarsky  .  .  . 

.  .  .  1288 

Bollag  K.-Basel 

.  .  .  2514 

Bollag  K.  Interlaken  .  939 

Bondi  J.-Wien 

1452,  2307 

Bondi  S.-Wien 

2139,  2307, 

2819 

Bondy  O.-Breslau  314, 1456, 
1617,  1842 


Bongartz . 715 

Bonger . 1902 

Bonhoeffer .  2854 

Bonhoff . 954 

Bonnet . 1791 

Bonnier  ......  1793 

Bonsmann . 2418 

Bontemps  .  602,  607,  720 
Borberg  ......  2189 

Borchard-Posen  .  .  2588 

Borchardt  L. -Königs¬ 
berg  . *2275 

Borchardt  M  -  Berlin  .  599, 
1006,  1504,  1789,2535, 

2637,  2744 

Borchers  Kiel  ....  2148 
Borchers  E.-Altona  .  .  769 

Bordet . 937 

Borissow . 1621 

Bornhaupt  ....  2532 
Bornstein  311,  599,1994, 
2134 

Bornträger . 199 

Boross . 1278 

Borszeky  .  .  .  1278,  2018 
Boruttau  .  141,  711,  1681 
Bosänyi  ....  949,  1951 

Bose . 1732 

Bosse  .  2072 

Bossi  .  134,  372,  709,  1678 

Botey . 1225 

Boucek . 939 

Bouchard . 655 

Bouquet .  2028 

Bourgelot .  2471 

Bourne . 1734 

Boveri . 1849 

Boyd  W .  2694 

Boyd-Philadelphia  .  .  2079 
Boyd  S. -London  .  .  .  843 

Braddon . 707 

Bradshaw .  2078 

Brady  .  .  .  .  1851 

Bräutigam  1902,  2420,  2691 

Brahm .  685,  1402 

Braithwaite .  2643 

Bramann . 1782 

Bramvvell  1735,  1969,^2643 

Brande .  2746 

Brandeis .  2251 

Brandenburg  ....  430 
Brandenstein  ....  1282 
Brandes  104,  145,  371, 

731,  832,  1398,  1627,  1970 
Brandt  ....  .  .  551 

Brandweiner  .  1284,  1849 


XVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913 


Seite 

Branson . 605 

Brasch . 1215 

Brauer  Gg.-Rumänien  43 
Brauer  L.-Hamburg  157,  190, 
619,  671,  948,  1003, 

1012,  1231,  1461, 

2150 

Braun-Brasilien  .  .  . 

Braun  H  -Zwickau  96, 

2290,  2354 

Braun  L.-Wien  .  .  . 

Braun  W.-Berlin 
Braunstein  .  .  1398, 

Brauser  . 

Braza  . 

v.  Breemen . 1217 

Brehm .  2532 

Breiger . 363 

Brei n  1  . '.  .  2296 

Breisacher . 1108 

Breituiann  J.  M. -St. Peters¬ 
burg  1675,  2421,  2423 
Breitmann  M  J. -Halle  2473 
Breitner  .  .  543,  675,  1577 

Brem .  2592 

Brennecke  2070,  2470,  2852 
Brenner  A.-Linz  2366,  2367 
2590 

Brenner  M.-Heidclbeyg  1448, 

1547 


1400 

1501 

1558 
.  373 
1908 
2091 
2749 


Breslauer  .  .  . 

370,  2191 

Bresler  .  .  . 

.  .  17S3 

Bretschneider  . 

937,  1615 

Breuer  .... 

.  .  900 

Breus  .... 

.  .  317 

Breyer  .... 

.  .  2199 

Brezina  .  .  . 

.  .  2415 

Brian-Köln  .  . 

.  .  1115 

O’Brian  C.  M  . 

.  .  1070 

Brick . 

.  .  1788 

Bridrö  .... 

.  .  2028 

Brieger-Breslau 

.  .  1568 

Brieger  L. -Berlin 

258,  2917 

Brielli  .... 

.  .  1169 

Brill-Frankfurt  . 

.  .  1517 

Brill  N.  E.-New-York  .  2076 

Briuckmanu 

.  .  1565 

Brind . 

.  .  1163 

Brissaud  .  .  . 

.  .  "277 

Brix  . 

1325,  2790 

Broadbent  .  .  . 

.  .  1968 

Broca  . 

.  .  1860 

Brock  .... 

.  .  1568 

Brojkmann  .  . 

.  .  92 

B  oeq . 

.  .  1070 

Broden  .... 

.  .  1344 

Bro  mann  .  . 

.  .  2362 

Br  >mel  .  .  . 

.  .  1952 

Brösamlen  .  . 

.  .  2801 

Brokmann  .  .  . 

.  .  2806 

Bromberg  .  .  . 

1620,  1900 

Brommer  .  .  . 

.  .  2325 

Brooks  .... 

.  .  605 

Brosch  .... 

.  .  318 

Brossa  .... 

.  .  2192 

Biotzpn  .  .  . 

.  .  881 

Brouardel  .  .  . 

.  .  255 

Brouriiton-Ale  ck 

.  .  887 

Brouwer  B.  .  . 

.  .  2141 

Brouwer  P.-Amster 

!am  1564 

Brown  .... 

.  .  2591 

Browne  .... 

.  .  605 

Brubacher  .  .  . 

.  991 

Bruce  . 

.  .  2023 

Bruch  .  . 

.  .  1166 

Bruck  A.-Berlin 

.  1445 

1071,  1185,  2476 
Bruck  F.-B  rlin  650  1775 
Brückner- Berlin  .  .  .  1513 
Brückner-Dresden  484  1219, 
2193,  2859 

Bruegel .  179.  593 

Brüggemann-Giessen  .  1569 
Brüggemann  A.-Kiel  .  543 

Brühl . 1569 

Brünell  . 234 

Brüning  A.-Giesson780, 1350, 
1716 


2853 

2129 


2862, 


660 

2588 

483 

2420 

201 

2741 

003 

1283 

2803 

2418 


1896 

1280 

2532 

1155 

1728 

1049 

1960 

1963 

1621 

2138 

91 

2863 

2538 

949 

2190 


Seite  1 

Brüning  H.-Bostock  365,  884, 
1746,  2299 

Brünings  .  990,  1568,  1571 
Brünn  .  .  .  827,  2690 

Brugscb  37,  1180, 1576,  2352 

Bruhin  . 255 

Brun  H.-Luzern  .  .  317 

Brun  H.-Ztirich  .  .  .  1338 

v.  Brunn  M . 1389 

v.  Brunn  M.-Boehuin  .  2533 
v.  Brunn  W. -Rostock  1044, 
1746 

Brunner  C.-Schweiz  .  1620 
Brunner  Fr. -Neumünster 

1677 

Bruno . 1995,  2373 

Brunon . 423 

v.  Bruns  P . 198 

Bruns  L.-IIannover  .  .  2018 
Bruns  O.-Marburg  35,  207, 
948,  955,  1055 
Bruschettini  .  .  1396,  2078 

Brustein .  2807 

Brustmann . 1674 

Brutzer  C .  2532 

Bryan .  2696 

Bublitschenko  ....  2688 

Buch  . . 2015 

Buchholz . 999 

v.  Buchka . 1335 

Buchmann  .  .  .  2805 

Büchner  A.- Frankfurt  1846 
Büchner  P. -München  990, 
1044 

Buchtala .  2749 

Buchwald .  2763 

Bucky  .  186  348,  833,  950 
Bülow-Hansen  ....  551 

v.  Buenger .  2595 

Bürger  Fr.-Chicago  .  .  2546 
Bürger  M.- Charlotten¬ 
burg  .  .  938,  1898, 

Bürgi .  425, 

Bürker  365,  423.  769,  1001, 
1103,  1214,  1725,  2027, 
2129,  2190,  2249,  2414, 
2442, 2470, 2530, 2686,  2849 

Bütschli . 365 

Büttner-Wobst  ....  133 

Bufe .  2624 

Bugarsky . 2139 

Buia .  2303 

Bukowskaja . 1623 

Bull . 203 

Bum .  377,  2470 

Bumke . 1512 

Bumm  205,  653,  654, 1068, 
1180,  1235,  1402,  1697, 
2920 

Bundschuh  E.  -  Chem¬ 
nitz  ....  262, 

Bundschuh  E.- Frei¬ 
burg  .  1677,  2354, 
Bundschuh  Iv.  -  Darm¬ 
stadt  .  .  . 

Bundschuh  R. -Illenau 
Bungart  .  . 
v.  Bunge  . 

Buob  .  .  . 

Burchard  . 

Burckhardt  G. -Würz 
bürg  .  . 

Burckhardt  II.  -Beilin 
Burckhardt  J.  E.-Würz- 
burg  .... 

Burckhardt  .T.  L. -Basel 

Bürden ko  . 

Burkhardt-Nürnberg 
Burmeister  .  .  371, 

Burnet  .... 

Burns  .... 

Burrows  .  .  . 

Busch  .... 

Buschke  .  .  . 

Buschmakin 
Busse  .  .  1456, 
de  Butler  .  .  . 

Butscher  .  .  . 

Butterfield  .  . 


Buttermilch  .  .  2374, 

Seite 

2817 

Butzengeiger-Elberfeld 

128 

Butzengeiger  O.-Wien 

2244 

Buytendvk . 

2243 

Bychowsky  . 

Bvers  . 

1967 

Bylina . 

1286 

Byloif .  886, 

1790 

Bywaters  .  .  .  1046, 

2644 

C. 

Caan  .  9,  1062,  1078, 

2754 

Cabot  . 

1223 

Cade . 219 

,  712 

Cadiot . 

2093 

Caffarena . 

1168 

Cahen .  . 

1503 

Calmette  ....  541 

,  843 

Calot . 

2414 

Calv4 . 

733 

Camerer . 

2373 

Cameron . 

Cammidge  ... 

2077 

De  la  Camp  .  .  2197, 

2263 

Candea  . 

De  Candolle . 

256 

Cann . 

1908 

Canti . 

2853 

Cantieri  ....  2476, 

2749 

Cantiori . 

1849 

Cantlie . 

2023 

Capelle . 

2355 

Capitolin  .  .  .  1051, 

1052 

Carcanagua  . 

312 

Carl  W . 

2069 

Carl-Karjsruhe  .  .  . 

2471 

Carl-Königsberg  .  .  . 

1058 

Caro . 

2852 

Carozzi . 

2416 

Carulla . 

Carwardine . 

1733 

Casella  .  .  1238,  1358, 

2850 

Carlier . 

221 

Carlsson  ...... 

1170 

Carneiro . 

2689 

Carnob . 

276 

Caro . 

2360 

Caronia  .  .  248,  883, 

2750 

Carpintero  .  .  . 

1904 

Carrel  189,  1223,  1398, 

2591 

Casella . 

Caspari  .  1576,  1626,1673, 

1902 

Caspary  . 

1907 

Casper  ....  1058, 

2429 

Cassel  ....  2299, 

2594 

Cassirer . 

Castaigne  .  .  221, 

277 

Castoll-Rüdenhausen, 

Graf  zu . 

2693 

Castellani  A.- England 

1954 

Castellani  L. -Mailand 

1792 

Castellvi . 

Castex . 

714 

Castiglioni . 

de  Castro . 

1169 

Cathelin . 

221 

Cattaneo . 

1219 

Cattani  .  .  .  602, 

2138 

Cavina . 

1337 

Cazencuvc  . 

1401 

Ceelen . 

601 

Celli .  1445, 

1902 

Cervello  .  . 

206 

Cesa-Bianchi  311,  427, 

584 

Cesar  . 

Chabrol . 

835 

Chachlow . 

1621 

Chais . 

2423 

Chalatow  .  .  2247, 

2588 

Chalier . 

1791 

Chalmers . 

605 

Cbalupecky  .  603, 

2196 

Champion  niere  .  .  . 

1508 

Chantemesse  277,  843, 

1 182, 

1631,  1972 

Chapple  . 

1953 

Seite 

Charnas  ....  621,  2139 
Chaslin . 480 


Chatelin 
Chauffard 
Chauveau 
Chauvin 
Chelaru  . 


277, 


67 


677 
1958 
2653 
1791,  2495 
.  .  .  44 


1630 

94, 

2749 

484, 

388 


Chemin . 1957 

Chernbacli . 1051 

Chessin . 1787 

Chevassie . 

Chevrel  ....  958, 

Chiari  H.-Strassburg  . 

248,  841,  2534 
Chiari  O.  -Wien  .  .  . 
Chiari  O.  M.-Innsbruck 

5368 

Chiari  R.-Wien  .  .  . 
Chilaiditi  .  .  .  2201,  2692 

Chiliaiditis . 1791 

Childe  ....  1070,  2644 
Cbinh-Hunge  Yen  .  .  2538 

Chlopin . 1622 

Chlumsky  .  427,  1452,  2527 

Chosrojeff . 315 

Chouke witsch  ....  1792 

Chaplewski . 432 

Christen  86,  950,  1160,  1337, 
1372,  1545 

Christiani  A.-Reichen- 

bach .  2302 

Christiani  E. -Eibau  .  .  1616 

Chrust.alewr . 1621 

Chrysospathes  ....  2638 

Chudovzkv . 1278 

Ciaccio . 660 

Ciarla  E.-Rom  .  .  .  2587 

Cimbal  .  1104,  1282,  2626 

Cioc .  43 

Cisler .  2360 

Citron-Berlin  .  .  .  2541 

Citron  H. -Berlin  .  .  .  1620 
Citrou  J. -Berlin  .  827,  943 

Ciuca . 1050 

Claasz . 1837 

Clairmont  .  939,  1299,  2073, 
2366,  2368 

Clark  H . 886 

Clark  P.  T . 486 

Clarke . 604 

Claude . 333 

Claudius  ....  550,  1789 

Clausen . 1454 

Clausmann . 1750 

Clausnitzer . 1729 

Clemens-Chemnitz  .  154 
Clemens  H.-Eickelboorn25t-9 

Clock .  2591 

Cloetta  .  262,  2198,  2535 

Coca . 1675 

Cochran  . . 1401 

Cölliger .  2745 

Coenen  ....  831,  2915 

Cohen .  32 


Cohn-Köln .  2087 

Cohn  T . 990 

Cohn  A.  E.-New-York  2077 
Cohn  F.-Greifswald  937, 2370 
Cohn  M. -Berlin  106,387,  778, 
831,  833,  1042,  1298,  1731 
Cohn  M. -Rumänien  .  1050, 
2304 

Cohn  P. -Mannheim  979 
Cohnheim-Heidelberg  893, 
2469 

Cohnheim  O.  ...  1336 
Cohnheim  P.-Berlin  .  86 

Colebrook . 941 

Cole .  2696 

Colemann . 677 

v.  Coler . 879 

Coles .  2693 

Coley . 1908 

Colle . 1849 

Collet  .  2361 

Colmers  .  .  .  109,  1057 

Colwell  .......  486 

Combes  . 277 


Seite 

Combier-Creusot 

.  .  .  266 

Comby  .  .  . 

.  333,  2299 

Compau  .  .  . 

.  .  .  1225 

Conzetti  .  .  . 

.  .  .  2299 

Connal  .... 

.  .  .  1401 

Connor  .... 

.  .  .  2078 

Oonon  .  .  . 

1973,  2092 

Conradi  C.-Dresden  148,609, 

1458 

Conradi  E.-Köln 

.  .  .  1592 

Conradi  H.-Dresden  .  1073 

Conseil  .  549, 

1792,  2092 

Constantinescu 

.  .  .  1050 

Cooke  .... 

.  .  .  2023 

Cooley  .  . 

.  .  .  2078 

Coombs  .... 

.  .  .  940 

Cope . 

.  .  .  604 

Coppez  .... 

.  .  98 

Corby  .... 

.  .  .  1968 

Cordier  .... 

.  1047 

Cords . 

2681 

Cordua  .  .  . 

.  .  .  1900 

Corin . 

.  .  .  1344 

Cornelis  .  . 

.  .  .  39t) 

Corner  .  . 

1733,  1954 

Cornet  .... 

828,  1894 

Corning  .... 

...  989 

Corradi  .... 

.  .  .  1168 

Correa  .... 

.  .  .  2140 

de  Cortes  .  .  . 

.  .  .  370 

da  Costa  .  .  . 

.  .  .  716 

Costantini  .  . 

335,  488 

Cottenot  .  .  . 

.  .  950 

Coulomb  .  .  . 

.  .  .  1401 

de  Courmelles  . 

.  .  .  2081 

Courmont  .  .  . 

.  .  .  277 

Courvoisier  .  . 

...  661 

Coustaing  .  .  . 

.  .  .  1790 

Couto . 

.  .  935 

Cowan  .... 

.  .  .  2077 

Cozzolino  .  .  . 

.  .  .  2299 

Crarner  .... 

.  .  .  251 

Craig  C.  F.  -  Chicago  1224, 

1851,  2150 

Craig  D.  M. -Newyork  335 
Crarner  H. -Berlin  1283,  2805 
Cramer  H.-Bonn  .  .  .  2638 
Crarner  K.-Köln  .  731,  1163 

Credö . 2 117 

Crede-Hörder  .  23,  41,  149, 


2241,  2639 

Cremer 

. 1831 

Crbmieu 

.  2636 

Creutzfeld  H.  -  Frank- 

furt  .  . 

. 2418 

CreutzfeldH.G. -Leipzig  2475 

de  Crignis 

.  2690 

Crile  .  .  . 

.  2694 

de  Crinis  . 

. 1899 

Cristea  .  . 

.  1051,  1052 

Crocq  .  .  . 

Croftan  .  . 

.  .  .  .41 

Crofton  .  . 

Croom  H.  . 

Croom  J.  H.  - 

Edinburg  788 

Croner  .  . 

. 1104 

Cropper  .  . 

.  .  .  35,  2696 

Crottie  .  . 

.  .  1224 

Crouzon  .  . 

.  277,  333,  334 

Crow  .  .  . 

.  2694 

Cr o well  .  . 

. 1400 

Crucillü  .  . 

,  .  .  .  1168 

Cruet  .  .  . 

1049,  2133 

Cruichshank 

. 606 

Cruveilhier 

. 1848 

Csöpai  .  . 

. 1841 

Cserna  .  . 

. 2131 

Cumherbatch 

....  2023 

Cun4o  .  . 

. 1043 

Cuno  .  .  . 

.  2515 

Cuntz  .  .  . 

Cuny  .  .  . 

.  .  718,  2745 

Currie  .  .  . 

.  .  1223 

Curschmann 

F.-Grep- 

pinwerke  ...  .  1395 

CurschmannH. -Leipzig  1444 
Curschmann  H. -Mainz  2599, 
2651,  2761,  2864 
Curtis .  486; 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XVM 


ipi.i 


Seite 

Cushing  J.  R . 993 

Cushing  H. -Philadel¬ 
phia  . 1224 

Cushny . 262 

Ozernogubow  ....  999 

Czernorutzky  .  .  664,  2425 
Czerny  A.-Berlin  332,  778, 
2299 

Czerny  V.-Heidelberg  734, 

1797 


Czyborra 

. 1728 

Czirer  .  .  . 

.  2534 

Czuprina  . 

.  .  .  1624 

v.  Czyhlarz  206,  1222,  2014, 

2364 

D. 

Dabney  .  . 

. 1793 

Daeis  .  .  . 

713,  1678,  1908 

Dagaew  .  . 

. 1563 

Dahl  •  .  .  . 

. 1566 

Dahlgren  . 

. 8‘>5 

Dahmer  .  . 

. 265 

v.  Dalmädv 

. 949 

Dalziel  .  . 

. 1968 

van  Dam  . 

. 882 

Damask  .  . 

.  .  1343  1447 

Dammann 

. 207 

Dana  .  .  . 

. 1851 

Dangschat  . 

Daniel  .  . 

.  .  936,  1951 

Danielsen  . 

.  .  411,  713 

Danielopolu 

.  .  .  42,  2304 

Dannehl  . 

. 1681 

v.  Dapper-Saalfels  .  .  808 

Darier  .  . 

. 1013 

Darre  .  .  . 

Daser  88, 

267,  2075,  2593 

Dattner  .  . 

. 256 

Daus  .  .  . 

. 1785 

Dautwitz  . 

.  .  995,  1222 

Dauwe  .  . 

.  2255 

David  90, 

491,  881,  1799, 

2341 

Davidsohn  1633,  1678,  2071, 

2804 

Davies  .  . 

. 941 

Davis  O.  C. 

M . 1734 

Davis  P. 

146,  1967,  2020 

Da  is  W.  T. 

F .  2644 

Dawson  .  . 

. 605 

Dax  .  .  . 

. 1684 

Deäk  .  .  . 

.  .  .  96,  1449 

Debaisieux 

. 1907 

Debove  .  . 

. 1631 

v.  Decastello  108,  621,  1357 

Decio  .  .  . 

. 1788 

Decker  .  . 

.  .  589,  670 

Decref  .  . 

. 2914 

Decroly  .  . 

.  2255 

Dedekind  . 

.  .  2818,  2868 

Deiressine 

...  .  1401 

Degrai  .  . 

894,  2020,  2082 

Dekeyser  . 

.  87 

Delamare  . 

. 1043 

Delange  .  . 

. 937 

Delbanco  . 

.  1574,  1910 

Delbet  .  . 

479,  1501,  1895 

Delchef  .  . 

.  99 

Delcorde 

.  98 

Delcourt  . 

. 323 

Deleuze  .  . 

. 1678 

Delfino  .  . 

. 936 

Delherme  . 

. 894 

Delorme- Frankreich  .  2073 

2752 

Delorme-Halle  .  731,  1631 

Del  porte  . 

. 656 

Delteil  .  . 

.  .  .  •  .  277 

Delyannis  . 

. 2014 

Demarest  . 

. 1895 

Dembskaja 

.  2421 

Deminsky 

...  .999 

Demmer  . 

Demoor  .  . 

.  83 

Demuth  .  . 

.  95 

Denk  J.  Stuttgart  .  .  1389 

Seite 

Denk  W.-Wien  . 

202.  1615, 

2251,  2366 

Denker  48,96, 990,  1606, 2024 

Denks  .... 

.  .  .  1405 

Le  Dent  .  .  . 

.  .  .  1501 

Le  Dentn  .  179, 

677,  1895 

Denuc£  .  .  . 

.  .  .  2531 

Depage  .... 

Deppe  .... 

.  .  .  1725 

Depree  .... 

1736,  2438 

Derganc  .... 

Deroitte  .... 

.  .  .  2253 

Dervieux  .  .  . 

.  .  .  1103 

Desbouis  .  .  . 

.  .  .  202n 

Deseniss  .  • 

.  .  .  213 

Desnos  .  . 

.  .  .  277 

Dessauer  .  696, 

833,  1383, 

2082,  2268,  2544 

Dessy  . 

.  .  .  318 

Determann  .  . 

.  .  .  599 

Dettmer  ... 

.  .  .  1662 

Deubner 

.  .  .  1897 

Deutsch  A.-Wien 

.  .  1731 

Deutsch  E.-Pest 

.  .  .  323 

Deutsch  F.-Wien  219,  1180, 

2014 

Deutsch  H. -Brünn  .  .  264 

Deutsch  H.-Wien 
Deutschländer  . 

.  2249 
713,  1011, 

2860 

van  Deventer  . 

.  .  2255 

Devoto  E.  .  .  . 

Devoto  L.  .  .  . 

.  .  .  374 

Dewar  .... 

.  .  .  504 

Dexler  .... 

.  .  .  847 

Deycke  .... 

119,  2217 

Dibailow  .  .  . 

.  .  .  1622 

Dibbelt  .  .  . 

442,  715 

Dick . 

.  .  .  486 

Dicke . 

.  .  .  937 

Dickinson-Brooklyn  .  2083 
Dickinson-Glasgow  .  .  1967 

Di-m . 316 

Dienst  .  .  708,  1164,  2474 

Diesing . 715 

Dieterle  ....  1813,  2916 
Dietl  .  .  481,  881,  2049 

Dietlin . 1763 

Dietrich  A.-  Charlotten- 
bnrg  .  .  .  1107,  2300 

Dietrich  E.-Berlin  .  .  309 

Dietrich  E.-Köln  .  .  1107 

Dietrich  K.  Helfenberg  2471 
Dietrich  S.-Köln  .  .  .  2247 
Dietschy  ....  825,  2302 


jLfieiz . 

Dieudonn6  .  . 

2007,  2636 

Ddger . 

Dilling  .  .  .  . 

Dimmer  .  .  .  . 

Omkler  .  .  .  . 

1843,  2378 

Dippe  ,  .  •  .  . 

.  847,  880 

Disque  .  .  .  . 

.  .  .  1501 

del  Distro  .  .  . 

.  .  .  1904 

Ditlevsen  .  .  . 

.  2358 

Dittler  .  .  .  . 

.  543,  2129 

Diwawin  Bogovodsk  .  40 

Dixon  W.  E. 

.  .  .  2643 

Dixon  S.  G.-Chicago  .  1851 

Diuski  .  .  .  . 

.  .  .  1337 

Dmitrijew  .  .  . 

.  .  .  1622 

Dobbertin  317, 

1615,  1903, 

2192 

Dobi-rauer  .  .  . 

.  .  .  2639 

Dobernecker 

...  44 

Dobrochotow  . 

.  .  .  2355 

Dobrovici  .  .  . 

.  42,  2303 

Dobrowolskaja  . 

658,  2009, 

2354 

Dochez  .  .  .  . 

...  486 

Dock . 

.  .  .  2016 

Dodgson  .  .  . 

.  .  941 

Döbeli  .  .  .  . 

...  659 

Döblin  .  .  .  . 

1446,  2850 

Döderlein  442, 

653,  1296, 

1403,  1728, 

1804,  1859, 

1964,  2080,  2082,  2865 

Dölken  .  .  .  . 

.  .  .  1221 

Döll . 

...  95 

Seite 

Döllner .  2569 

Doqrfler  H.-  Regens¬ 
barg  .  2065 

Doerfler  H.  -  Weissen- 

burg  i.  B . 1268 

Döri .  97 

Doering . 335 

Doernberger  256,  1275,  1631 
Doerr  ...  ...  1673 

Dörr  O-Göttingen  .  .  488 
Doerr  R.-München  .  .  427 

Dohmen .  2093 

Dohrn . 902 

Doinikow . 795 

Dold  38,  1217,  1276,  1848, 
1901,  2636 

Dolgopol . 481 

Dollinger  1117,  1218,  2019 

Doljan .  43 

v.  Domarus .  2850 

Domraer .  2859 

Dominici . 958 

de  Dominicis  ....  2076 

Dominikow . 147 

Donaggio  .  2253 

Donath  H  -Wien  .  .  .  1682 
Donath  J.-Pest  ...  42 

Donati . 626 

Dönges . 1902 

Dopter  . 1630 

Dorendorf  .  .  .  1166,  2816 

Dornblüth  H . 2415 

Dornblüth  O.  .  .  .  2415 

Dorner . 164 

Dostal . 1621 

Douglas .  2023 

Downes . 1852 

Downie  . . 266 

Draudt . 1679 

Dreesen . 2138 

Drehtnann . 731 

Dreisbach . 591 

D  ennan . 1851 

Dresel . 1283 

Dreuw  .  .  949,  1382,  2589 

Drews . 1218,  1382 

Dreyer  A.-Köln  .  161,  1627, 
2249 

Dreyer  L.-Breslau  .  .  1058, 


Seite 

Dutoit 

.  .  .  935,  2262 

van  Dnyse 

.  98 

Dychno  . 

.  .  .  998,  1622 

Dynkin  . 

. 1901 

Dworetzky 

607.  889,  2813 

E. 

Ebbinghaus  ....  2013 

Eb  1er  F.-Dortmutul  708, 1279 

Ebeler  F.-Köln  .  1913,  2356 

Ebeling  . 

. 1846 

Eben  .  . 

.  2693 

Eberhart 

.  40 

Ebi-rle 

. 202 

Eberlein 

. 833 

Ebe  s  .  . 

. 14i 

Eberstadt 

. 993 

Ebner .  . 

.  .  613,  2069 

Ebstein  . 

1566,  1843,  2375 

Eccles  .  . 

.  843 

E  :Kard  . 

1165,  1341,  1902 

Eck'  lt 

.  .  .  1455,  2298 

Eckert  . 

.  .  .  1279,  2916 

Eckert  A.-Breslau  .  .  2853 

Eckler  . 

.  .  .  1047.  2804 

Ecks  e  n-Berlin  .  .  .  1907 

Eckstein-Prag  ....  331 

Edberg  . 

.  2359 

Edelmann 

....  2537 

Edelstein 

1505,  2371,  2372 

Eden  .  . 

. 946 

Edens 

.  .  .  1751,  1841 

E  1er  .  . 

. 1336 

Edgar .  . 

.  2592 

Edge  .  . 

. 1969 

Edinger 

.  489,  1214,  1228, 

1511,  2244,  2544 

Edzard  . 

.  96 

Egau  .  . 

.  89 

Egger  . 

.  .  .  2421,  2763 

Egle  .  . 

.  2851 

Eguchi  .  . 

.  .  .  935,  1165 

Eiders  E. -Kopenhagen  2358 
Ehlers  W  E. -Neukölln  2588 

Ehrenreich .  2792 

v.  Ehrenwall  ....  1627 
Ehrl  .  2382 


2069,  2135,  2474 
Drevfus  .  444,  464.  630, 

1F.11  MM 

v.  Drig'alsäi  .  .  1507,  1796, 
1797 


Drizaki . 

.  .  995 

Drobny  .... 

.  .  665 

Drouven  .... 

.  .  2801 

Drowatzky  .  .  . 

Drügg  . 

.  .  430 

Dschunkowsy  .  . 

.  .  546 

Dserzgowsky  S.  . 

• 

z-gvyyoajt  Ui  .  • 

St.  Petersburg  996,  1622 


Dserzgowsky  W.  .  .  . 
St.  Petersburg  998 


Dubois-Bern  . 

.  .  41,  1163 

Dubois  M.-StrasBburg .  600 

Duckworth 

Dudgeon  .  . 

....  1953 

Dührrsen  .  . 

33,  148,  259 

Duensing  .  . 

....  2260 

Dünkeloh  .  . 

....  1410 

v.  Düring  926, 

1577,  1578, 

1783,  2007, 

2065,  2073, 

2531 

Dufour  .  .  . 

Duhot  .  792,  1088,  1126 

Duker  .  .  . 

....  2141 

Dumont  .  .  . 

....  1277 

Dunbar  .  .  . 

....  2795 

v.  Düngern  . 

.  .  493,  1923 

Dunkan  .  .  . 

....  2801 

Denker  .  .  . 

....  1842 

Dunzelt  .  .  . 

.  .  .  2616 

Dupo  it  .  .  . 

.  .  .  1690 

Dupuich  .  . 

.  1791,  2538 

Dupuy  .  .  . 

....  1525 

Durlach  .  .  . 

....  660 

Durlacher  .  . 

.  .  1882 

Dustin  .  .  . 

Ehrlich  Stettin  ....  1619 
Ehrlich  H.-Wien  1508,  2252, 
2368 

Ehrlich  P.-Frankfurt .  443, 
492,  1696,  1959,  2917 
Ehrmann  R  -Berlin  .  148, 
824,  935.  1398,  1731,  1789 
2066,  2115,  2264 


Ehrmann  S 

-Wien  .  . 

932 

Eichelberg 

...  93, 

2373 

Eichhoff 

880 

Eichholz  . 

2558 

Eichhorst  . 

1783 

Eichmann 

.  .  .  183,  428 

Eicke  .  .  . 

2713 

Eiermann 

.  .  1636, 

1637 

Eijkmann  . 

.  .  671, 

707 

Eiken  .  . 

2357 

Einhorn  .  545,  1680,  1681, 
2078,  2137 

Einthoven  .  .  .  2129,  2243 
v.  Eiseisberg  51,  312,  1004, 
1124,  1236,  2019,  2252 
Eisen  bach  .  .  .  2432,  2638 


Eisenheimer.  ....  41 

Eisenstadt .  2699 

Eisler  P . 141 


Eisler  Fr.- Wien  1031,  2048, 
2536 

v.  Eisler  M.-Wien  .  .  1399 
Eisner  ....  1415,  1680 

Eitner . 2139 

Ekler  .  .  .  1069,  1164,2307 
Kkstein  .  .  259,  372,  2746 

Elfer . 1336 

Elias . 1630 

Eliasberg .  2532 

Ellenbeck .  2299 

Ellenberger .  2469 

Ellermann  .  317,  550,  1106 


Seite 

Ellern  . 881 

Kbis  ....  .707,  1977 

Ellsworth . 1851 

El  perin . 428 

Elpers . 1563 

Eis  .  2474,  2585 

Elsässer F.A.-Hannover  207, 
1451 

Elsässer  J.  Heidelberg  2353 
Elschtiig  107,  388,  710,  1299, 
1513,  2867,  2925 

Else . 1682 

Elten . 372 

Ely . 429 

Emanuel .  2544 

Embleton  957,  1216,  1276, 
1953 

Emerson .  2077 

Emery  .  J . 1013 

Emmerich  E.-  Strass¬ 
burg  ...  .827,  1726 
Emmerich  M.-Nürnberg  698 
Emmerich  R.-München  1505, 
1559,  1730,  1894,  2676 
Ender  .  ...  .  1621 

Enderlen  .  216,  1179,  1859 

Enebuske .  2359 

772 
217 
2249 
2305 
1160 


Engau  . 

Engel  C.  S. -Berlin 
Engel  E  -Berlin  . 

Engel  Fr.  Bonn  . 

Engel  H.-Wien 
Engel  J.- Strassburg  2247, 
2418 

Engel  St -Düsseldorf  883, 
1507,  2299 

Engelen  41,  199,  1222,  1507, 
2013,  2420 

Engelhardt  ...  1785 
Engelhorn  .  587,  M95,  1291 

Engelking . 1729 

Engelmann  .  ...  708 

Engelmann  F.-  Dort¬ 
mund  ....  1563,  2587 
Engelmann  G.-Wien  1124, 
1180.  2368 

Engelmann  W. -Kreuz¬ 
nach  .  .  949,  1115,  1897 
v.  Engelmann  .  .  .  2096 

v.  Engelmann  G.-Riga  2532 

Engels .  2029 

Engelsmann .  2800 

Engwer .  94 

Entrario . 1577 

Ephraim  ....  1283,  1570 
Eppinger  445,  603,  621,  1236, 
1732,  1952,  2367,  2819 
Epstein  A.-Prag  .  .  .  2299 
Epstein  E.-Wien  .  .  .  995 
Epstein  M.-München  .  1125 
492,  1510,  2427 

. 1105 

.  .  900,  2196 

.  2645 

. 785 

. 1484 

.  .  .  313,  712 
Erlacher  207,  731,  780,  1312 
Erlenmeyer  A.-Koblenz  1046 
Erlenmeyer  E.-Freiburg  96, 
1114 

Ernst  F . 712 

Ernst-Kopenhagen  .  .  1908 

Ert  .  .  • . 973 

Esch-Ben  dorf  ....  1634 
Esch  P.-Marbnrg  187,  201, 
655,  1385,  1457,  1616,2746 

Eschweiler . 774 

Escudero . 318 

Espeut . 1774 

Essen-Möller . 1965 

Eston .  2538 

Etienne  ....  1791,  2538 
Eulenburg  .  .  .  1613,  1673 

Evangelista . 1849 

Evans  . 2018 

Eve  .  .  940,  1906 

Evler  1640,  1689,  2012,  2710 
Ewald . 779 


Erb 
Erd41yi  . 
Erdheim 
Erfurth  . 
Erygelet  . 
Erhardt  . 
Eikes  .  . 


XVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Ewald  C.  A.-Berlin  163, 1566, 
1789,  2076,  2187 
Ewald  G.-Erlangen  .  .  770 

Ewald  K.-Wien  .  .  •  1452 
Ewald  P.-Hamburg  378,  712, 
1662 

Ewart . .  •  886 

Exner  A.  -  Wien  275, 1682, 
2548 

Exner  H. -Wien  1682,  2367 
Exner  S.-Wien  .  .  .  2469 

Eykel . 716 

Eymer  653,  654,  655,  1560 
Eysell . 1^44 

F. 

Faber  A.-Kopenhagen  2295 
Faber  K.-Kopenhagen  1111, 
1221,  2076 

Fabian . 1876 

Fabre .  2021 

Fagge .  2693 

Faginoli  ....  1480,  2248 
Fahrenkamp  .  .  839,  1843 

Falgowski  1456,  2246,  237u, 
2476 

Falk .  1792,  2746 

Falkenburg  .....  2532 
Falkenstein  .  .  .  .  k-  38 

978 


Falkner . 

Falta  40,  98,  1300 , 2127,  |  Fischei  L.-Berlm  . 
2536,  2596,  2819  Fischei  R.-Bad  Hall 

Fanning .  604 1  Fischer 

Farmachidis . 1169 


Seite  i 

Fiebig .  88 

Fiehe . 1166  ! 

Fielitz .  838  i 

Fiertz . 994 

Fiessinger .  548  i 

Fiessler . 1831 

Fieux .  655  j 

Fildermann .  1790  i 

Filehne .  2801  | 

Le  Filliatre . 1905 

Fimmen .  1292  j 

Finato .  2750  | 

Finck . 165 

Finckh . 363 

Findlay  ....  1517,  1955 
Finger  885,  1386,  1452,  2203 
v.  link  Fr.  Karlsbad  91,  936, 
2367,  2368,  2744 
Fink  M.-Berlin  ....  2305 

Finkelnburg . 714 

Finkeistein  H.-Berlin  33, 706, 
1009, 1043, 1279, 16/8,  2595 
Finkeistein  J.-Moskau  998, 
1623,  2137,  2248 
Finsterer  264,  620,  855,  1124, 
2195,  2366,  2692 
Fiolle  J.  .  .  .  ■  .  599,  933 

Fiolle  P . 599,  933 

Fiore .  2750 

Fiori .  1398,  1726 

Fisch . 2 1 88 

651 
1506 

_ _  2318 

Fischer  R . 312 


Seite 

1741 

716, 


Farr .  2591 

Fasal .  2642 

Fasano . H68 

Fatjanow . 2422 

Faulhaber  .  216,  915,  2687 
Fauning  .....  604 

Faure .  2083 

FauBer  41,  430,  584,  1984 

F'aust . 2859 

F'auth . 815 

v.  Faykis . 871 

Federlein . 1410 

Federn  .  .  256,  1236,  2548 

v.  Fedoroff .  2430 

Feer  .  .  . 

Feher .  .  . 


Fischer-Wien  ....  2376 
Fischer  A.-St.  Gallen  .  1451 
Fischer  A. -Karlsruhe  .  1943, 
2737 

Fischer.  A.-Pest  1215,  1278, 
2019 

Fischer  B.-Frankfurt  a.M.609, 
669,  1062, 1228, 1405, 1449, 
1450,1460,1550,1920,2084, 
2143,  2313,  2543,  2754 
Fischer  B.-Kiel  .  .  .  2917 
Fischer  E.-Oharlotten- 

burg . 

Fischer  E.-Freiburg  .  . 

1043,  1842  !  Fischer  E.-Pest  .  .  . 

.  2534  !  Fischer  E.-Strassburg  . 


Fleischhauer  ... 
Fleischmann  K.-Wien 

2851  j 

Fleischmann  O.-Berlin  lo76  I 
Fleischmann  P.  Berlin  1446,  I 
2850 

Fleischmann  R.  -  Ham¬ 
burg  ....  1066,  1220 

Fleissig .  1502  i 

Fleming  G.  B.-Glasgow  207/ 

Fleming  R.  A .  2697 

Flensburg .  2359 

Flesch  J  .-Wien  378, 2548,2818 
FleschM.W. -Frankfurt  145,  1 
2744 

Fletcher  .  2696 

Fleurent .  2297 

FlexnerS.-Chicago  485,  1223 
Flexner  S.-New-Yora  .  2137 

Fliess . -  •  1790 

Flörcken  .  540,  2123,  2296 

Flöystrup .  2358 

Floret . 2415 

Floru . •  1051 

Flury . 78o,  2193 

Focke . 1276 

Fodor . S  880 

Föderl . 1047 

Foerster  A.-Berlin  .  .  768 

Förster  B.-Tübingen  .  992 

Förster  C.-Heidelberg  .  369 

F'örster  Fr.- Wien  .  .  2/0o 
Foerster  R.-Berlin  1566,  1880, 
2748 

Förster  O.-Breslau  493,  662, 
780,  1566,  1675,  2428 

Försterhng .  2854 

Föuss .  2359 


Foges  . 
Fonahn 
Fongö 
Fonio 
Foot 


Fehling  ....  1949,  229/  J 

Feliziani . 1850 

Fehlmeyer . 374 

Fehr .  718,  2296 

Feiber . 247 


Fischer  G.-Pest  .  .  . 
Fischer  H. -Halle  .  .  . 
Fischer  H.-New-York 
Fischer  J.  F. -Kopen¬ 
hagen 


2245 

2306 

2368 

1398 

935 

1159 

2744 


2359 

1649 

2535 

1216 
2009 
2751 

rischer  O  -Prag  107, 149,  730, 
1523,  2868 

Fischer  O.- Würzbarg  2803 

Fischer  W.-Berlin  .  .  2805 

FischerW.-Göttingen  94,  601, 
660,  1047 

Fischer  W.  -  Ostafrika  .  2690 

Fischer-Defoy  .  1785,  2192 

Fischkin  . 1805 

Fischl  F  -Wien  ....  2138 

Fischl  R.-i'rag  .  939,  2372 

Fi  s  <  hier  .  .  36,  2473,  2585 

Fishberg  M.-Chicago  .  1851 

Fishberg  M.-New-York  768 

Fernet  ....  1070,  2869  Fisichella .  2248 

F6ron .  2255  Fiske . 1851 

Ferrari .  939  Flach . 942 

Ferner .  677  I  Flatau  G.-Dresden  1160, 1560, 

Fesenmeyer  ....  1162  j  1725 
Fetzer  .  67.1,  1347,  2744  '  Flatau  S.-Nürnberg  .  . 

Feuchtwanger  ....  1062  j  Flatau  Th  S. -Berlin  209, 


Fejes . 1216  i  Fischer  J.-BadNauheim 

Feilchenfeld  377,  2699,  2752  rischer  J. -Rostock  .  . 

Feiling  .  .  2695  |  Fischer  J.-Tübingen  . 

Feinsinger .  1287  \  Fischer  M.-Olmütz  .  . 

Feith  . . 2314  Fischer  M.-Wieslo_ch 

Feiber . 388 

Feldmann  ....  •  .  666 

Feldt . 715 

v.  Fellenberg  .  1782,  2680 
Fellner  ....  1349,  1728 

Fels  . 1896 

Fellin-Stoltzenberg  F.  1 34,205 
Fellin  -  Stoltzenberg  R.  134, 

205 

Fenney . 934 

Feodorow . 2810 

Ferenczi . 256 

Feri . 821 

Fernau  .  .  •  264,  2195 


Feuillie  .......  2029 

Feustel . 1447 

Fibiger  .  .  429,  1908,  2015 
Fichera  ....  1908,  2176 

Ficker . 7  902 

Fickler . 1843 

Fieber . 1163 


87 
951 
75 

354 
1220 
219,  1413,  2364 
367, 


234, 


Fl-ath  .  . 

Flat  ow  . 

Fl  ebbe 
Flecksedcr 

Fleischer  B.-Tübingen 
1514,  2742 
Fleischer  M.  S.-Chicago  1851 


.  2365 

...  88 

1278,  2010,  2192 

. 1110 

. 1223 

Forbät . 938 

Forcart . H99 

Fordyce . 485 

Forel .  2850 

Forgue . 1/91 

Fornaca . 4ü 

Fornet  .  2301,  2916,  2918 

Forschbach . 1446 

Forsheim .  2356 

Forsmann .  2475 

Forssner  ....  427,  1161 
Förster  E. -Berlin  1507,  2700 
Förster  N.  B.-Newyorh  1337 

Forsyth .  2694 

Fouassier .  2029 

Foulerton . 1953 

Foveau  de  Courmelles  2081, 
2258 

,  Fowclin  .  .  .  .  .  658,  659 

[  Fowler . .  2695 

Eoy .  2023,  2361 

Frankel  M.  652,  653,  1612 
Fraenkel-Halle  .  .  .  223 

Fraenkel  A.-Badeirweiler- 
Heidelberg  ....  522 
Frankel  A.-Berlin  831,  994, 
2419 

Fraenkel  A.-Wien  .  .  331 
Fraenkel  D.-Berlin  .  .  373 
Frankel  E  -Bonn  .  938,  1283 
Fraenkel  E.-Hamburg  156, 
269,  897, 1407,  1460,  2009, 
2436,  2756 

Frankel  E.-Heidelberg  1619, 
1910,  1912,  1913,  1952, 
2025 

Fraenkel  Fr.-Chemnitz  1226 
Fraenkel  J.- Berlin  579,  733 
Fraenkel  K.-Berlin  .  .  2805 
Fraenkel  L.-Breslau  1349, 
2297,  2310,  2802 
Fraenkel  M.-Charlotten- 

burg . 950,  2474 

Frankel  N.  A.-Wien  .  2073 
Fränkel  S.-Wien  .  .  .  939 
Fraenken  ....  48,  1902 


Seite 

Fragale . 1850 

Franck  .  .  302,  2415,  2645 

Francke . 1398 

Franco . ._  .  2ji39 

Frangenheim  615,  776, 1559, 
1628,  2863 

Frank  . 1788 

Frank-Hamburg  .  .  .  207 
Frank  A.-Berlin  .  .  .  1056 
Frank  A,  -  Strassburg  .  1951, 
2071 

Frank  E. -Berlin  448,  541 
Frank  E. -Breslau  827, 1053, 
(425.  1595,  1678 
Frank  E.  A.-Hannover  771 
Frank  E.  R.  W.-Berlin  324, 
348,1847,2430,2431,  2589 
Frank  F.-Köln  ....  2020 
Frank  K.-Berlin  .  .  1901 

Frank  L.-Greifswald  .  1044, 
1054,  1561,  1562 
Frank  O.- München  .  2131 
Frank  R.-Kaschau  .  .  882 

Frank  W.-Dudweiler  .  1149 
Franke  C.-Heidelberg  39, 
315,  1970 

Franke  E.-Rostock  .  .  1/46 
Franke  F.  -  Braun¬ 
schweig  .  .  .  258,  2068 

Franke  M. -Lemberg  .  1682 

Frankenau . 1745 

Frankenburger  1044,  2583 

F  rankenhäuser-Baden- 

Baden  ....  38,  951 
Frankenhäuser  -  Berlin  948 

Frankenthal . 1910 

Frankfurter  O.  -  Grim¬ 
menstein  .  .  1399,  2250 
FrankfurtherW .-Berlin  2191, 
2361 

Frankhauser  ....  2625 
Frankl  1291,  1398,  1731, 
2355,  2369,  2371 
v.  Frankl-Hochwart  .  1843, 
2849 

v.  Franquö  1349,  1455,  1788, 
2803,  2850 

Franz.?K . 1673 

Franz  V . 2128 

Franz  Fr.-Berlin  .  .  .  262 
Franz  R.-Graz  654, 655,  24/4 
Fraser  A.  M  .  ...  886 

Fraser  H .  2696 

Fraser  J.  605,  707,  897,  941, 
1735,  2696 

Fraser  F.  R.-New  York  2077 

Frattin . 482 

Frazier . 486 

Fredet .  •  1895 

Freer . 1689 

Freifeld  ....  660,  2425 

Fremel  .  .  .  •  2537,  2704 


2132 

1566 


French  .  .  .  .  •  .  •  2202 
Frenkel  J. -Charkow  .  1287 
Frenkel  K.-Berlin  .  .  2o39 
Frenkel-Heiden  .  .  .  217 

Frentzel-Celli  ....  1445 
Frenzei  '16 

Frerichs  . 426 

Frese . •  •  •  2072 

Freud  . 256 

Freudenberg  A.-Berlin  981 
Freudenberg  E  -Heidel¬ 
berg  .  ....  1842 

Freudenberg-Klocman  1912 
Freudenberger  ....  2705 
Freudenthal  ....  885 

Freund  E. -Triest  .  .  .  1732 
Freund  E.-Wien  .  331,  373, 
1071,  1907,  2260 
Freund  F.  S.  -  Berlin- 
Schöneberg  .  .  .  2748 
Freund  H. -Heidelberg  838, 
1164,1276,1506,2475,  2860 
2915 

Freund  H.-Strassburg  1456, 
1457,  2297 

Freund  L.-Wien  .  51,  674, 
716,  1236,  2537 


1913. 

Seile 

Freund  P.-Hamburg  .  2247 
Freund  R.-Berlin  685,  700, 
708,  763,  1348,  1402,  2247 
Freund  W.  A.-Berlin  2096, 
2799 

Frew . 1953 

Frey  .......  369 

Frey  E.-Marburg  441,  2534 
Frey  O.-Wien  ....  2471 

v.  Frey  M. -Würzburg  .  198, 
255,  1725,  2128 
Freyer  ....  1955, 

Freytag  .  ...  • 

Fricker . 146 

Fridericia  .  .  .  .  2358 

Fried  C.-München  .  .  2782 
Fried  E.-Ludwigshafen  264 
Friedberg- Magdeburg  .  1177 
Friedberg  S.A.-Chicago  1522 
Friedberger  427,  481, 1216, 
1458, 1566,1784,|1789, 2916 

Frieueberg . 328 

Friedei . .  2863 

Friedemann  .  .  544,  (264 

Fr,  edj  ungJ.R.-Prag  256, 1279, 
1357 

Friedjung  K.  J. -Wien  2373, 
2652 

Friedländer  R . 1789 

Friedländer  A.  -  Hohe- 
Mara.  ....  670,  1830 

Friedländer  S. -Frank¬ 
furt  a.  M . 378 

v.  Friedländer -Wien  1047, 
1451 

Friedmann  A. -Königs¬ 
berg  . 1902 

Friedmann  F.F. -Berlin  2589 
Frieda,  ann  L.  J.-New- 

York  .  2495 

Friedmann  M. -Langen¬ 
dreer  i.  W . 1022 

Friedrich-Berlin  Steglitz  2853 
F'riedrich-Kiell741 ,1970,2147 
Friedrich-Leipzig  .  .  .  1843 
Friedrich  P.  -  Königs¬ 
berg  613, 945, 1231,  2497 
v.  Frisch  B.-Wien  484,  1058 
y.  Frisch  K.-Mücchen  .  15 

v.  Frisch  O.-Wien  1469, 2704 

Frischberg . 2135 

Frising . 958 

Fritsch  G.-Berlin  .  .  .  1620 
Fritsch  K. -Breslau  .2610 
Fritsche  ....  313,  314 

Fröhlich  A.-Wien  316,  2747 
Fröhlich  Fr.  W.-Bonn  .  1/89 

Frölich  Th .  2690 

Froesch . ■  911 

Fröschels  208,  1613,  2428, 
2488,  2704 

Fröse . 1167 

Frohse  .  - . 1612 

Fromberg  .  .  .  1562,  1903 

Fromholdt  .  66 

Fromme  A. -Göttingen  204 
Fromme  F.-Berlin  588, 1289, 
1501,  2297 

Fromme  W.-Düsseldorf  1164, 
2299 

Frommer .  2309 

Froning . 1742 

Fronstein . 1624 

Fronzig . 824 

Froriep . 1218 

Frühwald  H.  E.  .  .  .  1340 
Frühwald  R.-Leipzig  1800, 
2195,  2477,  2512,  2761 
Frühwald  V.-Wien  1110, 2138 

Fründ  .  2586 

Frugoni . 487 

Fry .  2693 

Fuchs  A.-Breslau  366,  1617 
Fuchs  A.-Kaufbeuren  2230 
Fuchs  A.-Wien  .  .  .  2364 
Fuchs  D.-Pest  .  .  992,  2133 
Fuchs  ;,H.-Basel  .  .  .  2339 
Fuchs  H. -Danzig  .  .  .  1728 
Fuchs  M.-Liegnitz  .  ,  1327 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XIX 


Seite 

Fuchs  R.  F.-Breslau  .  708 
Fuchs  R.-München  .  .2112 
Fuchsbühler  .  .  .  .  2810 

Fühner  .  .  601,' *1288,  1341 

Fülleborn . 1400 

Fürbringer . 1681 

Fürnrobr  .  .  .  1629,  1843 
Fürstenberg  .  .  .  480,  948 

Fürth .  2669 

v.  Fürth  .  .  .  2364,  2799 

Füth . 161,  1457 

Fukuhara .  2067 

Fukushi . 714 

Fulci . 2137 

Fuld . 1183 

Fullerton . 1734 

Fundner  .....  827 
Funk-Köln  .  .  .  707,  1114 
FunkA.-Freiburg  1243,  1776 
Funk  C.-London  1735,  1997, 
2614 

v.  Funke-Prag  1357,  1749, 
1950 

Le  Für . 221 

G. 

Gadamer  ......  2471 

Gaertner  C.-Coburg  .  .  314 
Gärtner  A.-Jena  .  .  .  1220 

Gaethgens . 1463 

Gaffky .  32 

Gaillardos . 934 

Gaisböck . 1337 

Galambos . 824 

Galazer .  2423 

Galdonyi . 2139 

Galeazzi . 428 

Galewsky . 1010 

Gali . 1566 

Gail . 713 

Gallart  y  Mones  .  .  .  2477 
Galli  101,  139,904. 1113, 1168, 
2128,  2142,  2650,  2857 
Galli-Valerio  ....  2128 

Galloway . 1735 

Galpern . 544 

Galton . 932 

Galusser . 1681 

v.  Gambaroff  ....  1644 
Gammeltoft  656,  2192,  2358 

Gamper  . 2918 

Ganon . 1956 

Gans  O. -Hamburg  .  .  2302 
Gans  O. -Freiburg  .  .  .  2475 

Ganter . 1055 

Gappisch  . .  2029 

Garcia  del  Mazo  .  .  .  319 
Gärcia  del  Diestro  .  .  1224 
Gardere  ....  •  .  .  2537 
Garre  .  .  .  776,  1786,  2585 
Garrod  ....  835,  1967 

Garrod  A.  E . 1953 

Garrod  A.  S . 1182 

Garson . 604 

Gasbarrini . 265 

Gasperini .  2750 

Gastinel . 2128 

Gastpar  .  .  647,  1632,  2255 
Gaucher  1071,  1577,  2028, 
2201 

Gaugele .  2850 

Gaundby . 1735 

Gaupp  ....  1914,  2759 

Gause . 2138 

Gauss  C.  J .  2007 

Gauss  F.-Bünde  .  .  .  1620 
Gauss  K.-Freiburg  337,  428, 
652,  653,  950,  1403,  1404, 
1507,  1908,  2023 

Gaussade . 1070 

Gaussel . 277 

Gautier  A. -Paris  .  677,  1750 
Gauthier  Cb. -Lyon  .  .  277 

Gauvain .  2643 

v.  öfeiza . 938 

Gazeau . 1958 

Gebb  .  •  .  .  964,  1513 

Gebele  132,  203,  931,  1683 


Seite 

Geber .  2249,  1302 

Gebhardt-Dresden  .  .  1061 
Gebhardt  Tb.-München  768, 
1163,  1726 

v.  Gebhardt  Fr.-Pest  .  2245 

Geeraerd .  98 

Gegenbauer . 429 

Gehm . 942 

Gehry  .  . .  2748 

Geigel  .  .  714,  1926,  2679 

Geinitz . 1257 

Geipel .  94,  1458 

Geissler  .  •  ....  121 

Gelarie .  2644 

Gelderblom  ....  2357 
Gelinsky  1163,  1278,  2589 
Le  Gendre  .....  835 
Gennerich  .  .  132,  2391 

Georgi . 262 

Georgiewsky  ....  1285 
Georgopulos  ...  89 

Gerber  O.  P.-Wien  .  .  2691 
Gerber  P.  -  Königsberg  634, 
2203,  241 1,  2584 
Gerbsmann  .....  1286 

Gereda . 1904 

Gergö . 936 

Gerhardt  106,  201, 786,  956, 
1055, 1334, 1629, 2637,  2906 
Gerhartz  .  .  .  1502,  1895 

Gerlach  H.-Dresden  .  2523 
Gerlach  R.-Göttingen  .  97, 

1048 

Gerlach  VV.-Berlin  .  .  2068 

Gerngross  . 2188 

Gerschun  J.-Moskau  .  2137 
Gerschun  T.  -  Moskau  998, 
2348,  2423 

Gersley . 2011 

(ierstenberg . 771 

Gessner . 774 

Geymayer . 547 

Gfroerer .  2803 

Ghedini . 488 

Ghilarducci . 487 

Ghiron . 2137 

Ghon  767,  787,  1576,  2549 

Giacchi . 1850 

Giani . 487 

Gibbard  .  2654 

Gibbs  . 829 

Giemkiewicz  ....  1752 

Giemsa  E .  2471 

Giemsa  G. -Hamburg  .  1074 

Giere .  367,  495 

v.  Gierke . 885 

Giessing  .....  .  551 
Giestland  ...  .89,  2072 

Gierszewski . 1451 

Giffard .  2080 

Giffhorn  .  .  .  1356,  2746 

Gigon .  660  I 

Gil  .  .  1904 

Gilbert  A.-Paris  .  255,  2007 
Gilbert  W. -München  143, 376, 
1232,  1501,  1513,  1514 
Gildemeister  E.-Berlin  1221 
Gildemeister  E.- Posen  2916 
Gildemeister  M.  -  Strassburg 
1512,  2129,  2389 

Giles . 1968 

Gilg . 368 

Gimenez  de  la  Serrana  1904 

Gindes . 998 

GinB . 661 

Ginsberg . 163 

Ginsburg .  2809 

Giordano . 482 

Giorgis . 1850 

Giovannini . 310 

Girard . 944 

Giraud . 894 

Giroux .  2653 

Gisel  A  -Wilchingen  .  428 
Gisel  A. -Zürich  .  .  .  1283 

Giusti  .  2477 

Glaessner  K.-Wien  .■  582, 
774, 1069,  2195,  2364,  2692, 
2705 


Seite 

Glässner  P.-Berlin  781,  832, 
'1356,  1789 

Glas . 829 

Glaser-Augsburg  .  .  .  1619 
Glaser  E.-Wien  .  .  147 

Glaser  F. -Berlin  316,  1507, 
1790,  2747 

Glass . 202 

Gleichen . 1680 

Glenn  .  2592 

Glinczikow . 1287 

Glintschikoff  ....  1789 

Gloyne . 887 

Gluck .  1221,  2252 

Glück  ....  57,  828,  2476 

Glücksmann .  2789 

Gluschkow . 663 

Glyan  . 1393 

Goadby . 1013 

Gobbi  .  2789 

Gobiet . 2014 

Gocht  .  .  .  731,  733,  833 
Godardanhieux  ...  98 

Goebel  C.-Breslau  .  .  1056 
Göbel  F. -Halle  .  .  1398 

Goebel  W.-Köln  356,  496, 
939 

Göbell  1503,  1574,  1598, 
1900,  2009,  2068 

Goecke .  2485 

Göldi . 1390 

Göppert  E.- Marburg  .  214 
Göppert  F.-Göttingen  902, 
1166,  1279 

Goerdeler .  89 

Görges  . 1467 

Goerke  775, 1450,  1568,  1571 
Görl  .  .  1126,  1235,  1688 

Goerlitz . 1120 

Goertz  ....  1470,  2380 
Goetjes  ....  496,  2135 

Gött  .  .  .  .  ^  710,  2470 
Goetz  .  .  1098,  1633,  1637 
Götzel-Wien  ...  .  2252 

Götzel  A.-Prag  .  .  934,  2132 
Götzky  .  1279,  1909,  2804 

Götzl .  2302 

Le  Goff .  2078 

Golfe .  2082 

Golanitzki . 1397 

Goldberg  A. -Moskau  .  664 
Goldberg  B.-Köln-Wil- 
dungen  .  .  .  2432,  2759 
Goldberg  J.- Warschau  2749 
Goldberg  L.-Jerusalem  827, 
2690 

Goldbladt  ....  714,  2136 

Goldfeld .  93 

Goldmann  E.-Freiburg  1005, 
1053 

Goldmann  G.-Köln  .  1903 

Goldreich . 2763 

Goldscheider  .  .  258,  1217 
Goldschmid  E -Genf  .  1340 
Goldschmidt  R.-Mün¬ 
chen  . 1688 

Goldschmidt  S. -Reichen¬ 
hall  .......  947 

Goldstein  K.- Königs¬ 
berg  757,  2356,  2419,  2863 
Goldstein  M.-Halle  1106, 
1274,  1659,  2024 
Goldstrom  ....  482,  2010 

Goldzieher  ...  .  2534 

Goliner  .......  2699 

Golla .  2428 

Gollubow  ....  665,  1160 

Gomoiu .  2304 

Gomolitsky . 825 

Gonder .  38 

Gontermann  ....  1068 
Goodmann  .  .  2018,  2138 
van  der  Goot  ....  2140 

Gordon  J.  L .  2696 

Gordon  M.  H.  .  2694,  2696 
Gordon  A. -Philadelphia  208 
Gordon  W  -England  .  2643 
Goretti  .  .  ...  2245 

Gorn . 1935 


Seite 

Gorowitz . 1623 

Gorse .  1791,  2538 

Gorter . 323 

Goslar . 1845 

Gossmann  ....  2637 

Goto . 1218,  1615 

Gottfried .  2704 

Gottlieb . 1276 

Gottschalk  G.- Rathe¬ 
now  . 657 

Gottschalk  S.  -  Berlin  1450, 
2474 

Gottsten . 1044 

Goudberg . 1898 

Goudsmit . (775 

Gougerot .  2201 

Gould .  2023 

Grabley  ....  1576,  2364 

Grabower . 209 

v.  Grabowski  ....  1845 

Grabs .  2536 

Gradle . 900 

GräfE. -Frankenhausen  2910 
Graf  M.-Berlin  ....  1846 
GraefW. -Nürnberg  658, 1178, 
2486 

Graefe  309,  657,  768,  2686 
Gräfenberg  .  .  1349,  1457 
Graessner  .  .  .  377,  779 

Graetz-Hamburg  .  .  .  1518 

Graetz  Fr . 1910 

Graf . 1358 

Grafe  V . 989 

Grafe  E  -Heidelberg  36,  569, 
724,  943,  1845,  2191 
v.  Graff  92,  1348,  2307,  2370 
Graham  .  .  .  1955,  2696 

Grande . 541 

Gran  jux . 277 

Graser  .  1007,  1683,  1684 
Grashey  777,  778,  841, 1060, 
1061,  1215,  1275,  1684, 
2007,  2200 

Grasmann . 1445 

Grassl . 772 

Grassmann  33,  34,  86,  87, 
823,  845,  879,  991,  II 53, 
1238,  1334,  1391,  1501, 
1502,  1559,  1597,  1613, 

1673,  1674,  1948,  2352, 
2415,  2470,  2503,  2530, 
2800,  2850,  2914 
Gi  au  . 

421,  1167 


1638 
2640 
2743 
2747 
1619 
2693 
1860 
829 
710 
941 
1224 

. 887 

....  1576 
550,  1108,  2011, 


Chicago 


England 

-Boston 


Graul  . 

Grave  . 

Graves 
Grawitz 
Gray  H.  W 
Gray  E.  A. 

Grayson 
Greeff 
Green  O.  E 
Green  R.M 
Greenfield 
Gr  elf  n  er  . 

Gregersen 
2015 

Greggio . 1679 

Greiffenhagen  .  1397,  2532 

Greig . 940 

Grek . 1452 

Grenacher . 265 

Grenet . 958 

Gressot .  89 

Grindon . 1957 

Grinew . 1286 

Grinker . 1916 

Grober  8,  662,  879,  927,  1044, 
1389,  2188 

Grobs . 1841 

Gröber  ....  1565,  1863 
Groedel  F.  M.-Frankfurt  373, 
471,  744,  832,  833,  880,  994, 

1042,  1090,  1784 
Groedel  Th.-Bad  Nau¬ 
heim  .  880,  994 

Grön  .  2073 

Gröndahl .  2073 

Groenouw  2686 


Seito 

v.  Groer .  2373 

Groll . 2193 

Groos  .......  2361 

de  Groot . 203 

Gros  O.-Leipzig  262, 993, 1046 

Gross . 1274 

Gross  G. -Nancy  .  .  .  1048 
Gross  O. -Greifswald  .  1015 
Gross  S.-Wien  .  2187,  2642 
Gross  W. -Heidelberg  .  2860 
Grosser  .....  76,  323 

Grossmann . 374 

Grote . 2510 

Groth  .  .  .  711,  2128,  2352 
Grotjahn  ....  711,  991 
Groves  E.  W.  .  .  665,  939 

Groves  H.  . . 1968 

Grube  A.-Petersburg  .  1621 
Grube  F.-Köln  ....  1742 
Gruber  G.  B.-München  201, 
826,  1337,  2645 
v.  Gruber  M. -München  1731, 
2257,  2583 

Grübberg .  2137 

Grün .  2250 

Grünberg  .  .  .  1711,  2423 
Grüneberg  .  .  .  895,  1516 

Grünfeld .  2763 

Grünfelder . 1695 

Grünspan . 1521 

Grünwald  .  .  .  1377,  2636 
Grüter  .  .  .  1123,  1513 

v  Grützner  P.-Tübingen  1511 
Grützner  R.  -  Frankfurt  782, 
1229,  1677 

Grumann . 1436 

Grunberg . 1047 

Grund-Halle  601,  863.  1175, 
1216,  1219,  1799,  2144 
Grund  t  E.-Lyster  .  .  1562 

Grüne . 712 

Grunert  E.-Dresden  371 
Grunert  F.-Dresden  .  1559 
Grusdew .  2809 

f-rmoQ  99^1 

Gudzent"  1109,  *  1166,  ’  2639, 
2850 

Gühne . 1956 

Gueit . 277 

Guelpa . 220 

Gümbel .  2850 

Günther  .  1280,  1841,  2065 
Güntsch  ....  551,  606 

Günzel . 949,  2806 

Gürber .  2686 

Gubrin . 843 

Guggenheim  ....  618 
Guggisberg  .  .  .  713,  1465 

Guillain . 333 

Guillery . 1895 

Guischard .  2301 

Guisez . 829 

v.  Gulat-Wellenburg  .  2568 

Guleke . 39,  1107 

Guliajew . 995 

Gumpertz  .  .  .  1952,  2025 
Gumprecht-Jena  .  .  .  495 
Gumprecht  F.-Weimar  2470 
Gundermann  W.- Düs¬ 
seldorf  145,  890,  1503 
Gundermann  W.-Gies- 
sen  1787,  1878,  2278,  2332 

Gunsett . 980 

Günther . 1843 

Gunzburg . 1675 

Guradze  ....  781,  1351 

Gurari  ....  1287,  2422 

Gurewitsch . 2194 

Gurko . 1341 

Gussew  V.-Riga  .  .  .  2532 
Gussew  W.  J.-Moskau  993 

Gussow . 93 

Guszmann .  2534 

v.  Gutfeld  ...  .  1504 

Gutknecht  .  .  .  2066 

Gutmann  C. -Wiesbaden  772, 
1951,  2012 

Gutmann  J. -New  York  2592 
Gutmann  L.-Berlin  .  482 

2* 


XX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


m 


Seite 

Gutowitz . 110 

Gutzmann  2(  18, 366, 1  506,1570 

Guy . 042 

Guye .  2246 

Guzmann . 264 

Guzzoni . •  1967 

Gwerder  .  .  .  369,  2668 

Gvenes .  2805 

v.  Gyergyai  1451,  1568,  1571 

v.  Gvörv .  2377 


H. 


204 

957 

2262 

1683 

2433 

1281 

890, 


Haagn . 

Haarbleicher  .  . 
Haas-Böblingen  . 

Haas  A.-München 
Haas  A.  E.-Wien 
Haberda  .... 
v.  Haberer  .  38,  313, 

1008,  1559,  2252 

Haberern .  2534 

Haberling .  2376 

Habetin  ....  1620,  2549 

Habs .  383,  728 

Hackenbruch  .  1117,  1350 
1727,  2368 

v.Hacker  205,1339, 2366, 2368 
Hadda  ....  428,  1014 

Häberle  ....  372,  2803 

Haeberlin . 669 

Häcker .  2068 

Haendly  ...  .  ,  1204 

Haenel  Fr.-Dresden  .  835 

Haenel  H.-Dresden212,  667, 
1172 

Haenisch070, 778,2420, 27;>8 

Hansel . 608 

Haerle . 1951 

Härtel  E. -Breslau  184 

Härtel  F.-Berlin  .313,2070 
Härtel  F.-Leipzig  .  .  1730 

Hässner .  94 

Häuer  . 530 

Hagashi . 1221 

Hagedorn . 314 

Hagelweide . 1453 

Hagemann  .  .  .  144,  1789 
Hagenbach-Burckhardt  1167 
Hager  .....  1071 
Hahn  B  -Magdeburg  728, 
1114,  2194,  2232,  2691 
Hahn  H.-Heidelberg 206,  971 
1340 

Hahn  M.-Freiburg  .  .  316 

Hahn  O.-Stuttgart  .  .  1900 
Hahn  R.-Wien  ....  2869 

Haiek .  .485 

Hairn .  774,  1279 

Hainebach .  2751 

v.  Hainiss  . 374 

Haiös . 994 

Ham . 1901 

Haitz . 150 

Halben . 959,  1103 

Hall . 1902 

Hallas . 660 

Hallauer . 1512 

Halle  ....  87,  484,  1467 

Hallwachs  ......  2854 

Halpern  .  .914,  1923,  2535 

Halsted .  2592 

Hamant . 1048 

Hamburg  . 1341 

Hamburger . 2189 

Hamburger  H.  .T.  _.  .  1334 
Hamburger-Berlin  1512, 1514 
Hamburger  F.-Wien  484, 
1549,  2596,  2711,  2818 
Hamburger  V.  -  Stein¬ 
feld  . 2120 

Hamei .  2206 

Hamilton . 312 

Hamm . 709 

Hamm  A.-Strassburg  .  292, 
1751 

HammO.-Braunschweigl620 
Hammer C. -Heidelberg  423, 
1003 


Seite  I 

Hammer  F. -Hamburg  2803  j 

Hammer  F  Stuttgart  1 1 50, 
1460  ! 

Hammerl .  1846  j 

Hammerschlag  498,  1298 
Hammesfahr  ....  1291 
Hammond  .  ...  2644 

Hamonic . 277 

Hampeln .  1046  j 

Hanau .  2636 

Hanauer  .  381,  1393,  2416 
Handley  ......  2642 

Handrick . •  880 

Handrovsky  .  .  316,  601 

Haneborg . UH 

Hanes .  600  | 

Hannes  92, 1617,  2070,  2370, 

2746 

v.  Hansemann  324,  1068,  j 
1107,  1283,  1908 
Hansen  A.  ....  143 

Hansen  O.-Christiania  89 
Hansen  P.  N.-  Kopen¬ 
hagen  . 1045 

Hanslian  . 2130 

Hanssen-Kiel  374,  1104, 

1225,  2004 

Hanusa .  2743 

Hapke  .  .  948,  1055,  1473 

Happe . 1513 

Harabat.h .  2688 

Harbetz  ....  741,  771 

Häri . 2131 

Harman .  2643 

Harms . 829 


2249 

949 

2010, 

255 

65 

202 

1564 

1069 

2372 

901 


Harmsen  .  .  . 
Harpster  .  .  . 
v.  Harriehausen 
Harris  .  .  .  . 
Harrower  .  .  . 
Hart  1618,  1895, 
2748 

Hartbecher 


1183, 

1955, 

2247,' 


78 

935 

1279 

2023 

1954 

2297, 

2753 


Hartert .  1503  Heiden 

Hartl  ey . 1055 

Hartmann-Graz  .  .  2310 

Hartmann  A. -Heiden¬ 
heim  ....  1572 
Hartmann  E. -Schöm¬ 
berg  . 

Hartmann  H. -Leipzig 
624,  736,  847 

Hartmann  H.-Paris933, 1043, 

1861,  1906 

Hartmann  J.-Pfaffen- 
hofen  a.  Ilm  .  1711, 

Hartmann  J. -Leipzig  . 

Hartmann  J.  P. -Kopen¬ 
hagen  ....  1279, 

Hartmann  K.. Rem¬ 
scheid  ....  1617, 

Hartoch  ....  1046, 

Harttung  H  -Breslau  602, 658, 

1163,  2135 

Hartung  E.-Berlin  1343,  2013, 

2730 

Hartung  E.-Bernburg  149, 430 


1948 

2001 

.  382, 


2404 

2729 

2359 

2308 

2637 


Seite 

Haupt . 1458 

Hauptmanu-Freiburg  .  1511 
Hauptmann-Halle  •  223 

Hauser  E  -Erlangen  866, 1612 
Hauser  H.-Rostock  812.  2803 
Hauser  R. -Rostock  .  .  2418 
Hausmann  Berlin  .  .  1179 
Hausmann  Th. -Rostock  35, 
484, 1215. 1283,1949,  2013, 
2517,  2585 

Hauswirth . 

Havas  . . 

Hayashi  1339,  1951, 

2071 

Hayem . 

Haymann . 

Hayward . 

Hebold . 

Hecht-Prag  .  .  .  .  . 

Hecht  A.  F.-Wien  485, 

Hecht  H.-München  52 
Hecker- Königsberg  .  .  1408 
Hecker  O  -Berlin  .  .  .  902 
Hecker  R.-München  1043, 
1178,  1358.  2470 
v.Hecker  H.-Strassburg  2301, 
2638 

Heckner .  92 

edin  . 480 

Hedinger .  2641 

;  Hedr6n .  94 

de  Heer . 2190 

Heermann  .  2360 

j  H  elfter  ....  1680,  1847 

Hefter . 4105 

Hegar  A.-Freiburg  .  .  1951 
Hegar  A.-Wiesloch  .  .  243 
Hegener  ....  326,  896 

Hegi . 541 

Hegler  .  .  897,  2535,  2756 
Hegner  149,159,  1138,  1518, 
2723 

Heiherg  ....  1169,  1170 

. 1950 

Heidenhain  A.  .  2175,  2382 
Heidenhai u  L.- Worms  1019 

Heidkamp .  94 

Heigel . 1576 


Seite 

Hell .  709,  2806 

Hellendall . 1505 

Heller  Charlottenburg  374 
Heller  E.-Leipzig  672,  1296, 
1560,  1628 

Heller  F.-Berlin  .  .  .  1505 
Heller  Th. -Wien  .  .  .  2374 

Hellin . 872 

Helly . 1811,  2134 

Helmholz .  2804 

Helwes . 1396 

Hempel- Jörgensen  .  .1111 

Henderson .  2476 

Hendry . 681 

Henes-New-York  .  .  715 

Henes  E.-Freiburg  .  1783 

Heng . 310 

Hengge  .  .  .  33,  162,  2680 
Henius  K.-Berlin  .  .  .  1046 
Henius  M.-Ber  in  .  .  1603 
Henke  .  1231,  1408,  1793 
Henkel  326, 2352, 2414,  2474, 
2862 

2140 
2850 
2071 

2666 

2696 
276 
886 
1043 


2190, 


424 
153 
1843 
331 
2535 
316 
.  828 
.  2357 
.  315 
.  882 
.  2244 
.  2140 
.  2080 
97,  828 

Hauberisser . 601 

Hauch  E.-Kopenhagcn  550, 
993 

Hauch  W.-Hamburg  .  882 

Hauck  .  .  837,  1147,  1 824 
Haudek  42,  51,  413,  777,  890, 
1013,  1236,  2200,  2366 
Hauenstein .  2700 


Hartwich 
Harzbecker 
Harzer 
Hase  .  . 
Hasebroek 
Hasegawa 
Haskovec 
Haslund  . 

Hasse  .  . 

Hassel .  . 
Hasselbalch 
van  Hasselt 
Hastings-Tweedy 
Hatiegan 


Heiil .  2300 

Heile  .  .  .  831,  1351,  1727 

Heilmaier . 2152 

Heilner  .  .  1530,  1775 
Heim  E.-Budweis  .  .  202 
Heim  F.  Innsbruck  .  881 

Heim  G.-Bonn  .  .  .  1785 
Heim  L.-Erlangen  .  2256 
Heim  P.-Pest  93,  1045,  2136 
Heim  R.-Freiburg  .  .  316 

Heimann  Fr.-Breslau  827 
915.1291,1448,  1617,  2745, 
2829 

Heimann  W. -Göttingen  1216 

Heims . 541 

Heine  710,  1305,  1512,  2441 
Heineke  382,  672,  14U9, 
2070,  2531,  2657,  2703 
Heinemann  H.-Petoem- 
boekam  (Sumatra) . 

1537 

Heinemann  0. -Berlin 
224,  368,  1790,  1940, 

2711 

Heinicke  Grosschweid 

nitz . . 

Heinike  ...... 

v.  Heiniss  .  . 

Heinlein  885,1410,2026,2867 

Heinrich . 993 

TTeinrichsdorfE  .  2420,  2805 

I  Heinrichsdorfer  .  .  .  655 

!  Heinrichsen .  2283 

Heinsius . 1616 

|  Heinz . 2618 

Heisler .  2586 

|  Heitmüller . 1267 

j  Heitz . /  .  •  892 

Heitz-Boyen . 220 

Helbing . 1559 

Helferich .  2769 


1132, 

92 

2688’ 


1565 

1843 

662 


Hentrjs . 

Henneberg  .  .  . 

Hennig . 

Henrich . 

Henrici . 

Henrot  .  .  -  . 

Henry  H.-England  34, 

Henry  Y.-Frankreich  . 
HenschenF.-Schweden  1169, 
1340 

Honschen  K. -Zürich  39,204, 
1505,  1614,  1900 
Heimchen  S.E.-Schwe- 

den . 1169 

Henschen-Naef  .  .  •  732 

Hensen . 429 

v.  Hentig  ...  <90,  2525 

Herbst  ...  1356,  1505 

Hercher .  2586 

Herderschee  ....'.  2140 
Herescu  ....  2303,  2304 
v.  Herff  ...  259,  2911 

Hergens .  2805 

Herhold .  2249 

Hering  A.E.-Prag  1963,  2242 
Hering  Fr.-Zittau  .  .  .  1516 
Hering  H.  E.-Prag  107,  331, 
770,  1444 

Hering  W.-Klettwitz  .  97 

Hering  W. -Zwickau  .  .  882 

Hermann  L.  -  Königs¬ 
berg  .  2849 

Hermanns  . 1053 

H<jrmkes . 1282 

Heron . 932 

Herrenknecht  ....  2842 
Herrenschneider  ...  33 

Herrfordt . 1514 

H.-rrgott . 1049 

Herr.igkoti'er  ....  1932 
Herrmann-Breslau  .  .  1349 
Herrmann  E  -Wien  .  .  2432 
Herrmann  Fr. -München  2236 

Hersing . 431 

Hertel  ....  710,  1191 

Herterich . 782 

Hertle . 1951 

Hertold .  99 

Hertz  A.  F.-  London  .1181, 
1735,  1955,  2023 
Hertz  L. -Warschau  .  480 

Hertz  R. -Warschau  .  2472 
Hertz  R.-Wien  ....  2806 

Hertzell . 715 

van  Herwerden  .  .  .  2248 
Herxheimer  G. -Wies¬ 
baden  .  .  ■  2506,  2588 
Herxheimer  K. -Frank¬ 
furt  185,  1141,  1517,2027, 
2747 

Heryng  ........  84 

Herz  E.-Rzeszow  1218,  2418 
Herz  M.-Wien  .  823,  2692 

Herz  P.-Berlin  .  602,  827 

Herzberg  E.-Berlin  .2120, 
2494 


Seite 

Herzberg  S.  Greifswald  317 
Herzenberg  .  ...  885 

Herzfeld  A.  New-York .  2586 
Herzfeld  E.-Berlin  .  .  2067 
Herzfeld  E.-  Zürich  .  .  1106, 
1950 

Herzog-München  .  18,  1569 
Herzog  B. -Mainz  .  .  1629 
Herzog  Gg  -  Leipzig  .  826, 
1841,  1744,  1845,  2090 
Herzog  H. -Berlin  .  .  1788 
Herzog  H  -  Solothurn  .  2302 
Hess  A.  F.- New-York  .  546 
Hess  J.-Hamburg  2545,  2702 
Hess  L. -Wien  .  484,  546, 

1849,  2590 

Hess  O.- Göttingen  .  1563 
Hess  O. -Leipzig  .  .  .  1340 
Hess  0. -Posen  .  .  •  2865 
Hess  R.  -  Strassburg  .  2804 
Hess  Th. -Berlin  .  .  .  1283 
Hess  W.  R. -Zürich  .  316 
v.  Hess  K.  -  München  .  2306, 
2478,  2686 


1636 

1220, 

40, 


Hesse-Jena  .  .  494,  1687 

Hesse  -  U  trecht  .  .  ■  832 
Hesse  A.-Bad  Kissin- 

gen . .1014, 

Hesse  E.-Berlin  .  .  . 

1336,  1398,  1729 
Hesse  E.-St.  Petersburg 
145,  2009 

Hesse  Fr.  A. -Greifswald  1 72 < , 
2766 

Hesse  M.-Graz  ....  2537 
Hesse  M.-Wien  880,939, 1725 

Hett. .  2024 

Heubner  O. -Berlin  .  .  600 

Heubnor  W. -Göttingen  357, 
660,  1505,  1751 

Heuck . 110 

Heuse . 1351 

Heusner . 1681 

v  Heuss  677, 1125, 1232,2172 

Heyde . 655 

Heyerdahl . 551 

Hey-Groves  .  .  143,  1968 

Heymann  E.-Berlin  54Ö,  2476 
Heymann  H. -Breslau  .  1728 
Heymann  J.-Dresden  .  721 

Heymann  P.-Berlin  .  .  1793 

Heyn . 1616 

Heynemann  ....  653 
Heynemann  Th. -Halle  1291, 
1455,  1456,  1504 ,  2746 
Heynsius  van  den  Berg  1680 
Heyrovsky  276,  1217.  1727, 
2366 

Hidaka . 1726 

Hidding . 2131 

Hiess .  230 1 

Hift  .  .  .  1731,  2195,  2420 

Higier . 2136 

Hijmans . 2140 

Hilbert . 718 

Hildebrand  B.  Freiburg  131 
Hildebrand  H.  Marburg  955 
Hildebrand  O.-Berlin  945, 
1217,  1737 

Hildebrandt  W.-Freiburg  527, 
2076,  2529,  2639 

Ililferding . ^42 

Hilgenreiner .  2743 

Hilgermann . 1506 

Hill  . . H82 

Hillenberg . 1225 

Hiller .  2073 

Ililse .  2802 

Hindhede  1841,  2192,  2473, 
2531 

Hinhede . 599 

Hinsberg  .  .  .  1109.  1793 
Hinselmann  1456, 1504,  2531 
Hinterstoisser  716,  780,  2885 

Hmtzelmann .  2804 

Hinz . 90 

Hinze . 1302 

v.  Hippel .  2025 

v.  Hippel-Dresden  .  .  1175 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXI 


Seite 

710, 


v.  Hippel  E.-H , Ile  490, 

1513 

Hirano .  2586 

Hirata . 2130 

Hiromoto . 1842 

Hirsch-Ber'in  .  1298,  1728  wald 

Hirsch-Nauheim  .  .  .  948  Hoffmann 

Ilirscu-Salzschlirf  .  .  947  2494 

Hirsch  A -Wien  1630,2251,  Hoffmann 

234S,  2372  Hoffmann 

Hirsch  C. -Frankfurt  376,  430, 

1444 

Hirsch  C.-Göttingen  .  2194 
Hirsch  G.  -  Halberstadt  1036 
Hirsch  Gg.-München  .  906 
Hirsch  Jos. -Berlin  53,  335, 

2248 

Hirsch  M.-Berlin  771,1391, 

1728,  1788,  2417 
Hirsch  M.- Magdeburg  104 
Hirsch  M.-Wien  1452,  2692 
Hirs  h  O. -Halle  .  .  2191 

Hirsch  R.- Berlin  943,1561, 

2535 

Hirsch-Tabor  ....  670 

Hirschberg  J .  2296 

IIir8chbergA.-Berlin  773,1340 
Hirschberg  M.-Tegel  .  2356  j  Hofstätter  . 

Hirschberg  R  -  Paris 657, 1502  ;  Ilohenadel 
Hirschbruch  1109, 1221, 1846  |  Hohl  .  •  . 
Hirschei  .  .  .  1445,  2473  j  Hohlbaum 
Hirschfeld  M.  .  .  .  933  I  Hohlweg  . 

Hirschfeld  A. -Berlin  .  2191  J  Hohmann 
Hirschf  dd  H. -Berlin  .  1674  !  H  >hmeier 
Hirschfeld  H. -Zürich  .  1901  Hoke  .  . 
Hirsch  feld 
2916 

Hirschfeld  R.-Leipzig 
Hirschfelder .  207/ 


Seite 

Hoffmann . 309 

Hoffmann-Heidelberg .  1843 
Hoffmann  A.-Düssel- 
dorf  376,  1390,  1467,  1511 
Hoffmann  A.-Greifs- 

2009,  2070,  2743 
E.-Bonn  96,  484, 


J.-Breslau  .  2054 
M. -München  741 
Hoffmann  P.,' Würzburg  656, 
2243 

Hoffmann  R  -Dresden  1059 
Hoffmann  R.-München  481, 

693 

Hoffmann  R.  S.-Wien  .  730 
Hoffmann  W.-Berlin  .  879 
v.  Hoffmann  G.  .  .  .  2188 

Hofius . 545 

Hofmann-Prag  ...  330 
Hofmann  A.-Offenbnrg 
314,  371,  825.  1677, 
1787,2262,  2456 
Hof  mann  W.- Leipzig  . 
Hofmeier  .  .  .  2307, 
v.  Hofmeister 
Hofmokl  . 


316 
2352 
145,  225 
2073 
1788 
482 
708 
659 
1420,  2271 
780,  1368.  2091 
.  162,  309,  617 
.  .  1357,  1681 
L.- Zürich  1813,  Ilolbeck .  32,  2532 


Hirschkowitz  .  .  .  . 

Hirschler . 

Hirschstein  .  .  1462, 
Hirt  E.-Münehen 
Hi  1 1 R. -Magdeburg  615, 

Hirtz .  334, 

Hirz . 

Hiss . 

Hitschmann . 

Hnateh . 

Hoch  ...  .  1284, 


Holfelder . 1950 

1692  I  Holinger  H. -Chicago  .  1804, 
1916 

Holinger  J.-Chicago  .  788, 
1411,  1690 

Holitsch . 778 

Holl . 372 

Holländer  E.-Berlin  602,  618, 
1058,  1737,  2297,  2914 
Holländer  LI. -Pest  .  .  2139 
Holland .  .  1111 


409 

1218 

1574 

52 

1744 

2915 

2220 

1217 

256 

2357 

1849 


Hoche  .  .  1335,  1510,  2012 

Hochenegg .  2073 

Hochhaus  .  .  .  385,  1627 
Hochsinger  C.  .  .  710,  2373 
Hochsinger  K.-Wien  .  675 

Hochwald .  97 

Höck .  2374 

Höfner .  2070 

Hoeftmann .  2759 

Höger  . 2193 

Högyes . 657 

Hoebl  H. -München  .  72 

Hoehl  K.  E.-Chemnitz  268, 
951,  1292 

Hoehne . 167, 

Holder . 

.  .  1571, 


31/ 


Hollensen  .  .  .  1163, 
Hollerbusch  . 

Hollitschek  . 

Hollös.  .  .  . 

Holmgren  .  , 

Holroyd  .  .  . 

Holst  A . 

v.  Holst  L.-St.  Peters¬ 
burg  . 

Holste  A.-Jena  .... 
Holste  A. -Strassburg  . 
Holste  C.-Stettin  259, 

2356 

Holsti . 1783 

Holtersdorf . 1848 


2688 

2768 

1069 

41 

369 

2642 

2690 

2354 

2535 

262 

545, 


1456 

713 

2301 

370 

1859 

263 

1569 


Hölscher  . 

Höniger  .  . 

Hörrmann  .  259,  482, 

Hörz . 

Hoessli . 

v.Hösslin  H.-Halle  2147, 2473 
v.  Höwslin  R. -München  1129, 
1353,  2710 

Höst .  2073 

Hoestermann  ....  1511 
vonderHoeven  40,314, 1447 
Hof  bauer  258,  275,  485,  655, 
656  733,  1217.  1469,  2131, 
2749,  2804,  291 4 j 
Hofer-München  .  .  .  1220 
Hofer  G.-Wien  1451,  1469, 
1569 


602,  1514 
724,  948 
391,  1394 
2297 
1410 
1632 
1608, 


1456, 

1404, 


Hofer 

II. -Wien  .  . 

546 

Hoff 

.  1732, 

2806 

Holla 

A.- . 

142 

Hoffa 

Th.-Barmen  .  . 

1451 

lloffendahl . 

143 

Holth . 

Llolthusen  .  .  . 

Holtzmann  311, 

Holzapfel  .  . 

Holzbach  1290, 

Holzinger  .  .  . 

Holzknecht  1 150, 1523, 
1989,2201,2585,2727 

Homburger . 1725 

Hoogkamer  .  .  .  .  2802 

Hopf . 2128 

Hopmann  E.-Köln  208,  2639 
Hopmann  F.  W.-Köln  839 
Hoppe-Seyler  ....  1334 

Hopstock .  8s 

Hopwood .  2694 

Horn  A.-Kissingen  .  .  2646 
Horn  P.-Bonn  .  2646,  2741 

Llorne .  2024 

Horn  eff  er . 1470 

Horowitz  Fr. -Agram  .  2249 
Horowitz  K.-Wien  .  .  2433 
Horowitz  L.-St.  Peters¬ 
burg  .  2637 

Horsley . 1577 

Hort . 1733 


Seite 

Horton-Smith  ....  1501 

Horedth  . 1277 

V.  Hovorka  .  .  2375,  2377 

Horwitz . 1162 

Hosemann . 1008 

Hough . 1223 

Houghton . 939 

Houssay  .  .  .  773,  2477 

Howard  ...  ....  486 
Howard-Hnmphris  .  951 
Huber  106,  884,  2433,  2850 

Hubrich  . 496 

Hudson . 940 

Hübner  A.-  Berlin  .  .  1788 
Hübner  H  -  Marburg  .  50, 

335,  542,  661,  673 
Hübotter  .  .  .  1613,  2375 
Hübschmann  .  1296, 1628, 
2051,  2475 

Hueck  O. -Freiburg  .  2300 
Hueck  W. -München  .  261, 


993,  2097 
Hügel  .  . 
Huemer  .  . 
Hueppe  .  . 
Hürthle  .  . 
Hiissy  .  .  . 
Hueter  .  . 
Hüttl  .  .  . 
Hufnagel  . 
Hufschmidt 
Hügel  .  . 
Hughes  .  . 
Huguenin  . 
ILuismanns 
Huldschinsky 
Hummel 
Humphries 
Huntemüller 
Husler  .  . 
Hussa  .  . 
Hussler  .  . 
Hutschinson 
Hutinel  .  . 
Hutt  .  .  . 
Hutyra  .  . 
Huynen  .  . 
Huzar  .  . 
Hymans  v.  d 
1338 
Hynek 


546, 


714, 

773, 

922, 

660, 


2110, 


2917 
2374 
715 
2190 
2136 
895 
1278 
1170 
1106 
2768 
2643 
1957 
1004,  2400,  2759 
1901,  2247 
600 
2023 
148 
38 
1452 
2460 
843 
20,  2299 
1165 
2471 
98 
1952 
1337, 


Bergh 


2138 


Jachontow .  2421 

Jackson .  2361 

Jacob-Kudowa  ....  2802 
Jacob-Paris  ....  1860 
Jacob  F.  H. -England  .  605 
Jacob  L. -Würzburg  1089, 
1275,  1334.  1444 
Jacobaeus  .  711,  2078,  2356 
Jacobi  A.- New -York  624, 
1128 

Jacobi  E. -Freiburg  .  .  2128 
Jacobj  C.- Tübingen  1280, 
2027,  2028 

Jacobovici  1050,  1051,  2303, 
2304 

Jacobs-Brüssel  ....  2080 
Jacobs-Hamburg  .  .  .  2545 
Jacobsohn  E  -Charlot¬ 
tenburg  201,  732,  778,  2008 
Jacobsohn  H.- Berlin  .  2589 
Jacobsohn  P. -Berlin  .  834 
Jacobson  O. -Berlin  .  .  373 
Jacobsthal  .  .  .  620,  2860 

Jacquin . 1458 

Jacub . 1505 

Jäger-Berlin . 498 

Jaeger  K.-Landshut  .  1862 
Jäger  Fr.-München-Er- 
langen  599,  1714,  2745 
Jäger  R. -Halle  .  990,  1335 

Jaffd  ...  46,  425,  1M38 

v.  Jagic  .  .  662,  1672,  2195 
Jahn .  2640 


8eite 

Jaklin  .  41 

J  akob  A.-LIamburg  1405, 1854, 
2037,  2428,  2436 

Jakoby . 1680 

Jakowlew . 1632 

Jaks .  2928 

v.  Jaksch  1523,  2473,  2762, 
2817 

Jamin  268,  838,  1002,  1843 

Jampolsky . 995 

Janaszek  .  .  .  1732 

Jancke  .  158,  612,  1033 

Jancovescu . 1052 

Jankowski  ....  2533 

Janet .  277,  679 

Janeway . 1705 

Janke  ....  .  .  1453 

Jankowski  .  2249 

Jansen  M. -Leiden  543,  780 
Jansen  M. -Stralsund  .  474 
Janssen  P.-Düsseldorf  167 

Jantke .  2585 

Januschke  957,  1047,  1682, 
2150,  2372 

Japha .  1518,  2594 

Janz . 378 

Jaquet  .  .  .  2420 

Jarisch  .  .  542,  654,  1950 
Jarosch . 317 


882 

600 

2371, 


Jaroschy  . 

Jarzer . 

Jaschke  72,  709,  1290, 

2744,  2745 
Jastrowitz  769,  2013,  2133, 
2145 

Jaugeot  . 950 

Jaworski  .  .  .  1343,  2246 

Ibrahim  275,  732,  1043,  2595 

Ichibagase . 1221 

Ichikawa .  2067 

Idzumi . 1615 

Jeanbran  .  .  •  .  .  .  277 
Jeanselme  547,958, 1013,1526 
Jeger  148,  1218,  1444,  1614 
1787 

Jehle  .  .  .  445,  546,  2372 

Jelke .  1507,  1828 

Jellinek . 333 

Jellinek  H.  Wien  .  .  .  2247 
Jellinek  S.-Wien  1392,  2590 

Jemma . 322 

Jenckel  1515,  1677,  2542, 
2702 

Jenike .  2701 

Jennings .  35 

Jenny . 2418 

Jens ' . 2752 

Jensen  J. -Kopenhagen  1786 
Jensen  Th. -Dresden  .  1202 
Jerchel  ....  1900,  2242 

Jerofejewa . 997 

Jersild . 2015 

Jerusalem  .  .  .  1523,  1682 

Jespersen . 1566 

Jess . 1971 

Jessen  1033, 1507,1591,2363, 
2738 

J  esner . 366 

Jester . 840 

Igersheimer  610,  1513.  2024 

Jiana . 

Jianu  43,  44,  372,  1051 
2304,  2806 
lkonnikoff  .  .  . 

Ilgner . 

II  j  in . 

Ilkewit.-ch  .  .  . 
llloway  .... 
v.  lllyös  .... 

Iltis  . 

Imai  .... 

Imme!  mann  933, 

Impens  .... 

Infeld  .... 

Ingebrigtsen  1169,1223,  2265 
Ingier  .  .  .  1220,  2690 

Inouje . 2129 

Joachim  .  2687 


205, 


1390, 


603 

1222, 

1218 

833 

663 

2298 

2592 

2131 

2434 

1898 

2589 

2194 

2488 


Seite 
731,  884 


2345 


1167,  2195 
.  .  .  1790 
1843,  2065 
657,  2686 
2551,  2692 
.  .  .  2299 
.  .  .  2358 
.  .  .  1679 
323 
1066 
666 


373, 


2469 


Schwe- 
2360, 
-Stock- 
1048,  1170 
.  .  .  1896 
.  .  .  1045 
.  .  .  2023 
.  .  2296 

2074,  2083 


2356, 


2471 

2587 

2083 

1070 

99 

2022 

1733 


Joachimsthal  387 
2420 

Joannevics 
Job  .  . 

Jochmann  1001 
Jodlbauer 
Jödicke  .  1085 

Joel  .  .  . 

Jörgensen 
Joesten  .  .  .. 

Johannesssn 
Johannessohu 
Johannsen 
Johanssobn  J. 

den  .... 

Johanssobn  S.C 
holm  .  .  . 

John  .  .  . 

John  M.  K.-Pest 
Johnson 
Johnston 
Johnstone 
Jolles  86, 

Jolly  Ph. -Halle 
Jolly  R. -Berlin 
Joltrain  .  .  . 

Joly-Ltittich  . 
Joly-Montpellier 
Jona  . 

Jonas  S.-Wien  545,  661,  2364 
Jonas  W. -Greifs wald  .  1342 
Jones  11.  L.-London  333, 2023 
Jones  D.  W.  C.  ...  2643 
Jonnesco  Berlin  153,  2537 
Jonnescu  Th.  .  .  2304,  2869 
J  ordan  A  .-England  2023, 2644 
Jordan  A.-Moskau  .  .  998 
Jordan  A.-München  .  1782 
Jores  .  .  .  161,  976,  2064 

Josef . 831 

Josefson .  69 

Joselin . 1841 

JosephD.R  -Heidelberg  2137 
Joseph  E.-Berlin  387,  388, 
1008 

Joseph  H. -Berlin  .  .  .  1787 
Joseph  HcBreslau  .  .  1727 
Joseph  M.-Berlin  .  317,  824 
de  Josselin  de  JongöOO,  1338, 
2139,  2140 

Josuö .  2029,  2312 

Jourdan . 203 

Ipatow . 998 

Ipsen  C.-Innsbruck  .  .  1282 
Ipsen  J.-Kopenhagen  .  261 
Iribarne  .  .  ....  1904 

Isaac . 888 

Isabolinsky  663,  998,  1726, 
2808,  2810 

Iselin . 484 

Ishikawa  ....  2130 
Ishioka  ....  2697,  2698 
Ishiwara  K.  .  .  .  546,  603 
Ishiwara  T.-München  .  2640 

Isobe  . 

Israel  J.-Berlin  .  .  . 

Israel  W.-Berlin  1218,  1614, 
1737,  2431 
v.  Issekutz 
Issel  .  .  • 

Isserlin . 215,  956 

Isserson .  2687 

Ito . .  38,  427 

J  ubb .  2843 

Jüngerich  •  •  .  .  .  .  2536 
Jüngling  ....  1748,  1766 

Jürgens .  42 

Jürgen  sen  . 809 

Juble . 1169 

Julian  . 1561 

Jundell  ....  1170,  2136 

Junger .  2693 

Junghahn .  2208 

'Jungmann  .  .  .  1760,  1846 

Junker . 1376 

Jupille  ...  .  .  1217 

Jurasz  .  .  1559,  1628,  2748 
Jurgelunas . 1288 


200 

1737 


1863 

1758 


XXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913! 


Seite 

Juati  .  .  .  764,  1344,  2755 

Iversen . 663 

Iwanoff . 329 

Iwanow  W . 1237 

Iwaschenzow 
Izar  .... 


K. 


Seite 
1952  1 

2337 

2136 
208, 


38, 


662 

1047 


Kabanow . 

Kaczynski . 

Kaefer  •  ...  882, 

Kämmerer  1216,  1335, 
r .  2176.  2914 
Kaerger  ....  202, 

Kärrner 
Käsbobrer 
Kaess  .  . 

Kaestle 


2164 
1165 

1599 
1873, 

2753  I 
1508 

2455 

145 

346 

Kaestner  302  872. 1097, 1554, 
2287,  2527,  2795 

Kafemann  ....  2438 
Kafka  896,  1406,  2249,  2702 
Kahane  ....  774,  2642 
Kahler- Wien  .  1069,  2198 
Kahler  O.- Freiburg  .  1570 
Kahn  E. -Nürnberg  .  345 
Kahn  Fr. -Berlin  .  .  319 
Kahn  Fr  -  Kiel  .  1002,  2148 
Kahn  J.- Magdeburg  .  543 
Kahn  R.  H  -  Prag  .  .  2189 
Kaiser-Dresden  .  .  .  2859 
Kaiser  M.-Triest  .  .  .  482 
Kaiser  P. -Marburg  .  .2747 
Kaiserswaldau  ...  541 
Kakizawa  .  .  .  1846,  2640 

Kakowski . 1302 

Kalabin .  2639 


2844 

428 

2245 

1181 

525, 


Katz  L.-Berlin  .  . 

Katz  Th.-Nürnberg  .  . 
Katzenellenbogen  .  . 
Katzenstein  J. -Berlin 

1570,  1571 

Katzenste  n  M. -Berlin  217, 
776,  1068,  1614,  1676 

Kauert . 145 

Kauffmann  E. -Göt¬ 
tingen  . 

Kauffmann  F.  -  Greifs¬ 
wald  . 

Kauffmann  J.  -  Strass- 

bu'g . 

Kauffmann  O.-London 
Kauffma  m  M.  -  Halle 
1260 

Kaufmann  E . 937 

Kaufmann  M.  -  Berlin  482, 
2067 

I  KaufmannR.-Hamburg  <69 
I  Kaufmann  R.  -  Wien  1682, 
2194 

j  Kaufmann-Wolf  M.  .  89 

i  Kaumkeimer  .  659,  1901 

!  Kaup  991,  1125,  1301,  2353 
Kausch  ....  777,  2748 

I  Kauft . 1448 

Kawamura  ...  •  2008 

Kawasoye  .  .  1340,  2247 

Kayser .  2543 

Kayserling .  2751 

Kaz  . 150 

De  Keating-Hart  .  .  .  950 

Keay . 343 

Keck . 1565 

De  Keersmaker  .  .  .  221 

Keetmann . 257 

Keferstein . 383 


Seite 

Kielleuthner  480,  599,  933, 
969.  1044,  1390,  1501, 

1613,  1684,  1701,  2131, 
2429,  2531 

Kienast .  2250 

Kienböck  68, 950,  22 1 9,  2365 

Kieselbach . 146 

Kilborne . 417 

Killian  .  1514,  1571,  1572 

Kimmerle  . 1461 

Kimura .  92 


Kindborg  . 

King-Pr . 

King-Washington  .  . 
King  J.  H  . Berlin  .  .  . 
King  V.  L. -Parke  U  S.  A. 
Kinghorn  A.  .  .  .  . 

Kinghorn  H.  M.-Sarauc 

Lake . 

Kingma 


430 

1968 

2022 

258 

1198 

886 


Kj  ölseth 
Kionka 
Kiralyfi 
Kirch 


Kalczek!  !  !  !  !  .  1844  Kehr  619,  1116,  2635,  2685 

Kehrer  E.  Dresden  20o,  654, 
1348,1455,1456,1518,2803 
Kehrer  F.  A.-Kiel  1520,  2419 
KehrerF.A. -Heidelberg  1615 

Keibel . 373 

Keidel .  1726 

Keil .  2457,  2693 

Keilmann . 1616 

Keith .  886,  1732 

Keitler .  2590 

Kelen .  2369 

Keller  München  .  .  1631 

Keller  A  -Berlin  1220,  1895 
1902 

Keller  K  -Pest  ....  828 
Keller  O.-Stettin  .  .  2589 

Keller  R.-Heidelberg  .  2688 
Keller  R.-Strassburg  .  1615, 
2162,  2638 

Kelling  143,  489,  1447,  1620 

Kellner .  746,  2545 

Kellock . 1577 

Kernen . 949 

Kemp  544,  1111,  1618,  2358 

Kempf  .  2645 

Kendrik  . 1953 

Kennedy .  2077 

Ivenzeres . 1281 

Keppich . 2018 

Keppler  .  .  .  370,  712 
Kerl  97,1124,2195,2642,2855 


Kaliski .  2641 

Kall . 803 

Kalledey  1349,  1678,  1842, 
2541 

Kallös .  2249 

Kalmanowitsch  .  2136 

Kammer  .  331,  373,  1678 

Kaminskaja  ....  2809 

Kamssarkan .  2424 

Kanavel . 1852 

Ivanngiesser  Fr.-Braun- 

fels . 

Kanngiesser  F.-Neu- 
cbätel  .  .  680,  762, 
Kantorowicz  .  .  624, 

Kapelusz . 2918 

Kaplan . 1288 

Kaposi .  2069 

Käppis .  2008 

Kapsenberg  .  .  481,  1216 

Karczag . 257 

Kardamatis . 1789 

Karelin . 2810 


2551 

1393 

1938 


Karewski . 

Karl . -  . 

Karlsson . 

Karo .  949, 

Karplus . ,  . 

Karrillon 


2706 

828 

1169 

1613 

1682 

143 


Kasahara .  2804 


Kasashima 


372 


K  o  q  »■»  p  r 

2637 

tvaanel 

# 

.  .  .  . 

208 

Kassnitz 

,  , 

•  . 

.  1572 

Kassowitz 

K 

-Berlin 

.  791 

Kassowitz 

M. 

-  Wien 

.  316. 

603,  713,  2012,2013,  2072, 
2373 

Kastan  261,  1565,  2864 
von  de  Kastelle  .  .  .  883 

Kato . •  .  714 

Katsch-Berlin  .  .  .  786 

Katsch  G.- Altona  769,  770, 
832,  2008 

Katsch  S. -Altona  .  .  1566 

Kätscher . 1 395 

Katz- Wien  .  2365 

Katz  Gg.- Berlin  .  .  .  994 
Katz  J.  B.-Holland  .  .  717 


Kermauner  ....  1045 

Kern . 599 

Kern  H.-Berlin  .  .  .  2748 
Kern  H  -Zürich  .  .  .  1951 
v.  Kern  T.-Pest  .  .  •  2476 

Kerr  W.  M . 19_57 

KerrM.-Glasgow  1967,  2079, 
2080 

Kerschensteiner  87,  199, 

710,  768,  1783,  2007,2850 
Kesseldorfer  ...  2374 

Kessler  ....  346,  1324 

Kettle . 940 

Keuper . 1046 

Key  ....  •  1343 

v.  Khautz  675,  900,  1012 


1396 
....  1338 
....  1788 
•  .  949 
1508,  2475,  2534 

_  1165 

Kirchbach . 1507 

Kirchberg  Fr.  -  Berlin  1653, 
2531,  2802 

Kirchberg  P. -Frankfurt  884 
Kirchenberger  ....  1732 
Kirehenstein  825,  995,  1620, 
2353 

Kirchheim  316,  674,  1113, 
2137,  2915 

Kirchhoff . 1160 

Kirchner  K.-Würzburg  1934 
Kirchner  M.-Berlin  95,  1907 
Kirmisson  .  .  .  844,  1860 

Kirsch .  2365 

Kirschbaum  .....  939 

Kirschner  1106,  2068,  2123, 
2748 

Kirste  . •  2867 

Kirstein  .  .  .  1122,  1560 

Kisch-Marienbad  .  .  .  949 

Kisch  E.-Berlin  .  .  .  352 

Kitasato .  2356 

Kittsteiner . 1165 

Kiutsi  .  .  .  146,  314,  655 
Klages  .  .  ...  2432 

Klapp  153,  793,  945,  1058 
1292 

Klar .  732,  1123 

Klare .  1566,  2590 

Klauhammer  ....  785 

Klause .  2248 

Klauser  .  ....  993 

Klausner  E.-Prag  62, 107, 149 
430,  1399 

Klaussner-München  .  932 

de  Kleijn .  2566 

Klein  A.-Pest  ....  2357 
Klein  A.-Prag  ....  2693 
v.  Klein  C.  TJ.-Graudenz  826 
Klein  G.-München  905, 1163, 
2082,  2803,  2865 

Klein  H.-Holsterhausenl396, 

1952 

Klein  H.  A. -Chicago  .  1690 
Klein  H.  V.-Wien  .  •  2541 
Klein  J.-Strassburg  .  2297 
Klein  S.-Wien  ....  2806 
Klein  St. -Warschau  603,  2642 
Kleine  94,  1165,  1341,  2690 
K.leinschmidtG.-Leipzig  1559 
Kleinschmidt  H. -Mar¬ 
burg  1045,  1577,  2356, '  689 
Kleinschmidt  P.-Berlin  1929 
Kleissel  E.-Wien  .  .  .  253r 


Seite  ) 

Klieneberger  O. -Königs¬ 
berg  .  429,  2012  I 

Kligermann  ....  92 

Klimenko  997,  1286,  1618,  j 
2804 

Klimmer . 424  | 

Kline .  2590 

Kling  ...  .  149,  542 

Klinger  .  1451,  1813,  2916 

Klinkert . 1046 

Kliucznikowa  ....  1622 

Klocman . 1842 

Klokow . 2194 

Kloninger  . 2419 

Klopfer  A.-Rostock  .  .  37 

Klopfer  E.-  St.  Peters¬ 
burg  . 1503 

Klopätock . 1561 

Klose  E. -Breslau  2373,  2689 
Klose  H.-Frankfurt  781, 2545 
Klotz-  Lewenberg  (Schwerin) 
980,  2804 
Klotz  R.  Tiibingen  948,  1704, 
1863,  1908,  2096 

Kluge . 329 

Klumker . 1895 

Klunker . 1025 

Knaffl-Lenz  938,  1046, 


1844 

823, 

>795 

203, 

2320 

2301 


Kidd  . 
Kidoze 


2ö94 

2753 


Kleissel  R.-Wien  .  .  .  662 
Kleist  .  .  .  325,  714,  1011 

Klemens . •  2652 

Klemm  ....  1338,  2533 
Klemperer  F.-Berlin  .  1696 
Klemperer  G.-Berlin  .  1054 
Klestadt  ....  1569,  2070 

Klewitz .  2800 

Klien .  •  •  2089 

Klieneberger  K. -Zittau  41 
1282,  1559 


v. 

1341,  2475 

Knape . 1162 

Knapp . 1453 

Knauth  .  .  .  .  •  1342 

Knepper  .  376,  2646,  2698 

Kniaskoff . 429 

Knick .  775,  1569 

Knierim . 1844 

Knoch  .  . .  2804 

Knöpfelmacher  .  2374,  2869 

Knoll . 880 

Knowlton . 887 

Kobler .  2749 

Koch  R .  32,  2912 

Koch  C.-Giessen  993,  1615 
Koch  Fr.-Berlin  1467,  1516 
Koch  H  -Chicago  .  .  .  2804 
Koch  H.-Wien  219,  431,  2652 
Koch  J. -Berlin  .  1164,  2420 
Koch  J.  A. -Holland  .  2141 
Koch  K.-Berlin  .  .  .  714 
Koch  Rich.-Frankfurt  1798, 
2418,  2611 

Kocher  A.-Bern  .  .  90,  431 
Kocher  Th.-Bern  .  40,  1284 
Kochmann  770,  2129,  2301, 
2589 

de  Kock . 2141 

Kockel  .......  1281 

Kodama  ....  601,  1164 

Koebbel .  2301 

Koebner  1215,  1275,  1329, 
1632 

Köhler-Frankfurt  .  .  .  2651 
Köhler  A  -Berlin  .  .  .  2070 
Köhler  A.-Wiesbaden  1390, 
1787,  2296 
Köhler  F.-Holsterhausen  32, 
257,  1952,  2192 
Köhler  M.-Leipzig  .  .  2199 
Köhler  R.-Wien  485,  2010, 
2014 

Köhne . 1338 

Kölle .  24 

Kölliker  . 732 

Koelsch  310, 1391, 1446,  1895, 
2415 

Könen  ....  2645,  2697 

König  S. . 143 

König  Fr.-Marburg  162,  215 
616,  946,  1 136,  1339,  1677 
König  H.-Kiel  ....  1520 
König  R.-Jena  ....  39 

Königer  380,  503, 1003, 1011 

Königsfeld . 2917 

Königstein  ....  51,  1299 
Koeppe  ....  315,  1279 

Körbl .  1786,  2195 

Körner . 1390 

Körte  153,  1292,  1458,1737, 
1906 


Seite 

Köster .  2747 

Kofi  er . 901 

Kofmann . 781 

Koga . 936 

Kogan  . 66: ) 

Köhler  J . 1274 

Köhler  R. -Berlin  .  .  .  2851 

Kohlhaas  . . 543 

Kohlrausch .  2247 

Kohlschütter  .  .  .  .  1378 
Ivohn  J. -Frankfurt  .  1205 
Kohn  S. -Berlin  .  .  .  2301 

Kohnstamm . 1511 

Koks . 1507 

Kolaczek  .  .  .  1747 
Kolb  K  -München  598, 

879, 1908,  1909,  2353,  » 

Kolb  K.- Heidelberg  . 

1642,  2400 
Kolb  O.- Tutzing  .  . 

Kolb  R.  -Marienbad 
Kolde  .  .  .  993,  1678,  2803 

Kolinski  . 826 

Kolisch .  2308 

Kolischer . 788 

Kollarits . 1952 

Kolle  479,  1046,  2637  2917 

Kollert .  42 

Kolschewski  .....  1908 
Komarowsky  .  .  •  2810 

Kondring  .  661,  771,  2638 
Konjetzny  1900,  2588,  2758 

Konikow .  2422 

Konoplew . 1287 

Konrich . 483 

Konried .  207 

v.  Konschegg  206,  937,  2011 

Koplik . 2021 

Kopytko . 1623 

Koralewski .  2251 

v.  Koranyi  M.-Wien  .  26,  > 

v.  Koränyi  A.-Pest  .  .  1561 

Korelkin . 996 

Korff-Petersen  ....  2690 

Korn . .  2687 

Kornew  ....  1447,  1677 
Korschelt  .  .  .  200,  1725 

Kosminski . 122  > 

Kossel . 2917 

Kossow .  2473 

Kostenbader .  2691 

Kothny . 281 9 

Kotowschtschikow  .  .  1949 

Kottmann .  36 

Kotzenberg  325,  671,  1573 

Kowanitz .  97 

Kowarsky . 2013 

Kowler . 431 

Kozlik .  2433 

Kozlowski . 1563 

Kraaz  . 1673 

Krabbel  H.- Aachen  .  2123 
Krabbel  M.-Bonn  370,  1899 
Krämer  .......  1456 

Krafft-Ebing . 366 

Kraft  H.-WeisserHirsch  2297 
Kraft  J.-Nürnberg  .  .  1178 

Krall .  382,  1970 

Kraner .  41 

Kranz . -  •  •  145 

Krasnogorski  1842,  2011, 

2419,  2689 

Krasser . 603 

Kraszewski . 1399 

Kratter  . 1837 

Kraus  E.-Brünn  .  .  2370 
Kraus  E.-Prag  "315, £[1299, 
1576, 1788, 2818, 2868 
Kraus  E. -Remscheid  .  1045 
Kraus  Fr.-Berlin  731,1180, 
1445,  1576,  1696,  1961, 
2352,2543,2589,2705,  2854 
Kraus  F.-Nürnberg'1629, 1 972 
Kraus  Fr.-Prag  ....  °9Kß 
Kraus  J.-Nürnberg;  .  * 

Kraus  H. -Pernitz  .  . 

Kraus  R.  -Wien  546, 

1342 

Krause  Jena . 778 


2356 

1298 

2806 

1167, 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXIII 


Seite 

Krause  F.-Berlin  90, 163, 164, 
540,  1006,  1576,  2705 
Krause  P.  -  Berlin  773,  833 
Krause  P.-Bonn  1109,  1389, 
1844 

Krauss  H.  -  Tübingen  1395, 
1520 

Krauss  W.-Marburg  .  .  1513 

Krebs .  258,  1620 

Krecke  541,  572,  1214.  1274, 
1501,' "1613,  1684,  2091 

Kredel  . . 317 

Kreglinger . 429 

Krehl  L.-Heidelberg  492, 943, 
1844,  2351 

Krchl  P.-Kiew  ....  2419 

Krebl  en . 370 

Kreibich  ...  715,  2806 

Kreide .  2469 

Kreisch . 1263 

Kreiss  .  1290,  1435,  2915 

Kren .  264,  1469 

Kretschmann  ....  1232 
Kretschmer  H.  L. -Chi¬ 
cago  .  2591 

Kretschmer  M.  -  Strass¬ 
burg  1219,  1448,  2193 

Kreucker . 1790 

Kreuter  .  1161,  2638,  2736 

Kreuzfuchs  582,  1160,  2200, 

2364,  2370,  2536 

Kriegel . 711 

Krienitz . 1451 

Krinski . 1404 

v.  Kries .  2469 

Krische . 428 

Kriser . 1071 

Kriwski . 1728 

Kröger . 1176 

Krömer  1290, 1348, 1455, 2082 
Kröner  F.  A.  W.- Hol¬ 
land  . 717 

Kröner  M  -Rostock  .  .  1951 
Krönig  337,  428,  653,  933, 
1345,  1403,  1507,  1797, 

2081 

Krogh . 551 

Kroh  .....  543,  2863 

Krohne . 1680 

Kroiss  .....  .  2596 

Krokiewicz  .  .  1682,  2590 

Kr61  .  1679,  1712 

Kroll .  2423 

Krolunitzky  .  .  •  .  .  549 

Krompecher  .  .  1845,  2534 

Krön . f  2428 

Kronberger .  2067 

Krone . 947 

Kronenfels . l  2590 

Kronfeld . 493 

Kronheimer . 334 

Kropeit . 213 

Kroph . 1124 

Kropiwnicki .  2303 

Krosz .  2587 

Krotkow .  2808 

Krückmann . 710 

Krüger-Dresden  .  .  .  1517 
Krüger- Weimar  .  .  .  258 
Krüger  E. -Berlin  .  .  .  209 
Krüger-Franke  ....  205 

Krug . 771 

Kruken  berg . 2112 

Krusius  .  1397,  1512,  1566 

Kruspe  ....  1398,  2066 

v.  Kryger . 325 

Krymon . 1787 

Kuchenbauer  ....  2584 

Kuczerenko . 996 

Kudoh .  2020 

Küchenhoff . 2817 

Kühl . 959,  1902 

Kühler . 1693 

Kühn . 1044 

Kühnelt .  42 

Külbs-Kiel . 201 

Külbs  F. -Berlin  .  .  .  1674 

Külz .  1400,  1521 

Kümmel  . 1571 


Seite 

Kümmell  H. -Hamburg  325, 
896,  933,  1007, 1573, 1789, 
2366,  2367,  2755 
Kümmell  R.-Er)angen  380, 
718,  1514 

Kuenen  ....  1344,  1399 
Ktinne  ....  428,  2587 
Küpferle  .  .  .  949,  1952 

Küppers . 1511 

Kürsteiner  ...  .  2806 

Kürt . 264 

Küss  . 1043 

Küster  E.-Berlin  .  .  1952 
Küster  E.-Freiburg  94,  1335 
Küster  H.-Breslau  241,  1617, 
2745 

Küstner  ....  1456,  2010 
Küttner  96,  202,  660,  890, 
1006, 1342, 1444, 1786, 

2069,  2209 

Kufajeff . 1617 

Kuhfahl . 1275 

Kühl . 1341 

Kuhn . 1956 

Kuhn  E . 2134 

Kuhn  F.-Berlin  369,  948 
Kuhn  Fr.-Schöneberg  482, 
599,  647,  1162,  1166, 

1277 

Kuhn  H. -Halle  ....  2133 

Kukowerow . 1623 

Kukula  .  .  ...  1732 

Kulenkampff  207, 1107,1339, 
1447 

Kulka . 1225 

Kumagai . 1784 

Kumaris . 2915 

Kunow .  2690 

Kuntze . 772 

Kunz . 314 

Kupferberg  .  .  1351.  1575 
Kurd  ....  .  .  991,  992 

Kurtzhalss .  2588 

Kuru .  94 

Kurzrock .  2204 

Kusama  . 1280 

Kusunoki . 1788 

Kuthy  .  .  ...  1396 

v.  Kutscha  1110,  1412,  2252 

Kutscher . 827 

v.  Kutschera  A.-Inns- 
bruck  .  .  393,  899,  2375 
Kutschera  v.  Aichbergen  603 


Kutschewsky 
Kuwasoye  .  . 
Kuzmik  .  .  . 
Kyaw  .  .  . 
Kyritz  .  .  . 
Kyrie  .  .  . 


483 
883 
1277 
53 
1956 
2536,  2642 


L. 


Laacbe . 1446 

Laaser .  49 

Labanowsi .  2551 

Labbd  H . 547 

Labbd  M.-Paris  220,  779, 

2077 

Lackmann  49,  2545,  2755 

Lade .  885,  2191 

Ladin  ski .  2592 

Läwen .  1339,  1559 

Laegnel-Lavastine  .  .  2241 

Lagana .  2750 

Lallement . 1015 

Lamberg . 1275 

Lambert . 600 

Lambling . 164 

Lameris . 204 

Lammers . 1913 

Lampd  E. -Frankfurt  .  935 

Lampd  A.  E.-Halle  München 
1423,  1533  2112,  2137, 

2191,  2245,  2831 

Landa . 1287 

Landau  B.- Wandlitz  .  1635, 

1637 

Landau  M. -Freiburg  430,  715 


Seite 

Landau  W.-Wien  .  .  2477 

Länderer .  2066 

Landois  . 1444 

Landolt  ...  .  .  2357 

Landouzy  .  277,  893,  2064 

Landgraf .  2301 

Landsberg  . 655 

Landsberg-Lennep  .  .  2199 
Landsberg  E.-Halle  .  1291, 
1504 

Landwehr  .  .  .  1240,  2087 

Lane .  941,  1735 

Lanel  ...  •  .  .  .  .  220 

Lang  I.-Prag . 938 

Lang  W.-Prag  ....  1396 
v.  Lang  K.-Pest  .  1278 
Langaard  1560,  2535,  2916 

Langbein . 22,  96 

Lange  E. -Leipzig  .  .  313 
Lange  Fr  -  München  .  132, 
256,  309,  733.  1782,  2353, 
2414,  2471,  2850 
Lange  .T.  -  Magdeburg  .  2010 
Lange  L.  -  Berlin  .  .  .  2640 
de  Lange  S.  J.  ...  2128 
de  Lange  C.  -  Amster¬ 
dam  715,  716,  2136,  2140 

Langemak . 309 

Langendorff .  2469 

Langer  E. -Wien  .  .  546 

Langer  H. -Berlin  .  .  481 

Langer  H. -Freiburg  .  2194 
Langer  J.  -  Graz  .  .  .  2299 
Langes  .  .  .  205,  937,  1740 
Langstein  790,  1468,  1505, 
2199,  2371,  2594 

Langwill . 1956 

Lannois 
Lanz  . 

Lapage 
Lapeyre 
Lapin  sky 


266 
717 
1955 
2539 
1564,  2422 
Laquer  B  -  Wiesbaden  1225, 
1395,  1443 

Laquer  Fr.  -  Frankfurt  269, 
1336,  1449 

Laqueur  A.-  Berlin  950,  2297 
Laqueur  W.  -  Berlin  950 

Larass .  2855 

Larguier  des  Bancels  87 

Laroche . 277 

Lassen  . . 550 

Latis  Bey  ......  2019 

Lattes  ....  600,  2130 

Latzko  ....  2195,  2370 

Laub . 1399 

Laubenheimer  .  .  .  314 

Lauber  .  .  .  446,  2639 

Lauenstein  49, 671, 712,  1447 

Lauffs .  2642 

Laurent .  2869 

Lauro witsch  .  .  774,  1568 

Lautenschläger  .  .  .  2589 
Lautmann  1793 

Laven  ant . 277 

Laveran  . 1949 

Lawatschek . 149 

Lawrow . 658 

Lay .  .  1850 

Lazar .  2374,  2418 

Lazarus  .  1298,  1731, 2815, 
2914,  2920 

Lebedew  .  .  .  205,  2807 

Lebedewa  ......  2424 

Leber  A.  -  Göttingen  .  1344, 
1401,  1514 

Leber  Th.  -  Heidelberg  1512 

Lebreton . 1043 

Lecene . 1043 

Lecha-Marzo  .  .  1904,  2478 

Lecher . 1043 

Leclainche .  1526  ' 

Leclercq . 1103 

Ledderhose  .  .  2365,  2646 
Lederer  484,  662,  713,  1279, 
2011,  2071,  2307,  2371 
Ledermann  P.-Breslau  1732 
Ledermann  R.  -  Berlin  2067, 
2816 


Seite 

Ledingham . 1736 

Ledoux-Lebard  .  .  .  2262 

Leduc  . 1214 

de  Lee  ....  1967,  2079 

Leede . 1446,  1678 

Leemhuis  .  .  .  2471,  2472 

de  Leenu . —717 

Leers . 1837 

van  Leersum  .  .  .36,  2139 

Legeiko . 2810 

Legrain . 1957 

Legneu  E. -Paris  .  2193 
Legueu  F.  -  Paris  933,  934 

Lehle . 8ß0 

Lehmann  -  Dresden  1691, 
1692 

v.  Lehmann  A. -Kasan  1903 
Lehmann  Fr. -Berlin  259,  993 
Lehmann  K.  B.  -  Würz¬ 
burg  32,  281,  316,  367, 
479.  541,  601,  1220,  1393, 
1859,  2416 

Lehndorff  .  .  .  2762,  2817 
Lehnert . 315 


Lehrnbecher 
Leibecke  .  .  . 
Leibsohn  .  .  . 
Leichtweiss  .  . 
Leimdörfer  .  . 
Leitner  .... 
Lembcke  .  .  . 
Lemon  .... 
Lenard  .... 

Lenel . 

Lengnick  .  .  . 
Lenhartz  .  . 
Lenk  R. -Wieden 
Lenk  R.-Wien  . 
Lennö  .... 
Lennhoff  .  .  . 
Lenormant  .  . 
Leontowitsch  . 

Lentz . 

Lenz  G. -Breslau 
Lenz  J.-Prag  .  . 
Lenzmann  335, 


.  .  2640 
.  .  2137 
.  .  1623 
.  .  1785 
.  .  1675 
.  2249 
1456,  2007 
.  1733 
.  .  2364 
260,  2437 
.  .  2405 
.  .  1723 
.  .  1105 
1031,  2048 
.  .  2475 
.  .  1692 
,  .  1860 
.  .  2129 
.  .  2917 
.  1512 
.  2474 
1464,  1613 


Leo  A. -Magdeburg  104,  616 
Leo  H.-Bonn  ....  2397 
Leonhard  ....  87,  2586 
Leontowitsch  ....  2243 

Leotta . 1168 

Lepage  G .  2539 

Lepage-Paris  .  2079 

Lepine .  714,  2538 

Lepsius . 1220 


881 

.  .  2135,  2746 
1526,  2028,  2093, 


Lerch 
Lerda 
Leredde 
2686 

Laiche  .  .  204,  712,  1277 

Leroux . 1047 

Lerk  ....  •  .  .  1956 
Leschke  E  -Berlin  943,’  1458, 
2134,  2627 

Leschke  E.-Hamburg  .  1614 

Leschly . 2016 

Leslie .  2078 

Leshnew .  2423 

Lesne . 277 

Less . 1900 

Lesser  E.  J.-Mannheim  341 
Lesser  Fr.-Berlin  .  .  .  2535 

Lessing . 1895 

Letsche  .......  2189 

Letulle  . 1916 

Leubuscher . 661 

Leuenberger  ....  90 

Leusser  .  .  .  ....  754 
Leva-Tarasp  .  .  .  .  834 

Leva  J.-Strassburg  1512,  2386 

Levaditi .  2539 

Ldvai . 376 


Seite 

Levison . 1224 

Levit .  265,  1794 

Levy  E.-Essen  .  .  93,  385 
Lew  E. -Strassberg  41,  1166, 
2801 

Levy  L.-Metz  .  .  1846,  1849 
Levy  R.-Breslau  .  .  96.  314 
Levy-Bing  .  •  .  .  .  679 

Levy-Dorn  .  778,  2012,  2589 
Lewandowski  A.-Berlin  2261 
Lewandowsky  K.  .  .  2294 
Lewandowsky  F.-Ham- 

burg . 201 

Lewandowsky  M.-Berlin2428 
Lewenhagen . 1727 


Lewi 
Lewin 
Lewin 
Lewin 
Lewin 
1576, 


A. -Breslau .  . 
C. -Berlin  .  . 
J.-Berlin 
L.-Berlin  312, 
1895,  2416 


621 

2806 

715 

2300 

1529, 


Levi-Paris  .  . 
Levi  E.-Wien  . 
Levi-Della  Vida 

Levin . 

Levi  oger  .  . 
Levinsohn  .  . 
Levinstein  .  . 


265, 


3/  ( 
1  790 
2590 

41 

1604 

1512 

2360 


Lewin  T.  H.-London  .  2644 
Lewinski  J. -Düsseldorf  2784 
LewiDski  J.-Stettin  .  .  601 
Lewinsohn  923,  947,  1619 

Lewis  F.  C . 1393 

Lewis  Th. -Engl and  940, 1734, 
2312 

Letvy  F.  H.-Berlin  .  .  2427 
Lewy  J.-Freiburg  716,  1263 
Levy  M.-Berlin  .  .  .  1342 
Levy  W.-Berlin  .  .  1044 

Lexer  E.-Jena  494,  612,  613, 
1687,  1688,  1855,  2059, 
2203,  2701 

Lexer  K. -München  .  1684 

Ley  .  2255 

Leyboff . 1952 

Leys . 1957 

Leysmann  . 1394 

Libensky . 1674 

Liberow  ....  2422,  2423 

Libmann .  2077 

Libotte . 950 

Lichatschow  .  .  998,  2424 

v.  Lichtenberg  .  .  .  933 
Lichtenhahn  ....  2536 
Lichtenstein  F. -Leipzig  1348, 
1427,  1677,  1800,  2638 
Lichtenstein  R.-Halle  .  2314 
Lichtenstein  L  Pistyan  2369 
Lichtenstein  M.-Wies- 

baden . 369 

Lichtenstern  .  .  2365,  2705 
Lichtwitz  .  .  .  1109,  1898 

Licini . 203 

Liddell . 887 

Liebe  424,  540,  823,  1274, 
1446,  1895,  2198,  2354 

Liebeck . 1729 

Lieben .  98 

Lieber . 1413 

v.  Liebermann  .  .  .  2243 

Liebere . 1729 

Lieberthal . 218 

Liebich  ......  993 

Liebrecht . 1453 

Liebl .  2355 

Liedke . 1341 

Liefmann  E.-Strassburg  771 
Liefmann  H.-Berlin  1417, 
1614,  2072 

Liegner . 1951 

Lidnaux .  98 

Liepmann  372,  598,  1279, 
1383,  2193 

Lier  42,  662,  1413,  2641, 
2642,  2749 

Lieven . 713 

Liewellyn  . 1013 

Liffran  .  1401 

Lifsehitz  M. -Charkow  1295, 
2078,  2853 

Lifscb  ütz  J. -Königsberg  1 549, 

2346 

Lilienstein  .  .  .  948,  2429 

Lilienthal . 1507 

Liljestrand  ....  2008 
Lillingstone . 941 


XXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Linck . 200,  1725 

Lindemann  A. -Essen  .  543 
Lindemann  A.-Jena  .  378 
LindemannE.  A.-Berlin  2916 
Lindemann  G.-  Han¬ 
nover  .  2297  I 

Lindemann  L.-München  90,  i 
1444,  1558 

Lindemann  W.-Halle  236, 
1291,2535,2745,2779 
Lindenberg  .  .  .  .90 

Lindig  .  288,  326,  654,  702 
Lindner  ....  203,  2753 

Lindsay . 604 

Lindström . 1047 

Lindt .  2807 

Lingel . 1 267 

v.  Lingen  .  .  .  1448,  1788 

Einiger .  2697 

Link . 775 

Linkenfeld .  2297 

Linossier . 947 

Linser  ....  1411,  1520 
Linzenmeyer  145,  428,  1563 

Lion  . 255 

Lipliawsky . 1673 

Lipp . 1932 

Lippich . 620 

Lippmann .  2201 

Lippmann-Berlin  1681,  1784 
Lippmann  A.-Hamburg  619, 
1106,  1351,  1405,  1673, 
1784,  1848,  2201 
v.  Lippmann  R. -Halle  490, 
1799 

Lippschütz . 1124 

Lipwkerow . 1286 

Lipowetzky . 1216 

Lischkiewitsch  ....  2069 
Lissmann  541,542,933, 1221, 
2428 

Litinsky . 997 

Litzner .  2452 

Ljnngdahl . 1783 

Li  vingston . 789 

Llopart . 367 

Lohenhoffer  1007, 1106, 1683, 
1726,  2744 

Lochte  .  .  370,  1281, 
Lockemann  .  .  . 

Lockner  .... 

Loeb  Fr.-München 
Loeb  H.-Mantiheim 
Loeb  L  -Chicago  . 

Loeb  O.-Göttingen 
Loeb  S.- Ahrweiler 
Loeb  S.-Stuttgart 
Löeffler  F.-Greifswald 
Berlin  .  .  1283,  2916 

Löffler  W  -Basel  .  .  .  2 1 31 
Löhlein  M -Kamerun  .  1956 
Löhlein  W  -Greifswald  1336 
1513,  1514 

Löhnberg . 2010 

Loele  . 1729 

Loeuing . 838 

Lönnberg .  2356 

Loeper . 164 

Loeschke  .  .  .  2378,  2379 

Lövegreen . 2193 

Loevenhart .  2591 

Loevy  .......  994 

Loew  .-  1506,  1730,  2676 

Loewe  O.-Frankfurt  1320, 
2144 

Loewe  S.-Göttingen  .  660 
Löwenheim  ...  .  2502 

Löwenstein-Prag  1513,  1523 
Löwenstein-Dresden  .  1339 
Löwenstein  E.-Wien  661, 
1124,  1447 

Löwenstein  S.-Frank- 

furt .  2645 

Löwenthal . 429 

Loewi .  206,  690 

Löwit  A.-Wien  .  .  .  901 

Loewit  M.-lnnsbruck  1845, 
2853 

Löwv- Reichenberg  .  .  2693 


Seite 

992,  2429 
1337,  1674 


445 

51 

2757 

83 


146,  2802 

327, 


Loewy  A.-Berlin 
Löwy  J.-Prag  . 

Lfiwy  P.-Wien  .... 

Löwy  R.-Wien  .... 
Lohfeldt  .  .  .  670, 

Lohmann  A.-Kassel  . 
Lohmann  A.-München  1949, 
2190 

Lohmann  W.-München  541 
Lohrisch 
Lomer  . 

Lommel  . 

Lomnitz  . 

London  . 

Long  .  . 

Lnngard  . 

Longmead 
Longo 
Lonhard  . 

Loofs  .  . 

Loos . 442 

Loose-Bremen  ....  778 

Loose  O.-Berlin  .  .  .  773 
Looser  .......  1842 

Looss . 1045 

LorentzFr  H.-Schömbg  1561 
Lorentz  Stettin  .1110 


714, 

1565 

881, 

1687 

326, 

1640 

2130 

957 

1676 

2694 

2750 

2301 

2638 

Seite 


M. 


v. 


886, 


732,  733, 


1282 

2917 

1969 

86 

264 

1851 

2194 

2138 

207 


Lorenz  A.-Wien  1343,2368, 
2918 

Lorenz  FI. -Wien 
781,  901 

Lorenz  H.  E.-Breslau  .  2009 
Lorey  .  ...  833,  1397 

Loris-Melikoff  ....  958 
Lotheisen  1299,  1469,  2366, 
2868 

Lotmar  .  .  ....  2917 

Lotsch  773,1058,1397,2301, 
2641 

Louis  .  • . 277 

Lovell . 941 

Low .  2023 

Lubarsch  .  .  .  375,  2534 

Lube . 

Lubenau  . 

Lubinus . 

Luboscb  . 

Luc . 

Lucas  H.-Trier  .  264, 

Lucas  W.  P.-Chicago  . 

Lucas  -  Championniöre  1905 
Luee  G  -Freiburg  .  . ,  .  145 

Luee  H.-Hamburg  .  .  2485 

Lucien .  2064 

Lucksch  .  1468,  2549,  2925 

Luczewsky . 1622 

Ludloff . 732 

Liibke . 827 

l.üders  .  .  .41,  317,  775 

Lüdin . 1507 

Lüdke  H. -Würzburg  36,  199, 
1056,  1629 

Lüdke  H.-Pest  ....  1216 


1619 

378 

1327 

1859 

34 

1615 

1851 


939 

1968 

308 

2024 

1221 


Lüken  .  .  . 
Lüthje  .  .  . 
Lüttge  .  .  . 
Luff  .  .  . 
Luger  A.-Berlin 


.  .  .  614 
.  1053 
2427,  2435 
.  .  .  1968 
.  .  .  2585 


Luger  A.-Wien  331,  431,  485, 
1452 

Luig . 1393 

Luithlen  995, 1343, 1950,2590 

Lukis .  2644 

Luksch  ....  1181,  1284 

Lumpe .  40 

Lunckenbein  .  .  .  .1931 

Lundborg . 710 

Lundsgaard . 2418 

Lurje  N.-Lewin  .  .  .  1284 
Lurje  R  -St  Petersburg  2422 
Lust  206,  260, 937,  1340,  1482 


Lu>tig 
Lutz  R  -Berlin  .  , 
Lutz  R.-München 
Lutz  W. -Basel 


Luxembourg 
Luys  .  .  . 
Lydston  .  . 
Lyons  .  . 


2246, 

277, 


2365 

428 

315 

2854 

2759 

278 

541 

940 


Maag  C.-Spanien  .  .  .  2477 
MaagW. -München  1182, 2550 
Maas  H.-Berhn  .  781,  885 

Maass  C -Berlin  .  .  .  1220 
Maass  S  Leipzig  .  .  .  1564 
Maass  Th.  A.-Berlin  257,387 

Macalister  . 604 

Maccabruni . 1259 

Mac  Callum . 543 

Mc  Cann . 887 

Mc  Carrison . 1953 

Mc  Crae . 485 

Mc  Crudden . 1275 

Mc  Donagh .  52 

Mc  Gavin  .  .  .  843,  2642 

Mc  Gowan  .  .  887,  1956 

Mc  Guire  .  .  .  486,  1732 

Mache . 948 

Machwitz .  2853 

Mc  Ilroy  .  .  .  1969,  2022 
Mc  Intosh  ...  .  1954 

viackenrodt  .  .  709,  2297 

Ma<  kenzie  H. -London  677, 
2696 

Mackenzie  J.- Glasgow 
1948,  2312 

Mackenzie- Wallis  .  . 

Mac  Kinnon . 

Mc  LeF  an . 

Mac  Leod . 

Mc  Nee . 

Mc  Neil  A . 486 

Mc  Neil  Ch .  604 

M’Nell  . 1956 

Maczavariani  ....  2807 

Mader  . 956 

Madden  .  .  603,  604,  2695 

Madlener . 1787 

Madrakowski  .  .  .  832 

Maere .  2255 

Magen  .  1636,  1692,  1693 

Magnan . 958 

Magnus  F. -Dresden  .  .  1684 
Magnus  G.-Marburg  162, 202, 
406,  827,  960,  1122 
Magnus  R.-Utrechtl847,2566 
Magnus-Alsleben  .  .  1001 
Magnus-Levy  .  .  .  2650 

Magnusson . 1161 

Mahlo . 1337 

Maier  G.-Rnstock  .  .  2013 
Maier  H.W.-Burghölzli  480 
Maier  L.-München  .  .  636 

Maikow . 999 

Maingot . 933 

Mainzer  J.-München  .  1302 
Mainzer  J. -Nürnberg  334, 
496,  2316,  2597 

Major . 2136 

Matr . 1955 

Makenzie . 605 

Makins . 1968 

Makkas . 2123 

Malade  .  2743 

Maldecott .  2696 

Malinowsky . 1288 

Malliwa  . 263 

Ma'.y-Prag . 1619 

MalyG  W.-Reichenbergl279 

M  amlock . 880 

Mamulianz  ..  ..  1286 

Manasse  P. -Berlin  .  .  1950 
Manasse  P.-Strassburg  1448 
Mancini  .  .  . 

Mandelbaum 
Mandel  .  .  . 

Mandoul  .  .  . 

Manefeld  .  . 

Mangelsdorf  . 

Manges  .  .  . 

Vlangold 
Manicatide  . 

Mankiewicz  . 

Mann  F.-Hildesheim  . 
Mann  G.-England  .  . 
Mann  L -Breslau  131, 

951,  2245 


Seite 

Mann  Th.-Freiburg  .  .  474 

Mannaberg . 1047 

Mannheimer  G.  .  .  1619 

Mannheimer  Gommes  2255 
Mannich  .  902,  2471,  2472 
Manoiloff  .  .  .  430,  997 

Manoukhine . 548 

Mansfeld  1349,  1456,  1957 
Manteuffel  ....  2533 


v. 


220, 


1027, 


828 

1195 

1849 

1790 

1275 

311 

1223 

2855 

1505 

2434 

1636 

940 

935, 


Manz . 931 

Maragliano . 165 

Maranön . 1224 

de  Marbaix .  2646 

Marburg . 1069 

Marcantoni . 487 

MarchandF.-Heidelbergll64, 
1276,  1337,  2475,  2860  _ 
Marchand  F.  J. -Leipzig  1743 

Marchiafava . 1952 

Marchoux . 1048 

Maroinowski . 424 

Marco  vic .  2201 

Marcovici .  2246 

Marcus . 375 

Marcuse . 27,  199 

Marek  R . 603 

Marek  J.-Pest  ....  2471 
Maresch  M.-Wien  .  .  1508 
Maresch  R.-Wien  .  .  189 

Marfan .  2300 

M  arggraf  .  .  .  1109,  1221 

Margolis . 265 

Margulies-Prag  ....  1523 
Margulies  M.-St.  Peters¬ 
burg  .  .  663,  884 

Margulis  M.  S.-Moskau  147, 
2588 

Mariani .  2586 

Marie  A .  2539 

Marie  P.  L.-Paris  498,  677 

Mariman . 1619 

Marimön . 1224 

Marinesco  .  .  .  935,  2252 

Marion  ....  934,  2133 

Markelow .  2808 

Markl  ....  1731,  2302 

Markovici . 1675 

Markowitsch  ....  2699 
Markus  N. -Breslau  .  .  994 
Markus  O.-Frankfurt  .  1449 

Markwald . 894 

Marmann . 1506 

Marotta . 318 

Marquis .  2538 

Marschick  98,  730,  901, 1413, 
2252,  2375,  2763 

Marsh  .  • . 1908 

Martens . 1737 

Martin  A.  M.-England  939 
Mart'n  E. -Berlin  366,  2646 
Martin  L.-Paris  .  . 

Martin  W. -Berlin 
Martinez  .  ... 

Martini  E. -Wilhelms¬ 
haven  ... 

Martini  E. -Turin  .  . 

Martinotti . 1788 

Martins  H.-Bonn  .  .  2476 
Martius  K. -Frankfurt  428, 
1450 

Märtz .  43 

Maruyama . 1731 

Marx-Berlin . 2310 

Marx  A.  V  -Frankfurt  1229 
Marx  H. -Heidelberg  .  1563, 
1568,  1570 

Marx-Prag  .  2926 

Marzinowsky  ....  94 

Mas  y  Magro  .  1224,  1903, 
2477,  2478 

Masing . 2189 

|  Massalongo .  2750 

v.  Massari  .  2590 

Massini .  2460 

Matapau . 1908 

Matas  R.-New  Orleans  2018 
Matas  R. -Philadelphia  2592 

Mateescu .  2303 

Mathes .  2406 


Seite 

Mathey .  882 

Mathies . 1901 

Mathieu  .  2241,  2539,  2653 

Matko . 1630 

Matsuoka . 1339 

Matthiae .  2246 

Matthes  .  .  215,  617,  1001 
Mattison  .....  1108 
Matzenauer  .  .  661,  2749 

Mau . 1398 

Maucaire  .  .  .  1501,  1907 
Maurel  ........  312 

Maurer . 724 

Mauriac . 655 


2374 

2418 

2583 

604 

1502 


Mautner-Wien  .  . 

Mautner  Fr  - Berlin 
May  F. -München 
May  O. -England  . 

May  W.-Kiel  .  . 

Maybaum . 1618 

Mayen .  2538 

Mayer  M . 1401 

Mayer  A. -Franken 

hausen  (Kyffh.)  .  .  301 

Mayer  A  -Tübingen  372,  774, 
1849.1411,1479,1729,1900, 
1972,  2136,  2306 
Mayer  A.-Berlin  2013,  2748 
Mayer  G.- München  309,  485 
Mayer  I^.-Brüssel  98,  1906 
Mayer  M.-Brasilien  .  1400 
Mayer  M.-Hamburg  .  739 
Mayer  M  -Simmern  376,  2697 
Mayer  O.-Wien  2548,  2818, 
2855 

Mayer  W. -Fürth  .  .  .  1721 
Maver  W. -Tübingen  .  2044, 
2906 

Maverhofer  E.-Wien  .  675, 
1180,1300,1525. 1678,2247 
Mayerhofer  J. -Deggen¬ 
dorf  . 1170 

v.  Mayersbach  .  781,  2068 


1070 

431 

2477 


2013 

1048 


v'ayesima  .  91,  200,  1277 

Mayo  C.  FI .  2592 

MayoW.  J  486,  1851,2-92 
Mayo-Robson  ....  2250 
Mayr  ....  •  •  .  2128 
Mayrhofer  991,  1682,  2353 
Mecklenburg  Adolf  Fr. 

Herzog  von  ....  541 
Meder  ....  1633,  2697 
Medigreceanu  .  1049,  1792 
Medin  ....  2300,  2434 

Meek . 1953 

Mees  R.-Heidelberg  .  .  372 

Mees  R.-Mainz  ....  1200 

Megaw . 940 

Megele . 95 

Mehler  ....  748,  1041 

Mehlhorn . 2589 

.Mehliss . 827 

Meidner  . 1674 

Meier  H. -München  .  .  2188 
Meier  J.-München  .  .  1631 
Mejer-Leipzig  ....  1693 

Meinertz .  35 

Meinhold  .  .  .  1460,  2012 
Meirowsky  1870,  2042.  2783 

Meisel .  2763 

Meissner . 1898 

Meixner . 2310 

Melchior  E.-Breslau  263,2070, 
2356 

Melchior  L.-Kopen- 
hagen  ....  1785, 
Meldola  .  . 

Meldon  .  . 

Melkich  .  . 

Meller  .  . 

Melther  .  . 

Menard  .  . 

Menciere  . 

Mendel  .  . 

Mendelssohn 
Mendes  de  Leon 
Mendl  .  . 

Menge  653,  654,  1560,  2025, 
2414 


43, 


548, 

2428, 


2245 

620 

677 

1284 

1051 

1783 

2076 

1049 

2645 

998 

2804 

318 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXV 


Seite 

Menier  ....  266,  2360 

Menne . 2185 

Mense .  2241 

Menzer  1952, 2C02, 2069, 2747 

Menzerath  .  2255 

Merian . 90 

Merkel  Fr.-Nürnberg  .  1782 
Merkel  H  -Erlangen  268,  657, 
1837,  2310 

Merkel  K.-Halle  .  .  .  1045 
Merkel  S. -Nürnberg  .  1044 
Merckens  A.-Köln  .  .  971 
Merkens  W.-Oldenburg  1507, 
2641 

Merkurjew . 996 

Merrem . 885 

Mertens-Hamburg- 

Eppendorf  ....  2747 
Mertens  G.- Bremen  .  2355 
Mertens  V.  E. -Zabrze  .  2792 

Merzbacher . 714 

Mesernitzky  .  .  894,  1565 

Meseth . 2(05 

Mesnil . 1949 

Messerschmidt ....  40 

Mettam . 1070 

v.  Mettenheimer  .  .  .  2084 

Metzener . 1674 

Metzlar .  2746 

Metzner .  2469 

Meyer  E . 1220 

Meyer  L . 1619 

Meyer-Frankfurt  .  .  .  1448 
Meyer  A. -Berlin  .  .  .  829 
Meyer  A. -Tübingen  .  .  1348 
Meyer  A.  W  -Heidelberg  204, 
768,  2367,  2925 
Meyer  C.-Berlin  .  .  .  600 
Meyer  E. -Strassburg  .  1846 
Meyer  F.-Kissingen  948, 1166 
Meyer  F.-Berlin  .  .  .  2190 
Meyer  Gg -Berlin  1907,  1909 
Meyer  H.  H  -  Wien  942,  2250 


Meyer  H.-Kiel  .  1404, 

2804 

Meyer  H.  Leipzig  .  .  . 

1676 

Meyer  K. -Stettin  .  38, 

2801 

Meyer  L.  -  Kopenhagen  550, 

993 

Mover  L.  F  -Berlin  994, 1009, 

1043,  1505 

Meyer  0.  B  -Würzburg 

2428 

Meyer  O.- Berlin  546, 

1468 

Meyer  R. -Berlin  40,  205, 1677 

Meyer  R.- Berlin  .  .  . 

2297 

Meyer  R.-Genf  .  .  . 

2247 

Meyer  St.-Wien  .  .  . 

894 

Meyer  W.  R. -Charkow 

600 

Meyer  W -Hagen  .  .  . 

1549 

Meyer  W.-Heidelberg  1107, 

1217 

Meyer  W. -Muskau  .  . 

1847 

Meyer  W.-New-York  . 

544, 

1217,  (316. 

v.  Mever  F . 

2850 

Meyer  Betz . 

479 

Meyer-Htnlimann  .  . 

2917 

Meyer-Rüegg  .  .  .  . 

602 

Meyer-Steineg  .  .  .  . 

Meyerstein . 

374 

Michaelis  .  .  .  2429, 

2619 

Michael8en . 

1293 

Michail  ow  . 

1565 

Michaud . 

2917 

Michejda . 

714 

Michel . 

991 

Mich  eisen  . 

1777 

Michelsson . 

2070, 

2533 

Miescher  . 

1284 

Mthail . 

42 

v.  Mihalkowics  .  .  . 

1788 

Mikkelsen . 

Milani . 

487 

Mildbraed  . 

541 

Milian  332,  334,  1013, 

1070, 

2028 

Milkowicz  . 

999 

Miller  J.  R.-Wien  .  - 

2307 

Miller  J.W.- Heidelberg  1109 


Seite 

Miller  M. -Bayreuth  .  1163 

Milligan  .  . 

.  .  1953,  2024 

Mills  .  .  .  . 

....  2643 

Milne  .  .  . 

. 1106 

Milner  .  .  . 

. 271 

Miloslavich  . 

. 1679 

Minakuchi 

....  1951 

Minervini  .  . 

. 1907 

Mingazzini  . 

.  .  1449,2479 

Minkow’ski 

. 834 

Mintz  .  .  . 

....  1107 

Minuchin  .  . 

. 265 

Minz  .  .  .  , 

Miodowski 

. 828 

Missikow  .  , 

. 1624 

Mita  .  .  . 

. 1784 

Mitchell  .  .  . 

,  .  .  .  .  2644 

Mitlacher  . 

. 1560 

Mittendorf 

....  1224 

Mitter  .  .  . 

. 443 

Mittwoch  .  . 

. 602 

Miyaji  .  .  , 

. 482 

Mivake  .  . 

. 1676 

Miyata  .  .  . 

. 1786 

Miyauchi  .  . 

. 1614 

Mock  .  .  .  , 

. 548 

Mocquot  .  . 

Modena  .  . 

. 714 

Modelsee  .  . 

. 318 

Moegle  .  .  , 

. 368 

Möhring 

....  427 

v.  Möllendorf  479,  989,  1612, 

2012,  2636,  2913 
Moeller  A. -Berlin  .  .  939 
Möller  A.-Gotha  .  .  .  1673 
Möller  P. -Kopenhagen  2015 
Möller  S.-Hamburg  .  .  2545 
Möller  V.  F. -Kopen¬ 
hagen  .  2357 

Möllers  263,  773,  1396,  2194, 
2917 

Mönkemöller  ....  2854 

Mörchen .  2671 

Moewes  .  .  37,  1841,  2420 
Mohr  C.  F.  A.-Leipzig  727, 
1844,  2090 

Mohr  F.-Coblenz  .  .  .  1114 
Mohr  L.-Halle  37,  610,  1348, 
1739,  2146,  2298 


Mokrzeeki  . 1089 

Molineus  145,  314,  712, 1162, 
1786 

Molinie .  2361 

Moll  Berlin .  2654 

Moll- Wien .  2372 

MoMier . 200 

Molnär  B.-Pest  .  .  .  2013 
Molnar  B.-Wien  .  .  .  2599 

v.  Molo .  2845 

Molndenkoff  ...  205 
Momburg  .  374,  716,  1342 
Momose  .  .  .  1283,  1396 
Moncharmont  .  .  .  256 

Mondolfo .  2751 

Mondschein  .  .  .  2129 

Monnier .  656 

Monrad-Krohn  ....  tl!1 

Monteeuis .  2255 

Montuovo . 2010 

Moolgavkar .  35 

Moore . 446 

Moorhead . 677 

Moos . 1728 

Morawitz  .  .  .  1054,  2190 

Moreau . 789 

Moreira .  2253 

Morel  . 540 

Morostin . 1860 

Morgan  C.  L . 1783 

Morgan  W.  P.  941,  2695 
Morgenroth  163,  482,  483, 
618,  1506,  2067 
Morgenstern  K. -Heidel¬ 
berg  .  .  .  •  ...  371 
Morgenstern  J.-Zürich  2189 

Moritz . 1003 

Morland  ......  887 

Moro  659,  1043,  (142,  1895, 
1949,  2827 


Seite 

Morone .  2588 

Morpurgo  .  626,  655,  ,  1536 

Morris .  2642 

Morrison .  2643 

Morton  .  .  449,  1784,  2023 

Mory . 1904 

Mosbacher  1229,  1291,  1448 
Mosenthal  A. -Berlin  .  778, 
1737 

Mosenthal  H.  -Tübingen  1841 


1062 
....  2250 
....  1902 

.  2066 

.  .  .  1957 

.  .  1626,  2434 
....  1837 

.  2471 

....  882 
.  1576,  1626 
430,  5  .1,  2420 

. 479 

. 1861 

.  .  .  958 

. 1109 

,  .  .  2241 

.  1160,  1732 
88,  119,  2860 
....  2536 
....  2476 
.  2296 
Berlin  773,  1008, 


1728 

1635 

781 

1956 

1069 

373 


Moses 
Moskowitz 
Moskowski 
Mosler 
Moss  . 

Mosse-Berl 
Mosse  M. 

Mossler  . 

Moszkowicz 
Moszkowski 
Motzfeldt 
Mouchut 
Moufel  . 

Mouneyrat 
Moure 
Moutier  . 

Moynihan 
Much  .  . 

Mucha  . 

Mühlmann 
Mühsam  W 
Mühsam  R.- 
1057,  1058 
Müller-Berlin  .  780,  1059 

M  ül  ler-Deutsch-Ost- 
at'rika»  .  .  . 
Müller-Hildesheim 
Müller-Stuttgart 
Müller-Tanga  .  . 
Müller-Wien  .  .  . 

Müller  A. -Berlin  . 

Müller  A. -München  162, 2638 
Müller  A.-Wien  .  .  .  167 
Müller  B -Dortmund  .  829 
Müller  C.-Schässburg  .  1562 
M  über  Ch. -Immenstadt  1804, 
2448 

Müller  E.-Berlin  1356,  1505, 
1518,  2589,  2748 
Müller  E. -Hamburg  .  1676 
Müller  Ed.  Marburg  215,  322, 
323,  1122,  1511 
Müller  E  -München  .  .  778 
Müller  E. -Nürnberg  .  1948 
Müller  E.-Stuttgari  1279, 1900 
Müller  E.  J  -Zittau  1634, 1636 
MuellerFr  H.-Bonn  .  993 
Müller  H./Wien  1452,  2590 
Müller  .T.-Koblenz  .  .  1165 
Müller  J.  E.  Dortmund  1216 
Müller  J.-Dtisseldorf  2469 
MiilUr  J. -Nürnberg  496, 1948 
Müller  L.  R.- Augsburg  -132, 
199,  541,  1335  1511, 
1619.1844,2188,2295, 
Müller  M.-Metz  .  299,  805 
Müller  O.-Hongkong  .  1956 
Müller  O.-Ti'ibingen  893,  992 
1337 

Müller  P.  Ulm  ....  2345 
Müller  P.Th.-Graz  1003, 1364 
Müller  R.-Kiel  417,  (548, 

1716 

Müller  R. -Berlin  .  .  1786 
Müller  R. -Fngland  .  940 
Müller  R.  -  Wien  661,  1222, 
2691,  2742,  2918 
Müller  W. -Leipzig  .  1503 
Müller  W. -Rostock  .  777, 
2252 

Müller  W.-Zürich  .  .  .  2686 
v.  Müller  A.-Wien  .  2365 
v.  Müller  Fr.-München  34,  1 

2017 

v.  Müller  H. -Wien  .  445 
Müller- Lyer  .....  1274 

Müllerheim .  2297 

Münchmeyer  .  .  .  .  1902  | 
Münzer -  Prag  .  498,  2596 


Seite 

Münzer  A. -Berlin  545,  994, 
2248 

Mugdan  1225,  1635,  1692 
Mälzer  546,  994,  1109,  1429, 
1846,  2535 

Munk  .  .  1626,  1689,  2065 
Munter  1633,  1635,  1636 


de  Munter  .  .  .  .  2914 

v.  Muralt  .  .  .  2198,  2852 

Mutaschew . 998 

Murata . 94 

Mtirdoch  Mac  Kinnon  1968 

Muret .  2298 

Murillo . 319 

Muroya . 1276 

Murphy  •  Chicago  .  .  1906 
Murphy  F  T.-New-York  1224 
Murphy  J.B.-New-York  827 

Murray . 1690 

Murri . 1501 

M urschhauser  .  .  .  .2131 

Musehold . 2414 

Muskens  .  .  .  832,  1006 

Mussatow .  2355 

Musser .  2591 

Vlutch . 1733 

Mutermilch . 480 

v.  Mutschenbacher  .  1278 
Mygind  ....  209,  2358 


N. 

Nacke  .  1455,  1900,  2745 
Nadel  ...  .  2692,  2763 

Nadolecznv  789.  1123,  1569, 
2471,  2531,  2707 

Nädory . 1279 

Näcke  .  ...  1620 


Seite 

NeuH.-Heidelbergll63,1290, 

1869 

Neu  M.-Heidelberg  .  .  2688 
Neubauer  -  Charlotten- 

bnrg .  2805 

Neubauer  E.-Wien  .  .  2191 
Neubauer  J.-Wien  .  .  2207 

Neuber .  262,  2534 

Neuberg  .  .  .  1673,  2129 
Neubert ....  1226,  1293 
Neuburger  A.-  Berlin  2375, 


2377 

Neuburger  M.-Wien  .  2306 

Neuda .  2548 

Neudorfer  ....  205,  760 

Neue  . 1451 

v.  Neugobauer -War¬ 
schau  .  937,  1729,  2915 
Neugebauer  F.-  Ostrau  258 
Neugebauer  O.-Wien  .  2692 

Neuhaus . 1505 

Neuhof . 1339 

Neukirch-Kiel  ....  2758 
Neukirch  P.-Berlin  2130, 2242 
Neukirch  P  -Utrecht  .  2130 
Neumann-Bcilin  .  .  .  619 
Neumann-Wien  1225,  2639 
Neumann  A. -Berlin  .  715 

Neurnann  A.-Wien  .  .  1277 
NeumannFr  -Wienl793,2692 
Neumann  H.-Wien  1299, 2470 
Neumann  J.-Wien  .  .  2749 
Neumann  L.-Wien  .  .  1395 
Neurnann  R  O.-Giessen  69, 


425,1104,1335,1336,1390, 
1445,  1500 

Neumann  W. -Heidel¬ 
berg  . 41,  716 

Neumann  W\ -Giessen  1784, 


Naegeli  194,  252,  1001, 

1343,  1411,  2918 
Nägelsbach  ....  1106 
Nagel  W.- Berlin  .  .1398, 

1966,  2080,  2082,  2083 
Nagel  W.- Rostock  .  .  2469 

Nager . 1569 

Nagoya .  2690 

Nagy . 546 

Nahmmacher  ....  2921 

Naish  . 1734 

Nakano  ....  1283,  2915 

Narath  . 91,  204 

Nassauer  M. -München  53, 


88,  143.  536, 

1105, 

1153, 

1638, 

2(82, 

2206. 

2235, 

2286, 

2316, 

2347, 

2409, 

2415, 

2466, 

2526, 

2550, 

2582, 

2631, 

2682, 

2707, 

2739, 

2743, 

2766, 

2795, 

2800, 

2845 

Nast-Kolb  .  . 

Nasta  . 

2304 

Nathan 

.  . 

.  1726, 

2245 

Naumann -Berli 

n  .  . 

1343 

Naumann  L.- Dresden  2070, 
2476 


2687 

Neumann-Kneucker  .  995 
Neumayer  .  .  .  .  .  .  2672 

Neupert . 537 

Neustätter  .  .  .  1105,  2377 
Neuwirth  1951,  2032,  2120, 
2192,  2309,  2688 

Ney . 1161 

Nicholson  .  .  .  .  1969 

Nicol  262,  2198,  2472,  2475 

Nicola . 1168 

Nicolai . 893 

Nicolaidi .  44 

Nicolas . 948 

Nicolich  ....  277,  2132 

Nicoll . 605 

Nicolle  549,  1791, 1792,  2092, 
2763 

Nichols  ....  1233,  2150 

Niculescu . 1507 

Niehues . 1274 

Niemann . 1219 

N  erenstein . 1500 

Niessl  v.  Mayendorf  727, 
1449,  1800 

Nietner . 1125 

Nikitin  ....  2419,  2809 


Naunyn .  2805 

Nauwerck  .  .  .  827,  1226 

Navassart . 1950 

Naville . 1562 

Nebel  A.-Leipzig  271,  327 
Nebel  H. -Koblenz  .  1163 
Nebesky  .  .  .  2688,  2746 

Neff . 1223 

Neger . 1275 

Negre .  277,  2539 

Neisser  .  1063,  1797,  2754 

Nemenow . 663 

Nemmser  .  .  .  938,  996 

Nenadovics . 949 

Nentwig . 2313 

Nerking . 1167 

Nersesoff .  36 

Nesbitt . 677 

Nestler . 368 

Nestor . 1051 

Neter .  2300 

Netter  .  .  323,  1631,  2029 


Neu  E.  A.- Genua  .  .  936 


Niklas  . 1787 

Nikolskij .  2639 

Nippe . 771 

Nissl . 492 

Nixon .  2926 

Noack  . 314 

Nobe . 370 


Noböcourt  220,  276,  322,  333 


Nobel  E.-Wien  1300,  2252, 
2534,  2763 


Nobl  G.-Wien  901,957,1343, 
1469,  2488,  2537 

Noder  • . 2415 

Noeggerath  .  .  .  .1219 

Noel  ....  •  .  .  .  887 

Nörregard . 550 

Noesske  . 160 

Noethe-Dresden  .  .  .  1175 
Noethe  R. -Halle  .  .  .  391 
Noguchi  H.-  Chicago- 
New  York  485,  737,  1223, 


2137,  2480,  2483,  2591 


XXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Noguehi  V.  .  . 

.  202 

,  446 

Nogues  .  .  .  . 

-  t  i 

Noll . 

276 

,  327 

Nonne  49,  492, 

671, 

1012, 

1120,  1353, 

1406, 

1573, 

2480 

Nonnenbruch  . 

1276 

v.  Noorden  C. 

-Wien- 

Frankfurt  148,  480, 

779, 

2016,  2849 

v.  Noorden  W  -  Hom¬ 
burg  v.  d.  Höhe  .  .  296 

Nordentöft  .  .  .  .  2194 

Nordmann . 484 

Norrlin .  2859 

Nottebaum  .  2805 

Novak  995,1291,1848,2432, 
2855 

Novö-Josserand  .  .  .  2531 

Novello .  2750 

Novikoff . 1504 

Novoa . 318 

Nowak .  2364 

Nowakowski  ....  2013 

Nowell . 1851 

Nubiola  ......  2021 

Nürenberg  .....  1287 

Nürnberger . 1859 

Nussbaum  H.  Ohr.  .  .  1392 
Nussbaum  M.  .  .  309 
Nussbaum  A.  -  Bonn  1434, 

1447,  2585 

Nyhoff . 716 

Nyströin .  40 


O. 

Obakewicz .  2807 

Obata . 314 

Oberholzer-  Schaff¬ 
hausen  .  .  .  .  2309 

Oberholzer  E.  -Breiten- 

au  .  . 149 

Obermiller  .  .  1221,  2535 

Obermüller  .  ...  2832 

Oberndorfer  198,  541, 1275, 

1836,  1444,  2295,  2686 

Oberstadt . 1901 

Obersteiner  .  .  1560,  2742 

Oberwarth  .  2594 


1732 

2871 

2804 

2129 

1908 

42 

2495 

2806 

1230, 


Seite 

Olivier . 1401 

Oloff . 143 

Olpp  . 88,  1613 

Olshausen  .  2697 

Oltmanns  .  .  200,  1725 

O'Malley .  2024 

Ombredanne  323, 1860,  2539 
v.  Openchowski  .  .  .  2606 

Openshaw . 941 

Opitz  E. -Giessen  1339, 1348, 
1456,  1616,  2308,  2414 
Opitz  H  -Thorn  .  .  207 
Oppel  ....  257,  2128 

Oppenheim  .  .  .  492 

Oppenheim  M.-Wien  335, 
2416,  2692,  2868,  2918 
Oppenheim  E.  A  -Hohen- 
lychen  ...  •  1789 

Oppenheim  H.  -  Berlin  163, 
1343,  2428,  2535,  2636, 
2637,  2705 

Oppenheimer  C.  .  86,  2635 
Oppenheimer  C. -Strass¬ 
burg  ...  .  1635 

Oppenheimer  G. -Halle  1620 
Oppenheimer  K.-Mün- 
■  chen .  2706 

OppenheimerR. -Frank¬ 
furt  .  103,  1228 

Oppermann . 1844 

Oppikofer .  2360 

Orbän  . 311 

Orlovius  .  2627 

Orlowski  .  .  841,  2852 

Ortenau  .  478,  982,  2058 
v.  Ortenberg  .  .  1107,  2746 
Orth  J. -Berlin  618,  2434, 2705 
Orth  O.-Forbach  1038,  1786 
Orth  O.-Innsbruck 
Orthner  ....  149, 

Ortner . 

Orudschiew  .  . 

Oser  202,  770,  2369, 
Osgood  . 

Osler  .  . 


Obst . 

Ochsenius  .  1404, 
Oczesalski  .  880,  2749, 

Odake  . 

Odier  ........ 

Odstrcil . 

Oeconomos  .  .  1791, 

v.  Oefele . 

Oehlecker  1117,  1120, 

1339,  2545,  2702 
Oehler  J.-Freiburg  201,  658 
OehlerR.-W.  Frankfurt  1062 
Oehmann  .  .  .  2474,  2639 
Oehme  ....  1164,  1521 
Oehmen  .  .  .  1678,  2689 
Oeller  H. -Leipzig  .  .  .  1844 
Oeller  J.  N. -Erlangen  .  710 

Oeri . 410,  1784 

Oertel  ....  1792,  2803 

Oerum .  2358 

Oesterlen . 992 

v.  Oettingen  .  .  1057,  2752 

Oiiergeld . 148 

Offerhaus . 2139 

Offmann . 1512 

Ogata  S.  . . 1276 

Ogata  M.-Osaka  .  .  .  372 
Ogata  T.-Freiburg  .  .  826 

Ogawa .  36 

Ogörek  ......  2475 

Ohlemann .  2537 

Ohly . 1681 

Ohm  J. -Bottrop  .  367,  718 

Ohm  R. -Berlin  37,  1004,  2077 

Ohnacker . 1170 

Oker-Blom  . 1341 

Oliva . 824 

Oliver .  2643,  2696 


Osman 
Ossinin 
Ostenfeld 
v.  Ostertag 
Ostrowski 
Ostwald 
Oswald  . 
Oszacki  . 
Otsuka  . 
v.  Ott 
Ottenberg 
Otto 

Ottow  .  . 
Oudin  .  . 
Oulmann 
Owen  . 
de  Oyarzabal 


93, 


716 
2806 
1392 
664 
2704 
1851 
605 
1444 
2809 
550 

. 1673 

315,  1288,  2193 
.  .  256 
.  .  2917 
.  90,  824,  1398 
....  263 

. 146 

.  .  2641 
.  .  .  2301 
1164,  1340 
.  1 275 
.  .  .  2591 
1070,  1733 
.  .  .  1224 


600, 


Ozaki . 544 


P. 

Pacewicz .  2808 

Pacewitsch . 663 

Pach . 318 

Pachner . 369 

Pässler  H.-Dresden  503, 1010, 
1452,  2604 

Page . 333 

PagenstecherA.-Braun- 

schweig  .  .  1319,  2562 

Pagenstecher  E.-Wies- 
baden  24,  201,  203,  2297 

PagenstecherH.-Strass- 

burg . 1512 

Paglione  . 1169 

Paderstein . 148 

Paine  ....  2077,  2850 
Pakuscher  .  .  .  .  2747 

Pal  .  957,  2364,  2749,  2763 
Paltauf 

Pamperl  2744,' 281 8, 
Panconcelli-Calzia  .  . 


Seite  | 

Pankow  O.-Freiburg  . 

2189 

Panse  ... 

1571 

Papazolu  .  .  1423, 

1533 

Pappenheim  .  l4y,  25r 

,  601  | 

Parhon  C.  .  .  •  . 

1051 

Parhon-Bukarest  .  .  . 

2254 

Parin . 

2246 

Pariser . 

947 

Parisot  .  .  165,  276, 

2064 

Park  ...  1223, 

1358 

Parkinson . 

2262 

Parlavechio . 

599 

Parma . 

1506 

Parreidt  .  . 

1150 

Parsamoor . 

1505 

Parssamow  .  .  .  . 

2423 

Partis . 

1504 

Par  vis . 

887 

Paschen . 49, 

1400 

Pascual . . 

2123 

Passow  A. -Berlin  1335, 

2767 

Passow  C.  A. -Hamburg  2071 

Pasteau . 

221 

Pasteur . 

958 

Patak . 

1413 

Patek  .  .  .771,  1451, 

1788 

Patel . 

548 

Paterson  H.  J.  .  1905, 

1968 

l’aterson  O.  N . 

2643 

Patterson  . . 

1906 

Seite 

Petren  K . 1727 


Paul  - 
Paulesco 
Pauli  .  . 
Paulian 


1690 

1052 

2249 

1050 


Pankow 

2638 


1069 
2868 

622 

O. -Düsseldorf  1455, 


Petrin  G.-Lund  .  . 
Petri  482,  1137,  1402, 
1775,  2241 
Petridis  . 

Petrovich 


1503 

1530, 


Petrowa 
Petruschky 
Petsche  . 
Pettavel  . 
Petterrson 
Petzoldt 
Peus  . 
Peyser  . 
Pezarzkaja 
Pfahler  . 
Pfalz  .  . 
Pfänner  . 
Pfarrius 


1318 

.  .  2752 
.  .  997 

.  .  .  423 
1573,  1841 


Paulsen  .  .  155,  1462,  1909 

Paus .  2359 

Pavesio .  2751 

Pawloff . 1162 

Pawlowski  . 1345 

Pawollek . 95 

Payne . 887 

Payr  144,  327,  614,  713,  727, 
936, 1408, 1742, 1743, 1800, 
2069,  2601,  2635,  2686 

Paysen . 1574 

Peabody . 1223 

Pechstein . 770 

Peckert . 991 

Peiper  ....  1344,  1399 

Peiser . 475 

Pekanovich  .  ...  1620 

Pelmann  ......  657 

Pellesohn  ....  731,  781 

Pelz  . 1731 

Pende . 1850 

Penkert . 1798 

Penzoldt  255,  308,  598,  879, 
942,  2425 

Pereira  . 717 

Perez-Montaut  ....  2247 
Perianu  ....  .  .  44 

Perinoff  ....  145,  2192 

Peritz  . 1446 

Perkel . 998 

Perl . 1849 

Perman . 1170 

Permin . 550 

Pernet .  2024 

Perrey . 1806 

Pers . 1398 

Perrson . 1615 

Perthes  652,  732,  832,  936, 
1117,  1677,  1746 

Pertik  . 149 

Perutz  A.  Wien  ...  42 

Perutz  A.  Würzburg  1251, 
1472 

Perutz  F.  München  480,  541, 
1215,  2687 

Pesharskaja .  2421 

Pesskow . 665 

v.  Pesthy  ......  2131 

Peters  Wien  ....  713 

Peters  A.-Rostock  .  .  710 

Peters  H. -Brünn  .  .  1679 
Peters  W.-Heidelberg  .  1695 
PetersenH.-Kopenhagen825 
Petersen  O.  H.-Kiel  .  2637 


2072 
542,  1048 
.  .  .  1344 
.  1448 
1637,  1693 
.  1286 
1852,  2082 
1635,  1636,  1692 
.  .  2252,  2368 
.  .  .  2470 
v.  Pfaundler  278,  330,  1043, 
1123 

Pfeifenberger  ....  2375 

Pfeifer .  2701 

Pfeiffer-Strassburg  .  .  656 

Pfeiffer  E. -Wiesbaden  884, 
1458 

Pfeiffer  H.-Graz  542,  1899 

Pfender . 1851 

Pfersdorff  .  659,  1511 

Pfister  E. -Kairo  207,  1956 
Pfister  E. -Wiesbaden  .  936 
Pfister  O. -Zürich  .  .  .  2007 

Pfitzer . 2155 

Pflanz . 264 

Pflaumer . 1107 

Pfleiderer .  2850  ] 

Pflüger . 1220 

Pförringer .  2645 

Pförtner  . 261 

Pfuhl .  32 

Pfuhl  W.-Berlin  .  .  .  2066 
Pharmakowsky  .  .  .  1286 

Philipp .  2693 

Philippi  .  .  .  2363,  2420 
Philippsohn  ....  1014 

Philippson .  2071 

Philippsthal  .....  2641 
Philosophow  ....  1622 

Pic  . 276 

Pichler  A.-Klagenfurt  318 
Pichler  H.-Wien  .  .  202 
Pick-Berlin  1689,  2434,  2542 
Pick  E.  P.-Wien  .  316,  601, 
938,  1046,  2747 
Pick  F.-Prag  .  1114,  2433 

Pick  FI.-Berlin  262,948,  2916 
Pick  J.-Berlin  1453,2138,2852 
Pick  W.-Wien  ....  2642 
Piczugin  ......  2807 

Pielsticker  . 2010 

Pieralli .  2438 

Pieri . 1850 

Pidry  M.  . . 1790 

Pidry  G.-Lyon  .  .  .  2-0 

Pietrulla . 484 

'  Pighini .  2244 

Pilcher-Brooklyn  .  .  .  1108 
Pilcher  J.  F. -Philadel¬ 
phia  .  2591 

Pilcz .  2254 

Pilsky . 1516 

Pinard . 677 

Pincus . 385 

Pincussohn  L.  -  Berlin  258 
894,  1160 

Pindborg  .  .  .  542,  550 

Pinkuss  .  1283,  1908,  2072, 
2419 

Pinerua . 1904 

Pinsch . 1733 

Piorkowski .  2471 

Piotrowski . 993 

Piper .  2190,  2243 

Pipo .  2681 

Piquand  . 2189 

Pirie .  2643 

v.  Pirquet-Wien  .  .  .  2749 
v.  Pirquet  C.-Wien  713, 1043, 
1046,  1300,  1732, 


Seite 

v.  Pirquet  E.-Wien  .  .  1525 

Piskacek . 1 99 

Piskator . 488 

Pissavy . 1070 

Pittaluga  ....  319,  1224 

Planelles . 1224 

v.  Planner  .  .  .  2302 

Plaschkes  219,  1357,  1413, 
1950 

Plaseller . 1564 

Plate  L  .  .  .  .  879,  2849 

Plate  E.  Hamburg  201,  213, 
258,  599,  2343 
Plate  F.W.-Altenai.  W.  2586 

Plaut  F . .2188 

Plaut  Th . 711 

Plaut  A.-Mtinchen  .  .  1751 
Plaut  H  C.-  Hamburg 
238,  720 

Plaut  M.-München  .  .  429 
Pia  y  Armengol  .  .  1224 

Plehn .  324,  1400 

Plenz  .  .  .  .  .  372 

Plesch  257,  263,  1110, 1681, 
1784,  1897 

Pleschner  . 219 

Plitek . 1619 

Ploeger . 193,  2092 

Plönies . 318,  774 

Ploss-Renz . 1949 

Plotkin . 1942 

Pobedinsky . 1279 

Podesta  .  2073 

Poduschka . 662 

Pöhlmann . 591 

Poenaru-Caplescu  .  .  1051, 
2304 

Poerschke . 1395 

Pohl  F.- Warmbrunn  .  1279 
Pohl  J.-Breslau  .  .  .  679 
Pohl  R.-Berlin  ....  1160 

Poindecker . 1110 

Pokschischewsky  .  .  1164 

Pol .  2924 

Polacco . .  -  1217 

Polak .  2079 

Polano  .  .  443,  1456,  2803 

Pollag  . 2119 

Pollak  E.-Wien  1452,  1682 
Pollak  F.-Triest  .  .  2302 

Pollak  L.-Wien  .  .  .1105 

Pollak  R. -Brünn  .  .  .  1849 
Polland  .  590,  827,  2642 
Pollatschek  .  .  1278,  1571 
Pollitzer  H.-Prag  1357,  1469 
Pollitzer  H.-Wien  108,  621 
Polotebnowa  .  .  .  .  996 

Pölya  .  .  .  144,  712,  2009 

Poncet . 732 

Ponfick . 1616 

Pongs  .  2364 

Ponomareff . 145 

v.  Poör .  2692 

Popielski  .  .  .  1450,  2245 
Poppe  ....  1730,  2916 

Popper . 2194 

Poputon . 887 

Porchownik . 1951 

Porges  .  1675,  2364,  2749 

Porias  .  .  2693 

Porosz .  2854 

Port  .  .  .  148,  2475,  2732 

Porta . 544 

Portmann . 1562 

Portner . 1284 

Poscharisky . 262 

Postma  .  . . 2141 

Posner  C.-Berlin  164,  2535 
PosnerH.L.-Heidelberg  39 

Poth . 1842 

Potherat . 1861 

Potpeschnigg  ....  1167 

Poulsen  .  . 1676 

Poulsson  .  •  ....  657 
Pousson  A.-Bordeaux  221, 
545 

Pousson* A. -Lyon  .  .  933 

Powell  D . 1501 

Powell  R.  D . 940 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXVII 


Seite 

Poynton  .  2077 

Pozsonyi  .  .  .  2533,  2850 

Pozzi .  2022 

Pradervand  ....  781 

Prado-Tagle .  40 

Praeger . 1404 

Praetorius . 867 

Prasad .  2078 

Pratt . 1224 

Prausnitz . 2917 

Predteczensky  ....  998 
Preiser  ....  732,  1230 

Preisich .  2534 

Preiswerk  G.  .  .  .  .  991 
Preiswerk  A. -Basel  .  .  2195 

Prest . 605 

Preysing  .  .  .  1569,  1913 
Pribram  B.  O.-Wien  1284, 
1976,  2032,  2302,  2805 
Pribram  E.  E.-Wien  770,  2819 
Pribram  H.-Prag  1674,  2047, 
2693,  2868 

Price .  2023 

Priester . 828 

Prigge .  95 

Pringle .  2696 

Pringsheim . 1727 

Prinzing  .  .  .  375,  2693 

Prochownick  205,  728,  826, 
896 

Proescher . 827 

Propping  .  782,  882,  1342 

Prorog . 542 

Prosorowsky  ....  2248 
Protopopescu  ....  2303 

Proust .  2083 

v.  Prowazek .  2535 

Prus . 2134 

Prutz . 656 

Prym  . 1507 

Przedborski .  2476 

Przygode . 1222 

Pucher . 787 

Pürckhauer  X. -Dinkels¬ 
bühl  . 821 

PürckhauerR. -München  73 

Pütter . 309 

Pujol  y  Brüll  .  2018,  2083 

Pulawski . 485 

Puppe . 840 

Puppel  ....  1163,  2688 

Purjesz  B . 1849 

PurjeszP.-Klausenburg  2138, 
2536 

Pussep . 205 

Putzig . 446 


Q 

Quadflieg . 1047 

Quadri .  2751 

Quarelli .  40 

Queisser .  2654 

Querner .  2435 

de  Quervain . 1274 

Quincke  ....  1055,  1334 
Quinetella  . 548 


R. 

Raab . 1941,  1949 

Rabe . 1899 

Rabinowitsch  D.-Berlin  205 
Rabinowitsch  L. -Berlin  206, 
207 

Rabinowitsch  M.-Char- 
kow  206,  429,  482,  2451, 
H  2590,  2809 

Rabow . 2180 

Rach  .  .  .  675,  2136,  2373 
Rachmilewitsch  ...  771 

Raczinsky . 996 

Raczynslri . 323 

v.  Rad . 1123 

Rados-Pest . 1516 

Rados  A.-Strassburg  .  1848 
Radot . 958 


v.  Radwanska  . 
Raecke  .  .  260, 
Rafin  .  . 
Rajewsky 
Rai  mann 
Ram  .  . 


Seite 

.  .  .  2136 
1619,  1738 
...  221 
.  .  .  1624 
.  .  .  2310 
.  .  .  333 
Rambousek  1392, 1393, 1895, 
2417 

Rammstedt . 145 

Ramsauer  .....  948 
Rank  .  .  .  .  256,  424 

Ranke  K  E. -München  768, 
823,  933,  1397,  1501,  2153, 
2583,  2914 

Ranke  O. -Heidelberg  492, 
1214,  1500,  1511 
Ranken  .  . 

Ranschburg 
Ransome  . 

Ranzi  1004,  1299, 1413,  2366, 
2367,  2819 
Rapmund  .  . 

Rapp  .... 

Rasch  .  .  . 

Raschba  .  .  . 

|  Räskay  .  .  . 

Rasp  .... 

Rathe  .... 

Rau  .... 

Raubitschek  . 

Rauch  F.-Jena 
Rauch  F. -Göttingen  2009, 

2354 

v.  Rauchenbichler  1615,  2367 


604 
1398,  2428 
...  605 


.  .  .  309 

.  .  .  2004 

1525,  2918 
.  .  .  1621 
.  .  .  1278 
.  .  .  1506 
.  .  .  1447 
.  .  .  2589 
992,  2301 
.  .  .  1430 


Raudnitz 
Rauenbusch 
Rautenberg 
Rautenkranz 
Rautmann  . 


2372,  2374 

.  2910 
674,  2912 
.  .  .  2365 
...  262 


Ravaut622, 1126, 1304, 1526, 
2028 

Raven .  2355 

Ravogli .  2591 

Rawitsch . 1106 

Raydt . 1673 

Raynaud  .  ....  2539 

Rebentisch . 1898 

Reber  K.-Berlin  .  .  .  773 
Reber  K.-Bern  ....  209 
Recasens  1966,  2021,  2083 

v.  Redwitz .  2744 

von  Recklinghausen  .  817 
Reckzeh  .  .  .  .  1110,  1681 

v.  Reding . 1451 

Redlich . 1215 

v.  Redwitz  ....  1684 
Regensburger  .  2026,  2315 
Reh  32,  790,  880,  1170,  1215, 
1274,  2074,  2753 

Rehfisch . 2815 

Rehm  0 . 2188 

Rehm  E.-München  .  .  52 

Rehm  M. -Zürich  .  .  .  830 
Rehn  E. -Frankfurt  .  .  831 

Rehn  E.-Jena  ....  494 
Rehn  L. -Frankfurt  .  .  429 

Reich-Berlin . 1794 

Reich  A. -Tübingen  370,  882, 
1746,  2743 

Reich  J.  -  Breslau  201,  2136 


1730 
2362 
1222 
792,  1129 


Reich  R. -Leipzig 
Reich  Z.-Wien 
Reich-Brutzkus 
Reichardt  .  .  . 

Reichart  A.-Pistyan  .  .  1146 
Reichart  C.-Pistyan  .  .  2473 

Reiche . .  713 

Reichel  H. -München  638, 847, 
1684 

Reichel  H.-Wien  .  .  .  429 

Reichenow . 1166 

Reichenstein  ....  1452 
Reicher  216,  947,  1053,  1520 
Reichmann  M. -Chicago  816, 
2488 

v.  Reichmann  V. -Jena  158, 

181,  926,  1374,  1430 

Reifferscheid  ....  2369 
Reimann .  2009 


Seite 

Reinach  617,  1381,  1501, 
1837, 1895, 2008, 2199,  2704 
Reiner  ...  428,  1619 

Reinhard  H. -Osnabrück  938, 
1218 

Reinhardt  A. -Frankfurt  1503, 
2300 

Reinhardt  A. -Leipzig  .  2008 
Reinhardt  R. -Heidelberg  881, 
2473 

Reinhardt  W. -Leipzig 
Reinhold  .  .  . 

Reiniger  .  .  . 

Reinking  .  .  . 

Reis  E. -Frankfurt 
Reis  V.-Lemberg 
Reisinger  . 

Reiss  .  .  . 


Reissmann 
Reiter  .  .  . 
Reitier  .  . 
Rendle-Schort 
R4non  .  . 
Renner  .  . 
Renz  .  .  . 
Repaci  .  . 
Resch ..  .  . 
Reschad 
Rethi-Pest  . 


2475 
2428 
1679 
2545 
1695 
1284 
620 
444 
.  2139 

38,  1899 
.  .  256 
1046 
2078 
1275 
1949 
549 
314 
1981 
1572 


2029, 

1217’ 


2809 

770, 

329, 

2406 

938 


Rbthi  A  .-Königsberg  295, 828, 
1792,  1793 

Retiwow . 

Retzlaff  K.-Berlin  37, 

1115 

Retzlaff  O.  -  Madeburg 
658 

Reusch  . 

Reuss  -  Chemnitz  .  .  . 
v.  Reuss-Wien  2749,  2764 

Reuter . 1548 

Reuterskiold .  2360 

Rüvesz . 2131 

Reye .  783,  2485 

Reyher . 1448 

Reyn  A . 824 

Reynaud . 277 

Reynes .  2083 

Reynier . 1860 

Rheinboldt . 947 

Rheins . 1105 

Rhese  .  2361 

Rhode  ....  •  .  .  2479 
Ribbert  .  .  .  .  96,  2418 

Ribes . 1789 

Ribollet . 2133 

Richards . 1851 

Richartz  .  .  •  .  .  .  .  827 

Richet . 277 

Richter-Berlin  ....  2482 
Richter-Dresden  .  .  2296 
Richter-Wien  ....  2307 
Richter  E.  -  Plauen  266,  775 
Richter  G.- Wölf elsgr und 
1848 

Richter  P.-Berlin  .  .  .  2248 
Richter  W.  Chemnitz  .  154 

Ricevuto . 1967 

Ricker . 544 

Ridder . 1445 

Ridge .  2696 

Riebold . 379 

Riebel . 1804 

Rieck  C.  A. -Hamburg  214, 
259 

Rieck  P.  G. -Mainz  .  205 
Riecke  ....  272,  2703 

Riedel  B.-Jena  1008,  J  248, 
2269 

Riedel  H. -Linz  . 

Riedel  K.-  Halle  . 


Rieder  . 
Riedinger 
Rieger  . 
Rigler 
Riehl  .  . 
Rieländer 


.  2642 
.  2454 

.  .  •  480,  2295 

. 733 

. 256 

. 657 

.  98,11413,  2249 
33,  199,  1336, 


2347,  2470 

Riemer .  908 

Ries  .  .  1522,  1804,  2298 


Seite 

Rietschel  896, 1010,1 392,2193 

Rigg .  1733,  1953 

Rigler  ...  249,  2470 

Rihl  1357,  1560,  1681,  1950 

Rimini . 149 

Rimpau .  95,  2640 

Rind . 1452 

Rindfleisch  .  .  386,  715 

Ringleb . 1501 

Rinne .  2850 

de  Rio  Branco  .  .  .  366 

Rischard . 2414 

93,  673,  2754 


428,  201(1 
996 
942 
654 
2373 
1125 
2854 
1006, 

2816 
771 
314, 


Risel  .  . 

Rissmann 
Rister  .  . 

Ritchie . 

Ritter . 

Ritter  -  Berlin  .  . 

Ritter  -  Edmundstal 
Ritter-Stade  .  .  . 

Ritter  C.- Posen  544 
2367 

Ritter  J. -Berlin  .  . 
v.  Ritter  G. -Pilsen 
Rittershaus  -  Coburg 
2009 

Rittershaus  E.  L  -Ham¬ 
burg  .  .  213,  1574,  2007 

Ritz  . .  38,  1731 

Roark  ....  .  .  486 

Roasenda . 1850 

Robertson  .....  2696 
Robin  .  .  .  .  901,  1750 

Robinsohn .  2200 

Robinson .  2092 

da  Rocha-Lima  739,  1400 

Rochat  . . 717 

Röchelt .  2692 

Röchet . 2310 

Rockhill . 335 

Rodelius . 1406 

Rodella . 2011 

Rod4z .  2687 

Rodhain . 1344 

Rodler-Zipkin  .  1972,  2026 

Röchling . 948 

Rödelius  ....  49,  2756 
Roeder  H.  -Berlin  .  .  2300 
Röder  H.- Elberfeld  .  90, 

1465,  2365,  2370,  2371 

Roelofs . 2139 

Römer  K.G’-Hamburg  1255, 
2860 

Roemer  H.- Illenau  .  .  2420 
Römer  P.- Greifswald  .  541 
Römer  P.  H.- Marburg  1122, 
1123,  1785 

Roemer  R.- Erfurt  .  .  315 
Roemheld  .  .  .  493,  2908 

Röner . 1446 

Rönne  ....  147,  149 

Röper  .  2087 

Roepers . 604 

Roepke  O. -Melsungen  263, 
823,  2914 

Röpke  W.  -  Barmen  .  732, 
781,  946,  1218,  1727,  2366 

Röse .  2364 

Rösle .  2752 

Rösler  B.  A. -Leipzig  .  1627 
Rösler  O.  A.  -  Graz  .  .  1222 
Rössle  158,  952,  1334,  1855, 
2064, 2128, 2187, 2849, 2863 

Rogers  . 886 

Rogowsky . 1014 

Rohde .  2087 

v.  Rohden . 1106 

Rohland .  2752 

Rohleder .  34 

Rohmer . 36,  161 

v.  Rohr . 150 

Rohrbach . 1617 

Roith . 1113 

Roll . 1679 

Rollet . 1790 

Rollmann .  2641 

Rolly .  898,  1294 

Roman  .  600,  787,  2867 

Romanow .  2424 


Seite 

Romanowitch  ....  549 

v.  Romberg .  j 

Rominger . 859 

Rommel  .  .  33,  215,  733 
Röna  D.-Baja  ....  1278 
Rona  P.-Berlin  2130,  2242 
Rondoni  2245,  2438,  2751 

Rood .  .  .  886 

Roos .  481,  1393 

Roosen . 1842 

Roppert  . 1275 

Roque . 1047 

Rorschach . 1106 

Rosanow  .  - . 143 

Rose-Krakau  .  .  .  2374 

Rose  H.-Hamburg  .  .  1120 
Rosell  ....  167,  223 

Rosemann  .  .  1103,  2530 

Rosen . 880 

Rosenbach . 1846 

Rosenberg  E . 1507 

Rosenberg  M.  -  Berlin  163, 
992,  1046,  2372 
Rosenberger  .  .  1113,  1354 

Rosenblatt . 778 

Rosenfeld  G . 541 

Rosenfeld-Münster  .  .  1281 
Rosenfeld-Nürnberg  .  781 
Rosenfeld  E  -Berlin  .  2357 
Rosenfeld  E.-Charlot- 
tenburg  .....  2690 
Rosenfeld  G.-Breslau  .  2077 
Rosenfeld  H.-Erlangen  1503 


Rosengart 
Rosenhaupt 
Rosenheim 
Rosenow  . 
Rosenstein 
Rosenstein  A.-Posen 


1737 

938 

1221 

2214 

256 

430 


Rosenstein  M. -Breslau  1787 
Rosenstern  .  .  .  .  1009 

Rosenstern  J. -Berlin  .  2071 
Rosenthal-Leipzig  .  .  382 
Rosenthal-Wien  .  .  .  1908 
Rosenthal  E. -Pest  1450, 1455, 
1788,2175,2194,2915 
Rosenthal  F. -Breslau  1425, 
1446,  1595,  1614 
Rosenthal  H. -Charlot¬ 
tenburg  . 1917 

Rosenthal  J.  -  Kopen¬ 
hagen  ....  2296,  2358 
RosenthalR. -Karlsruhe  1162 
RosenthalW. -Göttingen  1680 

Roser . 1732 

Rosin . 1673 

Rosner  ....  1635,  2261 

Rosowa . 997 

Rosowsky . 1614 

Ross  R . 308 

Ross  St,  .  . . 942 

Ross  E.  H. -London  .  .  34 

Rossbach  424,  990,  1044, 
1104,  1160,  1501 

Rossiwall . 1525 

Rossknecht  ...  .  2248 

Rost  E.-Berlin  .  262,  368 

Rost  F.  -  Heidelberg  1162, 
2025,2281,2367,2637,  2861 

RothM . 2012 

Roth  A.-Pest .  2382 

Roth  E-Potsdam  .  .  .  2417 
Roth  N.-Pest  .  .  992,  2133 

Roth  O.-Lübeck  .  .  .  2069 
Roth  O.- Zürich  201,  1275, 
1395,  1507,  2801 
Roth  P.  B.-England  887,  941 

Rothaub .  94 

Rothberger . 1672 

Rothe  E.-Berlin  827,  1396 
Rothe  H.-Breslau  .  .  1616 
Rothermund  .  1046,  2637 
Rothfeld-Wien  ....  2428 
Rothfeld  J.-Lemberg  2254, 
2362 

Rothmann  M. -Berlin  .  208, 

387,  483,  773,  1282 
Rothmann  M.-Breslau  .  1283, 

1664,  1666 


XXVIII 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


1913. 


346,  894, 


Seite 

1004, 


Rothschild 
1451 

Rothschuh . 949 

Rotkv  H.-Prag  .  1106,  1784, 

2158 

Rotky  K.-Prag  ....  1726 

Rott-Wien . 1180 

Rott  F . 1505 

Rotter  E.-München  .  .  1671 
RotterH  -Pest  205,2808,  2804 
Rotter  J .-Berlin  1458,  2013 
Roubier  ....  165,  220 

Roubitschek . 780 

Rouen . 423 

Rouget . 1630 

Rouland .  2079 

Rous .  2592 

Rouss . 827 

Rousseau  Th.  ....  314 

Rousseau-St  -Philippe .  1525 

Routh .  2079 

Routier . 1861 

Roux  C . 1167 


Seite 

Saar  M.-Berlin  ...  49 

Saar  G.  J. -Innsbruck  31, 


v. 


832 

1225 

256 

2252 

1045, 


780.  1504.  2069  2368’'  • 
Saathoff  230  990,1103,2183, 
2188,  2240 

Sabat . .  778, 

Sacanella . 

^achs  . 

Sachs-New  York  .  . 

Sachs  E.-Königsberg 
1729,  2759 

Sachs  O.-Wien  97,  2642,  2806 

Sackur  . . 546 

Sacquepde . 1630 

Sadger  . 256 

Säend  sch  309,  657,  768,  2686 
Sänger  D -Benin  .  .  .  1014 
Saenger  A. -Hamburg  .  619, 
1103, 1844. 2428. 2755, 2859 
Saenger  H. -München  146, 
1321 

Safranek  .  .  .  1278, 


Seite 

Savariand  ....  .*1526 


Savini  E. -Berlin  . 

Savini  E.-.lassy  . 
Savini-Castano  .  .  . 

Saxl  .  .  .  167,  1236, 

Savnisch  . 

Scaglione . 

Scagliosi . 

Schaab  Mannheim  .  . 
Schaab  W.-St  -Peters¬ 
burg  .  2355 

Scbaack . 1447 

Schablin . 621 

Schade  36,  86, 104, 99U, 1043, 


1617 

2138 

1617 

1898 

2302 

660 

1849 

1806 


2133, 


2241 

335 

2636 

2241 

2357 

2078 

2136 

2586 


Roux  J.  Ch . 

Roux  W.-New  York  .  . 

Roux  W.  Halle  .... 

Roux- Berger  J.  L.  .  . 
Rovsing  332,  933, 1111, 

Rowntree . 

Rozenblat . 

Rubaschow  .  .  1162, 

Rubel .  2421 

Rüben  ....  839,  1514 

Rubesch  ....  2818,  2868 

Rubin  . 376 

Rubino  C . 367 

Rubino  A.-Neapel  714 

Rubner  .  .  .  .  588  826 

Rubritius  .  388,  498,  2549 

Rudas . 2192 

Rudö . 2131 

Rudolph  M.-Estrela 

do  Sul . . 

Rudolph  O.-Marburg  . 
Rudzki  .... 

Rübsamen  W.-Bern  .  . 
Rübsamen  W. -Dresden 
627,  713,  1139,  1166, 

1457,  2247 

Rüde . 2137 

Rüder  .....  305  671 

Rühl  K.-Turin  .  2013,  2233, 
2751 

Rühl  W.-Dillenburg  .  371 

Rühle  .  . .  2298 

Rülf .  2587 


2360 

1730 

322 

2801 


2474 

1525 

827 

269, 


Seite 

1690 

1049 

1279 


Schiller-Chicago  . 

Schiller  J.-Paris  . 
v.  Schiller  K.-Pest 
Schilling  O.-Berlin-Ost- 
Afrika  .  .  t.  1343,  2476 
Schilling  J.F.W.-Leipzig  545, 
711 

Schilling  R.-Freiburg  484 
Schilling  V.-Torgau  186,1401, 
1521,  1981,  2356 


902 

1900 

1337 

1615 

92, 


sage . 

Le  Sage  . 

Sahli .  598, 

Sainmont' . 2913 

^aint-Giron . 277 

Sdinz  y  Aja  ...  .  2471 

Saisawa  .  .  483,  994,  1165 

Sakobielski . 1842 

Salaghi  ....  1110,  1566 
Salge  ....  1505,  2842 

v  Salis . 

Salle .  894, 

Salles . 

Salomon-Wien  ... 
Salomon  D.  Berlin 
Salomon  H.-Wien  1124,2014, 
2139,  2819 

Salomon  M.-Paris  .  .  334 

Salomonski .  2072 

Salpeter . 1558 

Saltykow  315,  714,  2014,  241 8 
Salzer  F -München  309.657, 


2563 

2851 

1680 

835 

202 


1290, 


151, 

733, 


1285 


207 


Rütten  ....... 

Rüge  II  C.-Berlin  .  .  . 

Rüge  E. -Frankfurt  a.O. 

Rüge  R.-Kiel  .  . 

Rumpel . 

Rumpf  .  .  377,  1282, 
Runge  Kiel  .  .  654, 

Runge  E.-Berlin  . 

Rupp . 1681 

Ruppel . 2911 

Ruppert .  2861 


247 


Rupprecht  J. -Dresden 
895,  1457 

Rupprecht  P. -Dresden 
Ruska  2375,  2376,  2482 
Russ  .  .  . 

Russell  .  .  . 

Russo 
Rutherford 
Ruttin  .  . 


185, 


1 568, 


Ruzicka . 316 


Ryall  . 
Rychlik 
Ryffel  . 
Ryser  . 


17? 


1795,  r 


2138, 


Saatfeld 

Saalmam 


1398, 


710,  768,  2128, 

2296,  2353, 

2687 

Falzer  H.-Wien  . 

.  .  .  2652 

■^alzmann  .  .  . 

.  .  .  2196 

Sambon  .... 

605,  2644 

Samelaon  .  .  . 

2071,  2247 

Sampson  .  .  . 

.  .  .  887 

^amter  .... 

.  .  .  1231 

Samuels  .... 

.  .  .  2010 

Samuelson  .  . 

.  .  .  2011 

Samways  .  .  . 

.  .  .  1734 

Sand . 

...  98 

Sander  .... 

1830 

-andmann  .  . 

728,  1801 

Sandrock  .  .  . 

.  .  .  1615 

^aneyoshi  ... 

Sanford  .... 

Saniter  .... 

1437 

Saphier  .... 

1621,  2748 

Sarauon  .... 

1390,  2800 

Sarbö . 

147,  2749 

Sardemann  .  . 

.  992 

Sargnon  .... 

.  .  1048 

\  Sarnizyn  .  .  . 

.  .  .  2808 

,  Sarvonat,  .  .  . 

.  165 

Sasaki  91,  263, 

1502,  2667 

1  Sasse  A.-Kotthus  .  1 167 

■1  Sasse  F. -Frankfurt  650,  1614, 

i  2143 

)  Sata  . 

1396,  1675 

1  Sato  .  .  .  .  . 

.  .  .  1110 

3  Sato  G.-Kiusbiu 

.  .  .  1162 

8  Sato  S.-Freibu rg 

.  601 

6  Satta . 

.  1536 

5  Saudelc  .  .  .  . 

.  .  .  2918 

6  Sauer  . 

1219,  2701 

3  Saueracker 

.  1957 

3  Sanerbruch  625 

655,  1006, 

1041,1890,1944.2019,2825 

Saugmann-Daugaard  .  2078 

Sauphar .  .  .  . 

.  .  .  1013 

8  Sauvage  . 

.  679 

'0  Savage  .  .  . 

.  .  .  2023 

1103,  1160,  1214 
2636,  2741,  2799 
Schäfer  A. -Rathenow 
Schäfer  E,  A  -Liverpol 
Schäfer  Fr.- Breslau 
Schaefer  P.-Frankfurt 
1402 

Schäfer  P.-Berlin  92, 

1689 

Schäfer  P.  A.-London  1181 
Sc>  aefer-Hieber  .  .  .  2800 
Schaeffer  .  279,  2653,  2745 

Schaffer . 2417 

Schafir . 2418 

Schantz  G  -Königsberg  1163 
Schanz  A.-Dresden  .  1283 
Schanz  Fr.-Dresden 
311,  484,  609,  732, 

780,  1392 

Schaposchnikow  .  .  . 

Scharetzky . 2915 

Scharfe . 546 

Scharlieb  ...  .  1968 

Schattenfroh  .  2195,  2250 

Schatzmann . 2918 

Schaub  ....  76,  1505 

Schaum  .  .  200,  1725 

Schanmann  707,  835,  1246, 
1293,  1344,  1345,  1400 
Schauta  .  .  .  374,  2804 

Schede . 1339 

Scheel  .  . . 1500 

Scheele . 936 

Scheer .  2698 

der  Scheer  .  .  .  1449 

Scheffer  . 164 

Scheibe  991,  1044,  1335, 
1390,  1445,  1569,  1949 
Scheidemandel  .  .  .  1722 

Scheiding . 1268 

Schelble . 1342 

Schelenz  ....  503,  2482 

Schellack . 1166 

Schellenberg  ....  1447 

Schellong . 377 

Schenck  .  .  .  2469,  2686 
v.  Schenckendorff  991,  1673 


Schilmann 

Schiltig  . 

Schindler 

Schinner 

Schippers 

Schirmer 


1785, 


.  2138, 


715,  2136, 


2192 

1619 

2482 

2374 

2140 

676 


609 

1679 

1199, 


2584 

1683 


Schirokauer . 656 


880, 


1617, 


1286 

316 

998 

943 

879 

1951 

2422 

2639 


E.- 


F. 


1865, 

,  480, 
800, 

800, 


2800 


2431 

2359 

1347, 


1844, 


1104, 


787 


.  780 

2589 
.  47 
2373 

2590 
882 
200, 


2434 

108, 

q 


749 

773 


Schenk  .  .  . 
Schepelmann  47,  202, 
544,  1014,  1787,2313, 
Scherbak  ...... 

Scherber  .  .  .  2536, 

Scherer  A.-Pest  2369, 
2691 

Scherer  F.  Tsumeb 


828 

490. 

2806 

1327 

2855 

2688, 


1566, 


1620, 


Schereschewsky 

2013 

Schern  .  . 

Scherpf  .  . 
Schcrschmid 
Scheunert 
Schewket 
Schick  B.-Wicn 
2609 

Schick  F.-Königsberg 
Schick  S.-Wien  .  . 
Schickele  599,  652,  65 


1488 

1681, 


1180, 


2640 

1014 

1399 

2469 

2129 

2373, 


1397 

97 

1349. 


1615,2298,2799,2849,2914 


.Schiedler 
Schiff  A.-Wien 
Schiff  E.  Halle 
Schiff  E  -Wien  . 
Schiff  F.-Berlin 
Schiffmann  431, 
Schilder  .  .  .  . 


1197, 


1340, 


1413 

1299 

1923 

250 

2916 

1678 

2136 


Schirokogorow 
Schischlo  .  . 

Schistopal  .  . 

Schittenhelm 
v  Sehjerning 
Schkarin  .  . 

Schklowsky  . 

Schlapobuski 
Srhlagintweit 
Giessen 
Schlagintweit 
München  .  . 

Sehlasberg  .  . 

Schlaver  63,  308, 

1501,  1841 
Schlecht  .  35,  95, 

1898 

Schlee  .  . 

Schleich  . 

Schleip 
Schleissner 

Schlemmer . 

S'  hlesinger  A.-Berlin  . 
Schlesinger  E.-Berlin  . 

217,  264,  715,  2691 
Schlesinger  E.-Strass- 
bnrg  2300,  2360 
Schlesinger  F.-Berlin  . 
Schlesinger  H.-Wien  . 

445, 1413, 1844,  2548, 
Schliep 
Schimpert  259,  654,  681,  783, 
1291,1402,1758.1969,2432, 
2639 

Sch'ippe  ....  711,  2353 

Schlörs . 1783 

Schl  off  er  .  388,  1006,  1299, 
2196,  2354,  2367 
Schloss  E -Berlin  1356,  1618 
Schloss  K.-Freiburg  .  1841 
Schlossmann  Tübingen  830 
Schlossmann  A.- Düssel¬ 
dorf  285,  883,  1095,  1219, 
2007,  2300,  2371 

Schmauch .  2486 

Schmelz .  2377 

Schmerz  .  .  .  .2169,  2368 

Schmey . 1220 

Scbmid  E .  2689 

Sphmid  H.  H.-Prag  428, 1164, 
1181,1457,1749,1788,2388, 
2639 

Schmid  M. -Potsdam  .  1342 

Schmidt .  95 

Schmidt  Meinhard  .  .  1502 
Schmidt-Berlin  ....  833 
Schmidt  Ad  -Halle  20,  ?108, 
491,  8:34,  935,  1347,  1562, 
1799,  2363 

Schmidt  E.  Würzburg  .  144 

Schmidt  F.  A  -Bonn  991, 1673 
Schmidt  PI.  E.-Berlin  654, 
1215,  1448,  1903 
Schmidt  H.-Kew-Surrey 
Schmidt  J.- Frankfurt . 
Schmidt  J.E  -  Würzburg 
Schmidt  M.B.  Marburg- 
Würzburg  .  .  148, 

Schmidt  O. -Bremen  . 
Schmidt  O.-Köln  .  .  . 
Schmidt  P.-Leipzig  .  . 
Schmidt  R.-Innsbrnck 


H.-Bonn  .  . 
O-Adana  . 
O.-  Heidel- 


294 

1344 


2790 


1845 


770 

770 

2366 

2698 


1220 

2029 

484, 


2327 


1288 

427 


484 

2686 

919 


2817 

1616 

1858 

1780 

2363 


Seite 

Schmidt  K.-Prag  .  .  .  2596 
Schmidt  W.-Breslau  .  773 
Schmidt-Rimpler  .  .  .  151 
Schmieden  81,  82,  946, 1166, 
1728,  1751 
Schmiedicke 
Schmiedl  . 

Schmincke  .  .  949, 

2704,  2761,  2865 
Schmitt  Artur  .  .  . 

Schmitt  A.-München  . 

Schmitz .  93 

Schmiz . 1324 

Schmorl  ....  1684,  2475 
Schnandigel  782,  1600,  1909 
Schneb  951. 1 167. 1217, 1396, 
1507,  1715,  1936 

Schneider .  2584 

Schneider  C.-Brücke-nau- 
Wiesbaden  .  .  •  2429 

Schneider  G.-Potsdam  1635, 
1692 

Schneider 
Schneider 
Schneider 

berg  ..... 
Schneider  P. -Heidel¬ 
berg  .... 

Schneider  P.  -  Magde¬ 
burg  . 

Schneller 

Schnitzler  .  .  .  1069, 
Schnürpel  .  .  .  1226, 
Schnyder  ......  99d 

Schob .  1059,  2701 

Schönberg  ....  96, 
Schoenborn  .  .  .715, 

Schöne  Ch.  Greifewald 
1336 

Schöne  Gg.  Greifswald 
Schöne  K.-St.  Peters¬ 
burg  .  .  . 

Schönenberg 

Schöner . 1Ü4:> 

Schönfeld  J . 2416 

Schönfeld  E.-Göttingen  601 
Schönfeld  W.- Mann¬ 
heim  1302,  1789 
Schoenfeld  W. -Würz¬ 
burg  . 1789 

Schönffiee . 1632 

Schönheimer  ....  1693 

Schönhof . 429 

Schönstadt . 324 

Schönstein . 1069 

Schöpf . 1336 

Schopp . 259 

Scholl  PI.-München  711,  991, 
i  1666,  1693,  2687,  2707 
Scholl  E.-Erlangen  .  .  993 

Scholz . 599 

Scholz  B.  -  Frankfurt  .  2697 
Scholz  W.-Königeberg  1789 

Schonack . 1783 

Schopper . 1679 

Schorlemmer  ....  2011 
Schossberger  .  .  .  1283 

Schott .  36,  2379 

Schottelius  1063,  1506,  2440 
Schottländer  E.-Barmen  92, 

936,  1284 

Schottländer  J.-Wien  428, 
1339,  2371 
Schottmüller  . 

2699 

Schoug  .... 

Schoute  . 

Schrameli  264, 

2249 

Schramm . 602 

Schrammen . 1847 

Schreiber  A.-Augsburg  199, 
366,  479,  656,  1166,  1390, 
1444,  1501,  1723,  1782, 
1993,  2001,  2432,  2531 
Schreiber  A.-München  1274 
;  Schreiber  Gg.-Paris  .  328 

'  Schreiber  L.-fleidelberg  1513 
Schreiber  P.-Magdeburg  384 


1460,  2188, 


1731, 


661 

2140 

2195 


1913. 


tortALTS-VEKZEtCHNlS. 


Seite 

Schreiber  II.- Berlin  1255, 
1501 

Schreiner . 2854 

Schricker  .  .  .  .480,  939 

Schridde . 826 

Schröder . 2198 

Schröder-Güttingen  .  1789 
Schröder  Rostock  .  .  1349 
Schröder  R.  .  .  .  .  1725 

Schröder  F.-Bcrlin  373,  1165 
Schröder  H.-Dortmund  1788 
Schröder  H. -Düsseldorf  886 
Schröder  K. -Dänemark  2015 

Schroeter . 483 

v.  Schrötter  H.-Wien  2363 
Schrottenbach  ....  2479 
Schrumpf  947,  949,  1004, 
2473,  2627 

Schuberg  ...  1 109,  1450 
Schubert  A. -Frankfurt  145 
v.  Schubert  E  .  .  .  .2911 
Schubert  G.-Beuthen  1617 
Schubert  M.  E.-.Tena  .  715 

Schubotz . 541 

Schübel . 206 

Schück . 1692 

Schücking . 446 

Schüffner-Leipzig  .  .  328 
Schüffner  W.-Deli  129,  642, 
1344,  1399,  1400,  2139 

Schüle . 378 

Schüller  .  2900 

Schüller  A.-Wien  957,  1413, 
2428 

Schüller  L.-Düsseldorf  2852 
Schüller  L.-Würzburg  36 

Schürer . 881 

Schürmann  994,  1046,  1903, 
2637,  2915 

Scbüssler  ....  951,  952 

Schütte . 1449 

Schütz  A.-Straubing  .  1039 
Schütz  E.-Wien  1047,  1507 
Schütz  F.-Kopenhagen  602 
Schütz  J.-Wien  .  .  .  1110 
Schütz  L.-Kopenhagen  602 
Schütze  A. -Königsberg  1729 
Schütze  H.-Berlin  .  778 
Schütze  K.-Kösen  947,  2262, 
2606 

Schuhmacher  ....  2536 

Schulhof . 949 

Schüller . 2195 

Schulthess . 716 

Schultz  J.  H.-Chemnitz  1573, 
2193 

Schultz  W.-Charlotten- 

burg . 4,  2510 

Schultze . 1896 

Schultze  A . 541 

Schultze  L.  S . 709 

Schnitze  E.O.  P.-Berlin  1161, 
1666,  1787 

Schulize  F.  -  Duisburg  544, 
1339,  2369 

Schultze  Friedr.-Bonn  32, 
36,  1467,  1510 
Schultze  Fr.-Frankfurt  145 
Schultze  H.  W.-Braun- 

schweig . 1785 

Schultze  J.H. -Chemnitz  1681 
Schultze  O.-Würzburg  .  479 
Schultze  W.-Berlin  .  .  1562 
Schulz  B.  .....  .  711 
Schulz  F.  C.  A.-Gum- 

binnen .  2589 

Schulz  Fr.  N.-Jena  .  .2512 
Schumacher  ,  .  .  1956 

Schumacher-Zürich  .  201 
Schumacher  E.-Trier  .  124 

Schumacher  J.-Berlin  .  2642 
Schumacher  M.  -  M.- 
Gladbach  .  ...  1396 

Schumacher  R.-Halle .  1215 
Schümm  783.  897, 1066, 1220, 
1461,  1853,  2756,  2757 

Schur-Prag . 1357 

Schur  H.-Wien  1124,  1398, 
1050 


Seite 

Schurig  ....  373,  1830 

Schuster  P . 377 

Schuster-Berlin  .  .  .  2428 
Schuster-Frankfurt  .  .  1797 
Schuster  G.- Chemnitz  154 
2404 

Schustrow . 1623 

Schwab  M.-Nürnbg.  496, 1397 
Schwab  M. -Berlin  657,  2742 

Schwaer  . 1203 

Schwalbe  E.-Rostock  .  365 
Schwalbe  J.-Berlin  32, 87, 880 
Schwamberger  ....  1504 

Schwandner .  2260 

Schwartz . 1222 

Schwarz .  2201 

Schwarz  E.-Riga  .  .  .  2533 
Schwarz  E.-Tübingen 
492,  1503,  2165 
Schwarz  G -Elbing  .  .  815 
Schwarz  G.-Wien  275,  317, 
545,  2642,  2818 
Schwarz  H.  J. -Philadel¬ 
phia  486 

Schwarz  L. -Hamburg  1902 
Schwarz  M.- Charkow  666 
Schwarzwald  621,  1576,  2548 
Schwarzwäller  ....  2070 
Schweissheimcr  .  .  .  1105 

Schweizer . 1286 

Schwenke  .  .  .  752,  2373 

Sch  wenkenbechcr  444,  894 
2754 

Schwenker .  35 

Sehwenter  . 1110 

Schwerdtfeger  ....  1284 
Schwerin-Storoshewa  .  2810 

Schweriner . 2915 

Schwiening  .  .  .  309,  879 
Schwyzer  .  .  .  2302,  2678 
Scott  Kapitän  ....  2800 

Scott  G.  B . 887 

Scott  T.  B . 887 

Scripture .  2471 

Scudder . 486 

Sebardt . 1169 

Secchi . 1850 

Sddillot . 958 

Seefelder  .  .  .  316,  1512 

Seeligmann  637,  1455,  1566, 
1884,  1908,  2369 
Seemann-Berlin  .  .  .  2927 
Seemann  J.-München  2243 
Seemann  O.-Bonn  .  .  2586 

Seenger  .  . .  2534 

Segale  M.-Genua  .  .  .  429 
Segale  C.-Bonn  .  .  ;  2586 

Segelken . 2194 

Sötruin . 135 

Sehrt . 961,  i486 

Sehrwald  .  430,  977,  1040 

Seidel  A . 1502 

Seidel-Dresden  ....  2246 

Seif . 1233 

Seifert- Würzburg  .  .  .  2636 
Seifert  O. -Dresden  1226, 1227 

Seiffert  . 1506 

Seitz-Frankfurt  .  .  .  2545 
Seitz  C. -München  .  .  1895 
Seitz  L. -Erlangen  349,  1289 
2240 

Selberg . .  .  1848 

Selichowskaya-Sycz  .  1623 

Selig . 949 

Seligmann . 429 

Selka . 1222 

Seil . 2198 

Seilheim  372,  1290,  1291, 
1456,  1563,  2266,  2298, 
2369,  2432,  2638 
Semeleder .  2369 


Semenow  . 
Semkowsky 
Senator  .  787 

Sencert 
Senestrey 


Senge  .  .  1279,  2194,  2745 


Senkewicz 

Seqneira 


1789,  2133 
.  .  1624 

,  2584,  2693 
.  .  2241 

.  .  1105 


997 

2694 


Seite 

Serebrenikowa  ....  1678 
Sdrieux-Libert  ....  2254 

Serkowski . 1399 

v.  Seufert . 950 

Severin . 543 

v.  Seydel-München  .  1777 
Seydel  H.-Dresden  .  .  1899 
Seyderhelm  ....  2211 
Sgalitzer  .  1523,  1989,2868 

Shaheen . 693 

Shennan .  2696 

Shibayama  .  .  .  938,  2067 

Shiga . .  1344 

Shimamura . 2129 

Sbimazono . 268 

Short .  2644 

Shraga . 1796 

Shukow .  2422 

Shwif . 2810 

Sicard . 1973 

v.  Sicherer .  2742 

Sick  C . -Hamburg - 
Eppendorf  ....  2009 
Sick  P;- Leipzig  ....  898 

Siebeck . 2191 

Siebelt  . 947 

Siebenmann  .  ...  774 

Sieber-Schumowa  .  .  996 

Siebert . 143 

Siebert  W . 1400 

Siebert  C. -Marburg  .  .  1785 
Siebert  F.-Jena  .  .  .  2637 
Siebert  F.-München  .  88 

Siebert  K.- Magdeburg  105 

Siedeberg . 605 

Sieden  hof . 1455 

Siefart . 713 

Siegel  E. -Berlin  .  .  .  2300 
Siegel  E.-Frankfurt  .  2144 
Siegel  P.  W.-Freiburg  2280 

Siegert  385,  1407, 2374,  2378 

Siegmund .  2795 

Siegrist . 1513 

Siemerling  .  .  .  260,  709 

Sieskind . 483 

Siess .  445,  1343 

Sieveking . 894 

Sievers  313,  613,  659,  1676 

Sievert . 1342 

Sigmund . 989 

Signorelli .  2801 

Sigwart  1457,  2298,  2688, 

2803 

Silber .  2424 

Silberberg .  2428 

Silberknopf . 1525 

Silbersiepe . 615 

Silberstein-Berlin  .  .  1298 
Sdberstein-Frankfurt  .  1458 

Silberstern . 1392 

Sillingston  .  2696 

Silvestrini . 1850 

Simici  . 1051 

Simin . 665 

Simionescu .  2304 

SimmondsM.-Hamburg 
49,  127,  600,  619,  1460, 
2435,  2859 

SimmondsO.-Frankfurt 
53,  223 

Simon  H .  2065 

Simon  G.-Aprath  .  .  .  1784 
Simon  H. -Breslau  .  .  658 
Simon H.Th.-Göttingen  200, 
1725 

Simon  L.-Mannheim  .  658 
Simon  Th.-Paris  ...  87 

Simonsohn .  2551 

Simpson .  2023 

Simpson  J.  W .  2644 

Simpson  G.  C.  E.-Liver- 

pool  . 1690 

SingerCh.-England941, 1784, 
2694,  2695 

Singer  G.-Wien  41, 1003,  2365 
Singer  H.-Pest  ....  1564 

Sioli . 1449 

Sippel  373, 1678,  2226,  2312, 
2000 


2196, 


335, 


37, 

1623, 


222 


Seite 

2375 
1450 
2191 
487 
658 
2691 
1675 
2134 
2808 
2251 
2196 
886 
29 1 8 
825 
2298 
431 
1218 
2130 
1526 
417 
2915 


2472 


Sittig  .... 

Sitzen  frey  .  . 

Sivdn  .... 

Sivori  .... 

Sjövall  .  .  . 

Skalier  .  .  . 

Sklodowski 
Skörczewski  . 

>korodumow 
Skorscheban  . 

Skray  .... 

Skudro  .  .  . 

Skutezky  .  . 

Slawinski  .  . 

Slingenberg  . 

Sluka  .... 

Smirnotf  .  . 

Smirnow  .  . 

Smith  R.  B. -Hamilton  . 
Smith  Th. -Boston  .  . 
Smoler  ....  371, 

Snapper  1337,  2189, 

Sobernheim .  2360 

Sobotta  200,  257,  365,  419, 
480,  989,  2795,  2817 

Sochamski . 1897 

f'oein .  2852 

Söderbergh .  2747 

Söderlunt  .  .  .  933,  2012 

Soerensen  ......  1863 

Sohn .  885,  2134 

Sokolowskv  .  .  .  50,  208 

Sol6 . 1909 

Solger . 1570 

Solieri .  2637 

Sol  her .  2255 

Solly . 843 

Solm . 1513 

Solon-Yeras . 323 

Solowij  826,  2247,  2639,  2746 

Soltan .  2694 

Soltrain . 1526 

Sommer  E . 1215 

Sommer  A.-Breslau  148,  2476 
SommerR.-Giessen2480,2653 
Sommerfeld-Posen  .  1108 
Sommerfeld  P.-Berlin  602, 
2300 

Somogyi . 1952 

Sonnenberg . 29 1 6 

Sonnenberger  ....  2261 
Sonnenburg  .  .  1214,  2070 

Sonnenfeld . 1163 

Sonnenkalb . 1568 

Sonntag-Berlin  ....  1044 
Sonntag  E.  Leipzig  203,  2354 
Sorel  F.-Paris  ....  1048 
Sorel  R.-Nizza  ....  1791 

Soresi .  1906,  2018 

Sorge .  1358,  1848 

Sorgo  .  .  .  828,  2363,  2590 

Souligoux . 1860 

Sowade . 1166 

Souques . 958 

Souttar . 887 

Spaet . 1726 

Spät  W.-Prag  ...  94,  1046 
Spaeth  ....  428,  1012 

van  Spanje . 2140 

Sparmann  .  2868 

>patz  Hugo . 1500 

Speck  A.-Breslau  .  .  .  1343 
Speck  W.-Leipzig  376,  1277, 
1881 

Specht .  2749 

Speleers . 2140 

Spencer  W.  G.  ...  1733 
Spencer-London  .  .  .  1906 
Spengler  ...  2249,  2825 

Sperber .  2256 

Sperk . 1300 

Sperling . 205 

Spiegel-München  .  .  .  1846 
Spiegel  N. -Charlotten¬ 
burg  . 1451 

Spielmann . 370 

Spielmeyer  30,  956,  990, 1003 
Spiess  G.  A. -Frankfurt  1570, 
1573 


1399 
.  .  .  1896 
.  .  .  2416 
.  .  .  1791 
.  2469 
1220,  1902 
957,  2373 
.  .  .  2642 
.  .  .  2596 


_ XXIX 

Seite 

Spiess  P.-Basel  ....  1679 
Spiethoff  .  521,  1192,  2204 
Spietschka  .  .  . 

Spinner  Schweiz 
Spinner  J.  R.  . 

Spire . 

Soirö . 

Spitta  .... 

Spitzer  E.-Wien 
Spitzer  L.-Wien 
Spitzky  .  . 

Spitzy  .  577,  731,  733,  975 

Spohr . 1919 

Spooner .  485 

Sprengel  830,  1161,  1264, 
1490 

Springer-Graz  ....  781 
Springer-Prag  ....  2652 
Springer-Rostock  .  .  .  1280 

Sprunt . 486 

Spude .  1398,  1908 

Spuler . 880 

»samoylenko  .  601,  1792 

Ssemionow . 663 

Ssemjonow . 1622 

Ssobolew .  2248 

Ssokolow  2424,  2807,  2809 

Ssolowjiew . 664 

Ssyrensky . 663 

Stadelmann . 674 

Stadler-Plauen  .  .  ,  1844 

Stadler  E  -Leipzig  .  .  86 

Staehelin  .  264,  893,  1390 
Staeubli  41,  113,  773,  Iul7, 
2692 

Staffel . 1162 


1064,  2300 
831,  1460 
.  .  .  2304 
600,  1084 
.  .  .  707 


Stamm  .  . 

Stammler  . 

Stanculeanu 
Stange  .  . 

Stanton  . 

Starck  H.-Karlsruhe  .  494 
v.  Starck-Kiel  .  2025,  2026 

Staroke .  2855 

Sturgardt  143,  269,  1513 

Starkenstein . 107 

Starker . 2136 

Starling .  423,  887 

Staude  E.  F.  C.-Harn- 

burg  .......  1120 

Staude  C. -Hannover  .  1728 
Stauder  .  1693,  2290,  2316 
v.  Stauffenberg  .  .  .  2466 

Staunig . 388 

Stavrides . 1791 

Stawsky  . 2810 

Steenbeck  .  2698 

Stefansky .  2808 

Steft'eck .  2803 

Steffen  .  • . 773 

Steffens . 735 

Stegmüller . 1166 

Steidl .  2298 

Steiger  A . 1949 

Steiger  M.-Bern  .  95,  1903 
Steiger  O.-Zürich  2536,  2584, 
2641 

v.  Steimker . 371 

Stein- Leipzig  ....  2310 

Siein  A . 600 

Stein  A.  E.-Wiesbaden  700, 
945,  993,  1351,  1370,  1566, 
1907,  2420 

Stein  B.-Wien  ....  2805 
Stein  L.-Purkersdorf  .  2196 
Stein  R.  O  -Wien  661,  730, 
1222,  2537,  2691,  2918 
v.  Stein  St.-Moskau  .  828 

Steinbiss . 1505 

Steinegger . 1563 

Steiner-Prag  256,  445,  787 
Steiner  G.-Strassburg  1099, 
1221,  1511,  2419 
Steiner  M.-Berlin  .  .  .  2699 
Steiner  M. -Tanger  .  2194 
Steiner  M.  Moor  .  .  2806 

Steiner  P.-Klausenburg  2431 
Steiner  R. -Wien  388,  939 
Steinhardt  . 1688 


XXX 

Seite  | 

Steinhaus  ... 

368 

Steinheil . 

1673 

Steinitz . 

2318 

Stein  mann  .  .  205, 

771 

Steising . 

1535 

v.  Stejskal  .  »  . 

621 

de  Stella . 

829 

Stemmler . 

948 

Stenart . 

2643 

Steng . 

601 

Stenglein . 

1726 

Stenzei . 

427 

Stephan  A.-Wiesbaden  1415, 

2471 

Stephan  E.  R.-Leipzig 

1295, 

1844 

Stephan  S.- Giessen  . 

2533 

Stepp  .  .  1113,  1865, 

2800 

Sterling . 

880 

Stern  C.  -  Düsseldorf  . 

546, 

691,  1507,  2420 

Stern  E.  -  Strassburg  . 

993 

Stern  F.-Kiel  .  .  .  . 

884 

Stern  H. -Wien  .  .  . 

208 

Stern  H.-NewYork  994, 

1566 

Stern  K. -Fürth  .  .  .  . 

2731 

Stern  S.-Pest  .  .  . 

603 

Sternberg- Wien  .  .  . 

1844 

Sternberg  M . 

1896 

Sternberg  C.  -  Brünn 

219 

Sternberg  F.-Pest 

2805 

Sternberg  W.-  Berlin 

712, 

774, 1526,  2639,  2693 

2914 

Stertz . 

2428 

Stettiner  1233,  1560, 

2374, 

2816 

Steudel  D.  O.-  Afrika 

1400 

Steudell . 

1798 

Stich . 1356 

2248 

Sticker  A . 

1673 

Sticker  G.  -  Berlin  950, 

1559, 

1626,  1894,  1909 

Stieda . 1737 

,  2314 

Stiefler . 

.  2479 

Stierlin  E.  -  Basel 

.  1343 

Stierlin  R.- Winterthur  2302 

Stieve . 

.  262 

Stiftar  ...... 

.  2807 

Stiner  ....  2636 

,  2917 

Stintzing  .  .  .  157,  879 

Stock . 710,  1687 

INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


1788, 


Seite 

2245 

1842, 


rat/.  259,  1457 
2746 

Straub  Ii.-Tübingen 
Straub  W  .-Freiburg  783, 1823, 
2279 


Seite 

541 

2873 

775 


1105 


Stockard . 385 

Stöcker  A.  -  Zürich  .  .  1950 
Stöcker  F. -Luzern  .  .  1110 
Stockmann  .  1013 

Stoeckel  1164,  1741,  2147 
Stoecker  W. -Breslau  .  261 

Stöcker  S.  jun  -Luzern  938 

Stöhr . 479 

Stoeltzner  ...  291,  2767 

Stoerk  .  445,  661,  1343 

Stoffel  A  -Mannheim.  732, 
733,  780,  781,  1365,  1512, 
2013,  2353 

Stoffel  E. -Mannheim  .  2013 

Stoll . 1972 

Stolper  146,  428,  544,  2432 
Stolte  K.-Berlin  .  .  .  2689 
Stolte  K.  -  Strassburg  .  600, 
659 

Stolte  R.  -  Strassburg  .  1951 

Stolz . 709 

Stolz  M.-Graz  147,  259, 
428,  2418 

Stoney . 1733 

Stookes . 1690 

Stoppato  . 1502 

Storath . 325 

Strangman . 677 

Stransky .  2374 

Strasburger  J.-Breslau- 

Frankfurt  894,  2187,  2241 
Straßchesko  .  .  .  .  481 

Strasser  -  Kaltenleut- 

geben . 893 

Strasser  A.  -  Wien  .  1675 
Strassmann  1282,  2854,  2921 


Strauch  A.-Chicago  675, 2315, 
2486 

Strauch  H.-Hamburg  .  1853 
Strauch  W.-Altona  .  .  1789 
Strauss-Berlin  ....  947 

Strauss  A.-Barmen  .  .  661 
Strauss  F.- Stuttgart  .  2354 
Strauss  H. -Berlin  834,  1014, 
1282,  1848,  2087,  2137, 
2692,  2747 

Strauss  M.-Nürnberg  .  1683 

Strazesco .  2808 

Strebei . 2584 

Strecker . •  •  2129 

Streissler  .  .  .  781,  1559 

Streit  .  .  .  671,  774,  1571 
Strempel  .  .  .  1616,  1617 

Stricker .  •  659 

Strisower  .  .  79,  331,  1913 

Stritter . 1733 

StröbelH.-Erlangenl008,110ö 
Strobel  H.-Paris  .  .  .  1217 
Ströse  ...  .  .  372 

Stroganoff  .  .  372,  548,  708 

Strohmayer . 159 

Stroink . 1903 

Stromer . 480 

Strome  y er  ......  261 

Strong . HOI 

Strother-Smith  ■  94L 

Strubeil  893,  990,  1055,  1117, 
1513,  1673 

v.  Strümpell  270,2088,  2427, 
2849 

Struth  ers  . 941 

v.  Stubenrauch  .  .  .  2315 
Stüber  ....  1114,  1585 

Stuckey .  90 

Stucky' . 266 

Stübel  .  2244 

Stümpke  .  546,  1489,  1789 

Stuertz  .  1125,  1466,  2485 

Stütz- Jena . 1568 

Sturm . 163 

Stunock .  2644 

Stursberg .  32 

Stutz . 1616 

Suarez  de  Mendoza  .  323 

Subbölitch  .  .  .1795 

Sudeck . 326 

Sudhoff  K. -Leipzig  88,  672, 
1043,  1439,  2375,  2377, 
2408, 2482, 2582, 2638,  ,2760 
Sudhoff  W.-Berlin  .  .  2851 

Süpfle .  2640 

Suess  .  .  ....  948 

Suessenguth  .  .  204,  1515 

Sugar . 657 

Sogi  ....  94,  206,  2010 

Sugimoto .  274/ 

Sultan  C.-Kiel  .  761,  1038 

Sultan  G.-Neukölln  .  .  2588 
Sulzer .  2478 


Swinbrune  .  .  ._  •  • 
Swoboda  1236,  1525, 

Syring  P.-Halle  .  • 
Syring  R.  G.-Bonn  371,  2586 

Szabö . 1449 

Szametz  ......  265 

Sz^csi  .  ...  493,  1952 

v.  Szily  A.-Freiburg  .  1513 
v.  Szily  P.-Pest  .  98,  1047, 

1682 

v.  Szöllösy .  2641 

v.  Szontagh  .  .  315,  2746 

Szymanowski  148,  542,  1343 


Sumita  . . •  144 

Sundberg .  2245 

Sunde  ....  1047,  1112 
v.  Sury  .  .  .  .  •  •  1281 

Sussmann  M. -Berlin  .  2249 
Sussmann  R. -Berlin  .  1903 
Sutherland  G.  A.  .  .  2695 

Sutherland  H . 606 

Sutherland  P.  L.  .  .  .  2643 
Sutherland  W.  D.  Kal¬ 
kutta  .  •  •  2054 

Sutton . 1957 

Suzuki . 2129 

Svenson  . 1288 

Swart . 717 

Sweet . 1852 

Swellengrebel  ....  1344 
Swenigorodsky  ....  2424 
Swift .  486,  1977 


T. 

Tachau  .  .  .  88,  324,  1216 
Taege  35,  87,  143,  366,  824, 
880,  932,  2584,  2686,  2743 

Takaki . 706 

Takamine .  2242 

Takei .  2242 

Takeno .  600,  1618 

Takeyoshi  . 428 

Tandler . 2187 

Tange .  •  2140 

Tangl . 2131 

Tannhauser . 2155 

Tanon .  958,  1690 

Tansini .  2538 

.  Tappeiner  1503, 2599,  2850 

Tasawa  . .  2067 

Tatar .  2249 

Tate .  2082 

Tatlow . 940 

Taub . 426 

Tauber  .  .  •  ....  146 

Tausk . 256 

Taussig . .  2481 

Tausz .  780,  824 

Taute  ...  .  483,  2640 

Taylor  F.  H.-Sydney  .  2296 
Taylor  J.  L  -London  .  88 

Taylor  K.-Chicago  .  1851 
Tedesko  108,  112,  265,  388, 
2365 

Tegner  .......  2689 

Teichmann-Brasilien  .  1400 
Teichmann  E.  .  200,  1725 

Teissier .  165,  498 

Teissonier  ......  323 

Teleky  219,  311,  662,  1284, 
1395,1896,1897,2415 

Telemann . 778 

Temoin . 1860 

Tenani .  ■  487 

Tendeloo . 1726 

Tenzer .  2692 

Teoumin  ....  •  1342 

Terebinsky  .  .  997,  2807 

de  Terra . 657 

Tertsch . 621 

Teruuehi . '07 

Teachemacher  .  .  .  602 

Tetzner . 2136 

Teutschländer  ....  2639 

Thalacker . 1844 

Thaler  ....  .  •  2309 

Thalheim  LI. -Berlin  .  2589 

Thalmann . 1730 

Thaon . 277 

Thatcher  .  2644 

Thedering .  2679 

Theilhaber  97,  483.  1455, 
1566,1842,1908,2369 

Thelen .  726,  2088 

Theobald .  2691 

Therstappen . 1379 

Thiede .  2300 

Thiele -Varel  ...  .  1680 

Thiele  F.  H.-England  957, 
1216,  1276,  1953 
Thiem  G.-Leipzig  .  .  1730 
Thiem  K.-Kottbus  375,  2645 
Thiemich  .  259,  323,  1043, 
1067,  1178 

Thieringer  .  .  1108,  2640 
Thierry  .  .  •  ....  2010 


Seite 

Thierec.h  .  .  .  1059,  2872 

Thiess .  259,  892 

Thiessen . »99 

Thilenius . 541 

Thilo .  •  2841 

Thiroloix  .  .  .  1079,  2029 

Thöle .  189,  1782 

Thörner . 1109 

Thoinot . 255 

Tholl . 605 

Thomä . 1787 

Thomas  -  Charlotten¬ 
burg  .  .  .  1844,  2372 
Thomas  E.-Berlin  .  .  2136 

Thoms . 2914 

Thomschke  .  .  .  2135 

Thomson  .  .  .  549,  2358-, 

Thomson  A .  2696 

Thomson  J.  G . 308 

Thorling  ...._.  1727 
Thorn  ....  1177,  1745 

Thornton .  2694 

Thorsp ecken  ....  1336 
Thost  49,  778,  1009,  1461, 
1515,  2241,  2435,  2545 

Thumm . 

v.  Thun . 

Tiecbe  .  .  .  149, 

Tiegel  944,  1397,  1728, 

Tietze  .  .  .  206,  732, 

Tiger  .  .  ... 

Tigerstedt  198,  656, 

2128 

Tillgren . 1284 

Tilmann  .  2251 

Tillmanns . 1214 

Tilp  .  .  .  255,  1847,  2854 

Timmer  ......  2141 

Timofeiewsky  ....  664 

Tinelli . 1169 

Tintemann  .  .  •  1282 

Titze  .  .  .  1108,  1109,  2640 

Tixier .  276,  321 

Tobeitz .  -  2748 

Tobias  ....  1167,  2428 
Tobler . 1043 


2256 

2652 

1681 

1941 

2123 

997 

1725, 


v.  Tobold  .  .  .  773,  1902 

Todd . 886 

Todyo . 1616 

Többen  .  1504,  1507,  1883 

Toenissen  .  .  .  325,  1114 

Török . 2139 

Toff .  2305,  2409 

Togami  .  .  .  .  •  2134 

Toider . 1615 

Tollens . 208 

Toman .  2693 

Tomasczewski  ....  1507 

Tood  .  . .  2694 

Tooth . 2019 

Topolanski . 2818 

v.  Torday .  2534 

Torek . 2135 

Tormin .  2261 

Tornai  .  .  ■  1114,  2248 

La  Torre  1967,  2022,  2688 
Toupet  .  .  .  ■  548 

Tourneux .  2538 

Touton  ...  •  714,  772 

Trassl .  •  146 

Traube  .  1576,  2129,  2249 
Traugott .  .  482,  1173,  1456 
Trautmann  A.-Leipzig  1730 
Trautmann  G. -München  34, 
768,  823,  866,  880,  1445, 
1725,  1802,  2065,  2189, 

2223,  2241,  2296,  2912 

Trautmann  R.- Ham¬ 
burg  . 1463 

Trebing . 2194 

Treitel . 263 

Trendelenburg  ....  2137 

Treplin  . 1204 

Trepp  er . 1226 

Treupel  ....  492,  1350 

Treutlein  .  .  .  1520,  1860 

Trevisanello . 487 

Tribonlet  ....  333.  334 
Trillat .  2029 


Seite 

Trillmich . 427 

Trinchese  .  .  .  1045,  2013 
Troell  1169,  1284, 1787,2359, 
2646 

Trömner  E.-LIamburg  2428, 
2436,  2702,  2755 
Trömner  E.-Marburg  1352, 
1573,  2137 

Troitzky .  2300 

Trosarello  .....  488 

Trotta . 2014 

Trümmer  .  .  •  2565 

Trnmpp  .  1029,  1178,  1336 

Trussow .  2423 

Tschagowetz .  2244 

v.  Tschermak  .  .  .  2328 

Tscherniacbowski  .  .  2067 

Tscherning .  2359 

Tschernorutzky  .  .  .  2356 
Tschirch  ......  2471 

Tschirjew  ...  •  1564 

Tschudnowsky  ....  2282 

Tsiwidis  ....  600,  2191 

Tsuzuki . 1221 

Tubby .  2695 

Tuczek . 954 

Türk  M. -Heidelberg  .  1845 
Türk  W.-Wien  ....  219 

Tuffier .  •  2241 

Tugendreich  G. -Berlin  1837, 
2300,  2594 

Tngendreich  J.-  Berlin  1506, 
2801 

Tunmann .  2471 

Turan-Franzensbad  .  .  2365 
Turan  F.-Wien  ....  1732 

Turnbull . 1954 

Turner  C.  G . 1070 

Turner  D.  .  .  .  1735,  2696 

Turner  G.  R . 1070 

Turney  ......  1181 

Turrel  .  2022 

Tuschinsky . 662 

Tuszewski  . .  2907 

Tuszkai .  2432 

Tweedy . 1967 

Twichell  . 1396 

Twort .  2693 

Tyovity . 1278 

Tzupa  .  .  .  .  1051,  2303 


2065 

1676 

552 

153 


U. 

Ubbels . 2189 

Ubeda  y  Sarachaga  .  .  1904 

Uchermann . 775 

Udaondo  . 318 

Udvarhelyi  .  .  •  .  1278 

Uffenbeimer  34,  2595,'  2833, 

2866 

Uffenorde  .  204,  1302, 
Uffreduzzi  .  482,  1615, 

Ughetti . 

Uhle . 

Uhlenhuth  40,  546,  827,  994, 
1109,  1846, 2535,  2917 
Uhthoff  .  1514,  2428,  2686 
Ullmann  .  .  .  108,  1469 

Ulrich . 939 

Umber .  2543 

Ungar . 1281 

Unger  .  .  374,  378 

Unger  E.-Berlin  1676,2543, 
2589 

Ungermann-Halle  .  .  1342 
Ungermann  E.-Berlin  .  1109 
Unna  P.  G.-Berlin  .  .  772 

Unna  P.  jun.-Hamburg  2435, 
2641 

Unterberg . 1278 

Unterberger .  2638 

Urbach . 87 

Urban . 1726 

Urbantschisch  ....  2548 
Urbantschitsch  .  .  .  774 
Urechia  ....  1051,  2303 

Uriel .  2073 

Urizio  939 


1911 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Urschütz . 2433 

Ursin . .  .  .  .  1287 

Urstein . 1952 

Ury . 2011 

Usener  .  ....  2070 

Uthemann  .  .  1345,  1837 

Uthmöller  .  .  .  000,  1107 


V. 


Vakulenko . 655 

Valeanu  ....  1050,  1051 

Valenta . 541 

Valentin  .  .  .  1671,  2009 
van  Valkenburg  .  .  2128 

Vallardi  ...  427,  600 

Vallary . 958 

Valide  ...  1526 

Le  Van  Chinh-Hungd- 

Yen .  2538 

Vandenhoft . 1723 

Vangensten  .....  88 

Van-Ingen-Winter  .  .  2080 1 

Vannod .  2476 

Vaquez  893, 1565,  1962,  2530  I 

Varaldo . 2192 

Varvaro . 206 

Vas .  2534 

Vasiliu . 1050 

Vatrik . 1450 

Vayssiere . 655 

Veale . 603 

Vecchi  .  91 

della  Vedova  ...  -  1792 

Veiel .  2560 

Veilion . 549 

Veit . 654 

VeiL  J.-Breslau  .  .  .  263 

Veit  J. -Halle  93,  1218,  1457, 
1565,  1967,12024,  2079 
Veit  K.-Halle  ....  2314 
Veith  A.-Nürnberg  .  .  1681 
van  de  .Velde  Th.  H.- 
Haarlem ....  713,  717 


van  den  Velden  R.- 
Düsseldorf  890, 1390, 2298, 
2363,  2378 


Seite 


Vörner . 1120 

Vogel-München  .  .  .  330 
Vogel  F.-Bilin  ....  1326 
Vogel  K. -Dortmund  851 

Vogel  R.-Wien  716,  900,  957, 
1682 


Vogel  W.-IIeppenheim  1636, 
1692,  2805 

Vogelsberger  ....  708 

Vogt- Aarau  .  .  .  1514 

Vogt  E.-Dresden  93,  883,  937, 
1 291, 1456, 1504, 1620, 1729, 
1821,  2805 

Vogt  H.-Strassburg  323,  842 
Vogt  H  Wiesbaden  102, 1695 
Voigt  J.-Göttingen  .  .  1638 
Voigt  L.-Hamburg  .  .  1460 
Voigts  .  .  .  .  1188,  1697 
Voit  F.-Giessen  .  .  .  2352 
Voit  W.  Nürnberg  .  .  2762 
Volhard  ...  .  2076 


Volk  .  2138,^2429,  2548 

Volkmar . 1067 

Voll . 300 

Vollert  - . 1658 

Vollmer . 948 

Voorhoeve  .  .  1336,  1337 
Vorberg  ....  •  .  1974 

Vordermann . 707 

Vorkastner . 1221 

V  orpahl  Fr.-Greifswald  826 
Vorpahl  K.-Stettin  .  .  2245 

Vorrhoeve . 1783 

Vorschütz . .892 

Vos . 2140 

Voss  F.-Riga .  2633 

Voss  J.-Leopoldshöhe  53 
Voss  0. -Frankfurt  266,  1569 

Vossius . 1513 

de  Vries-Reilingh  717,  824 
Vromen  .  .  .93 

Vulpius  691,  731,  732,  776, 
885,  1079,  1447,  2193,  2353 
Vystavel . 431 


W. 


van  den  Velden  E.- 

Düsseldorf . 2190 

Velican . 937 

Velhagen .  2588 

Veraguth  .  .  .  1512,  2211 

de  Verbizier . 1790 

v.  Verebdly . 1277 

v.  Veress . 1449 

Versd  1409,  1743,  2088,  2446 
2475 

De  Vdrteuil  ....  1735 
zur  Verth  936,  1056,  1401, 
1613, 1837, 1895,2188, 2241, 
2296 

Vervoort  ....  129 

Verworn  200, jl  725, 2244, 2469 

Verzpremi  .  2534 

Vetlesen . 1848 

Viannay . 277 

Viereck-Berlin  .  .  .1617 

ViereckP.-Marburg673, 1221, 
2356 

Vignard . 548 

Vild . 1224 

Vilanova  .  .  1225,  1904 

Vincent- Val-de-  Gräce  .  333 
Vincent-Tours  ....  278 
Vincent  H. -Paris  277,  446, 
1182,  1973 

da'Vinci .  88 

Violle . 549 

Vischer . 1343 

Vöchting . 1337 

Voeckler . 2313 

Voegelmann .  2853 

Voelckel  E.-Dresden/ /  1 833 
Voelckel  E.-München  .  2136 


Voelcker  .  832,1933,  1008, 
1912, *2131,  2132 

Völpel . 1679 

VölBch  .  1067,  1464,  2702 


Wachmann .  2304 

Wachsner  .....  2300 

Wachtel . 430 

Wächter .  2068 

Wacker  .  993,  2097,  2674 

Wade . 1968 

Waeber . 1620 

De  Waele .  98 

Wagenmann . 768 

Wagner  Ad . 990 


Wagner  A.-Neidenburg  204, 
1451 

Wagner  A.-Lübeck  91,  543, 
1397,  1620 

Wagner  E.-Heidelberg  151 
Wagner  G.-Kiel  .  .  457 
Wagner  G.  A.-Wien  1124, 
2308 

Wagner  K.-Graz  .  .  .  2536 
Wagner  von'Jauregg  1159, 
2195,  2692,  2749 
Wahle  P.-Köln  ....  354 
Wahle  S. -Bad  Kissingen  1014 

Waibel . 467 

Wainstein  .  .  .  665,  1624 

Wakulenko  ...  .  1677 

Walb  602,  1398,  2691,  2805 
Walbaum  .  .  .  1280,  2027 

Walcher  . . 1949 

Waldmann . 1216 

Waldow  .  .  .  1400,  1521 

Waldschmidt  ....  2795 
Waldstein  .  .  .  936,  2307 

Waledinsky  258,  1622,  2810 
Waliaschko  .  .  91,  2807 

Walker . 1954 

Walkhoff  E.-Berlin  .  .  732 
Walkhoff  O.  München  880, 
2000 

Wall . 1728 

Wallace . 940 


Seite 


Wallart- Basel  .  .  .  . 
Wallart  .1. -St.  Ludwig 

259 

*i.  E . 

Wallbaum  .  .  . 

1507 

Wallich  . 

2021 

Walter  .  .  . 

833 

Walterhöf  er  .  . 

2066, 

2494 

Waith  ard  .  .  . 

1290 

Walther  E.  .  . 

1107 

Walther-Paris  . 

1200 

Walther  H.- Giessen  694, 1336 

Walther  LI.  E. -Zürich  . 

91 

Wal  ton  .... 

940 

Walzberg  .  .  . 

v.  Walzel  .  .  . 

2195 

Wankel  .  .  . 

2917 

Wanner  .... 

2072, 

2636 

Warnekros  1009, 

1457, 

1677 

Warschauer  . 

203, 

1277 

Warstat  .... 

.  826, 

1505 

W  arth  .  .  . 

1288 

Waser  .... 

2535 

v.  Wasiliewski 

1912  1 

Wasiliewsky  .  . 

1908 

Wasisky  .  .  . 

2471 

v.Wassermann  A  -Berlin  479, 

1331,  1356 


Seite 

Weiland  W.-Utrecht  .  2130 
Weiland  W.  Kiel  258,  1898 


Weiler  .  .  . 

Weill  E.-Frankreich 

2537 

W eill  L.-Bad  Elster 

372 

Weinberg  200,  710, 

1620. 

1908,  2583 

Weinbrenner  1232, 

1385 

Weinert  . 

1542 

Weinländer  .  .  2749, 

2869 

Weintraud 

1620 

Weir . 

1953 

Weis . 

1916 

Weiser  K.-Wien  . 

219 

Weiser  M.-Dresden 

1227, 

2521 

Weishaupt  .... 

1161 

Weismann . 

1334 

Weiss-Hamburg 

2859 

Weiss  Ed. 

2471 

Weiss  B.-Freiburg 

266 

IVeiss  F.-Pest  .  . 

935 

Weiss  J.-Wien  .  .  .  . 

2365 

Weiss  K. -Tübingen 

2499 

Weiss  M.-Wien 

1863, 

2363 

Weiss  O. -Königsberg 

2469. 

2849 

W  assermann  r  -jVIün* 

chen . 141 

Wassermann  M. -Mün¬ 
chen  . 899 

Wassiljewa . 1622 

Wassing  .  .  .  1731,  1790 

Watermann . 2139 

WaterstrpJt . 1958 

Watkin  .  2644 

Watson  Ch.  .  .  .  1735 

Watson  E.  M . 1223 

Watson  H.  F . 1955 

Watt .  2695 

Watters  . . 446 

Weber  0.  H . 1336 

Weber  A. -Berlin  .  .  .  825 
Weber  A.-Giessen  1264,1307, 
2552 

Weber  A. -Halle  .  .  .  2232 
W7eber  E.-Berlin  .  2190,  2191 
Weber  F.  sen.-Jalta  .  1562 
Weber  F.-München  .  1457, 

1772 

Weber  F.  P.-London  1434, 
1525,  1734 

Weber  H.. Dresden  212,  837 
Weber  H.- München  1999 
Weber  L.  W.-Chemnitz  608, 
772,  1619,  2702 
Wechselmann  .  932,  1309 

Wechsler . 2918 

Weckerle .  2065 

Weckowski  ...  •  2691 

Wedemann . 148 

Wegele . 835 

Wegelin  .  2691 

Wegener  . 1 1 97 

Wehner  Ph.-Potsdam  2536 
Wehner  Ph.-Werneck  999 

Wehrle  . 1902 

Weibel  2080,  2083,  2247, 
2308, 2371/2688, 2745/2802, 
2915 

Weichardt  .  2007,  2636 

Weichert  148,  206,  1731 
Weicksel  .  .  .  II 43,  1663 

Weidenfeld .  2749 

Weidler  . 486 

Weigert  . 894 

Weihe  . 1909 

Weihrauch  1047,  2687,  2747 
Weil  A. -Halle  .  1703,  2190 
Weil  A.-Köln  ....  1913 
Weil  A. -Strassburg  .  1216 
Weil  E.-Prag  .  482,  1450 

Weil  E.-Paris  ....  276 
Weil  L.-München  .  .  2641 
Weil  M.-Wien  .  .  .  957 

Weil  P.-Paris  .  540,  2653 

Weil  R.-New  York  .  1675 
Weil  S.-Breslau  .  .  .  545  I 


Weiss  K.-lreiburg  .  .  2842 
Weiss  R -Zwickau  .  2645 
Weisswange  .  .  .  1788 
Weisz  E.  Bad-Pistyan  430, 
947,  1343 

Weisz  M.-Wien  .  .  .  1413 

Weitz  .  2473 

Weitzel . 263 

Weizsäcker  1505,  1565,  2242, 
2243 

Welcker  ....  2474,  2688 

Weide .  1617 

Wells  .  53 

Weiter  ....  203,  1670 

Weltmann  .  388,  1284, 162' , 
1845 

Welz  A.-Breslau  .  .  .  2i93 
Welz  A.-Frankfurt  1415, 
1451 

Wenckebach  .  .  .  1962 

v  Wenczel  ...  1278 
Wendel  91,  329,  330,  383, 
1067,  1176,  1462,  1801, 
2070 


Wenderowiö 
Wenglowski 
Wentscher 
v.  Werdt  . 
Werndorff  . 
Werner 


.  2419 
.  .  1218 
.  .  1637 
.  1220 
732,  2368 
1574 


Werner  F.-Riga  .  .  .  2533 
Werner  H.  -  Hamburg  .  213, 
373,  739,  2485 
Werner  P.  -  Wien -583,  2308, 
2587,  2744 

Werner  R.  H. -Heidel¬ 
berg  601,  950,  1350,  1797, 
1907,  2100 

Wernöe  . 2015 

Wernstedt  .  323,  542 

Wertheim-Wien  1413,  2083, 
2371 

Wertheim  E. -Breslau  265 


Wertheimer 
Werth  er 
v.  Werthern 
Weselko 
Wesener 
Weski 


2650 

.  .  .  1709 
.  .  134 

.  .  690 

1816,  2689 
778 


Wesselkin  . 150 

Wessely  A.  II.  -  Würz¬ 
burg  ....  1514,  2478 
Wessely  K. -Berlin  .  498 
West  E. -England  .  ,  940 
West  J.  M. -Berlin  .  .  1009, 
1514,  1572 

West  S. -London  .  .  676 
Westenhoeffer  .  1355,  1516 
Westphal  A.  -  Bonn  .  .  884, 
1448 

Westphal  K. -Altona  .  2008 


XXXI 


Wetherill . 1S52 

Wetterstrand  ....  1162 
Weygandt  896,  1405,  2037~ 
2254,  2309,  2428 
Whale  .  .  .  1954,  2693 

White  -  New- York  .  .  599 

Withe  W.  C .  2696 

White  W.  H . 1784 

Whitehouse  ....  2644 

Whitfield . 94  t 

Withman .  2694 

Wicherkiewicz  .  .  .  1453 

Wichmann  .  .  950,  1120 

Wickham  .  ...  2020 

v.  Wiczkowski  .  885,  1508 

Widal  . 277 

Widmann . 1573 

Wiechowski . 498 

Wiedemann  A.  -  Strass¬ 
kirchen  . 790 

Wiedemann  F. -Neu- 

Ulm  . 367 

Wledemann  G.- Erlan¬ 
gen  . 1679 

Wiedersheim  ...  782 

Wiegels . 1 644 

Wieland  E.-Basel  2372,  2476 
Wieland  H.-Strassburg  706 

Wiemann . 1047 

Wiemers .  2587 

Wiener  C.- München  .  87 

Wiener  E.-Tor  995,  1957 
Wiener  E. -Pest  .  .  .  2476 


Wiener  G.- München  .1949, 
2007,  2296 

Wiener  J. -Chicago  .  1852 
Wiener  O. -München  .  1782 

Wiens . 1845 

Wieringa .  2243 

Wierzejewski  ....  733 

v.  Wiese . 541 

Wiesel . 546 

Wiesner  .....  1222 
Wieting  -  Kopenhagen  992 
Wieting  -  Stambul  .  .  204 

Wijnhausen . 2141 

Wikker .  2808 

Wilbrand . 1103 

Wild  E.-Berlin  ....  2851 

v.  Wild .  2639 

Wildbolz  933,  1725,  1963, 
2310 

de  Wilde . 2140 

Wilenko  ......  937 

Wilensky . 1226 

Wilheim  .....  1630 
Wilke  .  .  .  600,  989,  1970 

Wilker . 1446 

Wilkie . 1968 

Willan .  2644 

Willems .  2069 

!  Willführ . 1848 

Williams  E.  M.  N.  .  .  887 
Williams  F.  H. -Chicago  1851 
Williamson  C.  S.- Chi¬ 
cago  .  .  218,  1916,  1969 

Williamson  H .  2694 

Willich .  2025 


Wilms  132,  382,  713,  1117, 
1283,  2473,  2861 


Wilse .  2353 

Wilson . 1577 

Wilson  Th . 940 

Wimmer  .  .  .  .147,  2697 
Winckel  425, 1726, 1838,2471, 


2914 

Winckler .  2360 

Windelöv  .  .  .  2359,  2804 

Windesheim .  2235 

v.Winiwarter  1124, 2306, 2913 
Winkelmann  ....  1636 
Winkler  H. -Berlin  .  .  1166 
Winkler  H. -Hamburg  2867 
Winkler  C. -Holland  .  717 

Winogradow  .  .  .  1621 

Winokurow  .  .  1624, 2300 

Winter .  50 

Winternitz . 331 

Winterstein  .  .  .  255,  2131 


XXXI! 


1 N  H  Ai-TS-V  ERZE!  CHN 1$  • 


i9il 


Seite 

1279 

198 

1502 

948 


Wirtb  J . 

Wirth  W . 

v.  Wistingliausen 

Wiszwiansld  ... 

Wittek  ....  1508,  1657 

Wittgen . 

Witt  ich . l 

Wittig . . 

Wittmaack  774,  1519,  1568 

Wittmund  . 27o8 

Wittrock  ..-•••  11’^ 
Witzei  .  .  875,  1908,  2632 

Wladyczko . 2421 

Wockenfuss . -450 

Wöbbecke . 660 

Wölfflin  . 1458 

van  Woerkom  ....  2140 

Wörner . *336 

Wohlauer  . . 428 

Wohlgemuth  .  .  .  1905 

Wohlwill  1352,  1400,  2436, 
2485,  2645 

Woker . 1£4 

Wolf  K.  . 88ü 

Wolf  Fr. -Dresden  424,  <11 
Wolf  J.-Breslau  .  .  .2199 
Wolf  W. Leipzig  868,  2852 
Wolf  W.-Würzburg  .  .  1393 

Wolfonstein .  2231 

Wolf  er . 1222 

Wolff  G . “63 

Wolif  H .  2264 

Wolff- Hermannswerder  713 
Wolti  A.  -  Heidelberg  1109, 
1163,  1456 

Wolff  A. -Lemberg  .  178/ 
Wolff  B.-  Rostock  94,  1789 
Wo. ff  E.-Frankfurt  .  .  781 
Wolff  F.-Gelsenkirchen  430, 

2071 

Wolff  Fr.-Giessen  .  .  93 

Wolff  F.  G.  -  Reibolds- 

grün . 369 

Wolff  Gg.  Berlin  .  .  .  1901 
Wolff  G.-Göttingen  .  2688 
Wo'ff  Gg.  -  Greifswald  2138, 
2247 

Wolff  H.-Berlin824, 1902,21 15 


Seite 

2854 

1563 

2587 

199 

1003 

185 

1918 

778 


.  543 
2587 
1448, 


Wolff  H.-Freiburg 
Wolff  H. -Leipzig  . 

Wolff  J.-Danzig  . 

Wolff  J.-Jena  .  . 

Wolff  K.-Lichtenau 
Wolff  L.-Karlsruhe 
Wolff  H  -Lüneburg 
Wolff  M.-  Berlin 
1044 

Wolff  P. -Berlin  .  .  . 

Wolff  R.-Ilamburg  . 

Wolff  S.  -  Wiesbaden 
1451 

Wolff  W.-Berlin,  599,  1167, 
2300 

Wolff  W.-Bd.  Neuenahr  780 
Wolff  Eisner  430,  473,  2594 
Wolff  berg  ....  149,  150 
Wolffenstein  .  .  483,  2356 
Wolfsgruber  .  .  .  264,  317 
Wolfsohn-Berlin  .  .  .  2543 

Wolfsohn . 1851 

Wolkowitsch  .  .  •  1163 

Wollenberg  .  781,  732,  1398 

Wollheim .  2591 

Wollin . 774 

Wollsteiner . 1416 

AVoloscbin  ....  2637 

Wolpe .  1623,  2422 

Wolsa . 1565 

Wolter .  2808 

Wolze . 1036 

Wommelsdorf  ....  949 
Wood  H.  B.-Chicago  .  2591 
Wood  8.  W.-London  .  1793 

Woolwark . 939 

Worms . 1048 

Wortmann  ....  2068 
v.  Worzikowsky-Kun- 

dratitz  .  .  ■  •  1846 

Wossidlo  .  1411,  2430,  2531 
Wrede  .  .  .  40,  830,  1855, 
2861 

Wright . 041 

v.  Wrzesniowski  .  .  .  776 

Wünzen . °49 

Wüstmann . 266 

Wulff-Berlin .  2748 


Seite 

Wulff  O.-Kopenhagen  1651, 
2357 

Wulff  P.-Hamburg.l23U,  1406 
Wullstein  ....  132,  733 
Wunscbbeim  ....  2691 

Wybauw . 048 

Wynter . 2694 

Wyss  O.  sen . 1849 

v.  Wyss  H.-München  484, 
1216,  1783 


Y. 

Yatsusbiro  .  . 

Ylppö  . 

Yokoyama  .  . 
Yorke  .... 
Young  A.  .  .  . 
Young  Baltimore 
Yukawa .... 


,  .  429 
2136,  2161 
.  601 
886,  2644 
.  .  1734 
.  2132 
.  2011 


Z. 

Zaaijer .  882,  2638 

Zabel . 547 

Zacherl  .  . . 1790 

Zack  .....  1469,  2364 

Zade .  1513,  2420 

Zadek  . 545 

Zaharescu .  43 

Zahn-Heidelberg  .  .  .  1055 
Zahn  A.- Freiburg  1054,  2190, 
2242 

Zahn  Th.-Stuttgart  .  .  2698 

Zahradnicky .  2250 

Zahrt . 1685 

Zak .  2747 

Zalewska . 1280 


Zalewski .  2456 

Zaloziecki  •  .  1219,  1730 
Zander-Dresden  .  .  .  1175 
/.ander  E.  jr.-Berlin  .  770 

Zander  E  -Stockholm  .  893 

Zander  P.-Freiburg  .  201 
Zange .  1569,  1856 


~~  Seite 

Zangemeister  616,  708, 1221, 
1241,  1289 

Zanietowski . 051 

Zanietowsky .  2428 

Zappen  323,  1180, 2800, 2374 

Zaretzky . 03 

Zarfl .  1524,  224/ 

Zarnik  .......  1575 

Zarzycki  .  .  264,  485,  1167 
Zaussailow  ....  1284 

Zcymanowski  ....  1217 

Zdrawosmysslow  .  .  .  664 

Zehbe . 1605 

Zehner . 40 

Zehren .  2705 

Zeiss  H -Freiburg  .  .  1678 
Zeiss  H  -Giessen  .  .  .  1506 

Zelinsky . 098 

Zeller  .  .  .  147,  372,  1108 
Zöllner  .......  1002 

Zeltner  J.  .  .  ...  483 

Zeltner  E.-Nürnberg  .  1901 

Zerzycki . 1732 

Zesas  ....  1950,  2135 

Zeuner . 1785 

v.  Zeynek  ....  107,  950 

Zick . 881 

Zickel  ....  1951,  2077 

Ziegenspeck . 1454 

Ziegler  HE . 1042 

Ziegler  A. -Basel  .  .  .  1045 
Ziegler  J.-B*-rlin  .  .  2641 
Ziegler  J.-Kiefersfelden  1083 
Ziegler  K.-Breslau  .  .  1845 

Ziehen . 2913 

Zieler  .  .  .  162,  1041,  1748 
Ziemann  .  373,  1895,  1956 
Ziemendorff  .  .  .  •  2698 

Ziemke  .  1281,  1282,  1564 

Zilinsky . 997 

Zilkens .  2088 

Zimbler . •  1 173 

Zimmermann  A.-Chi- 

cago .  2547 

Zimmermann  A.-Ko- 

burg .  2009 

Zimmermann  C.  Mün¬ 
chen  367,  1613,  2415 


Seite 

Zimmermann  H. -Halle  1229 
Zimmermann  H.-Salz- 

schlirf  . ' . 2914 

Zimmermann  R.-Jena  2675, 
2691 

Zimmern  A. -Paris  950,  1275 
Zimmern  F. -Frankfurt  1087 

Zink . 1924 

Zinn . 1889 

Zinserling . 2418 

Zinsmeister . 999 

Zinsser  A.-Berlin  ->45,  882, 
1347,  2298,  2734 

Zitronblatt . 484 

Znojemsky . 1727 

Zoeppritz  B. -Göttingen  1456 
Zoeppritz  H.-Kiel  169,2758 
Zografides  .  42,  97,  829 

Zondek  91,  259,  945,  2859 

Zorn . 002 

Zorochowicz . 1623 

Zschucke  .  ...  •  2137 
v  Zubrzvcki  92,  264,  317, 
583,  600,  2915 
Zuekerkandl  .  1731,  236 1, 
2431 

Zuckermann .  2690 

Züllig . 371 

Zuelzer  ....  1009,  2850 

Zürn . 2071 

v.  Zumbusch  .  1682,  1849, 
2537,  2748 

Zumsteeg . 209 

Zuntz  ...  .  2469,  2474 

Zurhelle  E.-Aachen  .  2746 
Zurhelle  E.-Bonn  .  .  1566 
Zurhelle  E.  F.-Düssel- 

dorf . 1  BOG 

Zwaardemaker  .  .  2242 
Zweifel  E.-Jena  2013,  2308, 
2804 

Zweifel  P.-Leipzig  936,  2298, 
2307 

Zweig  L.-Dortmund  .  31/ 
Zweig  M.-Wien  .  .  .  2364 
Zwick  .  .  147,  148,  1108 

Zybell . 1901 

Zypkin . 1398 


I 


A. 


III.  Sach -Register. 

(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel.) 


Seite 


Ab/lerhaldensche  Anschauungen,  Unter¬ 
suchungsergebnisse  und  klinische  Aus¬ 
blicke  auf  Grund  der,  und  Methodik,  von 

Fauser . .  •  •  • 

Abderhalden  scher  Fermentnachweis,  Tech¬ 
nik  des,  im  Serum  von  Schwangeren, 

von  Schäfer . .  • 

Abderhaldensche  Forschungsergebnisse, 
Bedeutung  der,  für  die  Pathologie  der 
inneren  Sekretion,  von  Münzer  .  .  . 
Abderhaldensche  Methode,  Diagnose  der 
bösartigen  Neubildungen  und  der 
Schwangerschaft  mittels  der,  von  Gam- 
baroff  1644,  —  bei  Tuberkulose,  von 
Jessen  . 


Seite 


Abderhaldensche  Reaktion,  s.a.  u.  Schwan¬ 
gerschaft,  Fermente,  Schwangerschafts¬ 
serodiagnostik,  Serodiagnostik,  Abwehr¬ 
fermente,  Dialysierverfahren,  Diagno- 
stik. 

41  Abderhaldensche  Reaktion,  künstlich  her- 
beigefühite  und  natürlich  vorkommende 
Bedingungen  zur  Erzeugung  der,  und 
1689  ihre  Deutung,  von  Heilner  und  Petri 
1530,  1775,  Natur  des  bei  der  —  wirk¬ 
samen  Fermentes,  von  Steising  1535, 
994  die  —  mit  Tierplazenta  und  Tierserum, 
von  Schlimpert  und  Issel  1758,  dia¬ 
gnostischer  Wert  der  — ,  von  Bruck 
1775,  Anwendung  der  —  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Geburtshilfe,  von  Decio  1788, 
2363  —  hei  Nervenerkrankungen,  von  Ahrens 


Seite 

1857,  zur  — ,  von  Evler  2012,  klinische 
Bemerkungen  zur  — ,  von  Jaworski  . 
Abderhaldensche  Reroreaktion  hei  Epi- 

leptikern,  von  Binswanger  .  .  .  .  .2321 
Abderhaldensche  Serumprobe  auf  Kar- 

zinom,  von  Epstein  . .  •  09.) 

Abdominaltumoren,  diagnostischeSchwieng- 

keiten  bei,  von  Müllerheim  -  •  •  230/ 

Abdominaltyphus  s.  a.  Typhus,  Unterleibs¬ 
typhus. 

Abdominaltyphus,  Russosche  Reaktion  zur 
Diagnose  des,  —  von  Ursin  1287,  Be¬ 
handlung  des  —  mit  Injektionen  von 
nukleinsauremNatri  um,  von  Kukowerow 
undZorochowicz  1623, Leukopenie  bei—, 
von  Kukowerow  und  Zorochowicz  1623, 
Mandelbaumsche  Reaktion  beim  , 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXIII 


Seite 

von  Bukowskaja  1623,  Ernährungsweise 
beim  — ,  von  Rajewsky  1624,  Pro¬ 
phylaxe  und  Behandlung  des  —  im 
Hospital  von  Uesküb,  von  Petrovich  2752 
Abführmittel,  Wirkungsweise  von  salini- 
schen,  von  Best  947,  1618,  subkutane 
Applikation  von  — ,  von  Pinerua  1904, 
Isticin,  ein  neues  — ,  von  Bennecke  2788 

Abhärtung,  von  8trasser . 1675 

Abimpfung,  Methoden  der,  aus  Rachen 

und  Nase,  von  Streit . 671 

Abdominalendoskopie,  Apparat  von  Jaco- 
baeus  zur,  und  Thoraxendoskopie,  von 

Tedesko . 108 

Abort,  die  von,  ausgehende  Infektions¬ 
gefahr  und  ihre  Verhütung,  von  Wolff- 

Eisner .  . 473 

Abort,  Abortus,  der  kriminelle,  von  v.  Lingen 
40,  Prophylaxe  des  luetischen  —  und 
der  Säuglingssyphilis  — ,  von  v.  Szily  98, 
infektiöser  —  der  Rinder,  von  Zwick 
und  Zeller  147,  Uterusperforation  bei 
der  Ausräumung  von  — ,  von  Rühl  371, 
aktive  Therapie  des  fiebernden  und  sep¬ 
tischen  — ,  von  Kasashima  372,  ein¬ 
seitige  Amaurose  im  Anschluss  an  krimi¬ 
nellen  — ,  von  Gjessing  551,  künstlicher 
—  aus  rassehygienischen  Gründen, 
von  Bayer  1044,  Behandlung  des  in¬ 
fizierten  — ,  von  Traugott  1173,  exspek- 
tative  Behandlung  fieberhafter  — ,  von 
Benthin  1456,  Pyaemie  nach  — ,  von 
Kraus  1576,  Bakteriologie  und  Therapie 
des  fieberhaften  — ,  von  Bjoerkenheim 
1678,  Behandlung  des  fieberhaften  — , 
von  Warnekros  1678,  tentamen  provo- 
candi  — deficiente  graviditate,  von  Lie¬ 
beck  1729,  von  v.  Neugebauer  1729,  von 
Hammer  2803,  kriminelle  — ,  von  Peukert 
798,  der  fahrlässige  — ,  von  Hegar  1951, 
Behandlung  des  fieberhaften  — ,  von 
Bentlein  2010,  intrauterine  Behandlung 
der  Infektionen  post  —  und  post  partum, 
von  Polak  2079,  Einwirkung  des  Tuber¬ 
kulin  auf  den  —  Tuberkulöser,  von  Weih¬ 
rauch  2687,  —  spontan eus  praeterna¬ 
turalis,  von  Bublitschenko  2688,  —  bak¬ 
teriologische  Untersuchungen  beim  fie¬ 
berhaften  — ,  von  Werner .  2744 

Abortbehandlung,  von  Hammerschlag  .  .  1298 
Abortivversuch,  krimineller,  von  Zweifel  .  2013 
Abortusbazillus,  von  Zwick  und  Wede- 

mann . 148 

Abortustherapie,  von  v.  Mibälkowics  und 

Rosenthal . 1788 

Abortuszange,  neue,  von  Herzberg  .  .  .2120 

Absorptionstafel  für  Radium-  und  Meso¬ 
thoriumbestrahlung,  von  Weckowski  .  2690 
Absprengungsfrakturen  der  Tibia,  von 

König . 143 

Abstraktionsprozess,zellularphysiologische 
Grundlagen  des,  von  Verworn  .  .  .  2244 
Abtr  eibungs  versuch, krimineller,  von  Kropb 
1 124, Verletzung  der  H ar nblasenschleim- 

haut  durch  — .  von  Frask . 1847 

Abwässer,  Gutachten  über,  von  Fränken, 


Keller  und  Spitta . .  .  1902 

Abwässerbeseitigung,  Gutachten  über  1220, 

—  bei  Einzel-  und  Gruppensiedelungen, 

von  Thumm  ....  2256 

Abwässerfrage,  die,  von  Rohland  .  .  .  2752 

Abwässerreinigung,  neueres  Verfahren  der, 

von  Abel . 1014 

Abwehr,  zur,  von  Stoeltzner .  2768 

Abwehrfermente  s.  Fermente,  Abderhal- 
densche  Reaktion  etc. 

Abwehrfermente,  Studien  über  die  Spe¬ 


zifität  der  — ,  von  Lampö  und  Pa- 
pazolu  1533,  von  Frank,  Rosenthal 
und  Biberstein  1594,  von  Lampb  und 
Fuchs  2112,  von  Mayer  2906,  —  im 
Blutserum  Schwangerer  und  Wöch¬ 
nerinnen,  von  Abderhalden  und  Fo- 
dor  1880,  zur  Kenntnis  der  Spezifität 
der  — ,  von  Abderhalden  und  Schiff 
1 923,  Organspezifität  der  proteolytischen 
— ,  von  Fuchs  2230,  —  des  tierischen 
Organismus,  von  Abderhalden  2240, 
Nachweis  der  —  im  Blutserum  bei 


Seite 

Schwangerschaft  und  gynäkologischen 
Erkrankungen,  vonTschudnowsky  2282, 
Einfluss  des  Blutgehaltes  der  Substrate 
auf  das  Ergebnis  der  Prüfung  auf  spe¬ 
zifisch  eingestellte  —  mittels  des  Dia- 
lysierverfahrens,  von  Abderhalden  .  .  2774 
Abwehrfermenttheorie,  von  Rollmann  .  .  2641 
Achillessehne,  Ruptur  der  — ,  von  Jeru¬ 
salem  1523,  Verknöcherung  der  — ,  von 

Meyer .  ...  1619 

Achsel-  und  Rectaltemperatur,  von  Lipp- 

mann . 1848 

Achsenzylinder,  Degeneration  und  Rege¬ 
neration  der  —  in  vitro,  von  Ingebrigtsen 

1223,  2265 

Achylie,  anämische  Zustände  bei  der  chro¬ 
nischen  — ,  von  Faber  1111,  1221,  die 
—  gastrica  in  ihrer  Bedeutung  für  die 
Krebsdiagnose,  von  Schorlemmer  2011, 
Pathogenese  und  Behandlung  der  — 


gastrica,  von  Albu .  2364 

Acido-test-Kapseln . 2818 

Acrodermatitis  atrophicans,  von  Ehrlich 
554,  —  chronica  atrophicans  progressiva, 

von  Zieler . 1748 

Activation,  artifical,  of  the  growth  in  vitro 

of  connective  tissue,  von  Carrel  .  .  .  198 

Adalin  als  Antidiarrhoikum,  von  Philipp- 

son . 1014 

Adamantinom,  von  Sick  1409,  primäres  — 

der  Tibia,  von  Fischer  . 1450 


Adamon  bei  den  Reizzuständen  der  akuten 
Gonorrhöe,  von  Treitel  263,  Wirkungen 
des  — ,  von  Frank  542,  von  Junger  2693, 
Behandlung  klimakterischer  Störungen 

mit  — ,  von  Oppenheim  . 1343 

Adams-Stokessche  Erkrankung,  Herz  bei, 

von  Hochhaus . 1627 

Adams-Stokessche  Krankheit,  von  Pick  .  1114 
Adams  Stokessches  Syndrom,  von  Sperk  1300 
Addisonsche  Krankheit,  von  Hegener  326, 

Fall  von  geheilter  — ,  von  Teschemacher 
602,  —  und  Schwangerschaft,  von  Vogt 


1291,  1821,  zur  Kenntnis  der  — ,  von 

Löwy  . 1337 

Adenitis,  Radiotherapie  der  tuberkulösen 

— ,  von  Chelaru .  44 

Adenoide  Wucherungen,  Behandlung  von 
und  vergrösserten  Tonsillen  ohne  Ope¬ 
ration,  von  Stenart .  2643 

Adenoma  sebaceum,  von  Hauck  ....  837 
Adenomyomatose,  subseröse,  des  Dünn¬ 
darms,  von  de  Josselin  de  Jong  .  .  600 
Aderlasstherapie  bei  Polyzythämie,  von 

Wagner  408,  von  Hörder . 568 

Adhäsionen,  peritoneale,  von  Payr  2601, 
intraabdominale  —  kongenitalen  Ur¬ 
sprungs,  von  Gray  und  Anderson  .  2693 

Adhäsol  Dreuw, . 1838 

Adigan,  von  Fränkel  und  Kirschbaum  .  939 
Adipositas  dolorosa,  von  Gerhardt  106, 
von  v.  Starck  2026,  —  cerebralis  in  ihrer 
Beziehung  zu  den  Hypophysistumoren, 
von  Gordon  208,  —  hypophysarea, 
von  Bauer  und  Wassing  1731,  —  uni- 

versalis,  von  Kastan .  2864 

Adnexe,  Technik  der  Exstirpation  ent¬ 
zündlich  erkrankter,  von  Beuttner317, 
sog.  eingeklemmte  Hernien  der  —  ,  von 

Mathey . 882 

Adnexerkrankungen,  die,  von  Hannes  .  2070 
Adnexgonorrhöe,  spezifische  Diagnostik 
und  Therapie  der  weiblichen ,  von 

Neu . 1163 

Adnexschwellungen,  alternierende,  von 

Ries . 1522 

Adnextuberkulose,  Infektionsweg  bei  der, 
von  Keller . 1615 


Adrenalin  s.  a.  Vergiftung. 

Adrenalin,  Wirkung  von,  bei  Nephro¬ 
pathien,  von  Hess  und  Wiesel  546, 
Kombination  von  —  und  Hypophysin, 
von  Houssay  773,  Wirkungen  von  —und 
Pilokarpin  am  vegetativen  Nerven¬ 
system,  von  Sardemann  992,  Wirkung 
des  —  auf  die  Atmung,  von  Fuchs 
und  Roth  992,  —  und  Pituitrin  bei 
Dysmenorrhöe,  von  Klein  1163,  —  und 
Wärmehaushalt,  von  Hirsch  1561,  — bei 


Seite 

Vergiftungen  mit  nicht  ätzenden  Sub¬ 
stanzen,  von  Jona  1733,  Wirkung  des 
—  auf  den  Respirationsstoffwechsel, 

von  Fuchs  und  Röth  . 2133 

Adrenalinbestimmung  im  Blut,  von  Adler  1221 

Adrenalindiabetes,  Ursache  des,  von 

Wilenko  ....  . 937 

Adrenalin  einspritzungen,  Eierstockverän- 
derungen  infolge  wiederholter,  von 

Varalrlo . 2192 

Adrenalinglykosurie,  Vermeidbarkeit  der, 
durch  Nikotin,  von  King . 258 


Adrenalininjektion ,  entzündungshemmd. 

Wirkung  subkutaner,  von  Januschke  1682 
Adrenalsystem,  Hypoplasie  des,  bei  töd¬ 
licher  Atonie,  von  Mansfeld . 1349 

Aeronom .  ...  2415 

Aerzte  s.  a.  Arzt,  Amtsärzte,  Armenarzt, 
Badeärzte,  Bahnärzte,  gerichtsärztliche 
Untersuchungen,  Gewerbearzt,  Kran¬ 
kenkassen,  Krankenhaus-Aerzte,  Land¬ 
ärzte, Mantel  vertrag,  Militärärzte, Muster¬ 
verträge,  Ortsärzte,  Schulärzte,  Standes¬ 
organisation,  V  ertragskommission. 

Aerzte ,  Einigungskommission  zwischen 
hamburgischen  —  und  Krankenkassen 
45,  Praxis  ausländischer  —  in  Deutsch¬ 
land  53,279,  Organisation  der  Schweizer 

—  152,  Verhältnis  der — zu  den  Kranken¬ 
kassen  279,  390,  wirtschaftliche  Orga¬ 
nisation  der  —  Wiens  279,  Zahl  der 
—  Oesterreichs  447.  der  Gewerkschafts¬ 
kampf  der  deutschen  — ,  von  Plaut  711, 

und  gemeinnützige  Unternehmungen, 
von  Pürckhauer  820,  von  Goetz  1097, 
von  Scheiding  1268,  von  Staudler  1301, 
Kraftfahrervereinigungen  Deutscher  — 

1072,  von  —  und  über  — ,  von  Nassauer 
1104,  Dichotomie  unter — ,  von  Nassauer 
1153,  Kampf  der  —  Niederösterreichs 
mit  den  Krankenkassen  1171,  Organi¬ 
sation  der  englischen  —  1583,  ameri¬ 
kanische  —  in  München  1583,  Praxis¬ 
ausübung  durch  in  Deutschland  nicht 
approbierte  - —  1636,  —  und  Kranken¬ 
kassen  1917,  der  Vertrag  zwischen  — 
und  Krankenkassen  in  Bayern  2029, 

2031,  2151,  2380,  Aussichten  für  —  in 
Deutsch- Ostafrika  2029,  Konflikt  zwi¬ 
schen  —  und  Krankenkassen  in  Bres¬ 
lau  2094,  Einigung  der  pfälzischen  — 

2094 ,  Beziehungen  zwischen  —  und 
Krankenkassen  in  Berlin  2142,  2151, 

2207,  2383,  Konflikt  zwischen  —  und 
Krankenkassen  in  Rheydt  2151,  Tuber¬ 
kuloseerkrankung  bei  —  und  Kranken¬ 
pflegepersonal  2206,  die  sozialhygieni¬ 
schen  Aufgaben  der  — ,  von  Lewan- 
dowsky  und  Sonnenberger  2261,  Melde¬ 
wesen  der  —  beim  Wohnungswechsel 
2290,  Lage  der  Verhandlungen  von  — 
und  Kassen  im  Reich,  von  Mainzer  2316, 
Grundsätze  für  Verträge  zwischen  — 
und  Krankenkassen  2317,  Verhand¬ 
lungen  der  —  n  it  den  Kassen  in 
Baden  2318,  2551,  2655,  2710,  weibliche 

—  im  alten  Rom  von  v.  Hovorka  2375, 
Abbruch  der  Verhandlungen  zwischen 

—  und  Krankenkassen  2381, 2383,  Reso¬ 
lution  der  Breslauer  —  2436,  Stellung 
der  Berliner  mediz.  Gesellschaft  zum 
gegenwärtigen  Kampf  der  deutschen 

—  2594,  2647,  Resolution  des  Nürn¬ 
berger  Bezirksvereins  zum  Kampf  der 

—  2597,  Stellung  der  Tagespresse  im 
Kampfe  der  —  2599,  die  „von  ausser¬ 
halb  zuziehenden“  —  in  Breslau  2647, 

2655,  Grundsätze  für  die  Neuregelung 
der  Beziehungen  zwischen  Kranken¬ 
kassen  u.  —  in  Berlin  2647,  Lage  des  K  on  - 
fliktes  zwischen  —  u.  Kassen  2655,2870, 

2871,  2927,  der  Kampf  der  deutschen  — 
mit  den  Krankenkassen  2708, 2709,2710, 

2820,  Verteilung  des  staatlichen  Pau¬ 
schalbetrages  an  die  —  Oesterreichs 
2813,  ungehöriger  Beschluss  der  —  Vil¬ 
lachs  2813,  die  klinischen  —  als  Staats¬ 
beamte  2813,  Sympathiekundgebung 
der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil- 


XXXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS.* 


1913. 


>-  •  ^  •  Seite  1 

■-  künde  in  Dresden  zum  Kampf  der  deut¬ 
schen  —  2822,  Kundgebung  der  —  der 
Dresdener  Krankenanstalten  2822, 
Stellung  der  Schweizer  —  zum  Kampfe 
der  deutschen  -  2928,  Stellung  der  baye¬ 
rischen  Bezirks  vereine  zumKampf  der  —  2927 
Aerzteausschuss  von  Gross-Berlin  ....  180-5 

Aerzteheim  in  Marienbad . ^  •  Hl 

Aerztokammer  für  Elsass-Lothringen  1 19, 
Errichtung  einer  —  in  Hessen  820, 

84G,  Verhandlungen  der  bayerischen  — 
im  J.  1912  848,  das  erste  Vierteljahr¬ 
hundert  der  preussischen  — ,  von 
Kaestner  1097,  Demission  der  steier¬ 
märkischen  —  1171,  —  in  Baden  1527, 
Sitzungen  der  bayerischen  —  2599,  die 
Verhandlungen  der  bayerischen  —  vom 
Jahre  1913:  2873,  Einladung  der  —  zu 

offiziellen  Gelegenheiten .  2876 

Aerztekammerausschuss,  preussischer  391, 
Stellung  des  —  zum  Konflikt  der 

Aerzte  mit  den  Kassen .  2871 

Aerztekammertag,  XIX.  österr.,  in  Lemberg  2813 

Aerztekonflikte  in  Berlin  2439,  2647,  — 
in  Rathenow  2436,  —  mit  der  Berliner 

Strassenbahn .  2493 

.  .  •  .  1583 


Seite 


846 


2550 

2437 

2207 

2251 


1831 


2191 


352 

1560 


Aerztekongress,  allrussischer  ...  •  . 

Aerzteordnung  und  Gesetz  über  die  Er¬ 
richtung  einer  Aerztekammer  und  ärzt¬ 
licher  Ehrengerichte  in  Hessen  820, 
Aerztetag,  Deutscher  447,  Durchbrechung 
der  Beschlüsse  des  Stuttgarter  —  566, 

•  der  39.  Deutsche  —  in  Elberfeld  1526, 

1578,  ausserordentlicher  —  in  Berlin 
2383,  2438,  2489,  2493,  2495,  2549, 

Aerztevereine,  Eintragungsfähigkeit  der  . 

Aerzte  vereinsbund,  Geschäftsausschuss 

des  Deutschen  790, . ...  . 

Aerzteversammlung,  allg.  österreichische 
Aerztevertretung  bei  offiziellen  Gelegen¬ 
heiten  .  2599 

Aerztliche  Berufstätigkeit,  zur  Frage  der 
gesetzlichen  Bestimmungen  für  die, 

von  Fiessler . 

Aeskulin  s.  u.  Zeozonpräparate. 

Aethernarkose,  intravenöse,  von  Beresne- 
gowsky  39,  intravenöse  —  und  Isopral- 
— ,  von  Graef  658, 1178,  Bronchitis  nach 

— ,  von  Smith-Hamilton . 1526 

Aetherschwefelsäure,  Bildungsstätte  der, 

im  Tierkörper,  von  Lade . 

Aethertropfnarkosen  nach  vorheriger  In¬ 
jektion  von  Pantopon- Atropinschwefel¬ 
säure,  von  Kisch . 

Aethylalkohol,  Giftigkeit  des,  von  Lang- 

gaard . . 

Aethylchloridnarkose,  Verwendung  der,  in 

der  Hals-,  Nasen-,  Ohrenpraxis,  von  F alk  1792 
Aethylhydrokuprein,  von  Leber  1514,  — 
bei  Pneumonie,  von  Parkinson  2262, 

von  Lennö . 25^5 

Aetzgeschwüre  nach  Wasserglas, von  Perutz  42 

Affektionen,  extrapyramidale,  motorische, 

von  Monrad-Krohn . 1111 

Aff ekt3törungen ,  von  Frank  ......  1044 

Afterbandage,  praktische,  künstliche,  und 
Mastdarmvorfallbandage,  von  Decker 
Agglutinationsphänomen,  Bedeutung  des 
Komplementes  für  das,  von  Bayer  .  . 
Agglutinine,  Bildung  spezifischer,  von 
Przygode  1222,  Einwirkung  der  Rönt¬ 
genstrahlen  auf  die  — ,  von  Fränkel 

und  Schilfig  .  . 

Agobilin  1838,  —  zur  internen  Behandlung 
des  Gallensteinleidens,  von  Runck 

Aguilar  Prof.  Dr.  f . 1752 

Aguma,  ein  neues  Eiweisspräparat  aus  der 

Sojabohne,  von  Kafemann .  2438 

Ahlfeld,  zum  70.  Geburtstag  von  F.,  von 

Riel  ander . 

Akademie,  Reform  der  militärärztlichen, 
in  St.  Petersburg  888,  2073,  preussische 
—  der  Wissenschaften  1239,  2600,  — 
für  praktische  Medizin  in  Posen 
Akanthosis  nigricans,  von  Klein  2693,  Be¬ 
ziehungen  der  —  zu  malignen  Tumoren, 

von  Porias .  2693 

Akkommodationsmechanismus  des  Auges 

für  die  Ferne,  von  Bocci .  2242 


700 

38 


1619 
“.  2494 


2346 


.  2151 


Akne,  Behandlung  der,  vulgaris  mit  Rönt¬ 
genstrahlen,  von  Baumm  .....  833 

Aknebazillus,  Züchtung  des,  aus  Kome- 

donen,  von  Benians .  2694 

Akromegalie  s.  a  Frühakromegalie. 

Akromegalie,  leichter  Fall  von,  von  Godar- 
danhieux  98,  Dystrophia  genito-adiposa 
und  — ,  von  Winkler  717,  —  nach 
Kastration  bei  einer  erwachsenen  Frau, 
von  Goldstein  757,  Radiotherapie  bei  — , 
von  Beclere  u.  Jaugeot  950,  Hypo- 
phvsenveränderungen  bei  — ,  von  Poin- 
decker  1110,  Fall  von  — ,  von  Krauss 
1520,  zur  Kasuistik  der  — ,  von  Heinicke 
1565,  Schwangerschaft  und  — ,  von 
Kalledey  1678,  —  mit  Diabetes  melli-. 
tus,  von  Fink  2305,  zur  Lehre  von  der 
— ,  von  Reinhardt  u.  Creutzfeldt  2475, 

—  u.  Ovarialtherapie,  von  Bab  .  .  .  2541 

Aktinum  X . ^ 831 

Aktinochronometer,  von  Ileusner  ....  1688 

Aktinomykose  s.  a.  Kieferaktinomykose. 
Aktinomykose,  Röntgenbestrahlung  der, 
von  Levy  314,  von  Magnus  1122,  gene¬ 
ralisierte  — ,  von  Schmorl  1684,  —  der 
Speicheldrüsen,  von  Söderlund  2012, 

Organe  eines  Falles  von  — ,  von  Versd 
2088,  durch  Neosal  varsan  geheilte  — ,  von 
Plöger  2092,  —  der  Leber,  von  Seenger 
2534,  durch  subkutane  Jodipininjek- 
tionen  geheilte  —  des  Halses,  von 
Bittner  u.  Toman  .........  2693 

Akustik,  allgemeine,  und  Mechanik  des 
menschlichen  Stimmorgans,  von  Muse¬ 
hold  . . . 2414 

Akustikustumor,  von  Ranzi . 1299 

Akzessoriuslähmung  durch  Stichverletzung, 

von  Kaiser . .  2747 

Albuminimeter,  neues, zur  sofortigen  quanti¬ 
tativen  Eiweissbestimmung,  von  Jonass 

und  Edelmann .  •  2537 

Albuminurie,  experimentelle,  mit  Nephritis 

infolgevonImmobilisation,vonAmerling 

258,  lordotische  — ,  von  Gasbarrini  265, 
Einiges  über  —  etc.,  von  Schellong  377, 
Pathologie  derlordotischen  — ,  von  Dietl 
431,  orthostatische  — ,  von  Jehle  445, 
orthotische  — und  ihre  Beziehungen  zur 
Tuberkulose,  von  Arnold  458,  von  Sturm 
763,  von  Zieler  1041,  Bedeutung  der  — 
in  der  Schwangerschaft,  von  Siedeberg 
605,  zur  Lehre  von  der  orthostatischen 
— ,  von  Gomolitsky  825,  Beziehungen 
der  orthostatischen  —  zur  Tuberkulose, 
von  Reyher  1448,  Bence-Jonessche  — , 
von  Kimmerle  und  Schümm  1461,  — 
neugeborener  Kinder,  von  Heller  1505, 
Zusammenhang  zwischen  orthostati- 
scher  und  Lungentuberkulose,  von 
Winogradow  und  Raschba  1621,  —  der 
Kinder,  von  Hayashi  2010,  orthostatisch- 
lordotische  —  und  Tuberkulose,  von 
Jagic  2195,  die  sog.  physiologische  — 
vom  militärärztlichem  Standpunkt,  von 
v.  Hecker  2301,  Beiträge  zur  Frage  der 
— ,  von  Jehle  2372,  Bedeutung  der  — 
während  der1  Schwangerschaft,  von 
Williamson  2694,  Beitrag  zum  Studium 

der  gutartigen  — ,  von  Veil . 

Alcock  Prof.  Dr.  f .  • 

Aldehydreaktion,  Technik  und  klinische 
Verwertung  der  Ehrlichschen,  von  Gross¬ 
mann  . 

Aleudrin,  von  Gutowitz  110,  spezifische 
Indikationen  des  — ,  von  Burchardl283, 
Wirkung  des  — ,  von  Langguard  .  .  . 
Alexander-Adams,  mit  Tuberkelumschnitt, 
von  Zickel  1951,  100  Operationen  nach 
— ,  von  Rissmann  2010,  zur  — ,  von 

Mendes  des  Leon . .  2804 

Alkaloide,  Nachweis  von,  in  der  gericht¬ 
lichen  Medizin,  von  Cattani  ....  602 
Alkaloidsalz,  Wirkung  von  Basen  und  basi¬ 
schen  Salzen  auf,  von  Traube  ....  2129 
Alkohol  und  Homosexualität,  von  Deutsch 
264,  Einfluss  des  —  auf  die  Keimzellen 
und  die  Embryoentwicklung,  von 
Stockard  und  Craig  335,  Nachweis  von 
—  in  der  Spinalflüssigkeit,  von  Schümm 


2525 

49 

544 

2624 

37 


2598 

1399 


1220 


2717 

1528 


374 


2535 


Seite 

436,  —  und  Infektionskrankheiten,  von 
Ewald  779,  Fahrlässige  Tötung  durch 
Verabreichung  von  —  790,  Wirkung 
von  —  auf  die  antigenen  Eigenschaften 
von  Pferdefleischeiweiss,  von  Kodama 
1164,  —  und  Schule,  von  Hecker  1358, 

Einfluss  des  —  auf  die  Resistenz  der 
roten  Blutkörperchen,  von  Tasawa  2067, 

—  und  akademische  Gerichtsbarkeit 
2439,  zur  Geschichte  des  — ,  von  Ruska 
2482,  —  und  Verbrechen  in  Bayern, 

von  v.  Henfig  . 

Alkoholdelirium,  von  Nonne  ...... 

Alkoholdesinfektion,  über  die,  von  Ozaki 
Alkoholentziehung,  Ureabromin  bei  der, 

von  Bufe . 

Alkoholforschung,  experimentelle,  von 

Bischoff  ...  . 

Alkoholforschungsinstitute,  von  Laquer 
2598,  Aufruf  zur  Errichtung  eines  deut¬ 
schen  — . 

Alkoholfreie  Getränke,  von  Hesse  .  .  . 
Alkoholgehalt  der  Spinalflüssigkeit  und  des 
Blutes,  von  Schümm  und  Fleischmann 

1066, 

Alkoholinjektionen,  funktionelle  und  hi¬ 
stologische  Veränderungen  nach,  in 
Nervenstämme  und  Ganglien,  von  May 
604,  —  ins  Ganglion  Gasseri  bei  Tri¬ 
geminusneuralgie,  von  Loevy  994,  die 
Hyoszin-Morphiumanästhesie  bei  den 

—  wegen  Neuralgie,  von  Harris  1955, 

—  bei  Trigeminusneuralgie,  von  Flesch  2548 
Alkoholismus,  s.  a.  Eugenics  Laboratory 

Memoirs. 

Alkoholismus, Bauch  deck  enreflexe  be  i  chro¬ 
nischem,  von  Sauer  1219,  Differential¬ 
diagnose  zwischen  den  syphdogenen 
Erkrankungen  Tabes  und  Paralyse  und 
dem  —  chronicus,  von  Pflüger  1220,  die 
sozialen  Bestrebungen  zur  Verhütung 
des  —  chronicus,  von  Warth  1288,  — , 
Schwachsinn  und  Vererbung,  von  Wil- 
ker  1446,  wissenschaftliche  Vorträge 
über  —  in  München  2319,  Wirkung  des 
chronischen  —  auf  die  Organe  des 

Menschen,  von  Berthold .  2850 

■  Alkoholoperationshandschuhe,  von  Koz- 

lowski . 1563 

Alkoholpsychose,  chronische,  von  Cursch- 
rnann . 

Alkoholseifenpräparate,  Desinfektionswir- 
kung  von,  von  Süpfle  ... 
i  Allergie,  nichtproteinogene,  von  Hift  2195, 

I  Allgemeininfektion,  septiopyämische,  von 
Rössle  2862,  Gonokokken-  — ,  von  Rössle 
Allgemeinnarkose,  die,  von  v.  Brunn  1389, 

von  Grunert  . .  •  •  ■  ■  1559 

Almatein,  Heilerfolge  mit,  von  Fiertz  .  .  994 

Alopecia  areata,  pathologisch  anatomische 
Wesenheit  der,  von  Terebinsky  997, 
das  Anfangsstadium  der  —  atrophicans, 

von  Dreuw . 2589 

Alqui  4-Alexandersche  Operation,  Wert  der, 

von  Rüder . .••••.• 

Alternation  und  Perseveration  im  psychi¬ 
schen  Geschehen,  von  Bickel  .... 
Altersprobleme  gewerblicher  Hygiene,  von 

Teleky . 1897 

Altersstar,  Genese  des  grauen,  von  Gebb 
1513,  nichtoperative  Behandlung  des 

— ,  von  Meyer-Steineg .  2478 

Altersveränderungen  des  Skeletts ,  von 

Grashey . .  - . 7/8 

Altsalvarsanlösungen,  Injektion  konzen¬ 
trierter,  mit  der  Spritze,  von  Dreyfus 
Aluminii  Liqu.  acetici,  Wirkung  des,  von 

Kühl  . 

Aluminium,  chlorsaures,  von  Widemann 
790,  —  lacticum,  von  Perutz  .  I26E 

Alvarengapreis . 447, 

Alveolarluft,  Kohlensäurespannung  der, 

bei  Diabetikern,  von  Straub  .  .  .  ...  1105 
Alveolarpyorrhöe,  Radiumemanation  bei, 

von  Dautwitz . •  1222 

Alypin,  Toxikologie,  des,  von  Schröder 
1789,  —  in  der  Rhino-Laryngologie, 

von  Steiner . .  •  •  •  2806 

Alzheimersche  Krankheit,  von  Spielmeyer  990 


2761 

2640 

2420 

2862 


305 

1511 


2333 

1902 

1472 

2439 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


XXXV 


Seite 

Amberholz,  hautreizende  Wirkung  des,  von 

Nestler . 368 

Ambidextriebewegung,  die,  von  Herder¬ 
schee  . 2140 

Amblyopia,  Augenspiegelbefund  bei,  ex 
anopsia  und  Schielen,  von  Wolffberg  149 

Ambulanz,  belgische,  während  des  Balkan¬ 
krieges  .  2752 

Ameisensäure,  zur  Toxizität  der,  von  Ep- 
pinger  603,  Bildung  und  Ausscheidung 

der  — ,  von  Strisower . 1013 

Ameisensäurevergiftung,  von  Lutz  .  .  .  2854 

Amentia,  die,  und  ihre  Beziehungen  zur 
Dementia  praecox  und  zum  manisch- 
depressiven  Irresein,  von  Stransky  .  2374 
Amenorrhöe,  Behandlung  der,  von  Zoep- 
pritz . 1456 


Amerika  s.  u.  Nordamerika. 

Amerika,  allgemeine  Eindrücke  von,  ge¬ 
legentlich  der  14.  deutschen  ärztlichen 
Studienreise,  von  Galli  139,  von  Jacobi 
624,  ärztliche  Reklame  in  — ,  von  Galli 
903,  von  Jacobi  1 127,  deutsche  ärztliche 
Studienreise  nach  — ,  von  Gebele  .  .  203 
Amerikanismus,  ein  neuer,  in  der  Medizin, 
von  Crämer  251,  392,  von  Brosch  und 


v.  Aufschnaiter . 392 

Amidoazotoluol,  Behandlung  von  Brand¬ 
wunden  mit,  von  Beilatzky  ....  2808 


Aminosäuren ,  Schicksal  von  in  den 
Magendarmkanal  eingeführten,  Amino¬ 
säuregemischen,  Peptonen  und  Pro¬ 
teinen,  von  Abderhalden  und  Lampe  2191 
Aminosäurenausscheidung,  von  Damask  1447 
Ammen,  Behandlung  der  Wassermann- 
schen  Reaktion,  bei  der  Verwendung 

von,  von  Wesener .  2689 

Amnioswasser,  Herkunft  des,  von  Woltf  1789 

Amoebendysenterie,  Behandlung  der,  mit 

Emetin,  von  Baermann  und  Heinemann  I  i  32 
Amoebenkrankheiten,  subkutane  Emetin¬ 
injektionen  bei,  von  Roepers  604, 
Wirkung  des  Emetin  bei  — ,  von  Dopter  1630 

Amol . 1840 

Amphotropin . 935 

Amputatio,  osteoplastische  epiphysäre, 
tibiae  sub  genu,  von  Franke  258,  Tech¬ 
nik  des  beweglichen  Stumpfes  bei  — , 
von  Slawinski  825,  intrauterine  —  des 
Oberschenkels,  von  Küster  1617,  Ver¬ 
änderungen  des  Blutes  und  der  blut¬ 
bildenden  Organe  nach  —  und  Exarti¬ 
kulationen,  von  Schaab  2355,  —  inter- 
scap  ul  o  thoracica,  von  Wilms  ....  2861 
Amtliches :  Oberpolizeiliche  Vorschriften 
über  die  Feuerbestattung  (Bayern)  54, 
die  Verhandlungen  der  Aerztekammern 
im  Jahre  1912  betr.  (Bayern)  848,  Medi¬ 
zinische  Reisestipendien  für  1913  betr. 
(Bayern)  1584,  Prüfung  für  den  ärztli¬ 
chen  Staatsdienst  1913/14  betr.  (Bayern) 

1864,  Anstellung  der  Staatsärzte  betr. 
(Baden)  2032,  Bekanntmachung  zum 
Vollzüge  der  Reichsversicherungsord¬ 
nung  (Bayern) .  2712,  2823 

Amtsärzte,  Aus-  und  Fortbildung  der  oester- 


reichischen  .  2426 

Amylazeen,  Verdauung  der,  von  Ehrmann 
824,  von  Ehrmann  und  Wolff  ....  824 
Amyloid,  lokales  tumorförmiges,  vonSchön- 
hof  . 429 


Amyloidkranke,  Verteilung  des  Stickstoffs 
in  den  ßerösen  Ergüssen  der,  von  Zack  2364 

Anämie  s.  a.  Schulanämie. 

Anämie,  Thorium  X  bei  perniziöser,  von 
Prado-Tagle  40,  Salzsäurebehandlung 
bei  perniziöser  — ,  von  Croftan  41, 
Rückenmarkdegenorationen  bei  perni¬ 
ziöser  — ,  von  Lenel  260,  Bekämpfung 
der  —  durch  Injektionen  von  d*  flbri- 
niertem  Menschenblut,  von  Zubrzycki 
und  Wolfsgruber  264,  die  —  des 
Säuglings,  von  Tixier  321,  die  — 
alimentären  Ursprungs,  von  Czerny 
322,  —  splenomegalica  durch  Fragilität 
der  roten  Blutkörperchen,  von  Armand- 
Delille  322,  Eisenbehandlung  der  post¬ 
hämorrhagischen  — ,  von  Armand- 
Delille  322,  Aetiologie  der  chloro tischen 


Seite 

— ,  von  Armand-Delille  322,  infektiöse 
akute  —  beim  Kinde,  von  Ribadeau- 
Duma  322,  Behandlung  hochgradiger 
sekundärer  —  durch  intramuskuläre  In¬ 
jektionen  von  defibriniertem  Blut  und 
Eisenammoniumzitrat,  von  Kowler  431, 
Brennen  auf  der  Zunge  als  Frühsymp¬ 
tom  perniziöser  — ,  von  Zabel  547, 
pseudoleukämische  —  Jaksch-Hayem, 
von  Rodler-Zypkin  561,  posthämor¬ 
rhagische  — ,  von  Rodler-Zypkin  561, 
Zungenveränderungen  bei  perniziöser 
— ,  von  Matthes  617,  sauerstoffarme 
Luft  bei  — ,  von  David  881,  Einfluss 
chronischer  experimenteller  —  auf 
den  respiratorischen  Gaswechsel,  von 
Eberstadt  993,  Huntersche  Zungen¬ 
veränderungen  bei  perniziöser  — , 
von  Matthes  1001,  luetische  perni¬ 
ziöse  — ,  von  Weicksel  1143,  1663, 
Genese  der  kryptogenetischen  perni¬ 
ziösen  — ,  von  Lüdke  u.  Fejes  1216,  Be¬ 
handlung  perniziöser  —  mit  Thorium¬ 
strahlen,  von  Park  1223,  intravenöse 
Injektionen  von  Menschenblut  bei  der 
Behandlung  schwerer  — ,  von  Weber 
1307,  hämolytische  —  mit  herabgesetz¬ 
ter  osmotischer  Erythrozytenresistenz, 
von  Gaisböck  1337,  Splenektomie  bei 
perniziöser  — ,  von  v.  Decastello  1357, 
mit  intravenösen  Thorium  -X-Injek- 
tionen  behandelte  perniziöse  — ,  von 
Park  1358,  aregenerative  — ,  von 
Schilling  1401,  Bluttransfusion  bei  — , 
von  Schmid  1457,  Wirkungsmechanis¬ 
mus  des  Arseniks  bei  — ,  von  Saneyoshi 
1561,  zur  Pathologie  der  perniziösen 
— ,  von  Ewald  und  Friedberger  1566, 

1789,  Veränderungen  des  Zentral¬ 
nervensystems  bei  perniziöser  — ,  von 
Lube  1619,  Erkrankungen  des  zen¬ 
tralen  Nervensystems  bei  der  Bier- 
merschen  — ,  von  Dinckler  1843, 
Beziehungen  der  —  zur  Achylie  und 
Gastritis,  von  Faber  2076,  zur  Therapie 
der  schweren  — ,  von  Winchsheim  2235, 
Biermersche  — ,  von  Dinkler  2378, 
Milzexstirpation  bei  perniziöser  — ,  von 
Huber  2434,  Wucherung  myeloblasten¬ 
ähnlicher  Elemente  in  den  Lymph- 
drüsen  bei  perniziöser  — ,  von  Nicol 
2472,  Aetiologie  der  perniziösen  — , 
von  Pilcher  2591,  Behandlung  der  per¬ 
niziösen  — ,  von  Bram  well  2643,  Chole¬ 
sterinbehandlung  eines  Falles  von  — 
splenica  des  Kindesalters,  von  Cantieri 
2749,  Serumtherapie  der — ,  von  Massa- 
longo  und  Gasperini  2750,  schwere 
akute  —  durch  Malaria,  von  Quadri 
2751,  Blutbefunde  in  den  Remissions¬ 
stadien  der  perniziösen  — ,  von  Brö- 
samlen  2801,  schwere  —  mit  Herder- 
scheinun  gen  im  Gehirn,  von  Knoch  2804, 
Milzexstirpation  bei  perniziöser — ,  von 
Ranzi  2819,  Splenektomie  bei  perni¬ 
ziöser  — ,  von  Eppinger  2819,  Klinik  der 

— ,  von  Lazarus . 

Anaerobenzüchtung,  Vereinfachung  der, 

von  Lindemann . 

Anästhesie  s.a.Extraduralanästhesie, Lokal¬ 
anästhesie,  Novokainlösung,  Kältelei¬ 
tungsanästhesie. 

Anästhesie  des  N.  ischiadicus,  von  Ba- 
bitzki  482,  826,  die  regionäre  — ,  von 
Rood  886,  Kuhlenkampffsche  — ,  von 
Babitzki  827,  von  Kulenkampff  1339, 
von  Többen  1883,  Bedeutung  der  — 
für  den  Verlauf  von  Laparotomien, 
von  Finsterer  2195,  die  —  in  der 
Chirurgie  der  oberen  Luftwege,  von 

Nasta  und  Wachmann .  2304 

Anästhesierung  der  unteren  Extremität, 

von  Keppler . 1161 

Anaphylaktische  Erscheinungen,  Einfluss 
des  präventiven  Klystiers  auf  die,  von 

Laganä .  2750 

Anaphylaktischer  Symptomenkomplex  im 

Röntgenbild,  von  Schecht  und  Weiland  1898 
Anaphylatoxin  s.a.  Bakterienanaphylatoxin . 


Seite 

Anaphylatoxin,  Einfluss  der  Leukozyten 
auf  das,  von  Spät  1046,  — ,  Peptotoxin 
und  Pepton  in  ihren  Beziehungen  zur 
Anaphylaxie,  von  Besredka,  Strobel 
und  Jupille  1217,  das  in  vitro  darstell¬ 
bare  — ,  von  Dold  und  Aoki  1217,  von 
Zade  2420,  Bedeutung  des  —  für  die 
Pathologie,  speziell  des  Auges,  von 
Dold  und  Rados  1848,  Beziehung  des 

—  zu  den  Endotoxinen,  von  Dold  und 
Hanau  2636,  die  Abspaltung  von  —  aus 
Agar  nach  Bordet,  von  Loewit  und  Bayer  2853 

Anaphylatoxinbildung  aus  tierischen  Bak¬ 
terien  und  durch  Plasma,  von  Fried¬ 
berger  und  Kapsenberg  1216,  —  durch 
Agar,  von  Nathan  1726,  —  durch  Stärke, 

von  Nathan .  2245 

Anaphylatoxinempfindlichkeit,  von  Miyaji  482 
Anaphylatoxinfieber  und  Gesamtenergie 

und  Stoffumsatz,  von  Hirsch . 943 

Anaphylatoxin  Vergiftung,  Lungenblähung 

bei  der,  von  Kumagai . 1784 

Anaphylatoxie  s.  a.  Milchanaphylatoxie, 
Serumanaphylatoxie,  Vergiftung. 
Anaphylaxie,  Diskussion  über  276,  Eklam¬ 
psie  und  — -,  von  Liepmann  372, 
über  — ,  von  Friedberger  und  Langer 
481,  die  —  mit  Linsensubstanz,  von 
Kapsenberg  481,  —  bei  Salvarsan,  von 
Swift  486,  —  und  Fieber,  von  Schitten- 
helm  943,  von  Leschke  2134,  Beiträge 
zur  — ,  von  Dold  und  Aoki  1901,  —  als 
Ursache  von  Koordinationsstörungen 
des  Herzschlags,  von  Auer  2243,  Harn¬ 
giftigkeit  bei  — ,  von  Zinsser  2298, 

—  als  diagnostisches  Mittel  bei  Kar¬ 
zinom,  von  Ranschoff  2591,  praktische 
Verwertung  der  — ,  von  Scherns  2840, 
die  —  bei  der  Leishmaniosis  infantum, 
von  Caronia  2750,  Verhalten  des  Serum¬ 
antitrypsins  bei  der  — ,  von  Meyer  .  2801 

Anaphylaxieähnliche  Erscheinungen,  Er¬ 
zeugung  von  —  durch  ei  weissfüllende 


Mittel,  von  Szymanowski  ......  542 

Anaphylaxiegefahr,  Vermeidung  der,  durch 
eine  neue  Art  der  Serumeinverleibung, 

von  Eichholz .  2558 

Anaphylaxietheorie,  von  Friedberger  .  .  2067 


Anastomose,  Behandlung  der  angiosklero- 
tischen  Ernährungsstörungen  durch  die 
arteriovenöse,  von  Wieting  204,  arte¬ 
riovenöse  — ,  von  Jianu  und  Meller 
1051,  arteriovenöse  —  zur  Bekämpfung 
der  Gangrän,  von  Grodman  .  .  2018,  2138 
Anatomie,  Leonardo  da  Vincis,  88,  Vor¬ 
lesungen  über  vergleichende  — ,  von 
Bütschli  365,  Lehrbuch  der  topographi¬ 
schen  — ,  von  Corning  989,  makrosko¬ 
pisch-diagnostisches  Taschenbuch  der 
pathologischen  — ,  von  Osman  1444, 
Archiv  und  Atlas  der  normalen  und 
pathologischen  —  in  typischen  Röntgen¬ 
bildern,  von  Eymer  1559,  die  —  des 
Menschen,  von  Merkel  1782,  Elements 
d’  —  et  de  Physiologie  mddicales,  von 
Landouzy  und  Bernard  2064,  Lehrbuch 
2914  der  vergleichenden  mikroskopischen  — , 

von  Oppel  2128,  chinesische  — ,  von 
236  Hübotter  2375,  pathologische  —  des 
Nervensystems,  von  Gross  2861,  mikro¬ 
skopische  —  des  Gehirnes,  von  Zieher  2913 
Anatomische  Objekte,  verbesserte  Methode 

der  Konservierung  von  — ,  von  Jores  976 
Anazidität,  Therapie  der  chronischen,  von 

Hirschberg  • .  2356 

Anblasen,  Beruhigung  schreiender  Säug¬ 
linge  durch,  von  Nussbaum  (434,  von 

Salge .  2842 

Anenzephalie,  von  Brouwa . 2141 

Anesthösie,  Pr4cis  d',  locale,  von  Piquand  2189 
Aneurysma,  Diagnose  perforierender,  der 
Hirnarterien,  von  Langbein  22,  Aetio¬ 
logie  der  —  in  der  Art.  poplitea,  von 
Buschmakin  91,  —  dissecans  der  Aorta 
descendens,  von  Rössle  158,  —  der 
Bauchaorta,  von  Byloff  886,  rupturiertes 
—  einer  Hirn arterie  durch  Trauma,  von 
Orth  1038,  Bedeutung  der  Venen  bei 
arteriovenösen  — ,  von  Ney  1161,  —  der 

3* 


XXXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Bauchaorta  mit  Perforation  in  den  Ma¬ 
gen,  von  Zypkin  1398,  durch  Exstir¬ 
pation  geheilter  Fall  von  —  der  Ano¬ 
nyma,  von  Imai  1398,  echtes  —  der  Art. 
poplitea,  von  v.  Frisch  1469,  —  spurium, 
von  Göbell  1575,  —  durchgebrochenes 
—  der  Bauchaorta,  von  Holländer  1737, 
Erfahrungen  beim  traumatischen  — , 
von  Suhbotitch  1795,  der  arterielle 
Blutdruck  beim  —  der  Brustaorta, 
von  Mac  Kinnon  1968,  —  der  Arterien 
kleinen  Kalibers,  von  Dobrowolskaja 
2009,  Anwendung  der  Gefässnaht  bei 
der  Behandlung  der  — ,  von  Tschernia- 
chowki  2067,  mykotisch  -  embolisch- 
thrombotisches  —  der  Aorta  ascendens, 
von  N  euber  2534,  —  der  r.  Art.  corp .  callosi, 
von  Fischer  2544,  —  der  Subclavia  d., 
der  Anonyma  und  des  Arcus  aortae,  von 
Förster  2705,  Indikationsstellung  bei 
der  Operation  der  —  von  Coenen  2915, 
die  —  und  die  Nervenverletzungen  im 

Balkankriege  von  Laurent .  2869 

Aneurysmaoperation,  ideale,  von  Unger  .  2543 
Angestellten  Versicherung  792,  Tätigkeit  des 
ärztlichen  Sachverständigen  bei  der  — 

1914,  —  in  der  Hauptversammlung  des 

L.  V . 1692 

Angestelltenversicherungsgesetz,  der  Arzt 

im,  von  Joachim  u  Korn  .  2687 

Angewöhnung,  Bestimmung  und  Bewer¬ 
tung  der,  in  augenärztlichen  Gutach¬ 
ten,  von  Axenfeld  . 1453 

Angina  und  Scharlach,  von  v.  Szontagh  315, 
Therapie  der  — PlautV incenti, vonCitron 
827,  Befund  bei  Plaut-Vincentscher  — , 
von  Bonhoff  954,  Kontagiosität  der 
spezifischen — ,  von  Lichatschow  998,  — 
ulcero-membranacea,  von  Regensburger 
2315,  —  als  Eintrittspforte  pyogener  In¬ 
fektionen — ,  von  Tedesko  2365,  Menin¬ 
gitis  nach  follikulärer  - ,  vonSiemerling  2691 
Anginapectoris  s.  a.Stenokardische  Anfälle. 
Angina  pectoris,  Pathogenese  u.  Therapie 
der,  von  Schaposchnikow  1285,  neural¬ 
gische  Form  der  — ,  von  Turan  .  .  .  2365 


Anginoltabletten . 1839 

Angiokeratom,  von  Guszman  .  2534 

Angiom,  kavernöses,  des  peripherischen 

Nervensystems,  von  Sato  .  .  .  .  1162 

Angiorhexis  alimentaria  oder  Skorbut,  von 

Hussa  . . 1452 

Angstzustände,  von  Kahane . 774 

Anhidrosis  u.  Diabetes  insipidus,  von 

Günther  . >  2065 

Anilin,  Ausscheidung  des,  von  Rambousek  1393 
Anilinarbeiter,  Karzinom  der  Blase  bei 

einem,  von  Wilma . 382 

Anilinvergiftung,  von  de  Leenu  717,  von 

Pereira . 717 

Anionenbehandlung  nach  Steffens,  von 

Schnöe  . 1507 

Aniontotherapie,  Erfolge  der,  von  Eiselt  547 

Anisokorie,  von  Föron .  2254 

Ankündigung,  öffentliche,  von  Mitteln  .  2289 

Ankylose,  knöcherne,  von  Enderlen  216, 
knöcherne  hereditäre  —  der  Inter- 
phalangealgelenke,  von  Morgenstern 
371,  Heilbehandlung  der  —  durch  die 
blutigen  Methoden,  von  Baumgartner 

und  Denucd .  2857 

Ankylostomafälle,  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der,  in  der  Flotte,  von  Leys  .  1957 

Ankylostomiasis,  Oleum  ehenopodii  gegen, 
von  Schüffner  u.  Vervoort  129.  Infek¬ 
tionsweg  bei  — ,  von  Olpp  562,  die 


Anaemie  bei  der  — ,  von  Nicoll  605, 
Infektionsmodus  der  ■ —  in  Deutsch- 
Ostafrika,  von  Peiper  1399,  neues  Ge¬ 
setz  zur  Bekämpfung  der  —  in  Italien  1567 
Ankylostomum,  Darminhalt  mit,  duode¬ 
nale,  von  Bondy . 2819 

L’annde  psychologique,  von  Largnier  des 

Bancels  u.  Simon .  87 

Annalen  des  städt.  allgem.  Krankenhauses 

zu  München,  von  v.  Bauer . 1335 

Anoci-Assoziation,  Verhütung  des  Schock 
durch,  von  Crile  2694,  Wert  der  — , 
von  Maldecott  und  Bryan .  2696 


Seite 


Seite 


Anomalien, angeborene.von  Lebedev  205,  — 

der  Brustwirbels  >ule,  von  Gundermann  1879 
Anomaloskop,  Nagelsches,  von  Grube  .  1742 
Anonyma,  Perforation  der,  von  Fischer  .  1405 
AnopheVsmagen  mit  Malariasporoblasten, 

von  Olpp  . . 562 

Anorexieformen  des  Pubertätsalters,  von 

Schnyder  .  .  .  995 

Anovarthyreoidinserum  1839,  von  Hoff- 

mann  . 

Anpassungsvermögen,  das  psychische,  in 

den  heissen  Ländern,  von  De  Bekker  2479 
Anthrakose  retroperitonealer  Lymphdrü- 


sen,  von  Franke  .  .  . 315 

Anthropotoxin  in  der  Ausatmungsluft  der 

Menschen,  von  Farmachidis  ....  H69 
Antialkoholbewegung  in  Italien  1112,  ein 

Vorsioss  gegnn  die  — ,  von  Laquer  .  1443 
Antialkoholistenkongress  in  Mailand  .  .  2648 
Antianaphylaxie,  das  Wesen  der,  von 

Weil  und  Coca . 1675 

Antidiabetikum  Dr.  Raaf-Ohms . 1839 

Antifluor  zur  Trockenbehandlung  der 

Scheidenkatarrhe,  von  Liepmann  1383,  2193 
Antiformin,  Wirkung  des,  auf  Tuberkel¬ 
bazillen,  von  Dönges . 1^02 

Antiforminmethode,  eine  Fehlerquelle  bei 

der,  von  v.  Lehmann . 1903 

Antigenantikörperreaktionen  und  ihre  Ver¬ 
wendung  zurLösung  desKrebsproblems, 

von  Schmidt . 1^58 

Antigene,  Verwendung  von  Mikroorganis¬ 
men  als,  von  Loeffler . 1283 

Antigonokokkenimpfstoff,  ungiftiger,  von 

Nicolle  und  Blaizot .  2764 

Antigonokokkenserum,  Behandlung  gonor¬ 
rhoischer  Erkrankungen  mit,  von  Abu- 
low664,  Gewinnung  eines  —  und  seine 
klinische  Behandlung,  von  Dembskaja  2421 
Antikörper,  Einfluss  hoher  Kältegrade  auf 
die,  von  Ito  38,  spezifische  —  im  Serum 
mit  Salvarsan  behandelter  Tiere,  von 
Margulies  663,  Bildung  von  —  in  vivo 
und  in  Gewebskulturen,  von  Reiter  1899, 
spezifische  —  im  Primärstadium  der  Sy¬ 
philis,  von  Lichatschow  2424,  hetero¬ 
genetische  — ,  von  Findberger  u.  Schiff  2916 
Antikörperbildung,  Beeinflussung  der  In¬ 
tensität  der,  durch  Salvarsan,  von  Reiter 
38,  —  bei  Diphtherie,  von  Hahn  1114, 
Ernährung  und  — ,  von  Kleinschmidt  2689 
Antikörpergehalt  der  Kaninchensera,  von 

Ledermann  und  Herzfeld .  2067 

Antikörperproduätion,  Verlauf  der,  von 

Lüdke . 1629 

Antileukon,  Scheidenpulverbläser,  von 

Hengge  .  .  .  2680 

Antduetin,  von  Tsuznki  1221,  therapeu¬ 
tische  Wirkung  des  — ,  von  Tsuznki, 
Ichibagase,  Hagashi  und  Htano  .  .  .1221 

Antimalazin .  .....  1839 

Antimeristem  s.  a.  Antigenantikörperreaktion. 
Antimonpräparate,  chemotherapeutische 
Wirkung  von  organischen,  bei  Spiro¬ 
chäten-  und  Trypanosomenkrankheiten, 
von  Uhlenhuth,  Mulzer  und  Hügel  546, 


von  Uhlenhuth  und  Hügel . 2917 

Antiphon,  praktisches,  von  Halle  ....  97 

Anti  pollut,  von  Lissmann  .  2595 

Antipyrese,  von  von  den  Velden  ...  2378 


Antisepsis,  Vorgeschichte  der,  von  Fischer  2376 
Antiseptik,  Frage  der,  von  Rovsing  332, 
die  —  im  Kommunehospital,  von 

Tscherning  .  .  2359 

Antistaphylokokkenvakzine,  sensibilisierte 

lebende,  von  Cohendy  und  Bertrand  621 
Antithyreoidin,  neue  Indikationen  zum 

Gebrauch  des,  Moebius,  von  Breitmann  2423 
Antitoxinbildung,  ungewöhnlich  starke, 

bei  Hautdiphtherie,  von  Kleinschmidt  1477 
Antitrypsin,  das,  des  Serums,  vonKirchheim  1113 
Antitrypsingehalt  des  Blutes  bei  Schwan¬ 
gerschaft  und  Karzinom,  von  v.  Graff 


und  v.  Zubrzycki .  92 

Antitrypsinreaktion,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der,  des  Blutes  bei  Karzinom,  von 
Dychno . 998 


Antituberkuloseserum  s.  u.  Marmorek- 
serum. 


Antituberkulo«eserum,  Marmoreks,  von 

Henius  u.  Rosenberg  1046,  von  Reimann  2009 
Antityphusimpfung  in  den  Krankenwärte¬ 
rinnenschulen  in  Massachusetts  485, 
einige  Resultate  der  — ,  von  Russell 
485,  —  bei  Kindern,  von  Russell  .  .  1223 
Antityphusserum,  Besredkasches,  von  An- 

driescu  u.  Ciuca . 1050 

Anurie,  Urethemlithotomie  bei  kalkulöser, 
v.  Läwen  1339,  kalkul  Öse  ,  v.  Herescu  2304 
Anus  praeternaturalis,  von  Carl  2069,  Tech¬ 
nik  des  —  permanens,  von  Brenner .  2367 
Anzeigepflicht  1395,  —  bei  offener  Tuber¬ 
kulose  2093,  —  bei  spinaler  Kinder¬ 
lähmung  . 2151 

Aorta,  postoperative  Todesfälle  bei  ab¬ 
normer  Enge  der,  von  Frühwald  1110, 
Ersatz  eines  Stückes  der  —  abdomi¬ 
nalis  durch  die  Karotis,  von  Jeger  u. 
Joseph  1787,  Bedeutung  des  Nervus 
depressor  für  Blutdruck  und  — ,  von 
Stadler  1844,  Läsionen  der  —  bei  lue¬ 
tischen  Affen,  von  Boveri  1849,  Struma 
und  Hyperthyreoidismus  im  Gefolge 
von  Dilatationen  und  Aneurysmen  der 
— ,  von  Kienböck  2365,  pathologische 
Veränderungen  der  —  beim  Pferde,  von 
Zinserling  2418.  akute  Entzündung  der 
— ,  von  Stumpf  3474,  Reduktion  des 
Lumen  der  —  thoracica  durch  Einwärts¬ 
faltung  der  Gefässwand,  von  Matas  u. 

Allen  2592,  Verschluss  der  Brust-  und 

Bauch — ,  von  Halsted .  2592 

Aortenaneurysma,  seltene  Komplikation 
eines,  von  Dorner  164,  Lungenblutung 
bei  perforiertem  — ,  von  Hampeln  1046, 
Durchbruch  eines  —  in  die  obere  Hohl¬ 
vene,  von  Klein .  2357 

Aortenerkrankung,  syphilitische,  v.  Deneke 
49,  von  Oberndorfer  505,  840,  Klinik 
der  syphilitischen  — ,  von  Stadler  .  .  86 

Aorteninsuffizienz,  von  Gerhardt  ....  106 

Aortenklappen,  diastolischer  Herzstoss, 
d'astolischer  akzidenteller  Ton  und 
Dikrotismus  des  Pulses  bei  Insuffienz 
der,  von  Straschesko  481,  Veränderungen 
an  den  —  bei  Aortensyphilis,  von  Engel  2305 


Aortenlues,  von  Krenzfuchs .  2200 

Aortenostium,  Atresie  des,  von  Ipsen  .  1282 
Aortenruptur,  spontane,  von  Woloschin  .  2637 
Aortenstenose,  angeborene,  von  Häberle  2803 
Aortensyphilis.  Röntgendiagnose  der,  von 

Eisler  und  Kreuzfuchs  .  2536 

Aorten verä n der u ngen,  hereditär-syphiliti¬ 
sche,  beim  Kind,  von  Escudero  .  .  .  319 
Aortitis,  pathologische,  Histologie  der 

syphilitischen,  von  Fukushi . 714 

Apertische  Krankheit,  von  Kraus  ....  2543 
Aphasie,  von  Gerhardt  956,  motorische 


—  nach  Schädeltrauma,  von  Töböen 


1507,  sensoiische  —  von  Kehrer  1520, 
amnestische  — ,  von  Kehrer  2419, 
Behandlung  der  — ,  von  Fröschels  2488, 
transkortikale  motorische  — ,  von  Gold¬ 
stein  2864,  transkortikale  sensorische 
— ,  von  Goldstein  2864,  hysterische 

— ,  von  Meyer  .  .  2864 

Aphasische,  Funktionsprüfung  bei,  von 

Köhler  . .  •  2651 

Aphasielehre,  Beiträge  zur,  von  Niessl 

von  Mayendorf  727,  von  Kehrer  .  .  .  2419 
Aphrodisiaca,  Anwendung  von,  in  der 

Gynäkologie,  von  Bab  .  .  .  .*  .  .  .  2541 
Aponal  bei  chirurgischen  Fällen,  von 

Herzberg  . .  2494 

Apotheken,  Bestimmungen  für  die,  zum 

Vollzug  d.  Reichsversicherungsordnung  2712 
Apotheken  wesen  in  Bayern  1527,  die  Kgl. 

Bayer. Verordnung  über  das  — ,  von  Kapp  2002 
Apotheker,  Verurteilung  eines,  wegen  Be¬ 
trugs  . . 675 

Apothekerbund,  internationaler  .  .  ...  425 

Apothekergewerbe,  Niederlassungsfreibeit 

im . 2290  , 

Apothekergesetze,  die  preussischen,  von 

Böttger-Urban  . . 1726 

Apothekerkammern,  bayerische  .....  1471 
Apothekerverein,  Geschäftsbericht  des 

deutschen  2471,  Hauptversammlung  des  2471 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXVII 


1913. 

- «- 


Seite 

Appendektomie,  Technik  der,  von  Narath 
204,  von  Haagn  204,  von  Bertelsmann 

1277,  operative  Mobilisierung  des 

Zoekum  bei  der  — ,  von  Krüger  258, 
subseröse  — ,  von  Derganc  544,  von 
Kaefer  882,  —  oder  Ausschaltung,  von 
v.  Rauchenbichler  1615,  —  bei  Radikal¬ 
operation  von  Leisten-  und  Krural- 
hernien,  von  Norrlin .  2359 

Appendikostomie  bei  inoperablen  Rektum- 

und  Kolonkrebsen,  von  Spencer  .  .  1733 

Appendix  s.  a  Blinddarmanhang,  Wurm¬ 
fortsatz. 

Appendix,  die,  im  Röntgenbild,  von  Cohn 
387,  Zysten  der  —  vermiformis,  von 
Wilson  940,  —  und  weibliche  Geni¬ 
talien,  von  Bogdänowitsrh  1278,  Pseudo¬ 
myxom  der  — ,  von  Hammesfahr  1291, 
Funktion  der  — ,von  Corner  1733,  das  pri¬ 
märe  Karzinom  der- — ,  vonGraham  1955, 
Helminthen  in  der  — ,  von  Hueck  2300, 
die  schwarze  pigmentierte  — ,  vonBattle  2695 

Appendixkarzinome,  Lipoidgehalt  der  so¬ 
genannten,  von  Maresch . 189 

Appendizitis  s.  a.  Blinddarmentzündung. 

Appendizitis,  die  chronische,  von  Perianu 
44,  —  am  Leistenbruch,  von  Becker  93, 
chronische  —  und  Coecum  mobile,  von 
Lieben  98,  Operation  im  Intermediär¬ 
stadium  der  akuten  — ,  von  Fromme 
204,  chronische  — ,  von  Krecke  573, 
Anästhesierung  der  rechten  Darmbein¬ 
grube  bei  der  Operation  der  chronischen 
— ,  von  Fouelin  659,  chronis.  he  Intus- 
suszeption  nach  — ,  von  Wohin  774, 
Spätblutungen  bei  — ,  von  Hauch  882, 

—  und  Paratyphus  B,  von  Merrem  885, 
präoperaiive  Diagnose  der  — ,  von 
Ewart  886,  Aetiologie  der  — ,  von  Po- 
puton  und  Payne  887,  chronische  — 
mit  gastr  sehen  Svmptomen.  von  Singer 
941,  frühzeit  ge  Operation  bei  — ,  von 
Owen  1070,  Aetiologie  der  — ,  von 
Sasse  1167,  Operation  im  Intermediär¬ 
stadium  der  akuten  — ,  von  Bertels¬ 
mann  1277,  —  der  Frauen,  von  Fongö 

1278,  die  Frühoperation  bei  akuter  — , 
von  Boliarsky  1288,  Behandl  ng  der 
akuten  —  mit  sofortiger  Operation,  von 
Savariand  1526,  Blutuntersuchungen 
bei  der  — ,  von  Schnitze  1562,  Ileus 
und  — ,  von  Wiege  s  1644,  Behandlung 
der  akuten  eitrigen  — ,  von  Longard 
1676,  —  bei  Kindern,  von  Simpson 
1690,  sofortige  Operation  bei  — ,  von 
Owen  1733,  Entstehung  der  — ,  von 
Corner  1733,  zur  Behandlung derakuten 
— ,  von  Jakob  1860,  das  Bastedosche 
Zeichen  als  Symptom  der  chronischen 
— ,  von  Hertz  1955,  ein  neues  An¬ 
zeichen  chronischer  — ,  von  Aaron  2011, 
akute  katarrhalische  und  destruktive 
— ,  von  Krecke  2091.  zur  Aetiologie  der 
— ,von  Pollag  2119,  Diagnose  zwischen 
Salpingitis  und  — ,  von  Poenaru-Ca- 
plescu  2304,  mesenteriale  Pyämie  nach 
— ,  von  Braun  2354,  Spätabsz  sse 
nach  — ,  von  Melchior  2356,  chronische 

—  und  Zystosklerose  der  Ovarien,  von 
Lapeyre  2539,  radiologische  Anhalts¬ 
punkte  zur  Diagnose  der  chronischen 
— ,  von  Singer  und  Holzknecht  2659, 
die  —  einst  und  jetzt,  von  Sonnen¬ 
burg  2916,  —  m>t  prävertebral-lumbaler 


Lage,  von  Bandet .  2920 

Appendizitisoperationen,  Thrombosen  und 
Embolien  nach,  von  Bull  203,  Resul¬ 
tate  von  601  — ,  von  Denk  1339,  Nach¬ 
behandlung  bei  — ,  von  Sorge  .  .  1848 
Appendizitis  -  Peritonitis ,  Schnittlänge, 
Bauchspülung,  Bekämpfung  der  Darm¬ 
lähm  mg  bei.  von  Dobbertin  ....  317 

Appetit  und  Hunger,  von  Sternberg  .  2914 
Appetitproblem,  wir  praktischen  Aerzte 

und  das,  von  Sternberg  . 774 

Apraxie,  motorische,  von  v  Rad  ....  1123 
Approbationen  im  Jahre  1911/12  ....  1752 
Aqua  destillata  in  der  medizinischen  Praxis, 
von  Barladean .  2357 


Arausan  . 

Arbeiten  s.  q,.  Journalliteratur,  Teil  IV. 
Arbeiten  aus  dem  Wiener  neurologischen 
Institute,  von  Obersteiner  1560,  2742, 

—  aus  dem  pharmazeutischen  Institut 
der  Universität  Berlin,  von  Thoms 

Arbeiterbestände,  Assanierung  der  java¬ 
nischen  und  chinesischen,  in  Deli- 

Sumatra,  von  Baermann . 

Arbeiterkrankheiten,  Schenkungen  für  die 
Klinik  für,  in  Mailand  369,  Bericht  der 
Klinik  für  —  in  Mailand,  von  Devoto 
Arbeiterin,  Schutz  der  schwangeren,  von 

Giovannini . . 

Arbeiterschutz  und  gewerbliche  Vergif¬ 
tungen  in  der  Schweiz,  von  Spinner  . 
Arbeiterversicherung,  Diabetiker  und,  von 

Knepper .  2646, 

Arbeiter  versieh  erungsgesetz,  das  neue  rus¬ 
sische,  von  Franck  . 

Arbeiterversicherungsmedizin ,  Lehrbuch 
der,  von  Gumprecht,  Pfarrius  und  Rigler 
Arbeitsfähigkeit,  Bedeutung  der  Blutdruck¬ 
messung  für  die  Beurteilung  der,  von 
Stursberg  und  Schmidt  174,  Beurtei¬ 
lung  der  —  bei  nervösen  Zuständen, 
von  Zahn  ...  .  ...... 

Arbeite-  und  Gewerbekrankheiten,  IV.  na¬ 
tionaler  Kongress  für,  in  Rom  .  .  . 
Archiv  s  a.  Journalliteratur,  Teil  IV. 
Archiv  für  experimentelle  und  klinische 

Phonetik .  2207, 

Archives  urologiques  de  la  clinique  de 

Necker  . 

Argaldin . 

Argas  Persius,  von  Lehmann . 

Argentauiin,  intrauterine  Injektionen  von, 

von  Mussatow . 

Argvrie,  hochgradige  gewerbliche,  von 

Teleky . 

Argyrosis,  von  Hegener  326,  —  der  Blase, 

von  Blum . 

Arhamablütenwein . 

Arhythmie  s.  a  Flimmerarhythmie. 
Arhythmien,  künstliche  Auslösung  von.  an 
gesunden  Herzen  von  Hoffmann  1511, 
eigenartige  — ,  bei  einem  Neugeborenen, 

von  Hecht  . 

Armee,  Gesundheitszustand  der  franzö¬ 
sischen  . 

Armenarzt  und  Münchener  Fürsorgewesen, 
von  Freudenberger  2706,  Tätigkeit  des 

—  u.  die  freie  Arztwahl  in  der  Armen¬ 
pflege,  von  Hainebach . 

Armmanschette,  Momentverschluss  an  der 
von  Recklinghausenschen,  von  Ehren¬ 
reich  . 

Arsen,  Verteilung  des,  im  tierischen  Oganis- 
mus,  von  Schilling  und  Naumann 
Arsen-gsaures  Silber,  therapeutische  Ver¬ 
suche  mit,  von  Rind . 

Arsenik,  Wirkungsmechanismus  des,  bei 

Anaemien,  von  Saneyoshi . 

Arsenikvergiftung,  von  Fiertz  995,  von 

Lindström . 

Arsenlähmungen,  von  Obermiller  .  . 
Arsenregenerin  und  Regenerin,  von  Dietl 
Arsenüberempfindlichkeit,  von  Staenbli 
Arsenverbindungen,  organische,  und  ihre 
chemotherapeutische  Bedeutung,  von 
Nierenstein  1500,  Handbuch  der  organ¬ 
ischen  — ,  von  Bertheim  2686,  —  bei 
syphilitischen  Erkrankungen  der  Nase 
und  des  Rachens,  von  Whale  .  . 
Arsen-Zinnober-Pa-te,  Zellersche,  bei  Epi 
theliomen,  von  Holzknecht 
Artbildung,  Probleme  der,  von  Plate 

Artemidol  .  . . 

Arteria,  Lageveränderung  der,  poplitea, 
von  Buschmakin  91,  Veränderungen 
der  —  iliaca  communis  bei  Syphi¬ 
litikern,  von  Stein  600,  partielle  Naht 
der  —  brachiabs  und  zirkuläre  Naht 
der  —  femoralis,  von  Fowclin  658, 
Freilegung  der  —  bei  Brand,  von  Jianu 
1222,  Zirkulationsstörungen  und  Unter¬ 
bindung  der  —  iliaca  com  und  d*-r  — 
iliaca  ext.,  —  von  Strauss  2354,  Ver¬ 
stopfung  der  —  cerebelli  post,  iuf.,  von 


Seite 

1839 


2914 

1399 

2417 

310 

1896 

2698 

301 

2470 

2698 

1567 

2711 

1528 

426 

1859 

2355 

2488 

445 

1840 


2372 

1508 

2751 

2792 

1343 

1452 

1561 

1047 

1221 

2049 

41 


2018 

2194 


2587 


2802 


2806 


2818 


2695 

2291 

2849 

1839 


Seite 

Goldstein  u.  Baumm  2419,  Unterbin¬ 
dung  der  —  hypogastr.,  von  Nikolsky  2639 
Arterienpuls,  Dikrotie  des,  von  Hasebroek  2190 
Arteriensystem,  Diskussion  über  die  Chi¬ 
rurgie  des  . 

Arterienveränderungen ,  experimentelle, 

von  Loeb  . 

Arteriitis  obliterans,  von  Veiel  2560,  — 

—  catarrhalis  im  Verlauf  eines  Barlow, 

von  Wolff . 

Arteriosklerose,  Stauungsreaktion  bei,  von 
Hertzell  715,  —  vor  dem  30.  Lebens¬ 
jahre,  von  Hirsch  947,  Behandlung  der 
— ,  von  Fraenkel  994,  —  des  Darmes, 
von  Bacaloglu  1050,  Aetiologie  der  — , 
von  Pissavy  1070,  Ursache  und  Vor¬ 
beugung  von  — ,  von  Bishop  2078, 
Pathogenese  und  Physik  der  — ,  von 
Hirsch  2194,  pathologische  Anatomie, 
Pathogenei- e  und  Aetiologie  der  — , 
von  Faber  2295,  diätetische  Fragen  bei 
Behandlung  der  — ,  von  Lustig  2365, 
experimentelle  von  Levi  Deila  Vida 
2590,  Wirkung  der  Massage  bei 

von  Kirchberg . 

Arth  gon  bei  den  Komplikationen  der 
Gonorrhöe,  —  von  Freund  1732,  Be¬ 
handlung  der  Epididymitis  mit  —  und 
Ichthyol,  von  Saynisch  2302,  Iritis  u. 

— ,  von  Kreibich . 

Arthigoninjekrionen,  diagnostische  und 
therapeutische  Verwertbarkeit  intra¬ 
venöser,  von  Bruck  u.  Sommer  1185, 
zerebrale  Erkrankung  nach  — ,  von 
Fischer  2318,  intravenöse  — ,  von  Stei- 
nitz  2318,  von  Kyrie  u.  Mucha  2536, 
therapeutische  Anwendung  intravenö¬ 
ser  — ,  von  Bardach  2622,  Wert  intra¬ 
venöser  — ,  von  Lewinski  2784.  —  bei 
Iritis  gonorrhoica,  von  Topolanski  .  . 
Arthritis,  Wesen  Ser,  deformans,  von  Ax- 
hausen  106,  731,  —  hypertrophicans.von 
Jacobsohn  201,  chronische  —  und  — 
deformans,  von  Kraus  731,  —  defor¬ 
mans  juvenilis,  von  Werndorf  732, 
Magensekretion  und  —  deformans, 
von  Woodwarck  und  Mackenzie  Wallis 
939,  Fibrolysin  bei  —  deformans,  von 
Ipatow  998,  —  deformans  des  Hüft- 
ge’enkes  als  Berufskrankheit,  von 
Staff-  1  1162,  —  paratypttosa  tarsi,  von 
Tillgren  und  Troll  1284,  Wirkung  des 
Gonokokkenvakzins  bei  chron.  gonor¬ 
rhoischer  — ,  von  Ssemjonow  1622,  die 

—  urica  im  Röntgenbilde,  von  Jacob¬ 
sohn  2008,  —  unca  Befunde,  von  Ja¬ 
cobsohn  778,  infektiöse  — ,  von  Cooley 
2078,  purulente  —  bei  Säuglingen,  von 
Edoerg  2359,  experimentelle  defor¬ 
mans,  von  v.  Manteuffel  2533,  die 
chronische  — ,  von  Jones  2643,  Vakzine¬ 
therapie  bei  der  —  deformans,  vonSoltan  2694 

Arthrodese,  Indikationen  der,  von  Böcker 
Arthrogoniometer,  neuer,  von  Galeazzi 

Arthropathie,  von  Hess . 

Arzn eibesorg nng,  Erleichterung  der,  auf 
dem  Lande  durch  die  Post  .  . 
Arzneibestand ,  Entwicklungsgeschichte 

des  deutschen,  von  Taub  . 

Arzneibuch,  die  Prüfungsmethoden  des 
deutschen,  von  Claasz  1837,  —  aus 
dem  Jahre  1625,  von  v.  Hovorka 
Arzneiexantheme  nach  Luminal  und  Ve- 

ronal,  von  Pernet  .  . 

Arzneigemische,  Wirkung  von,  von  Abelin 
425,  von  Kahmann  525,  von  Bürgi 
Arzneimittel,  geschäftsmässige  Begutach¬ 
tung  von,  durch  Aerzte  109,  Dosierung 
von  —  in  Tropfenform,  von  Beckers 
316,  neue  —  426,  die  neuen  —  des 
letzten  Jahres,  von  Bberfeld  773,  Ver¬ 
wendung  wortgeschützter  —  875,  An¬ 
kündigung  von  —  in  medizinischen 
Fachblättern  1015,  1183,  Verordung 
von  stark  wirkenden  —  1239,  von 
Wollsteiner  1416,  Veränderungen  eini¬ 
ger  —  im  Licht,  von  Neuberg  und 
Schewket  2129,  Vertrieb  und  Rezeptur 
fertiger  — . 


602 

428 

2545 

2653 

426 


2377 

2024 

2129 


2653 


XXXVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


1637 

1471 


2876 


\rzneimittelkommission,  Unterstützung 
der,  1359,  Verständigung  zwischen  der 
—  und  dem  Verband  pharmazeutischer 

Fabriken .  1752,  2096 

Arzneimittellehre,  '^Lehrbuch  der,  von  v. 

Tappeiner . . 

Arzneimittelliste  des  Deutschen  Kon¬ 
gresses  für  innere  Medizin  1526,  1640, 

1752,  1838,  2096 

Arzneimittelniederlagen,  Einrichtung  von, 

auf  dem  platten  Lande . 21ol 

Arzneiverkehr  s.  a.  Aerztekammern,  Ver¬ 
handlungen  der  bayerischen. 
Arzneimittelverkehr,  Schäden  im  .  . 

Arzneitaxe  s.  a.  Reichsarzneitaxe. 

Arzneitaxe . 

Arzt  s.  a.  Aerzte. 

Arzt,  der,  in  der  Rechtsprechung,  von 
Kaestner  302,  872,  1495,  2287,  der 
als  Patient,  von  Finckh  361,  Strafbar¬ 
keit  der  Beilegung  der  Bezeichnung 
als  —  872,  —  und  Priester,  von  Hör- 
neffer  1470,  in  Amerika  approbierter 
—  1862,  —  und  Jugendfürsorge,  von 
Rupprecht  2464,  der  —  im  Angestellten¬ 
versicherungsgesetz,  von  Joachim  und 
Korn  2687,  —  und  Unfallversicherung, 
von  Meder  2697,  muss  der  —  kommen? 
von  Kaestner  2795,  Berufung  eines  — 
in  die  Kammer  der  Reichsräte  .  .  •  . 

Arztähnlicher  Titel  . .  •  •  •  2288 

Arztfrage,  Stand  der,  im  Deutschen  Reich, 
von  Schneider  2707,  Stand  der  —  bei  den 
Münchener  Krankenkassen,  von  Scholl  2707 
Arztwahl,  freie,  in  der  Armenpflege,  von 

Hainebach .  •  -. . 2^6  1 

Ascherson-Denkmal  und  Medaille  .  •  .  •  lJlo 

Asepsis  für  Krankenschwestern,  von 

Doerfler  und  Weckerle  ....  2065,  2207 
Askariden,  Toxine  der,  von  Dobernecker 
44,  Invaginatio  ileocoecalis  durch  , 
von  Hohmeier  617,  Beziehungen  der 
Helminthen  und  —  zur  Geschwulst¬ 
ätiologie,  von  Saul  618,  Wirkung  des 
oleum  chenopodii  auf  — ,  von  Przed- 

borski .  2476 

Askaridiasis  der  Gallenwege,  von  Rosen¬ 
thal  . ••••*.•••  H62 

Asphyxien,  erste  Hilfe  bei,  mittels  direkter 

Einblasung  von  Luft . 647 

Aspirator,  verbesserter,  von  Höger  •  _  •  2193 

Assimilation,  Arbeiten  über,  und  Dissi¬ 
milation  . 2191 

Assistenten-  und  Praktikantenfrage,  die, 

von  Sprengel  ...  •  .  .  . . 

Association  internat.  de  Perfectionnement 
scientifique  medical  846,  projektierte 
Neuorganisation  der  British  Medical 

—  1735, 64.  Versammlung  der  American 

Medical  — .  •  .  -  •  • 

Assoziationsversuche,  tatbestandsdiagno¬ 
stische,  am  Spiegelgalvanometer,  von 

Busch . . 

Asthenie,  juvenile,  von  Jamin . lOlL 

Asthma  s.  a.  Bronchialasthma. 

Asthma,  zur  Kenntnis  und  zur  Therapie 
des  von  Stäubli  113,  chronisches 

—  der  Rachitiker,  von  Kassowitz  603, 
Einfluss  von  Nordseekuren  auf  das 
— ,  von  Nicolas  948,  Tuberkulinbe¬ 
handlung  des  — bronchiale,  von  Frank¬ 
furter  1399,  Apparat  zur  Behandlung 
des  —  bronchiale,  von  Henke  1408, 
experimentelle  Pathologie  und  Therapie 
des  —  bronchiale,  von  Cloetta  2193, 
Rachitis  der  Nase  und  — ,  von  Walb  2691 

Asthmaanfälle,  neueste  Therapie  bei,  von 

Goldschmidt . 9T7 

Asthmabehandlung,  tracheobronchiale  In¬ 
jektion  zu,  von  Grünwald . 1377 

Asthmolysin . . .  •  •  426 

Aszites,  Dauerdrainage  hei,  von  Perimoff 
145,  die  tuberkulöse  Natur  des  —  bei 
der  Zirrhose,  von  Roque  und  Cordier 
1047,  direkte  Dauerdrainage  des_  chro¬ 
nischen  — ,  von  Dobbertin  1615,  der 

—  und  seine  chirurgische  Behandlung, 

von  Höfner  2070,  Beseitigung  des  — ,  ^ 
von  Kumaris  . 2915 


1224 


2621 


2244 

294 


2097 

2252 


1264 


1750 


1916 


Seite 

Aszitesergüsse,  Dauerdrainage  stagnieren- 

der,  von  Henschen  . "64 

Aszitesrezidive,  Verhinderung  der,  von 

Planelles .  ■  •  • 

Ataxie,  hereditäre,  von  Stintzing  157,  Be¬ 
handlung  schwerer  Formen  der  —  bei 
Tabes,  von  Frenkel  217,  Behandlung 
der  —  bei  der  Tabes,  von  Garson  604, 
mechanische  Behandlung  der  tabischen 

— ,  von  v.  Baeyer  . 

Atemstillstand  in  tiefer  Inspirationsstel- 

lung,  von  Mosler . 10oo,  "Ubb 

Atemzentrum,  Neutralitätsregulation  und 
Reizbarkeit  des,  von  Hasselbalch  . 
Atherom,  Erblichkeit  des,  von  Schneider 
Atherosklerose,  experimentelle  alimentäre, 
von  Steinbiss  1505,  experimentelle  — 
und  Cbolesterinämie,  von  Wacker  und 

Hueck  .  •••■•••* 

Athyreoidismus  congenitalis,  von  v.  Eisels- 

berg . .•••■•■ 

Atlas  der  Operationsanatomie  und  Ope¬ 
rationspathologie  der  weiblichen  Sexual¬ 
organe  ,  von  Liepmann  598 ,  ver¬ 
gleichend  -diagnostischer  —  der  Haut¬ 
krankheiten  und  Syphilide,  von  Ehr¬ 
mann  932,  Archiv  und  —  der  nor¬ 
malen  und  pathologischen  Anatomie 
in  typischen  Röntgenbildern,  von 
Eymer  1559,  —  der  Hautkrankheiten, 

von  Jacobi  .  . 

Atmen,  die  Zäsur  im  hörbaren  Atmen, 

von  Geigelj . 

Atmung,  paradoxe,  von  de  Vries  Reilingh 
und  Rochat  717,  —  des  gesunden  und 
säurevergifteten  Menschen,  von  Rover 
1466,  künstliche  — ,  von  Liljestrand 
2008,  Bewegung  des  Brustkorbes  bei 
der  — ,  von  Keil  2457,  —  bei  Herz¬ 
kranken,  von  Reinhardt  2473,  künst¬ 
liche  —  bei  intrathorakalen  Eingriffen, 

von  Gelin  sky  . . 

Atmungsgymnastik  und  Atmungstherapie  2531 
Atophan,  warum  vergrössert,  die  Ausschei¬ 
dung  der  Harnsäure,  von  Skörczewski 
37,  —  bei  Ischias,  von  Hirschberg  53, 
Pharmakologie  des  — ,  von  Starkenstein 
107,  —  wegen  akutem  Gelenkrheuma¬ 
tismus,  von  v.  Müller  445,  Nukleinstoff¬ 
wechsel  unter  dem  Einfluss  von^— , 
von  Schittenhelm  und  Ullmann  770, 
Wirkungsweise  des — ,vonBiberfeldl898, 
Beeinflussung  der  Harnsäureausschei¬ 
dung  bei  exsudativen  Kindern  durch 
— ,  von  Kern  1951,  —  und  Novatophan 
bei  rheumatischen  Affektionen,  von 

Jokl  . . . .  •  2693 

Atophandarreichung,  Einfluss  der,  auf  die 

Urochromausscheidung,  v.  Skörczewski  2134 
Atophanwirkung  beim  Gesunden  und  beim 
Gichtiker,  von  Retzlaff  770,  Wesen  der 
— ,  von  Klemperer  1054,  —  bei  Gicht 
und  Gelenkrheumatismus,  von  Fried- 


1913. 


Seite 


2128 

1926 


2589 


berg 


97 

601 


Atoxyl,  parasitotrope  Wirkung  des,  und 
Neosalvarsans,  von  Arzt  und  Kerl  .  . 
Atrioventrikularklappen,  Atherosklerose 

der  — ,  von  Sato . 

Atrium,  spontane  Kontraktionen  am  r.  — 

einer  Leiche,  von  Försterling  ....  2854 
Atropin,  Schwefelsäureester  des  — ,  und 

Skopolamins,  von  Trendelenburg  .  .  .  2137 
Atropinentgiftung,  Mechanismus  der,  von 

Döblin  und  Fleischmann . 1446 

Atropinschwefelsäure,  klinische  Erfah¬ 
rungen  mit,  von  Philippsthal  ....  2641 
Atropinvergiftung,  Stimm-  u.  Artikulations¬ 
störung  durch,  von  Oisler .  2360 

Atropinwirkung,  inverse,  von  Kaufmann 

und  Donath . 1682 

Aufbrauchtheorie,  Edingersche,  von  Auer¬ 
bach  . 1612 

Aufenthaltsort,  freie  Selbstbestimmung  bei 

der  Wahl  des,  von  Weber  .  .  .  .  .  .  2702 
Aufstehen,  frühes,  nach  Bauchoperationen, 

von  Kohlschütter . 1378 

Augapfel,  Ektasieformen  des,  von  Schnau 

digel . 

Auge  s.  a.  Sehorgan. 


Auge,  Uebungsbehandlung  am,  von  v. 

'pflugk  207,  Entwicklungsgeschichte 
des  menschlichen  — ,  von  Nussbaum 
309,  Organologie  des  — ,  von  Pütter  309, 
pathologische  Anatomie  des  ,  von 
Rupprecht  325,  Behandlung  der  Kalk¬ 
verletzung  des  — ,  von  Gilbert  376,  Ver¬ 
änderungen  und  Schädigungen  des  — 
durch  Licht,  von  Schanz  484,  Fett¬ 
implantation  in  die  Tenonsche  Kapsel 
nach  Enukleation  des  — ,  von  Weidler 
486,  Kontusionsverletzungen  des  — 
durch  Kinderspielzeug,  von  Alexander 
561,  Altersveränderungen  des  mensch¬ 
lichen  — ,  von  Attias  717,  Verletzungen 
des  — )  von  Wagenmann  768,  Entzün¬ 
dung  des  linken  — ,  von  Schnaudigel 
782,  Fremdkörperlokalisation  im  — ,  von 
Reichmann  816,  Chemotherapie  bei 
der  Diplobbzilleninfektion  des  — ,  von 
Gebb  964,  Neurologie  des  — ,  von  Wil- 
brand  und  Saenger  1103,  das  mensch¬ 
liche  albinotische  — ,  von  Elschnig  1299, 
Veränderungen  und  Schädigungen  des 
—  durch  Licht,  von  Schanz  1392,  Ein¬ 
fluss  der  Massage  auf  die  Tension  nor¬ 
maler  und  glaukomatöser  — ,  von  Knapp 
1453,  die  Ruhelage  des  — ,  von  Biel- 
schowsky  1512,  Ernährung  des  — ,  von 
Hamburger  1512,  Grundbegriffe  der 
Teratologie  des  — ,  von  Pagenstecher 

1512,  albinotisches  — ,  von  Elschnig 

1513,  Anaphylaxie  am  — ,  von  Zade 
und  Grüter  1513,  zur  Tuberkulose  des 
— ,  von  Stock  1687,  doppelte  Perfo¬ 
ration  des  r.  — ,  von  Sandmann  1801, 
Wirkungen  von  Arzneimitteln  und 
Giften  auf  das  — ,  von  Lewin  und 
Guillery  1895,  Verletzungen  des  kind¬ 
lichen  —  während  der  Geburt,  von 
Kraus  1972,  Kontusionskatarakt  des  — , 
von  Alexander  2315,  was  soll  der  prak¬ 
tische  Arzt  bei  Verletzungen  des  — 
tun?  von  Birch-Hirschfeld  2646,  ex¬ 
perimentelle  Uebertragung  von  Tu¬ 
moren  auf  das  — ,  von  Hegner  3722, 

Hygiene  des  — ,  von  v.  Sicherer  2742, 
Filariosis  des  — ,  von  Rauenbusch  . 

Augenbewegungen,  Nervenmechanismus 
der  assoziierten,  von  Högyes  .  ... 

Augendruck,  Verminderung  des,  beim  Coma 

diabeticum,  von  Hertel . 681  : 

Augeneiterung  der  Neugeborenen,  von 

Crede-Hörder  .  2241 

Augenelektrode  u.  Augenirrigationsgefäss, 

von  Buchy .  •  •  •  186 

Augenentzündungen,  Serumbehandlung  d. 

eitrigen,  von  Solm . 1513 

Augenerkrankungen,  Behandlung  skrofu¬ 
löser  und  tuberkulöser,  mit  J.  K.,  von 
Bock  1452,  —  durch  ungeeignete  Licht- 

Wirkungen,  von  v.  Hess  . 24  fo  1 

Augenheilkunde,  Handbuch  der  gesamten, 

1177  von  Graefe-Saemisch  309,  657,  768, 2686, 
Lehrbuch  der  — ,  von  Römer  541,  Ge- 
schichteder  — ,  von  Hirschberg  657,  Lehr¬ 
buch  der  — ,  von  Axenfeld  710,  Anwen¬ 
dung  des  Abderhaldenschen  Dialysier- 
verfahrens  in  der  — ,  von  Hegner  1 138,  L>18 
Augenhöhle ,  Röntgenphotographien  der, 

von  Adam  .  .  .  . . . 

Augenkammer,  Erweiterung  der  vorderen,  ^ 

von  Heuse . ,  •  •  •  •  43,J^ 

Augenkrankheiten,  Höhe  des  Hirndruckes 

bei  einigen,  von  Heine  ....  1305,  2441 

Augenleiden,  elektrische  Behandlung  ent- 

zündlicher,  von  v.  Reuss  .  .  .  .  .  •  274  J 
Augenlider,  noch  nicht  beschriebene  Lu-  ^ 
dungsanomalien  der,  von  Elschnig  .  286 1 
Augenlinse ,  Einfluss  der  ultravioletten 
Strahlung  auf  die  Menses,  von  Chalu- 

pecky  ...  . .  •  •  •  2^99 

Augenmedien,  Verhalten  der  durchsich¬ 
tigen,  gegen  ultraviolette  Strahlen,  von 
Takamine  u.  Takei  ....  ....  2242 

Augenmuskellähmungen,  Lokalisations- 

fehler  bei,  von  Rüben . 839 

Augenspalte,  Verschluss  der  fötalen,  von 

Seefelder . 1512 


2910 

657 


782 


XXXIX 


1913.  INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Augenuntersuchungen  bei  Schulkindern, 

von  Gastpar . 647 

Augenverletzungen,  neue  Gefahrenquelle 
für  gewerbliche,  von  Pach  318,  Tropf¬ 
ampullen  für  die  Behandlung  von  — , 

von  Birkhäuser . 1903 

Augenwasser,  venezianisches  ...  .  1840 

Augenzittern,  das,  der  Bergleute,  von  Ohm  367, 

718,  1897 

Auguste- Viktoria- Krankenhaus  in  Berlin- 

Weissensee . 790 


Aurum-Kalium  cyanatum,  Wirkung  von  in¬ 
travenösen  Infusionen  mit,  bei  äusserer 
Tuberkulose  und  Lues,  von  Bruck  u. 
Glück  57,  von  Heubner  357,  Behand¬ 
lung  der  Lues  mittelst  — ,  von  Grün¬ 
berg  1711,  tödliche  Wirkung  des  —  als 
Blutgift,  von  Hauck  1824,  —  bei  der 
Behandlung  des  Lupus,  von  Ruete  2072, 

—  bei  Syphilis,  von  Grünberg  2423,  in¬ 

travenöse  Behandlung  des  Lupus  vul¬ 
garis  mit  — ,  von  v.  Poör .  2692 

Ausfallserscheinungen,  sogenannte,  von 

Dubois  1163,  von  Mosbacher  und  Meyer  1448 
Ausflockungsreaktionen  bei  Syphilis,  von 
Thomsen  und  Boas  549,  quantitative 

—  bei  Syphilis,  von  Ellermann  .  .  .  550 
Ausfluss,  Behandlung  des,  der  Frau,  von 

Katz  . 994 

A  uskultophonation,  die,  als  U  ntersuchungs- 

methode,  von  Plönies . 318,  774 

Auskunftstelle  des  Geschäftsausschusses 
der  Berliner  ärztlichen  Standesvereine  1000 
Ausländer  s.  a.  Klinizistenstreik,  Praxis, 
Universitäten. 

Ausländer  an  den  deutschen  med.  Fakul¬ 
täten  .  221,  223,  502,  1583,  2319 

Ausstellung  beim  Chirurgenkongress  168, 
beim  Internat.  Med.  Kongress  168,  503, 

1471,  1974,  —  der  ehern.  Fabrik  Helfen¬ 


berg  2263,  —  für  Gesundheitspflege  in 

Stuttgart .  2656 

Austauschassistenten .  2927 

Austern,  Reinigung  der,  von  Bakterien  in 
filtriertem  Meerwasser,  von  Bodin  und 

Chevrel . 958 

Aus  wurf,  Ei  weisskörper  im,  von  Pintborg 
542,  Eiweissstoff  in  tuberkulösem  — , 
von  Pintborg  550,  Fiweisstoffbestim- 
mungen  im  — ,  von  Hempel  und  Jör¬ 
gensen  . 1111 

Autointoxikationen,  intestinale,  von  Albu  1902 
Autolaktotherapie  als  Laktagogum,  von 
Becerro  de  Bengoa .  2477 


Autolyse,  Pigmentbildung  in  der  Leber 

während  der,  von  Sprunt  und  Colwell  486 
Autolytische  und  autoplastische  Vorgänge 
im  embryonalen  Gewebe,  von  Daeis 

und  Deleuze . 1678 

Automobilführer,  ärztliche  Untersuchung 

von,  in  Frankreich . 1695 

Auxolin . 1839 

Azetessigsäure,  Abbau  der,  von  Hermanns  1053 
Azetonausscheidung  im  Urin  gesunder  und 

spasmophiler  Kinder,  von  Liefmann  .  771 

Azetonkörperbildung,  Ort  der,  von  Fischler 

und  Kossow .  2473 

Azetonreaktion,  klinische  Verwendbarkeit 

der,  in  der  Kinderpraxis,  von  v.  Ritter  771 
Azetonurie,  Einfluss  des  doppeltkohlen¬ 
sauren  Natrons  auf  die,  von  Növoa  318, 

—  und  Diazeturie,  von  Kleissei  .  .  .  2537 
Azidosis,  Diät  bei,  von  v.  Noorden,  Labbd, 

Blum  779,  Bestimmung  der  diabetischen 


— ,  von  Fridericia .  2358 

Azitrin,  von  Pietrulla . 484 


Azotämie  und  albuminurische  Neuroreti- 
nitis,  von  Dobrovici  und  Mihail  42, 

—  bei  Nephritis,  von  Baiatu  ....  43 

Azotometer  zur  quantitativen  Bestimmung 
des  Harnstoffes,  der  Harnsäure  und 
der  Purinbasen  im  Harn,  von  Jolles  .  2345 


B. 

Bacillus,  Bazillen,  Allgemeininfektion 
durch,  pyocyaneus,  von  Klieneberger 

l 


Seite 

41,  Nachweis  des  —  botulinus,  von 
Schumacher  124,  Nachweis  des  —  coli 
im  Wasser,  vonPurvis  887,  Stoffwechsel 
des  —  diphtheriae,  von  Springer  1280, 
Beziehungen  des  —  Perez  zur  Ozaena, 
von  Hofer  1451,  1469,  Kochscher  — 
im  Blute  Tuberkulöser,  von  de  Verbizier 
1790,  Bekämpfung  der  Dauerausschei¬ 
dung  von  —  mittels  Yatren,  von  Bi¬ 
schof!  . 2194 

Bad  s.a.  Bäder, Kohlensäurebäder, Seebäder. 

Bad  Adelholzen,  Rubidium  in  der  Quelle 

des,  von  Emmerich . -  698 

Bad  Kissingen  s.  a.  Kissinger  Sprudel. 

Bad  Kissingen,  Regentenbau  in  1072, 
Betriebsverlängerung  in  —  .  .  .  2440 

Bad  Reichenhall,  Besichtigung  des  902, 

1127,  von  Ortenau  983,  von  Grass¬ 
mann  .  1151 

Bad  Tölz,  die  Heilquellen  von  678,  i'rinz- 
regent-Luitpold-Genesungsheim  in  — , 

von  Grassmann .  ....  844 

Badeärzte ,  wirtschaftliche  Organisation 
der  reichsdeutschen,  567,  846,  Vereini¬ 
gung  deutscher  und  russischer  Kur- 

und  —  .  . .  1184,  1304 

Badewanne,  fahrbare,  für  Krankenhäuser, 

von  Perrey  und  Schaab . 1806 

Bäder,  Technik  der,  und  des  Badens,  von 
Krebs  258,  Temperaturwirkung  der 
Wasser-,  Kohlensäure-  und  Moor-  — , 
von  Schmincke  949,  Wirkung  von  Sol- 

—  auf  den  kindlichen  Organismus, 

von  Schkarin  und  Kufajeff  ....  1617 

v.  Baelz,  Geh.  Hofrat  Dr.  f  ......  .  2031 

Baginsky  Adolf,  zum  70.  Geburtstag,  von 

Schlossmann . 1095 

Bahnärzte,  10.  Verbandstag  deutscher,  in 
Leipzig  1527,  Diensttitel  für  die  —  der 
österreichischen  Staatsbahnen  ....  2551 
Bahnarztfiage,  die,  in  der  Pfalz  ....  2093 
Bajonette,  Verletzungen  durch,  im  Balkan¬ 
krieg,  von  Delorme . 1631 

Bakteriämie,  von  Williamson  218,  plazen¬ 
tare  — ,  von  Warnekros  1457,  intrave¬ 
nöse  Sublimatbehandlung  der  — ,  von 

Schklowsky .  2422 

Bakterien,  bacterium,  Einwirkung  des  Phe¬ 
nols  auf,  von  Küster  und  Rothaub  94, 
Variabilität  und  Artbeständigkeit  der  — , 
vonToenniessen  325,  Umwandlung  von 
nicht  pathogenen  —  in  pathogene  Or¬ 
ganismen,  von  Embleton  und  Thiele 
957,  die  anaeroben  —  beim  Typhus,  von 
Loris-Melikoff  958,  Bedeutung  der  Mu¬ 
tation  für  die  Virulenz  der  — ,  von 
Toenissen  1114,  Wirkung  des  ultravio¬ 
letten  Lichtes  auf  — ,  von  Oker-Blom 
1341,  quantitative  Bestimmung  der  — 
coli  commune  im  Wasser,  von  Partis 
1506,  Differenzierung  säurefester — ,  von 
Dostal  und  Ender  1621,  Bedeutung  des 

—  coli  für  die  sanitäre  Begutachtung 
des  Wassers,  von  Gorowitz  1623,  anae¬ 
robes  — ,  von  Neisser  1797,  Vernich¬ 
tung  von  —  im  Wasser  durch  Protozoen, 
von  Spiegel  1846,  reduzierendeWirkung 
der  —  ,  von  Oberstadt  1901,  Pathogenität 
und  Virulenz  der  — ,  von  Thiele  und 
Embleton  1953,  ein  —  der  Faecalis  alca- 
ligenes-Gruppe  als  Erreger  typhusuhn- 
licber  Erkrankungen,  von  Fürth  2669, 

—  bei  Nasendiphterie  der  Säuglinge, 

von  Buttermilch .  ...  2817 

Bakterienanaphylatoxin,  von  Doll  und 
Aoki  38,  klinische  Bedeutung  der  — , 

von  Hamm  . 292 

Bakterienarten,  Unterscheidung  verwand¬ 
ter,  durch  die  Ausfällung  ihres  Eiweisses 
mittels  konzentrierter  Salzlösungen,  von 

Liefmann .  1417 

Bakteriengifte,  insbesondere  die  Bakterien¬ 
leibesgifte,  von  Fukuhara  und  Ando  .  2067 
Bakterieninfektionen,  sensitivierte  Vakzi¬ 
nen  bei  akuten,  von  Gordon  ....  2694 
Bakterienmenge,  Instrument  zur  Bestim¬ 
mung  der,  von  Rosenthal . 2194 

Bakteriologische  Mitteilungen,  von  Neisser  1063 


Seite 

Balanitis  gangraenosa,  von  Tische  .  .  .  149 

Balkankrieg  s.  a.  Abdominaltyphus,  Am¬ 
bulanz,  Aneurysmen,  Bajonette,  Feld¬ 
zug,  Fussgangrän,  Gangrän,  Infektion, 
kriegschirurgische  Erfahrungen,  Kriegs¬ 
erfahrungen,  Kriegslazarette,  medizini¬ 
sche  Erfahrungen,  Rotes  Kreuz,  Sani¬ 
tätsmission,  Schussverletzungen,  Spitz¬ 
geschoss,  Typhus,  Verwundete,  Wund¬ 
behandlungsmittel,  W  undinfektion. 

Balkankrieg  2073,  internistische  Beob¬ 
achtungen  während  des  — ,  von  Böhme 
2026,  chirurgische  Erfahrungen  aus 
dem  — ,  von  Pettavel  2072,  Verletzun¬ 


gen  im  — ,  von  Delorme .  2752 

Balkenstich,  Behandlung  der  angeborenen 
und  erworbenen  Gehirnkrankheiten 
mit  Hilfe  des,  von  Anton  und  Bra- 

mann . 1782 

Ballonbehandlung  mit  tierischen  Blasen, 

von  Baumm . 1451 

Baineologenkongress,  zum  34.  1016,  zum 

35.  - .  2767 

Balneologie,  Kurszyklus  für,  und  Balneo¬ 
therapie  in  Karlsbad .  1583,  1807 

Balneotherapie,  wissenschaftliche  Grund¬ 
lagen  der,  von  Landouzy  und  Heitz  .  893 
Bananenmehl,  Stoffwechsel  versuche  mit, 

von  Kakizawa . 1846 

Bandwurm,  allgemeine  eiterige  Peritonitis 

durch,  von  Danielsen  . . 411 


Banti  morbus,  Pathologie  des,  von  Grosser 
und  Schaub  77,  Milzexstirpation  bei  — , 
von  Grosser  323,  mikroskopischer  Be¬ 
fund  bei  — ,  von  Grützner  782,  die  so¬ 
genannte  —  und  der  hämolytische  Ik¬ 
terus,  von  Lommel  881,  operative  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Göbel  939,  zur 
Lehre  vom  — ,  von  Grützner  ....  1677 
Barbiere,  Morbiditäts-  und  Mortalitätsver¬ 
hältnisse  der,  von  Hanauer . 1393 

Bardenheuer  Geh.-R.  f  1864,  von  Krabbel  2121 
Barlowsche  Krankheit,  Hämatologie  und 
Knochenveränderung  bei,  von  Nobe- 
court  322,  über  — ,  von  Ochsenius  1404, 

—  bei  einem  mit  pasteurisierter  Milch 
ernährtem  Kinde,  von  Pfender  1851, 
Organ  analysen  bei  — ,  von  Bahrdt  und 
Edelstein  2372,  zur  Kenntnis  der  — , 

von  Ingier .  2690 

Bartwuchs,  weiblicher,  von  Hegler  .  .  .  436 
Basalmeningitis,  syphilitische,  von  Nonne  1573 

Basch  Dr  Karl  f  ....  . 1127 

Basedowsche  Krankheit,  morbus  B.,  Selbst¬ 
heilung  von,  von  Grober  8,  alimentäre 
Glykosurieund  Adrenalinglykosurie  bei 
— ,vonSchulze  145,  Blutzuckergehalt  bei 
— ,  von  Flesch  145,  Viskosität  des  Blutes 
bei — ,  von  Kaess  145,  Thymektomie  bei 
— ,  von  Schuhmacher  und  Roth  201, 
Behandlung  der  — ,  von  Rubino  714, 

—  bei  Rekruten,  von  Kuhn  948,  Bei¬ 
trag  zur  — ,  von  Günzel  949,  Thymek¬ 
tomie  bei  — ,  von  v.  Haberer  1008, 
Funktion  der  Schilddrüse  bei  — ,  von 
Hosemann  1008,  Beeinflussung  der  — 
mittels  Röntgenbestrahlung derOvarien, 
von  Mannaberg  1047,  Röntgentiefen¬ 
bestrahlung  bei  —  und  Myom,  von 
Moses  1062,  —  und  Pulsverlangsamung, 
von  Hollitschek  1069,  —  nach  Trauma, 
von  Miller  1163,  Myxoedem  und  — , 
von  Maronon  1224,  Ovarialfunktion 
bei  — ,  von  Frankl  1291,  —  und  Geni¬ 
tale,  von  v.  Graff  und  Novak  1348, 
Neues  zur  Therapie  des — ,  von  Sehnde 
1396,  serologische  Untersuchungen 
mittels  des  Dialysierverfahrens  bei  — , 
von  Lampd  und  Papazolu  1533,  neue 
Therapie  der  — ,  von  Mariman  1619, 
die  pathologisch -anatomischen  Ver¬ 
änderungen  in  einigen  inneren  Organen 
beim  — ,  von  Chrustalew  1621,  Fall 
von  — ,  von  Gerhardt  1629,  akuten  — , 
von  v.  Funke  1950,  interne  Behandlung 
der  — ,  von  Becker  2138,  operative 
Behandlung  der  — ,  von  Schloffer  2196, 
Thymus  und  Schilddrüse  in  ihren 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


XL 


Seite 


wechselseitigen  Beziehungen  zum  — , 
von  Capelle  und  Bayer  2355,  dieOvarial- 
funktion  bei  — ,  von  Frankl  2355, 
Tbymin  hei  der  Behandlung  des  — , 
von  Hirsch  2535,  Beitrag  zur  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Günzel . 

Basedowkranke,  von  Rosenberg  .... 
Basedowstruma,  Histologie  der  — ,  von 
Zander  201,  1175,  von  Oehler  .... 
Bassel-Hagensches  Gesetz,  von  Babesch 

und  Capitolin . 

Bastedosches  Zeichen,  von  Hertz  .  .  .  . 
Bauch,  Ausguss  eines  normalen,  weiblichen 

— ,  von  Seilheim . 

Bauchbrüche,  von  Loewe  . . 

Bauchchirurgie,  eine  Woche,  in  Düsseldorf, 

von  Bestelmeyer . 

Bauchdecken,  Rekonstruktion  der  — ,  von 
Schultze  544,  Behandlung  der  —  und 
des  muskulären  Beckenbodens  bei 
Wöchnerinnen  mittels  des  Bergonid- 
schen  Verfahrens,  von  Brommer  .  .  . 
Bauch  deckenhämatom,  von  Vogt  .... 
Bauchdeckenphlegmone  und  -abszesse  mit 
Zuckerbehandlung,  von  Baeumer  .  . 
Bauchdeckenreflexe  bei  chron.  Alkoholis¬ 
mus,  von  Sauer  . 

Bauchfaszien,  Sensibilität  der,  von  Hart¬ 
mann  2729  ,Katgutnaht  der  — ,  vonMüller 
Bauchfenster,  das  experimentelle,  von 
Katsch  und  Borchers  769,  von  Katsch 
786,  von  Borchers  und  Kahn  .  .  •  . 
Bauchgeschwülste,  Diagnostik  der — ,  von 
Ssobolew  .  .  .  •••••• 

Bauchhöhle,  chirurgische  Eingriffe  in  der, 
bei  Kindern,  von  Baiäs  1278,  atmo¬ 
sphärische  Luft  in  der  —  nach  Abdo¬ 
minaloperationen,  von  Cohn  1298,  Sen¬ 
sibilität  der  — ,  von  Käppis  2Ü08,  Gas¬ 
ansammlung  in  der  freien — ,  von  Fal¬ 
kenburg  2532,  Kontamination  der  Brust¬ 
höhle  bei  Infektionen  der  — ,  vonTwort 
Bauchhöhlenoperationen,  Extraperitoni¬ 
sierung  vaginaler,  von  Rieck  .  . 
Bauchoperationen,  Friibaufstehen  nach, 

von  Kohlschütter . 

Bauchorgane,  die  luetische  Erkrankung  der, 

von  Hausmann . 

Bauchperkussion  bei  Kindern, von  deLange 

Bauchschuss,  von  Pamperl  . 

Bauchspeicheldrüse  s.  a.  Pankreas. 
Bauchspeicheldrüse,  Chirurgie  der,  von 

Mayo .  •  ••••• 

Bauchtrauma,  stumpfes,  —  Peritonitis,  von 

Giese . . 

Bauchwandtumoren,  von  Schiffmann  .  . 
Bauchzysten,  Diagnostik  grosser,  von 

Glaessner . . 

Bauernhäuser, hygienische  Studien  an  alten 
südtirolischen,  von  Neustätter  .... 

Baufachausstellung,  Leipziger  . . 

Baum«  ollweber,  Berufskrankheit  der 
Baunscheidtismus,  von  Schrammen  1847, 
gerichtsärztliche  Studien  über  — ,  von 

Schreiner  .  .  .  . 

Bayerisches  Volk,  Einfluss  der  beruflichen 
Gliederung  des,  auf  die  Entwicklung 
der  Sterblichkeit  und  Fruchtbarkeit  der 
letzten  Jahrzehnte,  von  Groth  .... 
Bayern  s.  u.  Gesundheitswesen. 

Bazillen  s.  u.  Bacillus. 

Bazillenträger, Diphtherieansteckung  durch, 
von  Gaussade  u.  Joltrain  1070,  Bedeu¬ 
tung  der  — ,  von  Willführ  . 

Bechterew,  Geh.  R.  Prof,  v.,  Absetzung  . 
Becken  s.  a.  Spaltbecken. 

Becken,  Heilung  enger,  von  Rotter  205, 
Dammverschluss  nach  Entbindung  bei 
plattem  — ,  von  Rieck  205,  Knochen¬ 
kerne  des  fötalen  menschlichen  — , 
von  Obata  314,  einige  seltene  Formen 
von  engem  — ■,  von  Mayer  372,  Punk¬ 
tion  des  Sakralkanals  rachitischer  — , 
von  Rübsamen  713,  Rotters  Verfahren 
zur  Heilung  enger  — ,  von  Gerstenberg 
771,  Kunstgriff  zur  Erweiterung  desgrad- 
veren  gten  — ,vonFreudenth  al  885, Thera¬ 
pie  bei  engem  — ,  von  Kupferberg  1351, 
1575,  operative  Behandlung  alter  Infil- 


2806 

163 

658 

1052 

1954 

2432 

2144 

2709 


2325 

883  I 

1687 

1219 

2766 

2148 

2248 


Seite  i 

träte  des  kleinen  — ,  von  Falgowski  1456, 
Solitärzyste  im  kleinen  — ,  von  Falgowski 
1456,  lebende  Kinder  beim  platten  — , 
von  Esch  1457,  Frühgeburt  bei  engem 
— ,  von  Ponfick  1616,  Frühgeburtsein¬ 
leitung  bei  platt  rachitischem  — ,  von 
Durlacher  1882,  dauernde  Erweiterung 
des  knöchernen  — ,  von  Schmid  2308, 

2639,  Behandlung  der  Geburt  bei  engem 
—  in  Basel,  von  Cuny  2745,  Einfluss 
des  platten  —  auf  die  Geburt  in  nor¬ 
maler  Schädellage,  von  Esch  2746, 
beiderseitig  ankylotisches  Robertsches 

— ,  von  Becker .  2804 

Beckenbauchbinde,  ortbopaedische,  von 


Hörrmann 


259 


Seite 

— ,  von  Schaumann  1400,  the  etiology 
0f  von  Strong  und  Crowell  .  .  .  1401 
Beriberiätiologie,  von  Schaumann  ....  1345 
Beriberiforschung,  Fortschritte  der  ex- 

perimentellen,  von  Funk . ■  1997 

Beriberifrage.  weiteres  zur,  von  Moszkowski 

und  Caspari  . .  1576,  1626,  190- 

Bernard,  Claude . ‘912 

Beriberikrankheit,  neuere  Forschungen 
über  die  Ursache  der,  von  Wieland  706, 
Ursache  der  — ,  von  Eijkman  871,  von 


Schaumann 


1264 


2695 

259 

1378 

1215 

716 

2868 

2592 

495 

1678 

2692 

2377 

2440 

1896 

.  2854 


2352 


613 


736 


1848 

2811 


Beckenbindegewebszyste,  von  Hörrmann  482 
Beckenbruch,  von  Hecker  1408,  von  Jensen  1786 
Beckendammheizkissen  in  Badehosenform, 

von  Freudenberg . 981 

Beckenendlage,  die  poliklinischen  Ge- 

bürten  in,  von  Obst . 1732 

Beckenentzündungen,  Behandlung  von, 

mit  Autoinokulation,  von  Chapple  .  .  1953 
Beckenerkrankungen,  Behandlung  chroni¬ 
scher,  von  Hasse  . 315 

Beckenflecken,  Radiogramme  von,  von 

Goldberg . 2709 

Beckenfraktur,  spontane,  von  Schnürpel  2698 
Beckengefässe,  Naht  der  grossen,  bei  der 
abdominalen  Radikaloperation ,  von 

Sigwart .  2298 

Beckeninfiltrate ,  operative  Behandlung 

chronisch-entzündlicher,  von  Falgowski  2246 
Beckenkolon,  Chirurgie  des,  von  Patel 

und  Duval  .  2858 

Beckenmessung,  exakte  röntgenologische, 
von  Kehrer  205,  1455,  —  mit  dem 
Röntgen  verfahren,  von  Henkel  .  .  . 
Beckenneigung,  Entstehungsweise  über¬ 
mässiger,  von  Fränkel  ....  579, 

Beckenresektion,  von  Wilms . -861 

Beckenspaltung,  von  Weibel  ......  2688 

Becquerelstrahlung,  chemische  Wirkungen 

der,  von  Fernau  und  Schrameck  .  .  .  2195 
Begleiterscheinungen,  einige  körperliche, 

psychischer  Vorgänge,  von  Leva  .  .  2386 

Begutachtungsfälle,  die  unklaren,  von 

Schüle .  . |78 

Beine,  künstliche,  von  v.  Baeyer  ....  1353 
Beiträge  s.  u.  Journalliteratur,  Teil  IV. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Infektionskrank¬ 
heiten  und  zur  Immunitätsforschung  2030 

Beleidigungsklage  . •  •  •  679 

Beleuchtung,  Apparat  zur,  des  Operations¬ 
feldes,  von  Prochownik  . 826 

Belletristik,  neuere,  von  Nassauer  .  .  .  1104 

Bellisari  Dr.  G.  f . . 280 

Bellsches  Phänomen,  von  Lauber  ....  -t>J3 
Bennecke,  Privatdozent  Dr.  H.  f  ...  1016 
Benzin,  Verätzungen  durch,  von  Sehrwald 

430,  —  und  Toilette,  von  Roux  .  .  .1167 
Benzoetinktur,  Verwendung  von,  zum 
Lackieren  von  Chokoladen,  von  Heffter 

und  Abel . 1847 

Benzol,  Beeinflussung  des  Stoffwechsels 
durch,  von  Sohn  885,  therapeutische 
Verwendung  des  — ,  von  Kiralyfi  .  .  1508 
Benzoltherapie  s.  u.  Leukämie. 

Benzyl chlorid,  Wirkung  des,  und  Benzal- 
chlorids  auf  den  tierischen  Organis¬ 
mus,  von  Wolf . 1393 

Bergarbeiter,  Einfluss  des  Klimas  auf  die 

Morbidität  der  ...  ...  1392 

Bergbau,  Hygiene  des,  und  Hüttenwesens, 

von  Frey  . 

Bergleute  s.  a.  Augenzittern,  Nystagmus. 
Bergoniäsches  Verfahren,  Behandlung  der 
Bauchdecken  und  des  muskulären 
Beckenbodens  bei  Wöchnerinnen,  von 

Brommer .  . 

Bergonisieren  s.  a.  Entfettungskur. 

Bergsteigen  bei  Herzleiden,  von  Jacob  .  2802 
Berfberi,  über,  von  Shimazono  268,  von 
Funk  1735,  ist  die  —  eine  auch  in 
Europa  heimische  Krankheit?  von 
Sehiiffner  642,  Einfluss  der  Behandlung 
des  Reises  auf  die  — ,  von  Schüffner 
und  Kuenen  1399,  zur  Aetiologie  der 


1902 


2737 

2820 


369 


2325 


Berichtigungen  54,  112,  224,  623,  680,  t36,  79-, 
847,  1127,  1240,  1528,  1808,  1150,  2552, 

2600 

Berkefeldfilter  mit  automatischer  Reinig¬ 
ung,  von  Aumann  94,  von  Hesse  1 729, 
Nachweis  von  Bakterien  durch  das  — , 

von  Ficker  . 

Berlin,  lehrreiche  Angaben  aus  dem  Sta¬ 
tistischen  Jahrbuch  der  Stadt,  von 

Fischer . . 

Berliner  Kassenverhältnisse  .... 
Berufsgeheimnis,  das  ärztliche,  von  Meyer¬ 
stein  374,  von  Gaupp  1914,  das  —  in 
der  Strafrechtskommission  •  •  •  •  2383 
Berufsgenossenschaften,  Verhältnis  der 

zu  den,  von  Besselmann  . 1633 

Berufsk  ankheiten,  Anzeigepflicht  von,  von 
Curschmann  1395,  Versicherung  gegen 
— ,  von  Curschmann  1395,  —  oder  Un- 
fall,  von  Franck  .  .  .  • 

Berufswahl,  Fürsorge  bei  der,  mit  Ruck- 

sicht  auf  die  Tuberkulose,  von  Teleky  66- 
Besteck,  geburtshilfliches,  von  Saniter  .  1437 
v.  Bestelmeyer,  Generalstabsarzt  z.  D., 

Excellenz,  f  161°.  von  v-  Seydel  •  • .  •  1716 
Bestrahlungslampe,  einfache  neue,  für 

Gleich-  und  Wechselstrom,  von  Wollt  loa 
Betaine,  Entstehung  der,  in  Tier  und 
Pflanze,  von  Ackermann . • 

Betriebskrankenkassen  verband,  Essener 

2262,  Verhandlungen  zwischen  dem  — 
und  der  ärztlichen  Organisation  .  .  .  -318, 

2438  _.  . 

Bettfedernhandel,  Hygiene  des,  v.  btem- 

haus . *  •  ‘ 

Beugersehnen,  plastischer  Ersatz  der,  von 

Payr . . 

Beugungsluxation,  Reposition  einer, 

zwischen  4.  und  5.  Halswirbel  .  .  .  • 
Beulenpest,  die  angebliche,  der  Philister, 

von  Algyogyi . •  • .  •  •  Zö‘  ’ 

Bevölkerungsbewegung  s.  u.  Bayerisches 
Volk,  Geburtenrückgang,  Sterblichkeit 
Bevölkerungsbewegung  in  Italien  101,  — 

in  Bayern  566,  in  Deutschland  .  .  ■  2uyo 
Bewegungen,  Beziehungen  alternierendei, 
zur  Länge  der  Reflexbahnen,  von 

Freund . •  •  • 

Bewegungsbehandlung  bei  inneren  Krank- 

heiten,  von  Goldscheider  .  .  •  •  •  1J1< 
Bewegungsstörungen,  dissoziierte  u.  athe- 
toide,  bei  traumatischer  Hysterie,  von 

Wimmer . •  ■  • 

Bezirksärzte,  Fortbildungskurse  für  baye- 

rische . . 

Bezirksverein,  Anträge  des  ärztlichen, 
Dresden  Stadt  2384,  Resolution  des 
Münchener  ärztlichen  —  2438,  Reso- 
lution  des  Nürnberger  ärztlichen  .  -*>9/ 
Bienen,  Farbensinn  der,  und  die  Blumen- 

färben,  von  v.  Frisch  ...•••  13 

Bildungshemmung  des  Mastdarms  und 

der  Harnblase,  von  Raubitschek  .  •  •  23U1 
Bilharzia  der  Blase,  von  Joseph  .  .  38/,  8dl 
Bilharziakrankheit  s.  a.  Distomum. 

Billings  J.  Sh.  f  736,  von  Allemann  .  .  iOSt» 
Bindegewebe,  Elastizitätsfunktion  des,  und 
die  intravitale  Mes«ung  ihrer  Störungen , 
von  Schade  36,  Quellung  von  ,  von 
Hauberisser  und  Schönfeld  601,  allge¬ 
meine  Asthenie  des  —  in  ihren  Be¬ 
ziehungen  zur  Wundheilung  und  bar- 
benbildung,  von  Vogel  851,  Wachstum 
von  —  in  vitro,  von  Carrel  1223,  das 
Quellungsvermögen  des  — ,  von  Schade  -13 
Bindegewebeprobe,  Schmidtsche ,  von 
Gregersen . 650,  11 


368 

614 

327 


1913 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLI 


Seite 

Biochemie  für  Zahnärzte,  von  Hoffendahl 

143,  Einführung  in  die  — ,  von  Grafe  989 

Bioföxpillen . 1840 

Biologie,  la,  synthotique,  von  Leduc  .  .  1214 

Biometrica  . (380 

Biozyme  1839,  von  Stephan . 1415 

Bisanna  . 1840 

Bismethylaminotetraminoarsenobenzol- 

chlorhydrat  . 2171 

Bissverletzungen  im  landwirtschaftlichen 

Betrieb,  von  Mayer  . 376 

Bitterwasserwirkung,  von  Ury . 2011 

Bizepsriss,  sog.,  von  Liniger .  2697 

Blase  s.  a.  Harnblase. 

Blase,  Totalexstirpation  der  karzinoma- 
tosen,  von  Kümmell  896,  Einwanderung 
eines  Tupfers  in  die  — ,  von  Stöckel  1164, 
Totalexstirpation  der — ,  von  Krall  1970, 
Uteruskarzinom  und  — ,  von  Cruet  2133, 
Fremdkörper  der  — ,  von  Herescu  .  .  2303 
Blasenausgang,  Verengungen  des,  von 

Young . 2132 

Blasenbrüche,  von  Chudowsky  ....  1278 

ßlasendivertikel,  radikale  Behandlung  an¬ 
geborener,  von  Dam  882,  Operation 

des  — ,  von  Kreuter . 1684 

Blasenektopie,  von  Wilms . 382 

Blasenerkrankungen  bei  entzündlichen  Er¬ 
krankungen  der  Adnexe,  von  Haim  .  1279 
Blasenfistel,  Technik  der  Operation 

schwieriger,  von  Solowij .  2247 

Blasenfisteloperation,  von  Baumm  .  .  .  1349 
Blasengeschwülste,  Koagulationsbehand¬ 
lung  der,  von  Rubritius .  2549 

Blasenhals,  Behandlung  von  Defekten  und 
Verletzungen  des,  und  des  Sphinkter, 

von  Mackenrodt .  2297 

Blaseninfektionen,  Übertragung  von,  bei 

Ehegatten,  von  Janet . 277 

Blaseninneres,  Operationen'im,  mit  Hilfe 
von  Hochfrequenzströmen,  von  Bucky 

und  Frank . 348 

Blasenmole,  von  Kropiwnicki .  2303 

Blasennaht  beim  hohen  Steinschnitt  an 

Kindern,  von  v.  Werthern . 134 

Blasenoperationen  s.  u.  Operation. 
Blasenpapillome  s.  a  Hochfrequenzströme, 
Blasengeschwülste,  Blaseninneres. 
Blasenpapillome,  intravesikale  Behandlung 
der,  durch  Elektrolyse,  von  Oppen¬ 
heimer  .  .  1228 

Blasenruptur,  von  Lauenstein  49,  intra¬ 
peritoneale  — .  von  Wendel  1462,  spon¬ 
tane  — ,  von  Huebschmann . 1628 

Blasenscheidenfistel,  freie  Faszientrans- 
plantation  bei,  von  Schmid  1164,  Sym¬ 
ptomatologie  der  — ,  von  Muret  .  .  2298 
Blasenscheidenfisteloperation,  neue,  von 

Schickele . 1349 

Blasensprung,  verspäteter,  von  Hapke  1345, 
Bedeutung  des  vorzeitigen  — ,  von  Basset 
1617,  über  —  und  Blasenstich,  von  Bayer  2297 
Blasensteine,  Histologie  der  ägyptischen, 
von  Pfister  936,  Entstehung,  Behand¬ 
lung  u.  Verhütung  von — ,  von  v.Fedoroff 
2430,  von  Preindlsberger  2430,  von 
Schlagintweit  2431,  drei  — ,  von  Goecke 
2485,  Radiogramme  von  — ,  von  Gold¬ 
berg  2759,  operierter  — ,  von  Busse  . 
Blasensteinentfernung ,  Kolpozystotomie 
zur,  im  Wochenbett,  von  Cohn  .  .  . 
Blasentuberkulose  s.  a.  Nierentuberkulose. 
Blasentumor,  von  Kropeit  213,  von  Heineke 

Blasenverletzung,  von  Wendel . 

Blastom  bei  einem  Aal,  von  Wolff  .  .  . 
Blattern,  Serumtherapie  der,  von  Teissier 
u.  Marie  .... 

Blatternmortalität  in  Schweden,  von  Petter- 

son . 

Blaudsche  Pillen  nach  Lenhartz,  von  Petzet 
Blauholz,  Hautausschlag  durch  Staub  von 

mexikanischem, . 

Blei,  Verteilung  des,  in  verschiedenen  Or¬ 
ganen  und  Geweben  nach  subkutaner 
Injektion,  von  Maurel  u.  Carcanagua 
312,  Schutzvorrichtungen  gegen  die  Auf¬ 
nahme  von  —  in  Bleischmelzkesseln, 

von  Lewin  . 312 

Bleiabgabe  s.  u.  Bleiverbindungen. 


2862 

2370 

560 

1462 

94 

499 

1048 

166 

368 


Bleibetriebe,  ärztliche  Ueberwachung  und 
Begutachtung  der  in,  beschäftigten  Ar¬ 
beiter,  von  Teleky . . 

Bleidampf,  Bildung  von,  in  Betrieben,  von 

Lewin  .  .  . 

Bleifarbenindustrie  und  Bleivergiftungen 
in  den  U.  S.  von  Amerika,  von  Hamilton 

u.  Andrews  .  . 

Bleifarbenverbot  in  Deutschland,  von  Ram- 

bousek  . 

Bleikolikrezidiv,  von  Devoto . 

Bleiverbindungen,  Verhalten  schwerlös¬ 
licher,  gegenüber  Darmsäften,  von 

Auerbach  und  Pick  . 

Bleivergiftung  s.  a.  Meningitis  saturnina. 
Bleivergiftung,  Massnahme  zur  Verhütung 
der,  von  Apt  312,  schwere  —  in  der 
Messingindustrie,  von  Althoff  530,  ge¬ 
setzliche  Schutzmassnahmen  gegen  die 
gewerbliche  —  in  den  europäischen 
Ländern,  von  Rehm  830,  Mechanismus 
der  chronischen  — ,  von  Erlenmeyer 
1114,  akute  — ,  von  Ortner  1392,  Früh¬ 
diagnose  und  Häufigkeit  der  —  in 
Buchdruckereien,  von  Rambousek  1392, 

—  in  Akkumulatorenfabriken,  von  Bött- 
rich  1415,  Frühdiagnose  der  — ,  von 
Böttrich  1896,  —  unter  den  Anstreichern, 
Malern  und  Lackierern  in  Wien,  von 
Teleky  1896,  Blutnntersuchung  bei  der 
— ,  von  Schönfeld  2416,  Prophylaxe  und 
Behandlung  der  industriellen  — ,  von 
Oliver  2696, —  durch  die  Wasserleitung, 
von  Schwenkenbecher  und  Neisser  2754, 
Wert  der  Symptome  der — ,  von  Nägeli 

Bleiweiss  verbot  in  Deutschland,  von  Fischer 
Blennorrhagie,  Behandlung  der  Kompli¬ 
kationen  der,  mittels  der  Besredkaschen 
Methode,  von  Cruveilhier 
Blennorrhoe  s.  a.  Einschlussblennorrhoe, 
Augeneiterung. 

Blepharitis,  Therapie  der,  ciliaris,  mit 

Histopin,  von  Vollert  . . 

Blicklähmung,  supranukleäre,  von  Neu 

mann . 

Blinddarmanhang,  Entstehung  der  Entzün 
düngen  am,  von  Heile  .  .  . 

Blinddarmentzündung,  Rizinusölbehand 
lung  der,  von  Sorge  2358,  Pathogenese 
der  sog  chronischen  — ,  von  Dobbertin 
1903,  die  chronische  —  und  Dickdarm¬ 
entzündung,  von  Lindemann  .... 
Blinddarmerschlaffung,  Diagnose  der,  von 

Stern . 

Blut  s.  a.  Menschenblut,  Kaninchenblut. 
Blut,  Enteiweissung  und  Reststickstoffbe¬ 
stimmung  des,  von  Oszacki  90,  Adre¬ 
nalingehalt  des — bei  einigen  Psychosen, 
von  Kastan  261,  Zuckergehalt  des  — 
und  seine  klinische  Bedeutung,  von 
Tachau  324,  563,  Regeneration  des  — , 
von  Eppinger  und  Charnas  621,  Chole¬ 
steringehalt  des  menschlichen  — ,  von 
Bacmeister  und  Henes  715,  Enteiweis¬ 
sung  und  Reststickstoff  bestimmung  des 

—  mittels  Uranilazetat,  von  Oszacki  824, 
Einfluss  der  Narkose  auf  das  — ,  von 
Oliva  825,  Lipoidchemie  des — ,  vonBeu- 
mer  und  Bürger  938,  Veränderungen 
im  —  nach  der  Nahrungsaufnahme,  von 
Mann  und  Gage  940,  Ungerinnbarkeit 
des  —  beider  Hämoptoe  der  Phthisiker, 
von  Magnus-Alsleben  1001,  Mangan- 
gehalt  des  — ,  von  Bertrand  und  Medi- 
greceanu  1049,  Alkoholgehalt  des  — , 
von  Schweisheimer  1105,  Adrenalin¬ 
bestimmung  im  — ,  von  Adler  1221,  Vis- 
kosimetrie  des  — ,  von  Rothmann  1283, 
abnormer  Säuregehalt  des  —  bei  krank¬ 
haften  Zuständen,  von  Rolly  1294,  Kalk¬ 
gehalt  des  —  in  der  Schwangerschaft, 
von  Kehrer  1348,  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  — ,  von  Göbel  1398,  Tu¬ 
berkelbazillen  im  strömenden  —  bei 
chirurgischen  Tuberkulosen,  von  Bran¬ 
des  und  Mau  1398,  Harnsäurenachweis 
im  — ,  von  Oszacki  1398,  Lipoidgehalt 
des  — ,  von  v.  Eisler  und  Laub  1399, 
Kohlensäurespannung  des  —  in  patho- 


Seite 

371 

312 

312 

1392 

311 


2916 


2918 

312 


1848 

1658 

1299 

1727 

2297 

1566 


Seite 


logischen  Zuständen,  von  Porges,  Leim¬ 
dörfer  und  Markovici  1675,  von  Porges 
und  Leimdörfer  1675,  Gerinnung  und 
Dekoagulation  des  —  nach  dem  Erstik- 
kungstod,  von  Roll  1679,  Zählung  und 
Differenzierung  der  körperlichen  Ele¬ 
mente  des  — ,  von  Bürker  1725,  Chole¬ 
steringehalt  des  —  bei  inneren  Erkran¬ 
kungen,  von  Henes  1783,  von  Secchi 
1850,  Bindung  des  Arsenwasserstoffs  im 
— ,  von  Meissner  1898,  Chemie  des  — 
in  Krankheiten,  von  Beumer  und  Bürger 
1898,  Tuberkelbazillen  im  — ,  von  Bo- 
gason  2014,  das  —  normaler  Men¬ 
schen,  von  Bie  und  Möller  2015,  Druck 
und  Geschwindigkeit  des  —  in  den  Ar¬ 
terien,  von  Hürthle  2190,  antiproteoly¬ 
tische  Stoffe  des  —  während  der  Gra¬ 
vidität,  von  Gammeltoft  2192,  2358,  Un¬ 
gerinnbarkeit  des  —  und  Pepton  Witte, 
von  Popielski  2245,  Veränderungen  des 

—  und  der  blutbildenden  Organe  nach 
Amputationen  und  Exartikulationen, 
von  Schaab  2355,  Immunisierung  des 

—  gegen  septische  Erkrankungen,  von 
Krehl  2419,  Tuberkelbazillen  im  — ,von 
Moeves  und  Bräutigam  2420,  gefässver- 
engernde  Stoffe  des  — ,  von  Trussow 
2423,  Immunisierung  des  —  gegenüber 
Streptokokken,  von  Kroll  2423,  die  phy¬ 
siologischen  Wirkungen  des  Höhenkli¬ 
mas  auf  das  — ,  von  Bürker  2442,  Infek¬ 
tiosität  des  —  Syphilitischer,  von  Fi  üh- 
wald  2477,  2761,  Auftreten  eiweissspal- 
tender  Fermente  im — ,  von  Schulz  25 12, 
Flasche  zur  sterilen  Aufbewahrung  von 
— ,  von  Orlovius  2627,  2767,  Radiothe¬ 
rapie  der  Krankheiten  des  —  und  der 
lymphoiden  Organe,  von  Crdmieu  2686, 
Lipoidchemie  des  —  bei  Schwanger¬ 
schaft, Amenorrhoe  und  Eklampsie,  von 
Lindemann  2745,  Gerinnungsfähigkeit 
und  Viskosität  des  —  bei  verschie¬ 
denen  Strumaformen,  von  Maczavariani 

Blutalkaloszenz,  latente  und  ihre  Schwan¬ 
kungen,  von  Pesharskaja  .  .  . 

Blutausstrich,  Technik  des,  von  Schilling 

Blutbild,  das,  bei  Cacbexia  thyreopriva, 
von  Kocher  40,  —  bei  Pocken  und 
Impf pocken,  von  Erlenmeyer  96,  — 
bei  lymphatischer  Konstitution,  von 
Siess  u.  Stoerk445, 1343,  differential  dia¬ 
gnostische  Abgrenzung  einiger  Krampf¬ 
formen  durch  das  — ,  von  Jödicke  1085, 
das  —  bei  Struma  und  dessen  Beein¬ 
flussung  durch  Strumektomie,  von  Ror- 
schach  1106,  vom  normalen  quanti¬ 
tativen  — ,  von  v.  Torday  2534,  Thymus, 
Ovarien  und  — ,  von  Heimann  .  .  . 

Blutbildende  Organe,  Verhalten  der,  bei 
der  modernen  Tiefenbestrahlung,  von 
Heineke . . 

Blutbildung,  Eisenstoffwechsel  und,  von 
Schmidt . .  . 

Blutdruck,  der  hohe,  von  Osler  605,  neue 
Apparate  zur  Messung  des  arteriellen 
— ,  von  v.  Recklinghausen  817,  Ein¬ 
fluss  intraabdominaler  Drucksteigerung 
auf  den  — ,  von  Fundner  827,  Einfluss 
der  täglichen  Luftdruckschwankungen 
auf  den  — ,  von  Staehelin  893,  Ver¬ 
halten  des  —  im  Mittelgebirge,  von 
Siebelt  947,  Beeinflussung  des  — ,  von 
Selig  949,  —  Lungenkranker,  von  Feu- 
stell  1447,  der  klinische  — ,  von  Scheel 
1500,  Einfluss  von  Strumapresssaft  auf 
den  — ,  von  Grube  1621,  der  arterielle 

—  beim  Aneurysma  der  Brustaorta, 

von  Mac  Kinnon  1968,  —  und  Blut¬ 
druckmessung,  von  Saathoff  2183,  Be¬ 
einflussung  des  —  durch  Jodothion 
und  Quarzlampe,  von  Lampe  und 
Strassner  2245,  die  Lehre  vom  — ,  von 
Federn  2548,  Wirkungen  von  intra¬ 
venösen  Injektionen  von  Kropfextrakt 
auf  den  — ,  von  Blackford  und  San- 
ford  2592,  —  und  Blutbild,  von  Münzer 
2596,  —  nach  Thorium-X-Injektionen, 
von  Sudholf  u.  Wild  . 


2807 

2421 

2356 


2829 

2657 

2817 


2851 


XL1I 


Seite 


2808 

36 

2320 


1216 


951 


Blutdruckbestimmung,  klinische  Bedeu¬ 
tung  der,  von  Strazesko . 

Blutdr uckerhöhung,  alimentäre,  von  van 

Leersum . 

Blutdruckmesser,  von  Kolb . 

Blutdruckmessung  s  a.  Armmanschette. 
Blutdruckmessung  nach  Körperarbeit,  von 
Stursberg  und  Schmidt  174,  —  bei 
Diphtherie,  von  Brückner  484,  zur  — , 
von  De  Vries  Reilingh  824,  Blutdruck 
und  _  von  Saathoff  2183,  optische 

— ,  von  Federn . . .  2548 

ßlutdrucksteigerung,  über  die  Quellen 
dauernder,  von  Scblayer  63,  Bezieh¬ 
ungen  zwischen  anhaltender  —  und 
Nierenerkrankung,  von  Fischer  .  .  . 
Blutdruckverhältnisse,  Behandlung  patho¬ 
logischer,  durch  die  moderne  Elektro¬ 
therapie,  von  Howard-Humphris  .  . 
Blutdrüsen, dieErkrankungen  der, von  Falta  2127 
Blutegel,  blutstillende  Wirkung  von,  von 

Muraschew . .  •  •  998 

Bluteosinophilie,  hochgradige,  bei  Kar- 
zinomatose  und  Lymphogranulom,  von 

Strisower . .  . .  97 

Blutergelenke,  von  Mankiewicz .  2434 

Blutergüsse,  Verhalten  traumatischer, 
speziell  in  den  Gelenken  und  der 
Pleura,  von  Pagenstecher  .....  201 
Blutfarbstoff,  Einwirkung  des  Hydroxy¬ 
lamin  auf  den,  von  Letsche  2189, 
Photometrie  des  -,  von  Butterfield  .  2190 
Blutgefässe,  Pathologie  der,  von  Rössle 
158,  Transplantation  von  — ,  von  Ca- 
stiglioni  1340,  die  Chirurgie  der  — 
und  des  Herzens,  von  Jeger  1444, 
Nervenlaesionen  als  Ursache  patho¬ 
logischer  Veränderungen  der  — ,  von 

Tood . .  •  •  •  2694 

Blutgerinnung,  Physiopathologie  der,  von 
Nolf  276,  Einfluss  otogener  Erkran¬ 
kungen  auf  die  — ,  von  Urbantschitsch 
744,  Rolle  der  Lipoide  bei  der  — -,  von 
Bordet  und  Delange  937,  —  bei  ende¬ 
mischen  Kropf,  von  Bauer . 

Blutgerinnungsbestimmungen,  Wert  der 
für  die  Chirurgie,  von  Schlossmann 
Blutgerinnungslehre,  Studien  zur,  von  Zak  2747 
Blutgerinnungsmethode,  Technik  und  Er¬ 
gebnisse  meiner,  von  Schultz  ....  4 

Blutgerinnungszeit,  Bestimmung  der,  von 

Bürker . 2190 

Blutgewinnung  zu  serologischen  Zwecken, 

von  Müller . 215 

Blutharnsäure  bei  Gicht,  von  Gudzent  .  2851 

Blutkalkgehalt  bei  Kindern,  von  Katzen¬ 
ellenbogen  . 2136 

Blutkapillaren,  Apparat  zur  Untersuchung 
des  Druckes  in  den,  der  Haut,  von 

Basler  . 1972 

Blutkörperchen,  die  weissen,  beim  Jugend¬ 
irresein,  von  Pförtner  261,  Einfluss  der 
wreissen  —  auf  die  Viskosität  des 
Blutes,  von  Holmgren  317,  Einfluss  der 
Blutentziehungen  und  subperitonealen 
Blutinjektionen  auf  Zahl  und  Resistenz 
der  roten  — ,  von  Oczesalski  und  Ster¬ 
ling  880,  Einfluss  des  Extractum  filicis 
maris  und  des  Infusum  Sennae  compos. 
auf  das  Verhalten  der  weissen  — ,  von 
Grek  und  Reichenstein  1452,  Einfluss 
des  Alkohols  auf  die  Resistenz  der 
roten  —  gegenüber  hämolytischen 
Agentien,  von  Tasawa  2067,  junge  und 
alte  — ,  Resistenz  md  Regeneration 
von  Hamburger  undUbbels  2189,  Ein 
fiuss  des  Auswaschens  auf  die  Resi 
stenz  der  — ,  von  Snapper  2189,  Durch 
gängigkeit  der  —  für  Traubenzucker 
von  Masing  21 89, Differentialauszählung 
der  weissen  —  in  der  Zählkammer  . 
Blutkonzentration,  gesetzmässige  Schwan¬ 
kungen  der  — .  von  Veil . 

Blutkrankheiten,  Elarson  bei,  von  Walter- 

höfer . •  ....  2494 

Blutlipoide,  Pathologie  der,  von  Bauer 

und  Skutezky . 1222 


1411 


1336 

660 

2190 

1464 

1630 

1199 


INHALTS-VERZEICHNIS. _ 

Seite 

Blutmengebestimmungen  nach  v.  Behring, 

von  Kämmerer  und  Waldmann  .  •  121b 

Blutmorphologie,  funktionelle  Gesichts¬ 
punkte  aus  der,  von  Naegeli  .  .  •  . 

Blutneubildung,  Höhenklima  und,  von 
Laquer  269,  1336,  —  im  Hochgebirge, 

von  Cohnheim  und  Weber . 

Blutplättchenbefunde  in  inneren  Organen, 

von  Bernhardt . . 

Blutplasma,  Drehungsvermögen  des,  und 
-serums,  von  Abderhalden  und  Weil  . 
Blutpräparate,  mikroskopische,  von  Lenz¬ 
mann  . . 

Blutreaktion,  Hemmung  der,  im  Harn, 

von  Wilheim  .  .  . . '.-••• 

Blutregeneration  bei  Eisenverabreichung, 

von  Schmincke . .  • 

Blutserum,  Chlorgehalt  des,  von  Arnoldi 
884 ,  Untersuchungen  des  Blutplas¬ 
mas  mit  — ,  von  Naegeli  1001,  neue 
Methode  zur  quantitativen  Bestimmung 
von  Uraten  im  — ,  von  Ziegler  1083, 
toxische  Wirkung  des  menschlichen  — , 
von  Bankowski  und  Zcymanowski  1217, 
die  Farbstoffe  des  — ,  von  Hymans 
v.  d.  Bergh  und  Snapper  1337,  Unter¬ 
schiede  zwischen  dem  —  von  Para¬ 
lytikern  und  Präkoxen,  von  Benedek 
und  Ddak  1449,  antitryptische  Wirkung 
des  — ,  von  Kämmerer  1 873,  von  Rosen¬ 
thal  2175,  —  von  Gichtikern,  von  Ehr¬ 
mann  u.  Wol  ff  21 15,2264,  von  Bass  2176, 
Drehungsvermögen  des  — ,  von  Abder¬ 
halden  und  Weil  2190,  die  Reaktion 
des  —  als  Hilfsmittel  zur  Krebsdiag¬ 
nose,  von  Sturroch  2644,  Enzym  Wirkung 
fördernde  Stoffe  im  pathologischen  — , 
von  Guggenheimer  2650,  Diphtherie- 
Antitoxingehalt  des  menschlichen  , 
von  Kleinschmidt  2689,  hämatopoe- 
tischer  Wert  des  — ,  von  Massalongo 


1913. 


Seite 


1001 


830 


und  Gasperini  2750,  fettspaltende  Fer- 


2852 


2691 


1055 


762 


2616 


1001 


mente  im  — ,  von  Caro 
Blutstillung,  Technik  der,  an  den  Hirn¬ 
blutleitern,  von  Mintz  1107,  von  Bor- 
chardt  1504,  —  bei  Leberwunden,  von 
Jaquin  1458,  —  bei  Leberoperationen, 
von  Borszeky  2018,  —  in  der  Nach¬ 
geburtszeit,  von  Zimmermann  .... 
Blutstillungsmethodo,  neue,  und  Wund¬ 
behandlung  durch  das  Koagul  en  Kocher- 

Fonio,  von  Fonio . 1110 

Blutstillungsmittel  s.  u.  Coagulen. 

Blutstrom,  Förderung  des,  durch  Arterien¬ 
puls,  von  Hürthle  73,  —  im  Aorten¬ 
bogen,  von  Quincke  .  .  .  .  ^ 
Blutsverwandtschaft,  schädlicher  Einfluss 
der,  der  Eheleute  auf  die  Gesundheit 
der  Nachkommen,  von  Kanngiesser  . 
Bluttransfusion  bei  geborstener  Tubar- 
schwangerschaft,  von  Green  _1224,  — 
bei  Anämie,  von  Schmid  1457,  direkte 
— ,  von  Göbell  1574,  Wert  der  direkten 

— ,  von  Soresi  .  . . .  2(118 

Blutungen,  Feststellung  versteckter,  im 
Mageninhalt,  von  Brauer  43,  Therapie 
sog.  unstillbarer  —  im  Säuglingsalter, 
von  Blühdorn  96,  Kontrolle  der  post- 
partum-  —  vermittels  manueller  Kom¬ 
pression  der  Aorta,  von  Davis  146, 
okkulte  —  bei  Magenerkrankungen,  von 
Zoeppritz  160,  Therapietübermässig  star¬ 
ker  menstrueller  — ,  von  Rieck  214,  kli¬ 
makterische  —  und  Karzinomprophy- 
laxe,  von  Lehmann  259,  —  im  Tractus 
gastrointestinalis,  von  Stadelmann  6  * 4, 
Behandlung  von  haemophilen  —  mittels 
des  Thermokauters,  von  Hahn  971,  von 
Parreidt  1150,  von  Meyer  1549,  Be¬ 
handlung  von  —  mit  Pferdeserum,  von 
Levison  1224,  —  aus  den  weiblichen- 
Genitalien  auf  haemophiler  Grundlage 
von  Landa  1287,  —  im  Nierenlager,  von 
Schiffmann  1340,  intraperitoneale  — 
infolge  Zerreissung  der  Leberarterie, 
von  Reinhardt  1503,  akzidentelle  — , 
von  Essen-Möller  1965,  grosse  —  wäh¬ 


rend  der  Entbindung,  von  Gjistland 
2042,  Genese  und  Symptomatologie 
intrakranieller  —  beim  Neugeborenen, 
von  Abels  2474,  Behandlung  haemo¬ 
philer  — ,  von  Väzquez-Lefort  2478, 
subendokardiale  — ,  von  Aschoff  2533, 
okkulte  —  im  Stuhlgang,  von  Queisser 
2654,  freie  Fetttransplantation  bei  — 
der  parenchymatösen  Bauchorgane,  von 

Hilse . 

Blutungsanämie,  von  Milne  .  •  -  •  ■ 

Blutuntersuchung,  Methodik  und  Technik 
der  okkulten,  des  Magen darmkanals, 
von  Boas  263,  Notwendigkeit  der  obli¬ 
gatorischen  Einführung  der  —  nach 
Wassermann  bei  der  Kontrolle  der 
Prostituierten,  von  Müller  299,  sero¬ 
logische  — ,  von  Freund  und  Brahm 
1402,  intravitale  bakteriologische  —  bei 
Kindern,  von  Kretschmer  1448,  —  bei 
der  Appendizitis,  von  Schultze  1562, 

—  an  röntgenbestrahlten  Tieren,  von 
Fränkel  1912,  Methodik  der  — ,  von 
Bloch  2196,  —  bei  Bleivergiftung,  von 
Schönfeld  2416,  —  bei  Nervenkranken, 

von  Sauer .  • 

Blutverluste,  erhöhte  Gefahren  an,  bei 
angeborener  Enge  des  Aortensystems, 
von  Melchior  263,  wie  grossen  —  ver¬ 
trägt  ein  Mensch?  von  Gjistland  .  . 
Blutverteilung,  Beeinflussung  der,  durch 
physikalische  Massnahmen,  von  Stru¬ 
bel!  . •  •  •  •  .  •  1 

Bl  utverschiebun  gen ,  psy  choph  y  siol  ogisc  he, 
bei  Läsionen  der  Thalamusgegend,  von 

Schrottenbach . • 

Blutviskosität,  Einfluss  des  Druckes  auf 
den  Koeffizienten  der,  von  Hess  316, 
—  bei  der  Eklampsie,  von  Engelmann 
u.  Elpers  1563,  —  bei  Infektionskrank¬ 
heiten  der  Kinder,  von  Rumianzew  . 
Blutzählung,  Pipetten  und  Mischgefässe 
bei  der  klinischen,  von  Ellermann  .  . 
Blutzellen,  basophil  punktierte  rote,  im 
Knochenmark,  von  Walterhöfer  2066, 
Resistenz  der  farblosen  — ,  von  Fraenkel 
Blutzerfall,  Galle  und  Urobilin,  von  Brugsch 

und  Retzlaff . 

Blutzucker,  der,  von  Bang  990,  Hyper¬ 
tension  und  — ,  von  Port  148,  Bedeu¬ 
tung  des  — ,  von  Benthin  840,  Ver¬ 
halten  des  —  bei  Gesunden  und  Kran¬ 
ken,  von  Rolly  898,  Beziehungen  der 
Nebennieren  zu  — ,  von  Freund  und 
Marchand  1164,  Verhalten  des  —  im 
Fieber,  von  Freund  und  Marchand  1276, 

—  bei  Säuglingen,  von  Bing  und  Win- 
delöv  2359,  —  und  Wärmeregulation, 
von  Freund  und  Marchand  .  .  24/5, 

Blutzuckerbestimmungen,  Bedeutung  von, 
für  Diagnose  und  Therapie  des  Dia¬ 
betes  mellitus,  von  Reicher  216,  1520, 

—  und  Blutlipoidbestimmungen  _bei 

Diabetes  mellitus,  von  Reicher  556, 
klinische  Bedeutung  der  —  beim  Dia¬ 
betes,  von  Tachau  1216,  Toleranzprü¬ 
fung  mit  Hilfe  einer  neuen  Methode 
der  — ,  von  Kraus  2364,  —  bei  Kindern, 
von  Bing  und  Windelöw . 

Blutzuckergehalt  unter  normalen  und  pa¬ 
thologischen  Verhältnissen,  von  Purjesz 
2138,  der  physiologische  —  beim  Kinde, 

von  Goetzky . -••.••• 

Blutzuckeruntersuchungen  bei  chronischen 
Neph  itiden,  von  Borchardt  und  Ben¬ 
nigsen  . 

|  Bochenek  Prof.  Dr.  A.  f . 

|  De  Boeck,  Prof.  Dr.  f  . . 

Bogengangapparat,  Entwicklung  der  Lehre 
vom  peripherischen  und  zentralen, 
von  Bäräny  2362,  Anatomie  des  — , 
von  Reich  2362,  Physiologie  des  — , 
von  Rothfeld  2362,  Klinik  des  — ,  von 

Bäräny  .  . . . . 

Bolus  alba  im  Handschuh,  von  Burmester 
371,  1728,  Verwendung  der  —  bei  der 
Händedesinfektien,  von  Günther  .  . 


2802 

1106 


2701 

2072 

893 

2479 

2807 

1106 

2419 

37 


:75,  2860 


2804 


2804 


2275 

1303 

2767 


2362 

826 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


XLIII 


Seite 

Bolusseife,  Händedesinfektion  mit,  und 

— pasta,  von  Kutscher . 827 

Bolzungen  s.  u.  Gelenkbolzung. 

Bolzung,  Behandlung  von  Vorderarm¬ 
frakturen  mit,  von  Schöne .  2327 

Bomintabletten . 426 

Borcholin  bei  Tuberkulose,  von  Melder  u. 

Ascher  .  748.  1041 

Bornyval  s.  u.  Neubornyval. 

Bosnien  s.  u.  Briefmarken,  Medizinische 
Erfahrungen. 

Botulismuserkrankungen,  6  klassische,  in 

der  Eifel,  von  Schumacher . 124 

Bourget  Prof.  Dr.  L.  f  1696,  von  Rabow  2180 
Bovotuberkulin  als  Diagnostikum  bei  chi¬ 
rurgischer  Tuberkulose,  von  Buch  .  .  2015 
Boykottierung  eines  dem  Verein  nicht  an- 

gehörigen  Arztes . 874 

Brachialplexusneuritis  und  -polyneuritis, 

metapneumonische,  von  Biermann  .  .  263 

Brachett  Dr.  J.  E.  f .  54 

Bradykardie  bei  Leberverletzungen,  von 
Rubaschow  1162,  von  Finsterer  .  .  .  1162 
v.  Bramann,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  f 
1016,  zur  Erinnerung  an  — ,  von 

Anton  . 1438 

Brandwunden,  Behandlung  von,  mit 

Amidoazotoluol,  von  Berlatzky  .  .  .  2808 
Brasilien  s.  u.  Reiseskizzen. 

Brauereiindustrie,  hygienische  Verhältnisse 

in  der,  von  Hanauer . 2416 

Brechakt  des  Hundes,  von  Hesse  .  .  .  832 

Brendel-Müllersche  Reaktion,  von  Plaut 
238,  ist  die  Ausführung  der  —  durch 
den  praktischen  Arzt  empfehlenswert? 
von  Pöhlmann  591,  —  bei  Malaria, 

von  Zschucke .  2137 

Brenner  zur  Beseitigung  von  Geschwülsten 

des  Colliculus  seminalis,  von  Dommer  2859 
Brief  aus  Amerika  1289,  Belgrader  — 

1693,  1795,  1861,  Berliner  —  100,  210, 

221,  321,  667,  1000,  1415,  1509,  2142, 

2317, 2493, 2647, 2764,  2811,  Breslauer  - 
501,  2436,  2647,  Hamburger  —  45,  2540, 

—  aus  Italien  101,  552, 1112,  1567,  2142, 

2648,  2856,  —  aus  Konstantinopel  46, 
Londoner  —  267,  1736,  2074,  2593, 

—  aus  Moskau  607,  888,  Schweizer  — 


152,  1346,  2811,  —  aus  Strassburg  719, 

1861,  Wiener  —  320,  1171,  1625,  2250, 

2426,  2813 

Briefkasten  .  2768,  2872 

Briefmarken,  bosnische . 111 

Brightsche  Krankheit,  zweimalige  Edebohl- 
sche  Operation ,  Basedowsymptome, 

von  Pulawski  . 485 

Brille  s.  a.  Jagdbrille,  Schiessbrille. 

Brille,  die,  als  optisches  Instrument,  von 
v.  Rohr  150,  punktuell  abbildende  — 

von  Gleichen . 1680 

Brillenkunde,  Fortschritte  in  der,  von 
Hegner  149,  Kurs  für  —  in  Pest  .  .  224 
British  Medical  Association  s.  u.  Asso¬ 
ciation. 

Bromdarreichung,  zweckmässige  Form  der, 

von  Joedicke  .  2551 

Bromexanthem,  von  Rach . 675 

Bromoderma,  von  Winternitz  331 ,  —  tubero¬ 
sum,  von  Goldreich .  2763 

Brompräparate,  von  Amman  1343,  Ver¬ 
halten  von  —  im  Tierkörper,  von 

Gutknecht  .  2066 

ßromsalze,  Wirkung  der,  von  Bernouilli  .  2535 
Bromtherapie,  die  pharmakologischen 
Grundlagen  der,  bei  der  Epilepsie,  von 

v.  Wyss . 484 

Brom  Wirkungen,  physikalisch  -  chemische, 


im  Organismus,  von  Januschke  .  .  1047 
Bronchialasthma  als  anaphylaktische  Er¬ 
scheinung,  von  Manoilow  997,  zur 
Theorie  des  — ,  von  Ephraim  1570, 
Behandlung  des  —  mit  dem  Vibro- 
inhalationsapparat,  von  Gerber  .  .  .  2691 
Bronchialbaum,  Form,  Lage  und  Lagen¬ 


änderungen  des,  im  Kindesalter,  von 

Engel .  2299 

Bronchialdrüsentuberkulose,  röntgenogra¬ 
phischer  Nachweis  des  primären,  bei 
der,  von  Simon  . 1784 


Seite 

Bronchialerkrankungen ,  Durstkuren  bei 
chronischen, von  Singer  41,  syphilitische 

— ,  von  Hochhaus . .  .  385 

Bronchialkarzinom,  primäres,  von  Kreg- 

linger . 429 

Bronchialmuskulatur  der  überlebenden 
Meerschweinchenlunge,  von  Baehr  und 
Pick .  2747 


Bronchiektasien,  von  Hildebrand  955,  Heil¬ 
stättenerfahrungen  über  — ,  von  Bauer  369 
Bronchien,  mechanische  Bedeutung  der, 
von  Jansen  543,  von  Tendeloo  1726, 


partielle  Wismutfüllung  der  —  intra 
vitans,  von  Telemann  . 778 


Bronchiolitis  obliterans,  von  Assmann  .  1296 
Bronchitis,  Behandlung  der  akuten,  Bron¬ 
chiolitis  und  Bronchopneumonie  bei 
Säuglingen  mit  heissen  Bädern,  von 
Arneth2248,  Vakzinen  bei  der  Behand¬ 
lung  von  chronischem  —  u.  des  Asthmas, 

von  Pirie .  2643 

Bronchoskop,  Fremdkörperentfernung  aus 

der  Lunge  durch  das,  von  Thost  .  .  2545 
Bronchoskopie  s.  a.  Untersuchungsme- 
thoden. 

Bronchoskopie,  über,  von  Knick  560,  — 
u.Oesophagoskopie,  von  Friedberg  1522, 
Entfernung  eines  Fremdkörpers  durch 
untere  — ,  von  Friedrich  2147,  Ent¬ 


fernung  eines  Fremdkörpers  durch  — 
inferior  aus  dem  1.  Bronchus,  von 

Zoeppritz  u.  Weiland  .  . .  2758 

Bronchoskopische  Entfernung  einer  Sicher¬ 
heitsnadel  aus  dem  Bronchus,  von 

Konjetzny .  2758 

Bronchoskopische  Röhren  für  Kinder,  von 

Killian . 1514 

Bronchostenose,  Diagnostik  der,  von  Jacob¬ 
son  373,  Röntgendiagnostik  der  — ,  von 

Ziegler .  2641 

Bronchotetanie,  von  Lederer . 1279 

Brophenin . 426 

Brot  s.  a.  Ganzkornbrot. 

Brot,  das,  als  Träger  der  Diphtherie,  von 

Moreau . 789 

Brotsorten,  Verdaulichkeit  einiger,  von 

Hinhede . 599 


Bruch  s.  a.  Bauchbrüche,  Blasenbrüche, 
Darmbrüche,  Netzbruch,  Riesenbruch, 
Gleitbrüche. 

Bruchband,  Operation  oder  ?,  von  Chlumsky  427 
Bruchbehandlung,  Allgemeines  über,  von 


Witzei . 516 

Bruchenden,  Reposition  der,  in  Lokal¬ 
anästhesie,  von  Dollinger . 1218 

Brüche,  Therapie  der  eingeklemmten, 

von  Gussew .  ....  2532 

Brüning,  Generaldirektor  Dr.  v.  f  .  .  .  .  392 
Brunst,  experimentelle,  von  Aschner  .  .  611 
Brustbein,  Chirurgie  des,  von  Hartung  .  2135 
Brustdrüsen,  Hypertrophie  der,  von  Gus¬ 


sew  993,  überzählige  — ,  von  Frühwald 
1800,  Einfluss  der  Ovarien  auf  das 
Wachstum  der  — ,  von  Schickele  .  .  2298 
Brusternährung,  die,  von  Forsyth  .  .  .  2694 
Brustkinder,  Ernährungsstörungen  der, 

von  Friedjung . 1279 

Brustkorb,  Bewegung  des,  bei  der  Atmung, 

von  Keil .  2457 

Brustmuskeldefekte,  zur  formalen  und 
kausalen  Genese  der,  und  Brustdrüsen¬ 
defekte,  von  Walther  1107,  angeborene 

— ,  von  v.  Strümpell .  2088 

Brustwarzen,  rasche  Heilung  wunder,  von 

Neubauer .  2805 

Brustwirbelsäule,  häufige  Anomalie  der 

unteren,  von  Gundermann . 1879 

Bubo,  Behandlung  des,  mit  Röntgen¬ 
strahlen,  von  Wittig  2748,  Behandlung 
der  vereiterten  —  mit  Methylenblau- 
Silber,  von  Saphier  und  v.  Zumbusch  2748 
Buchdruckgewerbe,  Ursachen  der  Haut¬ 
erkrankungen  im,  von  Zellner  und 


Wolif . 1902 

Buchhandlung  s.  u.  Leipziger  Verband. 
Bücherei,  Max  Hesses,  des  modernen 

Wissens,  von  Beerwald  und  Dippe  880,  1725 
Bürkner,  Geh.  M.-R  ,  Prof.  Dr.  f  ...  2031 
Buhlii  morbus,  Aetioiogie  des,  vonLuksch  1284 


Seite 

Bulbärparalyse,  akute  syphilitische,  von 
Schlesinger  108,  tabische  — ,  von 

Troern  ner .  2755 

Bulbus,  angeborene  Retraktionsbewe¬ 
gungen  bei  Adduktion  des,  von  Elsch- 
nig  388,  doppelte  Perforation  des  — , 
von  Kraus . 1298 


C. 

Cachexia  thyreopriva,  das  Blutbild  bei, 

von  Kocher .  40 

Cadogel  bei  Ekzem,  von  Bugarsky  und 

Török . 2139 

Caissonarbeit,  Gefahren  der,  von  Silber¬ 
stern  . 1392 

Calleja  y  Sanchez  f . 1016 

Calotropis  procera,  von  Lewin . 601 

Calziron . 1839 

Cammidgesche  Reaktion,  Wert  und  Wesen 
der,  bei  Pankreaserkrankungen,  von 
Mayesima  200,  Bedeutung  der  —  für 
die  Diagnostik  der  Pankreaserkran¬ 
kungen,  von  Lanzer  . 546 

Cancer  recti  s.  a.  Mastdarmkrebs. 

Cancer,  Imperial  Research  Fund  .  ...  2353 

Capsules  surrenales,  les  lesions  des,  dans 

la  scarlatine  von  Hutinel .  2299 

Caravonica- Verband  watte .  2472 

Carcinoma  ventriculi,  von  Gerhardt  106, 
von  Wendel  383,  Heilung  von  —  uteri 
nach  Probeauskratzung,  von  Hess  1283, 
von  v.  Hansemann  1283,  —  psammosum 
des  Ovariums,  von  Martius  1450,  Ent¬ 
fernung  eines  —  uteri  durch  Probeaus¬ 
kratzung,  von  Prym  1507,  Histologie 
eines  —  cervicis  uteri,  von  Liegner  1951, 

—  vaginae,  von  Veit  2024,  regionäre 
Lymphdrüsen  und  Ureter  beim  —  colli 
uteri  in  gravididate,  von  Rühle  2298, 

Wert  der  Probeausschabung  zur  Dia¬ 
gnose  des  —  corporis  uteri,  von  Burk¬ 
hard  . .  2803 

Carcinosarcoma  uteri,  von  Stein  ....  146 

Carotis,  Unterbindung  der,  communis,  von 

Smoler . •  .  .  371 

Cataracta  nigra,  von  Elschnig  und  v.Zeynek  107 

Caviblentherapie,  von  Sommer  .  ...  2476 

Ceolat . 426 

Cereus,  Extrakt  aus,  grandiflorus,  von 

Groeber . 1863 

Cheilotomie,  von  Handley  u.  Ball  .  .  .  2642 

Chelonidin .  2472 

Chelonisol .  2472 

Chemie  der  Fette,  von  Jolles  86,  Grund¬ 
riss  der  anorganischen  — ,  von  Oppen¬ 
heimer  86,  —  bei  Tuberkulose  und 
Skrofulöse,  von  Zeuner  1785,  Lehrbuch 
der  organischen  — ,  von  v.  Bunge  2741, 
Probleme  der  physiologischen  und 
pathologischen  — ,  von  v.  Fürth  .  .  .  2799 
Chemische  Industrie,  Krankheits  Verhält¬ 
nisse  in  der,  von  Curschmann  ....  1395 
Chemotherapie,  von  Ehrlich  1959,  experi¬ 
mentelle  —  der  bakteriellen  Infektion, 
von  Levy  96,  —  bei  der  Diplobazillen- 
infektion  des  Auges,  von  Gebb  964, 

—  der  Tuberkulose,  von  Rothschild 
1004,  von  Mehler  und  Ascher  1941,  von 
Schütze  2806,  —  der  Spirochaetosen, 
von  Giemsa  1074,  —  der  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Hinze  1302,  intravenöse  — 
bei  inoperablem  Uteruskarzinom,  von 
Klotz  1704,  von  Bodmer  1756,  von 
Mayer  2013,  2096,  —  der  Pneumokok¬ 
keninfektion,  von  Morgenroth  und 
Kaufmann  2067,  von  Gutmann  482, 
kombinierte  —  und  Strahlentherapie 
maligner  Geschwülste,  von  Seeligmann  2369 

Chimärenforschung,  Wege  und  Ziele  der, 

von  Winkler . 2867 

Chinaalkaloide,  Wirkung  von,  auf  Pneu¬ 
mokokkenkulturen,  von  Tugendreich 

und  Russo . 2801 

Chineonal,  von  Fraenkel  und  Hauptmann 
223,  Behandlung  des  Keuchhustens 
mit  — ,  von  Pauli .  2249 


XLIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


1520 

309 


Seite 


Chinin,  Wirkung  des,  und  des  Salizyl¬ 
säuren  Natriums  auf  das  innere  Ohr, 

von  Rister . 996 

Chininpräparate,  neuere,  von  Giemsa  und 

Werner . •  •  •  1400 

Chininprophylaxe  oder  mechanischer 
Malariaschutz,  von  Külz  1400,  von 
Waldow  1400,  —  in  der  Malaria,  von 

Rüge  1400,  von  Treutlein . 

Chirurg,  die  Arbeitsstätte  des,  und  Ortho¬ 
päden,  von  Langemak . 

Chirurgenkongress,  zur  Einladung  des, 

nach  Leipzig . H2S 

Chirurgenvereinigung,  südostdeutsche  .  1471 
Chirurgie,  Lehrbuch  der  allgemeinen,  von 
Lexer  32,  von  Tillmanns  1214,  Lehr¬ 
buch  der — ,  von  Wullstein-Wilms  142, 
physiologische  — ,  von  Klapp  793, 
travaux  de  —  anatomo-clinique ,  von 
Hartmann  1043,  Fortschritte  auf  dem 
Gebiete  der  —  der  Leber  und  des  Pan¬ 
kreas,  von  Burkhardt  1155,  die  — der 
quergestreiften  Muskulatur,  von  Kütt- 
ner  und  Landois  1444,  die  —  der  Blut¬ 
gefässe  und  des  Herzens,  von  Jeger 
1444,  nouveau  traite  de  — ,  von  le  Dentu 
und  Delbet  1 501 , 1895,  orthopädische  — 
der  Extremitäten,  von  Mauclaire  1501, 
Ergebnisse  der  —  und  Orthopädie,  1559, 

—  der  Nierentuberkulose,  von  Wild¬ 
bolz  1725,  —  der  Lebergeschwülste, 
von  Thöle  1782,  Jahrbuch  für  ortho¬ 
pädische  — ,  von  G'aessner  1782,  — 
des  Arteriensystems  2018,  Diskussion 
über  intrathorakale  —  (Ref.  Sauerbruch) 

2019,  Diabetes  und  — ,  von  Kaposi  2069, 

—  du  Crane,  du  Rachis,  du  Thorax,  du 
Bassin  et  des  Membres,  par  Denucö 
et  Novfi-Josserand  2531,  Lungentuber¬ 
kulose  und  — ,  von  Gorse  und  Dupuich 
2538,  Fortschritte  in  der  orthopädischen 

— ,  von  Künne .  2587 

Chirurgische  Diagnostik,  spezielle,  von 

de  Quervain . 1274 

Chirurgische  und  orthopädische  Eingriffe 

im  Säuglingsalter,  von  Spitzy  .  .  .  2373 

Chirurgische  Operationen,  Lehrbuch  der, 

von  Krause  und  Heymann  ...  .  540 

Chirurgische  Untersuchungsarten,  von 

Manz  931,  —  Untersuchungsmethoden, 

von  Gebele . 931 

Chlamydozoenbefunde  bei  Schwimmbad- 
konjunktivitis,  von  Huntemüller  und 

Paderstein . 148 

Chloraethylnarkose,  von  König .  39 

Chloraethylrausch,  der,  in  der  operativen 

Zahnheilkunde,  von  Kreucker  .  .  .  1790 
Chloreton  Vergiftungen,  von  Wynter  .  .  .  2694 
Chloride,  Ursprung  der  anorganischen,  im 
Magensekret,  von  Singer  2694,  Apparat 
zur  Bestimmung  der  —  im  Harn,  von 

Weiss .  2842 

Chlorkaiksterilisation,  neues  Verfahren 
der,  kleiner  Trinkwassermengen,  von 

Langer . .  .  •  2194 

Chlorkalzium,  Erhöhung  der  natürlichen 
Resistenz  gegen  Infektionsquellen 
durch,  von  Emmerich  und  Loew  1730, 

—  bei  Lungentuberkulose,  von  Schütze  2262 
Chlorkalziumgelatine,  von  Müller  u.  Saxl  167 
Chlorkalziumzufuhr  bei  Heufieber,  von 

Emmerich  und  Loew  .  .  ....  2676 

Chlormetakresol  zur  Schnelldesinfektion 

der  Hände,  von  Kondring  .  .  .  .  661 

Chloroform,  das,  in  der  Rhino-Pharyn- 

gologie,  von  Blanluet . 829 

Chloroformanästhesie,  8  Jahre,  in  der 

Nasen-  und  Halschirurgie,  von  Grayson  829 
Chloroformnarkose  und  Leberkrankheiten, 
von  Hildebrandt  527,  —  und  Neben¬ 
nierenkapseln,  von  Delbet,  Herren¬ 
schmidt  und  Beauvy  548,  Adrenalin 
bei  der  — ,  von  Depree  1736,  Herz¬ 
massage  bei  Herzstillstand  unter  — , 
von  Pieri  1850,  plötzliche  Todesfälle 
bei  leichter  — ,  von  Nobel  2252,  über 
—  und  Aethernarkose,  von  Kochmann 
2301,  Gefährlichkeit  kleiner  Adrenalin¬ 
dosen  bei  oberflächlicher  — ,  von  Depree  2438 


1913. 


Seite 


145 

1614 

2744 


92 

1162 

1562 


2588 


Chlorom,  von  v.  Pirquet  564,  von  Sim- 
monds  2702,  —  der  Brustwirbelsäule, 

Chlorometer,  von  Weiss . ■_  •  2842 

Chlorose,  Beiträge  zur,  und  Eisentherapie, 
von  Kottmann  36,  Aetiologie  der  — , 

von  de  Dominicis  .  ■  •  •  2076 

Chlorretention,  anhydropische,  von  Leva 
834,  Funktion  der  Nieren  und  —  bei 
fieberhaften  Krankheiten,  von  Snapper 
2472,  Permeabilitätsänderung  der  Zel¬ 
len  als  Ursache  der  — ,  von  Snapper  2472 
Choledochoduodenaldrainage,  von  v.  Hof¬ 
meister  . . 

Choledocho-Duodenostomie,  von  Sasse  . 
Choledochotomia  transpancreatica,  von 

v.  Fink . 

Choledochus,  Beiträge  zur  Chirurgie  des, 
von  v.  Hofmeister  225,  Regenerierung 
des  — ,  von  Propping  882,  Bildung  eines 

künstlichen  — ,  von  Cahen . 1503 

Choledochusbildung,  künstliche,  durch  ein¬ 
faches  Drainrohr,  von  Arnsperger  und 

Kimura  .  .  •  . 

Choledochusersatz  durch  Einpflanzung  des 
Proc.  vermiformis,  von  Molineus  .  . 
Choledochusverschluss,  weisse  Galle  beim 
absoluten  dauernden,  von  Bertog 
Cholelithiasis,  über,  von  Bain  843,  Be¬ 
handlung  der  —  mittels  einer  tropi¬ 
schen  Pflanze,  von  Hagelweide  1453, 
Rettigsaft  bei  — ,  von  Engels  2029,  Pa¬ 
thologie  der  — ,  von  Klose  2545,  zur 
Frage  der  — ,  von  Aoyama  ... 
Cholera  54, 111, 168,  224,  280  336,  391,  44/, 

504,  567,  791,  846.  903,  960,  1015,  1071, 

1184, 1240,  1639,  1696.  1752  1807,  1864, 

1918,  1975.  2031,  2095,  2152,  2204,  2264, 

2319,  2384,  2440,  2496,  2551,  2600,  2656, 

2711,  2767,  2822,  2872,  die  —  in  Kon¬ 
stant!  nopel  und  ihre  Bekämp'ung  46, 
Desinfektionsmittel  bei  — ,  von  Murillo 
319,  Rogersche  Methode  bei  der  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Megaw  940,  le  — 
asiatique  dans  la  marine  ä  Toulon 
1911,  von  Defressine,  Cazeneuve, 
Olivier,  Coulomb  1401,  die  —  in  Ser¬ 
bien,  von  Drigalski  1796,  von  Jaeger 
18  >1,  1918,  die  —  in  Lybien  2142,  Rolle 
der  Kontaktiifektion  in  der  Epi¬ 
demiologie  der  — ,  von  Eckert  ... 
Choleraepidemie,  die,  in  Belgrad,  von 

Moufel . 1861 

Cholera-  und  Typhusgangrän,  von  Welcher  2474, 

2688 

Choleratoxine  und  Antitoxine,  von  Horo- 

witz .  •  •  2637 

Choleraübertragung  durch  Nahrungsmittel, 

von  Kobler .  2749 

Choleravibrio  in  den  Gallenwegen,  von 

Greig . .  •  940 

Cholesteatom,  epidermoidales,  des  Gehirns, 

von  Meyer . 000 

Cholesterin,  Nachweis  von,  von  Weltmann 
388,  Bedeutung  des  —  im  Organismus, 
von  Wacker  und  Hueck  993,  Bestim¬ 
mung  des  gesamten  —  im  Blut  und  in 
Organen,  von  Authenrie'h  und  Funk 
1243,  von  Lifschütz  1549,  2346,  von 

Schreiber .  .... 

Cholesterinäraie ,  experimentelle,  von 
Wacker  u.  Hueck  2097,  Hypertension 
und  — ,  von  Cantieri  2476,  über  — ,  von 
Obakewicz  .  .  .  ...... 

Cholesterinbehandlung  bei  Anaemia  sple- 

nica,  von  Cantieri  ...  2749 

Cholesterinester,  experimentell  erzeugte 
Ablagerungen  von,  und  Anhäufungen 
von  Xanthomzellen  im  subkutanen 
Bindegewebe  des  Kaninchens,  von 

Anitschkow .  2555 

Cholesteringehalt  des  Blutes  — ,  von  Henes 

1783,  von  Secchi  . .  .  1850 

Cholesterinnachweis  im  Blutserum,  von 

Weltmann . 1284 

Cholesterinsteatose,  experimentelle,  von 

Anitschkow  ..........  1845 

Cholesterinsteine, wie  entstehen  die  reinen? 

von  Aschoff . 1153 


2750 


938 


1776 


2637 


94 


2750 

2539 


2916 


2001 


2808 


Cholesterinstoffwechsel,  von  Klinker  1 1046,  ^ 

Cholesterinurie,  von  Barberio  . 

Cholesterin  Verfettung,  experimentelle,  von 

Anitschkow .  ...... 

Cholestolreaktion,  geben  die  Cholesterin¬ 
fette  die  Liebermannsche?  von  Lif¬ 
schütz  1549,  zur  Kenntnis  der  Lieber- 
mannschen  — ,  von  Autenrieth  u.  Funk 
Cholezystektomie,  snbseröse  Drainage  des 
Zvstikusstumpfes  nach  einfacher,  von 
Flörcken  2298,  experimentelle  u.  ana¬ 
tomische  Untersuchungen  nach  — , 

von  Rost  .  ...... 

Chondrodystrophia,  familiäre,  foetalis,  von 
Chiari  248,  klinisches  Bild  der  —  foe¬ 
talis,  von  Jaroschy  882,  familiäre  — , 
von  Wagner  1124,  — fetalis,  von  Brüning  1/46 
Chondrodystrophische  Zwergin,  chondro- 

dystrophisches  Kind  einer,  von  Swoboda  Io-jO 
Chordom,  rezidivierendes  bösartiges,  der 
sakrokokzygealen  Gegend,  von  Vecchi 

91,  über  — ,  von  Hässner . 

Chorea,  Salvarsan  bei,  gravidarum,  von 
Härtel  184,  die  syphilistische  Natur  der 
Sydenhamschen  — ,  von  Milian  333, 
die  Einbruchspforten  der  Sydenham¬ 
schen  — ,  von  Branson  605,  Hunting- 
tonsche  — ,  von  Weber  608,  intravenöse 
Salvarsaninjektionen  bei  Sydenham- 
scher  — ,  von  Marie  u.  Chatelin  677, 
syphilitischer  Ursprung  der  Sydenham¬ 
schen  — ,  von  Grenet  u.  Södilot  958, 
hirnpathologische  Ergebnisse  bei  - 
chronica,  von  v.  Niessl-Mayendorft 

1449,  zur  —  chronica  hereditaria,  von 

Goldstein  1659,  Behandlung  der  — 
mit  \1agnesiumsulfat,vonFeliciani  1850, 
das  Salvarsan  bei  der  Behandlung  der 
Sydenhamschen  — .  —  und  Erblues, 

von  Fiore  . 

Choreatiker,  der  Tod  bei,  während  der 
Schwangerschaft,  von  Lepage  . 

Chorioidea,  Rundaellensarkom  der,  von 

Siegrist . •  •  • 

Chorionepitheliom,  von  Uhle  154,  —  der 
Leber,  von  Paltauf  1069,  von  Fischer 

1450,  Klinik  und  Histologie  des  — , 
von  Heimann  2745,  maligne  —  mit 
langer  Latenzzeit,  von  Polano  .  .  .  2803 

Chorionzotten,  von  Ries  . 1^22 

Chorvereinigung  Berliner  Aerzte  ....  3J1 

Christian  Science  s.  u.  Hohenlohe. 

Chromate,  Bedeutung  der,  für  die  Ge- 

sundheit,  von  Lehmann  ......  36/ 

Chylorrhöe  aus  dem  Darm,  von  Fleisch- 

mann .  ...  157b 

Chyluszysten,  multiple  mesenteriale,  von 

Poulsen . 197b 

Citrospirinum . •  •  24/2 

Coagulen  Kocher-Fonio,  ein  neues  Blut¬ 
stillungsmittel,  von  Obermüller  2832, 

von  Fonio . .  • 

Coccidienuntersuchungen,  von  Schellack 
und  Reichenow  ....... 

Cocoboloholz,  hautreizende  Wirkung  des, 

von  Nestler  . .  •  • 

Codeonal,  klinische  Erfahrungen  mit,  von 
Mann  474,  von  Bönning  1681,  Wir- 
kung  des  — ,  von  Marcantoni  ....  48/ 

Coecum  s  u.  Zoekum. 

Coeliacin  s.  u.  Sklerodermie. 

Cöliazintabletten . .  183J 

Coeur,  le,  et  l’Aorte  Etüde  de  Radiologie 

clinique,  par  Vaquez  et  Bordet  .  .  .  25*30 
Colitis  s.  a.  Kolitis. 

Colitis  chron.  gravis,  von  Rosenheim  1221, 

—  ulcerosa,  von  Schwarzwald  .  .  . 

Collicullus  seminalis ,  Entzündung  des, 
und  seine  Folgen,  von  Orlowski  93.», 
Brenner  zur  Beseitigung  von  Ge¬ 
schwülsten  des  — ,  von  Dommer 
Colon,  Ruptur  des,  ascendens  durch  Huf¬ 
schlag,  von  Enderlen  1859,  —  mobile 
u.  1 1 eozoekaltuberk ulose,  von  Holländer 
2297,  Karzinom  des  —  descendens,  von 

Albrecht  . .••.•••* 

Colpitis,  Herkunft  der  Keime  bei,  emphy- 

sematosa,  von  Aichel . H94 


1110 

1166 

368 


1576 


2859 


2865 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLV 


Seite 


Cols  et  Sommets,  von  Galli-Valerio  .  .  .  2128 
Coma  diabeticum,  von  Ehrmann  148,  Na¬ 
trontherapie  bei  — ,  von  Ohnacker  1170, 
Verminderung  des  Augendrucks  beim 

— ,  von  Hertel . 1190 

Condylus,  typische  Verletzung  am,  medialis 

femoris,  von  Ewald . 1662 

Contributions  ä  la  connaissance  des  voies 
d'infection  de  la  tuberculose  chez  les 
enfants  dans  leus  premiere  annbe  de 

vie,  von  Medin .  2300 

Conus,  Stenose  des,  arteriosus,  von  Fischer  009 
Copai  vabalsam,  Exantheme  nach  Gebrauch 

von,  von  Fischer . 1047 

Corpora  amylacea  im  endoskopischen  Be¬ 
funde  der  hinteren  Harnröhre,  von 

Loose  u.  Steffen . 773 

Corpus  luteum,  innere  Sekretion  des,  von 
Kiutsi  146,  —  und  Schwangerschaft, 
von  Miller  443,  1109,  Funktion  des  — , 
von  Dick  u.  Curtis  486,  Chemie  des  — , 
von  Herrmann  1349,  Physiologie  des 

— ,  von  Herrmann  . .  2432 

Corpus  luteum-Bildung  und  Menstruation, 

von  Meyer  u.  Rüge . 205 

Corpus  luteum  Zysten  und  Hyperemesis 

gravidarum,  von  Cohn .  2370 

Cortische  Organe,  von  Brühl . 1569 

Cortusa  Matthioli,  eine  stark  hautreizende 

Pflanze,  von  Nestler .  .  368 


Coryfin  und  seine  Anwendung  in  der 
Ohrenheilkunde,  von  Kirchner  .  .  .  1934 
Cotoin,  Wirkung  des,  von  Impens  .  .  .  2194 
Coxa  valga,  doppelseitige  kongenitale,  von 

Lackmann .  49 

Coxa  vara,  Röntgenbild  bei,  von  Reichard 
438,  —  congenita,  von  Drehmann  731, 
Entstehung  der  — ,  von  Glaessner  832, 

—  infolge  Karies  am  Collum  femoris. 


von  Engelmann . 1180 

Coyne  Prof.  Dr.  P.  f . 1640 

Crandall  Dr.  Gge.  C  f  . 112 

Credbscher  Handgriff  und  Uterusinversion, 

von  Bierer . 1222 

Cugini  Prof.  Dr .  2767 

da  Cunha  Feijö  f . 792 

Cyclophorus  (Anophilis)  nigripes  Staeger, 
von  Eysell . 1344 


CyllinlösuDg,  Einwirkung  von,  auf  Milz¬ 
brandsporen,  von  Lange .  2640 

Cymarin,  ein  neues  Herz-  und  Gefässmittel 
715,  von  Allard  994,  — bei  Myocarditis 

chronica,  von  Kolb .  2301 

Cyprin .  ....  2472 

Cysteinschwefel,  antiseptische  Eigenschaf¬ 
ten  des,  von  Saxl . 1898 

Cystitis,  Aetiologie  der,  emphysematosa, 
von  Schönberg . 1220 


D. 

Dämmerschlaf,  der,  in  der  Geburtshilfe 
mit  konstanten  Skopolaminlösungen, 


von  Siegel .  2280 

Dämmerzustände,  von  Heidenhain  .  .  .2175 


Dalcrozesche  BildungsanstaltinHellerau  102, 154 
Dampfdesinfektion  von  milzbrandhaltigem 
Material,  von  Lange  und  Rimpau  .  .  .  2640 
Darm,  Genese  der  karzinoiden  Tumoren 
sowie  der  Adenomyome  des,  von  Salty- 
kow  315,  pharmakologische  Einflüsse 
auf  den  — ,  von  Katsch  769,  Arterio¬ 
sklerose  des  — ,  von  Bacaloglu  1050, 
Verhalten  des  —  gegenüber  der  Ver¬ 
dauungstätigkeit  des  Magensaftes,  von 
Fiori  1726,  Physiologie  des  — ,  vonRona 


und  Neukirch . 2130 

Darmatresien,  Pathogenese  der  angebore¬ 
nen,  von  Forssner  427,  Pathogenese 
der  angeborenen  —  und  Oesophagus- 
atresien,  von  Forssner  1161,  von 

Kreuter . 1161 

Darmausschaltung,  von  Brauser .  2091 

Darmbakterien,  Bedeutung  der,  für  die  Er¬ 
nährung,  von  Schottelius . 1506 


Seite 

Darmbewegungen,  physikalische  Beeinflus- 
f  sung  der,  von  Katsch  und  Borchers  769, 
Experimentelles  über  — ,  von  v.  Berg¬ 
mann  784,  897,  —  und  Darmform,  von 
v.  Bergmann  786,  832,  von  Katsch  832, 
von  v.  Bergmann  und  Katsch  1566,  Ent¬ 


stehung  der  — ,  von  Weiland . 2130 

Darmblutungen,  Behandlung  von  typhösen, 

von  Nottebaum .  2805 

Darmbrüche,  Radikaloperation  der,  mit 
inkomplettem  Bruchsack,  von  Schmidt  1502 
Darmeinklemmung,  retrograde,  beißrüchen, 

von  v.  Wistinghausen . 1502 

Darmerkrankungen,  Präzipitinreaktion  bei, 

von  Isabolinsky  und  Pacewicz  ....  2808 
Darmfäulnis,  von  Rodella . 2011 


Darmgase,  Entwicklung,  Resorption  und 
Elimination  der,  von  Schilling  ....  711 
Darmgekröse,  chirurgische  Krankheiten 
und  Verletzungen  des,  und  des  Netzes, 
von  Prutz  und  Monnier  ....  .  656 

Darminfarkte,  Chirurgie  der,  von  Reich  .  2743 
Darminkarzeration, retrograde, vonMerkens  2641 
Darminvaginationen,  von  Propping  782, 
Aetiologie  der  — ,  von  Treplin  1204, 
Erfahrungen  über  — ,  von  Sasse  .  .  .  2144 
Darmkanal,  Bakterioiogiedes,vonAndrewes  1735 
Darmkarzinome,  kleine,  von  Dietrich  2300, 

multiple  — ,  von  v.  Muralt .  2852 

Darmkatarrh,  Molketherapie  bei  ruhr¬ 
artigem,  von  Frank . 771 

Darmkrankheiten,  Klinik  der,  von  Schmidt 
308,  Behandlung  von  —  mit  Sauerstoff, 
von  Schmidt  491 ,  Röntgendiagnostik  der 

— ,  von  Faulhaber .  2687 

Darmmotilität,  psychische  Beeinflussung 

der,  von  Katsch . 770 

Darmohstruktion,  Todesursache  bei  der 

akuten,  von  Wilkie . 1968 

Darmresektion,  seltene  Indikation  zur, 

von  Sultan . 761 

Darmsarkome,  von  Wortmann .  2068 

Darmstase,  chronische,  von  Lane  941, 
von  Hertz  1735,  von  Fagge  2693, 
chirurgische  Behandlung  der  — ,  von 

Paterson . 1968 

Darmstenosen,  multiple  tuberkulöse,  von 
Lotheissen  1299,  kongenitale  — ,  von 

Stolte  .  .  2689 

Darmstrangulation,  Aetiologie,  Symptoma¬ 
tologie  und  Pathogenese  der  akuten, 
von  Polacco  und  Neumann  ...  .  1277 

Darm vei Schluss  nach  Entbindungen  bei 
plattem  Becken,  von  Rieck  205,  arterio- 
mesenterialer  ,  von  Bollag  939,  von 
v.  Haberer  1559,  akuter  —  mit  Darm¬ 
steifungen,  von  Ryser .  2853 

Darwinismus,  ein  Handbuch  des,  von  Plate  2849 
Dauerernährung  mittels  der  Duodenal¬ 
sonde,  von  Ritz . 1731 

Dauerinfusion,  intravenöse,  von  Fried¬ 
mann  1022,  1264,  zur  — ,  von  Burkhard  1683 
Dauerpneumothorax,  der  künstliche,  von 


Röchelt  .  .  . .  2692 

Dauerpräparate,  Konservierung  von,  in 
konzentrierter  Zuckerlösung,  von  Mag¬ 
nus  . 827 


Dauersonde,  Magenuntersuchungen  mit¬ 
telst,  von  Neukirch  und  Wittmund  .  2758 
Daumenballenmuskeln,  isolierte  Atrophie 
einzelner,  bei  Feilenhauern,  von  Teleky 

603,  1897 

Daumenplastik  nach  Knapp,  von  Nentwig 

2313,  von  Schepelmann . 2313 

Davos  s.  a.  Tuberkulosesterblichkeit,  Heil¬ 
stätte. 

Debilitas  congenita  und  spasmophile  Dia- 

these,  von  Rosenstern .  2071 

Dbcanulement,  Behandlung  des  erschwer¬ 
ten,  von  Brüggemann . 1569 

Defekt,  doppelseitiger  des  Radius,  von 
Lorenz  1343,  transplan tative  Deckung 

grosser  — ,  von  Henschen . 1900 

Deformität  s.  a.  Madelung. 

Deformitäten,  Entstehung  kongenitaler, 
von  Linzenmayer  und  Brandes  145, 
kongenitale  —  des  Vorderarmes,  von 
Dawson . 605 


Seite 

Degenerationspsychosen  und  Dementia 
praecox  bei  Kriminellen,  von  Aschaf¬ 


fenburg  .  ...  1282 

Degenerationszeichen  an  den  Händen, 

von  Ebstein . 1843 

Dekompressionsverfahren,  neues,  von  Mc 

Guire . 486 

Degrassator,  von  Schnbe . (936 

Dekomposition,  postmortale,  und  Fett¬ 
wachsbildung,  von  Müller .  2686 


Dekubitalgeschwüre,  Behandlung  der,  im 

Kehlkopf,  von  v.  Bokay .  2301 

Delirium  tremens,  Polydipsie  nach,  alco- 

holicum,  von  Ourschmann .  2652 

Dementia  paralytica,  von  Hoche  1335,  — 
und  Geburt,  von  Hartung  149,  —  bei 
Kriminellen,  von  Aschaffenburg  1282, 
körperliche  und  katab  mische  Symptome 
bei  —  praecox,  von  Küppers  1511, 
biologische  Untersuchungen  bei  — 
praecox,  von  Hauptmann  1511,  Sal- 
varsanbehandlung  der  — ,  von  Raecke 
1738,  Spirochaeten  bei  — ,  von  Geber, 
Benedek  und  Tatar  2249,  Erblichkeit  und 
Erbgang  bei  —  praecox,  von  Oberholzer 
2309,  —  und  Syphilis,  von  Noguchi  .  2483 
Denken  und  Schauen,  von  Much  ...  88 

De  Nora  A.  als  Lyriker  und  Satyriker,  von 

v.  Molo .  2844 

Depressionen,  psychische,  von  Kahane  .  2642 
Dermatitis  atrophicans,  von  Oppenheim  .  2692 
Dermatomykosen,  von  Plaut  720,  die  Er¬ 
reger  der  häutigst  vorkommenden  — , 

von  Bontemps  . 607 

Dermatologie,  Ordinariat  für,  in  Strassburg  1861 
Dermatologische  Demonstrationen,  von 

Ploeger .  2092 

Dermatosen, Pathogenese  der  hämatogenen, 
von  Brunsgaard  1112,  —  und  Anazi¬ 
dität,  von  Lier  und  Porges .  2749 

Dermographie,  von  Müller . 1511 

Dermographismus  und  deren  diagnostische 

Bedeutung,  von  Müller . 1844 

Dermoid  zwischen  den  Blättern  der  Meso¬ 
appendix,  von  Friedrich . 613 

Dermoidinhalt,  von  Wolff . 1456 

Dermoidkugeln,  Entstehung  von,  von  Plenz  372 
Dermoidzyste  zwischen  den  Blättern  der, 

von  Willems .  2069 

Desinfektion  s.  a.  Chlormetakresol,  Häute, 
Grossichsche  Methode,  Formaldehyd¬ 
dämpfe,  Phobrol,  Formaldehyd  verdamp¬ 
fungsverfahren,  Alkoholseifenpräparate, 
Damp'desinfektion,  Solargyl. 

Desinfektion  von  Fäkalien  und  städtischen 
Sielwässern,  von  Glaser  147,  Fachaus¬ 
stellung  für  —  447,  Lehrbuch  der  — , 
von  Croner  1104,  —  der  Häute  von 
Rauschbrandkadavern,  von  Maass  1220, 

—  in  der  Geburtshilfe,  von  Siwert  1342, 

1620,  reichsgesetzliche  Regelung  der  — 

1639,  Lingnersche  Zentrale  für  —  in 

Dresden  . . 1806 

Desinf^ktionsmassnahmen,  Wert  der 

jetzigen,  von  Heim .  2256 

Desinfektionsmethoden  milzbrandhaltiger 
Rohhäute,  von  Hilgermann  und  Mar- 
mann  1506,  Vereinfachung  unserer  — , 

von  Merkens . 1507 

Desinfektionsverfahren,  Fortschritte  in  den 
allgemein  anwendbaren,  von  Rosenthal  1680 

Desinfektorenbund,  Deutscher . 1639 

Despyrin .  2472 

Deszendenztheorie,  Vorträge  über,  von 

Weismann . 1334 

Dettweilerstiftung . .  567 

Deutschmannserum,  Erfahrungen  über 

das,  von  Dörr .  .  488 

Deutsch-Südwestafrika,  Tuberkulose  und 

Syphilis  in,  von  Scherer . 1488 

Deutungspsychosen,  die,  als  symptoma¬ 
tische  Anhaltspunkte,  von  Sbrieux- 

Libert .  2254 

Dezidua,  die  Entzündung  als  Entstehungs¬ 
ursache  ektopischer,  oder  Paradezidua, 

von  Meyer .  2297 

Diabetes  s.  a.  Lipämie,  Adrenalindiabetes, 

Coma. 


XLV1 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Seite 


Diabetes  insipidus,  von  Adler  <87,  von 
Socin  2852,  Hypophysis  und  — ,  von 
Simmonds  127,  437,  Eunuchoidismus 
bei  — ,  von  Ebstein  200,  anatomische 
Befunde  bei  — ,  von  Berblinger  674, 
ätiologisches  Studium  des  — ,  von  El¬ 
lern  881 ,  Konzentriervermögen  der 
Niere  beim  — ,  von  Forschbach  1346, 
zur  Pathologie  und  Therapie  des  — , 
von  Benario  1768,  —  nach  Delirium  tre¬ 
mens,  von  Curschmann  2652,  Beziehun¬ 
gen  zwischen  der  Funktion  der  Hypo¬ 
physis  cerebri  und  dem  — ,  von  Römer 
2755,  Geschwulstmetastasen  der  Hypo¬ 
physis  und  — ,  von  Simmonds  .  .  .  2860 
Diabetes  mellitus,  Wirkungen  grosser 
Dosen  Natr.  bicarb.  bei,  von  Han¬ 
sen  89,  Bedeutung  von  Blutzucker¬ 
bestimmungen  für  Diagnose  und 
Therapie  des  — ,  von  Reicher 
216,  556,  Kohlehydratkuren  und 

Alkalitherapie  bei  — ,  von  Weiland 
258,  neuere  Anschauungen  in  der 
Ernährungstherapie  des  — ,  von 
Graul  421,  Aetiologie  der  Gefäss- 
erkrankungen  beim  — ,  von  Aron 
434,  Erfolg  der  Haferkur  bei  — ,  von 
Piskator  488,  Kohlehydratkuren  bei  — , 
von  Rosenfeld  541, 2073,  Fortschritte  in 
der  Behandlung  des  —  seit  50  Jahren, 
von  Ldpine  714,  Wesen  und  Behandlung 
des  — ,  von  Swart  717,  Diät  bei  — 
gravis,  von  v.  Noorden  779,  von  Labb4 
779,  von  Blum  779,  Kohlehydratthera¬ 
pie  des  —  von  Roubitschek  780,  Diä¬ 
tetik  des  — ,  von  Tausz  780,  Eiweiss¬ 
stoffwechselstörungen  bei  —  mellitus, 
von  Galambos  und  Tausz  824,  Kohle¬ 
hydratkuren  bei  — ,  von  Richartz 
827,  Natur  des  pankreatischen  — , 
von  Knowlton  u.  Starling  887,  Fort¬ 
schritte  in  der  Behandlung  des  — 
mellitus,  von  Grober  927,  Klinik 
und  Balneotherapie  des  latenten  — , 
von  Reicher  947,  Fett-  und  Lipoid- 
Stoffwechsel  bei  —  mellitus  1053,  zur 
Therapie  des  — ,  von  Lüthje  1053,  der 
renale  — ,  von  Frank  1053,  Azidose¬ 
bestimmungen  bei  —  mellitus;  von 
Straub  1105,  Behandlung  der  schweren 
Fälle  von  -—  mellitus,  von  Brugsch 
1180,  1356,  1576,  Blutzuckerbestim¬ 
mungen  bei  — ,  von  Tachau  1216,  Ver¬ 
schwinden  des  Zuckers  bei  —  nach 
Entfernung  von  Tumoren,  von  Manges 
1223,  Rolle  der  Drüsen  mit  innerer 
Sekretion  bei  der  Pathogenese  des.— , 
von  Georgiewsky  1285,  Dextrose-Stick- 
stoff-Quotient  bei  schwerstem  — ,  von 
Förster  1337,  Erfolge  der  Hafermehl¬ 
kur  bei  — ,  von  Pawlowski  1345,  Be¬ 
deutung  von  Blutzuckerbestimmungen 
für  die  Diagnose  und  Therapie  des  — 
mellitus,  von  Reicher  1520,  serologische 
Untersuchungen  mittels  des  Dialysier- 
verfahrens  bei  —  mellitus,  von  Lamp6 
und  Papazolu  1533,  Stoff-  und  Energie¬ 
umsatz  bei  — ,  von  Benedict  und  Jos- 
lin  1841,  Wassermannsche  Reaktion 
bei  —  von  Richartz  1851,  —  im  kind¬ 
lichen  Alter,  von  Morse  1851,  —  und 
Lipämie,  von  Beumer  und  Bürger  1898, 
Diskussion  über  —  auf  dem  internat. 
med.  Kongress  2016,  —  und  Chirurgie, 
von  Kaposi  2069,  Einteilung  des  — 
mellitus,  von  Labbö  2077,  der  Jod¬ 
koeffizient  des  Harns  bei  — ,  von 
Cammidge  2077,  —  mellitus  im  fernen 
Osten,  von  Prasad  2078,  Polygonum 
aviculare  als  Volksmittel  gegen  — 
mellitus,  von  van  Leersum  2139,  zur 
medikamentösen  Behandlung  des  — 
mellitus,  von  Preiswerk  2195,  der 
Natrium-  und  Kaliumstoffwechsel  bei 
—  mellitus,  von  Kohn  2301,  Akrome¬ 
galie  mit  —  mellitus,  von  Fink  2305, 
Pathogenese  und  Behandlung  des  — 
und  der  Azetonämie,  von  Lepine  2538, 
Hungerkur  bei  — ,  von  Kanngiesser 


2819 

1674 

710 


2551,  Theorie  und  Behandlung  des  — 
mellitus,  von  Falta  2596,  2 <04^  über  , 
von  Kraus  und  Karewski  2705,  renaler 

— ,  von  Salomon . 

Diabetesfrage,  zur,  von  Pribram  und  Löwy 

Diabetesküche,  von  Albu . •  .* 

Diabetiker,  Mehl-  und  Kartoffelkuren  bei, 
von  Wolff  780,  die  Hautkrankheiten 
der  — ,  von  Bettmann  1451,  —  und 
Arbeiterversicherung ,  von  Knepper 
2646,  2698,  Kreatin-  und  Kreatininaus¬ 
scheidung  bei  — ,  vonBürger  u.  Machwitz 
Diabetische  Störungen,  Abhängigkeit  ex¬ 
perimenteller,  von  der  Kationenmi¬ 
schung,  von  Loewi  .  . 

Diabetische  Stoffwechselstörungen,  Wesen 

der,  von  Loeschke . 

Diabetometer,  von  Henius . 

Diablastin . 

Diachylon  oder  Pflicht,  von  Oliver  .  .  . 
Diäresis-  und  Diapedesisblutung,von  Ricker 
Diät,  harnsäurelösende,  von  Hindhede 
2473,  —  und  diätetische  Behandlung 
vom’  Standpunkt  der  Vitaminlehre  .  . 
Diätetik  bei  Infektionen  im  Säuglingsalter, 
von  Langstein  1505,  —  der  Herz-  und 
Gefässkrankheiten,  von  Vaquez  .  .  . 
Diätetische  Zeitfragen,  von  Schmidt  .  ..  . 
Diätküche,  rationelle  Einrichtung  der,  in 
Krankenhäusern  und  Sanatorien  .  .  . 
Diagnostik,  Lehrbuch  der  klinischen, 
inneren  Krankheiten,  von  Krause  1389, 
kutane  —  und  das  Eisentuberkulin,  von 
Schumacher  1396,  serologische  —  von 
Organveränderungen,  von  Abderhalden 
2434, Bedeutung  des  Dialysierverfahrens 
für  die  psychiatrische  — ,  von  Beyer 
Diagnostische  Fortschritte,  Verwertung 
von,  in  versicherungsärztlicher  Hin¬ 
sicht,  von  Flesch . •  •  • 

Dialvsierverfahren  s.  u.  Abwehrfermente, 
Ninhydrin,  Schwangerschaft,  Schwan¬ 
gere  ch  af  tsdiagnose,  Serumfermentwir¬ 
kung. 

Dialysierverfahren,  Abderhaldensches,  von 
Fauser  430,  von  Behne  1045,  An¬ 
wendung  des  —  in  der  Augenheil¬ 
kunde,  von  Hegner  1138,  1518,  ist  das 
—  Abderhaldens  differentialdiagno¬ 
stisch  verwertbar?  von  Schiff  1197,  An¬ 
wendung  von  trockenem  Plazentapulver 
bei  dem  — ,  von  King  1 198,  —  bei 
Psychosen,  von  Kafka  1406,  serolo¬ 
gische  Untersuchungen  mit  Hilfe  des 
— ,  von  Lampd  und  Papazolu  1423, 
1533,  —  bei  sympathischer  Ophthalmie, 
von  v.  Hippel  1513,  Nachweis  organ- 
abbauender  Fermente  im  Serum  mittels 
des  Abderhaldenschen  — ,  von  Bauer 
1620,  Verwendbarkeit  der  optischen 
Methode  und  des  —  bei  Infektions- 
tionskrankheiten,  von  Abderhalden 
und  Andryewsky  1641,  Fehlerquellen 
des  —  bei  serologischen  Untersu¬ 
chungen  ,  von  Abderhalden  und 
Weil  1703,  Abderhaldensches  — ,  von 
Schmid  1749,  zur  Technik  des  — ,  von 
Goudsmit  1775,  Diagnose  der  Schwanger¬ 
schaft  mittels  des  — ,  von  Abderhalden 
1842,  klinische  Bedeutung  des  Abder¬ 
haldenschen  — ,  von  Mayer  1900,  An¬ 
wendung  des  —  bei  Tuberkulose,  von 
Frankel  und  Gumpertz  1952,  2025,  von 
Lampd  2137,  Bedeutung  des  —  für  die 
Psychiatrie,  von  Urstein  1952,  das  Ab- 
derhaldensche  —  und  seine  klinische 
Bedeutung,  von  Mayer  1972,  2306, 
serologische  Untersuchungen  mittels 
des  — )  von  Deutsch  und  Köhler  2014, 
von  Lampd  u.  Fuchs  21 12,  Diagnose  der 
Magendarmaffektionen  mit  Hilfe  des  — , 
von  Kabanow  2164,  Erfahrungen  mit 
dem  Abderhaldenschen  — ,  von  Deutsch 
2249,  Bedeutung  des  Abderhaldenschen 

_  für  die  innere  Medizin,  von  Bauer 

2363,  das  Abderhaldensche  —  in  der 
Psychiatrie,  von  Bundschuh  un  d  Roemer 
2420,  biologische  Diagnose  d.Schwanger- 
schaft  mit  dem  — ,  von  Parssamow 


Seite 


2853 


690 

2379 

1603 

1839 

2643 

544 


2614 


1565 

935 

834 


2450 


378 


2423,  Bedeutung  des  —  für  die  psy¬ 
chiatrische  Diagnostik,  von  Beyer  2450, 

—  bei  perniziöser  Anämie,  von  Kabanow 

2473,  Schwangerschaftsnachweis  mittels 
des  ’ — ,  von  Naumann  2476,  Unter¬ 
suchungen  mit  dem  —  bei  Scharlach, 
von  Schultz  und  Grote  2510,  f'öi 
Geisteskranken,  von  Fischer  2535, 
psychiatrische  Erfahrungen  mit  dem 
— ,  von  Maass  2700,  zur  Technik  der 
Bereitung  der  Organe  für  das  Abder- 
haldenscbe  — ,  von  Lampd . 

Diaphanoskopie,  Lampe  zur,  von  Reuter 
Diarrhöe,  diätetische  Behandlung  chroni¬ 
scher,  von  Wegele  835,  chronische  — , 
von  Wijnhausen  2141,  Aetiologie  der 
gastrogenen  — ,  von  Jonas  2364,  über 

—  und  unsere  Antidiarrhoika,  von  Weil 
Diathermie,  Beeinflussung  des  Blutgefäss¬ 
apparates  durch,  von  Mohr  1114,  die  — , 
von  Weiser  1227,  Behandlung  d.  Schwer¬ 
hörigkeit  mittels  — ,  von  Hamm  1620, 
Erfahrungen  mit  — ,  von  Dreesen 

Diathermiebehandlung  der  Gelenkkrank¬ 
heiten,  von  Stein  1566,  neuer  Apparat 
zur  —  von  Ohrenkrankheit.,  von  Weiser 
2521,  —  bei  Lepra,  von  Unna  .... 
Diathermieströme,  Technik  der,  von  Bucky 
Diathese,  Beteiligung  der  Schleimhaut  des 
Urogenitalapparates  am  Symptomen- 
komplex  der  exsudativen  — ,  von  Beck 
659,  Hautreaktionen  bei  Kindern  mit 
exsudativer  — ,  von  Rachmilewitsch  771, 
über  — ,  von  Rietschel  876,  von  Pässler 
1010,  exsudative  —  im  Säuglingsalter, 
von  Siegert  1407,  exsudative  —  u.  Vago- 
tomie  2011,  spasmophile  — ,  von  Rosen¬ 
stern  2071,  sind  die  sog.  Konstitu¬ 
tionsanomalien,  von  Pässler . 

Diazetsäure,  die  Reaktionen  auf,  von  Hart- 

ley . 

Dichotomie  unter  Aerzten,  1182, 1183, 1237, 
1239,  von  Nassauer  1153,  von  Finger 

Dick  Dr.  R  t .  . 

Dickdarm,  Einfluss  desN.  sympathicus  etc. 
auf  die  Bewegungen  des,  von  Boehm 
1164,  Beziehungen  von  Entzündungen 
des  —  Zu  den  weiblichen  Geschlechts¬ 
teilen,  von  Opitz  1616,  Yolvulus  des  — , 
von  Bundschuh  1677,  von  Jankowski 
2533,  Gleitbruch  des  — ,  von  Kreckel684, 
entzündliche  Tuberkulose  des  — ,  von 
Pidry  u.  Mandoul  1790,  Mikrobenflora 
des  —  der  Rinder  und  Schafe,  von 

Choukewitsch . 

Dickdarmausschaltung,  Spätzustände  nach, 
durch  Enteroanastomose,  von  v.  Beck 
1338,  —  durch  Einpflanzung  des  Ileu- 
mendes  in  die  Flexur,  von  Lexer  .  . 
Dickdarmdivertikel,  falsche,  von  Anschütz . 
Dickdarmerkrankungen,  Röntgendiagno¬ 
stik  der,  von  Weiter  .... 
Dickdarmgeschwülste,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  malignen,  von  Körte  und 

Bastianelli . 

Dickdarmkarzinom,  Diagnose  und  lhera- 
pie  der,  von  Arnsperger  2366,  die  Ini¬ 
tialstadien  des  — ,  von  Mathieu  .  .  . 
Dickdarmpathologie,  von  Schwarz  .... 
Dickdarmresektion,  Technik  der,  von  Ge- 
linsky  1163,  über  — ,  von  Karlsson  1169, 
primäre  — ,  von  v.  Rauchenbichler  .  . 
Dickdarmstenosen,innere  Behandlung  von, 

von  Brosch . .  •  •  •  • 

Digifolin,  von  Zurhelle  1806,  — ,  ein  neues 
Digitalispräparat,  von  Löwenheim  .  . 

Digimorvol  . 

Digipan,  klinische  Erfahrungen  mit,  von 

Weiss . 

Digitalingruppe,  Wirkung  der  Stoffe  der, 

von  Holste . 

Digitalinwirkung,  Einfluss  der,  auf  Systole 
und  Diastole,  von  Holste  .  .  .  • 

Digitalis,  über,  von  v.  Romberg  I,  Einfluss 
des  —  auf  die  Erholung  des  Herzens 
nach  Muskelarbeit,  von  Bernoulli  .  . 
Digitalisblätter,  Resorption  wirksamer  Be 
standteile  aus,  und  Digitalispräparaten, 
von  Ogawa  . 


2831 

1548 


2641 


2138 


2041 

950 


2604 

1955 

1385 

1303 


1792 


1687 

159 

1676 


1906 


2539 

2201 


2367 

318 

2502 

2472 

2499 

262 

262 

967 

36 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLVII 


Seite 

Digitalisgaben,  Herz-  und  Gefässwirkung 
kleinerer,  bei  intravenöser  Injektion, 

von  Joseph . 2137 

Digitalismus,  von  Reiss . 444 

Digitalispriiparat,  neues,  von  Frankel  und 

Kirschbaum .  .  .  939 

Digitalistherapie,  von  Cushing  993,  die  — , 
ihre  Indikationen  und  Kontraindika¬ 
tionen,  von  Meyer . 708 

Digitoxinresorption,  von  Focke  1276,  von 

Gottlieb . 1276 

Dilatation,  elektrolytische,  von  Desnos 
277,  —  einer  Larynxstenose,  von 

Thost .  2485 

Diogenal,  ein  bromhaltiges  Derivat  des  Ve- 
ronals,  von  Heinz  2618,  — ,  ein  neues 

8'edativum,  von  Mörchen . 2671 

I  Dioradin  bei  Tuberkulose,  von  Andronow 
u.  Wells  53,  über  — ,  von  Kahn  543, 

—  bei  der  chirurgischen  Tuberkulose, 
von  Stoney . 1733 


Diphtherie  s.  u.  Munddiphtherie,  Lungen¬ 
entzündung. 

Diphtherie,  Herzveränderungen  bei,  von 
Berblinger  50,  bakteriologische  Dia¬ 
gnostik  der  — ,  von  Marzinowsky  94, 
Prophylaxe  der  — ,  von  Sivori  u.  Co- 
stantini  335,  Prophylaxe  und  Früh¬ 
behandlung  der  — ,  von  Braun  373, 
zur  Prophylaxe  der  — ,  von  Brückner 
554,  668,  721,  Ueberleitungsstörungen 
bei  — ,  von  Weiland  557,  zur  Prophy¬ 
laxe  der  — ,  von  Conradi  609,  668, 

721,  von  Schanz  609,  668,  721,  Brot  als 
Träger  der  — ,  von  Moreau  789,  An¬ 
wendung  eines  neuen  Prinzips  der 
elektiven  Züchtung  bei  — ,  von  Oon- 
radi  1073,  Antikörperbildung  bei  — , 
von  Hahn  1114,  Prophylaxe  und  Thera¬ 
pie  der  — ,  von  Schreiber  1166,  sekun¬ 
däre  —  der  Haut-  und  Genitalschleim¬ 
haut,  von  de  Oyarzäbal  1224,  Mutation 
bei  — ,  von  Baerthlein  1283,  Adams - 
Stockessches  Syndrom  nach  — ,  von 
Sperk  1300,  pathologisch-anatomische 
Organ-  und  bakteriologische  Leichen¬ 
befunde  bei  — ,  von  Leede  1446,  Epi¬ 
demiologisches  über  — ,  von  Klinger 
1451,  Behandlung  der  — ,  von  Bauer 
1466,  Veränderungen  in  der  Hypophysis 
cerebri  bei  — ,  von  Koch  1798,  —  nach 
Durchstechen  der  Ohrläppchen,  von 
Pollak  1849,  Immunisierung  gegen  — 
mit  Toxin- Antitoxingemischen ,  von 
Schattenfroh  2195,  Kommission  zur 
Bekämpfung  der —2319, Veränderungen 
in  der  Hypophysis  cerebri  bei  — ,  von 
Creutzfeld  u.  Koch  2418,  —  u.  diphthe- 
ritischer  Krupp,  von  Bagin  sky  2470, 
Milchsäurebazillenspray  bei  der  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Wood  2591,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Yatren,  von  Freund 
2748,  Behandlung  der  —  mit  intrave¬ 
nöser  Seruminjektion  und  Yatren,  von 

Kausch .  2748 

Diphtherieantitoxin,  Nachweis  von,  imBlut- 

serum,  von  Schöne . 484 

Diphtherie-AntitoxingehaltdesBlutserums, 

von  Kleinschmidt .  2689 

Diphtheriebazillen  im  Harn ,  von  Beyer 
240,  von  Freifeld  2194,  2425,  —  im 
Nasen-  und  Rachensekret  ernährungs¬ 
gestörter  Säuglinge,  von  Conradi  512, 
zur  Färbung  der  — ,  von  Gins  661, 
durch  den  —  hervorgerufene  Erkran¬ 
kungen,  von  Müller  1216,  Wachstum 
der  —  auf  Tellurserum,  von  Axionow 
1288,  Nachweis  der  — ,  von  v.  Drigalski 
und  Bierast  1507,  —  in  Reinkultur 
in  einem  perisinuösen  Abszess,  von 
Albanus  1569,  Nachweisverfahren  der 
—  nach  v.  Drigalski  und  Bierast, 
von  Voelckel  1883,  Differentialdiag¬ 
nose  der  —  und  Pseudo  -  Diphtherie¬ 
bazillen,  von  Markl  und  Pollak 
2302,  —  im  Säuglingsalter,  von  Fried- 

jung  . .  2373 

Diphtheriebazillenkulturen ,  Giftbildung 
in,  von  Gräf  1846,  Verwendung  von 


Seite 

Menschenblutserum  für  die  — ,  von 


Martini . 2013 

Diphtheriebaifillenträgor,  Staphylokokken¬ 
spraybehandlung  bei,  von  Alden  .  .  1851 
Diphtheriebekämpfung,  heutige,  von  De- 

lyannis . . . 2014 


Diphtheriediagnose,  Tellurnährböden  bei 
der  bakteriologischen,  von  Schürmann 
undHajös  994,  schwebende  Fragen  d^r 
bakteriologischen  — ,  von  Trautmann 
und  Gaethgens  1462,  Leistungsfähig¬ 
keit  der  bakteriologischen  — ,  von 
Schuster  1797,  Erfahrungen  über  den 
Gallennährboden  bei  der  bakteriolo 
gischen  — ,  von  Grundmann  ....  2805 
Diphtherie-Heilserum,  intravenöse  Anwen¬ 
dung  des,  von  Beyer . 1867 

Diphtherieherztod  und  dessen  Beziehungen 
zum  Reizleitungssystem,  von  Rohmer  36 
Diphtherielähmung,  Behandlung  und  We¬ 
sen  der,  von  Römer . 1123 

Diphtherienachweis  mit  der  Conradi-Troch- 
schen  Tellurplatte,  von  Wagner  457, 

von  Klunker . 1025 

Diphtherieschutzkörper,  Verhalten  der,  bei 
Mutter  und  Neugeborenen,  von  Kasso- 
witz  und  v,  Groer  2373,  Natur  der  — , 

von  v.  Groer  und  Kassowitz .  2373 

Diphtherieschutzmittel,  neues,  von  v.  Beh¬ 
ring  1109,  1221,  das  neue  —  in  der 
Marburger  Frauenklinik,  von  Zange¬ 
meister  1221 ,  zur  Anwendung  des  neuen 

— ,  von  Viereck . 1221 

Diphtherieserum,  Wertbestimmung  des, 
von  Dserzgowsky  996,  Heilwert  des  — , 
von  Barykin  und  Maikow  999,  Anti¬ 
toxingehalt  und  Heilw'ert  des  — ,  von 

Kraus  und  Baecher . 1342 

Diphtherietoxin,  Reaktion  zwischen  dem, 

und  dem  Antitoxin,  von  Barikine  .  .  427 
Diphtherietoxin  -  Hautreaktion  des  Men¬ 
schen  als  Vorprobe  der  prophylakti¬ 
schen  Diphtherieheilseruminj  ektion, 

von  Schick .  .  .  2606 

Diphtherievakzin,  Behrings,  von  Klein¬ 
schmidt  und  Viereck .  2356 

Diphtherievergiftung,  Wirksamkeit  grosser 
Serumdosen  bei  der,  von  Schöne  .  .  1336 
Diplobazilleninfektion,  Chemotherapie  der, 


des  Auges,  von  Gebb . 964 

Diplomelliturie,  von  Stern . 994 

Dirner  Dr.  G.  f .  54 

Dissimulation  bei  Augenleiden,  von  Se- 

gelken . 2194 

Distomum  haematobium,  Eier  des,  von 

Kröger . 1176 

Diuretika,  intravenöse  Anwendung  der, 


Diuretin,  Einfluss  des,  auf  die  Menses, 

von  Stein  ...  2196 

Doktortitel,  strafbare  Führung  des  recht¬ 
mässig  erworbenen .  2029 

Doktorwürde,  Kampf  um  die  Einführung 

der  zahnärztlichen .  2822 

Doppelhörrohr,  von  Hecker . 902 

Dover  s.  u.  Pulvis. 

Drahtgeflechteinpflanzung,  von  Mc  Gavin  843 
Drahtschlinge  zum  Vorziehen  des  Uterus, 

von  Sellheim . 1563 

Dreiaform  . . 1839 

Dreieck,  das  paravertebrale,  von  Grocco, 
von  Bigi-Terranuova-Bracchiolini  .  .  .  2077 
Drehreflex,  Entwicklung  des,  am  Neuge¬ 
borenen,  von  Kraft .  2297 

Drillinge,  Röntgenplatte  von,  von  Henkel  326 
Droserin  in  der  Keuchhustentherapie,  von 

Bandorf  391,  von  Cramer .  2805 

Druck,  Erhöhung  des,  im  venösen  System, 
von  Schott  36,  negativer  —  im  Thorax, 

von  v.  Wyss . 1216 

Druck-  und  Saugbehandlung  in  der  ärzt¬ 
lichen  Praxis,  von  Kirchberg  .  .  .  1653 
Druckpunkt,  Erbscher  u.  Mac  Burneyscher, 

von  Schellong . 377 

Drucksaugspritze,  von  Landsberger  .  .  .  2691 
Druckscheidenspülungen  in  der  gynäkolo¬ 
gischen  Praxis,  von  Dreuw . 1382 

Drüse,  Erstickungsanfall  infolge  Durch¬ 
bruchs  einer  tuberkulösen,  in  den 


Seite 

Bronchus,  von  Oeri  410,  Kombination 
von  Krebs  und  Tuberkulose  in  meta- 
statisch  erkrankten  — ,  von  Krische 
428,  neue  internsekretorische  — ,  von 
Pende  1850,  —  mit  innerer  Sekretion 
in  ihrem  Verhältnis  zur  Psychologie 
und  Psychopathologie,  von  Parhon 
2254,  Einfluss  der  —  mit  innerer 
Sekretion  auf  die  Muskel tätigkeit,  von 

Markelow .  2808 

Drüsensarkom,  retroperitoneales,  von  Hirt  1744 
Drüsenschwellungen  bei  Kindern ,  von 

Benfey  und  Bahrdt . 1617 

Drüsentumor,  von  Krecke .  2001 

Ductus  arteriosus  Botalli,  offen  stehen  der, 

von  Motzfeld .  2420 

Ductus  choledochus,  primäre  zystische  Er¬ 
weiterung  des,  von  Mayesima  92,  an¬ 
geborener  Defekt  des  —  aus  mecha¬ 
nischer  Ursache,  von  Elperin  428,  In¬ 
dikationsstellung  beim  akuten  Stein¬ 
verschluss  des  — ,  von  Heidenhain  .  1019 

Ductus  pancreaticus,  Folgen  der  Unter¬ 
bindung  des,  von  Watermann  ....  2139 
Ductus  parotideus,  ein  embryonaler  Seiten¬ 
gang  des,  von  Weishaupt . 1161 

Ductus  thoracicus,  Chirurgie  des,  von 

Warschauer . 203 

Dünndarm,  primäres  Lymphosarkom  des, 
von  Gaertner  314,  multiple  tuberkulöse 
Strikturen  des  — ,  von  Wendel  329, 
Karzinom  des  — ,  von  Sievers  614, 
primäres  Sarkom  des  — ,  von  Patek  771, 
Instrumente  für  den  — ,  von  Einhorn 
1680,  Röntgendurchleuchtung  des  — , 
von  David  1799,  physiologische  Wert¬ 
bestimmung  am  — ,  von  Neukirch  2130, 
primäres  malignes  Granulom  des  — , 

von  Fischer . 2313 

Dünndarmkarzinoide,  von  Böhm  .  •  .  .  951 

Dünndarmkrebs,  primärer,  von  Hinz  .  .  90 

Dünndarm-  und  Mesenteriumruptur,  von 

Hirt . 615 

Dünndarmschlinge,  Ruptur  einer,  nach 

Taxis,  von  Amberger . 2144 

Dünndarmstenose,  von  Schmidt  919, 

Röntgendiagnostik  der  — ,von  Assmann  1843 
Dünndarmsyphilis,  Histologie  der  kongeni¬ 
talen,  von  Warstat . 1505 

Dürkheimer  Maxquelle,  Wirksamkeit  der 
von  Herrligkofer  und  Lipp  1932,  Aus¬ 
zeichnung  der  — .  2207 

Duffin  Prof.  Dr.  A.  B.  f . 504 

Duhring  Prof.  Dr.  L.  A.  f . 1303 

v.  Dungernsche  Syphilisreaktion  bei  Lues 

congenita,  von  Samlson .  2071 

Dünn  J.  T.  f . 792 

Duodenalatresie,  angeborene,  von  Weber  212 

Duodenalblutungen,  Diagnose  der,  von 

Sklodowski . •  .  .  .  .  1675 

Duodenalerkrankungen,  Leistungsfähig¬ 
keit  der  Radiologie  in  der  Erkennung 

von,  von  Müller . 1562 

Duodenalernährungsmethode, Indikationen 

für  die,  von  Einhorn . 1681 

Duodenalgeschwür,  von  Perthes  1747,  das 
chronische  —  und  seine  chirurgische 
Behandlung,  von  Blad  90,  Diagnose 
des  — ,  von  Faulhaber  216,  von  En- 
derlen  216,  von  Bier  2753,  2858,  das 
perforierte  — ,  von  Struthers  941,  Klinik 
und  Therapie  des  perforierten  Magen- 
und  — ,  von  Wetterstrand  1162,  —  und 
Pylorusgeschwüre,  von  Ewald  ....  2076 
Duodenalsonde,  Einhornsche,  von  Lazarus 
1298,  von  Kuhn  1298,  Dauerernährung 

mittels  der  — ,  von  Lazarus . 1731 

Duodenalsondierung,  von  Rosenberger  .  1113 
Duodenalstumpf,  JStumpfversorgung  des, 
bei  der  Magenresektion,  von  Smoler  2919 
Duodenaltherapie,  von  Rosenberger  .  .  .  1354 
Duodenalverletzungen,  operative  Behand¬ 
lung  der,  von  Röpke . 1218 

Duodenum,  Technik  der  Röntgenunter¬ 
suchung  des,  von  David  1396,  neue 
Instrumente  für  das  —  und  den  Dünn¬ 
darm,  vonEinhornl680,  morphologische 
Untersuchung  des  — ,  von  Holzknecht 
und  Lippmann .  2201 


XLVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


2244 

1801 


Seite 

Dupuytrensche  Kontraktur,  von  Enderlen 

217,  von  Krecke . •  •  • 

Dura  mater,  Zerreissungen  der,  bei  der 
Entbindung,  von  Meyer  und  Hauck  550, 
Fibrosarkom  der  —  spinalis,  von  Am¬ 
berger  2144,  —  der  Menschen  und  der 
Säugetiere,  von  Butzengeiger  .... 
Duraend"theliom  des  r.  Parietalhirnes,  von 

Wendel . .  •  • 

Durchblutung  überlebender  Warmblüter¬ 
organe  mittels  eines  neuen  Durch- 
blutungsapparates,  von  Jacobj  ....  20-8 
Durchleuchtungskompressorium  m.  Bucky- 

Effekt,  von  Holzknecht  ....  _■  •  2727 

Durstkuren  bei  chronischen  Bronchial¬ 
erkrankungen,  von  Singer .  ^ 

Dymal . . . 

Dysbasia  angiosclerotica,  von  Pick  .  .  .  94» 

Dysenterie  s.  u.  Amabendysenterie. 

Dysenterie,  Behandlung  der,  mitDysenterie- 
‘  heilserum,  von  Peinsinger  1287,  Dis¬ 
kussion  über  —  2023,  Diagnose  und 
Behandlung  der  — ,  von  Lukis  .  .  .  2644 
Dysgenitalismus,  von  Weygand  ....  396 

Dysmenorrhöe,  Wesen  und  Behandlung 
der,  von  Füth  161,  Adrenalin  und  Pitui¬ 
trin  bei  — ,  von  Klein  1163,  Nasenkrank¬ 
heiten  und  — ,  von  Henkes  2140,  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Röder  2370,  zur 
Atropinbehandlung  der  — ,  von  Novak  285;> 
Dyspepsie,  Stoffwechsel  bei  der,  und  der 
alimentären  Intoxikation,  von  Jundell 
2136,  Salzretention  bei  hyperchlorhy- 
drischer  — ,  von  Dobrovici  .  •  •  •  • 
Dysphagia  und  Dyspnoe lusoria,  von  Girard 
944,  Behandlung  der  —  bei  Lungen¬ 
tuberkulose,  von  Bialo . •  • 

Dystokie  bewirkt  durch  solide  Ovarial- 
geschwülste,  von  Zaharescu  43,  Vor¬ 
gehen  bei  —  infolge  zu  grossem  Vo¬ 
lumen  des  Fötus,  von  Zaharescu  .  . 
Dystrophia  genito  adiposa  und  Akrome¬ 
galie,  von  Winkler  717,  —  und  Morbus 
Recklinghausen,  von  Lier . 


Seite 


2058 


2303 


998 


43 


1413 


720 

318 


89 

1161 


2424 


203 

203 


E. 

Ebagapräparate  in  der  Dermatologie,  von 

Neugebauer . .  •  •  -69^ 

Echinokokkenerkrankungen ,  Serodiagno¬ 
stik  der,  von  Bontemps  .....  •  • 
Echinokokkenflüssigkeit,  Giftigkeit  der, 
von  Dessy  und  Marotta  .  .  .  .  .  • 

Echinokokkenkomplementbindung,  diag¬ 
nostische  Verwertung  der,  von  Bärsony 

und  Egan . . 

Echinkokkenkrankheit,  Pathologie  und 
Therapie  der,  von  Magnusson  .... 
Echinokokkus,  azephalozystischer,  der 
Schilddrüse,  von  Marimön  1224,  Sero¬ 
diagnostik  des  — ,  nach  Weinberg,  von 

Abrikossow . . 

Echinokokkusinfektion,  Serumdiagnostik 
der,  mittels  der  Komplimentbindungs¬ 
methode,  von  Sonntag  .  . 

Echinokokkuskrankheit,  von  Weiter 
Echinokokkuszyste,  geheilte  primitive,  der 

Lunge,  von  Steiner . 2194 

Eckzahn,  von  Hoffmann . •  •  •  16,r>9 

Ectopia  testis,  von  Wendel  329,  von  Fischer 

1278,  —  perinealis,  von  Gundermann  145 

Efucsa  ...  . •  ■  18^9 

Egger,  Obermedizinalrat  Dr.  J.  G.  f  736,  846 
Egidi  Dr.  Fr.  f . 1696 

Eheerlaubnis,  Gesundheitszeugnisse  zur, 

in  Pennsylvanien . 18(16 

Eheschliessung,  Aenderung  des  Gesetzes 

über  die .  •  879 

Ehrengerichte,  Errichtung  ärztlicher,  in 
Hessen  820,  846,  —  ärztliche  —  in 

Baden .  ...  1302 

Ehrengerichtshof,  das  ehrengerichtliche 
Verfahren  und  die  Rechtsprechung  des 
preussischen,  für  Aerzte  in  den  Jahren 

1912/13,  von  Kaestner . 

Ehrengerichtsordnung,  s.  a.  Aerztekam- 
mern,  Verhandlungen  der  bayerischen 

2876  ff. 


Ehrengerichtsordnung,  Schaffung  einer  ge¬ 
setzlichen,  für  Bayerns  Aerzte,  von 
Mayer  1721,  —  zur  bayerischen  ärzt¬ 
lichen  — ,  von  Bergeat  1834,  von  Or- 

tenau . • 

Ei,  junges  pathologisches  menschliches, 

’  von  Todyo  1616,  Einbettung  des  mensch¬ 
lichen  — ,  von  Boerma  1729,  junges 
menschliches  — ,  von  Johnstone  .  .  .  2083 
Eieinbettung,  von  Delporte  .....  6ü6 

Eierstock  s.  a  Ovarium. 

Eierstock,  Endotheliome  des,  von  Schott¬ 
länder  .  .  . 2371 

Eierstocksabszesse,  von  Baldowsky  .  .  I-.80 
Eierstocks-Uterus-Erkrankungen  und  Psy¬ 
chopathien,  von  Bossi  .......  372 

Eierstocksschwangerschaft,  reine  folliku¬ 
läre,  von  Uhle  153,  Fall  von  — ,  von 
Serebrenikowa  1678,  intraligamentär 
entwickelte  — ,  von  Engelking  .  .  .  .1729 

Eigelbantiseren,  von  Emmerich . G26 

Eigenserum,  zur  therapeutischen  Verwen¬ 
dung  des,  von  Spiethoff . 

Eihäute,  Diagnose  und  Behandlung  des 
vorzeitigen  Einreissens  der,  von  Zaha¬ 
rescu  . . 

Eingeweidewürmer,  Nachweis  giftiger  Lei¬ 
bessubstanzen  in,  von  Brian  ... 
Einigungskommission  zwischen  Hambur- 
gischen  Aerzten  und  Krankenkassen 
Einläufe,  Mechanik  rektaler,  von  Roith  . 
Einschlüsse,  strahlige,  in  Riesenzellen, 
von  Hummel . 

EinschlussblennorrliöhederNeugeborenen, 

von  Sussmann  . . 

Eiovan . •_  . . 

Eisen-Arsenikautolyse  des  Eiweisses,  von 

Schapiro . 36 

Eisenbahnunfälle,  nervöse  Erkrankungen 

nach,  von  Horn  und  Rumpf  ....  2741 

Eisenhaushaitim  Säuglingsalter,  von  Lang¬ 
stein  und  Edelstein .  2371 

Eisen-Jodozitin-Präparate,  von  Cramer  .  1283 
Eisensajodin  bei  Arteriosklerose,  von  Hoff¬ 
mann  .  . . .  1167 

Eisenstoffwechsel  und  Blutbildung,  von 

Schmidt . 281 1 

Eisen  Verabreichung,  Blutregeneration  bei, 

von  Schmincke  ....  H99 

Eiterbecken  mit  Stiel,  von  Tiegel  •  •  1941 
Eiterung,  epitympanische,  von  Reinking  2545 
Eiweiss,  Stellung  des,  im  Stoffwechsel  des 
fiebernden  Menschen,  von  Grafe  569, 
Vertretbarkeit  des  — ,  von  Abderhalden 

und  Lampä . . 

Eiweissbedarf,  Deckung  des,  durchAmmon- 
salze  und  einzelne  Aminosäuren,  von 
Abderhalden  und  Hirsch  .  .... 

Eiweissbestimmungen,  quantitative,  im 
Urin,  von  Pfeiffer  884,  Wert  der  quanti¬ 
tativen  —  in  der  Zerebrosp  nalflüssig- 
keit,  von  Greenfield  887,  —  im  Aus¬ 
wurf,  von  Hempel-J  örgensen  1 1 1 1 ,  Albu¬ 
minimeter  zur  sofort  gen  quantitativen 
— ,  von  Jonass  und  Edelmann  .  .  . 

Eiweissmilch  s.  a.  Larosan. 

Eiweissmilch,  Erfahrungen  mit  der  Finkel- 
steinschen,  im  Basler  Kinderspital, 
von  Schwyzer  2362,  vereinfachte  Her¬ 
stellung  von  — ,  von  Kern  und  Müller 


521 


43 

1115 

45 

1113 

600 

1903 

2472 


2527 


2191 


2191 


2537 


2807 


2748,  Ernährung  magendarmkranker 
Säuglinge  mit  — ,  von  Beck  2806,  An¬ 
wendung  von  —  bei  Säuglingen,  von 

Ssokolow . . 

Eiweissminimum,  über,  vonllindhede  1841, 
das  —  in  der  menschlichen  Ernährung, 
von  Röse  .  . 2364 

Ei  weissrahmmilch,  von  Feer  ......  184^ 

Eiweiss-Salzbeziehungen,  von  Lippich  .  .  620 

Eiweissspaltungsprodukte,  Entgiftung  der 
peptischen,  von  Baehr  und  Pick  .  . 
Eiweisswasser,  missbräuchliche  Verwen¬ 
dung  von,  bei  der  Behandlung  akuter 
Ernährungsstörungen  von  Säuglingen, 

von  Lust . -.•••• 

Eiweisszerfallstoxikosen,  von  Pfeiffer  und 

Jarisch . 

Ekchondrom,  bilaterales,  der  Ohrmuschel, 
von  Zografides .  8 


2747 


2720 

542 


Seite 

Eklampsie,  Nierendekapsulation  bei,  von 
Wagner  151,  Behandlung  der  — ,  von 
Zondek  259,  die  —  und  ihre  Behandlung, 
von  Veit  263,  —  und  Anaphylaxie,  von 
Liepmann  372,  Heilbarkeit  der  — durch 
Einspritzungen  in  den  Rückenmarks¬ 
kanal,  von  "Rissmann  428,  Schädigung 
der  Niere  bei  — ,  von  Zinsser  545,  Be¬ 
handlung  der  —  mittels  der  prophylak¬ 
tischen  Methode,  von  Stroganoff  548, 

Heilung  der  —  durch  intralumbale  In¬ 
jektion  von  Schwangerenserum,  von 
Mayer  600,  Pathogenese  und  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Jarzer600,  Behandlung 
der  — )  von  Uhtmöller  600,  —  und  Pseu¬ 
doeklampsie,  von  Croom  788,  Behand¬ 
lung  der  —  von  Zweifel  936,  Unterdrük- 
kung  der  Konvulsionen  bei  der  — ,  von 
Wallace  940,—  geheiltmitHvpophysen- 
extrakt.von  Schossberger  1283,  Störung 
der  Nierenfunktion  bei  -  ,  von  Krömer 

1290,  quantitative  Gesamtfett-Choleste- 

rin-  und  Cholesterinesterbestimmungen 

bei  —  und  Amenorhöe,  von  Lindemann 

1291,  über  — ,  von  Nagel  1398,  Therapie 

der — ,  von  Praeger  1404,  zur  Therapie 
der—,  von  Nacke  1455,  Verhalten  der 
Blutviskosität  bei  der —, von  Engelmann 
und  Elpers  1563,  —gravidarum  undPare- 
Bis  puerperalis,  vonPersson  1615,  Harn¬ 
giftigkeit  bei  der  — ,  von  Esch  1616, 
Schnellentbindung  bei  der  — .vonNacke 
und  Less  1900,  viermaliges  Auftreten 
der  —  bei  derselben  Patientin, vonHolste 
2356,  Blutveränderungen  beider —  und 
Schwangerschaftsniere,  von  Dienst2474, 
Behandlung  der  —  mit  Ringerscher  ^ 

Lösung,  von  Engelmann  .....  258y 

Eklampsiebehandlung,  über,  von  Kolisch 
2308,  Stroganoff -^che — ,  von  Holst  259, 
zur — ,  von  Lutz  428,  —  durchlnj  ektionen 
in  den  Rückenmarkskana],  von  Guggis- 
berg  713,  abwartende  — ,  von  Lichten¬ 
stein  1348,  1677,  2638,  —  nach  Uroga- 
noff  in  der  Arbeiterwohnung,  von 
Strempel  1617,  Resultate  der  ander 

Schautaschen  Klinik,  von  Thaler  . 

Eklampsiefälle,  158,  und  derenBehandlung, 

von  Rohrbach . 16171 

Eklampsiefrage,  zur,  von  Stange  600,  von 

Schmidt . 161» 

Eklampsietherapie,  zur,  von  Freund  .  .  .  1-148 
Eklamptische, Behandlung  von,  vonSchwab 
1397,  Untersuchungen  von  Harn  und 
Blut  von  — ,  von  Landsberg  .  .  .  .  • 

Ekzem  s.  a.  Formalin ekzem. 

Ekzem,  Eczema,  Pellidol- Vaselinsalbe  bei, 
von  Bendix  1415,  Behandlung  des  — - 
mit  Xylol,  von  Missikow  1624,  —  bei 
Säuglingen,  von  Schkarin  1951,  —  oris 
als  Manifestation  der  kongenitalen  Sy¬ 
philis,  von  Findlay  und  Watson  1955, 
Cadogel,  ein  neues  Teerpräparat  bei  — , 
von  Bugarsky  und  Török  2139,  toxisch- 
follikuläres  — ,  von  Berger .  .... 

Elarson  426,  von  Tuszewski  2907,  —  bei 
genuiner  Epilepsie,  von  Maier  2013, 

—  bei  Epilepsie,  von  Sussmann  2249, 

—  bei  Blutkrankheiten,  von  Walter- 

höfer  2494,  —  in  der  Dermatologie, 
von  Scherber . 

Elberfelder  Pferde,  von  Haenel . 

Eibon,  von  Johannessohn . • 

Elektrargol,  Beeinflussung  der  Opsonie 
durch,  von  Werner  und  v.  Zubrzycki  583, 
über  die  Wirkung  des  —  Clin,  von 
Daeis  713, —bei  Gelenkrheumatismus, 
von  Schönfeld  .  ...-.•  1302,  1789 

Elektrischer  Starkstrom,  Verletzung  des 
Schädelknochens  durch,  von  Gerlach 
97,  Bedeutung  der  Art  und  Intensität 

des  — ,  von  Jellinek .  2590 

Elektrische  Unfälle,  von  Maly  .  .  .  .1619 
Elektrizität  s.  a.  Starkstromverbrennung, 
Verbrennung 

Elektrizität,  Handbuch  der  medizinischen 
Anwendungen  der,  von  Boruttau  und 
Mann  141,  Gefahren  der  — ,  von  Jelli¬ 
nek  333,  — ,  Unfallverhütung  und  erste 


2309 


1504 


2420 


2536 

212 

1166 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLIX 


8eite 

Hilfeleistung,  von  Jellinek  1392,  Un¬ 


fälle  durch — ,  von  Fischl . 21  .‘18 

Elektroangiogramm,  von  Bittorf  .  .  427,  1056 

Elektrobiologie,  von  Bernstein . 2414 

Elektroden,  Polarisation  der  — ,  von  Gilde¬ 
meistor  .  ....  2129 


Elektrokardiogramm,  Einfluss  der  Kohlen¬ 
säurebäder  auf  das,  von  Waledinsky 
258,  —  bei  Schwangeren,  von  Rubner 
826,  —  des  Vorhofes  bei  normotroper 
und  heterotroper  Automatie,  von  Ganter 
und  Zahn  1055,  Bedeutung  des  —  für 
die  Analyse  der  Herzarrhythmie,  von 
Weil  1913, Beeinflussung  des—  durch  by- 
driatrische  Prozeduren,  von  Jastrowitz 
2133,  Deutung  des  — ,  von  Einthoven 
2243,  Einfluss  experimenteller  Ver¬ 
letzungen  des  Conus  arteriosus  dexter 
auf  die  Kurve  des  — ,  von  Tscherno- 
rutzky  2356,  Veränderungen  des  — 
bei  Aenderungen  der  Herzarbeit,  von 

Weitz .  2473 

Elektrokardioarammstudien,  von  See¬ 
mann  2243,  von  Leonto witsch  ....  2243 
Elektrokardiograph  der  Siemens  &  Halske 


A.-G.,  von  Rautenkranz .  2365 

Elektrokardiographie,  Bedeutung  der,  von 
Nicolai  893,  physikalische  Grundlage 

der  — ,  von  Rautenkranz .  2365 

Elektrokoagulation  bei  der  operativen  Be¬ 
handlung  des  Krebses,  von  Abel  .  .  .  275 
Elektromyogramm  roter  und  weisser  Mus¬ 
keln,  von  Kohlrausch .  2243 

Elektroselenium,  Behandlung  inoperabler 

Tumoren  mit,  von  Philipp  .  ...  2693 

Elektrotherapie  mittels  des  Stabilisierungs¬ 
verfahren,  von  Sommer .  2486 

Elephantiasis,  Lymphangioplastik  bei,  von 


Rosano w  143,  —  vulvae  tuberkulöser 
Aetiologie,von  Thornll77,  Operation  der 

—  der  männlichen  Genitalien,  von 
Müller  1956,  operative  Behandlung  der 

—  scroti,  von  Kuhn  und  Gühne  .  .  .  1956 
Elfenbein,  Implantation  von,  von  König  946,  1677 
Ellenbogenaffektionen,  von  Deutschländer  1011 
Ellenbogengelenk,  operative  Mobilisierung 

eines  ankylosierten,  von  Exner  .  .  .  2548 
Elsbergsche  Reaktion,  Diagnose  der 
Schwangerschaft  durch  die  — ,  von 
Carpintera  und  Gimdnez  de  la  Serrana  1964 
Emanation  und  Emanationstherapie,  von 

Hausmann . 1215 

Emanationsmengen,  neue  Methode  zur 

Einverleibung  grösserer,  von  Kühnelt  42 
Embarin,  von  Sowade  1166,  Behandlung 
der  Syphilis  mit  — ,  von  Guppisch  2029, 
Erfahrung  mit  — ,  von  Salomonski  2072, 

—  in  der  Privatpraxis,  von  v.  Planner 

2302,  Wirkung  des  —  bei  Syphilis,  von 
Karelin . 2810 

Embarininjektionen ,  toxische  Erschei¬ 
nungen  nach  — ,  von  Fried  .  ...  264 

Embolien,  Lokalisation  von,  in  der  Lunge, 
von  Hofmann  316,  Mechanik  der  — , 
von  Geigel  714,  —  der  Pulmonalarterie, 
von  Neubert  1226,  operierte  —  der  Art. 
femoralis,  von  Key  1343,  —  im  Lenden¬ 
mark,  von  Binswanger .  2084 

Emetin,  Behandlung  der  Amoebendysen- 
terie  mit,  von  Baermann  und  Heine¬ 
mann  1 132,  Wirkung  des  —  bei  Amoe- 
benkrankheiten,  von  Dopter  ....  1630 
Emphysem,  von  Plesch  1110,  —  und  Un¬ 
fall,  von  Rumpf . 1282 

Emphysemoperation,  Freundsche,  von 

Jessen . 1033 

Empyema  pulsans  interlobare,  von  Levi 
1790,  —  als  Unfallfolge,  von  Rodler- 
Zypkin  2026,  interlobäres  — ,  von 
Flöystrup  2358,  Apparat  zur  Drainage 
bei  — ,  von  Schmerz  2368,  parapneu¬ 
monische  — ,  von  Gerhardt .  2637 

Empyembehandlung  im  Säuglings-  und 
frühen  Kindesalter,  von  Buttermilch 

und  Stettiner .  2374 

EncephalitishaemorrhagicanachSalvarsan- 
injektionen,  von  Schmorl  1685,  liae- 


Sette 


morrhagische  — ,  von  Oeller  1844,  — 

und  Mumps,  von  Bien . 

Enchondrom  der  rechten  Brustwand,  von 

Heinlein  !  .  .  . 

Enchondrombildung,  multiple,  der  Pha 
langen,  von  Regensburger  .... 
Endaneurysmoraphie,  von  Matas  .  . 
Endocarditis  lenta,  von  Lewinski  .  . 
Endometritis,  Nephritis  und  Eklampsie 
bei  eitriger  Mikrokokken-,  von  Albert 
1347,  Behandlung  der  — ,  von  Slingen- 
berg  2298,  Totalexstirpation  wegen  tu¬ 
berkulöser  — ,  von  Henkel . 

Endometrium,  biologische  und  biochemi¬ 
sche  Funktion  des,  von  Goffe  .... 
Endoskop,  Feststellung  der  Ursache  des 
Versagens  der  elektrischen  Beleuchtung 

eines,  — ,  von  Ehrlich  . 

Endoskopie  s.  u.  Abdominalendoskopie. 
Endoskopie,  von  Ahrens  785,  Lampe  zur 
— ,  von  Reuter  1548,  —  geschlossener 
Höhlen,  von  Nordentöft  2194,  Bericht 
über  4000  rektale  — ,  von  Foges  .  , 
Endoskopische  Methoden,  neue  Fort 
schritte  der,  von  Jackson  ... 
Endotheliome  des  Eierstocks,  von  Schott 

länder . 

Endothelsarkom,  von  Lucksch  ... 
Energometer,  von  Hapke  1055,  1473, 

Ohristenscher  — ,  von  Drouven  2801, 

von  Dunkan  . 

Energos  Co.,  die,  von  Vorberg . 

Engel-Tumansche  Reaktion  bei  Säuglingen, 

von  Ostrowsky . 

Enophthalmus,  traumatischer,  von  Dutoit 
Entamoeba,  Identität  der,  histolytica  und 

—  tetragena,  von  Craig . 

Entbindungen,  schmerzlose,  von  Voll  300, 
Verwendung  von  Skopolamin  und 
Morphium  bei  — ,  von  Long  957,  — 
bei  vollständiger  Lähmung  des  Rump¬ 
fes,  von  Bogdanowitsch . 

Enteritis,  phlegmonöse,  von  Frising  und 
Sjövall  658,  —  necrotica-fibrinosa,  von 
Sta*mm  1064,  akute  embolische  — ,  von 
Hart  1618,  ätiologisch  unklare  chron. 
— ,  von  Dalziel  1968,  —  membranacea, 
von  v.  Reuss  2764,  Therapie  der  — 

mit  Tannismut,  von  Tobeitz . 

Enterocleaner  s.  a.  u.  Amerikanismus. 
Enterocleaner,  von  v.  Aufschnaiter  .  .  . 

Enteroglandol . 

Enteroptose ,  Röntgenbilder  von ,  von 
Williamson  218,  Kolo-K  olostomie  wegen 
maximaler  — ,  von  v.  Kutscher  .  , 
Enterospasmus,  chronischer,  von  Hart 

becker  . 

Enterostomie,  aseptische,  von  Wolff  . 
Entfettung,  Technik  der,  von  Brauer  . 
Entfettungsapparat,  einfacher,  u.  Muskel 
Übungsapparat,  von  Hergens  .  .  . 
Entfettungskur,  von  Brauer  619,  Erfah 
rungen  mit  dem  Bergonisieren  für  — , 
von  Veith  1681,  zur  Kritik  der  modernen 
elektrischen  — ,  von  Roemheld  .  .  . 
Entfettungsmittel,  neues,  von  Kauffmann 

525, 

Entfettungsverfahren ,  das  elektrische, 
mittels  des  Degrassator,  von  Sehnde  . 
Entfieberung,  Deutung  der  kritischen,  von 

Lüdke  . 

Entwicklungsmechanik,  Terminologie  der, 
der  Tiere  und  Pflanzen,  von  Roux 
Entzündungshemmung,  von  Januschke  957, 
Enzephalomyelitis  nach  Pocken,  von  Klie- 

neberger  .....  . 

Eosin,  Einwirkung  des,  auf  Bakterien, 
Hefen  und  Schimmelpilze,  von  Zeiss 
Eosinophile  Granula,  chemische  Konsti¬ 
tution  der,  von  Müller  .  . 

Eosinophile  Zellen,  nach  besonderer  Me¬ 
thode  gefärbte,  im  Blute,  von  Müller 
Eosinophilie,  Beziehungen  der,  zur  Ana¬ 
phylaxie,  von  Schlecht  u.  Schwenker  35, 
lokale  —  bei  chirurgischen  Darmaffek¬ 
tionen,  von  Oehler  201,  —  bei  Ueber- 
empfindlichkeit  gegen  organisch eArsen- 


2374 

2867 

2026 

2018 

601 


2863 

2082 

1619 

2365 

2361 


2371 

1181 


2801 

222 

1288 

1047 

1851 


1340 


2748 

1012 

2781 


1412 

2753 

1787 

948 

2805 


2908 

1260 

1936 

1056 

2636 

1013 

884 

1506 

1452 

1069 


Seite 

Präparate,  von  Schlecht  800,  —  im 
Liqu.  cerebrospinalis  bei  Rautengruben- 
zystizerkus,  von  Grund  1219,  diagnosti¬ 
sche  u.  prognostische  Bedeutung  der 
— •  bei  der  Lungentuberkulose,  von 
Czuprina  1624,  —  beim  sog.  Frühjahrs¬ 
katarrh,  von  Steiger  u.  Strebei  .  .  .  2584 
Ependymitis,  pathologische  Anatomie  und 
Pathogenese  der,  granularis,  von  Mar- 

gulis .  2588 

Epidemiengesetz,  Schweizerisches  ....  1072 
Epidermolysis  bullosa  congenita,  von  Beck  2534 
Epididymitis,  Behandlung  der,  mit  Arthi- 

gon  u.  Ichthyol,  von  Saynisch  .  .  .  2302 
Epiduralraum,  Darstellung  des,  von  Heiler  831 
Epilepsie,  Bromtherapie  bei  der  genuinen 
— ,  von  v.  Wyss  484,  Luminal  bei  — , 
von  Geymayer  547,  Bromwirkung  bei 
der  — ,  von  Januschke  564,  736,  Zy- 
stizerken-  — ,  von  Saenger  619,  Luminal 
bei  — ,  von  Meliola  620,  Deviation  der 
Augen  bei  — ,  von  Bäräny  900,  trau¬ 
matische  —  nach  Kopfverletzungen 
im  Japanisch-Russischen  Krieg,  von 
Eguchi  935,  Zustandekommen  der  — , 
von  Sauerbruch  1005,  traumatische  — 
mit  Schädelläsion,  von  Muskens  1006, 
chirurgische  Therapie  der  — ,  von  Ku- 
kula  1732,  operative  Behandlung  der 
traumatischen  — ,  von  Kolaczek  1844, 
seltenere  Fälle  organischer  — ,  von 
Jakob  1854,  die  — ,  von  Binswanger 
2007,  operative  Behandlung  der  — , 
von  Rauch  2009,  Elarson  bei  genuiner 
— ,  von  Mayer  2013,  Jahresversamm¬ 
lung  der  Internat.  Liga  zur  Bekämp¬ 
fung  der  —  2030,  Halbseitenerschei¬ 
nungen  bei  — ,  von  Binswanger  2084, 
traumatische  — u.  ihre  chirurgische  Be¬ 
handlung,  von  Matthiae  2246,  Elarson 
bei  — ,  von  Sussmann  2249,  Meningitis 
und  — ,  vonTilmann  2251,  Beziehungen 
von  pathologischen  Veränderungen  der 
Hirnrinde  zur  — ,  von  Denk  2251,  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Heidenhain  2382, 
Bedeutung  der  Abderhaldenschen  Sero¬ 
diagnostik  für  die  — ,  von  Binswanger 
2479,  chirurgische  Behandlung  der  — , 
von  Bornhaupt  2532,  Operation  der 
traumatischen  — ,  von  Lexer  ....  2701 
Epilepsiebehandlung,  von  Erlenmeyer 

1046,  von  Januschke  . .  2372 

Epileptiker,  psychische  Anomalien  der, 
von  Münzer  2248,  die  Abderhaldensche 
Seroreaktion  bei  — ,  von  Binswanger 

2321,  2479 

Epileptische,  Blutserum  und  Liqu.  cere¬ 
brospinalis  an,  von  Trevisanello  .  .  487 
Epileptischer  Symptomenkomplex,  pseu¬ 
dobulbärer,  von  Zappert  .  2374 

Epinephrin  bei  Nierenblutungen,  von 

Kretschmer .  2591 

Epiphysenautoplastik,  von  Pfänner  .  .  2368 
Epiphysenlösung,  von  Haenisch  778,  — 

am  r.  Oberarmkopfe,  v.  Luxembourg  2759 
Epiphyseolyse,  von  Magnus  ......  1684 

Epiphysitis  tibiae  dissecans  traumatica 

adolescentium,  von  Ebbinghaus  .  .  2013 

Epitheltransplantationen  nach  Mastoid- 

operationen,  von  Balance  . 887 

Epityphlitis  traumatica,  von  Benestad  .  551 
Erbrechen,  unstillbares,  bei  Retroversio, 
von  Sperling  205,  normales  Schwan- 
gerenserum  bei  unstillbarem  — ,  von 
Rubeska  600,  medikamentöse  Behand¬ 
lung  des  nervösen  — ,  von  Rosenhaupt 
938,  unstillbares  —  und  Retroversion 
des  schwangeren  Uterus,  von  Herr¬ 
gott  1049,  —  der  Schwangeren,  von 
Asch  1349,  1619,  Aetiologie  u.  Therapie 
des  —  in  der  Gravidität,  bei  Tabes 
und  in  der  Seekrankheit,  von  Stern¬ 
berg  2639,  Differentialdiagnose  des 
periodischen  — ,  von  Strauss  ....  2692 
Erepton,  von  Lallement  und  Gross  .  .  .  1015 
Erfrierung  der  Füsse  bei  niederen  Wärme¬ 
graden,  von  Lauenstein  1447,  —  im 


4 


L 


INHALTS- VERZEICHNIS 


1913. 


Seite 

Kriege,  von  Meyer  2867,  von  Massari 

und  Kronenfels .  2596 

Erhängen,  Differentialdiagnose  zwischen 
Tod  durch,  und  Erdrosseln,  von  Giese 
495,  Todesursache  bei  — ,  von  Nippe  1281 
Ermüdungsreaktionen,  von  Hoimann  .  .  330 

Ernährung,  Einfluss  künstlicher,  auf  bio¬ 
logische  Eigenschaften  des  Organis¬ 
mus,  von  Ossinin  93,  Technik  der  — , 
von  Thiemich  323,  einige  bisher  in 
der  Physiologie  und  Pathologie  der 

—  noch  nicht  berücksichtigte  Faktoren, 
von  Schaumann  835,  1293,  Zuckerzu- 
satz  bei  der  unnatürlichen  — ,  von 
Bendix  1219,  Bedeutung  der  Darm¬ 
bakterien  für  die  — ,  von  Schottelius 

1506,  Technik  der  —  und  Ernährungs¬ 
therapie  im  Säuglingsalter,  von  Engel 

1507,  kochsalzarme  — ,  von  Hirsch¬ 
stein  1574,  die  —  der  Narkotisb  rten 
und  Operierten,  von  Chauvin  und 
Oeconomos  1791,  natürliche  dreifache 

—  bei  Nervenkrankheiten,  v.  Monteenis 
2255,  Zusammenhang  von  Infektion  u. 

—  ,  von  Thomas  und  Hornemann 
2372,  parenterale  — ,  von  Schott  2379, 
Gesetze  der  — ,  von  Schottelius  2440, 
der  neivöse  Mechanismus  der  — ,  von 


Albahary  2584,  natürliche  —  des  Neu¬ 
geborenen,  von  Jaschke  .  2744 

Ernährungsstörungen,  Körperzusammen¬ 
setzung  bei,  von  Klose  2373,  miss¬ 
bräuchliche  Verwendung  von  Eiweiss¬ 
wasser  bei  akuter  —  von  Säuglingen, 

von  Lust .  2720 

Ernährungstorheiten,  unsere  grossen,  von 

Christen .  86 

Erreur  de  sexe  infolge  von  Hypospadie, 

von  Zurhelle . 1566 

Erschöpfung,  objektives  Zeichen  der  ner¬ 
vösen,  von  Bumke . 1512 

Erstickungstod,  von  Roll  . 1679 

Ertrinkungstod,  von  Völpel  . 1679 

Erwerbsunfähigenversicherung ,  die ,  in 
Grossbritannien  und  Irland,  von  Fehl¬ 
meyer  . 374 

Erysipel  und  Tätowierung,  von  Sehrwald 
976,  Behandlung  des  —  mit  Antistrepto¬ 
kokkenserum,  von  Welz  1415,  latentes 
— ,  von  Berger  2420,  —  kontra  Ne¬ 
phritis,  von  Glaser .  .  .  2747 

Erysipelfall,  Eigenserum  bei,  von  Luba- 

nowski  .  2551 

Erystypticum  Roche,  von  Keibel  373,  von 

Gisel . 1283 

Erythema,  Aetiologie  des,  exsudativum 


multiforme,  von  Saisawa  994,  Pathoge¬ 
nese  des  — ,  von  Bruusgaard  1112,  — 
nodosum  und  Tuberkulose,  von  Moro 
1142,  —  induratum  und  akneiforme 
Tuberkulide,  von  Lier  2642,  —  multi¬ 
forme  bullosum  in  Pemphigus  über¬ 
gegangen,  von  Weinländer  ...  .  2869 

Erythrodermia  mycotica,  von  Herxheimer  1517 
Erythromelalgie ,  Foerstersche  Operation 

bei,  von  Mayeshima . 1277 

Erythrozyten,  Zusamm  ensetzung  der  Stro¬ 
mata  menschlicher,  von  Beutner  u.  Bür¬ 
ger  938,  Thoma-Zeisssche  Zahlmethode 
der  — ,  von  Bürker  1001,  Resistenzbe¬ 
stimmung  der  —  bei  Tuberkulose,  von 
Weihrauch  1047,  Natur  der  Substantia 


granulofilamentosa  der  — ,  von  Pfuhl  2066 
Eserin,  Wirkungsweise  des,  von  Wessely  2478 
Eserinlösungen,  Rotwerden  von,  von  Wölff- 

lin . 1453 

Esperantokongress,  ärztlicher  ....  1975 
Essig,  der,  des  Hannibal,  von  Neuburger  2375 
Estomac,  Troite  Medico-chirurgical  des  rna- 
ladies  de  1’,  et  de  loesophage,  von  Ma- 
thieu,  Sencert  u.  Tutfier  .  .  .  .  2241 

Etikettenkommission,  Thesen  der  Münch. 

ärztlichen . 901 

Eubalsol .  2472 

Euboment  . . 1839 

Eugenics  Laboratory  Memoirs  XVII,  von 

Heron  ,  ,  ;  . . 932 


Seite 

Eumecon . •  2472 

Eunuchoidismus,  von  Sänger  2860,  —  bei 
Diabetes  insipidus,  von  Ebstein  200, 

Fall  von  — ,  von  Schwenkenbecher  .  444 

Euresolspiritus,  von  Doering . 335 

Euthalattin .  2472 

Euthanasie,  über . 552 

Eventratio  diaphragmatica,  von  Motzfeld 
430,  von  Krause  778,  1844,  von  Hilde- 
brand955, Differentialdiagnose  zwischen 
—  und  Hernia  diaphragm.,  von  Baetge 
1275,  Beschwerden  bei  rudimentärer — , 

von  Kienböck . 2219 

Exanthem,  erythrodermieartiges  luetisch., 
von  Pirquet  564,  —  nach  Copaivabal- 
sam,  von  Fischer  1047,  einige  akute 
febrile  — ,  von  Chernbach  1051,  klein¬ 
blasiges  —  auf  Sumatra,  von  Leber  .  1344 
Exokard- Apparat  s.  u.  Heilgymnastik. 

Exostosis  cartilaginea,  von  Wendel  .  .  383 

Exostosen,  osteogenetische,  und  Rachitis 

mus,  von  Babesch  und  Capitolin  .  .  1051 
Experimentelle  Eingriffe  an  Kranken  .  .  100 

Explosion,  ärztlicher  Bericht  über  die,  auf 
dem  französischen  Linienschiff  „La  Li- 


bertö“,  von  Gazeau . 1958 

Exsudate,  Behandlung  eitriger  tuberku¬ 
löser  ,  mittels  künstlichen  Pneumo¬ 
thorax,  von  Rösler  1627,  Punktion  pleu- 
ritischer  —  unter  Lufteinlass ,  von 

Schmidt  .  2363 

Extension,  intermittierende,  von  v.  Baeyer  1353 
Extensionsapparate,  von  Fischer  ....  2368 


Extensionsbehandlung,  die  moderne  Bar- 
denheuersche,  im  Vergleich  zur  Stein- 
mannschen  Nagelextension,  von  Grüne 
712,  —  bei  Kalkaneusfraktur  und  den 
Verletzungen  der  Mittelfussknochen, 
von  Gelinsky  1278,  —  der  Oberarm¬ 
brüche,  von  Christen  .  .  ...  1545 

Extensionsschiene,  ambulatorische,  von 

v.  Buengner . .  2595 

Extensionstisch,  von  Weber  .  .  .  733,  1999 

Extractum  filicis  maris,  Vergiftung  mit, 
von  Cornelis  390,  Einfluss  des  —  auf 
die  weissen  Blutkörperchen,  von  Grek 
und  Reichenstein  1452,  tödliche  Ver¬ 
giftung  mit  — ,  von  Curschmann  .  2652 
Extraduralanästhesie,  von  Bleeck  937,  von 

Läwen  . 1559 

Extrasystolen,  supraventrikuläre,  von  Rihl  1560 
Extrauteringravidität,  ausgetragene,  von 
Rüder  671,  wiederholte  — ,  von  v.  Lin- 
gen  1448,  4  Fälle  von  — ,  von  Hirt  1744, 
Frühsymptom  der  — ,  von  Solowij  2746, 
Beobachtungen  über  — ,  von  Grusdew  2809 
Extrauterinschwangerschaft,  Schwierigkeit 
der  Diagnose  bei  geplatzter,  mit  Hä- 
matozele,  von  Bejan  44,  statistische 
Studie  zur  — ,  von  Baculescu  548,  das 
chirurgische  Verhalten  bei — ,  von  Cohn 
1050,  durch  Corpus  luteum-Blutung  vor¬ 


getäuschte  — ,  von  Thorn . 1177 

Extremitätenreflexe,  pleurogene,von  v.Saar 

39,  von  Finsterer .  2692 

Extremitätensarkome,  von  Oser  ...  .  2369 


F. 

Fabrikbetrieb,  Reformen  im,  von  Kätscher  1395 

Fäkalien  s.  u.  Desinfektion. 

Fäzes,  quantitative  Skatol- Indolbestim¬ 
mungen  in  den,  von  Moewes  37,  Dia- 
stasegehalt  der  —  bei  Gärungsdys¬ 
pepsie,  von  Arnold  427,  Diastasegehalt 


der  — ,  von  Rotky  . 2158 

Fahrlässigkeitsparagraphen,  Resolutionen 
gegen  die,  in  Österreich.  Entwurf  eines 

Strafgesetzes  .  2250 

Fahrt,  letzte,  von  Scott  .  2800 

Familie,  Schutz  der,  gegen  den  trunksüch¬ 
tigen  Familienvater,  von  Duensing  und 

Schwandner  .  2260 

Familienerkrankung,  hereditäre,  von  Do- 

brochotow  . .  2355 


Seite 

Familienforschungen,  medizinisch  -  biolo¬ 
gische,  von  Lundborg . .  .  716 

Farbenschwäche,  sogenannte,  von  Hilbert  718 

Farbensinn  der  Bienen,  von  v.  Frisch  15, 
vergleichende  Untersuchungen  über 
den  Licht-  und  — ,  von  Fröhlich  1789, 
pseudo-isochromatische  Tafeln  zur  Prü¬ 
fung  des  — ,  von  Stilling  2128,  Ent¬ 
wicklung  von  Lichtsinn  und  —  im 

Tiei  reich,  von  v.  Hess .  2306 

Farbensinnstörungen,  Diagnostik  der,  von 

Stargardt  u.  Oloff .  .  143 

Farbstoffe, Unterscheidung  natürlicher,  von 
künstlichen,  von  Chlopin  u.  Wassiljewa 
1622,  Giftigkeit  basischer  — ,  von  Traube  2129 
Farbstofflösungen,  Transport  subkutan 
injizierter,  durch  den  Darmkanal,  von 

v.  Möllendorf  ...  . 2012 

Farbwerke,  öOjähr.  Bestehen,  der  Höchster  223 

Fasszange,  neue,  von  Müller .  2345 

Faszie,  Verhalten  für  transplantierter,  im 
Organismus,  von  Chiäri  484,  freie  Pla¬ 
stik  der  —  lata,  von  Lucas . 1615 

Faszienplastik,  von  Sievers614,  —  bei  Ku- 
kullarisdefekt,  von  Cramer  1163,  Haut¬ 
implantationen  an  Stelle  der  freien  — , 
von  Löwre  1173,  operative  Verengerung 
der  Magenfistel  mittels  freier  — ,  von 
v.  Hacker  1339,  freie  —  bei  Fazialis¬ 
lähmung  . 1371 

Faszienquerschnitt  zur  Beseitigung  grosser 
Bauchbrüche,  von  Schottelius  ....  1405 
Faszientransplantation, Verwendbarkeit  der 
freien,  von  Neudörfer  205,  freie  — ,  von 
Denk  201,  von  Schmid  1181,  1788,  von 
Warschauer  1277,  von  Kornew  1677, 

—  zum  Zwecke  der  Rektopexie  und 
Nephropexie,  von  Ach  946,  Technik 
der  — ,  von  Guleke  1107,  —  bei  Blasen¬ 
scheidenfistel,  von  Schmid  1164,  —  bei 
Leberresektion,  von  Kornew  u.  Schaack 
1447,  homoioplastische  — ,  von  Valentin 
2009,  freie  —  zur  Deckung  von  Thorax¬ 
wanddefekten,  von  Hirano  ....  2586 
Faszienüberpflanzung  zur  Nahtsicherung 

von  Lungenwunden,  von  Hirano  .  .  2586 
Faszienübertragung,  autoplastische  freie, 

von  Kirschner  .  .  2068 

Fazialislähmung,  Behandlung  der,  mit 
Muskel  plastik,  von  Hildebrand  945, 
operative  Korrektur  der  — ,  von  Stein 
945,  chirurgische  Behandlung  der  — , 
von  Stein  1351,  kosmetische  Korrektur 
der  -  durch  freie  Faszienplastik,  von 
Stein  1370,  periphere  —  durch  Schuss¬ 
verletzung,  von  Stein  1794,  Genese  und 
Therapie  der  rheumatischen  — ,  von 


Moskowitz  . .  2250 

Fazialisphänomen,  von  Raudnitz  ....  2372 
Febris  recurrens  und  Malaria  in  Nord¬ 
syrien,  von  Schneider  1344,  Aetiologie 
der  — ,  von  Nicolle,  Blaizot  und 

Conseil .  ....  1792 

Fechten,  Einflussdes,  auf  den  Organismus, 

von  Marcovici .  2246 

Fede  Prof.  Dr.  F.  + . 504 

Fehlgeburten,  Steigerung  der,  167, 692 Fälle 
von  — ,  von  Schmidt  259,  Rundfrage 
über  die  Häufigkeit  der  —  ....  2653 
Feilitzsch,  Staatsminister  a.  D.  Frh.  v.  f  .  1415 

Feldlaboratorien,  mobile . 1302 

!  Feldzug,  Erfahrungen  aus  dem  türkischen, 

von  Marco vic  . -201 

Felsenbeinpräparat,  von  Cohn .  2078 

Femurdrittel,  seltene  Erkrankungen  des 

oberen,  von  Axhausen .  2535 

]  Ferienkurse,  akademische,  in  Hamburg 
45,  1183,  —  der  Berliner  Dozenten¬ 
vereinigung  111,  280,  1127,  —  in 

München  . 1583 

j  Ferien  Versicherung  der  Schulkinder,  von 

Steinhardt . 1688 

!  Fermente,  Wirkung  der  metallischen, auf  die 
weissen  Blutkörperchen  und  die  Leuko- 
zytolysine,  von  Manoukhine,  Fiessinger 


u.Krolunitzky  548,  Nachweis  u.  Registrie¬ 
rung  derWirkung  proteolytischer  — ,  von 


1913. 


I N HALTS-  VERZEICHNIS 


LI 


Spite 

Kantorowicz  624,  diastatisches  —  im 
Harn,  von  Feldmann  666, proteolytische 

—  in  Exsudaten,  von  Lenk  und  Pollak 
1105,  Auftreten  von  —  nach  paren¬ 
teraler  Zufuhr  von  art-  und  individuum¬ 
eigenem  Serum,  von  Petri  1137,  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  des  Nachweises 
von  auf  blutfremde  Stoffe  eingestellten 
— ,  von  Abderhalden  1386,  1415,  1549, 
von  Hamburger  1549,  Natur  des  bei 
der  Abderhaldenschen  Reaktion  wirksa¬ 
men  — ,  von  Steising  1535,  Saccharose 
spaltende  — ,  von  Bierry  2180,  Auftreten 
eiweissspaltender  —  im  Blut  während 
der  prämortalen  Stickstoffsteigerung, 
von  Schulz  2512,  die  —  und  ihre  Wir¬ 
kungen,  von  Oppenheimer  2635,  Nach¬ 
weis  von  organabbauenden  —  im  Blute 
von  Mongolen,  von  Jödicke  2692,  Vor¬ 
kommen  der  das  Lebergewebe  spal¬ 
tenden  —  bei  Leberkranken,  von  Hertz 
und  Brokmann  2866,  fettspaltende 

—  im  menschlichen  Blut-erum,  von 

Caro .  2852 

Fermentreaktion,  Abderhaldensche,  bei 
Karzinom,  von  Frank  und  Heimann 
827,  Verwertbarkeit  der  —  beiSchwanger- 
schaft  und  Karzinom,  von  Markus  994, 

—  nach  Abderhalden,  —  von  Schäfer 

1402,  —  im  Serum  Schwangerer, 

Kreissender  und  Wöchnerinnen,  von 
Petri  1462,  Nachweis  eines  persistie¬ 
renden  oder  hvperplastischen  Thymus 
mittels  der  — ,  von  Kolb  1642,  zur 
— ,  von  v.  Wini  warter  2306,  von  Hiess 
und  Lederer .  2307 

Fermentuntersuchungen  bei  Magenkrank¬ 
heiten,  von  Rütimeyer . 146 

Fernsprechbeamtinnen,  Einfluss  der 
Dienststunden  auf  die  Leistungsfähig¬ 
keit  der,  von  Dobmen .  2093 

Ferrlezit  . 1839 

Fersendekubitus,  operative  Behandlung 

des,  von  Ledderhose .  2646 

Fersenschmerzen,  Behandlung  der,  von 

Reichart .  2473 

Festalkol,  neues  Händedesinfektions¬ 
mittel,  von  Martius .  2476 

Festschrift  zum  70.  Geburtstag  von 
M.  Kassowitz  111,  —  der  XI.  internat. 
Tuberkulosekonferenz  in  Berlin  .  .  2802 

Fettartige  Stoffe,  Ablagerung  von,  in  den 
Organen,  von  Wesselkin  ...  .  .  1505 

Fette,  Chemie  der,  von  Jolles  86,  quali¬ 
tativer  Nachweis  von  —  in  den  Sekre¬ 
ten  und  Extrakten,  von  Lohrisch  146, 
Verwendung  freitransplantierter  —  in 
der  Gelenkchirurgie,  von  Röpke  946, 
Einfluss  des  —  auf  den  Stoffwechsel, 
von  Giffhorn  1356,  Verhalten  des  — 
in  der  Leber  bei  atrophischen  Säug¬ 
lingen  und  bei  Inanition,  von  Hayashi 
2071,  Wirkung  des  —  als  Erreger  der 
der  Bauchspeicheldrüse,  von  Babkin 

und  Ishikawa . 2130 

Fettembolie,  von  v.  Aberle  781,  —  des 
grossen  Blutkreislaufes,  von  Frora- 
berg  und  Naville  1562,  —  nach  Quer¬ 
bruch  beider  Tibiae  und  Fibulae,  von 

Wilke . 1970 

Fettgewebe,  Nekrose  des,  durch  Naht, 

von  Eberhart .  40 

Fettimplantation  zur  Mobilisierung  eines 

versteiften  Ellenbogens,  von  Wilma  .  .  2861 
Fettleibigkeit,  allgemeine  Faradisation  bei, 

von  Carulla  .  .  . 951 

Fettresorptionsprüfung,  Methodik  der,  von 

Neumann .  ....  2639 

Fettstempel  zur  Anfertigung  des  hängen¬ 
den  Tropfens,  von  Bierast  ...  1398 

Fettstoffwechsel,  von  Gessner  774,  —  bei 

Diabetes,  von  Reicher  . 1053 

1  ettsubstanzen,  Nachweis  der,  des  Muskel¬ 
gewebes,  von  Noll . 327 

Fetttransplantation,  freie,  in  Knochen¬ 
höhlen,  von  Klopfer  1503,  —  bei  Sy¬ 
nostose,  von  Lexer  2203,  freie  —  bei 
Blutungen  der  parenchymatösen  Bauch¬ 
organe,  von  Hilse .  2802 


seile 

Fettverdauung,  Störungen  der,  hei  den 
Erkrankungen  der  Leber  und  der  Pan¬ 


kreas,  von  Tauber . 14(j 

Fettwachsbildung,  von  Müller  ....  2686 


Fettwuchs,  hypophysärer,  von  Strauch  676 
Feuerbestattung,  Regelung  der,  in  Bayern 
53,  54,  —  in  Elsass-Lothringen  719,  ^ 

—  und  gerichtliche  Medizin,  von  i 

Richter  . 1470 

Feuerbestattungsgesetz,  das,  von  Kefer- 
stein  .........  ...  383 

Fibrolipom  am  Zoekum,  von  Friedrich  .  613 
Fibrolysin  bei  Arthritis  deformans,  von 
Ipatow  998,  Anwendung  des  —  bei 
chronischer  Pneumonie,  von  Brenner  1547 
Fibrom,  multilokulares,  im  Zervikalmark, 
von  Merzbacher  und  Castex  714,  — 
des  Nasenrachens,  von  de  Stella  .  .  829 
Fibromyoendothelioma  capsulae  renis, 

von  Hailas .  .  .  660 

Fibromyome,  Behandlung  der,  der  Gebär¬ 
mutter  mit  Röntgenstrahlen,  von  Chi- 

liaditis  und  Stavridis  . 1791 

Fibrosarcoma  ligamenti  lati,  von  Jacub  1505 
Fibrositis,  von  Llewellyn  1013,  —  und 

Muskelrheumatismus,  von  Luff  .  .  .  1967 
Fibroxanthosarkum,  von  Dietrich  .  .  .  .1107 
Fibuladefekt,  zur  Therapie  des  kongeni¬ 
talen,  von  Hesse . 1727 

Fieber,  Pathogenese  des,  von  Friedberger 
und  Ito  427,  Referat  über  —  auf  dem 
Kongr.  f.  inn.  Med.,  von  Meyer  942, 
von  Krehl  943,  Anaphylaxie  und  — , 
von  Schittenhelm  943,  Verhalten  des 
Ei  Weissminimums  beim  experimen¬ 
tellen  — ,  von  Grafe  943,  Beziehungen 
zwischen  Nervensystem  und  Infekt  beim 
— ,  von  Citron  und  Leschke  943,  Ver¬ 
halten  des  Blutzuckers  im  — ,  von 
Freund  und  Marchand  1276,  ana¬ 
phylaktisches  — ,  von  Leschke  1458, 
von  Friedberger  1458,  —  bei  der  Gicht, 
von  Pfeiffer  1458,  —  und  Chinin  Wir¬ 
kung  im  — ,  von  Hirsch  1561,  Vakzine 
und  — ,  von  Hort  1733,  Wesen  und  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  v.  Funke  1749, 
nervöses  —  bei  Tabes  dorsalis,  von 
Siegiist  2726,  —  als  einziges  Symptom 


latenter  Lues,  von  Kraus .  2806 

Fieberanstieg,  von  Cloetta  und  Waser  .  .  2535 
Fieberepidemie  in  einer  Knabenschule  bei 

Edinburgh,  von  M’Nell  und  M’Gowan  1956 
Filariaembry  onen  im  Bl  ut  bei  Eingeborenen 

in  Lagos,  von  Conual  . 1401 

Filariainfektion,  tropische  Gewebsentzün- 

dungen  infolge  von,  von  Ziemann  .  1956 
Filarienkrankheiten,  Klinik  und  Therapie 

der,  von  Leber . 1401 

Filariosis  des  Auges,  von  Rauenbusch  .  2910 
Fingerbeugesehnen,  subkutane  trauma¬ 
tische  Rupturen  der,  von  Pförringer  .  2645 
Fingerchirurgie,  von  Müller  ......  2252 

Fingerdefekte,  Uebertragung  gestielter 

Hautlappen  auf,  von  Sievers  ....  313 

Fingergelenke,  Ersatz  von,  durch  Zehen¬ 
gelenke,  von  Goebell  ....  1598 

Fingerphalangen,  Ersatz  von,  und  Zehen¬ 
phalangen,  von  Goebel  356,  Ersatz 

einer  — ,  von  Lexer . 1855 

Fingersehnenkontraktur,  von  Hess  .  .  .  2702 

Finsenbehandlung,  die,  von  Reyn  .  .  .  824 

Finsenlichtbehandlung  am  Londonho¬ 
spital,  von  Sequeira  .  2694 

Fisteldarstellung  auf  Röntgenbildern,  von 

Cohn . 833 

Flasche,  neue,  zur  sterilen  Aufbewahrung 
von  Blut,  von  Orlovius  ....  2627,  2768 
Flecken,  Diagnostik  der,  in  der  gericht¬ 
lichen  Medizin,  von  Dervieux  und 

Leclercq . 1103 

Fleckfieber  bei  Kindern,  von  Molodenkoff 
205,  über  — ,  von  Hegler  und  von 

Prowazek .  2535 

Fleckfieberroseolen,  von  Fraenkel  .  .  .  2756 

Flecktyphus,  von  Brauer  1461,  Empfäng¬ 
lichkeit  der  Ferkel  für  — ,  von  Rabino- 
witsch  482,  Variola  und  — ,  von  Arzt 
und  Kerl  1124,  Vorbeugung  der  Ein- 
schleppu  ng  des  — 1188,  bakteriologische 


Seite 

Befunde  bei  — ,  von  Müller  1364,  sero¬ 
logische  Diagnose  des  — ,  von  Markl 
1731,  —  bei  Schwangeren  und  Brust¬ 
kindern,  von  Martinez  2477,  hämato- 
logische  Diagnose  des  — ,  von  Rabino- 

witsch .  2590 

Flecktyphusepidemie,  die  grosse,  in  Mittel¬ 
europa,  im  Anschluss  an  den  russi¬ 
schen  Feldzug,  von  Prinzing  ....  375 
Flecktyphuserreger,  von  Rabinowitsch  .  2451 
Fleischbüchsenkonserven,  die  Anforde¬ 
rungen  an,  von  Mayer . 485 

Fleischvergiftung .  1471,  1527 

Fleurs  d’oxzoin  .  .  1839 

Flexurkarzinom,  von  Silbersiepe  616,  von 

Weinbrenner  1232,  von  Jenckel  .  .  .  1515 

Flimmerarhythmie,  von  Nadel .  2763 

Flimmern  vor  den  Augen,  von  Niessl  von 

Mayendorf . 1800 

Flimmerskotom,  das  Gesichtsfeld  beim, 
von  Pichler  318,  Entstehungsmöglich¬ 
keiten  des  — ,  von  Filehne  .  ...  2801 

Flora,  illustrierte,  von  Mitteleuropa,  von 

Hegi . 541 

Florencesche  Reaktion,  von  Joesten  .  .  1679 

Flügelbolzen,  von  Marschik . 730 

Fluor,  Xerasebehandlung  des,  von  Abra¬ 
ham  1342,  —  im  menschlichen  Orga¬ 
nismus,  von  Gautier  und  Clausmann  1750 
Fluoreszierende  Substanzen,  biologische 
und  kurative  Wirkung  von,  von  Ghi- 

larducci  und  Milani  . 487 

Fluoreszin  als  Indikator  für  die  Nieren¬ 
funktion,  von  Strauss .  2747 

Förstersche  Operation  bei  gastro-intesti- 
nalen  Krisen  bei  Tabes,  von  Bungart 
20i,  —  bei  Erythromelalgie,  von  Maye- 
sima  1277,  —  bei  spastischen  Läh¬ 
mungen, vonSchloffer  1299,  —  bei  Little- 
scher  Krankheit, von  Gaugele  u.Gümbel  2850 
Fötus,  Zeitpunkt  der  luetischen  Infektion 
der,  von  Grinchese  1045,  —  papyra- 

ceus,  von  Stratz .  2746 

Fonabisit . 1839 

Forceps  intrauterinus,  von  Neuwirth  2192, 
von  Fleischmann  2852,  von  Hofmeier 
2852,  von  Herzfeld  2852,  Technik  des 

hohen  — ,  von  Neuwirth .  2309 

Forchheimer,  Prof.  Dr.  F.  f . 1416 

Formaldehyddämpfe,  Tiefenwirkung  der 
Desinfektion  mit,  von  Hirschbruch 

und  Levy  ...  . 1846 

Formaldehydraumdesinfektionsverfahren, 
die  apparatlosen,  von  Hammerl  .  .  .  1846 
Formaldehyd verdampfungs verfahren,  neues 
apparatloses,  von  Hauswirth  .  .  .  2249 

Formalinekzem,  Behandlung  des, von  Thilo  2841 
Forschung,  Fortschritte  der  naturwissen¬ 
schaftlichen,  von  Abderhalden  .  .  .  2799 

Forschungsinstitut  für  Biologie  503,  Ham¬ 
burger  —  für  Krebs  und  Tuberkulose  2767 
Fortbildungskurse  in  Hamburg  54,  1183, 

1639,  2095,  —  der  Kölner  Akademie 
111,  —  in  der  Universitäts-Frauenklinik 
in  München  391,  —  in  Paris  391,  — 
für  Schulärzte  in  Düsseldorf  504,  — 
für  Schulärzte  in  Köln  591,  unentgelt¬ 
liche  —  in  Berlin  791,  —  in  Physio¬ 
logie,  Pathologie  und  Hygiene  des  Säug¬ 
lingsalters  in  Düsseldorf  791,  2927,  psy¬ 
chiatrischer  —  in  München  791,  — 
über  Herzkrankheiten  in  Düsseldorf 
903,  —  über  soziale  Medizin  in  Düssel¬ 
dorf  1127,  1359,  —  über  Säuglingsfür¬ 
sorge  in  Berlin  1127,  gerichtsärztliche 
—  für  Militärärzte  in  Oesterreich  1171,  — 
in  Düsseldorf  1359,2709,  —  für  General¬ 
ärzte  in  Berlin  1415,  —  in  Karlsbad 
1583,  —  in  Köln  1752,  —  in  Zürich 
1752,  —  in  Dresden  1807,  —  in  Berlin 
1975,2207, —  für  bayerische  Bezirksärzte  2439 
Fortbildungsschüler,  Untersuchungen  an, 

von  Kaup . 1125 

Fortbildungsvorträge  in  München  1015, 

1127,  1359,  —  in  Berlin  1807,  —  in 
Karlsbad  1807,  —  im  Seminar  für  so¬ 
ziale  Medizin  in  Berlin  1975,  —  über 
Krankheiten  des  Säuglings-  und  Kindes¬ 
alters  in  Berlin  1975 


4* 


LII 


Seite 


Fortbildungewesen  in  Bayern  s.  u.  Aerzte- 
kainmern,  Verhandlungen  der  baye¬ 
rischen. 

Fortbildungswesen,  Kuratorium  des,  in 

Preussen  .  .  . 

Fortpflanzungsfäbigheit ,  Unterdrückbar- 
keit  der,  von  Waldschmidt  .... 
Fortschritte  der  naturwissenschaftlichen 
Forschung,  von  Abderhalden  .  86, 
Fossel  Prof.  Dr.  f  2081,  von  Sudhoff  .  . 
Fractura  malleoli  interni  non  sanata,  von 

Baehr  . 

Frakturbehandlung,  blutige  operative,  von 

Troell .  1169,  2359, 

Frakturen  s.  a.  Absprengungsfrakturen, 
Bruchenden,  Knochenbrüche,  Knochen¬ 
frakturen, Nagelextension, Hornbolzung. 

Frakturen,  operative  Behandlung  der,  von 
Hey  Groves  143,  605,  von  Walton  940, 
von  Fink  2368,  —  des  Gesichtsschädels, 
von  Körte  153,  —  des  Os  naviculare, 
von  Blencke  162,  —  am  oberen  Ende 
der  Tibia,  von  Salomon  202,  isolierte 

—  des  Trochanter  minor  von  Wagner 
204,  —  des  Zahnfortsatzes  des  Epistro- 
pheus,  von  Fritsche  313,  314,  typische 

—  des  atrophischen  Femur,  von  Bran¬ 

des  371,  —  des  Boaens  des  4.  Hals¬ 
wirbels,  von  Plate  436,  blutige  Stellung 
schlecht  stehender  — ,  von  Keppler  712, 
schwierige  — ,  von  Gocht  731,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  einfachen  —  der 
langen  Röhrenknochen,  von  Samp- 
son  887,  —  des  Sternums,  von 

v.  Brunn  1044,  —  des  Schenkelhalses, 
von  Worms  und  Hamant  1048,  Dia¬ 
gnose  und  Behandlung  einiger  — ,  be¬ 
sonders  der  Gelenke,  von  Meyer  1107, 
Distraktionsbehandlung  der  — ,  von 
Hackenbruch  1350,  Betiandlung  der  — 
des  Unterschenkels,  von  Többen  1504, 
Nagelextension  bei  —  der  unteren 
Extremität,  von  Jüngling  1748,  Thera¬ 
pie  der  suprakondylären  —  des  Hu¬ 
merus,  von  Veit  2314,  —  des  Fusses, 
von  Plate  2586,  Abduktionsbehandlung 
der  —  des  Femurhalses,  von  With- 

man  2694,  Extensions-  und  Flexions - 

am  unteren  Ende  der  Tibia  und  Fibula, 
von  Hilgenreiner  2743,  —  und  Luxation 
des  1.  Humeruskopfes,  von  Luxembourg 
2759,  Serienschnitte  von  — ,  von  Zondek 

Frakturheilung,  von  König  ....... 

Framboesie,  Intrakutanreaktion  bei,  von 
Baermann  und  Heinemann  1537,  die 

—  in  Guam,  von  Kerr . 

Framboesiefrage,  von  Plehn  1400,  von 

Baermann  und  Schüffner . 

Frank  Prof.  Dr.  R.  f  . . 

Frankfurt,  Genehmigung  der  Universität 
Frau,  die  Natur  der,  von  Tayler  88,  die 

junge  — ,  von  Huber . 

Frauen  erwerbsarbeit,  F rauenkrankhei  ten 
und  Volksvermehrung,  von  Hirsen  1391, 
Frauenheilkunde,  Handbuch  der,  von 

Menge  und  Opitz  . 

Frauenkrankheiten,  Einfluss  der  Berufs¬ 
tätigkeit  auf  die  Entstehung  von,  von 
Heng  310,  Handbuch  der  — ,  von  Hof¬ 
meier  2352,  von  Menge  und  Opitz 
Frauenkurort,  Attribute  eines,  von  Tuszkai 
Frauenmilch,  normale  Hämagglutinine  in 
der,  von  v.  Zubrzycki  und  Wolf sgruber 
317,  Wirkung  der  mechanischen  Er¬ 
schütterung  auf  die  — ,  von  Engel  883, 
Unterscheidung  von  —  und  Kuhmilch, 
von  Davidsohn  1678,  Reaktion  der  — , 

von  Davidsohn . 

Frauenmilchernährung,  von  Ritter  .  .  . 

Frauenstudium  in  Deutschland . 

Fremdkörper  s.  a.  Bronchoskopie. 
Fremdkörper  der  Lunge  und  Pleura,  von 
Hesse  40,  fort  mit  der  Schlundsonde 
bei  —  in  der  Speiseröhre,  von  Voss  266, 

—  in  der  Blase,  von  Vincent  278,  seltener 

—  in  der  männlichen  Harnröhre,  von 
Häuer  530,  Röntgenbild  eines  —  im 
Hauptbronchus,  von  Payr  614,  —  des 
Darmes  und  Wurmfortsatzes,  von  Retz- 


2927 

2799 


1043 

2407 


204 

2646 


2850 

439 


1957 


1400 

448 

446 


2859 

1788 

2414 


2414 

2432 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


8eite 


von 

von 


laff  658,  Schicksal  der  — in  der  Abdo¬ 
minalhöhle,  von  Beck  842,  eigentüm¬ 
liches  Verhalten  von  — ,  von  Sultanl038, 
Blasensteinbildung  an  einem  • — ,  von 
Maly  1279,  — in  der  weiblichen  Harn¬ 
blase,  von  Senge  1279,  — in  der  Hypo¬ 
pharynx,  von  Böhmig  1292,  — im  Oeso¬ 
phagus,  von  Jurasz  1559,  Methoden 
der  Extraktion  von  —  aus  der  Speise¬ 
röhre,  von  Wagner  1620,  Ileus  und. — , 
von  Bauereisen  1741,  Uterusperforation 
durch  einen — ,  von  Zimbler  1773,  Ent¬ 
fernung  eines  —  durch  untere  Broncho¬ 
skopie,  von  Friedrich  2147,  Entfernung 
der  —  der  Blase  auf  natürlichem  Wege, 
Herescu  2303,  Lagebestimmung 
—  mit  Hilfe  des  Stereo-Röntgen - 
Verfahrens,  von  v.  Holst  2354,  —  in 
der  Niere,  von  Haberern  2534,  —  in 

der  Trachea,  von  Haenisch . 

Fremdkörperentfernung  aus  der  Lunge 
durch  das  Bronchoskop,  von  Thost  .  . 
Fremdkörperextraktion,  Technik  der,  von 
R.  und  F.  Felten-Stoltzenberg  205,  Ver¬ 
einfachung  der  — ,  von  Schlesinger  882, 
Todesfälle  bei  der  bronchoskopischen 

— ,  von  Hinsberg . .  1793 

Fremdkörperschlucker,  Organe  eines,  von 

Loesehke  .  -  • 

Frequenz  der  deutschen  med.  Fakultäten 
im  W.-S.  1912/13  222,  imS.-S  19131862, 

—  der  Schweizer  med.  Fakultäten  im 
W.-S.  1912/13  678,  im  S.-S.  1913  .  .  . 
Friedmannsches  Mittel  s.  u.  Tuberkulose¬ 
heilmittel. 

Friedmannsches  Mittel  275,1696, 1840,2493, 
von  Mannheimer  1619,  von  Schleich, 
Müller,  Thalheim,  Immelmann,  Kraus 
und  Friedmann  . -  ■  2589 


2758 


99 


Valgussteilung  des  — ,  von  Looser  1842, 
Einfluss  von  Operationen  am  Fuss- 
skelett  auf  Wachstum  und  Funktion 

des  — ,  von  Hahn  .  . . 1900 

Fussbekleidung  in  der  amerikanischen 

Armee . 

Fussgangränen,  eigentümliche,  aus  dem 

Balkankrieg,  von  Dreyer . 

Fussgelenk,  Arthrodese  des,  vonSchoenen- 
berg  427,  Behandlung  versteifter  — , 
von  Weisz  430,  Behandlung  der  Tuber¬ 
kulose  des  von  Syring  .  ... 

Fussgeschwulst,  traumatische,  von  Schultz  2596 

Fussohlenkitzel,  von  Basler .  2242 

Fussverletzungen,  seltene,  von  v.  Assen  .  731 


2474 


2586 


G. 


2545 


2406 

1336 

208 


2378 


1694 


2070 


1564 


1729 


372 


556 


2804 

2373 

1695 


Frostschäden  ohne  Frostwetter,  von  Köhler 
Fruchtabtreibung,  Kampf  gegen  die  krimi¬ 
nelle,  von  Meyer-Ruegg  602,  Versuch 
einer  —  bei  ektopischer  Schwanger¬ 
schaft,  von  Singer  ...... 

Fruchtbarkeit,  ungewöhnliche,  des  Weibes, 

von  Neugebauer .  •  •  • 

Fruchtentwicklung,  extrachoriale,  von  Lin- 

zenmayer  und  Brandes  145,  vonSamuels  2010 
Frühakromegalie,  von  Schlesinger  .  .  2749 
Friihaufstehen  nach  der  Geburt,  von  Stro- 

ganoff . 

Frühgeburt  oder  ausgetragenes  Kind,  von 
Hacke  40,  Reifezentren  der  —  im  9.  Mo¬ 
nat,  von  Lutz  314,  Erfolge  der  künst¬ 
lichen  —  bei  engem  Becken,  von 

Ponfick . .  .  .....  1616 

Frühgeburtseinleitung  bei  platt  rachiti 

schem  Becken,  von  Durlacher  .  .  .  1882 

Frühjahrskatarrh,  Eosinophilie  beim  sog., 

von  Steiger  und  Strebei .  2584 

Frühsyphilis,  Salvarsan  und  Lues  cere¬ 
brospinalis  bei,  von  Altmann  und  Drev- 

fus  . . 465, 

Führer,  illustrierter,  durch  Bäder,  Heil¬ 
anstalten  und  Sommerfrischen  .... 
Fürsorge  s.  a.  Jugendfürsorge,  Kinderfür¬ 
sorge. 

Fürsorgestellen,  2.  Tag  der,  für  Lungen¬ 
kranke  . 791 

Fürsorgewesen,  Armenarzt  und  Münche¬ 
ner,  von  Freudenberger . 

Fürsorgezöglinge,  Musteranstalt  zur  Unter¬ 
bringung  von,  undErziehnngszöglingen 

in  Wien . .  . 

Fulguration  nach  KeatingHart,  von  Roelofs  2139 
Fulmargin ,  intramuskuläre  Anwendung 

von,  von  Engelen . 

Fundal . 

Funikulitis,  eitrige,  von  Schumacher  . 
Furunkulin,  Behandlung  mit,  von  Gol 
donyi  2139,  —  Zyma,  von  Dutoit 
Furunkulose,  Behandlung  der,  mit  Opso 

nogen,  von  Zweig . . 

Fuss,  Stützpunkte  des,  von  Momburg  373, 

Bau  und  Mechanik  des  normalen  — 
und  des  Plattfusses,  von  Baisch  428, 
freie  Osteoplastik  in  der  Fixation  des 
paralytischen  — ,  von  Frattin  482,  Ope¬ 
ration  gelähmter  — ,  von  Müller  1279, 


1127 


2706 


2927 


563 


320 


41 

426 

1956 


2262 


317 


Gärungsdyspepsie, DiastasegehaltderFäzes 

bei,  von  Arnold . .  -*'427 

Gärungssaccharometer,  neuer,  von  Henius 
1603,  einfaches  und  billiges  — ,  von 

Rensch . 

Galaktose,  Toleranz  gegen,  von  Wörner 
Galens  Lehre  von  der  Stimme,  von  Kassel 
Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Natur¬ 
forscher  (316.  Marion  Sims)  167,  (3l7. 

Kopp)  223,  (318.  Löbker)  335,  (319- 
Heubnen  735,  (321.  Heller)  1015,  (322. 

Huber)  1071,  (320.  Baginsky)  1126,  (323. 

Thom)  1415,  (324.  v.  Bramann)  1470, 

(325.  v.  Vogl)  1583,  (326.  Hutchinson) 

1638,  (327.  Bardenheuer)  2150,  (328. 
Bourget)  2207,  (329.  Fossel)  2438,  (330. 
Stoffmann)  2551,  (331.  Reil)  2599,  (332. 
Heusner)  2710,  (333.  Goldmann)  2766, 

334.  Ponfik)  2871,  (335.  CI.  ßernard)  .  . 

Galle,  Cholestearingehalt  der,  während  der 
Schwangerschaft,  von  McNee  1221,  von 
Aschoff"  1221,  Entstehung  der  sog. 

weissen  — ,  von  Bertog . 1562 

Gallediphtherienährboden,  Erfahrungen 
mit  dem,  nach  v.  Drigalski  und  Bierast, 

von  Schulz . '  •  2589 

Gallenausführungsgänge,  angeborener  De¬ 
fekt  der,  von  Epstein . 

Gallenblase,  die,  als  Inokulationsstelle  be¬ 
trachtet,  von  Violle  549,  zur  Chirurgie 
der  — ,  von  Adler  715,  kongenitale 
sanduhrförmige  — ,  von  Toider  1615, 
Aziditätsverhältnisse  des  Magens  bei 
Erkrankungen  der  — ,  von  Ohly  1681, 
funktionelle  Bedeutung  der  — ,  von 
Rost  2025,  2367,  2637,  die  akute  Per¬ 
foration  der  — ,  von  Braithwaite 
Gallenblasenexstirpation,  freie  Netzver¬ 
pflanzung  als  blutstillendes  Mittel  bei 

der,  von  Stuckey . 

Gallenergüsse  imBauchraum,vonNauwerck  1226 
Gallenfarbstoff  bildung  aus  Blut,  von 

Brugsch  und  Retzlaff .  67 

Gallenfarbstoffsekretion  s.  u.  Ikterus. 
Gallengänge,  Ersatz  der  grossen,  von 

Kroh . ■  2863 

Gallengangektasie,  Ruptur  einer,  von 

Vogel . 957 

Gallengangstenose  beim  Neugeborenen, 

von  Sugi . 206 

Gallengangstuberkel,  die,  das  Resultat 
einer  Ausscheidungstuberkulose,  von 

Lichtenstein . 669 

Gallenperitonitis,  von  Johansson  ...  2360 
Gallenstein,  von  Moynihan  1732,  Bedeu¬ 
tung  des  Fibrins  im  — ,  von  Kuru 
94,  das  Schicksal  von  — ,  von  v.  Hanse¬ 
mann  324,  Lösungsmöglichkeit  der  — , 
von  v.  Hansemann  1107,  Aetiologie  der 
— ,  von  Miyake  1676,  Erbrechen  von  — , 

von  Ubeda  y  Sarachaga . 1904 

Gallensteinerkrankung ,  diätetische  Be¬ 
handlung  der,  von  Salomon  ....  835 

Gallensteinileus,  von  Enderlen . 216 

Gallensteinleiden,  Agobilin  bei,  von  Runck  2494 
Gallensteinstatistik,  Baseler,  von  Cour- 

voisier .  •  • 

Gallenwege,  Anomalien  der  Art.  hepatica 
und  der,  von  Kehr  619,  2000  Opera¬ 
tionen  an  den,  — ,  von  Kehr  1116, 
Askaridiasis  — ,  von  Rosenthal  1162, 


2643 


90 


661 


1913. 


Seite 


typhöse  Infektion  der  — ,  von  Zar- 
zycki  11Ö7,  operative  Behandlung  der 
Krankheiten  der  — ,  von  Paus  .  .  . 
Gallenwegechirurgie,  die  Praxis  der,  von 

Kehr  .  .  . 

Gallisan . 

Ganglion  Gasseri,  Leitungsanästhesie  und 
Injektionsbehandlung  des,  u.  der  Trige¬ 
minusstämme,  von  Härtel  313,  von 
Loevy  994,  Bakterienbefund  im  — 
bei  Herpes  zoster  frontalis,  von  Sunde 
Ganglioneurome,  von  Peters  1679,  —  des 
r.  Halssympathikus,  von  Freund  .  .  . 
Gangosa,  Aetiologie  der,  von  Kerr  .  .  . 
Gangrän  s.  u.  Fussgangrän,  Spontangan¬ 
grän,  Kältegangrän. 

Gangrän,  Amputation  bei,  von  Molineus 
145,  zur  Behandlung  beginnender  — , 
von  Borchardt  599,  Diagnostik  u.  The¬ 
rapie  bei  —  pedis,  von  Moszkowicz 
882,  Behandlung  beginnender  — ,  von 
Frank  882,  —  des  Mundes  im  An¬ 
schluss  an  eine  Salvarsaninjektion, 
von  Drizaki  995,  Beobachtungen  von 
—  während  des  Balkankrieges,  von 
Dreyer  1058,  puerperale  — ,  von  Guggis- 
berg  1456,  —  der  Extremitäten  u.  ihre 
Behandlung,  von  Ehrlich  und  Maresch 
1508,  Bestimmung  der  Ernährungs¬ 
grenze  bei  —  pedis,  von  Sandrock 
1615,  angiosklerotische  • — ,  von  Hoch¬ 
haus  1627,  arteriovenöse  Anastomose 
zur  Verhinderung  bezw  Bekämpfung 
der  — ,  von  Goodmann  2018,  2138,  akute 
spontane  —  bei  einem  Kinde,  von 
Tiramer  2141,  die  symmetrische  - —  im 
Balkankrieg  kein  Frostschaden,  von 

Welcker .  2474 

Gangstörung,  tabesähnliche  hysterische 
von  Niessl  v.  Mayendorf  .  . 
Ganzkornbrot,  ein  reines,  und  seine  Aus 

nutzung,  von  Boruttau . 

Gardner  Prof.  Dr.  f .  .  . 

Garnisonslazarett,  Chirurgisches  aus  dem 

von  Petzsche .  .  . 

Gasbazillus,  Wirkungen  des,  auf  den  weib 
liehen  Genitalapparat,  von  Fraenkel 
Gase,  Wirkung  technisch  u.  hygienisch 
wichtiger,  und  Dämpfe  auf  den  Men 
sehen,  von  Lehmann  und  Diem  316 
von  Lehmann  601,  von  Burckhardt 
1280,  die  nitrosen  — ,  von  Lehmann 
und  Hasegawa  316,  Vergiftungen  durch 

nitrose  — ,  von  Llopart . 

Gasphlegmone,  Entstehung  und  Behand¬ 
lung  der,  von  Müller . 

Gasstoffwechsel,  Einfluss  trockener  und 
feuchter  Luft  auf  dem,  von  Marsch¬ 
hauser  u.  Hidding . 

Gastrische  Krisen,  Behandlung  von,  von 

Fuchs  . 

Gastrodiaphanie,  von  Hofius  . 

Gastroenterostomie,  Erfahrungen  mit  der, 
von  Janssen  167,  Teehn'k  der  — ,  von 
Joseph  388,  doppelte  —  bei  Sanduhr¬ 
magen,  von  Schmilinsky  557,  Jejunum¬ 
kolon-  und  Magenkolonfistel  nach  — , 
von  Polya  712,  Endresultate  der  — , 
von  Hertz  1181.  Einfluss  der  —  auf 
Magen-  und  Duodenalgeschwüre,  von 
Berg  1224,  Nachgeschichte  der  —  beim 
Ulcus  pepticum,  von  Bourne  1734,  hin¬ 
tere  —  in  vordere  umgewandelt,  von 

Zimmermann . 

Gastrognost . 

Gastro-Jejuno  Oesophagostomie,  Abände¬ 
rungen  an  der  Rouxschen,  von  Uffre- 

duzzi  und  Giordano  .  . 

Gastrojejunostomie,  Physiologie  der,  von 

Paterson . 

Gastrokardialer  Symptomenkomplex,  von 

Meyer . 

Gastropathie,  die  hyperazide,  appendi- 
zitischen  Ursprungs,  von  Solieri  .  . 
Gastropexie  vermittelst  des  Ligamentum 
teres,  von  Pagenstecher  24,  —  bei 
Gastroptose,  von  Permann  .  ... 

Gastroptose,  Behandlung  der,  durch  keil¬ 
förmige  Resektion,  von  Schlesinger 


2359 

2634 

1839 


1047 

2247 

1957 


2688 

1800 

711 

1752 

1573 

156 


367 

777 

2131 


1327 

545 


2547 

2818 


482 

1905 

948 

2637 


1170 


INHALTS-VERZEICHNIS.  LIII 


Seite 

200,  totale  — ,  von  Rovsing  1111,  —  mit 
Gastropexie  behandelt,  von  Permann  1170 
Gastroskopie,  die,  und  ihre  klinische  An¬ 
wendung,  von  Frankl . 563 

Gastrospasmus,  Pathologie  und  Diagnostik 

des,  von  Holzknecht  und  Luger  .  .  .  2585 
Gastrostomie  und  Oesophagoplastik  nach 

Jianu-Roepke,  von  Meyer . 544 

Gastrostomiemethode,  eine,  von  Janeway  1705 
Gastrotomie,  sechsmalige  an  demselben 

Magen,  von  Wolff,  . 713 

Gasvergiftungen, Wirkungen  der,  von  Rubino  367 
Gaswechsel,  Einfluss  der  Temperatur 
der  Nahrung  auf  den,  von  Häri  und 
v.  Pesthy  2131,  Wirkung  der  intraperi- 
toealen  Blutinfusion  auf  den  — ,  von 
Rudö  und  Cserna  2131,  Einfluss  op¬ 
tischer  Reize  auf  den  —  des  Gehirns, 
von  Alexander  und  Revdsz  2131,  der 

—  bei  extremen  Aussentemperaturen, 
von  M  urschhauser  2131,  —  bei  hoch¬ 
gradigen  Stenosen  der  Luftwege,  von 

v.  Schrötter .  2363 

Gaswerksteer,  Epithelproliferationen  durch 

Injektionen  von,  von  Bayon  .  .  .  940 

Gaumen,  Verwachsungen  des,  mit  der 

Rachenwand,  von  Panse . 1571 

Gaumenmandeln,  phlegmonöse  Entzün¬ 
dungen  der,  von  Henke  1793,  lympho- 
zytäre  Zellen  in  den  — ,  von  Goslar  1845 
Gaumenspalte,  angeborene,  von  Böhmig  1292 
Gaumenspaltenbehandlung ,  Brophysche, 

von  Kärger .  .  .  2753 

Gebärende,  elektrokardiographische  Unter¬ 
suchungen  bei  den,  von  Schäfer  .  .  1290 
Gebärmutter,  Hand  von  der,  von  Resch  314, 
Behandlung  der  Lageveränderungen 
der  — ,  von  Weinbrenner  438,  Kontrolle 
der  —  in  der  Nachgeburtsperiode,  von 
Solowij  826,  spontane  Zerreissung  der 

—  während  der  Entbindung,  von  Solo¬ 

wij  2639,  die  Nerven  der  — ,  von  Hoog- 
kamer . .  .  2802 

Gebärmutterblutungen ,  Behandlung  der 
akuten,  von  Raczinsky  996,  Behandlung 
der  —  durch  die  Röntgenstrahlen,  von 
Pfahler  1852,  Extr.  fluid  Polygoni  Hy- 
dropiperis  bei  — ,  von  Kaminskaja  .  .  2809 
Gebärmutterkrebs,  Therapie  des,  in  den 
allerersten  Anfängen,  von  Neuwirth 
1951,  2032,  Heilung  des  —  mittels  der 
Wertheimschen  Operation,  von  Petö 
2534.  Radiumbehandlung  des  — ,  von 


Keitler .  2590 

Gebärmutterverletzungen ,  violente ,  von 

Bretschneider  . 937 

Gebühren  für  mikroskopische  Untersu¬ 
chungen  auf  Tuberkelbazillen  .  .  .  167 

Gebührenordnung  s.  a.  Verhandlungen  der 
bayerischen  Aerztekammern  2877  ff. 
Gebührenwesen,  das  ärztliche,  in  Bayern, 

von  Spaet  u.  Stenglein . 1726 

Geburt,  das  günstigste  Alter  bei  der  ersten, 
von  Richter  u.  Hiess  2307,  Drehungen 
des  Kindes  unter  der  — ,  von  Sell- 
heim  2432,  Unterschied  zwischen  nat  ür- 
licher  —  und  künstlicher  Entbindung, 


von  Sellheim  2638,  Behandlung  der  — 
bei  engem  Becken  in  Basel,  von  Cuny  2745 
Geburtenhäufigkeit,  Allgemei  nsterblichkeit 
und  Säugbngsmortalität  in  Preussen, 

von  Hillenberg . 1225 

Geburtenrückgang,  der  389,  von  Wolff  199, 
der  —  in  Deutschland,  von  Bornträger 
199,  der  —  und  die  Aerzte  501,  Sam¬ 
melreferat  über  den  — ,  von  Haussen 
2004,  —  u.  Säuglingsschutz,  von  Wolf 
2199,  von  Langstein  2199,  Bedeutung 
des  —  für  die  Gesundheit  des  deutschen 
Volkes,  von  v.  Gruber  2257,  der  —  u. 
seine  Beziehungen  zum  künstlichen  Ab¬ 
ort  und  zur  Sterilisierung,  von  Fehling 
2297,  statistische  Beiträge  zum  —  in 
Deutschland,  von  Schaeffer  2745,  Sta¬ 
tistik  des  —  in  der  neueren  deutschen 
Literatur,  von  Rösle  2752,  —  im  Regie¬ 
rungsbezirk  Stade,  vonRitter  u. Hallwachs  2854 
Geburtenzahl,  die  Beschränkung  der,  von 
Marcuse  199,  die  Abnahme  der  —  und 


Seite 

ihre  Ursachen,  von  Hanssen  374,  Ab¬ 


nahme  der  —  in  Frankfurt  a.  M.,  von 
Hanauer  381,  —  und  Säuglingsfursorge, 

von  Grassl . 772 

Geburtshämatom,  Fontaneliaspiration  des 

subduralen,  von  Henschen  ....  1505 
Geburtshilfe,  Resultat  e  der  häuslichen,  von 


Schwab  496,  die  Röntgenstrahlen  in  der 
— ,  von  Eymer  1559,  —  u.  Säuglings¬ 
fürsorge,  von  Keilmann  1616,  Desin¬ 
fektion  in  der  — ,  von  Sievert  1342,  von 
Gans  1620,  Lehrbuch  der  —  für  Heb¬ 
ammen,  von  Fehling-Walcher  ....  1949 
Geburtshilfliche  Kasuistik,  von  Ekstein  372 
Geburtshilfliche  Ordnung,  der  Kampf  um 

die  Gesundung  der,  von  Brennecke  .  2470 
Geburtshilfliche  und  gynäkologische  Tages¬ 
fragen,  von  Kupferberg  ...  .  1575 

Geburtshilflicher  Handgriff,  vergessener, 

von  Gräf . 2910 

Geburtshilfliches  Handeln,  Späterfolge 

des,  von  Schröder . 1788 

Geburtshindernis,  Hämangiom  des  Armes 

als,  von  Frank . 1149 

Geburtsleitung,  abwartende,  von  Voigt  .  1638 
Geburtszange,  neue,  und  ihre  Anwendung, 

von  Schneider  2790,  von  Jaks  ....  2928 
Gedankenfreiheit  in  Russland  .  .  .  2811 

Gefässe,  Feststellung  der  Unfalltatsache 
durch  die  Obduktion  bei  Erkrankungen 
der,  vonFeilchenfeld377,  TranspoRition 
der  grossen  — ,  von  Liebich  993,  In¬ 
nervation  der  — ,  von  Müller  und  Glaser  1619 
Gefässanastomose,  Technik  der,  End-zu- 

Seit,  von  Jeger  und  Israel . 1218 

Gefässerkrankungen,  juvenile,  von  Gilbert  1513 
Gefässerweiternde  Stoffe,  experimentelle 

Erzeugung  von,  von  Halpern  ....  2535 
Gefässmuskulatur,  Arbeit  der,  von  v.  Grütz- 

ner . 1511 

Gefässnaht,  von  Hesse  145,  Instrument 


zur  Erleichterung  der  —  nach  Carrel, 
von  Jeger  148,  zirkuläre  — ,  von  Loben- 
hofer  380.  Gegenindikationen  gegen 
die  —  bei  Verletzungen,  von  Danielsen 
713,  zirkuläre  — ,  von  Hirsch  .  .  1452 
Gefässstämme,  temporäre  Unterbindung 

der  grossen,  von  Hacker .  2368 

Gefässtonus,  pharmakologische  Beeinfluss- 
barkeit  des  peripheren,  von  Handovsky 

und  Pick . .  -  601 

Gefässtransplantation  am  Menschen,  von 

Unger .  2543 

Gefässvereinigung,  neues  Verfahren  zur, 

von  Porta . 544 


Gefässverschluss,  Anatomie  des,  post  par¬ 
tum,  von  Heckner  92,  Chirurgie  der 
mesenterialen  — ,  von  Reich  ....  2743 
Gefässwand,  Zirrhosen  der,  von  Ssobolew  2248 


Geflügelpocken,  von  Schuberg . 1450 

Geheimmittelfirma  .  . .  .  1072 


Gehirn  s.  a.  Grosshirn,  Kleinhirn,  Hirn, 
Vorderhirn. 

Gehirn,  Balkenmangel  im  menschlichen, 
von  Stoecker  261,  tuberöse  Sklerose 
des  — ,  von  Bundschuh  262,  Verhält¬ 
nis  zwischen  -  und  Seele,  von  Baensch 
496,  totales  Fehlen  des  —  und  Rücken¬ 
marks,  von  Modena  714,  Untersuch¬ 
ungen  über  das  — ,  von  Reichardt 
1159,  gleichzeitige  Erkrankung  des  — 
und  der  Leber,  von  Schütte  1449,  Be¬ 
ziehungen  zwischen  — ,  Keimdrüsen 
und  Gesamtorganismus,  von  Lomer 
1565,  operative  Beeinflussung  der  Ent¬ 
wicklungsstörungen  des  — ,  von  Anton 
2309,  forensische  Bedeutung  der  histo- 
pathologischen  Untersuchung  des  — , 
von  Fischer  2868,  mikroskopische  Ana¬ 
tomie  des  — ,  von  Ziehen  ......  2913 

Gehirnabszesse,  durch  Mittelohreiterung 
entstandene,  von  Udvarhelyi  1278,  sel¬ 
tene  Ursprungsstätten  des  — ,  von 

Starcke .  2855 

Gehirn  erkrankung,  Frühsymptome  der 
arteriosklerotischen,  von  Raecke  260, 
die  Psychosen  bei  — ,  von  Redlich  .  121.) 
Gehirnhäute ,  Ausbreitung  des  tuberku¬ 
lösen  Prozesses  auf  die,  von  Artamonow  1624 


L1V 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Gehirnkrankheiten,  Behandlung  der,  mit 
Hilfe  des  Balkenstiches,  von  Anton 

und  Bramann  . 1782 

Gehirnlokalisation,  Wechsel  der  Anschau¬ 
ungen  über,  von  v.  Stauffenberg  .  .  .  2466 
Gehirnpunktion,  Hilfsinstrument  zur,  von 

Ahrens . .  1858 

Gehirntumoren,  Behandlung  der,  und  die 
Indikationen  für  deren  Operation,  von 
Bruns  2018,  von  v.  Eiseisberg  2019, 


von  Tooth  2019,  Frühdiagnose  und 
Lokalisierung  der  — ,  von  Deroitte  .  2253 
Gehirnvolumen,  Einwirkung  von  thermi¬ 


schen  Hautreizen  auf  das,  von  Stras- 

burger .  . .  894 

Gehör,  Verkürzung  der  Knochenleitung 

bei  normalem,  von  Herzog  .  .  .  .  18 


Gehörnerven,  intrakranielle  Durchtren¬ 
nung  der,  wegen  Möniereschem  Schwin¬ 
del,  von  Frazier . 486 

Gehörorgan ,  doppelseitige  angeborene 
Missbildung  des,  von  Mader  956,  Ein¬ 
fluss  des  Chinin  und  Salizyl  auf  das 


— ,  von  Lindt  . .  2807 

Gehörzentrum,  Lokalisation  des,  von 

Boyd  und  Hopwood .  2694 


Geisteskranke,  Sicherung  der  Gesellschaft 
gegen  gemeingefährliche,  von  Aschaf¬ 
fenburg  309,  spezifische  Schutzfermente 
im  Serum  von  — ,  von  Fauser  584, 
Bewahrhaus  für  —  mit  gemeingefähr¬ 
lichen  Neigungen,  von  Hermkes  1282, 
Stoffwechsel  der  — ,  von  Bornstein  1994, 
Organisation  der  Fürsorge  und  Beob¬ 
achtung  der  —  ausserhalb  der  An¬ 
stalten,  von  van  Deventer  2255,  Re¬ 
gelung  der  Uebernahme  von  —  zwi¬ 
schen  Deutschland  und  Grossbritannien 
2439,  das  Abderhaldensche  Dialysier- 
verfabren  bei  — ,  von  Fischer  2535, 
Gesundheitsaufsicht  bei  —  ausserhalb 

der  Anstalten,  von  Fischer .  2751 

Geisteskrankheiten,  Prophylaxe  der,  von 
Kalmus  445,  Nerven-  und  —  in  Bra¬ 
silien,  von  Moreira  2253,  Katalysatoren¬ 
beeinflussung  bei  — ,  von  Hauenstein  2700 
Geistesschwäche,  Häufigkeit  der  heredi¬ 
tären  Syphilis  bei  kongenitaler,  von 


Gordon .  2696 

Geistesstörung  s.  a.  trouble  psychique. 

Geistige  Erkrankungen  und  Fürsorge  für 
psychisch  Erkrankte  im  Kriege,  von 

Glas .  ......  1496 

Gelatinekapseln,  gehärtete,  von  Niculescu  1507 
Gelenkanästhesie,  von  Deutschländer  .  .  713 

Gelenkautoplastik,  Behandlung  der  Frac- 
tura  supracondyl.  humeri  mittels  freier, 

von  v.  Saar  2368 

Gelenkbewegungen,  Universalpendelappa¬ 
rat  für  passive,  von  Caro . 733 


Gelenke,  operative  Mobilisierung  ankylo- 
sierter,  von  Sumita  144,  Temperatur¬ 
verhältnissekranker  — ,  von  Weisz947, 
gesteigerte  Hauttemperaturen  über  er¬ 
krankten  — ,  von  Weiss  1343,  Vaselin¬ 


injektion  in  die  — ,  von  Rovsing  .  .  2357 
Gelenkbolzungen,  Spätresultate  von,  von 

Weiss .  2586 


Gelenkentzündungen,  tabische,  und  Spon¬ 
tanfrakturen,  von  Blencke  330,  Diffe¬ 
renzierung  der  chronischen  — ,  von 

Barker  2017,  von  v.  Müller . 2017 

Gelenkerkrankung,  Artigon  bei  gonorrhoi¬ 
scher,  von  Tedesko  388,  chirurgische 
Behandlung  tabischer — ,  von  Oehlecker 
1117,  Phenolkampferbehandlung  ver¬ 
schiedener  — ,  von  Pohl  1279,  die 
praktisch  wichtigsten  entzündlichen  — , 
von  Pässler  1452,  Klinik,  Unfallbegut¬ 
achtung  und  Behandlung  tabischer  — , 
von  Oehlecker .  2545,  2702 


Gelenkmäuse,  von  Brehm .  2532  I 

Gelenkplastik  am  Ellbogen  durch  Implan¬ 
tation  einer  Elfenbeinprothese,  von 
König . 1136 


Gelenkrheumatismus.  Melubrin  bei  aku¬ 
tem,  von  Saar  41,  akuter — ,  von  Reich¬ 
mann  158,  Veränderung  des  Blutbildes 
bei  chronischem  — .  von  Gudzent  1109, 


2194 

2140 

1240 

2643 

320 

790 


Ssits 

Atophanwirkung  bei  — ,  von  Friedberg 
1177,  Behandlung  des  —  mit  Elektrar- 
gol,  von  Schönfeld  1302,  Tryparosan 
bei  chronischem  — ,  von  Kopytko  1623, 
Pathogenese  des  — ,  von  Weintraud 
1731,  Behandlung  des  —  mit  Elektrar- 
gol,  von  Schönfeld  ••••__  •  •  •  1789 

Gelenkschüsse,  von  Schliep  773,  —  und 

Organschüsse,  von  Reich  . 1794 

Gelenktransplantation,  halbe,  am  Hand-  ^ 
gelenk,  von  Lexer  ....  ...  2203 

Gelenktuberkulosen,  von  Ely  429,  von  De- 
lorme  731,  Behandlung  der  Knochen- 
und  — ,  von  Garrd  776,  1786,  2585, 
von  Menciere  1049,  Operation  und 
offene  Behandlungsmethode  der  eitri- 
gen  fistulösen  — ,  von  Wrzesniowski  776, 
Bazillentypus  bei  —  der  Kinder,  von 
Fraser  1735,  Aetiologie  der  — ,  von 
Möllers . ; . 

Gelen  k  Verunstaltungen  ,paraartikul  äre  Kor¬ 
rektion  von,  von  Correa 
Gelenkwinkelmesser,  von  Schütz  1039,  von 

Landwehr .  •  ■  •  •  ; 

Gelenksaffektionen,  autogene  Vakzine  bei 
der  Behandlung  chronischer ,  von 

Hughes . .  •  •  • 

Gemeindearzt,  Behandlung  Nicht-Armer 

durch  den  . 

Gemüsepulver,  Friedentbalsche,  von  Lang¬ 
stein  und  Kassowitz  .... 

Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer. 
Armee  112  (November  1912);  (Dezem¬ 
ber  1912)  392,  (Januar  1913)  624,  (Fe¬ 
bruar  1913)  848,  1072  (März  1913);  1360 
(April  1913);  (Mai  1913)  1584,  (Juni  1913) 

1808,  (Juli  1913)  2032.  (Auaust  1913) 

2320,  (September  1913)  2552,  (Okto¬ 
ber  1913) .  • 

Generationsorgane,  interessante  Miss¬ 
bildungen  der  männlichen,  von  An¬ 
sprenger  .  ..... 

Genickstarre,  von  Levy  385,  Behandlung 
der  epidemischen  —  durch  Seruminjek¬ 
tionen  in  die  Seitenventrikel,  von  Levy 
93,  der  Darm  bei  foudroyant  verlaufen¬ 
der  — ,  von  Göppert . 

Genickstarreserum,  Wertbestimmung  des, 

von  Blumenthal . . 

Genitalapparat,  multiple  primäre  Karzi¬ 
nome  des  weiblichen,  von  Hauser  .  . 
Genitale,  Genitalien,  der  Haflapparat  der 
weiblichen,  von  Martin  366,  Geschwür 
am  — ,  von  Lippschütz  1124,  die  Er¬ 
krankungen  des  weiblichen  —  in  Be¬ 
ziehung  zur  inneren  Medizin,  von 
v.  Frankl-Hochwart,  v.  Noorden  und 

v.  Strümpell .  •  2849 

Genital prolaps,  Aetiologie  des,  von  Jaschke 
2745,  Operation  der  grösseren  — ,  von 

Steffeck  . .  2803 

Genitalsystem,  Innervation  der  weiblichen, 

von  Brill  . 1517 

Genitaltraktus,  vom  männlichen,  aus¬ 
gehende  septikopyämische  Allgemein¬ 
infektionen,  von  Rössle  .  .  .  .  1856 

Genitaltuberkulose,  Behandlung  der,  der 

Frau,  von  Patel . 548 

Genitaltumor,  doppelseitiger  maligner,  von 

Schottländer .  ....  2371 

Genu  valgum,  Aetiologie  und  Therapie 
des,  von  Heinlein  885,  solitäre  rachi¬ 
tische  Exostosen  bei  — ,  von  Wiemers  2587 
Geoponika,  die,  in  der  arabisch-persischen 

Literatur,  von  Ruska .  2376 

Geradstand  s.  u.  Gradstand. 

Geräusche  in  der  Präkordialgegend,  von 

Hochsinger  . . 675 

Gerichtliche  Entscheidungen:  679  (fahr¬ 
lässige  Körperverletzung),  (fahrlässige 
Tötung  durch  Alkohol)  790,  (in  Ame¬ 
rika  approb.  Arzt)  1862,  (Verrufserklä¬ 
rung)  2093,  (Hebammen)  2094,  2494, 
(unzüchtige  Gegenstände)  2318,  (Ope¬ 
rationspflicht  des  Verletzten)  ....  2494 
Gerichtsärztliche  Untersuchungen,  von 

Leers . 1837 

Gesangsphysiologie  undGesangspädagogik 

von  Stern . 208 


2824 

1707 

1279 

1846 

2803 


Sette 

Gesangston,  Deckung  des,  von  Schilling  484 
Geschichte,  zur,  der  Wissenschaften  und 

Gelehrten,  von  de  Candolle  .  ...  256 

Geschlecht,  Entwicklungsmechanik  des, 
von  Weill  372,  Verhältnis  der  — ,  von 
Hirsch  771,  Verhältnis  der  — ,  von  Leh¬ 
mann  993,  —  und  Sitte  im  Leben  der 
Völker,  von  Seidel  1502,  Vererbung 
und  Bestimmung  des  — ,  von  Gold¬ 
schmidt  . 1688 

Geschlechtsdrüsen  und  das  Zahnsystem, 

von  Robinson .  2092 

Geschlechtskrankheiten,  die,  und  ihre 
Verhütung  im  k.  u.  k.  Heere,  von 
Urbach  87,  —  als  gesetzlicher  Grund 
zur  Lösung  der  Verlobungen  und 
Trennung  der  Ehe,  von  Heller  3<4, 
Ankündigung  von  Mitteln  zur  Ver¬ 
hütung  der  —  735,  die  Behandlung 
von  — ,  von  Gennerich  1556,  neue  Er¬ 
hebung  über  die  Verbreitung  der  —  in 
den  Grossstädten  Deutschlands  .  .  .  2597 
Geschlechtsleben  der  Jugend,  Schule  und 
Elternhaus,  von  Meirowsky  1560,  Ein¬ 
fluss  des  Klimas  und  der  Rasse  auf 
das  weibliche  — ,  von  Steiger  .  .  .  1903 

Geschlechtsleiden,  Lehrbuch  der  Haut¬ 
leiden  und,  einschliesslich  der  Kos¬ 
metik,  von  Jessner . 366 

Geschlechtsmerkmale,  die  biologischen 
Grundlagen  der  sekundären,  vonTandler 

und  Gross . 2187 

Geschlechtsorgane,  Innervation  der  männ¬ 
lichen,  von  Müller  ....  .  542 

Geschlechtsverkehr,  darf  der  Arzt  zum 

ausserehelichen,  raten  ?  von  Hecht  .  o64 

Geschmacksempfindung,  Störungen  der, 

von  Schilder . •  •  2136 

Geschosswirkung  des  Schweizerischen  Or- 

donanzgewebrs,  von  Brunner  ....  1620 
Geschwülste,  Grawitzsche,  von  Ipsen  261, 

—  und  Unfall  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Krebsgewächses,  von 
Thiem  375,  —  mit  Unfall,  von  Lubarsch 
375,  seltene  —  im  Kindesalter,  von 
Joachimsthal  387,  durch  Nematoden* 
hervorgerufene  papillomatöse  und  kar- 
zinomatöse  — ,  von  Fibiger  429,  Er¬ 
zeugung  von  —  mittels  arteigener 
und  artfremder  Embryonalzellen,  von 
Kelling  489,  polvpoide  —  auf  ge- 
schwüriger  Basis,  von  v.  Hippel  490, 
Serodiagnostik  der  malignen  — ,  von 
Schenk  828,  von  Fried  2782,  Behand¬ 
lung  bösartiger  —  mit  dem  eigenen 
Tumorextrakt,  von  Stammler  831,  Soro- 
diagnostik  der  —  mittelst  Komplement¬ 
ablenkungsreaktion,  von  Halpern  914, 
Radiotherapie  der  — ,  von  Werner  950, 
bösartige  —  der  Nasenhöhle  und  der 
Nebenhöhlen,  von  Safranek  1278,  Sero¬ 
diagnostik  der  —  nach  v.  Düngern,  von 
Petridis  1318,  Behandlung  der  —  mit 
radioaktiven  Substanzen,  von  Werner 
1350,  positiver  Wassermann  bei  malig¬ 
nen  — ,  von  Spiess  1570,  multiple 
primäre  malique  — ,  von  Krokiewicz 
1682,  primäre  melanotische  —  des 
Mastdarmes,  von  Charlier  und  Bonnet 
1791,  Yakzinations-  und  Serumtherapie 
der  —  1 908,  zur  Behandlung  maligner  — , 
Lunkenbein  1931,  bösartige  —  bei  afri¬ 
kanischen  Negervölkern,  von  Huguenin 
1957,  Forschungen  über  die  — ,  von 
Fichera  2176,  angeborene  sakral  sit¬ 
zende  — ,  von  Parin  2246,  Strahlen¬ 
therapie  der  — ,  von  Keetmann  2248, 
Steigerung  der  zerstörenden  Wirkung 
der  Röntgenstrahlen  auf  aufliegende  — , 
von  Sellheim  2266,  primäre  malique  — 
des  Nasenrachenraums,  von  Oppikofer 
2360,  Erfolge  der  kombinierten  Chemo- 
und  Strahlentherapie  maligner  — ,  von 
Seeligmann  2369,  Behandlung  der  bös¬ 
artigen  — ,  von  Blumenthal ,  2476,  2916, 
Radiumtherapie  bösartiger  — ,  von 

Schlesinger .  2691 

Geschwüre,  Narben  nach  gummösen,  von 
Zieler  163.  das  runde  —  des  Magens 


1913 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LV 


S#lte 

und  Zwölffingerdarms  als  „zweiteKrank- 
heit“,von  Rössle  201 ,  phagedänisches  — , 
von  Hoffmann  1059,  X-Strahlen  bei  — , 
von  Harris  2023,  variköse  — ,  von  Grün¬ 
feld  .  2763 

Geschwulstätiologie,  Beziehungen  der  Hel¬ 
minthen  und  Askariden  zur,  von  Saul  618 
Geschwulstbildung, multiple  symmetrische, 

von  Mohr  . . 727 

Geschwulstentwicklung,  Frage  der  Ver¬ 
erbung  der  Anlage  zur,  von  Morpurgo 

und  Donati . 627 

Geschwulstimmunität,  Beziehungen  der 

Milz  zur  aktiven,  von  Apolant  ...  1675 
Geschwulstzellen,  TJebertragung  von,  von 

Strauch . 1789 


Gesellschaften  s.  a.  Teil  VI. 

Gesellschaft,  Hauptversammlung  der  Deut¬ 
schen,  für  Volksbäder  504,  Rund¬ 
schreibender — Deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  959,  Münchener  —  für 
Rassenhygiene  111,  280,  504,  derma¬ 
tologische  —  111,  Gründungs  Versamm¬ 
lung  der  Rheinisch-westfälischen  — 
für  Versicherungsmedizin  167,  15.  Ver¬ 
sammlung  der  Deutschen  —  für  Gynä¬ 
kologie  168,  Tagung  der  Deutschen 
Pathologischen  —  168,  Deutsche  — 
zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums 
223,  791,  Deutsche  —  für  Chirurgie  224, 
Deutsche  —  für  orthopädische  Chirur¬ 
gie  224,  Aerztliche  —  für  Sexualwissen¬ 
schaft  in  Berlin  335,  27.  Versammlung 
der  Anatomischen  —  336,  Kongress  der 
Deutschen  dermatologischen  —  336, 

1.  Jahresversammlung  der  Deutschen 

—  für  Meeresheilkunde  447,  —  für 
Volksbäder  504,  903,  Deutsche  —  zur 
Bekämpfung  der  Geschlechtskrank¬ 
heiten  1015,  —  Deutscher  Nervenärzte 
1015,  2151,  4.  Kongress  der  Internat. 

—  für  Chirurgie  1303,  Schweizerische 

—  für  Chirurgie  1415,  2711,  Rheinisch¬ 
westfälische  —  für  innere  Medizin  u. 
Nervenheilkunde  1639,  Kongress  der 
deutschen  dermatologischen  —  in  Wien 
1695,  44.  Versammlung  der  Deutschen 
Anthropologischen  —  in  Nürnberg  1696, 

4.  Kongress  der  Deutschen  —  für  Uro¬ 
logie  2030,  2095,  1.  ital.  —  für  Radio¬ 
logie  2095,  Anmeldungen  zur  Deutschen 

—  für  Chirurgie  2439,  Amerikanische 

—  von  Immunitätsforschern  2600,  in¬ 

ternationale  —  für  Sexualforschung 
2656,  50jährige8  Bestehen  der  —  der 
Aerzte  Mannheims . 2710 

Gesetzliche  Bestimmungen  für  die  ärztliche 
Berufstätigkeit,  von  Fiessler  ....  1831 
Gesichtsfeldstudien  über  das  Verhältnis 
zwischen  der  peripheren  Sehschärfe 
und  dem  Farbensinn,  von  Rönne  .  .  149 

Gesichtskrebs,  Behandlung  von,  von  Spude  1398 
Gesichtslage,  Zusammenhang  von,  und  in¬ 
fantiler  spontaner  Geburtslähmung,  von 
Kaumheimer  659,  Handgriff  zur  Um¬ 
wandlung  der — ,  von  Zangemeister  .  .  1241 
Gesichtsneuralgie,  idiopathische  und  symp¬ 
tomatische,  von  Lapinski  .  .  .  .  1564 

Gesichtsödem,  hyperplastisches,  von  Nobl  1343 
Gesichtsschädel,  familiäre  Hyperostosen 

des,  von  Frangenheim . 1628 

Gesichtsschutzvorrichtung  aus  Papier,  von 

Levinger .  1604 

Gesundheitsamt  der  Stadt  New  York  110, 
internationales  —  in  Jerusalem  .  .  2655 

Gesundheitskommission,  Tätigkeit  und  Er¬ 
folge  der,  von  Meyer .  .  .  1847 

Gesundheitswesen,  Bericht  über  das  Baye¬ 
rische  596,  das  —  des  Preussischen 

Staates  i.  J.  1911 . 821 

Gewebe, Reduktionsorte  und  Sauerstoff  orte 
des  tierischen,  von  Unna  772,  Unter¬ 
suchungen  über  das  selbständige  Leben 
der  —  und  Organe,  von  Carrel  1398, 
heteroplastische  Produktion  lympho- 
iden  — ,  von  Greggio  1679,  das  chrom¬ 


affine  — ,  von  Borberg . 2189 

Gewebsembolien,  von  Kunze . 772 


Seite 

Gewebskulturen,  künstliche  Aktivierung 
von,  von  Carrel  198,  —  in  vitro,  von 
Dilger  370,*  von  Lambert  und  Hanes  .  600 
Gewerbeärztlicher  Dienst  in  Italien  .  .  .  1391 
Gewerbearzt,  hygienische  Sonderberichte 

des  badischen,  von  Holtzmann  ....  1391 
Gewerbehygiene,  Bedeutung  der,  für  Arzt 


und  Techniker,  von  Holtzmann  .  .  .  1391 
Gewerbehygienische  Sammlung  in  Mün¬ 
chen  .  1126,  1395 

Gewerbehygienische  Uebersicht ,  von 

Koelsch  .  .  .  309,  367,  1391,  1895,  2416 

Gewerbekrankenverein,  Berliner  ....  1359 


Gewerbekrankheiten,  aus  dem  Gebiete  der, 
von  Althoff  530,  4.  internat.  Kongress 
für  —  in  Rom  553,  567,  drei  noch  nicht 
beobachtete  —  der  Haut,  von  Oppen¬ 
heim  2416,  —  u.  Berufskrankheiten 

oder  Unfall,  von  Könen  .  2697 

Gewerbliche  Anlagen,  Schutz  der  Nach¬ 
barn  von,  von  Roth . 2417 

Gibson  Dr.  Gg.  A.  f . 224 

Gicht,  Diätbehandlung  der  — ,  von  Min¬ 
kowski  834,  von  Garrod  835,  von  Le 
Gendre  835,  Atophanwirkung  bei  — , 
von  Friedberg  1177,  echte  — ,  von 
Schiff  1299,  Fieber  bei  der  — ,  von 
Pfeiffer  1458,  Anwendung  der  Radium¬ 
emanation  bei  — ,  von  Mesernitzki 
1565,  Salzsäurebehandlung  der  — ,  von 
Aisenstadt  2423,  Disposition  der  — 
und  ihre  Behandlung,  von  Bach  2802, 
schwere  — ,  von  Falta  2819,  Verschwin¬ 


den  der  Blutharn-äure  bei  —  nach 
Behandlung  mit  radioaktiven  Sub¬ 
stanzen,  von  Gudzent .  2851 

Gichtfluid,  Ahmlings . 426 

Gichtfort . 1840 

Gichtosint . 426 

Gichtosinttabletten . 1840 


Gichtiker,  Blutserum  an,  von  Ehrmann 
u.  Wolff  2115,  2264,  von  Bass  2176, 
Einfluss  der  Radiumtherapie  auf  den 
Stoffwechsel  bei  — ,  von  Skorczewski 


u.  Sohn . 2134 

Gichtpathologie,  von  Bass .  2473 

Gicht-  und  Nierensalz . 1840 


Gifte,  Eindringen  von,  durch  die  Haut, 
von  Lehmann  1859,  2416,  Abgabe  von 
—  u.  Arzneien  zur  Probe  an  Aerzte 
u.  Patienten  2383,  Synergismus  u.  Anta¬ 


gonismus  von  — ,  von  Wolff  ....  2854 
Giftsumach,  der,  u.  seine  Giftwirkungen, 

von  Rost  u.  Gilg . 368 

Gipstisch,  fahrbarer,  von  Bettmann  .  .  .  1842 
Gipsverband  s.  u.  Skoliose. 

Gisela-Kinderspital,  Schliessung  des,  in 

München .  215,  275,  790 

Gittersklerektomie,  von  Wicherkiewicz  .  1514 
Glättolin  als  Ursache  einer  hartnäckigen 

Dermatitis  colli,  von  Kohn . 1205 

Glättolindermatitis,  von  Dreyer . 161 


Glandes  surrbnales  et  Organes  chromaffines, 
von  Lucien  u.  Parisot  2064,  die  sog.  — 
endocrine  myombtriale,  von  Fraenkel  2802 
Glandula,  Tumor  der,  carotica,  von  Ender- 


len  216,  Erkrankungen  der  —  pitui- 

tania,  von  Schäfer . 1181 

Glandula  pituitaria  s.  u.  Pituitrin. 

Glanduovin,  von  Hirsch .  2248 

Glas,  Einfluss  der  Zeit  auf  rotes,  von 

Würtzen  .  . . 549 

Glashütten,  Gesundheitsverhältnisse  in, 

von  Wittgen . 1394 


Glaskörper,  Persistenz  von  Gewebe  im,  von 
Krauss  1513,  Blutinjektionen  in  den  — , 
von  Schreiber  1513,  Zystizerkus  im 
-,  von  Sandmann  1801,  Abfluss  aus 
dem  —  in  den  Sehnerven,  von  Behr  2478 
Glaukom,  Skleraltrepanation  nach  Elliot 
hei,  von  Grüter  1122,  über  — ,  von 
Fraenkel  1226,  —  der  Jugendlichen, 
von  Löhlein  1514,  lipoidhaltige  Zellen 


bei  hämorrhagischem  — ,  von  Vel- 

hagen .  .  2588 

Glaukomatöse,  Stoffwechsel  bei,  von  Sul- 

zer  und  Ayrignac .  2478 

Glaukombehandlung,  von  Bentzen  .  .  .  2358 
Gleichrichterapparat,  von  Bangert  ....  833 


Seite 

Gleitbrüche,  Therapie  grosser,  der  Flexura 

sigmoidea,  von  Finsterer .  2692 

Gleit- undTiefenpalpation,  topographische, 
des  Yerdauungsschlauchs,  von  Haus¬ 
mann  35,  1179,  rachiologische  Kontroll- 
untersuchungen  der  — ,  von  Haus¬ 
mann  und  Meinertz .  35 

Glieder,  Suppension  und  Stützpunkte 


künstlicher,  von  Dollinger . 1117 

Gliome,  Histologie  der,  von  Yeszpremi  .  2534 
Gliomatose,  diffuse,  des  Grosshirns,  von 

Kurzrock .  2204 

Gliosis  spinalis  und  Syringomyelie,  von 

Siemerling . 260 

Glomerulonephritis,  experimentelle,  von 

Baehr . 1280 

Glukose,  Nachweis  kleiner  Mengen,  im 

Urin,  von  Cole .  2696 

Glykobrom  2472,  —  von  Issekutz  ....  1863 
Glykogen,  die  Mobilisierung  des,  von 
Lesser  341,  Sekretion  von  —  in  Dia¬ 
betikernieren,  von  Baehr . 1340 

Glylcokoll,  Verhalten  des  intravenös  ein¬ 
verleibten,  von  Bürger  u  Schweriner  2915 
Glykosurie  in  der  Gravidität,  von  Novak, 
Porges  und  Strisower  1291,  —  renalen 
Ursprungs,  von  Frank  1678,  die  —  bei 


der  tuberkulösen  Meningitis,  von  Frew 
und  Garrod  1953,  Diskussion  über  die 
nichtdiabetische  —  1967,  alimentäre 

—  nach  Resorption  von  Rohrzucker, 
von  Le  Golf  2078,  experimentelle  — 
bei  graviden  und  nichtgraviden  Frauen, 

von  Jaeger .  2745 

Glyzyl-l-phenylalanin,  Isolierung  von,  aus 
dem  Chymus  des  Dünndarms,  von 

Abderhalden . 2130 

Glyzyltryptophanprobe  zur  Diagnose  des 

Magenkarzinoms,  von  Giani . 487 

Goethes  Leipziger  Krankheit  und  „Don 
Sassafras“,  von  Hansen  143,  war  — 
kurzsichtig?,  von  Birnbaum  .  .  .  547 

Goldmann  Prof.  Dr.  f  1864,  Edwin  E.  — , 

von  Kreuter  . .  ....  2735 

Goldreaktion,  die,  im  Liquor  cerebrospi¬ 
nalis,  von  Eicke  .  .  ....  .  .  2713 

Golfbälle,  Augen-  und  Gesichts  Verletzungen 
durch  sog.  Water  Core-  und  Zodiak-, 

von  Ohlemann .  2537 

Gonargintlierapie,  von  Schuhmacher  .  .  2536 
Gonitis,  Autoserotherapie  bei  der  Behand¬ 
lung  der,  von  Gluschkow . 663 

Gonokokken-Allgemeininfektion,vonRössle2862 
Gonokokken vakzine,  Menzersches,  von 
Erlacher207,  Behandlung  der  Gonorrhöe 
und  ihrer  Komplikationen  mit  — ,  von 
Drobny  665,  Behandlung  der  gonorrhoi¬ 
schen  Bindehautentzündung  mit  — , 
von  Mittendorf  1224,  Wirkung  des  — 
bei  chronisch  gonorrhoischer  Arthritis, 
von  Ssemjonow  1622, 2133,  Verwendung 
von  — ,  von  Asch  2430,  Verwendung 
von  —  bei  gonorrhoischen  Frauen¬ 
leiden,  von  Runge  2476,  Anwendung  des 

—  bei  gonorrhoischen  Erkrankungen, 

von  Komarowsky . 2810 

Gonokokkus.  Involutionsformen  des,  Neis- 
ser,  von  Herzog  1788,  biologische  Stu¬ 
dien  an  —  mit  Uranoblen,  von  Glück  2476 
Gonorrhöe  s.  a.  Arthigoninjektionen,  Teu- 
dovaginitis,  Spondylarthritis,  Urethritis, 
Vulvovaginitis,  Endometritis. 

Gonorrhöe,  Behandlung  der,  und  Prostatitis 
mit  starker  Hitze,  von  Kyaw  167,  Er¬ 
folge  der  Vakzinetherapie  bei  der  — , 
von  Reber  209,  Adamon  bei  — ,  von 
Treitel  263,  Behandlung  frischer  — , 
von  Schüking  446,  Behandlung  der  — 
und  ihrer  Komplikationen  mit  Gono¬ 
kokkenvakzin,  von  Drobny  665,  Be¬ 
handlung  der  —  und  ihrer  Komplika¬ 
tionen  mit  Neosalvarsan,  von  Janet 
und  Levy-Bing  679,  spezifische  Diag¬ 
nostik  der  —  bei  der  Frau,  von  v.  d. 

Velde  717,  Behandlung  der  —  von 
Bruck  845,  Mitteilungen  über  —  von 
Brandweiner  und  Hoch  1284,  1849,  Be¬ 
deutung  der  —  für  die  moderne  Wochen¬ 
bettsdiätetik,  von  Hannes  1617,  Serum- 


LVI 


INHALTS-VERZEICHNIS 


1913. 


Seite 


behandlung  der  weiblichen  von 
Waeber  1620,  die  Kutireaktion  bei  — , 
von  Dmitrijew  1623,  Vakzinebehand¬ 
lung  der  weiblichen  — ,  von  Heymann 
und  Moos  1 728,  Arthigon  bei  den  Kom¬ 
plikationen  der  — ,  von  Freund  1732, 
therapeutische  Versuche  bei  — ,  von 
Jersild  2015,  —  eines  paraurethralen 
Ganges,  von  Ploeger  2092,  Gebrauch 
der  Balsamika  bei  der  — ,  von  Ribollet 
2133,  Vakzinebehandlung  der  — ,  von 
Klause  2248,  von  Ktil  2693,  Argentum¬ 
therapie  bei  der  —  des  Mannes,  von 
Rosenfeld  2357,  Behandlung  der  akuten 
— ,  von  Leshnew  2423,  neue  therapeu¬ 
tische  und  prophylaktische  Versuche 
bei  — ,  von  Bruck  2476,  Behandlung 
der  —  mit  Gonokokkenserum,  von 

Vannod  .  . 

Gonorrhöebehandlung,  von  Bruck  1071, 
Hegonon  in  der  — ,  von  Bohm  .  .  . 
Gonorrhoische  Erkrankungen,  Vakzine¬ 
behandlung  von,  von  Gerschun  und 
Finkeistein  998,  2137,  Diagnostik  der 
— ,  von  Fronstein  1624,  Serologie  der 
— ,  von  Finkeistein  und  Gerschun  2248, 
diagnostischer  und  therapeutischer 
Wert  der  Sera  und  Vakzine  für  die  — , 
von  Asch  2430,  Gonokokkenvakzin 
bei  — ,  von  Komarowsky  2810,  die  — 
der  Mundhöhle  bei  Neugeborenen, 

von  Shwif . . 

Gonorrhoische  Gelenk-  und  Sehnen¬ 
scheidenentzündungen,  Behandlung 
der,  mit  Antimoningokokkenserum,  von 

Compau . 

Gonorrhoische  Metastasen ,  von  Auer¬ 
bach  .  . 

Gordius  als  Parasit  des  Menschen,  von 

Herzog . 

Gotch  Prof.  F.  f . 

Gradstand,  hoher,  von  Weiss  266,  von 

Pankow  2638,  von  Nacke . 

Gramfärbungsmethode,  einfachste,  von 

Hausmann . 

Gram-Farbstoff,  haltbarer,  von  Klausner  . 
Granulationsgewebe,  Fibroblasten  und 
Makrophagen  des,  von  Krompecher  . 
Granuloma  venereum,  von  Siebert  1400, 
plasmazelluläres  — ,  von  Kusunoki  und 
Frank  1788,  —  inguinale  tropicum, 
von  Grindon  1957,  Beziehungen  des 
malignen  —  zur  Tuberkulose,  von 

Fischer . 

Gravidität  in  einem  Uterusdivertikel,  von 
Borchet  372,  Stoffhaushalt  in  der  — , 
von  Fetzer  671,  2744,  industrielle  — ,  von 
Siefart  713,  tubare  — ,  von  Thom  1177, 
Tuberkulose  und  — ,  von  Stutz  1616, 
Zystennieren  und  — ,  von  Heinsius 
1616,  die  antiproteolytischen  Stoffe  des 
Blutes  während  der  — ,  von  Gammeltoft 
2192,  Einfluss  der  —  auf  das  Wachs 
tum  maligner  Tumoren,  von  v.  Graf 
Graviditätshypertrichosis,  von  Harabath 

Graziola  . . 

Greve  Dr.  M.  S.  f . . 

Grippeendemie,  ruhrartige,  von  Bernheim 

Karrer . 

Grosshirn,  Kind  ohne,  von  Edinger  .  . 
Grosshirnabszesse,  Pathologie  und  Klinik 
der  otogenen,  von  Haymann  .  .  .  . 
Grosshirnrinde,  Zytoarchitektonik  der,  von 
Ranke  1511,  Grundmechanismen  der 
Arbeit  der  —  bei  Kindern,  von  Kras- 

nogorski  . 

Grosshirn-Schussverletzung,  von  Lauen¬ 
stein  712,  Tumor  des  — ,  von  Perthes 
Grossichsche  Methode  s.  a.  Hautdesinfek¬ 
tion,  Jodtinkturdesinfektion. 
Grossichsche  Methode,  von  Merkens  .  . 
Gruber  -Widalsche  Reaktion,  Technik  von 
Massenuntersuchungen  auf  die,  von 

Loele .  •  .  .  . 

Gummierte  Gewebe,  Gefahren  bei  der  Her¬ 
stellung,  von  Poerschke . 

Gummihandschuh,  Löcher  im,  von  Crede- 

Hörder  .  .... 

Gurgeln,  über  das,  von  Kassnitz  .  .  .  . 


2476 

2787 


2810 

1225 

,  839 

2302 

1696 

2745 

1283 

430 

1845 


2313 


2307 

2688 

2472 

54 


2373 

1511 

65 


2689 

1746 

1507 

1729 

1395 

.  41 
1572 


Seite 

Gutachten  für  ausländische  Gerichte  oder 
Berufsgenossenschaften  110,  ärztliche 
—  im  Strafrecht  und  Versicherungs¬ 
wesen,  von  Rieger  256,  das  psychia¬ 
trische  und  Unfallneurose-  — ,  von 


Cimbal  1282,  Gebühren  für  ärztliche  —  2873 
Guttemplerorden,  Verbreitung  des,  in 

Deutschland . 1694 

Gye  Mc  Clellan  f . 1016 

Gymnastik,  orthopädische,  von  Schulthess  716 
Gynaecologia  Helvetica,  von  Beuttner 

und  von  Fellenberg  ....  1782,  2007 

Gynäkologie,  Psychiatrie  und,  von  Bossi 
134,  von  Bumke  1512,  differential¬ 
diagnostische  Schwierigkeiten  in  der 


— ,  von  Sippel373,  die  Strahlentherapie 
in  der  — ,  von  Krönig  und  Gauss  428, 
die  Lehre  Bossis  und  die  — ,  von 
Mayer  774,  Behandlung  mit  Röntgen  - 
strählen  und  Mesothorium  in  der  — , 
von  Döderlein  1296,  Röntgentherapie 
in  der  — ,  von  Zaretzky  93,  von  Lorey 
1397,  von  Kirstein  1559,  von  Albers- 
Schönberg  2080,  2259,  von  Kreuzfuchs 
2370,  die  Röntgenstrahlen  in  der  — , 
von  Eymer  1559,  Organtherapie  in  der 
— ,  von  Recasens  2021,  die  Röntgen- 
und  Radiumtherapie  in  der  — ,  von 
de  Cournelles  2259,  organotherapeu- 
tische  Erfahrungen  und  Anwendung 
von  Apbrodisiacis  in  der  — ,  von  Bab  2541 
Gynäkologische  Arbeiten,  kritischer  Rück¬ 
blick  auf  wichtige,  aus  dem  Jahre  1912, 

von  Schickele . 652 

Gynäkologische  Eingriffe,  Kritik  der  Todes¬ 
fälle  nach,  von  Cölliger .  2745 

Gynäkologische  Erkrankungen,  bakterio¬ 
logische  Untersuchung  bei,  von  Scholl 
und  Kolde  993,  —  und  Psychosen, 
von  König  1520,  physikalische  Therapie 


bei  — ,  von  Laqueur .  2297 

Gynäkologische  Operationen,  Thrombosen 
und  Embolien  nach,  von  v.  Wenczel 
1278,  —  bei  Psychosen,  von  Busse  2863, 

von  Friedei .  2863 

Gynäkologischer  Untersuchungskurs  am 

natürlichen  Phantom,  von  Blumreich  766 
Gynäkologisches  Vademekum,  v.Dührssen  33 
Gynatresien,  zur  Aetiologie  der,  von  Ker- 
mauner  1045,  von  Thomä . 1787 


H. 


Haarbruch,  von  Herxheimer . 1141 

Haare,  die  Ursachen  der  verschiedenen, 

von  Fasal .  2642 

Haar-  und  Pelzfärbemittel,  Hauterkran¬ 
kungen  durch,  von  Blaschko  ....  2805 

Haarlemeröl . 1840 

Haarschwund,  universeller,  von  Nobl  .  .  957 

Haarverletzungen  durch  Ueberfahren,  von 

Lochte . 1281 

Haarzunge,  schwarze,  von  Andereya  .  .  2702 
Habitus  tuberculosus,  von  Friedjung  .  .  2373 

Hällsten  Prof.  Dr.  C.  G.  f . 1472 

Hämagglutination,  Wesen  und  Ursprung 

der,  von  Bergei  . 1675 

Hämatin  im  Blutserum  Kranker,  von 
Schümm  783,  1853,  Wirkung  des  —  auf 
Blutkreislauf  u  Respiration,  von  Brown 

u.  Laevenhart . <  .  2591 

Hämatinämie,  von  Schümm . 2190 

Hämatogen,  ist,  dem  freien  Verkehr  über¬ 
lassen?  von  Heffter  u.  Krohne  .  .  .  1680 
Hämatologie,  diagnostische  Bedeutung  der, 
für  die  Neurologie,  von  Naegeli  194, 

Klinik  der  • — ,  von  Strauss . 1848 

Hämatologische  Untersuchungsmethoden 


im  Dienste  der  Psychiatrie,  von  Schultz  1573, 

1681 

Hämatometra  im  80.  Lebensjahr,  von  Ottow  600 

Hämatomyelie,  von  Berblinger .  50 

Hämatopoetischer  Apparat,  Erkrankungen 

des,  von  Nicol  .  .  .  * .  2475 

Hämatoporphyrin,  spektroskopischer  Nach¬ 
weis  des,  von  Schümm  ....  436,  1853 


1960 

618 


1614 


1147 


1728 

218 


Seite 

Ilämatoporphyrinurie,  von  Gerhardt  .  .  1629 
Hämatoporphyrosis  ossium,  von  Fraenkel  436 
Hämaturie,  von  Harpster  935,  renale  — , 
von  Baum  160,  —  im  Kindesalter,  von 
Rosenstern  1009,  —  bei  chronischer 

Nephritis,  von  Eisendrath . 1522 

Hämoglobinkatalysator,  Beeinflussung  des, 
in  der  Schwangerschaft,  von  Engel¬ 
horn  ...  . 1 195,  1 291 

Hämoglobinurie,  Donath- Landsteinerscher 
Versuch  mit  dem  Serum  von  paroxys¬ 
maler,  von  Bontemps  . 720 

Hämolyse,  Krankheiten  mit  gesteigerter, 
von  Mosse  1626,  2434,  chemische  Be¬ 
einflussung  der  — ,  von  Fränkel  1913, 
das  klinische  Bild  der  — ,  von  Banti 
llämolysenversuche,  von  Morgenroth  .  . 
Hämolysine,  Einfluss  der,  auf  die  Kultur 
lebender  Gewebe  ausserhalb  des  Or¬ 
ganismus,  von  Hadda  u.  Rosenthal 
Hämolysinreaktion,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der  W eil-Kaf  kaschen,  im  Liquor 

cerebrospinalis,  von  Mertens .  2747 

Hämolytische  Flüssigkeiten,  Gewinnung 
von,  ausserhalb  des  Tierkörpers,  von 

Bail  u.  Itotky . •  1784 

Hämometer,  neues,  von  Sato  .  .  .  .  .  .1110 
Iiämophiler,  spontane  tödliche  Gehirn¬ 
blutung  bei  einem,  von  Hauck  .  .  . 
Hämophilie  s.  a.  Blutergelenke. 

Hämophilie,  zur  Lehre  von  der,  von 
Gressot  89,  zerebrale  Blutung  bei  — , 
von  Hauck  268,  Erklärung  der  Ver¬ 
erbungsgesetze  der  —  auf  Grund  der 
Mendelschen  Regeln,  von  Riebold  379, 
Serumtherapie  bei  der  — ,  von  Jero- 
fejewa  997,  —  bei  Frauen,  von  Czy- 

bona  .......  . 

Llämopneumothorax,  von  Williamson  .  . 
Hämoptoe,  Ungerinnbarkeit  des  Blutes 
bei,  von  Magnus- Alsleben  1001,  opera¬ 
tive  Bekämpfung  der  — ,  von  Lisch- 

kiewii  sch .  2069 

Hämorenaler  Index,  Bestimmung  des,  als 
Prüfung  der  Nierenfunktion,  von  Brom¬ 
berg  . . . 

Hämorrhagie,  neurotische,  von  Hart  .  . 
Hämorrhagische  Symptome,  Therapie  der, 

von  Carnot . 276 

Hämorrhoidalblutungen,  Entstehung  von, 

von  Kirschner .  2748 

Hämorrhoidalknoten,  Entstehungsursache 
der,  von  Reckzeh  1110,  extraanale  un¬ 
blutige  Behandlungsmethode  der  — , 

von  Maybaum . 1618 

Hämorrhoidalleiden,  Therapie  des,  von 

Jüngerich . 2536 

Hämorrhoiden,  Prophylaxe  und  Therapie 

der,  durch  Anikure,  von  Kindborg  430, 

Exzision  der  —  nach  Whitehead,  von 
Hadda  1614,  Behandlung  der  —  mit 
den  Pessarsuppositorien  Braun ,  von 
Seemann .  2927 

Hämorrhoidenoperation ,  einfache ,  von 

Bayer . 

Hände,  Asepsis  der,  von  Sorel . 

Händedesinfektion,  von  Corel . 

Händedesinfektionsmethoden,  vonLauben- 

heimer  .  .  . .  . 

Hängebauch.  Operation  des  flachen,  von 

Loewe  . .  .  •  •  • 

Hängelage,  die  Walchersche,  von  Chris- 

tiani .  ...  2302 

Häute,  Desinfektion  milzbrandhaltiger,  und 
Felle,  von  Moegle  368,  Desinfektion 
milzbrandiger  —  und  Felle  in  Salz¬ 
säure-Kochsalzgemischen,  von  Gegen¬ 
bauer  und  Reichel  429,  Desinfektion 
der  —  von  Rauschbrandkadavern,  von 

Maass  ....  1220 

Haferkuren,  prognostische  Bedeutung  der, 

von  Lamp4 . 935 

Hafermehl,  therapeutische  Wirkungsweise 

des,  von  Jastrowitz . 769 

Haft,  Psychologie  der,  von  Marx  ...  2310 
Haftpflichtprozess,  abgewiesener  ....  2813 

Haftpsychosen,  von  Raimann . 2310 

Hallux  valgus,  neue  Operation  bei,  von 

Ludloff  732,  —  varus,  von  Hollensen  1163 


1620 

2247 


92 

2920 

1791 

314 

2144 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LVII 


Seite 

Hals,  Krankheiten  des,  von  Arrcn,  Frecht, 


Desnaarest . 1 895 

Halsabszesse,  otogene,  von  Mygind  .  .  .  2858 
Hals-,  Nasen-  und  Ohrerkrankungen,  Be¬ 
handlung  der,  mit  Salvarsan  und  an¬ 
deren  Arsenpräparaten,  von  Gerber  .  2411 
Halsfisteln  und  Zysten,  von  Wenglowski  1218 
Halslymphdrüsentuberkulose  in  ihrer  Be¬ 
ziehung  zu  denTonsillen  und  zur  Lunge, 

von  Trautmann . 866 

Halslymphome,  Röntgentherapie  der  tuber¬ 
kulösen,  von  Fritsch . 2610 

Halsreflexe,  tonische,  beim  Menschen,  von 

Magnus  und  de  Kleijn .  256S 

Halsrippen,  von  Streissler  .  ....  1559 

Halsschuss,  durchgehender,  von  Lexer  .  612 
Halssympathikus,  maligner  Sympatho- 

blastentumor  des,  von  Martius  ....  1450 
Halssympathikusslähmung,  angeborene 

einseitige,  von  Pollak . 1082 

Hamburgische  Universität .  58 

Hamburger  Universitätsfrage,  zur,  von 

Sobotta  .  .  .  419 

Hammerzehe,  Behandlung  der,  von 

Chlumsky .  ....  427 

Handbook,  Honans,  to  Medical  Europe  .  1583 
Handbuch  der  gesamten  medizinischen 
Anwendungen  der  Elektrizität,  von 
Boruttau  und  Mann  141,  —  der  phy¬ 
siologischen  Methodik,  von  Tigerstedt 
198,  —  der  vergleichenden  Physiologie, 
von  Winterstein  255,  —  der  gesamten 
Augenheilkunde,  von  Graefe-Saemisch 
309,  657,  768,  2686,  —  der  allg.  Patho¬ 
logie  und  patholog.  Anatomie  des 
Kindesalters,  von  Brüning  u.  Schwalbe 


365,  1612,  —  der  Nahrungsmittel¬ 

chemie,  von  Beythien,  Hartwich  und 
Klimmer  424,  —  der  pathogenen  Mikro¬ 
organismen,  von  Kolle  und  Wasser¬ 
mann  479,  —  der  gesamten  Therapie, 
von  Penzoldt  und  Stintzing  879,  ärzt¬ 
liches  —  für  Bayern  1303,  —  der 
Hygiene  1471,  —  der  allgemeinen 
Pathologie,  Diagnostik  und  Therapie 
der  Herz-  und  Gefässerkrankungen, 
von  v.  Jagic  1672,  —  der  physiolo¬ 
gischen  Methodik,  von  Tigerstedt  1725, 

—  der  Tropenkrankheiten,  von  Mense 
2241,  —  der  Neurologie,  von  Lewan- 
dowsky  2294,  —  der  Frauenkrank¬ 
heiten,  von  Hofmeier  2352,  von  Menge 
und  Opitz  2414,  —  der  organischen 
Arsenverbindungen,  von  Bertheim  .  2686 
Handbüchlein,  ärztliches,  von  Schlesinger 
623,  2656 

Handgelenk,  Madelungsche  Deformität 
des,  von  Streissler  und  Springer  781, 

von  Melchior .  2070 

Handgriff,  neuer,  bei  Entbindungen,  von 

Krug . 771 

Handlähmung,  von  Reichard . 439 

Handschuhverletzungen  und  Händedes¬ 
infektion,  von  Ahlfeld  658,  über  — , 

von  Wolff . 1563 

Handschutz,  einfacher,  bei  eitrigen  Opera¬ 
tionen,  von  Brüning  .  . . 1716 

Handwerker-  und  Arbeiterkrankenversiche¬ 
rung  in  Rumänien,  von  Toff  ....  2409 
Handwörterbuch  der  Naturwissenschaften 
200,  1725,  —  der  sozialen  Hygiene,  von 

Grotjahn  und  Kaup . 991 

Handwurzelbrüche,  von  Habs  . 383 

Handwurzelknochen ,  Erwerbsfähigkeit 

nach  Verletzungen  der,  von  Scheer  .  2698 

Hansen- Medaille . 1807 

Harn  s.  a.  Agotometer,  Säugfingsharn,Urin, 
Urinschau. 

Harn,  Diphtheriebazillen  im,  von  Beyer 
240,  von  Freifeld  2194,  2425,  ein  Phos- 
phatid  im  menschlichen  — ,  von  Hess 
und  v.  Frisch  484,  Giftigkeit  des  —  bei 
Masern  und  anderen  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Aronsohn  und  Sommerfeld 
602,  Bestimmung  des  kolloidalen  Stick¬ 
stoffes  im  —  zur  Karzinomdiagnose, 
von  Ssemionow  663,  Toxizität  des  —  im 
puerperalen  Zustand  und  bei  Eklampsie, 
von  Zinsser  882,  Gehalt  dos  —  von  Krebs- 


Seite 

kranken  an  kolloidalem  Stickstoff,  von 
Rosowa  997,  Nachweis  von  Trauben¬ 
zucker  ihi  — ,  von  Beckers  1109,  das 
spezifische  Gewicht  des  —  bei  Krank¬ 
heiten,  von  Jacob  1275,  Giftigkeit  des  — , 
Gebärender  und  Eklamptischer ,  von 
Zinsser  1347,  Schwefel  im  —  bei  Krebs¬ 
kranken,  von  Alexejew  1622,  erhöhter 
Gehalt  des  —  von  Produkten  eines 
nicht  genügend  tiefen  Abbaus  der  Ei¬ 
weissstoffe,  von  Philosophow  u  Kluic- 
znikowa  1622,  die  chemischen  Eigen¬ 
schaften  des  —  bei  karzinomatösen 
Erkrankungen  der  inneren  Organe,  von 
Wolpe  1623,  Kreatinin-  und  Kreatin¬ 
ausscheidung  durch  den  —  bei  Wöch¬ 
nerinnen,  von  Wakulenko  1677,  Be¬ 
stimmung  des  Kolloidalstickstoffes  im 
—  nach  Salkowski  und  Kojo,  von 
Semenow  1789,  Löslichkeit  der  wich¬ 
tigsten  Steinbildner  im  — ,  von  Licht¬ 
witz  1898,  Nachweis  von  Jod  im  — , 
von  Jolles  2356,  Gehalt  des  —  an  Krebs¬ 
kranken  an  kolloidalem  Stickstoff,  von 
Konikow  2422,  Porphyrin  und  Por- 
phyrinogenausscheidung  im  — ,  von 
Roedelius  und  Schümm  2756,  Apparat 
zur  Bestimmung  der  Chloride  im  — , 

von  Weiss .  2842 

Harnapparat, Tuberkulose  des  — ,  von  Israel  1737 
Harnaziditätsverhältnisse  nach  Verab¬ 
reichung  von  Alkalien,  von  Sochanski  1897 
Harnbestandteile,  die  adialysablen,  von 

Pribram .  2047 

Harnblase  s.  a.  Blase. 

Harnblase,  Behandlung  gutartiger  Papil¬ 
lome  der,  mit  dem  Oudin  Hochfrequenz¬ 
strom,  von  Beer  934,  Ligatursteine  der 
weiblichen  — ,  von  Hirschberg  1340,  ex- 
stirpierte  — ,  von  Loewe  2144,  ausge¬ 
dehnte  Schleimhautexzisionen  bei  mul¬ 
tiplen  Papillomen  der  — ,  von  Zucker- 
kandl  2367,  Projektil  aus  der  — , 

Svon  chwarzwald  2548,  Operation  des 
angeborenen  Divertikels  der  — ,  von 


Kreuter .  2638 

Harnblasenektopie,  Operation  der,  von 

Schmitt  .  .  1683 

Harnblasenpapillom,  von  Albrecht  2865, 
Mutation  von  —  in  Sarkom,  von  Leuen- 

berger . 90 

Harnblasenschleimhaut,  seltene  Verlet¬ 
zungen  der,  von  Frank . 324 

Harndiagnostik,  Entwicklung  der  klini¬ 
schen,  von  Ebstein .  .  2375 

Harnfieber,  Ursache  und  Behandlung  des, 

von  Thelen .  2088 

Harnfisteln,  von  Minakuchi . 1951 

Harngiftigkeit, Verhalten  der, in  Schwanger¬ 
schaft,  Geburt  und  Wochenbett,  von 
Esch  1616,  von  Franz  2474,  —  bei  Ana¬ 
phylaxie,  von  Zinsser .  2298 

Harninkontinenz,  hartnäckige,  von  Wolko- 

witsch . 1163 

Harnkrankheiten  des  Kindes,  von  Fran¬ 
kenau  .  .  .  1745 


Harnleiter,  adhärente  Ueberpflanzung  der 
Art.  hypogastr.  zur  Wiederherstellung 
des,  von  Jianu  44,  aszendierende  In¬ 
fektion  der  Nieren  nach  Implantation 
der  —  in  den  Darm,  von  Iljin  664, 
akzessorische  — ,  von  Pawloff  1162, 
extravesikale  Einmündung  der  —  bei 
Frauen,  von  Hartmann  1279,  Chirurgie 
des  — ,  von  Wendel  1464,  Vorfall 
des  —  durch  die  Harnröhre,  von 
v.  Franquö  1788,  Konkremente  im  , 

von  Pascual . 2132 

Harnleiterverletzungen, Behandlung  hoher, 

von  Mackenrodt  . .  2297 

Harnorgane,  Ausbreitungsorgane  der  post- 
operativen  Infektion  der  weiblichen, 
von  Bauereisen  104, 1164,  Beziehungen 
der  Erkrankungen  der  —  zu  Schwanger¬ 
schaft,  Geburt  und  Wochenbett,  von 
Zangemeister  1289,  Röntgenverfahren 
bei  Erkrankungen  der  — ,  von  Immel- 
mann  1390,  Bact.  coli-Infektion  der  — , 
von  Hess . 1563 


Seite 

Harnpepsinbestimmung,  der  diagnostische 

Wert  der,  vonTachau .  88 

Harnröhre,  seltener  Fremdkörper  in  der 
männlichen,  von  Häuer  530,  operative 
Behandlung  der  Erkrankungen  des  hin¬ 
teren  Blasenhalses  und  der  hinteren  — , 
von  Wossidlo  1411,  die  chronischen 
Erkrankungen  der  hinteren  — ,  von 

Wossidlo  .  . .  2531 

Harnröhrendefekt,  Ersatz  eines,  durch  die 

V.  saphena,  von  Mühsam . 1008 

Harnröhrendivertikel,  von  Fromme  .  .  .  2297 
Harnröhrenersatz  durch  freie  Transplan¬ 
tation  des  Wurmfortsatzes,  von  Lexer  613 

Harnröhrenstein,  von  Lieber . 1413 

Harnröhrenstrikturen,  angeborene,  von 
Riedel  1008,  Dauerresultate  der  verschie¬ 
denen  Behandlungsarten  der  — ,  von 

Räskay  . 1278 

Harnröhrenzerreissungen,  Behandlung  der 
totalen,  von  Hof  mann  371,  moderne 

Therapie  der  —  von  Marion . 2133 

Harnsäure,  Bestimmung  der,  im  Urin,  von 
Flatow  354,  Nukleinstoffe  und  —  im 
Blute,  von  Bass  1053,  —  im  Speichel, 
von  Herzfeld  und  Stöcker  1950,  die 
übersättigten  Lösungen  der  —  u.  ihrer 

Salze,  von  Köhler .  2851 

Harnsäureausfuhr,  Beziehungen  zwischen 

Splanchnikustonus  und,  von  Abel  .  1054 
Harnsäureausscheidung  bei  exsudativen 
Kindern  und  ihre  Beeinflussung  durch 
Atophan,  von  Kern  1951,  pharmakolo¬ 
gische  Beeinflussung  der  — ,  von  Abi 
2853,  geformte  —  in  den  Nieren,  von 

Eckert .  2853 

Harnsäurebestimmung,  Methodik  der,  in 

Urin  und  Blut,  von  Schneller  .  .  .  770 

Harnsäureintoxikationen,  von  Volkmar  .  .  1067 
Harnsäurelöslichkeit,  Anomalie  der,  von 

Schade . 104 

Harnsäurenachweis,  Verwertbarkeit  der 

Uranilfüllung  zum,  im  Blut,  von  Oszacki  1398 
Harn  Stauungen,  örtliche  Behandlung  rena¬ 
ler,  und  Eiterstauungen  durch  Harn¬ 
leiterkatheterismus,  von  Zuckerkandl  1731 
Harnuntersuchung,  spektroskopische,  von 
Bardach  264,  Bedeutung  der  bakterio¬ 
logischen  —  für  die  Diagnose  und 
Therapie,  von  Scheidemandel  1722, 

von  Menzer . .  2002 

Harnwege,  Chirurgie  der,  von  Hartmann 
1043,  intraperitoneale  Verwundung  der 


— ,  von  Kingma  Boltjes  1338,  Hyper¬ 
ämiebehandlung  bei  entzündlich-infil¬ 
trativen  Erkrankungsprozessen  der  — ', 

von  Frank .  2589 

Hartley  Prof.  Dr.  f . 1584 

Hasenscharten,  Operation  sehr  grosser, 

von  Neumann .  41 

Hauner-Gedenkbrunnen . 1183 

Hausarztvereine,  Verband  der .  2289 

Hausozonisierungsapparate, praktische  Ver¬ 
wertbarkeit  von,  von  Schroeter  .  .  .  483 
Haustiere,  spezielle  Pathologie  u.  Therapie 

der,  von  Hutyra  und  Marek  ....  2471 


Haut,  Verteilung  der  pathogenen  Keime 
in  der,  von  Nogucbi  202,  Sterilisation 
der  —  mit  Sublimatlösung,  von  Clarke 
604,  Pilzerkrankung  der  — ,  von  Linser 
1520,  Wärmeleitungsfähigkeit  der  — , 
von  Wolsa  1565,  Pilzerkrankungen  der 
nichtbehaarten  — ,  von  Adamson  2024, 
Ueberpflanzung  behaarter  — ,  von  Peri- 
moff  2192,  multiple  Tumoren  der  — , 
von  Schmid .  2689 


Hautatrophie,  idiopathische,  von  Seifert 
1226,  Aetiologie  der  idiopathischen 

— ,  von  Oppenheim  . .  2692 

Hautdefekte,  Ueberhäutung  grosser,  von 

Polland .  2642 

Hautdesinfektion  mit  Jodtinktur,  von 
Crucilla  1168,  bedingt  die  —  eine  Ge¬ 
fahr  der  Jodintoxikation  für  den  be¬ 
handelnden  Arzt?  von  Jüngling  .  .  1766 

Hautdiphtherie  mit  ungewöhnlich  starker 

Antitoxinbildung,  von  Kleinschmidt  .  1477 
Hauteffloreszenzen,  Metamorphosen  pri¬ 
märer,  von  Herxheimer .  2072 


LV1II 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913 


Seue 

Hautgeschwülste,  angeborene  multiple, 

von  Eisenbach .  2432 

Hautimplantationen  an  Stelle  der  freien 

Faszienplastik,  von  Löwe  .  .  .  1173,  1320 

Hautkarzinome,  von  Zieler . 1748 

Hautkeime,  Import  der,  durch  das  Messer, 

von  Steinegger . 1563 

Hautkitzel,  von  Basler  ........  2242 

Hautkrankheiten  s.  a.  Eigenserum. 
Hautkrankheiten,  Atlas  der,  von  Ehemann 
932,  von  Jacobi  2128,  seltene  —  im 
Kindesalter,  von  Finkeistein  1009, 
physikalische  Behandlung  der  — ,  von 
Renz  1217,  —  der  Diabetiker,  von 
Bettmann  1451,  Serumbehandlung  von 
— ,  von  Stümpke  1789,  Behandlung 
der  —  mit  Kohlensäureschnee,  von 
Haslund  2357 ,  Aenderung  der  Kost 
bei  einigen  — .  von  Gerschun  2423, 
Serum-  und  Blutinjektionen  bei  — , 
von  v.  Zumbusch  2537,  gewerbliche  — , 

von  Oppenheim .  2868 

Hautkrebs,  moderne  Behandlung  des,  von 
Wichmann  950,  Behandlung  des  — 
durch  Radiumbromid,  von  Williams 

und  Ellsworth . 1851 

Hautleiden,  Lehrbuch  der,  und  Ge- 

schleehtsleiden,  von  Jessner . 366 

Hautnerven,  Färbung  der  marklosen,  von 
Kreibich  715,  für  die  Lokalanästhesie 

wichtige  — ,  von  Rost  . .  .  1162 

Hautreaktion,  Veränderungen  der,  bei  In¬ 
jektion  von  Serum  und  kolloidalen  Sub¬ 
stanzen,  von  Luithlen  995,  2590,  —  bei 
Lues  und  ihre  Beziehung  zur  Wasser- 
mannschen  Reaktion,  von  Müller  und 
Stein  1222,  —  durch  Ergamin,  von 
Eppinger  1732,  —  mit  Noguchis  Lnetin 
bei  Paralytikern,  von  Benedek  2033, 
Prüfung  der  —  auf  chemische  Reize, 
von  Schultz  2193,  —  bei  gesunden  und 
ekzematösen  Kindern,  von  Mautner  2418 
Hauttransplantation  ohne  Verband,  von 


Wiener . 1852 

Hauttumoren,  metatastische,  von  Laache 
1446,  Pigmentbildung  in  melanotischen 

— ,  von  Stein .  2537 

Head  Prof.  Dr.  f . 1752 

Hebammen,  Dienstanweisung  für  die,  in 
Preussen  279,  Zurücknahme  des  Prü¬ 
fungszeugnisses  von  —  2094,  Tage¬ 


bücher  der  —  2290,  Abtreibungsver¬ 
such  einer  —  an  ihrer  eigenen  Person  2494 
Hebammenausbildung,  Hebung  des  He¬ 
bammenstandes  und  ärztliche  Praxis, 


von  Hartmann . .  .  1045 

Hebammenkunst,  Lehrbuch  der,  von 

Herrenschneider .  33 

Hebammenkursus,  Lehrbuch  für  Schüle¬ 
rinnen  des,  von .  Piskacek . 199 

Hebammenlehrbuch,  Vorschläge  zur  Ver¬ 
besserung  des  neuen  preussischen, 
von  Holste  545,  Neuauflage  des  Preus¬ 
sischen  — . 1560 

Hebammenwesen,  Vereinigung  zur  För¬ 
derung  des .  •  846 

Hebosteotomie,  Bedeutung  der  Hypophy¬ 
senpräparate  für  die,  von  Lin  zenmeier 
428,  zur  Frage  der  — ,  von  Kriwski  .  1728 
Heberdrainage,  Indikation  und  Technik 

der  Bülauschen,  von  Hürter . 617 

Hediosit,  von  Krauer .  41 

Hedonal-Chloroformnarkose,  100  Fälle  von, 

von  Senkowicz . 997 

Hedonalnarkose,  von  Page  333,  Kompli¬ 
kationen  nach  — ,  von  Veale  .  .  .  603 

Heftpüastergipsverband  bei  der  Klump- 

fussbehandlung,  von  Lewy  .  .  .  1263 

Hegonon,  von  Rosenfeld  2357,  in  der 

Gonorrhöebehandlung,  von  Bohm  .  .  2787 
Heilanstalt,  Prof.  Dr.  Vulpiussche  ortho¬ 
pädisch-chirurgische,  223,  Lewaldsche 

— -  in  Obernigk .  .  .  1807 

Heilerziehungsheime,  Verein  zurGründung 

und  Erhaltung  von,  in  München  .  .1183 

Heilgymnasten,  die,  in  Schweden  und 

Deutschland,  von  Lubinus . 1327 


Heilgymnastik,  Wirkung  der,  auf  die 
Blutzirkulation,  von  Salaghi  1110, 


Seite 


Seite 


1566,  20  Jahre  Erfahrungen  mit  Zan¬ 
ders  mediko-mechanischen  — ,  von 

Nebel . -  -  1163 

Heilkunde, Vert  eidigung  der,  aus  den  Zeiten 

der  Mönchsmedizin,  von  Sudhoff  .  .  2375 
Heilmittel,  Warnung  vor  einem  öffentlich 

angepriesenen . 875 

Heilpädagogik,  Beziehungen  zwischen,  und 


Fürsorgeerziehung,  von  Huemer  .  .  .  2374  . 
Heilseren,  rektale  Applikation  von,  von 
Blumenau  und  Dserzgowsky  996, 1622, 
wiederholte  Einführung  von  —  beim 
Menschen,  von  Klimenko  ...  .  .  2808 

Heilstätten  für  Kranke  des  Mittelstandes, 
von  Dietschy  825,  Deutsche  —  in  Davos 
959,  —  und  Krankenhaus  in  der  Ver¬ 
sorgung  der  Tuberkulösen,  von  Ritter 
1125,  Basler  —  für  Lungenkranke  in 
Davos-Dorf  1807,  —  für  Alkoholkranke 

in  Oberbayern .  2655  j 

Heilstättenkuren,  statistische  Beiträge  zur 
Frage  der,  von  Köhler  2192,  Auswahl 
der  Lungenkranken  für  die  — ,  von 

Dietschy .  2302 

Heine-Medinsche  Krankheit,  die  Epidemie 
von,  im  Jahre  1911,  von  Bokay  323, 
Anzeigepflicht  bei  — ,  von  v.  Pfaundler 
330,  Erkrankung  von  Geschwistern  an 
— ,  von  Trumpp  1029,  Luxation  des 
Oberarms  nach  — ,  von  Klar  1123, 
Epidemie  der  —  in  den  Niederlanden, 
von  Schippers  und  de  Lange  2136, 

2140,  Fälle  von  — ,  von  Beyermann  2140, 

Stand  der  —  in  Bayern,  von  Uffen- 

heimer .  2833,  2866 

Heissluftapparate,  improvisierte,  von 
Schmerz  2169,  Verwendung  des  —  bei 
der  Nachbehandlung  Operierter,  von 

Orthner . .  '2806  | 

Heissluftbehandlung  in  der  Laryngologie, 

von  Albrecht . 265 

Heissluftinhalation,  von  Elsaesser  .  .  207 

Hektin  in  der  Behandlung  der  Syphilis, 

von  Vilanova .  .  1904 

Helfoplast,  Behandlung  granulierender 

Wunden  mit,  von  Mertens .  2792 

Heliotherapeutische  Frage,  von  Guye  .  .  2246  j 

Heliotherapie  s.  a.  u.  Tuberkulose. 
Heliotherapie,  chirurgische  Gedanken  über 
die,  von  Leric.he  1277,  —  in  der  Gress¬ 
stadt,  von  Alkan  .  . .  1789  j 

Holler  Geh.  Med.-R.  Prof.  Dr.  t  280,  von 

Wilke . 487 

Hellerau  s  u.  Dalcrozesche  Bildungsanstalt. 
IJelmholtz-Präraie  ...  ....  279 

Helminthen  in  der  Appendix,  von 

Hueck .  2300  j 

Hemianopsie,  Bedeutung  der  Pupillen¬ 
störungen  für  die  Herddiagnose  der 

homonymen,  von  Behr . 147  i 

Hemiatrophianeocerebellaris,  vonBrouwer  1564 

Hemicanities  bei  Hemiplegie,  von  Loeb  .  207 

Hemihypertrophia  faciei.  von  Finkeistein  2595 

Hemiparkinsonähnliches  Syndrom,  von 

Mingazzini .  2479 

Hemiplegie,  latente  Deviation  der  Augen 
und  Vorbeizeigen  des  Kopfes  bei  - 
und  Epilepsie,  von  Baräny  900,  — 
postdiphtherica,  von  Leede  .  ...  1678 

Hemmungsmissbildungen,  von  Löwenstein  1339 
Hemoptysies,  les,  tuberculeuses,  von 

Weil' .  540  1 

Hepatikusdrainage,  transduodenale,  von 

Hörz . 263 

Hepatitis,  heilbare  akute,  von  Schultze  36, 

—  syphilitica,  von  Plate  213,  — paren- 
chymatosa,  von  Hildebrandt  ....  2529 
Hepato-Duodenostomie,  von  Kroh  .  .  .  2863 
Hepatodynie,  linksseitige,  und  ihre  dia¬ 
gnostische  Bedeutung,  von  Breitmann  2421 
Heredität,  über,  von  Bateson  1959,  die  — 

der  Psychosen,  von  Jolly .  2587 

Ileredodegeneration  undpostdiphtherische 

Lähmung,  von  Benedict  . 2137 

Hering,  Gedenktafel .  .  .  279 

Herraann-Perutzsche  Reaktion,  Anwen¬ 
dung  der,  bei  der  Prüfung  von  Lumbal¬ 
punktaten,  von  Lade  590,  Erfahrungen 
mit  der  — ,  von  Lade  885,  Unter¬ 


suchungen  über  die  — ,  von  Giorgis 
1850,  die  —  im  Vergleich  zur  Wasser- 
mannschen  Reaktion,  von  Bräutigam 
1902,  Modifikation  der  — ,  von  Leschly 
und  Boas  2016,  über  die  — ,  von  Kallös 

2249,  von  Möller .  2357 

Hermaphroditismus,  Entstehung  des,  von 
Zarnik  1575,  der  wahre  —  der  Säuge¬ 
tiere  und  des  Menschen,  von  Pick  2434,  2542 
Hernie  s.  a.  Bruch,  Rezidivhernie. 

Hernien,  Radikaloperation  der,  des  Nabels 
und  der  Linea  alba,  von  Waljaschko 
91,  Entstehung  der  —  pectinea,  von 
Harzbecker  153,  2  seltenere  — ,  von 
Steimker  371,  —  und  Eventratio  dia- 
phragmatica,  von  Motzfeldt  551,  gleich¬ 
zeitiges  Vorkommen  von  —  epigastrica 
und  Magenulcus  und  -karzinom,  von 
Kirmisson  844,  —  im  Foramen  Win- 
slowii,  von  Vasiliu  1050,  einfaches 
Hilfsmittel  bei  der  Reposition  ausge¬ 
tretener  —  der  Säuglinge,  von  Nüss- 
baum  1434,  —  labialis  posterior,  von 
Peus  1448,  Kasuistik  der  — ,  von  Bern¬ 
stein  1614,  —  duodeno-jejunalis  beim 
Säugling,  von  Vogt  1729,  die  Cooper- 
sche  — ,  von  Krymon  1787,  —  diaphrag- 
matica,  von  Melchior  2245,  —  ency- 
stica  und  —  encystica  communicans, 
von  Sultan  und  Kurtzhalls  2588,  trau¬ 
matische  —  des  M.  deltoideus,  von 
Clemens  2589,  Entstehung  trauma¬ 
tischer  — ,  von  Scharezky . 2915 

Herniologisches,  von  Föderl  .  .  .  1047 

Herniotomie,  seltene  Komplikation  nach, 
von  Finsterer  264,  autoplastischer 
Faden  zur  Verwendung  bei  der  Opera¬ 
tion  der  — ,  von  Golanitzki . 1397 

Herpes  zoster  im  Wochenbett,  von  Kunz 
314,  —  frontalis,  von  Sunde  1047,  — 
frontalis  mit  Bakterienbefund  im 
Ganglion  Gasseri,  von  Sunde  1112, 


Therapie  des  —  tonsurans,  von  Thede- 
ring  2679,  zur  Pathologie  des  —  zoster, 

von  Kürsteiner .  2806 

Herrn  Bredenfelds  Erde,  von  Malade  .  .  2743 

Hervieux  Prof.  Dr.  H.  f  . 447 

Herz  s.  a.  Kropfherz. 


Herz,  Erhöhung  des  Druckes  im  venösen 
System  als  Mass  für  die  Funktions¬ 
tüchtigkeit  des,  v.  Schott  36,  Chirurgie 
der  Segelklappenstenoso  des  — ,  von 
Sehepelmann  47,  Chirurgie  des  — , 
von  Wagner  91,  die  Gitterfasern  des 
— ,  von  Neuber  262,  Systole  und  Dia¬ 
stole  des  —  unter  Digitalinwirkung,  von 
Holste  262,  dorsale  Auskultation  des 
—  und  der  Gefässe,  von  Kürt  264, 
Chirurgie  des  —  u.  des  Herzbeutels,  von 
Rehn  429,  Einwirkung  dauernder  kör¬ 
perlicher  Arbeit  auf  das  — ,  von  Grober 
662,  röntgenanatomische  Untersuchung 
des  —  in  situ,  von  Groedel  833,  Er¬ 
scheinungen  am  gesunden  —  junger 
Individuen,  von  Mackenzie  886,  Stich¬ 
verletzungen  des  — ,  von  Boehm  936, 
Einfluss  der  Digitalis  auf  die  Erholung 
des  —  nach  Muskelarbeit,  v.  Bernoulli 
967,  Dilatation  des  — ,  von  Gerhardt 
1055,  Vergrösserung  des  — ,  von  Fischer 
1062,  chronische  Anstrengungsverän¬ 
derungen  des  — ,  von  Jundell  1170, 
angeborene  Missbildung  des  — ,  von 
Hederer  1178,  Beziehungen  der  Er¬ 
krankungen  des  —  zu  Schwangerschaft, 
Geburt  und  Wochenbett,  von  Fromme 
1289,  Beziehungen  der  Fortpflanzungs¬ 
funktion  zum  —  des  Weibes,  von 
Sellheim  1290,  —  und  Zwerchfellstand 
in  der  Schwangerschaft,  von  Heyne¬ 
mann  1291,  physikalische  Diagnostik 
des  — ,  von  v.  d.  Velden  1390,  die 
Chirurgie  des  — ,  von  .leger  1444,  Ar¬ 
beitsleistung  des  —  bei  gesunden 
Kindern,  von  Müller  1505,  Schussver¬ 
letzung  des  — ,  von  Breitner  1577, 
Einfluss  des  Salizylsäuren  Natrons  auf 
das  — ,  von  Borissow  1621,  —  und 
Schwangerschaft,  von  Fellner  1728, 


1913, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LIX 


Saite 

penetrierende  Wunden  des  — ,  von 
De  Verteuil  1735,  röntgen  anatomische 
Untersuchung  des  —  und  der  grossen 
Gefässe,  von  Groedel  1784,  Wirkung 
der  Nitrite  auf  die  Durchblutung  des 
— ,  von  Schloss  1841,  Funktion  des 
—  im  Hochgebirge,  von  Kuhn  2133, 
das  periphere  im  deutschen  Seeklima, 
von  Bockhorn  2134,  Blutdruckschwan¬ 
kungen  in  den  Hohlräumen  des  — , 
von  Piper  2190,  Wirkung  der  Ca-Salze 
der  Ringerschen  Lösung  auf  das  — , 
von  Leontowitsch  2243,  das  reizende 
und  verbindende  Muskelsystem  des 
— ,  von  Josue  2312,  von  Lewis  2312, 
v.  Mackenzie  2311,  Stich  Verletzung  des 
— ,  von  Nast-Kolb  2354,  Anstrengungs¬ 
veränderungen  des  — ,  von  Beck  2359, 
Rekurrenslähmung  bei  Erkrankung  des 
— ,  von  Sobernheim  und  Caro  2360, 


Ueberleitungestörungen  des  — ,  von 

Roth .  2801 

Herzalternans,  Erklärung  des,  von  Hering 
770,  über  —  und  Pseudoalternans, 

von  Boden  .  .  . .  2759 

Herzarbeit,  Einfluss  des  Schmerzes  und 
der  Digitalis  auf  die,  des  normalen 

Menschen,  von  Kaufmann  . 769 

Herzarrythmien  infolge  von  Störungen  der 
Leitungsfähigkeit  des  Herzmuskels, 
von  Danielopulo  42,  Analyse  der  — , 


Herzbeutel,  Defekt  des,  von  Plaut  429, 
Chirurgie  des  — ,  von  Rehn  .  .  .  .  429 

Herzbeuteldrainage,  hintere  und  Pleura¬ 
drainage,  von  Tiegel . 1397 

Herzbeutelresorption,  von  Boit .  2069 

Herzbewegung,  Untersuchung  der,  und 
des  zentralen  Pulses  mit  dem  Frank- 

schen  Apparat,  von  Hess .  2365 

Herzblock  mit  Adams  Stokesschen  Svm- 
ptomenkomplex,  von  Plehn  324,  Ven¬ 
trikeltempo  beim  kompletten  — ,  von 
Naish . 1734 


Herzchirurgie,  zur,  von  Lucas  264,  von 
Rehn  429,  zur  konservativen  — ,  von 

v.  Arx  . .  .  .  .  1507 

Herzdiagnostik,  funktionelle,  von  v.  Berg¬ 
mann  721,  895,  —  aus  den  gleichzeitig 
registrierten  Bewegungsvorgängen  des 
Herzschalles,  Arterienpulses  u.  Venen¬ 
pulses,  von  Ohm  1004,  2077,  subakute 


bakterielle  — ,  von  Libmann  .  .  .  2077 

Herzerkrankungen,  Therapie  der,  in  der 
Schwangerschaft,  von  Eisenbach  .  .  .  2638 
Herzermüdung,  akute,  und  Dilatation, 

von  Bruns .  ...  1055 


Herzfehler,  traumatischer,  von  Müller  215, 

—  und  Schwangerschaft,  von  Kreiss 
1290, 2915,  —  in  graviditate,  von  Pankow 
1455,  zur  Diagnostik  der  kongenitalen 
— ,  von  Mohr  1844,  angeborener  — ,  von 
Mohr  2090,  kongenitaler  — ,  von  Herzog  2090 
Herz-  und  Gefässerkrankungen,  Begut¬ 
achtung  und  Behandlung  der  trauma¬ 
tischen,  von  Rumpf  377,  Handbuch 
allgemeinen  Pathologie,  Diagnostik  und 
Therapie  der  — ,  von  v.  Jagic  1672,  muss 
die  Prognose  der  —  auf  dem  toten 
Punkte  bleiben?  von  Grassmann  .  .  2503 
Herz-  und  Gefässkrankheiten  und  Unfall, 
von  Hoffmann  376,  Vorträge  über  — •, 
von  Herz  823,  Diagnose  und  Therapie 
der  — ,  von  Braun  1558,  Diätetik  der 


— ,  von  Vaquez . 1 565 

Herzgeräusch,  intermittierendes,  bei  an¬ 
geborener  Trikuspidalatresie,  v.  Wieland 
2372,  sog.  — ,  von  Steiner  2699,  blasende 
— ,  von  Goliner .  2699 


Herzgifte,  Mechanismus  der  Bindung  digi¬ 
talisartig  wirkender,  von  Weizsäcker  .  1565 
Herzgrössenbestimmungen ,  röntgenologi¬ 
sche,  an  Ringern,  von  Katz  u.  Leybotf  1952 
Herzhypertrophie,  von  Edens  •  .  .  1841 

Herzinsuffizienz,  von  Vaquez  1962,  —  u. 
Herzschwäche,  von  Wenckebach  .  .  .  1962 


Seite 

Herzklappen,  Veränderungen  an  den,  bei 

Infektionskrankheiten,  von  Czirer  .  .  2534 
Herzklappenchirurgie,  von  Schepelmann  .  544 

j  Herzklappenfehler,  von  Gerhardt  1334, 

Prognose  der  — ,  von  Heinrich  .  .  993 
Herzklappenzerreissung,  traumatische,  von 

Scholz .  2697 

Herzkranke,  Störungen  der  Wasserbilanz 
bei,  von  Gerhardt  786,  symptomatische 
Psychosen  bei  — ,  von  Kleist  1011,  die 
Atmung  bei  — ,  von  Reinhardt  2473, 
die  Arbeitsfähigkeit  —  und  Gefäss- 
kranker,  von  Bockhorn  ......  2646 

Herzkrankheiten,  die  nervösen,  von  Krehl  2351 
Herzleiden  und  Stoffwechselstörungen  in 
der  Schwangerschaft,  von  Walthard  1 290, 

—  und  Schwangerschaft,  von  Schmidt 
1347,  Bergsteigen  bei  — ,  von  Jacob  .  2802 
i  Herzmass  ige,  von  Wrede  830,  die  —  bei 
Herzstillstand  unterChloroformnarkose, 

von  Pieri . 1850 

Herzmessung,  Orthodiagraphie  u-  Telerönt- 
genographie  als  Methoden  der,  von 

Dietlen . 1763 

I  Herzmittel,  lokale  Reizwirkungen  von,  von 

Holste .  2535 

Herzmittelwirkung  und  physiologische  Ka¬ 
tionenwirkung,  von  v.  Konschegg  .  937 
Herzmuskel,  syphilitische  Erkrankung  des, 
von  Simmonds  49,  Neubildung  des  Gra¬ 
nulationsgewebes  im  — ,  von  Anitsch- 
kow  1279,  die  Erkrankungen  des  —  u. 
die  nervösen  Herzkrankheit.,  von  Krehl  2351 
Herzmuskel  Verfettung,  alimentäre,  vonWe- 

gelin . 2691 

Herznaht,  von  Nast-Kolb .  2354 

Herzneurose,  sexuelle  psychogene,  von 
Behrenroth  207,  objektive  Symptome 

bei  — ,  von  Turan . 1732 

Herzplessimeter,  neues,  von  Lewinsohn  .  923 
Herzreize,  Einfluss  der  Vaguserregung  auf 

das  Auftreten  heterotoper,  von  Kurd  992 
Herzschallverhältnisse,  die  physiologisch., 

im  Kindesalter,  von  Hecht  .....  485 
Herzschlag,  die  Unregelmässigkeit  des,  von 

Hoffmann . 1390 

Herzschlagvolumen,  zur  Frage  des,  von 
Mohr  37,  —  von  Müller  u  Förster  992, 
von  Müller  u.  Oesterlen  992,  von  Müller 
u.  Vöchting  1337,  von  Bornstein  .  .  2134 
Herzschwäche,  ein  Symptom  von,  von 
Hering  331,  Pathologie  der  — ,  von 
Hering  1963,  Herzinsuffizienz  und  — , 
von  Wenckebach  1962,  Behandlung 
der  —  bei  Pneumonie,  von  Lonhard  2301 
Herzuntersuchung,  kombinierte  röntgen- 
kinematographische  und  elektrokar- 
diographische,  von  Th.  und  Fr.  Groedel  880 
Herzventrikel,  penetrierende  Stichver¬ 


letzung  des  r.,  von  Oser .  2704 

Herz  Veränderungen  bei  Diphtherie,  von 
Berblinger  50,  —  bei  Pertussis,  von 

Brick  .  .  .  . . 1788 

Herz  Verletzungen, Kasuistik  der,  von  Ritters¬ 
haus  314,  —  bei  unverletzten  Perikard, 
von  Haeberlin  669,  Diagnostik  der  — , 

von  Häcker .  .  2068 

Herzvibration,  Einfluss  der,  mit  hoher  Fre¬ 
quenz  auf  den  Kreislauf,  von  Plate 

und  Born  stein  .  .  599  j 

Hetoleinträufelung  bei  Iritis,  von  Cohn  .  979 
Heubner  Otto  L.,  zum  70.  Geburtstag,  von 

Finkeistein  . 703 

Heufieber,  Vakzinebehandlung  des,  von 
Lovell  941,  erfolgreiche  Behandlung 
des  —  durch  tägliche  Chlorkalzium¬ 
zufuhr,  von  Emmerich  und  Loew  .  .  2676 
Heusner,  zum  70.  Geburtstag  Ludwigs,  von 

Pipo  ....  2680 

Hexai  426,  Erfahrungen  mit  — ,  von  Ko- 
wanitz  97,  von  Baeumer  1619,  —  als 

Sedativum,  von  Fritsch . 1620 

|  Hexamethylentetramin,  ungünstige  Wir¬ 
kungen  des,  von  Cuntz . 1656 

Hg  s.  a.  Quecksilber. 

I  Hg-Glidine,  von  Horn .  2646 


Seite 

Hjelt  Prof,  f  . 1864 

Hilfe,  Leitfaden  der  ersten,  von  Lamberg  1275 
Hilfsarbeiterinnen,  Vereinigung  wissen¬ 
schaftlicher  . 167,  1806 

Hilfsschüler,  Eigentümlichkeiten  der,  von 

Schinner .  2374 

Hilfsschulen,  Verbandstag  der,  Deutsch¬ 
lands  .  .  .  .  504 

Hilustuberknlose,  von  Leslie  2078,  —  des 
Kindes  im  Röntgenbild,  von  Sluka  .  .  431 

Hinken  s.  a.  Dysbasia. 

Hinken,  Natr.  nitr.  gegen  die  Schmerzen 
bei  intermittierendem,  von  Schlesinger 
445,  Anwendung  des  faradischen Stromes 
beim  intermittierenden  — ,  von  Kühn  1044 
Hinterkopf,  Fall  auf  den,  von  Bärany  .  .  445 
Hirnabszess,  von  Ahrens  495,  von  Hirsch¬ 
berg  1105,  von  Perthes  1747,  von 

Elsc.hnig  . 2925 

Hirnanatomie,  neuere  Forschungsergeb- 

nisoe  der,  von  Brodmann  2362 

Hirnarterien,  Diagnose  perforierender 

Aneurysmen  der,  von  Langbein  .  .  22 

Hirnarterienaneurysmen  und  ibre  Folgen, 

von  Reinhardt .  2008 

Hirn-  und  Rückenmarkschirurgie,  von 

v.  Eiseisberg  1004,  von  Ranzi  ....  1004 
Hirnblutungen,  Entstehung  und  Heilung, 

von  Geller  1844,  spontane  — ,von  Merkel  2310 

Hirn  chirurgische  Fälle,  von  Loewe  .  .2144 

Hirndruck,  Höhe  des,  bei  einigen  Augen¬ 
krankheiten,  von  Heine  ...  1305,  2441 
Hirndruckerhöhung  bei  Lues  nach  Sal- 

varsan,  von  Spiethoff . 1192 

Hirnerschütterung  oder  Vergiftung  als 

Todesursache,  von  Weber . 772 

Hirnhäute,  die  sekundären  syphilitischen 
klinisch  latenten  Affektionen  der,  von 
Jeanselme  und  Chevallier  547,  Funk¬ 
tion  der  — ,  von  Goldmann  1005,  dif¬ 
fuse  Karzinomatose  der  weichen  — , 

von  Maass . 1564 

Hirnhauttumor,  Exstirpation  eines,  in 

Lokalanästhesie,  von  Andree  .  .  .  528 

Hirnkomplikation,  praktisch  wichtige  oto¬ 
gene,  von  Auerbach  und  Alexander 
200,  die  Lymphscbeiden  des  Olfakto¬ 
rius  als  Infektions  weg  bei  rhinogenen 


— ,  von  Miodowski  . 828 

Hirnnervenlähmungen,  angeborene  mul¬ 
tiple,  von  v.  Strümpell  .  .  2088 

Hirnpathologische  Erscheinungen  und  ihre 
psychologische  Analyse,  von  Wert¬ 
heimer  .  .  . . '  .  2650 

HirnDunktion,  zur  Technik  der,  von  Payr 
713,  diagnostischer  Wert  der  — ,  von 

Stertz  .' . 2428 

Hirnrindenforschung,  Fortschritte  der,  von 

Spielmeyer .  30 

Hirnsklerose,  zur  Klinik  der  diffusen,  von 

Jastrowitz .  .  .  2145 

Hirntumoren,  Röntgendiagnose  der,  in 

( der  Hypophysengegend,  von  Strubell 
33^  1H7,  lehrreiche  Fehldiagnosen  bei  — , 
von  Müller  1511,  operierter  — ,  von 
Berger  1857,  nach  Palliativtrepanation 
regressiv  gewordener  basaler  — ,  von 

'  Röper  .  • .  2087 

Hirnventrikel,  breite  Freilegung  der,  von 
Krause  90,  ependymäre  Gliomatose  der 

— ,  von  Margulis . 884 

Hirschbergs  ausgewählte  Abhandlungen 

1868 — 1912,  von  Frhr.  v.  Mühsam  .  .  2296 


Hirsch sprungsohe  Krankheit,  von  Steiner 
939,  von  Zarfl  1524,  Pseudo  — ,  von 
Mayerhofer  1525,  Diagnostik  der  — , 
von  Frank  1562,  chirurgische  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Kümmell . 1573 

Hiss  Ph.  H  f . 792 

Histamin  s.  a.  Imidazoläthylamin ,  Ver¬ 
giftung. 

Histamin,  von  Fiihner  1238,  Wirkungs¬ 
weise  des  — ,  von  Oehme . 1164 

Histologie,  Stöhrs  Lehrbuch  der ,  von 
Schultze  479,  physiologische  — ,  von 
Sigmund .  989,  2799 


LX 


Seite  j 

Histopin,  1839,  von  Saalfeld  1398,  von 
Breslau  1583,  Therapie  des  Hordeolum 
und  der  Blepharitis  ciliaris  mit  — ,  von 

Vollert . 1658 

Histopintherapie,  die  Wassermannsche, 
in  der  Dermatologie,  von  Joseph  .  .  317 
Hitzschlag,  Behandlung  des,  von  Hiller  .  2073 
Hochfrequenz,  alte  Experimente  in  der  — , 
von  d’Arsonval  894,  neue  Anwendungs¬ 
weise  der  —  in  der  Chirurgie,  von 

Carl .  1058  | 

Hochfrequenzströme,  therapeutische  Ver¬ 
wendung  der,  von  Schurig373,  Behand¬ 
lung  mit  — ,  von  A.  u.  W.  Laqueur  950, 
thermische  Wirkung,  Anwendung  und 
klinische  Resultate  der  — ,  von  Bergoniö 
950,  Behandlung  von  Nasen-,  Rachen- 
und  Kehlkopftuberkulose  mit  — ,  von 
Albanus  951,  Behandlung  von  Hyper¬ 
tension  mit  — ,  von  Hiss  1217,  endo- 
vesikale  und  endourethrale  Behandlung 

mit  — ,  von  Bachrach . 2132 

Hochgebirge  s.  a.  Leukozytenbild,  Lungen¬ 
tuberkulose. 

Hochgebirge,  Blutnenbildung  im,  von  Cohn¬ 
heim  u.  Weber  1336,  Indikationen  und 
Kontraindikationen  des  — ,  von  Stäubli  2692 
Hochgebirgsklima  s.  a.  Höhenklima. 
Hochgebirgsklima,  Wirkung  des,  auf  die 


Pulsfrequenz,  von  Stern . 993 

Hochgebirge-  und  Winterphotographie,  von 
Kuhfahl . . 1275 


Hochschul  nachrichten  :  Berlin:  Heubner 
224,  504,  Meyer  280,  Knuth  391,  Hilde¬ 
brand  903,  Grotjahn  903,  960,  Röntgen 
1015,  Charite-Neubau  1072,  Fleischmann 
1127,  Oestreich  1240,  Leydenbüste  1303, 
Czerny  1359,  Dönitz  1416,  Joseph  1416, 
Strassraann  1584,  Bickel  1584,  Zie- 
mann  1640,  v.  Wassermann  1696,  Ficker 
1752,  Morgenroth  1808,  Weissenberg 
1808,  Neuberg  1976,  Hirschberg  2152, 
Otto  2152,  Plesch  2264,  Löffler  2320, 
v.  Schjerning  2320,  Beyer  2384,  Gaffky 
2384,  Bruck  2496,  Köhler  2496,  Röpke 
2496,  Ceelen  2496,  Hirsch  2600,  Gluck 
2711,  Lesser  2823;  Bonn:  Hotfmann 
391,  Schöndorff  448,  Bachem  680,  Sturs- 
herg  680,  Zurhelle  680,  Frequenz  1360, 
2440,  2823,  Hinselmann  1696,  1976, 
Selter  2152,  Brinck  2264;  Braun¬ 
schweig:  Schnitze  2656;  Breslau: 
Danckwortt  54,  Küttner  280,  Preisauf- 
gabe  2Ö0,  504,  Frequenz  336,  1742,  2928, 
Henke  448,  504,  Wetzel  448,  Ponfick  504, 
Vorklinikerschaft  567,  Küstner  736,Stras- 
burger  846,  Coenen  846,  Landois  1528, 
Frank  1640,  Uhthoff  1696,  Bondy  2208, 
Heimann  2208,  Pax  2384,  Küttner  2384, 
Gräper  2656;  Forschbach  2823;  Ludloff 
2928,  Dresden:  Ganser  224,  1360, 
Schmorl  448,  Nitsche  791,  Schurig  1127, 
Conradi  1 303,  Rostoski  1360,  Geipel  1360, 
Renk  1416,  Chalybaeus  2711 ;  Düssel¬ 
dorf:  Lubarsc.h  448,  680,  Cassen  791, 
Molineus  2208;  Erlangen:  Loben- 
hoffer  567,  623,  2525,  Frequenz  1360, 
1584,  Rosenthal  1640,  Weinland  1640, 
Specht  1696,  2551 ;  Frankfurt:  Gold- 
schmidt  224,  Boehncke  1919,  Quincke 
2320.  Hagen  2656;  Freiburg:  Samu- 
ely  448,  Ftihner  448,  Oehler  623,  Salge 
791,  Frequenz  1303,  2823,  Knoop  1640, 
Goldmann  1640,  Morawitz  2496,  Ziegler 
2656,  2711;  Giessen:  Bötticher  224, 
Uni  versitäts  Kinderklinik  448,  Sülze  567, 
Dietz  1184,  Jess  1303,  Dannemann  1303, 
Frequenz  1360,  2823,  Koppe  1752,  Brüg¬ 
gemann  2496,  Neumann  2711;  Göt¬ 
tingen:  Hauschild  504,  2264,  Ehren¬ 
berg  504,  2264,  Ebbecko  567,  2264, 
Oehme  567,  2264,  Lichtwitz  1472,  Kauf¬ 
mann  1584,  Loewe  1752,  Leber  2264, 
Lanze  1320,  Schultze  2656;  Greifs¬ 
wald:  Cohn  1416,  Schöne  1416,  Fre¬ 
quenz  1584,  Lange  2384,  Steyrer  2384, 
Gebb  2496,  Morawitz  2552,  Walter 
2656,  Löffler  2767,  Peiper  2823,  Adloff 
2823;  Halle;  Wallstein  54,  v.  Bra- 


IN  H  AJLTS-VERZEI CHNIS. 

Seite 

mann  391,  1303,  1472,  2928,  Lehnerdt 
448,  Aichel  448,  Stiedall27,  2208,  Ab¬ 
derhalden  1184, 1303, 1360,  Siefert  1472, 
Freqpenz  1472,  Schmieden  1528,  Will ige 
1752,  w.  Hoesslin  1864,  1919,  Loening 
1919,  2095,  Schmidt  2656.  Reil-Gedächt¬ 
nisfeier  2711,  Justi  2767,  Härtel  2767, 
Streik  2823;  Hamburg:  Cohnheim 
1240,  Kissling  1472,  Hegler  1472 ;  Han¬ 
nover:  Stümpke2496;  Heidelberg: 

Lust  286,  Gottlieb  392,  Czerny  504, 

Beck  504, '  Gruhle  504,  Lenard  680, 
v.  Düngern  960,  Frequenz  1360,  2823, 
Vnlpius  1416,  Hirschei  1528,  Emmerich 
1640,  Petersen  2552,  Krebsinstitnts- 
Fonds  2711;  Jena:  Zange  903,  960, 
v.  Rohr  1015,  Pathologisches  Institut 
1240,  Frequenz  1472;  Kiel:  Boehme 
168,  2600,  Frequenz  504,  1416,  2823, 
Lubarsch  567,  791,  Käppis  623,  Michaud 
846,2208,  Konjetzny  1127,  Kehrer  2208, 
Quinckebüste  2440,  König  2600,  2767, 
Schneidemühl  2767,  Aichel  2823 ;  Köln: 

Jores  448,  504,  Medpr  567,  Dürck  736, 
Bardenheuer  846,  1472,  Krautwig  1360, 
Siegert  1472,  Guleke  1584,  Frangenheim 
1640,  Dietrich  1640,  Hering  1640, 1696, 
Müller  1640;  Königsberg:  Sinnhuber 
280,  Meyer-Betz  336,  Hermann  448, 

846,  Reiter  680,  Henke  736,  Hedinger 
736,  791,  Hof  mann  846,  Klieneberger 
960,  Kaiserling  1015,  Riesser  1472, 
Benthin  1472,  Gerber  1528,  2031,  Nippe 
1528,  Meyer  1528,  Petzer  1584,  Haecker 
1696,2264,  Kirschner  2384;  Leipzig: 
Hofmann  168,  Läwen  392,  448,  Stadler 
392,  448,  Thiemich  448,  Schweitzer  623, 
Trendelenbnrg  680,  Hoffmann  1240, 
Frequenz  1360,  2823,  Versd  1360,  Kruse 
1472,  v.  Strümpell  1528,  Assmann  1584, 
v-  Brücke  2031,  Löhlein  2208,  Kruse 
2264,  Ludwig  2264,  Sudhoff  2711;  Mar¬ 
burg:  Schmidt  112,  168,  Römer  392, 

1016,  1127,  2711,  Kirstein  567,  Klein¬ 
schmidt  567,  Jores  736,  Zeissler960,  Fre¬ 
quenz  1416,  2823,  Loening  1696,  Küster 
1752,  Magnus  1752,  1919,  Rehmer  2656, 

Frey  2656,  Kirchheim  2928,  Harter 
2928;  München:  v  Pfaundler  54, 
Groth  504,  Ahrons  504,  v.  Ranke 
504,  Böhm  504,  Ach  568,  Soxhlet  791, 
Henkel  791,  Dürck  846,  Veiel  960.  Lange 
1016,  Huber  1416,  Gott  1416,  2264,  Fre¬ 
quenz  1472,  Heuck  1472,  2552,  v.  Gruber 
1584,Posseltl584,v.  Zumbuschl696,1808, 
Allers  1752,  2264,  v  Stauffenberg  1752, 

2264,  Baisch  2095,  Zahn  2496,  Ktilpe 
2600,  Fischer  2767,  Promotionen  2823, 
Kielleuthner  2928 ;  Münster:  Medizi¬ 
nische  Fakultät  54,  623,  1360,  Frequenz 
1303,  Stiftung  1303,  Prüfungen  1808, 
König  2656;  Rostock:  Burchard  336, 
Hauser  392,680,  Wirths  504,  Körner  568, 

846,  2600.  Wolff  680,  Reinhardt  680, 

2384,  Pfeiffer  846,  Müller846,  Peters  846, 
Schwalbe 960, 1016,  Frequenz  1240,  2872, 
Bennecke  1752,  Riemer  2031,  Wolters 
2656;Strassburg:  BHndll2,  Pfersdorf 
623,  Baer  623.  Berg  623,  Wolff  903,  Fre¬ 
quenz  1528, 2928, Le  vy  1640,  Guleke  1640, 
Hügel  2656,  v.  Lichte nberg 2656,  Steiner 
2823;  Tübingen  :  v.Brunnl016,  Mdler 
1 01 6,  Wal  bäum  1 303,  Freq  uenz  1 360,2823, 
Weitz  1640.  v  Korff  1696,  Dibbelt  1976, 
Brodmann  1976 ;  Würzburg:  Riedintrer, 
Schmidt,  Helly,  Lüdkell2,  Wessely  280, 
Flury  392,  Jacob  448,  Kretz  448,  Schmidt 
448,  ßoveri  680,  1072,  2823,  Köllner903, 
Schneider  1184,  Preisaufgabell84,  Are  ns 
1472,  Köllner  1472,  Frequenz  1528,  2767, 
Rektorwahl  1696,  Hotz  2440,  2496, 
Lobenhober  2552,  Seifert  2711. 

Alabama  2320,  2440,  Algier  903,  2656,  Ann 
Arbor  112,  Amsterdam  2208, 2264,  Athen 
736,  Bahia  960,  Baltimore  1976,  Basel 
504,  568,  1303,  1472,  1528  1584,  1752, 

1 864, 29^8,  Bern  568  623, 1 127, 1 240,2031 , 
2767,  Birmingham  2264,  Bologna  54, 

791,  1127,  1919,  2031,  2208,  2384,  Bor- 


1913. 


Seite 

deaux  1240,  2656,  Boston  791,  2264, 

Brüssel  1528,  Bukarest  1808,  Cagliari 
112,  448,  2208,  2384,  Catania  54,  336, 

448,  791,  1416,  2208,  2264,  Chicago 
2384,  2440,  Christiania  568,  Czernowitz 
2440,  Dublin  2264,  Edinburgh  2152, 

Florenz  54,  448,  1184,  2320,  2440,  San 
Francisco  1864,  1976,  2152,  2264,  2384, 

Genf  1528,  Genua  960, 1127, 1416,  2152, 

2208,  2264,  2440,  Glasgow  1640,  2440, 

Graz  54,  112,  448,  736,  846,  960,  1184, 

1360,  1528,  1696,  1919,  2320,  Gröningen 
1808,  Guatemala  1864,  2031,  Helsing- 
fors  2152,  Jassy  1808,  Innsbruck  1303, 

2096,  2600,  Klausenburg  960,  Kopen¬ 
hagen  168,  1360,  1808,  2711,  Lausanne 

791,  2384,  2496,  2552,  Leiden  2208, 
Lemberg  623,  736,  791,  846,  960,1016, 

1184,  1976,  Lille  791,  Liverpool  903, 

1184,  London  1184,  1808,  2096,  2656, 

Lyon  1752,  Madrid  960, 1528,Manchester 
54,  1864,  2264,  Marseille  1808,  Milwau¬ 
kee  2031,  Mobile  1808,  Modena  112,1184, 

1416,  1640,  1976,  2208,  Montevideo  791, 
Montpellier  280,  1240,  2656,  Montreal 
2152,  Nancy 504,  Neapel  54,330,  568,  792, 
960,1127.1184,1303,1360,1640,1864,1976, 

2208,  2320,  2440,  2496,  2552,  2823,  New- 
York  112,  1127,  1528,  1808,  1976,  2031, 

Odessa  2928,  Padua  112,  448,  846,  960, 

Palermo  112,  448, 1184, 1976,  2208,  2320, 

Parma  846,  1184, 1528,  1864,  2031,  2208, 

2264,  Pavia  336,  792,  1184,  2096,2152, 

2264,  2320,  Pest  336,  1303,  1640,  1808, 

1919, 1976, 2031,  2823,  Philadelphia  792, 

2208,  Pisa  54,  336,  568,  846,  1184,  2208, 

2320,  Prag  54, 336, 448, 568. 792,846, 1240, 

1303,  1360,  1528,  1640,  1919,  1976,  2320, 

2384,  2440,  2600,  2823,  Rennes  1808,  Rio 
de  Janeiro  792,  1640,  Rom  54,  336,  680, 

792.  960,  1184,  1303,  1528,  1976,  2096, 

2208,  2320,  2440,  2496,  2823,  Salamanca 
1640,  2440,  Saratow  54,  336,  Siena  336, 

680,  1528,  2208,  2264,  2320,  2440,  2496, 
Stockholm  1864.  Toulouse  1240,  1808, 

2656,  Turin  336, 846,960, 1184, 2264,2320, 

2440,  Utrecht,  54,  448,  Wien  54, 112,  280, 

448.  623.  680,  736,  960,  1240, 1303,  1360, 

1472,  1640,  1696,  1752,  1804.  1919,  1976, 

2896,  2384,  2600,  Zürich  504,  2552. 

Hoden  s.  a.  Ectopia. 

Hoden,  primäre  Tuberkulose  der  Samen¬ 
kanälchen  des,  und  des  Nebenhodens, 
von  Balliano  881,  Röntgenbestrahlung 
der  — ,  von  Sasaki  1502,  kongenitale 
Hypoplasie  beider  — ,  von  Rössle  .  .  2862 
Hodenchirurgie,  Bewertung  der  konser¬ 
vativen,  von  Schmidt . 144 

Hodeneinklemmung,  von  Flesch  ....  2744 
Hoden geschwülste,  Entstehung  der,  von 

Miyata . 1786 

Hodenretention,  Pathologie  der,  von  Uffre- 

duzzi . 1615,  1676 

Hodenteratome,  Struktur  und  Pathogenese 

der  embryonalen,  von  Meyer  .  .  .  2247 

Hodgkinsche  Krankheit,  von  Fraenkel  .  1460  j 
Höhenklima  s.  a.  Hochgebirgsklima. 

Höhenklima  und  Blutneubildung,  von 
Laquer,  269,  1336,  physiologische  Wir¬ 
kung  des  — ,  von  Cohnheim  893,  Ver¬ 
halten  der  Leukozyten  im  — ,  von 
Wanner  2072,  die  physiologischen  Wir¬ 
kungen  des  —  auf  das  Blut,  von  Bürker  2442 
Höhensonne,  künstliche,  von  Bach  894, 

von  Busse . •  2421 

Hörapparate,  von  Nadoleczny .  1569  I 

Hörprüfung  und  ihre  Verwertung  in  der 

Praxis,  von  Bichl .  377  I 

1  llörschärfebestimmungen,  exakte,  von 

Brünings .  1568  j 

van  t’Hoff,  Jacobus  Henricus,  von  Cohen  32  j 
Hoffmann  Friedrich  Albin,  zum  70.  Geburts¬ 
tag,  von  Bittorff  .  2524 

Hofrat,  wie  man,  und  Professor  wird  1974,  2208 
1  Hohenlohe,  Fürst  Alexander  von,  ein  Vor¬ 
läufer  der  Christian  Science,  von 

Marcuse  ....  .  27 

Holmes  und  Semmelweis,  von  Richter  2248,  2482 
Holoakardius,  von  Sachs .  1729  \ 


1013. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXI 


Seite 

Holzapfelkreuth,  10  jähriges  Bestehen  der 

Walderholungsstätte  ....  2207,  2203 
Homburg  s.  u.  Tonschlamm. 

Ilonige,  ausländische,  von  Fiehe  und 

Stesmüller . 1166 

Honorarregelung  in  Krankenhäusern  und 
Privatkliniken  s.  u.  Aerztekammern,  Ver¬ 
handlungen  der  bayerischen. 

Hordeolum,  Therapie  des,  mit  Histopin, 

von  Vollert . 1658 

Hormonal,  neue  Untersuchungen  über, 
von  Dittler  543,  Wirkung  des  — ,  von 
Bylina  1286,  das  Zuelzersche  — ,  von 
Nürenberg  1287,  das  neue  gereinigte  — , 
von  Hesse  2766,  das  Zuelzersche  — 
bei  der  Behandlung  der  Obstipation, 


von  Sarnizyn .  2808 

Hnrmonaltherapie,  derzeitiger  Stand  der, 

von  Scbricker . 939 

Hormonalwirkung ,  experimentelle  und 

klinische  Beiträge  zur,  von  Sackur  .  .  546 
Hornbolzung,  Wert  der,  und  ihre  Technik, 

von  Greift'enhagen .  2532 

Hornhaut,  Epithelregeneration  der,  von 
Löwenstein  1523,  Wanderzellenbildung 
in  der  — ,  von  Grawitz . 1619 


Hornhautanästhesie  durch  Chinaalkaloide, 

von  Morgenroth  und  Ginsberg  163,  434 
Hornhautentzündung,  Atropinwirkung  bei 
diffuser  parenchymatöser,  von  Wicher- 

kiewicz  ...  . 1453 

Hornhautepithel,  oberflächliche  Erkran¬ 
kung  des,  von  v.  Szily . 1513 

Hornhauterkrankungen,  degenerative,  von 

Seefelder . 316 

Hornhautläsionen  nach  Narkosen,  von 

Schnaudigel . 1 600 

Hornhauttuberkulose,  von  Krusius  1397, 

—  und  Iristuberkulose,  von  Schick 

und  Krusius . 1396 

Hornhautverletzung  mit  Eröffnung  des 

Bulbus,  von  Nobis . 1405 

Hornstich,  Verletzung  durch,  von  Hein- 

richsen .  2283 

Hospital,  The  Moderne  .  2031 

Hospitalschiff,  Beschreibung  eines,  der 

U.S.Flotte,  von  Blackwell  .  ...  1957 

Hotel  Dieu,  Clinique  medicale  de,  de  Paris, 

von  Gilbert .  2007 

Houy  Dr.  R  f  . _  .  .  .  .  1696 

Huber,  Medizinalrat  J.  Chr.  f  736,  von 

Sudhoff . 1042 

Hüfte,  operative  Behandlung  der  schnap¬ 
penden,  von  Weiss .  2645 

Hüftgelenk,  Neubildungsvorgänge  am,  von 
Schmieden  und  Erkes  313,  Arthrodese 
des  — ,  von  Vulpius  691,  Arthritis  de- 
formans  des  —  als  Berufskrankheit, 
von  Staffel  1162,  Behandlung  der  Tu¬ 
berkulose  des  — ,  von  Nussbaum  2585, 
Cheilotomie  bei  der  traumatischen 
Arthritis  des  — ,  von  Handley  und 


Ball .  2642 

Hüftgelenksankylose,  operativ  behandelte 

knöcherne,  von  Payr . 1742 


Hüftgelenksluxationen,  Extension  bei  äl¬ 
teren  kongenitalen,  von  Chlumsky  427, 
Behandlung  der  kongenitalen  — ,  von 
Bankart  2643,  neues  Operationsver¬ 
fahren  der  blutigen  Reposition  kon¬ 
genitaler  — ,  von  Hoeftmann  ....  2759 
Hüftgelenkstuberkulose,  Resultate  der  Ge¬ 
lenkexzision  bei,  von  Morton  .  .  .  1734 

Hüftgelenksverrenkung,  unblutige  Behand¬ 
lung  der  kongenitalen,  von  Galeazzi  428, 
Erblichkeit  der  angeborenen  — ,  von 
Hayashi  und  Matsuoka  1339,  Behand- 
der  angeborenen  — ,  von  Bade  ....  2368 
Hüftluxationen,  Extensionstisch  zur  Ein¬ 
renkung  angeborener,  von  Weber  733, 

1999,  Oberschenkeldeformitäten  nach 
Reposition  kongenitaler  — ,  von  Hor- 

väth . 1277 

Hüftpfanne,  Luxationsbrüche  der,  von 

Lorenz .  2368 

Hüftverrenkung, Veränderungen  desSchen- 
kelkopfes  nach  der  unblutigen  Ein¬ 
renkung  der  kongenitalen,  von  Bade  732, 
der  augenblickliche  Stand  der  Frage  der 


Seite 

angeborenen  — ,  von  Blencke  1231,  an¬ 
geborene  Missbildungen  kombiniert  mit 
der  kongenitalen  — ,  von  Hayashi  und 
Matsuoka  1339,  Glutäalraffung  bei  der 
unblutigenEinrichtung  der  angeborenen 


— ,  von  Springer  ....  ...  2652 

Hühnercholera-Immunserum,  Wirkungs¬ 
weise  des,  von  Weil . 1450 

Hühnereier,  natürliche  Schutzkraft  in  Ent¬ 
wicklung  begriffener,  von  Ruzicka  .  316 

Hühnereiweiss,  antitryptische  Wirkung 

des,  von  Sugimoto .  2747 

Hühnergeschwülste,  von  v.  Wasiliewnki  .  1912 
Hühnerknochenmark,  Wachstum  von,  in 

vitro,  von  Foot . 1223 

Hühnersarkom,  filtrierbare  Ursache  des, 

von  Rouss  und  Murphy . 827 

Hühnertuberkulose  beim  Menschen,  von 

Löwenstein . 1124 

Hühnertumor,  verimpfbarer,  Peyton  Rous, 

von  Lewin . 1576 

Hufeisenniere,  von  Reinach . (51 7 

Humerus  s.  u.  Fraktur. 

Hundegebell,  einfaches  Dressurmittel  gegen 

das,  von  Helly . 2134 

Hundestaupe,  Erreger  der,  von  v.  Wunsch¬ 
heim  .  2691 

Hundetuberkulose,  die,  von  Cadiot  .  .  .  2093 
Hungerkur  bei  Diabetes,  von  Kanngiesser  2550 

Huste  nicht,  von  Oppenheim . 335 

Hustenstillende  Mittel,  von  Fraenkel  .  .  522 
Hutchinson,  Sir  Jonathan  f  1528,  vonDaser  1605 
Hutnadel,  Augenverletzung  durch,  von 

Hubrich . 496 

Hyalin,  das  kristallinische,  von. Freifeld  .  660 

Hydrargyrum  s.  a.  Hg. 

Hydrargyrum  oxycyanat.- Vergiftung,  von 

Curschmann  .  2761 


Hydramnion,  Aetiologie  des,  von  Cramer  2638 
Hydrastinin,  synthetisches,  von  Offergeld 

148,  von  Dührssen  148,  von  Walther  .  694 

Hydrencephalocele,  Kleinhirnexstirpation 

bei,  von  Mees . 372 

Hydrologie,  die,  im  Dienste  der  Hygiene, 

von  Thiem . 1730 

Hydronephrose,  Pyelotomie  bei,  von  Bloch 
381,  perforierte  — ,  von  Bloch  381, 
doppelseitige  — ,  von  Fischer  669,  sel¬ 
tenere  — ,  von  Rössle  1853,  —  und 
Hydroureter  durch  kongenitale  Ur¬ 
sachen,  von  Bachrach  2367,  trauma¬ 
tische  — ,  von  Albrecht .  2865 

Hydrorrhoea,  Aetiologie  der,  amniotica, 
von  Dietrich  1107,  ■ —  uteri  gravidi 
amnialis,  von  Gottschalk  .  .  .  .  2474 

Hydrotherapie,  Bedeutung  der,  für  die 
Hygiene,  von  Brieger  258,  wissenschaft¬ 
liche  Grundlagen  der  — ,  von  Strasser 
893,  Bedeutung  der  — ,  für  den  Gynä¬ 


kologen,  von  Klein  ...  ....  2541 

Hydroureter  durch  kongenitale  Ursachen, 

von  ßachrach .  2367 

Hydrovibration,  von  Dreuw . 949 


Hydrozele,  die  elektrische  Taschenlaterne 
als  diagnostisches  Hilfsmittel  bei  un¬ 
sicheren,  von  Mayer  301,  Operation 
der  — ,  von  Müller  1728,  zur  Pathoge¬ 
nese  der  — ,  von  Zesas  .  .  ....  1950 

Hydrozephalus,  operative  Behandlung  des, 
internus  bei  Kindern,  von  Pussep  205, 

Fall  von  — ,  von  Rittershaus  1574,  ver¬ 
langsamte  Resorption  der  Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit  bei  — ,  von  Knöpfelmacher 
und  Mautner  2374,  Diagnose  und  The¬ 
rapie  des  chronischen  —  internus,  von 
Ibrahim  2595,  Strasburgersche  Trans¬ 
parentuntersuchung  bei  chronischem  — 

internus,  von  v.  Bökay .  2689 

Hygiene  of  city  infants  and  babies,  von 
Baginsky  883,  Handwörterbuch  der  so¬ 
zialen  — ,  von  Grotjahn  und  Kaup  991, 
Grundriss  der  sozialen  — ,  von  Fischer 
1215,  Untersuchungsstation  für  die  — 
der  Arbeit  in  komprimierter  Luft  1527, 
Entwicklung  der  —  und  ihrer  Hilfs¬ 
wissenschaften  in  Grossbritannien,  von 
Müller  1716,  die  Begriffe  „Soziale  — “ 
und  „Soziale  Medizin“,  von  Fischer  1943, 

—  des  Auges,  von  Sicherer .  2742 


8eite 

Hygrom,  intraossales,  von  Frangenheim  .  615 
Hygromatosis  rheumatica,  von  Günther  .  1841 
Hyomandibularfistel,  von  Küttner  ....  666 
Hyperämiebehandlung,  entzündungswid- 
rige  Wirkung  der  passiven,  von 
v.  Schiller  1278,  —  der  Harnwege,  von 


Frank .  2589 

Hyperazidität,  neue  Therapie  der,  des 

Magens,  von  Glaessner . 2195 


Hyperemesis  gravidarum,  von  Stolz  259, 
Pathologie  und  Therapie  der  — ,  von 
Neu  1969,  Corpus  luteum-Zysten  und  — , 
von  Cohn  2370,  Aetiologie  und  Dia¬ 
gnose  der  — ,  von  Stolper .  2432 

Hypergenitalismus,  von  Mohr . 610 

Hyperglykämie,  experimentelle,  durch 
intravenöse  Zuckerinjektion,  von 
Thannhauser  und  Pfitzer2l55,  physio¬ 
logische  amylogene  — ,  von  Welz  2193, 
klinischer  Nachweis  von  — ,  von  Bang  2277 
Hypermelie  beim  Menschen,  von  Pol  .  .  2 924 
Hypernephrome,  maligne,  von  Rodler- 
Zypkin  561,  —  der  Niere,  von  Harttung 
1163,  von  Israel  1737,  von  Curschmann  2761 
Hypernephrommetastase,  von  Israel  .  .  1737 
Hypertension  und  ihre  Behandlung  mit 
Hochfrequenzströmen,  von  Hiss  1217, 

—  und  Cholesterinämie,  von  Cantieri  2476 
Hyperthermie,  rektale,  im  Kindesalter,  von 


Moro . 659 

Hyperthermisch  gemachte  Kaninchen,  von 

Walbaum .  2027 

Hypertrichosis,  von  Chilaiditi  2201,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Röntgenstrahlen, 

von  Saudek . 2918 

Hypnose,  Seekrankheit  und,  von  Hoff- 

mann  .  .  .  .  2054 

Hypopharynx,  quere  Resektion  des,  wegen 

Karzinom,  von  Hoffmann .  2743 


Hypophyse  s.  a.  Glandula,  Zirbeldrüse. 

Hypophyse,  Tuberkulose  der,  von  Heid¬ 
kamp  94,  —  und  Diabetes  insipidus, 
von  Simmonds  127,  2860,  die  Lipoidsub¬ 
stanzen  der  menschlichen  —  und  ihre 
Beziehungen  zur  Sekretion,  von  Kraus 
315,  Beziehungen  zwischen  —  und 
Genitale,  von  Aschner  542,  die  Chirurgie 
der  — ,  von  Toupet  548,  die  isolierten 
wirksamen  Substanzen  der  — ,  von 
Fühner  661,  Diskussion  über  die  — 
cerebri  im  Verein  Freiburger  Aerzte 
782,  die  —  nach  Kastration,  von  Rössle 
952,  zur  Pathologie  der  — ,  von  Haenel 
1172,  Differenzierung  krankhafter  Zu¬ 
stände  der  zwei  Lappen  der  — ,  von 
Cushing  1224,  zur  Physiologie  der  — , 
von  Schlimpert  1291,  —  und  ihre  Prä¬ 
parate,  von  Popielski  1450,  neuer  Weg 
für  Eingriffe  an  der  — ,  von  Novikoff 
1504,  Operation  der  — ,  von  Prey sing  1569, 

—  bei  Schwangerschaft  und  nach  Ka¬ 
stration,  von  Kolde  1678,  Tumor  der 
— ,  von  Perthes  1747,  Ausführwege  der 
— ,  von  Wassing  1790,  die  —  cerebri 
in  der  vergleichenden  Anatomie,  von 
Steudell  1798,  Veränderungen  in  der 

—  bei  Diphthorie,  von  Koch  1798, 
Methode  zur  lebensfrischen  Fixierung 
der  — ,  von  Thomas  1844,  Verände¬ 
rungen  in  der  — ,  cerebri  bei  Diphtherie, 
von  Creutzfeld  u.  Koch  2418,  Beziehun¬ 
gen  zwischen  der  Funktion  der  —  und 
dem  Diabetes  insipidus,  von  Römer  .  2755 

Hypophysektomie,  Folgen  der  — •  beim 

Hunde,  von  Sweet  und  Allen  ....  1852 

Hypophysenchirurgie,  Endresultate  der, 

von  Kanavel  . 1852 

Hypophysenextrakt  in  der  Behandlung  der 
Placenta  praevia,  von  Trassl  146,  Ver¬ 
wertbarkeit  der  —  in  der  rechtzeitigen 
und  vorzeitigen  Geburt,  von  Stolz  146, 
Behandlung  der  Magendarmatonie  mit 
— ,  von  Udaondo  318,  —  zur  Abkürzung 
der  Geburtsdauer,  von  Hirsch  335,  — 
und  Spätgeburt,  von  Stolper  428,  zur 
Wirkung  des  — ,  von  Lieven  713,  — 
zur  Behandlung  der  akuten  Blutdruck¬ 
senkungen,  von  Klotz  948,  Gefahren 
des  — ,  von  Wagner  2308,  Wirkung  von 


Spitr 


LXII 


1 N  HALTS-VERZE1 CHNIS 


1913. 


— ,  von  v.  rt.  Velden  2863,  —  bei  Pla- 
centa  praevia,  von  Herz  2418,  Wirkung 
von  —  auf  die  Milchsekretion,  von 
Houssay,  Giusti  u.  Maag  2477,  Wir¬ 
kungen  fortgesetzter  Darreichung  von 
— ,  von  Musser  2591,  —  bei  uteriner 
Inertie,  von  Edgar  2592,  Wirkung  von 

— ,  von  Hecht  u.  Nadel .  2692 

Hypophysengeschwülste,  der  intrakranielle 

Weg  zur  Exstirpation  von,  von  Hupp  1681 
Hypophysenmedikation,  Misserfolge  und 

Schädigungen  durch  die,  von  Hofstätt  er  1788 
Hypophysenpräparate,  geburtshilfliche  In¬ 
dikationen  und  Kontraindikationen  der, 
von  Puppel  2688,  Wirkungen  der  — , 

von  Fröhlich  und  Pick .  2747 

Hypophysentumor,  von  Preysing  161,  von 
Rodler-Zypkin  561,  Radiotherapie  der 

— ,  von  Beclere  u.  Jaugeot . 950 

Hypophysin  1839,  klinische  Versuche  mit 
— ,  von  Herzberg  317,  von  Senge  2194, 
Kombination  von  Adrenalin  und  — , 

von  Houssay .  .  .  773 

Hypophysiseinpflanzungen,  von  Paulesco  1052 
Hypophysisgeschwülste,  Operation  der, 
von  v.  Eiseisberg  312,  operative  Heilung 

einer  — ,  von  Lanz . 717 

Hypophysisiniektionen,  lumbale,  von 

Hoff  mann . 481 

Hypophysisoperationen,  transnasale,  von 

Holmgren .  2360 

Hypophysistumoren,  operative  Behand¬ 
lung  der,  von  Hirsch  .  . .  2251 

Hypophisochromtabletten,  von  Weiss  .  .  1863 
Hypospadie  der  Harnröhre,  von  Blum  1577, 
Verwendung  eines  überpflanzten  Venen¬ 
segmentes  als  Ersatz  der  bei  —  feh¬ 
lenden  Harnröhre,  von  Zimmermann  2547 
Hypothyreose,  Diagnostik  der,  von  Predte- 

czensky .  998 

Hysterektomie,  Katgut-Nahtligaturen  bei, 

von  Dickinson .  2083 

Hysterie  unter  den  marokkanischenTruppon 
2073,  Vorkommen  von  —  in  der  Gra¬ 
vidität,  von  Ballas  2196,  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Engel  2418,  Bewegungs¬ 
störungen  bei  traumatischer  — ,  von 
Wimmer  2697,  —  vom  versicherungs¬ 
rechtlichen  Standpunkt,  von  Steenbeck  2698 
Hysterieanalyse,  Freudsche,  von  Vogt  .  .  102 

Hysterische  Kontrakturen  nach  Uniall,  von 

Hartlung . 1163 

Hysterische  Krampfanfälle,  vonv. Strümpell  271 
Hysterische  Situationspsychosen,  von  Stern  884 
Hysterographie,  externe,  von  Fahre  .  .  .  2021 


J. 

Jaccoud  Dr.  S.  f . 1016 

Jagd-  und  Scbiessbrillen,  gelbe,  von  Haitz 
150,  gefärbte  Gläser  als  — ,  Schnee- 
und  Schutzbrillen,  von  Schanz  .  .  .  317 

Jahr,  das,  1913,  von  Sarason .  2800 

Jahrbuch  der  praktischen  Medizin,  von 
Schwalbe  880,  —  für  Volks-  u.  Jugend¬ 
spiele,  von  v.  Schenkendorff  u.  Schmidt 
991,  —  der  Schulgesundheitspflege, 
von  Fürst  1015,  —  für  Volks-  und 
Jugendspiele,  von  v.  Schenckendorff, 
Schmidt  u.  Raydt  1673,  —  für  ortho¬ 
pädische  Chirurgie,  von  Glaessner 
1782,  therapeutisches  —  1864,  lehr¬ 
reiche  Angaben  aus  dem  Statistischen 
—  der  Stadt  Berlin,  von  Fischer  .  .  2737 
Jahresbericht  über  soziale  Hygiene,  Demo¬ 
graphie  u.  Medizinalstatistik,  von  Grot- 
jahn  u.  Kriegei  711,  42.  —  über  das 
Medizinalwesen  im  Königreich  Sachsen 
878,  —  der  k.  bayer.  Gewerbeaufsichts¬ 
beamten  u.  Bergbehörden  1445,  —  des 
Deutschen  Krankenhauses  in  Neapel 
1527,  —  über  die  Ergebnisse  der  Im¬ 
munitätsforschung  und  deren  Grenz¬ 
wissenschaften  2007,  —  der  Direktion 
des  Ital.  Gesundheitsamtes  2142,  — 
der  Heidelberger  chirurg.  Klinik,  von 
Wilms  und  Hirschei  2472,  —  über  die 
Leistungen  und  Fortschritte  auf  dem 


Gebiete  der  Neurologie  und  Psychiatrie 
2767,  —  des  K.  Sächsischen  Landes- 
Medizinaikollegiums  2798,  Köhler¬ 
scher  —  2801,  —  über  die  Ergebnisse 
der  Tuberkuloseforschung  2822,  — 
über  die  Fortschritte  der  Physiologie, 
von  Hermann  und  Weiss  .  .  .  2849 

Jahreskurse  für  ärztliche  Fortbildung,  von 

Sarason  . 1 390 

Jahrhundertfeier  in  Kelheim . 1415 

Jayne  Prof.  Dr.  f . 1864 

Ichthyol  u.  seine  Ersatzpräparate,  von 
Beckurts  u.  Frerichs  426,  Verwendung 
des  —  zu  Magenspülungen,  von  Canti  2853 
Idiotie,  die  mongoloide,  von  Kellner  746, 
familiäre  amaurotische  — ,  von  Berger 
784,  Tay-Sachssche  familiäre  amauro¬ 
tische  — ,  von  Savini-Castano  und  Sa- 
vini  1617,  amaurotische  —  ,  von  Biel- 
schowsky  2427,  Histopathologie  der 
familiär-amaurotischen  — ,  von  Frey  .  2534 

Idiosynkrasien,  von  Glück . 828 

Jerusalem ,  Tuberkulose  -  Forschungsreise 

nach,  von  Much . -  2860 

Jevurbilis  .  . . 1839 

J.  K.-Therapie  C.  Spenglers,  von  Kirchen¬ 
stein  .  825,  2353 

Ikt&re  hümolosinique,  von  Roth  ....  1275 
Ikterus,  Blutveränderungen  bei  hämolyti¬ 
schen,  von  Huber  106,  der  kongenitale 
familiäre  — ,  von  Maliwa  263,  hämo¬ 
lytischer  — ,  von  Kahn  558,  1002,  von 
Lommel  881,  von  Jacobsthal  und  Rö¬ 
mer  2860,  zur  Pathogenese  des  — , 
von  Ogata  826,  septischer  — ,  von  Ogata 
826,  mit  Methylenblau  behandelter  in¬ 
fektiöser  — ,  von  Fleckseder  1413,  der 
angeborene  hämolytische  — ,  von  Roth 
1507,  —  neonatorum,  von  Hirsch  1630, 

—  catarrhalis,  von  Matko  1630,  —  neo¬ 
natorum  u.Gallenfarbstolfsekretion  beim 


Fötus  u.  Neugeborenen,  von  Ylppö  2161, 
von  Hirsch  2346,  chirurgische  Behand¬ 
lung  bei  — ,  von  Mayo-Robson  2250, 
chron.  acholurischer  —  mit  Milztumor, 

von  Möller .  2545 

Ikterusbereitschaft,  physiologische,  des 

Neugeborenen,  von  Hirsch  ....  2372 
Ileozoekalgegend,  Lokalisation  der  Druck¬ 
empfindlichkeit  in  die,  von  Singer  .  .  2365 
Ileozoekaltumor,  bösartiger,  von  Friedrich  613 
Ileozoekaltuberkulose,  Colon  mobile  und, 

von  Holländer . .  2297 

Ileus,  vonNolet  717,  —  durch  Mesenterial¬ 
drüsentuberkulose,  von  Hirt  615,  post¬ 


operativer  — ,  von  Schubert  1617,  — 
und  Appendizitis,  von  Wiegels  1644,  — 
und  Fremdkörper,  von  Bauereisen  1741, 
Behandlung  des  postoperativen  durch 
Adhäsionen  bedingten  Ileus  — ,  VQn 

Zahradnicky  .  .  .  .  .  2250 

Immunkörper,  Versuche  über  die  Bildung 
von  bakteriolytischen,  von  Bail  und 

Rotky . 1726 

/S-Imidazoläthylamin,  Verwendung  des,  in 
der  Geburtshilfe,  von  Jäger  599,  von 

Koch . 993 

Immunisierung,  Kombination  von  spezi¬ 
fischer,  und  Einwirkung  von  Röntgen¬ 
strahlen,  Hochfrequenzströmen  und 
ultravioletten  Strahlen,  von  Büchner 
1846,  mit  —  desanaphylatoxierten  Bak¬ 
terien,  von  Levy  u.  Dold .  2801 

Immunität,  Abhängigkeit  der  natürlichen, 
von  der  Ernährung,  von  Czerny  778, 
Infektion  und  — ,  von  Müller  1103, 

— ,  Schutzimpfung  und  Serumtherapie  2636 
Immunitätsforschung,  Ergebnisse  der,  von 

Weichardt  .  2007 

Immunitätsreaktionen,  Verhalten  der 
durch  Aether  getrennten  Serumbestand- 

teile  bei,  von  Rosowsky . 1614 

Immunstoffe,  leukozytenauflösende,  von 

Leschke .  1614 

Impetigo  herbetiformis  Hebra,  von  Marek  603 

Impfergebnisse  in  Hamburg,  von  Voigt  .  1460 

Impffrage  389,  1633,  Demonstrationen  zur 

— ,  von  Risel  .  2754 

Impfgegner  s.  a.  Spohr. 


Seile 

Impfgegner,  Petition  der  502,  Klagen  der —  2995 

Impfgegnerische  Hetzereien  . . 1414 

Impfpusteln,  verspätete  Abheilung  von, 

von  Meder . 149 

Impfpustelübertragung  auf  die  Analgegend, 

von  Rossiwall . 1525 

Impfschädigungen,  von  Swoboda  ....  2378 
Impfzwang .  2288 


Impotenz,  Behandlung  der  sexuellen,  von 
Lissmann  542,  von  Swinbrune  541, 
von  Lydston  542,  präkokzygeale  In¬ 
jektion  bei  Spermatorrhöe  und  — ,  von 
Grande  542,  physikalische  Therapie  der 
sexuellen  — ,  von  Tobias  1167,  gericht¬ 
liche  Feststellung  von  —  und  Perver¬ 
sität,  von  Porosz  .  2854 

Inanition  und  Zuckerausscheidung  im 

Säuglingsalter,  von  Rietschel  .  .  .  1505 

Inauguraldissertationen  44,  99,  151,  209, 

266, 319,  378,  431,  488,  551 ,  606,  775,  830, 

942,  999,  1226,  1288,  1345,  1904,  1958, 

2196,  2305,  2361,  2425,  2646,  2699,  2753, 
2810,2855, 2918,  Berlin  210,379, 432, 666, 

887,  1454, 1566, 1793,  2196,  2810,  2918, 

Bonn  151,432, 1454, 2699,  Breslau  44, 379, 

432,  Erlangen  99,  433,  551,  1345,  1682, 

2196,  Freiburg  210,  432,  433,  606,  775, 

1226,  1345,  1736,  1852,  2141,  2753,2855, 
Giessen  100,  432,  433,606,  1112,  1401, 

1624,  1852,  2074,  2593,  2811,  Göttingen 
100,  432,  433,  1052,  1852,  2196,  2479, 

2855,  Greifswald  151,  319,  433,  551,  775, 

1052,  1288,  1624,  1852,  2305,  Halle  100, 

433,  1794,  1905,  2540,  Heidelberg  151, 

432,  433,  606,  942,  1345,  1566,  2016, 

2425,  2646,  2855,  Jena  266,  433,  666,  830, 

1112,  1345,  1401,  1794.  1958,  2425, 

2699,  2918,  Kiel  319, 433, 666, 1 454, 2016, 

2361,  2593,  Königsberg  210,  433,  2141, 

2811,  Leipzig  44,  151,  432,  433,  666, 

719,  1508,  1736,  2305,  Marburg  210, 

999,  1905,  München  210,  379,  606, 

830,  1052,  1345,  1509,  1794,  2074,  2425, 

2540.  2811,  Rostock  151,  551,  775, 

1052,  1682,  1852,  2361,  2855,  Strassburg 

433,  775, 1682,2305,  Tübingen  210,  319, 

830,  1112,  1345,  1566,  2141,  2361, 
Würzburg  100,  379,  488,  719,  830, 

1052,  1345,  1454,  1736,  1794,  1958, 

2361,  2753 

Incontinentia  urinae,  Nasenbehandlung 
und,  von  Bonnier  1793,  Operation  der 


—  urinae,  von  Steifeck .  2803 

Index  s.  u.  hämorenaler,  opsonischer,  pha¬ 
gozytären  Index. 

Index  Catalogue  of  the  Library  of  the 

Surgeon  Generals  Office  .  ....  1583 

Indikanurie,  die,  von  Baar  479,  gastroin¬ 
testinale  — ,  von  Frenkel  und  Franco  .  2639 
Indolmengen,  quantitative  Bestimmungs¬ 
methoden  geringer,  von  Herzfeld  und 

Baur . 1106 

Industria  Poligraphica  Italiana,von  Carozzi  2416 
Industrie,  Fortschritte  und  Probleme  der 

chemischen,  von  Duisburg . 567 

Infanterie,  Gepäckerleichterung  der  .  .  .  2752 
Infantilismus,  genitaler,  von  Mohr  610,  all¬ 


gemeiner  — ,  von  Strauch  675,  dys¬ 
genitale  Form  des  — ,  vonWeygandt  896, 
intestinaler  — ,  von  Nobel  1300,  Bedeu¬ 
tung  des  —  in  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie,  von  Mayer .  1349,  2136 

Infektion  s.  a.  Allgemeininfektion,  Puer¬ 
perale  Infektion. 

Infektion,  tuberkulöse,  im  Kindesalter,  von 
de  Besehe  602,  Einbruchspforten  der 
rheumatischen  —  ,  von  Branson  605, 
Pathogenese  der  tuberkulösen  — ,  von 
Calmette  und  Guörin  843,  Behandlung 
von  bakteriellen  —  mit  antogenenVak- 
zinen,  von  Scott  887,  Behandlung  akuter 
chirurgischer  —  mit  rhythmischer 
Stauung,  von  Thies  892,  —  und  Ver¬ 
dauung,  von  Meyer  994,  die  —  im  Kriege, 
von  v.  Oettingen  1057,  —  und  Immu¬ 
nität,  von  Müller  1103,  endogene  — , 
von  Bondy  1617,  Krebs  und  — ,  von 
Schmidt  2363,  Angina  als  Eingangs¬ 
pforte  pyogener  — ,  von  Tedesko  2365, 


1913. 


Lxm 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

therapeutische  Versuche  bei  lokalen  und 
allgemeinen  — ,  von  v.  Müller  und  Edel¬ 
mann  2305,  Zusammenhang  von  —  und 
Ernährung, vonThomas  und  Hornemann  2372 
Infektionskrankheiten,  Behandlung  der, 
mit  organischen  Kolloiden,  von  Kon- 
ried  207,  Isolierungssystem  hei — ,  von 
Le  Sage  322,  zur  Pathogenese  der  — , 
von  Dibbelt  442,  Alkohol  und  — ,  von 
Ewald  779,  Behandlung  von  —  mit  na¬ 
türlichen  Seren,  von  Litinsky  997,  Ver¬ 
wendbarkeit  der  optischen  Methode 
und  der  Dial.VBierverfahrens  bei  — ,  von 
Abderhalden  und  Andryewsky  1641, 
spezifischer  Geruch  bei  — •,  von  Krasno- 
gorsky  1842,  Beeinflussung  verschiede¬ 
ner  Erkrankungen  durch  akute  — ,  von 
Thalacker  1844,  akute  - ,  von  Brill  2070, 
Prophylaxe  der  akuten  — ,  von  Eichel¬ 
berg  2373,  Phagozytose  bei  — ,  von 
Schäfer-Hieber  2801,  zeitliche  und  ört¬ 


liche  Disposition  bei  — ,  von  Kossel  2917 
Infektionszustände,  hochfiebernde ,  von 

Meyer . 1009 

Influenza,  Peroneuslähmung  nach,  von 
Schönstein  1069,  Immunität  bei  — ,  von 

Thalmann  ...  1730 

Influenzaepidemie,  die  älteste,  in  Persien 

und  Mesopotamien,  von  Mittwoch  .  .  602 

Influenzalaryngitis,  einseitige,  und  Kehl¬ 
kopftuberkulose,  von  Dahmer  ....  265 

Influenzataubheit,  von  Nager . 1569 


Inhalationsprinzip,  neues,  von  Löwenstein  1447 
Injektion  Dr.  Hirsch  1036,  tracheobron- 
chiale  —  zur  Asthmabehandlung,  von 
Grünwald  1378,  Technik  der  intra¬ 
venösen  — ,  von  Saphier  1621,  von 

Arzt  und  Schramek  . 1731 

Injektionsbehandlung,  Technik  der  intrau¬ 
terinen,  von  Mathes .  2406 

Initialsklerose  an  der  Caruncula  lacrimalis, 

von  Jampolsky . 995 

Inkarzeration,  die  retrograde,  von  Wendel 
2070,  von  v.  Thun  2852,  Entstehung 
der  retrograden  ,  von  Ritter  .  2367 

Insekten,  sanitarisch -pathologische  Be¬ 
deutung  der,  und  verwandten  Glieder¬ 
tiere,  von  Göldi . 1390 

Instinkt  und  Erfahrung,  von  Morgan  .  .  1783 
Institut,  das  histologisch-embrvologische, 
der  neuen  anatomischen  Anstalt  Mün¬ 
chen,  von  Mollier  200,  die  medizi¬ 
nischen  —  der  preussischen  Universi¬ 
täten,  von  Spielmann  360,  Bericht  über 
das  Neurologische  —  in  Frankfurt  a.  M. 

390,  Erweiterung  des  poliklinischen  — 
in  Berlin  2440,  Seegens  —  für  Physio¬ 
logie  des  Stoffwechsels  in  Wien  .  .  1302 
Instrumente,  Aufbewahrung  chirurgischer 
in  den  Tropen,  von  Ganon  1956,  An¬ 
preisung  verwerflicher  —  2876,  urolo- 

gische  — ,  von  Dommer  .  2859 

Insufflation,  Meitzers,  von  Unger  und  Bett¬ 
mann  1676,  von  Riebel . 1804 

Intelligenzprüfungen  u.  Intelligenzdefekte, 
von  Isserlin  215,  —  bei  heranwachsen- 
den  Kindern,  von  Eürnrohr  1629,  — 
bei  anormalen  Kindern,  von  Decroly  2255 
Interferometer,  Bestimmung  der  Kohlen¬ 
säurespannung  der  Alveolarluft  durch 

den,  von  Hahn  und  Heim . 316 

Interkrikothyreotomie,  Technik  und  Ver¬ 
wendbarkeit  der,  von  Denker  ...  48,  96 
Interpositio,  Technik  der,  uteri  vesico- 
vaginalis,  von  Wertheim  2371,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  Rezidive  nach  — 
uteri  ves.-vag.,  von  Weibel  .  .  2371,  2915 
Intestinal trakt,  Wirkung  der  Regulatoren 

des,  von  v.  Bergmann . 769 

Intoxikation,  enterogene,  von  v.  Noorden 
564,  intestinale  — ,  von  Ledingham  1736, 
alimentäre  —  in  ihren  Beziehungen 
zum  sympathischen  Nervensystem,  von 


Hirschfeld . 1901 

Intradermoreaktion  von  Mantoux,  von 
Swenigorodsky .  2424 


Intrakutanreaktion  bei  Syphilis  und  Fram- 

boesie,  von  Baerinann  und  Heinemann  1537 
Intrapessar,  das,  in  foro,  von  Thorn  .  .  1745 


Seite 

Intubation,  perorale,  nach  Kuhn,  von 

Schlemmer .  2590 

Intussuszeption,  chronische,  als  Folge  über¬ 
standener  Appendizitis,  von  Wollin  .  774 

Inulin  bei  Ernährungskuren,  von  Goud- 

berg  . 189K 

Invaginatio  ileocoecalis  durch  submuköses 
Lipom,  von  König  215,  Resektion  des 
1  leozoekalteiles  wegen  — ,  von  AndrAe 
1677,  die  sog.  —  ileocoecalis  beim 

Säugling,  von  Lotsch .  2641 

ln versio  uteri,  von  Froriep . 1218 

Involutionsparanoia,  von  Kleist  ...  714 
Inzestmotiv,  das,  in  Dicht  ung  und  Sage, 

von  Rank .  424 

Inzuchtsfrage,  zur,  von  Strohmayer  .  .  .  159 
Joachimsthaler  Kurbericht,  von  Dautwitz  .  995 


Jod  als  Verbandmittel,  von  Madden  604, 
—  bei  Operationen,  von  Dalton,  604, 
Nachweis  von  —  im  Urin,  von  Ehr¬ 
mann  1781,  von  Besser  2535,  direkte 
Einwirkung  des  —  auf  den  Kreislauf, 


von  Lehndorff . 2817 

Jodierung  bei  Operationen  am  Magen¬ 
darmtrakt,  von  Fieber . 1163 

Jodkalium,  Wirkung  des,  von  Lienaux 
und  Huynen  98,  renale  Ausscheidung 

von  — ,  von  Kaufmann  . 1181 

Jodölreagens,  von  Landau .  2477 

Jodointabletten . 2626 


Jodostarin  u.  Jodpräparate  in  der  Therapie 
der  Lungenschwindsucht,  von  Pertik 
149,  über  — ,  von  Stümpke  1489,  — 
bei  der  Behandlung  der  Syphilis,  von 
Bäumer  1620,  —  zur  Bestimmung  der 


motorischen  Funktion  des  Magens,  von 

Galazer  .  .  .  2423 

Jodpräparate,  Beeinflussung  des  Blutes 

durch,  von  Baranczik  .  . .  1288  j 

Jodtherapie,  spezifische  Beeinflussung 
tuberkulöser  Prozesse  durch,  von  Weiss  2363 
Jodtinktur,  ein  haltbarer  Ersatz  der,  in 

fester  Form,  von  Bachem  .  ...  2626 


Jodtinkturdesinfektion,  modifizierte  Gros- 
siehsebe,  von  Reich-Brutzkus  1222,  zur 
— ,  von  Candea  2537,  zur  Frage  der 


Grossichschen  — ,  von  Heinemann  .  2688 

Jodwirkung,  von  Enebuske .  2359 

Jontophorese,  Stand  der,  von  Franken¬ 
häuser  951,  Erfahrungen  mit  — ,  von 

Stöcker . 1110 

Journal,  British,  of  Surgery . 1528 

Ipekakuana  in  kleinen  Dosen  bei  Ver¬ 
dauungsstörungen  im  Kindesalter,  von 

Rousseau-St.-Philippe  . . 1525 

Iridenkleisis,  Operationsnarben  der,  von 

Holth . 1513 

Iridodesis,  Bewährung  der,  von  Heymann  721 
Irisvorbuckelung,  von  Heine . 1512 


Iritis,  Hetoleinträufelung  bei,  von  Cohn 
979,  Behandlung  der  —  gonorrhoica  mit 
Arthigoninjektionen,  von  Topolanski  .  2818 
Irrenarzt,  Erinnerungen  eines  alten,  von 
Pelmann  657,  43.  Versammlung  süd¬ 


westdeutscher  — .  2030,  2439 

Irrenpflege,  die,  in  Oesterreich,  von 

Schlörs  . 1783 

Irrenwesen,  Bestrebungen  zur  Reform  des, 

von  Beyer . 1560 

Irresein,  frühere  und  jetzige  Anschauungs¬ 
weise  über  das,  von  v.  Ehrenwall  .  .  1627 
Irrigoradioskopie,  von  Schwarz  275,  direkte 

—  des  Kolons,  von  Schwarz  ....  317 


Ischias,  Atophan  bei,  von  Hirschberg  53, 
Behandlung  der  —  mit  epiduralen  In¬ 
jektionen,  von  Langbein  96,  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Stoffel  732,  Behand¬ 
lung  der  —  mit  Radium,  von  Delherme 
894,  Behandlungsmethode  der  — ,  von 
Boucek  939,  epidurale  Injektionen  bei 
— ,  von  Heile  1351,  Wesen  und  opera¬ 
tive  Behandlung  der  — ,  von  Stoffel 
1365,  zur  Behandlung  der  — ,  von 
Sch  urig  1830,  —  kyphotica,  von  Hnätek 
2357,  — ,  mit  Strychnininjektionen  be¬ 


handelt,  von  Retiwow .  2809 

Ischuria  paradoxa  bei  Prostataatrophie,  von 

Wilma . 382 

Isoagglutinine.  von  Bohne . 1282 


Seite 

Isopralnarkose,  intravenöse,  von  Reresne- 

gowsky . 1676 

Isticin,  ein  neues  Abführmittel,  von  Ren¬ 
necke  .  2788 

Jubiläum  der  Firma  Kall  &  Co.  ...  1918 
Jucken,  Heilung  des,  mit  autogener  Vak¬ 
zine,  von.  Schischlo . 316 

Juden,  die  Rassenmerkmale  der,  von  Fish- 

berg . 768 

Juffinger  Prof.  Dr.  f  . 2823 

Jugendfürsorge,  Tagung  derDeutschen  Zen¬ 
tral  e  für,  2260,  Arzt  und—,  von  Ru  pprecht  2464 

Jugendgeiichte,  von  Stein . 2310 

Jugendgerichtshilfe,  ärztliche,  von  Kessels- 

dorfer  .  2374 

Jugendirresein,  die  weissen  Blutköperchen 

beim,  von  Pförtner . 261 

Jugendliche,  endogene  und  exogene  Wur¬ 
zeln  der  Dissozialität.  der,  von  Lazar 
2418,  strafrechtliche  Behandlung  der 
—  nach  dem  geltenden  Str.-G.-B^  und 
den  Vorentwürfen,  von  Sommer  .  .  .  2653 
Jugularisunterbindung,  otitische,  von  Voss  2533 
Jugularvenenpuls,  Erklärung  des,  von 

Weber .  2553 

Justschinski,  der  Fall  2743,  2812,  von 
Strassmann  .  2854 


K. 


Kältegangrän,  gefässparalytische,  von 

Wieting .  992 

Kälteleitungsanästhesie  am  N.  mentalis, 

von  Neumann-Kneucker  . 995 

Käse,  der,  als  Nahrungsmittel,  von  Reich  173(1 
Kaffee  Haag  s.  a.  Kaffeegetränk. 

Kaffee,  diuretische  Wirkung  des  koffein- 

freien,  von  Kakizawa .  2640 

Kaffeegetränk,  die  wirksamen  und  wert¬ 
vollen  Bestandteile  des,  von  Lehmann  281 

Kaiserin-Auguste-Viktoriahaus . 1415 

Kaiserschnitt,  über,  von  Opitz  2308,  Mög¬ 
lichkeit  einer  normalen  Schwanger¬ 
schaft  nach  dem  klassischen  — ,  von 
v.  d.  Hoeven  40,  abdominale  — ,  von 
Schäfer  92,  Erfahrungen  über  den  extra¬ 
peritonealen  — ,  von  Baumm  317,  Ruptur 
des  graviden  Uterus  nach  vorausge¬ 
gangenem  — ,  von  Schwarz  815,  Technik 
des  -,  von  Veit  1218,  Erfolge  des  — 
in  Russland,  von  Pobedinsky  1279,  — 
wegen  Scheidenstenose,  von  Beckmann 
1340,  bakteriologische  Untersuchungen 
beim  extraperitonealen  — ,  von  Bondy 
1617,  Uterusnarbe  nach  suprasymphy¬ 
särem  extraperitonealem  — ,  von  Hart¬ 
mann  u.  Loeschcke  1617,  extraperito¬ 
nealer  —  mit  Beckenspaltung,  von 
Weibel  2308,  2686,  über  — ,  Symphyseo- 


tomienundHebosteotomien.vonFischer  2803 
Kaiserschnittbecken,  von  Zickel  ....  2072 
Kaiser  Wilhelm-Gesellschaft,  Begründung 
des  biologischen  Forschungsinstitutes 

Oer . 1974 

Kaiser  Wilhelm-Institut  für  experimentelle 

Therapie  .  2647 

Kaiser  Wilhelm-Stiftung,  Chemisches  In¬ 
stitut  der . 425 


Kakkeausbruch,  epidemieartiger,  in  einem 

Gefängnis  in  Korea,  von  Shiga  .  .  .  1344 
Kala-Azar  s.  a.  Leishmania. 

Kala-Azar,  das  kindliche  an  der  Ostküste 
Spaniens,  von  Pitmluga  319,  vier  Fälle 
von  — ,  von  Gurko  1341,  Leishman- 
körperchen  bei  — ,  von  Cochran  1401, 
Nachweis  des  —  infantum  in  der  Pro¬ 
vinz  Almeria,  von  Martinez .  2477 

Kalender  für  das  Jahr  1914  2870 

Kaliausscheidung,  von  Blumenfeld  .  .  992 

Kalium,  tödliche  Vergiftung  mit  chlor¬ 
saurem,  von  Lehnert . 315 

Kalk  und  Magnesia  in  der  Therapie,  von 

Kochmann .  2589 

Kalkatieus,  Architektur  des,  von  Reiner  .  428 

Kalkaneusfraktur,  von  Lack  mann  2545, 
Extensionsbehandlung  bei  — ,  von 

Gelinsky . 1278 

Kalkaneussporn,  von  Bähr  258? 


LXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


1837 


Kalkbilanz,  Abhängigkeit  der,  von  der  Al¬ 
kalizufuhr,  von  Dubois  u.  Stolte  600, 
Einfluss  grosser  Kalkgaben  auf  die  — , 

von  Voorhoeve  .  . .  • 

Kalkmetastase  und  Kalkgicht,  von  Schmidt 
148,  —  im  Unterbautzellgewebe,  von 
Gontermann  1068,  — •  und  Knochen¬ 
atrophie  bei  Säugetier,  von  Pick  .  ..  .  1689 
Kalksalze,  therapeutisch  wirksame  Dosie¬ 
rung  von,  von  Blühdorn  1342,  20/1, 
Einfluss  der  —  auf  Konstitution  und 
Gesundheit,  von  Emmerich  u.  Loew 
1506,  Einwirkung  von  —  auf  die  Niere, 
von  Jakoby  u.  Eisner  1680,  Entziehung 
von  — aus  dem  mütterlichen  Blute  durch 

den  Fötus,  von  Drennan . ldöl 

Kalkstoffwechsel,  Tuberkulose  und,  von 
Voorhoeve  1336,  zur  Lehre  des  — ,  von 
Voorhoeve  1783,  Nebennieren  und  — , 


von  Novak 


2432 


Seite 


Kalzium,  Bedeutung  des,  für  das  Wachs¬ 
tum,  von  Mc  Crudden  1275,  —  und 
Phosphor  beim  Wachstum,  von  Herbst  lo05 
Kalziumkarbid  zur  Bestimmung  der  Mörtel- 

feuchtigkeit,  von  Korff-Petersen  .  .  .  2690 
Kalziumtherapie  bei  Urtikaria  im  Wochen- 

bett,  von  Bollag  .  .  .  . . 2514 

Kamerun,  Pathologie  der  Eingeborenen 

von,  von  Löhlein . .  19ob 

Kammerbradysystolie ,  rhythmische,  bei 

Vorhofflimmern,  von  Kihl  ......  1950 

Kammersystolo ,  paradoxe  Verkleinerung 

der,  von  Hering  ™ 

Kampfer,  Wirkung  des,  bei  bakterieller 
Infektion,  von  Boehnke  1046,  neue  Ge¬ 
sichtspunkte  für  die  therapeutische  An¬ 
wendung  des  — ,  von  Leo  2397,  von 
Hötzel  2793,  —  als  Entfieberungsmittel 
bei  Lungentuberkulose,  von  Weihrauch  2747 
Kampferanwendung,  intravenöse,  von 

Weintraud . . 16-0 

Kampferlösung,  Wirkung  gesättigter,  was- 
seriger,  von  Leo 

Kampferöl,  intraperitoneale  Injektion  von, 
bei  Peritonitis,  von  Vignard  u.  Arnaud 
548,  _  bei  Peritonitis  und  Douglas¬ 
abszess,  von  Blecher . 1261 

Kampf  spiele,  deutsche . 

Kanadabalsam,  Ersatz  des,  von  Edinger  .  1228 
Kaninchenblut,  Gerinnungsfähigkeit  des, 

von  Fischer  ...  224o 

Kaninchenleukozyten,  Wirkungsweise  der, 

von  Weil . 

Kaninchensarkom,  Implantation  von,  von 

Happe . 1513 

Kaninchensyphilis ,  experimentelle,  von 
Finkeistein  1623,  —  von  Arzt  u.  Kerl 
2195,  Histologie  der  — ,  von  Graetz  u. 

Delbanco . 1910 

Kaninchentuberkulose,  spontane,  von 

Rothe .  •  •  ■  •  1396 

Kanüle,  einfache,  zur  Punktion,  Injektion 

und  Infusion,  von  Lotsch . 1397 

Kapillardruck,  von  Länderer .  2066 

Karbolkampfer,  von  Chlumsky .  2537 

Karbunkel,  Behandlung  der,  mittels  Ex¬ 
zision,  von  Levit . 265 

Kardiogramm,  Wert  des  oesophagealen,  für 
die  Erklärung  des  Jugularvenenpulses, 

von  Weber .  2553 

Kardiakarzinom ,  Resektion  eines ,  von 

Zaaijer . 382 

Kardiolyse  und  Talmaoperation,  von  Strobel  1684 
Kardiospasmus,  von  Stephan  1295,  von 
Heller  1296,  —  und  Hypnose,  von 

v.  Szöllösy .  2641 

Kardiovaskuläre  Symptome  und  ihre  The¬ 
rapie,  von  Ehrmann . 1789 

Karellkur,  Wert  der,  zur  Behandlung  von 

Kreislaufstörungen,  von  Wittich  .  .  .  1276 
Karies,  zur  Genese  der,  von  Lehmann  .  1859 
Karlsbad wasser,  der  Fluorgehalt  deB,  von 

Schwyzer . 2678 

Karotidendrüse,  Luschkasche,  von  Frugoni 

487,  Geschwülste  der  — ,  von  Simmonds  619 
Karotis,  Implantation  der,  in  die  Aorta 

abdom.,  von  Jäger . 498 


Kartoffeln,  Verdaulichkeit  der,  von  Hind- 

hede . .  • .  • 

Karvonensche  Reaktion,  Wert  der,  für  die 
Diagnose  der  Syphilis,  von  v.  Veress 

und  Szabö  .  •  •  • 

Karzinom  s.  a.  Carcinoma,  Krebs,  Mäuse¬ 
karzinom. 

Karzinom,  Serodiagnostik  des,  nach  v.  Dün¬ 
gern,  von  Edzard  96,  Prophylaxe  der 
— ,  von  Theilhaber  97,  sogenannte  pri¬ 
märe  —  und  primäre  —  des  Wurm¬ 
fortsatzes,  von  Luce  145,  oberfläch¬ 
liches  — ,  von  Zieler  163,  Röntgen-  und 
Radiumbestrahlungen  bei  — ,  von 
Freund  und  Kaminer  373,  durch  Rönt¬ 
genstrahlen  gebessertes  inoperables  , 
von  Döderlein  442,  operationslose  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Theilhaber  483, 
Diagnose  des  —  innerer  Organe,  von 
Ssemionow  663,  primäre  —  auf  dem 
Boden  alter  tuberkul.  Darmgeschwüre, 
von  Herzog  826,  —  der  Flexur,  von 
Fränkel  831,  Röntgenbehandlung  bei 
—  des  Uterus,  der  Mamma  und  der 
Ovarien,  von  Klein  905,  Röntgen-  und 
Mesothoriumbestrahlung  bei  — in  weib¬ 
lichen  Genitalien,  von  Bumm  1068, 1 180, 
1235,  1402,  von  Döderlein  1296,  1403, 
2865,  Einfluss  des  Klimakteriums  auf  die 
Entstehung  der  —  der  Genitalien,  von 
Theilhaber  1455,  1842,  zur  Röntgenbe¬ 
handlung  des  — ,  von  Heynemann  1455, 
Frühdiagnose  der  —  des  Verdauungs¬ 
kanales,  von  Schütz  1507,  —  der  Ader¬ 
haut,  von  Arisawa  1513,  Spontanheilung 
von  — ,  von  Theilhaber  1566,  —  der 
kleinen  Kurvatur,  von  Kümmell  1573, 
Bedeutung  der  Lues  für  die  Entstehung 
des  — ,  von  Ledermann  1732,  Behand¬ 
lung  des  —  mit  Elektroselen,  von 
Zieler  1748,  Radiotherapie  des  — ,  von 
Döderlein  1804,  Heilung  von  —  durch 
Probeauskratzung,  von  Stratz  1842, 
ein  ätiologischer  Faktor  bei  — ,  von 
Nowell  1851,  Komplementbindungs¬ 
reaktion  mit  Liquor  cerebrospinalis  bei 
— ,  von  v.  Düngern  und  Halpern  1923, 
das  bronchiogene  — ,  von  Lorenz  2009, 
Radiumsulfat  bei  inoperablen  — ,  von 
Ledoux-Lebard  2262,  röntgenologische 
Diagnose  des  —  der  Verdauungswege, 
von  Haudek  2366,  Einfluss  des  Lebens 
alters  auf  die  Entstehung  des  — ,  von 
Theilhaber  2369,  Nachbehandlung  nach 
Beseitigung  von  — ,  von  Theilhaber 
2369,  benzoltherapeutischeVersuchebei 
— ,  von  Kirälyfi  2475,  —  und  Radium, 
von  Riehl  2481,  von  Wertheim  2481, 
von  Ranzi  2480,  Herzsymptom  des  — , 

von  Gordon . 

Karzinomatöse  Erkrankungen,  Diagnose 
von,  nach  Abderhalden,  von  Wolter  . 
Karzinomatose  des  Knochensystems,  von 

v.  Decastello . 

Karzinombehandlung,  kombinierte,  mit  Me¬ 
sothorium,  Röntgen  strahlen  und  intra 
venösen  Injektionen,  von  Klein  .  .  . 
Karzinombestrahlung,  Technik  der,  von 
Bumm  und  Voigts  1697,  weitere  Er¬ 
fahrungen  über  — ,  von  Bumm  .  .  . 
Karzinomdiagnostik,  serologische,  von 

Rosenberg . . 

Karzinommäuse,  therapeutische  Versuche 
an,  und  Sarkomratten,  von  Caan  1062, 
Karzinomoperation, V erhalten  der  Ureteren 
nach  der  abdominalen,  von  Weibel  . 
Kasein,  der  isoelektrische  Punkt  des,  von 

Ylppö  . 

Kaseinfrage,  neuere  Untersuchungen  zur, 

von  Uffenheimer  . . 

Kassenärzte,  s.  a.  Aerzte,  Tarifvertrag. 
Kassenärzte,  Delegiertenversammlung  des 
Zentralverbandes  der,  210,  Kündigung 
des  Vertrags  Verhältnisses  von  —  .  . 

Kassenärztliche  Verträge,  Grundsätze  für 
210,  1000,  besondere  Forderungen  der 
Spezialärzte  für  den  Abschluss  der  — 


1913. 


Seite 


1693,  die  Reformbestrebungen  ira 

2192  Verein  Berliner  — .  ...  2811 

Kassenarztfrage,  Regelung  der,  in  Gross- 

Berlin  . 2142 

1449  Kassenverhältnisse,  Berliner  .  2708,  2764,  2820 

Kassowitz  Prof.  Dr.  M.  f . .  •  1472 

Kastration,  Akromegalie  nach,  von  Gold¬ 
stein  757,  die  Hypophyse  nach  — , 
von  Rössle  952,  Sterilisation  und  — 
im  Kampfe  gegen  das  Verbrechen, 
von  Gerngross  2188,  Einfluss  der  — 
auf  das  Knochenwachstum,  von  Sell- 

heim  .  2298 

Katalog  der  Firma  P.  A.  Stoss  Nachf.  .  2319 
Katalysatorenbeeinflussung,  Untersuchun¬ 
gen  mit  der  Weichhardtschen  Methode 
der,  bei  Geisteskranken,  von  Hauen¬ 
stein  .  2700 

Katapyrin . 2472 

Katarakt,  Beobachtungen  bei  einseitiger, 
und  Aphakie,  von  Scbmidt-Rimpler 
151,  doppelbrechende  Myelino  in  — , 

von  Hoff  mann . 741 

Kataraktoperationen,  von  Pharmakowsky  1286 
Katgutfabriken,  Grundsätze  für  Einrich¬ 
tung  und  Betrieb  von  . 2317 

Katgutfrage,  zur,  von  Wolff . 543 

Kaudatumoren,  von  Bruns . 955 

Kavernenchirurgie,  von  Baer . 206 

Kaviar,  Differenzierung  des,  von  anderen 

Fischrogen,  von  Kodama . 601 

Kazwini,  von  Ruska .  2375 

Kegelkugelhandgriff,  von  Schwarzwäller  .  2070 
Kehlkopf,  neue  Methode  zur  direkten  Be¬ 
sichtigung  des,  von  Katzenstein  563, 

1570,  der  normale  und  kranke  —  im 
Röntgenbild,  von  Thost  1515,  2241,  Ap¬ 
parat  zur  Kompression  des  — ,  von 
Katzenstein  1570,  Komplikationen  bei 
Heilung  nach  Totalexstirpation  des  — , 
von  Hölscher  1571,  neue  Methode  der 
Röntgendarstellung  des  — und  der  Luft¬ 
röhre,  von  Rdthi  1792,  halbseitige  Ex¬ 
stirpation  des  — ,  von  Denker  2024, 
lokale  Behandlung  der  Dekubitalge- 
sch wirre  des  —  nach  Intubation,  von 

v.  Bökay .  2301 

Kehlkopfbewegungen,  Instrument  zur  Re¬ 
gistrierung  der,  von  Gutzmann  ....  1570 
Kehlkopf endoskop,  optische  Verhältnisse 

des,  von  Flatau . 209 

Kehlkopfgesch  Wülste,  gutartige,  von  Wood  1793 
Kehlkopfinnervation,  Lokalisation  der,  in 
der  Kleinhirnrinde,  von  Katzenstein  und 

Rothmann . 208 

Kehlkopfkarzinom, Diagnosedes.vonKillian  1514 
Kehlkopfoperationen  auf  direktem  Wege, 

von  Pollatschek . 1278 

Kehlkopfspiegel,  konvexe,  von  Geigel  .  .  2879 
2643  Kehlkopfstenose,  Exstirpation  des  Ary- 
knorpels  bei,  von  Iwanoff  829,  fortge- 
2807  setzte  Intubation  bei  diphtherischer  — , 

von  Brückner . 1219 

108  Kehlkopftuberkulose, elektrochemolytische 
Behandlung  der,  von  Pollatschek  1571, 
Geschichte  der  Behandlung  der  — ,  von 

2865  Menier .  2360 

Kehlkopfzentrum  in  der  Kleinhirnrinde, 

von  Grabower . 209 

2762  Kehlsackbildung,  yon  Reich  ......  1747 

Keilbeinhöhlenerkrankungen, Therapieder, 

1166  von  Spiess . '  ^!,~3 

Keimprophylaxis  in  der  Chirurgie,  von 

1078  Jaklin . Jl 

Kephalidon  ....  1°3” 

2247  Keramische  Industrie,  Gesundheitsverhält¬ 
nisse  der  Arbeiter  in  der,  von  Leymann 
2136  1394,  hygienische  Verhältnisse  in  der 

— ,  von  Hanauer . 2416 

2595  Keratitis,  Neosalvarsanwirkung  bei,  paren- 
chymatosa,  von  Hoehl  72,  lokale  Be¬ 
handlung  der  —  parenchymatosa  mit 
Neosalvarsan,  von  Bachstez  264,  Chemo- 
874  therapie  der  luetischen  — ,  von  v.  Szily 

1047,  zur  Kenntnis  der  —  interstitialis, 
von  Clausen  1454,  —  punctata  leprosa, 
von  Axenfeld  1513,  —  anaphylactica, 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXV 


Seite 


von  Zade  1518,  —  parenchymatös:»  auf 
hereditär-luetischer  Grundlage,  von 
Igersheimer  1513,  luetische  —  paren 

chymatosa,  von  v.  Hippel . 

Keratocpitheliom  der  Wangenschleimhaut 
von  Konjetzny 
Keratokonus,  Aetiologie  und  Therapie  des 

von  Augstein . . 

Keratosis,  gonorrhoische,  von  Roark 
Kernschollen,  Herkunft  der,  bei  lympha 
tischer  Leukämie,  von  Spuler  und 
Schittenhelm 

Kettenströme,  Schliessungskontakt  für 

von  Dittler . 

Keuchhusten  s.  a.  Pertussis. 
Keuchhusten,  das  psychogene  Moment 
beim,  von  Oberholzer  149,  Therapie  des 
— ,  von  Hadenfeldt  558,  Behandlung 
des  —  mit  intravenösen  Jodoform- 
injektionen,  von  De  war  604,  Haut¬ 
blutungen  nach  — ,  von  Schick  1180, 
Komplementbindungsvorgang  beim  — , 
von  Manicatide  1505,  Pockenimpfung 
bei  — ,  von  Jakowlew  1623,  Vakzino- 
therapie  beim  — ,  von  Nicolle  und 
Conon  1973,  Behandlung  des  —  mit 
Chineonal,  von  Pauli  2249,  zur  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Hamburger  2596, 
Problem  des  Wesens  und  der  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Ritter  2816,  neue  Be¬ 
handlungsart  des  — ,  von  Ochsenius  . 
Keuchhustenbehandlung  mitDroserin,  von 

Bandorf  391,  von  Cramer . 

Keuchhustenheilserum,  das,  von  Klimenko 
Kiautschou,  wie  begegnet  das  Schutzge¬ 
biet,  der  andringenden  Pestgefahr? 

von  Uthemann . 

Kieferaktin  omykose  odontogenen  Ur¬ 
sprungs,  von  Kantorowicz . 

Kieferbrüche,  Behandlung  von,  von  Fren¬ 
zei  716,  —  und  deren  Behandlung,  von 

Hirtmüller  . 

Kieferhöhlenempyem,  von  Meinhold  .  . 
Kieferhöhlenspülungen,  üble  Zufälle  bei, 

von  Killian . .  .  . 

Kieferpathologie,  von  Weski . 

Kieferspalten,  Behandlung  der,  und  Hasen¬ 
scharten,  von  Kredel . 

Kiefertrepanation  bei  dentalem  Markab¬ 
szess  . 

Kieselsäurehämolyse,  von  Liebers  .... 
Kind,  Kinder,  die  anormalen,  und  ihre  er-' 
ziehliche  Behandlung,  von  Demoor  33, 
die  Gesundheitspflege  des  —  im  Eltern¬ 
haus,  von  Hochsinger  710,  Tafel  zur 
Bestimmung  von  Wachstum  und  Er¬ 
nährungszustand  bei  — ,  von  v.  Pirquet 
1046,  Schicksal  von  kongenital-syphi¬ 
litischen  — ,  von  Weide  1617,  Weiter¬ 
entwicklung  frühgeborener  — ,  von 
Wall  1728,  die  Nahrungsbedürfnisse  der 
— ,  von  Watson  1735,  das  —  in  Brauch 
und  Sitte  der  Völker,  von  Ploss-Renz 
1949,  die  Rechtsstellung  des  unehe¬ 
lichen  —  nach  deutschem  Recht,  von 
Landsberg  2199,  von  Köhler  2199,  Be¬ 
handlung  von  —  in  Sanatorien,  von 
Spiegelberg  2704,  idiopathisch  stumme 
— ,  von  Fröschels  2704,  Fazialisphä- 
nomen  bei  stotternden  — , 

Kinderarbeit  vom  sanitären 
nischen  Standpunkt,  von 
Kinderdiarrhöe,  Behandlung 
des  Bac.  lactis  bulgaricus, 


1513 

2588 


1453 

486 


880 

2129 


2871 

2805 

1286 


1345 

IS38 


1227 

1460 

1572 

778 

317 

1682 

1729 


von  Fremel 
und  hygie- 
Rambousek 
der,  mittels 
von  Clock 


Kinderfürsorge,  städtisches  Wohlfahrtsamt 
für,  in  Berlin  321,  —  für  stammelnde 
und  stotternde  Kinder,  von  Mangold  . 
Kindergehirne  mit  ausgedehnten  Erwei¬ 
chungsprozessen  der  Rinde,  von  Wohl¬ 
will  . 

Kinderheilkunde,  Südvvestdeutsche  und 
Niederrheinisch- Westfalische  Vereini¬ 
gung  für,  623,  Lehrbuch  der  — ,  von 
Feer,  Finkeistein,  Ibrahim,  Meyer,  Moro, 
v.  Pirquet,  v.  Pfaundler,  Thiemich  u. 

Tobler  . 

Kinderheilstätten  in  Sol-  und  Seebädern, 
von  Vollmer. . 


2704 

2417 

2591 

2855 

2485 


1043 

943 


Kinderkrankheiten  während  des  Schul¬ 
lebens,  von  ßaginsky  883,  Behandlung 

der  — ,  von  Neumann . 

Kinderlähmung  s.  a.  Heine -Medinsche 
Krankheit,  Poliomyelitis. 
Kinderlähmung,  Möglichkeit  einer  Ueber- 
tragung  der,  durch  tote  Gegenstände 
und  durch  Fliegen,  von  Josefson  69, 
die  Aetiologie  der  — ,  von  Kling  149, 
dieEpidemiologie  der  sogen. spinalen  — , 
von  Müller  322,  die  Symptomatologie 
des  Frühstadiums  der  epidemischen  — , 
von  Müder  323,  Quadrizepsplastik  bei 
spinaler  — ,  von  Kekstein  331,  Art  der 
Verbreitung  der  epidemischen  — ,  von 
Kling,  Wernstedt  und  Pettersson  542, 
Sammelforschung  über  das  Vorkommen 
der  —  in  Bayern  567,  1 126,  Länge  der 
Inkubationszeit  bei  der  akuten  — ,  von 
Schong  661,  Wesen,  Verhütung  und  Be¬ 
kämpfung  der  akuten  spinalen  — ,  von 
Abesser  772,  Aetiologie  der  spinalen 
— ,  von  Bruno  1995,  Vorkommen  der 
spinalen  —  in  Oberösterreich,  von 

Stiefler . 

Kindermehle,  mykologische  Untersuchung 

der,  von  Kühl . 

Kindermilchbereitung,  von  Backhaus  .  . 
Kinderschutz  in  Spanien,  von  Suarez  de 
Mendoza323,—  in  europäischenStaaten, 

von  Keller  u.  Klumker . 

Kindersterblichkeit,  Diskussion  über  die, 
in  den  vier  ersten  Lebenswochen  .  . 
Kindertyphus,  Komplikation  des,  von 

Samelson . 

Kindesalter,  Handbuch  der  allgemeinen 
Pathologie  und  der  pathologischen 
Anatomie  des,  von  Brüning  u.  Schwalbe 

365, 

Kinnfistel,  Diagnose  u.  Therapie  der,  von 

Schottländer .  . 

Kinnscharten,  angeborene,  u.  Kinnfurchen, 

von  Günther . 

Kippstuhl  zur  hohen  extraduralen  Anästhe¬ 
sie,  von  Schlimpert  . . 

Kissinger  Sprudel,  der  neue,  u.  seine  Be¬ 
deutung  für  Herz-  und  Gefässkrank- 
heiten,  von  Leusser  754,  Indikationen 
des  — ,  von  v.  Dapper-Saalfels  u.  Jür- 

gensen  . 

Kläranlage  für  Schmutzwässer,  von  Spaet 
Klangkurvenaufnahmen,  Zeitmessung  bei, 

von  Katzenstein . 

Klangverhältnisse  in  der  Nase  beim  Spre¬ 
chen  und  Singen,  von  Fröschels  .  . 

Klauenkohlfuss,  von  Bibergeil . 

Klavikularluxationen,  Behandlung  der,  von 

Meyer . 

Klebrobinde,  von  v.  Heuss  1232,  ambulante 
Behandlung  des  varikösen  Symptomen- 
komplexes,  insbesondere  des  Unter¬ 
schenkelgeschwüres  mit  der  — ,  von 

v.  Heuss . 

Klebs  Prof.  Dr.  f . 

Kleesalzvergiftung,  von  Puppe  .  ... 

Kleidoplastik  aus  der  Spina  scapulae, 

von  Molineus  . 

Kleinhirn,  traumatische  Läsion  des,  von 
Berger  784,  —  und  Statotonus,  von 

Edinger . 

Kleinhirnaffektion,  von  Goldstein  .... 
Kleinhirnbrücken  winkeltumoren, Chirurgie 

der,  von  Marx  . 

Kleinhirnerkrankungen,  die  sog.  äussere 
Körnerschicht  in  akquirierten,  von 

Böriel . 

Kleinhirngeschwülste,  Operationen  von, 
von  Oppenheim  u.  Borchardt  .... 

Kleinhirnfragen,  von  Edinger . . 

Kleinhirnhemisphären,  Lokalisation  in 

der  Rinde  der,  von  Barany . 

Kleinhirnlokalisation,  zur,  von  Rothmann 

Kleinhirntumor,  von  Krause . 

Kleinhirnzysten,  doppelseitige,  von  Auer¬ 
bach  u.  Grossmann  ........ 

Kleisterverbände  bei  Ulcus  varicosum,  von 

Wertheimber . 

Klima  s.  u.  Hochgebirgsklima,  Höhenklima. 


Seite 


2470 


2479 

959 

1681 


1895 

2021 

2011 

1612 

92 

1280 

259 


808 

1470  J 

1571  | 

208 

731 

204 


2172 

2496 

840 

712 


2244 

2864 

1563 


2012 

2535 

489 

97 

483 

1576 

200 

1490 


Klima, veränderte  Bewertung  des  deutschen 
See-  und  Küsten-,  von  Röchling  948, 
Einfluss  des  —  auf  das  weibliche  Ge¬ 
schlechtsleben,  von  Steiger . 

Klimatische  Kuren,  Wert  der,  für  Berufs 
Sänger  und  Sprecher,  von  Bockhorn 
Klimatologische  u.  klimatotherapeutische 

Fragen,  von  Schröder  . 

Klimatotherapie  im  Kindesalter,  von 

Hecker .  . 

Klinik,  psychiatrische,  in  Baltimore  1183 
Satzungen  der  orthopädischen  —  in 

München . 

Klinikerschaft,  Berliner  223,  8.  Verbands 

tag  der  Deutschen  — . 

Klinizistenstreik  s.  u.  Ausländer. 

Klinizistenstreik,  Hallenser . 

Klitoris,  Melanosarkome  der,  von  Vogt 
Kloake,  persistierende  wahre,  von  Martius 
Klumpfuss,  operative  Behandlung  des 
angeborenen,  von  Bülow-Hansen  551, 
operative  Behandlung  des  — ,  von 
Wilms  1283,  blutige  Behandlung 
schwerer  — ,  von  Haas  1683,  Behand¬ 
lung  der  einzelnen  Formen  des  an¬ 
geborenen  — ,  von  Schultze . 

Klumpfussbehandlung,  modifizierter  Heft¬ 
pliastergipsverband,  von  Lewy  1263, 
von  Sprengel  1499,  über  —  und  Platt- 
fussbehandlung,  von  Guradze  .  .  .  . 
Klumpfussverband,  zur  Technik  des,  von 

Chlumsky . 

Klumphand,  von  Spitzky . 

Knickfuss,  die  Ursachen  des,  und  Platt- 

fusses,  von  Ewald . 

Kniegelenk,  Verletzungen  derLig  cruciata 
des,  von  Pürckhauer  73,  Radfahren  mit 
steifem  — ,  von  Harmsen  78,  Behand¬ 
lung  infizierter  Verletzungen  des  — 
mit  Bierscher  Stauungshyperämie,  von 
Ponomareff  145,  Heftpflasterextension 
in  Semiflexion  des  — ,  von  Sternmann 
205,  Schiene  zur  Streckung  und  Beu¬ 
gung  des  — ,  von  Weisz  430,  Behand¬ 
lung  der  inneren  Verletzungen  des  — , 
von  Vulpius  453,  Verletzungen  des 
— ,  von  Enderlen  1179,  Zerreissung 
der  Ligamenta  lata  des  — ,  von  Süssen- 
guth  1515,  Pathologie  des  — ,  von 
Bähr  1789,  Diagnose  und  Behandlung 
der  Verletzungen  des  — ,  von  Martin 
1968,  Verletzungen  der  Ligg.  cruciata 
des  — ,  von  Goetjes  2135,  Behandlung 
der  Tuberkulose  des  — ,  von  Eis  2585, 
Exstirpation  des  — ,  von  Riedl  .  .  . 
Kniegelenkkapsel,  Regeneration  der,  nach 
Totalexstirpation,  von  Segale  .... 
Kniegelenksankylosen,  operative  Behand¬ 
lung  von,  von  Payr  144,  von  Silber¬ 
stein  .  . 

Kniegelenksluxation,  kongenitale,  von 

Wächter . 

Kniegelenkstuberkuloee,  Resultat  radikal 

operierter  — ,  von  May . 

Kniegelenksverletzung,  von  Süssenguth  . 
Kniegelenkswunden,  penetrierende,  von 

Müller  ...  . 

Kniependelapparat,  Fixation  im,  von 

Mosenthal  .  . 

Kniewunden,  penetrierende,  des  Friedens, 

von  Müller .  1059, 

Knight  Dr.  Ch.  H.  f  . 

Knochen,  Drahtung  von,  von  Groves  939, 
Unterscheidung  der  Menschen-  und 
Tier — von  Beniner  1280,  Untersu¬ 
chungen  an  — ,  von  Kenzeres  1281, 
Veränderungen  der  —  bei  Infektions¬ 
krankheiten  im  Kindesalter,  von  Feher 
Knochenatrophie,  durch  Inaktivität  be¬ 
dingte,  im  Röntgenbilde,  von  Brandes 
832,  1970,  —  beim  Säugetier,  von  Pick 
Knochenaufiagerungen,  von  Grebner 
Knochenbildung  in  der  Laparotomienarbe, 

von  Hannes  . .  2370, 

Knochenbrüche,  ambulante  Behandlung 
der,  der  oberen  Extremität  mit  Gips¬ 
schienen,  von  Lüvai  376,  funktionelle 
Behandlung  von  — ,  von  Bum  377,  am- 


Seite 

1903 

209 

2198 

2762 


1302 

1807 

110 

2803 

428 


2369 


1351 

427 

2596 

712 


2642 

2586 

1298 

2068 

1502 

1515 

1786 

427 

1292 

1184 


2534 


1689 

1576 

2746 


LXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Seite 


18 


2861 


880 


bulant»Behandlung  von  — ,  von  Hacken¬ 
bruch  1117,  operative  Behandlung  der 
— ,  von  Lipskerow  1286,  ambulante 
Behandlung  von  —  mit  Gipsverhänden 
u.  Distrakti on sklammern ,  von  Hacken¬ 
bruch  1727,  2368.  Nagelstreckbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Petsche  1841,  Stahl¬ 
nägel  zur  Behandlung  komplizierter  — , 

von  Hey  Groves . i"68 

Knochenbrüchigkeit,  angeborene,  von 

Bamberg  und  Huldschinsky . 1901 

Knochenerkrankung,  Köhlersche,  von 

Grashey  841,  von  Bles . 1941 

Knochenfrakturen,  Behandlung  schlecht 
heilender,  mit  Osmiumsäure,  von 
Bartolotti  487,  Knochennaht  bei  — , 

von  Poenaru-Caplescu  . 10°1 

Knochenhöhlen,  Plombierung  von,  mit 

frei  transplantiertem  Fett,  von  Krabbel  1809 
Knochenkallus,  Struktur  des,  von  Zondek  94o 
Knochenleitung,  Verkürzung  der,  bei  nor¬ 
malem  Gehör,  von  Herzog . 

Knochenmark,  Anwendung  der  Methode 
der  Blutkörperchenzählung  für  das 
Studium  des,  von  Timofejewsky  664, 
zur  Chemie  des  — ,  von  Beumor  und 
Bürger  1898,  Verbreitung  des  roten  — 
im  Oberschenkel,  von  Iledinger  2641, 
chronische  granulierende  Entzündun¬ 
gen  des  — ,  von  Rost . . 

Knochenmarkspunktion ,  diagnostische, 
von  Spuler  und  Schittenhelm  .... 
Knochennekrose,  einfache  aseptische,  und 
Knorpelnekrose,  Chondritis  dissecans 
und  Arthritis  deformans,  von  Ax- 

hattsen . ™ 

Knochenoperationen,  Umführungszange 

oder  Giglisäge  bei,  von  König  .  .  1339 
Knochenreflexe,  diagnostische  Bedeutung 

der,  von  Bickel  .  ^0 

Knochenregeneration ,  Beobachtungen  ^ 

über,  von  Bier .  ....  313 

Knochensyphilis,  von  Zieler  163,  —  und 

Gelenksyphilis,  von  Axhausen  2543,  2705 
Knochentransplantation,  von  Wilms  382, 

—  bei  tuberkulöser  Spondylitis,  von 

Albee  1339,  —  ohne  Periost,  von  We¬ 
therill  1852,  Erörterung  über  —  .  .  . 
Knochentuberkulose,  Behandlung der^  u. 
Gelenktuberkulose,  von  Garre  776, 1  <86, 
von  MenciQe  1049,  Lokalisation  der 
Läsionen  bei  der  — ,  von  Fraser  941, 
Röntgenbehandlung  der  —  und  Gelonk- 
tuberkulose,  von  Schede  1339,  —  und 
Ge'enktuberkulose,  von  Vidpius  1447, 
Bazillentypus  bei  —  und  Geenktuber- 
kulo-en  der  Kinder,  von  Fraser  1735, 
Anwendung  des  Röntgenlichtes  bei 
— ,  von  Oppenheim  1789,  Aetiolouie 
der  —  Und  Gelenktuberkulose,  von 

Möllers  .  .  . 

Knochentumoren  thyreogener  Natur,  von 

Kolb  .  . 

Knochenüberpflanzung,  freie,  von  Haas  . 
Knochen  Wachstum,  von  Seilheim  1291,  Be¬ 
einflussung  des  —  durch  phosphor¬ 
arme  Ernährung,  von  Schmorl  . 
Knochenzyste,  von  Frangenheim  615,  von 
Engelmann  1180,  Spontanfraktur  des 
Humerus  infolge,  — ,  von  v.  Khautz 
1012,  —  des  rechten  Oberarms,  von 

Swoboda .  . 1525 

Knöchelbruch,  Endresultat  bei  doppeltem, 
von  Molineus  314,  ungewöhnliches  Re¬ 
positionshindernis  bei  typischem  — , 
von  Wolf  868,  Bruchkomplikationen  bei 

— ,  von  Gröndahl  .  2073 

Koagulen  s.  u.  Coagulen. 

Kobragiftreaktion,  Bedeutung  der  Calmette- 
schen,  für  die  Diagnose  der  Tuberku¬ 
lose,  von  Schustrow  .  .  . 

Koch,  Roberts,  gesammelte  Werke,  von 
Gaffky,  Pfuhl  u.  Schwalbe  32,  —  R., 
und  das  Spezifizitätsproblem,  von  Kolle 
2710,  Feier  des  70.  Geburtstages  von 

R.  —  . . 

Robert  Koch-Denkmal  .  .  223,  280,  503, 
Kochbuch,  diätetisches,  von  O.  u.  H.  Dorn- 
blüth . 


1907 


2194 


203 

1683 


2475 


1623 


Kochers  Austritt  aus  der  Schweizerischen 
Gesellschaft  für  Chirurgie  .  .  .  1415, 

Kocherstiftung  . . 

Kochkunst,  Ausbildung  des  Pflegepersonals 
in  diätetischer,  von  Strauss  u.  Jacob¬ 
sohn  . .  •  • 

Kochsalzfieber,  das  sog.,  von  Bendix  u. 
Bergmann  259,  —  bei  Säuglingen,  von 
Jörgensen  2358,  2689,  —  und  Wasser¬ 
fehler,  von  Freund  . 

Kochsalzinfusionen,  Technik  der,  vonKuhn 
Kochsalzlösung,  prävesikale  Einspritzung 

von,  von  Schoute  . 

Kodeinpräparat,  neues,  von  Fränkel  .  . 
Koeffizientenlehre,  die,  von  Hering  .  .  . 
Koeliotomie,  Aseptik  bei  der  vaginalen, 

von  v.  Ott . 

König  Ludwig  III . ; . 

König  Wilhelm  -  Hospiz  in  Kairo  .  .  _.  . 

Köppel,  der  Fall .  2654,  2708, 

Körnchen,  das  infektiöse,  von  Henry  .  . 
Körnerkrankheit,  Behandlung  der  schwe¬ 
ren,  von  Rau  . 

Körper,  Variabilität  des  menschlichen,  von 

Göppert . . 

Körpererziehung,  militärische,  von  Kulka 
Körperkonstitution,  Bedeutung  der,  von 

de  Josselin  de  Jong . •  •  • 

Körpertemperatur,  normale,  des  Kindes, 
von  Fraenkel  373,  Beeinflussung  der  — 
durch  Salze,  von  Fiiedberger  und  Ito 
427,  Einfluss  physikalischer  Massnah¬ 
men  auf  die  — ,"v0n  Fürstenberg  948, 
Wirkung  der  Nitrite  auf  die  — ,  von 
Jacobj  1280,  nervöse  Regulierung  der 
— ,  von  Döblin  und  Fleischmann  ^  . 
Körperverletzung,  fahrlässige  .  .  .  678, 

Kohlehydratentziehung,  Gewichtsschwan¬ 
kungen  bei,  von  Carneiro . 

Kohlehydratkuren  s.  u.  Diabetes. 
Kohlehydrat -Stoffwechsel,  Beziehungen 
anämischer  Zustände  zum,  von  Isaac 
und  Handrick  880,  —  in  der  Gravi¬ 
dität  und  bei  Eklampsie,  von  Beuthin 
1447,  Wärmeregulation  und  — ,  von 
Silberstein  1458,  über  — ,  von  Elias 
1630,  —  in  der  Narkose,  von  Opper- 
mann  ...  •  •  •  •  •  •  •  •  • 

Kohlcnoxydvergiftungen,  psychische  Stö¬ 
rungen  nach,  von  Giese  367,  Geschichte 
der  — ,  von  Neuburger  .  .  . 

Kohlensäurebäder,  Erklärung  betr ,  Zeo 
904,  von  Jungbahn  und  Baedeker  2208, 
Kreislaufmodell  für  — ,  von  Wybauer 
948,  Methodik  der  — ,  von  Nenadovics 
Kohlensäuregehalt  der  Luft  in  der  Ber¬ 
liner  Untergrundbahn,  von  Arnoldi  1450, 
Bestimmung  des  —  der  Atmungsluft 
mittels  des  Aeronom 


2711 

503 


834 


Seite 


2915 

599 


2140 

522 

1444 


146 

2551 

1975 

2764 

886 


2589 


214 

1225 


2139 


2851 

2288 


2689 


1844 

2377 


949 


Kohlensäureschnee,  Lupusbehandlungmit, 
von  llaslund  2357,  Behandlung  von 


2415 


2872 

959 


2415 


Hautkrankheiten  mit  — ,  von  Haslund 
Kohlensäurespannung  der  Lungenluft,  von 

Frideticia  .  .  . 

Kokain  als  Ant'diarrhoikum,  von  Fuld 
1183,  Wirkung  des  —  auf  das  Herz, 
von  Prus  2134,  Wirkung  von  -  auf 
das  Wachstum  der  transplantabien 
Mäusetumoren,  von  Joannovics  .  . 
Kokainintoxikation,  Alkohol  zur  Verhütung 

akuter,  von  Herzfeld . 

Kokainvergiftung,  von  Bose . 

Kola-Dultz- Tabletten . .  . 

Kol.  hizin  und  seine  Derivate,  vonFühner 
Koliinfektion,  chirurgische  Behandlung 
der,  in  der  Schwangerschaft,  von  Davis 
Kolipyämie,  seltener  Fall  von,  von  Hamm 
Koli- Pyelitis  s.  u.  Pyelitis. 

Kolitis,  zur  operativen  Behandlung  der, 
ulcerosa,  von  Lindenberg  90,  akute 
infektiöse  — ,  von  Cade219,  von  Hutinel 
und  Nobecourt  220,  Febris  intermittens 
perennis  bei  —  mucosa,  von  Conto 
938,  Appendikostomie  bei  — ,  von 
Schmitt  1683,  die  chronische  — ,  von 

Doberauer  . 

Kollargol,  von  Kausch  777,  —  u.  Hyper¬ 
leukozytose,  von  Gehm  942,  intra¬ 
peritoneale  Anwendung  von  —  bei 


2357 

2358 


2195 


2586 

1732 

1840 

1341 


2020 

292 


2693 


diffuser  eiteriger  Peritonitis,  von  Jelke 
1828,  —  bei  Zystitis,  von  Trebing  2195, 
Einfluss  des  —  auf  Infektionen,  von 

Ssokolow .  .  . 

Kollargolklysmen  bei  septischen  Prozessen, 

von  Wolff  .  . . 

Kollateralkreislauf,  besonderer,  von  Rössle 
Kolloidale  Metalle,  al  ergieäunliche  Er¬ 
scheinungen  nach  Einverleibung  von, 

von  Hift . . 

Kolloidaltherapie  bei  Masern,  von  Galli  . 
Kollumkarzinom,  Anurie  na>  h  Radikal¬ 
operation  wegen,  von  Dietrich  2247, 
Rückbildung  der  Blasenveränderungen 
bei  bestrahlten  — ,  von  Sigwart  .  . 
Kolonbazillurie,  Natur  der,  von  Williams 
Kolonkarzinome,  von  Körte  ....  1292, 

Kolonkrebs,  der,  von  Cope . 

Kolorimetrische  Bestimmungsmethoden, 
von  Autenrieth  und  Funk  .  . 
Kolostomie,  transversale,  von  Mc  Gavin 
Kolostrum,  Nährwert  des,  von  Langstein, 

Rott  und  Edelstein . 

Kolostrumkörpeichen,  Biologie  der,  von 

Thomas  . 

Kolpaporrhexissub  partu,  vonBjörkenheim 
Kommandieren,  über  das,  von  Zumsteeg 
Kompensationsstörungen,  eiue  Methode 
der  Behandlung  der,  von  Tornai  .  . 
Komplement,  Inaktivierung  des,  durch 
Schü  teln,  von  Ritz  38,  Inaktivierung 
hämolytischer  —  durch  Erwärmen,  von 
Husler  38,  Bedeutung  des  —  für  das 
Agglutinationsphänomen,  von  Bayer  38, 
Gehalt  an  —  in  normalen  und  patho¬ 
logischen  Flüssigkeiten  des  Körpers, 
von  Mutermilch  und  Hertz  480,  Gehalt 
der  Sera  bei  Abdominaltyphus  und 
Pneumonie  an  hämolytischen  — ,  von 
Ssyrensky  665,  die  Leukozyten  die 
Quelle  der  — ,  von  Lippmann  u.  Plesch 
1784,  Konservierung  des  — ,  von  Grigo- 
rowicz  2424,  von  Silber  .  .  .  ■  - 

Komplementablenkungsreaktion,  Serodia¬ 
gnostik  der  Gescnwülste  mittelst,  von 

Halpern . . 

Komplementablenkungsversuch,  Verwen¬ 
dung  von  aktivem  und  inaktivem 
Serum  bei  dem,  von  Hesse  .... 
Komplementbindung  bei  Bazillenträgcr- 
kaninchen,  von  Aoki  .  .... 

Komplementbindungsprobe  bei  der  Dia¬ 
gnose  der  Gonokokkeninfektion  des 
Uroirenitaltraktes,  von  Schwarz  und 

McNeil . 

Komplementbindungsreaktionen,  Erzeu¬ 
gung  von,  durch  Zusatz  von  chemi¬ 
schen  Substanzen,  von  Rominger  859, 

—  bei  angeborenem  Schwachsinn  und 
anderen  degenerativen  Zuständen  des 
Zentralnervensystems,  von  Froesch  911, 

—  mit  Liquor  cerebrospinalis  bei  Kar¬ 
zinom,  von  v.  Düngern  und  Halpern 
1923,  —  bei  gonorrhoischen  Erkran¬ 
kungen,  von  Romanow  2424,  —  bei 
Scharlach,  von  Isabolinsky  u.  Legeiko 

Komplementfixationsprobe,  Wert  der,  bei 
der  Tuberkulose,  von  Dudgeon,  Meck 

und  Weir  . 

Komplementwirkung  und  Katalyse,  von 

Liefmatm . 

Kompressionsmyelitis,  von  Berblinger  .  . 
Kondensatormaschinen, mehrplattige,  von 

Wommelsdorf . 

Kondensatortherapie,  Stand  der,  von  Za- 

nietowski . 

Konflikt  zwischen  Aerzten  und  Kranken¬ 
kassen  .  2599,  2655,  2710,  2766,  2871, 
Kongo,  vom,  zum  Niger  und  Nil,  von  Adolf 
Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg  .  . 
Kongresse  s.  Teil  VI. 

Kongress,  II.  internat.,  für  Rettungswesen 
und  Unfallverhütung  111,  internat.  — 
zur  Bekämpfung  von  Verfälschungen 
von  Nahrungsmitteln  111,  12.  —  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 
224,  12.  —  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  orthopädische  Chirurgie  224,  4. inter¬ 
nationaler  —  für  Physiotherapie  336, 


2809 


1167 

158 


1731 

1168 


2688 

887 

1458 

604 


1243 

2642 


1505 


2136 

599 

209 


1114 


2424 

914 


939 

2801 


486 


2810 


1953 


1614 

50 


949 

951 

2927 

541 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXVÜ 


1^13. 


Seite 

778,  9.  —  Amerikanischer  Aerzte  und 
Chirurgen  230,  —  der  Deutschen  der¬ 
matologischen  Gesellschaft  83R,  1695, 

1.  deutscher  —  für  alkoholfreie  Jugend¬ 
erziehung  336,  567,  9.  —  der  Deutschen 
Röntgengesellschaft  391,  internat.  medi¬ 
zinischer  —  zu  London  447,  499,  1239, 

1751,  1866,  1863,  10.  internat.  Woh- 
nungs-  —  447,  9.  internat.  —  für  Phar¬ 
mazie  425,  30.  Deutscher  —  für  innere 
Medizin  504,  4.  ital.  —  für  die  Arbeits¬ 
krankheiten  in  Rom  553,  567,  3.  inter¬ 
nationaler  —  für  Neurologie  und  Psy¬ 
chiatrie  623,  1239,  4.  internat.  —  für 
Schulhygiene  680,  1.  ital.  —  für  medi¬ 
zinische  Radiologie  846,  2095,  2439, 

23.  —  der  Irrenärzte  und  Neurologen 
Frankreichs  960,  —  für  Sportsphysio¬ 
logie  und  Sportspsychologie  960,  — 
für  Hydrologie,  Klimatologie  und  Geo 
logie  1015,  1471,  4.  —  der  Internat. 
Gesellschaft  für  Chirurgie  1303,  27. 
französischer  —  für  Chirurgie  1527, 

4.  deutscher  —  für  Säuglingsschutz 
1639,  2030,  —  des  Internat.  Vereins  für 
medizinische  Psychologie  und  Psycho¬ 
therapie  1807,  3.  —  der  Tutmonda 
Esperanto  Kuracisto  Asocio  1975,  14. 
internat.  —  gegen  den  Alkohol  1975, 

—  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Uro¬ 
logie  2030,  2095,  31.  Deutscher  —  für 
innere  Medizin  2600,  2656,  23.  —  der 
Italienischen  Gesellschaft  für  innere 
Medizin  2711,  35.  Baineologen-  —  2767, 

5.  —  für  die  Fürsorge  der  Geistes¬ 
kranken  .  2767 

Kongresswesen,  Vereinfachung  des  Deut¬ 
schen  . 959 

Konjunktivaabstriche,  Mikrophotos  von, 

von  Schüffner . 328 

Konjunkti  valsack,  die  Wiederherstellung 
des,  von  Stanculeanu  und  Jianu  .  .  .  2304 
Konjunktivitis  s.  u.  Chlamydozoenbe- 
funde. 

Konjunktivitis,  Pathologie  und  Therapie 

der,  von  Kraus . 1629 

Konkremente,  Symptomatologie  und  The¬ 
rapie  der  im  Harnleiter  sitzenden,  von 

Pascual . 2132 

Konservenspargel,  Vergiftungserscheinun¬ 
gen  durch  Zinn  nach  dem  Genuss  von, 

von  Friedmann . 1902 

Konstante,  Natur  der  physikalischen,  in 

der  Toxikologie,  von  Davis . 1734 

Konstitution  und  Krankheit,  von  Hart  2297, 
hypoplastische  — ,  von  v.  Bermann  .  2704 
Konstitutionskrankheiten,  asthenische, und 
Diabetes  mellitus,  von  Graul  .  .  .  .1167 

Kontraktur,  operative  Behandlung  der 
ischämischen,  von  Horwitz  1162,  hy¬ 
sterische  —  nach  einem  Unfall,  von 
Harttung  1163,  Dupuytrensche  — ,  von 
Krecke2091,  Behandlung  von —  mittelst 
Thermopenetration,  von  Lichtenstein 
2369,  phylogenetische  Auffassung  der 
spastischen  — ,  von  Hasebroek  .  .  2535 
Kontraluesin  1839,  Behandlung  der  Sy¬ 
philis  mit  — ,  von  Klausner .  62 

Konvulsionen,  Heilung  epileptiformer 

durch  Wurmkur,  von  Müller . 215 

Kopaivabalsam,  Exantheme  nach,  von 

Portner  ...  • . 1284 

Kopenhagen,  50jähr.  Jubiläum  des  Kom¬ 
munehospitals  in .  2263 

Kopfform  und  Geburtsmechanismus,  von 

Müller . 162,  2638 

Kopfgeschwulst, Bedeutung  der,  als  Zeichen 
der  vitalen  Reaktion,  von  Ziemke  .  .  .  1281 
Kopfschmerz,  manuelle  Behandlung  des, 
von  Wiszwianski  948,  Nasenoperationen 
zur  Beseitigung  von  — ,  von  Fröse  1167, 
diagnostische  Schwierigkeiten  der  — , 
von  Schottmüller  1460,  —  bei  herab¬ 
gesetztem  intrazerebralem  Druck,  von 

Wladyczko .  2421 

Kopfsuspension,  Vorrichtung  zur,  von 

Chlumsky . 427 

Kopfverletzungen,  Behandlung  der  durch 
Kleingeschosse,  verursachten,  von  ßillet  2918 


111 

880 

2139 

1625 


Seite 

Kopp,  zum  Heimgange,  von  Ploeger  .  .  193 

v.  Koränyi  Prof.  Dr.  F.  f . 1184 

Kordaleninjektionen,  Erfahrungen  mit, 

von  Koebbel .  2301 

Koronargefässe,  Wirkung  verschiedener 
Arzneimittel  auf  die,  von  Meyer  .  .  .  2190 
Kornea,  Tuberkulose  der,  von  v.  Hippel 
1513,  die  Areflexie  der  — ,  von  Wolff  2587 
Koronarkreislauf,  von  Morawitz  und  Zahn 
1054,2190,  Adrenalinwirkung  auf  den  — , 

von  Meyer  .  • . H60 

Korrespondenz  224,  392,  448,  568,  624,  736, 

792,  847,  903,  960,  1016,  1127,  1184, 

1240,  1304,  1416,  1472,  1640,  1696,  1752, 

1808,  1919,  1976,  2031,  2096,  2152,  2208, 

2264,  2320,  2440,  2496,  2711,  2767,  2872,  2928 
j  Korrespondenzblatt  s.  a.  Journalliteratur, 

Teil  IV. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte 
Kosmetik,  Lehrbuch  der,  von  Jessner  366, 

praktische  — ,  von  Eichhoff . 

Kosmetische  Operationen,  von  Eitner 
Kosmos,  Unfall-  und  Haftpflichtversiche¬ 
rungsanstalt  in  Wien . 

Kotbrechen  bei  gastrischen  Krisen,  von 

Oczesalski .  2804 

Koxalgische  Attacko  im  Kindesalter,  von 

v.  Friedländer . 1451 

Koxitisbehandlung,  Endresultate  der  kon¬ 
servativen,  von  v.  Aberle .  2369 

Koxitische  Erscheinungen  durch  eine 

Nadel,  von  Hirsch  . . 1298 

Krämpfe,  hysterische,  von  v.  Strümpell 
271,  psyehaleptische  — ,  von  v.  Pfaund¬ 
ler  275,  tonische  — ,  von  Nobel  564, 
Magnesiumsulfatbohandlung  der  spas- 
mophilen  — ,  von  Berend  2372,  iso¬ 
lierte  —  im  Gebiet  des  Ram.  desc.  N. 

hypoglossi,  von  Hess .  2378 

Krätze,  Behandlung  der,  mit  Xylol,  von 

Missikow  . 1624 

Kräuter,  Liebersche . 1840 

Kraftfahrräder  der  Sanitätskompagnien 

und  Feldlazarette,  von  Hufnagel  .  .  .  1170 

Kraftfahrtruppen  im  Felde .  2073 

Kraftfahrervereinigung  Deutscher  Aerzte  1072 
Krampfadergeschwüre,  neu  aufbrechende, 
als  unmittelbare  Unfallfolge,  von  Franc.k  2645 
Krampfadern,  chirurgische  Behandlung 

der,  von  v.  Tappeiner .  2599 

Krampfformen,  differentialdiagnostische 
Abgrenzung  einiger,  durch  das  Blutbild, 

von  Jödicke . 1085 

Krampfprädisposition,  Erhöhung  der,  von 

Kastan . 1565 

Kraniotomie,  neue  Methode  der  dekom- 

pressiven,  von  Stoppato . 1502 

Kranke,  experimentelle  Eingriffe  an  .  .  .  210 
Krankenanstalten,  Haftung  der  Gemeinden 
für  Verschulden  der  Aerzte  und  des 

Pflegepersonals  ihrer . 874 

Krankenhäuser  s.  a.  Ilonorarregelung. 
Krankenhaus,  Krankenhäuser,  private 
Unterstützung  der,  in  Italien  552,  neue 
—  in  Strassburg  719,  Vorschläge  zur 
Gründung  eines  —  mit  freier  Arztwahl 
in  München,  von  Rommel  733,  Begriff 
des  „öffentlichen“  —  2290,  das  neue 
Allgemeine  —  Barmbeck  2540,  lOOjähr. 
Jubiläum  des  Münchener  Städtischen  — 

2551,  Reform  der  römischen  —  .  .  2648 

Krankenhausärzte,  1.  Hauptversammlung 
der  Vereinigung  der,  566,  735,  Gehalts¬ 
erhöhung  der  —  in  Dresden  ....  2495 
Krankenhausapotheken,  Konferenz  der  .  425 
Krankenhausarzt  und  Privatklinikbesitzer¬ 
frage  .  2879,  2883 

Krankenhausfrage,  Kölner,  von  Lammers  1913 
Krankenhauswresen,  Sonderausstellung  für, 
auf  der  Internat.  Baufacbausstellung  in 

Leipzig . . 1973 

Krankenkassen  s.  a.  Aerzte,  Aerztekammern 
(Verhandlungen  der  bayer.),  Ortskran¬ 
kenkassen,  Kassenarztfrage,  Kassen¬ 
ärzte,  Betriebskrankenkassen  verband, 

Reichs  versichern  ngsordn  un  g,  V  ortrags- 
kommission,  Musterverträge. 

Krankenkassen,  Grundsätze  für  V'erträge 
mit,  in  der  Schweiz  1346,  Einigung 


Sei  te 

zwischen  —  und  Aerzten  in  Bayern 
1639,  von  Scholl  1666,  von  Heilmeier 
2152,  die  Gegenerklärung  der  —  2493, 
Vereinbarungen  der  Berliner  Kassen¬ 
ärzte  mit  den  —  2493,  Anschrciben  des 
Verbandes  Düsseldorfer  —  an  einzelne 

Aerzte  ...  2811 

Krankenkassenmitglieder,  klinische  spe¬ 
zialärztliche  Behandlung  der,  in  Berlin  667 
Krankenkassenstatistik,  von  Rambousek  1895 
Krankenkassen  Verhältnisse,  Verschiebun¬ 
gen  in  der  Berliner  1509,  2708,  2764,  2820 

Krankenpflegelehrbuch . H27 

Krankenpfleger,  mehrl  von  Merkel  .  .  .  1044 

Krankenpflegerinnen,  Lage  der . 389 

Krankenpflegeschule  in  Dresden  1015,  — 

in  Wien .  2095 

Krankenpflegewoson,  Reform  des  Berliner 
1509,  Zentralstelle  für  —  für  Gross- 

Berlin  . 2319 

Krankenversicherung,  Nachschlagebuch 
zur,  von  Wiedomann  367,  zur  Einfüh¬ 
rung  der  neuen  —  Warnung  736,  847, 

die  —  in  Bayern . 2710 

Kranken-  und  Unfallversicherungsgesetz, 
Durchführung  des,  in  der  Schweiz  .  .  152 
Krankenwagen,  Fortschaffung  von  .  .  .  2753 
Krankheit  und  soziale  Lage,  von  Mosse 
und  Tugondreich  425,  1837,  Taschen¬ 
buch  zur  Untersuchung  nervöser  und 
psychischer — ,  von  Cimbal  1104,  Lehr¬ 
buch  der  klinischen  Diagnostik  innerer 
— ,  von  Krause  1389,  traumatische  Ent¬ 
stehung  innerer  — ,  von  Stern  1559, 
alimentäre  — ,  von  Saltykow  2014,  ana¬ 
tomische  Grundlagen  wichtiger  — ,  von 
Jores  2064,  präkanzeröse  — ,  von  v.  Han¬ 
semann  2297,  Konstitution  und  — ,von 
Hart  2297,  spezielle  Pathologie  und 
Therapie  innerer  — ,  von  Krauß  und 
Brugsch  2352,  die  acht  ansteckenden  — 

•  einer  Basler  Ratsverorordnung  vom 
Jahre  1350,  von  Sudhoff  2377,  alimen¬ 
täre  —  der  Versuchstiere,  von  Salty¬ 
kow  . 2418 

Krankheitsbilder,  die  wichtigsten,  der  in¬ 
neren  Medizin  in  Statusform,  von 

Engelen . 499 

Krankheitszeichen  und  ihre  Auslegung, 

von  Mackenzie . 1948 

Krankheitszustände,  Pathologie  undThera- 
pie  der  plötzlich  das  Leben  gefährden¬ 
den  — ,  von  Lenzmann . 1613 

Kraurosis  und  Kankroid,  von  Teuffel  .  .  1678 

Kreatin-  und  Kreatininausscheidung  bei 
Diabetikern,  von  Bürger  und  Machwitz  2853 
Krebs  s.  a.  Cancer,  Karzinom,  Tierkrebs. 

Krebs,  Elektrokoagulation  bei,  von  Abel 
275,  Beeinflussbarkeit  tiefliegender  — 
durch  strahlende  Energie,  von  Aschoff, 

Krönig  und  Gauss  337,  Kombination 
von  —  und  Tuberkulose  in  metastatisch 
erkrankten  Drüsen,  von  Krische  428, 
neues  Heilmittel  gegen  — ,  von  Comite 
487,  Czerny  über  Entstehung  und  Be¬ 
handlung  des  —  in  der  Urania  in  Berlin 
734,  lokale  Häufigkeit  des  —  in  Nairn- 
shire,  von  Green  941,  Behandlung  des 
operablen  —  mit  Fulguration,  von  De 
Keating-Hart  950,  Selbstheilungsvor¬ 
gänge  in  — ,  von  Schiissler  952,  Sero¬ 
diagnose  des  — ,  von  Isabolinsky  und 
Dychno  998,  künstliche  Erzeugung  von 
— ,  von  v.  Hansemann  1068,  Silicium 
und  Arsen  bei  der  Behandlung  des  — , 
von  Vörner  1120,  primärer  —  in  Jeju¬ 
num  und  Ueum,  von  Carlsson  1170, 
operatiouslose  Behandlung  des  — ,  von 
Krönig  und  Gauss  1403,  Behandlung 
des  —  mit  Röntgenlicht  und  Mesotho¬ 
rium,  von  Krönig  und  Gauss  1507,  An¬ 
wendung  der  physikalisch-chemischen 
Behandlung  des  — ,  von  Caspary  1907, 
Aetiologie  des  — ,  von  Fibiger  1908, 
Behandlung  des  —  mit  Mesothorium, 
von  Pinkuss  2072,  chemisch-physika¬ 
lische  Behandlungsmethoden  des  — 
im  Samariterhaus,  von  Werner  2100, 
Radiumbehandlung  des  — ,  von  Latzko 

5* 


LXVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


2920 


2644 


1858 


1956 

2710 


Seite 

und  Schüller  2195,  Referate  über  — , 
von  Bashford  2259,  von  Freund  2260, 

—  und  Infektion,  von  Schmidt  2863, 
Kadiumtherapie  des  — ,  von  Latzko 
2370,  Vakzinationstherapie  des  — ,  von 

Rinkuss  und  lvluninger . 2419 

Krebsbehandlung,  Diskussion  über  nicht¬ 
operative  .  . . 1/97 

Krebsbehandlungsmethode,  die,  Dr.Zellers, 

von  Schick  .  97 

Krebschirurgie  durch  Fulguration,  von 

Juge  . • 

Krebsdiagnose,  die  Reaktion  des  Blut¬ 
serums  als  Hilfsmittel  zur,  von  Stur¬ 
rock  . . 

Krebsforschung,  3.  internat.  Konferenz  für 
846,  959,  13j9,  1471,  1639,  19u7,  Badi¬ 
sches  Landeskomitee  für  —  1797,  die 

Scbmidtsche  — . 

Krebsgeschwülste,  Vorkommen  von,  in 
tropischen  Ländern,  von  Löhlein  .  . 
Krebsgesellschaft,  Jahresversammlung  der 

k.  k .  . .  • 

Krebskranke,  kolloidaler  Stickstoff  im 
Harn  von,  von  Rosowa  997,  Störungen 
im  Eiweissstoff  Wechsel  von — ,  von  öaxl 
1236,  chemotherapeutische  Versuche 
an  —  mittels  Selenjodmethylenblau, 
von  Braunstein  1398,  diagnostische 
Bedeutung  des  erhöhten  Gehaltes  an 
neutralem  Schwefel  im  Harn  bei  — ,  von 
Alexejew  1622,  Retention  der  Chloride 
bei  — ,  von  Kobin  1750,  Fürsorge  für 
die  — ,  von  Blumenthal  19üy,  Fliege 

der  — ,  von  Meyer . 1909 

Krebskrankheit,  Bekämpfung  der  279, 
Ausschuss  zur  Erforschung  u.  Bekämp¬ 
fung  der  —  o67,  Krebsspital  und  In¬ 
stitut  zur  Bekämpfung  der  —  in  Wien 
1171,  Statistik  der  — ,  von  Rosenthal 
1908,  Zahl  der  an  —  Gestorbenen  in 
Freussen  2496,  Unfall  und  — ,  von 

Löwenstein  .  2645 

Kreisarztprüfung  in  Freussen . 1752 

Kreislauf  und  Lunge,  von  Stähelin  1390, 
Fhysiologie  des  — ,  von  Kothberger 
1672,  operative  Herstellung  eines  neuen 
—  durch  die  Leber,  von  Weber  .  .  2190 
Kreislaufdiagnostik,  Untersuchungen  über, 

mit  dem  Energometer,  von  liapke  .  1473 
Kreisläufe!  krankungen,  Untersuchungs- 

methoden  bei,  von  Hirschfelder  .  .  .  2077 
Kreislaufstörungen,  Balneotherapie  der, 
von  Müller  893,  Diättherapie  der  — , 
von  Vaquez  893,  Kinesitherapie  der 
— ,  von  Zander  893,  kliniseh-balneo- 
logische  Therapie  der  — ,  von  Lewin- 
sohn  947,  Balneotherapie  der  —  im 
Kohlensaurestahibad  und  im  Solbad, 
von  Krone  947,  Fhlebostase  bei  — , 
von  Lihenstein  948,  Wert  der  Karell- 
kur  zur  Behandlung  von  — ,  von  Wit- 

tich . 1276 

Kreislaufstudien,  von  Ribbert  .  ...  2418 

Krematorium  in  Augsburg . 1302 

Kretinismus,  sporadischer,  bei  Geschwis¬ 
tern,  von  (John  106,  gegen  die  VVasser- 
ätiologie  des  — ,  von  Kutschera  393, 
Myxoedem  und  — ,  von  Wagner  v.  Jau- 
regg  1159,  Bekämpfung  des  — ,  von  v. 
Kutschera 2375,  typisch.  — ,  vonKeilner  2545 
Kresolseife,  desinfizierende  Wirkung  der, 

von  Waterstradt . 1958 

Krieg  s.  a.  geistige  Erkrankungen,  Balkan¬ 
krieg. 

Krieg,  sanitäre  Vorbereitungen  für  einen, 
von  Hochenegg  2073,  Seucheugefahr 

im  — ,  von  Landgraf . 2301 

Kriegsbereitschaft,  die  sanitäre,  der  öster¬ 
reichischen  Monarchie . 446 

Kriegschirurgie,  die,  im  Balkankriege  1693, 
moderne  — ,  von  Subbotitsch  1694,  die 
—  als  physiologische  Chirurgie,  von 

Klapp  .....  1694 

Kriegschirurgische  Betrachtungen  aus  Kon¬ 
stantinopel,  von  Klemens  .  .  ...  .  2652 
Kriegschirurgische  Eindrücke  u.  Beobach¬ 
tungen  vom  Balkankrieg,  von  Fraenkel  331 


Seite 


s.  a.  Re- 


1058 


2497 

609 


928 

1302 


1957 


2247 


Kriegschirurgische  Erfahrungen 
servelazarett. 

Kriegschirurgische  Erfahrungen,  von  Exner 
275,  von  Heyrovsky  276,  von  Breitner 
675,  von  Clanmont  939,  —  im  Deutschen 
Roten  Kreuz-Lazarett  in  Belgrad,  von 
Mühsam  773,  —  im  letzten  Balkankrieg, 
von  Fucher  787,  —  über  Aneurysmen, 

von  v.  Frisch . 

Kriegschirurgische  Verletzungen,  Behand¬ 
lung  der,  im  Balkankrieg,  ,von  Herhold  2249 

Kriegserlahrungen,  von  Frank . 1056 

Kriegslazarette,  aus  den  griechischen,  zu 
Saloniki  und  Athen  am  Ausgang  des 
zweiten  Balkankrieges,  von  Friedrich 
Kriegssanitätsdienst  und  Ausrüstung,  von 

Scumiedicke . 

Kriegsschauplatz,  vom  türkisch-bulgarisch. 

109,  vom  —  in  Montenegro,  von  v.  Dü¬ 
ring  . . 

Kriegsseuchen,  internationale  Hilfe  gegen, 

320, 

Kriegsverletzungen,  wichtige,  von  Coenen 
831,  —  während  des  japanisch  russisch. 

Krieges . • 

Kristalle,  flüssige,  im  tierischen  Organis¬ 
mus,  von  Ghalatow . 

Kropf  s.  a  Struma. 

Kropf,  beiderseitige  Resektion  oder  ein¬ 
seitige  Exstirpation  des,  von  Tietze 
206,  gegen  die  Wasseraetiologie  des 
—  und  des  Kretinismus,  von  Kut¬ 
schera  393,  899,  geographische  Ver¬ 
breitung  des  —  in  Baden,  von  Mer- 
ckens  551,  organabbauende  Fermente 
im  Serum  bei  endemischem  — ,  von 
Bauer  939,  Blutgerinnung  bei  ende¬ 
mischem  — ,  von  Bauer  1001,  Röntgen¬ 
strahlen  bei  mtraihorakalem  — ,  von 
Crotti  1224,  vier  — ,  von  Ries  1522, 
Aetiologie  des  endemischen  — ,  von 
Bircher  1559,  Studien  über  den  ende¬ 
mischen  — ,  von  Dieterle,  Hirschfeld 
und  Klingel'  1813,  2916,  von  Hirsch¬ 
feld  und  Klinger  1814,  von  Bircher 
1976,  die  Vakzine  theiapie  des  — , 
von  Gereda  1904,  Aetiologie  des  en¬ 
demischen  — ,  von  McCarrison  1953, 

—  und  Meersalz,  von  Taussig  .  .  . 
Kropfendemie  und  Radioaktivität,  von 

Hesse  .......  . 1336 

Kropferzeugung,  künstliche,  von  Blauel 

und  Reich . 882 

Kropfextrakt,  intravenöse  Injektionen  von, 

von  Blackford  und  Sanford .  2592 

Kropfherz,  Röntgenbefunde  bei,  von  Bauer 
und  Heim  881,  Entstehung  des  mecha¬ 
nischen  — ,  von  Strobel . 1008 

Kropfoperation,  Funktionsstörungen  der 

Nachbarorgane  nach,  von  Famperl  .  .  2744 
Kruralisneuralgie,  latente  Form  von,  und 
ihre  diagnostische  Bedeutung,  von 

Lapinsky  .  2422 

Krychka  Dr.  A.  J.  f . 113 

Kubitaldrüsenschweilungen,  von  Götzky  1279 
Küche,  die  elektrische,  von  Sternfeld  712, 

von  Disquö  .  ...  1501 

Kuhmilch,  Reaktion  zur  Unterscheidung 
von,  und  Frauenmilch,  von  Bauer  659, 
die  kaseiu  -  fettangereicherte  —  als 
Dauer-  und  Heilnahrung,  von  Heim 
und  John  1045,  Ausnutzung  von  Voll¬ 
milch  und  kaseinangereicherter  — ,  von 

Frank . •  . 

Kuhmilchidiosynkrasie  bei  Säuglingen, 

von  .Neuhaus  und  Schaub . 

Kukullarisdefekt,  Faszienplastik  bei  kon¬ 
genitalem,  von  Gramer  .......  1163 

Kultur,  die,  der  Gegenwart,  von  Henne¬ 
berg  .  2850 

Kumysbehandlung  bei  Tuberkulösen,  von 

Giinczikow . 1287 

Kunst,  die,  Monatshefte  für  freie  und 

angewandte  Kunst . 2152 

Kunstfehler,  Haftung  des  Arztes  für  einen  873 
Kunstgeburten,  Stellung  der  verschie¬ 
denen,  von  v.  d.  Hoeven . 1447 

Kunstgesang  und  Wissenschaft,  von  Barth  209 


2481 


Seite 

Kupfermünze  s.  u.  signe  du  sou. 

Kurort  s.  a.  Frauenkurort. 

Kurorte,  Diät  in,  von  Strauss,  Pariser  und 
Linossier  947,  chemische  Nahrungs¬ 
mittelvergiftungen  in  — ,  von  Schrumpf 
947,  vergleichende  Klimatik  der  — , 
von  Frankenhäuser  948,  Ptomain- 
vergiftungen  an  — ,  von  Schrumpf  .  2473 
Kurpfuscher,  Verurteilung  des,  Bauer  623, 

Verurteilung  eines  — . 846 

Kurpfuschertum,  Bitte  der  Deutschen  Ge¬ 
sellschaft  zur  Bekämpfung  des,  .  _  .  1240 
Kurse  über  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 

in  München . 891 

Kurzsichtigkeit,  Entstehung  der,  von 

Levinsohn . .  .  1512 

Kutanreaktion  s.  a.  Pirquetsche  Reaktion. 
Kutanreaktion  bei  der  Lues,  von  Fischer 
und  Klausner  107,  149,  v.  Pirquetsche 

—  im  Dienste  der  Schwindsuchtspro¬ 
phylaxe,  von  Büttner-  W« -bst  133,  dia¬ 
gnostischer  Wert  der  quantitativen  — , 
von  Ostenfeld  und  Permin  550,  Be¬ 
einflussung  der  v.  Pirquetschen  —  durch 
das  serum  Tuberkulöser,  von  Petrowa 
997,  Veränderungen  der  v.  Pirquetschen 

—  bei  Tuberkulösen  unter  Kumys¬ 
behandlung,  von  Giinczikow  1287,  — 
auf  tertiäre  Syphilis  von  Klausner  1399, 

—  nach  Pirquet  bei  gesunder  und 

erkrankter  Haut,  von  Oppenheim  und 
Wechsler  . .  •  •  2918 

Kutireaktion,  quantitative,  von  Morland 
887,  üie  —  bei  Gonorrhöe,  vonDmitrijew 
1623,  —  von  Noguchi  bei  Syphilis, 
von  Faginoli  und  Fisichella  2248,  die 

—  bei  Syphilis,  von  Citron  2541,  zur 

—  bei  Lues,  von  Müller  und  Stein  2691,  2918 

Kutner  Prof.  Dr.  f .  2317,  2320 

Kyger,  Prof.  Dr.  J.  W.  f  . 1360 

Kysiophotographie,  Lehrbuch  der,  von 

Fromme  und  Ringleb  . .  1501 


2071 

1505 


Lab,  Wesenseinheit  von,  und  Pepsin,  von 

Rütimeyer . 146 

Laboraturiumshilfsbuch,  medizinisch-che¬ 
misches,  von  Fincussohn  . 1160 

Labyrinth,  artifizielle,  postmortale  und 
agonale  Beeinflussung  der  histolo¬ 
gischen  Befunde  im  membranösen,  von 
Witimaack  und  Laurowitsch  774,  Ex¬ 
stirpation  des  vestibulären  — ,  von 
Richter  775,  Trepanation  des  — ,  von 
Botey  1225,  Spätmeningitis  nach  Bruch 
des  — ,  von  Klestadt  1569,  Heilungs¬ 
vorgänge  im  entzündlich  erkrankten  — , 
von  Herzog  1569,  Beziehungen  entzünd¬ 
licher  Vorgänge  im  —  zur  Degeneration 
in  den  Nervenendapparaten,  von  Zange 
1569,  zur  Kenntnis  des  häutigen  — , 

von  Benjamins . .  •  •  2140 

Labyrmthäre  Interferenz,  von  Brünings  .  1568 
Labyrintheiterung,  von  Wassermann  .  899 

Labyrinthentzündung,  tympanogene,  von 

Zange  .  ......  1569 

Labyrintherkrankung,  Histologie  der  tuber¬ 
kulösen,  von  Ruttin . 1568 

Labyrinthfistel,  von  Hofer . 1569 

Labyrinthinfektionen  bei  Mittelohrent¬ 
zündung,  von  Zange . 1569 


Lachapelle  Prof.  Dr.  S.  f 
Lachgas  und  Sauerstoff  als  Anästheti- 
kum,  von  Guy  und  Ross  .  .  .  .  . 
Lachgas-Sauerstoffnarkose,  von  Zweifel  . 
Lähmung  s.  a.  Stoffelsche  Operation. 
Lähmung,  isolierte  traumatische,  des  N. 
suprascapularis,  von  Behrend  429,  die 
spastischen  —  der  Kinder  und  ihre 
Behandlung,  von  ßiesalski  434,  —  durch 
eine  Hg-lnjektion,  von  Böttiger  436, 
chirurgische  Behandlung  der  spa¬ 
stischen  —  der  Oberextremität,  von 
Menciöre  548,  ein-  und  gleichzeitige 
der  Vagus-,  Akzessorius-,  Glossopharyn- 
gensgruppe,  von  Siebenmann  774,  spon- 


1640 

942 

2308 


1913. 


LXIX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

dylitische  — ,  von  Bade  780,  Behand¬ 
lung  der  spastischen  — ,  von  Stoffel  780, 
spastische  —  bei  intakter  Pyramiden¬ 
bahn,  von  Spielmeyer  956,  postnar¬ 
kotische  — ,  von  Königer  1011,  — 
des  Armes,  von  Katzenstein  1068, 
Muskelgriippenisolierung  zur  Beseiti¬ 
gung  spastischer  — ,  von  Allison  1339, 
Stoffelsche  Operation  bei  spastischer 
— ,  von  Hohmann  1369,  Behandlung 
der  spondylitischen  — ,  von  Bade  1432, 
Uebungsbehandlung  bei  — ,  von  Ale¬ 
xander  1502,  spätrachitische  — ,  von 
Offmann  1512,  operative  —  des  M.  trian- 
gularis,  von  Walzberg  1563,  von  Manasse 
1950, das  phylogenetische  Moment  in  der 
spastischen  — ,  von  Förster  1566,  ge¬ 
neralisierte,  postdiphtheritische  — ,  von 
Dunker  1842,  Pathogenese  und  Klinik 
der  zerebralen  postdiphtherischen  — , 
von  Dynkin  1901,  Behandlung  der  spa¬ 
stischen  — ,  von  Hohmann  2091,  Here- 
dodegeneration  und  postdiphtherische 
— ,  von  Benedict  2137,  Behandlung 
der  postdiphtheritischen  — ,  von  Chais 
2423,  schlaffe  —  aller  Extremitäten  und 
des  Rumpfes,  von  Infeld  2488,  isolierte 
—  des  M.  glutaeus  med.  et  min.  nach 
Unfall,  von  Erfurth  265,  isolierte  —  des 
N.  axillaris,  von  Onrschmann  ....  2864 
Lähmungstypus  bei  Rinderherden,  von 

Reich  .  . . 2136 

Längenwachstum,  abnormes,  von  Mohr  .  610 
Längsschnitt,  der  ulnare,  von  v.  Saar  und 
Schwamberger  1504,  —  oder  Quer¬ 
schnitt,  von  Hellendall . 1505 

Lävulosurie,  spontane,  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Gräfenberg  1349,  —  bei 
Trypanosomiasis,  von  Schern  und  Ci- 
tron  1620,  alimentäre  —  bei  chroni¬ 
schen  Nephritiden,  von  Franke  .  .  .  1682 
Lagerungsvorrichtung,  freistehende,  Sy¬ 
stem  Sichlinger  . .  2753 

Laktation  der  Frau,  von  Risel  673,  Phy¬ 
siologie  der  — ,  von  Bamberg  ....  1219 
Laminariadilatation ,  tödliche  Peritonitis 

nach,  von  Hüssy . 922 

Lampe,  neue,  zur  Diaphanoskopie  und 

Endoskopie,  von  Reuter . 1548 

Landärzte,  Kampf  der  niederösterreichi¬ 
schen,  mitden  Krankenkassenleitungen  2250 
Landerziehungsheime,  Bedeutung  der,  von 


Lietz  1632,  von  Sexauer  .  .  .  .  1632 

Landesgewerbearzt,  Tätigkeit  des  bayeri¬ 
schen  . 1891 

Landesverband,  bayerischer,  zur  Bekämp¬ 
fung  der  Tuberkulose  . 846 

Landgraf  Wilhelm  von  Hessen,  die  Er¬ 
krankung  des,  von  Schelenz  ....  2482 
Landheim  Eberstadt  für  Unfallverletzte 

und  Invalide . 2319 

Landkartenzunge,  von  Groos .  2360 

Landkolonien  für  Unfallverletzte  und  In¬ 
valide,  von  Rigler . 657 

Landschafter,  Erfahrungen  eines  alten, 

von  Mentor . 1275 

Langenbeck-Virchow-Haus,  Bau  des  .  .  2594 
Langerhanssche  Inseln,  Bau  und  Funk¬ 
tion  der,  von  Grinew  1286 ,  —  des 

Pankreas,  von  Else . 1682 

Lautschner  Prof.  Dr.  f  .  ......  224 


Laparoskopie,  von  Renon  2078,  —  Thora¬ 
koskopie,  von  Jacobaeus  ...  711,  2078 

Laparotomie,  Verwendung  des  Luffa¬ 
schwammes  bei  der,  von  Thies  259, 
Vorbeugung  postoperativer  Peritonitis 
bei  verschmutzten  — ,  von  v.  Herff  259, 
subkutanes  Emphysem  nach  — ,  von 
Gergö  936,  neues  Rahmenspekulum 
für  — ,  von  Kautt  und  Brenner  1448, 
Bedeutung  der  Anästhesie  für  den  Ver¬ 
lauf  der  — ,  von  Finsterer  2195,  Be¬ 
urteilung  postoperativer  Beschwerden 
nach  — ,  von  Linkenfeld  2297,  bak¬ 
teriologische  Kontrolle  der  Asepsis  bei 
gynäkologischer  — ,  von  Sigwart  ,  .  .  2803 
Laparatomienarbe,  Knochenbildungin  der, 

von  Hannes .  2370 


Seite 

Laparotomierte,  Nachbehandlung  von,  von 

Kleinschmidt . 1559 

Lappendeckung,  Kuhntsche,  von  Schnau- 

digel . 1909 

Lappen-Elephantiasis,  von  Payr  .  .  .  .  1743 

Larosan,  einfacher  Ersatz  der  Eiweissmilc.h, 
von  Stoeltzner  291,  von  Forcart  1199, 
neue  Anwendungsform  von  — ,  von 

Wehner  .  .  •  2536 

Larosanmilch  bei  Ernährungsstörungen 
der  Säuglinge,  von  Stawsky  2810,  — 
als  Ersatz  der  Finkelsteinschen  Eiweiss¬ 
milch,  von  Curschmann .  2864 

Laryngitis,  Behandlung  der  Dysphagie  bei 

tuberkulöser, »von  Combier  Creusot  .  ,  266 
Laryngologische  Untersuchungsmethoden, 

von  Kahler .  ...  .2198 

Laryngo-Rhinologie,  Referat  über  262,  828,  1792, 

2360 

Laryngoscopie,  traitd  de,  et  de  Laryngo- 


logie  opdratoire  et  clinique,  von  Heryng  34 
Laryngoskopie  bei  geschlossenem  Munde 

von  Flatau . 209 

Laryngo-Tracheoskopie,  direkte,  und  Bron¬ 
choskopie,  von  Gugenheim  ...  .  618 

Larynx,  sekundäres  Karzinom  des,  von 
Lannois  et  Moncharmont  266,  Radium¬ 


träger  für  den  — ,  von  Neumann  .  .  1793 
Larynxerkrankungen,  Häufigkeit  der  tuber¬ 


kulösen,  von  Bingler  . 1561 

Larynxexstirpationen,  von  Gluck  ....  2252 
Larynxfraktur,  4  Fälle  von,  von  Downie  266 
Larynxkarzinome,  Endresultate  zweier,  von 
Deila  Vedova  u  Castellani  1792,  ope¬ 
riertes  — ,  von  Evans  . 2018 

Larynxstenose,  chirurgische  Behandlung 
der,  nach  Rekurrenslähmung,  von  Mo¬ 
linie  .  2361 

Larynxtuberkulosen  unter  der  Pneumo¬ 
thoraxbehandlung,  von  Winckler  .  .  .  2360 
Larynxtumoren,  kleinste,  und  ihre  Behand¬ 
lung,  von  Krüger . 209 


Lateralsklerose,  amyotrophische,  nach 
Trauma,  von  Speck  376,  Varietäten 
der  amyotrophischen  — ,  von  Starker 
2136,  die  amyotrophische  — ,  von 

Mendel .  2645 

Leben,  Ursprung  des,  von  Bastian  886, 
Versicherung  minderwertiger  — ,  von 
Feilchenfeld  2699,  —  und  Arbeit,  von 

Freund .  2799 

Lebensmittelgewerbe,  des,  von  v.  Buchka  1335 
Lebensversicherungsgesellschaften,  Ab¬ 
schluss  der  Verträge  mit  den,  in  Oester¬ 
reich  320,  Todesursachenstatistik  der 
Berliner  — ,  von  Eisenstadt  .  .  .  2699 

Leber,  Verletzungen  der,  und  der  Gallen¬ 
blase,  von  Thöle  198,  Pigmentbildung 
in  der  — ,  von  Sprunt  und  Colwell 
486,  knotige  Hyperplasie  der  — ,  von 
Yokoyama  und  Fischer  601,  Chorio- 
epithcliome  der  — ,  von  Paltauf  1069, 
Chirurgie  der  —  und  des  Pankreas, 
von  Burkhardt  1155,  die  Krankheiten 
dor  — ,  von  Quincke  und  Hoppe-Seyler 
1334,  gleichzeitige  Erkrankung  des  Ge¬ 
hirns  und  der  — ,  von  Schütte  1449, 
primäres  Angioendotheliom  der  — , 
von  Fischer  1449,  primäres  Chorion¬ 
epitheliom  der  — ,  von  Fischer  1450, 
Verhalten  der  —  zur  Tuberkulose  und 
Zirrhose,  von  Lorentz  1561,  Vergrösse- 
rung  der  —  während  der  Menstruation, 
von  Dibailow  1623,  Funktionsprüfung 
der  — ,  von  Strauss  2078,  von  Rown- 
tree  2078,  von  Hohlweg  2271,  zur  Pa¬ 
thologie  der  — ,  von  Gundermann  2332, 
Abkapselung  von  tuberkulösen  Herden 
in  der  — ,  von  Jenny  2418,  Zonendege¬ 
neration  der  —  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Heinrichsdorff  2420,  zen¬ 
trale  Läppchennekrose  in  der  — ,  von 
Fischler  2585,  Funktion  der  —  in  der 
Gravidität,  von  Neu  und  Keller  2688, 
perkutorisch  e  U ntersuchungsmethode 

der  — ,  von  Orlowski .  2852 

Leberabszesse,  Entstehung  von,  auf  rück¬ 
läufigem  Wege,  von  Reiniger  1679, 


Seite 

Diagnose  und  Behandlung  der  dysen¬ 
terischen  — ,  von  Müller . 1956 

Leberatrophie,  die  bei  der  akuten  gelben, 
auf  tretenden  Regenorationsprozesse, 

von  Hess . 1340 

Leheransschaltung,  Einfluss  der,  auf  den 
respiratorischen  Stoffwechsel ,  von 
Fischler  und  Grafe  36,  Verwertung 
von  Laktose  und  Galaktose  nach  par¬ 
tieller  — ,  von  Draudt . 1679 

Leberechinokokken,  spontane  Vereiterung 

von,  von  Rittershaus  ......  2009 

Lebererkrankungen, Stoffwechselfunktions¬ 
prüfung  bei,  von  Bier .  2302 

Leberfunktionen,  Histologie  der,  von  Berg 
105,  zur  — ,  von  Fischler  437,  dia¬ 
gnostische  Feststellung  der  — ,  von 

Ghedini . 483 

Lebergeschwülste,  Chirurgie  der,  von  Thöle  1782 

Leberglukosurie,  von  Neubauer . 2191 

Lebergummen,  Histologie  und  Genese  der 
miliaren,  von  v.  Werdt . 1220 


Leherkarzinom,  chemische  Zusammen¬ 
setzung  des,  von  Robin  901,  primäres 

—  im  Säuglingsalter,  von  Idzumi  1615, 

durch  Operation  geheilter  Fall  von  soli¬ 
tärem  — ,  von  Schlimpert .  2639 

Leberkrankheiten,  Chloroformnarkose  und, 
von  Hildebrandt  527,  die  — ,  von  Ewald 
2187,  Diagnose  der  — ,  von  Breitmann  2473 
Leberoperationen  s.  u.  Blutstillung. 
Leberresektion,  von  Lindner  203,  neues 
Verfahren  für  ausgedehnte  — ,  von 
Kornew  und  Schaack  1447,  Verwend¬ 
barkeit  der  Fascia  lata  bei — ,vonChessin  1787 
Leberruptur,  subkutane,  von  Flath  75,  zur 

—  und  Gallengangsruptur,  von  Orth 
1786,  intrahepatische,  —  von  Krall  .  .  1970 

Lebersarkom,  primäres,  von  Beckmann  .  2705 
Leberschwellung,  perakute,  von  v.  Brunn  2533 
Lebersyphilis,  tertiäre,  von  McCrae  .  .  .  485 
Leberverletzungen,  Bradykardie  bei,  von 
Rubaschow  1162,  von  Finsterer  1162, 

Puls  verlangsamung  bei  — ,  vonKirchen- 

berger . 1732 

Leherwunden,  Blutstillung  bei, von  Jacquin  1458 
Leberzellen, Kupffersche,  vonBianchi  1167, 

—  bei  Stoffwechselazidosis,  von  Duker  2141 
Leberzirrhose,  von  Gerhardt  106,  956,  ex¬ 
perimentell  erzeugte  — ,  von  Ogata  826, 
Leukozytenzählungen  bei  der  — ,  von  Ro¬ 
gers  886,  —  und  Kalkinfarkt  der  Nieren¬ 
pyramiden,  von  Goldschmidt  1340,  — 
durch  intrahepatische  Gallensteine,  von 
Fischer  1460,  Ueberpflanzung  der  V. 
mesent.  sup.  in  die  V.  cava  inf.  bei — , 

von  Bogoras  1621,  Duodenalernährung 
bei  der  — ,  von  Einhorn  2137,  diffuse 
Gehirnveränderungen  hei  — ,  von  de 
Josselin  deJonguud  vanWoerkom  2140, 
zur  Lehre  der  — ,  von  Ssobolew  2248, 
alkoholische  — ,  von  Schafir  2418,  ex¬ 
perimentelle  Cholesterin — ,  vonChala- 

tow .  2588 

Leberzysten,  solitäre  nicht  parasitäre,  von 

Sonntag .  2354 

Lederstaub,  Gefährlichkeit  des,  von  Holtz- 

mann . 311 

Legat  Exz.  v.  Vogls . 1975 

Lehrbuch  der  allgemeinen  Chirurgie,  — 
von  Lexer  32,  —  der  Hebammenkunst, 
von  Herrenschneider  33,  —  der  Säug¬ 
lingskrankheiten,  von  Finkeistein  33, 

—  der  Chirurgie,  von  Wullstein-Wilms 
142,  —  für  Schülerinnen  des  Heb¬ 
ammenkurses,  von  Piskacek  199,  — 
der  gerichtlichen  Psychiatrie,  von  Bi- 
schoff  256,  —  der  Militärhygiene,  von 
Bischoff,  Hoffmann,  Schwiening  309, 

—  der  Haut-  und  Geschlechtsleiden 
einschliesslich  derKosmetik.vonJessner 
366,  —  der  Histologie,  von  Stöhr  479,  — ■ 
der  Palaeozoologie,  von  Stromer  v.  Rei 
chenbach  480,  —  der  chirurgischen 
Operationen,  von  Krause  und  Heymann 

540,  —  der  Augenheilkunde,  von  Römer 

541,  —  der  klinischen  Untersuchungs¬ 
methoden,  von  Sahli  598,  —  der  Pharma- 


LXX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


kologie,  von  Poulsson  657,  —  der 

Augenheilkunde,  von  Axenfeld  710,  — 
der  spez.  Diagnostik  und  Therapie  der 
Lungentuberkulose,  von  Bandelier  und 
Röpke  823,  —  der  Militärhygiene  879, 

—  der  topographischen  Anatomie,  von 
Corning  989,  —  der  Krankheiten  des 
Ohres  und  der  Luftwege,  von  Denker 

u.  Brünings  990,  —  der  konservierenden 
Zahnheilkunde,  von  Preiswerk  991,  — 
der  Zahnkrankheiten,  von  Mayrhofer 
991,  —  der  Physik,  von  Lecher  1043, 

—  der  Kinderheilkunde,  von  Feer, 
Finkeistein,  Ibrahim,  Meyer,  Moro, 

v.  Pirquet,  v.  Pfaundler,  Thiemich  und 
Tobler  1043,  Landois’  —  der  Physiologie, 
von  Rosemann  1103,  2530,  —  der  Des¬ 
infektion,  von  Croner  1104,  —  der  allge¬ 
meinen  Chirurgie,  von  Tillmanns  1214, 

—  der  klinischen  Diagnostik  innerer 
Krankheiten,  von  Krause  1389,  —  der 
Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrank¬ 
heiten,  von  Körner  1390,  Oppenheimers 

—  der  Nervenkrankheiten  1416,  —  der 
Lokalanästhesie,  von  Hirschei  1445,  — 
der  Kystophotographie,  von  Fromme 
und  Ringleb  1501,  —  der  Sprachheil¬ 
kunde,  von  Fröschels  1613,  —  der  ge¬ 
richtlichen  Medizin,  von  Kratter  1837, 

—  der  Geburtshilfe  für  Hebammen,  von 
Fehling -Wal eher  1949,  —  der  Physi¬ 
ologie,  von  Tigerstedt  2128,  —  der  ver¬ 
gleichenden  mikroskopischen  Anatomie 
der  Wirbeltiere,  von  Oppel  2128,  —  der 
Nervenkrankheiten,  von  Bing  2187, 

—  der  Röntgenkunde,  von  Rieder- 
Rosenthal  2295,  —  der  Muskel-  und 
Gelenksmechanik,  von  Strasser  2414, 

—  der  Physiologie,  von  Zuntz  u.  Loewy 

2469,  —  der  Arbeiterversicherungsmedi¬ 
zin,  von  Gumprecht,  Pfarrius  und  Rigler 

2470,  —  der  Nervenkrankheiten,  von 
Oppenheim  2636,  —  der  organischen 
Chemie,  von  v.  Bunge  2741,  —  der  Arz¬ 
neimittellehre,  vop  v.  Tappeiner  . 

Lehrlingsuntersuchungen  in  München, 
von  Epstein  1125,  —  im  Gremium  der 
Wiener  Kaufmannschaft,  von  Neu¬ 
mann  .  1225, 

Leibbinde  für  Enteroptotiker,  von  Arnoldi 
Leibesübungen,  Eintiuss  der,  auf  das 
Elektrokardiogramm  und  die  Funktion 

des  Herzens,  von  Strubell . 

Leichen,  Entstehung  von  Verletzungen 
an,  durch  Tiere,  von  Ziemke  .... 

Leichenzersetzung,  von  Nippe . 

leipziger  Verband,  der,  im  preussischen 
Abgeordnetenhaus  568,  —  u.  Berufs¬ 
buchhandel  875, 1016, 1304,  Vertrauens- 
männerversainmlung  des  —  2655,  2819, 

Witwengabe  des  — . 

Leishmania  infantum  in  Spanien ,  von 
Pittaluga,  Diestro  u.  Vild  ..... 
Leishmaniaanämie,  von  Caronia  .  883, 

Leishmaniosis  s.  u-  Kala-Azar. 
Leistenbruch,  von  Enderlen  1179,  Ur¬ 
sachen  der  Rezidive  nach  Radikalope¬ 
ration  des  — ,  von  Pölya . 

Leistenhernie,  Behandlung  der  indirekten, 
von  Lameris  204,  Technik  der  Radikal¬ 
operation  der  — ,  von  Kleinschmidt 
1929,  die  —  der  weiblichen  Geschlechts¬ 
organe,  von  Daniel  1951,  Methode  zur 
Radikaloperation  von  — ,  von  Davis  . 
Leistenhoden,  operative  Behandlung  des, 

von  Hanusa . 

Leisten-Schenkelbrüche,  295  operativ  be¬ 
handelte,  von  Ingebrigtsen  .  .  .  . 

Leitungswasser,  Entgiftung  bleihaltiger, 

von  Schmidt . 

Leinen  J.  R.  f . 

Lepra,  Verhältnis  des  Bazillus  Hansen  zu 
einigen  bei  —  gezüchteten  Mikro¬ 
organismen,  von  Kutschewsky  und 
Bierger  483,  Kontagiosität  der  — ,  von 
Lindsay  604,  —  der  Ratten,  von  Mar- 
choux  und  Sorel  1048,  die  —  in  den 


Seite 


2696 

90 

902 


773 

1744 

1935 

1123 

1680 


2850 


1895 

2476 


1055 

1281 

1847 


2712 

1224 

2418 


144 


Seealpen,  von  Brocq  u.  Fernet  1070, 
Behandlung  der  —  mit  Nastin,  von 
Schumacher  1956,  Wundheilung  bei  — , 
von  Biehler  2532,  Diathermiebehand¬ 
lung  bei  — ,  von  Unna . -641 

Leprabazillen  im  kreisenden  Blut  der 
Leprakranken  und  im  Herzblut  eines 
Leprafötus ,  von  Rabinowitsch  429, 
Differenzierung  der  —  mittels  Bakte¬ 
riologie,  von  Kraus,  Hofer  und  Islii- 
wara  546,  Züchtung  des  — ,  von  Fraser 

und  Fletcher . _-•••• 

Leprabazillenbefund  im  Inhalt  einer  Kuh¬ 
pockenpustel,  von  Merian  ..... 
Leprabehandlung  mit  Nastin,  von  Rudolph 
Leprahirn,  das,  in  Ossidinge,  von  Mans  feld  195 
Lepröse,  serologische  Untersuchungen  bei, 

von  Möllers . 

Leptomeningitis  anthracica,  von  Herzog 
Leptynol  1839,  von  Kauffmann  525,  1260, 
Versuche  mit  — ,  von  Gorn  .... 
Lesen,  Unfähigkeit,  zu  lernen,  von  Nado- 

leczny . .  •  •  • 

Leuchtgasvergiftung,  von  Heynsius  van 

den  Berg  . .  • 

Leukämie  s.  a.  Lymphoblastenleukämie. 
Leukämie,  die  Benzolbehandlung  der,  und 
sonstiger  Blutkrankheiten,  von  Pappen¬ 
heim  149,  von  Tedesko  265,  mit  Benzol 
behandelte  myelogene  — ,  von  Deutsch 
219,  Therapie  der  — ,  von  Türk  219, 
Benzolbehandlung  der  — ,  von  v.  Ko- 
ranyi  265,  von  Wachtel  430,  zur  Patho¬ 
genese  der  myeloiden  — ,  von  Müller 
439,  Behandlung  der  —  mit  Benzol, 
von  Stern  603,  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  —  mit  Benzol,  von  Hahn  729, 
plasmazelluläre  —  und  Pseudoleukämie, 
von  Ghon  und  Roman  787,  Kernschollen 
bei  lymphatischer  — ,  von  Spuler  und 
Schittenhelm  880,  zur  Lehre  von  der  , 
von  Wiczkowski  885,  Darreichung  von 
Benzol  bei  — ,  von  Sohn  885,  mit 
Thorium  X  behandelte  Fälle  von  , 
von  Grund  1175,  lienale  — ,  von  Blick 
1 176,  zur  Benzolbehandlung  der  — ,  von 
Rösler  1222,  Stoffwechsel  bei  der  lym¬ 
phatischen  —  während  der  Jtöntgen- 
bestrahlung,  von  Cavina  1337,  myelo¬ 
gene  — ,  von  Rodelius  1406,  benzol- 
behandelle  —  mit  eigentümlichem  Ver¬ 
lauf,  von  Jespersen  1566,  Behandlung 
der  —  mit  Benzol,  von  Liachowsky 
1622,  von  Molczanow  1622,  von  üerni- 
dow  1622,  von  Luczewsky  1622,  jetzige 
Behandlung  der  — ,  von  Görl  1688, 
neue  —  durch  echte  Uebergangsformen, 
von  Resliad  und  Schilling  1981,  Benzol¬ 
behandlung  der  — ,  von  Mohr  2146, 
von  Liberow  2422,  Therapie  der  —  mit 
Thorium  X,  von  Rosenow  2214,  Ver¬ 
änderungen  der  oberen  Luftwege  bei 
— ,  von  Safranek  2360,  akute  myelo¬ 
ische  —  oder  Streptokokkensepsis,  von 
Gans  2475,  Benzoltherapie  der  — ,  von 
Mühlmann  2476,  von  Krokiewicz  2590, 
von  Weiss  2860,myeloide  — ,  mit  Benzol 
behandelt,  von  Skorodumow  2808,  Be¬ 
handlung  der- —  mit  Benzol,  von  Astra- 
lymphatische 


1789 

1851 

1398 

218 


2644 

2743 

1169 

1730 

792 


ehanowa  2809,  lymphatische  — ,  von 

Lucksch .  2925  Linkshändigkeit, 

Leukämiebehandlung,  verschiedene  Me¬ 
thoden  der,  und  die  Benzoltherapie, 

von  Betke .  2545 

Leukämischer  Prozess,  Wirkung  des  Ben¬ 
zols  auf  den,  von  Klein . 603 

Leukoblasten  -  Promyelozytcnleukozytose, 

von  Mds  y  Magro  ...  2477 

Leukoderm,  universelles,  von  Zieler  .  .  .  168 

Leukofermantin  statt  Kampferöl,  von  Bir- 

(■her .  2533  I  Linsenektopie , 

Leukozyten,  die,  gesunder  Kinder,  von  meister  .  .  ...  .  ...  •  •  -  • 

Rabinowitsch  205,  Emigration  von  —  Linscnluxation,pathologischeAnatomieder 

bei  der  Entzündung,  von  Yatsushiro  erworbenen,  von  Ask  ...  .  ■  •  .  • 

429,  lokale  Anhäufung  eosinophil-ge-  Lipämie,  diabetische,  von  Hegler  89/,  von 

körnter  —  in  den  Geweben,  von  Fi¬ 
scher  660,  Einfluss  der  —  auf  das 


Seite 

Anaphylatoxin,  von  Spät  1046,  —  im 
Blut  Malariakranker,  von  Scherschmidt 
1399,  sind  die  —  die  Quelle  der  Kom¬ 
plemente?,  von  Lippmann  und  Plesch 
1784,  Verhalten  des  phagozytären  In¬ 
dex  der  — , .  von  Lay  1850,  Degene¬ 
ration  der  —  und  Lymphozytenkerne, 
von  Kronberger  2067,  neue  Differential¬ 
zähltafel  für  — ,  von  Schilling  2356, 

Genese  der  eosinophilen  — ,  von  Mds 

y  Magro . 25  t  t 

Leukozytenbild,  Leukozytenbilder,  rasch¬ 
wirkende  Ileeinflussung  abnormer, 
durch  ein  neues  Verfahren,  von  5  era- 
guth  und  Seyderhelm  2211,  2664,  das 
—  bei  Gesunden  und  Lungentuber¬ 
kulösen  im  Hochgebirge,  von  Baer  und 

Engelsmann . 2800 

Leukozvteneinschlüsse,  diagnostische  Be¬ 
deutung  der  Doehleschen,  von  Beläh 
41,  von  Schwenke  752,  von  Lippmann 
und  Hufschmidt  1106,  von  Lippmann 
1351, vonBrinckmann  1565, von  Dychno  1622 
Leukozytenveränderungen,  von  Glintschi- 

koff' . 

Leukozytenzählung,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der,  von  FiBke . 

Lezithin,  Verdauung  des,  von  Ehrmann 
und  Kruspe  .  .  .  .  •  ..... 

Lichen  ruber  acuminatus,  von  Lieberthal 
Licht,  Einfluss  des,  auf  den  Stoffwechsel, 
von  Pincussohn  894,  keimtötende  Wir¬ 
kung  des  ultravioletten  —  im  Wasser, 
von  Oker-Blom  1341,  Wirkungsart  des 
ultravioletten  —  auf  Bakterien,  von 
Oker-Blom  1341  ,  Behandlung  chir¬ 
urgischer  Tuberkulosen  mit  künst¬ 
lichem  — ,  von  Hagemann  1789,  Hellig¬ 
keitswerte  reiner  —  bei  kurzen  Wir¬ 
kungszeiten,  von  Zahn  2242,  Einwir¬ 
kung  des  ultravioletten  —  auf  das 
Komplement  des  Meerschweinchen¬ 
serums,  von  Abelin  und  Stiner  .  .  . 
Lichtbehandlung  der  chirurgischen  Tuber¬ 
kulose,  von  Vulpius . 

Lichtenergie,  die,  und  ihre  chemischen 

Wirkungen,  von  Weigert . 894 

Lichttherapie,  Ueberblick  über  die  Ent¬ 
wicklung  und  die  Erfolge  der,  in  den 
ersten  15  Jahren,  von  Breiger  ....  363 

licht-  und  Farben  Wahrnehmung,  von  Loeb  2138 
Lidplastik  nach  Biidinger,  von  Hegner  .  159 

Lichtsinn,  Entwicklung  von,  und  Farben¬ 
sinn  im  Tierreich,  von  v.  Hess  .  .  .  2306 
Lichtwirkungen, Augenerkrankungen  durch 

ungeeignete,  von  v.  Hess .  2478 

Liechtenstein  -  Spende  .....  •  •  • 

Lienin-Poehl,  Einfluss  des,  auf  die  Blut¬ 
zusammensetzung,  von  Pezarskaja 
Ligamenta,  neue  Methode  der  intraperito¬ 
nealen  Verkürzung  der,  rotunda,  von 
Langes  205,  438,  von  Stolz  428,  Ventri- 
flxur  der  —  rotunda,  von  Dührssen  259, 
Bildung  eines  —  Suspensorium  ventri- 

culi,  von  Göbell . _  •  2009 

Ligamentfixation,  vaginale,  bei  Retroflexio 

uteri,  von  Schürmann  . 

Lingua  geographica,  von  Jellinek 
Linkshänderin,  Selbstmord  einer, 

Kopfschuss,  von  Tilp . 

_  o  die,  in  der  Unfallver¬ 
sicherung,  von  Marcus  375,  Physiologie 
u.  Pathologie  der  — ,  von  Steiner  1098, 

2031,  ist  —  ein  Zeichen  von  Minder¬ 
wertigkeit,  von  v.  Bardeleben  .... 
inse,  Schnitt  durch  die,  des  Schweines, 
von  Schnaudigel  782,  Extraktion  der  — 
in  der  Kapsel,  von  Strother  Smith  941, 
in  den  Glaskörper  luxierte  — ,  von  Ale¬ 
xander  . 

beiderseitige ,  von  Berg- 


2630 

1079 


1695 

1286 


durch 


2915 

2247 

1847 


2701 


2315 


Fraenkel  897, 
betes  und  — . 


von  Schümm  897,  Dia- 
von  Beumer  u.  Bürger 


675 

2353 


1898 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXl 


Seite 

Lipoide,  die,  und  ihr  Phosphorgehalt  bei 
der  chron  tuberc.  Infektion,  von  Grinew 
1286,  das  doppelt -brechende  —  der 
Nebenniere,  von  Grabowski  1845,  die 
—  im  Uterus,  von  Sugi  2010,  antigene 
Eigenschaften  von  — ,  von  Meyer  .  2801 
Lipoidzellen,  pigmentierte  Netze  tfnd  Kri¬ 
stallimitationen  in,  von  Krompecher  .  2534 

Lipojodin,  von  Roth .  ...  2382 

Lipom,  von  Israel  1737,  symmetrisches  — 
im  inneren  Augenwinkel,  von  Vossius  1513 
Lipomatose,  symmetrische,  von  Wolfsohn  2543 
Lipnmbildung,  retroperitoneale,  von  Ebner  2069 


Liposol . 1889 

Lippenkieferspalte,  von  Hildebrand  .  .  .  1737 


Liquor  cerebrospinalis,  Druckbestimmung 
des,  von  v.  Reichmann  926,  Pathologie 
des  —  bei  otitischen  Komplikationen, 
von  Knick  1569,  Antikörpernachweis  in 
— ,  von  Jaloziecki  1730,  der  —  bei  der 
gewöhnlichen  und  hei  der  Angenmi¬ 
gräne,  von  Sicard  1973,  Kompressions¬ 
syndrom  im  — ,  von  Raven  2355,  Xan- 
tbochromie  des  — ,  von  Schwarz  2533, 
die  Goldreakt'on  im  — ,  von  Eicke  .  2713 
Literatur,  amerikanische  485,  1223,  1851, 

2590,  belgische  —  98,  englische  —  603, 

886,  939,  1732,  1953  2642,  2693,  fran¬ 
zösische  —  547,  1047,  1790,  2537,  hol¬ 
ländische  —  716,  2139,  italienische  — 

487,  1167,  1849,  2750,  nordische  — : 

a)  dänische  549,  1111,  2014,  2357, 

b)  schwedische  1169,  2359,  c)  nor¬ 
wegische  550,  1111,  2072,  rumänische 
—  42,  1050,  2303,  russische  —  662,  995, 

1284, 1621,  2421,  2807,  spanische  -  318, 

1903,  2477 

Literaturangaben,  zur  Psychologie  der  fal¬ 
schen,  von  Berger  652,  von  Reichardt  792 
Lithopädion  im  Mesenterium,  von  Biener  2688 
Lithotripsie  oder  Lithotomie?,  von  Feiber 


247,  Kontrol  e  der  —  durch  die  Zysto- 
skopie,  von  Luys  278,  —  eines  wal¬ 
nussgrossen  Steines,  von  Baer  ,  .  .  .2118 

Littlesche  Krankheit,  von  Preiser  1230, 
von  Concetti  2299,  von  Gaugele  und 

Gümbel .  2851 

Lobärpneumonie,  ante  mortem,Thrombose 
als  Todesursache  bei  der,  von  Fleming  2697 

Lobello  Dr.  D.  f . 1696 

Löbkermedaille . 1360 

Lokalanästhesie  s.  a.  Pantopon-Skopola- 
min-Injektionen,  Venenanästhesie. 
Lokalanästhesie  im  kleinen  Becken,  von 
Franke  und  Posner  39,  —  zur  Repo¬ 


sition  subkutaner  Frakturen  und  Luxa¬ 
tionen,  von  Braun  96,  praktische  Ver¬ 
wendung  der  —  im  Krankenhaus,  von 
Eberle  202,  Anwendungsweise  der  — 
in  der  Chirurgie,  von  Hohmeier  309, 

—  bei  Operationen  am  Brustbein,  von 
Harttung  602,  —  in  der  kleinen  opera¬ 
tiven  Gynäkologie,  von  Haim  774,  — 
und  Nerveuleitungsanästhesie ,  von 
Meyer  1107,  für  die  —  wichtige  Haut¬ 
nerven,  von  Rost  1162,  Reposition  der 
Bruchenden  in  — ,  von  Dollinger  1218, 
Lehrbuch  der  — ,  von  Hirschei  1445, 
die  — ,  von  Braun  1501,  —  mit  Novo- 
kain-Suparenin-Kaliumsulfat,  von  Hoff- 
mann  2070,  der  heutige  Stand  der  — , 
von  v.  Buenguer  2595,  Wundschmerz 
nach  — ,  von  Wolf  2852,  zur  — ,  von 

Best .  2921 

Lokalanästhetika,  Kombination  der,  von 

Zorn  .  992 

Lourdesheilungen,  die,  vom  ärztlichen 

Standpunkt,  von  Aigner .  2205 

Lourdespropai-anda,  gegen  die .  2877 

Lucas-C'  ampionmere  Prof.  Dr.  f  .  .  .  .  2440 
Lucidol,  ein  neues  Fixiermittel,  von 

Szöcsi  .  .  ....  1952 

Lues  s.  a.  Aurum-Kalium,  Syphilis. 

Lues,  kombinierte  Behandlung  der,  von 
Stümpke  546,  die  Hautreaktion  bei  — 
und  ihre  Beziehungen  zur  Wassermann¬ 
seben  Reaktion,  von  Müller  und  Stein 
661,  gibtes  eine  —  nervosa?  von  Fischer 
730,  hereditäre  —  in  der  2.  Generation, 


Seite 

von  Vilanova  1225,  Behandlung  und 
Klinik  der  —  congenita,  von  Müller 
1356,  Hör-  und  Gleichgewichtsstörungen 
bei  — ,  von  Voss  1569,  20  Jahre  alte  — , 
von  Drever  1627,  spinale  — ,  von  Ger¬ 
hardt  1629,  zerebrale  — ,  von  Gerhardt 
1629,  Bedeutung  der  —  für  die  Ent¬ 
stehung  des  Karzinoms,  von  Ledermann 
1732,  Meiostagminreaktion  und  Wasser- 
mannsche  Reaktion  bei  — ,  von  Baz- 
zicalupo  1849,  Fortschritte  in  der  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Bering  1971, 
Nystagmus  bei  hereditärer — ,  von  Tgers- 
heimer2024,  Erkrankungen  der  tränen¬ 
abführenden.  Wege  bei  hereditärer  — , 
von  Iger-heimer  2025,  v.  Dungornsche 
Syphilisreaktion  bei  —  congenita,  von 
Samelson  2071,  A>»ortivbehandlung 
der — ,  von  Zürn  2071,  Tiersyphilis  und 
menschliche  — ,  von  Bnschke  2138,  zur 
kongenitalen  — ,  von  Japha  2594  ter¬ 
tiäre  —  der  Nase,  von  Andereya  2702, 
zur  pathologischen  Anatomie  der  — 
congenita,  von  Schmincke  2761,  The¬ 
rapie  und  Klinik  der  —  congenita, 
von  Mueller  2766,  —  congenita  und 
Serodiagnostik,  von  Ledermann  .  .  .  2816 
Luestherapie,  Stand  der,  von  Spiethoff  .  2204 
Luetin,  Hautreaktionen  mit  Noguchis,  bei 
Paralytikern,  von  Benedek  2033,  In¬ 
trakutanreaktion  mit  — ,  von  Kafka  .  2702 
Luetin  Hautreaktion  bei  Syphilis,  von  Ka¬ 
liski  .  2591 

Luetinreakfion,  die,  von  Noguchi  485,  die 
Noguchische  — ,  von  Boas  u.  Ditlevsen  2358 
Luetische  Prozesse,  Diskussion  zur  Frage 

der  Erkennung  und  Behandlung  der,  492 
Luftdruckerniedrigung,  mechanische  Wir¬ 
kung  der,  auf  den  Körper,  von  Jacobj  2027 
Luftembolie,  arterielle,  von  Brauer  1003, 
anatomische  Folgen  der  —  im  Gehirn, 
von  Spielmeyer  1003,  die  — ,  von  Mein¬ 
hold  1460,  arterielle  —  und  die  Tech¬ 
nik  des  künstlichen  Pneumothorax, 
von  Jessen  1507,  —  bei  Luftfüllung 
der  Blase,  von  Nicolich  2132,  von  Marion  2132 
Luftkompressor  imKrankenhaus,  vonKuhn  1162 
'Luftozonisierung, vonBail  1284,  vonSchwarz 

und  Müncbmeyer . 1902 

Luftwege,  Jod-  und  Hgtherapie  bei 
Schleimhauttuberkulose  der  oberen, von 
Wüstmann  266,  Lehrbuch  der  Krank¬ 
heiten  des  Ohres  und  der  — ,  von 
Denker  und  Brünings  990,  Chirurgie 
der  oberen  —  und  Speisewege,  von 
Gluck  1221,  Nachweis  von  Frucht¬ 
wasserbestandteilen  in  den  — ,  von 
Ungar  1281,  histologische  Differential- 
diagnose  zwischen  Syphilis  und  Tuber¬ 
kulose  der  oberen  — ,  von  Solger  1570, 
BedetitungderErkrankungen  der  oberen 
—  und  des  Ohres  für  die  Miltärdienst- 
tauglichkeit,  von  Hölscher  2301,  die 
Anästhesie  in  der  Chirurgie  der  oberen 
— ,  von  Nasta  und  Wachmann  2304, 
Neosalvarsan  bei  luetischen  Affek- 
tionen  der  oberen  — ,  von  Schlesinger 
2360,  Veränderungen  der  oberen  — 
bei  Leukämie,  von  Safranek  2360,  Ver¬ 
halten  des  Gaswechsels  bei  hoch¬ 
gradigen  Stenosen  der  — ,  von  v  Sehröt- 
ter  2363,  die  Untersuchungen  der  — , 

von  Gerber .  2584 

Luische  Spätform,  Heilversuche  bei,  von 

Lomer  . 714 

Lu'tpoldsprudel  s.  u.  Kissingen. 
Lumbalanästhesie  mit  Stovain  in  der  Uro¬ 
genitalchirurgie,  von  Nicolich  ....  277 
Lumbalpunktate,  Anwendung  der  Her¬ 
mann- Perutzschen  Reaktion  zur  Prü¬ 
fung  von,  von  Lade  . 590 

Lumbalwirbel,  Tumor  des  4.,  von  Jenokel  2702 
Luminal,  Wert  des,  für  den  Praktiker,  von 
Noetbe  391,  Wirkung  des  — ,  von  Har¬ 
tung  430,  Wirkungsweise  des  — ,  von 
Geymayer  547,  Arzneiexanthem  nach 
— ,  von  Pernet  ...  .  2024 

Lungen, chronischediphtherischeTnfektion, 
der,  von  Schmidt  20,  die  Blutzirkulation 


in  der  atelekta tischen  — ,  von  Bruns 
35,  207,  Embolielokalisation  in  der — , 
von  t-ieorgi  262,  in  welcher  Respira- 
tionsphase  ist  die  —  am  besten  durch¬ 
blutet?,  von  Clnetta  262,  Stichverletzung 
der  — ,  von  Hirt  615,  pseudotuberku¬ 
löse  Affektion  der  — ,  von  Bloch  828, 
Blutzirkulation  in  der  —  bei  geschlos¬ 
senem  und  offenen  Thorax,  von  v.  Roh¬ 
den  1106,  operative  und  konservative 
Behandlung  von  Stieb  Verletzungen  der 
— ,  von  v.  Kutscha  1110,  Tumor  der 
— ,  von  Rasch  1525,  wann  Ruhig¬ 
stellung  der  — ,  wann  Bewegung  ?,  von 
Kuhn  2134,  aktive  Aenderungen  der 
arteriellen  Blutfülle  der  — ,  von  Weber 
2191,  die  Plombierung  der  tuberkulösen 
— ,  von  Gwerder  2668,  K"mpression 
der  tuberkulösen  —  durch  Paraffin  und 
Fett,  von  Wilms  .  .  .  .  .  .  . 

Lungenabszesse  und  Bronchiektasen,  von 
Külbs  201,  —  mit  Durchbruch  in  die 

Pleura,  von  Lotheisen . 

Lungenarterienembolie,  Operation  der, 
nach  Trendelen  bürg,  von  Wolff  781, 

von  Rose  .  .  . 

Lungenchirurgie,  Tierexperimente  zur, 
Schepelmann  1614,  Erfahrungen  über 

— ,  von  Graser . 

Lungenechinokokkus,  Differentialdiagnose 
des,  von  Guischard  2301,  Diagnose  und 
Therapie  des  — ,  von  Behrenroth  .  . 
Lungeneiterungen,  konservative  Behand¬ 
lung  der  chronischen,  von  Singer  .  . 
Lungenembolie,  obturierende,  als  Todes¬ 
ursache,  von  Petrdn  1503,  Trendelen- 
burgsche  Operation  bei  der  puerperalen 
— ,  von  Yogt  1504,  —  als  Spätunfalls¬ 
folge,  von  Strauss . 

Lungenemphysem,  Verhältnis  von  CO2- 
Ausscheidung  zur  Atemgrösse  beim, 
von  Reinhardt  881,  Rückwirkung  einer 
ausgedehnten  Brustwandresekticn  auf 
hochgradiges  — ,  von  Friedrich  945, 
neue  operative  Erfahrungen  beim  — 
mit  Thoraxstarre,  von  Friedrich  1231, 
Säbelscheidentrachea  und  — ,  von 
Kahler  1570,  kausale  Bekämpfung  des 

— ,  von  Hofbauer . 

Lungenentzündung,  inorganischer  Stoff¬ 
wechsel  bei  — ,  von  Peabody  1223, 
akute  primäre  diphtherische  — ,  von 
David  2341,  Anwendung  des  Kampfers 
bei  der  Behandlung  der  — ,  von  Leo 

2397,  von  Hötzel . 

Lungenerkrankung,  thorakoplastische  Pfei¬ 
lerresektion  bei,  von  Wilms  449,  Beein¬ 
flussung  von  —  durch  künstliche  Läh¬ 
mung  des  Zwerchfells,  von  Sauerbruch 

625,  1 04 1 ,  von  Hellin . 

Lungenfellentzündung,  Entstehung  des 
Mnskelschmerzsymptoms  bei  tuberku¬ 
löser,  von  Isserson . 

Lungenfremdkörper,  Extraktion  der,  beim 

Kinde,  von  Sehrt .  . 

Lungengangrän,  met astatische-embolische, 

von  Rodler-Zypkin . 

Lungengewebe,  Eisen-  und  Alkaliimpräg¬ 
nation  des,  von  Gigon . 

Lungenheilanstalt,  diätetische  Fragen  in 

der,  von  Seil  . 

Lungenimmobilisierung,  einseitige,  durch 
Phrenikusresektion,  von  Schepelmann 
Lungenkarzinom,  Radikaloperation  eines 

primären,  von  Rotter . 

Lungenkollapstherapie,  bildet  die  Kehl¬ 
kopftuberkulose  eine  Kontraindikation 
bei  der?,  von  Zink  1924,  über  — ,  von 

Spengler . . 

Lungenkranke,  Beobachtungsstelle  für,  in 

Nürnberg .  ..... 

Lungenkrankheiten,  Fortschritte  in  der 
chirurgischen  Behandlung  der,  von 

Sauerbruch  . 

Lungenkrebs,  sog.  Schneeberger,  von  Arn¬ 
stein  1110,  primärer  — ,  von  v.  Wicz- 

kowski . 

Lungeuoedem,  experimentell  hervorgeru¬ 
fenes,  von  Kraus  1180,  Veränderungen 


Sette 


2861 

1299 

1120 

1683 

2641 

1003 

1683 


2914 

2793 

872 

2687 

I486 

2026 ' 
660 
2198 
490 
2013 

2249 

2384 

1890 

1508 


LXXII  .  _  .... 

Seite 

der  Herztätigkeit  und  des  Blutkreis¬ 
laufes  bei  akutem  — ,  von  Kotow- 
schtschikow  .  ...*••••■  1949 

Lungenphthise  s.  a.  Lungenspitzenphthise, 
Phthise. 

Lungenphthise,  Nomenklatur  der,  von  Nicol 
2198,  Entstehung  der  — ,  von  Bac-  _ 

meister  . 

Lungenpleura,  Kalkplatte  der,  von  Heinlein  14 1(J 
Lungenprozesse,  chronische  nicht  tuber¬ 
kulöse,  im  Säuglingsalter,  von  Lederer  1842 
Lungenruptur,  traumatische,  von  Tilp  .  .  2854 
Lungensaugmaske,  Kuhnsche,  von  Brotzen  881 
Lungenschüsse  im  Kriege  1904/05,  von 

Holbeck  . .  2532 

Lungenschwindsucht,  Jodostarin  u.  Jod¬ 
präparate  bei,  von  Pertik  149,  Behand¬ 
lung  der  —  mittels  des  künstlichen 
Pneumothorax,  von  Martin  431,  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  — ,  von 

Aufrecht . .  r07 

Lungenseuche,  Diagnose  der  —  des  Rindes, 

von  Poppe .  •  •  •  •  2910 

Lungenspitze,  Diagnostik  u.  Klinik  der 
nicht  tuberkulösen  Erkrankungen  der, 

von  Litzner .  2452,  2552 

Lungenspitzenatelektase,  Natur  und  Ent-  ^ 
stehung  der  Krönigschen,  von  Hofbauer  258 

Lungenspitzenerkrankungen, Diagnose  der, 

von  Rüde . -2137 

Lungenspitzenphthise,  aerogene  oder  hä¬ 
matogene  Entstehung  der,  von  Bac- 
meister . < . 1398 

Lungenspitzentuberkulose,  experimentelle, 

von  Bacmeister  '  1003,  Diagnose  der 
beginnenden  — ,  von  Richter  .  .  .  1848 
Lungen-  und  Zwerchfellstich,  von  Krall  .  e82 

Lungensyphilis,  von  Kayser . .  2543 

Lungentuberkulose,  Behandlung  der,  mit 
künstlichem  Pneumothorax,  von  Geer- 
aerd  98,  von  Tollens  208,  Staubinhala¬ 
tion  und  — ,  von  Cesa-Bianchi  311, 
perkutane  Tuberkulinreaktion  bei  der 
— ,  von  Cbraplewski  432,  Ei  weisskörper 
im  Auswurf  bei  — ,  von  Pintborg  542, 

die  Pneumothoraxbehandlung  der  — , 
von  Kohlhaas  547,  die  sekundären  In¬ 
fektionen  bei  der  ulzerösen  — ,  von 
Veilion  u.  Repaci  549,  Saturation  der 
Gewebe  mit  Toxin  bei  der  Behandlung 
der  — ,  von  Prest  605,  operativ  behan¬ 
delte  — ,  von  Friedrich  613,  die  Indi¬ 
kationen  der  Pneumothoraxtherapie 
der  — ,  von  v.  Jagic  662,  spezifische  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Crofton  677,  Lehr¬ 
buch  der  spez.  Diagnostik  und  Therapie 
der  — ,  von  Bandelier  u.  Röpke  823,  am¬ 
bulante  Behandlung  der  —  mit  Tuberku¬ 
lin,  von  Ulrich  939,  Vakzinebehandlung 
bei  der  — ,  von  Hudson  940,  das  kardio¬ 
vaskuläre  System  bei  der  — ,  von  Po- 
well  940,  Röntgenbehandlung  der  — , 
von  Küpferle  949,  Bedeutung  der  intra¬ 
kutanen  Tuberkulinreaktion  für  die 
Diagnose  und  Prognose  der  — ,  von 
Rosenberg  992,  serologische  Diagnose 
der — ,  von  Hammer  1003,  das  Marmorek- 
serum  in  der  Behandlung  der  — ,  von 
Henius  u.  Bosenberg  1046,  Diagnostik 
des  frühesten  Stadiums  der  — ,  von 
Nicola  1168,  Behandlung  der  —  in  der 
allgemeinen  Praxis  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Wilmsschen  Pfeiler¬ 
resektion,  von  Doerfler  1268,  die  am¬ 
bulante  Therapie  der  —  und  ihre  häu¬ 
figsten  Komplikationen,  von  Blümel 
1273,  medikamentöse  Therapie  der — , 
von  Lurje  1284,  Chemotherapie  der  — , 
von  Hinze  1302,  Einfluss  der  Genera¬ 
tionsvorgänge  auf  die  — ,  von  Köhne 
1338,  Behandlung  des  Fiebers  bei  — , 
von  Damask  1343,  Indikationsstellung 
bei  der  Behandlung  der  —  mit  künst¬ 
lichem  Pneumothorax,  von  Schur  und 
Plaschkes  1357,  Goldzvanbehandlung 
der  — ,  von  Junker  1376,  Turbansche 
Vererbung  des  Locus  minoris  resisten- 
tiae  bei  — ,  von  Kuthy  1396,  Röntgen¬ 
diagnose  der  — ,  von  Dangschat  1408, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Jodtherapie  der  — ,  von  Weisz  1413, 
vergleichende  röntgenologische  und 
physikalische  Untersuchungsbefunde 
bei  — ,  von  Schellenberg  1447,  geheilte 
— ,  von  v.  Jaksch  1523,  extrapleurale 
Pneumolyse  bei  — ,  von  Baer  1587, 
chemotherapeutische  Versuche  bei  — , 
von  Pekanovich  1620,  Zusammenhang 
zwischen  orthostatischer  Albuminurie 
und  — ,  von  Winogradow  und  Raschba 
1621,  Behandlung  der  —  mit  Trypa- 
rosan,  von  Waledinsky  1622,  2809, 

diagnostische  und  prognostische  Be¬ 
deutung  der  Eosinophilie  bei  der  — , 
von  Czuprina  1624,  Behandlung  der  — 
mittels  künstlicher  Pneumothorax,  von 
Arnsperger  1686,  Neutuberkulin  bei  der 
— ,  von  Rigg  1733,  von  Watkin  2644, 
Chemotherapie  der  — ,  speziell  das 
Finklersche  Heilverfahren,  von  Bodner 
1756,  Herzverschiebung  bei  — ,  von  Oeri 
1784,  Anomalien  des  ersten  Rippen¬ 
ringes  und  — ,  von  Schultze  lr85,  Ta¬ 
schenbuch  der  Diagnostik  und  Thera¬ 
pie  der  — ,  von  Gerhartz  1894,  Beein¬ 
flussung  experimenteller  —  durch 
Röntgenstrahlen,  von  Küpferle  und  Bac¬ 
meister  1952,  hydrotherapeutische  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Köhler  1952, 

Mesbü  bei  — ,  von  Klein  1952,  Behand¬ 
lung  der  —  mit  kleinen  Dosen  von 
Tuberkulin,  von  Bardswell  1953,  pro¬ 
vokatorische  Alttuberkulineinspritzun¬ 
gen  bei  geschlossenen  — ,  von  Rigg 
1953,  die  Behandlung  der — ,  von  Bards¬ 
well  1955,  Klinik  und  Pathologie  der 
—  beim  Säugling,  von  v.  Ivonschegg 
und  Lederer  2011,  von  Hayashi  2071, 
Behandlung  des  Fiebers  bei  der  — , 
von  Nowakowski  2013,  zur  Chemo¬ 
therapie  der  — ,  von  Mayer  2013,  Be¬ 
handlung  der  —  durch  den  künstlichen 
Pneumothorax,  von  Saugmann  -  Dau- 
gaard  2078,  Behandlung  der  —  mit 
Serumvakzine,  von  Bruschettini  2078, 
Röntgendiagnostik  der  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Rack  2136,  das  Abderhalder- 
sche  Dialysierverfahren  bei  — ,  von 
Larnpd  2137,  moderne  Strahlentherapie 
in  der  — ,  von  De  la  Camp  2197,  Todes¬ 
fälle  nach  Behandlung  der  —  mit  künst¬ 
lichem  Pneumothorax,  von  Sundberg 
2245,  Chlorkalzium  bei  — ,  von  Schütze 
2262,  menstruelle  Temperatursteige- 
rungen  bei  — ,  von  Wiese  2353,  Tu¬ 
berkelbazillen  im  Blutstrom  bei  — ,  von 
Elsässer  2353,  Entfieberung  bei  —  durch 
Tuberkulin,  von  Philippi  2363,  Finkler- 
sches  Heilverfahren  bei  — ,  von  Sorgo 
2363,  Hilfsmittel  bei  der  Prognosestel¬ 
lung  der  — ,  von  Weiss  2363,  Therapie 
der  —  im  Hochgebirge,  von  Philippi 
2420,  Hochgebirgsindikationen  für,  von 
Egger  2421,  Pathogenese  der  akuten 
pneumonischen  Formen  der  — ,  von 
Robel  2421 ,  Frühdiagnose  der  — ,  von 
Szezukin  2424,  chirurgische  Heilver 
suche  bei  — ,  von  Alvarez  2477,  ope¬ 
rative  Behandlung  schwerer  — ,  von 
Stuertz  2485,  Pneumothoraxbehand¬ 
lung  bei  — ,  von  Amrein  und  Lichten- 
habn  2536,  —  und  Chirurgie,  von  Gorse 
und  Dupuich  2538,  operative  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Betke  2545,  Resultate 
der  Arnethschen  Methode  bei  der  — , 
von  ITolroyd  2642,  Wert  des  T.  R.  bei 
der  — ,  von  Fowler  2695,  Stellung  des 
T.  R.  unter  den  anderen  Behandlungs¬ 
methoden  der  — ,  von  White  2696,  mit 
Pneumothorax  behandelte  — ,  von 
Bönniger  2705,  —  und  Hydrotherapie, 
von  Brieger  2710,  Aktuelles  auf  dem 
Gebiete  der  — ,  von  Blümel  2796, 
neuere  und  neueste  Bestrebungen  in 
der  Behandlung  der  — ,  von  Kroh 
2863,  Operationen  bei  der  — ,  von 
Frangenheim  2864,  klinische  Heilung 
der  —  durch  den  künstlichen  Pneumo¬ 
thorax,  von  Bernard  .  . .  2926 


Seite 


Lungenvolumen,  pathologische  Physiologie 

des,  von  Plesch . 

Lungenwunden,  Spontanheilung  von,  von 

Tiegel . .  •  • 

Lunge,  on  Diseases  of  the,  and  Pleurae 
including  Tuberculosis  and  Mediastinal 
Growths,  »by  Powell  u.  Horton-Smith 

Hartley . .  •  • 

Lupus,  von  Zieler  162,  163,  1748,  Physio¬ 
therapie  des  — ,  von  Dekeyser  87,  kom¬ 
binierte  Behandlung  des  —  mit  Alttu¬ 
berkulin  und  Aurum-Kalium  cyanatum, 
von  Bettmann  798,  —  der  Zunge  und 
des  Kehlkopfes,  von  Harms  829,  Patho¬ 
genese  des  —  des  Naseninnern,  von 
Albanus  1793,  Natur,  Varietäten,  Ur¬ 
sachen  und  Behandlung  des  —  erythe¬ 
matosus,  von  Mac  Leod  2024,  Aurum- 
Kalium  cyanatum  bei  — ,  von  Ruete 
2072,  Behandlung  des  —  erythematosus 
mit  Kohlensäureschnee,  von  Haslund 
2357,  intravenöse  Behandlung  des  — 
vulgaris  mit  Aurum-Kalium  cyanatum, 

von  v.  Poör . •  •  • 

Lupusausschuss . 1359, 

Lupusbehandlung,  neuere  Methoden  der, 

von  Zieler  .  . . •  •  •  • 

Lupusfürsorge  in  Hamburg,  von  Wichmann 
Lupusheilstätte  in  Giessen  1015,  —  in 
Hamburg  1126,  —  in  Graudenz  .  .  . 

Luteintabletten . > . 

Luxationen  im  Bereich  des  Mittelfusses, 
von  Brockmann  92,  —  im  Talonaviku- 
largelenk,  von  Nobe  370,  angeborene  — 
des  Radiusköpfchens,  von  Künne  428, 

—  pedis  sub  talo,  von  Genne  712,  — 
im  Kniegelenk,  von  Hering  882,  blutige 
Reposition  einer  angeborenen  —  des 
Hüftgelenkes,  von  v.  Winiwarter  1124, 

—  centralis  femoris,  von  Brind  1163, 

—  femoris  centralis,  von  Haudek  1236, 

—  der  Hand  radialwärts,  von  Speck 

1277,  operative  Behandlung  veralteter 

—  des  Schulter-,  Ellbogen-  und  Hüft¬ 
gelenkes,  von  Dollinger  2019,  —  inter- 
carpea,  von  v.  Mayersbach_  .... 

Lymphangioma  cyst.  mesenterii,  von  Rona 

1278,  zur  Kenntnis  des  — ,  von  Müller 
Lymphatiker, Reaktion  der  leukopoetischen 

Organe  von,  auf  Infekte,  von  Pribram 

und  Stein . .  •  • 

Lymphatische  Disposition  im.  Säuglings¬ 
alter,  von  Siegert . .  • 

Lymphdrüsen,  Entstehen  und  Verschwin¬ 
den  der,  von  de  Groot  203,  von  Ritter 
544,  Entfernung  von  vergrösserten  ver¬ 
kalkten  tuberkulösen  — ,  von  Betke 
781,  Beziehungen  der  —  zu  den  benach¬ 
barten  Körperhöhlen,  von  Westen- 

hoetfer . 

Lymphkreislauf,  Anregung  des,  als  Heil¬ 
prinzip,  von  Röder . . 

Lymphoblasten-  u.  Myeloblastenleukämie, 

von  Herxheimer .  • 

Lymphogranulomatose,  von  v.  Jaksch  1523, 
2473,  Beziehungen  der  —  zur  Tuber¬ 
kulose,  von  Schüssler  951,  Benzoltherapie 
der  — ,  von  Schur  1124,  Blutbefunde 

bei  der  —  von  Steiger  . . 

Lymphom,  endotheliomähnliches,  von 
Kniaskoff  429,  retropharyngeales  tuber¬ 
kulöses  — ,  von  Heymann . 

Lymphomatosis  granulosa,  von  Rodler- 

Zypkin  . . . 

Lymphosarkom,  Behandlung  des,  von 

Fabian . . 

Lymphozyten,  Genese  der,  in  den  Ex¬ 
sudaten  seröser  Höhlen,  von  Lippmann 

und  Plesch  .  . . .  • 

Lymphozytose,  klinische  Bedeutung  der, 
von  Bergei  1002,  —.bei  Asthenikern 
und  Neuropathen,  von  v.  Hoesslin  1 128, 
1353,  die  —  der  Infektion,  von  Cabot 
1223,  ungewöhnlich  starke  —  im  An¬ 
schluss  an  Injektionen,  von  Marchand 
Lymphwege,  Endotheliome  der,  vonVallardi 
Lysol,  chronifizierende  Wirkung  des,  von 

Waterstradt  . 

Lysolvergiftung,  von  Curschmann  .  .  . 


1897 

944 


1501 


2692 

2030 

1748 

1573 

1303 

2472 


2068 

1503 

2805 

1407 


1516 

1465 

2506 

2641 

2476 

561 

1876 

1681 


1337 

600 

1958 

2864 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXX1I1 


2917 

2369 

2195 


Seite 

Lyssaerkrankungon,  atypische,  von  Joch- 

mann . 1843 

Lyssaforschung,  gegenwärtiger  Stand  der, 
von  Koch  .  • .  2420 


M. 


Mc  Hardy,  Prof.  Dr.  M.  f . 594 

Madagaskar,  Krankheiten  in,  von  Moss  1957 
Madelungsche  Deformität,  von  Magnus  102, 
Beitrag  zur  — ,  von  Trillmich  427,  — 

des  Handgelenks,  von  Berg .  2586 

Madelungsche  Handdeformität,  von 

Streissler-Springer  781,  von  Melchior  .  2070 
Mäusefavus  beim  Menschen,  von  Fischer  2805 
Mäusekarzinom,  Einfluss  der  Quecksilber¬ 
präparate  auf  das  Wachstum  der,  von 
Skudro  886,  Experimentelles  über  — , 
von  Eckhardt  1485,  durch  —  erzeugte 
Kaninchentumoren,  von  Strauch  1853, 
Erblichkeit  des  — .  von  Bashford  2353, 
Einfluss  des  Kupfers  auf  das  — ,  von 
Gelarie  2644,  Wachstumshemmung  der 
—  durch  Allylderivate,  von  Koenigsfeld 

und  Prausnitz . 

Mäusekrehs,  Analogien  zwischen,  und 
Menschenkrebs,  von  Frankl  .... 
Mäusetumoren,  Einfluss  von  Morphin, 
Kokain  und  Schleichscher  Lösung  auf 
das  Wachstum  transplantabler,  von 

Joannovics . 

Magen,  Lagebestimmung  des,  und  Dick¬ 
darms  mittels  der  Gleit-  und  Tiefen¬ 
palpation,  von  Hausmann  und  Meinertz 
35,  Bewegungsvorgänge  am  patholo¬ 
gischen  —  auf  Grund  röntgenkine- 
matographischen  Untersuchungen,  von 
Bruegel  179,  593,  von  Holzknecht  und 
LIaudek4l3,  akute  Dilatation  von  —  und 
Duodenum,  von  Leriche  204,  Röntgen¬ 
photographie  des  —  und  die  Gastro- 
diaphanie,  von  Hofius  545,  der  nor¬ 
male  und  pathologische  —  in  Röntgen¬ 
bildern,  von  Heyerdahl  551,  Stichver¬ 
letzung  und  Prolaps  des  — ,  von 
Friedrich  613,  Verhalten  verschieden¬ 
artiger  Strikturen  im  —  und  Duode¬ 
num  bei  Milchdiät,  von  Jonas  661, 
primäres  Zystosarkom  des  — ,  von 
Kondring  771,  Radioskopie  des  — ,  von 
Simici  1051,  Einwirkung  der  medizi¬ 
nischen  Behandlung  auf  die  Motili¬ 
tätsstörungen  des  — ,  von  Kemp  1111, 

1618,  röntgenologisches  Verhalten  des  — 
bei  gastrischen  Krisen  und  beim  Brech¬ 
akt,  von  v.  Czyhlarz  und  Selka  1222, 
bakteriologische  Untersuchung  des 
leeren  — ,  von  Fränkel  1283,  Mobili¬ 
sation  nnd  Verlagerung  des  —  bei 
Operationen  am  — ,  von  Brun  1338, 
Papaverinwirkung  auf  den  — ,  von 
Holzknecht  1523,  motorische  Funk¬ 
tion  des  — ,  von  Eisler  und  Lenk 
2048.  von  v.  Bergmann  2459,  von 
Massini  2460,  von  Eisler  2734  moto¬ 
rische  und  sekretorische  Funktion  des 
— ,  von  Höst  2073,  Totalexstirpation 
des  — ,  von  Sasse  2143,  Befestigung 
des  gesunkenen  —  mittelst  Ligament¬ 
plastik,  von  Pagenstecher  2296,  Rönt¬ 
genuntersuchung  des  belasteten  — ,  von 
Fischer  2359,  das  spätere  Schicksal 
des  Patienten  mit  Querresektion  des 
— ,  von  Kümmell  2366,  Bestimmung 
der  motorischen  Funktion  des  —  mit 
Jodostarin,  von  Galazer  2423,  Lage 
und  Form  des  normalen  — ,  von 
Paterson  2643,  Untersuchung  der  Saft¬ 
sekretion  des  —  und  Ersatz  derselben, 
von  Skalier  2691,  Erzeugung  von  Ge¬ 
schwüren  im  —  der  Ratte ,  von 
Singer  2695,  die  Fibromatosis  des  — , 
von  Thomson  und  Graham  2696,  Rönt¬ 
gendiagnose  der  geschwürigen  und 
krebsigen  Veränderungen  des  — ,  von 

Schüller .  2852 

Magenachylie,  Blutveränderungen  bei,  von 
Liberow  .  .  .  .  • .  2423 


•  Seite 

Magenausspülungen,  AVandlungen  in  der 
Lehre  von  den,  von  Boas  ......  2364 

Magen-Bioröntgenographie,  vereinfachte, 

von  Kaestle . 346 

Magenblutung,  Therapie  der,  und  Darm¬ 
blutungen,  von  Boas . 826 

Magendarmaifektionen,  Diagnose  der,  mit 
Hilfe  des  Abderhaldenschen  Dialysier- 

verfahrens,  von  Kabanow . 2164 

Magendarmatonie,  Behandlung  der,  mit 
Hypophysenextrakt,  von  Udaondo  .  318 

Magendarmdiagnose,  vorherige  Thorax¬ 
untersuchung  bei,  von  Loose  ....  778 

Magendarmkanal,  Innervation  des,  von 
Madrakowski  und  Sabat  832,  Durchläs¬ 
sigkeit  des  —  für  heterologes  Eiweiss 
bei  ernährnngsgestörten  Säuglingen, 
von  Lust  937, 1340,  Durchlässigkeit  des 

—  für  Antitoxin,  von  Hahn  1340,  Lezi¬ 
thinverdauung  bei  Erkrankungen  des 
— ,  von  Ehrmann  und  Kruspe  1398,  die 
Röntgenuntersuchung  des  — ,  von 
Arnsperger  1782,  Eisenfüllung  des  — 
und  Elektromagnete,  von  Payr  .  .  .  2601 

Magendarmklemme,  neue,  von  Nussbaum  1447 
Magendarmpathologie,  Röntgenbilder  aus 

der,  von  Cohn  . 778 

Magendiagnostik  mit  dem  modifizierten 

Gluzinskiverfahren,  von  Rusca  .  .  .  2918 
Magendilatation,  akute,  von  Stierlin  .  .  2302 
Magen-Duodenalgeschwür,  Pharmakothe- 
rapeuthisches  zur  Behandlung  des,  von 
van  den  Velden  890,  Zustandekommen 
des  peptischen  — ,  von  Gruber  1337, 
Perforation  von  — ,  von  Corner  1954, 
zur  Operation  des  perforierten  — ,  von 

Seidel .  2246 

Magenfistel,  Faszienplastik  bei,  von  v. 

Hacker . 1339 

Magenfunktion  und  Psycbe,  von  Bönniger  674 
Magengeschwülste,  gutartige,  vonTyovity  1278 
Magengeschwür  s.  u.  Magen,  Magenulcus, 

Ulcus. 

Magengeschwür,  klinische  Diagnose  des 
tiefgreifenden  an  der  kleinen  Kurvatur, 
von  Haudek  51,  chirurgische  Behand¬ 
lung  des  — von  v.  Fink  91,  neue  chi¬ 
rurgische  Behandlungsmethode  des  — , 
von  Alvarez  319,  das  akut  in  die  Bauch¬ 
höhle  perforierte  — ,  von  Wagner  543, 
zur  Pathologie  und  Therapie  des  — , 
von  Kemp  544,  Beziehungen  des  —  zur 
Melaena  neonatorum,  von  Zadek  545, 
Erzeugung  von  —  durch  Netzgefäss- 
unterbindung,  von  Gundermann  890, 
Jejunostomie  mit  Gastroenterostomie 
zur  Behandlung  chronischer  — ,  von 
Tatlow  940,  ist  das — ein  häufiger  Vor¬ 
läufer  des  Krebses?  von  Paterson  941, 

Klinik  und  Therapie  des  perforierten 

—  und  Duodenalgeschwürs,  vonWetter- 
strand  1162,  Schmerzpunkte  beim  run¬ 
den  — ,  von  Baranczik  1287,  Entstehung 
des  — ,  von  Katzenstein  1614,  experi¬ 
mentelle  Hervorrufung  eines  — ,  von 
Katzenstein  1676,  experimentelle  Er¬ 
zeugung  von  —  und  Darmgeschwüren, 
von  Gundermann  1787,  Entstehung 
von  —  und  Papillomen,  von  v.  Wasi- 
lie  wski  1 912,  zur  Pathogenese  des  runden 
— ,  von  Kawamura  2008,  perigastrisches 
Hämatom  nach  Perforation  von  — ,  von 
Meinert  2011,  Behandlung  des — ,  von 
Bradshaw  2078,  Diagnose  des  perfo¬ 
rierten  — ,  von  Ryser  2138,  Pathologie 
und  Therapie  des  — ,  von  Kemp  2358, 
Diagnostik  der  Lokalisation  des  — ,  von 
v.  Openchowski  2606,  das  tuberkulöse 

— ,  von  Rost . .  2637 

Mageninhalt  s.  a.  Magenschlauch. 

Mageninhalt,  Feststellung  der  freien  Salz¬ 
säure  im,  ohne  Magenschlauch,  von 
Opitz  207,  Untersuchung  des  —  ohne 
Sonde,  von  Friedrich  ....  ...  2853  j 

Magenkarzinom,  Glyzyltryptophanprobe 
zur  Diagnoee  des,  von  Giani  487,  Vor¬ 
lagerung  von  —  zur  Röntgenbehand¬ 
lung,  von  Finsterer  620,  Knochenbil¬ 
dung  in  einem  — ,  von  Gruber  826, 


Seite 


Freilegung  inoperabler  —  zur  Röntgen¬ 
bestrahlung,  von  Finsterer  855,  Chlor 
im  Magensaft  bei  — ,  von  Grund  1216, 
Chirurgie  des  — ,  von  Altschul  1339, 
Magenkolonresektion  bei  — ,  von  Per¬ 
thes  1677,  eine  Analyse  von  200  Fällen 
von  — ,  von  Langwill  1956,  Frühdia¬ 
gnose  des  — ,  von  Leitner  2249,  opera¬ 
tive  Behandlung  des  — ,  von  Mayo  . 

j  Magenklemmen,  von  Hertle . 

Magen-Kolonfistel,  radiologischer  Nachweis 
der,  von  Haudek  ........ 

Magenkolonresektion,  von  Perthes.  .  .  . 
Magenkrankheiten,  von  Hayem  und  Lion 
255,  Taschenbuch  der  —  und  Darm¬ 
krankheiten,  von  Wolff  599,  Röntgen¬ 
diagnostik  der  — ,  von  Haudek  777, 
funktionelle  Diagnostik  der  —  nach 
Sahli,  von  Znojemsky  1727,  Wert  der 
der  Berechnung  der  peptischen  Kraft 
des  Magensaftes  für  die  Diagnose  der 

organischen  — ,  von  Singer . 

Magenkrebs,  Beziehungen  der  chronischen 
Gastritis  und  des  chron.  Magenulcus 
zur  Entwicklung  der,  von  Konjetzny 
1990,  Diagnose  und  Behandlung  der 

primären  — ,  von  Makins  . 

Magenmotilität,  von  Haudek  2200,  röntge¬ 
nologische  Prüfung  der  — ,  von  Lüdin 
Magen  myom,  von  Vogel  900,  von  Farr  u. 

Glenn . 

Magenneurose  oder  Ulcus  duodeni,  von 

Kock . . . 

Magenperforation,  Frühdiagnose  der  aku¬ 
ten,  von  Kulenkampff  207,  Zwerchfell¬ 
reiben  als  Frühsymtom  der  — ,  von 
Brenner  2366,  gedeckte — ,  von  Schnitzler 
Magenperistaltik,  Einfluss  elektrischer 
Reize  auf,  und  -Sekretion,  von  Weil  . 

Magenpolypen,  von  Ledderhose . 

Magenpräparate,  von  Grüneberg  .  .  . 

Magenresektionen,  von  Pers  1398,  Technik 
der  —  beim  Karzinom,  von  Kelling  143, 
totale  — ,  von  Unger  387,  zur  Statistik 
der  — ,  von  Weil  545,  Technik  der  — , 
von  Sasse  651,  von  Gelinsky  1162,  — 
wegen  Ulcus  ventriculi,  von  Clairmont 
1 299,  Technik  der  — ,  von  Finsterer  2366, 
Versorgung  des  Duodenalstumpfes  hei 

der  — ,  von  Smoler . 

Magensaft ,  kapillaranalytische  Bestim¬ 
mungen  der  freien  Salzsäure  im,  von 
Schmidt  484,  sog.  Kapillaranalyse  vom 
—  nach  Holmgren,  von  Mattison  1108, 
Erregung  der  Pankreassekretion  durch 
pathologischen  — ,  von  Stepp  1113,  das 
fest  gebungene  Chlor  im  — ,  von  Grund 
1216,  Wert  der  Berechnung  der  pep¬ 
tischen  Kraft  des  —  für  die  Diagnose 
der  organischen  Magenkrankheiten,  von 
Singer  1784,  chron.  Appendizitis  und 
Hyperazidität  des  — ,  von  Uloway  .  . 
Magensaftanaphylaxie,  von  Manoiloff  .  . 
Magensaftuntersuchungen,  neuere,  von 

Haneberg . 

Magensarkom,  von  Flebbe . 

Magenschlauch,  Salzsäureprüfung  ohne, 

von  Schwarz . 

Magenschleimhaut,  histologische  Unter¬ 
suchungen  der,  bei  Ulcus  und  Karzi¬ 
nom,  von  Heyrovski .  .  . 

Magensekret,  Ursprung  der  anorganischen 

Chloride  im,  von  Singer  . . 

Magensekretion,  die,  während  des  Verlaufs 
der  Verdauung,  von  Gregersen  .  2011, 
Magensondierung,  die,  des  Praktikers,  von 

Sternberg . 

Magenspülungen,  Verwendung  des  Ich¬ 
thyols  zu,  von  Canti  .  . . 

Magenstörungen,  Psychotherapie  der  funk¬ 
tionellen,  von  Curschmann  .... 
Magentuberkulose,  zur  Pathologie  der,  von 

Melchior . 

Magentumoren,  seltene,  von  Chosrojeff , . 
Magenulcus,  Bedeutung  der  regionären 
Disposition  für  das,  von  Schönberg 
96,  Behandlung  der  perforierten  — 
und  Darmulcera,  von  Simon  658,  Be¬ 
handlung  des  —  mit  der  Einliornschen 


2592 

1951 

42 

1677 


1784 


1968 

1507 

2592 

2141 

2366 

1216 

2365 

1516 


2915 


2592 

430 

1112 

1220 

2818 


1727 

2694 

2015 

2693 

2853 

2599 


1785 

315 


LXXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Sette 

Duodenalsonde,  von  Lazarus  1298,  das 
chronische  —  im  Röntgenbild,  vonRöpke  1727 
Magenwandtumoren,  diagnostische  Schwie¬ 
rigkeiten  der,  von  Amelung .  2069 

Magnesia,  bisurierte  2471,  — in  der  Thera¬ 
pie,  von  Kochmann  .  2589 

Magnesiumsalze,  pharmakologische  Wir¬ 
kung  von,  von  Starkenstein  .  ...  1781 

Maisernährung  und  Ueberempfindlichkeit 
gegen  Maisextrakte,  von  Cesu-Bianchi 

und  Vallardi . 427 

Makula,  traumatische  Lochbildungen  in 

der,  von  Stock  . . 1687 

Mal  perforant  du  pied,  von  Brutzer  .  .  .  2532 
Malaria,  Heilung  von,  tertiana  durch  Neo- 
salvarsan,  von  Schaefer  36,  269,  das  Zi: 
sternen problem  bei  der  Bekämpfung 
der  —  in  Jerusalem,  von  Brünn  und 
Goldberg  827,  Salvarsaninjektion  bei  — , 
von  Drizaki  995,  Neosalvarsan  bei  — , 
von  Iwanow  1287,  Kultur  des  Plas¬ 
modiums  der  tropischen  —  nach  Bass 
und  Johns,  von  Gurko  und  Hamburger 
1341,  die  —  nach  den  neuesten  For¬ 
schungen,  von  Celli  1445,  Verbreitung 
der  einheimischen  —  in  Deutschland, 
von  Trautmann  1730,  —  tertiana,  von 
Grund  1799,  Einfluss  der  —  auf  das  sym¬ 
pathische  Nervensystem,  von  Wiens 
1845,  — bei  Neugeborenen  und  während 
der  ersten  Kindheit,  von  Fragale  1850, 

—  perniciosa,  von  Marchiafava  1952, 
die  —  in  Indien,  von  Kendrik  1953, 
Wassermannsche  Reaktion  bei  der  — , 
von  Zschucke  2137,  die  —  in  Italien 
2143,  die  —  in  Schweden,  von  Flens¬ 
burg  2359,  Behandlung  der  —  tertiana 
mit  Neosalvarsan,  von  Baetge  2379, 

2776,  die  —  Jerusalems  und  ihre  Be¬ 
kämpfung,  von  Brünn  und  Goldberg  2690 
Malariaabnahme  in  Rom,  von  Celli  .  .  .  1902 
Malariabekämpfung  in  Emden,  von  Müh- 

lens . 1400 

Malariaformen,  Parasitologie  einiger  irre¬ 
gulärer,  von  Mas  y  Magro .  2478 

Malariaparasiten,  Kultivierung  einer  Gene¬ 
ration  von,  in  vitro,  von  Thomsen, 

Mc  Lellan  und  Ross  308,  künstliche 
Weiterentwicklung  von  —  in  vitro, 
von  Ziemann  324,  373,  Züchtung  von 

— ,  von  Werner .  2485 

Malariapigment,  das,  von  Brown  ....  2591 
Malariaschutz,  Chininprophylaxe  oder 
mechanischer,  von  Külz  1400,  von 
Waldow  1400,  von  Treutlein  ...  1520 
Malariaübertragung,  zur  Geschichte  der, 

von  Sehrwald . 1040 

Mallebrein  in  der  Kinderpraxis,  von  Bendix  2871 

Malokklusionen,  von  Hesse . 1687 

Maltafieber,  Epidemie  von,  von  Gil  1904, 

Eiterung  bei  — ,  von  Trotta . 2014 

Maltyl-Mate  ...  426 

Malznährmittel,  die,  in  der  Behandlung 
der  Enteritis  bei  kleinen  Kindern,  von 

Solon-Veras  . .  .  .  .  323 

Malzsuppe,  Behandlung  von  Magendarm¬ 
katarrh  und  Atrophie  bei  Säuglingen 
mit,  von  Rosenthal  und  Oerum  .  .  2358 

Mamma,  innere  Sekretion  der,  von  Schiff¬ 
mann  und  Yystavel  431,  Graviditäts¬ 
hypertrophie  der  — ,  von  Erdheim  900, 

2196,  intersekretorische  Beziehungen 
zwischen  —  und  Ovarien,  von  Cohn  937, 
Hypertrophie  der  — ,  von  Juhle  1169, 
abweichende  Gefässversorgung  der  — 
bei  Hypertrophie,  von  Federn  1236, 
Fibromatose  der  — ,  von  Lexer  1684, 
Hypertrophia  —  diffusa,  von  Schle¬ 
singer  2434,  Karzinom  und  Tuberku¬ 
lose  derselben  — ,  von  Bundschuh  .  2588 

Mammafibrom,  von  Jacobovici . 1051 

Mammahypertrophie,  von  Lexer  ....  494 
Mammakarzinom,  Röntgenbehandlung  bei 
operiertem,  von  Lohfeldt  670,  nach 
der  Krebsbehandlungsmethode  nach 
Zeller  gewonnenes  Präparat  eines  — , 
von  Kronheimer  1179,  Abnahme  des 
Arms  bei  — ,  von  Franke  ...  .  .  2068 

Mammaplastik,  von  Weichert . 206 


Seite 

Mammasekretion,  die,  beeinflussende  Fak¬ 
toren,  von  Mc  Ilroy .  2022 

Mammatumoren  des  Mannes,  von  Mieseber  1284 
Mandelbaumsche  Reaktion  beim  Abdomi¬ 
naltyphus  des  Kindesalters,  von  Bu- 

kowskaja . 1623 

Mandelentzündungen  und  innere  Erkran¬ 
kungen,  von  Meier . 2188 

Mandelgrubeninfektion,  die  chronische, 
und  ihre  Behandlung  durch  Tonsillek¬ 
tomie,  von  Oertel . 1792 

Mandeln,  soll  man  bei  Entfernung  der, 
und  der  Adenoiden  unempfindlich 
machen?  von  Botey . 1225 


Mandelsarkom,  erfolgreiche  Behandlung 
eines, mit  Cuprase  und  Röntgenstrahlen, 
von  Wolze  und  Pagenstecher  .  .  .  1036 
Mandibula,  totale  Exartikulation  der,  von 

Rousseau . . 314 

Mangan,  das  im  Blute  enthaltene,  von 
Bertrand  und  Medigreceanu  1049,  Ver¬ 
teilung  des  — •  im  Organismus,  von 
Bertrand  und  Medigreceanu  1049,  das 
in  der  Tierreihe  vorhandene  — ,  von 

Bertrand  und  Medigreceanu . 1792 

Mantel  vertrag,  bayerischer,  von  Stau  dt  er 
2317,  der  badische  — ,  von  Bergeat  2765, 

2822,  der  wtirttembergische  — ,  von 

Bergeat .  .  2870 

Marcus,  die  optischen  Entdeckungen  des 
Prager  Professors  Johannes  Marcus, 

von  Kozlik  .  2433 

Maretin,  von  Plaut .  ...  1751 

Marienbad,  urologische  Klinik  in  .  .  .  1015 

Marine,  Gesundheitsverhältnisse  der  fran¬ 
zösischen  und  deutschen,  von  Podestä  2073 
Marinelazarett,  Auflösung  des,  in  Yoko¬ 
hama  . 1401 

Mark,  labyrinthäres  Syndrom  des  ver¬ 
längerten,  von  Benedikt  .  2693 

Marmorekserum  s.  a.  Antituberkuloseserum. 
Marmorekserum,  von  Henius  und  Rosen¬ 
berg  1046,  von  Reimann .  2009 

Marshallinseln,  Reisebericht  über  einen 

Besuch  der,  von  Braunert . 1956 

Martin,  Prof.  Dr.  J.  N.  f  . . 1640 

Marro,  Prof.  Dr  A.  f . 1303 

Marschhämoglobinurie,  sogen-,  von  Jehle  546 
Mary  Putnam  Jacobi-Stipendium  für  ärzt¬ 
liche  Fortbildung . 280 

Masern,  Bild  der,  auf  der  äusseren  Haut, 
von  v.  Pirquet  713,  Kolloidaltherapie 
in  anormalen  und  komplzierten  Formen 
der  — ,  von  Galli  1168,  Typhus  und 
— ,  von  Jastrowitz  2013,  die  infektiösen 
Erytheme  im  Verlauf  der  — ,  von  Weill 
und  Gardere  2537,  einige  strittige 
Fragen  aus  der  Lehre  von  den  — , 
von  Fried  jung  2652,  Vorexanthem  bei 


— ,  von  Koch  .  2804 

Masernpneumonie,  Einfluss  hygienischer 
Verhältnisse  auf  die  Morbidität  und 
Mortalität  der,  von  Maier . 636 


Massage,  Technik  der,  von  Hoffa  142,  von 
Bum  2470,  moderne  —  auf  anatomisch¬ 
physiologischer  Basis,  von  Lange  255, 
Einfluss  der  —  auf  die  Tension  nor¬ 
maler  und  glaukomatöser  Augen,  von 
Knapp  1453,  die  Nervenpunktlehre 
von  Cornelius  und  die  schwedische 
— ,  von  Port  2732,  Wirkung  der  —  bei 
Arteriosklerose  und  chronischer  Kreis¬ 
laufschwäche,  von  Kirchberg  ....  2802 
Massagemethode,  die  feuchte,  von  Decref  2914 
Mastdarm  s.  a.  Rektum. 

Mastdarm,  gutartige  Polypen  des,  und  des 
S.  romanum,  von  Decker  589,  kombi¬ 
nierte  Exstirpation  des  karzinomatösen 
— ,  von  Heller  1559,  primäre  melano- 
tische  Geschwülste  des  — ,  von  Chalier 
u.  Bonnet  1791,  Lymphfollikel  im  — , 

von  Ssobolew .  2248 

Mastdarmernährung,  von  Mutch  u.  Ryffel  1733 
Mastdarmkrebs,  Modifikation  der  kombi¬ 
nierten  Operationsmethode  bei,  von 
Dahlgren  825,  die  Kontinenzverhält¬ 
nisse  nach  den  radikalen  Operationen 
des  — ,  von  Körbl  1786,  chirurgische 
Behandlung  des  — ,  von  Depage  und 


1913. 


Seite 

Mayen  2538,  erweiterte  Operation  des 

— ,  von  Hartmann .  2920 

Mastdarmvorfall,  Behandlung  des,  bei 
Kindern,  von  Pielsticker  2010,  Opera¬ 
tion  des  —  bei  Kindern,  von  Lengnick  2405 
Mastisolbehandlung,  Technik  der,  v.  Jaquet  2420 
Mastisolverband  im  serbischtürkischen 

Kriege,  von  Stierlin  u.  Vischer  .  .  .  1343 
Mastitis  chronica  und  ihr  Uebergang  in 

Karzinom,  von  Bertels .  2532 

Mastixlösungen,  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  über,  von  Borchardt  .  .  2744 

Mastoidoperation,  Technik  u.  Nachbehand¬ 
lung  bei  der  radikalen,  von  Milligan  2024 
Masturbation  im  vorschulpflichtigen  Alter 

von  Neter  .  2300 

Mathematik,  Einführung-  in  die  höhere, 

von  Salpeter . 1558 

Maticolysatum . 426 

Maul-  und  Klauenseuche  des  Menschen, 
von  O’Brien  1070,  Protozoen  u.  Nema¬ 
toden  bei  der  — ,  von  Paulsen  .  .  1462 

Maximalthermometer .  2207,  2318 

Möcanisme,  le,  nerveux  dans  le  processus 

nutritif,  par  Albahary .  2584 

Meckelsches  Divertikel,  Spätperforation 

eines,  nach  Trauma,  von  Hübschmann  2051 
Mddicine,  nouveau  traitd  de  et  de  thera- 

peutique,  par  Brouardel  et  Gilbert  .  255 

Mediastinale  Erkrankungen,  Diagnostik 

der,  von  Lommel  1687,  von  Siebert  .  2637 
Mediastinalsarkom,  kombinierte  Röntgen- 

undArsenbehandlungbei,  von  Haenisch  670 

Mediastinaltumoren,  von  Nicol .  2475 

Medikamente,  Berechnung  der  Dosen  von, 
für  Kinder,  von  Dilling  605,  Verwen¬ 
dung  von  —  bei  der  Behandlung  kranker 
Kinder,  von  Thiemich  ....  1067,  1178 
Medizin,  wie  studiert  man?  von  Müller  34, 
die  soziale  — ,  ein  notwendiger  Unter¬ 
richtsgegenstand,  von  Lochte  370, Grund¬ 
riss  der  gerichtlichen  — ,  von  Gottscbalk 
657,  Jahrbuch  der  praktischen  — ,  von 
Schwalbe  880,  Einführung  in  das  Stu¬ 
dium  der  sozialen  — ,  von  Gottstein 
1044,  Lehrbuch  der  gerichtlichen  — 
von  Kratter  1837,  die  Begriffe  „Soziale 
Hygiene“  und  „Soziale  — von  Fischer 
1943,  die  neuen  Grundlagen  der  —  in 
ihren  Wechselbeziehungen  zur  Chirur¬ 
gie,  von  Cushing  1958,  —  u.  Religion 
bei  den  sogen.  Naturvölkern,  von  Beth 
2376,  innere  — ,  von  Zuelzer  2850,  die 
—  in  der  klassischen  Malerei,  von 

Holländer . -  •  2914 

Medizinaletat,  preussischer  ....  335,  389 

Medizinalgesetz,  Zürcherisches . 1346 

Medizinalpolizei,  die  Handhabung  der, 

von  Keifte  1  .  1726 

Medizinal praktikanten,  Ausbildung  von  .  1527 

Medizinalprüfungen,  Schweizer . 1346 

Medizinalweeen,  sächsisches  .  .  .  .  878 

Medizinerschaft,  Münchener  1127,  2927, 
Abteilung  der  —  der  Münchener  frei¬ 
willigen  Sanitätskolonne .  2927 

Medizinische  Erfahrungen  in  Serbien  und 

Bosnien,  von  Hegler .  2756 

Medizin  schule,  deutsche,  in  Shanghai  .  1975 
Medizinstudierende,  Zahl  der,  390,  Or¬ 
ganisation  der  —  in  Frankreich  735, 

1.  Kongress  der  —  in  Frankreich  844, 

Zahl  der  —  in  Frankreich . 845 

Medulla,  eyperimentelle  Verletzungen  der, 

oblongata,  von  Rothfeld  .....  2254 
Meerschweinebenserum,  eigenlösende 
Eigenschaften  des,  von  v.  Gierke  885, 

von  Neue . 1451 

Megalophthalmus,  von  Flesch . 2818 

Megalosplenie,  rachitische,  v.  Aschenheim  379 
Megalozytenbildung,  Bedeutung  der,  von 

Brösamlen .  2801 

Mehlbrei,  Ausnutzung  von,  und  Griesbrei 

beim  Säugling,  von  Pfersdorf  u.  Stolte  659 
Mehlhausen,  Obermedizinalrat  General¬ 
arzt  Dr.  f . 1416 

Mehlnährschaden,  von  Frank  und  Stolte  1951 
Meiostagminreaktion,  zur,  von  Köhler  und 
Luger  485,  dieVerwertbarkeit  der  Azeton¬ 
extrakte  bei  der  — ,  von  Zarzicky  485, 


1913. 


die  —  bei  Verwendung  der  Lezithin¬ 
extrakten,  von  Ferrari  und  Urizio  039, 
Antigene  für  die  — ,  von  Izar  1047, 

—  und  Wassermannsche  Reaktion, 

von  Bazzicalupo  1849,  in  der  Geburts¬ 
hilfe  . 

Meiostagminreaktionsfähigkeit  der  Ex¬ 
trakte  verschiedener  Dotterarten,  von 

Kelling . 

Melaena,  Entstehung  der,  neonatorum,  von 
Wolf!  93,  hämorrhagische  Erosionen 
und  Magengeschwüre  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu —  neonatorum,  von  Zadek 
545,  Aetiologie  der  —  neonatorum, 
von  Reinach  617,  schwerste  —  neo¬ 
natorum  geheilt  durch  Injektion  von 
defibriniertem  Menschenblut,  von 
Merckens  971,  —  neonatorum,  von 

Lövegreen  . 

Melanosarkom,  pi-imäres,  des  Zentralner¬ 
vensystems,  von  Bösch  90,  —  der  Cho- 
rioidea,  von  Schneider  278,  pigment- 
bildendeNematoden  von  — ,  von  Paulsen 
Melanosarkomatose, primäre,  der  Pia  mater, 

von  Schopper . * . 

Melanose  der  Dickdarmschleimhaut,  von 
Henschen  1169,  von  Henschen  u.  Berg¬ 
strand  . 

Mcloplastik,  totale,  von  Lerda . 

Melubrin  bei  akutem  Gelenkrheumatismus, 
von  Saar  41,  über  — ,  von  Schuster  154, 

—  als  Antirheumatikum  und  Antipyre- 

-  tikum,  von  Keuper  1046,  neuere  Erfah¬ 
rungen  mit  — ,  von  Schmid . 

Melubrintherapie,  intravenöse,  von  Hahn 
2232,  subkutane  und  intramuskuläre  — , 

von  Riedel . 

Mendel,  Gregor,  als  Student,  von  Iltis  . 
Mdnierescher  Schwindel,  Operation  bei, 

von  Frazier . 

Meningeale  Prozesse,  Diagnose  der  ent¬ 
zündlichen,  mittels  der  Reaktion  mit 
Natrium  taurocholicum,  von  Jancovescu 
Meningen,  Permeabilität  der,  von  Zalo- 

ziecki . 

Meningitis  s.  a.  Zystizerkenmeningitis. 
Meningitis  serosa  circumscripta  cerebralis, 
von  Wendel  91,  epidemische  — ,  von 
Gerhardt  106,  Zerebrospinalflüssigkeit 
bei  der  tuberkulöseix  — ,  von  Fischer 
107,  Entstehungsursache  der  —  tuber- 
culosa  bei  Kindern,  von  Koch  219,  431, 
Zucker  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit 
bei  — ,  von  Jacob  605,  Histologie  und 
Pathologie  der  —  und  Sinusthrombose, 
von  Streit  774,  merkwürdiges  Phänomen 
bei  —  tuberculosa  post  mortem,  von 
Mandelbaum  1194,  Bedeutung  des  Uro¬ 
tropin  für  Prophylaxe  und  Therapie  der 
otogenen  — ,  von  Zimmermann  1229, 
Prognope  und  Therapie  der  — ,  von 
Reichmann  1375,  Schädeldach  eines 
Falles  von  tuberkulöser  — ,  von  Fraenkel 
1407,  zwei  geheilte  Fälle  von  —  tuber¬ 
culosa,  von  Reichmann  u.  Rauch  1430, 
Durchspülung  des  Zerebrospinalsackes 
bei  eitriger  — ,  von  Knick  1569,  tödliche 

—  nach  intranasaler  Abtragung  der 
mittleren  Muschel,  von  Kümmel  T571, 

—  serosa  traumatica,  von  Schlecht  1844, 
prophylaktische  Impfung  gegen  epide¬ 
mische  — ,  von  Back  1851,  geheilte  rhi- 
nogene  — ,  von  Zange  1856,  Serumbe¬ 
handlung  der  —  cerebrospinalis,  von 
Alfaro  u.  Iribarne  1904,  die  Glykosurie 
bei  der  tuberkulösen  — ,  von  Frew  u. 
Garrod  1953,  Behandlung  der  —  otiti- 
schen  Ursprunges,  von  Milligan  1953, 

—  ohne  makroskopischen  Befund,  von 

Sittig  2196,  —  u.  Epilepsie,  von  Tilmann 
2251,  —  saturnina,  von  Plate  2343,  De¬ 
struktionsprozesse  in  der  Rinde  bei  tu¬ 
berkulöser  — ,  von  Sittig  2375,  —  nach 
follikulärer  Angina,  von  1  Siemerling 
2691,  —  basalis  posterior  chron.,  von 
Brückner  . 

Meningocele  occipitalis  superior,  von 
Wendel  1802,  Geb urts verlauf  bei  ok- 


I  NH  ALTS- VE  RZ  EICHN  IS. 


LXXV 


Soite 


2915 


1620 


2193 

1909 

1679 

1340 

712 


1342 


2454 

2434 

486 


1052 


1219 


2859 


Seite 

zipitalen  und  dorsalen  — ,  von  Kröner 
1951,  basale  sphenorbitale  — ,  von  Kond- 

ring .  2638 

Meningo  -  Encephalitis  occipitalis,  von 

Marx . 1568 

Meningomyelitis,  genuine,  von  Grund 

2144,  luetische  — ,  von  Gruber  .  .  .  2645 
Meniskus,  Verlagerung  des,  von  Schwarz 
1503,  seitliche  Abreissung  der  — ,  von 

Blecher .  2246 

Meniskusluxation,  Diagxxose  der,  und  des 
Meniskusabrisses,  von  Bircher  ....  2802 
Meniskusvei-letzungen,  Dauerresultate  voxx 
Meniskusexstirpationen  bei  — ,  von 


Glass . 202 

Menorrhagie,  Röntgentherapie  juveniler, 
von  Loose  833,  Behandlung  schwerer 

—  durch  Portioinjektionen,  von  Koch  1615 
Mexxschenafien,  psychologische  uxxd  tier- 

physiologisuhe  Erforschung  der,  von 

Rothmann . 1282 

Menschenblut,  intravenöse  Injektionen 
von,  bei  Anämie,  von  Weber  ....  1307 
Menschenpocken ,  Erkrankungen  des 

Rückenmarkes  bei,  voix  Eichhorst  .  1783 
Menschentypen,  gefährliche,  von  Anton  2309 
Menses,  Einfluss  des  Diuretin  auf  die, 

von  Stein . 2196 

Menstruation  s.  a.  Ovulation. 

Menstruation,  vorzeitige,  Geschlechtsreife 
und  Entwicklung,  von  Lenz  ....  2474 
Menstruationsstörungen,  tuberkulöse  Aetio¬ 
logie  der  — ,  von  Hollös .  41 

Merjodin,  von  Horix .  2646 

Merkblätter  566,  —  für  die  Wassemxaixn- 
sche  Reaktion  502,  504,  —  über  den 
Gebrauch  von  Schutzmassregeln  gegeix 
Röntgenstrahlen  1239,  —  über  die 

Folgen  des  übermässigeix  Alkohol¬ 
genusses  . 1239 

Merkel,  W.,  80.  Geburtstag  von  Hofrat  Dr.  845 
Mesbö  in  der  Behandlung  chirurgischer 
Tuberkulosen,  voix  Butzengeiger  128, 
Erfahrungen  mit  —  bei  Lungen-  und 
Kehlkopftnberkulose,  von  Roepke  263, 

—  bei  Lungentuberkulose,  von  Jarosch 
317,  Behandlung  der  chirurgischen 
Tuberkulose  mit  — ,  von  Michejda  774, 

—  bei  Lungentuberkulose,  von  Klein 
1952,  das  ixeue  Tuberkuloseheilmittel 

— ,  von  Laixdolt .  2357 

Mesenterialgefässe,  Obliteration  der,  von 

Leotta  . 1 168 

Meseixterium,  Deimoid  des,  von  Krall  .  1970 
Mesothorium,  Wirkung  des,  auf  den  Seh¬ 
apparat,  von  Chalupecky  603,  —  und 
Radium,  von  Fi-eund  674,  Etwas  über 
Radium  und  — ,  von  Kröner  717,  —  als 
Röntgenstrahlenersatz  iix  der  Gynäko¬ 
logie,  von  Voigts  1 188,  Behandlung  mit 

—  in  der  Gynäkologie,  von  Döderlein 
1296,  1728,  mit  —  behandelte  Karzi¬ 
nome,  von  Haendly  1404,  Bestrahlung 
mit  —  bei  Epitheliomen,  von  Nobl 
1469,  Behandlung  des  Krebses  mit 
Röntgenlicht  und  — ,  von  Krönig  und 
Gaues  1507,  die  Muttersubstanzen  des 
Radiums  und  — ,  von  Wichmann  1573, 
Anschaffung  von  —  in  Düsseldorf  1695, 
in  München  1806,  2095,  2151,  über  — , 

1838,  bakterizide  Wirkung  des  — ,  voix 
Bondy  1842,  Ankauf  von  —  in  Dresden 
1975,  die  Lebensdauer  des  —  1976,  Be¬ 
handlung  des  Krebses  mit  — ,  von  Phx- 
kuss  2072,  Beschaffung  von  —  für  d.  prak¬ 
tischen  Aerzte  2206,  Ersatz  des  —  durch 
Röntgenstrahlen,  von  Müller  2448, 2495, 
Ersatz  von  Radium  und  —  durch  harte 
X-Strahlen,  von  Dessauer  2544,  Wir¬ 
kung  des  —  auf  bösartige  Neubil¬ 
dungen,  von  Wanner  und  Teutsch- 
länder  2639,  —  bei  Carcinoma  cervicis, 
von  Schauta  2804,  Radium  und  — ,  von 
Nahmmacher .  2921 

Mesothorium -Behandlung  von  Metro- 
pathien  und  Myomen,  von  Pinkuss 
1283,  —  beim  Utefuskarzinom,  von 
Bumm  1402,  von  Döderlein  1403,  —  der 


Seite 

Myome,  von  Döderlein  1403,  —  der 
Myome  uixd  Metropathien,  von  Gauss 
und  Krinski  1404,  —  gichtischer  und 
rheumatischer  Leidexx,  von  Görges  1467, 

—  der  Uteruskarzinome,  von  Allmann  2435 
Mesothoriumbestrahlung  bei  Karzinom  der 
weiblichen  Genitalien,  von  Bumm  1068, 

1180,  1235,  —  bei  Schwerhörigkeit  und 
Ohrensausen,  von  Hügel  2110,  2768, 
von  Passow  2496,  2768,  Absorptions¬ 
tafel  für  — ,  von  Weckowski  ....  2691 
Mesothoiiumeiixwirkung  auf  genitale  Neu¬ 
bildungen,  von  Kroemer  .  .  .  1455,  2082- 
Mesothoriumtherapie,  Stand  und  neue 

Ziele  der,  von  Lazarus . 2815 

Mesothoi'schädigung  des  Hodens,  von  Sim- 

rnonds .  2435 

Mesothorschlamm,  von  Freund  und  Kriser  1071 
Messband  für  Kinder,  von  v.  Pirquet  .  .  1525 
Messingindustrie,  schwere  Bleivergiftung 

in  der,  von  Althoff . 530 

Metalues,  Begriff  und  Wesen  der,  von  Erb  2427 
Metastasen,  Möglichkeit  direkter,  von  den 

Brustorganen,  von  Franke  . 315 

Metatarsus,  Dislokation  des,  von  Young  1734 
Methämoglobinbildung,  von  Heubner  .  .  1505 
Methylalkohol,  Giftigkeit  des,  und  Aethyl- 


alkohols,  von  Langgaard . 1560 

Methylalkoholvergiftung,  von  Segale  429, 
Massenvergiftungen  mit  — ,  von  Strass¬ 
mann  1282,  das  Wesen  der  — ,  von  Kröl  1679 
Methylgrün  -Pyronin  -  Schnittfärbung,  von 

Pappenheim . 601 

Meti’itis,  Behandlung  der  chronischen, 
mittels  Chlorzinkinjektionen,  von  Moc- 
quot.  und  Mock  548,  stenosierende  — 
der  Zervix,  von  Pozzi .  2022 


Metro-Menoi-rhagien,  Röntgenbehandlung 

der  nicht-klimakterischen,  von  v.  Graf!  2370 
Metropathien,  thyreogeixe  Aetiologie  der 
hämorrhagischen,  von  Sehrt  961,  Me¬ 
sothoriumbehandlung  bei  hämorr¬ 
hagischen  —  und  Myomen,  von  Pin¬ 
kuss  1283,  Mesothoriumbehandlung 
der  — ,  von  Gauss  und  Krinski  1404, 
Behandlung  der  —  haemorrbagica  mit 
Röntgenstrahlen,  von  Siedenhof  1455, 
Röntgeixtherapie  oder  Vaporisation  bei 
hämorrhagischen  — ,  von  Fuchs  1728, 
Röntgenbehandlung  bei  — ,  von  Langes  1740 
Microfilaria  diurna  und  nocturna,  voix 

Fülleborn . 1401 

Migräne,  therapeutischer  Vorschlag  bei 
schwerer,  von  Müller  439,  —  otique, 
von  Margulies  1523,  Theorie  und  Patho- 
geixese  der  — ,  von  Auerbach  .  .  .1739 

Migräneanfall,  erbrochener  Duodenal¬ 
schleim  im,  von  Schilling . 545 

Mikroben,  Schicksal  der,  im  Magendarm¬ 
kanal  des  Säuglings,  von  Raczynski  .  323 
Mikroblutgasanalyse,  Apparat  zur,  und 

Mikrospirometrie,  von  Winterstein  .  .  2131 

Mikrognathie,  von  Enderlen . 216 

Mikromelie,  von  Mayerhofer . 675 

Mikroorganismen,  Handbuch  der  patho- 
geneix,  von  Kolle  und  v.  Wassermann 
479,  Anleitung  zur  Kultur  der  — ,  von 
Küster  1335,  elektive  Züchtung  von 
— ,  von  Conradi  1458,  Eignung  kräf¬ 
tiger  und  schwacher  Organismen  zur 
Aufnahme  virulenter  — ,  von  Chau- 
veau  2653,  Vermehrungsgeschwindig¬ 
keit  einiger  pathogener  — ,  von  Ro¬ 


senthal  . . 2915 

Mikropan,  von  Ranschburg  ........  1398 


Mikrophthalmus  congenitus,  von  Rupprecht  895 
Mikrophotographien  voix  Spirochaeteix  etc.  1359 
Mikroskopie,  zur  klinischen,  und  Mikro¬ 
photographie,  von  Posner  und  Scheffer  164 
Mikroskopische  Technik,  Taschenbuch  der, 

von  Boehm  und  Oppel . 257 

I  Mikuliczsche  Krankheit,  von  Plaschkes  .  1413 
!  Milch  s.  u.  Frauenmilch,  Kuhmilch,  Laro- 
sanmilch,  Rohmilch. 

Milch  brünstiger  Kühe  als  Kindermilch, 
von  Steng  691,  Infektiosität  der  — 
syphilitischer  Frauen,  von  Uhlenhuth 
und  Mulzer  1109,  kann  die  —  der 


LXXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

eigenen  Mutter  dem  Säugling  schäd¬ 
lich  sein?,  von  Opitz  1450,  Ernährungs¬ 
versuche  mit  Friedenthalscher  —  .  .  2372 
Milchabsonderung,  Physiologie  der,  von 

Schäfer . 1525 

Milchanaphylaxie,  von  Kleinschmidt  .  .  1045 
Milchdrüsen,  das  Wachstum  der,  und  die 

Milchsekretion,  von  Schickele  .  .  .  561 

Milchentkeimung,  hygienisch  einwand¬ 
freie,  von  Hering . 1516 

Milchferment,  lipolytisches,  von  Davidsohn  1678 
Milchgewinnung  und  Milchbehandlung  auf 

dem  Lande,  von  Bellinger  . . 1848 

Milchsäure,  quantitative  Bestimmung  der, 
von  Mondschein  2129,  Wirkung  der  — , 

von  Loeb .  2194 

Milchsäurelangstäbchen,  von  Kühl  .  .  .  1341 
Milchsekretion,  von  Cristea  und  Ascliner 
1052,  Wirkung  von  Hypophysenextrak¬ 
ten  a.  die — ,vonHoussay,  Giusti  u.Maag  2477 
Milchuntersuchung,  Methodik  der  biolo¬ 
gischen,  von  Bauer .  2007 

Milchverkehr,  gesetzliche  und  polizeiliche  _  I 

Regelung  des,  von  Schreiber  ....  1501 
Milchzahngebiss,  Wert  des,  von  Hock  .  .  2374 
Miliartuberkulose,  von  Assmann  129(5,  von 
Schmincke  2704,  die  akute  allgemeine — , 

von  Cornet . 823 

Militärärzte,  Stellung  der, . 2073 

Militärdiensttauglichkeit,  Bedeutung  der 
Erkrankungen  der  oberen  Luftwege  und 
des  Ohres  für  die,  von  Hölscher .  .  .  2301 
Militärhygiene,  Lehrbuch  der,  von  Bischoff, 

Hoffmann,  Schwiening  .  .  .  309,  879 

Militärsanitätswesen,  Fortschritte  auf  dem 

Gebiete  des,  99,  1170, 1508,  2073,  2752, 

—  in  Norwegen  1170,  in  Frankreich  .  1508 
Militärverwaltungsetat,  bayerischer  .  .  .  2317 
Milz,  metastatische  Geschwulstbildung  in 
der,  von  Geipel  94,  Blutgefässerkran¬ 
kungen  der  — ,  von  Geipel  94,  Fett¬ 
gehalt  der  — ,  von  Poscharisky  262, 
Bedeutung  der  —  in  dem  an  malignem 
Tumor  erkrankten  Organismus,  von  Oser 
und  Pribram  770,  Gallertkrebs  der  — , 
von  Loening  838,  Spontanrupturen 
der  — ,  von  Johansson  1048,  Exstir¬ 
pation  der  — ,  von  Mühsam  1058,  Patho¬ 
logie  der  — ,  von  Eppinger  1236,  wachs¬ 
tumhemmender  Einfluss  der  —  auf 
das  Rattensarkom,  von  Biach  und  Welt¬ 
mann  1620,  von  Frankl  1731,  Bezie¬ 
hungen  der  —  zur  aktiven  Ge¬ 
schwulstimmunität,  von  Apolant  1675, 
zur  Chirurgie  der  — ,  von  Mayo  1851, 
Bedeutung  der  —  als  hämatopoetisches 
Organ,  von  Port  2475,  zur  Diagnose 
und  Therapie  der  Schussverletzungen 
der  — ,  von  Michelsson  2533,  Zyste 

der  — ,  von  Riese .  2858 

Milzbrand,  der  äussere,  des  Menschen  92, 
zur  Behandlung  des  äusseren  — ,  von 
Heinemann  224,  368,  —  und  Salvarsan, 
von  Becker  368,  Serodiagnostik  des  — 
nach  Ascoli,  von  Isabolinsky  und  Pace¬ 
witsch  663,  zur  Salvarsan  behandlung 
des  — ,  von  Mokrzecki  1089,  gewerb¬ 
licher  —  1393,  Impfung  gegen  den  — , 
von  Leclainche  und  Valide  1526,  Sal¬ 
varsan  bei  —  und  Wut,  von  Isabolinsky  1726 
Milzbrandbazillen,  Einwirkung  von  Salvar¬ 
san  auf,  von  Roos . 481 

Milzbranderkrankungen,  gewerbliche,  von 

Rebentisch  1896,  von  Schultze  ....  1896 
Milzbrandgefahren  durch  Gerbereien  und 
ihre  Bekämpfung,  von  Hilgermann  und 

Mar  mann . 1506 

Milzbrandsporen,  Ermittlung  von,  in  in¬ 
dustriellem  Material,  von  Glyan  und 

Lewis  . .  1393 

Milzchirururgie,  moderne,  von  Michelsson  2070 
Milzexstirpation  wegenEchinokokkenzyste, 
von  Israel  1737,  —  bei  perniziöser  Anä¬ 
mie,  von  Ranzi  .  2819 

Milzextrakt,  therapeutische  Wirkung  des, 

von  TTarrower . 1954 


Seite 


1952 


Milzfunktion,  zur  Pathologie  der,  von  Ep¬ 
pinger  .  . • 

Morphiumentwöhnung  mit  Skopolamin, 

von  Muelleri . .  •  093 

Milzruptur,  spontane,  von  Johansson  1170, 

—  als  Unfallfolge,  von  Isbioka  .  .  .  2(597 
Milztumor  mit  tödlicher  Blutung,  von  Ewald  1 64 
Milzvenen-  und  Pfortaderthrombose,  von 

Goldmann . .  1903 

Mineralsalze,  Bedeutung  der,  für  Stoff¬ 
wechsel  und  Therapie,  von  Grabley  .  2364 
Mineralstoffwechsel  des  Menschen,  von 

Berg  .  2364 

Mir  ist  wohl  .  •  •  1841 

Mischnarkose,  Pharmakologie  der, von  Zorn  992 
Missbildung  der  Geschlechtsorgane,  von 
Vromen  93,  angeborene — ,  von  Hayashi 
und  Matsuoku  1339,  von  Kaiser  2859, 

—  des  Sehnerveneintrittes,  von  See¬ 

felder  1512,  seltenere  —  der  inneren 
Genitalien,  von  Stratz  1788,  Statistik 
der  angeborenen  — ,  in  Japan,  von 
Hiromoto  1842,  mehrfache  — ,  von 
Pfänner .  2252 

Missed  labour,  von  Kreisch . 1263 

Missionsarbeiter,  die  Gesundheitsverhält¬ 
nisse  der  Rheinischen,  von  Fiebig  .  .  88 

Mistelsky,  Verurteilung  des  Kurpfuschers  1639 

Mitlacher,  Prof.  Dr  f . 224 

Mitralstenose,  der  Vorhof  bei  der,  von 

Samways . 1734 

Mitteilungen,  Radiologische,  des  Kreuz- 
nacher  Aerztevereins  680,  bakteriolo¬ 
gische  — ,  von  Neisser  1063,  —  und 
Ausblicke,  von  Kochel  .......  1281 

Mittelohr,  Entwicklung  der  eitrigen  Ent¬ 
zündungen  des,  von  Wittmaack  1519, 
Tuberkulose  des  — ,  von  Brieger  1568, 
Beziehungen  der  Pneumatisations¬ 
störungen  zu  den  eitrigen  Entzündungs¬ 
prozessen  des  — ,  von  Wittmaack  .  .  1568 
Mittelohrentzündung,  die  syphilitische, 

von  Lüders . 317 

Mittelohrflsteln  u.  Perforationen  an  der 

Schädelbasis,  von  Riedel . 1248 

Mittelohrtuberkulose,  von  Brock  ....  1568 
Mittelstandssanatorium,  ärztliches,  inWien 

1625,  Gründung  von  — .  2250 

Modiskop,  von  Keller . 828 

Möbiusstiftung  . . 391 

Möller  Barlo wsche  Krankheit,  von  Hart  u. 

Lessing . 189o 

Mörtelfeuchtigkeit,  Bestimmung  der,  von 

Korff  Petersen .  2690 

Molen,  Breussche  Molen,  u.  retinierte  Eier, 
von  Waldstein  936,  destruierende  oder 
penetrierende  — ,  von  Curtis  und  Oni  2539 
Molke  u.  .Magendarmfermente,  von  David¬ 
sohn  . 2071 

Molliment . 1839 

Molluscum  contagiosum,  von  Merkel  .  .  1045 
Momburgscher  Schlauch,  Gefahren  des, 

von  Mayer . 1729 

Momentaufnahmen,  stereoskopische,  von 

Lorey  833 

Monatsschrift,  Bibliographische  ..  ..  1239 

Mongolen,  organ abbauende  Fermente  im 

Blute,  von,  von  Jödicke .  2692 

Mongolen  fleck,  der,  in  Nordafrika,von  Bruck  1071 
Mongolismus,  von  Strauch  676,  2315,  von 

Tugendreich .  2594 

Monokel,  das,  von  Halben . 959 

Morbus  coeruleus,  von  Lippmann  ....  619 

Morphin,  Verhalten  des,  gegen  Fäulnis, 
von  Ipsen  1282,  Gefährlichkeit  der 
Kombination  von  —  mit  allgemeiner 
Narkose  und  mit  Schlafmitteln,  von 
Straub  1823,  Wirkung  von  —  auf  das 
Wachstum  der  transplantablen  Mäuse¬ 
tumoren,  von  Joannovics  .  ...  2195 

Morphinismus,  Klinik  und  Therapie  des, 

von  Friedländer . 670 

Morphinvergiftung,  Gutachten  über,  von 

Magnus  ............  1847 

Morphinwirkung  auf  die  Zirkulation,  von 

Anderes . 1565 


938 

882 

371 


Seite 

Morphium,  Wirkung  des,  von  Madrakowski 

und  Sabat  . 832 

Morphiumvergiftung,  von  Braun  1012,  post¬ 
operative  — ,  von  Hinterstoisser  .  .  .  2855 

Morrow  Pr.  A.  f . 792 

Mosquitoküste,  Aerzte  u.  Krankenhäuser 

an  der,  von  Schottelius . 1063 

Motais  Prof.  Dr.  f  . 1528 

Mückenvertilgung,  von  Mühlens  ....  1400 

Müller  Dr.  Franz  C.  f  .  .  .  2096 

Müllverbrennung,  von  Sperber  ....  2256 

Mütter,  Tod  der,  in  der  Univ .-Frauenklinik 

zu  München,  von  Wehner  ....  999 
Mütterfürsorge,  Beziehungen  der,  zur 
Säuglingsfürsorge,  von.  Schönflies  1632, 
Aufgaben  des  Arztes  in  der  — ,  von 

Holzinger .  •  1632 

Mütter-  u.  Säuglingsfürsorge,  neue  Reichs¬ 
anstalt  für,  in  Wien . 320 

Mulgatose,  von  Wallbaum  .  .  L  .  1507 

Mumps,  Enzephalitis  und,  von  Bien  2373, 
das  Blut  und  die  Zerebrospinalflüssig¬ 
keit  heim  — ,  von  Feiling .  2695 

Mumpsepidemie,  von  Müller  und  Römer  1122 
Mumpsphlebitis,  von  Hirtz  und  Salomon  .  334 

Mund,  Therapie  der  Entzündungen  im, 
Rachen  und  Kehlkopf,  von  Lang  .  . 
Mundbodendermoide,  von  Hassel  .... 
Munddiphtherie  und  Munddiphtheroid,  von 

Züllig  ...  . 

Mundhöhle,  die  Krankheiten  der,  und  der 
oberen  Luftwege,  von  Trautmann  823, 
die  Erkrankungen  der  —  und  der  Speise¬ 
röhre,  von  Kraus  und  Ridder  1445,  die 
Krankheiten  der  Nase  und  der  — ,  von 
Bruck  1445,  Bakteriologie  der  — ,  von 
Regensburger  2315,  die  Krankheiten 
der  — ,  des  Rachens  und  der  Nase, 
von  Grünwald  2636,  gonorrhoische  Er¬ 
krankung  der  —  bei  Neugeborenen, 

von  Shwif . 2810 

Mundschleimhautkarzinome,  Behandlung 

der  —  mit  Radium,  von  Schindler  .  2482 

Mundsepsis,  von  Mills  . '2643 

Mundspeichel,  diastatische  Kraft  des,  von 

Hirata . .  2130 

Mundsperrer,  von  Marschik  .  .  ....  730 

Murphyknopf,  Anwendung  des,  bei  der 
Gastroenterostomia  retrocolica  poste¬ 
rior,  von  Fesenmeyor . 

Murri-Stiftung . 

Muskel,  Muskeln,  die,  des  Stamme->,  von 
Eisler  141,  zur  chemischen  Pathologie 
des  — ,  von  Grund  601,  die  —  des 
menschlichen  Beines,  von  Frohse  und 
Fränkel  1612,  Leitungsgeschwindigkeit 
der  Erregung  im  quergestreiften  — , 
von  Hoffmann  2243,  Elektromyogramm 
roter  und  weisser  — ,  von  Kohlrausch  2243 
Muskelangiome,  kavernöse  Form  der,  von 

Borchard  .  2588 

Muskelarbeit  und  Körperkonstitution,  von 

Roeder  .  . .  •  2300 

Muskelatrophie,  neurotische  progressive, 
von  Seifert  1227,  Spätformen  der  pro¬ 
gressiven  — ,  von  Ziegler  1845,  —  zere¬ 
bralen  Ursprungs,  von  Roasenda  und 

Angela . 1850 

Muskelbündellänge  und  neurogene  Kon¬ 
trakturen,  von  Jansen . 780 

Muskeldystrophie,  Kombination  der,  mit 
anderen  Muskelerkrankungen ,  von 

Klieneberger .  . 2012 

Muskelerkrankung,  systematische,  von 

Hoehl  ...  .  •  268 

Muskelfaser,  Erregungswellen  in  den,  von 

Hoffmann .  2243 

Muskelhaken,  neuer  stumpfer,  von  Jessen  2733 
Muskelkontraktur,  Beseitigung  der  ischä¬ 
mischen,  durch  freie  Muskeltransplan¬ 
tation,  von  Göbell . 1503 

Muskellähmung,  ischämische,  und  Muskel¬ 
kontraktur,  von  Kroh . 543 

Muskel-  und  Gelenkmechanik,  Lehrbuch 

der,  von  Strasser . 2414 

Muskelrhcumatismus,  von  Luff . 196 


1162 

101 


1913 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXVII 


Seite 


Muskelsarkom,  primäres,  und  Myomek- 

tomie,  von  Fasano . 1 1(38 

Muskelverknöcherung,  Ursache  der  trau¬ 
matischen,  von  Ewald  378,  von  Janz  378 
Mu8kelverpllanzung,  von  Reichard  .  .  .  439 
Muskelzuckungen,  rhythmisierte  klonische, 

von  Friedrich . 1843 

Muskulatur,  die  Chirurgie  der  quergestreif¬ 
ten,  von  Küttner  und  Landois  .  .  .  1444 
Musterverträge,  die,  der  Krankenkassen¬ 


kommission  des  Deutschen  Ae.-V.B. 
und  die  ärztlichen  Tarifverträge,  von 

Koebner . 1329 

Mut,  der,  zu  sich  selbst,  von  Marcinowski  424 
Mutterkornpräparate,  Wirksamkeit  syn¬ 
thetischer,  von  Rübsamen . 1457 

Mutterschaft,  von  Schreiber . .  .  1274 

Muttertuberkulose,  Stillen  bei,  von  Coz- 

zolino .  2299 

Myasthenie,  faradisch  elektrische  und 
histologische  Untersuchungsergebnisse 

bei,  von  Harzer .  ....  1843 

Myatonia,  Pathologie  und  Klinik  der, 

congenita,  von  Kaumheimer . 1901 

Mycetom  in  Amerika,  von  Sutton  .  .  .  1957 
Myeline,  doppeltbrechende,  in  Katarakten, 

von  Hoffmann .  .  741 

Myeloblastenleukämie,  akute,  von  Boechat  2301 
Myelodysplasie  und  Enuresis  nocturna, 

von  Saenger . 1844 

Myeloide  Metaplasie  bei  experimentellen 
Blutgiftanämien,  von  Albrecht  1220, 

von  Meyer . 1220 

Myelom,  das  multiple,  von  Shennan  .  .  2696 
iVlyelomeningozelen,  nachträgliche  Ueber- 
häutung  von,  von  Bonsmann  ....  2418 

Myeloplastik,  von  Schmieden . 1751 

Myelose,  mit  Benzol  behandelte  chronische 

leukämische,  von  Döri .  2806 

Mykolisine  Doyen,  von  Konried  ....  207 
Mykose  der  Magenschleimhaut,  von  Be- 

nelli  . . 310 

Myokardische  Affektionen,  physikalische 

Zeichen  von,  von  Lewis . 1734 

Myocarditis,  Cymarin  bei,  chronica,  von 

Kolb  .  .  •  . .  2301 

Myonysteropexie,  von  Jacobovici  ....  2304 
Myokardveränderungen  bei  Intoxikatio¬ 
nen,  von  Anitschkow  . 601 


Myoklonusepilepsie,  familiäre,  von  Sioli  1449 
Myome,  Typen  von,  von  Seilheim  .  .  .  2432 
Myombehandlung,  moderne,  von  Schauta 
374,  operative  — ,  von  Fleischmann  716 
Myome,  Einfluss  der,  auf  Sterilität  und 
Fertilität,  von  Szametz  265,  subseröses 
— ,  von  Henkel  613,  Röntgentherapie 
bei  -r-  und  Fibrosis  uteri,  von  Hirsch 
906,  —  der  Vagina,  von  Dicke  937,  Rönt¬ 
gentherapie  der  — ,  von  Kosminski 
1226,  vonDöderlein  1403,  Mesothorium¬ 
behandlung  der — ,  von  Döderlein  1403, 
von  Gauss  und  Krinski  1404,  die  Lymph- 
bahnen  der  — ,  von  Polano  1456,  Hy- 
stereuryse  bei  —  unter  der  Geburt, 
von  Christiani  1616,  Röntgenbehand¬ 


lung  bei  — ,  von  Langes . 1740 

Myomenukleation,  von  Schopp . 259 


Myomoperationen,  partielle,  von  Freund  1457 
Myomotor,  der  neue,  von  Becker  .  .  .  428 

Myopie  s.  u.  Kurzsichtigkeit,  Schul¬ 
myopie. 


Myopie,  traumatische,  von  Tange  ....  2140 
Myositis  ossificans,  von  Brauer  157,  zur 
Kenntnis  der  — ,  von  Jacob  1089,  trau¬ 
matische  — ,  von  Rotky  1106,  —  ossi¬ 
ficans  progressiva  multiplex,  von  Goto  1218 
Myotonie,  atypische,  von  Hirsch-Tabor 
670,  atrophische  — ,  von  Grund  863, 

—  akquisita  mit  Muskelatrophie,  von 
Willich  2025,  atrophische  —  nach 

Trauma,  von  Tetzner . 2136 

Myxidiotie,  zwei  Geschwister  mit,  von 

Goldstein .  2356 

Myxoedem,  von  Thost  49,  von  v.  Strümpell 
270,  kongenitales  — ,  von  Kotzenberg 
325,  —  und  Kretinismns,  von  Wagner 
v.  Jauregg  1159,  —  und  Basedow,  von 
von  Maranon  1224,  forme  fruste  von 


Seite 

infantilem  — ,  von  Weihe  1909,  Patho¬ 
logie  des  angeborenen  und  erworbenen 
—  im  Kindesalter,  von  Siegert .  2374 


N. 


Nabeladenome,  Kasuistik  und  Histogenese 

der,  von  Zitronblatt . 484 

Nabelbrüche,  Naht  von  grossen,  und  ähn¬ 
lichen  Hernien,  von  Bertelsmann  .  .  .  314 
Nabelhernie,  Behandlung  der,  bei  Kindern 
mit  elektrischer  Ligatur,  von  Fraser 
2696,  Methode  zur  Behandlung  der  — , 

von  Pringle .  2696 

Nabelkoliken,  rezidivierende,  bei  älteren 

Kindern,  von  Moro .  2827 

Nabelschnur  mit  wahrem  Knoten,  von 

Plolzapfel . 1456 

Nabelschnurknoten,  Tod  des  Kindes  durch 

einen  wahren,  von  Holzapfel  ....  2297 
Nabelschnurrest,  Versorgung  des,  von 

Nädory . 1279 

Nabelschnurumschlingung,  forense  Be¬ 
deutung  der,  von  Engau . 772 

Nabelsteine,  sogenannte,  von  Herzen¬ 
berg  . 885 


Nachgeburtsperiode,  Behandlung  der,  von 

Reber .  . 773 

Nachkommenschaft  von  442  tuberkulösen 
Arbeiterfamilien,  von  Leroux  und  Grun- 

berg . 1047 

Nacüröten,  vasomotorisches,  von  Schellong  377 
Nadelhalter,  neuer,  von  Blumenthal  .  .  .  1620 

Näcke,  Oberm  -R.  f  . .  2031 

Nährböden,  kohlehydrathaltige,  von  Sai- 
sawa  1165,  Gewebewachstum  in  sauren 

— ,  von  Rous  .  .  .  2592 

Nährklistiere  mit  Eiweissabbauprodukten, 

von  Schöpf . 1336 

Naevus  flammeus,  von  Zieler  163,  von 
Kren  1469,  Haemangiom  der  weichen 
Hirnhaut  bei  —  vasculosus  des  Gesichts, 
von  Hebold  1564,  —  angiomatosus, 

von  Flesch  . . 2818 

Naganainfektion,  Schutzimpfung  gegen, 
von  Rondoni  und  Goretti  . .  2245 


Nagelextension,  zur,  von  Magnus  202,  von 
Grüne  712,  von  Wolff  781,  Technik 
der  Steinmannschen  — ,  von  Kulen- 
kampff  1447,  Schädigung  des  Knochens 
durch  — ,  von  Wagner  1451,  —  bei 
Frakturen  der  unteren  Extremität,  von 
Jüngling  1748,  Technik  der  — ,  von 
Steinmann  1841,  von  Kulenkampff  .  .  1841 
Nagelextensionsapparat,  un  verschiebbarer, 

von  Spiegel . 1451 

Nahrungsaufnahme,  Einfluss  der,  auf  den 

Stoffwechsel,  von  Benedict . 1276 

Nahrungsballast,  von  Hirschstein  ....  1462 
Nahrungsbedürfnis,  das,  von  Sternberg  .  2914 
Nahrungseiweiss,  Einfluss  des,  auf  die 

Bluterneuerung,  von  Hopmann  .  .  .  2639 
Nahrungsmittel,  Verkehr  mit  223,  Arbeiten 

über  — . 2129 

Nahrungsmitteluntersuchung,  Handbuch 
der,  von  Beythien,  Hartwich  und  Klim- 

mer . 425 

Nahtverstärkungswert  des  ungestielten 
Netz-,  Peritoneal-  u.  Mesenteriallappens, 

von  Sasaki  .  2067 

Napoleon,  von  der  Sektion,  herstammende 

Präparate,  von  Keith . 1732 

Narben,  Strahlenbehandlung  der  fehler¬ 
haften,  und  Keloide,  von  Freund  .  .  2537 
Narkolepsie,  von  Laaser  49,  von  Kliene- 

berger . 429 

Narkophin,  Verwendung  des,  in  der  Ge¬ 
burtshilfe,  von  Jaschke  72,  von  Drews 
1218,  Anwendung  des  — ,  von  Eisner 
1415,  über  — ,  von  Rosenthal  1917,  von 

Wockenfuss . 2150 

Narkose,  s.  a.  Aethernarkose,  Aethertropf- 
narkose,  Aethylchloridnarkose,  Allge¬ 
meinnarkose,  Chloraethylnarkose,  Chlo¬ 
roformnarkose,  Hedonalnarkose,  Iso- 
pralnarkose,  Lachgasnarkose,  Magne- 


Scite 

siumnarkose,  Sauerstoffnarkose,  Ueber- 
drucknarkose. 

Narkose,  Frage  der,  von  Rovsing  332, 
intravenöse  — ,  von  Keppler  u.  Bres¬ 
lauer  370,  Einfluss  der  Chloroform-, 
Aether-  und  Misch-  --  auf  die  physi- 
kal.-chem.  Beschaffenheit  des  Blutes, 
von  Oliva  825,  —  und  verwandte  Er¬ 
scheinungen,  von  Traube  1576,  Horn¬ 
hautläsionen  nach  — ,  von  Schnaudigel 
1600,  Gefährlichkeit  der  Kombination 
von  Morphin  mit  allgemeiner  — ,  von 
Straub  1 823,  Kohlehydratstoffwechsel 
in  der  — ,  von  Oppermann  1844,  Ver¬ 
halten  der  Tränendrüse  während  der  — , 

von  Rutherford . ’  2643 

Narkotikagemische,  Wirkung  von,  auf  poi- 
kilotherme  Wassertiere,  von  Kochmann  770 
Narkotikum,  Wahl  des,  bei  Operationen 
in  der  Bauchhöhle,  von  Sprengel  .  830 
Nase,  Schleimhautlupus  der,  von  Walb  602, 
die  Krankheiten  der  —  und  der  Mund¬ 
höhle,  von  Bruck  1445,  vergleichende 
Bakteriologie  der  —  und  des  Mundes, 
von  Streit  1571,  Chirurgie  der  Neben¬ 
höhlen  der  — ,  von  Kleestadt  2070,  Be¬ 
ziehungen  zwischen  .Allgemeinerkran¬ 
kungen  und  solchen  der  — ,  von  Senator  2693 
Nasenbluten,  häufiges,  bei  Jugendlichen, 

von  Nobis . 268 

Nasendiphtherie,  klinische  Bewertung  der 
Bakterien  bei  der,  der  Säuglinge,  von 


Buttermilch . 2817 

Nasendusche,  direkt  erwärmbare,  von  Hart¬ 
mann  .  ....  1572 

Nasenersatz,  von  Brei  tner  1577,  einfacher  — , 
von  Zinsser  2734,  von  Herrenknecht  2842 
Nasenkrankheiten  und  Dysmenorrhöe,  von 

Henkes . 2140 

Nasennebenhöhlenerkrankungen,  Röntge¬ 
nologisches  über,  von  Neubert  .  .  .  1293 
Nasenplastik,  von  Koch  .  .  .  .  1467,  1516 

Nasenpolyp,  einfacher,  von  Fimmen  .  .  1292 
Nasenrachen,  direkte  Besichtigung  des, 

von  v.  Gyergyai .  ...  1571 

Nasenrachenraum,  primäre  maligne  Ge¬ 
schwülste  des,  von  Oppikofer  .  .  .  2360 

Nasenscheidewand,  Reorganisation  des 
Knorpels  der,  nach  submuköser  Re¬ 
sektion,  von  Ssamoylenko . 1792 

Nasenspülapparat  Vakuum,  von  Waib  .  1398 

Nasensteine,  von  Heinemann  . 1790 

Nasenstirngegend,  Verletzungen  der,  von 

Böhmig . 1292 

Nasenverletzung,  von  Klapp . 153 

Nasenverstopfung,  von  Fimmen  ....  1292 
Nastin,  Leprabehandlung  mit,  von  Ru¬ 
dolph  902,  von  Schumacher . 1956 

National-Iiygienemuseum  in  Dresden  .  .  679 
Natriumbikarbonatlösungen,  subkutane  In¬ 
fusion  von,  Amn  Magnus-Levy  ....  2650 
Natrium  salicylicum,  Resorption  von,  von 
Levin  41,  Ersatzmittel  des  — ,  von  Cle¬ 
mens  . 154 

Natriumnitrit,  Vergiftungen  mit,  von  Krogh  551 
Natron,  Einfluss  des  Salizylsäuren,  auf  das 

Herz,  von  Borissow . 1621 

Natura . 1840 

Nature,  the,  of  woman,  von  Tayler  ...  88 

Naturforscherversammlung  in  Wien  .  .  .  2207 
Naturvölker,  Medizin  und  Religion  bei 
den,  von  Beth .  2376 


Naturwissenschaften,  HandAvörterbuch  der  200, 
1725 

Nearthrosis,  operative,  Aron  Helferich  .  .  2769 
Nebenhodentuberkulose ,  Zeugungsfähig¬ 
keit  bei  bilateraler,  von  Fürbringer  .  .1681 
Nebenniere,  Blutung  in  das  Lager  der 
rechten,  von  Enderlen  216,  —  bei 
Hemizephalen,  von  Veit  562,  —  und 
Fettstoff  Wechsel,  von  Landau  715,  Be¬ 
ziehungen  der  —  zu  Blutzucker  und 
Wärmeregulation,  von  Freund  und  Mar- 
chandll64,  — und  Genitale,  von  Novak 
1291,  neuere  Untersuchungen  über  die 
— ,  von  Luc  k  sch  1468,  2196,  zur  l’atho- 
logie  der  — ,  von  Helly  1811,  das  dop¬ 
peltbrechende  Lipoid  der  — ,  von  Welt- 


LXXVIlt 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


l^li 


Seite 


mann  1845,  —  und  Zuckerstich,  von 
Jarisch  1950,  Studien  über  die  — ,  von 
Kahn  2189,  Veränderungen  der  —  bei 
Schwangerschaft  und  Kastration,  von 
Kolde  2808,  Adrenalingehalt  der  —  bei 
Thorium-X-Intoxikationen ,  von  Salle 
und  Apolant  2851,  Rolle  der  —  bei 
der  Regelung  der  Körpertemperatur, 
von  Döblin  und  Fleischmann  .... 
Nebennierenmark,  Tumoren  des,  von  Herx- 

heimer .  2588 

Nebennierenrinde,  zur  Entwicklung  der, 

von  Landau . 480 

Nebennieren-  und  Kalkstoffwechsel,  von 

Novak  -  . 2432 


2851 


Seite 


Seite 


354 


72 


1230 


1218 


Neosalvarsanvehikel,  Patientenserum  als, 

von  v.  Schubert . 2911 

Neosalvarsanvergiftung,  2  Fälle  von,  von 

Wahle . 

Neosalvarsanwirkung  bei  Keratitis  paren- 

chymatosa,  von  Hoehl . 

Nephrektomie  ohne  Drainage  bei  tuber¬ 
kulöser  Niere,  von  Mayo  486,  geburts¬ 
hilfliche  Argumente  zugunsten  der  — 
wogen  einseitiger  Nierentuberkulose, 
von  Spire  und  Boeckel  .......  1791 

Nephrektomierte,  das  spätere  Schicksal 
der,  von  Kümmell  1007,  1785,  die  Zu 


kunft  der  — ,  von  Bary 


1792 


Nebennierentumoren,  von  Oehlecker  .  . 

Neoimplantation  der  V.  renalis  in  die  V. 
cava,  von  Jeger  und  Israel . 

Neosalvarsan  von  Dreyfus  630,  von  Iversen 
663,  von  Grünfeld  665,  —  bei  Malaria 
tertiana,  von  Schaefer  36,  Erfahrungen 
mit  von  Odstrcil  42,  vergleichende 
Tierexperimente  mit  Salvarsan  und  — , 
von  Kersten  51,  parasitotrope  Wirkung 
des  — ,  von  Arzt  und  Kerl  97,  über  — , 
von  Bayet  98,  von  Heuck  110,  Parasi- 
totropie,  und  Toxizität  des  — ,  von 
Ullmann  108,  lokale  Behandlung  der 
Keratitis  parenchymatosa  mit  — ,  von 
Bachstez  264,  lokale  Anwendung  von 

—  am  Auge,  von  Igersheimer  610,  Be¬ 
handlung  der  Gonorrhöe  mit  — ,  von 
Levy-Bing  679,  neue  Art  intravenöser 
Injektion  von  — ,  von  Ravaut  622,  Er¬ 
fahrungen  über  — ,  von  Lier  662,  — 
bei  Febris  intermittens  tertiana,  von 
Iversen  und  Tuschinsky  663,  Wirkung 
des  — }  von  Ssolowjew  664,  Behand¬ 
lung  der  Gonorrhöe  und  ihrer  Kompli¬ 
kationen  mit  — ,  von  Janet  und  Levy- 

[•  Bing  679,  Anwendungsart  des  — ,  In¬ 
fusion  oder  Injektion?  von  Stern  691, 

792,  darf  —  ambulant  angewandt 
werden?  von  Touton  714,  von  Wolff 
und  Mulzer  1109,  Parallel  versuche  mit 
Alt —  und  — ,  von  Gutmann  772,  in- 
traarachnoideale  Injektion  von  — ,  von 
Marinesco  935,  Versuche  mit  — ,  von 
Jordan  und  Finkeistein  998,  —  in 
der  Otorhinolaryngologie,  von  Botey 
1225,  über  das  — ,  von  Mamulianzl286, 
Salvarsan  und  — ,  von  Gerbsmann  1286, 

—  bei  Malaria  und  Syphilis,  von 
Iwanow  1287,  Einfluss  des  —  auf  die 
Wassermannsche  Reaktion,  von  Gurari 
1287,  Einfluss  des  —  auf  Kreislauf  und 
Nieren,  von  Alwens  1341,  intravenöse 
Applikation  von  —  mittels  Spritze,  von 
v.  Zumbusch  1849,  therapeutische  Wir¬ 
kung  des  —  auf  Tuberkulide,  v.  Ravaut 
2028,  durch  —  geheilte  Aktinomykose, 
v. Ploeger  2092, intravenöse  Injektionen 

75  von  konzentriertem  — ,  von  Katz  2337, 
Resultate  mit  —  bei  luetischen  Affek¬ 
tionen  der  oberen  Luftwege,  von 
Schlesinger  2360,  —  bei  Malaria 

tertiana,  von  Baetge  2379,  2776, 
zur  Gabengrösse  des  — ,  von  Neu¬ 
mayer  . .  • 

Neosalvarsanbehandlung  der  lokalen  Spiro- 
chaetosen,  von  Gerber  635,  Versuch 
der  —  bei  Scharlach,  von  Axionow  . 

Ne  osal  varsanin  j  ektion ,  Gehirnhyperämie 
nach  einer  intravenösen,  von  Perkel 
998,  löprozentige  intravenöse  — ,  von 
Görl  1126,  tausend  subkutane  — ,  von 
Wechselmann  1309,  neues  Verfahren 
der  intravenösen  — ,  von  Alexandrescu- 
Dersca  1601,  vereinfachte  Technik  der 
intravenösen  — ,  von  Jess  1971,  kurze 
Bemerkungen  über  — ,  von  Schreiber 
f  1993,  konzentrierte  intravenöse  — , 
von  Frühwald  2512,  konzentrierte  — , 
von  Kerl .  2855 

Neosalvarsanlösung,  neue  Spritze  zur  In¬ 
jektion  von  konzentrierter  unter  Luft¬ 
abschluss  hergestellter,  von  Duhot 
1088,  Injektion  konzentrierter  — ,  von 
Gurari  und  Fatjanow .  2422 


2672 


2810 


Nephritis  s.  a.  Azotämie,  Glomerulone¬ 
phritis,  Nierenentzündung. 

Nephritis,  hypogenetrische,  von  Jianu  und 
Meller  43,  Azotämie  bei  —  und  deren 
prognostischer  Wert,  von  Baiatu  43, 
entgiftende  Tätigkeit  derParathyreoidea 
bei  der  — ,  von  Georgopulos  89,  intra¬ 
renale  Drucksteigerung  und  chirurgi¬ 
sche  Behandlung  der  — ,  von  Zondek 
91,  chronische  — ,  von  Gerhardt  106, 
chron.  parenchymatöse  — ,  von  Fleck- 
seder  219,  experimentelle  —  infolge 
von  Immobilisation,  von  Amerling  258, 
zur  Chirurgie  der  — ,  von  Pousson  545, 
zur  Prognose  der  — ,  von  Goldberg  559, 
chirurgische  Behandlung  der  — ,  von 
Cesar  934,  Ausscheidung  der  stickstoff¬ 
haltigen  Stoffwechselprodukte  bei  — , 
von  Erde  ly  i  1105,  Polyurie  bei  sub¬ 
akuter  — ,  von  Baehr  1216,  —  in  gra- 
vididate,  von  Holzbach  1290,  akute  — 
mit  Anurie,  von  Schloffer  1299,  aktive 
Exspiration  bei  — ,  von  Barrenscheen 
1446,  Hämaturie  bei  chronischer  — , 
von  Eisendrath  1522 ,  serologische 
Untersuchungen  mit  Hilfe  des  Dialy- 
sierverfahrens  bei  — ,  von  Lampe  und 
Papazolu  1 533,  alimentäre  Laevulosurie 
bei  chronischen  — ,  von  Franke  1682, 
Blutzuckeruntersuchungen  bei  chroni¬ 
schen  — ,  von  Borchardt  und  Bennigson 
2275,  die  Rolle  der  hyalinen  Zylinder 
in  der  Diagnose  und  Evolution  der  — , 
von  Simionescu  2304,Thyreoidtabletten 
als  prälimin  ärer  Schritt  zu  chirurgischen 
Eingriffen  bei  — ,  von  Percy  2591, 
Erysipelas  contra  — ,  von  Glaser  2747, 
spezifische  —  bei  Erbsyphilis,  von 
Hintzelmann  2804,  Kochsalzretention 
bei  — ,  Herzkranken  und  Pneumonie, 
von  Hoff  2806,  postanginöse  — ,  von 

Pribram .  .  .  2818 

Nephritisfragen  und  Nephritischirurgie, 

von  Rüge .  2070 

Nephrolithiasis,  die  Radiographie  in  der 
Diagnostik  der,  von  Klieneberger  1282, 
durch  Ureterenstriktur  vorgetäuschte 

— ,  von  Baar .  2838 

Nephrolysine,  von  Lüdke  und  Schüller  .  36 

Nephropexie,  von  Henschen  1614,  — 
mittels  freien  Faszienstreifen,  von 

Cordua . 1900 

Nepbrose,  chronische,  im  Kindesalter,  von 
Heubner  600,  Kombination  von  Thy- 

reosen  mit  — ,  von  Jamin . 1843 

Nephrotomie,  Technik  der,  und  Nieren¬ 
resektion,  von  Rubaschow  .  2586 

Nerven,  morphologische  Veränderungen 

des  gereizten,  von  Stübel .  2244 

Nervenchirurgie,  Beiträge  zu  einer  ratio¬ 
nellen,  von  Stoffel . 175 

Nervenfasern,  beginnende  Degeneration 

der,  von  Donaggio .  2253 

Nervenkranke,  Demonstration  an,  von  Wed- 
dy-Poenicke  953,  Blutuntersuchungen 

bei  — ,  von  Sauer . 

Nervenkrankheiten,  mechanische  Behand¬ 
lung  der,  von  Cohn  990,  Lehrbuch 
der  — ,  von  Bing  2187,  von  Oppenheim 
2686,  —  und  Geisteskrankheiten  in 
Brasilien,  von  Moreira  2253,  natür¬ 
liche  dreifache  Ernährung  bei  — ,  von 
Monteeuis  2255,  klinische  Symptome 
aus  dem  Gebiete  der  — ,  von  Hart¬ 
mann  . 2310 


2701 


Nervenlähmungen,  operative  Behandlung 
traumatischer  peripherer,  von  Luxem¬ 
bourg  . . 

Nervenmassage,  von  Wiszwianski  .... 

Nervennahrung,  Dr.  Frank  s . 

Nervennaht,  Ergebnisse  der,  von  Strobel 

und  Kirschner . 

Nervenplastik,  von  v.  Saar . 

Nervenpunktlehre,  die  von  Cornelius  und 
die  schwedische  Massage,  von  Port  . 
Nervensystem,  Bau  und  Verrichtungen  des, 
von  Edinger  1214,  pharmakologische 
Prüfung  des  vegetativen  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Eckert  1279,  experimentelle 
Syphilis  des  —  von  Weygandt  und 
Jakob  1405,  2037,  Uebungstherapie  bei 
Erkrankungen  des  — ,  von  Hirschberg 
1502, Behandlung  der  postsyphilitischen 
Erkrankungen  des  —  mit  Quecksilber 
und  Salvarsan,  von  Tshirjew  1564, 
Pathologie  des  vegetativen  —  beim 
Kinde,  von  Viereck  1617,  Erkrankungen 
des  zentralen  —  bei  Biermerscher  Anä¬ 
mie,  von  Dinckler  1843,  radiologische 
Studien  über  Beziehungen  des  —  zur 
motorischen  Funktion  dos  Magens,  von 
Eisler  und  Lenk  2048,  von  v.  Berg¬ 
mann  2459,  von  Massini  2460,  von 
Eisler  2734,  allgemeine  klinische  Lokali¬ 
sation  im  — ,  von  Valkenburg  2128, 
Regeneration  des  — ,  von  Dustin  2252,  Ab¬ 
bauvorgänge  im  — ,  von  Alzheimer  2427, 
Tonus  der  sympathischen  —  beim  kran¬ 
ken  Säugling,  von  Togner  2689,  patholo¬ 
gische  Anatomie  des  — ,  von  Gross  . 
i  Nervenverletzungen  im  Balkankrieg,  von 

Laurent  .  .  . 

Nervenzellen,  kolloidale  Struktur  der,  von 
Marinesco  2252,  Pathologie  des  neu- 
rofibri Hären  Netzes  der,  von  Donaggio 
Nervöse,  das  Seelenleben  der,  von  Marci- 

nowßki  .  . . . 

Nervöse  Erkrankungen  nach  Eisenbahn¬ 
unfällen,  von  Horn  und  Rumpf  .  . 

,  Nervöse  Zustände,  Beurteilung  der  Arbeits¬ 
fähigkeit  bei,  von  Zahn  .  . . 

Nervosität,  die  Behandlung  der,  von  Weber 
Nervous  and  Mental  Disease  Monograph 

Series . 

Nervus  vagus,  inthratorakale  des,  von 
Heller  672,  Klinik  und  Chirurgie  des  — 
phrenicus,  von  Oehlecker  1120,  1339, 
Redeutung  des  —  depressor  für  Blut¬ 
druck  und  Aorta,  von  Stadler  1844, 
Phlebektasien  und  Varizen  des  — 

ischiadicus,  von  Reinhardt . 

!  Nessushemd,  das,  von  Nassauer  .... 
Netz,  Bedeutung  des,  von  Gundermann 
1503,  zur  Pathologie  des  grossen  — , 

von  Gundermann . 

Netzbrüche,  von  Krecke . 

|  Netzhaut,  Eisensplitterin  der,  von  Alexander 
j  Netzhautablösung,  zur,  von  Kümmell  380, 
operative  Behandlung  der  — ,  von 
Fehr  718,  von  Birch-Hirschfeld  1514, 
Sklerektomia  praeaequatorialis  bei  — , 
von  Holth  1514,  Erfolge  bei  der  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Emanuel  .  .  . 

Netzhautgliom,  von  v.  Khautz . 

Netzhautveränderungen,  degenerative,  von 

Brückner  . 

Netzmanschette,  weitere  Erfahrungen  mit 

der,  von  Neumann  . 

Netztransplantation,  freie,  im  Dienste  der 

Bauchchirurgie,  von  Hesse . 

Netzunterbindungen,  Geschwulstbildung 

nach,  von  Holländer . 

Neubildungen,  nichtoperativeBehandlungs- 
methoden  der  bösartigen,  von  Werner 
601,  Rückbildung  prognostisch  schwerer 
—  unter  Radium,  von  Dominici  958, 
Mesothoriumeinwirkung  auf  genitale 
— ,  von  Kroemer  1455,  die  Erstickung 
bösartiger  — ,  von  Chachlow  1621, 
Anfänge  der  atypischen  —  im  Rek¬ 
tum  und  im  S  romanum,  von  Libensky 
1674,  Mesothosiumein Wirkung  auf  — 
der  weiblichen  Genitalien ,  von 
Kroemer . 


2246 

948 

1840 


1 106 
780 


2732 


2860 

2869 


2253 

424 

2741 


2698 

837 


1359 


2300 

2415 


2278 

2091 

2315 


2544 

900 


1513 


619 


145 

618 


2081 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXtX 


Neubornyval  1839,  von  Rigler  249,  von 

Engelen . 

Neugeborene,  Abhängigkeit  der  körper¬ 
lichen  Entwicklung  von,  vom  Berufe 
der  Eltern,  von  Goldfeld  93,  seltene 
Erkrankung  eines  — ,  von  Krüger- 
Franke  205,  Weichteildefekte  am  Kopfe 
von — ,  von  Vogt  937,  Gewichtsabnahme 
der  — ,  von  Trepper  1226,  das  Gewicht 
der  —  und  die  Ernährung  der  Mütter, 
von  Bondi  1452,  Einfluss  körperlicher 
und  sozialer  Verhältnisse  der  Mutter 
auf  dieKörpermasse  der  — ,vonv.Guffeld 
1504,  das  Baden  der  — ,  von  Weiss  wange 
1788,  die  Augeneiterung  der  — ,  von 
Crede  Hörder  2241,  Physiologie  und 
Technik  der  künstlichen  Ernährung 

des  — ■,  von  Jaschke . 

Neuralgien,  Elektrotherapie  der,  von  Mann 
951,  objektive  Feststellung  der — ,  von 
Zuelzer  1009,  traumatische  — ,  von 

■  Gruber . 

Neurasthenie,  die,  von  Crocq  98,  Syphilis 

und  — ,  von  Krebs . 

Nematode  (Spiroptera  sp.  n.),  von  Fibiger 
Neuritis ,  Histopathologie  der ,  von 
Dominikow  147,  Beziehungen  der  — 
optica  retrobulbaris  zu  den  Neben¬ 
höhlenerkrankungen,  von  Wertheim 
265,  —  optica  und  Neurofibromatose, 
von  Pincus  385,  akute  retrobulbäre — , 
von  Tertsch  621,  die  arteriosklerotische 

— ,  von  Förster . 

Neuro-Dermomyositis,  von  Förster  .... 
Neuroepithelioma  gliomatosum,  von  Ro¬ 
man  . 

Neurofibromatose,  diffuse,  von  Verse  .  . 

Neurokardin . 

Neurologie,  diagnostische  Bedeutung  der 
Hämatologie  für  die,  von  Naegeli  194, 

—  des  Auges,  vonWilbrand  und  Saenger 
1103,  Handbuch  der  — ,  von  Lewan- 
dowsky  2294,  Institut  für  praktische  — 
in  Berlin  2428,  Beziehungen  der  Rönt¬ 
genologie  zur  — ,  von  Schüller  .  .  . 

Neuropathologie  und  -Therapie  im  Deut¬ 
schen  Reiche  um  das  Jahr  1700,  von 

Schmelz . 

Neuropsychologisches  Grundgesetz,  von 

Ranschburg  . 

Neurosen  nach  Unfällen,  von  Schultze  und 
Stursberg  32,  die  vasomotorisch  trophi- 
schen  — ,  von  Cassirer  199,  trauma¬ 
tische  — ,  von  Becker  376,  traumatische 

—  ohne  Rentenanspruch,  von  Bloch 
376,  respiratorische  — ,  von  West  676, 
ungeheilte  traumatische  — ,  von  Naegeli 
1343,  die  traumatischen  — ,  von  Murri  . 

Neurosenforschung,  neue  Wege  der,  und 

-Behandlung,  von  Seif . 

Neutuberkulin, kontrollierte  therapeutische 
Verwendung  des,  bei  der  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Rigg  1733,  von  Watkin  . 
Nicolai,  die  Krankheit  und  der  Tod  Ottos, 

von  Michelsen . 

Niedner,  Geh.  Med.-Rat  f . 

Nieren,  Chirurgie  der,  von  König  162,  Bil¬ 
dung  venöser  Kollateralbahnen  in  der 
— ,  von  Isobe  200,  Zuckerdichtigkeit  der 

—  nach  wiederholten  Adrenalininjek¬ 
tionen,  von  v.  Konschegg  206,  Rege¬ 
nerationsvorgänge  in  den  — ,  von  Tilp 
255,  in  die  Arteria  brachial is  eingenähte 
— ,  von  Schönstadt  324,  Exstirpation 
einer  —  wegen  Tuberkulose,  vonCasper 
434,  Blutzyste  der  — ,  von  Kotzen berg 
436,  die  Untersuchung  der  —  und  der 
Harnwege  mit  N  Strahlen,  von  Alexan¬ 
der  479,  Schädigung  der  —  bei  Eklamp¬ 
sie,  von  Zmsser  545,  Plasmazellen  in 
den  — ,  von  Ceelen  601,  Salzwirkung 
auf  die  Funktion  insuffizienter  — ,  von 
Zander  770,  Funktionsprüfung  der  — , 
von  Schlayer  800,  von  Treupel  1350, 
Entstehung  dnr  kleinzelligen  Infiltrate 
der  —  bei  Scharlach  und  Diphtherie, 
von  Schridde  826,  Exstirpation  der  — , 
von  Mühsam  1058,  Hypernephrome  der 


Seite 

2013 


662 

2705 

600 

1744 

1840 


2428 

2377 

2428 


1501 

1233 

2644 

1777 

1360 


Seite 


2744 


2645 

1620 

2015 


— ,  von  Harttung  1163,  Innervation  der 
— ,  von  Renner  1275,  hydronephrotische 
und  verkalkte  — ,  von  Bauer  1413,  Kon¬ 
zentrationsvermögen  der  —  beim  Dia¬ 
betes  insipidus,  von  Forschbach  1446, 
Untersuchungen  über  die  Funktion  der 
—  mit  Hilfe  der  Phenolsulfophthalein- 
probe,  von  Behrenroth  u.  Frank  1561, 
Einwirkung  einer  lädierten  —  auf  die 
der  anderen  Seite,  von  Isobe  1562,  Kom¬ 
bination  von  Tuberkulose  u.  Steinkrank¬ 
heit  der  — ,  von  Schwarzwald  1576,  kon¬ 
genitale  Dystopie  der  — ,  von  Bret- 
schneider  1615,  luetische  und  postlue¬ 
tische  Erkrankungen  der  — ,  von  Bauer 
u.  Habetin  1620,  Einwirkung  von  Kalk¬ 
salzen  auf  die  — ,  von  Jakoby  u.  Eisner 
1680,  Funktionsprüfungen  an  transplan¬ 
tierten  — ,  von  Lobenhoffer  1726,  Er¬ 
müdbarkeit  der  — ,  von  Mosentbal  u. 
Schlayer  1841,  Steinerkrankung  der  — , 
von  v.  Illyös  2131,  osmotische  Eigen¬ 
schaften  der  — ,  von  Siebeck  2191,  Ein¬ 
fluss  der  intravenösen  Salvarsanin jek- 
tionen  auf  die  — ,  von  Schlasberg  2359, 
Funktion  der  —  in  der  Schwangerschaft, 
von  Jaschke  2371,  Zusammenhang  zwi¬ 
schen  Funktion  der  —  und  Chlorre¬ 
tention  2472,  Entwicklungsstörung  der 
— ,  von  Buday  2534,  Fremdkörper  in 
der  — ,  von  Haberern  2534,  moderne  Me¬ 
thoden  der  Funktionsprüfung  der  — , 
von  Bauer  u.  Habetin  2549," Wirkung 
des  Kochsalzes  auf  gesunde  u.  kranke 
— ,  von  Longo  2750,  —  u.  Nebenniere, 
von  Voegelmann  2853,  geformte  Harn¬ 
säureausscheidunginden — ,  von  Eckert  2853 
Nierenarterie,  Unterbindung  der,  u.  -vene 
als  Ersatz  für  die  Nephrektomie,  von 

Kellock . 1577 

Nierenbeckenentzündungen,  Pathogenese 
u.  Klinik  der,  von  Lindemann  .  .  .  543 

Nierenbeckeneiterung,  luetische,  von  Gott¬ 
fried  .  2704 

Nierenbecken-  und  Harnleiternaht,  von 

P.  u.  L.  Bazy  ....  934 

Nierenblutungen,  von  Holinger  1690,  Be¬ 
handlung  starker  —  durch  Epinephrin, 

von  Kretschmer .  2591 

Nierenchirurgie,  Frage  der,  von  Rovsing 
332,  zur  — ,  von  Schloffer  388,  —  und 
Blasenchirurgie,  von  Martens  ....  1737 
Nierendiagnostik,  funktionelle,  von  Brom¬ 
berg  . 1900 

Nierendystopie,  von  Ekler . 1164 

Nierenechinokokkus,  von  Salomon  .  .  .  1124 

Nierenentzündung,  s.  a.  Nephritis. 
Nierenentzündung,  akute,  syphilitische,  in 
der  Frühperiode,  von  Hoffmann  484, 
operative  Behandlung  der  — ,  von 
Herz  602,  Verhalten  der  Salzsäure  im 
Magensaft  bei  — ,  von  Sebardt  1169, 
die  Nierenfunktion  bei  der  durch  Subli¬ 
mat  erzeugten  — ,  von  Ghiron  ....  2137 
Nierenerkrankung,  postluetische,  vonBauer 
388 ,  anhaltende  Blutdrucksteigerung 
und  — ,  von  Fischer  1216,  —  in  der 
Schwangerschaft  herzkranker  Frauen, 
von  Jaschke  1290,  Kohlensäurespan¬ 
nung  des  Blutes  bei  — ,  von  Porges 
und  Leimdörfer  1675,  Klinische  Dia¬ 
gnostik  der  degenerativen  — ,  von 
Munk  2065,  Mechanotherapie  der  — , 

von  Kirchberg .  2766 

Nierenfunktion  in  der  Schwangerschaft  und 
bei  Schwangerschaftstoxikosen,  von 
Fetzer  1347,  zur  Physiologie  und  Patho¬ 
logie  der  — ,  von  Baetzner  1565,  Be¬ 
stimmung  des  hämorenalen  Index  als 
Prüfung  der  — ,  von  Bromberg  1620, 
Abhängigkeit  der  —  vom  Nervensystem, 
von  Jungmann  1760,  von  Jungmann 
und  Meyer  1846,  Fehlerquellen  bei  der 
Phenolsulfophthaleinprobe  zur  Prüfung 
der  — ,  von  Roth  2012,  —  in  der 
Schwangerschaft,  von  Eckelt  2298, 
Fluoreszin  als  Indikator  für  die  — ,  von 
Strauss . .  2747 


Seite 

Nierenfunktionsprüfung  durch  die  Phenol¬ 
sulfonphthaleinprobe,  von  Eichmann 
428,  die  —  mittels  des  Phenolsulfon¬ 
phthaleins,  von  Fromme  und  Rubner  588 
Nierengegend,  radiologische  Befunde  am 
Dickdarm  bei  Tumoren  der,  von  Luger  431 
Niorengeschwülste,  Bau  und  Histogenese 
der  angeborenen,  von  Dienst  1164, 
histogenetische  Abteilung  der  Grawitz- 

schen  — ,  von  Kosenfeld .  2690 

Niorenhilus,  Varix  des,  von  Rössle  .  .  ,  2862 
Nierenimplantation,  Einfluss  von,  auf  die 
Nierenf unktion,von  Katz  u.Lichtenstern  2365 
Niereninnervation,  von  Lobenhoffer  .  .  1007 

Niereninsuffizienz,  geistige  Symptome  beij 

von  Neff .  ’  j223 

Nierenkranke,  Bestimmung  des  Reststick¬ 
stoffes  im  Blute  von,  von  Michaud  .  2917 
Nierenkrankheiten,  Pilznahrung  bei,  von 
Kakowski  1302,  Brightsche  — ,  von 

Volhard .  2076 

Nierenlager,  Blutung  ins,  von  Schiffmann 
1340,  chronische  Apoplexie  des  — ,von 

Rössle .  2862 

Nierenleiden,  Balneotherapie  von,  von 


Pflanz 


264 


Nierenoporationen,  Leitungsanästhesie  bei, 
von  Käppis . ’  qgg 

Nierenprüfung, funktionelle, mittels  Phen'ol- 
suffonphthalei'n  nach  Rowntree  und 

Geraghty,  von  Erne . 5 1  q 

Nierenschädigung  nach  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Frank  u.  Behrenroth  .  .  .  1054 
Nierensekretion,  Morphologie  der,  von 
Suzuki  308,  Nerveneinflüsse  auf  die  — , 

von  Graser . ’  4997 

Nierensteine,  von  Mosenthal  778,  Nach¬ 
weis  von  —  und  Uretersteinen,  von 

Kümmell . 2367 

Nierensteinerkrankung,  Pathologie  und 
Therapie  der,  von  Karo  949,  Klinik 

der  — ,  von  Karo . 1943 

Nierensteinfälle,  34,  von  Kielleuthner  !  .  1684 
Nierensteinkrankheit,  Erfahrungen  auf 
dem  Gebiete  der,  von  Pousson  .  .  .  933 
Nierensteinoperationen,  von  Kolischer  .  788 

Nierensyphilis,  von  Welz . 1451 

Nierentätigkeit,  experimentelle  Beeinflus¬ 
sung  der,  vom  Nervensystem  aus,  von 

Meyer  und  Jungmann . 1054 

Nierentuberkulose,  von  Rovsing  933,  Ver¬ 
gleichsresultate  der  verschiedenen  Be¬ 
handlungsmethoden  der—,  von  Bernard 
und  Heitz-Boyen  220,  Nieren-Ureter- 
exstirpation  bei  — ,  von  Bloch  380, 
Technik  der  Diagnose,  Operation  und 
Harnleiterbehandlung  bei  — ,  von 
Schlagintweit  480,  zur  Frühoperations¬ 
frage  der  — ,  von  Kielleuthner  933, 
Röntgendiagnostik  der  — ,  von  Söder- 
lunt  933,  Diagnose  der  doppelseitigen 
— ,  von  Casper  1058,  anatomisches 
Bild  der  — ,  von  Geipel  1458,  —  und 
Blasentuberkulose,  von  Rupprecht  1459, 
Chirurgie  der  — ,  von  Wildbolz  1725, 
Nephrektomie  wegen  — ,  von  Spire  und 
Boeckel  1791,  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  —  und  Blasentuberkulose  im 
Anfangsstadium,  von  Wildbolz  1963, 

2311,  von  Röchet  2310,  Indikations¬ 
stellung  bei  — ,  von  Voelcker  .  .  .  2131 

Nierentumor,  embryonaler,  von  Wendel 
1067,  Demonstration  eines  — ,  von 
Lexer  1688,  von  Payr  1800,  Grawitzscher 

— ,  von  Graef .  2486 

Nierenveränderungen,  klinische  Diagno¬ 
stik  degenerativer,  von  Munkl625, 1689, 

—  bei  Tuberkulösen,  von  Leichtweiss  1785 
Nierenverlagerungen,  von  Rössle  ....  1855 
Nierenzellen,  Degeneration  der,  von  Türk  1845 
Nierenzylinder,  Bedeutung  von,  von  Thom¬ 
son  . .  2694 

Nikotinamblyopie,  Behandlung  der,  mitLe- 

zithin,  von  De  Waele .  98 

Ninhydrin . 426 

Nisslsche  Körner,  chemische  Zusammen¬ 
setzung  der,  der  Ganglienzellen,  von 
van  Herwerden .  2248 


LXXX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite  I 

Nitrite,  Wirkung  der,  auf  die  Körpertem¬ 
peratur,  von  Jacobj  1280,  Wirkung  der 
—  auf  die  Durchblutung  des  Herzens, 

von  Schloss . 1841  | 

Nitritintoxikation  bei  der  Injektion  der 

Beckschen  Wismutpaste,  von  Jensen  1202  ( 
Nitrobenzol  als  Gift  im  Gewebe  und  zu 

verbrecherischen  Zwecken,  von  Spinner  2416 
Nitrobenzolvergiftnng,  von  Roth  ....  1395 
Nobelpreis  für  Medizin  2495,  —  für  Physik 

2600,  Verteilung  der  — .  2822 

Noder  A.  s.  De  Nora.  __  ; 

Noguchi  in  München . 2207 

Noma,  Aetiologie  der,  von  Seitz  ....  2545 
Nonnescbe  Reaktion  s.  u.  Bakterienarten. 

Nora  A.  De  s.  u.  De  Nora. 

Nordamerika,  Hygienisches  aus,  von  Müller  417 
Noviform  in  der  oto-rhino  laryngologiscben 
Fraxis,  von  Schwerdtfeger  1284,  Erfah¬ 
rungen  mit  — ,  von  Patek  1451,  —  in 
der  Augenheilkunde,  von  Freytag  1566, 
von  Best  2921,  —  in  der  Rhinologie, 
von  Divelt  1566,  —  zur  Wundbehand¬ 
lung,  von  Speck  1881,  über  — ,  von 
Frese  2072,  Erfahrungen  mit  — ,  von 
Käsbohrer  2455,  —  als  Salbe  in  der 
chirurgischen  Praxis,  von  Molnar  2599, 

—  in  der  Therapie  der  Augenerkran¬ 
kungen,  von  Rauch .  2691 

Novokain  bei  Paravertebralinjektion,  von 
Muroya  1276,  Anästhesie  mittels  — , 

von  Denis .  2920 

Novokainlösnngen,  Gewebsnckrose  und 
Arrosionsblutung  nach  Anwendung  al¬ 
ter,  von  v.  Gaza  . 538 

Novokainwirkung,  Potenzierung  der  ört¬ 
lichen,  durch  Kaliumsulfat,  von  Braun  2296 
Nucleus  lentiformis,  Degeneration  des,  mit 

Zirrhose  der  lieber,  von  Henrici  .  .  .  2696 
Nukleinsäure,  Einfluss  der,  auf  die  lerrnen- 
tativen  Vorgänge  im  tierischen  Organis¬ 
mus,  von  Czernorutzky  664,  intravenöse 
Verabreichung  von  — ,  von  Ewald  770, 
Behandlung  des  Scharlachs  mit  — ,  von 
Skorodumow  1623,  biologische  Wertig¬ 
keit  der  « — ,  von  Brossa  ......  2192 

Nystagmus  s.  u.  Augenzittern. 

Nystagmus  bei  fieberhaften  Krankheiten, 
von  v.  Czyhlarz  206,  horizontal  pen¬ 
delnder  — ,  von  Dimmer  275,  sympa 
thischer  —  bei  Erysipel,  von  Hirsch  430, 
Aetiologie  und  Behandlung  des  —  der 
Bergleute,  von  Browne  und  Makenzie 
605,  galvanischer  — ,  von  Blau  1568, 

—  bei  hereditärer  Lues,  vonfgersheimer  2024 


O. 


Oberarmbrüche, Extensionsbeliandlungder, 

von  Christen  . 1545 

Oberkiefer,  Teratom  des,  von  Goto  .  .  .  1615 

Oberkieferbrüche,  von  Vogel . 716 

Oberkieferkarzinome ,  2  geheilte ,  von 

Wendel .  •  1802 

Oberkieferresektionsprothese,  von  Hesse  494 
Oberkiefersarkom,  von  Schottländer  .  .  936 

Oberkiefertumoren,  Operation  der  malig¬ 
nen,  von  Kuhn . 1166 

Oberschenkelbrüche,  ambulatorische  Be¬ 
handlung  der,  von  Delchef  und  Joly 
99,  Lähmungen  bei  Extensionsbehand¬ 
lung  von  — ,  von  Weichert  ....  148 

Obsterzeugnisse, Beurteilungvon.vonHärtel  1 730 
Obstipation,  verschiedene  Formen  der 
chronischen,  von  Lomnitz  326,  Folge¬ 
zustände  der  chronischen  spastischen 
— ,  von  v.  Noorden  480,  operative  Be¬ 
handlung  der  schweren  — ,  von  Schmie¬ 
den  831,  Mineralwassertherapie  der 
habituellen  — ,  von  Rheinboldt  947, 
Röntgenuntersuchung  bei  chronischer 
— ,  von  Strauss  und  Brandenstein  1282, 
Behandlung  der  —  mit  Hormonal,  von 

Sarnizyn .  •  •  2808 

Oehrometer,  Baslerscher,  von  Länderer 

2066,  von  Basler  .  .  • . 2190 


Seite 


2806 


716 


1913. 


Seite 


Ochronose  bei  Mensch  und  Tier,  von 
Schmey  1220,  sog.  endogene  — ,  von 

Jantke  .  ......  2585 

Oedeme,  Oedema,  die,  der  Kachektiker, 
von  Doljan  43,  angioneurotisches  — , 
von  Schob  1059,  —  durch  grosse  Al¬ 
kalidosen,  von  Breitmann  1675,  ope¬ 
rative  Behandlung  des  chronischen 
— ,  von  Boecker  1774,  —  durch  Natr.  bi- 
earbonicum,  von  v.  Wyss  178-5,  Thera¬ 
pie  des  —  fugax,  von  Albracht  1845, 

—  bullosum  linguae,  von  Hesse  2537, 
akute  szirkumskriptes  — ,  von  Neuda 
2548,  Entstehung  der  — ,  von  Hoff  .  . 

Oel,  das,  in  der  Bauchcbirurgie,  von 

Schepelmann . •  . 202 

Oelan wendung, intrapertionealo,  von  Mom- 

burg . 

Oesophagoplastik,  von  Frangenheim  1559, 

—  aus  der  Magenwand,  von  Pflaumer 

1107,  —  bei  hochsitzenden  Oesophagus¬ 
karzinomen,  von  Wilensky  1226,  ante- 
thorakale  —  aus  dem  Querkolon,  von 
v.  Hacker .  .... 

Oesophagoskop  oder  Münzenfänger?  von 

. . 

Oesophagus  s.  a.  Speiseröhre. 

Oesophagus,  idiopathische  spindelförmige 
Erweiterung  des,  von  Pollitzer  108,  Ste¬ 
nose  des  — ,  von  Wilms  382,  Behand¬ 
lung  der  schweren  Narbenstenosen  des 
— ,  von  Sargnon  und  Almartine  1048, 
Fremdkörper  im  — ,  von  Juratz  1559, 
Chirurgie  des  — im  Thorax,  von  Unger 
2589,  Behandlung  der  Narbenstenosen 
des  —  Jmit  Radium,  von  Neumann 
2692,  Schaffung  eines  künstlichen  — , 

von  Jianu  . 

Oesophagnshlutungen,  von  Rössle  .  .  . 
Oesophaguschirurgie,  Experimente  zur, 

von  Kehm  494,  Beitrag  zur  — ,  von  Ach  11  lo 
Oesophagusdilatation,  idiopathische,  von 

Assmann  . . 1-Jb 

Oesophagusdivertikel,  Zenkersches,  von 
Holthusen  724,  nach  Goldmann  be¬ 
handeltes  — ,  von  Marschik  .  .  .  •  1413 
Oesophagusfistel,  dorsale,  von  Clairmont  2366 
Oesophagusektasie,  paralytische,  von  Ste- 


655 


2366 

2748 


2806 

158 


phan 


1295 


Oesophagusende,  spasmodische  Kontrak¬ 
tionen  des  kardialen,  von  Jordan  .  .  2023 
Oesophaguskarzinom,  von  v.  Eiseisberg 
1124,  Oesophagektomie  u.  Oesophago¬ 
plastik  bei  hochsitzenden  — ,  von  Wi¬ 
lensky  1226,  chirurgische  Behandlung 
des—,  von  Meyer  1316,  Erleichterung 
der  Ernährung  bei  — ,  von  Krienitz 
1451,  Radikaloperation  des  — ,  von 
Denk  1615,  —  auf  dysontogenetischer 
Basis,  von  v.  Grabowski  1845,  Resek¬ 
tion  des  —  im  kardialen  Abschnitt, 

von  Bircher . 2418 

Oesophaguskrebs  vom  Standpunkt  der 
thorakalen  CLirurgie,  von  Meyer  .  .  . 
OesophaguBplastik  aus  der  Magenwaud, 
von  Galpern  544,  Gastronomie  und  — 
nach  Jianu-Roepke,  von  Meyer  .  .  . 
Oesophagustraktionsdivertikel,  perforierte, 

von  Egle  .  ..... 

Oeuf,  Contribution  ä  la  l’etude  de  la  ni- 
dation  de  1’,  humain  et  de  la  Physio¬ 
logie  du  trophoblaste,  von  Delporte 
Ohr,  Lehrbuch  der  Krankheiten  des,  und 
der  Luftwege,  von  Denker  u.  Brünings 
990,  Wirkung  des  Chinin  u.  des  Sali¬ 
zylsäuren  Natriums  auf  das  innere  — , 
von  Rister  996,  Funktionsprüfung  des 
— ,  von  Sonntag  u.  W olff  1044,  Knorpel¬ 
faltung  bei  abstehenden  —  u.  Othäm- 
atom,  von  Wiemann  1047,  Radikal¬ 
operation  des  —  in  Lokalanästhesie, 
von  Kulenkampff  1107,  Niederschläge 
im  inneren  — ,  von  Laurowitsch  1568, 
Fistelsymptome  bei  nicht  eitrigen  Er¬ 
krankungen  des  — ,  von  Beck  .... 
Ohrenkrankheiten,  Lehrbuch  der,  Nasen- 
und  Kehlkopfkrankheiteu,  von  Körner 


129 

542 


1217 


544 

2852 


656 


1390,  Apparat  zur  Diathermiebehand¬ 
lung  von  — ,  von  Weiser .  2521 

Ohrensausen,  Radium-  und  Mesothor¬ 
bestrahlung  bei  — ,  von  Hügel  2110, 

2768,  von  Passow .  2496,  2768 

Ohrgeräusch,  subjektiv  und  objektiv  wahr¬ 
nehmbares,  von  Alt . .  •  •  ’ 

Ohrlabyrinth,  pathologische  Histologie  des, 
von  Knick  775,  die  Leichen  Verände¬ 
rungen  im  — ,  von  Goerke  775,  funk¬ 
tionelle  Untersuchung  des  — ,  von 
Hinsberg  1109,  Eiterungen  des  — ,  von 
Ulfen  orde . 2065 

Ohrtrompete,  direkte  Erweiterung  der,  von 

v  Gyergyai .  1451,  1568 

Ohrtuberkulose,  experimentelle,  von  Blau  1568 
Okulare  Störungen  als  Ursachen  von  all¬ 
gemeinen  und  lokalisierten  nervösen 
Beschwerden,  von  Bielschowsky  .  .  .  214 

Okulomotoriuslähmung,  zyklische,  von 

Lauber  .  .  .  . . 446 

Olekranonsporn,  Fraktur  eines,  von  Hirsch  2692 
Oleum  chenopodii  gegen  Ankylostomiasis, 

von  Schüffner  und  Vervoort . 

Onanie,  die,  von  Dattner,  Federn,  Ferenczi 

u.  A.  .  . . .  256, 

Operation,  Beweislast  für  die  schädlichen 
Folgen  einer,  873,  Wert  der  intravesi- 
kalen  — ,  von  Kielleutner  969,  Vor¬ 
nahme  von  —  an  Minderjährigen  2287, 
wie  weit  darf  der  Arzt  die  —  aus¬ 
dehnen?  2287,  endokranielle  Kompli¬ 
kationen  bei  endonasalen  —  von  Mar¬ 
schik  .  2375 

Operationsimmunität,  die  sogenannte,  von 

Bindseil . .  1784 

Operationslehre,  chirurgische,  von  Bier, 

Braun,  Kümmell  1559,  orthopädische  — , 

von  Vulpius  und  Stoffel . 

Operationspflicht,  die,  des  Verletzten  .  . 
Operationstechnik,  von  Le  Filliatre  .  .  . 
Operationstisch,  neuer,  von  Borchardt  .  . 
Ophthalmie  Semiology  and  Diagnosis,  von 

Beard .  2064 

Ophthalmie,  metastische,  von  Erggelet  785, 
Blutbefund  bei  sympathischer  — ,  von 
Gradle  900,  Dialysierverfahren  bei  — , 
von  v.  Hippel  1513,  Häufigkeit  der  — 
neonatorum  in  London,  von  Harman 
Ophthalmoblennorrhoe,  Spätinfektion  der, 
von  Credd  -  Hörder  23,  nichtgonor¬ 
rhoische  —  der  Neugeborenen  u.  Säug¬ 
linge,  von  Credd-Hörder . _. 

Ophthalmologie,  Referat  über,  148,  717, 

1453,  2478. 

Ophthal  momyiasis,  von  Reis . 1284 

Opiate,  Verwendung  von,  im  Kindesalter, 

von  Döbeli  659,  von  Wolff . 

Opium,  Wirkung  des,  auf  den  Magendarm¬ 
kanal,  von  Mahlo  1337,  Einfluss  des 
—  und  seiner  Derivate  auf  den  Darm¬ 
kanal,  von  Zehbe  1695,  Wirkung  von 

Uzara  mit  — ,  von  Hirz . 

Opiumtinktur,  die  Fleischverdauung  beim 
Hunde  unter  dem  Einfluss  von,  von 

Delcorde  . . 

Opsiurie,  Pathogenese  der,  von  Amhlard  2537 
Opsonie,  Beeinflussung  der,  durch  Elek- 
trargol,  von  Werner  und  v.  Zubrzycki 
Opsonine,  Klinik  der,  von  Strubell 
Opsonischer  Index  bei  der  Pestimpfung, 
von  Brooks  605,  pharmakologische  Be¬ 
einflussung  des  — ,  von  Strubell  .  .  . 
Opsonogen,  Behandlung  der  Furunkulose 
und  der  Sycosis  coccogenes  mit,  von 

Zweig . 4 1 6 

Optikerschulen,  von  Schreiber . 384 


2352 

2494 

1905 

1789 


2643 


149 


1448 


2220 


98 


583 

990 


1283 


1569 


Optikus,  Ruptur  des,  von  Kraus 
Optikusatrophie,  s.  a.  Sehnervenschwund. 
Optikusstamm,  die  Erkrankungen  des,  von 

Wilbrand  und  Saenger . 

Optische  Methode  s.  u.  Dialysierverfahren. 
Optische  Methode  nach  Abderhalden  beim 
grauen  Altersstar,  von  Gebb  .  .  .  . 
Optochin  s.  u.  Aethylhydrokuprein. 

Orbita,  Tumor  der,  von  v.  Hippel  .  .  .  . 
Orchidopexie,  Technik  der,  von  Schäfer  . 


1298 


11(13 


1513 

490 

2474 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXI 


1913. 


Seite 

Orchi-Epididymitis,  Behandlung  der,  mit 
Argent.  colloid.,  von  Hamonic  .  .  .  277 
Orchitis,  die  angebliche,  par  effort,  von 
de  Cortes  370,  die  akute  primäre  — 
im  Kindesalter,  von  Ombredanne  1860, 

2539,  akute  nicht  gonorrhoische  —  und 

Epididymitis,  von  Stroink . 1903 

Organe,  rückläufige  Durchströmung  paren¬ 
chymatöser,  von  Breslauer  2191,  einige 
neuerdings  wichtig  gewordene  — ,  von 
Gaupp  2759,  Reaktion  der  leukopoeti¬ 
schen  —  von  Lymphatikern  auf  Infekte, 

von  Pribram  und  Stein .  2805 

Organextrakte,  Giftwirkung  normaler,  und 
Muskelextrakte,  von  Aronson  429,  to¬ 
xische  Wirkung  der  —  und  Tachyphy- 
laxie,  von  Cesa-Bianchi  548,  Wirkung 


von  —  insbesondere  auf  die  Blutgerin¬ 
nung,  von  Ichikawa .  2067 

Organextraktgifte,  wässerige,  von  Dold  und 

Ogata . 1276 

Organtherapie  in  der  Gynäkologie,  von 

Recasens .  2021 

Organtransplantationen,  heutiger  Stand 

der,  von  Stich . 1356 

Orthodiagraph  s.  u.  Telekardiograph. 
Orthodiagraphie  s.  u.  Herzmessung. 

Orthodontie,  von  Grübberg  ....  .2137 

Orthopaedie,  12  Jahren,  von  Becker  1163, 
Ergebnisse  der  Chirurgie  und  —  1559, 


Ortizon  426,  von  Trümmer .  2565 

Ortsärzte,  die,  un  i  die  ärztliche  Organi¬ 
sation,  von  Haas .  2263 

Ortskrankenkasse,  drohender  Konflikt  bei 
der  Charlottenburger  ...  .....  1509 
Ortskrankenkassentag,  der  Deutsche  .  .  1917 

Ortskrankenkasse  verband  Halle . 223 

Oryzanin,  von  Suzuki,  Shimamura  und 
Odake . 2129 


Os  naviculare  pedis,  Köhlersche  Erkran¬ 
kung  des,  von  Wohlauer  428,  von 
Schultze  1161,  das  Köhler-Knochenbild 
des  —  bei  Kindern  —  keine  Fraktur, 
von  Köhler  1787,  von  Schultze  .  .  .  1787 

Oscillator,  von  Hoehl . 951 

Ossifikationen,  traumatische,  von  Süssen- 

guth  . . 1515 

Osteoarthropathie  hypertrophiante  pneu- 
mique,  von  Vas  .  ....  2534 

Osteochondritis  deformans  juvenilis,  von 
Perthes  1117,  —  coxae  juvenilis,  von 

Grashey  . . 1684 

Osteogenesis  imperfecta,  von  Kardamatis 
1789,  —  bei  Mutter  und  Kind,  von 

Zurtielle . 2746 

Osteomalazie  in  Japan,  von  Ogata  372, 
lokale  — ,  von  Grashey  841,  Aetiologie 
und  Therapie  der  —  und  Rachitis,  von 
Stöcker  938,  klimakterische  —  und 
Tetanie,  von  Kahler  1069,  —  und 
Psychose,  von  van  der  Scheer  1449, 
die  multiplen  braunen  Tumoren  bei  — , 
von  Molineus  1786,  Azidität  des  Blutes 
bei  — ,  von  Porges  und  Nowak  2364, 
Stoffwechselversuche  bei  — ,  von  Zuntz 
2474,  erfolgreiche  Adrenalinbehand¬ 
lung  bei  rezidivierter  — ,  von  v.  Salis 
2563,  senile  — ,  von  Curschmann  .  .  2864 
Osteomyelitis,  totale,  des  Unterkiefers, 
von  Strauss  561,  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  —  am  unteren  Femurende, 
von  Frangenheim  776,  Pathogenese 
der  akuten  hämatogenen  — ,  von  Du- 
mont  1277,  infektiöse  — ,  von  Klemm 
1338,  aberrante  und  rekurrierende 
Form  der  — ,  von  Mc  Guire  1732,  akute 
—  des  Schambeins,  von  Thomschke 
2135,  akute  —  und  Osteoplastik  im 
Kindesalter,  von  Wachsner  2300,  Ver¬ 
änderungen  der  knöchernen  Grund¬ 
substanz  bei  — ,  von  Klemm  .  .  2533 

Osteopathie,  kalziprive,  von  v.  Kutscha  2252 
Osteoperiostitis,  secundäre  hyporplastisch- 
porotische,  von  Grafe  und  Schneider  1845 
Osteophlebitispyämie,  otogene,  von  He- 
gener . 896 


Seite 

Osteopsathyrosis  foetalis,  von  Mayerhofer 
1180,  Pathologie  der  idiopathischen  — , 
von  Zesas  2135,  —  idiophathica,  von 

Klose . 2689 

Osteotomie,  Nebenverletzungen  bei,  von 
Kölliker  732,  modellierende  —  bei 

Plattfuss,  von  Perthes . 936 

Ostitis  fibrosa,  von  Therstappen  1379,  — 
fibrosa  cystica  des  Schädels,  von 

Frangenheim . 1628 

Otitis,  Therapie  der,  externe  furunculosa, 
Zografides  42,  Stauungstherapie  der 
Mastoiditis  und  schweren  — ,  von  Esch- 
weiler  774,  .durch  den  Streptococcus 
mucosus  hervorgerufene — media  acuta, 

von  Stütz . i5ßg 

Otologie,  Referat  über  . . 774 

Otosklerose,  von  O’Malley .  2024 

Otodiatherm-E! ektrode,  sicher  fixierbare, 

von  Gerlach .  2523 

Otologenkongress,  internationaler,  in 

Boston,  von  Holinger . 788 

Oto-Rhino-Laryngologie,  wird  in  Deutsch¬ 
land  der  praktische  Arzt  in  genügender 
Weise  in  der,  ausgebildet?  von  Denker  1606 

Ototherm,  von  Hamm  .  . . iß20 

Otothermie,  Apparat  zur,  von  Weiser  2521, 
Messungen  über  den  Grad  der  Durch- 


I 


wärmung  des  Ohres  bei  der  — ,  von 


Gerlach .  2523 

Otto,  Dr.  f  .  . - . 736 


Ovaire,  Ovogbnese  et organogdnese  de  1’  — 
des  mammiferes,  par  v.  Winiwaiter 

et  Sainmont .  .  .  2913 

Ovarialblutungen  und  Ovarialhämatom, 

Oehmann .  2639 

Ovarialdermoide,  Histogenese  der,  von 

Kudoh  .  .  2020 

Ovarialkarzinom  mit  Milchbildung  in  den 
Brustdrüsen,  von  Saenger  146,  Röntgen¬ 
bestrahlung  eines  — ,  von  v.  Franque  1455 
Ovarialkystom,  malignes,  von  Evler  .  .  .  1689 
Ovarialsarkom,  von  Seeligmann  436,  1455, 
gleichzeitiges  —  und  Darmsarkom,  von 


Weibel  .  2745 

Ovarialschwellungen,  Aetiologie  perio¬ 
discher  und  alternierender,  von  Ries  .  2298 
Ovarialtätigkeit,  Funktionsprüfungen  der, 
von  Keller . 2162 


Ovarialtumor,  grosser,  von  Bakofen  1626, 
stielgedrehter,  linksseitiger — ,  von  Hirt 
1744,  maligne  — ,  von  Klein  2803,  — 
und  Parovarialtumoren,  von  Eckler  .  2804 
Ovarialzysten,  maligne  Degeneration  der, 


von  Oulesko-Stroganoff .  2083 

Ovarium  s.  a.  Eierstock,  ovaire. 

Ovarium,  Ovarien,  Dermoid  des  1 ,  von 
Henkel  613,  Einfluss  der  —  auf  den 


weiblichen  Organismus,  von  Nijhoff 
716,  Beziehungen  von  Thymus  und  — 
zum  Blutbild,  von  Heimann  1291,  Fern¬ 
resultate  derkonservativenOperationen 
der  —  von  Walther  1300,  Chemie  des 
— ,  von  Hermann  1349,  Melanosarkome 
des  — ,  voxr  Vogt  1504,  innersekreto¬ 
rische  Funktion  der  — ,  von  Heimann 
1617,  Behandlung  innerer  Störungen 
der  —  mit  Glanduovin,  von  Flirsch  2248, 
Einfluss  der  Ovarialnervendurchschnei- 
düng  auf  das  — ,  von  Aschner  2306, 
strumöse  Teratoblastome  des  — ,  von 
Frankl  2371,  chron.  Appendizitis  u.Zysto- 
sklerose  der  — ,  von  Lapeyre  2539,  zur 
Hypofunktion  der  — ,  von  Kalledey 
2541,  Veränderungen  amFollikelapparat 
des  —  in  der  Schwangerschaft,  von 
Keller  2638,  die  autoplastische  Ver¬ 
pflanzung  des  — ,  von  Whitehouse  2644, 
Thymus,  —  und  Blutbild,  von  Heimann 
2829,  Verwachsung  beider  — ,  von  Rössle 
2862,  psammöses  Karzinom  des  — ,  von 

Rössle .  2863 

Ovulation,  zeitliche  Beziehungen  der,  und 

Menstruation,  von  Schröder . 1349 

Oxalämie  und  Oxalurie,  von  Loeper  .  .  .  164 
Oxalsäure,  von  Lambling  164,  Vergiftungen 
mit  — ,  von  Löwy  2693,  die  entkalkende 
Wirkung  der  — ,  von  Fry .  2695 


1 


Seite 

Oxalsäurebildung  und  -ausscheidung  beim 
Menschen,  von  Lichtwitz  und  Thörner  1109 
Oxalsäurevergiftung,  von  Curschmann  .  2651 

Ozalsäurewirkung,  von  Gros . 1046 

Oxycholesterin  s.  u.  Cholesterin. 
Oxydasereaktion,  W.  II.  Schultzsche,  von 
Klopfer  37,  von  Raubitschek  992,  —  in 
der  Plazenta,  von  Wolff  1163,  die  — 
unter  Blausäurewirkung,  von  Rabe  .  .  1899 
Oxyuriasis,  Diagnostik  und  Therapie  der, 

von  Trumpp . H78,  2136 

Oxyuris,  Behandlung  der  Erkrankung  an, 
vermicularis,  von  Hildebrand  ....  131 

Ozaena,  Behandlung  der,  von  Richter  266, 
von  Moure  1109,  Wesen  und  Therapie 
der  -  ,  von  Zografides  829,  Beziehung 
des  Bacillus  Perez  zur  genuinen  — , 
von  Hofer  1451,  1469,  Ozon  und  — , 
von  Foy  2361,  Behandlung  der  — ,  von 
Klare .  .  2590 


Ozon,  Verwendung  des,  in  der  Lüftung, 
von  Konrich  483,  Wirkung  von  —  auf 
den  GaHtrointestinaltraktus,  von  Brei¬ 
sacher  1108,  —  und  Ozaena,  von  Foy  2361 


P. 

Pachymeningitis  haemorrhagica,  von  Ro¬ 


senberg  2372,  von  Wohlwill  2436, 

—  cerebralis  haemorrhagica,  von  Ciarla  2587 
Paderstein-Stipendium  .  .  ...  .  1639 

Pädiatrie,  die  Meinungen  Hufelands  über 

die,  im  Lichte  der  Jetztzeit,  vonTroitzky  2300 

Pagenstecher,  San.-R.  Dr.  f  . 2152 

Pagetsche  Krankheit,  von  Dax  1684,  Augen¬ 
komplikationen  der  — ,  von  Coppez  .  98 

Pacolo  . 1840 

Palaeozoologie,  Lehrbuch  der,  von  Stromer 

und  Reichenbach . 480 

Palladiumhydroxydul  s.  u.  Leptynol. 
Palladiumhydroxydul,  colloidales,  von 

Kauffmann .  525,  1260 

Palliativtrepanation,  von  Wilms  .  .  .  382 
Palpation  s.  u.  Gleit-  u.  Tiefenpalpation. 
Panella  Dr.  A.  f . 280 


Pankreas  s.  a  Bauchspeicheldrüse,  Fett¬ 
verdauung,  Zuckerstoffwechsel. 

Pankreas,  die  akute  Entzündung  des,  von 
v.  Fäykiss  371,  Trypsinabsonderungs¬ 
fähigkeit  des  — ,  von  Orlowski  481,  — , 
Leber-  und  Kohlehydratstoffwechsel, 
von  Wohlgemuth  483,  Diagnose  der 
akuten  Entzündung  des  — ,  von  Nagy 
546,  Bedeutung  der  Langerhansschen 
Inseln  im  — ,  von  Koch  714,  Chirurgie 
der  Leber  und  des  — ,  von  Burkhardt 
1155,  Antagonismus  zwischen  —  und 


Nebennieren,  von  Paglione  1169,  Pseu¬ 
dozyste  des  — ,  von  Wendel  1176,  Patho¬ 
logie  des  — ,  von  Apolant  1505,  Langer- 
hanssche  Inseln  des  — ,  von  Else  1682, 

Bau  des  —  unausgetragener  Kinder, 

von  Stiftar .  2807 

Pankreasachylie,  Diagnose  und  Therapie 
der  funktionellen,  von  v.  Kern  und 

und  Wiener .  2476 

Pankreasadenome,  von  Prosorowsky  .  .  2248 
Pankreasamylasebestimmung  im  Stuhl,  von 

Gailart  y  Monds .  2477 

Pankreasausschaltung,  Untersuchungen 

über  die,  von  Labbö . 547 

Pankreas-Dauerfisteln,  Herstellung  konti- 

nenter,  von  Lattes . 2130 

Pankreaserkrankungen ,  Cammidgesche 


Reaktion  bei,  von  Mayesima  200,  von 
Langer  546,  Laparotomie  wegen  — , 
Silbersiepe  615,  diätetische  Therapie 
der  chronischen  — ,  von  Ehrmann  935, 
funktionelle  Diagnostik  der  — ,  von 
Lifschitz  1285,  2078,  2853,  allgemeine 
Diagnostik  und  Behandlung  der  — ,  von 
Stander  2290.  akute  — ,  von  v.  Berg¬ 


mann  und  Jenckel .  2542 

Pankreasfunktionsprüfung,  Verwendbar¬ 
keit  der  Schmidtschen  Kernprobe  zur, 
von  Fronzig  .  .  .  .  824 


o 


L.XXXtl 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1011 


Seite  | 

Pankreasgeschwülste,  Pathologie  der,  von 


Buob . . 603  * 

Pankreashämorrhagie,  von  Knape  .  .  .  1162  J 


Pankreasnekrose,  akute,  von  Saenger  1321, 
von  Seidel  1899,  von  Gobiet  2014,  Ab¬ 
szesse  im  Saccus  omentalis  nach — .von 
Bittorf  1562,  Immunität  gegen  — ,  von 
Joseph  und  Pringsheim  1727,  2  Fälle 

von  — ,  von  Enderlen .  -  1859  ] 

Pankreasquetschung,  von  Wendel  1176, 

subkutane  — ,  von  Hagedorn  ....  314 

Pankreassaft,  Alkalität  vom,  und  Darm¬ 
saft,  von  Auerbach  und  Pick  262  Schutz 
der  Darmwand  gegen  das  Trypsin  des 
— ,  von  Kirchheim  316,  Rückfluss  von 
—  in  den  Magen  des  Säuglings,  von  _  ^  j 

Reiche  .  •  •  713 

l’ankreassaftsekretion,  von  Bondi  und 

Salouion  . 2139 

Pankreassekretion,  Errregung  der,  durch 
pathologische  Magensäfte,  von  Sienp 
1113,  —  beim  Menschen,  von  Holste 
1783,  —  bei  Sekretionsstörungen  des 
Magens,  von  Schlagintweit  und  Stepp 
1865,  2800,  zur  Physiologie  der  — ,  von 


Smirnow  . 2130 

Pankreassteine,  von  Glaessner  .  .  .  .  774 


Pankreasvergiftung,  über,  von  Lattes  .  .  600 

Pankreaszirrhose,  von  Hopmann  .  .  .  839 

Pankreatitis,  Diagnose  und  Therapie  der 
chronischen,  von  Guleke39,  Entstehung 
der  akuten  — ,  von  Arnsperger  1116, 
chronische  — ,  von  Schmidt  1562,  — 
chronica  und  Icterus  chronicus,  von 
Elirmann  u.  Kruspe  2066,  Operation 
der  akuten  — ,  von  Hofmann  ....  2456 
Panterschwärze  s.  u.  Anilinvergiftung. 
Pantopon,  Wirkung  von,  und  Pituglandol 
in  der  Geburtshilfe,  von  Gisel  428,  kli¬ 
nische  Beobachtungen  über  — ,  von 
Kidodze  2753,  allgemeine  lokale  An¬ 
ästhesie  mit  —  Roche  und  Kokain,  von 

Buchmann  .  2805 

Pantopon-Skopolamin-Dämmcrschlaf ,  von 

Kasashima . 372 

Pantopon  Skopolamininjektionen  bei  Ope¬ 
rationen  mit  lokaler  Anästhesie,  von 

Diwawin-Bogovodsk .  40 

Pantopon- Skopolaminnarkose,  von  Johann- 

sen  666,  von  Mehlhorn .  2589 

Papaverin,  Wirkung  des,  von  Pal  957,  — 
zur  röntgenologischen  Differentialdia- 
gnose  zwischen  Pylorospasmus  und  Py¬ 
lorusstenose,  von  Holzknecht  n.  Sga- 
litzer  1989,  —  als  Gefässmittel  und 


Anästhenkum,  von  Pal .  2763 

Papaverinreaktion  der  glatten  Muskeln, 

von  Pal .  2364 

Pap  a  ver  i  n  wirkun  g,  rö  n  tgenologische  U  nter- 
suchungen  über  die,  auf  den  Magen, 

von  Holzknecht . 1523 

Papilla  duodeni ,  methodische  Dilatation 

der,  von  v.  Hofmeister . 145 

Papillomeim  Larynx  der  Kinder,  von  Chiari  2749 

Papuan  atee . 1840 

Parabioseratten.Austausch  von  Nährstoffen 

unter,  von  Morpurgo  u.  Satta  ....  1536 
Paracodin  s.  a  Kodein  präparat. 

Paracodin,  1840,  therapeutische  Wirksam¬ 
keit  des  — ,  von  Dahl . 1566 

Paraffineinbettungsverfahren  für  Uterus 


und  Ovarien,  von  Loofs  .  2638 

Paraffininjektionen,  Beseitigung  der  Em¬ 
boliegefahr  bei,  von  Hartung 2013,  2730, 

—  zur  Behandlung  von  Hernien,  von 


Zimmermann . 2517 

Paraganglien,  von  Kahn . 2189  j 

Paraldehyd,  intravenöse  Injektion  von, 

von  Noel  u.  Souttar .  887  j 

Paraldehyd  Vergiftung,  von  Fornaca  u.  Qua- 

relli  .  40  | 

Para  yse  s.  a.  Dementia,  Spirochaeten. 


Paralyse,  Nukleinsäurebehandlung  der 
progressiven,  von  Donath  42,  Blutserum 
bei  —  und  Dementia  praecox,  von 
Benedek  und  Deäk  96,  Ursachen  des 
Sehnervensetwundes  bei  progressiver 
— ,  von  Stargardt  269,  Spirochäten  im 


Seite 

Gehirn  bei  progressiver  — ,  von  Ehrlich 
443,  446,  von  Noguchi  und  Moore  446, 
aetiologische  Studie  zum  Problem  der 
progressiven  — ,  von  Krasser  603, 
juvenile  — ,  von  Nonne  671,  Nachweis 

derSpirochaetepallidaimZentralnerven- 

svstem  bei  —  und  Tabes,  von  Noguchi 
737,  790,  847,  901,  Behandlung  der 
progressiven  — ,  von  Westphal  884, 
von  Pilcz  2254,  Statistisches  über 
allgemeine  — ,  von  Paulian  1050, 
Familiäre  allgemeine  — ,  von  Parhon, 
Urechia  und  Tzupa  1051,  Nachweis 
von  Spirochäten  im  Gehirn  bei  — , 
von  v.  Wassermann  1356,  Karvonen- 
sche  Reaktion  bei  — ,  von  v.  Veress 
und  Szabö  1449,  Tragweite  der  Spiro¬ 
chätenbefunde  bei  progressiver  — ,  von 
Hoche  1510,  Heilbarkeit  der  — ,  von 
Schultze  1510,  Augenveränderungen  bei 
der  progressiven  — ,  von  Uhthoif  1514, 
Salvarsanbehandlnng  der  progressiven 
— ,  von  Raecke  1619,  Behandlung  der 
allgemeinen  —  mit  Salvarsan ,  von 
Leredde  2093 ,  Begutachtung  bei  — 
und  Syphilis  de*  Zentralnervensystems, 
von  Weygandt  2309,  Behandlung  der 
progressiven  —  mit  Tuberkulininjek- 
tionen,  von  Shukow  2422,  —  und 
Syphilis,  von  Nonne  und  Noguchi  2480, 
die  allgemeine  — ,  von  Robertson  2696, 
Frühsymptome  und  Prognose  der  pro¬ 
gressiven  —  f  ürdieLebensversicherung, 

—  von  Boden  2699,  Behandlung  der 
progressiven  —  mit  Staphylokokken¬ 
vakzine,  von  Wagner  v.  Jauregg  2749, 
zur  alten  und  modernen  Behandlung 
der  spastischen  — ,  von  Lorenz  .  .  .  2918 
Paralysis  agit  ns  mit  bedeutender  Ver- 
grösserung  der  Glandulae  parathyreoi- 
deae,  von  Gjestland  89,  über  — ,  von 

Günther  1843,  von  Lewy .  2427 

Paralytiker,  diagnostisch  verwertbare  Re¬ 
aktion  in  der  Spinalflüssigkeit  von, 
von  Mayurama  1731,  Hautreaktion  mit 
Noguchis  Luetin  bei  — ,  von  Benedek 
2033,  Gedächtnisausfälle  bei  — ,  von 
Rohde  2087,  die  Spirochäte  im  Gehirn 
der  — ,  von  Levaditi,  Marie  und  Ban- 
kowski  2539,  Liquor  von  — ,  von  Volk  2548 
Paralytikergehirn,  Noguchipräparate  eines, 
von  Nonne  1353,  1406,  von  Schultze 
1467,  lebende  Spirochäten  im  — ,  von 
Förster  und  Tomasczewski  1507,  grubige 
Vertiefungen  in  — ,  von  Fischer  1523, 
Nachweis  der  Spirochäten  des  —  im 
Tierexperiment,  von  Berger  1921,2085, 
Uebertragnng  des  Treponema  pallidum 
von  —  auf  das  Kaninchen,  von  Noguchi 
2591,  Impfversuche  mit  — ,  von  Förster  2700 
Parametritis  chronica  und  Lageverände¬ 
rungen,  von  Ziegenspeck . 1457 

Paramyoklonus  multiplex,  von  Feri  .  .  .  621 

Paraplegie,  kongenitale  spastische,  von 

Finkelnburg  .  . . 714 

Paraplögie,  sur  une  forme  de,  spasmodique 
hörddosyphilitique  chez  l’enfant,  par 

Marfan  .  .  .  .  • .  2300 

Para psoriasis,  Versuche  mit  Pilokarpin  bei, 

von  Herxbeimer  u.  Köster .  2747 

Parasiten,  aus  der  Lebensgeschichte 
menschlicher,  von  Brandes  434,  Gor- 
dius  als  —  des  Menschen,  von  Herzog  2302 


Parasiteneier,  Fäzesuntersuchung  auf,  von 

Wolff . 430 

Parasiticus,  lebender,  epigastricus,  von 

van  Duyse . .  .  ...  98 

Parasyphilis,  zur  Frage  der,  von  Schoen- 
born  u.  Cuntz . 715 


Paratyphus,  zur  pathologischen  Anatomie 
des,  von  Saltykow  714,  mit  Cholera 
komplizierter  Fall  von  —  B,  von  Man- 
cini  828,  —  B,  von  Knauth  1342,  Mas¬ 
senerkrankung  an  —  beim  Inf.-Regt. 

Nr.  78  in  Osnabrück,  von  Otto  2301, 
cholera verdächtiger  — ,  von  Baur  2476, 

—  bei  gleichzeitiger  Typhusepidemie, 
von  Watt .  2695 


Seitp 


Paratyphusappendizilis,  von  V\  alther  .  . 
Paratyphus-B-Antisera,  spezifische  Quali¬ 
täten  der.  von  Keck . 

Paratyphus-B-Infektionen,  von  Job  .  .  . 
Paratyphusbazillus  ohne  Gasbildung,  von 
Löwenthal  u.  Seligmann  429,  Uhiquität 
des  —  B,  von  Clausnizer  1729,  Ubi- 
quität  des  —  in  Nahrungsmitteln,  von 
Poppe 


565 


1565 

1790 


1730 


268 


2475 

1527 

540 

1472 


1108 


2702 

736 


Paratyphusepidemie,  von  Merkel  .  . 
Paratyphuserkrankungen ,  pathologische 
Anatomie  u.  Pathogenese  der  gastroin 
testin  ahn,  von  Huebscbmann  .  .  . 

Paratyphusinfektion . 

Parathyroi’des,  les,  von  Morel . 

Parenski  Prof.  Dr.  St.  f . 

Parese,  postoperative  gastro-enteritisebe 

von  Pilcher  . 

Parietallappen,  Tumor  des  1.,  von  Rind 
fleisch  386,  Geschwülste  des  — ,  von 

Yölsch . 

Parker  R.  W.  f . 

Parlamente,  aus  den:  Preussisches  Abge¬ 
ordnetenhaus  166,  279,  389,  502,  84o, 
Deutscher  Reichstag  279,  502,  1238, 
Preussisches  Herrenhaus  1071,  Baye¬ 
rischer  Landtag  .  .  .  2262,  2317,  2709 

Parotitis,  genuine  eitrige,  von  Nicol  262, 

töddehe  —  bei  Kindern,  von  Goidon  2695 
Passavantscher  Wulst,  Vorkommen  und 

Bedeutung  des,  von  Fröschels  ....  208 

Patella,  habituelle  Luxation  der,  von  Loth¬ 
eissen  . 1469 

Patellarfraktur,  Behandlung  der,  von 

Schultze  1339,  von  Sakobielski  .  .  .  1842 
Pathologie,  spezielle,  undTherapie  innerer 

Krankheiten,  von  Kraus  und  Burgsch  2352 

Patoir  Prof.  Dr.  J.  G.  f . 604 

Pavor  nocturnus,  Wesen  u.  Heilung  des, 
und  seiner  Aequivalente,  von  Ham¬ 
burger  .  •  •  •  2818 

Pediculi,  Schnellkur,  der,  capitis,  von 

Whitfield  . 941 

Pellagra,  Wirkung  des  organisch-poly¬ 
mineralischen  radioaktiven  Serums  auf 
die  kutanen  Erscheinungen  der,  von 
Ntcolaidi  44,  Aetiologie  und  Klinik  der 
— ,  von  Devoto  374,  die  —  auf  den 
britischen  Inseln,  von  Sambon  und 
Chalmers  605,  Mais  und  — ,  von  An- 
denino  1169,  Abnahme  der  —  in 
Italien  2143,  Arbeiten  über  die  —  in 
England2644,  die  —  in  England,  von 

Blandy .  2696 

Pellagrakranke,  die  Ueberempfindlichkeit 

der,  von  Finato  und  Novello  ....  2750 
Pellidol  426,  —  und  Azodolen  in  der 

Kinderpraxis,  von  Hoffa . 1451 

Pollidol-Vaselinsalbe,  von  Bendix  .  .  .  1415 

Pemphigus,  kleine  ovale  Gebilde  bei,  von 
Sternberg  219,  durch  SalvarHaninfusion 
geheilter  — ,  von  Lindemann  378, 
doppelseitiger  —  der  Konjunctiva  und 
Mundschleimhaut,  von  v.  Hippel  490, 

—  malignns,  durch  einmalige  intra-  • 
venöse  Blutinjektion  geheilt,  von  Prae- 
torius  867,  angeborener  gutartiger  — , 
von  Zarfl  1524,  —  vulgaris,  von  Kyrie  2642 

Penetrotherm,  von  Damman . 207 

Penis,  Induratio,  plastica,  von  zur  Verth 

und  Scheele  936,  von  Dreyer  .  .  .  2249 

Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen 
bayerischer  Aerzte  110,  Rechenschafts¬ 
bericht  des  — . . 1627 

Pentosurie  im  frühen  Kindesalter,  von 

Aron .  207 1 

Pepton  s.  u.  Vergiftung. 

Peptonwirkung,  Bedeutung  des  Trypto¬ 
phangehaltes  für  die,  von  v.  Knaffl- 

Lenz .  247 jj 

Pepton  Witte,  von  Popielski .  2245 

Peracid . .  •  •  1^40 

Peiforationslabyrinthitis,  tympanale  eitrige, 

von  Link . 775 

Perforationsperitonitis,  Aetherspülung  bei, 

von  Dergane . 1952 

1  Perhydrit  1840,  —  ein  festes  Wasserstoff¬ 
superoxyd,  von  Schumacher .  2642 


5 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXIII 


Seite 

PeriaHbritis  hmneroscapularis,von  Grashey  841 
Perikard,  Physiologie  und  Pathologie  des, 
von  Kehn  831,  radiologisches  Verhalten 

des  — ,  von  v.  Czyhlarz . 2014 

Perikarditis,  drüsenähnliche  Epitbelbil- 
dungen  bei  — ,  von  Tsiwidis  600,  chro¬ 
nische  — ,  von  Gerhardt  956.  —  caseosa 
und  Unfall,  von  Auerbach  1829,  Sympto¬ 
matologie  der  adhäsiven  — ,  von  Tornai 
2248,  epigasirische  Punktion  des  Peri¬ 
kards  bei  der  Diagnose  des  — ,  von 

Marfan .  2926 

Perikolitis,  von  Carwardine . 1733 

Perinealrupturen,  Aetiologic  der  — ,  von 

Babe-ch  und  Cioc .  .  43 

Perinephritis,  operativ  entstandene,  serosa, 

voa  Banereisen . 1340 

Perineum,  Ruptur  des,  von  Metzlar  .  .  .  2746 

Periostitis  tvphosa,  von  Braza .  2749 

Periostverpflanzung, freie,  vonSchepelmann  1787 
Periphlebitis  tunerculosa,  vn  Gilbert  .  .  1232 
Peripupillometer,  von  Schlesinger  ....  264 
Peritomie,  von  Salzmann  .  .  ....  21ü6 

Peritoneale  Adhäsionen,  Prophylaxe  und 

Therapie  der,  von  Payr .  2601 

Peritoneal  naht,  Pinzette  zur  Erleichterung 
der,  in  der  Tiefe  des  Beckens,  von 

v.  Fellenberg .  2680 

Peritonealschutz  durch  anteoperative  Reiz¬ 
behandlung  des  Peritoneums,  von 

Hoehne  .  167 

Peritoneum,  bei  intimen  Beziehungen  des, 
zum  Muskelgewebe  des  Uterus,  von  la 
Torre  2688,  zur  Sensibilität  des  —  und 
der  Bauchfaszien,  von  tlartmann  .  .  2729 

Peritonitis  s.  a.  Retropedtoneum. 

Peritonitis,  die  appendikuläre,  von  Haim 
202,  zur  Vorbeugung  posi operativer  — 
bei  verschmutzten  Laparotomien,  von 
v.  Herff  259,  allgemeine  eiterige  —  durch 
Bandwurm,  von  Hanielsen  41 1 .  gallige 

—  ohne  Perforation  der  f-mllenwege, 
von  Nauwerck  und  Lübke  827,  direkte 
Behandlung  der  tuberkulösen  — 
mit  Jodpraparaten,  von  Falkner  978, 
Kampferöl  bei  — ,  von  Blecher  1261, 
von  Vigna' d  und  Arnaud548,  Rehns<  he 
Behandlung  der  — ,  von  Propping  1342, 
tuberkulöse  — ,  von  Gerhardt  1629,  loka¬ 
lisierte  — ,  von  Gerhardt  1629,  gallige  — , 
von  Vogel  1682,  Gaseinblasung  bei  — , 
von  Schmidt  1799,  Prophylaxe  und 
Therapie  der  -,  von  Weber  1772, 
Kollargol  bei  diffuser  eiteriger  — ,  von 
Jelke  1828,  Behandlung  der  infektiösen 

—  mit  Aether,  von  Temoin  1860.  sog. 

gallige  — ,  vn  Sick  und  Fränkel  2009, 
akute  fortschreitende  — ,  von  Fisc  ,er 
2009,  die  tuberkulöse  von  Härtel 
2070,  Pathogenese  der  galligen  — ,  von 
Askanazy  2071,  antiseptische  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Crede  2117,  —  nach 
Darmruptur,  von  Uedekind .  2868 

Perityphlitis,  Pathologie  und  Therapie  der, 

von  Sonnenburg  ...  1214 

Perkussion  s.  a.  Bauchperkussion. 

Perkussion  der  Rückseite  der  Körpers,  von 
Ewart  886,  symmetrische  — ,  von  Wemöe 
2015,  -  der  Wirbelsäule,  von  Rüde  .  2137 
Perkussionsmethode,  neue,  von  Lerch  .  881 

Perkussionsquantimeter,  von  Baer  .  .  .  132 

Perkussionschallwechsel  der  Lunge,  von 

Molnär . 2013 

Perleberg,  die  Entwicklung  der  Stadt,  von 

Unger  .  374 

Perlsuchtbazillenbefund  im  Auswurf,  von 

Ungermann . 1109 

Perrheumal .  2472 

Persönlichkeit,  der  Zustand  von  Zurück¬ 
versetzung  der,  von  Sollier  .  ...  2255 

Peroneuslähmung  post  partum,  von  Staude  1728 

Persen,  Burg . 1183 

Personalien  167,  223,  279,  335,  391,  447, 

503,  504,  567,  623,  735,  791,  815,  959, 

1015,  1072,  1126,  1183, 1239, 1303, 1415, 

1471,  1527,  1583, 1640, 1695  1752, 1807, 

1864.  1918,  1975,2030,2151,2208,2263, 

2319,  2440,  2495,  2551,  2656,  2711,  2767,  2927 


|  Seile 

Pertussis,  Chinin  bei,  von  Lenzmann  335, 

Herzveränderungen  bei  — ,  von  Brick  1788 
Perversitäten,  sexuelle,  von  Ziemke  1282,  1564 

Pertik  O.  f . 624 

Pes  adductus,  von  v.  Maversbach  781, 
operative  Behandlung  des  —  valgus 

und  varus,  von  Wilms . 1H7 

Pessarsupn<>sitorien.  von  Seemann  2927 

Pest  54,  112,  168  224,  280,  336,  391,  147, 

504,  567,  623,  680.  736,  791,  846,  91)3, 

960.  1915,  1072.  1127,  1184.1240,1303, 

1359,  1416  1471, 1528  1584  1640, 1696, 

1752.  1808,  1864,1918.1976,2031,2095, 

2152,  2208  2264.2319,2384,2440.2496, 

2552,  2600,  2856.  2711,  2766,  2822.  2872, 

2928,  Bild  der  —  bei  Prokopiun,  von 
Schröder  886,  ist  die  Astrachansche  — 
endemisch?  von  Deminsky  999,  Sy¬ 
philis  und  —  in  München  im  15.  und 
16.  Jahrhundert,  von  Sudhoff  ....  (439 
Pestseuche,  epidemiologische  Beobach¬ 
tungen  anlässlich  der,  in  der  Süd¬ 
mandschurei  .  94 

Peterson  Dr.  O.  V.  f . H2 

Petrefactol . 1840 

Petrischalen,  Blechdeckel  mit  Gipsschicht 

für,  von  Reiner  Müller  . 1548 

Peitenkoferhaus  München  1918,  Ehrlichs 

Vortrag  zum  Besten  des  —  ....  2822 

Pettersson-  Palmquist-  Apparat,  tragbarer, 

von  Andersen  .  .  483 

Pfählungsverletzungen,  von  Orthner  li9, 
von  Weber  .......  .  .  .  (772 

Pfannenboden,  Aetiologie  und  Genese  der 

Ottoschen  Protrusion  des,  von  Breus  317 
Pfeih-rr-  Sektion,  thorakoplastische,  von 

Wilms  450,  von  Doerfler . 1 268 

Pferde,  Erklärung  betr.  die  Elberfelder 
denkenden  847, die mod*  rne Tierpsycho¬ 
logie  und  die  Elberfelder  — ,  von  Haenel  212 
Pflanzen,  die  oftizinellen,  und  Drogen, 

von  Mitlacher  .  1560 

Pflegekinder,  Versorgung  luetischer,  von 

Rommel- . 215 

Pflegerinnenwesen,  Ausgestaltung  des,  in 

Oesterreich  ...  1171 

Pfortader,  kavernöse  Umwandlung  der, 

von  Hart .  2748 

Pfortaderthrombose,  von  Gruber  201,  Milz¬ 
venen-  und  — ,  von  Goldmann  .  .  .  1903 
Phagozyten,  physikal  sch  chemische  Unter¬ 
suchungen  über,  von  Hamburger  .  .  1334 
Phagozytärer  Index,  einfache  Methode  zur 
Bestimmung  des,  vonStuber  undRütten  1585 
Phagozytose,  phagozytärer  Index  und 
dessen  klinische  Bedeutung,  von  Stüber 
1114,  —  bei  akuten  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Schaefer-Uieber  .  .  .  2800 

Phantom,  Erfahrungen  mit  dem  Blurn- 
reichschen,  von  Schliinpert  ....  2432 
Pharm acy,  Councd  on,  and  Chemistry  .  1526 
Pharmakngnostische  Studien,  röntgen¬ 
photographische  Aufnahmen  zu,  von 
Ba  dachzi  und  Wiechowski  .  .  .  .  498 

Pharmakologie,  Lehrbuch  der,  von  Pouls- 
son  657,  chinesische  und  tibetisch¬ 
mongolische  — ,  von  Hiibotter  .  .  .  1613 

Pharmazeutische  Vierteljahrsrundschau, 

von  Winckel .  425,  1838,  2471 

Pharmazon  präparate . 426 

Pharynxtuberkulose,  akute  miliare,  von 

Meyer . 829 

Phenolentgiftung,  von  v.  Czyhlarz,  Fuchs 

und  v.  Fürth .  2364 

Phenolkampfer  bei  Ulcus  venereum,  von 

Rühl  2013  von  Horowitz .  2249 

Pheno  lösungen,  neutralisierende  Wirkung 

von  A  kohol  auf,  von  Berceller  .  .  .  2748 

Phenolphthaleinspektrum,  von  Bardach  .  264 

Bhenolsulfophthaleinprobe  s.  a.  Niere. 
Phenolsulfonphthalein  s.  u.  Nierenfunk¬ 
tionsprüfung 

Phenolsulfophthaleinprobe,  wichtige  Feh¬ 
lerquellen  bei  der,  von  Roth  ....  2012 
Phimosenbeseitigung,  Instrument  zur 

radikalen,  von  Spitzy  . . 975 

Phle barte riektasie,  genuin«  diffuse,  von 
Ebstein . 1843 


Seite 

Phlebektasien,  von  Herbst . 1350 

Phlebitis  syphilitica  cerebrospinalis,  von 

„  Yer'6  ...  2475 

Phobrol  und  Zimmerdesinfection,  von 
Wyss  1849,  Anwendung  des  —  in  der 
geburtshilflichen  und  gynäkologischen 

Praxis,  von  Kal  abin .  2639 

Phonasthenie,  von  Sokolowsky  50,  —  und 
Uebungen  zu  ihrer  Heilung,  von  Hop¬ 
mann  . 208 

Phonetik,  die  experimentelle,  in  der 
15  Versammlung  der  Italien  Oto- 
rhinolaryngologischen  Gesellschaft  .  622 

Phonetische  Therapie,  neuere  Hilfsmittel 

der,  und  Diagnostik,  von  Flafau  .  .  .  209 

Phosphor,  Bedeutung  des,  in  der  Nahrung, 
von  Durlach  660,  therapeuiiscbe  Ver¬ 
suche  mit  —  bei  Epileptikern,  von 
Leubuscht-r  661,  Nachweis  von  weissem 

—  in  Zündwaren,  von  Schröder  1165, 
Bestimmung  des  organischen  —  im 
Harn  unnatürlich  ernährter  Säuglinge, 
von  Kaminer  und  Mayerhofer  1678, 

—  und  Lebertran,  von  Kassowitz  .  2072 

Photodynamische  Wirkungen  von  Inhalts¬ 
stoffen  des  Steinkohlenteerpechs,  von 
Lewin  . 1529 

Photographenanämie,  sogenannte,  von 

Carozzi . 2416 

Photographie  s.  a.  Hochgebirgsphoto- 
graphie 

Photographie,  die,  in  natürlichen  Farben, 
von  Y’alenta  541,  Rezepte  und  Tabellen 
für  —  und  Reproduktionstechnik,  von 
Eder  1336,  —  von  Röntgenschirm¬ 
bildern,  von  Hartung  .  .  .  .  .  1343 

Phrenikotomie  bei  Lic  generkrankungen, 
von  Sauerbruch  625,  von  H-Ilm  .  .  872 

Phrenikuslähmung,  von  Sievers  613,  —  bei 
Plexusanäs  hesie,  von  Stein  993,  von 

Klauser  993,  von  Brunner . 1677 

Phrenokardie,  von  Behrenroth . 207 

Phthise  s.a  Lungenphthise,  Lungenspitzen¬ 
phthise. 

Phthise,  Behandlung  der  kavernösen, 
durch  Pneumolyse,  von  Mayer  .  .  .  2748 
Phylakogene  426,  Heilwirkung  der  —  bei 
Infektionskrankheiten,  von  Schirmer  .  676 
Physik,  Lehrbuch  der,  von  Lecher  .  .  .  1043 
Physikalische  Grundbegriffe,  neue  An¬ 
schauungen  über,  von  Gebhardt  .  .  1061 
Physiologie,  Bericht  über  neuere  Arbeiten 
über,  von  Biirker  12129,  2189,  2242, 
Handbuch  der  vergleicnenden  — ,  von 
Winterst*  in  255,  praktische  Uebungen 
in  der  —  von  Gaule  656,  Landois  Lehr¬ 
buch  der— ,  von  Rosemann  1103,2530,— 
des  Menschen  und  der  Säugetiere,  von 
du  Bois-Reymond  1214,  von  Tigerstedt 
2128,  die  führenden  Ideen  in  der  — 
der  Gegenwart,  von  v  Tschermak  2328, 
Lehrbuch  der  — ,  von  Zuntz  und  Loewy 
2469,  Leitfaden  der  — ,  von  Schenk  und 
Gürber  2686,  Jahresbericht  über  die 
Fortschritte  der  — ,  von  Hermann  und 

Weiss .  .  2849 

Physiologische  Methodik,  Handbuch  der, 

von  Tigerstedt .  ...  1725 

Physiologische  Uebungen  und  Demonstra¬ 
tionen,  von  Tigerste  It  . 656 

Physiologisches  Praktikum,  von  Abder¬ 
halden  365,  von  Fuchs . 768 

Physiology,  Principles  of  human,  von  Star- 

ü»g  . . .423 

Phytonosen,  Arbeiten  über  368,  von  Kann- 

giesser . 1393 

Pia  mater,  diffuse  Sarkomatose  der,  von 

Markus . 1449 

Pichtgonal . 1840 

Pigment,  Bildung  von  melanotischem,  im 

Sonnenlicht,  von  Adler . 1576 

Pigmentnaevi,  von  Zieler . 163 

Pigmentstud'en,  von  Hueck . 261 

Pilokarpin,  Wirkung  von,  von  Sardemann 
992,  Versuche  mit  —  bei  Parapsoriasis, 
von  Herxheimer  und  Köster  ....  2747 

Pilzforschung,  Abteilung  für,  im  Ham¬ 
burger  Krebainatitut  .  ■  ...  1289 


LXXXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Pilznahrung  bei  Nierenkrankheiten,  von 

Kakowski . . 

Pilzvergiftung,  auch  eine,  von  Dreisbach  . 

Pineiro  Prof.  Dr.  f . .  •  • 

v.  Pirquetsche  Kutanreaktion  s.  u.  Kutan¬ 
reaktion. 

v.  Pirquetsche  Reaktion  im  Kindesalter, 
von  Gindes  und  Mendelssohn  998, 
Tuberkulosenachweis  mit  Hilfe  der—, 

von  Conradi . 

Piscin . 

Pituglandol  s.  a.  Wehenerregende  Sub¬ 
stanzen. 

Pituglandol  in  der  Behandlung  der  Pla- 
centa  praevia,  von  Gail  718,  Retentio 
placentae  und  — ,  von  Liepmann  1279, 

—  bei  Eklampsie,  von  Schossberger 

1288,  — in  der  geburtshilflichen  Praxis, 
von  Fuchs  1617,  Uterusruptur  nach 
— ,  von  Espeut  1774,  Vorzüge  des  — , 
von  Bosse . 

Pituitrin  s.  u.  Vergiftung. 

Pituitrin  in  der  Geburtshilfe,  von  Gussow 
93,  nachteiliger  Einfluss  des  —  auf  das 
Kind,  von  Spaeth  428,  —  als  Austrei- 
bungsmittel,  von  Hauch  und  Meyer  993, 

—  als  wehenverstärkendes  Mittel,  von 

Tiger  997,  Adrenalin  und  —  bei  Dys¬ 
menorrhöe,  von  Klein  1163,  Uterus¬ 
ruptur  nach  — ,  von  Herz  1218,  —  bei 
Retentio  urinae,  von  Ebeler  1279,  Ein¬ 
fluss  des  —  auf  die  Geburtswehen,  von 
Malinowsky  1288,  Wirkung  des  —  unter 
pathologischen  Verhältnissen,  von  Elfer 
1336,  Portioinjektionen  mit — ,  von  Koch 
1615,  klinische  Beobachtungen  über  das 
— ,  von  Semkowsky  1624,  —  als  Wehen¬ 
mittel,  von  Deutsch  1 731,  von  Mory 
1904,  —  in  der  Eröffnungsperiode,  von 
Neuwirth  2120,  Wirkungen  des  —  auf 
Kreislauf  und  Atmung,  von  Pankow 
2189,  —  in  der  Nachgeburtsperiode, 
von  Vogt  . 

Pituitrinwirkung,  zur,  von  Grumann  .  .  . 
Placenta  praevia,  Aetiologie  der,  von  Lumpe 
40,  Hypophysenextri'kt  in  der  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Trassl  146,  Kaiser 


1302 

591 

1584 


1592 

1841 


2072 


2805 

1436 


schnitt  bei  — ,  von  Davis  146,  Pitu- 


- ~ —  j  * 

glandol  in  der  Behandlung  der  — ,  von 
Gail  713,  Pituitrin  bei  — ,  von  Hauch 
und  Meyer  993,  —  centralis,  von  v.  Or¬ 
tenberg  1107,  Behandlung  der. — ,  von 
Döderlein  1964,  Entwicklung  und  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Jolly  2083,  Hypo¬ 
physenextrakte  bei  — ,  von  Herz  .  . 
Plasmazytom,  multiples,  der  Knochen,  von 

Warstat .  .  . 

Plasmodium,  Kultur  des,  vivax,  nach  dem 
Verfahren  von  Bass,  von  Piczugin  .  . 
Plasteine,  Bezeichnungen  der,  zur  Pepton¬ 
vergiftung,  von  v.  Knaffl-Lenz  und  Pick 
938,  —  als  Antigene,  von  v.  Knaffl-Lenz 

und  Pick  . . 

Plastiken  und  Prothesen  in  der  Rhinologie, 

von  Albanus  . 

Plastische  Operationen,  von  v.  Mutschen- 

bacher  . 

Plattfuss,  Behandlung  des,  von  Roth  887, 
modellierende  Osteotomie  bei  — ,  von 
Perthes  936,  operative  Behandlung 
des  —  und  Klumpfusses,  von  Wilms 

1283, 

Plattfussbehandlung,  von  Guradze  .  .  . 
Plattfusseinlagen,  Technik  der,  von  Wol¬ 
lenberg  . . 

Plattfussfrage,  von  Cramer . 

Plattfussoperation,  Resultate  der  Müller- 

schen,  von  Müller . 

Plazenta  s.  a.  Placenta  praevia. 

Plazenta,  vorzeitige  Ablösung  der  normal 
inserierten  im  Laufe  der  Schwanger¬ 
schaft,  vonZaharescu  43,  Secto  caesarea 
wegen  vorzeitiger  Lösung  der  — ,  von 
Späth  1012,  Oxydasereaktion  in  der  — , 
von  Wolff  1163,  Retention  der  —  und 
Pituglandol,  von  Liepmann  1279,  die 
Plazentargefässe  als  Kennzeichen  für 
die  Entstehung  der  —  inarginata  s. 
extrachorialis,  von  Meyer . 


2418 

826 

2807 


1046 

213 

1278 


2861 

1351 


1787 


2191 


Seite 

Plazentalösung,  vorzeitige,  von  Aschner  .  2306 
Plazentapulver,  trockenes,  von  King  .  .  1198 
Plazentarangiom,  das,  eine  echte  Ge¬ 
schwulst,  von  Elten . 372 

Plazentarblutungen,  Behandlung  der,  in 
den  letzten  Monaten  der  Schwanger¬ 
schaft  . 1964 

Plazentardefekte,  leichtes  Erkennen  klein¬ 
ster,  von  Scherbak . 1327 

Plazentarextracte,  Wirkung  der,  auf  das 
Herz  und  Gefässsystem  und  die  Blut¬ 
gerinnung,  von  Colle . 1849 

Plazentarsubstanzen  als  Laktagoga,  von 

Niklas  ......  • . 

Plethysmogramm,  Einfluss  der  Musik  auf 
auf  das,  von  Frankfurther  und  Hirsch¬ 
feld  . • . 

Pleura,  Hydrops  adiposus  der,  von  Plasch- 

kes  .  .  .  . . 

Pleuraempyem,  tuberkulöses,  von  Jancke 
158,  chirurgische  Behandlung  des  — . 
von  Lawrow  658,  Behandlung  des  akuten 
— ,  von  Hahn  2194,  Resultate  der  opera¬ 
tiven  Behandlung  des  —  der  Kinder, 

von  Werner .  2533 

Pleuraerguss,  von  Gerhardt . 956 

Pleuraexsudate,  Viskosität  des,  von  Krot- 
kow  2808,  chirurgische  Behandlung 
der  tuberkulösen  — ,  von  Spengler  und 

Sauerbruch  .  2825 

Pleurahöhle,  Verschluss  der,  nach  intra¬ 
thorakalen  Eingriffen,  von  Dreyer  .  213!) 
Pleuraresorption,  von  Boit  770,  —  und 

Herzbeutelresorption,  von  Boit  .  .  .  2268 
Pleurareflexe,  sog.,  von  Petersen  ....  2637 


Seite 


91 


486 


219 


600 


485 

2816 


1883 


2643 

2805 


1398 

1163 


1900 


1677 


Pleurasarkom,  von  Bernard 
Pleuraschwarte,  von  Hofbauer  275,  Ent¬ 
stehung  und  Bekämpfung  der  kon¬ 
sekutiven  Störungen  bei  — ,  von  Hof¬ 
bauer  .......  . 

Pleuratumor,  von  Dorendorf  ...... 

Pleuritis  s.  a.  Lungenfellentzündung. 

Pleuritis,  urämische,  von  Kön'ger  380, 
aktive  Pneumatotherapie  der  Residuen 
von  — ,  von  Stemmler  948,  seröse  — 
bei  Wurmfortsatzentzündung,  von  Sven- 
son  1288,  Gaseinblasung  bei  —  und 
Peritonitis,  von  Schmidt  1799,  Auto¬ 
serotherapie  bei  — ,  von  Fishberg  1851, 
Schulterschmerz  bei  — ,  von  Gerhardt  2905 
Pleuritische  Ergüsse,  vollständige  Entlee¬ 
rung  von,  von  Davies . 941 

Pleuritische  Exsudate,  Ausblasung  der, 

von  Melkich  . 1285 

Plexus  brachialis,  Anästhesierung  des,  nach 
Kulenkampff,  vonBabitzki  827,  zur  An¬ 
ästhesierung  der  — ,  von  Kulenkampff 
1339,  Beeinflussung  der  Neuralgie  des 
— ,  durch  Kulenkampffsche  Anästhesie, 

von  Többen  . 

Plexus  chorioideus,  zelluläre  Physiopatho¬ 
logie  des,  von  Ciaccio  und  Scaglione 
660,  Funktion  der  —  und  der  Hirn¬ 
häute,  von  Goldmann . 1005 

Plexus  solaris,  Dehnung  des,  von  Leriche  1277 
Plexusanästhesie,  von  Siebert  105,  Phreni¬ 
kuslähmung  bei  —  nach  Kulenkampff, 
von  Sievers  659,  von  Stein  993,  von 
Klauser  993,  von  Brunner  1677,  Nerven- 
schädigungen  bei  — ,  von  Hirschler 
1218,  28  Fälle  von  — ,  von  Nentwig 
2313,  Uebergreifen  der  Lähmung  auf 
den  N.  sympathicus  bei  Kulenkampff- 

scher  — ,  von  Voeckler  . 2313 

Plexuslähmung,  von  Perthes . 1747 

Plombierung,  die,  der  tuberkulösen  Lunge, 

von  Gwerder .  2668 

Pneumatisation,  ideal-normale,  des  Schlä¬ 
fenbeins,  von  Wittmaack . 1568 

Pneumatisationsprozess,  Hemmungen  und 
Störungen  des,  im  Schläfenbein,  von 

Wittmaack . 1568 

Pneumasationsstörungen, Beziehungen  der, 
zu  den  übrigen  Entzündungsprozessen 
des  Mittelohrs,  von  Wittmaack  .  .  .  1568 
Pneumatisches  System  im  Röntgenbild, 

von  Sonnenkalb . 1568 

Pneumatosis  cystoides  intestini,  von 
Demmer .  2368 


Pneumatozele,  operative  Eingriffe  bei  der, 
der  Parotis  u.  des  Ductus  Stenonianus, 

von  Narath  . . 

Pneumokokken,  Bedeutung  der,  für  die 
puerperale  Infektion,  von  Bondy  314, 
Arzneifestigkeit  bei  — ,  von  Morgen- 
roth  u.  Kaufmann  482,  —  im  strömen¬ 
den  Blut  bei  kruppöser  Pneumonie, 

von  Dochez  ...  . 

Pneumokokkeninfektion,  Chemo-  u.  Sero- 
*  therapie  der,  von  Engwer  94,  von 
Boehncke  398,  435,  zur  experimentellen 
Chemotherapie  der  — ,  von  Gutmann 
482,  von  Morgenroth  u.  Kaufmann  2067, 
Pharmakotherapie  der  — ,  von  Wright 
941,  chronische  —  der  Lungen  bei 
Kindern,  von  Sutherland  u.  Jubb  .  . 
Pneumokokkeninfluenza,  von  Walb  .  .  . 
Pneumokokkenkulturen ,  Wirkung  von 
Chinaalkaloiden  auf,  von  Tugendreich 

und  Russo . 2801 

Pneumokokkenmeningitis,  von  Brady  .  .  1851 
Pneumokokkensepsis  und  -meningitis  im 
Anschluss  an  Cholezystitis  u.  Cholan¬ 
gitis,  von  Severin  . 543 

Pneumolyse,  über,  von  Jessen  1591,  extra¬ 
pleurale  —  mit  sofortiger  Plombierung 
bei  Lungentuberkulose,  von  Baer  1587, 
Behandlung  der  kavernösen  Phthise 
durch  extra-  und  intrapleurale  — ,  von 

Mayer . 2748 

Pneumonie  s.  a.  Leberpneumonie,  Lungen¬ 
entzündung. 

Pneumonie,  Behandlung  der,  durch  Sauer¬ 
stoffinhalationen,  von  Delcourt  323,  zur 
Kritik  des  Traumas  bei  der  —  durch 
körperliche  Anstrengung,  von  Rubin 
376,  Schutzstoffe  im  Serum  bei  krup¬ 
pöser  — ,  von  Dochez  486,  Pneumo¬ 
kokken  im  strömenden  Blut  bei  krup¬ 
pöser  — ,  von  Dochez  486,  chron.  — 
mit  Bronchiektasen,  von  Matthes  617, 
über  — ,  von  Vogt  842,  Rekonvales¬ 
zentenserum  bei  — ,  von  Jelke  1507, 
Anwendung  des  Fibrolysins  bei  chro¬ 
nischer  — ,  von  Brenner  1547,  Behand¬ 
lung  der  kruppösen  —  mit  hohen 
Kampferdosen,  von  Roser  1732,  akute 
—  während  der  Arsenbehandlung,  von 
Weber  1734,  chemotherapeutische  Be¬ 
handlung  von  —  mit  Aethylhydrocu- 
prein,  von  Fetlesen  1848,  Verlauf  des 
Fiebers  der  kruppösen  —  bei  Malaria¬ 
kranken,  von  Canti eri  1849,  die  metal¬ 
lischen  Fermente  in  der  Behandlung 
der  — ,  von  Cattani  2138,  Aethylhydro- 
cuprein  bei  — ,  von  Parkinson  2262, 
Serumbehandlung  der  kruppösen  — , 
von  Feith  2314,  —  croup.  migrans, von 
Baur  2421,  Behandlung  der  —  mit 
Aethylhydrocuprein  und  Pneumokok¬ 
kenserum,  von  Lenne  2475,  —  und  Herz¬ 
fehler,  von  Keller  2589,  experimentelle 
— ,  von  Kline  und  Winternitz  2590,  zur 
Frage  der  traumatischen  — ,von  Ishioka 
2698,  Todesursachen  bei  kruppöser  — : 
von  Fleming  ....  .... 

Pneumoperikardium,  von  Ljungdahl  .  . 
Pneumopexie,  die  rationelle,  von  Lerda  .  2135 
Pneumothorax,  Puls-  und  Blutdruckver¬ 
änderungen  beim,  von  Walther  91, 
Behandlung  der  Lungentuberkulose 
mit  künstlichem  — ,  von  Geerardt  98, 
von  Tollens  208,  von  Martin  431,  der 
künstliche  —  im  Röntgenbild,  von 
Nebel  271,  327,  künstlicher  —  beim 
Kinde,  von  Vogt  323,  Behandlung 
chronischer  Lungenerkrankungen  mit 
dem  künstlichen  — ,  von  Hochhaus 
385,  Kinder  mit  künstlichem  — , 
von  Jancke  612,  Behandlung  mit 
künstlichem  — ,  von  Sorgo  828,  Ein¬ 
fluss  des  künstlichen  —  auf  die  Atem¬ 
mechanik  des  Kindes ,  von  v.  de 
Kastelle  883,  Behandlung  der  Phthise 
mit  künstlichem  — ,  von  Lillingston 
941,  zur  Anlegung  des  künstlichen  — 
durch  Punktion,  von  Moritz  1003, "zur 
Frage  des  künstlichen  — ,  von  Hof- 


2926 

1783 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


LXXXV 


Seite 

bauer  1217,  doppelseitiger  traumatischer 
— ,  von  Brauer  1231,  Erfahrungen  mit 
künstlichem  — ,  von  Hymans  v.  d 
Bergh,  de  Jossolin  deJong  und  Schut 
1338,  Indikationsstellung  bei  der  Be¬ 
handlung  der  —  mit  künstlichem  — , 
von  Schur  und  Plaschkes  1357,  Be¬ 
handlung  des  geschlossenen  —  mit 
Aspiration  u.  Ueberdruck,  von  Greiffen- 
hagen  1397,  Technik  des  künstlichen 
,  von  Jessen  1507,  Bülausche  Drai¬ 
nage  bei  — ,  von  v.  Jaksch  1523,  Be¬ 
handlung  eitriger  tuberkulöser  Exsu¬ 
date  mittels  künstlichem  — ,  von  Rösler 
1627,  Behandlung  der  Lungentuberku¬ 
lose  mittels  künstlichem  — ,  von  Arns- 
perger  1686,  von  Gray  1860,  von  Saug- 
mann-Daugaard  2078,  therapeutischer 
— ,  von  Daus  1785,  Exsudate  bei  künst¬ 
lichem  — /von  v.  Muralt  2198,  Technik 
des  künstlichen  — ,  von  Bang  2245, 
Todesfälle  nach  Behandlung  von 
Lungentuberkulose  mit  künstlichem 
— ,  von  Sundberg  2245,  Erfolge  mit 
künstlichem  — , .  von  Stuertz  2485,  Wert 
des  partiellen  — ,  von  Morgan  2695, 
Verhütung  des  plötzlichen  Todes  bei 
— ,  von  Lillingston  2696,  klinische 
Heilung  der  Lungentuberkulose  durch 
den  künstlichen  — ,  von  Bernard  .  ,  2926 
Pneumothoraxbehandlung  der  Lungen¬ 
tuberkulose,  von  Kohlhaas  547,  von 
Schur  und  Plaschkes  1399,  experimen¬ 
telle  Studien  zur  — ,  von  Schur  und 
Plaschkes  1950,  Larynxtuberkulosen 
unter  der  — ,  von  Winckler  2360,  — 
bei  Lungentuberkulose,  von  Amrein 

und  Lichtenhahn .  2536 

Pneumothorax  Operation  bei  Tuberkulose, 

von  Wolff . 275 

Pneumothoraxpleuritis ,  experimentelle , 

von  Königer . .  1003 

Pneumothoraxtherapie,  von  Aron  430,  von 
Königer  503,  Indikationen  der  —  bei 
Lungentuberkulose,  von  v.  Jagic  .  .  .  662 

Pneumotyphus,  Klinik  des,  von  Brauer  .  671 

Pocken  s.  a.  Menschenpocken. 

Pocken,  über  die,  von  Fraenken  48,  Er 
krankungen  an  —  in  Bayern  224,  Enze¬ 
phalomyelitis  nach  — ,  von  Klieneberger 
884,  Verbreitung  der  —  in  den  Tropen, 
von  Rüge  1343,  Epidemiologie  der  — 
in  Nordchina,  von  Besenbruch  1343, 
Ditferentialdiagnose  der  — ,  von  Bäumler 
1361,  Erforschung  und  Bekämpfung  der 
—  in  Togo,  von  Paschen  1400,  —  und 
Vakzinationslehre,  von  Jochmann  .  .  2065 
Pockenerreger,  Reinkultur  des,  von  Fornet 

2301,  2916,  2918 
Podotrochlitis  des  Pferdes,  von  Kberlein  833 
Podwyssotzki  Prof.  Dr.  W.  y  392,  von  Dwo- 


retzky . 607 

Poliencephalitis  acuta,  von  Lüttge  .  .  2435 
Poliklinikenfrage,  Regelung  der,  in  Mün¬ 
chen  . 1182 


Poliomyelitis  s.  a.  Kinderlähmung,  Heine- 
Medinsche  Krankheit. 

Poliomyelitis,  von  Cassel  2594,  patholog. 
Anatomie,  und  experimentelle  Patho¬ 
logie  der  — ,  von  Zappert  323,  akute 
—  in  Norwegen,  von  Johannessen  323, 
die  —  in  Frankreich,  von  Netter  323, 
die  Reflexe  bei  — ,  von  Schreiber  323, 
chirurgische  Behandlung  der  Folgen  der 
— ,  von  Ombr4danne  323,  foudrovante 
— ,  von  Löwy  445,  Infektionsmodus  bei 
der  epidemischen  — ,  von  Flexner  485, 
Uebertragung  des  Virus  der  —  durch 
Insekten,  von  Howard  u.  Clark  486, 
Fehldiagnose  bei  der  — ,  von  Zappert 
1180,  2300,  Virus  der  — ,  von  Flexner 
und  Noguchi  1223,  Differentialdiagnose 
der  Polyneuritis  und  — ,  von  Hoff  1732, 
Uebertragungsversuche  mit  dem  Virus 
der  — ,  von  Lucas  u.  Osgood  1851,  über 
— ,  von  v.  Mettenheimer  2084,  Kultivie¬ 
rung  des  Mikroorganismus  der  —  epi¬ 
demica,  von  Flexner  und  Noguchi  2137, 


•  8eite 

—  acuta,  von  Bruno  2373,  traumatische 

— ,  von  Jenicke .  .  2701 

Poliomyelitisepidemie,  von  Ibrahim  275, 
die  —  in  Polen,  von  de  Biehler  323, 
die  2.  grosse  schwedische  — ,  von  Wern- 

stedt . 323 

Poliomyelitisfälle,  Transmission  des  Virus 
vom  englischen,  auf  Affen,  von  Mcln- 

tosh  u.  Turnbull . 1954 

Polyarthritis,  akute  luetische,  von  Huzar  1952 
Polychrom,  panoptische  Blut-  und  Gewebs- 

färbung  mit,  von  Klein .  2642 

Polydaktylie,  von  Loening  . 838 

Polyglanduläres  System,  Diagnostik  und 

Pathologie  des,  von  Csdpai . 1841 

Polygonum  aviculare  als  Volksmittel  gegen 

Diabetes,  von  van  Leersum . 2139 

Polymastie,  von  Friedeberg . 328 

Polymyositis,  akute,  nicht  eitrige,  von 

Knierim .  ....  1844 

Polyneuritis,  von  Gerhardt  106,  entero- 
toxische  — ,  von  v.  Noorden  148,  rheu¬ 
matische  — ,  von  Schulhof  949,  in  der 
Reiskleie  enthaltene,  gegen  —  wirk¬ 
same  Substanzen,  von  Schaumann 
1344,  —  nach  Diphtherie,  von  Völsch 
1464,  Differentialdiagnose  der  —  und 
Poliomyelitis,  von  Hoff  1732,  —  cere- 


bralis,  von  Ruttin . 2918 

Polyposis  intestinalis  adenomatosa  diffusa, 

von  Scagliosi . 1849 


Polyzythämie,  von  Beltz  161,  Aderlass¬ 
therapie  hei  — ,  von  Wagner  408,  von 
Hörder  568,  —  mit  Milztumor,  von 
Saenger  619,  prognostische  Bedeutung 
der  sekundären  —  bei  kardio  pulmo- 
närer  Erkrankung,  von  Weber  1525, 
zur  Klinik  der  — ,  von  Mohr  1739, 

—  rubra,  von  Moewes  1841,  das  Benzol 
in  der  Therapie  der  — ,  von  Kiralyfi  2534 

Poncet  Prof.  Dr.  f  .  .  . .  2208 

Ponfick,  Geh.  M.-R.  Prof.  Dr.  f  2552,  von 

Kaufmann  ....  .  2843 

Ponstumor,  von  Edinger  1228,  vonTrömner  1573 
Porphyrin  und  Porpliyrinausscheidung  im 
Harn,  von  Roedelius  und  Schümm  .  2756 
Portio,ra8che  mechanische  Er  Weiterung  der, 
während  der  Geburt,  von  Anton  2309, 
Anatomie  der  —  vaginalis,  von  Kraus  2370 
Portiokarzinome,  palliative  Behandlung 
inoperabler,  mit  Zuckerstaub,  von 

Berczeller . 1397 

Post  abortum-Erkrankungen,  Behandlung 

der,  von  Lepage .  2079 

PostnarkotischeStörungen, Säure  Vergiftung 
als  Ursache  der,  von  Chauvin  und  Oe- 

conomos .  2495 

Potenzstörung,  seltene,  von  Lissmann  .  1221 
Portio,  Karzinom  der,  von  Deseniss  .  .  .  213 
Pottsche  Krankheit,  Behandlung  der,  von 

Openshaw  und  Roth . 941 

Powers  Prof.  Dr.  Gge.  H.  f . 1303 

Präzipitationsverfahren  in  der  gerichtsärzt¬ 
lichen  Praxis,  von  Sutherland  ....  2054 
Präzipitinreaktion ,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der,  bei  Darmerkrankungen,  von 

Isabolinsky  und  Pacewicz .  2808 

Präzisionsmikrometer,  klinische  Verwend¬ 
barkeit  des,  von  Modelsee  ...  .  318 

Präzisions  wage  für  die  Säuglingsernäh¬ 
rung,  von  Peiser . 475 

Prager  medizinische  Fakultät,  Geschichte 

der,  von  Pick .  ...  2433 

Praktikanten,  Verzeichnis  der  zur  An¬ 
nahme  von ,  ermächtigten  Kranken¬ 
häuser  etc.  in  Preussen  . 223 

Praktisches  Jahr  . .  390,  679 

Praxis  ausländischer  Aerzte  in  Deutsch¬ 
land  53,  279,  Mitteilungen  aus  der  — , 
von  Priester  828,  Seltenheiten  aus  der 

— ,  von  Frank  .  .  .  .  . f  149 

Preisausschreiben  der  Umschau  391,  — 
der  Heinrich  Brock-Stiftung  902,  —  der 
Vereinigung  Karlsbader  Aerzt  ■  903,  — 
des  Herrn  Woermann  in  Hamburg  .  .  2029 

Preiser  f . 1864 

Preisverteilung  auf  dem  Internat,  med. 

Kongress  . 503 


Seite 

Presse,  Psychiatrie  und,  von  Vorkastner 
1221,  Psychiatrisches  aus  der  Ham¬ 


burger  — ,  von  Rittershaus .  2435 

Primusquelle  s.  u  Bad  Adelholzen. 

Prinzregent  -  Luitpold  -  Genesungsheim  in 

Tölz,  von  Grassmann .  .  844 

Prinzregent  -  Luitpold  -  Kinderheilstätte  in 

Oberschwenden .  2767 

Privatkrankenanstalten,  Anmeldungspfiicht 

der  . . 1918 

Probedämmerschlaf,  vort  Holder  .  .  713 


Probefrühstück,  klinischeVergleichung  des 
Ewald-Boasschen  und  des  Mintzschen, 
von  Hatiegan  u.  Döri  97,  Wert  des 
trockenen  —  von  Triscuit,  von  van 

Span  je  . 2140 

Probekost,  Fleischfrühstück  als,  von  Skray  2196 
Probemahlzeit,  Hypersekretion  nach  der, 

von  Kemp . 544 

Processus  vermiformis,  röntgenologische 
Darstellung  des,  von  Groedel  744 ~  (042, 

von  Cohn . 1042 

Produktivgenossenschaft ,  ärztliche ,  in 

Wien . 1625 

Professoren,  Vollbesoldung  der  amerikani¬ 
schen  .  2599 

Prognathie,  Behandlung  der,  von  Hesse  1687 
Prognose,  die  medizinische,  von  Chauffard  1958 
Projektil,  Extraktion  eines,  aus  dem  III.  Ge¬ 
hirnventrikel,  von  Exner  und  Karplus  1682 
Projektilentfernung  aus  der  Gegend  des 

Ganglion  Gasseri,  von  v.  Walzel  .  .  2195 
Projektilextraktion  aus  dem  retrobulbären 

Raum,  von  Rubritius . 388 

Proktitis,  eosinophile,  von  Fricker  .  .  .  146 

Prolaps  s.  u.  Genitalprolaps 
Prolaps  und  Unfall,  von  Martin  ....  2646 
Promontoriumresektion,  von  Rotter  2308, 
von  Schmid  2308,  2639,  becken¬ 


erweiternde  Operation  durch  — ,  von 

Rotter  .  j .  2804 

Promotionswesen,  Reform  des .  2383 

Prophylaktika,  Aetzwirkung  der,  von  Crede- 

Hörder  .  .  2639 

Prophylaktikum  Mallebrein,  Wirkung  des, 
von  Bierast  und  Ungermann  1342,  Be¬ 
handlung  infektiöser  Erkrankungen  der 
Luftwege  mittels  — ,  von  Klare  .  .  .  1566 
Prostata,  Tuberkulose  der,  von  Götzel  2132, 
das  Karzinom  der  — ,  von  Willan  .  .  2644 
Prostataatrophie,  experimentelle,  von  Sa- 

saki . 1502 

Prostataenukleationen,  236  totale,  von 
Freyer . 1955 


Prostatahypertrophie ,  kompliziert  durch 
Blasensteine,  von  Wendel  330,  Diagno¬ 
stik  und  Therapie  der  — ,  von  Thelen 
726,  —  und  -atrophie,  von  Fielitz  838, 
Toxizität  der  Sekrete  bei  — ,  von  Le- 
gueu  und  Gaillardos  934,  Zystoskopie 
bei  der  — ,  von  Marion  934,  Diagnose 
und  Behandlung  der  — ,  von  Wulff 
1230,  1406,  über  — ,  von  Jenckel  1515, 
Wandlungen  in  der  Lehre  von  der  — , 
von  Kielleuthner  1701,  2  Fälle  von  — , 
von  Franke  1970,  operative  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  v.  Engelmann  2532, 
Behandlung  der  —  durch  indirekte  Be¬ 
strahlung,  von  Jacobsohn .  2589 

Prostataringmesser,  von  Grunnert  .  .  .  371 
Prostatektomie,  Resultate  der  277,  Prostata¬ 
ringmesser  für  die  suprapubische  — , 
von  Grunert  371,  Technik  der  — ,  von 
Rubritins  498,  die  entfernten  Resultate 
der  transvesikalen  — ,  von  Constanti- 
nescu  1050,  Erfolge  der  transvesikalen 
— ,  von  Sacanella  1225,  Technik  der  — 
suprapubica,  von  Jenckell  1677,  Dauer¬ 
resultate  der  suprapubischen  — ,  von 
Kreuter  1684,  Serie  von  55  suprapubi¬ 
schen  — ,  von  Fullerton  1734,  Wilmsche 
laterale  perineale  — ,  von  Siegel  .  .  .  2144 
Prostatiker,  Zeitpunkt,  wann  ein,  operiert 
werden  soll,  von  Fenney  934,  Nutzen 
der  Anwendung  der  Harnstoffsekre¬ 
tionskonstante  bei  — ,  von  Legueu 
2193,  Untersuchung  und  Behandlung 
der  — ,  von  de  Butler  .  . .  2588 


LXXXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Prostatismus  ohne  Prostata,  von  Marion 
934,  die  pathologischen  Grundlagen  der 
operativen  Behandlungder — ,  von  Wade  1968 
Prostatitis,  Behandlung  ter,  gonorrhorica, 
von  Simmonds  223,  Jodipin  per  clysina 

bei  — ,  von  Fischei . 651 

Prostituierte,  Notwendigkeit  der  obligato¬ 
rischen  Blutuntersuchung  nach  Wasser¬ 
mann  bei  der  Kontrolle  der,  von  Müller  299 
Prostituiertenuntersuehung,  Druckschei¬ 
denspülung  bei  der,  von  Drenw  .  .  .  1382 
Prostitution  jugendlicher  Mädchen  in 
München,  von  Rupprecht  12  die — und 
ihre  Bekämpfung,  von  Leonhard  87, 
Reglementierung  der  —  1577.  Kon¬ 
trolle  der  —  von  French  2202,  von 

Blaschko  2202,  von  Finger .  2203 

Prostitutionsfrage,  zur  . 110 

Protargolsalbe,  Anwendung  der  lÜproz., 

von  Reiesmann  . 2139 

Protein  and  Nutrition.  An  Investigation. 

By  Hindhede  .  2531 

Prothese  eines  doppelseitig  Oberarmampu¬ 
tierten,  von  Heikler  .  .  ...  .  2586 

Protoplasma,  Chemie  des,  und  Zellkerns, 

von  Gans .  2302 

Protozoen,  Kultur  von,  und  Bakterien  im 
Blute,  von  Bars  1344,  Vernichtung 
von  Bakterien  im  Wasser  durch  — , 

von  Spiegel . 1846 

Prüfungen,  Ergebnis  der  ärztlichen  .  .  .  2822 
Prüfungsordnung,  Folgen  der  neuen  zahn¬ 
ärztlich.,  v.  Behrendt  1213  Schweizer —  1346 
Pruritus,  Pittylen  bei,  vulvae,  von  Herzberg 
53,  ovariale  Opotherapie  bei  —  vulvae, 

von  Babesch  und  Buia  .  2303 

Pseudobulbärparalyse,  infantile,  v.  Fickler  1843 
Pseudodiphtheriewtäb'  hen,  bakteriologische 
Diagnostik  der  echten  u.,  von  Teoumin  1342 
Pseudodysenterie  und  Paradysenterie, 

von  Hutt  . . 1165 

Pseudoübnlatumor,  von  Preiser  ....  1230 
Pseudogibbus  traumaticus,  von  Haskovec  828 
Pseud"hämatemesis,  von  Speck  .  .  .  1343 
Pseudohermaphr  ditismus,von  Hirsch  und 
Leo  104,  von  Mohr  610,  —  mascubnus, 
von  G'üneberg  1516,  —  femininus, 
von  Küstner  2010,  —  femininus  ex- 

tanus,  von  Benda .  2543 

Pseudo-Hirsrhsprungsche  Krankheit,  von 

Mayerhofer  .  ....  1525 

Pseudoleukämie,  von  Rodler-Zypkin  .  .  561 

Pseudomyxoma  peritonei,  von  Rathe  1447, 

—  ovarii  et  peritonei,  von  Bondy  .  .  1456 
Pseudomyxombildung  nach  Appendizitis, 

von  Paczek .  2302 

Pseudopolyserositis  syphilitica,'  von  Cursch- 

mann .  2761 

Pseudorückenmarkstumor,  von  Preiser  .  1230 
Pseodosklerose,  Westphal-Strümpell,  von 
Westphal  1448,  Leberveränderungen 
und  Pigmentierungen  boi  — ,  von 
Rumpel  2356,  Fall  von  — ,  von 

v.  Strümpell .  2427 

Pseudotuberknlose,  beim  Menschen,  von 
Saisawa  483,  Bazillus  der  — ,  von  Sai- 
sawa  483,  experimentelle  — ,  von  Kirch  1165 
Pseudotumor  cerebri,  von  Gerhardt  .  .  106 

PsoaspalpatioD.die,  und  der  Pnoasschmerz, 

von  Hausmann  .  2517 

Psoriasis  eine  echte  Hautkrankheit,  von 
Hübner  661,  zur  Menzerschen  Theorie 
der  Tuberkuli  Inatur  der  — ,  von  Hüb¬ 
ner  673,  Strahlenbehandlung  der  — 
vulgaris,  von  Freund  716,  Behandlung 
von  —  mit  Thorium  X,  von  Gudzent 
und  Winkler  1166,  —  mit  atypischer 
Lokalisation,  von  Herxheimor  1517,  ist 
die  —  ein  Symptom  chronischer  In¬ 
fektionskrankheiten,  von  Schoenfeld 
1789,  —  als  Konstitutionskrankheit, 
von  Menzer  .  .  .......  1952 

Psoriasiskranke,  das  Ehrmannsche  Frosch¬ 
augenphänomen  im  Blutserum  von, von 
Sommer  148,  angebliche  Verminderung 
adrenalinartiger  Substanzen  im  Serum 
von  — ,  von  Fischei  und  Parma  .  .  .  1506 
Psychiatrie  s.  a.  Semiologie. 


Saite 

Psychiatrie  und  Gynäkologie,  vonBossi  134, 
von  Bumke  1512,  Lehrbuch  der  ge¬ 
richtlichen  — ,  von  Bischoff  256,  Ge¬ 
schichte  der  — ,  von  Kirchhoff  1160, 
Serodiagnostik  nach  AbderhaMen  in 
der  — ,  von  Wegener  1197,  von 
Mayer  2044,  —  und  Presse,  von  Vor- 
kastner  1221,  hämatologische  Unter- 
suchungsmethode'i  im  Dienste  der — , 
von  Schultz  1573,  Bedeutung  des  Ab- 
derhaldenschenlhalvsierverfahrens  für 
die — ,  von  Urstein  1952  die  Serologie 
in  der  — ,  von  Fauser  1984,  das  Dialy- 
serverfahren  in  der  — ,  von  Bundschuh 

und  Roemer .  2420 

Psychiatrisches  aus  der  Hamburger  Presse, 

von  Ritternhaus .  2435 

Psychiatry,  Outlines  of,  von  White  .  .  .  599 

Psychische  Behandlung  im  Kindesalter, 

von  Hamburger  . . 484 

Psychische  Tärigkeit,  Entwicklung  der, 

von  v.  Bechterew  ....  ...  2748 

Psychische  Kranke,  Deutsche  Heil-  und 

Pflegeanstalten  für,  von  Bresler  .  .  1783 

Psychoai  alvse,  von  Isserlin  956,  von  Seif 
1233,  Wert  der  — ,  von  Hoche  2012, 

Freudsche- — ,  von  Engelen .  2420 

Psychoanalytische  Methode,  von  Pfister  2007 
Psycho-elektrisches  Phänomen,  Analyse 

des,  von  Philippson  und  Menzerath  .  2253 
Psychologische  Experimente  an  Kindern, 

von  Raudnitz  .  • .  2374 

Psychologische  Wanderungen  auf  Seiten¬ 
wegen,  von  Schulz . 711 

Psychoneurosen.die,  und  ihre  Behandlung, 
von  Neupert  537,  affektive  —  deH  Kin¬ 
desalters,  von  Heller  2374,  — bei  Herz¬ 
kompensationsstörungen,  von  Lilien¬ 
stein  .  2429 

Psvchopathia  sexnalis,  von  v.  Krafft-Ebing 

366,  pharyngo  laryngeale  — .vonCollet  2361 
Psychopathische  Mädchen,  ästhetische  Nei¬ 
gung  des,  von  Postma . 2141 

Psychosen,  Adrenalingebalt  des  Blutes  bei 
einigen,  von  Kastan  261,  —  des  Rück- 
bildungs-  und  Greisenalters,  von  Spiel- 
meyei  990,  symptomatische  -  bei  Herz¬ 
kranken,  von  Kleist  1011,  die  —  bei 
Gehirnerkrankungen,  von  Redlich  1215, 
allgemeine  Therapie  der  — ,  von  Gross 
1274,  gynäkologische  Erkrankungen 
mit  — ,  von  König  1520,  Aetiologie  der 
akuten  — ,  von  Weber  1619,  —  während 
d-r  Schwangerschaft,  von  Passow  2071, 
Stoffwechsel  bei  — ,  von  Toyami  2134, 
die  Heredität  der  — ,  von  Jolly  2587, 
postt'aumatische — ,  von  Wohiwtll  2645, 
Selbstmord  und  Selbstmordversuch  bei 
verschiedenen  — ,  von  Markowitsch 
2699,  Korsakowsche  —  mit  Polyneuritis 
auf  alko1  ol.  Basis,  von  Curschmann 
2761,  gynäkologische  Untersuchungen 
und  Operationen  bei — .vonBusse  2863, 
von  Friedei  ...  ...  2863 

Psychotherapie,  Ethik  und,  von  Dubois  41, 
Wirkungsgebiet  und  Methoden  der  — , 


von  Vogt  . 1695 

Ptosis,  von  Saenger .  2755 

Piosisoperation  mit  freier  Faszientrans- 

plantauon,  von  Aigner . 371 

Pubosteotomie, Spontanentbindungen  nach, 
von  Friedrich .  .  ...  .  .  .  1741 


Puerperale  Infektion  s.  a.  Sepsis. 

Puerperale  Infektion,  prophylaktische  Be¬ 
handlung  der,  mit  intravenösen  Kollar- 
goleinspritzungen,  von  Cohn  2304,  Dia¬ 
gnose  und  Prognose  der  — ,  von 

v.  Hecker .  2638 

j  Puerperale  Prozesse,  Verweitung  bakterio¬ 
logische  Befunde  bei,  von  Sitzenfrey 
und  Vatrik  .  .  ...  ...  1450 

Puerperale  Selbstinfektion,  Quellen  und 

VVege  der,  von  Ahlfeld . 1504 

Puerperalfieber  mit  Fieber  im  Puerperium, 

von  Brandt . 550 

Puerperalsepsis,  Behandlung  der,  von  Ilke- 

witsch .  2298 

Pulmonalatresie,  angeborene,  von  Häberle  2803 


Seite 

Pulmonalinsuffizienz,  Diagnose  der,  von 

Rehfisch . .  .  •  2815 

Pulpa,  Anrigenvermögcn  der,  bacillaris 

Maragliano,  von  Sivori . 487 

Puls,  dem,  gleichzeitiges  Geräusch  auf  dem 
rechten  Ohr,  von  Mdner  271,  Aussetzen 
des  —  bei  tiefsier  Atmung  und  for¬ 
cierter  Muskelaktion,  vonGaiaböck  1337 , 
der  —  im  Schlaf,  von  Klewitz  .  .  .  2800 
Pulsd'agno«tik,  dynamische,  von  Christen 
1337,  1373. 

Pulsoconnapparat . 426 

Puisus  durus,  von  Lewinsohn  ....  1619 
Pnlsverspätung,  von  Hoke  und  Rihl  1357,  1681 

Pulvinhal,  von  Kassnitz . 1572 

Pulvis  Doveri,  der  Urheber  des,  von 

Nixon .  2926 

Pupillenphänomen, -das  vagotonische,  von 

Somouyi . ;  .  .  •  •  1952 

Pupillenreaktion,  Schwellenwert 'der,  von 

Schlesinger  ...  .  “64 

Pupillenstarre,  alkoholische  reflektorische, 

von  Mees . 1200 

Pupillenstörungen,  isolierte,  von  Dreyfus  444 
Pupillenuntersuchungen  bei  Geistes¬ 
kranken  und  Gesunden,  von  Runge  .  1519 
Putinbasenausscheidung,  von  Hefter  .  .  1105  j 
Purinkörper,  Bestimmung  der,  im  Urin, 

vn  Flatow . .  •  354 

Purinstoffwechsel desMenschen,  vonSiven  2191 
Purpura,  Behandlung  der,  von  Märtz  43, 

—  abdominalis,  von  Lederer  713,  —  _  I 

urticans,  von  Spitzer .  •  957 

Pyämide,  zur  Kenntnis  der,  von  Werther  1709 
Pyaemie,  Sepsis  und,  von  Nacke  .  .  .  2745 
Pyämische  Allgemeininfektion,  von  Ghon  2549 

Pydonal .  .....  2472  j 

Pyelitis,  von  Oppenheimer  103,  —  gravidar¬ 
um,  von  Kroemer  1348,  vonStoeckel  2147, 
Behandlung  der  —  mit  Nierenbecken- 
Spülungen,  von  Hohlweg  1420,  —  im 
Kindei-alier,  von  Langstein  1468,  Be¬ 
ziehungen  der  Kuli —  zur  Fort- 
pflanzungi-tätigkeit,  von  Mayer  1479, 

—  und  Nierenbeckenerweiterungen 
während  und  ausserhalb  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Schickele  1615,  zwei  Fälle 
von  — ,  von  Gerhardt  1629.  Infektions¬ 
modus  der  — ,  von  Menge  2025,  Behand¬ 
lung  der  —  gravidarum  mit  Nieren¬ 
beckenspülungen,  von  Rübsamen  2247, 

—  durch  bact.  lactis  aerogenes,  von 

Langstein  .  •  •  2594  1 

Pyelographien,  von  Voelcker  832,  Ergeb¬ 
nisse  der  — ,  von  Voelcker . 1912 

Pyelonephritis,  abs  edierende,  von  Israel  1737  j 
Pyeb'tomie  mit  Inzision  der  vorderen 

Nierenbeckenwand,  von  v.  Jlly4s  .  205 

Pyelotomiewunde,  Behandlung  der,  von 

Bastianelli . 770 

Pyloropexie,  von  Hof  mann .  1787  ; 

Pylorospasmus,  von  Mayerhofer  1300,  von 
Ober warth  2594,  Untersuchungen  über 

—  und  Pankreas fermente  beim  Säug¬ 
ling,  von  Hess  546,  über  den  — ,  von 
Glaessner  und  Krenzfuchs  582,  —  und 
Ulcus  ventriculi,  von  Neudörfer  760, 
Papaverin  zur  Diffe'entialdiagnose 
zwischen  —  und  Pylorusstenose,  von 
Holzknecht  und  Sgalitzer  1989,  Rurni- 
natiun  und  — ,  von  Aschenheim  .  2071 

Pylorus,  Umschnürung  und  Verschluss 
des  —  durch  Netz  von  Momberg  1342, 
Verschluss  und  Suspension  des  — 
nach  Gastroenterostomie,  von  Hercher  2586  a 
Pylorusaus8cbaltung,  von  Dobbertin  2192, 
unilaterale  — ,  von  v.  Haberer 
313,  —  mittels  Schnur,  von  Parla- 
verchio  599,  Technik  der  — ,  von  Polya 
2009,  von  Hoffmann  2009,  —  mittels 
Faszienstreifen,  von  Röpke  2366,  die 
Intra  parietomuskelpyloropexie  als 
Meihode  der  —  bei  Gastroptose,  von 

Mariani .  . .  2586 

Pylorusexklusion,  von  Bircher .  2355 

Pylorushypertrophie,  gutartige,  von  Cbiari 

841,  2534 

Pylorussondierung,  von  Putzig . 446 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXVII 


8  eite 

Pylorusstenose,  von  Jamin  838,  von  Zweig 
2364,  Operation  der  angeborenen  — , 
von  Rammstedt  145,  Papaverin  zur 
Differentialdiagnose  zwischen  Pyloru- 
spasmus  und  — ,  von  Holzknecht  und 
Sgalitzer  1989.  Behandlung  der  —  des 

Säuglings,  von  Hess .  2804 

Pylorustuberkulose,  von  Schlesinger  .  .  .  2548 
Pylorusumschnürung,  Dauerresultate  bei 
der,  als  Ersatz  der  unilateralen  Pylorus- 

ausBchaltung,  von  Kolb .  2400 

Pylorusverengerung,  von  Göbell  ....  2009 
Pylorusverscbluss,  von  Israel  1737,  Tech¬ 
nik  des  — ,  von  Mertens .  2355 

Pyonephrosis  calculosa,  von  Kotzenberg 
436,  geschlossene  — ,  von  Lichtenstern 
2705, —  mit  Steinbildung,  von  Albrecht  2865 
Pyosalpinx,  tuberkulöse,  von  Henkel  .  .  2863 
Pyovarium  nach  einem  Partus,  von  Oehmen  1678 
Pyozyanase,  antitoxische  Wirkung  der, 

auf  das  Tetanustoxin,  von  Silvestrini  1850 
Pyraloxin  bei  Erkrankungen  des  Ohres 


etc.,  von  v.  Stein . 828 

Pyrmoos . 1840 


Pyrodinanämie,  Ablauf  der  Blutzerstörung 
bei  der,  von  Hess  und  Müller  ....  2590 


Q. 

Quaderni  d’Anatomia,  von  Leonardo  da 

Vinci .  88 

Quadrizepssehne,  Risse  der,  und  des  Lig. 

patellae  proprium,  von  Janaszek  .  .  .  1732 
Quanti  Pirquet  s.  u.  Kutireaktion. 
Quarzquecksilberlampe  „künstliche  Höhen¬ 
sonn  e“,  von  Bach . 894 

Quecksilber  s.  a.  Hg  Kontraluesin. 

Quecksilber  in  der  die  Aerzte  umgebenden 
Lutt,  von  Schelenz  503,  Wirkung  des 
per  os  genommenen  — ,  von  Schäfer 


827,  —  und  Ralvarsan,  von  Finger  885, 
Wirkungsweise  des  —  bei  Spirillosen, 
von  Hahn  und  Kostenbader  ....  2691 
Quecksilberdarreichung,  zur  Bewertung 

der  internen,  von  Polland  .  .  .  .  590 

Qu  ecksilberein  sprit '.um  gen  ,  supermaxi¬ 

male,  zur  Einleitung  der  Syphilisbe¬ 
handlung,  von  Ehlers .  2358 

Quecksilberkuren,  Gefahren  der,  und  ihre 

Verhütung,  von  Wolffenstein  ....  2356 
Quecksilberverbindungen ,  Wirksamkeit 
und  Toxikologie  verschiedener,  von 

Klages  und  Schreiber  .  2432 

Quecksilbervergiftung,  von  Pribram  .  .  2868 
Quellenmessung,  von  Sieveking  ....  894 
Quellstift,  Gebrauch  des,  von  Banya  .  .  1860 

Quellsliftträger,  von  Bäumel  .  2283 

Querlage,  Uterus  bicornis  als  Aetiologie 
chronischer,  von  v.  Klein  826,  Lage¬ 
korrektur  der  —  durch  Schenkelkom¬ 
pression,  von  King . 2022 

Querschnitte,  die,  in  der  Bauch  Chirurgie, 

von  Mayer . 1906 

Quinckesche  Krankheit  und  Schwanger¬ 
schaft,  von  Ballerini .  2355 


R. 


Rabies,  Züchtuug  des  Erregers  der,  von 

Noguchi .  2484 

Rachenmandeloperation,  Technik  der, 

von  Barth  . 207 

Rachenring,  zentrale  Stellung  des  lympha¬ 
tischen,  im  Organismus,  von  Röder  .  2365 
Rachen-  u.  Gaumentonsillenhypertrophie, 
Ursache  der  —  und  ihre  Behandlung 
mit  Lymphdrüsenextrakt,  von  Ashby  2643 
Rachianaesthesie  g4n6rale,  von  Jonnesco 
153,  die  allgemeine  — ,  von  Jonnescu 

2304,  2869,  2920 

Rachis,  maladies  du,  et  de  la  moelle,  von 

Auvray  u.  Mouchut . 479 

Rachitis,  Beitrag  zur,  von  Ribbert  96, 
Pathogenese  u.  Aetiologie  der  — ,  von 
Kassowitz  316,  Kontagiosität  der  — 
beim  Tiere,  von  Delcourt  323,  Einfluss 


Seite 


der  Sonnenstrahlen  auf  die  Knochen¬ 
entwicklung  bei  — ,  von  Raczynski  323, 
Symptomatologie  der  —  in  Japan,  von 
Ogata  372,  das  Blutbild  bei  — ,  von 
Aschenheim  379,  Mineral  Stoffwechsel 
bei  der  — ,  von  Meyer  600,  Aetiologie 
der  — ,  von  Dibbelt  715,  —  bei  Neu¬ 
geborenen,  von  Kassowitz  937,  Aetio¬ 
logie  u.  Therapie  der  Osteomalazie  u. 
— ,  von  Stöcker  938,  Behandlung  der 

—  auf  Grund  von  Stoffwechselunter¬ 

suchungen,  von  Schloss  1356,  nervöse 
Uebererregbarkeitbei  — ,  von  Kassowitz 
2013,  —  der  Wirbelsäule,  von  Engel¬ 
mann  2368,  —  der  Nase,  von  Walb 
2691,  experimentelle  —  bei  Hunden, 
von  Koch  . 

Rachitismilz,  Verhalten  der  Gitterfasern 

bei  der,  von  Havashi . 

Rachitistheorien,  alimentäre,  von  Kasso¬ 
witz  . 

Radfahren  unter  aktiver  Beteiligung  eines 
Beines  mit  steifem  Kniegelenk,  von 

Harmsen . 

Rad  Jo . 

Radioaktive  Elemente,  Zufalltheorie  der 

von  Markwald  . 

Radioaktive  Pleilmittel,  Ankauf  von  .  . 
Radioaktive  Normalmasse  u.  Messmetho 

dik,  von  Meyer . 

Radioaktive  Präparate . 

Radioaktive  Stoffe,  Verhalten  der,  im  Or 
ganismus,  von  Lazarus  ..... 
Radioaktive  Substanzen,  Behandlung  ma 
ligner  Tumoren  mit,  von  Caan  9,  An 
Wendung  der  —  bei  Mund-  und  Zahn 
krankheiten,  von  Levy  1342,  Beschaf 
fung  und  Bereitstellung  von  — ,  von 
Brauer  2148,  physikalische  und  bio 
logische  Grundlagen  der  Strahlenwir 
kung  der  — ,  von  Müller  .... 
Radioaktive  Therapeutik,  Stand  der,  von 

v.  Stubenrauch . 

Radioaktivität,  Wirkung  induzierter,  von 
Fernau,  Schramek  u.Zarzycki  264,  Ueber 
Schätzung  der  —  als  Potenz  der  Heil 
quellen,  von  Kisch  949,  Kropfendemie 
und  — ,  von  He«se  1336,  Erzeugung  von 

— ,  von  Levy-Dorn . 2012, 

Radiometer,  Sabouraud -Noirescher,  von 

Holzknecht  . .  .  .  . 

Radiosensibilität,  neue  Methode  zur  Be¬ 
stimmung  der,  von  Freund  .  .  .  , 

Radioskopie,  gastrische,  von  Simici  .  .  . 

Radiotherapie,  Anwendung  von  Filtern  in 
der,  von  Morton  949,  —  der  Geschwülste, 
von  Werner  950,  —  der  Hypophysen- 
tumoren  bei  Akromegalie,  von  Böclkre 
u  Jaugeot  950,  Kompendium  der  — , 
von  Oudin  u.  Zimmern  1275,  —  des 
Karzinoms,  von  Döderlein  1804,  neuer 
Vorschlag  zur  — ,  von  Krukenberg  2112, 

—  des  Uterusmyoms,  von  Sippel  2226, 
2312,  —  des  maladies  du  sang  et  des 
Organes  lymphoides,  von  Cremieu  .  . 

Radium  s.  a.  Emanationsmengen. 
Radium,  physiologische  u.  therapeutische 
Wirkungen  des,u.Thorium,  vonFürsten- 
berg480,  Mesothorium  u.  — ,  von  Freund 
674,  Etwas  über  —  u.  Mesothorium,  von 
Kröner  717,  biologische  Wirkungen  des 
— ,  von  Arzt  u.  Kerl  828,  Behandlung 
des  Rhinophyma  mit  — ,  von  Desgrais 
894,  Rückbildung  prognostisch  schwerer 
Neubildungen  unter  — ,  von  Dominici 
058,  Beeinflussung  von  Uteruskarzino¬ 
men  durch  — ,  von  Wertheimer  1523, 
Muttersubstanzen  des  — ,  von  Wich- 
mann  1573,  die  1912  in  der  Royal  In- 
firmery  in  Edinburgh  mit  —  behandelten 
Fälle,  von  Turner  1735,  Einfluss  des  — 
auf  die  Blutformel  und  den  Blutdruck, 
von  Giacchi  1850,  Ankauf  von  — •  2029, 
über  — ,  seine  therapeutische  Anwen¬ 
dung  und  Wirkung,  von  Hermann  2236, 
therapeutische  Verwendung  des  —  in 
der  Dermatologie,  von  Riehl  u.  Schramek 
2249,  Karzinom  und  — ,  von  Riehl, 
Wertheim  u.  Ranzi  2481,  Behandlung 


2762 

1951 

2012 


78 

1807 

894 

2495 

894 

1838 


948 


2448 

2315 


2589 

2201 

1236 

1051 


2686 


Seit« 

der  Mnnd8chleimhautkarzinome  mit — , 
von  Schindler  2482,  —  als  Heilmittel, 
von  Falta  2536,  Ersatz  von  —  u.  Meso¬ 
thorium  durch  harie  X-Strahlen,  von 
Dessauer  2544,  praktische  Identität  von 

—  und  Röntgenstrahlen,  von  Pagen¬ 
stecher  2562,  Behandlung  der  Narben¬ 
stenosen  des  Oesophagus  mit  — ,  von 
Neumann  2692,  mit  —  erfolgreich  be¬ 
handelte  Krebsfälle,  von  Marschik 

■  2763,  —  und  Mesothorium  bei  Carci¬ 
noma  cervicis,  von  Schauta  2804, 

—  und  Mesothorium  in  der  Heilkunde, 

von  Nahmmacher  .  2921 

Radiumbehandlung  des  Krebses ,  von 
Latzko  u.  Schüller  2195,  —  des  Gebär- 

mutterkrebses,  von  Keitler .  2590 

Radiumbestrahlung  bei  Scheidenkrehs,  von 
Wertheim  1413,  —  bei  Schwerhörigkeit 
und  Ohrensausen,  von  Hügel  2 1 1 0, 2768, 
von  Passow  2496  2768,  Absorptionstafel 

für  — ,  von  Weckowski .  2691 

Radiumemanation  bei  inneren  Krank¬ 
heiten,  von  Falta  98,  —  als  Heilmittel 
bei  Rheumatismus  und  Gicht,  von 
Goldberg  664,  Anwendung  der  —  bei 
Gichtikern,  von  Mesernitzky  894,  In¬ 
halationskur  oder  Trinkkur  der  — , 
von  Mache  und  Suess  948,  von  Ram- 
sauer  und  Holthusen  948,  pharmako¬ 
logische  Wirkungen  der  — ,  von  Kionka 
949,  Wirkung  der  —  auf  den  Stoff¬ 
wechsel,  von  v.  Benczur  und  Fuchs 
992,  Wirkung  der  — ,  von  Engelmann 
1115,  —  bei  Alveolarpyorrhöe,  von 
Dautwitz  1222,  Wirkung  von  —  auf 
Uterusblutungen,  von  Opitz  1339,  An¬ 
wendung  der  —  bei  Gicht,  von  Meser¬ 
nitzky  1565,  Behandlung  mit  Inhalation 
von  — ,  von  Lewin  2806,  Behandlung 

mit  — ,  von  Brustein .  2807 

Radiuminstitut,  Arbeit  des,  in  London, 

von  Pinsch . 1733 

Radiumpräparate,  Abgabe  von,  aus  öffent¬ 
lichen  Stationen  zur  Behandlung  pri¬ 
vater  Kranker,  von  Schiff  ...  .  250 

Radiumsalze,  höhere  Dosen  löslicher,  bei 
inneren  Krankheiten,  von  Gudzent 
und  Castell  Rüdenhausen  2693,  An¬ 
kauf  von  —  für  die  Stadt  München  2710 
Radiumsalzlösungen,  Verteilung  von,  und 
Radiumemanationslösungen  in  der 


Blutbahn,  von  Engelmann . 949 

Radiumstation  in  Wien . 1302 


Radi  umstrahlen  s.  a.  Tiefenbestrahlung. 
Radiumstrahlen,  merkwürdige  Wirkung 
der,  von  Freund  51,  Absorption  der 
— ,  von  Giraud  894,  Behandlung  des 
Uteruskrebses  mit  Röntgen-  und  — , 
von  Scherer  und  Kelen  2369,  —  zur 
Behandlung  der  Schilddrüsenhyper 

Sekretion,  von  Turner .  2696 

Radiumtherapie  in  der  Dermatologie,  von 
Riehl  98,  —  in  der  Laryngo-Rhinologie, 
von  Marschick  98,  Blutuntersuchungen 
bei  der  — ,  von  Kernen  949,  —  und 
Elektrotherapie,  von  Sticker  950,  — 
in  der  Gynäkologie,  von  de  Courmelles 
2081,  2259,  von  Krönig  2001,  Einfluss 
der  —  auf  den  Stoffwechsel  bei  Gichti¬ 
kern,  —  von  Skörczewski  und  Sohn 
2134,  die  Röntgen-  und  —  in  der 
Gynäkologie,  von  Albers  -  Schönberg 
2259,  —  bei  inneren  Krankheiten,  von 
Kraus  2356,  —  des  Krebses,  von  Latzko 
2370,  Stand  der  —  bösartiger  Geschwül¬ 
ste,  von  Schlesinger  2691,  Stand  und 
neue  Ziele  der  —  Mesothoriumtherapie, 

von  Lazarus  . .  2815,  2920 

Radiumträger  für  den  Larynx,  von  Neu¬ 
mann  . 1793 

Radiumwirkung,  die  erste  biologische,  von 

Walkhoff .  2000 

Radiusbruch,  Spontanrupturen  der  Sehne 
des  Ext.  pollicis  long.  nach  typischen, 

von  Heinike . 1843 

Radiusfraktur,  Behandlung  der,  von  Troell  1787 
Rassenelemente,  Kosten  der  schlechten, 
von  Jens .  2752 


LXXXVIll 


INHALTS-VERZEICHNIS: 


1913. 


Seite 

Rassenhygiene,  Münchener  Gesellschaft 
für.  111,  Vererbung  und  — ,  von  Bayer 
1389,  —  in  den  Vereinigten  Staaten 
von  Nordamerika,  von  v.  Hoffmann  .  2188 
Rassonkreuzung,  das  Problem  der,  beim 

Menschen,  von  Fischer .  2306 

Rattenbissfieber,  über  das,  von  Cruichs- 

hank  .  .  . . 606 

Rattenfloh,  Leben  des,  nach  dem  Ver¬ 
lassen  des  Wirtes,  von  Browne  und 
Makenzie  605,  Biologie  des  europäi¬ 
schen  — ,  von  Swellengrebel  ....  1344 
Ratten  -  Sarkome ,  Wirkung  kolloidalen 
Schwefels  auf,  von  Izar  38,  wachstum¬ 
hemmender  Einfluss  der  Milz  auf  das 
.  — ,  von  Biach  und  Weltmann  1620, 

von  Frankl  .  .  1731 

Rautengrubenzystizerkus,  von  Herzog  .  .  1845 

Raynaudsche  Krankheit,  Therapie  der, 
von  Schreiber  1255,  die  —  als  Sym¬ 
ptom  der  hereditären  Syphilis,  von  Bo- 

sdnyi  .  1951 

Raynaudscher  Symptomenkomplex,  der, 

und  Syphilis,  von  Lemon . 1733 

Reagentienverzeichnis,  Mercks  ....  1127 

Reaktion  s.  a.  Abderhaldensche  Serum¬ 
probe  ,  Antitrypsinreaktion ,  Ausflok- 
kungsreaktion,  Blutreakiion,  Brendel- 
Müllersche  Reaktion,  Cammidgesche 
Reaktion ,  Diphtherietoxin  -  Hautreak¬ 
tion,  v.  Dungernsche  R..  Elsbergsche  R., 
Engel-Tumansche  R,  Fermentr.,  Flo- 
rencesche  R.,  Goldr.,  Gruber-Widalsehe 
R.,  Hämolvsinr.,  Hautr.,  Hermann- 
Perutzsche  R.,  Intradermor  ,  Karvonen- 
sche  R.,  Kobragiftr.,  Komplementbin- 
dungsr.,  Kutanr.,  Kutir.,  Luetinr.,  Man- 
delbaumsche  R.,  Meiostagminr.,  Non- 
nesche  R.,  Oxyda=er.,  Papaverinr.,  Para¬ 
lytiker,  v.  Pirquetsche  R.,  Präzipitinr., 
Russosche  R.,  Sputum,  Thermopräzi- 
pit'nr.,  Tnberkulimnjektion,  Tuber- 
kulinr,  Ueberempfindlichkeitsr.,  Weis- 
sche  R. 

Reaktionen,  Bedeutung  der  biologischen 
für  die  Diagnose  und  Therapie  der  Sy¬ 
philis,  von  Citron .  2541 

Reaktionskörper,  Bildungsstätten  des  ana¬ 
phylaktischen,  von  Felländer  und  Kling  427 
Recherchen,  medizinische,  von  Boas  .  .  2263 
Realenzyklopädie  der  gesamten  Heilkunde, 

von  Eulenburg . 1613 

Rechtsfähigkeit  der  ärztlichen  Vereine 

53,  390,  391,  446,  1126 
Rechtshändigkeit  beim  Säugling,  von  Voel- 

ckel . 2136 

Rechts-  und  Gesetzeskunde,  ärztliche,  von 

Rapmund  und  Dietrich . .  .  309 

Recklinghausen  morbus,  von  Lier  .  .  .  1413 

Reczey  Prof.  Dr.  f .  2552 

Redfern  Dr.  P.  f . .  .  112 

Reflex,  neuer  antagonistischer,  von  Pio- 
trowski  993,  die  physikalisch- chemi¬ 
schen  und  physiologischen  Vorgänge, 
auf  denen  der  psychogalvanische  — 

beruht,  von  Gildemeister .  2389 

Reflexneurosen,  vom  Tuberculum  septi 

ausgehende,  von  Levinstein  ....  2360 
Reflexometer,  neues,  von  Goldbladt  .  .  .  714 

Reflexphänomen,  psychogalvanisches,  von 
Gildemeister  und  Leva  1512,  2092,  von 
Veraguth  1512,  von  Leva  2386,  klinische 
Verwertung  des  galvanischen  — ,  von 

Albrecht  ...  2479 

Reflexzeit,  Messung  der,  von  Berger  .  .  495 
Reformvorschlag,  ein,  von  Flesch  378,  von 

Feilchenfeld . 378 

Refraktion  s.  a.  u.  Sehschärfe. 

Refraktion,  die  Entstehung  der  sphäri¬ 
schen,  des  menschlichen  Auges,  von 

Steiger .  ...  1949 

Refraktionsuntersuchungen  an  höheren 
Schulen  der  Levante  und  Ostindiens, 
von  Krusius  ....  ....  1512,  1566 

Refraktometer,  Anwendung  des,  von  Ser- 

kowski  und  Kraszewski . 1399 

Refraktometrische  Beziehungen  zwischen 
Kammerwasser,  Glaskörper  und  Zere¬ 
brospinalflüssigkeit,  von  Hailauer  .  .  1512 


Sette 


Regenerin  s.  u.  Arsenregenerin. 
Regierungsjubiläum,  25  jähriges  Kaiser 

Wilhelms  II . 1359 

Registerfrag e,  Analytisches  zur,  von  Soko- 

lowsky  . 208 

Registrierung,  die,  in  der  Praxis  des  Rhino- 
Laryngologen ,  von  Gutzmann  208, 
photographische  —  der  Zeit,  von  Ein¬ 
thoven  2129,  optische  —  von  Druck 
und  Stromstärke,  von  Hürthle  ...  2190 
Reglementierung,  Nutzen  der,  für  die  Sa¬ 
nierung  der  Prostitution . 1577 

Reichsarzneitaxe,  Erhöhung  der  ....  2655 
Reichsversicherungsordnung,  von  Stier- 
Somlo  846,  Erlass  des  Reichskanzlers 
zur  —  1470,  —  in  der  Hauptversamm¬ 
lung  des  L.V.  1692,  Grundsätze  des 
Reichsamtes  des  Innern  für  die  An¬ 
wendung  des  §  370  der  —  2655, 
zum  Vollzüge  der  —  2712,  Erlass  der 
preussischen  Regierung  zum  §  370 

der  —  2766 

Reil,  Joh.  Christian,  von  Neuburger  2306, 

—  im  Befreiungsjahre  1813,  von  Sud¬ 
hoff  ....  2578 

Reil-Denkmal .  223,  1471,  2656 

Reiner  Privatdozent  Dr.  M.  f  . 736 

Reinfectio,  7  Fälle  von,  syphilitica,  von 
Antoni  661,  —  nach  Salvarsanbehand- 
lung,  von  Stern  1507,  —  syphilitica, 
von  Biach  2014,  von  Riecke  2703,  — 
syphilitica  nach  Salvarsan,  von  Gen- 
nerich  2391,  2  Fülle  von  —  bei  Sal- 
varsan-Hg-behandelten  Patienten,  von 

Boas .  ....  2620 

Reiseskizzen  aus  Mittelbrasilien,  von  Au- 

mann .  ...  1888 

Reisestipendien,  medizinische,  in  Bayern  1584 
Reiz,  physiologischer,  von  Grahley  .  .  .  1576 
Reizbildung,  Pathogenese  der  heterotopen, 

von  Kur4  .  .  .  . 991 

Reizleitungsstörungen,  2  Fälle  von,  von 

Grobs . 1841 

Reklame,  ungehörige  904,  960,  ärztliche 

—  in  Amerika,  von  Galli  903,  von 
Jacobi  1127,  Grenzen  der  — ,  von 
Lingel  1267,  standesunwürdige  —  .  .  2151 

Reklameschilder . 565 

Rekrutierungsergehnisse  in  Frankreich 

und  Deutschland,  von  Reh  ....  789 

Rektalernährung,  Aminosäuren  und  Zitcker 
bei  der,  von  Bywaters  und  Rendle 

Short  .  1046,  2644 

Rektaltemperatur,  Erhöhung  der,  von  Lipp- 

mann  . 1405 

Rektoskopie,  diagnostischer  Wert  und  Ge¬ 
fahren  der,  von  Fuchsbühler  ....  2810 
Rektum  s.  a.  Mastdarm. 

Rektum,  Amputation  des,  von  Kelling 
1447,  erste  Anfänge  der  atypischen 
Neubildung  im  — ,  von  Libensky  .  .  1674 
Rektumkarzinom,  vonFrankel970,  Radium¬ 
bestrahlung  eines  — ,  von  v.  Frisch  .  2704 
Rekurrens  s.  a  Rückfallfieber. 

Rekurrens,  Behandlung  des,  mit  Salvarsan, 
von  Leibsohn  1623,  Uebertragungsweise 

des  — ,  von  Stefansky .  2808 

Rekurrenslähmung,  linksseitige,  bei  Mitral¬ 
stenose,  von  Dorendorf  1166,  von 
Killian  1571,  komplette  — ,  von  Denker 
2024,  —  bei  Erkrankung  des  Herzens, 
von  Sobernheim  und  Caro  2360,  chir¬ 
urgische  Behandlung  der  Larynxstenose 
nach  doppelseitiger  — ,  von  Moliniö 
2361,  gleichzeitiges  Vorkommen  von 
Stenose  des  linken  venösen  Ostiums 

und  — ,  von  Purjez .  2536 

Relativitätsgedanken,  geschichtliche  Ent¬ 
wicklung  des  physikalischen,  von 

Horowitz .  2433 

Relief-  und  Leisten  Schädel,  angeborener, 

von  Kato . 714 

Renascin . 1840 

Rentenabfindung  s.  u.  Neurose. 
Resectioextremitatisinferioris,vonBogorasr  1676 
Reservelazarett,  Erfahrungen  im  4 ,  in 

Belgrad,  von  Goebel  .......  496 

Resonator-Effluvien,  Therapie  der  Herz¬ 
affektionen  mit,  von  Libotte . 950 


Seite 

Resorption  aus  der  Bauchhöhle,  von  Simm 
665,  Mechanismus  der  —  in  die  Pleura¬ 
höhle  eingeführter  Formelemente,  von 

Aoyama .  2690 

Respirationsapparat,  von  Murschhauser 

2131,  von  Tangl . 2131 

Respirationslähmung,  graphische  Dar¬ 
stellung  der,  von  Sutherland  ....  2695 
Respirationsluft,  Wirkungen  verschieden 

zusammengesetzter,  von  David  .  .  .  491 

Respirationsneurosen,  von  West  ....  940 
Respirationsversuche  an  Menschen,  von 

Loeffler . 2131 

Retentio,  Pituglandol  bei,  placentae,  von 
Liepmann  1279,  Pituitrin  bei  —  urinae, 

von  Ebeler . 1279 

Retinitis  s.  u.  Azotämie. 

Retinitis,  Bedeutung  der,  albuminurica  in 

der  Geburtshilfe,  von  Miller  .....  2307 
Retroflexio,  Endergebnisse  der  Operationen 
wegen,  uteri,  von  Ewald  1452,  —  uteri 

gravidi  partialis,  von  Fonyö . 2010 

Retroperitoneum,  diffuse  entzündliche  Er¬ 
krankungen  des,  von  Sprengel  ....  1161 
Retroversio,  unstillbares  Erbrechen  bei, 
uteri  puerperalis,  von  Sperling  205,  un¬ 
stillbares  Erbrechen  bei  —  des  schwan¬ 
geren  Uterus,  von  Herrgott  .  .  .  1049 

Rettichsaft  bei  Cholelithiasis,  von  Engels  2029 
Rettungswesen,  Verstadtlichung  des  Ber¬ 
liner  321,  zur  Neuordnung  des  Ber¬ 
liner  —  667,  internat.  Vereinigung  für 

—  und  erste  Hilfe  .  2263 

Revolvergeschoss,  Verletzung  mit  einem, 

von  de  Castro  und  Brielli  .  .  .  .  .1169 

Revolverschuss,  von  Rubesch .  2868 

Rezepte,  die,  des  Scribonius  Largus,  von 

Schonack . 1783 

Rezeptur,  Missstände  in  der . 1238 

Rezidiv,  Wesen  und  Genese  des,  von  Rosen¬ 
thal  . 1446 

Rezidivhernien,  Radikaloperation  von,  von 

v.  Schloffer .  2367 

Rhamnose,  Einfluss  von,  und  Raffinose 
auf  das  Wachstum  von  Bakterien,  von 

Gildemeister  . 2916 

Rheumatische  Affektionen,  Wirkung  des 

Atophan  und  Novatophan  bei,  von  Jokl  2693 
Rheumatische  Erkrankungen,  Wesen  und 

Behandlung  von,  von  Röder .  90 

Rheumatism,  Researches  on,  by  Poynton 

and  Paine .  2850 

Rheumatismus  nodosus  im  Kindesalter, 
von  Berkowitz  93,  von  Abels  730,  Histo¬ 
logie  des  experimentellen  — ,  von 
Coombs,  Müller  und  Kettle  940,  Wand¬ 
lungen  in  den  Ansichten  über  den  — , 
von  Bosänyi  949,  deutscher  und  fran¬ 
zösischer  —  und  seine  Behandlung, 
von  v.  Breemen  1217,  chronischer  — 
infolge  von  Schilddrüseninsuffizienz, 
von  Menard  2076,  akuter  — ,  von  Paine 
und  Poynton  2077,  —  und  Tuberkulose, 
von  Menzer  2747,  kinesitherapeutische 
Behandlung  des  akuten  — ,  von  de 

Munter . . 2914 

Rheumatosen,  Verhalten  des  Blutes  bei 
den,  von  Takeno  600,  ätiologische  Be¬ 
ziehungen  zwischen  —  und  nasalen 

Erkrankungen,  von  Senator . 787 

Rhinitis  posterior  im  Säuglingsalter,  von 
'  Göppert  1166,  fibrinöse  — ,  von  Dabney 
1793,  Behandlung  der  —  und  der  Ade¬ 
noiden  beim  Säugling,  von  Lautmann 
1793,  —  sicca  postoperativa  und  deren 

Verhütung,  von  Rhese . .  .  2361 

Rhinophyma,  von  Rödelius  49,  Behand¬ 
lung  des  —  mit  Radium,  von  Desgrais  894 
Rhinoplastik,  ein  dritter  Weg  zur  totalen, 
von  Rosenstein  430,  von  Holländer  602, 
Technik  der  — ,  von  Holländer  1058,  phy¬ 
siologische  u.  kosmetische  — ,  von  Halle  1467 
Rhinosklerom,  das,  in  Aegypten,  von  Ri¬ 
chards  .  . .  2024 

Rhodan,  Bedeutung  des,  im  Speichel,  von 

Lohmann  . 83 

Rhodansalze,  Giftwirkung  der,  vonNerking  1167 
Rhythmische  Hebungen,  Wesen  und  Wir¬ 
kung  der,  von  Dohrn . 102,  155 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXIX 


Seite 

Riba  als  Nährmittel,  von  Rosell  ....  223 

Riberi-Preisbowerbung . 1695 

Rieder-Pascha,  Geh.  Med  -R  f . 1919 

Riesenbrach,  über  den,  von  Witzei  ...  516 

Riesenkinder,  von  Ahlfeld . 314 

Riesenkystom,  pseudomuzinöses,  von  Al- 

brecht .  2865 

Riesenmyomzysten,  von  v.  Lingen  .  .  .  1788 
Riesennierenstein?  von  Grove  .  ...  2743 

Riesenwuchs,  von  Müller  780,  Aetiologie 

des  — ,  von  Hübner . 1788 

Riesenzellenbildung  in  Thyreoidea  und 

Prostata,  von  Wilke  .  . . 600 

Riesenzellengranulom ,  Transplantations¬ 
versuche  mit  dem  experimentell  erzeug¬ 
ten,  von  Stieve . 262 

Riesenzellensarkom  des  1.  Femur,  von  En- 
derlen  217,  —  der  Sehnenscheiden,  von 
Fleissig  1502,  —  der  Mittelphalanx  des 
1.  Ringfingers,  von  Sievers  1676,  von 
Sehnenscheiden  und  Aponeurosen  aus¬ 
gehende  — ,  von  Spies . 1679 

Rigorosenordnung,  neueste,  in  Oesterreich 
2426,  Uebergangsbestimmungen  zu 

den  — . 2710 

Rindenkrampf,  der  familiäre,  von  Rülf  .  2587 
Rinderbazillen,  Bedeutung  der,  für  den 
Menschen,  von  Orth  .  .  .  434,  563,  618 

Ringskotom  bei  Erblindung  durch  Sonnen¬ 


finsternis,  von  Speleers . 2140 

Rinosalbe,  Ungt.  vitellinum  comp.  Rino, 

von  Neubauer .  2207 

Riopan,  von  Grobs  .  .  • .  2536 

Rippendefekt,  der  totale  angeborene,  von 
Hadda  428,  totaler  — ,  von  Weihe  .  .  1909 
Rippeninfraktionen,  Röntgendiagnoee  fri¬ 
scher,  von  Flach . 942 

Rippenknorpel,  Wundgestaltung  bei  Ope¬ 
rationen  an  den,  von  Axhausen  .  .  39 

Rippenkorbrandschnitt,  epigastrischer,  von 

Brun  . 317 

Rippenquetsche,  von  Wilms  ......  713 

Rippenring,  Anomalien  des  ersten,  und 

Lungentuberkulose,  von  Schultze  .  .  1785 
Rippenschere,  neue,  von  Jessen  ....  2733 

Ritualmord  s.  u.  Justschinski  .  2743 


Robinson,  ein  arktischer,  von  Mikkelsen  991 
Röhrenknochen,  negativer  Druck  in  den 
langen,  des  Hundes,  von  R.  u.  F  Felten- 
Stoltzenberg  134  von  Rothmann  1664, 

1666,  von  Schultze  1666,  Zysten  in  den 
langen  — ,  von  v.  Bergmann  2531,  Be¬ 
handlung  der  Sarkome  der  langen  — . 

von  Eve . 940 

Röntgenapparate,  unterbrecherlose,  von 

Groedel . 471 

Röntgenarbeiten,  Taxordnung  für  ....  2207 
Röntgenaufnahmen  mit  lichtempfindlichem 
Papier,  von  v.  Lorentz  ....  .  .  1110 

Röntgenbehandlung  gynäkologischer  Lei¬ 
den  652  ff.,  gynäkologische  — ,  von  Pro- 
chownik  896,  —  bei  Karzinom  des 
Uterus  der  Mamma  und  der  Ovarien, 
von  Klein  905,  —  der  Lungentuberku¬ 
lose,  von  Küpferle  949,  --  bei  Hyper¬ 
funktion  von  Organen,  von  Zimmern 
und  Cottenot950,  —  der  Knochen-  und 
Gelenktuberkulose,  von  Schede  1339, 

—  und  Mesothoriumbehandlung  beim 
Uteruskarzinom,  von  Bumm  1402,  von 
Döderlein  1403,  Technik  und  Patho¬ 
logie  der  gynäkologischen  — ,  von 
Schmidt  1448,  —  bei  Karzinom,  von 
Heynemann  1455 ,  —  bei  Myomen 
und  Metropathien,  von  Langes  1740, 

—  der  nichtklimakterischen  Metro- 

Menorrhagien,  von  v.  Graff  2370,  — 
der  chirurgischen  Tuberkulose ,  von 
Fründ  .  .  .  2586 

Röntgenbestrahlung, chemische  Wirkungen 
von,  und  Radiumbestrahlungen  inBezug 
auf  Karzinom,  von  Freund  und  Kaminer 
373,  Entgiftung  des  tuberkulösen  Her¬ 
des  durch  — ,  von  Iselin  484.  gynäko¬ 
logische  — ,  von  Albers-Schönberg  und 
Prochownik  730,  Freilegung  inoperabler 
Magenkarzinome  zur  — ,  von  Finsterer 
855,  Schadenersatzpflicht  bei  Verbren¬ 
nung  durch  —  873, ,  —  und  Mesotho- 


Seite 

riumbestrahlung  bei  Karzinom  der  weib¬ 
lichen  Genitalien,  von  Bumm  1068, 1180, 

1235,  —  bei  Aktin omykose,  von  Mag¬ 
nus  1122,  Heilung  eines  Ovarialkarzi- 
noms  mit  — ,  von  v.  Franquöl455,  —  der 
Hoden,  von  Sasaki  1502,  Spätschädi¬ 
gungen  nach  therapeutischer  — ,  von 

Schmidt . 1903 

Röntgendiagnostik  in  der  inneren  Medizin, 
von  Staehelin  264,  —  der  Magenkrank¬ 
heiten,  von  Haudek  777,  —  von  Er¬ 
krankungen  von  Kopf  und  Wirbel¬ 
säule,  von  Sabat  778,  —  der  Dünn¬ 
darmstenosen,  von  Assraann  1843,  — 
der  hirndrucksteigernden  Prozesse,  von 
Schüller  2200,  —  der  Broncliostenose, 
von  Ziegler  2641,  neuere  Fortschritte 
in  der  — ,  von  Alwens  2682,  —  der 
Darmkrankheiten,  von  Faulhaber  .  2687 
Röntgendosimetrie,  von  Kienböck  u.  Bauer  950 
Röntgendurchleuchtung,  neue  Methode 
der,  von  Alwens  833,  zur  —  des  Dünn¬ 
darms,  von  David  ...  ....  1799 

Röntgenerythem,  was  soll  der  Nicht-Rönt¬ 
genarzt  über  das,  wissen?  von  Becker  661 
Röntgengyniatrie,  Technik  der,  von  Frankl  1397 
Röntgenhaut,  Biologie  der,  von  Weiden¬ 
feld  und  Specht  ....  ....  2749 

Röntgenkatalog  der  E  G.  Sanitas  ....  224 
Röntgenkinematographie,  Technik  der, 
von  Groedel  373,  994,  Fortschritte  der 
— ,  von  Alwens  445,  verbesserte  — , 
von  Groedel  833,  zur  — ,  von  Dessauer  833 
Röntgenkunde,  Lehrbuch  der,  von  Rieder- 

Rosenthal  .  2295 

Röntgenkurse,  Wiener .  .  .  54 

Röntgenmomentaufnahme,  von  Schwenter  1110 
Röntgenologie,  Beziehungen  der,  zur  Neu¬ 
rologie,  von  Schüller .  2428 

Röntgenphosphoreszenz,  von  Bardachzi  .  2365 
Röntgen photographie,  Bedeutung  der,  für 

die  Zahnheilkunde,  von  Zilkens  .  .  .  2088 
Röntgenplatten,  automatische  Entwicklung 

von,  von  Weber  . 1264 

Röntgenröhre,  Lilienfeldsche,  von  Heineke 
und  Rosenthal  382,  Bleiglastubus  für 

— ,  von  Holzbach .  .  .  ..1410 

Röntgenschutzwirkung  des  Bleies  und 

Bleiglases,  von  Walter . 833 

Röntgenstrahlen,  chemische  Wirkungen 
der,  und  Radiumstrablen  in  bezug  auf 
Karzinom,  von  Freund  u.  Kaminer  331, 
Behandlung  von  Fibromyomen  und 
Uterusblutungen  mit  — ,  von  Nemenow 
663,  Versuche  über  die  harten  — ,  von 
Dessauer  696,  Vergleich  der  Wirkung 
von  Thorium  X-  und  — ,  von  Krause 
773,  Feststellung  der  Todesursache 
mittels  — ,  von  Bucky  833,  Merkblatt 
über  den  Gebrauch  von  Schutzmass- 
regeln  gegen  —  834,  Einwirkungen  der 

—  auf  die  Eihäute,  von  Kuwasoye  883, 
physikalische  Grundlagen  für  die  Do¬ 
sierung  der  -  ,  von  Christen  950,  Ver¬ 
suche  über  die  harten  — ,  von  Groedel 
1090,  von  Dessauer  1383,  die  Physik  der 
— ,  von  Pohl  1160,  Messung  und  Do¬ 
sierung  der  — ,  von  Christen  1160,  — 
bei  intrathorakalem  Kropf,  von  Crotti 
1224,  Behandlung  mit  —  und  Meso¬ 
thorium  in  der  Gynäkologie,  von  Döder¬ 
lein  1296,  mit  —  behandelte  Karzinom¬ 
fälle,  von  Haendly  1404,  Wirkung  von 

—  auf  Fermentlösungen,  von  Luger  u. 
Pollak  1452,  Behandlung  der  Metro- 
pathia  haemorrhagica  mit  — ,  von 
Siedenhof  1455,  diagnostische  Verwer¬ 
tung  der  —  in  der  Geburtshilfe,  von 
Heynemann  1504,  die  —  in  Gynäko- 

'  logie  u.  Geburtshilfe,  von  Eymer  1559, 
Einwirkung  der  —  auf  die  Agglutinine, 
von  Fränkel  u.  Schiltig  1619,  —  und 
Mesothorium  in  der  gynäkologischen 
Therapie,  von  Döderlein  1728,  Behand¬ 
lung  der  Fibromyome  mittels  — ,  von 
Chiliaiditis  u.  Stavridös  1791,  —  bei 
der  Diagnose  der  Lungentuberkulose, 
von  Morton  2023,  Indikationen  der  — 
vor,  während  u.  nach  Krebsoperationen, 


<  Seite 

von  Johnson  2023,  Wachstumsreiz  der 
—  auf  pflanzliches  und  tierisches  Ge¬ 
webe,  von  Schwarz  2165,  Messung  der 
— ,  von  Kienböck  2200,  Behandlung 
der  Uterusmyome  mit  — ,  von  Sippel 
2226,  Steigerung  der  zerstörenden  Wir¬ 
kung  der  —  auf  tiefliegende  Ge¬ 
schwülste,  von  Seilheim  2266,  Fort¬ 
schritte  in  der  Erzeugung  harter  — ,  von 
Dessauer  2268,  kombinierte  Behand¬ 
lung  des  Uteruskrebses  mit  —  und 
Radiumstrahlen,  von  Scherer  u.  Kelen 

2369,  Lösung  parametritischer  Verwach¬ 
sungen  durch  — ,  von  Fraenkel  2474, 
praktische  Identität  von  Radium  u.  — , 

von  Pagenstecher . 2562 

Röntgenstrahlendosimeter,  Ablesung  von 

Farbenveränderungen  bei,  von  Bucky  950 
Röntgenstrahlenwirkung,  Verstärkung  der, 
durch  Sekundärstrahlen,  von  Pagen- 

stecher  . 1319 

Röntgentechnik,  die,  von  Albers-Schön¬ 
berg  1390,  neuere  Fortschritte  in  der 

— ,  von  Alwens  .  2682 

Röntgentherapie  in  der  Gynäkologie, 
von  Zaretzky  93,  von  Lorey  1397,  von 
Kirstein  1559,  von  Hamm  1751,  von 
Albers-Schönberg  2080,  von  de  Cour¬ 
melles  2081,  von  Krönig  2081,  von 
Reifferscheid  2369,  —  bei  Myomen 
und  Fibrosis  uteri,  von  Hirsch  906,  — 
und  Radiumtherapie,  von  Butscher 
949,  gynäkologische  — ,  von  Kirstein 
1122,  vonHeimann  1448,  Kompendium 
der  — ,  von  Schmidt  1215,  Methodik  der 
— ,  von  Meyer  1404,  Erfahrungen  mit 
der  — ,  von  Holzbach  1404,  die  —  und 
Radiumtherapie  in  der  Gynäkologie, 
von  de  Courmelles  2258,  von  Kreuzfuchs 

2370,  —  der  tuberkulösen  Halslympho¬ 

me,  von  Fritsch  2610,  Kreuzfeuerwir¬ 
kung  in  der  gynäkologischen  — ,  von 
Meyer .  2804 

Röntgentiefenbestrahlung  bei  Morb.  Base¬ 
dow  und  Myom,  von  Moses  1062,  — 

von  Tumoren,  von  Sgalitzer .  2868 

Röntgentiefentherapie,  von  Gauss  und 

Lembcke  . 2007 

Röntgenulcus,  von  Eben .  2693 

Röntgen  Verbrennungen,  Klinik  und  Histo¬ 
logie  schwerer,  von  Pagenstecher  .  203 
Röstweizen  als  Diätetikum,  von  Hirsch- 

kowitz . 409 

Röteln,  hämatologische  Diagnose  der,  von 

Schwaer  1203,  von  Hamburger  .  .  .2120 
Rohmilch,  keimfreie,  von  Schlossmann  .  2300 
Romauxan  1840,  von  Hofmann  ....  2262 
Rote  Kreuz-Medaille,  chinesische  ....  790 
Rotes  Kreuz,  Tätigkeit  des,  und  des  Roten 
Halbmondes  in  Konstantinopel  46, 
chirurgische  Erfahrungen  der  Tripolis¬ 
expedition  des  Deutschen  — ,  von 
Goebel  1056,  —  in  Oesterreich  2073, 
Sitzung  des  Verbandes  Deutscher  Kran¬ 
kenanstalten  vom  —  und  der  Deutschen 
Landes-Frauenvereine  vom  —  2439, 
Erfahrungen  mit  den  Schwestern  vom 
— ,  von  v.  Oettingen  und  Colmers  2439, 

Stellung  des  Arztes  im  — .  2927 

Rotes-Kreuz- Lazarett,  die  im,  zu  Belgrad 
beobachtetet  Gehirn-,  Rückenmarks¬ 
und  Nervenverletzungen,  von  Müh¬ 
sam  . 1057 

Rotgrünblindheit  und  das  Medizinstudium, 

von  Jerchel  .  . .  2242 

Rotters  Antiseptikum,  die  therapeutischen 

Erfahrungen  mit,  von  Rotter  ....  1671 
Rotz,  Komplementbindungbei  der  Diagnose 
des,  von  Schwarz  666,  chronische  Form 

des  — ,  von  Stein . 1  731 

Rp,  von  Raab  . 1949 

Rubidium  in  der  Quelle  des  Bades 

Adelbolzen,  von  Emmerich . 698 

Rudertraining,  von  Lehrnbecher  ....  2640 

Rücken,  Pflege  des  muskelschwachen,  von 

Göppert .  . 902 

Rückenmark,  Krankheiten  des,  von  Auvray 
und  Mouchut  479,  Zweiteilung  des 
— ,vonZalewskal280,  Erkrankungen  des 


1913. 


XC 


Seite 

—  bei  Men  sehen  porken,  von  Eichhorst 
1783,  Hund  mit  durchschnittenem  — , 

von  Beihe . 2148 

Kückenmarksanästhesie  s.  u.  Lumbalan¬ 
ästhesie,  Rachianästhesie,  Spinalan- 
ä^thesie,  Spinalanalgesie,  Stovainan- 
ästhesie. 

Rückenmarksanästhesierungen]m.  Stovain, 

von  Bedeschi  .  .  1168 

Rückenmarkschinirgie,  Gegenwart  und 

Zukunft  der,  von  Rothmann  .  .  .  387 

Rückenmark sdegeneration,  traumatische, 

von  Wiedemann . 1679 

Rückenmarksgeschwulst,  geheilte,  von 

Samter . 1231 

Rückenmarkstumor,  von  Redlich  und 
v.  EiseUberg  51,  operierter  — ,  von 
Ehers  148,  Diagnose  der  — ,  von  Nonne 
1012,  Diagno-tik  der  — ,  von  Jancke 
1033,  Erfahrungen  an  operierten  Fällen 
von  — ,  von  Nonne  1120,  durch  Ope¬ 
ration  geheilter  — ,  von  Gerhardt  1629, 
chirurgische  Therapie  des  intramedul¬ 
lären  — ,  von  Oppenheim  u.  Borchardt 
2637,  Hämangiom  des  — ,  von  Roman  2867 
Rückfallfieber  in  Persien,  von  Dschun- 
kowsky  546,  Spirochäte  des  — ,  von 
Wittrock  1165,  —  bei  Kindern  in  Odessa, 

von  Winocouroff  .  2300 

Rückgrats  Verbiegungen,  Verbreitung  und 

Entstehung  der.  von  Brüning  ....  780 

Rückgratverkrümmungen,  Korrektur  der 
seitlichen,  von  Abbott  1110,  Behand¬ 
lung  von  — ,  von  Semeleder  .  .  .  2369 
Ruhestoft'wechsel,  Frequenz,  Rhythmus 

und  Temperatur,  von  Weizsä'  ker  .  .  2243 
Ruhr  und  ihre  Behandlung,  von  Justi  764, 
Beobachtungen  über  die  Y-  ,  von 
Ebeling  1846,  Y —  bei  Säuglingen 
u.  kl  inen  Kindern,  von  Bauer,  Ellen¬ 
beck  und  Fromme  2299,  Y —  bei 

Säuglingen,  von  Siegel .  2300 

Rumänien,  Handwerker  und  Arbeiterver- 

sichernng  in,  von  Toff  .  2409 

Elimination  s.  u.  Wiederkauen. 

Ruminatio  hnmana,  von  Schlesinger  107, 

—  und  Pylorospasmns,  von  Aschen¬ 
heim  2071,  Therapie  der  —  im  Säuglings¬ 


alter,  von  Huldschinsky  .  .  .  .  2247 

Rumpfkompression,  Stauungsblutungen 

infolge  traumatischer,  von  Lange  .  .  313 
Rumpfskelctt,  angeborene  Entwicklungs¬ 
fehler  des,  von  Böhm . 2419 

Russosche  Reaktion,  von  Ursin  ....  1287 


S. 

Sabouraud-Nohd -Tabletten,  Fehlerquelle 
beim  Ablesen  der,  von  Gunsett  980, 

von  Holzknecht  .  .  .  . 1150  i 

Saccharometer  s.  u.  Gärungssaccharometer. 
Säbelscheidentrachea  und  Lungenemphy¬ 
sem,  von  Kahler . 1570 

Säugetiere,Gewinnu  ng  und  Züchtung  keim¬ 
freier,  von  Küster . 1952 

Säugetiererythrozyten,  von  Schilling  .  .  1401 

Säugetierherz,  Dynamik  des,  von  de  Heer 
2190,  Reizbildungsstellen  des  — ,  von 
Hering  2242,  Physiologie  dgs  isolierten 

— ,  von  Neukircli  und  Rona .  2242  ; 

Säugling  s.  a.  Sommersterblichkeit,  Magen¬ 
darmkanal. 

Säuglinge,  Rolle  der  Wärmestauung  und 
Exsikkation  bei  der  Intoxikation  der, 
von  Heim  93,  AusscheiOungvonzucker- 
spaltenden  Fermenten  beim  — ,  von 
Lust  206,  Ausscheidung  von  eiweiss-, 
stärke-  und  fett  spaltenden  Fermenten 
beim  — ,von  Hahn  und  Lust  206,  Nach¬ 
weis  der  Verdauungsfermente  in  den 
Organen  von  — ,  von  Lust  260,  Einfluss 
der  vermehrten  Wasserzufuhr  auf  den 
Stoffwechsel  des  — ,  von  Margolis  265, 
die  Oekomunie  im  Stoff-  und  Luft¬ 
wechsel  des  — ,  von  Schlossmann  285, 
Ernährungsstörungen  bei  —  infolge 
parenteraler  Infektion,  von  Birk  438, 


INHALTS-VERZEICHNIS.  _ 

Seite 

Anstaltebehandlung  der  — ,  von  Schloss¬ 
mann  883,  Stoffwechsel  atrophischer  — , 
von  Niemann  1219,  Elektrokardio¬ 
gramme  schwächlicher — ,  von  Noegge¬ 
rath  1218,  Einfluss  psychischer  Vor¬ 
gänge  auf  den  Ernährnngserfolg  bei  — , 
von  Birk  1219,  die  Arbeitsleistung  des 
— ,  von  Schlossmann  1219,  bakterio¬ 
logische  Untersuchungen  beim  darm¬ 
kranken  — ,  von  Gildemeister  und 
Baertlein  1221,  Sommersterblichkeit 
der  —  in  Kiel,  von  Haussen  1225,  Er¬ 
nährungsstörungen  der  —  von  Finkel- 
stein  1279,  Physiologie  und  Pathologie 
des  — ,  von  Salge  1505,  Ekzema  bei — , 
von  Schkarin  1951,  Entwicklung  junger 
—  bei  künstlicher  Ernährung,  von 
Philippson  2071,  Energ'equotient  des 
— ,  von  Engel  und  Samelson  2247, 
hungernde  — ,  von  Schlossmann  2371, 
temperatursteigernde  Wirkung  subku¬ 
taner  Salzlösungen  bei  jungen  — ,  von 
Aron  2371,  Tonus  des  sympathischen 
Nervensystems  heim  kranken  — ,  von 
Tegner  2689,  Störungen  des  Längen¬ 
wachstums  der  — ,  von  Stolte2689,  Be¬ 
ruhigung  schreiender  —  durch  An¬ 
blasen,  von  Salge  .  2842 

Säug’ingsanämie  durch  Typhus,  von  Wolff  2247 
Säuglingsblut,  Schwankungen  imEiweiss- 
gehalt  und  der  Leitfähigkeit  beim,  von 

HagnCr  ...  . 1678 

Säuglingschirurgie,  von  Stettiner  ....  2816 
SäuglingsOarmkatarrh,  Aetiologie  des,  von 

Baerthlein  .  .  .  .  ...  2921 

Säuglingsekzem,  diätetische  Behandlung 

des,  und  Kin  ierekzems,  von  Fmkelstein  1678 
Säuglingsernährung,  Präzisionswage  für 
die,  von  Peiser  475,  —  mit  einer  ein¬ 
fachen  Eiweissrahmmilch,  von  Feer  .  1842 
Säuglingsfürsorge,  Geburtenzahl  und,  von 
Grassl  772,  Geburtshilfe  und  — ,  von 
Keilmann  1616,  —  und  Degeneration, 
von  Herzog  1629,  Mitgliederversamm¬ 
lung  der  Zentrale  lür  —  1631,  ärzt¬ 
liche  Forderungen  in  der  —  und 
Kle'nkinderfürsorge,  von  Doernberger 

1631,  organisatorische  Forderungen  der 
— ,  von  Keller  1631,  Beziehungen  der 
Mütterfürsorg«  zur  — ,  von  Schönflies 

1632,  —  und  Kinderschutz  in  euro¬ 

päischen  Staaten,  von  Keller  und 
Klumker  1895,  Stellung  des  Arztes  in 
der  — ,  von  Breyer  2199,  von  Salge 
2199,  staatliche  —  in  Lübeck,  von 
Joel .  2299 

Säuglingsfurunkulose,  Auto  Vakzination  bei, 

von  v.  Harriehausen . 1183 

Säuglingsharn,  Hippursäure  im,  von  Am¬ 
berg  und  Helmholz .  2804 

Säuglingskrankheiten,  Lehrbuch  der,  von 

Finkeistein . 33 

Säuglings-  und  Kinderkrippe,  von  Meier  1631 
Säuglingsmagen,  röntgenologische  Beob¬ 
achtungen  am,  von  Major . 2136 

Säuglingsmyxödem,  von  Hochsinger  .  .  2373 
Säuglingspflegematerial-  u  Wäschedepots, 

Eirichtung  von,  von  Reinach  ....  1380 
Säuglingspflegerinnen,  Grundsätze  für  die 
Ausbildung  111,  279,  Ausbildung  von 

— ,  von  Rissmann . 259 

Säuglingspyelitis  und  -Otitis  media,  von 

Glaser  und  Fliess . 1790 

Säuglingsschutz,  Kongress  für  2199,  Ge¬ 
burtenrückgang  und  — ,  von  Wolf  2199, 

von  Langstein . 2199 

Säuglingsspital,  Infektionsvorhütung  im, 

von  Meyer . 1505 

Säuglingssterblichkeit,  Bekämpfung  der 
389,  —  im  Grossherzogtum  Sachsen- 
Weimar,  von  Gumprecht  495,  —  im 
Grossherzogtum  Mecklenburg  Schwerin, 
von  Brüning  884,  —  in  den  Fabriken, 
von  Schweizer  Ü186,  —  in  Königsberg, 
von  Liedke  1341,  —  in  Bayern  im 
Jahre  1912,  1414,  über  — ,  von  Janke- 
und  Pick  1458,  Hitze  und  — ,  von  Japha 
1018,  Bekämpfung  der  —  in  Bayern 


Seit« 

1836,  Steigerung  der  —  im  Frühjahr, 
von  Liefmann  2072, —  an  Ernährungs¬ 
störungen  und  an  Konvulsionen,  von 
de  Lange  2140,  noch  einmal  Sommer¬ 
hitze  und  — ,  von  Rietschel  2193, 
Wohnung  und  — ,  von  Prinzing  .  .  2693 
Säuglingssyphilis,  Prophylaxe  der,  von 

v.  Szily . # .  98 

Säuglingstuberkulose,  Prognose  der,  von 
Lawatschek  149,  von  Tugendreich  2300, 

Beitrag  zur  — ,  von  Cassel .  2299 

Säureagglutination  innerhalb  der  Typhus- 

Paratyphusgruppe,  von  Heimann  .  1216 
Säure-  und  Laugenverätzungen,  Frühope¬ 
rationen  bei  — ,  von  Müller . 440 

Saitengalvanometer,  das,  und  seine  klini¬ 
sche  Verwendung,  von  Fahrenkamp 

839,  Arbeiten  über  das  — . 2129 

Sakralgeschwulst,  operierter  Fall  von  an¬ 
geborener,  von  Nebesky .  2746 

Sali-Neol  Böer  . . .  .  .  .  2472 

Salizylpräparate,  externe,  von  Sieskind, 

Wolffenstein  und  Zeltner . 483 

Salpetersäure,  die,  von  Lehmann  und 

Diem . 316 

Salpetersäuredämpfe,  Unfall  durch,  von 

Floret  . 2415 

Salpingitis  isthmica  nodosa,  von  Wallart 
1504,  Diagnose  zwischen  —  und  Ap¬ 
pendizitis,  von  Poenaru-Caplescu  .  .  2304 
Salpingo  -  Oophoriditen,  Behandlung  der 
chron.  gonorrhoischen,  durch  intra¬ 
uterine  Injektionen  von  Argentamin, 

von  Mussatow .  2355 

Salrado  compound . 1840 

Salus  Hugo,  von  Nassauer . 535 

Salvarsan  s.  a.  Altsalvarsan,  Neosalvarsan. 
Salvarsan,  Beeinflussung  der  Intensität  der 
Antikörperbildung  durch,  von  Reiter 
38,  vergleichende  Tierexperimente  mit 

—  und  Neosalvarsan,  von  Kersten  51, 
Parasitoiropie  und  Toxizität  des  —  und 
Neosalvarsans,  von  UHmann  108,  Ein¬ 
fluss  des  —  auf  das  Gehörorgan,  von 
Rimini  149,  —  bei  Chorea  gravidarum, 
von  Härtel  184,  Heilung  der  Verrucae 
planae  durch  — ,  von  Loeb  264,  Er¬ 
fahrungen  mit  — ,  von  Kren  264,  Dis¬ 
kussion  über  —  272,  das  —  in  der 
Augenheilkunde,  von  Garcia  del  Mazo 
319,  Milzbrand  und  — ,  von  Becker  368, 
therapeutische  Anwendung  des  —  bei 
nicht  syphilitischen  Erkrankungen,  von 
Lnbenau  378,  Status  thymolvmphatieus 
und  — ,  von  Rindfleisch  387,  —  und 
Liquor  cerebrospinalis  bei  Frühsypbilis, 
von  Altmann  und  Dreyfus  464,  556, 
Einwirkung  von  —  auf  Milzbrand¬ 
bazillen,  von  Roos  481,  Anaphylaxie 
bei  — ,  von  Swift  486,  Einverleibung 
von  —  durch  das  Rektum,  von  Tro- 
sarello  488,  Behandlung  der  kongeni¬ 
talen  syphilitischen  Taubheit  mit  — , 
von  Biggs  604,  lokale  Behandlung  der 
chron.  superfiziellen  Glossitis  mit  — , 
von  Allport  604,  spezifische  Antikörper 
im  Serum  mit  —  behandelter  Tiere,  von 
Margulie*  663,  Anwendung  des  —  bei 
syphilitischen  Frauen  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Sauvage  679,  die  Anwen- 
dungsaTt  des  — ,  Infusion  oder  In¬ 
jektion?  von  Stern  691,  792,  Behand¬ 
lung  von  Syphilis  mit  — ,  von  da  Costa 
716,  Parallel  versuche  mit  Alt-  u.  Neo — , 
von  Gutmann  772,  provozierende  Wir¬ 
kung  des  — ,  von  Kall  803,  Quecksilber 
und  — ,  von  Finger  885,  Behandlung 
schwangerer  syphilitischer  Frauen 
mit  — ,  von  Jeanselme  958,  —  in  Klys¬ 
men,  von  Zelinsky  998,  Einfluss  des 

—  auf  das  Knochenskelett,  von  Boikow 
999,  —  bei  Scharlach,  von  Jochmann 
1001,  über  das  —  ,  von  Jeanselme  1013, 
Infusion  oder  Injektion  des  — ,  von 
Zimmern  1087,  Behandlung  der  Syphilis 
mit  — in  Verbindung  mit  Quecksilber, 
von  Boas  1111,  Hirndruc.kerhöhung  bei 
Lues  nach  — ,  vonSpiethoff  1 192,  Neben 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XCI 


Seite 

Wirkungen  des  — ,  von  Obermiller  1221, 

2535,  Einfluss  des  —  auf  die  Organe  von 
Schirokogorow  1286,  —  und  Neosalvar- 
snn,  von  Gerbsmann  1286,  Einfluss  des 

—  auf  die  Wassermann  che  Reaktion, 
von  Gurasi  1287,  Einfluss  des  —  auf  den 
Krei  lauf  und  die  Nieren,  von  Alwens 
1341,  le  et  la  trypanose  humaino,  von 
Broden,  Rodhain,  Corin  1344.  Erfah¬ 
rungen  über  — ,  von  Spietschka  1309, 
Abhandlungen  über  — ,  von  Ehrlich 
1416,  Methylhydroknprein  u.  Salizyl¬ 
säure  als  Adjuvantien  des  — ,  von 
Morgenroth  u.  Tngendreirh  1506,  Tabes 
und  — ,  von  Leredde  1526,  Behandlung 
des  Rekurrens  mit  — ,  von  Leibsohn 
1623,  erfolglose  Anwendung  von  —  bei 
Lyssa,  von  v.  Zumbusch  1682,  merk¬ 
würdiger  Todesfall  nach  — ,  von  Kröl 
1712,  —  bei  Milzbrand  u.  Wut,  von 
Isabolinsky  1726,  Schicksal  des  — ,  im 
menschlichen  Körper,  von  Heiden  u. 
Navassart  1950,  Behandlung  der  allge¬ 
meinen  Paralyse  mit  — ,  von  Leredde 
2093,  Behandlung  der  Hals-,  Nasen- 
und  Ohrenkrankheiten  mit  — ,  von 
Cas'ex  2203,  von  Gerber  2203,  mit 

—  behandelte  Lnesfälle  im  Kindesalter, 
von  v.  Bokay  2299,  Reinfectio  svnhi- 
litica  nach  — ,  von  Gennerich  2391, 
Behandlung  der  Hals-,  Nasen-  u.  Ohren¬ 
erkrankungen  mit  —  und  anderen 
Arsen präparaten,  von  Gerber  2411, 
wirkliche  und  angebliche  Schädigung 
durch  — ,  von  Schmitt  2584,  —  u.  das 
Profetasche  Gesetz,  von  Ravogli  2591, 
Anwendung  von  —  u.  Neosalvarsan 
durch  Enteroklysmen,  von  Oulmann 
und  Wollheim  2591,  Behandlung  der 
kongenitalen  Syphilis  mit  — ,  von  Simp¬ 
son  u.  Thatcher  2644,  Erfahrungen  mit 

—  in  der  englischen  Armee,  von  Gib- 
bard  u.  Harrison  2654,  das  —  bei  der 
Behandlung  der  Svdenhamschen  Cho¬ 
rea,  von  Eiore  2750,  Leberschädigung 
durch  — ,  von  Heinrichsdorff  2805,  An¬ 
wendung  des  —  bei  Nervenkrankheiten, 

von  Ni  kitin  .  2809 

Salvarsanauortivkuren,  Dauererfolge  der, 
der  Jahre  1910/11,  von  Müller  .  408 

Salvarsanbehand.dte  Mütter  n  ihre  Kinder, 

von  Holth  602,  von  Wolff . 1451 

Salvarsanbehandlung,  Praxis  der,  von 
Gennerich  142,  zur  —  der  Syphi  is, 
von  Fordyce  485,  —  der  l»»k  den  Spiro- 
chaetosen,  von  Gerber  634,  —  des 
Milzbrand,  von  Mokrzecki  1089,  Re¬ 
infektionen  nach  — ,  von  Stein  1507,  — 
der  progressiven  Paralyse,  von  Raecke 
1619,  —  der  Dementia  paralytica,  von 
Raecke  1738,  —  geschwüriger,  durch 
die  Vincentsche  Symnioi-e  veranlasster 
Prozesse,  von  Assmy  u  Kyritz  1956, 
die  —  in  der  Aimee  der  U  S.  2150, 
aktive  Lungentuberkulose  keine  Kon¬ 
traindiktion  für  die  intravenöse  — , 
von  Klokow  2194,  Ueberleitungsstörnng 
im  Verlauf  der  —  bei  später  Sekundär¬ 
lues,  von  Fuchs  .  .  ...  .  2339 

Salvarsanbereitung,  Aqua  destillata  zur, 


von  Schramm . 602 

Salvarsandermatitis,  von  Zieler  .  .  163,  1749 

Salvarsandosen,  Verhalten  des  Nerven¬ 
systems  gesunder  Kaninchen  zu  hohen, 

von  Doinikow . 798 

Salvarsaneinspritzungen ,  Gebfihrenfest- 


setzung  für  2653,  Nekrosen  nach  intra¬ 
muskulären  — ,  von  Kraus  und  Bon- 

hoeffer .  2854 

Sal  varsanfieber,  von  Luithlen  und  Mucba  1343 
Sal  varsanfrage, zur,  in  der  Otiatrie,  von  Lang  546 
Salvarsaninfusion  bei  Pemphigus,  v<>n 
Lindemann  378,  Vasocmmotio  cerebri 
nach  — ,  von  Müller  805,  das  Fieber 

bei  — ,  von  Penzoldt .  2425 

Salvarsaninj'  ktion,  hartnäckige'  Urtikaria 
nach  intravenösen,  von  Lier  42,  Rei¬ 
zung  an  der  Stelle  der  — ,  von  Zieler 
163,  Neurorezidiv  nach  — ,  von  v.  Lipp- 


Selte 

mann  490,  Dermatitis  exfoliativa  und 
Nephritis  nach  — ,  von  Lüthje  557, 
durch  Alkaliabgabe  des  Glases  bedingte 
Nebenwirkungen  nach  intravenösen  — , 
von  Matzenauer  661,  —  bei  Syden- 
hamseber  Chorea,  von  Marie  und  Cha¬ 
telin  677,  Gangrän  nach  einer  —  bei 
Malaria,  von  Drizaki  995,  Whkung  in¬ 
travenöser  —  auf  die  Niere,  von  Loewy 
und  Wechselmann  1680,  Encephalitis 
haemorrhagica  na>  h  — ,  von  Schmorl 
1685,  kurze  Bemerkungen  über — ,  von 
Schreiber  1993,  Todesfall  nach  — ,  von 
Grön  2073,  Technik  der  intravenösen 
— ,  von  Saalfeld  2338,  Einfluss  der  intra¬ 
venösen  —  auf  die  Nieren,  von  Schlas- 

berg  .  2359 

Salvarsanintoxikation,  von  Ullmann  .  .  .  1469 
SalvarsanlöHiing,  Injektion  konzentrierter, 

von  Havaut  ....  , . 1304 

Salvarsan  Quecksilberbehandlung,  41  Fälle 
von  Syphibsrezidiv  nach,  von  Zilinsky 
997,  Heilung  der  Syphilis  durch  die 
kombinierte  — ,  von  Scholz  und  Riebes  1789 
Salvarsantherapie  in  der  Praxis,  von  Görl 
1235,  die  —  in  Europa,  von  Fischkin 
1805,  statistische  und  klinische  Beob¬ 
achtungen  in  der  —  der  Syphilis,  von 

Berger . .  .  2394 

Salvarsantodesfälle,  Pathogenese  der,  von 

Wechselmann  . 932 

Salvarsunwirknng,  Einfluss  von  Bakterien 
auf  die,  von  Merkurjew  996,  experi¬ 
mentelle  Analyse  der  — ,  von  Luithlen  1950 
Salze,  Zustand  der,  im  Innern  der  Zellen, 


von  Höfer  .  .  . .  .  438 

Salzfieher  durch  Wärmestauung,  von  Heim  2136 
Salzlösungen,  Verweildauer  von,  im  Darm, 

von  Best . 1618 

Salzsäureprüfung  s.  u.  Mageninhalt. 
Salzsänrevergiftung,  von  Loening  ....  838 

Samenblasen,  Operation  an  den,  von  Voel- 
cker  1008,  Röntgen bilder  der  — ,  von 

Belfield  .  .  . ‘1223 

Samen-trang,  Bindegewebszyste  des,  von 

Fio  i . 1398 

Samuely  Prof.  Dr.  f . .  1584 

Sanatorien,  Behandlung  von  Kindern  in, 

von  Spiegelberg  .  2704 

Sanatoriumsbehandlung, Resultate  der,  von 

Fanning .  ....  604 

.Sanduh  magen,  luetischer,  von  Holitsch  .  778 

Sanitätsam-rüstung  des  Heeres  im  Kriege, 

von  Niehues  . . 1274 

Sanitätsbericht  über  die  k.  bayer.  Armee  1215 
Sanitätsdienst,  militärischer,  in  Frankreich 
99,  vom  —  in  der  japanischen  Marine, 

1957,  von  Uthemann  ......  1837 

Sanitätskolonne,  Medizinerabteilung  der 

Münchener  .  2927 

Sanitätsmission,  die  rumänische,  in  Bul¬ 
garien,  von  Jacobovici  .  ....  2303 

Sanitätsoffiziere,  Dienstausbildung  der, 

1170,  Mangel  an  — . 1238 

Sanitätsoffizierskorps,  französisches  .  .  .  1508 
Sanitätsstelle»-,  Einführung  einer,  in  Wien  1171 
Sanitätsverwaltung  der  U.  S.  Army,  von 

Stimson . 1170 

Sanosclerose . 426 

Santalpräparate,  von  Pohl  566,  Prüfung 

der  — ,  von  Pohl . 679 

Sargol .  2472 

Sarkoide,  subkutane,  von  Volk  ...  .  2138 

Sarkom  s.  u.  Rattensarkom. 

Sarkom  als  Folge  der  radiotherapeutischen 


BehandlungeinesKarzin  oms,  von  Mayer 
u.  Sand  98,  —  der  Scheidenhaut  des 
Hodens  und  des  Samen  Stranges,  von 
Bayer  203,  erfo'greiches  Heilverfahren 
bei  —  des  Eierstocks,  von  Seeligmann 
637,  —  beider  Lungen,  von  Müllet  778, 

—  endotheliale  der  Haut,  von  Marti- 
notti  1788,  Resektion  wegen  — ,  von 
Enderlen  J859,  —  der  Sehnenscheiden, 
von  Tourneux  .........  2538 

SaTkomratten,  therapeutische  Versuche  an, 

von  Caan  .  .  2754 

Sattelnase,  Implantation  von  Rippenknor¬ 
pel  bei  traumatischer,  von  Jurasz  1628, 


Seit« 

Implantation  von  Tibiastücken  bei  — , 


Sauerstoff,  Einfluss  des,  auf  die  Blutzirku¬ 
lation,  von  Retzlaff . 1115 

Saugbehamflung,  Nasenansatz  für,  von 
Panse  1571,  Druck-  und  — ,  von  Kirch- 

berg . 1653 

Saugmaske,  Erfahrungen  mit  der,  von 

Kuhn  .  .  . 369 

Saugspritze,  von  Ny  ström .  40 

Schädel,  s.  a.  Reliefschädel,  Turmschädel. 
Schädel,  senile  grubige  Atrophie  des,  von 


Chiari  94.  Operationen  am  — ,  von  En¬ 
derlen  1179.  Osteom  des  — ,  von  Schle¬ 
singer  u.  Schüller  1413,  komplizierte 
Depressionsfraktur  des — ,  von  Wendel 
1462,  —  aus  Piahuanaco,  von  Treut- 
lein  1860,  Knochendefekt  am  — ,  von 


Koch  u.  Schüller .  2652 

Scbädelaufnahmen  in  3  Ebenen,  von 

Schmidt  . 833 

Schälelausguss  des  Mannes  von  La 

Chapelle,  von  Edinger  .  2544 

Schädelbasis,  Perforation,  Zysten  und  ab¬ 
norme  Knochenbildungen  an  der  — , 
von  Riedel  1248,  Operation  ausge¬ 
dehnter  Tumoren  an  der  — ,  von 

Schloff  er . 2196 

Schädelbasisfraktur,  von  Lüken  ....  614 

Schädelbrüche,  Priorität  der,  von  Puppe 
840,  —  und  Sehnerv,  von  Liebrecht 
1453,  komplizierter  — ,  von  En¬ 
derlen  . 1859 

Schädeldach,  kindliches,  mit  tuberkulöser 
Meningitis,  von  Fmenkel  1407,  —  nebst 

Gehirn,  von  Jenckel . 1515 

Schädeldefekte,  Ersatz  von,  und  Dura- 

defekten,  von  v  Hacker . 205 

Schädelheteroplastik,  Dauerresuhat  einer, 

mit  Zelluloid,  von  Ruppert  ....  2868 
Schädelimpressionen  bei  Neugeborenen 


und  ihre  Behandlung,  von  Hofmeier 
2307,  Einfluss  der  —  auf  den  Neuge¬ 
borenen,  von  Gfroerer .  2803 

Schädelplaslik  bei  Depressionsfrakturen, 

von  Hofmann . 1677 

Schädelgrnbe,  Chirurgie  der  hinteren,  von 

Hildobrand . 1217 

Schädeloperationen,  Verminderung  des 

Blntgehaltes  bei,  von  Riller . 1006 

Schädelschussverletzungen,  die  Behand¬ 
lung  der,  bei  den  mobilen  Sanitäts¬ 
formationen,  von  Lotsch .  2301 

Schädeltraumen,  Folgezustände  nach,  von 

Hirsch  . 376 

Schädelwachstum,  das,  und  seine  Stö¬ 
rungen,  von  Thoma . 1107 

Schalenpessar,  von  van  de  Velde  713, 
Strangulation  der  vorderen  Mutter¬ 
mundslippe  durch  ein  — ,  von  Vogt  .  93 

Scharlach,  perirenales  Hämatom  nach,  von 
Hering  97,  Angina  und  — ,  von  v.  Szon- 
tagh  315,  Einschliis-e  in  den  polynu¬ 
kleären  Leukozyten  bei  -  ,  von  B»>n- 
gartz  715,  diagnostische  Bedeutung  der 
Dohleschen  Leukozyteneinschlüsse  bei 
— ,  von  Schwenke  752,  von  Lippmann 
und  Hufschmidt  1106,  von  Lippmann 
1351,  über  experimentellen  — ,  von 
Klinienko  997, 1618,  Salvarsan  bei—,  von 
Jochmann  1001,  Aetiologie  des  — ,  von 
Kretschmer  1219,  Veränderungen  der 
Blutgefässe  beim  — ,  von  Konop!ewl287, 
Behandlung  der  Ol  rkomplikationen  bei 
— ,  von  Uffenorde  1302.  Therapie  des 
— ,  von  Benjamin  1358,  —  und  Ohr, 
von  Manasse  1448,  vermehrte  Glyku- 
ronausscbeidun.r  bei  — ,  von  Oppen¬ 
heimer  1620,  die  Leukozyten  einschlüsse 
bei  — ,  von  Dychno  1622,  Behandlung 
des  —  mit  Nukleinsäure,  von  Skoro- 
dumow  1623,  Behandlung  des  —  mit 
Rekonva  eszentenserum,  von  Reis  1695, 
familiäre  Disposition  bei  — ,  von  Mathies 
1901,  Beziehungen  der  Diät  zu  Verlauf, 
Blutbefnnd  und  Nephritis  bei  — ,  von 
Geistley  2011,  zur  Pathogenese  des  — , 
von  Kretschmer  2193,  Nebennieren 
läsionen  bei  — ,  von  ITutinel  2299, 


XCII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Aetiologie  des  — ,  von  Schleissner  2373, 
nephritiscbe  Herzanomalien  bei  — , 
von  Bagin sky  2419,  Untersuchungen 
mit  dem  Abderhaldensclren  Dialysier- 
verfahren  bei  — ,  von  Scbultz  und 
Grote  2510,  zur  Aetiologie  des — ,  von 
Preisich  2534,  Behandlung  des  —  mit 
Neosalvarsan,  von  Axionow  2810,  Kom- 
plementbindungsreaktion  bei  — ,  von 
Isabolinsky  und  Legeiko  281 0,Heimkehr- 
fällebei  —  ,vonKnöpfelmacher  undHahn 
Scharlachausschlag ,  Abblassungserschei¬ 
nungen  des,  von  Kirsch . 

Scharlachepidemie,  Massenschutzimp¬ 
fungen  bei  einer,  von  Selichowskaja  . 
Scharlachinfektionsversuche  bei  Affen,  von 

Schleissner  . 

Scharlachphänomen,  das  Leedescbe,  von 

Beck .  . 

Scharlachpropbylaxe  mittels  Streptokok¬ 
kenvakzine,  von  Watters . 

Scharlachrekonvaleszentenserum.vonKoch 
2611,  Konservierung  des  — ,  von  Koch 
Scharlachrezidive,  über,  von  Schöne  . 
Scharlachrot,  klinischer  Wert  des,  und 
Amidoazotoluol,  von  Dobrowolskaja 
Scharlachschutzimpiüngen,  von  Kogan 
Scharlachserum,  antitoxisches,  von  Zdra 

wosmysslow .  .  . 

Scharlachspirochaete,  die  sog.,  von  Baran 

nikow . 

Scharlachstatistik,  Baseler,  von  Wolfer 
Schartenspuren,  Identifizierung  von,  von 

Nippe . . 

Scheel  Dr.  Ludwig  f . 

Scheide,  künstliche  Neubildung  der,  von 
Henkel  326,  die  Trockenbohandlung 

der  — ,  von  Nassauer  .  .  . 

Scheidendammdebnungen,  artifizielle,  in- 
tia  partum,  von  Rudolph  . 
Scheidenkarzinom,  primäres,  von  Henkel 
326,  von  Richard  438,  primärer  —  und 
Leukoplakie,  von  Löhnberg  .... 
Scheidenkatarrhe,  Instrument  zur  Trocken 
behandlung  der,  von  Liepmann  .  . 
Scheidenkeime,  Uebergang  von  mütter¬ 
lichen,  auf  das  Kind  während  der  Ge 
hurt,  von  Noack  314,  —  und  endogene 

Infektion,  von  Bondy . 

Scheidenklappenzerreissung,  von  Salles 
Scheidenkrebs,  Radiumbestrahlung  eines 
von  Wertheim  1413,  dorsoperineal  ope 
rierter  Fall  von  primärem  von  Po 


Seite 


2869 

2365 

1623 

787 

2537 

446 


2912 

1288 


658 

665 


664 


1621 

1222 


771 

1472 


2767 

1990 


2010 

1383 


1617 

1680 


zsonyi .  .... 

Scheidenpulverbläser  Antileukon,  von 

Hengge . _  •  •  ■ 

Scheidenruptur,  traumatische,  mit  Dünn 

darmvorfall,  von  Vogel . 

Scheidensekret, Chemie  des,  vonGräfenberg 
Scheidenspülung  s.  u.  Druckscheidenspü 
lung. 

Scheidentrockner,  der,  von  Scharfe  .  . 
Scheidenzysten,  sog.,  von  Küster  .  .  . 
Schelle,  zum  Andenken  an  Dr.  Benedikt 
Schenkelhalsbruch,  der,  und  die  isolierten 
Brüche  des  Trochanter  major  und  minor, 

von  Roth .  .  .  . 

Schenkelhalsfraktur,  Pseudarthrose  bei, 

von  Lorenz . 

Schenkelhernien,  operative  Dauerresultate 
von  eingeklemmten ,  von  Rosenfeld 
1503,  Verbesserung  der  Lotheissen 
Föderlschen  Radikaloperation  der  — 
von  Göbell  ........ 

Schenkelsymptom,  das,  von  v.  Heiniss 
Schiefhals,  ossärer  kongenitaler,  von  Bran 
des  104,  muskulärer — ,  von  Bauer  1559, 
der  neurogene  — ,  von  Bauer  2070, 
Aetiologie  und  Pathologie  des  konge¬ 
nitalen  — ,  von  v.  Aberle  . . 

Schiefnase,  exzessive  knorpelige,  von 
Brandenburg  430,  von  Evler  .  .  . 

Schiessbrillen,  gelbe  Jagd-  und,  von  Haitz 
1,50,  gefärbte  Gläser  als  — ,  von  Schanz 

SchifE  Prof.  Dr.  E.  f . 

Schiffsärzte,  Bedarf  an  ...  .  .  .  .  . 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten,  Referat 
über  .  1343,  1399, 


2533 

2680 


1326 
1 457 


546 

2745 

1943 


2069 

732 


1900 

662 


2252 

1640 


151 

568 

1240 


1956 


Seite 


Schilddrüse  s.  a.  Basedowii  morbus. 
Schilddrüse,  Einfluss  künstlicher  Tracheal¬ 
stenose  auf  die,  von  Reich  und  Blauel 
370,  Auftreten  thyreotoxischer  Sym¬ 
ptome  bei  Geschwulstmetastasen  in  der 
— ,  von  Takeyoshi  428,  kropfige  Er¬ 
krankungen  der  — ,  von  Breitner  543, 
Carcinoma  sarcomatodes  der  — ,  von 
Simmonds  557,  lymphatische  Herde 
in  der  — ,  von  Simmonds  600,  — ,  Thy¬ 
mus  und  ihre  Nebendrüsen,  von 
Maurer  724,  Beziehung  des  Thymus 
zur  — ,  von  Basch  769,  Funktion  der 
—  bei  Basedow,  von  Hosemann  1008, 
Veränderungen  der  — ,  von  Martini 
1048,  Jodumsetzung  und  Jodspeiche¬ 
rung  in  ihrem  Verhältnis  zur  — ,  von 
Grützner  1229,  —  und  Konzeption,  von 
Mosbacher  1229,  Sphärolithe  in  der  — , 
von  Kraus  1299, 1788,  —  und  Gestation, 
von  v.  Graff  und  Novak  1348,  Ver¬ 
änderungen  in  der  —  bei  hereditärer 
Syphilis,  von  Busch  1621,  Verhalten 
des  Blutes  nach  Entfernung  der  — , 
von  Reckzeh  1681,  Chirurgie  der  — , 
von  Berry  1954,  einige  mineralische 
Bestandteile  der  — ,  von  Morgenstern 
2189,  Transplantation  von  — ,  von 
Wagner  v.  Jauregg  2195,  operative 
Eingriffe  an  der  — ,  von  Wagner 
v.  Jauregg  2195,  die  —  der  Frau  und 
ihre  Bedeutung  für  Menstruation  und 
Schwangerschaft,  von  Schmauch  2486, 
Chirurgie  der  — ,  von  Mayo  2592, 
Beziehungen  zwischen  der  —  und  der 
alimentären  Toxämie,  von  Longmead 
2694,  Karzinom  der  —  mit  exzessiver 
spezifischer  Drüsenfunktion,  vonMeyer- 

Hinlimann  und  Oswald . 

Schilddrüsenadenom,  von  Jacobaeus 
Schilddrüsenaplasie,  von  Zuckermann 2690, 
Hypophysenbefund  bei  — ,  von  Zucker¬ 
mann  . 

Schilddrüsenerkrankungen  in  der  Schwan¬ 
gerschaft,  von  Rübsamen  1615,  sero¬ 
logische  Untersuchungen  bei  — ,  von 

Lamp6  und  Fuchs  .  .  . 

Schilddrüsenhypersekretion,  Radiumstrah¬ 
len  zur  Behandlung  der,  von  Turner 
Schilddrüseninsuffizienz,  chron.  Rheuma¬ 
tismus  infolge  von,  von  Menard  .  . 
Schilddrüsentätigkeit,  Organveränderung 
bei  Störungen  der,  von  Marx  .... 
Schilddrüsenverkleinerung,  von  Röder 
Schilddrüsentuberkulose,  von  Gebele 
Schimmelpilze,  biologische  Färbung  der, 
von  Marzinowsky  94,  können  —  aus 
Antimonverbindungen  flüchtige  Körper 

bilden?  von  v.  Knaffl-Lenz . 

Schizotrypanum  Cruzi ,  von  Mayer  und 

da  Rocha  ....  . 

Schläfenbein,  normale  Pneumatisation  des, 

von  Wittmaack  .  . 

Schlafkrankheit  und  Tsetsefliegen,  von 
Kleine  u.  Fischer  94,  2690,  zur  Morpho¬ 
logie  der  Erreger  der  — ,  von  Taute 
483,  Bekämpfung  der  —  in  Deutsch- 
Ostafrika,  von  Steudel  1400,  —  in  Ka¬ 
merun,  von  Ziemann  1400,  Gehirn 
eines  an  —  Gestorbenen,  von  Stargardt 
1513,  zur  Behandlung  der  — ,  von  Tanon 
u.  Dupont  1690,  Bedeutung  der  Haus- 
t  tiere  und  des  Wildes  für  die  Verbreitung 
der  — ,  von  Kleine  u.  Eckard  1902,  von 
Taute  2640,  die  —  in  Uganda,  von 
Schilling  2476,  die  —  und  wilde  Tiere, 

von  Yorke . 

Schlaf  krankheitsfliege,  Bedeutung  der  Spei¬ 
cheldrüseninfektion  bei  der,  von  Kleine 

und  Eckard . 

Schlaflosigkeit,  Hydrotherapie  der  ner¬ 
vösen,  von  Determann  599,  Digalen 

bei  — ,  von  Sternberg . 

Schlafmittelvergiftungen,  Schutz  vor,  von 

Cimbal . ’..... 

Schlangen,  die  europäischen,  von  Steinheil 
Schlangen  vertilgerin,  die,  Rhachidelus  bra- 
sili,  von  Olpp . 


2690 


2112 

2696 

2076 


1229 

2377 

1683 


Seite 


1599 


258 


2428 

2288 


2914 


1681 


2150 


2694  ; 


2151 


2917 

2356 


1341 

1400 

1519 


2644 


1165 


1526 


2626 

1673 


562 


Schlattersche  Krankheit,  von  Schultze  .  1161 
Schleimhautjodierung  bei  Operationen  am 

Magen-Darmtrakt,  von  Hohlbaum  .  .  659 
Schleimhautpemphigns  der  oberen  Luft¬ 
wege,  von  Steiner . 445 

Schleimhautüberpflanzung,  freie,  von  Ax- 

hausen  . . 832 

Schlingbeschwerden,  Ursache  von,  von 

Marx . 1570 

Schlüsselbeinbruch,  einfacher  Verband  zur 
Behandlung  des,  von  Jansen  474,  zur 
Behandlung  des  — ,  von  Kaefer  .  . 
Schmeckstoffe,  Temperatur  der,  von  Stern 

berg . . 

Schmerzen,  zur  Kenntnis  der,  von  Oppen 

heim  . 

Schmerzensgeld,  Begriff  des  .... 
Schmerzzustände,  gichtisch-rheumatische, 

u.  ihre  Behandlung,  von  Zimmermann 
Schmierkur,  Quecksilberresorption  bei  der, 

von  Boruttau  . 

Schnarchen,  Kienstütze  zur  Verhinderung 

des,  von  Hersing . 431 

Schnüffelkrankheit,  bei  der,  am  Skelett 

auftretende  Veränderungen,  von  Ingier  1220 
Schnupfen,  interne  Kalziumbehandlung 

des,  von  Januschke  .  . 

Schock,  Tod  durch,  nach  körperlicher 
Misshandlung,  von  Ziemke  1281,  kine¬ 
tische  Theorie  des  —  von  Orile  .  .  . 
Schömberg,  25  j  ähr.  Bestehen  des  Sana¬ 
toriums  . 

Schreibmaschine,  Arbeitsversuche  an  der, 

von  Frankfurther . .  2361  p 

Schriftsachverständige,  Rolle  des  Neuro¬ 
logen  und  Psychiaters  als,  von  Mann- 

heimer-Gommes  . .  2255 

Schrift-  und  Vortragssprache,  unsere,  von 

v.  Wild .  2639 

Schröter  Dr.  P.  R.  f  ......  ,  .  448 

Schrumpfniere,  Beziehungen  der  sog.  ar¬ 
teriosklerotischen,  zum  Morbus  Brightii, 

von  Friedländer .  1789! 

Schuchardt  Prof.  Dr.  f .  2552; 

Schülerspeisung  in  München,  von  Oppen¬ 
heimer  .  ■  .......  .  •  2706* 

Schuhdruck,  Behandlung  des,  von  Novak  995 \ 
Schulärzte,  Dienstesinstruktion  für  die 
städtischen,  in  Brüx  1275,  Vereinigung 
der  —  Deutschlands  1632,  Aufgaben 
der  — ,  von  Gentzen  1632,  Notwendig¬ 
keit  der  Anstellung  von  —  in  länd¬ 
lichen  Kreisen,  von  Gerlach  ....  1848  ! 

Schulärztin  in  Berlin . 2151 

Schulanämie  und  deren  Prophylaxe,  von 

Mendl . 318  t 

Schulanfänger,  Anforderungen  an  den, 
von  Steinhaus  1632,  von  Wehrhahn  . 
Schularztbericht  aus  Brüx,  von  Roppert  . 
Schularztfrage,  ketzerische  Betrachtungen, 
von  Teleky  1284,  die  —  in  Oesterreich 
Schule,  prophylaktische  Aufgaben  der, 
von  Bayerthal  1511,  Bedeutung  des 
Strassenlärms  für  die  — ,  von  Stephani 
1632,  die  Hohe  —  für  Aerzte  und 
Kranke,  von  Nassauer  2182,  2235,  2286, 

2347,  2409,  2437.  2466,  2526,  2582, 

2654,  2682,  2739,  2795,  2845,  2872 

Schulkinderuntersuchungen  in  Imst,  von 

Pfeifenberger . 

Schulmyopie,  Vollkorrektion  der,  von  Kaz 
Schulschwester,  Beruf  und  Tätigkeit  der, 

von  Debbeke . 1632 

Schulterblatt,  das  skaphoide,  von  Kollert 
42,  skaphoide  Form  des  — ,  von  Brück¬ 
ner  .  .  . .  •  2193 

Schulterblatthochstand,  von  Rosenfeld  . 
Schultergelenk,  Kalkablagerungen  in  der 
Umgebung  des,  vonWrede  40,  Behand¬ 
lung  der  Tuberkulose  des  — ,  Ellbogen- 
und  Handgelenkes,  von  Leonhard 
Schultergelenksluxation,  Fernresultate  der 
operativen  Behandlung  der  habituellen, 

von  Clairmont  und  Ehrlich .  2368 

Schultergürtel,  Deventer-Müllersche  Ent¬ 
wicklung  des,  von  Ziegler . 1045; 

Schulterhochstand,  angeborener,  von 

Neuhof . 133! 


1632 

1275 


2250 


2375 

150 


561 


258i 


' 


1913, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XCIII 


Se  te 

Schulterschmerz  bei  Pleuritis,  von  Gerhardt  2905 
Schulterverrenkung,  funktionelle  Behand¬ 
lung  der,  von  de  Marbaix  ....  2640 
Schulzahnklinik,  Stiftung  für  eine,  in 

Berlin . 223 

Schulzahnpflege  auf  dem  Lande,  von 

Steinhard  und  Gernert  . 1301 

Schussverletzung  s.  a.  Bauchschuss,  Bel¬ 
grader  Briefe,  Geburtshilfe,  Geschoss¬ 
wirkung,  Halsschuss,  Kopfverletzung, 
kriegschirurg.  Erfahrungen ,  Lungen¬ 
schüsse,  Projektil,  Projektilentfernung, 
Projektilextraktion,  Revolvergeschoss, 
Revolverschuss ,  [Schädelschussverlet¬ 
zungen,  Spitzgeschoss,  Trepanation. 
Schussverletzungen,  die,  des  Schädels  im 
Kriege,  von  Holbeck  32,  —  des  Ge¬ 
hirns,  von  Lauenstein  49,  von  Wilms 
382,  von  Völsch  1067,  —  des  Bauches, 
von  Schricker  430,  —  der  Blutgefässe, 
von  Lotsch  1058,  —  des  Gehirns,  von 
Bohne  1281,  Nachweis  der  Fett-  und 
Bleispur  bei  Kleider-  — ,  von  Lochte 
1281,  —  des  Herzens,  von  Breitner 
1577,  direkte  und  indirekte  — ,  von 
Sandmann  1801,  merkwürdige  — ,  von 
Hijmans  und  van  der  Goot  2140,  — 
des  Abdomens,  von  Amberger  2144, 

—  der  Milz,  von  Michelsson  2533,  — 
durch  Suizid  versuch,  von  Jenckel  .  .  2702 

Schutzfermente,  Spezifität  der,  von  Abder¬ 
halden  462,  spezifische  —  im  Serum 
von  Geisteskranken,  von  Fauser  584, 
Spezifität  der  — ,  von  Lamp6  und 
Papazolu  1423,  Spezifizität  der  proteo¬ 
lytischen  — •,  von  Frank  und  Rosenthal  1425 
Schutzimpfungen  mit  dem  Vakzin  Gabri- 
tschewsky  während  einer  Scharlach¬ 
epidemie,  von  Polotebnowa  996,  Er¬ 
gebnisse  der  —  gegen  die  Tuberkulose, 
von  Julian  1561,  —  gegen  die  Schaf¬ 
pocken,  von  Bich£  und  Bouquet  2028, 

—  gegen  Naganainfektion,  von  Ron- 


doni  und  Goretti .  2245 

Schutzpessare,  von  Ekstein . 259 


Schwachsinnige,  Zahl  der,  von  Hertold  99, 
Deutsche  Anstalten  für — ,  Epileptische 
und  psychopatische  Jugendliche,  von 
Melther  1783,  Wesen  und  Behandlung 
der  moralisch  — ,  von  Oehry  ,  .  .  2748 

Schwangere,  das  Versehen  der,  in  Volks¬ 
glaube  und  Dichtung,  von  Kahn  319, 
späteres  Schicksal  herz-  und  nieren¬ 
kranker  — ,  von  Baisch  1290,  Erbrechen 
der  — ,  von  Asch  1349,  1619,  Technik 
des  Abderhaldenschen  Fermentnach¬ 
weises  im  Serum  von  — ,  von  Schäfer 
1689,  elektrische  Erregbarkeit  bei,  — 

von  Thierry  .  . . 2010 

Schwangerenserum,  normales,  von  Ru- 
beska  600,  therapeutische  Verwendung 
von  normalem  — ,  von  Mayer  ....  1411 
Schwangerschaft  s.  a.  Gravidität. 
Schwangerschaft,  Serodiagnostik  der,  von 
Veit  93,  von  Porchownik  1951,  biolo¬ 
gische  Diagnose  der  — ,  von  Petri  482, 
die  Serumdiagnose  der  — ,  von  Quine- 
tella  548,  zur  biologischen  Diagnose  der 
— ,  von  Engelhorn  587,  654  ff,  von 
Stange  1084,  zur  Geschichte  der  Sero¬ 
diagnostik  der  — ,  von  Freund  700,  von 
Abderhalden  701,  galvanische  Nerven- 
muskelerregbarkeit  in  der  — ,  von  Seitz 
849,  Verwertbarkeit  der  Abderhalden¬ 
schen  Fermentreaktion  bei  —  und  Kar¬ 
zinom,  von  Markus  994,  Erfahrungen 
mit  der  biologischen  Diagnose  der  — 
nach  Abderhalden,  von  Eckler  1047, 
zur  biologischen  Diagnose  der  — 
mittels  der  optischen  Methode  und 
des  Dialvsierverfahrens ,  von  Rüb- 
samen  1139,  Beeinflussung  des  Hämo¬ 
globinkatalysators  in  der  — ,  von  Engel¬ 
horn  1195,  trockenes  Plazentapulver 
beim  Dialysierverfahren  zur  Diagnose 
der  — ,  von  King  1198,  ektopische — , 
von  Reinhard  1218,  Verwendung  der 
;  Abderhaldenschen  Reaktion  bei  der 


Seite 

Serumdiagnose  der  — ,von  Maccabruni 
1259,  Beziehungen  der  Erkrankungen 
des  Herzens  und  der  Nieren,  sowie  der 
Störungen  der  inneren  Sekretion  zu  — , 
Geburt  und  Wochenbett,  von  Fromme, 
Zangemeister,  Seitz  1289,  Therapie  der 
Herzerkrankungen  in  der  — ,  von  Neu 

1290,  Nierenerkrankungen  in  der  — , 
herzkranker  Frauen,  von  Jaschke  1290, 
Herzleiden  und  Stoffwechselstörungen 
in  der  — ,  von  Walthard  1290,  Herz¬ 
fehler  und  — ,  von  Kreiss  1290,  2915, 

Herz-  und  Zwerchfellstand  in  der  — ,  von 
Heynemann  1291,  Morbus  Addisonii 
und  — ,  von  Vogt  1291,  Bedeutung  der 
innersekretorischen  Drüsen  für  den 
Stoffwechsel  in  der  — ,  von  Landsberg 

1291,  Beeinflussung  des  Hämoglobin¬ 
katalysators  in  der — ,  von  Engelhorn 
1291,  Thyreoidea  und  — ,  von  Mosbacher 
1291,  Einfluss  der  —  auf  Herz  und 
Nieren,  von  Bauereisen  1291,  zur  Sero¬ 
diagnostik  der  — ,  von  Jaworski  und 
Szymanowsky  1343,  Herzleiden  und  — , 
von  Schmidt  1347,  Kalkgehalt  des  Blutes 
in  der  — ,  von  Kehrer  1348,  Kastration 
in  der  —  wegen  Osteomalazie,  von  v. 
Franqub  1849,  Selbstaufschlitzen  des 
Bauches  während  der  — ,  von  Patak 
1413,  Thyreoidea  und  — ,  von  Guggis- 
berg  1455,  Serumdiagnose  der  — ,  von  v 
Rosenthal  1455,  —  in  der  Kunst,  von 
Stratz  1457,  biologische  Diagnostik  der 

—  nach  Abderhalden,  von  Parsamoor 
1505,  Kalkgehalt  des  Blutes  in  der  — , 
vonLinzenmeier  1563,  Pyelitis  und  Nie¬ 
renbeckenerweiterungen  während  und 
ausserhalb  der  — ,  von  Schickele  1615, 
Harngiftigkeit  in  der  — ,  von  Esch 
1616,  Leberveränderungen  in  der  — , 
von  Opitz  1616,  Diagnose  der  —  mittels 
der  Abderhaldenschen  Methode,  von 
Gambaroff  1644,  —  und  Akromegalie, 
von  Kalledey  1678,  Herz  und  — ,  von 
Fellner  1728,  Wesen  und  Technik  der 
Serodiagnostik  der  —  mittels  des  Ab¬ 
derhaldenschen  Dialysierverfahren,  von 
Schmid  1749,  m.  addisonii  und  — , 
von  Vogt  1821,  Diagnose  der  —  mittels 
des  Dialysierverfahrens  u.  der  optischen 
Methode  von  Abderhalden  1842,  Dia¬ 
gnose  der  —  mittels  der  Elsbergschen 
Reaktion,  von  Carpintero  und  Gimenez 
de  la  Serrana  1904,  während  der  — 
auftretende  Affektionen  des  Harn¬ 
traktes  1969,  Serumdiagnose  der  — 
nach  Abderhalden,  von  Schlimpert 
1969,  chirurgische  Behandlung  derKoli- 
infektion  in  der  — ,  von  Davis  2020,  elek- 
trokardiographische  Untersuchgen  wäh¬ 
rend  der  — ,  von  Nubiola  2021,  Psy¬ 
chosen  während  der  — ,  von  Passow, 

2071,  Indikationen  zur  Untersuchung 
der  —  bei  Hyperemesis  und  Herzkrank¬ 
heiten,  von  Tuszkai  2080,  innere  Sekre¬ 
tion  und  — ,  von  Seitz  2240,  biologische 
Feststellung  der — ,  v.  Abderhalden  2244, 
Nierenfunktion  in  der  — ,  von  Eckelt 
2298,  antiproteolytische  Stoffe  des  Blutes 
während  der  — ,  von  Gammeltoft  2358, 
tubare  — ,  von  Hartmann  2359,  Funk¬ 
tion  der  Niere  in  der  — ,  von  Jaschke 
2371,  biologische  Diagnose  der  — 
nach  dem  Dialysierverfahren,  von 
Parssamow  2423,  von  Henkel  2474, 

Tod  bei  Choreatikern  während  der  — , 
von  Lepage  2539,  die  elastische  Fläche 
am  Isthmus  des  Uterus  als  frühes  und 
positives  Zeichen  der  uterinen  — ,  von 
Ladinski  2592,  Veränderungen  am 
Follikelapparat  des  Ovariums  in  der 
— ,  von  Keller  2638,  Herzerkrankung 
und  — ,  von  Eisenbach  2638,  gleich¬ 
zeitige  —  beider  Tuben,  von  Unter¬ 
berger  2638,  biologische  Diagnose  der 

—  nach  Abderhalden,  von  Wolff  2688, 
Vitum  cordis  und  — ,  von  Scherer 
2688,  Bedeutung  der  Albuminurie 


Seite 

während  der  — ,  von  Williamson  2694, 
Lipoidchemie  des  Blutes  bei  — ,  von 
Lindemann  2745,  Herz-  und  Zwerch¬ 
fellstand  während  der  — ,  von  Heyne¬ 
mann  2746,  —  in  der  Kunst,  von 
Stratz  2746,  Ernährungsprinzipien  wäh¬ 
rend  der  — ,  von  Neumann  2749,  Sero¬ 


diagnose  der  — ,  von  Fraenkel  .  .  .  2805 
Schwangerschaftsalbuminurie,  von  Aschn  er  1 290 
Schwangerschaftsbeschwerden,  Behand¬ 
lung  der,  von  Hilferding-Hönigsberg  .  42 

Schwangerschaftsblutung,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der,  Geburts-  u.  Nachgeburts¬ 
blutungen,  von  Bar . 1045 

Schwangerschaftsdauer,  Bestimmung  der, 
von  Schottländer  428,  1339,  von  Peters 
713,  Ovulation,  Konzeption  und  — ,  von 
Fraenkel . .  2297 


Schwangerschaftsdiagnose  s,  a.  Dialysier¬ 
verfahren,  Ninbydrin,  Serumferment¬ 
wirkung,  Schwangerschaft,  Abderhal¬ 
den,  Schwangerschaftsreaktion. 

Schwangerschaftsdiagnose,  biologische, 
nach  Abderhalden,  von  Polano  443,  — 
mittels  der  optischen  Methode  und  des 
Dialysierverfahrens,  von  Freund  und 
Brahrn  685,  Abderhaldensche  — ,  von 
Kafka  896,  Erfahrungen  mit  der  — ,  von 


Gutman .  2592 

Schwangerschaftsdiagnostik,  serologische, 

von  Rosenthal . 1450 

Schwangerschaftsfermente,  zur  Frage  von 
der  Organspezifität  der,  gegenüber  Pla¬ 
zenta,  von  Plotkin  ...  • . 1942 


Schwangerschaftsnephritis,  von  J.u  S.Bondi  2307 
Schwangerschaftsniere  und  Neptuitis  in 
graviditate,  von  Holzbach  1290,  Funk¬ 
tion  der  —  und  Eklampsieniere,  von 
Eckelt  1455,  Blutveränderungen  bei 
Eklampsie  und  — ,  von  Dienst ....  2474 
Schwangerschaftspyelitis,  Serologisches  u. 
Klinisches  über,  von  Weibel  2802,  zur 
Therapie  der  — ,  von  Albrecht  ....  2865 
Schwangerschaftsreaktion, Erfahrungen  mit 
der  Abderhaldenschen,  von  Schlimpert 
und  Hendry  681,  von  Schlimpert  1402, 
zur  Bewertung  der  Abderhaldenschen 
— ,  von  Heimann  915,  ergibt  das  Dia¬ 
lysierverfahren  eine  spezifische  —  ?  von 
Behne  1045,  Abderhaldensche  — ,  von 
Ekler  1069,  klinische  Verwertbarkeit 
der  — ,  von  Jonas  1342,  Abderhal¬ 
dens  Vortrag  über  —  1415,  zur  Ab¬ 
derhaldenschen  — ,  von  Gottschalk  1450, 
von  Stoeckel  1741,  von  Ebeler  1913,  zur 
serologischen  —  nach  Abderhalden,  von 
Ebeler  und  Lönnberg  2356,  die  Abder¬ 
haldensche  — ,  von  Lurje  2422,  prakti¬ 
sche  Erfahrungen  mit  der  biologischen 
—  nach  Abderhalden,  von  Scherer  .  2691 
Schwangerschaftsserodiagnostik,  von  Ab¬ 


derhalden  1402,  serologische  — ,  von 

Rosenthal . 1450 

Schwangerschaftsserumtherapie  der 

Schwangerschaftstoxikosen,  von  Rüb- 

sarnen . .  .  1166 

Schwangerschaftstetanie,  von  Seitz  .  .  .  849 


Schwangerschaftsthrombose,  angebliche 
physiologische,  von  Hinselmann  1504,  2531 
Schwangerschafts  -Toxikodermien  durch 
Ringersche  Lösung  geheilt,  von  Eich¬ 
mann  .  . 183 

Schwangerschaftstoxikosen, Serumtherapie 
bei,  von  Wolff  2071,  Therapie  der  — , 
von  Engel  2249,  —  und  ihre  Behand¬ 
lung  mit  Serum  und  Ringerscher  Lö¬ 
sung,  von  Freund .  2297 

Schwangerschaftsunterbrechung,  Indikati¬ 
onsstellung  zur,  bei  Nierenveränderun¬ 
gen,  von  Schlayer  1347,  einzeitige  — 
und  Sterilisierung  bei  Tuberkulose,  von 
Werner  2308,  2587,  —  und  Sterilisation 
in  einer  Sitzung,  von  Sellheim  .  .  2638 
Schwarzwasserfieber ,  protozoenähnliche 

Gebilde  im  Blute  bei  — ,  von  Coles  .  2693 

Schwebehaken,  von  Killian . 1514 

Schwebelaryngoskopie  nach  Killian,  von 
Storath  325,  von  Froning  1742,  von 


XCIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Deuker  2024,  Modifikation  des  Killian- 
schen  Spatelhakens  zur  — ,  von  Lauten¬ 
schläger  602,  Bedeutung  der  —  für  das 
Kindesalter,  von  Albrecht 
Schwefelkohlenstoff-  und  Benzolvergiftung, 

von  Luig . 

Schwefelsäure-  und  Kupfersulfatvergif¬ 
tung,  akute,  von  Reichmann  .  .  .  . 
Schweflige  Säuren,  pharmakologische  Wir¬ 
kung  der  organisch  gebundenen,  und 
des  neutralen  sehwefligsauren  Natri¬ 
ums,  von  Kost  und  Franz . 

Schweigekur,  von  Menier  . 

Schweigepflicht,  ärztliche . 

Schweinerotlauf  des  Menschen,  von  Voss 
Sch  weiner- itlaufimmunserum ,  Wirkungs¬ 
weise  des,  von  Spät . 

Schweissdnisen,  Physiologie  der,  und  des 
Schweisses,  von  Kittsteiner  ... 
Schwerhörige,  die,  in  der  Schule,  und  der 
Unterricht  lür  hochgradig  —  in  Deutsch¬ 
land,  von  Hartmann  . 

Schwerhörigkeit,  experimentell  erzeugte, 
von  Huewsli  1569,  Behandlung  der  — 
raitttels  Diathermie,  von  Hamm  1820, 
Radium-  und  Mesothoriumbestrahlung 
bei  — ,  von  Hügel  2110,  2768,  von  Pas- 
sow  2493,  2768,  von  Vohsen  .  .  . 

Schwermetalle,  das  Oxydationsvermögen 
einiger,  in  Verbindung  mit  Eiweiss,  von 
Cervello  und  Varvaro  206,  Wirkung  von 
—  auf  die  bösartigen  Tiergeschwülste, 

von  Lewin  . 

Schwitzkuren  bei  inneren  Krankheiten, 

von  Schwenkenbecher . 

Secalan . 

Secalysatum,  von  Brömel . 

Sectio  caesarea,  Widerstandskraft  des  Peri¬ 
toneums  und  der  Uterusnaht  nach,  von 
Patek .  .  .  . 


1571 

1398 

181 

262 

266 

872 

167 

94 

1165 

1948 


2544  : 


715 

894 

1840 

1952 


1788 


Sedobrol,  von  Engelen  . 1507 

Seebäder,  Heilwirkung  der  deutschen,  von 

Huismans . 726 

Seegens  Institut  für  Physiologie  des  Stoff¬ 
wechsel  in  Wien  .  ....  1302 

Seehäfen,  sanitäre  Polizei  in,  von  Williams  2023 
Seehospiz  in  Trient,  von  Homa  ...  .  662 

Seekrankheit,  Veronal  und  Veronalnatrium 
bei,  von  Frank  207,  Untersuchungen 
über  die  — .  von  Pineussohn  258,  über 
— ,  von  Pribram  1284,  1976,  2032,  — 
und  Vagotonie,  von  Fischer  1649,  von 
Friedländer  1830,  —  und  Hypnose,  von 

Hoffmann  .  2054 

Seekrieg,  das  Rote-Kreuz- Abkommen  im, 

von  Saueracker . 1957 

Seekriegsverletzunaen,  von  zur  Verth  .  .  1056 
Seelazareth.ausdem  k.k.,  vonPotpesctinigg  1167 
Seelentaubheit  für  Geräusche  mit  senso¬ 
rischer  Aphasie,  von  Kehrer  ....  1520 

Seemann  John  f,  von  Cremer . 1831 

Segond  Paul  f,  von  Seguin . 139 

Sehhügel,  funktionelle  Bedeutung  des, 

von  Pfeiffer .  2701 

Sehhügel  Untersuchung,  von  Higier  .  .  .  2136 
Sehhügelgegend,  operative  Erfolge  hei  Ge¬ 
schwülsten  der,  und  Vierhügelgegend, 
von  Oppenheim  und  Kramer  ....  2705 
Sehne,  Spontanruptur  der,  des  Daumen¬ 
streckers,  von  Heineke  560,  Behand¬ 
lung  verletzter  —  in  Atjeh,  von  Lerk  1956 
Sehnen-  und  Hautreflexe  bei  alten  Leuten, 
von  Schlesinger  1844,  Messung  der  — , 

von  Goldbladt  . . 2136 

Sehnenscheiden,  Erkrankungen  der,  und 
der  Schleimbeutel,  von  Günther  1841, 
Sarkome  der  — ,  von  Tourneux  .  .  .  2538 
Sehnenscheidenentzündung,  fibröse,  von 

Eykel  . . 716 

Sehnenscheidenphlegmonen,  Behandlung 

der,  von  Noess ke . 160 

Sehnenüberpflanzung.neueGesichtspunkte 
auf  dem  Gebiete  der,  von  Stoffel  733,  2013 
Sehnenverletzung  der  rechten  Hand,  von 

Enderlen . 217 

Sehnervenatrophie,  Prognose  der,  von 
Rönne  149,  hereditäre  familiäre  — ,  von 
G  uzmann . 264 


Seite 

Sehnervenschwund,  Ursachen  des,  bei 

Tabes  und  Paratyse,  von  Stargardt  .  .  269 
Sehorgan,  Beziehungen  der  Allgemein¬ 
leiden  und  Urganerkrankungen  zu  den 
Veränderungen  und  Erkrankungen  des 
— ,  von  Groenouw  und  Uhthoff  .  .  .  2686 
Sehproben  s.  u.  Würfelpunkt. 

Sehprobentffeln,  von  Kern  u.  Scholz  .  .  599 

Sehschärfe,  Zusammenhang  von,  n.Schiess- 
leistung  der  Infanterie,  von  Cuny  718, 
neue  Tafel  zur  Bestimmung  von  - — 
u.  Refraktion  von  Analphabeten,  von 

Döllner .  2569 

Sehsphäre,  Entwicklung  der,  von  Lenz  .  1512 
Sehstörungen,  psychogene,  von  v.  Hippel  1175 
Seife  für  Aerzte  u.  Hebammen,  von  Peters  1694 
Seitenlaue  intra  partum  und  endogene  In¬ 
fektion,  von  Westphalen  . 600 

Sekaleersatz,  neuer  brauchbarer,  von  Jäger  1714 
Sekretion,  innere,  Kieferbildung  u.  Den¬ 
tition,  von  Kranz  145,  innere  —  und 
Nervensystem,  von  Münzer  545,  Be¬ 
deutung  der  Abderhaldenschen  For¬ 
schungsergebnisse  für  die  Pathologie 
der  inneren  — ,  von  Münzer  994,  phy¬ 
siologische  Grundlagen  der  inneren  — 
u.ihre  Bedeutunufür  die  Pathologie,  von 
Biedl  1103,  die  Störungen  der  inneren 

—  in  ihren  Beziehungen  zu  Schwanger¬ 
schaft,  Genurt  und  Wochenbett,  von 
Seitz  1289,  innere  —  der  Keimdrüsen 
und  Knochenwachstum,  von  Sellheim 
1291,  inne-e  —  der  Speicheldrüsen, 
von  .Vlohr  1348,  innere  —  der  Mamma, 
von  Albrecht  1348,  wehonerregende 
Substanzen  u.  innere  — ,  von  Schickele 
1349,  Tierversuche  zur  inneren  — ,  von 

•  Feilner  1349,  Wechselbeziehungen  der 
Organe  mit  innerer  —  und  deren  i'tö- 
rung--n,  von  Biedl,  Gley,  v.  Koränyi 
u.  Kraus  1961,  innere  —  u  Schwanger¬ 
schaft,  von  Seitz  2240,  Beitrage  zur 
inneren  — ,  von  Kühle  2298,  die  innere 

—  in  ihrer  Beziehung  zur  Dermatologie, 

von  Morris  .  .  ...  .  .  .  2642 

Sekretorische  Fasern,  Verlauf  der,  von  Blum  1952 
Sektionen,  Honorierung  von  ...  .  .  389 

Sekundärstralilen,  Abblendung  der,  von 
Bucky  833,  Benutzung  von  —  zur  Ver¬ 
stärkung  der  Röntgenstrahlenwirkung, 

von  Pagenstecher  .  .  .  . 1319 

Sekundärstrahlenihernpie,  von  Schwarz  .  2u42 
Selbstinfektion,  puerperale,  von  Ahlfeld  2296 
Selbstmord,  psycho  ogische  Analyse  des, 
u.  Selb-tmordversuches  bei  verschie¬ 
denen  Psychosen,  von  MarkowitHch  .  2699 
Selbstverletzungen,  von  Lochte  1282,  — 
von  Geisteskranken,  von  Tintemann  1282 


Semdunarknorpel,  Verletzungen  der,  von 

Martin . 939 

Sfimiologie,  elements  de,  et  clinique  men¬ 
tales,  von  Chaslin . 480 

Semori . 426 

Senembah-Maatsc.happy,  gesundheitliche 
Verhältnisse  des  Arbeiterstandes  der, 


von  Schüffner  u.  Kuenen . 1344 

Senkungsprozesse,  röntgenologische  Dia¬ 
gnose  endothorakaler,  im  Kindesalter, 

von  Rach .  2373 

Sennax  2472,  von  Schoenborn  .....  20 2d 
Sensibilisationserscheinungen  und  Ueber- 
empfindlichkeitsreaktionen,  von  v.Szon- 

tagh .  2746 

Sensibilisierungsversuche  und  die  Pro¬ 
gnose,  von  Grundt  . 1562 

Sepsis,  puerperale,  von  Klauhammer  785, 
durch  Operation  geheilter  Fall  von 
puerperaler  — ,  von  Brix  1325,  tracheo- 
gene  — ,  von  Stephan  1844,  Behand¬ 
lung  schwerster  —  mit  in  ravenöser 
Infurion  menschlichen  Normalserums, 
von  Bennecke  1926,  —  und  Pyämie, 

von  Nacko .  2745 

Septikaemie  s.  u.  Allgemeininfektion,  In¬ 
fektion. 

Septikämie  als  häufiger  Gast  in  der  Fa¬ 
milie  der  übrigen  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Golubow .  665,  1106 


Seite 

Septische  Prozesse,  Behandlung  von,  durch 

Alkalien,  von  Vorschütz . 892 

Septumresektion  im  Kindesalter,  von  Heer¬ 
mann  .  i  .  .  .  2360 

Serbien  s  a.  Medizinische  Erfahrungen. 


Serodiagnostik  nach  Abderhalden  in  der 
Psychiatrie,  von  Wegener  1197,  von 
Mayer  2044,  von  Theobald  2691,  — 
der  Gesell  *  iilsie  nach  v.  Düngern,  von 
Tetridis  1318.  die  wissenschaftlichen 
Grundlagen  der — ,  von  v.  Wassermann 
1331,  —  der  Schwangerschaft,  von  Ja- 
worski  und  Szymanoweki  1343,  —  der 
Gravidität,  von  Veit  1565,  die  —  der 
Schwangerschaft,  von  Porehownik  1951, 

—  des  Echinnkokkus  nach  Weinberg, 
von  Abrikossow  2l24,  Abderhaldeusche 

—  bei  Gehirn-  und  Rückenmarkskrank¬ 
heiten,  von  Gollt-r  2428,  Be  'eutung 
der  Abderhaldenseh»  n  —  für  die  r  pi- 
lepsie,  von  Binswanger  2479,  —  der 
Syphilis,  vn  Müller  2742,  —  der  ma¬ 
lignen  Geschwülste,  von  Schenk  8j8, 
von  Fried  2782,  Lues  congenita  und 

— ,  von  Ledermann  . 2816 

Serologie,  die,  in  der  Psychiatrie,  von 
Fauser  1984,  —  und  Vakzinetherapie, 
von  Michaelis  2429,  von  Volk  ....  2429 
Serrati,  willkürliche  Erschlaffung  der,  von 


Hildebrand . 955 

Serratuslähmung,  von  Loening . 439 

Sen  es  fines,  verbesserte,  von  v.  Herff  .2911 
Serum  s.  u.  Eigenserum,  Toxin. 


Serum  (Sera),  syphilitische,  von  Russ 
886,  Wirkung  von  —  und  Toxin  bei 
rektaler  Anwendung,  von  Shibayama 
938,  das  präventive  antitetanische  — , 
von  Jacoüuviri  1U50,  das  Antitrypsin 
des  — ,  von  Kirchneim  1113,  urintoxi¬ 
sche  — ,  von  Corradi  und  Caffärena 
1168,  paradoxe  — ,  von  Graetz  1518, 
die  Eigeuhemmung  des  —  im  Symptom 
der  Lues,  von  Trinciiese  2013,  Natur 
der  Trypsinhemmung  des  — ,  von 
Kirchheim  2137,  Reaktion  luetischer  — 
mit  einem  Jodolreagens,  von  Landau  2477 
Serumaggluiination,  von  Schmidt  .  .  .  1730 

Serumanaphylaxie,  über  die,  von  Nemser 

996,  von  Jurgelunas . 1288 

Ser  im;  ehandlung  der  kruppösen  Pneu¬ 
monie,  von  Feith . 2314 

Serumfermentwirkuiigen  bei  Schwangeren 
und  Tumorkranken,  von  Lindig  288, 

702,  von  Abderhalden  411,  763,  von 

Freund . 763 

Seruminjektionen,  wiederholte,  u.  Ueber- 
empfindlichkeit  von  Nemmser  .  .  .  938 
Serumkrankheit, 683  Fällevon.von  Axenow  2746 
Serumqualiiäten,  Konzentration  der,  durch 


Gefrieren,  von  Ito . .  38 

Serumreaktion  nach  Abderhalden,  von 

Lichtenstein  ....  ...  1427,  1800 

Serumtherapie,  experimentelle,  von  Schick, 

Busacchi  und  Ka-sowitz  .  2373 

Serumvak/.in,  spezifische  Behandlung  mit 
dem  Bruschettinischen,von  Bruschettini  1396 
Serviettenhalter  bei  Bauchhöhlenopera¬ 
tionen,  von  Kolinski  .■ . 826 

Seuchenbekämpfung,  die  Kosten  der,  u. 
ihre  Verteilung  nach  preussischem 
Recht,  von  Foerster . 768 


Seuchengeschichte,  Abhandlungen  aus  der, 
und  Seuchenlehre,  von  Sticker  1559,  1894 
Seuchengesetz  s.  a.  Epidemiengesetz. 
Sexualforschung,  internationale  Gesell¬ 
schaft  für .  2656 

Sexualorgane,  nervöse  Funktionsstörungen 
der  männlichen,  von  Grosz  542,  Atlas 
der  Operationsanatomie  u.  Operations¬ 
pathologie  der  weiblichen  — ,  von  Liep- 

mann . 598 

Sexualstörungen,  Fortschritte  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  nervösen,  von  Lissmann  .  .  541 
Sichern eitscouveuse, elektrische, vonThiede  2300 
Siebbein,  Endotheljom  des,  von  Jerchel .  1900 
Sielwässer,  Desinfektion  von  Fäkalien  u. 

städtischen,  von  Glaser . 147 

Sigma  elongatum  mobile,  von  Kienböck  68 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


xcv 


Mi. 


-'II 


Solle 

Sigmoideutn,  zweizeitige  liadikaioperation 
der  strikturierenden  Karzinome  des’ 

von  Madlener . 1787 

Signe  du  sou,  diagnostischer  Wert  des 
Pitresschen,  von  v.  Hainiss  374,  —  bei 
Lungenentzündung  und  Pleuritis  bei 

Kindern,  von  Ostrowski . 2193 

Silberhalogenide,  Wirkungsmechanismus 

kolloidaler,  von  Gros . 262 

Silvana,  Nervensanatorium  ....  427,  2439 

Simi . 1840 

Sims  Marion,  von  Allemann . 138 

Simulantentutn,  das,  und  der  Valetudi- 

narianismus,  von  Bramwell . 1735 

Simulation  bei  Unfallverletzten  und  In¬ 
validen,  von  Horn .  2646 

Sinapius,  über,  von  v.  Györy .  2377 

Sinecain . 426 

Sinemellittabletten .  2472 

Singen,  Disposition  und  Indisposition 

beim,  von  Fla' au  . .  29 

Singstimme,  Störungen  der,  von  Holger 

Mygind .  .  ...  209 

Sinus  pericranii,  von  Borchardt  1006, Osteom 
des  —  frontalis,  von  Payr  1743.  Resek¬ 
tion  des  longitudinalen  — ,  von  Perthes  1746 
Sinusphlebitis,  otitische,  von  Scheibe  .  1569 
Sinustbrombose  und  ihre  Beziehungen  zu 

Gehirn-  und  Pialblutungen,  vonVorpahl  826 

Sinuswand,  Abszess  der, vonUrbantschitsch  2548 

Sisson  Prof.  Dr.  f . 1864 

Sittlichkeitsverbrecher,  Erfahrungen  an  80, 

von  Hänsel  608 

Situs  .nversus  partialis  abdominis,  von  Hart 
1618,  —  inversus  totalis,  von  Brix  .  2790 

Skapularknochen,  von  Lobenhotfer  .  .  .  1106 

Skelettmuskulatur,  Aktionssttöme  der 

menschlichen,  von  Eahrenkamp  1843, 
elektrisoheErscheinungen  bei  der  Inner 
va'ion  der  — ,  von  Buytendyk  ....  2243 
Sklerekoomia  praeaequatonalis,  von  Holth  1514 

Skleretn,  von  v.  Pirquet  . 564 

Sklerodermie,  Behandlung  der,  mit  Goe- 
liacin,  von  Kölle  24,  diffuse  — ,  von 
Grouven  556,  über  — ,  von  Seifert  1226, 
die  Blutformel  bei  der  — ,  von  Evan- 
gelista  1849,  angeborene  — ,  von  Egger  2763 
Sklerom,  Serodiagnose  des,  von  Czerno- 

gubow . 999 

Skleromfrage  in  Russland,  von  Jürgens  .  42 

Sklerose,  akute  disseminierte,  von  Rönne 
und  Wimmer  147,  akute  multip  e  — ,von 
Fraenkel  435,  multiple  — ,  Schwanger¬ 
schaft  und  Geburt,  von  Beck  714, 
akute  und  chronische  multiple  — ,  von 
Wohlwill  1352,  1406,  Gehirndemon¬ 
stration  eines  Falles  von  multipler  — , 
von  Trömner  1352,  familiäres  Vor¬ 
kommen  der  multiplen  — ,  von  Hoff-  • 
mann  1843,  typische  multiple  — ,  von 
Goldstein  2024,  tuberöse  — ,  von  Böhm  2196 
Skoliosen,  angeborene,  von  Lewy  716,  neue 
Verbandbehandlungder  -  nach  Abbott, 
von  Vulpius  885,  2193,  Abbottsche  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Schanz  1283, 
Behandlung  von  —  durch  Gipsver¬ 
bände  nach  Abbott,  von  Erlacher  1312, 
la  —  et  son  traitement,  von  Bidou  1782, 
pathologische  Anatomie  der  multiplen 
— ,  von  Schob  2701,  fixierte  —  mit 
Rippenbuckel,  von  Deutschländer  2860, 
Behandlung  schwerer  —  mit  der  Ab- 
bottschen  Methode,  von  Calot  ....  2920 
Skoliosenbehandlung,  Ausnützung  der  re¬ 
spiratorischen  Kräfte  in  der,  von  Spitzy 
577,  Abbottsche  Methode  der  — ,  von 

Abott  . .  731,  733 

Skoliosenfrage,  statische,  von  Doerr  .  .  .  427 
Skoliosenmessung,  von  Schlee  ...  780 

Skopolamin,  Wirkung  des,  von  Cushny  262, 

—  und  Morphium  bei  Entbindungen, 
von  Long  957,  Schwefelsäureester  des 

— ,  von  Trendelenburg . 2137 

Skopolamindämmerschlaf  in  Verbindung 
mit  Morphiumpantopon  und  Narkophin, 

von  Reichel .  638,  847 

Skopolaminlösungen,  Zersetzung  und  Kon¬ 
servierung  von,  von  Straub  2279,  der 


Seite 

Dämmerschlaf  in  der  Geburtshilfe  mit 

konstanten  — ,  von  Siegel .  2280 

Skopolaminfrage,  zur,  von  Sieber  ....  882 
Skopolamin-Pantopon-Aethernarkose,  von 

Minz . 665 

Skorbut,  das  histologische  Blutbild  des 
infantilen,  von  Glaser  316,  der  —  der 
kleinen  Kinder,  von  Hart  und  Lessing 
1895,  über  experimentellen  — ,  von 

Holst  und  Frölich  ...  2690 

Skrofulöse  Erkrankungen,  ein  Blutschma¬ 
rotzer  als  Erreger  der,  von  Holländer  2139 

Skrofulöse,  die,  von  Cornet . 1894 

Soemmering-Preis . 846 

Sojabohne  s.  u.  Aguma. 

Sojargil . 1840 

Solargyl ,  desinfizierende  Wirkung  des, 

von  Glücksmann  und  Gobbi  ....  2789 
Solbäder  s.  u.  Bäder. 

Sommersterblichkeit,  Ursachen  der,  von 
Eichelberg  93,  von  Jester  840,  —  der 
Säuglinge  in  Kiel,  von  Hanssen  .  .  .  1225 
Sonderdruckzentrale,  Bedeutung  der,  für 

den  Akademiker,  von  Cords .  2681 

Sonnenbehandlung  s.  u.  Heliotherapie, 
Tuberkulose 

Sonnenbestrahlung  bei  Spondylitis  cervi- 
calis,  von  Kienast  und  Frankfurter  2250, 
Einfluss  der  —  auf  die  weissen  Blut¬ 
zellen,  von  Aschenheim .  2372 

Sonnenfinsternis,  Erblindung  durch,  von 

Speleers .  .  2140 

Sonntagsruhe,  ärztliche,  in  Berlin  321,  — 
und  soziale  Hygiene,  von  Laquer  1225,  1395 
Soziale  Medizin  und  Hygiene,  Referat  über 

374,  1225,  2751 

Sozialhygienische  Aufgaben  auf  dem 

Lande,  von  Larass .  2855 

Spätapoplexie,  traumatische,  von  Schuster  2434 

Spätsyphilis,  von  Zieler . 163 

Spaltbeckeu,  von  v.  Franquö .  2803 

Spaltuterus  und  seine  Genese,  von  Rosen¬ 
stein  .  ....  1787 

Spasmophile  Diathese,  ein  noch  nicht  be¬ 
schriebenes  Krankheitsbild  der,  von 

Lederer .  484,  662 

Spasmnphile  Erscheinungen,  von  Rosen¬ 
stern  .  ^  .  .  .  2071 

Spasm  iphile  Zustände,  Einfluss  der  Al¬ 
kalien  auf  die  Auslösung  von,  von  Lust  1482 
Spasmophilie  der  Erwachsenen,  von  Peritz 
1446,  — und  Parathyreoidinbehandlung, 
von  Meyer  1168,  —  und  Tetanie  der 
Kinder,  von  Grünfelder  1695,  Einwir¬ 
kung  alimentärer  und  phai makodyna¬ 
mischer  Faktoren  auf  den  Verlauf  der 
— ,  von  Zybell  1901,  Kalksalze  bei  — , 
von  Blühdorn  2071,  experimentelle — , 
von  Moll  2372,  Larosanmilch  bei  — , 

von  Curschman .  2864 

Spasmophiliefrage,  Untersuchungen  zur, 

von  Freudenberg-Klocmann . 1912 

Spasmophilieproblem,  Untersuchungen 
zum,  von  Freudenberg  undKlocmaun  1842 
Speichel,  Bedeutung  des  Rhodans  im,  von 
Lohmann  83,  Ptyalingehalt  des  — ,  von 
Purjesz  und  Perl  1849,  Harnsäure  im 
— ,  von  Herzfeld  und  Stöcker '  ....  1950 
Speicheldrüsen,  symmetrische  Schwellung 
der.  und  Tränendrüsen,  von  Plate  und 
Lewandowsky  201,  innere  Sekretion  der 
— ,  von  Mohr  610,  Aktinomykose  der 
— ,  von  Söderlund  2012,  Geschwülste 
der  — ,  von  Hcineke  2070,  Pathologie 
der  — ,  von  Mohr  2146, innere  Sekretion 
der  —  und  ihre  Bezit-hungen  zu  den 
Genitalorganen,  von  Mohr  2298,  Ver¬ 
letzungen  und  chirurgische  Krankhei¬ 
ten  der  — ,  von  Heineue .  2531 

Speichelkörperchen,  Herkunft  der,  von 

Laquer  .  .....  1449 

Speichelstein,  von  ßa<  hrach  675,  zur  Pa¬ 
thologie  und  Diagnose  der — ,von  Rdthi 
828,  irrtümliche  Karzinomdiagnose  in¬ 
folge  eines  — ,  von  Heinemann  1940,  2711 
Speiseröhre  s.  a.  Oesophagus. 

Speiseröhre,  plastischer  Ersatz  der,  von 
v.  Fink  936,  Therapie  der  idiopathischen 


Seile 

Dilatation  der — ,  von  Heyrovsky  1217, 
Mobilisation  und  Verlagerung  des  Ma¬ 
gens  und  der  —  bei  Operationen  am 
Magen  und  unteren  Abschnitt  der — , 
von  Brun  1338,  Entfernung  eines  Ge¬ 
bisses  aus  der  — ,  von  Francke  1398, 
die  Erkrankungen  der  Mundhöhle  und 
der  — ,  von  Kraus  und  Ridder  1445, 
idiopathische  Erweiterung  der  — ,  von 
Simmonds  1460,  Extraktion  von  Fremd¬ 
körpern  aus  der  — ,  von  Wagner  1620, 
Resektion  des  Brustteiles  der —  wegen 
Karzinom,  von  Torek  2135,  Dureh- 
schneidung  der  Kardia  alsVoroperation 
zur  Resektion  der  — ,  von  Fischer  .  .  2744 
Speiseröhrenkarzinome,  Therapie  der,  von 

Voit .  2762 

SpeiHeröhrenstrikturen ,  Behandlung  der, 

von  Luttmissen .  2388 

Sperma,  ist  das,  des  Syphilitikers  infektiös? 
von  Frenkel  1287,  Phosphormolybdan- 
saure  als  Reagenz  auf  — ,  von  Lecha- 
Marzo  1904,  Nachweis  resorbierten  — 
im  weiblichen  Organismus,  von  Wald¬ 
stein  u.  Ekler .  2307 

Spormanntersuchung,  forensische,  von 

Güntsch . 686 

Spermatozoen,  Schicksal  arteigener  u.  art¬ 
fremder,  im  weiblichen  Genitalapparat 
und  der  Bauchhöhle,  von  Hoehue  .  .  1456 
Spezialärzte, Honorierung  der,  an  Kranken¬ 
kassen  100,  Bezeichnung  als  —  391, 
Zusammenschluss  der  —  Breslaus  501, 
Ausschluss  der  —  vom  Rettungsdienst 

in  Berlin . 667 

Spezialitäten,  Taschenbuch  pharmazeut., 
von  Hügel  903,  medizinische  — ,  von 

Capaun  Karlowa  .  .  903 

Spezifizitätsproblem,  R.  Koch  u.  das,  von 

Kolle  . 2917 

Sphygmobolometrie,  Vereinfachungen  und 
Verbesserungen  der  pneumatischen, 

von  Sahli  .  ....  2801 

Sphygmobolometrische  Untersuchungen 
nach  Sahli,  von  Lipowetzky  1216,  von 

Christen  . . .  1216 

Spielplätze,  Errichtung  von,  in  München  503 
Spina  bifida,  von  Saalmann  370,  —  bifida 
occulta,  von  Cramer  731,  vo  i  Bibergeil 
1848,  die  falsche — ,  vonEston  u.  Eiienne  2537 
Spinalanästtiesie  mit  Stovain,  von  Madden 

u.  Shaheen  603,  —  mit  Tropakokain  .  2643 

Spinalanalgesie,  von  Houghton . 939 

Spina  flü'sigkeit,  Blut  in  der,  von  Geissler 

121,  Nachweis  von  Alkohol  in  der  — , 
von  Schümm  438,  Alkoholgehalt  der  — 
und  des  Blutes  bei  Alkoholisten  u.  De¬ 
liranten,  von  Schümm  u.  Fleischmann 
1066,  1220,  Analyse  der  —  u.  des  Blut¬ 
serums,  von  Kaplan  1283,  zytolögische 
Untersuchung  der  — ,  von  Kliert  .  .  2089 
Spinalparalyse,  spastische,  als  Unfallfolge, 
von  Sarbö  147,  syphilitische  — ,  von 

v.  Lippmann  1799,  familiäre  spastische 

— ,  von  Hoffman n . 1843 

Spiralschnitt,  operative  Behandlung  von 
Varikositäten  und  Ulcera  cruris  mit  dem 
Rindfieisch-Friedelschen,  von  Rauch  .  2354 
Spirochaeten,  Entwicklung  eines  intra¬ 
zellulären  Parasiten  zu,  in  syphiliti¬ 
schen  Affektionen  und  im  Blute 
von  Syphilitikern,  von  Ross  34,  —  im 
Gehirn  bei  Paralysis  progressiva,  von 
Ehrlich  443,  446,  von  Noguchi  und 
Moore  446,  Eindringen  von  —  pallida 
durch  die  unverletzte  Haut  und 
Schleimhaut,  von  Bortarelli  488,  An¬ 
reicherung  von  —  und  Try pannsomen 
im  Kaninchenhoden,  von  Emmerich 
724,  Nachweis  der  —  pallida  im  Zen¬ 
tralnervensystem  bei  der  progressiven 
Paralyse  und  bei  Tabes  dorsalis,  von 
Noguchi  737,  790,  847,  —  in  der  Hirn¬ 
rinde  von  Paralytikern,  von  Marburg 
1069,  Biologie  der  —  des  Rückfall¬ 
fiebers,  von  Wittrock  1165,  —  pallida 
im  Liqu.  cerebrospinalis,  von  Nichols 
und  Hough  1228,  Lokalisation  der  — 


XCVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

in  der  Rückfallfieberzecke,  von  Kleine 
und  Eckard  1841,  Nachweis  von  — 
im  Gehirn,  von  v.  Wassermann  1356, 
Generations-  und  Wirtswechsel  bei  — , 
von  Mayer  1401,  Noguchipräparat  von 

—  im  Gehirn,  von  Schultze  1467,  Be¬ 
obachtungen  an  lebenden  — ,  von 
Meirowsky  1870,  2042,  Vorkommen  von 

—  bei  Dementia  paralytica,  von  Geber, 
Benedek  und  Tatar  2249,  2302,  Vor¬ 
kommen  der  —  bei  früh-  und  spät- 
sphylitischen  Erkrankungen  des  Zen¬ 
tralnervensystems,  von  Versb  2447, 
Reinzüchtung  der  — ,  von  Noguchi 
2483,  die  —  im  Gehirn  der  Paralytiker, 
von  Le  vaditi,  Marie  und  Bankowski  2539, 
Methoden  zum  Nachweis  von  Spros¬ 
sungsvorgängen  an  — ,  von  Meirowsky 
2783,  neue  Methode  zum  Nachweis  der 

—  pallida  in  den  Geweben,  von  Gyenes 

und  Sternberg . *2805 

Spirochaetenherde ,  Widerstandsfähigkeit 
lokaler,  gegenüber  kombinierter  Lues¬ 
behandlung,  von  Fischl  ......  2138 

Spirochaetenpräparato,  von  Reye  .  .  2485 

Spirochaetosen,  Salvarsan-  und  Neosalvar- 
sanbehandlung  der  lokalen,  von  Gerber 
634,  Chemotherapie  der  — ,  von  Giemsa  1074 
Spitalnot,  die  Wiener  1171,  Zahlstock 

und  —  1183 

Spital  wesen,  Wendepunkt  im,  des  Mittel¬ 
alters  im  Abendlande,  von  Sudhoff  .  2482 
Spitzgeschoss,  Wirkung  des,  von  Lotsch 

773,  von  Colmers . 1057 

Splenektomie  bei  perniziöser  Anämie,  von 

Eppinger  2819,  von  Ranzi  .  .  ...  2819 

Splenomegalie  und  Ikterus,  von  v.  Deca- 
stello  1357,  haemolytische  — ,  von 
Pollitzer  1357,  primäre  — ,  von  Downes 
1852,  familiäre  — ,  von  Götzky  1909, 
Indikationen  und  Resultate  der  Milz¬ 
exstirpation  bei  — ,  von  Eppinger  und 
Ranzi  2366,  —  mit  Leberzirrhose,  von 
Tansini  und  Morone  2538,  —  haemo- 
lytica  cum  ictero  acholurico  intercur¬ 
rente,  von  Quadri  . .  2751 

Spohr,  Anklage  gegen  den  Impfgegner  Dr. 

902,  Verurteilung  des  Dr.  ■ —  1471,  das 
Urteil  der  Frankfurter  Strafkammer  im 
Prozess  — ,  von  Fischer  1551,  zum  Pro¬ 
zess  — ,  von  Spohr  1919,  von  Fischer  1919 
Spondylarthritis,  akute,  gonorrhoica,  von 

Sander  .  .  .  ...  1830 

Spondylitis,  Behandlung  der,  in  Leysin, 
von  Straube  203,  —  infectiosa,  von 
Reye  783,  Knochentransplantation  bei 
tuberkulöser  — ,  von  Albee  1339,  — 
traumatica,  von  Krüger  1517,  durch 
Sonnenbestrahlung  geheilte  —  cervi- 
calis,  von  Kienast  u.  Frankfurter  2250, 
syphilitische  —  und  verwandte  Zu¬ 
stände,  von  Sachs  2252,  —  traumatica, 
von  Silberberg  und  Förster  2428,  Be¬ 
handlung  der  tuberkulösen  — ,  von 

Garrö .  .......  2585 

Spondylolisthesis  im  Röntgenbilde,  von 

Wiemers .  2587 

Spontanfrakturen,  multiple,  von  Kolaczek 
1747,  —  bei  Tabes  dorsalis,  von 
Schnürpel  2698,  —  unklarer  spinaler 

Genese,  von  Troemner .  2754 

Spontangangrän,  Therapie  der,  an  den 

Extremitäten,  von  Koga  .  .  .  ,  936 

Sporotrichum  Schenckii,  von  Taylor .  .  .  1851 
Sporozoenpräparate  u.  -kulturen  bei  einem 

Melanosarkom,  von  Paulsen . 155 

Sport  und  Reizmittel,  von  Hueppe  714,  715, 

—  und  Herzerweiterung,  von  Henschen  1169 
Sportbuch  der  Deutschen  Jugend,  von 


Simon .  2064 

Sportsleute,  Untersuchungen  an,  vonKülbs 

und  Brustmann . 1674 

Sprache,  Verlust  der,  von  Meyer  ....  2864 
Sprachheilkunde,  Lehrbuch  der,  von 

Fröschels . 1613 

Sprachstörungen,  synoptische  Gliederung 

der,  von  Gutzmann . 1506 

Sprechstunden,  doppelte . .1414 


Seite 

Spreizfedern  bei  der  Behandlung  eitriger 

Prozesse,  von  Tiegel . 1728 

Spritze,  neue,  zur  Injektion  von  Neosal- 
varsanlösung,  von  Duhot  1088,  neue  — 
für  sterile  Injektionen,  von  Wolff  .  .  2748 
Spritzer,  diagnostische  Bewertung  der,  ge¬ 
nannten  diarrhoischen  Entleerungen, 


von  Graul .  2640 

Sprue,  von  Cantlie  2023,  von  Justi  .  .  -  2754 
Spuckhygiene,  von  Moszeik . 1562 


Spucknäpfe,  Aufstellung  von,  in  Kasernen  2753 
Sputum  s.  a.  Auswurf. 

Sputum,  putrides,  von  Sasaki  u.  Otsuka 
263,  die  Albuminoreaktion  im  — ,  von 
Aparicio  318,  Phosphor-,  Kalk-  und 
Magnesiagehalt  im  — ,  von  Prorog  542, 
Eiweissreaktion  des  — ,  von  Pesskow 
665,  Splitter  im  —  von  Phthisikern, 
von  Forbät  938,  Wechsel  der  Tuberkel¬ 
bazillenformen  im — ,  von  Kirchenstein 
995,  diagnostische  Bedeutung  der  Ei¬ 
weissreaktion  des  — ,  von  Korelkin  996, 
Eiweissreaktion  im  —  Tuberkulöser, 
von  Floru  1051,  Tuberkelbazillenfär¬ 
bung  im  — ,  von  Mas  y  Magro  319, 

324,  Eiweissgehalt  des  —  und  dessen 
diagnostische  Bedeutung,  von  Becko- 
vits  u.  Rudas  2194,  Nachweis  von  ge¬ 
rinnbarem  Eiweiss  im  — ,  von  Kauff- 
mann  2245,  die  Eiweissreaktion  im  — , 
von  Hempel-Jörgensen  2358,  Eiweiss¬ 
gehalt  im  —  Tuberkulöser,  von  Gelder- 
blom  2357,  diagnostische  Bedeutung 
des  Nachweises  von  Eiweiss  im  — 
Lungenkranker,  von  Schneider  2584, 
Albumenreaktion  im  — ,  von  Ridge  u. 
Treadgold  2696,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  des  Eiweisses  im  — ,  von  Isabo- 
linsky  und  Schwerin-Storoshewa  .  .  .  2810 
Sputumuntersuchungen,  Nutzen  des  Anti¬ 
formin  bei,  von  Macalister . 604 

Staatsärzte,  Verordnung  über  die  Anstel¬ 
lung  der,  in  Baden  ......  1974,  2032 

Staatsdienst,  Prüfung  für  den  ärztlichen, 

in  Bayern .  1751,  1864 

Staatshaushaltplan,  bayerischer  ...  .  2262 

Staatshygiene,  von  Burus . 1960 

Stäbchen,  säurefeste,  im  Blute,  von  Lang  1396 
Stäupehen,  die  sogen.,  von  Klotz  ....  2804 


Stadtmedizinalrat,  Berliner .  567,  623 

Stadtphysikat,  Bericht  des  Wiener  .  .  .  2687 
Standesorganisation,  zur  bayerischen,  von 
Ortenau  478,  zum  Ausbau  der  bayeri¬ 
schen  ärztlichen  — ,  von  Bergeat  1834, 

von  Ortenau .  2058 

Staphylococcus  pyogenes,  von  Nakano  .  2915 
Staphylokokkenantiphagine,  Spezifität  der, 

von  Arinkin .  2809 

Staphylokokkensepsis,  von  Gerhardt  .  .  956 

Staphylokokkenvakzin,  Modifikation  des, 

von  Wolfsohn . 207 

Staphylome,  ektopische  hintere,  von 

v.  Szilly .  1513 

Starkstrom  s  u.  Elektrischer  Starkstrom. 
Starkstromverbrennung  und  Tetanus,  von 

Enderlen . 216 

Staroperation,  Technik  der,  von  Best  .  .  895 

Starrkrampf,  von  Herterich . 782 

Stase,  intraabdominale  Anwendung  von 

Oel  bei  postoperativer,  von  Burrows  1963 
Statik  des  Körpers  in  der  Medizin,  von 

Landwehr . 2087 

Statischer  Apparat  von  Gesunden  und 

Kranken,  von  Beck .  2242 

Status  hypoplasticus,  von  Vogt  ....  1620 
Status  thymolymphaticus  und  Salvarsan, 
von  Rindfleisch  387,  715,  Thymustod 
und  — ,  von  Müller  829,  —  bei  Er¬ 
wachsenen,  von  Emerson  .  2077 

Staubinhalation  und  Lungentuberkulose, 

von  Cesa-Bianchi  . 311 

Stauung,  rhythmische,  von  Thies  ....  892 
Stauungsblutungen  bei  Kompression  des 

Körpers,  von  Holland . 1111 

Stauungsmilz,  hypersplenische  Hämoph- 

thisen  und,  von  Pribram .  2302 

Stauungsniere,  zur  Funktion  der,  von 

Nonnenbruch  . . 1276 


Seite 


Stauungspapille,  doppelseitige,  von  Ale¬ 
xander  . 2315 

Steffan  Dr.  Philipp  f . 112 

Stein,  s.  u.  Blasenstein,  Gallenstein,  Niere, 
Nierenstein,  Steinniere,  Ureterstein,  Li- 
tliotripsie,  Konkremente. 

Stein  in  der  Blase,  von  Henkel  ....  613 
Steinbildner,  Löslichkeit  der  wuchtigsten, 

im  Harn,  von  Lichtwitz  ......  1898 


106 


1394 


1529 


1019 


1616 


314 

667 

1616 

2819 

2600 


Steinhauerlunge,  von  Gerhardt 
Steinindustrie,  gesundheitliche  Verhält¬ 
nisse  in  der,  von  Holtzmann 
Steinkohlenteerpech ,  photodynamische 
Wirkungen  von  Inhaltsstoff'en  des 
—  am  Menschen,  von  Lewin 
Steinkrankheit,  Häufigkeit  der,  in  Aegyp¬ 
ten,  von  Madden .  2695 

Steinniere,  von  Sick  .  2089 

Steinschnitt,  Blasennaht  beim  hohen,  von 

v.  Werthern  134,  —  in  Indien,  von  Koch  2141 
Steinverschluss,  Indikationsstellung  beim 
akuten,  des  Ductus  choledochus,  von 

Heidenhain . 

Steisshaken,  Extraktion  mit  Küstners,  von 

Strempel .  ...... 

Steisslage,  Ursache  und  Therapie  der,  von 

von  der  Hoeven . 

Steissteratom,  Fötus  mit,  von  Aulhorn 

Steisstumor,  von  Heyn . 

Stenokardische  Anfälle,  von  Kothny  . 
Sterbekassenverein  der  Aerzte  Bayerns 
Sterblichkeit  grössere,  des  männlichen 
Geschlechtes,  von  Pinnard  und  Magnan 
Stereoskopenbilder,  26,  zur  Prüfung  auf 
binokulares  Sehen  und  für  Schielende, 
von  Hausmann 
Sterilisation  mit  Formoldämpfen,  von 
Gross  und  Barthdlemy  1048,  2920,  Me¬ 
thode  zur  —  einiger  nicht  wässeriger 

Stoffe,  von  Schroeder . 2015 

Sterilisation,  die  strafrechtlichen  Grund¬ 
lagen  der,  von  Rosenfeld  1281,  —  und 
Kastration  als  Hilfsmittel  im  Kampfe 
gegen  das  Verbrechen,  von  Gerngross  2188 
Sterilisierung  aus  rassehygienischen  Grün¬ 
den,  von  Hegar  243,  neue  Operation 
zur  —  des  Weibes,  von  Blumberg  498, 
Technik  der  tubaren  — ,  von  Holzapfel  2297 
Sterilität,  von  Kluge  329,  Dilatation  der 
Fallopischeu  Tuben  wegen  — ,  von 

Lewin  . .  2644 

Sternumfrakturen,  von  v.  Brunn  ....  1746 
Steuererklärung  von  Aerzten .  2289 


958 


1501 


335 


Steuerhinterziehung 

Stichverletzuug  des  Perikards  und  der 
Pleura,  von  Fowelin  658,  operative  oder 
konservative  Behandlung  von  —  der 
Lunge,  von  v.  Kutscha  1110,  Herznaht 
bei  —  des  Herzens,  von  NaBt-Kolb 
Stickstoffansatz  mit  Ammoniaksalzen  oder 

Harnstoff,  von  Grafe . ”24 


2354 


881 


von 


2191 


2512 


2096 


Stickstoffembolie,  von  Zick 
Stickstoffretentionen  bei  Fütterung 
Ammoniaksalzen,  von  Grafe  .  .  . 
Stickstoffsteigerung,  prämortale,  von 

Schmelz . •  . 

Stiftungen  223,  italienische  —  101,  Adel¬ 
heid  Bleichröder-  —  335,  Möbius-  — 

391,  Dettweiler  - —  567,  Hufelandsche 
—  623,  Dr.  Fritz  Oberreitsche  Jugend¬ 
fürsorge-  —  791,  R.  Mossesche  —  1072, 

Adolf  Witzei - 1126,  Dr.  Friedrich 

Müller — 1359,  neue  —  Carnegies  1416, 

—  W.  A.  Freund .  1472, 

Stiftungswesen  in  Bayern .  2030 

Still-Chauffardscher  Symptomenkomplex, 

von  Politzer . 1469 

Stillen  s.  u.  Zoogstations,  Muttertuber 
kulose. 

Stillprämien  und  ihre  Erfolge,  von  Risel 

und  Schmitz .  93 

Stillsche  Krankheit,  von  Koeppe  315,  von 

v.  Starck . 438 

Stilltechnik,  zur,  von  Thiemich . 259 

Stimmärztliches  Gebiet,  neuere  Publi¬ 
kationen  auf  . 208 

Stimmband,  Paraffininjektionen  in  das 

gelähmte,  von  Kretschmann . 1232 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XCVII 


1913. 


Seite 

Stimme,  Galens  Lehre  von  der,  von 

Kassel . 208 

Stimmbildung  und  Stimmpflege,  von  Gutz- 

mann .  .  .  366 

Stimmorgan,  Mechanik  des  menschlichen, 

von  Musehold . 2414 

Stimmstörungen,  Physiotherapie  der  funk¬ 
tioneilen,  von  Flatau  ....  .  .  951 

Stirnhirn,  Endotheliom  des,  von  Hueter  .  895 
Stirnhöhle,  intranasale  Eröffnung  der,  von 
Rtithi  1572,  ungewöhnlich  grosse  — , 

von  Holinger . 1804 

Stirnhöhleneiterungen,  abszedierende,  von 
v.  Lang  1278,  —  und  Kieferhöhleneite¬ 
rungen,  von  Holinger  1411,  Therapie 
der  chronischen  — ,  von  Pick  .  .  .  2138 

Stoffelsche  Operation  s.  a.  Ischias,  Läh¬ 
mungen. 

Stoffelsche  Operation  bei  spastischen  Läh¬ 
mungen,  von  Hohmann  1368,  von  Bund¬ 
schuh  .  .  2354 

Stotfverbrauch,  der  grössere,  des  Kindes, 

von  Kassowitz . 713 

Stoffwechsel,  Stellung  des  Eiweisses  im, 
des  fiebernden  Menschen,  von  Grafe 
569,  —  besonders  der  Mineralien  im 
Säuglingsalter,  von  Müller  und  Schloss 
1618,  von  Takeno  1618,  der  —  eines 
atrophischen  Säuglings,  von  Frank  und 
Wolff  1901,  Einfluss  von  Fettzulagen 
auf  den  —  verdauungsgesunder  Kin¬ 
der,  von  Gift'horn .  2746 

Stotfwechselstörungen,  intermediäre,  von 

Umber  . 2543 

Stoffwechseluntersuchungen  bei  Fiebern¬ 
den,  von  Schwartz .  ...  1222 

Stoff  Wechsel  versuche,  bei,  gebrauchte  Nah¬ 
rungsmittel,  von  Weitzel  263,  —  mit 
Bananenmehl,  von  Kakizawa  .  .  .  1846 

Stomatitis,  Nekrose  des  Zahnfortsatzes  des 

Unterkiefers  bei,  ulcerosa,  von  Hanusa  2743 
Stottern  s.  a.  Stuttering. 

Stottern  und  Fazialisphänomen,  vonFremel  2537 
Stovainanästhesie,  von  Jonnesu  2920,  Pa¬ 
thogenese  der  Abduzenslähmung  bei 

—  des  Rückenmarks,  von  Tenani  .  .  487 

Strafgefangene,  Lebensschicksale  geistes¬ 
kranker  . 1725 

Strafgesetzbuch,  Regierungsentwurf  1912 
eines  österreichischen,  von  Haberda 
1281,  Sittlichkeitsdelikte  im  Entwurf 

zum  neuen  deutschen  — .  2262 

y  -  Strahlen  in  der  Chirurgie,  von  Gould  .  2023 
Strahlenreaktionen,  das  wirksame  Prinzip 

biochemischer,  von  Schwarz . 545 

Strahlentherapie,  die,  in  der  Gynäkologie, 
von  Krönig  und  Gauss  428,  moderne 

—  in  der  Lungentuberkulose,  von  De 
la  Camp  2197,  —  der  Geschwülste,  von 
Keetmann  2248,  —  der  experimentellen 
menschlichen  Tuberkulose,  von  De  la 


Camp  .  2363 

Strahlung,  Einfluss  der  ultravioletten,  auf 
die  Augenlinse,  von  Chalupecky  .  .  .  2196 
Strangerkrankungen,  kombinierte,  von 

Völsch . 1464 

Strassendurchbruch  in  Mülhausen  .  .  .  720 


Streptocccus,  Streptokokken,  Artverschie¬ 
denheit  des,  erysipelatos  und  des  — 
equi,  von  Koch  und  Pokschischewsky 
1164,  Passage  von  —  durch  das  Blut¬ 
serum  fiebernder  Wöchnerinnen,  von 


Hüssy  . . 2136 

Streptokokkenabort,  konservative  Behand¬ 
lung  des,  von  Traugott . 1456 


Streptokokkensepsis,  eigenartige,  von  Gans  2475 
Streptokokkenvakzin,  Massenschutzimp¬ 
fungen  mit  —  während  einer  Schar¬ 
lachepidemie,  von  Schichowskaja  f  .  1623 
Streptomykosis  oralis  f  ebrilis,von  Ben  necke  61 1 
Streptothrixinfektionen,  Serie  von  78,  von 

Foulerton .  1953 

Stridor  congenitus,  von  v.  Starck  ....  2025 

Strophanthidin,  von  Gröber . 1565 

Strophanthin,  pharmakodynamischer 

Grundwert  des  — ,  von  Gros  ....  993 
Strophanthintherapie,  Ausbau  der  intra¬ 
venösen,  von  Thorspecken . 1336 


Seite 

Strophanthin  Wirkung,  Abhängigkeit  [der, 


von  der  Intensität  der  Herztätigkeit,  von 

Weizsäcker . 1505 

Strukturen,  künstlich  erzeugte,  von  Lecha- 
Marzo .  2478 


Struma  s.  a.  Kropf. 

Struma,  experimentelle  Erzeugung  der, 
von  Sasaki  91 ,  —  suprarenalis  hae- 
morrhagica,  von  Küttner  202,  Radio¬ 
therapie  der  — ,  von  Crouzon  und  Folley 
334,  eisenharte  — ,  von  Breuer  900, 
Metastase  der  — ,  von  Stieda  1739, 

—  endothoracica,  von  Wendel  1802, 

Bau  der  kongenitalen  — ,  von  Krasno- 
gorski  2419,  metastasierende,  anschei¬ 
nend  gutartige  — ,  von  Ingier  2690, 
Symptomatologie  der  intrathorazischen 
— ,  von  v.  Sarbo  2749,  kongenitale  — 
und  Thymusvergrösserung,  von  Moisel  2763 
Strumametastase  im  Humerus,  von  Israel  1737 
Strumapressaft,  Einfluss  von,  auf  den  Blut¬ 
druck  und  das  Herz,  von  Grube  .  .  .  1621 

|  Strumarezidiv,  von  Ehrlich .  2252 

Strumitissubsternalis,  vonKrall382,  —  und 
Thyreoiditis,  von  Hagen  561,  —  post- 
typhosa  apostimatosa  tarda,  von  Gali  1566 
I  Strychninwirkung,  zentral  lähmende,  von 

Heubner  und  Loewe . 660 

Studienreise  s.  u.  Amerika. 

Studienreise,  ärztliche  447,  623,  internatio¬ 
nale  —  nach  Spanien  623,  röntgeno¬ 
logische  —  903,  von  Grashey  2200, 

2377,  medizinisch  -  chirurgische  —  in 
Frankreich,  von  Le  Vän  Chinh  .  .  2538 

Studies  from  the  Rockefeiler  Institute  for 

Medical  Research . 1303 

Stühle,  Desinfektion  infektiöser,  von  Kaiser 
482,  Staphylokokkus  in  den  — ,  von 

Schiller . 1949 

Stuhlbild,  Verhältnis  zwischen,  und  Darm¬ 
motilität,  von  Jonas  . 545 

Stümpfe,  Bildung  tragfähiger,  von  Levy  .  1044 
Stumpf,  Rücktritt  des  Zentralimpfarztes 

Med.-R.  Dr . 503 

Stuttering  and  Lipsing,  von  Scripture  .  .  2471 
Styptika,  Wirkung  der,  von  Hynek  .  .  2138 
Styptol,  Erfahrungen  mit,  von  Pick  .  .  2852 
Subarachnoidealblutung,  spontane,  von 

Forsheim  .  2356 

Subduralblutung,  Diagnostik  u.  Operation 

der  traumatischen,  von  Henschen  .  .  39 

Sublimat,  Desinfektionskraft  des,  von 
Steiger  u.  Döll  95,  des  —  in  der  Chi¬ 
rurgie,  von  Marquis  .  2538 

Sublimatinjektion,  intravenöse,  v.  Burkhard  1683 
Sublimatvergiftung  nach  Ausspülungen, 
von  Fischer  609,  —  des  Kaninchens, 

von  Weiler . 1505 

Subluxation,  habituelle,  der  1.  Unterkiefer¬ 
hälfte,  von  Sievers . 614 

Supraorbitalneuralgie,  von  Gerhardt  .  .  956 
Symblepharon  totale  durch  Pemphigus, 

von  Meyer  ...  324 

Symmetromanie,  von  Sternberg  .  .  1844 

Sympathikus,  die  Nebenorgane  des,  von 

Jachontow  .  .  .  .  2421 

Symphysenschnitt,  subkutaner,  von  Frank  2020 
Symphysiotomie,  subkutane,  nach  Frank, 

von  Kehrer  .  .  .  2803 

Symphysis,  Ruptur  der,  ossium  pubis 

unter  der  Geburt,  von  Minüchin  .  .  265 

Symptom,  das  Mahlersche,  und  das  Mi- 

chaelissche,  von  Rasch . 2918 

Syndaktylie,  Behandlung  der,  von  Lerda  2135 
Synostose,  kongenitale  radio-ulnare,  von 
Baisch  427,  Fetttransplantation  bei  — , 

von  Lexer .  2203 

Synovialmembran,  Regeneration  der,  und 
der  Gelenkkapsel,  von  Segale  .  .  .  2586 
Synovitis,  pathologische  Anatomie  der  ten- 

dinösen,  von  Forgue  u.  Etienne  .  .  .  1791 
Synzytiallakunen,  Entstehung  der,  junger 

menschlicher  Eier,  von  Hinselmann  .  1456 
Synzytiopräzipitin,  das,  von  Kiutsi  .  .  314 
Synzytium,  das  mesenchymale,  von  Ranke  1500 
Syphilis  s.  a.  Antikörper,  Antiluetin, 
Aortenerkrankung,  Aortenklappen,  Aor¬ 
tensyphilis  ,  Aortitis ,  Arsenverbin- 


dungen,  Basalmeningitis,  Bauchorgane, 
Blut,  Bronchialerkrankungen,  Bulbär- 
paralyse,  Chorea,  Dementia,  Dünn¬ 
darmsyphilis,  Ekzem,  Embarin,  Exan¬ 
them,  Frühsyphilis,  Geistesschwäche, 
Hautreaktion,  Hektin,  Hepatitis,  Herz¬ 
muskel,  Hirnhäute,  Initialsklerose, 
Kaninchensyphilis,  Keratitis,  Kind, 
Knochensyphilis,  Kutanreaktion,  Kuti- 
reaktion,  Lebersyphilis,  Lebergummen, 
Lues,  Luftwege,  Luische  Spätform, 
Lungensyphilis,  Meningomyelitis,  Me¬ 
talues,  Milch,  Mittelohrentzündung, 
Nervensystem,  Niere,  Nierenbecken¬ 
eiterung,  Nierenentzündung,  Nieren¬ 
erkrankung,  Nierensyphilis,  Ny  stagmus, 
Parasyphilis,  Phlebitis,  Polyarthritis, 
Pseudopolyserosit  s,  Reinfectio,  Säug¬ 
lingsyphilis,  Sanduhrmagen,  Schild¬ 
drüse,  Serum,  Spätsyphilis,  Spinalpara¬ 
lyse,  Spirochaeten,  Spondylitis,  Tabes, 
Taubheit,  Ulcus  callosum,  Zentral¬ 
nervensystem,  Zerebrospinalflüssigkeit. 

Syphilis,  Behandlung  der,  mit  Kontra¬ 
luesin,  von  Klausner  62,  Dauer  der 
Kontagiosität  der  —  und  Ehekonsens, 
von  Hoffmann  96,  Kutanreaktion  der 
— ,  von  Fischer  und  Klausner  149,  Be¬ 
deutung  der  Blutuntersuchung  der  Pro¬ 
stituierten  für  die  Prophylaxe  der  — , 
von  Müller  299,  quantitative  Ausflok- 
kungsreaktionen  bei  — ,  von  Ellermann 
317,  zur  Salvarsanbehandlung  der  — , 
von  Fordyce  485,  Ausflockungsreakti¬ 
onen  bei  — ,  von  Thomsen  und  Boas  549, 
von  Ellermann  550,  zur  persönlichen 
Prophylaxe  der  — ,  von  Bruck  650,  zur 
prähistorischen  bzw.  präkolumbischen 
— von  Sudhoff  672,  die  jetzigen  Heil¬ 
mittel  der  — ,  von  Touton  772,  die 
Wassermannsche  Reaktion  als  Indi¬ 
kator  bei  der  Therapie  der  — ,  von 
Hecht  1069,  Behandlung  der  —  mit 
Salvarsan  in  Verbindung  mit  Queck¬ 
silber,  von  Boas  1111,  Salvarsantherapie 
der  —  in  der  Praxis,  von  Görl  1235, 

—  hereditaria  tarda,  von  Swoboda  1236, 
Abortivbehandlung  der  — ,  von  Abulow 
1285,  Neosalvarsan  bei  — ,  von  Jwanow 
1287,  experimentelle  —  des  Nerven¬ 
systems,  von  Weygandt  und  Jakob  1405, 

—  und  Pest  in  München  am  Ende  des 
15.  und  Anfang  des  16.  Jahrhunderts, 
von  Sudhoff  1439,  Karvonensche  Re¬ 
aktion  bei  — ,  von  v.  Veress  und  Szabö 
1449,  die  —  als  Staatsgefahr  und  die 
Frage  der  Staatskontrolle,  von  Finger 
1452,  von  Gaucher  und  Gougerot 
2201,  —  in  Deutsch-Südwestafrika,  von 
Scherer  1488,  —  und  Fieber,  von  Glaser 
1507,  Intrakutanreaktion  bei  — ,  von 
Baermann  und  Heinemann  1537,  —  und 
Neurasthenie,  von  Krebs  1620,  Jodo- 
starin  bei  der  Behandlung  der  — ,  von 
Bäumer  1620,  Veränderungen  in  der 
Schilddrüse  bei  hereditärer  — ,  von 
Busch  1621,  Behandlung  der  —  mit 
Tryparosan,  von  Waledinsky  1622,  Hei¬ 
lung  der  —  durch  die  kombinierte 
Salvarsanquecksilberbehandlung ,  von 
Scholz  und  Riebes  1789,  experimentelle 
Pathologie  und  Therapie  der  — ,  von 
Uhlenhuth  und  Mulzer  1846,  die  Kutan¬ 
reaktion  bei  — ,  von  Wolfsohn  1851, 
Hektin  in  der  Behandlung  der  — ,  von 
Vilanova  1904,  Bedeutung  akut  ent¬ 
zündlicher  Prozesse  in  den  Organen 
bei  kongenitaler  —  von  Haerle  1951, 
die  Raynaudsche  Krankheit  als  Sym¬ 
ptom  der  hereditären  — ,  von  Bosänyi 
1951,  Fortschritte  in  der  Behandlung 
der  — ,  von  Bering  1951,  akute  Poly¬ 
arthritis  bei  — ,  von  Huzarl952,  Eczema 
oris  als  Manifestation  der  kongenitalen 
— ,  von  Findlay  und  Watson  1955,  kom¬ 
binierte  Lokal-  und  Allgemeinbehand¬ 
lung  der  —  des  Zentralnervensystems, 
von  Swift  und  Eins  1977,  Mortalität  an 


8eite 


7 


XCVlll 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1013. 


Seite 


Seite 


—  in  Paris  1910,  von  Leredde  2028, 
Behandlung  der  —  mit  Embarin,  von 
Gappisch  2029,  —  des  Nervensystems, 
von  Weygandt  u.  Jakob  2037,Studies  on 

—  von  Craig  und  Nichols  2095,  Abortiv- 
beliandlung  der  — ,  von  Frühwald  2195, 
Kutanreaktion  vonNoguchi  bei  — ,  von 
Faainoli  u.Fisicholla  2248.  Begutachtung 
bei  Paralyse  und  —  des  Zentralnerven¬ 
systems,  von  Weygandt  2309,  interne 
okkulte  — ,  von  Weiss  2865,  Biologie 
der  humanen  — ,  von  Qennerich  2391, 
Salvarsantherapie  der  — ,  von  Berger 
2394,  Aurum-Kalium  cyanatum  bei  — , 
von  Grünberg  2423,  Anwachsen  der 
spezifischen  Antikörper  im  Serum  im 
Primärstadium  der  — ,  von  Lichatschow 
2424,  Paralyse  und  — ,  von  Nonne  u. 
Noguchi  2480,  Dementia  paralytica  u. 

Von  Noguchi  2483,  Fortschritte  in 
der  Erkennung  und  Behandlung  der 
— ,  von  Hoffmann  2494,  Diagnose  und 
Therapie  der  —  in  der  Hand  des  prakt. 
Arztes,  von  Wagner  2536,  Bedeutung 
der  biologischen  Reaktionen  für  die 
Diagnose  und  Therapie  der  — ,  von 
Citron  2541,  die  Luetin-Hautroaktion 
bei  — ,  von  Kaliski  2591,  Abortivbe¬ 
handlung  der  — ,  von  Lier  2641,  zur 
Abortivbehandlung  der  — ,  von  Kerl 
2642,  zur  Frühbehandlung  der  — ,  von 
Sachs  2642,  zur  Kasuistik  der  — ,  von 
Spitzer  2642,  Bedeutung  der  Infektions¬ 
quelle  für  den  weiteren  Verlauf  der 
—,  von  Pick  2642,  Behandlung  der  kon¬ 
genitalen  —  mit  Salvarsan,  von  Simp¬ 
son  u.  Thatcher  2644,  innerliche  Dar¬ 
reichung  von  Quecksilber  bei  — ,  von 
Horn  2646,  Etudes  sur  le  särodiagnostic 
et  le  traitement  de  la  — ,  von  Leredde 
2686,  Häufigkeit  der  hereditären  —  bei 
kongenitaler  Geistesschwäche,  von  Gor- 
don  2696,  die  Serodiagnose  der  —  und 
ihre  Bedeutung  für  Diagnose,  Therapie 
und  Prognose,  von  Müller  2742,  2  Fälle 
von  schwerer  — ,  von  Rübl  2751,  ist 
konstitutionelle  —  vom  Ohr  aus  zu 
diagnostizieren  ?  von  Beck  2778,  —  und 
Ehe,  von  Terebinsky  2897,  Wirkung  des 
Embarin  bei  — ,  von  Karelin  2810, 
Liquorstudien  bei  — ,  von  Gamper  u. 
Skutezky  . 

Sypbilisbehandlung,supramaximaleQueck- 
silbereinspritzungen  zur  Einleitung  der, 
von  Ehlers  . . 

Syphilisepidemie,  des  Märchens  Ende  von 
der  grossen,  in  Europa  nach  der  Ent¬ 
deckung  der  Antillen,  von  Sudhotf 

Syphiliserreger,  Entwicklungsgeschichte 
des,  von  Mc  Donagh  1 


Syphilitiker,  das  klinische  Erkennen  von 
sogen,  latenten,  von  Graves  2747,  In¬ 
fektiosität  des  Blutes  von  — ,  von 

Frühwald  .  . .  ... 

Syringom,  von  Ploeger  .  ..••;•••  -UJ- 
Syringomyelie,  von  Wendel  18ü_,  von 
Hess  2702,  Trauma  und  — ,  vonFauth 
315,  warzige  Hyperplasien  der  Gross- 
hirnoberfiüche  bei  — ,  von  Bundschuh 
660,  Arthropathien  bei  — ,  von  Fürn- 
rohr  1843,  —  mit  Arthropathie  und 
Pseudarthrose,  von  Krecke . -991 


T. 


Seite 

2748 


2918 


2358 


1329 

1809 


2760 


186 


2855 


neue  Rosssche 
Entwicklung  des  — ,  von  Schilling  . 
Syphilisfälle,  Verlauf  der  mit  Quecksilber 
frühbehandelten,  von  Scherber  .  .  . 
Syphilisforschung,  moderne,  und  Neuro¬ 
pathologie,  von  Steiner  2419,  weitere 
Ergebnisse  der  experimentellen  — ,  von 
TJhlenhuth  und  Mulzer  .......  2535 

Syphiliskranke,  Schicksal  der,  und  ihrer 
Familien,  von  Kaufmann-Wolf.  .  .  . 
Syphilisimmunität,  Beziehungen  zwiechen, 
und  Rekurrensimmunität,  von  Hidaka 
Syphilisimmunitätsversuche  mit  Spiro- 
chaetenreinkulturen,von  Schereschews- 

ky .  .  •  •  •  • 

Syphilisniere,  von  Munk  .  .  1625,  1089, 

Syphilisparasiten,  neueste  Forschungen 

über .  . 

Syphilisprodukte,  Infektiosität  der  ter¬ 
tiären,  von  Terebinsky . 

Syphilisprophylaxe  mit  Chininsalbo,  von 

Scheresche  wsky . 

Syphilisspirochaeten,  Teilungsfermen  der 
reingezüchteten, von  Nakano  1283,  Rein¬ 
züchtung  der  — ,  von  Sclierescbewsky 
Syphilistherapie  und  Wassermannscho 
Reaktion,  von  Gross  und  Volk  2642, 
Merlusan  in  der  — ,  von  Buchtala  und  ^ 
Matzenauer .  2749 


89 


1020 


2013 

2065 

34 

2807 

1566 


1081 


Tabakarbeiter,  Einfluss  der  Erwerbs-  und 
Arbeitsverhältnisse  der,  auf  ihre  Ge¬ 
sundheit,  von  Thiele  .  .  1980 

Tabakrauchen,  Wirkung  des,  auf  _das  Ge- 
fässsystem,  von  Schmiedl  1079,  Ein¬ 
fluss  des  —  auf  den  Organismus,  von 

Frankl-Hoch  wart . •  •  •  1843 

Tabes  s.  a  Gelenkentzündungen,  Gelenk¬ 
erkrankungen. 

Tabes,  Behandlung  gastrointestinaler  Kri¬ 
sen  bei,  dorsalis  durch  Resektion  hin¬ 
terer  Dorsalwurzeln,  von  Bungart  201, 
Behandlung  der  Ataxie  bei  — ,  von 
Frenkel,  217,  —  superior,  von  Willi- 
amson  218,  Ursachen  des  Sehnerven¬ 
schwundes  bei  — ,  von  Stargardt  269, 
infantile  und  juvenile  — ,  von  Barkau 
062,  —  und  Patellarfraktur,  von  Le 
Dentu  076,  die  gastrischen  Krisen  bei 
der  —  dorsalis,  von  Cade  und  Leriche 
712,  Spontanfraktur  bei  —  dorsalis,  von 
Habs  728,  Nachweis  der  Spirochaete 
pallida  im  Zentralnervensystem  bei  — , 

von  Noguchi  737,  790,  847,  d  Arson- 
valisation  bei  — ,  von  Buchholz  999, 
zur  Behandlung  der  — ,  von  Hirsch 
1036,  Statistisches  über  —  und  allge¬ 
meine  Paralyse,  von  Paulian  1050,  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Noethe  1175, 
spontane  Beckenfraktur  bei  — ,  von 
Schnürpel  1226,  antiluetische  Therapie 
der  — ,  von  Dreyfus  1511,  Heilbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Dupuy  1525,  —  und 
Salvarsan,  von  Leredde  1526,  .  atac- 

tica,  von  Tschirjew  1564,  juvenile  — 
mit  Geistesstörungen,  von  Zerzycki 
1732,  die  Hypersekretion  während  der 
gastrischen  Krisen  bei  — ,  von  Dauwe 
2255,  Spontanfrakturen  bei  —  dorsalis, 
von  Schnürpel  2698,  nervöses  Fieber 
bei  —  dorsalis,  von  Siegrist  2726,  Früh¬ 
diagnose  der —  und  der  —  oligosympto- 

rnat'ca,  von  Austregeliso .  2805 

Tabeslehre,  neue  Wendungen  und  Um¬ 
wertung  der,  von  Erb  .  .  1510 

Tabische  Erscheinungen,  Heilung  von, 

von  Dölken . 1221 

Tabische  Krisen,  Dehnung  des  Plexus  so¬ 
laris  wegen,  von  Leriche . 1277 

Taboparalyse,  von  Rittershaus  .....  213 

Taches,  le  diagnostic  des,  en  medecine 

legale,  von  Dervieux  und  Leclercq  .  1103 
Tachykardie,  paroxysmale,  von  Lommel 
327,  verschiedene  Formen  der  regu¬ 
lären  _J  von  Lewis  940,  Pathogenese 
der  paroxysmalen  — ,  von  Hoffmann 
1467,  15  Fälle  paroxysmaler  — ,  von 
Grassmann  1597,  Pathogenese  u.  The¬ 
rapie  der  paroxysmalen  — ,  von  Kauf¬ 
mann  und  Popper  2194,  paroxystische 
— ,  von  Danielopolu  ........  2304 

Tätowierung,  Erysipel  und,  von  Sehrwald 

976,  Entfernung  von  — ,  von  Stern  .  2731 
Talmaoperation,  von  Strobel  ......  1684 

Tamponade,  Gefahren  der,  von  IVeber  . 
Tamponbehandlung,  Modifikation  der,  von 

Kraus  .  ....... 

Tampondrainage,  Indikationen  und  Resul¬ 
tate  abdominaler,  von  Küster  .... 
Tannargentanstäbchen,  Behandlung  go¬ 
norrhoischer  Prozesse  mit,  von  Polland 


Tannismut  bei  Enteritis,  von  Tobeitz  .  . 
Tarifvertrag  zwischen  dem  Reichspostamt 
und  dem  Leipziger  Verband  165,  167, 
die  ärztlichen  — ,  von  Koebner  .  .  . 
Tastsinn,  Einiges  über  den,  von  Basler  . 
Taubheit  infolge  Liquoransammlung,  von 
Bärdny  219,  Wiederherstellung  des  Ge¬ 
hörs  nach  kompletter  — ,  von  Bärdny 
264,  Behandlung  der  kongenitalen 
syphilitischen  —  mit  Salvarsan,  von 
Biggs  604,  gekreuzte  —  mit  Parese 
und  Anästhesie  der  anderen  Seite,  von 
Benedikt  730,  Behandlung  der  —  mit 
Ohrgymnastik,  von  Fernet  .  .  . 
Taubstumme,  Erblichkeit  und  Bluts\er- 
wandtschaft  bei  den,  von  de  Wilde 
Taubstummenuntersuchungen  inSt.Gallen, 

von  Gallusser . 

Teakholzbearbeitung,  Dermatitis  nach,  von 

John . 

Tebean  .  . 

Tebesapin,  Zeunersches  Tuberkulose¬ 
präparat,  von  Möllers  und  Wolff  .  .  . 
Technik,  therapeutische,  von  Schwalbe^  . 
Technische  Neuheiten,  von  v.  Tobold  773, 
Telekardiograph,  der,  ein  Ersatz  des  Ortho- 
diagraphen,  von  Huismans  .  .  2400, 
Telephon  s.  u.  Fernsprechbeamtinnen. 
Telephon,  Betriebsunfälle  am,  von  Ols- 

hausen  . 

Telephongutachten,  von  Foerster  .... 
Telephon  Unfälle,  zur  Begutachtung  von, 

von  Foerster .  • 

Teleröntgen,  Ersatz  des  Orthodiagraphen 
durch  den,  von  Huismans  .  .  . 
Teleröntgenographie  s.  u.  Herzmessung. 
Tellurnährböden,  von  Schürmann  u.  Hajos 
Tellurplatte,  Conradi-Trochsche,  zum  Diph¬ 
therienachweis,  von  Wagner  457,  von 
Klunker  1025,  über  — ,  von  Regens¬ 
burger  . .  •  2026, 

Tellurserum,  Wrachstum  des  Diphtherie¬ 
bazillus  auf,  von  Axionovy  .... 
Temperaturmessungen,  vergleichende,  von 

Stäubli . 

Temperatursteigerungen,  rektale,  von 

Weinert . 

Temperatur  Veränderungen,  Hervorrufung 
von,  von  Thiele  und  Embleton 
Tendo-  und  Neurolysis  mit  Fettplastik,  von 

Eden  . .  • 

Tendovaginitis,  gonorrhoische,  von  Itau- 

schenberger .  ....  . 

Tenosin  1840,  von  Jäger  1714,  von  Zimmer¬ 
mann  2675,  Erfahrungen  mit  — ,  von 
Krosz  ....  ■  .....•• 

Tensor  tympani,  willkürliche  Kontrak¬ 
tionen  des,  von  Mangold  ......  1027 

Teratoblastome,  strumöse,  des  Ovariums, 

Frankl . 23  <1 


2869 

2140 

1681 

1896 

1840 

263 

87 

1902 

2759 


2697 

2748 


1566 


1004 

994 


2315 


1288 

1017 

1542 


1216 


946 

1828 


2587 


von 


1015 


2588 

206 


1457 


1045 

241 

827 


Teratogenie,  von  Kehrer  .  ...... 

Teratoma  embryonale  der  Schilddrüsen¬ 
gegend,  von  Ehlers 

Termiten,  Biochemie  der,  von  Schübel  . 

Terpinomenth . . ^40 

Tetanie,  von  Haenel  667,  von  Grüneberg 
895,  Ueberregbarkeit  der  Nerven  bei  — , 
von  Mac  Callum  543,  Btrumiprive  — , 
von  Mainzer  561,  —  und  tetanoide 
Zustände  im  Kindesalter,  von  Fischl 
939,  —  Neugeborener,  von  Kehrer  1618, 
Bromkalzium  bei  —  der  Kinder,  von 
Grünfelder  1695,  -  bei  Perforations¬ 
peritonitis,  von  Holtersdorf  1848,  - 
parathyreopriva,  von  v.  Eiseisberg  2252, 

—  bei  abdominellen  Affektionen,  von 
Bircher  2533,  geburtshilflich-gynäko¬ 
logische  Bedeutung  der  — ,  von  Kehrer  2803 
Tetaniekatarakt,  von  Stöltzner  .....  1617 
Tetanus,  Heilung  des,  mit  Magnesium¬ 
sulfat,  von  Kocher  431,  Magnesium¬ 
behandlung  des  — ,  von  Arnd  431, 
prophylaktische  Serumtherapie  des  — , 
von  Kolb  und  Laubenheimer  456,  Be¬ 
handlung  des  —  nach  Baccelli,  von 
Guliajew  995,  Behandlung  des  —  mit 
Magnesiumsulfat,  von  v.  Redwitz  1864, 
geheilter  Fall  von  —  neonatorum,  von 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XCIX 


1913.  _ _ 

Seite 

Wo! ff  2 1 38,  Wert  der  Serumtherapie 


bei  — ,  von  Weber .  2232 

Tetanusantitoxin,  von  Friedmann  ....  2495 
Tetanustoxin,  Wirkung  der  Pyozyanaso 

auf  das,  von  Silvestrini . 1850 

rheoform .  ....  2472 

Thörapeutique  des  Cliniques  de  la  Faculte 
de  Paris,  von  Laignel-Lavastine  .  .  .  2241 
Therapie,  Handbuch  der  gesamten,  von 
Penzoklt  und  Stintzing  879,  ein  Ge¬ 
spräch  über  — ,  von  Krehl . 1844 


Thermalbadekuren,  funktionelle  Kontrolle 

bei,  von  Havas . 949 

Thormalduschemassage,  Einwirkung  der, 
auf  die  TJrinbestandteile.von  Rothschuh  94(1 
Thermokauter,  erfolgreiche  Behandlung 
von  haemophilen  Blutungen  mittels 

des,  von  Meyer . 1649 

Thermopenetration ,  wissenschaftliche 
Grundlagen  der,  von  v.  Zeynek  .  .  .  950 

Thermopräzipitinreaktion  bei  Tuberkulose, 
von  Faginoli  1480,  Ergebnisse  und 
Ausblicke  der  — ,  von  Ascoli  ....  2534 
Thigenol  in  der  gynäkologischen  Thera¬ 


pie,  von  Hirschberg . 773 

Thiriar  Prof.  Dr.  f  .  .  • . 1528 

Thorakoplastik,  extrapleurale,  von  Brauer  437 
Thorakotomie  und  Hydrothorax ,  von 

Schepelmann  .  2806 

Thorax,  negativer  Druck  im,  von  v.  Wyss 
1216,  seltene  Missbildung  des  — ,  von 
Kreiss  1435,  Entwicklung  des  — ,  von 

Zeltner . 1901 

Thoraxbewegung,  Einfluss  der  Mund-  und 
Nasenatmung  auf  die,  von  Hofbauer  2131 
Thoraxdruck,  die  zirkulatorische  Funk¬ 
tion  des,  von  Hofbauer  .  . .  2804 

Thoraxkompression  m.  Stauungsblutungen, 
von  Zimmermann .  2009 


Thorax wundresektion,  von  v.  Eiseisberg  1236 
Thorium  X,  1838,  chemische  Einwirkung 
des  — ,  auf  organische  Substanzen,  be¬ 
sonders  auf  Harnsäure,  von  Falta  u. 
Zehner  40,  ambulatorische  Trinkkurbe¬ 
handlung  mit  —  bei  perniziöser  Anae- 
mie,  von  Prado-Tagle  40,  Heilung  eines 
Falles  von  Hautsarkomatose  durch  — , 
von  Herxheimer  185,  —  in  der  Biologie 
und  Pathologie,  von  Plesch,  Karczag 
u.  Keetmann  257,  Wirkung  des  —  auf 
die  Zirkulation,  von  Maass  u.  Plesch 
257,  Wirkung  des  —  auf  den  tierisch. 
Organismus,  von  Pappenheim  u.  Plesch 
257,  chemische  Einwirkung  des  —  auf 
organische  Substanzen,  von  Plesch  263, 
von  Falta  u.  Zehner  545,  Einfluss  von 

—  auf  keimende  Pflanzen,  von  Kahn 
454,  physiologische  und  therapeutische 
Wirkungen  des  Radium  und  — ,  von 
Fürstenberg  480,  Vergleich  der  Wirkung 
von  —  und  Röntgenstrahlen ,  von 
Krause  773,  zur  biologischen  Wirkung 
von  — ,  von  Saile  894,  von  Salle  und 
Domarus  2851,  —  in  der  Biologie  und 
Pathologie,  von  Loewy  992,  Behand¬ 
lung  der  Psoriasis  mit  — ,  von  Gud- 
zent  und  Winkler  1166,  mit  —  behan¬ 
delte  Fälle  von  Leukämie,  von  Grund 
1175,  Organotropie  von  —  und  Thor.  B, 
von  Metzener  1674,  biologische  Wirkung 
des  — ,  von  Hirschfeld  u.  Meidnerl674, 

—  bei  inneren  Krankheiten,  von  Me- 

seth  2 1 05,  Kreisl aufwirkung  des  — ,-  von 
Tsiwidis  2191,  Therapie  der  Leukämie 
mit  — ,  von  Rosenow  2214,  —  bei 
der  experimentellen  Anämie,  von  Czer- 
norutzky .  2425 

horium-X-Injektionen,  Blutdruck  nach, 

von  SudhofE  und  Wild .  2851 

horium-X-Intoxikation,  Adrenalingehalt 
der  Nebennieren  bei,  von  Salle  und 

Apolant .  2851 

horium  X-Therapie  bei  Anämie,  Leukämie 
u.  rheumatischen  Erkrankungen,  von 

Bickel . 483 

horium  X-Wirkung  auf  das  Blutzellen¬ 
leben,  von  Arneth . 994 

horiumbebandlung,  Beobachtungen  über, 
von  Loben hoffer  . 1683 


Seite 

Thoriumchloridbehandlung, therapeutische 
Versuche  mit  lokaler,  bei  Karzinom¬ 
mäusen  und  Sarkomratten,  von  Caan  1078 
Thoriumstrahlen,  Behandlung  perniziöser 

Anämie  mit,  von  Park . 1223 

Thorn  Prof.  Dr.  W.  f  1016,  von  Wein¬ 
brenner  . (383 

Thromboarteriitis,  von  Reinacli .  2704 

Thrombophlebitis,  eitrige,  von  Reinach  .  2704 

Thrombosen  der  Art.  carotis,  von  Rössle 
158,  totale  —  der  unteren  Bauchaorta, 
von  Rössle  158,  Zuckerinfussionen  als 
Prophylaktikum  gegen  —  von  Kuhn 

1277,  —  und  Embolien  nach  gynäko¬ 
logischen  Operationen,  von  v.  Wenczel 

1278,  Aufbau  und  Entstehung  der  toxi¬ 
schen  — ,  von  Kusama  1280,  die  trau¬ 
matische  —  an  der  oberen  Extremität, 
von  Baum  1296,  hyaline  —  der  Nieren- 
gefässe,  von  Herzog  1341,  traumatische 
—  der  V.  cava  in  Bezug  auf  Lebens¬ 
versicherung  von  Weber  1434,  —  der 
Sinus  cavernosus  bei  einem  Säugling, 
von  Bertlich  1435,  — infolge  Arterien¬ 
wandläsion,  von  Williamson  1916,  zur 
Frage  der  — ,  von  Hauser  2418,  dürfen 
wir  die  Möglichkeit  einer  fortschreiten¬ 
den  —  und  die  Thromboembolie  noch 
als  unvermeidbar  ansehen?  von  Witzei 


2632,  ante-mortem-  —  im  r.  Herzen 
als  Todesursache  bei  der  Lobärpneu¬ 
monie,  von  Fleming .  2697 

Thüringer  Wald,  der,  und  seine  Heil¬ 
faktoren  . 1673 

Thumkaffee  s.  u.  Kaffeegetränk. 

Thymektomie  bei  m.  Basedowii ,  von 
Schumacher  und  Roth  201,  von  v.  Ha- 

berer . 1008 

Thymin  bei  der  Behandlung  des  m. 
Basedowii  und  als  Schlafmittel,  von 
Hirsch .  2535 


Thymus  s.  a.  Basedowii  morbus. 

Thymus,  Trachealverdrängung  bei,  hyper- 
plasticus,  von  Schubert  145,  dermoidale 
Zyste  des  — ,  von  Felber  388,  Schild¬ 
drüse,  —  und  ihre  Nebendrüsen,  von 
Maurer  724,  Beziehung  des  —  zur  Schild¬ 
drüse,  —  von  Basch  769,  Beziehungen 
von  —  und  Ovarien  zum  Blutbild,  von 
Heimann  1291,  Nachweis  eines  persi¬ 
stierenden  oder  hyperplastischen  — 
mittels  der  Abderhaldenscher  Fermen  t- 
reaction,  von  Kolb . 1642 

Thymusdrüse,  Pathologie  der,  von  Klose 
781,  Röntgenstrahlen  bei  Hyperplasie 
der  — ,  von  Crotti  1224,  über  die  — , 
von  Basch  1789,  Physiologie  und  Patho¬ 
logie  der  — ,  von  Meinhold  2012,  die 


Natur  der  — ,  von  Fulci . 2137 

Thymusexstirpation  und  ihre  Erfolge,  von 

v.  Haberer .  2252 

Thymusextraktwirkung,  Analyse  der,  von 

Fischl .  2372 

Thymushypertrophie ,  Symptomatolog:e 

und  Therapie  der,  von  Boissonas  .  .  .  1617 
Thymusresektion  bei  Thymushyperplasie, 

von  Paysen . 1574 

Thymusstenose,  von  Grenacher . 265 

Thymustod  und  Status  thymolymphaticus, 
von  Müller  829,  —  bei  kleinen  Kindern, 

von  Perez-Montant . •  .  2247 

Thymuszysten,  von  Hueter  . 660 

Thyreoidea  und  Schwangerschaft,  von 

Moosbacher  1291,  von  Guggisberg  .  .  1455 
Thyreoiditis  chron.  maligna,  von  Meyer  .  429 
Tkyreose  und  Tuberkulose,  von  Saathoff 
230,  Kombination  von  mit  Nephrosen, 

von  Jamin . 1843 

Tibiadefekte,  Heilung  grösserer,  von 

Brandes .  731,  1627 

Tichutkin  N.  P.  f . 792 

Tiefenbestrahlung,  neue,  von  Krause  833, 
gynäkologische  — ,  von  Albers  Schön¬ 
berg  950,  von  Gauss  950,  Tech  nik  der  — , 
von  Fränkel  950,  von  Schnee  1217,  Ver¬ 
halten  der  blutbildenden  Organe  bei 


der  modernen  — ,  von  Heinecke  2657,  2703 
Tierkrebs,  intravenöse  Injektionen  bei,  von 

Loeb  und  Fleischer . 1851 


Seite 

Tier-  und  Pflanzenkunde,  vergleichende, 
von  Wagner . .  .  990 

Tierpsychologie,  die  moderne,  und  die 
Elberfelder  Pferde,  von  Haenel  .  .  .  212 

Tod,  Bestimmung  der  Zeit  des,  nach  dem 

Knochenbefund,  von  Tinelli . 1169 

Todesfälle :  Aguilar  1752,  Alcock  1528, 
Ascherson  680,  Baelz  2031,  Bardenlieuor 
1864,  2121,  ßasch  1127,  Belisari  280, 
Bennecke  1016,  v.  Bestelmeyer  1640, 

1776,  Billings  736,  1096,  Binz  168, 
Bochenek  1303,  de  Boeck  2767,  Bourget 
1696, 2180,  Brackett  54,  v.  BramannlOlO, 

1438,  Bristow  903,  v.  Brüning  392,  Bürk- 
ner  2031,  Calleja  y  Sanchez  1016,  Coyne 
2640,  Crandall  112,  Cugini  2767,  da 
Cunha  Feijo  792,  Dick  1303,  Dirnor  54, 
Duffin  504,  Duhring  1303,  Dünn  792, 

Egger  736,  846,  Egidi  1696,  Fede  504, 
Forchheimer  1416,  Fossel  2031,  2407, 
Frank  448,  Gardner  1752,  Gemwell  903, 
Gibson  224,  Goldmann  1864, 2735,  Gotch 
1696,  Greve  54,  Hällst4n  1472,  Hartley 
1584,  Head  1752,  Heller  280,  Hervieux 
448,  Hjelt  1864,  Hiss  792,  Houy  1696, 
Huber  736,  1042,  Hutchinson  1528,  1605, 
Jaccoud  1016,  Jayne  1864,  Juffinger 
2823,  Kassowitz  1472,  Klebs  2496, 
Knight  1184,  v.  Koränyi  1184,  Ivrychka 
112,  Kutner  2317,  2320,  Kyger  1360, 
Lachapelle  1640,  Lautschner  224,  Le¬ 
rnen  792,  Lloyd  903,  Lobello  1696, 
Lucas-Championiere  2440 ,  Mc  Clellan 
1016,  McHardy  504,  Marro  1303,  Martin 
1640,  Mehlhausen  1416,  Mitlacher  224, 

Moret  903,  Morrow  792,  Motais  1528, 
Müller  F.  C.  2096,  Naecke  2031,  Niedner 
1360,  Noesske  168,  Otto  736,  Pagen¬ 
stecher  2152,  Panella  280,  Parenski 
1472,  Parker  736,  Patoir  504,  Perrin 
903,  Pertik  623,  Petersson  112,  Pineiro 
1584-,  Podwyssotzki  392,  607,  Poncet 
2208,  Ponfick  2552,  2843,  Powers  1360, 
Preiser  1864,  Reczey  2552,  Redfern  102, 
Reiner  736,  Rieder-Pascha  1919,  Sa- 
muely  1584,  Scheel  1472,  Schiff  568, 
Schoetensack  168,  Schröter  448, 
Schuchardt  2552,  Seemann  623,  1831, 
Sisson  1864,  Steffan  112,  Thiriar  1528, 

Thorn  1016,  1383,  Tichutkin  792,  Traut¬ 
mann  2552,  2793,  Tuttle  448,  Upson 
1303,  Vergely  1416,  Virchows  Witwe  504, 


v.  Vogl  1416,  1550,  Wallace  2552,  2593, 

Weyl  1303,  Whitehead  1976,  Wising  112 
Todesursachen,  plötzliche  klinisch  rätsel¬ 
hafte,  während  oder  kurz  nach  der  Ge¬ 
burt,  von  Saenger . 1321 

Todesursachenstatistik  der  Berliner  Lebens¬ 
versicherungsgesellschafton,  von  Eisen¬ 
stadt  .  2699 


Tötungsversuche  an  Kindern,  von  Meixner  2310 
Tollwut  s.  u.  Lyssa,  Rabies. 

Tollwut,  zur  Aetiologie  der,  von  Proescher 
827,  —  in  Preussen  im  Jahre  1912  .  1918 
Tollwutschutzimpfungen,  Statistik  der,  am 
Institut  Pasteur  von  Samara  1886  bis 

1910,  von  Acker .  622,  844 

Tonometer,  modifiziertes  Schiötzsches,  von 

Rüben . 1514 

Tonschlamm,  Indikationen  und  Wirkungen 

des  Homburger,  von  Noorden  .  .  .  296 

Tonsilla,  Catarrhus  chron.  hypertrophicus 
der  linguaüs,  von  Zografides  97,  die  — 
lingualis  lateralis  und  ihre  Erkrankung 
an  Angina,  von  Levinstcin  265,  Total¬ 
exstirpation  der  — ,  von  Auerbach  265, 
das  Massackor  der  — ,  266,  physiolo¬ 
gische  Bedeutung  der  — ,  von  Henke 
1231,  die  Entwicklung  der  Operationen 
an  den  —  und  adenoiden  Vegetationen, 
von  Beck  1689,  Bekämpfung  der  Nach¬ 
blutung  bei  den  chirurgischen  Ein¬ 
griffen  an  den  — ,  von  Rdtlii  1793, 
Funktion,  Pathologie  und  Operationen 
der  — ,  von  Hett  2024,  Technik  der 
extrakapsulären  Totalexstirpation  der 

— ,  von  Trautmann .  2223,  29(2 

Tonsillektomie,  unliebsame  Nachwirkun¬ 
gen  der  zu  radikalen,  von  Stucky  266, 


c 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 


Methode  der  — ,  von  Klapp  1058,  — 

bei  chronischer  Mandelgrubeninfektion, 

von  Oertel  1792,  totale  —  und  deren 
Indikationen,  von  Trautmann  1802,  — 
bei  Kindern,  von  Riedel  ... 
Tonsillektomiefrage,  zu,  von  Goerke  1450, 

1571,  von  Tenzer . 

Tonsillenexstirpation,  ihre  Gefahren  und 
deren  Bekämpfung,  von  Halle  .  .  .  . 
Tonsillitis,  chronische,  von  Pässler  503, 

—  membranacea,  von  Regensburger  . 
Tonsillotomie,  Endresultate  bei  der,  und 

Tonsillektomie,  von  Whale . 

Tornister  oder  Rucksack? . 

Torticollis  oculaire,  von  Goerlitz  .... 
Totalexstirpationen,  hundert,  bei  Myoma 
uteri,  von  Flatau  87,  Spätileus  nach 

vaginaler  — ,  von  Schütze . 

Totalprolaps,  Operation  von,  nach  W.  A. 
Freund,  von  Klein  ........ 

Toxämie,  Einleitung  zum  Kapitel  der  ali¬ 
mentären,  von  White  1734,  Sympto¬ 
matik  und  Behandlung  der  alimen¬ 
tären  — ,  von  Gaumlby  1735,  Folgen 
und  Behandlung  der  alimentären  , 
von  Lane  1735,  Hantsymptome  der  ali¬ 
mentären  — ,  von  Gallo way  1735,  die 
alimentäre  — ,  von  Dixon  2693,  Be¬ 
ziehungen  zwischen  der  Schilddrüse 
und  der  alimentären  — ,  von  Long- 

mead . 

Toxinbefunde  im  Blut,  von  Harriehausen 

und  Wirth . . 

Toxine,  Bildung  eines  akut  wirkenden 
Giftes  aus,  von  Friedberger,  Mita  und 

Kumagai . •  •  •  •  • 

Toxipeptiden  Vergiftung,  biochemische 

Differentialdiagnose  bei,  und  Methyl¬ 
alkoholvergiftungen,  von  Segale  .  . 
Toxynon  1840,  2472,  intravenöse  Injek¬ 
tionen  mit  — ,  von  Gutmann  .  1951, 
T.R.  Wert  des,  bei  der  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Fowler  2695,  Stellung  des 
—  unter  den  Behandlungsmethoden 
der  Lungentuberkulose,  von  White  . 
TR.- Behandlung,  ambulatorische,  von 

Cooke  . 

Trachealstenosen,  Behandlung  der,  nach 
dem  Luftröhrenschnitt,  von  Thost  .  . 
Trachelorrhaphie  als  Prophylaxe  des  Zer- 
vixkrehses,  von  Asch . 

Tracheobronchialdrüsentuberkulose  und 

ihre  chirurgische  Behandlung,  von 

Betke . .  •  • 

Tracheostenosis  thymica,  von  Höniger  . 
Tracheotomie,  Bericht  über  100,  von  Be¬ 
wald  ....  . • . 

Trachom  s.  a.  Körnerkrankheit. 

Trachom,  Untersuchungen  über,  von  Czap- 

lewski . 

Trachomkörperchen ,  Prowazek  -  Halber- 
städtersche  und  ihre  diagnostische  Be¬ 
deutung,  von  Kuczerenko . 

Tränendrüse,  Verhalten  der,  während  der 

Narkose,  von  Rutherford . 

Tränensack,  Eröffnung  des,  von  der  Nase 
aus,  von  West  1514,  1572,  von  Mayer 
Tränensackeiterung,  geheilte,  von  West 
1009,  Jodin  jektionen  bei  — ,  von  W  essely 
Träume  mit  auf  der  Hand  liegender 

Deutung,  von  Bleuler . 

Tragbahren,  Anbringung  von,  in  Eisen 

hahnwagen,  von  Immecke . 

Traggestell,  zusammenlegbares,  von  May  er 

hofer . 

Transfusion  und  Infusion,  von  Dreyer 
2069,  Gefahren  der  —  und  ihre  Ver 
hütung,  von  Ottenberg  und  Kaliski 
Transhimalaya,  von  Sven  Hedin  .  . 
Transkondomoskop,  von  Mansfeld  .  . 
Transparentuntersuchung, Slrasburgersche, 

von  Bökav  . 

Transplantation  s.  a.  Faszientransplan 
tation,  Fetttransplantation,  Gefäss- 
transplantation,  Gelenktransplantation, 
Hauttransplantation ,  Muskelverpflan¬ 
zung,  Sehnenüberpflanzung. 
Transplantation  von  Gelenkenden,  von 
Axhausen  39,  freie  —  des  Peritoneums, 


2269 

2692 

484 

2315 


1954 

2752 

1120 


1729 

2297 


2694 

1279 


1784 


429 

2012 


2696 

2023 

1009 

1951 


2008 

370 


2806 


559 


Seite 


Seite 


2193 


785 

1746 


621 


996 

2643 

2818 

1514 

2519 

2752 

1170 


2641 

480 

1456 


2689 


von  Hofmann  314,  von  Friedemann  544, 

—  des  Oberschenkels  heim  Hunde,  von 
Jianu  603,  gestielte  —  der  Vena  facialis 
zum  Ersätze  des  Ductus  Stenonianus, 
von  Jianu  603,  freie  —  von  Sievers  614, 
freie  —  des  Peritoneums,  von  Hof¬ 
mann  825,  —  von  Pankreasgewebe  in 
die  Milz,  von  Pratt  und  Murphy  1224, 

—  von  Blutgefässen,  von  Castiglioni 
1340,  freie  —  des  1.  Interphalangeal- 
gelenkes,  von  Göbell  15/ 4,  freie  der 
Haut  von  Neugeborenen  und  Föten, 
von  Minervini  1907,  die  praktisch«  Ver¬ 
wendung  der  freien  — ,  von  Lexer  2059, 
freie  „  von  Knochen,  von  Rovsing  .  2357 

Trautmann  Prof.  Dr.  f  2552,  von  Dunbar  2793 
Tremor,  der,  und  dessen  Untersuchung 
mittels  des  Haitengalvanometers,  von 

Saenger  und  Bornstein  . 556 

Trendelenburgsche  Operation,  Grundlagen 
der,  bei  der  puerperalen  Lungenembolie, 
von  Vogt . •  •  1504 

Trepan,  elektromotorisch  betriebener  Elliot- 

scher,  von  Vogt  .  .  ......  1514 

Trepanation,  nachträgliche,  bei  durch¬ 
gehendem  Schädel  Stirnschuss ,  von 
Lexer  612,  anatomische  Befunde  bei 
Elliotscher  — ,  von  Stock  1687,  Wir¬ 
kung  der  —  auf  das  Gehirn,  von  Ahrens  2251 
Treponema  calligyrum  in  Kondylomen, 

von  Noguchi . 1223 

Tricalcol  2472,  von  Stoeltzner .  2768 

Trichinenschau,  obligatorische,  in  Bayern  1527 
Trichinöse  Tiere,  Stoffwechseluntersu¬ 
chungen  an,  von  Flury  und  Groll  .  . 
Trichinose,  Untersuchungen  über  die,  von 
Romanowitsch  549,  von  Flury  .... 

Trichobezoar,  von  Franke . 

Trichocephalus,  Chloroanämie  infolge  von, 

dispar,  von  Schablin . 

Trichoepithelioma  papulosum  multiplex, 

von  Delbanco . 1574 

Trichozephalosis  mit  Nekropsie,  von  Ure- 

chia,  Tzupa  und  Mateescu .  2303 

Trichterbrust,  kongenitale,  von  Frühwald  1340 
Trigeminusneuralgien,  elektrolytische  Be¬ 
handlung  der,  von  Röthi  295,  Fort¬ 
schritte  der  physikalischen  Therapie 
der  -  ,  von  Alexander  935,  Behandlung 
schwerer  Formen  von  —  mit  Alkohol¬ 
injektionen,  von  Loevy  994,  Behand¬ 
lung  der  —  mit  Alkoholeinspritzungen, 
von  Offerhaus  2139,  Alkoholinjektionen 

bei  — ,  von  Flesch  .  . 

Trikuspidalatresie,  angeborene,  von  Wie¬ 
land  .  . 

Trikuspidalklappe,  kongenitale  Anomalie 

der,  von  Ghon  u.  Heigel . 1576 

Trinkerfürsorgestelle,  III.  Jahresbericht  der 

Münchener .  ....  1238 

Trinkwasser  s.  a.  Chlorkalksterilisation. 
Trinkwasser,  Entkeimung  von,  mit  Chlor¬ 
kalk,  von  Äntonowsky  663,  Desinfek¬ 
tion  des  —  mit  Chlor,  von  Hairi  1901, 
Gewinnung  von  keimfreiem  —  im 

Felde,  von  Kunow . . 

Trinkwasserfürsorge  in  den  Armeen  der 
Vergangenheit,  von  Haberling  .  . 
Trinkwasseruntersuchungen ,  bakteriolo 
gische,  u.  Kolibazillen,  von  Fromme 
Trivalin  2495,  von  Stengel  427,  von  Meh 

liss . 

Trixidin . 

Trockenserum,  injektionsfertiges,  vonEich 

holz . 

Troikart  mit  seitlichen  Oeffnungen,  von 

Leschke .  .... 

Trommelfell,  Blutungen  bei  der  Parazen 

tese  des,  von  Lüders . 

Trommelfellbilder,  von  Passow  .... 

Tronc  coeliaque,  l'anatomie  et  la  mede 
eine  operatoire  du,  von  Rio  Branco 
Tropakokain,  Spinalanästhesie  mit,  von 

Morrison .  . 

Tropen,  Pocken,  Tuberkulose  u.  Typhus 
in  den,  von  Rüge  1343,  Gesundheits- 
Ratgeber  für  die  — ,  vonZiemann  1895, 
Invalidierung  aus  den  — ,  von  Price  2023 
Tropengenesungsheim . 2495 


111 


2548 


2372 


2690 


2376 


1165 


827 

1840 


2558 


2627 


775 

1335 


366 


2643 


Tropenhygiene,  von  Sehiiffner  .....  2139 
Tropenhygienisches  Institut  in  Townsville  1918 
Tropen  krank  heit«  n  s.  a.  Schiffskrankheiten. 
Tropenk' ankheiten ,  Handbuch  der  , 

von  Mense .  •  22413 

Tropenmedizinische  Gesellschaft,  Verhand¬ 
lungen  der  Deutschen  . 1401 

Tropical  Medecine,  2.  Review  of  some  of 
the  recent  advances  in,  Hygiene  and 
tropical  octerinary  Science,  von  Balfour 
u.  Archibald  1612,  Australian  Institute 
of  — ,  von  Breinl,  Taylor  u.  Johnston  2291 
Tropical  Research  Laboratories,  4  Report 
of  the  Wellcome,  at  the  Gordon  Me¬ 
morial  College  Kadhoum,  von  Balfour  101: 
Tropische  Krankheiten,  von  Fisch  .  .  .  218t. 
Troubles  psychiqnes,  traitö  clinique  et 

mbdico-lbgal  des,  et  nbvrosiques  post-  _  .. 

traumatiqnes,  von  Benon . 178lj 

Trunksucht,  Heilung  der .  2921  . 

Tryen,  von  Evler  ...  271(1 

Try enpuderbehandlung  in  der  Gynäkologie,  jl 

von  Blum  . . •  •  179® 

Trypanosomen,  experimentelle  Studien 
mit,  und  Spironemen,  von  Gonder  38, 
infektiöse  Körnchen  bei  —  Gambiense, 
von  Ranken  604,  Einfluss  meteorolo¬ 
gischer  Bedingungen  auf  das  —  Rho- 
desiense,  von  Kinghorn  und  Yorke 
886,  Generations-  und  Wirtswechsel 
bei  —  und  Spirochaeten,  von  Mayer 
1401,  Morphologie  und  Verhalten  der 
in  deutschen  Rindern  nachgewiesenen 
— ,  von  Bonger  1902,  —  und  Trypanoso-  \ 
miasen,  von  Laveran  und  Mesnil  .  .  194  I 
Trypanosomenarten,  immunisatorisches 
Verhalten  verschiedener,  von  Braun 

und  Teichmann  ....  . HC 

Trypanosomenerkrankungen,  Weg  der  In¬ 
fektion  bei,  und  Spirochaetenerkran- 
kungen,  von  Schuberg  und  Böing  .  . 
Trypanosomeninfektion,  Verhalten  des 
‘  Kaninchenhodens  bei  experimenteller, 
und  Spirochaeteninfektion,  von  Uhlen- 
huth  und  Emmerich  827,  neue  Prin¬ 
zipien  und  neue  Präparate  für  die 
Therapie  der  — ,  von  Kolle,  Hartoch, 
Rothermundt  und  Schürmann  1046, 
chemotherapeuthische  Experimental¬ 
studien  bei  — ,  von  Kolle,  Hartoch, 
Rothermund  und  Schürmann  ... 
Trypanosomenstämme,  Gewinnung  reiner, 

von  Oehler .  . . 

Trypanosomen- W  ärmestich- Anaphylatoxin- 
fieber,  von  Hirsch  .  ......  15H 

Trypanosomiasis,  menschliche,  mit  Schlaf¬ 
krankheitssymptomen,  von  Werner  373, 
Laevulosurie  sowie  neuartige  Serum- 
und  Leberstoffe  bei  — ,  von  Schern  i 

und  Citron .  •  •  •  1®1 

Tryparosan,  Behandlung  der  Lungentuber¬ 
kulose  mit,  von  Waledinsky  1622,  2809, 

—  bei  chron.  Gelenkrheumatismus, 
von  Kopytko  1623,  —  und  seine  Heil¬ 
wirkung,  von  Bezais . 24| 

Trypasophrol ,  chemotherapeutische  Ver¬ 
suche  mit,  von  Ritz  .  .  . . 171 

Trypsinvergiftung,  von  Kirchheim  .  .  .  «9d 
Tubargravidität,  Diagnose  der,  von  Son¬ 
nenfeld  1163,  wiederholte  — ,  von 
Puppel  1163,  von  Hirsch  .  .  .  •  •  l'H 

Tubarschwangerschaft,  Bluttransfusion  bei 
geborstener,  von  Green . 12W 

Tube.Schwangerschaftsveränderungen  der, 

von  Wallart  259,  Inversion  der  gravi¬ 
den  — ,  von  Silbersiepe  616,  gleich¬ 
zeitige  Schwangerschaft  bei  der  — ,  i 

von  Unterberger . 2f| 

Tubenkarzinom,  das  primäre,  von  Fongö  21SS 
Tubenruptur,  von  Silbersiepe  616,  Behand¬ 
lung  des  bei  —  ergossenen  Blutes, 
von  Baisch  942,  Giftigkeit  und  Gerin¬ 
nungsverzögerungdesintraperitonealen  . 

Blutergusses  nach  — ,  von  Eis  .  .  .  .  2‘* 
Tubentuberkulose,  von  Rössle  .  ..  .  .  •  2!: 
Tubenverschluss,  Technik  des,  mit.  der 
Hornbolzenmethode,  von  Laurowitsch  11® 
Tuberculeuse,  Poncets,  inflammatoire,  von 
v.  Gebhardt . ** 


261 


101 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


CI 


Seite 

Tuberkel,  Störungen  im  Hypoglossus  etc. 
durch  einen,  von  Rott  1180,  in  den 
linken  Vorhof  hineinragender  — ,  von 
Schmorl  1G84,  Solitär —  in  der  Herz¬ 
muskulatur,  von  Schmorl . 1084 

fuberkelbazillen,  beschleunigter  Nachweis 
von,  durch  den  Meerschweinchenver¬ 
such,  von  Esch  201,  Schutzimpfung  mit 
abgeschwftchten  — ,  von  Rabinowitsch 
206,  Auftreten  virulenter  —  im  Blut 
nach  der  diagnostischen  Tuherkulin- 
injektion,  von  Bacmeister  343,  Nach¬ 
weis  der  —  im  strömenden  Blut,  von 
Kahn  345,  von  Kessler  346,  —  im 
strömenden  Blut  bei  chirurgischen 
Tuberkulosen,  von  Krabbel  370,  Vor¬ 
kommen  von  —  im  strömenden  Blut, 
von  Querner  401,  von  Rosenberg  404, 
Veränderungen  der  —  im  strömenden 
Blut,  von  Costantini  488,  Einfluss  der 
Jodmedikation  auf  die  Sputumphago¬ 
zytose  der  — ,  von  Rothschild  546, 
Verhütung  der  mikroskopischen  Fehl¬ 
diagnose  der  — ,  von  Bontemps  602, 
tinktorieller  Nachweis  von  — ,  von 
Macalister  604,  Probe  zur  Differen¬ 
zierung  zwischen  dem  Typ.  hum.  und 
dem  Typ.  bov.  des  — ,  von  Fraser  605, 
Untersuchungen  über  — ,  von  Petersen 
825,  Joussettsche  Methode  zum  Nach¬ 
weis  der  — ,  von  Gloyne  887,  —  im 
strömenden  Blut,  von  Fränkel  938,  die 
Hydrolyse  des  — ,  von  Sieber-Schumowa 
996,  Virulenz  der  — ,  von  Burnet  1049, 
Nachweis  von  —  in  den  Ausschei¬ 
dungen  von  Rindern,  von  Titze  1108, 
Nachweis  von  —  im  Kote  von  Rindern, 
von  Thieringer  1108,  Haltbarkeit  der 
in  die  Blutbahn  eingedrungenen  — 
im  Blute  und  in  der  Muskulatur,  von 
Titze  1109,  neuere  Methoden  zum 
Nachweis  von  — ,  von  Wiesner  1222, 
aktive  und  passive  Ueberempfindlich- 
keir  gegen  — ,  von  Thiele  und  Embleton 
1276,  antigene  Wirkung  des  entfetteten 
— ,  von  Momose  1283,  —  im  strömenden 
Blut,  von  Göbel  1398,  —  im  strömenden 
Blut  bei  chirurgischen  Tuberkulosen, 
von  Brandes  und  Mau  1398,  die  Ein¬ 
gangspforte  der  — ,  von  Findlay  1617, 
über  den  — ,  von  Besredka  1750,  Nach¬ 
weis  von  —  im  aspirablen  Staub,  von 
Engelhardt  1785,  Zweigformen  des  — 
und  Tuberkuloseimmunität,  von  Dixon 
1851,  Verhalten  der  Ratte  gegenüber 

—  vom  Typus  hum.  und  bov.,  von  Aoki 

1902,  Wirkung  des  Antiformin  auf  — , 
von  Dönges  1902,  Säurefestigkeit  und 
Zodophilie  der  — ,  von  Mas  y  Magro 

1903,  —  im  Blut,  von  Bogason  2014, 

—  im  Blutstrom  bei  Lungentuberkulose, 
von  Elsässer  2353,  —  im  Blute,  von 
Moeves  und  Bräutigam  2420,  Nach¬ 
weis  von  —  bei  Tuberkulose  der 
liaut,  von  Stern  2420,  Schicksal  des  — 
in  den  gesunden  Organen  von  Phthi¬ 
sikern,  von  Lebedewa  und  Ssashina 
2424,  Ausscheidung  von  —  mit  dem 
Kote  tuberkulöser  Rinder,  von  Titze, 
Thieringer  und  Zahn  2640,  Ausschei¬ 
dung  von  —  mit  der  Galle  bei  tuber¬ 
kulösen  Rindern  und  Ziegen,  von 
Titze  und  Zahn  2640,  die  Phagozytose 
der  —  im  Sputum,  von  Rod^z  2688, 
zur^Bio'ogie  der  — ,  von  Lockemann 
2917,  Antigengehalt  der  K  ultur  ösungen 
von  — ,  von  Möllers  2917.  die  Th. 
Smithsche  Reaktionskurve  zur  Differen¬ 
zierung  humaner  und  boviner  — ,  von 
Wankel  2917,  Lösung  von  — ,  von  Ka- 

pe’usz . -2918 

nberkelbazillenanaphylatoxin,  von  Shi- 
bayama  .  .  .  . .  2067 

uberkelbazillenbefunde  im  Urin  bei 
Hodentuberkulose,  von  Löwenstein  .  661 

uberkelbazillenfärbung,  neue  Methode 
der,  von  Mas  y  Magro  319,  1224  ver¬ 
gleichende  Bewertung  der  verschie- 


Seite 

denen  Methoden  der  — ,  von  Isabo- 
linsky  und  Schwerin-Storoshewa  .  .  .  2810 
Tuberkelbazillonformen,  Wechsel  der,  im 
phthisischen  Sputum,  von  Kirchenstein  995 
Tuberkelbazillenkultur,  Isolierung  des 
Typus  humanus  undbovinus  aus  einer, 
mit  atypischer  Virulenz,  von  Lindemann  2916 
Tuberkelbazillenlipoide,  Immunisierungs¬ 
versuche  mit,  und  lipoidfreien  Tuber¬ 
kelbazillen,  von  Meyer . 38 

Tuberkelbazillennachweis  s.  a.  Tuberkel¬ 
bazillen. 

Tuberkelbazillennachweis  durch  den  Meer¬ 
schweinchenversuch,  von  Bauereisen  1397 
Tuberkelbazillenpenkarddis  vonFromberg  1903 
Tuberkulin  von  Ruppel  2917,  —  u.  Tuber¬ 
kuloseimmunität,  von  Deycke  und  Much 
119,  Behandlung  klinischer  Kranker  mit 

—  und  antituberkulösem  Serum,  von 
Castell  vi  318,  ambulante  Behandlung  der 
Lungentuberkulose  mit  — ,  von  Ulrich 
939,  neue  Form  von  — ,  von  Lyons  940, 
Behandlung  der  kindlichen  Tuberkulose 
mit  dem  Rosenbachschen  — ,  von  Beck 
1219,  Reaktion  auf  humanes  und  bovines 

—  in  der  Kindheit,  von  Cattaneo  1219, 

Wirkung  des  auf  den  Lymphwegen  der 
Drüsen  zugeführtefl  — ,  von  Koeppel279, 
Erfahrungen  mit  dem  —  Rosenbach, 
von  Elsässer  1415,  von  Drowatzky  und 
Rosenberg  1507,  von  Frey  2363,  von 
Bergmann  2927,  Wirkung  des  —  auf 
tuberkulosefreie  Meerschweinchen,  von 
Klopstock  1561,  Behandlung  der  chirur¬ 
gischen  Tuberkulose  mit —  Rosenbach, 
von  Meyer  1676,  Varietäten  des  — , 
von  Raw  1733.  Behandlung  der  Lungen¬ 
tuberkulose  mit  kleinen  Dosen  von  — , 
von  Bardswell  1953,  Studien  über  — ., 
von  Aronson  2298,  Behandlung  der 
Gelenktuberkulose  mit  —  Rosenbach, 
von  Lichtenstein  2314,  —  Rosenbach, 
von  Baumgarten  2338,  von  Pieralli  u. 
Rondoni  2438,  von  Cuno  2515,  Ein¬ 
wirkung  des  —  auf  den  Blutdruck 
Tuberkulöser,  von  Weihrauch  2687, 
Einfluss  von  Alt —  Koch  und  — Rosen¬ 
bach  auf  die  Impftuberkulose,  von  Neu¬ 
mann  2687,  das  diagnostische  — ,  von 
Bardswell  2694,  Wiederkehr  der  Reak¬ 
tionsfähigkeit  auf  —  nach  dem  Ver¬ 
schwinden  der  Masernanergie,  von 
v.  Pirquet  2749,  therapeutische  Ver¬ 
suche  mit  dem  —  Rosenbachschen  bei 
Lungentuberkulose,  von  Pierallini  und 
Rondoni  2751,  —  und  Tuberkulose, 
von  Aronsohn .  2921 

Tuberkulinambulatorien,  städtische,  von 

Fraser  und  Clark . 886 

Tuberkulin-Augenprobe  und  Tuberkulin- 
Intrakutanprobe  zur  Feststellung  der 
Tuberkulose  des  Rindes,  von  Titze  .  1108 
Tuberkulinbehandlung,  allgemeine,  ambu¬ 
lante,  von  Helwes  1396,  die  Grund¬ 
lagen  der  — ,  von  Gerhartz  1502,  ambu¬ 
lante  — ,  von  Hartmann  1710.  2406. 
von  E.  Hartmann  2001,  ambulatorische 
—  der  Skrofulöse  n.  kindlichen  Tuber¬ 
kulose,  von  Wolff  2300,  —  u.  -diagnostik, 
von  Schmidt  2596,  über  die  — ,  von 
Mackenzie  2698,  —  Augenkranker,  von 

Bernheimer .  .  .  .  2918 

Tuberkulindiagnostik  im  Kindesalter,  von 
Stricker  659,  —  in  der  Unfallhegutach- 
tung,  von  Klein  1396,  psychologische 
Beobachtungen  bei  der  subkutanen  — , 
von  Fels  1396,  Tubeikulinbehandlung 

und  — ,  von  Schmidt .  2596 

Tuberkidinempfindlichkeit ,  Entwicklung 
der,  im  inkubationsstadium  der  Tuber¬ 
kulose,  von  Dietl  881,  passive  Ueber- 
tragbarkeit  der  —  durch  Tuberkulose¬ 
serum,  von  Sata  1675,  Sonnenbehand¬ 
lung  der  chirurgischen  — ,  von  Jeru¬ 
salem  . 1682 

Tuberkulininjektion,  Tuberkelbazillen  im 
Blut  nach  der  diagnostischen,  von 
Bacmeister  343,  diagnostischer  Wert 


Seite 

der  subkutanen  —  und  der  quantita¬ 
tiven  Kutanreaktionen,  von  Osienfeld 
u.  Permin  550,  —  nach  Wagner  bei 
progressiver  Paralyse,  von  Shukow  .  2422 
Tuberkulinpräparat,  reines,  von  Siebert 

und  Römer  . 1785 

Tuberkulinprüfung,  prognostischer  und 
diagnostischer  Wert  der  kutanen,  im 
Kindesalter,  von  Küchenhoff  ....  2817 
Tuberkulinreaktion, Uebereinstimmung  ver¬ 
dünnter  Säuren  in  Löschpapier  u.  der, 
in  der  Haut,  von  Holmagren  369,  Er¬ 
fahrungen  mit  der  perkutanen  —  bei 
der  Lugentuberkulose  Erwachsener,  von 
Chraplewski  432,  Bedeutung  der  intra¬ 
kutanen  —  für  Diagnose  u.  Prognose 
der  Lungentuberkulose,  von  Rosenberg 
992,  klinische  Bedeutung  der  Moro- 
schen  — ,  von  Dluski  u.  Rudzki  1337, 
klinische  Anwendbarkeit  der  lokalen 
— ,  von  Andersen  1338,  intrakutane  — 
zum  beschleunigten  Nachweis  von 
Tuberkelbazillen,  von  Schürmann  1903, 
kutane  —  bei  Kindern,  von  Rozenhlat 
2136,  refraktäre  Phase  bei  der  — ,  von 
Vorpahl  2245,  diagnostischer  und  pro¬ 
gnostischer  Wert  der  Wiederholung  lo¬ 
kaler  — ,  von  Schwenke,  Bessau  und 
Pringsheim  2373,  Beeinflussung  der 
kutanen  und  intrakutanen  —  durch 
Serum,  von  Sorgo  2590,  Spezifität  der 
kutanen  —  nach  v.  Pirquet,  von  Kasa- 

hara  .  2804 

Tuberkulintherapie,  depressorische,  von 
Hochwald  97,  —  bei  der  chirurgischen 
Tuberkulose  des  Kindesalters,  von 

Förster  . 369 

Tuberkulöse,  chemotherapeutische  Erfah¬ 
rungen  bei  der  Behandlung  von,  von 
Rothschild  894,  1451,  Ungleichmässig- 
keit  der  Temperatur  bei  fieberlosen  — , 
von  Plä  y  ArmeDgol  1224,  die  Kinder 
der  — ,  von  Wimberg  1620,  Nierenver¬ 
änderungen  bei  — ,  von  Leichtweiss 
1785,  Anwesenheit  des  Kochschen  Ba¬ 
zillus  im  Blute  — ,  von  de  Verifizier 
1790,  Weiszsche  Reaktion  im  Harn  von 
— ,  von  Vitry  1904,  die  Kin  ier  der  — , 

von  Weinberg .  2583 

Tuharkulomuzin  Weleminsky,  von  Pachner 
369,  Behandlung  der  Tuberkulose  mit 
— ,  von  Poduschka  662,  Behandlung 

mit  — ,  von  Götzl .  2252,  2302 

Tuberkulose  s.  a.  A  Inextuberkulose,  An¬ 
zeigepflicht,  Broncbialdiüsentuberku- 
lose  Habitus, Hilustuberkulose,  Hunde¬ 
tuberkulose,  Lungentuberkulose,  Ma- 
gentuberkulose,  Phthise. 

Tuberkulose,  Wirkung  intravenöser  In¬ 
fusionen  mit  Aurum  Kalium  cyanatum 
bei  äusserer  — ,  von  Bruck  und  Glück 
57,  Kriterien  der  ahgelaufenen  —  der 
Lungen,  von  Goerdeler  89,  — der  Hy¬ 
pophyse,  von  Heidkamp  94,  patholo¬ 
gische  Anatomie  und  Infektionsweise 
der  —  der  Kinder,  von  Hedren  94, 
miliare  —  im  Röntgenbild,  von  Bar- 
dachzi  107,  Mesbd  l>ei  chirurgischer  — , 
von  Butzenge'ger  128,  Diagnose  chirur¬ 
gischer  —  aus  den  pathologischen  Aus¬ 
scheidungen,  von  Hagemann  144,  die 
kindliche  — ,  von  Rohmer  161.  —  des 
Kindesalters,  von  Hamburger  168, akute 
—  nach  gynäkologischen  Eingriffen, 
von  Prochownik  205,  Bluthefunde  bei 
— ,  von  Rabinowitsch  206,  Thyrcose 
und  — ,  von  Saathoff  230,  Pneumo¬ 
thoraxoperation  bei  — ,  von  Wolff  275, 
die  hämatogene  Verbreitung  der  — 
und  die  Disposition  bei  — ,  von  Wolff 
369,  spezifische  Diagnostik  und  Thera¬ 
pie  der  — ,  von  Petruschky  423,  la  — 
pulmonaire  maladie  dvitable,  von 
Brunon  et  Rouen  423,  orthotische  Albu¬ 
minurie  und  ihre  Beziehungen  zur  — , 
von  Arnold  458.  von  Sturm  763  von 
Zieler  1041,  korrelative  Vegetationsstö¬ 
rungen  und  — ,  von  Kraus  542,  Epide- 


CII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

miologie  der  —  in  den  französischen 
Kolonien,  von  Calmette  549,  die  Stadien 
und  Immunitäts Verhältnisse  der  — ,  von 
Andvord  551,  —  des  Säuglings-  und 
Kindesalters  vom  Standpunkte  der 
präventiven  Medizin  aus,  von  McNeil 
604,  die  Aufgaben  des  Staates  bei  der 
Bekämpfung  der  — ,von  Ransome  605, 
der  Boden  und  der  Samen  bei  der  — , 
von  Sutherland  606,  chirurgische  — , 
von  König  616,  zur  Kupferbehandlnng 
der  äusseren  — ,  von  Strauss  661, 
Chemotherapie  der  —  mit  Gold,  von 
Feldt  715,  angeborene  — ,  von  Harbitz 
741,  Chemotherapie  der — ,  von  Mehler 
und  Ascher  748,  orthotische  Albumi¬ 
nurie  bei  — ,  von  Sturm  763,  der  pri¬ 
märe  Lungenherd  bei  der  — ,von  Ghon 
767,  Behandlung  der  chirurgischen  — 
mit  Mesbö,  von  Michejda  774,  Heil¬ 
stättenbehandlung  der  chirurgischen 
— ,  von  Vulpius  776,  Bedeutung  der 
Rinder-  —  für  die  Entstehung  der 
menschlichen  —  von  Weber  825,  Be¬ 
deutung  der - Antikörper  bei  der  — , 

von  Schürer  881,  primäre  —  der  Sa¬ 
menkanälchen,  von  Balliano  881,  Tu¬ 
berkulinempfindlichkeit  im  Inkuba¬ 
tionsstadium  der  — ,  von  Dietl  881, 
Vakzinebehandlung  der  chirurgischen 
— ,  von  Fraser  und  McGowan  887,  ele- 
fantiastische  —  der  Vulva,  von  Daniel 
986,  Immunisierung  und  Behandlung 
der  —  mit  lebenden  Kaltblütertu¬ 
berkelbazillen,  von  Moeller  936, 
Behandlung  der  —  mit  Kalzium-Ich¬ 
thyol,  von  Schütze  947,  Veränderungen 
in  den  peripheren  Nerven  bei  allge¬ 
meiner  — ,  von  Milkowicz  999,  Chemo¬ 
therapie  der  — ,  von  Rothschild  1004, 
von  Mehler  u.  Ascher  1041,  die  sog. 
gutartige  — ,  von  Burnet  1049,  Miss¬ 
brauch  der  klimatischen  Behandlung 
bei  lokalen  — ,  von  Menciere  1049, 
Rolle  des  Vaters  in  der  erblichen  — , 
von  Valeanu  1050,  die  Rolle  der  Pa¬ 
ternität  in  den  hereditären  — ,  von 
Nestor  u.  Valeanu  1051,  Lichtbehand¬ 
lung  der  chirurgischen  — ,  von  Vulpius 
1079,  —  des  Pferdes,  von  Zwick  und 
Zeller  1108,  Feststellung  der  —  des 
Rindes,  von  Titze  1108,  Lipoidgehalt 
des  Blutes  bei  — ,  von  v.  Eisler  und 
Laub  1399,  zur  Kenntnis  der  — ,  von 
Harbitz  1111,  —  cutis  serpiginosa  ul- 
cerativa  Hyde,  von  Wichmann  1120, 
Erythema  nodosum  und  — ,  von  Moro 
1142,  —  u  Kalkstotf Wechsel,  von  Voor- 
hoeve  1336,  die  —  im  Kindesalter, 
von  Schelble  1342,  Ausbreitung  der  — 
in  Deutsch-Ostafrika,  von  Peiper  1344, 
Organe  eines  nach  Friedmann  behan¬ 
delten  Falles  von  — ,  von  Westenhöfer 
1355,  Sonnenbehandlung  der  chirurgi¬ 
schen  — ,  von  Glaessner  1356,  von 
Wittek  1508,  Immunisierung  gegen  — , 
von  Sata  1396,  Veröffentlichungen  der 
Robert  Koch-Stiftung  zur  Bekämpfung 
der  —  1396,  —  der  Vulva  und  Harn¬ 
röhre,  von  Krämer  1456,  trockene  — 

—  im  Röntgenbild,  von  Stuertz  1466, 
Thermopräzi pitinreaktion  bei  — ,  von 
Faginoli  1480,  Vorkommen  von  —  u. 
Syphilis  in  Deutsch-Südwestafrika,  von 
Scherer  1488,  —  der  Kornea,  von 
v.  Hippel  1513,  Ablauf  der  —  am 
tuberkulinvorbehandelten  Tier,  von 
Klopstock  1561,  Ergebnisse  der  Schutz¬ 
impfung  gegen  — ,  von  Julian  1561,  Ver¬ 
halten  derLeberzur — ,  vonLorentzl561, 

—  u.  Wohnung,  von  Portmann  1562, 
Allgemeine  Wehrpflicht  zum  Kampfe 
gegen  die  — ,  von  Weber  1562,  —  des 
Mittelohrs,  vonBrieger  1568,  Entstehung 
meningealer —  vom  Ohr  aus,  von  Goerke 
1568,  —  u.  Gravidität,  von  Stutz  1616, 
Friedmannsche  Behandlung  der  — , 
von  Mannheimer  1619,  Bedeutung  der 
Calantheschen  Kobragiftreaktion  für 


Seite 


Seite 


die  Diagnose  der  — ,  von  Schustrow 
1623,  über  —  bei  Kindern,  von  Abder¬ 
halden  und  Andryewski  1641,  die  Be¬ 
kämpfung  der  —  des  Rindes,  von 
v.  Ostertag  1673,  Behandlung  der  chirur¬ 
gischen  —  mit  Tuberkulin,  von  Meyer 
1676,  Landesauschuss  zur  Bekämpfung 
der  —  in  Sachsen  1695,  Diagnose  und 
Klinik  der  kindlichen  — ,  von  v.  Pir¬ 
quet  1732,  Dioradin  bei  der  chirurgi¬ 
schen  — ,  von  Stoney  1733,  die  —  in  den 
deutschen  Schutzgebieten,  von  Heim 
1785,  die  Zomotherapie  bei  der  — ,  von 
Schilmann  1785, 2192,  zur  Chemie  der  — 
u.Skrophuloso,  vonZeuner  1785,Sonnen- 
und  Lichtbehandlung  der  chirurgischen 
— ,  von  Glaessner  1789,  Heliotherapie 
der —  in  der  Grosstadt,  von  Alkan  1789, 
Behandlung  chirurgischer  —  mit  künst¬ 
lichem  Licht,  von  Hagemann  1 789, _  in¬ 
trauterine  miliare  — ,  von  Rollet  1790, 
entzündliche  —  des  Dickdarms,  von 
Piöry  und  Mandoul  1790,  Uebertragung 
der  —  durch  Kleidungsstücke,  von  Le- 
tulle  1916,  Anwendung  des  Dialysier- 
verfahrens  bei  der  — ,  von  Fränkel  und 
Gumpertz  1952,  muss  der  Patient  wissen, 
dass  er  an  —  leidet?  von  Kollarits 
1952,  Wert  der  Komplementfixations¬ 
probe  bei  der  -,  von  Dudgeon,  Meck  u. 
Wier  1953,  Pathologie  der  —  im  Säug¬ 
lings-  und  Kindesalter,  von  Lapage  und 
Mair  1955,  Bovotuberkulin  bei  chirur¬ 
gischen  — ,  von  Buch  2015,  Prophy¬ 
laxe  und  Therapie  der  —  2023,  Toxine 
der  —  von  Albahary  2078,  die  konser¬ 
vativen  Behandlungsmethoden  der 
chirurgischen  — ,  von  Menne  2135, 
Beeinflussung  der  —  durch  Balsa¬ 
mika,  von  Berliner  2137,  die  —  der 
verschiedenen  Lebensalter,  von  Ranke 
2153,  angeborene  — ,  von  Zarfl  2247, 
Bekämpfung  der  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Gastpar  2255,  Verlauf  der 

—  im  Kindesalter,  von  Czerny  2299, 

Schwangerschaftsunterbrechung  bei  — , 
von  Werner  2308, 2587,  Strahlentherapie 
der  experimentellen  menschlichen  — , 
von  de  la  Camp  2363,  Abderhaldensche 
Methode  bei  — ,  von  Jessen  2363,  Dia¬ 
gnostik  der  —  bei  Kindern  mittels  der 
Intradermoreaktion  von  Mantoux,  von 
Sw’enigorodsky  2424,  Pathologie  der  — , 
von  Lubarsch  2534,  Vorkehrungen  der 
österreichischen  Staatsbahnen  zur  Be¬ 
kämpfung  der  —  2551,  Mitteilungen 
des  bayerischen  Landesverbandes  zur 
Bekämpfung  der  — ,  von  May  und 
Frankenberger  2583,  Behandlung  der 

—  des  Hüftgelenkes,  von  Nussbaum 
2585,  Behandlung  der  —  des  Knie¬ 
gelenks,  von  Eis  2585,  Behandlung  der 

—  des  Fussgelenks,  von  Syring  2586, 
Behandlung  der  —  des  Schulter-,  Ell¬ 
bogen-  und  Handgelenks,  von  Leon¬ 
hard  2586,  Verlauf  und  Ausgang  der 

—  der  Wirbelsäule,  von  Seemann  2586, 
Röntgenbehandlung  chirurgischer  — , 
von  Fründ  2586,  Behandlung  der  — 
an  der  Riviera,  von  Schrumpf  2687, 
Therapie  und  Prognose  der  —  im  Säug¬ 
lingsalter,  von  Hollensen  2688,  die  chi¬ 
rurgische  —  der  Kinder,  von  Tubby 
2695,  traumatische  — ,  von  Ziemendorff 
2698,  Rheumatismus  und  — ,  von  Menzer 
2747,  Behandlung  der  chirurgischen  — 
mit  dem  Marmorekschen  Serum,  von 
Pavesio  2751,  die  Gesetze  zur  Bekämp¬ 
fung  der  —  in  Deutschland  und  im 
Ausland,  von  Kayserling  2751,  Chemo¬ 
therapie  der  — ,  von  Schütze  2806,  la¬ 
tente  —  bei  Kindern  im  frühen  Lebens¬ 
alter,  von  Ossinin  2809,  Klinik  der  — , 
von  Bandelier  und  Röpke  2914,  Mass¬ 
nahmen  zur  Eindämmung  der  —  als 
Volkskrankheit,  von  Löffler  2916,  ex¬ 
perimentelle  Untersuchungen  über  Tu¬ 
berkulin  und  — ,  von  Aronsohn  .  .  . 


Tuberkuloseabtoilungen  in  allgemeinen 
Krankenhäusern,  von  Stuertz  .... 
Tuberkuloseantikörper,  Erzeugung  von, 
von  Bundschuh  483,  von  Rothe  und 
Birnbaum  827,  Bedeutung  der  — ,  von 
Schürer  881,  von  Citron  .  •  .... 

Tuberkulosebehandlung,  Probleme  der 
spezifischen,  von  Levy  41,  Heilerfolge 
der  Volksheilstätten  in  der  — ,  von  Grau 
Tuberkuloseerkrankung  bei  Aerzten  und 

Krankenpflegepersonal . 

Tuberkuloseerreger,  Beziehungen  zwischen 

Organismus  und,  von  Knoll . 

Tuberkuloseforschung,  Jahresbericht  über 
die,  1911,  von  Krehlen  370,  Erinne¬ 
rungen  aus  der  Zeit  der  ätiologischen 

—  R.  Kochs,  von  Ehrlich . 

Tuberkulose-Forschungsreise  nach  Jeru¬ 
salem,  von  Much . 

Tuberkulose-Fortbildungskurs  des  Allgem. 
Krankenhauses  Hamburg  -  Eppendorf, 

von  Brauer  . 

Tuberkulosefrage,  Untersuchungen  zur, 
von  Rabinowitsch  207,  die  —  an  der 

Riviera,  von  Schrumpf . 

Tuberkulose-Fürsorge- Blatt . 

Tuberkulose-Fürsoraestellentag . 

Tuberkuloseheilmittel  s.  a.  Friedmannsches 
Mittel. 

Tuberkuloseheilmittel,  Urteile  der  ameri¬ 
kanischen  Presse  über  Dr.  Friedmann 

und  sein . 

Tuberkuloseimmunität  durch  natürliche 

Zuchtwahl,  von  Blöte . 

Tuberkuloseinfektion,  lokale  Resistenz  der 
Haut  gegen,  von  Stiner  und  Abelin^  . 
Tuberkulosekonferenz,  internationale  1471, 

2263,  2319, 2439,  2493,  Festschrift  der  — 
Tuberkulosekultur  mit  Granulis,  von 

Viereck . . 

Tuberkulosenachweis  durch  beschleunig¬ 
ten  Tierversuch,  von  Esch  187,  —  mit 
Hilfe  der  Pirquetschen  Reaktion,  von 

Conradi  .  . 

Tuberkuloseprophylaxe,  spezifische,  von 

Kutschera . . 

Tuberkulosesterblichkeit  unter  der  ein¬ 
heimischen  Bevölkerung  in  Davos, 
von  Gwerder  369,  Statistik  der  in 

Baden,  —  von  Dresel . 

Tuberkulosetag,  III.  österreichischer  1183, 
Tuberkulosetherapie,  anderthalb  Jahre, 
nach  Deycke-Much,  von  Deycke  und 

Altstaedt . .  ...  ■ 

Tuberkulosevakzination,  von  Schrumpf  . 
Tuberkuloseverbreitung,  die,  und  die  pro¬ 
jektierte  Tuberkulosebekämpfung  im 
Landkreise  Quedlinburg,  von  Fischer- 

Defoy . 1  ^85, 

Tuberku1  ose virus,  granuläres,  von  Bitt- 

rolff  und  Momose . 

Tuberculosis,  the  Complement  Fixation 
Test  in  the  Diagnosis  of  Pulmonary, 

von  Kinghorn  und  Twichell . 

,  Türklinke,  von  Veit . • 

Tumorbildung,  zirkumskripte,  durch  ab¬ 
dominale  Fettnekrose,  von  Küttner  96, 
—  in  der  Bauchhöhle,  von  Schmieden 
1166,  mehrfache  — ,  von  Kraus  .  .  . 
Tumoren,  Behandlung  maligner,  mit  radio¬ 
aktiven  Substanzen,  von  Caan  9,  — 
der  Glandula  carotica,  von  Enderlen 
216,  retrosternaler  — ,  von  Enderlen 
216,  peritheliomartiger  —  der  Glutäal- 
gegend,  von  Bayer  314,  Serumdiagnose 
maligner  — ,  von  Brüggemann  543, 
Bedeutung  der  Milz  bei  malignem  — , 
von  Oser  u.  Pribram  770,  3  Grawitzsclie 
— ,  von  Wendel  1067,  künstliche  Kultur 
menschlicher  — ,  von  Albrecht  und 
Joannovics  1167,  nichtoperative  Be¬ 
handlung  von  bösartigen  — ,  von 
Chlumsky  1452,  primäre  desmoide  — 
des  Ligamentum  rotundum,  von  Steidl 
2298,  röntgentherapentisch  behandelte 
maligne  — ,  von  Kotzenberg  1573, 
Radiumbehandlung  maligner  — ,  von 
2921  Exner  1682,  Röntgenstrahlenbehand- 


1125 

1276 

1638 

2208 

880 

2917  | 
2860 

199 


949 
1752 ; 
2319 


1289 
1447 
2917  1 
2801 

67311 

1592 

6031  i 


1 28c. 

1231 


221' 

100- 


219: 

139' 


139 

231 


286 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


CIII 


Seite 


Seite 


lang  der  — ,  und  ihre  Kombinationen, 
von  Müller  1804,  —  bei  afrikanischen 
Eingeborenen,  von  Legrain  1957,  — 
am  Chiasma,  von  Ahrens2086,  Radium- 
und  Mesothoriumtherapie  maligner  — , 
von  Schindler  2138,  —  glandulae  pine- 
alis,  von  Hijmanns  van  den  Bergh 
und  van  Hasselt  2140,  Operation  von 
ausgedehnten  —  an  der  Schädelbasis, 
von  Schlotter  2198.  Einfluss  der  Gra¬ 
vidität  auf  das  Wachstum  maligner  — , 
von  v.  Graff  2307,  Einfluss  der  malignen 
—  auf  Reaktion  und  Alkaleszenz  des 
Blutes,  von  Konikow  2422,  —  medi- 
astini,  von  Quorner  2435,  —  des 

Rektums,  von  Lucksch  2549,  Be¬ 
handlung  inoperabler  —  mit  Elektro- 
selenium  Clin.,  von  Philipp  2893,  ex¬ 
perimentelle  Uebertragung  von  —  auf 
das  Auge,  von  Hegner  2722,  Meso¬ 
thoriumbehandlung  maligner  — ,  von 
Lobenhofer  2744,  mit  Radium  behan- 
handelt«  Fälle  maligner  — ,  von  Spar¬ 
mann  2888,  Röntgentieferbestrahlung 

von  — ,  von  Sgalitzer .  2888 

Turmschädel,  Behandlung  der  Sehstörun¬ 
gen  beim,  von  Schlotter  1006,  ange¬ 
borener  — ,  von  Küttner  1006,  2209. 
operative  Behandlung  der  Sehstörun¬ 
gen  bei  — ,  von  Schlotter  2354,  Fall 

von  — ,  von  Hochsinger  .  2373 

Turnen,  Laboratorium  zur  Untersuchung 
der  Wirkung  des,  und  des  Sportes  .  .  335 


Tussalvin . 1840 

Tussobromin .  2472 

Tuttle  Prof.  Dr.  J.  P . 448 

Typhlitis,  primäre,  von  Obäl . 1278 


Typhus  s.  a.  Abdominaltyphus,  Unterleibs¬ 
typhus. 

Typhus  mit  fünfmaligem  Rezidiv,  von 
David  90,  Milzdiagnose  des  — ,  von 
Vincent  333,  klinische  Diagnostik  des 
—  abdominalis,  von  Lüthje  557,  Vak¬ 
zinetherapie  des  —  abdominalis,  von 
Delteil,  Negre  und  Reynaud  565,  — 
mit  symptomatischem  Scharlach,  von 
Bennecke  612,  Schutzimpfung  gegen  — 
bei  der  Flottenmannschaft,  von  Chante- 
messe  843,  Wirkung  des  Besredka- 
schen  Antithyphusserums  auf  den  Ver¬ 
lauf  des  — ,  von  Andriescu  und  Ciuka 
1050,  Spitalserfahrungen  über  —  abd. 
in  den  Jahren  1865 — 1911,  von  Hagen- 
bach-Burckhardt  1167,  pseudo-cholezy- 
stitische  Symptome  bei  — ,  vonBennecke 
1251,  Freiluftbehandlung  des  —  vor 
100  Jahren,  von  Schröder  1493,  Pro¬ 
philaxe  und  spezifische  Therapie  des  — 
abdominalis  während  des  serbischen 
Krieges,  von  Debove  1631,  —  in  Mün¬ 
chen  1975,  2095,  —  und  Masern,  von 
Jastrowitz  2013,  die  Autovakzination 
gegen  den  — ,  von  Josuö  und  Belloir  2029, 
Vakzinetherapie  des  —  mit  dem  sen¬ 
sibilisierten  Besredkaschen  Virus,  von 
Ardin-Delteil,  Negre  und  Raynaud  2539, 

Darm  bei  — ,  abdom.,  von  Schmincke 
2761,  der  —  in  Oberstein,  von  Lentz 
2915,  Vakzinetherapie  des  —  beim 

Kinde,  von  Weil .  2926 

Typhus  exanthematicus,  experimentelle 
Untersuchungen  über  den,  von  Nicolle 
und  Conseil  549,  zur  Lehre  vom  — ,  von 

Naunyn . 2805 

Typhusähnliche  Erkrankungen,  im  Bak¬ 
terium  der  Faecalisalcaligenes-Gruppe 
als  Erreger  von  — ,  in  Ostasien,  von 

Fürth . 2669 

Typhusausscheider,  Preis  für  Befreiung 

der,  von  Typhusbazillen  . 1071 

Typhusbakterien,  Anionenbestrahlung  von, 

von  Steffens . 735 

Typhusbazillen  auf  den  Tonsillen  Typhus¬ 
kranker,  von  Schütz  602,  Beeinflussung 
der  Agglutinierbarkeit  von  —  durch 
den  Alkaligehalt  des  Nährbodens,  von 
Riemer  908,  Nachweis  von  —  im  Wasser 
1165,  Haltbarkeit  der  —  auf  verschie¬ 
denen  Fleischarten,  von  Hirschbruch 


und  Marggraf  1221,  Uebertragung  der 
—  von  Wasser  auf  Milch,  von  Trillat 
und  Fouassier  2029,  intravenöse  Ein¬ 
impfung  lebender  — ,  von  Nicolle,  Conor 

und  Conseil .  2092 

Typhusbazillenträger,  Kaninchen  als,  von 
Uhlenhuth  und  Messerschmidt  40, 
über  — ,  von  Conradi  148,  Geschichte 
eines  — ,  von  Currie  1223,  Sektions¬ 
befund  eines  chronischen  — ,  von  Bind¬ 
seil  1341,  Autoinfektion  einer  an  Darm¬ 
tuberkulose  erkrankten  — in,  von  Sage 
1730,  Perinealeiterung  bei  einem  — , 

von  Levy . 1849 

Typhusbazillenwirt,  Auto-Reinfektion  des, 

von  Kaspar .  2637 

Typhusbekämpf  ung, Denkschrift  des  R.G.A. 
über  die,  im  Südwesten  Deutschlands 
95,  — in  den  öffentlichen  Irrenanstalten 

Deutschlands,  von  Böttcher . 1730 

Typhusendotoxin,  das,  von  Baranczik  .  .  1622 
Typhusepidemie,  durch  Flmschwaren  ver¬ 
ursachte,  von  Hirschbruch  und  Marg¬ 
graf  1109,  —  bei  einem  Dragoner¬ 
regiment,  von  Schmiz  und  Kessler  .  .  1324 
Typhuserkrankungen  in  Irrenanstalten, 
von  Müller  1165,  —  in  München  durch 
eine  Bazillenträgerin  in  Freising,  von 

Gruber . 1731 

Typhusimpfbehandlung,  von  Sacqudpöe 

und  Chevrel .  .  .  1630 

Typhusirapfung  mit  sensibilisierten  leben¬ 
den  Typhusbazillen,  von  Broughton- 
Alcock887,  —  u.  Paratyphusimpfungen 
mitgemischtenVakzinen,  von  Castellani  1954 
Typhusperforation,  3  erfolgreiche  ope¬ 
rierte  Fälle  von,  von  Mitchell  ....  2644 
Typhusschutzimpfung,  Diskussion  über, 

277,  —  im  Heere  derVereinigten  Staaten, 
von  Chantemesse  1132,  —  in  Frank¬ 
reich,  von  Liffran  1401,  Resultate  der  — 
durch  die  polyvalente  Lymphe,  von 
Vincent  1973,  die  —  mit  lebendem  sensi¬ 
bilisiertem  Virus,  von  Metschnikoff 

und  Besredka .  2539 

Typhusschutzlymphe,  Wirkung  der  poli- 

valenten,  von  Vincent . 1182 

Typhusvakzin,  polyvalentes,  von  Vincent 
446,  vergleichende  Untersuchungen 
zwischen  3 — ,  von  Levy  und  Bruck  .  1166 
Typhusverbreitung  durch  Milch,  von 

Fischer . 2917 


U. 

Ueberdruck,  Beeinflussung  der  Blutzirku¬ 
lation  der  Lunge  bei,  und  Unterdrück, 

von  v.  Rohden . 1106 

Ueberdruckapparat,  neuer  von  Klapp  .  .  945 
Ueberdrucknarkose,  nasale,  von  Zaaijer  .  2638 
Ueberdrucknarkosenapparate,  von  Gerlacli  2068 
Ueberempfindlichkeitsreaktionen,  Sensi- 
bilisationserscheinungen  und,  von 

v.  Szontagh .  2746 

Ueberempfindlichkeitsgift,  Bildung  eines 

akut  wirkenden,  von  Leschke  .  .  .  .1614 
Ueberfahrenwerden,  innere  Verletzungen 

nach,  von  Salzer .  2652 

Ueberleitungsstörung  bedingt  durcbVagus- 

reiz,  von  v.  Hoesslin .  2473 

Uebungsbehandlung  bei  Lähmungen,  von 
Alexander  1502,  —  bei  Nervenerkran¬ 
kungen,  von  Förster  . 1675 

Uebungstherapie  b.  motorischen  Störungen, 

von  Hirschberg . 1502 

Ulcus  s.  a.  Duodenalgeschwür,  Magenge¬ 
schwür,  Unterschenkelgeschwür. 

Ulcus  callosum,  ätiologische  Rolle  der 

Syphilis  bei,  penetrans,  von  Hausmann  1676 
Ulcus  cruris,  Gleerupsche  ambulatorische 

Behandlung  des,  von  Nörregaard  .  .  550 
Ulcus  duodeni,  von  Haenel  835,  von  Kütt¬ 
ner  890,  1342,  1787,  von  Brüning  1350, 
das  —  chronicum  und  seine  Behand¬ 
lung,  von  Witzei  875,  —  und  vegeta¬ 
tives  Nervensystem,  von  v.  Bergmann 
890,  Röntgenbefunde  bei  — ,  von  Hau- 
dek  891,  zur  Diagnose  des  — ,  von  Allard 
898,  1064,  —  rotundum  im  1.  Lebens- 


,  Seite 

jahre,  von  Schmidt  773,  Differential¬ 
diagnose  des  Ulcus  ventriculi  und  des 
— ,  von  Sommerfeld  1108,  das  — ,  von 
Moynihan  1160,  über  — ,  von  Dünkeloh 
1410,  zur  Kenntnis  des  — ,  von  Plitek 
1619,  von  Payr  1628,  Verhalten  des 
Duodenalinhaltes  bei  — ,  von  Matko 
1630,  Bemerkungen  zum  — ,  von  Rosen¬ 
gart  1737,  das  neurotische  — ,  von  West- 
phal  und  Katsch  2008,  Diagnose  und 
Behandlung  des  — ,  von  Einhorn  2078, 
Magenneurose  und  — ,  von  de  Koch 
2141,  Fehlerquellen  bei  der  Röntgen¬ 
diagnose  des  — ,  von  Altschul  ....  2366 
Ulcus  pepticum  jejuni,  von  v.  Haberer891, 
Gastroenterostomie  beim  — ,  von  Bourne 
1734,  Vorkommen,  Diagnose  und  Thera¬ 
pie  des  — ,  von  Clairmont  .  2366 

Ulcus  pylori,  Diagnose  und  Behandlung 

des  chronischen,  von  Faulhabor  ...  915 
Ulcus  varicosum,  Behandlung  des,  mit  ein¬ 
fachen  Kleisterverbänden,  von  Wert¬ 
hei  mber .  . 1490 

Ulcus  veneretim,  Phenolkampfer  bei,  von 

Rühl  2013,  von  Horowitz .  2249 

Ulcus  ventriculi  und  Gastroenterostomie, 
von  Kocher  90,  das  spasmogene  — 
pepticum,  von  Bergmann  169,  Ent¬ 
stehung  und  Behandlung  des  — ,  von 
Katzenstein  217,  Röntgenuntersuchung 
beim  — ,  von  Schlesinger  217,  die  Patho¬ 
genese  des  — ,  von  Stromeyer  261,  zur 
Genese  des  — ,  von  Bönniger  563,  — 
callosum  totale,  von  Sasse  650,  —  ro- 
tundum  und  Lymphatismus,  von  Stoerk 
661,  Pylorospasmus  und  — ,  von  Neu¬ 
dörfer  760,  karzinomatös  entartete  — , 
von  Holitsch  778,  Differentialdiagnose 
des  —  und  des  Ulcus  duodeni,  von 
Sommerfeld  1108,  in  die  Milz  penetrie¬ 
rendes  — ,  von  Finsterer  1124,  Magen¬ 
resektion  wegen  — ,  von  Clairmont  1299, 
interne  Behandlung  von  —  mit  Stau¬ 
ungsinsuffizienz,  von  Petren,  Lewen- 
hagen  und  Thorling  1727,  perforiertes 
— ,  von  Frankenthal  1910,  von  Fraenkel 
1910,  —  chron.  juxtapyloricum,  von 
Kemp  2358,  —  und  duodeni,  von  Gläss- 
ner  und  Kreuzfuchs  2364,  Atropin¬ 
behandlung  bei  —  und  duodeni,  von 
Fleckseder  2364,  —  an  der  kleinen  Kur¬ 
vatur,  von  Heyrovsky  2366,  Gastroen¬ 
terostomie  oder  Resektion  bei  pylorus- 

fernem  — ,  von  Brenner  .  2590 

Ulna,  Deformierung  des  Griffelfortsatzes 

der,  von  Reichart  ....  • . 1146 

Ulnadefekt,  von  Peltesohn . 731 

Unarislähmung,  die,  von  Singer  ....  424 

Ulsanin,  von  Mandl  . 41,  1849 

Umschläge,  feuchte,  bei  akuten  Erkran¬ 
kungen,  von  Herz . 827 

Undostat,  von  Hoehl  . 951 

Unfall,  Neurosen  nach,  von  Schultze  und 
Stursberg  32,  Geschwülste  und  — ,  von 
Thiem  375,  von  Lubarsch  375,  Herz- 
und  Gefässkrankheiten  und  — ,  von 
Hoffmann  377,  —  und  Krebskrankheit, 
von  Löwenstein  2645,  Prolaps  und  — , 
von  Martin  2646,  Gewerbe-  und  Be¬ 
rufskrankheiten  oder  — ,  von  Körner  2697 
Unfallbegutachtung,  die  durch  die  RVO 

erweiterten  Aufgaben  der,  von  Thiem  2645 
Unfallfolgen,  Gewöhnung  an,  von  Knepper 
376,  von  Schantz  1163,  Beurteilung  von 
— ,  von  Bennecke  611,  Beurteilung  von 
— nach  dem  Reichsversicherungsgesetz, 
von  Engel  1160,  die  bildliche  Darstel¬ 
lung  von  — ,  von  Könen  2645,  neu  auf¬ 
brechende  Krampfadergeschwüre  als 
unmittelbare  — ,  von  Frank  2645,  Milz¬ 


ruptur  als  — ,  von  Ishioka .  2697 

Unfallheilkunde,  Volksheilmittel  und,  von 

Mayer .  2697 

Unfalltherapie,  die  Monopolisierung  der, 

von  Esch  .  ...  1385 

Unfallverletzte,  Vorsichtsmassregeln  bei 
der  Untersuchung  des  Nervensystems, 
von  Schuster  377,  Landkolonien  für 
—  und  Invalide,  von  Rigler  657,  zur 


CIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Psychologie  der  Aussagen  von  — ,  von 
Foerster  1880,  Nachweis  von  Gewöh¬ 
nung  bei  der  Begutachtung  von  — , 
von  Kempf  2645,  Simulation  bei  — , 

von  Horn .  2646 

Unfallversicherung,  Arzt  und,  von  Meder  2697 
Unfallvericherungsgesellschaften,  Anzeige¬ 
pflicht  gegenüber  den,  110,  Kündigung 
der  Verträge  mit  den  —  in  Oesterreich 
320,  Versicherungsbedingungen  der  —  1126 
Unglücksfälle,  tödliche,  in  Preussen  .  .  .  1864 

Ungt.  sanans  E.  Bark .  2472 

Universalbruchband  ...  ....  336 

Universallaryngoskop,  von  Brünings  .  .  1571 


Universitäten  s.  a.  Hochschulnachrichten. 
Universitäten,  Etat  der  preussischen  1071, 
neue  —  in  Italien  1112,  Errichtung 
einer  —  in  Dresden  1415,  Reichsaus¬ 
länder  auf  den  deutschen  —  1974, 

2263,  Satzungen  der  bayerischen  —  2262, 
Medizinalstudierende  an  der  öster¬ 
reichischen  —  2263,  Zulassung  von 
Ausländern  an  den  bayerischen  — 

2319,  Frequenz  der  italienischen  — , 

von  Galli . •  .  .  .  2856 

Universitäts-Frauenklinik,  5^2  Jahre  patho¬ 
logisch  anatomischer  Tätigkeit  in  der 
II.,  in  Wien,  von  Schottländer  ....  2371 
Universitätsinstitute,  neue,  in  Strassburg  1861 
Universitäts-Kinderklinik,  Umbau  der,  in 

München  . 1359 

Universitätspolikliniken . 845 

Universitätsreform  in  Italien . 1567 

Unterdrück,  Kombination  von,  und  Ueber- 
druck,  von  v.  Bergmann  und  Hapke 
948,  Beeinflussung  der  Blutzirkulation 
der  Lunge  durch  Ueberdruck  und  — , 

von  v.  Rohden .  ...  1106 

Unterdruckatmung,  von  Bruns  948,  Be¬ 
handlung  von  Herzschwäche  und  Kreis¬ 
laufstörungen  mit  der  Brunsschen  — , 

von  Hirsch . 948 

Unterkieferdefekte, Ersatz  von,  von  Schmie¬ 
den  946,  osteoplastischer  Ersatz  von 

— ,  von  Göbell .  2068 

TJnterkieferfraktur,  Extensionsbehandlung 

bei,  von  Baum . 161 

Unterkieferkarzinom,  zentrales,  von  Loos  442 
Unterkieferresektion,  Immediatprothesen 
nach,  von  Pichler  und  Oser  202,  von 
Wrede  1855,  Methoden  der  — ,  von 

Sudeck  . 326 

Unterlappenbefunde,  einseitige,  von  Schu¬ 
macher  .  ....  1447 

Unterleibstyphus,  Erkrankung  des  N.  ul- 
naris  nach,  von  Dolgopol  481,  der  — , 
von  Curschmann  und  Hirsch  ....  1444 
Unterrichtskurse  für  Polizeibeamte  in  der 
Ueberwachung  des  Verkehrs  mit  Nah¬ 
rungsmitteln  . 223 

Unterschenkelfrakturen, Nachuntersuchung 

geheilter,  von  Chiari .  2368 

Unterschenkelgeschwür,  Klebrobinde  bei, 
von  v.  Heuss  1232,  2173,  Knochen¬ 
wucherungen  bei  — ,  von  Zieler  .  .  .  1749 
Untersuchungselektrode,  praktische,  von 

Auerbach . 258 

Untersuchungsmethoden,  Lehrbuch  der 
klinischen,  von  Sahli  598,  Beitrag  zur 
Klinik  der  direkten  — ,  von  Henrich  .  2666 
Unzüchtiger  Gebrauch,  Anpreisung  von  zu, 

bestimmten  Gegenständen  . 2318 

Upson  Prof  Dr.  H.  S.  f . 1303 

Urachus,  offener,  von  Koks  .  .  .  .  1507 

Urämie,  auffallende  Erscheinungen  bei, 

von  Engelen . 1222 

Urämischer  Anfall,  akuter,  und  seine  Be¬ 
handlung,  von  Pal .  2749 

Uranilazetat  s.  u  Blut. 

Uranoblen,  von  Glück .  2476 

Uranoschisma,  von  Ranzi . 1413 

Uranostaphyloplastik,  von  Helbing  .  .  .  1559 

Urate,  neue  Methode  zur  quantitativen 
Bestimmung  von,  im  Blutserum,  von 

Ziegler .  .  .  .1083 

Ureabromin,  Bewertung  von,  von  Johannes¬ 
sohn  373,  —  bei  der  Alkoholentziehung, 

von  Bufe  . .  2624 

Urenkel,  im  Lande  unserer,  von  Karrillon  143 


Seite 

Ureter,  überzähliger  aberranter,  von  Hart¬ 
mann  382,  Eiterniere  bei  Verschluss  und 
Unterbrechung  des  — ,  von  Kroener 
1348,  doppelseitiger  aberrierender  — , 
von  Stammler  1460,  Verhalten  der  — 
nach  der  abdominalen  Karzinomopera¬ 
tion,  von  Weibel  2247,  Freilegung  des 
—  im  kleinen  Becken,  von  Kidei  .  .  2694 
Ureterenstrikturen,  die  eineNephrolithiasis 


Vortäuschen,  von  Baar .  2838 

Ureterkarzinom,  von  Chiari  ....  2368 

Ureterolitbotomie,  doppelseitige,  vonLä  wen  1 339 
Ureterocele,  intermittierende,  vesicalis,  von 

Ottow . 1340 

Uretersteine,  von  Graser  1684,  von  Ries 
1804,  eingeklemmte  — ,  von  Boröss  1278, 
zystoskopische  Diagnose  eines  — ,  von 
Heinsius  1616,  Therapie  der  — ,  von 

Voeleker . 2132 

Ureterverpflanzung  wegen  narbiger  Ste¬ 
nose,  von  Lexer . 612 

Ureterverschluss,  Veränderung  der  Nieren 
nach  dem  künstlichen,  von  Kawasoye 
1340,  —  durch  Knotenbildung,  von 
Kawasoye .  2247 


Ureterverschlusssteine,  von  Kümmell  .  .  2755 
Urethra,  traumatische  Ruptur  der,  von 
Suessenguth  204,  Behandlung  von  Tu¬ 
moren  der  —  mittels  Fulguration,  von 
Bachrach  ....  .....  1069 

Urethralresektionen,  primäre  Heilung  aus¬ 
gedehnter,  von  Joseph . 1008 

Urethritis,  galvanokaustische  Behandlung 
der  chronischen,  von  Luys  277,  Allge¬ 
meinerkrankung  nach  —  gonorrhoica, 
von  Bettmann  u.  Zade  437,  Behandlung 
der  — ,  Vulvovaginitis  und  Endometritis 


gonorrhoica,  von  Slingenberg  2298,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Lytinol,  von  Pa- 

kuscher .  2747 

Urethrorrhoea,  Prostataelemente  bei,  ex  li- 

bidine,  von  Pfister . 207 

Urin  s.  u.  Harn,  Eiweissbestimmung. 


Urin ,  Bestimmung  der  Harnsäure  und 
Purinkörper  im,  von  Flatow  354,  Ver¬ 
halten  d<  r  Aminosäuren  im  — ,  von 
Galambos  u.  Tausz  824,  das  diastatische 
Ferment  des  — ,  von  Neumann  .  .  .  1784 

Urinantiseptica,  von  Jordan .  2644 

Urinkonservierung  mit  Formalin,  von 

v.  Engelmann .  2096 

Urinschau,  wie  können  wir  aus  der,  und 
der  Thompsonschen  Zweigläserprobe 
sicherere  Ergebnisse  gewinnen?  von 

Rühl .  2233 

Uriozongichtsalz .  .  .  426 

Urobilin  und  sein  Nachweis,  von  Haus¬ 
mann  . 1949 

Urobilinfrage,  Beiträge  zur,  von  Fromholdt 

und  Nersesoff .  36 

Urobilinnachweis  mittels  Kupfersulfat, 

von  Hausmann . 484 

Urobilinogen,  kristallisiertes,  aus  Fäzes, 
von  Charnas  2139,  Nachweis  des  — , 

von  Hildebrandt .  2639 

Urobilinogenbestimmung, klinisch  einfache 
Methode  quantitativer,  von  Flatow  und 

und  Brünell . 234 

Urobilinogenurie  bei  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Kamssarakan .  2424 

Urobilinreaktion,  Behinderung  der,  durch 

Formaldehyd,  von  Hausmann  ....  2013 
Urobilinurie  und  Urobilinogen  bei  Brust¬ 
kindern,  von  Ostrowski  315,  —  in  der 
Tropenpraxis,  von  Justi  1314,  klinische 
Bedeutung  der  — ,  von  Hildebrandt  .  2076 
Urogenitalorgäne,  dringende  Behandlung 

der  Krankheiten  der,  von  Fiolle  .  .  .  599 

Urogenitaltuberkulose ,  von  Rupprecht 
1459,  von  Brauser  2091,  die  Infektions¬ 
wege  bei  der  — ,  von  Walker  ....  1954 
Urolithiasis  und  Bilharziasis,  von  Pfister  1956 
Urologie,  die,  als  Wissenschaft  und  Lehr¬ 
fach,  von  Casper  . .  2429 

Urologische  Forschungsergebnisse,  Bericht 
über,  von  Kielleuthner  ....  933,  2131 

Urologische  Instrumente,  von  Dommer  .  2859 
Uropoetisches  System,  Uebersichtsauf- 

nahmen  des,  von  Krüger . 1517 


Seite 

Urotropin  s.  a.  Hexamethylentetramin. 

Urotropin,  Arzneiexanthem  nach,  von 
Sachs  97,  —  und  seine  Bedeutung  für 
die  Prophylaxe  und  Therapie  der  oto¬ 
genen  Meningitis,  von  Zimmermann 
1229,  Verteilungs-  und  Ausscheidungs¬ 
verhältnisse  des  — ,  von  Usener  2070, 
Sekretion  des  —  durch  Schleimhäute 
und  seröse  Häute,  von  Lübecke  .  .  .  2137 

Urtikaria,  Hervorrufung  von,  durch  Erga- 
min ,  von  Eppinger  445 ,  diätetische 
Therapie  der  — ,  von  Salomon  2015, 
Kalziumtherapie  bei  —  im  Wochen¬ 
bett,  von  Bollag . 2514 

Uteramin  1840,  chirurgische  Erfahrungen 
mit  dem  Hämostatikum  —  zyma,  von 
Lauffs . .  2642 

Uterus  s.  a.  Gebärmutter,  Interpositio,  Re- 
troflexio,  Retroversio. 

Uterus,  Wundversorgung  bei  der  Radikal¬ 
operation  des  Carcinoma  colli  des  — , 
von  Bumm  205,  —  duplex  separatus, 
von  Schwab  496,  —  mit  Kollumkarzi- 
nom,  von  Schwab  496,  Einklemmung 
eines  retroflektierten  schwangeren  — , 
von  Hammerschlag  498,  —  im  3.  und 
4.  Monat,  von  Silbersiepe  616,  ver- 
grösserter  — ,  von  Leo  616,  Ruptur  des 
graviden  —  nach  Kaiserschnitt,  von 
Schwarz  815,  Exstirpation  des  — ,  von 
Feuchtwanger  1062,  myomatöser  — , 
von  Thorn  1177,  Tuberkulose  des  — ,  von 
Thorn  1177,  —  gravidus  mit  Portio¬ 
karzinom,  von  Weinbrenner  1232,  — 
myomatosus,  von  Weinbrenner  1232, 
Massage  des  schwangeren,  — ,  von 
Sippel  1678,  exotische  Flora  des  — ,  von 
Bland-Sutton  1733,  totalexstirpierter 
gravider  — ,  von  Hirt  1745,  Wander¬ 
sarkome  des  — ,  von  Zacherl  1790,  Vor¬ 
richtung  zur  aseptischen  Einführung 
der  Hand  in  den  — ,  von  Roosen  1842, 
Axendrehung  des  myomatösen  — ,  von 
Poth  1842,  Gravidität  des  r.  Hornes 
eines  —  bicornis  unicollis,  von  Dur¬ 
lacher  1882,  Diskussion  über  die  beste 
Methode  zur  Behandlung  von  Lage¬ 
veränderungen  des  —  1968,  Keilex¬ 
zision  des  — ,  von  Beuttner  2022,  die 
Blutgefässe  des  puerperalen  — ,  von 
Nagel  2083,  Geburt  bei  —  bicornis 
unicollis,  von  Kalmanowitsch  2136, 
angeborener  Prolaps  des  — ,  von 
v.  Radwanska  2136,  Beckenhochlage¬ 
rung  bei  Repositon  des  retroflektierten 
— ,  von  Liebl  2355,  zur  Anästhesierung 
des  — ,  von  Kraus  2370,  Beobachtung 
einer  beginnenden  Spontanruptur  des 

—  gelegentlich  einer  Sectio  suprapubica, 
von  Zalewsky  2456,  postklimakterisches 
Myosarkom  des  — ,  von  Ogörek  2474, 
die  elastische  Fläche  am  Isthmus  des 

—  als  Zeichen  der  Schwangerschaft, 

von  Ladinski  2592,  —  bicornis  mit  aus¬ 
getragener  Schwangerschaft,  von  Oeh- 
mann  2689,  Innervation  des  —  und 
der  Vagina,  von  Falk  2746,  2  Fälle 
von  —  inversus,  von  Sachs  2759,  — 
bicornis,  von  Rössle .  2863 

Uterusblutungen,  Wirkung  von  Radium¬ 
emanation  auf,  von  Opitz  1339,  Aetio- 
logie  und  Organotherapie  der  — ,  von 
Kalledey  1349,  1842,  Aetiologie  und 
Therapie  der  — ,  von  Hirsch  ....  1728 

Uterusentleerung,  transperitoneale,  von 

Kaufmann . 937 

Uterusfibromyome,  Gründe  für  die  Früb- 

operation  von,  von  Giles . 1969 

Uterusinversion,  puerperale,  von  Zange¬ 
meister  616,  Geburt  nach  Piccoli- 
operation  wegen  puerperaler  — ,  von 
Neugebauer  937,  Therapie  der  puer¬ 
peralen  — ,  von  Alsberg . 1342 

Uteruskarzinom,  Mesothorium-  u.  Röntgen¬ 
behandlung  der  — ,  von  v.  Seuffert 
450,  von  Döderlein  1296,  1403,  2865, 
von  Klein  2865,  40  Jahre  operativer 
Behandlung  des  — ,  von  Staude 
1120,  1230,  Erfolge  der  Röntgen- 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


CV 


Seite 

und  Mesothoriumbehandlung  beim  — , 
von  Bumm  1402,  2920,  Röntgenbestrah¬ 
lung  eines  — ,  von  Denks  1405,  Beein¬ 
flussung  von  —  durch  Radium,  von 
Wertheimer  1523,  Beeinflussung  der 
inoperablen  —  mit  Strahlen-  und  in¬ 
travenöser  Chemotherapie,  von  Klotz 
1704,  2096,  von  Seeligmann  1484,  Spät¬ 
wirkung  des  Mesothorium  bei  — ,  von 
Döderlein  1859,  Operationstechnik  und 
Resultate  bei  — ,  von  Weibel  2083,  — 
und  B'ase,  von  Cruet  2133,  Meso¬ 
thoriumbehandlung  der  — ,  von  All¬ 


mann  2435,  drei  inoperable  — ,  von 

Strassmann .  2921 

(Jteruskörper,  Verdoppelung  des,  und  der 
Scheide,  von  Henkel  . 613 


Uteruskrebs,  Technik  der  Operationen  bei, 
von  Mc  Caan  887,  die  wahre  Prophy¬ 
laxe  des  — ,  von  Bossi  1678,  kombinierte 
Behandlung  des  —  mit  Röntgen-  und 
Radiumstrahlen,  von  Scherer  u.  Ivelen  2369 
(Jterusmissbildungen,  plastische  Opera¬ 
tionen  bei,  von  Kerr  .  ......  2080 

Uterusmuskulatur,  pharmakologische 
Untersuchungen  an  der  überlebenden, 
und  Tubenmuskulatur,  von  Rüb- 
' samen  und  Kligermann  92,  Typus  der 

— ,  von  La  Torre  .  .  2022 

[Jterusmyome,  Behandlung  der,  mit 
Röntgenstrahlen,  von  Sippel  2226, 

2312,  zur  Aetiologie  der  — ,  von  Freund 
2297,  konservative  Tendenz  bei  der 
Operation  der  — ,  von  Falgowski  2370, 

-  und  Ovarialblutungen,  vonOehmann  2474 
Jterusperforationen  bei  Ausräumung  von 
Aborten,  von  Rühl  371,  —  durch  einen 

Fremdkörper,  von  Zimbler . 1773 

Jterusruptur,  spontane,  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Beyer  25,  —  nach  Pituitrin, 
von  Herz  1218,  operative  Behandlung 
der,  von  Sigwart  1457,  —  nach  Pitu- 
glandol,  von  F.speut  1774,  Therapie 
der  kompletten  — ,  von  Nebesky  2688, 
Präparate  von  kompletter  — ,  von 
Henkel  2863,  —  nach  Wendung  und 
Zangenversuchen,  von  Henkel  .  .  .  .  2863 
Jterusschleimhaut,  der  normale  menstru¬ 
elle  Zyklus  der,  von  Schröder  1725, 


die  —  bei  Blutungen,  von  Adler  .  .  .  2371 
Jterus  Verletzungen,  Zustandekommen 

von,  von  Maly . 1279 

Jterusvorfälle,  intraabdominale  Myor- 
rhaphie  bei,  von  Jianu  ......  372 

Yerusstumpf,  von  Thorn  1177,  im  — 
sich  entwickelnde  Geschwülste,  von 
Hansen  1045,  —  mit  Karzinom  der  hin¬ 
teren  Lippe,  von  Thorn  . 1177 

Jteruswand,  partielle  Aussackung  der  hin¬ 
teren,  von  Henkel  .  2863 

Jvula,  Choanalbefunde  bei  fehlender, 
von  Glas . 829 


zara,  von  Eisenheimer  41,  Blutdruck¬ 
wirkung  von  — ,  von  Frey  441,  ver¬ 
gleichende  Untersuchungen  über  die 
Wirkungen  von  —  und  Opium,  von  Hirz 
2220,  Wirkung  des  neuen  Stopfmittels 

— ,  von  Wikker .  2808 

Jzaron,  Wirkung  des,  von  Hirz  ....  2915 


V. 

accination,  la,  contre  la  fievre  typhoide, 

von  Liffran .  .  •  .  ...  1401 

'accine,  des  rdactions  d’infection  et  d’im- 
munitö  dans  la,  et  la  variole,  von 

Gastinel . .  .  .  2128 

'ademecum,  gynäkologisches,  von  Dührs- 
sen  33,  diagnostisch-therapeutisches  — , 
von  Schmidt,  Friedheim,  Lamhofer  u. 
Donat  623,  —  anatomicum,  von  de  Terra 
657,  geburtshilfliches  — ,  von  Richter  2296 
Agj,  Resektion  beider,  von  Cohn  .  .  1731 

ragina,  Papillome  der,  von  Kieselbach 
146,  Haematom  der  —  und  Vulva,  von 
Roemer  315,  das  biologische  Moment 


Seite 

bei  der  Behandlung  der  — ,  von  Kuhn 
482,  Myom  der  — ,  von  Dicke  937, 
Exstirpation  der  ganzen  —  wegen  Kar¬ 
zinom,  von  Fenchtwanger  1062,  —  septa 
bei  einfachem  Uterus,  von  Holste  1564, 
plastischer  Ersatz  der  —  bei  ange¬ 
borenem  Defekt,  von  Albrecht  1728, 
Zerreissung  der  — •  sub  coitu,  von  Köhler 
2010,  künstliche  —  aus  Dünndarm,  von 

Protopopescu .  2303 

Vaginaefixur,  schwere  Geburten  nach,  von 

Uthmöller . 1107 

Vaginale  Untersuchung  der  Kinder,  von 

Stolz  . . 2418 

Vaginalsekret,  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  des  —  Kreissender,  von  Trau¬ 
gott  und  Goldstrom  482,  Bedeutung  des 
Streptokokkenbefundes  im  —  Kreis¬ 
sender,  von  Sachs  1045,  von  Goldstrom  2010 

Vaginaltumoren,  von  Stratz . 259 

Vaginismus  der,  von  Föuss  2359,  blutige 
Erweiterung  beim  — ,  von  Rothe  .  .  1616 
Vagotomie  bei  gastrischen  Krisen,  von 

Exner  ...  .  2367 

Vago  onie  s.  a.  Seekrankheit. 

Vagotonie,  exsudative  Diathese  und  — , 
von  Krasnogorski  ........  .  2011 

Vagus,  frequenzändernde  Wirkung  des, 


Muskarin  und  Nikotin,  von  Hering  .  107 

Vaguserregbarkeit  und  Vagusgifte,  von 

Loewy . 206 

Vagusreiz,  von  v.  Hoesslin  . 2147 


Vagusreizung,  Einfluss  von  Chloralhydrat 

auf  den  Erfolg  der,  von  Loewi  .  .  206 
Vaguswirkung,  Bedeutung  des  Kalziums 
für  die,  von  Loewi  206,  ungleichmässige 

—  auf  das  Herz,  von  Einthofen  und 

Wieringa . .  .  2243 

Vakzinationstherapie,  zur,  von  Wolff-Eisner 
430.  die  —  bei  einigen  gynäkologischen 
Erkrankungen,  von  Wainstein  665,  — 
des  Krebses,  von  Pinkuss  u.  Kloninger 
2419  — ,  bösartiger  Geschwülste,  von 

Blumenthal . 2916 

Vakzine  und  Fieber,  von  Hort  1733,  ge¬ 
mischte  — ,  von  Castellani  1954,  auto¬ 
gene  —  bei  der  Behandlung  chronischer 
Gelenksaffektionen,  von  Hughes  2643, 

—  bei  der  Behandlung  der  chron.  Bron¬ 
chitis  und  des  Asthmas,  von  Pirie 
2643,  sensiti vierte  —  bei  akuten  Bak¬ 
terieninfektionen,  von  Gordon  ....  2694 

Vakzinebehandlung  bei  Gonorrhöe,  von 

Klause  2248,  von  Keil .  2693 

Vakzineinfektion  an  den  Fingern,  von 

Paschen  .  .  49 

Vakzinetherapie,  Erfolge  der,  bei  der  Go¬ 
norrhöe,  von  Reber  209,  —  des  Typhus 
abdominalis,  von  Delteil,  Negre  und 
Reynaud  565,2539,—  der  gonorrhoischen 
Vulvovaginitis,  von  Winokurow  und 
Wainstein  1624,  —  des  Kropfes,  von 
Gereda  1904,  die  —  verschiedener  In¬ 
fektionen  mit  lebenden  sensitivierten 
Mikroorganismen,  von  Alcock  1955, 

—  beim  Keuchhusten,  von  Nicolle  und 
Conon  1793,  —  der  gonorrhoischen  Er¬ 
krankungen,  von  Gerschun  und  Finkei¬ 
stein  998,  2137,  Serologie  und  — ,  von 
Michaelis  2429,  von  Volk  2429,  die  — 
in  der  Urologie,  von  Schneider  2429, 

—  bei  Arthritis  deformans,  von  Soltan 

2694,  —  des  Typhus  beim  Kinde,  von 
Weil .  ,  2926 

Vakzinlymphe,  Variola vakzin  zur  Züch¬ 
tung  von,  von  van  den  Berg  ....  2139 

Vakzinola,  von  Kraus  . 1972 

Valamin,  von  Simonsohn .  2551 

Valaurin,  Erfahrungen  mit,  von  Bräutigam  2691 
Valerianae  extract.  aromaticum  1839,  von 

Fischer .  1389 

Valeriandialysat  Golaz,  von  Ehrl  .  .  .  2382 

Valvula  Bauhini,  Insuffizienz  der,  und 
ihr  Verhalten  unter  dom  Leuchtschirm, 

von  Lohfeldt .  2757 

Variköser  Symptomenkomplex,  Behand¬ 
lung  des,  mit  der  Klebrobinde,  von 
v.  Heuss .  1232,  2(72 


.  Seite 

Varikozele,  operative  Behandlung  der,  von 
Gomoiu  2304,  akute  —  durch  Unter¬ 
bindung  der  unteren  Hohlvene,  von 

Rössle .  2862 

Variola,  Behandlung  der,  mit  Jodtinktur, 
von  Rockhill  335,  —  und  Flecktyphus, 
von  Arzt  und  Kerl  1124,  Epidemiolo¬ 
gisches  und  Experimentelles  über  — 
und  Vakzine,  von  Tieche  1681,  —  bei 
Neugeborenen,  von  Epstein  2299,  Häma¬ 
tologie  der  —  und  der  Vakzine,  von 

Schatzmann . 2918 

Varix,  Kombination  von,  aneurysmaticus 

und  Aneurysma  spurium,  von  Göbell  1575 
Varizellen,  von  Medin  2434,  —  bei  Er¬ 
wachsenen,  von  Stäubli  773,  von  Krause 
1109,  von  Lilienthal  1507,  von  Savini 
2138,  -  und  Rubeolae,  von  v.  Pirquet  1300 
Varizen,  Resultate  der  totalen  Resektion 
der  oberflächlichen,  der  Oberextremi¬ 
täten,  von  Aiglave  1049,  —  beider 
unteren  Extremitäten,  von  Enderlen 
1179,  Behandlung  der  —  mittels  des 
Spiralschnittes,  von  Geinitz  1257,  Häu¬ 
figkeit  der  —  am  Unterschenkel  bei 
Japanern,  von  Miyauchi  1614,  sapheno- 
femorale  Anastomose  bei  — ,  von 
Weichert  1731,  Operation  der  —  mit 
kleinsten  Schnitten,  von  Holfelder  1950, 
im  Symptom  der  Klappeninsuffizienz 

bei  — ,  von  Hesse .  2009 

Vaselininjektion  in  die  Gelenke,  von 

Rovsing .  2357 

Vasocommotio  cerebri  nach  Salvarsan- 

infusionen,  von  Müller  .  .  .  ....  805 

Vasohypertensin  .  .  .  2472 

Vasokonstriktorische  Substanzen,  Ent¬ 
stehung  von,  durch  Veränderung  der 
Serumkolloide,  von  Handrovsky  u  Pick  316 

Vasomotorische  Phänomene  am  Kopf 
durch  Extrakte  innerer  Drüsen,  von 

Fraenkel . 1349 

Vegetarische  Diät,  absolute,  japanischer 

Bonzen,  von  Yukawa . 2011 

Vegetationen,  Hinabfallen  der,  und  Man¬ 
deln  in  die  Luftwege  bei  Operationen, 
von  Guisez  829,  Operationen  an  den 

adenoiden  — ,  von  Beck . 1689 

Vena  cava,  Ersetzung  eines  Stückes  der, 
inf.  durch  freie  transplantierte  V.  jugul. 
ext.,  von  Jeger  u.  Israel  1614,  Ruptur 
der  —  inf.  durch  Ueberfahrung,  von 
Schmieden  1728,  Unterbindung  der  — 
ileocolica  bei  mesenterialer  Pyämie 
nach  Appendizitis,  von  Braun  2354, 
Unterbindung  der  —  portae,  von  Bur- 

denko . . .  2532 

Venektasien,  operative  Behandlung  der, 

der  unteren  Extremität,  von  Kuzmik  .  1277 
Venenanästhesie,  direkte,  zu  Operationen 
an  Hand  und  Fuss,  von  Kaerger  202, 
Erfahrungen  an  375  Fällen  von  — , 


von  Hayward . 202 

Venennaht,  von  Retzlaff  329,  eine  das 
Lumen  der  Gefässanastomose  erwei¬ 
ternde  Methode  der  — ,  von  Dobro- 

wolskaja  .  2354 

Venenpuls,  von  Ohm  37,  563,  Vorhofspuls 
und  — ,  von  Rautenberg  674,  —  und 

Herztöne,  von  Ohm  .  1848,  1913 

Venenstauung,  Wirkung  der,  auf  die  Puls¬ 
kurven  Herzkranker,  von  Engel  .  .  •  217 
Venerische  Krankheiten,  die,  in  England 
2074,  Kontrolle  der  — ,  von  French 
2202,  von  Blaschko  2202,  von  Finger  2203 
Ventilation,  Wichtigkeit  der,  für  die  indi¬ 
viduelle  Isolierung,  von  Le  Sage  .  .  .  322 
Ventrifixur,  Nachteile  der,  von  Allmann 
1107,  über  100  —  derLigg.  rot.,  von  Riss¬ 
mann  ....  .  ...  2010 

Ventrikelzyste,traumatische,von  v.Haberer  39 
Verätzungen,  Drucksteigerung  bei,  und 

Verbrennungen,  von  Kümmell  ...  718 
Veratrinmuskel,  Funktion  des,  von 

Wöbbecke .  •  600 

Verbände,  Instrument  zum  Oeffnen  der 
festen,  von  Bley  885,  erster  —  bei  ak¬ 


zidentellen  Wunden,  von  v.  Eiseisberg  1236 


CVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Verbandstag,  10.,  deutscher  Bahnärzte  . 
Yerblödungsprozesse,  Differentialdiagnose 
der  jugendlichen,  von  Tuczek  .... 

Verblutung,  postoperative,  von  Rössle  158, 
—  intra  partum  infolge  Venenruptur 
des  Uterus,  von  Langes  ....... 

Verblutungstod,  subendokardiale  Ekchy- 
mosen  beim,  von  Stoll  1972,  intraperi¬ 
tonealer  —  sub  partu,  von  Stephan  . 
Verbrennung,  elektrische,  von  Beck  218, 
Drucksteigerung  bei  — ,  von  Kümmell 
718,  eigentümliche  Befunde  bei  — ,  von 
Harbitz  771,  —  nach  Rovsings  Methode 
behandelt,  von  Wulff  1651,  2357,  Be¬ 
handlung  schwerer  — ,  von  Beck  1863, 
Behandlung  einer  schweren  —  mit  dem 
Warmluftstrom,  von  Frankhauser  2625, 
Heilmittel  gegen  — ,  von  Bamberger 
Verbrühungstod,  Symptomatologie  des, 
von  Pfeiffer  1899,  von  Pfeiffer  und  de 

Crinis .  ..... 

Verdauung  und  Stoffwechsel,  von  Falken¬ 
stein  38,  Infektion  und  — ,  von  Meyer 
994,  —  lebenden  Gewebes  im  Magen, 
von  Kawamura  2008,  Verhalten  des 
im  Fleisch  enthaltenen  Eisens  und 
Kalziums  bei  der  — ,  von  Abderhalden 
und  Hanslian  2130,  normale  und  patho¬ 
logische  —  beim  Hunde,  von  London 
Verdauungsfermente  s.  u.  Säuglinge. 
Verdauungsinsuffizienz  jenseits  des  Säug 

lingsalters,  von  Wieland . 

Verdauungskanal,  Krankheiten  des,  voü 
Cohnheim  86,  Frühdiagnose  der  Kar 
zinome  des  — ,  von  Schütz  .... 
Verdauungs-  und  Stoffwechselkrankheiten 

erste  Tagung  für .  .  . 

Verdauungsprozesse,  Aenderungen  in  den 
nach  Gastroduodenostomie  und  Gastro 
jejunostomie  und  totaler  Magenopera 

tion,  von  Dagaew . 

Verdauungstrakt,  Indikationen  für  Opera 
tionen  bei  Erkrankungen  des,  von 
Einhorn  545,  experimentell -radiolo¬ 
gische  Studien  zur  Physiologie  und 
Pathologie  des  — ,  von  Lenk  und  Eisler 
Verdauungsvorgang,  der,  im  Lichte  der 
vitalen  Färbung,  von  Goldmann  .  .  . 
Vereine,  Rechtsfähigkeit  ärztlicher,  in 
Preussen  53,  390,  391,  446,  875,  1527, 
Vereine  s.  a.  Teil  VI. 

Verein,  Versammlung  des  Deutschen,  für 
Schulgesundheitspflege  in  Breslau  447, 
504,  20.  Tagung  des  —  deutscher  Laryn- 
gologen  320,  Jahresversammlung  des 
Deutschen  —  für  Psychiatrie  447, 
29.  Hauptversammlung  des  Preus- 
sischen  Medizinalbeamten-  —  679, 

Jahresversammlung  des  Internat.  — 
für  medizinische  Psychologie  und 
Psychotherapie  735,  Jahresversamm¬ 
lung  des  —  Bayerischer  Psychiater 
1303,  — Liegnitzer  Aerzte  1415,  38.  Ver¬ 
sammlung  des  Deutschen  —  für  öffent¬ 
liche  Gesundheitspflege  1527,  1864, 
Vorsitz  des  —  Deutscher  Laryngologen 
Vereinigung  der  an  leitender  Stelle  im 
Kommunaldienst  angestellten  Aerzte 
1864,  2319,  Internat.  —  gegen  die  Tuber¬ 
kulose  2151,  —  mitteldeutscher  Psychi¬ 
ater  2207,  Internat.  —  für  Rettungs¬ 
wesen  und  erste  Hilfe  2263,  —  süd¬ 
westdeutscher  Kinderärzte . 

Vererbung  s.  a.  Hämophilie. 

Vererbung  und  Rassenhygiene,  von  Bayer 
1389,  —  und  Bestimmung  des  Ge 
schlechte,  von  Goldschmidt  .... 
Vererbungsgesetze,  die  Mendelschen,  von 

Hammer . 

Vererbungslehre,  von  Plate  879,  internati 

onale  Konferenz  für  —  . 

Vererbungsproblem,  das  pathogenetische 

von  Rhode  . 

Vergebungsfest  im  Ospedale  maggiore  in 

Mailand  . 

Vergely  Dr.  P.  t .  -  • 

Vergiftung  s.  a.  Ameisensäure,  Anaphylat 
oxinvergiftung,  Anilinverg.,  Arsenik- 


Seite  | 

1975  ! 
954 

937 

2533  t 


Seite 


2927 


1 899 


2130 

2476 


1507 

2711 

1563 

1031 

1053 

2654 


2656 


2384 


1688 

1460 

1471 

2479 

1112 

1416 


verg.,  Atropinverg.,  Bleibetriebe,  Blei 
verg.,Chloreton  verg. ,  Extract.  filic  masi  s 
Gase,  Gasverg.,  Hydrarg.  oxycyanat. 
Kal. chloric.,  Kleesalzverg  ,  Kohlenoxyd 
verg.,  Kokainverg.,  Konservenspargel 
Leuchtgasverg ,  Lysolverg.,  Morphium 
verg.,  Natriumnitrit,  Nitritintoxikation 
Nitrobenzol,  Oxalsäureverg.,  Pankreas 
verg.,  Paraldehydverg.,  Sälzsäurevorg. 
Schlaf  mittel  verg.,  Schwefelkohlenstoff 
Schwefelsäure  verg.,  Sublimatverg.,Toxi 
peptidenverg.,  Trypsinverg.,  Veronal- 
verg.,  Wurm  verg. 

Vergiftung,  Folgen  der,  durch  Adrenalin, 
Histamin,  Pituitrin,  Pepton,  sowie  der 
anaphylaktischen,  in  Bezug  auf  das 
vegetative  Norvonsystem,  von  Fröhlich 
und  Pick  316,  Pathologie  und  Therapie 
der  akuten  — ,  von  Müller  440,  Adrenalin 
bei  — ,  von  Jona  1733,  die  anaphylak¬ 
tische  und  anaphylaktoide  — ,  von 
Löwit  1845,  Muskelveränderungen  bei 
der  anaphylaktischen  und  anaphylak¬ 
toiden  — ,  von  v.  Worzikowsky-Kund- 
ratitz  1846,  Arbeiterschutz  und  gewerb¬ 
liche  —  in  der  Schweiz,  von  Spinner 
Verhandlungen  des  VI.  Internationalen 
Kongresses  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  in  Berlin . 

Verhütungsmittel,  öffentliche  Ankündi¬ 
gung  von . 

Verkalben,  Diagnostik  des  ansteckenden, 

von  Szymanowski . 

Verkalkungen,  Röntgonbilder  von,  von 

Fraenkel  . . 

Verkalkungsherde,  intrakranielle,  von 

Schüller . 

Verknöcherungen,  posttraumatische,  von 

Grässner  . 

Verletzung,  merkwürdige,  von  Matthes 
617,  —  durch  eine  Kastanie,  von 

v.  Hoesslin  . 

Vermifuga,  Wert  einiger,  gegenüber  dem 
Ankylostomum,  von  Schüffner  .... 
Veronal,  Arzneiexanthem  nach,  von  Pernet 
Veronalvergiftung  und  ihre  Therapie,  von 

Tholl  '  . 

Verrucae,  Heilung  der,  planae  durch  Sal 

varsan,  von  Loeb . 

Verruga  peruviana,  von  Werner  213 
Untersuchungen  über  — ,  von  Mayer 
Rocha-Lima  und  Werner  .... 
Versalzung  der  Elbe  und  der  Weser  durch 
die  Abwässer  dor  Kaliindustrie,  von 

Dunbar . 

Verschüttete  Arbeiter,  von  Marx  .  .  .  . 
Versehen,  das,  der  Schwangeren  in  Volks¬ 
glaube  und  Dichtung,  von  Kahn  .  .  . 
Versicherungsgesetz,  nationales,  in  Eng¬ 
land  167,  223,  267,  —  für  Angestellte 

168,  von  Mugdan .  1225, 

Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutsch¬ 
lands  567,  568,  Rechenschaftsbericht 

der  — . 

Versicherungsmedizin,  neue  Arbeiten  aus 

dem  Gebiet  der .  375,  2645 

Vertrag  s.  a.  Mantelvertrag,  Musterverträge, 
Tarifverträge,  Krankenkassen,  kassen¬ 
ärztliche  Verträge. 

Verträge,  zivilrechtliche  Gültigkeit  unter 

Ehrenwort  gestellter . 

Vertragskommission,  Bericht  der  Gross¬ 
berliner,  von  Moll . 

Verwachsungen,  röntgenologische  Befunde 
bei  perigastritischen,  von  Haudeck  1013, 
—  zwischen  Dünndarm  und  Blasen¬ 
vertex,  von  Ottow  1164,  Wichtigkeit 
der  —  in  der  Magenpathologie,  von 

Marie  und  Clergier . 

Verwundete,  Behandlung  der,  auf  dem 
Schlachtfelde,  von  v.  Oettingen  .  .  . 
Verzinkung,  Verzinnung  und  Verbleiung 

von  Gegenständen . 

Vesal,  anatomische  Erklärung  der  Original¬ 
figuren  von  Andreas,  von  Palmaz  von 

Leveling . 

Vesikovaginalfistel  auf  intravesikalem 
Wege  geschlossen,  von  Baer  .  .  .  . 


1896 

1127 

389 

148 

269 

957 

778 

2710 

1344 

2024 

606 

264 

739 


1126 

2926 

319 


1692 

1527 

2697 

2288 

2654 


Seite 


2920 


1394 


2263 

2053 


Vestibularapparat,  kalorische  Funktions¬ 
prüfung  des,  von  Michaelsen  .... 
Veterinärpolizeiliche  Anstalt  in  München 
Veterinärwesen,  Arbeiten  über  das  372, 
Vibrator,  neuer,  von  Plate  ....  258, 

Vibrette,  von  Dreuw . 

Vichy,  Gichtbehandlung  in,  von  Chabrol 
Vierlinge  und  Vierlingsmütter,  von  Hauser 
Vierzellenbad,  neue  Anwendung  des  elek 

trischen,  von  Schnee  .  . 

Vierzellenbadeschalter,  von  Schnee  .  . 

Vioform,  von  Feodorow . 

Rudolf  Virchow-Haus  2495,  städtischer  Zu 
Schuss  für  das  —  ...  1509,  1527 

Vircbows  Witwe  f . 

Viscostagonometer,  von  Traube  .... 
Viskosität  s.  u.  Blut. 

Viskositätsbestimmung  des  Blutes  bei  cbi 
rurgischen  Erkrankungen,  von  Frisch 

berg . 

Visnervin . 

Viszerale  Organismen,  von  Carrel  . 

Vita  sexualis,  ausgewählte  Kapitel  unserer, 

von  Grinker  . . 

Vitale  Färbung,  Einfluss  physikalischer 
Massnahmen  auf  die,  von  v.  Dalmady 
Vitaminlehre  s.  u.  Diät, 
v.  Vogl,  Generalstabsarzt  z.  D.  Dr.  Anton  f 
1416,  von  Seydel  1550,  Legat  Exz.  v.  —  s 
Volksaufklärung  auf  hygienischem  Gebiet 
Volksborngesellschaft,  Rednerliste  der  .  . 
Volksheilmittel  und  Unfallheilkunde,  von 

Mayer .  ..... 

Volksheilstätten,  Heilerfolge  der,  in  der 
Tuberkulosebehandlung,  von  Grau  .  . 
Volks-  und  Jugendspiele,  Jahrbuch  für, 
von  v.  Sehen  ckendorff  und  Schmidt  . 
Volkskrankheiten,  Bekämpfung  der,  in  der 

Schweiz  .  . . . 

Volvulus,  Zoekum-Dünndarm-,  in  einer  ein¬ 
geklemmten  Hernie,  von  Syring  371, 
partieller  —  des  Magens,  von  Orth  716, 
chronischer  —  des  S  romanum,  von 
Lorenz  901,  —  des  Dickdarms,  von 
Bundschuh  1677,  von  Jankowski  2533, 
—  der  Flexura  sigmoidea,  von  Riese 
Vorderarmfrakturen,  Behandlung  von,  mit 

Bolzung,  von  Schöne . 

Vorderarmsynostose,  kongenitale,  von 

Maar .  ...  781 

Vorderhauptslagen,  Behandlung  der,  von 

Lehle . . 

Vorderhirn  der  Vögel,  von  Rose  .  .  .  . 
Vorderkammerinhalt,  Strömungsrichtung 
und  Resorption  des,  von  Klein  .  .  . 
Vorfall  beider  Unterextremitäten  neben 

dem  Kopfe,  von  Bilsted . •_  . 

Vorhof,  Registrierung  des  Druckes  im 
rechten,  von  Weber  2553,  von  Rauten¬ 
berg  . 

Vorhofflattern,  von  Ritchie . 

Vorhofflimmern,  von  Rihl . . 

Vorhofkontraktion,  Einfluss  der,  auf  die 
Blutdruckkurve,  von  Lohmann  .  .  .  . 
Vorhofspuls  und  Venenpuls,  von  Rauten¬ 
berg  . 

Vorzugsbuttermilch,  von  v.  Pfaundler  .  . 
Votivgaben,  antike,  von  Sudhoff  .  .  .  ■ 
Vulva,  Blutgeschwulst  der,  von  v.  Zubrzyki 
600,  elefantiastische  Tuberkulose  der — , 

von  Daniel  . 

Vulvakarzinom,  Erfahrungen  über  das,  von 
Rupprecht  314,  operiertes  — ,  von 

Fleischhauer .  .  .  . 

Vulvovaginitis,  Vakzinebehandlung  der  go¬ 
norrhoischen,  von  Winokurow  und 
Wainstein  1624,  Behandlung  der  — , 
von  Slingenberg . 


W. 

Wachstumsstörung,  von  Falta . 

Wärmeregulation,  nervöser  Mechanismus 
der,  von  Freund  838,  Beziehungen  der 
Nebennieren  zu  — ,  von  Freund  und 
Marchand  1164,  Mechanismus  der  — , 
vonWalbaum  1280,  —  undKohlehydrat- 


1219 

1359 

1902 

436 

949 

835 

812 


951 

1715 

2810 

2095 

504 

2129 


2135 

1840 

2591 


1916 


949 

1975 
2028 
110  j 

2697 

1638 

991 

1346 


2858 

2327 

8851 

860 

2374 

2806 

2298; 


2912 

9421 

1950 


2190 

671 

1123 

2638 


93t 

1741 

2298  - 

1301 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


CVII 


Stoffwechsel,  von  Silberstein  1458,  Be¬ 
deutung  der  Vagi  für  die  — ,  von  Freund 
1506,  Einfluss  des  Zwischenhirns  auf 
die  — ,  von  Leschke  2134,  Blutzucker 
und  — ,  von  Freund  und  Marchand 

2475, 

Wärmestichfieber,  das,  als  Ausdruck 
d.  Wärmeregulationsvermögens ,  von 

Freund  . 

Wärmetherapie, intrastomachalo,vonFunke 
Wallace  Alfred  Russell  f  2552,  von  Daser 
Wanderausstellung  Mutter  und  Säugling 

Wandermilz,  von  Montuovo . 

Wanderniere,  Beziehungen  zwischen  der, 
und  der  chronischen  Kolitis,  vonLiddell 
887,  operative  Behandlung  der  — ,  von 
Kocher  1284,  —  mit  Solitärzyste  in 
kleinen  Becken,  von  Falgovski  .  .  . 
Wanderversammlung,  38.,  der  südwest¬ 
deutschen  Neurologen  und  Irrenärzte 
Warmwasserversorgung  für  Operationssäle, 

von  Becker . 

Warzenfortsatz,  Spätempyeme  des,  von 

Lüders . 

Wasser,  Methode  zur  Beurteilung  der  fä¬ 
kalen  Verunreinigung  eines,  von  Hen- 
ningsen  1341,  sanitäre  Begutachtung 
des  — ,  von  Gorowits  1623,  neuere  Ver¬ 
fahren  zur  Sterilisierung  etc.  von  — , 
von  Selberg  1848,  Bedeutung  des  — 
für  Konstitution  und  Ernährung,  von 
Schlossmann  2371,  das  —  in  der  Physik 
und  Technik  des  Altertums,  von  Ur- 

schütz  . 

Wasserdestillation,  Methoden  der,  von 

Barladean . 

Wasserfehler,  Kochsalzfieber  und,  von 

Freund  . 

Wassermann-Neisser-Brucksche  Reaktion, 
Modifikation  der,  nach  Stern,  von 
Quadflieg  1047,  Verwendbarkeit  von 
Retroplazentar-  und  Nabelvenenblut  zur 

— ,  von  Krukenberg  . . 

Wassermannsche  Reaktion,  die,  bei  Neu¬ 
geborenen  und  Säuglingen,  von  d' Astros 
und  Teiseonier  323,  —  und  Lebensver¬ 
sicherung,  von  Friedländer  378,  v.  Dun- 
gernsche  Vereinfachung  der  — ,  von 
Drügg  430,  Merkblatt  für  die  —  502, 
504,  Fehlerquellen  der  — ,  von  Stern 
546,  positive  —  bei  Sarkom,  von  Lassen 
550,  praktische  Bedeutung  der  — ,  von 
Jacobsthal  620,  671,  730,  Beziehungen 
der  Hautreaktion  bei  Lues  zur  — ,  von 
Müller  und  Stein  661,  die  —  in  der 
Krankenhauspraxis ,  von  Tuschinsky 
und  Iwaschenzow  662,  Häufigkeit  der 
—  im  Liquor  cerebrospinalis  bei  Para¬ 
lyse,  von  Kirchberg  884,  — in  d. Schwan¬ 
gerschaft  und  bei  Wöchnerinnen,  von 
Sarateanu  und  Velican  937,  —  als  In¬ 
dikator  bei  der  Therapie  der  Syphilis, 
von  Hecht  1069,  Auslegung  der  Resul¬ 
tate  der  — ,  von  Craig  1224,  Beobach¬ 
tungen  bei  der  — ,  von  Thiele  und 
Embleton  1276,  Bedeutung  der  —  für 
den  Gerichtsarzt,  von  Bohne  1281,  Ein¬ 
fluss  des  Salvarsan  und  Neosalvarsan 
auf  die  —  von  Gurari  1287,  Technik 
der  Blutentnahme  für  die  — ,  von  Mulzer 
1429,  Reaktionsumschläge  bei  wieder¬ 
holter  — ,  von  Seiffert  und  Rasp  1506, 
zur  Frage  des  verfeinerten  — ,  von 
Graetz  1518,  positive  —  bei  malignen 
Geschwülsten,  von  Spiess  1570,  neuer 
Organextrakt  zur  Anstellung  der  — , 
von  Bitter  1627,  Wesen  der  — ,  von 
Liebers  1729,  zweijährige  Erfahrungen 
mit  der  —  von  Wesener  1816,  brauch¬ 
barer  Organextrakt  zur  Anstellung  der 
— ,  von  Bitter  1819.  Meiostagminreak- 
tion  und  —  bei  Lues,  von  Bazzicalupo 
1849,  —  bei  Diabetes,  von  Richartz 
1851,  zur  Technik  der  Blutentnahme  für 
die  — ,  von  Raab  1941,  —  bei  der  gynä¬ 
kologischen  Diagnose,  von  Mc  Ilroy 
1969,  Ausfall  der  Müller-Brendelschen 
Modifikation  der  —  bei  Malaria,  von 
Zschucke2137,quantitativeBestimmung 


Seite 


2860 


1506 

1114 

2593 

1416 

2010 


1456 

391 

1728 

41 


2433 

1601 

2915 

2744 


Seite 


der  verschiedenen  Grade  bei  positiver  — 
von  Ginsburg  2309,  Bedeutung  der  —  mit 
Leichenblut,  von  Boas  und  Eiken  2357, 
Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Kom¬ 
plementbindung  in  der  — ,  von  Thomsen 
und  Boas  2358,  bei  malignen  Tumoren, 
von  Eliasberg  2532,  Bedeutung  der  — , 
von  Citron  2541,  relative  Häufigkeit  der 

—  und  Noguchi-Reaktion  bei  Erwach¬ 
senen,  von  Mathieu,  Weil  und  Gironz 
2653,  Bedeutung  der  —  bei  der  Ver¬ 
wendung  von  Ammen,  von  Wesener 
2689,  Wert  der  —  für  das  Versiche¬ 
rungswesen,  von  Schottmüller  2699, 
Einfluss  des  Phenols  auf  die  — ,  von 
Meyer  2801,  von  Signorelli  2801,  Wesen 
der  — ,  von  Rabinowitsch  .  .  .  . 

Wasserpfeffor  bei  Gebärmutterblutungen, 

von  Kaminskaja . 

Wasserproben,  Eisenfällung  zur  direkten 
Keimzählung  in,  von  Hesse  1220,  leicht 
desinfizierbare  Pumpenvorrichtung  zur 
Entnahme  von  — ,  von  Ishiwara  . 
Wassersterilisation  mittels  ultraviolettei 

Strahlen,  von  Müller . 

Wasserstoffsuperoxyd,  Anwendung  des 
bei  Erkrankungen  des  Magens  und  des 
Darmes,  von  Wolpe  ... 
Wassersucht,  Blutbildung  bei  fötaler  all 
gemeiner,  von  Rautmann  262,  ange 
borene  — ,  von  Pfreimbter  951 ,  Be 
handlung  der  Herz-  und  Nieren — ,  von 

Strauss . 

Wasseruntersuchung,  Methoden  der  bak 
teriologischen,  von  Hesse  1729,  zur 
bakteriologischen  —  ,  von  Ficker  .  . 
Wasserversorgung  von  Prag,  von  Reisinger 
620,  —  von  Stadt  und  Land,  von 
Thiersch  1059,  2872,  —  von  Städten, 

von  Bürger . 

Webschiffchen,  Ansaugen  des  Fadens  an 

die,  von  Bargeron . 

Wechsel strombäd,  das,  von  Strubell  .  .  . 
Wechselstrom-Röntgenmaschine,  von  Des¬ 
sauer  . 

Wehenanregende  Mittel,  klinische  Ver¬ 
suche  mit,  von  Ertl  ........ 

Wehen  erregende  Substanzen  und  innere 
Sekretion,  von  Schickele  1349,  Natur 
und  Verbreitung  vasokonstriktorischer 
und  —  im  Körper,  von  Lindemann 

und  Aschner  . 

Wehenmittel,  Wirksamkeit  der,  in  der  Nach¬ 
geburtsperiode,  von  Rübsamen  627, 
moderne  — ,  von  Koch  993,  ein  neues 

—  (Präparat  1 97-Roche),  von  Lindemann 
2535,  klinisch-experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirksamkeit  syn¬ 
thetischer  — ,  von  Rübsamen  .... 

Wehenschwäche,  medikamentöse  Behand¬ 
lung  der,  von  Reinhard . 

Wehentätigkeit,  Beeinflussung  der,  durch 
Skopolamin-Pantopon-undSkopolamin- 
Narkophin  -  Injektionen ,  von  Zins¬ 
meister  . 

Wehrkraftverein,  gesundheitliche  Ziele 
und  Massnahmen  des,  von  v.  Heuss 
Weichardtsche  Reaktion,  von  Engelhorn 
Weihnachtsgabe  für  arme  Arztwitwen  in 
Bayern  .  56,  2496,  2552,  2712,  2768 
Weiszsche  Reaktion  im  Harn  Tuberkulöser 

von  Vitry . 

Werlhofii  morbus  maculosus,  Blutgerin 
nungsfähigkeit ,  Viskosität  und  Blut 
plättchenzahl  bei,  von  Steiger  .  .  . 

Wer  ist’s?  von  Degener . 

Wertheimsche  Abdominalpanhysterekto 

mie,  von  Ohilde  . 

Wettbewerb,  Strafantrag  beim  unlauteren 

Weyl  Prof.  Dr.  Theodor  + . 

Whitehead  Prof.  Dr.  f . 

Witwengabe  des  L.  W.  V . 

Wiederkäuen,  ein  ausserordentlicher  Fall 
von  menschlichem,  von  v.Gulat-Wollen 

bürg  ...  .  . 

Wien,  die  Gesundheitsverhältnisse  von 
im  Jahre  1912  320,  Neuigkeiten  aus  — 
902,  Spital  not  in  —  1171,  Krebsspital 
und  Krebsinstitut  in  —  1171,  Sanitäts- 


2809 

2809 

2640 

373 

2422 

1014 

1902 


2536 

846 

2644 

2289 

1303 

1976 

2712 


2568 


Steuer  in  —  1171,  Pflegerinnen  wesen 


m 


2546 


1896 

1613 


833 

973 

2779 


2724 

938 

999 

677 

1195 

2872 

1904 


Wiesbaden,  Kaiser  Friedrichbad  in  .  . 
Wietingsche  Operation  s.  a.  Anastomose. 
Wietingsche  Operation,  von  Ssokolow  . 
Wildungen,  Ermässigungen  in  Bad  .  . 
William  PI.  Welch  Endowment  for  Clinical 
Education  and  Research  ..... 
Wilsonsche  Krankheit,  von  Stöcker 
v.  Winckels  nachgelassene  Vorträge  .  . 
Winkl  er-Schulz-Oxydasereaktion,  klinische 
Bedeutung  der,  von  Platiegan  .  .  . 
Wintersport,  Verletzungen  beim,  von  Bern 

hard . 

Wirbelsäule,  transperitonealer  Weg  bei 
Operationen  an  der,  von  Jourdan  203, 
der  röntgenologische  Nachweis  von 
Verletzungen  der  — ,  von  Graessner 
377,  Krankheiten  der  — ,  von  Auvray 
und  Mouchut  479,  Redressement  der 
kyphoskoliotischen  — ,  von  Engelmann 
1124,  Enchondrom  der — ,  von  Valen¬ 
tin  1677,  Rachitis  der  — ,  von  Engel¬ 
mann  2368,  Entstehung  u.  Behandlung 
seitlicher  Verkrümmungen  der—,  von 
Werndorff  2368,  Verlauf  und  Ausgang 
der  Tuberkulose  der  — ,  von  Seemann 
Wirbelsäulentuberkulose,  Zelluloid  bei  der 
Behandlung  der,  von  Gauvain  .  .  .  . 
Wirbelsäulenverkrümmungen, Behandlung 

der,  durch  Laien . 

Wisbola  • . 

Wising  Dr.  P.  J.  f . 

Wismutpaste,  Nitritintoxikation  bei  der 
Injektion  der  Beckschen,  von  Jensen 
1202,  wirksamer  Bestandteil  der  Beck¬ 
schen  — ,  von  Rost  2281,  von  Wacker 
Wissenschaftliches  humanitäres  Komitee, 
Vierteljahresbericht  des,  von  Hirsch¬ 
feld  . .  .  . 

“Wochenbett,  Aetiologie  der  Spätblutungen 
im,  von  Looss  1045,  Krankheitszustand 

im  — ,  von  Pelz . .  .  .  . 

Wochenbettfieber,  Verhütung  der  durch 
Spontaninfektion  verursachten,  von 

Zweifel  .  2298, 

Wochenschrift,  50.  Jahrgang  der  Berliner 
klinischen  111,  Jahressitzung  des 
Herausgeberkollegiums  der  Münchener 

medizinischen  —  .  .  • . 

Wöchnerinnen  s.  a.  Bergoniösches  Ver¬ 
fahren. 

Wöchnerinnen,  Vermächtnis  zur  Unter¬ 
stützung  unehelicher,  und  Mütter  1127, 
Leitfaden  zur  Pflege  der  —  und  Neu¬ 
geborenen,  von  Löhlein . 

Wöchnerinnenasyle,  Vereinigung  zur  För¬ 
derung  der,  von  Brennecke  2070,  2852, 

von  Eckstein . 

Wohlfahrtsgründungen,  allerlei  ärztliche, 

in  Wien  und  Oesterreich . 

Wohltätigkeitsstiftung  in  Bad  Kissingen 
Wohnung  und  Säuglingssterblichkeit,  von 

Prinzing . 

Wohnungsamt,  Eröffnung  des  städtischen, 

in  Berlin . 

Wohnungsaufsicht,  Aufgaben  und  Erfolge 

der,  von  Badtke . 

Wohnungsenquete  der  Ortskrankenkasse 
Berlin  für  Kaufleute,  von  Feilchenfeld 
Wohnungsgesetz,  Entwurf  eines,  vonWolff 

Wohnungskongress,  internat . 

Wohnungspflege,  Organisation  einer,  und 
Wohnungsaufsicht  in  Berlin  .  .  .  .  . 
Wohnungswesen,  Konferenz  über  studen¬ 
tisches . 1127, 

Wolframantikathode,  von  Bangert  .... 
Wortblindheit, kongenitale,  von  Nadoleczny 
Würfelpunkt-Sehproben,  von  Wolffberg  . 
Würste, Zusammensetzung  und  Beurteilung 

der,  von  Avd-Lallement . 

Wundbehandlung  mit  Zucker,  von  Magnus 
406.  960,  von  Hoffmann  568,  von  Bar 
bo  792,  moderne  —  im  Kriege  und  im 
Frieden,  von  Graf  1358,  Pfannenstiel- 
sche  Methode  der  — ,  von  Reuterskiold 
Wundbehandlungsmittel,  erfolgreiches,  im 
Balkankrieg  erprobtes,  von  Chrysos- 
pathes . 


Seite 

1171 

623 

2424 

1975 

2599 

2428 

2822 


828 

882 


2586 

2643 

1171 

2472 

112 


2674 

933 

1731 

2307 

1126 


1336 

2746 

1625 

1583 

2693 

2317 

1225 

2752 

1013 

447 

210 

1300 

833 

1123 

149 

1730 


2360 


2638 


CVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS 


1913. 


Wunden,  Behandlung  granulierender,  von 
Bergeat  1377,  von  Bauer  1549,  von 
Wittek  1657,  von  Heisler  2460,  Be 
handlung  granulierender  —  mit  Helfo 

plaat,  von  Mertens . 

Wundheilung  s.  u.  Bindegewebe. 
Wundheilung  an  Leber,  Milz  und  Nieren 
von  Waliaschko  und  Lebedew  .  . 
Wundinfektionen  im  Kriege,  von  Meyer 
Wundlaufen,  Formaldehydlösung,  zurVer 
hütung  des,  von  Eguchi  .  •  ... 
Wundpulver,  neues,  von  Hammer  .  , 
Wundschmerz  nach  Lokalanästhesie,  von 

Wolf . 

Wurm,  partielle  Entfernung  des,  wegen 
Geschwulstbildung,  von  Oppenheim  u 

Krause  . 

Wurmfortsatz  s  a.  Processus  vermiformis, 
Appendix. 

Wurmfortsatz,  Veränderungen  des,  bei 
Peritonitis,  von  Sugi  94,  primäre  Kar 
zinome  des  — ,  von  Luce  145,  Aus 
Schaltung  des  — ,  von  Steinmann  771 
systematische  Untersuchungen  des  — 
von  Colan  831,  röntgenologische  Dar 
Stellung  des  -,  von  Cohn  1042,  Pal 
pation  des  — ,  von  Bjalokur  1108,  Ein 
klemmung  und  Gangrän  des  —  und 
einer  Dünndarmschlinge,  von  Wagner 
1397,  Karzinoide  des  — ,  von  Müller 
1676,  Zylinderzellenkarzinome  des  — , 
von  Miloslavich  1679,  Ausschaltung 
des  — ,  von  Sonnenburg  2070,  die  Drüsen 
und  Follikel  des  — ,  von  Nagoya  2690, 
Gefässveränderungen  am  erkrankten  — , 

von  v.  Redwitz . 

Wurmkrankheit,  Ausbreitung  der,  in 
Muansa,  von  Petzoldt  1344,  —  in  Nieder¬ 
ländisch  Indien,  von  Schüffner  .  .  . 
Wurmmittel  s.  a.  Vermifuga. 

Wurmmittel,  neue  Methode  der  Wert¬ 
bestimmung  von,  A’on  Schüffner  und 
Vervoort  ....  ...  .  .  . 

Wurmvergiftung,  Veränderungen  der  Or¬ 
gane  mit  innerer  Sekretion  bei  der, 
von  Bedson  . 


Seite  | 


2792 


2807 

2925 

1165 

1150 

2852 


163 


2744 

1344 

129 

2540 


X. 

Xanthoproteinreaklion,  von  Inouje  .  .  2129 
Xanthosarkome,  pigmentierte  riesenzellen¬ 
haltige,  von  Hartert . 1503 

Xerasebebandlung  des  Fluor,  von  Abraham  1342 
Xeroderma  pigmentosum,  von  Richter  .  154 

Ximenia,  ölhaltige  Samen  der,  americana, 

von  Schröder  . . 373 

Xylol,  Behandlung  des  Ekzems,  der  Krätze 
und  anderer  Hauterkrankungen  mit, 
von  Missikow . 1624 


Y. 

Yatren,  Bekämpfung  der  Dauerausschei¬ 
dung  von  Bazillen  mittels,  von  Bischoff 
2194,  Unterstützung  der  Diphtherie¬ 
behandlung  mit  — ,  von  Freund  2748, 
Behandlung  der  Diphtherie  mit  Serum¬ 
injektion  und  — ,  von  Kausch  ....  2748 
Yemengeschwür,  Vibrionenbefund  in 

einem,  von  Wiener .  995,  1957 

Yoghurt,  Ueberwachung  des  Verkehrs  mit, 
undYoghurtpräparaten,  von  Griebel  426, 
Untersuchungen  über  — ,  von  Hohen- 

adel . 482 

Yohimbin,  bisher  nicht  bekannte  Neben¬ 
wirkung  des,  von  Hübner .  .  50,  325,  542 


Z. 


Zahnärztekammer  in  Preussen  53,  1303,  2439 
Zahnärztliche  Gesichtspunkte  aus  der  Rhi- 

nologie,  von  Gibbs . 829 


Seite 

Zahnärztliche  Doktorwürde,  Kampf  um  die  2822 
Zahnerosion,  die,  von  Coustaing  und  Fil- 

dermann . 1790 

Zahnfleiscbtuberkulose,  von  v.  Tappeiner  1503 
Zahnheilkunde, konservierende, von  Michel 
991,  von  Peckert  991,  Lehrbuch  der 
konservierenden  — ,  von  Preiswerk  991, 
technische  und  chirurgische  — ,  von 
Warnekros  1009,  Bedeutung  der  Rönt¬ 
genphotographie  für  die  — ,  von  Zilkens  2088 
Zahnkaries,  eine  Streptomykose,  von  Baum¬ 
gartner  . 318 

Zahnkeimentzündung,  nekrotisierende, von 

Zarfl  . 564 

Zahnkrankheiten,  Lehrbuch  der,  von  Mayr¬ 
hofer  991,  Pathologie  und  Therapie  der 
chirurgischen  — ,  von  Mayrhofer  .  .  .  2353 
Zahnradiologie,  von  Robinsohn  ...  .  2200 

Zahntechniker,  Stellung  der,  in  der  R.V.O. 

2822,  2823 

Zahnwurzelspitzenresektion,  von  Schott¬ 
länder  .  1284 

Zahnzysten,  von  Heineke . 1409 

Zange  s.  a.  Forzeps,  Fasszange,  Geburts¬ 
zange. 

Zangenanwendung  in  der  Privatpraxis, 

von  Fleurent . .  .  .  2297 

Zehen,  Verletzungen  und  traumatische  Er¬ 
krankungen  der,  und  ihre  Begutach¬ 
tungen,  von  Waibel  467,  Doppelbildung 
der  — ,  von  Gebhardt  .  .  ....  1163 

Zeitschriften,  s.  Teil  IV,  Journalliteratur. 
Zeitschrift,  internationale,  für  ärztliche 
Psychoanalyse  336,  Umfang  und  Preis 
medizinischer  —  902,  —  für  urologische 
Chirurgie  933,  —  für  Krankenanstalten 
1975,  —  für  die  ges.  experimentelle 
Medizin  2030,  —  für  angewandte  Ana¬ 
tomie  und  Konstitutionslehre  2030,  — 
für  urologische  Chirurgie  2030,  —  für 
ophthalmologische  Optik  mitEinschluss 
der  Instrumentenknnde  .  .  .  2030 

Zelle,  synthetische  Fähigkeiten  der  tieri¬ 
schen,  von  Abderhalden,  Lampe  und 
Hirsch  2191,  Gedanken  über  den  spe¬ 
zifischen  Bau  der  —  im  einzelnen  Or¬ 
gane  und  ein  neues  biologisches  Gesetz, 
von  Abderhalden  2385.  2712,  von  Ham¬ 
burger  2711,  Bedeutung  der  azurophilen 
Granulationen  derlymphoiden —  bei  In¬ 
fektionskrankheiten,  von  Mondolfo  .  2751 
Zelleinschlüsse,  Döhlesche,  von  Schippers 
und  de  Lange  715,  von  Beläh  41,  von 
Schwenke  752,  von  Lippmann  und  Huf¬ 
schmidt  . 1106 

Zellfärbung,  Pbysiochemie  der,  von  v.  Szily  1682 
Zellreaktion  nach  Freund  Kaminer  bei 

Ratten,  von  Ishiwara  603,  von  Rosenthal  1455 
Zelluloidplatte  in  der  Stirnhöhlenwand, 

von  Schloffer . 1299 

Zementfabriken,  Gesundheits Verhältnisse 

in  den,  von  Deubner  . 1897 

Zentralblätter  s.  a.Teil  IV,  Journalliteratur. 
Zentralblatt  für  die  gesamte  Chirurgie  623, 

—  für  die  gesamte  Gynäkologie  und 

Geburtshilfe  . 623 

Zentrale  Erkrankungen,  Anwendung  der 
physikalischen  Heilmethoden  bei,  von 

Goldscheider . 258 

Zentralnervensystem,  Beziehung,  zwischen, 
Vestibularapparat,  von  Barany  97,  histo- 
pathologische  Befunde  am  —  syphili¬ 
tischer  Kaninchen,  von  Steiner  1221, 

1511,  Verän  terungen  des  —  bei  per¬ 
niziöser  Anämie,  von  Lube  1619,  kom¬ 
binierte  Lokal-  und  Allgemeinbehand¬ 
lung  der  Svphilis  des  — ,  von  Swift 
und  Ellis  1977,  Indophenaloxydase  im 
— ,  von  Pighini  2244,  Veränderung  der 
reflektorischen  Erregbarkeit  bei  Ein¬ 
wirkung  drs  intermittierenden  galva¬ 
nischen  Stromes  auf  das  — ,  von  Tscha- 
gowetz  2244,  Häufung  dysontogene- 
tischer  Bildungen  im  — ,  von  Ross¬ 
knecht  2248,  diagnostische  Unter¬ 
suchung  des  Blutes,  und  der  Zerebro¬ 
spinalflüssigkeit  bei  Erkrankungen  des 
— ,  von  Hafka  2249,  pathologische 


Seite 

Histologie  des  —  syphilitischer  Ka¬ 
ninchen,  von  Steiner24l9,  Vorkommen 
der  Spirochaete  pallida  bei  früh-  und 
spätsyphilitischen  Erkrankungen  des 
— ,  von  Versö  2446.  Beziehungen  des 
Berufes  zu  den  metasyphilitischen  Er¬ 
krankungen  des  — ,  von  Boas  .  .  .  2699 
Zentralröntgeninstitut,  das  neue,  im  k.  k. 
allg.  Krankenhaus  in  Wien,  von  Holz- 

knecht . 1698 

Zentral-Spar-  und  Kreditinstitut  in  Wien  1625 

Zeozon präparate,  von  Mannich . 902 

Zephalhydrozele,  traumatische,  v.  Heineke  672 
Zerebrospinalflüssigkeit,  Gelbfärbung  der, 
von  Reich  201,  Zucker  in  der  — ,  von 
Jacob  605,  Untersuchung  der  — ,  von 
Plaut,  Rehm  und  Schottmüller  2188, 
Untersuchung  der  —  bei  der  Behand¬ 
lung  nervöser  syphil.  Affektionen,  von 

Brem .  2592 

Zerebrospinalmeningitis,  eitrige,  v.  Jamin 
268,  epidemische  — ,  geheilt  durch 
Antidiphtherieserum,  von  Rawitsch  1106 
Zerebro  zerebellare  Bahnen,  von  Besta  .  .  260 

Zervikalrippe,  vaskuläre  Symptome  der, 
von  Todd  886,  Technik  der  Exzision 


der  — ,  von  Bankart . 1955 

Zervixkarzinom,  abdominale  Totalexstir¬ 
pation  eines,  von  Henkel  613,  Diagnose 
der  Operabilität  des  — ,  von  Cruet  1049, 
Radium  und  Mesothorium  bei  — ,  von 

Schauta . 2804 

Zeugenaussage,  Psychologie  der,  von  Ley 

und  Menzerath .  2255 

Zeugung,  die,  unter  Blutsverwandten,  von 
Rohleder  34,  die  —  im  Rausche,  von 

Näcke . 1620 

Zimbes,  Dr.,  allerneuestes  Heilsystem  .  1841 
Zinnblech,  die  bei  der  Fabrikation  von, 
hervorgerufene  chronische  Irritation, 
von  Ross  und  Oropper .  2696 


Zirbeldrüse,  Teratom  der,  von  Hueter  895, 
die  Genitalorgane  und  die  — ,  von 
Cristea  1051,  Pathologie  und  Operabi¬ 
lität  der  Tnmo'en  der  — ,  von  Rohr¬ 
schach  1106,  Schwangerschaftsverän¬ 
derungen  der  — ,  von  Aschner  1291, 
die  Funktionen  der  — ,  von  Dana  und 


Berkeley . 1851 

Zirbeldrüsenextrakt  in  der  geburtshilf¬ 
lichen  Landpraxis,  von  Wolf  .  .  .  1903 

Zirbeldrüsengeschwulst,  von  Goldzieher  .  2534 


Zirkulationsstörungen  an  der  unteren  Ex¬ 
tremität  nach  Unterbindung  der  Art. 
iliaca  com.  und  der  Art.  iliaca  ext., 

von  Strauss .  2354 

Zirrhose,  kardiale,  von  Gerhardt  ...  956 
Zitronensaft,  Verwendung  des,  zu  thera¬ 
peutischen  Zwecken,  von  Zaussailow  .  1284 
Zoekum,  funktionelle  Natur  des,  nnd  der 
Appendix,  von  Keith  886,  Verschiebung 
des  —  während  der  Gravidität,  von 
Füth  1457,  Karzinom  des  — ,  von 
Jenckel  1515,  die  verschiedenenFormen 


des  —  mobile,  von  Hausmann  .  .  2585 
Zoogstations,  Zoogweet,  Vrouwendienst- 

plicht,  vonVos . 2140 

Zoologisches  Wörterbuch,  von  Ziegler  .  .  1044 
Zottenkropf,  von  v.  Vereböly  . 1277 


Zucker,  Wundbehandlung  mit,  vonMagnus 
406  960.  von  Hoffmann  568,  von  Barbo 
792,  —  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit 

bei  Meningitis,  von  Jacob  . 605 

Zuckerbehandlung  von  Bauchdeckenphleg¬ 
monen  und  -abszessen,  von  Baeumer  1687 
Zuckerbestimmung,  quantitative,  ohne 

Polarimeter,  von  Katz  .  .  . . 717 

Zuckergehalt,  Bestimmung  des,  in  kleinen 

Blutmengen,  von  Kowarsky  ...  2013 
Zuckergussleber,  von  Hochhaus  385,  von 

Siegert  .  ...  2378 

Zuckerinfusionen,  ein  Prophylaktikum 

gegen  Thrombose,  von  Kuhn  .  .  1277 

Zuckerinjektion,  Hyperglykämie  durch 
intravenöse,  von  Thannhauser  und 

Pötzer . 2155 

Zuckerkranke,  Grundzüge  für  die  Ernäh¬ 
rung  von,  von  Albu . 710 


1913, 


INHALTS-VERZEICHNIS 


CIX 


Seite 

Zuckerkrankheit  in  den  nordischen  Län¬ 
dern,  von  Heiberg  . . 1169 

Zuckermobilisation  durch  Adrenalin,  von 

Pechstein . 770 

Zuckernachweis  s.a.  Gärungssacharometer. 
Zuckernachweis,  einfacher,  im  Harn,  von 

Gause . 2138 

Znckerstich,  Nebenniere  und,  von  Jarisch  1950 
Zuckerstoffwechsel,  Pankreas  und  Ovarium 
in  ihren  Beziehungen  zum,  von  Stolper 
146,  Einfluss  der  weiblichen  Keimdrüse 
auf  den  — ,  von  Stolper . 544 


Züchtung,  ein  neues  Prinzip  der  elektiven, 
und  seine  Anwendung  bei  Diphtherie, 
von  Conradi  1073,  elektive  —  von 
Mikroorganismen,  von  Conradi  .  .  .  1458 
Zugverbände  mit  Trikotschlauchbinde,  von 

Arnd . 207 

ZuDge  s.  a.  Lingua,  Landkartenzunge, 
Haarzunge. 

Zunge,  Totalexstirpation  der,  wegen  Kar¬ 
zinom,  von  Kümmell  325,  Brennen  auf 
der  —  bei  perniziöser  Anämie,  von 

Zabel . 547 

Zungenexstirpation,  vollständige,  von 

Lexer . 612 

Zungenkrebs,  der,  von  Ryall  1735,  —  im 
jugendlichen  Alter,  von  Gorse  und 

Dupnich . 1791 

Zungenveränderung,  Huntersche,  bei  per- 

niziösrr  Anämie,  von  Matthes  ....  1001 


Seite  [ 

Zweigläserprobe,  Thompsonsche,  von  Rühl  2233 
Zwerchfell,  Resektion  des,  von  JankowHki  2249 


Zwerchfellbruch,  eingeklemmter,  von  Gu- 

rewitsch . 2194 

Zwerchfelldefekte,  plastischer  Ersatz  von, 

von  Ikonnikoff  und  Smirnoff  ....  1218 
Zwerchfellhernie,  nichttraumatische,  von 

Scudder . 486 

Zwerchfellhochstand,  einseitiger,  von 
Reuss  938,  Bedeutung  des  habituellen 
linkseitigen  — ,  von  Hoehl  .  .  .  .  .  1292 
Zwerchfelllähmung,  von  Matthes  ....  215 
Zwerchfellreiben  ein  Frühsymptom  der 

Magenperforation,  von  Brenner  .  .  .  2366 


Zwerchfellruptur,  subkutane,  von  Riebel  1804 
Zwerchfellstand,  Bestimmung  des,  und 

der  Zwerchfellfunktion,  von  ßyloff  .  .  1790 
Zwerchfellübungen  gegen  Thoraxstarre, 

von  Hofbauer . 1469 

Zwergwuchs,  Schwachsinn  und  Hirnkrank¬ 
heiten,  von  Weygandt .  2254 

Zwillinge,  Nachempfängnis-  und  Verer¬ 
bungsfragen  bei  der  Erzeugung  rasse¬ 
differenter,  von  Nürnberger . 1859 

Zwillingsschwangerschaft,  73  Fälle  iso¬ 
chroner  heterotoper,  von  v.  Neugebauer  2915 

Zwitterbildungen,  von  Fraenkel . 2310 

Zyangas,  von  Burckhardt  . 1280 

Zyanid,  Wirkung  des,  von  Weizsäcker  .  2242 
Zyklone,  Wirkung  von,  auf  das  Allgemein¬ 
befinden,  von  Frankenhäuser  ....  38 


Seite 

Zylinder,  Rolle  der  hyalinen,  in  der  Dia¬ 
gnose  und  Evolution  der  Nephritiden, 
von  Simionescu  2304,  —  u.  Zylindroide, 

von  Posner .  2535 

Zylindrom,  von  Ploeger .  2092 

Zyma  s.  a.  Furunkulin. 

Zyste,  peripankreatische,  von  Delfino  936, 

—  in  den  langen  Röhrenknochen,  von 

v.  Bergmann .  2531 

Zystenniere,  von  Payr  1408,  —  u.  Zysten¬ 
leber,  von  Versd  1409,  —  u.  Gravidität, 
von  Heinsius  1616,  pathologische  Ana¬ 
tomie  der  — ,  von  Berner  2072,  Rekon¬ 
struktionen  von  — ,  von  Forsmann  .  2475 
Zystennierenfrage,  zur,  von  Berner  .  .  .  601 

Zystinstein,  von  Jeanbrau . 277 

Zystinurie,  von  Ackermann . 443 

Zystitis,  operative  Heilung  der  rebellischen, 
von  Unterberg  1278,  Kollargol  bei  — , 

von  Trebing . 2195 

Zystizerken,  pathologisch-anatomische  Ver¬ 
änderungen,  bei,  des  Grosshirns,  von 
Margulis  147,  —  im  Glaskörper,  von 
Sandmann  1801,  —  meningitis,  von 

Bittorf . 1895 

Zystizerkus  s.  a.  Rautengrubenzystizerkus. 
Zystoskopische  Irrtümer,  von  Weiss  .  .  935 

Zystoskopische  Untersuchung  bei  Zervix¬ 
karzinom,  von  Cruet . 1049 

Zystoskoplampen,  einfache  Stromquelle 

für,  von  Burckhard .  2803 


IV.  Journalliteratur. *) 


*)  Die  mit  *  bezeichneten  Zeitschriften  werden  regelmässig  ihrem  ganzen  Inhalte  nach  referiert. 


Seite 

Zeitschriften  in  deutscher  Sprache. 

Amtsarzt,  der .  2073 

Apothekerzeitung  .  .  ...  425,  426 

Arbeiten,  Neue,  aus  dem  Gebiete  der 
Versicherungsmedizin  375,  —  aus  dem 
Kaiserl.  Gesundheit  samt*  95,  147,  262, 

372,  1108,  1165,  1220, 1846,  1902,  2640, 

2916,  Wiener  —  aus  dem  Gebiet  der 

sozialen  Medizin . 2415 

Archiv,  Deutsches,  für  klinische  Medizin* 

35, 880, 1105, 1216, 1275, 1336, 1783, 1841, 

2472,  2800,  —  für  klinische  Chirurgie* 

39,  90,  143,  202,  312,  1161,  1217,  1614, 

1676,  1785,  —  für  Gynäkologie*  1615, 

1677,  2474,  2802,  —  für  Hygiene*  147, 

312,  429,  482,  601, 1165, 1280, 1450, 1565, 

1729, 1846, 2640,  2915,  —  für  soziale  Hy¬ 
giene*  374,  1225,2752,2915,  -  für  Kin¬ 
derheilkunde*  93,  205,  883,  2298,  —  für 
Orthopädie,  Mechanotherapie  und  Un¬ 
fallchirurgie*  1163, 1842,  2586. —  für  ex¬ 
perimentelle  Pathologie  und  Pharmako¬ 
logie*  202,  312, 601,  660.  937, 1164, 1280, 

1341,  1565,  1678,  1845,  2137,  2193,  2475, 

2535,  2915,  Virehows  — *  94,  600,  714, 

1007, 1788, 2418.  2533,  —  für  Psychiatrie 
und  Nervenkrankheiten*  260,  884, 1448, 

1564,  2012,  2419,  2587,  —  der  Ver- 
dauungskrankbeiten  unter  Einschluss 
der  Stoffwechselpathologie  und  der 
Diätetik*  146,  544,  1108,  1618,  2011, 

2639, 2852,  —  für  Laryngologie  und  Rhi- 
nologie  208,  209,  265,  1793,  2360,  —  für 
Ohrenheilkunde  774,  —  für  Augen¬ 
heilkunde  718,  2262,  —  für  Ophthal¬ 
mologie  1453,  2478,  v.  Gräfes  —  für 


Seite 

Ophthalmologie  717,  718,  1454,  —  für 
experimentelle  Pathologie  undTherapie 
206,  2747,  2853,  —  für  Pharmakologie 
426,  —  für  Physiologie  2189,  2190,  2191, 

2192,  —  für  die  gesamte  Physiologie 
2130,  2131,  2189,  2191,  2242,  2243, 

2244,  skandinavisches  —  für  Physio¬ 
logie  2189,  2192,  —  für  Schiffs-  und 
Tropenhygiene  1343,  1344,  1045,  1399,  1956 

Beiträge,  Bruns’,  zur  klinischen  Chirur¬ 
gie*  144,  202,  370,  658,  882,  1277,  1676, 

1899,  2008,  2068,  2354,  2473,  2585,  2743, 
Zieglers  —  zur  pathologischen  Ana¬ 
tomie  und  allgemeinen  Pathologie  *  261, 

315,  660,  826,  1279,  1340,  1845,  2474, 

2588,  Hegars  —  zur  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie*  372,  1044,  1951,  2638, 

—  zur  Klinik  der  Tuberkulose*  369, 

711,  881,  1337,  1784,  2245,  2353,  2687, 
Passows  —  zur  Anatomie,  Physiologie, 
Pathologie  und  Therapie  des  Ohres,  der 

Nase  und  des  Halses . 1792 

Bericht  der  Deutschen  Botanischen  Ge¬ 
sellschaft  368,  —  der  Deutschen  phar¬ 
mazeutischen  Gesellschaft  . 368 

Blätter  für  Vertrauensärzte  der  Lebens¬ 
versicherungen  .  378,  2699 

Concordia . 1897 

Ergebnisse  der  Chirurgie  und  Ortho¬ 
pädie  .  .  . .  2069 

Folia  urologica  .  . 2131,  2132 

J ahrbuch  für  Kinderheilkunde*  315,  600, 

771,  937,  1340,  1618,  1842,  1901,  1951, 

2193,  2689,  2746,  Klinisches  —  *  .  .  .  370 
Klinik,  medizinische  53,  110,  167,  223, 

335,  368,  376,  377,  378,  902,  1014,  1302, 

2029,  2262,  2382,  2697,  2698 


Seite 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer 
Aerzte*  41,  149,  207,  317,  431,  602, 

661,  773,  938,  994,  1110,  1167,  1222, 

1284,  1343,  1620,  1681,  1849,  1903,  2014, 

2072,  2138,  2195,  2249,  2302,  2357,  2420, 

2476,  2536,  2748,  2806,  2917 
Militärarzt,  der  .......  2073 

Militärwochenblatt  ....  99,  1170,  2073 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der 
Medizin  und  Chirurgie*  200,  543,  1562, 

1726,  2008,  2585,  2637,  -  aus  dem  Ge¬ 
biete  des  Seewesens . 1957 

Monatsblätter,  klinische,  für  Augen¬ 
heilkunde  .  149,  151,  1453,  2478 

Monatshefte,  Therapeutische  53,  110, 

167,  446,  503,  566,  679,  735,  790,  845, 

902,  959,  1014,  1071,  1183,  1238,  1302, 

1358,  1415,  1583,  1638,  1695,  1751, 1806, 

1863,  2599,  2654,  2710,  2766 
Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie  *  146,  259,  371,  936,  1163, 

1447,  1728,  1787,  2638,  2804,  —  für 
Kinderheilkunde*  206,  259,  659,  883, 

1045, 1219, 1448,  2010,  2071,  2689,  —  für 
Ohrenheilkunde  und  Laryngo-Rhino- 
logie  265,  774,  829,  1793,  2360,  —  für 
Unfallheilkunde  .  .  .  375,  376,  2645,  2646 
Reform,  medizinische  374,  375,  1225, 

2751,  2752 

Reichsmedizin alanzeiger  .  .  .  .  391 
Rundschau,  Gynäkologische  *  146,  259, 

372,  544,  993,  1045,  1218,  1397,  1448, 

1563,  1617,  1729,  1788,  1842,  2136, 

2192,  2247,  2355,  2533,  2688,  2746,  2852, 

2915, (Wiener  klinische  — *  265, 603, 1222, 

1732, 2302, 2692,  2806,  koloniale  —  1957, 
Marine - 1401,  Schweizer  —  für  Me¬ 
dizin  . 1957 


cx 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Sachverständigenzeitung,  ärztliche 

376,  378,  1396,  2415,  2646,  2698 
Sanitätswesen,  das  österreichische  .  2466 

Stimme,  die .  . 209 

Telegraphen  -  und  Fernsprech-Technik  2093 
Therapie  der  Gegenwart  .  .  .  2029,  2318 

V  eröff  entlieh  un  gen  auf  dem  Gebiete 

der  Medizinalverwaltung  369,  —  der 
Robert-Kocli-Stiftung  zur  Bekämpfung 
der  Tuberkulose* . 1396 

V  i  e  r  t  e  1  j  a  h  r  s  s  c  h  r  i  f  t,  deutsche,  f .  ö. 

Gesundheitspflege  368,  —  für  gericht¬ 
liche  Medizin  und  öffentliches  Sanitäts¬ 
wesen*  .  .  .  .  771,  1280,  1679,  1847,  2854 
Wochenschrift,  Berliner  klinische* 40, 

148,  206,  263,  316,  429,  483,  545,  601, 

714,  772,  826,  884,  993,  1046,  1109, 

1119,  1166,  1221,  1282,  1342,  1398,  1450, 

1565,  1619,  1680, 1731,  1789,  1848,  1902, 

1951,  2012,  2071,  2137,  2193,  2248,  2301, 

2856,  2419,  2476,  2535,  2589,  2641,  2691, 

2747, 2804,  2916,  Deutsche  Medizinische 
— *40,  99,  148,  207,  263,  316,  373,425, 

430,  484,  546,  602,  660,  715,  773,  827,  885, 

938,  994i  1046,  1109,  1166,  1221,  1283, 

1342,  1398,  1451,  1566,  1619,  1681,  1789, 

1848,  1903,  1952,  2012,  2072,  2137,  2194, 

2248,  2301,  2356,  2420,  2476,  2535,  2589, 

2641, 2691, 2747, 2805, 2916,  Wiener  klini¬ 
sche  — *  41,  97,  149,  204,  317,  373,  431, 

484,  546,  603,  661 , 716,  773,  828,  885, 939, 

995,  1047,  1110,  1167,  1222,  1284,  1343, 

1399,  1451,  1620,  1681,  1731,  1790,  1849, 

1897,  1952,  1957,  2014,  2138,  2195,  2249, 

2302,  2420,  2476,  2536,  2590,  2642,  2692, 

2749,  2805,  2855,  Wiener  medizinische 

—  42,  97,  374,  485,  662,  828, 1047, 1343, 

1452,  1731,  2139,  2196,  2250,  2536,  2642, 

2749,  2918,  Wiener  klinisch-therapeu¬ 
tische  —  207,  547,  939,  2537,  2806, 
Frager  medizinische  —  318,  774,  1284, 

2196,  2693,  dermatologische  —  235, 

2382,  —  für  Therapie  und  Hygiene 

des  Auges .  149,  150,  2478 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin*  88, 
480,824, 1446, 1674,2065, 2851,  Deutsche 

—  für  Chirurgie*  91,  203,  313,  368,  370, 

543,  712,  935,  1162,  1276,  1727,  2067, 

2135,  2246,  2531,  — für  orthopädische 
Chirurgie  *  427,  1339,  —  für  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie  *  92,  315,  1616, 

2010, 2297, 2744, 2803,  —  für  Hygiene  und 
Infektionskrankheiten*  94,  483,  1164, 

1341,  1847,  1901,  2690,  —  für  Immuni¬ 
tätsforschung  und  experimentelleThera- 
pie*  38,427,481,  542,  1216,  1276,1614, 

1675,  1726,  1784,  1899,  2067,  2245,  2637, 

—  für  Kinderheilkunde*  713, 1046, 1219, 

1279,  1617,  1678,  2070,  2136,  2247,  2418, 

2804,  Deutsche  —  fürNervenheilkunde* 

714,  1219,  1619,  1843,  2136,  2355,  2747, 

—  für  experimentelle  Pathologie  und 
Therapie*  36,  257,  769,  991,  1561,  1897, 

1949,  2133,  Frankfurter  —  für  Patho¬ 
logie*  428,  1220,  1449,  1679,  22^7,  2690, 

—  für  physikalische  und  diätetische 
Therapie*  38,258,599,  711,  935,  1217, 
1675,2134, 2245, 2473,  2802, 2914,  —  für 
Tuberkulose*  542,  825,  1396,  1447,  1561, 

1785,  2192,  2353,  —  für  gynäkologische 
Urologie*  1164,  1279,  1340,  2247,  —  für 
ärztliche  Fortbildung  378,  —  für  Augen¬ 
heilkunde  718,  —  für  Balneologie  2150, 
Biochemische  —  2129,  2130,  2131, 
2189,  2191,  2244,  —  für  Biologie 
2243,  —  für  biologische  Technik  und 
Methodik  2129,  2130,  2242,  2243,  - 
für  physiologische  Chemie  2129,  2130, 
2189,  2190,  2191,  2244,  —  für  Chemo¬ 
therapie  2262,  dermatologische  —  335, 

—  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
1896,  —  für  Gewerbohygiene  1896, 

—  für  Laryngologio,  Rhinologie  und 
ihre  Grenzgebiete  208,  265,  266,  828, 

829,  1792,  2360,  Deutsche  militärärzt.- 
liche  —  2073,  —  für  Nahrungs-  und 
Genussmittel  426,  —  für  Ohrenheil¬ 
kunde  und  für  die  Krankheiten  der 


Seite. 

Luftwege  266,  774,  775,  1793,  2361,  — 
für  allgemeine  Physiologie  2129,  2244, 
allgemeine  —  für  Psychiatrie  367,  714, 

—  für  Sinnesphysiologie  2242,  —  für 
schweizerische  Statistik  1896,  —  für 
urologische  Chirurgie  2132,  —  für  Uro¬ 
logie  2133,  —  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  u.  Ingenieurvereine  1806, 

,  —  für  Versicherungsmedizin  376,  378, 

2646,  2697,  2699 

Zeitung,  Allgemeine  Wiener  medizi¬ 


nische  2599,  Deutsche  Militär —  1170, 
Pharmazeutische  — . 425 


i  Zentralblatt  für  innere  Medizin*  90, 

427,  1106,  1395,  1675,  1950,  2473, 

2584,  —  für  Chirurgie*  40,  92,  145, 

204,  258,  314,  371,  427.  482,  544, 

599,  659,  713,  770,  825,  882,  936,  992, 

1044,  1107,  1163,  1218.  1278,  1339,  1397, 

1447,  1563,  1615,  1677,  1728,  1787,  1900, 

1950,  2009,  2070,  2192,  2246,  2296,  2355, 

2418,  2474,  2533,  2586,  2638,  2688,  2744, 

2915,  —  für  Gynäkologie*  40,  93,  2802, 

2852,  205,  259,  314,  382,  482,  599,  713, 

771,  826,  882,  937,  993, 1045,  1164, 1218, 

1279,  1339,  1397,  1448,  1563,  1678,  1729, 

1788,  1900,  1951,  2010,  2070,  2192, 

2298,  2355,  2418,  2474,  2587,  2639,  2688, 

2746,  2804,  2852,  2915,  —  für  praktische 
Augenheilkunde  2478,  —  für  Bakterio¬ 
logie  368,  Biologische  —  2243,  —  für 
allgemeine  Gesundheitspflege  2416,  — 
für  Gewerbehygiene  1391,  1895,  1896, 

2415,  2416,  2417,  internationale  —  für 
Ohrenheilkunde  775,  pharmazeutische 

—  2416,  —  für  Physiologie  2190,  2243,  2244 

Zeritralhalle,  pharmazeutische  .  .  .  959 

Zentral-Zeitung,  Allgemeine  medizi¬ 
nische  .  223,  2262,  2438,  2551 

Zeitschriften  in  englischer  Sprache. 

a)  Englische  Literatur  603,  886,  939, 

1732,  1953 

b)  Amerikanische  Literatur  485, 

1223,  1850,  2590 

Annals  of  Surgerv .  1852,  2592 

Bulletin,  United  States  navale  medical  1957 
Journal,  British  Medical  (Engld.)  34,  603, 

604,  605,  606,  886,  1732,  1733,  1734, 

1 735, 1736, 2642. 2643, 2644,  —  of  experi¬ 
mental  Medicine  198,  ■ —  of  Laryngo- 
logy,  Rhinology  and  Otology  266, 

829,  Edinb  med.  —  941,  942,  1955, 

1956,  2696,  2697,  —  of  cutan  diseases 

1957,  The  —  of  tropical  Medicine  and 
Hygiene  1401.  1957,  The  Philippine  — 
of  Scionce  1401,  Boston  Med.  and  Surg. 

—  1223,  1851,  —  amerikan.  obstetiical 
1851,  1852,  2592,  American  —  Med. 
Sciences  486, 1223. 1224,  2591,New-Vork 
Medical  —  486,  2591,  2592,  —  amer. 
med.  assoc.  335,  447,  485,  486,  1223, 

1224,  1851,  1852,  1957,  2132,  2591,  2592, 

—  Experimental  Medicine  486,  1223, 

1224,  2590,  2591,  2592 
Lanzet  886,  887,  939,  940,  941,  1953, 

1954,  1955,  2693,  2694,  2695,  2696 
Laryngoscope  The,  266,  829,  1793,  2361 
Record  medical  1223,  1224,  1358,  1851, 

1852,  2592 

Surgery  Gynecol.  and  Obstet.  486,  1851,  1852 

Zeitschriften  in  französischer  Sprache. 

a)  Französisch eLiteratur  547, 1047, 

1790,  2537 

b)  Bol  gische  Literatur . 98 

A  cademie  royale  demedecino  de  Belgique  98 
Annales  d'hygiene  pub  ique  et  de  rnöde- 

cine  legale  1896,  —  des  maladies  venö- 
riennes  2133,  —  de  maladies  de  l'Oreille, 
du  Larynx,  du  nez  er  du  Pharynx 
266,  829,  1793,  2361,  —  de  gynec  Josrie 
et  d’obstetrique  548,  679,  1049,  1791, 

2539,  —  de  l’institut  Pasteur  549,  1048, 

1049,  1050,  1792,  2539,  2540 
An  nee  medicale  de  Cacn  .  2551 


Seite 


Archives  provinciales  de  Chirurgie  548, 
1049,  1791,  2538,  2539,  —  internatio¬ 
nales  de  Laryngologie,  d’otologie  et  de 
Rhinologie  266,  829,  1793,  —  d'elcctr. 
med.  2262,  —  de  mödecine  et  pharmacio 

navale . 1401, 

Belgique  medicale . 

Bulletin  medical . 

Gazette  des  höpitaux .  679, 

Journal  medical  de  Bruxelles  98,  • — 
de  Neurologie  98,  —  d’ Urologie 

Policlinique,  la . 

Presse  medicale  ....  622,  1049 

Revue  internat.  de  la  tuberculose  53 
—  de  mödecine  547,  548,  1047,  1790 
2537,  2538,  —  de  Chirurgie  548,  1048 
1791,  2538,  —  heptomadaire  de  La 
ryngologio,  d'otologie  et  de  Rhvnologie 

Scalpel,  le . 

Sociötö  beige  de  Chirurgie  .  .  .  . 


1958 

98 

99 
2539 


2132 

98 

2539 


2361 

99 

98 


Holländische  Literatur  (716,  2139): 
Bladen,  Geneeskundige  717,  2139, 


l’sy 


chiatrisclie 
Tydschrift,  Nederlandisch  voor  Genees 
künde  716,  717,  2139,  2140,  2141,  Ge 
neeskundige  —  voor  Ned  Indie  .  . 


Italienische  Literatur  (487, 1167, 1849, 2750) 

A 11  n al i  dell'  istituto Maragliano  1 168,  —  d 

Clinica  Medica . 

Archivio  di  anthropol.  crim.  1169,  —  d 
farmacol.  sperim.  e.  sc.  affini  . 
Bolletino  delle  scienze  Mediche  di  Bo 

logna  .  .  .  .  . 

La  Clinica  medica  italiana  ... 
Gazzetta  degli  ospedali  487,  488,  1168 
1169,  1849,  2750,  —  internationale  d 
Medicina  e  Chirurgia  1849,  1850,  2751 

—  Medica  Italiana . 

Giornale  italiano  delle  Malattie  veneree 

e  della  pelle . 

II  Morgagni  .  .  . 1167 

II  Policlinico,  Sezione  medica  487 
1168,  1169,  1850,  —  Sezione  chirurgica 
1168,  —  Sezione  Pathologica  .  . 

Pathologica  .  .  .  .  . 

IlRamazzini . 


1849,  1850,  2750 


Rif orma  medica  . 

Ri vista  critica  di  Clinica  Medica  185C 
2751,  —  ospedaliera . 185C 


2141 


390 


751 


335 


2750 

1849 


2751 


2750 

2750 


2750 

2750 
367 

2751 


Nordische  Literatur  (549,  1111,  1169,  2014 

2072,  2357,  2359): 

a)  Dänische  Literatur  549,1111,2014, 

b)  Norwegische  Literatur  550,  1111, 

c)  Schwedische  Literatur  . 


1169, 


Archiv,  Nordisk  Med.  .  . 
Bibliothek  for  Läger 

Drägerhefte . 

Hospitalstitende  1111, 11 


1169, 


1170, 

2358, 


2357 

2072 

2359 

2396 

2359 


24  U 


2,2015,2016, 
2357, 

Hygiea .  1169,  1170,  2359, 

Magazin,  Norsk,  for  Läge  videnskaben  550, 

551,  2072, 

Tidsskrift,  Nordisk,  for  Terapie  2358, 
Norsk  —  for  MilitärmeJicin  .  . 
Ugeskrift  for  Läger  ....  1111,  2014, 


2358 

2360 


2073 


1170 

2015 


Rumänische  Literatur  (42,  1050,  2 


Gazeta  medicale  . 

Gesellschaft  für  genito-urinäre  Studien 

in  Bukarest  .  2303, 

Re  vista  stiinzelor  medicale  42,  43,  44, 
1050,  1051,  2303,  2304,  —  de  Chirurgie 

1053, 

Spital  ul  .  .  43,  44,  1050,  1051,  1052, 


2304 

2304 


Russische  Literatur  (662,  995,  1284,  1621, 
2421,  2807): 


Dcrmatologia . 

Gazeta,  Wratschcbnaja  664,  665,  997, 
998,  1287,  1622,  1623,  2422,  2423,  2808, 
Journal,  Charkowskv  medizinsky  666, 

999,  1285, 


2304 

2303 


2810 

2809 

2425 


(013.  _  INHALTS-VERZEICHNIS.  CXI 


Seite 

Ibosrenije,  Tlierapevticzeskoje  665, 

998,  1285,  1286,  1623,  1624,  2423,  2424, 

2810,  — ,  Medizinskoje  660,  998,  999, 

1624, 2424,  —  Novoje  W.  medizine  2424,  2810 
Vifestnik  obszczestvvennoi  hygieny  999,  1284 
rat  soll,  Russky  662,  663,  664,  665, 

995,  996,  997,  1287,  1288,  1621,  1622, 

2421,  2422,  2807,  2008,  —  Prakticzesky 

665,  998,  1286,  1623,  2423,  2808,  2809 
oitschrift,  Russische  für  Haut-  und 
Geschlechtskrankheiten  ....  999,  1285 


Seite 

Spanische  Literatur  (318,  1224,  1903,  2477): 

Archivos  Brasiliana  de  Medicina  902, 

—  de  ginecopatia,  obstotrica  y  pedi- 
atria  2477,  —  latino-amerieanos  de  pedi- 
atria . 1904 

Boletin  del  instituto  nacional  de  higiene 
de  Alfonso  XIII.  319,  1224,  —  El  siglo 
medico  319,  1904,  —  La  coronaca  md- 
dica  1224,  —  La  medicina  de  los  ninos 

319,  1904 


Seite 

Gaceta  medica  catalena  318,  1225,  1904, 

2477,  2478 

Re vista  de  la  sociedad  medica  argen- 
tina  318,  319,  2477,  —  medica  del  Ro¬ 
sario  318,  —  de  la  medicina  y  cirugia 
praticas  318,  319,  1224,  2477,  —  valen- 
ciana  de  ciencias  medicas  319,  1224, 

1903,  1904,  2477,  2478,  —  de  ciencias 
medicas  de  Barcelona  1224,  2477,  — 
de  medicina  y  cirurgia  1224, 1225, 1904, 

2478,  —  balear  de  ciencias  medicas 
1225,  —  medica  de  Sevilla .  2477 


V.  Aus  Kliniken,  Krankenhäusern  und  Instituten. 


a)  Deutschland. 


ihr weiler:  Kurhaus .  2671 

iltona:  Stadt-Krankenhaus,  medizinische  Abteilung . 1473 

—  —  —  Psychiatrische  Abteilung . 2911 

—  Orthopädisches  Institut  von  Dr.  Ottendorff  u.  Dr.  Ewald  .  1662 

layreuth:  Sanatorium  Herzogshöhe .  2450 

ierlin:  Chirurgische  Universitätsklinik .  352,  793 

—  Kgl.  Charitee,  I.  Medizinische  Klinik . 1828 

—  —  —  II.  Medizinische  Klinik  .  . .  2627 

—  —  —  Chirurgische  Klinik .  . 1255 

—  —  —  Universitäts-Frauenklinik  .  .  588,  685,  700,  1188,  1697 

—  —  —  Medizinisch-  chemisches  Laboratorium . 685 

—  Universitäts-Poliklinik .  1255,  2792 

—  Rudolf-Virchow-Krankenhaus,  Dermatologische  Abteilung 

1309,  2713 

—  —  —  —  Bakteriologische  Abteilung . 1417 

—  Chirurgisch-urologische  Privatklinik  von  Dr.  A.  Freudenberg  981 

—  Privat-Frauenklinik  von  San.-Rat  Dr.  Steffek  und  Dr.  Credö- 

Hörder .  . ■ .  .  .  23 

—  Kaiserin-Augusta-Victoria  Haus  zur  Bekämpfung  der  Säug¬ 
lingssterblichkeit  im  Deutschen  Reiche . 2161 

—  Krankenhaus  Friedrichshain,  bakteriologische  Abteilung  .  473 

—  -Lichterfelde:  Kreiskrankenhaus .  2842,2912 

—  -Schöneberg:  Hospital  Hauptstrasse . 647 

—  -Reinickendorf:  Verbandskränkenhaus,  innere  Abteilung  2907 

—  —  —  chirurgische  Abteilung . 1929 

lern  bürg:  Kreiskrankenhaus  .  . . 1828 

leuthen:  Chirurgische  Klinik  ...  411 

lonn:  Medizinische  Universitätsklinik . 174 

—  Pharmakologisches  Institut .  2397,  2626 

—  St.  Johanneshospital,  Chirurgische  Abteilung . 1257 

Iraunwald:  Lungensanatorium . 410 

Iremen:  Vereinskrankenhaus  zum  roten  Kreuz,  Chirurgische 

Abteilung . 528 

Ireslau:  Medizinische  Klinik .  1425,  1594 

—  Chirurgische  Klinik .  2209,  2610 

—  Universitäts  Frauenklinik .  241,  915,  2829 

—  Universitäts-Kinderklinik . 752 

—  Dermatologische  Universitätsklinik . 57,  1185 

—  Provinzial-Frauenklinik  und  Hebammenschule  ...  184,  2456 

—  Physiologisches  Institut . •  ....  1664 

har lotte nb  urg-  Westend :  Städtisches  Krankenhaus,  innere 

Abteilung .  4,  2510 

-’hemnitz:  Stadt-Krankenhaus,  innere  Abteilung .  2404 

Darmstadt:  Ernst-Ludwig-Heilanstalt . 249 

—  Garnisonslazarett  . 1261 

—  Bakteriologische  Abteilung  der  chemischen  Fabrik  von 

E.  Merck .  2558 

Deutsch-Liebau:  öffentliches  Krankenhaus . 978 

Dortmund:  Städtisches  Luisenhospital,  chirurgische  Abteilung  1941 
Dresden:  Kgl.  Frauenklinik  .  .  .  627,  1139,  1202,  1435,  1821,  2724 

—  Johannstädter  Krankenhaus  ...  2521 

—  —  —  Abt.  für  Ohren-,  Nasen-,  und  Halskranke  ....  2523 

—  Kgl.  Zentralstelle  für  Gesundheitspflege  .  .  .  .  1073,  1883 

Düsseldorf:  Akademie  für  praktische  Medizin,  Medizinische  Klinik  2776 

—  —  —  Chirurgische  Klinik . 314 

—  —  —  Kinderklinik . 285 

—  —  —  Klinik  für  Hautkrankheiten .  691,  2784 


Elberfeld:  Städtische  Krankenanstalten,  chirurgische  Abteilung 

Elbing:  Städtisches  Krankenhaus . 

Erfurt:  Städtisches  Krankenhaus . 

Erlangen:  Medizinische  Universitätsklinik . 1147, 

—  Universitäts  Frauenklinik .  587,  849,  1195,  1714, 

Flensburg:  Diakonissenanstalt . 

Frankfurt  a.  M.:  Städtisches  Krankenhaus,  Medizinische  Klinik 

464,  530,  2333,  2611,  2682, 

—  —  —  Kinderklinik . 

—  —  —  Dermatologische  Klinik .  464, 

—  Kgl-.  Institut  für  experimentelle  Therapie  .  .  .  398,  1078, 

—  Neurologisches  Institut . 

—  Georg-Speyerhaus  .  .  . . 

—  Dr.  Christs  Kinderhospital . 

—  St.  Marienkrankenhaus . 

—  Hospital  zum  Heiligen  Geist,  innere  Klinik . 

Freiburg:  Medizinische  Universitätsklinik .  342, 

—  Universitäts-Frauenklinik . 337,  681,  961,  1758, 

—  Universitätsklinik  für  Hals-  und  Nasenkranke . 

—  Orthopädisches  Institut . 

—  Diakonissenhaus . . 

—  Pathologisch-anatomisches  Institut .  337,  1753, 

—  Physiologisches  Institut . 

—  Pharmakologisches  Institut .  .  .  1823, 

—  Chemisches  Universitätslaboratorium  (Mediz.  Abt.)  .  1243, 

—  Zahnärztliche  Universitätspoliklinik . 

Gelsenkirchen:  Evangelisches  Krankenhaus . .  . 

Georgsgemünd  b.  Niirnb. :  Sanatorium  für  chirurgische  Tuber¬ 
kulose  . . . 

Giessen:  Medizinische  Klinik.  .  1264,  1307,  1420,  1865,  2271, 

—  Chirurgische  Klinik .  1878, 

—  Universitäts-Frauenklinik . 

—  Chirurgische  Unhrersitäts-Poliklinik . 1716, 

Greifswald;  Chirurgische  Klinik . 

—  Universitäts-Augenklinik . 

Hagen  i.  W. :  Allgemeines  Krankenhaus,  innere  Abteilung,  .  . 
Halle:  Medizinische  Klinik .  863,  2164, 

— •  Kgl.  Universitätsklinik  für  Nerven-  und  Geisteskrankheiten 

—  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  .  236,  2627, 

—  —  —  -Kinderklinik . 


Seite 

128 

815 

2235 

1824 

2325 

2790 

2740 

76 

1087 

1768 

796 

796 

2515 

651 

744 

1585 

2280 

2666 

1263 

474 


9b 


DO 


—  Kinderpoliklinik  und  Säuglingsklinik 


Diakonissenanstalt,  innere  Abteilung 
Physiologisches  Institut  1197,  1423,  1533, 


.  2232, 

1641,  1703,  1880, 
1923,  2164, 

Abteilung . 

.-.  .  .  119, 

....  119, 

Pathologisches 


Ilamburg-Eppendorf:  III.  medizinische 

—  —  V.  medizinische  Abteilung . 

—  —  Institut  für  experimentelle  Therapie 

—  —  Allgemeines  Krankenhaus  St.  Georg , 

Institut . 

—  —  —  Abteilung  für  Haut- und  Geschlechtskrankheiten  590, 

—  —  —  Abteilung  für  physikalische  Therapie  .... 

—  —  —  Bakteriologisch-serologisches  Institut  .... 

—  —  —  Physiologische  Abteilung . 

—  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten  .  .  .  186,  7 

Hanau:  Landkrankenhaus,  chirurgische  Abteilung  .  .  . 

Hannover-Linden:  Dermatologisches  Stadtkrankenhaus  II  . 
Heidelberg:  Medizinische  Universitätsklinik.  .  569, 

—  Chirurgische  Universitätsklinik  .  .  .  456,  1318,  1642,  2280, 


59. 


1027 

2279 

1776 

2842 

1774 

748 

2553 

2278 

72 

2332 

2327 

964 

404 

2341 

1659 

2779 

1435 

291 

2454 

2774 

401 

190 

190 

127 

1981 

2343 

590 

1994 

1074 

25 

1489 

1542 

2400 


CXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


Heidelberg:  Universitäts-Frauenklinik .  2790 

—  Universitäts-Kinderklinik .  1142,  1482,  2720 


—  Universitätsklinik  für  Haut-  und  Geschlechtskranke  .  798, 

1656,  2622 


—  Hygienisches  Institut .  456,  971 

—  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung  ....  859,  914 

—  —  —  Serologische  Abteilung . . .  .  1318 

—  —  —  Biochemische  Abteilung .  •  1923 

—  Orthopädisch-chirurgische  Klinik  von  Prof.  Dr.  Vulpius  453,  691 

—  Samariterhaus .  9 

Hohenems:  Kaiserin  Elisabeth  Krankenhaus  .  .  ...  760 

Schloss  Hornegg,  Sanatorium  für  innere  und  Nervenkrank¬ 
heiten  . 2908 

Ichenhausen:  Invaliden-  und  Genesungsheim  der  Landes¬ 
versicherungsanstalt  Schwaben . 1932 

Jena:  Medizinische  Universitätsklinik  8,  181,  408,  926,  1033,  1251 

1374,  1430,  1926,  2789 

—  Universitäts-Frauenklinik  . .  288,  2282,  2275 

—  Universitäts-Augenklinik . 1138 

—  Hygienisches  Institut . 1025 

—  Hautabteilung . 1192 

—  Psychiatrische  Klinik .  1197,  1921 

—  chemische  Abteilung  des  physiologischen  Instituts  .  .  .  .2512 

—  Hautabteilung . 521,  803 

Kiel:  Medizinische  Klinik . .  454,  800 

—  Universitäts-Augenklinik . .  .  -  •  1305 

—  Hygienisches  Institut . .  457,  1548,  1819 

—  Chirurgische  Universitäts-Poliklinik . 1598 

—  Anscharkrankenhaus  .  .  . .  ....  1598 

Köln:  Akademie  für  praktische  Medizin  I.  med.  Klinik  ....  1379 


—  —  —  ii.  meu.  . . «ui,  iuu 

—  —  —  Kinderklinik .  .  .  512,  971,  1592 

—  Städtische  Krankenanstalt  Lindenburg,  Klinik  für  Haut¬ 
krankheit  (Prof.  Dr.  Zinsser) . 354 

—  —  —  Chirurgische  Klinik . 356 

—  -Ehrenfeld:  Israelitisches  Krankenhaus  ........  1829 

—  -Lindenthal:  Klinik  für  Hautkranke  der  städtischen 

Krankenanstalt .  2734 

Königsberg:  Medizinische  Klinik .  2214,  2275 

—  Universitätspoliklinik  für  Hals-  und  Nasenkranke  .  295,  634 

—  Psychiatrische  Klinik:  Nervenpoliklinik . 757 

—  Krankenhaus  der  Barmherzigkeit,  chirurgische  Abteilung  .  75 

Kottbus:  Lungenheilstätte  Cottbus . 1376 

Langendreer  i.  W. :  Kommunales  Krankenhaus  .  1022 

Leipzig:  Medizinische  Universitätsklinik .  22 

—  Chirurgische  Universitätsklinik .  2601 

—  Universitäts-Frauenklinik . 1427 

—  Universitäts-Poliklinik .  1143,  1663,  2657 

—  Pathologisches  Institut . .  2051,  2446 

—  Dermatologische  Klinik .  2512 

—  Garnisonslazarett . 868 

—  Chirurgisch-poliklinisches  Institut  .  ...  ...  .  1876 

—  -Lindenau:  Diakonissenhaus,  chirurgische  Abteilung  .  .  1881 

Lübeck:  Allgemeines  Krankenhaus,  Direktorialabteilung  .  .  .  2217 

Lüdenscheid:  Stadtkrankenbaus .  1203 

Magdeburg:  Städtische  Krankenanstalt  Magdeburg-Sudenburg, 

Innere  Abteilung . -1993,  2232 

—  Provinzial-Hehammenlehranstalt  und  Frauenklinik  ....  1084 

Mainz:  Städtisches  Krankenhaus  St.  Rochus,  Innere  Abteilung  1200 
Mannheim:  Städtische  Krankenanstalten,  chemisches  Labora¬ 
torium.  der  . 341 

Marburg:  Chirurgische  Klinik .  406,  1036 

—  Universitäts-Frauenklinik .  187,  1241 

—  Pharmakologisches  Institut .  2220 

München:  I.  Medizinische  Universitätsklinik  1,  63,  800,  2177,  2831 

—  II.  Medizinische  Universitätsklinik .  2155,  2616 

—  Chirurgische  Universitäts-Poliklinik  . .  2455 

—  Universitäts-  Frauenklinik  .....  860,  1037,  1321,  1530,  1772 

—  —  Kinderklinik .  .  636 

—  —  Augenklinik .  72,  741 

—  —  Ohrenklinik . 18,  65,  135 

—  Psychiatrische  Universitätsklinik . 

—  Universitäts-Poliklinik .  ......  65,  135 

—  Pathologisches  Institut . 1321 

—  Medizinisch-klinisches  Institut .  1873,  2782 

—  Orthopädische  Klinik .  .  1999 

—  Gynäkologische  Universitätspoliklinik  für  Frauenleiden  905,  906 

—  Zahnärztliches  Universitätsinstitut  ....  . 1938 

—  Krankenhaus  1.  d.  Isar,  orthopädische  Station  ...  .  .  2621 

—  —  München-Schwabing,  Pathologisches  Institut  505,  1137,  1195, 

1530,  1707,  2674 

—  Röntgeninstitut  von  Dr.  Bruegel  und  Dr.  Kaestle  .  .  .  179 


—  Dr.  Deckers  Sanatorium  für  Magen-,  Darm-  und  Zucker¬ 


kranke  ...  .  589,  700 

—  Chirurgische  Privatklinik  von  Hofrat  Krecke  ....  638,  1644 

—  Institut  für  Orthopädie  und  Medikomechanik  von  Dr. 

v.  Baeyer  und  Dr.  Bergeat  ...  . 1377 


Nürnberg:  Allgemeines  Krankenhaus,  Direktorialabteilung  .  .  345 


Seite 

Nürnberg:  Allgemeines  Krankenhaus,  II.  Abteilung .  2502 

—  —  —  Hautabteilung  .  .  2337 

Oberbausen:  St.  Josephhospital,  chirurgische  Abteilung  .  .  .  1883 
Oberstdorf:  Kuranstalt  von  Dr.  Saathott'  für  innere  und  Nerven¬ 
krankheiten  . ’230 

Osnabrück:  Hebammenschule . 188 

Pfaffenhofen:  Lungenfürsorgestelle . 1710 

Solbad  Rappenau:  Sanatorium  für  Knochen-,  Gelenk-  und 

Drüsenleiden . 1079 

BadRehburgb.  Hannover:  Klosterheilanstalt  für  Lungenkranke  2452 


—  Medizinische  Universitätspoliklinik,  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  . 812 

Saarbrücken:  Knappschaftskrankenhaus  im  Fischbachtal  .  .  1378 

Sorau:  Brandenburgische  Provinzialirrenanstalt . 1935 

Stephansfeld  i.  E. :  Bezirksheilanstalt .  2625 

Stettin:  Küchenmühler  Anstalten . 1085 

Stralsund:  Städtisches  Krankenhaus,  chirurgische  Abteilung  474 


—  Universität  für  syphilitische  und  Hautkrankheiten  .  .  .1429 


—  Universitäts- Augenklinik .  .  1191 

—  Physiologisches  Institut .  2386,  2389 

—  Psychiatrische  und  Nervenklinik .  2386 

—  Labaratorium  für  experimentelle  Pharmakologie  ...  .  817 

—  Bürgerspital,  Abteilung  für  Chronischkranke . 1712 

Stuttgart:  Karl-Olga-Krankenhaus . 225 

—  Ludwigsspital  . 225 

—  Bürgerspital . 2450 

Tilsit:  Städtische  Heilanstalt .  2405 

Tsingtau:  Kaiserliches  Gouvernementslazarett  und  bakteriolo¬ 
gische  Untersuchungsstation  des  Gouvernements  Kiautschou  2669 

Tübingen:  Medizinische  Universitätsklinik  .  2499 


—  Universitäts-Frauenklinik .  1479,  1704,  2266 

—  Universitätsklinik  für  Nerven-  und  Gemütskrankheiten  2044, 

2499,  2906 

Ulm:  Städtisches  Krankenhaus,  chirurgische  Abteilung  ....  2345 

Wehrawald:  Sanatorium  Wehrawald . .  ■  763 

Wiesbaden:  Städtisches  Krankenhaus,  Pathologisches  Institut  2507 

—  Diakonissenhaus  Paulinenstiftung  .  .  24 

—  Chirurgisch-orthopädische  Anstalt  von  Dr.  Stein . 1370 

Wilhelmshof:  Kurhaus  für  alkokol-  und  nervenkranke  Männer  2624 '* 

Worms:  Städtisches  Krankenhaus  . . .  .  1019 

Würzburg:  Medizinische  Universitätsklinik .  1089,  2905 

—  Chirurgische  Universitätsklinik  .  .  . . 91S 

—  Universitätsklinik  für  Hautkrankheiten . 458 

—  Universitätspoliklinik  für  Nasen-  und  Kehlkopfkranke  .  .  2565 

—  Universitäts- Ohrenklinik . 1934 

—  Dermatologische  Universitätsklinik . 1261 

—  Hygienisches  Institut  .  .  231 

—  Pathologisch-anatomisches  Institut  . 1813 


b)  •  Ausland. 


Arosa:  Sanatorium  Arosa . 

Basel:  Medizinische  Universitätsklinik . 

—  Chirurgische  Universitätsklinik . .  • 

—  Frauenspital  Basel-Stadt .  922,  2514,  2563, 

—  Pharmakologisches  Institut  . . 

—  Dermatologische  Klinik . 

Bukarest:  Physiologisches  Institut . .  1423, 

—  Spital  Filantropia  III  Medizinische  Klinik . 

Catania:  Kgl.  Institut  für  spezielle  Pathologie  innerer  Krankheiten 
Charkow:  Gou wernements-Semstwo-Krankenhaus,  chemisch-bak¬ 
teriologische  Abteilung . 

Christiania:  Pathologisch-anatomisches  Institut . 

Davos-Platz:  Dr.  Turbans  Sanatorium  .  .  • . 

—  Waldsanatorium  Davos  . .  1033,  1591, 

—  Sanatorium  Clavadel  . 

—  Baseler  Heilstätte  für  Brustkranke  . . 

Deli  auf  Sumatra:  Hospital  der  Senembah  Maatschappy  .  129, 

—  Zentralhospital  .  . 

Detroit.  U.S.A.:  Untersuchungslaboratorium  Parke,  Davis  &  Co. 
Freiburg  (Schweiz):  Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  :  . 
Graz:  Chirurgische  Universitätsklinik . .  .  1657, 

—  Kinderklinik,  Chirurgisch-orthopädische  Abteilung  577,  975, 

—  Dermatologische  Klinik . 

—  Pharmakologisches  Institut . . 

—  Hygienisches  Institut  .  .  .....  . 

Kopenhagen:  Reichshospital,  Chirurgische  Klinik . 

—  R.  Berghs  Hospital . 

Lund:  Medizinisch  chemisches  Institut  .  .  ■  .  - 

Klausenburg:  Neurologisch-psychiatrische  Universitätsklinik  . 

Kljuc  (Bosnien):  Bezirksspital . 

Lemberg;  Hygienisches  Institut . 

Linz  a.  d.  Donau:  Universitäts-Kinderklinik,  Orthopädische  Ab¬ 
teilung  . • . 


2668 

2461 

313 

2911 

967 

2331 

1533 

1601 

1481 


2351 
741 
132 
2738 
1751 
192 
642 
1133 
1193 
2783 
216! 
13  U 
591 
691 
136 
165! 
262( 
2277 
2038 
2671 
153: 


97: 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


CXIII 


Se  te 

Lissabon:  Urologische  Privatklinik  von  Dr.  H.  Bartos  ....  2053 
London:  Lister  Institut,  biochemische  Abteilung . 1997 

—  Cancer  Hospital  Research  Institute . 2614 

Mailand:  Fortbildungsinstitut  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  1259 

Moskau:  Krebsforschungsinstitut .  1644 

Xew-York:  Universitäts-Abteilung  für  experimentelle  Chirurgie  1705 

—  Bellevue  Hospital  medical  College  ...  .  .  .  .  1705 

—  Rockefeller  Institute  for  Medical  Research  737,  1977,  2051,  2265 

—  Deutsches  Hospital . . 1316 

Odessa:  Krankenhaus  „Rotes  Kreuz“  für  Fabrikarbeiter  .  .  .  1599 

Petoemboekan  auf  Sumatra:  Zentralhospital . 1537 

Pistyan:  Physikalische  Heilanstalt  des  Thennia-Sanatoriums  .  1146 
Prag:  Medizinische  Klinik  .  2047,  2158 

—  Deutsche  dermatologische  Universitätsklinik  • .  62 

—  Handelsspital  .  .  .  .  • .  2457 

Rigi-Kaltbad:  Kurhaus,  Privatlaboratorium  von  Dr.  O.  Vera- 


Stockholm:  Medizinische  Staatsanstalt,  bakteriologische  Ab¬ 
teilung  ...... .  .  69 

Tsinanfu  (Nord-China):  Aus  der  Medizinschule  der  englisch¬ 
amerikanischen  Mission . 134 


Seite 

Turin:  Institut  für  allgemeine  Pathologie .  626,  1536 

Utrecht:  Pharmakologisches  Institut .  2566 

Wien:  Medizinische  Klinik . 582 

—  I.  Chirurgische  Klinik . 855 

—  Universitäts-Kinderklinik .  2608 

—  II.  Gynäkologische  Klinik . 583 

—  Universitäts-Ohrenklinik .  2778 

—  Allgemeines  Krankenhaus,  Zentralröntgenlaboratorium  1989,  2659 

—  K.  K.  Krankenanstalt  Rudolfstiftung:  I.  medizinische  Ab¬ 
teilung  .  2650 

—  - Prosektur . 189 

—  Spital  der  allgemeinen  Poliklinik  :  Röntgeninstitut  582,  1031, 

2048,  2734 

- —  Kinderspital .  2049 

—  Sanatorium  Fürth,  Röntgeninstitut . .  68,  2219 

—  Chemisch-mikroskopisches  Laboratorium  von  Dr.  M.  und 

Prof.  Dr.  Ad.  Jolles .  2345 


—  Privatlaboratorium  von  Dr.  O.  Veraguth  .  .  .  2211,  2284,  2664 


VI.  Aus  Vereinen  und  Versammlungen. 

Die  mit  *  bezeichnetcn  Vereine  veröffentlichen  ihre  offiziellen  Protokolle  in  der  M.  m.  W. 


Seite 


a)  Wissenschaftliche  Gesellschaften  und  Vereine. 

I.  Deutschland. 

Altona:  ‘Aerztlicher  Verein .  607,  720,  895,  1515,  2542 

Berlin:  Medizinische  Gesellschaft  106,  163,  217,  275,  324,  387, 

434,  498,  563,  618,  674,  786,  1009,  1068,  1179,  1235,  1298, 

1355,  1411,  1467,  1516,  1576,  1026,  1689,  2434,  2542,  2594, 

2705,  2762 

—  Mikrobiologische  Gesellschaft  . 429 

—  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  164,  217, 

324,  434,  498,  563,  674,  1009,  1180,  1356,  1468,  1576,  2434, 

2543,  2594,  2650,  2705,  2921 

—  Gesellschaft  für  Chirurgie  153,  387,  618,  1058,  1291,  1356, 

1458,  1737,  2753,  2958 

—  Pharmazeutische  Gesellschaft  ...  . . 425 

Chemnitz:  ‘Medizinische  Gesellschaft  153  268,608,  1226,  1292, 

1404,  1573 

Dresden:  ‘Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  102,  154, 

212,  324,  435,  489,  554,  609.  667,  721,  835,  895,  1010,  1059, 

1117,  1172,  1226,  1293,  1458,  1516,  1684,  2753,  2859,  2921 

Erlangen:  Aerztlicher  Bezirksverein .  268,  325,  837,  1011 

Frankfurt  a.  M.:  ‘Aerztlicher  Verein  102,  435,  443,  556,  609, 

699,  781,  1062,  1173,  1228,  1405,  1460,  1737,  2084,  2143, 

2312,  2483,  2543,  2650,  2754 

—  ‘Wissenschaftliche  Vereinigung  am  Städtischen  Kranken¬ 
hause  .  268,  782,  1063,  1517,  1797,  1909,  2313,  2545 


—  Juristische  Gesellschaft  ...  . .  2653 

Frei  bürg:  ‘Verein  Freiburger  Aerzte  .  .  ...  .  782,  1063 


Halle:  ‘Verein  der  Aerzte  47,  490,  556,  610,  838,  1175,  1229, 

1739,  1798,  2144,  2313,  2754 

Hamburg:  ‘Aerztlicher  Verein  49,  213,  325,  436,  619,  670,  730, 

1011,  1230,  1405,  1460,  1573,  2435,  2545,  2702,  2755,  2859 
—  Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins*  155,  269,  436, 

556,  783,  897,  1064,  1351,  1406,  1461,  1518,  1853,  1909, 

2435,  2485,  2756 

Heidelberg:  ‘Naturhistorisch-medizinischer  Verein  437,  492, 

724,  838,  1912,  1969,  2860,  2924 

Jena:  ‘Naturwissenschaftlich-medizinische  Gesellschaft  157,  326, 

494,  611,  724,  784,  951,  1518,  1687,  1855,  2084,  2203,  2861 
Kiel:  ‘Medizinische  Gesellschaft  104,  159,  438,  557,  1519,  1574, 

1627,  1740.  1970,  2147,  2758 

Köln:  ‘Allgemeiner  ärztlicher  Verein  161,  496,  559,  726,  839, 

1407,  1627,  1742,  1913,  2087,  2485,  2759,  2863 
Königsberg.  ‘Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  49,  429, 

913,  671,  840,  1231,  1408,  2759,  2863 
Leipzig:  ‘Medizinische  Gesellschaft  270,  827,560,613,672,727, 

898,  953,  1120,  1294,  1408,  1627,  1742,  1800,  2088,  2703,  2760 


Seite 

Magdeburg:  ‘Medizinische  Gesellschaft  51,  104,  162,  328,  438, 

615,  728,  1067,  1176,  1231,  1463,  1744,  1801 

Mainz:  ‘Aerztlicher  Kreisverein  1575,  1629,  2595,  2651,  2761,  2864 

Marburg:  ‘Aerztlicher  Verein  56,  162,  214,  439,  616,  673,  954, 

1122,  1913 

München:  ‘Aerztlicher  Verein  840,  899,  956,  1232,  1296,  1353, 

1802,  2091 

—  ‘Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physiologie  ....  1688 

—  ‘Gynäkologische  Gesellschaft  .  .  .  162,  442,  1804,  1859,  2865 

—  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde  215,  275,  330,  617,  1123, 

1178,  2595,  2704,  2761 

Nürnberg:  ‘Aerztlicher  Verein  496,  561,  618,  1067,  1123,  1178, 

1410,  2314,  2486 

—  ‘Medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik  216,  561,  1178, 

1235,  1298,  1629,  1688,  1745,  1972,  2762,  2867 

Rostock:  ‘Rostocker  Aerzteverein . 1746 

Strassburg:  ‘Naturwissenschaftlich-medizinischer  Verein  105, 

442,  496,  561,  841,  1913,  2092 

Tübingen:  ‘Medizinisch-naturwissenschaftlicher  Verein  442, 

562,  1410,  1520,  1746,  1914,  1972 
Würzburg:  ‘Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  443,  498, 

785,  1519,  1575,  1629,  1859,  2867 

—  ‘Würzburger  Aerzteabend  106,  162,  216,  956,  1179,  1629, 

1748,  1859 

2.  Ausland. 

Chicago:  ‘Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  218,  332,  564, 

675,  788,842,  900,  1411,  1522,  1689,  1804,  1860,  1916,  2315, 

2486,  2546 

Edinburgh:  Obstetrical  Society . 788 

—  Medico-Chirurgical  Society . 2926 

Irland:  Royal  Akademy  of  Medicine,  Section  of  Medicine  .  .  1070 

Kopenhagen:  Medizinische  Gesellschaft  . 429 

Liverpool:  Liverpool-Medical  Association  .  1525,  1690 

London:  Royal  Society  of  Medicine . 

—  —  Pathological  Section . 957 

—  —  Section  of  Medicine . 677 

—  —  of  Balneology  and  Climatology .  843,  1013 

—  —  of  Ophthalmology  and  Neurology . 1181,  1525 

—  —  —  —  Medical  Section . 1413 

—  Section  of  the  History  of  Medicine .  2926 

—  Surgical  Section  .  .  - .  843,  1181,  1577 

—  Section  of  Electro-Therapeutics . 333 

—  Pathological  Society . .  .  52 

—  Medical  Society  of  London .  333,  676,  1070,  1181 

—  Association  of  Registered  Medical  Women  . . 957 

Paris:  Akademie  de  mödecine  565,  677,  789,  844,901,958,  1182, 

1300,  1525,  1631,  1916,  1973,  2093,  2869,  2968, 

—  —  des  Sciences  333,  498,  565,  621,  843,  958,  1070,  1182, 

1526,  1750,  1973,  2092,  2653,  2764 


8 


CX1V 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1913. 


Seite 

Paris:  Societd  de  Biologie . -  •  •  ■ 

—  Societ6  de  Chirurgie . _■  •  •  •  •  ■  l)> 

—  Sociüte  medicale  des  höpitaux  383,  958,  1413,  1030,  1690, 

1973,  2653,  2926 

—  Societd  de  thdrapeutique  .  .  .  . . . 

—  Soci^te  franc-aise  de  Dermatologie  et  de  Syphiligraphie 

1013,  1070,  1526,  2093 

Prag:  Verein  deutscher  Aerzte  331,  388,  445,  498,  564,  620,  787, 

1069,  1181,  2549,  2868,  2925 

—  Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen 

107,  330,  498,  563,  620,  730,  787,  1357,  1468,  1523,  1576, 

1(49.  26o2,  2867 

Wien:  K  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  51,  108,  219,  275,  331,  445, 

620,  674,  730,  900,  957,  1012,  1069,  1124,  1230,  1299,  1357, 

1412,  1496,  1523,  1576,  2489,  2548,  2596,  2(04,  2762,  2868 

—  Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde 

108,  219,  388,  445,  564,  621,  675,  1069,  1180,  1236,  1299, 

1412,  1469,  1630,  2548,  26o3,  2704,  2869 

b)  Wissenschaftliche  Versammlungen. 

Aachen:  38.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffent-  _ 

liehe  Gesundheitspflege . •  •  •  •  •  “*jJ0 

Baden-Baden:  38:  Wanderversammlung  der  südwestdeutschen 

Neurologen  und  Irrenärzte  ........  . JolU 

Bad  Kreuznach:  60.  Versammlung  mittelrheinischer  Aerzte  13o0 
Bayreuth:  V.  Ordentliche  Mitgliederversammlung  der  Zentrale 

für  Säuglingsfürsorge  in  Bayern  e.  V . 1031 

Berlin:  Brandenburger  Aerztekammer  .  . ;  •  • 

_  XII.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  orthopädische 

Chirurgie .  .  •  •  ■  ^31,  780 

_  42  Versammlung:  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

776,  830,  890,  944,  1004,  1056,  1115 

—  IV.  Internationaler  Kongress  für  Physiotherapie  778,  834, 

894,  949 

—  IX.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft  .  777,  832 

—  34.  Balneologenkongress . 893,  947 

—  29.  Hauptversammlung  des  Preussischen  Medizinalbeamten¬ 
vereins  .  .....  1013 

—  Generalversammlung  des  Deutschen  Zentralkomitees  zur 

Bekämpfung  der  Tuberkulose  . 1125 

—  Verhandlungen  der  Deutschen  Tropenmedizinischen  Gesell¬ 
schaft.  IV.  und  V.  Tagung  ....  . .  •  •  •  EJ00 

—  IV.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Urologie  .  .  2420 

—  Ausserordentlicher  Deutscher  Aerztetag .  2489 

—  Berlin-Brandenburgische  Aerztekammer .  ...  26: )3 

Breslau:  Deutscher  Verein  für  Schulgesundheitspflege  und  Ver¬ 
einigung  der  Schulärzte  Deutschlands . 1632 

—  IV.  Deutscher  Kongress  für  Säuglingsschutz . 2199 

—  7.  Jahresversammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Nervenärzte  2427 

Brighton:  81.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Asso¬ 
ciation,  Sektion  für  interne  Medizin  . 1967 

_  _  —  Sektion  für  Gynäkologie  und  Geburtshilfe  ....  1968 

—  —  —  Sektion  für  Chirurgie  . 1968 

Brüssel:  III.  Internationale  Konferenz  für  Krebsforschung  vom 

1.  bis  5.  August . 190J 

Darmstadt:  Deutsche  Zentrale  für  Jugendfürsorge  .  .  .  ■  2260 

Freiburg  i  B.:  VIII.  Jahresversammlung  der  Vereinigung  der 

Lungenheilanstaltsärzte  ...  219/ 

Gent:  III.  Internationaler  Kongress  für  Neurologie  und  Psychiatrie  2252 
der  Haag:  Gründungsversammlung  des  internationalen  Apo¬ 
thekerbundes  .  ■•••••  125 

Halle:  XV.  Versammlung  der  deutschen  Gesellschaft  für  Gynä¬ 
kologie  .  .  1289,  1347,  1402,  1455 

Heidelberg:  39.  Zusammenkunft  der  ophthalmologisclien  Ge¬ 
sellschaft  . .  •  . . 1512 

—  Sitzung  des  Badischen  Landeskomitdes  für  Krebsforschung, 

30.  Juni . l,Z?n 

Jena:  19.  Versammlung  mitteldeutscher  Psychiater  und  Neurologen  2700 
Köln:  28.  ordentliche  Versammlung  der  Rheinisch-westfälischen 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Nervenheilkunde  .  .  385 

—  30. . . .  •  2377 

London:  17.  Internationaler  Medizinischer  Kongress  499,  1905, 

1958,  2076,  2201,  2258,  2310 

— - I.  Sektion  für  Chirurgie .  1905,  1963 

—  —  —  Allgemeine  Sitzungen . 2958 

—  —  —  Sektion  für  innere  Medizin  .  1960,  2076 

— - Sektion  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  .  .  1964,  2079 


Seite 

London:  1 7.  Internationaler  Medizinischer  Kongress,  Sektion  für 
Hautkrankheiten,  gemeinsam  mit  der  Sektion  für  gericht¬ 
liche  Medizin .  2201  j 

_ _ Sektion  für  Hals-  und  Nasen krankheiten,  gemeinsam 

mit  der  Sektion  für  Obrenkrankheiten .  2203 

_ - Sektion  für  Geburtshilfe  und  Frauenkrankheiten,  ge¬ 

meinsam  mit  der  Sektion  für  Radiologie  ........  2258 

—  —  —  Sektion  für  pathologische  Chemie,  gemeinsam  mit 

der  Sektion  für  Bakteriologie  und  Immunität .  2259  , 

—  - Sektion  für  Chirurgie,  gemeinsam  mit  der  Sektion  für 

Urologie . 2310  j 

- - Sektion  für  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte, 

gemeinsam  mit  der  Sektion  für  allgemeine  Pathologie  .  .  2312 

M  i  n  n  e  a  p  o  1  i  s,  Minnesota :  46.  Versammlung  der  American  Medical 
Association  vom  16.  bis  19.  Juni. 

München:  Jahresversammlung  desVereins  bayerischer  Psychiater 

(Programm) . . .  844  : 

—  Bayerische  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  u.  Frauenheilkunde  286o 

—  Konferenz  über  das  studentische  Wohnungswesen  an  den 

Hochschulen  des  deutschen  Sprachgebietes . 1800 

—  Verein  alkoholgegnerischer  Aerzte . •  •  •  1358 

—  IU.  Tagung  der  Vereinigung  bayerischer  Chirurgen  ....  1683 

Nürnberg  EBay  rischer  Medizinalbeamten -Verein.  X.  Jahres¬ 
versammlung  . . •  •  •  .*.*■■■  o  ’  22”9 

Paris:  13.  französischer  Kongress  für  innere  Medizin  .  164,  219,  276 

—  24.  Kongress  der  Vereinigung  frauzösischer  Chirurgen  2857,  2918 

—  16.  Versammlung  französischer  Urologen .  220,  277 

-—  I.  Kongress  der  Internationalen  Vereinigung  für  Pädiatrie  311 

—  I.  Kongress  Medizinstudierender  in  Frankreich . 844 

_  XI.  Kongress  der  internationalen  abolitionistischen  Föde¬ 
ration  . .  .  .  ......  1577  • 

Rheinisch- westfälische  Gesellschaft  für  unsere  Medizin  und 

und  Nervenheilkunde  zu  Köln . 885  j 

—  —  zu  Düsseldorf . 1-104 

Rom:  IV.  Nationaler  Kongress  für  Arbeite-  und  Gewerbe¬ 
krankheiten  . 1567 

Stuttgart:  Verhandlungen  des  Vereins  Deutscher  Laryngologen. 

XX.  Tagung . •_ . 1514,  1569 

—  22.  Versammlung  der  Deutschen  otologischen  Gesellschaft  1568 

Wien-  85  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

1690,  1917,  2251,  2306,  2362,  2432,  2479,  2541 

—  —  —  Chirurgie  .  2251,  2365,  2480 

- - I.  und  II.  Allgemeine  Versammlung .  2306 

- Gesamtsitzung  beider  Hauptgruppen  .  . .  2306 

—  —  —  Gesamtsitzung  der  medizinischen  Hauptgruppen  .  2362 
_  —  —  22  Abt.  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  2306,  2369, 

2432,  2480,  2541 

- Abteilung  für  Neurologie  und  Psychiatrie  .  2309,  2374 

- Abteilung  für  Psychiatrie  gemeinsam  mit  der  Ab¬ 
teilung  für  gerichtliche  Medizin  .  .  .  2309 

—  —  —  Abteilung  für  inneie  Medizin,  Balneologie  und  Hydro¬ 

therapie  . .  2363,  2432,  2480 

- Abteilung  für  Kinderheilkunde  .  2371 

_ _  Abteilung  16  Geschichte  der  Medizin  und  Natur¬ 
wissenschaften  .  2378,  2432,  2482,  2483 

—  —  —  Abteilung  für  Dermatologie .  2480 

—  —  —  Abteilung  für  Syphilidologio .  2480 

—  - Abteilung  für  Laryngologie .  •  2480 

—  Erste  Studienreise  der  Deutschen  Röntgengesellschaft  2200,  2377 
Wiesbaden:  30.  Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin  942, 

1000,  1053,  1113,  1458 

c)  Standesvereine. 

Bad  Kissingen:  Aerztlicher  Bezirksverein  . 

Elberfeld:  39.  Deutscher  Aerztetag .  1578, 

—  Ordentliche  Hauptversammlung  des  Verbandes  der  Aerzte 
Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen 

München:  Aerztlicher  Bezirksverein  52,  733,  1469,  1637,  2205, 

2315,  2380,  2549,  2707, 

—  Aerztlicher  Bezirksverein  M.-Land . 

—  Rechtsschutzverein  Münchener  Aerzte .  .  . 

—  Münchener  Aerzteverein  für  freie  Arztwahl  .  .  901,  1182, 

—  Kommission  für  Arbeiterhygiene  und  Statistik  des  Mün¬ 
chener  Aerzte  Vereins  für  freie  Arztwahl  .  .  _.  .  .  1125, 

—  Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte  388,1237,1469,2380, 

—  Schulkommission  des  ärztlichen  Vereins . 

Nürnberg:  Krankenhausapotheker,  Konferenz  der^ . . 

—  Aerztlicher  Bezirksverein .  333,  565,  1301,  2316, 


1014 

1633 

1691 

2869 

2707 

789 

2707 

2706 

2869 

677 

425 

2597 


1913. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


cxv 


VII.  Abbildungen  und  Kurventafeln. 


Seite 


1  Abbildung  zu  Schultz,  Technik  und  Ergebnisse  meiner  Blut¬ 

gerinnungsmethode  .  4 

2  Abbildungen  zu  Grober,  Ueber  Selbstheilung  von  Basedowscher 

Krankheit  .  8 

1  Kurventafel  zu  Schmidt,  Chronische  diphtherische  Infektion  der 

Lungen .  20 

1  Abbildung  zu  Beyer,  Ein  Fall  von  spontaner  Uterusruptur  in 

der  Schwangerschaft . .  25 

1  Abbildung  zu  Schepelmann,  Zur  Chirurgie  der  Segelklappen¬ 
stenose  des  Herzens  .  .  .  47 

1  Abbildung  zu  Berblinger,  1.  Kompressionsmyelitis  mit  intra¬ 
medullärem  Aufsteigen  gequetschten  Rückenmarks.  2.  Ha¬ 
rn  atomyelie  .  .  .  50 

9  Abbildungen  zu  Bruck  und  Glück,  Ueber  die  Wirkung  von 
intravenösen  Infusionen  mit  Aurum  -  Kalium  cyanatum 

(Merck)  bei  äusserer  Tuberkulose  und  Lues .  57 

1  Abbildung  zu  Kienböck,  Ueber  das  Sigma  elongatum  mobile 

(Röntgenbefund) . 68 

1  Abbildung  zu  Piirckhauer,  Ueber  Verletzungen  der  Ligamenta 

cruciata  des  Kniegelenks .  .  73 

2  Abbildungen  zu  Harmsen,  Radfahren  unter  aktiver  Beteilgung 

eines  Beines  mit  steifem  Kniegelenk .  78 

4  Abbildungen  zu  Stäubli,  Beitrag  zur  Kenntnis  und  zur  Therapie 

des  Asthma  .  ....  113 


1  Abbildung  zu  Simmonds,  Hypophysis  und  Diabetes  insipidus  127 

2  Abbildungen  zu  Baer,  Das  Perkussionsquantimeter  .  ...  132 
6  Abbildungen  zu  Bergmann,  Das  spasmogen-  Ulcus  pepticum  169 
6  Abbildungen  zu  Stoffel,  Beiträge  zu  einer  rationellen  Nerven- 

chirurgie . 175 

6  Abbildungen  zu  Bruegel,  Bewegungsvorgänge  am  pathologi¬ 
schen  Magen  auf  Grund  röntgen-kinematographischer  Unter¬ 
suchungen  ....  .  . 179 

2  Abbildungen  zu  Wolff,  Eine  einfache,  neue  Bestrahlungslampe 

für  Gleich-  und  Wechselstrom .  . 185 

1  Abbildung  zu  Bucky,  Kombinierte  Augenelektrode  und  Augen- 

irrigationsgefäss . .  186 

4  Abbildungen  zu  Lindemann,  Vereinfachung  der  Anaeroben- 

züchtung  nebst  Angabe  eines  praktisch  verwertbaren  neuen 

Kulturverfahrens  . 236 

1  Kurventafel  zu  Hamm,  Ein  seltener  Fall  von  Kolipyämie;  zu¬ 
gleich  ein  Beitrag  zur  klinischen  Bedeutung  des  Bakterien- 

anaphylatoxins . 292 

1  Abbildung  zu  Schneider,  Ueber  Erblichkeit  des  Atherom  .  .  294 

1  Abbildung  zu  Rethi,  Die  elektrolytische  Behandlung  der 

Trigeminusneuralgien  . 295 

1  Tafel  zu  Aschoff,  Krönig  und  Gauss,  Zur  Frage  der  Beeinfluss- 

barkeit  tiefliegender  Krebse  durch  strahlende  Energie  .  .  .  337 

30  Abbildungen  zu  Kaestle,  Vereinfachte  Magen-Bioröntgeno- 

graphie  . 346 

9  Abbildungen  zu  Bucky  und  Frank,  Ueber  Operationen  im 

Blaseninnern  mit  Hilfe  von  Hochfrequenzströmen  .  .  .  348 

2  Abbildungen  zu  Goebel,  Ersatz  von  Finger-  und  Zehenpha¬ 

langen  . 356 

1  Kurventafel  zu  Hanauer,  Abnahme  der  Geburten  in  Frank¬ 
furt  a.  M.  .  .  .  .  .  .  .  381 

1  Abbildung  zu  Kutschera,  Gegen  die  Wasserätiologie  des  Kropfes 

und  des  Kretinismus  .  . . 393 

9  Abbildungen  zu  Wilms,  Welche  Formen  der  thorakoplasti sehen 
Pfeilerresektion  sind  je  nach  Ausdehnung  und  Schwere  der 

Lungenerkrankung  zu  empfehlen? . 449 

6  Abbildungen  zu  Kahn,  Der  Einfluss  von  Thorium  X  auf 

keimende  Pflanzen  .  .  454 

3  Abbildungen  zu  Wagner,  Erfahrungen  mit  der  Conradi-Troch- 

schen  Tellurplatte  zum  Diphtherienachweis  . 457 

1  Abbildung  zu  Wolff-Eisner,  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  von  Aborten  ausgehende  Infektionsgefahr  und 

ihre  Verhütung . 473 

3  Abbildungen  zu  Jansen,  Ein  einfacher  Verband  zur  Behand¬ 
lung  des  Schlüsselbeinbrnches  . 474 

1  Abbildung  zu  Peiser,  Eine  Präzisionswage  für  die  Säuglings¬ 

ernährung  .  .  .  .  475 

2  Abbildungen  zu  Schepelmann,  Einseitige  Lungenimmobilisierung 

durch  Phrenikusresektion . 490 

5  Abbildungen  zu  Oberndorfer,  Die  syphilitische  Aorten¬ 

erkrankung  . •...  . 505 

2  Abbildungen  zu  Andree,  Exstirpation  eines  kleinfaustgrossen 

Hirnhauttumors  in  Lokalanästhesie . 528 

1  Abbildung  zu  Nassauer,  Hugo  Salus . 535 

6  Abbildungen  zu  Fränkel,  Die  Entstehungswoise  übermässiger 

Beckenneigung .  .  579 

2  Abbildungen  zu  Bennecke,  Zur  Beurteilung  von  Unfallsfolgen  611 


Seite 


2  Abbildungen  zu  Brauer,  Entfettungskur . 619 

2  Abbildungen  zu  Sauerbruch,  Die  Beeinflussung:  von  Lungen¬ 
erkrankungen  durch  künstliche  Lähmung  des  Zwerchfells 

(Phrenikotomie)  . 625 

1  Kurventafel  zu  Rühsamen,  Klinisch-experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirksamkeit  der  Wehenmittel  in  der 

Nachgeburtsperiode . 627 

1  Abbildung  zu  Gastpar,  Ueber  Augenuntersuchungen  bei  Schul¬ 
kindern  .  .  647 


7  Abbildungen  zu  Kuhn,  Die  erste  Hilfe  bei  Asphyxien  mittels 

direkter  Einblasung  von  Luft  . .  .  .  647 

3  Abbildungen  zu  Vulpius,  Ueber  die  Arthrodese  des  Hüftgelenkes  691 

8  Abbildungen  zu  Dessauer,  Versuche  über  die  harten  Röntgen¬ 

strahlen  (mit  Berücksichtigung  der  Tiefenbestrahlung)  .  .  696 

2  Abbildungen  zu  Decker,  Ueber  eine  praktische  künstliche  Aftei- 


bandage  und  Mastdarmvorfallbandage . 700 

2  Abbildungen  zu  Mohr,  Ein  Fall  von  ungewöhnlicher  multipler 

symmetrischer  Geschwulstbildung  ...  • . 727 

1  Abbildung  zu  Sandmann,  Ein  Fall  von  partieller  halbseitiger 

Gesichtshypertrophie  ohne  Beteiligung  des  Augapfels  .  .  728 

1  Abbilduug  zu  Mayer,  Rocha-Lima  und  Werner,  Untersuchungen 

über  Verruga  peruviana  ...  .  .  .  739 

1  Abbildung  zu  Groedel,  Die  röntgenologische  Darstellung  des 

Processus  vermiformis . 744 

8  Abbildungen  zu  Kellner,  Die  mongoloide  Idiotie  . 746 

2  Abbildungen  und  1  Kurventafel  zu  Hauser,  Vierlinge  und  Vier¬ 

lingsmütter  . 812 

11  Abbildungen  zu  v.  Recklinghausen,  Neue  Apparate  zur  Messung 

des  arteriellen  Blutdrucks  beim  Menscheu . 817 

3  Abbildungen  zu  Grund,  Ueber  atrophische  Myotonie  .  .  .  863 

2  Abbildungen  zu  Wolf,  Ein  ungewöhnliches  Repositionshindernis 

bei  typischem  Knöchelbruch  mit  Luxation  des  Fusses  nach 

aussen . 868 

7  Abbildungen  zu  Faolhaber,  Zur  Diagnose  und  Behandlung  des 

chronischen  Ulcus  pylori . 915 

4  Abbildungen  zu  Schmidt,  Bemerkungen  über  Dünndarmstenose  919 

1  Abbildung  zu  Lewinsohn.  Ein  neues  Herzplessimeter  .  .  .  923 

6  Kurventafeln  zu  Grober,  Fortschritte  in  der  Behandlung  des 

Diabetes  mellitus . 927 

1  Abbildung  zu  Weddy-Poenicke,  Demonstration  von  Nerven¬ 
kranken  . 953 

1  Abbildung  und  5  Kurventafeln  zu  Bernoulli,  Einfluss  der  Digi¬ 
talis  auf  die  Erholung  des  Herzens  nach  Muskelarbeit  .  967 

1  Abbildung  zu  Spitzy,  Ein  Instrument  zur  radikalen  Phimosen¬ 
beseitigung  . 975 

1  Abbildung  zu  Gunsett,  Eine  Fehlerquelle  beim  Ablesen  der 

Sabourand-Noire-Tabletten . 980 

1  Abbildung  zu  Freudenberg,  Ein  elektrisches  Beckendammheiz¬ 
kissen  in  Badehosenform . 981 

10  Kurventafeln  zu  Stäubli,  Lieber  vergleichende  Temperaturmes¬ 
sungen  und  deren  klinische  Bewertung . 1017,  1090 

1  Abbildung  zu  Friedmann,  Ueber  intravenöse  Dauerinfusion  .  1022 
6  Kurventafeln  zu  Mangold,  Weitere  Beobachtungen  über  will¬ 
kürliche  Kontraktionen  des  Tensor  tympani . 1027 

3  Abbildungen  zu  Lenk  und  Eisler,  Experimentell-radiologische 

Studien  zur  Physiologie  und  Pathologie  des  Verdauungstraktes  1031 

4  Abbildungen  zu  Jancke,  Beitrag  zur  Diagnostik  der  Rücken¬ 

markstumoren  . 1033 

1  Abbildung  zu  Sultan,  Eigentümliches  Verhalten  von  Fremd¬ 
körpern  . 1038 

1  Abbildung  zu  Schütz,  Gelenkwinkelmesser . 1039 

4  Abbildungen  zu  Giemsa,  Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Spiro- 

chätosen . •  .  1074 

1  Kurventafel  zu  Jödicke,  Die  differentialdiagnostische  Abgren¬ 

zung  einiger  Krampfformen  durch  das  Blutbild  .  ...  1085 

2  Abbildungen  zu  Duhot,  Eine  neue  Spritze  zur  Injektion  von 

konzentrierter,  unter  Luftabschluss  hcrgestellter  Neosal- 

varsanlösung .  1088 

1  Abbildung  zu  Jacob,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Myositis  .  .  1089 

3  Abbildungen  zu  König,  Erfolgreiche  Gelenkplastik  am  Ellbogen 

durch  Implantation  einer  Elfenbeinprothese . 1136 

1  Abbildung  zu  Herxheimer,  Ueber  Haarbruch . 1141 

1  Tafel  zu  Reichart,  Ueber  eine  eigentümliche  typische  Defor¬ 
mierung  des  Griffelfortsatzes  der  Ulna . 1146 

1  Abbildung  zu  Hauck,  Spontane  tödliche  Gehirnblutung  bei 

einem  Hämophilen  . 1147 

1  Abbildung  zu  Haenel,  Zur  Pathologie  der  Hypophyse  .  .  .  1172 

1  Abbildung  und  1  Kurventafel  zu  Jensen,  Ueber  Nitritintoxika¬ 
tion  bei  der  Injektion  der  Beckschen  Wismutpaste  .  .  1202 
1  Abbildung  zu  Zangemeister,  Ein  Handgriff  zur  Umwandlung 

der  Gesichtslage . 1241 


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4 

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2  Kurventafeln  zu  Authenrieth  und  Funk,  Ueber  kolorimetrische 
Bestimmungsmethoden:  Die  Bestimmung  des  Gesamtchole¬ 
sterins  im  Blut  und  in  Organen . •  •  •  1243 

1  Abbildung  zu  Riedel.  Ueber  Mittelohrfisteln  und  Perforationen 
an  der  Schädelbasis,  Zysten  und  abnorme  Knochenbildungen 

daselbst .  . .  1248 

1  Abbildung  zu  Lewy,  Modifizierter  Heftpflastergipsverband  bei 

der  Klumpfussbehandlung . 1263 

1  Abbildung  zu  Heine,  Ueber  die  Höhe  des  Hirndruckes  bei 

einigen  Augenkrankheiten . 

10  Abbildungen  und  1  Kurventafel  zu  Erlacher,  Zur  Behandlung 
von  Skoliosen  durch  Gipsverbände  nach  Abbott . 

1  Kurventafel  und  1  Abbildung  zu  Brix,  Ueber  einen  durch 

Operation  geheilten  Fall  von  puerperaler  Sepsis.  .... 

2  Abbildungen  zu  Rosenberger,  Ueber  Duodenaltherapie  .  .  . 

5  Abbildungen  zu  Stoffel,  Neues  über  das  Wesen  der  Ischias 

und  neue  Wege  für  die  operative  Behandlung  des 

Leidens . .  • 

12  Abbildungen  zu  Hohmann,  Meine  Erfahrungen  mit  der  Stoffel- 
schen  Operation  bei  spatischen  Lähmungen  .  ...... 

2  Abbildungen  zu  Stein,  Die  kosmetische  Korrektur  der  Fazialis¬ 
lähmung  durch  freie  Faszienplastik . •  •  •  1370 

2  Kurventafeln  zu  Christen,  Vereinfachung  der  dynamischen 

Pulsdiagnostik . 1372 

4  Abbildungen  zu  Therstappen,  Beitrag  zum  Krankheitsbild  der 

Ostitis  fibrosa . . .  .  .  1379 

2  Abbildungen  zu  Dreuw,  Ueber  Druckscheidenspülungen  in  der 
gynäkologischen  Praxis  vor  vaginalen  Operationen  und  bei 
Prostituiertenuntersuchung  . . 1382 

2  Abbildungen  zu  Liepmann,  Der  Antifluor,  ein  neues  Instru¬ 

ment  zur  Trockenbehandlung  der  Scheidenkatarrhe  .  .  .  1383 

1  Abbildung  zu  Heineke,  Ueber  Zahnzysten . 1409 

4  Abbildungen  zu  Mulzer,  Zur  Technik  der  Blutentnahme  für  die 

Wassermannsche  Reaktion .  •  1429 

1  Kurventafel  zu  Reichmann  und  Rauch,  Zwei  geheilte  Fälle 

von  Meningitis  tuberculosa  . . 1430 

Abbildung  zu  Kreiss,  Eine  seltene  Missbildung  des  Thorax  .  1435 
Abbildungen  zu  Saniter,  Geburtshilfliches  Besteck  .  ...  1437 

Kurventafeln  zu  Hapke,  Experimentelle  und  klinische  Unter¬ 
suchungen  über  Kreislaufdiagnostik  mit  dem  Energometer  1473 

1  Abbildung  zu  Kleinschmidt,  Ueber  Hautdiphtherie  mit  unge¬ 
wöhnlich  starker  Antitoxinbildung . -  •  •  •  1477 

3  Kurventafeln  zu  Lust,  Ueber  den  Einfluss  der  Alkalien  auf  die 

Auslösung  spasmophiler  Zustände  . 1482 

2  Abbildungen  zu  Sehrt,  Die  Extraktion  der  Lungenfremdkörper 

beim  Kinde . 1486 

8  Abbildungen  zu  Christen,  Zur  Extensionsbehandlung  der  Ober¬ 
armbrüche  . 1545 

1  Abbildung  zu  Reuter,  Ueber  eine  neue  Lampe  zur  Diaphano¬ 
skopie  und  Endoskopio . .  •  •  1548 

1  Kurventafel  zu  Stüber  und  Rütten,  Ueber  eine  einfache 

Methode  zur  Bestimmung  des  phagozytären  Index  und 
dessen  klinische  Bedeutung . _•  1585 

4  Abbildungen  zu  Baer,  Ueber  extrapleurale  Pneumolyse  mit 

sofortiger  Plombierung  bei  Lungentuberkulose  . 1587 

2  Abbildungen  zu  Goebell,  Ersatz  von  Fingergelenken  durch 

Zehengelenke . 1598 

2  Abbildungen  zu  Kaefer,  Zur  Behandlung  des  Schlüsselbein¬ 
bruchs  . 1599 

2  Abbildungen  zu  Barladean,  Methoden  der  Wasserdestillation  .  1601 

2  Abbildungen  zu  Henius,  Ein  neuer  Gärungssaccharometer 

(Diabetometer)  . 1603 

1  Abbildung  zu  Levinger,  Gesichtsschutzvorrichtung  aus  Papier  1604 

3  Abbildungen  zu  Holzknecht,  Das  neue  Zentralröntgeninstitut  im 

k.k.  allgemein.  Krankenhause  in  Wien  und  einige  technische 
Neuerungen . - . 1608 

1  Abbildung  zu  Brandes,  Die  Heilung  grösster  Tibiadefekte  durch 

Transplantation . 1627 

6  Abbildungen  zu  Wiegels,  Ileus  und  Appendizitis  ......  1644 

4  Abbildungen  zu  Kirchberg,  Druck-  und  Saugbehandlung  in  der 

ärztlichen  Praxis . 1^53 

2  Abbildungen  zu  Wittek,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden  1657 

2  Abbildungen  zu  Ewald,  Eine  typische  Verletzung  am  Condylus 

medialis  femoris .  . .  •  •  1662 

1  Abbildung  und  3  Kurventafeln  zu  Rothmann,  Ueber  „negativen“ 

Druck  in  den  langen  Röhrenknochen  des  Huudes  .....  1664 
8  Abbildungen  zu  Bumm  und  Voigts,  Zur  Technik  der  Karzinom¬ 
bestrahlung  . •  . . 1697 

1  Abbildung  zu  Kielleuthner,  Wandlungen  in  der  Lehre  der 

Prostatahypertrophie . 1701 

5  Abbildungen  zu  Janeway,  Eine  neue  Gastrostomiemethode  .  .  1705 

3  Abbildungen  zu  Ansprenger,  Einige  interessante  Missbildungen 

der  männlichen  Generationsorgane .  .  •  1707 

1  Abbildung  zu  Werther,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Pyämide  .  .  1709 

2  Abbildungen  zu  Sehnde,  Ein  neuer  praktischer  Vierzellenbade- 

schalter  .......  1715 

8  Abbildungen  zu  Dietlen,  Orthodiagraphie  und  Teleröntgeno- 

graphie  als  Methoden  der  Herzmessung  .  . . 1763 


Seite 


1 


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11 


1 


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2  Kurventafeln  zu  Jüngling,  Bedingt  die  Methode  derHautdesinfok- 
tion  mit  Jodtinktur  eine  Gefahr  der  Jodintoxikation  für 
den  operierenden  Arzt? . . .  1766 

1  Kurventafol  und  2  Abbildungen  zu  Benario,  Zur  Pathologie 

und  Therapie  des  Diabetes  insipidus  . . 1768 

7  Abbildungen  zu  Basaler,  Einiges  über  den  Tastsinn  .  .  .  .  .  1809 

2  Abbildungen  zu  Dioterle,  Hirschfeld  und  Klinger,  Studien  über 

den  endemischen  Kropf . .  .  . . 1313 

2  Kurventafeln  zu  Straub,  Ueber  die  Gefährlichkeit  der  Kom¬ 

bination  von  Morphin  mit  allgemeiner  Narkose  und  mit 

Schlafmitteln  . 1823 

Abbildung  zu  Beyer,  Ueber  die  intravenöse  Anwendung  des 

Diphtherie-Heilserums . .  •  1357 

Abbildung  zu  Meirowsky,  Beobachtungen  an  lebenden  Spiro¬ 
chäten  .  . . .  •  1370 

Abbildungen  zu  Gundermann,  Ueber  eine  häufige  Anomalie 

der  unteren  Brustwirbelsäule  . 1878 

Abbildung  zu  Aumann,  Reiseskizzen  aus  Mittelbrasilien..  ..  .  1888 
Abbildungen  und  1  Kurventafel  zu  Sauerbruch,  Fortschritte  in 

der  chirurgischen  Behandlung  der  Lungenkrankheiten  1890,  1944 
Abbildungen  zu  Kleinschmidt,  Bemerkungen  zur  Technik  der 

Radikaloperationen  von  Leistenhernien . 1929 

Abbildungen  zu  Sehnde,  Das  elektrische  Entfettungsverfahren 

mittels  des  „Degrassator“  nach  Dr.  Schnee  .....  •  .  1936 
4  Abbildungen  zu  Kantorowicz,  Ein  Fall  von  Kieferaktinomykose 

odontogenen  Ursprungs . 1938 

1  Abbildung  zu  Bles,  Die  Köblersche  Knochenerkrankung  .  .  .  1941 

3  Abbildungen  zu  Tiegel,  Eiterbecken  mit  Stiel . 1941 

2  Abbildungen  zu  Weber,  Extensionstisch  zur  Einrenkung  an¬ 
geborener  Hüftluxationen . 1999 

Abbildungen  und  1  Tafel  zu  Benedek,  Ueber  Hautreaktionen 

mit  Noguchis  Luetin  bei  Paralytikern .  2033 

Abbildungen  zu  Jakob  und  Weygandt,  Mitteilungen  über 

experimentelle  Syphilis  des  Nervensystems .  2037 

Abbildung  zu  Eisler  und  Lenk,  Radiologische  Studien  über 
Beziehungen  des  Nervensystems  zur  motorischen  Funktion 

des  Magens  ...  . .  2048 

Abbildung  zu  Hübschmann,  Spätperforation  eines  Meckelschen 

Divertikels  nach  Trauma .  2051 

Abbildungen  zu  Baer,  Vesikovaginalfistel  auf  intravesikalem 

Wege  geschlossen .  2053 

Abbildung  zu  Herzog,  Ueber  kongenitalen  Herzfehler  .  .  •  .  2090 
Abbildungen  zu  Wacker  und  Hueck,  Ueber  experimentelle 

Atherosklerose  und  Cholesterinämie .  209  < 

Abbildungen  zu  Baer,  Litbotripsie  eines  walnussgrossen  Steines 
(Inkrustation)  und  nachfolgende  Extraktion  einer  Haar¬ 
nadel  aus  der  Blase  eines  siebenjährigen  Mädchens  .  .  .  2118 

Abbildung  zu  Herzberg,  Eine  neue  Abortuszange . 2120 

Kurventafeln  zu  Thannhauser  und  Pfitzer,  Ueber  experimentelle 
Hyperglykämie  beim  Menschen  durch  intravenöse  Zucker¬ 
injektion  . . 2155 

Abbildungen  zu  Schwarz,  Der  Wachstumsreiz  der  Röntgen¬ 
strahlen  auf  pflanzliches  und  tierisches  Gewebe . 2165 

6  Abbildungen  zu  Schmerz,  Improvisierte  Heisslufiapparate  .  .  2169 

7  Abbildungen  zu  Küttner,  Der  angeborene  Turmschädel  .  .  .  2209 
4  Kurventafeln  zuVeraguthund  Seyderhelm,  Ueber  rasch  wirkende 

Beeinflussung  abnormer  Leukozytenbilder  durch  ein  neues 

Verfahren .  . 2211, 

Kurventafeln  und  1  Abbildung  zu  Rosenow,  Klinische  Beiträge 
zur  Therapie  der  Leukämie  mit  Thorium  X  .  .  .  . 

Abbildungen  zu  Kienböck,  Ueber  Beschwerden  bei  rudimentärer 

Eventratio  diaphragmatica  . . 2219 

Abbildungen  zu  Hirz,  Vergleichende  Untersuchungen  über  die 

Wirkung  von  Uzara  und  Opium  .  .  .  .  2220 

Abbildungen  zu  Trautmann,  Die  Technik  der  extrakapsulären 

Totalexstirpation  der  Tonsille . 2223 

Kurventafeln  zu  Weber,  Ueber  den  Wert  der  Serumtherapie 

bei  Tetanus . 2232 

Abbildungen  zu  Ingebrigtsen,  Regeneration  von  Achsen- 

Zylindern  in  vitro .  ■  •  •  •  •  •  ^“55 

Abbildung  und  1  Kurventafel  zu  Dessauer,  Fortschritte  in  der 

Erzeugung  harter  Röntgen  strahlen . 

Abbildung  zu  Bäumel,  Ueber  einen  Quellstiftträger  .  *  . 

Kurventafeln  und  1  Abbildung  zu  Brommer,  Ueber  die  Behand¬ 
lung  der  Bauchdecken  und  des  muskulären  Beckenbodens 
bei  Wöchnerinnen  mittels  des  Bergonidschen  "Verfahrens 
Abbildungen  zu  Schöne,  Zur  Behandlung  von  Vordorarm- 

frakturen  mit  Bolzung .  23l/ 

Abbildung  zu  Dreyfus,  Die  Injektion  konzentrierter  Altsalvarsan- 

lösungen  mit  der  Spitze  ....  .  . . 

Kurventafeln  zu  Fuchs,  Ueberleitungsstörung  im  Verlauf  der 
Salvarsanbehandlung  bei  einem  Patienten  mit  später 

Sekundärlues .  -  ■  • 

Abbildungen  und  1  Kurventafel  zu  David,  Akute  primäre 

diphtherische  Lungenentzündung .  2341 

Abbildung  zu  Müller,  Eine  neue  Fasszange . 2345 

Abbildung  zu  J olles,  Azotometer  zur  quantitativen  Bestimmung 

des  Harnstoffes,  der  Harnsäure  und  der  Purinbasen  im  Harne  2345 


3 


2284 


6 


2214 


11 


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2325  - 


2333 


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1913. 


CXVII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

4  Abbildungen  zu  Leva,  Uebor  einige  körperliche  Begleit¬ 
erscheinungen  psychischer  Vorgänge,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  psychogalvanischen  Reflexphänomens  238(i 
1  Abbildung  und  1  Kurventafel  zu  Gildemeister,  Ueber  die  physi¬ 
kalisch  chemischen  und  physiologischen  Vorgänge  im 
menschlichen  Körper,  auf  denen  der  psychogalvanischc 

Reflex  beruht . ' .  2389 

3  Kurventafeln  und  3  Abbildungen  zu  Huismans,  Der  Telekar- 

diograph,  ein  Ersatz  des  Orthodiagraphen  .  2400 

1  Abbildung  zu  Reusch,  Ein  einfaches  und  billiges  Gährungs- 

saceharometer .  2400 

1  Abbildung  zu  Versd,  Ueber  das  Vorkommen  der  Spirochaete 
pallida  bei  früh-  und  spätsyphilitischen  Erkrankungen  des 
Zentralnervensystems .  2446 

1  Abbildung  und  13  Kurventafeln  zu  Keil,  Die  Bewegung  des 

Brustkorbes  bei  der  Atmung  .  .  . .  2457 

8  Kurventafeln  zu  Weiss.  Ueber  klinische  Erfahrungen  mitDigipan  2499 

3  Abbildungen  zu  Weisser,  Ein  neuer  Apparat  zur  Diathermie¬ 

behandlung  von  Ohrenkrankheiten  [Otothermie] .  2521 

2  Abbildungen  zu  Gerlach,  Eine  sicher  fixierbare  Otodiatherm- 

Elektrode  und  Messungen  über  den  Grad  der  Durchwärmung 
des  Ohres  bei  der  Otodiathermie . .  .  2523 

4  Abbildungen  zu  Weber,  Ueber  die  Registrierung  des  Druckes 

im  rechten  Vorhof  und  über  den  Wert  des  oesophagealen 
Kardiogramms  für  die  Erklärung  des  Jugularvenenpulses  2553 

3  Abbildungen  zu  Magnus  und  de  Kleijn,  Ein  weiterer  Fall  von 

tonischen  „Halsreflexen“  beim  Menschen .  2566 

2  Abbildungen  zu  v.  Gulat-Wellenburg,  Ein  ausserordentlicher 

Fall  von  menschlichem  Wiederkäuen .  2568 

1  Abbildung  zu  Döllner,  Eine  neue  Tafel  zur  Bestimmung  von 

Sehschärfe  und  Refraktion  von  Analphabeten .  2569 

1  Abbildung  zu  Payr,  Zur  Prophylaxe  und  Therapie  peritonealer 
Adhäsionen.  [Eisenfüllung  des  Magendarmkanals  und  Elek¬ 
tromagnet.]  ...  . . .  .  ,  2601 

1  Kurventafel  und  1  Abbildung  zu  Openchowski,  Zur  Diagnostik 

der  Lokalisation  des  Magengeschwüres .  2606 

5  Kurventafeln  zu  Koch,  Ueber  Scharlachrekonvaleszentenserum  2611 
1  Abbildung  zu  Baeyer,  Mechanische  Behandlung  der  tabischen 

Ataxie .  2621 

1  Abbildung  zu  Orlovius,  Eine  neue  Flasche  zur  sterilen  Auf¬ 
bewahrung  von  Blut  für  bakteriologische  Zwecke .  2627 

1  Abbildung  zu  Leschke,  Ein  Troikart  mit  seitlichen  Oeffnungen  2627 


Seite 

14  Abbildungen  zu  Singer  und  Holzknecht,  Radiologische  Anhalts¬ 
punkte  zur  Diagnose  der  chronischen  Appendizitis  ....  2659 
7  Abbildungen  zu  Veraguth  und  Soyderhelm,  Ueber  raschwirkende 
Beeinflussung  abnormer  Leukozytenbilder  durch  ein  neues 

Verfahren .  2664 

1  Abbildung  zu  Henrich,  Beitrag  zur  Klinik  der  direkten  Unter¬ 
suchungsmethoden  ...  2666 

1  Abbildung  zu  Fellenberg,  Eine  Pinzette  zur  Erleichterung  der 

Peritonealnaht  in  der  Tiefe  des  Beckens .  2680 

1  Abbildung  zu  Hengge,  Scheidenpulverbläser  „Antileukon“  .  2680 

3  Abbildungen  zu  Alwens,  Neuere  Fortschritte  in  der  Röntgen¬ 

technik  und  -diagnostik .  .  2682 

5  Kurventafeln  zu  Eicke,  Die  Goldreaktion  im  Liquor  cerebro¬ 

spinalis  .  2713 

6  Kurventafeln  zu  Rübsamen,  Klinisch  experimentelle  Unter¬ 

suchungen  über  die  Wirksamkeit  synthetischer  Wehenmittel  2724 

1  Kurventafel  zu  Siogrist,  Nervöses  Fieber  bei  Tabes  dorsalis  .  2726 

4  Abbildungen  zu  Holzknecht,  Durchleuchtungs-Kompressorium 

mit  Bucky-Effekt .  2727 

■>  Abbildungen  zu  Stern,  Ueber  Entfernung  von  Tätowierungen  2731 

2  Abbildungen  zu  Jessen,  Eine  neue  Rippenschere  und  ein  neuer 

stumpfer  Muskelhaken . 2733 

6  Abbildungen  zu  Zinsser,  Ein  einfacher  Nasenersatz .  2734 

2  Abbildungen  zu  Luxembourg,  Ein  Fall  von  völligem  Abriss  der 

behaarten  Kopfhaut  samt  dem  linken  Ohr  .  .  .  .  2759 

1  Kurventafel  zu  Sudhoff,  Des  Märchens  Ende  von  der  „grossen 

Syphilisepidemie“inEuropanachderEntdeckungder Antillen  2760 

5  Kurventafeln  zu  Baetge,  Behandlung  der  Malaria  tertiana  mit 

Neosalvarsan  . .  ...  2776 

2  Abbildungen  und  6  Kurventafeln  zu  Lindemann  und  Aschner, 

Ueber  Natur  und  Verbreitung  vasokonstriktorischer  und 

wehenerregender  Substanzen  im  Körper  .  2779 

11  Abbildungen  zu  Schneider,  Ueber  eine  neue  Geburtszange  und 

ihre  Anwendung .  2790 

1  Abbildung  zu  Ebrenreich,  Ein  Momentverschluss  an  der  v.  Reck- 

linghausenschen  Armmanschette .  2792 

1  Abbildung  zu  Dunbar,  Dr.  Heino  Trautmann  f  .....  .  2793 

6  Kurventafeln  zu  Heimann,  Thymus,  Ovarien  und  Blutbild. 

Experimentelle  Untersuchungen . 2829 

1  Abbildung  zu  Weiss,  Ein  einfacher  Apparat  zur  Bestimmung 

der  Chloride  im  Harn  (Chlorometer) .  2842 


•  • 


MÜNCHENER 


ORGAN  FOR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ARZTE 


HERAU  SGEGEBEIS 


VON 

O.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  A.  Bier,  M.  v.  Gruber,  H.  Helferich,  M.  Hofmeier,  L.  v.  Krehl, 

München.  Freiburg  i.  B.  Berlin.  München.  Eisenach.  Würzburg.  Heidelberg. 

Fr.  Lange,  W.  v.  Leube,  G.  v.  Merkel,  Fr.  Moritz,  Fr.  v.  Müller,  F.  Penzoldt,  B.  Spatz,  R.  Stintzing, 

München.  Stuttgart.  Nürnberg.  Köln  München.  Erlangen.  München.  Jena. 


REDIGIERT 


HOFRAT  DR*  BERNHARD  SPATZ 

PRAKT.  ARZT. 


LX.  JAHRGANG. 

I.  Hälfte  (Januar— Juni). 


MÜNCHEN 

VERLAG  VON  J.  E.  LEHMANN 


1913. 


Die  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich  ••  Zusendungen  sind  zu  adressieren  i 

im  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen  l\/l  T  1  NT  TT  T?  M  I?  O  Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Biirozeit  der  Redaktion  81/*— 1  t/hr. 
Nummer  80^.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich  I V I  I  I  I  I  .  r~|  p  IN  T  |\  Für  Abonnement  an  j.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
JC  6. — .  *  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag.  Li  X  w  1  1  VI  X  J— i  1  i  i-J  1-  \  Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


No.  1.  7.  Januar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  I.  Medizinischen  Klinik  in  München. 

Ueber  Digitalis  ). 

Von  Ernst  Romberg. 

Die  ungleiche  Wirkung  der  Digitalis  auf  insuffiziente 
Herzen  ist  allgemein  bekannt.  In  einer  Reihe  von  Fällen  sehen 
wir  die  klassische  Digitaliswirkung.  Die  Pulsspannung  nimmt 
in  einer  mir  stets  sehr  deutlich  scheinenden  Weise  zu.  Die 
Druckschwankung,  die  Amplitude  des  einzelnen  Pulses  wird 
grösser.  Die  Dyspnoe  und  die  sonstigen  Beschw.erden  lassen 
nach  und  als  besonders  wertvollen  zahlenmässigen  Ausdruck 
der  Wirkung  sehen  wir  die  früher  hinter  der  Flüssigkeitsauf¬ 
nahme  zurückbleibende  Diurese  die  Aufnahme  erreichen  und 
besonders  bei  hydropischen  Kranken  überschreiten,  die 
Oedeme  schwinden.  Als  eine  unerwünschte  Digitaliswirkung 
erscheint  mir  dagegen  eine  stärkere,  unter  die  Norm  hinunter¬ 
gehende  Pulsverlangsamung.  Sie  bildet  bereits  die  Grenze  der 
rein  arzneilichen  Wirkung,  die  sehr  schnell  nach  den  aus¬ 
gesprochen  toxischen  Erscheinungen  hin  überschritten  wird. 
Darüber  bestehen  ja  sehr  verschiedene  Anschauungen. 
Mackenzie1)  digitalisiert  scheinbar  meist  bis  zum  Ein¬ 
treten  einer  Magenstörung.  Mir  schien  wenigstens  an  den 
Orten  meiner  bisherigen  Tätigkeit  die  Intensität  der  Wirkung 
ausreichend,  wenn  die  anderen  günstigen  Folgen  deutlich  sind. 

Beispiele  für  eine  so  gute  Beeinflussung  der  Herzinsuffi¬ 
zienz  liefern  vor  allem  die  subakut  in  wenigen  Wochen  ent¬ 
stehenden  Schwächezustände  des  Herzens  bei  Mitralfehlern, 
bei  Arteriosklerose  usw.  mit  Dyspnoe,  Leberschwellung,  event. 
Ocdetnen,  wie  der  ausgezeichnete  Kenner  der  Digitalis 
A.  F  r  a  e  n  k  e  1 2)  in  Badenweiler  kürzlich  mit  Recht  her¬ 
vorhob. 

In  anderen  Fällen  versagt  Digitalis  ganz  oder  fast  ganz. 
Sehen  wir  von  hoffnungslosen  Endstadien  ab,  so  sind  es  einmal 
Fälle,  bei  denen  vor  allem  eine  Herzkammer  insuffizient,  wenn 
man  will,  überlastet  ist,  so  die  mit  extremer  Stauung  in  den 
Körpervenen  verlaufenden  chronischen  Schwächezustände  der 
rechten  Kammer  bei  hochgradigen  Mitralstenosen,  Trikuspidal- 
fehlern,  bei  Emphysem,  Kyphoskoliose  u.  dgl.  Wirkungslos 
bleibt  die  Digitalis  auch  bei  dem  gewöhnlich  rasch  entstehen¬ 
den  Versagen  der  linken  Kammer  der  isolierten  oder  fast 
reinen  Aorteninsuffizienzen  mit  starker  Dyspnoe,  aber  ohne 
nennenswerte  venöse  Stauung.  Und  ebenso  pflegen  sich  re¬ 
fraktär  gegen  Digitalis  die  schweren  Ueberanstrengungen  des 
Herzens,  die  akuten  Herzerkrankungen  bei  und  nach  In¬ 
fektionskrankheiten  und  manche  Herzinsuffizienz  Fettleibiger 
zu  verhalten. 

Drittens  sehen  wir,  wie  kürzlich  von  Arthur  W.  Meyer3) 
wieder  betont  wurde,  ab  und  an  nach  einer  zunächst  recht 
befriedigenden  Digitaliswirkung  die  Diurese  plötzlich  nach- 
lassen,  die  Ausscheidung  der  Oedeme  stocken,  während  die 
Pulsbeschaffenheit  die  Fortdauer  der  Digitaliswirkung  deutlich 
anzeigt  und  auch  die  vom  Wasserwechsel  unabhängigen  Be¬ 
schwerden  befriedigend  zurückgehen.  Erst  nach  einer  Reihe 
von  Tagen  kommt  eventuell  die  Harnausscheidung  von  neuem 
in  Gang.  Oefters  bedürfen  wir  aber  weiterer  Nachhilfe  durch 
die  Mittel  der  Purinreihe,  speziell  durch  Diuretin  oder  Theocin. 

Vermögen  wir  uns  auf  Grund  der  heutigen  Kenntnisse  eine 


’")  Nach  einem  Vortrage  im  Münchener  ärztlichen  Verein  am 
6.  November  1912. 

D  Mackenzie:  Heart  II,  276. 

2)  A.  Fraenkel:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  7,  S.  373. 

3)  Arthur  W.  Meyer:  Die  Digitalistherapie.  Jena  1912.  S.  118. 

No.  1. 


Vorstellung  über  die  Bedingungen  dieses  wech¬ 
selnden  Verhaltens  zu  bilden  ? 

Entsprechend  der  seit  den  Untersuchungen  von 
Wenckebach,  Mackenzie  und  Hering  so  erfreu¬ 
lich  geförderten  Kenntnis  von  den  Rhythmusstörungen  des 
Herzens  hat  man  sich  mit  Recht  gefragt,  ob  das  Verhalten 
des  Herzrhythmus  den  wechselnden  Effekt  der  Digitalis  zu 
erklären  vermag. 

Wie  Mackenzie4 5 *)  zutreffend  hervorhob,  sieht  man 
besonders  glänzende  Digitaliserfolge  bei  der  Arhythmia  Per¬ 
petua,  der  Form  von  Unregelmässigkeit,  bei  der  die  Vorhöfe 
ihre  regelmässige  Aktion  eingestellt  haben,  nur  noch  kleinste 
Bewegungen  ihrer  Wand  erkennen  lassen,  flimmern  und  die 
Kammern  unabhängig  von  der  Führung  durch  die  sonst  den 
Rhythmus  regelnden  Stellen  völlig  unregelmässig  schlagen. 
Vor  allem  bei  Mitralfehlern  mit  der  hier  besonders  häufigen 
perpetuierlichen  Arhythmie  sind  allen  Aerzten  diese  Erfolge 
geläufig.  Schon  die  hier  meist  deutliche  Verlangsamung  der 
Herzaktion  muss  wesentlich  zur  Verbesserung  der  Herzarbeit 
beitragen,  weil  die  Diastolen  ausgiebiger  werden,  die  Systole 
erst  nach  voller  Erschlaffung  des  Herzens  einsetzt  und  der¬ 
selbe  Grad  systolischer  Herzverkleinerung  grössere  Blut¬ 
volumina  austreibt.  Sehr  deutlich  geht  das  aus  dem  von 
0.  Frank R)  entworfenen  Schema  hervor. 

Aber  es  ist  offenbar  nicht  die  Rhythmusstörung  als  solche, 
welche  das  Herz  für  die  Digitalis  besonders  angreifbar  macht. 
Schon  Mackenzie0)  hob  hervor,  dass  wir  bei  der  so 
häufigen  Arhythmie  der  Arterioskleroseherzen  nicht  annähernd 
so  regelmässig  derartige  Erfolge  sehen.  Und  bei  der  gelegent¬ 
lichen  paroxysmalen  Arhythmie  der  Koronarsklerosen,  deren 
Anfälle  ganz  wie  paroxysmale  Tachykardie,  aber  mit  der  hier 
ihren  Namen  mit  Unrecht  tragenden  perpetuierlichen  Arhythmie 
verlaufen,  habe  ich  mit  den  üblichen  Dosen  nie  eine  Digitalis¬ 
wirkung  gesehen.  Allerdings  habe  ich  die  von  Arthur  W. 
Meyer7)  kürzlich  aus  der  K  r  e  h  1  sehen  Klinik  für  das  so 
ähnliche  anfallsweise  Herzjagen  empfohlenen  sehr  grossen 
Dosen  bisher  nicht  angewendet. 

Ganz  dasselbe  gilt  für  die  Extrasystolen.  Bei  beginnender 
Herzinsuffizienz  schwinden  sie  nicht  selten  unter  Digitalis. 
Scheinbar  rein  nervös  verursachte  Extrasystolen,  z.  B.  die 
oft  so  quälenden,  nach  jedem  zweiten  oder  dritten  Schlage  auf¬ 
tretenden  vorzeitigen  Herzkontraktionen  werden  gar  nicht 
oder  hur  vorübergehend  beeinflusst,  und  auch  organisch  be¬ 
dingte  Extrasystolen  lassen  sich  nicht  immer  beseitigen. 

Die  Form  der  Arhythmie  erklärt  also  nicht 
den  Erfolg  der  Digitalis. 

Entschieden  fördernder  ist  die  Beachtung  des  Herzrhyth¬ 
mus  für  die  Vermeidung  einer  unerwünschten,  die  Herztätig¬ 
keit  verschlechternden  Digitaliswirkung.  Vor  allem  haben 
wir  durch  Wenckebach,  Mackenzie,  Ri  hl,  Hew¬ 
lett8)  und  zahlreiche  entsprechende  weitere  Mitteilungen  ge¬ 
lernt,  dass  Ueberleitungsstörungen,  die  während  des  Digi¬ 
talisgebrauchs  auftreten,  eine  dringende  Mahnung  zum  Aus¬ 
setzen  des  Mittels  bilden.  Die  Digitalis  verschlechtert  den 
Uebergang  der  die  Kontraktion  auslösenden  Erregung  von  den 
Vorhöfen  zu  den  Kammern  durch  das  A  s  c  h  o  f  f  -  T  a  w  a  r  a  - 
sehe  Reizleitungssystem.  So  kann  die  Ueberleitung  von  Sy- 


4)  Mackenzie:  Heart  II,  284. 

5)  O.  Frank:  Zeitschr.  f.  Biol.,  41,  4. 

G)  Mackenzie:  Heart  II,  287. 

7)  Arthur  W.  Meyer:  Die  Digitalistherapie.  Jena  1912,  S.  93. 

8)  Wenckebach:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  37,  487.  Macken¬ 
zie:  Diseases  of  the  heart  1908,  pag.  275.  Rihl:  Zeitschr.  für 
experim.  Pathol.  und  Ther.  II,  74.  Hewlett:  The  Journ.  of  the 
Americ.  Medic.  Association,  5.  Jan.  1907,  Vol.  48,  47. 


1 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


stole  zu  Systole  langsamer  werden,  bis  nach  2  oder  mehr 
Schlägen  die  vom  Vorhof  kommende  Erregung  noch  in  die 
refraktäre  Phase  der  Ventrikel  fällt  und  ein  Ventrikelschlag 
aussetzt  [sogen.  Wenckebach sehe  Perioden 9)].  Seltener 
kommt  es  zu  weitergehenden  Dissoziationen,  so  dass  die  Vor¬ 
höfe  doppelt  oder  dreimal  so  häufig  schlagen  wie  die  Kammern 
und  nur  ganz  vereinzelt  zu  völligem  Herzblock,  bei  dem  Vor¬ 
hof-  und  Kammerrhythmus  ganz  auseinanderfallen,  und  die 
Ventrikelfrequenz  gewöhnlich  sehr  tief,  auf  32  und  weniger 

sinkt.  , 

Ebenso  wird  der  Fortgebrauch  der  Digitalis  durch  das 
Auftreten  echter  Bigeminie  kontraindiziert.  Sie  erscheint  be¬ 
sonders  häufig  bei  Mitralfehlern  mit  perpetuierlicher  Arhyth¬ 
mie.  Das  charakteristische  Bild  der  zwei  rasch  aufeinander¬ 
folgenden  Herzkontraktionen,  mit  dem  in  der  Radialis  beim 
zweiten  Schlage  meist  unfühlbaren  Pulse,  der  dadurch  leicht 
vorgetäuschten  Bradykardie  ist  allgemein  bekannt. 

Aber  auch  die  Ueberleitungsstörungen  dürften  entgegen 
meiner  früheren  Anschauung  entsprechend  den  Feststellungen 
von  V o  1  h a r  d 10),  Edens11)  und  Arthur  W.Meyer12)  nur 
bei  ihrem  Auftreten  während  des  Digitalisgebrauches  das  Aus¬ 
setzen  des  Mittels  notwendig  machen.  Vor  der  Anwendung 
des  Mittels  bestehende  Ueberleitungsstörungen  können  sich  so¬ 
gar  unter  Digitalis  vielleicht  infolge  der  durch  die  reich¬ 
lichere  Herzdurchblutung  gehobenen  Funktion  des  Reiz¬ 
leitungssystems  bessern  oder  verschwinden.  Immerhin  bleiben 
Ueberleitungsstörungen  für  die  Anwendung  des  Mittels  ein 
etwas  gefährliches  Gebiet.  Das  gleiche  gilt  vom  Galopp¬ 
rhythmus,  bei  dem  Fr.  Müller 13)  die  Ueberleitungszeit  ver¬ 
längert  fand,  wenngleich  auch  diese  Anomalie  die  Digitalis 
nicht  ausschliesst.  Es  ist  ja  klar,  dass  jede  Zunahme  dei 
Störung  in  der  unmittelbaren  Aufeinanderfolge  der  Vorhof- 
und  der  Ventrikelkontraktion  sehr  unerwünscht  ist. 

Zur  Vermeidung  unliebsamer  Nebenwirkungen  auf  das 
Herz  ist  also  der  Herzrhythmus  sicher  sorglich  zu  beachten. 
Aber  zur  Erklärung  des  Erfolges  in  einer  Reihe  von  Fällen, 
des  Misserfolges  in  anderen  kommen  wir  durch  das  Studium 
des  Herzrhythmus  nicht. 

Entsprechend  der  überwiegenden  ärztlichen  Anschauung 
halte  ich  die  dynamischen  Verhältnisse  der 
Herzaktion  für  wichtiger. 

Der  Grad  der  Herzschwäche  ist  es  offenbar  nicht,  der  den 
Erfolg  bestimmt,  wenn  wir  von  den  jeder  Behandlung  unzu¬ 
gänglichen  Endstadien  absehen. 

Die  eklatantesten  Wirkungen  sieht  man  ja  im  Stadium 
der  schweren  Kreislaufstörung.  Aber  vortreffliche  Erfolge 
erzielt  man,' wie  ich  recht  nachdrücklich  hervorheben  möchte, 
auch  in  den  Anfängen  der  Herzinsuffizienz.  Sicher  kommt 
man  hier  bisweilen  auch  durch  einfache  Schonung  des  Herzens 
oder  durch  entsprechende  physikalische  Massnahmen  weiter. 
Aber  recht  oft  erreicht  man  durch  Digitalis  eine  raschere 
Herstellung.  Vielfach  gelingt  erst  durch  sie  die  Beseitigung 
hinziehender  Beschwerden.  Die  lästige  Dyspnoe  bei  körper¬ 
licher  Bewegung,  allabendliche  Oedeme,  unangenehme  Be¬ 
engungsgefühle  schwinden  in  erfreulicher  Weise.  Vorzüglich 
sind  speziell  die  Erfolge  bei  den  hinschleppenden  Bronchial¬ 
katarrhen,  die  so  oft  eine  beginnende  Herzschwäche  begleiten. 
Den  üblichen  Expektorantien,  Trinkkuren,  Inhalationen 
trotzen  sie  hartnäckig.  Erst  bei  Anregung  des  Blutumlaufes 
in  den  Lungen  durch  Verbesserung  der  Herztätigkeit  gehen 
sie  vielfach  erfreulich  rasch  zurück.  Auch  viele  Atem¬ 
beschwerden  bei  Emphysen,  Kyphoskoliose,  Pleuraverwach¬ 
sungen,  Lungenschrumpfung  können  durch  Hebung  der  Herz¬ 
aktion  gemildert  werden.  Freilich  bleibt  hier  der  auf  Rechnung 
der  Lungenveränderung  kommende  Teil  bestehen.  Er  ist  aber 
oft  überraschend  gering. 

Aber  ebenso  wie  Erfolge  sieht  man  bei  schwerer  und 
\eichter  Kreislaufstörung  auch  Misserfolge  der  Digitalis. 
Selbstverständlich  schliesse  ich  hier  die  Misserfolge  infolge 
falscher  Indikationsstellung  aus.  Wenn  ein  unterernährter 
Mensch,  ein  Patient  mit  zerebraler  Arteriosklerose,  mit  leichter 


8)  Wenckebach:  1.  c.  474. 

10)  Volhard:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  97,  348. 

**)  Edens:  Ebenda  104,  528 ff. 

12)  Arthur  W.  Meyer:  Die  Digitalistherapie.  Jena  1912.  S.  79. 

13)  Fr.  Müller:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  17. 


thyreotoxischer  Schädigung,  mit  einer  funktionellen  Neurose 
über  Herzbeschwerden  klagt,  so  kann  Digitalis  nicht  nützen. 
Auch  bei  einem  völligen  kompensierten  Klappenfehler  ist  es 
zwecklos.  Die  Herzkraft  kann  es  nur  heben,  wenn  das  Herz 
ungenügend  aus  den  Venen  schöpft  und  unzureichend  in  die 
Arterien  austreibt,  wenn  also  wirklich  eine  Herzinsuffizienz 
vorliegt.  Bei  der  heute  herrschenden  Neigung,  das  Mittel  bei 
jeder  Art  von  Herzbeschwerden  anzuwenden,  möchte  ich  das 
nebenbei  bemerken. 

Die  Berücksichtigung  der  Herzarbeit  gibt  uns  also  wohl 
zuverlässige  Indikationen  für  die  Anwendung  der  Digitalis. 
Aber  die  rein  klinische  Beobachtung  liefert  keine  befriedigende 
Aufklärung  in  der  uns  interessierenden  Frage.  Wir  kommen 
weiter,  wenn  wir  die  pharmakologischen  experimentellen 
Erfahrungen  zu  Hilfe  nehmen. 

Das  völlige  Versagen  der  Digitalis  in  einer  Reihe  von 
Fällen  habe  ich 14)  schon  früher  an  der  Hand  der  Williams- 
schen  Feststellung15)  erklärt,  dass  die  Digitalis  zwar  die 
Arbeitsleistung  des  Herzens  steigert,  den  Kraftvorrat  des 
Herzens  aber  nicht  vermehrt.  Das  Mittel  setzt  das  Herz  nicht 
in  den  Stand,  einen  höheren  Maximaldruck  als  vorher  zu 
überwinden.  Das  Versagen  der  Digitalis  bei  isolierter 
Schwäche  einer  Kammer,  z.  B.  der  rechten  bei  ihrer  Ueber- 
dehnung  durch  die  Drucksteigerung  in  der  Lungenarterie  in¬ 
folge  einer  Mitralstenose  würde  so  verständlich  werden.  Ich 
habe  weiter  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  Digitalis  in  ana¬ 
loger  Weise  zwar  die  Diastolen  vergrössert,  aber  nicht  die 
Grenzen  der  diastolischen  Erweiterungsfähigkeit  hinausrückt. 
Auch  ein  solches  über  einen  gewissen  Grad  nicht  zu  steigern¬ 
des  Fassungsvermögen  des  Herzens  würde  zu  der  Unaus- 
gleichbarkeit  mancher  Störungen,  z.  B.  bei  Aorteninsuffizienz 
mit  stark  erhöhter  Füllung  der  linken  Kammer  beitragen 
können.  Darf  man  aber  diese  nur  hinsichtlich  der  Systole 
experimentell  begründete  Vorstellung  auch  auf  die  übrigen 
Fälle  mit  ausbleibender  oder  befriedigender  Digitaliswirkung 
übertragen? 

Es  gibt  auch  andere  Möglichkeiten,  die  Dinge  anzusehen. 
Wir  würdigen  heute  im  allgemeinen  am  Herzmuskel  nur  sein 
Kontraktionsvermögen.  Wahrscheinlich  ist  es  notwendig, 
auch  die  physikalische  Beschaffenheit  des  Herzmuskels,  seine 
Dehnbarkeit,  seine  Elastizität,  die  Eigenschaften,  die  man  kurz 
als  Tonus  bezeichnet,  zu  erforschen.  Das  Studium  der  Digi¬ 
taliswirkung  ist  in  dieser  Richtung  besonders  wertvoll.  Schon 
Schmiedeberg18)  lehrte,  dass  die  Elastizität  des  Herzens 
—  heute  würden  wir  lieber  allgemeiner  sein  Tonus  sagen  — 
durch  Digitalis  gesteigert  werde.  Hinweise  in  dieser  Be¬ 
ziehung  sehen  wir  in  der  Vergrösserung  der  Diastole,  die  als 
primäre  Digitaliswirkung  am  isolierten  Herzen  bei  Verwen¬ 
dung  kleiner  Dosen  nach  Werschinin17)  unter  G  o  1 1 1  i  e  t 
auftritt,  ohne  dass  Druck  und  Schlagfrequenz  sich  ändern 
Sogar  zum  diastolischen  Stillstände  kann  es  kommen.  Ent¬ 
sprechend  sah  auch  O  1 1  e  n 18)  in  meiner  Tübinger  Klinik  be 
Plethysmographie  der  Herzkammern  in  situ  an  Katzen  bis¬ 
weilen  zuerst  die  Diastole  unter  Digitalis  grösser  werden.  Füi 
eine  Beeinflussung  des  Herztonus  spricht  auch  der  be 
grösseren  Dosen  auftretende  systolische  Stillstand.  Dass  e: 
sich  dabei  nicht  um  eine  Aenderung  des  Kontraktionsver 
mögens  handelt,  zeigt  der  Wiederbeginn  der  Pulsation  be 
Erhöhung  des  Innendruckes.  Zu  denken  gibt  auch,  dass  nacl 
der  Feststellung  von  Nikolai  und  Simons19)  am  Men 
sehen  und  des  Assistenten  meiner  Klinik  H.  Straub  °)  in 
Freiburger  Pharmakologischen  Institut  auch  am  isolierte) 
Herzen  unter  dem  Einfluss  von  Digitaliskörpern  zuerst  die  Fjl 
oder  T-Zacke  des  Elektrokardiogramms,  also  ein  die  zweit« 
Hälfte,  vielleicht  das  Ende  der  Kammersystole  begleitende 
elektrischer  Vorgang  zunimmt,  während  die  Initialzacke  kein 
Veränderung  aufweist.  Aus  diesen  Gründen  ist  kürzlicl 


M)  Romberg:  Lehrb.  d.  Krankheiten  des  Herzens,  2. Aufl.  1901 
S.  267.  „  _ 

15)  Williams:  Arch.  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharm.  13,  1. 

16)  Schmiedeberg:  Grundriss  der  Arzneimittellehre,  2.  Autl 

Leipzig,  S.  125.  „  „ 

17)  Werschinin:  Arch.  f.  exper.  Path.  u.  Pharm,  bo,  3S< 

18)  Otten:  Noch  nicht  veröffentlicht. 

19)  Nikolai  und  Simons:  Med.  Klinik  1909,  No.  5,  S.  16i 

20)  H.  Straub:  Zeitschr.  f.  Biologie  53,  109. 


Januar  1913.  _ MUENcHENEft  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHROT. 


W.  He'ubne  r  21)  mit  grosser  Wärme  für  die  wichtige  Rolle 
Jes  Herztonus  neben  der  Kontraktilität  bei  der  Digitalis- 
Wirkung  eingetreten.  Auch  Mackenzie  und  Wencke- 
>ach  rechnen  mit  der  Möglichkeit  eines  Tonus  am  Herzen 
md  bedeutsamer  Aenderung  desselben.  Vielleicht  gelingt  es 
iurcli  nähere  Erforschung  dieses  bisher  kaum  bebauten  Ge¬ 
betes,  zu  einem  eindringenderen  Verständnis  der  wechselnden 
)igitaliswirkung  zu  kommen. 

Sehr  eingehend  müssen  wir  dabei  wie  bei  allen  Kreislauf¬ 
ragen  das  Verhalten  der  Gefässe  beachten.  Die  so 
leidlich  fühlbare  vermehrte  Spannung  der  Arterienwand  in 
ler  Peripherie  ist,  wie  N  a  e  g  e  1  e  22)  unter  O.  Müller  ge¬ 
zeigt  hat,  mit  Hilfe  des  Frank  sehen  Sphygmographen  an 
/ermehrten  sekundären  Fällen  der  Pulskurve  auch  graphisch 
erkennbar.  E.  V  e  i  e  1 23)  deutet  diese  Erscheinung  auf  Grund 
angehender  Pulsstudien  nicht  als  Aenderung  des  Kontraktions- 
nistandes,  sondern  der  physikalischen  Beschaffenheit,  des 
Tonus  der  Arterienwand.  Die  Weite  der  peripheren  Arterien 
wird  durch  Digitalis  nicht  erkennbar  beeinflusst  (Vagt  und 
tychmüller24)  unter  0.  Müller). 

Praktisch  wichtiger  ist  das  Verhalten  der  inneren  Ge- 
ässgebiete.  Durch  die  grundlegenden  Untersuchungen  von 
lottlieb  und  Magnus25)  wissen  .wir,  dass  die  Bauch- 
refässe  schon  bei  mittleren  Dosen,  resp.  schwächeren  Prä¬ 
laten  sich  verengern.  Bei  therapeutischen  Dosen  konnte 
:war  Eychmüller  am  gesunden  Menschen  eine  Aenderung 
ler  Gefässweite  im  Abdomen  nicht  nachweisen.  Aber,  wie 
lottlieb26)  mit  Recht  betont  hat,  beeinträchtigt  diese 
Feststellung  die  Wichtigkeit  der  weiteren  Ermittelung  über 
iie  Gefässe  der  Bauchorgane  nicht.  O.  L  o  e  w  i  und 
1  o  n  e  s  c  u  - ' )  fanden  zuerst,  dass  Digitalis  unter  Erweiterung 
ler  Nierengefässe  diuretisch  wirkt,  bevor  der  allgemeine  Kreisl¬ 
auf  beeinflusst  wird.  Unter  G  o  1 1 1  i  e  b  s  Leitung  zeigte  dann 
vasztan-8)  eine  gleichzeitige  Erweiterung  der  Nieren- 
cefässe  und  Verengerung  der  Darmgefässe  durch  Digitalis- 
losen,  welche  das  Herz  eben  beeinflussen.  Besonders  inter¬ 
essant  scheint  mir  aber  die  Feststellung  Hedingers29)- 
Jaden-Baden  in  meiner  Tübinger  Klinik,  dass  die  Erweiterung 
ler  Nierengefässe  und  der  diuretische  Effekt  der  Digitalis  in 
hrer  Stärke  massgebend  durch  den  Zustand  der  Nieren  selbst 
^stimmt  werden.  Bei  normalen  Nieren  ist  diese  Digitalis- 
virkung  minimal.  Bei  manchen  experimentell  erzeugten 
Nephritiden  mit  Ueberempfindlichkeit  der  Nierengefässe  gegen 
tiannigfache  Reize  fällt  die  Digitaliswirkung  ausserordentlich 
tark  aus.  In  der  Tübinger  Klinik  konnten  wir  30)  dann  ganz 
inaloge  Erfahrungen  an  manchen  menschlichen  Nephritiden 
nachen,  bei  denen  wir  nach  den  S  c  h  1  a  y  e  r  sehen  Feststel¬ 
ungen  eine  erhöhte  Reizbarkeit  der  Nierengefässe  annehmen 
lurften. 

Diese  wichtige  Feststellung  macht  auch  das  vorher  be¬ 
ugte  plötzliche  Versagen  der  Diurese  bei  Fortdauer  der  son¬ 
nen  Digitaliswirkung  verständlich.  Bei  manchen  Nephri¬ 
ten  kann  eine  Diurese  nicht  nur  ausbleiben,  weil  ein  Diureti- 
■um  zu  schwach,  sondern  auch,  weil  es  zu  stark  wirkt,  weil 
s  die  Nieren  ermüdet.  Kleinere  Dosen  erzeugen  in  der- 
irtigen  Fällen  eine  bessere  Wirkung  als  grössere.  Arthur 
■V.  Meyer31)  wirft  die  Frage  auf,  ob  nicht  bisweilen  die 
Nieren  von  Herzkranken  sich  ähnlich  verhalten,  ob  ihre  Ge- 
ässe  bei  grösseren  Digitalismengen  sich  verengern  und  die 
larnabscheidung  dadurch  sinkt.  Nach  manchen  Beob- 
ichtungen  scheint  mir  das  möglich.  Man  wird  an  derartige 
Vorgänge  um  so  eher  denken,  seitdem  wir  durch  die  Unter- 


;‘)  W.  Heubner:  Ther.  Monatshefte,  März  1912,  S.  157. 

)  Naegele:  Zentralbl.  f.  Herz-  und  Gefässkrankh.  1911,  No.  8. 
)  V  e  i  e  1 :  Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin  105,  309. 
*4)  Vagt:  Med.  Klinik  1909,  Eychmüller:  Berl.  klin.  Wo- 

henschrift  1909,  No.  37. 

*5)  G  o  1 1 1  i  e  b  und  Magnus:  Arch.  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharm. 

9  135. 

*6)  Gottlieb:  Meyer  und  G  o  1 1 1  i  e  b :,  Experim.  Pharma- 

ologie,  2.  Auflage,  S.  271. 

Jonescu:  Arch.  f.  exper.  Path.  u.  Pharm.  59,  71. 

;* *)  Kasztan:  Ebenda  63,  406. 

)  He  di  n  ge  r:  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  100,  305. 

)  Hedinger:  Münchener  med.  Wochenschr.  1912.  No.  20. 
an  omberg:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  23. 

)  Arthur  W.  Meyer:  Die  Digitalistherapie.  Jena  1912,  S.  119. 


3 

suchungen  1  hachers3-)  aus  meiner  Tübinger  Klinik  wissen, 
dass  wenigstens  bei  akuter  Stauung  die  Nierenarterien  sich 
verengern,  in  den  extremen  Bedingungen  des  Experiments 
sogar  so  stark,  dass  ihre  Verengerung  die  Erweiterung  der 
gestauten  Venen  überwiegt.  Auch  der  bekannte  Nutzen  der 
Kombination  der  Digitalis  mit  den  die  Nierengefässe  er¬ 
weiternden  Purinkörpern,  besonders  mit  Diuretin  in  manchen 
Fällen,  die  Möglichkeit,  eine  auf  Digitalis  allein  nicht 
reagierende  Diurese  so  bisweilen  in  Gang  zu  bringen,  er¬ 
scheint  an  der  Hand  derartiger  Vorstellungen  in  einem  neuen 
Lichte. 

Die  Hedinger  sehen  Untersuchungen  legen  die  Frage 
nach  ähnlichem  Verhalten  des  Herzens  selbst  nahe,  wie 
Hedinger0'')  schon  hervorhob.  Auch  am  kranken  Herzen 
wird  man  nicht  mehr  ohne  weiteres  ein  einheitliches  Re¬ 
aktionsvermögen  annehmen  dürfen,  vielleicht  haben  wir  auch 
hier  je  nach  der  Stärke  der  Funktionsschädigung  Zustände  der 
Ueber-  und  Unterempfindlichkeit  zu  unterscheiden.  Für  eine 
gewisse  Ueberempfindlichkeit  vieler  kranker  Herzen  SDricht 
ja  ihre  viel  stärkere  Reaktion  auf  Digitalis  als  die  gesunder 
Herzen.  Aber  es  fehlt  uns  noch  jede  weitere,  über  diese  rein 
empirische  Feststellung  hinausgehende  Grundlage. 

Damit  kommen  wir  zu  dem  Mittel  selbst,  dessen  Art  und 
Einverleibung  selbstverständlich  von  grösster  Bedeutung  für 
den  Erfolg  ist.  Die  Stärke  der  Digitaliswirkung  hängt  be¬ 
kanntlich  vor  allem  von  der  Konzentration  der  wirksamen 
Stoffe,  speziell  des  Digitoxins  im  Blute  ab.  Vom  Verdauungs¬ 
kanal  aus  erfolgt  die  Aufnahme,  wie  G  o  1 1 1  i  e  b  und 
O  g  a  w  a 34)  neuerdings  feststellten,  erst  nach  Passage  des 
Magens.  Je  mehr  ein  Digitalispräparat  den  Magen  irritiert, 
je  verzögerter  es  infolgedessen  den  Magen  verlässt,  um  so 
langsamer  erfolgt  seine  Resorption.  So  zeigt  es  sich  im 
Experiment,  dass  das  Infus  direkt  in  den  Dann  gebracht 
rascher  wirkt,  als  das  Blätterpulver.  Vom  Magen  wird  es  aber 
wegen  der  stärkeren  Reizung,  die  es  macht,  so  viel  länger 
zurückgehalten,  dass  vom  Magen  aus  das  Pulver  entschieden 
besser  wirkt.  Dem  entspricht  die  jetzt  wohl  hinreichend  fest¬ 
stehende  Tatsache,  dass  man  im  Infus  aus  gepulverten  Blättern 
ein  Fünftel  Digitalis  mehr  35),  in  dein  aus  bloss  zerschnittenen 
Blättern  mindestens  die  anderthalbfache  Menge  geben  muss 
als  von  Blätterpulver  in  Substanz,  um  die  gleiche  Wirkung  zu 
erzielen.  Es  war  deshalb  ein  glücklicher  Gedanke  von 
Gottlieb,  durch  besondere  Behandlung  der  Digitalisblätter 
ein  Extrakt,  das  Digipurat  herzustellen,  aus  dem  die  den 
Magen  reizenden  saponinartigen  Substanzen  der  Droge 
grösstenteils  entfernt  sind.  Im  Experiment  hat  sich  die  theo¬ 
retische  Voraussetzung  vortrefflich  bewährt.  Das  Mittel  tritt 
sehr  rasch  in  den  Darm  über  und  wirkt  ausserordentlich 
schnell.  Bei  Menschen  verfügen  wir  nur  über  eine  Unter¬ 
suchung  V  e  i  e  1  s  3fi),  bei  der  die  am  isolierten  Herzen  gleich 
wirksamen  Mengen  Digitalispulver  und  Digipurat  bei  einer 
grösseren  Anzahl  möglichst  ähnlicher  Fälle  vergleichsweise 
einverleibt  wurden.  Die  Diurese  fällt  bei  Digipurat  ent¬ 
sprechend  der  G  o  1 1 1  i  e  b  sehen  Voraussetzung  wesentlich 
stärker  aus.  Die  übrigen  Wirkungen  schienen  uns  allerdings 
nicht  verschieden.  Magenstörungen  traten  annähernd  gleich 
häufig  auf,  allerdings  beim  Digipurat  durchschnittlich  etwas 
später  als  bei  dem  Pulver,  und  G  o  1 1 1  i  e  b  wirft  deshalb  die 
Frage  auf,  ob  es  sich  bei  den  Blättern  um  eine  direkte  reizende 
Wirkung  auf  den  Magen,  beim  Digipurat  mehr  um  eine  all¬ 
gemein  toxische  Wirkung  nach  Uebergang  in  den  Gesamt¬ 
körper  handelte.  Das  muss  noch  weiter  untersucht  werden. 

A.  F  r  a  e  n  k  e  1 3‘)  ist  geneigt,  der  hochgradigen  Ver¬ 
zögerung  des  Pfortaderkreislaufes  bei  schwerer  venöser 
Stauung  unter  Umständen  die  Schuld  an  dem  Versagen 
der  per  os  gegebenen  Digitalis  zuzuschreiben.  In  der 


32)  Th  ach  er:  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  97,  104. 

")  Hedinger:  Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin  1910, 
S.  754. 

34)  Gottlieb  und  Ogawa:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912, 
No.  42. 

3B)  Focke:  Therapie  der  Gegenwart  Mai  1912.  204.  Rom¬ 
berg:  Lehrbuch  der  Krankheiten  des  Herzens.  2.  Aufl.  1909,  208. 

3ß)  V  e  i  e  1 :  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  No.  39.  G  o  1 1 1  i  e  b 
und  Ogawa:  Münch,  med.  Wochenschr.,  192,  No.  42.  S.  2267. 

37)  A.  Fraenkel:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  6,  S.  291. 

r 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Tat  vermag  ja,  wie  ich  betonte,  die  Digitalis  bei 
Mitralstenosen.  Emphysemherzen  und  dergleichen,  bei  denen 
diese  Voraussetzung  zutrifft,  vielfach  keine  Besserung  zu 
bringen,  und  wissen  wir  durch  Göttlich  und  O  g  a  w  a  iS), 
dass  auch  experimentell  hochgradige  Erschwerung  des  Pfort¬ 
aderkreislaufs  die  Digitaliswirkung  schädigt.  Gegen  eine  aus-  I 
schliessliche  Bedeutung  der  erschwerten  Resorption  und  für 
das  Mitwirken  der  früher  genannten  Einflüsse  scheint  zu 
sprechen,  dass  auch  massige  Grade  venöser  Stauung  bei  dei- 
artigen  Kranken  sich  öfters  als  refraktär  gegen  Digitalis  er¬ 
weisen  und  dass  man  auch  bei  schwerster  venöser  Stauung, 
z.  B.  bei  der  Kombination  einer  Mitralinsuffizienz  mit  Tri-  . 
kuspidalinsutfizienz,  nicht  selten  deutliche  Digitaliswirkung  er¬ 
hält.  Es  dürfte.» hier  ganz  auf  den  Grad  der  Stauung,  vielleicht 
auch  auf  den  der  damit  verbundenen  Darmalteration,  auf  den 
Zustand  der  Leber  ankommen,  ob  die  Fr  aenke  Ische  An¬ 
nahme  verwirklicht  wird.  Nach  der  Mitteilung  Er  aenke  ls 
ist  für  manche  Fälle  nicht  zu  bezweifeln,  dass  der  ungenügende 
Digitaliserfolg  ganz  überwiegend  auf  mangelhafte  Resorption 
zu  beziehen  ist.  Die  vortreffliche  von  F  r  a  c  n  k  c  1  beobachtete 
Wirkung  des  intravenös  eingespritzten  Strophanthins  nach 
vergeblicher  Digitalisbehandlung  per  os  beweist  das  schlagend. 
Auch  hier  möchte  ich  nachdrücklich  auf  die  F  r  a  c  n  k  c  I  sehe 
Forderung  hinweisen.  dass  man  das  Strophanthin  nicht  als 
Notmittel  in  Fällen  extremer  Herzschwäche  chronischer  Art 
ansehen  darf.  Bei  chronischer  Hcrzinsuffzienz  soll  man  es  nur 
anwenden,  wenn  man  glaubt,  dass  die  Ursache  des  mangel¬ 
haften  Digitaliserfolges  in  der  schlechten  Resorption  des 
Mittels  liegt.  Ebenso  notwendig  ist  es,  mindestens  10  bis 
14  Tage  zwischen  der  letzten  Anwendung  irgend  eines  zur 
Digitalisgruppe  zu  rechnenden  Mittels  und  des  Strophanthins 
Vergehen  zu  lassen,  zunächst  nur  %  mg  einzuspritzen  und  falls 
mehrfache  Injektionen,  wie  wohl  meist  in  solchen  Fällen  not¬ 
wendig  werden,  erst  nach  Abklingen  der  ersten  Wirkung, 
frühestens  also  nach  48  Stunden,  dieselbe  oder  bei  ungenügen¬ 
dem  Erfolg  eine  grössere  Dosis  bis  '%  mg  einzuspritzen. 

Neben  der  Aufnahme  ist  die  Ausscheidung  für  die  Kon-  j 
zentration  des  Mittels  im  Blute  wichtig.  Alle  Digitalis¬ 
präparate  werden  rascher  resorbiert  als  ausgeschieden, 
sammeln  sich  je  nach  der  Grösse  und  der  Auteinandei  folge 
der  Einzeldosen  im  Blute  an  und  erzeugen  bei  zu  starker  An¬ 
häufung  die  so  unerwünschten  kumulierenden  Effekte  mit  ihren 
fatalen  Vergiftungssymptomen.  Es  gibt  kein  wirksames  Digi¬ 
talispräparat  ohne  diese  Eigenschaft.  Bei  schwach  wirksamen 
tritt  sie  natürlich  weniger  hervor,  als  bei  stärkeren  Präparaten. 
Für  die  Stärke  eines  Präparates  ist  also  das  Betonen  seiner 
nichtkumulierenden  Eigenschaften  das  Gegenteil  einer  Emp¬ 
fehlung. 

Schliesslich  noch  einige  Worte  über  die  W  a  h  1  des 
Präparates.  Ich  habe  bisher  nur  ganz  allgemein .  von 
Digitalis  gesprochen.  Die  gleiche  Herzwirkung  kommt  be¬ 
kanntlich  auch  dem  Strophanthus,  der  Scilla  und  anderen 
Drogen  und  den  daraus  hergestellten  Mitteln  zu.  Ob  sie  auch 
dieselbe  Gefässwirkung  besitzen,  ist  noch  zu  untersuchen. 

Auf  das  Nachdrücklichste  ist  von  allen  Präparaten  zu  ver¬ 
langen,  dass  das  einzelne  Mittel  auf  eine  annähernd  gleiche 
Wirkungsstärke  durch  den  Versuch  am  Tierherzen  eingestellt, 
titriert  ist  und  dass  es  diese  Wirksamkeit  auch  während  seiner 
Verwendungszeit  bewahrt.  Gerade  weil  die  einzelnen  Herz¬ 
störungen  so  verschieden  auf  Digitalis  reagieren,  weil  wir  die 
Ursachen  der  verschiedenen  Wirkung  noch  nicht  ausreichend 
übersehen,  müssen  wir  der  Wirkung  des  Mittels  selbst  sicher 
sein.  Die  natürlichen  Schwankungen  sind  aber  sehr  bedeutend. 
Deshalb  sind  die  titrierten  Digitalispräparate  auf  eine  in  jedem 
Jahre  erreichbare  gleichmässige  Wirkungsstärke  eingestellt. 
Die  titrierten  Digitalisblätter  haben  ferner  den  Vorteil,  sofort 
nach  dem  Eingänge  rasch  getrocknet  zu  sein  und  durch  Zer¬ 
störung  der  Fermente,  welche  eine  merkliche  Abschwächung 
im  Laufe  der  Zeit  herbeiführen,  lange  gleichmässig  wirksam 
zu  bleiben  3fl).  Ich  finde  es  deshalb  richtig,  nur  titrierte  Präpa¬ 
rate  zu  verwenden.  Es  ist  dringend  zu  wünschen,  dass  die 
Fabrikanten  von  Digitalismitteln  sich  durchweg  entschlossen 
würden,  die  Wirksamkeit  ihrer  Präparate  in  der  für  titrierte 

-  de1)  Ogawa:  Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  108,  571. 

3fe):  Siehe  hierzu  Fo.cke:  Therapie  der  Gegenwart,  Mai  1912, 
S.,203.  '  • 


Blätter  üblichen  Weise  zuverlässig  zu  bestimmen  und  das 
Resultat  anzugeben. 

Als  Mittel  der  Wahl  betrachte  ich  die  titrierten  pulveri¬ 
sierten  Digitalisblätter,  wie  die  Firmen  Schallmeyer  (früher 
Sichert  6c  Ziegenbein)  in  Marburg,  Caesar  6c  Loretz  in 
Halle  u.  a.  sie  in  vortrefflicher*  hinreichend  gleichmässiger 
( lualität  liefern.  Zur  Charakterisierung  ihrer  Wirksamkeit  sei 
erwähnt,  dass  wir  erwachsenen  Menschen  in  jugendlichem 
und  mittlerem  Alter  dreimal  täglich  0,1  in  Pillen  oder  Pulvern 
geben.  Die  •  mannigfachen  per  os  zuzuführenden  Präparate 
unterscheiden  sich  von  den  Digitalisblättern  nicht  grundsätz¬ 
lich.  Ihre  Resorbierbarkeit  und  die  Stärke  der  Wirkung  sine 
aber  ziemlich  verschieden.  Sie  ermöglichen  die  erwünschte : 
Modifikation  der  Digitalisbehandlung  im  einzelnen  Falle 
Darauf  will  ich  heute  nicht  eingehen. 

Fasse  ich  zusammen,  so  lassen  wir  uns  bei  der  Verord¬ 
nung  der  Digitalis,  vor  allem  vom  Zustande  der  Herzarbeil 
leiten.  Ich  betrachte  es  als  einen  Gewinn,  dass  wir  der 
Nutzen  des  Mittels  auch  bei  beginnender  Herzschwächt 
kennen  gelernt  haben.  Unangenehme  Nebenwirkungen  könnet 
wir  speziell  auch  durch  Kontrolle  des  Herzrhythmus  sichereii 
als  früher  vermeiden.  Wir  beherrschen  durch  Verwendung 
titrierter  Präparate  unser  Handwerkzeug  zuverlässiger. 

Die  wissenschaftliche  Ergriindung  der  Ursache  der  Digi 
taliswirkung  auf  kranke  Herzen  hat  viel  ausgedehntere  Frage 
Stellungen  gewonnen.  Sie  haben  zum  Teil  wie  z.  B.  die  Er 
kenntnis  der  Nierenwirkung  des  Mittels  erfreuliche  praktisch1! 
Ergebnisse  gezeitigt.  Auf  weitere  Fortschritte  ist  siche 
zu  hoffen. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses  Charlottenburgl 
Westend  (dirig.  Arzt  Prof.  Dr.  Umber). 

Technik  und  Ergebnisse  meiner  Blutgerinnungsmethode 

Von  Dr.  med.  Werner  Schultz,  Oberarzt. 

Im  Jahre  1910  veröffentlichte  ich  [l]  eine  neue  Method 
zur  Bestimmung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes.  Se 
dieser  Publikation  ist  die  Hohlperlenkapillar  method 
bei  einer  grossen  Anzahl  von  wissenschaftlichen  Arbeitsstätte 
eingeführt  worden.  Während  ich  nun  anfangs  unter  dem  Eir 
druck  stand,  dass  die  Methode  für  jedermann  leicht  und  bc 
quem  zu  handhaben  sei,  habe  ich  mich  teils  durch  mir  zt 
gegangene  Mitteilungen,  teils  durch  die  bisher  vorliegende 
Publikationen  davon  überzeugen  müssen,  dass  es  notwendi 
ist,  über  die  Methodik,  so  einfach  sie  auch  scheint,  weiters] 
Details  zu  veröffentlichen  und  das  früher  Gesagte  gewisse! 
müssen  zu  kommentieren. 

Ich  führte  in  meiner  früheren  Veröffentlichung  aus:  die  Me 
thode  besteht  darin,  dass  Blut  in  einer  Hohlperlenkapillare  aufgt 
fangen  wird,  deren  einzelne  Glieder  in  bestimmten  Zeitabschnitte 
abgebrochen  und  in  abgemessenen  Quanten  physiologischer  Kochsal: 
lösung  (je  1  ccm)  ausgeschüttelt  werden. 

Zunächst  die  Blutentnahme.  Von.  fast  allen  massgebende 
Untersuchern,  welche  sich  mit  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  b« 
schäftigt  haben,  ist  stets  betont  worden,  dass  lediglich  direkt  de 
Kreislauf,  am  besten  der  Vene  entnommenes  Blut  für  die  Bluts 
rinnungsuntersuchungen  als  einwandfrei  angesehen  werden  kan 
während  jede  andere  Blutentnahme,  bei  welcher  durch  Hautschni 
kleine  Gefässe  geöffnet  werden,  deren  Inhalt  sich  mit  Gewebssa 
vermischt,  zu  Resultaten  führen  muss,  die  eine  vollkommen  gesonder 
Betrachtung  verlangen.  Gerade  meine  Methode  hat  mich  zu  d« 
Ueberzeugung  geführt,  dass  es  als  ausgeschlossen  zu  b 
trachten  ist.  durch  Fingereinstich  eine  Blutprobe  zu  gewinne 
welche  hinreichende  Schlüsse  auf  die  G  e  r  i  n  n  u  n  g  s  f  ä  h  i  g  k  e 
des  kreisenden  Blutes  erlaubt.  Während  ich  bei  wiede 
holten  Untersuchungen  von  Venenblut,  z.  B.  aus  der  freigelegti 
Halsvene  des  Kaninchens,  gut  übereinstimmende  Resultate  erhielt,  g 
lingt  dies  nicht  bei  Blut,  welches  aus  dem  Ohrläppchen  des  Mensch«» 
gewonnen  wurde.  Hingegen  ist  es  mir  an  einzelnen  Fällen  kl. 
geworden,  dass  man  je  nach  dem  Druck,  den  man  ausübt,  je  na« 
der  Tiefe  des  Stiches,  willkürlich  beliebige  Resultate  erzielen  kar 

Ich  habe  mich  daher  zunächst  entschlossen,  klinisch  nt 
solches  Blut  zur  Untersuchung  he  r-anzu- ziehe 
welches  ich  durch  perkutanen  Einstich  in  die  Ver 
mediana  cubiti  oder  eine  andere  Armvene  bei 
Menschen  gewann.  Legt  man  nun  einen  strengen  Massstab  3 
so  ist  zu  sagen,  dass  auch  beim  perkutanen  Einstich  in  die  Ve 
eine  Berührung  des  Instrumentes  mit  der  dazwischen  liegenden  G 
websschicht  nicht,  ganz  vermieden  wird,  indessen  habe  ich  doch  a 
zahlreichen,  Untersuchungen  den  Eindruck  gewonnen,  dass  man  nicht 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


i  desto  weniger  ein  fast  crar  nicht  unter  dem  Einfluss  zuströmenden  Ge- 
.vebssaftes  stehendes  Blut  erhält,  und  zwar  dann,  wenn  die  Punktion 
rut  gelingt.  Dass  eine  neue  glatte  und  absolut  trockene  Kanüle  für 
;inen  derartigen  Zweck  verwendet  werden  muss,  ist  selbstverständ- 
ich.  ebenso,  dass  die  gebrauchte  Kanüle  in  der  Eigenwärme  den 
ibrigen  Bedingungen  des  Versuches  entspricht,  d.  h.  Zimmer- 
eniperatur  hat. 

Bei  der  Blutentnahme  pflege  ich  darauf  zu  achten,  dass,  wenn 
ranz  kurz,  um  zum  Einstich  die  Vene  hervortreten  zu  lassen,  ge¬ 
staut  wurde,  diese  Stauung  unmittelbar  beim  Beginn  des  Hervor- 
luellens  des  Blutes  unterbrochen  wird.  Das  Blut  pflegt  dann  rasch 
:ropfend  abzufliessen  und  die  Kapillare  soll,  nachdem  man  die  ersten 
Tropfen  hat  fortfliessen  lassen,  in  schräger  Haltung  mit  dem  Stiel 
lach  unten  an  die  Oeffnung  der  Kanüle  gehalten  werden;  das  Blut  füllt 
Jann  die  Hohlperlcnkapillare  sehr  rasch  (s.  Abbildung).  Jetzt  wird 


die  Kapillare  mit  einem  trockenen  Wattebausch  ganz  kurz  von 
lussen  abgetrocknet  und  auf  eine  geeignete  glatte,  staubfreie  Unter- 
age  mit  dem  Stiel  etwas  erhöht  —  Blockschälchen,  Bleistift  oder 
lergl.  —  hingelegt,  weil  bei  horizontaler  Lage  leicht  Blut  aus  den 
lohlperlen  in  den  Stiel  zuriickfliesst. 

Ueber  die  von  Holmgren  [2]  vorgeschlagene  Form  der  Blut¬ 
entnahme  kann  ich  mich  noch  nicht  auf  Grund  praktischer  Erfahrung 
iussern. 

Nachdem  nun  dieser  erste  Akt  unter  Festlegung  der  Zeit  nach 
Minuten,  eventuell  Bruchteilen  einer  solchen,  beendet  ist,  hat  man 
rollkommen  Zeit,  die  kleine  Punktionsöffnung  zu  versorgen  und  das 
Protokoll  anzulegen.  Der  Beginn  der  Blutgerinnung  liegt 
oeim  Menschen  in  der  Regel  bei  9  Minuten,  unter  5  Minuten 
uir  in  den  seltensten  Fällen,  so  dass  es  in  der  Regel  zeitig  genug  ist, 
lach  5  Minuten  mit  dem  Abbrechen  der  ersten  Hohlperle  zu  beginnen. 
Ts  ist  nun  zu  berücksichtigen,  dass  gerade  die  erste  Hohlperle  unter 
Jmständen  zum  Versuch  weniger  geeignet  ist,  weil  dieses  Hohlperlen- 
mde  der  Berührung  mit  der  Aussenluft  am  längsten  ausgesetzt  ist 
nid  am  ehesten  auch  durch  die  Abtrocknung  der  Kapillare  von  aussen 
geschädigt  werden  kann.  In  Ausnahmefällen  kann  sich  dann 
ner  zu  einer  Zeit  schon  ein  kleines  punktförmiges  Gerinnselchcn  ent- 
.vickeln,  welches  in  der  Ausschüttung  in  1  ccm  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  sichtbar  wird,  während  die  folgenden  Röhrchen  nach  je 
üner  Minute  eine  vollkommen  gleichmässige  Aufschwemmung  nicht 
geronnenen  Blutes  zeigen. 

Daraus  ergibt  sich,  dass  man  entweder  in  solchem  Fall  das  Re¬ 
sultat  der  ersten  Perle  vernachlässigen  soll  oder  dass  man,  um  diesen 
’ehler  zu  vermeiden,  die  erste  Hohlperle  kurz  vor  Beginn  der  Aus¬ 
schüttung  abbricht,  ohne  sie  zu  benutzen. 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  wie  soll  geschüttelt  wer- 
len?  Darauf  ist  zu  antworten:  Es  soll  während  des  ganzen  Anfangs¬ 
ind  Mittelstadiurns  des  Versuches  kräftig  geschüttelt  werden,  um 
'asch  und  energisch  den  Inhalt  der  Hohlperle  zu  entleeren.  Dabei 
st  nicht  zu  befürchten,  dass  ein  schon  vorhandenes  Gerinnselchen 
lurch  Schütteln  zur  Auflösung  gebracht  wird. 

Das  erste,  eben  sichtbare,  oft  nur  punktförmige  rote  Gerinnsel- 
:hen  bezeichne  ich  im  Protokoll  mit  Sp.  (Spur).  Es  kann  nun,  eben- 
alls  extrem  selten,  Vorkommen,  dass  unter  Umständen  bei  weniger 
:utem  Kapillarmaterial  schon  vor  Beginn  der  kontinuierlichen  Ge- 
innuugsreihe  eine  Hohlperle  zwischen  den  negativen  Resultaten  ein 
ninimales  Gerinnselchen  aufweist.  Dieser  Umstand,  den  ich,  wie  ge- 
•agt,  sehr  selten  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  braucht  das  Urteil 
•her  den  Ablauf  nicht  zu  beeinflussen,  da  man  erst  die  kon- 
inuier  liehe  Reihe  als  Ausdruck  des  Koagulationsverlaufs  an- 
•ehen  kann. 

Der  Fortgang  der  Gerinnung  dokumentiert  sich  nun  so, 
lass  in  den  folgenden  Gläschen  ein  kleines  Gerinnselchen  auftritt,  das 
Ulf  weniger  als  die  Hälfte  des  Rauminhaltes  der  Kapillare  geschätzt 
>vird  (+).  Schätze  ich  das  Koagulum  auf  mehr  als  die  Hälfte,  so  be- 
'.eichnc  ich  4— h  Das  .Ende  des  .Gerinnungsprozesses  nehme  ich  dann 


an,  wenn  ich  beim  Schütteln  den  Eindruck  gewinne,  dass  die  Hohl¬ 
perle  vollkommen  mit  Gerinnsel  ausgefüllt  ist  und  dass  die  eventuell 
noch  auftretende  Rotfärbung  der  Schüttelflüssigkeit  nur  dadurch  zu¬ 
stande  kommt,  dass  das  vielleicht  etwas  lockere  Gerinnsel  Blutkör¬ 
perchen  herausschwemmen  lässt,  ln  diesem  Punkte  bestehen  zweifel¬ 
los  individuelle  Differenzen.  Bei  manchen  Untersuchungen  markiert 
sich  der  Schluss  +++  sehr  deutlich.  Das  Gerinnsel  ist  ganz  fest, 
so  dass  die  Schüttelflüssigkeit  beinahe  vollkommen  klar  bleibt.  Bei 
anderen  ist  die  Koagulation  zwar  da,  aber  das  Gerinnsel  ist  so  locker, 
dass  es  beim  Schütteln  oft  nicht  unbeträchtliche  Mengen  roter  Blut¬ 
körperchen  abspülen  lässt. 

Im  letzteren  Falle  habe  ich  neuerdings  neben  das  Endzeichen 
(+++)  ein  (Stern)  ^-Zeichen  gesetzt,  welches  dieses  Verhalten  aus- 
drücken  soll.  Somit  ergibt  sich,  dass  es  keinen  Zweck  hat,  wenn  man 
das  Ende  des  Koagulationsvorganges  nahen  sieht,  sehr  heftig  zu 
schütteln,  da  man  ja  nicht  eine  Festigkeitsprobe  des  Gerinnsels  an¬ 
stellen  will,  sondern  ein  Urteil  darüber  anstrebt,  ob  der  Vorgang  der 
Koagulation  den  ganzen  Binnenraum  der  Hohlperle  ergriffen  hat. 

Soweit  die  technische  Ausführung  der  Ausschüttung.  Was  das 
Abbrechen  der  Hohlperle  betrifft,  so  kann  man  den  Einwand 
machen,  dass  die  Berührung  der  warmen  Hand  die  Koagulation  event. 
beschleunigt.  Zweifellos  ist  es  vorzuziehen,  mit  zwei  anatomischen 
Pinzetten  zu  arbeiten,  derart,  dass  man  vorletzte  und  letzte  Perle 
anfasst  und  entsprechend  der  Markierung  mit  einem  kurzen  Ruck 
abbricht.  Der  theoretische  Vorzug  dieses  Vorgehens  ist  so  klar,  dass 
man  ihn  nicht  weiter  zu  begründen  braucht.  Ich  muss  jedoch  sagen, 
dass  ich  praktisch  bei  grosser  Uelumg  und  raschem  Arbeiten  durch 
das  Abbrechen  mit  der  Hand  keine  schlechteren  Resultate  habe 
herauskommen  sehen. 

Noch  ein  Wort  über  die  Beobachtung  der  Tempera- 
t  u  r.  Temperatureinflüsse  sind  von  so  ausschlaggebender  Bedeutung, 
dass  Fehler  in  dieser  Richtung  hin  unbedingt  vermieden  werden 
müssen.  Für  wissenschaftliche  Zwecke  ist  es  angezeigt,  dass  ein  be¬ 
sonderer  Raum  zur  Verfügung  steht,  den  man  mindestens  eine  Stunde 
vorher  auf  die  gewünschte  Temperatur  (20°  C)  bringt  und  in  welchem 
alle  angewandten  Instrumente  längere  Zeit  stehen,  um  ihre  Eigentem¬ 
peratur  der  Aussenluft  anzupassen.  Ganz  fehlerhafte  Resultate  würde 
man  bekommen,  wenn  man  kühl  aufbewahrte  Kapillaren  direkt  ver¬ 
wendet. 

Ein  sehr  wichtiger  Punkt  ist  die  Beschaffenheit  der 
Kapillare  selbst;  hierüber  sind  seinerzeit  von  mir  genaue  An¬ 
gaben  gemacht  worden,  eine  frühere  Abbildung  gibt  die  Kapillare  in 
natürlicher  Grösse  wieder.  Eine  gleichmässige  Arbeit  der  Hohlperlen¬ 
kapillare  ist  zum  Gelingen  der  Versuche  unbedingtes  Erfordernis. 
Eine  besondere  Sorgfalt  erfordert  die  Einritzung  der  Intervallstücke. 
Nur  wenn  diese  sorgfältig  durchgeführt  ist,  gelingt  es,  die  einzelne 
Perle  bequem  abzubrechen,  was  für  ein  ruhiges  Arbeiten  unbedingtes 
Erfordernis  ist.  Da  es  sich  nun  herausgestellt  hat,  dass  die  Haltbar¬ 
keit  der  Kapillare  für  den  Ferntransport  angeblich  hierunter  leidet, 
so  wird  in  manchen  Fällen  nichts  anderes  übrigbleiben,  als  die  Ein¬ 
ritzung  am  Verbrauchsort  von  geschickter  Hand  herstellen  zu  lassen. 
Zuweilen  zeigen  die  Blutgerinnsel  eine  störende  Neigung  an  der 
Innenwand  der  Perlen  festzukleben.  Anscheinend  beruht  dies  auf 
der  Verwendung  weniger  geeigneten  Glasmaterials. 

Die  gewünschte  Hohlperlenanzahl  der  Einzelkapillare  -  ich 
arbeite  meist  mit  15  —  ist  dem  Versuchsbedarf  entsprechend  anzu¬ 
geben. 

Im  folgenden  gebe  ich  eine  Darstellung  der  bisher  ge¬ 
wonnenen,  meist  klinischen  Resultate  und  bemerke  aus¬ 
drücklich,  dass  ich  es  unterlasse,  die  Ergebnisse  anderer  Me¬ 
thoden  in  dieser  Arbeit  zu  zitieren,  um  über  den  Rahmen  der 
kurzen  Darstellung  nicht  hinauszugehen. 

Eine  genauere  Nachprüfung  meiner  Methode 
ist  von  Stromberg  [3]  vorgenommen,  der  bei  Unter¬ 
suchungen  am  Kaninchen  stets  zwei  parallele  Hohlperlen¬ 
kapillaren  verwandte.  Ich  kann  daher  auf  die  von  ’  diesem 
Autor  angegebenen  Kurven  verweisen,  welche  die  gute  Ueber- 
einstimmung  der  parallel  laufenden  Untersuchungen  dartun. 
Stromberg  hatte  es  sich  zur  Aufgabe  gestellt,  den  Ein¬ 
fluss  von  Blutverlusten  auf  die  Blutgerin- 
n  u  n  g  festzustellen.  Er  war  zu  dem  Resultat  gelangt,  dass 
bei  Blutverlusten  eine  Gerinnungsbeschleunigung  wohl  ein- 
treten  kann,  dass  aber  die  Intensität  derselben  kein  bestimmtes 
Verhältnis  zur  verlorenen  Blutmenge  zeigt,  manchen  Schwan¬ 
kungen  durch  unbekannte  Einflüsse  unterworfen  ist  und  nicht 
bei  jeder  Methode  der  Gerinnungsbestimmung  in  gleich  deut¬ 
licher  Weise  manifest  zu  werden  braucht. 

Ich  führe  dieses  an,  weil  ich  weiter  unten  hierauf  zurück¬ 
zukommen  habe. 

Was  die  klinischen  Resultate  meiner  Me¬ 
thode  betrifft,  so  ist  zunächst  zu  konstatieren,  dass  indi¬ 
viduelle  Differenzen  bestehen.  Nichtsdestoweniger  lässt  sich 
aber  aus  einer  grossen  Anzahl  von  Beobachtungen  ein  Mittel¬ 
wert  gewinnen,  der  den  durchschnittlichen  A  b  1  a  u  f 


6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


der  Gerinnung  beim  Menschen  veranschaulicht. 
Haslinger  [4]  untersuchte  33  Kranke,  bei  welchen  bekannte 
Ursachen  für  eine  Veränderung  der  Gerinnungsfähigkeit 
des  Blutes  nicht  Vorlagen  und  fand  bei  ihnen  einen  Beginn 
der  Gerinnung  bei  9,1  Minuten,  das  Ende  bei 
13,8  Minuten  im  Durchschnitt.  Untersuchungstemperatur 
20 — 22°  C.  Der  Beginn  schwankte  bei  den  Untersuchten  zwi¬ 
schen  7  und  12  Minuten,  das  Ende  zwischen  10  und  18  Minuten. 


Der  Beginn 

war: 

Das  Ende  war: 

bei 

7 

Min.  .  . 

.  4  mal 

bei 

10 

Min . 

3  mal 

8 

-  10  „ 

V 

11 

ff  •••••* 

5  „ 

9 

n  •  • 

.  8  „ 

ff 

12 

ff  . 

4  * 

10 

-  5  „ 

ff 

13 

yf  • . 

4  , 

11 

n  •  • 

.  3  „ 

ff 

14 

rt  . 

5  , 

12 

.  3  „ 

n 

15 

?f  •  .  .  .  • 

2  „ 

16 

*  . . 

4  „ 

17 

ff . 

2  , 

fl 

18 

u.  bei  18,5  Min. 

ff 

Andere  Reihen  stimmen  mit  diesen  Resultaten  ziemlich 
überein. 

Das  „NormalprotokoU“  würde  also  lauten: 

5  6  7  8  9  10  11  12  13  14 

0  0  0  0  Sp.  -f-  -f-  ++  4 — b  4 — 1 — b 

Um  nun  die  Ergebnisse  der  Methode  weiter  zu  prüfen, 
wurden  in  einer  Reihe  von  Fällen  durch  Herrn  Dr.  W.  J.  R  e  i  d 
Patienten  kurz  nacheinander  2mal  venenpunk¬ 
tiert  und  die  Resultate  miteinander  ver¬ 
glichen.  Um  einen  praktischen  Zweck  mit  diesen  Unter¬ 
suchungen  zu  verbinden,  Hess  ich  in  der  Zwischenpause,  die 
10 — 30  Minuten  betrug,  eine  leichte  Massage  der 
Extremitäten  vornehmen.  Nach  früheren  Unter¬ 
suchungen  soll  Massage  die  Leukozytenzahl  des  Blutes  er¬ 
höhen.  Die  Leukozytenzählung  wurde  auch  in  diesen  Fällen 
vorgenommen.  Die  Zahlen  der  weissen  Blutkörperchen  sind 
zwar  im  Durchschnitt  um  ein  Minimum  erhöht,  jedoch  liegen 
sich  die  Ergebnisse  so  nahe,  dass  ein  nennenswerter  Einfluss 
auf  die  Koagulationsfähigkeit  des  Blutes  auf  diesem  Wege 
nicht  zu  erwarten  war.  Das  gewonnene  Ergebnis  entspricht 
dieser  Erwartung.  Wenn  man  die  Durchschnittswerte  ansieht, 
so  scheint  tatsächlich  eine  geringe,  weniger  als  eine 
Minute  im  Durchschnitt  betragende  Verkür¬ 
zung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  ein¬ 
getreten  zu  sein,  praktisch  ist  jedoch  diese  Differenz  so  gering, 


dass  ich  sie  als  ziemlich  i  n  n  e 
liegend  ansehe. 

rhalb  der  Feh 

lergrenz 

Die  Differenz  beträgt  unter 

Bezüglich  des 

Endes  betrifft 

19  Versuchen: 

die  Differenz: 

2  mal ...  0  Min. 

3  mal  .  . 

.  0  Min. 

11  ....  1  ,, 

8  „ 

-  V*  , 

1  „  .  .  .  VI*  „ 

5  „ 

.  1  „ 

4  „  ...  2  „ 

1  -  -  • 

.  VI*  „ 

1  „  ...  3 

2  „ 

•  3  „ 

Die  näheren  Einzelheiten  gehen  aus  der  Tabelle  1  hervor. 


Philips  N  e  1  [5]  hat  eine  grosse  Anzahl  von  Kranken  dei 
Bier  sehen  Poliklinik  Untersuchungen  bezüglich  der  Ge¬ 
rinnungsfähigkeit  des  Blutes  unterzogen  und  für  den  ersten 
Ueberblick  ein  schätzenswertes  Material  geschaffen.  Seine 
„normalen“  Fälle  bringen  Gerinnungszeiten,  deren  Anfang 
zwischen  7  und  14  Minuten  und  deren  Ende  zwischen  10  und 
17  Minuten  liegt,  die  also  etwa  mit  dem  früher  Gesagten  in 
Uebereinstimmung  stehen. 

Eine  T  a  b  e  1 1  e  ii  b  e  r  10  I  k  t  e  r  u  s  f  ä  1 1  e,  welche  häma- 
tologisch  keine  Besonderheiten  boten,  zeigte  im  allgemeinen 
keine  Abweichung  von  der  Norm. 

Eine  Tabelle  von  24  Fällen  beschäftigt  sich  mit 
Fieberzuständen  der  verschiedenen  Art, 
Erysipel,  Phlegmone,  Gangrän  usw.  Auch  hier  weichen  die 
Resultate  von  der  normalen  Tabelle  in  22  Fällen  nicht  wesent¬ 
lich  ab,  nur  bei  zwei  Schwerkranken,  komatösen  Fällen,  wurde 
eine  Beschleunigung  konstatiert.  Dasselbe,  nämlich  das  Fehlen 
wesentlicher  Abweichung  von  der  Norm,  gilt  von  „ent¬ 
zündlichen  Krankheitsprozessen  ohne  hohes 
Fieber“  (12  Fälle). 

Die  Gerinnungsresultate  vor  und  nach  Entbin¬ 
dungen  liegen  ebenfalls  im  Bereich  der  Norm,  wobei  in 
der  angeführten  Tabelle  allerdings  zu  bemerken  ist,  dass  post 
partum  der  Beginn  der  Gerinnung  meist  1—2  Minuten  gegen¬ 
über  der  voraufgehenden  Beobachtung  beschleunigt  war. 

Keine  wesentlichen  Abweichungen  von 
der  Norm  boten  weiterhin  Fälle  nicht  mit 
Fieber  verknüpfter  chronischer  tuberku¬ 
löser  Erkrankungen,  Strumafälle,  Diabetes¬ 
fälle  mit  und  ohne  Furunkulose  rheumaj 
tische  Erkrankungen. 

Auch  die  Daten  über  einige  Fälle  von  hämorrhagi¬ 
scher  Diathese  und  angeblicher  Hämophilie 
fallen  nicht  aus  dem  gleichmässigen  Gesamtbilde  heraus,  wem 
auch  in  einzelnen  der  angeführten  Fälle  da; 
Resultat  etwas  im  Sinne  einer  Verzögerung 
innerhalb  der  Schwankungen  anscheinend 
Normaler  verschoben  liegt,  wie  ich  dies  ebenfalls: 
bei  einigen  Fällen  von  hämorrhagischer  Diathese  konstatierte 
Die  Sonderstellung  der  echten  Hämophilie  wird  an  einem  be 
sonderen  Beispiel  erörtert  werden. 

Unter  fast  allen  längeren  Tabellen  nun,  am  auffallendste! 
war  dies,  vielleicht  zufällig,  in  einigen  Fällen  von  Varizen 
finden  sich  einzelne  Patienten,  bei  denen  die  Blutgerinnun; 
etwas  verzögert  war,  ohne  dass  aus  dem  Blutbefund  ode 
in  den  sonstigen  Angaben  der  Leute  irgend  etwas  von  hämor 
rhagischer  Diathese  oder  Hämophilie  zu  ermitteln  war.  N  e 
führt  z.  B.  den  Fall  eines  59  jährigen  Mannes  an  mit  Varize 
der  Unterschenkel,  dessen  Blutgerinnung  zwischen  16  um 
18  Minuten  lag  bei  20°  C.  Allerdings  wird  angegeben:  Weni 
Plättchen. 

Auf  weitere  Einzelheiten  dieser  Materialsammlung,  die  ai 
das  klarste  zeigt,  wie  wenig  praktische  Bedeutung  der  Beein 


Tabelle  1. 


6 

Z 

Datum 

Patient 

Diagnose 

Tem¬ 

peratur 

Blutgerinnung 

Leuko¬ 

zyten 

Massage 

Tem¬ 

peratur 

Blutgerinnung 

Leuko¬ 

zyten 

Beginn 

Ende 

Beginn 

Ende 

i 

19.  IV. 

Frl.  L  ... 

Chlorose . 

20° 

10 

13  Vt 

3  650 

30  Min. 

20° 

9 

121/« 

3  700 

2 

20.  IV. 

Frl.  B.  ... 

Chronische  Nephritis . 

21° 

10 

13 

6  050 

30  Min. 

21° 

9 

12l!a 

6  500 

3 

21.  IV. 

Bertha  Sch.  . 

Asthma  . 

20,75 0 

8 

12 

14  000 

30  Min. 

20,75° 

5 

9  (?) 

13  300 

4 

22.  IV. 

Martha  H.  . 

Struma  . 

20° 

10 

1462 

6  200 

30  Min. 

20,25° 

8 

14 

6  400 

5 

25.  IV. 

Bertha  M.  .  . 

Pneumonie  (Rekonvaleszenz)  .  . 

19,5° 

10 

13  V« 

8  400 

30  Min. 

19,5° 

9 

13 

8  700 

6 

26.  IV. 

Bertha  R. 

Defatigatio  . 

20 ° 

10 

141/a 

7  500 

30  Min. 

20,5° 

10 

1 3A/a 

8  000 

7 

28.  IV. 

Ella  E.  .  . 

Angina  (Rekonvaleszenz) . 

19,5° 

9 

16 

9  500 

30  Min. 

19,75° 

10 

16 

10  800 

8 

29.  IV. 

Henrietta  R.  . 

Angina  . 

19° 

10 

131/« 

13  500 

30  Min. 

19° 

8 

12H/2 

12  500 

9 

2.  V. 

Martha  S.  .  . 

Stomatitis . 

18,5° 

12 

I6H2 

6  800 

30  Min. 

18,5° 

11 

16 

7  400 

10 

8.  V. 

Frl.  .  .  . 

Bronchitis . 

19° 

10 

I3llt 

17  300 

30  Min. 

19,5° 

81/* 

13 

18  000 

11 

9.  V. 

Helene  R.  .  . 

Neurasthenie . 

21° 

8 

121/a 

9  500 

30  Min. 

21° 

7 

121/* 

9  500 

12 

16.  V. 

Auguste  Sch. 

Angina . 

22° 

8 

121/« 

8  800 

20  Min. 

22° 

8 

11 

10  000 

13 

19.  V. 

Regina  S.  .  . 

Rheumatische  Beschwerden  .... 

20° 

9 

1492 

8  000 

10  Min. 

20° 

7 

13lA 

9  550 

14 

19  V. 

Martha  R.  .  . 

Magenleiden . 

19,5° 

8 

15 

8  300 

10  Min. 

19,5° 

7 

12 

8  300' 

15 

21.  V. 

Martha  K-  .  . 

Angina  . 

20° 

9 

14l/2 

10  800 

15  Min. 

20° 

8 

14 

10  700 

16 

24.  V. 

Martha  . 

Traumatische  Neurasthenie  .... 

20° 

8 

]21k 

9  700 

15  Min. 

20° 

6 

iz1/2 

9  800 

17 

26.  V. 

Stanislawa  Q. 

— 

21° 

6 

121/* 

6  400 

15  Min. 

21° 

7 

12 

6  9UÜ 

18 

31.  V. 

Frau  U.  .  .  . 

Gelenkrheumatismus  (Rekonvaleszenz) 

22° 

8 

131/* 

10  700 

15  Min. 

22° 

7 

13 

11  500 

19 

8.  VI. 

Louise  H.  .  . 

Chlorose .  .... 

19° 

9 

1  14 

|  8  000 

15  Min. 

19° 

10 

15 

8  300 

Durchschnitt : 

|  9,05 

|  13,7 

|  9110 

1  1  1  8,13 

|  13,03 

|  9  465 

7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


7 


flussung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  durch  die  aller¬ 
verschiedensten  Krankheitszustände  beizumessen  ist,  soll  nicht 
eingegangen  werden.  Zu  ergänzen  wären  diese  Unter¬ 
suchungen  durch  fortgesetzte  Untersuchungen  an  ein  und  dem¬ 
selben  Individuum. 

Es  sei  noch  ein  Punkt  hervorgehoben,  über  welchen  ich 
mir  nach  dem  vorliegenden  Material  bisher  kein  definitives 
Urteil  bilden  konnte.  Das  ist  die  Beeinflussung  der  Blut¬ 
gerinnungsfähigkeit  durch  die  Menstruation. 

N  e  1  kommt  an  einem  kleinen  Material  zu  einem  vollkommen 
negativen  Resultat,  d.  h.  während  der  Menstruation  und  in  der  Men¬ 
struationspause  werden  bei  den  untersuchten  Patientinnen  dieselben 
Werte  erhoben,  während  Haslinger,  der  eine  grössere  Anzahl 
von  Fällen  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  wiederholt  eine  auf¬ 
fällige  Verzögerung  während  der  Menstruation  feststellte.  Immerhin 
war  dieses  Phänomen  in  einer  Reihe  von  Fällen  nicht  zu  konstatieren, 
so  dass  Haslinger  den  Schluss  hieraus  zog,  dass  der  Einfluss 
der  Menstruation  auf  die  Koagulation  des  Blutes  nicht  regel¬ 
mässig  zu  konstatieren  ist.  Ein  wirklich  klares  Bild  wird  sich 
voraussichtlich  hierüber  nur  an  der  Hand  einer  sehr  grossen,  über 
Hunderte  sich  erstreckenden  Versuchsreihe  gewinnen  lassen. 

Während  nun  nach  diesen  Ausführungen  zugegeben  wer¬ 
den  muss,  dass  die  allermeisten  pathologischen  Zustände  für 
den  Ablauf  der  Koagulation  des  Blutes  praktisch  bedeutungslos 
sind,  so  können  doch  andererseits  einige  Beobachtungen  vor¬ 
gebracht  werden,  welche  einmal  bei  der  Hämophilie  und 
zweitens  bei  der  Leukämie  eine  anscheinend  gesetz- 
mässige  Veränderung  bewiesen. 

Als  Beispiel  der  Hämophilie  führe  ich  Angaben 
über  einen  7  jährigen  Schüler  an,  dessen  Erkrankung  an  Hämo¬ 
philie  ich  kurz  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 

Ueber  den  Fall  an  sich  sei  nur  kurz  angegeben,  dass  hereditär 
keine  besonderen  Anhaltspunkte  Vorlagen,  jedenfalls  kein  Fall  von 
Hämophilie  in  der  Familie  vorgekommen  ist.  Bei  dem  Kinde  bestand 
eine  Neigung  zu  Blutungen  seit  frühester  Jugend;  im  Alter  von 
11  Monaten  trat  im  Anschluss  an  einen  Fall  auf  das  Gesäss  zum 
erstenmal  eine  ausgedehnte  Blutung  in  die  Haut  auf.  Es  folgten 
nun  weiterhin  im  Laufe  der  Jahre  Blutungen  aus  den  Zähnen,  in  das 
Periost,  aus  dem  Mittelohr  nach  Otitis.  Zur  Zeit  der  Aufnahme  zeigte 
der  kleine  schmächtige  Knabe  von  blassem  Aussehen  ein  Hämarthros 
des  rechten  Knies,  am  linken  Unterschenkel  unterhalb  des  Knies 
eine  Hautblutung,  ein  solche  neben  dem  linken  Ellenbogengelenk  sowie 
an  der  Innenseite  des  rechten  Oberarmes,  an  der  Streckseite  des 
rechten  Vorderarmes  und  in  der  Gegend  des  Metakarpus  des  rechten 
Daumens.  Blutbefund:  Hämoglobin  73/80,  rote  Blutkörperchen  5,8  Mil¬ 
lionen,  weisse  5200.  Das  aus  der  Vena  mediana  cubiti 
gewonnene  Blut  zeigte  bei  22°  C  einen  Beginn  der 
Gerinnung  nach  30  Minuten,  Ende  nach  55  Minuten, 
also  eine  ausserhalb  aller  Fehlergrenzen  liegende 
beträchtliche  Verzögerung. 

'  Was  die  Leukämie  betrifft,  so  hatte  ich  Gelegenheit, 
eine  Anzahl  von  Fällen  zu  untersuchen,  von  denen  ich  drei 
längere  Zeit  beobachtete  und  wiederholt  untersuchte  und  die 
in  der  Dissertation  von  Anna  Bennecke  [6]  beschrieben  sind. 

Im  ersten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  lymphatische 
Leukäfnie  bei  einer  50jährigen  Frau.  Auf  der  Höhe  der  Er¬ 
krankung.  die  einen  subakuten  Verlauf  nahm,  lief  nach  meiner  Me¬ 
thode  die  Blutkoagulation  aus  der  Vene  bei  22°  C  in 
4 — 6  Minuten  ab.  Die  Anzahl  der  weissen  Blutkörperchen  betrug 
162  000,  Erythrozyten  1,228  Millionen,  wenig  Plättchen,  Hämo¬ 
globin  14  Proz. 

Im  zweiten  Fall  eines  29 jährigen  Mannes  mit  gemischt¬ 
zeiliger  Leukämie  lag  der  Beginn  der  Blutgerinnung 
bei  7,  das  Ende  bei  10  Minuten  (21,5 0  C  Venenblut).  Weisse 
Blutkörperchen  166  400,  Erythrozyten  3,72  Millionen,  Plättchen  mässig 
zahlreich,  Hämoglobin  50  Proz. 

Im  dritten  Fall,  ebenfalls  einer  gemischtzeiligen  Leuk¬ 
ämie  bei  einer  48  jährigen  Frau,  lief  die  Blutgerinnung  auf  der 
Höhe  der  Erkrankung  i  n  5 — 8  Minuten  ab.  Die  Zahl  der  weissen 
Blutkörperchen  betrug  235  600,  die  Plättchen  waren  vermehrt.  Die 
vorausgegangene  Erythrozytenbestimmung  hatte  1,79  Millionen  er¬ 
geben,  Hämoglobin  27  Proz. 

Es  ist  zu  bemerken,  dass  in  allen  diesen  Fällen  die  Blut¬ 
gerinnung  ausserhalb  eigentlicher  Blutungsperioden  festgestellt 
wurde,  um  dem  Einwand  zu  begegnen,  dass  eine  solche  die 
Verzögerung  der  Blutgerinnung  herbeiführte.  Dieser  Befund 
ist  um  so  bemerkenswerter,  als  er  die  Tatsache  feststellt, 
dass  bei  dieser  Erkrankung  mit  ausgesprochenster  hämor¬ 
rhagischer  Diathese  die  Gerinnungstendenz  des  Blutes  auf  der 
Höhe  der  Erkrankung  beschleunigt  sein  kann.  Ich  stehe 
nicht  an,  diese  Beschleunigung  der  Blut- 
gerinnungaisein  wichtiges  und  eigenartiges 


Symptom  der  Leukämie  anzusehen.  Es  hat  sich 
gezeigt,  dass  bei  Besserung  des  Blutbefundes  und  Rückkehr 
desselben  zur  Norm  auch  die  Blutgerinnungsfähigkeit  einer 
Verschiebung  in  diesem  Sinne  unterliegt,  d.  h.  normal  wird. 

Aus  diesem  ist  für  die  Therapie  der  leukämischen  Blu¬ 
tungen  zu  entnehmen,  dass  nach  allen  Erfahrungen  eine  wirk¬ 
same  Behandlung  nur  die  ätiologische  sein  kann,  weil  das  die 
Blutung  verursachende  Agens  in  der  pathologischen  Be¬ 
schaffenheit  (Bend  a)  oder  Funktion  des  blutenden  Gefässes 
selbst  gesucht  werden  muss. 

Schliesslich  habe  ich  Gelegenheit  genommen,  Unter¬ 
suchungen  anzustellen, '  welche  darauf  hinzielten,  fest- 
z  u  s  t  e  1 1  e  n,  ob  unsere  heute  noch  geübte  Methode,  d  i  e 
Blutgerinnung  willkürlich  zu  beeinflussen, 
haltbar  ist  oder  nicht. 

Eine  erste  Versuchsreihe  erstreckte  sich  auf  die  Wir¬ 
kung  der  Kalksalze.  Das  Resultat  derselben  ist  bereits 
in  einem  Vortrag  aus  dem  Fortbildungszyklus  des  Sommer¬ 
semesters  1912  von  Professor  Umber  [7]  mitgeteilt.  Ich 
bringe  jedoch  die  Tabelle  auch  an  dieser  Stelle,  weil  sie  mir 
von  allgemeiner  praktischer  Bedeutung  zu  sein  scheint.  Das 
Resultat  ist  ein  völlig  negatives.  Die  bei  gleichen 
Temperaturen  gewonnenen  Resultate  vor  und  nach  der  Kalk¬ 
behandlung  liegen  sich  so  nahe,  dass  keinerlei  beschleunigende 
Wirkung  zu  erkennen  ist.  Gegeben  wurde  täglich  3  mal  1  g 
Kalziumlaktat. 

Tabelle  2. 


No. 

Krankheit 

Kalkbehandlung 
Wieviel  Tage 
lang? 

Blutgerinnungszeit  in  Minuten 

vorher 

nachher 

1 

Nephritis  chron. 

4 

8—13 

11—14 

2 

do. 

4 

9—12 

10-13 

3 

do. 

4 

10—14 

11—16 

4 

do. 

4 

9—14 

11—14 

5 

do. 

4 

9—14 

9—13 

6 

Purpura 

3 

10-14 

10—14 

7 

Skarlatina 

3 

10—14 

10-14 

8 

do. 

3 

8-13 

9-13 

9 

do. 

3 

9—15 

10—16 

Weitere  Versuche,  die  Blutgerinnungsfähigkeit  des  Men¬ 
schen  durch  Injektion  eines  leukozytoseerzeugenden  Mittels 
(Natrium  n  u  c  1  e  i  n  i  c  u  m)  zu  beschleunigen,  miss¬ 
langen  [8]. 

Die  den  Versuchen  mit  Kalksalzen  analogen  habe  ich  be¬ 
züglich  Zitronensäuretherapie  vorgenommen,  und 
zwar  wurden  3  mal  täglich  2  g  Zitronensäure  in  Form  von 
Fruchtsaft  gereicht.  Auch  hier  ist  das  Resultat  ein  voll¬ 
kommen  negatives. 

Tabelle  3. 

Blutgerinnung  und  Zitronensäureeinfluss. 


© 

Name 

Krankheit 

Zitronensäure¬ 
behandlung 
Wieviel  Tage 
lang? 

Blutgerir 
in  M 

vorher 

inungszeit 

inuten 

nachher 

1 

Kurt  L. 

Typhus¬ 

rekonvaleszenz 

4 

9— 140*  (20°  C) 

10-16  (18,5°  C) 

2 

Alfred  Sch. 

do. 

4 

9-15  (19,5°  C) 

8—1202  (19,5  »O 

3 

Wilhelmine  R 

do. 

4 

9—15  (20°  C) 

10—1302  (20°  C) 

4 

Anna  S. 

Erysipel 

4 

9—1402  (20,5  °C) 

9—1602  (20,5 0  C) 

5 

Luise  K. 

Tbc.  pulmon. 

3 

9-14  (20.5»  C) 

8—12  (21,5°  C) 

6 

Luise  J. 

do. 

3 

70*-1002  (21,5°  C) 

7-9  (21,5°  C) 

Die  Wirkung  der  Gelatineinjektionen  auf  die 
Blutgerinnung  bei  Lungenblutungen  habe  ich  auf  Veranlassung 
von  Prof.  Umber  mit  meiner  Methode  gleichfalls  geprüft. 
Die  Ergebnisse  sind  in  der  oben  erwähnten  Mitteilung  zu 
finden.  In  einem  Teil  der  Fälle  war  eine  ausgesprochene  Ge¬ 
rinnungsbeschleunigung  zu  demonstrieren.  Freilich  dürfte  dies 
wohl  nur  einer  von  mehreren  Faktoren  der  blutstillenden  Wir¬ 
kung  der  Gelatine  sein,  zu  denen  die  Agglutination  der 
Erythrozyten,  die  Vermehrung  des  Fibrinogens  und  die  Er¬ 
höhung  der  Viskosität  im  Blut  gehört. 

Literatur. 

1.  W.  Schultz:  Berl.  klin.  Wöchenschr.  1910,  No.  12.  — -  2. 
J.  Holmgren:  Münch,  med.  Wöchenschr.  1912,  No.  42.  —  3.  11. 


8 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Stromberg:  Biochem.  Zeitschr.,  Bd.  37,  H.  3/4,  1911.  —  4.  E.  H  a  s  - 
linger:  Inaug.-Diss.  Borna-Leipzig  1910.  —  5.  P.  Nel:  Inaug.- 
Diss.  Berlin  1912.  —  6.  Ben  necke:  Inaug.-Diss.  Leipzig  1912.  — 
7.  Umber:  Zeitschr.  f.  ärztl.  Fortbildung.  Jahrgg.  9,  1912,  No.  20. 
—  S.  W.  Schultz:  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1912,  No.  10. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Jena. 

Ueber  Selbstheilung  von  Basedowscher  Krankheit*). 

Von  Prof.  Dr.  Grober. 

Im  allgemeinen  gilt  die  Voraussage  der  Basedow  sehen 
Krankheit  quoad  restitutionem  ad  integrum  als  nicht  be¬ 
sonders  günstig;  wenn  es  auch  durch  eine  Reihe  von 
neuen  Behandlungsmethoden  gelungen  ist,  den  tödlichen 
Ausgang  des  Leidens  in  schweren  Fällen  zu  verhindern, 
so  pflegt  doch  fast  regelmässig  die  Krankheit  zu  einer 
Erwerbsbeschränkung  und  zu  einem  dauernden  Siechtum  zu 
führen.  Selbstverständlich  sind  die  einzelnen  Krankheitsfälle 
wie  in  ihrer  Schwere,  so  auch  bezüglich  ihres  Verlaufes  recht 
verschieden.  Die  Voraussage  hat  sich  danach  soweit  als  mög¬ 
lich  zu  richten.  Gerade  weil  wir  in  den  letzten  Jahren 
über  die  leichten  und  leichtesten  Fälle  der  Basedow  sehen 
Krankheit  zahlreiche  Untersuchungen  aus  Gegenden,  in  denen 
die  Krankheit  häufig  vorkommt,  von  neurologischer,  wie  von 
chirurgischer  Seite  unterrichtet  worden  sind,  ist  es  natürlich, 
dass  die  Zahl  der  Basedowfälle  sich  vermehrt  und  die  Statistik 
derselben  vergrössert  hat  und  dass  die  schwereren  Fälle  einen 
kleineren  Teil  der  Gesamtzahl  auszumachen  scheinen.  In 
Wirklichkeit  folgt  hier  die  Statistik  den  Aenderungen  in 
unserer  Befähigung  zur  Diagnose. 

Dass  schwere  Fälle  von  Basedow  scher  Krankheit  aus¬ 
heilen  können,  ist  wiederholt  beschrieben  worden.  Als  Ver¬ 
anlassung  hierzu  wurde  naturgemäss  die  angewendete  The¬ 
rapie  angesehen,  mochte  sie  nun  in  medikamentösen  oder 
physikalischen  und  diätetischen  Behandlungsmethoden  be¬ 
stehen,  oder  mochte  die  teilweise  Entfernung  des  Kropfes  auf 
chirurgischem  Wege  vorgenommen  worden  sein.  Immerhin 
gehören  aber  diejenigen  Fälle,  bei  denen  es  wirklich  gelungen 
ist,  die  Krankheit  zum  dauernden  Stillstand  und  namentlich 
zum  subjektiven  Verschwinden  für  die  Kranken  selbst  zu 
bringen,  zu  den  Seltenheiten.  Gewiss  ist  anzuerkennen,  dass 
die  Krankheit  in  ihrem  Verlauf  sehr  wechselnde  Perioden  der 
Stärke  der  einzelnen  Erscheinungen  des  Gesamtbildes  auf¬ 
weist.  Von  Ren  aut  sind  solche  Perioden  der  Steigerung 
und,  wie  er  es  nennt,  der  „Toleranz“  beschrieben  und  bezeichnet 
worden.  Möbius,  zweifellos  einer  der  besten  Kenner  der 
Krankheit,  hat  sich  ihm  angeschlossen.  Wir  sind  deshalb  nur 
dann  berechtigt,  von  einer  wirklichen  Besserung  der  Krank¬ 
heit  oder  Heilung  zu  sprechen,  wenn  die  Erscheinungen,  die 
sich  im  klinischen  Bild  ändern,  dies  dauernd  in  gleichem  Sinne 
tun,  oder  vielleicht  sogar  ganz  verschwinden,  sich  jedenfalls 
eine  grössere  Anzahl  von  Jahren  —  und  man  wird  als  untere 
Grenze  ungefähr  2—3  Jahre  zu  rechnen  haben  —  so  erhalten. 
Wir  haben  in  Jena  verhältnismässig  reichliche  Gelegenheit, 
Basedowfälle  zu  sehen.  Ueber  die  Herkunft  derselben  ist  im 
einzelnen  noch  nichts  Sicheres  festgestellt  worden.  Die  geo¬ 
graphische  Verbreitung  der  Krankheit  bedarf  in  Thüringen 
noch  einer  näheren  Erforschung  und  Bearbeitung.  Die  als 
wirklich  geheilt  zu  bezeichnenden  Fälle  unter  dem  Material  der 
Kliniken  sind  jedenfalls  selten.  Wir  hatten  vor  kurzer  Zeit 
Gelegenheit,  einen  Fall  der  Krankheit,  bei  dem  eine  an¬ 
scheinend  sehr  wesentliche  Besserung,  um  nicht  zu  sagen 
Heilung,  von  selbst  eingetreten  war,  genauer  zu  beobachten. 
Wegen  der  Seltenheit  derartiger  Vorkommnisse  und  wegen 
der  besonderen  Verhältnisse,  die  in  diesem  Falle  vorliegen, 
möge  er  im  nachfolgenden  kurz  geschildert  werden. 

Im  Jahre  1906  wurde  die  damals  28  jährige  Frau  C.  B.  an  aus¬ 
gesprochener  Basedow  scher  Krankheit  in  der  medizinischen  Klinik 
behandelt.  Ihr  Geburtsort  ist  bei  Regensburg.  Seit  mehreren  Jahren 
lebt  sie  in  Ostthüringen.  In  der  Aszendenz  und  in  der  weiteren 
Familie  findet  sich  nach  ihrer  Angabe  weder  Basedow  sehe  Krank¬ 
heit  noch  Kropf.  Sie  war  bis  zum  Herbst  1905  völlig  gesund.  Da¬ 
mals  bemerkte  sie,  dass  der  Hals  anfing,  auf  der  rechten  Seite  dicker 
zu  werden.  Bis  zum  Juni  1906,  im  Laufe  von  ungefähr  7 — 8  Monaten, 


*)  Vortrag  in  der  Gesellschaft  Mitteldeutscher  Neurologen  und 
Psychiater,  27.  Oktober  1912.  Halle. 


wuchs  die  Schilddrüse  sehr  erheblich,  so,  dass  die  Kranke  über 
Schluckbesclnverden  klagte:  ausserdem  traten  nach  ihrer  Angabe  im 
Laufe  dieser  Zeit  folgende  Symptome  rasch  und  stark  auf:  Neigung 
zu  Anfällen  von  Herzklopfen,  leichtere  Reizbarkeit,  stärkerer  Hunger, 
viel  Durst,  trotzdem  Abnahme  des  Körpergewichts.  Ausserdem  be¬ 
obachtete  sie,  dass  die  Augäpfel  aus  den  Augenhöhlen  hervortraten, 
dass  sie  glänzend  wurden  und  dass  ihre  Haut,  die  früher  trocken 
war,  viel  schwitzte  und  dauernd  feucht  war. 

1906  war  sie  im  Juni  und  Juli  1  K>  Monate  in  der  Behandlung  der 
Klinik.  Der  Befund  war  damals  folgender:  Das  Gewicht  betrug  53  kg. 
Die  Statur  war  mittelgross,  sehr  mager,  die  Schilddrüse  weich, 
auf  ihr  waren  deutlich  blasende  Geräusche  zu  hören.  Der  grösste 
Halsumfang  betrug  36  cm.  Das  Schlucken  war  objektiv  ohne  Be¬ 
schwerden,  subjektiv  mit  Schmerzen  beim  Schluckakt  verbunden.  Bei 
körperlicher  Leistung  trat  Atemnot  ein.  Die  ausgestreckten  Finger 
zitterten.  Die  Haut  war  feucht.  Die  Kniesehnenreflexe  waren  lebhaft. 
Die  Augäpfel  traten  vor,  mit  dem  Exophthalmometer  gemessen:  rechts 
17,25,  links  15,05  (Augenklinik  [Prof.  H  e  r  t  e  1]),  das  obere  Lid  blieb 
bei  Augenschluss  zurück,  die  Konvergenzbewegung  war  links  mangel¬ 
haft,  der  Lidschlag  selten.  Häufig  traten  Palpitationen  auf.  Das 
Herz  zeigte  den  breiten  Spitzenstoss  im  5.  Zwischenrippenraum,  bis 
in  die  vorderen  Axillarlinie  hinausgehend,  die  rechte  relative  Herz¬ 
grenze  ging  über  den  rechten  Brustbeinrand  hinaus.  Der  Puls  be¬ 
trug  für  gewöhnlich  90 — 100  in  der  Minute,  der  Blutdruck  95  mm  Hg. 

Die  Untersuchung  der  Lungen  ergab  verdächtige  Stellen  der 
beiden  Lungenspitzen;  der  bei  wenigem  Husten  zutage  geförderte 
Auswurf  enthielt  keine  Tuberkelbazillen. 

Die  Kranke  wurde  in  verschiedener  Weise  intern  behandelt. 
Die  Bettruhe  schien  die  subjektiven  Beschwerden  etwas  zu  ver¬ 
ringern,  der  objektive  Zustand  blieb  der  gleiche. 

Wir  verloren  die  Kranke  danach  aus  den  Augen.  ^  Erst  1910 
stellte  sie  sich  bei  Gelegenheit  einer  Untersuchung  zur  Feststellung 
der  Invalidität  wieder  vor.  Damals  waren  die  Erscheinungen  der 
Basedowschen  Krankheit  so  gut  wie  vollständig  verschwunden. 
Der  Hergang  und  Befund  war  der  folgende:  Seit  einem  Jahre  (1909) 
waren  stärkerer  Husten  mit  vermehrtem  Auswurf,  Stechen  auf  den 
beiden  Brustseiten,  und  lebhafte  Nachtschweisse  aufgetreten,  mehr¬ 
mals  sollte  Blut  ausgehustet  worden  sein,  doch  war  es  nicht  auszu- 
schliessen,  dass  die  blutdurchsetzte  Kruste  eines  chronischen  Rachen¬ 
katarrhs,  die  damals  und  auch  jetzt  noch  vorhanden  ist,  das  vor¬ 
getäuscht  hatte.  Beim  Treppensteigen  und  bei  körperlicher  Arbeit 
trat  sehr  starke  Kurzatmigkeit  ein.  Auf  den  Lungen  fanden  sich  durch; 
Perkussion,  Auskultation  und  Röntgenstrahlen  nachgewiesen,  um-, 
schriebene  kleine  Entzündungsherde  mit  Dämpfungen  und  bron¬ 
chialem  Atmen,  rasselnden  Geräuschen  und  Giemen;  insbesondere) 
war  die  linke  Spitze  verdächtig.  Es  ist  damals  keine  Röntgenphoto¬ 
graphie  aufgenommen  worden. 

Die  Schilddrüse  war  klein,  hart  und  fühlte  sich  etwas  knollig  an,j 
der  Halsumfang  betrug  32  cm,  das  Zittern  der  ausgestreckten  Finger 
war  kaum  zu  beobachten,  der  Exophthalmus  wurde  als  verringert, 
bezeichnet,  aber  nicht  gemessen.  Am  Herzen  befand  sich  der 
Spitzenstoss  im  5.  Zwischenrippenraum,  1  cm  ausserhalb  der  Brust¬ 
warzenlinie,  der  systolische  Ton  an  der  Spitze  war  unrein,  der  zweite 
Pulmonalklappenton  war  deutlich  verstärkt.  Die  Pulszahl  betrug 
durchschnittlich  80—90,  der  Blutdruck  betrug  108-112  mm  Hg  (systo¬ 
lischer  und  diastolischer  Blutdruck).  Die  Blutuntersuchung  ergab 
normale  Verhältnisse,  das  Gewicht  hatte  abgenommen:  51  kg. 

Im  Jahre  1912  sahen  wir  die  Kranke  wieder.  Die  Erscheinungen 
auf  der  Lunge  hatten  sich  wesentlich  verstärkt.  Die  Abbildung  1 
zeigt  die  Röntgenplatte.  Auf 
derselben  ist  die  linke  wie 
die  rechte  Spitze  verdunkelt. 

Auf  der  linken,  aber  auch  auf 
der  rechten  Seite  finden  sich, 
im  ganzen  Gebiet  der  Lunge 
zerstreut,  einzelne  Infiltra¬ 
tionsherde;  der  Herzschatten 
ist  durch  eine  im  unteren  lin¬ 
ken  Teil  der  Lunge  befind¬ 
liche  Schattenbildung  nicht 
deutlich  zu  erkennen,  ausser¬ 
dem  ist  die  Wirbelsäule 
etwas  verbogen.  Es  ist  deut¬ 
lich  sichtbar,  dass  rechts  die 
Rippen,  namentlich  unten, 
viel  weiter  auseiuander- 
stehen,  als  links.  Das  ist 
zum  Teil  Folge  der  Wirbel¬ 
säulenverbiegung,  zum  ande¬ 
ren  des  schrumpfenden  Vor¬ 
gangs  im  unteren  linken 
Lungenlappen.  Der  rechte 
untere  Lungenlappen  ist  da¬ 
gegen  auffallend  durchsichtig. 

Endlich  sind  in  der  Nähe  der 
Lungenwurzel  umfangreiche 
Schattenbildungen  rechts  erkennbar,  die  wahrscheinlich  auch 
links  ihr  Spiegelbild  haben,  aber  durch  die  Herzdämpfung  ver¬ 
deckt  werden.  Es  handelt  sich  wohl  um  starke  Vergrösserung  der' 
hier  gelegenen  Drüsen.  Mit  diesem  Röntgenbild  stimmte  der  sonstige 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


9 


klinische  Befund  durchaus  überein.  Vorn  links  oben  und  links 
unten  waren  stärkere  Dämpfungen  nachweisbar,  wogegen  rechts 
vorn  unten  ein  sehr  heller  Klopfschall  vorhanden  war.  Auf  den 
Dämpfungen  waren  überall  deutliche  rasselnde  Geräusche  zu  hören. 
Rechts  vorn  unten  waren  gleichfalls  Rasselgeräusche  wahrzunehmen, 
und  zwar  dauernd  von  dem  gleichen  feuchten  und  grossblasigen  Cha¬ 
rakter.  Der  Auswurf  wurde  in  grossen  Mengen  auf  einmal  „m  a  u  1  - 
v  t)  1 1"  entleert,  hatte  einen  bei  der  Tuberkulose  selten  vorkommen¬ 
den  eigenartigen  faden,  etwas  fauligen  Geruch  und  enthielt  niemals 
bei  wiederholter  Untersuchung,  auch  mit  der  Antiforminmethode, 
Tuberkelbazillen.  Auffallend  war  eine  gewisse  bläuliche  Verfärbung 
der  spitzen  Teile  des  Körpers,  sowie  deutliche  Ausprägung  von 
Trommelschlegelfingern,  die  bei  dem  letzten  Aufenthalt 
vor  2  Jahren  nur  angedeutet  waren. 

Die  Klagen  über  die  Erscheinungen  der  B  a  s  e  d  o  w  sehen  Krank¬ 
heit  waren  vollständig  verschwunden;  die  Aufmerksamkeit  der  Kran¬ 
ken  war  im  wesentlichen  auf  ihr  Lungenleiden  gerichtet.  Da  sie  nun 
noch  weiter  abgenommen  hatte  (jetzt  48  kg),  so  ist  die  bestrittene  In¬ 
validität  bejaht  worden. 

Genauere  Untersuchung  der  Symptome  der  Basedowschen 
Krankheit  ergab  jetzt  folgendes: 

Die  Kranke  klagt  gelegentlich  auch  jetzt  noch  über  Schling¬ 
beschwerden,  über  anfallsweise  auftretendes  Herzklopfen  und  Auf¬ 
geregtheit,  die  aber  nicht  immer  mehr  vorhanden  ist.  Sie  führt  diese 
Erscheinungen  auf  ihre  Lungenkrankheit  zurück. 

Die  Finger  zittern  erst  bei  länger  ausgestreckter  Haltung,  die 
Kniesehnenreflexe  sind  noch,  aber  nicht  mehr  so  deutlich  gesteigert 
wie  früher.  Die  Haut  ist  völlig  trocken  und  nur  nachts  tritt  Schweiss 
auf.  Der  grösste  Halsumfang  beträgt  32  cm.  Die  Schilddrüse  ist 
überhaupt  nicht  mehr  fühlbar.  Auch  auf  der  Abbildung  1  ist  eine, 
einer  vergrösserten  Schilddrüse  entsprechende  Lichtabschwächung 
nicht  wahrzunehmen.  Der  Exophthalmus  ist,  wie  die  Figur  2  zeigt, 
noch  vorhanden.  Das  Exophthalmometer  zeigt  heute  noch  genau  die 
gleichen  Masse  wie  im  Jahre  1906;  dagegen  ist  der  Glanz  der  Augen, 
der  damals  vorhanden  war,  zweifellos  sehr  viel  geringer  geworden. 
Vielleicht  liegt  es  daran,  dass  wir  die  Erscheinung  des  Exophthal¬ 
mus  nicht  mehr  so  deutlich  wahrzunehmen  glauben,  wie  ehemals.  Die 
Figur  2  zeigt  ferner  die  perkutierte  Herzdämpfung.  Der  Spitzenstoss 

befindet  sich  auch  jetzt  noch 
im  5.  Zwischenrippenraum 
und  ist  in  einer  Breite  von 
2  cm  nach  aussen  bis  in  die 
Brustwarzenlinie  eben  noch 
wahrzunehmen.  Nach  rechts 
geht  die  Herzgrenze  bis  an 
den  linken  Brustbeinrand;  die 
relative  Herzdämpfung  reicht 
bis  etwa  über  die  Mitte  des 
Brustbeins  hinaus.  An  der 
Spitze  und  auf  der  Pulmonalis 
ist  ein  systolisches  Geräusch 
zu  hören,  wenn  die  Kranke 
einige  körperliche  Bewe¬ 
gungen  (6  mal  Aufrichten,  im 
Bett  liegend)  ausführt,  sonst 
ist  der  Ton  nur  unrein.  Der 
zweite  Pulmonalton  ist  dau¬ 
ernd  deutlich  verstärkt.  Die 
Pulszahl  schwankt  zwischen 
80  und  108,  letztere  Zahl  nach 
der  angegebenen  Körper¬ 
bewegung;  der  systolische 
Blutdruck  beträgt  jetzt  110, 
der  diastolische  95  mm  Hg. 
Ausserordentlich  deutlich  ist  die  Abhängigkeit  der  Radialis  von  der 
Atmung  ausgeprägt.  Jede  Atmungsbewegung  nimmt  auch  bei  ruhiger 
Lage  etwa  3  Sekunden  in  Anspruch. 

Niemals  während  dieser  Beobachtung  ist  bei  der  Kranken  Fieber, 
noch  Eiweiss  und  Zucker  nachgewiesen  worden. 

Die  Kranke  selbst  ist  der  Meinung,  dass  ihre  Basedowsche 
Krankheit  verschwunden  ist.  Sie  erklärt  sich  subjektiv  also  für  ge¬ 
heilt.  Wir  können  diese  Anschauung  nicht  ganz  bestätigen,  denn 
wie  gezeigt,  sind  auch  jetzt  noch  nach  Verlauf  von  6  Jahren  einige 
Symptome  der  Krankheit  (Möbius,  Graefe)  angedeutet.  Auch  fiat 
sie  angegeben,  dass  ab  und  zu  flüchtige  Schwellungen  der  verschieden¬ 
sten  Stellen  der  Haut  aufträten.  Die  Hauptsymptome  der  Base¬ 
dowschen  Krankheit  aber  sind  verschwunden.  Wir  würden,  wenn 
die  Frau  nicht  mit  ihrem  Lungenleiden  behaftet  wäre,  sie  als  gesund 
bezeichnen  können  und  vermutlich  auch  bezeichnen,  denn  Exophthal¬ 
mus  allein,  sowie  die  Andeutungen  der  beiden  genannten  Symptome 
reichen  nicht  aus,  die  Diagnose  der  Basedow  sehen  Krankheit  mit 
Sicherheit  zu  stellen. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  diese  Veränderung  zustande  ge¬ 
kommen  ist.  Die  Kranke  ist  wegen  ihrer  Basedow  sehen 
Krankheit  während  der  Zeit  vom  Sommer  1906  bis  heute  nicht 
behandelt  worden.  Die  Verhältnisse,  unter  denen  sie  lebte 
(Umgebung,  Wasseraufnahme,  Art  des  Trinkwassers,  Er¬ 
nährung),  sind  durchaus  die  gleichen  geblieben.  Das  einzige 

No.  l. 


was  sich  verändert  hat,  ist  die  fortschreitende  Erkrankung  der 
Lunge,  das  dauernde  Abnehmen  des  Körpergewichtes  und 
eine  Beschränkung  der  körperlichen  Kräfte.  Es  ist  wahr¬ 
scheinlich,  wenn  auch  nicht  sicher  nachgewiesen,  dass  es  sich 
um  eine  langsam  fortschreitende  Tuberkulose  der  Lungen 
handelt,  bei  der  sich  Hohlräume  grösseren  Umfanges,  vielleicht 
auch  solche  rein  bronchiektatischen  Charakters  gebildet  haben. 
Die  ausgesprochene  Trommelschlegelfingerbildung  ist  bei  der 
Tuberkulose  verhältnismässig  selten.  Wir  kennen  Einwir¬ 
kungen  der  Tuberkulose  auf  das  Nervensystem  in  grosser 
Zahl.  Sie  wirken  aber  im  allgemeinen  nicht  etwa  in  gegen¬ 
sätzlicher  Richtung  wie  die  Basedow  sehe  Krankheit,  son¬ 
dern  in  der  gleichen.  Trotzdem  sind  die  nervösen  Erschei¬ 
nungen  der  ersteren  Krankheit  hier  so  gut  wie  vollständig 
geschwunden  und  es  liegt  daher  nahe,  als  Ursache  des 
Abklingens  derselben  an  die  Bildung  von  chemisch  wirksamen 
Körpern  zu  denken,  die  die  Sekrete  der  Basedow-Schilddrüse 
in  ihrer  Wirkung  kompensieren.  Es  braucht  sich  dabei  nicht 
um  das  Tuberkulin  zu  handeln,  wie  es  den  Anschauungen 
einiger  französischer  Forscher  entsprechen  würde,  die  den 
Basedow  für  eine  Abart  der  Tuberkulose  halten,  sondern  es 
können  auch  Stoffwechselprodukte  des  eigenen  Körpers  der 
Kranken  sein.  Wir  wissen,  dass  bei  reichlicher  Bildung  von 
Auswurf  auch  in  den  nichttuberkulösen  Hohlräumen  der  Lunge 
aus  dem  angesammelten  Inhalt  derselben  Stoffe  in  den  Körper 
aufgenommen  werden.  Diese  können  zum  Teil  auch  für  das 
Fieber  bei  Tuberkulose  und  den  Bronchiektasien  verantwort¬ 
lich  gemacht  werden.  Es  ist  hier  vor  allem  an  die  Albuinosen 
zu  denken.  Doch  handelt  es  sich  bei  dem  Gedanken  an  eine 
chemische  Kompensation  nur  um  eine  Vermutung.  Auch 
organische  regressive  Veränderungen  in  der  Struma  kommen 
in  Betracht. 

Zusammenfassung: 

Die  Erscheinungen  der  Basedow  sehen  Krankheit  sind 
bei  unserer  Kranken  verhältnismässig  rasch  entstanden,  was 
die  Prognose  für  den  weiteren  Verlauf  nicht  günstig  erscheinen 
Hess,  waren  bis  zu  einem  erheblichen  Grade  fortgeschritten  und 
sind  nun  im  Verlauf  von  4—6  Jahren  eigentlich  so  gut  wie  ver¬ 
schwunden.  Die  wenigen  Reste,  die  jetzt  noch  vorhanden 
sind,  berechtigen  nicht,  die  Diagnose  Basedowsche  Krank¬ 
heit  auch  heute  noch  zu  stellen.  Die  inzwischen  fortge¬ 
schrittene  Erkrankung  der  Lungen  kann  als  Ursache  dieser 
Besserung  wenigstens  vermutet  werden.  Einen  sicheren 
Nachweis,  dass  hier  eine  ursächliche  Beeinflussung  einer 
Krankheit  durch  die  andere  stattgefunden  hat,  gewährt  dieser 
rein  kasuistische,  aber  immerhin  seltene  Beitrag  zur  Klinik  der 
Basedow  sehen  Krankheit  naturgemäss  nicht. 


Aus  dem  Samariterhaus  zu  Heidelberg 
(Direktor:  Exzellenz  Geheimrat  Prof.  Dr.  V.  Czerny). 

Zur  Behandlung  maligner  Tumoren  mit  radioaktiven 

Substanzen*). 

Von  Dr.  Albert  Caan  in  Frankfurt  a.  M. 

M.  H.!  Wenn  ich  Ihrem  Wunsche,  einiges  über  die  Be¬ 
handlung  maligner  Tumoren  mit  radioaktiven  Substanzen  zu 
hören,  heute  nachkomme,  so  geschieht  dies  insofern  mit  einer 
gewissen  Genugtuung,  als  ich  in  der  Lage  bin,  über  Fort¬ 
schritte  auf  diesem  Gebiete  zu  berichten.  Meine  Mitteilungen 
stützen  sich  weniger  auf  die  Angaben  namhafter  Radium¬ 
therapeuten,  von  denen  vor  allem  Wickham  und  D  e  g  r  a  i  s, 
D  o  m  i  n  i  c  i,  Exner,  F  i  n  z  i  u.  a.  zu  erwähnen  sind,  als  viel¬ 
mehr  auf  eigene  Erfahrungen,  welche  ich  während  meiner 
Tätigkeit  am  Heidelberger  Samariterhaus  unter  Exzellenz 
Czernys  Leitung  sammeln  durfte  und  konnte. 

Ich  darf  wohl  als  bekannt  vorausschicken,  dass  von  den 
genannten  Radiumforschern  und  auch  am  Samariterhaus  mit 
Radiumbromid  bei  malignen  Tumoren  an  Heilung  grenzende 
Erfolge,  bei  oberflächlichen  Krebsen  (Hautkankroiden,  Lippen¬ 
epitheliomen  etc.)  sogar  wirkliche  Heilungen  erzielt  wurden, 
Tatsachen,  welche  übrigens  auch  von  massgebender  Seite  an- 


*)  Nach  einem  auf  der  14.  deutschen  ärztlichen  Studienreise 
an  Bord  des  Dampfers  „Victoria  Luise“  am  16.  Oktober  1912  ge¬ 
haltenen  Vortrage. 


Abbildung  2. 


2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


erkannt  worden  sind.  Zur  Erreichung  dieses  Zieles  waren  das 
Vorhandensein  einer  genügend  grossen  Menge  Radiums  so¬ 
wie  der  Ausbau  einer  speziellen  Technik  und  die  damit  ver¬ 
bundene  eigene  Empirie  nötig,  Voraussetzungen,  denen  be¬ 
sonders  die  französischen  Radiumtherapeuten  gerecht  wurden. 
Hiervon  soll  heute  nicht  die  Rede  sein,  ebensowenig  von  dem 
von  Czerny  und  mir1)  in  die  Tumortherapie  eingeführten,  von 
I)  e  b  i  c  r  n  e  im  Jahre  1899  in  den  Rückständen  des  Uranpech¬ 
erzes  gefundenen  A  k  t  i  n  i  u  m,  welches  bisher  ausschliesslich 
zu  vorübergehenden  Erfolgen  geführt  hat  und  nur  einen  Ersatz 
für  die  auf  intratumoralem  Wege  einzuverleibenden  Radium¬ 
injektionen  bildet. 

In  jüngster  Zeit  haben  nun  zwei  radioaktive  Substanzen 
viel  von  sich  reden  gemacht,  das  Mesothorium  und  das 
T  h  o  r  i  u  m  X,  welch  beide  auf  grund  ihrer  relativ  einfachen 
Herstellungsart,  ihrer  geringen  Anschaffungskosten  und  last 
not  least  auf  Grund  der  mit  ihnen  bisher  erzielten  Erfolge 
berufen  zu  sein  scheinen,  das  kostspielige  Radiumbromid  aus 
seiner  dominierenden  Stellung  zu  verdrängen. 

Das  von  Otto  Hahn  entdeckte  Mesothorium  hat 
ähnliche  chemische  Eigenschaften  wie  das  Radium.  Die 
Strahlen  des  Mesothoriums  und  des  Radiums  sind  jedoch  ver¬ 
schieden,  so  ist  z.  B.  die  Durchdringlichkeit  der  ^-Strahlen  des 
Mesothoriums  im  Durchschnitt  etwas  geringer  als  die  der 
^-Strahlen  des  Radiums  bezw.  seiner  Zerfallsprodukte;  sodann 
findet  sich  im  Mesothorium  neben  den  eigentlichen  schnellen 
ß-Strahlen  noch  eine  Gruppe  sehr  leicht  absorbierbarer 
/^-Strahlen,  die  beim  Radium  fehlt.  Der  relativ  grosse  Gehalt 
an  weichen  /^-Strahlen  des  Mesothoriums  im  Vergleich  zum 
Radium  führt  begreiflicherweise  zu  Differenzen  in  biologischer 
und  auch  therapeutischer  Beziehung  zwischen  beiden  Präpa¬ 
raten.  Im  grossen  und  ganzen  aber  verhalten  sich  die  Strahlen 
der  technisch  hergestellten  Mesothorpräparate  in  thera¬ 
peutischer  Hinsicht  und  zwar  bei  der  lokalen  äusseren  Appli¬ 
kation  ähnlich  wie  die  reiner  Radiumsalze.  Uebrigens  enthält 
das  technisch  hergestellte  Mesothorium,  dessen  Ausgangs¬ 
punkt  der  in  Brasilien  vorkommende  Monazitsand  ist,  fast 
immer  Radium  in  einem  bestimmten  Prozentsatz,  der  sich 
nach  dem  Urangehalt  des  Ausgangsmaterials  richtet  und  zwar 
in  einem  Verhältnis  von  Mesothorium  zum  Radium  wie  3:1. 

Die  beim  Mesothorium  vorzugsweise  in  Frage  kommende 
lokale  äussere  Applikation  geschieht  in  der  Regel  mittels 
Firnisplatten,  Kapseln,  Glas-  oder  Metallröhrchen,  welche  das 
Mesothorium  nicht  in  reinem  Zustand,  sondern  in  Verbindung 
mit  einem  Salz  enthalten:  das  Mesothoriumbromid.  Die  heute 
tonangebende  Methode  der  lokalen  äusseren  Applikation 
basiert  auf  der  Strahlenmessung,  und  damit  ist  das  Verfahren 
des  abgestuften  Filtrierens  verbunden,  das  es  ermöglicht,  aus 
der  Gesamtstrahlung  des  Mesothoriums  diejenigen  Strahlen 
auszuwählen,  die  man  anwenden  will.  Die  Umhüllungen  der 
Kapseln,  Röhrchen  usw.  halten  einen  Teil  der  «-  und  ^-Strahlen 
zurück  und  wirken  schon  als  Filter.  Je  nachdem  man  Ober¬ 
flächen-  oder  Tiefenwirkung  zu  erzielen  beabsichtigt,  kann  man 
durch  Anwendung  absorbierender  Filter  die  stärker  pene¬ 
trierenden  von  den  schwächer  penetrierenden  Strahlen 
trennen.  Die  durch  die  Anwendung  der  Filter  resultierende 
Abschwächung  der  Strahlen  kann  wieder  ausgeglichen  werden 
durch  Verlängerung  der  Bestrahlungszeit,  durch  Verwendung 
sehr  starker  radioaktiver  Präparate  oder  durch  die  Be¬ 
strahlung  von  verschiedenen  Angriffspunkten  aus  (Methode 
des  „Kreuzfeuers“). 

Die  meist  gebräuchlichen  Filter  sind  A  mm  dünne  Gummi¬ 
platten,  ’Vio,  Vs,  XA  und  1  mm  dicke  Aluminiumplatten,  Vio  mm 
dicke  Silberplatten,  i/n>,  2/io,  5/io,  1  mm  und  2  mm  dicke  Blei¬ 
platten,  Watte  und  Mattpapier.  Der  Gummi  ist  schon  aus  anti¬ 
septischen  Gründen  gut,  er  lässt  die  harten  ß-  und  die  y-Strahlen 
und  einen  Bruchteil  «-  und  weicher  ^-Strahlen  durch.  Die  Alu¬ 
miniumplatten  haben  den  Nachteil,  dass  sie  eine  grosse  Menge 
von  Sekundärstrahlen  bilden,  die  leicht  eine  Pigmentierung  der 
Haut  hervorrufen.  Um  sie  zu  absorbieren,  bringt  man  zweck¬ 
mässig  20  Blatt  Papier  bezw.  1  cm  Watte  zwischen  Organ 
und  untersten  Teil  des  Filters  an.  Gleichzeitig  werden  da¬ 
durch  die  a-Strahlen  ausgeschaltet.  Die  Bleifilter  gestatten 
die  ausschliessliche  Benutzung  der  ultrapenetrierendcn 


V  Münch.  med.  Wochenschr.  1911,  No.  34. 


Strahlen  (harte  ß-  und  y-Strahlen),  da  die  ot-  und  weichen 
ß-Strahlen  gänzlich  absorbiert  werden.  Je  nach  der  Art  der 
in  Anwendung  kommenden  Filter  unterscheidet  man  eine 
leichte,  mittlere  und  starke  Filtration.  Je  tiefer  das  zu  be¬ 
handelnde  Gewebe  unter  der  Haut  liegt,  desto  stärkere  Ni¬ 
trationen  müssen  angewandt  werden,  und  je  stärker  die  Ni¬ 
tration  ist,  je  länger  muss  die  Anwendung  sein,  d.  h.  bei  ober¬ 
flächlichen  Epitheliomen,  die  eine  Tiefe  von  weniger  als  1  cm 
haben,  werden  wir  mit  Mesothoriumbestrahlung  ohne  Filter 
oder  mit  dünnerem  Filter  (während  mehrerer  Stunden)  eine  , 
starke,  zerstörende  Wirkung  ausüben,  während  bei  der  Tiefen¬ 
bestrahlung  nur  harte  ß-  und  y-Strahlen  zur  Verwendung 
kommen  sollen,  die  nicht  so  zahlreich  sind  wie  die  «-Strahlen 
und  eine  Anwendungsdauer  bis  zu  200  Stunden  gestatten.  Das 
Wichmann  sehe  Instrumentarium  mit  einer  runden  grös¬ 
seren  und  einer  ovalen  kleineren  Kapsel  sowie  mit  Filtern  ver¬ 
schiedener  Art  scheint  mir  im  grossen  und  ganzen  für  die  lo¬ 
kale  äussere  Applikation  ausreichend  zu  sein.  Es  ist  unter 
Umständen  vorteilhaft,  Apparate  zu  verwenden,  mit  denen 
es  möglich  ist,  an  sonst  unzugänglichen  Stellen  die  Strahlen 
einwirken  zu  lassen.  So  ist  von  Czerny  und  mir  ein  Instru¬ 
ment  2)  angegeben  worden,  welches  zur  lokalen  Bestrahlung 
von  Oesophaguskrebsen  dient.  Es  besteht  aus  einer  mit  einer 
Skala  versehenen  Magensonde,  durch  welche  ein  ebenfalls 
graduierter,  2  mm  Durchmesser  besitzender  Mandrin  hin¬ 
durchgezogen  werden  kann.  An  der  Spitze  des  Mandrins, 
welcher  doppelt  so  lang  wie  die  Hohlsonde  ist,  findet  sich  eine 
abschraubbare,  etwa  4  cm  lange  und  6—9  mm  breite,  nach 
unten  sich  verjüngende  Zelluloidkapsel,  welche  zur  Aufnahme 
des  Mesothoriumbromids  bestimmt  ist.  Der  Vorgang  bei  der; 
Bougierung  ist  folgender:  Magensonde  mit  Mandrin  und 
Zelluloidtube  werden  eingeführt.  Nachdem  das  Hindernis  er¬ 
reicht  ist,  wird  die  Tube  vorsichtig  (!)  durch  Tast-  und  Dreh¬ 
bewegungen  möglichst  tief  in  die  Stenose  hineingeführt.  Die 
Hohlsonde  wird  über  den  Mandrin  zurückgezogen,  der  zum 
Fixieren  und  später  zum  Zurückziehen  des  Mesothorium¬ 
apparates  dient.  Das  Instrument  kann  bis  zu  2  Stunden  liegen 
bleiben,  ohne  dass  es  stärkere  Reizerscheinungen  macht.  Die 
Einführung  wird  in  Intervallen  von  3—4  Tagen  (zur  Verhütung 
einer  Mediastinitis)  vorgenommen. 

Was  die  histologischen  Veränderungen  nach  der  Meso¬ 
thoriumbestrahlung  betrifft,  so  kommt  es  in  der  Regel  bereits 
nach  einigen  Tagen  (ca.  6—8)  zur  Neubildung  von  Binde¬ 
gewebe,  während  zu  dieser  Zeit  an  den  lumorzellen  (bei 
Karzinomen  und  auch  bei  Sarkomen)  noch  keine  merklichen 
Veränderungen  zu  sehen  sind.  Diese  Bindegewebsneubildung 
wird  im  weiteren  Verlauf  immer  auffallender,  sie  ist  überhaupt 
das  hervortretendste  Merkmal  die  Wirkung  der  Bestrahlung, 
ln  dem  neugebildeten  Bindegewebe  finden  sich  auch  zahl¬ 
reiche  neugebildete  Kapillaren.  Die  Veränderungen  an  den 
Karzinomzellen,  die  sogen.  Vakuolenbildungen,  sind  erst  später 
ca.  10—20  Tage  nach  der  Bestrahlung,  sichtbar.  Das  raset 
wachsende  Bindegewebe  scheint  die  Karzinomknoten  in  zahl¬ 
reiche  kleine  Zellgruppen  zu  zersprengen,  die  immer  weitet 
durch  dazwischen  wachsendes  Bindegewebe  geteilt  werden) 
und  schliesslich  zugrunde  gehen.  In  einigen  Fällen  konnte  icj 
den  Bestrahlungsstellen  entsprechende  Nekrosen,  in  anderer 
Fällen  eine  der  Bindegewebsbildung  vorausgehende  auffallend 
starke  Leukozyteninfiltration  beobachten. 

Es  handelt  sich  bei  der  therapeutischen  Beeinflussung  dei 
Tumoren  im  wesentlichen  darum,  dass  jede  Reizwirkung  ver 
mieden  v/ird.  Die  Misserfolge  bei  der  Mesothoriumbehandlum 
maligner  Tumoren  sind  zum  Teil  auf  Ueberdosierung,  zun 
grösseren  Teil  aber  auf  ungenügende  Bestrahlung  zurück! 
zuführen. 

Es  standen  dem  Samariterhaus  im  ganzen  ca.  250  mg  (da; 
Milligramm  zu  150  M.)  Mesothoriumbromid  zur  Verfügung 
welche  der  Anstalt  durch  das  liebenswürdige  Entgegenkommen 
der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  der  Wissenschaften,  ^  de 
deutschen  Gasglühlicht-Aktiengesellschaft  (Auergesellschaft 
sowie  der  Firma  Dr.  O.  Knöfler  &  Co.  Plötzensee  überlasse; 
worden  waren.  Seit  etwa  1  Jahr  sind  diese  Präparate  ir 
Gebrauch.  Ich  hatte  während  dieser  Zeit  Gelegenheit,  ein 


■)  Das  Instfument  ist  bei  der  Firma  Friedrich  D  r  ö  1 1  in  Heide 
berg  erhältlich. 


7.  Januar  191 3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


II 


?anze  Reihe  von  Fällen  zu  beobachten,  bei  denen  das  Meso- 
:horium  in  überaus  günstiger  Weise  auf  die  malignen  Tumoren 
iinwirkte.  Immerhin  ist  die  Beobachtungsdauer  eine  zu  kurze, 
ds  dass  man  heute  schon  von  Dauererfolgen  reden  dürfte.  Im 
ganzen  kamen  250  Patienten  mit  malignen  Tumoren  zur  Be- 
landlung,  von  denen  in  weitaus  der  Mehrzahl  der  Fälle  ein 
einstiger  Einfluss  erzielt  werden  konnte. 

So  gelang  es.  in  5  Fällen  von  Oesophagusstenose  auf  karzinoma- 
öser  Basis  die  Permeabilität  der  Speiseröhre  nach  Bougierung  mit 
ler  Mesothoriumsonde  soweit  herzustellen,  dass  selbst  die  Zufuhr 
ester  Speisen  möglich  wurde,  mit  der  eine  Gewichtszunahme  und 
Besserung  des  Allgemeinbefindens  verbunden  war.  Bei  78  Fällen  von 
dammakarzinomrezidiv  verschwanden  nicht  nur  oberflächlich  ge- 
egene  Hautknötchen,  sondern  auch  bis  walnussgrosse,  subkutan 
iegende  karzinomatöse  Knoten.  4  mal  war  Gelegenheit  geboten, 
>ei  Mammakarzinom-Rezidivoperationen  prophylaktisch  Meso- 
horiumbromid  nach  der  Operation  in  die  Wunde  einzulegen.  F.s 
landelte  sich  um  Fälle,  welche  wiederholt  rezidiviert  waren  und 
»ei  denen  von  vornherein  eine  radikale  Entfernung  der  Geschwulst 
weifelhaft  erschien.  Die  Wunde  wurde  soweit  geschlossen,  dass 
las  Röhrchen  nach  12  Stunden  (in  einem  Fall  nach  24  Stunden)  ohne 
Aiihe  entfernt  werden  konnte.  Es  trat  gewöhnlich  eine  vermehrte 
Vundsekretion  ein,  welche  die  Wundheilung  wesentlich  verzögerte. 
:in  Rezidiv  wurde  bisher  (es  handelt  sich  um  6 — 8  Monate  Be- 
bachtungszeit)  nicht  beobachtet.  Von  Gesichtskarzinomen  kamen  30, 
on  Lippenepitheliomen  12  zur  Behandlung.  Hier  zeigte  sich  fast 
tets  eine  günstige  Beeinflussung  von  seiten  des  Mesothoriums,  in- 
em  bestehende  karzinomatöse  Ulzerationen  nach  relativ  kurzer  Zeit 
hier  konnte  das  Mesothoriumbromid  ohne  jegliches  Filter  appliziert 
/erden)  nekrotisch  zerfielen  und  sich  gesunde  Granulationen  bilde- 
en.  Von  12  Zungenkarzinomen  konnten  3  erheblich  gebessert  ent- 
issen  werden.  Leider  war  es  hier  in  2  Fällen  nicht  möglich  ge- 
/esen,  die  klinische  Diagnose  durch  den  histologischen  Befund  zu 
ichern. 

Selbst  die  schwer  zugänglichen  inoperablen  Pharynxtumoren 
eigten  nach  dieser  Behandlungsmethode  bisweilen  eine  auffallende 
iesserung,  während  die  für  die  Radiotherapie  an  und  für  sich  schon 
/enig  geeigneten  Wangenschleimhauttumoren  und  überhaupt  die 
lalignen  Tumoren  der  Mund-  und  Rachenschleimhäute  sich  in  der 
legel  refraktär  zeigten,  ja  bisweilen  unter  dem  Einfluss  der  Meso- 
loriumbehandlung  wild  zu  werden  und  eine  vorher  nicht  dagewesene 
usserst  maligne  Form  anzunehmen  schienen.  Leider  ist  es  mir 
icht  möglich,  an  dieser  Stelle  die  überaus  interessanten  Details  der 
asuistik  vorzutragen,  die  übrigens  in  einer  Abhandlung  von 
;zerny  und  mir  vor  kurzer  Zeit3)  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
rschienen  sind  bzw.  demnächst  ganz  ausführlich  erscheinen  werden. 

Das  Thorium  X,  welches  dem  Samariterhaus  von  der 
)eutschen  Gasgliihlichtgesellschaft  (Auergesellschaft)  in  reich- 
chen  Mengen  gütigst  zur  Verfügung  gestellt  wurde,  ist  nichts 
nderes  als  ein  Umwandlungsprodukt  des  Mesothoriums  und 
/ird  in  gelöstem  Zustand  (in  physiologischer  Kochsalzlösung) 
ngewandt.  1  ccm  dieser  Lösung  enthält  nach  Angabe  der 
uiergesellschaft  eine  minimale  Menge  des  Elementes  Tho- 
ium  X,  schätzungsweise  Viooooo  mg,  und  besitzt  eine  Aktivität 
on  etwa  1  Million  Macheeinheiten  (1  Macheeinheit  entspricht 
ngefähr  80  Volt  Abfall  pro  Stunde  im  Engler-Sieve- 
i  n  g  sehen  Fontaktoskop  bei  einer  Kapazität  des  Instrumentes 
=  12,4  cm).  Die  Aktivität  des  Thoriums  X  steigt  während  des 
rsten  Tages  nach  seiner  Herstellung  um  etwa  10 — 20  Proz. 
n  und  zwar  infolge  Bildung  von  Thorium  A,  B,  C,  D.  Dann 
inkt  die  Aktivität  täglich  um  etwa  17,5  Proz.,  so  dass  nach 
twa  3—4  Tagen  die  Hälfte  verschwunden  ist.  Die  Strahlung 
esteht  im  wesentlichen  aus  a-  und  langsamen  ß-Strahlen,  nur 
as  Endprodukt  —  Thorium  D  —  hat  y-Strahlen.  Die  starke 
Virkung  des  Präparates  gründet  sich  offenbar  darauf,  dass 
nmittelbar  aus  dem  Thorium  die  Thoriumemanation  entsteht, 
/eiche  sich  etwas  von  dem  Orte  des  Depots  entfernt  und 
elbst  bei  ihrem  Zerfall  sehr  kräftig  strahlt  sowie  kräftig 
trahlende  Produkte  schafft. 

Die  Applikation  geschieht  entweder  intratumoral,  intra- 
enös  oder  gleichzeitig  auf  beide  Arten.  Es  ist  mir  nicht  be- 
annt,  ob  bisher  bei  Tumoren  auf  intravenösem  Wege  eine 
adioaktive  Substanz  einverleibt  worden  ist,  soviel  ist  jedoch 
icher,  dass  die  intravenösen  Thorium  X-Einspritzungen  im 
rossen  und  ganzen  bei  richtiger  Dosierung  gut  vertragen 
/erden,  dass  sie  vor  allem  in  einer  Reihe  von  Fällen  (und 
uch  bei  sonst  nicht  erreichbaren  Tumoren)  einen  nicht  zu 
erkennenden  günstigen  Einfluss  gezeigt  haben.  Während 
her  die  Technik  der  intratumoralen  Thorium  X-Injektionen 
nr  so  viel  zu  sagen  ist,  dass  die  Lösungen  unverdünnt  mög- 

")  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  14. 


liehst  verteilt  in  das  maligne  üewebe  gebracht  werden  sollen 
(wegen  der  gewöhnlich  auftretenden  Reaktionen  =  Schmerz, 
Rötung,  Schwellung  in  Intervallen  von  6 — 8  Tagen),  sind  bei 
der  intravenösen  Applikation  einige  Winke  unerlässlich.  Vor 
allem  soll  hier  das  Thorium  X  nur  in  verdünnter  Lösung  in¬ 
jiziert  werden,  am  besten  1,0  ccm  Thorium  X  (Aktivität  in 
der  Regel  gleich  1  000  000  ME)  auf  10,0  ccm  physiologische 
Kochsalzlösung.  Am  Tage  der  Injektion  soll  der  Patient  sich 
möglichst  ruhig  verhalten  und  in  den  nächsten  3—4  Tagen 
dafür  Sorge  tragen,  dass  der  Dickdarm  möglichst  entleert  ist 
(durch  milde  Laxantia  bzw.  Klystiere).  Das  intravenös  ein- 
verleibte,  aber  auch  das  intratumoral  injizierte  (dieses  weniger) 
'Thorium  X  greift  nämlich  auffallenderweise  die  Schleimhaut 
des  Darmes,  vor  allem  aber  des  Dickdarmes  an,  und  die  be¬ 
ständige  gründliche  Entleerung  soll  verhindern,  dass  das  im 
Kot  ausgeschiedene  Thorium  X  bei  der  Passage  durch  den 
Darm  an  einer  Stelle  längere  Zeit  liegen  bleibt  und  hier  reizend 
wirken  könnte.  In  keinem  Fall  soll  die  zweite  intravenöse  In¬ 
jektion  vor  Ablauf  von  8  Tagen  gemacht  werden.  Erst  nach 
dieser  Zeit  darf  man  wohl  annehmen,  dass  der  Organismus 
sich  von  den  Folgen  der  bisweilen  stark  wirkenden  (manche 
Patienten  klagen  in  den  ersten  Tagen  post  injectionem  über 
Brechreiz,  Appetitlosigkeit,  Mattigkeit  usw.)  intravenösen 
Thorium  X-Injektion  erholt  hat.  Bei  Krebsen  der  Speiseröhre 
und  überhaupt  des  Magen-  und  Darmtraktus  wird  nach 
Werner  von  pulverisierter  Kieselsäure  absorbierte  ThoriumX- 
Lösung  mit  Zucker  als  Brei  angerührt  und  dargereicht  bzw. 
nach  Hessel  in  Pillenform  gegeben.  Auch  Pasten  und 
Plomben  für  Zerfallshöhlen  in  Tumoren,  Wunden  und  Ulze¬ 
rationen  lassen  sich  aus  mit  Thorium  X  radioaktiviertem 
Kieselsäurepulver  darstellen.  Ich  habe  davon  mehrmals  die 
Umwandlung  von  Krebsgeschwüren  in  gut  granulierende 
Wunden  beobachtet. 

Die  histologischen  Veränderungen  nach  Thorium  X-In¬ 
jektionen  weisen  keine  bemerkenswerten  Differenzen  gegen¬ 
über  den  Mesothoriumwirkungen  auf.  Es  kommt  auch  hier 
unter  dem  Einfluss  der  Bestrahlung  zu  einer  Schädigung  des 
spezifischen  Parenchyms,  welche  sich  in  Form  der  Nekrose, 
der  Erweichung,  Zytolyse  geltend  macht.  Die  schädigende 
Wirkung  des  Thorium  X  auf  feine  Kapillaren  führt  übrigens 
zu  Hämorrhagien.  Gleichzeitig,  wahrscheinlich  aber  erst 
später,  kommt  es  zu  einer  Reaktion  des  Stromas  (spärlich  im 
Sarkom,  mehr  oder  minder  reichlich  im  Karzinom).  Das  erste 
ist  dabei  in  der  Regel  eine  leukozytäre  bzw.  lymphozytäre 
Infiltration,  die  dann  abgelöst  und  schliesslich  ersetzt  wird 
durch  eine  Proliferation  der  Bindegewebszellen  und  die  ihren 
Abschluss  findet  durch  die  Umwandlung  dieser  zellreichen, 
mehr  oder  minder  auch  schon  chronisch  entzündlich  in¬ 
filtrierten  jungen  Bindegewebes  in  ein  ausgewachsenes  derbes 
fibrilläres  Bindegewebe.  Das  Endstadium  des  völligen  Ver¬ 
schwindens  des  Parenchyms  und  Alleinherrschens  des  Binde¬ 
gewebes  wird  nicht  immer  erreicht,  sondern  die  regressiven 
Veränderungen  am  Parenchym  und  die  vikariierende  Pro¬ 
liferation  des  Bindegewebes  können  früher  oder  später  zur 
Ruhe  kommen,  ja  cs  kann  bisweilen  nur  zu  einer  gering¬ 
gradigen  lymphoiden  Reaktion  im  Zwischengewebe  kommen. 

Im  Samariterhaus  wurden  bisher  4)  206  Tumorkranke  mit  Tho¬ 
rium  X  behandelt,  darunter  53  Fälle  von  Mammakarzinomrezidiv, 

9  Fälle  von  Krebs  der  Speiseröhre,  14  Rektumkarzinomrezidive, 

10  maligne  Lymphome,  6  Fälle  von  branchiogenem  Karzinom  usw. 
Die  Kasuistik  ergab  in  ca.  40  Proz.  der  Fälle  eine  günstige  Beeinflus¬ 
sung  der  Tumoren  durch  das  Thorium  X,  welche  zwar  manchmal 
recht  gering,  aber  immer  erwähnenswert  war,  in  ca.  20  Proz.  der 
Fälle  jedoch  Erfolge,  die  über  das  gewöhnliche  Mass  der  Radium¬ 
wirkung  hinausgingen.  Dabei  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  es  fast 
ohne  Ausnahme  weit  vorgeschrittene  Fälle  waren,  bei  denen  von 
vornherein  höchstens  eine  geringe  Besserung  erwartet  werden 
konnte.  Es  ist  auch  hier  nicht  angebracht,  auf  Einzelheiten  der 
Kasuistik  einzugehen,  ich  möchte  jedoch  nur  ganz  kurz  auf  einige  be¬ 
merkenswerte  Fälle  hinweisen.  Eine  57  jährige  Frau,  bei  welcher  am 
10.  Dezember  1907  die  rechte  Mamma  amputiert  und  im  Oktober  1909 
und  im  Juni  1911  je  ein  lokales  Rezidiv  operativ  entfernt  worden  war, 
kam  im  Januar  dieses  Jahres  mit  3  subkutan  gelegenen  (je  1  in  der 
oberen  und  unteren  Schlüsselbeingrube  sowie  in  der  Achselhöhle), 
etwa  taubeneigrossen,  derben  Knoten  in  unsere  Behandlung,  welche 
aus  intratumoralen  und  intravenösen  Thorium-X-Injektionen  bestand 
(i.  g.  3  000  000  Mache-Einheiten).  Gleichzeitig  wurden  Röntgen- 


'•)  Eis  Ende  August  d.  J. 

2* 


12 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


bestrahlungen  vorgenommen.  Die  Knoten  sind  heute  fast  vollständig 
verschwunden,  ebenso  die  heftigen  Schmerzen,  über  welche  die 
Patientin  bei  Einleitung  der  Behandlung  klagte.  Bei  einer  anderen 
Kranken  mit  Mammakarzinomrezidiv,  welches  aus  in  der  Narbe 
gelegenen  Knötchen  sowie  aus  einem  karzinomatösen  Pleuraexsudat 
bestand,  wurde  Rückgang  der  Knötchen  sowie  des  Exsudates  nach 
Mesothoriumbestrahlung  und  intravenöser  Thorium-X-Einverleibung 
(i.  g.  4  000  000  Mache-Einheiten)  beobachtet.  Die  Patientin,  welche 
über  grosse  Schmerzen  und  besonders  über  grosse  Atemnot  klagte, 
fühlt  sich  heute  subjektiv  ausserordentlich  wohl.  Gerade  das  Pleura¬ 
exsudat  auf  karzinomatöser  Basis,  das  Schmerzenskind  bei  der  Be¬ 
handlung  des  Mammakarzinomrezidivs,  konnte  mehrfach  nach  intra¬ 
venöser  bzw.  intrapleuraler  Einverleibung  von  Thorium  X  zum  Still¬ 
stand  bzw.  zum  Verschwinden  gebracht  werden.  Ein  Fall  von  in¬ 
operablem  Tonsillarsarkom  mit  einem  hühnereigrossen  metastatischen 
Drüsenpaket  an  der  Karotisteilungsstelle  wurde  nach  lokaler  Meso¬ 
thoriumbestrahlung  und  intravenösen  Thorium-X-lnjektionen  (i.  g. 
10  000  000  Mache-Einheiten)  soweit  gebessert,  dass  der  Tumor  zum 
grössten  Teil  zurückgegangen  ist,  während  das  Halsdrüsenpaket  gänz¬ 
lich  verschwand.  Auch  bei  den  malignen  Lymphomen  konnte  eine 
günstige  Beeinflussung  beobachtet  werden.  Bezüglich  weiterer  Ein¬ 
zelheiten  verweise  ich  auch  an  dieser  Stelle  auf  die  demnächst  er¬ 
scheinende  ausführliche  Publikation. 

Ich  habe  das  Wort  „Heilung“  bei  der  Erwähnung  der  Er¬ 
folge  nach  Mesothorium-  und  Thorium  X-Behandlung  ver¬ 
mieden  und  zwar  mit  Absicht.  Denn  bei  Betrachtung  des 
Schicksals  vieler  in  der  Radiumliteratur  genannten  Tumor¬ 
kranken  habe  ich  gefunden,  dass  die  meisten  schon  nach 
kurzer  Zeit  an  Rezidiven  wieder  erkrankten,  ja  überhaupt 
nicht  mehr  am  Leben  waren.  Ich  kann  und  darf  bei  der 
Kürze  der  Beobachtungszeit  der  oben  genannten  Fälle 
schlechterdings  nur  von  „vorübergehenden  Erfolgen“  reden, 
wie  denn  überhaupt  von  „Heilung“  erst  nach  einem  rezidiv¬ 
freien  Stadium  von  5 — 7  Jahren  und  mehr  zu  reden  ist.  Und 
ein  „vorübergehender  Erfolg“  ist  bei  der  Behandlung  bös¬ 
artiger  Geschwülste  immerhin  als  ein  bemerkenswerter  Fort¬ 
schritt  zu  betrachten.  Es  darf  nicht  vergessen  bleiben,  dass 
bei  weitaus  der  grössten  Zahl  der  genannten  Fälle  eine  kom¬ 
binierte  Behandlung  (Mesothorium-,  Röntgenbestrahlung,  Sal- 
varsan-,  Thorium  X-  und  Cholininjektionen)  angewandt  wurde. 
An  der  Hand  unserer  Erfahrungen  mit  alleinigen  Röntgen¬ 
bestrahlungen  sowie  mit  alleinigen  Cholin-  und  Salvarsan- 
injektionen  usw.  kann  und  darf  ich  jedoch  annehmen,  dass  zur 
Erzielung  der  geschilderten  Erfolge  in  dem  Mesothorium,  be¬ 
sonders  aber  in  dem  Thorium  X,  der  entscheidende  Faktor  zu 
erblicken  war. 

Das  eine  möchte  ich  hier  noch  besonders  betonen.  D  i  e 
Mesothorium-  bzw.  Thorium  X-Behandlung 
soll  bei  operablen  Tumoren  das  Messer  des 
Chirurgen  nicht  verdrängen,  sie  soll  hier  nur  eine  er¬ 
gänzende  Methode  der  Radikaloperation  bilden,  während  sie 
bei  inoperablen  Erkrankungen  als  selbstän- 
dige  Behandlungsmethode  dienen  soll.  Ver¬ 
vollkommnung  der  Apparatur  und  Technik  werden  auch  hier 
voraussichtlich  eine  günstige  Weiterentwicklung  dieser  erfolg¬ 
versprechenden  neuen  Behandlungsmethode  herbeiführen. 
Jedenfalls  fordern  die  bisherigen  Erfolge  dazu  auf,  die  Ver¬ 
suche  energisch  fortzusetzen. 


Die  Prostitution  jugendlicher  Mädchen  in  München. 

Von  Jugendstaatsanwalt  Rupprecht  in  München. 

Ueber  das  schlimme  Grossstadtlaster,  genannt  Prosti¬ 
tution,  über  seine  die  Volksgesundheit  und  Volkskraft  zer¬ 
störenden  Begleiterscheinungen  wie  über  die  Art  seiner  Be¬ 
kämpfung  im  allgemeinen  zu  sprechen,  ist  nicht  Absicht  und 
Zweck  dieser  Abhandlung.  Es  soll  nur  eine  der  für  den 
Menschenfreund  wie  für  den  Soziologen  gleich  betrübenden 
Erscheinungsarten  dieser  unausrottbaren  Seuche  betrachtet 
werden,  da  sie  besonders  verheerend  am  Mark  der  Volks¬ 
gesundheit  zehrt,  das  ist  die  Prostitution  minder¬ 
jähriger  Mädchen.  Die  eingehenden,  auf  das  ganze 
Vorleben  dieser  unglücklichen  Geschöpfe  sich  erstreckenden 
Erhebungen  des  hauptsächlich  Fürsorgezwecke  anstrebenden 
modernen  Jugendgerichts  ermöglichen  es,  eingehend  den 
Quellen  dieses  frühzeitigen  sittlichen  Verfalls  nachzuforschen, 
die  Ursachen  dieses  Niedergangs  und  moralischen  Zusammen¬ 
bruchs  aufzuspüren,  um  aus  der  Erkenntnis  der  veranlassenden 
Gründe  so  gut  als  möglich  mit  Besserungs-  und  Rettungsmass- 


regeln  einzugreifen.  Denn  mag  auch  die  erwachsene  Dirne 
fast  immer  unverbesserlich  und  allen  Fürsorgemassnahmen 
unzugänglich  sein,  bei  jungen  Mädchen  darf  die  Hoffnung,  sie 
dauernd  diesem  Lasterleben  zu  entziehen  und  sie  aus  eigener 
Willenskraft  auf  dem  Wege  der  Sittlichkeit  zu  erhalten,  nicht 
von  vornherein  aufgegeben  werden.  Zugrunde  gelegt  sind 
der  Abhandlung  die  Beobachtungen  und  Feststellungen,  welche 
in  den  drei  ersten  Jahren  der  Tätigkeit  des  Münchener 
Jugendgerichts  (1909—1911)  im  Strafverfahren  gegen 
8S  wegen  Gewerbsunzucht  zu  Strafe  verurteilten  Mädchen 
im  Alter  von  weniger  als  18  Lebensjahren  gemacht 
wurden. 

Für  die  vergleichende  Orientierung  wird  es  zweckmässig 
sein,  zunächst  aus  den  Veröffentlichungen  der  Münchenei 
Polizeidirektion  einiges  über  die  Prostitution  in  München 
überhaupt  zu  erfahren. 

Ende  des  Jahres  1911  (die  Ziffern  für  1910  folgen  in  Klammern) 
standen  durchschnittlich  173  (175)  Frauenspersonen  unter  Sitten¬ 
kontrolle  („Kartendamen").  Minderjährige  Mädchen  werdet 
nicht  unter  Kontrolle  gestellt.  Von  diesen  173  (175)  Prostituierten  in 
eigentlichen  Wortsinne  waren  123  (132)  ehelich,  50  (43)  unehelicl 
geboren;  aus  München  selbst  stammten  80  (84),  aus  Bayern  72  (69 
und  aus  den  übrigen  Bundesstaaten  21  (20);  aus  Städten  103  (113)1 
vom  Lande  70  (62).  Dem  früheren  Berufe  nach  waren  29  (30)  Dienst¬ 
mädchen,  52  (50)  Kellnerinnen,  29  (32)  Fabrikarbeiterinnen,  15  (16 
Näherinnen  usw.  Die  Eltern  von  17  (19)  Prostituierten  gehörten  dett 
Bauernstand,  von  46  (43)  dem  Handels-  und  Gewerbestand,  von  10  (12 
dem  Beamtenstand,  5  (6)  anderen  Ständen  an.  Keine  der  Prostituierten 
war  unter  21  Jahre  alt,  90  (95)  zwischen  21  und  30  Jahren,  66  (59 
zwischen  31  und  40  Jahren;  17  (21)  über  40  (!)  Jahre  alt.  Ge 
schlechtskrank  waren  80  (44)  Proz.  Die  „Kartendamen“  spielen  somi 
auf  dem  Gebiete  der  Gewerbsunzucht  eine  recht  unbedeutende  Rolle 
um  so  grösser  ist  die  Zahl  der  Frauenspersonen,  die  heimlich  Ge 
werbsunzucht  treiben;  dass  von  ihnen  wegen  der  fehlenden  ärztliche 
Ueberwachung  und  Untersuchung  der  öffentlichen  Gesundheit  be 
sondere  Gefahren  drohen,  ist  hinlänglich  bekannt.  Der  Bericht  de 
Polizeidirektion  München  schätzt  die  Zahl  dieser  heimliche 
Dirnen  auf  2574  (im  Jahre  1909;  2076);  diese  wider  Erwarte 
gegenüber  anderen  Grossstädten  niedrige  Ziffer  erachtet  die  Polizei; 
direktion  deshalb  für  annähernd  richtig,  da  die  meisten  heimliche 
Prostituierten,  wenn  sie  nicht  von  der  Polizei  selbst  abgefasst  werdei 
durch  anonyme  Anzeigen  der  Behörde  bekannt  werden,  und  da  ii 
allgemeinen  immer  wieder  die  gleichen  Frauenspersonen  in  diese 
Kategorie  auftauchen,  besonders  während  der  Fremdensaison.  Vo' 
diesen  2574  geheimen  Unzuchtsdirnen  waren  32  unter  16  Jahrei 
342  zwischen  16  und  IS  Jahren,  660  zwischen  18  und  21  Jahrei 
982  zwischen  21  und  30  Jahren,  die  übrigen  älter;  2059  sind  ehelic 
515  unehelich  geboren;  aus  Städten  stammten  1209,  vom  Lande  13( 
Prostituierte.  Bei  ihnen  überwiegt  der  Beruf  der  Dienstmädche: 
deren  es  721  waren;  Kellnerinnen  waren  608,  Fabrikarbeiterinne 
255,  Näherinnen  246,  Ladnerinnen,  Buchhalterinnen  117  usw.  Vc 
2686  ärztlich  untersuchten  Dirnen  waren  711  =  26,5  Proz.  ge 
schlechtskrank;  hiervon  waren  19  unter  16  Jahren  alt,  1( 
zwischen  16  und  18  Jahren,  239  zwischen  18  und  21  Jahren,  281  zw 
sehen  21  und  30  Jahren;  dann  sinkt  die  Ziffer  ganz  erheblich;  es  i 
also  ein  viel  höherer  Prozentsatz  jugendlicher  Prostituiert» 
geschlechtlich  erkrankt  als  älterer.  Gegenüber  den  Vorjahren  ist  d 
Zahl  der  erkrankten  Prostituierten  gestiegen. 

Nach  dieser  allgemeinen  Uebersicht  treten  wir  in  d 
Einzelbetrachtung  der  Verhältnisse  der  jugendlichen,  das  heis- 
im  Sinne  des  Reichsstrafgesetzbuchs  mehr  als  12  Jahr 
und  weniger  als  18  Jahre  alten  Mädchen  ein,  n 
denen  sich  das  Jugendgericht  wegen  Uebertretung  der  G 
werbsunzucht  zu  beschäftigen  hatte.  Nicht  in  allen  Fällen  ein 
polizeilichen  Beanstandung  einer  solchen  Dirne  erfolgt  Seite; 
der  Polizei  auch  eine  Anzeige  an  die  Amtsanwaltschaft;  dei 
auch  wenn  ein  solches  Mädchen  als  gewerbsmässige  Unzucht 
dirne  der  Polizei  bekannt  ist,  kann  Anzeige  wegen  Gewerb 
unzucht  nur  erstattet  werden,  wenn  der  strafbare  Tatbestai 
im  einzelnen  Fall  erweisbar  ist;  auch  wird  ganz  jung; 
Mädchen  gegenüber  nicht  selten  im  ersten  Betretungsfalle  z 
nächst  von  Fürsorgemassnahmen  Gebrauch  gemacht,  die  fr» 
lieh  der  Jugendrichter  meist  durchgreifender  gestalten  könn  . 
da  ihm  einschneidendere  Massnahmen  zu  Gebote  steht. 
Hieraus  erklärt  sich  der  Unterschied  zwischen  der  Zahl  d 
von  der  Polizeidirektion  München  in  ihrem  Jahresbericht  a 
gegebenen  Zahl  jugendlicher  Prostituierter  und  der  Zahl  d 
im  jugendgerichtlichen  Strafverfahren  abgewandelten  jugen- 
liehen  Dirnen. 

Für  das  Jahr  1909  ergibt  sich  folgendes  Bild  der  gegi 
jugendliche  Mädchen  wegen  Gewerbsunzucht  e  - 
statteten  Anzeigen. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


13 


Tabelle  1.  Im  Jah 

r  e 

1909  wegen  G 

e  v 

e  r 

b  s 

u  n 

l  u  c 

h  t 

a  n  g  e  z  e  i  g  t 

e  j 

u  g 

e  n 

Ui 

:  h  e 

M 

ä  d 

c  h 

e  n. 

Alter 

Geburt 

Stand 

der 

Eltern 

C 

Beruf  der  Angezeigten 

14 

J 

15 

ahr 

16 

e  al 

17 

t 

ehelich 

unehelich 

Beamte 

Bedienstete 

Angestellte 

selbständige 

Unternehm. 

Arbeiter 

o.  bestimmt. 

Beruf 

E 

E 

C/5 

3 

N 

Dienstmädchen  .... 

8 

9 

26 

41 

57 

27 

2 

12 

12 

51 

7 

84 

(ellnerinnen . 

1 

1 

6 

11 

13 

6 

_ 

_ 

3 

14 

2 

19 

ndustrie  (ohne  Beklei- 

dungsindustrie)  .  .  . 

— 

2 

8 

17 

23 

4 

_ 

3 

3 

21 

27 

iekleidungsindustrie  .  . 

— 

— 

2 

5 

5 

2 

_ 

1 

1 

4 

1 

7 

Jandel  . 

— 

1 

7 

8 

11 

5 

1 

3 

3 

Q 

16 

Schülerinn.  u.  ohne  Beruf 

1 

1 

1 

— 

3 

— 

1 

2 

— 

3 

lusammen . 

10 

14 

50 

82 

112 

44 

3 

19 

23 

101 

10 

156 

In  dieser  Tabelle  fällt  zunächst  die  grosse  Zahl  der  jugend¬ 
lichen  Dienstmädchen  auf,  die  bei  Ausübung  der  Ge¬ 
werbsunzucht  betroffen  wurden,  und  unter  ihnen  wieder  die 
erhebliche  Zahl  von  Mädchen  des  überhaupt  für  diese  Ver¬ 
fehlung  möglichen  jüngsten  Alters:  des  vollendeten  14.  und 
15.  Lebensjahres;  von  24  noch  nicht  16  Jahre  alten  Dirnen 
vvaren  17  Dienstmädchen;  bei  den  anderen  Berufsgruppen 
indet  sich  eine  grössere  Beteiligung  erst  gegen  das  18.  Lebens¬ 
ahr  hin.  Auch  die  grosse  Zahl  der  unehelich  geborenen 
Mädchen,  die  der  Prostitution  verfallen,  verdient  Beachtung; 
las  Anteilsverhältnis  ist  bedeutend  stärker,  als  es  dem  natür- 
ichen  Verhältnis  zwischen  ehelich  und  unehelich  geborenen 
^ersonen  weiblichen  Geschlechts  angemessen  wäre. 

Dass  die  Prostitution  ihre  Opfer  hauptsächlich  im  A  r  - 
leiterstande  sucht,  ist  eine  auch  durch  diese  Tabelle 
bestätigte,  überwiegend  in  ungünstigen  wirtschaftlichen  Ver- 
lältnissen  beruhende,  recht  beklagenswerte  Tatsache. 

Zur  Strafe  verurteilt  wurden  in  den  Jahren  1909 
nit  1911  vom  Jugendgericht  München  wegen  Gewerbsunzucht 
;8  jugendliche  Mädchen.  Ueber  ihre  persön- 
ichen  Verhältnisse  und  die  Umstände  ihrer  Verfehlung 
;eben  die  nachfolgenden  Tabellen  Auskunft. 


ab  eile  2.  Persönliche  Verhältnisse  der  jugend¬ 
lichen  Prostituierten. 


Alter 

Anzahl 

Geburtsort 

Geburt 

Stand  d.  Verurt. 

Stand  der  Eltern 

Land 

Kleinstadt 

Mittelstadt 

Grosstadt 

ehelich 

unehelich 

Dienstmäd. 

Kellnerin 

Arbeiterin 

Verkäuferin 

Taglöhner 

Arbeiter 

Landwirt 

selbst.Unter- 
nehmer  usw. 

Bedienstete 

Angestellte 

5  Jahre 

11 

3 

4 

2 

2 

6 

5 

6 

2 

2 

1 

4 

4 

_ 

3 

5  Jahre 

26 

7 

10 

4 

5 

21 

5 

16 

6 

1 

3 

8 

11 

_ 

3 

4 

7  Jahre 

51 

20 

16 

1 

15 

32 

19 

22 

9 

14 

6 

14 

19 

2 

8 

8 

lsgesamt 

88 

30 

30 

7 

22 

59 

29 

44 

17 

17 

10 

26 

34 

2 

14 

12 

ab  eile  3.  Vorbestrafungen  und  geschlechtliche 
,  Erkrankung. 


Alter 

Anzahl 

1  i 

überhaupt 

Vorbestr 

we 

OO  I  -P 

-P  |  ci 

Sh  2 

®  P  ;  co 

£  §  ® 
53  1  3 

aft 

gen 

5« 

P 

Sh 

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a> 

CQ 

Gewerbs¬ 

unzucht 
u.  anderer 

Straftat. 

O 

überhaupt  S 

1  =r 

chtskrank 

p 

-4-3 

P 

P  CD 

•FH  N 

O 

£ 

5  Jahre 

11 

3 

2 

_ 

l 

1 

6 

55,5 

3  Jahre 

26 

1 1 

5 

6 

— 

2 

16 

61,5 

7  Jahre 

51 

22 

15 

10 

l 

9 

34 

66,6 

jsammen 

88 

36 

22 

16 

2 

12 

56 

63,6 

abelle  4.  Familien-  und  Erziehungsverhältnisse. 


Iabelle  5.  Wirkliche  oder  angebliche  Veran¬ 
lassung  zur  Gewerbsunzucht.  —  Fürsorgemass- 
 nahmen  des  Jugendgerichts. 


Alter 

Verfü 

du 

#P 

P 

P 

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O 

Not 

Arbeitslosigkeit 

Liederlichkeit  | 

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weisung 

an  die  j 

Eltern 

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3  3 

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bringung  |jq 

in  Heim  j  n> 

od.  Anstalt  a 

Verschaff,  o 

von  Arbeit  =r 

Zwangs¬ 

erziehung 

bis  16  Jahre  . 

5 

2 

2 

2 

1 

2 

8 

bis  17  Jahre  . 

6 

5 

7 

8 

2 

2 

6 

3 

6 

bis  18  Jahre  . 

6 

11 

17 

17 

5 

4 

9 

5 

6 

insgesamt  .  . 

17 

18 

26 

27 

8 

6 

17 

8 

20 

Die  Tabellen  2  und  3  bieten  ein  recht  trübes  Bild.  Es  muss 
schlimm  um  die  Moralanschauung  weiter  Volkskreise  stehen, 
wenn  es  möglich  ist,  dass  schon  fünfzehnjährige  Mäd¬ 
chen,  die  knapp  dem  strafrechtlichen  Schutze  des  Staats¬ 
anwalts  entwachsen  sind,  der  Gewerbsunzucht  verfallen 
können;  wenn  es  möglich  ist,  dass  sich  erwachsene  Männer 
nicht  scheuen,  mit  Kindern  solchen  Alters  —  denn  anders  kann 
man  eigentlich  diese  Mädchen  nicht  bezeichnen  —  gegen  Ent- 
geld  geschlechtlich  zu  verkehren,  sie  also  erwachsenen 
Strassendirnen  gleich  zu  achten.  —  Aber  auch  die  Zahl  der 
16  jährigen  Dirnen  ist  noch  gross  genug,  wenn  man  erwägt, 
dass  meist  nur  ein  Bruchteil  der  tatsächlich  Gewerbsunzucht 
treibenden  Mädchen  zur  gerichtlichen  Feststellung  gelangt. 
Das  Land  und  die  Kleinstadt  liefert  die  meisten  Opfer,  der 
allgemeine  Zug  in  die  Grossstadt  wird  vielen  Mädchen,  die,  in 
engen  Verhältnissen  aufgewachsen,  sich  nach  freierer  Be¬ 
wegung,  nach  Lebensfreude  und  Lebensgenuss  sehnen,  zum 
Verderben.  Auffällig  stark  ist  die  Anteilsziffer  der  unehe¬ 
lich  geborenen  Mädchen,  die  der  Prostitution  anheim¬ 
fallen;  ein  Drittel  der  verurteilten  jugendlichen  Dirnen  entbehrt 
des  Haltes,  den  die  elterliche  Familienerziehung  gewährt;  in¬ 
wieweit  bei  unehelich  geborenen  Prostituierten  eine  gewisse 
erbliche  Belastung  von  der  Mutter  her,  wenigstens  in 
der  Richtung  einer  verminderten  moralischen  Widerstands¬ 
kraft,  mit  wirksam  ist,  könnte  wohl  nur  eine  psychiatrische 
Untersuchung  feststellen. 

Am  meisten  gefährdet  erscheinen  die  jugendlichen 
Dienstmädchen  oder  die  Mädchen,  welche  diesen  Beruf 
als  ihre  Tätigkeit  ausgeben;  Biermädchen  (Kellnerinnen)  und 
jugendliche  Arbeiterinnen  treten  ihnen  gegenüber,  trotz  ihrer 
grösseren  Bewegungsfreiheit  und  Selbständigkeit,  zurück; 
vielleicht  liegt  der  Grund  darin,  dass  diese  Kategorien  er¬ 
werbstätiger  Mädchen  meist  ein  sogen,  „festes  Verhältnis“ 
haben,  das  sie  vor  der  Anwendung  der  gesetzlichen  Straf¬ 
bestimmungen  schützt,  ohne  ihnen  doch  die  „Freuden  und 
Genüsse  des  Liebeslebens“  vorzuenthalten. 

Wie  schon  bei  der  Tabelle  der  Anzeigen  sich  feststellen 
Hess,  stammen  die  meisten  jugendlichen  Dirnen  aus  der 
arbeitenden  Bevölkerung,  Taglöhner  und  Arbeiter 
liefern  in  ihrer  weiblichen  Nachkommenschaft  überwiegend 
das  Material  zur  Befriedigung  der  Grossstadtunsittlichkeit  und 
Geschlechtsgier.  Zugleich  zeigt  Tabelle  2,  dass  die  Mehrzahl 
der  aus  Arbeiterfamilien  stammenden  Mädchen  vom  Lande 
oder  aus  Kleinstädten  in  die  Grossstadt  gekommen  sind,  sei 
es  allein,  um  in  den  Dienst  zu  gehen,  sei  es  mit  den  Eltern, 
welche  in  der  Stadt  Erwerb  suchten. 

Der  schlimme  Einfluss  ungünstiger  wirtschaftlicher 
Verhältnisse  tritt  recht  deutlich  auch  in  Tabelle  4  zutage.  In 
25  Fällen  liess  sich  feststellen,  dass  das  junge  Mädchen  schon 
sehr  frühzeitig,  oft  unmittelbar  nach  Erledigung  der  Werktags¬ 
schulpflicht,  aus  dem  meist  mit  Kindern  reich  gesegneten 
väterlichen  Haus  fort  musste,  um  bei  fremden  Leuten  sich 
selbst  sein  Brot  zu  verdienen;  mit  dieser  Entfernung  vom 
elterlichen  Heim  hört  in  der  Regel  auch  die  Ueberwachung 
durch  die  Eltern  auf;  sich  selbst  überlassen,  von  der  Dienst¬ 
herrschaft  nicht  betreut,  häufig  auch  ohne  Dienststelle  gerät 
das  junge  Ding  auf  Abwege. 

Auch  dann,  wenn  Vater  oder  Mutter  oder  auch  beide 
tagsüber  zum  Erwerb  von  zu  Hause  fort  sind,  ist  bei  der 
dann  mangelnden  Aufsicht  dem  Streunen  und  der  Liederlich¬ 
keit  Tür  und  Tor  geöffnet;  besonders  ältere  Mädchen  nützen 
diese  Gelegenheit,  ihren  verhängnisvollen  eigenen  Weg  zu 
gehen,  aus  (Tab.  4).  Wohnungselend,  Schlafgänger- 


14 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


wesen,  Dirnenbeherbergung  tragen  ebenfalls  viel  Schuld  am 
frühzeitigen  sittlichen  Verfall,  da  schlechtes  Beispiel  und  leichte 
Gelegenheit  zur  Unzucht  reizen. 

Gleichwohl  darf  nicht  verkannt  werden,  dass  trotz  ge¬ 
ordneter  häuslicher  Verhältnisse  und  guter  Erziehung 
ein  Abirren  vom  Wege  der  Sitte  und  Scham  nicht  allzuselten 
zu  beobachten  ist;  Tabelle  4  weist  in  24  Fällen  solche  Er¬ 
scheinungen  auf.  Bei  dem  Einfluss,  den  die  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  auf  die  Ueberhandnahme  der  Prostitution  jugend¬ 
licher  üben,  ist  es  nicht  auffällig,  dass  es  von  geringer  Be¬ 
deutung  ist,  ob  beide  Eltern  noch  leben  oder  eines  oder  das 
andere  von  ihnen  gestorben  ist;  immerhin  ist  beachtens¬ 
wert,  dass  in  den  Fällen,  in  denen  ein  oder  der  andere  Eltern¬ 
teil  gestorben  ist,  das  Fehlen  der  Mutter  für  das  Mädchen  vei- 
hängnisvoller  ist  als  das  des  Vaters;  der  verwitwete  Vatei 
kann  meist  das  heranwachsende  Mädchen  im  Haushalte  nicht 
brauchen,  er  schickt  es  darum  fort  zum  selbständigen  Erweib 
ausser  Haus;  die  neue  Stiefmutter  gar  empfindet  das  Vor¬ 
handensein  einer  erstehelichen  Tochter  im  ehelichen  Haushalt 
als  besonders  unbequem  und  kümmert  sich  so  gut  wie  nichts 
um  deren  Erziehung  und  Fortkommen.  Vom  elterlichen  Heim 
ausgestossen  und  jeden  Haltes  in  der  Familie  beraubt,  fällt 
dann  das  willensschwache  Mädchen. 

Die  Frage  nach  der  ersten  V  e  r  a  n  1  a  s  s  u  n  g,  die  zui 
Gewerbsunzucht  führte,  ist  in  vielen  Fällen  nicht  leicht  zu 
beantworten;  häufig  suchen  auch  die  Mädchen  auf  dies¬ 
bezügliche  Forschungen  ihren  Lebenswandel  zu  beschönigen; 
immerhin  geben  die  eigenen  Auskünfte  der  Mädchen  und  die 
Ergebnisse  der  angestellten  Erhebungen  ziemlich  wahrheits¬ 
getreue  Bilder  vom  Werdegang  des  Lasterlebens. 

Eine  grosse  Rolle  spielt  für  die  erste  Verursachung  die 
Verführung.  Freundinnen,  die  den  leichten  Gelderwerb 
und  die  unbeschränkte  Wohustbefriedigung  schon  kennen  und 
schätzen  gelernt  haben,  Schwestern,  die  auf  der  Bahn  des 
Lasters  vorangegangen  sind,  führen  häufig  das  noch  uner¬ 
fahrene  Kind  quf  diesen  Weg;  in  recht  jungen  Jahren  geschieht 
dies  schon,  wie  Tabelle  5  ersichtlich  macht.  Auch  Verkuppe¬ 
lung  durch  die  Mütter  kommt,  wenn  auch  selten,  vor.  Ver¬ 
führung  durch  den  Geliebten  bringt  das  Mädchen  zu¬ 
nächst  zu  Fall;  von  der  elterlichen  Familie  verstossen,  sinkt 
das  haltlose  Mädchen  dann  in  den  Schlamm  der  Prostitution. 
Gemeiner  noch  handelt  der  Geliebte,  der,  wie  es  in  der  Gross¬ 
stadt  häufig  vorkommt,  das  von  ihm  verführte  Mädchen  dann 
zur  Gewerbsunzucht  anleitet  und  anhält,  um  als  dessen  Zu¬ 
hälter  ein  arbeitsscheues,  aber  annehmliches  Leben  zu  führen. 
Solche  Mädchen,  zur  Strassendirne  herabgesunken,  sind  meist 
nicht  mehr  zu  retten. 

Dass  Arbeitslosigkeit  und  in  ihrem  Gefolge  N  o  t 
häufig  den  Anstoss  gibt  zur  Ergreifung  dieser  bequemen,  wenn 
auch  ekelhaften  Erwerbsart.  ist  hinlänglich  bekannt,  Tabelle  5 
bestätigt  diese  Tatsache;  bemerkenswert  ist  hiebei  die  ver¬ 
hältnismässig  geringe  Zahl  15-  und  16  jähriger  und  die  ver¬ 
hältnismässig  grosse  Zahl  17  jähriger  Mädchen,  die  aus 
diesem  Grund  zur  geldverschaffenden  Preisgabe  ihres  Körpers 
kommen.  Liederlichkeit  und  Neigung  zu  diesem  ungebundenen 
Leben  erhält  besonders  die  älteren  unter  den  jugendlichen 
Mädchen  aut  dieser  Bahn;  es  sind  dies  dann  völlig  verdorbene, 
einer  Rettung  unzugängliche  Strassendirnen  frechster  Art. 

Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  festzustehen,  worin  in  der 
Hauptsache  der  Hurenlohn  besteht,  um  den  sich  jugend¬ 
liche  Mädchen  preisgeben.  Es  ist  bezeichnend  für  die  geringe 
Wertung  ihrer  menschlichen  Würde,  aber  auch  für  die  Ge¬ 
schäftsunerfahrenheit,  wenn  man  so  sagen  darf,  und  die  oft 
unsagbar  drückende  Verlassenheit  und  Notlage  der  Dirnen 
dieses  Alters,  dass  sie  überwiegend  um  geradezu  unglaublich 
niedrige  Gegenleistungen  ihren  Körper  prostituieren.  Oft  war 
es  nur  die  Zeche  in  einem  minderen  Gasthause,  die  als  Entgelt 
diente;  um  25  Pfg.  und  50  Pfg.  schon  gewährten  andere  ihre 
Gunst;  in  45  Fällen  konnte  erhoben  werden,  dass  die  Ent¬ 
schädigung  zwischen  1  M.  und  3  M.  schwankte;  nur  34  Mäd¬ 
chen  verlangten  höhere  Bezahlung. 

Und  für  solche  Bagatellbeträge  setzen  sich  diese  häufig 
unerfahrenen  Mädchen  der  Gefahr  schlimmster  geschlecht¬ 
licher  Ansteckung  mit  ihren  körperzerrüttenden  Folgen  und 
der  gerichtlichen  Bestrafung  aus.  Denn  wie  Tabelle  3  aus¬ 
weist,  sind  55,5  Proz.  der  15  jährigen,  61,5  Proz.  der  16  jährigen 


und  66,6  Proz.  der  17  jährigen  Dirnen  bei  der  polizeilichen 
Untersuchung  als  geschlechtskrank  befunden  worden. 
Das  sind  äusserst  bedrohliche  Zahlen,  wenn  man  erwägt,  dass 
nicht  bloss  Tripper,  sondern  recht  häufig  Syphilis  vorliegt,  und 
dass  diese  Mädchen  ihre  Kundschaften  hauptsächlich  in  Stu¬ 
denten-  und  jungen  Kaufmannskreisen  haben.  Diese  Ver¬ 
hältniszahlen  sind  auch  viel  höher  als  bei  den  älteren  Pro-, 
stituierten,  vielleicht  weil  die  jugendlichen,  in  die  Geheimnisse 
der  Gewerbsunzucht  noch  nicht  genügend  eingeweihten  Dirnen 
leichter  der  Ansteckung  ausgesetzt  sind,  oder  weil  sie  aus  Un¬ 
kenntnis  rechtzeitig  Heilungsmassnahmen  unterlassen  oder 
weil  vielleicht  der  jugendliche,  noch  nicht  vom  Gift  selbst 
immunisierte  Körper  eine  besonders  geeignete  Brut-  und 
Pflanzstätte  für  die  Krankheitserreger  abgibt. 

Aus  den  Vorbestrafungen  jugendlicher  Dirnen  lässt 
sich  irgend  ein  bestimmter  Schluss  in  kriminalpolitischer  Be¬ 
ziehung  nicht  ableiten.  Wenn  von  88  abgeurteilten  Dirnen 
36  vorbestraft  waren,  52  noch  keine  Vorstrafen  erhalten  hatten 
(Tabelle  3),  so  leitet  sich  diese  an  sich  hohe  Straffälligkeit 
in  erster  Linie  aus  der  starken  Riickfälligkeit  wegen  Gewerbs¬ 
unzucht  ab.  Denn  22  Vorbestrafungen  betrafen  Gewerbs-  ( 
unzucht.  Es  ist  eine  unerfreuliche  Tatsache,  dass  gerade  bei 
der  Gewerbsunzucht  weder  Bestrafung  noch  Fürsorgemass¬ 
nahmen  allzuviel  nützen.  Wohl  aber  sind  zu  beachten  die 
zahlreichen  Vorbestrafungen  wegen  Diebstahls,  weil  hier  ein 
Zusammenhang  zwischen  diesem  Eigentumsdelikt  und  dem 
Unzuchtserwerb  auf  der  Grundlage  wirtschaftlicher  Notlage 
unverkennbar  ist. 

Es  ist  von  Interesse,  den  „strafrechtlichen  Le¬ 
bensgang“  wenigstens  einiger  der  jugendlichen  Dirnen  zu 
verfolgen. 

Ein  vom  Lande  stammendes  Dienstmädchen,  dessen  Mutter  früh¬ 
zeitig  gestorben  und  dessen  Stiefvater  ausgewandert  ist,  wird  mit 
13  Jahren  wegen  Diebstahls  mit  Verweis  bestraft;  gleich  darauf  wird 
sie,  noch  nicht  14  Jahre  alt,  wegen  Brandstiftung  und  Mordveisuchs 
zu  3  Jahren  Gefängnis  verurteilt.  Nach  Verbüssung  der  Strafe  treibt 
sie  Gewerbsunzucht.  . 

Ein  Mädchen  aus  einer  Taglöhnersfamilie  des  bayerischen  Über¬ 
landes,  geboren  im  Dezember  1893,  wird  im  Oktober  1906  (also  vor 
Vollendung  des  13.  Lebensjahres)  wegen  Diebstahls  mit  Verweis  be¬ 
straft;  dann  folgen  Verurteilungen  wegen  Diebstahls  im  März,  Juni, 
August,  Oktober,  November  1907;  von  da  ab  setzt  Zwangserziehung 
ein,  gleich  nach  Entlassung  aus  der  Anstalt  (Ende  1910)  beginnt  sie 
das  Leben  einer  Strassendirne. 

Eine  Taglöhnerstochter  vom  Lande,  deren  Mutter  gestorben  und  ; 
deren  Vater  unbekannten  Aufenthaltes  ist,  beginnt  mit  14  Jahren  mit 
Dienstentlaufen  und  Streunen;  mit  15)4  Jahren  erhält  sie  wegen  ■ 
Diebstahls  vom  Gericht  einer  Provinzstadt  4  Wochen  Gefängnis.  ; 
2  Jahre  später  wird  sie  in  München  wegen  Gewerbsunzucht  und 
Arbeitsscheue  das  erstemal,  kurze  Zeit  darauf  das  zweitemal  be¬ 
straft;  bei  ihrer  neuerlichen  Aufgreifung  zeigt  sie  das  Bild  der 
gänzlich  verwahrlosten  Strassendirne.  _  - 

Ein  von  rechtschaffenen  Arbeitersleuten  eines  bayerischen  Ge-  j 
birgsstädtchens  abstammendes  Mädchen  wird  als  Dienstmädchen  in 
München  mit  15)4  Jahren  wegen  Diebstahls  und  Betrugs  mit  Ver¬ 
weis  bestraft;  in  Bogen  wird  sie  kurz  darauf  wegen  Besuchs  einer  I 
Tanzmusik  mit  Haft  bestraft  und  fängt  nun  zu  streunen  an.  Ihr 
Weg  führt  nach  Moosburg,  wo  sie  wegen  Landstreicherei  verurteilt  i 
wird,  dann  begeht  sie  mit  16)4  Jahren  schwere  Diebstähle,  die  sie 
nach  Vollendung  des  17.  Jahres  fortsetzt,  so  dass  sie  mehrere  Monate 
Gefängnisstrafe  zu  verbiissen  hat.  Mit  16  Jahren  wird  sie  zum  Ge¬ 
schlechtsverkehr  verführt,  dann  trifft  sie  auf  ihren  Wanderungen  mit 
gleichgesinnten  Kameradinnen  zusammen,  die  sie  zur  Gewerbsunzucht.^ 
abrichten;  seitdem  ist  sie  Dirne. 

Typisch  ist  auch  die  Strafenfolge  einer  Kellnerin,  die  zuletzt, 
noch  nicht  18  Jahre  alt,  zur  unverbesserlichen  Strassendirne  ge¬ 
worden  ist;  geboren  im  Dezember  1892,  erhält  sie  ihre  erste  Ver¬ 
weisstrafe  wegen  Diebstahls  im  November  1908;  noch  im  gleichen 
Monat  folgt  eine  Bestrafung  wegen  Arbeitsscheue,  der  sich  Be¬ 
strafungen  wegen  der  gleichen  Uebertretung  anschliessen  im  Monat  t 
Januar,  März,  April,  Mai  1909;  dann  sinkt  sie  immer  tiefer;  es  folgen 
Bestrafungen  wegen  Unterschlagung  im  August  1909,  wegen  wieder¬ 
holten  Diebstahls  im  Oktober  und  November  1909  und  März  1910; 
im  Monat  Juni  1910  erhält  sie  die  erste  Strafe  wegen  Gewerbs¬ 
unzucht,  die  so  wenig  fruchtet,  dass  sie  knapp  nach  Monatsfrist 
seit  Strafverbiissung  wieder  wegen  der  gleichen  Uebertretung  voi, 
Gericht  steht.  Rettung  erscheint  als  ausgeschlossen. 

Wiederholt  wurde  bei  den  bisherigen  Darstellungen  vor 
Rettung  und  Fürsorge  gesprochen;  das  Jugend 
g  e  r  i  c  h  t,  vor  dem  alle  diese  jugendlichen  Prostituierten  zw 
strafrechtlichen  Aburteilung  gelangten,  ist  ja  nicht  sowoh 
Strafgericht,  als  Fürsorgebehörde;  sein  Grundsatz  ist,  nebei 
der  gesetzlich  nicht  zu  umgehenden  Strafe  Fürsorge-  un( 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15 


Erziehungsmassnahmen  vorzukehren,  um  gefährdete  junge 
Menschenkinder  noch  rechtzeitig  wieder  einem  geordneten 
ehrlichen  Leben  zuzuführen.  Ein  besonders  günstiges  An¬ 
wendungsgebiet  findet  diese  Rettungstätigkeit  bei  Mädchen, 
die  in  jungen  Jahren  der  Prostitution  anheimfallen.  Denn  es 
ist  ganz  zweifellos  verfehlt,  ein  15-  oder  16  jähriges  Mädchen 
durch  die  gerichtliche  Bestrafung  eines  einzigen  unbedachten, 
häufig  durch  Verführung  oder  Not  veranlassten  Fehltritts 
halber  zeitlebens  zur  Unzuchtsdirne  zu  stempeln  und  ihm  hie¬ 
durch  die  Rückkehr  in  anständige  Verhältnisse  unmöglich  zu 
machen.  Das  geltende  Gesetz  erlaubt  nicht,  von  Strafe  ab¬ 
zusehen;  aber  durch  die  Einrichtung  der  bedingten  Begnadi¬ 
gung  ist  wenigstens  dafür  gesorgt,  dass  das  besserungsfähige 
Mädchen  nicht  mitten  unter  älteren,  grundverdorbenen  Dirnen 
die  Strafe  verbüssen  muss,  und  durch  die  Fürsorgemass- 
nahinen  des  Jugendgerichts  soll  ihm  der  Weg  zur  Recht¬ 
schaffenheit  geebnet  werden.  Tabelle  5  führt  die  Massregeln 
auf,  die  das  Jugendgericht  in  59  von  88  Fällen  zur  Rettung  der 
von  ihm  verurteilten  jugendlichen  Prostituierten  getroffen  hat. 
Bei  Mädchen  zwischen  15  und  17  Jahren  überwiegt  die  staat¬ 
liche  Zwangserziehung  meist  in  einer  klösterlich  ge¬ 
leiteten  Erziehungs-  oder  Rettungsanstalt,  wie  sie  besonders 
trefflich  vom  Orden  der  Frauen  vom  guten  Hirten  verwaltet 
werden.  Die  meist  dringend  notwendige  sofortige  Wegnahme 
des  Mädchens  von  der  Strasse  und  aus  der  Umgebung  ihres 
Zuhälters  wird  durch  die  vorläufige  Unterbringung  in 
einem  Zufluchtsheim,  wie  solche  in  München  für  katholische 
und  protestantische  Mädchen  bestehen,  betätigt;  von  diesen 
Heimen  aus  wird  nach  entsprechender  Besserungs-  und  Reini¬ 
gungsfrist  das  Mädchen  in  eine  geeignete  Dienst-  oder  Arbeits¬ 
stelle  gebracht  und  dauernd  überwacht;  die  sofortige  Be¬ 
schaffung  von  Arbeit  ist  nur  in  seltenen  Fällen  möglich, 
denn  meist  sind  die  Mädchen  infolge  ihres  liederlichen  Lebens 
körperlich  und  sittlich  so  sehr  heruntergekommen,  dass  sie  erst 
einige  Zeit  der  äusseren  und  inneren  Festigung  bedürfen,  be¬ 
vor  man  sie  wieder  sich  selbst  überlassen  kann. 

Wenn  Fürsorgemassnahmen  ganz  aussichtslos  erscheinen, 
aber  auch  nur  dann,  kommt  es  zum  Strafvollzug;  leider  sind 
die  Fälle  völliger  Besserungsunfähigkeit  bei  Dirnen,  die  das 
17.  Lebensjahr  überschritten  haben,  nicht  allzu  selten.  Das 
längere  Verharren  in  diesem  Gewerbe,  der  Umgang  mit  älteren 
Prostituierten  und  mit  den  Zuhältern  setzt  jedem  Besserungs¬ 
oder  Beeinflussungsversuch  einen  unüberwindlichen  Damm 
negierender  Passivität  entgegen. 

Andere  Mittel  der  Bekämpfung  der  Prostitution  als  er¬ 
zieherische  Fürsorge  stehen  dem  Jugendgericht  nicht  zu  Ge¬ 
bote;  die  Münchener  Polizeidirektion  sagt  in  ihrem  wiederholt 
erwähnten  Bericht  mit  Recht,  dass  Polizei  und  Gericht  allein 
nicht  imstande  sind,,  die  Prostitution  zu  bewältigen;  hier 
müssen  alle  Behörden  und  die  vielen  wohltätigen  Vereini¬ 
gungen  zusammenhelfen;  mit  besseren  Lebensbedingungen, 
mit  der  Schaffung  gesunder  und  ausreichender  Wohnungs¬ 
verhältnisse,  mit  dem  Bestreben,  den  jungen  Männern  aus  ge¬ 
bildeten  Kreisen  die  Möglichkeit  zu  geben,  frühzeitiger  heiraten 
zu  können  als  jetzt,  wird  man  der  Prostitution  am  ehesten 
beikommen  können. 

Eine  Konsequenz  dieser  Bekämpfungsart  im  Sinne  vor¬ 
beugender  Fürsorge  ist  auch  die  Erscheinung,  dass  die  mo¬ 
dernen,  erst  in  jüngster  Zeit  erlassenen  Jugendschutz¬ 
gesetze  von  Dänemark,  Frankreich,  Belgien  minderjährige 
Mädchen,  die  Gewerbsunzucht  treiben,  nicht  mehr  bestrafen, 
sondern  in  staatlich  überwachten  Anstalten  streng  erziehen 
lassen. 

Ueber  den  Farbensinn  der  Bienen  und  die  Blumenfarben“). 

Von  K.  v.  Frisch. 

Im  Jahre  1793  erschien  ein  geistreiches  Werk,  betitelt:  „Das 
entdeckte  Geheimnis  der  Natur  im  Bau  und  in  der  Befruchtung  der 
Blumen“.  Der  Autor,  Christian  Konrad  Sprengel,  war,  wie 
er  in  der  Einleitung  erzählt,  bei  der  Betrachtung  der  Blüte  eines 
•Storchschnabels  auf  die  feinen  Haare  an  dessen  Blumenblättern  auf¬ 
merksam  geworden  und  er  dachte  nach,  wozu  sie  dienen  könnten; 
er  fand  sie  geeignet,  die  süssen  Safttröpfchen  der  Blumen  vor  der 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  Morphologie  und 
Physiologie  in  München  am  26.  November  1912. 


Verwässerung  durch  Regen  zu  schützen,  ohne  doch  den  Insekten  den 
Zutritt  zu  ihnen  zu  verhindern.  Und  je  mehr  er  die  Untersuchung 
auf  andere  Blumen  ausdehnte,  desto  mehr  sah  er  ein,  dass  ihr  Saft 
„um  der  Insekten  willen  abgesondert  werde,  und,  damit  sie  denselben 
rein^  und  unverdorben  gemessen  können,  gegen  den  Regen  gesichert 
sey".  Ein  Vergissmeinnicht  brachte  ihn  auf  den  Gedanken,  dass  hier 
der  gelbe  Ring,  welcher  die  Oeffnung  der  Kronenröhre  umgibt  und 
gegen  die  himmelblaue  Farbe  des  Kronensaumes  so  schön  absticht, 
den  Insekten  beim  Auffinden  des  süssen  Saftes  als  Wegweiser  diene. 
Er  fand  auch  bei  anderen  Blumen  solche  „Saftmale“  und  schloss  nun: 
„Wenn  die  Krone  der  Insekten  wegen  an  einer  besonderen  Stelle 
besonders  gefärbt  ist,  so  ist  sie  überhaupt  der  Insekten  wegen  ge¬ 
färbt;  und  wenn  jene  besondere  Farbe  eines  Teils  der  Krone  dazu 
dient,  dass  ein  Insekt,  welches  sich  auf  die  Blume  gesetzt  hat,  den 
rechten  Weg  zum  Saft  leicht  finden  könne,  so  dienet  die  Farbe  der 
Krone  dazu,  dass  die  mit  einer  solchen  Krone  versehenen  Blumen 
den  ihrer  Nahrung  wegen  in  der  Luft  umherschwärmenden  Insekten, 
als  Saftbehältnisse,  schon  von  weitem  in  die  Augen  fallen.“  Und 
ferner  entdeckte  er,  dass  die  Blumen  mit  ihrem  Zuckersaft  den 
Insekten  keinen  einseitigen  Dienst  erweisen,  sondern  durch  die  sie 
besuchenden  Tiere  bestäubt  werden. 

Diese  Beziehungen  zwischen  Blumen  und  InseKten  sind  seither 
der  Gegenstand  zahlreicher  wissenschaftlicher  Untersuchungen  ge¬ 
worden  —  ich  erinnere  Sie  nur  an  Hermann  Müller  und 
Darwin — ,  sie  sind  in  unzähligen  populären  Vorträgen  abgehandelt 
und  in  alle  einschlägigen  Lehrbücher  aufgenommen  worden.  Es  ist 
zu  bekannt,  als  dass  ich  darüber  hier  viel  Worte  zu  machen  brauchte: 
dass  die  Blüten,  die  durch  den  Wind  bestäubt  werden,  unscheinbar 
sind,  während  die  Blüten,  die  auf  Insektenbestäubung  angewiesen 
sind,  die  „Blumen“,  durch  Grösse  und  Farbe  der  Blumenblätter  und 
durch  ihren  Duft  auffallen  —  eine  Regel,  die  man  durch  das  Kon¬ 
statieren  gewisser  Ausnahmen  nicht  umstossen  kann;  und  es  ist  die 
herrschende  Ansicht,  dass  ihr  Duft  und  ihre  Farbe  die  Blumen  nicht 
nur  uns,  sondern  auch  den  Insekten  auffallend  macht,  und  dass  diesen 
so  das  Auffinden  der  Blüten  erleichtert  wird.  Blumenduft  und  Blumen¬ 
farbe  ergänzen  sich,  indem  sich  manche  Insekten  beim  Aufsuchen 
ihrer  Nahrung  hauptsächlich  vom  Geruchssinn,  andere  hauptsächlich 
vom  Gesichtssinn  leiten  lassen. 

Allerdings  sind  auch  Stimmen  gegen  die  genannte  Ansicht  laut 
geworden;  zwar  hat,  soviel  ich  weiss,  nie  jemand  an  der  Bedeutung 
des  Duftes  für  das  Anlocken  von  Insekten  gezweifelt;  dagegen 
spricht  z.  B.  Plateau  auf  Grund  zahlreicher  Versuche  den  Blüten- 
färben  eine  wesentliche  Bedeutung  für  das  Anlocken  der  Insekten 
ab.  Seine  Experimente  haben  von  seiten  F  o  r  e  1  s  und  mancher 
anderer  Forscher  scharfe  Kritik  erfahren,  doch  fehlt  dem  ganzen 
Streit  bisher  die  solide  Grundlage:  der  Nachweis,  dass  die  Insekten 
Farbensinn  besitzen. 

Es  ist  das  Verdienst  des  Ophthalmologen  Hess,  darauf  hin¬ 
gewiesen  zu  haben,  dass  all  die  Angaben,  die  bisher  als  Argumente 
für  einen  Farbensinn  der  Tiere  angeführt  wurden,  nicht  beweiskräftig 
sind,  da  sie  nur  zeigen,  dass  die  Tiere  Farben  zu  unterscheiden 
vermögen;  auch  der  total  farbenblinde  Mensch  kann  die  Farben  (nach 
ihrem  Helligkeitswert)  unterscheiden.  Hess  hat  nun  aus¬ 
gedehnte  Versuche  über  den  Helligkeits-  und  Farbensinn  der  Tiere 
angestellt,  über  die  ich  Ihnen  im  Juni  ausführlicher  berichtet  habe. 
Jetzt  möchte  ich  Sie  nur  kurz  daran  erinnern,  dass  Hess  durch 
neue  Methoden  bei  Amphibien,  Reptilien,  Vögeln  und  Säugetieren  das 
Vorhandensein  von  Farbensinn  nachgewiesen  hat,  dass  er  aber  bei 
Fischen  und  wirbellosen  Tieren  zu  anderen  Resultaten  kam;  ich 
erinnere  Sie  daran,  dass  unseren  Augen  die  verschiedenen  Bezirke 
eines  Spektrums  nicht  gleich  hell  erscheinen;  für  das  helladaptierte, 
farbentüchtige  Menschenauge  liegt  die  hellste  Stelle  des  Spektrums 
im  Gelb;  von  da  nimmt  die  Helligkeit  sowohl  nach  dem  roten  wie 
nach  dem  violetten  Ende  des  Spektrums  hin  ab,  man  kann  eine  für 
das  farbentüchtige  Auge  charakteristische  Helligkeitskurve  kon¬ 
struieren.  Für  das  Auge  des  total  farbenblinden  Menschen  sind  die 
Helligkeitswerte  im  Spektrum  anders  verteilt:  die  hellste  Stelle  ist 
nach  dem  Grün  zu  verschoben  und  das  Spektrum  erscheint  ihm  am 
loten  Ende  verkürzt.  Man  findet  wieder  eine  charakteristische 
Kurve,  die  auch  für  die  Helligkeitsempfindung  des  normalen 
Menschenauges  bei  Dunkeladaptation  und  Betrachtung  eines 
lichtschwachen  Spektrums  gilt,  unter  welchen  Umständen 
bekanntlich  auch  der  normale  Mensch  das  Spektrum  farblos  sieht. 
Hess  hat  nachgewiesen,  dass  für  die  Fische  und  wirbellosen 
Tiere  bei  jedem  Adaptationszustand  die  Helligkeitskurve  des 
total  farbenblinden  Menschenauges  gilt.  Sie  verhielten  sich 
in  den  Versuchen  „so,  wie  es  der  Fall  sein  muss,  wenn  ihre  Seh¬ 
qualitäten  ähnliche  oder  die  gleichen  sind,  wie  jene  des  total  farben¬ 
blinden  Menschen“1).  Ich  habe  Ihnen  in  dem  erwähnten  Vortrag 
auseinandergesetzt,  dass  die  Fisch  e,  trotz  dieses  Verhaltens, 
nicht  farbenblind  sind.  Und  ich  möchte  Ihnen  heute  über  Versuche 
berichten,  die  ich  inzwischen  im  Laufe  des  Sommers  an  Biene  n 
angestellt  habe. 

Hess  hat  seine  Experimente  auch  auf  diese  ausgedehnt  und 
nimmt  zu  unserem  Thema  in  folgender  Weise  Stellung2): 


*)  C.  Hess:  Gesichtssinn  in  Wintersteins  Handbuch  der  ver¬ 
gleichenden  Physiologie,  Bd.  IV,  1912,  S.  705. 

2)  C.  Hess:  1.  c„  S.  670. 


16 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


„Es  ist  wohl  verständlich,  dass  jener  geistvolle  Versuch 
S  p  r  e  n  g  e  1  s,  die  Farben  der  Blumen  mit  dem  Besuche  der  In¬ 
sekten  in  Zusammenhang  zu  bringen,  starken  Anklang  finden  konnte, 
um  so  mehr,  als  er  bis  jetzt  den  einzigen  Anhaltspunkt  für  das  Ver¬ 
ständnis  der  Entwicklung  der  Blumenfarben  zu  bieten  scheint.  Diese 
Hypothese  setzt  aber  voraus,  dass  die  Farben  von  den  besuchenden 
Insekten,  wenn  nicht  genau  gleich,  doch  wenigstens  bis  zu  einem  ge¬ 
wissen  Grade  ähnlich  gesehen  werden,  wie  von  uns;  denn  wenn  die 
Farbenwahrnehmungen  der  Insekten  von  den  unserigen  wesentlich 
verschieden  und  von  solcher  Art  sind,  dass  wir  uns  gar  keine  Vor¬ 
stellung  von  ihnen  machen  können,  dann  dürfen  wir,  meine  ich, 
auch  nicht  schliessen,  dass  Farben,  die  für  unser  Auge  auffallend 
oder  anziehend  sind,  es  auch  für  die  Bienen  sein  müssten.  Das  Vor¬ 
handensein  eines  dem  unserigen  auch  nur  entfernt  ähnlichen  Farben¬ 
sinnes  bei  den  Bienen  ist  aber  durch  meine  Untersuchungen  endgültig 
ausgeschlossen 

Die  Untersuchungen,  aus  denen  er  diese  Konsequenz  zieht, 
waren  folgende;  Er  brachte  Bienen  aus  dem  Stocke  in  ein  Parallel- 
wandgefäss,  in  welchem  sie  sich  als  positiv  phototaktisch  erwiesen. 
Wurde  das  Gefäss  in  ein  Spektrum  gebracht,  so  eilten  die  Bienen 
nach  dem  Gelbgrün  bis  Grün.  Wurde  nur  blaues  und  rotes  Licht 
verwendet,  so  liefen  die  Tiere  ins  Blau,  auch  wenn  für  das 
menschliche  Auge  das  Rot  deutlich  heller  war.  Erst  wenn  das  Rot 
so  lichtstark  gemacht  wurde,  dass  es  für  das  dunkeladaptierte 
Menschenauge  bei  herabgesetzter  Lichtstärke  den  gleichen  farblosen 
Helligkeitswert  hatte  wie  das  Blau,  verteilten  sich  die  Bienen  gleich- 
mässig  im  Rot  und  Blau.  Also  auch  hier  wieder,  wie  bei  den  übrigen 
Wirbellosen  und  den  Fischen,  eine  Verteilung  der  Helligkeitswerte 
im  Spektrum,  die  mit  dem  Helligkeitssinn  des  total  farbenblinden 
Menschen  übereinstimmt. 

Ich  suchte  durch  eine  andere  Methode  über  den  Farbensinn 
der  Bienen  Aufschluss  zu  bekommen. 

Mein  Versuchstisch  stand  vor  unserem  Landhaus  im  Freien,  an 
einer  vor  Regen  und  direktem  Sonnenlicht  geschützten  Stelle.  In 
einer  Entfernung  von  etwa  200  Schritten  befand  sich  ein  Bienenhaus. 
Ich  hatte  mir  (durch  verschieden  lange  Exposition  von  Kopierpapier) 
eine  Serie  mattgrauer  Papiere  hergestellt,  die  in  30  Abstufungen  von 
Weiss  bis  zu  Schwarz  führte.  Diese  Papiere  befestigte  ich  —  nicht 
nach  ihrer  Helligkeit  geordnet,  sondern  in  buntem  Durcheinander  — 
mit  Reissnägeln  in  mehreren  Reihen  nebeneinander  auf  dem  Ver¬ 
suchstisch,  so  dass  sie  zusammen  eine  rechteckige  Fläche  bedeckten. 
An  zwei  beliebig  gewählten  Stellen  wurden  zwischen  ihnen  zwei 
matt  gelbe  Papiere* 3)  von  gleicher  Grösse  (ca.  10X15  cm)  ein¬ 
geschaltet.  Auf  die  Mitte  jeden  Papieres  wurde  ein  Uhrschälchen 
gestellt,  insgesamt  also  32  Uhrschälchen  von  gleicher  Grösse  (4  cm 
Durchmesser).  Die  beiden  Schälchen  auf  den  gelben  Papieren  wurden 
mit  Honig  (später  mit  Zuckerwasser)  gefüllt,  die  anderen  Schälchen 
blieben  leer.  Nachdem  die  Bienen  durch  ein  paar  grosse,  mit  Honig 
bestrichene  Papierbogen  herbeigelockt  worden  waren,  fanden  sie 
bald  auch  die  kleinen  Honigschälchen  auf  den  gelben  Papieren 
und  wurden  nun  ausschliesslich  auf  diesen  gefüttert.  Bald  ent¬ 
wickelte  sich  ein  lebhafter  Bienenverkehr,  und  die  Schälchen 
mussten  oft  nachgefüllt  werden,  wobei  auch  häufig  die  Plätze  der 
gelben  Papiere  zwischen  den  grauen  gewechselt  wurden,  um  eine 
Dressur  auf  einen  bestimmten  O  r  t  zu  vermeiden  und  eine  reine 
Dressur  auf  die  Farbe  zu  erhalten.  Auch  wenn  der  Ort  der 
gelben  Papiere  soeben  gewechselt  worden  war,  flogen  die  Tiere, 
ohne  zu  suchen,  direkt  auf  die  Futterstellen  los,  wobei  natürlich  zu¬ 
nächst  nicht  zu  entscheiden  war,  ob  sie  durch  den  Geruchs-  oder 
Gesichtssinn  hingeleitet  wurden. 

Nachdem  die  Bienen  so  2  Tage  lang  auf  Gelb  dressiert  worden 
waren,  machte  ich  folgenden  Versuch;  Ich  nahm  zwei  neue  gelbe 
Papiere,  denen  also  noch  kein  Bienengeruch  anhaftete,  ebenso  zwei 
neue  Schälchen  für  dieselben,  entfernte  die  zwei  alten  gelben  Pa¬ 
piere  und  fügte  die  neuen  an  zwei  anderen  Stellen  zwischen 
die  grauen  Papiere  ein.  Dann  füllte  ich  sämtliche  Uhrschälchen, 
auch  die  auf  den  grauen  Papieren,  mit  Zuckerwasser.  Wenn  sich 
die  Bienen  in  ihren  Sehqualitäten  wie  total  Farbenblinde  verhalten, 
wenn  also  für  sie  das  Gelb  keinen  Farbwert,  sondern  nur  Hellig¬ 
keitswert  besitzt,  dann  ist  unter  den  genannten  Bedingungen  zu  er¬ 
warten,  dass  sie  das  Gelb  mit  bestimmten  grauen  Papieren  ver¬ 
wechseln,  mit  jenen  nämlich,  welche  für  sie  den  gleichen  farblosen 
Helligkeitswert  haben  wie  das  gelbe  Papier.  Das  ist  nicht  der  Fall. 
Vielmehr  flogen  die  Bienen  auch  jetzt  noch  den  Schälchen  auf  den 
zwei  gelben  Papieren  zu  und  drängten  sich  auf  diesen  um  das  Zucker¬ 
wasser,  während  die  vielen  mit  Zuckerwasser  gefüllten  Schälchen 
auf  den  grauen  Papieren  —  wo  sie  nichts  zu  finden  gewohnt  waren  — 
unbeachtet  blieben. 

Ich  zählte  mit  einer  Anzahl  von  Hilfsarbeitern  4)  die  Bienen,  die 
sich  während  der  ersten  10  Minuten  auf  den  Papieren  niederliessen. 


3)  Ich  bezog  eine  Serie  von  16  farbigen  Papieren  von  der  Firma 
Richard  Nendel  in  Leipzig,  Kreuzstr.  12. 

4)  Bei  diesen  und  namentlich  bei  anderen,  später  zu  beschrei¬ 
benden  Versuchen  waren,  um  ein  exaktes  Zählen  der  Bienen,  die  sich 
auf  den  verschiedenen  Papieren  niederliessen,  zu  ermöglichen,  oft 
4—6  geübte  Beobachter  nötig.  Ich  bin  einer  Anzahl  von  Freunden 
und  Verwandten  für  ihre  Hilfe  zu  Dank  verpflichtet,  besonders  aber 


Es  waren  dies  29  auf  einem.  45  auf  dem  anderen  gelben  Papier,  da¬ 
gegen  nur  3  insgesamt  auf  allen  30  grauen  Papieren,  und  zwar  eine 
auf  Grau  No.  13 5 6),  eine  auf  No.  17,  eine  auf  No.  21  (diese  letztere 
wurde  durch  einen  Windstoss  in  das  Zuckerwaser  der  betreffenden 
Schale  hineingeblasen.) 

Nun  wurde  das  Zuckerwasser  aus  den  Grauschalchen  wieder 
entfernt  und  die  Bienen  bekamen,  wie  vorher,  nur  auf  Gelb  Futter. 

Am  gleichen  Tage  machten  wir  noch  einen  anderen  Versuch: 

Es  wurden  wieder  zwei  neue  gelbe  Papiere  mit  sauberen  Uhr¬ 
schälchen  an  zwei  neuen  Plätzen  befestigt,  und  diesmal  blieben  alle 
Uhrschälchen,  auch  die  auf  den  gelben  Papieren,  leer.  Der  Bienen- 
besuch  war  sehr  rege  und  es  Hessen  sich  während  der  folgenden 
5  Minuten  220  Bienen“)  auf  den  beiden  gelben  Papieren  nieder,  wo 
sie  dichte  Klumpen  bildeten,  die  sich  in  und  neben  den  leeren  Uhr, 
schälchen  herumwälzten.  Keine  einzige  Biene  Hess  sich  auf  einem 
der  30  grauen  Papiere  nieder.  . 

Da  somit  die  Tiere  die  gelben  Papiere  unter  den  in  30  Hellig¬ 
keiten  abgestuften  grauen  Papieren  mit  Sicherheit  herausfinden,  er¬ 
kennen  sie  das  Gelb  nicht  an  seinem  Helligkeitswert,  sondern  an 
seinem  Farbwert.  Mit  anderen  Worten :  Die  Bienen  haben 
Farbensinn. 

Die  gleichen  Versuche  habe  ich,  statt  mit  gelbem,  auch  mit 
blauem  Papier  ausgeführt,  mit  den  gleichen  Resultaten.  Ich  will 
Sie  hier  nicht  mit  dem  Aufführen  von  Zahlen  langweilen  und  nur 
noch  das  Resultat  einer  Zählung  wiedergeben,  die  vorgenommen 
wurde,  nachdem  die  Bienen  einen  Tag  lang  auf  blauem  Papier  ge¬ 
füttert  worden  waren;  es  war  bei  diesem  Versuch  nur  e  i  n  blaues 
Papier  unter  den  grauen  Papieren  angebracht  und  natürlich  durch 
häufiges  Wechseln  seines  Platzes  wieder  strenge  vermieden  worden,  . 
die  Bienen  an  einen  bestimmten  O  r  t  zu  gewöhnen.  Als  nun  ein 
frisches  blaues  Papier  an  einem  neuen  Ort  befestigt  und  ein  sauberes  ' 
Uhrschälchen  daraufgestellt  wurde,  setzten  sich  binnen  4  Minuten  j 
282  Bienen  auf  das  blaue  Papier,  dagegen  nur  3  insgesamt  auf  die  i 
grauen  Papiere  (eine  auf  No.  17,  eine  auf  No.  20,  eine  auf  No.  2 7 ).  ; 

Waren  die  Bienen  einmal  gewohnt,  auf  einem  bestimmt  gefärbten 
Papier  Futter  zu  finden,  so  war  für  ihr  Verhalten  die  Wahrnehmung 
dieser  Farbe  ausschlaggebend  und  der  Geruchsinn  trat  in  den 
Hintergrund.  Dies  liess  sich  sehr  hübsch  durch  folgenden  Versuch 
demonstrieren:  Die  Bienen  waren  auf  Blau  dressiert.  Nun  wurden 
sämtliche  Uhr  schälchen  mit  Zuckerwasser  ge¬ 
füllt,  nur  auf  das  blaue  Papier  wurde  ein  sau  ber  e  s, 
leeres  Schälchens  gesetzt7).  Auch  jetzt  flogen  die  Bienen  i 
scharenweise  auf  das  blaue  Papier  und  suchten  das  leere  Schälchen 
von  allen  Seiten  ab,  während  die  gefüllten  Schälchen  meist  lange 
Zeit  unbeachtet  blieben8). 

Auch  aus  anderen,  gelegentlich  gemachten  Beobachtungen  geht 
hervor,  dass  die  dressierten  Bienen  der  Farbe  nachgingen,  unab¬ 
hängig  von  den  Geruchsqualitäten  und  auch  von  der  Form  der 
Gegenstände:  So  wurde,  als  die  Bienen  auf  Gelb  dressiert  waren, 
ein  gelber  Bleistift,  mit  dem  ich  meine  Notizen  machte,  eifrig  von 
ihnen  untersucht;  während  ich  ihn  zwischen  den  Fingern  hielt  und 
schrieb,  flogen  sie  an  ihm  auf  und  ab,  wobei  sie  ihn  mit  dem  Kopfe  y 
fast  berührten,  und  Hessen  sich  auch  häufig  auf  ihm  nieder.  Und  als 
sie  auf  Blau  dressiert  waren,  wurde  eines  Tages  mein  Bruder,  der  i 
eine  blaue  Jacke  trug  und  in  einiger  Entfernung  von  dem  Versuchs¬ 
tisch,  an  einer  anderen  Seite  des  Hauses,  Briefe  schrieb,  zum  Mittel¬ 
punkt  der  suchenden  Bienen,  so  dass  er  schleunigst  seine  Jacke 
auszog  und  abseits  über  einen  Stuhl  hängte,  der  nun  von  den  Tieren 
umschwärmt  wurde. 

Dies  sei  nur  nebenbei  erwähnt;  es  zeigt  uns  nur  wieder  von 
neuem  das,  was  schon  der  erste  Versuch  gelehrt  hat:  dass  die  Bienen 
die  Farben  an  ihrem  Farbwert  erkennen. 

Doch  könnte  man  vielleicht  gegen  alle  bisher  erwähnten  Ver¬ 
suche  einen  Einwand  konstruieren.  Man  könnte  sagen:  Die  Serie 
von  30  grauen  Papieren  ist  zwar  für  das  menschliche  Auge 
genügend  fein  abgestuft,  so  dass  ein  farbenblindes  Menschenauge  das 
blaue  Papier  mit  einem  oder  mehreren  grauen  Papieren  verwechseln 
wird;  aber  wer  sagt  uns,  dass  das  Bienenauge  nicht  eine  sehr  viel 
feinere  Helligkeitsempfindung  hat,  als  das  unsrige?  Und  dass  so  die 
Bienen  ein  farbiges  Papier,  das  für  das  farbenblinde  Menschenauge 

Herrn  Hofrat  Sigmund  Exner,  der  mich  bei  unserem  gemeinsamen 

Ferienaufenthalt  während  der  ganzen  Dauer  der  Versuche  mit  Rat 

und  Tat  unterstützt  hat. 

5)  Ich  habe  die  grauen  Papiere  ihrer  Helligkeit  nach  numeriert, 
das  hellste  mit  No.  1,  das  dunkelste  mit  No.  30. 

6)  Auf  die  Höhe  der  Zahlen  lege  ich  kein  grosses  Gewicht,  da. 
sobald  sich  an  einer  Stelle  eine  grössere  Bienenansammlung  gebildet 
hat,  schon  diese  an  sich  auf  die  neu  ankommenden  Bienen  an-  - 
ziehend  wirkt. 

7)  Bei  Versuchen,  für  die  eine  längere  Vorbereitung  nötig  war, 
wenn  z.  B„  wie  hier,  zahlreiche  Schälchen  mit  Zuckerwasser  gefüllt 
werden  mussten,  bevor  der  Versuch  beginnen  sollte,  wurden  die  Vor¬ 
bereitungen  an  einem  anderen  Ort  getroffen,  indem  auf  einem  zweiten 
Tisch  ebenfalls  eine  Serie  der  grauen  Papiere  befestigt  wurde  etc. 
Wenn  der  Versuch  beginnen  sollte,  wurde  der  Dressurtisch  rasch 
entfernt  und  der  vorbereitete  andere  Tisch  an  seine  Stelle  gesetzt. 

8)  Die  bisher  geschilderten  Versuche  wurden  auch  photographisch 
aufgenommen  und  die  Photographien  in  der  Sitzung  vorgelegt. 


7. _ Januar  1913,  _ MUENCH'ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT: 


unter  eien  grauen  Parieren  Verschwindet,  nicht  trotzdem  noch  an 
seinem  Helligkeitswert  herausfinden? 

Soll  dieser  Ein  wand  zu  Recht  bestehen,  dann 
muss  es  gelingen,  die  Bienen  mit  derselben  Exakt¬ 
heit,  mit  der  sie  sich  auf  eine  Farbe  dressieren 
lassen,  auf  ein  Grau  von  bestimmter  Helligkeit  zu 
dressieren.  Dies  gelingt  aber  nicht. 

Ich  habe  versucht,  die  Bienen  auf  ein  mittleres  Grau  (No.  15) 
zu  dressieren,  indem  ich  sie  9  Tage  lang  ausschliesslich  von  diesem 
grauen  Papier  fütterte.  Aber  ebensowenig  in  den  letzten  wie  in  den 
ersten  dieser  9  läge  war,  wenn  das  Zuckerwasser  von  dem  grauen 
Papier  entfernt  und  durch  ein  sauberes  Schälchen  ersetzt  wurde, 
eine  Bevorzugung  des  Grau  No.  15  zu  erkennen.  Die  Bienen  bevor¬ 
zugten  nicht  einmal  die  mittelgrauen  Papiere  vor  den  ganz  hellen 
und  ganz  dunklen,  wie  ich  erwartet  hatte,  sondern  Hessen  sich 
wahllos  suchend  auf  allen  grauen  Papieren  nieder. 

Es  ist  schliesslich  noch  an  eine  Möglichkeit  zu  denken :  Es 
waren  zwar  sowohl  die  farbigen  wie  die  grauen  Papiere  matt. 
Doch  war  am  Ende  des  Sommers,  als  die  grauen  Kopierpapiere 
bereits  wiederholt  feucht  geworden  waren,  eine  geringe  Differenz 
zwischen  ihnen  und  den  farbigen  Papieren  insofern  zu  erkennen,  als 
die  farbigen  Papiere  etwas  matter  erschienen  als  die  grauen;  wer 
weiss,  ob  nicht  ein  solcher  Unterschied  für  das  Bienenauge  viel 
auffallender  ist  als  für  das  unsrige,  und  ob  nicht  die  Bienen  von  vorn¬ 
herein  die  farbigen  Papiere  weder  an  ihrer  Farbe  noch  an  ihrer 
Helligkeit,  sondern  an  ihrer  Mattigkeit  erkannt  haben? 

Um  dies  zu  entscheiden,  wurde  ein  gelbes  Papier  durch  Ueber- 
ziehen  mit  Firnis  glänzend  gemacht  und  nun  dies  glänzend  gelbe 
Papier  zwischen  den  grauen  Papieren  befestigt  und  ein  sauberes 
Uhrschälchen  daraufgesetzt.  Die  auf  Gelb  dressierten  Bienen  gingen 
auf  das  glänzende  gelbe  Papier  ebenso  wie  vorher  auf  das  matt¬ 
gelbe.  Will  man  noch  einwenden,  dass  sie  nun,  unabhängig  von  allem 
Früheren,  durch  den  starken  Glanz  des  gelben  Papleres  angezogen 
worden  seien,  so  ist  dem  entgegenzuhalten,  dass  sie  graues  Papier, 
das  auf  die  gleiche  Weise  glänzend  gemacht  worden  war,  in  keiner 
Weise  beachteten. 

Aus  den  bisher  erwähnten  Tatsachen  folgt  nur,  dass  die  Bienen 
Farbensinn  besitzen,  ohne  dass  wir  noch  über  die  Art  dieses  Farben¬ 
sinnes  etwas  aussagen  können.  Ich  habe  versucht,  einen  Schritt 
weiter  zu  kommen.  Es  war  zu  erwarten,  dass  die  auf  eine  bestimmte 
Farbe  dressierten  Bienen,  wenn  man  ihnen  eine  ganze  Serie  farbiger 
Papiere  vorlegt,  nicht  ausschliesslich  auf  die  Dressurfarbe  gehen, 
sondern  in  geringerem  Grade  auch  andere,  ihnen  ähnlich  er¬ 
scheinende  Farben  aufsuchen  würden;  waren  diese  anderen 
Farben  jene,  welche  auch  unserem  Auge  mit  der  Dressurfarne  ähnlich 
erschienen,  so  konnte  man  daraus  auf  einen  dem  unsrigen  ähnlichem 
Farbensinn  der  Bienen  schliessen. 

Es  wurden  also,  nachdem  die  Bienen  genügend  lange  auf  eine 
bestimmte  Farbe  dressiert  worden  waren,  auf  einem  Tische  alle 
30  grauen  Papiere  und  zwischen  diesen  meine  ganze  Serie  farbiger 
Papiere  (16  verschiedene  Farben)  befestigt  und  auf  jedes  Papier 
ein  sauberes  Uhrschälchen  gesetzt.  Dann  wurde  dieser  Tisch  rasch 
mit  dem  Dressurtisch  ausgewechselt  und  nun  wurden  auf  sämtlichen 
Papieren  die  Bienen  gezählt,  die  sich  niederliessen. 

Zuerst  stellte  ich  diesen  Versuch  mit  Bienen  an,  die  auf  Gelb 
dressiert  waren.  Weitaus  die  meisten  Hessen  sich  auf  dem  Dressur¬ 
gelb  nieder.  Aber  auch  auf  die  vier  farbigen  Papiere,  welche  für 
unser  Auge  dem  Dressurgelb  am  nächsten  stehen,  setzten  sich  eine 
beträchtliche  Anzahl  der  Tiere,  und  zwar  auf  ein  orangefarbenes, 
auf  ein  heller  gelbes  und  auf  zwei  gelbgrüne  Papiere,  während  die 
roten,  grünen,  blauen  und  violetten  Papiere  ganz  gemieden  wurden. 

Anders  fiel  der  Versuch  mit  Bienen  aus,  die  auf  Blau  dressiert 
waren.  Sie  ignorierten  nun  zwar  die  roten,  gelben  und  grünen 
Papiere  und  besuchten  reichlich  das  Dressurblau,  sie  bevorzugten 
aber  auch  in  auffallender  Weise  violette  und  purpurfarbene  Papiere, 
die  für  unser  Auge  mit  dem  Dressurblau  keine  Aehnlichkeit  mehr 
hatten. 

Und  dementsprechend  zeigte  sich,  dass  auf  Purpurrot 
dressierte  Bienen  auch  stark  auf  Violett  und  Blau  gehen,  Rot,  Gelb 
und  Grün  hingegen  meiden.  Man  kann  sagen,  dass  sie  Purpur¬ 
rot  mit  Violett  und  Blau  „verwechseln“. 

Den  Schlüssel  zum  Verständnis  dieses  Verhaltens  gibt  uns  der 
Versuch,  die  Bienen  auf  ein  reines  Rot  zu  dressieren.  Dieser 
Versuch  misslingt.  Ich  habe  die  Bienen  6  Tage  lang  auf  rotem 
Papier  gefüttert  und  immer  kam  es,  wenn  die  Tiere  in  der 
gewohnten  Weise  (ein  reines  rotes  Papier  in  der  Grauserie) 
geprüft  wurden,  zu  Ansammlungen  der  Bienen  nicht  nur  auf  dem 
roten,  sondern  auch  auf  den  dunkelgrauen  und  schwarzen  Papieren. 
Rot  und  Schwarz  wird  von  den  Bienen  ver¬ 
wechselt9). 

Es  steht  dies  in  guter  Uebereinstimmung  mit  dem  Befund  von 
Hess,  dass  den  Bienen  das  Spektrum  am  roten  Ende  verkürzt 

erscheint. 

Vielleicht  erscheint  es  Ihnen  als  ein  Widerspruch,  dass  die 
Bienen,  von  denen  ich  früher  sagte,  sie  Hessen  sich  auf  ein  Grau  von 

9)  Auch  dies  wird  mit  Photographien  belegt.  Die  Wiedergabe 
der  Photographien  und  der  ausführlichen  Zahlenangaben  zu  den 
Versuchen  wird  später  erfolgen. 

.  No.  1. 


bestimmter  Helligkeit  nicht  dressieren,  nun  bei  der  Rotdressur  die 
schwarzen  Papiere  so  auffallend  bevorzugen.  Ich  möchte  dazu 
bemerken,  dass  ich  für  die  Helligkeitsdressur  ein  mittleres  Grau 
gewählt  hatte,  welches  sich  von  den  hellgrauen  und  dunkelgrauen 
Papieren  weniger  unterscheidet  als  ein  schwarzes  Papier  von  hell- 
gi  auen.  Und  tatsächlich  verwechselten  ja  die  Bienen  das  rote  Papier 
nicht  nur  mit  tiefschwarzen,  sondern  allgemein  mit  dunkelgrauen 
1  apieren  und  besuchten  manchmal  auch  sehr  hellgraue  Papiere  in 
beträchtlicher  Zahl. 

Wie  ist  nun  die  oben  erwähnte  Verwechselung  von  Blau  mit 
Purpurrot  zu  verstehen?  Ich  glaube,  sehr  einfach.  Das  Purpur¬ 
papier  sendet  wesentlich  rote  und  blaue  Strahlen  aus.  Wenn  die 
rote  Komponente  von  den  Bienen  nicht  gesehen  wird,  bleibt  für 
sie  nur  die  blaue  Komponente  übrig,  und  so  ist  ein  Purpur- 
10t  und  Blau,  das  für  uns  so  verschieden  aussieht, 
für  die  Bienen  ähnlich  oder  identisch. 

Es  ist  interessant,  nach  dieser  Erkenntnis  einen  Blick  auf  die 
Blumenwelt  zu  werfen,  deren  Farben  nach  den  Anschauungen 
von  Hess  mit  den  Sehqualitäten  der  Insekten  in  keinem  Zusammen¬ 
hang  stehen  sollten. 

Da  fällt  an  unserer  Flora  sogleich  der  Mangel  an  roten  Blumen 
auf.  Das  Rot  der  „rotblühenden“  Pflanzen  ist  meist  ein  Purpurrot, 
das  reichlich  Blau  enthält;  ich  erinnere  Sie  nur  an  Erica  und  Calluna, 
an  Cyclamen,  an  die  Alpenrose  (Rhododendron),  an  die  rotblühenden 
Klee-  und  Orchideenarten,  alles  Pflanzen,  die  von  Honigbienen  und 
anderen  Apiden  reichlich  besucht  werden.  Mir  ist  in  unserer  Flora 
(von  Kulturpflanzen  natürlich  abgesehen)  kein  Gewächs  mit  rein 
roten  Blüten  bekannt  ausser  dem  Klatschmohn  (Papaver  Rhoeas), 
der  allerdings  von  Bienen  besucht  wird;  doch  dieser  hat  so  grosse 
Blumenblätter,  dass  er  für  uns  auch  dann  noch  auffallend  genug  wäre, 
wenn  seine  Blüten  schwarz  statt  rot  wären:  so  mag  es  sein,  dass 
hier  die  Farbe  keine  Bedeutung  hat  und  dass  die  Mohnblüte  den 
Bienen  nur  als  grosse,  dunkle  Blume  erscheint.  Man  könnte  daran 
zweifeln,  dass  diese  Armut  unserer  Flora  an  roten  Blumen  mit  dem 
Farbensinn  der  Insekten  in  Zusammenhang  stehe.  Man  will  viel¬ 
leicht  die  Ursachen  dafür  Heber  in  der  Pflanzenwelt  selbst  suchen; 
doch  fällt  es  schwer,  solches  zu  glauben,  wenn  wir  sehen,  wie  häufig 
bei  uns  rein  rote  Früchte  sind  —  die  nicht  den  Insekten,  wohl 
aber,  im  Interesse  der  Verbreitung  der  Samen,  den  Vögeln  auf¬ 
fallen  sollen  —  und  wenn  wir  hören,  dass  in  anderen  Ländern  rote 
Blumen  häufig  sind,  und  zwar  gerade  bei  solchen  Pflanzen,  welche 
nicht  von  Insekten,  sondern  von  Vögeln,  von  Kolibris,  bestäubt 
werden.  Ich  will  Heber  einen  anderen  sprechen  lassen,  A.  Kerner 
von  M  a  r  i  1  a  u  n,  der  bei  seinen  Auseinandersetzungen  gewiss  nicht 
durch  eine  bestimmte  Ansicht  über  den  Farbensinn  aer  Insekten  vor¬ 
eingenommen  war.  Er  sagt  in  seinem  „Pflanzenleben“10); 

„Die  Zoologen  behaupten,  dass  die  Tiere,  insonderheit  jene, 
welche  zu  den  Blüten  anfliegen,  um  dort  Honig  und  Pollen  zu  holen, 
ein  hochentwickeltes  Farbengefühl  besitzen,  dass  die  Besuche,  welche 
den  Blumen  von  seiten  der  Bienen,  Hummeln,  Falter,  Fliegen  und 
Käfer  zu  teil  werden,  von  den  Farben  der  Blüte  wesentlich  beeinflusst 
werden,  dass  verschiedene  Tiere  verschiedene  Farben  vorziehen, 
und  dass  es  für  bestimmte  Insekten  geradezu  „Lustfarben“  und  „Un¬ 
lustfarben“  gebe.  Die  Lieblingsfarbe  der  Honigbiene  z.  B.  ist  ultra¬ 
violetthaltiges  Blau -  Rot  wird  dagegen  von  ihnen  verabscheut 

und  gemieden  und  ist  die  Unlustfarbe  der  Bienen.  Die  Botaniker 
sind  bei  ihren  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  zwischen 
Blumen  und  Tieren  im  grossen  und  ganzen  zu  ähnlichen  Ergebnissen 

gelangt -  Was  Rot  betrifft,  so  können  wir  das  von  den  Zoologen 

gewonnene  Resultat  nur  mit  einer  gewissen  Einschränkung  be¬ 
stätigen.  Blüten  mit  Purpurrot  und  Karminrot  sowie  mit  allen 
weiteren  Abstufungen  zu  Violett  werden  von  der  Honigbiene  sehr 
gern  aufgesucht,  und  es  können  daher  nur  Scharlachrot. 
Zinnoberrot  und  die  weiteren  Abstufungen  zu 
Orange  als  Unlustfarben  der  Bienen  angesehen  werden. 

. .  Im  Wiener  botanischen  Garten  stehen  dicht  neben¬ 
einander  der  blaublühende  Jsop  (Hyssopus  officinalis),  die  blass 
violett  blühende  Monarda  fistulosa  und  die  scharlachrot  blühende 
Monarda  didyma.  Alle  drei  blühen  zu  gleicher  Zeit  um  die  Mitte 
des  Monats  Juli.  Die  Honigbienen  kommen  reichlich  angeflogen,  aber" 
sie  besuchen  nur  den  Jsop  und  die  violett  blühende  Monarda,  die 
scharlachroten  Blüten  der  Monarda  didyma  werden  von  ihnen  ge¬ 
mieden.  Ich  sage  hier  ausdrücklich  gemieden  und  nicht  verabscheut, 
weil  es  fraglich  ist,  ob  das  Ausfallen  des  Bienenbesuchs  bei  scharlach¬ 
roten  Blüten  wirklich  durch  eine  förmliche  Scheu  vor  der  Scharlach¬ 
farbe  veranlasst  wird,  und  ob  nicht  vielmehr  Farbenblindheit  hierbei 
ins  Spiel  kommt,  welche  bekanntlich  die  Ursache  ist,  dass  auch 

manche  Menschen  das  Rot  nicht  sehen _  Das  schliesst  nicht  aus, 

dass  wieder  andere  Tiere  diese  Farbe  gut  sehen,  ja  dass  für  sie  die 
scharlachrote  Farbe  sogar  ein  wichtiges,  weithin  wirkendes  An¬ 
lockungsmittel  ist. . . .  Insbesondere  wirken  solche  Blüten  auf  die 
Kolibris,' ja  es  scheint  sogar,  dass  diese  nach  Honig  lüsternen  kleinen 
Vögel  ganz  besonders  gern  den  Scharlachblüten  zufliegen.  Vielleicht 
hängt  es  hiermit  auch  zusammen,  dass  die  Pflanzen  mit  scharlach¬ 
roten  Blumen  vorwaltend  in  jenen  Gegenden  verbreitet  sind,  wo  die 
Kolibris  ihre  Heimat  haben.  Gewiss  ist  es  auffallend,  dass  die 
scharlachrote  Farbe  in  Asien  und  Europa  ....  nur  spärlich  vertreten 

10)  2.  Bd.,  S.  190  u.  191.  Leipzig  und  Wien  1891. 


i 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


IS 


ist,  dass  dagegen  in  Amerika  ....  eine  ausnehmend  grosse  Zahl  solcher 
Blüten  vorkommt.  In  den  zentralamerikanischen  Urwäldern  fällt 
jedem  Besucher  sofort  die  grosse  Zahl  der  Schlinggewächse  und 

Ueberpflanzen  ....  auf,  welche  scharlachrote  Blüten  tragen -  In 

dem  oben  umgrenzten  amerikanischen  Gebiete  ist  ja  auch  die  Heimat 
der  Lobelien,  Fuchsien  und  Begonien  mit  brennendroten  Blumen¬ 
kelchen  _ _  der  von  den  Kolibris  umschwärmten,  in  Scharlach  ge¬ 

kleideten  Salbeiarten  (Salvia  coccinea,  cardinalis),  der  verschiedenen 
zu  den  Skrofularineen  gehörigen  Arten  der  Gattung  Alonsoa  und 
Russelia,  der  merkwürdigen  Erythrinen  (Erythrina  crista  galli, 
herbacea,  speciosa)  und  der  Caesalpineen  aus  der  Gattung  Amherstia 
und  Brownea  (Amherstia  nobilis,  Brownea  coccinea  und  grandiceps). 
deren  Blüten  durchweg  so  gebaut  sind,  dass  ihr  Honig  kaum  anders 
als  von  schwebenden  Kolibris  gewonnen  werden  kann.“ 


Nun  bleibt  noch  manche  Lücke  auszufüllen.  So  werden  Sie  es 
tadeln,  dass  ich  keine  Dressurversuche  mit  grünem  Papier  aus¬ 
geführt  habe,  auf  deren  Ausgang  man  aus  verschiedenen  Gründen 
gespannt  sein  muss.  Schuld  an  dieser  Unterlassung  ist  lediglich  der 
kalte  und  regnerische  Herbst,  der  die  Bienen  vorzeitig  in  einen  Zu¬ 
stand  phlegmatischer  Ruhe  versetzt  hat,  so  dass  ich  gezwungen  war, 
die  Fortsetzung  der  Versuche  auf  den  nächsten  Sommer  zu  ver¬ 
schieben. 

Was  ich  Ihnen  vortragen  konnte,  ist  also  kein  abgeschlossenes 
Ganzes.  Doch  davon  hoffe  ich  Sie  schon  jetzt  überzeugt  zu  haben: 
Dass  die  Blumenfarben  „um  der  Insekten  willen“  da  sind,  und  nicht 
als  Laune  der  Natur. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  München 
(Direktor:  Professor  Dr.  B.  Heine). 

Kritisches  zur  Verkürzung  der  Knochenleitung  bei 
normalem  Gehör). 

Von  Privatdozent  Dr.  Herzog,  I.  Assistenten  der  Klinik. 

Zum  Zwecke  funktioneller  Prüfung  können  wir  dem 
Akustikus  oder  besser  gesagt  seiner  Endausbreitung  (Sinnes¬ 
epithel)  innerhalb  der  Schnecke  Schallwellen  auf  2  Wegen 
zuführen:  einmal  durch  Vorhalten  tönender  Körper  (in  der 
Regel  Stimmgabeln)  vor  den  äusseren  Qehörgang,  das  andere 
Mal  durch  Aufsetzen  der  schwingenden  Stimmgabel  auf  den 
Schädel  oder  eine  entferntere  Stelle  des  Skelettes  der  Ver¬ 
suchsperson  (in  der  Regel  auf  den  Scheitel  oder  auf  den 
Warzenfortsatz).  Da  bei  der  ersten  Versuchsanordnung  die 
Schwingungen  von  den  Zinken  weg  in  die  Luft  und  von  ihr 
durch  den  äusseren  Qehörgang  auf  das  Trommelfell  über¬ 
gehen,  so  bezeichnen  wir  diese  Art  der  Schallübertragung  als 
Luftleitung;  im  Gegensatz  hiezu  sprechen  wir  bei 
direkter  Zuleitung  von  Schallschwingungen  auf  den  Schädel 
von  Knochenleitung. 

Ueber  die  physiologischen  Vorgänge  bei  der  Schallüber¬ 
leitung  überhaupt,  im  besonderen  aber  bei  der  Knochenleitung 
sind  unsere  Kenntnisse  noch  recht  lückenhaft.  Wohl  wissen 
wir,  dass  die  Schwingungen,  in  die  der  ganze  Schädel  durch 
die  aufgesetzte  Stimmgabel  gebracht  wird,  auch  die  Schall¬ 
leitungskette  —  Trommelfell,  Hammer,  Amboss,  Steigbügel  — 
in  rhythmische  Bewegung  versetzen  und  wir  sind  berechtigt 
anzunehmen,  dass  die  Labyrinthkapsel  selbst  an  den  Schwin¬ 
gungen  teilnimmt.  In  welcher  Weise  aber  diese  Bewegungen 
auf  das  nervöse  Endorgan  übertragen  werden,  also  zur  Aus¬ 
lösung  der  Sinnesempfindlichkeit  führen,  ob  der  Weg  über  die 
Schalleitungskette  der  wirksamere  ist  (=  osteotympanale 
Leitung),  oder  der  durch  den  Knochen  (=  ossale  Leitung),  ob 
beide  miteinander  in  Konkurrenz  treten  und  in  welche,  das 
sind  bis  heute  ungelöste  Fragen. 

Trotzdem  ist  dem  Kliniker  die  Prüfung  der  Knochen¬ 
leitung  für  die  Analyse  der  Qehörfunktion  unentbehrlich  ge¬ 
worden,  seit  ihre  differentialdiagnostische  Bedeutung  erkannt 
worden  ist  (S  c  h  w  a  b  a  c  h  1885).  Hundertfältige  Erfahrungen 
haben  gelehrt,  dass  bei  allen  Mittelohrprozessen  (==  Erkran¬ 
kung  des  schalleitenden  Apparates)  die  auf  den  Knochen  auf¬ 
gesetzte  schwingende  Qabel  von  dem  Kranken  wesentlich 
länger  als  vom  normalen  Ohre  gehört  wird  —  Verlänge¬ 
rung  der  Knochenleitung  — ,  und  dass  umgekehrt  bei 
Erkrankung  des  Nerven  oder  seiner  Endausbreitung  (=  Er- 

*)  Erweiterte  Diskussionsbemerkung  zu  einem  Vortrage 
Wanne  rs:  Die  Verkürzung  der  Knochenleitung  für  die  Diagnose 
intrakranieller  Erkrankungen.  Sitzungsberichte  der  Laryngo-otolog. 
Gesellschaft  München  1912. 


krankung  des  schallperzipierenden  Apparates)  der  Ton  der 
auf  dem  Schädel  ruhenden  Stimmgabel  wesentlich  rascher  ver¬ 
klingt  als  beim  Normalhörenden  —  Verkürzung  der 
Knochenleitung. 

Es  wird  also  jeweils  die  Knochenleitungsdauer  des  Pati¬ 
enten  verglichen  mit  der  des  Normalen;  die  Aenderun-g 
der  Leitungsdauer  —  Verlängerung  oder  Ver¬ 
kürzung  —  ist  bedingt  durch  Krankheitspro¬ 
zesse  im  Ohre. 

Von  ganz  anderen  Voraussetzungen  gehen  Versuche  aus, 
die  Knochenleitung  differentialdiagnostisch  zu  verwerten  für 
Erkrankungen  des  Schädels  selbst  (knöcherne  Kapsel,  Menin¬ 
gen,  Zerebrum).  Die  Tatsache,  dass  durch  die  auf  den  Scheitel 
aufgesetzte,  schwingende  Stimmgabel  der  ganze  Schädel  in 
Schwingungen  gerät  und  diese  Schwingungen  weiterleitet, 
legte  den  Gedanken  nahe,  dass  bei  Erkrankung  der  Schädel¬ 
hüllen  oder  seines  Inhaltes  die  physikalischen  Bedingungen 
für  die  Fortleitung  der  mitgeteilten  Bewegung  sich  ändern 
würden. 

Die  Methoden,  welche  zwecks  Nachweises  einer  solchen 
pathologischen  Knochenleitung  angewandt  werden,  lassen  sich 
in  2  Gruppen  teilen,  die  sich  prinzipiell  voneinander  unter¬ 
scheiden. 

Bei  der  ersten  Versuchsanordnung  wird  der  Stimmgabel¬ 
ton  am  Schädel  des  Patienten  auskultiert  an  möglichst  sym¬ 
metrischen  Stellen.  Je  nach  dem  Sitz  und  der  Art  der  Er¬ 
krankung  soll  der  Ton  über  dem  erkrankten  Bezirk  schwächer 
oder  stärker  sein,  als  auf  der  korrespondierenden  Gegend  der 
anderen  Kopfhälfte,  bezw.  der  unmittelbaren  Umgebung  des 
Krankheitsherdes.  Diese  Art  der  Prüfung  lässt  die  Hörfunk¬ 
tion  des  Untersuchten  vollständig  ausser  Betracht  und  macht 
den  Untersucher  unabhängig  vom  Patienten. 

Neben  Gabritschewsky1),  Okunew2),  Mura- 
wiew3),  Bechterew4)  hat  vor  allem  P h  1  e p s 5)  eine 
Reihe  höchst  interessanter  Befunde  mitgeteilt,  die  an  der  Ver¬ 
wertbarkeit  der  Methode  wohl  nicht  mehr  zweifeln  lassen. 
Wir  werden  auf  die  Resultate  noch  kurz  zu  sprechen  kommen. 

Bei  der  zweiten  Versuchsanordnung  wird  die  Knochen¬ 
leitungsdauer  vom  Scheitel  des  Untersuchten  verglichen  mit 
der  normalen  Knochenleitungsdauer  (Untersucher).  Sie  stellt 
also  nichts  anderes  dar  als  die  Ausführung  des  Schwa- 
b  ach  sehen  Versuches.  Während  aber  die  Prüfung  der 
Knochenleitung  im  Sinne  Schwabachs  und  nach  der  all¬ 
gemeinen  Uebung  dazu  dient,  eine  festgestellte  Schwerhörig¬ 
keit  ursächlich  zu  lokalisieren,  zu  ermitteln,  ob  eine  Erkran¬ 
kung  des  mittleren  oder  inneren  Ohres  vorliegt,  soll  eine 
Verkürzung  der  Knochenleitungsdauer  bei 
beiderseitig  normalem  Gehörorgan  Charakteristisch 
sein  für  pathologische  Veränderungen  der  Schädelkapsel  oder 
ihres  Inhaltes. 

Die  Methode  basiert  hauptsächlich  auf  den  Angaben  des 
Patienten.  Sie  setzt  ausserdem  eine  eingehende  Untersuchung 
des  Gehörorganes  voraus.  Entsprechend  dieser  Forderung 
wurde  die  Prüfung  ausschliesslich  von  Otologen  geübt.  Ver¬ 
öffentlichungen  über  ihre  Resultate  liegen  nach  dem  Vorgänge 
von  Wanner“)  nur  von  Hegetschweiler7)  und 
Hasslauer8)  vor. 

Mit  besonderer  Wärme  tritt  Hasslauer  für  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  der  Methode  ein,  in  der  er  ein  „sicheres 
Hilfsmittel  und  ein  Rechtfertigungsmittel  insbesondere  für  die 
Aerzte  der  Versicherungsgesellschaften  in  der  grossen  Reihe 
der  traumatischen  Neurosen“  sieht.  Tatsächlich  scheint  die 


1)  Gabritschewsky:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1890, 
S.  260. 

2)  Okunew:  Archiv  f.  Ohrenheilkunde,  Bd.  31,  S.  161  und 
Bd.  43,  S.  207. 

3)  Murawiew:  Neurolog.  Zentralbl.,  Bd.  12,  S.  671. 

4)  Bechterew:  Neurolog.  Zentralbl.,  Bd.  14. 

5)  Phleps:  Archiv  f.  Psych.  u.  Nervenkrankh.,  Bd.  43,  H.  2  u.  3. 

°)  Wanner  und  Gudden:  Die  Schalleitung  der  Schädel¬ 
knochen  bei  Erkrankungen  des  Gehirns  und  seiner  Häute.  Neurolog. 
Zentralbl.  No.  19,  S.  883. 

7)  Hegetsch  weiler:  Ueber  das  sogen.  Wanner  sehe 
Symptom.  Zeitschr.  f.  Ohrenheilkunde,  Bd.  60,  S.  257. 

8)  Hasslauer:  Die  Verwertung  des  S  c  h  w  a  b  a  c  h  sehen 
Versuches  bei  der  Diagnose  intrakranieller  Veränderungen.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1910,  S.  470. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


19 


Feststellung  der  Knochenleitungsdauer  eine  gewisse  praktische 
Bedeutung  in  der  Unfallsbegutachtung  erlangt  zu  haben.  Seit 
über  3  Jahren  mussten  wir  in  einer  ganz  respektablen  Zahl 
von  Fällen  in  unserer  Eigenschaft  als  Nachuntersucher  oder 
Obergutachter  Stellung  nehmen  zu  der  bereits  von  anderer 
Seite  vorgenommenen  Prüfung,  sowie  zu  den  daraus  ge¬ 
zogenen  Schlussfolgerungen.  Dadurch  sind  wir  in  der  Lage, 
einmal  unsere  eigenen  Resultate  mit  denen  anderer  Beob¬ 
achter  vergleichen  zu  können  und  weiterhin  einen  gewissen 
Einblick  in  den  Verlauf  und  die  Entwicklung  der  früher  an¬ 
genommenen  krankhaften  Veränderungen  zu  gewinnen. 

Auf  Grund  dieser  Erfahrungen  halten  wir  uns  für  be¬ 
rechtigt,  nunmehr  ein  zusammenfassendes  Urteil  über  die  Me¬ 
thode  abzugeben. 

Hiefiir  wird  es  unerlässlich  sein,  einerseits  die  Bedin¬ 
gungen  zu  prüfen,  unter  denen  eine  Verkürzung  der  Knochen¬ 
leitung  diagnostisch  für  eine  Erkrankung  des  Schädels  ver¬ 
wertbar  sein  soll  und  andererseits  das  aufgebrachte  Material 
auf  seine  Beweiskraft  zu  untersuchen. 

Die  in  der  ersten  Publikation  von  Wanner9)  aufgestellte 
I  liese  lautet:  „Lässt  sich  bei  diesen  —  gemeint  sind  zweifelhafte 
Krankheitszustände  des  Zentralnervensystems,  namentlich  solche  mit 
mangelnden  objektiven  Symptomen  —  eine  wesentliche  Verkürzung 
der  Knochenleitung  ohne  die  sonstigen  für  eine  Affektion  des  inneren 
Ohres  charakteristischen  Begleiterscheinungen  oder  neben  sonstig 
normalem  Hörvermögen  konstatieren,  so  ist  man  berechtigt,  eine 
organische  Veränderung  im  Schädelinnern  bezw.  in  den  Schädel¬ 
decken  anzunehmen.“ 

Diese  These  unterscheidet  2  Formen  von  Befunden,  in  denen  der 
Knochenleitungsverkürzung  eine  diagnostische  Rolle  zugesprochen 
wird.  Einmal  muss,  um  dies  zuerst  zu  besprechen,  neben  der  ver¬ 
kürzten  Knochenleitung  ein  sonstig  normales  Hörvermögen  zu  kon¬ 
statieren  sein.“ 

Ein  normales  Gehör  glaubt  Wanner  annehmen  zu  dürfen, 
wenn : 

T  Flüstersprache  (Residualluft!)  in  einer  Entfernung  von  9  m 
verstanden  wird,  Prüfung  mittels  Zahlworten  einschliesslich  der 
Zahl  „100“. 

2.  Das  Subkontra  C  (16  Doppelschwingungen,  bezeichnet  mit 
0-2)  in  der  Bezold-Edelmann  sehen  Tonreihe  gehört  wird 
—  normale  untere  Tongrenze. 

3.  Das  Gal  ton  pfeif  chen  bei  etwa  50U00  Doppel¬ 
schwingungen  (Eichungstabelle!)  noch  eine  Tonempfindung  auslöst 
=:  normale  obere  Tongrenze. 

■4.  Der  R  i  n  n  e  sehe  Versuch  mit  der  Stimmgabel  al  +30  Se- 
Kunden  beträgt,  d.  h.  wenn  die  schwingende  Stimmgabel  al  nach 
ihrem  Abklingen  auf  dem  Warzenfortsatz  des  Untersuchten  noch 

10  Sekunden  in  Luftleitung  von  diesem  gehört  wird. 

Kommt  zu  diesen  Kriterien  eine  Verkürzung  der  Knochen- 
eitung  vom  Scheitel,  so  soll  sie  im  Sinne  des  Autors  pathognomisch 
sein. 

Da  aber,  wie  eingangs  erwähnt,  die  Verkürzung  der  Knochen- 
eitung  im  allgemeinen  charakteristisch  ist  für  eine  Erkrankung  des 
lörnerven  (labyrinthäre  Schwerhörigkeit)  so  erhebt  sich  ohne 
weiteres  die  Frage,  ob  der  angeführte  Symptomenkomplex  bezw. 
he  Art  seiner  Feststellung  genügt,  um  eine  Erkrankung  des  inneren 
Ihres  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Nur  dann  darf  die  Verkürzung 
ter  Knochenleitung  anderweitig  diagnostisch  verwertet  werden. 

Die  Diagnose  „Erkrankung  des  inneren  Ohres“  setzt  voraus 
nie  normale  untere  Tongrenze  (C-2);  der  R  i  n  n  e  sehe  Versuch  mit 

11  kann  in  leichten  Fällen  —  und  nur  diese  kommen  differential- 
hagnostisch  überhaupt  in  Betracht  —  normale  Werte  (d.  h.  +  30) 
wägen.  Damit  scheiden  also  2  von  den  oben  angeführten  4  Sym¬ 
ptomen  aus,  um  das  funktionelle  Bild  der  „Erkrankung  des  inneren 
ihres  abzugrenzen  von  dem  fraglichen  Symptomenkomplex  „Ver- 
;ürzung  der  Knochenleitung  bei  normalem  Gehör“;  die  untere  Ton- 
;renze  und  der  Rinne  sehe  Versuch  besitzen  in  beiden  Fällen 
rleiche  Qualitäten. 

Verwertbar  bleiben  nur  noch  die  obere  Tongrenze  sowie  die 
rufung  mit  Flüstersprache. 

Die  obere  Tongr'enze  wurde  von  Wanner  mit  Hilfe  des  Gal- 
onpfeif chens  bestimmt  und  die  Reaktion  auf  Tongehör  für  eine 
teifenlänge  von  0,26 — 0,29  mm  bei  einer  Maulweite  von  0,5  mm  als 
lormale  obere  Hörgrenze  angenommen.  Die  Tonhöhe  schwankt 
uerbei  zwischen  fisa  und  g8,  d.  h.  zwischen  46  000—50  000  Doppel- 
chwingungen.  Da  bei  der  Erkrankung  des  inneren  Ohres  die  obere 
ongrenze  herabgesetzt  und  das  Gehör  für  hohe  Töne  verschlechtert 
■  ezw.  aufgehoben  ist,  so  erhellt  hieraus  ohne  weiteres  die  differential- 
hagnostische  Bedeutung  dieser  Prüfung. 

Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  auf  die  in  den  letzten  Jahren  ziem- 
ich  reichliche  Literatur  über  die  Bestimmung  der  oberen  Tongrenze 
inzugehen.  Soviel  steht  sicherlich  fest,  dass  wir  in  dem  Galton- 
»lenchen  kein  zuverlässiges  Instrument  zur  Bestimmung  dieser 
irenze  besitzen.  Davon  überzeugt  man  sich  übrigens  täglich,  sobald 


")  Wanner  und  Gudden:  1.  c.  S.  1007. 


man  neben  dem  Galtonpfeifchen  die  Hördauer  von  hohen  Stimm¬ 
gabeln,  beispw.  der  4  oder  5  gestrichenen  Oktave  prüft.  Immer  und 
nnmer  kehrt  die  Erfahrung  wieder,  dass  die  Grenze  Im  Galton- 
pfeifchen  im  Einzelfalle  sogenannte  normale  Werte  liefern  kann, 
während  die  Perzeptionsdauer  für  hohe  Töne  mehr  oder  weniger 
stark  herabgesetzt  ist.  Diese  Erkenntnis  lehrt  uns,  dass  Grenz- 
werte,  mit  dem  Galton  bestimmt,  eine  zu  unsicere  Basis  für 
Schlussfolgerungen  bilden.  Wir  müssen  deshalb  für  jeden 
einzelnen  Fall  die  Bestimmung  von  Hörweiten  für  hohe  Töne 
fordern.  Nur  wenn  diese  normale  Dauer  aufweisen,  sind  wir 
berechtigt  ein  normales  oberes  Tonbereich  und  damit  eine  normale 
obere  Tongrenze  anzunehmen,  d.  h.  eine  Erkrankung  des  inneren 
Ohres  auszuschliessen. 

Endlich  die  Prüfung  des  Sprachgehörs,  unser  wichtigstes  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittel,  das  bei  jeder  Funktionsprüfung  an  erster 
Stelle  steht!  Die  Würdigung  des  hiezu  gewöhnlich  angelegten  Mass- 
stabes  setzt  die  Kenntnis  der  Perzeptionsfähigkeit  des  normalen  Or¬ 
gans  für  geflüsterte  Sprache  voraus.  Hierüber  herrschen  meist  un¬ 
genaue  Vorstellungen. 

Ueber  das  ganz  erstaunliche  Empfindungsvermögen  des  Ohres 
für  Schalleindrücke  geben  uns  verschiedene  von  Mathematikern  an- 
gestellte  Berechnungen  Aufschluss.  So  wird,  um  nur  ein  Beispiel 
anzufühien,  noch  eine  Hörempfindung  ausgelöst,  wenn  die  Amplitude 
der  vor  dem  Ohre  schwingenden  Luftteilchen  nur  0,0000001  mm  be¬ 
trägt  10). 

Diesen  Zahlen  entsprechend  liess  sich  feststellen,  dass  vom 
jugendlichen,  normal  hörenden  Individuum  in  ruhig  gelegenem  Raum 
geflüsterte  Zahlworte  auf  89  m  Entfernung  noch  gehört  wurden. 
Diese  Distanz  stellt  noch  nicht  das  Maximum  des  normalen  Hörver¬ 
mögens  dar;  lediglich  für  die  Zahl  „100“,  die  erfahrungsgemäss  am 
schwersten  gehört  wird,  wurde  über  81  m  hinaus  nicht  mehr  ge¬ 
hört  u). 

Räume  von  derartigen  Dimensionen  stehen  uns  naturgemäss  bei 
unseren  Prüfungen  nicht  zur  Verfügung;  auch  die  erforderliche  Ruhe 
der  Aussenwelt  lässt  in  unserem  Prüfungszimmer  recht  häufig  zu 
wünschen  übrig,  namentlich  für  den  Untersucher  in  der  Grossstadt; 
und  schliesslich  stehen  unsere  Prüflinge  nicht  insgesamt  im  jugend¬ 
lichen  Alter,  für  das  allein  diese  Masse  Geltung  haben. 

Wenn  wir  mit  Rücksicht  auf  diese,  zum  Teil  rein  äusseren 
Gründe  in  der  Regel  uns  mit  einer  Distanz  von  9  oder  10  m  be¬ 
gnügen  müssen  und  ein  Ohr,  das  auf  diese  Entfernung  sämtliche 
Zahlen  einschliesslich  der  Zahl  „100“  in  Flüstersprache  perzipiert, 
als  normal  zu  bezeichnen  pflegen,  dürfen  wir  nicht  vergessen,  dass 
wir  hiermit  sozusagen  ein  Kompromiss  unter  dem  Zwange  der  Ver¬ 
hältnisse  eingegangen  sind  und  dass  dieser  Hörweite  nur 
dann  das  Prädikat  normal  gegeben  werden  darf, 
wenn  auch  alle  übrigen  Prüfungsmethoden  nor¬ 
male  Wo. rte  aufwe/isen.  Hieraus  die  Konsequenz  für  die 
vorliegende  Frage:  Ist  bei  einem  Hörvermögen  von  9  oder  10m 
Flüstersprache  und  normaler  unterer  Tongrenze  die  Knochenleitung 
vom  Scheitel  verkürzt,  so  haben  wir  als  Grund  für  die  Verkürzung 
der  Knochenleitung  eine  Erkrankung  des  inneren  Ohres  (leichteren 
Grades)  solange  anzunehmen,  bis  durch  einwandfreie  Methoden  diese 
ausgeschlossen  werden  kann.  Ein  differentialdiagnostisches  Mittel 
hiefür  besitzen  wir  in  der  Bestimmung  von  Hördauern  für  hohe  Töne 
c\  g* 4,  c5;  die  Feststellung  des  Grenzwertes  für  Tongehör  mit  dem 
üaltonpfeifchen  genügt  den  Anforderungen  nicht. 

Ueber  den  zweiten  Teil  der' These  Wanners  —  „Fälle  mit 
einer  wesentlichen  Verkürzung  der  Knochenleitung  ohne  die  sonstigen 
für  eine  Affektion  des  inneren  Ohres  charakteristischen  Begleiter¬ 
scheinungen“  —  kann  ich  mich  kurz  fassen.  Gemeint  sind  damit 
offenbar  die  bekannten  Labyrinthsymptome:  subjektive  Geräusche, 
Schwindelgefühl,  Nystagmus,  Erbrechen.  Alle  diese  Erscheinungen 
werden  in  einer  grossen  Anzahl  von  Erkrankungen  des  inneren  Ohres 
vollkommen  vermisst,  so  dass  aus  ihrem  Fehlen  nicht  der  geringste 
Schluss  auf  eine  Intaktheit  des  Labyrinthes  bezw.  der  Schnecke  zu 
ziehen  ist. 

Mit  unseren  bisherigen  Ausführungen  glauben  wir  klargelegt  zu 
haben,  dass  das  von  Wanner  geübte  Vorgehen  zur  Diagnose  „Ver¬ 
kürzung  der  Knochenleitung  bei  normalem  Gehör“  einer  strengen 
Kritik  nicht  standhält.  Der  Grund  hiefür  liegt,  um  dies  nochmal 
hervorzuheben,  in  der  Vernachlässigung  der  Prüfung  von  Hördauern 
hoher  Töne,  die  uns  allein  zuverlässigen  Aufschluss  über  das  Hör¬ 
vermögen  am  oberen  Ende  der  Tonskala  gibt  und  damit  andererseits 
das  Recht,  einen  Hörwert  für  Flüstersprache  von  9  m  als  normal  zu 
bezeichnen. 

Die  Notwendigkeit  dieser  Forderung  wird  am  besten  beleuchtet 
durch  die  Untersuchungen  Hasslauers12).  Sein  Vorgehen  deckt 
sich  mit  dem  von  Wanner.  Flüstersprache  wurde  nur  auf  7  m 
Entfernung  geprüft.  Die  Untersuchten  (Rekruten.  Unteroffiziere, 
Fähnriche,  1  Offizier,  2  Invalide)  standen  fast  ausschliesslich  in 


10)  Rayleigh:  Poggendorfs  Annal.  Bd.  I,  S.  503  und 

Topp  ler  und  Beltzmann:  Poggendorfs  Annal.  Bd.  141, 

S.  321  (zitiert  nach  B  e  z  o  1  d) :  Ueber  die  funktionelle  Prüfung  usw. 
Bd.  3,  S.  35. 

41)  Morsak:  Hörprüfungen  mittels  der  Sprache  am  gesunden 
und  kranken  Ohr.  Archiv  f.  Ohrenheilk.  Bd.  68. 

12)  Hasslauer:  1.  c. 


3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


20 


Ho.  1. 


jugendlichem  Alter.  „Während  alle  Untersuchten  iibci  Zimnierlänge 
nachsprachen,  d.  h.  es  wurde  abgewendet  vom  Untersuchten  gegen 
die  Wand  gesprochen,  fand  sich  in  4  Fällen  eine  kaum  nennenswerte 
Herabsetzung  der  Hörschärie;  die  Hörweite  bei  diesen  betrug  7  m, 
also  gerade  Zimmerlänge.“  Eine  Hörweite  v  o  n  7  m  iüi 
Flüstersprache  beim  jugendlichen  Individuum 
als  kaum  nennenswerte  Herabsetzung  des  Gehörs 
zu  bezeichnen,  heisst  den  Verhältnissen  me  h  r  als 
Gewalt  antun.  Dass  man  bei  dieser  Sachlage  den  Resultaten 
Hasslau  ers  jede  Beweiskraft  absprechen  muss,  braucht  keine 
weitere  Erörterung. 

Mit  diesem  Hinweis  haben  wir  bereits  den  zweiten  1  eil  unserei 
eingangs  gestellten  Aufgabe  angeschnitten,  die  kritische  Würdigung 
des  von  den  Autoren  gegebenen  Materials.  .  ,  . 

Wann  er  bringt  an  der  Spitze  seiner  Kasuistik  2  Falle,  bei 
denen  die  Obduktion  Veränderungen  innerhalb  des  Schädels  auf¬ 
deckte;  bei  dem  ersten:  Sklerose  des  Schädeldaches,  starke  Ver¬ 
wachsung  der  Dura  mater  mit  dem  Schädeldach,  mässige  Verdickung 
und  Trübung  der  Dura  mater,  leichte  Verdickung  und  Trübung  dei 
weichen  Hirnhäute;  bei  dem  zweiten:  chronische  fibröse  Pachi- 
meningitis,  starke  Abplattung  der  Hirnwindungen,  in  dem  basalen 
Teile  des  Stirnhirns  beiderseits  ein  walnussgrosser  Tumor,  der  sich 
bei  mikroskopischer  Untersuchung  als  sarkomatös  entartetes  Chole¬ 
steatom  erweist.  Für  den  ersten  Fall  —  49  jähriger  Mann  —  lautete 
die  klinische  Diagnose:  Alkoholismus  chronicus,  Neuritis  alkohohca, 
K  o  r  s  a  k  o  f  f  sehe  Psychose;  für  den  zweiten :  Alkoholismus  chro¬ 
nicus,  Tumor  cerebri  (53  jährige  Frau).  In  beiden  Fällen  hatte 
Wanner  Verkürzung  der  Knochenleitung  bei  normalem  Gehör  fest- 


£CCSt6llt. 

Im  Anschluss  daran  werden  15  Fälle  (Lues;  Alkoholismus; 
Epilepsie;  Idiotie;  zerebrale  Kinderlähmung;  progressive  Paralyse; 
traumatische  Neurose)  mit-  mehr  oder  weniger  starker  Verkürzung 
der  Knochenleitung  mitgeteilt.  Da  es  sich  bei  diesen  lediglich  um 
klinische  Untersuchungen  handelt,  so  erübrigt  sich,  darauf  einzugehen 
mit  dem  Hinweis  auf  unsere  oben  begründeten  Einwendungen.  Dass 
diese  Untersuchungen  tatsächlich  einer  kritischen  Sichtung  be¬ 
dürfen,  zeigen  beispielsweise  die  Fälle  11,  15,  16,  17,  bei  denen  das 
Resultat  gewaltig  von  den  Forderungen  des  Autors  selbst  abweicht; 
die  Verkürzung  der  Knochenleitung  findet  ihre 
Erklärung  in  der  sichtlich  schweren  Erkrankung 
desinnerenOhres. 

Die  Schlussfolgerungen  Wanners  gründen  sich  also  aut 
2  Fälle,  bei  denen  die  Obduktion  pathologische  Veränderungen  inner¬ 
halb  der  Schädelkapsel  nachweisen  konnte.  Wenn  wir  ganz  absehen 
von  der  Frage,  ob  hier  Knochenleitungsverkürzung  und  zerebrale 
Erkrankung  ohne  weiteres  in  gegenseitige  Beziehung  von  Ursache 
und  Wirkung  gebracht  werden  dürfen,  so  erscheint  es  wohl  min¬ 
destens  sehr  gewagt,  auf  zwei  vereinzelte  Beobachtungen  weit¬ 
gehende  Folgerungen  zu  bauen,  aus  ihnen  die  Berechtigung  abzu¬ 
leiten,  in  jedem  Falle  „von  Verkürzung  der  Knochenleitung  trotz 
völligen  Mangels  objektiver  Symptome  eine  organische  Veränderung 
im  Schädelinnern  bzw.  in  den  Schädeldecken  anzunehmen.“  Einer 
Bevorzugung  erfreut  sich  hierbei  die  Diagnose:  „Verwachsung  der 
harten  Hirnhaut  mit  dem  Knochen“,  die  wir  in  den  zahlreichen  Gut¬ 
achten  ausschliesslich  angetroffen  haben;  sie  ist  offenbar  der  patho¬ 
logisch-anatomischen  Diagnose  des  einen  der  beiden  Obduktionsfälle 

nachgebildet.  ,  ,  ,  , 

Stellen  wir  uns  aber  einmal  auf  den  Standpunkt  des  Autors 
bezüglich  der  Gültigkeit  seiner  Beobachtungen.  Als  „organische 
Veränderung  im  Schädelinnern“  nehmen  wir  mit  ihm  an  „patho¬ 
logische  Verwachsung  der  Dura  mit  dem  Knochen“.  Da  die  Ver¬ 
kürzung  der  Knochenleitung  auf  rein  physikalischen  Bedingungen 
beruhen  soll,  so  scheinen  uns  zwei  Forderungen  unabweisbar: 

1.  die  Verkürzung  der  Knochenleitung  muss  in  jedem  Falle  nach¬ 

gewiesener  Verwachsung  der  Dura  mater  mit  dem  Knochen  vor¬ 
handen  sein;  ,  _ , 

2.  die  Verkürzung  muss  entsprechend  der  Annahme  von  Ver¬ 
wachsungen,  d.  i.  Narbenbildung,  ebenso  dauernd  wie  diese  be¬ 
stehen  bleiben. 


Die  Dura  mater  ist  mit  die  Ernährerin  der  knöchernen  Schädel¬ 
kapsel.  Dies  bedingt  schon  normalerweise  innige  Beziehungen  der 
beiden  Gebilde  zueinander.  Immerhin  aber  lässt  sich  die  Dura  ohne 
besondere  Schwierigkeit  vom  Knochen  trennen  (operative  Eingriffe, 
Obduktion)  beim  jugendlichen  Individuum.  Im  Alter  ändern  sich 
diese  Verhältnisse:  Jenseits  des  50.  Lebensjahres,  bei  Einwirkung 
von  gewissen  Schädlichkeiten  (Alkoholismus),  häufig  früher,  ist  die 
Dura  so  stark  dem  Knochen  adhärent  —  mit  ihm  verwachsen  , 
dass  eine  Trennung  nur  durch  Gewalt  möglich  ist.  Diese  im  Alter 
bestehende,  offenbar  durch  die  physiologische  Involution  bedingte 
Verwachsung  kann  für  uns  nicht  in  Betracht  kommen.  Ebensowenig 
kann  die  mit  zunehmenden  Jahren  eintretende  Verkürzung  der 
Knochenleitung  darauf  bezogen  werden,  da  gleichzeitig  eine  Abnahme 
des  Hörvermögens  auf  der  Basis  degenerativer  Prozesse  im  Sinnes¬ 
epithel  nachweisbar  wird.  Pathologische  Verwachsungen  der  Dura 
mit  dem  Knochen  werden  aber  wohl  in  erster  Linie  entstehen  durch 
entzündliche  Prozesse.  Einwandfrei  sind  die  Verwachsungen  nur 
durch  die  Obduktion  oder  nach  operativer  Eröffnung  der  Schadel- 
kapsel  nachweisbar.  Derartige  Fälle,  klinisch  untersucht  und  durch 
Augenschein  bestätigt,  stehen  uns  nicht  zur  Verfügung. 


•  Verwachsungen  zwischen  Dura  und  Knochen  müssen  ange¬ 
nommen  werden  bei  Patienten,  die  durch  I  raumen  Defekte  im 
Schädeldache  erworben  und  bei  denen  der  Defekt  osteoplastisch  ge¬ 
deckt  wurde.  Denn  hier  wird  auf  die  blossgelegte  granulierende  und 
angefrischte  Dura  der  Hauptperiostknochenlappen  gelegt,  dessen 
Wundfläche  mit  der  Dura  verwächst.  Die  folgende  Untersuchung 
ist  gewonnen  an  einem  Patienten  vor  und  nach  der  Knochenplastik. 

'  O.,  27  Jahre  alt,  Knecht.  -fl 

Ueber  dem  rechten  Scheitelbein  ein  rautenförmiger,  etwa  mark¬ 
stückgrosser  Defekt  des  Knochens.  Ueber  dem  Defekt  Gehirnpul¬ 
sation  fühlbar.  (Hufschlagverletzung.)  Trommelfell  normal;  funk¬ 
tioneile  Prüfung  (Kochlearis  und  Vestibularis)  liefert  normale  Werte. 

Die  schwingende  Stimmgabel  vom  Scheitel  sowohl  wie  über 
dem  Defekt  wird  ebenso  lange  gehört  wie  vom  Untersuchenden 
(Normalhörender);  auch  beim  Aufsetzen  der  schwingenden  Stimm¬ 
gabel  auf  die  Ränder  des  Defektes  und  die  unmittelbare  Umgebung 
ist  keine  Verkürzung  gegenüber  der  Norm  zu  konstatieren. 

Die  Untersuchung  nach  der  osteoplastischen  Deckung  )  des 
Defektes  lieferte  die  gleichen  Resultate:  Keine  \  erkiirzung 
der  L  e  i  t  u  n  g  beim  Vergleich  zwischen  Scheitel¬ 
höhe  und  Knochenlappenmitte  gegenüber  der 
Knochenleitung  eines  Normalhörenden. 

Ein  hoher  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  Ver¬ 
wachsungen  der  Dura  mit  ihrer  Nachbarschaft  (Knochen  oder  1  ia) 
besteht  in  jenen  Fällen,  bei  denen  nach  schwererer  Gewalteinwirkung 
grössere  Stücke  des  knöchernen  Daches  zertrümmert  wurden,  wobei 
aber  die  Tabula  interna  noch  erhalten  blieb,  so  dass  Dura  selbst 
nicht  freiliegt.  Hierbei  sind  Blutungen  innerhalb  des  getroffenen 
Bezirkes  und  dessen  Nachbarschaft  unausbleiblich;  die  Organisation 
solcher  extraduraler  oder  subduraler  Hämatome  führt  zur  Narben¬ 
bildung  zwischen  den  Hüllen  des  Schädels. 

Der  Zufall  führte  uns  zwei  annähernd  gleichartige  Verletzte  zu; 
die  beiden  Männer  standen  im  5.  Dezennium;  bei  beiden  Patienten 
waren  Defekte  von  gut  Fünfmarkstückgrösse  über  dem  linken 
Scheitelbein;  die  Haut  mit  der  knöchernen  Unterlage  verwachsen. 
Die  funktionelle  Prüfung  ergab  bei  dem  einen  normale  Gehörorgane 
bei  dem  anderen  eine  ziemlich  hochgradige  typische  Erkrankung  des 
inneren  Ohres.  Die  Knochenleitung  über  dem  Def  e  k  t 
war  bei  beiden  Patienten  verlängert.  Bei  dem  Pa¬ 
tienten  mit  normalem  Gehör  um  5 — 6  Sekunden  gegenüber  der  Norm, 
bei  dem  zweiten  —  Erkrankung  des  inneren  Ohres  —  um  6—8  Se¬ 
kunden  gegenüber  der  Leitung  vom  Scheitel. 

Epikrise:  Naturgemäss  sind  verwertbare  Fälle  spärlich,  weil 
schwerere  Schädelverletzungen  nicht  selten  labyrinthäre  Schädi¬ 
gungen  (Verkürzung  der  Knochenleitung!)  zur  Folge  haben.  Um  so 
bemerkenswerter  erscheinen  die  3  angeführten  Beobachtungen;  sie 
zeigen,  dass  trotz  Verwachsung  von  Dura  und  Kno¬ 
chen  die  Knochenleitung  über  dem  befallenen  Be- 
zirk  unverändert  sein  und  dass  ein  andermal  nach 
schweren  Traumen  eine  Verlängerung  der  Leitung 
resultieren  kann.  (Schluss  folgt.) 


Chronische  diphtherische  Infektion  der  Lungen. 

Von  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Ad.  Schmidt  in  Halle. 

In  No.  44,  1912  dieser  Wochenschrift  berichtet  Reye  aus 
dem  pathologischen  Institut  des  Eppendorfer  Krankenhauses 
über  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  in  den  Lungen 
während  und  nach  Ablauf  der  Racheninfektion.  Unter 
67  Fällen  fand  er  sie  58  mal  (85  Proz.);  darunter  27  mal  in 
bronchopneumonischen  Herden  und  12  mal  in  vollständig  un¬ 
veränderten  Lungen  nach  abgelaufener  Krankheit.  Der 
späteste  Zeitpunkt,  in  dem  sie  angetroffen  wurden,  war  dei 
20.  Krankheitstag.  Sind  schon  diese  Befunde,  welche  die  1894 
von  Kutscher  erhobenen  (Zeitschr.  f.  Hyg.,  18.  Bd.)  be¬ 
stätigen  und  erweitern,  hinsichtlich  der  Frage  der  Bazillen¬ 
träger  von  grosser  Bedeutung,  so  verdienen  sie  auch  Beach¬ 
tung  von  seiten  des  Klinikers,  insofern  sie  auf  die  Möglichkeit 
hinweisen,  dass  sich  auf  der  Basis  der  Diphtherie  chronische 
Veränderungen  der  Lungen  entwickeln  können.  Dafüi 
sprechen  auch  die  Erfahrungen  von  Petruschky  („Gesund¬ 
heit“  1912,  No.  1  u.  2),  der  im  Auswurf  von  Patienten,  welche 
Diphtherie  überstanden  hatten,  einmal  noch  nach  Monaten,  eir 
anderes  Mal  sogar  nach  3  Jahren  Diphtheriebazillen  nach¬ 
weisen  konnte,  allerdings  bei  völlig  negativem  Lungenbefunde 

Bei  dem  im  folgenden  mitzuteilenden  Falle  chronische 
diphtherischer  Lungenaffektion  liegt  die  Ausgangsinfektioi 
wahrscheinlich  10  Jahre  zurück.  Seit  der  Zeit  besteht  dauernc 
Husten  und  eitrig-schleimiger  Auswurf  mit  periodischen  Fieber- 


12*)  Osteoplastische  Deckung  nach  König -  Müller  nach  An 
frischurig  der  alten  Knochenränder.  Dura  mit  dem  Zerebrum  ver 
wachsen;  Lösung  dieser  Verwachsung. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


21 


bewegungen.  Im  Auswurf  findet  sich  konstant  eine  Reinkultur 
von  Diphtheriebazillen,  während  der  Tonsillenabstrich  frei 
davon  ist.  Tuberkelbazillen  fehlen.  Der  Lungenbefund  ent¬ 
spricht  dem  einer  chronischen  interstitiellen  Pneumonie,  er 
hat  sich  allmählich  zu  der  gegenwärtigen  Deutlichkeit  ent¬ 
wickelt.  Ich  verdanke  die  Zuweisung  der  Patientin  Herrn 
Sanitätsrat  Dr.  Z  ü  h  1  k  e  in  Dessau,  der  mir  auch  seine  Jour¬ 
nalnotizen  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  hat. 

Besonders  hervorheben  möchte  ich,  dass,  soweit  sich 
feststellen  lässt,  niemals  eine  Uebertragung  der  Diphtherie 
von  der  Patientin  auf  ihre  Umgebung  stattgefunden  hat.  Herr 
Dr.  Z  ü  h  1  k  e  hat  darauf  besonders  geachtet.  Das  wird  ver¬ 
ständlich  aus  dem  Ergebnis  der  hier  vorgenommenen  Rein¬ 
züchtung  der  fraglichen  Bazillen.  Diese  sind  nämlich  gegen¬ 
wärtig  und  wahrscheinlich  schon  lange  avirulent.  Man  muss 
demgemäss  die  periodischen  Fieberattacken  auf  Sekundär¬ 
infektionen  („Erkältungen“)  oder  Sekretretentionen  zurück¬ 
führen.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  die  im  Jahre  1903  und 
1904  vorgenommenen  Seruminjektionen  auf  die  Virulenz  der 
Bazillen  von  Einfluss  gewesen  sind,  jedenfalls  haben  sie  das 
Krankheitsbild  in  keiner  Weise  beeinflusst.  Ob  es  möglich  ist, 
auf  dem  von  Petruschky  eingeschlagenen  Weg  der  aktiven 
Immunisierung  mit  abgetöteten  Kulturen  eine  „Entkeimung“ 
der  Patientin  zu  erreichen,  wäre  interessant  zu  wissen;  bisher 
hat  sich  leider  die  Patientin  zu  dieser  Therapie  noch  nicht  ent¬ 
schlossen  können. 

Frau  Oberförster  R.  aus  D.,  62  Jahre  alt,  in  Beobachtung  vom 
10.  X.  bis  22.  X.  12. 

Anamnese:  Keine  erbliche  Belastung  mit  Lungenleiden. 
Früher  stets  gesund.  1897,  März  bis  Mai,  schwere  Influenza  mit 
Lungenentzündung,  die  aber  vollständig  überwunden  wurde. 

Im  November  1902,  angeblich  nach  Erkältung,  starker 
Schnupfen  mit  langdauerndem  Husten,  der  seitdem  nur  vorübergehend 
sich  wieder  gebessert  hat,  vielmehr  allmählich  zunahm  und  mit 
eitrigem  Auswurf  verbunden  war.  Zeitweise,  zuerst  im  Dezember 
1902,  gesellte  sich  Luftmangel  hinzu,  namentlich  bei  Bewegungen 
und  Anstrengungen,  zeitweise  auch  mehr  oder  minder  erhebliche 
Fieberbewegungen. 

Im  Januar  1903  traten  ziehende  Schmerzen  in  den  Beinen 
auf,  zugleich  mit  einer  ödematösen  Schwellung  der  Füsse.  Die  Beine 
waren  so  schwach,  dass  sie  nur  kurze  Zeit  stehen  konnte.  Gleich¬ 
zeitig  „Herzschwäche“  und  „Blutarmut“.  Diese  Erscheinungen 
besserten  sich  im  Laufe  der  nächsten  Monate,  während  der  Auswurf 
anhielt  (diphtherische  Paresen?).  Im  Mai  1903  wurde  zu¬ 
erst  konstatiert,  dass  der  Klopfschall  über  der  rechten  Lungenspitze 
ein  wenig  kürzer  war  als  links.  Auf  der  linken  Seite  stand  die  untere 
Lungengrenze  tiefer  als  rechts.  Nach  einer  Erkältung,  welche  mit 
Fieber  verbunden  war,  fand  sich  einmal  auch  ein  kleines,  erbsen¬ 
grosses  Stückchen  Blut  im  Auswurf.  Ein  Aufenthalt  in  Ems  brachte 
keine  Besserung  des  Hustens,  vielmehr  verschlimmerte  er  sich  im 
Laufe  des  Sommers  so,  dass  täglich  etwa  13 — 15  mal  ein  eitriger 
Ballen  ausgeworfen  wurde. 

Am  26.  Oktober  1903,  nach  einer  Konsultation  in 
Balle,  wurde  zuerst  der  Auswurf  bakteriologisch 
untersucht,  wobei  eine  Reinkultur  von  Diphtherie¬ 
bazillen,  aber  keine  Tuberkelbazillen  gefunden 
wurden.  Im  Abstrich  vom  Rachen  fehlten  dagegen  Diphtherie¬ 
bazillen.  Infolgedessen  wurde  eine  Injektionsbehandlung  mit  Diph¬ 
therieserum  vorgenommen,  welche  bis  zum  Mai  1904  ausgedehnt 
wurde.  Die  Einspritzungen  lösten  niemals  Fieber  aus,  hatten  aber 
gar  keinen  Einfluss  auf  den  Lungen-  und  Sputumbefund: 

Erneute  bakteriologische  Untersuchung  des  Sputums  im  hygie¬ 
nischen  Institut  zu  Halle  am  17.  November  1903  und  am  23.  Januar, 
September  und  November  1904  hatten  dasselbe  Ergebnis  wie  das 
erstemal :  Reinkultur  von  Diphtheriebazillen,  keine 
l'uberkelbazillen.  Wiederholte  Abstriche  der 
Mandeln  Hessen  dagegen  Diphtheriebazillen  stets 
vermissen.  Im  ganzen  verschlechterte  sich  im  Laufe  des  Jahres 
Jas  Lungenleiden,  indem  die  Menge  des  täglichen  Auswurfes  zeit¬ 
weise  bis  auf  43  Ballen  pro  Tag  und  die  Temperatur  gelegentlich  bis 
auf  39,2  stieg.  Von  Zeit  zu  Zeit  liessen  sich  katarrhalische  Geräusche 
(trockene  und  feuchte)  über  beiden  Lungen  nach  weisen.  Das  Körper¬ 
gewicht  nahm  aber  etwas  zu,  von  132  bis  auf  144  Pfd. 

Im  Sommer  1905  längerer  Aufenthalt  in  S.  Remo  und  Nervi, 
welcher  das  Allgemeinbefinden  besserte,  aber  keinen  Einfluss  auf  den 
Husten  hatte.  Die  Dämpfung  über  der  rechten  Spitze  war  inzwischen 
deutlicher  geworden  und  hat  sich  seitdem  wenig  verändert.  No¬ 
vember  1906  musste  die  Patientin  nach  Verschlucken  ungewöhnlich 
stark  husten,  worauf  am  nächsten  Tage  etwa  8  mal  hintereinander 
etwas  Blut  ausgeworfen  wurde.  Erneute  Untersuchung 
des  Auswurfes  in  Halle  mit  dem  gleichen  Befunde 
wie  früher.  Diese  Untersuchungen  sind  seitdem 
i  ä  h  r  1  i  c  h  wiederholt  worden  und  haben  stets  (.las¬ 
se  1  b  e  Ergebnis  gehabt. 


Seit  1910  hat  die  Kranke  langsam  an  Gewicht  verloren.  Sie 
wog  zuletzt  105  Pfd.  Der  Husten  verteilt  sich  über  den  ganzen  Tag 
und  fördert  etwa  25 — 35  Ballen  eitrigen  Auswurfes  zutage.  Uebel- 
riechend  soll  derselbe  niemals  gewesen  sein.  Fieberbewegungen  hat 
sie  von  Zeit  zu  Zeit  gehabt,  aber  eigentlich  keine  Atemnot  mehr.  Im 
Frühjahr  dieses  Jahres  lag  sie  wochenlang  an  „Influenza“. 


Status:  Mittelgrosse,  grazil  gebaute  magere  Frau.  Keine 
Oedeme,  keine  Drüsenschwellungen.  Während  der  Beobachtungszeit 
trotz  Bettruhe  dauernd  Fieberbewegungen  (vgl.  Fig.  1). 

Der  Thorax  ist  flach,  wird  bei  der  Atmung  wenig  ausgiebig  be¬ 
wegt,  rechts  noch  etwas  weniger  als  links.  Die  Atmung  ist  in  der 
Ruhe  nicht  beschleunigt.  Bei  der  Perkussion  findet  sich  über  der 
rechten  Spitze,  am  deutlichsten  oberhalb  der  Spina  scap.,  eine  Ab¬ 
schwächung  des  Perkussionsschalles.  Rechts  vorn  unten  ist  die 
Lungengrenze  mangelhaft  bei  der  Atmung  verschieblich,  rechts  hinten 
unten  steht  sie  im  10.,  links  im  11.  IKR.  Ueber  der  gedämpften  rech¬ 
ten  Spitze  ist  das  Atmungsgeräusch  verschärft,  sowohl  im  Inspirium 
wie  im  Exspirium.  Rechts  hinten  oben  vereinzelte  Rasselgeräusche. 
Das  Röntgenbild  der  Lungen  zeigt  einen  Hochstand  und  mangelhafte 
Bewegungsfähigkeit  der  rechten  Zwerchfellhälfte.  Im  übrigen  er¬ 
kennt  man  in  der  ganzen  rechten  Lunge,  namentlich  im  Unter¬ 
lappen  und  in  der  Spitze  Schattenbildungen.  Auch  die  linke  Spitze 
ist  nicht  völlig  durchsichtig:  abgesehen  von  einer  Verdunklung  der 
Kuppe  findet  sich  ein  umschriebener  pflaumenkerngrosser  Schatten¬ 
punkt  inmitten  einer  helleren  Zone,  ein  ähnlicher,  nicht  so  deutlicher, 
etwas  tiefer  (verkalkte  Infiltrate?). 

Hinten  unten  beiderseits  hin  und  wieder  etwas  Giemen,  aber 
nicht  konstant.  Beständig  Husten,  mit  dem  von  Zeit  zu  Zeit  ein 
Ballen  eitrig-schleimigen,  leicht  rötlich  getönten  Auswurfes  entleert 
wird. 

Der  Herzbefund  ist  normal,  der  Puls  nicht  beschleunigt,  regel¬ 
mässig.  Abdominalorgane  ohne  Besonderheiten.  Urin  frei  von  Ei- 
weiss  und  Zucker.  Reflexe  normal. 

Mundschleimhaut  ohne  Besonderheiten,  ebenso  die  Rachen¬ 
organe.  Insbesondere  keine  Rötung  oder  Schwellung  der  sehr  kleinen 
Tonsillen.  Keine  Drüsenschwellungen  im  Hals.  Im  Auswurf,  dessen 
Menge  pro  Tag  ca.  50  ccm  betrug,  fanden  sich  trotz  sorgfältigster 
Untersuchung  niemals  elastische  Fasern,  ferner  niemals  Tuberkel¬ 
bazillen,  dagegen  bei  wiederholter  Untersuchung  (mit  einer  Aus¬ 
nahme)  regelmässig  Diphtheriebazillen  in  Reinkultur,  daneben  nur 
ganz  vereinzelte  Kokken.  Der  Abstrich  von  den  Rachenorganen  fiel 
einmal  negativ  aus,  ein  anderes  Mal  (als  die  Patientin  gerade  vorher 
gehustet  hatte)  enthielt  er  Diphtheriebazillen. 

Die  aus  dem  Sputum  gezüchteten  Kulturen  des  Diphtherie¬ 
bazillus  verhielten  sich  bei  subkutaner  Injektion  avirulent  gegen¬ 
über  Meerschweinchen.  Die  36stündige  Kultur  war  toxinfrei. 
Im  übrigen  zeigten  die  Kulturen  folgende  morphologische  Eigen¬ 
schaften  (nach  Mitteilung  des  Hygienischen  Instituts) :  Lange, 
schlanke  Stäbchen  mit  regelmässigen  kolbigen  Verdickungen  an 
beiden  Enden;  Körnchen  reichlich,  typisch  gefärbt.  Das  Wachs¬ 
tum  auf  Serum,  Glyzerinagar  und  in  Bouillon  liess  keine  Unter¬ 
schiede  gegenüber  dem  verschiedener  anderer,  frisch  gezüchteter 
Kulturen  erkennen.  In  5  ccm  zuckerfreier  Bouillon  wurden  bei 
40  stündigem  Wachstum  1,6  ccm  V*»  N.-Natronlauge  zur  Neutralisation 
verbraucht  gegenüber  1,9  ccm  einer  frischen  Diphtheriekultur  (untere 
Grenzen  bei  Diphtherie  =  0,7  ccm).  Danach  kann  kein  Zweifel  daran 
sein,  dass  es  sich  um  echte  avirulente  Diphtherie¬ 
bazillen  und  nicht  um  Pseudodiphtheriebazillen  handelte. 

Die  Therapie,  welche  in  Bettruhe,  Umschlägen,  periodischer 
Tieflagerung  des  Kopfes,  Einatmungen  von  Terpentin  etc.  bestand, 
hatte  keinen  Einfluss  auf  den  Zustand. 

Eine  der  vorstehenden  in  vieler  Hinsicht  ähnliche  Beob¬ 
achtung  hat  Beyer  vor  kurzem  in  der  Berliner  klinischen 
Wochenschrift  (No.  44,  1912)  mitgeteilt.  Auch  hier  handelte  es 
sich  um  avirulente  Diphtheriebazillen,  welche  anscheinend  schon 
Jahre  lang  in  den  Luftwegen  vorhanden  waren,  aber  keine 
Erkrankung  der  Lunge  selbst,  sondern  nur  eine  (fieberlose) 
fibrinöse  Entzündung  der  Luftröhre  hervorgerufen  hatten.  Die 


22 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Bazillen  waren  nicht  in  Reinkultur,  sondern  gemischt  mit  ver¬ 
schiedenen  Kokken  und  Bazillen  vorhanden.  Es  gelang  nicht, 
durch  Behandlung  mit  abgeschwächten  Diphtheriebazillen  Hei¬ 
lung  zu  erzielen. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig  (Direktor:  Geh.  Rat 
Prof.  Dr.  v.  Strümpell). 

Kasuistischer  Beitrag  zur  Diagnose  perforierender 
Aneurysmen  der  Hirnarterien. 

Von  Dr.  R.  Langbein,  Oberarzt  im  Kgl.  Sachs.  Fussartillerie- 
Regiment  12,  vorher  kommandiert  zur  Klinik. 

In  No.  51,  1911  dieser  Wochenschrift  hat  Wiehern 
mehrere  Fälle  von  perforierenden  Aneurysmen  der  Hirn¬ 
arterien  beschrieben,  und  im  Anschlüsse  daran  hat  er  aus 
Fällen  in  der  Literatur  und  seinen  eigenen  die  Symptome  ge¬ 
schildert,  die  die  klinische  Diagnose  derartiger  Erkrankungs¬ 
fälle  in  vivo  wahrscheinlich  machen. 

Im  September  1911  hatten  wir  Gelegenheit,  einen  Fall  zu 
beobachten,  dessen  Erscheinungen  wir  auf  ein  perforiertes 
Hirnaneurysma  beziehen  zu  können  glauben.  Wenn  auch  die 
Diagnose  nur  nach  dem  klinischen  Bild  gestellt  werden  konnte, 
war  doch  an  der  sicheren  Diagnose  wohl  kein  Zweifel. 

Ein  40  jähriger  Maler,  dessen  Eltern  in  hohem  Alter,  dessen 
mehrere  Geschwister  klein  an  unbekannter  Ursache  gestorben 
waren,  gab  an,  dass  sein  Bruder  mit  16  Jahren  angeblich  an  „Gehirn¬ 
schlag“  gestorben  war,  nachdem  er  8  Tage  besinnungslos  gelegen 
hatte.  Er  selbst  war  nie  ernstlich  krank  gewesen,  angeblich  auch 
nie  geschlechtskrank,  wohl  aber  hatte  er  vor  2  Jahren  einmal  einen 
„heiseren  Hals“  gehabt.  Er  erkrankte  in  der  Nacht  vom  23.  zum 

24.  VIII.  1911  mit  Leibschmerzen,  Erbrechen,  Kopfschmerzen.  Am 

25.  trat  Nacken-  und  Rückensteifigkeit  auf,  in  den  nächsten  Tagen 
stärkerer  Opisthotonus,  Druckempfindlichkeit  der  Wirbel,  positiver 
Kernig.  Eine  am  4.  IX.  1911  vorgenommene  Lumbalpunktion  ergab 
blutig-serösen  Liquor.  Da  der  Blutgehalt  des  Liquor  als  artifiziell 
gedeutet  wurde,  schenkte  man  ihm  keine  Bedeutung.  TB.  negativ. 

In  den  nächsten  Tagen  trat  rasche  Besserung  ein,  so  dass  Pat. 
am  14.  IX.  11  auf  Wunsch  aus  der  ärztlichen  Behandlung  entlassen 
werden  und  die  Arbeit  wieder  aufnehmen  konnte  . 

Doch  schon  am  18.  IX.  stellten  sich  wieder  stärkere  Kopf-  und 
Kreuzschmerzen  und  Mattigkeit  ein,  und  am  19.  IX.  wurde  Pat.  nach 
vorherigem  mehrmaligem  Erbrechen  plötzlich  ohnmächtig  während 
der  Arbeit  und  wurde  deswegen  ins  Krankenhaus  eingeliefert. 

Befund:  Pat.  ist  wieder  vollständig  klar,  antwortet  prompt, 
wenn  auch  langsam.  Bei  der  Lage  im  Bett  fällt  nichts  Besonderes 
auf.  Die  rechte  Pupille  ist  etwas  weiter  als  die  linke;  beide  Pupillen 
reagieren  träge  auf  Lichteinfall.  Wirbelsäule  nicht  druck-,  klopf- 
und  stossempfindlich.  Die  seitlichen  Kopfbewegungen  sind  frei,  Be¬ 
wegungen  des  Kopfes  nach  vorn  und  hinten  eingeschränkt,  dabei 
angeblich  Spannen  in  der  Gegend  der  oberen  Brustwirbel. 

Reflexe  o.  B.  Kernig  positiv. 

Blutbild  o.  B„  insbesondere  keine  basophil  gekörnten  Erythro¬ 
zyten  nachweisbar. 

21.  IX.  Lumbalpunktion:  Druck  über  28cm.  Der  Liquor  ist 
gleichmässig  von  Blut  durchsetzt,  von  fast  fleischwasserfarbigem  Aus¬ 
sehen,  gerinnt  nicht,  ist  nach  dem  Zentrifugieren  stark  gelb  gefärbt. 
Erythrozyten  im  Kubikmillimeter  ca.  100  000,  weisse  Zellen  ca.  460; 
Eiweissgehalt  ca.  2  Prom. 1). 

Wassermann  im  Liquor  und  Blut  stark  positiv. 

Augenhintergrund  (Prof.  Dr.  Bielschowsky)  normal. 

24.  IX.  Lumbalpunktion;  Druck  18cm,  rasch  abfallend.  Liquor 
stark  blutig,  nach  dem  Zentrifugieren  stark  gelb  (stärker  als  am 
21.  IX.).  Erythrozyten  im  Kubikmillimeter  ca.  20  000,  Eiweissgehalt 
ca.  \XA  Prom. 

25.  IX.  Status  idem.  Dauernd  geringes  Fieber.  Beginn  einer 
Inunktionskur  von  3  g  Hg  pro  die;  ausserdem  täglich  4  g  Gelatine 
intramuskulär. 

27.  IX.  Seit  gestern  fieberfrei.  Allgemeinbefinden  besser.  Be¬ 
wegungen  des  Kopfes  freier. 

29.  IX.  Mittags  2  und  3  Uhr;  kurzer,  1—2  Minuten  dauernder 
Krampfanfall:  Bewusstlosigkeit,  Brechreiz,  Blässe  des  Gesichtes, 
Hände  zur  Faust  geballt,  nach  innen  rotiert  und  an  die  Brust  gedrückt. 
Kopf  nach  hinten  ins  Kissen  gebohrt.  Pupillenreaktion  während  des 
Anfalls  nicht  geprüft,  nach  dem  Anfall  träge.  Beine  bleiben  ruhig. 
Nach  beiden  Anfällen  Erbrechen,  Klagen  über  stärkere  Kopfschmerzen. 
Abends  geringe  Besserung. 

30.  IX.  In  letzter  Nacht  grosse  Unruhe,  Phantasieren.  Morgens 
träge  Reaktion  auf  Fragen.  Pat.  schläft  viel.  Augenhintergrund 
(Prof.  Dr.  Bielschowsky)  normal. 

1.  X.  Geringe  Besserung. 

2.  X.  Wieder  stärker  Opisthotonus. 


U  Die  Untersuchung  der  Lumbalflüssigkeit  wurde  zum  Teil 
von  Herrn  Dr.  Zaloziecki  ausgeführt. 


4.  X.  In  letzter  Nacht  grosse  Unruhe.  Blutdruck  118  mm  nach 


Riva-Rocci.  .  ,  ...  ... 

5.  X.  Vormittags  Besserung;  nachmittags  plötzlich  Klagen  über 
Leibschmerzen.  Patient  dreht  sich  nach  der*  Seite  und  auf  den  Leib, 
ballt  die  Hände  fest  zur  Faust.  Starker  Opisthotonus.  Pupillen 
reagieren  sehr  träge.  Dauer  des  Anfalls  1 — 2  Minuten. 

8.  X.  Grosse  Unruhe  wechselt  mit  Schlaf.  Noch  starker  Opistho¬ 
tonus.  ,  . 

Status  idem.  Lumbalpunktion:  Druck  13cm.  Liquor 
Erythrozyten  im  Kubikmillimeter  ca.  2160,  weisse  Zellen 


12.  X. 
stark  gelb, 
ca.  420. 

16.  X. 

20.  X. 

ctaIVi  pntViält  nnrh  wpnio-  r 


Langsame  Besserung.  _ 

Lumbalpunktion:  Druck  16cm.  Liquor  noch  schwach 

rnlo  iinrl  MtPlCCP  Wöf  nPl'fllP.ll 


23.  X.  Zunehmende  Besserung  des  Allgemeinbefindens,  Kopfbe¬ 
wegungen  frei.  Pat.  steht  langsam  auf. 

24. X.  Lumbalpunktion:  Druck  20cm.  Liquor  klar.  Pandy  und 
Nonne  negativ.  Im  Kubikmillimeter  noch  45  Zellen.  Wassermann 
negativ. 

27.  X.  Pat.  wird  auf  Wunsch  nach  Hause  entlassen. 

Ich  habe  vor  wenigen  Wochen  den  Patienten  in  seiner  Wohnung 
aufgesucht.  Er  war  vollkommen  beschwerdefrei,  konnte  seiner  Ar¬ 
beit  regelmässig  nachgehen. 

Seit  der  Veröffentlichung  von  Wiehern  ist  meines 
Wissens  kein  weiterer  klinisch  diagnostizierter  Fall  von 
perforiertem  Hirnaneurysma  bekannt  geworden.  Da  Wiehern 
in  obiger  Abhandlung  alles  Wissenwerte  bereits  genau  ge¬ 
schildert  hat,  erübrigt  es  sich,  auf  alle  Einzelheiten  einzugehen. 
Ich  möchte  daher  nur  das  Notwendige  nochmals  hervorheben. 


Das  Aneurysma  einer  Hirnarterie  ist  in  gewissem  Sinne 
eine  Neubildung  im  Schädelraum.  Dementsprechend  werden 
wir  von  den  Erscheinungen  finden  einmal  allgemein  zerebrale, 
als  Kopfschmerzen,  Schwindel,  Erbrechen,  Bewusstseins¬ 
störungen,  dann  eventuell  Herdsymptome  und  Hirndruck¬ 
symptome.  Als  Prädilektionsstelle  kommt  in  Frage  die  Gehirn¬ 
basis  und  die  Gegend  der  Fossa  Sylvii,  weniger  finden  sich 
Aneurysmen  innerhalb  des  Gehirns.  Eine  weitere  Eigentüm¬ 
lichkeit  liegt  in  dem  meist  ganz  plötzlichen  Einsetzen  der 
Symptome.  Der  Grund  hierfür  ist  vielleicht  vereinzelt  schon 
in  der  plötzlichen  Ausdehnung  der  elastischen  Wände  der 
Aneurysmen  infolge  einer  Blutdrucksteigerung  bedingt,  häu¬ 
figer  jedoch  durch  schubweise  einsetzende  Blutungen.  Eine 
vierte  Eigentümlichkeit  liegt  in  dem  durch  den  Inhalt  hervor¬ 
gerufenen  Sausen  im  Kopf  und  dem  häufigen  hörbaren  systo¬ 
lischen  Geräusch  am  Kopf.  Von  ausschlaggebender  Bedeutung 
ist  die  Lumbalpunktion,  die  einen  blutigen,  nicht  gerinnenden 
Liquor  ergibt. 

Berücksichtigen  wir  diese  Symptome  für  unsern  Fall,  so 
finden  wir  allgemeine  meningitische  Erscheinungen  wie  Kopf¬ 
schmerzen,  Erbrechen,  Bewusstlosigkeit,  anfangs  Nacken¬ 
steifigkeit,  später  Opisthotonus,  Auftreten  des  Kernig  scheu 


Symptoms. 

Als  ätiologisches  Moment  kommt  in  unserem  Falle  sicher 
nur  Syphilis  in  Frage  —  Wassermann  ist  sowohl  im  Blut  als 
auch  im  Liquor  stark  positiv  — ,  wenn  auch  eine  kongenitale 
Anlage  einer  Gefässgeschwulst  bei  dem  immerhin  noch  jugend¬ 
lichen  Alter  des  Patienten  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  ist. 
Bemerkenswert  ist,  dass  ein  Bruder  mit  16  Jahren  angeblich 
einen  Gehirnschlag  erlitten  hat,  was  die  Annahme  einer  kon¬ 
genitalen  Anlage  zu  Gefässmissbildungen  innerhalb  des 
Schädels  vielleicht  zu  stützen  vermag,  da  sich  in  der  Anam¬ 
nese  mehrerer  Fälle  von  Hirnaneurysmen  ähnliche  Angaben 
finden.  Andererseits  ist  auch  der  Beruf  des  Mannes  als  Maiei 
zu  beachten,  d.  h.  also  der  Einfluss  des  Bleies  auf  den  Or¬ 
ganismus. 

Auffällig  ist  auch  in  unserem  Falle  wieder  das  schubweise 
Auftreten  der  Erscheinungen;  aus  der  Krankengeschichte  gehl 
hervor,  dass  wir  es  mit  4  Insulten  zu  tun  haben.  Wenn  wii 
uns  erinnern,  dass  fast  jeder  einzelne  Insult  mit  Leibschmerzer 
einsetzte,  ist  es  sehr  wohl  möglich,  dass  es  sich  dabei  uir 
Bleikoliken  gehandelt  hat,  die  ihrerseits  eine  Blutdruck¬ 
steigerung  hervorgerufen  und  dadurch  die  Blutung  des  Aneu 
rysmas  verursacht  haben. 

Für  die  Diagnose  entscheidend  war  die  Lumbalpunktion 
die  einen  gleichmässig  mit  Blut  durchsetzten,  bei  der  erstet 
Punktion  fast  fleischwasserfarbenen  Liquor  ergab. 

Die  klinische  Diagnose  ist  in  diesem  Falle  nicht  durch  du 
Sektion  bestätigt  worden,  aber  ich  glaube,  dass  nach  de 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


23 


Aetiologie  und  dem  Verlauf  mit  Bestimmtheit  die  Diagnose  auf 
ein  perforiertes  Hirnaneurysma  gestellt  werden  kann. 

Was  den  Ort  anlangt,  käme  vielleicht  eine  der  kleinen 
Zerebralarterien  in  Frage. 

Fiir  nicht  ganz  so  sicher,  wenn  auch  höchst  wahrschein¬ 
lich,  möchten  wir  die  Diagnose  in  einem  anderen  Falle  halten, 
der  erst  in  letzter  Zeit  in  unserer  Klinik  zur  Beobachtung  kam. 

Ein  bis  zur  jetzigen  Erkrankung  gesunder  Mann  von  36  Jahren 
erkrankte  am  7.  VII.  12  plötzlich  mit  Schmerzen  im  Kopf  und  Nacken 
und  Erbrechen.  In  den  nächsten  Tagen  Zunahme  der  Beschwerden, 
Minzutreten  von  Kreuzschmerzen.  Am  13.  VII.  12  Aufnahme  ins 
Krankenhaus. 

Befund:  Deutliche  Nackensteifigkeit.  Pupillen  reagieren 
prompt.  Linker  Abduzens  anscheinend  leicht,  rechter  vielleicht  auch 

paretisch. 

Augenhintergrund  (Prof.  Dr.  B  i  e  1  s  c  h  o  w  s  k  y) :  rechts  an 
einer  nasalen  Vene  eine  kleine  Blutung.  Deutliche  Arteriosklerose. 
Papille  nicht  geschwellt. 

2.  Aortenton  stark  akzentuiert  und  klingend. 

Puls  stark  gespannt  (300 mm  nach  Recklinghausen). 

Reflexe:  Patellarreflexe  schwach.  Kernig  stark  positiv,  rechts 
Babinski  schwach  positiv. 

Im  Urinsediment  granulierte  und  hyaline  Zylinder,  Leukozyten, 
Epithelien.  keine  roten  Blutkörperchen. 

15.  VII.  Lumbalpunktion:  Druck  9cm.  Liquor  leicht  blutig  ge¬ 
färbt,  zeigt  eine  deutliche  gelbe  Farbe,  besonders  aber  nach  dem 
Zentrifugieren.  Nonne  leicht  positiv.  Im  Kubikmillimeter  609  Zellen, 
meist  weisse  Zellen,  wenig  gut  erhaltene  Erythrozyten,  mehr  Schatten 
derselben.  17.  VII.  Allgemeine  Besserung. 

23.  VII.  Keine  Beschwerden  mehr.  Normaler  Befund. 

31.  VII.  Patient  wird  beschwerdefrei  auf  Wunsch  entlassen. 

Was  die  Diagnose  in  diesem  Falle  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  wahrscheinlich  macht,  sind  verschiedene  Tatsachen. 

Aetiologisch  kommt  nur  Arteriosklerose  in  Frage. 

Aus  der  Krankengeschichte  ist  folgendes  hervorzuheben: 
Die  Erkrankung  setzte  ein  mit  Kopfschmerzen  und  Erbrechen, 
bald  trat  Nackensteifigkeit  auf,  und  es  bestand  geringe  Ab- 
duzensparese  beiderseits.  Die  Lumbalpunktion  ergab  einen 
unter  erhöhtem  Druck  stehenden,  leicht  blutig  gefärbten  Liquor. 

Wir  haben  also  hierbei  drei  charakteristische  Erschei¬ 
nungen,  die  fiir  eine  Blutung  in  den  Schädelraum  und  Wirbel¬ 
kanal  sprechen: 

1.  das  plötzliche  Einsetzen, 

2.  die  allgemeinen  zerebralen  Symptome  (Kopfschmerzen, 
Erbrechen  etc.), 

3.  der  Blutgehalt  des  Liquor. 

Die  Frage,  ob  es  sich  bei  dieser  Blutung  um  eine  solche 
aus  einem  geplatzten  (nicht  erweiterten)  Gefäss  oder  aus 
einem  Aneurysma  handelt,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  ent¬ 
scheiden.  Wiehern  glaubt,  dass  Blutungen  aus  einem  ge¬ 
platzten  Gefäss  fast  immer  zum  Tode  führen,  weil  um  die 
blutende  Stelle  herum  noch  keine  Thromben  liegen,  während 
beim  Aneurysma  dieses  selbst  meist  immer  mit  Thromben  ge¬ 
füllt  ist,  die  eine  geringere  Blutung  wahrscheinlich  machen. 

Trotzdem  glaube  ich,  wenn  man  die  Aetiologie  mit  berück¬ 
sichtigt,  die  Möglichkeit  einer  Blutung  aus  einem  Hirn¬ 
aneurysma  nicht  ausschliessen  zu  können.  Dass  die  Blutung 
anscheinend  nur  einmal  aufgetreten  ist,  spricht  jedenfalls  nicht 
dagegen. 

Der  Sitz  des  Aneurysma  ist  in  diesem  Falle  ziemlich 
genau  zu  bestimmen;  da  beide  Nn.  abducentes  paretisch 
waren,  wird  wohl  die  so  oft  betroffene  A.  basilaris  etwa  an 
der  Vereinigungsstelle  der  A.  vertebrales  befallen  sein. 


Aus  der  Privat-Frauenklinik  San. -Rat  Dr.  Steffeck  und 
Dr.  Crede-Hörder  zu  Berlin. 

Ueber  die  „Spätinfektion“  der  Ophthalmoblennorrhoe. 

Von  Dr.  C.  Crede-Hörder. 

20  Proz.  aller  Ophthalmoblennorrhöen  sind  sogen.  Spät¬ 
infektionen.  Unter  diesem  Schlagwort  sammelt  man  alle  die 
eitrigen  Augenentzündungen  der  Neugeborenen,  die  vom 
5.  Tage  an  nach  der  Geburt  ausbrechen. 

Bisher  hat  man  stets  angenommen,  dass  diese  Spät¬ 
infektionen  durch  Uebertragung  der  Krankheitserreger  auf 
indirektem  Wege,  nämlich  von  den  erkrankten  Genitalien  der 
Mutter  durch  die  Hände  der  Mutter,  durch  die  Hände  der 
Pflegerin  oder  sonstwie  durch  infizierte  Wäsche  auf  das 
Kind,  erregt  würden. 


Für  viele  Fälle  der  Spätinfektion  mag  dies  gelten,  aber 
nicht  für  alle  Fälle.  Schon  Carl  Crede  hat  die  Tatsache 
konstatiert,  dass  Kinder  an  Spätinfektion  der  Blennorrhoe 
erkrankten,  die  völlig  von  der  Mutter  —  direkt  nach  der  Ge¬ 
burt  —  isoliert  worden  waren.  Er  konnte  keine  plausible  Er¬ 
klärung  dafür  finden.  Meine  Erfahrungen  haben  mich  eben¬ 
falls  gelehrt,  dass  wiederholt  Neugeborene,  obwohl  sie  gleich 
post  partum  von  der  Mutter  entfernt  wurden  und  gesondert 
verpflegt  wurden,  doch  an  Ophthalmoblennorrhoe  in  der  Spät¬ 
form  erkrankten.  Eine  indirekte  Uebertragung  konnte  ich 
völlig  ausschliessen. 

Wenn  wir  die  Hypothese  der  indirekten  Uebertragung  der 
Krankheitserreger  von  den  Genitalien  der  Mutter  auf  das  Kind 
betrachten,  so  müssen  wir  zunächst  berücksichtigen,  dass  oft 
nicht  die  Gonokokken  die  Erreger  sind,  vielmehr  sind  es  oft 
andere  Bakterien,  die  an  der  Infektion  Schuld  haben.  Diese 
Tatsache  ist  von  grösster  Wichtigkeit;  denn  die  Infektions¬ 
möglichkeit  steht  in  direktem  Zusammenhang  mit  der  Lebens¬ 
dauer  und  Lebensfähigkeit  der  Bakterien. 

So  wissen  wir  von  den  Gonokokken,  dass  sie  ausser¬ 
ordentlich  empfindlich  sind,  dass  sie  das  Austrocknen  nicht 
vertragen,  dass  sie  eine  ganz  bestimmte  Wärme  nötig  haben 
und  bei  einer  Temperatur  unter  30°  C  zugrunde  gehen.  Das 
drängt  ohne  weiteres  den  Schluss  auf,  dass,  wenn  schon  die 
Möglichkeit  der  Uebertragung  von  Gonokokken  direkt  von  den 
Genitalien  der  Mutter  auf  das  Auge  der  Kinder  in  der  Geburt 
gering  ist,  dann  noch  weitaus  geringer  die  Uebertragungs- 
möglichkeit  durch  die  Hände  der  Mutter  oder  des  Warte¬ 
personals  ist.  Ich  will  mit  dieser  Bemerkung  die  Möglichkeit 
nicht  ausschliessen,  dass  solche  indirekte  Uebertragungen 
stattfinden,  nur  die  Wahrscheinlichkeit  und  die  Häufigkeit  ins 
richtige  Licht  rücken. 

Aber  abgesehen  vom  eben  Erwähnten,  wo  finden  wir  die 
Erklärung  für  die  Spätinfektion  oder  den  späten  Ausbruch 
einer  Ophthalmoblennorrhoe  bei  Kinde  rn,  die  gleich  nach 
der  Geburt  von  der  Mutter  getrennt  wurden? 

Um  eine  Erklärung  zu  finden,  habe  ich  Versuche  an¬ 
gestellt.  Es  waren  drei  Möglichkeiten  vorhanden; 

1.  Die  Gonokokken  könnten  eine  sehr  lange  Inkubations¬ 
zeit  haben. 

Diese  Möglichkeit  können  wir  gleich  ausschalten;  denn 
es  ist  bereits  festgestellt,  dass  die  Inkubationszeit  der  Gono¬ 
kokken  nie  über  5  Tage  beträgt.  Wenn  daher  eine  Ophthalmo¬ 
blennorrhoe  am  12.  Tage  ausbricht,  so  kann  sie  schwerlich 
durch  Gonokokken  akquiriert  sein,  die  in  der  Geburt  das  Auge 
befielen.  Wenn  man  noch  bedenkt,  welch  günstigen  Boden 
die  Augenschleimhaut  für  die  Entwicklung  der  Gonokokken 
darstellt! 

2.  Die  Gonokokken  sind  erst  ganz  kurz  vor  Ausbruch  der 
Ophthalmoblennorrhoe  auf  das  kindliche  Auge  übertragen 
worden. 

Diese  Möglichkeit  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen; 
im  Gegenteil,  diese  Art  der  Uebertragung  ist  sicher  mit  die 
häufigste.  Aber  es  ist  nicht  die  einzige  Ursache  der  Krank¬ 
heit.  Unbedingt  aber  müssen  wir  noch  eine  dritte  Erkran¬ 
kungsmöglichkeit  berücksichtigen  —  ehe  wir,  wenn  es  sich  um 
Spätinfektionen  handelt,  oft  ungerecht,  die  Mutter  oder  das 
Pflegepersonal  beschuldigen. 

Ich  bin  zu  dem  Schluss  gekommen,  dass  oft 

3.  Gonokokken  in  der  Geburt  ins  Auge  gelangen  und  sich 
eine,  ihre  sonstige  Inkubationszeit  gehörig  übersteigende  Zeit 
dann  dort  aufhalten,  ohne  sichtbare  Krankheitserscheinungen 
zu  verursachen. 

Die  Beschaffenheit  der  äusseren  Teile  des  Auges  und  der 
Augenlider  ist  sehr  geeignet,  in  gewissen  Regionen  zahlreiche 
Gonokokken  aufzunehmen  und  unter  günstigen  Bedingungen 
lebensfähig  zu  erhalten.  Die  Konjunktiva  kommt  hier  nicht 
in  Betracht.  Denn  wenn  die  Gonokokken  dorthin  gelangen, 
so  vermehren  sie  sich  rapid  und  erzeugen  bald  eine  typische 
Gonoblennorrhoe.  Dagegen  sind  die  zahlreichen  grossen 
Drüsen  der  Lidränder  sehr  geeignet,  um  Schlupfwinkel  für  die 
Gonokokken  abzugeben.  Hier  können  sie  sich  einnisten  und 
vermehren.  Speziell  die  Meibom  sehen  Drüsen  kommen 
hier  in  Betracht.  Diese  Drüsen  können  trotz  der  Art  ihres 
Sekretes  sich  leicht  entzünden  (Chalazion). 


24 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Bei  diesen  Entzündungen  kann  es  zu  reichlicher  Eiter¬ 
sekretion  und  Abszedierung  kommen.  Diese  Meibom  sehen 
Drüsen  haben  grosse  klaffende  Ausführungsgänge,  die  sicher 
oft  frei  von  Sekret  sind,  und  —  ähnlich  den  L  i  1 1  r  e  sehen 
Drüsen  in  der  Urethra  —  können  sie  gute  Schlupfwinkel  für 
die  Gonokokken  darstellen;  in  ihnen  kann  es  auch  zu  einer 
Vermehrung  dieser  Bakterien  kommen.  Hier  bleiben  >he 
Gonokokken  so  lange,  bis  es  zu  einer  eitrigen  Sekretion 
kommt,  durch  die  sie  ans  Tageslicht  gelangen.  Mit  dem 
heraustropfenden  Eiter  gelangen  sie  in  die  Lidspalte  und  auf 
die  Konjunktiva,  und  dann  kommt  es  dort  zu  einer  akuten 
Blennorrhoe. 

Diese  einfache  Erklärung  für  viele  Fälle  von  Spät¬ 
infektionen  wird  durch  mehrere  von  mir  beobachtete  Fälle 
gestützt. 

1.  Fall.  Ein  grosses  kräftiges  männliches  Kind.  II.  Schädellage, 
Geburtsdauer  3  Stunden,  Austreibungsperiode  15  Minuten.  Kunst¬ 
gerechte  Einträufelung  durch  die  vorzügliche  Hebamme.  Nacli 
6  Tagen  Kind  und  Mutter  völlig  gesund,  Augen  des  Kindes  völlig  nor¬ 
mal.  Am  11.  Tage  post  partum  leicht  eitrige  Sekretion  am  linken 
Auge,  starke  Rötung  der  Konjunktiva.  Die  obere  Palpebra  imponieit 
durch  besondere  Dicke.  .. 

Nochmalige  Einträufelung  mit  2proz.  Arg.-nitr. -Losung,  Reini¬ 
gung  der  Augen  mit  Borsäurelösung.  Bei  dieser  Reinigung  wird  altes 
eingetrocknetes  Sekret  vom  Lidrand  entfernt,  und  zwar  mittels  eines 
Tupfers.  Bei  dem  dabei  angewandten  gelinden  Druck  erscheint  plötz¬ 
lich  ein  ziemlicher  Tropfen  Eiter.  Neue  Erhebung  und  Massage  dei 
Palpebra  ergibt  einen  zweiten  Tropfen.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  ergab  sowohl  im  Konjunktivalsekret  als  in  dem  ausgedrück¬ 
ten  Eitertropfen  massenhaft  typische  Gonokokken. 

Die  Mutter  dieses  Kindes  hatte  lange  vorher  an  eitrigem  Ausfluss 
gelitten,  deshalb  wurde  das  Kind  sofort  nach  der  Geburt  streng 
entfernt  von  der  Mutter  gehalten,  ausser  wenn  sie  es  stillte. 

Der  gebildeten  und  sauberen  Mutter  wurde  aber  eine  gründliche 
Desinfektion  der  Hände  und  der  Mamma  vor  und  nach  dem  Stillen 
beigebracht  und  auch  gewissenhaft  ausgeführt. 

Dieser  eben  berichtete  Fall  von  Spätinfektion  erscheint 
mir  ausserordentlich  geeignet,  als  Beweis  für  meine  1909  zu¬ 
erst  auf  dem  internationalen  Kongress  für  Gynäkologie  zu 
Petersburg  aufgestellte  Theorie  ins  Gewicht  zu  fallen,  für 
meine  Theorie  von  der  sekundären  Spätinfektion  via  Mei¬ 
bom  sehe  Drüsen. 

Zur  Verstärkung  meiner  Beweisführung  möchte  ich  aber 
noch  einen  zweiten  Fall  berichten: 

Ein  neugeborenes  Kind  einer  geistesschwachen  Mutter  wurde 
wegen  der  Gefahr  des  Kindsmordes  sofort  nach  der  Geburt  von  der 
Mutter  entfernt  und  von  der  Grossmutter  künstlich  ernährt. 

Am  12.  Tage  post  partum  Ausbruch  einer  typischen  Gonokokken- 
blennorrhöe,  die  nach  6  Wochen  ausheilt. 

Diese  beiden  Fälle  von  Ophthalmoblennorrhoe  kann  man 
sich  nur  als  durch  meine  neue  Erklärung  der  Spätinfektion  ent¬ 
standen  denken. 


Aus  dem  Diakonissenhaus  Paulinenstiftung  zu  Wiesbaden. 

Gastropexie  vermittelst  des  Ligamentum  teres. 

Von  Dr.  E.  Pagenstecher. 

ln  den  Fällen,  in  welchen  man  bei  Gastroptose  ein 
Heraufnähen  des  Magens  für  indiziert  hält,  ist  mir  als  die 
rationellste  und  physiologischen  Verhältnissen  am  entspre¬ 
chendste  der  bisher  angegebenen  Methoden  immer  die  von 
Bier  erschienen,  welche  das  Lig.  gastrohepaticum 
rafft.  Aber  da,  wo  ich  sie  anwenden  wollte,  war  bisher  das 
Ligament  stets  so  zart  und  zerreisslich,  auch  sein  oberer  An¬ 
satz  nicht  so  zu  erreichen,  dass  ich  mir  getraute,  mit  Erfolg 
Fäden  darin  anzulegen.  So  viel  ich  sehe,  haben  auch  andere 
die  Erfahrung  gemacht. 

Wir  haben  nun  an  der  Unterseite  der  Leber  ein  anderes 
Band  zur  Verfügung,  das  Lig.  teres,  stets  derb  genug  ent¬ 
wickelt,  um  ein  gutes  Haftband  abzugeben.  Es  nimmt  seinen 
Verlauf  in  einer  Längsfurche  der  Leber,  welche  die  Fort¬ 
setzung  derjenigen  ist,  in  welcher  das  kleine  Netz  entspringt 
und  beginnt  da,  wo  letzteres  aufhört  in  der  Leberpforte.  Man 
trennt  es  direkt  am  Nabel,  (wobei  wegen  der  in  ihm  verlaufen¬ 
den  Arterie  doppelte  Unterbindung  nicht  vergessen  werden 
darf!)  und  löst  dann  den  unteren  Teil  des  Lig.  Suspensorium 
hepatis,  dessen  freien  Rand  es  ja  bildet,  ein  Stück  längs  der 
vorderen  Bauchwand,  sodann  bis  an  den  vorderen  Leberrand 


ab.  Dadurch  entsteht  ein  Lappen,  vorne  breiter  als  hinten, 
welcher  sich  bequem  nach  hinten  und  links  herüberlegen  und 
am  Magen  befestigen  lässt.  Man  wird  dies  passend  so 
machen,  dass  er  möglichst  breit  der  Magenvorderwand  auf¬ 
liegt.  Es  wird  dadurch  die  Pars  pylorica  —  nach  Gr  oe  de  II 
ist  die  Gastroptose  ja  vorwiegend  nur  Pyloroptose  —  gehoben.. 
Die  Zugrichtung  geht  nach  der  Leber  und  dem  Hilus  hin.  Wie 
bei  der  Bier  sehen  Methode  bleibt  Rotation  des  Magens  um 
seine  Längsachse,  die  Bewegung  der  grossen  Kurvatur  nach 
vorne,  überhaupt  die  physiologische  Form  und  Beweg¬ 
lichkeit  des  Magens  unbehindert. 

Das  Lig.  Suspensorium  hepatis  in  seinem  oberen  1  eil  muss 
sorgfältig  geschont  werden,  da  wir  ja  eine  Lebersenkung  ver¬ 
meiden  müssen,  eventuell  eine  gleichzeitig  vorhandene  durch 
Raffung  des  Ligamentes  bekämpfen  können. 

Das  Lig.  teres  ist  an  sich  so  schlaff  gespannt,  dass  man 
es  oft  als  Schlinge  ziemlich  weit  nach  hinten  und  links  bringen 
und  ohne  Ablösung  an  den  Magen  befestigen  könnte.  Doch  ist 
es  rationeller,  in  obiger  Weise  vorzugehen.  Ich  habe  auch 
versucht,  durch  Anheften  eines  ungestielten  Aponeurose- 
lappens  (aus  der  Fascia  lata)  mehr  Material  zu  gewinnen.  Wie 
ich  nachträglich  sehe,  hat  W  i  1  m  s  gelegentlich  seiner  Methode 
der  Pylorusokklusion  geraten,  zur  Pexie  beweglicher  Organe 
im  Abdomen  freie  Faszienstreifen  zu  verwenden,  doch  rate  ich 
vorläufig  für  unseren  Fall  davon  ab.  Den  so  operierten  Fall 
habe  ich  kürzlich  %  Jahr  nach  der  Operation  röntgeno¬ 
graphisch  untersucht  und  den  Magen  wieder  unterhalb  des 
Nabels  stehend  gefunden.  Also  hat  entweder  der  Lappen 
sich  resorbiert  oder  die  Befestigung  sich  wieder  gelöst. 

Dagegen  zeigt  der  Mann,  an  welchem  ich  zuerst  die  An¬ 
heftung  vermittelst  des  Lig.  teres  ausführte,  jetzt  nach 
\V>  Jahren  völlig  normale  Form  und  Lage  des  Magens  bei 
Bismutbreifüllung.  Die  peristaltischen  Bewegungen  ge¬ 
schehen  wie  bei  einem  normalen  Magen. 

Retention  ist  nicht  vorhanden.  Die  grosse  Kurvatur  steht 
oberhalb  der  Nabellinie.  Ein  kaudaler  Magensack  ist  nicht 
vorhanden. 


Weiteres  zur  Behandlung  der  Sklerodermie  mit  Coeliacin. 

Von  Dr.  William  Kölle.*) 

In  meiner  Arbeit  „Kasuistisches  und  Therapeutisches  zur 
Sklerodermie“  in  No.  16,  1912  dieser  Wochenschrift  habe  ich 
über  die  Anwendung  von  Mesenterialdrüsenextrakt  bei  einem 
schweren  Fall  von  diffuser  Sklerodermie  berichtet.  Ich 
möchte  heute  kurz  den  damals  in  Aussicht  gestellten  Bericht 
über  weitere  Beobachtungen  an  diesem  Falle  bringen. 

Die  im  Herbst  vorigen  Jahres  festgestellte  erstaunliche 
Besserung  hat  nicht  nur  standgehalten,  sondern  hat  unsere 
kühnsten  Erwartungen  übertreffende  Fortschritte  gemacht. 

Die  Patientin  hat  die  von  Merck  in  Darmstadt  in  Handel  ge- 
brachten  Coeiiacintabletten,  enthaltend  0,3  getrockneter  Mesenterial¬ 
drüsensubstanz,  mit  einer  Unterbrechung  von  ca.  5  Wochen  im  Früh-  j 
jahr  fortgenommen,  und  zwar  täglich  3  mal  je  eine  Tablette  nach  dem 
zweiten  Frühstück,  Mittag-  und  Abendessen.  Die  übrige  Kur,  be¬ 
stehend  in  Anwendung  von  Dampf,  feuchter  Wärme  und  Massage, 
wurde  zu  Hause  nicht  fortgesetzt.  In  der  Diät  dagegen  wurde  Ver-  ; 
meidung  jeden  Gewürzes  und  Reduzierung  von  Fleischaufnahme  auf 
einmal  täglich  beobachtet.  Der  Patientin  ging  es  über  Erwarten  gut.  • 
Eine  Influenzaattacke  im  Winter  wurde  anstandslos  überstanden,  ohne 
die  früheren  heftigen  Schmerzen  wieder  hervorzui  ufen.  Letztere  f 
haben  sich  nach  Angabe  der  Patientin  bis  auf  gelegentliche  leise 
Mahnungen  ganz  verloren.  Eine  andere  Störung  aber,  und  zwar  ge¬ 
legentlich,  ohne  ersichtlichen  Grund  in  der  Speiseröhre  auftretende 
krampfartige  Zustände  beim  Essen,  haben  mich  veranlasst,  das  ! 
Coeliacin  für  einige  Wochen  auszusetzen,  zumal  die  Patientin  einen 
Zusammenhang  mit  dem  Einnehmer,  des  Coeliacin  befürchtete.  Doch 
blieb  das  ohne  jeden  Einfluss  auf  die  ganz  unregelmässigen,  manchmal 
tage-  und  wochenlang  aussetzenden  Oesophagusspasmen.  Für  die 
nervöse  Natur  dieses  Oesophagismus  spricht  das  ganz  unregelmässige 
Auftreten  und  das  meist  gelingende  Lösen  des  Krampfes  mit  einem 
Schluck  warmen  Getränkes.  Wir  glauben,  diese  Erscheinung  als  eine  , 
reine  Motilitätsneurose  ansprechen  zu  dürfen,  zumal  eine  in  Wien 
vorgenommene  Röntgenuntersuchung  (Bismutbissen)  eine  narbige 
Stenose  oder  einen  Divertikel  ausschliessen  liess. 

Vom  12.  VI.  bis  24.  VII.  dieses  Jahres  stand  die  Patientin  wieder 
in  unserer  Sanatoriumsbehandlung.  Die  im  vorigen  Jahre  jeder  Be- 


*)  Vom  15.  II.  1913  Leiter  der  Kuranstalt  von  Sanitätsrat  Dr. 
Müller  und  Sanitätsrat  Dr.  R  e  h  m  in  Blankenburg  am  Harz. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


25 


handlung  äusserst  pessimistisch  gegenüberstehende  Patientin  ist  ihrem 
ganzen  Wesen,  besonders  aber  ihrem  Aussehen  nach  kaum  wieder¬ 
zuerkennen.  Sie  ist  ungemein  frisch  und  lebensfroh  geworden.  Das 
(jesicht  weist  heute  absolut  normale  Verhältnisse  auf,  wenn  man  von 
einer  gewissen  Starre  der  Mundparti’e  absieht,  deren  Ursache  man  jetzt 
in  ganz  feinen  narbigen  Strähnen  in  der  Lippenschleimhaut  erkennt, 
welche  sich  gegen  früher  weit  deutlicher  gegen  die  jetzt  normal 
durchblutete  und  gefärbte  Schleimhaut  abheben.  Das  Gleiche  finden 
wir  an  der  übrigen  Mund-  und  Rachenschleirnhaut. 

Die  übrige  Körperhaut  erscheint  ganz  normal,  selbst  die  atrophi¬ 
schen  Spangen  in  den  Inguinalfurchen  sind  heute  kaum  nachzuweisen. 

Absolut  schlecht  dagegen  finden  wir  immer  noch  die  Hände 
bzw.  die  Finger,  was  aber  bei  den  vorgeschrittenen  narbigen  Ver¬ 
änderungen  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Immerhin  lässt  sich  auch 
dort  insofern  eine  Veränderung  konstatieren,  als  die  unangenehme 
wachsartige  Hautfärbung  einer  mehr  normalen  gewichen  ist.  Auf¬ 
fallend  ist  es  auch,  zu  welch  erstaunlicher  Fertigkeit  es  die  Patientin 
inzwischen  im  Gebrauch  dieser  Hände  gebracht  hat.  Sie  ist  heute  in 
der  Lage,  ihre  ganze  Toilette  eigenhändig  zu  besorgen,  sich  eigen¬ 
händig  zu  frisieren  usw.  Wieweit  das  lediglich  durch  Uebung  er¬ 
langte  Fertigkeit  ist,  möchte  ich  vorläufig  dahingestellt  sein  lassen. 
Es  ist  jedenfalls  weiterhin  auffallend,  dass  die  grossen  Gelenke,  wie 
Schulter-,  Ellenbogen-  und  Hüftgelenke,  an  denen  früher  starke 
elastische  Behinderungen  bestanden,  heute  nahezu  frei  sind. 

Etwas  besser  als  an  den  Händen  sind  die  Verhältnisse  an  den 
Füssen  und  Zehen,  wo  fraglos  eine  vermehrte  Beweglichkeit  ein¬ 
getreten  ist.  Ganz  überraschend  ist  die  Besserung  des  Ganges.  Das 
Gehen  ist  heute  nahezu  normal,  selbst  einem  geübten  Auge  könnte  ein 
noch  leicht  bestehendes  Schonen  entgehen.  Beim  Treppensteigen 
gebraucht  die  Patientin  beide  Beine  wie  jeder  normal  Gehende. 

Das  Körpergewicht  war  in  der  Zwischenzeit  von  78,1  kg  auf 
80,0  gestiegen  und  erfuhr  hier  abermals  eine  Steigerung  auf  83,2. 

Vom  26.  VIII.  bis  11.  IX.  benutzte  die  Patientin  die  Abwesenheit 
ihres  Mannes  nochmals  zu  einer  Kur  hier  im  Sanatorium,  nachdem  sie 
die  Coeliacintabletten  in  der  Zwischenzeit  wieder  wie  früher  fort¬ 
genommen  hatte.  Das  einzige,  worüber  die  Patientin  bei  ihrer 
Wiederkehr  zu  klagen  hatte,  waren  die  noch  immer  in  unregelmässi¬ 
gen  Zwischenräumen  auftretenden  Oesophagusspasmen,  die  ihr  oft 
das  Essen  verleideten.  Darauf  ist  wohl  auch  die  geringe  Gewichts¬ 
reduktion  von  83,2  auf  82,5  kg  zurückzuführen.  Diese  Spasmen 
konnten  wir  auch  hier  mehrfach  beobachten  und  ihren  Zusammenhang 
mit  dem  übrigen  Krankheitsbilde  oder  mit  der  Coeliacintherapie  mit 
Sicherheit  ausschliessen. 

Das  Gewicht  stieg  hier  nochmals  auf  84,3  kg. 

Demnach  hat  also  die  Patientin  während  unserer  Be¬ 
obachtungszeit,  die  sich  auf  \lA  Jahre  erstreckt,  nahezu  12  Kilo 
an  Gewicht  zugenommen  (von  72,5  auf  84,3  Kilo),  ohne  dass 
heute  von  einem  übermässigen  Fettansatz  zu  reden  wäre.  Der 
ganze  Zustand  der  Patientin  hat  derartig  normale  Formen  an¬ 
genommen,  dass  es  heute  auch  einem  erfahrenen  Kollegen 
schwer  sein  dürfte,  die  Sklerodermie  zu  diagnostizieren.  Der 
Erfolg  ist  derartig,  dass  er  unsere  kühnsten  Erwartungen  über¬ 
troffen  hat,  und  darum  möchte  ich  nicht  versäumen,  nochmals 
unter  den  Kollegen  anzuregen,  die  von  Schwerdt1)  ein- 
gefiihrte  Coeliacintherapie  bei  Sklerodermie  zu  erproben. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Landkrankenhauses  zu 
Hanau  (Dr.  Fertig). 

Ein  Fall  von  spontaner  Uterusruptur  in  der  Schwanger¬ 
schaft. 

Von  Dr.  Beyer,  Assistent. 

Während  jährlich  zahlreiche  Rupturen  des  Uterus  be¬ 
schrieben  werden,  die  spontan  am  Ende  der  Gravidität  intra 
partum  erfolgt  sind,  lassen  sich  in  der  Literatur  nur  ganz  ver¬ 
einzelte  Mitteilungen  von  Zerreissungen  der  Gebärmutter  im 
Verlauf  der  Schwangerschaft  finden.  Aeusserst  selten  scheinen 
die  Spontanrupturen  in  den  ersten  Monaten  der  Gravidität  zu 
sein.  Wir  möchten  deshalb  nicht  unterlassen,  eine  diesbezüg¬ 
liche,  von  uns  gemachte  Beobachtung  ausführlich  hierunter 
zu  veröffentlichen. 

Am  9.  Januar  1912  wurde  die  20  Jahre  alte  Ehefrau  J.  H.  in  das 
Krankenhaus  eingeliefert.  Sie  gab  an,  früher  bleichsüchtig,  aber 
regelmässig  menstruiert  gewesen  zu  sein.  Am  30.  Juni  1910  hatte 
sie  ein  nicht  lebensfähiges  Kind,  6  Wochen  vor  dem  normalen  Ende 
der  Schwangerschaft,  spontan  geboren.  Da  die  Nachgeburt  sich  nicht 
vollständig  von  selber  ausstiess,  musste  vom  Arzte  ihre  manuelle 
Lösung  vorgenommen  werden.  Bereits  am  selben  Abend  trat  Fieber, 
doch  ohne  Schüttelfrost,  auf,  das  bis  auf  40“  stieg  und  etwa  4  Wochen 
anhielt.  Das  Lochialsekret  war  dabei  nie  besonders  stark,  es  roch  aber 


')  Schwerdt:  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  11,  1905  und 

No.  25,  1907. 

No.  1. 


auffallend  übel  und  hatte  einen  deutlich  eitrigen  Charakter.  Beim 
erstmaligen  Verlassen  des  Bettes  4  Wochen  post  partum  ging  aus 
der  Vagina  ein  Klumpen  einer  schwärzlichen,  stinkenden  Masse  ab, 
die  wie  ein  Stück  Nachgeburt  aussah.  Patientin  hatte  nachher  noch 
eine  Zeitlang  über  etwas  eitrigen  Ausfluss  und  zeitweise  auftretende 
leichte  Unterleibsschmerzen  zu  klagen,  fühlte  sich  im  ganzen  aber 
leidlich  wohl  und  konnte  ihre  Arbeit  im  Haushalt  bequem  wieder  ver¬ 
richten.  Nach  dem  Partus  waren  die  Menses  ungefähr  4  Monate  aus¬ 
geblieben.  Der  dieserhalb  zu  Rate  gezogene  Arzt  stellte  eine  Unter¬ 
leibsentzündung  fest,  die  auf  Spülungen  sich  besserte,  wonach  dann 
auch  die  Menstruation  —  unter  gewöhnlich  3  tägiger  Dauer  —  regel¬ 
mässig  sich  wieder  einstellte. 

Im  Herbst  1911  war  Patientin  von  neuem  schwanger  ge¬ 
worden.  Die  letzte  Menstruation  wurde  zwischen  dem  25.  und 
28.  Oktober  1911  angegeben.  Beschwerden  irgendwelcher  Art  waren 
aus  der  Gravidität  bisher  nicht  aufgetreten. 

Am  7.  Januar  1912  erkrankte  die  Frau  plötzlich  nachmittags 
beim  Kaffeetrinken  unter  Erbrechen  und  heftigen  krampfartigen 
Schmerzen  in  der  Nabelgegend,  so  dass  sie  sich  ins  Bett  legen 
musste.  Auf  heisse  Leibaufschläge  Hessen  die  Schmerzen  nach 
einigen  Stunden  wieder  nach,  traten  aber  gegen  Abend  von  neuem 
auf,  wobei  sie  mehr  vom  Unterleib  zu  beiden  Seiten  nach  oben  zogen. 
Der  Arzt  nahm  eine  Perityphlitis  an  und  verordnete  Opiumpulver, 
die  zunächst  ohne  ersichtliche  Wirkung  waren.  Erst  auf  Genuss  von 
Kamillenthee  verspürte  Patientin  eine  wesentliche  Erleichterung 
und  kam  dann  in  einen  leidlich  guten  Schlaf.  Am  nächsten  Morgen 
waren  die  zuweilen  mit  Kollern  verbundenen,  krampfartigen 
Schmerzen  im  Leib  zwar  nicht  verschwunden,  stellten  sich  aber 
seltener  und  in  ihrer  Intensität  wesentlich  geringer  ein,  so  dass  Bett¬ 
ruhe  nicht  mehr  eingehalten  zu  werden  brauchte.  Trotzdem  konnte 
vom  Arzte  eine  leichte  Auftreibung  des  Abdomens  mit  Druck¬ 
empfindlichkeit  an  verschiedenen  Stellen,  sowie  ein  seit  Beginn  der 
Erkrankung  vorhandenes  Sistieren  von  Stuhl  und  Blähungen  fest¬ 
gestellt  werden;  auch  stellte  sich  gegen  Abend  auf  genossenen  Thee 
ein  einmaliges  Erbrechen  ein.  Da  auch  am  9.  I.  trotz  entsprechender 
Massnahmen  weder  Stuhl  noch  Flatus  erfolgten,  auch  der  Meteorismus 
eher  zu-  als  abgenommen  hatte  und  die  Leibkrämpfe  immer  wieder 
zeitweise  sich  bemerkbar  machten,  wurde  ein  Darmverschluss  ver¬ 
mutet  und  die  Ueberfiihrung  der  Patientin  ins  Krankenhaus  an¬ 
geordnet. 

Der  Aufnahmebefund  ergab  eine  kleine,  grazil  gebaute,  leidlich 
genährte,  ziemlich  blass  aussehende  Frau  ohne  eigentlich  krank¬ 
haften  Gesichtsausdruck.  Die  Zunge  war  etwas  belegt,  aber  feucht. 
Die  Temperatur  betrug  37, 5'";  der  Puls  war  regelmässig,  genügend 
kräftig  und  beschleunigt  (106).  Herz  und  Lungen  zeigten  sich  gesund. 
Der  Leib  war  deutlich  gleichmässig  meteoristisch  aufgetrieben  und 
Hess  bei  der  Betastung  eine  leichte  reflektorische  Bauchdecken¬ 
spannung  wahrnehmen.  Bei  längerer  Beobachtung  des  Abdomens 
konnten  mehrmals  in  Abständen  auftretende,  kollernde  und 
glucksende  Darmgeräusche,  derart,  als  ob  eine  Flasche  ausgegossen 
würde,  gehört  werden,  die  stets  von  ziehenden,  krampfartigen 
Schmerzen,  sowie  einigemale  von  sichtbaren  Darmsteifungen  be¬ 
gleitet  waren.  Die  Leber  stand  in  normalen  Grenzen.  Der  nicht 
geblähte  Magen  reichte  nach  unten  knapp  bis  zum  Nabel  und  Hess 
sich  ohne  Schmerzen  palpieren.  Für  eine  Appendizitis  konnte  nichts 
gedeutet  werden.  Eine  Dämpfung  der  seitlichen  Bauchpartien  Hess 
sich  nicht  nachweisen.  Ueber  der  Symphyse  erhob  sich  der 
schwangere  Uterus,  der  auffallenderweise  fast  bis  zum  Nabel  reichte 
und  in  seinem  oberen  Bezirk  auf  Druck  ein  leichtes  Schmerzgefühl 
auslöste.  In  der  Vagina  fand  sich  kein  Blut.  Die  Portio  war  etwas 
livid  und  aufgelockert,  der  äussere  Muttermund  geschlossen,  der 
hintere  Douglassche  Raum  leer,  die  Adnexe  vollkommen  frei; 
der  Uterus  bot  —  abgesehen  von  seiner,  mit  der  angeblichen  Dauer 
der  Gravidität  in  Widerspruch  stehenden  Grösse  — •  keinerlei  Be¬ 
sonderheiten.  Der  Urin  war  frei  von  Eiweiss,  Zucker  und  Indikan. 

In  Erwägung  der  vorhandenen  Symptome  seitens  des  Intestinal- 
traktus,  sowie  in  Anbetracht  des  angeblichen  völligen  Sistierens  von 
Stuhl  und  Flatus  lag  die  Annahme  eines  Darmverschlusses  nahe. 
Demgegenüber  fiel  aber  das  eigentümlich  gute  Allgemeinbefinden  auf; 
die  Patientin  lag  ganz  vergnügt  im  Bett,  lachte,  hatte  weder  Auf- 
stossen  noch  Uebelkeit  und  nur  dann  mässige  ziehende  Schmerzen 
im  Leib,  wenn  die  kollernden  Darmgeräusche  sich  wiederholten.  Es 
wurde  deshalb  von  einem  zunächst  beabsichtigten  operativen  Eingriff 
Abstand  genommen  und  nur  mehr  ein  Seifenwassereinlauf,  sowie  für 
die  Nacht  neben  Eserin  ein  Thermophor  auf  den  Leib  und  ein  Gummi¬ 
rohr  ins  Rektum  verordnet. 

Am  nächsten  Morgen  stellte  sich  auf  einen  nochmaligen  Darm¬ 
einlauf  reichlicher  Stuhlgang  mit  genügenden  Blähungen  ein,  wonach 
der  Leib  flacher  und  weicher  wurde  und  die  Patientin  sich  erheblich 
leichter  fühlte.  Die  Besserung  machte  dann  weiter  rasche  Fort¬ 
schritte,  derart,  dass  nach  3  Tagen  alle  abdominalen  Krankheits¬ 
erscheinungen  völlig  verschwunden  waren  und  das  Allgemein¬ 
befinden  nicht  das  Geringste  mehr  zu  wünschen  übrig  Hess.  Auf¬ 
fällig  blieb  nur  der  gravide  Uterus,  dessen  Grösse  dem  5.  bis 
6.  Schwangerschaftsmonate  entsprach,  während  die  letzten  Menses 
mit  aller  Bestimmtheit  auf  Finde  Oktober  1911  angegeben  wurden. 
Wiederholte  gynäkologische  Untersuchungen  klärten  das  Miss¬ 
verhältnis  in  keiner  Weise  auf,  das  noch  unverständlicher  wurde,  als 
der  den  Uterus  darstellende  Tumor  in  den  wenigen  Tagen  der  Beob- 

i 


26 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


No.  1. 


achtung  an  Grösse  noch  zuzunehmen  und  die  Nabelhöhe  zu  erreichen 
schien. 

Wie  an  den  vorhergehenden  Tagen,  so  wurde  auch  am  Morgen 
des  16.  I.  die  Patientin  bei  vollkommenem  Wohlbefinden  angetroffen. 
Gegen  1  Ws  Uhr  vormittags  verspürte  sie  ganz  plötzlich  intensive, 
krampfartige  und  mehr  periodisch  auftretende  Schmerzen  im  Leib, 
besonders  in  der  Nabelgegend,  so  dass  sie  nichts  zu  Mittag  essen 
konnte,  ohne  aber  davon  Mitteilung  zu  machen.  Erst  als  gegen  3  Uhr 
nachmittags  die  Leibkrämpfe  unerträglich  wurden  und  Erbrechen 
eintrat,  wurde  die  Stationsschwester  auf  den  veränderten  Zustand 
aufmerksam.  Bei  der  daraufhin  vorgenommenen  Untersuchung  bot 
sich  folgendes  Krankheitsbild: 

Die  Patientin  sah  enorm  blass  und  verfallen  aus  und  machte 
einen  schwerkranken  Eindruck.  Sie  zeigte  ein  gewisses  Angst¬ 
gefühl,  war  unruhig  und  klagte  über  Trockenheit  im  Munde  und 
grossen  Durst,  sowie  über  beim  Schliessen  der  Augen  auftretenden 
Schwindel  und  einen  erheblichen  Lufthunger.  Fast  alle  Minuten  liess 
sie  Aeusserungen  von  spontan  einsetzenden,  stechenden,  kolikartigen 
Schmerzen  im  Leib  vernehmen,  die  zeitweise  so  stark  waren,  dass 
sie  laut  dabei  jammerte  und  aufschrie.  Einmal  hatte  sie  währenddem 
die  Empiindung,  als  ob  sich  etwas  nach  unten  drängte  und  Flüssigkeit 
aus  der  Scheide  abginge.  Ein  anderer  Schmerzanfall  war  mit 
heftigem  Erbrechen  verbunden.  Die  Temperatur  betrug  37,4“  C: 
der  äusserst  kleine  und  stark  beschleunigte  (134)  Puls  konnte  an  der 
Radialis  eben  noch  gefühlt  werden.  Die  Zunge  zeigte  sich  belegt 
und  etwas  trocken.  Der  Leib  war  mässig  aufgetrieben,  stark  ge¬ 
spannt  und  vornehmlich  in  der  Nabel-  und  linken  Unterbauchgegend 
auffallend  druckempfindlich.  Der  grosse,  bis  zum  Nabel  reichende 
Uterus  konnte  nicht  mehr  gefühlt  werden;  dagegen  liess  sich  eine, 
vom  Nabel  entsprechend  abwärts  gehende,  ausgesprochene  Dämpfung 
des  Abdomens  mit  leichter  Undulation  nachweisen;  Leber-,  Magen- 
und  Appendixgegend  boten  keine  Anhaltspunkte  einer  ernsten  Er¬ 
krankung;  ebensowenig  waren  pathologische  Erscheinungen  von 
seiten  des  Darmtraktus,  insbesondere  Stenosengeräusche  oder  Darm¬ 
steifungen  zu  beobachten,  vielmehr  schien  nach  der  Auskultation  der 
Darm  im  Zustande  fast  absoluter  Ruhe  sich  zu  befinden. 

Aus  der  plötzlich  aufgetretenen,  bedrohlichen  Verschlimmerung 
des  vorher  absolut  guten  Allgemeinzustandes;  dem  kollabierten, 
enorm  blassen  Aussehen,  dem  äusserst  kleinen,  frequenten  Puls,  den 
peritonitischen  Erscheinungen  und  ganz  besonders  aus  dem  augen¬ 
scheinlichen  Verschwundensein  des  graviden  Uterus  und  der  dafür 
vorhandenen,  mit  Undulation  verbundenen  Dämpfung  der  unteren 
Bauchgegend  wurde  auf  eine  Ruptur  des  Uterus  und  starker 
Blutung  ins  Abdomen  geschlossen  und  sofort  zur  Laparotomie 
geschritten. 

Operation  (Dr.  Fertig);  Ausgiebiger  Medianschnitt  in  Becken¬ 
hochlagerung  von  der  Symphyse  bis  zum  Nabel.  Aus  der  geöffneten 
Bauchhöhle  quoll  massenhaft  teils  flüssiges,  teils  bereits  zu  schwärz¬ 
lichen  Klumpen  geronnenes  Blut  hervor.  Die  ins  Abdomen  ein¬ 
geführte  Hand  förderte  einen  frei  in  der  linken  Bauchseite  liegenden, 
an  der  Nabelschnur  hängenden,  etwa  15  cm  langen  Fötus  zutage. 
Der  vor  die  Bauchwunde  gezogene  Uterus  war  im  Fundus  in.  fast 
ganzer  Ausdehnung  lappenförrnig  rupturiert.  Aus  dem  weitklaffenden 
Riss  ging  die  Nabelschnur  zu  dem  bereits  extrahierten  Fötus.  Der 
Uterus  war  gut  kontrahiert;  an  seiner  Hinterwand  sass  die  nirgends 
gelöste  Plazenta.  —  Die  Ruptur  durch  Naht  zu  schliessen,  erschien 
infolge  der  schweren  Veränderung  des  Uterusgewebes  an  dieser 
Stelle  nicht  angängig.  Es  wurde  deshalb  die  totale  Uterus¬ 
exstirpation  mit  Zurücklassung  von  Tuben  und  Ovarien  gemacht. 
Der  gehörigen  Versorgung  und  Peritonisierung  des  dadurch  ent¬ 
standenen  Defektes  folgte  zwecks  Entfernung  der  Blutmassen  und 
des  Fruchtwassers  eine  gründliche  Spülung  der  Bauchhöhle  mit 
Kochsalzlösung.  Das  kleine  Becken  wurde  mittels  Jodoformgaze 
nach  der  Scheide  zu  drainiert  und  die  Bauchwunde  in  drei  Etagen 
vollständig  geschlossen. 

Die  Operation  fand  unter  leichter  Aether-Sauerstoffnarkose  statt 
und  dauerte  eine  Stunde.  Währenddem  war  der  Puls  noch  elender 
geworden.  Durch  reichliche  subkutane  Gaben  von  Kampfer  und 
intravenöse  Injektion  von  3  Litern  Kochsalzlösung  noch  während  der 
Bauchnaht  hob  sich  aber  die  Herztätigkeit  bald  wieder  in  be¬ 
friedigender  Weise. 

Der  postoperative  Verlauf  war  ein  durchaus  günstiger,  ln  den 
ersten  Tagen  bestand  zwar  etwas  Fieber  und  fühlte  die  Patientin 
infolge  des  grossen  Blutverlustes  sich  matt  und  schwach,  doch  traten 
keinerlei  peritonitische  Erscheinungen  auf  und  erreichte  der  Puls  auf 
weitere  reichliche  subkutane  und  rektale  Einverleibung  von  Koch¬ 
salzlösung  verhältnismässig  bald  wieder  seine  gehörige  Fülle  und 
Frequenz.  Die  Bauchwunde  heilte  vollkommen  per  primam.  Nach 
6  Tagen  wurde  der  Tampon  aus  der  Scheide  entfernt,  wonach  sich 
kurze  Zeit  noch  etwas  Eiter  entleerte.  Im  übrigen  machte  der  All¬ 
gemeinzustand  solche  Fortschritte  zur  Besserung,  dass  die  Patientin 
4  Wochen  nach  der  Operation  vollständig  geheilt,  beschwerdefrei  und 
auch  hinreichend  wieder  gekräftigt  entlassen  werden  konnte. 

Der  exstirpierte  Uterus  hatte  eine  im  Grunde  normale  Bildung 
und  Form  und  entsprach  in  seiner  Grösse  dem  3.  bis  4.  Schwanger¬ 
schaftsmonate.  Der  Fundus  war  in  fast  ganzer  Ausdehnung  quer 
rupturiert;  der  Riss  setzte  sich,  schräg  von  oben  rechts  nach  unten 
und  der  Mitte  zu  verlaufend,  auf  die  Vorderwand  des  Uterus  fort, 
so  dass  ein  dreieckiger,  mit  der  freien  Spitze  nach  der  rechten 


Fundusecke  zu  gerichteter  Lappen  aus  der  vorderen  Uteruswand 
ausgesprengt  war,  der  durch  breites  Klaffen  seiner  unregelmässigen 
und  stark  zerfetzt  aussehenden  Ränder 
einen  Einblick  in  das  Cavum  uteri  er¬ 
möglichte.  Dieses  ausgesprengte  Stück 
war  vollkommen  blutig  suffundiert,  von 
etwas  derber  Konsistenz,  leicht  unebener 
Aussenfläche  und  in  seiner  Wand  ausser¬ 
ordentlich,  an  den  Rissrändern  bis  auf 
einige  Millimeter  verdünnt.  Die  Plazenta 
sass  der  hinteren  oberen  Uteruswand  fest 
an  und  reichte  eben  bis  an  die  blutig  suf- 
fundierte  Partie  heran. 

Den  rupturierten  Uterus  in  gehärtetem 
Zustande  zeigt  die  beigegebene  Abbildung. 

Die  Tubenmündungen  sind  leider  nicht  da¬ 
rauf  zu  sehen;  sie  liegen  —  nebenbei  be¬ 
merkt  —  jederseits  3  cm  von  dem  7  cm 
langen  Fundusriss  entfernt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der 
geborstenen  Uteruswand  ergab  neben 
enormer  Verdünnung  straffes  Bindege¬ 
webe  mit  durchschnittlich  nur  wenig 
glatten  Muskelfasern.  In  der  nächsten 
Umgebung  des  Risses  fand  sich  nur  Binde¬ 
gewebe,  das  stark  durchblutet  war. 

Hyaline  Degeneration  von  Muskelfasern 
war  nirgends  zu  sehen. 

Von  grösster  Wichtigkeit  muss  im  Anschluss  hieran  die 
Beantwortung  der  Frage  sein,  welches  Moment  die  Veran¬ 
lassung  für  die  Ruptur  abgegeben  hat.  Eine  mehr  weniger 
augenfällige  pathologische  Veränderung  wird  in  jedem  der¬ 
artigen  Falle  angenommen  werden  müssen,  da  es  kaum  wahr¬ 
scheinlich  ist,  dass  ein  normal  entwickelter  und  vollkommen 
intakter  Uterus  bei  regelentsprechender  Eiinsertion  in  der 
Gravidität,  besonders  aber  in  den  ersten  Monaten  spontan 
rupturieren  kann.  Zu  den  mannigfachen  Ursachen,  unter  denen 
die  Narben  nach  früheren  Kaiserschnitten  und  nach  Uterus¬ 
perforationen  bei  artefiziellem  Abort  eine  besondere  Rolle 
spielen,  wird  auch  die  voraufgegangene  künstliche  —  instru- 
mentelle  oder  manuelle  —  Plazentalösung  gezählt.  Ein  der¬ 
artiger  Kausalkonnex  könnte  in  Anbetracht  der  ausserordent¬ 
lichen  Häufigkeit  dieses  Eingriffes  und  der  —  wie  wir  unten 
sehen  werden  —  grossen  Seltenheit  der  auf  dieser  Basis  be¬ 
ruhenden  Spontanrupturen  vielleicht  zu  einigen  Zweifeln  An¬ 
lass  geben.  Die  vorliegenden  diesbezüglichen  Mitteilungen 
lassen  aber,  zum  Teil  wenigstens,  diese  Annahme  durchaus  be¬ 
rechtigt  erscheinen.  Wird  die  Nachgeburt,  oder  ein  zurück¬ 
gebliebener  Teil  derselben,  exakt  unter  aseptischen  Kautelen 
und  ohne  gröbere  Verletzung  der  Uteruswand  entfernt,  so 
dürften  gewiss  schwerwiegende  Folgen  daraus  so  gut  wie  nie¬ 
mals  entstehen.  Es  müssen  sicherlich  im  konkreten  Falle 
schon  ganz  besondere  Umstände  dazutreten,  die  später  zu 
einer  Ruptur  zu  führen  imstande  sind.  Als  solche  werden  nach 
den  gemachten  Beobachtungen  angesehen  schwerere  Läsion 
der  Uterussubstanz  bei  Ablösung  der  mehr  weniger  fest  ver¬ 
wachsenen  Plazenta,  septische  Infektion  der  Plazentarstelle, 
Ansiedlung  der  Plazenta  in  einer  durch  frühere  artefizielle 
Lösung  hervorgerufenen  Narbe  mit  eventueller  Durch¬ 
wucherung  derselben  durch  Plazentargewebe,  sowie  vielleicht 
eine  mehr  oder  weniger  pathologische  Beschaffenheit  des 
Uterusgewebes.  Die  eigentliche  und  letzte  Ursache  freilich 
wird,  wie  in  jedem  Falle  von  Spontanruptur  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  nach  B  a  i  s  c  h  immer  die  Elastizitätsdifferenz  sein, 
d.  h.  die  Unfähigkeit  einer  umschriebenen  Stelle  des  Uterus, 
durch  aktive  Hypertrophie  dem  wachsenden  Inhalte  sich  an¬ 
zupassen. 

Dass  in  unserem  Falle  die  voraufgegangene  manuelle  Plazenta¬ 
lösung  das  ätiologische  Moment  für  die  Ruptur  gebildet  hat,  dürfte 
einem  Zweifel  kaum  unterliegen.  Bei  der  ersten  Schwangerschaft 
hatte  die  Plazenta  jedenfalls  an  der  vorderen  Wand  des  Uterus  ihren 
Sitz  gehabt.  Da  sie  sich  nicht  von  selber  vollkommen  ausstiess,  war 
ihre  Insertion  möglicherweise  schon  pathologisch.  Durch  die 
manuelle  Lösung  des  Restes  wurde  vielleicht  eine  tiefere  Verletzung 
der  Uteruswand,  sicher  aber  eine  schwere  septische  Infektion  hervor¬ 
gerufen,  wodurch  an  der  Plazentarstelle  ein  beträchtlicher  Teil  der 
Muskulatur  durch  eitrige  Einschmelzung  zugrunde  ging  und  —  sofern 
die  angeblich  beim  erstmaligen  Verlassen  des  Bettes  aus  der  Vagina 
abgegangene  schwärzliche,  stinkende  Masse  eine  Deutung  gestattet  — 
als  Sequester  sich  ausstiess,  um  schliesslich  eine  starke  Wand¬ 
verdünnung  mit  Aenderung  der  Struktur  zu  hinterlassen. 


L.  i 


Der  rupturierte  Uterus  in  ge 
härtetem  Zustande  von  vorn 
gesehen. 

a  =  der  ausgesprengte  Lappen, 
b  =  Grenze  der  Ruptur  in  der 
Vorderwand  des  Uterus. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


27 


Bei  der  zweiten  Gravidität  fand  nun  die  Plazenta  ihre  Insertion 
an  der  Hinterwand  des  Uterus.  Mit  dem  Wachstum  der  Frucht 
wurde  dann  die  abnorm  verdünnte  und  am  wenigsten  ausdehnungs- 
fähige  Stelle  einem  beständig  steigenden,  erhöhten  Drucke  aus¬ 
gesetzt  und,  da  sie  infolge  mangels  genügender  Muskelelemente  eine 
aktive  Hypertrophie  nicht  entgegensetzen  konnte,  zu  einer  Aus¬ 
dehnung  lediglich  auf  Kosten  ihrer  Wandstärke  gezwungen,  bis  sie 
schliesslich  so  dünn  und  widerstandslos  wurde,  dass  sie  dem  zu¬ 
nehmenden  Drucke  sich  nicht  mehr  gewachsen  zeigte  und  zur  Ruptur 
führte. 

Bei  der  Umschau  nach  analogen  Fällen  konnten  wir  in  der  uns 
zugänglichen  Literatur  nur  äusserst  wenige  finden.  In  der  von 
B  a  i  s  c  h  herausgegebenen  Statistik  über  72  Beobachtungen  von 
Spontanruptur  des  Uterus  in  der  Schwangerschaft  werden  nur  zwei 
Fälle  auf  die  voraufgegangene  manuelle  Plazentarlösung  zurück¬ 
geführt.  Der  eine  ist  der  von  Jellinghaus  ausführlich  publi¬ 
zierte.  Es  hatte  hier  bei  einer  38  jährigen  IX.  Gravida  mit  Spontan¬ 
ruptur  im  Anfang  des  6.  Monats  7  mal  vorher  die  Plazenta  manuell 
gelöst  werden  müssen,  zumeist  unter  erheblichen  Schwierigkeiten, 
darunter  2  mal  unter  Durchreissung  zahlreicher  dünner  Adhäsions¬ 
stränge  und  einmal  unter  Durchkneifung  der  Plazenta  und  vor¬ 
sichtiger  Abgrabung  der  einzelnen  Reste.  Am  exstirpierten  Uterus 
zeigte  sich  die  vordere  obere  (Fundus-)  Wand  breit  klaffend  in  Form 
eines  9  cm  langen,  queren,  etwas  von  links  oben  nach  rechts  unten 
nur  wenig  schräg  verlaufenden  Risses.  Die  teils  zerfetzten  Ränder 
hatten  ein  frisches  blutigsuffundiertes  Aussehen.  Die  muskulöse 
Wand  des  Uterus  besass  im  allgemeinen  nur  0,8 — 0,9  cm  Dicke,  die 
Verdünnung  nahm  nach  der  Umgebung  der  Rissränder  zu  und  er¬ 
reichte  an  denselben  nur  ca.  0,3 — 0,4  cm.  Die  miskroskopische  Unter¬ 
suchung  an  verschiedenen  Stellen  ergab  durchaus  nur  die  histo¬ 
logische  Struktur  der  normalen  Uteruswand,  auch  der  an  frischen 
Schnitten  ausgeführte  Versuch,  eine  fettige  Degeneration  nach¬ 
zuweisen,  war  völlig  negativ. 

Der  zweite,  von  B  a  i  s  c  h  verwertete  Fall  ist  ein  von  F  r  e  d  e  t 
beobachteter,  in  dem  der  Ruptur  zweimal  die  manuelle  Plazentar¬ 
lösung  vorausgegangen  war.  Dazu  können  wir  dann  nur  noch  den 
kürzlich  von  S  i  e  b  e  r  t  veröffentlichten  anführen.  Es  handelte  sich 
hier  um  eine  23  jährige  III.  Gravida,  die  im  5.  Schwangerschaftsmonat 
moribund  ins  Krankenhaus  eingeliefert  wurde  und  bei  der  die  Sektion 
einen  kompletten  queren  Fundusriss  ergab.  Da  nachträglich  anam¬ 
nestisch  noch  festgestellt  werden  konnte,  dass  bei  einem  oder  beiden 
früheren  Partus  die  Nachgeburt  manuell  entfernt  worden  war,  so 
wurde  mangels  eines  anderen  greifbaren  ätiologischen  Momentes 
dieser  Umstand  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  als  Ursache  für  die 
Ruptur  angesehen.  Im  übrigen  war  bei  der  histologischen  Unter¬ 
suchung  an  der  Rissstelle  weder  Narbengewebe,  noch  sonst  welche 
Veränderung  der  Uteruswand  zu  erkennen. 

Daneben  mögen  vielleicht  noch  einzelne  weitere  dies¬ 
bezügliche  kasuistische  Mitteilungen  in  der  Literatur  verstreut 
sich  finden.  Es  dürfte  jedoch  auch  ohne  diese  sowohl  aus  den 
zitierten,  als  auch  ganz  besonders  aus  unserer  Beobachtung 
der  Schluss  zu  ziehen  sein,  dass  die  manuelle  Plazentalösung 
sicherlich  den  Anlass  zu  einer  spontanen  Uterusruptur  ge¬ 
legentlich  einer  späteren  Gravidität  geben  kann,  sofern  mit 
dem  Eingriff  besondere  Umstände  und  Komplikationen  ver¬ 
bunden  waren. 

Schliesslich  könnte  noch  die  Frage  erhoben  werden,  wo¬ 
durch  in  unserem  Falle  die  vor  der  Ruptur  aufgetretenen 
ileusartigen  Erscheinungen  hervorgerufen  wurden.  Eine 
sichere  Erklärung  lässt  sich  dafür  nicht  geben.  Vielleicht 
handelte  es  sich  um  einen  Adhäsionsileus,  bedingt  durch  Ver¬ 
klebung  einer  Darmschlinge  mit  der  immerhin  etwas  entzünd¬ 
lich  veränderten  verdünnten  Stelle,  wiewohl  bei  der  Operation 
diese  Annahme  durch  nichts  bestätigt  wurde.  Andererseits 
konnte  die  scheinbare  Darmokklusion  aber  auch  nur  mehr 
eine  reflektorische  Begleiterscheinung  einer  drohenden  Ruptur 
des  Uterus  sein,  die  dann  wieder  verschwand,  sobald  die 
Katastrophe,  wahrscheinlich  durch  spontane  Veränderung  der 
intrauterinen  Druckverhältnisse,  abgewendet  war. 

Betrachten  wir  nach  dem  Gesagten  unseren  Fall  im 
ganzen,  so  wird  ohne  weiteres  ersichtlich  sein,  dass  derselbe 
in  mehrfacher  Hinsicht  von  Interesse  ist,  und  zwar  nicht  allein 
wegen  der  Seltenheit  an  sich,  seines  Verlaufes  und  seiner  wohl 
einwandfreien  Aetiologie,  sondern  nicht  zum  wenigsten  auch 
wegen  des  histologischen  Befundes  der  geborstenen  Uterus¬ 
wand,  wofür  ein  Analogon  in  der  Literatur  auch  nicht  an¬ 
nähernd  zu  finden  war. 

Literatur. 

1.  Aman  n:  Zentralbl.  f.  Gynäk.  1904,  S.  486.  — -  2.  Baisch: 
Beiträge  z.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  1903,  Bd.  7.  —  3.  Ders.:  Zentralbl. 
f.  Gynäkol.  1904,  S.  1537.  —  4.  Bar  ton  et  Smalley:  Journ.  of 
Americ.  Assoc.  No.  18;  Ref.  D.  med.  Wochenschr.  1909,  S.  1035.  — 
5.  Bogusch:  Journ.  f.  Geb.  u.  Gynäk.  1909,  No.  7 — 12.  —  6.  E  v  e  r  s- 


mann:  Arch.  f.  Gynäkol.,  Bd.  76,  H.  3.  — ■  1.  Hartma  n  n:  Zeitschr. 
f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  Bd.  62,  H.  3.  —  8.  H  e  n  k  e  1:  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1905,  S.  481.  —  9.  Jellinghaus:  Arch.  f.  Gynäkol., 
Bd.  54,  H.  1.  —  10.  Labhardt:  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol. 
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12.  Lichtenstein:  Zentrabi,  f.  Gynäk.  1908,  S.  682.  —  13.  M  e  y  e  r- 
R  u  e  g  g:  Hegars  Beitr.  z.  Gynäkol.  u.  Geb.,  Bd.  9,  H.  1.  —  14.  P  r  ii  s  - 
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1905.  —  15.  H.  Pusch:  Pathol.-anatom.  Beiträge  zur  Uterusruptur. 
Vierteljahresschr.  f.  ger.  Med.  u.' Sanitätswesen  III.  F.,  Bd.  30,  H.  2.  — 

16.  R  o  u  f  f  a  r  t  et  D  e  1  p  o  r  t  e :  Journ.  de  Chir.  et  annales  de  la  soc. 
Beige  1906,  No.  4.  Ref.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1907,  S.  59.  — 

17.  Siebert:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1911. 


Fürst  Alexander  von  Hohenlohe,  ein  Vorläufer  der 
Christian  Science. 

Von  Dr.  Julian  Marcuse. 

Die  religiösen  Vorstellungen  innewohnende  suggestive  Kraft  hat 
zu  allen  Zeiten  und  bei  allen  Völkern  Individuen  erstehen  lassen,  die 
eine  faszinierende  Anziehungskraft  auf  die  Menge  ausgeübt  und  da¬ 
durch  hingerissen  zur  Ueberschreitung  der  ihrem  Wissen  und 
Können  Vorgesetzten  Grenzen  getrieben  wurden.  Schamanen,  Pro¬ 
pheten,  Heilige,  Visionäre  aller  Art  bildeten  stets  die  Typen,  von 
denen  aus  die  grossen  und  kleinen  suggestiven  Wogen  auf  religiösem 
Gebiete  ausgegangen  sind.  Im  Mittelpunkt  dieser  Konzentration 
schadenbringender  Einflüsse  steht  vor  allem  die  Heilkunde  mit 
ihrem  in  sich  bedingten  Zusammentreffen  der  verschiedenartigsten 
suggestiven  Vorstellungen,  deren  psychologisches  Raummass  heute 
fast  ebenso  unübersehbar  ist  wie  vor  Jahrtausenden!  So  mussten 
naturnotwendig  sich  in  ihr  vor  allem  Einzelekstasen  in  jeder  Form 
wie  ganze  Massenpsychosen  abspielen  und  Erscheinungen  erstehen, 
die  ausgerüstet  mit  den  für  die  Suggestibilität  erforderlichen  inneren 
und  äusseren  Eigenschaften  jene  hemmungslose  Rolle  zu  spielen  ver¬ 
mochten,  die  so  ausserordentlich  zahlreich  in  der  Völkerpsychologie 
und  insbesondere  in  der  Geschichte  der  Medizin  uns  gegenübertritt. 
Einer  der  interessantesten  Köpfe  dieser  religiösen  Suggestivthera¬ 
peuten  ist  der  aus  fürstlichem  Geblüt  stammende  Priester  Alexander 
Hohenlohe  aus  dem  Anfang  des  19.  Jahrhunderts. 

Am  17.  August  1794  wurde  in  dem  württembergischen  Land¬ 
städtchen  Kupferzell  dem  Fürsten  Karl  Albrecht  von  Hohenlohe- 
Waldenburg-Schillingsfürst  aus  dessen  Ehe  mit  der  ungarischen  Freiin 
Judith  Reviczky  ein  Knabe  geboren  als  das  18.  und  letzte  Kind, 
welches  auf  den  Namen  Alexander  Leopold  Franz  Emmerich  ge¬ 
tauft  wurde.  Der  Vater,  der  schon  bei  der  Geburt  geisteskrank  war, 
starb-  bereits  im  folgenden  Jahre,  die  Erziehung  des  Jüngstgeborenen 
leitete  die  Mutter  mit  starker  Hand.  Als  fromme  Frau  weihte  sie 
dieses  ihr  letztes  Kind  bei  seiner  Geburt  dem  Dienste  der  Kirche. 
Der  junge  Alexander  erhielt  zuerst  in  den  Jahren  1804 — 8  im  Wiener 
Theresianum  eine  sorgfältige  Vorbildung,  dann  1808 — 10  an  der 
Akademie  zu  Bern;  1811  trat  er  in  das  Klerikerseminar  in  Wien  ein 
und  erhielt  1815  nach  Vollendung  seiner  theologischen  Studien  die 
Priesterweihe  durch  seinen  Oheim,  den  Weihbischof  Fürst  Franz 
Karl  von  Hohenlohe-Schillingsftirst.  Schon  vorher  war  er  von  dem 
Domkapitel  zu  Olmiitz  dank  seiner  Abstammung  und  seinen  bis  in 
die  höchsten  Kreise  hinein  sich  erstreckenden  Verbindungen  zum 
Domizellar  erwählt  worden  und  hatte  damit  die  Anwartschaft  auf  die 
höchsten  geistlichen  Aemter  erlangt.  Er  galt  trotz  seiner  Jugend  als 
ein  Geist  von  ungewöhnlichem  Scharfsinn,  als  ein  Kanzelredner  von 
seltener  Sprachgewalt,  der  über  alle  Tonarten  seelischer  Beeinflussung 
verfügte.  In  diese  Zeit  seiner  Entwicklung  fällt  der  Verkehr  und 
die  nahe  Berührung  mit  den  Mystikern  jener  Zeit,  mit  den  Theologen 
Joh.  Michael  Sailer,  dem  späteren  Bischof  von  Regensburg,  Georg 
Michael  Wittmann,  dessen  Nachfolger  auf  dem  bischöflichen  Stuhle, 
mit  Josef  Anton  Franz  Marie  Sambugo,  dem  Religionslehrer  Königs 
Ludwig  I.  von  Bayern  und  mit  Justinus  Kerner,  die  einen  so  weit¬ 
gehenden  Einfluss  auf  ihn  ausübten,  dass  er  bei  der  päpstlichen  Kurie 
in  den  Verdacht  einer  gewissen  Abtrünnigkeit  geriet  und  zu  seiner 
Rechtfertigung  eine  Romfahrt  unternehmen  musste.  Im  Jahre  1817 
nach  8  monatlichem  Aufenthalt  in  Rom  nach  Bayern  zurückgekehrt, 
gewann  er  das  Vertrauen  Königs  Max  Joseph  I.  und  wurde  zum 
Domherrn  in  Bamberg  ernannt.  Hier  war  es,  wo  er  den  Boden  be¬ 
trat,  der  für  sein  ganzes  ferneres  Wirken  entscheidend  werden  und 
ihn  zu  einer  Persönlichkeit  stempeln  sollte,  die  seiner  Zeit  an¬ 
gebetet  und  vergöttert  der  Nachwelt  erhalten  blieb  und  in  der  Ge¬ 
schichte  der  Wunderheilungen  und  ihrer  Akteure  von  mehr  wie 
chronologischem  Interesse  ist. 

Zwei  Momente  sind  es,  die  psychologisch  für  das  Zu¬ 
standekommen  der  Gedankenrichtung  und  der  hieraus  er- 
spriessenden  Gebetsheilungen  des  Fürsten  Hohenlohe  heranzu¬ 
ziehen  sind,  das  ist  einmal  die  um  jene  Zeit  die  deutsche  Philo¬ 
sophie  und  Naturwissenschaft  durchsetzende  Lehre  der  Pneumato- 
logie,  die  in  Jung-Stilling  und  der  von  Justinus  Kerner  glorifizierten 
Seherin  von  Prevorst  ihre  markantesten- Vertreter  fand  —  Hohen¬ 
lohe  verkehrte  mit  Kerner,  war  also  mit  den  mystischen  Kuren  seines 
Mediums,  der  Bauerstochter  aus  Prevorst,  aufs  genaueste  bekannt  — 

4* 


28 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


und  das  war  fernerhin  der  Einfluss,  den  ein  im  ähnlichen  Fahrwasser 
schwimmender  „Wunderarzt“  des  19.  Jahrhunderts,  der  Bauer 
Martin  Michel,  auf  ihn  ausübte.  Seine  Methode  bestand  lediglich 
in  verbalsuggestiver  Einwirkung,  mit  erhobenen  und  gefalteten 
Händen  stand  er  leise  betend  vor  dem  Kranken,  den  er  nach  dem 
Gebete  eindringlichst  zum  Vertrauen,  dass  Gott  geholfen  habe  oder 
helfen  werde,  aufforderte.  Damit  verrichtete  er  seine  Wunderkuren, 
die  zu  Tausenden  zählten  und  seinen  Namen  in  alle  Winde  trugen. 
Behördliche  Verfolgungen  führten  ihn  später  zu  dem  Ausweg,  mit  den¬ 
jenigen  kranken  Personen,  die  sein  Gebet  wünschten,  die  briefliche 
Verabredung  zu  treffen,  an  einem  von  ihm  bezeichneten  Tage  und 
zu  einer  bestimmten  Stunde  dieses  Tages  im  Glauben  und  Vertrauen 
auf  Christi  Hilfe  gemeinsam  zu  beten  und  in  diesem  vertrauens¬ 
vollen  Glauben  zu  verharren.  Aus  dieser  Fernbehandlung  erstand 
das  Michelsche  Mirakelbüchlein,  eine  Anweisung  für  den  Text 
des  zu  sprechenden  Gebetes.  In  mehrfachen  Begegnungen  zwischen 
dem  Fürsten  Hohenlohe  und  dem  Bauer  Michel  traten  die  gemein¬ 
samen  Berührungspunkte  dieser  beiden  Männer  schärfer  und  schärfer 
hervor,  und  die  mystische  Wirkung  des  Gebetsmannes  auf  den 
jugendlich  begeisterten  Priester  war  eine  so  tiefe,  dass  von  nun  an 
die  Wege  beider  die  gleichen  waren.  Ein  Ereignis,  das  dieser  Ver¬ 
bindung  unmittelbar  folgte,  sollte  die  Verbindung  der  beiden  Mystikei 
noch  fester  kitten.  In  Wiirzburg,  wo  Fürst  Hohenlohe  unter  der 
begeisterten  Andacht  eines  vieltausendköpfigen  Publikums  gepredigt 
hatte,  befand  sich  damals  die  17  jährige  Prinzessin  Mathilde 
von  Schwarzenberg,  die  Tochter  des  regierenden  Fürsten  gleichen 
Namens,  in  Behandlung  des  berühmten  Orthopäden  Heine.  Seit 
12  Jahren  gelähmt  und  ohne  Erfolg  von  allen  Autoritäten  der  Welt 
behandelt,  war  es  dem  letzteren  innerhalb  zweier  Jahre  gelungen, 
eine  leichte  Besserung  zu  erzielen,  die  sich  aber  nur  auf  ihre  Lage, 
nicht  aber  auf  ein  etwaiges  Gehvermögen  erstreckte.  Zu  ihr  kam 
Hohenlohe  in  Begleitung  des  Bauers  Michel  —  es  scheint,  als  ob  er 
bei  diesem  so  bedeutsamen  Versuch  seiner  eigenen  Kraft  noch  nicht 
ganz  vertraute  —  und  nun  begab  es  sich  nach  einem  Bericht  von 
Augenzeugen  folgendermassen:  Der  Fürst  forderte  die  Kranke  auf 
zu  beten  und  auf  sein  eigenes  Gebet,  das  er  alsbald  inbrünstig  ver¬ 
richten  wolle,  zu  vertrauen.  Darauf  segnete  er  sie  und  rief  aus: 
„Wohlan,  Fürstin,  stehen  Sie  auf,  Sie  sind  nun  gesund,  Sie  können 
gehen,  ohne  Schmerzen  gehen.  Jesus  und  ihr  Vertrauen  zu  Jesu  hat 
Ihnen  geholfen.  Ich  befehle  Ihnen  nun  im  Namen  Jesu,  aus  dem 
Bett  zu  steigen  und  zu  gehen“.  Es  geschah,  wie  er  anbefohlen  hatte, 
die  Kranke  hatte  nach  12  jährigem  Krankenlager  sich  erhoben,  die 
gelähmten  Beine  gehorchten,  das  Wunder  war  vollbracht.  Die  Kunde 
von  diesem  Ereignis  durcheilte  die  Welt,  die  soziale  Stellung  der 
geheilten  Kranken  trug  das  ihrige  dazu  bei,  das  vollzogene  Wunder 
noch  gewaltiger  und  eindrucksvoller  zu  gestalten,  zumal  die 
Patientin  sich  in  den  nächsten  Tagen  bereits  in  der  Öffentlichkeit 
zeigte  und  die  Kunde  hiervon  durch  mündliche  Mitteilungen  wie 
durch  Druckerzeugnisse  in  alle  Weiten  drang. 

Nach  der  Heilung  der  Prinzessin  Schwarzenberg  hat  die 
Würzburger  Polizeibehörde  die  „Tatumstände  der  Kur  festgestellt" 
und  den  Fürsten  wie  den  Bauern  Michel  zu  einer  Erklärung  auf¬ 
gefordert.  Die  Antwort  des  Fürsten  lautete:  „Die  momentane 
Heilung  der  Princes  ist  ein  Faktum,  das  nicht  kann  in  Zweifel  ge¬ 
zogen  werden,  wie  solches  geschah.  Es  war  Folge  eines  lebendigen 
Glaubens  an  die  Kraft  und  Göttlichkeit  des  Namen  Jesu,  welcher  mit 
festem  Vertrauen  angerufen,  eingedenk  der  Schriftworte:  Was  ihr 
den  Vater  in  meinem  Namen  bitten  werdet,  das  wird  er  euch  geben, 
und  durch  sein  göttliches  unmittelbares  Eingreifen  dem  Hilfsbedürf¬ 
tigen  Befreiung  von  seiner  Krankheit  gnädigst  zukommen  lassen,  in 
der  reinen  und  einzigen  Absicht,  damit  dadurch  Gott  der  Allmächtige 
gelobt  und  gepriesen,  und  sein  Eingeborener  Sohn,  dem  der  Vater 
allen  Gewalt  im  Himmel  und  auf  Erden  einreumte,  verherrlicht  werde. 

Wir  können  diese  Heilung  von  Gott  fordern,  damit  wir  den  uns 
auferlegten  Berufspflichten  zu  seiner  Ehre  und  zu  unserem  Seelenheile 
fernerer  nachkommen,  und  unsere  Mutter,  die  hl.  katholische  Kirche, 
verherrlicht  werde,  welche  ihren  Gläubigen  einen  solchen  Gewalt 
einreumet,  um  es  dadurch  zu  bestätigen,  dass  sie  die  einzig  wahre 
Kirche  Gottes  sey. 

Ist  bey  einem  Hilfsbedürftigen  dieser  lebendige  Glaube  und  die 
fromme  Absicht  vorhanden,  so  kann  man  von  der  Hilfe  des  Himmels 
die  schnelle  Mitwirkung  erwarten. 

Diess  ist  das  Wahre  in  der  Sache,  und  das  Unternehmen  der 
Princes  von  Schwarzenberg,  es  geschah  ihr,  wie  sie  geglaubt  hatte. 

Wiirzburg  an  22  Juny  1821. 

Fürst  Alexander  von  Hohenlohe. 

Die  Popularität  des  Wunderarztes  wie  seiner  Schutzbefohlenen 
stiegen  ins  Ungeheure,  wo  sie  sich  sehen  Hessen,  bei  den  Predigten 
des  Fürsten,  bei  seinen  Krankenbesuchen,  die  nun  in  weitestem 
Masse  aufgenommen  wurden,  waren  sie  der  Gegenstand  der  Hul¬ 
digung,  man  könnte  fast  sagen  der  Anbetung.  Die  Zeitungen  der 
damaligen  Zeit  brachten  Tag  für  Tag  spaltenlange  Berichte  über 
diese  und  jene  Heilung,  die  Prosa  wie  Poesie  bemächtigte  sich  des 
Stoffes,  der  solch  Echo  in  der  gesamten  Welt  fand,  dass  selbst 
Heinrich  Heine  an  ihm  nicht  achtlos  vorüberging.  In  einem  Sonett, 
„Bamberg  und  Wiirzburg“  betitelt,  hat  er  mit  folgenden  Versen  über 
die  Begebnisse  gespöttelt:  *) 


In  beider  Weichbild  fliesst  der  Gnaden  Quelle, 

Und  tausend  Wunder  täglich  dort  geschehen. 

Umlagert  sieht  man  dort  von  Kranken  stehen 
Den  Fürsten,  der  da  heilet  auf  der  Stelle. 

Er  spricht:  „Steht  auf  und  geht“  und  flink  und  schnelle 
Sieht  man  den  Lahmen  selbst  von  hinnen  gehn-, 

Er  spricht:  „Schaut  auf  und  seht“  und  es  sehen 
Sogar  die  Blindgeborenen  klar  und  helle. 

Ein  Jüngling  naht,  von  Wassersucht  getrieben 
Und  fleht:  „Hilf,  Wundertäter,  meinem  Leibe!“ 

Und  segnend  spricht  der  Fürst:  „Geh  hin  und  schreibe“!1) 

In  Bamberg  und  in  Wiirzburg  machts  Spektakel, 

Die  Handlung  Gebhardts2)  rufet  laut:  „Mirakel“  — 

Neun  Dramen  hat  der  Jüngling  schon  geschrieben. 

Nun  folgten  Heilungen  von  Gichtkranken,  Lahmen,  von  1  aub- 
heit,  Blindheit,  von  Lähmungen  nach  Schl ’.gflüssen  und  vielem 
anderen  mehr;  auch  taubstumme,  an  Krücken  laufende  Kinder  wurden 
zu  ihm  gebracht  und  verliessen  geheilt  das  Haus.  Ueber  alle  diese 
Einzelfälle  berichtet  am  ausführlichsten  in  seinen  1821  erschienenen 
„Briefen  aus  Wiirzburg  iiber  die  dortigen  wichtigen  Ereignisse  im 
Monat  Junius  1821“  der  bayrische  Legationsrat  Dr.  Karl  Gottfried 
Scharold,  dem  wir  folgende  etwas  überschwengliche,  jedoch  im 
grossen  und  ganzen  wohl  aus  dem  Leben  gegriffene  Schilderung  ent¬ 
nehmen:  „Von  allen  Strassen  her  eilen  Krankenfuhren  aus  der  Nach¬ 
barschaft  unserer  Stadt  zu.  Darauf  in  Betten  eingehüllt,  sieht  man 
bald  Kinder  ihre  gebrechlichen  Eltern,  bald  Eltern  unglückliche 
Kinder  bringen.  Es  ist  die  Scene  nach  der  Schlacht,  wo  die  Ge¬ 
fallenen  gesammelt  und  in  Spitäler  gebracht  werden.  Vor  bestimmten 
Häusern,  worin  Menschenfreundlichkeit  haust,  und  der  Fürst  ab¬ 
wechselnd  den  Tag  hindurch  einkehrt,  um  dort  die  kranken  An¬ 
kömmlinge  zu  heilen,  erblickt  man  fast  unaufhörlich  Krankentrans¬ 
porte  ab-  und  aufladen  und  durch  neue  ersetzen.  Wenn  Du,  o  Freund, 
in  einem  Augenblick  hier  aufgedunsene  oder  abgemagerte  Gicht¬ 
brüchige,  in  Doppeltücher  gehüllt,  mit  sorgsam  zarter  Behandlung 
und  unter  Wehmutgeschrei  vom  Wagen  nehmen  und  auf  totb’.assen  j 
Gesichtern  das  Gemisch  von  Leiden  und  Hoffnungen  siehst,  wenn  Du 
sähest,  wie  dort  abgezehrte  Lahme,  denen  nur  die  Sense  in  der 
Hand  fehlt,  um  dem  Bilde  des  Todes  zu  ähneln,  ihre  letzten  Kräfte  j 
anstrengen,  um  mit  verdoppelten  Krückenschritten  anderen  Hilfe¬ 
suchenden  den  Weg  zum  Helfer  abzulaufen,  wenn  Du  dann  in  wenigen 
Minuten  weiter  sähest,  wie  die  meisten  freien  Fusses  und  die  ent¬ 
behrlichen  Krücken  wie  Siegeszeichen  unter  dem  Arm  tragend, 
thränend  und  frohlockend  vom  Helfer  zurückkommen  — ,  so  müsstest 
Du  wahrlich  der  hartherzigsten  Menschen  einer  sein,  wenn  nicht  in 
Deiner  Brust  der  Pulsschlag  bald  von  Wehmut,  bald  wieder  von 
Freudenmitgefühl  getrieben  würde  und  keine  Thräne  aus  Deinem 
Auge  quölle.  Hier  ist  Elend  und  Erbarmen,  Leid  und  Freud  mit  j 
starken  Zügen  ausgedrückt  und  auf  einem  Sammelpunkt  zusammen-  • 
gedrängt  zu  finden.“  — 

Die  Erfolge  steigerten  sein  Selbstbewusstsein,  am  28.  Juni  fand  f 
er  Eingang  in  die  Räume  des  Würzburger  Juliusspitales  und  an  ; 
18  daselbst  stationierten  Kranken  versuchte  er  die  Gebetsheilung;  i 
sie  versagte  in  sämtlichen  Fällen  ebenso  wie  in  dem  Institut  von  \ 
Prof.  Heine.  Aber  sein  Ruhm  wurde  nicht  im  mindesten  dadurch 
geschmälert,  als  er  nach  etwa  14  tägigem  Aufenthalt  Würzburg  ver- 
liess,  Hess  er  in  der  alten  Universitätsstadt  nur  wenige  Zweifler  an 
seiner  Wunderkraft  zurück. 

Den  Höhepunkt  seines  Wirkens  erreichte  er,  als  Kronprinz 
Ludwig  von  Bayern,  der  nachmalige  König  Ludwig  I..  in  seine  Be-  1 
handlung  trat  und  anscheinend  Besserung  davontrug.  Folgendes  \ 
urkundliche  Schreiben  desselben  liegt  darüber  vor: 

Brückenau  den  3.  Juli  1821. 

Lieber  Graf  Seinsheim! 

Es  geschehen  noch  Wunder!  Den  letzten  Monat  in  den  letzten  ■! 
10  Tagen  glaubte  man  sich  in  Würzburg  in  die  Apostelzeit  versetzt; 
Taube  hörten,  Blinde  sahen,  Lahme  gingen,  nicht  durch  Berührung, 
sondern  vermittelst  kurzen  Gebetes,  auf  Befehl  und  im  Namen  Jesu,  j 
Glaube  an  Jesus,  Glaube  dass  geholfen  werde,  verlangt  Fürst  Hohen-  ! 
lohe:  Glaube  als  notwendiges  Bedingnis. 

Bereits  am  28.  Abends  betrug  die  Zahl  der  Geheilten  mehr  als  70. 
von  jedem  Geschlecht,  von  jedem  Alter,  von  jedem  Stande,  von  der 
geringsten  Volksklasse  bis  zum  Kronprinzen,  der  sein  in  der  Kindheit 
ohne  äusserliche  Veranlassung  verlorenes  Gehör  am  27.  Junius  um 
Mittag  wieder  bekam,  nach  wenig  Minuten  des  vollbrachten  Gebetes  - 
des  noch  nicht  27  Jahr  alten  Priesters  Fürsten  Alexander  von  Hohen- 
lohe-Schillingsfiirst,  bei  welchem,  nicht  durch  dasselbe  (denn  er  hörte 


*)  Das  Poem  findet  sich  in  der  1885  bei  Hoffmann  &  Campe 
in  Hamburg  erschienenen  sog.  Bibliotheksausgabe  in  Bd.  1.  S.  205 
(in  dem  Anhang  älterer  Gedichte  aus  den  Jahren  1816 — 1824). 

Q  Unter  dem  an  Wassersucht  leidenden  Dichterjüngling  ist  der 
Freiherr  Joseph  von  Auffenberg,  ein  sehr  produktiver  Dramatiker, 
gemeint. 

*’)  War  der  Drucker  der  Hohenloheschen  Mirakelbüchlein. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


29 


7.  Januar  1913. 


es  nicht)  des  Kronprinzen  heilig  ergriffene  Seele,  bei  Gottes  früherer 
Offenbarung  der  Gegenwart  entschwunden  verweilte. 

So  gut  wie  ein  anderer  höre  ich  zwar  nicht,  aber  kein  Vergleich 
zwischen  dem,  wie  es  vorhin  war;  und  seitdem  verbessert  sich  mein 
Gehör  noch  auffallender.  Bescheiden  ist  der  junge  Fürst  und  wundert 
sich  auf  eine  vorzügliche  Weise  über  die  ihm  von  Gott  gewordene 
Gnade.  In  meinem  Vorzimmer,  im  Beisein  der  Hofdame  Graven- 
reuth,  wurde  nach  zweimal  vergeblichem  Gebete,  als  der  Fürst  auf 
einer  Frau  dringende  Bitte  zum  dritten  Mal  betete,  diese  25  Jahre 
lang  Blinde  sehend.  Eine  andere  im  Beisein  meines  Hofbibliothekars 
Lichtenthaler.  Dieses  sind  nur  ein  paar  Beispiele  aus  der  Menge. 

Meine  Ohren  sind  nun  sehr  empfindlich.  So  stark  schallte  mir 
am  letzten  Freitag  die  Musik,  dass  ich  das  gegen  sie  gerichtete  Glas¬ 
fenster  meiner  Tribüne  darum  zum  ersten  Mal  zumachte. 

Am  Tage  nach  meiner  Heilung  empfing  ich  das  heilige  Abend¬ 
mahl.  Laut  und  innig  war  die  von  den  Würzburgern  gewordene 
Teilnahme,  deren  ich  bei  dem  lieben  Karl  auch  gewiss  bin. 

Meinen  Brief  können  Sie  jedem  zeigen  und  auch  abschreiben 
lassen.  Wir  leben  in  mehrfacher  Hinsicht  in  einer  grossen  Zeit.  Mit 
allem  Gefühl 

Ludwig,  Kronprinz. 

Kronprinz  Ludwig  lud  im  Anschluss  daran  den  Fürsten  zu  sich 
nach  Bad  Brückenau  ein,  und  aus  dieser  Zeit  stammen  eine  Reihe 
interessanter  Urkunden  und  im  Zusammenhang  mit  ihnen  stehender 
Ereignisse.  In  einem  Brief  vom  15.  Mai  1821  spricht  sich  Hohenlohe 
einem  Amtsbruder  gegenüber  über  seine  Mission  unter  anderem 
folgendermassen  aus:  „Den  Gläubigen  werden  die  gegenwärtigen 
Geschehnisse  nicht  seltsam  Vorkommen.  Denn  wunderbare  Heilungen 
durch  Gottes  Kraft  haben  nicht  nur  zur  Zeit  der  Apostel,  sondern 
auch  in  späteren  Zeiten  stattgehabt  und  kein  Unbefangener  kann 
diese  Tatsachen  leugnen.  Zum  Beweise  der  Wahrheit  und  Göttlich¬ 
keit  des  Christentums  geschahen  solche  Wunderkuren  häufig  in  den 
ersten  Zeiten,  als  dasselbe  in  die  Welt  eingeführt  werden  sollte. 
Die  Menschen  mussten  auf  den  Finger  Gottes  aufmerksam  gemacht 
werden,  der  sich  da  zeigte.  Späterhin  als  die  Lehre  des  Evangeliums 
überall  eingeführt  wurde  und  die  Menschen  an  dasselbe  in  Demut 
und  Einfalt  glaubten,  da  wurden  solche  Erscheinungen  seltener,  doch 
aber  hörten  sie  niemals  ganz  auf.“  Von  Brückenau  aus  unterbreitete 
auch  Hohenlohe  in  Unterwürfigkeit  dem  heiligen  Vater  sein  Tun  und 
Handeln  und  erheischte  die  Probation  hierzu,  unterwarf  sich  aber 
im  übrigen  vollständig  dem  Urteil  des  päpstlichen  Stuhles,  und  hier 
schliesslich  begannen  trotz  seines  mächtigen  Schutzherrn,  des  Kron¬ 
prinzen,  die  staatlichen  Behörden  gegen  ihn  vorzugehen.  Ein  Erlass 
der  Kreisregierung  befahl,  dass  von  jetzt  an  alle  Heilungsversuche 
auf  öffentlichen  Plätzen  wegen  zu  besorgender  Unordnungen  und 
leicht  entstehender  üblen  Folgen  für  die  herbeiströmenden  Kranken 
selbst  ein  für  alle  Mal  zu  unterbleiben  hätten,  und  dass  dieselben 
nur  in  Gegenwart  einer  Magistratsperson,  eines  Geistlichen  und  eines 
Arztes  vorgenommen  werden  dürften.  Ueber  jeden  Heilungsversuch 
sollte  von  dieser  Kommission  ein  besonderes  Protokoll  nieder¬ 
geschrieben  werden,  und  jeder  Kranke,  der  die  Heilung  beim  Fürsten 
sucht,  sollte  sowohl  von  seiner  Obrigkeit  wie  auch  von  einem  Arzt 
ein  Zeugnis  beibringen,  in  welchem  der  bisherige  Krankheits-  und 
Gebrechenzustand  bezeichnet  und  beglaubigt  wäre.  **) 

Allein  alle  diese  Entschliessungen  blieben  auf  dem  Papier,  weder 
die  Kranken  noch  der  Fürst  kümmerten  sich  darum.  Erstere  eilten 
zu  I  ausenden  nach  Brückenau  und  letzterer  machte  nach  wie  vor 
seine  Heilversuche,  die  auch  hier  nach  den  Berichten  der  Chronisten 
in  zahlreichen  Fällen  von  wunderbarer  Wirkung  gewesen  sein  sollen. 
Dem  regierungsamtlichen  Einspruch  gegenüber  suchte  er  sich  -in  einer 
sehr  eingehenden  Rechtfertigungsschrift  zu  verteidigen,  in  welcher 
cr  sich  mit  den  im  Interesse  des  öffentlichen  Verkehrs  eingeleiteten 
Massnahmen  einverstanden  erklärte  und  im  übrigen  eine  Art 
Glaubensbekenntnisses  über  die  ihn  leitenden  Motive  abzulegen 
suchte.  Aus  dem  sehr  interessanten  Schriftstück  seien  als  wesent¬ 
lichste  Darlegungen  die  folgenden  an  dieser  Stelle  rekapituliert: 

3.  „Dass  ich  mich  zum  Behufe  der  Heilungen  schlechterdings 
keiner  geheimen,  selbsterfundenen  oder  von  anderen  erlernten 
Künste,  sondern  nur  jener  Mittel  bediene,  welche  Jesus  Christus,  der 
wahre  Sohn  Gottes,  seinen  Gläubigen  und  besonders  den  Lehrern, 
Priestern  und  Vorstehern  in  seiner  wahren  Kirche  empfohlen  hat, 
nämlich  des  reu-  und  demütigen  Gebets  zu  Gott  und  aes  festen  Ver¬ 
trauens  auf  die  Verdienste  und  Verheissungen  Jesu,  des  wahren  Sohn 
Gottes,  von  welchem  gläubigen  Vertrauen  auch  der  Kranke  befreit 
sein  muss,  der  dann  Erleichterung  oder  völlige  Genesung  erwarten 
darf,  insofern  dies  seinem  Seelenheil  nützlich  und  den  unerforsch- 
lichen  Ratschlüssen  der  göttlichen  Weisheit  und  Gerechtigkeit  nicht 
zuwider  ist.  Wer  eine  andere  Ansicht  von  der  Sache  hat,  und  wohl 
gar  den  Gebetsformeln  an  sich  eine  geheime  Kraft  beilegt,  der  irret 
sehr  und  kennet  nicht  die  Kraft  des  reinen  innigen  christlichen 
Glaubens  und  des  Vertrauens  auf  den  Urheber  und  Vollender  des¬ 
selben,  Jesus  Christus. 

4.  Dass  mir  insonderheit  der  fromme,  wohlbegüterte  Bauers- 
mann  Martin  Michel,  wie  man  fälschlich  vorgibt,  eine  sogenannte 
religiös-ärztliche  geheime  Wissenschaft  weder  entdeckt  noch  mit¬ 
geteilt,  sondern  aus  reinem  Eifer  für  Gottes  Ehre  und  Menschenwohl 


bei  gelegentlicher  Rede  von  der  unheilbaren  Lähmung  der  Fürstin 
von  Schwarzenberg  mich  auf  die  wohl  nicht  ohne  Hoffnung  von 
Hilfe  für  sie  von  mir  als  Priester  der  katholischen  Kirche  anzu¬ 
wendenden  Gebete  und  Segnungen  mit  aller  Demut  aufmerksam 
gemacht  habe,  und  ich  ihn,  den  biederen  Diener  Gottes,  dazumal  nur 
und  in  der  Folge  nicht  weiter  als  Mithelfenden  herbeigezogen 
habe.“ 

1  rotz  aller  dieser  Versuche,  vor  der  weltlichen  wie  geistlichen 
Behörde  sein  Auftreten  zu  rechtfertigen,  wurden  jedenfalls  auf  Be¬ 
treiben  der  Medizinalpolizei  die  Zügel  straffer  und  straffer  gezogen 
und  nach  etlichen  Verwarnungen  und  ähnlichem  schliesslich  sogar 
dem  Fürsten  eine  Geldbusse  im  Uebertretungsfall  für  jede  einzelne 
Handlung  gegen  die  getroffenen  Verfügungen  auferlegt.  Der  dahin¬ 
gehende  Erlass  des  Magistrats  Bamberg  vom  30.  August  1821,  der 
sich  auf  eine  allerhöchste  Genehmigung  beruft,  schliesst  in  seinem 
letzten  Absatz  mit  den  Worten:  „Dem  fügen  wir  noch  bei,  dass 
alle  Fürst  Hohenlohische,  hier  im  Beisein  der  Kommission,  im  Beisein 
eines  oder  mehrerer  Aerzte  früher  gemachten  Versuche  erfolglos  ge¬ 
blieben  und  nur  solche  Tatsachen  für  angebliche  Wunder  aus¬ 
geschrieen  worden  seien,  welche  ohne  Aufsicht  und  Prüfung,  ohne 
Kenntnis  der  Kranken  und  Krankheiten  im  Geheimen  oder  im  An¬ 
drange  einer  grossen  Volksmenge  (in  den  ersten  Tagen  der  hier 
stattgehabten  Umtriebe)  vor  sich  gegangen  sind.“  Von  diesen  Ver¬ 
fügungen  wurde  auch  das  bischöfliche  Generalvikariat  in  Bamberg, 
die  Regierung  in  Bayreuth  und  das  Staatsministerium  in  Kenntnis 
gesetzt.  Die  Folge  hiervon  war,  dass  ihm  von  der  Vorgesetzten 
geistlichen  Behörde  das  Predigen  und  Beichtsitzen  verboten  und  ihm 
die  geistliche  Zensur  angedroht  wurde,  wenn  er  sich  gegen  die  Vor¬ 
schriften  der  Regierung  unbotmässig  verhalten  sollte.  Ein  kultur¬ 
historisch  ausserordentlich  interessantes  Einvernehmen  zwischen 
Staatsbehörde  und  geistlicher  Hierarchie,  zumal  wenn  man  die  in¬ 
zwischen  vom  Papst  auf  das  Schreiben  von  Fürst  Hohenlohe  ein¬ 
gelaufene  Antwort  berücksichtigt,  in  welcher  es  u.  a.  hiess:  Der 
Papst  hat  mit  Wohlgefallen  Kenntnis  von  den 
zahlreichen  Krankenheilungen  genommen,  er 
fordere  zur  Fortsetzung  derselben  auf,  aber  mit 
Vermeidung  aller  geräuschvollen  Oeffentlichkeit. 

Allein  der  Fürst  zog  es  in  Anbetracht  der  scharfen  Offensive, 
die  die  Staatsregierung  gegen  ihn  unternommen  hatte  und  auch  bis 
zu  ihren  äussersten  Konsequenzen  durchzuführen  den  Anschein  er¬ 
weckte,  vor,  den  Kampf  aufzugeben.  Er  erliess  Ende  1821  an  alle 
Pfarrer  eine  Publikation,  in  der  er  sie  bat  „ihren  Untergebenen  be¬ 
kannt  zu  machen,  dass  seine  Berufspflichten  und  seine  angegriffene 
Gesundheit  erheischten,  Hilfesuchende  in  Zukunft  nicht  mehr  an¬ 
zunehmen,  weshalb  dieselben  kostspielige  Reisen  zu  ihm  als  fruchtlos 
unterlassen  möchten.“ 

Kurze  Zeit  darauf  verliess  er  die  Diözese  Bamberg  und  siedelte 
nach  Grosswardein  in  Ungarn  über;  hier  wurde  er  1825  Domherr. 
1829  Grossprobst  und  1844  Titularbischof  von  Sardica.  In  die  Zeit 
seines  dortigen  Aufenthaltes  fällt  eine  ungemein  grosse  Anzahl  von 
Kuren;  die  Erinnerung  an  ihn  und  seine  Heilungen  ist  noch  heute 
in  der  Theissniederung  lebendig  und  seine  Person  hat  der  mythen¬ 
bildenden  Phantasie  des  Volkes  einen  dankbaren  Stoff  zu  den  breit- 
ausgesponnensten  Legenden  geliefert,  ln  den  .dreissiger  Jahren  des 
19.  Jahrhunderts  strahlte  sein  Ruhm  am  hellsten;  aus  aller  Herren 
Länder  strömten  Hilfesuchende  nach  Grosswardein  und  vor  allem 
waren  es  die  Briten,  die  scharenweise  ihn  konsultierten.  Unbehelligt 
von  der  Einmischung  der  Behörden  gab  er  sich  auf  ungarischem 
Boden  ganz  seiner  Mission  hin  und  soll  nach  allgemeinen  Berichten, 
die  natürlich  der  exakten  Kontrolle  entbehren,  in  dieser  Zeit  auch 
die  grössten  Heilerfolge  aufzuweisen  gehabt  haben.  In  welchem 
europäischen  Weltruf  er  stand,  dafür  zeugt  unter  anderem,  dass  kein 
Geringerer  als  Macaulay  in  seinem  Essay  über  das  Papsttum  ihn 
erwähnt  und  als  Verkünder  des  Heilglaubens  in  Parallele  zu  den 
anderen  Sendboten  der  Lehre  Christi  stellt. 

Die  Stätte  seiner  früheren  Erfolge  betrat  Fürst  Hohenlohe  nicht 
mehr,  doch  verbanden  ihn  mit  Kranken  und  der  dortigen  Bevölkerung 
noch  viele  gemeinsame  Interessen.  So  richtete  er  von  Grosswardein 
aus  im  August  1831  ein  Schreiben  nach  Witrzburg,  welches  im 
gleichen  Jahr  unter  dem  Titel  „Was  wollen  denn  eigentlich  die 
Schieier  und  Schreiber  unserer  Zeit?  Herzlich  wohlgemeinte  Worte, 
dem  ehrsamen  Bürger-  und  Bauernstände  Frankens  an  das  Herz 
gelegt  von  ihrem  Landsmann  Alexander  Fürsten  von  Hohenlohe“ 
erschien  und  weiteste  Verbreitung  fand.  Das  Jahr  1848  bereitete 
der  Tätigkeit  des  Fürsten  Hohenlohe  ein  jähes  Ende:  Die  Stürme  der 
Revolution  fegten  mit  elementarer  Gewalt  die  verhassten  Diener 
der  katholischen  Kirche  in  Ungarn  weg,  ihr  Opfer  ward  auch  Hohen¬ 
lohe.  Er  ging  flüchtig  und  starb  im  Jahre  1849  in  Vöslau.  In  un¬ 
mittelbarer  Nähe  von  Innsbruck  liegt  er  begraben  in  der  Stiftskirche 
von  Wilten,  nicht  weit  von  jenem  Manne,  der  in  der  Geschichte  der 
Medizin  eine  so  seltsame  Bedeutung  erlangt  hat,  und  dem  er  in 
manchem  ähnelte,  von  Theophrastus  Paracelsus  von  Hohenheim. 

(Schluss  folgt.) 


**)  Confer,  die  im  Anhang  mitgeteilten  amtlichen  Erlasse. 


30 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Fortschritte  der  Hirnrindenforschung.*) 

Von  W.  Spielmeyer  in  München. 

ln  seinem  Werke  über  die  Neuroglia  führt  W  e  i  g  e  r  t  darüber 
Klage,  dass  Goethe  sich  gar  zu  sehr  über  die  lustig  mache,  die 
sich  gerne  in  den  Geist  der  Zeiten  versetzten,  um  sich  zu  freuen,  wie 
sie’s  „zuletzt  so  herrlich  weit  gebracht“.  Dem  Unendlichen  gegen¬ 
über,  was  wir  wissen  müssten,  bleibe  das  Endliche,  was  wir 
wissen  können,  ja  doch  unter  allen  Umstanden  gleich  null.  Und 
deshalb  dürfe  sich  der  Naturforscher  wohl  die  Freude  gönnen,  auch 
einmal  das,  was  wir  jetzt  wissen,  mit  dem  zu  vergleichen,  was 
man  früher  gewusst  hat.  Er  wird  so  auch  den  Mut  zur  Weiterarbeit 

nicht  verlieren.  .  , 

Wer  sich  mit  der  Erforschung  der  Hirnrinde,  mit  der  Anatomie 
der  Geisteskrankheiten  beschäftigt,  dem  bringt  die  tagtägliche  A i  beit 
gewiss  nicht  oft  einen  greifbaren  Erfolg,  und  er  wird  gut  daran  tun, 
von  Zeit  zu  Zeit  zurückzublicken,  um  zu  sehen,  was  denn  überhaupt 
erreicht  ist;  gerade  ihn  wird  sonst  leicht  das  lähmende  Gefühl  des 
Stillstandes  beschleichen.  Ein  solches  Gefühl,  nicht  vorwärts  zu 
kommen,  wurde  früher  auch  dadurch  noch  verstärkt,  dass  viele  dei 
Hirnrindenforschung  einen  geradezu  absoluten  Skeptizismus  entgegen¬ 
brachten  und  ihr  jeden  Wert  für  die  Psychiatrie,  vor  allem  auch 
für  die  Abgrenzung  der  Psychosen  absprachen.  Ein  Skeptizismus, 
der  in  gewisser  Weise  wenigstens  seine  Begründung  in  den  Er¬ 
fahrungen  hatte,  welche  man  mit  den  faseranatomischen  Studien 
am  Gehirne  gemacht  hatte,  und  weiter  in  der  1  atsache,  dass  dem 
Enthusiasmus,  mit  welchem  die  Ganglienzellforschung  aufgenommen 
worden  war,  eine  klägliche  Ernüchterung  folgte. 

Wenn  diese  energische  Ablehnung  so  Vieler  heute  über¬ 
wunden  ist  und  man  geradezu  von  einem  Siege  der  Anatomie 
sprechen  darf,  so  ist  das  einer  der  grossen  Erfolge  des  anatomischen 
Laboratoriums  der  K  r  a  e  p  e  1  i  n  sehen  Klinik;  er  ist  natürlich  auf 
das  engste  mit  den  Namen  Nissl  und  Alzheimer  vei knüpft. 
Und  wenn  ich  hier  versuche,  in  den  allergröbsten  Zügen  die  Fort¬ 
schritte  der  Rindenforschung  zu  skizzieren,  so  erfülle  ich  damit  nur 
eine  Pflicht  gegenüber  den  Traditionen  des  Laboratoriums,  dessen 
Leitung  ich  übernehmen  durfte.  Denn  ich  habe  in  raschem  Ueber- 
blicke  zu  zeigen,  was  aus  dem  Werke  geworden  ist,  das  von  Nissl 
begründet  und  von  ihm  und  Alzheimer  als  eine  neue  Wissen¬ 
schaft  erschaffen  wurde  und  das  sie  beide  weitergeführt  haben  unter 
Mithilfe  anderer,  die  sich  wohl  alle  mehr  oder  weniger  direkt  als 
Schüler  der  Gründer  jener  Lehre  fühlen  müssen. 

Jede  derartige  Betrachtung  hat  zurückzugehen  auf  die  beiden 
ersten  zusammenfassenden  Arbeiten  von  Nissl  und  von  Alz¬ 
heimer,  da  in  ihnen  eben  das  erstemal  der  Beweis  erbracht  wor¬ 
den  war,  dass  die  Hirnanatomie  tatsächlich  dazu  berufen  ist,  an 
der  Klärung  des  Wesens  der  Geisteskrankheiten  und  ihrer  Ab¬ 
grenzung  voneinander  mitzuwirken.  Es  wurde  das  hier  an  dem 
Beispiele  der  progressiven  Paralyse  mit  überzeugender 
Deutlichkeit  dargetan.  Wir  lernten  von  Nissl  und  von  Alz¬ 
heim  e  r,  dass  diese  Krankheit  eine  wohl  bestimmbare  „Anatomie 
besitzt,  dass  wir  sie  differentialdiagnostisch  von  anderen  ihr  klinisch 
gleichenden  Krankheiten  histologisch  abgrenzen  können,  so  dass  wir 
hier  das  erstemal  in  der  Lage  waren,  die  klinische  Diagnose  auf 
Grund  des  histologischen  Befundes  zu  kontrollieren  —  wie  es  die 
pathologische  Anatomie  in  der  somatischen  Medizin  zu  tun  vermag. 

ln  der  darauffolgenden  Zeit  —  d.  h.  in  den  letzten  8  Jahren  - — 
hat  gerade  die  Paralyseforschung  die  Rindenpathologen  wieder  und 
wieder  angezogen.  Zunächst  beschränkten  sich  wohl  ihre  Resultate 
auf  eine  Bestätigung  der  Lehren  N  i  s  s  1  s  und  Alzheimers.  Es 
wurde  über  allem  Zweifel  sichergestellt,  dass  die  Paralyse  histo¬ 
logisch  gekennzeichnet  ist  durch  das  Nebeneinandergehen  von  de- 
generativen  Veränderungen  an  der  funktiontragenden  Nervensubstanz 
und  von  diffusen  entzündlichen  (infiltrativen)  Prozessen  in  den  Menin¬ 
gen  und  den  zentralen  Gefässen,  besonders  denen  der  Rinde.  Es 
wurde  der  Beweis  für  die  Richtigkeit  einer  früher  von  Alzheimer 
gemachten  Annahme  erbracht,  wonach  diese  beiden  Reihen  von  Ver¬ 
änderungen  mit  einer  gewissen  Unabhängigkeit  voneinander 
bestehen.  Die  Untergangserscheinungen  am  funk¬ 
tiontragenden  Nervengewebe  lassen  sich  nicht  etwa 
lediglich  aus  den  entzündlichen  Veränderungen  am  Mesoderm  ab¬ 
leiten,  wie  das  früher  von  manchen  behauptet  wurde,  sondern  sie  sind 
ihrerseits  selbständig;  das  Studium  der  besonders  frühen  Sta¬ 
dien  der  Paralyse  und  der  sehr  langsam  verlaufenden,  sogen,  statio¬ 
nären  Formen  hat  das  ergeben.  —  Die  Begründung  der  Eitizelsym- 
ptome  im  histologischen  Gesamtbilde  beanspruchte  natürlich  viel 
Arbeit;  es  wurden  die  Art  und  Verteilung  der  Infiltrate,  die  Patho¬ 
genese  der  Stäbchenzellen,  die  proliferativen  Vorgänge  an  den  Ge¬ 
fässen  u.  a.  m.  studiert. 

Zweierlei  erscheint  mir  aus  diesen  Untersuchungen  von  all¬ 
gemeinerem  Interesse.  Nämlich  erstens  die  Tatsache,  dass  auch  der 
paralytische  Prozess  —  ähnlich  wie  die  multiple  Sklerose  —  die 


*)  Nach  einer  bei  meiner  Uebersiedelung  an  die  Universität 
München  gehaltenen  Vorlesung. 


Neigung  hat,  bei  der  Destruktion  der  Markiaser  zunächst  die  Mark- 
scheide  anzugreifen,  und  dass  das  in  Fleckenfoim  geschieht,  so 
dass  die  paralytische  Rinde  oft  von  zahlreichen  marklosen  Pla¬ 
ques  durchsetzt  ist  und  der  Rinde  einer  multiplen  Sklerose  gleichen  i 
kann.  Diese  Aehnlichkeit  wird  auch  dadurch  verstärkt,  dass  mit¬ 
unter  die  marklosen  Flecken  in  der  paralytischen  Rinde  auf  das 
Markweiss  übergreifen  und  dass  —  wennschon  sehr  selten  —  auch 
der  Hirnstamm  und  das  Rückenmark  vereinzelte  marklose  Flecke  auf¬ 
weisen.  Selbstverständlich  handelt  es  sich  dabei  nicht  um  Kombina¬ 
tionen  beider  Krankheiten. 

Das  zweite,  was  aus  der  Histopathologie  der  Paralyse  von 
grundsätzlicher  Bedeutung  sein  dürfte,  ist  ebenfalls  erst  in  den  letz-  i 
teil  Jahren  gefunden  worden;  Alzheimer  hat  uns  nämlich  gelehrt, 
die  frischen  Z  e  r  f  a  1 1  s  v  o  r  g  ä  n  g  e  sicherer  nachzuweisen,  als 
das  bis  dahin  möglich  war.  An  den  akuten  Reaktionen  der  Neuroglia- 
zellen  und  an  den  beim  Abbau  der  nervösen  Gewebe  auftretenden 
Zerfallsprodukten  erkennen  wir,  wo  der  Prozess  weiter  fortschreitet, 
wo  er  —  etwa  nach  paralytischen  Anfällen  —  eine  Steigerung  er¬ 
fahren  hat;  und  wir  können  andererseits  konstatieren,  wo  er  zum 
Stillstände  gekommen  ist.  Der  paralytische  Prozess  kann  hier  und 
da  „a  u  s  h  e  i  1  c  nkt  —  mit  Defekt  natürlich \  man  sieht  das  gai 
nicht  so  selten,  zumal  bei  den  langsam  verlaufenden  Fällen.  Aber 
es  handelt  sich  dabei  immer  nur  um  ein  lokalisiertes  Phänomen; 
während  er  hier  zur  Ruhe  gekommen  ist,  schreitet  der  Prozess  an 
anderen  Stellen  fort.  Und  das  ist  auch  bei  den  sogen,  stationären 
Paralysen  der  Fall,  obschon  sie  klinisch  oft  viele  Jahre  hindurch 
keine  erkennbare  Progression  zeigten.  Ein  anatomisch  be¬ 
glaubigter  Fall  von  geheilter  Paralyse  ist  bisher  nicht  be¬ 
kannt.  .  ,  ,  .  ,  i-,  . 

In  der  anatomischen  Differentialdiagnose  der  l  aia- 
lyse  spielen  heute  die  Krankheiten  keine  Rolle  mehr,  die  fiiiher 
Schwierigkeiten  in  der  Abgrenzung  boten,  ehe  man  das  anatomische 
Substrat  der  Paralyse  schärfer  bestimmen  konnte;  ich  meine  die 
senilen,  die  arteriosklerotischen  Psychosen,  die  Verblödungszustände 
auf  der  Basis  des  chronischen  Alkoholismus  u.  a.  Bedeutung  haben 
vielmehr  die  „p  a  r  a  1  y  s  e  ä h  n  1  i  c  h  e  n“  Prozesse:  sie  haben 
zur  Paralyse  vor  allem  deshalb  Beziehungen,  weil  auch  sie  durch 
eine  mehr  oder  weniger  diffuse  Ausbreitung  von  Infiltrationen  aus¬ 
gezeichnet  sind.  Dahin  gehören  also  die  verschiedenen  nichteitrigeu 
Meningoenzephalitiden,  nicht  zum  wenigsten  auch  einige 
bei  Tieren  vorkommende  Formen,  wie  die  Bornasche  Krankheit 
der  Pferde  und  die  Staupeenzephalitis  der  Hunde.  Hierher 
gehören  weiter  die  Lyssa  und  die  Trypanosomenkrank¬ 
heiten;  unter  diesen  ist  es  die  Schlafkrankheit,  welche  vor 
allem  in  ihren  Frühstadien  der  Abgrenzung  von  der  Paralyse  sehr 
grosse  Schwierigkeiten  bereiten  kann.  Schliesslich  kommen  hier  die 
sogen,  spezifisch  syphilitischen  Erkrankungen  in  Be¬ 
tracht,  nicht  sowohl  die  lokalisierten  gummösen  wie  die  ausgebreite¬ 
ten  Formen,  in  denen  die  Infiltrationen  grosse  Gebiete  des  Hirn¬ 
mantels  durchsetzen  oder  in  denen  proliferative  Erscheinungen  an 
den  kleinen  Rindengefässen  in  vielen  Bezirken  des  Grosshirns  vor¬ 
handen  sind.  Gerade  bei  solchen  Fällen  mit  einer  Endarteriitis  der 
kleinen  Hirngefässe  finden  sich  nicht  selten  schwere  Veränderungen 
am  nervösen  Gewebe,  die  sich  nicht  wohl  aus  den  mesodermalen 
Vorgängen  ableiten  lassen,  sondern  selbständiger  Natur  sein  dürften, 
ebenso  wie  die  hier  und  da  beobachteten  Systemerkrankungen  bei 
Fällen  zentraler  Lues.  Es  zeigt  sich  daran  wieder  deutlich,  dass  man 
vom  pathologischen  Anatomen  eine  Beantwortung  der  Frage  füglich 
nicht  verlangen  kann,  ob  die  Paralyse  lediglich  eine  Nach  krankheit 
1  der  Lues  ist  —  oder  anders  gesagt;  wo  man  die  Grenze  setzen  will 
zwischen  den  noch  als  spezifisch  geltenden  syphilitischen  Erkran¬ 
kungen  und  der  „Metalues“.  , 

Was  man  bei  der  Paralyse  gelernt  hatte,  musste  natürlich  auch 
für  die  Abgrenzung  anderer  Psychosen  massgebend  werden; 
es  kam  darauf  an,  unter  strenger  Anlehnung  an  die 
Klinik  anatomisch  Zusammengehöriges  in  eine 
Krankheitsform  zu  ordnen  und  wieder  nur  äusserlich  einheitlich 
scheinende  Gruppen  zu  sprengen  und  in  natürliche  Krank¬ 
heitseinheiten  aufzulösen.  Mit  besonderem  Erfolg  ist 
das  gerade  in  den  letzten  Jahren  für  die  Psychosen  des  Rück- 
bildungs  -  und  Greisen  alters  durchgeführt  worden.  Schon 
länger  hatte  Alzheimer  die  Forderung  aufgestellt,  die  gewöhn¬ 
liche  senile  Hirnatrophie  grundsätzlich  zu  trennen  von  den  arterio¬ 
sklerotischen  Hirnerkrankungen.  Die  Untersuchungen  der  Folgezeit 
haben  ihm  Recht  gegeben.  Wir  kennen  jetzt  den  der  „senilen 
Demenz“  (im  engeren  Sinne)  zukommenden  Hirnbefund  genauer 
und  sehen,  dass  es  reine  Fälle  seniler  Hirnveränderung  und  reine 
Fälle  von  Atherosklerose  des  Gehirns  gibt.  Die  senile  Demenz  ist 
in  ihrem  anatomischen  Substrat  jedenfalls  nicht  die  Folge  einer  pri¬ 
mären  Atherosklerose;  sie  beruht  vielmehr  auf  selbständigen  Alters- 
Umwandlungen  des  nervösen  Gewebes  und  stellt  eine  pathologische 
Verstärkung  des  physiologischen  senilen  Aufbrauches  des  Zentral- 
Organes  dar.  Trotz  aller  Kombinationen  des  einen  und  anderen  Pro¬ 
zesses  (die  ihre  sehr  plausiblen  Ursachen  haben)  handelt  es  sich  doch 
um  prinzipiell  verschiedenartige  Prozesse,  was  sich  übrigens  auch 
darin  äussert,  dass  die  Hirnveränderungen  bei  der  Atherosklerose 
sich  an  bestimmte  Gefässgebiete  binden,  während  die  senile  Atrophie 
ihre  Prädilektionsstellen  im  Hirnmantel  hat. 

Bei  dem  Versuche,  die  senile  Demenz  histopathologisch  von 
'  anderen,  ihr  ähnlichen  Erkrankungen  abzugrenzen,  stiess  man  auf 


7.  Januar  1913. 


MUKNCHKNKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


31 


eigenartige  Frille,  die  sich  auch  klinisch  von  der  gewöhnlichen 
senilen  Demenz  unterscheiden,  vor  allem  durch  das  frühe  Auftreten 
der  Erkrankung  —  im  6.  und  5.  Dezennium  —  und  durch  die  Kompli¬ 
kation  der  Demenz  mit  paraphasischen,  parapraktischen,  asym- 
bolischen  Erscheinungen.  Anatomisch  aber  trägt  das  Gesamtbild 
doch  gerade  die  wichtigsten  Züge,  die  sonst  der  senilen  Demenz 
eigen  sind:  es  finden  sich  hier  in  enormen  Mengen  die  für  die 
Altersatrophie  so  charakteristischen  senilen  Plaques  —  Einlagerungen 
einer  bald  mehr  kristallisierten,  bald  mehr  amorphen  Substanz  — 
und  auch  die  bei  den  senilen  Demenzen  so  häufige  Alzheimer- 
sche  F'ibrillenerkrankung  ist  hier  zumeist  von  geradezu  überraschen¬ 
der  Intensität.  Man  wird  diese  Fälle,  welche  wir  die  „A  1  z  h  e  i  m  e  r  - 
scheKrankheit“  nennen, als  atypische  Formen  der  senilen 
Demenz  angliedern  dürfen,  gerade  mit  Rücksicht  auf  diese  engen 
Beziehungen  der  anatomischen  Kardinalsymptome  hier  und  dort. 
Der  Umstand,  dass  diese  Erkrankungen  oft  schon  in  dem  eigentlichen 
Senium  beginnen,  wird  einen  wesentlichen  Gegengrund  dafür  nicht  ab¬ 
geben  können.  Wir  wissen  ja  auch  von  anderen  Organen,  dass 
sie  unter  Umständen  besonders  früh  und  intensiv  altern  können; 
ich  erinnere  an  die  überstürzten  Formen  der  Atherosklerose,  denen 
man  diese  Alzheimer  sehe  Hirnveränderung  an  die  Seite  stellen 
könnte.  Es  ist  nicht  einzusehen,  warum  nicht  auch  das  zentrale 
Gewebe  unter  besonderen  Bedingungen  einem  frühen  Aufbrauch  er¬ 
liegen  soll. 

Ausser  den  eben  genannten  Erkrankungen  gibt  es  nun  aber  im 
Senium  und  Präsenium  noch  andere  Prozesse,  die  histologisch  weder 
mit  der  senilen  Hirnentartung  noch  mit  der  Arteriosklerose  etwas  zu 
tim  haben.  Wir  kennen  bereits  einige  solche  Erkrankungen,  die  zum 
Ieil  ein  wohlcharakterisiertes  anatomisches  Gesamtbild  besitzen; 
andere  bieten  der  histologischen  Analyse  noch  viele  Schwierigkeiten 
Wir  dürfen  aber  hoffen,  in  nicht  zu  ferner  Zeit  die  senilen  und 
klimakterischen  Schwächezustände  in  anatomische  und  klinische 
Krankheitsformen  zerlegen  zu  können. 

Das  Gegenstück  zu  diesen  Verblödungsprozessen  des  höheren 
Lebensalters  bilden  die  angeborenen  oder  in  frühester 
Kindheit  erworbenen  Schwächezustände.  Für  dieses  Gebiet 
der  Idiotie  und  Imbezillität  hatte  K  r  a  e  p  e  1  i  n  schon  lange 
der  Hirnanatomie  die  führende  Rolle  bei  deren  Aufteilung  zuerkannt. 
Wir  verfügen  denn  auch  heute  tatsächlich  schon  über  die  Kenntnis 
einer  grossen  Zahl  anatomisch  scharf  gekennzeichneter  Prozesse, 
welche  Idiotie  oder  Imbezillität  bedingen  können.  Ich  sehe  ganz  ab 
von  den  lange  bekannten  gröberen  herdförmigen  Defekten,  die  eine 
frühe  Unterbrechung  in  der  Entwicklung  des  Seelenlebens  veran¬ 
lassen. 

Man  begegnet  bei  der  anatomischen  Durchsuchung  der  Idiotie 
allerhand  Veränderungen,  die  sich  auch  im  Gehirn  von  Erwachsenen 
finden  können,  wie  z.  B.  syphilogenen  Affektionen.  Aber  es 
gibt  eine  Reihe  von  Krankheiten,  die  offenbar  lediglich  der  Idiotie 
angehören  und  keine  Analoga  in  Erkrankungen  späterer  Lebensalter 
besitzen.  Die  Entwicklungshemmungen  stellen  solche 
Idiotieformen  dar.  Sie  werden  gerade  in  den  letzten  Jahren  eifrig 
studiert  in  ihren  Beziehungen  zur  Hirnentwicklung  und  zu  den  phylo¬ 
genetischen  Tatsachen  und  weiter  mit  Rücksicht  auf  die  Momente, 
welche  eine  solche  Hemmung  veranlassen  können.  Es  gehören  zu 
den  der  Idiotie  eigenen  Prozessen  weiter  dietuberöseSklerose 
und  die  familiäre  amaurotische  Idiotie.  Das  Studium 
der  amaurotischen  Idiotien  in  ihren  beiden  Formen  —  der  infantilen 
und  juvenilen  Abart  —  hat  uns  mit  der  sehr  interessanten  Tatsache 
bekannt  gemacht,  dass  es  Krankheiten  gibt,  deren  histologisches  Ge- 
samtbild  durch  die  ubiquitäre  Verbreitung  einer  eigenartigen  Nerven- 
zel  erkrankung  bestimmt  wird,  an  welcher  das  Wesentlichste  die 
Ablagerung  eines  besonderen  Stoffwechselproduktes  ist.  Diese  Er- 
iahrungen  und  einige  bei  seltenen  anderen  Prozessen  gemachte  Be- 
obachtungen  lehren,  dass  es  die  Eigentümlichkeit  mancher  Prozesse 
ist,  beim  Abbau  des  Nervengewebes  die  Bildung  eigenartiger  Sub¬ 
stanzen  zu  veranlassen,  die  für  die  Erkennung  dieser  Krankheiten 
wesentlich  sein  dürften. 

Die  Rindenforschung  hat  jedoch  trotz  heissen  Bemühens  an 
anderen  Stellen  nicht  entfernt  mit  dem  gleichen  Glücke  gearbeitet 
W‘e  bei  den  bisher  genannten  Krankheiten  und  KrankheitsgruDpen. 
Bei  dem  Versuche,  z.  B.  die  anatomische  Grundlage  der  Epilepsie 
aulzudecken,  begegnete  sie  grossen  Schwierigkeiten.  Gewiss  liess 
sich  auch  hier  anatomisch  wie  klinisch  eine  Reihe  von  Prozessen 
aus  der  ganzen  Epilepsiegruppe  absondern;  es  liess  sich  auch  ein 
leidlich  charakteristischer  Befund  bei  dem  Gros  der  Epilepsien  er- 
neben  (Alzheimer);  aber  es  bleiben  hier  doch  wohl  recht  viele 
falle  übrig,  die  anatomisch  schwer  bestimmbar  sind.  Noch  weit 
grossere  Schwierigkeiten  stellten  sich  dem  Suchen  nach  einer  Ana¬ 
tomie  der  Dementia  praecox  entgegen.  Es  gehörte  geradezu 
zu  den  betrüblichsten  Aufgaben,  das  Gehirn  eines  verblödeten  Kata¬ 
tonischen  histologisch  zu  verarbeiten,  weil  man  von  vornherein 
wusste,  dass  dabei  nichts  Erfreuliches  herauskommen  würde.  Es 
schien,  dass  die  Methoden,  mit  denen  man  bis  dahin  erfolgreich 

gearbeitet  hatte  —  die  Technik  von  Weigert  und  Nissl  _  hier 

AKu  ,9ienzen  hätten  und  erschöpft  seien.  Hier  hat  uns  A  1  z  h  e  i  m  e  r 
Abhilfe  geschaffen,  indem  er  uns  neue  Methoden  an  die  Hand  gab. 

Schon  lange  hatte  Weigert  betont,  dass  es  bei  der  ausser- 
?,  1 entliehen  Kompliziertheit  der  nervösen  Strukturen  schwer  sei, 
eränderungen  und  Ausfälle  am  Nerven  zell  -  oder  Faserpräparat 
zu  erkennen,  dass  man  besser  das  Gliapräparat  zu  Rate  ziehen  solle, 


da  es  den  Defekt  in  positivem  Sinne  anzeigt.  Nissl  hat  dann  mit 
grosser  Energie  die  Forderung  vertreten,  bei  der  Analyse  der  Rinden- 
veränderungen  vornehmlich  auch  das  Verhalten  der  Gliazellen  zu 
würdigen.  Und  die  mit  seiner  Methode  gewonnenen  Bilder  haben 
uns  hier  die  allerwichtigsten  Aufschlüsse  gebracht.  Nun  hat  Alz¬ 
heimer  gelehrt,  wie  wir  uns  mit  einfachen  Methoden  auch  die 
feineren  und  akutesten  Reaktionen  der  Gliazellen  anschaulich  machen 
können  und  wie  sich  die  beim  Untergang  nervösen  Gewebes  auf¬ 
tretenden  Abbaustoffe  darstellen  lassen. 

Wenn  nicht  alles  täuscht,  bringt  uns  dieser  neuerdings  einge¬ 
schlagene  Weg  der  Hirnrindenforschung  auch  dem  Ziele  einer  Ana¬ 
tomie  der  jugendlichen  Verblödungsprozesse  wesent¬ 
lich  näher.  Das  was  wir  heute  davon  wissen,  ist  zwar  nicht 
geeignet,  diese  Krankheiten  daraufhin  post  mortem  zu  diagnostizieren 
und  sie  von  einander  abzugrenzen.  Aber  es  ist  doch  schliesslich 
schon  die  Tatsache  bedeutungsvoll,  dass  wir  hier  Veränderungen 
finden,  die  auf  die  Psychose  selber  bezogen  werden  dürfen;  und 
solche  Befunde  beanspruchen  Berücksichtigung  bei  der  prinzipiellen 
Frage  nach  der  Abgrenzung  der  Psychosen  überhaupt. 

Bei  allen  Untersuchungen,  die  das  Wesen  eines  Krankheits¬ 
prozesses  ergründen  wollen,  kommt  es  natürlich  auch  auf  die  Be¬ 
stimmung  seiner  Lokalisation  an.  Man  wird  wohl  sagen  dürfen, 
dass  sich  die  Rindenforschung  dabei  von  einer  einseitigen,  grad¬ 
linigen  Lokalisierung  psychischer  Krankheitserscheinungen  fernge¬ 
halten  und  sich  nicht  der  eitlen  Spekulation  hingegeben  hat,  eine 
topographische  Erklärung  für  die  Symptomenbilder  zu  versuchen. 
Es  kommt  ganz  unabhängig  zunächst  von  der  klinischen  Gestaltung 
des  Falles  darauf  an,  die  Verbreitung  der  Veränderungen 
über  das  Zentralorgan,  speziell  über  die  verschiedenen  Gebiete  des 
Grosshirns,  zu  ermitteln. 

Hier  haben  sich  nun  eine  Reihe  von  interessanten  Tatsachen 
hei  ausgestellt.  Es  gibt  Krankheiten,  die  nicht  gleichmässig  über  den 
Grosshirnmantel  verteilt  sind,  sondern  bei  im  übrigen  diffuser  Ver¬ 
breitung  doch  ihre  P  r  ä  d  i  1  e  k  t  i  o  n  s  s  t  e  1 1  e  n  besitzen;  dazu  ge- 
h öi  en  die  progressive  Paralyse,  die  senile  Demenz,  manche  Prozesse 
aus  der  Epilepsiegruppe  und  einige  seltenere  Erkrankungen;  und  alle 
die  eben  genannten  Prozesse  haben  auffälligerweise  ihren  Hauptsiiz 
im  Frontalhirn  und  im  Ammonshorn,  also  in  zwei  stammes¬ 
geschichtlich  durchaus  differenten  Bezirken.  Andere  Krankheiten 
wieder  binden  sich  an  das  Ausbreitungsgebiet  bestimmter  G  e  f  ä  s  s  e, 
\\  ie  die  athei  osklerotische  Hirnerkrankung.  Und  bei  wieder 
anderen  scheinen  in  ihrer  Verteilung  keine  Gesetzmässigkeiten  zu 
bestehen. 

Auch  der  R  i  n  de  n  q  u.e-r  s  ch  n  i  1 1  ist  in  der  Regel  nicht 
gleichmässig  betroffen.  Die  Veränderungen  sind  bald  mehr  in  der 
tiefen  Rinde  etabliert,  bald  greifen  sie  diese  oder  jene  Schichten 
,.er  .[!?*^jeren  Rinde  heraus.  Die  Zellen  des  einen  Typus  werden  zur 
Verflüssigung  und  Auflösung  gebracht,  die  eines'  anderen  erleiden 
sklerotische  Umwandlungen.  Es  weisen  diese  Eigentümlichkeiten 
darauf  hin,  dass  es  sich  hier  wohl  um  Erkrankungen  verschie¬ 
dener  Rindensysteme  handelt;  auch  hier  spielt  die  Prä- 
chlektion  oder  Affinität  des  jeweiligen  Prozesses  zu  bestimmten 
Schichten  der  Rinde  eine  Rolle.  Dass  wir  es  da  tatsächlich  mit 
verschiedenen  übereinander  gelagerten  Rindenorganen  zu  tun 
haben,  hat  N  i  s  s  sl  jüngst  in  einer  glänzenden  Untersuchung  gezeigt: 
Die  Schichten  der  tiefen  Rinde  haben  engste  Beziehungen  zu  den 
übrigen  Abschnitten  des  Zentralorgans,  die  anderen  sind  gewisser- 
massen  „innerkortikale“  Organe. 

Um  es  noch  einmal  zu  betonen:  es  kommt  bei  diesen  topo¬ 
graphischen  Bestimmungen  eines  Krankheitsprozesses  zunächst  ledig¬ 
lich  darauf  an,  seine  Ausbreitung  im  Zentralorgan  genauer  zu  er¬ 
mitteln,  gleichviel  wie  das  klinische  Bild  gestaltet  sein  mag.  Und 
niemanden  wird  es  einfallen  nach  dem  Sitze  einer  Wahnidee  oder 
einer  krankhaften  Verstimmung  zu  suchen.  Aber  man  wird  wohl  die 
Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  weisen  können,  dass  wir  bei  diesen 
lokalisatorischen  Bemühungen  später  doch  für  die  Erklärung  wenig¬ 
stens  mancher  psychischer  Krankheitserscheinungen  einen  Anhalt 
finden.  Hoche  hat  vor  kurzem  Erwägungen  über  dieses  Problem 
angestellt  und  er  meint  dabei,  lokalisierbar  —  im  Sinne  der  Störung 
durch  Leitungsunterbrechung  —  mögen  vielleicht  Sinneswahrneh¬ 
mungen  sein,  ferner  sprachliche  Funktionen,  psychomotorische  Vor¬ 
gänge  dei  verschiedensten  Art,  Einzelleistungen  der  Gedächtnis- 
funktion  u.  dgl.  Vielleicht  dass  man  hier  weiter  kommt,  wenn  man 
Krankheitsprozesse  mit  einander  vergleicht,  die  dem  Wesen  nach 
verschieden,  im  klinischen  Bilde  aber  recht  ähnlich 
sind,  resp.  bei  denen  ein  besonders  hervorstechendes  Symptom  das 
Ki  ankheitsbild  behenscht,  wie  etwa  die  enorme  Beeinträchtigung  der 
Merkfähigkeit  bei  der  K  o  r  s  a  k  o  w  sehen  Psychose  der  Trinker  und 
bei  den  presbyophrenen  Formen  der  senilen  Demenz.  Es  liegt  nahe 
anzunehmen,  dass  die  klinische  Aehnlichkeit  zweier  grundsätzlich  so 
verschiedener  Prozesse  darin  ihren  tieferen  Grund  hat,  dass  sie  den 
gl  eichen  Angriffspunkt  in  der  Rinde  haben.  Ein  anderer 
nicht  aussichtsloser  Weg  wäre  es  wohl,  die  typischen  und  die 
a  t  y  p  i  s  c  h  e  n  Formen  ein  und  derselben  Krankheit  miteinander  zu 
vergleichen,  weil  sich  die  atypischen  Fälle  oft  von  dem  gewöhnlichen 
Ki  ankheitsbilde  durch  die  „herdförmige“  Schädigung  gewisser  Ein¬ 
zelleistungen  auszeichnen. 

Ein  Ziel  der  Hirnrindenforschung  ist  es  schliesslich,  an  der  Klä- 
rung  der  Aetiologie  der  Psychosen  mitzuwirken  und  die  Basis 
für  eine  systematische  Behandlung  schaffen  zu  helfen.  Die  Me- 


32 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


thode  vergleichender  Krankheitsforschung  scheint 
hier  Erfolge  zu  versprechen.  So  hat  z.  B.  die  Vergleichung  der  1  ry- 
panosomenkrankheiten  mit  den  syphilogenen  Prozessen  mancherlei 
Beziehungen  aufgedeckt,  die  mit  den  pathologisch-anatomischen 
Aehnlichkciten  nicht  erschöpft  sind.  Und  es  ist  wohl  keine  Utopie, 
zu  hoffen,  dass  hier  experimentell  die  Ursachen  geklärt  werden  moch¬ 
ten  die  in  beiden  Fällen  zur  Infektion  hinzukommen  müssen,  dass 
das  Zentralorgan  erkrankt.  Dass  damit  auch  die  Grundlage  für  die 
Versuche  einer  Behandlung  der  Paralyse  —  wie  man  sie  gerade  jetzt 
energischer  als  früher  anstrebt  —  geschaffen  werden  soll,  ist  selbst¬ 
verständlich.  Auch  die  grosse  Unklarheit,  die  bislang  über  die  Patho¬ 
genese  und  das  Wesen  der  multiplen  Sklerose  heu  seht  und 
die  nun  allmählich  zu  welchen  beginnt,  könnte  vielleicht  gerade  auch 
auf  diesem  Wege  vergleichender  Krankheitsforschung  beseitigt  wer¬ 
den;  ihre  Gegenüberstellung  mit  der  Paralyse,  von  der  vorhin  die 
Rede  war,  macht  uns  schon  heute  manches  verständlich,  was  m 
alten  Theorien  erstarrt  schien  und  unerklärbar  war. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 


Robert  Kochs  gesammelte  Werke.  Unter  Mitwirkung  von 
p,of  Dr.  G  a  ff  k  y  und  Prof.  Dr.  Pfuhl  herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  J.  Schwalbe.  Zwei  Bände.  Leipzig  1912.  Verlag  von 

Kochs  Lebenswerk  in  vornehmem  Gewände  dem  deutschen 
Volke  und  der  Wissenschaft  der  Welt  gesammelt  darzubieten,  war 
eine  edle  Pflicht.  Herausgeber  und  Verlag  haben  sie  in  würdigstci 
Weise  gelöst.  Auf  1200  Quartseiten,  geschmückt  mit  sämtlichen 
Originalbildern,  reihen  sich  die  inhaltschweren  und  vielfach  bahn¬ 
brechenden  Arbeiten  des  genialen  Forschers  aneinander,  eingeleitet 
von  Kochs  Bild  und  der  Gedenkrede  Gaffkys  vom  11.  De¬ 
zember  1910  in  der  Berliner  Aula.  „ 

Der  erste  Band  ist  der  wertvollste,  bringt  er  doch  die  klassischen 
Arbeiten  über  Milzbrand,  die  Verfahren  zur  Untersuchung,  zum  Kon¬ 
servieren  und  Photographieren  der  Bakterien,  mit  ihren  vielen  heute 
noch  mustergültigen  Photographien,  die  wichtigen  Untersuchungen 
über  Mikroorganismen  bei  infektiösen  Wundkrankheiten,  die  be¬ 
rühmte  Untersuchung  von  pathogenen  Mikroorganismen,  die  Studien 
über  Milzbrandimpfung  und  Milzbrandabschwächung,  die  grund¬ 
legenden  Arbeiten  über  Desinfektion,  die  unsterbliche  Tuberkulose- 
arbeit  und  die  weltbewegenden  Arbeiten  über  Tuberkulin.  Unter  all 
diesen  Arbeiten  ist  nicht  eine,  die  nicht  heute  noch  ihren  vollen 
Wert  besitzt  und  in  ihrer  schmucklosen,  knappen  und  überzeugenden 
Darstellungsweise  vorbildlich  wirkt. 

Der  zweite  Band  enthält  zunächst  die  Cholerastudien,  die  K  o  c  h- 
schen  Ausführungen  auf  der  ersten  und  zweiten  Cholerakonferenz 
und  den  Streit  mit  Pettenkofer,  die  Arbeit  über  Typhusbe- 
kämpfung,  die  Anlass  gegeben  hat  zu  der  Einrichtung  der  lyphus- 
bekämpfungsstationen  im  Deutschen  Reiche.  Es  finden  sich  dann  die 
grossen  tropenhygienischen  Arbeiten,  in  erster  Linie  über  Malaria, 
Schwarzwasserfieber,  dann  über  1  rypanosomenkrankheiten,  den 
Schluss  machen  die  Arbeiten  über  Pest  und  Lepra. 

Mit  Bewunderung  wird  uns  bewusst,  wie  viele  Jahre  seines 
späteren  Mannesalters  Koch  in  den  gefährlichsten  und  klimatisch 
vielfach  äusserst  unangenehmen  Tropengegenden  seine  Kräfte  der 
Seuchenerforschung  und  Seuchenbekämpfung  widmete,  in  einem  Alter, 
wo  andere  die  gewohnten  Laboratoriumsräume  nicht  gerne  mehr  ver¬ 
lassen.  Die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Bandes  bringt  die  Arbeiten 
über  die  Bekämpfung  der  Tierkrankheiten,  speziell  Texasfieber, 
Küstenfieber  und  Pferdesterbe,  als  Anhang  sind  einige  kleinere 
Jugendarbeiten  beigegeben,  so  die  inhaltreiche  Preisschi  ift  über  das 
Vorkommen  von  Ganglienzellen  in  den  Nerven  des  Uterus  und  die 
wenig  bekannte  Studie  über  die  Entstehung  der  Bernsteinsäure  im 
menschlichen  Organismus.  Es  folgt  nun  eine  reiche  Sammlung  un¬ 
veröffentlichter  Berichte  und  Gutachten  an  Reichs-,  Staats-  und 
Kommunalbehörden.  Nicht  weniger  als  92  zum  Teil  seht  interessante 
Gutachten  sind  abgedruckt.  Die  meisten  beziehen  sich  auf  lyphus 
und  Cholera,  eine  Anzahl  auf  Trypanosomenkrankheiten,  Impfung, 
Tuberkulose,  nicht  weniger  als  13  auf  Abwasserbeseitigung  und 
Wasserversorgung  und  schliesslich  noch  11  auf  rein  hygienische  Ihe- 
mata,  Alkohol-Denaturierung,  Heizung,  Rauchbelästigung  und  dergl. 
So  lernen  wir  Koch  nicht  nur  als  genialen  Forschei,  sondern  auch 
als  vielseitigen  einflussreichen  Ratgeber  der  preussischen  und  Reichs¬ 
behörden  kennen.  Da  es  Koch  Bedürfnis  war,  das  theoretisch  Li- 
kannte  praktisch  zu  verwerten,  so  enthält  jedes  seinei  Gutachten 
ganz  bestimmte  Vorschläge  und  häufig  werden  neue  und  eigenaitige 
Wege  zur  Erreichung  des  Zweckes  empfohlen. 

Noch  manche  Generation  wird  lernen  aus  den  Schriften  dieses 
grossen  Arztes  und  Naturforschers,  dieses  klaren,  jeder  Phrase  abge¬ 
neigten  Geistes.  Bis  in  die  spätesten  Zeiten  —  wenn  zahllose  gleich¬ 
zeitige  Forscher  und  Forschungen  vergessen  sein  werden  —  wird 
leuchten  sein  Lebenswerk  als  Monumentum  a  e  r  e  peren- 
n  i  u  s  K.  B.  Lehmann  -  Wiirzburg. 


gange  eines  unserer  grössten  Chemiker,  Jacobus  Henricus  v  a  n 
t  ’  H  o  f  f,  vergönnt  uns  diese  treffliche  Biographie.  W  ir  begleiten  den 
seltenen  Geistesgrossen  von  der  Kinderstube  und  der,  ersten  Schul¬ 
jahren  durch  die  Jünglingsjahre,  in  denen  August  Comte  und  die 
Dichtungen  Lord  Byrons  einen  nachhaltigen  Eindruck  auf  das 
Gemüt  und  die  Denkweise  van  t’Hoffs  gewannen,  zu  den  Platzen 
seines  Wirkens,  nach  Bonn,  Paris,  Utrecht,  Amsterdam  und  schliess¬ 
lich  nach  Berlin  und  erkennen  mit  Genugtuung,  wie,  im  ganzen  ge¬ 
nommen.  die  Gunst  des  Schicksals  seinem  gewaltigen  Können  und 
einer  fruchtbringenden  Entfaltung  kaum  wesentliche  Hemmungen  m 
den  Weg  legte.  Und  neben  den  äusseren  Erfolgen,  die  im  Jahre  1901 
mit  der  Verleihung  des  Nobelpreises  einen  Höhepunkt  erreichten, 
bleibt  der  grosse  Gelehrte  stets  der  schlichte,  einfache,  gemütvolle 
Mensch,  an  dem  seine  Freunde  —  O  s  t  w  a  1  d,  S  v  a  n  t  e  A  i  i  he- 
nius,  W  i  slice  n  us,  Gunning  in  erster  Linie  —  mit  innigster 
Liebe  und  Verehrung  hängen.  Davon  zeugen  zahlreiche  Briete, 
welche  das  treffliche  Buch  wiedergibt;  und  wie  dann  dem  alternden 
Manne  sich  der  Leidenskelch  nähert,  als  ihn  eine  Lungentubeikulose 
auf  das  Krankenlager  warf,  da  erscheint  das  Schicksal  wie  ein  ge¬ 
fühlloser  Gast  in  dem  sonnigen  Lebensgange,  und  wir  scheiden  von 
dem  erhabenen  Bilde  mit  Wehmut  im  Herzen,  aber  mit  dem  Be¬ 
wusstsein,  dass  hier  ein  selten  grosser  Geist  der  Menschheit  be¬ 
schert  ward!  ,  iL  .  ,  .  D. 

Dem  Eindruck,  den  die  Lebenden  von  ihm  hatten,  ist  sein  Bio¬ 
graph  nach  allen  Seiten  hin  vollauf  gerecht  geworden,  er  hat  dem 
Gewaltigen  ein  unvergängliches  Denkmal  gesetzt.  Mögen  alle,  denen 
Menschengrösse  etwas  zu  sagen  hat,  zur  eigenen  Erbauung  zu  ihm 
hinpilgern!  F.  K  ö  h  1  e  r  -  Holsterhausen-Werden  Ruhr. 


Erich  Lex  er:  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chirurgie.  6.  Auflage. 

1912.  Verlag  von  Ferd.  Enke.  M.  23.60. 

Lexers  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chirurgie,  erstmals  er¬ 
schienen  1904,  liegt  nun  in  6.  Auflage  vor.  Die  Notwendigkeit,  in 
rascher  Aufeinanderfolge  neue  Auflagen  erscheinen  zu  lassen,  spricht 
schon  für  die  grosse  Beliebtheit,  die  sich  Lexers  Lehrbuch 
bei  Aerzten  und  Studierenden  erworben  hat  und  das  mit  vollem 
Recht.  Auch  in  der  neuen  Auflage  hat  Lex  er  alle  Fortschritte  und 
Aenderungen  in  den  Anschauungen  und  in  der  Therapie,  die  in  dem 
vielumfassenden  Gebiete  der  allgemeinen  Chirurgie  so  manche  Be¬ 
reicherung  und  Klärung  gebracht  haben,  verwertet  und  die  Ergeb¬ 
nisse  eigener  Arbeit  und  Erfahrung  beigefügt.  Ich  halte  Le  xers 
Lehrbuch  für  den  Praktiker  wie  für  den  Studierenden  fiit  äusserst 
anregend  und  nutzbringend  und  kann  es  wiederholt  auf  das  ein¬ 
dringlichste  empfehlen.  v.  Angerer. 


Ernst  Cohen:  Jacobus  Henricus  van  t’Hoff.  Sein  Leben 
und  Wirken.  Mit  2  Gravüren  und  90  Abbildungen.  Leipzig  1912. 
Akademische  Verlagsgesellschaft.  638  Seiten.  Broschiert  M.  14.75. 

An  der  Hand  eines  seiner  besten  Freunde,  des  Utrechter  Che¬ 
mikers  Ernst  Cohe  n,  teilzunehmen  an  dem  wechselvollen  Lebens- 


Otto  Holbeck:  Die  Schuss  Verletzungen  des  Schädels  im 
Kriege  Heft  53  der  Veröff.  a.  d.  Gebiete  des  Militär-Sanitätswesens. 
Berlin,  Aug.  H  i  r  s  c  h  w  a  1  d,  1912.  Mit  12  Tafeln,  Figuren  und 
Kurven  im  Text.  480  S.  12  M.  .  ...  , 

Das  Gebiet,  das  H.  behandelt,  ist  eines  der  wichtigsten  für  den 
Kriegschirurgen,  aber  nicht  bloss  für  diesen,  sondern  auch  fiii  deii 
Chirurgen  und  praktischen  Arzt;  denn  Schädelschüsse  sind  heutzu¬ 
tage  keine  Seltenheit.  Die  Arbeit  fusst  auf  den  Untersuchungs- 
ergebnissen  von  443  Schädelverletzungen,  die  im  i  ussisch-japanischen 
Kriege  in  verschiedenen  Lazaretten  behandelt  wurden  im  Gegen¬ 
sätze  zu  den  auf  den  Verbandplätzen  zugegangenen.  Wenn  man 
berücksichtigt,  dass  in  dem  genannten  Feldzuge  über  50  Proz.  der 
Gefallenen  Kopfverletzungen  aufwiesen,  so  erscheint  die  Zahl  443 
allerdings  etwas  klein.  Dies  wird  aber  durch  eingehende  Bearbeitung 
der  Fälle  reichlich  aufgewogen.  Das  Werk  bespricht  nach  einer 
Einleitung  die  Schädelverletzungen  im  allgemeinen,  dann  jene  der  ein¬ 
zelnen  Kopfregionen,  die  Symptome,  Diagnose,  1  herapie  und  1  ro- 
gnose  und  bringt  am  Schlüsse  auf  41  Seiten  eine  sehr  willkommene 
Uebersicht  über  die  einschlägige  Literatur. 

Bezüglich  der  Therapie  der  Kopfschüsse  muss  Verf.  zugeben, 
dass  leider  hier  noch  keine  Einigung  erzielt  ist.  Verf.  beschränkt 
sich  deshalb  auf  eine  geschichtliche  Zusammenstellung  dessen,  was 
in  den  letzten  2  Dezennien  veröffentlicht  wurde,  eine  Zusammen¬ 
stellung,  die  des  Belehrenden  sehr  viel  enthält,  was  auch  von  dem 
Abschnitte  über  die  Indikationen  zum  Eingriff  gesagt  werden  muss. 
Wenn  auch  Verf.  nicht  in  der  Lage  ist,  bestimmte  umschriebene  Vor¬ 
schriften  bezüglich  der  Therapie  zu  geben,  so  ist  doch  sicher,  dass 
jeder,  der  das  Buch  mit  Bedacht  durchgelesen  hat,  dasselbe  nicht 
unbefriedigt  aus  der  Hand  legt.  Es  ist  zweifellos  eine  wertvolle  Be¬ 
reicherung  unserer  Literatur  über  Kriegschirurgie.  Die  Ausstattung 
ist  gut.  Reh' 


Erfahrungen  über  Neurosen  nach  Unfällen.  Von  Prof.  Dr.  Fried¬ 
rich  Schultze,  Direktor  der  medizinischen  Klinik  in  Bonn  und 
Privatdozenten  Dr.  Hugo  Stursberg  in  Bonn.  Wiesbaden  191- 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann.  57  Seiten. 

Für  den  Praktiker  auf  dem  Gebiete  des  Unfallwesens  bietet  die 
vorliegende  kleine  Schrift  sehr  viel  Interessantes.  Unzweifelhaft 
besteht  in  ärztlichen  Kreisen  über  die  Häufigkeit  der  Unfallneurosen 
manche  unrichtige  Vorstellung.  Aus  den  von  Schultze,  dem  Ver¬ 
fasser  des  allgemeinen  Teiles,  beigebrachten  Ziffern  ist  zu  entnehmen, 
dass  das  letzte  Jahrzehnt  zwar  eine  bedeutende  Vermehrung  der  Neu¬ 
rosen  gebracht  hat  (soweit  die  relativ  kleinen  Ziffern  bindende 
Schlüsse  in  diesem  Punkte  erlauben),  dass  aber  im  Verhältnis  zur 
Gesamtzahl  der  Unfälle  die  Zahl  der  Neurosen  durchaus  nicht  so 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


33 


gross  ist,  als  man  meist  annimmt,  sondern  „ausserordentlich  gering“. 
In  dem  Abschnitt  zur  „Untersuchung  und  Diagnose  der  Unfall¬ 
neurosen  erörtert  Schultze  an  der  Hand  seiner  grossen  persön- 
liehen  Erfahrung:  die  VV  ertigkeit  der  verschiedenen  Symptome  von 
Neurosen  und  räumt  mit  manchen  vulgären  Anschauungen  in  dieser 
Hinsicht  scharf  auf.  Hinsichtlich  der  Prognose  ist  Schultze  auf 
(irund  seiner  Erfahrungen  erfreulicherweise  optimistischer  als  manche 
andere  Autoren,  indem  er  darauf  hinweisen  kann,  dass  nach  den 
Feststellungen  von  Stursberg,  welche  dieser  im  speziellen  Teil 
an  der  Hand  von  Tabellen  eingehender  darlegt,  nur  bei  etwa  12  Proz 
sich  eine  Verschlimmerung  entwickelte,  während  bei  27  Proz.  Heilung 
oder  Besserung  eintrat.  Die  klinische  Beobachtung  hat  die  Verfasser 
andererseits  zu  der  Ueberzeugung  geführt,  dass  in  einer  grossen  Zahl 
von  r rillen  von  den  Verletzten  in  bewusster  Weise  aggraviert  wird. 
Trotz  der  günstigen  Erfahrungen,  welche  in  Schweden  und  ander¬ 
wärts  mit  dem  System  der  Kapitalabfindung  gemacht  worden  sind, 
steht  Schultze  auf  dem  Standpunkt,  von  diesem  Systeme  keinen 
Gebrauch  zu  machen.  Referent  hält  jedoch  die  gegen  das  System  der 
Kapitalsabfindung  vorgebrachten  Gründe  für  nicht  sehr  ins  Gewicht 
fallend.  Die  Erfahrungen  an  der  Bonner  Klinik  zeigten  endlich  dass 
die  Gewährung  hoher  Renten  schlecht  auf  die  Prognose  der  Unfall¬ 
neurosen  einwirkt,  und  dass  der  Zwang  zur  Arbeit  tatsächlich  ein 
Heiifaktor  ist.  Aus  dem  speziellen  Teile  ist  hervorzuheben,  dass  von 
172  Kranken  mit  nervösen  Störungen  mehr  als  50  Proz.  bewusst 
übertreiben,  gewiss  ein  sehr  wertvoller  Nachweis  und  eiii  Ausrufe¬ 
zeichen  für  die  Begutachter.  Den  Schluss  der  Arbeit  bilden  neben 
der  statistischen  Verarbeitung  von  212  Fällen  mit  funktionellen  ner¬ 
vösen  Störungen  eine  Anzahl  kasuistischer  Beiträge,  welche  manches 
Interesse  hervorrufen.  Dr.  C.  Grassmann- München. 

V'1  «S1 

A.  Dührssen:  Gynäkologisches  Vademekum.  Für  Studierende 
und  Aerzte.  X.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage  mit  138  Ab¬ 
bildungen  im  Text  und  11  Tafeln.  Berlin,  S.  Karger,  1913 
306  Seiten.  Preis  6.80  M. 

Das  bekannte  Vademekum  hat  dank  seiner  vorzüglichen  Ab¬ 
fassung  die  10.  Auflage  erfahren  und  ist  inzwischen  auch  noch  ins 
Griechische  übersetzt  worden,  nachdem  Uebersetzungen  ins  Englische 
Französische,  Italienische,  Polnische,  Russische  und  Türkische  vorher¬ 
gegangen  sind.  Die  Neuauflage  zeigt  keine  wesentliche  Aenderung- 
nach  wie  vor  muss  häufig  erst  der  Text  die  —  auch  dem  Fachmann  — 
schwer  verständlichen  Abbildungen  erklären,  manche  Bilder  dürfen 
ohne  Schaden  wegbleiben  (z.  B.  No.  128). 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  München. 

Albert  H  e  r  r  e  n  s  c  h  n  e  i  d  e  r  -  Kolmar:  Lehrbuch  der  Heb¬ 
ammenkunst.  Strassburger  Druckerei  und  Verlagsanstalt  Filiale 
Kolmar.  308  S. 

Das  vorliegende  Lehrbuch,  welches  dem  Direktor  der  Strass¬ 
burger  Hebammenschule,  Prof.  Dr.  Hermann  Freund,  zum  Einzug 
in  die  neuerbaute  Lehranstalt  gewidmet  ist,  besitzt  ungefähr  den 
gleichen  Umfang  wie  das  preussische  Hebammenlehrbuch;  es  unter¬ 
scheidet  sich  von  demselben  einmal  durch  eine  ausserordentlich 
übersichtliche  Anordnung  des  Stoffes,  so  dass  sich  die  Hebamme, 
welche  über  irgend  einen  Punkt  etwas  nachlesen  will,  schnell  orien¬ 
tieren  kann,  zweitens  enthält  es,  dem  eigentlichen  Lehrstoff  voran¬ 
gehend,  eine  ausführlichere  und  sehr  verständliche  Darstellung  der 
Anatomie  des  menschlichen  Körpers.  Abbildungen  sind  in  dem 
Lehrbuch  fortgelassen,  dieselben  finden  sich  in  einem  Atlas,  heraus¬ 
gegeben  vom  Verfasser,  welcher  in  No.  46,  1912  dieser  Wochenschr. 
besprochen  wurde.  Das  Lehrbuch  ist  die  Frucht  einer  15  jährigen 
Lehrtätigkeit  des  Verfassers  als  Hebammenlehrer. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 


Finkeistein;  Lehrbuch  der  Säuglingskrankheiten.  Zweite 
Haltte.  Verlag  von  Fischers  med.  Buchhandlung  H.  Kornfeld, 
Berlin  1912.  653  Seiten.  Preis  17.50  M. 

H.  ,^ach  längerer  Pause  ist  der  im  Jahre  1905  erschienenen  ersten 
Hälfte  der  stattliche  zweite  Band  in  zwei  Etappen  —  Juli  1911  und 
rebruar  1912  —  gefolgt.  Die  Verzögerung  der  mit  Spannung  er¬ 
warteten  zweiten  Hälfte  war  für  die  Eingeweihten  um  so  verständ- 
hcher,  als  man  aus  den  Publikationen  Finkeisteins  im  Jahrbuch 
tur  Kinderheilkunde  wusste,  dass  der  Autor  das  grösste  und  schwie¬ 
rigste  Gebiet  aus  der  gesamten  Kinderheilkunde  —  die  Ernährungs¬ 
störungen  —  einer  durchgreifenden  Bearbeitung  unterzogen  hatte. 
Ehe  die  experimentellen  Grundlagen  nicht  abgeschlossen  waren,  ehe 
das  klinische  Gebäude  in  seinem  fein  beobachteten  Symptomen- 
komplex  nicht  am  Krankenbett  wieder  und  wieder  einer  exakten 
Prüfung  standgehalten  hatte  —  wollte  und  konnte  Heinrich  F  i  n  k  e  1  - 
stein  sein  Lehrbuch  nicht  zur  Veröffentlichung  bringen.  Dass  das 
Werk  als  wohlgelungen  zu  bezeichnen  ist,  sei  jeder  Kritik  im  Ein¬ 
zelnen  vorweggenommen.  Finkeistein  bringt  in  diesem  Lehr¬ 
buch  der  Säuglingskrankheiten  seinen  Lesern  seine  eigenen  Ansich¬ 
ten,  teilweise  recht  abweichend  von  der  bisherigen  Lehrmeinung. 
ru*11*  o  ^er  wahrlich  nicht  not,  dass  er  sich  deswegen  in  persön- 
hcher  Bescheidenheit  entschuldigt  — -  denn  auf  fast  allen  Gebieten 
der  Säuglingsheilkunde  hat  sich  der  Verfasser  selbst  bearbeitend, 
kritisch  und  reformierend  betätigt.  Ganz  besonders  gilt  dies  für  das 
Gebiet  der  Ernährungsstörungen.  Hier  wandte  der  Verf.  eine  völlig 
neue  Betrachtungsweise  an,  die  davon  ausgeht,  den  Effekt  der  Nah¬ 
rung  als  solchen  auf  den  Organismus  zu  studieren  und  zwar  nicht  mit 


dem  Rustzeug  umständlicher  Stoffwechseluntersuchungen  und  anderer 
exakter  physiologischer  Methoden,  sondern  an  der  Hand  einfacher 
klinischer  Beobachtung  augenfälliger  Symptome  —  wie  Puls,  Atmung, 
Koi  pertemperatur,  Beschaffenheit  des  Urins  und  anderer  mehr.  Bei 
diesen^  klinischen  Experiment  kommt  es  einmal  zur  „normalen  Re¬ 
aktion  odei  aber  zur  „paradoxen  Reaktion“;  ist  die  „Ernährungs- 
tunktion  ,  d.  h.  die  spezifische  der  Ableistung  des  Ernährungs¬ 
vorganges  gewidmete  Energie  herabgesetzt,  so  sinkt  nach  F  i  n  k  e  1  - 
stein  die  „Toleranz“  —  womit  der  normale  Ablauf  des  Ernährungs- 
vorganges  Gefahr  läuft  in  die  paradoxe  Reaktion  umzuschlagen.  Wie 
fruchtbringend  diese  neue  Betrachtungsweise  nicht  nur  klinisch  und 
praktisch,  sondern  auch  didaktisch  ist,  mag  daraus  hervorgehen,  dass 
Kiiize  ihres  Bestehens  bereits  in  verschiedenen  anderen 
pädiatrischen  Lehrbüchern  Eingang  gefunden  hat.  Ref.  möchte  auch 
ii-f!-'  d^ss  d,ie  interne  Medizin,  aus  der  ja  die  Kinderheilkunde 
allmahhg  als  selbstberechtigtes  Spezialfach  hervorgegangen  ist,  aus 
dieser  von  Finkeistein  inaugurierten  Betrachtungsweise  des  Er- 
nahrungsvorganges  Nutzen  ziehen  könnte. 

Was  die  einzelnen  Kapitel  anbetrifft,  so  sei  nur  folgendes  hervor¬ 
gehoben.  Bei  den  Erkrankungen  der  Atmungsorgane  findet  die  Säug- 
hngsgrippe  und  besonders  die  in  Aerztekreisen  noch  viel  zu  wenig 
gekannte  Angina  retronasalis  eine  eingehende  und  ihrer  Bedeutung 
entspi  echend  breite  Behandlung;  überall  sind  eigene  Beobachtungen 
eingeflochten,  welche  die  Schilderung  lebendig  illustrieren.  Ob  es 
nicht  zweckmässiger  gewesen  wäre,  der  Säuglingsdiphtherie  auch  ein 
eigenes  Kapitel  zu  widmen,  als  sie  so  nebenher  bei  den  Erkrankungen 
der  Nase  und  des  Kehlkopfes  abzuhandeln,  möchte  Ref.  dahingestellt 
sein  lassen.  In  der  Frage  des  Kokkenkrupps  sehen  wir  Finkei¬ 
stein  auf  der  Seite  der  Bejaher  dieser  Frage.  Die  „Dentitio  difficilis“ 
wird  bei  den  Erkrankungen  des  Mundes  in  negativem  Sinne  ent¬ 
schieden  —  mir  will  scheinen,  als  ob  diese  Frage  trotz  F  i  n  k  e  1  - 
s  *  ®  ‘ 11  und  Kassowitz  und  anderer  robuster  Autoren  bisher  mit 
mehr  Eifer  als  Sachlichkeit  in  der  Kritik  behandelt  wurde  und  trotz 
Diathesenlehre  einer  exakten  Bearbeitung  wert  wäre.  Den  Schwer¬ 
punkt  des  Buches  bilden  berechtigterweise  die  Ernährungsstörungen, 
welche  fast  ein  Drittel  der  gesamten  Seitenzahl  erfüllen  —  hier  ist 
und  bleibt  Finkeist  ein  Meister.  Auch  die  örtlichen  Krankheiten 
des  Magendarmkanals  finden  daneben  eine  liebevolle  und  erschöpfende 
Darstellung,  wobei  erfreulicherweise  im  Gegensatz  zu  einigen  anderen 
modernen  Lehibüchern  der  Pädiatrie  auch  die  Therapie  gebührende 
Berücksichtigung  findet. 

Merkwürdigerweise  findet  sich  in  dem  ganzen  Lehrbuch  keine 
zusammenhängende  Schilderung  der  Rachitis  —  während  die  Möl- 
1  e  r  -  B  a  r  1  o  w  sehe  Krankheit  eingehend  besprochen  ist  und 
manches  recht  seltsame  Krankheitsbild  in  diesem  Lehrbuche  erst 
durch  Finkeistein  unserer  Beachtung  näher  gebracht  wurde. 
Auch  ein  kurzes  Kapitel  über  die  wichtigsten  Erkrankungen  der 
Augen  sollte  bei  einer  gewiss  bald  notwendigen  zweiten  Auflage 
Aufnahme  finden.  Diese  kleinen  Bemängelungen  bezw.  Wünsche 
sollen  aber  keineswegs  den  Gesamteindruck  des  Buches  herabsetzen, 
auf  welches  die  deutsche  Pädiatrie  mit  Recht  stolz  sein  darf  und 
das  in  der  Bücherei  keines  Arztes  fehlen  sollte,  wenn  anders  er  Kin¬ 
der  im  Säuglingsalter  nach  modernen  Grundsätzen  erfolgreich  be¬ 
handeln  will.  Otto  Rommel-  München. 

Dr.  med.  Jean  Demoor,  Professor  an  der  med.  Fakultät  und 
(Jberarzt  an  der  Hilfsschule  in  Brüssel:  Die  anormalen  Kinder  und 
ihre  erziehliche  Behandlung  in  Haus  und  Schule.  II.  Auflage.  Band  III 
der  Internat.  Pädagogischen  Bibliothek,  herausgegeben  von  Chr. 
Ufer.  Altenburg  1912.  Oskar  B  o  n  d  e. 

In  einer  Zeit,  in  welcher  die  pädagogische  Pathologie  auf  dem 
Büchermarkt  noch  keinen  grossen  Raum  beanspruchte,  vor  1 1  Jahren, 
erschien  die  erste  Auflage  dieses  Buches.  Sie  ist  Vielen  ein  Führer 
geworden  in  das  Gebiet  der  Heilerziehung.  Der  Demoor  war  auch 
eines  der  ersten  Bücher,  das  der  Unterzeichnete  zur  Einarbeitung  in 
die  Schul-  und  Erziehungsfragen  vor  Jahren  in  die  Hand  nahm  und 
als  grundlegende  Anleitung  dabei  recht  schätzen  lernte.  Inzwischen 
ist  manches  gute  Buch  über  den  gleichen  Gegenstand  erschienen. 
Noch  im  letzten  Jahre  konnten  Scholzens  „Anomale  Kinder“  hier 
warm  empfohlen  werden.  Aber  ich  glaube  nicht,  dass  irgend  eines 
der  inzwischen  entstandenen  Werke  der  jetzt  vorliegenden  zweiten 
Auflage  eine  wirksame  Konkurrenz  entgegensetzen  kann.  Denn  das 
durchaus  persönliche  Buch  ist  als  Einführung  in  das  Gebiet  der 
medizinischen  Pädagogik  gedacht  und  durchgeführt,  geht  nie  in  zu 
weit  führende  Details  der  Schilderung  ein,  belehrt  von  Grund  auf 
und  gibt  gleichzeitig  Anregung  zur  Weiterarbeit.  Wie  fast  alle 
Werke  gleicher  Tendenz  wendet  es  sich  naturgemäss  in  erster  Linie 
an  den  medizinisch  nicht  Vorgebildeten.  So  kann  der  Arzt  über 
manches  Kapitel  rasch  hinweggehen,  manchmal  auch  wohl  anderer 
Meinung  sein  als  der  Autor  (z.  B.  S.  152:  einfache  Idiotie  [mongolische 
FormJ  als  Teilerscheinung  des  Myxödems  beschrieben.  —  S.  177: 
Besonderes  Kapitel:  Kinder,  die  mit  psychischer  Passivität  adenoiden 
Ursprungs  behaftet  sind).  Um  so  interessanter  sind  für  uns  die  v  o  r- 
wi  egend  pädagogischen  Teile  des  Werkes,  ganz  besonders 
das  4.  Buch:  Methodik.  Hier  wird  eindringlich  der  Wert  des  Turnens 
und  der  Handarbeit  im  Hilfsunterricht  dargelegt,  die  Behandlung  der 
sprachlichen  Fehler  recht  anschaulich  vorgeführt.  Die  Arbeit  der 
Hilfsschulen  nimmt  einen  breiten  Raum  ein;  beachtenswert 
scheint  mir  vor  Allem  auch  der  Hinweis,  dass  deren  Tätigkeit  nicht 
mit  dem  Augenblick,  wo  der  Schüler  ihre  letzte  Klasse  verlässt,  zu 


MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ende  sein  darf.  In  Brüssel  existiert  ein  Schutzverein  für  ehemalige 
Hilfsschüler,  der  die  entlassenen  Zöglinge  dieser  Anstalten  unter  seine 
Leitung  nimmt  und  sie  weiterhin  stützt  wie  früher  die  Schule.  Eine 
solche  Institution,  ebenso  wichtig  wie  die  entsprechenden  Einrich¬ 
tungen  für  körperlich  Verkrüppelte  (Blinde,  Taubstumme,  Krüppel  im 
eigentlichen  Sinne)  und  aus  den  entsprechenden  Anstalten  Entlassene 
wäre  auch  bei  uns  in  Deutschland  recht  wünschenswert.  Das  buch 
hat  noch  einen  besonders  interessanten  Anhang  über  das  eurhyth- 
mische  Turnen  (mit  Musterstücken  für  gymnastische  Uebungen  mit 
Klavierbegleitung),  dargestellt  von  dem  Ehepaar  van  Weyen- 
b  e  r  g  h  von  der  Brüsseler  Hilfsschule.  Bei  der  Notwendigkeit,  Be¬ 
wegung  der  Kinder  und  musikalischen  Rhythmus  möglichst  innig  zu 
verbinden,  ist  es  dankenswert,  dass  neben  den  in  Noten  dargestellten 
Musikstückchen  sehr  genau  die  zugehörigen  Uebungen  vorgemerKt 
sind.  (Derartige  Uebungen  spielen  nach  meiner  Erfahrung  übrigens 
nicht  nur  bei  der  Behandlung  geistesschwacher  Kinder,  sondern  auch 
bei  der  Beeinflussung  schwerer  nervöser  Erkrankung  wie  z.  B. 
der  Tics  eine  grosse  Rolle).  So  ist  dieser  Teil  besonders  geeignet, 
in  der  Praxis  der  Heilerziehung  Nutzen  zu  stiften.  Ein  zweiter  An¬ 
hang  beschreibt  einige  pathologische  Kindertypen  in  (manchmal  doch 
zu)  kurzen  Krankengeschichten.  Die  zweite  Auflage  wird  wie  die 
erste  ihren  Weg  finden.  Albert  U  f  f  e  n  h  e  1  m  e  r  -  München. 


Th.  Heryng:  Traite  de  Laryngoscopie  et  de  Laryngologie 
operatoire  et  clinique.  Traduction  francaise  par  le  Dr.  Charles 
Siems.  Revue  et  considerablement  augmentee  par  1  auteur.  Avec 
une  preface  du  Dr.  Henry  Luc.  Paris,  Masson  &  Cie.,  191^. 

523  Seiten.  Preis  brosch.  Fr.  14.—. 

Das  durch  eine  Vorrede  von  Henry  L  u  c  -  Paris  eingeleitete  und 
von  Charles  Siems  übersetzte  Buch  des  Warschauer  Laryngologen 
ist  bereits  früher  in  russischer  und  deutscher  Sprache  (Untersuchungs¬ 
und  Behandlungsmethoden  der  Kehlkopfkrankheiten.  Berlin  19UD, 
Julius  Springer)  erschienen.  Auf  Qrund  der  seitherigen  wissen¬ 
schaftlichen  Fortschritte  ist  die  jetzige  Ausgabe  keine  einfache  lext- 
iibersetzung  der  vorhergehenden,  sondern  vielmehr  eine  umge¬ 
arbeitete  und  bedeutend  erweiterte  Auflage  in  französischer  Sprache. 
Dies  beweisen  die  teils  revidierten,  teils  neu  aufgenommenen  Kapitel: 
Endopharvngoskopie,  Laryngoskopie,  Epiglottis,  Galvanokaustische 
Behandlung  der  Larynxtuberkulose,  Serodiagnostik  der  Syphilis,  Sy¬ 
philisbehandlung  mit  Salvarsan,  Glandulae  parathyreoideae,  An¬ 
ästhesie  nach  Hoff  mann.  Nach  einer  einführenden  Betrachtung 
der  Anatomie  und  Physiologie  des  Kehlkopfes  bespricht  Verfasser 
in  Hauptabschnitten  die  speziellen  Untersuchungsarten,  die  nicht¬ 
operative  Therapie  (chemische,  physikalische,  interne,  hygienische, 
diätetische),  die  intra-  und  extralaryngealen  Operationsmethoden  und 
schliesslich  die  Behandlung  der  Larynxerkrankungen  im  Verlaufe  all¬ 
gemeiner  und  infektiöser  Prozesse  (Syphilis,  Halsphlegmonen,  Keuch¬ 
husten,  Influenza,  Typhus,  Aktinomykose,  Rheumatismus,  Dicht, 
Herpes  zoster,  Pemphigus,  Lichen  ruber).  Eine  grosse  Anzahl  von 
Illustrationen  erläutern  den  Text.  Der  Verfasser  will  mit  seinem 
Buche  weniger  seine  wissenschaftlichen  Leistungen  in  den  einzelnen 
Domänen  der  Laryngologie  wiedergeben,  als  vielmehr  ein  Resümee 
seiner  40  jährigen  täglichen  Arbeit  in  der  Form  eines  didaktischen 
Expose.  Auf  diese  Weise  erhält  das  Werk  ein  persönliches 
Gepräge,  wobei  wir  uns  erst  wieder  bewusst  werden,  wie  viele 
uns  in  Fleisch  und  Blut  übergegangene  Untersuchungs-  und  Behand¬ 
lungsmethoden  wir  dem  Autor  verdanken.  H  e  r  y  n  g  s  Werk  ist  ein 
ausführliches,  klares  und  ausgezeichnetes  Lehrbuch  der  laryngo- 
logischen  Diagnostik  und  Therapie,  aus  dem  jeder  in  diesem  Fache 
Arbeitende  Anregung  und  Belehrung  schöpfen  wird. 

Gottfried  Trautmann  -  München. 


Rohleder:  Die  Zeugung  unter  Blutsverwandten.  Band  II  der 
Monographien  über  die  Zeugung  beim  Menschen.  Leipzig  1912.  Ver¬ 
lag  T  h  i  e  m  e.  174  Seiten.  Preis  M.  4.20  bzw.  M.  5.—. 

Der  durch  seine  Veröffentlichungen  auf  dem  Gebiete  des  Ge¬ 
schlechtslebens  und  sein  positives  Bekenntnis  zum  Neomalthusiams- 
mus  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannte  Forscher  und  Praktiker  bringt 
in  diesem  in  seiner  Art  einzig  dastehenden  Buche  eine  Behandlung 
des  Stoffes  vom  geschichtlichen,  ethnologischen,  physiologisch-bio¬ 
logischen,  rassehygienischen  und  zuletzt  juristisch-volkswirtschaft¬ 
lichen  Standpunkt  aus,  wie  sie  in  solch  umfassender  Gründlichkeit  in 
der  Literatur  nicht  bloss  Deutschlands,  sondern  der  Welt  bisher  nicht 
durchgeführt  war,  da  ja  die  ganze  Frage  der  Zeugung  ärztlicherseits 
bis  in  die  jüngste  Zeit  vernachlässigt  war.  Der  für  die  Eheschliessung 
bis  zu  gewissem  Grade  freieste  Standpunkt  der  deutschen  Gesetz¬ 
gebung  ist  nach  R  o  h  1  e  d  e  r  vollkommen  berechtigt,  ja  im  Interesse 
einer  Höherzüchtung,  besonders  einer  geistigen,  sogar  von  Vorteil. 
Von  der  Gründlichkeit,  mit  der  R  o  h  1  e  d  e  r  gearbeitet,  gibt  ausser 
der  ganzen  Arbeit  auch  sein  Literaturverzeichnis  Kunde,  das  ungefähr 
250  einschlägige  Veröffentlichungen  aus  aller  Herren  Länder  über¬ 
sehen  lässt.  Das  Buch  ist  das  Produkt  20  jähriger  Forschung  auf 
diesem  Gebiete,  angeregt  durch  einen  Fall  aus  der  Praxis.  Aus 
seinen  Ausführungen  über  pflanzliche,  tierische  und  menschliche  Be¬ 
fruchtung  geht  als  ein  im  ganzen  Naturreich  waltendes  Gesetz  hervor, 
dass  Inzucht  ein  Kulturfortschritt  für  alles  Lebende  ist.  in  den  ersten 
Generationen  zu  neuer  Verfeinerung  und  Hebung  führt,  zu  einer  Re¬ 
generation  und  damit  zu  einer  gedeihlichen  Weiterentwicklung,  bei 
längerem  Bestehen  jedoch,  wenn  keine  Vermischung,  keine  Kreuzung 
stattfindet,  zu  einer  Verzärtelung,  Ueberfeinerung  und  Schwächung, 


damit  zur  Degeneration,  zur  Sterilität  und  Aussterben  der  Art.  Die 
Natur  vermeidet  in  der  Pflanzen-  und  Tierwelt  durch  spezielle  Ein¬ 
richtungen  ständige  Inzucht,  eben  weil  sie  die  Degeneration,  die  Un¬ 
fruchtbarkeit  im  Gefolge  hat.  Die  Degeneration  steht  in  direktem 
Verhältnis  zum  Verwandtschaftsgrad  der  gepaarten  liere,  dann  aber 
auch  bis  zu  gewissem  Grade  zu  äusseren  Bedingungen,  wie  Er¬ 
nährung,  Klima,  beim  Menschen  auch  dem  Milieu.  Auf  den  Menschen 
übertragen  und  durch  praktische  Erfahrungen  bewiesen  lasst  sich 
der  Schluss  ziehen,  dass  gesetzlich  erlaubte  Verwandtenehen,  z.  B. 
zwischen  Geschwisterkindern,  in  den  allerersten  Generationen  zum 
mindesten  nur  einen  veredelnden,  regenerativen  Einfluss  ausuben 
können.  Eine  darauffolgende  Vermischung,  d.  h.  Ehe  der  Kindei  aus 
solchen  Verwandtenehen  mit  Fremden,  muss,  im  Analogieschluss  an 
das  Tiermaterial,  zur  Höherzüchtung  auch  bei  Menschen  fuhren,  ln 
entwicklungsgeschichtlicher  Beziehung  ist  anzunehmen,  dass  der  aus 
einer  besonderen  Affenart  der  Quartenärperiode  hervorgegangene  Ur¬ 
mensch  in  strengster  Inzucht  lebte,  der  er  auch  seine  Kulturstufe  vei- 
dankte.  Die  engste  Inzucht,  der  Inzest,  führte  zur  Züchtung  bestimm- 
ter  Familiencharaktere,  die  weitere,  die  Hordeninzucht,  zui  Fildung 
von  Rassecharakteren,  und  die  weiteste  Inzucht  in  einem  ganzen 
Volke,  die  Endogamie,  zur  Bildung  ganz  bestimmter  Nationalcharak¬ 
tere.  Ein  Volk  erstarkt,  regeneriert  durch  Inzucht,  eine  Familie,  eine 
Rasse  degeneriert  durch  sie  im  Laufe  der  Zeit.  Die  alten  Kultur¬ 
völker,  die  abgeschlossen  lebten,  degenerierten  erst,  als  sie  nach 
langer  Inzucht  mit  fremden,  kulturell  tiefer  stehenden  Volkei  schat¬ 
ten  sich  vermischten.  Aber  auch  die  Volksinzucht  bedarf  einei  Untei- 
brechung,  weil  sie,  wenn  viele  Jahrhunderte  wirkend,  dem  eigenen 
Volke  zum  Verderben  gereicht  —  siehe  China  — ,  da  durch  Hinderung 
der  freien  Auslese  der  Volkscharakter  erstarrt,  dadurch  jeder  Fort¬ 
schritt  gehemmt  wird  und  die  Degeneration,  der  Untergang  eintntt. 
Aus  Rohleders  Ausführungen  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
der  Arzt  vor  einer  Ehe  zwischen  Blutverwandten  nicht  zu  warnen 
braucht,  wenn  nur  beide  Teile  gesund  und  nach  keiner  Seite  hin  be¬ 
lastet  sind;  es  besteht  die  Möglichkeit,  dass  durch  Konsanguimtat, 
Inzest  und  abwechselnde  Vermischung  sogar  das  Genie  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  Züchtungsprodukt  sein  könnte,  wenn  schädigende 
Einflüsse  auf  das  Gehirn  abgehalten  werden  können,  andernfalls 
führen  diese  zur  pathologischen  Flexion  des  Gehirns. 

Das  ganze  Buch  ist  eine  hochinteressante  und  spannende 
wissenschaftliche  Lektüre.  Richard  B  1  u  m  m  -  Bayreuth. 


Wie  studiert  man  Medizin?  Von  Friedrich  Müller,  Professor 
der  Medizin  in  München.  Verlag  von  E.  Reinhard  in  München. 
49  Seiten.  Preis  60  Pf. 

Der  in  vorliegender  Broschüre  veröffentlichte  Vortrag  wurde  vor 
der  „Freien  Studentenschaft“  in  München  am  8.  Mai  1912  gehalten. 
Der  Verfasser  steht  auf  dem  Standpunkte,  dass  das  Studium  der 
Medizin  wie  jedes  andere  Universitätsstudium  unter  den  Zeichen 
grösster  Freiheit  stehen  müsse  und  dass  möglichst  wenig  Beschrän¬ 
kung  durch  Studienordnung  und  dergleichen  auf  die  Entwicklung  der 
Individualitäten  einwirken  dürfe.  Den  Wunsch  des  Verfassers,  dass 
der  Arzt  sein  Studium  so  einrichten  solle,  dass  er  sich  zum  allgemein 
gebildeten  Menschen  entwickeln  und  seinen  Platz  in  der  Gesellschaft 
der  Hochgebildeten  des  Volkes  behaupten  könne,  unterschreiben  wir 
gerade  heutigen  Tages  doppelt  gerne.  M.  erörtert  in  seinem  Vortrage 
von  allgemeinen  Gesichtspunkten  aus  die  Bedeutung  der  einzelnen 
naturwissenschaftlichen  und  medizinischen  Fächer,  besonders  auch 
einer  besseren  Vorbildung  in  Physik  und  Chemie  das  Wort  redend, 
er  tritt  für  möglichsten  Wechsel  der  Universitäten  durch  die  Stu¬ 
dierenden  ein,  weil  dadurch  die  Kritik  des  jungen  Arztes  in  hohem 
Masse  geweckt  wird.  Das  auf  Anregung  der  deutschen  Aerzteschaft 
selbst  eingeführte  praktische  Jahr  findet  am  Verfasser  einen  warmen 
Verteidiger,  der  sich  energisch  dagegen  ausspricht,  dasselbe  zu 
Gunsten  reiner  Universitätsstudien  zu  verkürzen.  So  bietet  der 
hiemit  veröffentlichte  Vortrag  für  den  jungen  Mediziner  und  werden¬ 
den  Arzt  aus  dem  Munde  eines  Berufenen  wichtige  orientierende 
Gesichtspunkte  und  weitschauende  Anregung. 

Dr.  C.  Grassmann  -  München. 


Neueste  Forschungen  über  Syphilisparasiten. 

Die  Nummer  2711  vom  14.  XII.  12  des  British  Medical  Journal 
bringt  4  knappe  Arbeiten  von  Edward  Haiford  Ross,  von  E.  Jen- 
n  i  n  g  s,  von  S.  R.  Moolgavkar,  von  Herbert  Henry,  die  so 
interessant  sind,  dass  sie  verdienen,  etwas  eingehender  referiert  zu 
werden. 

I  Ueber  die  Entwicklung  eines  intrazellulären  Parasiten  zu 
Spirochäten  in  syphilitischen  Affektionen  und  im  Blut  von  Syphi¬ 
litikern  während  des  Sekundärstadiums;  gefunden  mit  Hilfe  der 
„Agarfärbungsmethode  in  vitro“  von  Edward  Haiford  Ross 
(L  i  s  t  e  r  -  Institut). 

1.  Durch  die  Agarfärbungsmethode  gelingt  es,  bei  sehr  vielen 
Meerschweinchen  in  den  mononukleären  Leukozyten  Einschlüsse  zu 
finden,  die  als  Kurloffsche  Körper  bekannt  sind  und  die  durch 
diese  Färbungsmethode  als  Parasiten  angesprochen  werden  müssen. 
Diese  Parasiten,  Lymphozytozoon  cobayae,  erzeugen  spirochäten¬ 
artige  Gebilde,  welche  nach  dem  Platzen  der  Parasiten  frei  im 
I  Blut  schwimmen.  Sie  sind  leicht  im  Dunkelfeld  zu  finden.  Ausserdem 
I  lassen  sich  noch  amöbenartige  freie  Körper  entdecken. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


35 


2.  Die  so  infizierten  Tiere  leiden  an  weissen  Flecken  oder  Ge¬ 
schwülsten  der  Leber  und  Milz.  Die  Tumoren  sind  vollgepfropft  mit 
mononukleären  Leukozyten,  deren  Mehrzahl  Kurloffsche  Körper 

enthält. 

3.  Geschichte  dieser  Parasiten. 

4.  Analoge  Parasiten  fand  J.  W.  C  r  o  p  p  e  r  in  den  Samenblasen 
der  Regenwürmer.  Auch  sie  bilden  Spirochäten,  die  im  Dunkelfeld 
in  der  Samenflüssigkeit  nachgewiesen  werden  können. 

5.  Das  Bekanntsein  mit  dieser  Tatsache  —  gleichzeitiges  Auf¬ 
treten  von  Spirochäten  und  bestimmter  Parasiten  bei  Meerschwein¬ 
chen  und  Regenwürmern  —  liess  Ross  nach  Parasiten  bei  den 
menschlichen  Spirochätenträgern,  den  Syphilitikern,  suchen.  Und  er 
fand  sie  auf  Anhieb.  In  143  Fällen  von  Syphilis,  in  Schankern,  ver¬ 
härteten  Drüsen,  in  Roseolen,  ulzerierten  Mandeln,  auch  im  Finger¬ 
blut.  Im  Plasma  der  mononukleären  Leukozyten  waren  Einschlüsse 
nachweisbar,  umgeben  von  einem  „Zellwall“,  die  deutliches  Chro- 
matin  enthielten.  Ausserdem  waren  runde  oder  bimförmige  Körper¬ 
chen  gleicher  Art  frei  zwischen  Blutkörpern. 

Diese  letzten  sind  die  primären.  Sie  wandern  in  die  Leukozyten 
ein  und  sind  in  ihrem  Gefängnis  leicht  in  der  Tiefe  von  Schankern  usw. 
auffindbar.  Wachsen  sie,  so  drücken  sie  den  Kern  ihrer  Wirtzelle 
zur  Seite  und  zerquetschen  ihn.  Ihr  eigenes  Chromatin  hat  einen 
deutlichen  Tüpfel.  Es  gibt  Leukozyten  mit  1—12  solchen  Ein¬ 
schlüssen.  Man  kann  sie  durch  Druck  auf  das  Deckglas  zum  Platzen 
bringen  und  dann  treten  die  Einschlüsse  frei  heraus. 

Es  gibt  aber  noch  einen  anderen  Entwicklungszustand.  Das 
Chromatin  nimmt  völlig  spirochätenartige  Form  an,  tritt 
durch  Druck  auch  aus  der  Gastzelle  heraus  und  zeitigt  dann  das  Bild 
der  Spirochäten  wie  bei  den  Meerschweinchen  und  Regenwürmern. 

Bisher  ist  diese  Beobachtung  ausschliesslich  bei  Syphilitikern 
gewonnen  worden. 

6.  Bisher  waren  also  gefunden  im  Blut  bei  Meerschweinchen, 
Regenwürmern  und  Syphilitikern  erstens  Spirochäten,  zweitens  Zell¬ 
einschlüsse,  aus  denen  sich  Spirochäten  entwickeln:  bei  Syphilitikern 
aber  ausserdem  freie,  nicht  eingeschlossene  Körperchen,  rund, 
bimförmig,  gleicher  Art  wie  in  den  Leukozyten.  Diese  fehlten  noch 
bei  den  Meerschweinchen.  Diese  hat  aber  jetzt  J.  W.  Cropper 
auch  entdeckt,  und  zwar  innerhalb  grosser  einkerniger  Zellen  im 
Peritoneum  infizierter  Tiere.  Ross  spricht  die  Spirochäten  als 
Mikrogameten  oder  männliches  Element  an  und  vermutet,  dass  die 
runden  Körper  Makrogameten  oder  weibliches  Element  seien.  Die 
Konjugation  beider,  wenn  beobachtet,  würde  den  Schlussstein  seiner 
Vermutung  geben.  Vielleicht  sind  jene  grossen  mastzellenartigen  Ge¬ 
bilde,  die  sich  von  den  Mastzellen  durch  ihre  Kernlosigkeit  unter¬ 
scheiden,  und  die  vollgepfropft  sind  mit  Chromatingranula,  die  be¬ 
fruchteten  Parasiten. 

7.  Geschichte  der  Syphilisparasiten :  Klebs,  Losdorfe  r, 
Döhle,  Stassano,  Siegel  haben  die  Parasiten  gesehen, 
Schaudinn  hat  die  Spirochäten  entdeckt.  Der  Zusammenhang 
beider  Formen  war  noch  nicht  bisher  festgestellt. 

8.  Technik  der  Agarmethode:  Man  stelle  2  proz.  Agarlösung  in 
Wasser  her;  filtriere  3  ccm  ab.  Mische  hierzu  1  ccm  Unnas  poly¬ 
chromes  Methylenblau  (Grüble  r),  welches  man  vorher  mit  2  ccm 
Wasser  vermischt  hat.  Füge  ferner  zu:  2 ccm  nachstehender  Lösung: 
Natr.  citricum  4,5  g,  Natr.  chlor.  1,5  g,  Atropin  sulf.  0,225  g,  Aq.  dest. 
100  g.  Alles  zusammen,  d.  h.  Agar,  Methylenblau,  Lösung,  aufkochen 
in  Reagenzglas  und  Va  ccm  einer  5  proz.  Natr.-bicarb.-Lösung  zu¬ 
setzen. 

Beim  Gebrauch  wird  ein  Tropfen  dieser  Agarmischung  auf  den 
Objektträger  gebracht  und  dort  erstarren  gelassen.  Der  zu  unter¬ 
suchende  Schanker  wird  ziemlich  tief  mit  einer  Nadel  angestochen, 
das  austretende  Blut  in  einem  Tropfen  3  proz.  Natr.-citrat.-  und 

I  proz.  Natr.-chlorid-Lösung  auf  einem  Deckglas  aufgefangen  und 
so  auf  die  Agarplatte  gelegt.  In  5  Minuten  kann  mikroskopiert 
werden.  Atropinzusatz  hat  den  Zweck,  amöboide  Bewegungen  aus¬ 
zulösen  und  so  lebende  von  toten  Zellen  zu  unterscheiden. 

Färbung:  Leukozytengranula:  Scharlach;  Kern  erst  blassblau, 
dann  tiefrot;  schliesslich  Zellen  entfärbt,  zum  Teil  platzend. 

Die  Parasiten  sind  kupferfarbig,  frei  oder  eingeschlossen.  Ihre 
Granula  sind  tiefer  gefärbt.  In  der  Mitte  des  Parasiten  sieht  man 
zuerst  einen  ungefärbten  Nukleus  mit  einem  dunklen  Tüpfel  im 
Zentrum.  Stirbt  der  Parasit  ab,  so  verschwindet  bisweilen  dieser 
dunkle  Punkt.  Zufällig  kann  man  auch  in  syphilitischen  Wunden 
freie  Parasiten  entdecken,  die  von  polynukleären  Leukozyten  eben 
aufgenommen  werden. 

Nach  Behandlung  mit  Salvarsan  werden  die  freie  n  Parasiten 
selten,  die  eingeschlossenen  sind  unvermindert. 

9.  Der  Regenwurmparasit  entwickelt  Spirochäten,  der  Meer¬ 
schweinchenparasit  entwickelt  Spirochäten,  der  Menschenparasit  ent¬ 
wickelt  Spirochäten,  in  den  Tumoren  des  infizierten  Meerschweinchens 
sind  massenhaft  Parasiten.  Ist  deshalb  die  Vermutung  nicht  nahe¬ 
liegend,  dass  die  Menschenparasiten  auch  die  eigentlichen  Krank¬ 
heitserreger  der  menschlichen  Syphilis  sind? 

10.  Und  wären  sie  es  —  ist  dann  die  Hoffnung  so  gänzlich  un¬ 
begründet,  dass  die  Impfung  des  Menschen  mit  Meerschweinchen¬ 
parasiten  den  Menschen  gegen  echte  Syphilis  ebenso  immunisiert, 
wie  seine  Impfung  mit  Kuhpocken  ihn  schützt  gegen  echte  Pocken?! 

II-  Die  neuesten  Parasitenbefunde  bei  Syphilis  von  E.  Jen- 

II  i  n  g  s.  Bestätigung  der  Befunde  von  Ross. 


III.  Gewisse  Körperchen  bei  syphilitischen  Affektionen  und  ihr 
Nachweis  durch  die  Agarmethode  von  S.  R.  M  o  o  1  g  a  v  k  a  r. 

Autor  fand  die  Ross  sehen  Körper  in  45  Fällen,  und  zwar  nur 
bei  Syphilis. 


Die  Beobachtungen  obiger  englischer  Forscher,  wenn  endgültig 
bestätigt,  wären  von  gleichem  Interesse  wie  seinerzeit  die  Ent¬ 
deckung  der  Entwicklung  der  Malariaplasmodien. 

Die  Forschungsmethode  ist  so  einfach,  dass  schon  die  nächsten 
Wochen  eine  Entscheidung  über  ihren  Wert  bringen  können. 

Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  108.  Band,  5.  und 
6.  Heft. 

H.  Schlecht  und  G.  Schwenker:  Ueber  die  Beziehungen 
der  Eosinophilie  zur  Anaphylaxie.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Kiel.) 
(Mit  Tafel  IV,  V.) 

Durch  fortlaufende  parenterale  Zufuhr  artfremden  Eiweisses 
kann  man  eins  periphere  Bluteosinophilie  beim  Meerschweinchen 
und  bei  sehr  hohen  Dosen  auch  beim  Hunde  hervorrufen.  Im  An¬ 
schluss  an  den  überstandenen  anaphylaktischen  Schock  tritt  eben¬ 
falls  eine  intensive  Bluteosinophilie  auf.  Jedenfalls  kommt  der 
eosinophilen  Zelle  bei  der  parenteralen  Eiweissverdauung  und  der 
Anaphylaxie  eine  gewisse  Rolle  zu.  Vermutlich  entstehen  beim 
parenteralen  Eiweissabbau  Abbauprodukte,  die  auf  die  eosinophilen 
Zellen  chemotaktisch  wirken;  diese  werden  aus  dem  Blut  und 
Knochenmark  angelockt.  Die  Natur  der  die  Eosinophilie  veran¬ 
lassenden  Abbauprodukte  ist  unbekannt. 

Fh.  Hausmann:  Die  topographische  Gleit-  und  Tiefenpal¬ 
pation  des  Verdauungsschlauchs  und  ihre  Ergebnisse.  (Mit  8  Ab¬ 
bildungen.) 

Die  Prinzipien  der  topographischen  Gleit-  und  Tiefenpalpation 
beruhen  zunächst  darauf,  die  einzelnen  Abschnitte  des  Gastro¬ 
intestinalkanals  mit  Hilfe  quer  zur  Achse  des  betreffenden  Abschnittes 
gerichteter  Gleitbewegungen  in  plastischer  Weise  zu  tasterischer 
Wahrnehmung  zu  bringen.  Der  Moment  des  aneinander  Vorbei- 
bewegens  der  Finger  und  des  zu  tastenden  Teiles  spielt  eine  wesent¬ 
liche  Rolle  beim  Tastbarwerden  des  letzteren.  Die  Tiefenpalpation 
will  auch  tiefer  gelegene  und  der  hinteren  Bauchwand  aufruhende 
Teile  tastbar  machen,  wozu  insbesondere  die  beim  Exspirium  er¬ 
folgende  Bauchwanderschlaffung  dient.  Gerade  dieses  Verfahren 
hat  Bedeutung  für  die  Psoaspalpation,  d.  h.  das  Aufsuchen  der  Teile 
auf  dem  durch  aktives  Heben  des  gestreckten  Beins  gespannten 
Psoasbauche,  wodurch  oft  allein  das  Tasten  des  Wurmfortsatzes, 
zuweilen  selbst  in  normalem  Zustande,  ermöglicht  wird.  Mit  Hilfe 
der  topographischen  Palpation  werden  die  Tastbefunde  bei  normaler 
Lagerung  der  Bauchorgane,  sowie  bei  Lageabnormitäten  richtig  ge¬ 
deutet,  z.  B.  Coecum  mobile,  Tumoren  verschiedener  Provenienz, 
chronische  oder  larvierte  Appendizitis,  so  dass  der  oft  irreführende 
MacBurney sehe  Punkt  ausgeschaltet  wird.  In  vielen  Fällen 
lassen  sich  Curvatura  major,  Antrum  pylori,  Colon  transversuni. 
Zoekum,  S  rornanum  tasten  und  Schmerzpunkte  und  Schmerzzonen 
in  anderen  Gebieten  des  Abdomens  genauer  erkennen. 

Th.  Hausmann  und  J.  M  e  i  n  e  r  t  z :  Radiologische  Kontroll- 
untersuchungen,  betr.  die  Lagebestimmung  des  Magens  und  Dick¬ 
darms  mittels  der  topographischen  Gleit-  und  Tiefenpalpation.  (Aus 
der  mediz.  Klinik  und  Poliklinik  in  Rostock.)  (Mit  25  Abbildungen 
im  Text  und  Tafel  VI— XI.) 

Die  radiologische  Kontrolle  ergab  in  einwandfreier  Weise,  dass 
die  Gebilde,  die  bei  der  topographischen  Gleit-  und  Tiefenpalpation 
als  Curvatura  major,  Pylorus,  Colon  transversum.  Zoekum,  S  ro- 
manum  getastet  und  gedeutet  wurden,  tatsächlich  diese  Teile  sind. 
Verwechslungen  sind  auch  bei  erheblicher  Viszeralptose  und  son¬ 
stigen  Verlagerungen  durchaus  vermeidbar.  Ebenso  hat  sich  die 
spontane  Verschieblichkeit  dieser  Teile  infolge  aktiver  Muskelkräfte, 
insbesondere  aber  auch  infolge  wechselnder  Inhaltsfüllung  als  zu¬ 
treffend  erwiesen. 

O.  Bruns:  Ueber  die  Blutzirkulation  in  der  atelektatischen 
Lunge.  (Aus  der  mediz.  Klinik  und  dem  pharmakologischen  Institut 
zu  Marburg.)  (Mit  3  Abbildungen.) 

In  der  ausgedehnten  atmenden  Lunge  befindet  sich  in  einem 
gegebenen  Augenblick  mehr  Blut  als  in  der  kollabierten,  atelek¬ 
tatischen  Lunge.  Die  physiologisch  gedehnte  Lunge  wird  in  der  Zeit¬ 
einheit  ausgiebiger  durchblutet  als  die  atelektatische  Lunge.  Selbst 
bei  Ueberdehnung  des  Brustkorbes  und  der  Lungen  durch  extra¬ 
thorakalen  Unterdrück  von  30  cm  Wasser  tritt  keine  Verengerung 
der  Alveolarkapillaren  ein;  die  Durchblutungsgrösse  nimmt  auch  hier 
noch  zu.  Bei  intrapulmonaler  Luftdruckerniedrigung  nimmt  die 
Durchblutungsgrösse  der  Lunge  deutlich  zu.  Eine  energische  Ein¬ 
engung  des  kleinen  Kreislaufes  bei  der  heute  üblichen  Art  der 
Pneumothoraxtherapie  kann  leicht  zu  Hypertrophie  des  rechten  Her¬ 
zens  führen.  Der  Nachweis,  dass  während  der  „Unterdruckatmung" 
die  Durchblutungsgrösse  der  Lunge  zunimmt,  legt  es  nahe,  diese  Me¬ 
thode  anzuwenden,  um  den  venösen  Rückfluss  nach  dem  linken 
Herzen  hin  zu  fördern  und  die  Tätigkeit  des  rechten  Herzens  zu 
erleichtern. 


36 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


R.  Kaufmann  und  H.  Popper:  Beiträge  zum  Studium  der  I 
Pulsarrhythmien.  I.  Mitteilung:  Analyse  des  Mechanismus  der  Herz¬ 
aktion  in  einem  Falle  von  atrioventrikulärer  paroxysmaler  Tachy-  j 
kardie.  (Aus  dem  Spitale  der  allgemeinen  Poliklinik  in  Wien.)  (Mit  i 
9  Kurven  im  Text.) 

Zu  kurzem  Referate  nicht  geeignet. 

F.  Fi  sch  ler  und  E.  Grafe:  Der  Einfluss  der  Leberausschal¬ 
tung  auf  den  respiratorischen  Stoffwechsel.  (Aus  der  mediz.  Klinik 

Heidelberg.)  ...... 

Eine  sichere,  der  Leberarterienunterbindung  folgende  Verände¬ 
rung  des  Organs  konnte  nicht  konstatiert  werden.  Der  respiratorische 
Quotient  (RQ)  stieg  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Operation  in 
allen  Fällen  deutlich  an,  dann  sind  die  Verhältnisse  wie  vor  der  Ope¬ 
ration,  um  einem  finalen  Anstieg  des  RO  Platz  zu  machen.  Die 
Oxydationsfähigkeit  für  Eiweiss  und  Fett  leidet  nach  der  Leberaus¬ 
schaltung  nicht  in  erheblicher  Weise,  dagegen  sinkt  die  Wärmepro¬ 
duktion  in  sehr  starkem  Masse,  möglichweise  durch  Fortfall  der  ent¬ 
giftenden  Wirkung  der  Leber. 

E.  Schott:  Die  Erhöhung  des  Druckes  im  venösen  System 
bei  Anstrengung  als  Mass  für  die  Funktionstüchtigkeit  des  mensch¬ 
lichen  Herzens.  (Aus  der  II.  medizin.  Klinik  der  Kölner  Akademie 
für  praktische  Medizin.) 

Herzgesunde  Individuen  erfahren  bei  Anstrengung  keine  oder 
nur  eine  sehr  geringe  Drucksteigerung  im  venösen  System.  Je 
stärker  klinisch  eine  Insuffizienz  des  Herzens  ausgeprägt  ist,  um  so 
stärker  steigt  der  venöse  Druck  bei  Anstrengung  an.  Wodurch  diese 
Erhöhung  des  venösen  Druckes  zustande  kommt,  ist  schwer  zu  sagen, 
vielleicht  durch  relative  Verminderung  des  Stromvolumens  bei  An¬ 
strengung. 

S.  Ogawa:  Ueber  die  Resorption  wirksamer  Bestandtede  aus 
Digitalisblättern  und  Digitalispräparaten.  (Aus  dem  pharmak.  Institut 
der  Universität  Heidelberg.) 

Die  Glykoside  der  Digitoxinfraktion  bleiben  während  der  Dauer 
einiger  Stunden  den  Verdauungssäften  gegenüber  resistent.  Sie 
werden  im  Magen  überhaupt  nicht,  im  Darm  nur  relativ  langsam 
resorbiert.  Auf  der  langsamen  Resorption  beruht 
jedenfalls  ein  grosser  Teil  der  Verzögerung  der 
Digitaliswirkung  bei  interner  Einführung.  Experi¬ 
mentelle  Erschwerung  des  Pfortaderkreislaufes  hebt  die  Resorption 
fast  vollständig  auf.  Es  ist  möglich,  dass  manche  Miss¬ 
erfolge  der  internen  Digitalismedikation  bei  ab¬ 
dominaler  Stauuung  auf  diese  abnorme  Verlang¬ 
samung  in  der  Resorption  der  wirksamen  Bestand¬ 
teile  und  auf  ihre  allmähliche  Zerstörung  bei  allzu 
langdauerndem  Kontakt  mit  den  Darmfermenten 
zurückzuführen  sind.  Die  Resorbierbarkeit  spielt  also  eine 
bedeutungsvolle  Rolle  bei  den  Digitalispräparaten.  Aus  dem 
gereinigten  Digitalisextrakt  Digipuratum  werden 
die  wirksamen  Bestandteile  wesentlich  rascher 
resorbiert  als  aus  den  Digitalis  blättern.  Insbesondere 
ist  die  Verweildauer  des  Digitoxins  im  Magen  nach  Einführung  des 
Digipuratum  kürzer  als  nach  Einführung  des  Blätterpulvers  oder  des 
Infuses.  (Vergl.  Gottlieb  u.  Ogawa:  d.  W.  1912,  S.  2265.) 

Fr.  S  c  h  u  1 1  z  e:  Ueber  heilbare  akute  Hepatitis.  (Mit  Tafel  XII.) 

Die  Probelaparotomie  ergab  in  einem  unklaren  Falle  eine  starke 
Schwellung  des  linken  Leberlappens  ohne  Steine  und  ohne  Abszess¬ 
bildung,  histologisch  fanden  sich  interstitielle  Entzündungsherde 
der  Leber. 

H.  L  ü  d  k  e  und  L.  Schüller:  Untersuchungen  über  die 
Nephrolysine.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Würzburg.)  (Mit  2  Ab¬ 
bildungen.) 

Nach  Injektion  nephrolytischen  Serums  findet  sich  Albuminurie, 
Zylindrurie  und  Abmagerung  der  Versuchstiere.  Neben  dieser 
spezifischen  Wirkung  auf  die  Nieren  fanden  sich  Hämolyse,  Blutdruck¬ 
änderungen  und  eine  Giftwirkung  auf  das  Nervensystem.  Die 
Existenz  des  Nephrolysins  ist  jedenfalls  sichergestellt,  wenn  ihm  auch 
eine  absolut  spezifische  Wirkung  nicht  zuzusprechen  ist.  Möglicher¬ 
weise  sind  die  Nephrolysine  im  Verein  mit  anderen  Störungen  für 
die  Entstehung  urämischer  Zustände  verantwortlich  zu  machen,  da 
sie  eben  nicht  nur  die  Nieren  schädigen,  sondern  auch  den  Kreislauf 
und  das  Nervensystem. 

P.  Schaefer:  Malaria  tertiana  und  deren  Heilung  durch  Neo- 
salvarsan.  Kleinere  Mitteilung.  (Aus  dem  städtischen  Siechenhaus 
zu  Frankfurt  a.  M.)  (Mit  2  Kurven.) 

Dsa  Wesentliche  enthält  die  Ueberschrift. 

Besprechungen.  Bamberger  -  Kronach. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 
1 1.  Band,  III.  Heft. 

24)  K.  Ko  tt  mann:  Beiträge  zur  Chlorose  und  Eisentherapie. 
II.  Mitteilung.  L.  Schapiro:  Ueber  die  Eisen-Arsenikautolyse  des 
Eiweisses  und  ihre  pharmakologische  Bedeutung.  (Aus  dem  phar¬ 
makologischen  Institut  in  Bern.) 

Die  Versuche  ergaben,  dass  durch  Eisenzusatz  die  Autolyse  der 
Leber,  gemessen  an  dem  Rest-N,  erhöht  wird,  sowohl  wenn  post¬ 
mortal  zu  normaler  Kaninchenleber  Eisen  zugesetzt  wird,  als  auch 
wenn  es  subkutan  oder  intravenös  intra  vitam  injiziert  wird.  Auch 
die  Leber  von  2  Fällen  von  perniziöser  Anämie  liess  deutlich  eine  ge¬ 
steigerte  Autolyse  im  Vergleich  zu  normaler  Leber  erkennen.  Kom¬ 


binierte  intravenöse  Injektion  von  Eisen  und  Arsenik  erzielte  eine 
deutliche  Abschwächung  des  Autolyseneffektes  gegenüber  alleiniger 
Eisenwirkung.  Bei  Verwendung  grosser,  letal  toxisch  wirkender 
Arsenikdosen  allein  wurde  eine  Zunahme  der  Autolyse  erzielt. 

25)  H  Schade:  Untersuchungen  zur  Organfunktion  des  Binde¬ 
gewebes.  I.  Mitteilung.  Die  Elastizitätsfunktion  des  Bindegewebes 
und  die  intravitale  Messung  ihrer  Störungen.  (Aus  der  med.  Klinik 

in  Kiel.)  .  .  ,  ...... 

Die  Elastizität  der  Gele  hängt  mit  den  übrigen  charakteristischen 
kolloidchemischen  Eigenschaften  innig  zusammen.  Der  Verfasser 
zeichnete  mit  seinem  Apparat  die  Bewegungen  auf,  welche  ein  auf  die 
Haut  aufgestellter  Stab  erfährt,  wenn  er  durch  eine  Belastung  in  das 
Körpergewebe  hineingedrückt  und  sodann  nach  Wegnahme  der  Last 
wieder  durch  die  elastischen  Kräfte  des  Gewebes  gehoben  wird.  Als 
Masse  wurden  benutzt  die  Relaxationszeiten  und  die  aus  den  re¬ 
gistrierten  Elastizitätskurven  direkt  zu  entnehmende  Grösse  des 
Elastizitätsverlustes  in  Prozenten.  Als  Normalwert  für  das  Binde¬ 
gewebe  des  Gesunden  wurde  eine  Belastung  von  50  g  auf  einen 
Querschnitt  von  50  qmm  1 — 2  Minuten  an  der  Handgelenksgrube 
ermittelt,  welche  eben  rasch  ohne  Elastizitätsverlust  ertragen  wird. 
Bei  Kranken  konnten  häufig  und  zum  Teil  in  hohem  Grade  Ab¬ 
weichungen  von  der  elastometrischen  Norm  konstatiert  werden,  selbst 
in  Fällen,  in  welchen  die  Palpation  kerne  Spur  einer  Störung  erkennen 
liess.  Besonders  wertvoll  ist  die  Elastometrie  zur  Erkennung  der 
Präödeme  bei  Herz-  und  Nierenkranken;  aber  auch  bei  sonstigen 
Erkrankungen  und  unter  speziellen  Bedingungen  auch  bei  Gesunden 
wurden  elastometrisch  Abweichungen  gefunden.  Elastizitätsstörungen 
kommen  im  lebenden  Körper  wahrscheinlich  auch  ohne  eine  Ver¬ 
änderung  des  normalen  Wassergehaltes  vor.  Bei  den  Elastizitäts¬ 
kurven  Hessen  sich  zwei  Typen  unterscheiden,  die  e-Kurve  (reine 
Elastizitätskurve)  und  die  s-Kurve  (Strömungskurve).  Die  Elasto¬ 
metrie  vermag  auch  sonst  wertvolle  Aufschlüsse  für  die  Klinik  zu 
bringen,  so  in  der  Frage  nach  der  Ursache  der  arteriellen  Blutdruck¬ 
steigerung  der  Nierenkranken.  Die  Elastizitätsschädigung  stellt  ein 
klinisch  pathologisches  Symptom  da>-,  welches  besonders  für  die 
Erkennung  nur  gering  uusgebildeter  Krankheitsveründerungen  der 
Gewebe  von  Wert  ist. 

26)  G.  Fromholdt  und  N.  Nersesoff:  Beiträge  zur  Uro¬ 
bilinfrage.  (III.  Mitteilung.)  (Aus  der  therap.  Fakultätskhmk  in 

Moskau.)  ,  .  J  .. 

Die  Verfasser  gaben  Patienten  mit  Choledochusverschluss  teils 
mehrere  Tage  lang  0,2  Bilirubin,  teils  Pillen,  die  aus  dem  sauren 
Chloroformextrakt  von  Schweinegalle  nach  Verdunstung  des  Chloro¬ 
forms  hergestellt  waren,  teils  frische  Schweinegalle,  nach  vorheri¬ 
ger  Extraktion  derselben  mit  Aether.  Bei  keinem  dieser  Versuche 
war  Urobilin  oder  Urobilinogen  im  Harn  nachweisbar,  während  nicht 
vorbehandelte  Galle  zur  Urobilinurie  führte.  Es  genügt  also  die 
Anwesenheit  von  Bilirubin  im  Darm  allein  noch  nicht,  um  Urobilin¬ 
ausscheidung  durch  den  Harn  herbeizuführen. 

•  27)  G.  Fromholdt  und  N.  Nersesoff:  Beiträge  zur  Uro¬ 
bilinfrage.  IV.  Mitteilung.  (Aus  der  therapeutischen  Fakultätsklinik 

in  Moskau.)  .... 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergaben,  dass  sich  in  keinem 
Falle  Urobilin  im  Blut  nachweisen  liess,  wenn  es  im  Harn  fehlte. 
In  vielen,  aber  nicht  in  allen  Fällen  von  starker  Urobilinurie  ist  im 
Blute  Urobilin  nachzuweisen.  In  allen  Fällen  von  positiver  Urobilin¬ 
reaktion  im  Blute  kann  dieselbe  durch  Jodzusatz  bei  alkalischer  Re¬ 
aktion  sehr  verstärkt  werden. 

28)  E.  C.  van  Leersum:  Alimentäre  Blutdruckerhöhung. 

(Aus  dem  pharmako-therapeutischen  Laboratorium  der  Universität 
Leiden.) 

Die  Fütterung  von  Kaninchen  mit  getrockneter  Leber  erzeugte 
bei  diesen,  auch  wenn  sie  sehr  lange  fortgesetzt  wurde,  keine  Athero- 
matose;  auch  die  Bestimmung  des  Kalkgehaltes  der  verschiedenen 
Organe  der  gefütterten  Kaninchen  ergab  keine  Vermehrung;  die 
Messung  des  Blutdruckes  ergab  jedoch  bei  allen  mit  Leber  gefütterten 
Kaninchen  erhebliche  Steigerung.  Welcher  Bestandteil  der  Leber 
diese  Blutdrucksteigerung  bewirkt,  ist  noch  nicht  bekannt.  Die  gallen¬ 
sauren  Salze  spielen  dabei,  wie  Fütterungsversuche  mit  taurochol- 
saurem  und  glykocholsaurem  Natrium  ergaben,  keine  Rolle. 

29)  P.  Rohmer:  Elektrokardiographische  und  anatomische  Un¬ 
tersuchungen  über  den  Diphtherieherztod  und  dessen  Beziehungen 
zum  Reizleitungssystem.  (Aus  der  Kinderklinik  und  dem  physiologi¬ 
schen  Institut  der  Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin.) 

Während  die  leichtere  Form  der  diphtheritischen  Myokarditis  im 
Elektrokardiogramm  keine  Erscheinungen  machte,  traten  beim  diph¬ 
theritischen  Herztod  Veränderungen  der  Ventrikelschwankung  auf, 
welche  wahrscheinlich  als  Ausdruck  der  schweren  Herzschädigung 
aufzufassen  sind.  Diese  Fälle  der  ersten  Kategorie  zeigten  keine 
Ueberleitungsstörungen,  dagegen  2  von  den  5  Fällen  von  Herztod 
vollständige,  bis  zum  Tode  andauernde  atrioventrikuläre  Dissoziation. 
Diese  Tatsache,  sowie  das  Ergebnis  der  Tierversuche  beweisen,  dass 
keine  besondere  Verwandtschaft  des  Diphtheriegiftes  zum  Reiz¬ 
leitungssystem  besteht,  sondern  dass  bei  der  bekannten  relativen 
Unabhängigkeit  dieses  Systems  vom  übrigen  Myokard  dasselbe  bei 
der  diphtheritischen  Herzschädigung  befallen  werden  kann,  aber  nicht 
muss.  In  Anbetracht  des  in  jedem  Falle  bereits  schwer  geschädigten 
Herzmuskels  ist  diese  Komplikation  prognostisch  ungünstig  und  kann 
unter  Umständen  den  tödlichen  Ausgang  verschulden.  In  den  beiden 
Fällen  von  Herzblock  wies  das  H  i  s  sehe  Bündel  nur  unbedeutende 


?.  .tamiar  1913. 


MUENCHeRER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


3? 


anatomische  Veränderungen  auf;  cs  können  also  hier  klinische  Schä¬ 
digungen  bis  zur  völligen  Aufhebung  der  Funktion  Vorkommen;  ohne 
dass  dies  anatomisch  zum  Ausdruck  kommt. 

30)  M.  B  i  s  c  h  o  f  f :  Neue  Beiträge  zur  experimentellen  Alkohol¬ 
forschung  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Herz-  und  Leber¬ 
veränderungen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Untersuchungen  ergaben,  dass  an  den  Herzen  bei  Ka¬ 
ninchen,  welche  längere  Zeit  mit  Schnaps  gefüttert  worden  waren, 
die  fettigdegenerativen  Veränderungen  der  Muskelfasern  im  Vorder¬ 
gründe  stehen.  Die  Prädilektionsstellen  finden  sich  dicht  unter  dem 
Epikard  des  linken  Ventrikels  mehr  gegen  die  Herzspitze  zu,  sowie 
an  der  Basis  und  Spitze  des  Papillarmuskels  dicht  unter  dem  Endo¬ 
kard;  am  rechten  Ventrikel  werden  vorzugsweise  die  äusseren 
Muskellammellen  von  fettiger  Degeneration  befallen.  Das  Fett  liegt 
intrazellulär,  die  gefundenen  Veränderungen  sind  sicher  nicht  erst 
postmortal  entstanden.  Vor  der  primären  Fettdegeneration  des 
Herzens  zeigen  sich  in  der  Regel  die  Anfänge  einer  Fettleber;  das 
Fett  erscheint  zunächst  immer  um  die  Zentralvenen  gruppiert  und 
nimmt  gegen  die  Peripherie  der  Azini  ab.  Die  Nieren  werden  erst 
in  einem  viel  späteren  Stadium  betroffen.  Bei -den  Versuchen  des 
Verfassers  zeigten  sie  noch  keine  Veränderungen.  Die  hauptsäch¬ 
lichsten  Parenchymveränderungen  finden  sich  somit  an  jenen  Or¬ 
ganen,  welche  nach  Pringsheim  als  die  Hauptverbrennungs¬ 
stätten  des  Alkohols  bei  an  Alkohol  gewöhnten  Tieren  anzusehen 
sind.  Der  Qesamtfettgehalt  des  Herzens  von  Alkoholkaninchen  ist 
von  durchschnittlich  11  Proz.  bei  den  Normaltieren  auf  12  Proz.  er¬ 
höht,  dabei  findet  sich  eine  absolute  und  relative  Verminderung  des 
Lezithingehaltes  von  6,53  Proz.  auf  3,5  Proz.  bezw.  auf  das  Trocken¬ 
gewicht  des  Herzens.  An  dem  Qesamtfettgehalt  partizipiert  das 
Lezithin  mit  58,8  Proz.  beim  Normalkaninchen,  mit  32,2  Proz.  beim 
Alkoholkaninchen,  also  mit  26,6  Proz.  weniger.  Daneben  liess  sich 
eine  geringgradige  Verminderung  des  Cholesteringehaltes  feststellen. 
Die  1100 — 1250  g  schweren  Tiere  zeigten  meistens  während  der  ersten 
8  Tage  eine  Gewichtsabnahme  von  60 — 70,  nach  16  Tagen  von  150, 
nach  23  Tagen  von  200  und  nach  28  Tagen  von  240  g. 

31)  A.  Klopfer:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
W.  H.  Schultze  sehe  Oxydasereaktion.  (Aus  dem  Institut  für 
Pharmakologie  und  physiologische  Chemie  in  Rostock.) 

Der  mikroskopisch  sichtbar  zu  machende  Oxydasegehalt  von 
Niere,  Herz,  Leber  und  Milz  normaler  Tiere  ist  bei  den  verschiedenen 
Tierarten  und  Individuen  sehr  gleichmässig.  Die  Schnitte  werden 
im  Schälchen  in  einer  Mischung  von  gleichen  Teilen  1  proz.  Lösung 
von  a-Naphthol  Merck  und  1  proz.  Lösung  von  Dimethylparaphenylen- 
diamin  Merck  2 — 3  Minuten  gefärbt,  dann  kurz  in  Leitungswasser  ab¬ 
gespült  und  in  Qlyzeringelatine  aufbewahrt.  Die  Oxydasen  färben 
sich  blau.  Rinde  und  Mark  der  Niere  sind  sehr  scharf  von  einander 
zu  trennen,  die  Epithelien  der  Rinde  enthalten  sehr  reichlich  feine 
blaue  Granula,  während  die  Epithelien  im  Mark  der  Niere  völlig 
frei  davon  sind. 

Fett  nimmt  die  Indophenolfärbung  ebenfalls  an,  ist  aber  an  dem 
rotvioletten  Farbenton  von  dem  hellblauen  der  Oxydasen  leicht  zu 
unterscheiden.  Gleichzeitige  Färbung  von  oxydativen  Granulis  und 
Fett  in  derselben  Zelle  wurde  nicht  beobachtet.  Die  Indophenol¬ 
reaktion  nicht  verfetteter  Zellen  in  fetthaltigen  Organen  geht  sehr 
rasch  zurück  unter  gleichzeitig  stärkerem  Hervortreten  der  Fett¬ 
färbung,  so  dass  man  an  eine  Abgabe  des  von  den  Granulis  syn¬ 
thetisch  gebildeten  Farbstoffes  an  das  Fett  denken  könnte.  Hiegegen 
spricht  jedoch,  dass  die  Fettfärbung  auch  nach  Fixierung  der  Schnitte 
durch  Formol,  wodurch  die  Oxydasereaktion  zerstört  wird,  zustande 
kommt.  Die  Zerstörung  der  Oxydasereaktion  durch  Kochen  oder 
Fixieren  in  Formol  oder  Alkohol  findet  nur  in  den  drüsigen  Zellen 
und  in  der  Muskulatur  statt,  nicht  aber  in  den  Leukozyten,  selbst  ein 
halbstündiges  Aufbewahren  der  Schnitte  in  96  proz.  Alkohol,  Chloro¬ 
form  oder  Azeton  verhindert  die  Reaktion  in  den  Leukozyten  nicht, 
nur  sind  die  staubfreien  Granula  dann  zu  grösseren,  intensiv  ge¬ 
färbten  Körnern  zusammengeflossen.  Eine  kurze  vorhergehende 
Alkoholfixierung  lässt  sogar  die  oxydativen  Granula  der  Leukozyten 
noch  schärfer  hervortreten.  Es  ist  also  die  von  v.  G  i  e  r  k  e  aufge¬ 
stellte  Scheidung  in  resistente  und  labile  Granula  sehr  scharf  ausge¬ 
sprochen.  Versuche,  die  Oxydasen  der  drüsigen  Organe  und  der 
Muskulatur  durch  Einwirkungen,  welche  die  innere  Oxydation  schä¬ 
digen,  zu  beeinflussen,  ergaben  eine  deutliche  Verminderung  nur  bei 
länger  dauernder  Absperrung  der  Blutzufuhr  durch  fünfstündiges 
Unterbinden  der  zuführenden  Arterie  und  durch  langsame  Erstickung 
durch  Leuchtgas.  Dagegen  liess  sich  durch  länger  dauernde  venöse 
Stase,  durch  Vergiftung  mit  Blausäure,  Phosphor,  Chloralhydrat, 
Arsen  und  Saponin  keine  Verringerung  der  Oxydasen  der  drüsigen 
Organe  und  der  Herzmuskulatur  erreichen.  Auffallend  ist,  dass  die 
Blausäurevergiftung,  welche  sonst  in  vitro  alle  fermentativen  Lebens¬ 
prozesse  hemmt,  auf  die  Indophenolreaktion  der  Organe  keinen  Ein¬ 
fluss  hat;  es  erscheint  daher  geboten,  die  Theorie  der  Blausäure¬ 
wirkung  von  neuem  zu  prüfen. 

32)  E.  Morelli:  Ueber  ein  neues  Sphygmograph.  (Aus  der 
med.  Klinik  in  Pavia.)  Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

33)  E.  S  t  o  e  r  k :  Zur  Frage  des  Adams-Stokes  sehen  Syni- 
ptomenkomplexes.  (Aus  der  III.  med.  Klinik  in  Wien.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

34)  W.  Skörczewski:  Warum  vergrössert  Atophan  die  Aus¬ 
scheidung  der  Harnsäure?  (Aus  dem  Institut  für  med.  Chemie  und 
aus  der  med.  Klinik  in  Lemberg.) 


Das  Atophan  erfährt  im  Organismus  eine  Oxydation,  dement¬ 
sprechend  führt  es  zu  einer  Störung  der  Oxydationsarbeit  des  Or¬ 
ganismus,  welche  sich,  wie  die  Versuche  des  Verfassers  ergeben, 
auch  in  der  Vermehrung  des  Neutralschwefels  zeigt.  Diese  Ver¬ 
mehrung  des  Neutralschwefels  beruht  auf  einer  Vermehrung  der  Oxy- 
proteinsäuren,  besonders  des  an  Schwefel  reichen  Urochroms  infolge 
vermindeiter  Oxydation  Die  Vermehrung  der  Harnsäureausschei¬ 
dung  nach  Atophan  lässt  sich  nicht  durch  eine  vermehrte  Zersetzung 
der  Muttersubstanzen  der  Nukleoproteide  erklären,  da  die  Ver¬ 
mehrung  der  Phosphorsäure  im  Harn  fehlt,  ebenso  nicht  durch  ver¬ 
mehrte  Elimination  von  angehäufter  Harnsäure,  da  die  Nierenfunktion 
durch  Atophan  nicht  gebessert,  sondern  eher  verschlechtert  wird. 
Es  ist  vielmehr  wahrscheinlich,  dass  infolge  der  Oxydationsstörung 
durch  das  Atophan  mehr  Harnsäure  der  weiteren  Zersetzung  entgeht, 
diese  Oxydationsstörung  ist  an  dem  ersten  Tage  der  Atophandar- 
reichung  am  grössten. 

35)  Ph.  Brugsch  und  K.  R  e  t  z  1  a  f  f :  Blutzerfall,  Galle  und 
Urobilin.  Zur  Frage  der  GallenJarbstofSbildung  aus  Blut.  (III.  Mit¬ 
teilung.)  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Verfasser  fanden  bei  ihren  Untersuchungen  ein  Chromogen 
im  Harn,  das  sich  vom  Urobilinogen  unterscheidet.  Es  lässt  sich 
durch  Ligroin  vollständig  extrahieren,  aus  alkalischem  Urin  dadurch 
von  Urobilinogen  trennen,  das  aus  alkalischem  Urin  nicht  in  das 
Ligroin  übergeht.  Dieses  Chromogen  tritt  auch  in  urobilin-  und  uro- 
bilinogenfreiem  Urin  nach  Fäulnis  auf.  Der  Aldehydfarbstoff  des¬ 
selben  hat  eine  bläulichrote  Farbe.  Es  kann  dem  Ligroin  durch 
säurehaltiges  Wasser  nicht  entzogen  werden,  tritt  aber  mit  Ver¬ 
dunstung  des  Ligroins  allmählich  in  das  Wasser  über  und  nimmt 
eine  gelbbräunliche  Farbe  an.  Mit  konzentrierter  Salzsäure  nimmt 
es  eine  violette  Farbe  an.  Die  bräunliche  Farbe  ist  nicht  durch 
Urobilin  bedingt,  dieses  ist  nicht  nachweisbar.  Es  hat  den  typischen 
penetranten  Skatolgeruch;  die  Fichtenspahnreaktion  ist  positiv.  Was 
als  Urobilin  im  klinischen  Sinne  bezeichnet  wird,  ist  kein  einheit¬ 
licher  Körper,  sondern  eine  Reihe  von  Substanzen,  welche  zum  Blut¬ 
farbstoff  wie  zum  Gallenfarbstoff  in  Beziehung  stehen.  Hämatogene 
extrahepatische  Urobilinurie  ist  äusserst  selten,  nur  bei  grossen  Blut¬ 
ergüssen  gelegentlich  zu  beobachten,  gegenüber  der  gewöhnlichen 
hepatogenen  Urobilinurie,  für  deren  Entstehung  Hereingelangen  von 
Galle  in  den  Darm,  Reduktion  zu  Urobilinogen,  Resorption  desselben 
nötig  ist.  Befördernd  wirkt  stärkere  Darmfäulnis  wie  sie  bei  Leber¬ 
erkrankungen  besonders  häufig  vorkommt.  Die  hepatische  Insuffizienz 
äussert  sich  in  der  Unfähigkeit,  das  zugeführte  Urobilin  zu  Gallen¬ 
farbstoff  umzuwandeln,  welche  bei  Erkrankungen  der  Leberzelle  als 
absolute  Insuffizienz  besteht,  bei  allzu  starker  Gallenfarbstoffbildung 
nur  eine  relative  ist.  Von  dem  ins  Blut  gelangenden  Urobilin  wird 
nur  ein  Teil  durch  die  Nieren  ausgeschieden.  Die  Urobilinurie  ist 
ein  sehr  komplexer  Vorgang,  dessen  Deutung  bezüglich  einer  In¬ 
suffizienz  der  Leber  mit  Vorsicht  meist  gegeben  werden  kann.  Quan¬ 
titative  Schlüsse  auf  den  Blutumsatz  können  für  die  Klinik  aus  diesem 
Symptom  aber  nicht  gezogen  werden. 

36)  R.  Ohm;  Der  Venenpuls  im  Lichte  neuer  photographischer 
Methodik.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Der  Verfasser  kommt  bei  seinen  Untersuchungen  mit  der  von 
ihm  selbst  konstruierten  Apparatur  zu  folgenden  Ergebnissen;  Die 
pulsierende  Jugularvene  besitzt  die  Eigenschaften  eines  hochempfind¬ 
lichen  elastischen  Manometers,  welches  die  Stauungszustände  im 
rechten  Herzen  getreu  anzuzeigen  vermag.  Bei  Stauungen  massigen 
Grades  ändert  sich  die  normale  Gestalt  des  Venenpulses  in  charak¬ 
teristischer  Weise,  wobei  unter  Fortbestehen  der '3  typischen  Wellen 
der  atrioventrikuläre  Charakter  des  normalen  Venenpulses  erhalten 
bleibt.  Die  Aenderungen  bestehen  in  einer  mehr-mindergradigen  Vor¬ 
biegung  der  Kollapslinie  des  systolischen  Venenkollapses,  als  Aus¬ 
druck  einer  Erschwerung  des  Abflusses  und  in  dem  Auftreten  einer 
systolischen  Rückstauungswelle  (sr.).  Hochgradige  Stauungen  im 
rechten  Herzen  führen  zu  hochgradigen  Veränderungen  des  normalen 
Venenpulsbildes.  Die  normale  atrioventrikuläre  Form  macht  dabei 
der  ventrikulären  Form  Platz.  Anstelle  des  normalen  systolischen 
Venenkollapses  tritt  die  systolische  Druckstauungswelle  (sd.)  auf 
(sog.  positiver  Venenpuls).  Die  Kollabierung  der  Vene  erfolgt  herz- 
diastolisch  oft  unter  Bildung  einer  diastolischen  Rückstauungswelle. 
Die  kombinierte  Registriermethode  besitzt  grossen  klinischen  Wert 
für  die  Funktionsbestimmung  des  Herzens,  indem  seine  mechanische 
Arbeitsleistung  als  Pumpwerk  beurteilt  und  der  Grad  der  mechani¬ 
schen  Funktionsstörung  kurvenmässig  dargestellt  werden  kann. 

37)  C.  Moewes;  Quantitative  Skatol-Indolbestimmung  iii  den 
Fäzes.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Fäzes  werden  im  Verhältnis  30:200  mit  Wasser  fein  ver¬ 
rieben;  dann  im  Dampfstrom  mit  1  Liter  Wasser  abdestilliert.  Vom 
Destillat  200  ccm  mit  50  ccm  Ligroin  ausgeschüttelt,  10  ccm  des  Ex¬ 
traktes  mit  dem  Ehrlich  sehen  Aldehydreagens  (1  ccm  einer  2  proz. 
Lösung  desselben  in  20  proz.  Salzsäure)  versetzt,  der  sich  absetzende 
Farbstoff  in  4  ccm  Aq.  dest.  gelöst  und  im  P 1  e  s  c  h  sehen  Kolben- 
keilchromophotometer  mit  der  Farbenreaktion  einer  frisch  bereiteten 
Testlösung  aus  einer  Mischung  gleicher  Teile  von  Indol  1:50  000  und 
Skatol  1 :  50  000  bestehend,  verglichen. 

38)  Mohr- Halle:  Zur  Frage  des  Herzschlagvolumens.  Be¬ 
merkungen  zur  Arbeit  von  O.  Müller  und  K.  F  i  n  c  k  h  in  dieser 
Zeitschrift,  Bd.  11,  H.  2. 

Der  Verfasser  tritt  für  die  Beweiskräftigkeit  der  Sc'hapals- 
schen  Untersuchungen  ein,  wonach  beim  Menschen  im  extrem  heissen 


38 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Bad  das  Schlagvolumen  kleiner,  im  kalten  Bad  grösser  wird.  Es  ist 
demnach  die  Uebertragung  der  von  0.  Müller  im  Tierexperiment 
gewonnenen  gegenteiligen  Ergebnisse  auf  die  Verhältnisse  beim  Men¬ 
schen  nicht  statthaft.  Lindemann  -  München. 

Zeitschrift  für  Immunitätsforschung  und  experimentelle 
Therapie.  XV.  Band,  2.  und  3.  Heft.  (Auswahl.) 

Tetsuda  1 1  o  -  Berlin :  Ueber  die  Konzentration  der  Serumquali- 
täten  durch  Gefrieren  und  über  den  Einfluss  hoher  Kältegrade  (flüssige 
Luft)  auf  die  Antikörper.  ... 

Die  Arbeit  enthält  eine  systematische  Untersuchung  über  das 
Verhalten  der  Antikörper  im  Serum  bei  Aufenthalt  im  Eisschrank, 
sowie  bei  Einfrieren  und  Auftauen  im  Gefrierapparat  (Frigo).  Ei- 
gebnis:  Komplement  sedimentiert  im  Eisschrank  erst  nach  längerer 
Zeit,  im  Frigc  war  schon  nach  2  Tagen  mit  dreimaligem  Auftauen 
kein  Komplement  mehr  in  den  oberen  Schichten  nachzuweisen,  es 
fand  sich  in  seiner  Gesamtheit  in  der  unteren  Schicht  vor.  Bei  agglu¬ 
tinierendem  Serum  zeigte  sich  nach  dreitägigem  Aufenthalt  im  Eis- 
schrank  eine  Anreicherung  der  Unterschicht  mit  Agglutinin.  Im  Frigo 
war  nach  6  Tagen  die  obere  Schicht,  nach  21  Tagen  auch  die  mittlere 
Schicht  frei  von  Agglutinin.  Entsprechend  verhielten  sich  auch  die 
hämolytischen  Sera,  nur  verlief  hier  die  Ausfrierung  wesentlich  lang¬ 
samer  als  bei  Agglutinin.  Bei  den  präzipitierenden  Seren  reicherte 
ein  8  tägiger  Aufenthalt  im  Frigo  die  Unterschicht  mit  Präzipitin 
an,  während  ein  längerer  Aufenthalt  das  ganze  Serum  in  seinei  Wir- 
kung  abschwächte.  In  Bezug  auf  die  Wirkung  der  Sera  bei  der 
Anaphylaxie  ergab  sich,  dass  sowohl  der  präparierende  als  der  An¬ 
aphylaxie  auslösende  Teil  des  Hammelserums  sich  beim  Gefrieren  in 
der  unteren  Schicht  ansammelte. 

Hans  Reiter -Königsberg:  Beeinflusst  das  Salvarsan  die  In¬ 
tensität  der  Antikörperbildung? 

Nach  einer  ausführlichen  Uebersicht  über  die  Versuche  früherer 
Autoren,  die  Resistenz  oder  Immunität  durch  physikalische  oder  che¬ 
mische  Einwirkungen  zu  beeinflussen,  geht  Verf.  auf  die  krage  ein, 
ob  das  Salvarsan  auf  die  Bildung  von  Normal-  oder  Immunantikörpern 
irgend  einen  Einfluss  hat.  Die  Frage  ist  um  so  aktueller,  als  Uhlen- 
huth  von  dem  verwandten  Atoxyl  behauptet  hat,  dass  es  vor¬ 
wiegend  indirext  durch  Mobilisierung  von  Antikörpern  wirke,  wäh¬ 
rend  Ehrlich  eine  direkte  Wirkung  auf  die  Mikroben  annimmt. 
Als  Massstab  der  Antikörper  hat  Verf.  die  Agglutinine  und  die  Bak- 
teriotropine  gegen  B.  typhi,  Flexner  und  Vibrio  Metschnikoff  gewählt. 
Die  Zeit  der  Vakzination  und  der  Salvarsaninjektion  wurde  variiert. 
Vom  Salvarsan  wurde  durchweg  0,06  pro  Kilo  intravenös  gegeben. 
Resultat:  Die  Normalantikörper,  Agglutinine,  Opsonine  wurden  durch 
Salvarsan  nicht  merklich  beeinflusst.  W  urde  während  der  Immun¬ 
körperbildung  Salvarsan  in  der  ersten  Phase  gegeben,  so  wurde  in 
manchen  Fällen  eine  Beschleunigung  der  Antikörperbildung  beob¬ 
achtet,  in  den  andern  Phasen  trat  entweder  gar  keine  oder  nur  eine 
minimale  befördernde  Wirkung  ein.  Verf.  schliesst  daraus,  dass  die 
Unterstützung  der  Antikörperproduktion  durch  Salvarsan  nur  unregel¬ 
mässig  und  dann  auch  nur  in  sehr  geringem  Massstabe  stattfindet. 
Die  Ergebnisse  von  Kohl  und  Y  a  m  i  k  o  f  f,  dass  das  Salvarsan 
durch  eine  gleichzeitige  Bakterieninjektion  in  seiner  Giftigkeit  erheb¬ 
lich  gesteigert  wird,  konnte  Verf.  bestätigen. 

H.  R  i  t  z  -  Frankfurt:  Ueber  die  Inaktivierung  des  Komplementes 
durch  Schütteln. 

Verf.  hat  die  von  Jakoby  und  Schütze  zuerst  nachge¬ 
wiesene,  dann  von  verschiedenen  Autoren  bestätigte  Inaktivierung 
des  Komplementes  durch  Schütteln  nachgeprüft.  Durch  Benützung 
des  von  U  h  1  e  n  h  u  t  h  angegebenen  Kinotherm  konnte  er  die  Inakti¬ 
vierungszeit  auf  25  Minuten  herabdrücken.  Ebenso  konnte  er  die 
Tatsache  bestätigen,  dass  das  inaktivierte  Schüttelserum  sowohl 
durch  Endstück  als  durch  Mittelstück  des  Komplementes  reaktiviert 
werden  kann.  Die  Zeitdauer  der  Inaktivierung  wechselte  nach  der 
Konzentration  des  Serums.  In  10  fach  verdünntem  Serum  wurde  das 
Komplement  am  schnellsten  zerstört.  Ferner  fand  der  Verf.  als  neue 
Tatsache,  dass  auch  der  Volumgehalt  der  Schüttelflasche  einen  Ein¬ 
fluss  auf  den  Inaktivierungsprozess  hat.  Der  ganze  Prozess  verläuft 
offenbar  in  2  Phasen,  da  nach  längerer  Zeit  sich  das  Serum  nicht 
mehr  reaktivieren  liess.  Eine  Erklärung  des  Phänomens  vermag  auch 
der  Verf.  nicht  zu  geben. 

Josef  H  u  s  1  e  r  -  Frankfurt:  Ueber  die  Inaktivierung  hämolyti¬ 
scher  Komplemente  durch  Erwärmen. 

Verf.  hat  die  Angabe  von  Ritz  nachgeprüft,  dass  das  durch 
Kobragift  inaktivierte  Meerschweinchenserum  nicht  nur  durch  jede 
der  beiden  als  End-  und  Mittelstück  bezeichneten  Fraktionen  des 
Komplementes,  sondern  auch  durch  Zusatz  von  erwärmtem  und  in¬ 
aktiviertem  Meerschweinchenserum  in  seiner  komplettierenden  Kraft 
wieder  hergestellt  werden  kann,  eine  Eigenschaft,  des  Komplementes, 
die  R.  als  „dritte  Komponente“  bezeichnet.  Die  Versuche  führten 
zu  einer  vollen  Bestätigung.  %  ständiges  Erhitzen  auf  55 0  erwies 
sich  für  den  vorliegenden  Zweck  als  am  zweckmässigsten.  Bei  ge¬ 
ringerer  Wärmeeinwirkung  konnte  noch  eine  Wirkung  des  Mittel¬ 
stücks  —  nicht  mehr  des  Endstückes  —  nachgewiesen  werden,  nach 
der  eben  genannten  Einwirkung  verschwand  aber  auch  diese  und  es 
blieb  nur  noch  die  Wirkung  der  dritten  Komponente  erhalten. 

H.  Dold  und  K.  A  o  k  i  -  Strassburg:  Weitere  Studien  über  das 
Bakterienanaphylatoxin. 

Bekanntlich  kann  man  durch  Einwirkung  von  frischem  Serum 


auf  Bakterieneiweiss  das  Anaphylatoxin  gewinnen.  Ferner  ist  be¬ 
kannt,  dass  man  das  Gift  ebenso  aus  toten  und  gekochten  Bakterien 
erhalten  kann,  wie  aus  lebenden.  Verf.  haben  nun  die  Einwirkung 
verschiedener  Agentien  auf  die  Bakterien  geprüft,  bevor  sie  mit  dem 
Serum  zusammengebracht  wurden.  Es  ergab  sich  dabei  folgendes: 
Durch  Vorbehandlung  von  Paratyphusbazillen  mit  40  proz.  Formal¬ 
dehydlösung  wurde  ihre  Fähigkeit  zur  Anaphylatoxinbildung  nur  in 
geringem  Grade,  durch  Vorbehandlung  mit  10  proz.  Sublimatlösung 
nicht  beeinflusst.  Ebenso  nicht  durch  15  proz.  Salpetersäure.  Da¬ 
gegen  sehr  stark  durch  15  proz.  Natronlauge.  Aus  Bakterien,  die 
6  Monate  in  Alkohol  gewesen  waren,  gewannen  sie  noch  ebenso 
starkes  Gift  wie  aus  frischen.  Durch  Schütteln  der  Bazillen  mit  Oel 
kann  man  die  Fähigkeit  der  Giftbildung  bis  zum  Verschwinden 

bringen.  „  ,  ,  „ 

Gustav  Bayer- Innsbruck:  Beitrag  zur  Frage  nach  der  Be¬ 
deutung  des  Komplementes  für  das  Agglutinationsphänomen. 

Im  Gegensätze  zu  Ehrlich  nimmt  Bail  an,  dass  die  Agglu- 
tinine  in  ihrer  Konstitution  vollkommene  Analogie  mit  den  Bakterio- 
und  Hämolysinen  aufweisen,  mithin  Rezeptoren  dritter  Ordnung  sind. 
Den  spezifischen  Immunkörper  nennt  er  Agglutinophor,  den  kom¬ 
plettierenden  Hemiagglutinin.  Dieser  Körper  würde  dem  Komple¬ 
ment  entsprechen.  Da  nun  das  Komplement  ein  komplexer  Körper 
ist,  so  unternahm  Verf.,  zu  untersuchen,  ob  auch  das  „Hemiagglu¬ 
tinin“  einen  komplexen  Bau  zeige.  Als  Agglutinophor  diente  ihm 
Immuntyphuspferdeserum,  als  Hemiagglutinin  frisches  Meerschwem- 
chenserum,  das  in  allen  Fällen  das  inaktivierte  Immunserum  in  seiner 
agglutinierenden  Wirkung  bestärkte  und  beschleunigte.  Das  Meei- 
schweinchenserum  wurde  durch  Dialyse  oder  durch  Kohlensäure- 
aurchleitung  in  bekannter  Weise  zerlegt  und  die  Teilstücke  in  ihrer 
Wirkung  auf  die  Agglutinationsfähigkeit  der  Immunseren  geprüft. 
Das  Mittelstück  beförderte  die  Agglutination  deutlich,  das  Endstück 
war  meistens  unwirksam.  Durch  Erwärmung  auf  56°  wurde  auch 
das  Mittelstück  unwirksam  gemacht.  Die  agglutinationsbefördernde 
Wirkung  des  Komplements  geht  also  lediglich  von  der  Globulinfrak¬ 
tion,  dem  Mittelstück  aus. 


G.  Izar- Catania:  Wirkung  kolloiden  Schwefels  auf  Ratten¬ 
sarkome.  XT 

Nach  dem  Vorgänge  von  Wassermann,  Neuberg  und 
K  a  s  p  a  r  i,  die  durch  intravenöse  Injektionen  von  kolloiden  Metall¬ 
lösungen  Mäusetumoren  zur  Heilung  brachten,  hat  Verf.  bei  Ratten¬ 
sarkomen  kolloide  Schwefellösungen  angewandt.  Die  Resultate 
waren  sehr  günstig,  kleine  Tumoren  verschwanden  schnell,  grössere 
zeigten  zentrale  Verflüssigung  und  Sackbildung.  In  dem  letzten  Fall 
gingen  aber  die  Tiere  meist  ein. 

Kurt  Meyer-  Stettin :  Ueber  Immunisierungsversuche  mit 
Tuberkelbazillenlipoiden  und  lipoidfreien  Tuberkelbazillen.  Ueber 
antigene  Eigenschaften  von  Lipoiden. 

Nach  dem  Vorgänge  verschiedener  Autoren  hat  Verf.  Kaninchen 
mit  natürlichen  und  lipoidfrei  gemachten  Tuberkelbazillen,  sowie  mit 
den  Lipoiden  der  Bazillen  allein  behandelt  und  das  Serum  auf  spe¬ 
zifische  komplementbindende  Substanzen  untersucht.  Die  Versuche 
fielen  in  allen  Fällen  positiv  aus:  die  mit  den  Lipoiden  gewonnenen 
Antikörper  erwiesen  sich  aber  als  wesentlich  schwächer  als  die 
mit  den  Eiweisskörpern  der  Bazillen  erzeugten.  Weitere  Versuche 
ergaben,  dass  die  mit  den  verschiedenen  Antigenen  erzeugten  Anti¬ 
körper  sich  auch  untereinander  verschieden  verhalten,  eine  Tatsache, 
die  zuerst  von  Much  aufgestellt  ist.  Durch  seine  besondere  Ver¬ 
suchsanordnung  hat  der  Verf.  den  Einwand,  dass  die  antigene  Wir¬ 
kung  der  Lipoide  durch  beigemengte  Eiweissspuren  bedingt  sein 
könnte,  endgültig  widerlegt.  Die  Frage,  ob  in  den  durch  Immuni¬ 
sierung  mit  Vollbazillen  gewonnenen  Seren  die  Eiweiss-  und  Lipoid¬ 
antikörper  nebeneinander  Vorkommen,  oder  ob  besondere  Lipoid¬ 
eiweissantikörper  darin  enthalten  sind,  bedarf  noch  weiterer  Unter¬ 
suchung. 

Richard  G  o  n  d  e  r  -  Frankfurt:  Experimentelle  Studien  mit  Try¬ 
panosomen  und  Spironemen  (Spirochäten). 

Aus  der  Arbeit  sei  hervorgehoben,  dass  es  dem  Verf.  gelang,  eine 
Verminderung  der  chemischen  Avidität  mit  Arsen  vorbehandelter 
Trypanosomen  direkt  färberisch  sichtbar  zu  machen.  Normale  Try¬ 
panosomen  färbten  sich  mit  gewissen  orthochinoiden  Substanzen  be¬ 
reits  vital,  arsenfeste  färben  sich  dagegen  erst  nach  dem  Tode. 


Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 

Heft  12,  1912. 

L.  Hirschstein-Hamburg:  Ueber  die  Beziehungen  des 
Schwefels  zum  Stickstoff  in  Nahrungsmitteln  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Frauen-  und  Kuhmilch. 

Siehe  ausführliches  Referat  diese  Wochenschrift  1912,  S.  2251. 

Falkenstein  - Berlin :  Verdauung  und  Stoffwechsel. 

Verf.  sucht  ein  Bild  des  ganzen  Hergangs,  der  sich  vom  Moment 
der  Nahrungsaufnahme  bis  zur  Ausscheidung  der  Auswurfstoffe  voll¬ 
zieht,  zu  geben.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

F  r  a  n  k  e  n  h  ä u  s  e  r  -  Baden-Baden:  Ueber  die  Wirkung  der 
Zyklonen  (barometrischen  Minima)  auf  das  Allgemeinbefinden. 

Viele  Gesunde  zeigen  bei  Herannahen  von  Zyklonen  Krankheits¬ 
erscheinungen  (Zyklonopathie),  die  man  nach  ihrer  Lokalisation  als 
kongestiv  zerebrale,  katarrhalisch  gastrointestinale  und  rheumatoid 
periphere  bezeichnen  kann.  Letztere  sind  die  häufigsten.  Erstere 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


39 


sind  vielleicht  auf  Reizungen  des  empfindlichen  pneumatischen  Organs 
im  Labyrinth  zuriickzufiihren.  Besonders  kommen  in  Betracht  Vibra¬ 
tionen  des  Luftdruckes  (W.  S  c  h  m  i  d  t),  Verunreinigung  der  Luft 
durch  Hinströmen  der  Oberflächenatmosphäre  an  die  Stelle  des  Mini¬ 
mums,  plötzliche  Aenderungen  der  Elektrizität  (S  c  h  1  i  e  s  s).  Die 
therapeutischen  Massnahmen  bestehen  in  richtiger  Diät  (knappe  Kost, 
kein  Alkohol),  Hydrotherapie,  ev.  Antineuralgika,  Venaesektion  (bei 
Gefahr  der  Apoplexie).  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  99,  Heft  1,  1912. 

1)  G.  A  x  h  a  u  s  e  n  -  Berlin :  Ueber  den  histologischen  Vorgang 
bei  der  Transplantation  von  Gelenkenden,  insbesondere  über  die 
Iransplantationsfähigkeit  von  Gelenkknorpel  und  Epiphysenknorpel. 

Verf.  transplantierte  homoplastisch  bei  Ratten  und  Kaninchen 
ganze  und  halbe  Femurepiphysen,  epiphysäre  Scheiben  und  Patellen 
in  die  Weichteile.  Die  Versuche  ergaben  wiederum,  dass  Knochen¬ 
gewebe  im  histologischen  Sinne  nicht  transplantationsfähig  ist.  Vom 
Markgewebe  zeigen  in  einem  Teil  der  Fälle  die  oberflächlichen  Ab¬ 
schnitte  in  geringer  Ausdehnung  Lebenserhaltung.  Die  Hauptmasse 
geht  zugrunde.  Die  Substitution  erfolgt  vom  umgebenden  Binde¬ 
gewebe  und  von  ossifikationsfähigen  Elementen  der  Oberflächen¬ 
schichte  aus.  Gelenkknorpel  erwies  sich  im  histologischen  Sinne 
und  auch  in  einem  für  die  praktische  Anwendung  ausreichenden 
Umfang  transplantationsfähig.  Von  den  oberflächlichen  leben¬ 
gebliebenen  Knorpelabschnitten  aus  erfolgt  unter  lebhafter  Proliferation 
eine  zelluläre  Substitution  des  toten  Knorpels  unter  Persistenz  der 
Grundsubstanz.  Epiphysenknorpel  zeigte  sich  im  histologischen 
Sinne  transplantationsfähig,  doch  nur  in  einem  für  die  praktische  An¬ 
wendung  unzureichenden  Umfang. 

2)  H.  v.  Habe  rer:  Traumatische  Ventrikelzyste,  Deckung  des 
eröffneten  Ventrikels  durch  Faszie.  (Chirurg.  Klinik  zu  Innsbruck.) 

Bei  einem  11jährigen  Kinde  hatte  sich  im  Anschluss  an  eine 
5  Jahre  vorher  stattgehabte  Kopfverletzung  eine  Hemiparese  der 
linken  Körperhälfte  spastischer  Natur  ausgebildet.  Die  rechte 
Schädelhälfte  zeigte  eine  ausgedehnte  Hautnarbe  mit  einem  darunter 
liegenden  ausgedehnten,  aus  2  Teilen  bestehenden  Knochendefekt.  Es 
bestanden  linksseitige  Krampfanfälle  und.  häufige  Kopfschmerzen. 
Nach  Zurückklappung  eines  grossen  hauptsächlich  aus  Narben¬ 
gewebe  bestehenden  Weichteillappens  wölbte  sich  eine  fluktuierende 
Narbenschicht  vor.  Die  Punktion  ergab  eine  wasserklare,  farblose 
Flüssigkeit,  so  dass  die  Diagnose  auf  eine  Hirnzyste  gestellt  wurde. 
Nach  Wegnahme  der  Narbendecke  zeigte  es  sich  jedoch,  dass  in 
breiter  Ausdehnung  der  7.  Seitenventrikel  eröffnet  war.  Der  grosse 
Defekt  wurde  durch  einen  freien  Faszienlappen  überbrückt  und  über 
diesen  der  Hautweichteillappen  zurückgeschlagen  und  fixiert.  Ein¬ 
heilung  der  Faszie. 

3)  K.  H  e  n  s  c  h  e  n  -  Zürich:  Diagnostik  und  Operation  der 
traumatischen  Subduralblutung. 

Verf.  gibt  zunächst  eine  eingehende  Beschreibung  der  trau¬ 
matischen  Subduralblutungen  beim  Neugeborenen.  Die  gewöhn¬ 
lichen  Verletzungsorte  sind  die  freien  pialen  Venensstrecken  oder  die 
am  Tentorium  gelegenen  Venen.  Der  zunächst  kleine  primäre  Er¬ 
guss  kann  bei  Anwendung  der  S  c  h  u  1 1  z  e  sehen  Schwingungen  viel 
grösser  werden.  Es  darf  ferner  heute  als  sicher  gelten,  dass  die 
traumatische  Meningealblutung  eine  nicht  so  seltene  Initialläsion 
sowohl  der  hemiplegischen  wie  der  diplegischen  Form  der  zerebralen 
Kinderlähmung  ist.  Für  den  Chirurgen  bieten  jene  Fälle  das  nächste 
nteresse,  wo  wiederbelebte  oder  nach  ungestörtem  Geburtsverlauf 
laut  schreiend  zur  Welt  gekommene  Kinder  nach  einem  freien  Inter¬ 
vall,  das  mehrere  Stunden  oder  Tage  betragen  kann,  scheinbar 
grundlos  asphyktisch  werden,  aber  doch  deutliche  Zeichen  gestei- 
gerten  Hirndruckes  zeigen.  Verf.  unterscheidet  Konvexitäts-,  peri- 
bulbäre  und  diffuse  Hämatome,  deren  klinische  Symptome  und  Dia¬ 
gnose  besprochen  werden.  Für  die  Therapie  der  Konvexitätshäma- 
tome  wird  in  leichten  Fällen  eine  Entlastungspunktion  und  Aspiration 
des  Blutergusses  vom  Seitenwinkel  der  grossen  Fontanelle  her 
empfohlen.  Schwere  Fälle  und  Versagen  der  Punktionsbehandlung 
verlangen  die  Anlegung  einer  kleinen  Trepanationsöffnung,  womög- 
hch  an  der  Basis  des  Scheitelbeins  und  die  Ausräumung  der  haupt¬ 
sächlich  komprimierenden  Gerinnselmassen.  Bei  den  peribulbären, 
am  Tiefpunkt  des  Schädelraumes  gelegenen  Hämatomen  sind  Lum- 
oalpunktionen  am  Platze.  Die  traumatischen  Subduralblutungen  des 
späteren  Kindesalters  und  der  Erwachsenen  stammen  aus  der  Art. 
mening.  media,  bei  gleichzeitig  zerrissener  Dura,  aus  der  Carotis  cere- 
bralis,  von  Arterien  der  Hirnoberfläche  oder  aus  den  Venen  des 
Schädelinnern.  Die  Blutung  aus  den  Piavenen  kann  in  wenigen 
Stunden  zum  Tode  führen.  Es  kann  aber  die  Blutung  auch  erst 
stehen  und  dann  schubweise  wieder  auftreten.  Für  die  Klinik  der 
■  erletzungen  ist  wichtig,  dass  die  subduralen  Blutungen  keineswegs 
immer  diffus  auftreten;  im  Gegenteil  sind  sehr  viel  häufiger  um¬ 
schriebene  Ergüsse  über  eine  Hemisphäre  oder  auch  nur  über  be¬ 
stimmte  ihrer  Provinzen.  Von  besonderer  Bedeutung  ist  die  Tat¬ 
sache,  dass  zuvor  umschriebene,  ursprünglich  über  der  Konvexität 
gelegene  Hämatome  unter  dem  Druck  langsam  und  ständig  nach- 
sickernden  Blutes  oder  akuter  Nachblutungen  die  lose  Bresche, 
welche  die  Gerinnsel  um  sie  herum  legen,  sprengen  und  sekundär 
gegen  die  Basis  abwandern,  hier  in  den  4.  Ventrikel  eindringen  und 
damit  zu  plötzlichem  Tode  führen  können.  Bei  den  primär  um¬ 
schriebenen  Hämatomen  löst  namentlich  der  geronnene  und  konsi¬ 


stentere  Anteil  des  Hämatoms  die  schweren  Erscheinungen  der  Rin¬ 
denirritation  aus.  Ferner  führt  er  zu  einer  Steigerung  der  Liquor¬ 
absonderung  und  ansehnlicher  Exsudation  in  den  Subduralraum. 
Zuweilen  wird  erst  hierdurch  der  bisher  latente  Hirndruck  klinisch 
manifest.  Nach  Ansicht  des  Verf.s  bedeutet  die  operative  Behand¬ 
lung  auch  mittelschwerer  Fälle  meningealer  Blutungen  ein  Stück 
Prophylaxe  der  posttraumatischen  Epilepsie.  Bei  der  Operation  ist 
die  Hauptsache  die,  dass  der  Schädel  am  richtigen  Orte  über  dem 
Zentrum  des  Extravasates  geöffnet  wird,  wobei  im  Auge  zu  behalten 
ist,  dass  sich  der  Hauptsitz  des  umschriebenen  Subduralhämatoms  in 
der  Frontoparietalgegend  findet. 

4)  N.  Beresnegowsky-Tomsk:  Ueber  die  intravenöse 
Aetliernarkose. 

Verf.  untersuchte  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen 
in  den  Organen  von  Tieren,  die  der  intravenösen  Aethernarkose 
unterzogen  worden  waren.  Am  Lungengewebe  fand  er  starke  Er¬ 
weiterung  der  Gefässe,  Anschwellung  des  Gewebes,  stellenweise 
Ruptur  der  Kapillaren  und  infolge  von  Blutaustritt  Hepatisation  des 
Lungengewebes.  Die  Veränderungen  in  den  Nieren  und  in  den  Gan¬ 
glienzellen  des  Herzens  waren  annähernd  dieselben  wie  bei  der  In¬ 
halationsnarkose. 

5)  Guleke:  Ueber  Diagnose  und  Therapie  der  chronischen 

Pankreatitis.  (Chir.  Klinik  zu  Strassburg  i.  E.,  Prof.  Madelung.) 

Verf.  konnte  unter  8  Fällen  der  Strassburger  Klinik  5  mal  die 
Diagnose  auf  chronische  Pankreatitis  vor  der  Operation  richtig 
stellen.  Für  die  Erkrankung  sprechen  spontan  auftretende  Schmerzen 
in  der  Tiefe  des  Leibes  oberhalb  des  Nabels,  die  zuweilen  in  den 
Rücken,  besonders  nach  dem  linken  Schulterblatt  ausstrahlen,  ferner 
Druckschmerzen  in  dieser  Gegend,  wobei  besonders  wertvoll  die 
Palpation  vor  dem  Röntgenschirm  ist,  und  der  Nachweis  einer  Re¬ 
sistenz  in  der  Pankreasgegend.  Die  Cammidgereaktion  ist  für  die 
Diagnose  der  Pankreaserkrankungen  wertlos.  Bei  den  mitgeteilten 
8  Fällen  wurde  in  der  Regel  operativ  nur  das  Grundleiden  (Chole- 
lithiasis,  Ulcus  ventriculi  oder  duodeni)  angegriffen.  Doch  spricht 
sich  G.  dafür  aus,  dass  er  in  Zukunft  bei  schweren  Fällen  an  das  Pan¬ 
kreas  direkt  (Spaltung  der  Pankreaskapsel)  herangehen  würde. 

6)  C.  Franke  und  H.  L.  Posner:  Zur  Lokalanästhesie  im 
kleinen  Becken.  (Chir.  Klinik  zu  Heidelberg,  Prof.  W  i  1  m  s.) 

Sensibel  auszuschalten  sind  der  Nerv,  pudendus,  der  Nerv, 
pelvicus  und  die  Aeste  des  Nerv,  cutaneus  fern,  dorsalis.  Der  Nerv, 
pudendus  wird  unter  Leitung  eines  ins  Rektum  eingeführten  Fingers 
dorsal  von  der  Spina  mit  einer  langen  Hohlnadel  vom  Damm  aus  ge¬ 
troffen:  der  Nerv,  pelvicus  wird  durch  Injektionen  zwischen  Prostata 
und  Rektum  unterbrochen.  Die  Aeste  des  Nerv,  cutaneus  fern,  dor¬ 
salis  lassen  sich  durch  subkutane  Injektionen  anästhesieren,  die  man, 
beginnend  über  dem  Tuber  ischii,  beiderseits  parallel  zur  Mittellinie 
nach  vorn  macht.  Die  Methode  eignet  sich  vor  allem  für  die  peri¬ 
neale  Prostatektomie  nach  W  i  1  m  s. 

7)  R.  König:  Die  Chloräthyinarkose.  (Pharmakol.  Institut  der 
Universität  Jena,  Piof.  K  i  o  n  k  a.) 

Die  experimentellen  Untersuchungen  des  Verf.s  ergaben,  dass 
die  kleinste  narkotisierende  Dosis  beim  Kaltblüter  2,  beim  Warm¬ 
blüter  4  Volumprozent  betrug.  Der  Unterschied  beruht  darauf,  dass 
das  Kaltblüterblut  mehr  Narkotikum  löst  als  das  der  Warmblüter. 
Die  Narkotisierungszone  ist  beim  Chloräthyl  sehr  breit;  die  tödliche 
Dosis  liegt  sehr  weit  von  der  kleinsten  narkotisierenden  Dosis  ent¬ 
fernt.  Nachwirkungen  sind  bei  der  Chloräthyinarkose  nicht  vor¬ 
handen  resp.  nur  in  sehr  geringem  Masse  ausgeprägt.  Eine  Schädi¬ 
gung  der  Blütelemente  und  der  Nieren  konnte  nicht  beobachtet  wer¬ 
den.  Während  sich  das  Chloräthyl  für  kurzdauernde  Narkosen  vor¬ 
züglich  eignet,  ist  es  völlig  unbrauchbar  für  grössere  operative  Ein¬ 
griffe.  Ein  indifferentes,  absolut  ungefährliches  Narkotikum  ist  das 
Chloräthyl  nicht.  Das  beim  Kaninchen  auftretende  tonisch-klonische, 
oft  sehr  intensive  Krampfstadium  ist  andeutungsweise  auch  beim 
Menschen  beobachtet  worden. 

8)  G.  A  x  h  a  u  s  e  n  -  Berlin:  Ueber  die  Wundgestaltung  bei 
Operationen  an  den  Rippenknorpeln. 

Die  für  das  Knochengewebe  so  wichtige  innere  Substitution 
durch  nacheinander  folgende  Resorption  und  Apposition  existiert  am 
Knorpelgewebe  nicht.  Hierdurch  geht  der  Knorpel  eines  wichtigen 
Faktors  für  die  Beseitigung  der  nekrotischen  Randpartie  verlustig. 
Zur  Vermeidung  einer  Fistelbildung  empfiehlt  daher  A„  den  Knochen¬ 
knorpel  bis  in  den  Knochen  hinein  zu  entfernen  oder  einen  Knorpel¬ 
stumpf  durch  einen  gut  ernährten  Muskellappen  zu  decken.  Auch 
empfiehlt  es  sich,  freigelegte  Rippenknorpel  mit  Muskellappen  oder 
mit  den  Hauträndern  zu  decken. 

9)  G.  v.  Saar:  Ueber  pleurogene  Extremitätenreflexe.  (Chir. 
Klinik  in  Innsbruck,  Prof.  v.  H  a  b  e  r  e  r.) 

Zusammenstellung  von  9  Fällen,  wo  es  im  Anschluss  an  eine 
Schussverletzung  der  tieferen  Thoraxpartien  zu  Lähmungen  an  der 
gleichseitigen  oberen  Extremität  kam.  Verletzungen  des  Plexus 
waren  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Verf.  beobachtete  weiter  einen 
Fall,  wo  es  im  Anschluss  an  eine  Brustwandoperation  beim  Verband¬ 
wechsel  zu  eigentümlichen  motorischen  Reizerscheinungen  in  den 
oberen  Extremitäten  kam.  In  einigen  Versuchen  gelang  es  ihm  auch 
an  Tieren  durch  faradische  Reizung  der  parietalen  Pleura  oder  der 
Interkostalnerven  ähnliche  reflektorische  Zuckungen  der  oberen  gleich¬ 
seitigen  Extremität  hervorzurufen.  Die  Reizleitung  wird  wahrschein¬ 
lich  von  den  in  bzw.  unter  der  Pleura  verlaufenden  Nerven  über¬ 
nommen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


T 


No.  1. 


4Ö 

10)  L.  Wie  de:  Ueber  Kalkablagerungen  in  der  Umgebung  des 
Schultergelenks  und  ihre  Beziehungen  zur  Periarthritis  scapulo- 
humeralis.  (Chir.  Klinik  zu  Jena,  Prof.  Lexer.) 

Bei  den  fraglichen  Röntgenschatten  handelt  es  sich  um  Kalk¬ 
einlagerungen  in  die  Sehnenansätze  des  Supra-  und  Infraspinatus. 
Sie  liegen  nicht  in  der  Wand  oder  im  Lumen  der  Bursa  subacromialis 
bzw.  subdeltoideus.  Die  Neigung  zur  Verkalkung  erklärt  sich  viel¬ 
leicht  aus  der  schlechten  Blutversorgung  dieser  Sehnenansätze. 

11)  E.  Hesse:  Ueber  Fremdkörper  der  Lunge  und  Pleurahöhle 
nach  Stich-  und  Piählungsverletzungcn.  (Chir.  Abteilung  des  städt. 
Obuchow-Krankenhauses  für  Männer  in  St.  Petersburg,  Prot. 
Zeidler.) 

Mitteilung  von  3  Fällen  von  Fremdkörperextraktion  aus  der 
freigelegten  Lunge.  Einmal  wurde  ein  12  cm  langer  Bleistift,  in  einem 
anderen  Falle  die  abgebrochene  Klinge  eines  12  cm  langen  und  4  cm 
breiten  Dolches  extrahiert.  Beide  Kranke  kamen  zur  Heilung. 

12)  Th.  Kocher-Bern:  Das  Blutbild  bei  Cachexia  thyreo- 
priva  (Myxödem  —  kretinoide  Zustände). 

K.  stellt  die  Forderung  auf,  es  solle  keine  Kropfoperation 
geschweige  denn  eine  Operation  eines  Basedowkranken  mehr  vor¬ 
genommen  werden,  es  sei  denn  vorher  von  kompetenter  Seite  eine 
Blutuntersuchung  ausgeführt  worden.  Weitere  Untersuchungen 
haben  nun  ergeben,  dass  wie  beim  Basedow  auch  bei  Myxödem 
Leukopenie  in  Form  einer  Herabsetzung  des  prozentualen  Gehalts 
neutrophiler  Blutkörperchen  und  eine  relative  oder  absolute  Lympho¬ 
zytose  die  Regel  ist.  Hinsichtlich  der  Gerinnung  zeigt  sich  zwischen 
Basedow  und  thyreopriver  Kachexie  ein  ausgeprägter  Gegensatz. 
Bei  Basedow  ist  die  Gerinnung  verlangsamt,  je  schwerer  der  Fall 
um  so  mehr.  Bei  Kachexie  ist  die  Gerinnung  beschleunigt,  in  schweren 
Fällen  in  ausgesprochener  Weise.  Die  Veränderungen  in  der  Zu¬ 
sammensetzung  der  weissen  Blutkörperchen  und  im  Gerinnungs- 
befund  sind  so  konstant,  dass  man  aus  denselben  mit  Sicherheit  auf 
Hyper-  oder  Hypothyreose  schliessen  kann.  Die  Diagnose  von  auch 
wenig  ausgeprägten  Formen  dieser  beiden  Zustände  ist  aber  sehr 
wichtig,  weil  wir  in  den  Schilddrüsenextrakten  ein  kräftiges  und 
zuverlässiges  Mittel  haben,  ebensowohl  um  thyreoprive  Erkran¬ 
kungen  (wie  das  Myxödem)  zu  bessern  und  zu  heilen,  als  um  thyreo¬ 
toxische  Krankheitszustände  (wie  den  Basedow)  zu  verschlimmern 
oder  gar  künstlich  hervorzurufen.  Die  praktische  Wichtigkeit  der 
Kontrolle  des  Blutbildes  geht  zur  Genüge  daraus  hervor,  dass 
parallel  mit  Normalisierung  des  Blutbildes,  wie  sie  durch  Jodothyrin 
und  Thyreoidin  herbeigeführt  wird,  eine  entsprechende  Besserung  der 
subjektiven  und  objektiven  Symptome  Hand  in  Hand  geht.  Bei 
Basedowfällen  lässt  sich  der  Einfluss  der  operativen  Therapie  (in 
Form  von  Exzisionen)  am  Blutbild  kontrollieren.  Die  Zusammen¬ 
setzung  der  Leukozyten  kehrt  allmählich  zur  Norm  zurück.  Bei  diffus 
kolloider  Veränderung  der  Schilddrüse  prägen  sich  die  Zeichen  der 
Hypothyreose  aus,  während  bei  Knotenstruma  das  Blutbild  normal 
bleibt.  Es  kann  aber  auch  bei  knotigem  Kolloidkropf  Hyperthyreose 
entstehen,  die  sich  zu  ausgesprochenem  Basedowbild  steigern  kann. 
Später  kommt  es  dagegen  bei  stärker  entwickelten  Kropfknoten  und 
malignen  Strumen  durch  Druckschwund  zu  leichterer  oder  stärkerer 
Hypothyreose.  Das  Blutbild  und  damit  die  Prüfung  der  Funktions¬ 
tüchtigkeit  des  Organs  gestattet  eine  individualisierende  Behandlung. 
Bei  Hyperthyreose  sind  Exzisionen  kranker  Drüsenabschnitte  unter 
Ligatur  der  Gefässe,  bei  Hypothyreose  Enukleationen  und  Resektionen 
unter  Umständen  nur  Verlagerungen  am  Platze.  Die  Ligatur  der  zu¬ 
führenden  Gefässe  im  Hauptstamm  ist  hier  nicht  gestattet.  Bei 
Myxödemkranken  wird  durch  Verabfolgung  von  Schilddrüsen¬ 
präparaten  das  Blut  normalisiert,  bei  Basedow  kommt  es  zu  einer 
Verstärkung  des  pathologischen  Blutbildes  und  des  Befindens  der 
Kranken.  Jodfreie  Schilddrüsenpräparate  sind  auf  das  Blutbild  un¬ 
wirksam,  doch  ist  das  Jodothyrin  wirksamer  als  das  reine  Jod. 

L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1912,  No.  51. 

L.  A.  Diwawin-Bogovodsk  -  Gluchow :  Ueber  Pantopon- 
Skopolamin-Injektionen  bei  Operationen  mit  lokaler  Anästhesie. 

Verf.  macht  vor  Operationen  mit  lokaler  Anästhesie  noch  In¬ 
jektionen  von  Pantopon-Skopolamin,  damit  der  Kranke  nicht  bei  voller 
Besinnung  während  der  Operation  ist;  bei  Männern  injiziert  er  1  Yi 
bis  2  Stunden  vor  der  Operation  0,04  Pantopon  +  0,0004  Skopolamin, 
bei  Frauen  0,02  Pantopon  +  0,0002  Skopolamin.  Verf.  hat  damit  sehr 
gute  Erfahrungen  gemacht,  vor  allem  fast  nie  Erbrechen  beobachtet; 
es  ist  nur  wichtig,  streng  nach  den  Kräften  und  dem  Alter  des 
Kranken  die  Dosierung  einzurichten;  kontraindiziert  ist  die  Injektion 
von  Pantopon-Skopolamin  bei  Alkoholikern,  welche  sie  schlecht  ver¬ 
tragen,  ferner  bei  schweren  Herz-  und  Lungenerkrankungen. 

üunnar  N  y  s  t  r  ö  m  -  Stockholm :  Eine  Saugspritze  zum  Betriebe 
mit  einer  Hand. 

Verf.  empfiehlt  eine  Spritze,  welche  durch  den  gleichen  Hand¬ 
griff,  an  verschiedener  Stelle  appliziert,  eine  Aspiration  und  eine 
Injektion  ermöglicht.  Die  Konstruktion  und  Handhabung  der  Spritze 
geht  aus  einer  beigegebenen  Figur  hervor.  E.  H  e  i  m  -  Gerolzhofcn. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  1912,  No.  51. 

R.  L  u  m  p  e  -  Salzburg:  Bemerkungen,  die  Aetiologie  der 
Placenta  praevia  betr. 

L.  glaubt,  dass  zwischen  ektopischer  Schwangerschaft  und 


Placenta  praevia  gleiche  oder  ähnliche  ätiologische  Beziehungen 
bestehen.  Er  hält  letztere  sogar  für  eine  besondere  Abart  von 
dystopischer  Gravidität.  Die  nähere  Begründung,  die  sich  be¬ 
sonders  auf  Arbeiten  von  Ho  eh  ne,  Jolly  und  Robert  Meyer 
stützt,  muss  im  Original  nachgelcsen  werden. 

P.  C.  T.  v.  d.  Ho  even- Leiden:  Die  Möglichkeit  einer  er¬ 
neuten  Schwangerschaft  nach  dem  klassischen  Kaiserschnitt. 

Von  24  mit  Kaiserschnitt  behandelten  Frauen  waren  2  an 
Tuberkulose  gestorben,  1  war  verschollen.  5  waren  unverheiratet. 
Von  den  übrigen  17  hatten  2  später  abortiert,  8  lebensfähige 
Kinder  bekommen.  Bei  5  wurde  die  Sectio  caesarea  zum  zweiten 
Male  gemacht;  von  diesen  ist  nur  noch  eine  später  wieder  gesund 
geworden. 

Vom  Standpunkte  der  Fruchtbarkeit  sollte  nach  v.  d.  II.  der 
klassische  Kaiserschnitt  durch  eine  bessere  Methode  ersetzt  werden. 

F.  Eber  har  t-Köln:  Ueber  Nekrose  des  Fettgewebes  durch 

Naht.  _  ... 

E.  erlebte  nach  der  Naht  einer  grossen  Scheiden-Damminzision 
eine  lokale  Fettnekrose,  die  mit  Infektion  nichts  zu  tun  hatte.  Man 
muss  bei  fettleibigen  Personen  auf  solche  Störungen  des  Wundver- 
laufes  gefasst  sein. 

N  a  c  k  e  -  Berlin:  Frühgeburt  oder  ausgetragenes  Kind. 

N.  hat  beobachtet,  dass  die  üblichen  Masse  und  Gewichte  für 
ausgetragene  Kinder  viel  zu  gering  sind.  Schon  4  Wochen  ante 
terminum  haben  die  Kinder  meist  schon  die  Masse  und  Gewichte 
reifer  Kinder;  die  letzten  4  Wochen  dienen  mehr  zum  inneren  Aus¬ 
bau  des  menschlichen  Körpers.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  52,  1912. 

1)  L.  v.  L  i  n  g  e  n  -  Petersburg:  Der  kriminelle  Abort. 

Nach  den  Erfahrungen  des  Verf.  sind  Yt — 2U  aller  Aborte  krimi¬ 
nellen  Ursprungs.  Ihre  Zahl  ist  überall  in  starkem  Steigen  begriffen, 
dementsprechend  die  Menge  der  dadurch  herbeigeführten  Todes¬ 
fälle.  Ein  Mittel  zur  Herabsetzung  der  kriminellen  Aborte  vermag 
Verf.  nicht  anzugeben. 

2)  W.  Falta  und  L.  Zehn  er- Wien:  Ueber  chemische  Ein¬ 
wirkung  des  Thorium  X  auf  organische  Substanzen,  besonders  auf 
die  Harnsäure. 

Die  von  den  Verff.  mitgeteilten  Versuche  ergaben  eine  be¬ 
deutende  chemische  Wirkung  auf  die  betr.  Substanzen.  Die  Löslich¬ 
keit  der  harnsauren  Salze  wird  dadurch  erhöht,  die  Harnsäure  selbst 
in  weitgehender  Weise  chemisch  verändert,  woraus  sich  die  giinsti-  ' 
gen  Erfolge  bei  Gicht  erklären  dürften. 

3)  E.  Prado  -  Tagle  -  Berlin  (aus  Chile) :  Beitrag  zur  ambula¬ 
torischen  Trinkkurbehandlung  mit  Thorium  X  bei  perniziöser  Anämie. 

Der  mitget-eilte  Fall  von  perniziöser  Anämie  (56  jähriger  Patient) 
reagierte  sehr  günstig,  das  Blutbild  wurde  fast  normal;  bei  einem 
Fall  von  Leukämie  zeigte  sich  kein  Erfolg.  Verf.  nimmt  eine  spe¬ 
zifische  Wirkung  auf  Milz  und  Knochenmark  an. 

4)  R.  Friedländer  und  H.  Vogt- Wiesbaden:  Therapie  der 
Psychoneurosen. 

Referate. 

5)  L.  Fornaca  und  G.  Q  u  a  r  e  1 1  i  -  Turin:  Ueber  einen  Fall 
von  Paraldehydvergiftung  und  seine  Behandlung. 

Der  Kranke,  Arzt,  hatte  rasch  über  100  g  Paraldehyd  genommen, 
zeigte  akutes  Delirium  mit  motorischer  Erregtheit;  vom  5.  Tage  an 
Besserung  unter  Pantoponinjektionen.  Heilung  binnen  20  Tagen. 

6)  R.  M  e  y  e  r  -  Berlin :  Das  Problem  der  Vererbung  „erworbener 
Eigenschaften“. 

Im  wesentlichen  Referat  über  eine  jüngst  erschienene  Mono¬ 
graphie  von  R.  S  e  m  o  n. 

7)  F.  K  a  r  e  w  s  k  i  -  Berlin :  Ueber  die  chirurgische  Behandlung 
schwerer  Formen  chronischer  Obstipation. 

Cfr.  Referat  p.  2704  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

8)  M.  W  o  1  f  f  -  Bromberg-Schröttersdorf :  Ein  automatisch  regu¬ 
lierender  Miniaturscheinwerfer  (2-Ampere-Fixpunktbogenlampe)  für 
mikroskopische  und  makroskopische  ärztliche  Untersuchungen. 

Beschreibung  cfr.  im  Original.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  51  u.  52,  1912. 

1)  Paul  R  a  n  s  c  h  b  u  r  g-Pest :  Die  Gedächtnisschwäche  (Mnem- 
asthenie)  und  ihre  Behandlung. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  Uhlenhuth  und  Th.  Messerschmid  t- Strassburg  i.  E.: 
Versuche,  Kaninchen  zu  Typhusbazillenträgern  zu  machen. 

Kaninchen  konnten  durch  Impfung  in  die  Gallenblase  zu  Typhus¬ 
bazillenträgern  gemacht  werden,  wobei  sich  eine  der  menschlichen 
ähnliche  Cholezystitis  entwickelte;  unter  Umständen  stellten  sich 
auch  typhusartige  Erscheinungen  ein. 

3)  Heinrich  Bi  ekel -Bonn:  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung 
der  Knochenreflexe. 

Als  konstanter  Knochenreflex  unter  normalen  Verhältnissen 
kommt  nur  der  Radiusperiostreflex  in  Betracht;  alle  anderen  Knochen¬ 
reflexe  sind  mehr  oder  weniger  inkonstant  und  haben  daher  nur  be¬ 
schränkten  diagnostischen  Wert;  sie  können  bilateral  oder  kontra¬ 
lateral  oder  auch  paradox  im  Verhältnis  zu  den  Sehnenreflexen  auf- 
treten.  Der  von  Bechterew  und  Mendel  beschriebene  Fuss- 
rückenreflex  scheint  ähnlich  dem  B  a  b  i  n  s  k  i  sehen  Phänomen  auf 
eine  organische  Erkrankung  hinzuweisen. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


41 


4)  Gustav  Singer- Wien:  Durstkuren  bei  chronischen  Bron¬ 
chialerkrankungen. 

Bei  Bronchicktasie,  Bronchoblennorrhöe,  putrider  Bronchitis, 
Bronchialasthma  und  Lungenabszess  wurde  durch  Einleitung  einer 
Trockenkur  (3  Dursttage,  2  mal  wöchentlich  ausgiebige  Flüssigkeits¬ 
zufuhr)  eine  Besserung  nicht  nur  des  subjektiven  Befindens  sondern 
auch  des  objektiven  Zustandes  erreicht,  indem  die  Menge  des  Aus¬ 
wurfes  wesentlich  vermindert  wurde  und  seine  eitrige  Beschaffenheit 
in  schleimige  Beschaffenheit  überging.  Kontraindiziert  ist  diese  Be¬ 
handlungsmethode  bei  schwächlichen,  heruntergekommenen  Kranken, 
bei  Nierenaffektionen  und  bei  Verdacht  auf  Tuberkulose. 

5)  Erich  P  1  a  t  e  -  Hamburg:  Zur  Pathologie  und  Therapie  der 
Gelenkerkrankungen. 

Fortbildungsvortrag. 

6)  Josef  H  o  1 1  6  s  -  Szegedin :  Die  tuberkulöse  Aetiologie  der 

Menstruationsstörungen. 

Vortrag,  gehalten  auf  dem  VII.  internationalen  Tuberkulose¬ 
kongress  in  Rom,  nimmt  die  als  Dysmenorrhöe  oder  auch 
Amenorrhoe  in  den  Fällen  latenter  Tuberkulose  sich  einfindenden 
Menstruationsstörungen  als  die  Folgen  einer  Intoxikation  durch  das 
tuberkulöse  Virus  in  Anspruch.  Das  Auftreten  derartiger  Intoxi¬ 
kationserscheinungen  ist  als  das  Zeichen  einer  gewissen  Immunität 
gegen  die  Tuberkulose  und  darum  als  prognostisch  günstig  zu  deuten. 

7)  Karl  L  ii  d  e  r  s  -  Wiesbaden :  Spätempyeme  des  Warzenfort¬ 
satzes. 

Mit  Vorliebe  bei  jugendlichen  Individuen  können  Monate  auch 
Jahre  nach  der  Abheilung  einer  akuten  Mittelohrentzündung  noch 
Empyeme  des  Warzenfortsatzes  auftreten;  derartige  Patienten  sind 
daher  möglichst  lange  im  Auge  zu  behalten  und  entsprechend  zu 
unterweisen. 

8)  Alfred  C.  C  r  o  f  t  a  n  -  Chicago :  Die  Salzsäurebehandlung  der 
perniziösen  Anämie. 

In  nicht  ganz  der  Hälfte  der  Fälle  von  echter  perniziöser  Anämie 
und  zwar  der  Form,  die  mit  Achylie  oder  hochgradiger  Hypochlor- 
hydrie  einhergeht,  war  mit  grossen  HCl-Gaben  und  reichlicher  Ei¬ 
weisszufuhr  eine  ganz  hervorragende  Besserung  zu  erzielen. 

9)  Ernst  L  e  v  i  n  -  Kopenhagen :  Untersuchungen  über  die  Re¬ 
sorption  von  Natrium  salicylicum  bei  verschiedenen  Applikations¬ 
weisen. 

Die  nachweisbaren  Mengen  von  Natrium  salicylicum  im  Blut  sind 
am  grössten  bei  intramuskulärer,  am  geringsten  bei  subkutaner  In¬ 
jektion;  etwas  bedeutender  als  bei  der  letztgenannten  ist  sie  bei 
der  Darreichung  per  os.  Die  Ausscheidung  erfolgt  am  schnellsten 
auch  wieder  bei  der  subkutanen  Injektion;  nach  10  Stunden  ist  schon 
nichts  mehr  nachweisbar,  während  die  Ausscheidungskurve  für  die 
intramuskuläre  und  orale  Einverleibung  etwa  nach  22  Stunden  auf 
demselben  Punkte  angelangt  ist,  und  bei  der  Darreichung  vom  Magen 
aus  nach  32  Stunden  als  letzte  auf  Null  anlangt. 

10)  E  n  g  e  1  e  n  -  Düsseldorf :  Ueber  die  intramuskuläre  Anwen¬ 
dung  von  Fulmargin. 

Fulmargin  ist  ein  durch  elektrische  Kathodenzerstäubung  direkt 
aus  Wasser  und  Silber  hergestelltes,  in  Ampullen  zu  Injektions¬ 
zwecken  erhältliches  kolloidales  Präparat,  das  vor  dem  Kollargol  den 
Vorzug  der  intramuskulären  Anwendbarkeit  bei  völliger  Unschädlich¬ 
keit  und  prompt  entgiftender  Wirkung  besitzt. 

11)  Adolf  E  i  s  e  n  h  e  i  m  e  r  -  Köln:  Uzara,  ein  neues  Antidiar- 
rhoikum. 

Uzara,  20 — 30  Tropfen  zweistündlich  von  dem  2  proz.  Liquor, 
oder  stündlich  2  Tabletten,  oder  (bei  kleinen  Kindern)  drei-  bis  vier¬ 
stündlich  ein  Zäpfchen,  hat  sich  auch  bei  Typhus-  und  Intoxikations¬ 
diarrhöen,  von  einigen  Versagern  abgesehen,  gut  bewährt. 

12)  K  r  a  n  e  r  -  Zehlendorf :  Ueber  Hediosit. 

Hediosit  ist  ein  Siebenzucker,  der  unter  Umständen  sogar  eine 
Verminderung  der  Glykosurie  auch  in  schweren  Fällen  von  Diabetes 
herbeizuführen  vermag;  die  Azetonurie  wird  von  ihm  nicht  beein¬ 
flusst;  bisweilen  tritt  leichte  Diarrhöe  auf. 

13)  Rudolf  Mandl-Pest:  Zur  Behandlung  der  chirurgisch- 
tuberkulotischen  Erkrankungen  und  der  trägen,  nekrotischen  Ge¬ 
schwüre. 

Empfehlung  des  von  der  Engelapotheke  in  Pest  nach  des  Ver¬ 
fassers  Angaben  hergestellten  „Ulsanin“,  das  die  Wirkung  des  Jod 
und  des  Sauerstoffes  in  statu  nascendi  vereinigen  soll. 

14)  C.  Crede-Hörder  -  Berlin-Friedenau :  Löcher  im  Gummi¬ 
handschuh. 

Wie  bakteriologische  Untersuchungen  erwiesen  zu  haben 
scheinen,  sind  die  kleinsten  Löcher  in  den  Gummihandschuhen,  wie 
sie  lediglich  durch  Nadelstiche  entstehen,  als  für  die  Sterilität  un¬ 
gefährlich  zu  erachten. 

15)  Heinrich  L.  Baum-  München:  Die  neueren  Errungenschaften 
luf  dein  Gebiete  der  Lokalanästhesie. 

Uebersichtsreferat. 

No.  52. 

1 )  Paul  Ranschburg  -  Pest :  Die  Gedächtnisschwäche  ( Mnem- 
isthenie)  und  ihre  Behandlung. 

Klinischer  Vortrag.  Schluss  aus  No.  51. 

2)  E.  L  e  v  y  -  Strassburg :  Probleme  der  spezifischen  Tuberku- 
osebehandlung. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Tatsache,  dass  es  sich  bei  der  spezifischen 
uberkulosebehandlung  um  eine  nachträgliche,  aktive,  relative  Im¬ 


munisierung,  eine  Resistenzerhöhung  handelt,  wird  man  die  Injektions 
kuren  alle  3 — 6 — 12  Monate  wiederholen  müssen,  und  zwar  solange 
noch  der  Verdacht  einer  latenten  Tuberkulose  vorlicgt. 

3)  A.  F  a  u is  e  r  -  Stuttgart :  Einige  Untersuchungsergebnisse  und 
klinische  Ausblicke  auf  Grund  der  Abderhalden  sehen  Anschau¬ 
ungen  und  Methodik. 

Verf.  hat  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  (800)  mit  Hilfe  des 
Dialysierverfahrens  das  Serum  bei  Basedow-  und  anderen  Schild¬ 
drüsenerkrankungen,  bei  Dementia  praecox,  bei  Lues  und  meta¬ 
luetischen  Affektionen,  sowie  bei  einigen  organischen  Gehirnstörungen 
auf  das  Vorhandensein  von  „Schutzfermenten“  untersucht  und  dabei, 
wie  auch  regelmässig  bei  Schwangerschaften,  im  Sinne  Abder¬ 
haldens  positive  Ergebnisse  erzielt.  Besondere  Beachtung  ver¬ 
dient  vielleicht  die  Tatsache,  dass  im  Serum  einiger  Schilddrüsen¬ 
kranker  sich  Stoffe  vorfanden,  die  Schilddrüse  abbauten,  mit  anderen 
Worten:  die  Schutzfermente  gegen  Schilddrüsensubstanz  enthielten. 

4)  Karl  Klieneberger  -  Zittau :  Allgemeininfektion  durch  Ba¬ 
cillus  pyozyaneus. 

Ein  mit  klinischen  und  bakteriologischen  Einzelheiten  beschrie¬ 
bener  Fall  zeigt,  dass  der  Bazillus  des  blauen  Eiters  eine  Allgemein¬ 
infektion  (hier  von  der  Haut  aus  auf  dem  Wege  über  die  Nieren) 
herbeiführen  kann,  die  nicht  tödlich  zu  enden  braucht. 

5)  Karl  S  t  a  e  u  b  1  i  -  Basel-St.  Moritz :  Beobachtungen  über 
Arsenüberempfindlichkeit. 

Ein  52  jähriger  Malariapatient  wies  bei  der  2.  Injektion,  eine 
36  jährige  Basedowpatientin  bei  der  25.  Injektion  von  0,05  Natrium 
cacodylicum  allgemeine  und  örtliche  Erscheinungen  von  Ueber- 
empfindlichkeit  auf. 

6)  Alexander  Beläk-Pest:  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung 
der  Döhle  sehen  Leukozyteneinschlüsse. 

Den  Döhle  sehen  Leukozyteneinschlüssen  kommt,  nachdem  sie 
sich  auch  bei  manchen  anderen  Erkrankungen  vorgefunden  haben, 
für  Scharlach  nur  eine  negative  diagnostische  Bedeutung  zu,  da  ihre 
Abwesenheit  mit  Sicherheit  gegen  Scharlach  spricht. 

7)  Saar -Berlin:  Erfahrungen  mit  Melubrin  bei  akutem  Gelenk¬ 
rheumatismus. 

Das  phenyldimethylpyrazolonamidomethansulfonsaure  Natrium, 
Melubrin  genannt,  hat  sich  meist  als  guter  Ersatz  für  Salizylpräparate 
bei  akutem  Gelenkrheumatismus  gezeigt,  insofern  als  Gelenkschwel¬ 
lungen,  Schmerzen,  Fieber  rasch  verschwanden  und  Herz,  Nieren, 
Magen  nicht  geschädigt  wurden. 

8)  Walther  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg:  Zur  Operation  sehr 
grosser,  mit  kompletter  Kieferspalte  einhergehender  Hasenscharten. 

In  den  Fällen  kompletter  Hasenscharte,  welche  mit  kompletter 
Kieferspalte  kombiniert  ist,  ist  es  sehr  zweckmässig  gewesen,  die 
klaffenden  Kieierhälften  für  etwa  4  Tage  nach  der  Hasenscharten¬ 
operation  durch  eine  eigens  gearbeitete,  in  verschiedener  Weite 
feststellbare  Knochenklammer  vom  Munde  aus  zusammenzuhalten; 
auf  diese  Weise  wurde  eine  völlige  Entspannung  der  Lippenhälften 
erzielt  und  ein  Durchreissen  der  Nähte  sicher  vermieden.  Das  not¬ 
wendige  Instrumentarium  ist  bei  Dröll  in  Heidelberg  zu  erhalten. 

9)  L.  A  s  c  h  o  f  f  -  Freiburg  i.  B. :  Zur  Thrombusfrage. 

Feststellungen  zu  den  Bemerkungen  R  i  b  b  e  r  t  s  in  No  48  dieser 

Wochenschrift. 

10)  Fritz  Munk-Berlin:  Ueber  weitere  Erfahrungen  mit 
Azetonextrakten  bei  der  Serumdiagnostik  der  Syphilis. 

Bemerkungen  zu  dem  Aufsatz  von  Dr.  Otto  S  t  i  n  e  r  in  No.  48 
dieser  Wochenschrift. 

11)  Heinrich  L.  B  a  u  m  -  München :  Die  neueren  Errungenschaften 
auf  dem  Gebiete  der  Lokalanästhesie. 

Schluss  aus  No.  51.  B  a  u  m  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1912,  No.  35. 

Dubois-Bern:  Ethik  und  Psychotherapie. 

Verf.  bekämpft  die  Ansicht,  die  auch  Lewandowsky  in 
seinem  neuen  Buch  vertritt,  dass  ethisch-moralisierende  Tendenzen 
in  der  Psychotherapie  unnötig  seien.  Eine  Psychotherapie  ohne 
„moralische  Tendenzen“  bleibt  kläglich  und  stümperhaft.  Man  kann 
freilich  in  vielen  Fällen  den  Patienten  zur  richtigen  Einsicht  und 
Umwertung  falscher  Gefühlswerte  bringen  ohne  den  eigentlichen 
Boden  der  Moral  zu  berühren.  Wer  aber  die  „Charakterfehler“ 
seiner  Patienten  als  Ursache  ihrer  Leiden  findet,  kann  ohne  Moral, 
d.  h.  ohne  den  Versuch,  diese  Fehler  durch  eine  philosophische  Ver¬ 
nunftmoral  zu  bessern  oder  zu  beseitigen,  nicht  auskommen.  Nur  so 
ist  es  oft  möglich  den  Egoismus  zu  bekämpfen  und  durch  ethische 
Belehrung  eine  andere  „Denk-  und  Fühllage“  zu  erzielen,  die  für 
dauernde  Gesundung  nötig  ist.  Verf.  belegt  seine  Anschauungen  mit 
einer  Anzahl  instruktiver  Beispiele.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  51.  Jak  1  i  n  -  Pilsen:  Zur  Keimprophylaxis  in  der  Chirurgie. 

Eine  grössere  Sicherheit  zur  Vermeidung  von  ernsten  Wund¬ 
infektionen  lässt  sich  nach  Verfassers  Ausführungen  nur  erwarten 
von  einer  streng  durchgeführten  Trennung  der  septischen  Chirurgie 
von  der  aseptischen,  indem  für  beide  Zweige  vollkommen  getrennte 
Anstalten  mit  eigenem  Personal  geschaffen  werden.  Die  für  die 
Wunden  gefährlichen  Keime  sind  eigentlich  nur  diejenigen,  welche 
aus  einer  septischen  Wunde  oder  einem  septischen  Organismus 


42 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


stammen;  diese  müssen  ferngehalten  werden.  Verf.  selbst  hat  eine 
durchgreifende  Besserung  seiner  Operationsresultate  (0,31  Proz., 
neuerdings  überhaupt  keine  Wundstörungen)  erreicht,  seit  er  alle 
ausgesprochen  septischen  Kranken  von  der  Aufnahme  in  die  Anstalt 
ausschliesst  und  sich  auch  in  der  Privatpraxis  von  solchen  Fällen 
fernhält. 

A.  J  ii  r  g  e  n  s  -  Warschau :  Zur  Sklcromirage  in  Russland. 

Nach  J.s  Untersuchungen  ist  während  20  Jahren  in  den  Ostsee¬ 
provinzen  nur  ein,  von  aussen  stammender,  Fall  von  Rhinosklerom 
beobachtet  worden;  in  dem  Gouvernement  Grodno  kamen  in  den 
letzten  3  Jahren  2  solche  Fälle  vor;  in  Warschau  kamen  2  Fälle 
vor,  deren  Herkunft  nicht  sichergestellt  ist,  es  scheinen  dort  ab  und 
zu  Fälle  aufzutreten. 

V.  K  o  1 1  e  r  t  -  Wien :  Das  skaphoide  Schulterblatt  und  seine 
klinische  Bedeutung  fiir  die  Prognose  der  Lebensdauer. 

Das  skaphoide  Schulterblatt,  bei  welchem  der  mediale  Rand 
konkav  verläuft  und  der  untere  Winkel  senkrecht  unterhalb  des 
medialen  Endpunktes  der  Spina  liegt,  ist  eine  durch  eine  unbekannte 
intrauterine  Störung  entstandene  Missbildung  und  ein  Zeichen  an¬ 
geborener  Minderwertigkeit.  Da  die  betreffenden  Menschen  meist 
vorzeitig  sterben,  ist  die  Abnormität  bei  älteren  Menschen  selten. 
Besonders  besteht  eine  grosse  Sterblichkeit  an  Tuberkulose  mit  vor¬ 
zugsweise  akuten  Formen.  Uebergangsformen  zwischen  dem  nor¬ 
malen  und  skaphoiden  Typus  erschweren  die  Beurteilung. 

E.  K  ü  h  n  e  1 1  -  Freiwaldau ;  Eine  neue  Methode  zur  Ein¬ 
verleibung  grösserer  Emanationsmengen. 

Schlussätze:  Eine  Anreicherung  der  Emanation  im  Körper  ist 
nicht  möglich.  Aus  dem  umgebenden  Medium  kann  durch  Inhalation 
in  je  einen  Liter  Blut  nur  ein  Drittel  der  in  einem  Liter  Luft  ent¬ 
haltenen  Emanation  gelangen.  Bei  Kombination  mit  Inhalation  kann 
durch  Iontophorese  nur  die  doppelte  Menge  der  in  einem  Liter  Luft 
enthaltenen  Emanation  in  je  einen  Liter  Blut  gelangen.  In  die  ein¬ 
zelnen  Körpergewebe  gelangt  eine  Menge  Emanation  je  nach  dem 
Luftgehalt  des  Gewebes.  Nach  der  Emanationsmenge  der  den  ganzen 
Körper  umgebenden  Luft  lässt  sich  die  einem  Körper  zuzuführende 
Emanation  bestimmen.  Es  muss  bei  Angaben  über  die  1  herapie 
stets  die  Emanationsmenge  im  Verhältnis  zu  dem  umgebenden  Raum 
genannt  werden.  Durch  die  Haut  gelangt  Emanation  in  den  Körper 
und  zwar  verbleibt  sie  dann  länger  im  Körper  als  nach  Inhalation. 
Der  Hämoglobingehalt  des  Blutes  nimmt  nicht  zu,  die  Leukozyten¬ 
zahl  wird  vermindert. 

A.  Zografi  des- Athen-Piräus:  Beitrag  zur  Therapie  der 
Otitis  externa  furunculosa. 

Die  in  neuerer  Zeit  vorgeschlagene  feste  Tamponade  des  Gehör¬ 
ganges  nach  Einführung  einer  Opiumgelatinemasse  ist  wegen  grosser 
Schmerzhaftigkeit  oft  nicht  durchführbar.  Bei  Schmerzen,  welche 
auf  die  Bildung  eines  Furunkels  schliessen  lassen,  empfehlen  sich  am 
meisten  3 — 5  möglichst  frühzeitig  ausgeführte  I.ängsschnitte  und  Ein¬ 
führung  eines  in  10  proz.  Karbollösung  getauchten  Gazestreifens  in 
den  gut  desinfizierten  Gehörgang.  Auch  wird  die  Anästhesierung  mit 
Kokain  vorgenommen.  Auf  diese  Weise  wird  der  Verlauf  sehr  ab¬ 
gekürzt  und  gemildert. 

J.  Donath-Pest:  Zur  Nukleinsäurebehandlung  der  pro¬ 
gressiven  Paralyse. 

Zu  Tsiminakis’  Artikel  in  No.  49  berichtigt  D.,  dass  bei  der 
Nukleinsäurelösung  nicht  chlorsaures  Natrium,  sondern  Chlornatrium 
verwendet  wird,  und  verweist  auf  seinen  Aufsatz  in  No.  42  und  43 
der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

Wi  1ms-  Heidelberg:  Zu  den  Ausführungen  von  Zucker¬ 
kand  I  über  die  Prostatektomie  nach  W  i  1  m  s. 

Entgegnung  auf  eine  Kritik  Zuckerkandis  über  den  Aufsatz 
von  Wilms  in  No.  47  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  46.  W.  Li  er- Wien:  Ueber  2  Fälle  hartnäckiger  Urtikaria 
nach  intravenösen  Salvarsaninjektionen. 

Nach  mehrfacher  Salvarsaninjektion  trat  bei  diesen  Fällen  eine 
dauernde,  therapeutisch  nicht  zu  beeinflussende  Urtikaria  auf,  die 
nach  sehr  kleinen  Salvarsaninjektionen  (nicht  nach  Neosalvarsan) 
prompte  frische  Nachschübe  zeigt.  Bei  einem  der  Fälle  bildete  sich 
auch  eine  braune,  zwischen  dem  Leukoderma  syphiliticum  besonders 
intensive  Hautpigmentierung. 

No.  46.  J.  O  d  s  t  r  c  i  1-Prag:  Erfahrungen  mit  Neosalvarsan. 

Vorläufige  Mitteilung.  Das  Neosalvarsan  ist  sehr  leicht  löslich, 
die  Herstellung  der  Injektionsmenge  für  jeden  leicht.  Die  neutrale 
Reaktion  des  Präparates  lässt  die  Natronlauge  und  damit  manche 
Gefahren  entfallen.  Die  isotonischen  intraglutäalen  Injektionen  zeigen 
geringere  Lokalreaktion,  raschere  Resorption,  dünnere  Infiltrate. 
Magen-  und  Darmstörungen  sind  geringer  und  seltener.  Die  Wirk¬ 
samkeit  des  Neosalvarsans  ist  eine  langsamere  als  bei  Salvarsan. 
Stets  ist  eine  Quecksilberbehandlung  anzuschliessen. 

No.  46.  M.  Hilf  e  r  di  ng-Hönigsb  erg- Wien:  Zur  Be¬ 
handlung  der  Schwangerschaftsbeschwerden. 

Die  Verf.  hat  eine  Reihe  von  Fällen  mit  Schwanger¬ 
schaftsbeschwerden  mässiger  und  hoher  Grade  (meist  der  ersten 
Monate)  erfolgreich  mit  Herzmitteln  behandelt,  vor  allem  mit  Stro- 
phantus  und  verschiedenen  Digitalispräparaten;  neuerdings  kommt 
am  meisten  ein  Digitalisinfus  (0,50 — 1,0:200)  mit  Menthol  oder  Liq. 
ammon.  anisat.  als  Korrigens,  täglich  5  Esslöffel  zur  Verwendung, 


Mit  wenigen  Ausnahmen  trat  eine  volle  Heilung,  meistens  innerhalb 
1 — 5  Tagen,  ein,  einige  Fälle  wurden  nur  erheblich  gebessert,  einzelne 
blieben  ohne  Erfolg.  57  kurze  Krankengeschichten. 

No.  47.  M.  Hau  dek -Wien:  Ueber  den  radiologischen  Nach- 
weis  der  Magen-Kolonfistel. 

Krankengeschichte  eines  Falles,  wo  nur  durch  die  Röntgenunter- 
suchung  die  Diagnose  der  Fistel  und  des  Magenkarzinomes  ermög¬ 
licht  war.  Literatur. 

No.  47.  A.  Per  utz- Wien:  Ueber  Aetzgeschwiire  nach 
Wasserglas  (kieselsaures  Natrium). 

Aetzgeschwiire  an  den  Händen  bei  drei  mit  Wasserglas  he- 
schäftigten  Arbeitern.  Das  Auftreten  ist  durch  einen  abnormen 
Ueberschuss  freier  Natronlauge  zu  erklären. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Rumänische  Literatur. 

A.  Dobrovici  und  D.  M  i  h  a  i  1 :  Azotämie  und  albuminurische 
Neuroretinitis.  (Revista  stiintzelor  medicale,  März  1912.) 

Die  Untersuchungen  von  Widal,  Morax  und  Weil  haben 
gezeigt,  dass  die  Brightiker  mit  sogenannter  albuminurischer  Retinitis 
in  Wirklichkeit  Azotäiniker  sind,  indem  es  sich  bei  ihnen  haupt¬ 
sächlich  um  eine  Stickstoffzurückhaltung  im  Blute  handelt.  Die 
B  right  sehe  Retinitis  scheint  eher  ein  azotämisches  als  ein  albu- 
minurisches  Symptom  zu  sein,  denn  man  findet  sie  oft  auch  dort, 
wo  keinerlei  Eiweiss  ausgeschieden  wird  und  es  sich  trotzdem  um 
eine  chronische  Nephritis  handelt. 

Die  Verfasser  haben  auf  der  ophthalmologischen  Klinik  von 
Stanculeanu  eine  Reihe  von  Untersuchungen  angestellt  und  bei 
Brightikern  mit  Retinitis  die  Menge  des  Harnstoffes  im  Blutserum 
nach  der  Methode  von  Widal  und  J  a  v  a  1  festgestellt.  Sie  sind 
zu  folgenden  Schlüssen  gelangt. 

Es  besteht  gar  kein  Zusammenhang  zwischen  Eiweissaus¬ 
scheidung  und  Augenerkrankung;  drei  von  den  untersuchten  Kranken 
hatten  eine  typische  albuminurische  Retinitis  und  trotzdem  kein  Ei¬ 
weiss  im  Harn.  Bei  einem  anderen  Patienten  hatte  die  Behandlung 
der  Stickstoffretention  durch  Einführen  stickstoffarmer  Nahrung 
Heilung  der  Neuroretinitis  bewirkt,  ohne  aber  die  bedeutende, 
zwischen  5 — 6  g  täglich  sich  bewegende  Eiweissausscheidung  im  ge¬ 
ringsten  zu  beeinflussen. 

Während  man  bei  allen  diesen  Kranken  keinen  Zusammenhang 
zwischen  Augenerkrankung  und  Eiweissausscheidung  finden  kann, 
so  besteht  doch  ein  konstanter  zwischen  ersterer  und  Harnstoff¬ 
retention.  Statt  der  normalen  Menge  von  0,50  g  Harnstoff  pro  Liter 
Blutserum  findet  man  Mengen,  welche  zwischen  0,71  und  5  g  pro 
Liter  schwanken.  Die  Zurückhaltung  des  Harnstoffes  wurde  hei 
einigen  Kranken  auch  durch  die  Analyse  der  Zerebrospinalflüssigkeit 
festgestellt.  Auch  der  Ambar  dsche  Koeffizient  (K)  war  bei  diesen 
Kranken  gesteigert  und  übertraf  immer  die  normale  Ziffer  (K  =  0,04). 
Bekanntlich  erhält  man  denselben  dadurch,  dass  man  die  Menge  des 
Blutharnstoffes  durch  die  Kubikwurzel  des  in  24  Stunden  ausge¬ 
schiedenen  Harn-Harnstoffes  teilt.  JK 

Die  Prognose  nicht  nur  „quoad  restitutionem“,  sondern  aucn 
„quoad  vitam“  ist  eine  ernste,  und  zwar  um  so  ernster,  je  grösser  die 
Alenge  des  zurückgehaltenen  Harnstoffes  ist. 

Die  Dauer  der  Netzhauterkrankung  ist  ebenfalls  ein  wichtiger 
Faktor  in  der  Prognose  dieser  Krankheit,  denn  nur  bei  ganz  frischen 
Fällen  kann  eine  restitutio  ad  integrum  erhofft  werden.  Die  Haupt¬ 
sache  ist  eine  konsequent  durchgeführte  stickstoffarme  Ernährung 
in  Verbindung  mit  salzloser  Kost,  denn  oft  tritt  Stickstoffretention 
in  Verbindung  mit  Zurückhaltung  von  Kochsalz  auf. 

D.  Danielopolu:  Herzarrhythmien  infolge  von  Störungen  m 
der  Leitungsfähigkeit  des  Herzmuskels.  (Ibidem,  April  1912.) 

Störungen  in  der  Leitungsfähigkeit  des  Myokards  bewirken  Ver- 
längerung  der  Pause  zwischen  Vorhof-  und  Ventrikelzusammen- 
ziehung  und  treten  klinisch  unter  der  Form  von  paroxystischer  odei 
permanenter  Bradykardie  auf.  Erstere  erscheint  als  vorübergehende 
Verlangsamung  des  Herzrhythmus  im  Verlaufe  der  sonst  normalen 
Kontraktionen  und  tritt  meist  in  Verbindung  mit  nervösen  Störungen 
auf.  Bei  letzterer  ist  die  Verlangsamung  des  Pulses  eine  fortdauernde 
und  kann  dieser  Zustand  jahre-  und  jahrzehntelang  andauern,  ln 
den  meisten  Fällen  ist  die  permanente  Bradykardie  von  der  paro- 
xystischen  abgeleitet.  Die  meisten  derartigen  Kranken  haben  zu 
Beginn  ihres  Leidens  nervöse  Symptome  dargeboten,  die  auf  Gehirn¬ 
anämie  beruhen  und  welche  den  von  Adams-Stokes  beschrie¬ 
benen  Symptomenkomplex  darstellen.  Die  Kranken  leiden  an 
Schwindel  und  können  für  kurze  Zeit  das  Bewusstsein  verlieren. 
Bei  längerem  Andauern  der  ventrikulären  Intermittenzen  kann  es  zu 
epileptiformen  Anfällen  kommen.  Ja,  es  kann  bei  längerem  Andauerni 
der  Krisen  auch  der  Tod  eintreten.  Die  Intensität  der  nervösen  Er¬ 
scheinungen  hängt  von  dem  Grade  der  Hirnanämie,  d.  h.  von  der 
Länge  der  ventrikulären  Intermittenzen  ab. 

Falls  die  paroxystische  Bradykardie  in  eine  permanente  über¬ 
geht,  verschwinden  auch  die  nervösen  Störungen,  denn  das  Gehirn 
gewöhnt  sich  an  den  langsameren  Herzrhythmus,  indem  bei  jeder 
Systole  eine  grössere  Menge  Blut  in  den  Kreislauf  gelangt,  als  es 
für  gewöhnlich  der  Fall  ist. 

Der  Verfasser  studierte  in  eingehender  Weise  alle  Formen  der 
in  Rede  stehenden  Herzaffektion  und  bringt  zahlreiche  einschlägige 
graphische  Tabellen. 


7.  Januar  1913. 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


43 


Das  einzige  Mittel,  welches  bei  diesen  Zuständen  wirksam  er¬ 
scheint,  ist  das  Atropin,  welches  namentlich  bei  den  paroxystischen 
Bradykardien  gute  Erfolge  gibt.  Die  Digitalis  ist  meist  kontra- 
indiziert,  indem  durch  Reizung  des  Vagus  gerade  noch  grössere 
Störungen  in  der  Leitungsfähigkeit  des  Myokards  hervorgerufen 
werden.  Nichtsdestoweniger  sind  Fälle  bekannt,  wo  Digitalis  eine 
Besserung  des  Zustandes  bewirkt  hat,  und  zwar  bei  jenen  Patienten, 
die  eine  Erweiterung  des  rechten  Herzens  hatten.  Bei  syphilitischer 
Natur  der  Krankheit  ist  oft  durch  eine  spezifische  Behandlung  eine 
manifeste  Besserung  der  Symptome  zu  erzielen. 

N.  Zaharescu:  Die  vorzeitige  Ablösung  der  normal  inse¬ 
rierten  Plazenta  im  Laufe  der  Schwangerschaft.  (Ibidem.) 

Diese  ernste  Komplikation  der  Schwangerschaft  ist  in  der 
Bukarester  Gebäranstalt  im  Laufe  von  25  Jahren  24  mal  vorge¬ 
kommen,  was  einem  Verhältnisse  von  1:1706  Geburten  (bei  einer 
Gesamtmenge  von  40  951  Geburten)  entspricht.  Es  können  mehrfache 
Gründe  zur  vorzeitigen  Ablösung  der  Nachgeburt  während  der 
Schwangerschaft  führen,  und  zwar:  solche  anatomisch-pathologischer 
Natur,  bestehend  in  einer  Schwächung  der  normalen  Adhärenzen 
zwischen  Uteruswand  und  Nachgeburt,  wie  dies  bei  mangelhafter 
Ernährung,  fettiger  Entartung  u.  a.  Vorkommen  kann.  Syphilis, 
1  uberkulose,  Abdominaltyphus,  Endometritis  und  namentlich 
Albuminurie  können  hierzu  Veranlassung  geben.  Es  kommt  zu  mehr 
oder  weniger  reichlichen  Blutungen  zwischen  Gebärmutterwand  und 
Nachgeburt  und  die  Folge  ist  eine  oft  ausgedehnte  Ablösung  der¬ 
selben. 

Klinisch  treten  der  schlechte  Allgemeinzustand,  das  abnorme 
Volumen  und  die  lignöse  Härte  der  Gebärmutter,  sowie  auch  akute, 
heftige  Bauchschmerzen  in  Erscheinung.  Meist  treten  auch  reichliche 
Blutungen  durch  die  Scheide  auf.  Die  Prognose  ist  eine  ernste,  denn 
in  der  ersten  Hälfte  der  Schwangerschaft  tritt  meist  Abortus  auf, 
während  später  durch  die  starken  Blutungen,  die  verzögerten  Ge¬ 
burten  und  die  oft  eintretende  Uterusinertie  der  Tod  der  Frauen  in 
beiläufig  30  Proz.  der  Fälle  verursacht  wird.  Die  Sterblichkeit  der 
Kinder  ist  ebenfalls  eine  grosse;  drei  Viertel  der  Kinder  sterben  im 
Gebärmutterinneren  ab,  während  die  übrigen  meist  wenige  Stunden 
nach  der  Geburt  zugrunde  gehen.  Im  allgemeinen  kann  gesagt 
werden,  dass  kaum  4 — 5  Proz.  der  Kinder  am  Leben  bleiben. 

Was  die  Behandlung  anbetrifft,  so  hat  die  Erfahrung  folgendes 
gelehrt:  Das  künstliche,  vorzeitige  Einreissen  der  Fruchtblase  hat 
nur  in  leichten  Fällen  einen  praktischen  Erfolg.  Auch  die  digitale 
Erweiterung  des  Gebärmutterhalses  mittels  der  Bonnaire  schert 
Methode,  oder  durch  den  Ballon  von  Champetier  de  Ribes, 
gefolgt  von  innerer  Wendung  oder  Zangenanlegung,  kann  nur  für 
mittelschwere  Fälle  empfohlen  werden,  während  für  die  schweren  nur 
von  dem  Kaiserschnitt  eine  Rettung  der  Frau  erwartet  werden  kann. 

C.  Doljan:  Die  Oedeme  der  Kachektiker.  (Ibidem.) 

Es  w  ird  allgemein  angenommen,  dass  es  in  kachektischen  Zu¬ 
ständen  durch  mangelhafte  Blutzusammensetzung  und  nachfolgende 
Degenerierung  der  Gefässwände  zum  Austritt  von  seröser  Flüssig¬ 
keit  in  die  Gewebe,  d.  h.  zur  Bildung  von  Oedemen  kommt.  Dieser 
Ansicht  tritt  nun  der  Verf.  entgegen,  indem  er  an  der  Hand  klinischer 
und  nekroptischer  Beobachtungen  nachweist,  dass  in  allen  Fällen  von 
Oedemen  bei  Kachektischen  es  sich  um  Veränderungen  des  Nieren¬ 
epithels  handelt,  dass  also  die  betreffenden  Oedeme  renaler  Natur 
sind,  während,  wenn  die  Nieren  intakt  sind,  auch  keine  Oedeme  auf- 
treten,  möge  der  Grad  der  Kachexie  auch  noch  so  gross  sein.  Es 
gibt  also  keine  kachektischen  Oedeme,  sondern  nur  solche  renaler 
Natur  und  der  Ausdruck  „kachektisches  Oedem“  muss  aus  der  medi¬ 
zinischen  Sprache  gestrichen  werden. 

F.  Märtz:  Die  Behandlung  der  Purpura  mittels  subkutaner 
Einspritzungen  von  Pepton  Witte.  (Spitalul  No.  6,  1912.) 

Verf.  beschreibt  Fälle  von  Purpura  haemorrhagica  aus  der  Klinik 
B  u  i  c  1  i  u,  bei  welchen,  nach  Fehlschlagen  aller  sonst  gebräuch¬ 
lichen  Mittel,  subkutane  Einspritzungen  von  5  proz.  Peptonlösung 
(mit  Vz  Proz.  Kochsalzzusatz)  nach  der  Methode  von  Noll  und 
Herry  in  kurzer  Zeit  Heilung  herbeiführte.  Man  macht  Ein¬ 
spritzungen  von  5—10  ccm  alle  3—5  Tage. 

A.  Babesch  und  C.  C  i  o  c :  Neue  Betrachtungen  zur  Aetio- 
logie  der  Perinealrupturen.  (Ibidem  No.  8,  1912.) 

Die  Verfasser  beschreiben  2  Fälle,  in  welchen  infolge  von 
narbiger  Verwachsung  der  Scheide,  resp.  allzu  dickem,  fibrösem 
Hymen,  der  erste  geschlechtliche  Kontakt  zu  einer  Perforierung  der 
Fossa  navicularis,  Eindringen  des  erigierten  Gliedes  zwischen  Mast¬ 
darm  und  Vagina  bis  zu  einer  Tiefe  von  8 — 10  cm  geführt  hatte. 
Ja.  in  dem  zweiten  Falle  war  auch  das  Rektum  durchbohrt  und  es 
entleerten  sich  Fäkalmassen  durch  den  Vorhof.  In  beiden  Fällen 
konnte  mit  zweifelloser  Bestimmtheit  festgestellt  werden,  dass  die 
erwähnten  Verletzungen  auf  dem  Wege  des  Koitus  stattgefunden 
hatten  und  dass  es  sich  keineswegs  um  Verletzungen  anderweitiger 
Natur  gehandelt  hat.  Es  ist  dies  in  forensischer  Beziehung  von 
Wichtigkeit.  Es  muss  auch  berücksichtigt  werden,  dass  in  beiden 
Fällen  Veränderungen  an  den  äusseren  weiblichen  Genitalien  im 
Spiele  waren,  die  einen  normalen  Beischlaf  unmöglich  gemacht 
hatten.  Es  ist  also  noch  fraglich,  ob  bei  normalen  Verhältnissen  der 
betreffenden  Teile  derartige  Verletzungen  möglich  wären. 

N.  Zaharescu:  Betrachtungen  über  2  Fälle  von  Dystokie, 
bewirkt  durch  solide  Ovarialgeschwülste.  (Revista  stiintzelor  medi- 
cale,  Mai  1912.) 


In  den  betreffenden  Fällen  handelte  es  sich  um  grosse,  in- 
kompressible  Geschwülste  der  Eierstöcke,  die  ein  Durchgehen  der 
Frucht  vollkommen  unmöglich  machten.  In  dem  einen  Falle  wurde 
der  Kaiserschnitt^  ausgeführt  und  ein  lebendes  Kind  gewonnen, 
welches  nach  6  Stunden  an  Erschöpfung  zugrunde  ging.  In  dem 
anderen  konnte  in  der  Narkose  die  Geschwulst  aus  dem  kleinen 
Becken  in  den  Bauchraum  gedrückt  werden  und  das  Kind  mittels 
hoher  Zange  lebend  extrahiert  werden.  Im  allgemeinen  sind  solide 
Geschwülste  der  Eierstöcke  als  Geburtshindernis  selten,  da  es  sich 
in  solchen  Fällen  meist  um  Ovarialzysten  handelt.  Bemerkenswert 
ist  der  Umstand,  dass  alle  diese  Geschwülste  von  Beginn  der 
Schwangerschaft  ab  in  rapider  Weise  an  Umfang  zunehmen  und 
daher  ein  operativer  Eingriff  so  frühzeitig  als  möglich  vorzu¬ 
nehmen  ist. 

Ioan  Jianu  und  O.  Meller:  Betrachtungen  über  die  hypo¬ 
genetische  Nephritis.  (Spitalul  No.  9,  1912.) 

Unter  dem  Namen  „hypogenetische  Nephritis“  ist  von  Prof. 
Babesch  im  Jahre  1905  eine  Krankheitsform  beschrieben  worden, 
bei  welcher  es  sich  um  junge  Leute  zwischen  20—30  Jahren  handelt, 
welche  zwar  von  schwacher,  anämischer  Konstitution  sind,  nie 
an  einer  Nierenkrankheit  gelitten  hatten,  bei  welchen  aber  eine  un¬ 
bedeutende  Erkrankung,  wie  z.  B.  eine  Bronchitis,  Influenza  oder 
zirkumskripte  Pneumonie  genügen,  um  die  Symptome  einer  schweren 
Nierenentzündung  mit  nachfolgender  Urämie  zum  Vorschein  kommen 
zu  lassen.  Ja,  es  kann  unter  den  Erscheinungen  einer  supraakuten 
Urämie  der  Tod  binnen  wenigen  Tagen  eintreten.  Der  Harn  enthält 
grosse  Mengen  von  Eiweiss  und  Zylinder,  ferner  Epithelien,  ist  aber 
arm  an  Harnsalzen.  Bei  der  Nekropsie  derartiger  Patienten  findet 
man,  dass  die  Nieren  ausserordentlich  klein  sind  und  auch  sonstige 
Merkmale^  mangelhafter  Entwicklung  darbieten,  wie  z.  B.  Lappung, 
tieferen  Sitz,  indem  eine  gewisse  Entfernung  zwischen  Niere  und 
Nebenniere  besteht.  Das  Gewicht  einer  solchen  Niere  schwankt 
zwischen  20  und  30  g.  Blutgefässe  und  Harnleiter  sind  viel  dünner, 
als  unter  normalen  Verhältnissen.  Gleichzeitig  mit  einer  mangel¬ 
haften  Entwicklung  der  Nieren  wird  auch  eine  mangelhafte  Ent¬ 
wicklung  des  äusseren  Genitales  beobachtet;  dies  ist  von  Wichtig¬ 
keit,  da  man  bei  allen  Personen  mit  Genitalanomalien  eine  hypo¬ 
genetische  Entwicklung  der  Nieren  annehmen  muss.  Da  solche 
Nieren  sehr  leicht  entzündlich  erkranken,  so  muss  rechtzeitig  und 
namentlich  im  ( Verlaufe  von  Krankheiten  darauf  geachtet  werden. 

N.  Zaharescu:  Die  Diagnose  und  Behandlung  des  vorzeitigen 
Einreissens  der  Eihäute.  (Ibidem.) 

Das  vorzeitige  Einreissen  der  Eihäute  ist  kein  seltenes  Ereignis 
und  kann  sowohl  irn  Bereiche  des  Muttermundes,  als  auch  höher 
oben  stattfinden;  in  letzterem  Falle  ist  eine  teilweise  Verschliessung 
des  Risses  durch  die  sich  anlegenden  Gebärmutterwände  möglich. 
Der  Vorfall  ist  für  den  Gang  der  Schwangerschaft  und  namentlich, 
für  die  Geburt  nicht  unwichtig.  Das  Kind  kann  absterben,  es  kann, 
namentlich  infolge  des  oftmaligen  Untersuchens  zu  Gebärmutter¬ 
infektionen  kommen.  Die  Geburt  geht  viel  langsamer  von  statten, 
da  die  auf  den  Gebärmutterhals  wirkende  erweiternde  Kraft  der 
Fruchtblase  fehlt.  Das  Anlegen  der  Zange  wegen  Erschöpfung  der 
Frau  ist  daher  oft  nötig.  Ein  weiteres,  nicht  seltenes  Ereignis  ist 
der  Vorfall  der  Nabelschnur,  welcher  ebenfalls  die  Zange  oder  innere 
Wendung  notwendig  macht.  Die  Herztöne  des  Fötus  müssen  genau 
überwacht  werden,  um  den  Zeitpunkt  des  Einschreitens  rechtzeitig 
bestimmen  zu  können. 

Gr.  Brauer:  Die  Feststellung  versteckter  Blutungen  im  Magen¬ 
inhalte.  (Spitalul  No.  10,  1912.) 

Es  gibt  unbedeutende  Magenblutungen,  die  den  Mageninhalt 
nicht  färben  und  deren  Feststellung  trotzdem  von  Bedeutung  ist, 
namentlich  für  die  Karzinomdiagnose.  Man  wendet  am  besten  die 
Guajakprobe  an,  wobei  berücksichtigt  werden  muss,  dass  kleine 
Blutmengen,  bei  Anwesenheit  von  freier  Salzsäure,  wie  auch  sonst 
von  anorganischen  Säuren,  schwache  Blaufärbung  bewirken.  Um 
dies  gegebenenfalls  bewirken  zu  können,  muss  die  vorhandene 
Salzsäure  neutralisiert  werden,  was  am  besten  mittels  Vioproz. 
NaOH-Lösung  geschieht.  Es  wurde  behauptet,  dass  auch  organische 
Säuren  die  Guajakharzreaktion  verhindern.  Dies  ist  unrichtig,  wie 
sich  der  Verf.  durch  die  angestellten  Untersuchungen  in  vitro  über¬ 
zeugen  konnte. 

N.  Zaharescu:  Das  Vorgehen  bei  Dystokie  infolge  von  zu 
grossem  physiologischen  Volumen  des  Fötus.  (Ibidem.) 

Ein  zu  grosser  Kopf  und  eine  übermässige  Schulterbreite  des 
Kindes  können  ernstliche  Geburtshindernisse  werden  und  sogar  zur 
Vornahme  des  Kaiserschnittes  Veranlassung  geben.  Bei  Kopflage 
und  zu  grossem  Schädel  kann  durch  Zangenextraktion  oft  ein  leben¬ 
des  Kind  gewonnen  werden.  Stemmt  sich  dasselbe  mit  den  Schultern 
an,  so  muss  nach  rückwärts  mit  der  Hand  tief  eingegangen  und  der 
Arm  gelöst  werden,  indem  man  denselben  behutsam  streckt  dadurch, 
dass  man  die  kindliche  Hand  über  das  Gesicht  streichen  lässt.  Ist 
der  hintere  Arm  extrahiert  und  macht  der  vordere  Schwierigkeiten, 
so  verwandelt  man  denselben  in  den  hinteren  Arm  durch  ent¬ 
sprechende  Drehung  und  nimmt  dann  die  Entwicklung  desselben 
vor  wie  die  des  anderen.  Bei  toten  Kindern  könnte  eventuell  die 
Durchschneidung  des  Schlüsselbeins  mittels  Schere  ausgeführt 
werden. 

Gh.  Baiatu:  Einige  Betrachtungen  über  Azotämie  bei  Nephritis 
und  deren  prognostischer  Wert.  (Ibidem.) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Der  Verfasser  hat  seine  Untersuchungen  an  der  Klinik  und 
unter  der  Leitung  von  Nanu-Muscel  vorgenommen  und  ist  zu 
folgenden  Schlüssen  gelangt. 

Man  findet  mitunter  hei  chronischer  Nephritis  erhöhte  Mengen 
von  Harnstoff  im  Blutserum,  die  in  den  Fällen  des  Verfassers  zwi¬ 
schen  0,70  und  1,70  Prom.  sich  bewegt  hatten.  Ein  grosser  Teil  der 
Störungen,  welche  die  betreffenden  Patienten  darbieten,  ist  auf  die 
Zurückhaltung  von  Harnstoff  im  Blute  zurückzuführen.  Ein  reine, 
azotämische  Nephritis  ist  aber  selten  und  wurde  nur  in  den  leichteren 
Fällen  mit  einer  Harnstoffretention  von  0,50 — 1  g  beobachtet,  während 
in  jenen  Fällen,  die  eine  grössere  Retention  aufweisen,  auch  chlor- 
ämische  und  albuminurische  Erscheinungen  zu  verzeichnen  sind.  Die 
Besserungen,  welche  zu  erzielen  sind,  müssen  in  erster  Reihe  auf  eine 
unterstickstoffhaltige  Ernährung  zurückgeführt  werden  und  ist  es 
von  Wichtigkeit,  dies  recht  frühzeitig  zu  tun,  um  späteren,  schweren 
Komplikationen  vorzubeugen. 

Man  muss  also  bei  nierenkranken  Patienten,  neben  der  Harn¬ 
untersuchung,  auch  eine  solche  des  Blutes  vornehmen,  um  sich  über 
eine  eventuelle  Stickstoffretention  zu  orientieren.  Dies  ist  auch  in 
prognostischer  Beziehune  wichtig,  denn  es  hat  sich  gezeigt,  dass 
Retentionen  von  über  2  g  pro  m.  zu  einer  sehr  ernsten  Prognose 
berechtigen. 

1.  Bejan:  Die  Schwierigkeit  der  Diagnose  bei  geplatzter 
Extrauterinschwangerschaft  mit  Hämatozele.  (Spitalul,  No.  12,  1912.) 

Extrauterinschwangerschaften  kommen  recht  häufig  vor,  viele 
bleiben  aber  unerkannt,  da  das  frühzeitige  Einreissen  des  Frucht¬ 
sackes  mit  nachfolgender  Bildung  einer  Hämatozele  oder  auch  mit 
peritonealer  Ueberschwemmung  oft  unter  verschiedenen  Namen 
behandelt  wird,  während  man  an  eine  Extrauterinschwangerschaft 
gar  nicht  denkt.  Man  soll  daher  bei  jeder  Erkrankung  in  der  weib¬ 
lichen  Geschlechtssphäre  zuerst  an  dieses  Vorkommnis  denken  und 
nur  dann  eine  solche  Gravidität  ausschliessen,  wann  keines  der  dafür 
charakteristischen  Symptome  zu  finden  ist.  Ausser  den  bereits  gut 
bekannten  lenkt  der  Verf.  die  Aufmerksamkeit  auf  den  fast  immer 
vorhandenen  Tenesmus  und  Harndrang,  sowie  auch  auf  den  Umstand, 
dass  die  Gebärmutter  deutlich  und  meist  leicht  von  dem  Tumor  im 
Douglas  und  den  Adnexen  abgrenzbar  ist,  was  bei  entzündlichen 
Erkrankungen  dieser  Teile  nicht  der  Fall  ist. 

Ion  Jianu:  Adhärente  Ueberpflanzung  der  Art.  hypogastrica 
zur  Wiederherstellung  des  Harnleiters.  (Ibidem.) 

Der  Verfasser  hat  in  einem  Falle  von  Gebärmutterkrebs  mit 
krebsiger  Infiltration  eines  Teiles  des  Ureters,  denselben  durch  ein 
in  situ  belassenes  Stück  der  Arteria  iliaca  interna  ersetzt.  Es  bietet 
dies  mehrfache  Vorteile,  hauptsächlich  den,  dass  das  ausgeschnittene 
Arterienstück  viel  besser  ernährt  wird  und  daher  auch  der  reizenden 
Einwirkung  des  durchfliessenden  Harnes  besser  wiedersteht,  als  wenn 
es  aus  den  umgebenden  Geweben  herauspräpariert  würde.  Die  Naht 
wird  mit  dünnen  Hanffäden  vorgenommen  und  es  ist  von  Wichtig¬ 
keit,  dass  das  Kaliber  der  Arterie  dem  des  Ureters  genau  entspricht, 
ln  ähnlicher  Weise  hat  der  Verfasser  in  einem  Falle  von  Gesichts¬ 
krebs  ein  Stück  des  S  t  e  n  o  n  sehen  Kanals  durch  ein  adhärentes 
Stück  der  Gesichtsvene  ersetzt.  Auch  in  diesem  Falle  war  das 
funktionelle  Resultat  ein  sehr  gutes. 

Jean  Nicolai  di:  Wirkung  des  organisch-polymineralischen, 
radioaktiven  Serums  auf  die  kutanen  Erscheinungen  der  Pellagra. 
(Revista  stiintzelor  med.,  Juni  1912.) 

Ein  spezifisches,  selten  fehlendes  Symptom  der  Pellagra  ist  das 
eigentümliche  Hauterythem  mit  seiner  charakteristischen  Lokalisation 
und  seinem  eigentümlichen  Verlaufe.  Dasselbe  bildet  einen  wichtigen 
Teil  der  Krankheit  und  geht  parallel  mit  ihrer  Entwicklung. 

Der  Verfasser  hat  nach  einschlägigen  Stoffwechselunter¬ 
suchungen  ein  Serum  hergestellt,  welches  Extrakte  aus  Pferde¬ 
serum  und  verschiedene  Salze  aus  dem  Blutplasma  enthält,  und 
ausserdem  einer  Radioaktivierung  unterworfen  worden  war.  Die 
damit  angestellten  Versuche  haben  gezeigt,  dass  dasselbe  sehr  gün¬ 
stige  Heilresultate  mit  Bezug  auf  die  erwähnte  Hauterkrankung  der 
Pellagrösen  ergibt,  ausserdem  aber  auch  die  sonstigen  Erscheinungen 
dieser  Krankheit  in  günstiger  Weise  beeinflusst. 

A.  Perianu:  Die  chronische  Appendizitis.  (Inauguraldisser¬ 
tation,  Bukarest,  1912.) 

Chronische  Appendizitis  kann  entweder  von  Anfang  an  als 
solche  auftreten  und  verlaufen,  oder  akute  Exazerbationen  darbieten 
und  dann  endgültig  chronisch  werden,  oder  endlich  zuerst  akut 
einsetzen  und  nach  einiger  Zeit  in  die  chronische  Form  übergehen. 
Fast  immer  handelt  es  sich  um  eine  mikrobielle  Infektion,  sei  es,  dass 
dieselbe  sich  infolge  einer  allgemeinen  Infektion  entwickelt,  wie  bei 
Typhus,  Masern,  Scharlach,  Influenza,  Mandelentzündung  etc.,  sei 
es,  dass  lokale  Ursachen  hierzu  Veranlassung  geben,  wie  Fremd¬ 
körper,  Darmwürmer,  abnorme  Lage  des  Wurmfortsatzes  u.  a. 
Auch  Entzündungen  des  Darmes,  des  Eileiters  und  andere  Entzün¬ 
dungen  der  Nachbarschaft  können  hierzu  Veranlassung  geben. 

Fast  immer  handelt  es  sich  um  eine  chronische  Entzündung  der 
Appendix,  bestehend  in  einer  Follikulitis,  die  auf  sanguinem  oder 
lymphatischem  Wege  entstanden  sein  kann;  es  kann  zu  Hyper¬ 
trophien,  Atrophien  oder  Obiiterierungen  des  befallenen  Teiles 
kommen. 

Die  Symptome  der  chronischen  Entzündung  des  Wurmfortsatzes 
sind:  spontane  Schmerzen,  Verdauungsstörungen,  schlechter  All¬ 


gemeinzustand,  fixer  Schmerz  an  der  M  a  c  B  u  r  n  e  y  sehen  Stelle 
und,  bei  Kindern,  eine  mangelhafte  allgemeine  Entwicklung. 

Man  muss  an  Appendizitis  bei  konstipierten  Dyspeptischen, 
Diarrhoikern,  Neurasthenikern  und  bei  Kindern,  die  an  Erbrechen 
leiden,  denken. 

Sowie  man  die  Diagnose  stellt,  ist  die  Indikation  eines  ope¬ 
rativen  Eingriffes  gegeben. 

M.  I.  C  h  e  1  a  r  u :  Die  Radiotherapie  der  tuberkulösen  Adeni- 

tiden.  (Inauguraldissertation,  Bukarest  1912.) 

Die  Einwirkung  der  Röntgenstrahlen  besteht  in  Zerstörung  der 
entzündlichen  Elemente,  des  neugebildeten  Lymphgewebes  und  spe¬ 
ziell  der  Lymphozyten,  in  Vermehrung  der  polynukleären  Zellen  und 
indirekten  Zerstörung  der  Bakterien.  Am  wirksamsten  haben  sich  die 
Strahlen  No.  6  der  B  e  n  o  i  s  t  sehen  Skala  nach  Filtrierung  durch 
Aluminiumplatten  von  1  mm  Dicke  erwiesen.  Die  Verbindung  der 
lokalen  Behandlung  mit  der  allgemeinen  ergibt  noch  viel  bessere 
Resultate.  E.  T  o  f  f  -  Braila. 

Inauguraldissertationen.  0 

Ueber  die  Toxine  der  Askariden  hat  Hermann 
Dobernecker  Untersuchungen  angesteljt  und  zwar  an  Ascaris 
megacol.  und  Ascaris  lumbr.  Männliche  und  weibliche  Tiere  er¬ 
wiesen  sich  als  gleich  giftig.  Die  giftigen  Substanzen  sind  in  der 
Leibesflüssigkeit  der  Tiere  enthalten;  A.  megacol.  ist  giftiger  als 
A.  lumbr.  Die  Askariden  beherbergen  in  ihrem  Körper  Toxine, 
welche  beim  Menschen  vorwiegend  auf  das  Gehirn,  bei  Tieren  vor¬ 
wiegend  auf  das  Rückenmark  einwirken  sowie  örtliche  äussere 
Reizungen  bedingen.  (Bern  1912,  37  S.  Leipzig,  O.  L  e  i  n  e  r.) 

Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Breslau.  August— November  1912. 
Breslauer  Erich:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  rück¬ 
läufige  Durchströmung  parenchymatöser  Organe. 

Hauke  Hugo :  Die  W  i  e  t  i  n  g  sehe  Operation. 

Jacobson  Adalbert:  Ueber  multiple  Neurofibromatose  mit  sarko- 
matöser  Entartung. 

Janaszek  Johann:  Risse  der  Quadrizepssehne  und  des  Ligamentum 
patellae  proprium. 

Jendralski  Felix :  Salvarsan  und  Auge. 

Kowalski  Boleslaw:  Sectio  caesarea. 

Kubiak  Leo:  Zur  Aetiologie,  Pathologie  und  Therapie  der  Querlage. 
Laban  d  Ludwig:  Frequenz,  Aetiologie  und  Pathologie  der  Fehl¬ 
geburt. 

Neugebauer  Karl:  Ueber  einen  Fall  der  Arteria  anonyma. 
Reichel  Max:  Die  Geburt  bei  alten  Erstgebärenden. 

Rothe  r  Karl:  Ueber  postdiphtherische  Abduzenslähmungen. 
Rüben  Albert:  Ein  Fall  von  Mediastinitis  phlegmonosa  antica. 
Wächter  Hans:  Ein  Fall  von  multiplem  Auftreten  von  Epithel¬ 
zysten. 

Universität  Leizpig.  Oktober  1912. 

Frau  Ottilie  Hoff  mann:  Ueber  das  Zustandekommen  von  Lupus 
erythematodes. 

Leschcziner  Heinrich:  Zur  Frage  der  diagnostischen  Bewertung 
des  Scharlachphänomens. 

Levy  Ernst  Nathan:  Ein  Beitrag  zur  Salvarsanbehandlung  der 
Plaut-Vincent  sehen  Angina. 

Pur  ucker  K.  W.  E.:  Ueber  Ursache  und  Ausgänge  des  Nicht¬ 
gedeihens  bei  Brustkindern. 

Wild  Ernst:  Ein  Konsilium  Dr.  Johann  Widmanns  aus  Mo- 
chingen  (1440—1524)  über  Blasengeschwüre  und  Steinleiden. 
Kolszewski  Alfred:  Ueber  das  primäre  Bronchial-  und  Lungen¬ 
karzinom. 

Peters  Ernst:  Ueber  die  eitrigen  Erkrankungen  der  Harnwege  im 
Verlaufe  von  Ernährungsstörungen  im  Säuglingsalter. 

Stolle  Ernst:  Ueber  Saisonrezidive  bei  Hautkrankheiten. 
Ulrichs  Gustav:  Ueber  einen  Fall  von  Echinokokkus  im  Ober¬ 
schenkelknochen. 

Unglaub  Max:  Ueber  den  sog.  Indikannachweis  im  Harn.  (Ver¬ 
gleichende  Beobachtungen  mittelst  der  J  aff  eschen,  Ober¬ 
meyer  sehen,  B  e  r  b  e  r  i  o  sehen  Reaktion.) 

Uter  Wilhelm:  Die  Rolle  des  Traumas  bei  Entstehung  akuter  In¬ 
fektionskrankheiten. 

Bach  Fritz:  Ueber  Pneumonien  mit  relativer  Pulsverlangsamung. 
Ben  ecke  Anna:  Leukämie  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Blutgerinnung  und  hämorrhagischen  Diathese. 

Br  au  mann  Paul:  Die  Talmasche  Operation  unter  Mitteilung 
ihrer  erfolgreichen  Anwendung  bei  einem  Falle  von  Zuckerguss- 
leber.  ,  , 

Pause  Johannes:  Ueber  subphrenische  Abszesse  im  Gefolge  von 
Ulcus  ventriculi  perforatum  und  Perityphlitis  und  die  Erfolge  der 
chirurgischen  Behandlung. 

Sch  wer  mann  Johann:  Embolie  der  Arteria  mesenteriea  superior. 
Wagner  Aloysius:  Beitrag  zur  Kasuistik  und  Therapie  der  Orbital¬ 
phlegmone.  _ 


i)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


45 


Auswärtige  Briefe. 

Hamburger  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 


Einigiingskonnnission  zwischen 


Akademische  Ferienkurse. 

Aerzten  und  Krankenkassen. 

Hie  Hamhurgische  Universität,  von  deren  bevorstehender  Grün¬ 
dung  in  diesem  Blatte  bereits  kurz  berichtet  wurde,  wirft  ihre  Schat- 
ten,  oder  richtiger  gesagt,  ihre  Lichtstrahlen  bereits  voraus.  Unter 
iem  Vorsitz  des  Herrn  Dr.  Schädel,  Professor  der  romanischen 
Sprachen  und  Kulturen  in  Hamburg  und  Dr.  med.  L.  Brauer  Pro- 
essor  der  inneren  Medizin  und  ärztlicher  Direktor  des  Allg.  Kranken¬ 
hauses  Eppendorf,  hat  sich  hier  ein  Ausschuss  für  aka¬ 
demische  Ferienkurse  gebildet,  die  zuerst  vom  24.  Juli  bis 
6.  August  nächsten  Jahres  stattfinden  sollen.  Dem  Programm  dieser 
Kurse,  das  soeben  ausgegeben  wurde,  entnehmen  wir  das  folgende, 
das  für  alle  akademischen  Kreise  allgemeines  Interesse  haben  dürfte. 

1  le  akademischen  Ferienkurse  zu  Hamburg  wollen  wissenschaft¬ 
lich  mteressiei  ten  fiörern,  Lehrenden  wie  Lernenden,  in  knapper  Form 
und  von  sachverständiger  Seite  her,  eine  Orientierung  bieten  über 
uen  gegenwärtigen  Stand  ausgewählter  Forschungs-  und  Kulturpro¬ 
bleme,  die  das  geistige  Leben  im  heutigen  Deutschland  beschäftigen. 

ns  ist  ihr  besonderer  Zweck,  die  inneren  methodischen  Zu- 
sammenhange  zwischen  der  wissenschaftlichen  Arbeit,  wie  sie  auf 
fördern”26  S6bieten  ^  Forschun8:  geleistet  wird,  zu  zeigen  und  zu 

Sie  wollen  insbesondere  wissenschaftlichen  Persönlichkeiten,  die 
an  den  Problemen  ihres  eigenen  Fachs  interessiert  sind,  in  Vorträgen 
über  Probleme  verwandter  Fächer  methodische  Anregung  geben, 
neue  und  vielversprechende  Wege,  die  einzelne  Disziplinen  einge- 
schlagen  haben,  klären  und  den  anderen  eröffnen. 

Fs  sind  keine  Fortbildungskurse  zur  Auffrischung  verloren  ge¬ 
gangener  oder  zur  Uebermittlung  noch  nicht  erworbener  akademi¬ 
scher  Berufskenntnisse. 

Sie  wenden  sich  aber  nicht  nur  an  wissenschaftlich  denkende 
ueutsche,  sondern  an  die  Vertreter  des  geistigen  Lebens  aller  Län- 

av'  • Ie  r^0!  u,dem  Aus>dnder  die  Art  und  den  Inhalt  geistiger 
Arbeit  in  Deutschland  nahe  bringen,  ihm  die  Möglichkeit  geben,  sich 
bei  uns  selbst,  an  Ort  und  Stelle  und  mit  geringem  Zeitaufwand,  dar- 
inei  zu  orientieren,  welches  der  Stand  des  wissenschaftlichen  Stre- 
bens,  das  Deutschland  heute  mit  seiner  Heimat  verknüpft,  auf  den 
verschiedenartigsten  Geistesgebieten  ist,  welche  Materien  und  Frage¬ 
stellungen  uns  beschäftigen  und  welche  Methoden  wir  zu  ihrer  Be¬ 
arbeitung  eingeschlagen  haben. 

..  .  S'a  ^odjn.  diesen  persönlichen  Kontakt  mit  dem  wissenschaft¬ 
lichen  Ausland  in  einem  Zentrum  des  internationalen  Lebens,  in  Ham- 
ourg,  nerstellen. 

Pc-  !?'?  Kurse  zerfallen  in  fünf  Sektionen,  deren  erste  Philosophie, 
SS'  Ä  u||d  Pädagogik,  deren  zweite  Rechts-  und  Staatswissen- 
schart,  deren  dritte  Sprach-  und  Kulturwissenschaft,  deren  vierte  die 
Naturwissenschaften  und  deren  fünfte  die  Medizin  umfasst.  Die 
Sektion  für  Medizin  steht  unter  den  Obmännern  Prof.  Brauer  und 
ui0.'  y  S  a  11  d  t,  denen  sechzehn  Dozenten,  fast  lauter  Namen 
!  i£rK  /  tZUuSei  e  stehen.  Wir  nennen  nur  die  Professoren 
Fi  IlVhnr  Chir°“bergi’i  Deneke,  D  u  n  b  a  r,  E.  F  r  a  e  n  k  e  1, 
aus  Hamhnra  r>Ur  m,e  lk  N  o  c  h  t,  Rumpel,  Unna,  Dr.  Much 
pusr™'"bur&  °-  Cohnheim  und  v.  Düngern  aus  Heidelberg, 

veh?n  i,dp^ann  11  ,aUS  Ffei,burg  u-  a-  Den  akademischen  Ferienkursen 
Al£mJ  nPn  hvn  bekani*ten  medizinischen  Fortbildungskurse  im 
6  Wnst' Krankenhause  Eppendorf  voraus,  die  vom  24.  Juli  bis 

I  u9}3  dauern  werden.  Der  Preis  für  alle  Vorträge  wird 
-5  Mark  betragen;  eine  Gastkarte  für  6  Vorträge  kostet  10  M 

Geschäftssfe  1  le  'i n 2H V° 'trüge  J  Alles  Nähere  kann  durch  die 
Ueschaftsste  le  in  Hamburg,  Martmistrasse  52,  erfahren  werden. 

7a h i rp a  ednehmer  der  Akademischen  Ferienkurse  können  von  den 
kriT  "tW1SSerilc!la  t  nhen  Instituten  und  Sammlungen,  die  Ham- 
«£!?*  ausg‘eb'Sen  Gebrauch  machen.  Für  Mediziner  kommen 
hprf6  h  m  staatbcben  Krankenhäusern,  der  Irrenanstalt  Friedrichs- 
aMPh’  n  HieniSuhen  und  Tropenhygienischen  Institut  neuerdings 
h,dLHTa;bUriS1,SChe  Forschungsinstitut  für 
Nrebs  und  I  uberkulose  in  Betracht,  über  das  noch  einige 
rte  zu  sagen  sind.  Das  Institut,  das  einen  E.  V.  mit  einem  Vor- 
ErfrirsH?1'  ^  7  Mitgliedern  darstellt,  bezweckt  die  wissenschaftliche 
iforschung  von  Krebs  und  Tuberkulose  dadurch  zu  fördern,  dass 

Mittel  hereitcfe1nbeitHge  e£enuf n  s°wie  die  erforderlichen  laufenden 
maVerial  HnSt  ?  V1?  versucht/.  das  für  seine  Zwecke  nötige  Kranken- 
K™1  durch  Anlehnung  an  die  Stationen  des  Eppendorfer  Kranken- 
hauses  zu  gewinnen  Eine  direkte  Behandlung  von  Kranken  gehört 

Herhr  PrnfSeinnn  Aufgaben  Zum  Direktor  der  Krebsabteilung  ist 
wird  a.3 Pnngern  in  Heidelberg  berufen  worden.  Das  Institut 

II  d  aaf  dem  Terrain  des  Eppendorfer  Krankenhauses  erbaut  werden 
und  unter  dessen  direktorialer  Leitung  (z.  Z.  Prof.  Brauer)  stehen 

ist  e'n  Barackenbau  für  die  Krebsabteilung  beabsichtigt;  die 
Tuberkuloseabteilung,  für  deren  Leitung  Oberarzt  Dr.  Much  in  An¬ 
sicht  genommen  ist,  wird  erst  später  eröffnet  werden, 
moa-  •  •  ugensatz  zu  der  Universitätsplanung,  die  ja  vorläufig  die 
™  d‘limscS.e  und,  geologische  Fakultät  ganz  ausfallen  lässt! ?  be- 
zuecken  diese  akademischen  Ferienkurse,  die  z.  T.  unter  Hinzu- 
zienung  namhafter  auswärtiger  Gelehrter  gehalten  werden  sollen  eine 


Vertretung  der  gesamten  akademischen  Interessen  Hamburgs  und 
werden  sich  sicher  grossen  Zuspruches  erfreuen. 

Während  die  Universitätsfrage  die  Hamburger  Aerzteschaft  bis¬ 
her  ziemlich  kühl  gelassen  hat,  was  sich  wohl  daraus  erklärt,  dass 
eine  medizinische  Fakultät  vorläufig  nicht  geplant  ist,  und  bis  zur 
1  undung  derselben  noch  manches  Jahr  verstreichen  dürfte,  greiit 
eine  andere  Gründung  tief  in  die  Interessen  der  praktischen  Aerzte 
ein  und  durfte  noch  zu  mannigfachen  erregten  Debatten  mit  Mund 
und  Feder  fuhren.  Bei  der  Einführung  der  RVO.  am  1.  Januar  1914 
werden  zahlreiche  Verträge  zwischen  Aerzten  und  Krankenkassen  er- 
loschen,  eine  Reihe  neuer  Kassenarztstellen  notwendig  werden  Da 
eine  allgemeine  Durchführung  der  freien  Arztwahl  in  Hamburg  ebenso- 
wenig  wie  in  Berlin,  Dresden  und  anderen  Grossstädten  Aussicht  auf 
nrtolg  hat,  wollte  man  wenigstens  verhindern,  dass  alle  Stellen 
fi'n!L^iedpr  ‘ü  den  Händen  einiger  weniger  Kassenkönige  zusammen- 
fmden.  Es  hat  sich  demnach  eine  Einigungskommission 
zwischen  h am  burgischen  Aerzten  und  Kranken- 
kassen  gebildet,  die  zur  Hälfte  aus  Aerzten  und  zur  Hälfte  aus 
Vorständen  der  grössten  Krankenkassen  besteht  und  unter  dem  Vor¬ 
sitz  eines  Unparteiischen  (Physikus  Prof.  Dr.  Pfeiffer)  tagen  wird. 
L  m  Aerzte  setzen  sich  aus  4  Mitgliedern  der  Sektion  Hamburg  des 
L.  V.  und  4  Mitgliedern  des  Kassenärztlichen  Vereins  zusammen.  Das 

folgenden6  Wortlau aUCb  weitere  Kreise  interessieren  dürfte,  hat 

kVnnkpnL/IerSte  nlinA8'  dauernd  friedlicher  Beziehungen  zwischen 
Krankenkassen  und  Aerzten  hat  sich  in  Hamburg  auf  Anregung  und 
untei  Vorsitz  eines  Unparteiischen,  Verwaltungsphysikus  Herrn^Prof. 
Namen  gebildet6  Kommisslon  mit  dem  in  der  Ueberschrift  genannten 

Entsprechend  der  gegenseitigen  Wertschätzung  und  völligen 
Gleichberechtigung  der  vertragschliessenden  Parteien,  wie  sie  in  der 

Hp'VeirTS1Che*rUngt"0rdVun^  anerkannt  ist,  besteht  die  Kommission 
^nLd  Unparteiischen  als  Vorsitzenden,  vier  Kassen-Vorstandsmit- 
g  ledern  und  je  vier  Kassenärzten  der  beiden  Arztsysteme.  Die  je- 
die'vonhfhr'v?6  Krankenkasse  resp.  die  Versicherungsbehörde  für 
Knmm  -h  ?r  oafteten  Kassen  ist  berechtigt,  einen  Vertreter  in  die 
Kommission  als  Referenten  zu  delegieren. 

•  u  Gifse  vollkommen  paritätische  Zusammensetzung  verbürgt  am 

s!?SeDi,rpnhef"hrfoIgrejChe’  alle  Teile  befriedigende  Tätigkeit,  wie 
f  mo-^  n  Durchführung  der  neuen  Verhältnisse  der  Reichs- Versiche¬ 
rungs-Ordnung,  namentlich  des  §  368,  unbedingt  notwendig  ist. 

lc?  beteiligten  Krankenkassen  und  Aerzte  unterwerfen  sich  allen 
defhüivh”16”  ””d  Entscheidungen  dieser  Kommission  freiwillig  und 

Die  Unterzeichnete  Krankenkasse  verpflichtet  sich,  ihre  sämt¬ 
lichen  vakant  werdenden  Kassenarztstellen  in  der  Weise  zu  besetzen 

Aufeate  ihre  w!h|etri«.r  V°"  der  Kommission  ad  h<>c  Präsentierten 

,r  ,,S'e  erplart  sich  Jcruer  damit  einverstanden,  bei  allen  wichtigen 

a en  erheblic.hen  Differenzen,  die  sich  aus  der 
If  K  Honorierung  etc.  ergeben,  die  Vermittlung  und,  wenn 
dPn888d‘l7^/ntS1Cheiduiilg  der  Kommission  anzurufen,  wie  es  ähnlich  in 
PpiVhe  Vn  •  ,des  csten,  nicht  zum  Gesetz  erhobenen  Entwurfs  der 
Reichs-Versicherungs-Ordnung  vorgesehen  war. 

nichMApSrtniretndeFnerträ8:e1^eirden  von  der  Kompetenz  der  Kommission 
eLvenbdiphfrP  pE5pnS?  ge  l°,rt  eiu6  PrinziPielle  Stellungnahme  für  oder 
2"  die  Feie  Aerztewahl  nicht  zu  deren  Aufgaben.  Es  soll  viel- 
lebr,dem  Femn  ErmeSsen  der  Krankenkassen  überlassen  bleiben, 
sich  für  ein  beliebiges  Aerztesystem  selbst  zu  entscheiden 

ÄPr7Jpemv,gegenUber  verpflichten  sich  die  bei  der  Kommission  tätigen 
Aerzte,  ihren  ganzen  Einfluss  bei  den  zuständigen  Standesvertretungen 

kP,dtPnenZ-e°Tfni^tl0nen  da,!?in  geltend  zu  machen,  dass  Schwierig- 
keiten  beim  Abschluss  von  Kassenärzteverträgen  vermieden  werden 

gewährleistet*  ^edfnedllche  Lösung  der  Aerztefrage  und  -Versorgung 

•  i  Duas,  ^echt-  Kommission  als  Schiedsinstanz  anzurufen,  steht 
jeder  beteiligten  Krankenkasse  wie  den  Aerzten  in  gleicher  Weise  zu 
i  u  ede  Krankenkasse  kann  von  dieser  Vereinbarung  alle  zwei 
zurück”reten  ^ orausgegangener  vierteljährlicher  schriftlicher  Kündigung 

Das  Kommissionsabkommen  tritt  am  1.  Januar  1913  in  Kraft  und 
F  kMaCHSlibllvend  bis  zum  31.  Dezember  1914.  Nach  Ablauf  diese 
bel-Rhr^staften.“"1"11851011  beteiligten  Kreisen  einen  Tätigkeits- 

Von  Seite  der  Kassen  ist  das  Abkommen  von  der  Behörde  für 
das  Versicherungswesen,  allen  Ortskrankenkassen,  den  Betriebs- 

worden"^ ,nUngS  aSSun  and  freien  Hilfskassen  anerkannt 
u  oi  den.  Das  Abkommen  wird  noch  manche  Kritik  sich  gefallen  lassen 

Hamhurv  Id  do,ch  .vor  allsm  d'e  Einführung  der  freien  Arztwahl  für 
Hamburg  ad  calendas  graecas  vertagt  worden.  Aber  trotzdem  muss 
J,eder  ,.Kenner  der  hiesigen  Verhältnisse  das  Zustandekommen  einer 
^?rt’gen  paritätischen  Kommission  nur  mit  Freuden  begrüssen.  Sie 
Sp?  F-ntV°r  al  e™  einea  gissen  Schritt  vorwärts  auf  dem  Wege 

isf  mit'rtpn8^^  den  perz,ten  selbst  und  sie  zeigt-  Wie  es  möglich 
ist,  mit  den  Kassen  im  Frieden  zu  leben,  wobei  natürlich  jeder  Teil 

dt  EhSe  verzichten  muss.  Es  ist  sogar  möglich,  dass 

die  Hamburger  Einigungskommission  auch  für  andere  Städte  vorbild- 
hch  werden  kann,  wobei  natürlich  die  einzelnen  Punkte  je  nach  den 
lokalen  Verhältnissen  umgeändert  werden  müssten.  Aber  es  ist 
hier  doch  zum  ersten  Male  erreicht  worden,  was  seit  jeher  d°r 


46 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Wunsch  der  organisierten  Aerzteschaft  gewesen  ist  und  im  kleinen 
vielleicht  schon  hier  und  da  bestanden  hat,  eine  für  alle  Kranken¬ 
kassen  einer  Grossstadt  gültige  paritätische  zusammengesetzte  Eim- 
gungskommission,  der  sich  alle  Aerzte  und  Kassen  freiwillig  unter¬ 
werfen  Allerdings  hat  die  Aerzteschaft  Hamburgs  noch  nicht  ihr 
letztes  Wort  gesprochen,  da  erst  die  nächsten  Generalversammlungen 
der  grossen  Vereine  und  Standesorganisationen  endgültig  über  das 
Abkommen  beschlossen  sollen.  Aber  es  besteht  die  Hoffnung,  dass 
wir  auch  unter  den  Aerzten  zu  einer  Einigung  kommen  werden. 

J  a  f  f  e. 


Brief  aus  Konstantinopel. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  Cholera  und  ihre  Bekämpfung.  —  Eingreifen  des  Internatio¬ 
nalen  Gesundheitsrates.  —  In  San  Stefano.  —  Tätigkeit  des  Roten 
Kreuzes  und  des  Roten  Halbmondes. 

In  den  letzten  Wochen  nahmen  die  sich  ausbreitende  Cholera, 
das  Schicksal  der  von  der  Seuche  ergriffenen  Soldaten,  Auswanderer 
und  Einwohner  fast  mehr  das  Interesse  in  Anspruch,  als  der  Gang 
der  kriegerischen  Ereignisse.  Ueber  die  Ausdehnung  der  Krankheit, 
die  Zahl  der  von  ihr  befallenen  Soldaten  herrschten  unklaie  Vor¬ 
stellungen,  denn  über  die  Zustände  in  Hadem  kenj,  San  Ste¬ 
fano  und  in  den  Moscheen  Stambuls  gelangten  nur  wenig 
zuverlässige  Nachrichten  in  die  Oeffentlichkeit. 

Die  nach  Stambul  geleiteten  Choleratransporte  wurden  m  sechs 
grossen  Moscheen  untergebracht  und  unter  strenger  militänschei 
Bewachung  gehalten.  Im  ganzen  waren  in  diesen  Moscheen  2UUUU 
Mann  interniert;  unter  ihnen  waren  nur  20  Proz.  Cholerakranke  neben 
zahlreichen  Typhus-  und  Dysenteriekranken.  Viele  kamen  um.  ledig¬ 
lich  infolge  von  Erschöpfung  und  Hunger.  Die  Szenen,  die  sich  im 
Innern  und  auf  den  Höfen  dieser  Moscheen  abgespielt  haben,  spotten 
jeder  Beschreibung.  Es  scheint,  dass  die  Zustände  in  dei 
Aja  Sophia,  wohin  man  die  Cholerakranken  aus  allen  anderen 
Moscheen  schleppte,  am  schrecklichsten  waren.  An  einem  läge 
lagen  in  der  Aja  Sophia  8000  Kranke,  ln  weitem  Umkreis  hielten 
Bewaffnete  vor  den  vergitterten  Höfen  die  Wacht;  ein  übler  Geruch 
stieg  in  die  Luft,  kaum  unterdrückt  durch  den  überall  ausgestreuten 
Chlorkalk  Von  Ferne  sah  man  vor  den  grossen  Portalen  die  Toten 
auf  den  Steinplatten  liegen.  Erstaunt  war  man  nur  durch  die  Toten¬ 
stille,  die  über  dem  grossen  Gebäude  lagerte  und  die  sich  der  Um- 
gebung  mitzuteilen  schien.  Zwei  Tage  und  zwei  Nächte  blieben  die 
Eingeschlossenen  ohne  Nahrung;  kein  Arzt  und  kein  Pfleget  hatte  zu 
ihnen  Zutritt.  Später  wurde  zweimal  am  Tage  durch  das  Gitter  Brot 
und  Suppe  gereicht;  mit  alten  Dachrinnen,  Blumentöpfen  und  andeien 
Hilfsmitteln  schöpften  die  Glücklichen  die  Nahrung;  wieviel  davon 
zu  denen  gelangte,  die  nicht  mehr  sich  erheben  konnten,  ist  unbekannt. 
Sie  lagen  im  Innern  der  wunderbaren  Moschee  ganz  still,  ohne  Em¬ 
pörung,  wohl  ohne  etwas  anderes  zu  erwarten  als  den  Tod.  Es 
wurde  mir  gesagt,  dass  unter  ihnen  Viele  waren,  die  bei  Kirkkilisse 
geflohen  seien;  sicher  ist,  dass  sie  mit  Fusstritten  und  Stocken 
zurückgetrieben  wurden,  als  zum  ersten  Male  die  Toten  herausge¬ 
schleppt  wurden. 

In  jenen  Tagen  fühlte  sich  die  Regierung  dem  Umsichgreifen  der 
Epidemie  nicht  mehr  gewachsen  und  es  war  interessant  zu  sehen,  wie 
durch  das  Eingreifen  des  Internationalen  Gesund¬ 
heitsrates  sofort  Organisation  in  die  Bekämpfung  der  Krankheit 
kam  und  die  unglaublichen  Zustände  wie  mit  einem  Schlage  aufhörten. 

Es  wurden  vier  Unterkommissionen  gebildet,  von  denen  die  erste, 
unter  der  Leitung  des  Delegierten  Russlands,  Botschaftsarzt  Dr.  Wal¬ 
ther,  die  Bestattung  der  Leichen  und  die  Desinfektion  aller  Mo¬ 
scheen,  Bahnhöfe,  Geleise  sowie  der  Eisenbahnwagen  übernahm. 
Durch  diese  Kommission  wurden  1600  Leichen  beerdigt,  die  aus  den 
Moscheen  entfernt  wurden.  Für  jeden  I  oten  wurde  ein  mit  Zink 
gefütterter  Holzsarg  beschafft;  alle  Toten  wurden  ausserhalb  der 
Stadt,  vor  dem  Adrianopler  Tor  und  in  Skutari  beerdigt.  Alle 
Cholerakranken  wurden  nach  zwei  grossen  Hospitälern  ausserhalb 
der  Stadt,  1 1  d  i  s  und  M  a  1 1  e  p  e  transportiert;  die  Zurückbleibenden 
machten  eine  Quarantäne  durch,  wurden  dann  nach  der  Quarantäne¬ 
station  Kadak  am  oberen  Bosporus  zur  Desinfektion  gesandt  und 
zur  weiteren  Beobachtung  in  der  10  000  Mann  fassenden  Selimje- 
Kaserne  in  Skutari  interniert.  , 

Der  Boden  der  Aja  Sophia  war  mit  6 — 8  Lagen  Matten  bedeckt. 
Seit  40  Jahren  hatte  man  die  alten  liegen  lassen  und  mit  neuen  zu¬ 
gedeckt.  Das  alles  war  jetzt  verfault  und  mit  Unrat  durchtränkt; 
10  000  Quadratmeter  waren  mit  diesen  Matten  bedeckt.  Chlorkalk 
war  nicht  mehr  zu  haben;  10  Tage  brauchte  man,  nur  um  diese 
Matten  zu  verbrennen.  Die  grossen  Teppiche,  die  nach  Angabe  des 
Evkaf  einen  Wert  von  4  Millionen  Mark  besitzen  sollen,  wurden  nach 
Jedikule  zur  Desinfektion  geschickt.  Der  ganze  Fussboden  und  die 
Marmorwände  wurden  mit  Sublimat,  die  vergoldeten  Eisengitter  mit 

Formalin  desinfiziert.  ,  . 

Alle  Bahnhöfe,  Eisenbahnwagen  und  die  ganze  Bahnlinie  wurden 
zuerst  mechanisch  gereinigt,  dann  mit  kochendem  Wasser  abgespült, 
was  vermittelst  Schläuchen,  die  zu  Lokomotiven  leiteten,  leicht  be¬ 
werkstelligt  werden  konnte.  Das  Gras  der  Bahndämme  wurde,  wo 
nötig,  mit  Petroleum  übergossen  und  angezündet. 

Von  derselben  Kommission  ist  die  Desinfektion  der  städtischen 
Quartiere  in  Angriff  genommen  worden;  das  rasche  Sinken  der  Zahl 


der  Choleraerkrankungen  in  den  desinfizierten  Stadtvierteln  ist  auf¬ 
fallend.  Ueberall  stösst  man  auf  den  Widerstand  der  unverständigen 
Bevölkerung.  Leichen  werden  im  Hause  zuriickbehalten,  Erkran¬ 
kungen  sorgfältig  geheim  gehalten;  Bäckereien  konnten  erst  10  läge 
nach  in  ihnen  vorgekommenen  Cholerafällen  desinfiziert  werden,  aus 
Furcht  vor  Berufsschädigung  wird  die  Anzeige  umgangen. 

Durch  andere  Kommissionen  wurden  an  verschiedenen  Stellen 
der  Stadt  gut  gebaute  und  modern  eingerichtete  Baracken  mit  im 
ganzen  400  Betten  eingerichtet,  in  denen  erfahrene  Aerzte  die  Be¬ 
handlung  der  Cholerakranken  übernommen  haben. 

Die  Stadtpräfektur,  deren  Sitz  seit  einem  Jahre  der  vorzügliche 
Arzt  und  Chirurg  Djemil  P  a  c  h  a  inne  hat,  besitzt  infolge  Fehlens 
der  nötigen  Geldmittel  zu  wenig  Bewegungsfreiheit.  Ihre  Massregeln 
müssen  sich  daher  auf  Desinfektion  der  Häuser,  Isolierung  der 
Kranken  im  Hause  oder  ihre  eventuelle  Evakuierung  in  eines  der 
Cholerahospitäler  beschränken.  Gegenüber  den  guten  Erfolgen  des 
Internationalen  Gesundheitsrates  —  Deutschland  ist  wie  Belgien  m 
ihm  durch  einen  Juristen  vertreten,  während  alle  anderen  Staaten 
Mediziner  als  Vertreter  besitzen  — ,  die  durch  ein  fast  plötzliches 
Aufhören  der  Epidemie  gekennzeichnet  sind,  ganz  abzusehen  von  den 
400  000  M.,  die  bis  jetzt  der  Conseil  aus  eigenen  Mitteln  gegeben  hat, 
ist  es  interessant  zu  hören,  dass  die  Regierung  sorgfältig  vermeidet, 
das  Wort  „international“  zu  gebrauchen  und  immer  nur  von  „notre 
conseil"  spricht.  Die  vom  Minister  des  Innern  einmal  mündlich  ge¬ 
brauchte  richtige  Bezeichnung  —  es  handelte  sich  um  Bereitstellung 
einer  grösseren  Summe,  die  ihm  auch  bewilligt  ^wurde  wurde  bei 
der  späteren  Protokollierung  als  „lapsus  linguae  bezeichnet! 

Man  darf  diese  grosse  und  erfolgreiche  Arbeit  des  Internationalen 
Gesundheitsrates  nicht  als  eine  Liebestätigkeit  auffassen,  denn  diese 
Institution  ist  dazu  da,  die  internationale  Schiffahrt  und  Europa  vor 
dem  Eindringen  der  Cholera  zu  schützen.  Ihre  Massnahmen  und  die 
dafür  aufgewandten  Mittel  kommen  daher  auch  allen  Ländern  zugut, 
deren  Handelsverkehr  mit  der  Türkei  durch  diese  Epidemie  ge¬ 
schädigt  wird.  ,  ,  ..  .  ,  . 

In  den  letzten  Tagen  zeigt  die  Choleraepidemie  eine  starke  Ab¬ 
nahme;  in  den  europäischen  Vierteln  sind  überhaupt  nur  wenige 
Fälle  vorgekommen. 

Auch  in  San  Stefano  ist  durch  das  Eingreifen  der  von  der 
Regierung  gebildeten  Cholerakommission  in  kurzer  Zeit  Be¬ 
deutendes  geleistet  worden.  Man  muss  sich  vergegenwärtigen, 
welche  Zustände  Mitte  November  in  dem  freundlichen,  seiner  Sauber¬ 
keit  und  Gesundheit  wegen  bekannten  Städtchen  herrschten,  dessen 
von  Gärten  umgebene  Landhäuser,  an  breiten  Strassen  und  weiten 
Rasenflächen  gelegen,  sich  zwischen  der  nach  Konstantinopel  führen¬ 
den  Bahnlinie  und  dem  Marmarameer  ausdehnen. 

Nachdem  durch  die  von  den  Botschaftern  unternommenen 
Schritte  die  Choleratransporte  nicht  mehr  nach  Konstantinopel  hinein¬ 
gelangen  konnten,  wurden  alle  Züge  mit  Cholerakranken  in  dem  etwa 
12  Kilometer  vor  den  Mauern  gelegenen  San  Stefano  angehalten. 
Täglich  wurden  dort  2000  Soldaten  ausgeladen,  lote.  Sterbende  und 
Kranke.  Die  Züge  hielten  auf  dem  8  m  hohen  Bahndamm,  der  nach 
Norden  zu  eine  grosse  Wiese  inmitten  der  Stadt  begrenzt.  Hunderte 
rollten  die  Böschung  herunter,  bis  sie  unten  im  tiefen  Schmutz  liegen 
blieben;  Tote  wurden  in  der  Eile  mit  den  Füssen  befördert.  Wer 
noch  Kraft  hatte,  verkroch  sich  an  einem  Haufen  Steine,  unter  einem 
Baum,  in  irgend  einen  Graben.  Die  ganze  Wiese  und  die  angrenzen¬ 
den  Felder  waren  bedeckt  von  diesen  Unglücklichen,  denen  niemand 
Hilfe  noch  Nahrung  bringen  konnte.  Von  5000  Mann,  die  hier  im 
Freien  lagen,  starben  2500.  Die  Leichen  lagen  tagelang  in  Haufen 
umher,  auch  weithin  auf  den  Feldern  nach  Konstantinopel  zu.  Viele 
Häuser,  aus  denen  die  Besitzer  geflohen  waren,  wurden  mit  Kranken 
belegt.  Raum  für  grössere  Menschenmengen  war  nirgends  vor¬ 
handen;  die  wenigen  öffentlichen  Gebäude  waren  in  Proviantdepots 
verwandelt.  Nach  wenigen  Tagen  befanden  sich  in  und  bei  San 
Stefano  20  000  Manu  cholerakranke  und  choleraverdächtige  Truppen, 
unter  ihnen,  wie  sich  später  erwies,  viele,  die  an  Typhus  und  Dy¬ 
senterie  litten.  Ihre  Ausscheidungen  bedeckten  weithin  die  Felder; 
in  beschmutzten  Kleidern  verschleppten  die  Genesenden  überallhin 
die  Infektionsstoffe.  Von  der  Ferne  gesehen,  hörte  man  nur  wenig 
Stöhnen  und  Wimmern  von  denen,  die  sich  in  Krämpfen  auf  der 
Erde  wälzten.  Es  weinten  aber  auch  anscheinend  Gesunde  ob  des 
furchtbaren  Schicksals  ihrer  Kameraden.  Ein  dünner  Militärkordon 
hielt  die  Massen  schliesslich  zusammen. 

Das  alles  war  urplötzlich  gekommen;  niemand  war  darauf  vor¬ 
bereitet.  Aehnlichen  Lagen  gegenüber  können  sich  auch  besser 
organisierte  Heere  befinden.  Was  hier  an  schrecklichen  Einzelheiten 
in  hundertfacher  Wiederholung  sich  ereignete,  wird  überall  anders 
auch  nicht  mehr  zu  vermeiden  sein,  wo  die  zwei  Geissein  der 
Menschheit,  Krieg  und  Cholera,  sich  vereinen. 

Durch  die  Arbeiten  der  Cholerakommission  änderte  sich  all¬ 
mählich  dieses  traurige  Bild.  Alle  Toten  wurden  in  grossen  Gruben 
ausserhalb  der  Stadt  begraben;  eine  Schicht  Leichen,  eine  Schicht 
Kalk.  Ihre  Kleider  verbrannte  man  tagelang  am  Meeresstrand.  Ge- 
bäude  wurden  geräumt  und  mit  Schwerkranken  belegt,  Nahrung  und 
Decken  herbeigeschafft.  Nach  einem  Plan,  den  W  i  e  t  i  n  g  -  P  a  c  ti  a 
entworfen  hatte,  sollten  alle  Truppentransporte  ausserhalb  San  Ste¬ 
fano  angehalten  und  in  grossen  Baracken  untergebracht  werden, 
deren  Lage  auf  einem  sanft  zum  Meere  abfallenden  Terrain  eine 
weitere  Verseuchung  der  Stadt  verhinderte.  Dem  Kommandanten 
von  San  Stefano  erschien  dieser  Plan  wohl  zu  umständlich,  der 


7.  .fatiuar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRfF' 


Transport  der  Kranken  zu  weit.  Er  Hess  unmittelbar  neben  dem 
Bannhof  grosse  Baracken  errichten,  auf  einem  Terrain,  das  sein  Ge¬ 
falle  gegen  die  Stadt  hat.  Eine  Isolierung  war  nicht  möglich,  nirgends 
wurden  Aborte  gebaut,  rings  um  die  Baracken,  die  weder  Licht,  noch 
Heizung,  noch  Betten  besassen,  sassen  die  Kranken  auf  den  Feldern 
und  veriichteten  ihre  Notdurft.  Das  Alles  inmitten  des  regsten  Be¬ 
triebs.  Der  Kommandant  wurde  abgesetzt,  der  ursprüngliche  Plan 
W  i  e  1 1  n  g  s  in  Ausführung  gebracht. 

banden  sich  noch  an  fünf  verschiedenen  Punkten  um  San 
Stefano  herum  Zeltlager  und  Baracken,  letztere  z.  T.  noch  im  Bau. 
n  ,  ,.!e  ‘  Stacken  am  Bahnhof  beherbergen  Rekonvaleszenten  und 
Geheilte,  die  auf  ihren  Weitertransport  warten.  Vier  grosse  gan? 
moderne  Zeke,  von  einer  Kasseler  Firma  geliefert,  am  östlichen  Ende 
der  Stadt,  geben  Raum  für  alle  nicht  ansteckenden  Kranken.  In  der 
griechischen  Schule  und  zahlreichen  auf  dem  Felde  neben  ihr  be¬ 
findlichen  Zelten  werden  durch  eine  Abteilung  des  amerikanischen 
Roten  Kieuzes,  das  jetzt  durch  die  englische  Mission  abgelöst  wurde 
Cholera-,  Typhus-  und  Dysenteriekranke  behandelt.  Weiter  entfernt 
stehen  10  grosse  Zelte  des  roten  Halbmondes,  die  z.  T.  schon  in 
Tripolis  Verwendung  fanden. 

i  •  ,Die.  ^ebe  erscke‘nen  für  den  hiesigen  nasskalten  Winter  zu 
leicht,  sind  schlecht  zu  heizen  und  machen  vielfach  den  Eindruck¬ 
es  Improvisierten.  Man  steht  im  Begriff  an  ihrer  Stelle  10  Dök- 
k  e  r  sehe  Baracken  zu  setzen,  die  durch  den  Internationalen  Gesund¬ 
heitsrat  beschafft  wurden. 

Einen  geradezu  erfreulichen  Anblick  bietet  jene  Wiesenland¬ 
schaft,  wo  im  Westen  von  San  Stefano  das  Steilufer  allmählich  gegen 
den  schonen  Strand  von  Floria  absinkt.  Hier  werden  10  grosse 
Baiackenbauten  errichtet,  von  denen  8  für  Kranke,  eine  für  Labora- 
tonumszwecke  und  das  Hauptdepot  bestimmt  sind:  ein  kleinerer 
Bau  beherbergt  die  Feldküche  und  die  Wohnung  für  Aerzte  und  den 
Imam.  In  den  Krankenbaracken  befindet  sich  ein  Mittelbau  mit 
-4  kleineren  Raumen,  die  als  Theeküche,  Depot,  Wäscheraum  und  Ess- 
taum  fut  Angestellte  dienen;  zu  beiden  Seiten  befindet  sich  je  ein 
grosser  Krankensaal,  der  in  vorzüglicher  Weise  eingerichtet  ist.  Jede 
Baracke  enthalt  60  Betten.  Licht,  Heizung,  Desinfektion,  Pflege  und 
mnahiung  sind  aufs  Beste  in  Ordnung.  Alle  Baracken  stehen  senk¬ 
rech.  zum  15  m  hohen  Steilufer  des  Meeres,  von  ihm  nur  wenige 
Meter  entfernt.  Zwischen  Baracke  und  Steilufer  stehen  die  AborV- 
-lage"’  dL!e,.lhrer!.  Inkalt  m  einen  tiefen  Graben  entleeren,  der  täglich 
mit  Chlorkalk  bedeckt  wird.  Was  durch  den  Steilabfall  durchsickert, 
geht  im  Meere  zugrunde.  Jede  Baracke  enthält  nur  eine  Art  Kranke] 
so  dass  jetzt  Cholera,  Typhus  und  Dysenterie  sicher  von  einander 
getrennt  werden  können.  Der  tägliche  Zug,  der  von  dem  grossen 

P  atH  HaQem^efnj  alIe  Kranken  nach  Konstantinopel  be¬ 
ordert,  wird  vor  San  Stefano  unmittelbar  zur  Seite  dieses  Baracken¬ 
agers  angehalten  und  alle  infektiösen  Kranken  werden  hier  ausge¬ 
laden.  Zurzeit  sind  nur  noch  1200  Kranke  in  San  Stefano  vorhanden. 

Den  ärztlichen  Dienst  versehen  türkische  Militärärzte  vom  Gül- 
lane-Lehrk  rankenhaus,  Mitglieder  der  Missionen  des  türki- 
nnd  agypt‘schen  roten  Halbmondes,  des  amerikanischen  und 
-  lglischen  roten  Kreuzes,  sowie  eine  Abteilung  der  dritten  Mission 
Jes  deutschen  roten  Kreuzes  (Dr.  G  e  i  s  s  1  e  r  -  Stettin).  Dieser  Arzt 
iat  eine  sehr  dankbare,  aber  auch  gefährliche  Aufgabe  zu  lösen. 

r.  Geissler  hat  eine  zweifache  Tätigkeit.  Er  soll  erstens  bak¬ 
teriologisch  Dysenterie,  Typhus  und  Cholera  feststellen,  um  die 
p(?*1®r,UI]g  der  spezifisch  Erkrankten  in  besonderen,  nur  für  die  ein- 

^weitPn!ek«nnnlkrankheit-bentimSten  Baracken  zu  ermöglichen  sowie 
zweitens  soll  er  hygienischer  Berater  des  Leiters  der  Cholerabe- 

ä  E  UTmfnSnahmen  S?'n‘-  ..Sein  Hauptaugenmerk  ist  darauf  ge- 
Ld'e„^  gange  tU  desinflziere'b  Dauerausscheider  als  ständige 
ÄSCTt  ♦  211  erkennen  persönliche  Prophylaxe  durchzuführen, 

mische  Untersuchungsresultate  der  verschiedenen  Aerzte  bakterio- 
VWh1’  ,sero'oglsch  und  durch  Tierversuch  zu  ergänzen.  Die  vielen 
nS' er.kranklJmgen  erfordern  geradezu  eine  solche  Tätigkeit.  Das 
p  'a laboratoriuin  lst  glanzend  eingerichtet;  man  sieht  dem  Kol- 

"  °b  Sei”r  Arteit'  ™ 

Die  Zahl  der  in  Konstantinopel  befindlichen 
ienHnnriPr^P  rlv!  MC+hmilzt  alImahlich  etwas  zusammen;  täglich  wer- 
uSkt  MlPr  Pp?  heii  auf  der  g[ossen  Taximkaserne,  dem  Sammel- 
fe  Ä  SValeSZenteun’  entlassen-  In  langen  Reihen  sieht  man 

darpk  die  Strassen  ziehen.  90  grosse  Gebäude,  z.  T.  mehrere 
lausend  fassemi,  waren  mit  Verwundeten  belegt;  Schulen  Lvzeen 
niversitatsgebaucle  und  Moscheen  werden  auf  Anordnung  des  Ünter- 
(?nkS'SteriUmS  geraumt  und  so  die  noch  Kranken  in  allen 
ernachlässür/p11  f"u  den,.gro,ssen  Kasernen  konzentriert.  Zahlreiche 
onnS  1  gt  Fa,lle’  r£e  keine  geeignete  ärztliche  Hilfe  finden 
den  Chirurgen  neue  und  schwierigere  Arbeit  als 
ersten  Tagen  des  Krieges.  Eine  ganz  streng  üurchgefiihrte 
;vakuierung  der  170  000  Mann  starken  Tataldscha-Armee  von  allen 

S  n6"  pf  r,rn£t  me  t  läglich  60°-S00  innere  Kranke  nach  Kon- 
tantmopel,  fur  die  auch  gesorgt  werden  muss,  wenn  es  sich  auch 
'esentheh  nur  um  leichtere  Erkrankungen  handelt. 

hipVp  "  reiCfhei  Hande  rühren  sich  noch-  um  Wäsche-  und  Kleidungs- 
lUe  änzufertigen;  grosse  Mengen  wurden  aus  Aegypten  und  Iti- 

i5iierhurgesandt  und  auch  an  Geldmitteln  fehlt  es  keineswegs 
Manche  neue  Missionen  des  roten  Halbmondes  und  des  roten 
meuzes  sind  hier  angelangt  und  in  Tätigkeit;  ihre  Mitglieder  ge- 
oren  fast  schon  zum  Strassenbilde  Peras  S  ge 


47 


.  Die  d  r  i  1 1  e  M  i  s  s  i  o  n  des  deutschen  roten  Kreuzes 
m  Konstantmopei  hat  sich  der  unter  der  Leitung  von  Prof.  Reich 
stehenden  ägyptischen  Mission  angeschlossen.  Die  ägyptische  Mis¬ 
sion  umfasst  allein  20  ägyptische  Aerzte,  die  z.  T.  in  San  Stefano, 
L;  in,  den  H°spitalern  des  asiatischen  Ufers  beschäftigt  sind. 
Die  deutsche  Abteilung  besteht  aus  den  Aerzten  Dr.  Dreye  r- 
Breslau  und  Dr.  G  e  i  s  s  1  e  r  -  Stettin,  sowie  10  Rote-Kreuz-Schwe- 

sln  stPfonpmninn  nd  Dr'  Q.e,.issler  arbeiten  3  Schwestern  in 
.  -  tefano.  Dr.  Dreyer  übernahm  die  chirurgische  Abteilung 

e,nes  Krankenhauses  in  Beylerbey  dicht  neben  dem  sSen 
Palais  gelegen,  das  jetzt  Abdul  Hamid  bewohnt.  Arzt  und  Schwestern 
wohnen  in  einem  daneben  gelegenen  grossen  Konak  eines  vornehmen 
I  uiken  und  sind  sehr  schön  versorgt.  In  San  Stefano  mussten  zuerst 
10  cholerakranke  Offiziere  aus  einem  Häuschen  an  der  Cholerawiese 
entfernt  werden,  um  Platz  für  Aerzte  und  Schwestern  zu  schiffen 

Ganz  vorzüglich  ist  die  h  o  1 1  ä  n  d  i  s  c  h  e  M  i  s  s  i  o  n  organisiert 
unter  Leitung  von  Prof  L  i  n  g  b  e  c  k  -  Haag.  Sie  umfasst  5  Aerzte, 
in  aUleS  D-n  (Und  5  Pfleger,  hat  eigene  Operationszimmer,  grosse 
Apotheke,  Rontgenapprircit  und  Küche  mitgebracht,  ferner  100  kom- 
plette  Letten  mit  Nachttischen  und  Stühlen,  Proviant  für  100  Kranke 
auf  6  Monate  und  ausserdem  180  000  M.  in  bar.  Alles,  was  die 
türkische  Verwaltung  diesem  Lazarette  liefert,  wird  von  der  Mission 
bezahlt.  Da  mutet  es  doch  sonderbar  an,  dass  die  türkische  Zoll¬ 
verwaltung  es  sich  nicht  hat  nehmen  lassen,  für  die  mitgebrachten 
Nahrungsmittel  Zoll  zu  erheben!  geo  c 

,  ft  Fblu  grpsse  indische  Mission  ist  Mitte  Dezember  einge¬ 
troffen,  hat  aber  mit  ihrer  Arbeit  noch  nicht  begonnen.  Ein  Teil  des 
englischen  roten  Kreuzes,  das  ja  vorzüglich  für  den  Dienst 
mi  Felde  eingerichtet  ist,  arbeitet  schon  seit  mehreren  Wochen  an 
der  I  schataldschalmie.  Ein  eigenartiges  Schicksal  traf  eine  Abteilung 
des  rumänischen  roten  Kreuzes.  Sie  war  nach  Dedea- 
gatsch  kommandiert,  wurde  von  den  Griechen  mit  Beschlag  belegt 
und  nach  1  riest  befördert,  wo  sie  weitere  Erlebnisse  erwartet  Was 
aus  ihr  geworden  ist,  ist  mir  nicht  bekannt.  Das  österreichi¬ 
sche  rote  Kreuz,  das  nur  kurze  Zeit  hier  wirken  konnte,  wurde 
heimberufen  Die  zweite  Mission  des  deutschen  roten  Kreuzes,  über 
die  ich  das  letzte  Mal  berichtete,  musste  aus  den  oben  erwähnten 
Gründen  das  Lyzeum  von  Sultamch  räumen  und  wird  wahrscheinlich 
mit  der  ersten  Mission  zusammen  in  Gümiischssu  arbeiten 

Viel  Opfersinn  wurde  auch  von  Schweizer  Seite  gezeigt : 
die  kleine  Schweizerkolonie  Konstantinopels  hat  in  einem  grossen 
-chulgebaude  Stambuls  ein  Hospital  eingerichtet,  in  dem  150  Ver¬ 
wundete  Aufnahme  finden  können. 

Ein  Aufruf  zur  Gründung  eines  Invaliden-  und 

ip/J1  P  P  cl  d11  s  *n  der  am  Kusse  des  bithynischen  Olymps  ge¬ 
legenen  Stadt  Br  ussa,  die  weithin  ihrer  heissen  und  heilkräftigen 

anffP.rp<IeHen  n  enUhn-  1itLgeht  du!^ch  die  Zeitungen  Konstantinopels, 
angeregd  durch  die  Direktion  von  Gülhane.  Noch  fliessen  die  Gaben 

dafür  nicht  reichlich,  denn  niemand  weiss,  was  die  nächsten  Tage 
mngen  werden  und  ob  nicht  das  Elend  eines  von  neuem  ent¬ 
brennenden  Krieges  alle  Mittel  in  Anspruch  nehmen  wird. 


Dr.  S  c  h  1  e 


i  P. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  13.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer :  Herr  S  t  i  e  d  a. 

Herr  Emil  Schepelmann:  Zur  Chirurgie  der  Segelklappen¬ 
stenose  des  Herzens. 

Seit  mehreien  Jahren1)  beschäftigt  sich  der  Vortragende  mit 
dem  Gedanken,  die  Herzchirurgie,  die  sich  bis  auf  die  Kardiolyse  die 
Versorgung  blutender  Wunden  und  —  in  seltenen  Fällen  — '  auf 
^.ie  I  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  sehe  Lungenembolieoperation  beschränkt 
Gm  I  lerexperiment  wenigstens)  auch  auf  die  Erkrankungen  des 
Klappenapparates  auszudehnen.  Es  kommen  hier  in  erster  Linie 
die  Verengerungen  der  Atrioventrikularklappen  in  Frage  die 
eine  weit  schlechtere  Prognose  geben  als  die  Insuffizienzen;  'jenen 
wendet  er  daher  in  vorwiegndem  Masse  sein  Interesse  zu 

Im  Beginn  der  experimentellen  Arbeiten  suchte  er  iiun  eine 
d  ‘!..e  k  t e  Umwandlung  der  Stenose  in  eine  Insuffizienz  herbei- 
zutuhren,  und  zwar  durch  Operation  am  erkrankten  Segel  selbst  Die 
1  echnik  war  folgende ;  Mit  Hilfe  des  B  r  a  u  e  r  sehen  Apparates '  wird 
bei  Hunden  und  Kaninchen  durch  einen  Längs-  oder  LappenschniP 
das  Herz  vollständig  freigelegt,  der  Herzbeutel  eröffnet,  die  Spitze 
angeschlungen  und  nun  mittels  eines  besonders  konstruierten  Sichel¬ 
messers,  des  sogen.  Chordotoms,  durch  die  vordere  Ventrikelwand 
m  die  Kammer  eingegangen,  um  die  Segelklappen  (die  z.  B.  bei 
einer  Mitra  Stenose  verwachsen  sein  würden)  unter  Leitung  des 
linken,  dei  lnnteien  Kammerwand  aufliegenden  Zeigefingers  zu  inzi- 
dieren  odj-i  die  sich  straff  anspannenden  Chordae  tendineae  zu  zer¬ 
stören.  Die  Durchbohrung  der  Muskulatur  des  Herzens  geschieht 

)  Vgl.  Schepelmann;  Versuche  zur  Herzchirurgie.  Arch  f 
klm.  Chirurgie,  Bd.  97,  1912. 


48 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


mit  dem  spitzen,  die  Cliordotomie  mit  dem  stumpfen  Sichelmesser. 
Um  Blutaustritt  zu  verhindern,  wird  schon  vor  dem  Einstechen  des 
Messers  eine  Fadenschlinge  gelegt,  die  nötigenfalls  nur  geknotet  zu 

werden  braucht.  ,  ,  , 

So  einfach  die  Technik  auch  ist,  so  besteht  doch  die  ausserordent¬ 
lich  hohe  Gefahr  der  ungewollten  Verletzung  gewisser  empiindhcher 
Stellen  der  Atrioventrikulargrenze:  sofort  bleibt  der  Ventrikel  in 
Diastole  stehen,  und  obwohl  die  Vorhöfe  weiter  schlagen  und  die 
Respiration  keine  Störung  erleidet,  erfolgt  binnen  kürzester  Zeit 
unter  Krämpfen  der  Tod. 

Um  dieser  verhängnisvollen  Nebenverletzung  vorzubeugen,  er- 
öffnete  er  in  einer  Reihe  anderer  Fälle  die  Kammer  breit  mit  Skapell 
und  resezierte  die  Segelklappen  unter  Leitung  des  Auges  mit  Schere 
und  Pinzette.  Die  dazu  erforderliche  Blutleere  erzielte  er  durch  Ab¬ 
klemmen  der  grossen  Körpervenen  nahe  dem  Herzen  mittels  be¬ 
sonderer  Instrumente,  wobei  allerdings  die  Quetschung  der  Nerven 
peinlichst  zu  vermeiden  war.  Da  diese  Abklemmung  ohne  Gefahi 
nicht  länger  als  ca.  1— VA  Minuten  ertragen  wird,  so  ist  schnellstes 
Operieren,  oft  auf  Kosten  der  Exaktheit,  geboten,  und  hierin  liegt 
der  grosse  Nachteil  der  Methode. 

Darnach  konnte  es  für  Sch.  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
beide  Operationsweisen  wegen  der  unberechenbaren  üblen  Zutalk. 
nie  klinische  Bedeutung  gewinnen  würden.  Nichtsdestoweniger  hielt 
er  am  Gedanken  der  Klappenchirurgie  fest  und  kam  dann  schliesslich 
auf  eine  Methode,  mittels  der  sich  —  ohne  empfindliche  Herzstellen 
zu  berühren  —  dennoch  die  Blutstauung  oberhalb  der  verengten 
Stelle  beseitigen  Hess.  Er  verband  nämlich  zunächst  die  beiden  Herz¬ 
ohren,  die  er  durch  entsprechend  gearbeitete  Klemmen  fixierte  und 
blutleer  machte,  durch  einen  Kanal,  den  er  aus  der  Aorta  eines  frisch 
getöteten  Kaninchens  herstellte,  und  leitete  dadurch  das  Blut  aus  d^i 
überfüllten  rechten  Vorkammer  (wenn  beispielsweise  eine  angeborene 
Trikuspidalstenose  zugrunde  gelegt  wird)  in  die  wenig  gefüllte 
linke  Vorkommer  und  von  da  in  die  linke  Herzkammer.  Um 
nun  aber  das  überschüssige  Blut  doch  wieder  der  Pulmonahs  zu¬ 
gute  kommen  zu  lassen,  stellte  er  eine  zweite  Kommunikation 
zwischen  rechtem  und  linkem  Ventrikel  her,  und  zwar  auf  I°Igeu  e 
Weise-  Mit  einer  Gefässklemme  wurde  die  distale  Hälfte  beider 
Herzkammern  blutleer  gemacht,  dann  eröffnete  er  die  linke  Kammer 
durch  einen  Frontalschnitt  auf  ihre  Spitze,  ging  in  die  Wunde  mit 
einer  Art  Polypenzange  ein  und  resezierte  aus  dem  Septum  mus- 
culare  ventriculorum  ein  genügend  grosses  Stück. 

Alle  Nähte  am  Kaninchenherzen  müssen  mit  Gefässnadeln  und 
Gefässeide  ausgeführt  werden,  und  zwar  nähte  Schepelrnann 
vorwiegend  forjlaufend.  An  den  Herzohren  genügte  meist  eine  Reihe, 
am  Ventrikel  ist  eine  dreifache  Etagennaht  zur  Vermeidung  Pr'marei 
Blutung  und  besonders  sekundärer  Dehiszenz  und  Aneuiysmabildung 
unbedingtes  Erfordernis. 

Legt  man  sich  das  Herz  unter  Anwendung  des  Druckdifferenz¬ 
verfahrens  genügend  weit  durch  Lappenschnitt  frei,  vermeidet  man 
jeden  Zug  am  Vagus,  jeden  Druck  in  der  Gegend  der  Basis  des  rechten 
Herzohres,  zu  starke  Quetschung  der  Ventrikel  mit  der  Klemme, 
verfügt  man  ferner  über  ein  geeignetes  Instrumentarium,  wie  es 
Sch.  demonstriert  (s.  Abbildung),  so  besteht  für  die  Kaninchen  keine 


vor,  die  sich  jedoch  beim  Menschen  wesentlich  einschränken  lassen 

Zweifellos  bedarf  diese  Operation  noch  weiteren  Ausbaues,  aber 
sie  eröffnet  uns  doch  schon  einen  Blick  auf  die  Wege,  die  in  Zukunft 
von  der  Herzchirurgie  zu  beschreiten  sein  werden. 

Herr  Denker:  Zur  Technik  der  Verwendbarkeit  der  lnter- 

cricothyreotomie.  .  ,  ,  ,  .. .  . 

Der  Vortragende  spricht  über  die  Ausführung  des  von  ihm  in  der 
vorigen  Sitzung  demonstrierten  Eingriffes  zur  schnellen  Eröffnung  der 
Luftwege  bei  dringender  Lebensgefahr  und  berichtet 
über  die  Verwendbarkeit  des  Verfahrens.  Er  hat  schon  vor  5  Jahren, 
als  die  erste  Publikation  Boteys  über  die  Intercricothyreotonne 
erfolgte,  Versuche  an  der  Leiche  angestellt,  bei  denen  sich  heraus¬ 
stellte,  dass  die  von  B  o  t  e  y  zuerst  empfohlene  Durchstossung  des 
Ligam.  conic.  und  der  darüber  liegenden  Weichteile  mit  einem 
entsprechend  abgebogenen  Trokar  nicht  ungefährlich  ist,  weil  dabei 
Verletzungen  an  der  hinteren  Kehlkopfwand  beobachtet  wurden. 
Bessere  Resultate  ergab  das  Vorgehen,  über  welches  B  o  t  e  y  im 
vorigen  Jahr  auf  dem  internationalen  Laryngologenkongress  in  Berlin 
berichtete,  das  folgendermassen  ausgeführt  wird:  Bei  Rückenlage  des 
Patienten  wird  der  Kopf  stark  nach  hinten  extendiert,  dei  Kehl¬ 
kopf  zwischen  Daumen  und  Mittelfinger  der  linken  Hand  genommen 
und  mit  dem  Zeigefinger  die  Gegend  des  Ligamentum  conicum  pal- 
piert.  Dann  wird  ein  zweischneidiges  Messer  quer  durch  dieses 
Band  in  den  Kehlkopf  gestossen  und  darauf  schnell  eine  mit  einem 
Mandrin  versehene  Kanüle  eingeführt.  ,  , 

Denker  hat  durch  den  Assistenten  seiner  Klinu,  Oberstabs¬ 
arzt  a.  D.  Dr.  D  o  e  r  i  n  g,  an  50  Leichen  verschiedenen  Alters  da¬ 
rüber  Untersuchungen  anstellen  lassen,  ob  bei  diesem  Eingriff  Neben¬ 
verletzungen  eintreten  können.  Es  zeigte  sich  bei  diesen  Versuchen, 
dass  bei  der  Anwendung  von  Messern,  welche  die  Grösse  und  Raum¬ 
verhältnisse  des  Larynx  berücksichtigen,  weder  Gefässverletzungen 
noch  eine  Läsion  der  Hiriterwand  zu  befürchten  sind,  wenn  man 
direkt  am  oberen  Rand  des  palpierten  R  i  n  g  k  n  o  i 
pels  einsticht.  Der  Vortragende  hatte  Gelegenheit,  auch  a  m 
Lebenden  den  Eingriff  mit  vollem  Erfolge  auzuführen  (Der  Vor¬ 
trag  wird  in  extenso  an  anderer  Stelle  und  mit  Angabe  der  ver¬ 
schiedenen  Indikationen  veröffentlicht  werden.) 

Das  von  Denker  zusammengestellte,  für  den  Eingriff  erforder¬ 
liche  Instrumentarium  ist  bei  der  Instrumentenfabrik  Fr.  B  aum- 
g  a  r  t  e  1  in  Halle  a/S.,  Gr.  Steinstrasse  17,  zu  beziehen. 

Diskussion:  Herren  v  .Bramann,  Denker. 

Herr  C.  Fraenken:  Ueber  die  Pocken. 

Vortragender  gibt  einen  Ueberblick  über  die  bisher  bei  dem 
Studium  der  Pocken  erzielten  mikrobiologischen  Befunde.  Er  er¬ 
wähnt  zuerst  die  von  G  u  a  r  n  i  e  r  i  herrührenden  Beobachtungen, 
die  von  einer  ganzen  Reihe  von  Nachuntersuchungen  eine  weit¬ 
gehende  Bestätigung  erhalten  haben.  So  betont  er  vor  allen  Dingen 
die  Arbeiten  von  Wasielewski,  der  hier  im  Hygienischen  In¬ 
stitut  der  Universität  Halle  vor  etwa  12  Jahren  ausserordentlich  sorg- 
fähige  und  beweiskräftige  Ergebnisse  erzielt  hat.  Namentlich  hebt 
F.  hervor,  dass  von  Wasielewski  damals  die  G  u  a  r  n  i  e  r  i  - 
sehen  Körperchen  in  der  Hornhaut  des  Kaninchens  durch  30  Gene¬ 
rationen  hindurch  übertragen  und  schliesslich  mit  der  letzten  bei 
einem  Kinde  einen  durchaus  zweifellosen  Impfausschlag  erzielt  hat. 
Kann  man  also  nicht  daran  zweifeln,  dass  auf  dem  hiei  in  Rede 
stehenden  Wege  sich  eine  Züchtung  des  Variola-  oder  Vakzineerregers 
erzielen  lässt,  so  haben  doch  die  eben  erwähnten  Befunde  von 
H  ii  c  k  e  1  u  a.  m.  eine  eingehende  Kritik  erfahren,  die  freilich  das 
Spezifische  der  G  u  a  r  n  i  e  r  i  sehen  Körperchen  für  den  1  ocken- 
prozess  nicht  anzweifeln  konnten,  die  aber  bestritten,  dass  hier  der 
Erreger  gefunden  sei,  vielmehr  in  den  Einschlüssen  nur  Zellverunde- 
rungen  erblicken  wollten,  die  unter  dem  Einfluss  der  noch  unbekannten 
Infektion  sich  ereignet  hätten.  Im  Jahre  1910  hat  dann  Paschen 
in  Hamburg  einen  Mikroorganismus  beschrieben,  den  er  in  vielen 
Fällen  von  Variola  und  von  Vakzine  gefunden  haben  wollte,  und  der 
durch  die  Untersuchungen  von  V  o  1  p  i  n  o,  von  C.  Fraenken  usw. 
auch  in  der  Tat  hat  bestätigt  werden  können.  Ob  es  sich  hier  um 
einen  Mikroben  handelt,  der  unter  allen  Umständen  von  dem  durcli 
G  u  a  r  n  i  e  r  i  usw.  beschriebenen  getrennt  werden  muss,  halt  der 
Vortragende  noch  für  eine  offene  Frage.  Hat  man  z.  B.  gesagt,  dass 
der  Guar  nierische  Cytoryctes  wegen  seiner  Grosse  bakterien¬ 
dichte  Filter  nicht  passieren  könne,  dass  das  durch  solche  Filter  ge¬ 
gangene  Pockensekret  aber  doch  infektiös  sei,  so  ist  diese  Tatsache 
ohne  weiteres  zuzugeben,  aber  darauf  hinzuweisen,  dass  der 
Cvtoryctes  auch  junge  Formen  bildet,  die  nach  ihren  Grössenver- 
hältnissen  von  vornherein  die  Filter  zu  durchwandern  imstande  sein 


primäre  Lebensgefahr,  sobald  man  erst  die  Technik  genügend  be¬ 
herrscht.  An  dem  vorgelegten  Herzen  getöteter  Tiere  liess  sich  die 
vollständige  glatte  Einheilung  des  Kanals  erkennen,  der  allerdings 
nach  Wochen  und  Monaten  etwas  schrumpfte,  weil  der  Blutdruck  in 
ihm  bei  den  vorher  gesunden  Kaninchen  fehlte;  bei  vorhandener 
Segelklappenstenose  würde  wahrscheinlich  das  durchströmende  Blut 
der  Verengerung  entgegenwirken. 

Sekundär  kommen  zwar  Todesfälle  an  Pneumonie  und  Sepsis 


müssen.  _T  „  ,  > 

Im  übrigen  hebt  der  Vortragende  an  der  Hand  von  Karten  un 
Photogrammen  hervor,  wie  Deutschland  trotz  der  Einschleppungen 
von  Pocken  in  jedem  Frühjahr  durch  Sachsengänger  und  den  Aus¬ 
bruch  von  gelegentlichen  Epidemien  in  den  westlichen  Grenzprovinzen 
unseres  Vaterlandes  doch  infolge  der  Impfung  im  wesentlichen  noen 
immer  als  pockenfreies  Land  angesehen  werden  müsse  und  dies  auc 
hoffentlich  trotz  der  Agitation  der  Impfgegner  bleiben  werde. 

Diskussion:  Herr  Beneke. 

Herr  Igersheimer:  Als  Herr  Geheimrat  Fraenken  im 
vergangenen  Sommer  grössere  Untersuchungsreihen  an  Kaninchen 
anstellte,  denen  er  Pocken-  und  Vakzinematerial  in  die  Kornea 
impfte,  überliess  er  mir  auf  meine  Bitte  freundlicherweise  den  Bulbus 


49 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


dieser  I  ierc,  abgesehen  von  der  Kornea.  Es  schien  mir  nicht  ohne 
Intei esse,  nachzuselien,  ob  bei  dieser  kornealen  Impfung  und  Ent- 
Zündung  Veränderungen  anderer  Teile  des  Augapfels  histologisch 
nachweisbar  seien,  Es  ist  bereits  von  mehreren  Seiten  vermutet 
worden,  dass  1  oxine,  die  durch  die  Hornhaut  eindringen,  pathologische 
l  rozesse  in  Retina  und  Chorioidea  gerade  am  hinteren  Pol  ver¬ 
ursachen  könnten.  Bei  diesen  mit  Pocken-  und  Vakzinegift  infizierten 
I  icren  gelang  es  mit  nun  niemals  —  abgesehen  von  einer  ganz  ge¬ 
ringfügigen  gelegentlichen  Infiltration  der  Iris  -  irgendwelche  krank- 
laften  Erscheinungen  im  Auge,  insbesondere  an  Netzhaut.  Aderhaut 
jder  Uptikus  nachzuweisen. 

Herr  C.  Fraenken:  Schlusswort. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  K  ii  m  m  e  1 1. 

Demonstrationen: 

.  Heu  Lackmann:  7 jähriger  Junge  mit  doppelseitiger  kon- 
genilaler  Coxa  valga.  Ausser  der  starken  Steilstellung  des  Schenkel- 
jalses  erkennt  man  am  Röntgenbild  eine  charakteristische  Drehung 
les  oberen  Femurabschnittes  um  die  Längsachse  des  Oberschenkels 
,m  Sinne  einet  Antetorsion.  Bei  der  Coxa  vara  findet  sich  eine  Retro- 
torston.  Zur  Diagnose  dieser  Schenkelhalsverbiegungen  sind  stets 
.  Röntgenbilder,  eins  in  Mittelstellung,  eins  in  Innen-  bzw  Aussen- 
otation,  nötig. 

Lauenstein:  17 jähriger  Klempner,  Quetschung  im 
ahrstuhl,  Blasenruptur,  Laparotomie,  Naht  des  Blasenrisses,  Baucli- 

elltoilette,  Heilung. 

19  jähriger  Kellner,  der  sich  vor  8  Wochen  mit  einer  7-Mlliimeter- 
\ugel  in  die  rechte  Schläfe  geschossen  hatte.  Keine  Koinmotions- 
rscheinungen.  Die  Kugel  sass  unter  dem  Scheitelbein  der  gegen¬ 
iberliegenden  Seite  und  wurde  von  dort  entfernt.  Trotzdem  die 
'-ugel  also  das  ganze  Gehirn  durchbohrt  hatte,  waren  keine  Ausfalls- 
i  scheinungen  beobachtet.  L.  demonstriert  an  einem  Leichenhirn 
len  Weg,  den  das.  Geschoss  genommen  haben  muss. 

Heu  Rödel  ins:  Fall  von  Rhinophyma,  mit  Dekortikation  be¬ 
handelt  und  geheilt. 

Herr  Siramonds:  Mikrophotogramme  von  syphilitischer  Er¬ 
krankung  des  Herzmuskels.  Es  gibt  gummöse  und  interstitielle  Mvo- 
.arditiden,  zu  deren  Studium  besonders  die  Leichen  hereditär  syphi- 
itischer  Neugeborener  Veranlassung  geben. 

Herr  Thost:  Fall  von  Myxödem,  seit  15  Jahren  in  Beob- 
j.chtung.  Dauernd  mit  Schilddrüse  in  gutem  Zustande!  bedeutende 
Besserung  des  allgemeinen  Befindens,  des  psychischen  Verhaltens. 
1er  Haut,  des  Haarwachstums  etc.  Pat.  ist  jetzt  70  Jahre  alt. 

Herr  Nonne:  43 jähriger  Potator  strenuus,  der  seit  dem 
4.  Lebensjahr  dem  Alkohol  frönt.  In  den  letzten  8  Jahren  6  mal 
lehrium  tremens:  jedesmal  ungewöhnlich  durch  schwere  hallu- 
matorische  Angstzustände  mit  Aggressivität.  Während  der  letzten 
Deliiien  kam  es  jedesmal  zu  schweren  Selbstverstümmelungen: 
rommelfellperforation,  Präputium  und  Penis  mit  dem  Messer  insul- 
'ci  t,  Ausieissen  von  3  bzw.  4  gesunden  Zähnen.  Jedesmal  gab  er 
achträglich  an,  Stimmen  hätten  ihm  befohlen,  durch  diese  Ver¬ 
ätzungen  dem  Schnaps  Abfluss  zu  verschaffen;  wenn  er  das  nicht 
pte,  so  würde  er  umgebracht.  Auch  die  Aggressivität  gegen  Mit- 
atienten  und  Wärter  sei  ihm  befohlen,  weil  er  es  sonst  durch  Tod 
'der  andere  Qualen  büssen  müsse.  Diese  pathologische  Form  des 
lköholdelirinms  ist  sehr  selten:  unter  3—4000  Fällen  von  N.  nur  3  mal 
eobachtet,  jedesmal  bei  psychopathisch  schwer  belasteten  Individuen, 
heser  Fall  zeigt  keine  psychopathische  Anamnese. 

Herr  Paschen:  Mehrere  Fälle  von  Vakzineinfektion  an  den 
ingern.  Mutter  und  Tochter  hatten  sich  beim  Melken  einer 
ockenkranken  Kuh  infiziert;  bei  der  Mutter  fand  Uebertragung  auch 
it  Vulva  und  Nates  statt.  Aehnliche  Uebertragung  von  Vakzine  auf 
Skrotum  und  Nates  sieht  man  bei  Impflingen  durch  Infektion  eines 
Htertriginösen  Ekzems  oder  durch  Uebertragung  auf  ein  pruriginöses 
kzem  etc. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Deneke:  Ueber 
»’phuitische  Aortenerkrankung. 

i  Herr  Schottmüller  hat  unter  2150  Patienten  von  1908  bis 
;1-  L’4  Herzkranke  auf  seiner  Abteilung  behandelt:  darunter  litten 
P  —  40  Proz-  (!)  an  Aortitis  luica.  Eine  andere  Aufstellung  der 
■  unnerabteilung  ergibt  folgende  Zahlen:  Von  1194  Patienten  wurde 
£>  10W  die  Wasser  man  rische  Reaktion  geprüft  und  189  mal 
18,6  Proz.  positiv  gefunden.  Von  diesen  189  Patienten  mit  Wa  + 
!en  auf  Aortitis  luica  28  Pat.  =  14  Proz.,  Tabes  6  =  3  Proz., 
nralyse  7  =  4  Proz.,  Lues  cerebri  10  —  5  Proz.,  Lues  anderer  Or- 
ine  18  —  9  Proz.  Zur  Klinik  bemerkt  Sch.:  Bei  der  Aorteniusuf- 
'icnz  ist  das  Du  ro  siez  sehe  Phänomen  stets  vorhanden  gewesen. 

J  den  von  Deneke  aufgestellten  3  Typen  möchte  Sch.  noch  eine 
wruppe  erwähnen :  Fälle  mit  leichter  Erweiterung  aer  Aorta  und 
lügendem  2.  Ion.  Diese  sind  besonders  wichtig,  weil  sie  zwar 
nwer  zu  erkennen,  aber  als  Initialfälle  noch  therapeutisch  zu  be- 
nnussen  sind.  Die  Therapie  der  ausgesprochenen  Fälle  ist  höchst 
1  vu  Die  Hilfe  liegt  vielmehr  in  der  Prophylaxe:  und  hier  ist 
e  WaR.  geradezu  ein  Indikator  für  die  Notwendigkeit  einer  anti- 


syphilitischen  Behandlung.  Eine  weitaus  bessere  Behandlung  aller 
zii^forde yPhl  lt*SC1  nfizierter  Ullter  Kontrolle  des  Blutes  ist  daher 

Herr  Nonne  hat  die  Frage:  wie  oft  sind  die  syphilogenen 
Eikrankungen  des  Nervensystems  kombiniert  mit  Erkrankungen  der 
Aorta  durch  eine  Zusammenstellung  aus  der  Krankenhaus-  und 
r;iVAlP/^1S  ,zu  beantworten  versucht.  Vom  1.  Januar  1910  bis 
31.  Oktober  1912  wurden  behandelt  in  der  Privatpraxis  114  Fälle 
von  labes,  79  Falle  von  Paralyse  unter  193  Fällen  32  mal  Befund 
—  17  Proz.,  im  Krankenhause  125  Fälle  von  Tabes,  96  Fälle  von 
m  i  ysul  ^ei  Vavalyse  kein  Fall,  bei  Tabes  30  mal  =  24  Proz.  Die 
Mehrzahl  betraf  Leute  um  50  Jahre  herum,  eine  nennenswerte  Be¬ 
handlung  der  Lues  hatte  nur  2  mal  stattgefunden;  meist  absolut 
unbehandelte  Fruhsyphihs. 

Heir  Gerstein  bespricht  einige  klinisch  wertvolle  Zeichen 
und  erwähnt  das  Vorkommen  eines  abnorm  lauten,  singenden 
Distanzgeräusches. 


r  Heu  Weygandt  äussert  sich  über  das  Krankenmaterial  der 
Irrenanstalt  Friedrichsberg  hinsichtlich  der  Beziehungen  zwischen 
oypmlis  und  Storungen  des  Gefässsystems,  insbesondere  Aortitis 
An  1  aralyse  leiden  zurzeit  105  Männer,  29  Frauen.  Von  ersteren 
zeigen  31  periphere  Arteriosklerose,  21  Störungen  der  Herztätigkeit 
akzentuierte  Töne,  unreine  Töne,  systolische  Geräusche,  9  Frauen 
haben  Herzerscheinungen.  Bei  11  Männern  und  6  Frauen  mit  Lues 
cerebri  rindet  sich  6  mal  periphere  Arteriosklerose,  einmal  Herzbefund 
Von  anderweitigen  Psychosen  sind  mit  Lues  kombiniert  6  Männer 
10  Frauen.  Insgesamt  unter  167  Fällen  nur  selten  klinische  Er¬ 
scheinungen  seitens  der  Aorta:  wahrscheinlich  wegen  der  Bettpflege 
und  der  Ruhe  in  der  Anstaltsbehandlung.  Ferner  gibt  W.  eine  Ueber- 
sicht  über  das  Sektionsmaterial:  Häufiger  Befund  von  Aortenver- 
anderung  bei  Paralyse,  aber  nur  selten  anatomisch  sichere  syphi¬ 
litische  Mesarteriitis. 

Herr  Preiset  erwähnt  den  Fall  eines  19jährigen  Mädchens, 
das  im  letzten  Vierteljahr  das  Hervortreten  eines  IV2  cm  grossen 
Buckels  im  Bereich  des  3.  und  4.  Brustwirbels  bemerkt  hatte.  Es 
bestanden  leichte  Belastungsschmerzen,  geringer  Stauchungsschmerz, 
kern  typisches  Spondylitisbiicken.  Die  Röntgenaufnahme  ergibt  eine 
teilweise  Zerstörung  der  3.  und  4.  Brustwirbelkörper  und  in  beiden 
schrägen  Durchmessern  ein  Aneurysma  der  Aorta  descendens,  das 
die  W  ii  belsäule  arrodiert  hat.  Hier  war  also  der  Qibbus  das  Sym- 
Ptom,  das  erst  auf  das  Aneurysma  aufmerksam  machte. 

Pahn  hat  im  letzten  Jahr  5  Fälle  von  Aortitis  behandelt, 
waR  3  mal  positiv,  2  mal  negativ.  Diagnose  durch  Röntgen  bzw. 
Obduktion  erhärtet.  H.  bespricht  dann  die  Bedeutung  der  WaR.  in 
dem  von  ihm  schon  vor  einiger  Zeit  angenommenen  Sinne. 

Herr  Allard  bespricht  die  Differentialdiagnose:  Ist  die  WaR 
positiv,  so  war  früher  eine  Lues  vorhanden,  darum  braucht  aber  die 
vorliegende  Erkrankung  noch  nicht  auf  Syphilis  zu  beruhen,  kann 
z.  B.  rheumatischer  Genese  sein.  Bei  negativer  WaR.  kann  doch 
Lues  vorliegen.  Oft  finden  sich  neben  syphilitischer  Aortitis  noch 
Gummen  an  anderen  Organen.  Therapeutisch  empfiehlt  er  intra¬ 
venöse  Salvarsaninjektion,  anfangs  in  vorsichtigen  kleinen,  dann 
auch  in  grossen  Dosen. 

Heu  Jacobsthal:  Die  Methode  der  WaR.  ist  jetzt  so  ver¬ 
feinert,  dass  selbst  gutbehandelte  Fälle  immer  positiv  reagieren. 
Nur  mit  der  alten  Reaktion 'gelingt  es,  vor  der  Behandlung  positive 
m  nach  der  Behandlung  negative  umzuwandeln. 

Herr  Delbanco  erörtert  die  Konfusion,  die  heutzutage  über 
die  WaR.  herrscht.  Was  bedeutet  WaR.  +?  Was  bedeutet  negativ? 
Darf  man  bei  positiver  Reaktion  den  Heiratskonsens  geben,  darf  man 
Ammen  das  Stillen  erlauben,  wie  verhält  man  sich  bei  der  Puellen- 
Untersuchung,  den  Lebensversicherungen  gegenüber?  usw.  D.  schlägt 
vor,  eine  Kommission  aus  Serologen  zu  beauftragen,  die  Standard¬ 
werte  der  WaR.  fcstzulegen  und  einer  zweiten  ad  hoc  zu  ernennen¬ 
den  Kommission  von  Klinikern,  Syphilidologen  und  Serologen  die 
Frage  der  Bewertung  der  Reaktion  aufzugeben. 

Herr  F  r  ä  n  k  e  1  kommt  auf  Grund  der  auch  an  Leichen  sehr 
gut  ausführbaren  WaR.  ebenfalls  dazu,  dass  die  Lues  bei  allen 
Aortenerkrankungen  die  häufigste  Ursache  ist.  Von  1909  bis  jetzt 
kamen  im  Eppendorfer  Sektionsmaterial  166  Todesfälle  an  Syphilis 
zur  Beobachtung:  98  mal  darunter  Tod  an  Aortensyphilis  Das 
Durchschnittsalter  stellt  sich  auf  48,6  Jahre.  Der  Tod  erfolgt  durch¬ 
schnittlich  22,9  Jahre  nach  der  Infektion. 

Herr  Deneke  (Schlusswort).  Werner. 


Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  9.  Dezember  1912. 

Herr  L  a  a  s  e  r  demonstriert  einen  Fall  von  Narkolepsie. 

Bei  der  Narkolepsie  handelt  es  sich  um  eine  Neurose,  die  nicht 
mit  der  Neurasthenie,  Hysterie  oder  Epilepsie  verwandt  ist;  ihr 
Charakteristikum  ist  ein  unvermittelter  plötzlicher  Beginn  und  eine 
Dauer  von  höchstens  einigen  Minuten.  Die  narkoleptischen  Anfälle, 
welche  oft  dem  „petit  mal“  ähneln,  treten  fast  nur  bei  jugendlichen 
Individuen  auf  und  zwar  mitunter  bis  zu  100  mal  an  einem  Tage. 
Von  der  Epilepsie  unterscheidet  sich  die  Narkolepsie  durch  Mangel 
von  Bewusstlosigkeit,  durch  eine  erhaltene  Schmerzempfindung  und 


50 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


durch  die  Beeinflussbarkeit;  von  der  Hysterie  durch  die  Gleich¬ 
artigkeit  der  Anfälle.  —  Hervorgerufen  wird  die  Narkolepsie  durch 
Hemmungen  der  Stirnrindenfunktion.  —  Die  Prognose  ist  günstig, 
Heilung  tritt  häufig  noch  nach  jahrelangem  Bestehen  ein.  —  Die 
Therapie  versagt  vollständig.  — -  Bei  der  Demonstration  des 
17  jährigen,  normal  entwickelten,  erblich  nicht  belasteten  Patienten 
traten  mehrere  Anfälle  auf,  indem  Patient  beim  An-  und  Auskleiden 
plötzlich  mehrere  Sekunden  lang  mit  jeder  Bewegung  innehielt,  die 
eben  eingenommene  Stellung  beibehielt  oder  zwecklos  mehrere  Male 
hintereinander  dieselben  Bewegungen  wiederholte. 

Herr  Winter  demonstriert  einen  Fall  von  Pseudohermaphro¬ 
ditismus  masculinus  exteriius. 

Herr  Sokolowsky:  Ueber  Phonasthenie. 

Unter  Phonasthenie  versteht  man  eine  funktionelle  Stimm¬ 
schwäche.  Man  kann  die  Phonasthenie  der  Sänger,  der  Redner  und 
die  sogen.  „Kommandierschwäche“  unterscheiden.  Subjektive  Be¬ 
schwerden  sind  Trockenheit,  Kratzen  im  Hals  usw.,  mitunter  auch 
Schmerzen,  die  so  stark  werden  können,  dass  sie  zu  einer  Phono- 
phobie  führen.  Objektiv  ist  die  Stimme  leicht  ermüdbar,  ihre 
dynamische  Leistung  ist  geringer,  die  Tonskala  ist  eingeengt. 
Meistens  werden  äussere  Ursachen  als  veranlassendes  Moment  an¬ 
gegeben,  doch  stellt  sich  sehr  oft  heraus,  dass  schon  früher  einzelne 
Symptome  vorhanden  waren.  —  Der  objektive  Kehlkopfbefund  ist 
meist  negativ;  zeigen  sich  aber  im  Kehlkopf,  im  Rachen  oder  in  der 
Nase  Veränderungen,  so  sind  sie  meist  nicht  charakteristisch.  Mit¬ 
unter  hat  man  aber  auch  Septumverbiegungen,  Muschelhypertrophie 
als  Ursache  angesehen  und  von  hier  aus  die  Phonasthenie  erfolg¬ 
reich  behandelt.  Die  Sängerknötchen,  welche  häufig  ohne  jede 
Funktionsstörung  bestehen,  sind  mitunter  als  Folge  der  Phonasthenie 
anzusehen.  —  Als  Ursache  der  Phonasthenie  ist  qualitativer  und 
quantitativer  Missbrauch  der  Stimme  anzusehen;  vor  allem  aber 
sind  die  zahllosen  falschen  Methoden  als  Ursache  anzusehen,  die 
von  einer  „festen  Stellung  des  Kehlkopfes“  ausgehen,  während  die 
guten  Sänger  nur  eine  Indifferenzlage  beobachten.  —  Die  Therapie 
muss  daher  hauptsächlich  „eine  Bewegungstherapie“  sein,  soweit 
nicht  noch  örtliche  Veränderungen,  wie  Polypen,  Septumverbiegungen, 
Knötchen  in  Frage  kommen.  Hübner. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  31.  Juli  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Matthes. 

Herr  Hübner:  Ueber  eine  bisher  nicht  bekannte  Neben¬ 
wirkung  des  Yohimbins.  . 

Längere  Verfütterung  von  Yohimbin  an  Kaninchen  in  nicht 
toxisch  wirkenden  Dosen  hatte  nach  einigen  Tagen  spurweise 
Eiweissausscheidung  zur  Folge,  als  deren  anatomisches  Substrat  sich 
eine,  je  nach  der  Dauer  der  Yohimbineinwirkung  mehr  oder  weniger 
ausgedehnte  Verfettung  der  Nierenepithelien  ergab.  Diese  Nieren¬ 
reizung  ist  wohl  als  eine  Folge  der  Ueberlastung  des  Organes  anzu¬ 
sehen,  denn  das  Yohimbin  bewirkt  eine  Erhöhung  des  Blutdruckes 
und  eine  Erweiterung  der  Gefässe  der  Niere.  Die  Schädigung  des 
sezernierenden  Nierenepithels  ist  schon  beim  Beginne  der  Eiweiss¬ 
ausscheidung  vorhanden  und  überdauerte  die  Yohimbindarreichung 
bei  einem  untersuchten  Tier  um  14  Tage.  Auf  Grund  dieser  Tier¬ 
versuche  sollte  daher  das  Yohimbin,  das  innerhalb  seines 
Indikationenkreises  ein  sehr  schätzenswertes  Mittel  ist,  nur  bei 
dauernder  Kontrolle  des  Urins  gegeben  werden,  zumal  es  ja  nur  in 
Frage  kommt  bei  Personen,  deren  Organe  durch  Alter  oder  andere 
Umstände  in  ihrer  Widerstandskraft  geschwächt  sind.  (Der  Vortrag 
erscheint  in  der  Dermatologischen  Zeitschrift.) 

Herr  Berblinger:  Herzveränderungen  bei  Diphtherie. 

Untersucht  wurden  die  Herzen  von  8  Kindern,  die  an  schwerer 
Diphtherie  in  der  1.— 2.  Krankheitswoche  (1  Fall  ausgenommen) 
unter  den  Erscheinungen  der  Herzlähmung  gestorben  waren.  An 
den  Herzganglien  Hessen  sich  Veränderungen  nicht  finden,  konstant 
waren  dagegen  solche  im  Atrioventrikularbündel,  vor  allem  waren 
mehr  oder  minder  umfangreiche  Blutungen,  teils  im  Knoten  teils 
subendokardial  im  linken  Schenkelgebiet  zu  beobachten.  Am  linken 
Schenkel  fanden  sich  ausserdem  Verfettung  der  Muskelfasern, 
scholliger  Zerfall,  einmal  eine  zellige  Wucherung  um  atrophische, 
homogene  Fasern  (Tod  5  Wochen  nach  der  Infektion).  Die  von 
Mönckeberg  betonte  selbständige  Pathologie  des  Atrioventri¬ 
kularbündels  konnte  am  Diphtherieherzen  und  anderen  anatomischen 
Veränderungen  des  Herzens  (arterielles  Amyloid,  produktive  End- 
arteriitis  —  Alkoholikerherz  —  an  den  Bündelarterien)  bestätigt 
werden.  Nur  in  einem  Fall  waren  allein  die  Systemfasern  verfettet, 
meist  war  die  Verfettung  an  diesen  stärker  als  an  der  gewöhnlichen 
Kammermuskulatur.  Für  den  Herztod  möchte  Vortr.  die  erwähnten 
Veränderungen  nicht  verantwortlich  machen,  wohl  aber  für  die 
Schlagfolgeverlangsamung  des  Herzens,  den  zum  Teil  klinisch  fest¬ 
gestellten  Kammersystolenausfall  (Ueberleitungsstörung  II.  Ordnung). 

Starke,  subendokardiale  Blutungen  können  durch  Schädigung  der 
Bündelfasern  ebenso  wirken.  Vielleicht  kommt  ihnen  aber  noch 
eine  weitere  Bedeutung  zu.  Die  Blutungen  —  zwar  nicht  allein  auf 
das  System  beschränkt  —  entstehen  fast  regelmässig  bei  starker 


Vagusreizung  (Rothberger,  eigene  Versuche).  Die  Hämorrhagien 
können  meines  Erachtens  schon  bei  der  Obduktion  einen  Hinweis  auf 
eine  intra  vitam  erfolgte  Vagusreizung  abgeben.  Anatomisch  waren 
die  Nn.  vagi  nicht  gröber  verändert,  was  nach  den  klinischen  Er¬ 
scheinungen  auch  nicht  zu  erwarten  war. 

Durch  Hering  und  R  i  h  1  ist  eine  isolierte  Vaguswirkung 
unterhalb  des  Vorhofs  sicher  gestellt,  sie  kann  dieselbe  allein  auf  die 
Ventrikel  beschränkte  Schlagfolgeverlangsamung  nach  sich  ziehen. 
Störungen  der  Herzrhythmik  durch  diese  oft  bis  ins  Endokard 
reichenden  Blutungen  wären  denkbar,  da  man  weiss,  dass  Berührung 
des  Endokards  eine  unregelmässige  Herztätigkeit  herbeifuhrt.  Mög¬ 
licherweise  entstehen  also  die  Blutungen  infolge  reflektorischer 
Vaguserregung  durch  COs-reiches  Blut  (drohende  Erstickung). 

Herr  Berblinger:  1.  Kompressionsmyelitis  mit  intramedul- 
lärem  Aufsteigen  gequetschten  Rückenmarks.  2.  Hämatomyelie. 

MH'  1  Das  vorgelegte  Rückenmark  stammt  von  einem  32  jähr. 
Arbeiter,  der  einen  Wirbelbruch  erlitten  hatte,  hinterher  an  den 
unteren  Extremitäten  völlig  gelähmt  war.  Der  Kranke  staib  einige 
Wochen  nach  dem  Unfall  an  einer  von  Dekubitusgeschwüren  aus¬ 
gehenden  Sepsis.  Bei  der  Obduktion  fand  sich  eine  Kompressions- 
fraktur  des  11.  Brustwirbels,  eine  Quetschung  des  Rückenmarks  im 
Bereich  der  Lendenanschwel¬ 
lung.  Hier  waren  die  Me¬ 
ningen  mit  der  lädierten  Me- 
dulla  zur  Verwachsung  ge¬ 
kommen,  das  Rückenmark 
selbst  taillenartig  eingeschnürt. 

10  cm  über  der  Kompressions¬ 
stelle  lässt  sich  auf  dem  Quer¬ 
schnitt  eine  weiche  Gewebs- 
masse  aus  der  Gegend  der 
grauen  Zentralsubstanz  ab¬ 
streichen.  Der  Gehalt  dieses 
Breies  an  Fettkörnchenzellen, 

geschrumpften  Ganglienzellen  ...  .  ,  .,  .  P 

und  Markscheidenresten  spricht  absolut  für  einen  mtravitalen  Lr- 
weichungsprozess.  Im  mittleren  Brustmark  ist  der  Zentralkanal  offen, 
sind  die  Markscheiden  in  den  Hintersträngen  vollständig,  in  der 
Kleinhirnseitenstrangbahn  teilweise  geschwunden.  Die  Untersuchung 
der  Medulla  an  Serienschnitten  bis  11  cm  über  der  Quetschungs¬ 
stelle  ergibt  einen  sehr  eigenartigen  Verlauf  der  Veränderungen. 

Zunächst  liegen  an  der  medialen  Seite  beider  Hinterhörner  an¬ 
nähernd  runde  Bezirke  abgestorbenen  Rückenmarksgewebes  in  der 
grauen  Substanz,  ein  kleiner  gleich  beschaffener  Herd  im  ventralen 
Hinterstrangsfeld,  etwas  verdichtete  Glia  begrenzt  jene  Herde.  I  eile 
grauer  Substanz  sind  bogenförmig  in  das  Hinterstrangsgebiet  hinein 
umgeschlagen.  Die  stiftförmigen,  erweichten  Partien  fliessen  weiter 
nach  oben  hin  zusammen,  bis  8  cm  über  der  gedrückten  Stelle  das 
zertrümmerte  Gewebe  nur  in  der  hinteren  grauen  Zentralsubstanz 
und  im  ventralen  Hinterstrangsfeld  liegt.  Der  Zentralkanal,  in  einen 
quer  gestellten  Spalt  ausgezogen,  ist  nach  vorne  gedrängt,  an  seiner 
hinteren  Zirkumferenz  fehlt  das  Ependymepithel.  Etwas  weitei  oben 
sind  die  nekrotischen  Gewebsbestandteile  in  den  Kanal  selbst  ein¬ 
gebrochen,  dieser  erweitert  sich  aufsteigend  immer  mehr,  der  hinter 
ihm  gelegene  Bezirk  veränderter  Rückenmarkssubstanz  nimmt  an 
Ausdehnung  ab,  schliesslich  verschwindet  er  und  die  zertrümmerten 
Massen  liegen  allein  in  dem  sehr  stark  erweiterten  Zentralkanal. 
Die  Ganglienzellen  der  erhalten  gebliebenen  grauen  Substanz  sind 
zum  Teil  kernlos,  ohne  chromophile  Körner,  mitunter  blasig  auf¬ 
getrieben,  dabei  homogen.  •« 

Der  Befund  ist  derart  aufzufassen,  dass  bei  der  Wifbelfraktur 
die  heftige  Gewalteinwirkung  das  Rückenmark  zertrümmert  und  zu 
einer  Verschiebung  zertrümmerten  Rückenmarks  nach  oben  geführt 
hat.  Diese  erfolgte  zunächst  entsprechend  den  günstigeren  Aus¬ 
breitungsbedingungen  in  der  grauen  Substanz  (F 1  a  tä  u  -G  o  lö¬ 
se  h  e  i  d  e  r)  in  dieser  und  zwar  stiftförmig  (L  e  v  l  e  r).  Lhe  ver¬ 
einigten  hochgeschobenen  Massen  brechen  endlich  in  den  Zentral¬ 
kanal  ein,  steigen  in  diesem  noch  etwas  weiter  aufwärts.  Der  ganze 
Vorgang  muss  einzeitig  erfolgt  sein.  Bei  traumatisch  bedingtet 
Blutung  mit  sekundärer  Erweichung  müsste  viel  Blutpigment  zi 
finden  sein,  da  ja  einigermassen  ausgedehnte  Hämorrhagien  um 
langsam  resorbiert  werden,  um  so  mehr  wenn  die  Resorptions 

Verhältnisse  ungünstige  sind.  _  „  . 

Die  Persistenz  des  Zentralkanals  hat  im  vorliegenden  rall  en 
Vordringen  dislozierten  Rückenmarks  im  Kanal  gestattet. 

2  Umfangreiche  Zerstörungen  vom  Sakralmark  bis  ins  n«us| 
mark  reichend  weist  das  weitere  Ihnen  gezeigte  Rückenmark  eine 
25  jährigen  Bergmanns  auf.  Dieser  bemerkte  eines  Tages  beim  Ver 
lassen  der  Grube,  dass  er  schlecht  gehen  könne,  bald  danach  warei- 
die  unteren  Extremitäten  völlig  gelähmt,  die  Reflexe  nicht  men 
auslösbar.  Die  Haut  an  den  Füssen  und  Unterschenkeln,  an  de 
Innenseite  der  Oberschenkel  war  absolut  anästhetisch. 

Die  vom  behandelnden  Arzt  vorgenommene  Obduktion  erga 
keine  ganz  sichere  Todesursache.  Verletzung  der  WirbelsäuU 
Quetschung  des  Rückenmarks  waren  nicht  vorhanden.  Wie  di 
Querschnitte  in  verschiedenen  Höhen  und  die  mikroskopischen  Bilde 
zeigen,  sind  im  Sakralmark  durch  Piarisse  Teile  des  Rückenmark 
ausgetreten,  eine  Leukozytenanhäufung  an  der  Rupturstelle  de 
I  Meningen  spricht  für  die  intravitale  Entstehung.  Daneben  liegt  ein 


7.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


51 


starke  Blutung  im  ventralen  Hinterstrangsteil  wie  in  der  hinteren 
grauen  Zentralsubstanz  hinter  dem  obliterierten  Zentralkanal. 

Im  Lendenmark  nimmt  die  Blutung  an  Umfang  zu,  Teile  grauer 
Substanz  sind  sequestriert,  die  Hämorrhagie  greift  im  unteren  Dorsal¬ 
mark  auf  das  eine  Vorderhorn  über,  liegt  als  kleiner  Herd  noch  im 
basalen  Teil  des  Hinterhorns  im  Halsmark.  Die  befallenen  R- 
abschnitte  sind  durch  das  Blut  hämorrhagisch  erweicht  (Körnchen¬ 
kugeln,  Eettkörnchenzellen),  zahlreiche  Erythrozyten  liegen  in  den 
Lymphscheiden  der  sonst  intakten  Qefässe.  Im  mittleren  Dorsal¬ 
mark  ist  es  durch  Resorption  erweichter  Partien  zur  Höhlenbildung 
im  Bereich  der  Hinterstränge  gekommen  ohne  Gliawucherung  in  der 
Umgebung.  Fortlaufende  Strangdegenerationen  fehlen,  Degene¬ 
rationsprozesse  an  diesen  wie  an  den  Ganglienzellen  finden  sich  nur 
herdförmig. 

Als  das  Primäre  ist  die  Blutung  zu  betrachten,  die  sich  vor¬ 
zugsweise  röhrenförmig  in  der  grauen  Substanz  ausdehnt  unter  Zer¬ 
trümmerung  dieser,  sich  aber  auch  in  der  weissen  Substanz  findet. 
Das  Ausbleiben  fortlaufender  Strangdegeneration  spricht  sehr  für 
die  Zirkulationsstörung  als  Ursache  des  Befundes.  Die  erwähnte 
Höhlenbildung  unterscheidet  sich  durch  ihre  Lage  in  der  weissen 
Substanz  von  den  Höhlen  bei  der  Syringomyelie  im  engeren  Sinne. 
Wenn  auch  ein  Trauma  in  der  Anamnese  nicht  sichergestellt  ist,  so 
sprechen  doch  die  anatomischen  Bilder  noch  am  meisten  für  eine 
derartige  Genese.  Sie  sind  beobachtet  bei  Ueberde'nnung  der  Wirbel¬ 
säule  ohne  Fraktur  mit  Zerrung  der  Medulla,  bei  der  Commotio 
spinalis  und  bei  der  sogen.  Caissonkrankheit.  Druckdifferenzen,  wie 
sie  für  das  Zustandekommen  der  Taucherlähmung  nötig  sind,  können 
im  vorliegenden  Fall  nicht  vorhanden  gewesen  sein,  Zerrungen  der 
Medulla  beschränken  sich  in  ihren  Folgen  meist  auf  eine  bestimmte 
Stelle;  so  bleibt  am  wahrscheinlichsten  eine  langsam  zu  Symptomen 
führende  Rückenmarkserschütterung  mit  begleitender  Blutung, 
Hämatomyelie. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ausserordentliche  Sitzung  vom  30.  März  1912 
Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Hirsch,  begrüsst  Exzellenz  Ehrlich 
und  spricht  ihm  den  Dank  der  Gesellschaft  für  sein  Erscheinen  in 
der  Sitzung  aus. 

Vorträge: 

Herr  E.  Schreiber:  Ueber  Neosalvarsan.  (In  extenso  er¬ 
schienen;  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  17  d.  Js.) 

Herr  A.  Stühmer:  Klinische  Erfahrungen  mit  Neosalvarsan. 
(In  extenso  erschienen:  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  21  d.  Js.) 

Herr  Kersten:  Ueber  vergleichende  Tierexperimente  mit 
Salvarsan  und  Neosalvarsan.  (ln  extenso  erschienen:  Zentralbi  f 
Bakteriol.,  Bd.  65,  S.  369.) 

Diskussion:  Exzellenz  Ehrlich  (a.  G.)  spricht  zunächst 
seinen  Dank  aus  für  die  Mithilfe,  die  ihm  gerade  in  Uchtspringe  und 
Magdeburg  bei  der  Erprobung  des  Salvarsans  zuteil  wurde,  und 
verbreitet  sich  dann  über  die  Bedeutung  des  Wasserfehlers  im  all¬ 
gemeinen,  und  speziell  der  Nebenerscheinungen  und  der  Neuro- 
^zidive.  Er  erwähnt  die  guten  Resultate,  die  bei  den  österreichischen 
Militärärzten  durch  eine  einmalige  Injektion  saurer  Lösung  —  aller¬ 
dings  unter  Wahrung  peinlichster  Asepsis  —  erzielt  worden  sind: 
unter  2300  Fällen  wurden  nur  8  Fälle  von  eigentlichen  Neurorezidiven 
beobachtet,  von  denen  7  auf  eine  antiluetische  Behandlung  abheilten. 
Ehrlich  glaubt,  dass  die  mit  unreinem  Wasser  injizierten  Bak¬ 
terien  eine  Rolle  bei  der  Entstehung  der  Neurorezidive  spielen. 
Nachdem  die  Fehlerquellen  erkannt,  ist  auch  die  Zahl  der  Neuro¬ 
rezidive  zurückgegangen.  Notwendig  ist  natürlich  eine  intensive 
und  zweckentsprechende  Behandlung. 

Ehrlich  analysiert  dann  die  Todesfälle  und  betont,  dass  ihre 
Zahl  nur  m  Relation  mit  den  unzähligen  Injektionen  bewertet  werden 
darr  und  muss;  beim  Chloroform  beträgt  die  Mortalität  1:2170; 
die  \  erhältniszahl  beim  Salvarsan  ist  demgegenüber  verschwindend 
klein.  Es  haben  sich  eine  Reihe  von  Momenten  ergeben,  die  die 
1  odesursache  abgeben  können,  so  z.  B.  der  Wasserfehler,  die  An¬ 
wendung  des  Salvarsans  bei  schwer  belasteten  Patienten,  oder 
so  chen,  die  scheinbar  gesund  waren,  bei  denen  aber  bei  der  Ob¬ 
duktion  schwere  Organveränderungen  gefunden  worden  sind.  Unter 
Rekurrierung  auf  Beobachtungen  beim  Arsenophenylglyzin  ist 
Eh  r  lieh  der  Meinung,  dass  auch  öfters  Lösungen,  die  durch  langes 
Stehen  oder  durch  I  ransport  oder  sonstige  Momente  oxydiert  sind, 
die  Schuld  an  unangenehmen  Nebenwirkungen  abgeben. 

I  herapeutisch  sind  die  Erscheinungen  von  seiten  des  zentralen 
Nervensystems,  die  sich  nach  Injektion  von  Salvarsan  zeigen,  un¬ 
mittelbar  in  Angriff  zu  nehmen  und  zwar  durch  Lumbalpunktion, 
eventuell  wenn  diese  nicht  zum  Ziele  führt,  durch  Trepanation.  Um 
aber  diese  Erscheinungen  zu  vermeiden,  ist  es  notwendig,  bei 
Patienten,  bei  denen  nur  der  leiseste  Verdacht  auf  eine  latente  Er¬ 
krankung  des  zentralen  Nervensystems  besteht  (und  Patienten  im 
iruhen  Sekundärstadium  kommen  hierbei  besonders  in  Frage),  mit 
kleinen  vorsichtigen  Dosen  vorzugehen,  eventuell  mit  Hg  vor¬ 
zubehandeln. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  13.  Dezember  1912. 

Pi ivatdozent  Dr.  L.  Freund  berichtet  über  eine  merkwürdige 
Wirkung  der  Radiumstrahlen. 

Wenn  man  bei  der  Röntgenbehandlung  in  die  Tiefe  wirken 
will,  ohne  die  Haut  zu  schädigen,  so  geht  man  bekanntlich  nach 
Reicher  und  Lenz  so  vor,  dass  man  die  Haut  oberhalb  des 
Krankheitsherdes  durch  eine  endokutane  Adrenalininjektion  anämi- 
siert.  Der  Vortr.  schlug  nun  denselben  Weg  auch  bei  der  R  a  d  i  u  m  - 
behandlung  ein.  Drei  Hautstellen,  welche  nicht  weit  voneinander 
lagen,  wurden  in  verschiedener  Weise  behandelt:  auf  die  erste  Stelle 
kam  ein  Radiumträger  von  bestimmter  Stärke  ohne  weiteres  und 
blieb  6  Minuten  lang  liegen;  in  die  zweite  Hautstelle  wurde  eine 
kleine  Menge  einer  Mischung  von  Adrenalin  (1:1900)  mit  der  drei¬ 
fachen  Menge  0,5  proz.  Novokain  und  physiologischer  Kochsalzlösung 
endokutan  injiziert,  dann  derselbe  Radiumträger  ebensolahge  appli¬ 
ziert;  in  eine  dritte  benachbarte  Hautstelle  wurde  destilliertes  Wasser 
eingespritzt  und  wurde  ebenso  vorgegangen,  derselbe  Radiumträger 

6  Minuten  lang  aufgelegt.  Es  wurde  das  Gegenteil  dessen  be¬ 
obachtet,  was  man  bei  der  Röntgenbehandlung  sieht.  Nach  etwa 

7  Stunden  färbte  sich  die  mit  Adrenalin  vorbehandelte,  etwas  später 
die  mit  Wasser  injizierte  Hautpartie,  das  Erythem  nahm  rasch  an 
Intensität  zu,  während  die  nicht  vorbehandelte  Haut  noch  blass  war. 
Erst  viel  später  trat  auf  der  letzteren  Hautpartie  eine  leichte  Rötung 
auf,  welche  etwa  eine  Woche  lang  in  ihrer  Intensität  hinter  der  der 
beiden  anderen  Flecken  auffallend  zurückblieb.  Dann  schwanden 
die  Erytheme  unter  Hinterlassung  einer  leichten  Pigmentation  und 
Schuppung,  schliesslich  blieb  keine  Spur  der  Bestrahlung  zurück. 

19  Tage  nach  der  Radiumbestrahlung  zeigten  sich  an  den 
Stellen,  wo  früher  die  Flecken  zu  sehen  waren,  neuerdings  erythema- 
töse  Verfärbungen,  dieses  Mal  war  aber  die  Intensität  derselben 
anders  verteilt:  während  die  mit  Wasser  vorbehandelte  und  noch 
mehr  die  nicht  vorbehandelte  Hautstelle  lebhaft  rot  erschienen,  war 
die  mit  Adrenalin  vorbehandelte  Hautstelle  viel  blässer  als  die  beiden 
anderen  Flecken.  Nach  einer  Radiumbestrahlung  treten  demnach 
zwei  zeitlich  von  einander  getrennte  Reaktionen  auf.  Die 
erste  Reaktion,  welche  der  Bestrahlung  bald  folgt,  wurde  durch  eine 
vorausgegangene  Injektion  von  Adrenalin  (bzw.  Wasser)  gesteigert, 
die  zweite  Reaktion,  nach  einer  Latenzzeit  von  19  Tagen  auftretend, 
wurde  durch  die  Vorbehandlung  mit  Adrenalin  geschwächt  und  auch 
die  Vorbehandlung  mit  Wasser  schwächte  diese  zweite  Reaktion, 
wenn  auch  viel  weniger.  Diese  merkwürdige  Erscheinung  ist  viel¬ 
leicht  darauf  zurückzuführen,  dass  neben  der  Wirkung  der  Adrenalin¬ 
lösung  auf  die  Gefässe  auch  ihre  die  Strahlen  schwach  absorbierende 
Fähigkeit,  wenn  auch  in  geringem  Grade,  in  Betracht  kommt. 

In  der  Diskussion  besprach  Gottwald  Schwarz  die 
Herabsetzung  der  Hautempfindlichkeit  gegen  Röntgen-  und  Radium¬ 
strahlen  durch  die  von  ihm  gefundene  D  r  u  c  k  a  n  ä  m  i  e,  die  jetzt 
allseits  in  verschiedenster  Art  geübt  wird.  Die  Adrenalinmethode 
empfehle  sich  wohl  nur  für  solche  Fälle,  bei  welchen  man  durch 
Druck  auf  einen  weichen  Tumor  eine  Verschleppung  von  Metastasen 
zu  befördern  fürchtet.  —  Dr.  Schramek  hält  dafür,  dass  die  Ver¬ 
stärkung  der  Radiumwirkung  nach  Adrenalininjektion  mit  der  che¬ 
mischen  Einwirkung  der  Strahlen  auf  diese  Substanz  Zusammen¬ 
hänge,  während  Dr.  Martin  H  a  u  d  e  k  die  Adrenalinanämie  bei  der 
Röntgentherapie  sehr  hoch  einschätzt. 

Prof.  E.  Redlich  berichtet  eingehend  über  einen  operierten 
Rückenmarkstumor  (Endotheliom). 

Prof.  v.  Eiseisberg  beschreibt  den  Gang  und  günstigen  Ver¬ 
lauf  des  Eingriffs  und  berichtet  über  6  weitere  Fälle  von  ihm  ope¬ 
rierter  Rückenmarkstumoren. 

Dr.  Robert  L  ö  w  y  demonstriert  einen  Fall  von  Knochensarkom 
mit  gutartigem  Verlauf. 

Privatdozent  Dr.  Paul  Albrecht  stellt  aus  der  Klinik  Hochen- 
egg  zwei  Fälle  seltener  Erkrankungen  des  Lymphgefässystems  vor: 
einen  Lymphnävus  an  der  Haut  des  Skrotums  und  ein  Lymphkaver- 
nom  der  Mamma. 

Dr.  Hans  Königstein  demonstriert  einen  syphilitischen 
Primäraffekt  am  oberen  Augenlide. 

Prof.  v.  Eiseisberg  demonstriert  das  neue  Instrument  von 
Dr.  de  Märtel  zur  temporären  Aufklappung  des  Schädels. 

Dr.  Martin  Handele  Zur  klinischen  Diagnose  des  tiefgreifen¬ 
den  Magengeschwürs  an  der  kleinen  Kurvatur. 

Bei  ca.  130  Fällen,  welche  behufs  Röntgenuntersuchung  in  das 
Institut  des  Dozenten  Dr.H  olzknecht  während  der  letzten  2(4  Jahre 
kamen,  wurde  eine  Reihe  von  Symptomen  so  häufig  beobachtet,  dass 
man  mit  ihrer  Hilfe  schon  vor  der  Röntgenaufnahme  vermutungs¬ 
weise  die  richtige  Diagnose  stellen  konnte.  Mehr  als  die  Hälfte  der 
Fälle  kam  zur  Operation,  welche  die  Diagnose  stets  bestätigte.  Dies 
war  auch  der  Fall  bei  einem  Fallt,  welchen  der  Vortr.  vorstellt. 

Man  findet  also  1.  genau  dort,  wo  sich  die  Nische  an  der  kleinen 
Kurvatur  auf  die  Bauchhaut  projizieit,  einen  exquisiten,  umschrie¬ 
benen  Druckpunkt,  entsprechend  dem  linken  Mus¬ 
en  1  u  s  r  e  c  t  u  s.  2.  Eine  deutlich  erhöhte  Spannung  des 
linken  Musculus  rectus.  3.  Sitzt  das  tiefgreifende  Geschwür  an  der 


52 


MUENCHLNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Hinterwand  des  Magens  —  zumeist  mit  Uebergreifen  auf  das  Pan- 
kreas  —  so  fand  Vortr.  häufig  einen  Boasschen  Druckpu  n  k  t 
am  Rücken  links,  entsprechend  der  Projektionsstelle  des  Ulcus;  bei 
Vorderwandgeschwüren  —  Uebergreifen  auf  die  Leber  —  <-ine 
Headsche  hyperästhetische  Zone,  entsprechend  der  Nischen¬ 
projektion  auf  die  vordere  Bauchwand,  links  oben  vom  Nabel. 
4.  Tiefgreifende  Geschwüre  betrafen  zumeist  ältere  Leute  (A  der 
Patienten  waren  über  38  Jahre,  6  über  60,  nur  10  unter  30  Jahren), 
daher  häufig  Verdacht  auf  Karzinom  vorlag.  5.  wurde  lange 
Krankheitsdauer  mit  periodischen  Besserungen,  oft  jahre¬ 
langes  Wohlbefinden  nach  Krankheitsattacken  von  Wochen  und 
Monaten  beobachtet.  6.  Erbrechen  von  Speisen  kommt  viel  seltene! 
vor  als  Brechreiz,  von  dem  sich  die  Patienten  durch  Einführung 
des  Fingers  in  den  Mund  Erleichterung  zu  verschaffen  pflegen.  7.  Die 
Schmerzen  treten  V4 — 2  Stunden  nach  dem  Essen  auf.  8.  Bluterbrechen 
wird  nur  selten  angegeben.  9.  Während  der  Krankheitsperioden 
besteht  gewöhnlich  Obstipation.  Die  folgende  Röntgenunter¬ 
suchung  sichert  zumeist  den  klinisch  erhobenen  Verdacht,  z.  B. 
positiver  Nischennachweis  bei  auf  das  Pankreas  übergreifenden 
Magengeschwüren  etc.  . 

Der  Vortr.  besprach  schliesslich  noch  eingehend  die  Grossen- 
veränderungen  der  Nischen  bei  wiederholten  Untersuchungen,  die 
Ursachen  des  Verschwindens  des  Nischensymptoms  und  dessen 

Wiedererscheinens.  ^  _  , 

Diskussion:  Prof.  Dr.  A.  Pick,  Dr.  0.  Porges  und 

Dr.  Martin  Haudek. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Pathological  Society  London. 

Vor  der  pathologischen  Gesellschaft  hielt  J.  E.  R.  McDonagh- 
London  am  3.  Dezember  einen  Vortrag  über  „Die  Entwicklungs¬ 
geschichte  des  Syphiliserregers“  und  demonstrierte  viele  mikro¬ 
skopische  Pi  äparate,  Zeichnungen  und  Photographien. 

McDonagh  bezeichnete  als  das  ansteckende  Agens  ein 
Sporozoit,  welches  sich  in  bindegewebigen  Zellen  zu  unreifen  männ¬ 
lichen,  weiblichen  und  geschlechtslosen  Körpern  entwickelt.  Der 
männliche  Gametozyt  tritt,  nachdem  er  die  bindegewebige  Zelle  ver¬ 
lassen  hat,  in  einen  grossen,  einkernigen  Lymphozyten  ein,  wo  ei 
sich  zu  drei  birnenförmigen  Körpern  entwickelt,  die  sich  sodann  in 
eine  Spirale  verwandeln,  aus  welcher  Spirochäten  herauskommen. 
Der  weibliche  Gametozyt  bleibt  ausserzellular  und  ist  ein  durch¬ 
scheinender  Körper,  welcher  an  seinem  oberen  Pol  ein  chromatisches 
Netzwerk  enthält  und  am  unteren  Pol  1—2  Blepharoblasten  aufweist. 
Die  letzteren  sind  bis  zur  Zeit,  wo  die  Zelle  die  Grösse  eines  roten 
Blutkörperchens  erreicht  hat,  schon  verschwunden.  Die  Befruchtung 
wurde  "beobachtet  und  nimmt  folgenden  Gang:  Der  weibliche 
Gametozyt  stösst  zwei  polare  Körper  aus  und  wird  von  einer 
Spirochäte  durchdrungen,  welche  sich  mit  dem  chromatischen  Netz¬ 
werk  des  vorhergehenden  vermischt.  Dann  färbt  sich  das  chro¬ 
matische  Netzwerk  dunkel  und  die  ganze  Zelle,  welche  früher  klar 
war,  färbt  sich  gleichmässig.  Diese  Zelle  ist  nun  eine  Zygote.  Die 
tiefgefärbten  Massen  teilen  sich  wiederholt,  indem  sie  Sporoblasten 
bilden,  welche  sich  an  Ort  und  Stelle  zu  einer  grossen  Sporozyste 
ausbilden,  oder  entkommen  und  je  eine  kleine  Sporozyste  bilden. 
Die  Sporozyste  platzt  sodann  und  lässt  die  Sporozoiten  frei  werden. 
Die  weiblichen  Gametozyten  künn  n  sich  auch  auf  parthenogenetische 
Art  teilen.  Der  geschlechtslose  Körper  entwickelt  sich  mittelst  eines 
Vorganges  von  wiederholter  Teilung  zu  einer  Sporozyste  in  der 
bindegewebigen  Zelle  und  entschlüpft  dieser  erst,  wenn  sie  degeneriert 
ist.  Auch  die  Wirkung  von  Salvarsan  auf  diese  Körper  wurde  er¬ 
wähnt,  sowie  auch  die  Irrtümer,  die  Beobachter  in  ihrer  Suche  nach 
parasitischen  Körpern  begehen  können.  (Autoref.) 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Vollversammlung  vom  19.  Dezember  1912. 

Der  Vorsitzende  R  e  h  m  widmet  vor  Eröffnung  der  Sitzung  dem 
verewigten  Landesherrn,  Prinzregent  Luitpold  warme  Worte  des 
Nachrufes.  Sichtlich  noch  unter  dem  Eindrücke  des  heutigen  Leichen¬ 
begängnisses  hörte  die  Versammlung  stehend  die  bewegten  Worte  des 
Vorsitzenden  an.  Rehm  betonte  insbesondere  die  Lebensführung 
des  verstorbenen  Regenten,  der  uns  Aerzten  ein  Beispiel  für  hygieni¬ 
sches  Leben  gegeben  hat.  Des  weiteren  hebt  er  die  grossen  Ver¬ 
dienste  des  Verblichenen  um  das  Volkswohl  hervor:  seine  Förderung 
der  Jugendspiele,  die  Stiftungen  für  Tuberkulose,  seine  warme  An¬ 
teilnahme  an  den  einzelnen  Menschen  und  auch  an  Tieren.  Die 
Aerzteschaft  hat,  wie  das  ganze  Volk,  Anlass  zur  tiefsten  Trauer. 

Es  wurde  sodann  —  bei  etwa  80  Anwesenden  —  in  die  Tages¬ 
ordnung  eingetreten.  Auch  hierbei  musste  der  Vorsitzende  einiger 
verstorbener  Mitglieder  gedenken:  Die  Herren  Prof.  K  o  p  p, 
Dr.  Pachmayr,  Wertheimer  hatten  sich  um  den  Verein 
in  langen  Jahren  verdient  gemacht.  Ganz  besonders  eingreifend 
und  schmerzlich  ist  der  Tod  Hartles,  des  langjährigen  Kassiers 
des  Vereins  und  öfteren  Delegierten  zum  Aerztetag  und  zur  Aerztc- 
kainmer.  Dieser  ihrer  Toten  gedenkt  die  Versammlung  durch  Er¬ 


heben  von  den  Sitzen.  Sodann  durfte  Rehm  5  neu  eingetretene 
Mitglieder  begrüssen,  wie  auch  am  Schlüsse  der  Sitzung  die  Auf¬ 
nahme  der  Herren  Prof.  Hess,  Prof.  v.Romberg  und  Dr.  Bich- 

1  e  r  erklären.  „ 

Ferner  wird  mitgeteilt,  dass  die  Kosten  für  bakteriologische 
Untersuchungen  nunmehr  vom  Kreise  übernommen  werden,  mit  Aus¬ 
nahme  der  Wassermann  sehen  Reaktion. 

Des  weiteren  teilt  der  Vorsitzende  mit,  dass  schon  lange  ein 
Beschluss  bei  der  Staatsregierung  bestehe,  der  die  staatliche  Prüfung 
des  Pflegepersonals  vorschreibt,  dass  dieser  Beschluss  jedoch  ver¬ 
gessen  worden  sei.  Daraus  erübrigt  sich  die  ärztliche  Petition  um 
Einführung  dieser  staatlichen  Prüfung. 

Die  Mitteilung,  dass  ein  ärztliches  Anzeigeblatt  gegründet  werde, 
in  dem  die  verschiedenen  Sitzungen  der  medizinischen  Gesellschaften 
Münchens  angezeigt  werden,  wird  begriisst  und  es  wird  beschlossen, 
die  Sitzungen  des  Bezirksvereins  dortselbst  kundzugeben. 

Es  folgt  sodann  ein  sehr  anschaulicher  Bericht  des  Herrn  H  i  r  t 
über  Organisation  und  Tätigkeit  des  Unfallgutachterkollegiums  des 
Bezirksvereins.  Aus  diesem  geht  hervor,  dass  der  Hauptwert  der 
Kommission  fast  mehr  darin  liegt,  dass  Leute,  die  sich  benachteiligt 
fühlen,  auch  von  dieser  Kommission  von  ihrem  Irrtum  überzeugt  wer¬ 
den,  als  darin,  dass  man  ihnen  zu  grösseren  Renten  verhelfen  könne. 
Da  ausserdem  der  Kommission  die  Einsicht  in  die  Akten  von  den 
Berufsgenossenschaften  verweigert  wird,  ist  ihre  I  ätigkeit  sein  ein- 
geschränkt  Prof.  Schmitt  zeigt  in  längeren  Ausführungen,  dass 
auf  das  Urteil  der  Kommission  von  den  Genossenschaften  sehr  wenig 
Wert  gelegt  wird.  Die  ausserordentlich  rege  Diskussion  über  dieses 
Thema  ergibt  den  einstimmig  angenommenen  Antrag:  die  Vorstand¬ 
schaft  des  Bezirksvereins  wird  ersucht,  an  die  Berufsgenossenschatten 
heranzutreten  mit  der  Bitte,  dem  Gutachterkollegium  des  Bezu  ks- 
vereins  eine  Aushändigung  der  Akten  zu  ermöglichen.  Diesem  Gesuch 
ist  ein  motiviertes  Gutachten  des  Referenten  Hirt  beizufügen. 

An  der  Diskussion  beteiligen  sich:  Epstein,  Sacki, 
Wohl  m  ti  t  h,  K  r  e  c  k  e,  0.  Aman  n,  Prof.  Schmitt.  Grün- 
wald,  Rehm,  Prof.  Kerschenst-einer,  Kolb  eck. 

Herr  0  Amann  hat  ein  Schreiben  an  den  Bezirksveiein  ge¬ 
richtet,  dass  man  als  dringend  folgende  Angelegenheit  besprechen 
solle-  Er  hat  seine  orthopädische  Anstalt  durch  ein  detailliertes 
Plakat  in  der  hiesigen  Trambahn  in  Empfehlung  gebracht.  Er  legt 
dieses  Plakat  vor  und  gibt  dazu  an,  dass  er  vorher  Herrn  Rehm, 
sowie  Herrn  Medizinalrat  Henkel  um  deren  Meinung  befragt  habe, 
die  sich  nicht  ablehnend  verhalten  hätten. 

Es  erfolgt  eine  sehr  rege  Diskussion,  in  welcher  sich  die  meisten 
Redner  scharf  gegen  diese  neue  Art  der  Reklame  aussprechen.  So 
die  Herren  P  e  r  u  t  z,  S  c  h  w  e  r  t  f  e  1  n  e  r,  Kustermann,  E  r  e  y  - 
tag,  Hoh  man,  welcher  sagt,  dass  die  Vereinigung  der  Mün¬ 
chener  Fachärzte  für  Orthopädie  sich  ebenfalls  gegen  diesen  Usus 
ausgesprochen  hätte.  Nassauer  teilt  mit,  dass  sich  die  von  dem 
Aerzteverein  für  freie  Arztwahl  gewählte  Kommission  für  ärztliche 
Etikettenfragen  schon  mit  diesem  Falle  beschäftigt  und  mit  der 
Vorstandschaft  des  Aerztevereins  folgenden  prinzipiellen  Beschluss 
gefasst  habe:  „Aerztliche  Reklamen  in  öffentlichen  Lokalen  (I  ram- 
bahn,  Plakatsäulen,  Reklamemarken,  Lichtbilder  etc.)  sind  unstatt¬ 
haft“.  Er  empfiehlt  die  Annahme  dieses  Antrages  auch  duich  den  Be¬ 
zirksverein,  was  geschieht. 

A  m  a  n  n  gibt  nun  an,  dass  er  glaubte,  durch  die  vorhergehende 
Anfrage  sein  Gewissen  beruhigt  zu  haben,  dass  es  nun  nur  unter 
grossen  Opfern  möglich  sei,  den  Vertrag  mit  der  Trambahn  rück¬ 
gängig  zu  machen  und  fragt,  was  er  tun  solle.  Es  gelangt  schliess¬ 
lich  ein  zweiter  Antrag  Nassauers  zur  Annahme,  dass  die  Vor¬ 
standschaft  des  BV.  im  Verein  mit  Herrn  O.  Amann  die  baldige 
Regelung  dieses  Einzelfalles  in  die  Hand  nehme. 

Hecht  regt  die  Gründung  einer  Kommission  für  all  diese  neuer¬ 
dings  wieder  sehr  brennend  gewordenen  Fragen  der  ärztlichen  Eti¬ 
kette  an,  analog  der  Kommission  des  Münchener  Aerztevereins,  wo¬ 
möglich  unter  Wahl  derselben  Mitglieder,  mit  dem  Rechte  der  Koop¬ 
tation,  so  dass  die  ganze  Münchener  Aerzteschaft  diese  frage  ge¬ 
meinsam  erledige.  Krecke  möchte,  dass  die  bestehende  Münchener 
Einigungskommission  damit  betraut  werde. 

Inzwischen  haben  die  verschiedenen  notwendig  gewordenen 
Neuwahlen  stattgefunden.  Der  Vorsitzende  Rehm  nimmt  den  Vor¬ 
sitz  nicht  mehr  an.  Er  hat  schon  im  vorigen  Jahre  nur  auf  dringen¬ 
des  Zureden  den  Vorsitz  beibehalten,  ist  aber  nunmehr  so  uberhauft, 
dass  er  auf  seinem  Entschlüsse  stehen  bleibt.  Herr  E  p  s  t  e  l  n  bittet 
noch  einmal  ausdrücklich,  dass  Rehm  bleiben  möge,  was  dieser  je¬ 
doch  ganz  bestimmt  ablehnen  zu  müssen  angibt.  Herr  Nassauer 
erlaubt  sich  hierauf,  Herrn  Rehm  aus  der  Versammlung  heraus  den 
wärmsten  Dank  des  BV.  auszusprechen..  Er  lasst  die  Reihe  der  Vor- 
sitzenden  von  A  u  b  an  über  Näher,  Beckei,  Dies  de  n  e  r, 
Kastl  bis  zu  Rehm  Revue  passieren,  die  er  alle  als  vorsitzenue 
hat  amtieren  sehen  und  rechnet  es  Herrn  Rehm  als  besonders  ver¬ 
dienstvoll  an,  dass  er  das  in  schlimmen  Stürmen  befindliche  Schiti- 
lein  des  BV.  wieder  in  ruhige,  stille  Bahnen  gelenkt  hat.  Die  Ver¬ 
sammlung  stimmt  durch  lebhafte  Akklamation  dem  Danke  des  Red¬ 


ners  an  Reh  m  bei.  .  ^  u  f 

Die  Vorstandschaft  schlägt  als  Nachfolger  Reh  in  s  Herrn  I  rot. 
Kerschensteiner  vor,  der  denn  auch  zum  ersten  Vorsitzenden 
gewählt  wird.  Unter  nochmaliger  Anerkennung  der  Verdienste 
Rehms  nimmt  Kerschensteiner  die  Wahl  an. 


7.  Januar  1913. 


MUENCHKNKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Als  neue  Mitglieder  werden  in  die  Vorstandschaft  gewählt:  Als 
Kassier  für  den  verstorbenen  Herrn  Hartle  Hofrat  Freuden- 
b  e  r  g  e  r.  Als  Beisitzer  die  Herren  Dornberger  und  Wasser¬ 
mann.  Als  Schiedsrichter  an  Stelle  des  verstorbenen  Herrn  Ko  pp 
Herr  Reh  m  sowie  Herr  K  r  e  c  k  e. 

Herr  U  h  1  teilt  mit,  dass  er  an  Stelle  des  verstorbenen  Herrn 
Ko  pp  Vorsitzender  der  Ortsgruppe  zur  Bekämpfung  von  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  geworden  ist  und  bittet  die  Kollegen  um  rege 
Unterstützung  deren  Bestrebungen. 

Diese  letzte  Sitzung  unter  Rellins  Führung  hielt  das  Interesse 
der  Anwesenden  bis  1 2XA  Uhr  nachts  wach.  Nassauer. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Andronow  und  Wells  haben  in  je  16  Fällen  von  T  uber- 
k  u  lose  günstige  Erfolge  mit  Dioradin  erzielt.  Ersterer  Autor 
hat  meist  eine  Serie  von  40  Injektionen  gemacht.  (Rev.  internat. 
de  la  tuberculose,  Bd.  22,  S.  201  resp.  170,  1612.)  Fr.  L. 

Bei  der  Behandlung  der  Ischias  hat  II  i  r  s  c  h  b  e  r  g  -  Posen 
einen  günstigen  Erfolg  vom  Atophan  gesehen  (Ther.  Monatshefte 
1612,  10).  Es  waren  3  Kuren  notwendig,  das  erstemal  6  Tage  lang 
3  Tabletten,  das  zweitemal  6  Tage  2  Tabletten,  das  drittemal  3  Tage 
je  2  Tabletten.  j(r< 

Herzberg;-  Berlin  empfiehlt  das  P  i  1 1  y  1  e  n  in  Form  von 
Seifen  zur  Behandlung  des  Pruritus  vulvae.  Vor  dem  Schlafen¬ 
gehen  soll  ein  warmes  Sitzbad  genommen  werden,  dem  zwei  Ess¬ 
löffel  einer  lOproz.  Pittylenseife  zuzusetzen  sind.  Darnach  seift  mau 
die  affizierten  Partien  mit  5  proz.  Pittylenmentholseife  ein,  lässt  den 
Schaum  eintrocknen,  stäubt  Zinkpuder  darauf  und  nimmt  erst  am 
folgenden  Morgen  eine  Reinigung  mit  lauwarmem  Wasser  vor.  In 
der  Scheide  höher  oben  sitzende  gerötete  und  juckende  Partien 
werden  durch  Applikation  einer  5 — 10  proz.  Pittylensalbe  nach 
Spülung  behandelt.  Schon  nach  wenigen  Tagen  sollen  die  lästigen 
und  unangenehmen  Symptome  verschwinden.  (Med.  Klinik  1912, 
No.  46.)  Gr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  4.  Januar  1913"). 

—  Ueber  die  Regelung  der  Feuerbestattung  in 
Bayern  wird  folgende  offiziöse  Mitteilung  verbreitet:  Das  Gesetz- 
und  Verordnungsblatt  veröffentlicht  in  der  No.  87  die  Oberpolizei¬ 
lichen  Vorschriften  des  Staatsministeriums  des  Innern  über  die 
Feuerbestattung  vom  28.  Dezember  1912  und  die  Vollzugsbekannt¬ 
machung  hiezu  vom  gleichen  Tage.  Die  Rechtsgrundlage  der  Vor¬ 
schriften  ist  der  Artikel  61,  Abs.  1,  No.  3  des  Polizeistrafgesetz¬ 
buches.  Bisher  war  es  bestritten,  ob  auf  Grund  dieser  Gesetzesvor¬ 
schrift  eine  polizeiliche  Regelung  der  Feuerbestattung  erfolgen  könne. 
Im  Rechtswege  konnte  die  Frage  nicht  ausgetragen  werden,  da  eine 
Gelegenheit  hiezu  sich  nicht  ergab.  Die  Staatsregierung  hatte  sich 
auf  den  verneinenden  Standpunkt  gestellt,  weil  es  zweifelhaft  erschien, 
ob  der  Begriff  „Beerdigung“  in  dieser  landesrechtlichen  Vorschrift 
die  Feuerbestattung  umfasse.  Für  die  in  Reichsgesetzen  vorkommen¬ 
den  Ausdrücke  „Beerdigen,  Beerdigung“  vertrat  die  Rechtslehre  die 
Ansicht,  dass  unter  diese  Ausdrücke  auch  die  Feuerbestattung  falle, 
ln  neuerer  Zeit  ist  nun  die  Rechtslage  geklärt  worden.  Der  Ver¬ 
waltungsgerichtshof  hat  in  seinen  Entscheidungen  vom  20.  Dezember 
1911  und  vom  13.  November  1912,  betreffend  die  Erbauung  einer 
Einäscherungsstätte  in  Nürnberg,  ausgesprochen,  in  Bayern  bestehe 
kein  gesetzliches  Verbot,  eine  Einäscherungsstättc  zu  errichten,  und 
eine  gemeindliche  Einäscherungsstätte  stelle  sich  nicht  als  eine  Ge¬ 
meindeanstalt  dar,  aus  der  einer  Gemeinde  eine  dauernde  Haftungs¬ 
verbindlichkeit  erwachse,  ihre  Gründung  und  ihr  Betrieb  bedürften 
hiernach  nicht  der  staatsaufsichtlichen  Genehmigung.  Angesichts 
dieser  Entscheidungen  erwies  sich  eine  das  ganze  Land  umfassende 
schleunige  Regelung  der  Feuerbestattung  aus  gesundheitspolizeilichen 
und  kriminellen  Rücksichten  als  unabweisbar.  Die  Staatsregierung 
ist  deshalb  neuerdings  der  Prüfung  der  Frage  näher  getreten,  ob  nicht 
das  Polizeistrafgesetzbuch  schon  in  seiner  derzeitigen  Fassung  die 
Handhabe  zu  einer  solchen  Regelung  biete.  Ein  auf  Veranlassung 
der  Staatsregierung  erstattetes  Rechtsgutachten  des  Strafsenats  des 
Obersten  Landesgerichtes  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  auf  Grund 
des  Artikels  61,  Abs.  1,  No.  3  des  Polizeistrafgesetzbuches  Oberpolizei¬ 
liche  Vorschriften  über  Zeit,  Ort  und  Art  der  Leichenverbrennung 
erlassen  werden  können.  Damit  sind  die  Bedenken,  die  früher  gegen 
die  Anwendung  dieser  Vorschrift  auf  die  Feuerbestattung  bestanden, 
nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten.  Die  jetzt  erlassenen  Vorschriften 
lehnen  sich  an  das  Preussische  Gesetz  vom  14.  September  1911  über 
die  Feuerbestattung  und  an  die  Ausführungsanweisung  zu  diesem 
Gesetze  vom  29.  September  1911  an.  Soweit  sachliche  Unterschiede 
bestehen,  sind  sie  im  wesentlichen  darauf  zurückzuführen,  dass  die 
bayerischen  Vorschriften  auf  polizeistrafrechtlicher  Grundlage  be- 


*)  Die  vorliegende  Nummer  musste  wegen  eines  katholischen  Feier¬ 
tages  in  nächster  Woche  früher  fertiggestellt  werden. 


53 

ruhen.  An  die  Vollzugsbekanntmachung  schliesst  sich  eine  Anweisung 
für  das  Verfahren  an,  das  bei  der  amtsärztlichen  Leichenbesichtigung 
und  bei  der  Ausstellung  der  amtsärztlichen  Bescheinigung  für  die 
Feuerbestattung  einzuhalten  ist.  Die  Anweisung  entspricht  einem 
einstimmigen  Gutachten  des  Obermedizinalausschusses. 

—  Der  preuss.  Medizinalminister  hat  den  jetzt  allenthalben  be¬ 
stehenden  oder  in  Bildung  begriffenen  ärztl.  Vereinen,  deren  Zweck  der 
Abschluss  von  Kollektivverträgen  mit  Krankenkassen  ist,  einen  Nadel¬ 
stich  dadurch  zu  versetzen  gesucht,  dass  er  der  Erlangung  der 
Rechtsfähigkeit  dieser  Vereine  Schwierigkeiten  bereitete.  In 
einem  Erlass  an  die  Regierungsbehörden  führte  er  aus,  es  erscheine 
mit  Rücksicht  auf  die  Bedeutung,  die  solche  Vereine  unter  Umstän¬ 
den  für  die  gesamte  ärztliche  Versorgung  der  Mitglieder  von  Kran¬ 
kenkassen  und  damit  für  die  Durchführung  der  Krankenversicherung 
überhaupt  gewinnen  können,  unerwünscht,  dass  sie  die  Rechtsfähigkeit 
auf  einem  anderen  als  dem  nach  §  22  BGB.1)  allein  zulässigen  Weg 
erlangen.  Es  seien  daher  die  Landräte  und  Polizeibehörden  der 
Stadtkreise  anzuweisen,  dass  sie  in  allen  Fällen,  in  denen  das  Amts¬ 
gericht  die  Anmeldung  eines  solchen  Vereins  mitteilt,  zwar  von  einem 
Einspruch  absehen,  das  Amtsgericht  aber  unter  Hinweis  auf  die  er¬ 
örterte  Rechtslage  darauf  aufmerksam  machen,  dass  ihres  Erachtens 
der  Verein  die  Rechtsfähigkeit  nur  durch  Verleihung  gemäss  §  22 
BGB.  erlangen  könne.  Dieser  Erlass  hat  scharfe  Kritik  in  der  Haupt¬ 
versammlung  des  L.  V.  und  in  der  Fachpresse  gefunden.  Nicht  ohne 
Erfolg;  denn  wie  eine  neuerliche  offiziöse  Mitteilung  besagt,  soll  dem¬ 
nächst  der  preuss.  Aerztekammerausschuss  in  der  Sache  gehört  wer¬ 
den;  erst  dann  sollen  die  Erwägungen  abgeschlossen  werden,  die 
die  Entscheidung  darüber  bringen,  unter  welchen  Voraussetzungen 
derartigen  ärztlichen  Vereinen  die  Rechtsfähigkeit  verliehen  werden 
kann.  Da  man  die  Entscheidung  von  der  Stellungnahme  des  Aerzte- 
kammerausschusses  abhängig  machen  will,  diese  aber  nicht  zweifel¬ 
haft  sein  kann,  so  dürften  die  Vereine  von  dem  Erlass  nicht  allzu 
viel  zu  befürchten  haben. 

—  Die  Badische  Aerztekammer  beschäftigte  sich  in 
ihrer  Sitzung  vom  12.  Dezember  v.  J.  mit  einem,  dem  bekannten  Kis- 
singer  Antrag  nachgebildeten  Antrag  des  Aerztlichen  Vereins  der 
Stadt  Baden,  „die  Grossherzogliche  Staatsregierung  zu  veranlassen, 
beim  Bundesrat  den  Antrag  zu  stellen,  dass  ausländischen,  in  Deutsch¬ 
land  nicht  approbierten  Aerzten  die  Ausübung  der  Praxis  in  jeder 
Form  und  unter  jeder  Bezeichnung  verboten  werde,  unbeschadet  der 
für  die  Grenzbezirke  bestehenden  internationalen  Vereinbarungen.“ 
Da  bezüglich  der  Durchführbarkeit  des  Antrags  Bedenken  laut  wurden, 
wurde  er  in  der  modifizierten  Form  angenommen,  dass  die  Regierung 
ersucht  wird,  „der  Angelegenheit  ihre  Aufmerkmerksamkeit  zu  wid¬ 
men  und  die  geeigneten  Massnahmen  zur  Verhütung  von  Uebel- 
ständen  in  Erwägung  zu  ziehen. 

—  In  Preussen  wurde  durch  eine  Verordnung  vom  16.  Dezem¬ 
ber,  betr.  die  Errichtung  einer  Standesvertretung  für  Zahnärzte,  die 
Schaffung  einer  Zahnärztekammer  für  das  Gebiet  des  König¬ 
reichs  Preussen  mit  dem  Sitze  in  Berlin  angeordnet.  Der  Geschäfts¬ 
kreis  der  Zahnärztekammer  soll  die  Erörterung  aller  Fragen  und  An¬ 
gelegenheiten  umfassen,  die  den  zahnärztlichen  Beruf,  insbesondere 
die  zahnärztliche  Fortbildung,  die  zahnärztlichen  Standesinteressen 
und  die  Zahngesundheitspflege  betreffen.  Die  Zahnärztekammer  soll 
befugt  sein,  innerhalb  ihres  Geschäftskreises  Vorstellungen  und  An¬ 
träge  an  die  Staatsbehörden  zu  richten;  die  Staatsbehörden  sollen  ihr 
auch  Gelegenheit  geben,  sich  über  Fragen  ihres  Geschäftskreises  gut¬ 
achtlich  zu  äussern.  Die  Mitglieder  der  Zahnärztekammer  werden 
getrennt  nach  Provinzen  gewählt;  der  Landespolizeibezirk  Berlin  bil¬ 
det  einen  eigenen  Wahlbezirk.  Jeder  Wahlbezirk  wählt  2  Mitglieder; 
erreicht  die  Zahl  der  Wahlberechtigten  200,  so  sind  3  Mitglieder  und 
für  jede  fernere  200  ein  weiteres  Mitglied  zu  wählen.  Den  Vorstand, 
der  die  Kammer  nach  aussen  vertritt,  wählen  die  Mitglieder  der 
Kammer. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Hamburg:  Die  schon  so  lange  schwe¬ 
bende  Frage  der  Errichtung  einer  Ha  m  bur  gischen  Uni¬ 
versität  scheint  jetzt  der  Entscheidung  näher  kommen  zu  sollen. 
Am  23.  d.  M.  hat  der  Senat  der  Bürgerschaft  einen  „Gesetzentwurf 
über  die  Hamburgische  Universität  und  die  Wissenschaftlichen  An¬ 
stalten“  zugehen  lassen,  demzufolge  eine  Universität  zunächst  mit 
drei  Fakultäten,  der  juristischen,  philosophischen  und  kolonial¬ 
wissenschaftlichen,  errichtet  werden  soll.  Von  einer  theologischen 
und  medizinischen  Fakultät  wird  vorläufig  noch  Abstand  genommen. 
Die  Kosten  sollen  in  der  Weise  bestritten  werden,  dass  in  das  Staats¬ 
schuldbuch  eine  Schuld  von  25  Millionen  eingetragen  wird,  die  mit 
4  Proz.  verzinst  werden  sollen,  worüber  die  Universität  zu  verfügen 
hat.  Ein  Freund  des  Universitätsplanes  hat  die  Mittel  zur  Erweite¬ 
rung  des  vorhandenen  Vorlesungsgebäudes  für  Universitätszwecke 
zur  Verfügung  gestellt.  Die  Universität  soll,  wenn  auch  in  freier 
Weise,  nach  dem  Muster  der  anderen  deutschen  Universitäten  organi¬ 
siert  werden.  Rektor,  Professorenrat  und  ein  Justitiar  werden  die 
Leitung,  ein  Senatskommissar  die  Staatsaufsicht  haben.  Auch  die 
Kaufmannschaft  wird  eine  Vertretung  haben,  die  ihr  die  Fühlung  mit 
dem  Kolonialfach  sichert.  Als  treibende  Kraft  für  die  ganze  Uni- 


*)  Der  §  22  BGB.  lautet:  „Ein  Verein,  dessen  Zweck  auf  einen 
wirtschaftlichen  Geschäftsbetrieb  gerichtet  ist,  erlangt  in  Ermange¬ 
lung  besonderer  reichsgesetzlicher  Vorschriften  Rechtsfähigkeit  durch 
staatliche  Verleihung.  Die  Verleihung  steht  dem  Bundesstaate  zu, 
in  dessen  Gebiete  der  Verein  seinen  Sitz  hat.“ 


54 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


versitätsbewegung  muss  der  Leiter  des  hamburgischen  Schul-  und 
Bildungswesens,  Senator  v.  Melle,  bezeichnet  werden,  der  sich 
seit  einer  Reihe  von  Jahren  zum  Träger  dieser  Kulturbewegung  ge¬ 
macht  hat.  Die  Hamburger  Aerzteschaft  stand  bisher  dieser  Be- 
wegung  ziemlich  kühl  gegenüber.  Wenn  aber  nun  doch  die  Uni- 
versität  kommen  soll,  so  darf  die’  medizinische  Fakultät  nicht  fehlen, 
für  die  mehr  als  für  die  anderen  Fächer  die  Vorbedingungen  ge¬ 
schaffen  sind.  (Vergl.  auch  den  „Hamburger  Brief“  in  dieser  No.) 

—  Fortbildungskurse  für  Kandidaten  der 
Medizin  werden  wiederum  in  der  Zeit  vom  3. — -19.  März  1913  im 
Allgemeinen  Kranken  hause  Eppendorf  zu  Ham¬ 
burg  (ärztlicher  Direktor  Prof.  Dr.  Braue  r)  stattfinden.  Es 
können  auch  Aerzte  und  Praktikanten  an  den  Kursen  ted¬ 
nehmen.  Die  Kurse  haben  zum  Ziele,  während  der  Frühjahrs-  und 
Herbstferien  Kandidaten  der  Medizin  ein  grosses  Krankenmaterial 
übersichtlich  zur  Darstellung  zu  bringen,  und  hierdurch  eine  E  r  - 
gänzung  des  bestehenden  Universitätsunter¬ 
richtes  zu  bieten.  Gleichzeitig  wird  den  Teilnehmern  Gelegenheit 
gegeben,  wichtige,  durch  Hamburgs  Eigenart  bedingte  Einrichtungen 
kennen  zu  lernen.  Ausführliche  Programme  versendet  kosten¬ 
frei  das  Bureau  des  ärztlichen  Direktors  des  Allg. 
Krankenhauses  Eppendorf  zu  Hamburg  20. 

—  Die  unter  der  Leitung  der  Herren  Ingenieur  Heinz  Bauer, 
Dozent  Dr.  Holzknecht  und  Dozent  Dr.  Kienböck  stehende 
Vereinigung  vieler  bekannter  Wiener  Röntgenologen  hält  in  \\  len 
vom  10. — 19.  März  1913  einen  theoretischen  und  praktischen  K  u  r  s 
über  das  Gesamtgebiet  der  Radiologie  ab.  Auskünfte 
durch  das  „Sekretariat  der  Wiener  Röntgenkurse  ,  Wien  Vlll, 

Albertgasse  32,  Tür  8.  .  ., 

—  Cholera.  Bulgarien.  Im  Anschluss  an  das  Auttreten  der 
Cholera  in  dem  Lager  der  Türken  vor  Tschataldscha  sind  ver¬ 
einzelte  Fälle  dieser  Seuche  auch  unter  verwundeten  bulgarischen 
Soldaten,  welche  aus  dem  bezeichneten  Gebiete  zurückkehrten,  fest¬ 
gestellt  worden,  und  zwar  vom  21.  November  bis  10.  Dezember 
6  Fälle  in  Sofia,  von  denen  bis  zum  16.  d.  M.  1  tödlich  verlaufen 
war  und  am  9.  Dezember  2  Fälle  in  Stara-Zagora.  Vom  10.  bis 
16  Dezember  war  keine  Erkrankung  in  Bulgarien  mehr  verzeichnet 
worden  —  Türkei.  Nach  dem  amtlichen  Ausweis  sind  in  Kon¬ 
stantinopel  vom  3.-9.  Dezember  540  Personen  erkrankt  (und  229 
gestorben),  davon  314  (109)  seit  dem  7.  Dezember.  Aus  13  anderen 
Ortschaften  wurden  vom  24.  November  bis  2.  Dezember  44  Er¬ 
krankungen  (und  47  Todesfälle)  gemeldet.  —  Straits  Settlements, 
ln  Singapore  sind  vom  7.— 18.  November  3  tödlich  verlaufene  Cholera¬ 
fälle  gemeldet  worden.  —  China.  In  der  Stadt  Futschau  sind  zufolge 
Mitteilung  vom  20.  November  vereinzelte  Cholerafälle  vorgekommen. 

_  Pest.  Aegypten.  Vom  30.  November  bis  6.  Dezember  er¬ 
krankten  3  Personen,  und  zwar  je  1  in  Damanhur,  Chebin  el  Korn 
und  Dessuk.  —  Britisch  Ostindien.  Vom  10.  bis  16.  November  er¬ 
krankten  2845  und  starben  2246  Personen  an  der  Pest.  —  Philippinen. 
In  Manila  sind  vom  27.  Oktober  bis  5.  November  3  neue  tödlich  ver¬ 
laufene  Pestfälle  gemeldet  worden;  insgesamt  waren  dort  33  Erkran¬ 
kungen  und  30  Todesfälle  vorgekommen.  In  Iloilo  schien  die  Seuche 
am  5.  November  erloschen  zu  sein.  —  Britisch  Ostafrika.  Zufolge 
Mitteilung  vom  16.  November  sind  seit  dem  21.  Oktober  in  Mom- 
bassa  7,  in  Nairobi  2,  in  Kiambu  (nördlich  von  Nairobi)  2  und  in 
Kisumu  6  weitere  Pestfälle  gemeldet  worden,  die  bis  auf  1  tödlich 
verlaufen  sind.  Nachdem  in  Mombassa  die  letzten  Erkrankungen  am 
26  Oktober  festgestellt  worden  sind,  wurden  die  Stadt  und  die  Insel 
Mombassa  am  15.  November  für  pestfrei  erklärt.  —  Porto  Rico. 
Zufolge  Mitteilung  vom  17.  Dezember  ist  Porto  Rico  amtlicn  für 
pestfrei  erklärt  worden.  —  Venezuela.  In  La  Guayra  am  23.  Oktober 
1  Erkrankung  und  1  Todesfall.  —  Chile.  In  lquique  vom  22.  bis 
28.  September  1  Todesfall  und  vom  13.  bis  26.  Oktober  3  Erkran¬ 
kungen  und  1  Todesfall.  —  Peru.  In  I  rujillo  vom  15.  Oktobei  bis 
11.  November  10  Erkrankungen  und  2  Todesfälle. 

—  In  der  50.  Jahreswoche,  vom  8.  bis  14.  Dezember  191^,,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Jena  mit  26,7,  die  geringste  Mülheim  a.  d.  R.  mit  6,3  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestor¬ 
benen  starb  an  Scharlach  in  Königshütte,  Rostock,  Zabrze,  an  Masern 
und  Röteln  in  Hagen,  Hamborn,  Kaiserslautern,  Mülheim  a.  d.  R., 
Oberhausen,  Rheydt;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Gladbeck,  Gleiwitz; 
an  Unterleibstyphus  in  Rheydt;  an  Keuchhusten  in  Recklinghausen. 

(V.  d.  K.  G.-A.) 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  Habilitiert  für  pharmazeutische  und  Nahrungsmittel¬ 
chemie:  Dr.  Peter  Danckwortt,  Assistent  am  pharmazeutischen 
Institut  (Prof.  G  a  d  a  m  e  r).  Antrittsvorlesung;  „Die  geschichtliche 
Entwicklung  der  Arzneibücher“.  , 

Halle  a.  S.  Prof.  W  allst  ein  ist  als  Nachfolger  von  Geh. 
Med.-Rat  Prof.  Dr.  L  o  e  b  k  e  r  zum  Chefarzt  des  Knappschafts- 
kran'kenhauses  Bergmannsheil  in  Bochum  berufen  worden. 

München.  Der  a.  o.  Professor  der  Kinderheilkunde  Dr.  Mein¬ 
hard  v.  Pfaundler  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 
Hiernach  bleibt  Prof.  v.  Pfaundler  der  Münchener  Universität  er- 

Münster  i.  W.  Wie  uns  aus  Münster  geschrieben  wird,  liegt 
den  von  der  Tagespresse  gebrachten  Nachrichten  über  den  geplanten 
Ausbau  Jer  medizinischen  Fakultät  in  Münster  die  Tatsache  zugrunde, 
dass  Antang  November  d.  J.  in  Münster  eine  Konferenz  über  diese 


Angelegenheit  zwischen  einer  Kommission  des  Kultusministeriums 
unter  Leitung  des  Ministerialdirektors  Dr.  Naumann  und  Ver¬ 
tretern  der  Universität,  der  Stadt  und  der  Provinzialverwaltung  statt¬ 
gefunden  hat.  Die  Verhandlungen  haben  ergeben,  dass  der  Kultus¬ 
minister  den  Bestrebungen  mit  grossem  Wohlwollen  gegenübersteht 
und  dass  auch  die  genannten  Verwaltungen  bereit  sind,  das  grösste 
Entgegenkommen  zu  zeigen.  ,  „  . 

Bologna.  Dr.  P.  T  u  1 1  i  o  habilitierte  sich  als  Privatdozent 

für  Physiologie. 

Catania.  Dr.  F.  V  a  1  e  n  t  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  medizinische  Pathologie. 

Florenz.  Privatdozent  Dr.  P.  P  a  1  a  g  i  -  Bologna  habilitierte 
sich  als  Privatdozent  für  Orthopädie  an  der  höheren  medizinischen 


Schule.  .....  ^  c 

Graz.  Dem  Privatdozenten  für  innere  Medizin  Dr.  Eugen 
p  e  t  r  y  wurde  der  Titel  eines  a.  o.  Universitätsprofessors  verliehen. 

Manchester.  Dr.  A.  E.  B  o  y  c  o  1 1  wurde  zum  Professor 
der  pathologischen  Anatomie  ernannt. 

Neapel.  Dr.  F.  S  t  i  n  e  1 1  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  externe  Pathologie. 

Pisa.  Dr.  L.  F  i  o  r  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
externe  Pathologie. 

Prag.  Dr.  Viktor  Guttmann  wurde  als  Privatdozent  tur 
Laryngologie  an  der  medizinischen  Fakultät  der  tschechischen  Uni¬ 
versität  bestätigt.  —  Der  ausserordentliche  Professor  für  Zahnheil¬ 
kunde  an  der  tschechischen  med.  Fakultät,  Dr.  E.  Nessel,  wurde 
zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Rom.  Dr.  A.  B  i  a  s  o  1 1  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
klinische  Chemie.  —  G.  Bilancioni  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  allgemeine  Pathologie. 

Saratow.  Dr.  A.  M.  L  e  w  k  o  w  s  k  i,  Privatdozent  an  der 
med.  Fakultät  zu  Charkow,  wurde  zum  Professor  der  Neurologie  und 
Psychiatrie  ernannt.  ,  ,  „  . 

Utrecht.  Dr.  W.  E.  Ringer  habilitierte  sich  als  Privat- 
dozent  für  physiologische  Chemie. 

Wien.  Die  mit  dem  Titel  eines  a.  o.  Universitätsprofessors 
bekleideten  Privatdozenten  Dr.  Emil  Redlich  (Psychiatrie  und 
Neuropathologie)  und  Dr.  Wolfgang  Pauli  (interne  Medizin)  wurden 
zu  ausserordentlichen  Professoren  ernannt.  —  Den  Privatdozenten 
Dr.  Wilhelm  Roth  (Laryngologie),  Dr.  Emil  Schütz  (interne 
Medizin),  Dr.  Siegmund  Erben  (interne  Medizin),  Dr.  Heinrich 
Winterberg  (allg.  und  experim.  Pathologie),  Dr.  Gabriel  Nobl 
(Denn,  und  Syphilis),  Dr.  Stefan  Weidenfeld  (Derm.  und 
Syphilis),  Dr.  Karl  Ritter  v.  S  t  e  j  s  k  ä  1  (interne  Medizin),  Dr.  Otto 
Marburg  (Neurologie),  Dr.  Wilhelm  Falta  (interne  Medizin), 
Dr.  Josef  Meller  (Augenheilkunde),  Stabsarzt  Dr.  Robert  Doerr 
(allg.  und  experim.  Pathologie),  Dr.  Alfred  E  x  n  e  r  (Chirurgie)  und 
Dr.  Egon  Ranzi  (Chirurgie)  wurde  der  Titel  eines  ausserordent¬ 
lichen  Universitätsprofessors  verliehen. 

(Todesfälle.) 

ln  Christiania  starb  am  27.  Dezember  80  Jahre  alt  Dr.  M.  S. 
Greve,  von  1883— 1911  Leiter  des  Reichshospitals -zu  Christiania, 
des  grössten  norwegischen  Krankenhauses.  Ausser  in  dieser  Stellung 
hat  er  sich  um  die  Gesundheitspflege  in  Norwegen  überhaupt  Ver¬ 
dienste  erworben.  11  : 

Dr.  G.  D  i  r  n  e  r,  Privatdozent  für  Gynäkologie  und  Direktor 
der  Gebäranstalt  in  Pest. 

Dr.  John  E.  Brackett,  früher  Professor  der  Medizin  an  Ho¬ 
ward  University  School  of  Medicine  in  Washington. 

(Berichtigung.)  In  No.  52,  S.  2894,  Sp.  1  (Ref.  Schott¬ 
in  ii  1 1  e  r)  ist  Z.  47  v.  o.  statt  „5  Fällen“  zu  lesen  „15  Fällen“. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

Oberpolizeiliche  Vorschriften  über  die  Feuerbestattung. 

Kgl.  Staatsministerium  des  Innern. 

Das  Kgl.  Staatsministerium  des  Innern  erlässt  auf  Grund  des 
Art.  61,  Abs.  I,  Ziff.  3  des  Polizeistrafgesetzbuches  für  das  König¬ 
reich  Bavern  folgende  Vorschriften: 

§  1.  Durch  die  Einführung  der  Feuerbestattung  in  einer  Ge¬ 
meinde  darf  die  Möglichkeit,  von  der  Erdbestattung  Gebrauch  zu 
machen,  nicht  eingeschränkt  werden.  Die  Feuerbestattung  darf  nur 
auf  gemeindlichen  Friedhöfen  in  Anlagen  erfolgen,  die  von  Gemeinden 
betrieben  werden  und  in  der  Einrichtung  und  im  Betrieb  ausser  den 
bau-  und  feuerpolizeilichen  auch  den  gesundheitspolizeilichen  Anforde¬ 
rungen  entsprechen.  Die  Anlagen  müssen  ausserdem  so  eingerichtet 
und  betrieben  werden,  dass  die  Asche  einer  jeden  Leiche  möglichst 
rein  und  vollständig  gewonnen  und  eine  Vermengung  mit  anderen 
Stoffen  oder  eine  Verwechslung  tunlichst  vermieden  wird.  Ob  eine 
Anlage  in  dieser  Richtung  genügt  und  ob  sie  den  gesundheitspolizei¬ 
lichen  Anforderungen  entspricht,  haben  die  Regierungen,  Kammern 
des  Innern,  festzustellen;  erst  wenn  dies  festgestellt  ist,  darf  die 
Anlage  in  Betrieb  genommen  werden. 

§  2.  Eine  Leiche  darf  in  einer  Anlage  nach  §  1  erst  eingeäschert 
werden,  wenn  die  Ortspolizeibehörde  des  Einäscherungsortes,  in 
München  der  Stadtmagistrat,  die  Feuerbestattung  schriftlich  ge¬ 
nehmigt  hat. 


I  Januar  \9\S. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


55 


Die  Genehmigung  muss  versagt  werden,  wenn  nicht  folgende 
fachweise  beigebracht  sind: 

1.  Die  amtliche  Sterbeurkunde, 

2.  eine  amtsärztliche  Bescheinigung  über  die  Todesursache, 

3.  der  Nachweis,  dass  der  Verstorbene  die  Feuerbestattung 
seiner  Leiche  angeordnet  hat, 

4.  eine  Bescheinigung  der  Ortspolizeibehörde  des  Sterbeortes 
oder  des  letzten  Wohnortes,  iil  München  der  Polizei¬ 
direktion,  darüber,  dass  ihr  Umstände,  die  den  Verdacht  der 
Herbeiführung  des  Todes  durch  eine  strafbare  Handlung  be¬ 
gründen,  nicht  bekannt  sind;  in  den  Fällen  des  §  157,  Abs  I 
der  Strafprozessordnung  ersetzt  die  nach  Abs.  II  des  §  157 
erteilte  Genehmigung  eie  Bescheinigung  der  Ortspolizei¬ 
behörde. 

§  3.  Der  Nachweis,  dass  der  Verstorbene  die  Feuerbestattung 
ngeordnet  hat  (§  2,  Abs.  II,  Ziff.  3),  kann  erbracht  werden 

1.  durch  eine  letztwillige  Verfügung  des  Verstorbenen, 

2.  durch  eine  mündliche  Erklärung  des  Verstorbenen,  die  von 
einer  zur  Führung  eines  öffentlichen  Siegels  berechtigten 
Person  als  in  ihrer  Gegenwart  abgegeben  beurkundetest. 

Die  Anordnung  ist  nur  wirksam,  wenn  der  Verstorbene  sie 
ach  vollendetem  16.  Lebensjahre  getroffen  hat;  sie  kann  nicht  durch 
inen  Vertreter  getroffen  werden;  stand  jedoch  der  Verstorbene 
nter  elterlicher  Gewalt  und  hatte  er  nicht  das  16.  Lebensjahr  voll- 
ndet,  so  tritt  der  Antrag  des  Inhabers  der  elterlichen  Gewalt  an  die 
teile  der  Anordnung. 

§  4.  Die  Aschenreste  einer  eingeäscherten  Leiche  müssen  in 
inem  besonderen,  amtlich  zu  verschliessenden  Behälter  entweder  auf 
inem  öffentlichen  Friedhof  oder  in  einer  sonstigen  nach  Art.  61,  Abs.  I, 
iff.  2  des  Polizeistrafgesetzbuches  zugelassenen  Bestattungsanlage 
eigesetzt  werden. 

§  5.  Die  Vorschriften  über  die  Beförderung  von  Leichen  und 
ber  die  Behandlung  von  Leichen  der  an  ansteckenden  Krankheiten 
erstorbenen  Personen  bleiben  unberührt.  Die  Vorschriften  über  die 
eichenschau  und  die  Zeit  der  Beerdigung  finden  auf  Leichen  die 
er  Feuerbestattung  zugeführt  werden,  entsprechende  Anwendung, 
och  ersetzt  die  nach  §  2,  Abs.  II,  Ziff.  2  vorzunehmende  amtsärztliche 
ntersuchung  die  zweite  Leichenschau. 

§  6.  Die  Vorschriften  treten  am  fünfzehnten  Tage  nach  der 
eroffenthehung  im  Gesetz-  und  Verordnungsblatte  in  Kraft. 

München,  den  28.  Dezember  1912. 

Dr.  Frhr.  v.  Soden-Fraunhofen. 

Bekanntmachung  über  die  Feuerbestattung. 

Kgl.  Staatsministerium  des  Innern. 

Zum  Vollzüge  der  oberpolizeilichen  Vorschriften  über  die  Feuer- 
sstattung  vom  28.  Dezember  1912,  GVB1.  S.  1297  erlässt  das  Kgl. 
taatsministerium  des  Innern  folgende  Bekanntmachung: 

I.  Der  §  1  bezeichnet  die  Voraussetzungen,  unter  denen  die 
euerbestattung  in  einer  Gemeinde  eingeführt  werden  kann,  und  die 
nforderungen,.  denen  die  Anlage  entsprechen  muss. 

1.  Die  Feuerbestattung  ist  nur  zulässig  neben  der  Erdbestattung, 

;  muss  also  dafür  gesorgt  sein,  dass  die  Beerdigung  Verstorbener 
niernd  stattfinden  kann.  Mit  dieser  Vorschrift  wäre  es  nicht  ver- 
nbar,  wenn  die  Erdbestattung  gegenüber  der  Feuerbestattung  er- 
mwert  würde. 

2.  Die  Feuerbestattung  darf  nur  in  Anlagen  erfolgen,  die  auf 
mieindhehen  Friedhöfen  stehen,  von  Gemeinden  betrieben  werden 
id  den  technischen  und  gesundheitspolizeilichen  Anforderungen  ge- 
:en.  Der  Betrieb  einer  Feuerbestattungsanlage  durch  einen  Verein 
t  hienach  unzulässig.  Die  Zuständigkeit  zur  Prüfung  der  Anlage 

bau-  und  feuerpolizeilicher  Hinsicht  bemisst  sich  nach  den  allge- 
einen  Vorschriften.  Die  Feststellung,  ob  die  Anlage  in  der  Ein¬ 
em  ung  und  im  Betriebe  den  gesundheitspolizeilichen  Anforderungen 
“nügt  und  ob  sie  geeignet  ist  eine  möglichst  reine  und  vollständige 
ewinnung  der  Aschenreste  zu  gewährleisten  sowie  eine  Vermengung 
it  anderen  Stoffen  und  eine  Verwechslung  zu  verhüten,  obliegt  der 
-gierung,  Kammei  des  Innern.  Da  diese  Eignung  eine  besondere 
erstellung  der  Anlage,  namentlich  der  Feuerräume  erfordert  und 
enach  auch  für  die  bau-  und  feuerpolizeiliche  Würdigung  in  Be¬ 
acht  kommt  und  da  im  übrigen  die  Prüfung  in  bau-,  feuer-  und  ge- 
ndheitspolizeilicher  Hinsicht  zum  Teil  von  den  gleichen  Gesichts- 
mkten  auszugehen  hat,  so  empfiehlt  es  sich,  die  Pläne  und  die 
-triebsordnung  der  Anlage  vor  der  Bescheidung  der  Verhandlungen 
bau-  und  feuerpolizeilicher  Hinsicht  der  Regierung,  Kammer  des 
nern,  zur  bezeichneten  Feststellung  vorzulegen. 

3.  Die  Regierung,  Kammer  des  Innern,  wird  sich  bei  der  Prüfung 
r  Pläne  und  der  Betriebsordnung  der  zuständigen  technischen 
tarnten,  unter  Umständen  auch  noch  anderer  Sachverständiger,  be- 
enen.  Im  allgemeinen  hat  sie  bei  der  Prüfung  nachstehende  Ge- 
•mtspunkte  zu  beachten  und  die  etwa  erforderlichen  Aenderungen 

d  Ergänzungen  der  Anlagen  und  ihrer  Betriebsordnungen  zu  veran¬ 
kern 

Ueber  die  zur  Einäscherung  kommenden  Leichen  ist  ein  Ver- 
:ichnis  zu  führen.  In  dieses  sind  unter  fortlaufenden  Nummern 
,)r*  und  Zuname,  Stand,  Geburtstag,  Geburtsort,  Todestag,  Todesort, 

I  zter  Wohnort  des  Verstorbenen,  dann  der  Tag  der  Einäscherung 
lu  der  Aufbewahrungsort  der  Aschenreste  einzutragen. 


Die  Nummei,  die  die  Leiche  in  diesem  Verzeichnisse  trägt,  ist 
auf  einem  nicht  zerstörbaren  Schild  aus  feuerfestem  Ton  einzu- 
schlafen.  Dei  Schild  muss  an  dem  Sarge,  in  dem  Leiche  während 
der  Einäscherung  liegt,  angebracht  werden. 

Die  Einäscherung  darf  nicht  unmittelbar  durch  Brennstoffe,  son¬ 
dern  nur  durch  Zuführung  heisser  Luft  in  besonderen,  von  dem  Feuer¬ 
raume  getrennten  Kammern  bewirkt  werden. 

In  jeder  Einäscherungskammer  darf  jeweilig  nur  eine  Leiche 
eingeäschert  werden;  die  Einäscherung  muss  eine  vollkommene  sein 
und  muss  in  ununterbrochener  Folge  vor  sich  gehen. 

Die  Särge,  in  denen  die  Leichen  eingeäschert  werden,  müssen 
aus  dünnem,  weichem  Holz  oder  aus  Zinkblech  bestehen,  dürfen 
weder  ausgepicht,  noch  angestrichen  oder  lackiert  sein,  auch  keine 
Eisen-  oder  Bronzeteile,  weder  zur  Verbindung  noch  zur  Verzierung, 
enthalten,  die  Fugen  sind  mit  Schellack,  Leim  oder  ähnlichen  Stoffen 
oder  mit  Kitt  zu  schliessen.  Die  Leichen  in  den  Särgen  dürfen  nur 
auf  Säge-  oder  Hobelspänen  oder  auf.  Holzwolle  gebettet  und  nur  mit 
naturfarbenen  Leinen-  oder  Baumwollstoffen  bekleidet  sein.  Etwaige 
Kissen  müssen  mit  gleichen  Stoffen  bezogen  sein  und  dürfen  nur  mit 
Hobelspänen  oder  Holzwolle  gefüllt  sein. 

Die  Aschenreste  sind  mit  besonderen,  nur  für  diesen  Zweck 
bestimmten  und  zu  verwendenden  Geräten  aus  der  Einäscherungs¬ 
kammer  zu  entfernen  und  nach  der  Abkühlung  mit  dem  Tonschilde 
in  einen  widerstandsfähigen,  luft-  und  wasserdichten  Metallbehälter 
zu  sammeln.  Der  Deckel  des  Behälters  muss  in  den  unteren  Teil 
dicht  schliessend  eingreifen.  Die  Trennfuge  ist  nach  der  Schliessung 
des  Deckels  zu  verlöten  und  mit  dem  amtlichen  Siegel  der  Gemeinde 
zu  versehen.  Auf  dem  Behältnisse  oder  dem  Deckel  oder  einem  auf¬ 
zulötenden  Kupferschild  ist  in  haltbarer  Weise  (durch  Einschlagen, 
Einätzen  u.  dgl.)  mit  deutlicher  Schrift  anzubringen;  die  mit  dem 
Verzeichnis  und  dem  Tonschilde  in  der  Asche  übereinstimmende  Ein¬ 
äscherungsnummer,  dann  Vor-  und  Zuname,  Stand,  Ort,  Tag  und  Jahr 
der  Geburt,  Tag  und  Jahr  des  Todes  des  Verstorbenen  und  Tag  der 
Einäscherung  seiner  Leiche. 

Bei  der  Prüfung  der  gesundheitlichen  Seite  ist  vor  allem  darauf 
zu  sehen,  dass  für  die  Aufbahrung  der  einzuäschernden  Leichen  auf 
dem  Friedhof,  dann  für  eine  etwa  notwendig  werdende  Leichen¬ 
öffnung  und  für  die  Leichen  von  Personen,  die  an  einer  übertragbaren 
Krankheit  verstorben  sind,  gesonderte,  nach  Grösse  und  Belichtung 
geeignete  Räume  mit  entsprechenden  Vorrichtungen  für  Lüftung  und 
für  Abführung  von  Ausscheidungen  bereitgestellt  werden.  Soweit 
solche  Räume  für  die  der  Erde  zu  übergebenden  Leichen  zur  Ver¬ 
fügung  stehen  und  auch  für  einzuäschernde  Leichen  benützt  werden 
können,  hat  es  hiebei  sein  Bewenden.  Bei  der  gesundheitlichen  Wür¬ 
digung  ist  auch  eine  etwaige  Einwirkung  der  Anlage  und  ihres  Be¬ 
triebes  auf  die  Nachbarschaft  in  Betracht  zu  ziehen.  Durch  Aus¬ 
schluss  von  Brennstoffen,  die  Russ  und  Rauch  entwickeln,  und  durch 
Aufführung  eines  genügend  hohen  Schornsteins  wird  eine  belästigende 
und  unter  Umständen  gesundheitsgefährliche  Einwirkung  auf  die 
Nachbarschaft  verhütet  werden  können. 

4.  Soweit  eine  Gemeinde  zur  Ausführung  einer  Feuerbestattungs¬ 
anlage  Schulden  aufnehmen  muss,  kann  auch  eine  Genehmigung  der 
Gemeindeaufsichtsbehörde  in  Frage  kommen. 

5.  Es  wird  erwartet,  dass  die  Gemeinden  Feuerbestattungs¬ 
anlagen  in  einer  dem  Zweck  entsprechenden  Würde  ausgestalten  und 
insbesondere  auch  Räume  für  die  Abhaltung  von  Trauerfeierlichkeiten 
bereitstellen. 

II.  Der  §  2  stellt  die  Voraussetzungen  auf,  durch  die  die  Ein¬ 
äscherung  im  Einzelfalle  bedingt  ist.  Die  Ortspolizeibehörde,  in 
München  der  Stadtmagistrat,  darf  die  Genehmigung  zur  Feuerbestat¬ 
tung  erst  dann  erteilen,  wenn  ihm  die  Nachweise  in  §  2  Abs.  II 
Ziff.  1 — 4  vorliegen.  Im  Falle  des  §  157  Abs.  I  der  Strafprozessord¬ 
nung  muss  ausserdem  die  schriftliche  Genehmigung  der  Staatsanwalt¬ 
schaft  oder  des  Amtsrichters  erteilt  sein.  Diese  Genehmigung  ersetzt 
zugleich  die  Bescheinigung  der  Ortspolizeibehörde  nach  §  2  Abs.  II 
Ziff.  4,  die  mit  dem  dort  vorgeschriebenen  Inhalte  in  dem  Falle,  dass 
der  Tod  durch  eine  strafbare  Handlung  herbeigeführt  worden  ist, 
nicht  ausgestellt  werden  könnte. 

Die  Ortspolizeibehörden  haben  ein  fortlaufendes  Verzeichnis 
über  die  von  ihnen  erteilten  Genehmigungen  zur  Einäscherung  zu 
führen.  Das  Verzeichnis  hat  die  gleichen  Angaben  zu  enthalten  wie 
das  Verzeichnis  über  die  ausgeführten  Einäscherungen.  Beide  Ver¬ 
zeichnisse  sind  zur  Prüfung  der  Richtigkeit  von  Zeit  zu  Zeit  zu  ver¬ 
gleichen. 

Zu  den  einzelnen  Ziffern  des  §  2  Abs.  II  und  zu  §  3  wird  bemerkt : 

1.  Die  amtliche  Sterbeurkunde  besteht  für  die  im  Reichsgebiete 
verstorbenen  Personen  in  einem  beglaubigten  Auszuge  aus  dem 
Sterberegister. 

2.  Zuständig  zur  Ausstellung  der  amtsärztlichen  Bescheinigung 
über  die  Todesursache  ist  der  Landgerichtsarzt  des  Sterbeortes,  wenn 
er  in  diesem  Orte  seinen  Dienstsitz  hat,  ausserdem  der  Bezirksarzt, 
in  dessen  Dienstbezirk  der  Sterbeort  liegt.  Doch  darf  die  Bescheini¬ 
gung  auf  Ansuchen  auch  von  dem  für  den  Ort  der  Einäscherungs¬ 
stätte  zuständigen  Amtsarzt  (dem  Landgerichtsarzt  oder  dem  Be¬ 
zirksarzt,  wenn  sich  am  Orte  der  Einäscherungsstätte  nicht  der 
Dienstsitz  eines  Landgerichtsarztes  befindet)  ausgestellt  werden. 

Die  amtsärztliche  Bescheinigung  ist  auf  Grund  einer  Besichtigung 
der  Leiche  auszustellen.  Bei  der  Besichtigung  der  Leiche  und  bei  der 
Ausstellung  der  Bescheinigung  ist  nach  der  in  der  Anlage  abgedruck¬ 
ten  Anweisung  zu  verfahren.  Ist  der  Verstorbene  in  einer  dem  Tode 


56 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHR1E T. 


No.  1. 


unmittelbar  vorhergegangenen  Krankheit  ärztlich  behandelt  worden, 
so  ist  dem  behandelnden  Arzte  Gelegenheit  zu  geben,  der  Leichen¬ 
schau  und  einer  etwaigen  Leichenöffnung  beizuwohnen,  ist  der  zu¬ 
ständige  Amtsarzt  zugleich  der  behandelnde  Arzt,  so  ist  die  Be¬ 
scheinigung  auf  Ersuchen  von  einem  anderen  Amtsärzte  auszustellen. 

Die  Vergütung  für  die  Leichenbesichtigung,  für  die  etwaige 
Leichenöffnung  und  für  die  Ausstellung  der  Bescheinigung  bemissi 
sich  nach  der  Gebührenordnung  für  amtsärztliche  Dienstleistungen 
bei  Behörden  vom  17.  November  1902  GVB1.  S.  720, 

3.  Der  Nachweis,  dass  die  Feuerbestattung  von  dem  Berechtigten 

angeordnet  worden  ist.  kann  durch  eine  letztwillige  Verfügung  oder 
durch  eine  mündliche  Erklärung  erbracht  werden,  die  von  einer  zur 
Führung  eines  öffentlichen  Siegels  berechtigten  Person  —  z.  B.  von 
dem  Bürgermeister  —  als  in  ihrer  Gegenwart  abgegeben  beurkundet 
worden  ist.  Die  Form  der  letztwilligen  Verfügung  bestimmt  sich 
nach  den  Vorschriften  des  BGB.  (s.  insbes.  §§  2231  ff.),  ebenso  be- 
misst  sich  die  elterliche  Gewalt  nach  den  Vorschriften  des  BGB. 
(s.  §§  1626—1704).  _  _ 

4.  Die  Bescheinigung  der  Ortspolizeibehörde,  dass  ihr  Um¬ 
stände,  die  den  Verdacht  der  Herbeiführung  des  Todes  durch  eine 
strafbare  Handlung  begründen,  nicht  bekannt  sind,  muss  bei  Todes¬ 
fällen  auf  Reisen  von  der  Ortspolizeibehörde  des  Sterbeorts  und  je 
nach  den  Umständen  des  Falles  auch  von  der  Ortspolizeibehörde  des 
letzten  Wohnortes  ausgestellt  sein.  Bei  Todesfällen  auf  hoher  See 
muss  die  Bescheinigung  vom  Schiffsführer  oder  dessen  Vertreter 
oder  von  der  Polizeibehörde  des  Eingangshafens,  bei  Todesfällen 
auf  Schiffen  und  Flössen  der  Binnenschiffahrt  von  der  Polizeibehörde 
der  nächsten  Anlandestelle  ausgestellt  sein.  In  München  ist  die  Be¬ 
scheinigung  von  der  K.  Polizeidirektion  auszustellen. 

III.  Die  Vorschriften  des  §  4  sollen  verhindern,  dass  über  die 
Aschenreste  in  einer  Weise  verfügt  wird,  die  der  Pietät  widerspricht 
oder  eine  Nachprüfung  im  Interesse  der  Strafrechtspflege  vereiteln 
kann. 

1.  Die  Aschenreste  dürfen  den  Angehörigen  nur  zum  Zwecke  der 
Beisetzung  in  einem  öffentlichen  Friedhofe  oder  in  einer  sonstigen 
nach  §  61  Abs.  I  Ziff.  2  des  PolStGB.  zugelassenen  Anlage  aus¬ 
gehändigt  werden.  Vor  der  Aushändigung  muss  hierüber  ein  glaub¬ 
hafter  Nachweis  erbracht  werden;  gegebenenfalls  sind  die  Reste  von 
der  Verwaltung  der  Feuerbestattungsanlage  unmittelbar  an  die  Ver¬ 
waltung  der  Bestattungsanlage,  wo  die  Beisetzung  erfolgen  soll,  zu 
übersenden. 

Ob  und  an  welchem  Platze  die  Beisetzung  von  Aschenresten  auf 
einem  öffentlichen  Friedhofe  zulässig  ist,  bestimmt  die  Körperschaft, 
der  das  Verfügungsrecht  über  die  Friedhofsanlage  zusteht. 

2.  Die  amtliche  Verschliessung  des  Aschenbehälters  soll  die 
Identität  der  verwahrten  Asche  auch  im  Interesse  der  Strafrechts¬ 
pflege  gewährleisten;  sie  ist  von  den  Bediensteten  der  Gemeinde 
auszuführen,  die  als  Unternehmerin  erscheint. 

IV.  Die  Betriebsordnungen  der  Gemeinden  für  Feuerbestattungs¬ 
anlagen  haben  mit  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  und  den  Vor¬ 
schriften  dieser  Bekanntmachung  übereinzustimmen.  Im  übrigen  ist 
es  den  Gemeinden  unbenommen,  die  Benützung  ihrer  Feuerbestat¬ 
tungsanlagen  von  weiteren  Bedingungen  abhängig  zu  machen. 

München,  den  28.  Dezember  1912. 

Dr.  Frhr.  v.  Soden-Fraun  holen. 

Anweisung 

über  das  Verfahren  bei  der  amtsärztlichen  Leichenbesichtigung  und 
bei  der  Ausstellung  der  amtsärztlichen  Bescheinigung  für  die  Feuer¬ 
bestattung. 

I.  Allgemeine  Bestimmungen. 

1.  Die  amtsärztliche  Leichenbesichtigung  für  die  Feuerbestattung 
hat  vornehmlich  den  Zweck,  die  Verschleierung  einer  strafbaren 
Handlung  zu  verhüten,  mit  der  der  Tod  in  Zusammenhang  steht;  bei 
der  Leichenbesichtigung  und  der  Leichenöffnung  ist  so  vorzugehen, 
wie  es  dieser  Zweck  erfordert;  dabei  finden  die  Vorschriften  für 
das  Verfahren  bei  der  gerichtlichen  Untersuchung  von  Leichen  — 
Beilage  zu  No.  14  des  MAB1.  1908  —  in  Abschnitt  11  entsprechende 
Anwendung.  Die  Leichenbesichtigung  soll  möglichst  bald  nach  dem 
Tode,  aber  nicht  vor  der  ersten  allgemeinen  Leichenschau  vor¬ 
genommen  werden. 

2.  Ergeben  sich  im  Verlaufe  der  Leichenbesichtigung  oder  der 
Leichenöffnung  Anhaltspunkte  für  die  Annahme  eines  nicht  natürlichen 
Todes  —  s.  §  157  der  RStO.  — ,  so  ist  nach  §  9  Abs.  2  der  Oberpoli¬ 
zeilichen  Vorschriften  über  die  Leichenschau  und  die  Zeit  der  Be¬ 
erdigung  vom  20.  November  1885  zu  verfahren. 

3.  In  allen  Fällen,  in  denen  die  Staatsanwaltschaft  oder  der 
Amtsrichter  nach  §  157  der  RStO.  mit  einem  Todesfall  befasst  worden 
ist,  also  auch  in  den  Fällen,  in  denen  die  Staatsanwaltschaft  oder  der 
Amtsrichter  schon  auf  Grund  des  Ergebnisses  der  ersten  allgemeinen 
Leichenschau  tätig  geworden  ist,  darf  die  Leichenbesichtigung  und 
die  Leichenöffnung  sowie  die  Ausstellung  der  Bescheinigung  für  die 
Feuerbestattung  erst  dann  erfolgen,  wenn  die  Staatsanwaltschaft 
oder  der  Amtsrichter  die  schriftliche  Genehmigung  zur  Bestattung 
erteilt  hat. 

II.  Verfahren  im  einzelnen. 

1.  Für  das  Verfahren  sind,  abgesehen  von  den  Fällen  No.  I,  2, 
folgende  Fälle  zu  unterscheiden: 


a)  Der  Tod  ist  gewaltsam  herbeigeführt  worden  und  die  Todes¬ 
ursache  kann  aus  den  Begleitumständen,  unter  denen  der 
Tod  erfolgt  ist,  oder  aus  den  äusseren  Verletzungen  der 
Leiche  ohne  weiteres  mit  Sicherheit  festgestellt  werden. 
In  diesen  Fällen  ist  die  Bescheinigung  auf  Grund  der 
Leichenbesichtigung  nach  Erteilung  der  staatsanwaltschaft- 
lichen  oder  gerichtlichen  Genehmigung  auszustellen. 

b)  Der  Verstorbene  ist  in  einer  dem  Tode  unmittelbar  voraus¬ 
gegangenen  Krankheit  in  ärztlicher  Behandlung  gestanden 
oder  er  hat  sonst  bei  Gesundheitsstörungen  regelmässig  den 
gleichen  Arzt  zugezogen.  In  diesen  Fällen  ist  der  behan¬ 
delnde  Arzt  zur  Abgabe  einer  Aeusserung  über  die  Todes¬ 
ursache  zu  veranlassen.  Gelangt  der  Amtsarzt  auf  Grund 
dieses  Gutachtens  und  der  eigenen  Besichtigung  der  Leiche 
zu  der  Auffassung,  dass  eine  natürliche  Todesursache  vor¬ 
liegt,  so  hat  er  die  Bescheinigung  auszustellen. 

c)  Ein  behandelnder  Arzt  ist  nicht  vorhanden  oder  er  lehnt  die 
Abgabe  eines  Gutachtens  über  die  Todesursache  ab,  oder 
der  Amtsarzt  kann  aus  dem  Gutachten  und  der  eigenen  Be¬ 
sichtigung  der  Leiche  kein  hinlänglich  klares  Bild  darüber 
gewinnen,  ob  eine  natürliche  Todesursache  vorliegt,  ln 
diesen  Fällen  ist  die  Ausstellung  der  Bescheinigung  zunächst 
zu  verweigern  und  den  Bestattungspflichtigen  anheim¬ 
zugeben,  eine  amtsärztliche  Leichenöffnung  zu  beantragen. 
Wird  der  Antrag  gestellt,  so  hat  der  Amtsarzt  die  Leichen¬ 
öffnung  vorzunehmen,  die  etwa  veranlassten  wissenschaft¬ 
lich-technischen  Untersuchungen  von  Leichenteilen  herbei¬ 
zuführen  und  sodann  die  Bescheinigung  zu  erteilen.  Hat 
bereits  eine  richterliche  Leichenöffnung  stattgefunden,  so  ist 
die  Bescheinigung  auf  Grund  der  hierüber  aufgenommenen 
Niederschrift  nach  Besichtigung  der  Leiche  auszustellen. 

2.  In  der  Bescheinigung  ist  die  Todesursache  soweit  möglich  fest¬ 
zustellen.  Alle  Umstände,  die  den  Schluss  auf  die  angegebene  Todes¬ 
ursache  rechtfertigen,  also  die  Begleitumstände,  unter  denen  der  Tod 
eingetreten  ist,  die  Aeusserung  des  behandelnden  Arztes,  das  Er¬ 
gebnis  der  Leichenbesichtigung  und  der  Leichenöffnung  sind,  soweit 
sie  hierfür  in  Betracht  kommen,  in  die  Bescheinigung  aufzunehmen. 
Ist  die  Aeusserung  des  behandelnden  Arztes  schriftlich  abgegeben, 
so  ist  sie  der  Bescheinigung  als  Beilage  anzufügen.  Die  Angaben 
über  die  Todesursachen  sollen  jedenfalls  erkennen  lassen,  ob  nach 
dem  Urteile  des  Amtsarztes  eine  natürliche  Todesursache  vorliegt 
oder  nicht.  In  den  Fällen  des  §  157  der  RStO.  ist  in  der  Bescheini¬ 
gung  ausdrücklich  zu  bemerken,  dass  die  Staatsanwaltschaft  oder 
der  Amtsrichter  die  Genehmigung  zur  Bestattung  erteilt  hat. 


Weihnachtsgabe  für  arme  Arztwitwen  in  Bayern. 

Gabenverzeichnis  VI.  Uebertrag  M.  1050.— .  Dr.  W  e r  n  er- Burgfarrnbach  M.  10.- 
Dr.  M.-F.  M  10.—,  Dr.  H ec k e  1  -Triesdorf  (abgel.  Honor.  Brüchenau)  M.  20.— ,  Dr.  Prey- 
Siegsdorf  M  10.—.  Summa  M.  1100.—. 

Für  die  erhaltenen  Gaben  dankt  herzlichst 

Der  Kassier  des  Aerztl.  Invalidenvereins,  Abt.  Witwenkasse 
Dr.  Hollerbusch,  Fürth,  Mathildenstr.  1. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  51.  Jahreswoche  vom  15.  bis  21.  Dezember  1912. 

Bevölkerungszahl  615000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung? 
fehler  10  (41),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  3  (4),  Kindbettfieber  —(2 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  —  (— 
Masern  u.  Röteln  4  (2),  Diphtherie  u.  Krupp  3  (4),  Keuchhusten  —  (— 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  —  (— 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand.  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  2  (1),  Starrkrampf  —  (- 
Blutvergiftung  2  (3  >,  Tuberkul.  der  Lungen  28(16),  Tuberkul.  and.  Ori 
(auch  Skrofulöse)  5  (4\  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ).  Lungei 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  16  (15),  Influenza  1  (1),  vener 
sehe  Krankh.  —  (4),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechse 
fieberusw.  —  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (1),  Alkoholi; 
mus  _  (_),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  8  (9),  sonst.  Krankl 
d.  Atmungsorgane  4  (5),  organ.  Herzleiden  17  (27),  Herzschlag,  Her; 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  5  (2 1,  Arterienverkalkun 
6  (11),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  6  (2  ,  Gehirnschlag  6  (5 
Geisteskrankh.  3  (— ),  Krämpfe  d.  Kinder  2  (I),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve; 
Systems  5  (6),  Atrophie  der  Kinder  —  (2),  Brechdurchfall  1  (1),  Mage; 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  5  (12),  Blinddarn 
entzünd.  1  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  3  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  8  (4),  Nierenentzünd.  10  (1 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  —  (2),  Krebs  15  (20),  son: 
Neubildungen  4  (4),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.  d 
Bewegungsorgane  —  (1),  Selbstmord  5  (5),  Mord,  Totschlag,  au1 
Hinricht.  —  (4»,  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  (■ 
and.  benannte  Todesursachen  3  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  a 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  196  (201). 

D  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorw’ocli 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München. 


—  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Mßnchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Im  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 

Nummer  ‘  ~  A 

M.  6.- 


mmer  8(i  -1.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
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MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  : 

Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  81/,— 1  Uhr. 
Für  Abonnement  an  j.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatänerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


No.  2.  14.  Januar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Kgl.  dermatologischen  Universitätsklinik  zu  Breslau 
(Direktor:  Qeheimrat  Ne  iss  er). 

Ueber  die  Wirkung  von  intravenösen  Infusionen  mit 
Aurum-Kalium  cyanatum  (Merck)  bei  äusserer  Tuber¬ 
kulose  und  Lues. 

Von  Prof.  Dr.  Carl  Bruck  und  Dr.  A.  Glück. 

Bei  den  nicht  ganz  negativen,  aber  immerhin  doch  sehr 
begrenzten  Aussichten,  die  nach  unseren  heutigen  Erfahrungen 
eine  Immunotherapie  bei  Tuberkulose  zu  erwarten  hat,  war 
es  nicht  wunderbar,  dass  angesichts  der  glänzenden  Erfolge 
E  h  r  1  i  c  h  s  bei  Lues,  auch  bei  Tuberkulose  bald  chemo¬ 
therapeutische  Bestrebungen  einsetzten. 

Zunächst  machte  man  eine  Substanz  zum  Gegenstand 
methodischer  Untersuchungen,  von  der  eine  gewisse  Ein¬ 
wirkung  auf  tuberkulöse  Prozesse  seit  langem  bekannt  ist,  das 
I  o  d.  In  Verfolg  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen  und  Wasser  mann- 
schen  Experimente  wurde  versucht,  mit  Hilfe  einer  „Leit¬ 
schiene“,  d.  h.  einem  Stoff,  der  besondere  Affinität  zum  Tu¬ 
berkelbazillus  bzw.  tuberkulösen  Gewebe  hat,  das  vermutete 
Heilmittel  an  den  Krankheitsherd  heranzubringen  und  es  lag 
nichts  näher  als  hierzu  das  Tuberkulin  zu  benutzen.  Von 
diesen  Gesichtspunkten  aus  stellten  J.Bauer  und  Mursch- 
hauser  ein  Jodtuberkulin,  und  Kapsenberg  eine  „jod¬ 
affine  Substanz“  her,  Präparate,  mit  denen  teils  beim  Men¬ 
schen,  teils  beim  Meerschweinchen  therapeutische  Resultate 
erzielt  wurden.  Ein  ähnlicher  Gedanke  wurde  auf  Grund 
theoretischer  Erwägungen  und  experimenteller  Untersuchungen 
auch  von  Sternberg  ausgesprochen,  der  jedoch  über  keinerlei 
praktische  therapeutische  Resultate  verfügt.  Es  muss  aller¬ 
dings  betont  werden,  dass  der  Gedanke,  Heilmittel  (Kreosot, 
Hg,  As  etc.)  durch  Tuberkulin  an  den  Krankheitsherd  zu  kon¬ 
zentrieren,  durchaus  nicht  neu  ist,  sondern  schon  während  der 
Tuberkulinära  z.  B.  von  Neisser  (Verh.  d.  Deutsch,  dermat. 
Gesellsch.  1891)  ausgesprochen  worden  ist.  Man  muss  je¬ 
doch  zugeben,  dass  das  Verdienst,  diesen  Gedanken  in  die 
Tat  umgesetzt  zu  haben,  den  genannten  Autoren  gebührt. 

Ferner  gehört  hierher  die  von  Herxheimer 
und  A  1 1  m  a  n  n,  zuletzt  von  Bernhardt  gemachte  Be¬ 
obachtung,  dass  dem  Salvarsan,  besonders  in  Verbindung 
mit  Tuberkulininjektionen,  bei  Hauttuberkulose  ein  thera¬ 
peutischer  Effekt  zukommt. 

Einen  weiteren  Fortschritt  scheinen  die  von  Finkler 
begonnenen,  von  Gräfin  Linden,  Meissner  und  Strauss 
fortgesetzten  chemotherapeutischen  Untersuchungen  mit  Jod- 
m  ethylenblau  und  Kupferverbindungen  dar¬ 
zustellen.  Man  wird  abwarten  müssen,  inwieweit  sich  die 
bisher  anscheinend  vielversprechenden  Resultate  bei  mensch¬ 
licher  Lungen-  und  Hauttuberkulose  bestätigen.  Was  die 
letztere  anbelangt,  so  können  wir  leider  auch  aus  der  letzten 
Mitteilung  von  Strauss  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  50, 
1912)  noch  nicht  entnehmen,  inwieweit  die  bei  Lupus  erzielten 
guten  Erfolge  lediglich  durch  eine  allgemeine,  nicht 
aber  durch  eine  lokale  Behandlung,  sei  es  durch  Appli¬ 
kationen  von  Salben  oder  lokale  Injektionen  der  Präparate, 
sei  es  durch  Kombinationen  mit  anderen  therapeutischen 
Methoden  erreicht  wurden.  Dass  durch  eine  Allgemein¬ 
behandlung  mit  Hilfe  der  genannten  Präparate  therapeutische 
Wirkungen  zu  erzielen  sind,  darf  in  Anbetracht  der  Tierver¬ 
suche  der  Gräfin  Linden  und,  wenn  man  von  den,  wie 
Meissner  selbst  betont,  recht  schwer  zu  beurteilenden  Er¬ 
folgen  bei  Lungentuberkulose  absieht,  auch  aus  einzelnen  An- 
No.  2. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

gaben  von  Strauss  (Rückbildung  einer  Kehlkopfulzeration) 
nicht  bezweifelt  werden.  Wenn  man  aber  die  Erfolge  bei 
Lupus  zum  Massstabe  einer  chemotherapeutischen 
Methode  für  Tuberkulose  machen  will,  so  müssen  wir  unseres 
Erachtens  verlangen,  dass  solche  Erfolge  auch  nur  von 
innen  heraus  und  nicht  durch  Kombination 
mit  einer  äusserlichen  Therapie  nach  ge¬ 
wiesen  werden.  Tut  man  das  nicht,  so  ist  jede  Be¬ 
wertung  der  Resultate  unmöglich.  Denn  wir  wissen,  dass  bei 
lokaler  Applikation  eine  ganze  Reihe  von  Medikamenten  eine 
mehr  oder  weniger  günstige  Wirkung  auf  den  Lupus  ausiiben. 
Die  Straus  sehen  Salben  scheinen  eine  nicht  unerhebliche 
A  e  t  z  Wirkung  auszuüben  und  es  wird  schwer  sein  zu  ent¬ 
scheiden,  was  auf  Kosten  dieser  unspezifischen  Aetz- 
Wirkung  und  was  auf  Kosten  einer  elektiven  Wirkung  auf 
den  Tuberkelbazillus,  bezw.  das  tuberkulöse  Gewebe  zu  setzen 
ist.  Wir  möchten  nochmals  betonen,  dass  wir  die  Möglich¬ 
keit  mit  der  Kupfertherapie  Erfolge  beim  tuberkulösen 
Menschen  zu  erzielen,  anerkennen,  wir  müssen  aber 
leugnen,  dass  der  Wert  dieser  neuen  therapeutischen  Methode 
bei  Tuberkulose  durch  die  auf  den  ersten  Blick  bestechenden 
Erfolge  von  Strauss  bei  Lupösen,  die  lokal  behandelt 
wurden,  jetzt  schon  irgendwie  erwiesen  ist. 

Die  chemotherapeutischen  Versuche,  die  der  eine  von  uns 
(B  r  u  c  k)  bei  Tuberkulose  angestellt  hat,  reichen  bis  zum 
Jahre  1907  zurück.  Es  wurde  hierbei  hauptsächlich  das  Jodo¬ 
form  allein  und  in  Verbindung  mit  Fetten  und  lipoiden  Körpern 
in  seiner  Wirkung  auf  Meerschweinchentuberkulose  studiert. 
Bemerkenswerte  Erfolge  wurden  hierbei  nicht  gesehen.  Auch 
Versuche,  die  Schultz  auf  Brucks  Veranlassung  begonnen 
hatte,  und  die  den  Zweck  hatten,  Jodoform  in  Verbindung  mit 
Tuberkulin  intravenös  zu  verabfolgen,  haben  sich  als  nicht 
aussichtsreich  erwiesen. 

Bruck  hat  deshalb  das  Jod  und  Jodoform  bei  diesen 
Versuchen  verlassen,  und  sich  einem  Präparat  zugewendet, 
dessen  enorme  Wirkung  auf  den  Tuberkelbazillus  ihm  bisher 
zu  wenig  beachtet  schien.  Im  Jahre  1890  hat  R.  Koch  auf 
den  Verhandlungen  des  X.  intern,  med.  Kongresses  mitgeteilt, 
dass  von  allen  von  ihm  in  vitro  untersuchten  Präparaten  die 
Z  y  a  n  g  o  1  d  Verbindungen  die  stärkste  desinfektorische  Wir¬ 
kung  auf  den  Tuberkelbazillus  ausiiben.  Koch  hat  eine 
hemmende  Wirkung  dieser  Präptrate  in  wässeriger  Lösung 
noch  bei  einer  Verdünnung  von  1 — 2  Millionen  feststellen 
können.  Tierversuche,  die  er  offenbar  in  nur  geringer  Zahl 
angestellt  hat  und  die  er  nicht  näher  beschreibt,  schlugen  fehl. 

Auf  Kochs  Veranlassung  hat  dann  Behring  (s.  ges. 
Abhandl.  zur  Aet.  Therapie,  T  h  i  e  m  e,  Leipzig  1893)  das 
Aurum-Kalium  cyanatum  (Merck)  zum  Gegenstand 
eingehender  Desinfektionsstudien  gemacht  und  dabei  festge¬ 
stellt,  dass  das  Präparat  in  wässeriger  Lösung  die  Entwick¬ 
lung  von  Milzbrand  noch  in  fast  millionenfacher  Ver¬ 
dünnung  zu  hemmen  vermag,  dass  aber,  sobald  die  Lösung 
in  Blutserum  erfolgt,  die  Desinfektionskraft  auf  1 :  20  000  bis 
1  :  30  000  heruntergeht.  Behring  hat  ferner  nachgewiesen, 
dass  die  Globuline  es  sind,  die  zur  Folge  haben,  dass  in 
Blutserum  die  entwicklungshemmende  Wirkung  des  Goldzyan¬ 
salzes  eine  geringere  ist  als  in  eiweissfreien  Nährsubstraten. 

Nach  dieser  Publikation  hat  unseres  Wissens  das  Prä¬ 
parat  weder  in  Desinfektionsfragen  noch  in  therapeutischer 
Hinsicht  eine  wesentliche  Beachtung  gefunden.  Der  Grund 
mag  wohl  darin  liegen,  dass  die  Goldverbindung  zu  Desinfek¬ 
tionszwecken  schon  ihres  Preises  wegen  nicht  in  Frage  kam. 
Es  schien  mir  (Bruck)  daher  von  grosser  Wichtigkeit,  an 
ein  Studium  dieser  Verbindung  bei  menschlicher  Tuberkulose 

1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


heranzugehen,  Versuche,  bei  denen  mich  Herr  Kollege 
q  ]  ii  c  k  in  ausgedehntem  und  dankenswertem  Masse  unter¬ 
stützt  hat.  Unser  Gedankengang  war  dabei  der,  dass  es  zwar 
voraussichtlich  nicht  gelingen  werde,  mit  Hilfe  des  Aurum- 
Kalium  cyanatum  die  Tuberkelbazillen  im  Tierkörper  abzu¬ 
töten,  ohne  zugleich  die  toxische  oder  letale  Dose  erreichen 
zu  müssen,  aber  es  liess  sich  bei  der  in  vitro  jedem  anderen 
Präparat  überlegenen  Wirkung  die  Hoffnung  nicht  aus- 
schliessen,  dass  einer  inneren  „Desinfektionswirkung“  viel¬ 
leicht  insofern  nahezukommen  ist,  als  das  Präparat  eine  in 
erträglichen  Dosen  zu  erreichende  allmähliche  Schädigung 
der  Tuberkelbazillen  und  auf  diese  Weise  eine  therapeutische 
Wirkung  erzielen  könne.  —  Es  war  uns  von  vornherein  klar, 
dass  dieser  eventuelle  Erfolg  nur  auf  dem  Blutwege  ge¬ 
lingen  kann;  denn  abgesehen  davon,  dass,  wie  uns  rierver- 
suche  zeigten,  subkutanen  und  intramuskulären  Injektionen  in 
den  notwendigen  Konzentrationen  starke  Aetzwirkungen  nacli- 
folgen,  liess  sich  erwarten,  dass  nur  bei  intravenöser 
Zufuhr  die  unserer  Vorstellung  gemäss  notwendige  volle  Dose 
zur  Geltung  kommen  kann,  während  durch  die  subkutane  odei 
intramuskuläre  Injektion  und  die  dadurch  bedingte  allmähliche 
Resorption  die  event.  Wirkung  verzettelt  werden  konnte. 

Dass  unsere  lediglich  von  den  Koch-Behr  ing  sehen 
Versuchen  ausgehende  Idee,  das  Aurum-Kaliumzyanat  dei 
Tuberkulosetherapie  nutzbar  zu  machen,  in  gewisse  Be¬ 
ziehungen  zu  älteren,  allgemein  schon  fast  vergessenen  Ei  - 
fahrungen  zu  bringen  ist,  lehrte  uns  ein  Literaturstudium,  das 
sich  auf  therapeutische  Anwendungen  von  Goldpräparaten 

bezog.  . 

Es  geht  daraus  hervor,  dass  rein  empirisch  schon  vor 
ca.  60  Jahren  C  h  r  e  s  t  i  e  n  das  Aurum  cyanatum  innerlich  in 
Dosen  von  4—16  mg  mehrmals  täglich  bei  Lungentuber¬ 
kulose  und  Syphilis  empfohlen  hat  (O  e  s  t  e  r  1  e  n : 
Handb.  der  Arzneimittel).  Auch  das  Aurum  tricyanatum  ist 
benutzt  worden.  Es  galten  diese  Präparate  als  Alterantien 
ebenso  wie  die  von  Ewald  aufgeführten  Aur.  natr.-chlorat., 
Aur  chorat.,  jodat.  und  oxydatum,  die  ebenfalls  bei  Tuber¬ 
kulose,  Skrofulöse  und  Syphilis  benutzt  wurden. 
Boubila,  Hadjas  und  Cossa  gaben  das  Aur.  natr.- 
chlorat.,  von  seiner  Wirkung  als  Antiluetikum  ausgehend,  bei 
Paralyse  in  Form  von  Injektionen,  Blackwell  Fenn 
empfahl  es  bei  Trunksucht.  Ausserdem  wurden  ja  be¬ 
kanntlich  die  Goldpräparate  wegen  ihrer  Aetzwirkung  häufiger 
lokal  gebraucht  (z.  B.  in  der  Augenheilkunde). 

Therapeutische  Anwendungen  des  Aurum- 
Kalium  cyanatum  haben  wir  nirgends  ge¬ 
funden. 

Zunächst  haben  wir  die  toxische  Wirkung  des 
Präparates  an  Kaninchen  studiert  und  uns  hierbei  aus¬ 
schliesslich  der  intravenösen  Injektion  bedient.  Wir  fanden, 
dass  die  Dos.  let.  pro  Kilo  Kaninchen  15  mg  beträgt.  Der 
Tod  erfolgt  unter  den  Symptomen  der  Zyanvergiftung.  Die 
D  o  s.  t  o  x.,  bei  der  es  zu  spastischen  Krämpfen,  Extremitäten- 
lähmung  und  starker  Dyspnoe  kommt,  Symptome,  die  sämt¬ 
lich  nach  10  Minuten  wieder  verschwinden,  liegt  bei  10  mg 
pro  Kilo  Kaninchen.  Tiere,  die  jeden  zweiten  Tag  eine 
Injektion  von  1  mg  pro  Kilo,  im  ganzen  15  Injektionen 
erhielten,  blieben  völlig  gesund.  Bei  der  Sektion 
Hessen  sich  makroskopische  oder  mikroskopische  Verän¬ 
derungen  nicht  nachweisen.  Tiere,  bei  denen  derselbe 
Versuch  mit  2  mg  pro  Kilo  (ebenfalls  15  Injektionen)  vor- 
genommen  wurde,  magerten  ab  und  gingen  zum  Teil  zu¬ 
grunde.  Die  pathologische  Untersuchung  ergab  ausser 
'einer  fettigen  Degeneration  der  Leber  und 
Niere  keinen  Befund. 

Nach  diesen  Untersuchungen  muss  also  das  Aurum- 
Kalium  cyanatum  als  ein  nicht  so  enorm  giftiges  Präparat  an¬ 
gesehen  werden,  als  man  vielleicht  annehmen  möchte. 

Eine  hämolytische  Wirkung  auf  Menschenblut 
konnte  selbst  bei  starken  Konzentrationen  nicht  festgestellt 
werden. 

Nach  diesen  über  die  Toxizität  Aufschluss  gebenden  I  ier- 
versuchen  standen  uns  zwei  Wege  offen,  um  die  vermutete 
Wirkung  des  Präparates  auf  Tuberkulose  zu  erproben,  der 
Meerschweinchenversuch  und  die  vorsichtige  Anwendung 
beim  Menschen.  Meerschweinchenversuche  mit  subkutanen 


Injektionen  hatte  offenbar  schon  Koch  und  zwar  resultatlos 
vorgenommen.  Es  kam  also  für  uns  auch  im  1  ierversuch  nur 
die  intravenöse  Infusion  in  Frage.  Jeder,  der  mit  Meer¬ 
schweinchen  gearbeitet  hat,  wird  aber  die  Schwiei  igkeiten 
einer  fortlaufenden  intravenösen  Behandlung  dieser  Tiere 
kennen.  Wir  haben  versucht,  die  Behandlung  i  n  t  i  a  - 
kardial  nach  der  bekannten  Methode  zu  leiten,  mussten  uns 
aber  bald  von  der  Unmöglichkeit  einer  dauernden  Weiter¬ 
behandlung  überzeugen.  Eine  viermalige  Injektion  einer 
kleinen  Dosis  hatte  jedenfalls,  wie  ja  auch  nicht  anders  er¬ 
wartet  werden  konnte,  noch  keinen  Einfluss  auf  den  Verlauf 
der  Tuberkulose. 

Es  blieb  daher  nichts  anderes  übrig,  als  das  Präparat, 
dessen  toxische  Eigenschaften  wir  studiert  hatten,  zur  mensch¬ 
lichen  Therapie  heranzuziehen.  Wir  konnten  dies  um  so  eher 
tun,  als,  wie  beschrieben,  schon  früher  eine  Anwendung  ähn¬ 
licher  Goldverbindungen  stattgefunden  hatte. 

Wir  wählten  als  Prüfungsmaterial  ausschliesslich  Lupn  $- 

Die  Benutzung  der  Hauttuberkulose  als  Testobjekt 
für  die  Erfolge  oder  Misserfolge  einer  Tuberkulosetherapie, 
hat  ihren  Vorteil  und  ihren  Nachteil.  Ersteren  insofern,  als 
wir  die  etwaige  therapeutische  Wirkung  direkt  verfolgen  und 
dauernd  kontrollieren  können,  was  bei  inneren  I  ubei  kulosen 
natürlich  nicht  der  Fall  ist:  ihren  Nachteil  darin,  dass  die 
Chancen  einer  Chemotherapie  bei  Hauttuberkulose  verhältnis¬ 
mässig  ungünstig  liegen.  Abgesehen  von  den  mangel¬ 
haften  Zirkulationsverhältnissen,  die  ein  Herankommen  eines 
Heilmittels  erschweren,  müssen  wir  uns  von  vornherein  klar 
sein,  dass  wir,  selbst  wenn  chemotherapeutisch  eine  Ab¬ 
tötung  oder  Schwächung  der  Tuberkelbazillen  in  Hauptpro¬ 
zessen  erreicht  wird,  n  o  ch  nicht  unter  allen  Um¬ 
ständen  ein  sofortiges  Verschwinden  der 
pathologischen  Produkte  zu  erwarten  haben. i 
Wissen  wir  doch,  dass  die  sogen.  Tuberkulide  auf  ab¬ 
geschwächten  Bazillen  oder  sogar  nur  Stoffwechselpi  odukten 
beruhen,  dass  selbst  bei  der  Anwesenheit  virulenter  Bazillen 
wie  beim  Lupus  der  pathologische  Prozess  viel  gewaltiger  ist 
als  nach  der  Zahl  der  Erreger  zu  erwarten  sein  sollte.  Es 
besteht  also  entschieden  —  um  nicht  das  Wort  Ueberempfind- 
lichkeit  zu  gebrauchen  —  eine  im  Vergleich  zu  anderen  Or¬ 
ganen  besondere  Reaktionsfähigkeit  der  Haut  gegenüber  dei 
Anwesenheit  selbst  abgeschwächter  Tuberkelbazillen.  Auch 
Friedmann  hat  letzthin,  —  unserer  Ansicht  nach  sehr  mit 
Recht  —  auf  diese  Verhältnisse  hingewiesen. 

Unter  diesen  Umständen  ist  aber,  falls 
gerade  beim  Lupus  ein  Erfolg  einer  lediglich 
auf  dem  Blutwege  wirkenden  chemothera¬ 
peutischen  Methode  nachweisbar  ist  —  und 
um  es  gleich  vornweg  zu  nehmen:  unsere 
Untersuchungen  haben  ein  positives  Resul¬ 
tat  zu  verzeichnen  —  dieser  Erfolg  um  sc 
höher  einz  uschätzen,  und  Versuche  bei  an¬ 
deren  tuberkulösen  Affektionen  sind  dam 
unseres  Erachtens  um  so  aussichtsreicher. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  haben  wir  es  peinlichs 
vermieden,  bei  den  intravenös  behandelten  Lupusfäller 
irgend  eine  lokale  Behandlung  —  auch  nicht  ii 
der  Nähe  des  zu  beobachtenden  Krankheitsherdes  vorzu 
nehmen.  W  ir  heben  diesen  Punkt  nochmals  her 
vor,  um  den  Grad  unserer  the-rapeutischei 
Erfolge  erklärlich  erscheinen  zu  lassen  unc 
um  Vergleichen  mit  den  blendenden,  aber  so 
weit  wir  sehen,  meist  lokal  behandelten 
Fällen  von  Strauss  vorzu  beugen. 

Die  Behandlung  geschah  zuerst  mit  ganz  kleinen,  zun 
Teil  täglich  verabfolgten  Dosen  und  wurde  dann  allmählicl 
gesteigert.  Im  Laufe  der  Zeit  sind  wir  zu  folgenden  Dosei 
gekommen : 

Erwachsene  0,02 — 0,05  pro  dosi,  jeden  2. — 3.  Tag,  im  Ganze- 

12  Injektionen.  .  „  _  ... 

Kinder  von  6—14  Jahren  0,005—0,03  pro  dosi,  jeden  2.-3.  lap 
im  Ganzen  12  Injektionen. 

Es  empfiehlt  sich  bei  einem  sonst  gesunden  Erwachsene 
mit  0,03  zu  beginnen  und  von  der  dritten  oder  vierten  Infusio 
ab  auf  0,05  zu  steigen.  Dosen  über  0,05  mögen  nie  h 


4.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


59 


/er  ab  folgt  werden.  Wir  haben  zwar  mehrmals  ohne 
bleibenden  Nachteil  0,08  gegeben,  jedoch  hierbei  zweimal  einen 
venn  auch  sehr  rasch  zurückgehenden  Ikterus  gesehen.  Man 
,vird  daher  bei  chronisch-intermittierenden  Goldbehandlungen 
ler  Leber  und  dem  Blutbilde  dauernd  Beachtung  schenken 
missen. 

Technik. 

Die  Applikation  geschah  stets  in  Form  der  intra- 
cnösen  Infusion,  wie  sie  bei  uns  zur  Salvarsanbehandlung 

blich  ist. 

Aus  einer  haltbaren  1  proz.  Stammlösung  in  destilliertem  Wasser 
Aur.  Kalium  cyanat.  ist  im  Verhältnis  1:4  löslich)  werden  die  ge¬ 
wünschten  Dosen,  z.  B.  1—3  ccm  Flüssigkeit  (entsprechend  0,01—0,03 
’iaparat)  aufpipettiert  und  in  eine  0,6  proz.,  frisch  sterilisierte  und 
üt  frisch  bereitetem  destilliertem  Wasser  hergestellte  Kochsalz- 
isung  gegeben  und  zwar  1 — 3  ccm  Stammlösung  in  50  ccm,  höhere 
>osen  in  100  ccm  Kochsalzlösung. 

Das  Ganze  wird  dann  am  besten  nach  dem  zuerst  von  W  e  i  n  - 
1  a  u  tl  beschriebenen,  bei  uns  seit  Beginn  der  Salvarsanzeit  üblichen 
infachen  \  erfahren  infundiert,  d.  h.  mit  einem  Glastrichter  bezw 
ylinder,  Gummischlauch  und  Strauss  scher  Kanüle.  Es  empfiehlt 
ich  zunächst  etwas  Kochsalzlösung  zu  infundieren  und  erst  wenn 
:an  sich  überzeugt  hat,  dass  die  Infusion  gut  erfolgt,  die  Goldzyan- 
isung  in  den  Zylinder  giessen  zu  lassen.  Ist  dieselbe  eingelaufeu, 
ebe  man  noch  etwas  Kochsalzlösung  nach. 

Die  kleine  Hautwunde  wird,  nachdem  die  Blutung  durch  Hoch- 
alten  des  Armes  und  Kompression  gestillt  ist,  mit  Heftpflaster  be- 
eckt. 

Wird  die  Infusion  sachgemäss  vorgenommen,  so  ist  sie  absolut 
ehmerzlos.  Schmerzen  beweisen,  dass  Flüssigkeit  ins  Gewebe  ge¬ 
rungen  ist.  Es  können  hierdurch  langdauernde,  aber  schliesslich  ver¬ 
bindende  Infiltrate  entstehen.  Bei  guter  Ausführung  der 
nfusion  bleibt  die  Venenwand  ungeschädigt  und 
u r  die  folgenden  Infusionen  stets  durchgängig, 
vir  haben  bei  den  bisher  gemachten  über  400  Gold- 
yanminfusionen  nur  einmal  ein  schmerzhaftes 
nfiltrat  des  Armes  gesehen,  das  nach  einigen 
agen  spurlos  verschwand. 

Auf  diese  Weise  haben  wir  in  der  Regel  12  Injektionen, 
l  einem  Falle  sogar  21  Infusionen  vorgenommen  und  dann 
ie  Behandlung  ausgesetzt.  Schädigungen  etwa  von 
eiten  der  Niere  etc.  sind  nie  aufgetreten.  Auf  die 
Fusionen  erfolgt  häufig  gar  keine  Allgemeinreaktion,  zu¬ 
zeiten  eine  rasch  vorübergehende  Temperatursteigerung  trotz 
einlichster  Vermeidung  des  „Wasserfehlers“,  seltener  Er- 
lechen  und  Durchfall.  Das  Allgemeinbefinden  der  Patienten 
■ar  dauernd  ungestört.  Auf  einzelne  interkurrente  Ersetz¬ 
ungen  bei  Patienten  mit  tuberkulösen  Lungen  Prozessen 
ommen  wir  gleich  zurück. 

Was  nun  den  Einfluss  der  Infusionen  auf 
upöse  Infiltrate  und  Ulzerationen  anbelangt,  so 
ussert  er  sich  zunächst  in  einer,  wenn  auch  nicht  in  alten, 
P  d°ch  in  zahlreichen  Fällen  auftretenden  Lokalreak- 
1  o  n,  die  in  ihrem  Verlauf  der  bekannten  Tuberkulinreaktion 
hnlich  ist.  In  einigen  Fällen  haben  wir  diese  Reaktion  nicht 
i  24  Stunden,  sondern  erst  48  Stunden  post  infusionem  beob- 
chtet.  W  ir  möchten  diese  Reaktionen  wohl  als  den  Beweis 
iner  Wirkung,  wenn  auch  nicht  einer  spezifischen,  ansehen 
n  Anbetracht  der  später  zu  besprechenden  von  uns  beob- 
-hteten  analogen  Reaktionen  bei  Lues  und  den  Mitteilungen 
on  Herxheim  er  und  Altmann,  die  auch  nach  Sal- 
a r  s a n  infusionen  an  lupösen  Herden  Reaktionen  auf- 
eten  sahen). 

Ein  therapeutischer  Effekt  auf  1  upöse  Pro¬ 
esse  ist  in  den  meisten  Fällen  unverkennbar.  Er  äussert 
ch  manchmal  sehr  rasch,  bereits  nach  der  2.-3.  Infusion,  in 
ideren  allmählicher  im  Laufe  der  Behandlung.  Zunächst 
n  d  e  r  t  sich  die  Farbe,  indem  sie  einen  matteren,  rein 
-lblichen,  weniger  entziindlich-roten  Ton  annimmt;  Infil- 
i;ate  zeigen  Rückgänge,  die  wallartig  erhabenen 
ander  werden  flacher,  die  Granulationen  scheinen  in  sich  zu- 
tmmenzusinken,  und  kreisrunde  Herde  vom  Zentrum  nach 
zr  Peripherie  zu  abzuheilen.  Ulzerative  Prozesse  reinigen 
ch  und  epithelisieren.  Am  geringsten  ist  der  Erfolg,  wie  ja 
ich  verständlich,  bei  verrukösen  Formen  und  jenen  wachs¬ 
ten  stark  verkästen,  mitten  in  narbigen  Herden  sitzenden 
noten  und  Knötchen. 

nr  mit  Aur.  Kalium  cyanat.  behandelte  Lupusfälle. 

1.  B.  P.,  li  Jahre.  Lupus  des  Gesichtes.  Dicke,  wallartige 
inder,  in  der  Mitte  des  Herdes  zahlreiche,  mit  festen  Schuppen 


bedeckte  Knoten  und  Knötchen.  Lungen  o.  B.  Behandlung: 
38  läge,  21  Infusionen,  Hd.  0,02,  Gd.  0,34.  Nie  Nebenerscheinungen. 
Erfolg:  Die  den  Herd  umgrenzenden  Wälle  sind  ge- 
sch  wunden,  die  Infiltrate  im  Zentrum  eingesun- 
ken.  Keine  Schuppen  bildu  ne  mehr.  (S  Phntno-r  i _  u  t 


Fig.  la. 

Nur  mit  Aur.  Kal.  cyanat.  behandelter 
Lupus  vor  der  Kur. 


Fig.  lc. 

4  Wochen  nach  der  38täg.  Behandlung. 

2  H.  W.,  13  Jahre.  Seit  dem  4.  Lebensjahr  bisher  unbehandelter 
Lup.  ulcer.  des  Fusses.  Im  Zentrum  des  Herdes  narbige  Abheilung, 
die  Peripherie  wird  von  einem  Kranz  stark  sezernierender  Geschwüre 
gebildet.  13  Infusionen,  Gesamtdose  0,23,  Höchstdose  0,02.  Oefters 
lokale  Herdreaktionen,  nach  der  dritten  Infusion  Allgemeinreaktion; 
nach  12  Stunden  geschwunden.  Dauer  der  Behandlung:  27  Tage. 
Erfolg:  Ulcerationen  vollkommen  geschlossen. 
Kann  wieder  ungehindert  gehen. 

3.  K.  W„  17  Jahre.  Lupus  hypertroph,  und  exfol.  des  Gesichtes 
und  Halses.  13  Inf.  in  26  Tagen,  Gd.  0,47,  höchste  Einzeldose  0,05. 
Keine  Nebenerscheinungen.  Erfolg:  Deutliche  Abflachung 
sämtlicher  Herde.  Nachlassen  der  Schuppen- 
b  i  1  d  u  n  g. 

4.  M.  A.,  17  Jahre.  Tuberc.  cutis  verruc.  Apfelgrosse  Drüse 
am  Hals.  Karies  des  Stirnbeines  mit  stark  sezernierender  Fistel 
13  Inf.  in  31  Tagen,  Gd.  0,51,  höchste  Ed.  0,05.  Die  H  a  u  t  s  t  e  1 1  e  n 
nehmen  schon  von  der  dritten  Infusion  ab  einen 
bräunlicheren  Farbenton  an  und  werden  flacher. 
Die  Abflachung  schreitet  weiter  vorwärts,  immer¬ 
hin  sind  die  Stellen  noch  verrukös  und  erhaben. 
Die  Drüse  geht  auf  Walnussgrösse  zurück.  Die 
Sekretion  aus  der  Fistel  hat  erheblich  nachge¬ 
lassen. 

5.  L.  H„  44  Jahre.  Seit  Jahrzehnten  bestehender  ausgedehnter 
Lupus  tumidus  und  serpigin.  des  Gesichts,  behaarten  Kopfes  und  der 
Extremitäten.  13  Inf.  in  39  Tagen.  Gd.  0,63,  Ed.  0,05.  Häufige  Lokal¬ 
reaktion.  Einmal  Temperatur  bis  38,8.  Sehr  deutliche  Ab¬ 
flachung  der  Infiltrate. 

6.  W.  J.,  9  Jahre.  Zerstörung  des  häutigen  Septums  und  des 
rechten  Nasenflügels.  Infiltrat  auf  der  rechten  Wange.  Tiefes, 
schmierig  belegtes  Ulcus  von  Markstückgrösse  auf  der  stark  ge- 
wulsteten  Oberlippe.  10  Inf.  in  18  Tagen,  Gd.  0.16,  Hd.  0,02.  Keine 

P 


Fig.  1b. 

Nur  mit  Aur.  Kal.  cyanat.  behandelter 
Lupus  vor  der  Kur. 


Fig.  Id. 

4  Wochen  nach  der  3Stäg.  Behandlung. 


Nebenerscheinungen,  öfters  Lokalreaktionen.  Klei  n  er  werden 
des  Infiltrats.  Das  Ulcus  hat  sich  bis  auf  Pfennig¬ 
grösse  geschlossen  und  zeigt  gute  Granula- 

t  1  o  n_e  25  jahre  Ausgedehnter  Lupus  des  Gesichts.  Zahl¬ 

reiche  teils  gruppiert  stehende  linsengrosse  Knötchen  in  teils  tele- 
angiektatischen  teils  atrophischen  grossen  Herden.  10  Inf.  in  18  lagen, 
Gd  0,25,  Hd.  0,04.  Steht  zurzeit  noch  in  Behandlung.  Einmal  All¬ 
gemeinreaktion  bis  39,6.  Erbrechen,  Durchfall.  Die  Knötchen 
am  Rande  der  Narben  in  das  normale  Hautniveau 
eingesunken,  tiefbraune  Pigmentierung.  Die 
innerhalb  der  Narben  befindlichen  Infiltrate 
noch  wenig  beeinflusst. 

8  H  P,  14  Jahre.  Lupöser  Herd  am  Auge,  oberes  Augenlid 
ektropioniert.  Am  linken  Ohr  eine  Ulzeration  Grosse.  Drusen¬ 
pakete  am  Hals,  daselbst  ebenfalls  eine  kleine  Ulzeration,  offenbar 
mit  einer  Drüse  im  Zusammenhang  stehend.  16  Inf.  in  30  l  agen, 
Gd.  0,28,  Hd.  0,02.  Fast  nach  jeder  Infusion  deutliche  Lokal¬ 
reaktion,  die  besonders  durch  eine  intensive  Rötung  dei 
Konjunktiven  des  in  der  Nähe  des  Lupus  liegenden  Auges  aut- 
fällt.  Geringe  Temperatursteigerung.  Der  Herd  am  oberen  Augen¬ 
lid  ist  ganz  flach  geworden,  die  Ulzeration  am  Ohr  hat  sich 
verkleinert.  Die  Drüsen  und  die  Ulzeration  am  Hals  wenig 
beeinflusst.  Da  positive  Wassermann  sehe  Reaktion  vorliegt, 
wird  eine  Salvarsanbehandlung  eingeleitet,  die  aber  ohne  Liniluss 

bleibt.  ^  ^  ^  Jahre.  Schwere  Lungenphthise.  Kalter  Abszess 
auf  dem  Sternum  und  am  Fussrücken.  Skrophuloderm  von  fast  zwei 
Ouerfinger  Breite  am  Halse,  verruköser  Lupusherd  an  der  Hand. 

6  Inf.  in  27  Tagen,  Gd.  0,25,  Hd.  0,08.  Nach  0,08  tritt  starke  Tem- 
peratursteigerung  ein,  Erbrechen,  Durchfall  und  ein  in  2  Tagen 
wieder  verschwindender  Ikterus.  Die  allerdings  an  sich  sehi  un¬ 
regelmässige  Temperatur  wird  eher  günstig  beeinflusst,  das  All¬ 
gemeinbefinden  wird  im  Laufe  der  Behandlung  entschieden  besser. 
Der  Husten  und  Auswurf  geringer.  Am  Lungenbetund  — -  grosse 
Kavernen  —  keine  nachweisbare  Veränderung.  Tb.  +~r.  Das 
Skrophuloderm  sinkt  fast  völlig  ein,  der  verruköse  Herd  ist 
deutlich  flacher  geworden.  Der  kalte  Abszess  am  Sternum 
bricht  nach  der  Infusion  auf,  sezerniert  reichlich,  derjenige  am  Fuss 
geht  fast  um  die  Hälfte  zurück.  Die  Behandlung  muss  aus  ausseren 
Gründen  abgebrochen  werden. 

10.  W„  60  Jahre.  Karies  des  Sternums,  Infiltration  beider  Ober¬ 
lappen,  Kavernen,  quälender  Husten,  reichliches  Sputum  mit  Tb.  H  r  i  . 
Pat  kann  aus  äusseren  Gründen  nur  mit  Unterbrechungen  behandelt 
werden.  Er  gibt  an,  nach  der  Behandlung  eine  ganz  wesentliche 
Erleichterung  der  starken  Schmerzen  im  Sternum  zu  empfinden.  Der 
Husten  und  Auswurf  wird  entschieden  geringer,  Tb.  spärlicher.  Nach 
der  zweiten  Infusion  tritt  am  nächsten  Tage  sanguinolentes 
Sputum  auf,  was  früher  vom  Pat.  nie  beobachtet 
worden  war.  Die  Sekretion  aus  der  Sternalfistel  ist  geringer 
geworden.  Die  Temperaturen  nicht  wesentlich  beeinflusst,  Gewicht 
gleich.  Das  Allgemeinbefinden  bei  der  vorzeitigen  Entlassung  leidlich. 

11.  W.  Anna,  42  Jahre.  Haselnussgrosses  Lupusinfiltrat  auf  der 
Oberlippe.  8  Inf.,  in  18  Tagen  Gd.  0,24,  Hd.  0,03.  Das  Infiltrat 
ist  ganz  flach  geworden,  auf  Linsengrösse  zurückgegangen. 

12.  M.  Klara,  22  Jahre.  Lupusulzeration  des  Gesichtes.  Flache, 
in  atrophischen  Partien  liegende  Geschwüre.  15  Inf.  in  28  Tagen, 
Gd.  0,53,  Hd.  0,04.  Keinerlei  Nebenerscheinungen  während  der  Be¬ 
handlung,  auch  keine  Lokalreaktionen.  Ulzerationen  wesent¬ 
lich  kleiner  geworden.  Ueberhäutung  erfolgt  jedoch  langsam 
und  ist  bei  Beendigung  der  Kur  noch  n  i  c  h  t  v  ö  1 1  i  g  erfolgt. 

14.  S.  Hedwig,  6  Jahre.  Verruköser  Herd  der  Ellenbeuge.  14  Inf. 
in  25  Tagen,  Gd.  0,23,  Hd.  0,02.  Der  Herd  ist  ganz  flach  ge¬ 
worden,  die  Hyperkeratosen  treten  ganz  zurück.  Die  histo¬ 
logische  Untersuchung  einer  exzidierten  Partie 
ergibt  nur  Granulationsgewebe,  keine  lupösen 
Elemente. 

15.  Z.  Marie,  30  Jahre.  Verdickung  der  Nasenspitze,  daselbst 
einige  linsengrosse,  mit  Krusten  bedeckte  Knötchen.  12  Inf.  in 
22  Tagen,  Gd.  0,46,  Hd.  0,04.  Die  Verdickung  ist  zurückge¬ 
gangen,  die  Knötchen  unter  Pigmentierung  eingesunken,  die 
Krusten  abgefallen. 

16.  K.  Anna,  15  Jahre.  An  Wangen,  Nase  und  Oberlippe  tiefe, 
mit  braungelben  Krusten  bedeckte  Ulzerationen.  8  Inf.  in  17  Tagen, 
Gd.  0,165,  Hd.  0,03.  Keine  Nebenerscheinungen,  d  e  u  1 1  i  c  h  e  Lo¬ 
kalreaktionen,  gibt  an,  nach  den  Infusionen  Schmer¬ 
zen  in  den  Ulzerationen  zu  empfinden.  Die  Ulzerationen 
reinigen  sich  schnell  und  epithelisieren.  Noch  in  Be¬ 
handlung  2). 

17.  S.  Marie,  53  Jahre.  Wie  Fall  15.  10  Inf.  in  22  Tagen, 

Gd.  0,3,  Hd.  0,03.  Keine  Nebenerscheinungen,  keine  Lokalreaktion. 
Erfolg  wie  bei  15. 

18.  M.  Pauline.  Einzelne  gruppierte,  mit  Krusten  bedeckte 
Knötchen  auf  der  Wange.  5  Inf.,  Gd.  0,14,  Hd.  0,03.  Unterlappen¬ 
infiltration.  Noch  in  Behandlung.  Nach  der  4.  Inf.  entsteht  eine  mit 


D  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Nach  weiteren  2  Infusionen 
ä  0,02  ist  das  Ulcus  vollkommen  verheilt. 

2)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Nach  weiteren  4  Infusionen 
ä  0,03  vollkommene  Epithelisierung  der  Ulzerationen. 


hohen  Temperaturen  einhergehende,  in  wenigen  lagen  ablaufende, 
trockene  Pleuritis.  Die  Lupusherde  sinken  ganz  ein  und 
die  Krusten  fallen  ab. 

19.  F.  Elfriede,  8  Jahre.  Schwerer,  schon  vielfach  von  uns  ver¬ 
geblich  behandelter  Lup.  ulc.  des  Gesichtes.  Ektropion  des  Augen¬ 
lides.  15  Inf.  in  20  Tagen,  Gd.  0,3,  Hd.  0,02.  Die  U  1  z  e  r  a  1 1  o  n  e  n 
reinigen  sich  und  werden  kleiner.  Das  Ektropion  wesent- 
lieh  geringer.  Die  Herde  haben  nach  Aussage  des  sie  seit  Jahren  be¬ 
obachtenden  Arztes  noch  nie  so  gut  ausgesehen  wie  jetzt. 

20  Sch.  Martha,  30  Jahre.  Grosser  Herd  am  Halse.  Zahllose,  in 
narbigem  Gewebe  liegende,  braunrote  Knoten  und  Knötchen.  12  Inf. 
in  34  Tagen.  Häufige  Lokalreaktionen,  in  Sukkulenz  und  intensiver 
Rötung  der  Knoten  bestehend.  Sicher  Rückgang,  aber  sehr 

langsam,  kein  deutlicher  Erfolg.  . 

21.  W  Anna,  45  Jahre.  Lupus  an  beiden  Wangen,  lief  in 
narbigen  Flerden  sitzende,  kaum  prominente  gelbe,  auf  Sondendruck 
nachgebende  Flecke.  6  Inf.  in  20  1  agen,  Gd.  0,24,  Hd.  0,04.  Flecken 
brauner  geworden,  aber  kein  wesentlicher  Erfolg. 
Noch  in  Behandlung. 

F. <?  besteht  für  uns  alle  kein  Zweifel,  dass 
wir  allein  mit  intravenösen  Infusionen  von 
Aurum-Kalium  cyanatum  und  ohne  lokale  Be¬ 
handlung  eine  wesentliche  Beeinflussung 
lupöser  Herde  konstatieren  konnten.  Wir  sind 
uns  wohl  bewusst,  vorläufig  nur  von  einem  Rückgang  der 
Erscheinungen  sprechen  zu  können.  Ueber  eine  etwa  mög¬ 
liche  definitive  Heilung  können  wir  noch  nichts  aus- 
sagen.  Bei  einer  Erkrankung  wie  der  Tuberkulose  gehört  dazu 
selbstredend  eine  sehr  lange  Beobachtung,  histologische  Unter¬ 
suchungen  und  biologische  Prüfungen  (1  uberkulinreaktion). 

Wir  glaubten  jedoch,  die  nachgewiesene  Wirkung  eines 
auf  dem  Blutwege  beigebrachten  Medi¬ 
kaments,  das  in  wenigen  Wochen  einen  Effekt  auf  eine 
jahre-  und  jahrzehntelang  bestehende  Affektion  wie  den 
Lupus,  ausübt,  schon  jetzt  veröffentlichen  zu  sollen,  um  zu 
weiteren  Prüfungen  der  Anwendungsmöglichkeiten  der  von 
uns  vorgeschlagenen  Methode  anzuregen.  Wir  gehen  hierbei 
von  der  Ansicht  aus,  dass  gerade  bei  der  Tuberkulose  eine 
Zentralisierung  eines  neuen  Präparates  an  eine  oder  wenige 
Stellen  ein  baldiges  Urteil  ungemein  erschwert.  Bei  einem 
Präparat  jedoch,  das  jedem  Arzt  zugängig  ist  und  dessen  An- 
wendungsmöglichkeit  wir  bewiesen  nnd  skizziert  haben,  dürfte 
es  durch  die  von  den  verschiedensten  Seiten  zu  machenden 
Beobachtungen  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  gelingen,  nach¬ 
zuweisen,  was  auf  diesem  Wege  bei  Hauttuberkulose  und  was 
bei  anderen  tuberkulösen  oder  sonstigen  infektiösen  Prozessen 
zu  erreichen  sein  wird.  Wir  verfügen  selbst  über  eine  zi 
geringe  Erfahrung  bei  Lungentuberkulose.  Dass  aber  da; 
Präparat  hierfür  zum  mindesten  nicht  gleichgültig  ist,  diirfer 
wir  vielleicht  daraus  schliessen,  dass  wir  bei  Lupösen  mi 
gleichzeitigen  Lungenprozessen  im  Anschluss  an  eine  Infusior 
zweimal  leichte  pleuritische  Reizungen,  die  nach  weniger 
Tagen  wieder  verschwanden,  gesehen  haben;  einmal  trat  be 
einem  Patienten  mit  einer  Oberlappeninfiltration  ein  nacl 
einem  Tage  wieder  verschwindendes  sanguinolentes  Sputun 
auf,  obwohl  dieser  Patient  früher  noch  nie  an  einer  Hämopto« 
gelitten  hatte. 

Es  wird  sich  daher  vielleicht  empfehlen,  bei  Erwachsener 
mit  schwereren  Lungenprozessen  mit  Dosen  von  0,02  zu  be 
ginnen  und  erst  langsamer  bis  0,05  zu  steigen.  Jedenfall 
dürfte  es  aber,  soweit  wir  dies  heute  übersehen,  nötig  seir 
10—12  Infusionen  innerhalb  4—5  Wochen  vorzunehmen,  um 
dann  nach  einer  mehrwöchigen  Pause  wieder  mit  der  Kur  z 
beginnen.  Dass  die  Tuberkulose  nicht  mit  wenigen  Ein 
Spritzungen  zu  beeinflussen  sein  wird,  ist  klar  und  es  dürft 
wohl  a  priori  ein  ähnliches  Schema  zu  erwarten  sein,  wie  wi 
es  bei  Lues  in  Form  der  chronisch-intermittierenden  Behänd 
lung  gelernt  haben. 

Von  der  oben  von  uns  behandelten  Vorstellung  ausgehem 
dass  es  ein  Vorteil  sein  müsse,  das  Tuberkulin  als  Lei1 
schiene  für  ein  Tuberkulosemittel  zu  benützen  oder  wenigste; 
die  nach  Tuberkulin  eintretende,  mit  starker  Durchblutung  de 
erkrankten  Gewebes  einhergehende  Lokalreaktion  zur  Hii 
lenkung  dieses  Mittels  nach  dem  Krankheitsherd  zu  verwerte 
haben  wir  auch  einige  Fälle  kombiniert  mit  Tuber 
kulin  und  Aurum-Kalium  cyanatum  behandelt  ur 
zwar  so,  dass  erst  solche  Tuberkulindosen,  die  noch  zu  eins 
eben  deutlichen  Lokalreaktion  führten,  gegeben  wurden,  ur 
dass  dann  auf  der  Höhe  der  Lokalreaktion  —  also  mei 


4.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


lach  24  Stunden  —  die  intravenöse  Goldinfusion  folgte.  — 
)ie  Resultate  sind  auffallende  und  den  bei  reinen 
1  o  1  d  f  allen,  was  Schnelligkeit  des  Erfolges 
inbelangt,  entschieden  überlegen.  Was  aber 
iei  solchen  Kombinationsmethoden  auf  Rechnung  des  neuen 
Präparates  zu  setzen  ist,  ist  sehr  schwer  zu  entscheiden.  Wir 
iahen  allerdings  den  Eindruck  —  und  nur  von  einem  solchen 
;ann  man  hierbei  reden  — ,  dass  dieselben  Resultate  allein 
nit  Tuberkulin  in  der  in  Frage  kommenden  Zeit  und  mit  den 
venigen  Tuberkulininjektionen,  nicht  erreicht  worden  wären, 
vlan  wird  also,  nachdem  die  Grenzen  der  reinen  Gold- 
lehandlung  festgestellt  sein  werden,  an  derartige  Kombi- 
lationen  denken  müssen,  um  vielleicht  noch  schnellere  und 
ntensivere  Resultate  zu  erzielen. 


•  i n i g e  der  kombiniert  mit  Aur.  Kalium  cyanat.  und 
mit  Alttuberkulin  behandelten  Fälle. 

L.  D.  H„  23  Jahre.  Lupus  ulceros.  des  Naseneingangs  und  der 
»chleimhaut.  Zahlreiche  Herde  am  Halse.  Behandlung  48  Tage, 
AI  .-Inj.,  Hd.  /4  mg.  Die  letzten  Injektionen  verursachen  keine 
.okalreaktion  mehr.  24  und  72  Stunden  nach  jeder  Tuberkulininjek- 
ion  folgt  je  eine  Aur.-Inf.,  Gd.  0,384  in  13  Inf.  Nach  der  Hd.  von  0,0S 
’emperatursteigerung,  Erbrechen,  schnell  vorübergehender  Ikterus, 
dlgemeinbefinden  sonst  während  der  Kur  ungestört.  Erfolg:  Ul¬ 
erationen  sämtlich  epithelisiert,  Knötchen  e  in¬ 
esunken,  nur  noch  leichtePigmentierung  zu  sehen. 


Fig.  2a.  Fig.  2  b. 

it  Aur.  Kal.  cyanat.  und  Tuberkulin  be-  Nach  der  48 tägigen  Behandlung. 

handeiter  Lupus  vor  der  Kur. 

2.  D.  A.,  51  Jahre.  Herd  an  der  Wange  aus  konfl.,  linsen¬ 
rossen  Knoten  bestehend.  Nur  3  AT.-Inj.  ä  )4  mg,  4  Aur.-Inf., 
d.  0,12,  Hd.  0,03.  Unterbrechung  der  Kur  erfolgt  aus  äusseren 
runden.  Bei  der  Entlassung  des  Pat.  nach  10  Tagen  sind  die  Knoten 
twa  um  die  Hälfte  ihrer  ursprünglichen  Grösse  zurück¬ 
eg  a  n  g  e  n. 

3.  Sp.  Marie,  35  Jahre.  Ausgedehnte  Lup.  mac.  und  exfol.  des 
esichtes.  Diffuse  Schwellung  der  Wangen  und  Oberlippen.  4  AT.- 
i.i.  ä  Vi  mg,  4  Aur.-Inf.,  Gd.  0,18,  Hd.  0,05.  Jedesmal  starke  Lokal- 
Aktion  auf  AT„  die  durch  die  darauffolgende  Aur.-Inf.  noch  wesent- 
ch  gesteigert  wird.  Dauer  der  Behandlung  13  Tage.  Sehr  guter 
rfolg.  Das  Gesicht  abgeschwollen,  die  Knoten  und  Knöt- 
len  eingesunken.  Nach  einem  Monat  ist  der  Erfolg  noch  deut- 
cher.  Pat.  verlangt  Fortsetzung  der  Kur. 

Wir  haben  weiter  —  immer  von  den  Koch-Behririg- 
chen  Desinfektionsversuchen  ausgehend  —  die  etwaige  W  i  r  - 
u  n  g  dieses  ausgezeichneten  Antiseptikums  bei  Lues  erprobt. 

Wir  bemerken  aber,  dass  wir  diese  Versuche  lediglich 
ls  o  r  i  e  n  t  i  e  r  e  n  d  e  betrachtet  haben,  wir  haben  deshalb 
bsichtlich,  sobald  ein  Erfolg  zu  konstatieren  war,  die  Gold- 
ehandlung  nicht  weitergeführt,  sondern  sind  dann  zu  Hg 
nd  Salvarsan  übergegangen,  um  den  Patienten  die  erprobte 
ur  nicht  vorzuenthalten. 


Fig.  3a.  Tertiäre  Lues  vor  der  Behandlung 
mit  Aur.  Kal.  cyanat. 


Fig  3  b. 

Nach  der  26tägigen  Behandlung. 


3.  Sch.  W.,  32  Jahre.  Plaques 
muqu.  Papel  an  der  Innenseite  des 
Präputium,  grosse  Zervikal-  und  Ku- 
bitaldriisen,  Spir.  neg.,  Ser.  pos. 

4  Inf.  in  9  Tagen  ä  0,05.  Plaques 
und  Papel  heilen  von  der  zwei- 
t  e  n  Inf.  an  ab,  deutlicher  Rück¬ 
gang  der  Drüsen. 

4.  B.  A„  24  Jahre.  Primäraffekt 
am  Frenulum,  grosse  Inguinaldrüsen. 

Spir.  H  h  6  Inf.  in  12  Tagen. 

Nach  der  2.  Inf.  schwinden 
die  Spir.  und  sind  dauernd 
nicht  mehr  nachweisbar.  I  n  - 
duration  wird  geringer,  die 
Drüsen  schwinden  um  die 
Hälfte  ihres  Volumens. 

5.  M.  A.,  24  Jahre.  Primär¬ 
affekt  am  Präputium,  grosse  Drüsen. 

Spir.  ++.  6  Inf.  in  12  Tagen. 

Nach  dererstenlnf.  schwin¬ 
den  die  Spir.  und  bleiben 
dauernd  weg.  Der  Primär¬ 
affekt  selbst  zeigt  nur  geringe 
Beeinflussung,  die  Drüsen 
sind  kleiner  geworden. 

6.  H.  Marie.  Nässende  Papeln  an  den  Labien.  Spir.  ++.  2  Inf. 
in  4  Jagen  ä  0,03.  Spir.  spärlicher  geworden;  muss  wegen 
Partus  veUegt  werden. 

7.  Gl.  Bertha,  20  Jahre.  Papel  am  Lab,  Spir.  4 — L,  exulzerierte 
Plaques  auf  den  J’onsillen,  Polyskleradenit.  6  Inf.  in  10  Tagen  ä  0,03. 
Nach  der  2.  Inf.  schwinden  die  Spir.  dauernd,  die 
Papel  nach  der  4.  Inf.  verschwunden,  die  Plaques 
gehen  nur  langsam  zurück. 

Die  Wirkung  des  Aurum-Kalium  cyanatum  bei  primärer 
und  sekundärer  Lues  entspricht,  was  Spirochätenverschwinden 
und  Rückgang  der  Erscheinungen  anbelangt,  ungefähr,  soweit 
derartige  Vergleiche  möglich  sind,  der  Wirkung  eines  starken 
Hg-Präparates.  An  die  Leistung  des  Salvarsans  kommt  es  bei 
diesen  Fällen  absolut  nicht  heran.  Dagegen  wurden  die  von 
uns  bisher  behandelten  tertiären  Fälle  durch  Goldinfusionen 
in  einer  Weise  und  mit  einer  Schnelligkeit  be¬ 
einflusst,  die  nach  unseren  Erfahrungen  der  Salvarsanwirkung 
w  e  n  i  g  n  a  c  h  s  t  e  h  t.  Es  ist  hiermit  der  Beweis  erbracht, 
dass  dem  Au  rum -Kalium  cyanatum  auch  bei 
Lues  ein  Heileffekt  zukommt  und  es  würde  sich 
somit  dem  Hg  und  Salvarsan  bezw.  den  Arsenverbindungen 
als  drittes  A  n  t  i  s  y  p  h  i  1  i  t  i  k  u  m  das  Aurum-Ka¬ 
lium  cyanatum  bezw.  vielleicht  die  Goldver¬ 
bindungen  zugesellen. 


Fig.  3  c. 

Nach  der  26tägigen  Behandlung. 


Aur.  -  Kalium-cyanat.  -  Infusionen  bei  luetischen 

Prozessen. 

1.  W.  Johanna,  38  Jahre.  Tuberoulzeröses  Syphilid  im  Gesicht 
id  am  Arm.  Bisher  unbehandelt.  WNB.-R.  positiv.  Behandlung: 
-  Im.  in  26  Tagen,  Gd.  0,4,  Hd.  0,05.  Erfolg  siehe  Abbil- 
d  nge  n  3a — c.  Serumreaktion  4  Wochen  später  noch  positiv. 

2.  S.  Kathar.,  40  Jahre.  Tuberoulzeröses  Syphilid  der  Wange, 
"s  Gaumens  und  der  Handrücken.  6  Inf.  in  13  Tagen,  Gd.  0,2, 
u.  0,05.  Reinigung  und  Ueberhäutung  der  Ge- 
c  h  w  ü  r  e,  Rückgang  der  Granulationen. 


Wir  möchten  nochmals  betonen,  dass,  wenn  wir  die  vor¬ 
liegenden  sich  über  mehrere  Monate  erstreckenden.  Erfah¬ 
rungen  schon  jetzt  bekannt  geben,  wir  das  nicht  in  der  Ab¬ 
sicht  tun  und  tun  können,  um  unser  neues  Heilver¬ 
fahren  als  ein  fertig  abgeschlossenes  bei 
Tuberkulose  und  Lues  zu  proklamieren.  Wir 
glauben  aber,  dass  die  bisherigen  Resultate  entschieden  zu 
weitgehenden  Prüfungen  auffordern,  die  die  Arbeitskraft  ein¬ 
zelner  übersteigen. 


62 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Nicht  nur  dass  Erfahrungen  bei  den  verschiedensten  tuber¬ 
kulösen  Prozessen  gesammelt  werden  müssten,  scheint  es  uns 
nunmehr,  nachdem  eine  therapeutische  Wirkung  bei  Lupus 
feststeht,  nötig,  neben  der  klinischen  Prüfung  durch  weiteren 
Ausbau  der  ja  allerdings  sehr  langwierigen  Tierexperimente, 
die  Grenzen  und  die  Art  und  Weise  der  Wirkung  genau  zu 
studieren.  Allerdings  würden  in  Anbetracht  der  notwendigen 
intravenösen  Behandlung  nur  grössere  Tiere  (Affen.  Rinder) 
in  Betracht  kommen.  Wenn  wir  bedenken,  welche  Triumphe 
die  Hg-Therapie  bei  Lues  gefeiert  hat,  lange,  ehe  wir  über 
seine  Wirkungsweise  und  über  Tierexperimente  etwas 
wussten,  so  wird  der  vorgeschlagene  Weg  nicht  unverständ¬ 
lich  erscheinen. 

Es  wird  ferner  unsere  Aufgabe  sein,  im  Tierexperiment  die 
Wirkung  des  Aurum  auf  Spirochäten  zu  prüfen  und  zu  suchen, 
ob  sich  event.  auch  eine  Wirkung  bei  anderen  Allgemein¬ 
infektionen  nachweisen  lässt,  mit  anderen  Worten,  ob  der  Ein¬ 
fluss  des  Aurum-Kalium  cyanatum  tatsächlich  auf  einer 
direkten  Desinfektions  Wirkung  beruht,  oder  ob  nur 
ein  Einfluss  auf  krankes  Gewebe  und  dadurch  indirekt 
auf  die  Erreger  vorliegt. 

Eine  weitere  Frage  ist  die,  ob  die  Wirkung  an  das  Gold 
oder  das  Zyan  gebunden  ist,  eine  Frage,  die  bereits  von  uns 
in  Angriff  genommen  worden  ist.  Jedenfalls  können  wir  aber 
schon  jetzt  sagen,  dass  bei  der  von  uns  geübten  Technik  und 
Dosierung  Schädigungen  nicht  zu  erwarten  sind 
und  dass  daher  ein  klinisches  Studium  der  Verbindung  gerecht¬ 
fertigt  erscheint.  Vorbedingung  ist  allerdings 
eine  vollkommene  Beherrschung  der  intra¬ 
venösen  Infusionstechnik. 


Aus  der  Deutschen  dermatologischen  Universitätsklinik  in  Prag 
(Vorstand  Prof.  C.  Kreibich), 

Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Kontraluesin  (Richter), 
einem  molekular  zerstäubten  Quecksilber. 

Von  Dr.  E.  Klausner. 

Um  die  Heilkraft  und  den  Wert  des  Quecksilbers  bei  der 
Behandlung  der  Syphilis  richtig  einzuschätzen,  genügt  wohl 
die  Tatsache,  dass  auch  die  Salvarsantherapie  nicht  imstande 
war,  das  Quecksilber  aus  der  Behandlung  der  Lues  zu  ver¬ 
drängen  oder  wenigstens  entbehrlich  zu  machen.  Und  man 
kann  wohl  behaupten,  dass  gerade  jetzt  das  Bedürfnis  nach 
einem  besonders  wirksamen  Quecksilberpräparat  als  unerläss¬ 
liche  Stütze  der  Salvarsanbehandlung  vorhanden  ist. 

Im  April  1912  berichtete  Dr.  E.  Richter  aus  Plauen  am 
internationalen  Dermatologenkongress  in  Rom  über  eine  be¬ 
sonders  wirksame  Methode  der  Quecksilberbehandlung,  indem 
es  ihm  gelang,  metallisches  Quecksilber  in  einer  wässerigen 
Lösung  von  bestimmter  Zusammensetzung  so  fein  zu  verteilen, 
dass  die  Grösse  der  Hg-Teilchen  bis  unter  Kokkengrösse  ge¬ 
bracht  werden  konnte  und  in  dieser  feinen  Verteilung  trotz 
seines  grossen  spezifischen  Gewichtes  durch  mehrere  Stunden 
in  der  Lösung  in  Suspension  blieb.  Dadurch,  dass  der  Autor 
die  Verteilung  des  Quecksilbers  in  wässriger  Lösung  vornahm, 
sollte  verhindert  werden,  dass  die  Resorption,  wie  bei  Be¬ 
nützung  fettiger  Vehikel,  gehemmt  würde.  Durch  die  äusserst 
feine  Verteilung  soll  ermöglicht  werden,  dass  das  Hg  direkt  in 
die  Blutbahn  resorbiert  wird.  Die  nähere  Darstellungsweise 
des  Kontraluesins  glaube  ich  an  dieser  Stelle  übergehen  zu 
dürfen,  und  will  nur  erwähnen,  dass  die  wässrige  Lösung  eine 
Mischung  von  Sozojodol-Chinin-Salizylverbindungen  darstellt, 
denen  Richter  ebenfalls  eine  antibakterielle  bzw.  anti¬ 
luetische  Wirksamkeit  zuschreibt. 

In  letzter  Zeit1)  hat  Richter  über  200  Fälle  von  Lues 
berichtet,  die  von  ihm,  zum  Teile  von  S  c  h  o  u  r  p  mit  Kontra¬ 
luesin  behandelt  wurden.  Die  Erfolge  waren  sehr  günstig. 
Ausser  Stomatitis  wurden  von  den  Autoren  keinerlei  Neben¬ 
erscheinungen  beobachtet. 

Bevor  ich  auf  die  Schilderung  der  auf  der  Klinik  Kreibich 
behandelten  Fälle  eingehe,  will  ich  die  Methode  der  Behand¬ 
lung  mit  den  Worten  des  Autors  wiedergeben. 


Zur  Injektion  sind  nötig: 

1.  Eine  2  ccm  fassende  Injektionsspritze  aus  ülas  ohne  Metall¬ 
teile  (wegen  Amalgamierung). 

2.  Die  Injektionsnadel  muss  34  mm  lang  sein  und  0,9  mm  in 

Nadelstärke  sein.  . 

Spritze,  Nadel  und  Präparatampullen  dürfen  niemals  mit  Wasser 
in  Berührung  gebracht  werden.  Die  Ampullen  enthalten  0,15  Hg  in 

1  ccm  Suspensionsflüssigkeit  und  werden  die  einzelnen  Injektionen  in 
5  tägigen  Zwischenpausen  intramuskulär  appliziert,  bei  den  letzten 

2  Injektionen  gewöhnlich  nur  0,7  ccm  der  Ampulle  injiziert. 

Die  Ampullen  müssen  stehend  in  nicht  zu  kaltem  Zimmer  auf¬ 
bewahrt  werden.  Der  Inhalt  der  vorher  gut  durchgeschüttelten 
Ampulle  wird  aus  der  am  besten  etwas  schräg  gelagerten  Ampulle 
direkt  in  die  Spritze  aufgesaugt.  Die  Injektion  in  die  nach  Desinfek¬ 
tion  der  Haut  mit  Jodtinktur  bestrichene  Natesgegend  erfolgt  senk¬ 
recht  intramuskulär,  indem  man  den  Patienten  vornüberbeugt. 

Die  Aufbewahrung  der  Nadel  und  Spritze  geschieht  am  besten  ir 
Seifenspiritus,  dem  auf  100  ccm  1  ccm  Liquor  cresoli  zugesetzt  ist. 

Die  Verhaltungsmassregeln  bei  der  Behandlung  sind  die  gleichen 
wie  bei  jeder  Hg-Therapie.  Zum  Gurgeln  empfiehlt  Richter 
HaOa-Lösungen,  denen  messerspitzenweise  folgendes  Gurgelpulver 
zugesetzt  ist: 

Natr.  bicarb.  55,0 

Natr.  sulfur.  5,0 

Natr.  salicyl.  5,0 

Mentholi  0,1 

Wenn  ich  nun  im  folgenden  über  50  Fälle  kurz  berichten 
will,  die  auf  unserer  Klinik  mit  Kontraluesin  behandelt  wurden, 
so  will  ich  gleich  im  vorhinein  betonen,  dass  es  uns  vorläufig 
darauf  ankam,  die  Wirksamkeit  dieses  Quecksilberpräparates 
auf  die  luetischen  Veränderungen  der  verschiedenen  Krank¬ 
heitsstadien  zu  erproben  und  dass  wir  dementsprechend  vor 
allem  solche  Fälle  der  Behandlung  unterzogen,  die  durch  die 
Intensität  und  Ausbreitung  der  luetischen  Krankheitsprozesse 
ein  Urteil  über  die  Wirksamkeit  eines  antiluetischen  Mittels 
zu  gewinnen  gestatteten. 

Von  den  10  Fällen  mit  Primäraffekten  seien  besonders  3  Fälle 
erwähnt,  bei  denen  ausser  mehreren  harten  Geschwüren  hochgradige 
Oedeme  der  Labien  und  Nymphen  spezifischer  Natur  bestanden,  ln 
allen  Fällen  heilten  die  Sklerosen  ab  und  das  Oedema  scleroticum  be¬ 
gann  schon  gewöhnlich  nach  der  3.  Injektion  abzufallen  und  war  nach 
der  5.  Injektion  geschwunden.  An  den  regionären  Lymphdrüsen 
konnte  ich  gleichfalls  eine  bedeutende  Verkleinerung  derselben  wahr¬ 
nehmen. 

Von  den  37  Fällen  des  Sekundärstadiums  ist  zu  erwähnen,  dass 
vor  allem  der  Rückbildung  der  Exantheme  und  Schleimhautprodukte 
die  grösste  Aufmerksamkeit  zugewendet  wurde.  Alle  Formen  maku¬ 
löser,  papulöser  und  pustulöser  Ausschläge  zeigten  gewöhnlich  nacl: 
2—3  Injektionen  deutliche  Rückbildung  und  waren  nach  5  Injektioner 
abgeheilt.  Dasselbe  gilt  von  den  Plaques  und  breiten  Kondylomen 
die  zum  Teil  ohne  jede  lokale  Behandlung  abheilten.  Hier  erwähne 
ich  vor  allem  3  Fälle  von  ausgebreiteter  Psoriasis  palmaris  und  plan 
taris,  der  eine  Fall  in  Form  der  „Clavi  syphilitici“,  der  6  Wochen  voi 
der  Behandlung  mit  dem  Richter  sehen  Präparate  0,5  Salvarsai 
ohne  jeden  sichtbaren  Erfolg  erhalten  hatte  und  bei  dem  schon  nacl 
3  Injektionen  eine  auffallende  Besserung  zu  verzeichnen  war.  Nacl 
5  Injektionen  zeigten  Palmae  und  Plantae  in  allen  3  Fällen  ein  völüs 
normales  Aussehen,  indem  die  luetischen  Infiltrate  spurlos  ver 
schwanden.  Bei  einem  Falle  von  grossknotigem,  über  die  ganze  Kör 
perhaut  einschliesslich  des  behaarten  Kopfes  und  Gesichtes  sich  er 
streckenden  Syphilids  waren  nach  5  Injektionen  die  grossen  Knote 
bis  auf  Pigmentationen  völlig  abgeheilt.  Am  hartnäckigsten  verhiel 
ten  sich  die  makulösen  Rezidivexantheme,  die  aber  nach  5  Injektionc 
stets  geschwunden  waren. 

Mit  tertiären  Krankheitserscheinungen  wurden  3  Fälle  behandel 
Ein  Fall  zeigte  gummöse  Infiltrate  der  Hohlhände.  Auch  diese 
Patient  hatte  vor  2  Monaten  0,6  Salvarsan  intravenös  erhalten,  ohn 
dass  die  Infiltrate  abgeheilt  wären,  nach  3  Richterinjektionen  wäre 
die  Gummen  bis  auf  Reste  geschwunden.  Auch  beim  zweiten  Fall' 
der  tiefe  Gummen  am  Oberarm  und  an  der  linken  Tonsille  aufwie 
waren  dieselben  schon  nach  3  Injektionen  fast  vollkommen  verheil 
Im  3.  Falle  mit  luetischen  Gehirnerscheinungen,  die  zu  äusserst  qu: 
lenden,  Tag  und  Nacht  andauernden  Kephalalgien  führten  und  die  Sa 
varsan  nicht  zum  Schwinden  brachte,  trat  eine  vollständige  Heilun 
von  den  lästigen  Beschwerden  durch  die  genannte  Quecksilbe 
behandlung  ein. 

Erwähnen  will  ich,  dass  ich  trotz  verschiedener  Mis 
geschicke,  welche  durch  die  anfangs  noch  nicht  ausgearbeite 
Herstellungstechnik  bei  der  Darstellung  des  Präparates  ve 
ursacht  wurden,  unter  250  Injektionen  nur  3  Abszesse  in 
4  Stomatitiden  zu  verzeichnen  hatte,  während  andere  Nebe 
erscheinungen,  besonders  von  seiten  der  Nieren  oder  d 
Darms,  auch  nicht  bei  den  obenangeführten  6  Patienten  beo 
achtet  wurden.  Jetzt,  wo  die  Technik  der  Herstellung  d 
Kontraluesins  durch  den  Autor  fertiggestellt  ist,  habe  f 
keinerlei  Nebenerscheinungen  nach  den  Injektionen  beo 


*)  Richter:  Dermatol.  Wochenschr.,  Bd.  55,  S.  1218,  1912. 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


63 


achtet.  Dieselben  verlaufen  so  gut  wie  schmerzlos,  hinter¬ 
lassen  keinerlei  Infiltrate  und  auch  die  Stomatitiden  treten 
nicht  auf,  wenn  die  Patienten  die  vorgeschriebene  Mundpflege 
einhalten,  so  dass  ich  mit  gutem  Erfolge  die  ambulatorische 
Behandlung  der  Patienten  aufgenommen  habe. 

Serologische  Kontrollen  wurden  in  allen  Fällen  vor¬ 
genommen.  Die  Kürze  der  Behandlungszeit  und  der  Zweck 
vorliegender  Mitteilung  lassen  es  überflüssig  erscheinen, 
darüber  des  Näheren  zu  berichten. 

Was  sich  heute  jedoch  mit  Sicherheit  be¬ 
stätigen  lässt,  ist  die  Tatsache,  dass  das 
Richtersche  Kontraluesin  ein  ausgezeich¬ 
netes  Antiluetikum  darstellt,  welches  die 
luetischen  Krankheitserscheinungen  aller 
Stadien  der  Syphilis  zur  Abheilung  bringt 
und  in  Anbetracht  seiner  bequemen,  schmerz- 
und  gefahrlosen  Applikation  zur  ausgebrei- 
teten  Anwendung  in  der  Behandlung  der 
Syphilis  empfohlen  werden  kann. 


Aus  der  I.  med.  Klinik  zu  München  (Direktor:  Professor 

v.  R  o  m  b  e  r  g). 

Lieber  die  Quellen  dauernder  Blutdrucksteigerung. 

Von  Prof.  Dr.  S  c  h  1  a  y  e  r.1) 

Erst  seit  relativ  kurzer  Zeit  besitzen  wir  die  Mittel,  den 
Blutdruck  am  Krankenbett  hinreichend  exakt  zu  messen.  Es 
fand  sich,  dass  bei  einer  ganzen  Reihe  von  krankhaften  Zu¬ 
ständen  der  Blutdruck  für  kurze  Zeit  hohe  und  höchste 
Werte  erreichen  kann.  So  z.  B.  bei  Neuropathie,  im  Anfall 
von  Asthma  bronchiale,  bei  tabischen  Krisen  etc. 

Bei  anderen  Patienten  dagegen  stellt  die  Messung  eine 
dauernde  Erhöhung  des  Blutdruckes  fest.  Auch  diese  Er¬ 
höhung  kann  starken  Schwankungen  unterliegen,  aber  immer 
lleibt  der  Druck  über  der  normalen  Höchstgrenze,  die  wir 
leute  für  den  Erwachsenen  mit  ca.  130  mm  Hg  annehmen. 
)ie  Werte  dieser  dauernden  Drucksteigerung  können  bis  zu 
•50,  ja  260  mm  Hg  erreichen.  —  Sehr  bald  versuchte  man, 
mter  den  Patienten  mit  dauernder  Drucksteigerung  eine  ge- 
visse  Sichtung  vorzunehmen.  Man  fand  unter  ihnen  eine  be- 
rächtliche  Anzahl  von  Nierenkranken.  Dass  bei  solchen, 
besonders  bei  bestimmten  Kategorien,  der  Blutdruck  erhöht 
<ei,  war  nach  den  Beobachtungen  der  alten  Aerzte  über  den 
Juls  Nierenkranker  zu  erwarten.  —  Dann  fanden  sich  unter 
len  Menschen  mit  dauernder  Hypertension  Fälle  mit  Aorten- 
nsuffizienz;  hier  erklärt  sich  die  Druckerhöhung  aus  der  ge- 
•teigerten  Kraft  der  linken  Kammer  zusammen  mit  ihrer  ab- 
lorm  grossen  Füllung.  Weiter  war  eine  dauernde  Druck- 
rhöhung  in  mässigen  Grenzen  bei  einzelnen  Fällen  von 
Basedow  scher  Krankheit  festzustellen.  Ausser  diesen  drei 
iruppen  aber  fanden  sich  unter  den  Menschen  mit  dauernder 
'rucksteigerung  endlich  eine  grosse  Anzahl  von  Fällen,  welche 
ich  keiner  der  drei  Gruppen  ohne  weiteres  einordnen  liessen. 
:s  handelt  sich  hier  durchweg  um  Menschen  im  höheren 
.ebensalter.  Die  Drucksteigerung  ist  meist  recht  hoch.  Bei 
ler  Mehrzahl  besteht  neben  der  Drucksteigerung  eine  aus- 
esprochene  Hypertrophie,  vielleicht  auch  Dilatation  des  linken 
entrikels.  Aber  ausser  diesem  Befund  ist  bei  vielen  über¬ 
haupt  kein  krankhafter  Befund  mehr  zu  erheben,  es  sei  denn 
'Puren  von  Eiweiss  und  einzelne  hyaline  Zylinder  im  Urin. 
Jnd  selbst  diese  sind  oft  nur  gelegentlich  und  zeitweise  vor¬ 
handen.  Ausgesprochene  Erscheinungen  einer  Nierenstörung 
ehlen  allermeist.  Sehr  bald  entstand  die  Anschauung,  dass 
ieser  Zustand  auf  Arteriosklerose  zurückzuführen  sei.  Dabei 
'aren  die  Vorstellungen  geteilt,  ob  die  Arteriosklerose  die 
’rsache  des  hohen  Druckes  oder  seine  Folge  sei.  Diese 
Meinung  bürgerte  sich  rasch  ein,  weil  in  der  Tat  eine  grosse 
mzahl  solcher  Patienten  sowohl  klinisch  wie  autoptisch  die 
eichen  starker  Arteriosklerose  aufwies.  Erst  in  neuerer  Zeit 
■  urdc  diese  sehr  verbreitete  Annahme  in  Zweifel  gezogen, 
erschiedene  Untersuchungen  zeigten,  dass  zwischen  der 
Slutdrucksteigerung  mit  konsekutiver  Herzhypertrophie  und 
er  Arteriosklerose  kein  fester  Zusammenhang  zu  erkennen 


sei.  Wie  Hirsch  und  Hasenfeld  feststellten,  braucht 
selbst  höchstgradige  Sklerose  der  Arterien,  auch  der  Aorta, 
keine  Herzhypertrophie  zu  verursachen.  In  Uebercinstim- 
mung  damit  steht  das  Ergebnis  S  a  w  a  d  a  s.  Er  fand  unter 
Rombergs  Leitung,  dass  bei  unkomplizierter  Arterio¬ 
sklerose  der  Blutdruck  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nicht  er¬ 
höht  sei. 

So  kam  es,  dass  heute  die  meisten  Aerzte  sich  einer 
anderen  Auffassung  zuneigen,  welche  Romberg  auf  Grund 
seiner  klinischen  Erfahrungen  1904  zum  erstenmal  schärfer 
präzisierte.  Danach  weist  eine  dauernde  Drucksteigerung  von 
über  160 — 170  mm  Hg  fast  mit  Sicherheit  auf  eine  Nieren¬ 
erkrankung  hin.  Und  dementsprechend  muss  eine  ander¬ 
weitig  nicht  zu  erklärende  Herzhypertrophie  auch  bei  Arterio¬ 
sklerose  stets  den  Verdacht  einer  begleitenden  Nierenschä¬ 
digung  wachrufen. 

Das  ist  nicht  unbestritten  geblieben.  Besonders  in 
jüngster  Zeit  wurde  mehrfach  betont,  dass  bei  dauernder 
Hypertension  die  Nieren  nicht  selten  autoptisch  nur  Stauung 
aufweisen.  Von  anderer  Seite  wurde  ein  Missverhältnis 
zwischen  der  Hypertension  und  der  Intensität  der  anatomi¬ 
schen  Nierenveränderung  hervorgehoben;  dies  mache  es 
schwer,  in  den  geringfügigen  Nierenveränderungen  die  Ur¬ 
sache  der  Hypertension  zu  erblicken.  —  So  war  eine  erneute 
Bearbeitung  der  Frage  an  einem  grossen  Material  mit  neueren 
Methoden  geboten.  Dazu  gehört  vor  allem  die  genaue 
Verfolgung  der  Ausscheidung.  Diese  Neubearbeitung  hat 
.1.  Fischer-  Nauheim  an  dem  Material  der  Tübin’ger  Klinik 
ausgeführt2).  Ich  gebe  seine  wichtigsten  Resultate  wieder: 
Unter  550  Patienten  mit  einem  dauernden  Druck  über 
140  mm  Hg  hatten  62,5  Proz.  klinisch  sichere  Zeichen  von 
Nierenschädigung.  Bei  14,5  Proz.  liess  sich  eine  Nieren¬ 
schädigung  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen.  Und  bei 
23  Proz.  fand  sich  kein  Anhalt  für  eine  solche.  - —  Wesentlich 
anders  stellt  sich  der  Ausfall,  sobald  nur  d  i  e  Menschen  in 
Betracht  gezogen  werden,  deren  Druck  dauernd  mehr  als 
160  mm  Hg  betrug. 

Hier  hatten  unter  300  Fällen  80  Proz.  klinisch  eine  sichere 
Nierenschädigung;  bei  weiteren  16,3  Proz.  war  eine  Be¬ 
teiligung  der  Nieren  wahrscheinlich  und  nur  bei  3,6  Proz.  fand 
sich  kein  Anhalt  für  eine  Nierenschädigung. 

Nicht  minder  interessant  ist  das  autoptische  Ergebnis 
bei  diesem  Material.  Im  ganzen  fanden  46  Autopsien  statt. 
Bei  sämtlichen  waren  anatomisch  die  deutlichen  Zeichen 
einer  Nierenschädigung  vorhanden.  Und  zwar  nicht  nur  die 
gewöhnlichen  Alterserscheinungen.  Nach  dem  Urteil  des 
Fachmannes,  Prof.  v.  Baumgarten,  bestand  in  allen  Fällen 
eine  fortschreitende  Nierenerkrankung.  Sie  lokalisierte  sich 
vorzugsweise  an  dem  Nierengefässapparat,  den  Gefässen 
selbst  und  den  Glomerulis.  Unter  diesen  Fällen  war  auch 
eine  Anzahl,  bei  denen  anatomisch  zuerst  die  Diagnose  idio¬ 
pathische  Herzhypertrophie  und  Stauungsniere  gestellt  worden 
war.  Erst  die  eingehende  mikroskopische  Untersuchung  liess 
auch  hier  die  deutlichen  Erscheinungen  der  Nierenschädigung 
erkennen.  Sie  fehlten  auch  nicht  bei  solchen  Fällen,  welche 
klinisch  keinen  Anhalt  für  eine  Nierenschädigung  geboten 
hatten.  Danach  haben  wir  keinen  einzigen  Fall 
von  dauernder  Blutdrucksteigerung  ohne 
eine  autoptische  Schädigung  der  Nieren  be¬ 
obachtet.  Es  muss  betont  werden,  dass  dieses  Resultat 
bei  dem  schwäbischen  Volksstamm  erhoben  worden  ist,  der 
eine  besonders  starke  Neigung  zu  Nierenerkrankungen  auf¬ 
weist,  wie  auch  aus  sonstigen  Erfahrungen  hervorgeht. 

So  haben  wir  denn  gesehen,  dass  dauernde  Blutdruck¬ 
steigerung  ganz  auffallend  häufig  mit  einer  Schädigung  der 
Nieren,  speziell  der  Nierengefässe  Hand  in  Hand  geht.  Das 
manifestiert  sich  sowohl  klinisch  wie  anatomisch.  Ja  selbst  in 
den  Fällen  von  Hypertension,  welche  klinisch  keinen  Anhalt 
für  eine  Nierenschädigung  boten,  fand  sich  anatomisch  eine 
solche. 

Soweit  also  rein  quantitative  Verhältnisse  in  Betracht 
kommen,  wird  durch  diese  Ergebnisse  ein  enger  Zusammen¬ 
hang  zwischen  der  Nierenschädigung  und  der  Hypertension 
nahegelegt.  —  Aber  hier  ist  noch  ein  zweiter  Punkt  zu  berück- 


T  Habilitationsvortrag  in  München  am  26.  XI.  1912. 


2)  Erscheint  demnächst  im  Deutschen  Archiv  f.  klin.  Med. 


64 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


sichtigen.  Er  fällt  zusammen  mit  der  Frage  nach  dem  inneren 
Wesen  der  Drucksteigerung  bei  Nierenkranken.  Die  heute  am 
meisten  verbreitete  Anschauung  über  ihre  Ursache  ist  die  alte 
Cohnheim-Traube  sehe  Theorie. 

Nach  ihr  entsteht  die  Drucksteigerung  durch  Erhöhung 
der  Widerstände  im  arteriellen  Kreislauf  der  Niere  infolge  der 
Erkrankung  des  Nierengefässapparates.  Geht  man  von  dieser 
Voraussetzung  aus,  so  wird  eine  Drucksteigerung  als  Folge 
einer  Nierenschädigung  nur  dann  zu  erwarten  sein,  wenn  die 
Schädigung  geeignet  ist,  erhebliche  Widerstände  für  die 
Durchblutung  der  Niere  zu  verursachen.  Mit  anderen  Worten, 
nur  da,  wo  ausgedehnte  Veränderungen  der  Niere  und  be¬ 
sonders  der  Nierengefässe  vorhanden  sind,  könnte  man  nach 
dieser  Theorie  eine  vorhandene  Hypertension  aus  den  Nieren¬ 
veränderungen  erklären. 

Messen  wir  die  Resultate  von  Fischer  damit,  so  ergibt 
sich:  unter  46  Autopsien  von  dauernder  Hypertension  hatten 
35  ausgedehnte  Veränderungen  der  Niere,  also  76  Proz.  Aber 
in  11  Fällen  sind  die  zweifellos  vorhandenen  anatomischen 
Veränderungen  nur  fleckweise  und  zwischen  ihnen  liegt  viel 
anscheinend  normales  Nierengewebe.  In  24  Proz.  wären  also 
die  Forderungen  der  Theorie  nicht  erfüllt  und  wir  hätten  nach 
ihr  nicht  das  Recht,  die  Drucksteigerung  in  diesen  Fällen  mit 
den  Nierenveränderungen  in  Beziehung  zu  bringen.  Apei 
diesen  Forderungen  stellt  sich  eine  Erfahrung  entgegen.  Nicht 
selten  findet  sich  auch  bei  reiner  unkomplizierter  Nephritis 
ein  grobes  Missverhältnis  zwischen  der  Drucksteigerung  und 
der  anatomischen  Ausdehnung  der  Nierenschädigung.  Auch 
hier  kann  die  Läsion  der  Niere  histologisch  nur  fleckweise  sein 
und  doch  finden  wir  die  typische  nephritische  Druckstei¬ 
gerung!  Diese  Beobachtung  ist  auch  von  einem  der  erfahren¬ 
sten  Nierenpathologen,  Jores,  hervorgehoben  worden  Die 
Voraussetzungen  der  Cohnheim -1  raube  sehen  Theorie 
treffen  also  nicht  einmal  auf  die  Verhältnisse  bei  reiner 
Nephritis  zu.  Will  man  sie  trotzdem  festhalten,  so  bleibt  nur 
die  Annahme,  dass  vielleicht  das  anatomische  Bild  nicht  die 
volle  Ausdehnung  der  Nierenschädigung  wiedergebe,  speziell 
die  des  Nierengefässapparates.  Das  scheint  in  der  lat 
durchaus  möglich.  Schon  mehrfach  sah  ich  bei  Nierenkranken 
anatomisch  nur  eine  sehr  partielle  Schädigung  neben  aus¬ 
gedehnten  normalen  Partien.  Bei  diesen  Fällen  hatte  abei  die 
Untersuchung  mit  funktionellen  Methoden  zu  Lebzeiten  eine 
starke  Beeinträchtigung  der  Durchgängigkeit  der  ganzen 
Niere  gezeigt.  Hier  hat  also  die  Niere  wesentlich  schlechter 
funktioniert,  als  ihr  anatomisches  Aussehen  verriet.  Danach 
wäre  es  möglich,  dass  in  der  Tat  die  Widerstände  auch  in  den 
anatomisch  wenig  veränderten  Nieren  höher  wären,  als  das 
histologische  Aussehen  anzeigt.  Es  ist  klar,  dass  diese  Deu¬ 
tung  mit  demselben  Rechte  auch  auf  die  Fälle  Fischer  s 
ausgedehnt  werden  müsste,  bei  denen  er  nur  fleckweise  Ver¬ 
änderungen  gefunden  hatte. 

So  wäre  denn  eine  klare  Entscheidung  in  dieser  Frage  von 
dem  Standpunkt  der  Cohnheim-Traube  sehen  i  heorie 
aus  nicht  zu  gewinnen.  Aber  es  darf  nicht  vergessen  werden, 
dass  die  Traube-C  o  h  n  h  e  i  m  sehe  Theorie  nur  eine  Idee 
ist.  Was  ihr  an  Sicherem  zugrunde  liegt,  ist  nur  die  eine 
Tatsache,  dass  dauernde  Drucksteigerung  und  Schädigung 
der  Niere,  speziell  der  Nierengefässe,  sich  auffallend  häufig 
zusammen  finden.  Die  Theorie  versucht,  diese  Tatsache 
durch  eine  Vorstellung  zu  erklären.  Aber  der  Beweis  der 
Richtigkeit  für  diese  Vorstellung  steht  aus.  Alwens  hat  an 
der  Tübinger  medizinischen  Klinik  untersucht,  wieweit  sie 
einer  experimentellen  Kritik  standhält.  Er  schaffte  die  ver¬ 
langte  Erhöhung  der  Widerstände  im  Nierenkreislauf,  indem 
er  im  Tierexperiment  die  beiden  Nieren  mechanisch  kompri¬ 
mierte.  Es  Hess  sich  nachweisen,  dass  dadurch  der  Kreislauf 
in  der  Niere  stark  verlangsamt  wird.  Das  Resultat  war  selbst 
bei  stärkster  Kompression  eine  Erhöhung  des  Drucks  von  so 
geringem  Umfange,  dass  sie  gegenüber  den  Verhältnissen  in 
der  Pathologie  des  Menschen  keine  Rolle  spielt. 

Andere,  zugunsten  der  Theorie  verwertete  Experimente 
sind  zu  wenig  eindeutig  in  ihrer  Anlage,  als  dass  sie  sie  zu 
stützen  vermöchten.  Das  gilt  besonders  von  den  Versuchen, 
welche  nach  starker  Reduktion  der  Nierensubstanz  eine 
Drucksteigerung,  resp.  Hypertrophie  des  linken  Ventrikels  ge¬ 
funden  haben.  Einmal  sind  die  erzielten  Werte  von  Druck¬ 


steigerung  und  Herzhypertrophie  auch  bei  hochgradigster 
Nierenreduktion  sehr  gering.  Dann  aber  sagt  ihr  Zustande¬ 
kommen  nichts  über  den  inneren  Zusammenhang  der  Er¬ 
scheinungen,  wie  P  ä  s  s  1  e  r  mit  Recht  hervorhebt.  Es  konnte 
ebensowohl  Retention  oder  Ausfall  einer  chemischen  Sub¬ 
stanz  sein,  die  den  Vermittler  bildet.  Immerhin  sind  diese 
Versuche  bemerkenswert  genug.  Denn  auch  sie  weisen  auf 
die  Niere  als  einen  wichtigen  Ausgangspunkt  hin.  f 

Unbefriedigt  von  der  eben  besprochenen  sogen,  mechani¬ 
schen  Theorie  hat  die  Klinik  schon  lange  ihre  Aulmciksamkeit 
der  Frage  zugewandt,  ob  vielleicht  chemische  Stoffe  im  Blute 
die  Drucksteigerung  hervorrufen  könnten.  Ich  gehe  nicht  ein 
auf  die  früher  angeschuldigten  Substanzen.  Nur  eine  Vor¬ 
stellung  aus  den  jüngsten  Jahren  sei  erwähnt,  weil  sie  rasche 
Verbreitung  fand.  Das  ist  der  Gedanke,  dass  die  Drucksteige¬ 
rung  durch  vermehrten  Gehalt  des  Blutes  an  Adrenalin  resn. 
vasokonstriktive  Substanzen  bedingt  sei.  Dieser  Gedanke  lag 
um  so  näher,  als  es  in  der  Tat  gelingt,  im  Tierexperiment 
durch  kontinuierliche  Adrenalinzufuhr  den  Blutdruck  beliebig 
lange  hoch  einzustellen.  Ist  dieser  Gedanke  richtig,  so  muss 
sich  der  vermehrte  Gehalt  an  Adrenalin  resp.  vasokonsti  ik- 
torischen  Substanzen  im  Blute  nachweisen  lassen.  Das  ist  bis 
jetzt  mit  den  verschiedensten  Methoden  nicht  gelungen.  Aller¬ 
dings  sind  alle  diese  Methoden,  am  Blute  des  Menschen  an¬ 
gewandt,  nicht  hinreichend  einwandfrei.  So  schwebt  die  Er¬ 
ledigung  der  Frage  noch.  Unsere  Methoden  reichen  noch  nicht 
aus,  sie  sicher  zu  beantworten. 

Indessen  werden  wir  gut  tun,  in  dieser  Frage  auch  die 
Seite  zu  berücksichtigen,  welche  sonst  immer  die  Grundlage 
unserer  Vorstellungen  bildet  und  bilden  muss,  die  Beob¬ 
achtung  am  Krankenbett-Ist  es  nicht  möglich,  dass 
sie  uns  Gesichtspunkte  liefert,  welche  für  oder  gegen  diese  oder 
jene  unserer  theoretischen  Vorstellungen  verwertbar  sind  und 
uns  in  bestimmter  Richtung  führen?  Ich  glaube  wohl.  So  er¬ 
kennen  wir  sofort,  dass  die  Annahme  einer  einfachen  renalen 
Retention  als  Ursache  der  Hypertension  wenig  Stütze  durch 
die  Klinik  findet.  Wir  sehen  dauernde  Drucksteigerung  sehr 
oft  bei  vollkommen  suffizienten  Nieren.  Die  retinierte  Sub¬ 
stanz  müsste  also  ganz  ungewöhnlich  leicht  retinierbar  sein 
und  für  sie  dürfte  es  keine  kompensatorische  Elimination 
durch  erhaltene  Nierenteile  geben. 

Wir  sehen  ferner  Beobachtungen,  die  gegen  die  mecha¬ 
nische  Theorie  sprechen.  Wie  schon  erwähnt,  gibt  es  vor¬ 
übergehende  Hypertensionen,  die  binnen  wenigen  ragen 
abklingen.  Bei  ihnen  ist  die  Niere  nur  selten  beteiligt.  Wir 
sehen  auch  bei  renaler  Hypertension  oft  starkes  Hei  unter¬ 
gehen  des-  Drucks  bis  auf  Werte,  die  nur  leicht  erhöht  sind.  ■ 
Aber  es  gibt  auch  echte  renale  Hypertensionen,  die  ganz  all¬ 
mählich  absinken  bis  auf  normale  Werte  und  dann  nicht 
wieder  ansteigen.  Ja,  es  gibt  sogar  Hypertensionen 
von  monatelanger  Dauer,  die  bei  einer  späteren 
Beobachtung  dauernd  verschwunden  sind.  Und 
zwar  nicht  nur  bei  akuten  Nephritiden,  wo  diese  Beob¬ 
achtung  alltäglich  ist,  sondern  auch  bei  Schrumpfnierej 
Diese  letzteren  Fälle  sind  offenbar  nicht  häufig.  Mit  aller 
Sicherheit  haben  wir  bis  jetzt  erst  einen  gesehen.  Hiei 
war  der  Blutdruck  vier  Wochen  lang  nahe  an  200  mm  Hg 
Ein  Jahr  später  betrug  er  bei  sonst  gleichem  Befunc 
dauernd  130  mm  Hg.  Hier  sind,  im  Sinne  der  Cohn- 
heim -Traube  sehen  Theorie,  rein  mechanisch  gedacht 
die  Widerstände  in  der  kranken  Niere  dieselben  geblieber 
und  doch  ist  der  Druck  zur  Norm  gesunken.  Ich  glaube  dies» 
Beobachtungen  weisen  uns  zusammen  mit  dem  bekanntei 
starken  Schwanken  der  nephritischen  Hypertension  nach 
drücklich  darauf  hin,  in  der  Blutdrucksteigerung  auch  be 
Nephritis  nicht  etwas  Starres,  Unveränderliches,  gewisser 
massen  durch  anatomische  Verhältnisse  Festgelegtes  zu  er 
.  blicken.  Auch  hier  walten  offenbar  in  bestimmender  W  eis 
funktionelle  Einflüsse,  die  nicht  unveränderlich  sind.  ■: 

Sprechen  diese  Beobachtungen  nicht  für  die  mechanisch 
Theorie,  so  scheinen  eine  Anzahl  anderer  klinischer  ti 
fahrungen  deutlich  in  der  Richtung  einer  Adrenalinämie,  res] 
des  Vorhandenseins  von  vasokonstriktorischen  Substanze 
im  Blute  zu  weisen.  Schon  anatomisch  findet  sich  manchm; 
bei  Hypertension  eine  auffallende  Grösse  der  Nebenniere 
Dass  bei  Hypernephromen  der  Blutdruck  nicht  selten  aut 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


65 


ohne  erkennbare  Nierenbeteiligung  gesteigert  ist,  ist  bekannt. 
Wir  finden  ausserdem  bei  manchen  Nephritikern  starkes 
Tränen  der  Augen  und  Speichelfluss.  Beide  Erscheinungen 
sind  experimentell  durch  Adrenalin  hervorzurufen  und  sind 
dann  Ausdruck  einer  Reizung  des  sympathischen  Nerven¬ 
systems.  —  Freilich,  sie  finden  sich  bei  Nierenkranken  keines¬ 
wegs  konstant,  sondern  relativ  selten.  Ebenso  könnte  eine 
andere  Beobachtung  für  Adrcnalinämie  verwertet  werden.  Wir 
können  mitunter  durch  grössere  Kochsalzgaben  bei  Nephriti¬ 
kern  eine  weitere  Steigerung  der  Hypertension  hervorrufen. 
Auch  im  Tierexperiment  treibt  eine  grössere  Dosis  Kochsalz, 
intravenös  in  kleiner  Flüssigkeitsmenge  eingebracht,  den 
Druck  manchmal  erheblich  in  die  Höhe,  wenn  der  Blutdruck 
des  Tiers  durch  gleichzeitigen  kontinuierlichen  Adrenalin¬ 
zufluss  schon  vorher  über  die  Norm  gesteigert  ist.  Diese  Be¬ 
obachtungen  sind  beim  Nierenkranken  jedoch  nicht  immer  ganz 
eindeutig.  In  manchen  Fällen  scheint  das  Kochsalz  Steigerung 
der  Hypertension  auf  dem  Umweg  über  die  Niere  hervorzurufen, 
indem  es  die  Funktion  der  kranken  Niere  verschlechtert  und  den 
Kranken  suburämisch  macht.  Wissen  wir  doch,  wie  sehr  ge¬ 
rade  die  Urämie  den  Druck  in  die  Höhe  treibt.  Manchmal 
sieht  man  auch  bei  nephritischen  Hypertonikern  nach  starker 
Kompression  eines  Körperteils  eine  auffallend  geringe  reaktive 
Hyperämie,  so  dass  man  versucht  ist,  an  vasokonstriktorische 
Stoffe  im  Blute  zu  denken,  welche  die  Reaktion  verhindern. 
So  sind  wohl  Andeutungen  für  eine  Adrenalinämie  vorhanden; 
aber  sie  können  gegenüber  dem  negativen  Ausfall  der  Blut¬ 
untersuchung  auf  Adrenalin  nicht  entscheiden. 

Angesichts  dieses  negativen  Ausfalls  hat  Gott  lieb  den 
Gedanken  ausgesprochen,  dass  es  sich  vielleicht  nicht  um  ver¬ 
mehrten  Adrenalingehalt  handle,  sondern  um  eine  vermehrte 
Empfindlichkeit  des  Angriffsorgans,  also  der  Gefässe  und  des 
Herzens,  eine  Sensibilisierung  für  Adrenalin,  Damit  würden 
selbstverständlich  die  eben  genannten  klinischen  Beob¬ 
achtungen  ebensowohl  ihre  Deutung  finden.  Sie  würden  dann 
der  Ausdruck  einer  erhöhten  Reizbarkeit  des  sympathischen 
Systems  sein. 

Diesem  Gedanken  kommt  eine  Feststellung  sehr  entgegen, 
die  wir  nun  schon  bei  einer  Reihe  von  Fällen  machen  konnten. 
Wir  wissen,  dass  die  Drucksteigerung  sehr  rasch  entstehen 
kann.  Sie  kann  sich  aber  auch  ganz  langsam  entwickeln.  Hat 
man  Gelegenheit,  solche  langsame  Entwicklung  zu  verfolgen, 
so  beobachtet  man:  Die  erste  Erscheinung  lange  vor  dem 
Auftreten  der  Drucksteigerung,  ist  eine  auffallende  Verdickung 
der  Gefässwand.  Dabei  können  schon  Zeichen  einer  Herz¬ 
hypertrophie  vorhanden  sein.  Der  Druck  schwankt  zwischen 
120  und  130  mm  Hg.  Sobald  aber  nur  eine  leichte  Anspannung 
körperlicher  oder  seelischer  Art  auftritt,  steigt  er  auf  über¬ 
normale  Werte,  um  dann  langsam  wieder  zu  sinken.  Es  besteht 
also  eine  sehr  leichte  Erregbarkeit  der  Gefässe.  Das  gleiche 
zeigt  in  einwandfreier  Weise  die  Plethysmographie  der  Gefässe. 
Ihre  Reaktion  auf  Kälte  und  Wärme  ist  ebenso  verstärkt 
gegenüber  der  Norm,  wie  die  auf  seelische  oder  körperliche 
Erregung.  Allmählich  bleibt  die  Drucksteigerung,  die  zunächst 
nur  vorübergehend  war,  länger  bestehen  und  schliesslich  ist 
der  Druck  dauernd  über  das  normale  Niveau  erhöht.  Aber 
auch  jetzt  noch  ist  die  abnorm  starke  Erregbarkeit  dieser  Ge¬ 
fässe  vorhanden;  sie  ist  eine  ganz  generelle  Eigenschaft  der 
Schrumpfnierenarterien  und  fehlt  nur  bei  Komplikation  mit 
starker  Arteriosklerose.  Sie  zeigt  sich  sowohl  im  Plethys¬ 
mographen,  wie  auch  gegenüber  physikalischen  Eingriffen  oder 
Erregungen.  Ist  es  doch  bekannt,  wie  gewaltige  Druck¬ 
schwankungen  beispielsweise  ein  kaltes  Vollbad  oder  ein 
starker  Schmerzreiz  bei  nephritischer  Hypertension  zur 
Folge  hat. 

Danach  kann  kein  Zweifel  bestehen,  dass  wir  eine  er¬ 
höhte  Anspruchsbereitschaft  des  Arterien¬ 
systems  vor  uns  haben.  In  ihr  müssen  wir  nach  diesen 
Beobachtungen  eine  Hauptquelle  der  Drucksteigerung  sehen. 

Aber  es  kann  sich  nicht  nur  um  eine  Ueberempfindlichkeit 
gegen  Adrenalin  handeln;  vielmehr  um  eine  solche  gegenüber 
a  1 1  e  n  Reizen,  welche  den  Arterien  auf  nervösem  Wege  zu- 
fliessen.  Das  zeigt  ja  die  klinische  Beobachtung  zur  Genüge. 
Daraus  erklärt  sich  auch,  warum  einfache  Bettruhe  bei  solchen 
Patienten  so  oft  ebenso  drucksenkend  wirkt,  wie  das  Aus¬ 
setzen  von  Reizmitteln,  wie  Tabak  etc. 

No.  2. 


Es  ist  eine  weitere  Frage,  woher  diese  Reizbarkeit  der 
Arterien  rührt.  Der  Gedanke  liegt  nahe,  ihre  Ursache  ent¬ 
sprechend  unseren  bisherigen  Vorstellungen  in  der  Niere  zu 
suchen.  Wir  haben  bis  jetzt  keinerlei  sicheren  Halt  für  diese 
Annahme.  Es  ist  ebenso  möglich,  dass  die  Erkrankung  der 
Nieren  nicht  die  Ursache  darstellt,  sondern  nur  eine  Parallel¬ 
erscheinung.  Darauf  weist  besonders  die  Feststellung  hin, 
dass  bei  nephritischer  Hypertension  die  kranken  Nierengefässe 
häufig  die  gleiche. abnorm  starke  Reaktionsfähigkeit  aufweisen, 
wie  die  übrigen  einer  Prüfung  zugänglichen  Gefässe. 

Sehen  wir  somit  auch  in  den  innersten  Zusammenhang 
der  Dinge  noch  keineswegs  lückenlos  hinein,  so  sind  doch 
unsere  Vorstellungen  nun  wesentlich  präziser  geworden  und 
die  Richtung  für  weitere  Arbeit  ist  gegeben. 

Für  die  Praxis  werden  wir  nach  dem  Gesagten  gut  tun, 
mit  Romberg  daran  festzuhalten,  dass  jede  dauernde  Hyper¬ 
tension  über  160  mm  Hg  den  dringenden  Verdacht  auf  eine 
Nierenbeteiligung  wachrufen  muss. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  und  -Poliklinik  in 
München  (Direktor:  Prof.  Dr.  Heine). 

Zur  Pathologie  und  Klinik  der  otogenen  Grosshirnabszesse. 

Von  Dr.  Ludwig  Haymann,  Assistent  der  Klinik. 

Der  nichtoperierte  Hirnabszess  führt  in  der  Regel  zum 
1  ode.  Spontanheilungen,  wie  wir  sie  manchmal,  namentlich 
in  der  älteren  Literatur  verzeichnet  finden,  gehören  jedenfalls 
zu  den  grössten  Seltenheiten.  Es  ist  klar,  dass  unter  diesen 
Umständen  jedem  Operationserfolg  berechtigte  Bedeutung  zu¬ 
kommt.  Wenn  auch  in  jedem  Jahr  eine  Anzahl  operativ 
geheilter  otogener  Hirnabszesse  veröffentlicht  wird,  so  ist  man 
bei  zunehmender  Erfahrung  und  Kritik  doch  zu  der  Erkenntnis 
gekommen,  dass  die  durch  die  Operation  erzielten  Heilungen 
nicht  so  häufig  sind,  als  man  gern  anzunehmen  geneigt  ist. 
Dies  hängt  eben  damit  zusammen,  dass  günstig  verlaufende 
Fälle  immer  eher  publiziert  werden  als  ungünstige,  eine  Tat¬ 
sache,  der  man  immer  wieder  begegnet,  wenn  neue,  besonders 
operativ  therapeutische  Wege  beschritten  werden.  Einen  viel 
besseren  Einblick  geben  natürlich  Statistiken,  die  gleichmässig 
alle  operierten  Fälle,  geheilte  wie  ungeheilte,  berücksichtigen 
und  sich  womöglich  auf  ein  Material  stützen,  das  von  einem 
Beobachter  oder  wenigstens  nach  einheitlichen  Gesichts¬ 
punkten  gesammelt  wurde.  Solche  Statistiken  sind  bisher  nur 
wenig  vorhanden  und  dann  naturgemäss  meist  sehr 
klein.  [D  e  n  c  h 1),  Heine2),  Körner3),  M  a  c  e  w  e  n  4), 
Schmiegelow5)  und  Uchermann B).] 

Aber  auch  dieses  statistische  Material  lässt  meist  nicht 
ganz  sichere  Schlüsse  zu,  da  die  ihm  zugrunde  liegenden  Fälle 
nicht  immer  gleichwertig  und  auch  nicht  so  zahlreich  sind,  dass 
nicht  die  zufällige  Häufung  einzelner  Fälle  das  Gesamtresultat 
nach  irgend  einer  Seite  hin  entscheidend  beeinflussen  würde. 
Sind  wir  nun  schon  deshalb  über  scheinbar  ganz  einfach 
liegende  Fragen,  wie  z.  B.  über  den  Erfolg  des  operativen 
Eingriffes  im  allgemeinen  nicht  sehr  gut  unterrichtet,  so  findet 
sich,  wenn  wir  uns  über  spezielle  Punkte  in  der  Pathologie 
in  Diagnose,  Prognose  und  Therapie  unterrichten  wollen,  noch 
manche  unausgefüllte  Lücke.  Deshalb  scheint  es  nicht  unan¬ 
gebracht,  noch  weiter  einschlägige  Beobachtungen  kurz  mit¬ 
zuteilen. 

Fall  I.  Pat.  Therese  H.  aus  L.  wird  wegen  eines  linkseitigen 
Ohrenleidens  in  die  Ohrenklinik  geschickt.  Anamnestische  Angaben 
fehlen  fast  völlig.  Wie  wir  später  erfuhren,  litt  die  Pat.  seit  Jahren 
an  einem  linksseitigen  Ohrenfluss,  der  angeblich  nie  besondere  Er¬ 
scheinungen  oder  Beschwerden  machte.  F.rst  vor  ca.  8  Tagen  bekam 
Pat.  starke  Schmerzen  im  linken  Ohr  und  im  Kopf. 

Befund:  20.  XII.  11.  Das  Mädchen  ist  in  schlechtem  Er¬ 
nährungszustand,  widerwillig  und  setzt  jeder  Untersuchung  einen  ge- 

*)  Dench:  Journ.  of  the  Americ.  Med.  Assoc.  1906.  Ref.  Arch. 
f.  Ohrenheilkunde,  Bd.  71,  S.  156. 

2)  Heine:  Die  Prognose  des  otitischen  Hirnabszesses.  Passows 
Beiträge,  Bd.  II,  S.  153. 

3)  Körner:  Die  otitischen  Erkrankungen  des  Hirns  usw.  Nach¬ 
träge  S.  73. 

4)  Macewen: 

5)  Schmiegelow:  Archives  internat.  de  Laryng.,  de  Otol.  etc. 
XIX,  337. 

“)  Uchermann:  cf.  Oppenheim. 


2 


IVUJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wissen  Widerstand  entgegen.  Die  Aufnahme  des  Status  ist  daher 
lückenhaft.  Innere  Organe  ohne  besonderen  pathologischen  Befund, 
von  seiten  des.  Nervensystems  keine  erkennbaren  krankhaften  Ver¬ 
änderungen.  Urin:  Eiweiss  — ,  Zucker  —.  , 

Rechtes  Trommelfell  normal.  Der  linke  Qehorgang  stark  ge¬ 
schwollen.  hinten  oben  randständige  Perforation,  geringe,  etwas 
übelriechende  Sekretion.  Druck  auf  den  Tragus  und  den  Warzentort- 
satz  schmerzhaft.  Die  Funktionsprüfung  ergibt  infolge  der  Unaui- 
merksamkeit  der  Pat.  keine  sicheren,  verwertbaren  Resultate.  Es 
macht  den  Eindruck,  als  ob  die  Pat.  psychisch  nicht  ganz  in  Ord¬ 
nung  wäre.  Temperatur  37,5,  Puls  72. 

23  XII  11.  Radikaloperation:  Der  Warzenfortsatz  ist  ziemlich 
sklerotisch.  Im  Antrum  erweichte  Cholesteatommassen.  Am  regmen 
antri  et  tympani  erscheint  der  Knochen  stark  verändert.  Freilegung 
der  mittleren  Schädelgrube  in  diesem  Bereiche.  Beim  Wegnehmen 
des  Knochens  kommt  scheinbar  von  einem  extraduralen  Herde  Eitel 
hervor.  Die  Dura  ist  im  freigelegten  Bezirk  matsch  und  bruchig. 
Man  erkennt  nun,  dass  aus  einer  Fistel  in  der  Dura  hie  und  da 
etwas  dünnflüssiger,  stinkender  Eiter  hervorquillt.  Inzision  im  Be¬ 
reiche  der  Fistel.  Beim  Eingehen  mit  der  Kornzange  kommt  massen¬ 
haft  stinkender  Eiter  vermischt  mit  nekrotischen  Hirnmassen  aus 
einem  im  Schläfenlappen  gelegenen  Abszess  hervor,  dessen  Grosse 
nach  der  Menge  des  entleerten  Eiters  ungefähr  einem  Hühnerei  ent¬ 
sprechen  mochte.  Einlegen  eines  gefensterten  Gummidrains.  Jodo¬ 
formgaze.  Verband.  Lumbalpunktion:  Vermehrter,  unter  hohem 
Druck  stehender  Liquor.  Die  im  2.  Reagenzglas  aufgefangene  Poition 
ist  leicht  getrübt.  Temperatur  37,8,  Puls  75. 

24.  XII.  11.  Beim  Verbandwechsel  wird  massenhaft  stinkender 
Eiter  aus  dem  Abszess  entleert,  Gummidrain.  Die  Untersuchung  des 
Nervensystems  ergibt  abgesehen  von  leichten  Steigerungen  dei  Re¬ 
flexe  keine  pathologischen  Veränderungen.  Doch  machen  sich  jetzt 
deutliche  aphasische  Störungen  in  Form  einer  anamnestischen  Aphasie 
bemerkbar.  Untersuchung  des  Augenhintergrundes  ergibt:  Linke  Pa¬ 
pille  im  ganzen  etwas  trübe  und  geschwellt,  obere  und  untere  nasale 
Grenze  leicht  verwaschen.  Geringe  Gefässschlängelung.  Rechts  ein 
ähnliches  Bild  wie  links,  aber  weniger  ausgeprägt. 

Im  Lumbalpunktat  geringe  Zellvermehrung,  namentlich  Lympho¬ 
zyten,  keine  Bakterien.  Die  Kulturen  blieben  steril.  Im  Hirnabszess¬ 
eiter  fanden  sich  Gram-positive  Kokken  und  Stäbchen. 

3.  I.  12.  Die  Sekretion  aus  dem  Abszess  ist  sehr  reichlich.  Täg¬ 
lich  werden  ziemlich  grosse  Mengen  stinkenden  Eiters  entleert.  Die 
Temperatur  schwankte  zwischen  36,6  und  37,5,  Puls  zwischen  68  und 
75.  Das  Befinden  der  Pat.  ist  sehr  wechselnd.  Einmal  macht  sie 
einen  ziemlich  regen  Eindruck,  dann  ist  sie  wieder  ganz  apathisch, 
zeigt  grosses  Schlafbedürfnis.  Sie  ist  meist  sehr  mün  isch  und  ge¬ 
braucht  unanständige  Ausdrücke.  Zunahme  der  amnestischen 
Aphasie,  starke  Paraphasie,  rechtseitige  Fazialisparese.  Seit  ca. 
2  Tagen  zunehmende  Schwäche  im  rechten  Arm  und  Bein. 

12.  I.  12.  Täglicher  Verbandwechsel.  Zustand  der  Pat.  im  all¬ 
gemeinen  ziemlich  unverändert.  Starke  Schwankungen  zwischen 
Besserungen  und  Verschlechterungen.  Heute  befindet  sich  Pat.  sehi 
schlecht.  Puls  unregelmässig.  Am  Morgen  Erbrechen.  Bei  der 
Exploration  des  Abszesses  wird  in  der  Tiefe  von  9  cm  eine  grosse 
Menge  von  dickem,  rahmigen,  stark  stinkendem  Eiter  entleert,  die 
etwa  dem  Volumen  eines  Hühnereies  entsprochen  haben  mochte. 
Im  Laufe  des  Tages  besserte  sich  das  Befinden  der  Pat.  zusehends. 
Temperatur  36,9. 

17.  I.  2.  Nach  vorübergehender  Besserung  hat  sich  seit  gestern 
Abend  das  Befinden  der  Pat.  wiederum  sehr  verschlechtert.  Sie  ist 
völlig  apathisch  und  macht  bei  lautem  Anrufen  nur  unwillige  Be¬ 
wegungen.  Abends  nochmals  Operation.  Ausgiebige  Erweiterung  der 
Trepanationsöffnung.  An  der  ursprünglichen  Inzisionsstelle  ist  das 
Gehirn  stark  prolabiert,  so  dass  fast  die  ganze  Radikaloperations¬ 
höhle  dadurch  ausgefüllt  ist.  Die  Dura  zeigt  sehr  starke  schwartige 
Auflagerungen,  die  abgetragen  werden.  Bei  Entfernung  des  Drains 
kommt  wie  gewöhnlich  Eiter  in  ziemlicher  Menge  nach.  Die  Korn¬ 
zange  wird  in  den  Abszess  in  der  Richtung  nach  hinten  oben  einge¬ 
führt  und  die  darüberliegende  Dura  und  Hirnteile  breit  gespalten. 
Sofort  quellen  überall  z.  T.  nekrotisch  aussehende  Hirnmassen  hervor 
und  verengern  die  Höhle  zu  einem  schlitzförmigen  Spalt,  Einlegen 
von  Jodoformgaze.  Temperatur  36,5,  Puls  70. 

19.  I.  12.  Aphasie,  Paraphasie,  Paresen  der  rechten  Extremi¬ 
täten  und  des  Fazialis  unverändert.  Das  Allgemeinbefinden  hat  sich 
nach  der  Operation  gebessert.  Beim  Verbandwechsel  entleeren  sich 
nach  dem  Entfernen  der  Jodoformgaze  3 — 4  Esslöffel  stark  stinkenden 
rahmigen  Eiters,  vermischt  mit  nekrotischen  Hirnbröckeln. 

23.  I.  12.  Die  Abszesshöhle,  deren  Wände  sich  nach  Entfernung 
der  Gaze  sofort  aneinanderlegen,  zeigt  jetzt  zwei  gangförmige  Aus¬ 
buchtungen  —  eine  führt  nach  hinten  oben,  eine  nach  hinten  unten  — , 
aus  denen  wechselnd  Eiteransammlungen  entleert  werden. 

24.  1.  12.  Das  Befinden  hat  sich  etwas  gebessert.  Temperatur 
und  Puls  normal.  Pat.  ist  im  allgemeinen  ruhiger  und  vernünftiger. 
Die  anamnestische  Aphasie  besteht  fort,  doch  werden  mitunter  ein¬ 
zelne  Gegenstände,  besonders  Geldstücke,  richtig  benannt. 

25.  1.  12.  Die  Fazialisparese  hat  deutlich  zugenommen.  Tem¬ 
peratur  36,9. 

27.  1.  12.  Die  Exploration  mit  der  Kornzange  entleert  nur  wenig 
Eiter,  stärkere  Blutung  aus  dem  Hirn.  Allgemeinbefinden  ziemlich 
unverändert. 


30.  I.  12.  Das  Allgemeinbefinden  der  Pat.  hat  sich  gebessert. 
Der  rechte  Arm  wird  häufiger  und  intensiver  bewegt. 

Untersuchung  des  Augenhintergrundes:  Papille  beiderseits  trübe, 
Grenzen  verwaschen,  Gefälle  stark  gefüllt  und  geschlängelt.  Von 
Hämorrhagien  nichts  mehr  zu  sehen.  Aus  dem  Abszess  wird  von 
hinten  unten  sehr  viel  Eiter  entleert. 

3.  II.  12.  Noch  täglicher  Verbandwechsel.  Die  beiden  von  cer 
Abszesshöhle  ausgehenden  Eitergärige  haben  sich  daduich,  dass 
ihre  Zwischenwand  zum  Teil  eingeschmolzen  ist.  zu  einem  bpalt 

vereint.  Die  Eiterung  ist  mässig.  , 

7  II  12  Täglich  Verbandwechsel.  Uebhche  Wundversorgung. 
Pat.  befindet  sich  wohl.  Sie  ist  willig  und  vernünftig  und  zeigt  jetzt 
ein  ganz  gesittetes  Benehmen.  Die  aphasischen  Störungen  bestehen 

f°rt‘  io  II.  12.  Täglich  Verbandwechsel.  Es  stossen  sich  viele 
nekrotische  Hirnpartikelchen  ab,  gleichzeitig  bilden  sich  sowohl  an 
den  Durarändern,  als  auch  an  den  freiliegenden  Hirnpartien  gut  aus¬ 
sehende  Granulationen.  Temperatur  36,9. 

15.  II.  12.  Die  Granulationsbildung  ist  sehr  lebhaft.  Sekretion 
gering.  Pat.  ist  geistig  sehr  rege,  benimmt  sich  sehr  gesittet  und 
macht  überhaupt  den  Eindruck  eines  sehr  aufgeweckten,  intelligenten 
Mädchens.  Aphasie  und  Paresen  unverändert.  Die  öfters  vorge- 
nommene  funktionelle  Prüfung  des  Gehörs  ergibt:  rechts  wird  rlu- 
stersprache  (sämtliche  Zahlen)  ca.  in  2  m  Entfernung  geholt.  Links  . 
wird  sie  nicht  gehört:  dagegen  Konservationssprache  30  cm  weit, 
wenn  das  andere  Ohr  mit  dem  Rasselapparat  von  B  a  r  a  n  y  ausge¬ 
schaltet  wird.  Rinne  al  recht  ~E  15,  links  dal  vom  Scheitel 

nach  links  lateralisiert.  A  .  ,  ,T  , 

Nach  10  maliger  Umdrehung  tritt  beiderseits  typischer  Nach¬ 
nystagmus  von  ungefähr  30  Sekunden  Dauer  auf.  \on  der  kalori¬ 
schen  Prüfung  des  Vestibularis  wird  in  Rücksicht  auf  die  Operations¬ 
höhle  abgesehen. 

22.  II.  12.  Jeden  anderen  Tag  Verbandwechsel.  An  der  Hirn- 
wunde  hat  sich  ein  dickes  Polster  gesund  aussehender  Granulationen 
gebildet.  Die  anamnestische  Aphasie  ziemlich  unverändert.  Die 
rechten  Extremitäten  werden  immer  mehr  gebraucht.  In  den  letzten 
4  Tagen  bedeutende  Gewichtszunahme. 

9.  III.  12.  Allgemeinbefinden  ausgezeichnet.  Die  Hirnwunde  ist 
völlig’ überhäutet.  Das  Mittelohr  resp.  die  Radikaloperationshöhh 
ist  grösstenteils  durch  Granulationen  und  den  Hirnprolaps  ver¬ 
schlossen  Wegen  des  Prolapses  war  eine  regelrechte  Nachbe¬ 
handlung  des  Mittelohrs  nicht  möglich.  Pat.  fängt  an,  einzelne  Gegen¬ 
stände  richtig  zu  benennen.  Die  rechte  Hand  und  der  rechte  russ 
werden  gut  gebraucht.  Bei  grober  Betrachtung  kein  Unterschied 
gegenüber  links.  Der  rechte  Fazialis  noch  leicht  paietisch. 

15.  III.  12.  Die  Untersuchung  durch  den  Neurologen  (Privat¬ 
dozent  Dr.  V.  Malaise)  ergibt  keine  pathologischen  Reflexe,  kein 
Fussklonus,  nur  der  rechte  Patellarreflex  etwas  stärker  wie  links, 
der  rechte  Supinatorreflex  gleichfalls  gering  gesteigert.  Händedruck 
beiderseits  gleich  gut.  Die  Gelenkigkeit  der  Finger  der  rechten  Hand 
geringer  wie  links.  Die  Zunge  weicht  beim  Herausstrecken  etwas 
nach  rechts.  Pat.  erkennt  vorgelegte  Gegenstände,  kann  sie  auch 
richtig  benennen.  Bei  anderen  Gegenständen  misslingt  ihr  dies;  so 
sagt  sie:  statt  Pfeife  —  zum  Rauchen,  statt  Schiff  zum  b  entfahren 
auf  dem  Wasser.  Auf  die  Frage,  wodurch  das  Schiff  bewegt  wird, 
deutet  sie  auf  die  Segel.  Sobald  man  der  Pat.  Wörter  vorsagt,  kennt 
sie  deren  richtigen  Gebrauch.  Es  fehlen  ihr  aber  in  der  Konversation 
verschiedene  Begriffe  und  Bezeichnungen  für  die  Gegenstände.  Z.  B. 
sagt  sie:  „Die  Kühe  werden  mit  Getreide  gefüttert“.  Für  getrock¬ 
netes  Gras  findet  sie  keine  Bennung.  Blätter  umschreibt  sie  tolgen- 
dermassen:  „Von  den  Bäumen  fallen  im  Herbste  Blumen  herab  usw. 
Im  Gespräch  fehlen  ihr  öfters  Verba  und  Substantiva.  Das  Sprach¬ 
verständnis  ist,  gut.  Pat.  kann  auch  ganz  komplizierte  Satze  nach¬ 
sprechen.  Keine  Agraphie,  keine  Anosmie. 

1.  IV.  12.  Das  Befinden  der  Pat.  ist  subjektiv  und  objektiv  sehr 
gut  Bedeutende  Gewichtszunahme.  Die  Pat.  macht  einen  geistig 
ganz  geweckten  Eindruck.  Augenhintergrund  normal.  Die  Wunde 
hinter  dem  Ohr  ist  vernarbt.  Bei  stärkeren  Bewegungen  kann  man 
geringe  Hirnpulsationen  wahrnehmen.  Das  Mittelohr  ist  trocken. 

15.  IV.  12.  Kein  Unterschied  mehr  in  der  Innervation  der  rechten 
Extremitäten.  Parese  der  Fazialis  verschwunden.  Pat.  bekommt 
eine  Schutzkompresse  und  wird  entlassen.  Zirka  4  Monate  nach 
der  Entlassung  geht  es  der  Pat.,  wie  sie  schriftlich  mitteilt,  sehr  gut. 

Die  hauptsächlichsten  Daten  dieses  Krankheitsverlaufes 
sind  folgende:  Aufnahme  einer  Patientin  mit  chronischer 
Mittelohreiterung  und  Mastoiditis  links.  Anamnestische  An¬ 
gaben  fehlen.  Irgendwelche  sichere  Symptome  einer  zere¬ 
bralen  Komplikation  nicht  erkennbar.  Radikaloperation.  Ent¬ 
leerung  eines  grossen  linksseitigen  Schläfenlappenabszesses. 
Leichte  Meningitis.  Jetzt  erst  tritt  das  Bild  der  amnestischen 
Aphasie  in  Erscheinung.  Die  Besserung  nach  der  Operation 
war  nur  vorübergehend.  Zunahme  der  Aphasie,  Paraphasie, 
Auftreten  rechtsseitiger  Paresen.  Der  Zustand  der  Pat. 
schwankte  nun  6  Wochen  lang  unentschieden  zwischen 
Besserungen  und  Verschlechterungen  hin  und  her.  Es  wurden 
öfters  grosse  Eiterretentionen  entleert.  Der  Abszess  wurde 
nochmals  ausgiebig  gespalten.  Nach  6  Wochen  setzte  eine 


M.  Januar  1913.  . . .  MÜENCHeNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


rasch  foi  tschreitcnde  Besserung  ein.  ln  4  Wochen  war  die 
Hirnwunde  überhäutet.  Nacli  weiteren  6  Wochen  waren  fast 
alle  Krankheitssymptome  bis  auf  geringe  Spuren  (leichte 
Aphasie)  verschwunden.  Heilung. 

In  diesem  Falle  waren  beim  Eintritt  in  die  Beobachtung 
nur  Allgemeinsymptome  vorhanden,  die  nichts  charakteristi¬ 
sches  für  eine  zerebrale  Erkrankung  aufwiesen.  Das  einzige, 
was  noch  den  Verdacht  auf  eine  zerebrale  Komplikation  lenken 
konnte,  war  das  merkwürdige  mürrische  und  widerwillige  Be¬ 
nehmen  der  Kranken.  Solche  Beeinflussungen  der  Psyche 
sind  gerade  bei  Hirnabszessen  nicht  so  sehr  selten.  Es  sind 
Fälle  von  Hirnabszessen  beobachtet,  in  denen  das  Leiden 
lange  Zeit  als  Melancholie  [0  p  p  e  n  h  e  i  m *  7)]  imponierte.  Un¬ 
gewöhnliche  Schwatzhaftigkeit  erwähnen  Truckenbrod 
bei  Qrosshirn-,  Oka  da  bei  Kleinhirnabszess,  Frey  beob¬ 
achtete  gehobene  Stimmung,  selbst  maniakalische  Anfälle, 
Heine8)  Gehörshalluzinationen. 

Von  allgemeinerem  Interesse  ist  nun  in  unserem  Falle  der 
Umstand,  dass  der  Symptomenkomplex  der  amnestischen 
Aphasie  erst  nach  der  Operation  in  Erscheinung  trat  und 
■iich  dann  im  weiteren  Verlaufe  der  Behandlung  bedeutend 
stärker  entwickelte.  Solche  Fälle  scheinen  selten  zu  sein. 
.Jeher  ähnliche  Beobachtungen  berichten  Cheyne9),  B  a  - 
tun ski  und  Gluck10 *),  wo  nach  der  Entleerung  von 
Schläfenlappenabszessen  aphasische  Störungen  auftraten,  resp. 
sich  verstärkten.  In  unserem  Falle  ist  natürlich  wie  auch  in 
iiesen  Beobachtungen  der  Einwand  sehr  naheliegend,  dass  die 
Sprachstörungen  aus- irgend  einem  Grunde  der  Beobachtung 
mtgangen  sind.  An  diese  Möglichkeit  wird  man  immerhin 
lenken  und  sie  in  den  Kreis  der  kritischen  Erwägungen  ziehen. 
)och  muss  man  wohl  auch  noch  andere  Erklärungsversuche 
)eriicksichtigen,  um  so  mehr,  wenn  es  in  einem  Falle,  wie  dem 
insrigen  einwandfrei  feststeht,  dass  sich  die  Sprachstörungen 
lach  der  Abszessentleerung  im  Laufe  der  Behandlung  allmäh- 
lch  bedeutend  verstärkten.  Wie  lässt  sich  nun  der  Eintritt 
ler  anamnestischen  Aphasie  nach  der  Operation  —  abgesehen 
tlso  von  der  Annahme,  dass  diese  aus  irgend  einem  Grunde 
licht  zutage  trat  —  und  vor  allem  die  Zunahme  der  Sym¬ 
ptome  im  weiteren  Verlaufe  der  Krankheit  erklären?  Eine 
»perative  Läsion  des  entsprechenden  Rindenfeldes  könnte 
■atürlich  solche  Erscheinungen  machen,  wie  eine  Beobachtung 
Oppenheims11)  beweist,  wo  nach  Hirninzision,  die  wegen 
mes  irrtümlich  angenommenen  Hirnabszesses  gemacht  wurde, 
olche  Störungen  auftraten.  Sie  käme  aber  wohl  nur  dann  in 
betracht,  wenn  der  Abszess  nach  chirurgischer  Methode  von 
ler  Aussenseite  des  Schläfenlappens  her  entleert  worden  wäre, 
•ei  dem  von  uns  geübten  Operationsverfahren,  das  den  Ab- 
zess  an  der  tiefsten,  über  dem  Tegmen  antri  und  tympani 
legenden  Stelle  eröffnete,  ist  sie  ausgeschlossen.  Immerhin 
vnrd  man  bei  der  Ueberlegung,  welchen  Weg  man  bei  der  Ent¬ 
erung  von  Schläfenlappenabszessen  einschlagen  will,  solche 
Möglichkeiten  berücksichtigen  müssen  (siehe  Nachoperation). 
Man  wird  deshalb  auch  nicht  unnütz  weit  inzidieren,  um 
unktionell  wichtige  Rindenfelder  zu  schonen.  Natürlich  wo 
s  notwendig  erscheint,  wo  man  sonst  nicht  die  für  die  Ab- 
zessheilung  erforderlichen  Vorbedingungen  —  guter  Sekret- 
bfluss,  Oeffnungen,  die  der  Expulsionstendenz  Rechnung 
lagen,  die  den  Hirnpulsationen  gegenüber  dem  Abszessinhalt 
i  hohem  Masse  zukommt  — ,  hersteilen  kann,  ist  schonungs- 

Inzision  um  so  mehr  am  Platze,  als  die  funktionellen 
ehadigungen  sich  allmählich  doch  meist  ausgleichen. 

Direkt  traumatische  Läsion  ist  es  also  in  unserem  Falle 
icht  gewesen,  welche  das  Auftreten  der  Aphasie  nach  der 
Operation  und  ihre  weitere  Zunahme  bedingte.  Dagegen  ist 
me  andere  Erklärungsmöglichkeit  vielleicht  in  Erwägung  zu 
lehen. 

Wir  wissen,  dass  sich  in  der  Umgebung  auch  eröffneter 
irnabszesse  fortschreitende  enzephalitische  Prozesse  ab- 

rnnfP  P  e  n  h  e  i  m :  Der  Hirnabszess.  Wien  und  Leipzig.  A.  H  ö  1- 

v  r  19U9, 

8)  Zitiert  nach  Oppenheim. 

,  >  V  h  e^,ne  Watson:  Brit.  med.  Journ.  1890.  siehe  auch  Zeit¬ 

ig  d  Ohrenheilkunde,  Bd.  22  (mitgeteilt  von  P  r  i  t  e  h  a  r  d). 

„  ,  ’  oaginski  und  Gluck:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1891, 

o-  v*  und  Berl.  klin.  Wochenschr.  1896. 

’)  Oppenheim:  Der  Hirnabszess,  S.  240. 


67 

spielen  können,  als  deren  Ausdruck  in  unserem  Falle  vielleicht 
die  zunehmenden  aphasischen  Störungen  und  weiterhin  viel¬ 
leicht  durch  Wirkung  auf  die  innere  Kapsel  die  Paresen  der 
gekieuzten  Extremitäten  und  des  Fazialis  angesehen  werden 
konnten.  Ferner  müssen  wir  aber  auch  berücksichtigen,  dass 
sich  nach  der  Eröffnung  von  Hirnabszessen  nicht  so  selten 
entzündliche  Veränderungen  in  den  Meningen  abspielen.  Man 
sicht  manchmal  nach  der  Abszessentleerung  die  Erscheinungen 
einer  Meningitis  auftreten,  die  unter  Umständen  —  abhängig 
offenbar  von  Art  und  Virulenz  der  Erreger  —  bald  abheilen 
kann.  Die  Arachnoidealräume  sind  in  solchen  Hirnabszess¬ 
fällen  durch  die  Produkte  plastischer  Entzündung  im  Bereiche 
der  Abszesse  abgedichtet.  Die  Operation  zerstört  nun  stellen- 
weise  diese  Abdichtungen,  die  Erreger  dringen  in  den  zum  Teil 
eroffneten,  mit  dem  Operationsgebiet  in  Kommunikation  ge¬ 
setzten  Arachnoidealraum  ein  und  es  entsteht  ein  Krankheits¬ 
bild,  das  entweder  nur  die  allgemeinen  Grundziige  der  Menin¬ 
gitis  zeigt,  oder  diese  nur  durch  Herdsymptome12 * *)  vermuten 
lässt.  Die  Annahme,  dass  in  unserem  Falle  beim  Zustande¬ 
kommen  du  Aphasie  solche  Vorgänge  im  Spiele  waren,  ist 
natürlich  nur  eine  Hypothese,  aber  immerhin  eine  plausible 
um  so  mehr,  als  sich  dadurch  auch  die  Zunahme  der  Sprach¬ 
störungen  im  weiteren  Krankheitsverlaufe  zwanglos  erklären 
lässt. 

Ueber  die  Beteiligung  der  Meningen  bei  der  Entstehung 
und  nach  der  Operation  eines  Hirnabszesses  wissen  wir  noch 
sehr  wenig.  Wahrscheinlich  begleiten  gutartige,  bisher  noch 
mellt  genügend  gewürdigte  Formen  der  Hirnhautentzündung, 
die  wesentlich  benigner  sind  als  die  uns  geläufigen  der  eitrigen 
eningitis,  die  \6ischicdcncn  Stcidicn  des  Hiriicibszesscs. 
Diagnostisch  kommen  hier  wahrscheinlich  Veränderungen  des 
Lumbalpunktats  in  Betracht,  auf  die  bisher  noch  nicht  ge¬ 
nügend  geachtet  wurde:  sie  können  bei  normalem  oder  wenig 
verändertem  zytologischem  Befund  chemisch  durch  Zu¬ 
sammensetzung  des  Eiweissgehaltes  angezeigt  sein.  Darüber 
fehlen  abei  noch  Erfahrungen  und  bisher  auch  noch  genügende 
Unter  suchungen,  obwohl  vielleicht  auch  die  seröse  Meningitis 
durch  solche  Befunde  ihre  Aufklärung  als  entzündlicher  Pro¬ 
zess,  dei  sie  zweifellos  ist,  als  eine  abgeschwächte  milde  Form 
dci  Meningitis  finden  wird.  Auf  eine  solch  benigne  Form 
dei  Meningitis  Hess  die  Beschaffenheit  des  Lumbalpunktats 
in  unserem  Falle  schlossen.  Vermehrter,  unter  hohem  Druck 
stehender,  fast  klarer  Liquor  —  nur  die  zweite  Portion  war 
etwas  getrübt  —  zytologisch  geringer  Gehalt  von  Lympho¬ 
zyten.  Keine  Bakterien  weder  im  Ausstrich,  noch  kulturell. 

Bemerkenswert  im  vorliegenden  Falle  ist  weiterhin  einmal 
die  lange,  zwischen  Besserungen  und  Verschlechterungen  hin 
und  hei  schwankende  Verlaufsdauer,  die  bis  zum  Einsetzen 
erkennbarer  Besserung  über  6  Wochen  betrug  und  dann  die 
wähl  end  dei  ganzen  Dauer  enorm  reichliche  Sekretion  aus 
dei  Abszesshöhle.  Anhaltend  reichliche  Sekretion  aus  operativ 
entleerten  Hirnabszessen  wird  wohl  nicht  selten  beobachtet, 
doch  enthalten  die  Krankengeschichten  über  diesen  Punkt 
meist  nur  sehr  kurze  Angaben.  Man  entleert  bei  Eröffnung 
eines  Hirnabszesses  eine  mehr  oder  minder  grosse  Menge 
Eiter,  entsprechend  der  Menge,  die  man  auch  sonst  bei  autop- 
tisch  gefundenen  Hirnabszessen  (vgl.  Fall  II)  antrifft,  und  nun 
dauert  eine  Eiterung  von  solcher  Massenhaftigkeit  an,  dass 
man  sich  immer  wieder  die  Frage  vorlegt,  ob  diese  Eiterungen 
nicht  aus  grösseren,  bei  der  Operation  nicht  getroffenen  Hohl¬ 
räumen  stammen  müssen.  Mit  der  Annahme  mehrfacher  Ab¬ 
szesse  muss  man  aber  bekanntlich  sehr  vorsichtig  sein.  In 
der  Regel  sind  mehrfache  Abszesse  nicht  otitischen,  sondern 
metastatischen  Ursprungs.  Jedenfalls  muss  diese  Möglichkeit 
bei  der  kritischen  Beurteilung  eines  Falles  sehr  in  Erwägung 
gezogen  weiden,  obwohl  auch  mehrfache  Hirnabszesse  oto¬ 
gener  Aetiologie  nicht  so  selten  sind,  wie  aus  den  Statistiken 
von  Heine11),  H  e  i  ni  a  n  n  1 J),  Körner  15)  hervorgeht 
Immerhin  ist  in  manchen  Fällen  von  mehrfachen  Hirnabszessen 
der  Verdacht  nicht  unberechtigt  —  namentlich  wenn  die  Auf¬ 
deckung  dei  Eitei  herde  operativ  erfolgt  und  die  Patienten 


\r  i  )  Siehe  Brieger:  Zur  Pathologie  der  otogenen  Meningitis. 
Verhandlungen  der  Deutschen  otologischen  Gesellschaft  1899. 

)  Heine:  Passows  Beiträge,  Bd.  II. 

11 )  Hei  mann:  Arch.  für  Ohrenheilkunde,  Bd.66 
)  Körner:  Arch.  für  Ohrenheilkunde,  Bd.  29. 

2* 


68 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


geheilt  wurden  — ,  dass  es  sich  nicht  um  zwei  Abszesse,  son¬ 
dern  um  Absackungen  und  Kammerungen  einer  Abszesshöhle 
gehandelt  hat. 

Die  Angaben  über  die  Gestalt  und  Grösse  der  Hirn¬ 
abszesse  sind  meist  sehr  allgemein  gehalten.  Gewöhnlich 
heisst  es,  dass  die  sogenannten  abgekapselten  Abszesse  —  ein 
Ausdruck,  der  übrigens  nur  zu  leicht  zu  einer  falschen  Vor¬ 
stellung  über  den  Charakter  des  Abszesses  führt  —  rund  oder 
ovoid  sind,  während  die  freien  unregelmässig  gestaltet  und 
begrenzt  sind  und  vielfach  Abzweigungen,  Ausbuchtungen  und 
Kammern  enthalten.  Ueber  das  Verhalten  der  Sekretion  von 
Hirnabzessen,  ihre  Reichlichkeit,  ihr  event.  Zusammenhang  mit 
der  Art  und  Gestalt  des  Abszesses  existieren  gleichfalls  keine 
festen  Vorstellungen.  Soviel  aber  steht  fest,  dass  die  Mög¬ 
lichkeit  reichlicher  fortdauernder  Eiterung  aus  einem  ent¬ 
leerten  Hirnabszess  —  wie  man  sich  das  auch  erklären  mag  — 
vorhanden  ist,  ohne  dass  man  besondere  anatomische  Vor¬ 
bedingungen:  mehrfache  Abszesse,  Kammer ungen  usw.  zur 
Erklärung  heranzuziehen  braucht. 

Wenn  nun  die  Eiterung  nach  der  operativen  Entleerung 
eines  Hirnabszesses  nicht  bald  zum  Stillstand  kommt,  sondern 
wie  in  unserem  Falle  längere  Zeit  weiter  fortbesteht,  so 
machen  sich  die  Schwächen  unserer  I  herapie1  )  recht  emp¬ 
findlich  bemerkbar.  Vor  allem  haben  wir  kein  Mittel,  um  eine 
dauernde  und  genügende  Sekretentleerung  zu  ermöglichen. 
Jede  Drainage,  sei  es  mit  Gaze  oder  mit  irgendwelchen  Drains, 
leistet  nur  sehr  Unvollkommenes,  wenn  sie  nicht  gänzlich  ver¬ 
sagt.  Es  ist  dies  auch  ohne  weiteres  verständlich,  wenn  man 
sieht,  wie  sich  nach  Entleerung  des  Abszesses,  nach  Ent¬ 
fernung  der  Tamponade  oder  des  explorierenden  Instrumentes 
rasch  die  Wände  des  Hirnabszesses  vordrängen,  wie  die  ein¬ 
zelnen  Hirnpartien  prolabieren  und  so  überall  Gelegenheit  zur 
Entstehung  von  Winkeln  und  somit  von  Retentionen  gegeben 
ist.  Natürlich  ist  es  ganz  unmöglich,  in  all  diese  Buchten  und 
Winkel  entsprechende  Drains  einzuführen  oder  sie  mit  Gaze 
vollzustopfen.  Die  Gaze  leitet  überhaupt  schlecht,  wie  man 
sich  in  solchen  Fällen  immer  wieder  überzeugen  kann.  Bei 
ihrer  Entfernung  quillt  meist  massenhaft  Eiter  nach.  Dabei  ist 
sie  zwar  von  Flüssigkeit  durchtränkt,  doch  scheint  ihr  Auf¬ 
nahmevermögen  recht  bald  erschöpft  und  den  korpuskulären 
Elementen  des  Eiters  gegenüber  erklärlicherweise  an  und  für 
sich  sehr  gering  zu  sein.  Relativ  am  besten  haben  sich  bis 
jetzt  immer  noch  Gummidrains  bewährt.  Dadurch  werden 
wenigstens  die  äusseren  Partien  der  Abszesshöhle  ausein¬ 
andergehalten  und  ein  freier  Luftzutritt  —  in  vielen  Fällen 
wohl  ein  sehr  wichtiges  therapeutisches  Moment  —  gewähr¬ 
leistet.  Es  ist  demnach  begreiflich,  dass,  wenn  bei  einem 
operativ  eröffneten  Hirnabszess  die  Sekretion  nicht  bald  zum 
Stillstand  kommt,  sondern  in  reichlicher  Menge  fortdauert, 
sich  trotz  anscheinend  guter  Drainage  mitunter  Eitermassen 
entleeren,  die  den  Verdacht  an  einen  weiteren  Abszess  oder 
an  bestehende  Abkammerungen  nahelegen.  Hier  besteht  nun 
die  Gefahr,  dass  man  in  Unkenntnis  des  Vorkommens  solcher 
persistierender  Sekretionen  aus  manchen  sonst  gut  getroffenen 
Hirnabszessen  eben  dieser  Eiterung  wegen,  die  aus  noch  nicht 
eröffneten  Hohlräumen  zu  kommen  scheinen,  immer  wieder 
von  neuem  eingeht  und  so  operativ  unter  Umständen  erst  die 
Infektion  in  die  bis  dahin  freigebliebene  Nachbarschaft  weiter¬ 
trägt.  An  der  Möglichkeit  einer  solchen  Propagation  der  Hirn¬ 
eiterung  ist  wohl  nicht  zu  zweifeln.  Wir  wissen  ja,  dass  auch 
bei  der  Probepunktion  des  Gehirns  unter  Umständen  durch 
ein  Instrument,  das  infiziertes  Gebiet  passiert  hat,  infektiöses 
Material  verschleppt  werden  kann  17).  Eine  einschlägige  Be¬ 
obachtung  Briegers18)  sei  hier  kurz  erwähnt:  „In  einem 
Falle,  in  dem  die  Annahme  eines  Hirnabszesses,  gewisser 
Herdsymptome  wegen,  plausibel  war,  wurde  auf  den  Schläfen¬ 
lappen  punktiert.  Bei  der  Sektion  fand  sich  später  neben  einer 
relativ  beschränkten  eitrigen  Meningitis,  die  von  der  Trepa¬ 
nationsstelle  aber  weit  ablag,  ein  dem  Punktionsstich  folgen¬ 
der  artifizieller  Hirnabszess,  welcher  durch  direkte  Ver¬ 
impfung  der  im  Arachnoidealsack  zirkulierenden  Mikroorga¬ 
nismen  in  die  Hirnsubstanz  erzeugt  war.“  Wenn  man  aller- 

10)  Siehe  auch  Heine:  Passows  Beiträge,  Bd.  II,  S.  155. 

17)  Siehe  auch  Reinking:  Ueber  die  Gefahren  der  Hirn¬ 
punktion.  Zeitschr.  f.  Ohrenheilkunde,  Bd.  60. 

18)  Brieger:  Verh.  d.  Deutsch,  otolog.  Gesellsch.  1899. 


dings,  wie  in  unserem  Falle,  die  Gewissheit  bekommt  —  eine 
Erkenntnis,  die  sich  nicht  allgemein,  sondern  nur  von  Fall  zu 
Fall  erwerben  lässt  —  dass  es  sich  um  wirkliche  Eiterreten¬ 
tionen,  um  richtige  Absackungen  handelt,  da  wird  man  trotz 
aller  Bedenken  immer  wieder  zur  Exploration  schreiten 
müssen.  Dabei  haben  wir  uns  mit  gutem  Erfolg  der  Korn¬ 
zange  bedient.  Selbstverständlich  wird  man  nur  mit  grösster 
Sorgfalt  und  möglichster  Schonung  vorgehen  und  so  weitere 
Verschleppungen  und  unnötige  Verletzungen  möglichst  ver¬ 
meiden  und  vorhandene  Eiterretentionen  auffinden  können, 
ln  Fällen,  wo  bei  reichlicher,  plötzlich  abnehmender  Sekretion 
schwere  Allgemeinsymptome  einsetzen,  wird  man  aber  mit¬ 
unter  gezwungen  sein,  ziemlich  tief  ins  Hirn  einzudringen, 
wobei  man  natürlich  die  Richtung  auf  die  Ventrikel  möglichst 
vermeidet.  Dass  man  hier  gelegentlich  weit  über  das  übliche 
Mass  eingehen  kann,  zeigt  die  Eiteransammlung  von  Hiihnerei- 
grösse,  auf  die  wir  in  einer  Tiefe  von  9  cm  stiessen. 

Unser  Fall  zeigt  auch,  dass  man  bei  Hirnabszessen  trotz 
zeitweise  immer  wieder  sich  verstärkender  Symptome  und 
trotz  sehr  langer  Dauer  der  Hirneiterung  die  Prognosenstelluug 
sehr  vorsichtig  handhaben  muss.  Die  Prognose  operierter 
Hirnabszesse  ist  immer  eine  schwierige  Sache.  Es  spielen  da 
so  viel  nicht  übersehbare  Faktoren,  die  uns  offenbar  zum 
Teil  noch  ganz  unbekannt  sind,  mit,  dass  man  kaum  jemals 
nach  der  Operation  des  Hirnabszesses  ein  Urteil  darüber  hat. 
ob  Heilung  eintreten  wird  oder  nicht.  Soviel  steht  beim 
Hirnabszess  im  Gegensatz  zu  anderen  endokraniellen  Kom¬ 
plikationen  wohl  fest:  Spontanheilung  ohne  jeden  Abfluss  des 
Eiters  gewährleistende  Möglichkeit  gibt  es  nicht.  Spontan¬ 
entleerungen  von  Hirnabszessen  sind  zwar  einigemale  beob¬ 
achtet  [Schede-Truckenbrod19),  Zeller20),  Ran¬ 
dall,  Gribbon21)],  aber  nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen 
scheinen  sie  zu  einer  definitiven  Heilung  geführt  zu  haben 
[Pollak22),  Urban  tschitsch23),  Sutphen24)].  Vor¬ 
aussetzung  bei  solcher  Entleerung  von  Hirnabszessen  ist  natür¬ 
lich,  dass  der  ihn  füllende  Eiter,  ohne  in  den  freien  Arach- 
noidealraum  einzudringen,  durch  entsprechende  Fisteln,  z.  13. 
in  eine  Radikaloperationshöhle  oder  sonst  irgendwie  nach 
aussen  hin  sich  entleeren  kann.  Auch  dann  ist,  da  beim  Hirn¬ 
abszess  breiter  Eröffnung  mit  der  Möglichkeit  freien  Luft¬ 
zutrittes  eine  gewisse  Bedeutung  entschieden  zukommt  —  weil 
anaerobe  Bakterien  sicher  sehr  oft  im  Spiele  sind  —  die  Mög¬ 
lichkeit  einer  Spontanheilung  sicher  eminent  selten.  Es  sind 
wenigstens,  während  wir  für  die  spontane  Ausheilung  der 
Sinusthrombose  manchen  anatomischen  Beleg  besitzen21')  und 
auch  bei  der  Meningitis  manche  Anhaltspunkte  für  die  Mög¬ 
lichkeit  von  Spontanheilungen,  z.  B.  das  Vorkommen  der  von 
Brieger25)  beschriebenen  intermittierenden  Form  der 
Meningitis  haben,  beim  Hirnabszess  sichere  Anhaltspunkte  für 
das  Vorkommen  von  Spontanheilungen  ausserordentlich 
spärlich.  (Schluss  folgt.) 


Aus  dem  Röntgeninstitut  im  Sanatorium  Fürth  in  Wien. 

Ueber  das  Sigma  elongatum  mobile  (Röntgenbefund) 

Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Kienböck. 

Wir  lernen  heute  durch  die  Röntgenuntersuchung  die 
La  ge  und  Beweglichkeit  (Verschiebbarkeit)  d  e : 
Darmes  bei  Lebenden  fast  so  gut  kennen,  wie  es  bishei 
bei  Operationen  und  Sektionen  der  Fall  war.  Durch  die  grosse. 
Zahl  der  mit  Röntgenstrahlen  untersuchten  Fälle  werden  wir 
in  unseren  Kenntnissen  nicht  nur  weitere  Fortschritte  machen 
sondern  es  wird  vor  allem  dieses  Kapitel  unter  den  Prak 
tikern  immer  mehr  berücksichtigt  werden. 

«)  Schede-Truckenbrod:  Zeitschr.  f.  Ohrenheilkunde 
Bd.  15,  186. 

20)  Zeller:  Berliner  klinische  Wochenschrift  1895. 

21)  Randall,  Gribbon:  Siehe  Körner:  Die  otitischen  Er 
krankungen  des  Hirns  usw.,  S.  146. 

22)  Pollak:  Wiener  med.  Wochenschr.  1894,  No.  47,  siehe  auc 
Monatsschr.  f.  Ohrenheilk.  1897  (zitiert  nach  Körner,  S.  146). 

23)  Urban  tschitsch:  M.  f.  Ohrenheilk.  1897. 

24)  Sutphen:  Z.  f.  Ohrenheilk.  17. 

24 *)  Siehe  auch:  Haymann:  Ueber  Spontanheilungsvorgäng 
bei  Sinusthrombose.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  46.  : 

25)  Brieger:  Zur  Pathologie  der  otogenen  Meningitis.  Verl 
der  Deutschen  otologischen  Gesellschaft  1899. 


4.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


69 


Vom  Coecuin  („Coecum  mobile“)  und  Colon  transversum 
/eiss  man  durch  die  Röntgenuntersuchung  bereits  allgemein, 
ass  ihre  Lage  sehr  variiert.  Vom  Sigma  ist  dies  weniger  be- 
annt.  Ein  Fall  von  Lageanomalie  des  Sigma  höch- 
t  e  n  Grades  zufolge  einer  bedeutenden  Elongation  und 
bnormen  Beweglichkeit  dieses  Darmteiles  sei  hier  beschrie- 
en  *)• 

Es  handelt  sich  um  einen  42  jährigen,  hochgewachsenen,  massig 
räftigen  Mann,  welcher  mir  von  Herrn  Prof.  J.  Schnitzler 
litte  Oktober  1912  wegen  Verdacht  auf  Perityphlitis  zur  Röntgen- 
Uersuchung  gesandt  wurde. 

Anamnese:  Der  Patient  litt  vor  mehreren  Jahren  durch  einige 
age  an  hartnäckiger  Obstipation  mit  Auftreibung  des  Abdomens, 
eit  einigen  Wochen  bestehen  Schmerzen  mässigen  ürades  in  der 
linddarmgegend.  Es  ist  keine  abnorme  Resistenz  zu  finden. 

1.  Wismutmahlzeit. 

Es  wird  dem  Patienten  zunächst  eine  Wismutmahlzeit 
;geben.  Am  Magen  ist  nichts  Pathologisches  nachweisbar.  Im  Ver- 
ufe  von  wiederholten  Untersuchungen  zeigt  sich  ein  abnorm  langes 
erweilen  der  Kontenta  im  Zoekum  und  Colon  ascendens  und  ein 
^fallender  Wechsel  im  Füllungszustande  dieser  Teile  in  den  unteren 
bschnitten.  Nach  6  Stunden  ist  im  untersten  Ileum  ein  Wismut- 
:pot,  dann  eine  leere  Zone  und  vom  Zoekum  und  der  unteren  Hälfte 
:s  Aszendens  ist  nur  der  axiale  Teil  mit  Wismutbrei  gefüllt,  die 
:>ere  Hälfte  aber  in  ganzer  Breite.  Nach  24  Stunden  ist 
lekuin  und  Aszendenz  in  toto  gefüllt,  der  Wismutbrei  er- 
reckt  sich  nun  ein  wenig  nach  hinten  ins  unterste  Ileum. 
ach  30  Stunden  ist  sogar  ein  5  cm  langer  und  3  cm  breiter 
eil  des  untersten  Ileum  bei  offener  Bauhin  scher  Klappe 
it  Wismutbrei  gefüllt.  Diese  Teile  sind  aber  bei  der  Radioskopie 
cht  fixiert  und  nicht  druckempfindlich.  Der  Röntgenbefund  stützt 
e  Annahme  eines  Entzündungsprozesses  nicht. 


Aufnahme  in  Bauchlage 
mit  Klysma  (Vorder¬ 
ansicht). 

Gepauste  Konturskizze. 

a  =  Anus,  b  bis  d  =  Sigm a 
(mit  dickem  Strich  gezeich¬ 
net),  Cö  =  Zoekum,  c  = 
Flexur  des  Sigma,  h  =  Leber- 
flexur,  1  =  Milzflexur  des 
Kolons. 

Ausserdem  sind  gezeichnet: 
das  Becken,  die  Wirbelsäule, 
der  Rippenbogen  und  die 
Nabelmarke. 


Sowohl  24  als  auch  30  Stunden  nach  Einnahme  der  Wismutmahl- 
't  enthielt  also  das  Colon  ascendens  noch  bedeutende  Breimengen; 
s  Colon  transversum  enthielt  —  wie  es  bei  spastischer  Obstipation 
■r  Lall  ist  —  in  Zwischenräumen  aneinandergereihte  kleine  Wismut- 
llen.  Solche  Ballen  reihen  waren  aber  noch  in 
.Iier  anderen  K  o  1  o  n  s  c  h  1  i  ti  g  e,  die  sich  von  unten 
D  ten  nach  rechts  oben  zog,  zu  finden;  es  blieb  zu- 
.dist  rätselhaft,  welchem  Teil  des  Kolons  die  Schlinge  angehöre. 

2.  Wismutklysma. 

Am  3.  läge  wurde,  nachdem  am  Morgen  der  Darm  durch  ein 
wohnliches  Klysma  gründlich  gereinigt  worden  war,  nachmittags 
Wismut-Bolus-Klysma  gegeben  (VA  Liter).  Das  Irri- 
)orgefäss  musste  hoch  gehoben  werden.  Es  wurde  nur  eine  Auf- 
hme  in  Bauchlage  gemacht.  Das  Rektum  und  ganze  Kolon 
'  cheint  mit  dem  Klysma  gefüllt,  nur  das  Zoekum  ist  fast  frei  (hier 
d  normale  haustrale  Konturen,  aber  nur  wolkige  Schattenstreifen, 
handen).  Es  ist  ein  solches  Gewirr  von  gefüllten  Kolonschlingen  zu 
icn,  dass  man  zuerst  an  Situs  viscerum  inversus  denkt  und  eine 
lentierung  nur  allmählich  gelingt.  Schliesslich  erkennt  man,  dass 
ein  sehr  langes  Colon  sigmoideum  ist,  welches 
“  h  auf  der  rechten  Seite  des  Abdomen  als  lang- 
streckte  Schlinge  bis  unter  d.ie  Leber  und 
'he  an  die  rechte  Zwerchfellkuppe  erstreckt, 
s  Colon  ascendens  und  transversum,  welches  nicht  verlängert  ist 
-  ke"ie  Schlinge  bildet,  liegen  normal;  das  descendens  beginnt 
der  Milzflexur  an  der  gewöhnlichen  Stelle,  ist  aber  weiter- 
aus  seiner  normalen  Lage  etwas  verschoben;  es  zieht  näm- 
i  von  der  Milz  nach  unten  medial  zum  Nabel  hinab.  Hier  be- 
nt  das  Sigma,  es  ist  an  der  Spärlichkeit  und  Flachheit  der 
istralen  Anschwellungen  als  solches  zu  erkennen. 

*)  Der  Fall  wurde  mit  Demonstration  der  Röntgenaufnahme  in 
k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am  29.  November  1912 

prochcn. 


Auf  der  Platte  beträgt  die  Länge  des  Rektum  und 
Sigma  zusammen  96  cm,  die  Länge  des  Colon  de¬ 
scendens,  transversum  und  ascendens  84cm.  Wie 
lang  diese  Daimteile  in  Wirklichkeit  sind,  bleibt  natürlich  unbekannt. 

Dei  Konti  ast  der  beträchtlichen  Füllung  des  Colon  ascendens  und 
der  geringen  Füllung  des  Sigma  entspricht  —  sowie  der  Befund  nach 
Wismutmahlzeit  —  dem  Bilde  der  spastischen  Obstipation. 

Man  hat  es  also  hier  mit  einer  Elongation  und 
abnormen  Lage  des  Colon  sigmoideum  zu  tun. 
Ich  erlaube  mir,  von  einem  „Sigma  elongatum  mo¬ 
bile“  zu  sprechen. 

Toldt  hat  vor  vielen  Jahren  wiederholt  solche  Fälle, 
und  zwar  zufällige  Sektionsbefunde  in  den 
Sitzungsberichten  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Wien  beschrieben. 

Ein  solches  Sigma  ist  frei  beweglich  und  kann 
nach  allen  möglichen  Punkten  der  Bauch¬ 
höhle  wandern.  In  unserem  Falle  ergibt  allerdings  der 
Vergleich  der  Lage  am  13.  und  14.  X.  nach  der  Wismutmahl¬ 
zeit  und  am  15.  X.  nach  dem  Wismutklysma  noch  keine 
Aenderung. 

Es  handelt  sich  um  eine  lokale  „Varietät“  des 
Darmes  und  Gekröses,  wahrscheinlich  entstanden 
durch  eine  Hemmung  in  der  Anwachsung  des  Mesenteriums, 
des  Colon  descendens.  Der  Befund  kann  als  I  n  f  a  n  t  i  1  i  s  - 
m  u  s  aufgefasst  werden.  Es  sind  damit  aber  in  der  Regel  am 
übrigen  Organismus  keine  weiteren  Zeichen  von  Infantilismus 
verbunden.  Bei  unserem  Patienten  bestand  zur  Zeit  der 
Geburt  eine  Leistenhernie,  diese  ging  aber  bald 
spontan  zurück. 

Diese  Anomalie  des  Darmes  kommt  übrigens  nicht 
allzu  selten  vor;  jeder  Anatom  dürfte  sie  ab  und  zu  be¬ 
obachtet  haben;  sie  wird  häufiger  bei  Frauen  als 
bei  Männern  angetroffen. 

Die  Beschwerden  des  Patienten  in  der  Blinddarm¬ 
gegend  können  mit  der  spastischen  Obstipation  Zusammen¬ 
hängen.  Sowohl  bei  der  Untersuchung  per  os  als  auch  per 
klysma  ist  eine  spastische  Obstipation  im  Sinne  von  Singer 
und  Holzknecht  anzunehmen.  Patient  weiss  allerdings 
selbst  nichts  von  einer  Verstopfung.  Zunächst  präsentiert  sich 
der  Gedanke,  dass  die  Sigmaanomalie  die  Obstipation  hervor- 
rufe  oder  begünstige;  doch  ist  bei  weiterer  Ueberlegung  kein 
genügender  Anhaltspunkt  für  diese  Annahme  vorhanden;  es 
könnte  sich  vielmehr  um  einen  bedeutungslosen 
Nebenbefund  handeln. 

Das  Vorkommen  solcher  Lageanomalien  wirft  Licht  auf 
den  Wert  der  topischen  Diagnostik  am  Ab¬ 
domen  überhaupt,  soweit  sie  sich  nicht  einfach  auf 
Punkte  im  Raume  des  Abdomens  (geometrisch),  sondern  (ana¬ 
tomisch)  auf  Organe  bezieht.  Eine  empfindliche  Resistenz  in  der 
Blinddarmgegend  wird  gewöhnlich  auf  den  Blinddarm  bezogen; 
doch  kann  es  sich  in  Wirklichkeit  um  einen  ganz  anderen 
Darmteil  handeln.  Ferner  pflegt  man,  wenn  man  bei  wieder¬ 
holter  Untersuchung  an  ganz  verschiedenen  Punkten  des  Ab¬ 
domens  Resistenzen  fühlt,  an  multiple  Herde  zu  denken; 
es  kann  aber  ein  einziger  sehr  beweglicher,  hin 
und  her  wandernder  Darm  teil  vorliegen.  Endlich 
dürfte  die  Ausführung  einer  Massage  des  Kolon  in  der 
üblichen  Richtung  zur  Behandlung  von  Obstipation  in  solchen 
Fällen  nicht  zweckentsprechend  sein. 


Aus  der  Medizinischen  Staatsanstalt  iBakteriol.  Abteilung] 
(Vorstand:  Professor  A.  P  e  1 1  e  r  s  o  n). 

Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Möglichkeit 
einer  Uebertragung  der  Kinderlähmung  durch  tote  Gegen¬ 
stände  und  durch  Fliegen. 

Von  Arnold  J  o  s  e  f  s  o  n,  Privatdozent  in  Stockholm. 

Welches  die  Infektionswege  bei  der  Heine-Medin- 
schen  Krankheit  (epidemische  Kinderlähmung)  sind,  kann  noch 
nicht  als  sicher  festgestellt  gelten.  Zwar  liegen  verschiedene 
schwerwiegende  Tatsachen  vor,  welche  uns  eine  direkte 
Uebertragung  des  Virus  annehmen  lassen.  Man  hat  ja  auch 
an  Vermittlung  eines  sog.  Virusträgers  gedacht  und  durch  die 
allerneuesten  Untersuchungen  von  Kling,  Wernstedt  und 


70 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Petterson1 2)  wurde  ja  auch  bewiesen,  dass  es  Leute  gibt, 
die  das  Virus  der  Poliomyelitis *’)  in  sich  tragen,  klinisch  aber 
vollständig  gesund  sind.  Trotzdem  aber  etliches,  sagen  wir 
das  meiste,  auf  eine  direkte  Ansteckung  hinweist,  wie  es  auch 
von  W  i  c  k  m  a  n  3 *)  mit  Schärfe  betont  wurde,  führt  man 
immer  gegen  diese  Auffassung  an,  dass  erstaunlicherweise 
keine  nosokomialen  oder  Krankenpflegerinfektionen  bekannt 
sind.  Während  des  Jahres  1911,  wo  hier  in  Schweden  die 
Po. -Epidemie  mehr  als  3000  Personen  heimsuchte,  kam  es,  so¬ 
viel  jetzt  bekannt  ist,  nur  einmal  vor,  dass  jemand  von  dem 
Wartepersonal  an  Po.  erkrankte.  Da  es  von  Gewicht  ist,  dass 
alle  solche  Ansteckungen  veröffentlicht  werden,  führe  ich  hier 
den  Fall  kurz  an  *). 

E.  F.,  Krankenwärterin,  pflegte  während  des  Sommers  einen 
Po. -Patienten  in  Upsala.  Am  1.  September  kam  sie  nach  \  stad.  Am 
19.  September  meldete  sie  sich  erst  krank,  nachdem  sie  sich  eine 
Woche  unwohl  gefühlt  hatte.  Sie  starb  schon  am  20.  an  typischer 
Po.  In  der  Stadt  Ystad  waren  bis  dahin  nur  zwei  Fälle  von  Po. 
bekannt.  Die  Wärterin  war  mit  diesen  beiden  oder  mit  ihren  Fa¬ 
milien  nicht  in  Verbindung  gekommen. 

In  Christiania  (Norwegen)  kamen  1911  sogar  zwei  Fälle  voj, 
wo  Wärterinnen  an  Po.  erkrankten  und  starben.  Wie  es  sich  mit 
diesen  Fällen  verhält,  geht  aus  einem  Briefe  des  Oberarztes  Aaser 
hervor.  Er  schreibt  mir:  „Wahrscheinlich  sind  sie  beide  im  epidemi¬ 
schen  Krankenhause  angesbeckt  worden.  Als  die  eine  nach  ihrem 
Urlaub  aus  einem  Orte,  wo  keine  Po.  vorkam,  zurückkehrte,  wurde 
sie  zur  Pflegerin  eines  sehr  kranken  Po-Patienten  bestimmt.  Nach 
einer  Woche  erkrankte  sie  an  Po.  und  nach  3 — 4  Tagen  war  sie 
schon  tot.  Die  andere  erkrankte  an  Po  etwa  4  Wochen  nachdem  sie 
mehrere  Po.-Kranke  gepflegt  hatte.  In  der  Zwischenzeit  war  sie 
nie  ausserhalb  des  Krankenhauses  gewesen;  sie  pflegte  in  dieser 
Zeit  Scharlachkranke. 

Es  schien  mir  vom  Anfänge  an  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  Ansteckung  bei  Po.  ebenso  wie  bei  anderen  Infektions¬ 
krankheiten  auch  durch  tote  Gegenstände  vor  sich  gehen 
könnte.  Da  meines  Wissens  bis  jetzt  keine  experimentellen 
Untersuchungen  in  dieser  Richtung  vorgenommen  wurden, 
entschloss  ich  mich,  solche  sobald  wie  möglich  vorzunehmen. 
Im  Epidemiekrankenhause  zu  Stockholm  bekam  ich  durch  die 
Güte  des  Chefarztes  Dr.  Hellström  bald  Gelegenheit,  das 
nötige  Material  zu  sammeln.  Um  zu  sehen,  ob  das  Virus  viel¬ 
leicht  an  toten  Gegenständen  haften  blieb,  gab  ich  je  einem 
schwer  kranken  Mädchen  und  einem  auch  schwer  kranken 
Knaben  eine  Kompresse,  die  während  einer  Woche  von  ihnen 
als  Taschentuch  benützt  wurde.  Ich  liess  weiter  ein  schwer 
krankes  Mädchen  eine  Tapisseriearbeit  mit  einem  Stückchen 
Papier  ausführen  und  liess  ein  Bilderbuch  unter  den  kranken 
Kindern  zirkulieren.  Ausserdem  liess  ich  die  Kranken  in  den 
Krankensälen  Fliegen  hier  einfangen.  Herr  Professor  A. 
Petterson  stellte  mir  die  nötigen  Affen  zur  Verfügung  und 
ich  begann  sofort  das  so  erhaltene  Material  experimentell  zu 
prüfen.  Professor  Petterson  folgte  seitdem  meiner  Arbeit 
nicht  nur  mit  Interesse,  sondern  stellte  mir  auch  besonders 
bei  der  Mikroskopierung  der  Schnitte  seine  grosse  Erfahrung 
in  freundlicher  Weise  immer  zur  Verfügung.  Ich  spreche  ihm 
hier  meinen  Dank  aus. 

Im  Monat  September  1911  fing  ich  mit  den  Versuchen 
an  und  schon  am  27.  November  zeigte  ich  im  Verein  für  innere 
Medizin  einen  Affen  mit  deutlichen  Symptomen  von  Po., 
(Fall  1),  welchen  ich  mit  Taschentuchextrakt  infiziert  hatte. 
Bei  dieser  Sitzung5)  erzählte  ich  auch  von  meinen  übrigen 
Versuchen. 

Ich  bemühte  mich  in  meinen  Versuchen,  soweit  wie  mög¬ 
lich,  die  Natur  nachzuahmen 6).  Die  Gegenstände  waren  in 
längeren  Kontakt  mit  den  Po.-Kranken  gekommen.  Nachher 
liess  ich  sie  in  leeren  sterilen  Gefässen  während  einiger  Tage 
liegen  (natürliche  Eintrocknung),  ehe  ich  sie  in  physiologischer 
NaCl-Lösung  aufbewahrte.  Die  so  bereitete  Kochsalzauf- 

1)  Report  from  the  state  medical  institute  of  Sweden  to  the 
congress  Washington  1912. 

2)  Der  Kürze  wegen  schreibe  ich  nur  Po. 

3)  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  sehe  Krankheit.  Berlin  1907.  S.  Karger. 

’)  Nach  einem  Briefe  von  dem  Chefarzt  Dr.  v.  Wachenfeldt 

in  Ystad. 

5)  Allm.  Svensk.  Läkartidn,  Dezember  1911. 

°)  Das  bekannte  Experiment  von  F  1  e  x  n  e  r  und  C  1  a  r  k  (Journ. 
of  amer.  med.  assoc.  Vol.  LVI,  10.  VI.  1911),  welche  mit  Fliegen,  die 
auf  dem  Rückenmarke  von  Po.-Patienten  herumgewandert  waren, 

experimentelle  Po  hervorriefen,  ist  keine  Imitation  der  Verhältnisse, 

mit  welchen  man  praktisch  rechnen  kann. 


schwemmung  wurde  nach  verschiedener  Zeit  in  Arbeit  ge¬ 
nommen.  (Die  Fliegen  wurden  in  einem  Falle  zerrieben,  im 
anderen  Falle  nicht.)  Unmittelbar  vor  jeder  Injektion  filtrierte 
ich  die  Aufschwemmung  durch  ein  Helms  Asbestfilter,  ein 
Verfahren,  das  durch  die  Untersuchungen  von  Kling, 

W  e  r  n  s  t  e  d  t  und  P  e  1 1  e  r  s  o  n  7)  als  das  beste  erwiesen  ist. 

Das  Filtrat  wurde  in  der  Mehrzahl  meiner  Versuche  so¬ 
wohl  intraperitoneal  wie  intraneural  (Nerv,  ischiadicus)  Affen 
injiziert.  Die  Operation  wurde  in  Aethernarkose  vor¬ 
genommen. 

Das  Rückenmark  der  erkrankten  Affen  wurde  stets  weiter 
Kontrolltieren  injiziert. 

Um  Fehlerquellen  zu  vermeiden,  isolierte  ich  die  infizierten 
Affen  in  kleineren  Käfigen. 

Sämtliche  Rückenmarke  wurden  mikroskopisch  untersucht. 

Versuche  mit  Taschentüchern: 

I.  Macacus  cynomolgus.  . 

16.  X.  1911.  45  ccm  intraperitoneal  und  1  ccm  intraneural  von 

einer  2Tage  alten  Aufschwemmung  des  Taschentuches  von  H.  (Knabe). 

19.  X.  Scheint  im  linken  Hinterbeine  schwach  zu  sein.  (NB. 
Die  Injektion  geschah  in  das  linke  Bein.) 

24.  X.  Fortwährend  schwach  im  linken  Hinterbeine. 

27.  X.  Bewegt  sich  normal. 

12.  XI.  Etwas  langsam  in  seinen  Bewegungen. 

15.  XI.  Der  Affe  ist  unbedingt  schwach  im  linken  Vorder-  und 
Hinterbeine  und  unsicher  im  rechten  Hinterbeine.  Scheint  ataktisch 
zu  sein. 

17.  XI.  Die  Paresen  deutlicher. 

20.  XI.  Unverändert. 

24.  XI.  Schwach  in  beiden  Hinterbeinen. 

25.  XI  Beinahe  vollständige  Paralyse  des  rechten  Vorderbeines. 

27.  XI.  Das  Tier  ist  jetzt  auch  schwach  im  linken  Vorderbeine. 
Ataktische  Bewegungen  Der  Affe  wird  im  hiesigen  \erein  für  interne 
Medizin  demonstriert. 

28.  XI.  Unbeweglich  im  Käfig. 

29.  XI.  Gestorben. 

Bei  der  Obduktion  wurden  am  Rückenmark  und  Gehirn  keine 
makroskopischen  Veränderungen  angetroffen.  Die  inneren  Organe 

ohne  Befund.  , 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Rückenmarkes  zeigt 
nrässige  Hyperämie,  Blutungen  in  der  grauen  Substanz,  keine  Infil¬ 
tration,  weder  in  den  Meningen,  noch  im  Rückenmark.  Die  Zellen 
des  Stützgewebes  vergrössert,  mit  durchsichtigem,  klaren,  unge¬ 
färbten  Zellkörper  und  ohne  sichtbare  Ausläufer.  Der  Kern  ist  hier 
im  allgemeinen  scharf  gefärbt  und  chromatinreich. 

Die  Ganglienzellen  sind  im  allgemeinen  mehr  oder  weniger  stark 
entartet.  Sie  sind  geschrumpft,  homogen  und  die  meisten  sehr  stau 
gefärbt;  einige  sind  vakuolisiert.  Der  Kern  ist  gewöhnlich  stark 
und  gleichförmig  gefärbt.  Andere  Ganglienzellen  sind  sehr  bleich, 
feinkörnig  und  scheinen  ohne  Ausläufer  zu  sein.  Auch  diese  Zellen 
zeigen  einen  pyknotischen  Kern. 

In  den  Vorderhörnern  findet  man,  dass  die  Stützgewebszellen. 
welche  die  Ganglienzellen  zunächst,  umgeben,  sich  in  grosser  Anzahl 
in  die  letzteren  eingefressen  haben,  wodurch  mehr  oder  weniger 
grosse  Einbuchtungen  des  stark  gefärbten  Zelleibes  entstanden  sind  — 
Einbuchtungen,  die  also  von  den  helleren  Fresszellen  eingenommen 
sind.  Zuweilen  bleibt  hier  von  der  ganzen  Ganglienzelle  nur  eine 
sternförmige,  amorphe,  gleichmässig  gefärbte  Masse  zurück.  Hie  und 
da  werden  die  veränderten  Ganglienzellen  von  pallisadenähnlichen 
Reihen  der  grossen  Stützgewebszellen  umgeben. 

Diese  Veränderungen  sind  am  stärksten  im  Zervikalmarke.  j 

Eine  Aufschwemmung  des  Rückenmarkes  wird  einem  Kontroll- 
affen  am  1.  XII.  1911  injiziert.  Keine  motorischen  Symptome.  Der 
Affe  starb  am  28.  XII.  an  Lungentuberkulose  (chronica  +  acuta). 
Rückenmark  stark  hyperämisch. 

II.  Macacus  rhesus. 

7.  XI.  1911.  Intraperitoneal  60  ccm  und  intraneural  1  ccm  von 
einer  VA  Woche  alten  Aufschwemmung  von  einem  Taschentuche  des 
Mädchens  S.  R. 8). 

19.  XI.  Ohne  Po.-Symptome  gezeigt  zu  haben  gestorben. 

Rückenmark,  Gehirn  nebst  ihren  Häuten  stark  hyperämisch.  Die 
Substanz  des  Rückenmarkes  geschwellt.  Doppelseitige  Pleuro¬ 
pneumonie.  ,  ... 

Mikroskopisch  zeigt  das  Rückenmark  sehr  starke  Hyperämie; 
die  Ganglienzellen  unverändert. 

Versuch  mit  dem  Bilderbuche. 

Cercopithecus  Brunethi. 

19.  X.  1911.  Intraperitoneal  80  ccm  und  intraneural  1  ccm  einer 
5  Tage  alten  Aufschwemmung.  Starke  Wirkung  der  Narkose  (kiins.- 
liche  Atmung). 

7)  Zeitschr.  f.  Immunitätsforschung  und  exper.  Therapie,  1912. 

pag.  317.  .  i, 

8)  Von  dieser  Patientin  wurden  auch  die  Sekrete  einer  Unter¬ 
suchung  von  Kling,  Petterson  und  Wernstedt  (1.  c.)  unter-  j 
zogen  (Fall  17,  S.  57). 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


71 


20.  X.  Apathisch;  krankes  Aussehen. 

24.  X.  Etwas  lebhafter,  aber  fortwährend  stumpf. 

27.  X.  Bewegt  sich  wenig,  läuft  schlecht. 

28.  X.  Scheint  schwach  in  den  Hinterbeinen  zu  sein. 

30.  X.  Gestorben. 

Die  Sektion  zeigt  lebhafte  Hyperämie  des  Rückenmarkes;  die 
raue  Substanz  scheint  hyperämisch.  Die  inneren  Organe  ohne  Ver- 

nderungen. 

Mikroskopisch  kleine  Blutungen  und  Hyperämie  im  Rückenmark; 
onst  zeigt  es  keine  Veränderungen. 

Kontrollier  A.  Macacus  rhesus.  Rückenmarkextrakt  nur  intra- 
eural  I  ccm.  Keine  Symptome;  überlebt 

Kontrollier  B.  Cercopithecus.  Intraperitoneal  10  ccm  und 
ccm  intraneural.  Nach  2  Tagen  gestorben.  Von  dem  Riicken- 
laike  dieses  Affen  wurde  ein  Macacus  rhesus  infiziert.  Dieser  starb 
chon  nach  4  Tagen  an  doppelseitiger  Pneumonie.  Das  Rückenmark 
eigte  keine  Veränderungen. 

Versuch  mit  Handarbeit. 

Macacus  cynotnolgus. 

19.  X.  1911.  Von  einer  5  tägigen  Aufschwemmung  der  anfangs 
rwähnten  Arbeit  wurden  75  ccm  intraperitoneal  und  1  ccm  intra- 
eural  injiziert.  Heftige  Wirkung  der  Narkose. 

20.  X.  Abgestumpft. 

22.  X.  Noch  mehr  abgestumpft.  Schwach  im  linken  Vorder- 
nd  rechten  Hinterbeine. 

24.  X.  Sitzt  unbeweglich;  frisst  nicht. 

27.  X.  Das  rechte  Hinterbein  beinahe  paralytisch,  das  linke 

chwach. 

28.  X.  Starke  Parese  im  linken  Vorder-  und  beiden  Hinter¬ 
einen. 

30.  X.  Gestorben. 

Die  Sektion  zeigt  keine  makroskopische  Veränderungen.  Die 
tikroskopische  Untersuchung  des  Rückenmarkes  zeigt  geringe 
yperämie,  geringe  Zelleninfiltration  in  der  Nähe  von  Canalis  cen- 
alis,  Neuronolysis  und  Zerstörung  der  Ganglienzellen  in  derselben 
/eise,  wie  es  oben  im  Falle  1  geschildert  wurde. 

Kontrollaffe  A.  Macacus  rhesus.  Intraneurale  Injektion  der 
iickenmarksemulsion.  Keine  Symptome.  Ueberlebte. 

Im  Monat  Juni  1912  wurde  dieser  und  einige  andere  vollständig 
esunde  Affen  mit  Passagevirus  in  den  Nerv,  ischiadicus  geimpft, 
/ährend  die  übrigen  Affen  an  experimenteller  Po.  starben,  über¬ 
bte  dieser  Affe  auch  diesen  Versuch.  Es  scheint  hierdurch  wahr- 
peinlich  zu  sein,  dass  der  Affe  durch  die  vorausgehende  Infektion 
it  dem  Rückenmarke  von  dem  mit  der  Emulsion  der  Handarbeit  iri¬ 
sierten  Affen  eine  gewisse  Immunität  erworben  hat.  Dieser  Um- 
and  macht  es  noch  wahrscheinlicher,  dass  der  letztgenannte  Affe 
o  gehabt  hat. 

Kontrollaffe  B.  Macacus  cynomolgus. 

11.  XI.  1911.  Intraperitoneal  7  ccm  und  intraneural  1  ccm  der 
ligen  Rückenmarksemulsion.  Nach  15  Tagen  starb  er  an  Lobulär- 
leumonien  und  Intestinalkatarrh.  Das  Rückenmark  hyperämisch; 
ikroskopisch  keine  Veränderungen  der  Ganglienzellen. 

Versuche  mit  Fliegen. 

I.  Macacus  cynomolgus. 

40 — 50  Fliegen  wurden  jetzt  mittels  Sand  zerrieben  und  in  Koch- 
lz  geschüttelt.  Unmittelbar  darauf  wird  die  ganze  Aufschwemmung 
triert  und  das  Filtrat  intraperitoneal  (30  ccm)  und  intraneural 
ccm)  injiziert  5.  X.  1911. 

Der  Affe  starb,  ohne  Symptome  von  Po.  gezeigt  zu  haben. 
Die  Sektion  zeigte  doppelseitige  Pleuritis  adhaesiva  und  Milz- 
■rgrösserung.  Leichte  Rötung  des  Rückenmarkes. 

Kontrollaffe.  Macacus  cynomolgus.  Aufschwemmung  des 
ickenmarkes.  20  ccm  intraperitoneal  und  1  ccm  intraneural 
XII.  1911. 

7.  XII.  Scheint  krank  zu  sein. 

8.  XII.  Klettert  schlecht;  das  linke  Vorderbein  schwach. 

9.  XII.  Beinahe  paralytisch  im  linken  Vorderbeine. 

10.  XII.  Gestorben. 

In  der  Leber  und  im  Diaphragma  kleine  grauweisseTuberkel  (?); 
Lungen  ohne  Veränderungen.  Das  Rückenmark  vielleicht  etwas 
tlich.  Mikroskopisch  zeigt  es  ausser  Hyperämie  keine  Verände- 

ngen. 

II.  Macacus  cynomolgus. 

20 — 30  Fliegen  in  Kochsalz  während  VA  Wochen.  Filtration  und 
ektion  resp.  25  und  1  ccm  7.  XI.  1911. 

Schwere  Narkose;  künstliche  Atmung. 

13.  XI.  Das  Tier  klettert  ungern. 

16.  XI.  Schwach  in  den  Hinterbeinen,  besonders  links.  Fällt 
rum  und  hat  schwer,  sich  wieder  zu  erheben. 

17.  XI.  Sehr  schwach  in  den  Hinterbeinen;  abgemagert. 

20.  XI.  Noch  schlimmer. 

23.  XI.  Fortwährend  sehr  schwach  in  den  Hinterbeinen. 

24.  XI.  Tot. 

Starke  Hyperämie  in  den  Rückenmarkshäuten  und  leichte  Rötung 
s  Rückenmarkes.  Das  Rückenmark  etwas  feucht,  schwillt  nicht, 
kroskopisch  ausser  Hyperämie  und  Blutungen  keine  Verände¬ 
ren. 


Ein  Kontrollaffe  starb  nach  27  Tagen  an  chronischer  und  akuter 
Lungentuberkulose. 

Durch  die  hier  wiedergegebenen  Versuche  habe  ich  also 
experimentell  gezeigt,  dass  das  poliomyelitische  Virus  an  toten 
Gegenständen  (Taschentuch,  Handarbeit)  haftet  und  einge¬ 
trocknet  noch  virulent  sein  kann  —  wie  es  ja  von  anderen 
Forschern  auch  angenommen  ist.  Zwar  zeigen  die  Ver¬ 
änderungen  des  Rückenmarkes  nicht  das  gewöhnliche  Aus¬ 
sehen;  besonders  bemerken  wir  ja  keine  Zelleninfiltration. 
Die  Untersuchungen  von  Kling,  Petterson  und  W  ern¬ 
st  e  d  t 9)  haben  aber  in  dieser  Hinsicht  Licht  gebracht,  und 
an  einem  grösseren  Materiale  haben  sie  gezeigt,  dass  auch 
nur  degenerative  Veränderungen  wie  die  oben  beschriebenen 
bei  Po-kranken  Affen  Vorkommen  können. 

Ueber  die  Resistenz  des  Virus  bei  Po.  gegen  Austrocknung 
gehen  bis  jetzt  die  Meinungen  etwas  auseinander.  Während 
Römer10),  Fl  ex  n  er,  Lewis10),  Landsteiner  und 
Levaditi10)  es  noch  mehrere  Tage  resistent  finden,  meinen 
L  e  i  n  e  r  und  v.  W  i  e  s  n  e  r  11),  dass  dies  nicht  der  Fall  ist. 
Sie  fanden,  wenn  sie  das  virulente  Material  in  d  ü  n  n  e  r 
Schicht  langsam  eintrocknen  Hessen,  dass  es  binnen  4  bis 
24  Stunden  avirulent  wurde.  Das  Sekret  in  meinen  beiden 
positiven  Fällen  war  höchstwahrscheinlich  am  Taschentuche 
und  an  der  Handarbeit  dünngeschichtet  gewesen. 

Zappe  r  t,  v.  Wiesner  und  L  e  i  n  e  r  lä)  sagen :  „Eine 
Uebertragung  der  Infektion  durch  leblose  Materien  ist  nicht 
sehr  wahrscheinlich,  da  ja  das  Virus  der  Po.  nach  unseren 
Versuchen  durch  Austrocknung  bald  vernichtet  wird.“ 

E.  Müller13)  schreibt:  Dass  tote  Materiale  insbesondere 
Milch  oder  Trinkwasser  die  Krankheit  weiter  verbreiten,  ist 
sehr  wahrscheinlich  ....  Erneute  Prüfung  wird  jedoch  die 
Frage  bedürfen,  ob  die  Uebertragung  des  Virus  von  Person 
zu  Person  nicht  durch  Vermittlung  irgendwelcher  tierischer 
Organismen  erfolgen  konnte.“  (Meine  „Fliegenaffen“  gaben 
beide  negatives  Resultat.)  Er  sagt  weiter:  „Das  Virus  könnte 
indirekt  dadurch  übertragen  werden,  dass  das  in  solchen 
Ausscheidungen  (Magendarmentleerungen,  Speichel,  Auswurf) 
haftende  Virus  auf  Nahrungsmittel  und  Gebrauchsgegenstände 
(Kleidungsstücke,  Schuhe  u.  dgl.)  übergeht  und  verbreitet  wird. 
Dies  sind  alles  noch  Rätsel,  die  nur  durch  die  spätere  ex¬ 
perimentelle  Forschung  zu  lösen  sind.“ 

Landsteiner,  Levaditi,  P  a  s  t  i  a  “)  haben  die 
Haltbarkeit  des  Virus  in  steriler  Milch  oder  Wasser  geprüft. 
Die  Virulenz  hält  sich  (bei  Zimmertemperatur  und  Licht) 
„wenigstens  31  Tage“. 


Dass  ich  mit  Taschentuch  und  Handarbeit  experimentelle 
Poliomyelitis  hervorrufen  konnte,  ist  jetzt,  seitdem  Kling, 
Petterson,  W  e  r  n  s  t  e  d  t  (1.  c.)  ihre  Untersuchungen  ver¬ 
öffentlicht  haben,  recht  natürlich.  Seitdem  ich  meine  Experi¬ 
mente  angefangen  und  vorläufig  hier  mitgeteilt  (Verein  der 
intern.  Medizin)  habe  ich  eine  experimentelle  Untersuchung 
gefunden,  die  meine  Resultate  deutlich  bestätigten.  N  e  u  - 
Städter  und  T  h  r  o 15)  haben  aus  Zimmern,  wo  Po. -Kranke 
lagen,  Staub  gesammelt  und  damit  Affen  infiziert.  Sie  konnten 
in  dieser  Weise  Poliomyelitis  und  dies  sogar  in  weiterer 
Passage  hervorrufen. 

In  meinen  beiden  positiven  Fällen  (Taschentuch,  Hand¬ 
arbeit)  suchte  ich  auch  das  Virus  weiterzuimpfen.  Die  Tiere 
starben  aber  leider  infolge  anderer  Ursachen. 

Meine  Experimente  haben  also  gezeigt, 
dass  das  Virus  an  toten  Gegenständen  haften 
und  virulent  bleiben  kann.  An  Fliegen  konnte 
ich  dies  nicht  nachweisen.  Meine  Absicht,  nach 
dem  Virus  an  Nahrungsmitteln,  die  mit  den  Kranken  in  Be¬ 
rührung  gekommen  waren,  zu  suchen,  konnte  ich  infolge 
äusserer  Umstände  nicht  verfolgen. 


°)  1.  c.  S.  211. 

10)  Römer:  Die  epidemische  Kinderlähmung,  1911,  S.  89. 

“)  Studien  über  die  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  sehe  Krankheit,  1911. 

12)  Studien  über  die  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  sehe  Krankheit,  1911, 
S.  184. 

13)  Handbuch  der  inneren  Medizin  1911,  S.  804. 

14j  Annal.  de  l’inst.  Pasteur  1911,  S.  805. 

15)  D.  med.  Wochenschr.  1912,  S.  693. 


72 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Augenklinik  München  (Vorstand: 

Geheimrat  Professor  Dr.  C.  v.  H  e  s  s). 

Zur  Kenntnis  der  Neosalvarsanwirkung  bei  Keratitis 

parenchymatosa. 

Von  Dr.  H.  H  o  e  h  1,  Assistent  der  Klinik. 

Nachdem  durch  eine  grössere  Anzahl  Autoren  (W  e  s  - 
s  e  1  y,  Igersheimer,  L  ö  h  1  e  i  n,  B  e  n  d  a,  E  1  s  c  h  n  i  g, 
Schnaudigl,  S  t  e  i  n  d  o  r  f  f  u.  a.)  gezeigt  worden  ist, 
dass  das  Salvarsan  auf  den  Verlauf  der  Keratitis  parenchyma¬ 
tosa  e  lue  congenita  ohne  nachweislichen  Einfluss  ist,  war  die 
Aussicht  nur  gering,  mit  Neosalvarsan  bessere  Erfolge  zu  er¬ 
zielen. 

Aus  der  biologischen  Abteilung  des  Georg-Speyer-Hauses 
in  Frankfurt  a.  M.  erschien  in  No.  32  der  Deutsch,  med. 
Wochenschr.  eine  experimentelle  Arbeit  über  Neosalvarsan 
von  G.  Castelli  über  „Lokalbehandlung  der  generalisierten 
Syphilis  und  generalisierten  Framboesia  bei  Kaninchen“. 
Castelli  führt  als  Resultat  seiner  Arbeit  drei  Punkte  an: 

1.  Das  häufige  Einträufeln  von  Neosalvarsan  in  2)4  proz.  Lö¬ 
sung  in  den  Konjunktivalsack  des  Kaninchens  ruft  keine  Reiz¬ 
erscheinungen  hervor.  2.  In  dieser  Weise  angewandt  wirkt 
Neosalvarsan  heilend  auf  Keratitis  specifica,  die  hervor¬ 
gerufen  ist  durch  Injektion  von  syphilitischem  Material  in  den 
Blutkreislauf.  3.  Die  Wirkung  des  Salvarsans  beschränkt  sich 
nicht  nur  auf  das  Gewebe,  mit  dem  es  in  Berührung  kommt, 
sondern  wirkt  bei  Keratitis  specifica  auch  auf  die  andere  Seite 
günstig  ein. 

Castelli  hält  es  nach  diesem  Resultate  für  berechtigt, 
die  lokale  Wirkung  des  Neosalvarsans  bei  Keratitis  specifica 
auch  beim  Menschen  zu  erproben. 

In  No.  45  der  Münch,  med.  Wochenschr.  berichtet 
Rosenmeyer  in  Frankfurt  über  einen  Fall  von  Keratitis 
parenchymatosa,  der  durch  Lokalbehandlung  mit  Neosalvarsan 
günstig  beeinflusst  wurde.  Es  wurde  in  diesem  Falle  zuerst 
Neosalvarsan  in  Substanz,  dann  in  2  proz.  Lösung  und  schliess¬ 
lich  in  einer  Lösung  von  0,1  Neosalvarsan  in  v.  P  f  1  u  g  k  s 
öliger  Atropinlösung  angewandt. 

In  hiesiger  Klinik  wurden  7  Fälle  von  Keratitis  parenchyma¬ 
tosa  4  Wochen  lang  mit  Einträufelung  von  Neosalvarsan- 
lösung  behandelt;  wir  benutzten  eine  stets  frisch  bereitete 
2%  proz.  Lösung,  von  der  zweimal  am  Tage  1 — 2  Tropfen  ein¬ 
geträufelt  wurden,  ln  3  Fällen  handelte  es  sich  um  frische 
Keratitis  parenchymatosa,  in  den  anderen  4  Fällen  war  der 
Prozess  schon  im  Rückgang  begriffen. 

1.  J.  J.,  14  Jahre  alt.  Eltern  und  Geschwister  gesund.  Pat. 
selbst  nie  krank  gewesen.  Wassermann  positiv.  Beiderseits 
dichte  parenchymatöse  Trübungen,  links  stärker  wie  rechts.  Visus 
R  0,5,  L  ‘/go.  Zunächst  4  Wochen  lang  Behandlung  mit  Atropin  und 
Wärme.  Am  12.  XI.  Beginn  der  Neosalvarsaneinträufelung;  es  wurde 
nur  links  eingeträufelt.  Visus  R  0,1  L  Fingerzählen  in  20  cm. 

27.  XI.  Status  idem.  Visus  R  0,2,  L  3/go. 

In  der  letzten  Woche  trat  eine  merkliche  Besserung  links  ein, 
während  rechts  derselbe  Zustand  bestehen  blieb.  Links  hellten  sich 
die  peripheren  Partien  auf,  die  zentralen  zeigten  noch  dichte 
Trübungen. 

Visus  am  Ende  der  Behandlung  beiderseits  0,2. 

In  diesem  Falle  war  (wegen  der  starken  Beteiligung  der  Iris) 
fast  täglich  Atropin  gegeben  worden. 

2.  A.  St.,  15  Jahre  alt.  Anamnestisch  keine  Anhaltspunkte;  Pat. 
ist  selbst  nie  krank  gewesen.  Wassermann  positiv.  Die  Er- 
krankung  begann  rechts  und  ergriff  dann  erst  das  linke  Auge. 

Rechts  ist  bei  Beginn  der  Behandlung  mit  Neosalvarsan  die 
Kornea  schon  fast  völlig  aufgehellt. 

L.  A.  Die  ganze  Kornea  bis  auf  einen  schmalen  nasalen  Bezirk 
diffus  getrübt  mit  gesättigten  tiefen  Infiltrationen.  S  Fingerzählen 
in  20  cm. 

Nach  4  wöchentlicher  Behandlung  mit  Neosalvarsaneinträufelung 
am  linken  Auge  ist  der  Befund  fast  unverändert.  S  Finger¬ 
zählen  in  1 — \Vi  m. 

3.  F.  J.,  8  Jahre  alt.  Hatte  im  Juni  eine  Entzündung  des  linken 
Auges.  Kommt  jetzt  mit  Reizzustand  des  rechten  Auges.  Wasser¬ 
mannpositiv. 

R.  A.  Diffuse  Trübung  der  gesamten  Kornea;  zentral  schärfer 
umschriebene  intensivere  Trübung.  S  Fingerzählen  in  1  m. 

Nach  7  tägiger  Behandlung  ist  die  Trübung  intensiver  geworden; 
Einsprossung  zahlreicher  tiefer  üefässe.  S  Fingerzählen  in  1  m. 

Nach  4  wöchentlicher  Behandlung  ist  die  Trübung  der  Kornea, 
besonders  zentral,  fast  ganz  unverändert.  S  0,1  (p). 


Bei  den  4  anderen  Fällen  (bei  denen  gleichfalls  Wasser¬ 
mann  positiv  war)  war  nach  4  wöchentlicher  Behandlung  mit 
2  54  proz.  Neosalvarsaneinträufelung  weder  in  Bezug  auf  den 
lokalen  Prozess  noch  auf  den  Visus  eine  nennenswerte  Besse¬ 
rung  eingetreten. 

Diese  Fälle  sollen  hier  nicht  ausführlicher  besprochen 
werden,  weil  sie  schon  längere  Zeit  in  anderer  Weise  behandelt 
worden  waren  und  beim  Einsetzen  der  Neosalvarsanbehand- 
lung  schon  auf  dem  Wege  der  Besserung  waren. 

Als  Resultat  unserer  Beobachtungen  ergibt  sich,  dass  in 
keinem  der  Fälle  eine  günstige  Beeinflussung  der  Keratitis 
parenchymatosa  bzw.  eine  Beschleunigung  des  Heilungspro¬ 
zesses  durch  die  lokale  Behandlung  mit  Neosalvarsaneinträufe- 
lung  nachweisbar  war. 

Es  ist  dieses  wenig  befriedigende  Resultat  wohl  verständ¬ 
lich  und  entspricht  auch  den  bei  experimentell  erzeugten  Horn¬ 
hauterkrankungen  beim  Kaninchen  erhaltenen  Ergebnissen,  da 
nach  den  neueren  Untersuchungen  die  Keratitis  parenchyma¬ 
tosa  nicht  als  eine  Spirochätenerkrankung  aufgefasst  werden 
kann  und,  wie  auch  Clausen  (Archiv  für  Ophthalmologie 
1912,  LXXXIII,  Heft  3)  zeigt,  die  durch  Einbringung  von 
Syphilismaterial  in  die  Blutbahn  experimentell  erzeugte  Horn¬ 
hauterkrankung  nichts  mit  der  menschlichen  Keratitis  paren¬ 
chymatosa  zu  tun  hat. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Giessen  (Prof.  Opitz). 

Ueber  die  Verwendung  des  Narkophins  in  der  Geburtshilfe. 

Von  Privatdozent  Dr.  R u  d.  Th.  Jaschke. 

Aus  Gründen,  deren  Erörterung  nicht  hierher  gehört,  habe 
ich  mich  für  die  volle  Schmerzlosigkeit  und  namentlich  für  die 
mit  dem  Morphin-Skopolamin-Dämmerschlaf  verbundene  Am¬ 
nesie  bei  Geburten  nie  recht  begeistern  können.  Es  soll  damit 
nichts  gegen  den  Dämmerschlaf  als  solchen  gesagt  werden, 
ich  halte  es  nur  —  von  Ausnahmefällen  abgesehen  —  im  all¬ 
gemeinen  nicht  für  richtig,  die  normale  Geburt  ganz  schmerz¬ 
los  zu  gestalten  und  besonders  ist  es  die  Amnesie,  die  meiner 
Meinung  nach  der  Frau  etwas  entzieht,  was  ihrer  Erinnerung 
nicht  geraubt  sein  sollte.  Andererseits  aber  suchte  ich  seit 
langem  nach  einem  Mittel,  welches  ohne  Schaden  für  den 
Geburtsvorgang  und  ohne  sonstige  unangenehme  oder  ge¬ 
fährliche  Nebenerscheinungen  geeignet  wäre,  den  Wehen¬ 
schmerz  zu  mildern  und  besonders  in  Fällen  sehr  schmerz¬ 
hafter  Wehen  oder  sehr  starker  Reaktion  der  Frauen  auf  den 
Wehenschmerz  Linderung  zu  schaffen. 

Nach  den  im  Sommer  ds.  Jrs.  publizierten  Erfahrungen 
mit  Narkophin  in  der  Gynäkologie  und  inneren  Medizin,  sowie 
nach  der  pharmakologischen  Prüfung  dieses  Mittels  durch 
Straub  schien  mir  dasselbe  für  derartige  Versuche  geeignet, 
und  ich  kann  es  gleich  vorwegnehmen,  dass  die  bisherigen 
Erfahrungen  so  befriedigende  sind,  dass  ich  dieses  neue  Opium¬ 
ersatzpräparat  für  den  angegebenen  Zweck  empfehlen  kann. 
Dass  das  Narkophin  auch  in  Kombination  mit  Skopolamin  sich 
zum  Dämmerschlaf  sowohl  als  Vorbereitung  für  Narkosen 
(S  c  h  1  i  m  p  e  r  t),  wie  auch  bei  Geburten  eignet,  geht  ja  be¬ 
reits  aus  den  Erfahrungen  der  Münchener  Klinik  hervor 
(cf.  E.  Zweifel,  Monatsschrift,  Ergänzungsheft  zu  Bd.  36). 

Das  Narkophin  ist  bekanntlich  ein  von  Straub  ein¬ 
geführtes  neues  Opiumpräparat,  welches  von  den  im  Opium 
enthaltenen  Alkaloiden  nur  das  an  sich  wenig  wirksame 
Narkotin  und  das  Morphin  im  Verhältnis  1:1  in  der  Form 
des  mekonsauren  Salzes  enthält  (Morphin-Narkotin-Mekonat). 
Es  handelt  sich  bei  dieser  Kombination  um  eine  Wirkung!-  ' 
Potenzierung.  Gegenüber  dem  ungleich  zusammen¬ 
gesetzten  Pantopon  hat  das  Narkophin  den  Vorzug  der  Rejn-  , 
heit  und  Konstanz  der  Zusammensetzung  und  daher  auch  der 
Wirkung.  I 

Verwendet  wurde  von  mir  die  von  der  Firma  C.  F., 
Böhringer  &  Söhne  (Mannheim-Waldhof)  liebenswürdig  zur 
Verfügung  gestellte  Lösung  in  Ampullen  zu  1  ccm  =  0,03  Nar¬ 
kophin.  Ich  habe  bisher  niemals  eine  grössere  Dosis  verab¬ 
folgt,  auch  nie  irgend  welche  unangenehme  Nebenerschei¬ 
nungen  beobachtet.  Die  Wirkung  trat  gewöhnlich  schon  nach 
10  Minuten  hervor,  um  allerdings  erst  viel  später,  nach  2  bis 
3  Stunden,  ihren  Höhepunkt  zu  erreichen.  Dieser  Augenblick 


.  Januar  1912. MtJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


freilich  gerade  bei  meinen  Fällen  schwer  zu  bestimmen, 
eil  durch  den  Fortschritt  der  Geburt,  die  an  sich  ver- 
hiedene  Wehentätigkeit,  das  Eintreten  von  Presswehen  die 
»raussetzungen  sich  ständig  änderten.  Eine  schlafmachende 
irkung  trat  gegenüber  der  analgetischen  gewöhnlich  stark 
den  Hintergrund,  wenn  auch  in  manchen  Fällen  die  nie  zu 
müssende  „angenehme  Schlaffheit“  in  richtigen  Schlaf  über- 
lg,  aus  dem  die  Frauen  oft  kaum  während  der  Wehen  etwas 
wachten. 

Die  Erfahrungen  an  45  Fällen  sind  so  übereinstimmend 
tc  und  gleichmässige,  dass  ich  die  Fälle  nicht  einzeln  hier 
fzufiihren  brauche,  sondern  aus  den  stets  genau  gebuchten 
mbachtungen  nur  das  Gesetzmässige  hervorhebe. 

Zunächst  konnten  wir  feststellen,  dass  manchmal  schon 
ch  %  Stunde  eine  deutliche  Wirkung,  hauptsächlich  in  Form 
ychischer  Beruhigung  nachweisbar  war  und  die  Wehen, 
ntzdem  sie  noch  als  schmerzhaft  empfunden  wurden,  die 
lauen  nicht  so  quälten. 

Puls  und  Atmung  der  Frauen  blieben  unverändert,  ab- 
sehen  von  den  vorübergehenden  Schwankungen,  die  durch 
b  Wehentätigkeit  selbst  ausgelöst  werden. 

Die  kindlichen  Herztöne  zeigten  keine  Veränderung  unter 
m  Einfluss  des  Narkophins.  In  dem  einzigen  Falle,  in  dem 
gen  Ende  der  Austreibungsperiode  eine  konstant  fort- 
hreitende  Verlangsamung  der  kindlichen  Herzaktion  die 
dikation  zur  Beendigung  der  Geburt  durch  typischen  Forceps 
geben  hat,  scheint  mir  keinerlei  Zusammenhang  mit  der 
irkophininjektion  zu  bestehen. 

Der  Eintritt  der  Wirkung  wechselt  übrigens  je  nach  dem 
ande  der  Geburt  und  natürlich  auch  je  nach  der  Empfindlich- 
it  der  Frau.  In  der  Eröffnungsperiode  ist  die  Wirkung  ge- 
ihnlich  sehr  rasch  deutlich  und  es  genügt  oft  schon  %  ccm 
trkophin,  um  die  Schmerzhaftigkeit  der  Wehen  genügend 
rabzusetzen.  Wenn  die  Wehentätigkeit  in  der  Eröffnungs- 
riode  objektiv  eine  schwache  ist  und  nur  die  Reaktion  der 
treffenden  Frau  ungewöhnlich  stark  ist,  empfiehlt  es  sich 
erhaupt,  keine  grössere  Dosis  zu  geben,  da  andernfalls  in 
esem  Stadium  der  Geburt  eine  zu  starke  Herabsetzung  der 
ehentätigkeit  auftreten  kann.  Eine  Verlängerung  der  Er- 
nungsperiode  unter  dem  Einfluss  des  Narkophins  ist  im  all¬ 
meinen  nicht  zu  beobachten.  Fällt  die  Injektion  in  das  Ende 
r  Eröffnungs-  bezw.  den  Beginn  der  Austreibungsperiode, 
nn  beobachtet  man  wohl  öfters  eine  geringfügige  Ver- 
igerung  der  Geburtsdauer,  weil  auf  der  Höhe  der  Narko- 
inwirkung  manche  Frauen  die  Presswehen  weniger  aus- 
tzen.  Sie  sind  zu  schlaff  dazu.  Andererseits  war  in  manchen 
Heu  —  bei  Frauen,  die  infolge  übergrosser  Empfindlichkeit 
:ht  ordentlich  mitpressten  —  geradezu  ein  geburtsbeschleu- 
iender  Einfluss  des  Narkophins  zu  konstatieren,  insofern 
;  diese  Frauen  erst  durch  die  durch  das  Narkophin  erzeugte 
ychische  Beruhigung  und  Herabsetzung  des  Wehenschmerzes 
zu  gebracht  werden  konnten,  ordentlich  mitzupressen. 

In  6  Fällen  kam  es  auf  der  Höhe  der  Narkophinwirkung, 
s  ist  gewöhnlich  ziemlich  genau  nach  3  Stunden,  zu  einem 
ichlassen  der  Wehen  (grössere  Pausen,  kurze  Dauer,  geringe 
aft  derselben).  Das  wäre  natürlich  eine  unerwünschte 
benwirkung,  die  aber  dadurch  bedeutungslos  wird,  dass  es 
lsnahmslos  gelang,  sie  durch  Pituitrin  oder  Pituglandol 
eder  aufzuheben,  ohne  dass  sonst  die  Narkophinwirkung 
durch  gestört  worden  wäre. 

Verschiedentlich  notierten  wir,  dass  die  Frauen  in  der  Er- 
nungszeit  während  der  Wehenpausen  zu  schlafen  schienen 
d  nur  auf  Anruf  und  während  der  Wehen  erwachten,  um 
■bald  ohne  jeden  Schmerzlaut  weiter  zu  schlafen.  Anderer¬ 
es  musste  in  manchen  Fällen  konstatiert  werden,  dass  nach 
-4  Stunden  die  Wehen  wieder  fast  unverändert  schmerzhaft 
iren;  doch  handelte  es  sich  in  diesen  Fällen  stets  um  das 
de  der  Austreibungsperiode  und  es  erfolgte  innerhalb  einer 
Stunde  die  Geburt. 

In  2  Fällen  kamen  Versager  vor;  allerdings  gewannen 
r  den  Eindruck,  als  ob  trotzdem  die  Reaktion  der  Frauen 
i  die  Wehen  geringer  geworden  wäre.  Beide  Male  handelte 
sich  um  Fälle,  die  bei  so  weit  vorgeschrittener  Geburt  auf 
n  Kreisssaal  kamen,  dass  die  Austreibung  des  Kindes  er- 
gte,  noch  ehe  die  Narkophinwirkung  ihre  Höhe  erreicht  hatte. 
In  der  weitaus  grössten  Zahl  der  Fälle,  bei  denen  ich  von 
No.  2. 


73 


idealer  Narkophinwirkung  sprechen  möchte,  war  der  Verlauf 
folgender :  bereits  nach  einer  Viertelstunde 
überkommt  die  Frauen  eine  a  n  g  e  n  c  h  m  e 
Schlaffheit,  manchmal  Schläfrigkeit;  schon  nach  eine r 
h  a  1  b  e  n  Stunde  werden  die  Wehen  deutlich 
weniger  schmerzhaft  und  die  Frauen  ä  u  s  s  e  r  n 
keine  r  1  ei  Schmerzlaute.  Die  Wehen  bleiben 
unverändert  kräftig,  sind  aber  deutlich  weniger 
schmerzhaft,  höchstens  vorübergehend  tritt  manchmal  eine 
geringe  Abschwächung  der  Wehentätigkeit  ein,  wie  das  ja 
auch  ohne  Narkophin  oft  zu  beobachten  ist. 

Nachblutungen  oder  Störungen  im  Wo¬ 
chenbett  von  seiten  des  Darmes  und  der  Blase,  Störungen 
der  Milchsekretion  kamen  nicht  zur  Beobachtung. 

Auf  Grund  der  hier  geschilderten  Wirkung  muss  ich 
erklären,  dass  das  Narkophin  dem  von  mir  er¬ 
strebten  Zwecke  vollständig  entspricht. 
Ohne  irgendwelche  unangenehme  momen¬ 
tane  Nebenwirkungen  oder  Folgeerschei¬ 
nungen,  ohne  Schädigung  des  Kindes  gelingt 
es,  den  Wehen  schmerz  mindestens  soweit  herab- 
zusetzen,  dass  selbst  empfindliche  und  ängstliche  Frauen 
erklären,  es  gut  aushalten  zu  können.  Da  es  mir  nicht  zweck¬ 
mässig  erscheint,  eine  Amnesie  über  den  Geburtsvorgang  zu 
erzeugen  wie  im  Dämmerschlaf,  und  eine  Geburt  in  Narkose 
nicht  so  harmlos  ist,  um  als  Allgemeinverfahren  gelten  zu 
können,  erblicke  ich  in  dem  Narkophin  eine  wertvolle  Be¬ 
reicherung  unseres  Arzneischatzes  und  kann  wegen  der  Ge¬ 
fahrlosigkeit  diese  Art  der  Schmerzlinderung  bei  Geburten  zu 
allgemeiner  Nachprüfung  empfehlen. 


Ueber  Verletzungen  der  Ligamenta  cruciata  des 

Kniegelenks. 

Von  Dr.  R  u  d.  Pürckhauer, 

Spezialarzt  für  orthopädische  Chirurgie  in  München. 

Die  Zerreissung  der  Ligamenta  cruciata  gehört 
zu  den  allerseltensten  Verletzungen  des  Kniegelenkes.  Es  hat 
dies  seinen  Grund  einmal  in  der  anatomischen  Anordnung  und 
im  Verlauf,  dann  aber  auch  in  der  abnormen  Festigkeit  dieser 
beiden  äusserst  massigen  und  relativ  kurzen  Bänder,  die 
eher  ein  Abreissen  von  ihrem  Ansatz  und  damit  zugleich  eine 
Knochenverletzung  bewirken,  als  ein  blosses  Zerreissen  der 
Bänder  in  der  Substanz  zulassen. 

Wenn  die  Verletzung  auch  schon  früher  beschrieben 
wurde,  vor  allem  einzelnen  Autoren,  darunter  besonders 
Hönigschmied,  D  i  1 1  e  1  und  Pagenstecher,  Ver¬ 
anlassung  zu  ausgedehnten  und  grundlegenden  Leichenexperi¬ 
menten  gegeben  hat,  so  ist  das  Vorkommen  der  Verletzung 
doch  noch  so  selten,  dass  z.  B.  W  i  1  in  s  im  Lehrbuch  der 
Chirurgie  von  Wullstein  und  Wilms  meint  „über  die  Zer¬ 
reissung  der  im  Kniegelenk  verlaufenden  Bänder  wissen  wir 
nur  sehr  wenig“.  Leser  hält  in  seinem  Lehrbuch  der  Chi¬ 
rurgie  die  isolierte  Bänderzerreissung  des  Kniegelenkes  eben¬ 
falls  für  sehr  selten.  In  anderen,  auch  neuen  Lehrbüchern 
der  Chirurgie  und  Orthopädie  ist  über  die  Zerreissung  der 
Ligamenta  cruciata  überhaupt  nichts  zu  finden. 

Seitdem  die  Röntgenuntersuchung  nahezu  zum  allgemeinen 
Rüstzeug  der  Chirurgie  geworden  ist,  hat  sich  auch  in  der 
Anschauung  über  die  oben  beschriebene  Verletzung  eine 
kleine  Wandlung  vollzogen  und  schon  König  glaubt,  gestützt 
auf  drei  von  ihm  beobachtete  Fälle,  dass  die  Seltenheit  der 
isolierten  Kreuzbänderzerreissung  doch  etwas  zu  sehr  über¬ 
schätzt  wird.  Dieser  Ansicht  schliesst  sich  auch  Köhler 
auf  Grund  eines  von  ihm  beobachteten  Falles  an  dem  Leben¬ 
den  und  zweier  zufälliger  Leichenbefunde  an.  Fast  überein¬ 
stimmend  berichten  sämtliche  Autoren,  dass  bei  allen  Ver¬ 
letzungen  der  Ligamenta  cruciata  zugleich  Kuorpelabreis- 
sungeti  oder  auch  Knochenabsprengungen  zu  beobachten  ge¬ 
wesen  sind,  worauf  vielleicht  die  Entstehung  der  gar  nicht 
selten  beobachteten  Gelenkmäuse  zurückzuführen  ist. 

Es  mag  demnach  der  Vorschlag  Köhlers  nicht  mehr 
im  allgemeinen  von  einer  Zerreissung,  sondern  von  einer  Ab- 
reissung  resp.  Ablösung  der  Lig.  cruc.  zu  sprechen,  berech¬ 
tigt  sein. 


3 


74 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Seit  der  Veröffentlichung  Köhlers  in  der  Deutsch.  Zeit- 
schr.  f.  Chirurgie,  106.  Bd.,  1.— 3.  Heft,  ist  meines  Wissens  in 
der  neuesten  Literatur  kein  Fall  mehr  von  Abreissung  der 
Lig.  cruc.  beschrieben  worden. 

Da  ich  nun  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  zwei  Fälle 
dieser  immer  noch  sehr  seltenen  Verletzung  zu  untersuchen 
Gelegenheit  hatte,  möchte  ich  nicht  versäumen,  dieselben  der 
Veröffentlichung  in  einer  Zeitschrift  zu  übergeben,  die  vor 
allem  von  Praktikern  gelesen  und  für  sie  bestimmt  ist.  Einen 
dritten  Fall,  dessen  Beschreibung  ich  der  Liebenswürdigkeit 
eines  hiesigen  Kollegen  verdanke,  habe  ich  selbst  nicht  unter¬ 
sucht,  doch  möchte  ich  ihn  auch  hier,  da  er  ein  geradezu 
typisches  Beispiel  derVerletzungsweise  darstellt,  den  meinigen 
zurechnen. 

Auf  Grund  dieser  Fälle  glaube  ich  mit  Köhler  und 
König,  dass  die  Verletzung  der  Lig.  cruc.  tatsächlich  nicht 
so  überaus  selten,  wie  man  früher  angenommen  hat,  vor¬ 
kommt. 

Der  erste  Fall  trug  sich  folgendermassen  zu :  Ein  Kollege 
erhielt  im  Jahre  1905  bei  halbgebeugtem  Knie  gelegentlich  eines  russ- 
ballspieles  einen  Schlag  von  seinem  Partner  von  vorne  aussen  auf  den 
Tibiakopf.  Durch  diesen  Schlag  wird  das  Kniegelenk  in  plötzliche 
Streckung  versetzt,  der  Verletzte  stürzt  unter  intensivem  Schmerz 
zusammen.  Der  mächtige  Bluterguss,  der  sich  im  Anschluss  an  die 
Verletzung  sofort  gebildet  hat,  verbietet  eine  weitere  genauere  Unter¬ 
suchung.  Nach  dreiwöchentlicher  Bettruhe  soll  Patient  wieder  soweit 
gewesen  sein,  dass  er  habe  aufstehen  können,  er  habe  hierbei  noch 
starke  Schmerzen  und  ein  Gefühl  grosser  Unsicherheit  gehabt.  Erst 
nach  Monaten  wäre  er  soweit  gewesen,  dass  er  notdürftig  habe  gehen 
können.  Eine  intensive  Heissluft-  und  Massagekur  durch  Monate 
hindurch  habe  ihn  dann  wieder  leistungsfähig  gemacht. 

Bei  der  von  mir  vorgenommenen  Untersuchung  gibt  der  Kollege 
an,  dass  er  auf  unebenem  Boden  nur  sehr  unsicher  gehen  könne 
und  häufig  das  Gefühl  habe,  dass  er  Zusammenstürze.  Sonst  aber 
könne  er  weite  Touren  machen  und  sogar  Sport  in  ausgiebiger  Weise 
betreiben,  nur  müsse  er  sich  noch  vor  Schleuderbewegungen  sehr  in 
acht  nehmen.  Bei  schnellem  Gehen  über  holperigen  Boden  sei  es 
ihm  schon  öfters  passiert,  dass  der  Unterschenkel  mit  einem  plötz¬ 
lichen  Ruck  nach  vorne  gerutscht  sei.  Er  habe  hierbei  intensive 
Schmerzen  im  Knie  gespürt. 

Befund:  Aeusserlich  ist  an  dem  verletzten  Knie  gar  nichts 
Abnormes  zu  sehen.  Die  Konfiguration  des  Kniegelenkes  ist  links  und 
rechts  die  gleiche,  während  die  Oberschenkelmuskulatur  links  etwas 
atrophisch  erscheint.  Auch  bei  gebeugtem  Knie  ist  keine  augen¬ 
fällige  Veränderung  wahrzunehmen.  Der  Umfang  um  das  Knie  ist 
beiderseits  gleich.  Der  Tastbefund  ergibt  ebenfalls  nichts  Abnormes. 
Beugung  und  Streckung  beiderseits  normal.  Seitliche  Wackel¬ 
bewegungen  sind  bei  vollständig  gestrecktem 
Knie  nicht  vorhanden.  Beugt  Patient  beim  Stehen  das  Knie 
in  einem  Winkel  von  20°  und  kontrahiert  er  den  Gastrocnemius 
stark,  so  vermag  er  unter  lautem  Geräusch  den  Ober¬ 
schenkel  nach  vorne  zu  subluxieren.  In  diesem  Zu¬ 
stand  fühlt  man  den  vorderen  Rand  des  Schienbeinkopfes  unter  der 
stark  gespannten  Haut  hervortreten.  Oberhalb  des  Kopfes  befindet 
sich  eine  Vertiefung,  in  die  man  bequem  einen  Mittelfinger  hinein¬ 
legen  kann  und  welche  durch  das  Zurückweichen  des  Oberschenkels 
bedingt  ist.  ln  der  Kniekehle  befindet  sich  dementsprechend  ein  Vor¬ 
sprung.  den  die  beiden  Condyli  femoris  verursachen.  Der  Kollege 
vermag  durch  Anspannung  des  Quadrizeps  die  Subluxation  selbst 
unter  dem  nämlichen  starken  Geräusch  wieder  einzurenken.  Dieses 
Symptom  der  spontanen  Luxation  vermag  Patient  auch  im  Liegen 
hervorzubringen,  wenn  er  dabei  gegen  einen  Gegensrand  zu  treten 
Gelegenheit  hat. 

Das  aufgenommene  Röntgenbild  von  vorne  ( Abb.  1 ) 

fern,  ausgehendes  und  mit  diesem 
zusammenhängendes  Kno¬ 
chenstückchen,  das  in  die 
Fossa  intercondylica  femoris  hi¬ 
neinragt.  Der  Gelenkspalt  ist  am 
lateralen  Teil  etwas  verschmälert. 
Mit  Ausnahme  einer  auf  beginnende 
Arthritis  deformans  hinweisenden 
Osteophytenbildung  ist  nichts  Ab¬ 
normes  sonst  zu  sehen.  Das 
Röntgenbild  von  der  Seite 
(Abb.  2)  zeigt  ein  loses  Knochen¬ 
stückchen,  das  direkt  neben  und  in 
der  Höhe  des  Tibiakopfes  in  der 
Kniekehle  liegt. 

Der  zweite  Fall  betrifft 
ein  kräftiges,  etwa  20  jähriges 

1U116W  _ „  .  _ Jahren  beim  Heruntersteigen  einer 

Leiter  mit  dem  Stiefelabsatz  an  einer  Sprosse  hängen  geblieben  ist. 
Der  Unterschenkel  habe  sich  gegen  den  Längsbaum  der  Leiter  ge¬ 
drückt,  während  der  Oberkörper  kopfüber  und  seitlich  neben  die 
Leiter  gefallen  sei.  Sie  wäre  nach  dem  Sturz  einige  Zeit  bewusstlos 


gewesen.  Das  Knie  wäre  stark  geschwollen  und  äusserst  empfindlich 
gewesen.  Eine  Behandlung  sei  nicht  erfolgt.  Sie  wäre  trotz  des 
geschwollenen  Knies  schon  nach  8  Tagen  wieder  aufgestanden  und 
hätte  zu  arbeiten  begonnen.  Die  Schmerzen,  die  sie  anfänglich  gehabt 
habe,  seien  mit  der  Zeit  geringer  geworden,  doch  bestünden  auch 
beim  Stehen  Schmerzen  oberhalb  des  Knies  an  dessen  Aussenseite. 
Beim  Gehen  —  vor  allem  auf  unebenem  Boden  —  schnappe  das 
Knie  sehr  häufig  unter  lautem  Geräusch  nach 
hinten  aus,  sie  könne  dann  nicht  mehr  weitergehen  und  nabe 
danach  erhöhte  Schmerzen.  Länger  wie  eine  halbe  Stunde  vermag 
sie  nie  ohne  Schmerzen  im  Kniegelenk  zu  gehen. 

Befund:  Bei  der  Untersuchung  ergibt  sich  mit  Ausnahme  eines 
inässigen  Genu  recurvatum  äusserlich  gar  nichts  Abnormes.  Die 
Beweglichkeit  im  Sinne  der  Beugung  und  Streckung  ist  vollkommen 
normal.  Seitliche  Wackelbewegungen  sind  bei 
Streckung  des  Kniegelenkes  nicht  möglich.  Ober¬ 
halb  des  Condyl.  lat.  fern,  entsprechend  dem  Kapselansatz  gibt  Pa¬ 
tientin  bei  der  Untersuchung  mässige  Schmerzen  an.  Lässt  man  sich 
den  Oberschenkel  fest  fixieren  und  versucht  den  Unterschenkel  gegen 
den  Oberschenkel  bei  Streckung  nach  vor-  und  rückwärts  zu  schieben, 
so  vermag  man  den  Unterschenkel  mit  einem  Ruck  nach  hinten  zu 
subluxieren,  so  dass  man  die  Condyli  femoris  stark  nach  vorne  vor¬ 
springend  fühlt  und  auch  schon  sieht,  während  man  in  der  Kniekehle 
den  Tibiakopf  als  Vorsprung  bemerkt.  Wenn  Patientin  steht,  so 
vermag  sie  bei  geringer  Ueberstreckung  des  Kniege¬ 
lenkes  die  Tibia  unter  lautem  Geräusch  und  sicht-, 
barem  Ruck  nach  hinten  zu  subluxieren.  Bei  dieser  . 
Bewegung  ist  hauptsächlich  der  Quadrizeps  stark  gespannt,  aber  1 
auch  die  Beuger  des  Knies  befinden  sich  im  Zustande  der  Spannung, 
wohl  mehr  durch  den  nach  hinten  vorspringenden  Tibiakopf.  Durch 
Uebergehen  in  die  normale  Streckung  schnappt  das  Knie  unter  dem¬ 
selben  lauten  Geräusch  wieder  ein. 

Das  Röntgenbild  ergibt  mit  Ausnahme  einer  kleinen,  in  der 
Fossa  condylica  des  Condylus  femoris  lateralis  bestehenden  Rauhig¬ 
keit  nichts  Abnormes. 

Der  dritte  Fall  soll  sich  folgenderweise  zugetragen  haben: 
Ein  junges,  kräftiges  Mädchen  will  vom  Randstein  des  I  rottoirs  die 
Strasse  erreichen,  kommt  aber  noch  bevor  sie  den  Fuss  herabsetzt  so 
zu  Fall,  dass  sie  mit  dem  Oberkörper  nach  hinten  überstürzt.  Hierbei 
kommt  das  andere  Bein  quer  in  die  Kniekehle  des  gebeugten  ersten 
Beines.  Ein  intensiver  Schmerz  und  sofortige  starke  Schwellung  des 
Knies  machen  weiteres  Gehen  unmöglich.  Der  hinzugezogene  Kollege 
konstatiert  eine  Subluxation  der  Tibia  nach  hinten.  Es  ist  bei 
fixiertem  Oberschenkel  die  Tibia  gegen  den  Oberschenkel  nach  vor- 
und  rückwärts  zu  schieben.  Ein  Röntgenbild  wurde  nicht  aufge- 
nommen.  Unter  Bettruhe,  Umschlägen,  später  Massage  und  Bandage, 
kann  Patientin  nach  wenigen  Wochen  wieder  aufstehen,  doch  rutscht 
der  Unterschenkel  häufig  nach  hinten,  so  dass  sie  im  Gehen  stark 
behindert  ist  und  das  Gefühl  der  Unsicherheit  hat.  Patientin  hat 
sich  nie  mehr  richtig  erholt  und  geht  später  an  Phthise  zugrunde. 

Die  drei  angeführten  Fälle  stellen  geradezu  klassische 
Typen  des  Verletzungsmechanismus  der  Lig.  cruc.  dar.  Nach 
den  ausgedehnten  Leichenexperimenten  Hönigschmieds 
und  Pagen  Stechers  müssen  wir  vier  Arten  des  Ent¬ 
stehungsmechanismus  der  Kreuzbandzerreissungen  unter¬ 
scheiden.  Kommt  ein  Knie  durch  irgend  eine  Ursache  in  starke 
Hyperextension,  so  kommt  es  zur  Lostrennung  der  Lig. 
cruc.  und  zwar  reisst  in  den  meisten  Fällen  zuerst  das  vordere 
Kreuzband  und  erst  bei  fortwirkender  Gewalt  das  hintere  los. 
Die  Stellen,  an  welchen  die  Abreissung  erfolgt,  sind  nahezu 
immer  konstant.  So  war  in  18  Versuchen  Hönig¬ 

schmieds  das  hintere  Kreuzband  stets  vom  Femur  und  das 
vordere  17  mal  von  der  Tibia  losgetrennt. 

In  meinem  ersten  Fall,  den  ich  als  durch  Hyper 

e  x  t  e  n  s  i  o  n  entstanden  erkläre,  scheint  das  Lig.  cruc.  nichi 
wie  Hönigschmied  annimmt  von  der  Tibia,  sondern  von 
Femur  abgerissen  zu  sein.  Jedenfalls  spricht  hierfür  dei 
Knochenvorsprung  an  der  Fossa  intercondyl.  des  Condyl.  med 
Durch  einen  Abriss  des  Lig.  cruc.  post,  kommt  es  zu  den 
Abrutschen  des  femur  nach  vorne,  resp.  der  Tibia  nach  hinten 
Durch  einen  Abriss  des  Lig.  cruc.  anter.  ist  der  Tibia  ein  Ab 
rutschen  nach  vorne  ermöglicht.  Hüter  erklärt  den  Mecha 
nismus  der  Luxation  nach  vorne  infolge  Ueberstreckung  in  fol 
gender  Weise:  Durch  den  Schluss  der  Ueberstreckung  bilde 
sich  am  vorderen  Rand  der  Tibia  ein  Hypomochlion;  nachden 
beide  Ligamenta  lateralia  und  beide  Ligamenta  cruciata  durch  dh 
überstreckende  Gewalt  zerrissen  sind,  heben  sich  die  hinterer 
Abschnitte  der  Gelenkflächen  in  der  Kniekehle  voneinande 
ab  und  durch  die  sekundäre  Bewegung,  welche  im  Sinne  de 
Beugung  stattfinden  muss,  tritt  die  Tibia  nach  vorne  und  de 
Femur  nach  hinten.  —  Wenn  man  nach  Hönigschmie« 
an  der  Leiche  diese  Bewegungen  ausführt,  „so  gelingt  es  nu 
selten,  eine  Verrenkung  hervorzurufen.  Dies  erklärt  sich  da 


ergibt  ein  von  dem  Condyl.  lat. 


innffpc  MäHehen  rla«  vnr  etwa  5 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


75 


raus,  weil  hei  der  Ueberstreckung  an  der  Leiche  sich  nur 
schwer  der  Mechanismus  nachahmen  lässt,  wie  er  stattfindet, 
wenn  bei  fixiertem  Unterschenkel  der  Körper  vorwärts  fällt“. 
—  Durch  extreme  Streckung  werden  zwar  die  Ligamenta  zer¬ 
rissen,  aber  es  fehlt  der  Einfluss  der  Körperschwere  als  dis¬ 
lozierendes  Moment. 

In  unserem  Falle  vermag  der  Patient  bei  fixiertem  und  be¬ 
lasteten  Unterschenkel  in  einer  gewissen  Stellung  die  Tibia 
nach  vorne  zu  luxieren.  Er  kann  dies  Phänomen  nicht  hervor¬ 
bringen,  wenn  er  den  Unterschenkel  nicht  belastet.  Ver¬ 
schiebung  der  Tibia  nach  hinten  ist  ihm  unmöglich  hervor¬ 
zurufen. 

Ich  nehme  an,  dass  gleichzeitig  neben  dem  Lig.  cruc. 
anter.  auch  das  Lig.  cruc.  post,  gerissen  ist  und  dass,  wie  in 
solchen  Fällen  überhaupt,  eine  Zerreissung  der  Lig.  lat.  erfolgt 
ist,  neben  der  Lostrennung  der  hinteren  Kapselwand. 

Den  zweiten  Typus  des  Verletzungsmechanismus  stellt 
der  3.  Fall  vor,  der  durch  Hyperflexion  entstanden  ist. 
Eine  Verletzung  der  Lig.  cruc.  und  der  übrigen  Bänder  des 
Kniegelenkes  durch  eine  in  normalen  Grenzen  sich  bewegende 
Flexion  ist  am  Lebenden  sowohl  wie  an  der  Leiche  durch  die 
massigen  Weichteile  des  Ober-  und  Unterschenkels  ausge¬ 
schlossen,  auch  wenn  man  die  Flexion  soweit  treibt,  dass  die 
Ferse  das  Gesäss  berührt.  Erst,  wenn  man  nach  Honig- 
schmied  am  Kadaver  durch  einen  in  die  Kniekehle  ge¬ 
schobenen  Keil  die  Ueberflexion  zu  übertreiben  sucht,  wird 
das  vordere  Kreuzband  sich  von  seiner  Femuralinsertion  ab- 
lösen  und  der  Meniscus  lateralis  vom  Kondylus  der  Tibia  sich 
abheben.  Dieser  Zustand  tritt  erst  dann  ein,  wenn  der  hintere 
Rand  des  Tibiakopfes  sich  gegen  das  Femur  stemmt.  D  i  1 1  e  1 
beschreibt  einen  Fall,  der  auf  oben  beschriebene  Weise  ent¬ 
standen  ist: 

„Ein  junger  Mann  wird  zum  Wirtshaus  hinausgeworfen,  er 
kommt  dabei  in  kniende  Stellung,  bevor  er  aber  das  Knie  voll¬ 
ständig  beugt,  bekommt  er  noch  einen  Tritt  in  die  Kniekehle.  Die 
Folge  ist  ein  Abriss  des  Lig.  cruc.  ant.  und  Luxation  des  Unter¬ 
schenkels  nach  vorne.“ 

Auch  Pagen  Stecher  beschrieb  einen  ähnlichen  Fall. 
Diesen  beiden  Fällen  reiht  sich  mein  3.  Fall  an,  der  auf  die 
oben  beschriebene  Weise  dadurch  entstanden  ist,  dass  im 
Moment  der  Beugung  das  andere  Bein  quer  in  die  Kniekehle 
zu  liegen  kam,  während  die  Schwerkraft  des  Körpers  nach 
unten  vorne  weiterwirkte.  Es  muss  in  diesem  Falle  das  Lig. 
cruc.  anter.  vom  Condyl.  fern.  lat.  abgerissen  und  die  Tibia 
nach  hinten  luxiert  sein. 

Als  dritter  Typus  des  Entstehungsmechanismus  ist  unser 
2.  Fall  charakteristisch.  Er  ist  enstanden  durch  Ueber¬ 
streckung  und  gleichzeitige  hochgradige 
seitliche  Abduktion  nach  aussen.  Nach  Leichen¬ 
versuchen  reisst  zunächst  das  Lig.  lat.  intern,  ab,  dann  das 
Lig.  cruc.  post.,  hierauf  aber  erst  das  Lig.  cruc.  ant.  Das  Lig, 
lat.  extern,  bleibt  bei  dieser  Form  immer  erhalten.  Häufig 
wird  bei  dieser  Form  der  Verletzung  auch  der  Zwischen¬ 
knorpel  —  besonders  der  innere  —  losgetrennt.  Dass  es  sich 
bei  dem  angeführten  Fall  um  eine  Kreuzbandverletzung  han¬ 
delt,  schliesse  ich  vor  allem  aus  der  abnormen  Ver¬ 
schieblichkeit  des  Unterschenkels  gegen 
den  Oberschenkel,  die  Patientin  spontan  bei  geringer 
Hyperextension  unter  lautem  Geräusch  vollziehen  kann. 
Das  gleichzeitige  Zerreissen  des  Lig.  lat.  int.  ist  offen¬ 
bar  wieder  geheilt,  da  seitliche  Wackelbewegungen  des  Knies 
nicht  vorhanden  sind,  während  die  bestehenden  Schmerzen 
noch  auf  die  Zerreissung  des  Bandes  an  seinem  Ansatz 
nindeuten.  —  Wird  die  seitliche  Bewegung  im  Knie¬ 
gelenk  nach  der  anderen  Seite,  also  im  Sinne  der  Hyper¬ 
adduktion  ausgeführt,  so  reissen  die  Bänder  in  umgekehrter 
Weise,  nämlich  das  Lig.  lat.  ext.,  das  Lig.  cruc.  ant.  und  das 
Lig.  cruc.  post. 

Der  Vollständigkeit  halber  erwähne  ich  noch  den  4.  Ver- 
letzungstypus  der  Lig.  cruc.,  der  durch  starke  Rotation 
des  Unterschenkels  nach  innen  oder  aussen  verursacht  wird. 
Nur  sehr  starke  Gewalten  vermögen  gleichzeitig  mit  schweren 
Nebenverletzungen  der  inneren  oder  äusseren  Gelenkbänder 
und  der  Gelenkkapsel  die  Lig.  cruc.  zu  beschädigen. 

Was  die  von  mir  beschriebenen  Fälle  besonders  inter¬ 
essant  macht,  ist  die  Tatsache,  dass  es  sich  —  wenigstens  bei 


Fall  1  und  2  —  um  eine  Beobachtung  über  längere  Zeit  be¬ 
stehende  Verletzungen  des  Lig.  cruc.  handelt,  also  um  wirk¬ 
liche  Spätformen  dieser  seltenen  Verletzung.  Bisher  wurden 
in  der  ganzen  Literatur  8  Fälle  von  Zerreissungen  der  Lig. 
int.  beobachtet  und  beschrieben.  Diese  8  Fälle  kamen  zumeist 
schon  nach  kurzer  Zeit  in  Behandlung;  Fälle  aber,  die  derartig 
lange  Zeit  zurückliegen,  wie  die  oben  beschriebenen,  sind 
meines  Wissens  noch  nicht  beschrieben  worden  und  doch 
glaube  ich,  dass  isolierte  Kreuzbandzerreissungen  häufiger 
Vorkommen.  Wenn  auch  —  wie  ich  schon  oben  erwähnte  — 
die  Diagnose  einer  Zerreissung  resp.  Abreissung  der  Lig.  cruc. 
gleich  oder  unmittelbar  nach  der  Verletzung  schon  wegen  der 
starken  Empfindlichkeit  und  des  bestehenden  hochgradigen 
intraartikulären  Ergusses  oft  auch  recht  schwierig  ist,  so  sollte 
man  mindestens  nach  Abklingen  der  ersten  akuten  Erschei¬ 
nungen  auf  Symptome  einer  etwa  bestehenden  Zerreissung 
der  Lig.  cruc.  utersuchen. 

Liegt  eine  Zerreissung  der  Lig.  cruc.,  jener  mächtigen 
Bänder  des  Kniegelenkes,  welche  den  Oberschenkel  und  Unter¬ 
schenkel  in  jeder  Stellung  fest  aufeinander  fixieren,  vor,  so  ist 
fast  ausnahmslos  eine  Verschiebung  des  Unter¬ 
schenkels  gegen  den  Oberschenkel  vor- 
oder  rückwärts  auszuführen.  Ich  glaube,  dass 
gerade  diese  Subluxationsmöglichkeit  der  Tibia  gegen 
den  Femur  in  veralteten  Fällen  als  einziges  Symptom 
der  Zerreissung  der  Lig.  cruc.  zurückbleibt,  während  die 
gleichzeitigen  Nebenverletzungen,  wie  die  Zerreissung  der  Lig. 
lat.  oder  der  Kapsel  bekanntlich  rasch  heilen.  Die  kurzen 
massigen  und  straffen  Lig.  cruc.  werden,  wenn  sie  einmal  in 
ihrer  Substanz  vollständig  auseinanderreissen,  von  selbst 
meines  Erachtens  nicht  so  leicht  mehr  zusammenheilen,  jeden¬ 
falls  nicht  mehr  ihre  frühere  elastische  Spannung  erreichen. 
Es  wäre  deshalb  im  Interesse  des  Patienten,  eine  möglichsi 
frühzeitige  Naht  des  zerrissenen  resp.  abgerissenen  Liga¬ 
mentums  sehr  wünschenswert.  Die  Eröffnung  des  Gelenkes 
zu  diesem  Zweck  bietet  aseptisch  ausgeführt  keine  Schwierig¬ 
keit  und  gestattet  ausserdem  noch  eine  Inspizierung  der  üb¬ 
rigen  Gebilde  desselben.  —  Bei  veralteten  Fällen  möchte  ich, 
ausgenommen  wenn  die  Beschwerden  und  die  Behinderung 
der  Leistungsfähigkeit  sehr  stark  sind,  der  Naht  des  Liga¬ 
mentums  nicht  das  Wort  reden;  auch  Pagenstecher  hatte 
damit  nicht  den  gewünschten  Erfolg.  —  Ich  habe  in  meinem 
2.  Fall  durch  eine  kurze  mit  Gelenk  versehene  Kniehülse, 
welche  eine  Ueberstreckung  im  Knie  und  dadurch  die  Sub¬ 
luxationsmöglichkeit  der  Tibia  verhindert,  die  Patientin 
beschwerdefrei  gebracht,  während  der  1.  Fall  wegen  der 
geringen  Erscheinungen  eine  weitere  Behandlung  nicht  nötig 
machte. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Krankenhauses  der 
Barmherzigkeit  in  Königsberg  i.  Pr. 

Zur  Kasuistik  der  subkutanen  Leberruptur. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Flath,  dirigierendem  Arzt  der  Abteilung. 

Die  Fälle  subkutaner  Leberrupturen  sind  wohl  im  all¬ 
gemeinen  nicht  allzu  selten.  Aber  sie  bieten  doch  schon  in¬ 
sofern  einiges  Interesse,  als  die  Diagnose  ante  operationem 
mit  Sicherheit  kaum  zu  stellen  ist,  und  jeder  einzelne  Fall 
unsere  Kenntnis  der  Therapie  der  Bauchverletzungen  er¬ 
weitert.  So  möchte  ich  im  nachstehenden  über  2  Fälle  von 
subkutanen  Leberrupturen  berichten,  die  immerhin  einiges 
Interesse  bieten. 

In  dem  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  einen  35  jährigen  land¬ 
wirtschaftlichen  Arbeiter,  der  gelegentlich  einer  Builenschau  von 
einem  Builen  von  hinten  her  gegen  die  Krippe  des  Stalles  gedrückt 
worden  war.  Er  kam  5  Stunden  nach  dem  Unfall  mit  den  Anzeichen 
einer  inneren  Bauchverletzung  ins  Krankenhaus.  Es  bestand  am  rech¬ 
ten  Rippenbogenrand  eine  ganz  oberflächliche  Hautverletzung  mit 
einzelnen  kleinen  Sugillationen.  Die  Bauchdecken  waren  deutlich 
gespannt  und  druckempfindlich;  ein  Unterschied  in  der  Spannung 
des  rechten  und  linken  Rektus  bestand  nicht.  Erbrechen  war  mehrere 
Male  aufgetreten.  Das  blasse  Aussehen,  der  kleine  frequente  Puls 
machten  eine  stärkere  innere  Blutung  wahrscheinlich.  Bei  der  sofort 
in  Aethernarkose  vorgenommenen  Laparotomie  mit  Schnittführung 
durch  den  rechten  Rektus  wegen  der  Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
einer  Leberruptur  fand  sich  eine  grosse  Menge  teils  flüssigen  teils 
geronnenen  dunklen  Blutes  in  der  Bauchhöhle.  Das  Blut  fand  sich 
sowohl  im  oberen  wie  im  unteren  Teile  des  Bauches.  Die  Revision 

3* 


'6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


der  Leber  ergab  eine  ganz  glatte  Oberfläche,  nirgends  die  bpur  einer 
Verletzung.  Nach  sorgfäftigem  Austupfen  sah  man,  dass  immer  neues 
Blut  von  oben  herabrieselte,  dass  somit  die  Ursache  der  Blutung  im 
oberen  Teile  des  Abdomens  sitzen  musste.  Beim  erneuten  Aus¬ 
wischen  des  Blutes  fand  sich  ein  Gewebsstückchen,  das  unschwer 
als  Lebergewebe  zu  erkennen  war.  Nun  war  die  Ursache  der  ßiu- 
tung  klar,  aber  erst  nach  genauer  Untersuchung  der  hinteren  Leber- 
fläche  gelang  es  mir,  mit  dem  Finger  in  eine  etwa  2  qcm  grosse 
Höhle  zu  kommen,  in  der  das  Lebergewebe  zertrümmert  war.  Die 
beschädigte  Partie  gehörte  offenbar  dem  Lobus  Spigeln  an  und 
entsprach  der  Stelle,  die  vor  der  Wirbelsäule  gelegen  war.  Nach 
fester  Tamponade  der  Rupturstelle  mit  Vioformgaze  und  Drainage 
der  mit  Kochsalz  ausgespülten  Bauchhöhle,  wobei  ich  zur  Sicherheit 
ein  zweites  Drain  im  unteren  Wundwinkel  nach  dem  Douglas  zu 
einlegte,  wurde  die  Bauchhöhle  durch  durchgreifende  Seidenknopi- 
nähte  bis  auf  die  Tamponade-  und  Drainstellen  geschlossen.  Das 
Drain  im  unteren  Wundwinkel  wurde  am  3.  Tage  entfernt,  die  lam- 
ponade  und  Drainage  nach  der  Leberwunde  blieb  bis  zu  14  lagen 
liegen,  nachdem  vom  8.  Tage  ab  die  Tampons  gelockert  woiden 
waren.  Die  Sekretion  war  blutig-serös,  niemals  gallig.  Der  Verlaut 
war  völlig  fieberfrei.  Die  Heilung  selbst  wurde  dadurch  etwas  ver- 
zögert,  dass  der  Wundtrichter  an  der  Tamponade-  und  Drainstelle 
sich  nur  langsam  schloss.  Bei  der  am  12.  Juni  erfolgten  Entlassung 
war  die  Bauchwunde  vollkommen  fest  und  reizlos,  dei  Mann  selbst 

völlig  beschwerdefrei.  ... 

Ein  zweiter  Fall  kam  4  Tage  später  zur  Aufnahme.  Hier  han- 
delte  es  sich  um  einen  19  jährigen  Kutscher,  der  infolge  Scneuens  dei 
Pferde  vor  einem  Automobil  beim  heftigen  Anprall  des  Wagens  an 
einem  Chausseestein  mit  grosser  Wucht  gegen  die  vordere  bcnutz- 
wand  des  Kutscherbocks  geschleudert  worden  und  über  die  bchutz- 
wand  heruntergefallen  war.  Er  kam  4  Stunden  nach  der  Verletzung 
ins  Krankenhaus  und  bot  das  gleiche  Bild  der  inneren  Bauchverletzung 
wie  der  zuerst  beschriebene  Fall.  Bei  der  gleich  nach  der  Aufnahme 
vorgenommenen  Laparotomie  ergab  sich  ein  wesentlich  einfacheit-i 
Befund  insofern,  als  gleich  ein  an  der  Vorderfläche  quer  durch  die 
Leber  verlaufender  Riss  als  die  Ursache  der  inneren  Blutung  fest- 
zustellen  war.  Er  verlief  etwa  2  Finger  breit  oberhalb  des  Leber¬ 
randes  in  einer  Ausdehnung  von  etw^a  8  cm  Länge.  In  dei  rechten 
Mammillarlinie  war  die  Leberkapsel  in  Form  eines  Rechtecks  von 
1:1  cm  abgerissen,  das  Lebergewebe  lag  hier  frei  zutage,  im  Uebri- 
gen  fand  sich  nur  ein  glatter  Spalt  von  etwa  2  cm  Tiefe.  Zog  man 
die  Spaltränder  etwas  auseinander,  so  setzte  eine  stärkere  Blutung 
ein  die  beim  Andrücken  der  Ränder  aufhörte.  Bei  der  günstigen 
Lage  des  Risses  wurde  die  Naht  versucht,  die  sich  leicht  als  Kapsel¬ 
naht  mit  Einstich  in  das  Lebergewebe  ausfiihren  liess.  An  der  Stelle, 
wo  die  Kapsel  abgerissen  war,  gelang  es,  durch  kräftiger  angezogene 
Nähte  doch,  die  Kapselränder  einander  zu  nähern  und  die  Leberwunde 
zu  überdecken.  Die  Blutung  stand  sicher,  jedoch  wurde  die  Naht¬ 
stelle  der  Sicherheit  wegen  tamponiert  und  die  Bauchhöhle  drainiert, 
während  die  Bauchwunde  sonst  durch  durchgreifende  Seidenknopf- 
nähte  geschlossen  wurde.  Auch  in  diesem  Falle  verlief  die  Heilung 
fieberfrei;  die  Bauchwunde  schloss  sich  bis  auf  die  Tamponstelle 
rasch.  Der  Wundtrichter  an  der  Tamponstelle  heilte  per  granula¬ 
tionein  doch  war  auch  an  dieser  Stelle  die  Narbe  vollkommen  fest, 
so  dass  auch  dieser  Patient  am  22.  Juni  beschwerdefrei  entlassen 
werden  konnte.  Dass  beide  Fälle  tatsächlich  beschwerdefrei  gewesen 
und  geblieben  sind,  mag  die  Tatsache  beweisen,  dass  keiner  auch  nur 
den  Versuch  eines  Rentenanspruchs  gemacht  hat. 

Diese  beiden  Fälle  mögen  ein  Beweis  dafür  sein,  dass  bei 
dem  blossen  Verdacht  einer  inneren  Bauchverletzimg  die  ein¬ 
zige  Therapie  nur  die  sofortige  Laparotomie  sein  kann.  Beide 
Fälle  kamen  frisch  zur  chirurgischen  Behandlung  und  konnten 
beide  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  völlig  geheilt  werden. 
Es  kommt  bei  der  Stellung  der  Diagnose  einer  inneren  Bauch¬ 
verletzung  gar  nicht  zuerst  darauf  an,  dass  man  den  Sitz 
genau  diagnostiziert,  als  vielmehr  darauf,  dass  man 
überhaupt  die  innere  Verletzung  diagnostiziert. 
Mir  will  scheinen,  dass  heutzutage  noch  vielfach  mit  der  Mög¬ 
lichkeit  der  Schockwirkung  bei  der  Bauchkontusion  gerechnet 
wird,  und  dass  man  aus  diesem  Grunde  die  Fälle,  die  im  An¬ 
fang  kein  klares  Bild  geben,  vielfach  hinhält,  bis  eben  das  Bild 
geklärt,  und  damit  der  Zeitpunkt  zur  Operation  versäumt  ist. 
Glücklicherweise  haben  wir  in  der  Spannung  der  Bauchdecken 
ein  untrügliches  Zeichen  für  eine  innere  Bauchverletzung,  und 
es  muss  darum  als  erster  Grundsatz  gelten,  jeden  Fall  von 
Bauchkontusion,  bei  dem  Bauchdeckenspannung  besteht,  so 
rasch  wie  möglich  zu  laparotomieren. 

In  unseren  beiden  Fällen  war  aus  der  Bauchdecken- 
spannung  die  Diagnose  auf  eine  innere  Bauchverletzung  ge¬ 
stellt  worden;  aus  der  Stelle,  wohin  das  Trauma  getroffen 
hatte,  konnte  mit  Wahrscheinlichkeit  eine  Leberverletzung 
angenommen  werden.  Dass  aber  trotzdem  das  Auffinden  dei 
verletzten  Stelle  bei  der  Operation  Schwierigkeiten  machen 
kann,  beweist  der  erste  Fall.  Aber  diese  Schwierigkeiten 
lassen  sich  eher  überwinden  in  frischen  Fällen,  wo  man  dem 


Patienten  noch  etwas  zumuten  kann,  als  in  solchen,  wo  der 
völlig  ausgeblutete  Fall  zur  äussersten  Beschleunigung  der 
Operation  drängt. 

Bezüglich  der  Ausführung  der  Operation  konnten  in 
unseren  Fällen  keine  Zweifel  bestehen.  Im  Fall  1  war  eine 
Naht  nicht  möglich,  und  auch  das  in  letzter  Zeit  mehrfach 
empfohlene  Einnähen  von  Netz  war  nicht  durchführbar.  Hier 
kam  einzig  und  allein  eine  sichere  feste  1  amponade  in  Be¬ 
tracht.  In  dem  2.  Falle,  der  zur  Naht  günstig  lag,  konnte  die¬ 
selbe  mit  gutem  Erfolg  gemacht  werden;  doch  möchte  ich 
auch  in  einem  solchen  Fall  die  gleichzeitige  Tamponade  nicht 
unterlassen,  denn  die  Naht  allein  scheint  mir  doch  zu  unsichci. 
Allerdings  hat  ja  die  Tamponade  den  Nachteil,  dass  sic  einen 
völligen  Schluss  der  Bauchwunde  nicht  zulässt,  und  dass  da¬ 
durch  die  Heilung  etwas  verzögert  wird.  Aber  immerhin  hat 
mir  die  Tamponade,  die  ich  stets  mit  einer  Drainage  dei 
Bauchhöhle  verbinde,  stets  als  ein  Sicherheitsventil  gegolten, 
das  ich  in  solchen  Fällen  nicht  entbehren  möchte. 


Aus  der  Kinderklinik  des  städtischen  Krankenhauses  in  Fiank- 
furt  a.  M.  (Direktor:  Dr.  v.  Mettenheime  r). 

Zur  Pathologie  des  Morbus  Banti*). 

Von  Dr.  Paul  Grosser  und  Dr.  Georg  Schaub. 

Am  4  XII.  11  wurde  die  lü  Jahre  alte  Luise  W.  in  die  Kinder¬ 
klinik  gebracht.  Sie  ist  das  3.  Kind  von  3  Geschwistern.  Die  Geburt 
verlief  normal;  das  Kind  wurde  8  Monate  lang  gestillt  und  ent¬ 
wickelte  sich  im  allgemeinen  normal,  bekam  mit  etwa  5  Monaten  die 
ersten  Zähne,  lief  mit  19  Monaten.  Es  war  bis  auf  Masern  und  Keuch¬ 
husten  stets  gesund.  Die  Eltern  und  die  zwei  Geschwister  sind  voll¬ 
kommen  gesund,  ein  Bruder  des  Vaters  ist  an  Lungentuberkulose  ge¬ 
storben.  Für  Lues  der  Eltern  bestehen  keine  Anhalts- 

P " n Vor6  etwa  1  Jahr  begann  die  jetzige  Erkrankung  mit  unbe- 
stimmten  Erscheinungen.  Das  Kind  sah  blass  aus,  klagte  über  Magen¬ 
druck  nach  dem  Essen.  Im  November  1911  wurden  die  Magenbe- 
schwerden  nach  dem  Essen  stärker,  es  traten  angeblich  schwarze 
Stühle  auf,  einmal  wurde  blutiges  Erbrechen  beobachtet,  so  dass  der 
behandelnde  Arzt  das  Bestehen  eines  Magengeschwürs  für  möglich 
hielt  Wegen  eines  grossen  Tumors  im  Hypogastrium  wurde  das 
Kind  mit  dem  Verdacht  auf  eine  Bluterkrankung  der  hiesigen  Kinder¬ 
klinik  zugewiesen.  Angeblich  hat  das  Kind  in  den  letzten  V  ochen 
abgenommen.  Stuhlgang,  Appetit,  Schlaf  war  normal,  das  Kind  hatte 
kein  Kopfweh  und  bis  auf  das  eine  Mal  kein  Erbrechen. 

Status:  Für  sein  Alter  gut  entwickeltes  Kind  in  mittlerem  Er¬ 
nährungszustand.  Körperlänge  1,25  cm,  Körpergewicht  26,8  kg.  Die 
Haut  ist  blass,  subikterisch  verfärbt.  Konjunktiven  hochgradig  an¬ 
ämisch,  erscheinen  fast  blutleer.  Es  bestehen  keine  Oedeme  oder 
Exantheme,  die  Muskulatur  ist  kräftig  entwickelt.  Das  Skelettsystcni 
zeigt  keine  Besonderheiten.  Der  Thorax  ist  gut  gewölbt  und  wird 
bei  der  Atmung  gleichnuissig  gehoben.  Wirbelsäule  und  Extremitäten 
sind  weder  druck-  noch  klopfempfindlich.  Von  Drüsen  s  in  d 
nur  einige  Inguinaldrüsen  rechts  etwas  vergrös- 
sert  nachweisbar.  Die  Lungen  zeigen  normale,  nicht  sehr 
ausgiebig  verschiebliche  Grenzen,  normalen  Klopfschall  und  übeiall 
reines  pueriles  Atemgeräusch.  Der  Spitzenstoss  findet  sich  knapp 
1  Querfinger  ausserhalb  der  Mammillarlinie,  Herzgrenze  nach  oben 
4.  Rippe,  nach  rechts  rechter  Sternalrand.  Auskultatorisch  ergibt  sich 
an  der  Spitze  ein  leises,  blasendes  systolisches  Geräusch.  Ueber  dei 
Herzbasis  und  über  der  Pulmonalis  ist  das  systolische  Geräuch  lauter 
und  von  schabendem  Charakter.  Es  wird  im  Stehen  und  Sitzen 
schwächer.  Der  Puls  ist  ziemlich  klein,  regelmässig,  126  in  der 
Minute  Der  Leib  erscheint  etwas  aufgetrieben,  gleichmässig  ge¬ 
wölbt,  ist  leicht  eindriiekbar  und  nirgends  besonders  druckempfind¬ 
lich  Die  Leber  ist  bei  tiefer  Inspiration  scharfrandig  unter  dem 
Rippenbogen  palpabel.  Im  linken  Hypogastrium  ist  ein  harter,  glatter 
Tumor  fühlbar,  der  sich  seiner  Gestalt  nach  (Einkerbung  am  medialen 
Rand)  als  Milz  zu  erkennen  gibt.  Seine  Grenzen  sind  links  in  der 
Axillarlinie  1  Querfinger  unterhalb  des  Rippenbogens,  rechts  3  Quer¬ 
finger  von  der  Mittellinie  und  unten  1  Querfinger  oberhalb  des  Nabels. 
Die  Nieren  sind  nicht  palpabel  oder  druckschmerzhaft.  Schleimhaut 
der  Mundhöhle,  besonders  am  Gaumen,  hochgradig  blass.  Einige 
Molarzähne  sind  kariös.  Zunge,  Ionsillen,  Rachen  o.  B.,  ebenso 
Nase  und  Ohren.  An  den  Augen  fällt  ausser  der  hochgradigen  Blasse 
der  Konjunktiven  bei  Augenschluss  ein  starkes  Lidflimmei  n  auf.  Die 
Augenbew^egungen  sind  frei,  es  besteht  kein  Nystagmus.  Die  Pupillen 
reagieren  prompt  auf  Lichteinfall,  der  Kornealreflex  ist  beiderseits 
schwach  vorhanden.  Der  Augenhintergrund  erscheint  beiderseits 
normal.  Das  Nervensystem  zeigt  keine  Besonderheiten  ausser  einem 
beiderseits  ziemlich  leicht  auszulösenden  Fussklonus.  Die  Psyche 
der  Pat.  bietet  nichts  Auffallendes.  Im  Urin  sind  pathologische  Be¬ 
standteile,  auch  Urobilin  nicht  nachweisbar. 

*)  Vorgetragen  auf  dem  I.  Internat.  Kongress  fiir  Pädiatrie  in 
Paris  1912. 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


77 


Die  Temperatur  bei  der  Aufnahme  beträgt  38,1.  Sie  schwankte 
in  der  Folgezeit  zwischen  37  und  38",  nur  einigemale  bewegte  sie  sich 
etwas  höher.  Die  Pi  r  quetsche  Kutanreaktion  ist  deutlich  positiv, 
die  Wassermannsche  Reaktion  in  dem  Blut  der  Pa¬ 
tientin  dagegen  negativ. 

Die  Blutuntersuchung  am  5.  XII.  ergab  folgendes  Bild: 

Rote  Blutkörperchen  1  860  000,  Zahl  der  weissen  2200.  Hämo¬ 
globin  nach  Sahli  30  Proz.  Die  weissen  Blutkörperchen  setzten  sich 
zu  29  Proz.  aus  Lymphozyten,  zu  71  Proz.  aus  polynukleären  Leuko¬ 
zyten  zusammen.  Eine,  mit  Rücksicht  auf  das  in  der  Anamnese  an¬ 
gegebene  Blutbrechen,  vorgenommene  Magensaftuntersuchung  nach 
Probefriihstiick  ergab  eine  Gesamtazidität  von  18,  freie  Salzsäure 
war  nicht  nachweisbar,  der  Pepsingehalt  (Rizinprobe)  betrug  0,008. 

Mehrmalige  Milzpunktionen  lieferten  einen  Saft,  in  dem 
rote  Blutzellen  und  Lymphozyten  sowie  polymorphkernige  Leuko¬ 
zyten  zu  erkennen  waren,  jedoch  niemals  pathologische  Blutzellen. 

Kurz  zusammengefasst  handelt  es  sich  um  ein  10  jähriges 
Mädchen,  welches  seit  ungefähr  einem  Jahre  kränkelt,  an 
Appetitlosigkeit  leidet  und  dessen  Hautfarbe  wachsbleich  ist. 
Objektiv  ist  nur  ein  abnorm  grosser  Milztumor  festzustellen, 
sowie  eine  Verminderung  des  Blutfarbstoffes  und  der  Blut¬ 
körperchen.  Um  welche  Erkrankung  kann  es  sich  hier  han¬ 
deln?  Tuberkulose  können  wir  ausschliessen,  denn  eine  iso¬ 
lierte  Milzvergrösserung  ohne  gleichzeitigen  Aszites  bei  Fehlen 
aller  sonstigen  Symptome  ist  bisher  noch  nicht  beschrieben 
worden.  Der  positive  Ausfall  der  Pirquet  sehen  Reaktion 
ist  ohne  Bedeutung,  da  nach  unseren  Erfahrungen  und  denen 
der  meisten  Autoren  im  späteren  Kindesalter  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  die  Haut  auf  Tuberkulin  reagiert.  Ein  Magen¬ 
geschwür  anzunehmen  ist  deshalb  nicht  angängig,  weil  diese 
Erkrankung  im  Kindesalter  zu  den  allergrössten  Seltenheiten 
gehört  und  verwertbare  Symptome  fehlen.  Gegen  perniziöse 
Anämie  spricht  das  Alter  der  Patientin  und  das  Blutbild.  Die 
roten  Blutkörperchen  zeigen  mehr  den  chlorotischen  Typus: 
verschieden  grosse,  in  ihrer  Form  sehr  wenig  veränderte 
Zellen,  die  den  Farbstoff  nur  schwach  annehmen.  Es  fehlen 
hochgradig  destruierte  Formen,  ebenso  polychrome  und  auch 
basophil  gekörnte  sind  nicht  vorhanden.  Kernhaltige  Rote 
wurden  ganz  vereinzelt  beobachtet.  Auch  das  Verhalten  der 
Weissen  spricht  nicht  für  Perniziosa,  bei  der  in  den  meisten 
Fällen  eine  relative  Lymphomatöse  besteht,  während  in 
unserem  Falle  das  Verhältnis  der  beiden  Zellgruppen  nor¬ 
mal  ist. 

Da  nach  dem  ganzen  Verlaufe  eine  Neubildung  oder  etwa 
eine  der  tropischen  Infektionen  auszuschliessen  ist,  so  stehen 
nur  noch  3  Krankheiten  zur  Diskussion:  Lues  oder  Leber¬ 
zirrhose  oder  die  B  a  n  t  i  sehe  Erkrankung.  Wir  wollen  gleich 
an  dieser  Stelle  betonen,  dass  Lues  und  Banti  sich  aus¬ 
schliessen,  d.  h„  dasswir  nur  dann  von  einer  Banti¬ 
schen  Erkrankung  sprechen  dürfen,  wenn 
Lues  ätiologisch  nicht  in  Betracht  kommt. 
W  ir  befinden  uns  hier  in  Uebereinstimmung  mit  den  meisten 
Autoren  JU  mber 1)].  Durch  die  Ausführungen  Cursch- 
m  a  n  n  s 2)  wird  eine  unheilvolle  Verwirrung  in  die  Klinik 
dieser  Erkrankung  gebracht,  die  noch  in  vieler  Beziehung 
durch  weitere  Forschung  der  Aufklärung  bedarf.  In  unserem 
Falle  vermissen  wir  in  der  Anamnese  jeden  Hinweis  auf 
luetische  Erkrankung.  Auch  objektive  Zeichen  konnten  wir 
nicht  wahrnehmen.  Dazu  kommt  der  negative  Ausfall  der 
Wassermann  sehen  Reaktion,  die  bei  hereditärer  Lues 
selten  fehlt.  Trotz  alledem  versuchten  wir  die  Einwirkung 
einer  intravenösen  Injektion  von  0,1  g  Salvarsan,  da  einige 
Autoren  Erfolge  auch  bei  nicht  luetischen  Milztumor  gesehen 
haben  wollen.  Wir  konnten  keinen  Einfluss  auf  irgend  ein 
Symptom  beobachten,  aber  auch  keine  Schädigung,  so  dass 
der  Vorschlag  von  Curschmann,  bei  Milztumor  mit  Anämie 
eine  Salvarsaninjektion  zu  versuchen,  wohl  keinen  Schaden 
bringt,  hin  und  wieder  sogar  vorteilhaft  sein  kann. 

Es  bleibt  also  nur  die  Banti  sehe  Erkrankung,  da  wir 
eine  Leberzirrhose  beim  Fehlen  einer  irgendwie  in  Betracht 
kommenden  Lebervergrösserung  auschliessen  können.  Auch 
sind  keine  der  sonst  in  Betracht  kommenden  ätiologischen 
Faktoren  vorhanden;  der  Einwand,  dass  es  sich  um  eine 
atrophische  Form  handelt,  ist  beim  Fehlen  von  Aszites  hin¬ 
fällig.  Nach  alledem  entspricht  das  Bild  vollständig  dem  von 
Banti  beschriebenen  Symptomenkomplex  und  auch  die  von 

])  Umber:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  1478. 

2)  Curschmann:  Ibidem  S.  1613. 


Senator  angegebene  Leukopenie  vermissen  wir  nicht. 
Banti  unterscheidet  3  Perioden:  1.  die  anämische  mit  Milz¬ 
tumor,  deren  Dauer  er  auf  mehr  als  3  Jahre  bestimmt.  In 
dieser  Periode  fehlt  die  Lebervergrösserung  und  die  Pfort¬ 
aderstauung,  der  Harn  ist  völlig  normal  und  weist  kein  Uro¬ 
bilin  auf,  2.  die  Periode  der  Lebervergrösserung  mit  Urobilin- 
urie,  etwa  1 — 1%  Jahr,  3.  die  Periode  der  Leberschrumpfung 
mit  Aszites. 

In  unserem  Falle  handelt  es  sich  wohl  um  die  erste 
Periode.  Wir  konnten  im  Laufe  einer  sechswöchigen  Beob¬ 
achtung  auf  unserer  Diagnose  bestehen  bleiben,  da  wir  ausser 
einer  Verschlechterung  des  Blutbildes  und  Zunahme  der  Haut¬ 
blässe  keinerlei  Veränderung  (Tabelle  1)  beobachteten.  Nur 
am  4.,  5.  und  6.  Januar  zeigten  sich  im  Harn  Spuren 


Tabelle  1. 


Datum 

Gewicht 

Hämoglobin 

Rote 

Ge¬ 

samt 

Polymorph¬ 

kernige 

We 

Ö 

~  C 

05 

3^ 

NI 

isse 

05 

o 

.2 

CG 

O 

w 

Uebergangs- 

formen 

1 1 

Mastzellen 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

4. 

XII.  11 

27 

1  680  000 

2600 

5. 

XII.  11 

26  800 

30 

1  860  000 

2200 

71 

29 

11 

XII.  11 

30 

2  080  000 

2300 

65 

35 

18. 

XII.  11 

20 

2  240  000 

3400 

55 

45 

20. 

XII.  11 

27  400 

22 

4700 

64 

32 

21. 

I.  12 

28  700 

20 

2  400  000 

2700 

64 

32 

3,0 

7,0 

1,0 

22. 

I.  12 

Opera 

t  i  o  n 

23. 

I.  12 

30 

4  000  000 

1. 

11.  12 

30 

3  800  000 

9. 

11.  12 

30 

4  900  000 

20. 

II.  12 

26  800 

40 

4  640  000 

9100 

65 

28 

2,5 

4,5 

22. 

II.  12 

26  800 

45 

4  000  000 

6800 

53 

40 

1,5 

5,5 

24. 

II.  12 

27  100 

43 

4  800  000 

6300 

47 

38 

3,0 

10,0 

2,0 

27. 

II.  12 

40 

4  000  000 

9200 

54 

27 

3,5 

14,0 

1,5 

2. 

III.  12 

28  300 

44 

4  000  000 

6400 

50 

45 

2,0 

3,0 

1. 

IV.  12 

58 

6  000  000 

6700 

56 

34 

3,0 

6,0 

1,0 

22. 

V.  12 

75 

4  800  000 

4900 

49 

40 

4,0 

7,0 

20. 

VIII.  12 

31000 

78 

4  140  000 

7600 

50 

38 

8,0 

3,0 

1,0 

V  c 

n  U  i 

o  b  i  1  i  n 

und 

U  r  o  b  i 

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gen 

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ende 

r  Leb 

er  s 

i  c  h 

b  e  - 

m 

:  r  k  b 

a  r  mac 

h  t  e  n.  Am  1 

1.  Januar 

verlegten  wir 

das 

Kind  nach  der  chirurgischen  Klinik  des  Krankenhauses,  wo 
Herr  Geheimrat  R  e  h  n  in  Bestätigung  unserer  Diagnose  die 
Milz  exstirpierte. 

Operationsbericht:  Schrägschnitt  unterhalb  des  1 .  Rip¬ 
penbogens.  Nach  Eröffnung  des  Peritoneum  wird  der  Milztumor 
sichtbar  und  lässt  sich  leicht  luxieren,  zumal  abnorme  Verwach¬ 
sungen  nicht  bestehen.  Abbindung  des  Stiels  nahe  dem  Hilus  wie 
des  Ligamentums  gastro-lienale.  Nach  Entfernung  der  Milz  wird 
die  Bauchhöhle  primär  geschlossen.  Fester  Wundverband.  Gewicht 
der  Milz  450  g  exkl.  des  unmittelbar  post  exstirpationem  ausgeflos¬ 
senen  Blutes.  Länge  19  cm,  Breite  12  cm. 

Das  Kind  erholte  sich  nach  der  Operation  sehr  sclmell,  zugleich 
stieg  der  Hämoglobingehalt  und  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen 
rapide  (s.  Tabelle).  Am  16.  II.  wurde  es  zum  Stoffwechselversuch 
auf  unsere  Klinik  zurückverlegt,  am  2.  März  mit  1,5  kg  Gewichts¬ 
zunahme  entlassen.  Bei  den  weiteren  Vorstellungen  am  1.  IV.,  22.  V. 
und  20.  VIII.  zeigte  es  sich  als  frisches  blühendes  Kind,  dessen  Ge¬ 
wicht  schliesslich  um  4,2  kg  und  dessen  Hämoglobingehalt  auf 
78  Proz.  gestiegen  war. 

Die  Wirkung  der  Milzexstirpation  beweist  allein  schon  die 
Richtigkeit  der  Diagnose  und  nicht  nur  die  Berechtigung,  son¬ 
dern  sogar  die  Notwendigkeit  der  Operation.  Aber  auch  der 
mikroskopische  Befund  (Prosektor  Dr.  R  e  i  n  h  a  r  t)  zeigt  die 
Eigentümlichkeiten  der  Bantimilz. 

Mikroskopischer  Bef  und  desSenckenberg- 
ischen  Pathologischen  Institutes  (Direktor: 
Prof.  B.  Fischer). 

In  mikroskopischen  Schnitten  der  Milz  ist  auffallend  eine  sich 
diffus  ausbreitende  Vermehrung  des  retikulären  Gewebes  der  Milz¬ 
pulpa,  die  stellenweise  so  stark  ist,  dass  das  Milzgewebe  bei 
schwacher  Vergrösserung  sehr  zellarm  erscheint.  Das  Bindegewebe 
ist  angeordnet  in  Form  eines  engmaschigen  Netzwerks.  Die  Binde¬ 
gewebsfasern  sind  teils  fein,  teils  gröber,  liegen  dicht  zusammen  und 
lassen  zwischen  sich  kleine  Spalten  und  Lücken.  Zwischen  den  Binde¬ 
gewebsfasern  finden  sich  längliche  und  ovale  Kerne  von  wenig  Proto¬ 
plasma  umgeben.  In  den  teilweise  etwas  verdickten  Trabekeln  sind 
die  Bindegewebskertie  länger  und  etwas  chromatinreicher  wie  in 
dem  Pulpanetzwerk.  Die  Pulpasinus  sind  meist  eng,  nur  einzelne 


WOCHENSCHRIFT. 


sind  etwas  weiter  und  mit  reichlich  Zellen  gefüllt.  Die  einzelnen 
Milzpulpasinus  sind  durch  die  sich  dicht  verflechtenden  Bindegewebs¬ 
faserzüge  getrennt  und  innen  ausgekleidet  mit  teils  länglichen,  teils 
rundlichen  oder  kubischen  Zellen,  deren  Protoplasma  in  verschiedener 
Menge  entwickelt  ist  und  deren  chromatinarme,  helle  Kerne  meist 
gross,  rundlich,  oval  oder  leicht  gebogen  sind,  ln  manchem  binus  fin¬ 
det  man  diese  Zellen  als  reihenförmigen  Belag  der  bindegewebigen 
Umkleidung  des  Sinus  aufsitzen.  Einzelne  Sinus  sind  vollständig  aus¬ 
gefüllt  mit  diesen  Zellen.  Vielfach  liegen  diese  Zellen  mit  ihren 
grossen  hellen  Kernen  einzeln  oder  zu  zweien  und  dreien  zwischen 
Bindegewebsfasern  eingeschlossen.  In  den  Pulpasinus  finden  sich 
neben  roten  Blutkörperchen  einkernige  und  gelapptkernige  Leuko¬ 
zyten  in  massiger  Zahl.  Die  letzteren  finden  sich  auch  hier  und 
da  zwischen  den  Fasern  des  retikulären  Bindegewebes.  Die  ro  liKei 
sind  durchschnittlich  etwas  klein;  einzelne  derselben  sind  normal  ge¬ 
baut,  haben  deutliches  Keimzentrum,  in  welchem  ziemlich  grosse 
helle  Lymphoblasten  erkennbar  sind.  Im  Keimzentrum  und  zwischen 
Lymphoblasten  hier  und  da  Mitosen  in  verschiedenen  Stadien  bei 
Färbung  mit  Heidenhains  Eisenhämatoxylin  nachweisbar,  ln 
manchen  Follikeln  ist  eine  deutliche  Verdickung  der  Follikelarterie 
vorhanden  und  um  dieselbe  eine  Vermehrung  des  Bindegewebs.  Die 
Trabekel  der  Milz  sind  meist  etwas  verdickt,  einige  sogar  sehr  er¬ 
heblich.  Die  im  Ausstrichpräparat  des  Milzsaftes  sehr  zahlreich  ge¬ 
fundenen  Körperchen  lassen  sich  auch  im  Schnitt  bei  Färbung  nach 
Q  i  e  m  s  a  und  Heidenhain  in  spärlicher  Zahl  färben.  Fs  handelt 
sich  offenbar  um  Kernfragmente.  . 

Durch  die  mikroskopische  Untersuchung  wird 
die  von  Banti  beschriebene  Fibroadenie  fest¬ 
gestellt  und  dürfte  dieser  Befund  im  Zusammen¬ 
hang  mit  den  klinischen  Symptomen  für  die  Dia¬ 
gnose  einer  echten  Bantimilz  verwendbar  sein. 

Der  Stoffwechsel  bei  der  Ban  tischen  Krankheit 
wurde  zuerst  von  Umber  untersucht.  Umber  fand  in 
seinem  Falle  eine  Stickstoffunterbilanz  und  er  glaubte,  dass  der 
Eiweisszerfall,  für  den  die  N-Unterbilanz  der  Ausdruck  ist,  für 
die  Krankheit  pathognomonisch  sei.  Stickstoffuntersuchungen 
wurden  sodann  von  Müller3)  und  von  Luce4)  angestellt, 
die  beide  keinen  toxischen  Eiweisszerfall  beobachteten.  In 
jüngster  Zeit  hat  Umber5)  wiederum  einen  Versuch  ver¬ 
öffentlicht.  Die  Kritik,  die  er  an  die  Untersuchung  der  beiden 
Autoren  legt,  ist  berechtigt,  denn  ihre  Versuchsanordnung  ist 
nicht  exakt.  Umber  selber  veröffentlicht  gleichzeitig  einen 
eigenen  Versuch,  bei  dem  er  wiederum  Eiweisszerfall  fest¬ 
stellte,  der  nach  der  Milzexstirpation  verschwunden  war.  Er 
fordert  für  einen  solchen  Stoffwechselversuch,  dass  die  Ver¬ 
suchsperioden  nicht  zu  kurz  sind  und  dass  keine  Eiweissüber¬ 
fütterung  statthat,  durch  die  der  Eiweisszerfall  verdeckt 
werden  kann.  —  Wir  haben  in  unserem  Fall  —  bereits 
vor  der  letzten  Umber  sehen  Publikation  —  vor  und  nach 
der  Operation  den  Stoffwechsel  untersucht,  und  zwar  gingen 
wir  so  vor,  dass  wir  dem  Kinde  etwa  eine  Woche  lang  eine 
leicht  zu  analysierende  Kost  verabreichten,  indem  wir  ihm 
von  den  einzelnen  Nahrungsmitteln  so  viel  gaben,  als  es  mit 
gutem  Appetit  zu  sich  nahm.  Nur  so,  und  nicht  theoretisch, 
können  wir  die  dem  Kind  zukommende  Nahrungsmenge  be¬ 
stimmen.  Nach  dieser  Zeit  wurde  in  einer  3  tägigen  Periode 
Nahrung,  Urin  und  Kot  analysiert,  nach  den  in  unserem  Labo¬ 
ratorium  üblichen  Methoden.  Wir  sind  uns  bewusst,  dass  die 
3  tägige  Periode  kurz  ist.  Wir  haben  aber  diese  Anordnung 
aus  dem  Grunde  getroffen,  weil  es  sehr  schwer  gelingt,  einem 
lOiährigen  Kinde  eine  gleichartige  Kost  längere  Zeit  zu  ver¬ 
abfolgen,  ohne  dass  das  Kind  den  Appetit  verliert,  und  damit 
ein  unübersehbarer  Faktor  sich  in  den  Versuch  einschleicht. 
Die  Kost  während  des  Versuches  abzuwechseln,  ist  auch 
misslich,  da  dann  die  Nahrungsanalysen  speziell  beim  Fleisch 
kompliziert  werden  und  an  Genauigkeit  verlieren  und  es  wohl 
kaum  möglich  ist,  in  zeitlich  so  weit  getrennten  Perioden  (vor 
und  nach  der  Milzexstirpation)  genau  dieselbe  Nahrung  zu 
geben.  Gerade  dieses  haben  wir  erreicht,  wie  die  Tabelle 
zeigt.  Fleisch  resp.  Wurst  mussten  wir  geben,  da  das  Kind 
danach  verlangte.  Dass  die  Verdauung  in  beiden  Perioden 
gleichmässig  war,  geht  aus  den  Kotzahlen  hervor:  Irocken- 
kot  Periode  I  91,1  g,  Periode  II  90,55  g  (Tabelle  2).  Wie  die 
Tabelle  zeigt,  ist  von  einem  Eiweisszerfall  nicht  die  Rede,  es 
ist  nur  im  ganzen  der  Stickstoff-,  Phosphorsäure-  und  Kalk¬ 
ansatz  in  der  ersten  Periode  geringer  als  in  der  zweiten,  d.  h. 
durch  die  Operation  hat  sich  nicht  nur  das  Allgemeinbefinden 


Tabelle  2. 


Ausgaben : 

Einnahmen: 

Versuch  No.  I:  7. — 9-  I-  12 

N. 

p205  ; 

CaO 

N. 

P2O5 

CaO 

4500  ccm  Milch 

180  g  Zucker 

150  g  Reis 

60  g  Griess 

90  g  Kakao 

180  g  Wurst 

4'20  g  Weissbrot 

30  g  Butter 

30  g  Mondamin 

30  g  Fleischextrakt  (Liebig) 
2200  ccm  Leitungswasser 

9  g  Zimmt 

>4,8400 

1,5540 

1,0920 

2,7720 

5,7960 

6,1152 

0,0252 

2,7888 

9.39601 

0,4770 

0,2438 

1,6443 

0,8784 

1,2264 

0,9504 

8,2530 

0.1080 

0,0954 

0,0216 

0,1723 

Gesamtnahrung: 

44,9832  14,8163 

8,6503 

Ausgaben :  a)  Urin 
b)  Kot 

30,8035 

5,3060 

6,4738  0,1960 
5,9370;  7,3510 

36,1095|12,41<  8 

7,5470 

Kaloriengehalt  der  Nahrung: 

2364  pro  die 

Bilanz 

+ 

8,8737 

2,4055 

1,1033 

Versuch  No.  II.:  20.— 22.11.12 

4500  ccm  Milch 

180  g  Zucker 

150  g  Reis 

60  g  Griess 

90  g  Kakao 

180  g  Wurst 

420  g  Weissbrot 

30  g  Butter 

30  g  Mondamin 

30  g  Fleischextrakt 

9  g  Zimmt 

1600  g  Leitungswasser 

1 

26,0550 

1,5540 

1,0920 

2,7720 

4,6872 

6,1152 

0,0252 

2,7888 

10,7550 

0,4770 

0,2438 

1,6443 

0,6400 

1,2264 

0,9504 

^  8,8580 

0,1080 

0,0954 

0,0216 

0,1253 

Gesamtnahrung : 

45,0891 

.|l5,936f 

>|  9,2083 

Ausgaben:  a)  Urin 
b)  Kot 

26,4997 

4.767C 

6,976( 

4.707( 

)  0,227t 
)  6,528( 

) 

t 

31,266r 

|ll.6830|  6,755( 

) 

Kaloriengehalt  der  Nahrung: 

2364  pro  die 

B 

1  a  n.z 

+ 

13,822t 

>  4,253t 

1  2,4533 

3)  Müller:  Münch,  mecl.  Wochenschr. 

’•)  Luce:  Med.  Klinik  1910,  No.  14. 

5)  Umber:  1.  c. 


1909,  No.  45. 


und  das  Hämoglobin  gehoben,  sondern  auch  der  Umsatz  und 
Anwuchs  der  genannten  wichtigen  Körperbestandteile.  Der 
Quotient  der  angesetzten  P2O5  :  N  beträgt  in  Periode  I  1  :  3,62, 
in  Periode  II  1  : 3,28;  demnach  ist  der  Phosphorsäureansatz 
vor  der  Operation  in  demselben  Grade  verringert  wie  der 
Stickstoffansatz,  d.  h.  es  sind  wahrscheinlich  nicht  bestimmte 
Eiweisskörper  (z.  B.  Nukleine)  weniger  als  andere  durch  die 
Exstirpation  in  ihrem  Ansatz  gefördert  worden,  sondern  der 
Gesamteiweissumsatz  hat  sich  gehoben. 

Wie  erklärt  sich  nun  das  Verhalten  des  Eiweissstoff¬ 
wechsels  bei  unserer  Patientin-  gegenüber  den  Beobachtungen 
Umbers?  Wir  glauben,  dass  Umbers  Fall  wesentlich 
vorgeschrittener  war  (starke  Urobilinurie)  als  unserer  mit 
fehlender  Urobilinurie,  und  dass  der  toxische  Eiweisszerfall 
eine  Eigentümlichkeit  erst  des  zweiten  Stadiums  der  Krank¬ 
heit  ist  und  bedingt  wird  durch  die  Leberschädigung  (vergl. 
Phosphorvergiftung).  Es  ist  also  auch  dieser  Befund,  dass  irn 
ersten  Stadium  des  Milztumors  der  toxische  Eiweisszerfall 
fehlt,  während  er  im  zweiten  Stadium  der  Lebei  Schädigung 
auftritt,  ein  weiterer  Beweis  dafür,  dass  die  Erkran¬ 
kung  der  Milz  das  primäre  und  essentielle, 
die  Lebererkrankung  aber  ein  sekundäres 
Symptom  der  Bantischen  Erkrankung  ist. 


Radfahren  unter  aktiver  Beteiligung  eines  Beines  mit 

steifem  Kniegelenk. 

Von  Oberstabsarzt  a.  D.  Dr.  Harmsen. 

Vor  einer  Reihe  von  Jahren  las  ich,  dass  ein  Patient 
der  Ciiessener  chirurgischen  Klinik,  mit  ankylotischem  Knie¬ 
gelenk  entlassen,  später  das  Radfahren  wieder  ausgeübt  hätte, 
das  kranke  Bein  ruhte  dabei  völlig  und  die  Fortbewegung 
geschah  nur  durch  das  Treten  des  gesunden  Beines. 


4.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


79 


Diese  Mitteilung  wurde  für  mich,  der  ich  seit  14  Jahren  ein 
nkylotisches  linkes  Kniegelenk  habe,  unter  anderem  mit  zur  Ver¬ 
fassung,  vor  nunmehr  7  Jahren  das  Radfahren  zu  versuchen  und  zu 
rlernen.  Ich  liess  mir  für  den  linken  Fuss  eine  feste  „Rast“  an¬ 
ringen,  nachdem  die  linke  Kurbel  mit  dem  Pedal  von  dem  Rade 
bgenommen  war.  Des  leichteren  Ansteigens  wegen  fuhr  ich  ein 
lamcnrad.  —  In  etwa  8  Tagen  war  ich  soweit,  dass  ich  mich  ohne 
iefahr  auf  die  Strasse  wagen  konnte.  4  Jahre  benützte  ich  so  das 
ad  ohne  Freilauf  und  Rücktrittbremse.  Da  ich  nach  meinem 
cheiden  aus  dem  aktiven  Dienst  vor  3  Jahren  bei  Ausübung  meiner 
raxis  täglich  stundenlang  das  Rad  benützen  musste  und  hierbei  das 
ehlen  von  Freilauf  und  Rücktrittbremse  sehr  entbehrte,  so  liess  ich 
lir,  um  den  Freilauf  anwenden  zu  können,  am  rechten  Pedal  einen 
•ügel  anbringen,  mittelst  dessen  ich  die  heruntergetretene  Kurbel 
Jeder  anheben  konnte,  die  ja  nicht,  wie  sonst,  durch  Niedertreten 
er  anderen  Kurbel  gehoben  wurde.  Ferner  liess  ich  mir  doppelte 
ebersetzung  einrichten,  so  dass  ich  bei  schlechtem  Pflaster,  bei 
arkem  Gegenwinde  und  beim  Bergauffahren  die  schwächere,  bei 
uten  ebenen  Wegen  nach  Belieben  die  stärkere  Uebersetzung  be- 
itzen  konnte.  Es  blieb  aber  immer  mein  Wunsch,  die  mir  gebliebene, 
n  etwa  2/s  verminderte  Beweglichkeit  im  linken  Fussgelenk  noch 
ir  die  Fortbewegung  des  Rades  mit  ausnützen  zu  können.  Mehr- 
xhe  Unterredungen  mit  Technikern  darüber  waren  schon  ergeb- 
slos  verlaufen.  Jetzt  endlich  bin  ich  zum  Ziele  gelangt.  Ich  erfuhr, 
iss  hier  schon  seit  einigen  Jahren  ein  anderer  Radfahrer  mit  steifem 
nie  eine  Vorrichtung  benützt,  die  auf  Anregung  der  hiesigen  Firma 
tork  von  der  Fahrradfabrik  Goedecke  zuerst  angefertigt  ist. 
ieine,  nach  meiner  Angabe  etwas  veränderte  und  mit  Kugellager 
ersehene  Kurbel  ist  von  den  W  a  n  d  e  r  e  r  -  Fahrradwerken  ge¬ 
ifert.  Die  Vorrichtung  ist.  soviel  ich  weiss,  noch  nicht  beschrieben, 
id  ich  möchte  sie  der  Aerztewelt  bekannt  geben;  denn  es  ist  viel- 
icht  noch  mancher  Patient  in  der  Lage,  dass  er  durch  ihre  Be¬ 
nützung  sich  das  Radfahren  mit 
einem  steifen  Beine  ermöglichen 
oder  erleichtern  kann. 

Die  Vorrichtung  ist  im 
Prinzip  ganz  einfach.  Es  ist 
nur  die  linke  Kurbel  in  2  Glie¬ 
der  geteilt.  Während  die  rechte 
Kurbel  18  cm  lang  ist,  sind  die 
Glieder  der  linken  Kurbel,  das 
zentrale  6,5  cm,  das  periphere 
10  cm  lang.  Das  zentrale  Glied 
ist  dabei  so  eingerichtet,  dass 
das  periphere  in  ihm  verstellt 
werden  kann,  wodurch  das  zen¬ 
trale  Glied  bis  zu  2  cm  ver¬ 
längert  werden  kann.  Fig.  1  gibt 
eine  Skizze  dieser  linken  Kurbel. 

Während  sich  beim  Treten  das  zentrale  Glied  um  die  Kurbel¬ 
te  0  dreht,  hängt  das  periphere  Glied  stets  senkrecht  herab.  An 
m  ist  das  Pedal  befestigt.  Aus  der  Fig.  2  wird  ersichtlich,  dass 

hierdurch  folgen¬ 


Fig.  1.  Skizze  der  linken  Kurbel. 


des  erreicht  wird: 
0a,  Ob,  0c  sind  ver¬ 
schiedene  Stel¬ 
lungen  des  zen¬ 
tralen  Gliedes  der 
Kurbel  bei  seiner 
Drehung  um  die 
Achse  0.  aai,  bbi, 
cci  bezeichnen  das 
herabhängende 
periphere  Kurbel¬ 
glied.  Die  Be¬ 
wegung  des  Pedals 
geschieht  also  so, 
als  ob  sich  eine 
Kurbel  Oiai  um  den 
10  cm  vertikal  un¬ 
ter  0  befindlichen 
Punkt  0t  drehte. 
Der  Fuss  des  stei¬ 
fen  Beines  be¬ 
schreibt  also  die 
durch  den  Kreis  0i 
dargestellte  Bewe¬ 
gung,  während  der 
gesunde  Fuss  den 
;°ssen  Kreis  0  beschreibt.  Dieser  kleine  Kreis  0i  hat  einen  Durch- 
.'sser  von  13  cm.  Es  bedarf  ausser  der  Auf-  und  Niederbewegung 
r  Fussspitze  und  geringer  Vor-  und  Rückwärtsbewegung  des 
nzen  Beines  nur  geringer  Hebung  und  Senkung  des  Beckens,  um 
t  dem  Fuss  diese  Kreisbewegung  auszuführen.  Die  Hauptwirkung 
im  Niedertreten  entsteht,  während  der  Fuss  sich  von  ai  nach  ci 
Uu/t.  Trotz  des  verhältnismässig  kurzen  Hebels  0a,  Ob,  0c  ist 
Wirkung  auf  die  Fortbewegung  doch  recht  erheblich,  weil  beim 
-derdrücken  mit  dem  steifen  Bein  das  Körpergewicht  zum  grossen 
Oie  mitdrückt.  So  ist  es  mir  mit  dieser  Vorrichtung  möglich,  ohne 


erhebliche  Anstrengung  bedeutende  Steigungen  zu  überwinden,  die 
ich  ohne  ihre  Hilfe  früher  mit  dem  besten  Willen  nicht  hätte  nehmen 
können.  —  Bessert  sich  durch  die  Uebung  die  Beweglichkeit  des 
Fussgelenkes,  so  kann  das  zentrale  Kurbelglied  allmählich  verlängert 
werden.  Dadurch  wird  die  Hebelwirkung  beim  Niederdrücken  ent¬ 
sprechend  vergrössert. 

Zur  Vermeidung  unnötiger  Reibung  und  zu  rascher  Abnützung 
ist  das  Gelenk  zwischen  den  beiden  Kurbelgliedern  mit  einem  Kugel¬ 
lager  versehen. 


Kritisches  zur  Verkürzung  der  Knochenleitung  bei 

normalem  Gehör. 

Von  Privatdozent  Dr.  Herzog,  I.  Assistenten  der  Klinik. 

(Schluss.) 

Etwas  reicher  sind  unsere  Erfahrungen  über  die  zweite  von  uns 
gestellte  Forderung.  Sie  beruhen  auf  den  Nachuntersuchungen  Un¬ 
fallsverletzter  in  den  letzten  3  Jahren  und  bilden  den  eigentlichen  An- 
stoss  zur  Erörterung  der  ganzen  Frage. 

Auf  eine  ausführliche  Wiedergabe  der  uns  vorgelegten 
Krankengeschichten  können  wir  verzichten,  da  die  Einzelbefunde 
eine,  man  kann  wohl  sagen  schematische,  Gleichheit  aufweisen. 
Die  Sachlage  ist  etwa  folgende;  Mehr  oder  weniger  schwerer 
Unfall  (häufig  Kopftraumen);  im  Anschluss  daran  Ent¬ 
wicklung  des  Bildes  einer  traumatischen  Neurose;  der  Unfalls¬ 
patient  wird  in  der  Regel  wiederholt  begutachtet  von  Ver¬ 
trauensärzten  der  Gesellschaften,  Oberärzten  in  Krankenhäusern 
und  Universitätsinstituten.  In  der  Beurteilung  der  Unfallsfolgen 
—  Mangel  objektiv  nachweisbarer  Symptome  —  stimmen  die 
sämtlichen  Untersucher  überein.  Schliesslich  erfolgt  die  Einholung 
eines  ohrenärztlichen  Gutachtens.  Die  Diagnose  „traumatische  Neu¬ 
rose“  fällt;  aus  der  Verkürzung  der  Knochenleitung  wird  auf  eine 
Verwachsung  der  Hirnhaut  mit  dem  Knochen  geschlossen  und  damit 
fiir  die  Beschwerden  des  Untersuchten  eine  reelle,  organische  Basis 
geschaffen. 

Die  Resultate  unserer  Nachuntersuchungen  von  derartigen  Pa¬ 
tienten  lassen  sich  in  2  Gruppen  teilen. 

In  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  war  der  funktionelle  Befund 
einschliesslich  der  Knochenleitung  vollkommen  normal.  (Dabei 
möchten  wir  betonen,  dass  die  Untersuchungen  insbesondere  die 
Prüfung  der  Knochenleitungsdauer  in  jedem  Falle  wiederholt  und 
von  verschiedenen  Untersuchern  im  Laufe  mehrerer  Tage  vor¬ 
genommen  werden;  die  Patienten  wurden  zum  Zwecke  der  Begut¬ 
achtung  in  die  klinische  Abteilung  aufgenommen.) 

Die  früher  f e s t g e s t e  1 1 1 e  Verkürzung  der 
Knochenleitung  war  also  verschwunden.  Wenn  wir 
vorerst  nach  einer  Erklärung  dieser  Tatsache  suchen,  so  könnten 
vielleicht  folgende  Ueberlegungen  massgebend  sein:  Das  Kopftrauma 
setzt  ein  extradurales  oder  subdurales  Hämatom.  Das  dicke  unter 
der  Dura  oder  dem  Knochen  liegende  Blutpolster  ändert  plausibler 
Weise  die  normalen  Leitungsbedingungen.  Im  Laufe  der  Zeit  wird 
das  Hämatom  organisiert,  an  Stelle  der  dicken  Auflagerung  tritt  eine 
dünne,  straffe  Narbe,  welche  die  normale  Schwingungsfähigkeit  des 
Knochens  nicht  oder  unwesentlich  beeinflusst. 

Bei  dieser  Annahme  wäre  es  wohl  verständlich,  dass  zu  ver¬ 
schiedenen  Zeiten  ausgeführte  Untersuchungen  verschiedene  Resul¬ 
tate  ergeben.  Allerdings  ist  hierbei  vorausgesetzt,  dass  die  erste 
Untersuchung  unmittelbar  oder  wenigstens  kurze  Zeit  nach  dem 
Unfall  erfolgt  ist. 

In  praxi  und  vor  allem  in  den  uns  hier  beschäftigenden  Fällen 
liegen  aber  die  Verhältnisse  wesentlich  anders.  Nur  ganz  aus¬ 
nahmsweise  kommen  Unfallspatienten,  wenn  sie  nicht  eine  Beein¬ 
trächtigung  ihres  Hörvermögens  als  Unfallfolge  bezeichnen,  zur  so¬ 
fortigen  spezialärztlichen  Untersuchung.  Erst  nach  Jahr  und  Tag. 
wenn  die  Klagen  über  Kopfschmerzen,  Schwindel  usw.  nicht  ver¬ 
stummen,  wird  gelegentlich  ein  Otiater  zur  Begutachtung  beigezogen. 

Hiefür  2  Beispiele: 

1.  K  r„  26  Jahre,  Förderer.  Unfall  am  13.  X.  08.  Stein¬ 
platte  auf  den  Kopf  gefallen. 

I.  Untersuchung,  2.  XI.  09:  Keine  objektiven  Symptome. 

II.  Untersuchung,  19.  I.  10:  Keine  objektiven  Symptome  (Glaub¬ 
würdigkeit  bezweifelt!). 

III.  Untersuchung,  19.  II.  10:  Keine  objektiven  Symptome 
(nervöser  Kopfschmerz  nach  Schädeltrauma:  neuropathische  Natur; 
Unfall  rein  anatomisch  betrachtet  völlig  belanglos). 

IV.  Untersuchung,  13.  IV.  10:  Keine  objektiven  Symptome; 
ophthalmoskopisch  nichts  Positives  für  den  Unfall. 

V.  Untersuchung,  11.  VIII.  10:  Steigerung  der  Reflexe;  Augen¬ 
hintergrund  stärkere  Füllung  der  Venen,  Hyperämie  der  Papille. 

a)  Ohrenärztliches  Gutachten:  Die  Untersuchung 
mit  dem  Ohrenspiegel  ergab  beiderseits  normalen  Trommelfell¬ 
befund.  Die  Hörweite  für  Flüstersprache  beträgt  beiderseits  10  m 
und  mehr,  ist  sonach  normal.  Die  funktionelle  Prüfung  mit  der  kon¬ 
tinuierlichen  Tonreihe  zeigt  völlig  normalen  Ohrbefund,  nur  die 
Knochenleitung  des  Schädels  ist 


80 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


f  ii  r  die  a1  -  S  t  i  m  m  g  a  b  e  1  um  7  S  e  künden, 

für  die  A-Stimmgabel  um  32  Sekunden 

verkürzt  gegen  die  normale. 

Diagnose:  Normaler  Ohrbefund  mit  Verkür¬ 
zung  der  Knochenleitung  —  Verwachsung  der 
harten  Hirnhaut  mit  dem  Knochen. 

VI.  Untersuchung.  25.  II.  11:  Keine  objektiven  Symptome. 

b)  Ohren  ärztlich  es  Gutachten  (anderwärts  unter¬ 
sucht):  Trommelfell  beiderseits  normal. 

Hörweite  für  Flüstersprache  beiderseits  9  m  und  mehr.  Untere 
Tongrenze  normal;  obere  Tongrenze  unwesentlich  eingeengt. 

Stimmgabel  a 1  vom  Scheitel  um  3  Sekunden, 

,,  C  ,,  „  >i  4  » 

gegenüber  dem  Normalen  verkürzt. 

Diagnose:  Es  lässt  sich  also  heute  bei  wieder¬ 
holt  vorgenommener  Prüfung  nur  eine  ganz  un¬ 
wesentliche13)  Verkürzung  der  Knochenleitung 
konstatieren 

VII.  Untersuchung,  29.  IV.  11:  Keine  objektiven  Symptome. 

c)  Ohrenärztliches  Gutachten  (Universitäts-Ohrenklinik):  Nor¬ 
maler  Ohrbefund  (Hör-  und  Gleichgewichtsorgan). 

Zusammenfassung:  Die  einzelnen  Prüfungen 
wurden  wiederholt  und  von  verschiedenen  Unter- 
Suchern  ausgeführt,  insbesondere  die  Kopf¬ 
knochenleitung  für  a1  und  A  von  den  verschieden¬ 
sten  Stellen  des  Kopfes  aus  (Scheitelhöhe,  Mitte 
des  Scheitelbeins,  Hinterhauptbein)  geprüft. 
Diese  wiederholten  Prüfungen  er  gaben  imm  er 
dasselbe  Resultat,  nämlich  unwesentliche  (3—5  S  e  - 
künden)  oder  keine  Verkürzung  der  Knochen¬ 
leitung. 

Diagnose:  Normaler  Befund. 

2.  St.,  27  Jahre,  Schlepper.  Unfall  12.  VII.  1907;  durch 
ein  Steinstück  auf  den  Kopf  getroffen. 

I.  Untersuchung,  12.  XI.  07:  Kein  objektiver  Befund. 

II.  Untersuchung,  10.  VIII.  08:  Kein  objektiver  Befund. 

III.  Untersuchung,  20.  VII.  09:  Kein  objektiver  Befund;  Unfalls¬ 
hypochonder. 

IV.  Untersuchung,  19.  IV.  10:  Keine  objektiven  Symptome. 

V.  Untersuchung,  11.  VIII.  10:  Stärkere  Füllung  der  Venen  im 
Augenhintergrund;  Hyperämie  der  Papille. 

a)  Ohrenärztliches  Gutachten:  Die  funktionelle 
Prüfung  mit  Hilfe  der  kontinuierlichen  Tonreihe  ergab  neben  völlig 
normalem  Befunde  eine  Verkürzung  der  Knochen- 
1  e i t  u  n  g  des  Schädels 

für  die  a1  -  S  t  i  m  m  g  a  b  e  1  um  5  Sekunden, 
für  die  A-Stimmgabel  um  45  Sekunden. 

Diagnose:  Normaler  Ohrbefund  mit  Verkür¬ 
zung  der  Knochenleitung  — -  Verwachsung  der 
harten  Hirnhaut  mit  dem  Knochen. 

VI.  Untersuchung,  14.  I.  12:  Kein  objektiver  Befund. 

b)  Ohrenärztliches  Gutachten  (anderwärts  untersucht) : 

Normaler  Ohrbefund. 

Die  Stimmgabel  a1  vom  Scheitel  um  6  Sekunden,  die 
Stimmgabel  A  vom  Scheitel  nicht  verkürzt  (bei  wieder¬ 
hol  t  e  r  P  r  ü  f  u  n  gl). 

VII.  Untersuchung,  4.  VI.  12:  Keine  objektiven  Symptome. 

c)  Ohrenärztliches  Gutachten  (Universitäts-Ohrenklinik): 

Normaler  Ohrbefund  (Hör-  und  Gleichgewichts¬ 
organ).  ,  .  , 

K  n  o  c  li  e  n  1  e  i  t  u  n  g  vom  Scheitel  i  u  r  a  und  A  n  o  1  - 
mal  (wiederholte  Prüfung!). 

Epikrise:  Zwei  jugendliche  Männer  erleiden  je  ein  Kopf¬ 
trauma.  Wiederholte  eingehende  Untersuchungen  ergeben  keine 
anatomisch  nachweisbaren  Veränderungen,  bis  diese  aus  einer  Ver¬ 
kürzung  der  Knochenleitung  vom  Scheitel  angenommen  werden;  bei 
dem  einen  Patienten  2  Jahre,  bei  dem  anderen  3  Jahre  nach 
dem  Unfall.  In  beiden  Fällen  finden  Nachuntersuchungen  von 
ohrenärztlicher  Seite  statt  und  zwar  erstmals  6  Monate  bzw. 
16  Monate  nach  Feststellung  der  Knochenleitungsverkürzung  und 
zum  zweiten  Male  nach  Ablauf  weiterer  4  bzw.  6  Monate.  Bei  den 
Nachuntersuchungen  konnte  keinerlei  (oder  keine 
wesentliche)  Verkürzung  festgestellt  werden. 

Wir  haben  diese  beiden  Beispiele  gewählt,  weil  hier  bereits 
vor  uns  von  dritter  Seite  ein  negatives  Resultat 
festgestellt  wurde,  das  sich  mit  unserem  eigenen  Be¬ 
funde  deckt. 

Lässt  es  sich  erklären,  dass  eine  auf  traumatischer  Basis  ent¬ 
standene  Verwachsung  der  Dura  mater  mit  dem  Knochen  noch 
2  Jahre  nach  dem  Trauma  eine  ganz  enorme  Aenderung  der  Schädel¬ 
knochenleitung  bedingt  (32  Sekunden),  um  nach  weiteren  6  Monaten 
auf  dieselben  Schwingungen  völlig  normal  zu  reagieren?  Wir 
wissen  keine  Antwort  auf  diese  Frage.  Die  beiden  Unfallspatienten 
sind  heute  vollwertig  in  ihrem  Berufe  tätig,  wie  uns  auf  Erkundigung 
versichert  wird. 

13)  Noch  in  den  Grenzen  der  unvermeidlichen  Fehlerquellen 
liegende  (Der  Referent). 


Von  einem  Verschwinden  der  Knochenleitungs Verkürzung  nach 
Schädeltrauma  berichtet  auch  Hegetsch weiler  (1.  c.).  Fs 
handelte  sich  um  eine  schwere  Verletzung  des  knöchernen  Schädels 
mit  blossliegender  Dura  und  osteoplastische  Deckung  des  Defektes. 
Der  Fall  lässt  sich  also  nicht  ohne  weiteres  mit  den  hier  angeführten 
Beispielen  in  Parallele  setzen;  ausserdem  wurde  lediglich  mit  der 
Stimmgabel  a1  geprüft. 

Wichtiger  als  die  erste  Gruppe  unserer  Resultate  scheint  uns 
die  zweite  zu  sein.  Bei  diesen  Patienten  konnten  wir  wohl  die  Dia¬ 
gnose  Verkürzung  der  Knochenleitung  bestätigen,  daneben  aber  war 
eine  mehr  oder  weniger  schwere  Labyrinthläsion  zu  konstatieren, 
deren  gegenseitige  Beziehung  eingangs  erörtert  wurde. 

Auch  hiefiir  einige  Proben: 


I.L.,  60  Jahre,  Taglöhner  aus  München.  Unfall:  16.  III.  1910. 
Fallen  eines  Brettes  auf  das  Genick,  den  Hinterkopf  streifend;  Unter  - 
brechung  der  Arbeit  am  22.  III. 

I.  Begutachtung  am  13.  V.:  Pat.  macht  den  Eindruck  eines 
schweren  traumatischen  Neurasthenikers. 

II.  Begutachtung  am  15.  V.:  Pat.  macht  den  Eindruck  eines 
typischen  Unfallneurasthenikers. 

b)  Ohrenärztliches  Gutachten  am  8.  Juli  1910:  Trommelfell  beider¬ 
seits  diffus  getrübt,  rechts  reflexlos,  links  dreieckiger  Reflex,  punkt¬ 
förmig. 

Hörweite  für  Flüstersprache  beiderseits  10  m  und  mehr.  Die 
funktionelle  Prüfung  mit  der  kontinuierlichen  Tonreihe  ergibt  völlig 
normalen  Ohrbefund,  nur  die  Knochenleitung  des  Schädels  ist  für 
die  a1 -  Stimmgabel  um  6  Sekunden,  für  die  A-Stimm- 
g a  b  e  1  um  55  Sekunden  gegenüber  der  normalen  verkürzt. 

Diagnose:  Normaler  Ohrbefund  mit  Verkür¬ 
zung  der  Knochenleitung  —  Verwachsung  der 
harten  Hirnhaut  mit  dem  Knochen. 

b)  Nachuntersuchung  in  der 
20.  II.  12:  Trommelfell  rechts 
hinterer  Falte. 

Rhinitis  chronica  beiderseits,  Crista  septi  links. 

Hörweite  für  Fliistersprache  rechts  1  m  „7",  links  2 — 3  m  .. 

Untere  Tongrenze  rechts  E — 1,  links  G — 2  (normal  C — 2). 

Obere  Tongrenze  im  Galtonpfeifchen  rechts  1,5,  links  1,5  (nor¬ 
mal  0,5).  .1 

R  i  n  n  e  scher  Versuch  mit  a1  rechts  +7,  links  +10  (normal  +30) 

Die  schwingende  Stimmgabel  a1  auf  den  Scheitel  des  Unter¬ 
suchten  gesetzt,  wird  in  beiden  Ohren  gleich  stark  und  um  5—6  Sc 
künden  kürzer  gehört  als  vom  Untersuchenden. 

Die  schwingende  Stimmgabel  A  auf  den  Scheitel  des  Unter 
suchten  gesetzt,  wird  in  beiden  Ohren  gleich  stark  und  um  10 — 12  S  e 
künden  kürzer  gehört  als  vom  Untersuchenden. 

c  in  Luftleitung  rechts  10  Sek.,  links  20  Sek.  (normal  65  Sek. 

c  vom  Warzenfortsatz  (Knochenleitung)  rechts  8  Sek.,  link 
8  Sek.  (normal  20  Sek.). 

c4  in  Luftleitung  rechts  20  Sek.,  links  20  Sek.  (normal  70  Sek. 

Die  Prüfung  des  Drehnystagmus,  kalorischen  und  galvanische 
Nystagmus  zeigt  keine  Abweichung  von  der  Norm. 

Diagnose:  Erkrankung  des  inneren  Ohre 

(labyrinthäre  Schwerhörigkeit)  beiderseits. 


Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  am 
reflexlos,  beiderseits  Andeutung 


,6“ 


2.  D.,  32  J  ah  r  e,  Schmied  aus  Lechhausen.  Unfall:  26.  IV.  191  ; 
Verletzung  durch  einen  herabfallenden  Federhammer;  Schade 
Verletzung;  Gehirnerschütterung. 

a)  Ohrenärztliches  Gutachten  am  30.  Juli  1911:  Trommeln 
beiderseits  normal. 

Hörweite  für  Fliistersprache  beiderseits  8  m  und  mehr,  auch  d 
Zahl  „100“  wird  gehört,  ist  somit  normal. 

Die  funktionelle  Prüfung  mit  der  kontinuierlichen  Tonreil 
ergibt  beiderseits  normalen  Ohrbefund,  nur  die  Leitung  de 
Schädelknochens  ist 

für  die  a1  -  S  t  i  m  m  g  a  b  c  1  um  4  Sekunden, 
für  die  A-Stimmgabel  um  10  Sekunden 

gegen  die  normale  verkürzt.  i 

Diagnose:  Verkürzung  der  Knochenleitu  + 

bei  normalem  Ohrbefund  —  Verwachsungen  dt; 
harten  Hirnhaut  mit  dem  Schädeldache. 

b)  Nachuntersuchung  in  der  Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  af 

5.  IX.  12:  Trommelfell  beiderseits  normal.  I 

Hörweite  für  Flüstersprache  rechts  15  cm  (die  Zahl  „100 
links  7 — 8  m  (die  Zahl  „7“).  ^  I 

Untere  Tongrenze  rechts  C — 2,  links  C — 2  (normal  C — 2).  I 

Obere  Tongrenze  im  Galtonpfeifchen  rechts  0,4,  links  0,4  (nt 
mal  0,3).  1. 1 

Rinne  scher  Versuch  mit  a1  rechts  +30,  links  +21,  (n» 
mal  +30). 

Die  schwingende  Stimmgabel  a1  auf  den  Scheitel  des  Um 
suchten  gesetzt,  wird  in  beiden  Ohren  gleich  gut  und  um  5  S 
künden  kürzer  gehört  als  vom  Untersuchenden. 

Die  schwingende  Stimmgabel  A  auf  den  Scheitel  des  Unt 
suchten  gesetzt,  wird  in  beiden  Ohren  gleich  gut  und  um  6—7  Sjj 
künden  kürzer  gehört  als  vom  Untersuchenden. 

c  in  Luftleitung  rechts  75  Sek.,  links  75  Sek.  (normal  75  Se- 


14.  Januar  1912.  . . MÜENCHEMR  MMDtZINfSC^m  WOCHENSCHRIFT'. 


c  vom  Warzenfortsatz  (Knoelicnleituiig)  rechts  20  Sek.,  links 
20  Sek.  (normal  20  Sek.). 

c*  in  Luftleitung  rechts  40  Sek.,  links  35  Sek.  (normal  50  Sek.). 

nci  I  r  ii  f  u  n  g  des  kalorischen  Nystagmus  er- 
weist  sich  der  linke  Vestibularapparat  absolut 
i  e  u  k  t  i  o  n  s  I  o  s.  (Per  Drehnystagmus  und  der  galvanische 
Nystagmus  zeigen  keine  wesentlichen  Unterschiede  zwischen  rechts 
und  links.) 

Diagnose :  Erkrankung  des  inneren  Ohres 

(Iabyrinthäre  Schwerhörigkeit)  linkerseits;  völ¬ 
lige  Unerregbarkeit  des  Vestibularapparates 

linkerseits. 

Epikiise.  Während  in  dem  ersten  Falle  die  Erkrankung  des 
Gehörorganes  durch  die  starke  Herabsetzung  des  Gehörs  für  Flüster- 
sprache  unverkennbar  ist,  liegen  im  zweiten  Falle  die  Verhältnisse 

etwas  komplizierter.  Das  Sprachgehör  ist  noch  sehr  gut  die 

Zani  .,7  wird  auf  7  8  m  verstanden,  die  Zahl  „100“  sogar  noch 
1—-  m  weiter  gehört;  die  Tongrenzen  zeigen  normale  Werte  Be¬ 
gnügt  man  sich  mit  diesen  Prüfungen,  so  steht  der  Diagnose  „nor¬ 
males  Gehör  nichts  im  Wege.  Diese  Beurteilung  ändert  sich  sofort 
mit  dei  Prüfung  der  Hördauer  für  hohe  Töne;  c4  ist  entsprechend 
der  Schädigung  des  Sprachgehörs  für  hoch  liegende  Zahlworte  („7“) 
herabgesetzt.  In  besonderer  Weise  wird  die  Labyrinthschädigung 
aber  weiterhin  beleuchtet  durch  die  Prüfung  des  Vestibularapparates: 
die  kalorische  Reaktion  —  ein  rein  physikalisches  Experiment,  das 
unbeeinflussbar  vom  Willen  des  Untersuchten  verläuft  —  fehlt  linker- 
seits,  d.  h.  der  Vorhof-Bogengangapparat  ist  praktisch  ausser 
runktion  gesetzt.  Die  Labyrintherkrankung  erstreckte  sich  also  hier 
auf  die  beiden  im  inneren  Ohre  vereinigten  Sinnesfunktionen;  er¬ 
heblich  schwerer  als  der  Hörsinn  (Nervus  cochlearis)  war  der  Gleich¬ 
gewichtssinn  (Nervus  vestibularis)  erkrankt,  ein  im  allgemeinen 
seltener  Befund. 

Die  hier  vorliegende  Kombination  ist  so  recht  geeignet,  einer¬ 
seits  die  Berechtigung  unserer  Einwände  zu  illustrieren,  dann  aber 
auch  die  Notwendigkeit  einer  umfassenden  Labyrinthprüfung  klar 
zu  legen.  So  selbstverständlich  es  erscheint,  über  den  Zustand  eines 
Gehörorganes  erst  dann  ein  Urteil  zu  fällen,  wenn  die  beiden 
Sinnesfunktionen  geprüft  sind,  so  regelmässig  vermissten  wir  in  den 
spezialärztlichen  Gutachten  die  Exploration  des  gleichgewichts- 
regulierenden  Apparates  und  dies  noch  dazu  bei  Patienten  von  denen 
die  überwiegende  Anzahl  über  Schwindelgefühl  klagt! 

Für  das  Einsetzen  erheblicher  labyrinthärer  Schwer¬ 
hörigkeit  kürzere  oder  längere  Zeit  nach  einem  Unfall,  wie  in 
dem  ersten  der  beiden  eben  angeführten  Beispiele,  könnten  wir 
weitere  Belege  bringen.  Um  so  auffallender  muss  die  Tat¬ 
sache  erscheinen,  dass  vorher  normales  Gehör  oder,  richtiger 
atisged rückt,  sehr  gutes  Gehör  mit  Verkürzung,  der  Knochen- 
leitung  gefunden  wurde.  Bringt  man  Trauma  und  labyrin- 
thäre  Schwerhörigkeit  in  ursächlichen  Zusammenhang  (Laby¬ 
rintherschütterung  mit  sekundärer  Degeneration  des  Sinnes¬ 
epithels)  —  und  nicht  selten  erscheint  nach  der  ganzen  Sach¬ 
lage  diese  Möglichkeit  unbestreitbar  — ,  so  bleibt  konse¬ 
quenterweise  nur  die  Folgerung:  Die  Verkürzung  der 
Knochenleitung  nach  Schädeltraumen  ist  ein 
Früh  Symptom  der  Erkrankung  des  inneren 
Ohres;  sie  kann  ausgesprochen  sein,  bevor 
loch  die  Hörweite  unter  das  gewöhnliche 
Prüfungsmass  sinkt  (8—9  m). 

Die  Beobachtung,  dass  Wochen  und  Monate  nach  dem 
ingeschuldeten  Trauma  plötzlich  eine  rasch  zunehmende 
^abyrinthschwerhörigkeit  sich  entwickelt,  verdient  unser 
vollstes  Interesse.  Ihrer  praktischen  Bedeutung  halber  kann 
ler  Wert  möglichst  frühzeitiger  spezialärztlicher  Untersuchung 
•  on  Unfallspatienten  den  Versicherungsgesellschaften  und 
Jeren  Vertrauensärzten  nicht  eindringlichst  genug  betont 
verden. 

Wir  sind  fest  überzeugt,  dass  gewissenhafte  Unter¬ 
suchungen  von  reichem  Material  noch  manches  Rätsel  in  der 
Tage  der  Knochenleitung  lösen  werden.  Wie  weit  wir  davon 
ntfernt  sind,  hierin  heute  Normen  aufstellen  zu  dürfen,  lehren 
iie  wiederholten,  mit  dem  ganzen  Rüstzeug  moderner  Technik 
ingestellten  Versuche,  Einblick  in  die  komplizierten  Leitungs- 
’orgänge  zu  bekommen14);  das  lehren  auch  unsere  Er- 
ahrungen,  dass  eine  vorhandene  Verkürzung  der  Leitung  ein- 
nal  nach  kurzer  Zeit  verschwinden,  das  andere  Mal  der  Aus- 
Iruck  einer  beginnenden  Labyrintherkrankung  sein  kann.  Im 
ihrigen  erscheint  es  überhaupt  im  höchsten  Masse  unwahr- 
cheinlich,  dass  Erkrankungen  des  Schädels,  gleichgültig,  ob  sie 


14)  Siehe  Frey:  Zeitschr.  f.  Psychologie  und  Physiologie  der 
innesorgane,  Bd.  28  u.  Bd.  33. 

No.  2. 


8  f 


an  der  knöchernen  Kapsel  oder  in  den  Häuten  des  Gehirns 
oder  tief  im  Zerebrum  selbst  sitzen,  immer  und  allezeit  die 
bchalleitung  verkürzen  sollten. 

Ist  es  nicht  viel  natürlicher,  dass  je  nach  dem  Sitz  und 
,  !.  ües  Krankheitsherdes  eine  Aenderung  der  physi¬ 
kalischen  Bedingungen  einmal  mit  Verschiebung  nach  der 
positiven,  einmal  nach  der  negativen  Seite  eintritt,  mit  anderen 
V  orten,  dass  da  eine  Schwächung  des  Schall- 
abflusses  und  dort  eine  Verstärkung  resul¬ 
tiert? 

Einen  Beleg  fiii  diese  Voraussetzung  sehen  wir  in  den  an¬ 
geführten  Fällen,  wo  der  Stimmgabelton  über  dem  Defekt 
stärker  und^  länger  gehört  wurde  im  Vergleich  zur  Prüfung 
über  dem  Scheitel  des  Patienten  und  eines  Normalhörenden. 

Diese  Beobachtungen  stehen  keineswegs  vereinzelt  da.  In 
der  P  h  1  e  p  s  sehen  Untersuchungsreihe  war  unter  20  Fällen 
9  mal  die  Schallintensität  herabgesetzt,  10  mal  verstärkt  bei 
Auskultation  über  dem  sichtbaren  (Narben,  Defekte)  oder  ver¬ 
muteten  Herde;  in  einem  Fall  schlug  nach  der  Operation  (Ent¬ 
fernung  einer  Knochenimpression)  der  Befund  um:  vorher  Ab¬ 
schwächung,  nachher  Verstärkung. 

Die  Feststellungen  Phleps  verdienen  eine  besondere 
Beachtung,  da  sie  grösstenteils  durch  operative  Eröffnung  des 
Schädels  oder  durch  die  Autopsie  kontrolliert  sind.  Seine  Er¬ 
gebnisse  fasst  Phleps  folgendermassen  zusammen:  „Ein 
Lauterwerden  des  fortgepflanzten  Stimmgabeltones  findet  sich 
überall  da,  wo  das  Kranium  den  Ton  weniger  dämpft.  Sowohl 
die  experimentellen  Versuche  als  die  pathologischen  Fälle 
zeigen,  dass  der  Ton  um  so  lauter  gehört  wird,  je  näher  an 
dci  Dura  resp.  am  Gehirn  auskultiert  wird.  In  pathologischen 
Fällen  kommt  dies  zum  Ausdruck  bei  inniger  Verlötung  oder 
Verwachsung  der  Dura  mit  dem  Kranium,  bei  Auflockerung 
dci  normalen  Dichte  des  knöchernen  Schädeldaches  durch 
Tumoren  und  bei  Verdünnung  desselben.  Eine  Herabsetzung 
dei  Schallintensität  wurde  bewirkt  durch  gegenteilige  Ver¬ 
hältnisse,  also  Verdickung  des  Kraniums  ohne  gleichzeitige 
Vei  wachsung  mit  der  Dura,  gleichgültig,  ob  die  Verdickung 
duich  periostale  Schwellung  oder  durch  Verdickung  des 
Knochens  selbst  zustande  kam.  Dasselbe  gilt  für  die  gleich¬ 
bleibende  Dicke  des  Knochens  unter  blosser  erheblicher  Ver¬ 
dichtung  desselben.  Weiter  bei  Tumoren  an  der  Hirnober¬ 
fläche  ohne  Usur  oder  Verdünnung  des  Knochens,  sowie  bei 
Verwachsung  von  Dura  und  Schädel.  Dann  noch  bei  Ver¬ 
engung  des  Ventrikellumens,  sowie  bei  Tumoren  in  der  Tiefe 
des  Marklagers.“ 

Wir  führen  dieses  Resume  an,  nicht  um  unserer  Einzel¬ 
beobachtung  ein  besonderes  Gewand  zu  geben,  sondern  ledig¬ 
lich  um  zu  zeigen,  dass  bereits  ein  ganz  ansehnliches  und  mit 
vorbildlicher  Sorgfalt  untersuchtes  Material  vorliegt,  das  zu 
wesentlich  anderen  Schlüssen  kommt,  als  das  zur  Diskussion 
stehende,  zu  Folgerungen,  die  vor  allem  theoretischer  Voraus¬ 
setzung  und  klinischer  Beurteilung  gerechter  werden. 

Wenn  Hasslauer15)  und  neuerdings  auch  Wan - 
11  e  r )")  die  Resultate  von  Phleps,  Murawiew  und 
Bechterew  als  Beispiele  für  die  Brauchbarkeit  der  von 
ihnen  geübten  Methode  anführen,  so  scheint  diesen  beiden 
Autoren  die  Differenz  der  Untersuchungsergebnisse  gar  nicht 
zum  Bewusstsein  gekommen  zu  sein. 

Nach  seinen  neueren  Ausführungen  hat  Wanner  offen¬ 
bar  die  bisherige  Methode  verlassen  und  ist  zur  Auskultation, 
also  zur  objektiven  Untersuchung  übergegangen.  Auch  diese 
stellt  noch  kein  festes  Gebäude  dar,  wie  wir  uns  in  letzter  Zeit 
wiederholt  überzeugen  konnten;  eine  Reihe  von  Fehlerquellen 
lässt  Irrtümer  und  Täuschungen  zu;  Aufgabe  sorgfältiger  Be¬ 
obachtung  und  nüchterner  Kritik  wird  es  sein,  diese  zu  über¬ 
winden.  — 

In  Zusammenfassung  unserer  Betrachtungen  ergibt  sich: 

Der  Symptomenkomplex  „V  erkürzung  der 
Knochenleitung  bei  normalem  Gehör“  ist  we¬ 
der  pathologisch-anatomisch  noch  klinisch 
g  e  n  ti  g  e  n  d  begründet. 


15)  Hasslauer:  1.  c. 

')  Wanner:  Sitzungsberichte  der  Laryngo-otologisclien  Ge¬ 
sellschaft  München  1912. 


4 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


82 

Verkürzung  der  Knochen  leitungsdauer 
vo in  Scheitel  (für  tiefe  Stimmgabeln:  A)  mag 
nach  Schädeltrau  m  e  n  v  orko  in  men.  Bei  ihre  r 
diagnostischen  Verwertung  für  intrakrani¬ 
elle  Erkrankungen,  insbesondere  in  Fällen 
mit  mangelnden  objektiven  Symptomen  des 
Zentralnervensystems,  ist  äusserste  Vor¬ 
sicht  geboten, 

da  derartige  Verkürzungen  der  Leitungs¬ 
dauer  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  voll¬ 
kommen  verschwinden  können,  so  dass  nor- 
male  Knochenleitung  nachweisbar  ist; 

da  die  Verkürzung  der  Knochenleitung  ein 
Früh  Symptom  einer  Erkrankung  des  inneren 
Ohres  (labyrinthäre  Schwerhörigkeit)  dar¬ 
stellen  kann. 


Fürst  Alexander  von  Hohenlohe,  ein  Vorläufer  der 
Christian  Science. 

Von  Dr.  Julian  M  a  r  c  u  s  e. 

(Schluss.) 

Die  Heilungen  Hohenlohes  riefen,  wie  leicht  begreiflich,  eine 
Sturmflut  von  literarischen  Erzeugnissen,  von  Streitschriften  pro 
und  contra  hervor;  abgesehen  von  zahllosen  Artikeln  in  politischen 
Zeitungen  und  Zeitschriften  die  sich  mit  ihm  und  seinen  Heilversuchen 
beschäftigten,  erschienen  nahezu  50  Druckschriften  von  grösserem 
oder  geringerem  Umfang,  von  denen  ein  Teil  unter  „Anerkennung 
seiner  Kraft  von  oben“  oder  unter  Annahme  eines  natürlichen 
„magneto-sympathischen  Heilverfahrens“  für  die  Tatsächlichkeit  der 
Heilungen  eintrat,  während  der  andere  Teil  gegen  Hohenlohe  Stel¬ 
lung  nahm.  Bevor  wir  dieselben  in  kurzer  Wiedergabe  zu  würdigen 
versuchen  werden,  sei  noch  auf  das  eingangs  erwähnte,  von  seiner 
Hand  verfasste  „Mirakelbüchlein“  aufmerksam  gemacht,  welches 
die  Gebete  enthielt,  in  denen  bei  der  Fernbehandlung  Patient  und 
Gesundbeter  sich  vereinigen  sollten.  Es  hatte  den  Titel  „Andacht, 
welche  in  allerlei  Leiden,  Drangsalen,  Krankheiten  und  Nöten  der 
Seele  und  des  Leibes  nach  abgelegter  würdiger  Beichte  und  emp¬ 
fangener  hl.  Kommunion  in  dem  festen  Vertrauen  auf  die  Kraft  des 
Namens  Jesu,  in  dessen  Namen  einzig  und  allein  unser  Heil  zu  finden 
ist,  heilsamst  geübt  werden  kann“.  Das  Gebet  selbst,  das  er  bei 
seinen  Heilversuchen  sprach,  das  noch  handschriftlich  erhalten  ist, 
hatte  folgenden  Wortlaut:  „0  Gott,  der  Du  die  Herzen  der  Gläubigen 
regierst,  wirke  in  dieser  heiligen  Stunde  und  zeige  an  diesem 
Deinem  Diener  Deine  Macht  und  Heiligkeit.  Wie  Du  in  der  hl.  Messe 
unmittelbar  mitwirkest  nach  der  Konsekration  des  Priesters,  so 
dass  nicht  nur  Brot  und  Wein,  sondern  der  Leib  und  das  Blut  Jesu 
gegenwärtig  ist,  wie  Du  unmittelbar  mitwirkest  bei  der  priester- 
lichen  Lossprechung,  so  erwarte  ich  auch  jetzt,  o  Gott,  Dein  un¬ 
mittelbares  Mitwirken,  erwarte  es  im  Namen  Jesu,  dem  Du  alle  Ge¬ 
walt  im  Himmel  und  auf  Erden  gegeben  wegen  seines  Gehorsams 
bis  in  den  Tod  des  Kreuzes;  ich  erwarte  es  wegen  Dir,  damit  Dein 
Name,  o  Gott,  verherrlichet  werde  —  Jesus  Christus,  Dein  Sohn, 
gelobt  und  gebenedeiet  und  die  Göttlichkeit  der  Lehre  Jesu  dadurch 
sich  befördere.  In  diesem  festen  Glauben  und  Vertrauen,  dass  Du 
unmittelbar  mitwirken  werdest,  befehle  ich  im  Namen  Jesu  vermöge 
der  Gewalt,  die  mir  in  der  heiligen  Taufe  eingeräumt  worden  ist; 
dass  diese  Schmerzen  und  Gebrechen  weichen 
sollen.  Bekräftige  dieses  mein  Verlangen,  o  Gott  Vater,  Sohn  und 
heiliger  Geist.“ 

Unter  den  oben  erwähnten  Publikationen  ist  von  seiten  der 
Anhänger  Hohenlohes  die  erwähnenswerteste  die  Broschüre  des 
Professors  der  Theologie  Adam  Onymus  in  Würzburg.  Ausser 
einem  eifervollen  Versuch,  die  Heilungen  Hohenlones  mit  dem  Wir¬ 
ken  Christi  und  seiner  Jünger  in  gewisse  Parallele  zu  bringen,  führt 
er  eine  grosse  Reihe  von  vollzogenen  Heilungen  an,  die  er  teilweise 
selbst  beobachtet  haben  will,  teilweise  mit  Zeugen  und  Gewährs¬ 
männern  zu  belegen  sucht.  In  den  angeführten  Fällen  handelte  es 
sich  um  hysterische  Krämpfe  und  Lähmungen  (Fall  Sauer  und 
Broilli),  um  eine  Anzahl  von  Bewegungsstörungen  auf  der  Basis 
gichtischer  Erkrankungen  (Rüthlein,  Fegelein  etc.),  von  Lähmungen 
nach  Schlaganfällen  und  dergl  mehr.  Die  Beobachtungsdauer  der 
behandelten  Fälle  erstreckt  sich  auf  nicht  länger  als  auf  4  Wochen 
hinaus,  mithin  ein  völlig  ungenügender  Zeitraum,  um  ein  reales 
Urteil  darauf  zu  gründen.  Auch  diese  mit  aller  Glaubensinnigkeit 
für  Hohenlohe  eintretende  Verteidigungsschrift  bringt  über  die  Me¬ 
thodik  seines  Vorgehens  bei  den  Heilversuchen  die  gleiche  Inter¬ 
pretation,  wie  sie  von  Hohenlohe  selbst  und  allen  seinen  Partisanen 
gegeben  wird.  Onymus  schreibt  hierüber:  „Manche  Leser  kommen 
mir  vielleicht  mit  der  Frage  entgegen:  Werden  keine  Künste  mit  der 
Sache  getrieben?  Ich  antworte:  keine.  Da  ist  überall  nicht  die 
Rede  von  sympathischen  Kuren,  nicht  von  Magnetismus,  von  Zauber¬ 
formeln  etwa  gar  oder  von  Teufelsaustreibungen.  Es  hat  Leute  ge¬ 


geben,  die  den  Satz  aufstellten:  alle  oder  doch  die  meisten  Krank¬ 
heiten  kämen  vom  Teufel;  allein  das  wird  hier  nicht  gelehrt  auch 
werden  keine  Manipulationen  gemacht,  etwa  die  verrenkten  Glieder 
wieder  einzurichten.  Der  Fürst  Hohenlohe  berührt  die  Kranken 
nicht.  Was  ist  denn  nun  sein  Geheimnis?  Antwort:  Er  betet  über 
die  Kranken.  Soll  etwa  sein  Gebet  wie  eine  Zauberformel  wirken? 
Keineswegs:  der  Fürst  bindet  sich  an  keine  Formel,  er  betet,  sowie 
es  das  Bedürfnis  des  Kranken  mit  sich  bringt;  er  betet  laut,  wenn  er 
vom  Beten  nicht  zu  sehr  ermüdet  ist,  und  es  ist  niemandem  hehl,  was 
er  betet.  Mit  dem  Gebet  erweckt  er  einen  lebhaften  Glauben  in  dem 
Kranken:  Glaubst  Du,  sagt  er,  dass  Dir  Gott  helfen  kann  und  helfen 
will  im  Namen  Jesu?  Hast  Du  ein  festes  Vertrauen,  dass  er  das  tun 
wird,  glaubt  Du,  dass  Dir  wirklich  schon  geholfen  ist.  —  Glaubt  Du 
das,  so  lege  Deine  Krücken  hinweg,  Du  kannst  gehen,  Du  hörst,  Du 
siehst,  da,  lies  nun  in  dem  Buche  usw.  —  Und  der  Kranke  richtet 
sich  auf,  er  geht  hinweg  ohne  Krücken,  er  hört,  er  sieht  usw.  So 
betet  der  Fürst,  und  dies  ist  vielmals  der  Erfolg  von  seinem  Gebet". 
Viel  weniger  eindrucksvoll  auf  die  öffentliche  Meinung  der  damaligen 
Zeit  waren  die  gegnerischen  Schriften,  deren  Autoren  merkwürdiger 
Weise  nicht  zu  den  Aerzten  zählten.  Es  ist  erstaunlich,  dass  weder 
die  Universitätslehrer  der  medizinischen  Fakultät  in  Würzburg  noch 
die  Aerztewelt  überhaupt  Stellung  zu  Hohenlohe  und  seinen  Wunder- 
'kuren  nahm,  ja  selbst  der  Orthopäde  Heine,  der  durch  ein  Pamphlet 
eines  Domvikars  Bauer  aufs  empfindlichste  angegriffen  wurde,  und 
der  ja  in  dem  Falle  der  Prinzessin  Schwarzenberg  direkt  in  Mitleiden¬ 
schaft  gezogen  war,  schwieg  beharrlich,  und  auf  öffentliche  An¬ 
zapfungen  im  „Frankfurter  Journal“  antwortete  er  mit  einigen,  die 
Sache  selbst  in  nichts  klärenden  Denksprüchen  Salomos. 

Die  schärfsten  Gegner  erwuchsen  Hohenlohe  vor  allem  in  dem 
Staatsrat  und  Appellationsgerichtspräsident  Anselm  Ritter  von  Feuer¬ 
bach,  der  in  einer  Reihe  von  Briefen  in  der  absprechendsten  Weise 
sich  über  Hohenlohe  und  sein  Gebahren  äussert.  Er  nennt  ihn  einen 
„Buben“  und  „sittlich  defekten  Menschen“,  seine  Handlungen 
„Schandtaten“  und  „Gaukeleien“,  sein  Gesamturteil  ist  ein  ver¬ 
nichtendes.  Aus  den  Briefen  ist  manches  interessante  Faktum  zu 
entnehmen,  so,  dass  ausser  dem  Kronprinzen  vor  allem  der  gesamte 
Adel  zu  den  anbetenden  Verehrern  des  Fürsten  Hohenlohe  gehöre, 
dass  der  König  empört  sei  über  die  Verirrung  seines  Sohnes  und 
geäussert  haben  solle:  „Mehr  als  20  Jahre  habe  ich  gearbeitet,  mein 
Volk  von  den  Pfaffen  loszumachen  und  nun  am  Rande  des  Grabes 
muss  ich  sehen,  wie  mein  eigener  Sohn  das  zu  zerstören  sucht,  was 
ich  gebaut  habe“,  dass  auf  Veranlassung  des  Königs  ein  Memo¬ 
randum  von  zwei  Aerzten  ausgearbeitet  worden  sei,  die  zu  folgen¬ 
den  Schlüssen  gelangten:  Die  allermeisten  Kranken,  die  von  Fürst 
Hohenlohe  behandelt  wurden,  seien  krank  geblieben,  mehrere 
schlimmer  geworden,  einige  aus  Verzweiflung,  dass  sie  nicht  den 
rechten  Glauben  hätten,  gestorben  oder  wahnsinnig  geworden,  einige 
angeblich  Geheilte  entweder  schon  wieder  genesen,  oder  durch  die 
Macht  der  Einbildungskraft  in  den  Zustand  der  Besserung  versetzt 
worden.  Neben  anderen  mehr  von  theologisch-philosophischen  Unter¬ 
suchungen  ausgehenden  und  für  die  Betrachtung  des  Tatbestandes 
unwesentlichen  Veröffentlichungen  ist  noch  eine  von  einem  Ano¬ 
nymus  aus  dem  Jahre  1873  herrührende  Publikation  zu  erwähnen,  die 
in  ihrem  Untertitel  die  Bemerkung  „Nach  erst  jetzt  zugänglichen 
Akten“  führt.  Sie  enthält  ausser  einer  Reihe  von  Details  über  Hohen¬ 
lohes  Erscheinung,  Wesen  und  Auftreten  und  über  die  geradezu  ab¬ 
göttische  Verehrung,  die  er  im  Frankenlande  genoss,  keine  neuen  Ge¬ 
sichtspunkte,  die  über  das  strittige  Bild  dieser  kulturgeschichtlich  so 
interessanten  Persönlichkeit  Aufschluss  geben  würden,  nur  entnimmt 
man  ihr  erstmalig  in  der  gesamten  Literatur  über  den  Fürsten  Hohen¬ 
lohe  ein  wenigstens  in  groben  Umrissen  gezeichnetes  Krankheitsbild 
der  Prinzessin  Mathilde  von  Schwarzenberg,  die  den  Heilglauben  an 
den  Fürsten  begründete.  Die  Prinzessin  hatte  schon  im  dritten 
Jahre  ihre  Gehfähigkeit  infolge  einer  Entzündung  mit  folgender  Eiter¬ 
senkung  —  allem  Anschein  nach  hat  es  sich  also  bei  ihr  um  eine 
eitrige  Entzündung  des  Beckens  gehandelt  —  verloren  und  wurde 
nach  vergeblichen  Versuchen  der  berühmtesten  Chirurgen  Frank¬ 
reichs,  Italiens,  Belgiens  etc.  durch  den  Orthopäden  Heine  in  einen 
Streckverband  gelegt,  der  den  Zweck  haben  sollte,  die  verkürzte 
und  wohl  teilweise  auch  geschrumpfte  Muskulatur  wieder  zu  dehnen. 
Der  Erfolg  dieser  Behandlung  soll  nach  kurzer  Zeit  nun  der  gewesen 
sein,  dass  die  Prinzessin  bereits  die  Stellung  einer  Gesunden  an¬ 
nehmen  konnte,  indem  sie  sich  an  einen  Pfeiler  lehnte  und  ein  wenig 
auf  die  Füsse  stützte,  und  nach  anderthalbjähriger  Kur  soll  sie  bereits 
einige  Schritte  mit  dem  Verband  haben  gehen  können.  Der  ereignis¬ 
volle  Vorfall,  bei  dem  Fürst  Hohenlohe  und  der  Bauer  Michel  als 
Gesundbeter  auftraten,  spielte  sich  gerade  um  diese  Zeit  ab,  in  der 
Heine  angeblich  an  das  Ende  seiner  Kur  angelangt  war.  Sie  be¬ 
nutzten  eine  zufällige  Abwesenheit  von  ihm,  um  zur  Prinzessin  zu 
gelangen,  und  der  schon  eingangs  erwähnte  Effekt  war  der,  dass 
die  Patientin  unmittelbar  nach  den  Gebetssprüchen  4 — 5  mal  im 
Zimmer  auf-  und  abgehen,  am  gleichen  Tage  eine  Treppe  von  24  Stufen 
in  den  Garten  hinuntersteigen  und  am  folgenden  Tage  —  dem  Fron¬ 
leichnamsfeste  —  der  Prozession  beiwohnen  konnte.  Sie  hat  dann 
später  die  Rückreise  nach  Oesterreich  ohne  Zwischenfälle  zurück¬ 
gelegt  und  scheint  —  das  Gegenteil  davon  ist  nicht  bekannt  —  in 
dem  wesentlichen  gebesserten  Zustand  verharrt  geblieben  zu  sein. 

Die  zeitgenössische  Chronik  hat  den  Fürsten  Hohenlohe  teilweise 
zu  den  Epigonen  Mesmers  gezählt,  teilweise  zum  gewöhnlichen 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


83 


Schwindler  gestempelt.  Beide  Auffassungen  sind  nach  allem,  was 
man  von  ihm  weiss,  als  unrichtig  abzulehnen.  Mit  dem  Mesmerismus 
verband  ihn  nichts,  ausser  dass  seine  Hinneigung  zu  den  okkulten 
Wissenschaften  ihre  ursächlichen  Momente  aus  den  jene  Zeiten  be¬ 
herrschenden  Vorstellungen  vom  tierischen  Magnetismus  schöpfte. 
Ihn  zum  Scharlatan  zu  degradieren,  liegt  ebensowenig  Veranlassung 
vor,  war  und  ist  man  doch  nur  zu  sehr  geneigt,  Erscheinungen  der 
Weltgeschichte,  statt  ihre  persönliche  Entwicklung  und  die  Zeitum¬ 
stände,  unter  denen  sie  lebten,  von  psychologischen  Gesichtspunkten 
ius  zu  analysieren,  mit  einem  traditionellen  Urteil  abzutun.  In  beide 
Kategorien  passt  Hohenlohe  nicht  hinein,  er  ist  den  Gestalten  im 
Völkerleben  zuzuzählen,  die  in  ekstatischer  ülaubensinnigkeit  Berge 
versetzen  zu  können  wähnten.  Der  Priester  als  Verkünder  auch  des 
körperlichen  Heiles  ist  eine  stereotype  Erscheinung  in  der  Welt¬ 
geschichte,  von  den  Wunderheilungen  von  Franz  von  Assisi  bis  zu 
denen  von  Lourdes  hat  man  es  immer  mit  der  gleichen  Art  von 
Phänomen  zu  tun,  nämlich  mit  Versuchen,  auf  suggestiv-thera¬ 
peutischem  Wege  körperliche  Leiden  zu  beeinflussen.  Dieselben  gelingen 
dort,  wo  im  Vordergründe  der  durch  die  Krankheit  verursachten  Ver¬ 
änderungen  Störungen  der  nervösen  Funktionen  stehen,  oder  wo  mit 
anatomischen  Organerkrankungen  und  in  deren  unmittelbarer  Folge 
auch  die  nervösen  Apparate  in  Mitleidenschaft  gezogen  sind,  sie  ver¬ 
sagen,  wo  organische  Leiden  zu  krankhaften  Prozessen  geführt 
haben.  So  gelingt  es,  „Lahme“  und  „Gichtbrüchige“  zu  heilen  und 
„Blinde“  sehend  zu  machen,  und  die  Mittel  hierzu  sind  Gebet  und 
Händeauflegen,  die  unter  dem  Zeichen  des  Kreuzes  erst  ihre  Weihe 
erhalten.  Nicht  höher  und  nicht  niedriger  ist  die  Figur  des  Fürsten 
Hohenlohe  einzuschätzen,  der,  soweit  sich  dies  retrospektiv  beurteilen 
lässt,  bona  fide  sein  priesterliches  Gewand  und  die  ihm  damit  ver¬ 
liehene  Macht  zur  Inaugurierung  von  Gebetswundern  benützt  hat. 

Würzburg,  den  2.  July  1821. 

Der  Magistrat  der  Königl.  Bairischen  Kreishauptstadt  Würzburg 
ah  das  Königl.  Landgericht  Karlstadt. 

Durch  das  Gerücht  wird  der  oben  belobten  Behörde  bekannt 
geworden  sein,  welche  Ereignisse  sich  in  bezug  auf  die  Heilung 
presshafter  Personen,  als  nemlich  lahmer,  gichtkranker,  blinder  und 
tauber  Individuen  durch  den  Herrn  Fürsten  von  Hohenlohe  sich  zu¬ 
getragen  haben. 

Die  Königliche  Regierung  hat  durch  Reskript  vom  27.  v.  M. 
befohlen,  dass  alle  Personen,  bei  welchen  Heilversuche  mit  oder  ohne 
Erfolg  gemacht  worden  sein  sollen,  in  ein  Verzeichnis  aufgenommen 
und  die  näheren  Verhältnisse  ausgemittelt  und  dabei  die  Aerzte, 
welche  die  Patienten  behandelt  haben,  mit  ihrem  Gutachten  über  den 
Zustand  derselben  vor  und  nach  dem  Heilungsversuche  vernommen 
werden  sollen. 

Wir  ersuchen  demnach  oben  belobte  Behörde  dienstfreundlichst, 
die  in  anliegendem  Verzeichnisse  benannten  Personen  über  die  Art 
und  Weise  ihrer  Herstellung  dahin  zu  vernehmen,  den  Zustand  der¬ 
selben  vor  ihrer  Heilung  durch  Zeugen  zu  konstatieren  und  von 
jenem  nach  der  Heilung  sich  womöglich  selbst  zu  überzeugen,  die 
desfallsigen  Verhandlungen  mit  dem  Gutachten  des  behandelnden 
Arztes  zu  versehen  und  solche  alsdann  zur  weiteren  Beförderung  an 
Königliche  Regierungs  anher  zu  übermachen. 

Der  I.  Bürgermeister. 

Der  gleiche  Erlass  erging  an  das  Kgl.  Landgericht  Volkach  und 
beide  stellten  nun  —  die  Protokolle  hierüber  finden  sich  in  dem 
Faszikel  Akten  des  Königlich  Bayrischen  Land¬ 
gerichts  Karlstadt  bezw.  Volkach,  betreff  Schwär¬ 
merei,  religiöser  Aberglaube,  Heilungen  durch 
F  ii  r  s  t  Hohenlohe  —  eine  Reihe  von  Erhebungen  an,  bei  denen 
die  betreffenden  von  Hohenlohe  behandelten  Personen  amtlich  ver¬ 
nommen  und  einer  Art  Inaugenscheinnahme  seitens  der  damit  be¬ 
trauten  Beamten  unterzogen  wurden.  Es  handelte  sich  hierbei  um 
Fälle  von  Gichtbrüchigen,  von  Taubheit  und  Kinderlähmung,  Epilepsie 
tu  a.  m.  Der  von  den  einschlägigen  Behörden  erstattete  Bericht  vom 
25.  Juli  1821  stellt  folgende  Ergebnisse  zusammen: 

a)  Marg.  Kiefer,  Häfnerin,  gichtlahm,  sie  ist  noch  jetzt  lahm, 
Wie  vorher,  geht  an  Krücken  und  ihre  Gelenke  sind  von  Gicht¬ 
geschwülsten  unbrauchbar. 

b)  Georg  Völker,  Nagelschmied,  gichtlahm,  er  nennt  sich  geheilt, 
dass  er  das  nicht  ist,  springt  jedem  in  die  Augen,  der  ihn  sieht,  dass 
- r  schon  vor  der  Heilung  etwas  gehen  konnte,  beweist  seine  eigene 

Erzählung. 

c)  Franz  Brendel,  Metzger  von  hier,  durch  Ausschweifung  im 
Trünke  äusserst  geschwächt  und  nicht  geheilt,  soviel  er  vor  der 
Heilung  gehen  und  überhaupt  seine  Glieder  brauchen  konnte,  kann 

-r  auch  jetzt. 

d)  Franz  Martin,  auszehrend,  nicht  geheilt,  sondern  ganz  in  dem 

vorigen  Zustande. 

e)  Michael  Müllerklein,  angeblich  vorher  auf  einem  Ohre  taub, 
hält  sich  für  gebessert. 

f)  Georg  Röttinger,  vorher  harthörig  und  noch. 

g)  Margarethe  Küttinn  von  Laudenbach,  an  einem  akuten  Rheu¬ 
matismus  krank,  hält  sich  für  geheilt. 

h)  Michael  Werthmann  von  Himmelstadt,  von  Kindergefraisen 
gelähmt  und  noch  lahm  wie  vorher. 

i)  Michael  Hilpert  von  Himmelstadt,  fallsüchtig  und  blind,  und 
durch  die  Kur  um  nichts  gebessert. 


k)  Theresia  Sevginn  von  Karlstadt,  gichtlahm,  nicht  nur  nicht 
geheilt,  sondern  über  die  misslungene  Heilung  nun  gär  verrückt, 
indem  sie  sich  für  verdammt  und  verworfen  von  Gott  hält. 

Unter  dem  gleichen  Datum,  an  dem  diese  Berichte  einliefen, 
erliess  der  Magistrat  der  Stadt  Bamberg  an  die  Landgerichte  Karl¬ 
stadt  und  Volkach  ein  Reskript  folgenden  Inhalts:  In  Ansehung  der 
Heilungsversuche  des  geistlichen  Rats  Herrn  Fürsten  von  Hohenlohe 
ist  uns  allerhöchst  königliche  Ministerialbestimmung  in  der  Art  zu¬ 
gekommen,  dass 

a)  die  Heilungsversuche  (wenn  erwähnter  Fürst  von  deren  Fort¬ 
setzung  nicht  selbst  absteht)  auf  öffentlichen  Plätzen  niemals  ge¬ 
schehen  dürfen,  dass 

b)  wenn  sie  in  nicht  öffentlichen  Plätzen  vor  sich  gehen,  nur 
im  Beisein  einer  obrigkeitlichen  Person,  dann 

c)  im  Beisein  eines  Arztes  vorzunehmen  wären,  dass 

d)  die  Vorfälle,  die  Versuche  in  allen  Beziehungen  genau  beob¬ 
achtet,  die  Tatsachen  mit  aller  Umsicht  erhoben  werden  müssen; 
es  ist  ferner  unerlässlich,  dass 

e)  keinem  angeblichen  Kranken,  der  sich  einem  solchen  Heil¬ 
versuche  zu  unterwerfen  gedenkt,  hier  der  Aufenthalt  gestattet 
werde,  wenn  er  sich  nicht  über  geeignetes  Unterkommen  und  hin¬ 
länglich  Subsistenzmittel  ausweisen  kann,  es  ist  ferner  unerlässlich, 

f)  dass  ein  solcher  Hilfesuchender  mit  einer  Legitimation  seiner 
Vorgesetzten  Obrigkeit,  sowie  mit  einem  beglaubigten  ärztlichen 
Zeugnisse  über  seine  bisherigen  Krankheitsumstände  versehen 
sein  muss. 

Die  Stellungnahme  der  Aerzteschaft  ist  aus  den  vorhandenen 
Urkunden  kaum  ersichtlich.  Nur  ein  Memorandum  des  Gerichts¬ 
arztes  Gessler  zu  Volkach,  datiert  den  17.  Juli  1821,  liegt  vor  und 
zwar  folgenden  Wortlauts: 

Unterthänigster  Bericht  mit  Anfrage  des  Gerichtsarztes  Gessler. 

An  die  Königliche  Regierung  des  Untermainkreises. 

Auf  den  12.  August,  wo  in  Volkach  das  Fest  des  heiligen 
Crescentius  hoch  gefeiert  wird,  ist  Fürst  Alexander  von  Hohenlohe 
zur  Ehrung  diesses  hierher  eingeladen  worden,  nimmt  derselbe  diese 
Einladung  an,  so  ist  mit  voller  Gewissheit  zu  erwarten,  dass  auch 
hier  dieselben  Begebenheiten  erscheinen  werden,  welche  nach  Ruf 
und  Druckschriften  in  der  Kreishauptstadt  Würzburg  vorgefallen 
sind,  umsomehr  da  es  bekannt  ist,  dass  schon  mehrere  Menschen 
des  hiesigen  Bezirkes  desselben  religiöse  Krankheitsheilung  in  Würz¬ 
burg  nachgesucht  haben,  da  die  Kirche,  in  der  das  Fest  gefeiert  wird, 
als  die  älteste  Wallfahrtskirche  und  das  darin  befindliche  Mutter¬ 
gottesbild  schon  von  längster  Zeit  als  Mirakelbild  im  Rufe  stehen. 

Da  nun  nach  bestehender  Physikatsinstruktion  mir  die  Pflicht 
auferlegt  ist,  über  Medizinalpolizey  zu  wachen,  und  keinem  ärztliche 
oder  chirurgische  Praxis  zu  gestatten,  der  von  der  königlichen  Re¬ 
gierung  hierzu  nicht  besonders  privilegirt  ist,  da  es  mir  keineswegs 
zukömmt,  von  Gesetzen  und  Verordnungen  mich  oder  andere  zu 
dispensiren,  die  indessen  oben  berührte  Begebenheiten  einerseits 
selbst  am  Sitze  der  königlichen  Regierung  vorgefallen  sind,  anderer¬ 
seits  aber  auch,  wie  ich  aus  einem  mir  gerichtlich  abgeforderten 
Gutachten  schliessen  muss,  die  vorgefallenen  Ereignisse  an  der 
königlichen  Polizey  untersucht  werden,  so  wolle  mir  die  unter- 
thänigste  Anfrage  gnädigst  erlaubt  seyn,  wie  ich  mich  zu  verhalten 
habe  und  besonders  dann,  wenn  Martin  Michel  miterscheinen  sollte, 
um  weder  gegen  das  Gesetz  noch  gegen  die  scheinbare  Konnivenz 
der  königlichen  Regierung  zu  fehlen,  noch  dem  Strome  mich  un¬ 
nötiger  Weise  und  vielleicht  mit  Lebensgefahr  zu  widersetzen. 

Unterthänigst  gehorsamster 

J.  Gessler,  Gerichtsarzt. 


Fortbildungsvorträge  und 
LJebersichtsreferate. 

Die  Bedeutung  des  Rhodans  im  Speichel. 

Von  Dr.  A.  Lohmann,  Hofzahnarzt  in  Kassel. 

Von  grösster  Bedeutung  ist  die  Bewertung  der  im  Organismus 
vorkommenden  physiologischen  Salze,  werden  doch  durch  ihren 
Mangel  oder  Ueberschuss  erhebliche  Störungen,  namentlich  auf  dem 
Gebiete  des  Stoffwechsels  angezeigt  oder  auch  hervorgerufen. 

Mit  derselben  Sorgfalt  und  Gründlichkeit,  mit  der  man  bisher 
Harnanalysen  machte,  untersucht  man  jetzt  auch  den  Speichel;  nicht 
nur  um  seine  Reaktion,  seine  Fermentwirkung,  sein  chemisches  Ver¬ 
halten,  seine  Bakterienflora,  seine  physikalischen  Eigenschaften  fest¬ 
zustellen,  sondern  auch  die  physiologischen,  in  ihm  enthaltenen  Salze 
gebührend  zu  bewerten.  Nach  den  neuesten  Untersuchungen  spielen 
hierbei  die  Rhodansalze  eine  Hauptrolle.  Dass  Rhodan  normaler¬ 
weise  nicht  nur  im  Speichel,  sondern  auch  im  Magensaite,  Blut, 
in  der  Lymphe,  Galle,  Milz,  im  Harn  vorhanden,  ist  ja  bekannt.  Die 
Menge  des  Rhodans  im  Speichel  ist  bei  den  einzelnen  Menschen  so 
verschieden,  dass  man  eine  genaue  prozentuale  Angabe  nicht  gut 
machen  kann.  Durchschnittlich  enthält  der  menschliche  Speichel 
0,014  Proz.,  der  menschliche  Harn  pro  Liter  0,11  g. 

(Beim  Hunde  z.  B.  findet  sich  Rhodan  nur  im  Harn.) 

4* 


84 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No..  2. 


Vor  nahezu  100  Jahren  wurde  Rhodan  durch  T  r  e  v  i  r  a  n  u  s 
zuerst  im  Speichel  nachgewiesen.  Als  feststehend  dürfte  durch  die 
neueren  Forschungen  anzunehmen  sein,  dass  Rhodan  durch  Spaltung 
der  Eiweissprodukte  entsteht.  Man  nimmt  auch  die  Bildung  aus 
Nitrilen  an.  Letztere  bilden  sich  aus  Aminosäuren  durch  Abspaltung 
von  Kohlensäure  und  Oxydation.  Wenn  man  ein  Nitril  in  Gegen¬ 
wart  von  Alkali  auf  Eiweiss  einwirken  lässt,  so  entsteht  Rhodan. 
Durch  die  Versuche  von  S.  Lang1)  ist  durch  Eingabe  von  Nitrilen 
im  Darmkanal  der  Hunde  Rhodan  nachgewiesen.  Ein  Hund,  dem 
Zyankalium  gegeben  und  zu  gleicher  Zeit  unterschwefligsaures 
Natrium  in  die  Blutbahn  gespritzt  wird,  verträgt  das  Vierfache  der 
tödlichen  Dosis,  in  seinem  Harn  findet  sich  Rhodankalium.  Die  häufig 
beobachtete  Tatsache,  dass  der  Speichel  der  Raucher  rhodanhaltig 
ist,  erhält  seine  Erklärung  dadurch,  dass  der  Tabak  sehr  viel 
Rhodan  enthält.  Der  Tabakrauch  enthält  Zyanverbindungen,  die  vom 
Organismus  aufgenommen  und  im  Speichel  als  Rhodänkalium  aus¬ 
geschieden  werden.  Von  Low  ist  der  Nachweis  geliefert,  dass  bei 
Verwendung  von  Zyankaliumlösung  zum  Händewaschen  zwecks  Ent¬ 
fernung  von  Höllensteinflecken,  sich  sofort  eine  stärkere  Reaktion 
auf  Rhodankalium  im  Speichel  zeigt,  als  vor  dem  Waschen.  Dass 
Eisenpräparate  den  Zähnen  schaden,  erklärt  man  dadurch,  dass  Eisen 
sich  mit  dem  Speichelrhodan  verbindet  und  der  Speichel  seinen 
Schutzstoff  einbüsst. 

Durch  ungemein  zahlreiche  Untersuchungen  des  menschlichen 
Speichels,  wobei  ich  die  einwandfreie  Statistik  von  Prof.  Michel- 
Wiirzburg  in  erster  Linie  erwähnen  möchte,  ist  der  Nachweis  er¬ 
bracht,  dass  zwischen  Verminderung  oder  Fehlen  der  Rhodansalze 
und  Zahnkaries  ein  Zusammenhang  besteht.  Auf  die  interessanten 
Arbeiten  von  Low,  Beach,  Müntz  und  Hecht  möchte  ich  hier 
besonders  hinweisen,  durch  meine  bereits  veröffentlichten  Arbeiten 
und  Untersuchungen  dürfte  wohl  mancher  bisher  strittige  Punkt  in 
der  Rhodanfrage  aufgeklärt  und  sachlich  bewiesen  sein.  Gröber 
hat  festgestellt,  dass  der  Rhodangehalt  des  Speichels  vom  Gesund¬ 
heitszustand  abhängig  und  bei  Konstitutionsanomalien  wesentlich  ver¬ 
ringert  ist,  meistens  völlig  fehlt.  Metzner  führt  in  seiner  Disser¬ 
tation  (Leipzig)  aus,  dass  bei  Erkrankungen  deshalb  das  Rhodan  im 
Speichel  sich  verringert  oder  fehlt,  weil  es  im  Kampfe  gegen  die 
pathologischen  Elemente  durch  Umwandlung  im  Organismus  ver¬ 
braucht,  und  dass  bei  grossen  Gewebszerstörungen  (eitrigen 
Einschmelzungen  oder  nekrotischen  Auflösungen),  wo  der  normale 
Stoffwechsel  stets  gestört,  das  Rhodan  im  Körper  zum  Schwinden 
gebracht  werde. 

Das  Komitee  zur  wissenschaftlichen  Forschung  und  Nachprüfung, 
mit  J.  W.  L  o  w  -  Buffalo  als  Präsidenten  hatte  seinerzeit  amtlich 
die  Zusammensetzung  des  Speichels  im  Verhältnis  zur  Karies  und 
der  Erosion  untersucht  (Dental  Cosmos,  Februar  1906,  S.  190,  Oktober 
1906,  S.  1029/1040).  In  dem  Bericht  heisst  es  (S.  1029):  „ln  demselben 
Verhältnis  wie  das  Sulfozyanat  im  Speichel  im  Uebermass  anwesend 
ist,  sind  die  Zähne  relativ  immun  gegen  Karies,  während  wir  im 
Gegensatz  hierzu  bei  den  Personen,  in  deren  Speichel  wir  kein  Sulfo¬ 
zyanat  entdeckt  haben,  ebenso  unveränderlich  weiche,  schlecht  ver¬ 
kalkte  und  kariöse  Zähne  vorgefunden  haben.“ 

In  seiner  Prorektoratsrede  führte  E.  Z  i  e  g  1  e  r  -  Freiburg  schon 
im  Jahre  1892  den  Beweis,  dass  das  Rhodan  im  Speichel  als  Schutz¬ 
stoff  zu  betrachten  sei,  welcher  die  Bakterien  in  ihrem  Wachstum 
behindert,  sie  ihrer  Giftigkeit  beraubt  und  in  vielen  Fällen  abzutöten 
vermag. 

Joseph  sagt  (siehe  Archiv  für  Dermatologie  1904),  dass  das 
Rhodan  nicht  nur  eine  desinfizierende  Wirkung  ausiibe,  sondern  auch 
eine  erhebliche  Beeinflussung  des  Stoffwechsels  herbeizuführen 
vermöge. 

Edinger,  Treupel,  Munk  und  Gröber  haben  fest¬ 
gestellt,  dass  das  Fehlen  von  Rhodan  stets  eine  Störung  des  Gesamt¬ 
stoffwechsels  anzeige  und  bei  einem  normal  arbeitenden  Organismus 
Rhodan  vorhanden  sein  müsse. 

W.  B  e  n  1 1  e  y  und  1  e  R  o  y  entdeckten,  dass  selbst  stark  ver¬ 
dünnte  Lösungen  von  Natriumrhodanid  die  sonst  so  schwer  löslichen 
Kalzium-  und  Magnesiumsalze  in  vitro  und  im  Organismus  zu  lösen 
vermögen  und  haben  mit  Rhodan  bei  Arteriosklerose  und  harn¬ 
saurer  Diathese  ungeahnt  gute  Resultate  erzielt 2). 

Dalmady  Z  o  1 1  ä  n  3)  fand,  dass  dem  Rhodan  eine  jodähnliche 
Wirkung  zukommt,  was  mit  den  Ergebnissen  der  vorgenannten 
Autoren  in  Einklang  zu  bringen  wäre. 

Nerking  (Med.  Klinik  No.  6,  1912)  hat  mit  der  Rhodan¬ 
medikation  bei  Arteriosklerose  ausgezeichnete  Erfolge  erzielt.  Er 
wandte  zum  ersten  Male  hierbei  eine  völlig  ungiftige  Rhodan¬ 
verbindung  an,  das  „Rhodalzid“.  Mit  diesem  Mittel,  das  ich  eben¬ 
falls  seit  Jahren  mit  grossem  Erfolg  verordne  und  auf  das  ich  in 
meinen  Ausführungen  noch  zurückkommen  werde,  hat  auch  Dr.  med. 
G.  L  u  d  a  -  Berlin-Schöneberg  sehr  gute  Erfolge  bei  Arteriosklerose 
erzielt. 

Rhodan  ist  ein  physiologisch  blutdruckherabsetzendes  Mittel 
und  mit  dem  Sinken  des  Blutdruckes  wurde  nach  der  Rhodalzid- 


*)  Archiv  für  experimentelle  Pathologie  34,  247  (1894). 

-’)  Bentley:  New  York,  Medical  Journal  1908,  II,  p.  210.  — 
le  Roy:  Therapeutische  Monatshefte  1909,  p.  502. 

3)  Dalmady  Zoltän:  Budapests  Orvosi  Ujsag  1909,  No.  30. 


behandlung  in  ganz  kurzer  Zeit  ein  Weicherwerden  der  verhärtetem 
Wand  des  Gefässrohres  und  wesentliche  Besserung  des  Gesamt¬ 
befindens  gefunden.  Auch  die  symptomatischen  Beschwerden  wurden 
durch  Rhodalzid  in  kurzer  Zeit  beseitigt.  Der  Blutdruck  geht  nach 
der  Rhodalzidbehandlung  schon  in  einigen  Tagen  auffallend  schnell 
(20 — 25  mm)  zurück. 

Dass  die  Rhodansalze  die  zähschleimige  Schutzhülle  der  Bak¬ 
terien  in  den  Plaques  vernichten  und  viele  gefährliche  Toxine  un¬ 
schädlich  machen,  ist  ja  bekannt;  deshalb  schaltet  die  Anwesenheit 
von  Rhodan  im  Speichel  auch  diejenigen  Fälle  von  akutem  Gelenk¬ 
rheumatismus  aus,  welche  infolge  Infektion  durch  Saprophyten  ent¬ 
stehen. 

Durch  die  interessanten  Versuche  von  Picke  rill  ist  die 
hemmende  Wirkung  des  Rhodans  auf  die  Gährung  der  Kohlehydrate 
nachgewiesen. 

Wir  sehen  ferner,  dass  bei  mangelhaftem  Speichelfluss  oder  beim 
völligen  Versiegen  der  Sekretion  kein  Rhodan  nachweisbar  ist.  Eine¬ 
verminderte  oder  aufgehobene  Speichelsekretion  bringt  aber  all  die 
vielen  Krankheitserscheinungen  hervor,  die  der  Verlust  der  im 
Speichel  vorhandenen  Oxydasen,  d.  h.  Fermente,  welche  die  Oxy¬ 
dation  im  Organismus  bewirken,  folgert. 

Bei  dem  völligen  Sekretionsmangel  der  Schleimhäute,  der  Mund- 
und  Rachenhöhle  (selbstverständlich  einschliesslich  der  Speichel¬ 
drüsen),  der  sogen.  Xerostomie  mit  all  den  mannigfachen  Begleit¬ 
erscheinungen:  Unmöglichkeit  zu  schlucken,  zu  kauen,  zu  sprechen, 
zu  verdauen,  hat  sich  die  Darreichung  von  Rhodan  glänzend  be¬ 
währt.  Ebenso  ist  es  bemerkenswert,  dass  bei  Ptyalismus,  Atropin¬ 
vergiftung,  Erkrankungen  des  Mittelohres.  Lungen-  und  Darmtuber¬ 
kulose,  bei  malignen  Geschwülsten  (Karzinom),  bei  Krankheiten  der 
blutbildenden  Organe  (Milz,  L.ymphdriisen,  Knochenmark)  kein 
Rhodan  im  Speichel  nachweisbar  ist.  Eine  Aufhebung  bzw.  Herab¬ 
setzung  der  Rhodanausscheidung  ist  namentlich  bei  harnsaurer  Dia¬ 
these,  bei  Lues  in  gewissen  Fällen  und  bei  Erkrankungen  der  Schild¬ 
drüse  zu  konstatieren.  Es  ist  auffallend,  wie  rasch-  sich  die  Anzahl 
der  roten  Blutkörperchen  nach  Rhodanmedikation  vermehrt.  Dass 
auch  der  Speichel  in  seiner  Zusammensetzung  wiederum  vom  Blut 
abhängig,  ist  bekannt.  Nach  Kochsalzeinspritzungen  z.  B.  zeigt  sich 
sofort  im  Speichel  der  grosse  Ueberschuss  an  Chlornatrium.  Dieser 
Uebersehuss  an  Salzen  wird  von  den  Speichelzellen  angezogen  und 
in  die  Speicheldrüse  geführt.  Wenn  Infektionserreger  im  Blute 
kreisen,  z.  B.  bei  Scharlach,  so  kann  ein  unnormaler  Speichel  (mit 
ungenügendem  Schutzstoff  versehen)  das  Ausbrechen  des  Scharlach¬ 
exanthems  in  der  Mundhöhle  nicht  verhindern.  Rhodansalze  im 
Speichel  sind,  wie  erwiesen,  auch  hier  von  grösster  Bedeutung.  Man 
lächelt  heute  vielfach  über  die  Aerzte  älterer  Schule,  die  sich  vom 
Patienten  erst  die  Zunge  zeigen  Hessen.  Sehr  mit  Unrecht,  denn  die 
belegte  Zunge  zeigt  uns  nicht  nur  den  Schleimhautkatarrh,  sondern 
des  öfteren  eine  allgemeine  Erkrankung.  Wir  finden  hier  Auf¬ 
lagerung  von  Epithelmassen,  Speisereste  und  Bakterien.  Bei  den 
die  Speichelabsonderung  beeinflussenden  Erkrankungen  zeigt  sich 
dieser  Belag  in  erhöhtem  Masse,  ferner  bei  Lungenentzündung, 
Typhus,  Cholera  und  verschiedenen  Ausschlagsformen  der  Haut. 

Bei  Masern,  Scharlach,  Pocken,  Skorbut,  bei  bedeutender  Ver¬ 
mehrung  der  weissen  Blutzellen  (Leukämie),  Syphilis,  Erkrankungen 
der  Gallengänge  konstatieren  wir  gar  häufig,  dass  Mundschleimhaut 
und  Speichelabsonderung  in  Mitleidenschaft  gezogen  ist.  Bei  den 
verschiedenartigen  Entzündungen  der  Mundschleimhaut  sucht  die 
Natur  durch  vermehrten  Speichelfluss  heilend  einzugreifen  und 
vermag  dies  auch  solange  die  Schleimhaut  unverletzt  ist,  tritt  aber 
Geschwürseiterung  ein,  so  ist  dies  unmöglich.  Der  vermehrte 
Speichelfluss,  heilungsbestrebend,  ist  mit  der  Blutüberfüllung,  die 
wir  bei  Entzündungen  finden,  zu  vergleichen. 

Bei  all  diesen  Krankheitsbildern  stellen  wir  eine  negative 
Rhodanreaktion  fest  und  wie  die  mannigfachen  Formen  der  Stomatitis 
(auch  als  Begleiterscheinung  bei  Stoffwechselerkrankungen)  schon 
jetzt  so  erfolgreich  mit  Rhodalzid,  dem  erwähnten  Rhodanpräparat 
behandelt  werden,  so  dürfte  die  Rhodanmedikation  zur  Mitbekämpfung 
der  angeführten  Krankheiten  mit  der  Zeit  eine  grosse  Rolle  spielen. 

Nerking  hat  meine  Beobachtung,  dass  nach  kurzer  An¬ 
wendung  eines  geeigneten  Rhodanpräparates  (Rhodalzid)  Tuberkel¬ 
bazillen  aus  dem  Auswurf  verschwinden,  bestätigt.  Er  führt  in  seiner 
Abhandlung  folgendes  aus:  „Ist  dies  wirklich  eine  Folge  der  Rhodalzid- 
medikation,  so  sind  zwei  Möglichkeiten  vorhanden:  entweder  ist  eine 
Allgemeinwirkung  auf  den  Gesamtorganismus  vorhanden,  in  diesem 
Falle  wäre  die  Suche  nach  einem  einfach  zu  nehmenden  wirksamen 
Tuberkulosemittel  von  Erfolg  gekrönt  oder  aber  das  Sputum  ist  bei 
der  Passage  der  mit  Rhodalzid  beschickten  Schleimhäute  frei  von 
Bakterien  geworden:  in  diesem  Falle  wäre  die  Medikation  von 
Rhodalzid  bei  allen  Erkrankungszuständen,  bei  denen  eine  Passage, 
eine  Vermehrung  oder  ein  Haften  von  Bakterien  in  den  Schleimhäuten 
stattfinden  kann,  jedenfalls  am  Platze,  d.  h.  bei  Diphtherie,  Angina, 
Meningitis,  Larynxtuberkulose  und  Darmtuberkulose.“ 

Koch,  der  berühmte  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Tuber¬ 
kulose,  erblickt  in  der  Speichelabsonderung  einen  ganz  besonderen 
Hemmungsfaktor  für  die  Entwicklung  der  Tuberkelbazillen. 

Aus  all  dem  angeführten  ist  ersichtlich,  von  welch  hoher  Be¬ 
deutung  die  normale  Speichelbildung  und  Absonderung  ist.  Hier 
möchte  ich  noch  den  Soorpilz  erwähnen,  welcher  doch  nur  bei 
trockenem  Munde  gedeihen  kann. 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


85 


Gehen  wir  nun  zu  dem  für  die  Zahnärzte  wichtigsten  Punkte, 
zur  Karies  der  Zähne  über  und  legen  uns  die  Frage  vor,  welchen 
Einfluss  üben  die  Rhodansalze  hierbei  aus? 

Wenn  Miller  der  Ansicht  ist,  dass  die  Karies  vom  Mund¬ 
speichel  nie  beeinflusst  wird,  da  der  Speichel  weder  bakterizid  noch 
chemisch  wirksam  sei,  so  ist  das  in  keiner  Weise  zutreffend  und  auch 
itn  Widerspruch,  da  er  an  anderer  Stelle  sagt,  dass  die  Heiltendenz 
der  Mundwunden  eine  ausserordentlich  grosse  sei  und  in  keinem 
Verhältnisse  stehe  zur  allgemeinen  Heilkraft  des  übrigen  Körpers. 
Wir  sehen  bei  den  grössten  Verwundungen  im  Munde,  ich  erinnere 
nur  an  die  komplizierten  Kieferbrüche,  wo  das  Zahnfleisch  mitunter 
abgerissen  und  zerfetzt  ist,  wo  wir  Streptokokken  und  Staphylo¬ 
kokken  und  andere  gefährliche  Infektionserreger  nachweisen  können, 
selten  eine  Infektion.  Wenn  weiter  Miller  die  Heilwirkung  des 
Speichels  bestreitet  und  behauptet,  dass  ja  gerade  bei  den  schlimmsten 
Infektionskrankheiten  des  Mundes  ein  starker  Speichelfluss  vor¬ 
handen  sei,  so  muss  dem  entgegengehalten  werden,  dass  bei  all  den 
Krankheitserscheinungen  die  mit  starker  Salivation  begleitet  sind, 
ich  erinnere  hier  an  Wasserkrebs  (Noma),  Stomatitis  mercurialis, 
Skorbut  usw.  die  Speichelzusammensetzung  nicht  normal  ist,  dass 
namentlich  das  Rhodan  fehlt. 

Alle  Beweise  Millers,  dass  der  Speichel  keine  keimhemmenden, 
Gärung  verhütenden  Eigenschaften  oder  Schutzkörper  habe,  sind  als 
völlig  verfehlt  zu  betrachten,  da  die  Versuche  ausserhalb  des  Mundes 
also  mit  totem  Speichel  gemacht  wurden,  der  wie  bekannt,  leicht  in 
Fäulnis  und  Gärung  übergeht.  Dass  der  stetig  fiiessende,  fortwährend 
erneute,  sogenannte  lebendige  Speichel  eine  andere  auch  bakterizide 
Wirkung  hat,  ist  ja  jetzt  als  feststehende  Tatsache  zu  betrachten. 

Miller  sagt  jedoch  wieder  auf  Seite  27  seines  Werkes,  dass 
der  Speichel  von  Karies  Immuner  wenig  Gärungserscheinungen  zeigt. 
Dann  gibt  er  selbst  zu :  „dass  der  normale  menschliche  Speichel  im¬ 
stande  ist,  gewisse  Gifte  und  darunter  wahrscheinlich  auch  solche 
bakteriziden  Ursprungs  unschädlich  zu  machen“.  Dass  das  Ferment 
des  menschlichen  normalen,  rhodanhaltigen  Speichels,  eine  sonst 
tödlich  wirkende  Dosis  von  Schlangengift  unschädlich  zu  machen 
imstande  ist,  hat  Wehrmann  gefunden.  Und  so  hat  die  volks¬ 
tümliche  Sitte,  Schlangenbisse  und  Insektenstiche  zu  bespeicheln, 
eine  gewisse  Begründung. 

Eine  kalziumsalzreiche  Diät  vermehrt  die  alkalische  Beschaffen¬ 
heit  und  Quantität  des  Speichels  und  wie  auch  St  ein  kämm  in 
seiner  kürzlich  erschienenen  Arbeit  erwähnte,  ist  es  interessant  zu 
beobachten,  dass  der  Kalkreichtum  des  Bodens  und  Trinkwassers 
nicht  ohne  Bedeutung  ist  auf  die  Bildung  des  Rhodans  im  Organismus 
und  dass  die  Vollkornschwarzbrotesser  mehr  Rhodan  haben  wie  die 
Weissbrotesser. 

Ob  sich  tatsächlich  in  der  Kleberschicht  des  Roggens  und  ge¬ 
wisser  Zerealien,  Hülsenfrüchte,  Reis  etc.,  Rhodannatrium  befindet 
wie  behauptet  wird,  ist  noch  ganz  unbewiesen. 

Wenn  die  Fleischesser  im  allgemeinen  mehr  Rhodan  im  Speichel 
haben  als  die  Vegetarier,  so  dürfte  das  dadurch  zu  erklären  sein, 
dass  bei  Zersetzung  des  Fleischeiweisses  mehr  Rhodan  abgespalten 
wird,  als  aus  Pflanzeneiweiss.  Durch  eine  Anzahl  von  Versuchen 
konnte  ich  feststellen,  dass  nach  längerem  Genuss  von  Süssigkeiten 
der  Rhodangehalt  im  Speichel  wesentlich  abnahm.  Diese  auffallende 
Verminderung  des  Rhodans  dürfte  dadurch  zu  erklären  sein,  dass 
bei  Einspeichelung  und  Invertierung  des  Zuckers  Säuren  entstehen 
(Zuckersäure,  Schleimsäure,  Weinsäure  etc.),  die  mit  den  Rhodan¬ 
salzen  Zersetzung  erleiden,  es  entsteht  flüchtige,  freie  (HCNS)  Sulfo- 
zyanwasserstoffsäure. 

Die  Wirkung  des  normalen,  also  Rhodansalze  enthaltenden 
Speichels  als  Spülflüssigkeit  ist  nicht  nur  mechanisch,  sondern  auch 
chemisch,  denn  jede  sich  etwa  bildende  saure  Reaktion  wird  durch 
den  immer  nachfliessenden  alkalischen  Speichel  neutralisiert. 

Höchst  interessant  und  auch  wohl  von  grosser  Wichtigkeit  ist 
die  elektrische  oder  radioaktive  Eigenschaft  des  menschlichen 
Speichels  insofern,  als  dieselbe  nur  dann  eintreten  soll,  resp.  in  ver¬ 
mehrtem  Masse,  je  nach  dem  Vorhandensein  von  Rhodan. 

M  i  c  h  e  1  weist  (No.  10  der  „Deutschen  Zahnheilkunde  in  Vor¬ 
trägen  S.  39)  auf  das  elektrische  Verhalten  des  Speichels  hin. 

Nagy  nimmt  an,  dass  die  mit  dem  Speichel  in  den  Magen  ge¬ 
brachte  Elektrizitätsladung  dort  zur  Auslösung  von  motorischen  und 
sekretorischen  Effekten  führt. 

Die  Speicheluntersuchungen  von  Dr.  F.  S  c  h  o  e  n  b  e  c  k -Leipzig 
(s.  Deutsche  Zahnärztliche  Wochenschrift,  Jahrgang  XV,  No.  25) 
scheinen  die  These,  dass  der  Speichel  einen  radioaktiven  Stoff  ent¬ 
hält,  zu  bestätigen.  Es  würde  hier  zu  weit  führen,  die  interessanten 
Ergebnisse  dieser  Arbeit  zu  diskutieren  und  muss  ich  deshalb  in 
dieser  Hinsicht  auf  die  Orginalarbeit  verweisen. 

Es  ist  von  grösster  Bedeutung  zu  erfahren,  dass  die  Radio¬ 
aktivität  des  Speichels  stets  relativ  zum  Rhodangehalt  ist. 

Wir  finden  in  all  den  Gegenden,  wo  Luft  und  Wasser  stark 
radioaktiv  ist,  dass  die  ärmere  Bevölkerung  zum  Teil  doch  schlechte 
Zähne  hat  und  sehr  anämisch  ist,  wenn  dem  Speichel  die  Rhodan¬ 
salze  fehlen.  Herr  Bezirksarzt  Dr.  G  o  1 1 1  i  e  b  in  Joachimstha! 
hatte  die  Freundlichkeit,  mir  die  gewünschte  Auskunft  über  die 
dortigen  Zahnverhältnisse  zu  geben.  Sie  stimmen  mit  den  bisher 
gemachten  Beobachtungen  völlig  überein. 

Ich  nehme  an.  dass  die  Methoden  zur  Prüfung  des  Speichels  auf 
Rhodan,  qualitativ,  mit  Eisenchlorid  nach  Ansäuerung  des  Speichels  I 


mit  Salpetersäure,  quantitativ  mit  Michels  Rhodankolorimeter, 
bekannt  sind  und  weise  nur  kurz  darauf  hin,  dass  neuerdings  die 
chemische  Fabrik  R  e  i  s  h  o  1  z  ein  Rhodanometer,  auf  eine  Farben¬ 
skala  eingestelltes  Jodsäurestärkepapier,  zur  sofortigen  annähernden 
Bestimmung  von  Rhodan  im  Speichel,  speziell  für  ärztlichen  Ge¬ 
brauch,  herstellt. 

Sind  w*r  llllrl  jetzt  auf  Grund  einer  vorliegenden,  ziemlich  um¬ 
fangreichen,  zuverlässigen  Statistik  und  einwandfreien  sorgfältigen 
Beobachtung  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  welche  eminente  Be- 
de u tu ng  die  Rhodansalze  im  Organismus  haben,  so  müssen  wir  uns 
zunächst  fragen,  in  welcher  Form  wir  die  Rhodanmedikation  am 
erfolgreichsten  einleiten  sollen.  Seit  Jahren  hatte  mich  diese  Frage 
intensiv  beschäftigt.  Das  im  Handel  befindliche  „Cariesan“  liess 
mich  im  Stich,  da  es  sehr  schlecht  vertragen  wurde,  Uebelkeit  und 
Erbrechen  verursachte.  Ich  verordnete  dann,  Michels  Anregung 
zufolge  Rhodannatrium,  ein  Präparat,  das  sehr  hygroskopisch  und 
ungemein  schnell  zerfliessend  ist,  so  dass  Patienten  schon  nach 
einigen  Stunden  mit  der  Wachs-  oder  Pergamentumhüllung  ankamen 
und  bemerkten,  es  sei  alles  zerflossen  und  nicht  mehr  zu  gebrauchen. 
Später  zur  Vermeidung  dieses  Uebelstandes  gab  ich  Natriumrhodanid 
in  Lösung:  Rp.  Sol.  Natr.  rhodan.  2,6: 10,0.  D.S.  morgens  und  abends 
10  Tropfen  zu  nehmen,  bei  Kindern  unter  14  Jahren  die  Hälfte.  Auch 
in  dieser  Form  wurde  das  Rhodan  schlecht  vertragen  und  hatte 
zum  Teil  recht  üble  Nachwirkungen. 

Nach  vielen  Versuchen  gelang  es,  dank  der  Mithilfe  N  e  r  k  i  n  g  s, 
eine  Rhodan-Eiweissverbindung  herzustellen,  deren  gänzliche  Un- 
giftigkeit  und  Harmlosigkeit  unter  Beibehaltung  der  therapeutischen 
Eigenschaften  des  Rhodans  durch  den  Versuch  am  Tiere  und  ge¬ 
sunden  Menschen  sich  erprobte.  Diese  Verbindung,  die  unter  der 
Bezeichnung  „Rhodalzid“  in  den  Handel  kam,  hat  sich  wohl  nunmehr, 
dank  der  grossen  Erfolge,  einen  ersten  Platz  im  Arzneischatz  ge¬ 
sichert. 

Rhodalzid  ist  ein  sehr  haltbares,  wenig  hygroskopisches  Rhodan- 
eiweiss  von  bestimmtem,  selbst  gleichem  Rhodangehalt,  welches  mit 
schwachen  Säuren  keine  giftige  Sulfozyanwasserstoffsäure  abspaltet 
und  selbst  in  grösseren  Dosen  ungiftig  ist.  Es  unterscheidet  sich 
also,  wie  bereits  ausgeführt,  infolge  seiner  Ungiftigkeit  vorteilhaft 
von  den  bisher  bekannten  Rhodanverbindungen.  Rhodalzid  kommt 
in  Jabletten  ä  0,25  g  mit  je  0,048  g  gebundener  Rhodanwasserstoff- 
säure  (HCNS)  in  den  Handel  und  zerfällt  mit  Wasser  ausserordentlich 
leicht  und  schnell. 

Während  der  Behandlung  mit  Rhodalzid  sind  starke  Mineral- 
suuien,  z.  B.  Salzsäure,  zu  vermeiden.  Die  gleichzeitige  Behandlung 
mit  Eisenmitteln  hat  keinen  nachteiligen  Einfluss  auf  die  Rhodalzid- 
behandlung. 

Das  Rhodan  des  Rhodalzid  geht  schnell  und  zum  grössten  Teil  in 
den  Harn  über.  Harn,  welcher  vor  der  Behandlung  keine  oder  kaum 
eine  merkliche  Reaktion  auf  Rhodan  gab,  zeigte  schon  nach  Einnehmen 
von  2  Tabletten  eine  deutliche  Reaktion  auf  Rhodan.  Der  Rhodan¬ 
gehalt  des  Harns  steigt  mit  der  Anzahl  der  genommenen  Tabletten 
und  mit  der  Dauer  der  Behandlung;  er  schwindet  mit  der  Einschrän¬ 
kung  oder  mit  dem  Aufhören  derselben  allmählich  bis  zum  normalen 
Rhodangehalt.  Eine  forcierte  Behandlung  scheint  nicht  so  nachhaltig 
zu  sein,  wie  eine  auf  längere  Zeit  erstreckte.  Die  Behandlung  mit 
Rhodalzid  äusserst  sich  auch  durch  den  in  wenigen  Stunden  nach¬ 
weisbaren  höheren  Rhodangehalt  im  Speichel,  in  welchem  es  nach 
etwa  eingestellter  Rhodalzidbehandlung  länger  nachweisbar  ist,  als 
im  Harn.  Eiweiss  ist  während  und  infolge  der  Behandlung  im  Harn 
nicht  vorhanden. 

Ich  habe  Rhodalzid  in  nahezu  tausend  Fällen,  mit  durchweg 
befriedigendem  Erfolg  angewandt  und  nicht  eine  unangenehme  Neben¬ 
erscheinung  zu  verzeichnen  gehabt. 

Die  Indikationen  für  Rhodanbehandlung  sind  ja  schon  erwähnt. 
Es  würde  weit  über  den  Rahmen  meiner  Aufzeichnung  hinausgehen, 
wollte  ich  die  zahlreichen  Krankengeschichten  und  Erfolge  hier 
nochmals  anfiihren.  Für  die  zahnärztliche  Praxis  hat  sich  das  Rho¬ 
dalzid  bei  Karies  so  sehr  bewährt,  dass  es  sich  als  eine  der  wert¬ 
vollsten  Waffen  gegen  diese  so  rapid  um  sich  greifende  „Volkskrank¬ 
heit“  bezeichnet  werden  kann,  nicht  nur,  dass  die  Karies  aufhörte, 
nein  es  ist  viefach  ein  Verheilungsprozess,  oder  besser  gesagt,  die' 
Bildung  von  Schutzdentin,  konstatiert  worden. 

Es  ist  unmöglich,  im  Rahmen  einer  kurzen  Arbeit  alle  Erkran¬ 
kungen,  bei  denen  Rhodalzid  mit  Erfolg  angewandt  wurde,  auf¬ 
zuzählen.  Auf  Grund  reichen  Patientenmaterials  haben  eine  Anzahl 
praktischer  Aerzte  und  Spezialisten  ihre  Heilerfolge  mit  Rhodalzid  in 
wissenschaftlicher  Abhandlung  und  durch  Zuschrift  niedergelegt. 

Es  kommen  dauernd  hauptsächlich  in  Betracht:  Caries  dentium, 
Stomatitis,  alle  Formen  der  Mandelentzündung,  Kräfteverfall,  Anämie, 
Entzündungen  und  Vereiterungen  der  Nebenhöhlen,  Glossitis,  Schleim¬ 
hauterkrankung  des  Mundes  und  Affektion  der  oberen  Luftwege, 
Heuschnupfen,  harnsaure  Diathese,  Arterienverkalkung,  Driisen- 
vereiterung,  Nieren-  und  Blasenleiden,  verschiedene  Formen  der 
Tuberkulose,  Erkrankungen  der  Schilddrüse,  gewisse  Hauterkran¬ 
kungen  usw.  Auch  bei  Hämophilie  hat  es  sich,  in  notorischen  Fällen, 
als  zuverlässiges  Mittel  bewährt.  Bei  notwendiger  Operation  gibt 
man  das  Mittel  8  läge  vor  und  nach  dem  Eingriff. 

Betreffs  der  Dosierung  möchte  ich  auf  Grund  mehrjähriger  Er¬ 
fahrung  empfehlen:  während  der  ersten  S  Tage  täglich  2  'Tabletten, 


86 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


während  weiterer  8  Tage  täglich  3  Tabletten,  dann  3  Tage  aussetzen 
und  darauf  noch  14  Tage  bis  3  Wochen  täglich  2  Tabletten.  Event, 
muss  diese  Behandlung  nach  einiger  Zeit  wiederholt  werden.  Bei 
Kindern  fängt  man  ebenfalls  mit  kleiner  Dosis  an,  sehr  schwächlichen 
Kindern,  unter  8  Jahren  z.  B.  gibt  man  8  Tage  lang  zuerst  einmal 
täglich  %  Tablette,  nach  8  Tagen  verdoppelt  man  die  Gabe.  Nach 
16  Tagen  pausiert  man  2 — 3  Tage.  Es  empfiehlt  sich  bei  Kindern  die 
Behandlung  auf  2 — 3  Monate  bei  kleiner  Dosis,  vielleicht  1  Tablette 
täglich,  mit  kurzen  Intervallen  fortzusetzen.  Die  Tabletten  sind 
möglichst  kurz  nach  dem  Essen  zu  nehmen  und  mit  Wasser  hinunter 
zu  spülen.  Zerbeissen  resp.  Zerkauen  ist  zu  vermeiden.  Als  Ge- 
schmackskorrigens  kann  bei  empfindlichen  Patienten  Zuckerwasser, 
Kakao,  Milch  etc.  genommen  werden.  Zitronenwasser  ist  nicht  emp¬ 
fehlenswert.  Bei  Uebersäuerung  des  Magens  empfiehlt  es  sich,  die 
Tabletten  mit  verdünntem  Kalkwasser  (1  Esslöffel  auf  14  Glas  Wasser) 
hinunter  zu  spülen.  Von  manchen  Praktikern  wird  bei  starker 
Magenübersäuerung  gleichzeitig  die  Gabe  einer  halben  Tablette 
Magnesium  Perhydrol  empfohlen.  Starke  Säuren  (Mineralsäuren) 
sind  während  der  Rhodankur  zu  vermeiden. 

Ich  habe  Fälle  verzeichnet,  wo  die  Patienten  längere  Zeit  hin¬ 
durch  die  mehrfache  Dosis  aus  Missverständnis  genommen  haben, 
ohne  dass  Beschwerden  oder  irgend  welche  Störungen  eintraten. 
In  einem  Falle  handelte  es  sich  um  die  Gattin  eines  Stabsarztes,  die 
an  Oberkieferhöhleneiterung  behandelt  wurde,  und  die  irrtümlich 
täglich  6  Tabletten  genommen  hatte.  Hierbei  konnte  man  die  inter¬ 
essante  Tatsache  feststellen,  dass  im  Sekret  der  Oberkieferhöhle  das 
Rhodan  deutlich  nachweisbar  war. 

Im  Juliheft  1912  der  „Therapie  der  Gegenwart“  finden 
wir  interessante  Erfolge  mit  Rhodalzid  seitens  Dr.  med. 
Schubert,  Spezialarzt  für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankheiten, 
verzeichnet,  von  denen  ich  die  Fälle  von  Kehlkopftuberkulose  mit 
starkem  Schluckschmerz  hervorheben  möchte,  wo  nach  kurzem  Ge¬ 
brauch  von  Rhodalzid  Beschwerden  und  Allgemeinbefinden  wesent¬ 
lich  gehoben  wurden,  ebenso  nach  Tonsillartumoroperafion. 

Vigo  Andresen,  Zahnarzt  am  Reichskrankenhaus  in  Kopen¬ 
hagen,  veröffentlicht  in  Heft  10  (Oktober  1910,  28.  Jahrgang)  der 
Deutschen  Monatsschrift  für  Zahnheilkunde  einen  Artikel:  „Unter¬ 
suchungen  über  den  Rhodangehalt  des  Speichels“  und  claubt,  dass 
es  empfehlenswert  sei,  das  Rhodan  als  Beimischung  zum  Mundwasser 
zu  verordnen  und  meint  durch  Resorption  minimaler  Mengen  oder 
durch  Geschmackseinwirkung,  durch  Reflexwirkung,  eine  reichlichere 
Rhodanausscheidung  zu  bewirken.  —  Alle  meinerseits  gemachten 
Versuche,  Rhodan  als  Mundwasser  zu  benutzen,  hatten  gar  keinen 
Erfolg,  und  ich  muss  mich  den  Ausführungen  Michels  verbo  tetius 
anschliessen,  wenn  er  schreibt:  „Den  Versuch,  mit  rhodanhaltigen 
Mundwässern  zu  arbeiten,  halte  ich  für  vollkommen  aussichtslos,  da 
auf  diese  Weise  nicht  das  Rhodan  in  natürlicher  Art  dem  Speichel 
beigegeben  werden  kann.“ 

Nachdem  wir  nun  erkannt,  welch  ungeahnten  Wert  das  Rhodan¬ 
salz  im  Speichel  hat  und  in  dem  Rhodalzid  ein  hervorragendes  Mittel 
in  der  Rhodantherapie  gefunden  haben,  schliesse  ich  meine  Aus¬ 
führungen  mit  der  Hoffnung,  und  dem  Wunsche,  dass  Aerzte  und 
Zahnärzte  mehr  als  bisher  dieser  eminent  wichtigen  Medikation  ihr 
Interesse  zuwenden  möchten. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

A.  J  olles:  Chemie  der  Fette  vom  physiologisch-chemischen 
Standpunkte.  2.,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Strassburg, 
Karl  J.  Triibner,  1912.  148  Seiten.  Preis  4  M. 

Es  ist  bekannt,  wie  sehr  in  den  letzten  Jahren,  seitdem  das 
Interesse  der  Biologen  und  Physikochemiker  sich  in  stark  erhöhtem 
Masse  dem  bislang  zurückstehenden  Gebiet  der  Chemie  der  Fette  zu¬ 
gewandt  hat,  eine  reiche  Ernte  an  neuen  und  wichtigen  Ergebnissen 
gezeitigt  wurde.  Dies  zeigt  sich  aufs  deutlichste  in  der  Art  und  dem 
Umfang  der  Neubearbeitung  dieser  nunmehr  in  2.  Auflage  vorliegen¬ 
den  kurzgefassten  Monographie.  Auf  eine  Wiedergabe  der  einzelnen 
noch  umstrittenen  Detailforschungen  wurde  verzichtet.  Dafür  aber 
wird  auf  engem  Raum  eine  vorzügliche  Uebersicht  des  bislang  zu¬ 
sammengetragenen  gesicherten  Tatsachenmaterials  dieses  Gebiets  ge¬ 
geben,  wobei  in  geschickter  Weise  wertvolle  tabellarische  Zusammen¬ 
stellungen  eingefügt  sind.  Für  die  Auswahl  des  Stoffes  waren  in 
erster  Linie  die  Gesichtspunkte  der  physiologischen  Wichtigkeit 
massgebend,  so  dass  hier  ein  Buch  vorliegt,  welches  jedem  Mediziner, 
welcher  der  Entwicklung  dieses  interessanten  Gebiets  zu  folgen 
wünscht,  dringend  empfohlen  sei.  H.  Schade  -  Kiel. 

C.  Oppenheimer:  Grundriss  der  anorganischen  Chemie. 

VII.  Aufl.  Leipzig,  Georg  Thieme,  1912.  196  S.  Preis  M.  3.50. 

Gegen  die  vorige  Auflage  ist  dieser  kleine  Grundriss  nament¬ 
lich  in  seinem  ersten  allgemeinen  Teil  erweitert,  so  dass  jetzt  die 
ausgezeichnet  geschriebene  orientierende  Einführung  in  die  wichtig¬ 
sten  allgemeinen  Fragen  der  Chemie  57  Seiten  umfasst.  Auch  im  spe- 
zillen  Teil  sind  einige  neuere  Forschungsergebnisse,  z.  B.  bezüglich 
des  Radiums  und  seiner  Verwandten,  eingefügt.  Der  kleine  Grund¬ 
riss,  welcher  in  schneller  Folge  seine  7.  Auflage  erlebt  hat,  kann 
demjenigen,  der  auf  engstem  Raum  eine  erste  Orientierung  auf  dem 


Gebiet  der  anorganischen  Chemie  wünscht,  auch  in  seiner  neuen  Ge¬ 
stalt  wiederum  sehr  empfohlen  werden.  Schade-  Kiel. 

E.  Abderhalden:  Fortschritte  der  naturwissenschaftlichen 

Forschung.  VI.  Band.  Mit  20  Textabbildungen.  Berlin-Wien, 
Urban  &  Schwarzenberg,  1912.  300  Seiten. 

Dieser  6.  Band  der  an  dieser  Stelle  schon  wiederholt  riihmlichst 
hervorgehobenen  „Fortschritte“  bringt  Uebersichtsreferate  über  die 
folgenden  Themen: 

1.  Der  gegenwärtige  Stand  der  Seenforschung  von  Prof.  Dr, 
W.  H  a’l  b  f  a  s  s  -  Jena. 

2.  Eine  neue  Methode  auf  dem  Gebiete  der  Geomorphologie  von 
Doz.  Dr.  Alfred  R  ü  h  1  -  Berlin. 

3.  Zur  Frage  der  funktionellen  Psychosen  von  Prof.  Dr.  Oswald 
B  u  m  k  e  -  Freiburg  i.  B. 

4.  Regeneration  und  Verwandtes  von  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Diet¬ 
rich  B  a  r  f  u  r  t  h  -  Rostock.  _  j 

5.  Ueber  optische  Sensibilisatoren  im  Tier-  und  Pflanzenreiche 
von  Doz.  Dr.  Walther  Hausmann  -  Wien. 

6.  Grundlagen  und  Ergebnisse  der  radiaktiven  Forschung  von 
Prof.  Dr.  Otto  Hahn  und  Dr.  Lise  Meitner-  Berlin. 

Auch  dieser  Band  reiht  sich  seinen  Vorgängern  würdig  an  und 
wird  sicher  dazu  beitragen,  dem  Unternehmen  neue  Freunde  zu 
werben.  H.  Schade  -  Kiel. 

Die  Klinik  der  syphilitischen  Aortenerkrankung  von  Dr.  Ed. 

S  t  a  d  1  e  r,  Privatdozent  an  der  Universität.  Mit  einer  Tafel.  Jena, 
Verlag  von  Gustav  Fischer,  1912.  93  S.  Preis  3  M. 

Das  Heft  1  der  Arbeiten  aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig 
bringt  eine  wertvolle  Monographie  über  das  im  Titel  bezeichnete 
Thema.  Wenn  man  die  Angabe  des  Autors,  dass  aus  dem  Leipziger 
Sektionsmaterial  von  1906 — 1911  unter  256  Fällen  erworbener  kon¬ 
stitutioneller  Syphilis  in  82  Proz.  sich  schwielige  Aortensklerose  ge¬ 
funden  hat,  zusammenhält  mit  den  Erfahrungen,  welche  Obern¬ 
dorfer  jüngst  hier  über  die  Häufigkeit  syphilitischer  Aorten¬ 
erkrankungen  bekannt  gegeben  hat,  so  ersieht  man  schlagend  die 
enorme  Bedeutung  der  Spirochäteninfektion  gerade  auch  für  die 
Kreislauforgane.  Dieser  ätiologische  Zusammenhang  wird  nun  all¬ 
mählich  in  seinem  vollen  Umfange  aufgedeckt  und  die  zusammen¬ 
fassende,  auf  ein  reiches  Literaturverzeichnis  gebaute  Studie  von 
Stadler  wirft  klareres  Licht  auf  diese  Verhältnisse.  Nach  einer 
historischen  Einführung  über  das  frühere  Wissen  betreff  syphilitischer 
Herz-  und  Gefässkrankheiten,  welches  bescheiden  genug  war,  er¬ 
örtert  Verfasser  ausführlich  die  pathologische  Anatomie,  Aetiologie 
und  Pathogenese  der  in  Frage  stehenden,  offenbar  sehr  häufigen  und 
auch  sehr  bedeutungsvollen  Affektionen  und  bespricht,  gestützt  auf 
über  200  Fälle,  die  Häufigkeit  und  die  Zeit  des  Auftretens,  ferner  die 
Beziehungen  der  genannten  Krankheit  zu  den  spätsyphilitischen  und 
parasyphilitischen  Erkrankungen.  Ebenso  wie  pathologisch-ana¬ 
tomisch  die  Diagnose  aus  dem  Befallensein  der  Adventitia  und 
Media  meist  unschwer  gestellt  werden  kann,'  ist  auch  das  klinische 
Bild  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  charakteristisch  genug,  um 
am  Lebenden  rechtzeitig  die  Diagnose  der  syphilitischen  Aortener¬ 
krankung  zu  erlauben,  wie  Stadler  im  einzelnen  auseinandersetzt. 
Besonders  erörtert  er  auch  die  Beziehungen  der  Aortenklappen¬ 
insuffizienz  zur  vorausgegangenen  syphilitischen  Infektion.  Hinsicht¬ 
lich  der  Behandlung  stellt  Verfasser  den  Satz  auf,  dass  die  syphi¬ 
litische  Aortenerkrankung  im  Gegensatz  zur  Atherosklerose  ein  dank¬ 
bares  Objekt  für  die  Behandlung  sei,  selbst  noch  in  vorgeschrittenen 
Fällen.  Referent  kann  diesem  etwas  optimistischen  Urteile  nur  mit 
grosser  Reserve  beipflichten,  denn  es  sind  gerade  auch  aus  letzter 
Zeit  Fälle  bekannt,  wo  trotz  einer  anscheinend  durchaus  regelrecht 
durchgeführten  antiluetischen  Behandlung  die  schwerste  Aorten¬ 
erkrankung  mit  tödlichem  Ausgang  sich  entwickelte.  Auch  hinsicht¬ 
lich  der  Fälle  von  syphilitischer  Angina  pectoris  lauten  die  Er¬ 
fahrungen  durchaus  nicht  allseitig  so  günstig,  wie  z.  B.  jene  von 
Weintrau  d.  Dr.  K.  Grassmann  -  München. 

Dr.  Paul  Cohn  heim,  Spezialarzt  für  Magen-  und  Darmkrank¬ 
heiten  in  Berlin:  Die  Krankheiten  des  Verdauungskanals  (Oesophagus, 
Magen,  Darm).  Ein  Leitfaden  für  praktische  Aerzte.  Mit  17  Ab¬ 
bildungen  im  Text.  Dritte,  vermehrte  und  neubearbeitete  Auflage. 
Berlin  1913.  Verlag  von  S.  Karger.  275  S.  8°.  M.  8.60. 

Ueber  die  inhaltliche  Gediegenheit  vorliegenden  Werkes  (von 
dem  auch  in  Amerika  2  Auflagen  verbreitet  sind  und  das  auch  ins 
Englische  übersetzt  wurde)  braucht  wohl  den  Lesern  dieser  Wochen¬ 
schrift  nichts  Neues  gesagt  zu  werden.  Das  Buch  ist  heute  in  bestem 
Sinne  schon  so  bekannt,  dass  man  von  ihm  kurzweg  als  von  dem 
„Cohnheim“  spricht.  Vorliegende  Auflage  hat  eine  wertvolle  Er¬ 
weiterung  gefunden  durch  Neuaufnahme  von  Abschnitten  über  die 
dem  Magenspezialisten  unentbehrlich  gewordene  Röntgenunter¬ 
suchung,  über  Endoskopie,  über  Bedeutung  okkulten  Blutes,  Trypsin¬ 
bestimmung  etc.  Auch  die  Therapie  ist  etwas  umfangreicher  berück¬ 
sichtigt  als  früher.  Fritz  L  o  e  b. 

Th.  Christen:  Unsere  grossen  Ernährungstorheiten.  Dres¬ 
den  bei  H  o  1  z  e  &  P  a  h  1.  Ohne  Jahreszahl.  Klein  8  °.  70  Seiten.  1  M. 

Unsere  beiden  grossen  Ernährungstorheiten  sind  der  Glaube  an 
den  Wert  reichlicher  Eiweisszufuhr,  speziell  die  Unentbehrlichkeit 


14.  ianuar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


8? 


des  Fleisches,  und  an  den  Alkohol.  Als  bestes  diätetisches  System 
wird  das  von  Horace  Fletcher  empfohlen,  das  damit  meines  Wis¬ 
sens  zum  erstenmal  von  einem  dcutschschreibenden  Universitäts¬ 
dozenten  anerkannt  wird.  Der  populäre  Ton  ist  in  dem  Schriftchen 
mit  selten  zu  findender  Geschicklichkeit  getroffen,  es  ist  zu  populärer 
Propaganda  ungemein  geeignet  und  wird  von  vielen,  auch  wenn  sie 
nicht  gai\z  auf  dem  Standpunkt  des  Verfassers  stehen,  sehr  begriisst 
werden.  Freilich  wird  manchem  Arzt  das  Beweismaterial,  z.  B. 
die  beigegebenen  Kurven,  die  den  Einfluss  der  Eiweisszufuhr  und 
des  Alkohols  auf  die  „Leistungsfähigkeit“  beweisen  sollen,  weniger 
imponieren  als  dem  Laien.  Kerschensteine  r. 

Therapeutische  Technik  für  die  ärztliche  Praxis.  Ein  Handbuch 
für  Aerzte  und  Studierende.  Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Julius 
Schwalbe,  Geh.  Sanitätsrat.  586  Abbildungen.  III.  verbesserte  und 
vermehrte  Auflage.  Leipzig  1912.  Verlag  von  Georg  T  h  i  e  m  e. 
Seitenzahl  1044.  Preis  geb.  M.  26.50. 

Im  Zeitraum  von  nicht  ganz  5  Jahren  hat  dieses  mit  einem  Stabe 
erlesener  Mitarbeiter  vom  Herausgeber  geschaffene  Werk  bereits  die 
III.  Auflage  zu  verzeichnen,  ein  Beweis,  wie  sehr  es  einem  Bedürfnis 
in  ärztlichen  Kreisen  entgegenkommt.  Trotz  der  grossen  thera¬ 
peutischen  Handbücher  allgemeiner  Art  ist  das  vorliegende  Werk 
für  den  Praktiker  etwas  sehr  willkommenes,  da  es  tatsächlich  über 
alle  Gebiete  der  praktischen  Medizin  so  eingehende,  zuverlässige 
und  instruktive  Angaben  aus  der  therapeutischen  Technik  darbietet, 
dass  es  den  Arzt,  welcher  es  konsultiert,  nicht  leicht  bei  irgend  einer 
Frage  im  Stiche  lassen  wird.  Die  Abbildungen  sind  sehr  reichlich 
und  jetzt  zum  allergrössten  Teil  technisch  ausgezeichnet.  Neu  hin¬ 
zugekommen  ist  das  Kapitel  über  die  Technik  der  Immunotherapie, 
das  hinsichtlich  einzelner  Heilsera,  z.  B.  des  Antistreptokokkenserums 
vielleicht  noch  etwas  erweitert  werden  könnte.  Andere  Kapitel  sind 
bedeutend  erweitert  worden,  der  Text  ist  verbessert  und  ergänzt, 
theoretische  Auseinandersetzungen  sind  noch  mehr  wie  früher  ver¬ 
mieden.  So  ist  die  vorliegende  3.  Auflage  wohl  mindestens  innerhalb 
der  deutschen  Literatur  das  beste,  was  wir  über  therapeutische 
Technik  gegenwärtig  an  grossen  Werken  besitzen. 

Dr.  K.  Grassmann  -  München. 

Hofrat  Dr.  S.  F  I  a  t  a  u  -  Nürnberg:  Hundert  Totalexstirpationen 
bei  Myoma  uteri  ohne  Todesfall.  Berlin  1913.  Verlag  S.  Karger. 
92  S.  Preis  M.  2.40. 

Bei  Betrachtung  des  Titels  drängt  sich  einem  unwillkürlich  der 
Gedanke  auf:  „Zufallsresultate“.  Wenn  man  die  Arbeit  aber  genauer 
liest,  so  bekommt  man  die  Ueberzeugung,  dass  Fl.  seine  glänzenden 
Resultate  seiner  ausgezeichneten  Vor-  und  Nachbehandlung  der  Kran¬ 
ken,  sowie  seiner  guten  Technik  verdankt.  Abweichend  vom  Ge¬ 
wöhnlichen  ist,  dass  Fl.  das  Abdomen  mit  einer  langen  Binde  ab¬ 
stopft,  die  Gefässe  einzeln  ligiert,  lind  nach  der  Versorgung  der  Ge- 
fässe,  um  Platz  zu  bekommen,  den  Tumor  rücksichtslos  am  inneren 
Muttermund  abträgt.  Der  verbleibende  Stumpf  wird  mit  einem 
scharfen  Messer  ausgeschnitten,  so  dass  nur  ein  kleiner  Portiorest 
zurückbleibt,  der  dann  mit  Katgut  vernäht  wird.  Eine  statistische 
Zusammenstellung  der  Fälle  schliesst  die  sehr  interessante  Arbeit, 
die  Fachkollegen  wegen  der  zahlreichen,  beherzigenswerten  An¬ 
regungen,  die  in  ihr  enthalten  sind,  bestens  empfohlen  werden  kann. 

G.  Wiener-  München. 

L’annee  psychologique,  dixhuitieme  annee.  Publiee  par  Lar- 
guier  des  Bancels  et  le  Dr.  Th.  Simon.  Paris,  M  a  s  s  o  n, 
1912.  525  S.  Preis  12  Fr. 

Die  von  B  i  n  e  t  gegründete  Zeitschrift  sucht  sich  auch  nach 
seinem  Tode  auf  ihrer  Höhe  zu  halten.  Sie  enthält  Artikel  über  theo¬ 
retische  Psychologie  und  experimentelle  Untersuchungen.  Von  den 
letzteren  sind  zu  erwähnen:  Unterschiede  in  der  Schnelligkeit  der 
willkürlichen  und  der  durch  Reizung  hervorgebrachten  Muskelkon¬ 
traktion  (Imbert);  auf  welchen  psychologischen  Elementareigen¬ 
schaften  beruhen  die  Unterschiede  zwischen  den  guten  und  den  zu¬ 
rückgebliebenen  Schülern  (Lapie);  drei  Abhandlungen  befassen  sich 
mit  der  Verwertung  und  dem  Aufbau  der  B  i  n  e  t  sehen  Intelligenz¬ 
prüfung  (Bobertag,  Goddart,  Saffiotti);  über  den  intel¬ 
lektuellen  Stand  (nach  B  i  n  e  t)  einer  Anzahl  weiblicher  Verbrecher 
(Sullivan);  interessant,  aber  vielleicht  doch  etwas  zu  kurz  ist  ein 
gedrängter  Artikel  über  die  neuesten  Fortschritte  der  vergleichenden 
Psychologie  (B  o  h  n).  Bleuler-  Burghölzli. 

Physiotherapie  du  Lupus  par  le  Docteur  Leon  Dekeyser, 
ancien  assistant  du  Service  de  l’höpital  Saint-Pierre  ä  Bruxelles. 
Paris.  A.  M  a  1  o  v  i  n  e,  editeur.  123  Seiten. 

Verfasser  bespricht  in  ausführlicher  Weise  die  physikalische  Be¬ 
handlung  des  Lupus  vulgaris  und  Lupus  erythematodes:  die  An¬ 
wendung  von  hohen  und  tiefen  Temperaturen;  die  Strahlentherapie 
und  zwar  ultraviolette  Strahlen  im  Sonnenlicht,  im  elektrischen 
Bogenlicht,  Quarzlampe;  die  Röntgenstrahlen,  das  Radium.  Alsdann 
wendet  er  sich  zur  Elektrolyse  und  der  Ionisation,  einer  schon  mehr 
medikamentösen  Beeinflussung;  den  Hochfrequenzströmen  und  der 
Wasseranwendung. 

Im  zweiten  Teil  setzt  er  die  gemischten  Behandlungsarten  aus¬ 
einander  —  Kombination  von  physikalischen  und  nicht  physikalischen 
Methoden  und  Verbindung  verschiedener  physikalischen  Methoden 

miteinander. 


Verfasser  gibt  seinem  Buch  eine  grössere  Anzahl  von  Ab¬ 
bildungen  bei,  die  uns  zum  Teil  aus  Preislisten  bekannt  sind. 

Für  den  Fachmann  bietet  es  nichts  Neues;  es  ist  aber  übersicht¬ 
lich  und  logisch  zusammengestellt  und  empfiehlt  sich  hiermit  dem 
Anfänger  in  der  Dermatologie  und  demjenigen  Arzte,  der  mit  Lupus- 
behandlung  nur  ab  und  zu  sich  zu  beschäftigen  hat. 

Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Die  Prostitution,  ihre  hygienische,  sanitäre,  sittenpolizeiliche 
und  gesetzliche  Bekämpfung.  Von  Dr.  med.  Stephan  Leonhard, 

z.  Z.  Prosektor  an  der  Universität  Münster  i.  W.  Verlag  von  Ernst 
Reinhardt,  S.  307,  Preis  4  Mark. 

Kongresse  der  Vereine  zur  Bekämpfung  des  Mädchenhandels,  zur 
Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten,  zur  Hebuhg  der  Sittlich¬ 
keit  usw.  zeigen,  welch  ein  Interesse  die  Gegenwart  der  Prostitutions¬ 
frage  entgegenbringt.  Wie  sie  zu  lösen  ist,  ob  sie  überhaupt  gelöst 
werden  kann  — -  darüber  sind  sich  die  Parteien  nicht  einig.  Die 
eine  hofft,  die  Prostitution  überhaupt  auszurotten.  Hierzu  bedarf  es, 
wie  Iwan  Bloch  in  seinem  Werke,  die  Prostitution  —  siehe  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  41,  S.  2239,  1912  —  nachzuweisen  sich  bemüht, 
einer  ganz  neuen  Ethik  im  Sinne  der  Anerkennung  der  Sexualität. 
Aber  der  Weg  zum  Ziele  ist  lang.  Die  andere,  unseren  Tagen  näher¬ 
stehende,  müht  sich  um  das  schneller  Erreichbare:  die  Eindämmung 
der  Prostitution  und  die  Verminderung  ihrer  die  Gesamtheit  schä¬ 
digenden  Folgen.  Im  Sinne  dieser  zweiten  Partei  ist  das  Buch  von 
Leonhard  geschrieben.  Demzufolge  wendet  es  sich  auch  mehr  an 
den  Sexualpathologen  als  das  B  1  o  c  h  sehe  Werk  es  tut.  Der  Ver¬ 
fasser  sagt  im  Vorwort,  es  sei  ihm  nicht  darum  zu  tun,  unausführbare 
Ideen  zu  Papier  zu  bringen  oder  sich  in  uferlosen  Utopien  zu  ergehen, 
sondern  Vorschläge  zu  konstruieren,  die  sich  auf  bereits  gemachten 
Ratschlägen  und  Versuchen  aufbauen  und  sich  unter  allen  Umständen 
erfolgreich  zur  Ausführung  bringen  lassen.  Ref.  stimmt  mit  Verf. 
überein,  dass  der  Stoff  erschöpfend,  aber  dennoch  kurz  und  verständ¬ 
lich  geordnet  den  Lesern  vorgeführt  werde.  Aus  allen  Zeilen  spricht 
die  Erfahrung,  welche  Verf.  auf  dem  Gebiete  durch  die  Praxis  ge¬ 
sammelt  hat.  Seine  Erwartungen  für  gänzliche  Ausrottung  des  Uebels 
sind  offensichtlich  nicht  hoch  gespannt. 

Der  erste  Teil  ist  ein  theoretischer.  Er  beschäftigt  sich  mit  der 
Geschichte  der  Prostitution,  ihrem  Wesen  und  ihren  Ursachen,  ihrem 
Umfang,  den  Hauptrichtungen  ihrer  Bekämpfung  und  der  Notwendig¬ 
keit  der  Bekämpfung.  Offen  bekennt  sich  Leonhard  als  An¬ 
hänger  der  Reglementierung  und  als  Gegner  des  Abolitionismus. 
Auch  er  will  durch  Aenderung  gewisser  sozialer  Verhältnisse  die 
Quelle  der  Prostitution  zum  Versiegen  bringen,  aber  die  Verwirk¬ 
lichung  dieser  Evolution  nicht  abwarten,  sondern  sich  mit  der  tat¬ 
sächlich  vorhandenen  Prostitution  als  der  hauptsächlich  fassbaren 
und  sichtbaren  Quelle  der  Geschlechtskrankheiten  befassen.  Und 
das  kostet  Geld.  Deshalb  fort  mit  dem  bisherigen  kleinlich  knause¬ 
rigen  und  bureaukratischen  System. 

Der  zweite  Teil,  Prophylaxe,  wendet  sich  den  Vorbeugemitteln 
der  Prostitution  zu.  Er  setzt  auseinander  die  Erziehung  und  Auf¬ 
klärung,  Besserung  der  Wohnungsverhältnisse,  die  Fürsorge  für  un¬ 
eheliche  Kinder,  die  Besserung  der  sozialen  Verhältnisse,  frühzeitige 
Eheschliessung,  Kampf  gegen  den  Alkoholismus,  Schutz  unehelicher 
Mütter,  Bekämpfung  der  Pornographie,  Kampf  gegen  den  Mädchen¬ 
handel.  Er  behandelt  also  die  Mittel,  welche  schliesslich  mal  ein 
günstiges  Ergebnis  haben  können,  deren  Einfluss  aber  von  den  jetzt 
Lebenden  schwerlich  gespürt  werden  kann. 

Der  dritte  Abschnitt,  der  Ausdehnung  nach  auch  der  längste, 
erörtert  sozusagen  die  Technik,  mit  der  den  Folgen  der  nun  einmal 
vorhandenen  Prostitution  zu  Leibe  gegangen  werden  soll.  Ich  möchte 
ihn  als  Therapie  der  Prostitution  bezeichnen.  In  ihm  behandelt 
Leonhard  die  sanitätspolizeilichen  Massnahmen,  die  Unter¬ 
suchungslokale,  die  Kontrollärzte,  die  Untersuchungsart,  Ueber- 
wachung  der  heimlichen  Prostitution;  die  Animierkneipen,  die  männ¬ 
liche  Prostitution,  das  Gesundheitsamt,  die  Sittenpolizei,  Schweige¬ 
pflicht  und  Berufsgeheimnis,  Kostenpunkt  und  Heranziehung  der 
Krankenkasse  —  ganz  besonders  interessant  sind  die  Gedanken  über 
Prostituiertenkrankenkassen  —  die  Prostitutiertenfüisorge  und  die 
Reform  der  Sittenpolizei. 

Der  vierte  Teil  beleuchtet  die  vielfachen  Widersprüche  in  der 
Gesetzgebung  bez.  der  Prostitution  —  Kuppelei  und  ihre  Duldung  — 
und  fordert  einheitliche  logische  Bestimmungen  für  das  ganze  Reich. 

Auch  die  Rassenhygiene  kommt  zu  ihrem  Recht. 

„Und  könnte  trotzalledem  eine  Ausrottung  der  Prostitution  auch 
in  ferner  Zukunft  nie  erreicht  werden,  so  kann  doch  manches  ge¬ 
bessert,  und  besonders  können  die  sittlichen  und  gesundheitlichen 
Schäden,  an  deren  Folgen  die  ganze  Nation  zu  tragen  hat,  herabge¬ 
mindert  werden.“ 

Am  Schluss  180  Literaturnachweise. 

Gleichgültig  ob  der  Leser  den  Standpunkt  des  Verfassers  teilt 
oder  nicht:  jedenfalls  wird  die  Lektüre  des  Buches  sein  Wissen  be¬ 
reichern,  und  er  wird  seine  Freude  haben  an  der  klaren,  offenen, 
männlichen  Behandlung  des  grossen  Stoffes. 

Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Die  Geschlechtskrankheiten  und  ihre  Verhütung  im  k.  u.  k.  Heere, 
in  der  k.  u.  k.  Landwehr  und  in  der  k.  u.  k.  Marine  mit  vergleichen¬ 
der  Berücksichtigung  fremder  Staaten.  Von  Dr.  Josef  Urbach. 
Wien,  Josef  Safar.  Preis  5  M.  95  Seiten. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Die  eingehende  Arbeit  bringt  im  ersten  Teile  die  Ergebnisse 
der  Statistik,  verbunden  mit  der  notwendigen  Kritik.  Wie  notwendig 
eine  solche  ist,  zeigt  die  angeführte  Acusserung  eines'  finnischen 
Militärarztes,  welcher  zugibt:  „Wir  haben,  um  zu  einer  geringen 
Krankenzahl  zu  gelangen,  nur  die  allerschwersten  Tripperfälle  im 
Krankenhause  behandelt  und  in  die  Statistik  aufgenommen,  die  übrigen 
waren  ambulante  Kranke.“ 

Der  zweite  Teil  befasst  sich  mit  der  Verhütung  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  und  bespricht  die  verschiedenen  Vorschläge,  die  in  dieser 
Beziehung  gemacht  wurden.  Angenehm  fällt  bei  der  Arbeit  auf,  dass 
der  Verfasser  sich  gleich  weit  von  übertriebenen  Erwartungen,  wie 
von  einer  lähmenden  Mutlosigkeit  entfernt  hält.  Die  Vorschläge,  die 
Urbach  bringt,  haben  den  Vorteil,  dass  sie  aufs  Ganze  gehen  und 
der  Vielgestaltigkeit  der  Personen  und  Umstände  gerecht  werden. 

S  i  e  b  e  r  t. 

Dr.  med.  M.  Fiebig:  Die  Gesundheitsverhältnisse  der  Rheini¬ 
schen  Missionsarbeiter.  Protokoll  der  VI.  Jahresversammlung  des 
Deutschen  Instituts  für  ärztliche  Mission,  Stuttgart  1912. 

Fiebig  hat  die  Krankenstatistik  von  775  Missions¬ 
arbeitern  der  Rheinischen  Mission,  nämlich  385  männlichen  und 
390  weiblichen  bearbeitet.  Eine  Berechnung  lehrte  unter  anderem, 
dass  85  Proz.  der  erwähnten  Missionsarbeiter  in  die  Ehe  treten.  Die 
Kinderzahl  in  Ehen  von  genügender  Dauer  betrug  im  Durchschnitt  5, 
die  Säuglings-  und  Kleinkindersterblichkeit  abgerechnet,  während  auf 
7  fruchtbare  Ehen  eine  kinderlose  kommt.  In  bezug  auf  die  Sterili¬ 
tät  der  Ehen  bei  den  Missionaren  zeigen  sich  also  auch  in  den  tro¬ 
pischen  Gebieten  dieselben  Verhältnisse,  wie  sie  auf  Grund  von 
Tausenden  von  Fällen  für  England  und  Amerika  berechnet  worden 
sind.  Hierdurch  wird  die  Ansicht,  dass  Europäerehen  in  den  Tropen 
weniger  fruchtbar  sind  als  in  der  Heimat,  widerlegt. 

"Hervorzuheben  sind  die  Todesfälle  im  Mutterberuf  bei  den 
Missionarsfrauen.  Die  Zahl  derselben  ist  ebenso  gross,  wie  die 
Sterblichkeitsziffern  der  Frauen  bei  sämtlichen  akuten  Infektions¬ 
krankheiten,  inklusive  die  Lungentuberkulose.  Es  starben  über 
5  Proz.  der  Missionarsfrauen  während  und  infolge  des  Gebäraktes.  I 
Da  diese  Zahl  in  Deutschland  noch  nicht  ganz  1  auf  1000  beträgt, 
so  war  die  Lebensgefahr  bei  diesem  physiologischen  Akt  für  die 
Missionarsfrauen  50  mal  grösser,  als  sie  bei  den  Frauen  im  Vater¬ 
land  ist. 

Was  die  Dienstperioden  betrifft,  so  zeigte  es  sich,  dass 
die  Missionare  in  Deutsch-Südwestafrika  in  der  ersten  Periode 
10—17  Jahre  dienen  konnten.  Fiebig  macht  den  sehr  berechtigten 
und  beachtenswerten  Vorschlag,  die  erste  Dienstperiode  der  Be¬ 
amten  und  Soldaten  in  Siidwest,  die  im  letzten  Sommer  vom  Reichs¬ 
tag  von  3  auf  4  Jahre  verlängert  wurde,  womöglich  noch  um  einige 
Jahre  zu  verlängern.  Die  auf  diese  Weise  gesparten  Gelder  könnten 
den  betreffenden  Beamten  und  Soldaten  dadurch  wieder  zugute 
kommen,  dass  ihnen  die  Möglichkeit  zur  Verheiratung  mit  deutschen 
Frauen  erleichtert  wird.  Auf  diese  Weise  wäre  beiden  Teilen  ge¬ 
holfen,  dem  genannten  Personal  und  der  Kolonie. 

O  1  p  p  -  Tübingen. 

Leonardo  da  Vinci:  Quaderni  d’Anatomia  II.  Ventiquattro 
fogli  della  Royal  Library  di  Windsor.  —  Cuore:  Anatomia  e  Fisio- 
logia.  —  Publicati  da  Ove  C.  L.  Vangensten,  A.  Fonahn, 
H.  Hopstock.  Con  traduzione  inglese  e  tedesca.  Christiania, 
Jacob  Dybwad  M.  C.  M.  XII.  12  Bl.  +  2  X  47  pag.  SS.  X  3  Bl. 
+  30  Tafeln.  Hochfolio.  90  M. 

Sicher  schreitet  die  grosse  Arbeit  weiter:  nach  Jahresfrist  der 
zweite  Band;  und  der  dritte  Band,  die  Geschlechtsorgane  enthaltend, 
ist  so  weit  gefördert,  dass  auf  sein  Erscheinen  im  Jahre  1913  ge¬ 
rechnet  werden  kann.  Der  vorliegende  zweite  Band  ist  in  seinen 
Reproduktionen  von  mindestens  der  gleichen  Vollkommenheit;  einige 
Aeusserlichkeiten  sind  praktischer  gestaltet.  Dieser  Band  besteht 
aus  23  Blättern  und  einem  Blattfragmente,  die  schon  dadurch  als 
zusammengehörig  sich  erweisen,  dass  sie  sämtlich  auf  dem  gleichen 
blaugrauen  Zeichenpapier  gezeichnet  bzw.  geschrieben  sind.  Als 
Entstehungszeit  kann  man  das  letzte  Jahrzehnt  in  Leonardos 
Leben  annehmen;  denn  auf  einem  der  Blätter  findet  sich  oben  am 
Rande  die  Datierung  von  Leonardos  Hand  „addj  9  dj  giennaro 
1513“,  das  wäre  also  nach  unserer  heutigen  Rechnung  der  9.  Ja¬ 
nuar  1514,  und  am  2.  Mai  1519  ist  er  gestorben.  Wir  haben  somit  hier, 
wo  wir  sein  Ringen  um  die  volle  Erfassung  der  Blutbewegung,  der 
Herzaktion,  der  Lungenaktion  und  der  Thoraxfunktionen  vor  uns 
sehen,  wohl  sein  letztes  Vermächtnis  vor  uns  auf  diesem  Gebiete, 
wenn  auch  noch  andere  noch  unveröffentlichte  Studien  über  die 
Anatomie  und  Physiologie  des  Herzens  von  seiner  Hand  vorhanden 
sind,  die  in  anderem  Zusammenhänge  später  veröffentlicht  werden 
sollen.  Doch  mit  der  Behandlung  dieses  wichtigen  anatomisch¬ 
physiologischen  Problemes,  das  er  in  eifrigster  Untersuchung  mächtig 
gefördert  hat,  wenn  es  ihm  auch  seine  letzten  Rätsel  nicht  erschloss, 
ist  der  Inhalt  dieses  Bandes  lange  nicht  erschöpft.  Leonardo 
erforscht  hier  die  Muskulatur  des  Halses,  die  longitudinale  Rumpf¬ 
muskulatur,  die  Muskeln  des  Zwerchfells  und  der  Bauchwand  und 
den  Mechanismus  der  Darmentleerung  wie  den  der  Atmung,  der  m 
der  Ausdehnung  der  Lungen  durch  die  gemeinsame  Aktion  der 
Thoraxmuskulatur  und  des  Zwerchfells  beruht;  einen  Eintritt  von 
Luft  von  den  Bronchialverzweigungen  aus  in  die  Blutbahn  und  von 
da  ins  Herz  weist  er  experimentell  durch  Aufblasen  der  Lunge  als 


unmöglich  nach.  Im  Herzen  macht  er  in  einem  Falle  die  Beobachtung 
eines  offenen  Foramen  ovale  und  notiert  dies  für  weitere  Prüfung, 
ohne  es  zu  generalisieren.  An  Diskursen  zur  allgemeinen  Anatomie 
ist  kein  Mangel,  über  Nerven,  Muskeln,  Sehnen,  Faszien,  Ligamente 
und  Knochen,  über  das  spezielle  Verhältnis  der  Muskeln  zu  ihren 
Sehnen;  ferner  wird  über  die  Ausscheidung  und  Zirkulation  beim 
Embryo,  über  Vogelflug,  über  den  Einfluss  der  Sonne  und  des  Mondes 
auf  Ebbe  und  Flut  usw.  gehandelt  und  die  Frage  erörtert,  ob  durch 
Zeichnungen  oder  durch  Beschreibungen  die  anatomischen  Verhält¬ 
nisse  des  Körpers  sich  besser  wiedergeben  lassen.  Er  preist  die 
Mathematik,  die  allein  das  wahre  Wissen  von  den  Dingen  vermittele 
und  spottet  über  die,  die  an  der  Oberfläche  bleiben,  und  über  die 
Unbelehrbarkeit  der  Gelehrten,  während  fortschreitende  Sicherheit 
der  Erkenntnis  Liebe  und  Begeisterung  wecken,  die  zur  Gewinnung 
neuer  Erkenntnis  aneifern.  Darum  mahnt  er  auch  zur  Verehrung  der 
grossen  Geister  der  Menschheit.  Karl  Sudhoff. 

J.  Lionel  Tay  ler:  The  Nature  of  Woman.  (Die  Natur  des 
Weibes.)  London  1912  bei  A.  C.  Fifield.  Preis  M.  3.50.  186  S. 

Das  vorliegende  BiichleLn  befasst  sich  mit  der  modernen  Frauen¬ 
bewegung  und  erörtert  die  nur  zu  häufig  übersehene  biologische  Seite 
der  Frage.  Die  extremen  Frauenrechtler  betrachten  die  Frau  als 
Mann  mit  weiblichen  Geschlechtsorganen,  und  for¬ 
dern  daher  absolute  Gleichstellung  der  beiden  Geschlechter  bei  der 
Erziehung  und  im  späteren  Leben.  Nach  Ansicht  des  Verfassers  ist 
dieser  Standpunkt  biologisch  verfehlt.  Das  Geschlecht  gibt  sich  nicht 
nur  in  seinen  äusserlichen  Formen  kund,  sondern  drückt  auch  dem 
Charakter  und  der  Psyche  einen  individuellen  Stempel  auf.  Mann  und 
Weib  ergänzen  einander  in  dieser  Hinsicht,  man  kann  daher  weder 
von  einer  Gleichheit  noch  Superiorität  des  einen  oder  anderen  Ge¬ 
schlechtes  reden.  Die  modernen  Frauenrechtler  werfen  ihre  In¬ 
dividualität,  diesen  kostbarsten  Schatz  der  Natur,  weg  und  gefährden 
dadurch  sich  selbst  und  die  Zukunft  der  menschlichen  Rasse.  Gegen 
die  Bestrebungen,  die  Erziehung  und  Stellung  der  Frau  zu  ver¬ 
bessern  und  modernen  ökonomischen  Verhältnissen  anzupassen,  ist 
nichts  einzuwenden,  solange  sich  dieselben  innerhalb  der  biologischen 
Grenzen  bewegen.  Nach  wie  vor  bleibt  aber  das  Heim  und  die 
Familie  die  geeignetste  Wirkungsstätte  der  Frau.  —  F>as  Buch  ist  in 
allgemein  verständlicher  und  anregender  Weise  für  Laien  geschrie¬ 
ben,  trotzdem  gibt  sich  auf  jeder  Seite  die  tiefe  Gedankenarbeit  und 
der  wissenschaftliche  Ernst  des  Verfassers  kund.  Er  verspricht  sich 
im  Vorworte  nur  einen  kleinen  Leserkreis.  Nach  meiner  Meinung 
reicht  jedoch  dieses  Buch  über  das  alltägliche  Niveau  weit  hinaus 
und  sollte  daher  von  vielen  gelesen  und  beherzigt  werden. 

P.  Daser-  London. 

Hans  Much:  Denken  und  Schauen.  Wiirzbu'rg,  Verlag  Kurt 
Kabitzsch,  1913.  135  S.  Preis  geb.  M.  4.50. 

Aus  der  Reihe  tiefempfundener  Gedichte,  die  den  Band  füllen, 
sei  als  Probe  des  dichtenden  Kollegen  das  folgende  hieher  gesetzt: 

Mikroskop. 

Hat  dein  Auge  wissensdurstig 
Schönheitsfroh  die  Welt  genossen, 

Blieb  dir  doch  die  grösste  Freude 
Und  die  schönste  Welt  verschlossen. 

Alle  Lust  wird  hier  vertiefter, 

Alle  Farben  leuchten  klarer. 

Alle  Form  wird  gross  und  einfach, 

Alle  Weisheit  scheint  dir  wahrer. 

Doch  aus  all  der  reinen  Fülle: 

Farben,  Formen,  Tod  und  Keimnis  — 

Gleich  unnahbar  winkt  und  lächelt 
Hoheitsmächtig  das  Geheimnis. 

Max  Nassauer  -  München. 

Neueste  JournaHiteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  76.  Band,  3.  u.  4.  Heft. 

11)  H.  T  ach  au:  Der  diagnostische  Wert  der  Harnpepsinbestim- 
tuung.  (Aus  der  I.  inneren  Abteilung  des  Rudolf  Virchow-Kranken- 
hauses  in  Berlin.) 

Bei  27  Patienten  mit  normalem  Mageninhaltsbefund  fanden  sich 
23  mal  normale,  2  mal  verminderte  Werte,  2  mal  maximale  Herab¬ 
setzung  des  Harnpepsins,  bei  15  Patienten  mit  Subazidität  und  nor¬ 
malem  Pepsinbefund  im  Magen  waren  13  mal  normale,  2  mal  ver¬ 
minderte  Harnpepsinwerte,  bei  20  Patienten  mit  Anazidität  und  stark 
herabgesetzter  Pepsinsekretion  6  mal  normale,  4  mal  herabgesetzte 
Werte,  10  mal  maximale  Herabsetzung  des  Harnpepsins,  bei  12  Pa¬ 
tienten  mit  Magenkarzinom  2  mal  normale,  3  mal  verminderte  Werte, 
1  mal  maximale  Herabsetzung  des  Harnpepsins  zu  konstatieren.  Das 
Verhalten  des  Harnpepsins  gibt  also  keine  sicheren  diagnostisch  ver¬ 
wertbaren  Aufschlüsse.  Es  ist  weder  bei  einer  Herabsetzung  der 
Fermentmenge  im  Harn  mit  Sicherheit  eine  krankhafte  Veränderung 
der  Magensekretion  anzunehmen,  noch  bei  normaler  Harnpepsinmenge 
eine  Magenaffektion  auszuschliessen.  Auch  für  die  Differentialdia¬ 
gnose  des  Magenkarzinoms  gibt  die  Harnpepsinuntersuchung  keine 
verwertbaren  Anhaltspunkte. 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


89 


12)  Marie  Kaufmann -Wolf:  Weiterer  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  lies  Schicksals  Syphiliskranker  und  ihrer  Familien. 

Die  Verfasserin  stellte  im  Anschluss  an  eine  frühere  Arbeit,  in 
welcher  die  Resultate  der  Krankengeschichten  und  Katamnesen  von 
19  Patienten  aus  der  E r b sehen  Klinik  verwertet  waren,  Nachfor¬ 
schungen  über  das  Schicksal  von  9  Patientinnen  der  psychiatrischen 
Klinik  an,  bei  denen  zumeist  progressive  Paralyse  diagnostiziert  wor¬ 
den  war.  Die  Untersuchung  ergab:  von  den  20  Ehegatten,  welche 
der  Familie  der  9  Patienten  angehörten,  ist  mehr  als  die  Hälfte  (11) 
gestorben,  hauptsächlich  an  nervösen  Erkrankungen.  Konjugale  ner¬ 
vöse  Erkrankungen  sind  darunter  4  (darunter  nur  2  metasyphilitische, 
1  ’l'abes  und  1  Paralyse).  Schwere  Erkrankungen  der  Zirkulations¬ 
organe  treten  gegenüber  den  Resultaten  der  ersten  Studie  als  Todes¬ 
ursache  bedeutend  zurück,  Mitbeteiligung  des  Zirkulationsapparates 
findet  sich  jedoch  bei  beiden  Kategorien  in  ziemlich  gleicher  Weise 
etwa  in  der  Hälfte  der  Fälle.  Die  grosse  Zahl  und  die  Schwere  der 
nervösen  Erkrankungen  spricht  dafür,  dass  es  eine  für  das  Nerven¬ 
system  besonders  verhängnisvolle  Art  der  syphilitischen  Erkrankung 
im  Sinne  Nonnes,  eine  Lues  nervosa  gibt.  Sehr  auffallend  ist  fer¬ 
ner  die  überaus  traurige  Beschaffenheit  der  Nachkommenschaft  dieser 
Familien.  Es  konnten  33  Aborte,  Früh-  oder  Todgeburten  und  nur 
33  lebend  geborene  Kinder  eruiert  werden.  Von  diesen  33  lebend 
Geborenen  lebten  zur  Zeit  der  Nachforschung  noch  13,  von  diesen 
schienen  aber  nur  mehr  2  körperlich,  geistig  und  moralisch  intakt  zu 
sein.  16  waren  in  frühester  Jugend,  3  an  Suizid.  2  an  Epilepsie,  1  an 
einer  Darmoperation  gestorben,  von  den  13  lebenden  sind  11  entweder 
mit  Gehör-  und  Augenkrankheit,  oder  mit  Schwachsinn,  oder  mit  Epi¬ 
lepsie,  Hysterie,  nervöser  Aufregung,  moralischen  Defekten,  oder 
sonstiger  psychopathischer  Anlage  behaftet.  Im  Gegensatz  zu  dieser 
schweren  Form  der  Lues  nervosa  stellt  die  Syphilis  occulta,  welche 
das  Material  für  die  erste  Studie  geliefert  hatte,  ein  verhältnismässig 
leichtes  Krankheitsbild  dar. 

13)  E.  Gressot:  Zur  Lehre  von  der  Hämophilie.  (Aus  der 
ined.  Klinik  des  Bürgerspitals  in  Basel.) 

Der  vom  Verf.  beobachtete  Fall  betraf  einen  27  jährigen  Arbeiter, 
der  an  einer  Blutung  aus  einem  Magengeschwür  zugrunde  ging.  Die 
Nachforschungen  ergaben  die  bekannten  Hereditätsverhältnisse  mit 
der  Eigentümlichkeit,  dass  der  Patient  der  Generation  angehörte,  in 
welcher  die  Krankheit  erstmals  zum  Ausbruch  kam:  in  der  ersten 
Generation  sind  alle  männlichen  Mitglieder  getroffen,  in  der  zweiten 
Generation  fast  mathematisch  genau  nur  die  Hälfte,  entsprechend  dem 
Mendel  sehen  Gesetz.  Die  Regenerationskraft  des  Blutes  war  eine 
bedeutende.  Es  fand  sich  normale  Zahl  der  weissen  Blutkörperchen 
mit  relativer  Lymphozytose  und  leichter  Vermehrung  der  Eosino¬ 
philen.  Die  Resistenz  der  Erythrozyten  gegen  Hämolyse  war  deut¬ 
lich  vermindert.  Die  Gerinnungszeit  des  Blutes  war  sehr  erheblich 
verlängert,  bis  zu  6  Stunden  15  Min.  Die  bei  den  diesbezüglichen 
Untersuchungen  beobachteten  grossen  Schwankungen  fanden  ihre  Er¬ 
klärung  in  der  nicht  immer  genügend  vermiedenen  Beimischung  von 
Gewebssaft  zum  Blut.  Die  Verzögerung  der  Gerinnung  war  auch 
während  der  Blutungen  sehr  erheblich.  Physiologische  Kochsalz¬ 
lösung,  KCl-  und  NasCOa-Lösung  bewirkten  eine  leichte  Verzögerung 
der  Blutgerinnung,  CaCL>  eine  bescheidene,  aber  deutliche  Erhöhung 
der  Gerinnungsfähigkeit.  Defibriniertes  normales  Blut  erhöhte  die 
Gerinnungsfähigkeit  mehr  als  Serum,  frisches  Serum  mehr  als  altes 
oder  auf  60“  erhitztes  Serum,  klar  durch  Tonfilter  filtriertes  normales 
Menschenserum  beschleunigte  die  Gerinnung  in  keiner  Weise.  Organ¬ 
extrakte,  vom  Kaninchen  gewonnen,  waren  sehr  wirksam,  durch  Fil¬ 
tration  durch  ein  Tonfilter  biissten  sie  sehr  an  Wirksamkeit  ein.  Auf¬ 
schwemmung  von  Lehm,  also  feinste  suspendierte  Teilchen  beschleu¬ 
nigten  die  Gerinnung,  aber  nicht  in  dem  Masse,  dass  die  Gesamt¬ 
wirkung  der  Organextrakte  nur  auf  ihre  Eigenschaft  als  Suspension 
feinster  Bestandteile  zurückgeführt  werden  könnte.  Eigenes  Kan- 
tharidenblasenserum  des  Hämophilen  hatte  eine  gerinnungsbeför¬ 
dernde  Wirkung.  Der  Gehalt  des  hämophilen  Serums  an  Antithrom¬ 
bin  war  geringer  als  normal,  ebenso  der  Gehalt  an  Fibrinferment  und 
Thrornbokinase.  Die  Untersuchung  mit  Extrakten  aus  den  Organen 
des  Patienten  ergab,  dass  in  denselben  kein  Mangel  an  Thrombo- 
kinase  vorhanden  war,  sondern  eher  das  Gegenteil.  Es  kann  sich  da¬ 
her  bei  der  Hämophilie  nicht  um  einen  allgemeinen  Mangel  an 
Thrornbokinase,  sondern  nur  um  einen  Mangel  desselben  im  Blut 
selbst  und  in  den  Gefässendothelien  handeln.  Therapeutische  Ver¬ 
suche  mit  Men^chenserum  sowie  defibriniertem  Menschenblut  waren 
erfolglos.  Ebenso  Versuche  mit  „skeptophylaktischem“  Kaninchen¬ 
serum  —  Kaninchen  waren  durch  intravenöse  Einverleibung  von 
Organextrakten  immun  gegen  neue  Injektionen  derselben,  „skepto- 
phylaktisch“,  gemacht  worden,  d.  h.  es  hatte  sich  wahrscheinlich  ein 
gegen  die  Thrornbokinase  gerichteter  Antikörper  gebildet.  Die  Hoff¬ 
nung,  durch  Einspritzung  dieses  skeptophylaktischen  Serums  auf  re¬ 
aktivem  Wege  beim  Hämophilen  eine  stärkere  Produktion  von 
1  hrombokinase  auszulösen,  erfüllte  sich  also  nicht.  Auch  Autotrans¬ 
fusion  sowie  Injektion  von  Pepton  Witte  waren  erfolglos.  Auch  durch 
Einflössen  von  rohem  Fleischsaft  während  der  Magenblutung  Hess  sich 
keine  Beeinflussung  der  Blutung  erzielen. 

14)  O.  Hansen:  Ueber  einige  Wirkungen  grosser  Dosen  Natr. 
bicarb.  bei  Diabetes  mellitus.  (Aus  der  ined.  Abteilung  A  des  Rigs- 
hospitals  in  Christiania.) 

Die  Beobachtungen  ergaben  häufig  Zunahme  des  Körpergewichts 
bei  Diabetikern  bei  täglicher  Zufuhr  von  20 — 30  g  Natr.  bicarb.;  bei 
längerem  Gebrauch  trat  Gewichtskonstanz  oder  wieder  Abnahme  ein. 


Die  Gewichtszunahme  ist  auf  Wasserretention  zu  beziehen.  Albumin¬ 
urie,  die  bei  Diabetes  häufig  nur  durch  die  Azidose  verursacht  wird, 
schwand  in  vielen  Fällen  oder  wurde  doch  wesentlich  geringer.  In 
einem  Falle,  bei  welchem  grosse  Atmung,  träges  Sensorium,  kolla¬ 
biertes  Aussehen  und  frequenter  Puls  als  Komasymptome  anzu¬ 
sprechen  waren,  wurde  durch  intravenöse  Infusion  von  5  Liter  4  proz. 
Auflösung  von  Natr.  bicarb.  in  0,9  proz.  physiolog.  Kochsalzlösung 
in  4  Absätzen  Heilung  erzielt,  welche  aber  nach  2  Monaten  von  einem 
neuen  tödlichen  Koma  gefolgt  war.  Bei  5  weiteren  Patienten  mit 
Coma  diabeticum  konnte  die  Injektion  von  Natr.  bicarb.  den  Tod  nicht 
aufhalten;  bei  3  der  Fälle  traten  im  Anschluss  an  die  Injektionen 
tonisch-klonische  Krämpfe  auf. 

15)  G.  Gjestland:  Ein  Fall  von  Paralysis  agitans  mit  be¬ 
deutender  Vergrösserung  der  Glandulae  parathyreoideae.  (Aus  der 
med.  Abteilung  A  des  Rigshospitals  zu  Christiania.) 

Bei  einem  75  jährigen,  an  Paralysis  agitans  leidenden,  an  einem 
Erweichungsherd  im  Grosshirn  und  Bronchopneumonie  zugrunde  ge¬ 
gangenen  Tischler  ergab  die  Sektion  eine  beträchtliche  Vergrösserung 
der  Epithelkörperchen,  von  denen  das  grösste  40  mm  lang  und  10  mm 
breit  war.  Ob  die  Paralysis  agitans  zu  den  Epithelkörperchen  in  Be¬ 
ziehung  zu  bringen  ist,  bzw.  als  durch  eine  Hyper-  oder  eine  Hypo¬ 
funktion  derselben  hervorgerufen  anzusehen  ist,  ist  noch  völlig  un¬ 
klar. 

16)  H.  Curschmann:  Ueber  intermittierende  Basedowsym- 
ptome  (bei  Tabes  dorsalis  und  Bronchialasthma).  (Aus  der  inneren 
Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  in  Mainz.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

17)  M.  Georgopulos:  Ueber  die  entgiftende  Tätigkeit  der 
Parathyreoidea  bei  der  Nephritis.  (Aus  dem  Laboratorium  des  städt. 
Krankenhauses  Elpis  in  Athen.) 

Die  Mehrzahl  von  Kaninchen,  welchen  die  Thyreoidea  ohne  die 
Epithelkörperchen  exstirpiert  und  Urannitrat  injiziert  wurde,  lebten 
2  Tage  länger  als  die  Kontrolltiere,  welchen  bloss  Urannitrat  injiziert 
wurde,  bei  welchen  also  die  antagonistische  Wirkung  der  Schilddrüse 
erhalten  geblieben  war.  Wurden  die  Thyreoidea  mit  den  Epithel¬ 
körperchen  oder  die  Epithelkörperchen  allein  zu  einer  Zeit  heraus¬ 
genommen,  wo  infolge  der  Uranwirkung  schon  Anurie  sich  eingestellt 
hatte  oder  unmittelbar  bevorstand,  so  liess  sich  keine  Verlängerung 
des  Lebens  erzielen  gegenüber  nicht  operierten  Tieren.  Wurden  die 
Schilddrüsen  entfernt  und  gleichzeitig  doppelseitige  Nephrektomie 
vorgenommen,  so  starben  die  Tiere  ebenso  früh,  wie  wenn  nur  die 
Nieren  entfernt  worden  waren.  Es  kann  sich  also  nicht  um  eine  Hem¬ 
mung  der  Giftwirkung  der  gewöhnlichen  Stoffwechselprodukte  durch 
die  Epithelkörperchen  handeln,  sondern  es  muss  eine  Hemmung  spe¬ 
zifischer  Giftstoffe,  die  sich'  bei  der  Urannephritis  der  Kaninchen  bil¬ 
den,  vorliegen. 

18)  Th.  Bär  sony  und  E.  Egan:  Ueber  die  diagnostische  Ver¬ 
wertung  der  Echinokokken-Komplcmentbindimg.  (Aus  der  III.  med. 
Klinik  in  Pest.) 

Die  Verff.  stellten  sich  Antigen  mit  konstantem  Titer  dadurch 
her,  dass  sie  die  Flüssigkeit  von  aus  dem  Schlachthaus  bezogenen 
Echinokokkenzysten  steril  auffingen,  im  Vakuum  einengten,  bis  der 
Titer  ca.  2  ccm  betrug  und  mit  Phenol  bis  zu  Ai  Proz.  versetzten; 
im  Eisschrank  aufbewahrt  hielt  sich  das  Antigen  monatelang.  Bei 
8  Echinokokkuskranken  erhielten  sie  damit  vor  resp.  kurze  Zeit  nach 
der  Operation  positive  Komplementbindungsreaktion,  in  5  Fällen  voll¬ 
ständige,  in  3  Fällen  unvollständige  Hemmung.  In  3  Fällen,  bei  denen 
die  Reaktion  längere  Zeit  nach  der  Operation  ausgeführt  wurde,  war 
die  Reaktion  negativ.  Vollständige  Hemmung  war  ausser  bei  Echino¬ 
kokkus  in  keinem  Fall  zu  finden.  Unvollständige  Hemmung  war  in 
8  Fällen  vorhanden,  bei  welchen  kein  Echinokokkus  bestand.  Bei 
6  davon  war  die  Wassermann  sehe  Reaktion  positiv,  einer  hatte 
eine  Taenia  mediocanellata,  einer  chronische  Cholelithiasis  mit  schwe¬ 
rem  Ikterus  und  Pankreatitis.  Es  ist  daher  nur  eine  stark  positive 
Reaktion  für  die  Diagnose  Echinokokkus  zu  verwerten.  Bei  nega¬ 
tivem  Ausfall  der  Reaktion  ist  Echinokokkus  nur  mit  Wahrscheinlich¬ 
keit  auszuschliessen.  Die  auf  Lokalanaphylaxie  beruhenden  Re¬ 
aktionen  fielen  negativ  aus.  Perkutane  und  intrakutane  Impfungen 
mit  stark  eingeengter  Zystenflüssigkeit  blieben  erfolglos. 

19)  G.  Goerdeler:  Die  Kriterien  der  abgelaufenen  Tuberku¬ 
lose  der  Lungen  und  ihrer  regionären  Lymphdrüsen.  Eine  ana¬ 
tomische  Studie.  (Aus  der  pathol.-anat.  Anstalt  der  Stadt  Magde¬ 
burg.) 

Der  Verfasser  verwendete  zu  seinen  Untersuchungen  eine  Kom¬ 
bination  der  Weigert  sehen  Elastinfärbung  mit  der  Haemalaun- 
v  a  n  G  i.e  s  o  n  sehen  Lösung  und  kommt  zu  folgenden  Resultaten. 
Es  gibt  verschiedenartige  indurative  Lungenveränderungen,  teilweise 
als  typisch  zu  bezeichnende  und  häufig  vorkommende  und  ebenso 
Hilusdrüsenindurationen,  welche  nicht  tuberkulöser  Genese  sind.  Als 
sicher  tuberkulös  können  nur  solche  Lungenindurate  angesehen  wer¬ 
den  —  das  gleiche  gilt  von  den  indurierten  Bronchial-  und  Hilus- 
drüsen  — ,  die  tuberkulöse  Gewebsproliferationen  oder  tuberkulös¬ 
käsiges  Material  aufweisen.  Zahlreiche  Indurationen  sind  als  zwei¬ 
felhaften  Ursprungs  zu  bezeichnen.  Diffuse  Verkalkung  und  Knochen¬ 
bildung  sind  keine  Kriterien  auf  Tuberkulose;  scharfe  Abgrenzung 
einer  Schwiele  der  Pleura  oder  der  Lunge  bietet  keinen  Anhalts¬ 
punkt  für  ihre  Genese.  Das  gleiche  gilt  von  Pleuraverwachsungen 
und  von  tuberkulösen  Affektionen  der  regionären  Lymphdrüsen  be¬ 
züglich  ihrer  Verwertung  zur  Beurteilung  von  Lungenindurationen. 
Krankheitsprozesse  nichttubeikulösen  Ursprunges  können  in  Lungen 


90 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


und  Hilusdrüsen  zu  der  Tuberkulose  ausserordentlich  ähnlichen  Ver¬ 
änderungen  führen.  Es  können  auch  tuberkulöse  und  nichttuberkulöse 
Indurate  nebeneinander  Vorkommen.  Wie  häufig  die  Tuberkulose 
beim  erwachsenen  Menschen  vorkommt,  ist  einwandfrei  zu  ermitteln 
unmöglich.  Lindemann  -  München. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  No.  36 — 50,  1912. 

No.  36.  W.  S  c  h  o  e  t  z  -  Magdeburg:  Sammelreferat  aus  dem 
Gebiete  der  Otiatrie.  (Januar  bis  Juni  1912.) 

No.  37.  G.  B  ö  s  c  h :  Ein  Fall  von  primärem  Melanosarkom 
des  Zentralnervensystems  bei  multipler  Sklerose.  (Path.  Institut 
Prag.) 

Primäres  pigmentiertes  Spindelzellensarkom  des  Kleinhirns  als 
zufälliger  Sektionsbefund  bei  einem  Fall  von  multipler  Sklerose. 
Der  Tumor  ging  von  den  als  Chromatophoren  bezeichneten  Elementen 
der  Leptomeninx  aus.  Die  klinischen  Erscheinungen  wurden  als 
Tabes  mit  progressiver  Bulbärparalyse  gedeutet. 

No.  38.  H.  R  ö  d  e  r  -  Elberfeld:  Das  Wesen  und  die  Behandlung 
rheumatischer  Erkrankungen.  Betrachtung  über  Lymphzirkulations- 
störung. 

Betonung  der  Bedeutung  des  lymphatischen  Rachenrings  und 
seiner  Behandlung  bei  Rheumatikern  durch  Anwendung  des  Prym- 
schen  Saugers  für  die  Gaumentonsillen.  Die  dadurch  erzielte  Besse¬ 
rung  des  Lymphstromes,  Hebung  der  Retention  hat  günstige  Wir¬ 
kungen  auf  Gelenkschwellungen,  Neuralgien  sofort  zur  Folge. 

No.  39.  C.  Bachem -Bonn:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete 
der  Pharmakologie.  (April  bis  Juni  1912.) 

No.  40.  L.  Merian:  Positiver  Leprabazillenbefund  im  In¬ 
halte  einer  Kuhpockenpustel  bei  einem  an  Lepra  tuberosa  leidenden 
Patienten.  (Med.  Klinik  Zürich.) 

20  jähriger  Teppichweber,  aus  einer  Lepragegend,  mit  Lepra, 
Nachweis  der  Bazillen  in  Ausstrichpräparaten  von  Kohlensäureschnee. 
Verbrennungsblasen  über  einem  Erythemfleck  des  linken  Unterarmes. 

In  Vakzinationspusteln  nach  Impfung  mit  tierischer  Lymphe  ebenfalls 
Leprabazillen. 

No.  4L  No.  42  ohne  Originalartikel. 

No.  43.  1)  Mitteilung  der  Arzneimittelkommission  des  deutschen 

Kongresses  für  Innere  Medizin. 

2)  0.  David:  Typhus  mit  fünfmaligem  Rezidiv.  (Med.  Klinik 
Halle.) 

Krankengeschichte  und  Temperaturkurve  des  11jährigen  Knaben 
werden  mitgeteilt. 

No.  44  ohne  Originalartikel. 

No.  45.  H.  Sowade:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der 
Dermatologie  und  Syphilidologie.  (I.  Vierteljahr  1912.) 

No.  46.  Igersheimer:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der 
Augenheilkunde  (1.  Vierteljahr  1912). 

No.  47.  1)  A.  Oszacki:  Ueber  Enteiweissung  und  Reststick- 

stoffbestimmung  des  Blutes  und  seröser  Flüssigkeiten  mittels  Uranil- 
azetat.  (III.  Med.  Klinik  Wien.) 

Die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  (Blut  oder  andere  seröse 
Flüssigkeiten,  geronnenes  Serum)  entsprechend  verdünnt,  wird  mit 
gleicher  Menge  der  l,5proz.  wässrigen  Uranilazetatlösung  ausgefällt. 
Das  Filtrat  wird  im  grossen  Verbrennungskolben  mit  konzentrierter 
Schwefelsäure  eingedampft,  in  Gegenwart  von  Uranilazetat  verbrannt 
und  nach  Kjeldal  destilliert.  Von  der  in  der  Vorlage  gewonnenen 
NHs-Menge  ausgerechneter  und  auf  100  ccm  Serum  umgerechneter 
Stickstoffwert  gibt  den  gesuchten  Rest-N.  Die  kleinste  Serummenge, 
mit  der  man  noch  zuverlässig  arbeiten  kann,  ist  15  ccm,  am  besten 
sind  50  ccm.  Die  Resultate  sind  zuverlässig,  die  Methode  ist  sehr 
einfach  und  zu  klinischen  Zwecken  brauchbar. 

2)  W.  Gross:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  allgemeinen 
Pathologie  und  pathologischen  Anatomie. 

No.  48.  C.  Bachem:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der 
Pharmakologie.  (Juli  bis  September  1912.) 

No.  49  ohne  Originalaufsatz. 

No.  50.  Fr.  Lehnerdt:  Vierteljährliches  Uebersichtsreferat 
aus  dem  Gebiete  der  Kinderheilkunde.  (III.  Quartal  1912.) 

W.  Zinn-  Berlin. 

i 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Bd.  99,  Heft  2,  1912. 

13)  R.  Hinz:  Ueber  den  primären  Dünndarmkrebs.  (Chir.  Abt. 

des  Kreiskrankenhauses  Gross-Lichterfelde,  Prof.  v.  Ries  e.) 

Bisher  sind  52  Fälle  von  primärem  Dünndarmkrebs  bekannt,  der 
etwas  über  3  Proz.  aller  Darmkarzinome  ausmacht.  Männer  werden 
etwa  doppelt  so  häufig  betroffen  wie  Frauen.  Am  häufigsten  wird  er 
im  5.  Lebensjahrzehnt  beobachtet.  Zu  scheiden  sind  die  nicht  steno- 
sierenden  und  immer  mit  Proliferation  der  Geschwulst  verbundenen 
Formen  von  den  stenosierenden.  Die  ersteren  machen  vielfach  nur 
allgemeine  Symptome,  wie  Abmagerung,  Appetitlosigkeit  und  all¬ 
gemeine  Schwäche.  In  einem  Viertel  der  Fälle  werden  fixe  und 
auch  kolikartige  Schmerzen  beobachtet.  Ikterus  und  Blut  im  Stuhl 
kommen  wahrscheinlich  nicht  vor,  Erbrechen  und  Auftreibung  des 
Leibes  äusserst  selten,  Darmsteifungen  mehrfach.  Die  richtige  Lo¬ 
kalisation  des  meist  fühlbaren  Tumors  ist  bis  jetzt  nie  richtig  ge¬ 
lungen.  Die  hochsitzenden  stenosierenden  Dünndarmkrebse  machen 
anfallsweise  auftretende  kolikartige  Magenbeschwerden  und  Er¬ 
brechen  mit  galligen  Beimengungen.  Der  Leib  ist  stark  eingesunken. 

jVx-“- 


Bei  Einführung  einer  Magensonde  kommt  zuweilen  erst  bei  der  Spü¬ 
lung  der  gestaute  Darminhalt  heraus.  Die  Ansammlung  stark  galliger 
Flüssigkeit  genügt,  um  bei  der  Röntgendurchleuchtung  Konturen  zu 
erzeugen.  Bei  tiefsitzenden  Dünndarmkarzinomen,  die  lange  latent 
bleiben  können,  ist  der  Leib  nicht  aufgetrieben.  Erbrechen  von 
Mageninhalt,  galliges  und  kotiges  Erbrechen  wechseln  miteinander  ab. 
Die  Prognose  für  die  operierten  Kranken  ist  bei  den  stenosierenden 
Karzinomen  besser,  weil  diese  eher  Symptome  machen.  Bei  dem 
nicht  stenosierenden  Dünndarmkarzinom  ist  bisher  nur  eine  Dauer¬ 
heilung  unter  16  Fällen  zu  verzeichnen,  während  von  26  stenosieren¬ 
den  5  dauernd  geheilt  sind. 

14)  S.  G.  L  e  u  e  n  b  e  r  g  e  r :  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Frage  der 
Mutation  von  Harnblasenpapillomen  in  Sarkom.  (Chir.  Privatklinik 

von  Privatdozent  Dr.  Suter  in  Basel.) 

Einige  Jahre  nach  der  Exstirpation  eines  gutartigen  Papilloms 
aus  der  Harnblase  entwickelten  sich  multiple  Harnblasenpapillome 
und  nach  weiteren  4)4  Jahren  ein  nicht  papillomatöses  Spindelzellen¬ 
sarkom.  Verf.  nimmt  für  beide  Geschwulstformen  eine  gemeinsame 
Grundursache  —  vielleicht  die  durch  eine  traumatische  Harnröhren- 
striktur  bewirkte  Urinstauung  —  an. 

15)  F.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin:  Breite  Freilegung  der  Hirnventrikel, 

namentlich  des  vierten. 

Bei  2  Kindern  entwickelte  sich  nach  einer  schweren  Geburt  eine 
schwere  zerebrale  spastische  Parese  und  eine  Jackson  sehe  Epi¬ 
lepsie.  Die  Operation  ergab  ein  Fehlen  der  motorischen  Rinden¬ 
region  und  an  ihrer  Stelle  eine  Zyste  mit  frei  flottierendem  Plexus 
chorioideus.  Die  Zystenwand  wurde  exstirpiert,  in  den  Defekt 
3  Duralapen  eingelegt  und  darüber  der  Hautknochenlappen  fixiert. 
Heilung  der  Wunde  und  wesentliche  Besserung  der  Paresen,  obwohl 
die  Zentralregion  fehlte.  Auch  bei  einem  wegen  einer  Kleinhirnzyste, 
die  den  Wurm  mit  durchsetzte,  operierten  Kinde  wurde  der  Defekt 
durch  Duralappen  ausgefüllt  und  das  Kind  kam  zur  Heilung.  Bei 
einer  4.  Kranken  fand  sich  zwischen  den  beiden  Kleinhirnhemisphären 
ein  Tumor,  nach  dessen  Wegnahme  der  Boden  des  4.  Ventrikels  frei¬ 
lag.  Die  beiden  Kleinhirnhälften  wurden  über  der  Rautengrube  zu¬ 
sammengezogen  und  in  einen  übrigbleibenden  freien  Spalt  ein  Dura¬ 
lappen  gelegt.  Auch  hier  erfolgte  schliesslich  Heilung. 

16)  L.  Stuckey:  Ueber  Verwendung  der  freien  Netzverpflan¬ 
zung  als  blutstillendes  Mittel  bei  der  Gallenblasenexstirpation.  (Aus 
dem  Krankenhause  der  Schwesterngemeinschaft  des  Roten  Kreuzes 
zum  Andenken  an  den  Generaladjutanten  M.  P.  v.  Kaufmann  in 
St.  Petersburg,  Prof.  Dr.  Zeidler.) 

In  3  Fällen  konnte  eine  Blutung  aus  dem  Bett  der  Gallenblase  in 
der  Leber  durch  Andrückung  eines  isolierten  Netzstückes  gestillt 
werden.  Bei  einem  3.  Falle,  der  3  Tage  nach  der  Operation  starb, 
fand  sich  das  Netz  lückenlos  dem  nackten  Lebergewebe  anliegend. 
Seine  Kapillaren  waren  strotzend  mit  Blut  gefüllt. 

17)  H.  Lindenberg:  Zur  operativen  Behandlung  der  Colitis 
ulcerosa.  (Chir.  Klinik  zu  Rostock,  Prof.  Dr.  Müller.) 

Mitteilung  von  2  einschlägigen  Fällen,  von  denen  einer  nach 
Anlegung  eines  künstlichen  Afters  und  Darmspülungen  zur  Ausheilung 
gelangt  ist. 

18)  A.  Kocher:  Ueber  Ulcus  ventriculi  und  Gastroenterostomie. 

(Chir.  Klinik  in  Bern,  Prof.  Th.  Kocher.) 

Nach  des  Verf.s  Ansicht  kann  bei  der  Operation  die  Diagnose 
ob  Magenulcus  oder  Karzinom  fast  in  allen  Fällen  gestellt  werden. 
Es  spricht  für  Karzinom,  wenn  man  bei  einem  Magentumor,  der 
zwar  klein  sein  kann,  aber  unregelmässig  ist,  kein  deutliches  Ulcus 
fühlt  oder  wenn  ein  Ulcus  nur  undeutlich  zu  fühlen  ist,  wenn  das¬ 
selbe  flach  und  ausgedehnt  ist  und  wenn  seine  Ränder  unregelmässig, 
nur  teilweise  gefühlt  werden  können.  Für  die  Differentialdiagnose 
lässt  sich  mit  Vorteil  die  G  1  u  z  i  n  s  k  i  sehe  Reaktion  verwenden. 
Für  reines  Ulcus  spricht,  wenn  bei  vermehrter  Probenahrung  die 
Quantität  der  freien  Salzsäure  ansteigt  oder  wenn  ein  vorher  vor¬ 
handenes  Salzsäuredefizit  erheblich  abnimmt.  Für  karzinomatöse  De¬ 
generation  spricht,  wenn  die  Quantität  der  freien  Salzsäure  bei  ver¬ 
mehrter  Probenahrung  abnimmt.  Bei  80  Fällen  wurde  durch  die 
Gastroenterostomie  bei  floridem  Ulcus  in  78,5  Proz.  ein  voll¬ 
kommenes,  in  15,5  Proz.  ein  befriedigendes  und  in  6  Proz.  ein  un¬ 
befriedigendes  Resultat  erzielt.  Von  den  letzteren  sind  3  Proz.  an 
Carcinoma  ventriculi  gestorben.  Die  Gastroenterostomie  am  tiefsten 
Teil  der  grossen  Kurvatur  hat  zur  Folge  eine  zunächst  kontinuierliche 
Drainage  des  Mageninhalts  und  eine  Herabsetzung  der  Azidität  durch 
Rückfluss  von  Galle  und  Pankreassaft.  Damit  sind  die  Bedingungen 
zur  Ausheilung  des  Ulcus,  wo  es  auch  sitzt,  gegeben. 

19)  A.  Blad:  Das  chronische  Duodenalgeschwür  und  seine 
chirurgische  Behandlung.  (Chir.  Klinik  in  Kopenhagen,  Prof.  Th. 
Rovsing.) 

Die  Arbeit  gründet  sich  auf  32  operierte  Fälle.  Hungerschmerz 
wurde  8  mal,  nächtlicher  Schmerz  14  mal  festgestellt.  19  mal  wurden 
die  Schmerzen  rechts  gefühlt.  Unter  22  Untersuchungen  war  9  mal 
die  Untersuchung  auf  okkultes  Blut  positiv.  Alle  stark  blutenden 
Geschwüre  sassen  in  der  Konkavität  des  Duodenums.  Von  weiteren 
objektiven  Symptomen  waren  in  der  Hälfte  der  Fälle  rechtsseitige 
Druckempfindlichkeit,  knapp  in  der  Hälfte  Hypersekretion  und  gut 
in  der  Hälfte  Retention  gefunden.  Symptome  für  Leiden  der  Gallen¬ 
wege  (Ikterus  und  Cholezystitis)  oder  für  Leiden  des  Pankreas  (spon¬ 
tane  oder  alimentäre  Glykosurie)  können  sich  beim  Ulcus  duodeni 
finden  und  können  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Krankheit  lenken. 
Die  Operation  der  Wahl  ist  in  der  Regel  die  Gastroenterostomie. 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


91 


20)  N.  D.  Busch  mak  in:  Lageveränderung  der  Arteria  popii- 
ea  bei  Flexion  und  Extension  des  Unterschenkels,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Frage  der  Aetiologie  der  Aneurysmen  dieser 

trterie.  (Anatom.  Institut  in  Kasan,  Prof.  T  o  n  k  o  \v.) 

Die  Arterie,  die  bei  gestrecktem  Unterschenkel  auf  der  Geienk¬ 
apsel  selbst  liegt,  entfernt  sich  bei  der  Flexion  von  der  Kapsel  bis¬ 
veilen  auf  bedeutende  Entfernung  (0,5 — 1,0  cm)  nach  hinten  zu. 
ileichzeitig  ist  die  Arterie  einer  permanenten  mechanischen  Ein- 
virkung  von  seiten  des  in  der  Nähe  liegenden  Gelenks  ausgesetzt 
md  ist  infolgedessen  empfindlicher  gegen  pathologische  Verände- 
ungen  und  mechanische  Insulte  verschiedener  Art  (Häufigkeit  der 
vneurysmen). 

21)  W.  Wendel:  Ueber  Meningitis  serosa  circumscripta  cere- 
iralis  (Chir.  Abteilung  der  städt.  Krankenanstalt  Magdeburg-Suden- 

iurg.) 

Einen  Monat  nach  einer  orbitalen  Infektion  entwickelten  sich  bei 
inem  26  jährigen  Mann  die  Symptome  eines  Hirntumors.  Bei  der 
)peration  fand  sich  eine  zirkumskripte  Flüssigkeitsansammlung  an 
ler  Konvexität  des  linken  Stirnhirns  dicht  vor  der  Zentralregion. 
)ie  Entleerung  der  Flüssigkeit  führte  zur  Heilung. 

22)  F.  v.  F  i  n  k  -  Karlsbad:  Erfahrungen  über  die  chirurgische 
Behandlung  des  Magengeschwürs. 

Verf.  hält  bei  den  akuten  und  den  chronisch  verlaufenden  Fällen 
’on  Ulcus  die  Gastroenterostomie  für  das  Normalverfahren.  Bemer¬ 
kenswert  ist  ein  Fall,  der  3  Jahre  nach  der  Gastroenterostomie  ge¬ 
ieilt  blieb,  bei  dem  aber  die  Untersuchung  nach  dieser  Zeit  die  Ent- 
vicklung  eines  Tumors  aufdeckte,  der  den  Charakter  eines  Karzinoms 
latte. 

23)  M.  Z  o  n  d  e  k  -  Berlin :  Zur  Lehre  von  der  intrarenalen  Druck- 
iteigerung  und  der  chirurgischen  Behandlung  der  Nephritis. 

Verf.  fasst  die  Kapselgefässe  (die  zum  Teil  durch  das  Nieren- 
>arenchym  in  die  Kapsel  tretenden  Aeste  der  Art.  renalis  sind  näh- 
ladel-  bis  stricknadeldicke  Gefässe)  als  ventilartige  Schutzvorrich- 
ungen  zur  Erhaltung  des  physiologischen  Gleichmasses  der  Zirku- 
ation  der  Niere  auf.  Bei  der  Luxation  einer  Niere  während  der 
Operation  kommt  es  zu  einer  venösen  Hyperämie;  deshalb  muss 
nan  bei  Operationen  zur  Feststellung  der  Konsistenz  die  Niere  zu¬ 
nächst  in  situ  untersuchen.  Die  unmittelbaren  Folgen  der  Dekapsula- 
ion  einer  im  Zustand  künstlich  erzeugter  akuter  hochgradiger  venö¬ 
ser  Hyperämie  befindlichen  Niere  sind  Druckentlastung  und  Blut- 
■ntziehung.  Beide  Erscheinungen  sind  um  so  ausgesprochener,  je 
licker,  fester  und  weniger  elastisch  die  Tunica  fibrosa  vor  der  De- 
capsulation  war.  Je  mehr  die  Tunica  fibrosa  dagegen  aufgelockert 
md  durchlässig  geworden  ist,  eine  desto  geringere  Entspannung 
hirfte  die  Dekapsulation  zur  Folge  haben.  Eine  weitere  Wirkung  der 
Jekapsulation  ist  eine  stärkere  Ausschwitzung  interstitieller  Flüssig¬ 
keit  und  sekundär  stärkere  Blutdurchströmung  der  Nieren.  Bei 
ikuter  Nephritis  hält  Verf.  die  Dekapsulation  nur  dann  für  angezeigt, 
.venn  eine  lebenbedrohende  Oligurie  oder  Anurie  nach  Erschöpfung 
ler  internen  Behandlung  besteht. 

24)  G.  A  x  h  a  u  s  e  n  -  Berlin:  Ueber  einfache  aseptische 
(nochen-  und  Knorpelnekrose,  Chondritis  dissecans  und  Arthritis  de- 
ormans. 

Verf.  hat  bei  Hunden  an  der  Patella  oder  an  den  Kondylen  kleine 
Bezirke  mit  einigen  Stichen  der  elektrolytischen  Nadel  umgeben  und 
iif  Folgen  der  so  gesetzten  aseptischen  Knorpelnekrosen  histologisch 
mtersucht.  Von  den  Befunden  ist  besonders  bedeutungsvoll  die  Tat¬ 
sache,  dass  sich  nekrotische  Gelenkknorpelstücke  spontan  trennten 
md  abstiessen.  In  den  subchondralen  Markräumen  bildet  sich  ein 
sklerotisches  Bindegewebe,  das  die  deckende  nekrotische  Knorpel¬ 
schicht  durchbricht,  wodurch  dieselbe  häufig  in  mehrere  Stücke  zer- 
>palten  wird  (Dissektion).  Dann  kommt  es  zur  spontanen  Abtrennung 
Exfoliation)  der  dissezierten  nekrotischen  Knorpelstücke  und  dadurch 
:ur  Bildung  einer  Knorpelusur.  Das  ganze  weitere  Verhalten  der 
listologischen  Bilder  zeigte  eine  überraschende  Uebereinstimmung 
nit  denen  der  Arthritis  deformans.  Mit  diesen  Versuchen  glaubt  A. 
len  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Anschauung  Königs  von  der 
Entstehung  eines  Teiles  der  freien  Gelenkkörper  durch  spontane 
<norpeldissektion  erbracht  zu  haben.  Ferner  hält  A.  auf  Grund 
lieser  Experimente  und  der  Tatsache,  dass  bei  der  Arthritis  defor- 
nans  des  Menschen  Knorpelnekrosen  nachgewiesen  worden  sind, 
len  Schluss  für  erlaubt,  dass  in  solchen  Knorpelnekrosen  eine  wich- 
ige  Ursache,  ja  vielleicht  die  erste  und  einzige  Ursache  der  histo- 
ogischen  Veränderungen  bei  der  Arthritis  deformans  zu  erblicken 
'ind.  Für  die  Gestaltung  der  Gelenkenden  bleiben  dabei  statische 
Momente  und  mechanische  Einwirkungen  massgebend. 

25)  A.  Vecchi:  Rezidivierendes,  bösartiges  Chordom  der 
iakro-kokzigealen  Gegend.  (Chirurg.  Klinik  der  Kgl.  Universität 
Turin,  Prof.  Carle.) 

Bis  jetzt  sind  5  Fälle  der  aus  Chordagewebe  entstehenden  Tu¬ 
moren  beschrieben  worden,  die  sämtlich  an  der  Hirnbasis  lokalisiert 
vvaren.  Im  Anschluss  an  ein  2  Jahre  vorher  exstirpiertes  Chordoma 
iacrale  (beweglicher  Tumor  vor  dem  Steissbeiti)  war  ein  Rezidiv 
“ntstanden,  das  ebenfalls  operativ  entfernt  wurde.  Charakteristisch 
ür  die  Chordome  sind  die  Cellulae  physaliphorae,  polygonale  Zellen, 
Jie  durch  Vakuolen  ausgezeichnet  sind,  die  den  ganzen  Zellkörper 
erfüllen  können,  so  dass  die  Zellen  das  Aussehen  von  Bläschen  ge¬ 
winnen.  Die  maligne  Natur  des  Tumors  ging  daraus  hervor,  dass 
Tumorzapfen  in  das  Innere  der  Gefässe  wucherten.  Ausserdem 


konnte  bei  einer  neuen  Untersuchung  wiederum  ein  Rezidiv  fest¬ 
gestellt  werden. 

26)  Kleinere  Mitteilungen. 

G.  A.  Waljaschko:  Radikaloperation  der  Hernien  des  Nabels 

und  der  Linea  alba.  (Institut  für  operative  Chirurgie  und  topo¬ 
graphische  Anatomie  an  der  Universität  zu  Charkow.) 

Verf.  spaltet  in  Höhe  der  Bruchpforte  die  vordere  Rektalscheide 
beiderseits  und  ebenso  beide  Rekti  quer,  legt  in  den  beiderseitigen 
Muskelspalt  ein  Stück  Fascia  lata  und  fixiert  es  in  den  Muskeln 
durch  durchgreifende,  die  vordere  Scheide  und  den  Muskel  fassende 
Knopfnähte.  Im  Bereich  der  Bruchpforte  wird  das  ganze  Faszien¬ 
stück  mit  in  die  die  Bruchpforte  verschliessende  Naht  gefasst.  Das 
so  transplantierte  Faszienstück  funktioniert  so  als  Teil  der  Aponeurose 
der  Linea  alba  und  der  Inscriptiones  tedineae  und  gibt  einen 
besseren  Halt  als  wenn  es  in  Form  eines  Flickens  überpflanzt  wird. 

L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  119.  Bd.,  3. — 4.  Heft. 

A.  Na  r  a  t  h  -  Heidelberg:  Ueber  operative  Eingriffe  bei  der 
Pneuniatozele  der  Parotis  und  des  Ductus  stenonianus  (Glasbläser¬ 
geschwulst). 

Bei  einem  42  jährigen  Glasbäser  entstand  beim  Aufblasen  der 
Backen  auf  der  einen  Seite  eine  Geschwulst  in  der  Gegend  des 
Ductus  stenonianus  und  der  Parotis  mit  tympanitischem  Schall: 
durch  Kompression  verschwindet  die  Geschwulst  unter  gurrenden 
Geräuschen. 

Nach  vergeblichen  Versuchen,  diese  Pneumatozele  des  Ductus 
Stenonianus  und  der  Parotis  durch  Verbände  zu  beeinflussen,  ver¬ 
suchte  N  a  r  a  t  h  durch  Verlegung  und  Verengung  des  Ganges  Heilung 
herbeizuführen;  aber  erst  die  Exstirpation  der  Pneumatozele  mit 
Aetzung  resistierender  Drüsenreste  mit  Alkohol  und  Chlorzink 
brachte  Heilung. 

Normalerweise  verhütet  die  feine  Einmündung  des  Ductus  und 
sein  schräger  Verlauf  durch  den  Buccinatorius  den  Eintritt  der  Luft. 

Während  sich  bei  Spielern  von  Blasinstrumenten  die  Affektion 
nicht  fand,  zeigte  sich  (nach  S  c  h  e  i  e  r),  dass  ca.  6  Proz.  der 
Glasbläser  an  der  Krankheit  leiden;  in  einigen  Fällen  entwickelte  sich 
das  Leiden  plötzlich,  zumeist  allmählich. 

Es  scheint  sich  nur  bei  besonderer  Blastechnik  —  bei  den  sog. 
Backenbläsern  — -  zu  entwickeln,  bei  denen  Schleimhautveränderungen 
zum  Entstehen  mitbeitragen. 

Ein  Teil  der  Glasbläser  gewöhnt  sich  an  den  Zustand,  andere 
müssen  den  Beruf  wechseln. 

Bei  sorgfältiger  Naht  zwischen  Mukosa  des  Ganges  und  der 
Wange  dürfte  die  Verlegung  des  Ganges  Dauererfolg  haben,  am 
radikalsten  ist  die  Exstirpation. 

Vielleicht  könnte  auch  eine  Einpflanzung  des  Ganges  in  die 
äussere  Haut  mit  nachfolgender  Einspritzung  von  Aetzmitteln  Erfolg 
haben  oder  die  einfache  Unterbindung  des  Ductus  Stenonianus. 

A.  Wagner:  Beitrag  zur  Chirurgie  des  Herzens.  (Aus  der 
Chirurg.  Abteilung  des  allgemeinen  Krankenhauses  in  Lübeck.) 

Die  Forderung  Bir  chers:  bei  Herzschussverletzungen  mehr 
konservativ  zu  verfahren  auf  Grund  der  Beobachtung,  dass  ein 
Patient  mit  perforierender  Schussverletzung  des  rechten  Ventrikels 
bei  konservativer  Behandlung  heilte,  besteht  nach  der  Ansicht 
Wagners  nicht  zu  Recht.  Die  Durchsicht  der  Literatur  zeigt, 
dass  nur  in  der  Minderzahl  der  Fälle  eine  Herzverletzung  wenigstens 
in  den  ersten  Stunden  nach  der  Verletzung  diagnostiziert  werden 
kann.  Gerade  aber  die  ersten  4  Stunden  sind  für  den  operativen 
Eingriff  wichtig.  Mitteilung  eines  Falles  von  Thoraxschuss,  der  als 
Herzschuss  diagnostiziert  war;  der  operative  Eingriff  ergab  ein 
Härnoperikard  und  einen  Hämopneumothorax  ohne  Herzverletzung. 
Der  Fall  wäre  wohl  ohne  Operation  zur  Heilung  gekommen  und  wäre 
dann  als  spontan  geheilter  Herzschuss  angesehen  worden. 

J.  Sasaki:  Zur  experimentellen  Erzeugung  der  Struma.  (Aus 
der  chirurgischen  Klinik  zu  Heidelberg.) 

Die  Tatsache,  dass  filtriertes  Kropfwasser  bei  Tieren  Kröpfe 
erzeugt,  der  Filterrückstand  nicht,  ferner  der  Umstand,  dass  bei 
70—80°  das  Wasser  unschädlich  wird,  sprechen  dafür,  dass 
es  sich  bei  der  Entstehung  des  Kropfes  um  Toxinwirkung  handelt. 
Auf  dieser  Annahme  basierend  versuchte  Sasaki  auf  Anregung 
von  Wilms  durch  Fütterung  oder  subkutane  Einspritzung  von  ver¬ 
schiedenen  Giften  experimentelle  Kröpfe  zu  erzeugen.  Als  Versuchs¬ 
tiere  dienten  Ratteii  aus  kropffreier  Gegend.  Es  zeigte  sich,  dass 
nach  länger  dauernder  Fütterung  mit  Kot  und  Injektion  von  Kot 
(Rattenkot)  Vergrösserungen  der  Schilddrüse  auftraten,  allerdings 
nicht  so  stark  wie  bei  den  Präparaten  von  B  i  r  c  h  e  r  und  Wilms 
(nach  Tränkung  mit  Kropfwasser).  Wurde  Jodkali  oder  Jodthyrin 
mit  verfüttert,  so  blieb  die  Vergrösserung  aus.  Es  handelte  sich 
meist  um  diffuse  Hyperplasien;  nach  diffuser  Hypertrophie  ging  der 
Lappen  allmählich  in  Degeneration  über.  Es  wird  vermutet,  dass 
die  Ursache  des  Kropfes  in  giftigen  Zersetzungsprodukten  organischer 
Substanzen  zu  suchen  ist;  in  der  Kotmasse  sind  vielleicht  mehrere 
derartige  Toxine  oder  Toxalbumine  enthalten. 

Hans  E.  Walther:  Zur  Kenntnis  der  Puls-  und  Blutdruck¬ 
veränderungen  beim  Pneumothorax.  (Aus  der  Chirurg.  Universitäts¬ 
klinik  und  dem  pharmakologischen  Institut  in  Zürich.) 

Die  klinische  Beobachtung,  dass  in  vielen  Fällen  von  penetrie¬ 
renden  Thoraxverletzungen  ein  voller  langsamer  Puls  ähnlich  dem 


92 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Druckpuls  besteht,  fand  Verfasser  in  der  Literatur  ohne  ausreichende 
experimentelle  Stütze. 

Experimente  an  Hunden  und  Kaninchen: 

Hei  Anlegung  eines  offenen  Pneumothorax  tritt  Blutdruck¬ 
steigerung  mit  Verlangsamung  und  Grösserwerden  des  Pulses  aut; 
auch  nach  Vagusausschaltung  durch  Atropin  steigt  der  arterielle 
Druck;  bei  Sauerstoffzufuhr  bleibt  der  Druck  auf  fast  gleicher  Höhe, 
während  die  Pulskurve  das  Bild  des  Vagusreizes  darbietet.  Die 
Blutdrucksteigung  beim  Pneumothorax  ist  lediglich  eine  Funktion 
des  Vasomotorenzentrums,  die  Pulsverlangsarnung  ist  Reflexwirkung 
des  Vagus. 

Durch  bestimmte  Versuchsanwendungen  (gleichzeitige  Registrie¬ 
rung  des  arteriellen  Drucks,  der  Pulskurve,  der  Druckkurve  des 
rechten  Ventrikels,  der  Atmungskurve)  konnte  Verfasser  die  ver¬ 
schiedenen  Grade  des  geschlossenen  und  offenen  Thorax  am  gleichen 
Tiere  studieren.  Es  zeigte  sich,  dass  Vaguspulse  auftraten  sowohl 
beim  offenen,  als  auch  bei  den  Formen  des  geschlossenen  Pneumo¬ 
thorax,  bei  der  der  mittlere  Druck  —  0  war. 

Beim  Uebergang  vom  stärkeren  zum  schwächeren  Pleuradruck 
ist  der  Vaguseinfluss  deutlicher  und  anhaltender  als  beim  Uebergang 
vom  schwächeren  zum  stärkeren  Druck.  Es  wird  also  1.  durch  An¬ 
wendung  des  intrapleuralen  Drucks  durch  Reiz  des  kohlensäure- 
haltigen  arteriellen  Blutes  auf  das  Vasomotorenzentrum  der  Blut¬ 
druck  erhöht,  2.  die  Mechanik  der  Herzevolutionen  durch  den  im 
Thorax  herrschenden  Druck  direkt  beeinflusst,  3.  wird  der  im  Pleura¬ 
raum  herrschende  Druck  durch  sensible  Fasern  einem  zentralen 
registrierendem  Apparate  mitgeteilt  und  zwar  wahrscheinlich  durch 
die  sensiblen  Vagusäste  des  Bronchialbaums  im  Hauptstamm  des 
Vagus. 

Die  Versuchsresultate  erklären  befriedigend  die  Erscheinungen 
am  Krankenbette.  Der  grosse  kräftige  Puls  nach  Thoraxver¬ 
letzungen  darf  nicht  zu  einer  optimistischen  Beurteilung  des 
Krankenbildes  verleiten,  da  eine  nur  geringe  Spannungszunahme  den 
scheinbar  harmlosen  Zustand  in  einen  äusserst  bedrohlichen  ver¬ 
wandeln  kann.  (Beispiel.) 

Karl  Brockmann:  Luxationen  im  Bereich  des  Mittelfusses. 

(Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  Char- 
lottenburg- Westend.) 

Von  Luxationen  im  L  i  s  f  r  a  n  c  sehen  Gelenk  wird  zunächst 
ein  Fall  beschrieben  mit  medialer  Luxation  des  L,  einer  dorsalen 
des  2. — 4.  Metakarpus  mit  Kompressionsfraktur  des  Würfelbeins. 
Die  Fraktur  entstand  durch  Fall  auf  die  Fussohle,  wobei  der  Fuss- 
ballen  auf  einen  Kopfstein  kam,  er  knickte  dann  mit  dem  Knie  ein 
und  kam  auf  den  Malleolus  internus  zu  sitzen.  Reposition  leicht. 
Gipsverband,  Heilung.  Im  2.  Falle  handelte  es  sich  um  einen  Ver¬ 
renkungsbruch  des  2. — 5.  Mittelfussknochens  mit  lateraler  Ver¬ 
schiebung.  Im  3.  Fall  um  eine  laterale  Luxation  aller  Mittelfuss- 
knochen  mit  Kompressionsbruch  des  2.  und  3.  Keilbeins. 

Wie  auch  die  Literatur  zeigt,  kann  die  Diagnose  schwierig  sein, 
die  Prognose  ist  auch  bei  den  nichtresponierten  bezw.  nichtrepo- 
niblen  Luxationen  gut.  Eine  Operation  ist  nur  indiziert  bei  Luxa¬ 
tionen  einzelner  Mittelf ussknochen  spez.  des  1. 

Des  weiteren  eine  totale  laterale  Luxation  des  1.,  2.  und  3.  Keil¬ 
beins  aus  ihren  Gelenken  mit  dem  Kahnbein  und  eine  laterale  Luxa¬ 
tion  des  Würfelbeines  aus  seinen  Gelenken  mit  dem  Fersenbein,  eine 
Verletzung  wie  sie  Verfasser  in  der  Literatur  nicht  fand.  Eingehen 
auf  den  Mechanismus;  die  Diagnose  war  leicht.  Die  Behandlung  be¬ 
stand  in  langsam  fortschreitender  Reposition  bei  den  einzelnen  Ver¬ 
bandwechseln,  gelang  nicht  vollständig.  Es  blieb  ein  leichter  Grad 
von  Funktionsstörung  zurück. 

Ein  Fall  von  isolierter  Luxation  des  Kahnbeins,  der  7.  Fall  in 
der  Literatur.  Entstehung  durch  direkte  Gewalteinwirkung  (Fall 
eines  Eisenträgers  auf  die  Innenseite  der  rechten  Fusswurzel)  mit 
Uebergang  in  eine  indirekte  Reposition  unmöglich;  spätere  Operation 
wird  abgeschlagen;  es  entwickelt  sich  ein  Pes  planus.  Beschreibung 
einer  Luxation  sub  talo,  44.  Fall  der  Literatur  Entstehung  durch . 
direkte  und  indirekte  Gewalteinwirkung.  Die  Reposition  gelang 
vollkommen. 

0.  Heinemann  -  Berlin :  Der  äussere  Milzbrand  des  Menschen. 

Die  widersprechenden  Ansichten  über  Milzbrandbehandlung  bei 
den  einzelnen  Autoren  veranlasste  Verfasser  auf  Grund  einer  grossen 
Statistik  (von  1886  bis  heute)  die  beste  Milzbraudbehandlung  aus¬ 
findig  zu  machen.  Nach  seiner  Statistik  zeigt  sich,  dass  eine  gründ¬ 
liche  operative  Therapie  5  Proz.  Todesfälle  weniger  hat,  als  die 
konservative. 

Als  beste  operative  Behandlung  empfiehlt  H.  Spaltung  des 
Karbunkels  durch  einen  Kreuzschnitt  bis  ins  weiche  Gewebe;  die 
4  Wundzipfel  werden  noch  1-  oder  2 mal  gespalten;  sodann  wird  mit 
Aetzkalistift  jede  einzelne  Schnittfläche  kräftig  geätzt.  Geht  das 
Oedem  nicht  zurück,  so  wird  an  der  Oedemgrenze  3 — 5  proz.  Karbol¬ 
säurelösung  oder  Jodtinktur  injiziert. 

Die  Lokaltherapie  ist  mit  Salvarsan-Serum-Kollargoltherapie  zu 
konbinieren,  wenn  Allgemeininfektion  droht  oder  vorhanden  ist.  Nur 
eine  unvollständige  Operation  kann  schaden,  eine  vollständige  kann 
nur  nützen. 

J.  Mayesima:  Zur  Kasuistik  der  primären  zystischen  Er¬ 
weiterung  des  Ductus  choledochus.  (Aus  der  kaiserl.  Chirurg.  Uni¬ 
versitätsklinik  Kyoto,  Japan.) 

Die  Zyste  bei  dem  2  Monate  alten  Kinde  hatte  sich  entwickelt 


aus  dem  oberen  und  mittleren  Teil  des  Ductus  choledochus  ohne 
Verschluss  der  Ausmündungsstelle  ins  Duodenum. 

L.  Arnsperger  und  N.  Kimura:  Experimentelle  Versuche 
über  künstliche  Choledochusbildung  durch  einfaches  Drainrohr.  (Aus 
der  Heidelberger  chirurgischen  Klinik.) 

Die  Arbeit  gibt  eine  experimentelle  Grundlage  für  das  von 
W  i  1  m  s  geübte  Verfahren,  dessen  klinische  Bearbeitung  bereits  das 
vorige  Heft  dieser  Zeitschrift  brachte. 

Experimentiert  wurde  an  Hunden  und  Katzen.  Das  Wesen  des 
Versuches  ist,  dass  ein  Drainrohr  zur  Herstellung  einer  Verbindung 
von  dem  Choledochusstumpf  bis  zum  Duodenum  zum  Ersatz  des  ab¬ 
getrennten  oder  veränderten  Choledochus  benutzt  wurde  in  der 
Hoffnung,  dass  sich  von  diesem  Röhrchen  ein  neuer  Gang  ausbilde 
und  das  Rohr  selbst  zur  richtigen  Zeit  in  den  Darm  gleite,  und  mit 
dem  Stuhl  abgehen  werde.  4  mal  übernahm  der  neugebildete  Gang 
die  Rolle  des  Choledochus,  bei  3  Fällen  kam  es  später  zur  Stenose. 
Die  Verhältnisse  beim  Menschen  liegen  wesentlich  günstiger  wie  hei 
Tieren,  wo  nur  ganz  enge  Röhrchen  genommen  werden  können  und 
die  Gefahr  der  Peritonitis  eine  viel  grössere  ist.  Die  Berechtigung 
zur  Operation  für  Ausnahmefälle  glauben  Verfasser  durch  die  Ver¬ 
suche  bewiesen  zu  haben. 

E.  Schottländer:  Beiträge  zur  Diagnose  und  Therapie 
der  „Kinnfistel“.  (Aus  dem  Zahnärztlichen  Institut  der  allgemeinen 
Ortskrankenkasse  Barmen.) 

Die  Kinnfistel,  die  auf  äusserlich  intakte  Zähne  als  Ursache 
zurückgeführt  wird,  ist  nichts  anderes  als  chronische  Priodontitis  des: 
Unterkiefers  ausgehend  von  irgend  einem  kranken  Zahn.  Die  Patho¬ 
genese  der  Pulpanekrose  in  solchen  Fällen  ist  nicht  ganz  klar.  Der 
richtige  Weg  zur  Heilung  ist  nicht  die  Behandlung  der  Fistel  von 
aussen,  sondern  die  Schleimhautaufklappung  und  Wurzelspitzen- 
resektion.  Die  Behandlung  ist  mithin  Sache  des  Zahnarztes;  Mit¬ 
teilung  eines  einschlägigen  Falles.  F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Paderborn. 

Zentralblalt  für  Chirurgie,  1912,  No.  52. 

Carl  Bayer -Prag:  Eine  einfache  Hämorrhoidenoperation. 

Verf.  schildert  seine  Methode  der  Hämorrhoidenoperation,  mii 
der  er  sehr  gute  Erfolge  erzielt;  Nach  stumpfer  Dehnung  des  Anu: 
werden  die  Knoten  mit  Peans  gefasst,  gut  vorgezogen  und  so  ge 
stielt;  dann  Abbrennen  der  Venenkonvolute  mit  dem  J  hermokaute: 
an  der  Uebergangsstelle  von  Haut  und  Schleimhaut;  zuletzt  wird  dei 
Stumpf  mit  einem  festen  Seidenfaden  umstochen,  der  den  oberei 
Schleimhautwundrand  ansticht,  dann  in  der  Mitte  hoch  am  Uebcr 
gang  zur  normalen  Schleimhaut  eine  Falte  umsticht  und  am  unterei 
Schleimhautwundrand  ausgestochen  wird.  Bei  Uebergangsknotei 
und  solchen,  welche  hoch  ins  Rektum  hinaufreichen,  empfiehlt  siel 
noch  eine  Wundverkleinerungsnaht,  indem  man  über  und  unter  den 
Stielstumpf  Schleimhaut  an  Haut  fixiert.  —  Die  Nachbehandlung  is 
sehr  einfach;  die  einzige  Komplikation  ist  nur  die  Notwendigkei 
des  Katheterismus  für  1—2  Tage.  2  Abbildungen  erläutern  di< 
Methode.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Band  7: 
Heft  2,  1912.  Stuttgart,  F.  Enke. 

P.  S  ch  äf  e  r -Berlin:  Ueber  abdominale  Kaiserschnitte. 

Bericht  über  50  Fälle  von  transperitonealem  Kaiserschnitt  i 
Tabellenform.  2  Todesfälle  der  Mutter,  alle  Kinder  leben:  35 ma 
Heilung  Der  primam,  9  mal  Störung  der  Wundheilung  durch  klemei 
oder  grössere  Bauchdeckenabszesse,  meist  in  Fällen,  wo  die  Opera 
tion  längere  Zeit  nach  dem  Blasensprung  ausgeführt  wurde.  IX 
transperitoneale  Schnitt  hat  vor  der  klassischen  Sectio  caesarea  be 
deutende  Vorzüge. 

W.  Hannes-  Breslau  :  Ovarialgravidität. 

Kasuistischer  Beitrag.  27  jährige  lV.-para.  Operation  untei  de 
Diagnose  Tubenschwangerschaft.  Es  fand  sich  eine  im  rechten  Ove 
rium  etablierte  Gravidität.  4  schöne  Abbildungen. 

W.  Rübsamen-  Dresden  und  U.  R.  Kligermann- Bert 
Pharmakologische  Untersuchungen  an  der  überlebenden  menscl 
liehen  Uterus-  und  Tubenmuskulatur. 

Studien  mit  der  von  E.  Kehre  r  -  Bern  angegebenen  Versuch: 
anordnung:  Ergotinpräparate  und  Sekakornin  regten  die  aub 
matischen  Kontraktionen  des  Uterus  und  der  I  üben  stark  an.  Supn 
renin  ist  ein  sehr  starkes  Erregungsmittel.  Hydrastinin  und  di 
Kotarninpräparate  Styptol  und  Styptizin  zeigen  ausgesprochen  e 
regende  Wirkung.  Die  Wirkung  des  Hydrastin  ist  inkonstant, 
der  Regel  hemmend.  Die  vollkommene  Analogie  zwischen  der  stai 
erregenden  Wirkung  von  Hydrastinin,  Styptol  und  Stypticin  beil 
tierischen  und  beim  menschlichen  Uterusgewebe  verbieten  deren  Ai 
Wendung  bei  Blutungen  in  der  Schwangerschaft. 

Fritz  H  e  c  k  n  e  r  -  Heidelberg:  Beiträge  zur  Anatomie  des  0 
fässverschlusses  post  partum. 

Durch  histologische  Untersuchung  hat  Verf.  festgestellt,  da 
bei  dem  von  den  Blutgefässen  selbst  ausgehenden  Gefässverschlu 
zwei  Punkte  von  Bedeutung  sind,  die  bisher  nicht  bekannt  wäre 
eine  Aufquellung  des  Endothels  in  der  Gravidität  und  im  Puerpern 
und  das  am  Ende  der  Schwangerschaft  erfolgende  Auftreten  v< 
Bindegewebsbuckeln. 

E.  v.  Gr  aff  und  J.  v.  Z  u  b  r  z  y  c  k  i  -  Wien:  Ueber  den  An 
trypsingehalt  des  Blutes  bei  Schwangerschaft  und  Karzinom. 


4.  Januar  1913. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  > 


93 


Versuche,  aus  dein  antitryptischen  Index  eine  Frühdiagnose  der 
:hwangerschaft  zu  stellen,  waren  ergebnislos.  Dagegen  ist  der 
ltitry psingchalt  des  Serums  bei  Karzinom  fast  regelmässig  so  stark 
rmehrt,  dass  dieser  Befund  diagnostische  Bedeutung  gewinnt. 

S.  Z  a  r  e  t  z  k  y  -  St.  Petersburg :  Zur  Röntgentherapie  in  der 
gnäkologie. 

Auf  Grund  eigener  Erfahrungen  und  eines  sehr  genauen  Studiums 
r  internationalen  Literatur  gibt  Verf.  in  monographischer  Form  eine 
.eressante  Zusammenstellung  der  gegenwärtigen  röntgenthera- 
utischen  Ansichten.  Röntgenisation  ist  indiziert  bei  klimakterischen 
nalen  Blutungen,  bei  hämorrhagischen  Metropathien,  bei  benignen 
erusgeschwiilsten  mit  oder  ohne  Blutungen.  Sie  kann  vorgeschla- 
u  werden  bei  chronischer  Oophoritis  und  sexueller  Hysteroneur- 
thenie,  bei  Dysmenorrhöe,  bei  Osteomalazie,  zur  Sterilisierung, 
s  Prophylaxe  gegen  Karzinomrezidiv,  bei  Pruritus  vulvae,  bei 
berkulöser  Affektion  der  Genitalien. 

E.  Schwarzenbach-  Zürich :  Die  Entwicklung  des  Knorpel- 
ckens  im  zweiten  Fötalmonat  auf  Grund  von  7  Beckenmodellen. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

M.  V  r  o  m  e  n  -  Berlin:  Ein  Fall  von  Missbildung  der  Ge- 
lilechtsorgane  und  kongenitaler  Verlagerung  der  Niere. 

Es  handelt  sich  in  dem  mit  Illustrationen  beschriebenen  Falle 
i  Dystopia  renis  dextra  congenita,  Uterus  unicornis  sine  rudimento 
•  rnu  alterius,  Defectus  totalis  tubae  dextrae,  bei  gut  entwickelten, 
ch  abnorm  hochliegenden  Ovarien. 

Z.  G  o  1  d  f  e  1  d  -  Würzburg:  Die  Abhängigkeit  der  körperlichen 
itwicklung  Neugeborener  vom  Berufe  der  Eltern. 

Sehr  fleissige,  interessante,  statistische  Gruppierung  der  Kinder 
rschiedener  Berufsklassen  nach  Geschlecht,  Grösse,  Gewicht,  Ge¬ 
rtenzahl.  Das  Ergebnis  ist  das  erwartete.  Kinder  von  Eltern  aus 
■Hai  bessergestellten  Berufsklassen  sind  meist  kräftiger  als  die  in 
nnlichem  und  kümmerlichem  Milieu  Geborenen. 

Fr.  W  o  1  f  f  -  Giessen :  Beiträge  zur  Entstehung  der  Melaena  neo- 
torum  durch  retrograde  Embolie,  nebst  Mitteilung  eines  Falles  von 
»lvulus  beim  Neugeborenen. 

Experimentelle  Erzeugung  der  Melaena  durch  Injektion  in  die 
hbelvene  junger  Hunde.  Nachweis  eines  Thrombus  in  der  Nabel- 
'  ne  und  von  umschriebenen  Zirkulationsstörungen,  Nekrose  und 
Trombose  als  Grundlage  der  Ulzeration  und  Blutung  im  Duodenum 
des  an  Melaena  verstorbenen  Neugeborenen.  Nachweis  der  Durch- 
sngigkeit  der  für  retrograde  Embolie  von  der  Nabelvene  aus  in 
Ilgen  und  Darmwand  erforderlichen  Blutbahnen.  Aus  diesen 
Punkten  wird  geschlossen,  dass  die  v.  Franquesche  Erklärung 
tr  Entstehung  der  Melaena  neonatorum  für  die  gewöhnlichen,  bei 
nst  gesunden  Kindern  in  den  allerersten  Tagen  post  partum  auf- 
ntendeu  Fälle  zutreffend  ist.  Beschreibung  eines  Volvulus,  der 
iter  den  Erscheinungen  der  Melaena  am  ersten  Lebenstage  auftrat. 

J.  Veit-Halle:  Bewertung  und  Verwertung  der  Serodiagnostik 
ir  Schwangerschaft. 

Kritik  der  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  optischen  und  chemischen 
:  rodiagnostik  der  Schwangerschaft.  Die  neue  Reaktion  geht  nicht 
;n  der  Frucht  aus,  sondern  von  Veränderungen,  die  durch  die 
i  ripherie  des  Eies  bedingt  werden:  von  der  Plazenta.  Sie  gibt  in 
’-len  Fällen  ein  ausgezeichnetes  diagnostisches  Hilfsmittel.  Sie 
inn  aber  auch  negativ  sein,  auch  wenn  Plazenta  im  Uterus  ent- 
Iten  ist.  Trotzdem  ist  sie  für  die  gewöhnliche  Diagnose  einer 
nhen  Schwangerschaft,  ebenso  für  die  Differentialdiagnose  zwischen 
ibargravidität  und  Adnextumor  von  grösstem  Wert.  Man  soll  nur 
mi  der  —  technisch  übrigens  nicht  ganz  einfachen  —  Methode  nicht 
viel  verlangen  und  vor  allem  nicht  mehr,  als  sie  anzeigen  kann. 

Werner-  Hamburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  52.  1912. 

E.  V  o  g  t  -  Dresden:  Strangulation  der  vorderen  Muttermurids- 
I  pe  durch  ein  Schalenpessar. 

Eine  37  jährige  Frau  trug  seit  10  Jahren  ein  Schalenpessar.  Nach 
Mein  Ringwechsel  klemmte  sich  die  hypertrophische  vordere 

■  uttermundslippe  ein  und  es  traten  heftige  Beschwerden  ein.  Das 
ssai  konnte  nach  Vorziehen  bis  in  die  Vulva  unblutig  entfernt 

Mrden.  Aehnliche  Fälle  sind  von  Neugebauer,  Calmann. 

•  euer  und  Prochownick  beschrieben. 

M.  G  u  s  s  o  w  -  Moskau :  Das  Pituitrin  in  der  Geburtshilfe. 

G.s  Erfahrungen  an  46  Fällen  stimmen  mit  denen  anderer  Be¬ 
achten  überein.  Es  wirkt  am  besten  in  der  Austreibungsperiode, 
m  es  die  Wehen  wirksam  verstärkt.  Zur  Erzeugung  künstlicher 
nihgeburt  ist  es  den  Vaginalduschen  und  dem  Metreurynter  Vor¬ 
gehen.  ln  der  3.  Periode  bewirkt  es  eine  schnellere  Ablösung 
■r  I  lazenta,  die  frühzeitig  exprimiert  werden  soll,  damit  der  Mutter- 
mikI  sie  noch  durchlässt.  Bei  Aborten  hat  G.  das  Mittel  nicht  an- 

■  wandt,  ln  Fällen  atonischer  Nachblutungen  wirkt  es  sicher  und 

r  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  59.  Band,  1.  u.  2.  Heft. 

1)  Rosa  Berkowitz:  Rheumatismus  nodosus  im  Kindesalter, 
us  der  Kgl.  Universitätskinderklinik  München.) 

Mitteilung  von  5  Fällen  von  Rheumatismus  mit  Knötchenbildung. 

Grösse  der  Knötchen  schwankt  zwischen  Hirsekorn-  und 
'  schengrösse.  Ihr  Material  ist  verändertes  Bindegewebe  in  ver¬ 
miedenen  Stadien  (Proliferation,  hyaline,  nekrotische  Degeneration). 


Diese  Knötchenbildung  findet  sich  fast  nur  bei  schweren  Formen  des 
Rheumatismus,  der  dann  in  97  Proz.  der  Fälle  mit  anderen  Affektionen 
kompliziert  ist.  Schwächliche  Kinder  sind  besonders  dazu  disponiert. 
Die  Knötchen  bilden  sich  spontan  zurück,  bedürfen  also  keiner  Be¬ 
handlung. 

2)  H .  Risel  und  F.  Schmitz:  Ueber  Stillprämien  und  ihre 
Erfolge.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  Leipzig.) 

Erfahrungen  an  der  Fürsorgestelle  I  zu  Leipzig  während  der 
Jalire  1907/10.  Bei  der  Verteilung  wurde  die  Bedürftigkeit  geprüft 
nach  der  Höhe  des  Tageseinkommens  und  des  bezahlten  Mietzinses. 
Bei  Ueber^chreitung  eines  gewissen  Maximums  wurden  die  Gesuch¬ 
steller  abgewiesen.  Als  Prämie  wurden  wöchentlich  3  Mark  gegeben 
für  die  Dauer  des  ersten  Quartals.  Nach  dem  4.,  5.  und  6.  Monat 
wurde  die  gleiche  Summe  wieder  bezahlt,  wenn  die  Kinder  dann 
an  der  Brust  vorgestellt  wurden.  Die  Prämien  gelten  nicht  als 
Armenunterstützung. 

Die  Beobachtung  der  Kinder  ergibt,  dass  54,5  Proz.  der  Kinder 
ein  unternormales  Antrittsgewicht  haben  und  dass  70  Proz.  in  ihrem 
Gewichtsansatz  während  des  ersten  Vierteljahres  hinter  der  Norm 
Zurückbleiben.  Dieses  Nichtgedeihen  ist  verursacht  weniger  durch 
schlechte  Wohnungsverhältnisse  oder  durch  die  Konstitution  der 
Kinder  als  durch  die  fehlerhafte  Stilltechnik  und  dadurch  bedingte 
Erkrankungen  der  Kinder.  Durch  Stillprämien  wurde  die  Dauer  der 
ärztlichen  Ueberwachung  und  die  Stilldauer  verlängert.  Die  weitere 
|  Beobachtung  der  versorgten  Kinder  ergab,  dass  die  langge- 
stillten  günstiger  gestellt  waren  hinsichtlich  des  Zahndurch- 
;  bruches,  des  Laufenlernens,  der  Rachitis  und  überhaupt  des  gesamten 
Zustandes;  sie  sind  verschont  von  Krämpfen  und  Ernährungsstörungen. 
Keines  der  über  drei  Vierteljahre  gestillten  Kinder  starb  im  ersten 
Lebensjahre. 

Verf.  hält  die  Verteilung  von  Stillprämien  für  die  wirksamste 
Fürsorgemassnahme,  die  allen  mit  künstlicher  Ernährung  arbeitenden 
Massnahmen  überlegen  ist. 

3)  E.  L  e  v  y  -  Essen :  Die  Behandlung  der  epidemischen  Genick¬ 
starre  durch  Seruminjektionen  in  die  Seitenventrikel.  Bericht  über 
einen  geheilten  Fall. 

Ein  VA  monatlicher  Säugling  mit  Meningitis  cerebrospinalis,  bei 
welchem  wiederholte  Lumbalinjektionen  trocken  verlaufen  waren, 
wird  zuerst  am  einen,  dann  am  anderen  Seitenventrikel  punktiert 
und  durch  Injektion  von  Meningokokkenserum  geheilt.  Die  Punktion 
ist  bei  nicht  ausgebildetem  Hydrozephalus  schwierig  und  kommt 
andererseits,  falls  ein  solcher  schon  vorhanden  ist,  meist  zu  spät. 
Gelingt  aber  die  Operation  rechtzeitig,  dann  verschwinden  sofort  die 
Meningokokken  und  die  Krankheit  geht  zurück.  Das  geht  auch  aus 
niitgeteilten  Fällen  der  Literatur  hervor. 

4)  Johannes  Becker:  Appendizitis  an  einem  linken  Leisten¬ 
bruch  eines  Säuglings.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städti¬ 
schen  Krankenhauses  zu  Dortmund.) 

Die  Appendizitis  am  linken  Leistenbruch  ist  viel  seltener  als 
die  am  rechten.  Bei  einem  2  Monate  alten  Säugling  wurde  die 
Diagnose  auf  inkarzerierte  Hernie  gestellt.  Glatte  Heilung  nach  der 
Operation.  Verfasser  nimmt  an,  dass  ein  abnorm  bewegliches 
Zoekum  vorhanden  war,  welches  die  Verlagerung  des  Wurmes  in 
den  Inguinalkanal  gestattete  und  dass  nach  seiner  Einklemmung  die 
Entzündung  zustande  kam. 

5)  S.  E  i  c  h  e  1  b  e  r  g  -  München-Gladbach :  Einiges  zum  Thema 
von  den  Ursachen  der  Sommersterblichkeit  mit  statistischem  Beitrag 
über  die  Wohnung  als  ätiologischen  Faktor. 

Aus  den  Verhältnissen  in  München-Gladbach  scheint  zwar  her¬ 
vorzugehen,  dass  bei  gleichen  sozialen  Verhältnissen  die  Sommer¬ 
sterblichkeit  der  Säuglinge  von  den  Wohnungsverhältnissen,  speziell 
der  Wohnungsdichte  sehr  abhängig  ist,  dass  es  aber  nicht  nur  auf  die 
Güte  der  Wohnung,  sondern  auch  darauf  ankommt,  wie  der  In¬ 
wohner  mit  seiner  Wohnung  und  mit  seinem  Gelde  wirtschaftet.  Es 
wird  der  Bau  von  Arbeiterhäusern  empfohlen,  nicht  nur  wegen  der 
besseren  hygienischen  Lebensbedingungen,  sondern  auch  wegen  der 
Erziehung  zum  hygienischen  Wollen. 

6)  Paul  Heim:  Die  Rolle  der  Wärmestauung  und  Exsikkation 
bei  der  Intoxikation  der  Säuglinge.  (Aus  der  Kinderpoliklinik  des 
Barmherzigen  Spitales  in  Pest.) 

Verfasser  ist  der  Ansicht,  dass  Sommerhitze  ihren  Einfluss  in 
verschiedener  Richtung  ausübt:  das  leichtere  Verderben  der  Milch 
und  häufigere  Diätfehler  mit  stärker  gesalzenen  Nahrungsmitteln  ver¬ 
ursachen  häufigeres  Auftreten  von  Säuglingsdyspepsien  im  Sommer. 
Bei  den  dyspeptischen  Kindern  wirkt  dann  die  Wärme  einerseits 
exzessiv  temperatursteigernd,  andererseits  wasserentziehend,  wo¬ 
durch  es  zur  Exsikkation  und  Intoxikation  kommt.  Man  muss  also 
den  Säugling  vor  grosser  Hitze  schützen  und  mit  salziger  Nahrung 
(Fleischbrühe!)  vorsichtig  sein. 

7)  I  h.  A.  0  s  s  i  n  i  n :  Zur  Frage  über  den  Einfluss  von  künst¬ 
licher  Ernährung  auf  biologische  Eigenschaften  des  Organismus  in 
dessen  frühem  Alter.  (Aus  der  Kinderklinik  an  der  kaiserlichen 
militärmedizinischen  Akademie  zu  St.  Petersburg.) 

Bei  neugeborenen  Kaninchen  gelingt  es  nicht,  spezifisches  Serum 
(Laktoserum)  zu  erhalten.  Erst  von  einem  gewissen  Alter  ab  (beim 
Kaninchen  am  49.  I  ag)  erscheint  die  Fähigkeit  des  Organismus,  auf 
Einführung  fremdartiger  Eiweissubstanz  durch  Antikörper-(Prä- 
zipitin-)Produktion  zu  reagieren.  Bei  vorzeitig  künstlich  ernährten 
Kaninchen  tritt  diese  Fähigkeit  wesentlich  später  auf. 

Hecker-  München. 


94 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


Virchows  Archiv.  Band  210,  Heft  3. 

18)  K.  Sugi:  Lieber  Veränderungen  des  Wurmfortsatzes  bei  all¬ 
gemeiner  Peritonitis.  (Pathol.  Institut  in  Prag.) 

Bei  Allgemeininfektionen  mit  Streptokokken  und  Staphylokokken 
findet  man  im  Wurmfortsätze  Kokkenembolien  ohne  Reaktion,  und 
zwar  in  allen  Wandschichten.  Bei  akuter  eitriger  Peritonitis  zeigen 
sich  entzündliche  Veränderungen,  die  vor  allem  in  der  Serosa  und 
in  der  äusseren  Muskulatur  vorhanden  sind.  Ausnahmsweise  kann 
der  Prozess  bis  zur  Schleimhaut  Vordringen. 

19)  P.  Geipel:  Lieber  metastatische  Geschwulstbildung  in  der 
Milz.  (Johannstädter  Krankenhaus  in  Dresden.) 

In  den  beschriebenen  Fällen  fand  sich  eine  ausgedehnte  In¬ 
jektion  der  B  i  1 1  r  o  t  h  sehen  Kapillaren  mit  krebsigen  Wucherungen. 
In  zwei  Beobachtungen  war  eine  Ausbreitung  in  den  Lymphbahnen 
der  Trabekel  festzustellen. 

20)  B.  Wolff:  Ueber  ein  Blastom  bei  einem  Aal  (Anguilla  vul¬ 
garis),  nebst  Bemerkungen  zur  vergleichenden  Pathologie  der  Ge¬ 
schwülste.  (Pathol.  Institut  in  Rostock.) 

Es  handelt  sich  um  Fibrosarkom,  das  seinen  Ausgangspunkt  im 
Mesenterium  genommen  hatte.  Metastasen  waren  nicht  vorhanden. 

21)  Hässner:  Lieber  Chordome  unter  gleichzeitiger  Mitteilung 
eines  Falles  von  seltener  Grösse.  (Pathol.  Institut  in  Rostock.) 

51  jähr.  Frau.  Knolliger  Tumor  in  der  Sella  turcica,  dessen 
grösster  Durchmesser  9  cm  beträgt. 

22)  P.  Geipei:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Blutgefässerkran¬ 
kungen  der  Milz.  (Johannstädter  Krankenhaus  in  Dresden.) 

In  dem  einen  Falle  handelte  es  sich  um  einen  grossen,  durch 
Blutungen  entstandenen  Hohlraum,  im  zweiten  war  die  ganze  Milz 
von  grossen  Bluträumen  durchsetzt.  Auch  hier  sind  Blutungen  an¬ 
zunehmen,  die  nur  an  verschiedenen  Stellen  sehr  reichlich  auT- 
getreten  sind.  In  beiden  Beobachtungen  bestand  Amyloidose  der 
Lymphknötchen. 

23)  R.  J  a  f  f  e  und  W.  Löwenfeld:  Versuch  einer  Anwendung 
der  Unna -Pappen  heim  sehen  Färbung  an  drüsigen  Organen. 

(Pathol.-histol.  Institut  in  Wien.)  Die  Methode  wird  empfohlen. 

24)  H.  C  h  i  a  r  i :  Zur  Kenntnis  der  „senilen“  grubigen  Atrophie 
an  der  Aussenseite  des  Schädels.  (Pathol.  Institut  in  Strassburg.) 

Die  gleiche  Grubenbildung,  wie  sie  als  senile,  symmetrische 
Atrophie  der  Scheitelbeine  in  der  Literatur  angeführt  wird,  kann  auch 
in  weiterer  Ausdehnung  an  der  Aussenfläche  des  Schädels  Vor¬ 
kommen.  Sie  kann  sich  nicht  nur  auf  die  Stirnbein-  und  Hinterhaupt¬ 
schuppe,  sondern  auch  auf  die  Plana  temporalia  erstrecken.  Ch  iar  i 
legt  für  die  Aetiologie  der  Muskelwirkung  eine  Bedeutung  bei,  die 
einerseits  als  Zug-  und  Gleitwirkung  der  Galea  aponeurotica  und 
andererseits  als  direkte  Zug-  und  Druckwirkung  der  Musculi  fron¬ 
tales,  occipitales  und  temporales  zu  denken  wäre. 

25)  H.  Kuru:  Ueber  die  Bedeutung  des  Fibrins  im  Gallenstein. 

K.  nimmt  auch  für  den  Cholesterinstein  eine  entzündliche  Ge¬ 
nese  an. 

26)  H.  Heidkamp:  Beitrag  zur  Tuberkulose  der  Hypophyse. 

(Pathol.  Institut  in  München-Schwabing.) 

13  jähriger  Knabe  mit  Lymphknoten-,  Knochen-  und  Lungen¬ 
tuberkulose.  Klinische  Erscheinungen  waren  nicht  hervorgetreten. 

27)  B.  Fischer:  Zur  Hypophysenfrage.  (Pathol.  Institut  in 

Frankfurt.)  Schridde  -  Dortmund. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1912. 
73.  Band,  2.  Heft. 

1)  E.  J.  Marzinowsky-  Moskau :  Zur  Frage  über  die  bak¬ 
teriologische  Diagnostik  der  Diphtherie. 

Die  kurze  Notiz  über  einige  isolierte  diphtherieähnliche  Stäb¬ 
chen  ist  ein  weiterer  Beitrag  für  die  grosse  Variabilität  in  der  Diph¬ 
theriegruppe  und  zeigt  wiederum,  wie  es  unter  Umständen  schwierig 
werden  kann,  die  ähnlichen  Vertreter  aus  der  Diphtheriegruppe  von 
den  echten  Diphtheriebazillen  zu  unterscheiden. 

2)  E.  J.  Marzinowsky-  Moskau :  Ueber  die  biologische  Fär¬ 
bung  der  Schimmelpilze. 

Verf.  hatte  beobachtet,  dass  Schimmelpilzmyzel  aus  gefärbten 
Bakterienkulturen  das  Pigment  in  sich  aufnahm,  wenn  die  Schimmel¬ 
pilze  die  Bakterienkulturen  überwucherten.  Ganz  dasselbe  gelang 
auch,  wenn  Nährboden  mit  Methylenblau,  Fuchsin  oder  Gentiana- 
violett  versetzt  wurden.  Alsdann  wurde  ebenfalls  der  Farbstoff  in 
das  Myzel  der  Schimmelpilze  übergeführt.  Ein  Gleiches  wurde  vor 
einiger  Zeit  im  Institut  des  Ref.  auch  bei  Eosinnährboden  beobachtet. 

3)  Th.  E  n  g  w  e  r  -  Berlin :  Beiträge  zur  Chemo-  und  Serothera¬ 
pie  der  Pneumokokkeninfektion. 

Morgenrot  hatte  mit  L  e  v  y  und  Kaufmann  gefunden, 
dass  das  höhere  Homologe  vom  Hydrochinin,  das  Aethylhydro- 
c  u  p  r  e  i  n,  die  Pneumokokkeninfektion  der  Maus  sehr  deutlich  be¬ 
einflusste.  Verf.  hat  nun  beim  Meerschweinchen  experimentelle 
Pneumonien  erzeugt  und  sie  mit  Aethylhydrocupre'in  chemothera¬ 
peutisch  behandelt.  Die  Erfolge  waren  so.  dass  je  nach  der  Schwere 
des  Falles  ein  kleinerer  oder  grösserer  Prozentsatz  der  Tiere  ge¬ 
rettet  wurden,  während  die  Kontrolliere  regelmässig  starben.  Das 
auch  sonst  mit  Vorteil  angewendete  Pneumokokkenimmunserum  und 
das  Aethylhydrocupre'in  verstärken  sich  in  ihren  Wirkungen  gegen¬ 
seitig.  Die  Wirkung  des  Mittels,  für  das  die  Versuchstiere  sehr  ver¬ 
schieden  empfindlich  sind,  beruht  auf  der  extrazellulären  Abtötung 
der  Pneumokokken,  nicht  auf  einer  Anregung  der  Phagozytose. 


4)  E.  Küster  und  R  o  t  h  au  b  -  Freiburg  i.  B.:  Verlauf  des  Ad- 
sorptionsprozesses  hei  der  Einwirkung  des  Phenols  auf  Bakterien. 

Das  Ergebnis  seiner  Untersuchung  wird  mit  folgendem  gekenn¬ 
zeichnet:  Das  Phenol  wird  in  den  ersten  Stunden  der  Einwirkung 
sehr  rasch  aufgenommen,  in  den  folgenden  Stunden  viel  langsamer. 

In  dem  Augenblick,  wo  die  Kapazität  der  Bakterien  erschöpft  ist,  er¬ 
reicht  die  Adsorption  ihren  Höhepunkt.  Stärkere  Konzentrationen, 
wie  gerade  eine  zum  Tode  führende  Menge  Phenol,  beeinflussen  ledig¬ 
lich  die  Geschwindigkeit  des  Prozesses.  Von  toten  Bakterien  wird 
eine  bestimmte  Menge  des  Phenols  adsorbiert  und  nicht  wieder  ab¬ 
gegeben,  während  sonst  die  Abgabe  des  Phenols  in  dem  Masse  er¬ 
folgt,  dass  der  ursprüngliche  Konzentrationsgrad  der  Lösung  wieder 

erreicht  wird.  ...  ....  , 

5)  Wilhelm  Spät- Prag:  Untersuchungen  über  die  Wirkungs¬ 
weise  des  Schweinerotlaufimmunserums. 

Durch  neue  Reihen  von  Erschöpfungsversuchen  kommt  Spät 
zu  dem  Schluss,  dass  entgegen  Neufeld  und  K  a  n  d  i  b  a  absor¬ 
bierte  Sera  trotz  ihrer  Entblössung  von  den  gewöhnlichen  Immun¬ 
körpern  ihr  Schutzvermögen  ungeschwächt  beibehalten.  Sie  er¬ 
zeugen  sogar  in  der  Regel  einen  erhöhten  Schutz,  der  auf  den  Gehalt 
der  Sera  an  Extraktivstoffen  der  Bazillenleiber  zurückzuführen  ist. 
Die  Leukozyten  der  resistenten  Tiere  üben  eine  stark  keimtötende 
Wirkung  aus,  während  die  der  empfänglichen  Tiere  sich  nur  gering 
bakterizid  verhalten.  Nach  Spät  sind  die  Phagozytose  bzw. 
die  T  r  o  p  i  n  e  für  die  Schutzkraft  des  Schweinerotlaufimmunserums  • 
belanglos,  der  Schutzwert  desselben  beruhe  vielmehr  auf  seiner 
aggressiven  Eigenschaft. 

6)  N.  Mu  rata- Port  Arthur:  Die  epidemiologischen  Beobach¬ 
tungen  anlässlich  der  Pestseuche  in  der  Südmandschurei,  und  zwar 
im  kaiserlich  japanischen  Verwaltungsdistrikte. 

Im  ganzen  betrugen  die  Opfer  der  Pestepidemie  1910/11 
ca.  40  000  Menschen  und  dehnte  sich  über  einen  Flächenraum  von 
240  000  englischen  Quadratmeilen  aus.  Fast  alle  Fälle  betrafen  Lun-  . 
genpest.  Bemerkenswert  scheint  die  Mitteilung,  dass  auch  ein 
Schosshund  und  zwei  Esel  an  einer  Krankheit  starben,  welche  ana¬ 
tomisch-bakteriologisch  als  Pestpneumonie  festgestellt  wurde.  Die  « 
Uebertragung  durch  Targabanen  ist  nicht  ganz  sicher  wissenschait-  I 
lieh  zu  begründen,  aber  es  scheint  dafür  vieles  zu  sprechen.  Bei  der 
Bekämpfung  der  Epidemie  waren  von  japanischer  Seite  69  Aerzte, 
29  Assistenten,  414  Polizeibeamte  und  weitere  2000  Personen  be-  i 
teiligt.  Sie  erstreckte  sich  auf  die  Ueberwachung  der  Eisenbahn-  i. 
wagen,  der  Stationen,  der  Fussreisenden,  auf  Quarantäne,  Enichtung  j 
von  Isolierhäusern,  ärztliche  Hausdurchsuchungen:  Vertilgung  der 
Ratten  und  Desinfektion.  Von  den  169  025  Ratten,  welche  ein-  I 
gefangen  resp.  eingeliefert  worden  waren,  fanden  sich  nicht  bei  einer 
einzigen  Pestbazillen.  Die  experimentellen  Versuche  mit  Pest-  j 
bakterien  ergaben,  dass  sie  in  direktem  Sonnenlicht  nach  6  Stunden, 
in  diffusem  Sonnenlicht  nach  20  Stunden,  an  Sojabohnen  angetrocknet,  ■ 
zugrunde  gingen.  Am  Deckglas  angetrocknet  starben  die  Bakterien 
in  1  Stunde  bei  direktem  Sonnenlicht,  bei  dunklem  Wetter  in  6  Stun¬ 
den.  Die  Virulenz  der  isolierten  Keime  war  vielfach  eine  ausser¬ 
ordentlich  hohe.  Mäuse  starben  an  einer  Injektion  von  Viooo  oooooo  Oese,  > 
Meerschweinchen  an  Vioooooo  Oese. 

7)  F.  K.  Kleine  und  W.  Fischer:  Schlafkrankheit  und 

T  setsefliegen. 

Nachdem  im  Laufe  der  letzten  Jahre  durch  Experimente  der 
Beweis  geliefert  worden  war,  dass  das  Trypanosoma  brucei  in  der  ; 
Glossina  palpalis  seine  Entwicklung  durchmachen  kann,  4 
andererseits  aber  auch  die  Glossina  morsitans  nicht  nur  das 
Trypanosoma  brucei  zu  entwickeln  vermöchte,  haben  weitere  um¬ 
fangreiche  Untersuchungen  gezeigt,  dass  die  verschiedenen  Trypano¬ 
somen  nicht  nur  immer  durch  eine  bestimmte  Stechfliege  übertragen 
werden  muss.  Die  Verfasser  glauben  sogar,  dass  in  Afrika  unter  ge¬ 
eigneten  klimatischen  Bedingungen  jede  der  bekannten  Trypano¬ 
somenarten,  wie  Trypanosoma  brucei,  gambiense,  congolense,  cazal- 
boui,  nanum,  sich  in  jeder  Glossinenspezies  entwickeln  kann. 

8)  A  u  m  a  n  n  -  Hamburg :  Ueber  ein  Berkefeldfilter  mit  auto¬ 
matischer  Reinigung. 

Bekanntlich  ist  die  Verwendung  der  Berkefeldfilter  im  Gross¬ 
betriebe  eine  beschränkte,  weil  die  Filter  selbst  nach  einer  gewissem 
Zeit  durch  die  Verschlammung  der  Poren  in  ihrer  Leistungsfähigkeit  ! 
herabsinken  und  die  nun  nötige  Reinigung  nur  mit  Schwierigkeiten 
zu  bewerkstelligen  ist.  Die  Berkefeldfiltergesellschaft  hat  daher  eine  s 
Verbesserung  eingeführt,  die  in  einer  automatischen  Reini¬ 
gung  der  Grossfilter  besteht.  Sie  wird  bewirkt  durch  körnige  : 
Anthrazitkohle  von  ca.  6  mm  Korngrösse,  welche  um  die  Filter  herun 
eingelagert  ist  und  mittels  Wasserzufluss  in  Bewegung  gesetzt  wird 
so  dass  dabei  die  einzelnen  Filteröhrchen  mechanisch  abgeputzt  unc 
abgerieben  werden.  Die  abgewaschene  pulverige  Masse  wird  mit 
Wasser  aus  dem  Apparat  alsdann  herausgespült.  Bakteriologische  : 
Untersuchungen  haben  nun  gezeigt,  dass,  wenn  die  Reinigung  alle! 
24  Stunden  bewerkstelligt  wird,  die  Filter  einwandfrei  filtrieren  unc  i 
auch  in  ihrer  Ergiebigkeit  nicht  nachlassen.  Durch  die  dauernd  aus  , 
zuführende  bakteriologische  Kontrolle  wird  freilich  die  praktische 
Benutzung  immer  noch  herabgemindert. 

9)  G.  H  e  d  r  e  n  -  Stockholm:  Pathologische  Anatomie  und  In 
fektionsweise  der  Tuberkulose  der  Kinder,  besonders  der  Säuglinge 

Mitteilung  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  von  Tuberkulose  be 
Kindern  (199  Sektionen,  davon  47  an  Kindern  unter  1  Jahr).  Veri 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  wichtigste  Infektionsweise  be 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


95 


Kindern,  sowohl  im  Säuglingsalter  wie  später,  die  Aspirationstuber- 
kulose  darstellt.  Die  Lungen  zeigen  dabei  die  primäre  Lokalisation 
der  tuberkulösen  Infektion.  Das  häufigste  Bild  ist  die  Lungen-Bron- 
chialdrüsentuberkulose.  Von  hier  kommt  wahrscheinlich  öfters  eine 
aufsteigende  Infektion  der  supraklavikulären  Lymphdrüsen  vor.  Die 
primäre  „Deglutitionstuberkulose“  ist  bei  Säuglingen  viel  seltener  und 
spielt  daher  eine  geringere  Rolle.  Ausser  der  einfachen  Infektion 
kommt  auch  eine  doppelte  und  dreifache  vor.  Die  häufigste  doppelte 
Infektion  ist  die  Aspirations-  und  Deglutitionstuberkulose. 

10)  Max  Steiger  und  A.  D  öl  1- Bern:  Untersuchungen  über 
die  Desinfektionskraft  des  Sublimates. 

Durch  die  Untersuchungen  konnte  gezeigt  werden,  dass  bei 
Sublimatlösungen  1 :  1000  nur  ein  gewisser  Teil  der  hineingebrachten 
Bakterien  wirklich  abgetötet  wird,  etwa  2,5  Prom.  bleiben  entwick¬ 
lungsfähig  selbst  nach  30  Minuten  langer  Einwirkung.  Die  Virulenz 
der  in  Sublimatlösungen  suspendierten  Bakterien  wird  abgeschwächt, 
wenn  man  durch  nachträgliches  Zugeben  von  Schwefelwasserstoff  das 
Sublimat  neutralisiert,  bei  Pneumokokken  in  geringerem,  bei  Para¬ 
typhus  B  in  höherem  Grade.  Dort,  wo  es  sich  um  Desinfektionen 
von  Blut,  Eiter,  überhaupt  von  eiweisshaltigen  Medien  handelt,  ist 
die  Desinfektionskraft  jedenfalls  nicht  allzuhoch  einzuschätzen. 

11)  Fr.  Schroen:  Berichtigungen  zu  der  Arbeit  von  Dr.  med. 
A.  Korff-Petersen  und  Dr.  med.  H.  Brinkmann:  „Versuche 
und  kritische  Bemerkungen  zur  W  e  i  c  h  a  r  d  t  sehen  Epiphanin- 
reaktion“. 

Polemik. 

12)  A.  Korff-Petersen  und  H.  Brinkmann:  Schluss¬ 
wort  in  der  Diskussion  über  die  W  e  i  c  h  a  r  d  t  sehe  Epiphanin- 
reaktion. 

Polemik.  R.  O.  Neumann  - Giessen. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  41  Bd.,  1912. 

Denkschrift  über  die  seit  dem  Jahre  1903  unter  Mitwirkung  des 
Reichs  erfolgte  systematische  Typhusbekämpfung  im  Südwesten 
Deutschlands. 

Auf  Grund  einer  Denkschrift  wurden  im  Jahre  1903  zum  ersten 
Male  in  den  Reichshaushaltetat  150  000  M.  eingestellt,  welche  der 
Bekämpfung  des  Typhus  dienen  sollten.  Bei  dieser  Summe 
ist  es  jedoch  nicht  geblieben,  sondern  es  sind  von  Jahr  zu  Jahr 
weitere  Mittel  bewilligt  worden,  die  nunmehr  bereits  die  stattliche 
Summe  von  1  775  000  M.  erreicht  haben.  Ist  es  schon  mit  grosser 
Genugtuung  zu  begriissen  gewesen,  dass  sich  die  massgebenden 
Körperschaften  bereitgefunden  haben,  solche  erhebliche  Mittel  zu  be¬ 
willigen,  so  darf  man  andererseits  nicht  mit  Anerkennung  über  die 
Konsequenz  und  Zähigkeit  zurückhalten,  mit  der  die  Reichsbehörde 
das  schwierige  Werk  bisher  fortgeführt  hat,  trotzdem  die  Früchte 
dieser  Saat  nur  langsam  heranreiften. 

Der  Plan,  auf  dem  die  ganze  Typhusbekämpfung  beruht,  war 
im  wesentlichen  von  R.  Koch  inauguriert  auf  Grund  der  früher  bei 
der  Bekämpfung  der  Cholera  gemachten  Erfahrungen,  wenn  auch 
—  wie  die  exakten  Forschungen  sehr  bald  bewiesen  —  manch  anderer 
Weg  beschritten  werden  musste.  Koch  wies  mit  allem  Nachdruck 
darauf  hin,  dass  bei  der  Verbreitung  des  Typhus  der  wichtigste 
Faktor  der  infizierte  Mensch  selbst  sei  und  dass  man  in 
erster  Linie  im  Auge  haben  müsse,  diese  Keimträger  zu  ermitteln  und 
womöglich  für  die  Umgebung  durch  geeignete  Massnahmen  unge¬ 
fährlich  zu  machen. 

In  wieweit  nun  alle  jene  mit  grosser  Klarheit  durchdachten 
Pläne,  alle  ergriffenen  Massnahmen  sich  haben  realisieren  lassen, 
wieviel  überhaupt  auf  wissenschaftlich-experimentellem  Gebiete  und 
in  praktischer  Tätigkeit  erreicht  worden  ist,  darüber  gibt  der  statt¬ 
liche  Band  von  mehr  als  600  Seiten  ausführliche  Auskunft. 

Die  Denkschrift  zerfällt  in  6  Teile,  von  denen  der  erste  „Die 
wissenschaftlichen  Grundlagen  für  den  Versuch 
einer  Typhusbekämpfung  nach  Analogie  der 
Cholerabekämpfung“  von  M.  Kirchner  und  „Die  Er¬ 
richtung  der  ersten  T  y  p  h  u  s  s  t  a  t  i  o  n  in  Trier  und 
Vor  versuch  in  den  Hochwalddörfern  des  Kreises 
T  r  i  e  r“  von  P.  Frosch  behandelt.  Im  2.  Teile  bringt  Schreiber 
„Die  Typhusbekämpfung  als  Verwaltungsmass¬ 
nahme“.  Der  3.  Teil  zerfällt  in  17  Einzelbearbeitungen,  welche 
alle  zusammen  die  eigentliche  Typhusbekämpfung  betreffen.  Einen 
weiteren  Abschnitt  bildet  die  Bearbeitung  „Der  bazillären 
Ruhr  bei  der  systematischen  Typhusbekämpfung“ 
und  „Der  Paratyphus  in  der  organischen  Typhus¬ 
bekämpfung“  von  Rimpau.  Von  Megele  sind  im  5.  Teil 
„Anderweitige  bakteriologische  Untersuchungen“ 
angegliedert,  während  im  letzten  Teil  von  Fornet  eine  sum¬ 
marische  Uebersicht  über  „Die  Ergebnisse  der  Typhus¬ 
bekämpfung  im  Südwesten  des  Reiches“  gegeben  wird. 

Von  grossem  Interesse  sind  im  3.  Teile  die  Einzel¬ 
schilderungen  der  von  den  Typhusstationen 
gemachten  Beobachtungen  und  gewonnenen 
Erfahrungen,  welche  meist  von  den  früheren  oder  der¬ 
zeitigen  Leitern  der  betreffenden  Anstalten  gegeben  werden;  ebenso 
wie  die  Darstellung  „der  allgemeinen  gesundheitlichen 
Verhältnisse  in  den  Typhusgebieten  Trier,  der 
Pfalz,  dem  Fürstentum  Birkenfeld  und  Elsass- 
Lothringe  n“,  bearbeitet  von  den  Medizinalräten  Schlecht, 


Demuth,  Schmidt  und  Pawollek,  besondere  Beachtung  ver¬ 
dienen. 

Da  auf  eine  ausführliche  Wiedergabe  der  vielfach  sehr  wert¬ 
vollen  Erfahrungen  an  dieser  Stelle  wegen  Platzmangels  verzichtet 
werden  muss,  so  mag  an  deren  Stelle  eine  kurze  Zusammenfassung 
treten  über  die  Gesamtleistungen  und  Erfolge,  soweit  sie  für  einen 
weiteren  medizinischen  Leserkreis  Interesse  haben,  wobei  wir  den 
Ausführungen  F  o  r  n  e  t  s  über  die  Ergebnisse  der  Typhusbekämpfung 
folgen  können.  Für  das  Studium  der  spezielleren  Verhältnisse  soll 
|  auf  die  Durchsicht  der  Einzelbearbeitungen  hier  besonders  hin¬ 
gewiesen  werden. 

Der  Kampf  gegen  die  Ausbreitung  des  Typhus  ist  insofern  von 
Erfolg  begleitet  gewesen,  als  die  Prozentzahl  der  Erkrankungen  um 
56,4  Proz.  in  den  8  Berichtjahren  zurückgegangen  ist.  Die  Zahl  der 
Erkrankungen  betrug  auf  je  10000 Einwohner  gerechnet  in  den  Jahren: 

1904  1905  1906  1907  1908  1909  1910  1911 

11,0  8,3  7,8  6,4  5,3  4,0  4,5  4,8 

Demnach  hat  die  Erkrankungsziffer  mindestens  um  die  Hälfte  ab- 
genominen.  Das  Wiederansteigen  in  den  letzten  beiden  Jahren  von  4 
auf  4,5  resp.  4,8  auf  10  000  Einwohner  wird  mit  Ausnahmezuständen 
erklärt.  Die  im  Jahre  1910  aufgetretenen  192  Mehrerkrankungen 
entfallen  auf  Elsass-Lothringen,  wo  die  sanitären  Verhält¬ 
nisse  noch  nicht  überall,  besonders  auf  dem  Lande,  auf  der  Höhe 
sind,  während  gerade  dieses  Jahr  im  Bezirk  Trier  als  das  günstigste 
angesehen  werden  musste.  Der  starke  Anstieg  im  Jahre  1911  soll 
sich  auf  die  Trockenheit  dieses  Jahres  ungezwungen  zurückführen 
lassen. 

Ein  Beweis  für  die  erfolgreiche  Bekämpfung  ist  auch  darin  zu 
erblicken,  dass  die  Zahl  der  im  Anschluss  an  die  Herbstmanöver  ein¬ 
setzenden  Typhusfälle  beim  Militär  bedeutend  zurückgegangen 
ist.  1900  waren  bei  dem  8.,  15.  und  16.  Armeekorps  noch  120, 
1901:  53,  1902:  40,  1903:  21,  1904:  14,  1905:  25,  1906:  4,  1907:  5, 
1908:  6,  1909:  5,  1910:  12,  1911:  13.  Wenn  auch  damit  gezeigt  werden 
kann,  dass  der  Typhus  stark  zurückgedrängt  worden  ist,  so  ist  die 
Zahl  der  im  Westen  des  Reiches  auftretenden  Fälle  immer  noch 
grösser  als  in  Preussen  selbst,  wo  der  Durchschnitt  auf  4,3  sich  etwa 
beläuft,  woraus  sich  die  Notwendigkeit  ableiten  lässt,  dass  mit  den 
erprobten  Massnahmen  weiter  fortgefahren  werden  muss. 

Nicht  weniger  wichtig  als  die  Herabdrückung  der  Mortalität 
sind  die  Errungenschaften  auf  wissenschaftlichem  Gebiet, 
welche  von  unmittelbarer  Einwirkung  auf  die  Typhusbekämpfung 
gewesen  sind.  Es  beteiligten  sich  sowohl  die  früheren  wie 
die  jetzigen  Stationen :  Kaiserslautern,  Neunkirchen, 
Saarlouis,  Hagenau,  Diedenhofen,  Trier,  Idar, 
Saarbrücken,  Landau,  Metz  und  Strassburg  mit  ins¬ 
gesamt  81  Aerzten,  die  kürzere  oder  längere  Zeit  in  den  Aemtern 
tätig  waren.  Einen  bedeutenden  Einfluss  übte  die  Verbesserung 
des  Nährboden  aus,  mit  Hilfe  deren  die  Diagnose  um  vieles 
gegenüber  früher  erleichtert  wurde.  Und  damit  stand  im  engsten 
Zusammenhang  die  Ermittelung  von  bei  weitem  mehr  Typhuskranken 
resp.  Typhusträgern,  als  es  sonst  wohl  möglich  gewesen  wäre.  Auch 
die  Erkenntnis,  dass  Typhus  bei  Kindern  recht  häufig  ist,  aber  be¬ 
sonders  leicht  verläuft,  konnte  erweitert  werden. 

Das  grösste  Interesse  knüpft  sich  an  die  Erfolge  der  Fest¬ 
stellung  der  Bazillenträger  und  Dauerausscheider. 
Dadurch  ist  es  überhaupt  erst  möglich  geworden,  einen  richtigen 
Einblick  in  die  Verbreitungsart  des  Typhus  und  seiner  verwickelten 
Wege  zu  bekommen.  Sie  sind  es,  die  jene  gefährliche  Rolle  bei  der 
Uebertragung  spielen  und  an  deren  Unschädlichmachung  schon  so 
mancher  Plan  gescheitert  ist.  P  r  i  g  g  e  zeigt  uns  in  seinem  Kapitel 
„Bazillenträger  und  Dauerausscheide  r“,  dass  von  je 
100  Kranken  3 — 6  zu  Typhuswirten  werden.  Bis  Ende  1909  waren 
nicht  weniger  als  501  Typhuswirte  =  0,016  Proz.  der  Einwohner 
dieser  Bezirke  festgestellt,  worunter  sich  71,9  Proz.  Frauen  befanden. 

Als  unbefriedigend  werden  die  Versuche  angegeben,  die 
bisher  angestellt  wurden,  um  die  Typhuswirte  von  ihren  Bazillen 
dauernd  zu  befreien.  Alle  medikamentösen  Massnahmen  haben  ver¬ 
sagt.  Das  ist  um  so  bedauerlicher,  als  von  allen  Krankheitsfällen 
über  75  Proz.  auf  Kontaktinfektionen  zurückgeführt  werden  konnten 
und  man  zunächst  noch  kein  sicheres  Mittel  an  der  Hand  hat,  dieser 
Kalamität  zu  steuern.  Es  darf  jedoch  auch  als  weiterer  günstiger 
Einfluss  der  Typhusbekämpfung  angesehen  werden,  dass  das  Publikum 
durch  Belehrung  und  Vorträge  ein  gewisses  Verständnis  für  die 
ergriffenen  Massnahmen  bekommen  hat  und  der  Sinn  für 
Reinlichkeit  und  hygienische  Auffassung  geweckt 
worden  ist.  Es  lässt  sich  auf  das  bestimmteste  nachweisen, 
dass  die  allgemein  gesundheitlichen  Einrichtungen,  welche  be¬ 
deutend  zugenommen  haben,  einen  überall  sichtbaren  Einfluss 
ausübten.  Und  so  mussten  naturgemäss  auch  Projekte 
grösseren  Stils,  wie  Desinfektion,  Trinkwasserver¬ 
sorgungen,  Abwasserbeseitigungen,  Nahrungs¬ 
mittelverkehr  und  das  Wohnungswesen  vielfach  Ver¬ 
besserungen  und  Erneuerungen  erfahren  unter  dem  Druck  der  Not¬ 
wendigkeit  und  der  Gefahr,  die  früher  der  Bevölkerung  nicht  zum 
Bewusstsein  gekommen  war. 

Mit  der  Erkenntnis  des  Typhus  ging  Hand  in  Hand  die  Er¬ 
kenntnis  des  Paratyphus  und  seiner  Verwandten,  wie 
überhaupt  die  ganze  Gruppe  des  Typhus  und  des  Koli  und  ihre  Be¬ 
deutung  in  das  richtige  Licht  gerückt  worden  ist.  Der  Bericht  be- 


96 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


weist,  dass  in  der  ganzen  Periode  sehr  eifrig  gearbeitet  und  viel 
geleistet  worden  ist.  Viel  bleibt  allerdings  noch  zu  tun  übrig,  aber 
da  der  beschrittene  Weg  der  richtige  zu  sein  scheint,  so  darf  man 
hoffen,  dass  die  Beseitigung  des  alten  Uebels  nicht  mehr  zu  den 
Unmöglichkeiten  gehören  möge.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  53,  1912  u.  No.  1, 
1913. 

1)  Alexander  Tietze:  Zum  Gallensteinileus.  (Nach  einer  De¬ 
monstration  in  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische 
Kultur.) 

Kasuistischer  Beitrag. 

2)  C.  A.  Koch -Surinam:  Ueber  Frambösieheilung  durch  Sal- 
varsan.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am 
23.  Oktober  1912.) 

cf.  pag.  2425  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

3)  S.  Schönberg  -  Basel:  Zur  Frage  der  Bedeutung  der  regio¬ 
nären  Disposition  für  das  Magenulcus. 

Auf  Grund  seiner  Statistik  kommt  der  Verfasser  zu  dem  gleichen 
Schlüsse  wie  Oberndorfer  und  G  r  u  b  e  r,  dass  es  nicht  an¬ 
gängig  ist,  bei  der  Verbreitung  des  runden  Magengeschwürs  von 
einer  regionären  Disposition  zu  reden,  sondern  dass  wir  es  hier,  wie 
am  besten  die  Zusammenstellungen  unter  B  o  1 1  i  ti  g  e  r  und  von 
Oberndorfer  sowie  auch  ein  Vergleich  der  letzten  Jahre  in  der 
Tabelle  des  Verfassers  beweisen,  mit  zeitlichen  Schwankungen  zu 
tun  haben. 

4)  Richard  L  e  v  y  -  Breslau :  Experimentelle  Chemotherapie  der 
bakteriellen  Infektion.  (Kurz  mitgeteilt  am  8.  November  1912  in  der 
Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur.) 

Es  gelang  dem  Verfasser  im  Tierexperiment  auch  die  in  voller 
Entwicklung  begriffene  Infektion  mit  Streptococcus  mucosus  durch 
Aethylhydi  ocuprein  zu  hemmen  und  die  Versuchstiere  dauernd  zu 
heilen,  während  die  unbehandelten  Kontrollmäuse  ausnahmslos  in 
typischer  Weise  an  einer  Bakteriämie  zugrunde  gingen.  Diese  Heil¬ 
erfolge  können  noch  erzielt  werden,  wenn  die  Behandlung  einsetzt 
zu  einer  Zeit,  wo  nach  Morgenrot  und  Kaufmann  schon  mit 
einer  ausgesprochenen  Bakteriämie  zu  rechnen  ist. 

5)  D.  Edzard-Freiburg  i.  Br.:  Ueber  die  Serodiagnostik  des 
Karzinoms  nach  v.  Düngern. 

ln  Anbetracht  des  hohen  Prozentsatzes,  in  welchem  sich  ein 
positiver  Ausfall  der  Reaktion  bei  normal  und  anderweitig  Likrankten 
findet,  muss  die  praktische  Verwendbarkeit  der  v.  Düngern  sehen 
Karzinomdiagnose  sehr  eingeschränkt  erscheinen. 

6)  A  b  e  1  -  Berlin:  Zur  Trockenbehandlung  des  Vaginal-  und 
Uteruskatarrhs  mittels  „Tryen“.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner 
med.  Gesellschaft  am  27.  November  1912.) 

7)  Max  ßollnow-  Berlin:  Diffuse  eitrige  Peritonitis  infolge 
gangränöser  Entzündung  eines  Meckel  sehen  Divertikels. 

Kasuistischer  Beitrag. 

8)  Hans  L  i  e  s  k  e  -  Leipzig :  Aerztliche  Rechtsfragen. 

Juristischer  Beitrag. 

No.  1,  1913. 

1)  A.  Heffter:  Die  Grundlagen  der  Arzneibehandlung. 

Jubiläumsartikel. 

2)  C.  A.  Ewald:  Die  Therapie  der  Darmkrankheiten  in  den 
letzten  50  Jahren. 

Eine  Jubiläumsbetrachtung. 

3)  Hermann  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau :  Ueber  zirkumskripte  1  uinor- 
bildung  durch  abdominale  Fettnekrose  und  subkutane  Fettspaltung. 

Zwei  Fälle,  in  denen  eine  mit  dem  charakteristischen  stürmischen 
Krankheitsbilde  einsetzende  abdominale  Fettnekrose  nicht  zu  den  be¬ 
kannten  Veränderungen  führte,  sondern  die  Bildung  ganz  umschrie¬ 
bener  solider  Tumoren  veranlasste,  welche  in  dem  einen  Falle  eine 
Gallenblasengeschwulst,  im  zweiten  einen  chronisch  entzündlichen 
oder  malignen  Tumor  des  Darmes  vortäuschten.  Beim  diitten  Falle 
handelt  es  sich  um  eine  umschriebene,  durch  Fettspaltung  hervorge¬ 
rufene  Tumorbildung  in  der  Mamma. 

4)  Rudolf  Ehrmann-Berlin:  Ueber  das  Coma  diabeticum. 

Schluss  folgt. 

5)  Kurt  Blüh  dorn- Göttingen:  Die  Therapie  sog.  unstillbarer 
Blutungen  im  Säuglingsalter.  (Nach  einem  Vortrag  in  der  Göttinger 
medizinischen  Gesellschaft.) 

Verfasser  konnte  in  drei  Fällen  von  unstillbarer  Blutung  im 
Säuglingsalter  (es  handelte  sich  um  Fälle  von  Melaena  neonatorum, 
Purpura  abdominalis  und  einen  Fall  von  Nabelblutung  bei  Sepsis  mit 
perniziösem  Ikterus)  durch  Injektion  von  Diphtherieserum  und  inner¬ 
liche  Darreichung  von  Kalziumchlorid  einen  prompten  Stillstand  der 
Blutung  erzielen.  Eine  Nachprüfung  dieser  Therapie  wäre  erwünscht. 

6)  Georg  Bernhardt  und  Otto  Orn  stein  -  Berlin :  Ueber 
Variabilität  pathogener  Mikroorganismen.  (Vortrag,  gehalten  in  der 
Berliner  mikrobiologischen  Gesellschaft  am  12.  Dezember  1912.) 

7)  W.  Hanauer-  Frankfurt  a.  M.:  Neuere  Arbeiten  über  Säug¬ 
lingssterblichkeit. 

Sammelreferat. 

8)  Marx-Berlin:  Zur  Lehre  von  den  Erstickungsblutungen. 

Gerichtsärztlicher  Beitrag.  Dr.  Grass  m  a  n  n  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  1,  1913. 

1)  0.  Foerster  -  Breslau :  Die  analytische  Methode  der  kom¬ 
pensatorischen  Uebungsbehandlung  bei  der  Tabes  dorsalis. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  E.  T.  B  a  s  h  f  o  r  d  -  London :  Das  Krebsproblem. 

Zweite  Leyden-Vorlesung,  gehalten  am  21.  Oktober  1912  im 
Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  in  Berlin,  refer.  in 
No.  44  (1912)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

3)  Hugo  R  i  b  b  e  r  t  -  Bonn :  Beitrag  zur  Rhachitis. 

Wenn  auch  die  Aetiologie  der  Rhachitis  in  ihrem  letzten  Grunde 
noch  nicht  klargestellt  ist,  so  sprechen  doch  eine  Reihe  von  Beobach¬ 
tungen  dafür,  dass  eine  infolge  unrichtiger  Ernährung  eintretende 
Stoffwechselanomalie  anzuschuldigen  ist.  Aus  dieser  leiten  sich 
toxische  Einflüsse  auf  das  Skelett  her.  die  mikroskopisch  als  regres¬ 
sive  Veränderungen  an  den  Knorpelzellen  kenntlich  sind.  Die  unter¬ 
gehenden  oder  bereits  abgetöteten  Knorpelzellen  nehmen  bei  Behand¬ 
lung  der  Schnitte  mit  Hämalaun,  van  Gieson  und  Orange  eine  gelbe 
Farbe  an. 

4)  F.  Schieck-Königsberg:  Die  Bedeutung  der  Stauungs- 

PaPI'vörtrag,  gehalten  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in 
Königsberg  i.  Pr.  am  25.  November  1912,  refer.  in  No.  50  (1912)  dei 
Münch,  med.  Wochenschr. 

5)  Alfred  D  e  n  k  e  r  -  Halle  a.  S.:  Zur  Technik  und  Verwendbar¬ 
keit  der  Interkrikothyreotomie. 

In  Fällen  akutester  Larynxstenose,  wo  jede  Sekunde  über  Leben 
und  Tod  entscheiden  kann,  wird  mit  Hilfe  der  durch  ein  zwei¬ 
schneidiges  Messer  von  verschieden  auszuwählender  Länge  und 
Breite  direkt  am  oberen  Rande  des  Ringknorpels  in  transversaler 
1  Richtung  ausgeführten  Interkrikothyreotomie  am  schnellsten'  und 
sichersten  die  freie  Atmung  wieder  ermöglicht.  Die  Operation, 
welche  lediglich  die  augenblickliche  Lebensgefahr  beseitigen  soll,  ist 
nicht  berufen,  etwa  die  Intubation  oder  Tracheotomie  zu  verdrängen; 
sie  wird  aber  dem  praktischen  Arzte  gute  Dienste  leisten. 

6)  Erich  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Bonn :  Dauer  der  Kontagiosität  der  Sy¬ 
philis  und  Ehekonsens  im  Lichte  der  neuen  Forschung. 

Die  neuesten  grossen  Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der  Sy¬ 
philisforschung,  Tiersyphilis,  Spirochaeta  pallida,  Wassermannreaktion 
und  Salvarsantherapie,  haben,  was  die  Erteilung  des  Ehekonsenses 
vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  anlangt,  keine  wesentliche  Aende- 
rung  in  den  bislang  geübten  Grundsätzen  herbeizuführen  vermocht. 
Danach  dürfen  ehemalige  Syphilitiker,  welche  2—3  starke  Queck- 
silbersalvarsankuren  durchgemacht  haben  und  während  der  letzten 
1 — 2  Jahre  rezidivfrei  geblieben  sind,  3 — 5  Jahre  nach  stattgehabter 
Infektion  (seit  der  Einführung  des  Salvarsans  vielleicht  auch  etwas 
früher)  heiraten.  Nicht  richtig  wäre  es,  bei  positivem  Ausfall  der 
Wassermannreaktion  eo  ipso  den  Ehekonsens  zu  verweigern. 

7)  H.  Braun-  Zwickau :  Die  Anwendung  der  Lokalanästhesie 
zur  Reposition  subkutaner  Frakturen  und  Luxationen. 

Die  Lokalanästhesie  hat  sich  in  ihrer  modernen  Form  als  Lei¬ 
tungsanästhesie,  an  der  oberen  Extremität  auch  als  Plexusanästhesie 
nach  Kulenkampff  zur  Behandlung  von  Frakturen  und  Luxa¬ 
tionen  ganz  ausgezeichnet  bewährt;  aber  auch  die  einfache  Um¬ 
spritzung  der  Fragmentenden  oder  der  luxierten  Gelenkkomponenten 
kombiniert  mit  Injektion  in  die  in  Mitleidenschaft  gezogenen  Gelenk¬ 
höhle  hat  gute  Erfolge  aufzuweisen.  Nicht  nur  wird  vielfach  eine 
völlige  Schmerzlosigkeit  bei  der  Reposition  erzielt,  sondern  es  ergibt 
sich  auch,  und  dies  gilt  in  hervorragendster  Weise  natürlich  von  der 
wohlgelungenen  Plexusanästhesie,  eine  so  weitgehende  Entspannung 
der  Muskulatur,  wie  sie  nicht  einmal  in  Narkose  beobachtet  wird. 
Vor  dieser  hat  ausserdem  die  Zuhilfenahme  der  Lokalanästhesie  den 
eminenten  Vorteil,  dass  die  Einrichtungen  in  aller  Ruhe  hinter  dem 
Durchleuchtungsschirm  vor  sich  gehen  und  aufs  beste  kontrolliert 
werden  können.  Leider  sind  für  Unterschenkelfrakturen  die  Erfah¬ 
rungen  nicht  besonders  günstig;  für  Oberschenkelfrakturen  liegen 
überhaupt  keine  vor.  Für  die  Anästhesierung  bei  der  Oberschenkel¬ 
luxation  wird  ein  besonderes  Verfahren  angegeben. 

8)  Max  L  i  s  s  a  u  e  r  -  Königsberg  Pr.:  Experimentelle  Leber¬ 
zirrhose  nach  chronischer  Alkoholvergiftung. 

Nach  einem  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königs¬ 
berg  i.  Pr.  am  28.  Oktober  1912  gehaltenen  Vortrage,  referiert  in 
No.  47,  1912  der  Münch,  med.  Wochenschrift. 

9)  K.  Langbein-Leipzig:  Beitrag  zur  Behandlung  der  Ischias 
mit  epiduralen  Injektionen. 

12  Fälle  von  Ischias  wurden  nach  Läwen  mit  epiduralen  In¬ 
jektionen  von  1  proz.  Novokain-Bikarbonat-Lösung  behandelt,  teil¬ 
weise  mit  vorzüglichem  Erfolge,  der  bei  einem  Patienten  schon 
2  Jahre  anhält;  wo  er  mehr  oder  weniger  ausblieb,  lag- vielleicht 
keine  echte  Ischias  vor;  denn  nur  diese,  besonders  als  Wurzelischias, 
erscheint  für  die  Läwen  sehe  Behandlung  geeignet. 

10)  Ernst  Erlen  m  eye  r  -  Freiburg  i.  B. :  Das  Blutbild  bei 
Pocken  und  Impfpocken. 

Das  Kämmer  er  sehe  Blutbild,  eine  starke  Vermehrung  der 
Mononukleären  (die  als  Lymphozyten  anzusehen  sind)  fand  sich  bei 
zwei  Pockenfällen,  während  bei  vier  12  jährigen  Impflingen  keinerlei 
Blutveränderungen  zu  sehen  waren. 

11)  Ladislaus  Benedek  und  Stefan  D  e  a  k  -  Klausenburg: 
Unterschiede  zwischen  dem  Blutserum  bei  Paralyse  und  Dementia 

I  praecox  in  Bezug  auf  die  Auslösung  von  Immunhämolysinen. 


14.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


97 


Ein  wesentlicher  Unterschied  scheint  nach  zahlreichen  Kaninchen¬ 
versuchen  der  zu  sein,  dass  Paralytikerserum  arm,  das  Serum  von 
Kranken  mit  Dementia  praecox  dagegen  reich  an  Hämolysinantigenen 
ist;  ferner,  dass  die  Erythrozyten  der  mit  Paralytikerserum  geimpften 
Kaninchen  eine  verminderte,  die  anderen  eine  erhöhte  Resistenz  gegen 
Sublimat  aufweisen. 

12)  W.  H  e  r  i  n  g  -  Klettwitz:  Perirenales  Hämatom  nach  Schar¬ 
lach. 

Der  Ursprung  der  drei  Wochen  nach  Auftreten  des  Scharlach¬ 
exanthems  erfolgenden  und  sich  allmählich  retroperitoneal  bis  ins 
Becken  erstreckenden  tödlichen  Blutung  konnte  weder  bei  der  Opera¬ 
tion  noch  bei  der  übrigens  unvollständigen  Autopsie  aufgedeckt 

werden. 

13)  Johannes  Becker-Halle  a.  S. :  Die  neuesten  Bestrebungen 
zur  chirurgischen  Prophylaxe  und  Therapie  der  diffusen  Peritonitis. 

Sammelreferat. 

14)  H  a  1 1  e  -  Charlottenburg:  Ein  praktisches  Antiphon. 

Es  besteht  aus  einer  mit  Paraffin  vom  Schmelzpunkt  52 — 57° 
durchtränkten  und  überkleideten  Wattekugel,  die  in  3  verschiedenen 
ürössen  hergestellt,  sich  dem  Gehörgang  gut  anschmiegt  und  mit 
Hilfe  des  angebrachten  Seidenfadens  leicht  wieder  entfernt  werden 
kann.  Baum-  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  52.  R.  Barany-Wien;  Lokalisation  in  der  Rinde  der 
Kleinhirnhemisphären  des  Menschen. 

Eingehende  Krankengeschichte  und  Obduktionsbericht  eines 
Falles,  der  wider  die  klinische  Erwartung  einen  grossen  Tuberkel  im 
Marke  der  rechten  Kleinhirnhemisphäre  neben  einem  mächtigen 
Hydrocephalus  internus  aufwies  und  zeigt,  dass  Tuberkel  in  der  Sub¬ 
stanz  des  Kleinhirns,  wie  in  der  motorischen  Region,  in  der  inneren 
Kapsel  und  in  der  Brücke  völlig  latent  verlaufen  und  keine  deut¬ 
lichen  Ausfallserscheinungen  bieten  können.  Dennoch  wird  beim 
Fehlen  deutlicher  Ausfallserscheinungen  mit  Wahrscheinlichkeit  ein 
Tumor  in  der  Substanz  verneint  werden.  Weiter  gibt  B.  einen  Ueber- 
blick  über  seine  bisherigen  Beobachtungen  von  durch  Operation  oder 
Obduktion  sichergestellten  Affektionen  der  Kleinhirnaffektionen 
(20  Fälle)  und  die  Resultate  des  Abkühlungsversuches,  der  einerseits 
nie  irgend  einen  Schaden  gestiftet  hat,  andererseits  wesentlich  zur 
Erkenntnis  der  Physiologie  und  Pathologie  der  Kleinhirnfunktion  bei¬ 
trägt.  Schliesslich  werden  die  bisher  gewonnenen  Erfahrungen  über 
die  Lokalisation  in  den  Kleinhirnhemisphären  zusammengefasst. 

G.  S  t  i  e  f  1  e  r  -  Linz  a.  D. ;  Ueber  einen  Fall  von  primärer  sym¬ 
metrischer  Brachialplexusneuritis  als  Symptom  einer  Spätsyphilis. 

Ausführliche  Erörterung  des  Falles. 

A.  Z  o  g  r  a  f  i  d  e  s  -  Athen-Piraeus:  Catarrhus  chronicus  hyper- 
trophicus  der  Tonsilla  lingualis. 

Z.  beschreibt  mit  Beifügung  von  10  kurzen  Krankengeschichten, 
die  von  den  umschrieben  geschwulstartig  oder  diffus  geschwellten 
Zungentonsillen  ausgehenden  Reizerscheinungen  (Ramus  intern,  nerv, 
vagi)  und  hebt  insbesondere  den  keuchhustenähnlichen  Charakter 
dieses  Reizhustens  hervor.  Dabei  spricht  er  die  Vermutung  aus,  dass 
es  sich  um  eine  Ansiedlung  der  Bordet-Gengou  sehen  Stäbchen 
in  diesen  Tonsillen  oder  eine  Einwirkung  des  Giftes  der  Bazillen 
handelt  und  verweist  auch  darauf,  dass  bei  Keuchhustenkranken  oft 
der  Zungengrund  stark  hyperämisch  gefunden  wird  und  durch  Reizung 
und  Druck  dieser  Gegend  die  Hustenanfälle  ausgelöst  werden. 

J.  Hatiegan  und  B.  D  ö  r  i  -  Klausenburg:  Ueber  die  klinische 
Vergleichung  des  Ewald-Boas-  und  des  M  i  n  t  z  sehen  Probe- 
friihstückes. 

Die  Untersuchungen  sprechen  dafür,  dass  das  Probefrühstück 
nach  M  i  n  t  z  einen  stärkeren  Reiz  für  die  Magentätigkeit  ausübt. 
Das  Verhältnis  zwischen  der  freien  und  gesamten  Salzsäure  stellt 
sjch  im  allgemeinen  kleiner  dar,  die  für  die  freie  Salzsäure  und  die 
Gesamtsalzsäure  erhaltenen  Werte  sind  durchgehends  höher.  In 
Kürze  geht  das  Urteil  des  Verf.  dahin,  dass  für  die  Praxis  das 
Mintzsche  Verfahren  keine  durchgreifenden  Vorteile  besitzt.  Da¬ 
gegen  bedeutet  in  der  Klinik  der  damit  neu  eingeführte  Begriff 
der  Nivellierungsfähigkeic  des  Magens  eine  Bereicherung  für  die 
Diagnostik. 

No.  1.  G.  K  e  1 1  i  ti  g  -  Dresden :  Neue  Versuche  zur  Erzeugung 
von  Geschwülsten  mittels  arteigener  und  artfremder  Embryonal- 
zellen.  (Schluss  folgt.) 

A.  Theilhaber  -  München :  Die  Prophylaxe  der  Karzinome. 

In  Verfolgung  früherer  Darlegungen  (s.  Referate  Münch,  med. 
\Vochenschr.  1912,  S.  2124  u.  2309)  betont  Verf.  die  Wichtigkeit  von 
Traumen  und  entzündlichen  Vorgängen  für  die  Disposition  zum  Karzi¬ 
nom,  z.  B.  beim  Karzinom  der  Brustdrüse  oder  beim  Karzinom  des 
Uterus  (Geburtsverletzungen).  Als  ein  wesentlicher  Faktor  ist  hier¬ 
bei  die  Schädigung  des  Bindegewebes  zu  betrachten,  als  wichtiges 
Heilmittel  vor  allem  die  Hyperämisierung  (Heissluft,  Stauung,  Mas¬ 
sage,  Diathermie  usw.).  Im  einzelnen  wendet  sich  Verf.  gegen  den 
Finwurf,  dass  diese  Behandlungsweise  Schaden  bringe  oder  zu  um¬ 
ständlich  sei. 

L.  A  r  z  t  und  W.  Kerl:  Zur  Kenntnis  der  parasitotropen  Wirkung 
des  Atoxyls  und  Neosalvarsans. 

Schlussätze:  Durch  Mischung  von  Lezithin  (im  geringeren  Grad 
auch  von  Glykogen)  mit  Atoxyl  wird  die  parasitotrope  Wirkung  des 


Atoxyls  erhöht,  ähnlich  wie  das  Levaditi  für  das  Trypanotoxyl 
(entstanden  aus  Leberbrei  und  Atoxyl)  nachwies.  Die  Parasito- 
tropie  der  Lezithin-Atoxyl-Mischung  übertrifft  die  des  Trypanotoxyls. 
Beim  Neosalvarsan  dagegen  wird  durch  die  genannten  Zusätze  die 
Parasitotropie  herabgesetzt.  Auch  bei  intraperitonealer  Einverlei¬ 
bung  zeigt  sich  das  Blut  vorbehandelter  Tiere  als  parasitotrop,  wohl 
infolge  einer  Neosalvarsanwirkung.  Nach  einstiindiger  Untersuchung 
des  Blutes  der  vorbehandelten  Tiere  ist  beim  Neosalvarsan  eine 
höhere  parasitotrope  Wirkung  zu  finden  als  beim  Atoxyl. 

R.  S  t  r  i  s  o  w  e  r  -  Wien :  Beitrag  zur  Kasuistik  hochgradiger 
Bluteosinophilie  bei  einer  Karzinomatose  und  einem  Lymphogranulom. 

Den  beiden  Fällen  ist  gemeinsam  eine  eosinophile  Umwandlung 
des  Knochenmarks  und  die  Ausbreitung  der  azidophilen  Zellen  ins 
Blut  und  in  die  Gewebe.  Eine  Erklärung  für  diese  Erscheinungen 
lässt  sich  vielleicht  in  der  Lokalisation  der  Neubildungen  in  der  Um¬ 
gebung  der  beiden  Vagi  oder  deren  Endausbreitungen  finden.  In 
einem  ähnlichen  Fall  von  Käppis  bestand  auch  eine  Neubildung  der 
Lunge  mit  peribronchialer  VeVbreitung.  Es  liegen  auch  sonst  Be¬ 
obachtungen  vor,  welche  für  einen  Zusammenhang  zwischen  Blut¬ 
eosinophilie  und  einer  Erregung  des  autonomen  Nervensystems 
sprechen. 

A.  Z  o  g  r  a  f  i  d  e  s  -  Athen-Piräus:  Bilaterales  Ekchondrom  der 
Ohrmuschel. 

Die  Seltenheit  des  hier  beschriebenen  Falles  wird  durch  das 
bilaterale  Auftreten  des  Ekchondroms  besonders  erhöht.  Abbil¬ 
dungen. 

0.  K  o  w  a  n  i  t  z  -  Wiener  Neustadt:  Unsere  Erfahrungen  mit 
Hexal. 

Das  Hexal  vermehrt  die  Diurese,  macht  den  Harn  rasch  klar 
und  stark  sauer  und  wirkt  sedativ.  Es  ist  bei  allen  Formen  der 
Zystitis  verwendbar,  ebenso  bei  Störungen  des  Katheterismus  und 
zur  Verhütung  der  aufsteigenden  Infektion  bei  Gonorrhöe.  Vor  dem 
Hexamethylentetramin  hat  es  den  Vorzug  der  raschen  und  anal¬ 
getischen  Wirkung  und  des  angenehmeren  Geschmackes. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  48.  S.  Schick -Wien:  Die  Krebsbehandlungsmethode 
Dr.  Zellers. 

Sch.  bespricht  die  Verwendung,  welche  schon  früher  das  Queck¬ 
silber  und  das  Arsen,  auch  die  Kombination  von  Zinnober  und  Arsen, 
ferner  das  Silicium  (Sch  uh -Wien)  in  der  Behandlung  des  Krebses, 
teilweise  mit  Erfolg  gefunden  haben.  Aus  eigenen  Beobachtungen 
Sch.s  an  Ort  und  Stelle  ist  zu  schliessen,  dass  durch  die  Behandlungs¬ 
weise  Zellers  Fälle  von  Karzinom,  und  zwar  nicht  nur  oberfläch¬ 
liche  Hautkarzinome  in  günstiger  Weise  beeinflusst  event.  geheilt 
werden  können.  Für  operable  Karzinome  empfiehlt  sich  nach  wie  vor 
die  Operation,  dagegen  erscheint  für  nicht  operable  ein  Versuch  mit 
Zellers  Methode  durchaus  als  angezeigt,  ebenso  ist  letztere  in 
gleiche  Linie  mit  dem  Röntgen-,  Radium-  oder  Fulgurationsverfahren 
zu  stellen,  event.  mit  der  chirurgischen  Behandlung  zu  kombinieren. 
Ausserdem  Hesse  sich  namentlich  die  Siliciumbehandlung  zu  pro¬ 
phylaktischen  Zwecken  rechtfertigen,  welche  schliesslich  auch  bei 
gutartigen  Geschwülsten  versuchsweise  angewendet  werden  kann. 

No.  47/48.  F.  Hochwald  -  Wien :  Ueber  depressorische  Tuber¬ 
kulintherapie. 

Versuche  auf  der  Abteilung  Prof.  Brauns  haben  die  Be¬ 
obachtung  Geisböcks  bestätigt,  dass  der  bei  tuberkulösen  Erkran¬ 
kungen  vielfach  bestehende  niedrige  Druck  im  arteriellen  Gefäss- 
system  sich  durch  Injektion  tuberkulöser  Toxine  künstlich  erzeugen 
lässt.  Weiter  ist  es  auch  gelungen,  diese  Erscheinung  therapeutisch 
zu  verwerten;  am  aussichtsreichsten  scheint  dieses  Vorgehen  bei 
Arteriosklerose  mit  Blutdrucksteigerung  und  anginösen  Beschwerden 
zu  sein.  Zur  Verwendung  kam  das  Alttuberkulin  Koch  in  der  Ver¬ 
dünnung  mit  Y*  proz.  Lysollösung  in  steigenden  Gaben,  z.  B.  mit 
V\  oder  14  mg  beginnend  bis  zu  1 — 2  cg.  5  Krankengeschichten 
zeigen  die  deutliche  bis  beträchtliche  Herabsetzung  des  Blutdruckes, 
das  Fehlen  unangenehmer  Nebenwirkung,  die  teilweise  sehr  günstige 
Beeinflussung  typischer  Anfälle  von  Angina  pectoris.  Näheres  ist  im 
Original  einzusehen. 

No.  49/50.  R.  Barany-Wien:  Weitere  Untersuchungen  und 
Erfahrungen  über  die  Beziehungen  zwischen  Vestibularapparat  und 
Zentralnervensystem. 

Betrifft  die  Nachbarschafts-  und  Fernwirkungen  auf  Kleinhirn  und 
Vestibularapparat  bei  Hirntumoren  im  Anschluss  an  eine  Kranken¬ 
geschichte.  12  Schlussätze. 

No.  49.  G  e  r  1  a  c  h  -  Göttingen:  Ein  Fall  von  Verletzung  des 
Schädelknochens  durch  elektrischen  Starkstrom. 

Vorliegender  Fall  ist  einzigartig  durch  die  bisher  noch  nicht 
beobachtete  Zerstörung  des  Knochens  durch  den  elektrischen  Strom, 
wodurch  in  dem  Schläfen-  und  Scheitelbein  ein  Loch  von  etwa 
Talergrösse  entstanden  war,  während  in  noch  weiterer  Ausdehnung 
der  Knochen  teilweise  zerstört  war.  Die  ungewöhnlich  starke  Ver¬ 
letzung  wird  hauptsächlich  durch  die  hohe  Spannung  des  Stromes 
erklärt:  eines  6000voltigen  3phasigen  Wechselstromes  mit  100  Wech¬ 
sel  in  der  Sekunde,  bei  einer  Stromstärke  bis  zu  200  Amperes. 

No.  49.  O.  Sachs- Wien:  Arzneiexanthem  nach  Gebrauch  von 
Urotropin  (Hexamethylentetramin). 

Anscheinend  erst  der  2.  Fall  eines  Urotropinexanthems  in  der 
Literatur,  ein  auf  den  Stamm  lokalisierter  lichenartiger  Ausschlag, 
der  nach  12  tägigem  Gebrauch  des  Mittels  unter  Kopfschmerz,  Ohren- 


98 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


sausen,  Jucken,  Harndrang  und  Obstipation  auftrat  und  vermutlich 
durch  eine  verminderte  Ausscheidung  und  Zurückhaltung  des  Formal¬ 
dehyds  hervorgerufen  war. 

No.  49.  P.  v.  Szily-Pest:  Prophylaxe  des  luetischen  Abortes 
und  der  Säuglingssyphilis. 

Verf.  hat  10  Schwangere,  welche  öfters  abortiert  hatten  und 
positive  Wassermann  sehe  Reaktion  zeigten,  einer  einmaligen 
intravenösen  Infusion  von  0.6  Salvarsan  bzw.  0,9  Neosalvarsan  unter¬ 
zogen.  Alle  gebaren  ein  bisher  gesund  gebliebenes  Kind,  so  dass 
diese,  wie  es  scheint  wirksame  Prophylaxe  weiterhin  regelmässig  ge¬ 
übt  wird. 

No.  50.  Riehl-  Wien :  Die  Radiumtherapie  in  der  Dermatologie. 

An  der  seit  einigen  Monaten  bestehenden  Wiener  Radiumstation 
wurden  bei  einer  Zahl  von  etwa  50  behandelten  Kranken  die  besten 
Erfolge  erzielt  bei  Epitheliomen,  Angiomen  und  Kavernomen,  auch 
bei  Keloiden  und  hypertrophischen  Narben  erfolgte  Heilung  oder 
Besserung.  Naevus  flammeus  wurde  unter  14  Fällen  nur  ein  ganz 
oberflächlicher  Fall,  wo  auf  Fingerdruck  vollständige  Entfärbung  ein¬ 
trat  in  befriedigender  Weise  beeinflusst. 

No.  50.  W.  F  a  1 1  a  -  Wien:  Radiumemanation  bei  inneren  Krank¬ 
heiten. 

Kurze  Beschreibung  einiger  Fälle  der  v.  N  o  o  r  d  e  n  sehen  Klinik, 
wo  durch  Radium  gute  Erfolge  erzielt  wurden  (primärer  chronischer 
Gelenkrheumatismus.  Ischias,  echte  Gicht,  rheumatische  Arthritis). 
Betont  wird,  dass  das  nur  einzelne  ausgesuchte  Fälle  sind,  während 
andere  keinen  oder  nur  vorübergehenden  Erfolg  haben  oder  gar  sich 
verschlimmern.  Wichtig  ist  die  individuelle  Dosierung.  Angewendet 
wurden  Bäder  (bis  100  000  ME),  Trinkkuren  (3  mal  330 — 10  000  p.  d.), 
Sitzungen  im  Emanatorium  bei  4.  meist  20,  aber  bis  600  ME  pro 
Liter  Luft.  In  letzter  Zeit  wurden  auch  kleine  Mengen  von  Radium¬ 
metall  (1000—2000  ME)  in  der  Nähe  erkrankter  Gelenke  injiziert. 

No.  50.  Mar  sch  ick- Wien:  Die  Radiumtherapie  in  der  La- 
ryngo-Rhinologie. 

Gute  resp.  relativ  gute  Erfolge  bei  a)  Sklerom  der  Nase  und  des 
Rachens,  b)  Karzinom  des  Oberkiefers,  c)  Rezidivtumor  nach 
Pharynx-  und  Larynxresektion,  d)  Karzinom  des  Oesophagus. 

No.  50.  A.  Lieben- Wien:  Chronische  Appendizitis  und  Coe- 
cum  mobile. 

L.  hat  bei  19  wegen  Coecum  mobile  (ohne  wesentliche  Erkran¬ 
kung  der  Appendix)  an  der  Hochenegg  sehen  Klinik  operierten 
Fällen  (Appendektomie,  bei  einem  Fall  auch  Zoekopexie)  die  Dauer¬ 
resultate  festgestellt.  Bei  3  ist  der  Erfolg  ein  nicht  ganz  befriedi¬ 
gender,  6  sind  gleich  nach  der  Operation  ganz  beschwerdefrei  ge¬ 
worden,  bei  den  10  anderen  haben  sich  die  Beschwerden  allmählich 
verloren,  wahrscheinlich  war  bei  diesen  eine  katarrhalische  Reizung 
des  Zoekums  und  Kolons  vorhanden  gewesen,  vielleicht  werden  auch 
die  leichteren  Beschwerden  jetzt  übergangen.  Im  allgemeinen  scheint 
die  Appendektomie  bei  den  Erscheinungen  der  chronischen  Appendi¬ 
zitis  und  des  Coecum  mobile  völlig  zu  genügen,  um,  wenn  auch  viel¬ 
leicht  erst  in  längerer  Zeit,  die  Beschwerden  zu  beseitigen. 

Bergeat  -  München. 

Belgische  Literatur. 

G  e  e  r  a  e  r  d  -  Brüssel :  Die  Behandlung  der  Lungentuberkulose 
mit  künstlichem  Pneumothorax.  (Journal  medical  de  Bruxelles, 
23.  Mai  1912.) 

Verf.  hat  die  Methode  in  19  Fällen  angewandt:  in  4  Fällen  waren 
so  viele  Verwachsungen  vorhanden,  dass  der  Pneumothorax  nicht  zu 
stände  kam.  Die  anderen  Fälle  wurden,  mit  einer  Ausnahme,  be¬ 
deutend  gebessert.  Verf.  betont  mit  Nachdruck,  dass  er  bloss  Kranke 
operierte,  deren  Zustand  ihm  hoffnungslos  schien,  und  dass  diese 
Patienten  ausserhalb  einer  Klinik  wohnten,  und  durch  äussere  Um¬ 
stände  in  keine  Klinik  aufgenommen  werden  konnten.  Die  weitere 
Behandlung  geschah  ambulatorisch.  Bezüglich  der  Temperatur  und 
der  toxischen  Erscheinungen  konnte  Verf.  die  günstigen  Erfolge 
anderer  Forscher  nur  bestätigen. 

C  r  o  c  q  -  Brüssel:  Die  Neurasthenie.  (Journal  de  Neurologie, 
20.  März  1912.) 

Verf.  will  sich  gegen  die  jetzt  allgemeine  Gewohnheit  erheben, 
das  Wort  Neurasthenie  für  viele  unvollständig  charakterisierte  Krank¬ 
heitsbilder  zu  gebrauchen,  wodurch  Irrtiimer  in  Diagnose,  Prognose 
und  Behandlung  entstehen.  Er  unterscheidet  drei  Hauptformen: 
1.  Echte  Neurasthenie,  eine  selbständige,  heilbare  Krankheit,  welche 
bei  nicht  erblich  belasteten  Patienten  nach  Ueberarbeitung  und 
anderen  das  Nervensystem  erschöpfenden  Ursachen  entstellt;  2.  Neur- 
astheniforme  Zustände  bei  erblich  belasteten  Patienten;  hier  kann 
Behandlung  nur  symptomatisch  helfen,  die  Krankheit  ist  unheilbar; 
3.  Neurasthenieartige  Symptome,  mit  schlechter  Prognose,  welche 
den  Anfang  vieler  organischer  Krankheiten  begleiten,  wie  Dementia 
praecox,  allgemeine  Paralyse  usw. 

Delcorde  -  Brüssel :  Untersuchungen  über  die  Fleischver¬ 
dauung  beim  Hunde,  unter  dem  Einfluss  von  Opiumtinktur:  1.  von 
gewöhnlicher  Tinktur,  2.  von  morphinloser  Tinktur.  (Journal  medical 
de  Bruxelles,  6.  Juni  1912.) 

Die  gewöhnliche  Opiumtinktur  verlangsamt  die  Verdauung  des 
rohen  Fleisches  und  noch  mehr  des  gekochten  Fleisches  im  Magen. 
Die  Verlangsamung  durch  Opiumtinktur  ist  bedeutender  als  jene  nach 
Morphiumgebrauch.  Wird  das  Morphium  aus  der  Opiumtinktur  ent¬ 
fernt,  so  hat  diese  Tinktur  einen  stark  verlangsamenden  Einfluss  auf 


die  Magenverdauung,  welche  3  mal  länger  dauert  als  beim  normalen 
Tier,  und  viel  länger  als  durch  die  Wirkung  der  gewöhnlichen  Opium¬ 
tinktur  und  sogar  des  Morphiums.  Beide  Opiumtinkturen  (die 
morphiumhaltige  und  die  morphiumfreie)  machen  die  Eiweisszer¬ 
setzung  im  Magen  vollständiger  als  beim  normalen  Tier  und 
wirken  auch  in  diesem  Sinne  stärker  als  das  Morphium  allein. 
Im  Dünndarm  ist  die  Eiweisszersetzung  weniger  vollständig.  Die 
Nahrung  verbleibt  nach  Opiumzuführung  länger  im  Magen  als 
nach  Morphiumdarreichung.  Diese  Tatsachen  erklären,  warum  die  in 
der  Klinik  beobachtete  verstopfende  Wirkung  des  Opiums  ausge¬ 
sprochener  ist  als  diejenige  des  Morphiums. 

H.  Coppez  -  Brüssel :  Augenkomplikationen  der  Paget  sehen 
Krankheit.  (Journal  medical  de  Bruxelles,  13.  Juni  1912.) 

Die  Pag  et  sehe  Krankheit  oder  Osteitis  deformans  ist  eine 
seltene  chr.onische  Krankheit,  welche  eine  Formveränderung  der 
Knochen  verursacht:  sie  erscheint  bei  älteren  Leuten,  und  äussert 
sich  durch  Dickerwerden  des  Kopfes,  Krümmen  der  Knochen  usw. 
Die  unteren  Glieder,  das  Becken,  die  Schlüsselbeine,  die  Rippen, 
die  Schädelknochen  sind  gewöhnlich  erkrankt.  Die  Ursache  ist  un¬ 
bekannt;  nur  weiss  man,  dass  die  Knochen  teilweise  hypertrophiert, 
teilweise  resorbiert  werden,  und  dass  der  Kalk-,  Phosphat-  und 
Karbonatgehalt  bedeutend  erhöht  ist.  Verf.  hat  4  Fälle  mit  Kompli¬ 
kationen  in  den  Augen  beobachtet:  an  der  Makula  waren  kleine 
degenerative  Flecken  vorhanden;  dadurch  entstehen  Skotome.  Der 
Sehnerv  ist  in  den  4  Fällen  normal  geblieben.  Es  ist  wahrscheinlich, 
dass  der  in  seinem  Wesen  noch  unbekannte  degenerative  Prozess 
auch  auf  die  so  zarte  Makula  seine  Wirkung  auszuüben  vermag. 

L.  M  a  y  e  r  -  Brüssel  und  R.  S  a  n  d  -  Brüssel:  Ein  Fall  von  Sar¬ 
kom  als  Folge  der  radiotherapeutischen  Behandlung  eines  Karzinoms 
des  Gesichts.  (Societe  beige  de  Chirurgie,  30.  März  1912.) 

Bei  einem  69  jährigen  Mann  hatte  sich  ein  haselnussgrosses  Kan- 
kroid  in  15  Monaten  entwickelt.  Kein  Erfolg  nach  5  X-Strahlen- 
anwendungen  und  3  Radiumsitzungen.  Der  Tumor  wurde  Mai  1911 
exstirpiert;  glatte  Heilung  ohne  Rezidiv.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  zeigte  in  demselben  Präparat  das  Vorhandensein  von  Sar¬ 
kom-  und  von  Kankroidwucherungen  nebeneinander.  Sarkomerkran¬ 
kungen  wurden  von  mehreren  Forschern  auch  nach  radiothera¬ 
peutischer  Behandlung  von  Lupus  beschrieben. 

M.  van  Duyse-Gent:  Ein  Fall  von  lebendem  Parasiticus 
epigastricus.  (Belgique  medicale,  9.  Juni  1912.) 

Sehr  seltener  teratologischer  Fall.  Der  Patient  trägt  auf  der 
Bauchwand,  am  unteren  Ende  des  Sternum  den  Parasit,  dessen  Leib, 
Arme,  Beine,  Hoden,  Penis  sichtbar  sind,  und  welcher  täglich  un¬ 
gefähr  50  g  Harn  entleert.  Der  Parasit  sitzt  mit  den  Schultern  fest. 

De  Wae  le- Gent:  Die  Behandlung  der  Nikotinamblyopie  mit 
Lezithin.  (Acad.  royale  de  medecine  de  Belgique,  27.  April  1912.) 

Verf.  hat  die  schon  bekannte  Angabe  bestätigt,  dass  es  die 
Lipoide  sind,  und  speziell  das  Lezithin,  nicht  das  Wasser,  welche 
als  Lösungsmittel  der  Alkaloide  wirksam  sind.  Diese  werden  durch 
die  Lipoide  zu  den  Nervenzellen  getragen,  wo  sie  sich  konzentrieren, 
da  wir  wissen,  dass  diese  Zellen  sehr  lipoidreich  sind.  Dasselbe 
Lösungsmittel  dient  auch  zur  Ausscheidung.  Wenn  nun  das  Blut 
künstlich  lezithinreicher  gemacht  wäre,  so  müsste  die  Entfernung  der 
Alkaloide  aus  den  Nervenzellen  erleichtert  werden.  Dieser  Gedanke 
hat  Verf.  veranlasst,  Kranken  mit  Nikotinamblyopie  Lezithin  zu 
geben.  Die  Besserung  trat  in  den  5  beschriebenen  Fällen  auffallend 
schnell  ein;  sie  erreichte  einen  gewissen  Grad,  dann  blieb  der  Zu¬ 
stand  unverändert  weiterbestehen.  Wahrscheinlich  hatten  sich  un¬ 
heilbare  Gewebsdegenerationen  eingestellt. 

Lienaux  und  Huynen  -  Brüssel :  Experimentelle  Beiträge 
zur  Wirkung  des  Jodkaliums.  (Acad.  royale  de  medecine  de  Bel¬ 
gique,  27.  April  1912.) 

Die  Verfasser  sind  von  folgenden  Sätzen  ausgegangen:  1.  Das 
Jodkalium  hat  eine  gefässerweiternde  Wirkung;  2.  das  Wieder¬ 
entstehen  von  Entzündungen  der  Atmungsschleimhaut  geschieht  mit 
Gaben,  welche  viel  schwächer  sind  als  diejenigen,  welche  Jodismus 
herbeiführen;  3.  entzündete  Gewebe  sind  zur  Blutstauung  stärker  ge¬ 
neigt  als  gesunde.  —  Daher  sollen  entzündete  Gewebe  unter  Einfluss 
des  Jodkaliums  eine  starke  Neigung  zur  Gefässerweiterung  sowie  zur 
venösen  Stauung  aufweisen.  Diese  Hypothese  wurde  an  tuberkulös 
infizierten  Meerschweinchen  und  Rindern  und  an  Hunden  mit  Haut¬ 
krankheiten  geprüft.  Das  Jodkalium  bringt  eine  deutliche  Gefäss¬ 
erweiterung  an  den  erkrankten  Teilen  hervor,  während  sie  in  nor¬ 
malen  Teilen  noch  ganz  fehlt.  Das  Jodkalium  wirkt  also  gewisser- 
inassen  im  Sinne  der  B  i  e  r  sehen  Stauung,  der  feuchten  Wärme,  in¬ 
dem  es  die  Quantität  des  im  Gewebe  zirkulierenden  Blutes  ver- 
grössert,  die  Exsudatbildung  sowie  die  Phagozytose  begünstigt. 

Godardanhieux  -  Brüssel :  Ein  leichter  Fall  (cas  fruste)  von 
Akromegalie.  (La  Policlinique,  15.  Juni  1912.)  _  I 

Dieser  seltene  Fall  zeigt,  dass  es  leichte  Fälle  von  Akromegalie 
gibt,  wo  bloss  eine  Andeutung  der  Symptome  zu  finden  ist,  obwohl 
die  radiographische  Aufnahme  eine  deutliche  Formveränderung  der 
Sella  turcica  aufweist. 

B  a  y  e  t  -  Brüssel:  Ueber  Neosalvarsan.  (Journal  medical  de 
Bruxelles,  12.  September  1912.) 

Prof.  Bayet  fasst  die  Ergebnisse  seiner  Prüfungen  folgender- 
massen  zusammen:  1.  Die  Technik  der  Einspritzung  ist  mit  Neo¬ 
salvarsan  leichter  als  mit  Salvarsan;  2.  im  Augenblick  der  Ein¬ 
spritzung  wird  das  Neosalvarsan  besser  vertragen,  man  beobachtet 
weniger  Fieberanfälle,  Uebelkeit,  Kopfschmerzen  usw.;  3.  es  wäre 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


99 


ein  Fehler,  diese  leichtere  Anwendung  zu  missbrauchen  und  grössere 
Quantitäten  einzuspritzen;  4.  die  Grosse  der  Gaben  soll  nach  der¬ 
selben  Vorschrift  wie  für  das  Salvarsan  bestimmt  werden;  5.  sogar 
mit  mittleren  Gaben  wurden  gefährliche  Komplikationen  beobachtet; 
6.  die  Wirksamkeit  des  neuen  Mittels  steht  derjenigen  des  Salvarsans 
ungefähr  gleich;  7.  da  es  besser  vertragen  wird,  wäre  es  anzuwen¬ 
den,  wenn  Salvarsan  nicht  vertragen  wird,  und  bei  allen  Patienten, 
bei  denen  eine  starke  Reaktion  gefährlich  ist  (Herz-,  Tabeskranken 
usw.);  S.  es  scheint,  dass  die  mit  der  Quecksilbermethode  kom¬ 
binierte  Behandlung  auch  für  das  Neosalvarsan  die  beste  ist. 

Delchef  und  J  o  1  y  -  Lüttich :  Ambulatorische  Behandlung  der 
Oberschenkelbrüche.  (Le  scalpel,  22.  September  1912.) 

Da  die  Bettruhe  mehrere  Wochen  lang  für  viele  ältere  Patien¬ 
ten  nicht  ohne  Gefahr  ist  und  die  Operation  auch  Gefahren  bietet, 
haben  Verff.  den  Langeschen  Apparat  in  3  Fällen  von  Oberschen¬ 
kelbrüchen  gebraucht  und  rühmen  den  Erfolg  sehr.  In  diesem  Appa¬ 
rat  wird  die  Extension  des  Beines  sehr  gut  gemacht:  der  Fuss  kommt 
mit  dem  Boden  nicht  in  Berührung.  R.  Wybauw. 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  des  Militärsanitätswesens. 

Dass  die  Schlachtfelder  eine  stete  Gefahr  für  die  Gesunden,  die 
auf  oder  in  der  Umgebung  derselben  wohnen,  sind,  ist  eine  allgemein 
anerkannte  Tatsache;  aber  nicht  bloss  diese,  auch  die  Plätze,  wo 
biwakiert  wurde,  wo  Feldschlächtereien,  Küchen  mit  ihren  Abfällen, 
Düngerstätten,  Latrinen,  Verbandplätze  usw.  sich  befanden,  bringen 
infolge  der  in  den  Boden  eingedrungenen  Zersetzungsprodukte  Ge¬ 
fahren  mit  sich,  die  es  verbieten  auf  derartigen  Orten  zu  kampieren 
oder  zu  wohnen.  Wie  diese  Gefahren  zu  beseitigen  sind,  bespricht 
Oberstabsarzt  Dr.  Blau  in  No.  107  des  Milit.  Wochenblattes.  Ganz 
besonders  weist  er  darauf  hin,  und  zwar  mit  vollem  Recht,  dass  in 
Lagerplätzen  straffe  militärische  Disziplin  in  bezug  auf  die  Benützung 
der  Gruben-  und  Latrinenanlagen  herrschen  muss,  um  eine  Ver¬ 
seuchung  des  Bodens  hintanzuhalten  und  dass  grössere  stehende 
Feldlager,  zu  diesem  Zwecke  fahrbare  Tonnen  und  mit  Blech  aus¬ 
geschlagene  Kisten,  die  aber  wasserdicht  sein  müssen,  u.  dergl.  er¬ 
halten  und  dass  der  Inhalt  mit  Kresolseifenlösung  oder  Chlorkalk 
zu  desinfizieren  ist  und  dass  das,  was  verbrannt  werden  kann,  ver¬ 
brannt  werden  soll.  Wie  dies  geschehen  soll,  darüber  herrschen 
noch  verschiedene  Ansichten.  Eigene  Müllverbrennungsöfen  mit¬ 
zuführen.  deren  Leistungsfähigkeit  noch  nicht  erprobt  ist  und  die 
meist  auf  besonderes  Brennmaterial  zugeschnitten  sind,  ist  vorläufig 
aus  mancherlei  Gründen  nicht  angängig.  Ein  besonderes  Augenmerk 
ist  auch  darauf  zu  richten,  dass  abriiekende  Truppen  ihre  Lager¬ 
plätze  möglichst  gereinigt  verlassen  in  Rücksicht  auf  etwa  nach- 
riiekende  Truppenteile.  Verfasser  bespricht,  hieran  anschliessend, 
die  Frage,  wie  mit  den  Gefallenen  zu  verfahren  ist.  Unter  Anführung 
von  Beispielen,  die  bis  in  die  neuere  Zeit  heranreichen,  wo  Tausende 
Gefallener  ungenügend  beerdigt  den  Boden  durchseuchten,  die  Luft 
verpesteten  und  die  Umgebung  unbewohnbar  machten,  kommt  B.  zu 
der  Ansicht,  dass  eine  Beerdigung  kombiniert  mit  lokaler  Einäsche¬ 
rung  als  das  zweckdienlichste  Verfahren  erscheint.  Allerdings  be¬ 
darf  die  Frage,  wie  diese  lokale  Einäscherung  vor  sich  gehen  soll, 
noch  besonderer  Versuche.  Hieran  schliesst  sich  die  Frage,  ob  nicht 
besondere  Abteilungen  der  freiwilligen  Sanitätskolonnen  hierzu  Ver¬ 
wendung  finden  könnten. 


In  Frankreich  wird  laut  einem  Rundschreiben  des  Kriegs¬ 
ministers  vom  Juli  1912  der  militärische  Sanitätsdienst  —  aus  Mangel 
von  Ersatzmannschaften  —  nach  Möglichkeit  Zivilpersonen  über¬ 
tragen  werden.  Zugleich  wurde  den  Militärärzten,  die  bisher  die 
gleiche  Anrede  wie  Offiziere  zu  beanspruchen  hatten,  diese  entzogen, 
worin  die  französischen  Militärärzte  eine  Zurücksetzung  —  und  mit 
Recht  —  sehen.  Es  scheint,  dass  der  Sanitätsdienst  demilitarisiert 
werden  soll,  worauf  auch  die  Bevorzugung  des  roten  Kreuzes  be¬ 
sonders  während  des  Marokkofeldzuges  hinweist.  (Bull.  med.  1912.) 


Einen  Einblick  in  die  Zahl  der  Schwachsinnigen  gewährt  eine 
Arbeit  des  Generalarztes  a.  D.  H  e  r  t  o  1  d  in  Hannover  (D.  med. 
Wochenschr.  No.  32,  S.  1505).  Derselbe  stellte  bei  einem  einzigen 
Armeekorps  (XII.)  für  die  Zeit  von  10  Jahren  500  Krankenblätter 
zusammen,  die  Leute  betreffen,  die  wegen  Schwachsinns  in  lazarett¬ 
ärztlicher  Beobachtung  waren.  Wenn  man  berücksichtigt,  dass  beim 
Militär  nur  leichte  Formen,  die  vorher  im  Zivilleben  keine  besonderen 
Erscheinungen  machten,  deshalb  auch  nicht  auffielen,  eintreten,  dass 
die  schweren  Formen  bei  der  Musterung  und  Aushebung  bereits  aus- 
scheiden,  dass  eine  grosse  Anzahl  Schwachsinniger  wegen  anderer 
körperlicher  Fehler  hierbei  ebenfalls  ausscheidet,  ohne  dass  hierbei 
der  Schwachsinn  zutage  tritt,  so  lässt  dies  ahnen,  wie  häufig 
Schwachsinn  in  der  Bevölkerung  vertreten  ist. 


In  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  wird,  um  die 
Marschfähigkeit  der  Mannschaften  zu  erhöhen,  dem  Anmessen  und 
Anpassen  der  Fussbekleidung  erhöhte  Aufmerksamkeit  geschenkt, 
indem  die  Truppenkommandeure  angewiesen  werden,  dies  persönlich 
zu  überwachen.  Beim  Anmessen  müssen  die  Leute  mit  blossen  Füssen 
stehend  20  kg  auf  dem  Rücken  tragen.  Zur  gemessenen  Länge  bzw. 
Breite  des  Fusses  wird  ein  bestimmter  Bruchteil  hinzugerechnet,  um 


dem  mit  wollenen  Socken  bekleideten  Fuss  genügend  Raum  zu  lassen. 
Die  Kompagniechefs  haben  sich  durch  häufige  Besichtigungen  zu 
überzeugen,  dass  die  Füsse  ihrer  Leute  in  Bezug  auf  die  Marschfähig¬ 
keit  in  Ordnung  sind.  Es  scheint,  dass  hier  bei  diesem  doch  wich¬ 
tigen  Zweige  der  Militärhygiene  —  denn  Fusskranke  bilden  einen 
hohen  Prozentsatz  in  der  Armee  —  das  Sanitätspersonal  aus¬ 
geschaltet  ist.  Reh. 

Inauguraldissertationen. ') 

Ein  reiches  kasuistisches  Material  macht  die  Arbeit  von 
Mathias  Th  i  essen  über  atrophische  (Laennecsche) 
Leberzirrhose  wertvoll.  In  den  Strassburger  medizinischen 
Klinik  wurden  unter  etwa  28  000  Kranken  aus  dem  Zeitraum  von 
1891 — 1911  220  Fälle  dieser  Krankheit  gezählt.  (Verf.  berücksichtigt 
nur  ausgesprochene  Fälle.)  Demnach  etwa  in  0,8  Proz.  176  Männer 
=  1  Proz.,  44  Frauen  =  0,4  Proz.  Im  ganzen  Männer  80  Proz.,  Frauen 
20  Proz.  atrophische  Leberzirrhose.  Die  meisten  Erkrankungen 
fallen  ins  40. — 50.  Lebensjahr,  dann  ins  50.— 60.,  dann  ins  30. — 40. 
Gesamtdurchschnittsalter  46  Vs  Jahre.  Nach  der  Zusammenstellung 
der  Berufe  der  Erkrankten  ist  es  unzweifelhaft,  dass  Leute,  die  sich 
in  ihrem  Beruf  mit  der  Herstellung  oder  dem  Verkaufe  alkoholischer 
Getränke  befassen,  wie  Wirte,  Kellner,  Bierbrauer  und  Küfer,  häufig 
an  Leberzirrhose  erkranken.  Das  Durchschnittsalter  dieser  Leute 
mit  „beruflichem“  Potus  beträgt  nur  41%  Jahre,  wohingegen  das 
aller  anderen  Berufe  48  Jahre  beträgt.  Alkoholismus  war  im  ganzen 
in  76  Proz.  der  Fälle  vorhanden,  von  den  176  Männern  waren  84  Proz. 
Trinker;  von  den  44  Frauen  48  Proz.  Trinkerinnen.  Einige  abscheu¬ 
liche  Beispiele  von  ursächlichem  Alkoholismus  führt  Verf.  an:  Ein 
Tischler  gibt  an,  täglich  getrunken  zu  haben:  morgens  nüchtern 
Schnaps,  darauf  Wein,  dann  Frühschoppen  3 — 4  Seidel  Bier  und 
4—5  Schoppen  Wein;  zum  Essen  1  Glas  Wein,  nachmittags  3  Seidel 
Bier,  zum  Dämmerschoppen  20—25  Seidel  Bier  und  2—3  Schnäpse. 
Diese  Menge  trank  er  angeblich  regelmässig  bis  zu  seinem  40.  Jahr, 
dann  ging  er  vom  Bier  ab  und  ganz  zum  Wein  über.  Ein  anderer 
53  jähriger  Brauereiarbeiter  trank  täglich  40 — 50  Schoppen  (Vs  Liter) 
Bier  und  bei  jedem  Kunden  ein  Glas  Wein,  ab  und  zu  auch  Schnaps. 
Das  sind  nur  die  krassesten  Beispiele.  Lues  fand  sich  ursächlich 
teils  allein,  teils  in  Komplikation  mit  anderen  Krankheiten  17  mal, 
Malaria  teils  allein,  teils  kombiniert  12  mal,  häufig  auch  Gelenk¬ 
rheumatismus  als  Ursache  angegeben.  Unter  82  Sektionsprotokollen 
von  atrophischer  Zirrhose  fand  sich  21  mal  =  25,5  Proz.  Tuberkulose. 
In  15  Fällen  hiervon  handelte  es  sich  um  manifeste  Tuberkulose.  In 
den  220  Fälllen  war  169  mal  Aszites  vorhanden.  Kein  Ikterus  bestand 
in  72  Fällen.  Milztumor  bestand  in  196  Fällen,  Blutungen  waren 
häufig.  85  Fälle  wurden  gebessert  entlassen,  53  ungebessert, 
82  starben.  Bei  Aszites  taten  Digitalis,  Theobrominpräparate, 
Theobromin  in  Dosen  von  2,0 — 3,0,  D  i  u  r  e  t  i  n  in  Dosen  von 
5,0— 6,0,  T  h  e  o  c  i  n  3  mal  täglich  0,2— 0,3  gute  Dienste.  Sehr  gut 
wirkte  auch  K  a  1  o  m  e  1  in  Dosen  von  3  mal  täglich  0,2  5—8  Tage 
lang.  (Strassburg  1912.  39  S.  Els.-Lothr.  Buchdr.  Abt.  Müh.) 

Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Erlangen.  Juli — Dezember  1912. 
Fränznick  Heinrich:  Ueber  die  Verteilung  der  Fermente  des 
Purinstoffwechsels  in  den  Organen  des  Hundes.  Nürnberg  1912. 
Reiss  Paul:  Ueber  Luminal  und  dessen  Anwendung  bei  Geistes¬ 
kranken. 

Fleischmann  Otto :  Ein  Fall  von  Oligohydramnie. 

Höser  Ernst:  Ueber  die  Hypophyse  in  ihren  Beziehungen  zu  den 
weiblichen  Geschlechtsorganen. 

Schneider  Bernhard:  Soll  bei  Sinusphlebitis  infolge- akuter  Otitis 
media  purulenta  die  Vena  jugularis  unterbunden  werden  oder 
nicht? 

Schwarz  Friedrich:  Zur  Kasuistik  und  Entstehung  der  Aneurysmen 
des  Sinus  Valsalvae  Aortae  dexter. 

Brasch  Moritz:  Studien  zur  Verdauungsleukozytose  beim  Hund 
und  Kaninchen.  (Aus  dem  Laboratorium  der  med.  Klinik  in 
Erlangen.) 

Dorn  Paul:  Zum  Blutbild  bei  Lues  nach  Salvarsaninjektion. 
Grisshammer  Wilhelm :  Ueber  den  Einfluss  parenteral  ver¬ 
abreichter  Proteinsubstanzen  verschiedenster  Herkunft  auf  das 
Blutbild.  (Aus  dem  Laboratorium  der  med.  Klinik  und  dem 
hygienisch-bakteriologischen  Institut  der  Universität  Erlangen.) 
Hartmann  Ferdinand:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Körper¬ 
temperatur  durch  parenterale  Einverleibung  von  Proteinsubstanzen 
verschiedenster  Herkunft.  (Aus  dem  Laboratorium  der  med.  Klinik 
und  dem  hygienisch-bakteriologischen  Institut  der  Univ.  Erlangen.) 
Lembeck  Carl:  Ein  Teil  von  primärem  Sarkom  des  Dünndarms. 
Pü  ltz  Otto:  Ueber  eosinophile  Zellen  und  Mastzellen  in  vesikulösen 
Hauteffloreszenzen. 

Wiener  Karl:  Ueber  das  Vorkommen  proteolytischer  Fermente  in 
Exsudaten  und  den  Nachweis  von  Aminosäuren  in  denselben. 
Zetzsche  Eduard:  Ueber  Spasmophilie. 

Tassius  Albert:  Pyelitis  in  graviditate. 


D  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE;  WOCHENSCHRIFT. J_ No.  2. 


Brocks  Carl:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  postoperativen  Zystitis. 

Bäcker  Max:  Das  Vulvakarzinom  in  seiner  Aetiologie  und  Pro¬ 
gnose  beleuchtet  an  der  Hand  von  24  in  der  Erlanger  Frauen¬ 
klinik  beobachteten  Fällen. 

Rotermundt  Hans:  Ein  Fall  von  primärer  Ileozoekaltuberkulose. 

Stach  ler  Hermann  Adolf:  Ueber  einen  Fall  von  multipler  Neuro¬ 
fibromatose  (v.  Recklinghausenscher  Krankheit)  mit  an¬ 
geborenen  Veränderungen  des  Knochensystems  und  Elephantiasis 
der  linken  oberen  Extremität. 

Kiesselbach  Fritz:  Ueber  Papillome  der  Vagina.  (Aus  der 
Univ.-Klinik  in  Erlangen  [Direktor:  Prof.  Dr.  Seitz].) 

Universität  Giessen.  November  und  Dezember  1912. 

Engel  Friedrich:  Klinische  Untersuchungen  über  das  Hormonal 
'Peristaltikhormon)  an  Haustieren.*) 

Hammer  Karl:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  pathologischen  Anatomie 
der  Glandula  thyreoidea  bei  Haussäugetieren.  *) 

Z  e  i  s  s  Adam :  Zur  Kasuistik  und  Pathogenese  der  Lymphangiome 
am  Thorax. 

Krevet  Berthold:  Der  Wert  der  Bindehautdeckung  bei  perforie¬ 
renden  Bulbusverletzungen  und  Kornealgeschwiiren  nach  Literatur 
und  Material  der  Giessener  Augenklinik. 

Sch  ad  Rudolf:  Ueber  tabische  Arthropathie  der  Wirbelsäule. 

Oe  11er  Reinhard:  Gastrosan,  ein  neues  Salizylsäurepräparat  und 
seine  Wirkung  auf  die  Nieren.  *) 

Müller  Peter:  Ein  Fall  von  muskulärer  Pylorusstenose  bei  einem 
Säugling  mit  melänaartigem  Erbrechen  und  akuter  Pneumatosis 
cystoides  des  Magens. 

Führer  Fritz:  Experimentelle  Studien  über  die  Einwirkung  von 
Wasserstoffbädern  auf  den  tierischen  Organismus.  ) 

*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 

Universität  Göttingen.  September — Dezember  1912 

And  ree  H.:  Klinischer  Beitrag  zur  Frage  der  schweren  Anämien. 

Berger  W.:  Das  Maltafieber  und  seine  Bedeutung  für  Deutschland. 

Brill  A.:  Ueber  den  Balkenstich. 

Erdmenger  R. :  Zwei  Fälle  von  angeborenem  Herzfehler  mit 
Sektionsbefund. 

Eskuchen  E.:  Ueber  funktionelle  Albuminurie. 

Evers  W.:  Die  Mehrlingsgeburten  an  der  Kgl.  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  zu  Göttingen  von  1888  bis  1910  inkl. 

Fordemann  A.:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Lan  dry  sehen 
Paralyse“. 

Frank  E.  A.:  Die  Anwendung  der  Molketherapie  bei  ruhrartigen 
Dannkatarrhen  und  ihre  Erfolge. 

Grethe  E. :  Beiträge  zur  Frage  der  deszendierenden  Katarrhe  bei 
Nasenaffektionen. 

Hische  F.:  Ueber  Haarverletzungen  durch  Ueberfahren. 

Höper  O.:  Die  Entstehung  der  Harnzylinder. 

Koennecke  W. :  Ueber  die  in  den  Jahren  1910  und  1911  in  der 
chirurgischen  Klinik  zu  Göttingen  behandelten  Perityphlitisfälle. 

Krahnstöver  E. :  Ueber  zwei  Fälle  von  Gallensteinileus. 

Löns  M.:  Ueber  die  Ausscheidung  des  Jods  in  der  Frauenmilch 
nach  Verabreichung  von  Jodkalium  und  Lipojodin. 

Sandaya  H.:  Untersuchungen  über  die  Resistenz  menschlicher 
Erythrozyten  bei  verschiedenen  Krankheiten. 

Schäfer  F. :  Ein  Fall  von  angeborener  Pylorusstenose  beim  Säug¬ 
ling  und  Entwicklung  des  Sanduhrmagens. 

Schlesinger  F. :  Ueber  das  „Friihaufstehen“  der  Wöchnerinnen 
in  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Göttingen. 

Schröder  R. :  Ueber  das  menschliche  Skelett  in  gerichtsärztlicher 
Beziehung. 

Wiechmann  A.:  Bericht  über  die  in  den  Jahren  1893 — 1912  in 
der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrank¬ 
heiten  in  Göttingen  beobachteten  angeborenen  Missbildungen  des 
äusseren  Ohres. 

Zimmermann  P.:  Zwei  Fälle  von  Haematoma  vulvae  et  vaginae 
während  der  Schwangerschaft  und  nach  der  Geburt. 

Universität  Halle  a.  S.  September— Dezember  1912. 

Jagielski  Joseph:  Zwei  Fälle  von  intraokularem  Zystizerkus. 
Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  dieser  Erkrankung. 

Mai  dorn  Richard:  Zur  Chemie  der  Blutgiftanämien. 

Walle  Karl:  Ueber  die  sogenannte  idiopathische  Hypertrophie  der 
Muskulatur  im  Bereiche  des  Verdauungskanals. 

Rabino  witsch  Chazkel  Abraham:  Ueber  Myxom  des  Ober¬ 
kiefers. 

Sowack  H.:  Die  Kultur  der  Spirochaete  pallida  und  ihre  experi¬ 
mentelle  Verwertung.  (Habilitationsschrift.) 

Tr  och  Paul:  Ueber  den  Hungerstoffwechsel  des  Hundes  bei  experi¬ 
mentellen  Zustandsänderungen  des  Gehirns. 

Universität  Würzburg.  Dezember  1912. 

Klimkiewicz  Johann:  Beitrag  zur  Frage  der  Entstehung  des 
hämorrhagischen  Lungeninfarktes  beim  Kaninchen. 

Seifert  Ernst:  Kritische  Studie  zur  Lehre  vom  Zusammenhang 
zwischen  Nase  und  Geschlechtsorganen. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Experimentelle  Eingriffe  an  Kranken.  —  Die  Honorierung  der 
Spezialärzte  bei  den  Krankenkassen. 

Die  Berliner  Stadtverordnetenversammlung  wird  sich  demnächst 
mit  einem  Anträge  beschäftigen,  der  den  Magistrat  ersuchen  soll, 
dafür  zu  sorgen,  dass  experimentelle  Eingriffe  an  Insassen  städtischer 
Anstalten  nur  unter  Verantwortung  der  leitenden  Aerzte  und  mit  aus¬ 
drücklicher  Genehmigung  der  Pfleglinge  oder  ihrer  gesetzlichen  Ver¬ 
treter  stattfinden  kann.  Wenn  man  einen  solchen  Antrag  liest,  so 
fragt  man  unwillkürlich:  Was  liegt  denn  vor?  Was  ist  geschehen? 
Man  vermutet  irgend  ein  schwerwiegendes  Ereignis,  eine  sensatio¬ 
nelle  Affäre,  aber  es  ist  nichts  derartiges  bekannt;  und  darum  ist 
der  Sinn  und  Zweck  des  Antrages  schwer  zu  verstehen,  denn  zu 
einem  Teil  ist  er  überflüssig,  weil  selbstverständlich,  zu  ein^m  andern 
Teil,  weil  in  seinen  letzten  Konsequenzen  undenkbar.  Welcher  Assi¬ 
stent  wird  es  wohl  wagen,  ohne  Genehmigung  und  Aufsicht  des  Chefs 
experimentelle  Eingriffe  an  Kranken  zu  machen,  und  welcher  Chef 
wird  das  erlauben?  Was  also  der  Antrag  nach  dieser  Richtung  will, 
das  ist  schon  von  jeher  nicht  nur  Brauch,  sondern  auch  durch  die 
Natur  der  Sache  geboten.  Wenn  aber  die  ausdrückliche  Genehmi¬ 
gung  der  Pfleglinge  oder  ihrer  gesetzlichen  Vertreter  bei  experimen¬ 
tellen  Eingriffen  verlangt  wird,  so  wird  man  sich  zunächst  darüber 
zu  verständigen  haben,  was  unter  diesen  letzteren  zu  verstehen  ist. 
Handelt  es  sich  um  operative  Eingriffe,  so  wird  es  keinem  Arzte  ein¬ 
fallen,  solche  experimenti  causa  an  einem  Patienten  vorzunehmen,  es 
sei  denn,  dass  eine  neue  Methode  beim  Menschen  angewandt  wer¬ 
den  soll,  nachdem  sie  vorher  ausreichend  im  Tierversuch  erprobt  und 
theoretisch  begründet  ist.  Es  kann  unmöglich  im  Sinne  des  Antrag¬ 
stellers  liegen,  Eingriffe  wie  Nerveniiberpflanzungen  oder  die  Re¬ 
sektion  der  hinteren  Wurzeln,  deren  Anwendung  beim  Menschen  doch 
einmal  zum  ersten  Male  geschehen  musste,  zu  verhindern.  Und  fragt 
man  den  Patienten,  ob  er  mit  der  neuen  Operation  einverstanden  sei, 
so  wird  seine  Antwort,  wenn  anders  er  sich  überhaupt  operieren 
lassen  will,  lauten:  „Das  überlasse  ich  Ihnen“.  Soll  nun  aber  unter 
die  experimentellen  Eingriffe  auch  die  Anwendung  neuer  Arzneimittel, 
vielleicht  auch  grösserer  Dosen  alter  Arzneimittel,  gerechnet  werden, 
so  ergeben  sich  unübersehbare  Schwierigkeiten.  Ganz  abgesehen 
davon,  dass  der  wissenschaftlichen  Forschung,  die  ja  dem  Kranken 
zugute  kommen  soll,  ganz  unnötige  Schwierigkeiten  in  den  Weg  ge¬ 
legt  werden,  würden  wir  dahin  kommen  müssen,  über  ein  Mittel, 
nachdem  Tierversuche  und  Selbstversuche  seine  Unschädlichkeit  er¬ 
wiesen  und  seine  Indikationen  festgestellt  haben,  in  eine  Beratung  mit 
dem  Kranken  einzutreten.  Man  kann  sich  sogar  vorstellen,  dass  ein 
Kranker,  wenn  er  auf  seine  verwunderte  Frage  hört,  dass  „experi¬ 
mentelle  Eingriffe  nur  mit  seiner  Einwilligung  stattfinden  dürfen“, 
ängstlich  wird  und  die  Einwilligung  verweigert.  Wäre  der  Antrag 
in  diesem  Sinne  Gesetz,  wir  hätten  vielleicht  keine  Organotherapie, 
keine  Serotherapie,  keine  Röntgentherapie  und  auch  von  den  vielen 
neueren  Arzneimitteln,  von  denen  gewiss  ein  grosser  Teil  sehr  ent¬ 
behrlich  ist,  wären  vielleicht  gerade  von  den  wertvollen  manche  un¬ 
erforscht  geblieben.  Und  wenn  ein  Mittel  bei  einem  oder  selbst 
bei  mehreren  Patienten  mit  Einwilligung  angewandt  ist,  so  ist  ja 
damit  das  Gebiet  des  Experiments  noch  nicht  erschöpft,  die  Toleranz 
der  einzelnen  Individuen  ist  verschieden,  wo  also  hört  das  Experiment 
auf,  und  wo  fängt  die  erprobte  Erfahrung  an?  Vor  einigen  Jahren 
wurde  eine  ähnliche  Frage  im  Reichstag  erörtert,  als  heftige  Angriffe 
gegen  Prof.  N  e  i  s  s  e  r  wegen  seiner  Syphilisforschung  geschleudert 
wurden.  Man  weiss,  wie  unberechtigt  und  unbegründet  diese  Angriffe 
waren,  damals  hatte  sie  der  Minister  mit  der  nötigen  Schärfe  zurück¬ 
gewiesen.  Wenn  der  Antrag  in  der  Berliner  Stadtverordnetenver¬ 
sammlung  zur  Beratung  kommt,  so  werden  sich  hoffentlich  nicht  nur 
unter  den  ärztlichen,  sondern  auch  unter  den  nichtärztlichen  Mit¬ 
gliedern  Männer  finden,  die  die  Sache  richtig  beleuchten  können,  damit 
nicht  ganz  unnötigerweise  ein  Misstrauen  gegen  die  Aerzteschaft 
wachgerufen  werde,  unter  dem  diese  ebenso  wie  das  Publikum  zu 
leiden  hätten. 

Angesichts  der  Umgestaltungen,  denen  wir  in  kassenärztlichen 
Angelegenheiten  entgegengehen,  werden  alte  Schmerzen  der  Spezial¬ 
ärzte  wieder  laut  verkündet,  und  es  kann  ihnen  eine  Berechtigung 
dazu  nicht  abgesprochen  werden,  wenn  auch  kein  Grund  vorliegt, 
zwischen  den  Spezialärzten  und  algemeinen  Praktikern  einen  Unter¬ 
schied  zu  machen.  So  wird  über  die  Ungerechtigkeiten  des  Bon¬ 
systems  geklagt,  das  den  Arzt  zwingt,  für  ganz  geringe  Ent¬ 
schädigung  eine  vielwöchige  Behandlung  durchzuführen.  Dass  diesem 
System,  das  wohl  seinerzeit  als  Gegengift  gegen  die  Polypragmasie 
erfunden  wurde,  schwere  Mängel  anhaften,  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen;  aber  sie  treffen  den  praktischen  Arzt,  der  noch  dazu 
zeitraubende  Besuche  zur  Tages-  und  Nachtzeit  mit  Treppenklettern 
machen  muss,  ebenso  wie  den  Spezialisten,  dessen  Tätigkeit  sich 
grösstenteils  in  der  Sprechstunde  abwickelt.  Es  muss  allerdings  zu¬ 
gegeben  werden,  dass  der  erstere  solche  Patienten  oft  dem  Kranken¬ 
hause  überweist.  Das  steht  natürlich  dem  Spezialisten,  soweit  es  sich 
um  bettlägerige,  besonders  um  operative  Fälle,  handelt,  bei  denen 
am  meisten  über  umfangreiche  unentgeltliche  Tätigkeit  geklagt  wird, 
ebenfalls  frei,  wenn  er,  wie  der  Kollege  von  der  inneren  Medizin, 
den  Patienten  aus  den  Händen  geben  will.  Schwerer  fällt  eine  andere 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


101 


Beschwerde  ins  Gewicht,  das  ist  die  völlige  Unentgeltlichkeit  der 
Behandlung,  wenn  der  Kranke  sich  in  einer  Krankenanstalt  befindet. 
Hier  kommen  meist  operative  Fälle  in  Betracht,  die  der  Arzt  aus 
wissenschaftlichem  Interesse  oder  auch  aus  Humanitätsgefühl,  das 
den  Kranken  die  Ungerechtigkeit  des  Gesetzes  nicht  entgelten  lassen 
will,  nicht  dem  öffentlichen  Krankenhause  überweist.  Es  wird  ihm 
zugemutet,  nicht  nur  völlig  unentgeltlich  die  Operation  zu  machen 
und  die  ganze  Nachbehandlung  zu  leiten,  sondern  auch  noch  die 
nicht  unbeträchtlichen  Kosten  für  Assistenz,  Verbandmaterial,  Des¬ 
infektion,  Wäsche  u.  a.  selbst  zu  tragen.  Leider  sind  die  Aerzte  und 
auch  die  ärztlichen  Vereinigungen  gar  nicht  in  der  Lage,  hierin 
Wandel  zu  schaffen,  denn  es  handelt  sich  um  eine  klare  Bestimmung 
des  Gesetzes,  welche  den  versicherten  Kranken  ärztliche  Behandlung 
entweder  im  Hause  oder  in  einem  Krankenhause  zusichert,  nicht  aber 
die  ärztliche  Behandlung  neben  den  Krankenhauskosten  vergütet. 
Diese  Bestimmung  ist  heute,  wo  die  operative  Tätigkeit  sich  ver¬ 
zehnfacht  hat  und  die  Privatkliniken  wegen  der  ständigen  Ueber- 
füllung  der  öffentlichen  Krankenhäuser  ein  Bedürfnis  sind,  längst 
veraltet;  aber  es  ist  fraglich,  ob  sie  ohne  Aenderung  des  Gesetzes 
wird  beseitigt  werden  können.  Vielleicht  wird  es  gelingen,  bei  einer 
Neugestaltung  des  kassenärztlichen  Verhältnisses  auf  diese  Unge¬ 
rechtigkeit  Rücksicht  zu  nehmen.  M.  K. 


Briefe  aus  Italien. 

(Eigener  Bericht.) 

Bordighera,  6.  Dezember  1912. 

Statistisches.  —  Prof.  Murris-Stiftung.  —  Stiftung  für  die  Klinik 
der  Gewerbekrankheiten  in  Mailand  etc. 

Eine  kürzlich  erschienene  Veröffentlichung  der  Generaldirektion 
des  statistischen  Amtes  gibt  interessante  Aufschlüsse  über  die  Be¬ 
wegung  der  Bevölkerung  des  Königreiches  Italien  in  den  letzten 
4Ü  Jahren.  Im  Jahre  1872  betrug  die  Gesamtbevölkerung  27  Mil¬ 
lionen;  diese  Ziffer  erhöhte  sich  im  Laufe  der  40  Jahre,  über  die  sich 
die  Statistik  erstreckt,  um  runde  9  Millionen,  so  dass  Italien  heute 
36  Millionen  Einwohner  zählt.  Diese  Zunahme  der  Bevölkerung  ist 
fast  ausschliesslich  auf  die  verminderte  Sterblichkeit  zurückzuführen; 
denn  während  die  Sterblichkeit  im  Jahre  1872  30  pro  Mille  betrug, 
ging  sie  (einen  kurzen  Stillstand  in  den  Jahren  1900,  1902  und  1903 
ausgenommen)  stetig  zurück  und  betrug  im  Jahre  1910  nur  noch 
19,64  vom  Tausend.  Die  Geburten  erfuhren  statt  dessen  der  Prozentuale 
nach  einen  leichten  Rückgang,  denn  den  ca.  37  Prom.  im  Jahre  1872 
stehen  im  Jahre  1910  nur  ca.  33  Prom.  gegenüber;  die  absolute  Ziffer 
der  Geburten  übersteigt  jedoch  in  diesen  letzten  Jahren  jene  der 
ersten  Jahre  der  Statistik  um  ca.  100  000  pro  Jahr.  Die  allgemeine 
Bilanz  der  italienischen  Bevölkerung  bleibt  daher  immer  eine  sehr 
günstige;  so  betrug  der  Geburtenüberschuss  im  Jahre  1910  beinahe 
eine  halbe  Million,  womit  die  Höchstzahl  seit  dem  Jahre  1862  erreicht 
wurde. 

Der  Prozentsatz  der  Heiraten  bleibt,  von  kleinen  Schwankungen 
abgesehen,  so  ziemlich  gleich;  die  Höchstzahl  wurde  im  Jahre  1908 
erreicht  mit  8,3  Proz..  Im  allgemeinen  ist  in  den  grösseren  Städten 
die  Heiratslust  geringer  als  auf  dem  flachen  Land;  so  trafen 
z.  B.  in  Livorno  auf  1000  Einwohner  6,92  Heiraten,  während  in  der 
ländlichen  Umgebung  der  gleichen  Stadt  von  1000  Einwohnern  8,03 
heirateten.  Ungefähr  das  gleiche  Verhältnis  zeigt  Rom  mit  6,70  Proz. 
und  7,63  Proz.  in  der  römischen  Campagna,  usw.  Das  Maximum  der 
Eheschliessungen  trifft  auf  die  Monate  Januar,  Februar  und  April, 
das  Minimum  auf  Juli  und  August,  wodurch  es  sich  erklärt,  dass  die 
Wintermonate  die  höchste  Geburtenziffer  aufweisen. 

Die  Zahl  der  Geburten  ist  in  den  grossen  Städten  ebenfalls  nie¬ 
driger,  als  auf  dem  Lande;  so  treffen  z.  B.  in  Bologna  auf  1000  Ein¬ 
wohner  nur  21,50  Geburten,  in  Mailand  23,3,  in  Florenz  21,  in  Rom  24, 
während  in  der  Emilia  (der  zu  Bologna  gehörigen  Region)  auf  1000  Be¬ 
wohner  35,7,  in  der  Lombardei  34,3,  in  Toskana  30,  und  im  Lazio 
(Römische  Campagna)  29,8  Geburten  trafen. 

Ueber  das  Alter  der  Brautleute  in  den  verschiedenen  Regionen 
lässt  sich  keine  bestimmte  Regel  aufstellen,  doch  kann  man  sagen, 
dass  im  allgemeinen  im  Süden  des  Landes  die  Neigung  besteht,  im 
jugendlicheren  Alter  zu  heiraten.  Die  jüngsten  Brautleute,  d.  h.  jene, 
die  das  20.  Lebensjahr  noch  nicht  erreicht  haben,  sind  am  zahl¬ 
reichsten  in  Kalabrien,  der  Basilicata  und  der  Campagna  anzutreffen, 
während  sie  in  der  Lombardei  und  in  Venetien  am  seltensten  sind. 
Interessant  ist  die  Tatsache,  dass  jene  Regionen,  welche  die  relativ 
höchste  Zahl  an  jugendlichen  Brautleuten  aufweisen  (wie  Sizilien 
und  Kalabrien),  auch  jene  sind,  in  welchen  noch  im  vorgeschrittensten 
Alter  geheiratet  wird;  d.  h.  in  denen  ein  Alter  von  über  60  Jahren 
beim  Bräutigam  und  über  50  bei  der  Braut  gerade  keine  Seltenheit 
sind.  Es  kommt  dies  daher,  dass  in  jenen  Gegenden  die  Heiratslust 
auch  bei  verwitweten  Personen  noch  eine  verhältnismässig  grosse  ist. 

Aber  wenn  sich  der  Süden  Italiens  durch  die  Jugend  bezw.  das 
Alter  seiner  Brautleute  auszeichnet,  so  ist  der  Norden  ihm  dafür  in 
der  Zahl  der  Mehrgeburten  überlegen,  denn  diese  betragen  in 
Venetien  z.  B.  1,51  pro  hundert  Geburten,  gegen  0,84  Mehrgeburten 
auf  hundert  in  Kalabrien.  In  den  40  Jahren,  über  die  sich  die  Statistik 
erstreckt,  ist  sich  übrigens  der  Prozentsatz  der  Mehrgeburten  fast 
gleich  geblieben,  d.  h.  er  bewegte  sich  immer  um  1,20  Proz.  Das 
männliche  Geschlecht  ist  bei  den  Mehrgeburten  in  der  Ueberzahl;  so 


trafen  im  Jahre  1910  105  Knaben  auf  100  Mädchen  und  im  Jahre  1909 
106  Knaben  auf  hundert  Mädchen.  Vom  Jahre  1872  bis  zum  Jahre 
1910  wurden  unter  den  Mehrgeburten  46  mal  Vierlinge  gezählt  und 
einmal  Fünflinge;  davon  waren  bei  8  dieser  46  Mehrgeburten  alle 
4  Knaben,  bei  den  Fünflingen  3  Knaben  und  2  Mädchen. 

Während  in  den  Städten  die  Zahl  der  Geburten  geringer  ist 
als  auf  dem  Lande,  wird  der  Prozentsatz  der  Sterblichkeit  ein 
höherer,  so  dass  die  Städte  schliesslich  aussterben  müssten,  wenn 
sich  dieser  Vorgang  nicht  in  gewissen  Grenzen  hielte  und  durch  den 
Zuzug  des  ländlichen  Elementes  reichlich  ausgeglichen  würde.  So 
weist  z.  B.  die  Provinz  Cuneo  im  Jahre  1909  eine  Sterblichkeit  von 
20  pro  Mille  auf,  gegen  25  pro  Mille  der  Stadt  Cuneo;  die  Provinz 
Mantua  22  gegen  38  der  Stadt  Mantua;  die  Provinz  Palermo  20,  die 
Stadt  23,  die  Provinz  Rom  19,  die  Stadt  20.  Allerdings  muss  man 
dabei  auch  in  Betracht  ziehen,  dass  sich  in  den  Städten  die  grossen 
Krankenhäuser  und  Militärlazarette,  Privatkliniken  etc.  befinden,  die 
dazu  beitragen,  den  Prozentsatz  der  Sterblichkeit  zu  ungunsten  der 
Stadt  zu  erhöhen.  Gewiss  fordert  aber  der  Alkoholismus,  gewisse 
Unglücksfälle,  etc.  in  der  Stadt  mehr  Opfer,  als  auf  dem  Lande,  wie 
auch  die  Zahl  der  Selbstmorde  dort  höher  ist. 

Die  Statistik  der  Selbstmorde  ist  übrigens  ganz  besonders  lehr¬ 
reich.  Die  auf  dem  Gebiete  der  Allgemeinbildung  der  Industrie  und 
des  allgemeinen  Wohlstandes  am  meisten  hervorragenden  Regionen 
Italiens  zeichnen  sich  leider  auch  durch  die  Höchstzahl  der  Selbst¬ 
morde  aus.  An  der  Spitze  aller  steht  Ligurien  mit  121  Selbstmorden 
auf  eine  Million  Einwohner  im  Jahre  1907,  158  im  Jahre  1908  und  163 
im  Jahre  1909.  Viel  niedrigere  Zahlen  ergeben  sich  in  Sizilien  und 
Sardinien,  wo  auf  je  eine  Million  Einwohner  55  Selbstmorde  kommen, 
während  in  Kalabrien  die  Prozentuale  noch  um  mehr  als  die  Hälfte 
niedriger  ist,  denn  sie  beträgt  dort  im  Mittel  nur  ca.  24  von  einer 
Million.  Die  meisten  Selbstmörder  gehören  dem  männlichen  Ge¬ 
schlecht  an;  im  Jahre  1907  und  1908  waren  z.  B.  von  100  Selbst¬ 
mördern  nur  23  weiblichen  Geschlechts,  und  in  den  vorhergehenden 
Jahren  war  der  Prozentsatz  der  weiblichen  Selbstmörder  sogar 
noch  geringer;  im  Dezennium  1885 — 94  betrug  er  z.  B.  nur  19  Proz. 
Man  ersieht  daraus,  wie  der  Kampf  ums  Dasein  mit  der  Zeit  auch  für 
die  Frauen  schwerer  geworden  ist,  so  dass  sie  auch  in  dieser  trau¬ 
rigen  Liste  in  stets  wachsender  Zahl  vertreten  sind.  Denn  die  ab¬ 
solute  Ziffer  der  Selbstmorde  ist  leider  in  diesen  letzten  Jahren  auch 
ziemlich  beträchtlich  in  die  Höhe  gegangen.  Während  im  Jahre  1907 
die  Gesamtsumme  der  Selbstmörder  2445  betrug,  zählte  man  deren 
im  Jahre  1908  schon  2693  und  1909  gar  2969;  es  scheiden  also  in 
Italien  ca.  8  Individuen  täglich  freiwillig  aus  dem  Leben.  Die  Männer 
begehen  im  Alter  von  30— -60  Jahren  am  häufigsten  Selbstmord, 
während  das  weibliche  Geschlecht  zwischen  15  und  40  Jahren  die 
meisten  Selbstmörderinnen  aufweist.  Hinsichtlich  des  Berufes  stehen 
an  erster  Stelle  jene  Personen,  die  mit  Alkohol  zu  tun  haben;  von 
100  000  Wirten,  Weinhändlern,  Cafetieren  und  Liqueurhändlern 
haben  sich  z.  B.  im  Jahre  1909  48  das  Leben  genommen  und  ungefähr 
den  gleichen  Prozentsatz  weisen  die  früheren  Jahrgänge  auf.  Es 
folgen  dann  die  Kapitalisten,  Polizisten  etc.,  kurz  Personen,  auf  denen 
eine  gewisse  Verantwortlichkeit  lastet.  Ein  ziemlich  grosses  Kon¬ 
tingent  stellen  leider  auch  die  Aerzte,  von  denen  38  Selbstmörder  auf 
100  000  treffen.  Verhältnismässig  niedrig  ist  der  Prozentsatz  der 
Landwirte,  Hirten,  Taglöhner  mit  9  auf  100  000  und  am  niedrigsten 
jener  der  Geistlichen  und  Mönche  mit  6  auf  100  000.  Diese  letzt¬ 
genannte  Klasse  zählt  auch  die  meisten  Langlebigen  in  ihren  Reihen, 
was  zum  Teil  auf  das  verhältnismässig  bequeme  und  geregelte 
Leben,  zum  anderen  und  nicht  geringeren  Teil  aber  gewiss  auf  den 
ruhigen,  abgeklärten  Zustand  der  Psyche,  auf  das  Vertrauen,  mit 
welchem  diese  Individuen  in  die  Zukunft  blicken,  zurückzuführen  ist. 

Um  den  mit  der  fortschreitenden  Kultur  auch  stetig  iiberhand- 
nehmenden  sozialen  Schädigungen  und  Lebensschwierigkeiten,  die  in 
vorgenannten  Daten  ihren  betrüblichen  Ausdruck  finden,  einiger- 
massen  abzuhelfen  und  entgegenzuwirken,  ist  neben  der  Fürsorge 
des  Staates  und  der  Gemeinden  auch  die  tatkräftige  Hilfe  der  ein¬ 
zelnen  dringend  nötig.  In  dieser  letzten  Zeit  haben  sich  nun  gerade 
zwei  Aerzte  durch  grossmiitige  Unterstützung  solch  sozialer  Ein¬ 
richtungen  ausgezeichnet.  Der  bekannte  Kliniker  von  Bologna,  Prof. 
M  u  r  r  i,  stiftete  jüngst  für  das  Seehospiz  der  Provinz  Bologna  die 
Summe  von  200  000  Liren,  damit  das  genannte  Institut  .auch  während 
des  Winters  und  Frühlings  im  Betrieb  bleiben  könne.  In  einem 
würdigen  Schreiben,  das  die  grossmiitige  Schenkung  begleitete,  hob 
Prof.  M  u  r  r  i  die  grosse  Bedeutung  der  Thalassotherapie  und  der 
vorbeugenden  Behandlung  hervor.  „Es  gibt  bei  den  armen  Leuten 
eine  Menge  Kinder“  sagt  der  hervorragende  Kliniker,  „die  infolge 
ungenügender  Wohnungsverhältnisse,  Mangel  an  Nahrung,  Luft  und 
Licht  und  Pflege  sich  nur  langsam  und  schlecht  entwickeln  und  den 
stets  aufnahmefähigen,  geeigneten  Boden  zur  Entwicklung  aller  mög¬ 
lichen  Krankheitskeime  bilden.  Der  Aufenthalt  am  Meer  lässt  diese 
zarten  und  schwächlichen  Geschöpfe  zu  frohem  und  nutzbringenden 
Leben  erblühen  und  es  ist  daher  eine  Pflicht  für  jeden  einzelnen,  sein 
Möglichstes  zu  tun,  um  der  menschlichen  Gesellschaft  die  unschätz¬ 
baren  Werte  so  vieler  junger  Leben  zu  erhalten.“ 

Die  andere  grossmütige  Schenkung  wurde  dieser  Tage  von 
Prof.  Pescarolo  zu  Turin,  einem  der  bekanntesten  und  geschätz¬ 
testen  Aerzte  Italiens,  gemacht.  Er  gab  100  000  Lire  mit  der  Be¬ 
stimmung,  für  die  Stadt  Turin  einen  Isolierpavillon  für  Infektions¬ 
krankheiten  zu  erbauen. 


MUHNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


102 


No.  2. 


Und  da  wir  schon  bei  dem  Kapitel  der  Schenkungen  sind,  kann 
ich  nicht  unterlassen,  auf  zwei  weitere  hinzuweisen,  die  zugunsten 
der  Gewerbeklinik  in  Mailand  gemacht  wurden.  Die  eine,  von 
20  000  Liren  übergab  der  König,  unser  idealer  König,  der  still  und 
schweigend  alles  sieht  und  sich  für  alles  interessiert,  persönlich  ab, 
als  er  vor  kurzem  dieses  in  seiner  Art  bisher  in  der  Welt  einzig  da¬ 
stehende  Institut  besuchte.  Die  zweite  Summe,  50  000  Lire,  sandte 
ein  in  Argentinien  ansässiger  Italiener,  gelegentlich  des  National¬ 
festes,  zur  Erinnerung  an  die  Befreiung  Roms. 

Zum  Schluss  muss  noch  die,  in  dieser  Beziehung  schon  oft 
genannte  „Cassa  di  Risparmio“  in  Mailand  genannt  werden,  die 
neuerdings  wieder  150  000  Lire  für  das  Volkssanatorium  Umberto  I 
geschenkt  hat,  an  welchem  sie  schon  12  Betten  mit  der  jährlichen 
Spende  von  32  000  Liren  unterhält. 

Es  sind  das  Beispiele  von  Amerikanismus,  dem  man  in  dieser 
Weise  auch  bei  uns  die  weiteste  Ausdehnung  und  Nachahmung 
wünschen  möchte.  Prof.  Galli. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

III.  Sitzung  vom  19.  Oktober  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Panse. 

Tagesordnung: 

Herr  Weih  mann  (a.  G.):  Die  TripohsexpediUon  des  Roten 
Kreuzes  mit  Berücksichtigung  medizinischer  Fragen.  (Mit  Licht¬ 
bildern.) 

IV.  Sitzung  vom  26.  Oktober  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Schmaltz. 

Einer  Einladung  der  Bildungsanstalt  Jaques-Dalcroze  in 
Hellerau  folgend,  wohnte  die  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde 
einer  Vorführung  von  Schülern  und  Schülerinnen  verschiedener 
Stufen  dieser  Anstalt  im  Hellerauer  Uebungssaale  bei. 

An  der  Vorführung  wirkten  mit:  eine  Gruppe  von  Kindern,  die 
noch  niemals  eine  rhythmische  Uebungsstunde  gehabt  hatten,  eine 
Gruppe  Kinder  aus  Hellerau  (Volksschulkinder  zumeist)  die  1  oder 
2  Jahre  wöchentlich  2—3  Stunden  gehabt  hatten,  eine  Gruppe  er¬ 
wachsener  männlicher  und  weiblicher  Schüler,  die  sich  in  der  Bil¬ 
dungsanstalt  Jaques-Dalcroze  als  Lehrkräfte  der  Methode  aus¬ 
bilden.  Gezeigt  wurden  einfachste  rhythmische  Uebungen,  wie  im 
Takt  gehen  oder  in  die  Hände  schlagen  bis  zur  gleichzeitigen  Aus¬ 
führung  verschiedener  Rhythmen  mit  verschiedenen  Gliedern,  Diri¬ 
gieren,  gleichzeitige  Realisierung  eines  gehörten  Rhythmus  und 
Apperzeption  eines  neuen  Rhythmus  uam. 

Vor  Beginn  der  Vorführungen  weist  Herr  Dr.  Dohm  in  einem 
kurzen  einführenden  Vortrag  auf  Wesen  und  Wirkung  der  rhyth¬ 
mischen  Uebungen  hin.  Er  betont,  dass  er  sich  nur  als  L  a  i  e  zu  der 
ärztlichen  und  psychophysiologischen  Seite  des  Problems  äussern 
könne.  Er  könne  folgende  Feststellungen  machen:  Bei  den  meisten 
Schülern,  die  sich  der  gründlichen  rhythmischen  Schulung  in  Hellerau 
unterziehen,  ist  eine  auffallende  Veränderung  des  Gesichtsausdruckes 
zu  konstatieren:  grössere  Lebendigkeit,  Konzentration,  Straffheit  in 
der  Haltung  und  Aktivität.  Das  Gleiche  geht  aus  zahlreichen  Briefen 
der  Schüler  hervor  und  auch  aus  Berichten  der  Eltern.  Auch  ein¬ 
zelne  Fälle  führt  der  Referent  an:  so  von  einem  Jungen,  dessen 
Gleichgewichtsempfinden  sich  wesentlich  gestärkt  hätte,  wie  er  selbst 
beim  Eislauf  festgestellt  und  von  einer  Taubstummen,  die,  nachdem 
sie  sprechen  gelernt  habe,  durch  rhythmische  Uebungen  ihr  Gleichge¬ 
wichtsempfinden  entwickelt  und  ihrer  Rede  grössere  Klarheit  und 
Gliederung  gegeben  habe.  Die  Uebungen,  die  sie  nach  dem  üesichts- 
bild  mitgemacht  habe,  hätten  ihr  auch  geholfen,  Zustände  von  Apathie 
erfolgreich  zu  bekämpfen.  Die  Taubstumme  sei  Mathematikerin  und 
an  wissenschaftliche  Problemstellung  gewöhnt.  Dalcroze  selbst 
vermute  auch,  dass  die  rhythmischen  Uebungen  für  den  Blindenunter¬ 
richt  in  Frage  käme,  um  durch  geregelte  Gehörseindrücke  und  ent¬ 
sprechende  Gliederbewegung  räumliche  Orientierung  zu  schaffen  und 
so  das  fehlende  Gesichtsbild  zu  ersetzen.  (Vgl.  Der  Rhythmus.  Jahrb. 
der  Anstalt  Dalcrozes,  II.  Bd.  Verlag  Eugen  D  i  e  d  e  r  i  c  h  s.)  Warum 
nun  die  rhythmischen  Uebungen  diese  Wirkungen  hätten,  das  könne 
Referent  nicht  exakt  formulieren.  Dalcroze  und  die  Mitarbeiter 
legten  sich  die  Sache  etwa  folgendermassen  zurecht: 

Die  rhythmischen  Uebungen  sind  fast  durchweg  Innerva¬ 
tionsübungen  und  zwar  sowohl  zur  1  n  z  i  t  a  t  i  o  n  (Auslösung) 
als  Inhibition  (Hemmung)  einer  Bewegung.  Ihre  Bedeutung 
liegt  nun  darin,  dass  vermöge  des  Rhythmus  die  Innervation  nach 
Zeit  und  Dauer  in  unendlicher  Mannigfaltigkeit  abgestuft  werden 
kann,  mithin  alle  Fehlerquellen  einer  Bewegung  (falsche  oder  unvoll¬ 
ständige,  oder  verfrühte  oder  verspätete,  oder  im  Stärkegrad  falsch 
abgestimmte  Innervation  der  Kontraktion  und  Dekontraktion)  ge¬ 
sondert  und  sehr  differenziert  behandelt  werden  könnten.  Damit  sei 
eine  Fülle  von  Korrekturmöglichkeiten  gegeben,  die  ärztlicher  Unter¬ 
suchung  harrten.  Die  Bedeutung  der  Uebungen  trete  aber  besonders 
hervor,  wenn  man  sich  folgendes  vergegenwärtige: 

a)  Das  Kind  lernt  seinen  eigenen  Körper  in  allen 
seinen  Bewegungen  und  in  allen  Nuancen  von 
Stärke  und  Dauer  der  Bewegung  beherrschen. 


Mit  dem  Bewusstsein,  den  Körper  zu  beherrschen,  entwickelt 
sich  der  Wille,  Herr  des  Körpers  zu  sein,  die  Grundlage  jeder 
höheren  Willensschulung.  Die  Vitalität  und  Aktivität  des  Menschen 
wird  im  früheren  Kindesalter  gehoben.  Das  Kind  lernt  früh,  sich 
zu  konzentrieren  und  da  der  Körper  das  erste  Feld  der  Erfahrungen 
ist,  lernt  es  leichter  und  vollständiger  sich  auf  den  eigenen  Körper 
als  auf  Gegenstände  der  Umgebung  zu  konzentrieren. 

b)  Der  Schatz  automatischer  Bewegungen  wird  gesteigert 

und  zwar  fast  spielend  —  nicht  ohne  Anstrengung,  aber  ohne  Er¬ 
müdung!  Man  könne  als  Ziel  aller  Erziehung  hinstellen:  ein  Maxi¬ 
mum  von  Automatismus  mit  einem  Minimum  von  Mühe  und  Drill  zu 
erzielen.  Weit  entfernt  Automaten  zu  erziehen,  tritt  1.  eine  Ent¬ 
lastung  des  Zentralorgans  ein,  2.  eine  Bereicherung  der  Ausdrucks¬ 
möglichkeiten  der  Persönlichkeit.  Letzteres  sei  für  den  freien  Ablauf 
psychischen  Lebens  von  höchster  Bedeutung  (Beseitigung  von  aller¬ 
hand  Hemmungen,  volles  restloses  Sichausarbeiten  nach  dem  Zeugnis 
vieler  Schüler).  fl 

c)  Die  Exaktheit  der  Bewegung  gewinne  durch  die  Rhythmik 
und  es  werde  nicht  nur  die  Fähigkeit  zur  Konzentration,  sondern 
auch  zur  Ruhe  sehr  gesteigert,  ein  wichtiges  Moment  für  die 
Kräfteökonomie  des  Individuums,  aus  beiden  aber  folge,  dass  das 
Individuum  einen  geschärften  Sinn  für  das  Gleichgewicht  seiner  Kräfte 
bekäme.  Ref.  weist  in  diesem  Zusammenhang  auf  die  platonische  An¬ 
schauung  hin,  dass  aus  der  Eurhythmie  des  Körpers  die  des  Geistes 
erwachse  und  dass  die  Bedeutung,  die  das  rhythmische  Element 
der  Musik  (wohlgemerkt  nicht  das  Melodische!)  bei  den  Griechen 
in  staatspädagogischer  Hinsicht  gehabt  habe,  nur  aus  ähnlichen  Er¬ 
fahrungen  heraus  erklärt  werden  könne;  denn  zweifellos  müsse 
hinter  diesem  griechischen  Ideal  eine  reale  Erfahrung  gestanden 
haben. 

d)  Die  Allgemeinheit  und  Restlosigkeit  rhyth¬ 

mischen  Erlebens  sei  pädagogisch  ein  wichtiger 
Faktor:  der  ganze  Mensch  werde  erfasst,  nicht  nur  ein  Glied, 
Rhythmus  mache  sich  im  ganzen  Körper  belebend  und  konzentrierend 
geltend,  diese  Verbreiterung  der  Resonanz  psychischer  Eindrücke  sei 
aber  besonders  in  einer  Zeit  spezialisierender  Erziehung  von  Wich¬ 
tigkeit.  1 

e)  Die  gegenseitige  Ergänzung  aus  den  Erfah¬ 
rungen  verschiedener  Sinnesgebiete  sei  bei  den 
rhythmischen  Uebungen  auch  von  Bedeutung.  Gesichtssinn,  Gehörs¬ 
sinn  und  allgemeines  Körpergefühl  treten  untereinander  und  mit  dem 
allgemeinen  Raumgefühl  in  Kontakt,  ergänzen  und  verdeutlichen  ihre 
Erfahrungen. 

f)  Alle  diese  Wirkungen  treffen  den  Uebenden 
in  dem  besonders  empfänglichen  Zustand  einer 
durch  Körperbewegung  erhöhten  Blutzirkulation 
und  in  der  psychischen  Belebung,  die  jeder  Rhythmus  im  Menschen 
erzeuge. 

g)  Zum  Schluss  weist  der  Ref.  noch  darauf  hin,  dass  auch  von 
der  musikpädagogischen  Seite  aus  betrachtet  ein  enormer  Gewinn  in 
hygienischer  Beziehung  daraus  erwachse,  dass  das  Kind  die  Elemente 
der  Musik  nicht  am  Klavier  stillsitzend  sozusagen  abstrakt,  sondern 
mit  dem  ganzen  Körper  mitlebend  und  übend  in  einer  Kleidung  sich 
aneigne,  die  dem  Körper  Bewegungsfreiheit  und  gesteigerte  Haut¬ 
tätigkeit  gebe.  Der  Ref.  weist  daher  auf  die  Zweckmässigkeit  des 
vielbesprochenen  schwarzen  Trikots  der  Dalcroze-Schule  hin  und 
schliesst  mit  dem  Hinweis,  dass  die  hygienische  Seite  der  rhyth¬ 
mischen  Gymnastik  die  Verlegung  der  Schule  auf  das  Land  zu  einer 
Notwendigkeit  gemacht  habe.  Auch  so  aber  glaube  der  Ref.  das 
dauernde  Interesse  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  er¬ 
bitten  zu  können. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1632.  ordentliche  Sitzung  vom  2.  Dezember  1912 
im  Sitzungssaal  des  Vereins,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender :  Herr  B  a  e  r  w  i  n  d. 

Schriftführer:  Herr  Eier  mann. 

Herren  B.  Fischer,  Flesch,  Sippel:  Demonstrationen. 

Herr  Vogt-  Wiesbaden :  Freud  sehe  Hysterieanalyse. 

Vortr.  gibt  auf  Grund  der  Klärung,  welche  durch  die  Dis¬ 
kussionen  der  letzten  Jahre  herbeigeführt  worden  sind,  einen  Ueber- 
blick  über  die  theoretische  und  praktische  Seite  der  Freud  sehen 
Psychoanalyse.  Man  kann  der  Eigenart  dieser  Forschungsrichtung 
nur  gerecht  werden,  wenn  man  den  Versuch  macht,  auf  ihre  chrono¬ 
logische  Entwicklung  zurückzugehen.  Gegen  die  ausgesprochene 
Originalität  und  die  Richtigkeit  vieler  Gedanken,  die  namentlich  die 
ersten  Freud  sehen  Arbeiten  über  diesen  Punkt  gebracht  haben, 
wird  sich  niemand  verschliessen  können;  die  Bedeutung  des 
Individuellen,  die  Rolle  und  der  Mechanismus  des  Abreagierens,  die 
Wirkung  unlustbetonter  Ereignisse,  der  Mechanismus  der  Ver¬ 
drängung,  die  Bedeutung  von  Reminiszenzen,  Geheimnissen  und 
unterbewussten  Residuen  für  die  psychische  Konstellation,  die  eigen¬ 
artige  Definition  des  Unbewussten  als  des  Bewusstseinsunfähigen 
sind  Werte,  an  denen  wissenschaftliche  Betrachtung  und  Forschung 
nie  wieder  wird  vorübergehen  können.  Was  die  ganze  Richtung 
mit  Recht  diskreditiert  hat,  ist  die  einseitige  und  ausschliessliche  Her- 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Vorkehrung;  der  sexuellen  Komplexe,  die  Willkür  und  Qeschmack- 
losigkeit,  mit  der  das  Seelenleben  der  Patienten  durchwühlt  wird 
und  die  auf  Ranz  unbewiesenen  Voraussetzungen  begründete  Heraus¬ 
nahme  einzelner  Geständnisse  als  Grundlage  für  die  Auffassung  und 
Behandlung  einer  Krankheit.  Die  Symboldeutung,  die  Lehre  von  den 
Knotenpunkten,  sind  als  unwissenschaftlich  und  als  unexakt  abzu¬ 
lehnen.  Es  ist  dem  Vorschlag,  der  von  I  s  s  e  r  1  i  n  g  und  H.  S  c  h  u  1 1  z 
gemacht  ist,  beizupflichten,  dass  der  rein  analytische,  nicht  am 
Sexuellen  haftende  Teil  der  Freu  d  sehen  Lehre,  der  ja  viele  Ver¬ 
wandtes  mit  der  hypermnestischen  Hypnose  besitzt,  auch  praktisch 
wertvoll  ist;  die  Sexualanalyse  ist  hiervon  abzutrennen  und  zu  ver¬ 
werfen.  Aber  auch  unter  Einhaltung  dieses  Gesichtspunktes  ist  nicht 
zu  vergessen,  dass  ein  derartiges  analytisches  Verfahren  uns  höch¬ 
stens  in  den  Besitz  einer  Psychanamnese  setzt;  in  therapeutischer 
Beziehung  ist  damit  aber  der  Grundsatz  nicht  erfüllt,  der  in  der 
Psychotherapie  so  wichtig  ist,  dass  man  nicht  nur  etwas  nehmen, 
sondern  auch  etwas  geben  soll.  Die  „Psycho-Katharrsis“  kann  daher 
immer  nur  Analyse  und  Einleitung,  anamnestische  Erhebung,  niemals 
aber  auch  schon  Therapie  sein;  auch  darauf  beruhen  von  allem 
anderen  abgesehen  die  mangelhaften  therapeutischen  Erfolge  der 
Freud  sehen  Schule. 

Diskussion:  Herr  Fulda:  Die  psychoanalytische  Methode 
kann  des  sexuellen  Einschlags  durchaus  entbehren,  wenigstens  in 
den  allermeisten  Fällen;  neben  der  Ueberfliissigkeit  muss  besonders 
die  Gefahr  betont  werden,  die  die  Anziehung  der  Erotik  bedeutet. 
Indessen  stellt  der  Verzicht  auf  hypnoide  Zustände  ein  Manko  dar, 
das  selten  auszugleichen  ist.  Die  beste  therapeutische  Methode  bei 
vielen  Psychoneurosen  scheint  die  von  Frank -Zürich  ausgebaute 
Modifikation  zu  sein:  leichte  Hypnose  in  Verbindung  mit  dem  Ab¬ 
reagieren  auftauchender  psychischer  Traumata. 

Herr  L.  Auerbach:  Ermahnt  zur  äussersten  Kritik  bei  dem 
psychoanalytischen  Verfahren,  da  hierbei  zweifellos  in  einzelnen 
Fällen  Phantasmata  auftauchen,  die  für  wahr  gehalten  werden.  So 
wusste  ein  Patient  Skotome  und  Augenmuskellähmungen,  die  einer 
multiplen  Sklerose  ihren  Ursprung  verdankten,  durch  sexuelle  Mo¬ 
mente  zu  erklären  und  zwar  nicht  im  hypnotischen  Zustande,  sondern 
bei  Stirndruck  nach  Freud. 

Herr  Kohn  stamm  betont  den  Vorzug  der  hypnotischen  Aus¬ 
tragung  in  der  Psychoanamnese. 

Herr  J.  Friedländer  meint,  dass  die  Nervenheilkunde  nicht 
arm  genug  an  Mitteln  ist,  um  des  Freud  sehen  Heilverfahrens, 
ebenso  wie  der  Hypnose  zu  bedürfen  und  ist  in  seiner  Tätigkeit 
bisher  ohne  beide  ausgekommen.  Eine  psychoanalytische  Therapie 
unter  Ausschaltung  des  Sexuellen,  wie  sie  der  Vortragende  emp¬ 
fiehlt,  würde  vor  älteren  Behandlungsweisen  der  Neurosen  nichts 
voraus  haben,  denn  schon  lange  vor  Freud  haben  Interne  und 
Vervenärzte  gewusst,  dass  der  „psychische  Faktor“,  wie  vor  allem 
3.  R  o  s  e  n  b  a  c  h  stets  betonte,  bei  jedem  therapeutischen  Agens, 
fas  wir  anwenden,  eine  dominierende  Rolle  spielt.  Demgegenüber 
ist  die  echte  pansexuelle  Freudmethode  mit  ihren  peinlichen  Ver¬ 
lören  und  ihrem  Zwang  zur  Beichte  auf  Nervöse  öfter  von  Schäd¬ 
iger  als  von  günstiger  Wirkung,  und  darum  werden  alle  Kollegen, 
lie  ihre  Patienten  in  einem  Sanatorium  anderen  Händen  anvertrauen, 
?ut  daran  tun,  sich  vorher  zu  vergewissern,  dass  die  bedenkliche 
Methode  dort  nicht  geübt  wird. 

Der  Vortragende:  Schlusswort. 

1633.  ordentliche  Sitzung  vom  16.  Dezember  1912 
im  Sitzungssaal  des  Vereins,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Baerwind. 

Schriftführer :  Herr  E  i  e  r  m  a  n  n. 

Demonstrationen: 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a. : 

L  Vergrösserter  Thymus  eines  2 XA  Monate  alten  Mädchens. 

rhymustod. 

2.  Atelektatische  Bronchiektasie  des  Unterlappens  bei  62  jähr. 
dann. 

3.  Eine  Reihe  von  Sepsisfällen  nach  periproktitischem  Abszess, 
lämorrhoidenoperation  und  chronischem  strikturierendem  Rektum- 
:eschwiir. 

Herr  Franz  Groedel:  Demonstration  seltener  Befunde  bei 
Röntgenuntersuchung  des  Schädels. 

Vortrag: 

Herr  Rudolf  Oppenheimer:  Die  Pyelitis. 

Unter  Pyelitis  versteht  man  die  Entzündung  des  Nierenbeckens 
hne  gleichzeitige  Erkrankung  des  Nierenparenchyms.  Ob  eine  solch 
einiiehe  Scheidung  allerdings  anatomisch  besteht,  muss  dahingestellt 
'leiben,  da  die  reine  Pyelitis  keine  tödliche  Erkrankung  darstellt 
nd  Sektionsbefunde  fehlen.  Operationsbefunde  aber  können  um 
eswillen  nicht  völlig  beweisend  sein,  weil  bei  ihnen  mikroskopische 
Untersuchungen  verschiedener  Nierenpartien  fehlen.  Der  Begriff  der 
’yelitis  ist  daher  vorwiegend  ein  klinischer  und  bleibt  auf  diejenigen 
üile  beschränkt,  wo  sich  neben  einer  Entzündung  des  Nierenbeckens 
chddigungen  des  Parenchyms  nicht  nachweisen  lassen.  Vortr.  be¬ 
ichtet  vorwiegend  über  die  klinischen  Erscheinungen  der  Pyelitis 
n  der  Hand  eines  Beobachtungsmateriales  von  98  Fällen,  von  denen 
4  seinem  privaten,  24  dem  Material  der  Frankfurter  Frauenklinik 
ntstammen. 


103 

Neben  den  seltenen  Fällen,  wo  eine  Pyelitis  auf  chemischem 
Wege  (nach  Verabreichung  gewisser  Arzneimittel)  erzeugt  wurde, 
beruht  die  Nierenbeckenentzündung  auf  Infektion.  Ausser  den  schon 
bekannten  Bakterienarten  gelang  es  Vortr.  einen  neuen  Befund  zu 
erheben,  indem  er  das  Bact.  fecalinum  alcaligines,  einmal  in  Rein¬ 
kultur,  einmal  als  Mischinfektion  mit  Streptokokken  in  2  Fällen  nach¬ 
weisen  konnte.  Damit  die  verschiedenen  Bakterienarten  im  Nieren¬ 
becken  eine  Entzündung  hervorrufen  können,  bedarf  es  einer  Dis¬ 
position.  Diese  kann  eine  lokale  sein  (in  erster  Linie  Stauung,  dann 
Hyperämie,  Auflockerung  oder  Schädigung  der  Gewebe)  oder  eine 
allgemeine.  Die  Infektionserreger  können  aszendierend  (Uretero- 
pyelitis)  oder  deszendierend  (Pyeloureteritis)  in  das  Nierenbecken 
gelangen. 

Bei  Besprechung  des  Verlaufes  kann  nur  grobklinisch  zwischen 
akutem  und  chronischem  Verlaufe  unterschieden  werden.  Bei  der 
chronischen  Pyelitis  kann,  wie  es  die  zahlreichen  Fälle  von  Pyelitis 
bei  Prostatikern  beweisen,  jahrelang  jedes  subjektive  Symptom 
fehlen.  Dagegen  setzt  die  akute  Pyelitis  oft  ausserordentlich 
stürmisch  ein  und  erzeugt  ein  schweres  Krankheitsbild:  Hohe  Tem¬ 
peraturen  z.  T.  mit  Schüttelfrösten,  vielfach  remittierenden  Fieber¬ 
typus,  Erbrechen,  Durchfälle,  oft  starke  Blasenbeschwerden  z.  T. 
Inkontinenz;  Schmerzen  in  der  Nierengegend  der  erkrankten  Seite 
fehlen  fast  niemals.  Das  Fieber  kann  nach  2 — 6  Tagen  abfallen, 
doch  kommen  auch  dann  noch  erneute  Temperaturanstiege  vor.  In 
anderen  Fällen  hält  das  Fieber  durch  Wochen  an  und  kann  durch 
Pyelonephritis  der  Tod  des  Pat.  herbeigeführt  werden.  Andere  Fälle 
gehen  ohne  wesentliche  Temperatursteigerung  einher.  Vortr.  erklärt 
die  einzelnen  Krankheitssymptome  z.  T.  auf  Grund  eigener  Experi¬ 
mente  und  Untersuchungen. 

Die  unmittelbare  Prognose  hängt  z.  T.  ab  von  der  Art  der 
Krankheitserreger:  Bei  nicht  geschädigter  Niere  glaubt  Vortr.,  die 
Prognose  für  die  Koliinfektion  günstiger  stellen  zu  können  als  für 
manche  Kokkeninfektionen.  Was  die  fernere  Prognose  anbetrifft, 
so  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  in  einem  hohen  Prozentsatz  der  Fälle 
eine  totale  Ausheilung  nicht  erfolgt,  indem  der  Urin  mikroskopisch 
noch  Leukozyten,  kulturell  die  betr.  Bakterien  enthält.  Die  Frage, 
ob  eine  grosse  Anzahl  ungenügend  ausgeheilter  Pyelitiden  später  zur 
Pyonephrosenbildung  führt,  kann  vorläufig  noch  nicht  exakt  beant¬ 
wortet  werden. 

Unter  Uebergehung  der  gonorrhoischen  Pyelitis  bespricht  Vortr. 
verschiedene  Formen  der  Nierenbeckenentzündung:  Die  Pyelitis  nach 
Darmstörungen,  die  Deflorations-,  die  Kinder-  sowie  die  Schwanger¬ 
schaftspyelitis.  Gerade  bei  letzterer  lässt  sich  das  Moment  der 
Stauung  am  prägnantesten  naehweisen  als  Folge  einer  Kompression 
vorwiegend  des  rechten  Harnleiters  durch  den  schwangeren  Uterus. 
Die  Kompressionsstelle  liegt  meist  13—15  cm  oberhalb  der  Blasen¬ 
mündung  des  Harnleiters.  Nun  kommen  bei  Schwangerschaftspyelitis 
auch  Verengerungen  des  Harnleiters  an  anderen  Stellen,  insbesondere 
dicht  über  der  Blase  vor,  doch  hält  Vortr.  auf  Grund  seiner  Beob¬ 
achtungen  diese  für  Folgezustände  früherer  Entzündungen.  Die 
Schwangerschaftspyelitis  klingt  nach  Entleerung  des  Uterus  meist 
schnell  ab,  doch  kommen  auch  Pyelitiden  im  Wochenbette  vor. 

Was  die  Therapie  der  Erkrankung  betrifft,  so  empfiehlt 
Vortr.  für  alle  Fälle,  in  denen  eine  besondere  Indikation  nicht  vor¬ 
liegt,  zunächst  die  konservative  Behandlung:  Bettruhe,  Verabreichung 
von  Flüssigkeit  und  Harnantiseptizis  (Salol  oder  Urotropin  4 — 5  g 
täglich),  für  die  wenigen  Fälle  namentlich  von  Schwangerschafts¬ 
pyelitis,  wo  diese  Therapie  nicht  zum  Ziele  führt,  ist  als  allerbestes 
Mittel  die  prolongierte  Dauerdrainage  des  Nierenbeckens  per  vias 
naturales  anzuraten:  Ein  Ureterkatheter  wird  bis  zum  Nierenbecken 
vorgeschoben  und  zunächst  14  Tage  als  Dauerkatheter  belassen. 
Bleibt  nach  Entfernung  des  Katheters  die  Pat.  entfiebert,  so  wird 
sie  konservativ  weiter  behandelt,  andernfalls  wird  der  Katheter  noch 
für  14  Tage  eingeführt.  Vortr.  berichtet  über  2  schwere  Fälle,  bei 
denen  das  Fieber  wochenlang  anhielt  und  bei  welchen  sich  ausserdem 
heftige  Nierenkoliken  einstellten.  Der  Dauerkatheter  führte  prompte 
Beseitigung  der  subjektiven  Symptome  und  Entfieberung  herbei, 
beide  Pat.  machten  eine  normale  Schwangerschaft  und  ein  normales 
Wochenbett  durch.  Führt  keine  Methode  zum  Ziele,  so  bleibt  als 
ultimum  refugium  der  operative  Eingriff  und  zwar  kommen  nach 
des  Vortr.  Ansicht  in  erster  Linie  die  Entleerung  des  Uterus  in  Be¬ 
tracht.  Die  Zahl  der  zu  operierenden  Fälle  dürfte  sich  durch  eine 
zielbewusste  Pyelitisbehandlung,  insbesondere  durch  die  Verwendung 
des  Ureteren-Dauerkatheters  auf  ein  Minimum  reduzieren  lassen. 

Diskussion:  Herr  Sippel:  S.  schliesst  sich  im  wesent¬ 
lichen  den  Ausführungen  des  Vortr.  an.  Den  Uebertritt  von  Darm¬ 
bakterien  durch  Darmwand  und  Blasenwand  in  das  Blasenlumen 
hält  er  nur  dann  für  möglich,  wenn  vorher  Verwachsung  von  Blase 
und  Darm  und  entzündliche  Schädigung  der  Wände  stattgefunden 
hat.  Die  Schwangerschaftspyelitis  hat  S.  lange  vor  Opitz  be¬ 
schrieben,  jedoch  hat  er  dabei  besonders  die  Kompression  des  Harn¬ 
leiters  hervorgehoben.  Er  vermisst  unter  den  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen  Oppenheimers  bei  Schwangerschaftspyelitis  eine  von 
ihm  selbst  schon  seit  Anfang  der  80  er  Jahre  vielfach  mit  durch¬ 
schlagendem  Erfolg  ausgeführte:  die  Lagerung  der  Kranken  auf  die 
gesunde  Seite.  Dadurch  entfernt  sich  der  schwangere  Uterus  von 
dem  Ureter,  der  Urinabfluss  wird  frei  und  Fieber  und  Schmerzen 
schwinden  sehr  oft  prompt.  Gegen  das  14  Tage  lange  Liegenlassen 
eines  Dauerkatheters  im  Ureter  hat  S.  Bedenken,  Es  könnten  doch 


104 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


einmal  unangenehme  Dekubituserscheinungen  auttreten  und  anderes. 
Bei  schweren  Fällen  von  reiner  Pyelitis  gravidarum,  die  einer  jeden 
konservativen  Behandlung  trotzen,  hält  auch  S.  eine  künstliche 
Unterbrechung  der  Schwangerschaft  zur  Druckentlastung  des  Ureters 
für  besser,  als  die  Nephrotomie  (entgegen  Barth  und  btoeckel  . 
Nur  wenn  das  Nierenbecken  zu  einem  grossen  Eitersack  umgewandelt 
ist.  zieht  er  die  dann  einfache  und  wenig  eingreifende  breite  Dehnung 
des  Nierenbeckens  vor.  (S.  hat  einen  solchen  Fall  im  7.  Monat  mit 
günstigem  Ausgang  für  Mutter  und  Kind  operiert.)  Bei  Pyelitis 
ausserhalb  der  Gravidität  hat  S.  einmal  die  Nephrotomie  machen 
müssen.  Es  handelte  sich  um  schwere  aufsteigende  Infektion  (nicht 
Kolibakterium!)  durch  Masturbation  veranlasst.  Harnleiterkathetei  is- 
mus  gelang  nicht  wegen  Striktur  des  Ureter.  Deshalb  Nephrotomie 
mit  Drainage.  Danach  fieberfrei,  Wohlbefinden,  aber  Fortbestehen 
einer  Nierenfistel,  weil  der  Urin  keinen  Abfluss  nach  der  Blase  hatte. 
Auch  die  Sondierung  des  Ureters  von  der  Fistel  und  dem  Nieren¬ 
becken  aus  vermochte  die  Durchgängigkeit  nicht  herzustellen.  Zu- 
sammenziehen  der  Fistel  führte  sofort  zu  hohem  Fiebei\  Dahei 
sekundäre  Nierenexstirpation.  Heilung.  In  allen  übrigen  r allen  is 
S.  mit  konservativem  Verfahren  ausgekommen. 

Die  Spülungen  des  Nierenbeckens  vom  Harnleiterkathetei  aus, 
die  Oppenheimer  ebenfalls  nicht  erwähnte,  sind  nicht  un¬ 
gefährlich.  Es  sind  2  Todesfälle  nach  Kollargolspülung  des  Nieren¬ 
beckens  berichtet  (R  ö  s  s  1  e).  Die  Kollargolspülung  war  in  die  Harn¬ 
kanälchen  eingedrungen  und  hatte  zu  Nekrose  der  Papillen  gefühlt. 
Diese  Spülungen  sind  daher  nur  mit  grosser  Vorsicht  und  mit  mög¬ 
lichst  indifferenten  Lösungen  (Bor)  auszuführen. 

Herr  Flesch:  Fl.  hat  eine  Reihe  von  Fällen  der  Schwanger¬ 
schaftspyelitis  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt.  Als  ein  vielleicht 
zufälliges,  immerhin  aber  einer  Beachtung  wertes  Zusammentreftun 
hat  er  zu  erwähnen,  dass  es  sich  dabei  fast  immer  um  Beckenendlagen 
gehandelt  hat,  u.  a.  bei  2  Fällen  um  in  Steisslage  geborene  An- 
enzephalen.  Bezüglich  der  von  dem  Vortr.  als  recht  ungünstig  be- 
zeichneten  Prognose  hinsichtlich  dauernder  Heilung  kann  Redner 
entgegenstellen,  dass  bei  mehreren,  jetzt  bis  zu  18  Jahren  in  seiner 
Beobachtung  gebliebenen  Fällen  —  u.  a.  bei  einer  Frau,  die  nach  dei 
Geburt  eines  Anenzephalus  nach  durch  Pyelitis  komplizierter 
Schwangerschaft  4  weitere  Geburten  glatt  durchgemacht  hat  —  kein 
Rückfall  eingetreten  ist,  speziell  auch  nicht  in  einem  sehr  schweren 
Fall,  in  dem  spontane  Frühgeburt  eines  noch  heute  gesunden  Kindes 
vor  17  Jahren  erfolgt  ist,  nachdem  während  der  Schwangerschatt 
durch  Monate  sich  wiederholende  Schüttelfröste  bei  oft  40,0  ubei  - 
schreitenden  Temperaturen  schwere  Erschöpfungszustände  herbei- 
gefiihrt  hatten.  —  Auch  F.  hat  Salol  in  grossen  Dosen  —  bis  zu  6  g  — 
mit  Erfolg  angewendet.  ln  einem  Fall  hat  auch  er  Intoxikations- 
erscheinungcn  gesehen:  die  Erklärung  dürfte  wohl  darin  gelegen  sein, 
dass  Salol  sich  nicht  mit  zur  schnellen  Zersetzung  im  Magen 
führenden  Arzneimitteln  —  in  dem  betr.  Fall  einer  Mischung  von 
Brustpulver  mt  Karlsbader  Salz  —  verträgt. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  November  1912,  im  hygienischen  Institut. 

Herr  Bering:  Demonstration  eines  Falles  von  Plaut- Vin¬ 
cent  scher  Angina.  „„  .  ,  ,  , 

Herr  Behn  demonstriert  Röntgenbilder  von  Wirbelverletzungen. 

Herr  Schade:  Ueber  die  Anomalie  der  Harnsäurelöslichkeit 

(kolloide  Harnsäure).  , ,  » 

Es  ist  bekannt,  wie  gerade  in  letzter  Zeit  die  Loshchkeits- 
verhältnisse  der  Harnsäure  bei  der  Behandlung  der  Probleme  dei 
Gicht  im  Vordergrund  des  Interesses  gestanden  haben,  voitr.  hat 
nun  eine  Aufklärung  der  Ursache  der  so  auffallend  leicht  eintretenden 
Uebersättigung  der  Harnsäurelösungen  angestrebt  und  konnte  test- 
stellen,  dass  die  Ursache  in  der  Bildung  einer  kolloiden  Zwischen¬ 
phase  der  Harnsäure,  resp.  der  Urate  besteht.  Eine  wesentliche  Be¬ 
dingung  für  das  Auftreten  dieses  intermediären  emulsionartigen 
Kolloids  ist  die  Innehaltung  einer  neutralen  Reaktion.  Auch  sonst 
sind  die  Vorbedingungen  des  Auftretens  der  Zwischenstufe  derart, 
dass  auch  im  Serum  bei  etwaiger  Uebersättigung  mit  Harnsäure  das 
Vorkommen  der  kolloiden  Form  wahrscheinlich  wird.  In  speziell 
darauf  gerichteten  Untersuchungen  konnte  sodann  der  Nachweis  der¬ 
selben  mit  Sicherheit  erbracht  werden.  Diese  kolloidchemischen  Be¬ 
sonderheiten  im  Verhalten  der  Harnsäurelösung  sind  geeignet,  eine 
Klärung  der  Lösungsverhältnisse  des  Serums  für  Harnsäure  zu  geben. 
Als  allgemeines  Ergebnis  ist  dabei  hervorzuheben,  dass  sich  im  Sei  um 
zwei  durchaus  verschiedene  Zonen  der  Harnsäurelöslichkeit  unter¬ 
scheiden  lassen:  erstens  die  Zone  der  wahren,  d.  h.  der  molekular¬ 
dispersen  Lesung  und  zweitens  darüber  hinausgehend  und  einen  noch 
wesentlich  breiteren  Raum  einnehmend  die  Zone  der  kolloiden 
Emulsion.  Es  erscheint  zweifelhaft  und  bedarf  einer  erneuten 
Prüfung,  ob  daneben  die  bisher  übliche  Unterscheidung  in  Lacktam 
und  Lacktimform  der  Harnsäure  zu  Recht  besteht.  Jedenfalls  aber 
erfährt  das  therapeutische  Problem  der  Löslichmachung  der  Harn¬ 
säure  durch  diese  Untersuchungen  eine  wesentliche  Erweiterung. 
(Die  Arbeit  wird  demnächst  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für  physio¬ 
logische  Chemie  veröffentlicht  werden.) 

Diskussion:  Herren  Höher.  Hensen,  Schade. 


Herr  Brandes  demonstriert  ein  13 jähriges  Mädchen  mit 
ossärem,  kongenitalem  Schiefhals,  bei  welchem  die  ursächlichen  Ver¬ 
änderungen  in  der  Verschmelzung  mehrerer  Flalswirbel  erblickt 
werden.  Auch  in  der  Brustwirbelsäule  fanden  sich  noch  Entwick¬ 
lungsstörungen  zwei  erWirbel.  (Demonstration  einiger  Röntgenbilder.) 

Diskussion:  Herr  L  u  b  i  n  u  s. 

Herr  Baue  reisen:  Ueber  die  Ausbreitungswege  der  post¬ 
operativen  Infektion  der  weiblichen  Harnorgane. 

Das  Material  stammt  in  der  Mehrzahl  von  Frauen,  die  nach  der 
Freund  - Wertheim  sehen  Methode  operiert  worden  sind  und 
zur  Autopsie  kamen.  Es  wurden  die  Blase,  die  unteren  Abschnitte 
der  Ureteren,  die  oberen  Abschnitte  der  Ureteren  und  die  Nieren 

in  18  Fällen  untersucht.  .  .  ,  .  ,  , 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  sind  folgende,  ln  allen 
Fällen  von  postoperativer  Zystitis  gelangten  die  Fiiegei  durch  den 
Katheterismus  in  die  Blase.  Neben  der  Zystitis,  die  von  den  durch 
den  Katheterismus  in  die  Blase  verschleppten  oder  spontan  aszen- 
dierten  Keimen  hervorgerufen  wird,  besteht  häufig  auch  eine  Para- 
zystitis  in  der  Form  eines  kräftig  entwickelten  Infiltrations-  und 
Granulationswalles,  der  von  reichlichen  pathogenen  Keimen  durch- 
setzt  ist  Es  Hess  sich  für  die  meisten  Fälle  der  Nachweis  nicht  er¬ 
bringen,  dass  über  den  Wall  hinaus  die  Keime  durch  die  Muskularis 
nach  der  Mukosa  zu  einwandern.  Die  Ursache  besteht  darin,  dass 
einmal  der  Infiltrationswall  ein  Hindernis  bildet  und  dann  dann,  dass 
den  Keimen  wegen  des  entgegengerichteten  Lymphstromes  das  Ein¬ 
wandern  erschwert  ist.  Bei  ausserordentlich  stark  entwickelte! 
Ausseninfektion  vermag  das  Infiltrationsgewebe  schliesslich  durch 
die  Muskularis  in  die  Nähe  der  Submukosa  vorzudringen.  L  ie  Be¬ 
deutung  der  Ausseninfektion  ist  darin  zu  suchen,  dass  die  Blase  in 
ihrer  Widerstandskraft  gegen  die  Infektion  von  der  Mukosa  her 
ausserordentlich  geschwächt  wird.  Ferner  bildet  eine  mehr  oder 
weniger  schwere  Parazystitis  die  Ursache,  dass  derartige  Blasen- 
entziindungen  lange  Zeit  jeder  Behandlung  trotzen. 

Die  Ureteren  werden  in  folgender  Weise  mnziert.  ln  dei  Kessel 
aszendieren  die  Blasenkeime  intrakanalikulär  in  das  Lumen  der 
isolierten  unteren  Abschnitte  der  Ureteren.  Die  zweite  Art  der 
Infektion  erfolgt  von  der  wunden  Aussenfläche.  In  einzelnen  r  allen 
wird  der  Ureter  von  einem  kräftigen  Infiltrationswall  umklammert, 
der  von  Keimen  durchsetzt  ist.  Auch  hier  liess  sich  ein  L  uren- 
wandern  der  Keime  von  dem  Wall  in  die  Muskularis  mukosawart.s 
in  der  Regel  nicht  nachweisen.  In  einem  Falle  war  das  lnfiltratious- 
gewebe  so  mächtig,  dass  es  schliesslich  die  Muskularis  durchdrang 
und  in  die  Mukosa  einbrach. 

Die  Nieren  werden  infiziert:  .  . 

1.  vom  Nierenbecken  aus  durch  intrakanalikulare  Aszension  der  j 

Blasenkeime;  ,  .  ,  .  . 

2.  auf  hämatogenem  Wege,  besonders  wenn  es  sich  um  eme  | 
Staphylokokkeninfektion  der  Wundhöhle  handelte; 

3.  auf  dem  Lymphwege  des  retroperitonealen  Bindegewebes 
entlang  den  Ureteren.  In  diesem  Falle  wird  zuerst  die  fibiose  Kapsel 

der  Niere  infiziert  (Perinephritis).  ..  ,.  „mtl. 

Die  Prophylaxe  besteht  darin,  dass  bei  der  Operation  die  wundi 
Blase  und  die  wunden  Ureteren  besonders  sorgfältig  versorgt  und 
die  oft  grossen  bindegewebigen  Wundhöhlen  nach  Möglichkeit  ver¬ 
kleinert  werden.  In  der  Rekonvaleszenz  ist  nach  Möglichkeit  der 
Katheterismus  zu  unterlassen.  Ist  das  nicht  möglich,  dann  müssen 
nach  jedem  Katheterismus  Spülungen  oder  Injektion  von  Kollargo! 

SCmazum  Schlüsse  werden  noch  mehrere  Abbildungen  von  Präparaten 
demonstriert.  Darunter  befand  sich  auch  ein  Fall  von  üystitis 
emphysematosa.  _ _ 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  April  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  M.  H  i  r  s  c  h  erwähnt  die  Vorstellung  des  Pseudohermaphro¬ 
diten,  über  welchen  Herr  Leo  referieren  wird.  R  ,. 

Herr  Leo  demonstriert  an  einem  von  Asch  in  der  Berliner 
klin.  Wochenschr.  1911,  No.  52  und. von  S  c  he  u  r  er  in  den  Fort¬ 
schritten  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen,  Bd.  17,  Hett  3,  S.  u» 
beschriebenen,  sicher  erst  9jährigen  Kinde  folgende  Anomalien: 

I.  Zeichen  der  Frühreife:  Rltr 

1.  Knochenbau  mit  Ossifikation,  wie  bei  einem  16  jährigen  Bur¬ 
schen.  Epiphysen  zum  Teil  verknöchert,  Knorpelstreifen  zwischen 
Epi-  und  Diaphysen  der  Metakarpalia  verschwunden. 

2.  Starke  Entwicklung  der  Muskulatur,  besonders  Deltoides. 
Bizeps,  Adduktoren  und  Halsmuskeln. 

3.  Kehlkopf  und  Stimme  wie  beim  erwachsenen  Mann. 

4.  Pubes  stark,  in  weiblichem  Typus  entwickelt,  ausserdem  sehr 

stark  entwickelter  Vollbart.  . 

5.  Blutungen  aus  dem  Genitale  in  ca.  /s  jährigem  Intervall. 

II.  Hypertrichosis  besonders  stark  am  Rumpf,  Nacken  und 

Brt  III.  Skelettveränderungen:  Disproportion  zwischen 
grossem  Kopf,  dickem  und  langem  Rumpf  einerseits,  den  kurzen  Ober¬ 
armen  und  Oberschenkeln  andrerseits. 


14.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


105 


IV.  Abnorme  Bildung  der  primären  und  sekun¬ 
dären  Qeschlechtscharaktere: 

1.  Labia  majora,  minora,  Vestibulum,  Urethra,  Introitus  vaginae, 
Eossa  navicularis,  Perinäum  absolut  normal  weiblich  angelegt. 

Männlich  die  4 — 5  cm  lange  Klitoris  mit  grosser,  dorsal  normaler, 
ventral  eine  typische  Hypospadierinne  tragender  Qlans,  ferner  ein 
grosses  Präputium  clitoridis ;  das  Frenulum  fehlt. 

Vagina  normal,  Portio  angedeutet,  dahinter  ein  7  cm  Sonden- 
änge  zeigender,  uterusähnlicher  Körper.  In  Narkose  von  geübten 
Jntersuchern  keine  Spur  irgendwelcher  Keimdrüsen  gefunden. 

2.  Körper-  und  Knochenbau,  Thorax,  Becken,  Muskulatur  und 
Fett,  Gesichtszüge,  Mammae,  Kehlkopf  und  Stimme,  Behaarung  bis 
auf  die  Pubes  ausgesprochen  männlich. 

Psyche  bisher  weiblich-kindlich. 

Nicht  mit  Bestimmtheit,  aber  mit  gewisser  Wahrscheinlichkeit 
muss  man  doch  wohl  irgendwo  versteckte  Ovarien  annehmen,  damit 
das  Kind  nicht  für  einen  Homo  neutrius  generis,  sondern  wohl  für 
einen  Fall  von  Pseudohermaphroditismus  femi¬ 
nin  us  tabularius  extern  us  secundarius  erklären,  bei 
dem  gleichzeitig  eigenartige  Skelettdeformierungen,  Früh¬ 
reif  e  und  Hypertrichosis  besteht. 

Herr  R.  Krüger:  Demonstration  von  Röntgenaufnahmen  des 
Wagendarmkanals  mit  metallischem  Wolfram.  (Erschienen  in  extenso 
in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  1910.) 

Sitzung  vom  25.  April  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Trauerfeier  zum  Gedächtnisse  des  am  22.  April  1912  ver¬ 
storbenen  Ehrenvorsitzenden  der  Medizinischen  Gesellschaft,  des 
Geheimen  Medizinalrats  Prof.  A.  Heinrich  Unverricht. 

Nachruf  des  Vorsitzenden  Herrn  M.  Hirsch. 

Herr  Wenzel:  Gedächtnisrede.  (Ist  in  extenso  in  der  Münch, 
med.  Wochenschr.  1912,  S.  1161  erschienen.) 

Sitzung  vom  10.  Oktober  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Sieber  t:  Ueber  Plexusanästhesie. 

S.  berichtet  kurz  über  die  neueren  Fortschritte  der  Lokal-  bzw. 
Leitungsanästhesie.  Des  Näheren  geht  er  auf  die  Lokalanästhesie 
bei  Appendizitis  ein  und  bespricht  die  Paravertebralanästhesie. 
Sodann  schildert  er  die  Anästhesierungsverfahren  am  Arm  nach 
H  i  r  s  c  h  e  1  und  nach  Kulenkampff.  Letztere  Methode  ist  auf 
der  chirurgischen  Abteilung  der  Krankenanstalt  Altstadt  (Prof. 
Dr.  Hab  s)  in  50  Fällen  angewandt.  Die  Technik  ist  leicht,  der 
Erfolg  sicher,  sobald  man  sich  genau  an  die  Vorschriften  hält.  Das 
Verfahren  ist  gefahrlos  und  bedeutet  einen  willkommenen  Ersatz 
der  Inhalationsnarkose  bei  frischen  schweren  Verletzungen,  Frak¬ 
turen,  Luxationen  und  schweren  Phlegmonen.  Die  Methode  gewinnt 
noch  dadurch  an  Wert,  dass  sie  auch  in  der  allgemeinen  Praxis 
leicht  angewendet  werden  kann,  wo  oft  dem  Arzte  mangelhaft 
geübtes  oder  gänzlich  ungeschultes  Personal  bei  der  Narkose  zur 
Seite  steht. 


Naturwissenschaft!.- medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  November  1912. 

Herr  W.  Berg:  Zur  Histologie  der  Leberfunktionen. 

Voti  den  verschiedenen  Funktionen  der  Leber  lassen  sich  histo¬ 
logisch  am  besten  diejenigen  der  Glykogenspeicherung,  der  Aufnahme 
resp.  Bildung  von  Fett  und  der  Gallensekretion  nachweisen.  Durch 
Aufnahme  von  Glykogen  und  Fett  kann  die  Grösse  der  Leberzellen, 
namentlich  bei  Tieren,  welche  starke  periodische  Schwankungen  des 
Stoffwechsels  (Winterruhe,  Ausbildung  der  Keimdrüsen)  auf¬ 
weisen,  wie  z.  B.  der  Frosch,  eine  ausserordentlich  starke  Ver¬ 
mehrung  gegenüber  derjenigen  im  Hungerzustand  erfahren.  Die  Ver¬ 
änderung  der  Zellen  ist  grösstenteils  dadurch  bedingt,  dass  durch  die 
Aufnahme  von  Glykogen  und  Fetttropfen  sowie  von  Wasser  die 
Stränge  (resp.  Lamellen)  des  Protoplasmas  stark  gedehnt  werden. 
Die  feinere  Struktur  des  Protoplasmas  selbst  wird  wenig  verändert. 
Die  meisten  Autoren  finden,  dass  bei  der  Glykogenbildung  die  spe¬ 
zifischen  Körnchen  des  Protoplasmas  (Plasmosomen,  Mitochondrien) 
keine  Verminderung,  eher  eine  Vermehrung  erfahren.  Bei  der  Fett¬ 
aufnahme  dagegen  scheinen  diese  Zellbestandteile  beteiligt  zu  sein, 
indem  sie  durch  Vermittelung  von  Lipoiden  Fett  binden. 

Als  Anzeichen  der  Bereitung  der  Galle  kennt  man  normaler¬ 
weise  nur  die  Anhäufung  eisenhaltiger  Granulationen  im  Zelleib  in 
der  Nähe  der  Gallenkapillare.  In  pathologischen  Zuständen  und  ex¬ 
perimentell  (Injektion  von  Hämoglobin,  Toluylendiamin,  Azethyl- 
phenylhydrazin)  kann  diese  Anhäufung  sehr  verstärkt  werden. 
Durch  pathologische  oder  experimentelle  Behinderung  des  Gallen¬ 
abflusses  sowie  durch  Vergiftung  (Chloroform)  kann  eine  Erweite¬ 
rung  der  Gallenkapillaren  und  eine  Vakuolenbildung  in  den  Leber¬ 
zellen  hervorgerufen  werden.  Diese  Vakuolen  können  mit  den  er¬ 


weiterten  Gallenkapillaren  in  Verbindung  treten.  Die  früher  in  nor¬ 
malen  Leberzellen  beschriebenen  intrazellulären  Kapillaren  scheinen 
epizellulär  zu  liegen. 

Unerklärt  bleiben  auf  diese  Weise  Bildungen,  die  von  einigen 
Autoren  (Braus,  Koiransky,  V  e  r  f.)  beschrieben  worden  sind. 
Es  handelt  sich  um  homogene  (Braus  fand  sie  streifig)  Tropfen  sehr 
variabler  Form  und  Grösse,  die  durch  die  Zelle,  meist  mit  Anlehnung 
an  den  Kern,  verstreut  sein  können.  Braus  beschrieb  diese  Ge¬ 
bilde  bei  niederen  Wirbeltieren  und  hielt  sie  für  Archoplasma, 
Koiransky  beschrieb  sie  bei  Amphibien  und  nahm  allein  auf 
Grund  des  histologischen  Befundes  einen  Zusammenhang  mit  der 
Gallensekretion  an;  Carlier  fand  sie  bei  weissen  Ratten  und  be¬ 
zog  sie,  gestützt  auf  Fütterungsversuche,  auf  Fermentbindung.  Verf. 
fand  diese  homogenen,  bei  geeigneter  Färbung  sehr  auffälligen  Ge¬ 
bilde  bei  Amphibien  und  Säugetieren  (Kaninchen,  Maus,  wahrschein¬ 
lich  auch  beim  Menschen).  Die  fraglichen  homogenen  polymorphen, 
offenbar  zähflüssigen  Gebilde  fanden  sich  in  den  Leberzellen  gut 
genährter  Tiere  und  waren  nach  Fixation  mit  Alkohol  und  mit 
wässrigen  Fixationslösungen,  in  Gefrierschnitten  wie  nach  Einbettung 
in  Paraffin,  Zelloidin,  Zelloidin-Paraffin  nachzuweisen;  sie  waren 
gegen  das  Auswaschen  in  fliessendem  Wasser  ebenso  unempfindlich, 
wie  gegen  die  Entwässerung  im  Alkohol  und  die  Nachbehandlung 
mit  Chloroform.  Sie  färbten  sich  mit  Methylgriin-Pyronin  und 
B  i  o  n  d  i  scher  Lösung  wie  die  Nukleolen,  gaben  nach  Eisenhäma- 
toxylin-  und  nach  Safraninfärbung  die  Farbe  beim  Differenzieren 
etwas  früher  ab  als  das  Chromatin  und  nahmen  nach  Hämalaun¬ 
färbung  einen  blassvioletten  Ton  an.  Dass  ihr  Auftreten  durch  Auto¬ 
lyse  bedingt  sein  könnte,  ist  auszuschliessen,  denn  die  Objekte  wurden 
sofort  fixiert  und  zeigten  bei  entsprechender  Behandlung  neben  den 
Tropfen  die  gegen  Autolyse  so  empfindlichen  Mitochondrien,  beim 
Salamander  als  feine  Fädchen.  Neben  den  homogenen  Tropfen  fanden 
sich  beim  Salamander  auch  vakuolisierte  (Ringgranula,  z.  B.  von 
R.  Krause  in  Axolotlleber  gefunden).  Diese  scheinen  sich  aus  den 
homogenen  Tropfen  zu  bilden.  Die  Tropfen  in  den  Leberzellen  von 
Säugetieren  unterscheiden  sich  von  denen  bei  Kaltblütern  durch  ihre 
der  geringeren  Grösse  der  Leberzellen  entsprechende  geringere 
Grösse. 

Es  handelt  sich  nach  dem  Verhalten  bei  Fixation,  Auswaschen, 
Nachbehandlung  etc.,  Färbung  sowie  nach  dem  Ausfall  der  M  i  1 1  o  n  - 
sehen  Reaktion  bei  Schnitten  der  Salamanderleber  (Färbung  der 
Tropfen  gelblichbraun  mit  einem  Stich  ins  Rötliche)  um  Eiweiss¬ 
strukturen.  Um  ihre  Bedeutung  klarzulegen,  wurde  Salamandra 
maculosa  seiner  grossen  Leberzellen  wegen  als  Material  gewählt. 
Die  fraglichen  Tropfen  fanden  sich  bei  frisch  gefangenen,  gut  ge¬ 
nährten  Tieren,  ln  der  Gefangenschaft  schwanden  sie  allmählich 
bei  den  hungernden  Tieren.  Die  vakuolisierten  Tropfen  persistierten 
länger.  Ein  Zusammenhang  mit  der  Nahrungsaufnahme  war  evident. 
Es  wurden  daher  im  Herbst  und  Frühjahr  eine  grosse  Anzahl  von 
Salamandern  monatelang  hungernd  gehalten,  bis  wiederholte  Stich¬ 
proben  die  Abwesenheit  der  homogenen  Tropfen  erwiesen.  Dann 
wurde  ein  Teil  der  Tiere  mit  Glykogen  oder  Traubenzucker  gefüttert. 
Es  traten  danach  keine  homogenen  Tropfen  auf.  Durch  Azetylphenyl- 
hydrazinvergiftung  wurde  die  Gallensekretion  vergrössert;  es  bil¬ 
deten  sich  in  den  Leberzellen  zahlreiche  feine  Granulationen,  aber 
keine  homogenen  Tropfen.  Wohl  aber  geschah  dies  nach  Füt¬ 
terung  mit  Kasein,  besonders  reichlich,  wenn  daneben  die  allein 
wirkungslosen  Kohlehydrate,  Glykogen  oder  Traubenzucker  gegeben 
wurden,  um  die  im  höchsten  Hungerzustand  befindlichen  Tiere  am 
sofortigen  Verbrauche  des  zugeführten  Eiweisses  zu  bewahren. 
Hervorzuheben  ist,  dass  bei  den  mit  Eiweiss  gefütterten  und  bei  den 
frischgefangen  untersuchten  Tieren  die  Kerne  eine  stärkere  Ansamm¬ 
lung  des  Chromatins  an  der  Innenfläche  der  Kernmembran  sowie  ein 
Fehlen  kleiner  wie  Chromatin  färbbarer  intranukleärer  Körnchen 
gegenüber  den  Kernen  bei  Hungertieren  aufwiesen. 

Die  fraglichen  homogenen  Tropfen  treten  demnach  spezifisch 
nach-  Eiweissfütterung  in  den  Leberzellen  auf.  Sie  bestehen  wie  er¬ 
örtert,  offenbar  aus  Eiweiss,  das  sich  aber  von  demjenigen,  aus 
welchem  das  Protoplasma  zusammengesetzt  ist,  morphologisch  unter¬ 
scheiden  lässt. 

Der  Versuch  einer  chemischen  Charakterisierung  scheint  in 
folgender  Weise  möglich:  Seit  A.  Fischer  wissen  wir,  dass  die 
Eiweisskörper  in  charakteristischer  Form  bei  Zusatz  von  Fällungs¬ 
mitteln  (z.  B.  Fixationslösungen)  ausfallen.  Serumalbumin,  Serum¬ 
globulin  und  andere  höhere  Eiweisskörper  fallen  als  feine  Gerinnsel, 
d.  h.  die  zuerst  auftretenden,  an  der  Grenze  mikroskopischer  Sicht¬ 
barkeit  stehenden  Tröpfchen  erstarren  sofort  und  legen  sich  an¬ 
einander.  Albumosen  und  Peptone  fallen  meist  in  Form  von 
Granulis,  d.  h.  die  entstehenden  Tröpfchen  verschmelzen  vor  dem 
Erstarren  zu  mikroskopisch  bequem  sichtbaren  Gebilden.  Diese 
Granula  können  sich  weiter  verändern,  zum  Schluss  zu  homogenen 
Tropfen  zerfliessen,  wie  G.  Wetze  1  und  Verf.  bei  Nukleinsäuren 
und  nukleinsaurem  Protamin  zeigten.  Wie  vom  Verf.  neu  vorgenom¬ 
mene  Untersuchungen  zeigten,  ist  das  morphologische  Verhalten  von 
Serumalbumin  und  Serumglobulin  sowie  von  einer  Reihe  von  Pep¬ 
tonen  und  Albumosen  bei  interkolloider  Ausfällung  (durch  Chon- 
droitinschwefelsäure  und  eine  Serie  von  Nukleinsäuren)  dasselbe 
wie  bei  der  Ausfällung  durch  Fixationsmittel,  d.  h.  die  Pepton-  und 
Albumosefällungen  bestanden  aus  Granulis.  Diese  Granula  zerflossen 
schnell  zu  Tropfen,  Serumalbumin  und  -globulin  fielen  als  Ge- 


106 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


rinnsei.  Danach  ist  es  möglich,  sich  die  Vorstellung  zu  bilden,  dass 
die  homogenen,  in  den  Leberzellen  nach  Eiweissfütterung  sich  bilden¬ 
den  Tropfen  nicht  aus  Serumalbumin  oder  -globulin,  sondern  aus 
niederen  Eiweisskörpern,  bis  zu  den  Albumosen  herauf  bestehen. 
Dass  diese  bei  der  Fixation  oder  Nachbehandlung  ausgefällt  sein 
sollten,  ist  nach  dem  gleichartigen  Verhalten  bei  verschiedener  Be¬ 
handlung  auszusehliessen.  Es  scheint  die  Annahme  berechtigt,  dass 
die  Tropfen  durch  interkolloidale  Ausfüllung  intra  vitam  entstanden 
sind.  Eine  solche  könnte  durch  Abgabe  von  Nukleinsäure  seitens  der 
Kerne  bewirkt  werden,  wofür  die  gefundene  Veränderung  des 
Chromatins  sprechen  könnte,  oder  ab  r,  worauf  Prof.  Hofmeister 
den  Verf.  aufmerksam  machte,  durch  Anwesenheit  von  Chondroitin- 
schwefelsäure  im  Protoplasma.  Auf  jeden  Fall  scheint  eine  Be¬ 
teiligung  der  Leber  bei  der  Eiweissaufnahme  nachgewiesen  zu  sein. 


Würzburger  Aerzteabend. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  8.  Oktober  1912. 

Herr  Gerhardt  demonstriert: 

1.  Eine  52  jährige  Frau  mit  etwas  unsicher  fühlbarem  Carcinoma 
ventriculi.  Die  Röntgenuntersuchung  ergab  zwei  bemerkenswerte 
Momente:  Eine  deutliche  Schattenaussparung  an  der  kleinen  Kur¬ 
vatur  und  eine  auffallende  Beschleunigung  der  Magenentleerung. 
Diese  gesteigerte  Magenmotilität  hängt  sehr  wahrscheinlich  mit  dem 
Fehlen  der  Salzsäure  und  dem  dadurch  bedingten  Fehlen  des  reflek¬ 
torischen  Pylorusschlusses  zusammen. 

2.  54  jähriger  Mann  mit  ausgesprochener  Leberzirrhose. 
(Aszites,  Caput  medusae,  Blutbrechen,  Leber  nach  Punktion  deut¬ 
lich  fühlbar).  Pat.  wurde  4  mal  punktiert,  jedesmal  11 — 13  Liter  ent¬ 
leert.  Tägliche  Wägungen  ergeben,  dass  das  Körpergewicht  ganz 
gleichmässig  um  täglich  ca.  %  kg  zunahm;  ob  das  Abdomen  gefüllt 
oder  (nach  den  Punktionen)  leer  war,  hatte  auf  die  Flüssigkeits¬ 
retention  keinen  Einfluss. 

Tartarus.  Diuretin,  Digitalis,  Spez.  diureticae  blieben  ohne  jeden 
Einfluss.  Auf  Kalomel  erfolgte  aber  vom  4.  Tage  ab  reichliche 
Diurese,  das  Körpergewicht  fiel  nun  in  5  Tagen  um  4,2  kg,  um  dann 
allerdings,  als  wegen  beginnender  Stomatitis  die  Medikation  unter¬ 
brochen  werden  musste,  wieder  im  alten  Tempo  zu  steigen. 

3.  53  jähriger  Arbeiter  mit  chronischer  Nephritis,  wahrscheinlich 
breiter  weisser  Niere,  der  wegen  starken  universellen  Oedems  ins 
Spital  kam.  Da  alle  anderen  Mittel  versagten,  wurden  erst 
C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  sehe  Kapillartrokars  eingelegt,  dann  innerhalb  von 
3  Monaten  5  mal  breite  Skarifikation  vorgenommen.  Jedesmal 
folgte  bedeutende  Erleichterung.  Trotz  der  zahlreichen  Inzisions¬ 
wunden  und  der  erschwerenden  äusseren  Umstände  (Korpulenz, 
Oedem,  Unbeweglichkeit  des  Patienten)  kam  es  nirgends  zur  In¬ 
fektion  der  Wunden.  Die  Technik  war  die  an  der  Klinik  übliche: 
Die  Haut  wird  nicht  abgebürstet  oder  ausgiebig  desinfiziert,  sondern 
nur  einige  Stunden  vor  der  Skarifikation  mit  Ung.  argent.  colloidale 
eingerieben.  Dann  werden  die  Inzisionen  durch  die  Salbenschicht 
hindurch  angelegt  und  das  Ganze  steril  verbunden  und  auf  grosse 
Holzwollekissen  gelagert. 

4.  Eine  26  jährige  Patientin  mit  einer  merkwürdigen  Form  von 
Polyneuritis:  Parese  und  Atrophie  der  Muskeln  an  den  unteren,  in 
viel  geringerem  Grade  an  den  oberen  Extremitäten,  Par-  und  Hyp- 
ästhesieri  an  Füssen  und  Händen,  starke  Schmerzen  in  der  Kniegegend. 
Hiezu  kamen  nach  einer  Woche  Schmerzen  und  Schwellung  beider 
Kniegelenke,  und 'diese  Gelenkerkrankung  stand  einige  Wochen  im 
Vordergrund  des  Krankheitsbildes.  Die  Knie  gerieten  mehr  und  mehr 
in  Beugestellung  und  wurden  in  dieser  Lage  mehr  und  mehr  fixiert, 
wohl  mehr  durch  Retraktion  der  sehnigen  und  fibrösen  als  durch 
Muskelkontraktion.  Um  dauernder  Stellungsanomalie  vorzubeugen 
mussten  die  Knie  in  Narkose  gestreckt  werden. 

Solche  intensive  Beteiligung  der  Gelenke  bei  Polyneuritis  ist 
bekannt,  aber  ziemlich  selten. 

5.  29  jähriger  Landarbeiter  mit  Pseudotumor  cerebri.  Pat.  fiel 
vor  %  Jahr  von  einem  Baum  auf  den  Kopf,  war  nur  vorübergehend 
bewusstlos,  blutete  aber  aus  dem  rechten  Ohr.  Nach  8  Tagen  konnte 
er  wieder  arbeiten  und  blieb  beschwerdefrei  bis  vor  14  Tagen.  Seit¬ 
dem  starker  Stirn-  und  Hinterhauptschmerz,  besonders  rechts, 
Schwindel,  Abnahme  der  Sehschärfe,  zeitweise  Doppeltsehen,  zeit¬ 
weise  Parästhesien  in  der  rechten  Hand.  Neben  leichter  Parese  des 
rechten  Fazialis,  Steigerung  der  Reflexe  am  rechten  Bein,  Fehlen 
des  rechten  Bauchdeckenreflexes,  Schwanken  bei  Lidschluss  fand 
sich  beiderseits  Stauungspapille  (R  >  L);  Wassermann  negativ. 

Unter  Jodkali  und  grauer  Salbe  am  Nacken  leichte  Besserung, 
deutliche  prompte  Besserung  nach  Lumbalpunktion  (Liquor  klar, 
Druck  40).  Dann  wieder  langsame  Zunahme  der  Beschwerden,  nach 
einer  2.  und  3.  Lumbalpunktion  (Intervall  von  8  Tagen)  Druck  35 
und  30  mm;  dieselbe  prompte  Besserung,  dann  allmählicher  Rück¬ 
gang  aller  Symptome  inkl.  Stauungspapille  und  Amblyopie. 

Solche  erst  Wochen  oder  Monate  nach  Kopftraumen  einsetzende 
Meningitis  serosa  ist  besonders  von  Quincke  mehrfach  beschrieben. 

6.  15  jähriger  Rekonvaleszent  von  epidemischer  Meningitis. 
Der  Krankheitsverlauf  ist  interessant  durch  das  fast  völlige  Fehlen 
des  Erbrechens  (zuerst  3  Wochen  nach  Beginn)  und  durch  das  lange 
septische,  an  Malaria  erinnernde  Nachfieber. 


7.  28  jährige  Patientin  mit  typischer  Adipositas  dolorosa. 

(Körpergewicht  97,5  kg.)  Dieser  Zustand  entwickelte  sich  innerhalb 
weniger  Wochen  im  17.  Lebensjahr,  zu  der  Zeit  als  die  Patientin 
zuerst  menstruiert  wurde.  Menses  seither  unregelmässig,  selten. 
Für  diese  Erklärung  dieser  Kombination  von  Adiposita.s  und  Zurück¬ 
bleiben  der  Genitalfunktion  kommen  Störungen  der  1  hyreoidea  (sie 
ist  bei  der  Patientin  nicht  zu  fühlen)  und  der  Hypophyse  in  Betracht, 
und  es  ist  bemerkenswert,  dass  sich  bei  einigen  älteren  Fällen  von 
Adipositas  dolorosa  bei  der  Sektion  ein,  damals  nicht  weiter  ge¬ 
würdigter.  Hypophysentumor  fand.  ^ 

8.  42  jähriger  Patient,  der  wegen  Angina  pectoris  ins  Spital  kam 
und  deutliche  Symptome  von  gut  kompensierter  Aorteninsuffizienz 
hat.  Trotzdem  die  Angabe,  dass  er  vor  20  Jahren  einen  3  Monate 
dauernden  Gelenkrheumatismus  überstanden  hat,  an  rheumatische 
Natur  des  Vitiums  denken  Hess,  wies  doch  die  Wassermannreaktion 
des  Blutes  bei  ihm,  wie  bei  vielen  scheinbar  rheumatischen  Aorten¬ 
insuffizienzfällen,  auf  luetische  Aetiologie  hin.  Deutliche  Besserung 
unter  Jodkali. 

9. 44  jähriger  Patient  mit  Steinhauerlunge,  die  sich  auskultatorisch 
nur  durch  spärliches  mittelblasiges  Rasseln  über  den  unteren  1  eilen 
des  linken  Oberlappens,  im  Röntgenbild  durch  typische  „schrotkorn¬ 
artige“  herdförmige  Schatten  kennzeichnet. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  8.  Januar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Michael  Cohn:  Sporadischer  Kretinismus  bei  Ge¬ 
schwistern.  ,  .  . 

Eines  der  Kinder  hatte  der  Vortr.  schon  früher  einmal  der 
Gesellschaft  vorgestellt.  Eines  der  späteren  Kinder  war  normal,  das  ■ 
heute  vorgestellte  Kind  ist  wieder  partiell  Kretin. 

Tagesordnung:  ..  ... 

Herr  Huber:  Ueber  Blutveränderungen  bei  hämolytischem 

Ikterus. 

Es  handelt  sich  bei  dem  Krankheitsbild  um  einen  jahrelang  be¬ 
stehenden  chronischen  Ikterus,  der  ohne  schwerere  Störungen  ver¬ 
läuft.  Hierbei  zeigt  das  Blut  wesentliche  Veränderungen,  die  Erythro¬ 
zyten  zeigen  Basophilie  und  andere  Zeichen  der  Jugendlichkeit,  die 
oft  den  bei  perniziöser  Anämie  beobachteten  sehr  gleichen. 

Freies  Hämoglobin  im  Serum  kann  von  Blutkörperchen  auf¬ 
genommen  werden.  Der  Ikterus  war  intra  vitam  erworben.  Im  Urin 
war  kein  Bilirubin,  nur  Urobilin.  Es  fanden  sich  zwei  neue  (bisher 
nicht  beschriebene)  Einschlüsse  in  den  roten  Blutkörperchen  bei 
May-Giemsa-Färbung.  Sie  hängen  teils  mit  dem  Kern  zusammen, 
teils  handelt  es  sich  um  die  Vermehrung  basoplasmatischer  Substanz 
in  den  Erythrozyten.  Sie  scheinen,  wenn  auch  vereinzelt,  bei  allen 
Fällen  von  hämolytischem  Ikterus  vorzukommen.  Sie  sind  als  Zeichen 
lebhaften  Regenerationsvermögens  aufzufassen. 

Diese  kompensatorischen  Einrichtungen  sind  die  Ursache,  dass 
die  Patientin  so  lange  Zeit  ohne  Beschwerden  bleibt.  Den  Milztumor 
hielt  man  lange  Zeit  für  sekundär,  dass  spodogen  (durch  Schlacken) 
die  Milzschwellung  eintrete.  Doch  zeigen  Erfolge  bei  Milzexstir¬ 
pation,  dass  eine  andere  Auffassung  möglich  ist. 

Bilirubin  findet  sich  im  Blute,  Urobilin  im  Urin. 

Diskussion:  Herr  Mosse:  In  2  Fällen  von  L  o  m  m  e  1 
war  keine  Verminderung  der  osmotischen  Resistenz  der  Erythrozyten 
bei  hämolytischem  Ikterus  vorhanden.  Redner  stellt  einen  Fall  vor 
Es  besteht  Milztumor.  Differentialdiagnostisch  kommt  die  perniziöse 
Anämie,  ferner  die  Gilbert  sehe  Cholämie  in  Betracht,  schliess¬ 
lich  die  Ban  tische  Krankheit  und  die  Polyzythämie. 

Herr  Axhausen:  Ueber  das  Wesen  der  Arthritis  deformans 

Die  verschiedenen  Theorien  haben  keine  befriedigende  Auf¬ 
klärung  gebracht.  Das  statische  Missverhältnis  kann  nicht  alleil 
als  die  Grundlage  des  Krankheitsbildes  angesehen  werden.  Vortr 
betrachtet  die  Knorpelnekrosen  als  primäre  Ursache,  die  zu  reaktive! 
Veränderungen  in  der  Umgebung  derselben  führt.  Die  Statik  be¬ 
stimmt  nur  die  äussere  Form.  Vortr.  schildert  Versuche  mit  homo 
plastischer  Transplantation  und  weitere  Versuche,  in  denen  er  durcl 
Elektrolyse  am  gesunden  Gelenkknorpel  eine  partielle  Nekrotisierum 
erzeugte.  Da  auf  diese  Weise  der  ganze  Ablauf  des  histologischei 
Bildes  der  Arthritis  deformans  zu  erzeugen  war,  so  dürften  du 
Knorpelnekrosen  als  die  ursprünglich  auslösende  Ursache  der  Arthii 
tis  deformans  anzusehen  sein.  Vortr.  demonstriert  eine  grosse  An 
zahl  von  Diapositiven  nach  mikrophotographischen  Aufnahmen  voi 
Fällen  von  Arthritis  deformans  und  von  Material  aus  den  ober 
geschilderten  Versuchen,  das  als  beweisend  anzusehen  ist.  Di 
Arthritis  deformans  dürfte  dadurch  zu  erklären  sein,  dass  das  au 
Diffusionsernährung  angewiesene  Knorpelgewebe  im  Alter  durch  Er 
nährungsstörungen  nekrotisch  wird. 

Diskussion:  Herr  v.  Hansemann  weist  darauf  hin,  das 
unter  Arthritis  deformans  sehr  verschiedene  Krankheitsbilder  zu 
sammengefasst  werden.  Dafür,  dass  die  Knorpelnekrosen  ebenso  wi 
die  Statik  nicht  das  ätiologische  Moment  darstellen  können,  da  di 
gleichen  Veränderungen  an  der  Innenfläche  des  Schädels  auftrete 
und  sich  schon  im  Neanderthal-  und  Höhlenbärscluideln  finden. 


1-4.  Januar  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


107 


Herr  Wollenberg  erwähnt  als  Bedenken  gegen  die  Ax- 
ha  usen  sehe  Auffassung,  dass  nach  Arthritis-deformans-Radikal- 
operationen  Rezidive  auftreten. 

Herr  Axhausen:  Schlusswort.  Wolff-Eisner. 


Wissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  6.  Dezember  1912. 

Herr  El  sehnig  und  Herr  R.  v.  Zeynek:  Zur  Catarakta 

nigra. 

Herr  Elschnig  sagt  einleitende  Worte  über  Katarakta  nigra, 
welche  unter  rund  1500  Fällen  extrahierter  Katarakten  an  der 
deutschen  Augenklinik  in  den  letzten  5  Jahren  ein  einziges  Mal  zur 
Beobachtung  gekommen  ist,  während  Catarakta  brunescens  in 
7  Fällen  beobachtet  wurde. 

Herr  Zeynek  bespricht  einleitend  die  verschiedenen  modernen 
Annahmen  über  die  Genese  pathologischer  Farbstoffe.  Die  beiden 
Linsen  der  Catarakta  nigra  waren  sehr  hart,  blätterten  sich  beim 
Zertrümmern  in  feine  Lamellen;  die  äusseren  Lamellen  waren  farblos, 
die  inneren  waren  in  ziemlich  scharfem  Uebergang  der  Färbung  gelb¬ 
braun  aber  durchsichtig,  worauf  auch  andere  Autoren  hinweisen.  Sie 
waren  vollkommen  klar  nach  Behandlung  mit  Glyzerin.  Mikro¬ 
skopische  Präparate  Hessen  keine  Pigmentkörnchen  nachweisen; 
dadurch  ist  wahrscheinlich  die  Annahme  von  Speciale  Cirin- 
c  i  o  n  e  und  von  d  e  1  Monte  entstanden,  dass  die  Färbung  der 
Catarakta  nigra  nur  auf  der  grösseren  Dichte  und  Sklerose  der  stark 
lichtbrechend  gewordenen  Linsenfasern  beruhe.  Es  Hess  sich  aber 
ein  brauner  Farbstoff  durch  Extraktion  mit  3  proz.  wässeriger  Lauge 
gewinnen,  während  normale  Linsen,  ebenso  die  ungefärbten  Schichten 
der  vorliegenden  Linsen,  bei  gleicher  Behandlung  ein  ungefärbtes 
Extrakt  lieferten.  Die  optischen  Qualitäten  des  Farbstoffs  wurden 
spektrophotometrisch  bestimmt,  es  wurden  mit  Sicherheit  Blutfarb¬ 
stoff  und  dessen  Zersetzungsprodukte  als  Ursache  der  Färbung  aus¬ 
geschlossen.  Dass  das  Farbstoffextrakt  die  diversen  Eiweiss¬ 
reaktionen  gibt,  ferner  dass  bei  der  Fällung  des  gelösten  Eiweisses 
der  Farbstoff  mit  herausfiel,  lässt  natürlich  keinen  Rückschluss  auf 
die  Natur  des  Farbstoffes  zu,  da  Eiweiss  durch  die  Lauge  für  jeden 
Fall  gelöst  wurde  und  die  flockigen  Fällungen  von  Eiweisskörpern 
viele  Farbstoffe  mitreissen.  Auf  Grund  verschiedener  Deduktionen 
wird  hypothetisch  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  hier  eine  farbige 
Veränderung  von  Eiweisskörpern  der  Linse  infolge  von  Ernährungs¬ 
störungen  und  „Verhornung“  (M  ö  r  n  e  r  s  Verhornungsansicht  vom 
Jahre  1894)  entstanden  sei. 

Herr  R,  v.  Jaksch:  Demonstration  eines  Falles  von  Myotonia 
congenita. 

Herr  Bardachzi:  Miliare  Tuberkulose  im  Röntgenbild. 

Vortr.  ist  der  Nachweis  von  miliarer  Lungentuberkulose  mittels 
des  Röntgenverfahrens  bereits  dreimal  gelungen.  Neben  schweren 
Veränderungen  infolge  chronischer  Tuberkulose  zeigten  sich  auf  der 
Platte  deutlich  die  miliaren  Knötchen,  besonders  klar  in  den  von 
chronischer  Tuberkulose  wenig  ergriffenen  Partien,  aber  auch  deut¬ 
lich  durch  die  infiltrierten  Abschnitte.  Das  Röntgenverfahren  ist 
in  solchen  Fällen  wertvoll  zur  sicheren  Stellung  der  Diagnose,  be¬ 
sonders  auch  bezüglich  des  Sitzes  und  der  Ausbreitung  des  miliaren 
Prozesses. 

Herr  Starkenstein:  Ueber  die  Pharmakologie  des  Atophans 
(nach  gemeinsamen  Versuchen  von  Starkenstein  und  Wie- 
c  h  o  w  s  k  i). 

Es  ergab  sich,  was  den  Purinstoffwechsel  betrifft,  dass  derselbe 
sowohl  beim  Menschen  als  auch  beim  Säugetier  unter  dem  Einfluss 
des  Atophans  eine  deutliche  Einschränkung  erfährt,  die  sich  beim 
Säugetier  in  einer  Herabsetzung  der  Allantoinausscheidung,  beim 
Menschen  in  einer  Herabsetzung  der  Harnsäureausscheidung  in  der 
Nachperiode  äussert.  Diese  Stoffwechselwirkung  des  Atophans  ist 
nicht  konstant.  Dies  hängt  vielleicht  zusammen  mit  dem  Schicksal 
des  Atophans  im  tierischen  Organismus,  das  nach  den  Untersuchungen 
Dohrns  kein  einheitliches  sein  soll.  Konstanter  und  sinnfälliger 
als  die  Stoffwechselwirkung  ist  eine  zweite  Wirkung  des  Atophans, 
die  auf  die  Harnsäureausscheidung.  Sie  beruht  auf  der  Fähigkeit 
des  Atophans,  eliminierend  auf  die  physiologischen  Harnsäuredepots 
beim  Menschen  zu  wirken.  Sind  diese  erschöpft,  dann  versagt  auch 
die  Atophanvvirkung  beim  Gesunden.  Beim  Gichtiker  dagegen  hält 
sie  länger  an,  da  sie  für  die  eliminierende  Wirkung  des  Atophans 
reichlich  Material  enthalten.  Ebenso  wie  Atophan  wirkt  auch  Kalzium 
hemmend  auf  die  Bildung  der  Purinstoffe,  was  sich  in  vivo  ebenso 
nachweisen  lässt  wie  in  vitro  im  überlebenden  Organe.  Durch 
gleichzeitige  Verabreichung  von  Kalzium  und  Atophan  kann  man  am 
Versuchstage  das  Plus  der  Atophan  Wirkung  und  das  Minus  der 
Kalziumwirkung  derart  ausgleichen,  dass  die  Harnsäureausscneidnng 
anscheinend  unverändert  ist.  Am  folgenden  Tage  dagegen  kom¬ 
binieren  sich  beide '  einschränkende  Wirkungen  und  so  konnte  bei 
einem  Gesunden  die  Harnsäureausscheidung  auf  6  cg  pro  die  herab¬ 
gesetzt  werden,  wohl  der  niedrigste  Harnsäurewert,  der  bei  einem 
Gesunden  gefunden  wurde.  Es  wurde  weiter  die  Pharmakologie  des 
Atophans  am  Frosch,  an  der  Maus,  an  der  Katze,  am  Hunde  und  am 
Kaninchen  studiert.  Im  allgemeinen  kommt  es  zu  leichten  Krämpfen 
und  Paresen.  Bei  Hunden  und  Katzen  ruft  es  ein  ganz  eigenartiges 


komatöses  Krankheitsbild  hervor.  Nach  intravenöser  Injektion 
(Kaninchen)  ruft  Atophan  zentrale  Reizung  des  Vagus-  und  Vaso¬ 
motorenzentrums  hervor,  dem  dann  Herabsetzung  der  zentralen 
Erregbarkeit  folgt.  Die  lähmende  Wirkung  des  Atophans  äussert 
sich  am  Atemzentrum,  in  der  Abnahme  des  Minutenatemvolumens, 
ferner  in  der  Aufhebung  der  Reaktion  nach  zentraler  Vagusreizung, 
in  der  Herabsetzung  der  Erstickungsreaktionen.  Weiterhin  tritt  nach 
Atophaninjektion  Miosis  auf,  die  auch  am  atropinisierten  Auge  noch 
in  Erscheinung  tritt,  aber  bald  wieder  verschwindet.  Die  zentral¬ 
lähmende  Wirkung  des  Atophans  kommt  weiterhin  noch  zum  Aus¬ 
druck  in  dessen  Fähigkeit,  die  zentral  ausgelösten  Glykosurien  vom 
Typus  der  Piqure-  und  Erstickungsglykosurie  zu  hemmen  oder 
deren  Auftreten  vollständig  zu  verhindern.  Atophan  wirkt  anti¬ 
pyretisch  und  antiphlogistisch.  Nach  subkutaner  Injektion  sinkt  beim 
Kaninchen  und  beim  Hunde  die  normale  Körpertemperatur  um  einige 
Grade.  Der  Eintritt  der  durch  Senfölinstallation  ins  Auge  bedingten 
schweren  Chymosis  kann  durch  vorherige  Atophaninjektion  beim 
Kaninchen  (0,5  g  subkutan  pro  kg  Tier  eine  Stunde  vorher)  voll¬ 
kommen  verhindert  werden.  Diese  entzündungshemmende  Wirkung 
des  Atophans,  die  sehr  manifest  und  konstant  eintritt,  ist  unabhängig 
von  der  temperaturherabsetzenden  Wirkung  des  Mittels  und  ist  nicht 
bedingt  durch  periphere  anästhetische  Wirkungen.  Ein  aus  dem 
Harn  nach  Atophangebrauch  dargestelltes  Abbauprodukt  hat  nicht 
mehr  die  Wirkungen  auf  den  Purinhaushalt,  wohl  aber  die  anti¬ 
phlogistische,  und  ruft  auch  die  beim  Atophan  nach  intravenöser 
Injektion  beobachteten  Erscheinungen  hervor.  Eine  auffallende 
Analogie  besteht  zwischen  der  Wirkung  des  Atophans  und  der  des 
Kalziums.  Beide  hemmen  den  Purinstoffwechsel  in  vivo  und  in  vitro, 
beide  setzen  die  'Temperatur  herab,  wirken  entzündungshemmend, 
rufen  nach  intravenöser  Injektion  Miosis  hervor  und  führen  bei  Hund 
und  Katze  zu  ähnlichen  Vergiftungsbildern  (Erbrechen,  zentrale 
Lähmungen).  Diese  Analogie  der  Wirkung  der  beiden  Stoffe  war 
Anlass  dafür,  auch  das  Kalzium  hinsichtlich  seiner  Hemmungswirkung 
auf  die  zentralen  Glykosurien  zu  prüfen.  Ein  derartiger  Versuch 
fiel  positiv  aus. 

Versammlung  am  11.  Dezember  1912. 

Herr  H.  E.  Hering:  Ueber  die  frequenzändernde  Wirkung  des 
Vagus,  Muskarin  und  Nikotin  auf  die  automatisch  schlagenden  Kam¬ 
mern  des  Säugetierherzens. 

Die  von  mir  1905  und  R  i  h  1  1906  angegebene  frequenzändernde 
W  irkung  des  Vagus  auf  die  automatisch  schlagenden  Kammern  des 
Säugetierherzens  ist  eine  zweifellose,  wenn  auch  geringere  als  auf 
die  supraventrikulären  Herzabschnitte.  Durchschneidet  man  zu  ihrem 
Nachweise  das  H  i  s  sehe  Bündel,  so  macht  man  gleichzeitig  viele 
Vagusfasern  funktionsunfähig.  Da  Muskarin  so  wirkt  wie  Vagus¬ 
reizung,  habe  ich  beim  Hund  nach  Biindeldurchschneidung  Muskarin 
injiziert.  Resultat:  Die  Vorhöfe  standen  still  und  die  automatisch 
schlagenden  Kammern  schlagen  noch  seltener,  z.  B.  um  7,5  Schläge 
pro  Minute  seltener  als  vor  der  Muskarinwirkung.  Die  Frequenz¬ 
herabsetzung  ist  stärker  als  bei  Reizung  eines  Vagus,  aber  von  der¬ 
selben  Grössenordnung.  Wie  bekannt  bewirkt  Nikotin  primär 
vorübergehend  eine  Verlangsamung,  bzw.  einen  Stillstand  des  Her¬ 
zens  durch  Reizung  jenes  Ortes,  wo  die  präganglionären  Vagus¬ 
fasern  zu  den  intrakardialen  Ganglienzellen  der  postganglionären 
Vagusfasern  in  Beziehung  treten.  Ich  legte  mir  die  Frage  vor,  ob 
solche  Ganglienzellen  auch  in  den  Kammern  des  Säugetier¬ 
herzens  vorhanden  sind.  Ich  durchschnitt  daher  das  Bündel  und  in¬ 
jizierte  Nikotin.  Resultat:  Die  Vorhöfe  standen  still,  während  die 
automatisch  schlagenden  Kammern  beschleunigt  schlagen,  z.  B.  um 
25  Schläge  pro  Minute  mehr  als  vor  der  Injektion;  ausserdem  schlagen 
die  Kammern  verstärkt. 

Schluss:  In  den  Kammern  des  Säugetierherzens  werden  die 
Vagusfasern  nicht  von  Ganglienzellen  unterbrochen.  (Autoreferat.) 

Herr  Hecht:  Demonstration  eines  Falles  von  Keratoma 
hereditarium  palmare  et  plantare. 

Herr  Fischer  und  Herr  Klausner:  Ueber  eine  Kutan¬ 
reaktion  bei  der  Lues. 

Fischer  ist  es  gelungen,  durch  Extraktion  von  Lungen  mit 
Pneumonia  alba  einen  wässerigen  Extrakt  herzustellen,  der,  wie 
Klausner  nachgewiesen  hat,  ausschliesslich  bei  tertiärer  Lues 
innerhalb  24 — 48  Stunden  eine  sehr  prägnante  Kutanreaktion  gibt, 
während  normale  und  anderweitig  kranke  Individuen  keinerlei  Haut¬ 
erscheinungen  an  der  Impfstelle  aufweisen.  (Nähere  Daten  folgen 
in  der  Originalarbeit.) 

Herr  O.  Fischer:  Ueber  das  zytologische  Verhalten  der 
Zerebrospinalflüssigkeit  bei  der  tuberkulösen  Meningitis. 

Vor  längerer  Zeit  hat  F.  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der 
Liquor  bei  der  Paralyse  die  darin  enthaltenen  Zellelemente  sehr 
stark  schädigt  und  schon  nach  kürzerer  Zeit  auflöst;  so  gibt  es  Fälle, 
in  deren  Liquor  die  Zeilenzahl  schon  nach  einer  Stunde  sich  um 
50  Proz.,  ja  noch  mehr  vermindert.  F.  empfahl  deswegen,  dem  frisch 
entleerten  Liquor  etwas  Formol  zuzusetzen;  dann  werden  die  Zellen 
fixiert  und  nicht  mehr  aufgelöst;  überdies  kann  man  in  dem  fixierten 
Liquor  die  Zellen  viel  besser  färben  als  im  unfixierten.  Auf  diese 
Weise  konnte  er  als  erster  die  Anwesenheit  von  Plasmazellen  im 
paralytischen  Liquor  feststellen. 

Bei  der  tuberkulösen  Meningitis  fand  F.  in  allen  Fällen  sehr 
reichliche  polynukleäre  Leukozyten  und  zwar  schwankt  der  Gehalt 


108 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


an  Polynukleären  zwischen  25 — 85  Proz.,  trotzdem  in  der  Literatur 
die  Angabe  sich  findet,  dass  sich  hiebei  nur  Lymphozyten  vorfinden. 
Diese  Angaben  der  Literatur  entspringen  einer  falschen  Technik. 
Wenn  man  nämlich  Liquor  von  einer  tuberkulösen  Meningitis  sofort 
zentrifugiert  und  unfixiert  verarbeitet,  so  findet  man  bereits  weniger 
Polynukleäre  als  beim  fixierten.  Lässt  man  den  unfixierten  Liquor 
aber  längere  Zeit  stehen  (besonders  wenn  man  mit  Methylenblau 
färbt),  so  verschwinden  in  vielen  Fällen  die  Polynukleären  schon 
nach  3  Stunden  und  man  bekommt  das  Bild  einer  mononukleären 
Lymphozytose,  wobei  die  Zellen  auch  quantitativ  vermindert  sind. 
Die  „Lymphozytose“  bei  tuberkulöser  Meningitis  ist  ein  Kunst¬ 
produkt,  hervorgerufen  durch  die  Zellenschädigung  des  Liquors 
selbst.  (Demonstration  an  Autochrom-Mikrophotogrammen.) 

R  o  t  k  y  -  Prag. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  19.  Dezember  1912. 

A.  v.  Decastello  demonstriert  einen  61  jähr.  Mann  mit 
Karzinomatose  des  Knochensystems. 

Es  handelt  sich  um  ein  abnorm  verspätetes  Einsetzen  von  mul¬ 
tiplen  Knochenmetastasen  nach  Mammakarzinom.  Merkwürdig  ist 
das  attackenweise  Auftreten  von  Schmerzen,  welche  wahrscheinlich 
mit  einer  Dissemination  der  Geschwulstkeime  Zusammenhängen. 

H.  Schlesinger  stellt  einen  Fall  von  akuter  syphilitischer 
Bulbärparalyse  vor.  Der  31  jähr.  Kranke  hat  vor  4  Jahren  Lues 
überstanden  und  zeigte  seither  keine  Krankheitserscheinungen.  Am 
Tage  vor  dem  Spitalseinti  itt  erkrankte  er  plötzlich  unter  dem  Bilde 
einer  akuten  Bulbärparalyse:  Unmöglichkeit  zu  schlucken,  Regurgi¬ 
tation  von  Getränken  durch  die  Nase,  äusserst  erschwertes  Sprechen 
bulbärer  Art,  fortwährender  Hustenreiz  durch  Speichel.'  welcher  in 
den  Kehlkopf  eindrang,  Fehlen  der  Schlundreflexe,  Verlust  der  Mo¬ 
tilität  des  Gaumens  und  der  hinteren  Rachenwand  neben  Fazialis¬ 
parese  bildeten  die  hervorstechendsten  Erscheinungen.  In  den  ersten 
Tagen  war  auch  ein  sehr  intensiver  Trismus  vorhanden.  Das  Sen- 
sorium  war  frei.  Im  Gesichte  hatte  Patient  Ulzerationen,  welche  den 
Eindruck  von  Hautgummen  hervorriefen.  Trotz  negativer  Wasser¬ 
mann  scher  Reaktion  wurde  eine  energische  antiluetische  Behand¬ 
lung  eingeleitet,  welche  auch  von  Erfolg  gekrönt  war.  Der  Kranke 
konnte  eine  Woche  später  wieder  gut  schlucken  und  alle  anderen 
Lähmungserscheinungen  gingen  zurück.  Auch  jetzt  ist  die  Was¬ 
sermann  sehe  Reaktion  negativ. 

H.  Schlesinger  führt  ferner  einen  20 jähr.  Mann  mit  Rutni- 
natio  htimana  und  Fehlen  der  meisten  Sehnen-  und  Hautreflexe  vor. 
Der  Patient  war  wegen  hysterischer  Beschwerden  ins  Krankenhaus 
eingetreten.  Die  Untersuchung  ergab,  dass  er  seit  Vi  Jahre  ruminiere, 
aber  nicht  nach  jeder  Mahlzeit,  er  kaute  auch  nicht  alle  Speisen 
wieder.  Er  klagte  über  ein  globusartiges  Gefühl  im  Halse.  Die  Unter¬ 
suchung  ergab  Fehlen  der  Rachenreflexe  und  ein  starkes  Vorspringeu 
des  3.  Halswirbels  nach  innen.  Vielleicht  sass  in  dieser  Gegend  eine 
Verletzung,  welche  einen  Spasmus  des  Oesophagus  hervorrief.  Bei 
dem  Pat.  fehlen  alle  Sehnen-  und  Periostreflexe.  Die  Untersuchung 
des  Nervensystems  ergibt  sonst  keinen  Anhaltspunkt  für  einen  ana¬ 
tomischen  Prozess.  Das  Fehlen  der  Reflexe  dürfte  auf  einer  degenera- 
tiven  Veranlagung  des  Kranken  beruhen. 

H.  Pollitzer  demonstriert  das  anatomische  Präparat  einer 
idiopathischen  spindelförmigen  Erweiterung  des  Oesophagus.  Das¬ 
selbe  stammt  von  einer  67  jähr.  Frau,  welche  vor  30  Jahren  zum 
ersten  Male  einen  Tag  hindurch  nicht  schlucken  konnte.  Später 
wiederhohen  sich  diese  Anfälle.  Bei  der  letzten  Attacke  wurde  eine 
Jejunostomie  vorgenommen.  Pat.  starb  jedoch  bald  an  Inanition. 
Bei  der  Obduktion  fand  man  eine  schon  im  Leben  diagnostizierte 
spindelförmige  Erweiterung  des  Oesophagus,  in  welchem  ausserdem 
noch  zwei  Traktionsdivertikel  sassen;  die  Kardia  war  nicht  hyper¬ 
trophisch,  dagegen  war  dies  bei  dem  nicht  erweiterten  Oesophagus- 
teil  der  Fall.  Der  Vagus  war  von  vergösserten  Drüsen  eingeklemmt. 
Es  ist  die  Annahme  gerechtfertigt,  dass  die  Kompression  des  Vagus 
zu  den  Anfällen  geführt  hat,  während  welcher  Pat.  nicht  schlucken 
konnte,  und  dass  sich  infolge  Parese  der  für  den  Oesophagus  be¬ 
stimmten  Vagusäste  eine  Atonie  der  Speiseröhre  ausgebildet  hat.  Bei 
Tierversuchen  hat  es  sich  gezeigt,  dass  der  Ausfall  der  ösophagealen 
und  gastrointestinalen  Aeste  des  Vagus  deletär  wirkt  und  dass  die 
Tiere  dabei  gegen  Infektionen  wenig  widerstandsfähig  sind. 

Fr.  T  e  d  e  s  k  o  demonstriert  den  Apparat  \on  Jacobaeus  zur 
Abdominal-  und  Thoraxendoskopie. 

Er  ist  dem  Prinzipe  nach  ein  gerades  Zvstoskop  von  16  Charriere 
Dicke,  welches  ein  aufrechtes  Bild  gibt.  Es  wird  durch  eine  Punk¬ 
tionsöffnung  in  den  Thorax  oder  in  die  Bauchhöhle  eingeführt.  Der 
Troikart  ist  mit  einem  Ventil  versehen.  Vortr.  hat  einen  modifizierten 
Apparat  anfertigen  lassen,  welcher  zerlegt  und  leicht  gereinigt  wer¬ 
den  kann.  Die  Punktion  wird  nach  lokaler  Anästhesierung  vorge¬ 
nommen.  Die  Endoskopie  des  Thorax  ist  nur  bei  einem  Flüssigkeits¬ 
erguss  in  die  Pleurahöhle  oder  bei  Pneumothorax  gestattet,  ebenso 
wurde  die  Besichtigung  der  Bauchhöhle  nur  bei  Aszites  vorgenommen. 
Jacobaeus  ermöglicht  die  Endoskopie  der  Bauchhöhle  auch  durch 
Einblasen  von  Luft.  Das  Verfahren  hat  die  Bestimmung,  die  Probe¬ 
laparotomie  zu  ersetzen. 


In  der  Diskussion  erinnert  H.  Salomo  n  an  einen  von 
ihm  vor  8  Jahren  angegebenen  Apparat,  welcher  die  Probelaparo¬ 
tomie  entbehrlich  machen  sollte.  —  G.  Singer  äussert  Bedenken, 
zu  diagnostischen  Zwecken  Luft  in  die  Bauchhöhle  einzublasen,  da 
mit  ihr  auch  Infektionskeime  verschleppt  werden  könnten.  Auch 
könne  das  Zystoskop  nicht  exakt  sterilisiert  werden.  — -  H.  Schle¬ 
singer  hält  den  Eingriff  nach  seinen  Erfahrungen  bei  der  Thorako- 
und  Laparoskopie  für  gefahrlos,  das  Verfahren  sei  ein  wichtiges  neues 
Untersuchungsmittel.  —  Auch  W.  Fromm  owicz  kann  berichten, 
dass  das  Verfahren  auf  der  Abteilung  Sternbergs  in  5  Fällen, 
bei  welchen  Luft  in  die  Bauchhöhle  eingeblasen  wurde,  ohne  In¬ 
fektion  zur  Anwendung  kam.  Das  Zystoskop  wird  in  Formol- 
dämpfen  sterilisiert.  —  Auch  Fr.  T  e  d  e  s  k  o  spricht  in  demselben 
Sinne. 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzungen  vom  13.  und  20.  Dezember  1912. 

Privatdozent  Dr.  Karl  Ullmann:  Zur  Frage  der  Parasitotropie 
und  Toxizität  des  Salvarsans  und  Neosalvarsans.  (Zwei  Vorträge 
mit  Demonstration  von  Lichtbildern  und  histologischen  Präparaten.) 

Ankniipfend  an  seinen  im  Juni  191 1  in  der  Gesellschaft  der  Aerzte 
gehaltenen  "Vortrag  über  die  Ausscheidungs-  und  Remanenzverhält¬ 
nisse  des  Arsens  nach  Salvarsanapplikationen  verschiedener  Art  im 
menschlichen  und  tierischen  Organismus,  der  eben  erst  im  Archiv  für 
Dermatologie  erschienen  ist  (Bd.  114,  Heft  2)  —  siehe  ferner  Wiener 
klinische  Wochenschrift  1912,  No.  4  —  erörtert  der  Vortragende  dies¬ 
mal  die  Ergebnisse  seiner  weiteren  Untersuchungen  des  letzten  Jahres. 

Er  berichtet  über  seine  Versuche,  die  er  im  Institute  für  experimentelle 
Pathologie  Hofrat  P  a  1 1  a  u  f  durchgeführt,  soweit  sich  dieselben  auf 
die  Frage  der  Parasitotropie  als  Lichtseite  der  organischen 
Arsentherapie,  sowie  auf  die  Toxizität  der  beiden  gebräuchlichen 
Salvarsanpräparate  beziehen.  Nach  Darstellung  aller  bisher  er¬ 
brachten  klinischen,  biologischen  und  tierexperimentellen  Tatsachen, 
welche  die  spezifisch  spirillozide  Wirkung  des  Dioxydiamidoarseno- 
benzols,  auch  des  Neosalvarsans  und  auch  anderer  organischer  Arsen¬ 
präparate  schon  indirekt  erwiesen  haben,  schildert  Redner  seine 
eigenen  biologischen  Versuche  an  mit  Rekurrensspirochäten  und  Na- 
ganaparasiten  infizierten  Ratten  und  Mäusen.  Letztere  zeigen  die 
rasch  abtötende  Wirkung  des  Neosalvarsans  in  \'A  proz.  wässeriger 
Solution  auf  in  die  Bauchhöhle  deponierte,  vollvirulente  Parasiten  j 
schon  in  kürzester  Zeit  (20—40  Minuten)  und  zwar  ohne  Mitwirkung 
von  Immunkörpern,  lediglich  durch  den  Kontakt  mit  dem  Heilmittel,  j 
Redner  schildert  weiter  den  Gang  und  die  Ergebnisse  mehrfacher  ! 
Versuchsreihen,  aus  welchen  die  direkte  Verankerung  eines 
Arsenrestes  mit  den  Parasitenleibern  eindeutig  und  stets  in 
gleicher  Weise  hervorgeht,  soweit  es  sich  um  Organteile  oder 
um  Blut-  und  Eiterbestandteile,  Entzündungsprodukte  handelte, 
die  nachweislich  Spirochäten  oder  Spirillen  verschiedener  Art  ent¬ 
hielten.  Er  weist  andererseits  auf  eine  grössere  Anzahl  analoger 
Untersuchungen,  aber  mit  gänzlich  negativem  Resultate  einer  Arsen¬ 
bindung  hin,  soweit  es  sich  um  Blutbestandteile  oder  Entzündungs¬ 
produkte  nichtspirillogenen  Ursprungs  handelt.  An  Licht¬ 
bildern  demonstriert  Redner  die  Apparate,  den  Untersuchungsgang 
und  auch  die  jeweils  gefundenen  As-Spiegel,  welche  er  hiezu  in  den 
Kapillarröhrchen  im  durchfallenden  Lichte  photographisch  fixiert  hatte. 
Somit  sei  auch,  die  direkte  Parasitotropie  im  Sinne  E  h  r  1  i  c  h  s  für 
spirillogene,  pathologische  Gewebsprodukte  als  erwiesen  anzusehen. 
Redner  weist  darauf  hin,»  dass  es  aber  doch  noch  notwendig  sei, 
auch  die  Unterschiede,  speziell  zwischen  der  Arsenbindung  an 
spirochätenreiche  Produkte,  wie  Primäraffekte,  und  der 
an  spirochätenarme,  luetische  Gewebsprodukte,  wie  z.  B. 
alten  Gummen,  zu  erweisen,  um  den  allfälligen  Einwand  zu  entkräften, 
„es  seien  gar  nicht  die  Parasiten  der  Lues  selbst,  sondern  das 
spezifisch  luetische  Infiltrat,  das  Arsen  binde  und  sich 
so  nur  anders  verhalte  als  andere  chronisch  entzündliche,  z.  B. 
evident  tuberkulöse  und  tuberkuloseparasitenhaltige  Infiltrate“,  welche 
letztere  unter  Salvarsanbehandlung  niemals  Arsen  binden.  Wohl 
wäre  die  von  ihm  angewendete  chemische  Methode  hiezu  gewiss 
völlig  ausreichend,  doch  habe  es  ihm  bisher  an  geeigneten  luetischen 
Gewebsprodukten  zur  Exzision  gemangelt.  Sowohl  diese  Ergänzung 
als  auch  die  Wiederholung  solcher  Arsenbindungsversuche  mit  adä¬ 
quaten  Mengen  des  zur  Behandlung  verwendeten  anorganischen 
Arsens,  endlich  die  analogen  Versuchsreihen  zwischen  organischen 
und  anorganischen  Hg-Präparaten,  speziell  bei  Luesprodukten,  diese 
Versuche  alle  zusammen  würden  imstande  sein,  die  Bedeutung  der 
nun  bewiesenen  direkten  Verankerung  zwischen  Heilmittel  und  Parasit 
ins  richtige  Licht  zu  stellen,  das  heisst  zu  erweisen,  ob  diese  zweifel¬ 
lose  Lichtseite  der  Salvarsanwirkung  nur  diesem  und  der  Reihe  der 
organischen  Arsenpräparate  ausschliesslich  oder  doch  wesentlich 
stärker  beizumessen  ist,  als  den  anderen  bisher  gebrauchten  oder 
theoretisch  konstruierten  Heilpräparaten.  #  >j 

In  seinem  zweiten  Vortrag  geht  der  Redner  nunmehr  auf  die 
mannigfachen  Schattenseiten  der  organischen  As-Therapie, 
speziell  der  modernen,  allgemein  geübten,  mit  Salvarsan  und  Neo- 
salvarsan  ein.  Ausgehend  von  seinen  Versuchen,  durch  intensive 
wiederholte  Behandlung  auf  intravenösem  Wege  in  tierischen  Organen 
verschiedener  Tierspezies  möglichst  viel  Salvarsan  bezw.  Arsen  zu 
speichern,  um  dieses  dort  selbst  nicht  nur  chemisch,  sondern  auch 
histologisch  nachzuweisen,  geht  der  Redner  auf  die  Ergebnisse 
der  unter  sehr  verschiedenen  Verhältnissen  erfolgten  Speicherungs- 


14.  Januar  1912. 


MUF.NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


109 


Krossen  ein,  die  er  ebenfalls,  an  Diapositiven  von  Arsenspiegeln  aus 
den  verschiedenen  Organen  ein  und  desselben  Tieres  gewonnen,  in 
Lichtbildern  demonstriert.  Er  kommt  dabei  zu  verschiedenen  u.  zw. 
zum  Teile  neuen,  d.  i.  bisher  nicht  erbrachten  Tatsachen,  insbesondere 
was  die  Arsenbindung  bei  sehr  intensiver  und  wieder¬ 
holter  venöser  Einfuhr  bei  Tieren  betrifft,  sowohl  bei  solchen,  die 
dabei  anscheinend  gesund,  als  auch  bei  solchen,  die  darunter  schon 
deutlich  klinisch  erkrankt  waren.  Er  fand  hiebei  auch  hier  die 
weitere  Bestätigung  zu  seinen  früheren  negativen  Arsenbefunden  im 
Gehirn  und  Rückenmark  (siehe  auch  Münch,  med.  Wochenschr.  1911, 
No.  25,  Seite  1378)  von  mit  medizinellen  Dosen  venös  und'  auch 
intensiv,  aber  intramuskulär  behandelten  Tieren.  Hingegen  fand  er 
wiederholt  deutliche  und  grössere  Mengen  von  Arsen  im  Bulbus  in 
toto.  Weitere  Untersuchungen  ergaben  ihm,  dass  das  Maximum  der 
Arsenspeicherung  innerhalb  der  Bulbusbestandteile  selbst  in  präg¬ 
nanter  Form  im  Nervus  opticus  sowie  in  der  R  e  t  i  n  a,  nicht 
aber,  wie  er  erwartete,  in  den  gefässreichen  Partien,  z.  B.  Iris  und 
Uvea,  auch  nicht  im  Humor  aqueus  oder  in  den  muskulären  oder 
retrobulbären  Gebilden  stattfinde.  Der  Vortragende  erklärt  sich  diese 
Differenz  der  Arsenbindung  in  einer  viel  grösseren,  vielleicht  spe¬ 
zifischen  Affinität  gewisser  hochentwickelter  Nervenzellen 
und  Endausbreitungen  zum  Arsen  gegenüber  der  der  grossen  Hirn- 
masse,  wahrscheinlich  auch  in  den  etwas  verschiedenen  Verhältnissen 
der  Zirkulation  und  Saftströmung.  Inwieweit  die  Endausbreitungen 
des  Akustikus  ebenfalls  stärker  arsenbindend  seien,  musste  Vortr. 
wegen  Schwierigkeiten  der  Versuchsbedingungen,  Isolierung  der 
feinen  Nervenäste,  Kochlearis,  Vestibularis  etc.  durch  Präparation, 
vorläufig  noch  offen  lassen. 

Obwohl  die  den  zuständigen  Fachinstituten  zum  Zwecke  der 
feineren  histologischen  Untersuchung  überwiesenen  Kontrollorgane 
der  jeweilig  anderen  Seite,  Bulbus  und  Felsenbein,  noch  nicht  voll¬ 
ständig  untersucht  werden  konnten  und  bis  heute  nur  die  Ergebnisse 
der  an  acht  Tieren  systematisch  vorgenommenen  Hirnuntersuchungen 
vorliegen,  glaubt  der  Redner  dennoch  schon  jetzt  auf  die  erwähnte 
Differenz  der  Arsenbindung  in  verschiedenen  Teilen  des  Nerven¬ 
systems  hinweisen  zu  müssen,  insoferne  schon  diese  Tatsache  eine 
innige  Beziehung  zwischen  dem  Zustandekommen  der  sog.  luetischen 
Neurorezidive  und  Neuritiden  peripherer  Nerven  vermuten  lässt. 
Freilich  könne  erst  das  Ergebnis  einer  genauen  histologischen  Unter¬ 
suchung  entscheiden,  ob  die  gefundene  Arsenspeicherung  auch  zu 
einer  Neurotropie  geführt  habe.  Arsenspeicherung  an  und  für  sich 
könne  ja  auch  ein  gutes  Zeichen  einer  Behandlung  darstellen.  Bei 
geringen  oder  mittleren  Dosen  und  kurzer  Behandlung  gelinge  es 
übrigens  nicht,  im  Bulbus  Arsen  nachzuweisen.  Histologisch 
fanden  sich  verschiedenartige  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  patho¬ 
logische  Veränderungen  in  der  L  e  b  e  r,  M  i  1  z,  N  i  e  r  e  und  G  e  h  i  r  n, 
jedoch  nur  bei  sehr  intensiv  und  maximal  behandelten  Tieren,  be¬ 
sonders  kurz  nach  der  Infusion.  Dieselben  ergaben  in  Gemeinschaft 
mit  den  gleichzeitig  und  stetig  durchgeführten  Arsennachweisen  in 
den  verschiedenen  Organen,  dass  in  Leber  und  Niere  pathologische 
Veränderungen  stets  mit  h  öh  e  r  e  n,  dortselbst  fixierten  Arsenwerten 
einhergingen. 

Von  Bedeutung  aber  sei  die  Tatsache,  dass  es  bei  allen 
daraufhin  untersuchten,  intravenös  maximal  behandelten  Versuchs¬ 
tieren  im  Bereiche  der  verschiedensten  Hirnprovinzen 
Veränderungen  an  den  zelligen  Strukturen  sowie  Gefässen  gab,  ohne 
dass  Arsen  jemals  mehr  als  dem  Blutgehalte  entsprach,  nachzuweisen 
war.  Diese  merkwürdige  Tatsache  zusammengehalten  mit  einer 
ganzen  Reihe  klinischer  und  auch  am  Tierexperiment  feststellbarer 
latsachen,  weise  darauf  hin,  dass  unabhängig  von  der  As-Wirkung, 
aber  speziell  nur  bei  venöser  Einfuhr,  eine  andere  Schädigung,  wahr¬ 
scheinlich  physikalischer  Natur,  vielleicht  doch  auch  chemischer 
(durch  die  Benzolkomponente)  auf  den  Gefässapparat  wirke.  Redner 
glaubt  dies  zur  Erklärung  der  bisher  durchaus  nicht  völlig  aufgeklärten 
und  durch  das  Vorhandensein  latenter  Lues  allein  schon  gar  nicht 
erklärbaren,  zum  Teile  letal  verlaufenden  Gehirnerscheinungen  bei 
Menschen  verwenden  zu  können.  An  den  histologischen  Präparaten 
von  Leber  und  Niere  seien  ebenfalls  nur  ausnahmsweise  die  Ver¬ 
änderungen  einer  deutlichen  Arsenvergiftung  (Verfettung  der  Paren¬ 
chymzellen)  zu  sehen,  so  dass  auch  hier  zweifellos  eine  andere,  viel- 
Richt  physikalische  Noxe  tätig  sei.  Uebrigens  seien  Versuche  zur 
Feststellung  der  Viskosität  des  Blutes  von  mit  Salvarsan  behandelten 
Heren  und  Menschen  im  Zuge.  Der  Vortragende  kommt  zu  dem 
Praktisch  wichtigen  Ergebnis:  Das  Salvarsan  ist  bei  intensiver  Dar¬ 
reichung  auf  intravenösem  Wege  auch  für  den  Tierleib  ein  organo- 
troper  Körper.  Das  Wesen  dieser  Organotropie  ist  nicht  identisch  mit 
Arsenwirkung  bezw.  Schädigung.  Auch  ohne  Syphilis  lassen  sich  am 
I  lerleib  durch  intensive  Behandlung  Gefäss-  und  Organveränderungen 
rzielen,  welche  mit  den,  an  nach  Salvarsanbehandlung  Obduzierten, 
n  deren  entsprechenden  Organen  gefundenen  Veränderungen  (Ence¬ 
phalitis  haemorrhagica)  gewisse  auffallende  Analogien  zeigen.  Daher 
warnt  Redner  schon  längst  und  auch  jetzt  vor  jeder  intensiven,  mit 
lohen  Dosen  und  oftmaliger  Wiederholung  durchgeführten  intra¬ 
venösen  Salvarsanbehandlung.  Die  ausführlichen  Mitteilungen  dieser 
mi  verschiedenen  Gebieten  sich  bewegenden  Arbeiten  erscheinen 
Jemnächst  in  ihrem  genetischen  Zusammenhänge  in  der  „Wiener 
klinischen  Wochenschrift“  übersichtlich  dargestellt  und  werden  auch 
n  ihren  einzelnen  Abschnitten  in  den  bezüglichen  Archiven  ver¬ 
öffentlicht. 


Verschiedenes. 

Die  geschäftsmässige  Begutachtung  von  Arzneimitteln  durch  Aerzte 

ist  in  den  letzten  Jahren  dank  der  Tätigkeit  der  Vereinigung  der 
med.  Fachpresse  ganz  erheblich  eingeschränkt  worden.  Von  Zeit  zu 
Zeit  tauchen  aber  doch  wieder  Aerzte  auf,  die  diese  ziemlich  mühe¬ 
lose  Art  des  Gelderwerbes  versuchen.  Eine  solche  neue  Erschei¬ 
nung  ist  Herr  Prof.  Dr.  med.  Ganz  vom  Eck,  Kgl.  Hofrat  in 
Nizza,  im  Sommer  angebl.  in  Baden-Baden.  Dieser  Herr  erbietet 
sich  chemisch-pharmazeutischen  Fabriken  zur  Ausarbeitung  von  Gut¬ 
achten,  medizinischen  Abhandlungen,  Broschüren  etc.  Seine  in  Nizza 
aufgenommene  Winterpraxis  biete  ihm  Gelegenheit  zur  Nachprüfung 
neuer  Produkte  und  lasse  ihm  genügend  Zeit,  sich  auch  literarisch 
zu  betätigen.  Neu  und  originell  an  dem  Vorgehen  dieses  Herrn  ist 
nun,  dass  er  seinen  Offerten  eine  förmliche  Preisliste  beifügt,  aus 
der  das  für  jede  einzelne  Form  seiner  Betätigung  beanspruchte 
Honorar  hervorgeht.  Wir  wollen  diesen  Tarif  unseren  Lesern  nicht 
vorenthalten: 


Prof.  med.  Dr.  Ganz  vom  Eck,  Hofrat, 

Nizza,  27  rue  de  la  Paix,  Baden-Baden. 
Gebührenordnung  für  medizinische  Gutachten,  Analysen,  literarische 

Arbeiten. 


1.  Medizinische  Gutachten  über  neue  pharm., 
ehern.,  hyg.,  kosm.  Präparate,  med.  Apparate 
und  Methoden  je  nach  Umfang 

2.  Med.  Gutachten  über  eingeführte  Artikel 

3.  Chemische  Analysen  —  Gutachten 

4.  Medizinische  Abhandlungen,  je  nach  Schwie¬ 
rigkeit  der  Materie  etc.,  für  die  Fachpresse 
oder  zur  Versendung  an  Aerzte,  je  nach  Um¬ 
fang,  pro  1Ü00  Worte 

5.  Propagandabroschüren 


Frs.  12.—  bis  25.— 
„  8.—  „  15.- 

„  10.—  „  20.— 


30.—  „  60.— 
20.—  „  40.— 


Besondere  Preisvereinbarung  Vorbehalten.  Soweit  nicht  be¬ 
sondere  Vereinbarungen  getroffen,  sind  die  Honorare  pränumerando 
zahlbar.  Erfüllungsort:  Winters:  Nizza,  Sommers:  Baden-Baden. 

Den  nach  diesem  Tarif  angefertigten  Arbeiten  darf  man  mit 
Interesse  entgegensehen. 


Vom  türkisch-bulgarischen  Kriegsschauplatz. 

Einem  Privatbrief  des  z.  Z.  in  Sofia  weilenden  Prof.  Colmers- 
Coburg  entnehmen  wir  mit  gütiger  Erlaubnis  des  Empfängers,  Exz. 
v.  An  ge  rer,  folgende  interessante  Mitteilungen: 

...  Heute  (13.  XII.  12)  bin  ich  von  einer  achttägigen  Infor¬ 
mationsreise  über  den  Etappensanitätsdienst,  die  mich  bis  nach 
Mustafapascha  führte,  zurückgekommen,  zu  der  mich  die  Königin 
eingeladen  hatte,  die  selber  wiederholt  alle  Spitäler  besucht  und  nach 
Möglichkeit  zu  bessern  sich  bemüht.  Die  Lazarette  der  fremden 
Missionen  arbeiten  alle  erfreulich  gut,  und  nur  die  bulgarischen  lassen 
vielfach  zu  wünschen  übrig.  Drei  Kardinalfehler  sind  im  Sanitäts¬ 
wesen  hier  zu  konstatieren:  1.  Das  Fehlen  eines  Verbandpäckchens, 
infolgedessen  überwiegend  mangelhafte  und  leider  sehr  oft  fehler¬ 
hafte  Verbände  (massenhaft  Tamponaden  mit  den  gleichen  deletären 
Folgen  wie  man  sie  bei  den  Russen  beobachten  konnte)  und  fast 
durchwegs  zu  spät  angelegte  Verbände,  nach  Stunden  und  nach  Tagen. 
2.  Fehlen  eines  Etappeninspekteurs  mit  seinen  Unterorganen,  infolge¬ 
dessen  Anhäufung  von  Verwundeten  unter  den  elendesten  Verhält¬ 
nissen,  während  gute  Spitäler  unterbelegt  waren,  und  Fehlen  jeder 
Regelung  des  Verwundetenabflusses  von  der  Front  und  der  ersten 
Etappe.  3.  Mangel  jeglichen  Sanitätstransportmaterials,  besonders  ge¬ 
eigneter  zweiräderiger,  gefederter  Karren  für  die  schlechten  Strassen 
abseits  der  Eisenbahn.  Aber  auch,  dass  kein  einziger  richtiger  Sani¬ 
tätszug  und  im  Anfänge  des  Krieges  auch  keinerlei  Improvisationen  für 
Güterwagen  vorhanden  waren,  machte  sich  an  der  Art  der  Infektionen 
deutlich  fühlbar.  Aus  vielen  Wunden  mussten  wir  das  Stroh  ent¬ 
fernen,  das  während  des  Transportes  unter  die  schlecht  angelegten 
Verbände  geraten  war.  Dass  die  Waggons,  ebenfalls  in  den  ersten 
Wochen,  nicht  heizbar  und  entsetzlich  schmutzig  waren,  braucht 
wohl  nicht  besonders  erwähnt  zu  werden.  Zu  all  dem  kommt  noch 
das  gänzliche  Versagen  des  hiesigen  „Roten  Kreuzes“,  das  wohl 
zu  Anfang  des  Krieges  viel  Geld,  aber  weder  die  geringsten  Material¬ 
vorräte,  noch  einen  einzigen  fähigen,  seiner  Aufgabe  gewachsenen. 
Mann  zur  Verfügung  hatte.  Die  Königin,  der  überhaupt  die  jetzt 
einigermassen  erträglich  gewordene  Abwickelung  des  Sanitätsdienstes 
auf  der  Etappe  zu  danken  ist,  fand  leider  auch  noch  nach  Beginn 
des  Krieges  bei  den  etwas  senilen  Leitern  des  Roten  Kreuzes  passiven 
Widerstand.  Durch  diese  Fehler,  von  denen  die  Mehrzahl  durch 
vernunftgemässes  Eingehen  auf  seit  Jahren  gemachte  Vorschläge, 
die  auch  von  der  Königin  kräftigst  unterstützt  wurden,  hätte  ver¬ 
mieden  werden  können,  wäre  die  Zahl  der  infizierten  Schusswunden 
vielleicht  um  die  Hälfte  verringert  worden.  Was  das  heisst,  und 
welchen  Einfluss  das  auf  die  Herabsetzung  der  Mortalität  und  der 
dauernden  Invalidisierung  gehabt  hätte,  ist  unschwer  zu  begreifen. 
Diese  Mängel  nehmen  umsomehr  wunder,  als  die  Armee  sonst  in 
geradezu  bewundernswerter  Weise  ausgerüstet  und  diszipliniert  ist. 
Die  tieferen  Gründe  liegen  wohl  in  dem  überhaupt  tiefen  Niveau, 
das  im  allgemeinen  die  bulgarischen  Aerzte  nach  unseren  Begriffen 
einnehmen  und  in  ihrer  geringen  Anzahl.  In  ganz  Bulgarien  gibt  es 


110 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


ca.  650  Aerzte  und  unter  diesen  kaum  10,  die  man  als  Chirurgen  in 
unserem  Sinne  bezeichnen  kann.  Das  kommt  wohl  auch  daher,  dass 
die  hiesige  Universität  keine  medizinische  Fakultät  hat,  die  Aerzte  im 
Ausland  studieren  müssen  und  fast  nie  in  die  Lage  kommen,  als 
Assistenten  eines  tüchtigen  Chirurgen  eine  gründliche  Schule  durch¬ 
zumachen.  Das  wird  sich  ja  nun  wohl  alles  in  dem  neuen  Gross¬ 
bulgarien  gründlich  ändern.  Erfahrungen  darüber,  was  im  Sanitäts¬ 
wesen  für  Mängel  sind,  hat  man  in  diesem  Feldzuge  genug  ge¬ 
sammelt  und  bei  der  nüchternen  Tüchtigkeit  und  dem  realen  Sinne 
des  Bulgaren,  der  mir,  je  länger  ich  ihn  kenne,  um  so  mehr  Respekt 
abzwingt,  zweifle  ich  nicht,  dass  diese  Schäden  bald  ausgemerzt 
sein  werden.  Ich  habe  durchaus  den  Eindruck,  dass  dem  jungen 
bulgarischen  Königreiche  noch  eine  grosse  Zukunft  beschieden  sein 
wird. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Reichsgericht. 

Ein  Arzt  Dr.  B.  war  bei  der  Kölnischen  Unfallver¬ 
sicherungsgesellschaft  gegen  Unfall  versichert,  und  zvai 
sollten  bei  tödlichem  Unfälle  an  seine  Witwe  10  000  M.  gezahlt  wei¬ 
den.  ln  einem  Nachtrage  war  bestimmt,  dass  auch  alle  infektiösen 
Ansteckungen  als  Unfälle  im  Sinne  der  Versicherung  gelten  sollten. 
Nach  den  Versicherungsbestimmungen  war  die  Gesellschaft  binnen 
24  Stunden  zu  benachrichtigen,  wenn  eine  Ansteckung  zum  Tode  ge¬ 
führt  habe,  Ansteckungsverdacht  wäre  binnen  3  Tagen  zu  melden. 
Wenn  der  Versicherte  selbst  an  der  Anzeige  verhindert  sei.  sollten  die 
Angehörigen  diese  Pflicht  haben,  und  aller  Ansprüche  verlustig  gehen, 
wenn  sie  diese  Pflicht  schuldhaft  verletzten.  Am  18.  August  wai  nun 
der  Dr.  B.  an  einer  Diphtherieansteckung  gestorben.  Sein  Tod  war 
binnen  3  Tagen  nach  der  Ansteckung  erfolgt.  Seine  Witwe  be¬ 
hauptete,  von  der  Versicherung  überhaupt  erst  etwa  2  Monate  dar¬ 
nach  Kenntnis  erhalten  zu  haben,  und  zwar  erst  dadurch,  dass  eine 
neue  Prämie  eingefordert  worden  sei.  Sie  meldete  deshalb  den  Tod 
ihres  Mannes  erst  am  28.  Oktober  1909  an  und  sandte  das  ärztliche 
Attest  über  den  Todesfall  erst  im  Januar  1910.  Die  Gesellschaft  be- 
zeichnete  diese  Meldungen  für  verspätet  und  lehnte  Zahlung  ab. 
Das  Landgericht  nahm  an,  dass  die  Witwe  an  dieser  Verspä¬ 
tung  nach  Lage  der  Sache  keine  Schuld  trage  und  gab  deshalb  ihrer 
Klage  statt.  Das  Oberlandesgericht  Celle  erkannte  gleich¬ 
falls  zu  ungunsten  der  Versicherungsgesellschaft.  Dem  Verstorbenen 
selbst  könne  nicht  als  Verschulden  angerechnet  werden,  von  seiner 
Ansteckung  nicht  sofort  binnen  3  Tagen  Mitteilung  gemacht  zu  haben. 
Von  einem  so  ernsthaft  Erkrankten,  der  zeitweise  sogar  das  Bewusst¬ 
sein  verloren  gehabt  habe,  hiesse  dies  zuviel  verlangt.  Nach  ^  5  der 
Bedingungen  seien  nun  zwar  auch  die  Angehörigen  verpflichtet,  der 
Gesellschaft  entsprechende  Mitteilungen  zu  machen.  Von  den  An¬ 
gehörigen  könne  aber  billigerweise  auch  nicht  verlangt  werden,  in 
jedem  Falle  der  Gesellschaft  sofort  Anzeige  zu  erstatten.  Es  könnten 
sehr  wohl  wie  hier  Umstände  vorliegen,  die  nach  Treu  und  Glauben 
eine  verspätete  Anzeige  als  entschuldigt  erscheinen  Hessen.  Bei  einer 
Unfallversicherung  werde  im  allgemeinen  mit  der  Möglichkeit  ge¬ 
rechnet,  dass  der  Versicherungsnehmer  selbst  in  der  Lage  sein  werde, 
den  Unfall  anzuzeigen.  Wenn  aber  die  Witwe  B.  nichts  von  der 
Versicherung  gewusst  habe,  dann  treffe  auch  sie  keine  Schuld,  auch 
nicht  deshalb,  weil  sie  das  ärztliche  Attest  so  spät  eingereicht  ge¬ 
habt  habe.  Das  Reichsgericht  hob  aber  das  Urteil  auf  und 
verwies  die  Sache  an  die  Vorinstanz.  Der  Verstorbene  trage  zwar 
keine  Schuld  an  der  Nichtanzeige  seines  Unfalles,  wohl  aber  die 
klagende  Witwe,  die  in  der  Lage  habe  sein  müssen,  wenigstens  die 
Ansteckung,  die  dann  zum  Tode  geführt  habe,  zu  melden. 

Therapeutische  Notizen. 

Ueber  das  „A  1  e  u  d  r  i  n“,  ein  neues  Hypnotikum  und  Sedativum 
(Karbaminsäureester  des  a-a-Dichlorisopropylalkohols),  das  als 
weisse,  geruchlose,  schön  kristallisierende  Substanz  bei  82 0  schmilzt, 
in  Wasser  schwer,  in  Alkohol,  Aether  und  fetten  Oelen  leicht  löslich 
ist,  berichtet  G  u  t  o  w  i  t  z  -  Leipzig  in  No.  47  der  Med.  Klinik  (1912). 
Das  Mittel  hat  nur  geringe  Wirkung  auf  die  Temperaturregulierung; 
seine  schlafmachende  Wirkungsbreite  ist  sehr  gross;  in  höheren  Dosen 
wirkt  es  anästhetisch.  Im  Handel  ist  es  in  Tablettenform  zu  0,5  g, 
die  bei  leichten  Erregungszuständen  schon  genügen.  Bei  Schlaf¬ 
losigkeit  erzielt  1,0  schon  6 — 8  ständigen  Schlaf,  der  nach  20 — 30  Mi¬ 
nuten  eintritt.  Ohne  Gefahr  kann  man  bei  hochgradiger  Schlaflosig¬ 
keit  bis  zu  Dosen  von  2,0  vorschreiten.  Neben-  und  Nachwirkungen 
wurden  nicht  beobachtet.  Versager  sind  auch  bei  diesem  Schlaf¬ 
mittel  nicht  ausgeschlossen.  Gr. 

Das  Neosalvarsan  kann  nach  W.  H  e  u  c  k  -  Bonn  noch 
nicht  mit  Sicherheit  als  genügender  Ersatz  des  Salvarsans  angesehen 
werden  (Ther.  Monatsh.  12,  11).  Seine  leichte  Löslichkeit  und  seine 
neutrale  Reaktion  vereinfachen  die  Technik  und  erleichtern  steriles 
Arbeiten.  Seine  Dosis  soll  0,8  bei  Frauen  und  1,0  bei  Männern  nicht 
überschreiten;  zwischen  den  einzelnen  Injektionen  soll  ein  Zwischen¬ 
raum  von  5 — 7  Tagen  liegen.  Die  Wirksamkeit  des  Neosalvarsans 
steht  auch  bei  höherer  Dosis  hinter  der  des  Altsalvarsans  zurück. 
Auch  der  Umschlag  der  Wassermann  sehen  Reaktion  erfolgt 
langsamer.  Dagegen  sind  die  toxischen  Nebenerscheinungen  geringer. 
Wenn  H.  eine  kräftige  Wirkung  wünscht,  so  zieht  er  das  Altsalvarsan 
vor.  •  Kf- 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  13.  Januar  1913. 

—  Zur  Prostitutionsfrage  schreibt  man  uns:  Die  offen¬ 
baren  Missstände  auf  dem  Gebiete  des  Prostitutionswesens  haben 
schon  seit  Jahren  den  allgemeinen  Wunsch  nach  durchgreifenden  Re¬ 
formen  der  Prostitutionsüberwachung  laut  werden  lassen.  Doch 
haben  gerade  die  Bestimmungen  des  Strafgesetzbuches  über  das 
Prostitutionswesen  sich  als  uniibersteigbares  Hemmnis  jeglicher  Bes¬ 
serung  erwiesen.  Jetzt,  wo  der  Erlass  eines  neuen  R.Str.G.B.  in 
greifbare  Nähe  gerückt  ist,  scheint  auch  der  Zeitpunkt  gekommen, 
dieser  ganzen  Frage,  die  in  hygienischer,  ethischer  und  sozialer  Be¬ 
ziehung  von  weittragender  Bedeutung  ist,  erneute  Aufmerksamkeit 
zu  schenken,  und  wenn  irgend  möglich,  eine  auf  Jabrzehnte  hinaus 
geltende,  und,  soweit  überhaupt  denkbar,  allseitig  befi iedigende  Grd- 
nung  der  Dinge  zu  schaffen.  Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  hat 
die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  vor  kurzem  eine  Kommission^  von 
sachverständigen  Persönlichkeiten  einberufen,  die  das  ganze  Gebiet 
der  mit  der  Prostitution  zusammenhängenden  Fragen  eingehend  be¬ 
raten  soll.  Die  Kommission,  deren  Mitglieder  aus  Aerzten,  Hygieni¬ 
kern,  Juristen,  Verwaltungsbeamten,  Geistlichen  und  Frauen,  die  im 
öffentlichen  Leben  stehen,  zusammengesetzt  ist,  trat  kürzlich  zu  einer 
Sitzung  zusammen,  um  den  endgültigen  Arbeitsplan  aufzustellen.  V  ic 
wir  hören,  werden  sich  die  Arbeiten  der  Kommission,  denen  ein 
umfangreiches  Material  aus  ganz  Deutschland  zugrunde  gelegt  wer¬ 
den  soll,  über  ein  Jahr  erstrecken.  Die  Ergebnisse  der  Beratungen 
sollen  dann  den  gesetzgebenden  Körperschaften  als  Material  für  die 
bevorstehende  Gesetzgebung  vorgelegt  und,  soweit  tunlich,  der 
Oeffentlichkeit  zugänglich  gemacht  werden.  Es  steht  zu  hoffen,  dass 
die  gemeinsame  Arbeit  aller  auf  diesem  Gebiete  tätigen  Faktoren  zui 
endgültigen  Sanierung  der  heute  geradezu  unhaltbaren  Prostitutions¬ 
verhältnisse  beitragen  wird. 

—  Zur  Unterstützung  der  Aufklärungsarbeit 
auf  dem  Gebiete  der  Volksgesundung  hat  die  Volks- 
borngesellschaft  (d.  W.  1912,  S.  2655)  eine  Rednerliste  heraus- 
gegeben.  Die  Liste  enthält  36  zum  Teil  sehr  bekannte  Redner  un  i 
Rednerinnen  verschiedener  Geistesrichtungen,  die  bereit  sind,  volks¬ 
tümliche  Vorträge  und  Kurse  abzuhalten.  Die  als  Muster  an-  ; 
gegebenen  Themen  behandeln  eine  Fülle  von  Fragen  und  Lehren 
über  Bau  und  Leben  des  Menschen,  Gesundheit,  persönliche  und  so¬ 
ziale  Gesundheitspflege  und  über  andere  Gebiete,  die  zur  Volks- 
gesundung  in  Beziehung  stehen,  und  werden  durch  Vorführungen  von 
Lichtbildern,  Kinofilms,  Tafeln  etc.  veranschaulicht.  Die  Liste,  die 
viele  Namen  sehr  bekannter  Aerzte  enthält,  wird  an  grössere  Vor¬ 
tragsgesellschaften  versandt  und  ist  von  sonstigen  Interessenten 
gegen  Einsendung  von  20  Pfennigen  durch  die  Geschäftsstelle  in  Dres¬ 
den,  Waisenhausstr.  29,  zu  beziehen. 

_  Das  sehr  rührige  Gesundheitsamt  der  Stadt  New- 

York  hat  für  die  unentgeltliche  Ausführung  der  Wasserma  mi¬ 
schen  Reaktion  und  der  Untersuchung  auf  Gonokokken  Vorsorge  ge¬ 
troffen.  Zur  wirksamen  Bekämpfung  des  Typhus  wird  ferner  Typhus¬ 
immunserum  (ebenso  wie  Diphtherieserum)  an  Aerzte  kostenlos  abge¬ 
geben  oder  die  Injektionen  werden  auf  ärztliche  Anordnung  in  den 
Sprechstunden  des  Amtes  gleich  selbst  vorgenommen. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Wien:  Der  Wiener  Aerztekammer 
sind  in  letzter  Zeit  wiederholt  Mitteilungen  gemacht  worden,  wonach 
Aerzte,  die  von  ausländischen  Gerichten  als  Zeugen  zur  Aus¬ 
sage  vorgeladen  wurden,  oder  die  im  Aufträge  von  ausländi¬ 
schen  Berufsgenossenschaften  und  ähnlichen 
|  öffentlich  rechtlichen  Institutionen  Gutachten  zu  er¬ 
statten  hatten,  nicht  die  von  ihnen  angesprochene  Vergütung  er¬ 
hielten,  sondern  dass  diese  eine  wesentliche  Reduktion  erfuhr.  Nach¬ 
dem  nachträgliche  Vorstellungen  der  betreffenden  Aerzte,  selbst 
solche,  die  sich  auf  eine  Aeusserung  der  Wiener  Aerztekammer 
stützten,  seitens  der  genannten  ausländischen  Stellen  keine  Be¬ 
achtung  fanden,  werden  die  Wiener  Aerzte  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht,  sie  mögen  in  Hinkunft  Gutachten  nicht  ohne  bindende  Garan¬ 
tien  für  die  Leistung  des  beanspruchten  Honorars  ausstellen. 

—  Zum  Hallenser  Klinizistenstreik  wird  uns  ge¬ 
schrieben,  dass  die  Herren  Studierenden  am  7.  Januar  die  Arbeit 
wieder  aufgenommen  haben. 

—  Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen 
b  a  y  e  r.  Aerzte.  Am  14.  Dezember  fand  die  satzungsgemässe 
Delegiertenversammlung  statt.  Die  Vorstandschaft  konnte  die  ange¬ 
nehme  Mitteilung  machen,  dass  der  am  19.  Juli  verstorbene  Kgl.  Hol¬ 
rat  Dr.  Valentin  Rigauer  den  Verein  zu  seinem  Haupterben  ein¬ 
gesetzt  habe  und  dass  die  Erbschaft  nach  Abzug  von  Legaten 
Steuern,  Gerichtskosten  ungefähr  250  000  M.  betrage.  Die  Versamm¬ 
lung  beschloss  in  Anbetracht  dessen  die  Dividende  von  20  auf  35  Proz 
zu  erhöhen,  so  dass  eine  Witwe  405  M.  Pension,  eine  Witwe  tni 
5  Kindern  810  M.  Pension  erhält.  Es  sollte  schon  dieser  Umstand 
die  bayerischen  Aerzte  anregen,  dem  Vereine  beizutreten,  ausserden 
aber  noch  der  in  der  Versammlung  gefasste  Beschluss,  die  Rück 
Zahlung  der  Beiträge  bei  früherem  Ableben  der  Frau  einzuführen 
wobei  eine  Erhöhung  der  Beiträge  um  nur  15—25  Proz.  statti'indet 
Der  mathematische  Sachverständige,  der  Verfasser  des  jüngst  ver 
sandten  technischen  Gutachtens,  dessen  Darlegungen  sehr  aufklären: 
wirkten,  erklärte  sich  bereit,  die  notwendige  Skala  auszurechnen,  ein 
Kommission  wird  dann  die  notwendige  Statutenänderung  beratei 
deren  Genehmigung  nunmehr  dem  kaiserlichen  Aufsichtsanu  fii 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


111 


14.  Januar  1912. 

— 

^ivat Versicherungen  in  Berlin  obliegt,  dem  der  Verein  seit  Jahres- 
icginn  unterstellt  ist.  Es  kann  auch  die  Versicherung  ohne  Riick- 
ahlung  gemacht  werden;  Rückzahlung  (ob  halb  oder  ganz  ist  noch 
u  bestimmen)  tritt  nur  bei  neuen  oder  Versicherungen  der  letzten 
ahre  ein.  Hoffentlich  fördern  diese  Beschlüsse  den  bisher  sehr  spär- 
ichen  Zugang  zu  dem  so  wohltätigen  Vereine.  Aufklärungen  gibt 
bereitwilligst  der  Geschäftsführer  Med.-Rat  Dr.  D  a  1 1’  A  r  m  i,  Miin- 
lien,  Goethestrasse  50/  II. 

—  Der  nächste  Zyklus  der  Ferienkurse  der  Berliner 
»oze  nten  Vereinigung  beginnt  am  3.  März  1913  und  dauert 
is  zum  5.  April  1913  (mit  Ausnahme  des  Karfreitags  und  der  Oster- 
- iei  tage).  Die  unentgeltliche  Zusendung  des  Lektionsverzeichnisses 
: folgt  durch  Herrn  Melzer,  Ziegelstr.  10/11  (Langenbcckhaus), 
welcher  auch  sonst  hierüber  jede  Auskunft  erteilt. 

-  An  der  Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin  werden 
n  Frühjahr  dieses  Jahres  nachstehende  Fortbildungskurse 
ir  auswärtige  Aerzte  abgehalten :  ein  Fortbildungskursus  für  Zalin- 
rzte  vom  13.  bis  16.  Februar  d.  Js. ;  eir.  Röntgenfortbildungskursus 
om  3.  bis  13.  März  d.  J.;  ein  allgemeiner  Fortbildungskursus  für  aus¬ 
artige  praktische  Aerzte  vom  17.  April  bis  10.  Mai  d.  Js. 

—  Die  Münchener  Gesellschaft  für  Rassen- 
y  g  i  e  n  e  veranstaltet  am  Dienstag,  den  14.  Januar,  abends  8%  Uhr 
n  grossen  Hürsaal  des  anatomischen  Institutes  einen  Vortragsabend 
•ei  freiem  Eintritt.  Herr  Obermedizinalrat  Prof.  M.  v.  Gr  über 
pricht  über:  „Konstitution  und  Umwelt“  (mit  Projektionen). 

—  Am  Donnerstag,  den  30.  Januar  1913,  vormittags  10  Uhr,  findet 
n  Kaiserin  Auguste  Viktoria-Haus  eine  Sitzung  der  „Grossen  Kom- 
lission  zur  Festlegung  von  einheitlichen  Grundsätzen  für  die 
usbildung  von  Säuglingspflegerinnen“  statt.  Am 
lachmittag  desselben  I  ages  findet  ebenfalls  im  Kaiserin  Viktoria¬ 
laus  eine  Konferenz  der  Deutschen  Ki  ippenvereine  statt,  mit  dem 
weck  der  Bildung  einer  Vereinigung  der  Deutschen  Krippen  im  An- 
-hluss  an  die  Deutsche  Vereinigung  für  Säuglingsschutz. 

—  In  S  t  r  as  s  b  u  r  g  i.  E.  ist  am  Sonntag,  den  15.  Dezember  1912 
ine  Dermatologische  Gesellschaft  gegründet  worden, 
ie  den  Zweck  hat,  wissenschaftliche  Bestrebungen  auf  dermato- 
igisch-syphilidologischen  sowie  verwandten  Gebieten  durch  De- 
lonstrationen,  Mitteilungen  und  Vorträge  zu  fördern  und  kollegiale 
eziehungen  unter  ihren  Mitgliedern  anzuregen  und  zu  fördern.  Die 
beschütte  der  Gesellschaft  werden  durch  einen  Vorstand  geregelt, 
er  aus  folgenden  Herren  besteht:  Prof.  Wolff,  Vorsitzender,  Prof, 
drian,  stellvertretender  Vorsitzender,  Dr.  Mulzer,  Schrift- 
ihrer,  Dr.  Oppenheimer,  Kassenführer,  Dr.  Hügel  und 
’r-  Gunsett,  Beisitzende.  Nach  Konstituierung  der  Gesellschaft 
ind  eine  Demonstration  von  etwa  40  seltenen  Hautfällen  statt,  an  die 
ch  enie  rege  Diskussion  anschloss.  Die  Veranstaltung  schloss  mit 
nem  Diner  im  Hotel  de  France,  an  dem  etwa  30  Mitglieder  teil¬ 
ahmen  und  das  einen  recht  animierten  Verlauf  nahm. 

—  Der  II.  Internationale  Kongress  für  Rettungs- 
esen  und  Unfallverhütung  wird  in  Wien  vom  9. — 13.  Sep- 
inber  1913  abgehalten.  Für  folgende  Gebiete  des  Rettungswesens 
id  der  Unfallverhütung  sind  Abteilungen  in  Aussicht  genommen: 
Erste  ärztliche  Hilfe  bei  Unglücksfällen.  2.  Ausbildung  von  Nicht- 
zten  in  der  ersten  Hilfe  (Samariterunterricht).  3.  Rettungswesen 
Städten  und  auf  dem  flachen  Lande.  4.  Rettungswesen  im  Reise- 
-rkehr  (Eisenbahn-,  Automobilverkehr  etc.).  5.  Rettungswesen  auf 
ee  und  an  Binnen-  und  Küstengewässern.  6.  Rettungswesen  in 
eigwerken  und  verwandten  Betrieben.  7.  Rettungswesen  bei  den 
juerwehren.  8.  Rettungswesen  im  Gebirge.  9.  Rettungswesen  und 
Port.  10.  Unfallverhütung.  Die  Anmeldungen  von  Vorträgen  haben 
s  zum  1.  März  1913  zu  erfolgen.  Die  Vorträge  selbst  sind  spätestens 
n  1.  Mai  1913  an  das  Kongressbureau  zu  Händen  des  General- 
kretärs  einzureichen.  Dieselben  sollen  nicht  den  Umfang  von  einem 
alben  bis  einen  Druckbogen  (8—16  Druckseiten)  überschreiten, 
.dem  Bericht  ist  zum  Zwecke  der  Uebersetzungen  in  die  deutsche 
id  französische  Sprache  ein  kurzer  Auszug  beizufügen,  der  am 
-'steil  in  Form  von  Thesen  gehalten  ist  und  der  nicht  mehr  als  eine 
ruckseite  betragen  soll.  Alle  Anfragen  wollen  an  das  Kongress- 
ireau,  Wien,  III.,  Radetzkystrasse  1,  gerichtet  werden. 

—  Auf  der  Internationalen  Baufach-Ausstellung 
c  i  p  z  ig  1913  wird  auch  eine  Abteilung  Bauarbeiterschutz 
id  Bauarbeiterhygiene  Aufstellung  finden.  Der  2.  Vor- 
tzende  dieser  Abteilung,  Herr  Dr.  Willy  K  u  h  n  -  Leipzig  ersucht 
n  Ueberlassung  geeigneten  Materiales.  In  der  Hauptsache  wird  es 
cli  um  anatomisch-pathologische  Präparate,  Abbildungen,  Photo- 
aphien,  auch  Röntgenaufnahmen,  Moulagen,  Statistiken  usw.  han- 
In,  ferner  um  in  das  betreffende  Gebiet  schlagende  praktische  Vor¬ 
nrungen  und  Instrumente  aus  der  Hygiene  und  Physiologie. 

~  Ein  internationaler  Kongress  zur  Bekämpfung  von 
crfälschungen  von  Nahrungsmitteln  wird  in  Gent 
m  1.— 3.  August  1913  stattfinden,  (hk.) 

~  Das  Aerztliche  Erholungsheim  „Aerzteheim“ 
'Marienbad  erstattet  Bericht  über  das  zweite  Betriebsjahr 
912)  Im  Berichtsjahre  sind  114  Anmeldungen  und  Anfragen,  bezw. 
.suche  um  Freiplätze  eingelaufen,  von  welchen  63  iri  zustimmendem 
nne  erledigt  werden  konnten.  In  der  Zeit  der  Kursaison  vom 
Mai  an  bis  30.  September  haben  9  Aerzte,  mit  ihren  Ehefrauen 
■  sammen  94  Personen,  im  Aerzteheim  Aufnahme  gefunden;  davon 
aren  26  aus  Oesterreich-Ungarn,  33  aus  dem  Deutschen  Reiche, 

>n  diesen  letzteren  13  auf  den  Plätzen  des  Leipziger  Verbandes. 


Der  Vei  ein  vergibt  nur  Freiplätze,  Zimmer  gegen  Entgelt  werden 
nicht  vermietet.  Die  finanzielle  Lage  des  Vereines  hat  sich  auch 
i'i  icASei/'  Jahre  gebessert;  die  unbedeckte  Schuldenlast. beträgt  noch 
L  -50  Kronen,  bezw.  mit  dem  Darlehen  bei  der  städtischen  Spar¬ 
kasse  95  250  Kronen.  Es  ergeht  neuerdings  an  die  Kollegen  und  an 
die  ärztlichen  Vereine  und  Vertretungskörper  die  Bitte,  durch  Spen- 
den,  Beitritt  zum  Vereine  das  Unternehmen  zu  unterstützen.  Das 
Marienbader  Aerzteheim  steht  im  Jahre  1913  vom  1.  Mai  bis  30.  Sep¬ 
tember  mit  je  12  Zimmern  pro  Monat  den  Kollegen  zur  Verfügung 
offen,  wovon  das  Vergebungsrecht  über  3  Freiplätze  in  jedem  Monate 
dem  Leipziger  Verbände  Vorbehalten  ist.  (Uebereinkommen  vom 
1.  Juni  1911.)  Im  ganzen  also  60  Freiplätze.  Anmeldungen  werden 
vom  1.  Januar  1913  an  entgegengenommen.  Zuschriften  und  Beitritts¬ 
anmeldungen  sind  zu  richten  an  den  Vorstand  des  Aerzteheims  in 
Marienbad,  Dr.  Alois  Grimm,  Obmann. 

—  Die  Berliner  klinische  Wochenschrift  ist  mit 
diesem  Jahie  in  ihren  50.  Jahrgang  eingetreten.  1863  gegründet 
war  sie  die  erste  und  viele  Jahre  hindurch  einzige  Wochenschrift 
grösseren  Stils,  ein  vornehmes  Publikationsorgan,  den  Interessen 
des  Forschers  wie  des  Arztes  in  gleicher  Weise  dienend.  Wenn  auch 
das  rapide  Anwachsen  der  literarischen  Produktion  längst  noch 
andere  Zeitschriften  ähnlicher  Art  notwendig  gemacht  hat,  so  hat 
die  Berliner  klinische  Wochenschrift  doch  stets  ihre  Stellung  und 
ihren  Charakter  zu  wahren  gewusst,  vermöge  deren  sie  noch  heute 
in  erster  Reihe  unter  der  medizinischen  Fachpresse  steht.  Ihren 
1 1  eff  1  ichen  Leitern  rufen  wir  die  herzlichsten  Glückwünsche  für 
weiteres  Wachsen  und  Gedeihen  zu. 

Zur  Feier  von  M.  Kassowitz’  70.  Geburtstag  haben  seine 
Schüler  und  Freunde  eine  Festschrift  herausgegeben,  die  im 
Verlag  von  J.  Springer  in  Berlin  erschienen  ist.  Das  von 
B.  Gompertz,  C.  Hochsinger  und  R.  Neurath  heraus¬ 
gegebene  Werk,  enthält  das  Bild  K.s  in  Heliogravüre,  die  Widmung, 
das  Verzeichnis  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  K.s  und  29  wissen¬ 
schaftliche  Abhandlungen  namhafter  Autoren,  darunter  aus  Deutsch¬ 
land  Beiträge  von  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n,  Langstein,  L.  F.  Meyer 
Schlossmann  -  Düsseldorf.  Preis  14  M. 

Das  Korrespondenzblatt  für  Schweizer 
Aerzte  erscheint  vom  1.  ds.  Mts.  ab  wöchentlich. 

—  Die  bekannte  Briefmarkenfirma  C.  F.  Lücke  in  Leipzig 
übersendet  uns  einen  Satz  der  neuen  bosnischen  Brief¬ 
marken.  Wir  machen  philatelistische  Kollegen  gerne  auf  das 
Erscheinen  dieser  neuen  Marken  aufmerksam. 

—  Die  Firma  Mohrenapotheke  in  Leipzig  ersucht  uns  mitzuteilen, 
dass  ihr  Expektorans,  Syr.  spec.  expect.  cps.  Dohne!  (Thymo- 
b  r  o  n  c  h  i  n)  auf  die  positive  Liste  der  Arzneimittelkommission  ge¬ 
setzt  wurde. 

TT  Cholera,  lürkei.  In  Tiberias,  einer  Ortschaft  mit  etwa 
9000  Einwohnern,  ist  gegen  Ende  November  v.  J.  die  Cholera  ausge¬ 
brochen;  bis  zum  8.  Dezember  sollen  50  Erkrankungen  und  21  Todes¬ 
fälle  festgestellt  worden  sein.  In  Haiffa  ist  für  die  aus  Tiberias  ein¬ 
treffenden  Personen  eine  5  tägige  Quarantäne  verfügt  worden.  In 
Aiexandrette  ist  die  Cholera  zufolge  Mitteilung  vom  6.  Dezember 
erloschen.  —  Japan.  Seit  dem  30.  Oktober  v.  J.  sind  in  Moji  12  Neu¬ 
erkrankungen  (die  letzten  am  21.  November),  in  Wakamatsu  2  (bis 
zum  8  November)  und  in  Schimonosecki  12  (bis  zum  19.  November) 
festgestellt  worden.  Die  Cholera  wird  in  den  genannten  3  Häfen 
zufolge  Mitteilung  vom  30.  November  als  erloschen  angesehen.  — 
Zanzibar.  Bis  zum  6.  Dezember  v.  J.  waren  auf  der  Insel  während 
des  diesmaligen  Auftretens  der  Seuche  763  Eingeborene  an  der 
Cholera  erkrankt  und  davon  732  gestorben. 

—  Pest.  Russland.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  17.  Dezem¬ 
ber  1912  sind  in  einer  Meierei  des  Dongebiets  5  Personen  unter  pest¬ 
verdächtigen  Erscheinungen  erkrankt;  seitens  der  Behörden  wurden 
aus  diesem  Anlass  besondere  Vorsichtsmassregeln  getroffen.  — 
Aegypten.  Vom  7.  bis  13.  Dezember  v.  J.  erkrankten  3  (und  star¬ 
ben  2)  Personen.  —  Britisch  Ostindien.  Vom  17.  bis  23.  November 

1912  erkrankten  2269  und  starben  1828  Personen  an  der  Pest.  _ 

Niederländisch  Indien.  Vom  20.  November  bis  3.  Dezember  v  J 
wurden  auf  Java  gemeldet  197  Erkrankungen  (und  161  Todesfälle)’.  — 
Philippinen.  In  Manila  wurden  vom  6. — 20.  November  v.  J.  5  neue 
Pestfälle,  davon  4  mit  tödlichem  Verlaufe,  festgestellt.  Insgesamt 
waren  bis  zum  20.  November  dort  38  Fälle  gemeldet,  von  denen  34 
tödlich  geendet  hatten.  —  Britisch  Ostafrika.  Zufolge  Mitteilung  vom 
8.  Dezember  v.  J.  ist  seit  dem  16.  November  nur  noch  1  tödlich 
verlaufener  Pestfall,  und  zwar  in  Nairobi,  festgestellt  worden.  In 
Nairobi  und  in  dem  nördlich  daran  gelegenen  Kiambudistrikte  sind 
pestverseuchte  Ratten  gefunden  worden.  Die  Gesamtzahl  der  bis 
zum  8.  Dezember  bekannt  geworden  Erkrankungen  (und  Todesfälle) 
in  Britisch  Ostafrika  betrug  104  (93).  —  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro 
vom  6.  Oktober  bis  2.  November  v.  J.  5  Erkrankungen  und  2  Todes¬ 
fälle.  —  Chile.  In  Iquique  vom  27.  Oktober  bis  9.  November  v.  .1. 

2  Erkrankungen.  —  Ecuador.  In  Duran  vom  16.  Oktober  bis  15  No¬ 
vember  v.  J.  4  Erkrankungen  (und  1  Todesfall),  in  Guayaquil  im 
Oktober  77  (26)  und  vom  1.— 15.  November  56  (19). 

—  Cholera.  Bulgarien.  Zufolge  Mitteilung  vom  30.  De¬ 
zember  v.  J.  sind  aus  dem  Kreise  Schumla  etwa  18  Choleraerkran¬ 
kungen  gemeldet  worden.  —  Türkei.  Nach  dem  amtlichen  Ausweis 
No.  5  sind  in  Konstantinopel  vom  10.— 16.  Dezember  v.  J.  an  der 
Cholera  451  Personen  erkrankt  und  244  gestorben.  Aus  7  anderen 
Ortschaften  wurden  vom  3.— 11.  Dezember  61  Erkrankungen  (und 


12 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


3055  Todesfälle)  gemeldet.  —  China.  Zufolge  Mitteilung  vom  2.  De¬ 
zember  v.  J.  ist  in  Futschau  die  Cholera  erloschen. 

—  Pest.  Russland.  Zufolge  Mitteilung  vom  21.  Dezember 
v.  J.  sind  die  pestverdächtigen  Erkrankungen  in  der  Meierei  Popowski 
im  2.  Donkreis  auf  Qrund  klinscher  Beobachtungen  als  Beulenpest 
erkannt  worden.  Von  den  bisher  erkrankten  20  Personen  sind  11 
gestorben,  davon  8  in  einer  Familie.  Die  Seuche  ist  vermutlich  durch 
Kleidungsstücke  aus  einer  anderen  Meierei  eingeschleppt  worden, 
woselbst  gleichzeitig  mit  dem  Auftreten  der  Pest  in  Sawetnoje  in 
einer  Familie  5  Personen  in  kurzen  Zwischenräumen  gestorben 
waren,  ohne  dass  die  Erkrankungen  damals  besonders  beachtet 
wurden.  —  Aegypten.  Vom  14. — 20.  Dezember  v.  J.  erkrankten  7 
(und  starben  4)  Personen.  —  Britisch  Ostindien.  In  den  beiden 
Wochen  vom  24.  November  bis  7.  Dezember  v.  J.  erkrankten  2721  i 
2976  und  starben  2161  +  2278  Personen  an  der  Pest.  —  Mauritius. 
Vom  11.  Oktober  bis  7.  November  v.  J.  96  Erkrankungen  und 
60  Todesfälle.  —  Chile.  Der  Hafen  von  Taltal  gilt  seit  dem  18.  No¬ 
vember  v.  J.  als  pestfrei. 

—  In  der  51.  Jahreswoche,  vom  15. — 21.  Dezember  1912,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Altenburg  mit  25,8,  die  geringste  Worms  mit  5,4  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Oestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Altenessen,  Zabrze,  an  Masern  und  Röteln  in 
Mülheim  a.  Rh.,  Oberhausen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin, 
Schöneberg,  Erfurt,  Heilbronn,  Ulm.  . 

_  ln  der  52.  Jahreswoche,  vom  22.-28.  Dezember  1912,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Steiblich- 
keit  Bonn  mit  24,9,  die  geringste  Wanne  mit  6,3  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Qleiwitz,  an  Masern  und  Röteln  in  Flensburg, 
Mülheim  a.  Rh.,  Oberhausen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin, 
Lichtenberg,  Harburg.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Marburg.  Prof.  Dr.  Martin  Benno  Schmidt,  Ordinarius 
der  pathologischen  Anatomie  und  Direktor  des  pathologischen  Insti¬ 
tuts  hat  einen  Ruf  in  gleicher  Eigenschaft  an  die  Universität  Wiirz- 
burg  als  Nachfolger  von  Prof.  Dr.  R.  Kretz  erhalten,  (hk.) 

Strassburg.  Dem  prakt.  Arzt  Dr.  med.  Edmund  Blind  ist 
der  Titel  Professor  verliehen  worden,  (hk.) 

Wurzburg.  Der  mit  Titel  und  Rang  eines  a.  o.  Professors 
bekleidete  Privatdozent  Dr.  Jacob  R  i  e  d  i  n  g  e  r  wurde  zum  a.  o. 
Professor  ernannt  und  ihm  die  neugeschaffene  Professur  für  Ortho¬ 
pädie  übertragen.  —  Der  Assistent  an  der  Chirurg.  Klinik  (Prof. 
Enderlen)  Dr.  Joh.  Ernst  Schmidt  wurde  als  Privatdozent  in  die 
medizinische  Fakultät  aufgenommen.  —  Titel  und  Rang  eines  a.  o. 
Professors  für  die  Dauer  ihrer  Wirksamkeit  im  bayerischen  Hoch¬ 
schuldienst  erhielten  der  Prosektor  am  pathol.  Institut  (Prof.  Kretz) 
Privatdozent  Dr.  Konrad  H  e  1 1  y  und  der  Assistent  an  der  med. 
Klinik  (Prof.  Gerhardt)  Privatdozent  Dr.  Hermann  L  ii  d  k  e. 

AnnArbor.  Dr.  U.  W  i  1  e  wurde  zum  Professor  der  Derma¬ 
tologie  und  Syphiligraphie  an  der  Universität  von  Michigan  ernannt. 

C  a  g  1  i  a  r  i.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie  Dr.  P.  S  f  a  m  e  n  i  wurde  zum  ordentlichen  Pro¬ 
fessor  ernannt.  .  . 

Graz.  Dem  Privatdozenten  für  interne  Medizin  Eugen  P  e  t  r  y 
wurde  der  Titel  eines  ausserordentlichen  Universitätsprofessors  ver¬ 
liehen.  (hk.) 

Modena.  Dr.  G.  F  e  r  r  e  r  o  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Chirurgie  und  operative  Medizin. 

New  York.  Dr.  A.  Bassler  wurde  zum  Professor  der 
Medizin  an  New  York  Policlinic  Medical  School  and  Hospital  ernannt. 

Padu a.  Dr.  A.  Austoni  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  operative  Medizin. 

Palermo.  Dr.  E.  Engel  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Dermatologie  und  Syphilis. 

Wien.  Dr.  Albert  Müller  und  Dr.  Wilhelm  Neumann 
wurden  als  Privatdozenten  für  interne  Medizin  an  der  medizinischen 
Fakultät  zugelassen. 

(Todesfälle.) 

In  Marburg  starb  am  30.  Dezember  im  Alter  von  74  Jahren 
Dr.  Philipp  S  t  e  f  f  a  n,  früher  einer  der  angesehensten  Aerzte  in  Frank¬ 
furt  a.  M„  w'o  er  sich  1861  als  erster  Spezialarzt  für  Augenheil¬ 
kunde  niedergelassen  und  in  seiner  Augenklinik  segensreich  gewirkt 
hatte,  bis  ihn  Differenzen  mit  der  Ortskrankenkasse  über  die  Honorar¬ 
frage  zum  Schlüsse  der  Klinik  veranlassten.  Steffans  Name  wurde 
viel  genannt,  als  er  vor  einer  Reihe  von  Jahren  den  Titel  eines 
Sanitätsrates  erhielt,  die  damals  übliche  Taxe  von  300  M.  bezahlte, 
nach  einigen  Tagen  aber  das  Diplom  zurücksandte  und  Rückzahlung 
der  300  M.  verlangte,  da  er  den  Titel  nicht  begehrt  habe.  Er  focht 
den  Streit  in  allen  Instanzen  durch  und  unterlag,  jedoch  wurde 
'daraufhin  die  Taxe  aufgehoben.  Sein  Vorgehen  hatte  in  ärztlichen 
Kreisen  allgemeine  Zustimmung  gefunden. 

Dr.  Gge.  C.  C  r  a  n  d  a  1 1,  Professor  der  Medizin  an  der  University 
School  of  Medicine  zu  Saint-Louis. 

Dr.  A.  J.  K  r  y  c  h  k  a,  früher  Professor  der  Pharmakologie  an 
der  med.  Fakultät  zu  Warschau. 

Dr.  P.  J.  W  i  s  i  n  g,  früher  Professor  an  der  med.  Fakultät  zu 
Stockholm. 

Dr.  O.  V.  P  e  t  e  r  s  s  o  n,  früher  a.  o.  Professor  der  Kinderheil¬ 
kunde  an  der  med.  Fakultät  zu  Upsala.  


Dr.  P.  R  e  d  f  e  r  n,  früher  Professor  der  Anatomie  und  Physiologie 
an  Queens  University  zu  Belfast. 

(Berichtigung.)  Der  Unterzeichnete  hat  in  dem  am  26._Nn- 
vember  1912  in  der  Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheil¬ 
kunde  zu  Wien  demonstrierten  und  in  dieser  Wochenschrift  No.  48. 
p.  2653,  1912  referierten  Leukämiefalle  Benzol  nur  per  os  und  niemals 
subkutan  verabreicht.  Dr.  Fritz  1  edesko. 


Generalkrankenrapport  Qber  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  November  1912.  


Iststärke  des  Heeres: 

70753  Mann,  209  Kadetten,  174  Unteroffiziersvorschüler. 


1.  Bestand  waren 

am  31.  Oktober  1912 : 

Mann 

Kadetten 

Unteroffii.- 

vorschüler 

992 

3 

3 

[  im  Lazarett: 

1457 

23 

18 

2.  Zugang:  l  im  Revier: 

1182 

— 

— 

{ in  Summa: 

2639 

23 

18 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

3631 

26 

21 

°/oo  der  Iststärke: 

51,3 

124,4 

120,7 

3.  Abgang: 


’  dienstfähig: 

°/oo der  Erkrankten: 
gestorben: 

*/#o  der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 
mit  Versorgung: 
ohne  „ 

Auf  Qrund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese 
ner  Leiden  als  dienstun 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

anderweitig: 
in  Summa: 


4.  Bestand 
bleiben  am 
30.  Nov.  1912: 


2011 

553,8 

7 

1,9 

26 

6 


169 

84 

2303 


730,8 


1 

20 


761,9 


16 


5 

28,7 

5 


in  Summa:  1328  6 

°/oo  der  Iststärke:  18,8  28,7 

davon  im  Lazarett:  1022  6 

davon  im  Revier:  306  — 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an 
Scharlach  1,  Bauchfelltuberkulose  1,  epidemischer  Genickstarre  1 
Blinddarmentzündung  1,  Rückenmarksquetschung  1,  Blutvergiftung 
und  Schnittverletzung  am  Halse  (Selbstmord)  1. 

Ausserhalb  der  militärärztlichen  Behandlung  starben  5  Mann 
und  zwar  infolge  von  Schädelbruch  1,  Selbstmord  4  (Erhängen  2 
Ertränken  1,  Erschiessen  1).  , 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  in 
Monat  November  12  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  52.  Jahreswoche  vom  22.  bis  28.  Dezember  1912. 

Bevölkerungszahl  615000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung! 
fehler  13  (10 1),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  8  (3),  Kindbettfieber  1  (— 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (— ),  Scharlach  — (- 
Masern  u.  Röteln  6  (4),  Diphtherie  u.  Krupp  (3),  Keuchhusten  2  (— 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  1  (- 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (2),  Starrkrampf  —  (- 
Blutvergiftung  2  (2),  Tuberkul.  der  Lungen  28(28),  Tuberkul.  and.  ür 
(auch  Skrofulöse)  3  (5),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  2  (— ),  Lungei 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  11  (16),  Influenza  1  (1),  vener 
sehe  Krankh.  —  (— ),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  W echse 
fieber  usw.  —  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (2),  Alkoholi 
mus  —  ( — )(  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  8  (8),  sonst.  Krank 
d.  Atmungsorgane  2  (4),  organ.  Herzleiden  13  (17),  Herzschlag,  Her 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  7  (5),  Arterienverkalkur 
12  (6),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  2  (6),  Gehirnschlag  2  (< 
Geisteskrankh.  —  (3),  Krämpfe  d.  Kinder  11  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve 
Systems  4  (5),  Atrophie  der  Kinder  3  (— ),  Brechdurchfall  —  (1),  Mage 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  10  (5),  Bhnddarr 
entzünd.  2  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  2  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  6  (8),  Nierenentzümi.  2  (li 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (— ),  Krebs  13  (15),  son 
Neubildungen  5  (4),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (— ),  Krankh.  ü 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  1  (5),  Mord,  Totschlag,  au 
Hinricht.  1  (—),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  2  (■ 
and.  benannte  Todesursachen  4  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  a 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  195  (196). 

U  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoch 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


Di*  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Im  Umfang;  von  durchschnittlich  7  Bogen.  .  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  *f.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
Jl  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


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Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  3.  21.  Januar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Seitrag  zur  Kenntnis  und  zur  Therapie  des  Asthma. 

Von  Privatdozent  Dr.  med.  CarlStäubli,  Basel-St.  Moritz. 

Wenn  es  sich  um  eine  Krankheit  handelt,  über  deren  Wesen 
und  Entstehung  so  abweichende  Meinungen  existieren,  wie 
über  das  Asthma,  so  erscheint  es  ratsam,  vorerst  die  Störung, 
die  man  im  Auge  hat,  genau  zu  umschreiben.  Es  soll  hier 
weder  vom  Asthma  cardiale,  noch  vom  Asthma 
psychicum  oder  hystericum,  noch  vom  Asthma 
.iraemicum  usw.  gesprochen  werden.  Diese  alle  haben  mit 
Jem  eigentlichen  Asthma  nichts  zu  tun  und  wir  würden 
besser  von  kardialer,  hysterischer,  anämischer 
)  y  s  p  n  o  e  sprechen  und  den  Namen  Asthma  reservieren 
tir  das  eigentliche  Asthma  bronchiale  oder  ner- 
^osum,  wobei  wir  dann  die  unserer  heutigen  Krankheits¬ 
ruffassung  doch  nicht  mehr  voll  entsprechenden  Neben- 
pezeichnungen  bronchiale  und  nervosum  weglassen 
könnten.  Wenn  ich  also  kurzweg  von  Asthma  spreche, 
io  verstehe  ich  darunter  jenes  auf  dem  Boden  einer  (meist 
ingeborenen)  Konstitutionsanomalie  stehende,  in  Anfällen  von 
Atemnot  sich  äussernde  Leiden,  bei  welchem  wir  den  Thorax 
erweitert,  die  Lungen  gebläht  finden,  die  Lungenlüftung  unter 
pfeifenden,  giemenden  Geräuschen  sich  vollzieht  und  das 
Sputum,  wenn  vorhanden,  charakteristische  Eigenschaften 
zähschleimig,  Gehalt  an  zahlreichen  eosinophilen  Zellen, 
y  h  a  r  c  o  t-L  e  y  d  e  n  sehen  Kristallen,  Curschmann  sehen 
Spiralen)  zeigt  und  wobei  wir  häufig  (wohl  als  jenem  koor- 
linierte  weitere  Aeusserungen  der  Konstitutionsanomalie)  Stö- 
ungen  von  seiten  anderer  Organe,  wie  Ekzem  (Besnier), 
Jrtikaria  (v.  S  t  r  ü  m  p  e  1 1),  Migräne,  paroxysmale  Gelenk- 
;chwellungen  (v.  Strümpell),  Magen-Darmstörungen 
v.  Strümpell,  Neubauer  u.  Stäubli)  auftreten  sehen. 
:ine  eigenartige  Blutveränderung,  die  Eosinophilie  (zu- 
rst  beim  Asthma  von  Fr.  v.  Müller  beobachtet),  weist 
uif  die  enge  Zusammengehörigkeit  aller  dieser  Erscheinungen 
'in  (eosinophile  Diathese,  Verf.).  Wir  müssen  die  Möglichkeit 
ns  Auge  fassen,  dass  es  sich  dabei  um  eine  (meist  wohl  an- 
teborene)  Anomalie  im  Magen-Darmchemismus  handelt,  wo- 
iurch  Stoffe  ins  Blut  gelangen,  die  (obschon  sie  sich  bisher 
mserem  Nachweis  entzogen  haben),  sei  es  direkt  oder  durch 
Beeinflussung  der  sekretorischen  Tätigkeit  bestimmter  Drüsen, 
:u  einer  Uebererregbarkeit  bestimmter  Nerven  oder  Nerven- 
:entren  und  damit  zur  Disposition  zu  den  verschiedenen, 
irisenartigen  Organstörungen,  dann  ferner  auch  zur  Eosino- 
>hilie,  führen.  Auf  dem  Boden  der  dadurch  geschaffenen 
eberempfindlichkeit  treten  dann  durch  bestimmte  auslösende 
Momente  (Reflexe  von  seiten  des  Respirationstraktus,  der 
laut;  Magen-Darmstörungen,  Vorgänge  im  Genitalsystem, 
isychische  Erregungen  usw.)  anfallsweise  Störungen  auf.  Es 
st  das  eine  hypothetische  Annahme;  sie  vermag  aber  gut  die 
Vt  des  Auftretens  des  Asthma,  die  ihm  koordinierten  anderen 
Erscheinungen,  die  Eosinophilie,  wie  auch  die  weitgehende 
Analogie  zu  bestimmten  anaphylaktischen  Vorgängen,  zu  er- 
dären. 

Was  nun  die  Entstehung  des  Asthmaanfalles  selbst  be- 
rifft,  so  haben  von  den  zahlreichen  aufgestellten  Theorien  nur 
wei  verbreitete  Anerkennung  finden  können,  nämlich  die  An- 
iahme  von  der  bronchospastischen  und  diejenige  von 
ler  vasomotorisch-sekretorischen  Verenge- 
ung  der  kleinsten  Bronchien.  Mir  scheint,  dass 
'eide  zu  Recht  bestehen.  Beim  einen  Asthmatiker  tritt  mehr 
lie  eine,  beim  anderen  mehr  die  andere  Störung  in  den  Vorder- 
i’und;  es  kann  aber  auch  bei  ein  und  demselben  Patienten 

No.  3. 


das  eine  Mal  mehr  das  bronchospastische  Moment,  das  andere 
Mal  mehr  das  vasomotorisch-sekretorische  (die  Schleim¬ 
absonderung)  den  Anfall  einleiten. 

Es  bleibe  nicht  unerwähnt,  dass  Sahli*)  die  Annahme  eines 
Bronchialmuskelkrampfes  und  einer  Sekretionsneurose  für  hypo¬ 
thetisch  und  unwahrscheinlich  hält.  Er  sieht  das  Wesen  des  Asthma 
in  einer  stenosierenden  Bronchitis  und  das  nervöse  Moment  in  dem 
Auftreten  der  bronchialasthmatischen  Anfälle  einfach  in  einer  Er¬ 
regbarkeitssteigerung  des  Atmiingszentrums.  Die  Raschheit,  mit 
der,  wie  wir  sehen  werden,  Adrenalin,  in  Uebereinstimmung 
mit  dessen  bronchodilatorischer  Wirkung  bei  Muskarintieren,  den 
asthmatischen  Anfall,  die  akute  Lungenblähung  und  die  pfeifenden  und 
giemenden  Geräusche  zu  heben  vermag,  dürfte  aber  doch  als  Beweis 
für  die  hier  vertretene  Anschauung  gelten. 

In  neuerer  Zeit  wird  mit  Recht  der  Rolle,  die  die  Psyche 
in  der  Pathogenese  des  Asthmaanfalles  spielt,  grosse  Be¬ 
deutung  beigemessen.  Ueber  das  Wie  des  Kausalzusammen¬ 
hanges  müssen  wir  uns  genau  auseinandersetzen,  da  nur  eine 
richtige  Deutung  dieser  Beziehung  eine  sichere  Grundlage 
für  das  Verhalten  des  Arztes  den  Eltern  und  den  Verwandten 
gegenüber  sein  kann. 

Wenn  wir  uns  die  Qual  vor  Augen  führen,  die  ein  schwerer 
Anfall  für  den  Patienten  bedeutet,  die  Art,  wie  er  ihn  momentan  zum 
schwer  kranken  Menschen  macht,  ihn  in  seiner  Handlungsfähigkeit 
vollständig  lahm  legt,  ihm  die  Möglichkeit,  das  Leben  auch  nur  in 
mässigen  Grenzen  zu  geniessen,  nimmt  und  damit  mit  einem  Male  durch 
alle  seine  Pläne  einen  Strich  macht,  so  wird  es  uns  verständlich,  dass 
der  Asthmatiker  stets  in  einen  grossen  Angst  vor  seinen  Anfällen 
lebt,  dass  er  gerade  aus  dieser  Angst  heraus  auf  sich  und  sein 
körperliches  Befinden  seine  ganze  Aufmerksamkeit  lenkt  und  peinlich 
festzustellen  sucht,  welche  Umstände  das  Auftreten  eines  Anfalles 
bedingen.  Gerade  der  Umstand,  dass  der  Patient  im  krisenfreien 
Intervall  rasch  wieder  auflebt,  sich  wie  ein  Gesunder  fühlt  und  be¬ 
wegen  kann,  macht  den  Zustand  im  Anfall  nur  noch  peinlicher.  Es 
gibt  eben  in  der  ganzen  speziellen  Pathologie,  mit  Ausnahme  viel¬ 
leicht  gewisser  Neuralgien,  keine  Störung,  die  im  Vergleich  zu  der 
geringen  momentan  bleibenden  anatomischen  Veränderung  so  quälende 
Zustände  schafft,  wie  gerade  das  Asthma.  Man  könnte  seine  Stellung 
in  der  menschlichen  Pathologie  mit  dem  Satze  charakterisieren:  „Das 
Asthma  ist  keine  ernste  Krankheit,  aber  ein 
schweres  Leide  n“. 

Es  ist  also  durchaus  verständlich,  dass  die  Psyche  in 
der  Aetiologie  des  Anfalles  eine  Rolle  spielt.  Es  kann  beim 
Asthmatiker  die  plötzliche  Erkenntnis  z.  B.,  dass  er  das  er- 
fahrungsgemäss  ihm  Linderung  verschaffende  Mittel  zu  Hause 
gelassen  hat,  und  er  sich  an  einem  Orte  befindet,  wo  ihm 
dessen  Beschaffung  unmöglich  ist,  das  Auftreten  eines  An¬ 
falles  befördern,  ja  sogar  veranlassen.  Ist  das  aber  ein  Be¬ 
weis,  dass  das  Asthma  eine  primär  oder  direkt  psychogene 
Störung  ist? 

Es  ist  ganz  selbstverständlich,  dass  auf  das  Asthma,  einer 
beliebten  Zeitrichtung  gemäss,  auch  die  Freud  sehen 
Theorien  Anwendung  finden,  d.  h.  versucht  wird,  es  als 
Sexualneurose  zu  deuten.  Sicher  spielen  gelegentlich  bei 
Asthmatikern  sexuelle  Momente  in  der  Auslösung  von  Krisen 
eine  Rolle;  mit  dem  eigentlichen  Wesen  des  Asthma  haben 
sie  aber  nichts  zu  tun.  Dagegen  spricht  schon  der  Um¬ 
stand,  dass  wir  schon  in  den  ersten  Lebensjahren,  ja  sogar 
-Monaten,  typische  Asthmaanfälle  beobachten  können.  Ja  es 
ist  mir  ein  Patient  bekannt,  bei  dem  solche  schon  im  ersten 
warmen  Bade  aufgetreten  sind. 

Gerade  bei  der  Behandlung  von  Asthmatikern  kann  man  aber 
sehen,  welches  Unheil  schon  dadurch  angerichtet  wurde,  dass 
Theorien,  ohne  vorerst  die  Klärung  der  Frage  vor  dem  wissenschaft¬ 
lichen  Forum  abzuwarten,  kritiklos,  ja  leichtfertig  in  das  Laien¬ 
publikum  hineingetragen  wurden.  Da  kann  man  dann  erfahren,  wie 
arme  asthmatische  Patienten,  die  ohnehin  genug  an  ihrem  Leiden  zu 

*)  Sahli  H. :  Lehrbuch  der  klinischen  Untersuchungsmethoden, 
VI.  Aufl.,  I.  Bd.,  pag.  90,  1913. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 14 


No. 


tragen  haben,  von  Eltern  und  Angehörigen  mit  missverstandenen 
Lehren  gequält  werden. 

Es  gibt  rein  psychisch  bedingte,  hysterische 
Dyspnoen.  Wenn  es  auch  nicht  immer  leicht  ist,  sie  vom  wirk¬ 
lichen  Asthma  zu  unterscheiden,  so  haben  sie  mit  ihm  doch  nichts 
zu  tun.  Häufig  kommen  bei  ihnen  die  giemenden,  pfeifenden  Ge¬ 
räusche  dadurch  zustande,  dass  infolge  sehr  forcierter  Exspirationen 
eine  Verengerung  der  kleinsten  Bronchien  und  dadurch  eine  Er¬ 
schwerung  des  Luftdurchtrittes  erfolgt:  die  Schleimabsonderung  ist 
dabei  wohl  eine  rein  sekundäre  Reizerscheinung.  Wir  finden  dabei 
den  Thorax  in  Exspirationsstellung,  die  Lunge  nicht  gebläht. 
Schwieriger  ist  die  Unterscheidung,  wo  es  sich  um  psychisch  ver¬ 
stärkte  Inspiration  handelt.  Da  können  uns  unter  Umständen  wieder¬ 
holte  Blut-  und  Sputumuntersuchungen  einen  wertvollen  Fingerzeig 
geben. 

M.  Saenger  äusserte  die  Ansicht,  dass  es  sich  bei  den 
Asthmatikern  um  eine  krankhafte  Hinlenkung  ihrer  Aufmerksamkeit 
auf  den  ihnen  bedenklich  erscheinenden  Zustand  ihres  Atmungs¬ 
apparates  handelt x).  Es  soll  dann  die  infolge  irgend  eines  Momentes 
„plötzlich  lebhaft  gewordene  Erinnerung  an  die  während  eines  früher 
überstandenen  Katarrhs  der  Luftwege  gehabten  Empfindungen  das 
Eintreten  von  kongestiven  und  sekretorischen  Vorgängen  in  den 
Bronchien  zur  Folge  haben“ Dazu  komme  noch  das  lebhafte, 
„wenn  auch  objektiv  nicht  immer  vollkommen  begründete  Gefühl 
einer  Atembehinderung“.  Die  mehr  oder  weniger  deutliche  Vor¬ 
stellung  von  einer  drohenden  Erstickungsgefahr  führe  dann  zur  Be¬ 
schleunigung  und  Verstärkung  der  Atemtätigkeit,  welche  ihrerseits 
dann  die  Lungenblähung  im  Gefolge  habe. 

Es  soll  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  solche  oder  ähn¬ 
liche  psychische  Vorgänge  beim  Asthmatiker  im  Verlauf  seines 
Leidens  sich  sekundär  einstellen  und  bei  der  Entstehung  von  Anfällen 
eine  Rolle  spielen  können;  das  innerste  Wesen  des  Asthma  vermögen 
aber  auch  sie  nicht  zu  erklären.  Eine  solche  Erklärung  versagt  z.  B. 
ganz  bei  denjenigen  Fällen,  wo  bei  Kindern  in  früher  Jugend,  ganz 
plötzlich  „wie  aus  heiterem  Himmel“,  ohne  dass  ein  leichterer  Anfall 
oder  auch  eine  leichte  Atemstörung  infolge  einer  Bronchitis  usw. 
vorausgegangen  wäre,  zum  erstenmal  ein  heftiger  Anfall  auftritt. 
Ebenso  wäre  es  unverständlich,  dass  selbst  schwere  Asthmatiker  in 
bestimmten  Gegenden,  wie  z.  B.  im  Höhenklima,  auch  wenn  ihnen 
vorher  dessen  günstiger  Einfluss  auf  das  Asthma  nicht  bekannt  war, 
sich  ungestraft  denselben  Schädlichkeiten  aussetzen  dürfen,  die  früher 
die  heftigsten  Anfälle  ausgelöst  haben.  Es  müssten  sich  daselbst  doch 
dieselben  Erinnerungsbilder  einstellen.  In  neuerer  Zeit  erhielt  die 
Auffassung  von  der  psychischen  Entstehung  des  Asthma  durch  ver¬ 
schiedene  Beobachtungen  eine  Stütze.  Eine  Reihe  von  Autoren 
konnten  zeigen,  dass  zur  Entstehung  einer  Lungenblähung  eine  Er¬ 
schwerung  der  Exspiration  nicht  notwendig  ist,  dass  schon  (selbst 
willkürlich)  vertiefte  Atmung  zu  vermehrter  Lungenfüllung  führen 
kann.  Damit  ist  natürlich  nicht  bewiesen,  dass  gerade  beim  Asthma 
vermehrte  Inspiration  und  Lungenblähung  nicht  doch  eben  Folgen 
einer  primär  erschwerten  Exspiration  sind.  Uebrigens  ist  eine 
Lungenblähung  noch  kein  Asthma.  Eine  weitere,  wichtige  Stütze 
schien  die  erwähnte  Auffassung  durch  die  exakten  Untersuchungen 
von  Staehelin  und  Schütze* * 3)  zu  erhalten.  Letztere  Autoren  fan¬ 
den,  dass  bei  2  (bzw.  4)  Asthmatikern  die  pro  Minute  im  Anfall  geatmete 
Luftmenge  der  Ventilationsgrösse  in  der  anfallsfreien  Zeit  nicht  nur 
nicht  gleich  ist,  sondern  sie  sogar  bedeutend  übertreffen  kann,  mit 
anderen  Worten,  dass  die  Ventilation  der  Lungen  im  Asthmaanfall 
nicht  nur  genügend,  sondern  sogar  überreichlich  sei.  Staehelin4) 
schloss  daraus,  dass  wir  uns  die  vertiefte  Atmung  nicht  nur  als  Mittel 
zur  Ueberwindung  des  Bronchialkrampfes  zu  denken  haben,  sondern 
es  müsse  auch  eine  rein  subjektive  Komponente  der  Dyspnoe  vor¬ 
handen  sein,  die  zu  einer  Vertiefung  der  Atmung  über  das  Mass 
hinaus,  das  zur  Ueberwindung  des  Widerstandes  notwendig  ist,  führe; 
d.  h.  der  Asthmatiker  habe  den  Drang,  tiefer  zu  atmen,  als  zur  Be¬ 
friedigung  des  Ventilationsbedürfnisses  notwendig  sei.  Auch  die  Tat¬ 
sache,  dass  wir  beim  Asthma  häufig  [aber  nicht  immer4*)]  viel  geringere 
Zyanose  beobachten,  als  bei  der  kardialen  Dyspnoe,  scheint  auf  den 
eisten  Blick  eine  solche  Deutung  zu  rechtfertigen.  Hier  möchte  ich 
gleich  erwähnen,  dass  bei  der  kardialen  Dyspnoe  die  Ver¬ 
änderung  der  Atmung  eben  eine  nur  ungenügende  Kompensation  für 
die  Störung  der  Blutzirkulation  darstellt,  während  beim  Asthma  der 
Organismus  die  Atmungsbehinderung  durch  Inanspruchnahme  der 
Reserve  und  auxiliären  Kräfte,  wenn  auch  unter  grosser  Anstrengung, 
aufzuwiegen  vermag. 

Wenn  wir  uns  ein  klares  Bild  über  die  pathologischen 
Vorgänge  im  Asthmaanfall  machen  wollen,  so  mag  es  doch 

3)  M.  Saenger:  Ueber  Asthma  und  seine  Behandlung. 
Berlin  1910. 

-)  M.  Saenger:  Ueber  die  psychische  Komponente  unter  den 
Asthmaursachen.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  8. 

3)  Staehelin  und  Schütze:  Spirographische  und  pneumo- 
graphische  Untersuchungen.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  LXXV,  1912. 

4)  R.  Staehelin:  Exspirationskrankheiten:  Entstehung  und 
Behandlung  des  Asthma  bronchiale.  Jahreskurse  für  ärztliche  Fort¬ 
bildung,  Februarheft  1912. 

4*1  Zwei  meiner  Patienten  zeigen  im  Anfall  ausserordentlich 
starke  Zyanose. 


nicht  ganz  unnütz  sein,  sich  von  einem  genau  beobachtende 
Patienten  schildern  zu  lassen,  was  er  selbst  im  Anfall  eni[ 
findet. 

Er  gibt  uns  vorerst  gerne  zu,  dass  er  selbst  nicht  an  sei 
Leiden  erinnert  werden  will,  dass  er  sucht,  möglichst  seine  Gedanke 
davon  abzulenken,  dass  sich  bei  ihm  aber  eine  gewisse  Angst  vi 
Anfällen  einstellt,  wenn  er  sich  in  zahlreicher  Gesellschaft,  in  eit 
geschlossenen  Räumen,  im  raucherfüllten  Eisenbahnwagen,  in  einet 
Stall  mit  Heu-  und  Pferdegeruch  usw.  befindet,  wenn  er  an  sich  di 
Anzeichen  einer  Erkältung  beobachtet  oder  wenn  er  in  psychisch 
Aufregung  gerät.  Es  ist  auch  verständlich,  dass  er  solchen  am 
lösenden  Momenten  auszuweichen  sucht.  Es  ist  dieses  psychisch 
Verhalten  an  sich  aber  ebensowenig  krankhaft,  wie  wenn  ein  Ulcus 
kranker  ängstlich  die  Speisen  zu  vermeiden  sucht,  deren  Genuss  ihi 
erfahrungsgemäss  Schmerzen  verursacht.  Der  Asthmaanfall  wir 
eingeleitet  durch  ein  eigenartiges  Unbehagen,  Beunruhigung,  Gefiit 
von  Schwüle,  manchmal  auch  mit  Kitzelgefühl  am  Kinn,  Ein 
schnürungsgefühl  am  Halse.  Dann  wird  das  Atmen  schwerer;  es  leg 
sich  wie  ein  Druck  auf  die  Brust.  Schon  geringere  körperliche  Be 
wegungen  führen  zu  Pulsbeschleunigung,  Atemnot.  Im  eigentliche : 
Anfall  kann  der  Patient  nur  mit  Mühe  noch  seinem  Atembedürfni 
entsprechen.  Dabei  hat  er  das  deutliche  Empfinden,  dass  er  die  Lul 
aus  den  Lungen  nicht  genügend  herausbringt  und  dass  die  Inspiratio 
ihm  nicht  etwa  durch  Verlegung  der  Luftwege  erschwert  ist,  sonder 
dass  er  deshalb  nur  mit  Mühe  einatmet,  weil  die  Lunge  schon  m< 
Luft  voll  ist.  Mit  dem  besten  Willen  gelingt  ihm  eine  Entlüftung  de 
Lungen  oder  eine  absichtliche  Aenderung  der  Atmung  im  Sinne  eine 
weniger  angestrengten  Inspiration  auf  die  Dauer  nicht.  Für  einig 
Atemzüge  wohl,  dann  überwiegt  aber  ein  stärkerer  Impuls,  als  sei 
Wille,  und  unter  grösster  Anstrengung  muss  er  das  absichtlic 
weniger  geatmete  Luftvolumen  wieder  nachholen.  Trotz  des  vo: 
seiten  der  überanstrengten  Muskeln  sich  einstellenden  quälenden  Er 
müdungsgefühls  ist  der  Patient  immer  weiter  zu  äussersten  Atem 
anstrengungen  gezwungen.  Sagt  man  dem  in  einem  solchen  Zu 
stände  höchster  Ermüdung  nach  Luft  ringenden  Patienten:  er  atm 
infolge  einer  falschen  Vorstellung  unnötig  mehr  Luft,  als  er  braucht 
so  hat  er  für  eine  solche  Deutung  nur  ein  mitleidiges  Lächeli 
Schliesslich  löst  sich  bei  allgemeiner  Erschöpfung  der  ganze  Anfal 
Gelingt  es,  in  dem  geschilderten  Anfall  durch  richtig  vorgenommen 
Räucherung,  durch  Atropin  usw.  die  akute  Stenose  der  kleinste 
Atemwege  zu  heben,  so  empfindet  der  Patient  die  Erleichterung  haupt 
sächlich  darin,  dass  das  Gefühl  der  Luftüberftillung  der  Lunge  ab 
nimmt,  dass  er  wieder  durchatmen  kann.  Der  Asthmatiker  such! 
sobald  er  kann,  den  zur  Deckung  seines  Sauerstoffbedürfnisses  not 
wendigen  Luftwechsel  innerhalb  der  Luftkapazität  der  Lunge  nacl 
unten  zu  verschieben,  d.  h.  mit  einem  geringeren  absoluten  Luftgelia! 
der  Lunge  zu  atmen,  weil  ihm  das  bei  der  quälenden  Empfindung  de 
Uebermüdung  der  Atmungsmuskulatur  eine  Erleichterung,  ja  Er 
lösung  bedeutet. 

Dies  die  subjektiven  Empfindungen  des  Asthmatikers. 

Es  stellt  sich  nun  die  Frage:  Können  wir  jene  aus  dei 
beim  Asthmaanfall  vor  sich  gehenden  Veränderungen  herau 
erklären  und  sie  mit  den  exakten  Beobachtungen  über  dii 
Lungenlüftung  in  Einklang  bringen,  oder  haben  wir  tatsächlicl 
anzunehmen,  dass  die  verstärkte  Atmung  und  die  Lungen 
blähung  vorwiegend  und  direkt  psychisch  bedingt  sind? 

Bevor  ich  auf  die  Verhältnisse  beim  Asthma  eingehe 
möchte  ich  zuerst  die  beim  Normalen  in  Frage  kommende] 
Begriffe  in  ein  graphisches  Schema  bringen: 


Rd.  Rv.  A  H. 


V. 


Die  einzelnen  Felder  geben  graphisch  ungefähr  das  Verhältnis 
wieder,  in  welchem  die  einzelnen  Partialvolumina  zur  gesamten  Luft 
kapazität  der  Lungen  stehen.  Es  bedeutet: 

Rd.  =  Residualluft,  d.  h.  dasjenige  Luftvolumen,  das  auch  be 
extremster  Exspiration  noch  in  den  Lungen  zurückbleibt. 

Rv.  ~  Reserveluft,  d.  h.  dasjenige  Luftvolumen,  das  nach  Be 
endigung  der  gewöhnlichen  Ausatmung  durch  maximale  Exspiratioi 
noch  aus  den  Lungen  getrieben  werden  kann. 

A  =  Atmungsluft,  d.  i.  das  bei  der  unwillkürlichen  Atmuw 
pro  Atemzug  geatmete  Luftvolumen. 

K  =  Komplementärluft,  d.  h.  dasjenige  Volumen,  das  bei  an 
gestrengtester  Inspiration  noch  über  die  gewöhnliche  Atmungsluf 
hinaus  eingeatmet  werden  kann. 

V  (Rv.  +  A  +  K)  =  Vitalkapazität  der  Lunge  =  maximale 
dem  Willen  unterworfene  Lungenlüftung. 

Setzen  wir  noch  S  =  schädlichen  Raum,  d.  h.  dem  bei  der  Atmuiü 
nicht  erneuten  Luftvolumen  der  gröberen  Luftwege,  so  erhalten  wii 
A — S  =  dasjenige  Volumen  Atemluft,  das  sich  bei  der  automatische' 
Atmung  bei  jedem  Atemzug  mit  der  Alveolarluft  mi$cht. 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCH ß  WOCHENSCHRIFT. 


Es  ist  dann 

I  A— S _ (erneuerte  Luftmenge) 

Resid. -f-Reserv.  ^  gesamte  in  den  Alveolen  —  ^  entilationskoeffizient. 
enthaltene  Luftmenge 

Das  Produkt  A  Atemfrequenz  stellt  die  Atmungs-  oder 
\  entilationsgrösse  dar,  d.  h.  das  pro  Minute  geatmete  Luft¬ 
volumen. 

Das  dem  normalen  Sauerstoffbedarf  genügende,  pro 
Atemzug  geatmete  Luftvolumen  A  kann  innerhalb  von  V  für 
einige  Zeit  willkürlich  verschoben  werden;  bei  der  unwillkür¬ 
lichen  Atmung  nimmt  es,  wie  das  Schema  zeigt,  ungefähr 
eine  Mittellage  ein,  d.  h.  es  bewegen  sich  die  Atmungs¬ 
schwankungen  um  einen  mittleren  Füllungszustand  der 
Lungen,  bei  welchen  sich  die  gesamten  in-  und  exspiratori- 
schen  (Muskel-  und  elastischen)  Kräfte  das  Gleichgewicht 
halten;  der  notwendige  Sauerstoffbedarf  des  Organismus  wird 
unter  geringst  möglichem  Energieaufwand  gedeckt.  Der 
Muskelstoffwechsel  ist  darauf  eingestellt;  es  kommt  zu  keinen 
Ermüdungserscheinungen  von  seiten  der  Atemmuskulatur. 

Im  Asthmaanfall  nun,  wo  durch  die  bronchospasti- 
sche  und  vasomotorisch-sekretorische  Verengerung  der  klein¬ 
sten  Bronchien  die  Entlüftung  der  Alveolen  erschwert  ist,  kann 
die  notwendige  Lungenlüftung  nur  durch  stärkere  Inanspruch¬ 
nahme  der  Inspiration  vor  sich  gehen.  Es  verschiebt  sich  A 
innerhalb  von  V  auf  Kosten  von  K  nach  oben,  bis  die  Ver¬ 
mehrung  der  Spannkraft  der  Lungen  dem  Exspirations¬ 
hindernis  das  Gleichgewicht  hält.  In  dieser  Gleichgewichts¬ 
lage  vollzieht  sich  dann  vorerst  die  Atmung  nach  normalem 
Typus.  Nun  stellt  sich  aber  ein  Circulus  vitiosus  ein.  Es 
scheint,  dass  eine  Vertiefung  der  Inspiration  an  sich  wieder 
einen  Reiz  auf  die  der  Atmung  vorstehenden,  übererregbaren 
Zentren  auszuüben  vermag  4**).  Ferner  tritt,  in  durchaus  ver¬ 
ständlicher  Weise,  als  weiteres  schädliches  Moment  die  Be¬ 
ängstigung,  die  psychische  Aufregung  des  Patienten  hinzu. 
Diese  wirkt,  wie  andere  Reize,  neuerdings  erregend  auf  die 
bronchospastischen  und  vasomotorisch-sekretorischen  Vor¬ 
gänge  ein,  ähnlich,  wie  etwa  psychische  Erregungen  ganz  be¬ 
stimmte  sekretorische  und  motorische  Vorgänge  am  Magen- 
Darmtraktus  auszulösen  vermögen.  Ein  weiteres  Moment  im 
Circulus  vitiosus  ist  die  Verschlechterung  der  Lungendurch¬ 
blutung,  die  ihrerseits  zu  Atemreizen  führen  kann.  Entgegen¬ 
gesetzt  zu  der  allgemein  akzeptierten  Anschauung  hat  S  a  u  e  r- 
bruch5)  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  kollabierte 
Lunge  besser  durchblutet  werde,  als  die  geblähte.  Durch  zahl¬ 
reiche  genaue,  an  lebenden  Katzen  und  Hunden  mit  Hilfe  einer 
ausserordentlich  sorgfältig  ausgearbeiteten  Methodik  aus¬ 
geführten  Untersuchungen  konnte  M.  Cloetta6)  bestätigen, 
dass  die  Lunge  im  inspiratorisch  geblähten  Zustande  geringere 
Durchblutung  besitzt.  In  einer  neuen  Arbeit  hat  Cloetta6*) 
diesen  Satz  dahin  genauer  formuliert:  Auf  der  Höhe  der  In¬ 
spiration  ist  die  Durchblutung  am  schlechtesten,  viel  besser 
bei  der  Exspiration,  am  vollkommensten  beim  Beginn  der 
Inspiration. 

Ein  weiteres  für  die  Zirkulation  ungünstiges  Moment  hegt 
darin,  dass,  wie  D.  Gerhardt7 *)  und  sein  Schüler  Ro¬ 
ma  n  o  f  f  )  gezeigt  haben,  die  Schnelligkeit  der  Blutströmung 
in  den  Lungen  abhängig  ist  vom  intraalveolären  Luftdruck. 
Bei  der  Erhöhung  des  letzteren,  wie  beim  Asthma,  muss  also 
eine  Erschwerung  der  Blutzirkulation  eintreten.  Neben 
weiteren,  die  Zirkulation  ungünstig  beeinflussenden  Momenten, 
wie  z.  B.  der  Tiefstand  des  Zwerchfells,  ist  noch  zu  erwähnen 
die  vom  Verfasser  9)  beobachtete  Erhöhung  der  Blutviskosität 

***)  Siehe  auch  Sahli  a.  a.  0. 

ri  vti? aJierbruch:  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir., 

öd.  XIII,  H.  3,  1904. 

')  M.  Cloetta:  lieber  die  Zirkulation  in  der  Lunge  und  deren 
eeintlussung  durch  Ueber-  und  Unterdrück.  Archiv  f.  exper.  Pathoi 
u.  PharmakoL,  Bd.  LXVI,  1911,  p.  409. 

"  I  M.  Cloetta:  In  welcher  Respirationsphase  ist  die  Lunge  am 
’esten  durchblutet?  Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Phar¬ 
makologie,  Bd.  LXX,  1912,  pag.  407. 

')  D.  Gerhardt:  Ueber  gegenseitige  Beeinflussung  von 
Atmung-  und  Kreislaufstörungen.  Verhandl.  d.  Naturforsch.-Gesellsch. 
n  Basel,  Bd.  XXI. 

)M.  Romanoff:  Experimente  über  Beziehungen  zwischen 
Atmung  und  Kreislauf.  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.,  LXIV,  1910. 

:  Stäubli:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  Asthma 

»ronchiale.  Deutsch.  Kongr.  f.  innere  Med.  XXVIII,  1911. 


1 15 


beim  Asthma.  Infolge  Fehlens  eines  ausgiebigeren  Vaso¬ 
motorenspiels  nn  Lungenkreislauf  steht  aber  das  Mass  der 
Lungendurchblutung  in  direkter  Abhängigkeit  zur  Blut¬ 
viskosität.  Letzterer  direkt  proportional  ist  die  vom  rechten 
rlei  zen  zu  leistende  Arbeit.  Im  weiteren  spielen  sicher  beim 
Asthma,  abgesehen  vom  Gasgehalt,  bestimmte,  dem  inter¬ 
mediären  Stoffwechsel  entstammende  Blutbestandteile  als 
Reize  auf  die  den  Atmungsvorgängen  vorstehenden  Nerven- 
zentren  eine  Rolle.  Ich  kann  hier  nicht  näher  darauf  ein- 
gchen,  weil  die  exakte  Forschung  sich  vorerst  noch  nicht  ein¬ 
gehend  mit  dieser  Frage  befasst  hat. 

Unter  Einfluss  aller  dieser  Momente  kommt  es  schliesslich 
im  schwersten  Anfall  zu  einem  Zustand,  in  welchem  der 
Patient  überhaupt  nur  noch  an  der  oberen  Grenze  der  Vital¬ 
kapazität  atmet.  Wir  erhalten  für  den  Asthmatiker  folgendes 
graphisches  Schema: 


d.  h  die  Komplementärluft  ist  fast  vollständig  verschwunden 
die  Residualluft  hat  zugenommen.  Wie  sich  das  Verhältnis 
von  Residual-  zu  Reserveluft  im  Asthmaanfall  gestaltet  ist 
noch  nicht  genauer  untersucht.  Auf  jeden  Fall  zeigt  die  Haupt¬ 
zunahme  die  Residualluft.  Doch  dürften  die  individuellen  Ver¬ 
hältnisse  sehr  verschieden  sein.  Die  genügende  Lungenventi- 
latior.  kann  nur  noch  unter  Aufbietung  aller  Reserve-  und 
auxiliären  Muskelkräfte  erreicht  werden;  je  mehr  der  Thorax 
seine  Mittellage  verlässt,  mit  um  so  grösserem  Energieauf¬ 
wand  vollzieht  sich  jene.  Das  Ermüdungsgefühl  der  iiber- 
ansti  engten  Atemmuskeln  und  das  Bewusstsein,  an  der 
Grenze  der  Leistungsfähigkeit  des  Atmungsapparates  ange- 
langt  zu  sein,  zusammen  mit  der  Tatsache,  dass  sich  bei  dem 
geringsten  Nachlassen  der  Atemanstrengungen  sofort  die  Emp¬ 
findung  von  Lufthunger  einstellt,  bedingen  die  peinigende 
Erstickungsangst  im  Asthmaanfall. 

Die  bisherigen  Betrachtungen  erfolgten  unter  der  Voraus¬ 
setzung,  dass  das  Sauerstoff-  oder,  besser  gesagt,  das  Venti¬ 
lationsbedürfnis  im  Asthmaanfall  der  Norm  entspreche.  Tat¬ 
sächlich  können  wir  aber  den  Asthmatiker  nicht  mit  einer 
ruhenden  Person  vergleichen,  bei  welcher  die  Atmung  unter 
dem  geringst  möglichen  Energieaufwand  vor  sich  geht.  Der 
Asthmatiker  befindet  sich  im  Anfall  in  angestrengtester  Muskel¬ 
tätigkeit,  die  um  so  mehr  den  O-Bedarf  steigert,  als  es  sich 
um  abnormale  Betätigung  auxiliärer  Muskelkräfte  handelt. 
Ferner  verlangt  die  Erschwerung  der  Lungendurchblutung  eine 
vermehrte  Herzarbeit,  die  ihrerseits  einen  vermehrten  Sauer¬ 
stoffverbrauch  (und  eine  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels) 
bedingt.  Dazu  kommt  dann  noch,  dass  eine  Vermehrung  der 
Ventilationsgrösse  schon  dadurch  bedingt  ist,  dass  die  Atem¬ 
luft  sich  mit  einer  grösseren  in  den  Lungen  schon  vorhandenen 
Luftmenge  mischt,  wodurch  der  Ventilationskoeffizient  kleiner 
wird  (ein  Moment,  das  auch  beim  Emphysem  in  Frage  kommt). 

I  atsächlich  konnte  S  i  e  b  e  c  k  9  )  beim  Emphysem  zeigen, 
dass  gleich  grosse  Atemzüge  eine  viel  geringere  Ventilation 
der  Alveolen  bewirken,  wie  bei  der  normalen  Lunge.  Ferner 
konnte  er  nachweisen,  dass  bei  der  emphysematosen  Lunge 
durch  eine  ungleichmässige  Ventilation  der  Alveolen  die 
Atmung  für  die  Arterialisierung  des  Blutes  viel  ungünstiger, 
als  beim  Gesunden  ist.  Es  erbrachte  denn  auch  Rein¬ 
hardt  9v*)  den  Beweis,  dass  der  Emphysematiker  im  gleichen 
Volumen  Luft  weniger  CO?  ausatmet,  als  der  Gesunde,  d  h 
dass  er,  um  die  gleiche  Menge  CO*  auszuatmen,  mehr  Luft 
atmen  muss.  Dazu  kommt  dann  noch,  dass  die  absolute 
COa-Ausscheidung  beim  Emphysematiker  (wohl  infolge  der 
vermehrten  Muskelanstrengung)  grösser  ist,  als  beim  Ge¬ 
sunden.  Alle  diese  Verhältnisse  dürften  auch  bei  der  akuten 

)  Siebeck  R.:  Ueber  den  Gasaustausch  zwischen  der 

Aussenluft  und  den  Alveolen.  III.  Mitteilung:  Die  Lungenventilation 

beim  Emphysem.  Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  Heft  3 

und  4,  Bd.  102,  1911. 

9 *  Reinhardt  R. :  Ueber  das  Verhältns  von  COa-Ausschei- 
dung  zur  Atemgrösse  beim  Lungenemphysem.  Deutsches  Archiv  für 
klinische  Medizin,  Heft  1  und  2,  Bd  109,  1912 


1* 


116 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


o, 


No. 


Lungenblähung  im  Asthmaanfall  eintreten.  Ferner  erscheint 
es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass  nicht  der  ganze  Bronchial- 
traktus  gleichmässig  vom  Spasmus  ergriffen  wird.  Wir  hätten 
dann  relativ  freie  Lungenpartien,  die  übermässig  ventiliert 
werden,  in  denen  aber  das  Blut  nicht  mehr  O2  als  bis  zur 
Sättigung  aufnehmen  kann,  und  Bezirke,  wo  nur  ein  unge¬ 
nügender  Gasaustausch  stattfindet.  Das  gesamte  gemischte 
Blut  könnte  dann  trotz  Ueberventilation  ungenügend,  oder 
eben  nur  durch  diese  annähernd  genügend  arterialisiert  sein. 
Jedenfalls  müssen  wir  uns  hüten,  aus  einzelnen,  wenn  auch 
exakt  ausgeführten  Versuchen,  zu  weitgehende,  verallge¬ 
meinernde  Schlüsse  zu  ziehen.  Schon  der  Umstand,  dass  mit 
der  Zeit  beim  Asthma  sich  schwere,  verhängnisvolle  ana¬ 
tomische  Veränderungen  einstellen  können,  sollte  uns  davor 
warnen,  in  ihm  allzusehr  nur  eine  psychische  Störung  zu 
sehen.  Ich  möchte  also  den  Schluss  ziehen,  dass  der  Asthmatiker 
nicht  infolge  einer  „fehlerhaften“  Atmung  „unnötig“  über¬ 
ventiliert,  sondern  dass  er  mehr  ventiliert,  weil  er  mehr  Luft 
atmen  muss,  d.  h.  die  veränderte  Atmung  im  Asthmaanfall 
ist  die  notwendige  physiologische  Folge  der  in  den  kleinsten 
Bronchialverzweigungen  bestehenden  Atembehinderung  und 
der  dadurch  bedingten  weiteren  Veränderungen. 

Kurz  zusammenfassend  möchte  ich  sagen:  Auf  Grund  einer 
meist  ererbten  konstitutionellen  Krankheitsbereitschaft,  die 
beim  Asthmatiker  in  einer  Uebererregbarkeit  bestimmter,  die 
Bronchialmuskulatur  und  die  Schleimhaut  innervierender  und 
zu  den  Atmungsvorgängen  in  naher  Beziehung  stehender 
Nervenzentren  10)  besteht,  kommt  es,  ausgelöst  durch  die  ver¬ 
schiedenartigsten  Momente  (reflektorische  Reize  von  seiten 
des  Respirations-,  des  Magen-Darmtraktus,  des  Genitalappa¬ 
rates,  der  Haut,  durch  klimatische  Faktoren,  Angstvorstel- 
lungen  und  andere  psychische  Aufregungen  usw.)  zu  einer 
bronchospastischen  und  vasomotorisch-sekretorischen  Ver¬ 
engerung  der  Bronchien,  durch  welche  die  Entlüftung  der  Al¬ 
veolen  erschwert  wird.  Dieses  führt  zu  einer  Verschiebung 
der  Lungenlüftung  nach  der  oberen  Grenze  der  Vitalkapazität 
auf  Kosten  der  Komplementärluft.  Die  Residualluft  nimmt  zu 
(Lungenblähung);  dabei  ist  das  Ventilationsbedürfnis  erhöht. 

T  h  e  r  a  p  i  e.10*) 

Es  ist  nicht  beabsichtigt,  hier  eine  Aufzählung  aller  Mittel 
zu  geben,  die  schon  mit  mehr  oder  weniger  gutem  Erfolg  gegen 
das  Asthma  angeraten  worden  sind  10**).  Hier  möchte  ich  nur 
einige  Punkte  besonders  hervorheben,  die  mir  berufen  er¬ 
scheinen,  in  der  Behandlung  des  Asthma  an  erste  Stelle  ge¬ 
stellt  zu  werden.  —  Dass  alle  unsere  Massnahmen  von  den 
Prinzipien  der  Hygiene  von  Körper  und  Geist  getragen  sein 
sollen,  ist  nach  den  Erörterungen  über  die  Entstehung  des 
Asthmaanfalles  selbstverständlich.  Wichtig  ist  in  der  anfalls¬ 
freien  Zeit  ausgiebige  körperliche  Bewegung  in  frischer  Luft, 
wobei  eine  solche  sportliche  Betätigung  den  Vorzug  verdient, 
die  nicht  erhitzende,  überhastete  Bewegungen  bedingt,  anderer¬ 
seits  aber  die  Gedanken  des  Patienten  möglichst  von  sich  ab¬ 
lenkt.  An  die  erste  Stelle  möchte  ich  stellen  den  Berg-  und  den 
Reitsport,  beide  natürlich  in  systematischer,  gemässigster  Art. 
Bei  Bergtouren  achte  man  darauf,  dass  die  ersten  1  bis 
2  Stunden  möglichst  langsam  und  ruhig  gegangen  werde; 
nachher  kann  man  den  Asthmatiker  nach  Herzenlust  gehen 
lassen;  er  wird  es  manchmal  mit  den  besten  Steigern  auf¬ 
nehmen.  Das  Reiten  geschehe  im  Freien,  nicht  in  der  von 
Pferde-  und  Heugeruch  erfüllten  Manege.  Durchaus  zweck¬ 
mässig  in  anfallsfreier  Zeit  oder  bei  geringen  Atembehinde¬ 
rungen  sind  Atemübungen  im  Sinne  von  Saenger  [Zähl¬ 
methode  ”)],  deren  wesentlichstes  Prinzip  die  gewollte  Ab- 

10)  Ich  sage  nicht  Vagus,  da  es  sich  vielleicht  nicht  direkt 
um  eine  Uebererregbarkeit  dieses  Nerven  oder  um  eine  Tonus¬ 
steigerung  im  „autonomen  Nervensystem“  (Vagotomie  von  E  p  - 
p  i  11  g  e  r  u.  Hess),  sondern  darum  handelt,  dass  in  dem  an  und  für 
sich  gesunden  Vagus  pathologisch  verstärkte  Erregungen,  die  von 
einem  höheren  Zentrum  ausgehen,  ablaufen. 

10*)  Dieser  Abschnitt  war  Gegenstand  eines  am  7.  November 
1912  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  in  Basel  ge¬ 
haltenen  Vortrages. 

10**)  gs  sej  jn  (-|jeser  Beziehung  auf  die  wertvolle,  vor  kurzem 
erschienene  Monographie  „Das  Asthma“  von  Wolfgang  Siegel  ver¬ 
wiesen. 

“)  M.  Saenger :  Ueber  Asthma  und  seine  Behandlung.  Berlin  1910. 


Schwächung,  aber  möglichste  Verlängerung  der  Exspiration 
ist.  Im  Asthmaanfalle  hat  sie  mir  allerdings  gewöhnlich  ver¬ 
sagt.  Aber  auch  Saenger  weist  auf  die  Notwendigkeit  der 
Vorübung  in  der  anfallsfreien  Zeit  hin.  Nach  unseren  früheren 
Betrachtungen  muss  diese  Disziplinierung  der  Atmung  einen 
günstigen  Einfluss  auf  die  Lungendurchblutung  ausiiben,  auch 
lässt  sie  die  Lungenlüftung  bei  geringerem  Gesamtfüllungs¬ 
zustand  der  Lungen  vor  sich  gehen;  auf  unser  Schema  be¬ 
zogen:  A  verschiebt  sich  innerhalb  von  V  mehr  nach  einer 
normalen  Lage,  es  wird  also  der  chronischen  Lungenblähung 
entgegengewirkt. 

Eine  besonders  wichtige  Rolle  spielt  die  Berücksichtigung 
der  Psyche.  Man  suche  den  Patienten  möglichst  von 
seinem  Leiden  abzulenken,  ihn  von  anderweitigen  psychischen 
Beängstigungen  und  Aufregungen  frei  zu  halten.  Wichtig  ist 
eine  geistige  Betätigung,  die  der  Veranlagung,  den  Talenten 
des  Asthmatikers  möglichst  gerecht  wird,  die  ihn  demzufolge 
ganz  erfüllt  und  seinem  Leben  einen  Daseinsinhalt  zu  geben 
vermag.  Schädlichkeiten,  die  erfahrungsgemäss  Anfälle  aus- 
lösen,  sind  natürlich  so  viel  wie  möglich  vom  Patienten  fern 
zu  halten;  dies  aber,  wenn  immer  möglich,  ohne  dass  es  der 
Patient  merkt.  Ist  solchen  nun  einmal  nicht  auszuweichen, 
so  werde  der  Patient  ja  nicht  noch  von  Eltern  und  Angehörigen 
(was  in  falscher  Fürsorge  meistens  geschieht)  durch  ängst¬ 
liches  Befragen  darauf  und  auf  sein  Leiden  aufmerksam 
gemacht. 

Eine  wichtige  Rolle  in  der  Astmabehandlung  kommt  dem 
H  0  c  h  g  e  b  i  r  g  e  zu.  Es  ist  schon  von  verschiedener  Seite 
darauf  aufmerksam  gemacht  worden.  Die  Wirkung  ist  eine  so 
auffallende,  ja  direkt  an  einen  spezifischen  Einfluss  erinnernde, 
andererseits  sind  noch  weite  Kreise  so  wenig  darüber  orien¬ 
tiert,  dass  es  im  Interesse  der  leidenden  Asthmatiker 
liegt,  immer  wieder  auf  diesen  wertvollen,  therapeutischen 
Faktor  hinzuweisen.  Wir  besitzen  in  der  gesamten  Asthma¬ 
therapie  kein  Mittel,  das  dem  Höhenklima  bezüglich  der 
Wahrscheinlichkeit  des  Eintritts  und  der  Intensität  der 
Wirkung  auch  nur  annähernd  gleichkäme.  Die  überwiegende 
Mehrzahl  der  Patienten  mit  reinem,  unkomplizierten  Asthma 
ist  mit  der  Ankunft  im  Höhenklima  und  für  die  ganze  Zeit  des 
dortigen  Aufenthaltes  vom  Asthma  befreit.  Patienten,  die  noch 
kurz  vorher  sich  im  Tiefland,  nach  Luft  ringend,  wie  Schwer¬ 
kranke  herumgeschleppt  haben,  leben  im  wahren  Sinne  des 
Wortes  daselbst  auf,  und  manchen  sehen  wir  bald  als  Hoch¬ 
tourist  in  den  Schönheiten  der  Hochgebirgswelt  schwelgen. 
Man  muss  diese  auffallende  Umwandlung,  diesen  raschen  kör¬ 
perlichen  Umschwung,  selbst  mit  angesehen  haben,  um  daran 
zu  glauben.  Wir  stehen  hier  noch  vor  einem  interessanten, 
wissenschaftlichen  Problem.  Alle  die  zahlreichen  Hypothesen, 
die  zur  Erklärung  schon  herangezogen  wurden,  halten  einer 
Kritik  nicht  stand.  Es  lag  nahe,  das  wirksame  Moment  in  der 
Verminderung  des  Luftdrucks  oder  des  O-Partiardrucks  im 
besonderen  zu  suchen.  Aber  dem  widerspricht  schon  die  Tat¬ 
sache,  dass  die  günstige  Wirkung  nicht  langsam  und  parallel 
mit  der  steigenden  Höhe  eintritt.  Im  Gegenteil,  wir  sehen 
sehr  häufig  Asthmatiker  in  mittleren  Höhen  von  800  bis 
1100  m  noch  heftiger  von  ihren  Krisen  befallen  werden, 
um  dann  von  einer  bestimmten  Höhe  an  mit  einem  Male  ganz 
davon  befreit  zu  bleiben.  Man  sollte  also  gleich  möglichst  hoch, 
d.  h.  in  Höhen  von  1400 — 1500  m  gehen.  Daselbst  fühlen 
sich  die  meisten  Asthmatiker  frei  von  ihrem  Leiden.  Aber 
auch  ein  Misserfolg  in  dieser  Höhe  bedeutet  noch  nicht  ein 
Versagen  des  Hochgebirges  überhaupt.  Es  kommt,  wenn  auch 
seltener  Weise,  vor,  dass  ein  Asthmatiker  in  dieser  Höhe  noch 
die  heftigsten  Anfälle  hat,  um  dann  aber  in  noch  grösseren 
Höhen  (z.  B.  1800  m)  ganz  davon  verschont  zu  bleiben.  Mit¬ 
unter  halten  die  Anfälle  in  den  ersten  Tagen,  d.  h.  in  der 
Akklimatisationsperiode,  noch  an,  um  dann  erst  vollständig  zu 
verschwinden.  Der  Umstand,  dass  manchmal,  und  besonders 
nach  kurzdauerndem  Aufenthalt,  beim  Abstieg  ins  Tiefland  die 
Krisen  oft  wie  aus  blauem  Himmel  wieder  auftreten,  zeigt  uns, 
dass  in  solchen  Fällen  das  Ausbleiben  der  Anfälle  nicht  durch 
eine  Beeinflussung  der  konstitutionellen  Krankheitsbereitschaft, 
sondern  nur  durch  das  Fehlen  gewisser  krisenauslösender  Mo¬ 
mente  im  Höhenklima  bedingt  ist.  Eine  ähnliche,  auffallende  Wir¬ 
kung,  wie  das  Höhenklima,  scheint  das  Wiistenklima 
zu  haben.  Beiden  gemein  ist  u.  a.  die  grosse  Trockenheit,  der 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


117 


geringe  Gehalt  an  Keimen.  Bei  der  Analogie,  die  der  Asthma¬ 
anfall  in  mancher  Beziehung  zu  anaphylaktischen  Vorgängen 
zeigt,  ist  man  geneigt,  mit  S  c  h  i  1 1  e  n  h  e  1  in 12)  das  Auf¬ 
treten  der  Anfälle  an  bestimmten  Orten  spezifischen,  in  der 
Luft  enthaltenen  Stoffen,  zuzuschreiben.  Im  Hochgebirge 
würden  solche  nun  fehlen.  Zu  einer  solchen  Auffassung  fehlen 
aber  noch  die  exakten  Grundlagen.  Vielleicht  sind  die  wirk¬ 
samen  Faktoren  auch  auf  anderem  Gebiete  zu  suchen. 

Wie  schon  angedeutet,  können  wir  nur  aus  einem  längeren 
Aufenthalt  eine  bleibende  Beeinflussung  erwarten.  Es  haben 
aber  da,  wo  die  Verhältnisse  einen  monatelangen  Aufenthalt 
ermöglichen,  schon  viele  Asthmatiker  bleibende  Besserung 
ja  sogar  Heilung  gefunden.  Nicht  unversucht  sollte  das  Höhen¬ 
klima  gelassen  werden  in  den  Fällen,  wo,  wie  es  nicht  selten 
einti  itt,  sich  während  Wochen  Anfälle  an  Anfälle  anschliessen, 
wo  auch  die  besten  Mittel  wie  Jodkali,  Räucherungen,  Atropin, 
nicht  mehr  helfen  wollen  und  wo  schliesslich  der  Organismus 
infolge  der  vielen  medikamentösen  Mittel,  der  Appetit-  und 
Schlaflosigkeit,  heruntergekommen  ist.  Da  tut  dann  das 
Höhenklima  häufig  Wunder.  Langsamer  als  die  Atemkrisen, 
verschwinden  allerdings  oft  die  chronisch  bronchitischen  Zu¬ 
stände.  Jedenfalls  hat  für  den  Asthmatiker  das  Bewusstsein 
etwas  sehr  Beruhigendes,  dass  es  Orte  gibt,  wo  er,  mag  es 
kommen,  wie  es  will,  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  von 
seinen  Anfällen  befreit  wird  und  bleibt.  Besonders  wertvoll 
ist  das  Höhenklima  demnach  auch  zur  Einleitung  einer  syste¬ 
matischen  Behandlung,  wo  die  Hauptsache  vorerst  ist,  den 
Patienten  aus  seinem  Stadium  fortgesetzter  Anfälle  und  der 
psychischen  Beunruhigung  herauszubekommen. 

Ein  letztes  wichtiges  Mittel  in  der  modernen  Asthma¬ 
therapie,  dessen  Anwendung  ich  besprechen  möchte,  ist  das 
4  d  r  e  n  a  1  i  n. 


Vielseitige  Erfahrungen  haben  ergeben,  dass  das  Adrenalin 
iei  subkutaner  Injektion  von  0,5 — 1  ccm  1  prom.  Lösung  in  oft  ge- 
adezu  wunderbarer  Weise  die  schwersten  Anfälle  zu  coupieren  ver- 
nag.  Ephraim  machte  dann  den  Vorschlag,  das  Adrenalin  mit 
inem  von  ihm  speziell  für  diesen  Zweck  konstruierten  Endo- 
'  r  o  n  c  h  i  a  1  s  p  r  a  y  direkt  auf  die  Schleimhäute  aufzutragen, 
vueh  üallusser  )  sah  von  der  direkten  Einstäubung  guten  Er- 
olg.  Er.  Kraus  ')  hat  in  einer  kurzen  Diskussionsbemerkung  zum 
ortrag  von  Ephraim 15)  erwähnt,  dass  er  schon  mit  gewöhnlicher 
nhajation  von  Adrenalinlösung  gute  Erfolge  erzielt  hätte 
.  phraim  °)  sprach  sich  dann  später  über  den  Wert  des  Adrenalin 
ei  den  verschiedenen  Applikationsarten  folgendermassen  aus:  „Am 
eringsten  ist  sie  (d.  h.  die  Wirksamkeit),  wenn  das  Adrenalin  mittels 
nnaiation,  viel  grosser,  aber  nur  vorübergehend,  wenn  es  subkutan, 
rn  grössten  und  andauernd,  wenn  es  unmittelbar  in  die  erkrankten 
»ronchien  appliziert  wird.“ 


Was  die  Art  der  Wirkung  des  A  d  r  e  n  a  1  i  n  s  betrifft,  so  sahen 
anuschke  und  Pollak17),  dass  es  durch  Aufhebung  des 
.ronchialmuskelkrampfes  bei  Muskarinkatzen  bronchodilatatorisch 
irkt  Ephraim  )  konnte  nun  auch  beim  Menschen  durch  direkte 
ronchoskopische  Beobachtung  feststellen,  dass  das  Adrenalin 
eben  einer  anämisierenden  (Minkowski)  auch  eine  spezifisch 
bschwellende  Wirkung  auf  die  Schleimhaut  ausübe.  Ferner  komme 
s  im  Anschluss  an  die  Behandlung  zu  einer  Verflüssigung  und  er- 
ic  itei  teil  Exspektoration  des  Sekrets.  Wenn  also,  wie  es  nun  sicher- 
estellt  scheint,  die  pathologische  Veränderung  beim  Asthmaanfall 
orwiegend  in  einem  Krampf  der  Bronchialmuskulatur,  in  einer 
cnwellung  der  Bronchialschleimhaut  und  der  Absonderung  eines 
men  schleimigen  Sekrets  besteht,  so  hat  sich  aus  der  Beobachtung 
er  Wn-kung  des  Adrenalins  ergeben,  dass  dieses  Mittel  allen  drei 
unologischen  Storungen  entgegenzuwirken  vermag.  Dieser  Umstand 
i  verein  damit,  dass  wir  es  nicht  mit  einem  körperfremden  Gift, 
>nue i  n  einer  Substanz  zu  tun  haben,  die  schon  normalerweise  im 
rgamsmus  kreist  und  auf  deren  Unschädlichmachung:  der  Organis- 
us  schon  eingestellt  ist,  stempelt  das  Adrenalin  zu  einem  geradezu 
ealen  Asthmamittel.  Nur  kann  von  den  bisherigen  Anwendungs- 


U}.  Schittenhelm:  Ueber  Anaphylaxie  usw.  Jahresbericht 
’eria  e  trgebnisse  der  Immunitätsforschung  1910. 

1217  ^a^usser:  Korresp.-Bl.  f.  Schweiz.  Aerzte  1911,  No.  35, 


)  Fr.  Ki  aus:  Verhandl.  des  XXVII.  Deutschen  Kongresses 
r  Innere  Medizin.  Wiesbaden  1910. 

)  Ephraim:  Verhandl.  des  XXVII.  Deutschen  Kongresses  für 
nere  Medizin.  Wiesbaden  1910. 

10)  Ephraim:  Ueber  die  Wirkung  des  Adrenalins  usw. 
futsche  med.  Wochenschr  1912,  No.  31. 

‘‘)  Zur  Pharmakologie  der  Bronchialmuskulatur.  Arch.  f 
itm  u.  Pharmakol.  Bd.  66,  1911,  S.  205. 

18)  Ephraim:  Ueber  die  Wirkung  des  Adrenalins 
putsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31,  pag.  1453. 


exp. 


usw. 


arten  bei  dem  immer  wiederkehrenden  Charakter  des  Leidens  weder 
clie  endobronchiale  Einstäubung,  noch  diejenige  der  subkutanen  In¬ 
jektionen  befriedigen.  Erstere  ist  eine  eingreifende  und  auch  nicht 
ganz  gefahrlose  Prozedur;  bei  den  subkutanen  Injektionen  müssen 
wir,  soll  eine  genügende  Menge  des  Mittels  zur  lokalen  Wirkung  ge- 
angen,  zuviel  davon  auf  einmal  injizieren.  Und  wenn  auch  Gais- 
oock  )  bei  70  Injektionen  innerhalb  weniger  als  3  Monaten  keine 
momentanen  ständigen  Störungen  beobachten  konnte,  so  müssen  wir 
uns  bei  der  Hartnäckigkeit  des  Leidens  an  die  Schädigungen  er- 
lnnern,  die,  wie  das  Tierexperiment  ergab,  durch  Ueberschwemmung 
des  Körpers  mit  Adrenalin  am  Gefässapparate  entstehen. 

Ich  prüfte  nun,  ob  es,  trotz  der  sich  widersprechenden 
Berichte  über  die  Wirkung  von  Adrenalininhalationen,  nicht 
möglich  sei,  auf  diesem  Wege  eine  genügend  starke  Wirkung 
zu  erzielen.  Die  meisten  Inhalationsapparate  versagten,  weil 
bei  ihnen  der  Spray  in  zu  grober  Form  den  Apparat  verlässt, 
so  dass  das  inhalierte  Medikament  sich  vorwiegend  schon  an 
der  Wand  der  Mund-  und  Rachenhöhle  niederschlägt  und  nur 
zum  geringsten  Teil  an  den  Ort  der  beabsichtigten  Wirkung 
gelangt.  Das  Verhältnis  der  gesamten  resorbierten  zur  örtlich 
wirkenden  Menge  des  Medikaments  ist  ein  ungünstiges.  Die 
besten  Erfolge  erzielte  ich  mit  Hentschels  Apparat,  bei 
welchem  sich  der  Spray  schon  innerhalb  des  Glasgefässes  an 
der  Wand  niederschlägt  und  nur  ein  allerfeinster,  kaum  sicht¬ 
barer,  die  Glaskugel  ausfüllender  Nebel  den  Apparat  ver¬ 
lässt.  Ein  grosser  Nachteil  des  Apparates  ist  aber,  dass  er 
so  unpraktisch  in  seiner  Konstruktion  ist.  Er  beansprucht  zur 
Inbetriebsetzung  eine  zu  grosse  Menge  von  Inhalationsflüssig¬ 
keit,  was  bei  dem  teuren  Preise  des  Adrenalins  und  der  Not¬ 
wendigkeit,  häufig  den  Apparat  zu  reinigen,  wohl  ins  Gewicht 
fällt.  Dann  ist  es  unmöglich,  eine  Verstopfung  der  feinen 
Sprayröhrchen,  welches  leicht  eintritt,  von  aussen  zu  heben.  Vor 
allen  Dingen  macht  es  aber  seine  Zerbrechlichkeit  und  Unhand¬ 
lichkeit  der  Form  unmöglich,  dass  ihn  der  Asthmatiker  unauf¬ 
fällig  in  der  Tasche  mit  sich  führen  kann.  Das  ist  jedoch  eine 
absolute  Notwendigkeit,  soll  ein  Mittel  dem  Asthmatiker  eine 
Hilfe  in  der  Not  sein.  Gerade  Theater,  Konzerte, 
Diners,  überhaupt  gesellschaftliche  Anlässe  sind  es,  anläss¬ 
lich  derer  der  Asthmatiker  ■  gerne  von  seinen  Anfällen  heim¬ 
gesucht  wird  und  an  denen  er  deshalb  nur  mit  einer  gewissen 
Angst  teilnimmt.  Die  Möglichkeit,  bei  solcher  Gelegenheit  ein 
sicher  wirkendes  Mittel  unauffällig  bei  sich  zu  führen  und  im 
Notfälle  verwenden  zu  können,  verschafft  dem  Patienten 
psychische  Sicherheit  und  Ruhe  und  damit  am  ehesten  die 
Grundbedingung  dafür,  dass  die  Anfälle  überhaupt  nicht 
auftreten. 


Von  allen  mir  bekannten  Inhalationsapparaten  entspricht 
der  Glaseptic  am  besten  diesem  Postulat;  er  hat  aber 
wieder  den  Nachteil,  dass  er  das  Medikament  viel  zu  grob 
zerstäubt. 


Ich  habe  nun  versucht,  alle 
die  erwünschten  Eigenschaften 
in  einem  kleinen  Apparat  zu 
vereinigen.  Da  er  sich  bereits 
bei  zahlreichen  Patienten  gut 
bewährt  hat  und  eine  Aen- 
derung  nicht  mehr  angezeigt 
erscheint,  will  ich  ihn  einem 
weiteren  Kreise  bekannt  geben. 

Am  Ansatzrohre  a  wird  ein 
Gummigebläse  angeschlossen. 

Beim  Funktionieren  dieses  aspi¬ 
riert  der  dem  Sprayröhrchen  c 
entweichende  Luftstrom  durch  ein 
Röhrchen  d  die  im  Apparate  be¬ 
findliche  medikamentöse  Flüssig¬ 
keit  und  wirft  sie  im  Spray 
nach  der  Ausbuchtung  e.  Da¬ 
selbst  kondensieren  sich  die  grö¬ 
beren  Tröpfchen  und  fliessen  zur  Flüssigkeit  an  der  Basis  zurück. 
Das  Innere  des  Apparates  wird  dabei  durch  einen  feinsten  Nebel 
ausgefullt,  der,  kaum  sichtbar,  aus  dem  Inhalationsröhrchen  f  ent¬ 
weicht.  Dadurch,  dass  dem  ganzen  Gläschen  eine  ovale,  unten  zu- 
gespitzte  und  ganz  platte  Form  gegeben  wurde,  wird  die  zur  Füllung 
benötigte  rlüssigkeitsmenge  auf  ein  Minimum  (1  ccm)  reduziert.  Eine 
Vcistopfung  der  Sprayröhrchen  c  und  d  kann  vermittels  eines  feinen 
Druhtchens  von  der  Eingussöffnung  g  aus  leicht  gehoben  werden. 


Fig.  I.  2/3  natürliche  Grösse. 


)  F.  G  a  i  s  b  ö  c  k :  Zur  Pharmakodynamik  und  therapeutischen 
Vei  Wendung  der  Adrenalinwirkung.  Therap.  Monatshefte,  August  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


1 18 


Der  austretende  Medikamentennebel  ist  so  ausserordenlich  fein,  dass  I 
wir  nach  den  neueren  Untersuchungen  annehmen  dürfen,  dass  er, 
der  Inhalationsluft  beigemengt,  bis  in  die  feinsten  Bronchien  gelangt. 
Dass  das  tatsächlich  der  Fall  ist,  beweist  die  auf  eine  ganz  minimale 
Menge  hin  schon  eintretende  günstige  Wirkung. 

Wesentlich  abhängig  ist  der  Erfolg  von  der  Art  der  In¬ 
halation.  Wichtig  ist,  dass  die  Exspiration  so  aus¬ 
giebig,  wie  nur  immer  möglich,  geschieht,  aber  nicht 
rasch  und  forciert,  sondern  langsam,  ausgedehnt.  Indem  man 
nun  das  Ausfiihrröhrchen  f  zwischen  den  Zähnen  hält,  wird 
bei  geöffneten  Lippen  langsam  und  tief  durch  den 
Mund  eingeatmet,  wobei  das  Gummigebläse  in  Betrieb  ge¬ 
setzt  wird.  Am  wirksamsten  hat  sich  mir  folgende  Inhalations¬ 
art  ergeben: 

Das  Ausführröhrchen  f  des  Apparates  wird  leicht  zwischen  den 
Zähnen  gehalten.  Die  eine  Hand  umfasst  den  Gummiballon  des 
Gebläses,  die  andere  klemmt  vorderhand  den  Gummischlauch  ab. 
Dann  wird  langsam  exspiriert,  wobei  in  Gedanken  ungefähr  im  Se¬ 
kundentakt  gezählt  wird.  Bei  jeder  Zahl  wird  eine  Ballenkompression 
ausgeführt,  wobei  sich  vorerst  nur  der  Windbeutel  mit  Luft  füllt. 
Ist  der  Asthmatiker  bei  dieser  langsamen  und  ausgedehnten  Aus¬ 
atmung  an  dem  Punkt  angelangt,  wo  er  nicht  mehr  weiter  ausatmen 
kann  (sagen  wir  bei  der  Zahl  8  oder  10),  dann  lässt  er  mit  der  den 
Schlauch  komprimierenden  Hand  los  und  inspiriert.  Die  Einatmung 
setzt  wegen  des  starken  Atmungsimpulses  mit  einem  kräftigen  In¬ 
halationsstrom  ein,  der  den  Medikamentennebel,  welcher  nun  durch 
die  Spannung  des  Windbeutels  ebenfalls  kräftig  dem  Apparat  ent¬ 
strömt,  in  die  feinsten  Luftwege  trägt. 

Die  Notwendigkeit  einer  maximalen  Exspiration  für  den 
Erfolg  der  Inhalation  beruht  zum  Teil  vielleicht  darauf,  dass 
beim  Asthmaanfall  nicht  überall  der  Bronchospasmus  gleich 
intensiv  auftritt  und  dass  das  Mittel  nur  bei  verlängerter 
Exspiration,  d.  h.  bei  Entlüftung  auch  der  vom  Spasmus  be¬ 
fallenen  Teile,  -an  den  Ort,  wo  es  vorwiegend  wirken  soll, 
gelangt. 

In  zahlreichen  Versuchen  mit  allen  möglichen  Inhalations¬ 
mitteln  und  Kombinationen  von  solchen  haben  sich  mir  fol¬ 
gende  Lösungen  am  besten  bewährt: 

Inhalationsflüssigkeit  I.  Zur  Bekämpfung 
schwerer  Anfälle,  bei  starken,  bronchospastischen  Erschei¬ 
nungen  eine  Kombination  von  Adrenalin,  Atropin  und 
Kokain  nach  dem  Rezept: 

Adrenalin  (Parke,  Davis  &  Cie.)  1 : 1000  9,0  ccm. 

Solut.:  Atropin,  sulfuric.  0,1  1 

Cocain,  muriat.  0,25 1  1,0  „ 

Aq.  destill.  10,0  ] 

oder  wir  geben  direkt  in  den  Inhalationsapparat 

von  der  Adrenalinlösung  18  Tropfen 

von  der  Atropin-Kokainlösung  2  Tropfen. 

Es  empfiehlt  sich  aus  Gründen  der  Haltbarkeit,  die  beiden 
Lösungen  getrennt  zu  halten. 

Es  sei  noch  erwähnt,  dass  das  synthetische  Suprarenin 
scheinbar  weniger  gut  wirkt. 

Bei  der  Zusammensetzung  der  Inhalationsflüssigkeit 
leiteten  mich  folgende  Ueberlegungen: 

Adrenalin  reizt  den  bronchodilatatorisch  wirkenden 
Sympathikus  (Januschke  und  P  o  1 1  a  k). 

Atropin  lähmt  bronchospastisch  wirkende  Vagusfasern. 

Kokain  wirkt  sensibilisierend  auf  die  sympathischen 
Endapparate  für  das  Adrenalin  (Fröhlich  und  L  o  e  w  i). 

Versuche  ergaben,  dass  ungefähr  1500  Ballenkompressionen  not¬ 
wendig  sind,  um  mit  dem  Apparat  1  ccm  Flüssigkeit  zu  vernebeln. 
Zum  Coupieren  eines  leichten  Asthmaanfalles  genügten  etwa  60 
(zur  Hebung  der  Beklemmungsgefühle  usw.  noch  weniger),  d.  h. 
kaum  V25  eines  Kubikzentimeters  oder  derjenigen 
Menge  Adrenalin,  die  nach  zahlreichen  Beobachtern  ohne 
irgendwelche  Schädigung  auf  einmal  subkutan  inji¬ 
ziert  werden  kann. 

Inhalationsflüssigkeit  II.  Bei  schwachen  An¬ 
fällen  und  vor  allen  Dingen  als  Vorbeugungsmittel: 

Die  gewöhnliche  1  prom.  Adrenalinlösung. 

Es  schien  mir  wünschenswert,  für  die  Zeit  ausserhalb  der 
eigentlichen  Anfälle  einen  Apparat  mit  noch  feinerer  Ver¬ 
nebelung  zu  besitzen  zur  Behebung  jeder  kleinen  Beklemmung, 
als  Vorbeugungsmittel  bei  gesellschaftlichen  Anlässen  usw., 
um  sicher  zu  sein,  dass  auch  bei  solcher  häufiger  und  jahre¬ 
langer  Anwendung  des  Mittels  der  Patient  sich  keinen  Schaden 
zuziehe.  Ich  erreichte  diese  feinste  Vernebelung  dadurch, 


dass  ich  den  primären  Spray  durch  einen  Zweigluftstrom 
noch  einmal  zerstäubte.  Diesem  Prinzip  entspricht  Apparat  11. 

Durch  ein  starkes  Gummi¬ 
doppelgebläse  wird  ein  kräfti¬ 
ger  Luftstrom  in  das  Röhr¬ 
chen  a  getrieben,  welcher  sich 
in  die  beiden  Zweigröhrchen  b 
und  e  gabelt:  der  aus  b  aus¬ 
tretende  Luftstrom  aspiriert 
durch  das  Röhrchen  c  die 
medikamentöse  Flüssigkeit  und 
wirft  sie  im  Spray  in  das 
Trichterchen  d.  In  diesem  kon¬ 
densieren  sich  die  gröberen 
Tröpfchen  und  fliessen  zur 
Flüssigkeit  zurück.  Ein  feiner 
Spray  verlässt  das  Trichter¬ 
chen  bei  f  und  wird  von  dem 
aus  e  austretenden  Zweigluft¬ 
strom  vollständig  vernebelt. 

Aus  g  tritt  ein  so  feiner  Nebel 
aus,  dass  wir  bei  Vernebelung 
einer  Farblösung,  z.  B.  Methyl¬ 
violett,  und  beim  Auffangen  des 
Nebels  auf  einem  gereinigten 
Objektträger  oder  feinem  Pa¬ 
pier,  selbst  mit  dem  starken 
Trockensystem  mikroskopisch 
keine  deutlichen  Tröpfchen 
wahrnehmen  können.  Feinste  Papierfäserchen  oder  Unreinigkeiten 
im  Glase  finden  sich  diffus  gefärbt. 

Die  Frage,  ob  der  feine  Nebel  denn  auch  wirklich  bis  in  die 
feinsten  Bronchien  gelangt,  suchte  ich  so  zu  lösen,  dass  ich  an  das 
Ausführröhrchen  g  einen  30  cm  langen,  nur  6  mm  Lumen  fassenden 
Gummischlauch  anschloss  und  ihn  posthornartig  P/2  um  sich  selbst 
wickelte.  Obschon  also  möglichst  ungünstige  Versuchsbedingungen 
gewählt  wurden,  war  doch  im  austretenden  Luftstrom  die  Farb¬ 
lösung  nachweisbar. 

Bei  der  minimalen  Menge  von  Adrenalin,  die  auf  diesem 
Wege  schon  die  beabsichtigte  Wirkung  herbeiführt,  dürfen  wir 
ruhig  dem  Patienten  anraten,  jede  geringste  Atembehinderung, 
und  dies  auch  während  Monaten  und  Jahren,  auf  diesem 
Wege  zu  heben.  Dadurch  können  wir  am  ehesten  dem  Auf¬ 
treten  hartnäckiger  Anfälle  und  Asthmaperioden  Vorbeugen. 


Die  Wirkung  der  Inhalation  äussert  sich: 

Objektiv  darin,  dass  eine  oft  auffallend  rasche  (d.  h. 
binnen  weniger  Minuten)  eintretende  Verminderung,  manchmal 
sogar  ein  vollständiges  Verschwinden  selbst  lauter  pfeifender 
und  giemender  Geräusche  beobachtet  werden  kann,  dass  die 
Hautfarbe  sich  bessert  und  die  Atemfrequenz  sinkt,  wobei  die 
Dauer  des  Inspiriums  zu-,  diejenige  des  Exspiriums  abnimmt. 
3  Beispiele: 


1. 

2. 


3. 


Vor  der 
Nach  „ 
Vor  der 
Nach  „ 
Vor  der 
Nach  „ 


Dauer  des  Inspir.  in  Sek. 

Expir.  in  Sek. 

Atemfrequenz 

Inhalat. 

1.2 

2.6 

16 

2.0 

2.0 

15 

Inhalat. 

1.0 

2.6 

löba 

18 

2.4 

14';« 

Inhalat. 

1.1 

2.0 

1972 

1.6 

1  7  - 

18 

Subjektiv:  Patient  hat  die  Empfindung,  dass  er  leichter 
ausatmen,  freier  „durchatmen“  kann;  das  Gefühl  der  Völle  im 
Thorax  nimmt  ab;  Pat.  fühlt  sich  wie  erlöst.  Nachts  stellt 
sich  meist  rasch  Müdigkeit  und  ein  wohltuender  Schlaf  ein 
(wegen  Hebung  der  ihn  störenden  Beklemmungsgefühle). 

Da  die  Apparate 20)  wegen  ihrer  äusserst  kompendiösen 
und  platten  Form  in  einem  Lederetui  unauffällig  in  der 
Rocktasche  Platz  finden,  so  ist  dem  Asthmatiker  die 
Möglichkeit  gegeben,  sie  jederzeit  (in  der  Eisenbahn,  im 
Theater,  in  Konzerten,  bei  gesellschaftlichen  Anlässen  usw.) 
mit  sich  zu  führen  und  beim  Auftreten  der  geringsten  Be¬ 
klemmungserscheinungen  sofort  zu  verwenden;  damit  wird 
manchem  schweren  Anfall  von  vornherein  vorgebeugt.  Es 
braucht  sich  aber  auch  der  Asthmatiker  nicht  mehr  so  ängst¬ 
lich  von  den  gesellschaftlichen  Verpflichtungen  und  Ver¬ 
gnügungen  fernzuhalten,  was  seinerseits  nur  von  günstigem 
Einfluss  auf  die  Psyche  ist.  Schon  bei  einer  grösseren  Zahl 
von  Patienten  hat  sich  die  günstige  Wirkung  dieser  In¬ 
halationen  bestätigt.  Alle  sind  darüber  einig,  dass  auch  bei 


2")  Ich  hoffe,  die  Apparate  bald  einem  weiteren  Kreise  von 
Asthmaleidenden  durch  eine  leistungsfähige  Firma,  wahrscheinlich 
durch  das  Schweizerische  Sanitätsgeschäft  Hausmann  A.O.. 
St.  Gallen,  zugänglich  machen  zu  können. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


119 


.  Januar  1913. 


ufigstem  Gebrauch  nicht  die  geringsten  Nebenwirkungen 
rspiirt  werden.  Eine  Angewöhnung,  die  Notwendigkeit  einer 
eigerung  der  Dosis,  habe  ich  nicht  beobachtet.  Auffallender- 
üse  ist  die  Wirkung  eine  länger  dauernde  als  bei  den  sub- 
tanen  Injektionen  selbst  grosser  Mengen;  auch  konnte  ich 
.‘lfach  eine  bleibende  günstige  Wirkung  in  der  Form  bcob- 
lten,  dass  die  Anfälle  allmählich  seltener  und  leichter  auf- 
ten,  ja  schliesslich  ganz  ausblieben  und  den  Patienten  be- 
lders  auch  eine  grössere  Freiheit  und  Beweglichkeit  in  gesell- 
laftlicher  Beziehung  gestatteten.  Wenig  ausgeprägt  war  der 
folg  bei  Patienten,  bei  denen  sich  ein  eigentlicher  Status 
hmaticus  eingenistet  hatte.  Dagegen  haben  sich  die  In- 
lationen  besonders  bei  Patienten  bewährt,  die  im  Hoch- 
öirge  von  solchen  Zuständen  befreit  und  daselbst  körperlich 
stärkt  waren  und  bei  denen  es  nur  darauf  ankam,  bei  der 
ckkehr  ins  Tiefland  dem  Wiederauftreten  der  Anfälle  von 
rnherein  vorzubeugen.  Bei  der  ausserordentlich  geringen 
sis,  die  schon  reicht,  dürfen  wir  nicht  nur,  sondern  sollen 
radezu  dem  Patienten  anraten,  die  geringsten  Beklemmungs¬ 
fühle  gleich  bei  ihrem  Auftreten  damit  zu  heben.  Ein  Bei¬ 
ei  von  vielen  über  die  Wirkung  der  Inhalationen  möge  hier 
ivähnt  sein;  Ein  Patient  mit  schwerstem  Asthma,  der 
h  seit  mehr  als  20  Jahren  im  Tiefland  nur  mit  Jodkali  und 
ucherungen  ein  leidliches  Dasein  hatte  schaffen  können,  und 
welchem  alle  anderen  Heilmethoden  versagt  hatten,  wendet 
t  einem  Jahre  kein  anderes  Mittel  mehr,  als  diese  Adrealin- 
alationen,  an;  dabei  sieht  er  sich  in  der  Wahl  seines  Auf¬ 
haltsortes  viel  weniger  eingeschränkt  als  früher. 


s  der  V.  medizinischen  Abteilung  (Oberarzt:  Prof.  IJ  e  y  c  k  e) 
J  dem  Institut  für  experimentelle  Therapie  (Oberarzt: 

Dr.  Much)  des  Eppendorfer  Krankenhauses. 

'.iniges  über  Tuberkulin  und  Tuberkuloseimmunität. 

Von  D  e  y  c  k  e  und  Much. 

I. 

Kein  Mensch  kann  behaupten,  dass  die  chemische  Zu- 
nmensetzung  des  Tuberkulins  irgendwie  geklärt  ist,  nament- 
l  nicht  die  des  Alttuberkulins.  Wir  wissen  nur,  dass  alle 
glichen  Stoffe  darin  enthalten  sind.  Es  sei  hier  kurz  Wieder¬ 
sehen,  was  der  eine  von  uns  schon  an  anderer  Stelle  aus- 
rte  ‘).  „In  erster  Linie  kommen  albumosenartige  Körper 
i  möglicherweise  Polypeptide  in  Betracht.  Am  besten  kann 
n  natürlich  diesen  Substanzen  nahe  kommen,  wenn  man 
ht  aus  dem  von  Tuberkelbazillenbouillon  gewonnenen,  son- 
n  von  dem  aus  Bazillenleibern  extrahierten  Tuberkulin  aus- 
lt.  Denn  in  dem  ersteren  spielen  die  unspezifischen  Bouillon- 
dandteile  eine  so  grosse  Rolle,  dass  wir  hier  in  bio- 
ischem  Sinne  kein  chemisch  reines  Präparat  in  Händen 
)en.  Neben  diesen  niedrigen  Eiweisskörpern  enthält  das 
berkulin  fettartige  Substanzen,  die  wahrscheinlich  Derivate 
in  den  Bazillenleibern  vorhandenen  Fettsubstanzen  sind, 
de  Bestandteile  sind  reaktiv.  Ferner  ist  ein  Riechstoff  vor- 
lden,  der  sich  durch  gespannte  Dämpfe  rein  überdestillieren 
5t.  Manche  Beobachtungen  (Oehlecker,  Leschke) 
echen  dafür,  dass  auch  dieser  Stoff  reaktiv  sein  kann,  wenn 
durch  die  Atmungsorgane  aufgenommen  wird.  Rein  dar- 
tellt  und  subkutan  eingespritzt  scheint  er  unwirksam  zu 
i.  —  Ob  ausser  diesen  Substanzen  noch  ein  Giftstoff 
stiert,  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  erwiesen.  Viele  Beob- 
itungen  sprechen  dafür  (Much  und  Leschke  u.  a.).  In 
n  Alttuberkulin  kommt  neben  diesen  lediglich  vom  Tuber¬ 
bazillus  herrührenden  Stoffen,  wie  erwähnt,  noch  der  un- 
zifische,  in  der  Bouillon  enthaltene  Bestandteil  vor. 

Nun  fragt  es  sich,  ob  wir  mit  dem  Namen  Tuberkulin  nicht 
tatt  dieser  Mischung  eine  bestimmte  Substanz  bezeichnen 
inen.  Wir  wählen  den  Namen  ja  lediglich  nach  der  Wir- 
ig  der  eingespritzten  Substanzen.  Wenn  wir  tote 
berkelbazillen  einspritzen,  so  bekommen  wir  eben¬ 
eine  Tuberkulinreaktion,  wie  wenn  wir  aus  Bouillon  ge- 
nnenes  Alttuberkulin  verwenden.  Und  doch  können  wir 
abgetöteten  Tuberkelbazillen  als  solche  nicht  als  Tuber¬ 
in  bezeichen,  ebensowenig  wie  wir  abgetötete  Diphtherie¬ 
illen  nicht  als  Diphtherietoxin  bezeichnen  können.  Eben- 

’)  Mucli:  Handbuch  der  Tuberkulose. 


so  ist  die  nach  dem  Verfahren  von  Deycke  und  Much 
aus  Säureaufschliessungen  gewonnene  Substanz  in  ihrer 
chemischen  Zusammensetzung  sicherlich  nicht  in  jedem 
Punkte  identisch  mit  dem  Alttuberkulin,  obwohl  sie  bio¬ 
logisch  dieselben  Wirkungen  ausübt.  Es  fragt  sich  des¬ 
halb,  ob  nicht  eine  bestimmte  in  dem  sogen.  Tuberkulin  ent¬ 
haltene  Substanz  allein  für  die  Tuberkulinwirkung  verant¬ 
wortlich  zu  machen  ist,  die  dann  als  das  Tuberkulin  katexochen 
bezeichnet  werden  müsste.  Ebenso  wie  die  Diphtheriebazillen 
das  Diphtherietoxin  enthalten,  so  enthalten  eben  alle 
mit  Tuberkulin  bezeichneten  Substanzen  das  eigentliche 
Tuberkulin,  sind  aber  keineswegs  in  ihrer  Gesamtzusammen¬ 
setzung  mit  diesem  identisch. 

Nach  allem,  was  wir  bisher  wissen,  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  es  sich  bei  dem  Träger  der  Tuberkulinwirkung  um  einen 
wasserlöslichen  Stoff  handelt,  der  möglicherweise  ein 
Abbauprodukt  von  Eiweisskörpern  darstellt.  Trotz  der 
grossen  Literatur  und  vielfachen  Versuche,  die  Substanz 
chemisch  und  biologisch  aufzuklären  (R  u  p  p  e  1  u.  a.)  ist  ge¬ 
naueres  darüber  mit  Sicherheit  nicht  zu  sagen.“ 

Die  Schwierigkeit,  genaue  Einblicke  zu  gewinnen,  lag 
demnach  an  zwei  Ursachen.  Erstens  ist  das  A  1 1  tuberkulin 
keine  reine  Substanz.  Es  enthält,  wie  gesagt,  alle  möglichen 
Bestandteile.  Und  zweitens  konnte  man,  wenn  man  von  dem 
Neu  tuberkulin  ausgeht,  nicht  zum  Ziele  kommen,  weil  man  die 
Substanzen  des  Tuberkelbazillus  nicht  einzeln  trennen  konnte. 
Aus  säurefesten  Tuberkelbazillen  kann  man  wohl  durch 
Wasser  einen  wasserlöslichen  Stoff  extrahieren,  aber  dieser 
enthält  durchaus  nicht  alle,  ja  nur  die  allerwenigsten 
Bestandteile  der  im  unaufgeschlossenen  Bazillenleibe 
vorhandenen  wasserunlöslichen  Substanzen.  Diese  können 
erst  dann  extrahiert  werden,  wenn  man  die 
Bazillenleiber  aufgeschlossen  hat.  Und  somit 
ist  das  Beschreiten  dieses  Weges  erst  möglich  geworden,  als 
wir  die  Aufschliessbarkeit  der  Tb.  durch  schwache  Säure¬ 
lösungen  entdeckten *  2). 

Bei  den  von  Much  ausgeführten  experimentellen  Unter¬ 
suchungen  über  die  Partialantigene  des  Tuberkulose¬ 
virus  hat  sich  ergeben,  dass  die  verschiedensten  Partialanti¬ 
gene  reaktiv  sind  und  spezifische  Antikörper  zu  erzeugen 
vermögen.  Wir  wollen  auf  diese  Ergebnisse  nachher  kurz 
zurückkommen,  vorerst  soll  aber  etwas  anderes  erwähnt 
werden,  was  diesen  Ergebnissen  noch  mehr  Bedeutung  und 
Klarheit  verleiht. 

Bei  dem  von  Deycke  und  Much  entdeckten  und  schon 
des  öfteren  beschriebenen  Aufschliessungsverfahren  der  Tu¬ 
berkelbazillen  durch  schwache  Säuren  (beispielsweise  durch 
Milchsäure)  ist  nach  einer  bestimmten  Zeit  alle  säurefeste 
und  gramfärbbare  Substanz  der  Tuberkelbazillen  ver¬ 
schwunden.  Wenn  man  alsdann  zentrifugiert,  bekommt  man 
einen  klaren,  also  wasserlöslichen  Anteil  und 
einen  wasserunlöslichen  Bodensatz. 

Aus  dem  Bodensatz  kann  man  nun  wieder  die  einzelnen 
reaktiven  Bestandteile  des  Tuberkulosevirus,  die  festen 
Partialantigene  darstellen.  Es  ist  über  diese  im  einzelnen 
schon  an  vielen  anderen  Stellen  gesprochen  worden,  so  dass 
sich  hier  ein  Eingehen  auf  sie  erübrigt 3).  Ein  Schema  möge 
die  Verhältnisse  übersichtlicher  machen: 

Milchsäureaufschliessung  von  Tb. 

Wasserlöslicher  Anteil  Wasserunlöslicher  Anteil 

Eiweissgemisch  Fettgemisch 

Neutralfett  Fettsäure 

Fettalkohol  Lipoid 

Wir  hätten  also  folgende  Partialantigene: 

1.  wasserlöslicher  Anteil, 

2.  Eiweissgemisch, 

3.  Neutralfett  —  Fettalkohol, 

4.  Fettsäure  —  Lipoid. 

-)  Much:  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  11  und:  Neue 

immunobiologische  etc.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  13.  — 
Much  und  Leschke:  Neue  Tuberkulosestudien.  Brauers  Beiträge, 
Bd.  20,  H.  3. 

3)  Die  genauere  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  wird  in  dem 
Tuberkulosehandbuche  beschrieben. 


120 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Prüft  man  nun  den  wasserlöslichen  Anteil  und  den  Boden¬ 
satz  (nach  vorheriger  Neutralisation)  im  Komplementbindungs¬ 
versuche  gegenüber  Seris  von  Tuberkulösen  und  tuberkulose¬ 
immunisierten  Individuen,  so  findet  man,  dass  beide  Bestand¬ 
teile  eine  Komplementbindung  geben  können.  Benutzt  man 
Alttuberkulin  und  Tb. -Emulsionen  zum  Komplementbindungs¬ 
versuche,  so  bekommt  man  ja,  wie  aus  unseren  früheren  Ar¬ 
beiten  bekannt  ist,  mit  der  ersten  Substanz  einen  geringen 
Prozentsatz  mehr  positive  Reaktionen  als  mit  den  Emulsionen, 
die  ja  ebenfalls  noch  den  wasserlöslichen  Anteil  unserer  Auf¬ 
schliessungen  enthalten.  Woran  das  liegt,  bleibe  dahingestellt. 
Auch  bei  unseren  beiden  isolierten  Präparaten  scheinen  die 
Reaktionen  nicht  immer  parallel  zu  gehen,  was  aus  dem  später 
zu  Erörternden  ohne  weiteres  verständlich  erscheint. 

Zerlegt  man  nun  den  Bodensatz  in  seine  drei  Haupt¬ 
bestandteile,  so  kann,  wie  das  von  Much  und  seinen  Mit¬ 
arbeitern  oft  genug  geschildert  wurde,  jeder  dieser  Stoffe 
eine  Komplementbindungsreaktion  geben.  Und  zwar  bekommt 
man  mit  dem  Neutralfette  prozentualiter  die  meisten  Re¬ 
aktionen  4).  — 

Dies  kurz  vorausgeschickt,  sei  nun  auf  einige  Versuche 
am  Tiere  hingewiesen,  die  mit  diesen  Substanzen  gemacht 
wurden.  Prüfen  wir  nämlich  tuberkulöse  Tiere  im 
Intrakutanversuche,  so  zeigt  es  sich,  dass  jedes 
der  vier  Partialantigene  eine  Reaktion  hervorzurufen  vermag, 
nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Reaktionen  mit  dem  Neu¬ 
tralfette  und  dem  Fettsäurelipoid  später  einsetzen.  Die  Re¬ 
aktionen  des  Eiweisses  und  der  wasserlöslichen  Substanz  sind 
klinisch  kaum  von  einander  zu  unterscheiden.  Sie  sind  ganz 
ähnlich  wie  die  mit  Alttuberkulin  erhaltenen. 

Dieselben  Erfahrungen  macht  man,  wenn  man  die  Sub¬ 
stanzen  intrakutan  bei  solchen  Tieren  prüft,  die  mit  den  Milch¬ 
säure-Tb. -Aufschliessungen  in  toto  immunisatorisch 
beeinflusst  sind,  wodurch  zugleich  bewiesen  ist,  dass  man 
auch  mit  nicht  lebensfähiger  Tuberkel¬ 
bazillensubstanz  den  Körper  so  beeinflussen  kann,  dass 
er  im  Intrakutanversuche  typische  Reaktionen  mit  den  Partial¬ 
antigenen  ebenso  wie  mit  Tuberkulin  gibt. 

In  demselben  Sinne  fallen  die  Versuche  aus,  wenn  man 
die  Tiere  nicht  mit  den  ganzen  Milchsäure-Tb.-Aufschlies- 
sungen,  sondern  nur  mit  dem  von  dem  wasserlöslichen  Teile 
befreiten  Bodensätze,  der  also  nur  drei  Partialantigene  enthält, 
vorbehandelt. 

Ganz  anders  dagegen  wird  das  Bild,  wenn  die 
Tiere  mit  eine  m  oder  mit  je  zweien  dieser  Partialanti¬ 
gene  vorbehandelt  werden.  Bisher  hätte  man  annehmen 
können,  dass  alle  die  beschriebenen  Reaktionen  gleichsinnig 
sind,  zum  mindesten  die  mit  Tuberkulin,  Milchsäure-Tb. -Filtrat 
und  dem  Tb.-Eiweiss  erhaltenen.  Die  gleich  zu  beschreibenden 
Untersuchungen  müssen  aber  schon  stutzig  machen. 

Behandelt  man  nämlich  Tiere  nur  mit  dem  Tb.-Eiweisse 
vor,  so  bekommt  man  später  nur  mit  Tb.-Eiweiss  eine 
Intrakutanreaktion,  aber  nicht  mit  Tuberkulin,  dem 
Milchsäurefiltrate  und  den  anderen  Partialantigenen. 

Bei  Tieren,  die  nur  mit  Tb. -Neutralfett  und  Tb.-Fett- 
säurelipoid  vorbehandelt  sind,  bekommt  man  überhaupt  keine 
Intrakutanreaktion,  weder  mit  Alttuberkulin,  noch  mit  den 
Partialantigenen.  Es  stimmt  das  sehr  wohl  mit  den  Fest¬ 
stellungen  von  Much  überein,  die  dieser  in  weiterer  Ver¬ 
folgung  seiner  Entdeckung  der  Fettantikörper  gemacht  hat. 
Konnte  er  doch  zeigen,  dass  bazilläres  Neutralfett  allein 
keine  Antikörper  erzeugen  kann.  Erst  wenn  es  sich  in 
glücklicher  Mischung  mit  einem  biologisch  mit  ihm  vergesell¬ 
schafteten  oder  verwandten  Eiweisse  befindet,  kann  es  Neu¬ 
tralfettantikörper  hervorrufen 5).  Und  so  geben  erst  dann 
Tiere  eine  Intrakutanreaktion  mit  Tb. -Neutralfett,  wenn  sie 
nicht  allein  mit  diesem,  sondern  mit  einer  Mischung  von 
Tb.-Eiweiss  und  Tb. -Neutralfett  in  bestimmter,  nicht  immer 
leichter  Weise  vorbehandelt  sind. 

Die  Erfahrungen,  vor  allem  die  bei  der  Tb. -Eiweissbehand¬ 
lung  gewonnenen,  mussten  also  stutzig  machen.  Dadurch 

4)  Much:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  16.  —  Much 
und  Leschke:  Brauers  Beiträge,  XX.,  H.  3.  —  Wills:  Zentralbl. 
f.  Bakt.  1911,  Bd.  61.  —  Much:  Brauers  Beiträge  1912,  H.  1. 

s)  Much:  Ueber  Fettantikörper.  Beitr.  z.  Klinik  d.  Infektions¬ 
krankheiten  1912,  Bd.  1. 


wurden  wir  zu  der  Annahme  gedrängt,  dass  die  klinisch  gleich¬ 
artigen  Reaktionen  durchaus  nicht  biologisch  identisch  sind, 
dass  sie  weder  auf  dieselbe  Ursache  zurück¬ 
geführt  zu  werden  brauchen,  noch  dass  dabei 
derselbe  Immunitätsmechanismus  zur  An¬ 
wendung  zu  kommen  braucht. 

Was  das  Zurückführen  auf  dieselbe  Ursache  angeht,  so 
hätte  man  ja  immerhin  den  Einwurf  machen  können,  dass  an 
den  Partialantigenen  Teilchen  ein  und  derselben  Substanz 
haften  bleiben.  Dieser  Einwand  ist  bei  Berücksichtigung  der 
chemischen  Darstellung  und  der  Erfahrungen  bei  den  Fettanti¬ 
körpern  hinfällig.  Wir  verweisen  hier  nur  auf  die  Arbeit 
Muchs  (Ueber  Fettantikörper,  Beitr.  z.  Klinik  d.  Infektions- 
krankh.  etc.  1912,  Bd.  1).  Er  wird  aber  vor  allem  hinfällig 
durch  die  quantitativen  Untersuchungen  am  Menschen, 
auf  die  wir  nachher  gleich  eingehen  werden,  da  die  einzelnen 
Substanzen  selbst  noch  in  den  grössten  Verdünnungen  wirk¬ 
sam  sind. 

Zudem:  muss  nicht  schon  allein  die  Frage  stutzig  machen: 
Wie  ist  es  möglich,  dass  eine  spezifische  Wirkung  an 
vier  chemisch  grundverschiedene  Substanzen  ge¬ 
knüpft  sein  kann? 

Mit  einem  Schlage  klarer  wurde  die  Sache,  als  wir  die 
Substanzen  mit  der  klassischen  Koch  sehen  Versuchsanord¬ 
nung  am  tuberkulösen  Meerschweinchen  prüften.  Alttuber¬ 
kulin  tötet  bekanntlich,  subkutan  einverleibt,  tuberkulöse 
Tiere  von  bestimmter  Vorbehandlungsdauer.  Prüften  wir  nun 
unsere  Substanzen,  so  zeigte  sich  folgendes: 

1.  Das  Milchsäure-Tb.  -  F  i  1 1  r  a  t,  so  wollen  wir  die 
wasserlösliche  Substanz  bezeichnen,  vermag  in  demselben 
Sinne  auf  tuberkulöse  Meerschweinchen  zu  wirken  wie  das 
Alttuberkulin.  Auch  scheinen  dieselben  quantitativen  Verhält¬ 
nisse  vorzuliegen.  Man  kann  das  Filtrat  etwa  auf  Alttuber¬ 
kulin  umrechnen. 

2.  Dagegen  ist  der  gewaschene  Rückstand, 
der  also  die  im  Intrakutanversuche  so  hochwirksamen  EiweiaS- 
und  Fettsubstanzen  enthält,  ganz  unwirksam.  Ebenso 
unwirksam  ist  jeder  der  einzelnen  Bestandteile  allein,  also 
das  Eiweiss,  das  Neutralfett  und  das  Fettsäurelipoid.  Es 
kommt  höchstens  zu  Fieber,  aber  niemals  zum  Tode. 

W  i  r  verstehen  nun  unter  Tuberkulinreaktion 
die  Fähigkeit  einer  Substanz,  in  bestimmter  Dosis  tuber¬ 
kulöse  Meerschweine  zu  töten.  Nach  dieser  Fähigkeit  wird 
ja  auch  bei  der  staatlichen  Kontrolle  das  sogen.  Tuberkulin 
geprüft.  Dann  kommen  wir  zu  folgenden  Ergebnissen: 

1.  Wir  können  sagen:  Jedes  der  chemisch  dif¬ 
ferenten  Partialantigene  des  Tuberkelbazil¬ 
lus  ist  reaktiv;  aber  die  klinisch  gleichsinni¬ 
gen  Reaktionen  sind  durchaus  nicht  bio¬ 
logisch  identisch.  Sie  sind  spezifisch,  aber  nicht 
auf  eine  einheitliche  Ursache  zurückzuführen. 

2.  Der  Tuberkelbazillus  enthält  neben  anderen  reaktiven 
Substanzen  eine  wasserlösliche  Substanz,  die 
einzig  und  allein  fähig  ist,  tuberkulöse  Meer¬ 
schweinchen  zu  töten.  Diese  wasserlösliche 
Substanz  konnte  nicht  eher  gewonnen  und 
von  den  anderen  Partialantigenen  getrennt 
werden,  ehe  wir  in  den  schwachen  Säuren  ein 
Mittel  zur  T  u  b  e  r  k  e  1  b  a  z  i  1 1  e  n  a  u  f  s  c  h  1  i  e  s  s  u  ng 
entdeckten. 

3.  Wir  müssen  demnach  die  einzelnen  Reaktionen  durchaus 
von  einander  unterscheiden.  Nicht  jede  klinische  Re¬ 
aktion  mit  Tuberkelbazillensubstanzen  ist 
eine  Tuberkulinreaktion.  Diese  ist  nur  an  einen 
Bestandteil  der  wasserlöslichen  Substanzen  geknüpft. 

4.  Die  verschiedene  Ursache  löst  auch  wahrscheinlich 
einen  verschiedenen  Mechanismus  der  Immun¬ 
körperwirkung  aus,  worauf  im  zweiten  Teile  hinge¬ 
wiesen  wird.  Durch  Scheidung  der  verschiedenen  Mecha¬ 
nismen  wird  man  ebenfalls  einen  Weg  für  die  Scheidung  der 
Tuberkulinreaktion  katexochen  von  den  anderen  spezifischen 
Reaktionen  mit  Tuberkelbazillensubstanz  finden.  —  — 

Wir  verstehen  es  jetzt,  woher  der  heillose  Wirrwar 
kommt,  dass  wir  „entgiftete“,  „entfettete“  und  „eiweissfreie" 
Tuberkuline  im  Handel  besitzen.  Jede  der  in  Betracht  kom¬ 
menden  Substanzen  ist  da  also  einzeln  entfernt,  trotzdem 


2t.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


haben  wir  noch  eine  Reaktivität.  Und  wenn  diese  in  einigen 
Präparaten  verringert  ist.  so  wird  jedesmal  der  Verlust  der 
Tuberkulinreaktivität  dem  im  einzelnen  Präparate  entfernten 
Stoffe  zugeschrieben,  also  im  entfetteten  Tuberkulin  den  Fett¬ 
substanzen.  im  eiweissfreien  dem  Eiweiss,  im  entgifteten  dem 
Giftstoffe.  Aus  dieser  Verwirrung  können  wir  erst  dann  her¬ 
auskommen,  wenn  wir  die  Tuberkulinreaktion 
als  eine  ganz  spezielle  und  scharf  zu  um- 
r  e  i  s  s  e  n  d  e  Reaktion  für  sich  von  den  durch 
Jie  anderen  Tuberkelbazillensubstanzen 
auszulösenden  spezifischen  Reaktionen  a  b  - 
zu sondern  vermögen“0). 

An  dieser  Stelle  sei  hur  noch  auf  zweierlei  hingewiesen: 

1.  Prüften  wir  Meerschweinchen,  die  mit  den  ganzen 
Milchsäure-Tb. -Aufschliessungen  vorbehandelt  sind,  und  die 
sich  später  als  stark  immunisiert  erwiesen,  intrakutan,  so  rea¬ 
gierten  sie,  wie  erwähnt,  gegen  alle  4  Partialantigene  ebenso 
wie  gegen  Alttuberkulin.  Prüften  wir  sie  dagegen  subkutan, 
so  starben  sie  weder  an  Alttuberkulin  noch  an  dem  Milch- 
säure-Tb.-Filtrat. 

Anders  scheinen  die  Verhältnisse  zu  liegen,  wenn  die  Tiere 
nur  mit  dem  wasserunlöslichen  Anteile  der  Tb.-Aufschlies- 
sungen,  also  mit  dem  Milchsäure-Tb. -F  i  1 1  r  a  t  behandelt 
werden.  Doch  wollen  wir  darüber  erst  später  berichten, 
ledenfalls  scheint  die  Vorbehandlung  und  damit  der  Immuni¬ 
tätsgrad  gestört  zu  werden,  wenn  neben  den  wasserunlös¬ 
lichen  Partialantigenen  auch  der  das  Tuberkulin  katexochen 
enthaltende  wasserlösliche  Anteil  vorhanden  ist. 

Wenn  tuberkulöse  immunisierte  Tiere  intrakutan  auf 
41ttuberkulin  reagieren,  aber  nicht  subkutan  (mit  dem  Tode), 
^o  geht  neben  anderem  auch  hieraus  hervor,  dass  das 
\  1 1 1  u  b  e  r  k  u  1  i  n  nicht  nur  das  Tuberkulin  kat- 
pxochen  enthält,  sondern  auch  andere  reak¬ 
tive  Substanzen  (cf.  Much:  Neue  immunobiologische 
etc.,  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  13.  Hygiea  1912. 
Much  und  Leschke:  Brauers  Beitr.,  Bd.  20,  1911  etc.). 

2.  Auch  von  unseren  Milchsäure-Tb.-Filtraten  müssen  wir 
mnehmen,  dass  sie  nicht  nur  das  Tuberkulin  katexochen  ent¬ 
halten.  Geben  sie  doch  beispielsweise  bei  Tieren,  die  nur  mit 
lern  wasserlöslichen  Rückstände  vorbehandelt  sind,  eine 
ntrakutanreaktion.  Wir  versuchten  deshalb  durch  Fällungen 
Jie  reine  Substanz  zu  gewinnen.  Zuerst  wurde  mit  Alkohol 
gefällt,  dann  Niederschläge  und  Filtrat  geprüft.  Beide  Teile 
waren  beim  tuberkulösen  Meerschweinchen  subkutan  gleich 
wirksam.  Dann  fällten  wir  das  gewonnene  Filtrat  noch  einmal 
nit  Aetheralkohol.  Wieder  waren  beide  Teile,  quantitativ  be- 
•echnet,  gleich  wirksam.  Eine  Tabelle  möge  das  veranschan- 
ichen. 

Milchsäure-Tb- Auf  Schliessung 

Wasserlösliches  Filtrat  Wasserunlöslicher  Rückstand 

+++ _  0 

Alkoholpräzipitat  Filtrat 

+++  _ +++ _ 

Alkohol-Aetherpräzipitat  Filtrat 

T-+4~  ++T~ 

T++  =  Tuberkulinwirkurig:  im  Subkutanversuche  beim  tuber¬ 
kulösen  Meerschweinchen.) 

Wir  stehen  da  also  vor  der  auffallenden  Beobachtung, 
dass  der  supponierte  Träger  der  reinen  Tuberkulinwirkung  ein 
Stoff  sein  müsste,  der  durch  Fällungsmittel  wie  Alkohol, 
Alkoholäther  sowohl  gefällt  wie  gelöst  wird,  und  zwar,  so¬ 
weit  sich  das  aus  der  tierexperimentellen  Prüfung  quantitativ 
tbschätzen  lässt,  zu  annähernd  gleichen  Teilen.  Oder  aber, 
ind  das  scheint  uns  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  fast  noch 
wahrscheinlicher  zu  sein,  es  handelt  sich  da  gar  nicht  um 
■ine  Substanz  im  eigentlich  chemischen  Sinne,  vielmehr  um 
einen  besonderen  physikalischen  Zustand,  der  durch 
Jie  Fällungsmittel  nicht  beeinflusst  wird.  Wir  werden  weiter 
inten  sehen,  dass  noch  andere  Beobachtungen  darauf  lnn- 
Jeutcn,  dass  vielleicht  bei  der  klassischen  Tuberkulinwirkung 
weniger  chemische  als  physikalische  oder  doch  physikalisch- 
-hemische  Vorgänge  obwalten.  (Schluss  folgt.) 


6)  Much:  Handbuch  der  Tuberkulose. 
No.  3, 


121 


Ueber  Blut  in  der  Spinalflüssigkeit. 

Von  Dr.  Walter  Ge  iss  ler,  Kreisassistenzarzt  und  Assi¬ 
stent  am  Medizinaluntersuchungsamt  in  Stettin. 

Die  Untersuchung  des  blutig  tingierten  Liquors  bietet 
nicht  selten  grosse  Schwierigkeiten  bei  der  Beantwortung  der 
Frage  über  die  Provenienz  des  Blutes.  Eine  Anzahl  von 
Forschern,  unter  ihnen  W  i  d  a  1,  S  i  c  a  r  d,  S  t  a  v  a  n  t,  B  a  r  d, 
Tuffier,  Milien,  D  u  m  o  u  1  i  n  u.  a.,  von  deutschen  Autoren 
Quincke,  S  i  m  e  r  1  i  n  g,  Kafka  und  andere  haben  schon 
vor  einer  Reihe  von  Jahren  auf  die  Anwesenheit  von  Blut  im 
Liquor  aufmerksam  gemacht  und  ihn  mannigfach  gedeutet. 
Wie  Kafka  [l]  treffend  hervorhebt,  wird  von  der  Mehrzahl 
der  Autoren  zu  geringes  Gewicht  auf  die  zufälligen  artefiziellen 
Blutbeimischnngen  durch  Anstechen  des  Venenplexus  mit  der 
Kanüle  bei  der  Lumbalpunktion  gelegt.  Es  muss  daher,  bevor 
man  an  die  Deutung  der  Herkunft  des  Blutes  geht,  mit  Sicher¬ 
heit  eine  künstliche  Blutung  ausgeschlossen  werden  können. 
Nur  wenn  dies  zweifelsfrei  möglich  ist,  besitzt  die  Diagnose 
Wert. 

Leider  begegnet  die  Differentialdiagonse  oft  erheblichen 
Schwierigkeiten.  Artefizielle  Beimischungen  erkennt  man  vor 
allem  meist  daran,  dass  der  blutig  ausfliessende  Liquor  schon 
nach  wenigen  Kubikzentimetern  seine  blutige  Tinktion  verliert 
und  klar  wird,  dass  ferner  im  Auffangröhrchen  im  Gegensatz 
zum  pathologisch-sanguiolenten  Liquor  die  Blutkörperchen 
nicht  sedimentieren,  sondern  dass  meist  schnell  und  völlig  eine 
Gerinnung  des  Punktates  eintritt. 

Die  Differentialdiagnose  ist  für  den  Neurologen  und  Psy¬ 
chiater  wichtig,  da  dem  Kliniker  nicht  selten  mit  Reiz¬ 
erscheinungen  oder  im  Koma  aufgefundene  Personen  zu¬ 
geführt  werden  mit  der  Diagnose  „Epilepsie“  oder  „Psy¬ 
chose“.  Ich  habe  in  meiner  früheren  Tätigkeit  *)  in 
einigen  derartigen  Fällen  durch  das  Punktat  die  Diagnose 
einer  Basisfraktur  bezw.  Schädelverletzung  mit  Bluterguss 
und  Verletzung  der  Arachnoidea  stützen  können.  Es  ist  dieses 
diagnostische  Hilfsmittel  unter  Umständen  von  grossem  Wert, 
da  event.  eine  Trepanation  noch  lebensrettend  wirken  kann. 

Auch  der  Durchbruch  ihtrazerebraler  Blutherde  —  soweit 
letztere  klinische  Erscheinungen  erregten  —  in  die  Ventrikel 
oder  das  Bersten  eines  Aneurysmas  der  Hirnarterien  kann  sich 
bei  der  Kommunikation  des  intraventrikulären  mit  dem  übrigen 
Liquor  in  diesem  manifestieren. 

Wenn  das  Punktat,  das  man  zweckmässig  in  verschie¬ 
denen  Portionen  auffängt,  auch  nach  Abfluss  mehrerer  Kubik¬ 
zentimeter  blutig  bleibt  und  gerinnt,  sich  aber  trotzdem  nach- 
weisen  lässt,  dass  Liquor  im  Punktat  enthalten  ist  —  durch 
Zellbestimmung  aus  dem  Zentrifugat  oder  wenn  den  Liquor, 
was  nicht  selten  geschieht,  ein  Gerinnsel  mantelförmig  um¬ 
gibt  —  so  kann  man  annehmen,  dass  eine  frische  pathologische 
Blutung  vorliegt,  zu  der  sich  natürlich  noch  eine  artefizielle, 
die  aber  in  diesem  Falle  ohne  Bedeutung  ist,  hinzugesellt 
haben  kann.  Umsomehr  wird  dies  wahrscheinlich,  wenn  der 
Punktatdruck  von  wechselnder  Stärke  ist,  kaum  wahrnehm¬ 
bar  zur  Zeit  des  Beginnes  der  Punktion,  im  Verlauf  jedoch 
anschwellend  synchron  mit  dem  weiteren  Austritt  von  blu¬ 
tigem  Punktat.  Es  können  nun  folgende  Möglichkeiten  vor¬ 
liegen: 

1.  ein  blutiger  Liquor  bei  sicherem  Ausschluss  artefizieller 
Tinktion; 

2.  ein  blutiger  Liquor  bei  zweifelhaftem  oder  u  n  - 
möglichem  Ausschluss  eines  Kunstproduktes; 

3.  eine  Xanthochromie. 

Fliesst  das  Punktat  von  Anfang  an  unter  physiologischem 
Druck  heraus,  nicht  träge  sickernd,  sondern  bei  geeigneter 
Haltung  der  Punktionsnadel  in  schwachem  Strahl,  behält  das 
Punktat  seine  ursprüngliche  Färbung  und  Dichtigkeit  bis  zu¬ 
letzt  bei,  erfolgt  eine  Gerinnung  nur  langsam  und  schliesst 
diese  nicht  die  ganze  Flüssigkeitsmenge  ein,  finden  wir  bei 
der  wiederholten  Untersuchung  noch  einen  für  den  Liquor  — 
einen  der  in  Frage  kommenden  pathologischen  Prozesse  (Para¬ 
lyse  etc.)  vorausgesetzt  —  charakteristischen  Befund 
Plasmazellen,  Lymphozytose,  Tumorzellen,  Nonne  sehe 


*)  Psychiatrische  Klinik  der  Akademie  zu  Köln,  Prof.  A  s  c  h  af¬ 
fe  n  b  u  r  g. 


2 


122  ,  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _  No.  3. 


Reaktion  (die  stärker  sein  muss  als  solche  im  Blutserum  des¬ 
selben  Patienten)  —  so  können  wir  mit  Sicherheit  eine 
künstlich  geschaffene  Blutung  ausschliessen. 

Der  Blutgehalt  kann  nun  bedingt  sein  durch  entzündliche 
oder  neoplasmatische  Prozesse,  die  sich  an  den  Meningen,  mit 
Ausnahme  der  Dura,  abspielen,  ferner  durch  Blutungen,  her¬ 
vorgerufen  infolge  einer  der  oben  erwähnten  Ursachen. 

Mit  einigen  Beobachtern  möchte  ich  jedoch  hervorheben, 
dass  alle  destruktiven  Veränderungen  oder  solche  trau¬ 
matischer  Genese  ohne  nekrobiotische  Prozesse  stets  zum  Zu¬ 
standekommen  einer  Blutung  —  auch  wenn  diese  makro¬ 
skopisch  erst  nach  Sedimentieren  oder  mit  Zuhilfenahme  des 
Mikroskopes  diagnostizierbar  ist  —  eine  Läsion  der  Arach- 
noiden  zur  Vorbedingung  haben  müssen. 

Es  lässt  sich  anatomisch  wohl  erklären,  dass  der  durch 
den  Liquor  ausgefüllte  in  sich  geschlossene  Subarachnoidal¬ 
raum  erst  einer  Läsion  seiner  Umhüllung  an  irgend  einer  Stelle 
durch  irgend  einen  Prozess  bedarf,  um  Blut  in  sich  aufzu¬ 
nehmen.  Daher  findet  man  auch  bei  subduralen  Blutungen 
sowie  bei  Pachymeningitis  haemorrhagica  so  lange  kein  Blut 
im  Liquor,  bis  durch  irgend  eine  Komplikation  der  Prozess 
auf  die  Arachnoidea,  diese  anatomisch  alterierend,  über¬ 
gegangen  ist. 

Ein  derartiger  Befund  besitzt  nach  zahlreichen  Beob¬ 
achtungen  einen  unstrittigen  pathognomischen  Wert  (M  o  i - 
z  a  r  d  und  Bacalogler,  Widal,  Rouny,  Dutreix, 
Devraigne,  Sicard,  Foix  [2]  und  Kafka  [3]). 

Ein  besonderer  ätiologischer  Faktor  kann  vielleicht  von 
Interesse  werden  dann,  wenn  in-  oder  ausserhalb  der  Dura  ge¬ 
legene  Prozesse  durch  die  Art  ihrer  Ausbreitung  raum¬ 
beschränkend  wirken  und  dadurch  eine  Stauung  kaudalwärts 
der  komprimierten  Partie  hervorrufen.  Die  Folge  davon 
könnte  sein:  Diapedese  aus  den  gestauten  Blutbahnen.  Immer¬ 
hin  gehört  zu  einem  solchen  Vorgang  eine  gewisse  Intensität 
des  Druckes  oder  eine  längere  Zeitdauer;  anderseits  wird  es 
sich  wohl  dann  meist  nur  um  eine  geringgradige  Emigration 
von  roten  Blutzellen  handeln.  Aus  der  Farbenskala  des  Liquor 
vom  dunklen  Rot  bis  zum  Gelb  lassen  sich  Approximativ¬ 
schlüsse  auf  das  Alter  der  Blutbeimischung  ziehen,  insofern 
als  eine  Annäherung  an  den  gelblichen  Farbton  immer  einer 
grösseren  Anzahl  von  Tagen  bis  Wochen  entspricht.  Auch  aus 
der  Stärke  der  blutigen  Tinktion  in  frischen  Fällen  lässt  sich 
ein  gewisser  Vermutungsschluss  ziehen:  intensivere  Blutungen 
werden  meist  durch  ulzeröse  Prozesse  (Tuberkulose,  Tumor, 
Lues)  hervorgerufen,  durch  raumverdrängende  ohne  Ulzera- 
tionscharakter  mehr  ein  schwächerer  Blutaustritt. 

Viel  rotbraunes  hämatogenes  Pigment  spricht  für  ein 
langes  Bestehen  der  Blutung  oder  für  wiederholte  Hämor- 
rhagien. 

Kann  eine  zufällige  Blutbeimischung  durch  die  Punk¬ 
tion  selbst  an  der  Hand  der  oben  angegebenen  Merkmale 
nicht  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden,  so  sind  unsere 
Differenzierungskriterien  erschöpft,  wir  vermögen  dann  eine 
pathologische  Blutung  in  dem  Liquor  von  dem  Kunstprodukt 
nicht  zu  trennen. 

Hier  können  wieder  verschiedene  Möglichkeiten  vorliegen: 

1.  eine  frische  pathologische  Liquorblutung  mit  einer  fri¬ 
schen  artefiziellen,  oder  aber 

2.  es  gesellt  sich  das  frische  Kunstprodukt  einer  älteren 
oder  alten  Blutung  in  den  Liquor  bei;  ferner  kann 

3.  eine  frische  Blutung  in  einen  Liquor  hinein  stattfinden, 
der  noch  von  einer  voraufgegangenen  Punktion  künstliche 
hämatogene  Produkte  beherbergt  (Xanthochromie,  Pigment, 
blutige  Tinktion  jüngeren  Datums)  oder 

4.  endlich  haben  wir  die  Vereinigung  von  älterer  bzw. 
alter  pathologischer  Liquorblutung  mit  einer  alten  artefiziellen 
Blutung. 

Kombination  1  lässt  sich  nicht  differenzieren,  da  jede  der 
beiden  Komponenten  allein  das  Phänomen  der  Gerinnung 
bieten  kann.  Würde  man  jedoch  bei  einem  vor  der  Gerin¬ 
nung  gefertigten  Präparat  unverhältnismässig  viel  Leukozyten, 
Lymphozyten,  Plasmazellen  oder  vielleicht  Tumorzellen  o.  a. 
finden,  so  könnte  man  wohl  vermuten,  dass  Blutung  und 
Zellart  dieselbe  Noxe  als  Ursache  haben,  dass  man  also  bei 
Tumorzellen  an  eine  neoplastische  Ulzeration,  bei  vorwiegend 
Leukozyten  an  einen  akut  entzündlichen  Prozess,  bei  Lympho¬ 


zyten  an  einen  solchen  chronischer  Art,  bei  Plasmazellen  an 
Paralyse  usw.  denken  muss.  Ob  dann  eine  künstliche  Blutung 
der  pathologischen  voraufgegangen  war,  ist  in  diesem  Falle, 
wo  man  aus  der  Zellbestimmung  die  Diagnose  stellen  konnte, 
völlig  belanglos. 

Es  sei  hier  bemerkt,  dass  von  Widal  und  Kafka  eine 
Polynukleose  des  Liquors  als  Folge  der  durch  die  Blutung  ge¬ 
setzten  „aseptischen  Irritation“  der  Meningen  beobachtet 
wurde.  Falls  sonst  entzündliche  Vorgänge  auszuschliessen 
sind,  könnte  der  Befund  der  Polynukleose  auch  auf  die  er¬ 
wähnte  Ursache  zurückzuführen  sein. 

Die  anderen  drei  Kombinationen  lassen  sich  leichter  be¬ 
urteilen  und  zwar  daraus,  dass 

1.  nur  eine  teilweise  Gerinnung  des  Punktates  (für  den 
Fall,  dass  man  das  ganze  Punktat  in  einem  Gläschen  aui- 
fängt)  eben  des  Teiles,  der  aus  der  künstlichen  Gefässver- 
letzung  resultiert,  eintreten  kann, 

2.  dass  bei  sofortigem  Zentrifugieren  eine  ältere  oder  alte 
Blutung  durch  die  eigentümliche  rötliche  bis  gelbe  Färbung 
der  über  dem  Sediment  stehenden  Flüssigkeitssäule  sich  zu 
dokumentieren  pflegt.  Unentschieden  bleibt  nur,  ob  die  alte 
Blutung  pathologischer  Genese  oder  ein  altes,  durch  eine  vor 
gewisser  Zeit  voraufgegangene  Punktion  geschaffenes  Kunst¬ 
produkt  ist. 

Kann  durch  die  Anamnese  eine  stattgehabte  Punktion  aus¬ 
geschlossen  werden,  so  liegt  eine  ältere  pathologische  Liquor¬ 
blutung  vor. 

Dass  eine  frische  artefizielle  Blutung  für  sich  schon  einen 
hämolytischen  Farbenton  zeigen  kann,  habe  ich  nie  beobachtet, 
vorausgesetzt,  dass  während  der  Zeit  von  der  Entnahme  bis 
zur  Beurteilung  nicht  Hämolyse  hervorrufende  Faktoren  mit¬ 
wirkten  (Zertrümmerung  von  Erythrozyten,  Wärme,  Ge¬ 
frieren  und  Auftauen). 

In  Kombination  4,  wo  2  alte  Blutungen  Zusammentreffen; 
pathologische  und  artefizielle,  wo  man  kein  Zentrifugat  erhält, 
kann  nur  eine  event.  Zellenbestimmung  Klarheit  bringen;  dem 
jede  der  beiden  Blutungen  kann  an  sich  gleich  viel  Pigment 
gleicher  Art  hinterlassen  und  auch  äusserlich  dieselbe  Fär¬ 
bung  zeigen. 

Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  in  den  Fällen,  in 
denen  nicht  von  vornherein  ein  blutiges  Punktat  unter  hohem 
Druck  herausströmt,  sondern  zuerst  drucklos  und  träge, 
schneller  gerinnend  als  eine  spätere  Portion,  eine  Verletzung 
des  Plexus,  die  natürlich  immer  mit  dem  Beginn  der  Punktion 
zusammenfällt,  falls  die  Nadel  nicht  während  der  Punktion 
verschoben  wird,  vorliegt.  (Siehe  Tabelle  1.) 

Für  die  Unterscheidung  einer  pathologischen  von  einer 
künstlichen  Liquorblutung  haben  verschiedene  Forscher  (Sa- 
brazes  und  M  u  r  a  t  e  t  u.  a.)  das  Erscheinen  von  volumi¬ 
nösen  Zellen  mit  ovalem,  nicht  selten  randständigem  Kern, 
deren  Plasma  rote  Blutzellen  in  Menge  und  manchmal  auch 
Hämatoidinkristalle  enthielt,  von  ausschlaggebender  Wichtig¬ 
keit  gehalten.  Sie  deuteten  diese  Zellen  als  Endothelzellen 
der  Subarachnoidea,  bestimmt  zum  Schutz  und  zur  Verteidi¬ 
gung  gegen  fremde  Zellen. 

Ich  habe  diese  Zellen  mehrere  Male  beobachtet,  merk¬ 
würdigerweise  nie  bei  pathologischen  Prozessen  im  Nerven¬ 
system,  sondern  in  allen  drei  Fällen  mehrere  Tage  nach  einer 
missglückten  Punktion,  bei  der  durch  Plexusverletzung  Blut 
in  den  Subarachnoidalraum  gedrungen  war. 

Dieselbe  Beobachtung  beschreibt  Kafka  [4],  der  diese 
Hämatophagen  auch  bei  Tabes  und  Paralyse  fand.  Als 
Charakteristikum  für  eine  Hirnblutung  sind  sie  nicht  anzu- 
sehen. 

Kafka  hält  diese  Zellen  für  meningeale  Zellen,  die  die 
Fähigkeit  der  Phagozytose  besitzen. 

Differentialdiagnostisch  lassen  sie  sich  meiner  Ansicht 
nicht  verwerten. 

Je  älter  im  allgemeinen  eine  Blutung  ist,  um  so  mehr 
nimmt  der  Liquor  einen  rötlich-gelben  Farbton  an;  nach 
einer  gewissen  Zeit  finden  wir  auch  bei  Punktion  eines 
blutiggefärbten  Liquors  eine  mehr  oder  weniger  gelbe 
Färbung,  die  man  jetzt  allgemein  als  Xanthochromie  zu  be¬ 
zeichnen  pflegt.  Ihr  Vorkommen  hat  einen  diagnostischen 
Wert  insofern,  als  sie  mit  Sicherheit  den  Schluss  einer  vor 
längerer  Zeit  stattgefundenen  Liquorblutung  erlaubt. 


n.  Januar  1913. _ MUFNÜHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


123 


Tabelle  1. 


l 

_  2  1  3  1  4  1  5  1  6 

Liquor 

Liquor:  Wenn  blutig 

Wenn  klar,  nicht 
blutig 

Kein  Absetzenlasson,  kein 
Sediment,  gerinnt  schnell 

Uebers  teilende 
Flüssigkeitssäule  klar 
(setzt  ab) 

Flüssigkeitssäule 
blutig  gefärbt 
(setzt  ab) 

Gerinnt  nicht  und 
setzt  nicht  ab, 
enthält  altes  Pigment 
(verschiodenerFärbung) 

Wenn 

Xanthochromie 

Venn  Punktat  von 
Anfang  an  mit 
■«wohnlichem  oder 
erhöhtem  Liquor- 
ilrnck  (im  Strahl 
ausströmt) 

Diagnose: 

Alte  Blutung 
wie  5  b 

Liquor 

normal 

Ganz  frischer  starker,  pathol. 
Bluterguss  in  den  Liquor 

• 

Nicht  ganz  frische 
Blutung 

pathol.  Charakters 

Entweder  Kombination 
normal  Liquor  mit  tagealter 
artifizieller  Blutung  (ältere 
Punktion)  oder  noch  junge 
tagealte  Liquorblutung,  bei 
dem  Blutkörperchen  noch 
erhalten  sind 

Entweder  normaler 
Liquor  mit  alter  (bis 
zu  8  Tagen)  artifizieller 
Blutung  oder  alte 
pathol.  Liquorblutung, 
wenn  keine  Punktion 
vorausgegangen  oder 
Kombination  beider 

Wenn  anfangs 
lme  Druck,  träge 
sickernd,  später 
unter  physiolog. 
oder  ev.  sogar 
erhöhtem  Druck 

Diagnose: 

Nicht  vorkommend 

(Wenn  kein  technischer 
Fehler)  ventilartiger 
Verschluss  (periodisch), 
voransgegangene  zu 
ausgiebige  Punktion 

Starke  künstliche  Blutung 
(Plexusverletzung),  es  kann 
sich  ausserdem  eine  patholog. 
Liquorblutung  dahinter  ver¬ 
bergen,  die  man,  wenn  sie 
älter,  ev.  durch  Zentrifugieren 
der  obenstehenden  Flüssigkeit 
erkennen  kann 

Ganz  geringe  artifizielle 
Blutung  mit  geringer 
Gerinnungstendenz. 
Beimischung  zum 
normalen  Liquor 

Wenn  keine  künstliche 
Hämolyse  nach  der  Punktion 
von  der  Entnahme  bis  zur 
Beurteilung.  Frühere  patholog. 
Liquorblutung  jüngeren  Datums, 
1 — 2  Tage,  mit  frischei- 
geringer  Plexusblutung 

Nicht  vorkommend 

Wie  lange  diese  Zeit  zu  bemessen  ist,  bildet  eine  strittige 
'rage.  Man  neigt  der  Ansicht  zu,  dass  mindestens  Wochen 
eit  der  Blutung  zum  Zustandekommen  dieser  Xanthochro- 
nie  gehören.  Meines  Erachtens  darf  man  diese  Spanne  nicht 
u  hoch  bemessen. 

Ich  habe  einen  Fall  gesehen,  in  dem  ein  Mann  einen 
'Chädelbruch  erlitt,  der  in  der  Klinik  durch  Lumbalpunktion 
estgestellt  wurde. 

Peter  M.,  45  Jahre  alt,  Zollbeamter,  wurde  von  der  Feuerwehr 
achts  eingeliefert.  Pat.  war  am  Tage  etwas  ausgegangen,  um  ein 
das  Bier  zu  trinken,  und  wurde  in  der  Nacht  von  einem  Haus- 
ewohner  an  der  Treppe  liegend  bewusstlos  gefunden.  Man  brachte 
in  zu  Bett,  rief  sofort  einen  Arzt,  der  Ueberführung  in  die  Klinik 
eranlasste.  Bei  Einlieferung  war  Pat.  völlig  desorientiert,  verkannte 
ie  Umgebung,  war  verwirrt,  sehr  unruhig,  schlug  ein  Fenster  ein, 
lachte  den  Eindruck  eines  Deliranten. 

Befund:  Am  rechten  Scheitelbein  mehrere  Narben.  Beide 
ugen  sind  blau  verfärbt.  Aus  dem  rechten  Ohr  kommt  reichlich 
lutig-seröse  Flüssigkeit.  Pat.  ist  noch  immer  verwirrt  und  glaubt 
ch  zu  Hause. 

Auf  dem  rechten  Ohr  ist  die  Hörfähigkeit  auf  ein  Minimum  be¬ 
tränkt.  Die  Zuge  wird  gerade  vorgestreckt  und  bebt  nicht.  Der 
instige  Befund  ist  ohne  Interesse. 

Am  5.  IV.  ist  die  Verwirrtheit  und  Desorientiertheit  abgeklungen, 
at.  schläft  sehr  viel.  Pat.  hört  bei  lautem  Sprechen  etwas 
if  dem  linken  Ohr,  sonst  hört  er  nichts. 

7.  IV.  wurde  die  Lumbalpunktion  gemacht.  Es  fand  sich  inten- 
ve  Xanthochromie,  zeisiggelbe  Farbe,  am  Boden  des  Röhr- 
lens  ein  Gerinnsel,  das  lediglich  aus  Fibrin  bestand  und  keine 
eilen  enthielt.  Nach  Entfernung  dieses  Gerinnsels  bildete  sich  sofort 
n  neues.  Wassermann  im  Blut  und  Liquor  negativ. 

Diagnose:  Fractura  baseos. 

Man  kann  demnach  damit  rechnen,  dass  man  schon  vom 
Tage  nach  eingetretener  Blutung  eine  derartige  Xantho- 
hromie  erwarten  darf. 

Ausser  bei  Blutungen  verschiedenster  Aetiologie  ist  das 
hänomen  der  Gelbfärbung  des  Liquors  beobachtet  worden 
ei  der  tuberkulösen  Meningitis  (als  inkonstanter  Begleiter) 
id  bei  Tumoren  der  untersten  Abschnitte  des  Rückenmarkes 
zw.  seiner  Häute. 

Bei  der  tuberkulösen  Meningitis  trifft  man  die  Xantho- 
tromie  nur  gelegentlich  an,  es  mag  wohl,  da  sie  entzünd- 
:her  Aetiologie  ist,  ein  Parallelismus  zwischen  dem  Grade 
-r  entzündlichen  tuberkulösen  Gefässinfiltration  und  dem  Er¬ 
lernen  von  Blut  im  Liquor  bestehen. 

Bei  den  zwei  von  mir  beobachteten  Fällen  (6  Proz.  sämt- 
-her  untersuchten  Liquores  meningit.  tbc.)  war  sie  zitronen- 
s  zeisiggelb,  trüb  und  setzte  nach  24  stündigem  Stehen  am 
öden  ein  Fibrinnetz  ab. 

In  beiden  Fällen  Hessen  sich  durch  Ausstrich  des  Fibrin- 
Tzes  Tuberkelbazillen  nachweisen  ausserdem  bestand 
ymphozytose,  substanziiertes  Blutpigment  fand  sich  nicht, 
ie  Xanthochromie  in  ihren  Beziehungen  zu  Tumoren  des 


Rückenmarkes  bzw.  seiner  Häute  ist  in  letzter  Zeit  bezüglich 
ihres  diagnostischen  Wertes  von  Klieneberger  an  der 
Hand  einer  Reihe  von  Fällen  gewürdigt  worden.  Literatur 
über  dieses  noch  wenig  erschlossene  Phänomen  gibt  es  nur 
spärlich. 

Klieneberger  zitiert  2  Fälle  von  T  e  d  e  s  c  h  i  und 
C  es  tan  und  R  avant;  ferner  führt  er  4  aus  der  Lichten¬ 
ste  r  n  sehen  Klinik  und  ausserdem  4  selbst  beobachtete 
Fälle  an. 

Ich  habe  bei  Kafka  [5]  noch  weitere  ähnliche  Beobachtungen 
beschrieben  und  zitiert  gefunden. 

Schönborn  1 6]  sah  gelblichen  Liquor  bei  diffuser  Sarkoma- 
tose  der  Meningen,  Mon  droit  (1.  c.)  fand  oft  Blutmischungen  oder 
gelbliche  Färbung,  L  e  v  i  und  C  u  t  o  1  a  [7]  in  einem  Falle  von 
Ependymendotheliom  des  Lumbalmarkes  (das  Mark  und  Meningen 
gleich  stark  durchwuchert)  der  Liquor  gelblich. 

Sämtliche  Fälle  betrafen  Tumoren  des  unteren  Rückenmark¬ 
abschnittes  bzw.  der  Häute,  meist  lokal  abgrenzbar.  Der  Liquor  war 
gelb,  klar  und  durchsichtig,  zeigte  ausgesprochene  Lymphozytose 
und  vor  allem  eine  intensive  Gerinnung.  Diese  ist  im  Vergleich  mit 
dem  Liquor  bei  Meningitis  tuberculosa  eine  viel  intensivere.  Bei 
dieser  hSbe  ich  weniger  und  seltener  grosse  Fibringebilde  am  Boden 
des  Zentrifugierglases  bemerkt,  als  es  Klieneberger  bei  Tu¬ 
moren  sah,  nämlich  ein  grosses  Koagulum,  dessen  Entfernung  so¬ 
fortige  Bildung  eines  anderen  veranlasst. 

Klieneberger  ist  der  Ansicht,  „dass  diese  Kategorie 
pathologisch  veränderter  Spinalflüssigkeit  charakteristisch,  vielleicht 
pathognomonisch  dafür  ist,  dass  an  einem  der  unteren  Abschnitte 
1  des  Spinalrohres  die  Liquorzirkulation  durch  einen  raumbeengenden, 
tumorösen  oder  meningitischen  Prozess  unterbrochen  ist.“ 

Klieneberger  glaubt  die  eigentümliche  Umwand¬ 
lung  des  durch  die  Geschwulst  gleichsam  in  zwei  Teile  ge¬ 
teilten  Liquor  durch  eine  Störung  der  Lymphzirkulation  er¬ 
klären  zu  können.  Ich  möchte  es  für  wahrscheinlicher  halten, 
dass  durch  den  Druck  der  Neubildung  bzw.  Zug  der  Ver¬ 
wachsung  eine  Stauung  mit  folgendem  Blutaustritt  per  dia- 
pedesin  aus  den  unterhalb  gelegenen  Blutbahnen  stattfindet. 
Die  ausgetretenen  Blutkörperchen  unterliegen  dann  bei  der 
Konzentrationsänderung  des  abgesperrten  Liquors,  die  viel- 
!  leicht  eine  Hilfsursache  in  der  Stauung  der  Lymphbahnen 
haben  mag,  der  Hämolyse.  Selbst  die  Richtigkeit  beider 
Hypothesen  zugegeben,  haben  wir  für  die  Xanthochromie  bei 
der  tuberkulösen  Meningitis  keine  Erklärung.  Da  hier  ein 
raumbeschränkender  Prozess  bei  der  diffusen  entzündlichen 
Erkrankung  der  Meningen  wohl  nicht  in  Frage  kommen  kann, 
so  bleibt  nichts  übrig,  als  in  dem  spezifischen  Charakter  der 
tuberkulösen  Entzündung  die  Ursache  zu  sehen,  insofern  als 
diese  gelegentlich  einen  hämorrhagischen  Charakter  annehmen 
kann,  dessen  Folge  eine  Umwandlung  bzw.  Auflösung  aus¬ 
getretener  roter  Blutkörperchen  ist.  Ein  Teil  der  Pathologen 
steht  noch  heute  auf  dem  Standpunkt,  dass  eines  der  Haupt¬ 
kriterien  der  Entzündung  die  Alteration  der  Gefässwände  dar¬ 
stellt. 


2 


124 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nun  ist  gerade  bei  der  tuberkulösen  Entzündung  eine  ( 
wohl  als  spezifisch  zu  deutende  entzündliche  Exsudation  be- 
kannt. 

Anderseits  ist  neuerdings  durch  Lubarsch  die  alte 
Theorie  der  aktiven  vitalen  Leukozytenauswanderung  bei  der 
Entzündung  in  den  Hintergrund  gedrängt  worden  und  der 
Durchtritt  der  Blutzellen  mehr  als  Auspressungserscheinung 
gedeutet  worden,  da  ja  auch  die  nicht  mit  Bewegungsfähigkeit 
ausgestatteten  roten  Blutkörperchen  bei  vielen  Entzündungs¬ 
formen  durch  die  Gefässwand  in  die  Gewebe  hineingelangen. 

Es  gewinnt  daher  die  Vermutung  an  Wahrscheinlichkeit,  dass 
auch  bei  der  tuberkulösen  Entzündung  in  erhöhtem  Masse  ein 
Durchtritt  roter  Blutkörperchen,  mithin  eine  Hämorrhagie  in 
die  Spinalflüssigkeit,  statthaben  kann.  Bei  einer  Zahl  von 
Tumoren  mag  wohl  auch  der  spezifischen  Neigung,  zu  ex- 
ulzerieren,  eine  ursächliche  Bedeutung  zur  Hämorrhagie  bezw. 
der  Gelbfärbung  zuzusprechen  sein.  C  i  m  b  a  1  fand  Gelb¬ 
färbung  des  Liquors  auch  bei  epileptiformen  Zuständen  und 
atherornatösen  Gehirnerkrankungen  L8j.  Merzbacher  |9J 
beobachtete  ein  häufiges  Vorkommen  blutig  tingierten  Liquors 
bei  Epilektikern. 

Verfasser  hatte  nur  einmal  Gelegenheit,  bei  einem  Epi¬ 
leptiker,  der  unmittelbar  nach  dem  Anfall  punktiert  wurde, 
einen  rötlichen  Liquor  zu  finden,  der  nach  10  1  agen  sich  bern¬ 
steingelb  färbte  (ohne  Gerinnung  und  Lymphozytose),  ein  bei 
der  Anzahl  der  von  uns  punktierten  Epileptiker  —  über  300  — 
gewiss  seltener  Befund. 

Die  Beziehungen  zwischen  Epilepsie  und  Xanthochromie 
dürften  wohl  am  schwierigsten  zu  erklären  sein. 

Man  kann  nur  vermuten,  dass  einige  Noxen,  die  einen 
Krampfanfall  auszulösen  imstande  sind,  entweder  spe¬ 
zifisch  periodisch  auf  die  Meningealgefässe  wirken  oder 
—  was  wahrscheinlicher  ist  —  dass  der  Krampfanfall 
an  sich  durch  seine  Kontraktionszustände  auch  im  Ge- 
fässystem,  gelegentlich  bei  starkem  Charakter,  zu  einer  Ruptur 
der  kleinsten,  am  Rückenmark  besonders  feinen^  Gefässe, 
führt.  Interessant  ist  der  experimentelle  Versuch  d’Ormeas, 
der  durch  Reizung  der  Hirnrinde  und  intravenöse  Injektionen 
von  Absynth  epileptische  Anfälle  bei  Hunden  erzeugt  und 
deren  Liquor  dann  rötlich  gefärbt  und  rote  Blutkörperchen 
enthaltend  fand. 

Die  Ansichten  über  die  gelbliche  Umwandlung  des  Blut¬ 
stoffes  gehen  ebenfalls  vielfach  auseinander.  Bard  (bei 
Kafka  zitiert)  nimmt  an,  dass  es  sich  um  hämolytische  Wir¬ 
kung  des  pathologischen  Liquors  handle,  von  den  auTgelösten 
roten  Zellen  bleibe  schliesslich  nichts  übrig  als  ein  das  Serum 
färbendes  Pigment. 

T  u  f  f  i  e  r  und  Milien  (1.  c.)  nahmen  als  Ursache  das 
Serochrom  oder  Lutein  an. 

A  n  g  1  a  d  e  (1.  c.)  glaubt,  dass  die  Hämolyse  die  Ursache 
der  Färbung  des  Liquors  sei,  derart,  dass  eine  rötlichere 
Färbung  zustande  komme,  wenn  die  roten  Blutkörperchen 
schnell  aufgelöst  werden  und  das  Hämoglobin  frei  wird; 
geschehe  das  langsam,  so  würden  die  Derivate  des  Hämo¬ 
globins  frei  und  der  Liquor  gelblich. 

Auf  welche  Weise  das  Blutpigment  umgewandelt  wird, 
ist  eine  wissenschaftlich  noch  umstrittene  Frage.  Sicher  ist, 

•  dass  der  gelbliche  Farbton  an  das  Vorhandensein  und  den 
Zerfall  der  roten  Blutkörperchen  gebunden  ist,  der  im  Liquor 
genau  dieselben  chemischen  und  kolorischen  Veränderungen 
durchmacht,  wie  ausserhalb  desselben,  z.  B.  bei  einer  sub¬ 
kutanen  Blutung. 

Der  hämatogene  Nachweis  der  Xanthochromie  ist  durch 
die  übliche  chemische  Reaktion  und  durch  das  Spektroskop 
leicht  zu  erbringen,  bei  Verwendung  des  pigmenthaltigen 
Zentrifugates  sogar  durch  die  Teichmann  sehe  Probe. 
Wie  der  Austritt  der  roten  Blutkörperchen  jedoch  zu  er¬ 
klären  ist,  kann  generell  nicht  erklärt  werden. 

Er  wird  bald  mechanische  (raumbeschränkende  Tumoren), 
bald  nervöse  (Epilepsie),  bald  spezifisch  entzündliche  Ur¬ 
sachen  (Tuberkulose)  haben  oder  durch  grobe,  anatomisch 
nachweisbare  Blutungen  hinreichend  Erklärung  finden. 

Dass  daneben  der  Wassermann  die  Dia¬ 
gnose  in  vielen  Fällen  nach  einer  bestimmten 
Richtung  zu  lenken  vermag,  liegt  auf  der 


Hand.  An  sich  ist  die  Xanthochromie,  wie  wir  gesehen 
haben  — ,  auch  nicht  mit  Eibrinbildung  und  Lymphozytose  ver¬ 
einigt  —  für  einen  Tumor  der  unteren  Rückenmarksabschnitte 
nicht  pathognomisch.  Sie  deutet  nur  an,  dass  hier  ein  mehr 
oder  weniger  starker  Blutaustritt  vorausgegangen  sein  muss. 

Sache  klinischer  Beobachtungen,  sowie  bakteriologischer 
(Tuberkulose)  und  zytologischer  Untersuchung  (Tumorzellen, 
Lympho-  und  Leukozythen  etc.)  wird  es  sein,  sie  differential¬ 
diagnostisch  zu  verwerten  (s.  Tabelle  2). 


Tabelle  2. 

Xanthochromie 

-j-  Fibrin  (viel) 

Verdacht  auf :  Tumor,  schwere  ältere  Blu¬ 
tung  (Trauma,  Aneurysmen, 
Hirnblutung). 

V 

-f-  Fibrin  -f-  Leuko¬ 
zytose 

Verdacht  auf:  Blutung,  aseptische  Irrita-, 
tion  oder  Polynukleoso  bej 
Paralysis  progressiva. 

V 

-f-  Fibrin  -j-  Leuko¬ 
zytose  (wenn  gleich¬ 
zeitig  Zellen  unbe¬ 
stimmbarer  Art) 

Verdacht  auf:  Tumor. 

V 

-\-  Fibrin  -f-  Leuko¬ 
zytose  (ev.  Plasma¬ 
zellen  oder  andere  un¬ 
bestimmbare  Zellen) 

Verdacht  auf:  Tumor,  Paralyse,  Tabes. 

TI 

-f-  Fibrin  -f-  Tumor¬ 
zellen  (Zellart  be¬ 
stimmbar) 

histologisch  bestimmbarer 
Tumor. 

V 

-j-  Fibrin  (mittel  bis 
wenig)  [meist  trüb] 

Blutung?  Tbk.  d.  Meningei 

• 

-f-  Fibrin  (wenig)  + 
Tuberkelbazillen 

sichere  tuberkul.  Meningiti 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  angefügt,  dass  man  aucl 
eine  B  r  a  u  n  färbung  des  Liquors,  hervorgerufen  durch  ei 
braunschwarzes  Pigment,  beobachtet  hat  (Kafka,  1.  c.). 

Da  dieser  Trübung  neben  Tumorzellen  unter  Umstände 
eine  diagnostische  Bedeutung  zukommen  kann  (Melancj 
sarkom),  so  sei  der  Name  der  Melanochromie  gerechtfertig 

Literatur. 

1.  Zeitsclir.  f.  d.  ges.  Psych.  u.  Neurol.,  4.  Bd.,  H.  1,  1910.  - 

2.  Ref.,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Psych.  u.  Neurol.,  1.  Bd.,  H.  10.  - 

3.  Kafka:  Zeitschrift  für  die  gesamte  Psychiatrie  und  Neurologie.- 

4.  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Psych.  u.  Neurol.,  4.  Bd.,  H.  1,  1910.  —  5.  Zei 
sehr.  f.  d.  ges.  Psych.  u.  Neurol.,  4.  Bd.,  H.  1,  1910.  —  6.  Med.  Klinil 
23,  24,  593,  1906.  —  7.  Therapie  der  Gegenwart,  November  1906.  - 
8.  Neurol.  Zentralbl.  23,  548,  1904.  —  9.  Arch.  ital.  d.  biol.  38,  1903. 


Eine  Gruppe  von  6  klassischen  Botulismuserkrankungf 
in  der  Eifel  und  der  Nachweis  ihres  Erregers,  d( 

Bacillus  botulinus. 

Von  Dr.  med.  E.  Schumacher,  Mitglied  der  bakteri 
logischen  Anstalt  Trier. 

Die  Aetiologie  kaum  einer  Krankheit  ist  so  lange  dunkt 
geblieben  und  so  mannigfaltigem  Wechsel  der  Anschauung  i 
unterworfen  gewesen,  wie  eine  Gruppe  von  Fleisclm- 
giftungen,  die  sich  nicht  wie  die  grosse  Masse  der  dun 
paratyphusähnliche  Bazillen  bedingten  Erkrankungen  dun 
gastrointestinale  Erscheinungen,  Sonden 
durch  einen  nervösen  Symptomenkompl« 
auszeichnet,  der  so  sehr  ausgeprägt  ist,  dass  er  das  gam 
Krankheitsbild  beherrscht.  Der  Erreger  dieser  Erkrankuni¬ 
form,  der  Bacillus  botulinus,  wurde  im  Jahre  1897  vH 
Ermengem  entdeckt  bei  einer  unter  den  Symptomen  er 
Bulbärparalyse  verlaufenden  Massenvergiftung  durch  roln 
Schinken  in  Ellezelles.  Das  glücklicherweise  seltene  A- 
treten  dieser  Krankheit  und  die  schwierige,  nur  bei  Li  - 
abschluss,  also  unter  anaeroben  Bedingungen  mögliche  Zü<- 
tung  des  Erregers  waren  die  Ursache  dafür,  dass  dieser  I  - 
zillus  seit  seiner  Entdeckung  erst  einige  Male,  wie  z.  B.  Mi 
R  ö  m  e  r  und  Landma  n  n,  kulturell  nachgewiesen  wertn 
konnte.  Da  unsere  Kenntnisse  von  der  Biologie  dieses  Mik>- 
organismus  dementsprechend  noch  verhältnismässig  lücki- 
|  haft  sind,  so  dürfte  es  von  Interesse  sein,  wenn  ich  auf  e.e 


?].  Januar  1913. 


125 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


üriippetierkrankung  von  6  Botulismusfällen  kurz  eingehe,  zu¬ 
mal  ich  Gelegenheit  hatte,  nicht  nur  die  klassischen 
Symptome  und  den  klinischen  Verlauf  zu  be¬ 
obachten  und  den  pathologischen  Befund  bei 
einer  Sektion  festz  ulegen,  sondern  auch  vor 
,i  1 1  e  m  d  e  n  E  r  r  e  g  e  r  und  seine  Toxine  in  dem 
Substrat,  welches  die  Krankheiten  bedingt 
batte,  kulturell  und  experimentell  n  a  c  h  zu  - 
weisen,  wie  ich  in  einer  anderen  Arbeit  näher  ausführen 
werde. 

Bei  dieser  Gruppenerkrankung,  die  sich  im  Juli  und 
August  1911  in  Rodt  im  Kreise  Trier-Land  abspielte,  waren 
mehrere  äusserst  schwere  Fälle  zu  beobachten,  die  über¬ 
raschend  schnell  tödlich  endeten,  während  andere  dagegen 
sehr  leicht  verliefen.  Die  klinischen  Symptome,  die  bei  der 
Seltenheit  der  Krankheit  dem  praktischen  Arzte  wenig  bekannt 
sind,  führen  meistens  nicht  zur  Stellung  der  richtigen  Diagnose, 
wie  auch  in  diesem  Falle,  in  dem  die  Erkrankten  zwei  Aerzte 
kurz  nacheinander  vergebens  konsultierten,  bis  von  einem 
dritten  Kollegen  die  Diagnose  Fleischvergiftung  mit  mehr  oder 
geringerer  Wahrscheinlichkeit  gestellt  wurde.  Von  der 
10  Personen  umfassenden  Familie  erkrankten  6,  3  Erwachsene 
und  3  Kinder. 

Fall  I.  Der  44  Jahre  alte  J.  C  o  r  d  i  e  ging  am  28.  VII.  morgens 
nit  seiner  Frau  zur  Arbeit,  doch  kehrten  beide  bald  wieder  zurück. 
Ja  sie  vor  Mattigkeit  und  Schwindel  nicht  arbeiten 
konnten.  Bereits  in  der  Nacht  vorher  haten  sie  über  Leib- 
>ch  merzen  geklagt.  Erbrechen  und  Stuhlgang  erfolgte  nicht, 
Koch  an  demselben  Tage  traten  Schluckbeschwerden, 
'O  dass  keine  festen  Speisen  mehr  genossen  werden  konnten,  und 
einer  auf  beiden  Augen  ausgeprägte  Ptosis  auf.  Am 
’9.  VII.  sah  er  alles  doppelt  und  wie  vom  Nebel  verschleiert,  auch 
\lagte  er  über  Brust-  und  Luftbeengung  sowie  Heiserkeit  und  Schlaf- 
osigkeit.  Als  er  am  30.  VII.  mit  seiner  Frau  den  Arzt  aufsuchte, 
konnten  sich  Beide  bei  dem  Doppeltsehen  und  der  allgemeinen 
Wattigkeit  nur  wie  Betrunkene  langsam  durch  die  gebirgige  Gegend 
schleppen  und  mussten  sich  schliesslich  fahren  lassen.  Ein  zweiter 
un  31.  VII.  gerufener  Arzt  konnte  ebenso  wenig  wie  der  erste  eine 
lestinunte  Diagnose  stellen,  glaubte  aber  am  ehesten  Diphtherie  mit 
Rücksicht  auf  die  bestehenden  Schluckbeschwerden  und  Heiserkeit 
innehmen  zu  müssen.  Am  2.  VIII.  wurde  ein  dritter  Arzt  gerufen, 
Jer  Mann  und  Frau,  die  beide  dieselben  Symptome  zeigten,  ins 
Krankenhaus  nach  Trier  bringen  Hess,  zumal  er  bei  ihnen  My- 
Iriasis,  Doppeltsehen.  Ptosis,  Akkommodations- 
ä  h  m  u  li  g,  Aphagie,  Obstipation  und  Retentio 
u  r  i  n  a  e  feststellen  konnte.  Obwohl  sich  nach  einer  infolge  der 
leängstigenden  Schluck-  und  Luftbeschwerden  notwendig  gewor¬ 
fenen  Pilokarpininjektion  wesentliche  Besserung  einstellte  und  der 
Patient  zum  erstenmale  wieder  Wasser  trinken  konnte,  starb  er 
Joch  bereits  %  Stunden  später  am  3.  VIII.  abends,  nachdem  er  noch 
einige  Minuten  vorher  bei  vollständig  klarem  Bewusstsein  seiner 
rreude  über  die  Besserung  seines  Zustandes  Ausdruck  gegeben 
hatte.  Die  Krankheit  verlief  ohne  Auftreten  von  Fieber,  der  Puls 
ivar  stets  regelmässig,  70 — 80  in  der  Minute;  die  Atmung  wurde  erst 
kurz  vor  dem  Tode  beschleunigt,  desgleichen  die  Herztätigkeit. 

Die  von  mir  reichlich  24  Stunden  später  vorgenommene 
Sektion,  deren  ausführliches  Protokoll  ich  hier  nicht  wieder¬ 
geben  kann,  ergab  an  pathologischen  Veränderungen:  Starke 
Blutfülle  der  inneren  Organe,  des  Gehirns, 
Milz,  Leber,  ferner  punktförmige  Blutungen 
iin  Magen,  dunkle  Färbung  und  Dünnflüssig¬ 
keit  des  Blutes,  vermehrte  Flüssigkeit  in  den 
brustfellsäcken,  Herzbeutel  und  Gehirn- 
höhlen  und  vor  allem  ausgesprochenes  Oedem 
der  Lungen.  An  sekundären  Veränderungen  waren  noch 
bemerkenswert  diphtheritischer  Belag  im  Rachen,  Schwellung 
der  Halsmuskulatur  und  Blutungen  in  deren  Gewebe,  die  wohl 
auf  die  durch  Luft-  und  Schluckbeschwerden  hervorgerufenc 
erhöhte  Inanspruchnahme  der  äusseren  Halsmuskulatur  zu¬ 
rückzuführen  sein  dürfte. 

Der  Tod  ist  durch  Lungenödem  e  i  n  g  e  t  r  e  - 
i  e  n,  dessen  Ursache  nicht  ohne  weiteres  durch  die  Sektion 
festgestellt  werden  kann.  Da  die  gefundenen  Veränderungen 
aber  nicht  gegen  Botulismus  sprechen,  die  klinischen  Sym¬ 
ptome  auf  Botulismus  hinweisen,  ist  der  Tod  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit  auf  eine  Intoxikation  durch  den  Bacillus 
botulismus  zurückzuführen,  dessen  Nachweis  die  Todesursache 
sicher  festzustellen  vermag. 

Fall  II.  Die  66  Jahre  alte  Mutter  des  vorigen  Patienten  ver¬ 
spürte  als  erste  Krankheitss’ymptome  Doppeltsehen  und 


Leibschmerzen  erst  in  der  Nacht  vom  28./29.  VII.  Bei  meinem 
Besuch  am  5.  VIII.  zeigte  sich  auch  bei  ihr  das  klassische  Bild  des 
Botulismus .  I  tosis,  Mydriasis,  Pupillenstarr  c,  Dop- 
p  e  1 1  s  e  hen,  Schlundparese  und  vollständige  Stuhl- 
u  n  d  Urinverhaltung.  Die  G  e  s  i  c  h  t  s  z  ü  g  e  machten 
einen  maskenartig  gespannten  Eindruck,  die 
Sprache  war  undeutlich  lallend,  das  Bewusstsein 
absolut  nicht  getrübt,  sondern  sie  gab  klare  und  richtige 
Antworten.  Die  Temperatur  betrug  36,8,  Puls  72,  etwas  hart,  aber 
i  egelmässig.  Atmung  ruhig  und  gleichmüssig,  Zunge  schwarzbraun 
belegt,  Gegend  der  linken  Parotis  geschwollen.  Zu  meiner  Ueber- 
raschung  hörte  ich,  dass  sie  1  Stunde  später  plötzlich  ganz  ruhig  ge¬ 
storben  war,  ohne  dass  die  Angehörigen,  mit  denen  sie  noch  kurz 
vorher  gesprochen  hatte,  etwas  gemerkt  hatten. 

Fall  III.  Die  36  Jahre  alte  Frau  Elisabeth  C.  erkrankte  ziem¬ 
lich  gleichzeitig  mit  ihrem  ad  I  verstorbenen  Manne  in  der  Nacht 
vom  27./2S.  VII.  mit  Leibschmerzen  und  Urindrang. 
Am  28.  VII.  traten  Schluckbeschwerden  auf,  am  29.  VII 
Ptosis  und  Doppeltsehen,  am  30.  VII.  wurde  sie  bettlägerig, 
hatte  immer  Brechreiz,  ohne  aber  sich  erbrechen  zu  können.  Am 
5.  VIII.  bestand  starke  Ptosis,  Mydriasis  ad  m  a  x  i  m  u  m, 
Doppeltsehen,  Pupillenstarre,  Lähmung  der 
Schlundmuskulatur,  Stuhl-  und  Urinverhaltung, 
Sprache  lallend  und  schwer  verständlich,  Zunge  braunschwarz  be¬ 
legt,  Rachen  stark  gerötet,  Gesicht  maskenartig,  Puls  84,  Temp.  36,9. 
Urin  enthielt  E.  — ,  Z.  — ,  keine  pathologischen  Bestandteile.  Blut¬ 
untersuchung:  Leukozyten  um  1U  vermehrt,  Erythrozyten  fast  auf 
die  Hälfte  vermindert.  Keine  Sensibilitätsstörungen,  Romberg 
negativ,  kein  Babinsky,  keine  spastischen  Erscheinungen,  keine 
Muskelrigidität  und  keine  Reizerscheinungen,  auch  keine  angio- 
neurotischen  Störungen  von  seiten  der  Haut,  keine  zyanotischen 
Verfärbungen.  Motorische  Reizerscheinungen,  Zittern,  Krämpfe  etc. 
nicht  vorhanden.  Augenspiegelbefund  normal.  Als  sie  am  11.  VIII. 
den  Tod  ihres  Mannes  erfährt,  nimmt  sie  diese  Nachricht  ohne  jeg¬ 
liche  Gemütsbewegung  auf,  sie  kann  eben  keine  Tränen  vergiessen, 
weil  die  Tränendrüsen  keine  Tränen  sezernieren.  An  diesem  Tage, 
nach  15  T  a  g  e  n,  wird  zum  ersten  Male  trotz  täglicher  Kli¬ 
stiere  eine  reichliche  Stuhlentleerung  erzielt,  es 
tritt  Besserung  ein,  Schlaf  wieder  gut.  Am  14.  VIII.  verlässt  sie 
gegen  den  Willen  des  Arztes  das  Krankenhaus.  Pupillenstarre  und 
Mydriasis  sind  noch  unverändert,  Stimme  noch  klanglos  und  be¬ 
hindert,  Schlucken  etwas  besser,  so  dass  sie  einzelne  weiche  Sachen 
gemessen  kann;  Zunge  noch  immer  sehr  trocken,  rot  und  schmerzhaft. 
Zu  Hause  bedurfte  sie  noch  längere  Zeit  der  ärztlichen  Behandlung. 
Klistiere  waren  noch  bis  Ende’  August  nötig,  Sprache  war  noch  bis 
Mitte  September  undeutlich.  Am  12.  November  waren  erst  sämtliche 
Krankheitserscheinungen  verschwunden,  nur  eine  leichte,  erst 
nachträglich  aufgetretene  Parese  der  rechten 
Hand  blieb  z  u  r  ii  c  k,  deren  Beginn  sich  nicht  mehr  feststellen 
liess. 

Fall  IV.  Die  Erkrankung  der  6  Jahre  alten  Tochter  Anna 
machte  anfangs  einen  viel  bedrohlicheren  Eindruck  als  der  vorige 
Fall,  verlief  aber  günstiger.  Am  1.  August  wurde  das  Kind  bett¬ 
lägerig  wegen  Heiserkeit,  Mattigkeit  und  Schluck- 
be  sch  wer  den,  die  der  Arzt  für  Symptome  bestehender  Di¬ 
phtherie  hielt.  Am  5.  August  wurde  von  einem  anderen  Arzt  der 
Magen  ausgespült,  es  entleerten  sich  dunkle,  unangenehm  riechende 
Massen,  worauf  Milch  und  Eigelb  dem  Magen  zugeführt  wurden. 
Das  Sehvermögen  war  an  diesem  Tage  so  gering, 
dass  sie  die  Lampe  nicht  sah.  Am  5.  VIII.  konnte  ich  auch  bei  ihr 
Ptosis,  Mydriasis,  Akkommodationslähmung,  Dop¬ 
peltsehen,  Stuhlverhaltung  und  starke  Schluck- 
beschwerden  konstatieren;  sie  konnte  nicht  einmal  Wasser 
trinken,  das  stets  durch  die  Nase  zurückkam.  Die  Zunge  war 
schwarzbraun  belegt,  sie  konnte  nicht  sprechen,  nur  schlecht 
hören  und  machte  einen  sehr  desolaten  Eindruck.  Die  Urinent¬ 
leerung  ging  spontan  vor  sich.  Erst  am  12.  VIII.,  also  nach 
16  Tagen,  kam  zum  ersten  Male  eine  Spur  Stuhl¬ 
gang  trotz  täglicher  Einläufe.  Abführmittel  waren  bei  ihr  wie  auch 
bei  den  Fällen  I — 111  ohne  jegliche  Wirkung.  Der  Körper  war  eigen¬ 
artig  starr,  dabei  zum  Skelett  abgemagert.  Am  13.  VIII.  trat  noch 
eine  schwere  hypostatische  Pneumonie  auf  beiden  Lungen  hinzu,  die 
aber  trotz  hohen  Fiebers  nach  14  Tagen  zurückging.  Nach  einer 
Krankheitsdauer  von  6 — 8  Wochen  trat  vollständige  Genesung  ein. 

Fall  V.  Die  14  Jahre  alte  Schwester  Margaretha  erkrankte 
nur  leicht,  klagte  am  5.  VIII.  über  Brechreiz,  bekam  am  6.  VIII. 
Doppeltsehen,  Müdigkeit  und  Verstopfung,  klagte 
auch  etwas  über  T  r  o  c  k  e  n  h  e  i  t  im  Halse.  Nach  Verordnung 
von  Abführmitteln,  die  bei  ihr  von  guter  Wirkung  waren,  ver¬ 
schwanden  bereits  am  9.  VIII.  alle  Symptome  und  das  Kind  blieb 
dauernd  gesund. 

Fall  VI.  Das  11  Jahre  alte  Kind  Elise  hatte  in  der  Zeit  vom 
29.  VII.  bis  2.  VIII.  nur  geringe  Leibschmerzen  und  am  4. VIII. 
vorübergehend  über  Doppeltsehen  geklagt.  Nach  flüssiger 
Diät  und  reichlicher  Entleerung  waren  am  8.  VIII.  keine  krankhaften 
Symptome  mehr  zu  konstatieren. 

Da  alle  Personen  ziemlich  gleichzeitig  er¬ 
krankten,  wenn  auch  in  verschieden  starkem  Grade,  so 


126 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


musste  ohne  Weiteres  an  eine  gemeinsame  Ursa  ehe 
gedacht  werden.  Da  Lyssa  und  Pilzvergiftung  als  Krankheits¬ 
ursache  auszuschliessen  waren,  auch  eine  Atropinvergiftung 
trotz  ähnlicher  Symptome  nicht  möglich  war,  ferner  1  eter- 
silie,  die  mit  Schierling  hätte  verwechselt  werden  können, 
nicht  gegessen  war,  auch  mehr  auf  die  motorischen  Zentren 
eingewirkt  hätte,  ferner  Spirituosen  und  Medikamente  über¬ 
haupt  nicht  genommen,  im  übrigen  nur  Brot,  Wasser,  Mücn, 
Kartoffeln  und  Schinken  in  den  der  Krankheit  vorhergehenden 
Tagen  genossen  waren,  so  lenkte  sich  der  Verdacht  aut 
Erkrankungen  an  Botulismus,  dessen  Ur¬ 
sa  c  h  e  i  n  d  e  m  a  m  27. VII.  mittags  roh  genossenen 
Schinken  vermutet  wurde,  zumal  derselbe  r  a  n  z  l  g  ge¬ 
rochen,  sehr  weich  und  bräunlich  verfärbt 
gewesen  war  und  aus  diesem  Grunde  teilweise  dem  Hunde 
vorgeworfen  wurde.  Bestärkt  wurde  ich  in  diesei  Ver¬ 
mutung  durch  die  Feststellung,  dass  mittags  eben  nur  die 
6  Erkrankten  von  dem  Schinken  gegessen 
hatten,  die  4  gesund  gebliebenen  Kinder  da¬ 
gegen  nicht.  Eins  von  diesen  4  Kindern,  der  kleine 
Nikolaus,  hatte  nichts  von  dem  Schinken  essen  wollen,  weil  er 
unangenehm  gerochen  habe,  und  der  Lehrer  ihm  gesagt  habe, 
riechendes  Fleisch  dürfe  man  nicht  essen.  Die  übrigen 
3  Kinder  assen  überhaupt  nicht  gerne  Fleisch. 

Am  Abend  desselben  Tages  wurde  von  demselben  Schin¬ 
ken  ein  Stück  gegessen,  welches  indessen  gekocht  war. 
Es  assen  dieselben  Personen  wieder  davon  und  ausserdem 
noch  die  Tochter  Katharina,  die  indessen  nicht  erkrankte,  ein 
Beweis,  dass  das  Gift  durch  das  Kochen  unwiik- 
s  a  m  geworden  war,  ganz  analog  den  Versuchen,  die 
verschiedene  Forscher  mit  erhitztem  Botulismustoxin  ange¬ 
stellt  haben  und  wie  ich  auch  selbst  beobachten  konnte. 

Die  Personen,  die  am  schwersten  erkrankten,  hatten  teil¬ 
weise  nur  wenig  Schinken  gegessen,  ein  Umstand,  dei  auf 
eine  ungleichmässige  Verteilung  des  Toxins 
im  Schinken  schliessen  lässt,  wenn  auch  vielleicht  nicht 
alle  in  gleicher  Weise  widerstandsfähig  gegen  das  Gift  ge¬ 
wesen  sein  mögen. 

Die  Ermittelungen  ergaben,  dass  die  Frau  am  27.VII.  einen 
frischen  Schinken,  der  noch  nicht  angeschnitten  war,  aus  dem 
Schornstein  geholt  hatte,  wo  noch  5  andere  fiiiher  gehangen 
hatten,  indessen  ohne  die  geringste  Gesundheitsschädigung 
verzehrt  worden  waren.  Alle  waren  in  gleicher  Weise  mit 
Salz  und  Lorbeerblättern  eingepökelt  gewesen  und  im  offenen 
Schornstein  und  in  geringer  Höhe  über  einem  offenen  Kamin 
geräuchert  worden. 

Der  Hund,  der  wohl  1—2  Pfund  Schinken  gefressen  hatte, 
scheint  sehr  wenig  empfänglich  für  das  Toxin  gewesen  zu 
sein,  da  er  nicht  krepierte,  wenn  er  auch  einige  Tage  herum¬ 
gelegen  haben  soll. 

Inwieweit  bei  dieser  nervösen  Form  der  Fleischvergiftung 
das  Nervensystem  alteriert  wird,  will  ich,  soweit  es  aus  den 
klinischen  Symptomen  erhellt,  versuchen  festzulegen.  Nach 
anfangs  aufgetretenen  Anzeichen  von  Verdauungsstörung, 
Uebelkeit,  Brechreiz,  Leibschmerzen  und  Schwindel  traten 
besonders  gewisse  nervöse  Symptome  in  den  Vordergrund 
des  Krankheitsbildes.  Während  bei  den  leichtesten  Fällen  nur 
Doppeltsehen  zu  konstatieren  war,  entwickelte  sich  bei  ^len 
anderen  schwereren  Fällen  eine  ganze  Reihe  nervöser  Stö¬ 
rungen,  die  aber  alle  darauf  hindeuten,  dass  die  Toxine  vor¬ 
nehmlich  auf  die  Kerne  der  in  dem  Gebiet  der  Vierhügel, 
Brücke  und  verlängerten  Markes  entspringenden  Nerven  ihre 
verhängnisvolle  Wirkung  entfaltet  haben.  Die  charakteristische 
Ptosis,  die  auf  eine  Lähmung  des  M.  levator  palpebr.  sup.  be¬ 
ruht,  die  Mydriasis  und  Akkommodationslähmung  haben  ihre 
Ursache  in  einer  Lähmung  des  3.,  4.  und  6.  Gehirnnerven. 
Die  Trockenheit  in  Mund  und  Hals  ist  auf  eine  Verminderung 
der  Speichelabsonderung  und  damit  auf  eine  Affektion  des 
7.  und  9.  Hirnnerven  zurückzuführen.  Die  Schluckbeschwer¬ 
den,  Dysphagie,  die  bisweilen  sich  steigert  zur  Aphagie,  wird 
teilweise  durch  die  Verminderung  der  Speichelabsonderung, 
teilweise  aber  durch  Innervationsstörungen  der  Kau-  und 
Schlundmuskulatur  hervorgerufen  und  es  kommen  hierbei  der 
5.,  7.  und  12.  Plexus  pharyngeus  in  Betracht,  zudem  der  Sym¬ 
pathikus  und  9.,  10.  Nerv  und  innere  Ast  des  11.  Fasern  liefern. 


Der  maskenartige  Gesichtsausdruck,  den  oftmals  eine  unheim¬ 
liche  Starre  charakterisiert,  beruht  auf  einer  Parese  der  Ge¬ 
sichtsmuskelnerven,  der  Fasern  des  7.  Nerven.  Die  auch  von 
mir  in  einem  Falle  beobachtete  Schwerhörigkeit,  zeitweilige 
Taubheit,  hat  seine  Ursache  in  einer  Alteration  des  Nervus 
acusticus. 

Die  in  dem  3.  Fall  konstatierte  Unfähigkeit  zu  weinen, 
zeigt  wiederum  die  Erkrankung  des  5.  Nerv  (lacrimalis).  Der 
lallende  Charakter  der  Sprache  ist  auf  Störungen  im  Gebiet 
des  12.  Hirnnerven  zurückzuführen.  Die  bei  den  meisten 
Fällen  beobachtete  hartnäckige  Obstipation  beruht  auf  einer 
Affektion  des  Nervus  vagus. 

Dass  auch  Störungen  im  Gebiete  der  spinalen  Nerven  Vor¬ 
kommen,  beweist  die  in  mehreren  Fällen  konstatierte  Retentio 
urinae  und  die  nachträglich  aufgetretenen  Lähmungserschei¬ 
nungen  der  rechten  Hand  im  3.  Fall,  die  für  eine  Affektion  des 
Nervus  medianus  des  Plexus  brachialis  sprechen  wiii  de.  Die 
Respirations-  und  Herzstörungen  wurden  in  dem  doch 
schwereren  1.  und  2.  Fall  nicht  sofort  manifest,  sondern  traten 
erst  kurz  vor  dem  Tode  auf.  Sie  geben  meistens  die  eigent¬ 
liche  Todesursache  ab  und  beruhen  teilweise  auf  der  bereits 
erwähnten  Störung  im  Gebiet  des  Vagus,  teilweise  wohl  auch 
der  Pons  und  Medulla  oblongata. 

Da  der  Rest  des  Schinkens,  ca.  3000  g,  noch  vorhanden 
war  und  sofort  mit  Beschlag  belegt  wurde,  konnte  er  noch  für 
nähere  Untersuchungen  verwandt  werden.  Am  5.  VIII.  wurde 
im  Nahrungsmitteluntersuchungsamt  Trier  der  Schinken  zu¬ 
nächst  chemisch  untersucht  mit  dem  Resultat,  dass  der 
Schinken  verdorben  sei,  da  die  oberflächlichen  wie  tiefen  j 
Schichten  1.  alkalische  Reaktion  zeigten,  2.  Ammoniak  ent¬ 
wickelten,  3.  einen  etwas  üblen,  ranzigen  Geruch  hatten, 

4.  Maden  enthielten. 

Eine  Untersuchung  auf  anorganische  Gifte  wurde  Vorbe¬ 
halten,  erwies  sich  aber  bald  als  unnötig.  Obwohl  diese  ein¬ 
fache  chemische  Untersuchung  ergeben  hatte,  dass  der 
Schinken  zum  Genuss  absolut  untauglich  war,  so  musste,  wenn 
es  sich  um  B  o  t  u  1  i  s  m  u  s  handelte,  vor  allem  die  t  o  x  l  s  c  h  e 
Wirkung  des  Schinkens  durch  Fütterungs¬ 
und  Impfungsversuche  erwiesen  werden. 

Es  wurden  daher  1.  einige  ca.  1  ccm  grosse  Fleischstücke  von 
dem  im  Eisschrank  aufbewahrten  Schinken  abgeschnitten,  um  zu 
Fütterungsversuchen  verwandt  zu  werden  und  2.  10  g  zerkleinerter 
Schinken  mit  200  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  im  Schuttei¬ 
apparat  1  Stunde  geschüttelt,  filtriert  und  im  Eisschrank  aufbewahrt. 
Das  Filtrat  enthielt  nur  vereinzelte  harmlose  Keime. 

Maus  I,  die  am  5.  VIII.  nur  Fleisch  als  Futter  bekam,  frass 
zwar  nur  wenig  davon,  zeigte  aber  bereits  nach  12  Stunden  schwere 
Krankheitserscheinungen,  bewegte  sich  mit  schleppenden 
Hinterbeinen,  mit  vollständig  geschlossenen  Augen  und  starb 
nach  28  Stunden  am  6.  VIII.  abends. 

Maus  VI  wird  geimpft  mit  0,5  ccm  Schinkenaufschwemmung 
am  12.  VIII.  Am  13.  VIII.  frisst  sie  bereits  wenig  und  läuft  wenig 
umher,  Augen  fast  geschlossen.  Am  14.  August  tot  nach 
36  Stunden. 

Im  ganzen  werden  in  ähnlicher  Weise  zunächst  14  Tier¬ 
versuche  gemacht,  die  alle  mit  dem  Tode  der  Versuchstiere 
endigten.  Durch  diese  Versuche  konnte  der  Nachweis  er¬ 
bracht  werden,  dass  in  dem  Schinken  stark  wirkende  Toxine 
vorhanden  sein  mussten,  zumal  die  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  des  Herz-  und  Milzblutes  sterilen  resp.  nicht  patho¬ 
logischen  Befund  ergab,  die  Anwesenheit  anderer  Infektions¬ 
erreger  also  ausschliessen  konnte. 

Auf  weitere  Tierversuche  und  pathologische  Veiän- 
derungen  werde  ich  an  anderer  Stelle  eingehen. 

Es  erübrigte  jetzt  noch,  den  Nachweis  der  Ba¬ 
zillen,  die  dieses  Toxin  erzeugt  hatten,  zu 
erbringen.  Wir  wissen,  dass  sich  der  Bacillus  botuhnus 
im  menschlichen  Körper  nicht  vermehren  kann,  sondern  viel¬ 
mehr  in  irgend  einem  toten  Substrat  Gifte  präformiert,  dies 
dann,  sobald  sie  in  den  menschlichen  Körper  gelangen,  ihre 
deletäre  Wirkung  auf  das  Nervensystem  entfalten.  Daher 
mussten  die  Bazillen  vor  allem  im  Schinken! 
gesucht  werden. 

Es  wurden  daher  am  5.  VIII.  von  verschiedenen  Stellen  des 
Schinkens  ca.  1  g  grosse  Stückchen  abgeschnitten  und  in  folgender 
Weise  in  8  mit  je  ca.  15  ccm  alkalischer  Bouillon  angefüllte  ulas- 
röhrchen  getan. 


21.  Januar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


127 


Röhrchen  1 
II 

III 

IV 

V 
V! 

VII 

VIII 


enthielt  ca.  1  g  mageres  Fleisch. 

„  »lg  fettes  Fleisch. 

„  »lg  Fleisch,  welches  am  Knochen  haftete. 

»  „lg  Knocheninhalt. 

„  „lg  mageres  Fleisch. 

„  „lg  fettes  Fleisch. 

„  „lg  Fleisch,  welches  am  Knochen  haftete. 

„  „lg  Knocheninhalt. 


Die  Röhrchen  I — IV  kamen  in  einen  37°  Brutschrank  zur  Züchtung 
aerober  Bakterien,  die  Röhrchen  V— VIII  kamen  in  einen  22°  Brut¬ 
schrank  zur  Züchtung  anaerober  Bakterien. 


Nach  24  stiindigem  Aufenthalt  wurden  die  Röhrchen  I— IV  auf 
Endo-  und  Melachitplatten  weiter  verarbeitet  und  untersucht,  indessen 
konnten  keine  Bazillen  aus  der  Paratyphusgruppe  oder  sonstige 
pathogene  Keime  nachgewiesen  werden. 


Mit  Rücksicht  auf  die  klinischen  Symptome  musste  man 
auch  von  vornherein  an  einen  anaeroben  Bazillus  denken  und 
es  war  daher  nur  in  den  Röhrchen  V— VIII  ein  positiver  Be¬ 
fund  zu  erwarten.  Diese  Röhrchen  wurden  daher  auf  sterile 
alkalische  Traubenzuckeragarröhrchen  und  Traubenzucker¬ 
gelatineröhrchen  mittels  Stiches  übergeimpft  und  diese  erneut 
einer  Bruttemperatur  von  22  0  ausgesetzt.  Nachdem  die  Unter¬ 
suchung  bei  dem  ersten  Male  noch  kein  positives  Resultat 
ergeben  hatte,  wurden  spätere  weitere  Untersuchungen  von 
Erfolg  gekrönt.  In  dem  Traubenzuckeragarstich  Hess  sich 
eine  massenhafte  Vermehrung  einer  Bazillen¬ 
art  konstatieren,  die  das  charakteristische 
Aussehen  des  von  Ermengem  entdeckten  Ba¬ 
cillus  b  o  t  u  1  i  n  u  s  zeigte.  Ueberimpfungen  so¬ 
wohl  von  dem  Originalröhrchen  VII  wie  auch 
von  den  Traubenzuckeragar  röhrchen  auf 
2proz.  Traubenzuckergelatine  und  Agar¬ 
platten,  die  unter  an  aeroben  Bedingungen 
einer  Bruttemperatur  von  22°  mehrere  Tage 
ausgesetzt  wurden,  führten  zur  Gewinnung 
von  Reinkulturen  des  Bacillus  botulinus. 
Dieser  Bazillus  besitzt  eine  Länge  von  4—9  v,  eine  Dicke  von 
1  ß,  die  Ecken  sind  abgerundet  und  jeder  Bazillus  trägt  eine 
endogene  ovale  Spore. 

Die  Sporenfärbung  wurde  in  folgender  Weise  vorge¬ 
nommen: 


Das  an  der  Luft  getrocknete  Präparat  wurde  zunächst  25  mal 
durch  die  Flamme  gezogen,  damit  die  Sporen  den  Farbstoff  besser 
aufnahmen.  Darauf  färbte  ich  mit  konzentrierter  Karbolfuchsin¬ 
lösung  10  Minuten  unter  fortwährendem  Erhitzen,  um  dann  40  Se¬ 
kunden  mit  3  proz.  Salzsäurealkohol  zu  entfärben,  5  Minuten  mit 
Methylenblaulösung  (1:4)  nachzufärben  und  durch  Wasserspülung 
den  überflüssigen  Farbstoff  von  dem  Präparat  zu  entfernen.  Diese 
Färbemethode  ergab  gute  Bilder.  Die  endständigen  Sporen 
waren  leuchtend  rot,  die  Stäbchen  blau. 

Um  schnell  ein  Orientierungspräparat  zu  erhalten,  emp- 
fiehlt  es  sich,  einige  Sekunden  mit  konzentrierter  Karbolfuch¬ 
sinlösung  zu  färben. 

Das  Stäbchen  zeigte  nur  träge  Eigenbewegung,  Gelatine 
wurde  verflüssigt,  in  traubenzuckerhaltigem  Nährboden,  so¬ 
wohl  festem  wie  flüssigem  fand  Gasbildung  statt.  Das  Stäb¬ 
chen  wächst  schon  bei  18°,  verträgt  aber  auch  höhere  Tem¬ 
peraturen,  sogar  bis  zu  37  °.  Die  Sporen  sind  schon  nach 
-  Tagen  deutlich  ausgeprägt,  und  kommen  bei  meinem  Stamm 
nur  endständig  vor.  Der  Bazillus  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit 
einem  Tennisschläger.  In  der  Dunkelheit  aufbewahrt,  behielt 
er  bisher  in  Bouillon  1  Jahr  lang  seine  Lebensfähigkeit. 

Der  von  mir  gefundene  Bacillus  botulinus  ist  nicht  streng 
Gram-positiv,  wie  es  Leuchs  nach  neueren  Unter¬ 
suchungen  auch  von  dem  Ermengem  sehen  und  Darm¬ 
städter  Stamm  behauptet.  Ob  er  auch  bezüglich  seiner  Gift¬ 
wirkung  und  in  seinem  serologischen  Verhalten  mit  einem 
von  ihnen  identisch  ist,  müssen  weitere  Untersuchungen 
ergeben. 

Als  flüssiger  Nährboden  wurde  eine  Bouillon  verwendet,  die  ich 
in  folgender  Weise  herstellte:  In  einem  Liter  Wasser,  das  mit  500  g 
Schweinefleisch,  magerem  wie  fettem  je  zur  Hälfte  gekocht  wurde, 
wurden  1  Proz.  Pepton,  1  Proz.  Dextrose  und  Vs  Proz.  NaCl  hinzugesetzt. 
Die  Bouillon  zeigte  dann  zunächst  eine  etwas  saure  Reaktion.  Mittels 
■Vnrnalnatronlauge  wurde  der  Phenolphthaleinneutralpunkt  bestimmt, 
der  bei  Zusatz  von  4  ccm  Normalnätronlauge  zu  1  Liter  Bouillon 
erreicht  wurde.  Dann  wurde,  um  den  Nährboden  möglichst  alkalisch 
zu  machen,  noch  15  g  Normalnatronlauge  hinzugesetzt.  Nach  der 
.  , impfung  wurde  nach  dem  Verfahren  von  Lentz  ein  mit  alko¬ 
holischer  Pyrogallollösung  getränkter  Fliesspapierstab,  der  mit  1  proz. 


wässeriger  Kalilauge  frisch  angefeuchtet  wurde,  in  den  Hals  des 
Bouillonkolbens  getan  und  derselbe  mit  Plastillin  verschlossen,  so 
dass  kein  Luftzutritt  möglich  war. 

Meerschweinchen,  die  mit  2  ccm  14  Tage  alter  Bouillon¬ 
reinkultur  geimpft  wurden,  starben  nach  4—5  Tagen. 

Mäuse,  die  mit  filtrierter  4  Tage  alter  Bouillon  geimpft 
wurden,  starben  nach  ca.  2  Tagen. 

Zur  Reinzüchtung  auf  festen  Nährböden  bediente  ich  mich 
desselben  Verfahrens. 

In  kleine  mit  Traubenzuckergelatine  versehene  Petrischalen 
wird  ein  in  gleicher  Weise  präparierter  Fliesspapierring  getan.  Die 
Petrischale  wird  umgekehrt  auf  einer  Glasplatte  oder  innerhalb  einer 
grossen  Petrischale  auf  eine  ringförmige  Plastillinmasse  gepresst,  die 
dann  noch  fest  von  aussen  angedrückt  wird.  Die  Kulturen  riechen 
ausgesprochen  nach  ranziger  Butter.  Der  Bazillus  bildet  kreisrunde, 
durchsichtige,  schwach  gelblich  gefärbte,  die  Gelatine  verflüssigende 
Kolonien,  die  aus  groben,  in  steter  Bewegung  befindlichen  Granu¬ 
lationen  zusammengesetzt  sind. 

Auf  weitere  Versuche  mit  reinen  Toxinen,  denen  die  ver¬ 
schiedensten  Tiere  unter  charakteristischen  Symptomen  er¬ 
liegen,  werde  ich  in  einer  anderen  Arbeit  eingehen. 

Die  Therapie  bei  den  Erkrankten  bestand  vor  allem  in 
Kochsalzinfusionen,  Einläufen,  Abführmitteln,  Pilokarpininjek¬ 
tionen  und  künstlicher  Ernährung.  Von  der  Anwendung  des 
vom  Institut  für  Infektionskrankheiten  in  Berlin  zur  Verfügung 
gestellten  antitoxischen  Serums  nahm  der  Arzt,  da  schon  zu 
lange  Zeit  seit  der  Intoxikation  verstrichen  war,  Abstand,  ob¬ 
wohl  ein  Versuch  sicherlich  empfehlenswert  gewesen  wäre. 

Nachträglich  gelang  es  mir  auch  noch,  aus  dem  bei  der 
Sektion  des  verstorbenen  Mannes  erhaltenen  Milzblute,  mit 
dem  ich  seinerzeit  Traubenzuckergelatineröhrchen  beimpft 
hatte,  denselben  Botulinusstamm  zu  züchten.  Ein  ähnlicher 
Befund  ist  seit  der  Entdeckung  des  Botulinusbazillus  durch 
Ermengem  bisher  anderweitig  noch  nicht  gemacht  worden. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  St.  Georg  in  Hamburg. 

Hypophysis  und  Diabetes  insipidus*). 

Von  Prof.  M.  S  i  m  m  o  n  d  s. 

Je  mehr  unsere  Kenntnisse  über  die  innere  Sekretion 
fortschreiten,  umsomehr  kommen  wir  zur  Einsicht,  dass  die 
Verhältnisse  doch  wesentlich  komplizierter  liegen,  als  wir 
ursprünglich  vorausgesetzt  hatten.  Wir  wissen  jetzt,  dass  die 
Wirkung  der  inneren  Sekretion  desselben  Organs  nach  ganz 
verschiedener  Richtung  sich  geltend  machen  kann,  dass 
weiterhin  den  einzelnen  Abschnitten  innerhalb  eines  Organs 
verschiedenartige  Aufgaben  zufallen  können. 

Ein  gutes  Beispiel  dafür  liefert  uns  die  Hypophysis.  An. 
alle  drei  Abschnitte  derselben  scheinen  verschiedenartige 
Funktionen  gebunden  zu  sein.  Die  Sekretion  des  vordere  n, 
drüsenartigen  Lappens  steht  mit  Wachstumsvorgängen  am 
Skelett  und  am  Bindegewebe  in  Beziehung.  Eine  Ueber- 
funktion  dieses  Lappens  bei  Adenombildung  desselben  führt 
bekanntlich  beim  wachsenden  Individuum  zu  übermässigem 
Wachstum  des  Skeletts,  beim  Erwachsenen  hingegen  zu  jenen 
eigenartigen  Bindegewebsverdickungen,  die  das  Bild  der 
Akromegalie  liefern.  Der  hintere  aus  nervösen  Elementen 
sich  aufbauende  Lappen,  die  Neurohypophyse,  galt  früher  als 
bedeutungslos.  Die  neueren,  freilich  nicht  unwidersprochen 
gebliebenen  Untersuchungen  Bernhard  Fischers  weisen 
darauf  hin,  dass  auch  hier  eine  für  Stoffwechsel  und  Genital¬ 
drüsen  wichtige  Sekretion  stattfindet,  deren  Schädigung  den 
Symptomenkomplex  der  Adipositas  hypogenitalis  (Dystrophia 
adiposogenitalis)  im  Gefolge  hat. 

Unsere  Kenntnisse  über  die  Funktion  des  zwischen  Vorder- 
und  Hinterlappen  liegenden,  durch  seinen  Gehalt  an  Kolloid 
ausgezeichneten  mittleren  Abschnittes,  der  Pars  inter- 
media,  verdanken  wir  dem  englischen  Physiologen  Edward 
Schäfer.  Auf  Grund  mannigfaltiger  Tierexperimente  kam 
er  zu  dem  Resultat,  dass  von  der  Hypophysis  aus  eine  Ein¬ 
wirkung  auf  Nierengefässe  und  Nierenzellen  ausgeübt  werde, 
dass  diese  diuretische  Wirkung  des  Organsekrets  nicht  dem 


*)  Vorgetragen  in  der  Biologischen  Abteilung  des  Aerztlichen 
Vereins  zu  Hamburg  am  10.  Dezember  1912. 


128 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHR1E  I . 


No.  3. 


vorderen  Lappen  zuzuschreiben  sei,  sondern  an  die  hinteren 
Abschnitte,  insbesondere  an  die  Pars  intermedia  gebunden  sei. 

Dieser  experimentell  festgestellte  Zusammenhang  zwischen 
Hypophysis  und  Urinsekretion  war  bereits  durch  manche 
klinische  Beobachtungen  angedeutet  worden.  Wir  wussten, 
dass  Akromegalie  und  Dystrophia  adiposogenitahs  nicht  selten 
von  Diabetes  insipidus  begleitet  wird,  dass  gummöse  Basal¬ 
meningitis  und  Geschwulstbildungen  an  der  Basis,  kurzum 
Prozesse,  die  eine  Einwirkung  auf  den  Hirnanhang  ausuben 
können,  bisweilen  zur  Polyurie  führen.  Endlich  hat  vor 
kurzem  Frank  über  einen  Kranken  berichtet,  der  im  An¬ 
schluss  an  eine  Schussverletzung  an  Diabetes  insipidus  litt 
und  bei  dem  das  Röntgenbild  ein  Projektil  in  der  Gegend  der 
Sella  turcica  erkennen  liess.  Indes  in  allen  diesen  am 
Menschen  gemachten  Beobachtungen  fehlte  bisher  die  genaue 
Lokalisation  der  supponierten  Schädigung  innerhalb  der  Hypo¬ 
physis  und  damit  eine  zuverlässige  Bestätigung  der  von 
Schäfer  beim  Tierexperiment  gewonnenen  Resultate  tur  me 
Pathologie  des  Menschen.  Diese  Lücke  glaube  ich  durch  die 
folgende  Beobachtung  ausfüllen  zu  können. 

Anfang:  Juni  wurde  bei  einer  37  jährigen  Frau  die  Ablatio  raam- 
mae  dextrae  wegen  eines  vorgeschrittenen  Karzinoms  ausgefuh  . 
Der  Heilungsverlauf  war  ein  glatter.  Die  Temperatur  war  andauer  d 
normal,  der  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  sein  spezifisches  Ge¬ 
wicht  schwankte  zwischen  1012  und  1015,  seine  Menge |  "ie 

1500  g  pro  die.  10  Wochen  nach  der  Operation  kehrte  sie  ins  Kran 
kenhaus  zurück,  da  am  Thorax  und  am  Halse  GeschwuLtrezidive  auf-  . 
getreten  waren.  Sie  gab  an,  dass  seit  2  Wochen  eine  auffallende 
Polyurie  und  starkes  Durstgefühl  sich  eingestellt  hatten  'Die  wieder¬ 
holt  ausgeführte  Urinuntersuchung  ergab  ein  spezifisches  Gewicht  von 
1002  und  1003,  völliges  Fehlen  von  Zucker  und  von  Eiweiss.  Die 
Harn  menge  schwankte  zwischen  10  und  19  Litern 
pro  die  und  ging  erst  in  den  letzten  Lebenstagen  auf  4  Liter  herab. 
Etwa  3  Monate  nach  der  Operation  starb  sie  unter  den  Erschei¬ 
nungen  zunehmender  Atemnot  und  Herzschwäche.  Hont 

Die  Autopsie  ergab  abgesehen  von  Krebsmetastasen  der  Haut, 
der  linken  Mamma,  der  Leber,  der  Hals-,  Brust-  und  Bauchlymph- 
driisen,  der  Pleura  und  sämtlicher  Wirbelkörper  keine  pathologische 
Veränderung  von  Belang.  Speziell  die  Nieren  erschienen,  auch  bei  | 
der  mikroskopischen  Prüfung,  völlig  normal.  Grosshirn.  Kleinhirn,  | 
Medulla  waren  von  normalem  Aussehen,  die  Ventrikel  nicht  erweitert. 
Die  Hypophysis  erschien  von  oben  her  betrachtet  zunächst  unver¬ 
ändert!  Da  mir  indes  bei  Betastung  des  Clivus  und  derhmte.en 
Sattellehne  die  Weichheit  des  Knochens  auf  gefallen  war  und  ich  mit 
der  Möglichkeit  eines  Uebergreifens  der  Knochenkrebsmetastase  aut 
den  Hirnanhang  rechnen  durfte,  entfernte  ich  den  ganzen  Tur ken- 
sattel  samt  Hypophysis  und  legte  nach  Entkalkung  des  Knochens 
Sagittalschnitte  durch  Sella  und  Hirnanhang. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  dieser  Schnitte,  deien  Mikro- 
photogramme  ich  projiziere,  ergab  die  Richtigkeit  meiner  Voraus¬ 
setzung.  Sie  sehen  dass  der  Knochen  der  hinteren  Sattellehne  fast 
vollkommen  durch  Krebsmassen  ersetzt  ist,  dass  das  Karzinom  von 
hier  direkt  auf  den  Hinterlappen  der  Hypophysis  übergreift  und  diesen 
so  durchsetzt  hat,  dass  seine  ursprüngliche  Struktur  vollständig  zer¬ 
stört  ist.  Erst  an  der  Pars  intermedia  hat  die  Wucherung  Halt  ge¬ 
macht.  Diese  und  der  vordere  Lappen  sind  intakt  geblieben.  Die 
beigefügte  schematische  Abbildung  zeigt  das  Ausbreitungsgebiet  der 
Neubildung. 

Schematische  Darstel¬ 
lung  der  Hypophysis 
mit  Sella  turcica. 

V  =  Vorderer  Abschnitt, 

M  =  Mittlerer  Abschnitt 
(Parsintermedia), 

H  =  Hinterer  Abschnitt 
(Neurohypophyse), 

I  =  Infundibulum, 

VS  =  Vordere  Sattellehne, 
HS  =  Hintere  Sattellehne. 

Die  schraffierten  Teile  sind 
von  Karzinom  durch¬ 
wachsen. 


möglich.  Der  Hinterlappen  ist  durch  die  Neubildung  völlig 
zerstört;  eine  Sekretion  dieses  Abschnittes  kommt  also  nicht 
mehr  in  Frage.  Es  kann  sich  nur  um  eine  Einwirkung  der 
Geschwulst  im  Hinterlappen  auf  den  intakt  gebliebenen  Rest 
des  Hirnanhanges,  also  auf  den  Vorderlappen  und  die  Pars 
intermedia  handeln.  Da  wir  nun  aber  aus  Schafe  r  s  Unter¬ 
suchungen  wissen,  dass  der  vordere  Lappen  sicher  keinen  Ein¬ 
fluss  auf  die  Urinsekretion  hat,  kommen  wir  zu  dem  Schlüsse, 
dass  der  Diabetes  insipidus  in  dem  vorgetragenen  Falle  der 
Effekt  einer  Ueberfunktion  der  Pars  intermedia  war  hervor¬ 
gerufen  durch  eine  Reizwirkung  der  Geschwulstbildung  im 

Hinterlappen.  .  T_l  .....  _  ,  _ 

Liefert  nun  auch  meine  Beobachtung  eine  Bestätigung  du 
Angaben  Schäfers  über  den  Zusammenhang  zwischen 
Hypophysisschädigung  und  Polyurie,  so  widerspricht  sie 
doch  in  einer  anderen  Hinsicht  seiner  Voraussetzung.  Er  ha  e 
auf  Grund  histologischer  Untersuchungen  Her  rings  an¬ 
genommen,  dass  das  wirksame  Produkt  der  Pars  intermedia, 
das  Kolloid  bei  Reizung  der  Hypophysis  reichlicher  sczerniert 
werde,  direkt  in  das  Infundibulum  und  von  hier  aus  in  die 
Hirnventrikel  gelange,  um  dort  seine  Wirksamkeit  zu  ent¬ 
falten.  Ein  solcher  Vorgang  ist  in  einem  Falle  wie  dem 
meinigen,  in  dem  der  Zugang  zum  Infundibulum  durch  die 
Geschwulstbildung  völlig  verlegt  ist,  ausgeschlossen.  Eine 
Resorption  des  Hypophysissekretes  war  nur  auf  dem  Wege 
der  Blut-  und  Lymphgefässbahnen  möglich. 

Wie  dem  aber  auch  sei,  die  v  o  r  g  e  t  r  a  g  e  n  e  Beob¬ 
achtung  liefert  den  einwandfreien  Beweis 
für  die  Annahme,  dass  auch  beim  M  c  n  s  c  h  e  n 
der  Diabetes  insipidus  durch  eine  Schädi¬ 
gung  der  Hypophysis  hervorgerufen  werden 
kann.  Im  Verein  mit  den  auf  experimentell  e  in 
Wege  gewonnenen  Resultaten  weist  sie 
darauf  hin,  dass  eine  Einwirkung  auf  die 
Pars  intermedia  des  Hirnanhanges  dabei  der 
wesentliche  Faktor  ist.  Jedenfalls  muss  aber  der 
vorgetragene  Fall  dazu  auffordern,  in  jedem  Falle  von  Dia¬ 
betes  insipidus  oder  Polyurie  die  Hypophysis  einer  sorgfältigen 
mikroskopischen  Prüfung  zu  unterziehen. 

Literatur. 

B  Fischer:  Hypophysis  und  Adipositas  hypogenitalisj 
Frankf.  Zeitschr.,  XI,  145,  1912.  -  Stumpf:  Untersuchungen  ube> 
das  Verhalten  des  Hirnanhangs  bei  chronischem  Hydrozephalus. 
Virchows  Archiv,  209,  339,  1912.  —  Schäfer:  Die  Funktionen  des 
Gehirnanhangs.  Berner  Universitätsschriften,  H.  3,  1911.  ‘ 

Ueber  Beziehungen  der  Hypophyse  zum  Diabetes  insipidus.  Ber 
klin.  Wochenschr.  1912,  No.  9.  —  Steiger:  Ueber  einen  Fall  von 
Diabetes  insipidus  etc.  D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  4( . 


Wir  haben  also  einen  Fall  vor  uns,  in  dem  etwa  2  Monate 
nach  Entfernung  einer  krebsigen  Brustdrüse  gleichzeitig  mit 
der  Bildung  von  Karzinommetastasen  in  verschiedenen  Kör¬ 
perregionen,  darunter  auch  in  der  Hypophysis,  eine  hart¬ 
näckige,  hochgradige,  vorher  sicher  fehlende  Polyurie  auf  tritt. 
Wie  im  Experiment  wird  hierdurch  der  Zusammenhang 
zwischen  Diabetes  insipidus  und  Hypophysenerkrankung  er¬ 
wiesen.  .  , 

Aber  auch  eine  genauere  Lokalisation  der  Schädigung  ist 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  der  städt.  Krankenanstalteil 
zu  Elberfeld  (Chefarzt:  Dr.  Ne  hr  körn). 

Erfahrungen  mit  Mesbe  in  der  Behandlung  chirurgischei 

Tuberkulosen. 

Von  Dr.  Butzengeiger,  Sekundärarzt. 

Obwohl  die  spezifische  Behandlung  chirurgischer  Tuberl 
kulosen  mit  Tuberkulin  und  besonders  die  mit  so  überraschen 
den  Erfolgen  speziell  im  Hochgebirge  durchgeführte  Behänd! 
lung  durch  systematische  Sonnenbestrahlung  zu  wertvolle) 
Kampfmitteln  gegen  diese  immer  noch  verheerende  Volks! 
krankheit  geworden  sind,  so  sind  wir  leider  immer  noch  wel 
davon  entfernt,  ein  sicherwirkendes  Mittel  gegen  die  lubel 
kulose  zu  besitzen.  Es  ist  deshalb  jedes  neue,  wirksame  Mit b 
gegen  die  Tuberkulose  sehr  zu  begriissen.  Aus  diesem  Grüner 
versuchten  wir  auch  auf  die  Veröffentlichung  von  Hceil 
mann1)  und  Spangenberg2)  hin,  das  von  diesen  ai 
Grund  von  auffallend  günstig  beeinflussten  Fällen  empfohlen 
Mesbe,  ein  aus  einer  zentralamerikanischen  Malvacee  hei 

gestelltes  Präparat.  f 

Wir  wählten  dazu  nur  chronisch-tistu  i  o s 
Knochentuberkulosen  und  behandelten  damit  bis  '■ 
7  Fälle,  die  kurz  mitgeteilt  seien. 

1)  Heer  mann:  Ueber  Mesbe,  neues  Mittel  zur  Behandlung  d* 
Tuberkulose.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No_.  34. 

2)  Spangenberg:  Mesbe.  Ein  neues  Heilmittel  gegen  1  ube* 
kulose.  Reichs-Medizinal-Anzeiger,  No.  18,  Jahrg.  37. 


21.  Januar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


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F  a  1 1  I.  P.  St.,  30  Jahre,  Kaufmann.  Seit  1893  bestehende 
Ellenbogengelenktuberkulose.  In  den  Jahren  1904  und 
1907  schon  Exkochleationen  von  Fisteln.  29.1.  12  wieder  Auskratzung 
einer  Fistel  an  der  medialen  Seite  des  in  rechtwinkliger  Ankylose  be¬ 
findlichen  Ellenbogengelenkes.  Trotz  ziemlich  guten  Allgemeinbefin¬ 
dens  und  ständiger  Behandlung  mit  Jod,  Perubalsam  etc.  war  eine 
Heilung  nicht  zu  erzielen.  Seit  Anfang  September  nun  Mesbebehand- 
lung  durch  Einfuhren  von  öazestreifen  mit  Mesbe  in  die  Fistel. 
Nach  wenigen  Wochen  wurden  die  Granulationen  bedeutend  frischer, 
es  traten  zunächst  eine  reichlichere  Sekretion  und  etwas  Schmerzen 
auf,  dann  aber  liess  die  Sekretion  nach,  man  kam  nicht  mehr  auf 
rauhen  Knochen,  die  Fistel  begann  zu  heilen  und  ist  nunmehr  nahezu 
völlig  geschlossen. 

Fall  II.  W.  v.  G.,  10  Jahre  alt.  Seit  2%  Jahren  bestehende 
Kniegelen kstuberk il lose  wegen  der  vor  2  Jahren  die 
Kniegelenksresektion  gemacht  wurde.  Später  allmähliche  Entwicklung 
einer  ziemlich  starken  Beugekontraktur.  Seit  %  Jahren  besteht  eine 
Fistel,  die  bisher  unter  der  üblichen  Behandlung  keine  Neigung  zur 
Heilung  zeigte.  Ebenfalls  seit  anfangs  September  Behandlung  mit 
Mesbe.  Darauf  wieder  zunächst  stärkere  Sekretion  und  etwas  ver¬ 
mehrte  Schmerzhaftigkeit,  dann  Bildung  frischerer  Granulationen  und 
Neigung  zur  Heilung,  die  schon  anfangs  November  fast  ganz  vollendet 
war.  Der  Junge  wurde  dann  nach  Hause  geholt  und  liess  sich  seit¬ 
dem  nicht  mehr  sehen. 

Fall  III.  H.  J.,  21  Jahre,  Rippenkaries.  Seit  Mai  d.  J. 
Auftreten  eines  ziemlich  starke  Beschwerden  machenden  kalten  Ab¬ 
szesses  am  Rücken  links  neben  der  Wirbelsäule,  der  sich  etwa  in  der 
Gegend  der  Rippenbuckel  von  der  8.  bis  zur  11.  Rippe  erstreckte. 
Im  August  Exzision  des  Abszesses  und  Resektion  der  rauhen  8.  Rippe. 
Es  zeigte  sich  aber,  dass  noch  ein  Gang  nach  oben  und  gegen  die 
Wirbelsäule  zuging  und  auf  rauhen  Knochen  führte.  Von  Anfang 
September  an  deshalb  Behandlung  der  zurückbleibenden  Fistel  mit 
Mesbe.  Es  bildeten  sich  bald  gute  Granulationen,  die  Sekretion  liess 
nach  und  seit  Anfang  November  ist  die  Fistel,  die,  wie  eine  Röntgen¬ 
aufnahme  mit  Wismutinjektion  zeigte,  zur  6.  Rippe  führte,  völlig  ge¬ 
schlossen.  Die  Frau  erholte  sich  sehr  gut. 

Fall  IV.  Frl.  E.  Z.,  Näherin,  51  Jahre.  Vor  20  Jahren  Re¬ 
sektion  des  linken  Ellenbogengelenkes  wegen 
Tuberkulose.  Seit  über  4  Jahren  fistulöse  Tuberku¬ 
lose  des  rechten  Ellenbogengelenkes,  wegen  der  vor 
2%  Jahren  die  Resektion  des  rechten  Ellenbogengelenkes  vor¬ 
genommen  wurde.  Es  blieben  jedoch  2  Fisteln  zurück,  die  trotz 
beständiger  Behandlung  nicht  heilen  wollten.  Vom  7.  IX.  12  ab  mm 
Behandlung  durch  Einführen  von  Mesbestreifchen.  Anfangs  etwas 
stärkere  Eiterung,  doch  frischere  Granulationsbildung.  Nach 
5  Wochen  kam  man  durch  die  Fistel  nicht  mehr  auf  rauhen  Knochen, 
die  Sekretion  liess  nach.  Anfangs  November  war  die  Fistel  völlig 
geheilt  und  blieb  es  auch  bis  jetzt. 

Fall  V.  Frl.  A.  S.,  18  J.  Seit  dem  6.  Lebensjahr  Tuber¬ 
kulose  des  rechten  Hüftgelenkes  und  der  rechten  Darm¬ 
beinschaufel,  wegen  der  vor  etwa  8  Jahren  die  Hüftresektion  gemacht 
wurde.  Im  Laufe  der  letzten  6  Jahre  mussten  dann  noch  wegen 
starksezernierender  Fisteln  und  Eiterretentionen  mehrere  operative 
Eingriffe  gemacht  werden,  ohne  dass  eine  Heilung  der  Fisteln  zu  er¬ 
reichen  war.  Es  blieben  eine  Fistel  oberhalb  des  P  o  u  p  a  r  t  sehen 
Bandes  sowie  2  Fisteln  an  der  Aussenseite  des  rechten  Oberschenkels 
bestehen.  Von  Anfang  September  an  ebenfalls  Behandlung  mit 
Mesbe.  Nun  traten  fast  stets  am  Tage  der  Einführung  von  Mesbe- 
streifen  stärkere  Schmerzen  an  den  erkrankten  Knochen,  etwas  reich¬ 
lichere  Sekretion  und  Temperatursteigerungen,  2  mal  sogar  über  39° 
auf.  Am  nächsten  Tage  waren  alle  diese  Erscheinungen  meist  wieder 
verschwunden;  Pat.  fühlte  sich  wieder  völlig  wohl.  Während  nun  ein 
eklatanter  dauernder  Einfluss  auf  die  Sekretion  der  Fisteln  nicht  zu 
beobachten  war,  hob  sich  doch  das  Allgemeinbefinden  und  Pat.  konnte 
auch  wieder  besser  gehen. 

Fall  VI.  W.  K.,  6  Jahre.  Schlechtes  Allgemeinbefinden.  Seit 
2  Jahren  Lungentuberkulose  der  beiden  Oberlappen.  Vor 
1  X>  Jahren  Operation  tuberkulöser  Halsdrüsen.  Seit 
1  Jahr  Spinae  ventosae  mit  Fisteln,  eine  am  linken  Mittelfuss' 
und  je  eine  an  einem  rechten  und  linken  Mittelhandknochen.  Mesbe- 
behandlung  hier  ohne  deutlichen  Einfluss  auf  die  Knochenherde  oder 
das  Allgemeinbefinden. 

Fall  VII.  H.  P.,  10  Jahre.  Sehr  schlechtes  Allgemeinbefinden. 
Seit  IV*  Jahren  bestehende  Tuberkulose  des  rechten 
Kniegelenkes,  das  sich  trotz  Behandlung  mit  Gipsverbänden  etc. 
so  verschlimmerte,  dass  vor  %  Jahren  die  Resektion  des  Gelenkes 
vorgenommen  werden  musste.  Darnach  Bildung  mehrerer  Fisteln, 
die  auf  keine  Behandlung  hin  sich  besserten.  Verschlechterung  des 
Allgemeinbefindens.  Seit  K  Jahre  Behandlung  der  Fisteln  mit  Mesbe, 
das  jedoch  keinen  deutlichen  Erfolg  hatte,  wenn  sich  auch  das 
Allgemeinbefinden  etwas  besserte. 

Wir  wandten  in  allen  Fällen  Mesbe  nur  lokal  bei 
fistulösen  Knochentuberkulosen  an,  um  möglichst  einwand¬ 
frei  die  Wirkung  beobachten  zu  können.  Wir  benützten  dazu 
entweder  das  reine  Mesbe  oder  eine  50  proz.  Salbe.  Wir  be¬ 
handelten  somit  2  Fälle  mit  Ellenbogentuberkulose,  2  Knie¬ 
gelenkstuberkulosen,  1  Rippenkaries,  1  Hüftgelenks-  und 

No.  3. 


Beckentuberkulose  und  ein  Fall  mit  multiplen  Spinae 
ventosae. 

Wie  aus  den  kurz  mitgeteilten  Krankengeschichten  hervor¬ 
geht,  ist  wohl  eine  eklatante  günstige  Beeinflussung  durch 
Mesbe  in  den  Fällen  I,  II,  III  und  IV  nicht  zu  verkennen;  sind 
doch  die  Fälle  III  und  IV  durch  eine  etwa  10  Wochen  dauernde 
Mesbebehandlung  völlig,  und  die  Fälle  I  und  II  nahezu  völlig 
geheilt.  Besonders  interessant  ist  die  Beobachtung  in  Fall  V, 
dass  fast  regelmässig  auf  die  Mesbebehandlung  eine  schon 
nach  5 — 6  Stunden  auftretende  und  nach  12 — 18  Stunden 
wieder  abklingende  Reaktion  mit  Schmerzen  am  Krankheits¬ 
herd,  Temperatursteigerungen  meist  bis  etwa  38°,  mitunter 
sogar  bis  39  0  und  vermehrter  Sekretion  auftrat. 

Wir  glauben  dies  doch  als  eine  Art  spezifischer  Wirkung 
des  Mittels  auf  die  tuberkulösen  Herde  auffassen  zu  müssen, 
zumal  sie  auch  in  den  meisten  anderen  Fällen  wenigstens 
durch  das  Auftreten  stärkerer  Schmerzen  und  vermehrter 
Sekretion  sich  kundgab.  Auffallend  war  in  fast  allen  Fällen, 
dass  die  Granulationen  bald  wesentlich  frischer  und  gesunder 
aussahen.  Auch  das  Allgemeinbefinden  schien  meist  günstig 
beeinflusst  zu  werden.  Dass  in  den  beiden  letzten  Fällen  ein 
Erfolg  ausblieb,  ist  wohl  auf  das  schlechte  Allgemeinbefinden 
der  Patienten  zurückzuführen. 

Worauf  die  Wirkung  von  Mesbe  beruht,  lässt  sich  schwer 
sagen.  Die  Droge  enthält  nach  Spangenberg  viele  Schleim¬ 
und  Gummiarten  und  ist  reich  an  löslichen  Karbonaten  und 
Phosphaten  und  anderen  Mineralsalzen,  doch  vermuten  wir 
auf  Grund  der  beobachteten  Reaktionen  auch  einen  direkt  spe¬ 
zifisch  auf  Tuberkulose  wirkenden  Körper  in  dem  Mittel. 

Wenn  auch  die  Zahl  der  bisher  von  uns  durch  längere 
Zeit  mit  Mesbe  behandelten  chirurgischen  Tuberkulosen  noch 
ziemlich  gering  ist,  so  ist  unseres  Erachtens  die  so  eklatante, 
günstige  Wirkung  in  obigen  Fällen  wohl  nur  auf  das  Mittel 
zurückzuführen,  so  dass  wir  glauben,  es  zur  Nachprüfung  bei  der 
Behandlung  chirurgischer  Tuberkulosen  empfehlen  zu  können. 

Ob  Mesbe  auch  sonst  in  der  Wundbehandlung  zur  Bildung 
guter  Granulationen  anregt,  dies  zu  prüfen,  haben  wir  be¬ 
gonnen,  doch  sind  unsere  Erfahrungen  zu  einem  bestimmten 
Urteil  hierüber  noch  zu  gering. 


Aus  dem  Hospital  der  Senembah  Maatschappy  in  Deli. 

Das  Oleum  chenopodii  gegen  Ankylostomiasis  und  eine 
neue  Methode  der  Wertbestimmung  von  Wurmmitteln. 

Von  Dr.  W.  Schüffner  und  Dr.  H.  Vervoort. 

Solange  man  Vermifuga  nur  gegen  Askariden  oder  Tänien 
nötig  hatte,  und  die  Ankylostomiasis  höchstens  sporadisch  in 
Europa  zu  tun  gab,  blieb  die  Frage  nach  dem  besten  Wurm¬ 
mittel  von  untergeordneter  Bedeutung.  Ganz  anders  hat  sich 
die  Sachlage  heute  gestaltet,  wo  die  Erkenntnis  der  unge¬ 
heuren  Ausbreitung  des  Hakenwurms  in  den  warmen  Ländern 
und  des  grossen  wirtschaftlichen  Schadens,  den  sie  verursacht, 
in  den  weitesten  Kreisen  Platz  greift.  Als  eine  der  wichtig¬ 
sten  Abwehrmassregeln  gegen  den  gefährlichen  Wurm  ist 
damit  die  Abtreibekur  in  den  Mittelpunkt  des  Interesses  ge¬ 
rückt,  und  der  Mangel  eines  wirksamen  Wurmmittels,  das 
nicht  von  vornherein  durch  seine  schlechte  Einnehmbarkeit 
abschreckt,  sondern  ähnlich  den  Wurmplätzchen  eine  gewisse 
Popularität  besitzt,  recht  fühlbar  geworden. 

Diese  Lücke  auszufüllen,  dazu  scheint  uns  nach  aus¬ 
gedehnten  vergleichenden  Untersuchungen  das  O  1  e  u  m 
chenopodii,  auf  das  wir  durch  eine  Arbeit  von  Brüning1) 
und  mündlich  durch  Dr.  v.  Prowazek  aufmerksam  ge¬ 
macht  wurden,  berufen  zu  sein. 

Das  Oleum  chenopodii  anthelminthici  ist  ein  ätherisches 
Oel  von  eigenartigem,  nicht  unangenehmen  Geschmack  und 
wird  aus  einer  in  fast  allen  Teilen  der  Vereinigten  Staaten 
Amerikas  wachsenden  krautartigen  Pflanze,  dem  Cheno- 
podium  anthelminthicum  gewonnen.  Es  ist  in  Amerika  offi- 
zinell,  aber  merkwürdigerweise  in  Deutschland  so  gut  wie 
unbekannt  geblieben.  Nach  Brüning  ist  es  für  Askariden 
ein  sicheres,  von  allen  Nebenwirkungen  freies  Vermifugum, 


1)  Brüning:  Zur  Helminthiasistherapie  in  den  Tropen.  Arch. 
f.  Tropenhyg.  1910. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


das  er  vor  allen  auch  den  Tropenärzten  zu  Versuchen  gegen 
das  Ankylostomum  empfiehlt. 

Wir  ordneten  das  Mittel  einer  Untersuchungsreihe  ein, 
die  den  einen  von  uns  schon  seit  Monaten  beschäftigte,  und 
die  den  Zweck  hatte,  die  Wirksamkeit  des  Thymols  gegen¬ 
über  anderen  neuerdings  aufgekommenen  Arzneien  festzustellen 
und  möglichst  zahlenmässig  zu  beweisen,  dass  es  den  Vorzug, 
den  wir  ihm  in  Deli  bei  einer  sehr  umfangreichen  Bekämpfung 
der  Ankylostomiasis  seit  15  Jahren  einräumen,  auch  wirklich 
verdient 2).  Es  handelte  sich  dabei  um  den  Vergleich  mit 
Oleum  Eucalypti,  einer  jetzt  in  Niederländisch-Indien  vielge¬ 
brauchten  Vorschrift,  und  mit  Beta  Naphthol,  das  von  Englisch- 
Indien  empfohlen  wurde.  Das  in  Europa  beliebteste  Mittel, 
das  Extractum  filicis  maris,  kam  für  uns  auf  Grund  älterer 
Versuche,  nach  denen  es  sich  in  den  Tropen  wenig  verlässlich 
zeigte,  nicht  in  Betracht.  Als  drittes  trat  nun  das  Oleum 
chenopodii  hinzu. 

Zur  Prüfung,  für  die  uns  in  Deli  ein  reiches  Kranken¬ 
material  zu  Gebote  stand,  wurden  bisher  in  etwa  8  Monaten 
1457  Personen  mit  doppelt  so  vielen  Kuren  herangezogen.  Da¬ 
bei  hielten  wir  eine  besondere  Versuchsanordnung  bei,  die 
den  Zweck  hatte,  Fehlerquellen,  welche  bei  ähnlichen  Arbeiten 
das  Resultat  stark  beeinträchtigten,  mit  Sicherheit  auszu¬ 
schalten. 

Wir  liessen  nämlich  unsere  Wurmkranken  zwei  Kuren  im 
Abstand  von  wenigen  Tagen  machen,  und  zwar  regelmässig 
alternierend  mit  Thymol  und  einem  der  zu  prüfen¬ 
den  Mittel.  Auf  diese  Weise  erhielten  wir  jedesmal  zwei 
Reihen,  die  eine,  in  der  sämtliche  Leute  das  Thymol  an  erster, 
die  andere,  in  der  sie  es  an  zweiter  Stelle  genommen  hatten. 
Beide  Mittel  hatten  so  Gelegenheit  zu  zeigen,  welche  Kraft  sie 
auf  die  zuvor  nichtbehandelten  Parasiten  entfalten  konnten, 
und  dann,  was  sie  noch  in  der  Nachkur  vermochten.  Die 
Kräfte  durften  wir  direkt  proportional  den  Zahlen  der  Würmer 
setzen,  die  sich  in  den  ausgewaschenen  Stühlen  vorfanden. 

Da  es  uns  hier  allein  auf  das  Verhältnis  ankam,  in  welchem 
die  dem  einen  oder  anderen  Mittel  zugehörigen  Wurmzahlen 
stehen,  so  wurden  wir  bei  dieser  Art  des  Versuches  gänzlich 
unabhängig  von  der  Menge  der  Würmer,  die  der  Kranke  ur¬ 
sprünglich  beherbergte.  Wer  sich  dagegen  nur  mit  einer  Kur 
begnügt,  erhält  absolute  Zahlen;  diese  aber  sind  ebenso  von 
dem  Mittel  wie  von  dem  Infektionsgrad,  der  stets  eine  unbe¬ 
kannte  Grösse  bleibt,  abhängig.  Dass  das  zu  grossen  Täu¬ 
schungen  Anlass  geben  muss,  ist  von  vornherein  begreiflich. 
Zum  Ueberfluss  hier  ein  Beispiel3). 

Bei  160  Leuten,  die  sich  ohne  irgendeine  Auswahl,  allein 
der  Reihenfolge  nach,  in  der  sie  zum  Hospital  kamen,  der 
Wurmkur  unterzogen,  gingen  pro  100  Personen  mit  Thymol 
1601  a,  bei  anderen  122  Leuten  pro  100  Personen  mit  Naph¬ 
thol  1928  a  ab.  Darnach  würde  Naphthol  das  kräftigere 
Vermifugum  heissen  müssen! 

Nun  die  Korrektur,  welche  uns  die  Doppelkur  und  der 
Wechsel  der  Reihenfolge  an  die  Hand  gibt: 

I.  Bei  100  Personen  gehen  ab  mit  Thymol:  1601a;  mit  Naphthol 
noch  270  a 

II.  Bei  100  Personen  gehen  ab  mit  Naphthol:  1928  a:  mit  Thymol 
noch  1059  a. 

oder  prozentual: 

Die  Wirksamkeit  von  Thymol  :  Naphthol  =  86  Proz.  :  14  Proz. 

Die  Wirksamkeit  von  Naphthol  :  Thymol  —  64  Proz.  :  36  Proz. 

Noch  kürzer  ausgedrückt  kommt  hiernach  dem  Thymol 
ein  Wirkungskoeffizient  von  86,  dem  Naphthol  ein  solcher  von 
nur  64  zu,  wobei  100  die  Summe  der  von  je  zwei  Kuren  ab¬ 
gegangenen  Würmer  bedeutet.  Aus  dieser  Berechnung  geht 
eine  zweifellose  Ueberlegenheit  des  Thymols  hervor. 

Ebenso  wie  den  Fehler,  der  von  dem  verschiedenen  In¬ 
fektionsgrad  der  Leute  abhängig  ist,  vermeidet  man  unter 
anderen  mit  der  von  uns  befolgten  Methode  auch  den,  welcher 
durch  die  Infektions  a  r  t,  ob  Ankylostomum  Dubini  oder 
Necator  americanus,  bedingt  ist.  Nach  unseren  Erfahrungen 
verhalten  sich  diese  beiden  Arten  gegen  die  einzelnen  Wurm¬ 
mittel  keineswegs  gleichartig,  sie  könnten  daher  gleichfalls  das 
Resultat  beeinflussen. 


2)  Sch  Offner:  Der  Wert  einiger  Vermifuga.  Archiv  für 
Tropenhygiene  1912,  S.  569. 

3)  ln  den  Tabellen  bedeutet  a  Ankylostomum,  A  Askaris. 


Immerhin  bleiben  bei  solchen  Versuchen  noch  eine  ganze 
Anzahl  nebensächlicher  Faktoren,  die  man  nicht  in  der  Hand 
hat,  und  die  daher  immer  kleine  Schwankungen  verursachen. 
Das  tut  aber  der  Genauigkeit  wenig  Eintrag.  Die  Methode 
zeichnet  auf  die  leiseste  Veränderung.  So  ergab  z.  B.  eine 
zweite  Serie  von  215  Leuten,  denen  statt  3  g  Naphthol  4  g 
gereicht  wurden,  für  dies  Mittel  auch  den  höheren  Koeffizienten 
von  74. 

Was  die  Feststellung  des  Resultates,  das  Auswaschen 
der  Stühle,  das  Zählen  der  Würmer  etc.  anbelangt,  so  sei  auf 
die  obenzitierte  Arbeit  verwiesen. 

Die  Verabreichung  der  Mittel. 

1.  Thymol: 

A.  Grammweise,  zweistündlich,  5  mal  hintereinander;  2  Stun¬ 
den  nach  letzter  Dosis  20  g  Rizinusöl. 

B.  2 mal  2g  mit  einer  zweistündigen  Pause;  3  Stunden  später 
17g  Rizinusöl  +  3g  Chloroform.  Das  Chloroform  soll  noch  eine 
Wirkung  auf  die  vom  Thymol  nur  halb  getroffenen  Würmer  ausüben. 
Die  Mischung  wurde  von  den  Leuten  fast  leichter  genommen  als 
reines  Oel  und  hatte  keinerlei  nachteilige  Wirkung. 

2.  Oleum  Eucalypti  in  der  von  Her  man  empfohlenen  Mischung: 

01.  Eucal.  2,5 — 3,5 
Chloroform  3,5 
01.  Ricini  40,0 

S.  In  zwei  Portionen  mit  halbstündiger  Pause  zu  nehmen. 

3.  Beta-Naphthol: 

Zweistündlich  3  mal  je  lg;  1  Stunde  nach  letzter  Dosis  20  g 
Rizinusöl. 

4.  Oleum  chenopodii: 

Zweistündlich,  3  mal  hintereinander,  je  16  Tropfen  mit  Zucker; 
2  Stunden  nach  letzter  Dosis  17  g  Rizinusöl  +  3  g  Chloroform. 


Wir  erhielten  nun  folgende  Serien: 


No. 

Zahl 

der 

Leute 

Erste 

Kur 

Zweite  Kur 

Wurmmittel 

Abgegangene 
a  |  A 

Wurmmittel 

Abgegangene 
a  A 

1 

153 

Thymol  .  . 

3706 

434 

Thymol  .  . 

765 

127 

2 

165 

Thymol  .  . 

4808 

162 

Ol.  Eucal.  . 

774 

8 

3 

354 

Ol.  Eucal.  . 

4315 

39 

Thymol  .  . 

7116 

321 

4 

309 

Thymol  .  . 

8449 

652 

Naphthol  .  . 

1147 

15 

5 

188 

Naphthol  .  . 

3462 

70 

Thymol  .  . 

1641 

316 

6 

142 

Thymol  .  . 

4154 

155 

Ol.  chenop.  . 

751 

45 

7 

146 

Ol.  chenop.  . 

8022 

244 

Thymol  .  . 

820 

37 

Aus  diesen  Grundzahlen  lassen  sich  die  folgenden  Ver¬ 
hältniswerte  ziehen: 

a)  Für  die  Anky  lostomen: 

Die  Wirksamkeit  von  Thymol:  Thymol  =  83:  17 

„  „  „  „  Eucal.  =  86:  14 

„  „  „  „  Naphthol  =  88:  12 

„  „  „  „  Ol.  chen.  =85:  15 

„  „  „  Eucal.:  Thymol  =  38:  62 

„  „  „  Naphthol:  Thymol  =  68:  32 

„  „  01.  chen.:  Thymol  =  91:  9 

b)  F  ii  r  die  Askariden: 

Die  Wirksamkeit  von  Thymol:  Thymol  =  78:  22 

„  „  „  „  Eucal  =95:  5 

„  „  „  „  Naphthol  =98:  2 

„  „  „  „  Ol.  chen.  =  78:  22 

„  „  „  Eucal.:  Thymol  =  12:  88 

„  „  „  Naphthol:  Thymol  =  18:  82 

„  „  „  Ol.  chen.:  Thymol  =  87:  13 

oder  kurz  ausgedrückt  ist  der  Wirkungskoeffizient  gegen: 


Ankylostomen 

Askariden 

Für  Ol.  Eucal.  .  .  38 

12 

„  Naphthol  .  .  68 

18 

„  Thymol  ...  83 

78 

„  Ol  chenop. .  .  91 

87 

Aus  den  vorstehenden  Tabellen  sehen  wir  zunächst,  dass 
tatsächlich  das  Thymol  dem  Ol.  Eucalypti  und  dem  Naphthol 
den  Rang  abläuft.  Bemerkenswert  ist  ferner  die  grosse  Regel¬ 
mässigkeit,  die  es  an  erster  Stelle  gegeben  entwickelt.  Dies 
Verhältnis  verschiebt  sich  auch  kaum,  wenn  Thymol  auf 
Thymol  genommen  wurde,  Thymol  steht  dann  mit  den  übrigen 
an  zweiter  Stelle  verabreichten  Mitteln  fast  auf  einer  Stufe. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Man  erhält  deshalb  bei  dieser  Reihenfolge  keine  rechte  Ein¬ 
sicht  in  die  jeweiligen  Kräfte.  Die  grossen  Unterschiede  zeigen 
sich  erst,  wenn  die  zu  prüfenden  Mittel  dem  Thymol  vor- 
an  gestellt  werden.  Jetzt  fällt  das  Eukalyptusöl  mit  nur  38, 
das  Naphthol  mit  68  gegen  das  Thymol  mit  seinem  Koeffi¬ 
zienten  83  ab,  dieses  aber  wird  wieder  durch  das  Oleum 
chenopodii  mit  der  Ziffer  91  merklich  übertroffen4). 

Dem  Oleum  chenopodii  kommt  nach  diesen 
Versuchen  die  meiste  vermifuge  Energie  zu. 
Was  uns  daran  besonders  wichtig  erscheint,  ist,  dass  es  sich 
gleich  kräftig  gegen  die  Ankylostomen  als  gegen  die  Askariden 
äussert,  und  zwar  aus  zwei  Gründen.  Einmal  haben  die 
Askariden  in  den  Tropen  durch  ihre  so  riesige  Verbreitung 
längst  ihren  harmlosen  Charakter  verloren,  so  dass  Mittel, 
die  beide  Parasiten  treffen,  unbedingt  nötig  sind.  Und  dann 
knüpft  sich  an  das  Abgehen  der  Askariden  ein  erziehliches 
Moment.  Während  nämlich  das  kleine  Ankylostomum  meist 
übersehen  und  darum  leicht  unterschätzt  wird,  macht  der 
grosse  Askaris,  der  sich  in  den  Entleerungen  findet,  immer 
Eindruck  und  trägt  dazu  bei,  den  Leuten  die  Notwendigkeit 
der  Kur  zum  Bewusstsein  zu  bringen.  Wir  haben  auf  diese 
Nebenwirkung,  die  ja  das  Thymol  auch  besitzt,  in  Deli  von 
jeher  grosses  Gewicht  gelegt  und  halten  schon  aus  diesem 
Grunde  das  01.  Eucalypti  und  das  Naphthol,  die  gegen  den 
Askaris  nichts  Nennenswertes  ausrichten,  für  Mittel,  die  in  den 
Tropen  nur  ganz  untergeordnete  Bedeutung  haben  können. 

Neben  einer  prompten  Wirksamkeit  soll  ein  Wurmmittel 
auch  leicht  einzunehmen  sein.  Der  Mangel  an  dieser  Eigen¬ 
schaft  hat  dem  Thymol  soviel  geschadet  und  seiner  allge¬ 
meinen  Einführung  entgegengestanden.  Das  Oleum  cheno¬ 
podii  nun  erfüllt  die  Forderung  in  mustergültiger  Weise.  Auf 
Zucker  gegeben,  nahmen  es  unsere  Leute  gern,  und  sie  würden 
sich  geradezu  zur  Kur  gedrängt  haben,  wenn  nicht  zum  Schluss 
das  Rizinusöl  zu  schlucken  gewesen  wäre.  Nun,  unbedingt 
nötig  ist  ja  das  Oel  zur  Kur  nicht,  es  erleichtert  nur  die  Stuhl¬ 
kontrolle,  die  sich  sonst  über  Tage  hinzieht.  Man  könnte  es 
darum  vielleicht  weglassen  oder  nach  einem  besser 
schmeckenden  Ersatz  suchen.  Verbesserungsfähig  ist  die  Kur 
jedenfalls  noch. 

Ein  Nachteil  haftet  dem  01.  chenopodii  allerdings  an, 
sein  hoher  Preis!  Jetzt  kostet  das  Kilo  noch  55  Mark  in 
Europa,  die  einzelne  Kur  ist  daher  noch  doppelt  so  teuer  als 
eine  Thymol-  oder  Eukalyptuskur  und  4  mal  so  teuer  wie 
eine  Naphtholkur,  welche  unter  Berechnung  von  Engros¬ 
preisen  auf  etwa  3  Pfennig  zu  stehen  kommt.  Um  den  Beruf 
als  Volksmittel  im  eigentlichsten  Sinne  des  Wortes  (in  Deli  sind 
99  Proz.  der  Bevölkerung  infiziert,  und  ähnlich  wird  es  in  den 
meisten  tropischen  Ländern  sein)  auszufüllen,  muss  es  billiger 
werden,  eine  Aufgabe,  die  damit  an  die  Industrie  herantritt. 
Allerdings  soll  man  dabei  nicht  vergessen,  dass  ein  Teil  des 
höheren  Preises  sicherlich  durch  die  vortrefflichen  Eigen¬ 
schaften  des  Oeles  aufgewogen  wird,  die  uns  heute  schon 
dazu  veranlassen,  esindemKampfegegendieAnky- 
lostomen  angelegentlichst  zu  empfehlen. 


Ein  Beitrag  zur  Behandlung  der  Erkrankung  an  Oxyuris 

vermicularis. 

Von  Dr.  B.  Hildebrand  in  Freiburg  i.  Br. 

Die  Erkrankung  an  Oxyuris  vermicularis  stellt  häufig  ein 
ebenso  hartnäckiges  wie  lästiges  Leiden  dar.  Es  sind  infolge¬ 
dessen  schon  sehr  zahlreiche  Mittel  und  Methoden  für  die  Be¬ 
handlung  angegeben  worden.  Da  ich  im  Verlauf  der  letzten 
-  Jahre  an  einer  Reihe  von  zum  Teil  sehr  veralteten  Fällen 
recht  günstige  Erfolge  mit  einem  nur  äusserlich  anzuwenden¬ 
den  Mittel  erzielt  habe,  so  möchte  ich  dasselbe  nunmehr  einem 
weiteren  Kreise  zur  Kenntnis  bringen.  Die  Methode  sucht  in 
den  Entwicklungsgang  der  Würmer  an  möglichst  geeigneter 
Stelle  einzugreifen.  Bekanntlich  erfolgt  derselbe  in  der 
weise,  dass  sich  aus  den  durch  den  Mund  in  den  Magen  und 


.  )  Nach  einem  vor  kurzem  von  V  e  r  v  o  o  r  t  eingetroffenen  Be¬ 

richt  stellte  sich  die  Wirksamkeit  des  01.  chen.  ohne  Chloroform 
auf  etwas  niedriger,  nämlich  84  (gegen  91).  Darnach  gibt  Chloroform 
,°ch  noch  eine  kleine  Nachhilfe.  Bei  dieser  Serie  waren  wieder 
-50  Leute  mit  Doppelkuren  beteiligt' 


rdr 


Darm  gelangten  Eiern  in  letzterem  die  Würmer  entwickeln. 
Die  befruchteten  Weibchen  setzen  alsdann  ihre  Eier  entweder 
im  Darm  ab  oder  sie  verlassen  denselben  häufig  durch  den 
After,  um  sie  in  dessen  Umgebung  abzulagern.  Von  dort  ge¬ 
langen  die  Eier  wieder  durch  die  Hände  des  Wurmträgers  in 
dessen  Mundhöhle  und  so  findet  ein  ständiger  Kreislauf  statt. 
Im  Darm  selbst  entwickeln  sich  aus  den  dort  abgesetzten 
Eiern  keine  Würmer,  sie  gehen  mit  dem  Kote  ab  und  können 
dann  ebenfalls  in  der  Umgebung  des  Afters  haften  bleiben. 

Wird  die  Uebertragung  der  Eier  vom  After  zur  Mundhöhle 
verhindert,  so  erlischt  die  Krankheit  mit  dem  Absterben  der 
Würmer  im  Darm  auch  ohne  die  Anwendung  innerer  wurm¬ 
tötender  Mittel  oder  Klistiere.  Dass  diese  so  oft  keinen  Erfolg 
haben,  kann  daher  rühren,  dass  die  Würmer  und  die  abge¬ 
hetzten  Eier  in  dem  buchtigen  Bau  des  Dickdarms  und  bei  der 
Masse  seines  Inhalts  nicht  immer  mit  Sicherheit  erreicht  und 
abgetötet  werden.  Die  längere  Zeit  fortgesetzte  Verabfolgung 
hoher  und  reichlicher  Dosen  wurm-  und  eiertötender  Mittel 
dürfte  für  den  Wurmträger  auch  nicht  immer  gleichgültig  sein. 
Aus  dem  Entwicklungsgang  der  Würmer  erklärt  es  sich, 
dass  oft  die  Beobachtung  peinlichster  Reinlichkeit  durch 
fleissiges  Baden,  Reinigung  der  Hände  und  Nägel  vor  dem 
Essen,  allein  schon  zur  Beseitigung  des  Leidens  ausreicht.  Ich 
selbst  habe  bei  Patienten,  welche  eine  Hämorrhoidaloperation 
durchmachen  mussten,  beobachtet,  dass  nach  Ausheilung  der 
Operationswunde  auch  ein  vorher  bestehendes  hartnäckiges 
Madenwurmleiden  verschwunden  war.  Eine  Uebertragung 
der  Eier  aus  der  Umgebung  des  Afters  in  die  Mundhöhle  war 
eben  durch  die  tägliche  Wundreinigung  und  den  abschliessen¬ 
den  Verband  unmöglich  gemacht  worden.  Eine  derartige 
peinliche  Reinlichkeit  ist  aber  nicht  oft  durchführbar.  Be¬ 
sonders  wenn  während  der  Nachtzeit  Würmer  dem  After 
entschlüpfen  und  ihre  Eier  absetzen,  können  letztere  durch 
unkontrollierte  Bewegungen  der  Hände  im  Schlaf  in  den  Mund 
gebracht  werden.  Selbst  das  Anlegen  von  abschliessenden 
Kleidungsstücken,  wie  Badehosen  während  der  Nachtzeit  hilft 
nicht  sicher.  Das  Sicherste  ist,  die  Eier  und  Würmer  direkt 
beim  Austritt  aus  dem  Darm  abzutöten.  Man  hat  zu  dem 
Zweck  die  Einreibung  von  Quecksilber-  und  Argentum  nitri- 
cum-Salben  in  die  Umgebung  des  Afters  empfohlen.  Da  die 
Anwendung  derselben  aber  von  längerer  Dauer  sein  muss,  so 
können  sehr  leicht  entzündliche  Reizungen  des  Afters  und 
seiner  Umgebung  entstehen.  Diese  Salben  haben  nach  meiner 
Erfahrung  in  der  üblichen  Zusammensetzung  auch  keine 
sichere  eiertötende  Wirkung.  Sehr  gut  hat  sich  mir  hingegen 
eine  Salbe  bewährt,  welche  als  wirksame  wurm-  und  eier¬ 
tötende  Bestandteile  Kampfer,  Chinin  und  Thymol  enthält1). 
Ich  habe  diese  Salbe,  wie  eingangs  erwähnt,  in  einer  Reihe 
von  zum  Teil  sehr  veralteten  Fällen,  welche  schon  mit  den 
verschiedensten  Mitteln  und  Methoden  erfolglos  behandelt 
worden  waren,  angewendet  und  dabei  nach  pünktlicher  Ein¬ 
haltung  der  Vorschriften  stets  völlige  Heilungen  erzielt. 

Die  Anwendung  ist  eine  sehr  einfache.  Morgens  und 
abends,  womöglich  nach  dem  Stuhlgang,  werden  der  After 
und  seine  Umgebung  gründlich,  am  besten  mit  Seife  und 
Wasser  gereinigt.  Darauf  wird  je  nach  der  Grösse  des 
Patienten  ein  erbsen-  bis  kirschgrosses  Stück  Salbe  auf  die 
gereinigten  Stellen  aufgestrichen.  Nach  jedem  Stuhlgang  ist 
die  Prozedur  zu  wiederholen.  Vor  jeder  Mahlzeit  sind  Hände 
und  Nägel  gründlich  zu  reinigen.  Diese  Massnahmen  müssen 
14  Tage  bis  3  Wochen  täglich  fortgesetzt  werden.  Zur  Heilung 
genügt  meist  der  Verbrauch  von  1 — 2  Tuben.  Irgend  welche 
Reizerscheinungen  am  After  sind  nie  aufgetreten. 

Da  diese  Behandlungsmethode  sich  mir  vor  allem  anderen 
als  die  sicherste  und  unschädlichste  erwiesen  hat,  so  habe  ich 
sie  seither  nur  noch  ausschliesslich  angewendet.  Ich  bin  über¬ 
zeugt,  dass  meine  Erfahrungen  auch  von  anderer  Seite  ihre 
Bestätigung  finden  werden. 


*)  Die  Salbe  wird  nach  Angabe  von  Herrn  Dr.  H  i  n  s  b  e  r  g, 
Ereiburg,  von  Herrn  Apotheker  Ho  üben  in  Etnmendingen  her¬ 
gestellt  und  unter  dem  Namen  Ung.  Chinin,  camphorat.  comp.  (Vermi- 
culin)  in  Tuben  in  den  Handel  gebracht.  Sie  ist  durch  jede  Apotheke 
beziehbar. 


3* 


132 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Aus  Dr.  Turbans  Sanatorium,  Davos-Platz. 

Das  Perkussionsquantimeter. 

Von  Dr.  med.  Gustav  Baer. 

Das  hier  abgebildete  Instrument  (Fig.  1),  das  als  Perkussions- 
Quantimeter1)  bezeichnet  werden  kann,  ist  ein  modifizier ter 
mit  Messskala  versehener  üoldscheider  scher  Griffel,  tr  ist  der 


Fig.  1. 


besseren  Handlichkeit  halber  mit  einem ^Hartgummigrifl ^  um 

das  ermüdende  Halten  und  Andrücken  des  °.n^els^n  vd‘^eren  Ende 
zu  erleichtern.  Als  zweite  Aenderung  besteht  am  vorderen  Ende 
eine  rechtwinklige  Krümmung  des  Glasstabes,  dessen  £irzere  Teil 
4  cm  dessen  längerer  Teil  15  cm  misst.  Die  Grundfläche,  mit  der 
das  Instrument  auf  den  Thorax  aufgesetzt  wird  betrag  genau  einen 
halben  Quadratzentimeter,  der  Durchmesser  Qlass  abes  einen 

Zentimeter;  die  Graduierung  auf  dem  Rucken  des  Instrumentes  ist 

in  Zentimetern  ausgedrückt.  .  . 

Der  G  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  sehe  Griffel  ist  vorn  mit  einer  Gummi¬ 
kappe  versehen,  deren  Vorteil  wohl  im  wesentlichen  dann  be¬ 
stehen  dürfte,  dass  der  Gummi  das  leichtere  Anpassen  an  die  zu  unter¬ 
suchende  Körperfläche  ermöglicht  und  die  oft  lästig  empfundene  Kalte 
des  Glasstabes  vermeidet.  An  meinem  Instrument  habe  ich  d 
Gummikappe  weggelassen,  da  mir  deren  Vorteil  nicht  wichtig  genug 
erschien,  um  die  doch  zweifellos  durch  den  Gummi  bedingte  Ab¬ 
dämpfung  dafür  in  Kauf  zu  nehmen. 

Wir  wissen  aus  den  Goldscheider  sehen  Lnter- 
suchungen  über  Schwellenwertsperkussion,  dass  der  Schall- 
strahl  auch  bei  leisestem  Perkutieren  die  ganze  Lunge  dm  ch- 
setzt  Wenn  der  Schallstrahl  dabei  nun  durch  eingelagerte 
Hindernisse  wie  Infiltrationen,  eine  Absorption  erleidet,  so 
wird  er,  je  nach  der  Dichtigkeit  des  absorbierenden  Mediums 
abgeschwächt  bis  aufgehoben. 

Der  Schall  wird  nun  aber  auch  mit  Hilfe  eines  schall¬ 
leitenden  Mediums  wie  des  Quantimeters  rückläufig  fort¬ 
gepflanzt,  und  zwar  um  so  weiter,  je  weniger  schallabsor¬ 
bierende  Hindernisse  bei  seinem  Gange  durch  die  Lunge  sich 
ihm  in  den  Weg  stellen.  Darauf  gründet  sich  unsere  Methode, 
die  einen  Massstab  aufzustellen  sucht  über  die  Fortpflanzungs¬ 
länge  des  Schallstrahles,  d.  h.  über  das  Quantum  lufthaltigen 
Lungengewebes,  resp.  schalldämpfender  Medien,  die  der 
Schallstrahl  zu  passieren  hat.  Es  wird  im  wesentlichen  keinen 
Unterschied  machen,  ob  wir  feststellen,  wieviel  normales 
Lungengewebe  der  Schallstrahl  auf  seinem  Wege  passier  , 
oder  wieviel  schalldämpfende  Medien  sich  ihm  in  den  Weg 
stellen,  die  modifizierend  auf  ihn  einwirken,  oder,  wie  wir 
gewohnt  sind,  zu  sagen,  ihn  verkürzen. 

In  der  Literatur  sehen  wir  behufs  dieser  Bestimmung  beide 
Wege  beschritten.  Goldscheider  erbringt  mit  seinen  Perkus¬ 
sionsmethoden  den  Nachweis  von  Dämpfungen  und  deren  Intensität, 
indem  er  erst  mittelstark,  dann  schwächer  perkutiert  und  allmählich 
bis  zur  ganz  leisen  Perkussion  zurückgeht.  „Je  starker  die  Per¬ 
kussion,“  schreibt  er,  „desto  stärker  die  Erschütterung  und  desto 
weniger  macht  sich  die  Absorption  der  Schallwellen  durch  damptende 
luftleere  Körper  geltend.  Eine  intensive  Dämpfung  oder,  bessei  ge¬ 
sagt,  dämpfende  Infiltration  von  grosser  Stärke  und  Tiefe  verschwin¬ 
det  erst  bei  starker  Perkussion,  während  geringe  Dampfungen  schon 
bei  leiser  Perkussion  verschwinden.  Damit  ist  das  Prinzip  dessen 
gegeben,  was  man  als  abgestufte  Perkussion  bezeichnet.  Wenn  man 
die  Perkussion  an  Lungen  nach  unten  hin  abstuft,  so  treten,  voraus¬ 
gesetzt,  dass  dämpfende  Ursachen  vorhanden  sind,  neue  Dampfungen 
auf,  welche  man  bei  starker  Perkussion  nicht  gefunden  hat.  Ja,  man 
findet  unter  Umständen  minimale  Dämpfungen  erst  bei  Schwellen¬ 
wertsperkussion,  um  sie  durch  steigende  Perkussionsstarke  wieder 

wegzuradieren.“  .....  f„i 

Goldscheiders  Technik  wird  in  derselben  Arbeit  in  fol¬ 
gender  Weise  beschrieben:  „Man  perkutiert  zunächst  mit  gewöhn¬ 
licher  mittelstarker  Perkussion  und  geht  abwärts  bis  nahe  zum 

Schwellenwert.“  m 

Waller  hingegen  bestimmt  den  Grad  der  Dampfung  nach  dem 
Grad  des  noch  vorhandenen  Lungenschalls.  Auch  er  bedient  sich 
dazu  der  abgestuften  Perkussion.  Ich  möchte  hier  einflechten,  dass 
Turban  schon  1899  als  erster  die  abgestufte  Perkussion  zur  Unter¬ 
suchung  der  Lungen  und  „die  allerleiseste  Perkussion,  die  eben  noch 


i)  Das  Instrument  ist  zum  Musterschutz  angemeldet  und  vom 
Medizinischen  Warenhaus  Berlin,  Karlstrasse,  zum  Preise  von  6  M. 
zu  beziehen. 


Schall  erzeugt",  zur  Ermittlung  von  Lungendämpfungen  und  zur '  Be¬ 
stimmung  der  wahren  Herzgrenzen  empfahl.  Wallers  Peikus- 
sionsmethode  ist  die  folgende: 

1.  Schwache  Perkussion. 

a)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  während  der  ganzen  Re¬ 
spirationsphase  zu  hören,  aber  etwas  oder  deutlich  zu  kurz 
=  Dämpfung  ersten  Grades,  bezeichnet  als  D  1. 

b)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  nur  während  eines 
Teiles  der  Respirationsphase  zu  hören  bei  gewöhnlicher 
oder  forcierter  Atmung  —  Dämpfung  zweiten  Grades,  be¬ 
zeichnet  als  D  2. 

c)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  nicht  zu  hören.  Die 
Perkussionsstärke  wird  erhöht  auf: 

2.  Mittelstarke  Perkussion.  .  a  ...  __  -... _ 

a)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  zu  hören  Damp¬ 
fung  dritten  Grades,  bezeichnet  als  D  3. 

b)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  nicht  zu  hören.  Die 
Perkussionsstärke  wird  erhöht  auf: 

3.  Starke  Perkussion.  ,  _  ..... 

a)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  zu  hören  —  Damp¬ 
fung  vierten  Grades,  bezeichnet  als  D  4. 

b)  Der  nicht  tympanitische  Schall  ist  nicht  zu  hören  —  Damp¬ 
fung  fünften  Grades  bezeichnet  als  D  5. 

Die  Unterscheidung  von  5  Dämpfungsstufen  ist  wohl  für  die 
allgemeine  Praxis  zu  kompliziert,  besonders  die  Berücksichtigung  des 
Lungenschalls  bei  den  Respirationsphasen.  Ich  wollte  jedoch  durch 
die  Mitteilung  von  Wallers  Dämpfungsstufen  ein  klar  umrissenes 
Bild  von  seiner  Perkussionsmethode  geben. 

Um  kurz  zu  rekapitulieren: 

Goldscheider  beginnt  mit  starker  Perkussion,  um  zuerst 
Lungenschall  zu  erzielen  und  perkutiert  leiser  und  leiser  bis  der 
Lungenschall  verschwindet  und  die  Dämpfung  heraustritt  Waller 
beginnt  mit  leiser  Perkussion,  bestimmt  den  Grad  des  dabei  erhal¬ 
tenen  Lungenschalls  und  geht  allmählich  über  zui  stärkeren  Peikus- 
sion  bis  zu  dem  Punkt,  wo  der  Lungenschall  verschwindet  und  nur 
die  Dämpfung  restiert. 

Nach  diesen  theoretischen  Erörterungen  wird  die  Technik 
des  Quantimeters  nur  noch  kurzer  Erläuterungen  bedürfen. 

Um  einen  möglichst  abgegrenzten  Schallstrahl  zu  erhalten, 
ist  die  Perkussionsfläche  des  Quantimeters  sehr  verkleinert; 
sie  beträgt,  wie  oben  erwähnt,  nur  einen  halben  Quadrat¬ 
zentimeter.  ...  t— ,  ,  £  ,. 

Man  setzt  das  Instrument  mit  festem  Druck  auf  die 
Thoraxwand  auf.  Der  längere  Teil  des  Glasstabes  muss 
parallel  zur  Brustwand  stehen,  der  Handgriff  ruhig  und  fest 
gehalten  werden.  Man  klopft  nun,  beginnend  an  der  Marke  U 
an  der  rechtwinkligen  Biegung  des  Glasstabes,  mit  kurzen 
leisen  gleichmässigen  Schlägen  mit  dem  Mittelfinger 
der  anderen  Hand  auf  den  Glasstab.  Selbstverständlich  er¬ 
fordert  es  eine  gewisse  Uebung  in  der  Perkussion,  um  die 
durchaus  notwendige  völlige  Gleichmässigkeit  der  Schläge  zu 
erzielen.  Wenn  der  Lungenbefund  normal  ist,  so  hören  wir 
dabei  den  charakteristischen  Schall,  der  sich  bisweilen  als 
Vibrieren  noch  besser  fühlen  als  hören  lässt.  Man  entfernt 
sich  nun  mit  dem  klopfendem  Mittelfinger  mehr  und  mehr  von 
der  Marke  0  nach  hinten,  nach  dem  Handgriff  zu.  Wir  werden 
dann  bei  gesunder  Lunge  bis  zum  Ende  Lungenschall  erzeugen 
können,  wenn  er  auch  nach  hinten  zu  leiser  und  leiser  wird. 

Handelt  es  sich  dagegen  um  ein  leichtes  Infiltrat  an  irgend 
einer  Stelle  der  Lunge,  so  wird  das  Erlöschen  des  Lungen¬ 
schalls  schon  eher  eintreten.  Wir  lesen  nun  am  Glasstab  ab, 
an  welcher  Stelle  dies  erfolgte.  Zur  Kontrolle  perkutieren  wir 
nochmals,  vom  Handgriff  ausgehend,  und  markieren  die  Stelle, 
wo  der  Lungenschall  wieder  beginnt.  Da  beide  Werte,  Ver¬ 
schwinden  und  Wiederauftreten  von  Lungenschall,  nicht  zu¬ 
sammenzuliegen  brauchen,  so  müssen  wir  das  arithmetische 
Mittel  aus  beiden  nehmen  und  diese  definitive  Zahl  notieren. 

Erhalten  wir  bei  leiser  Perkussion  keinen  Lungenschall 
mehr,  so  werden  wir  in  derselben  Weise  wie  eben  be¬ 
schrieben  mittelstarke  resp.  starke  Perkussion  anwenden  une 
die  entsprechenden  Werte  aufschreiben.  In  der  Waller 
sehen  Perkussionsmethode  ist  die  Grundidee  gegeben,  die  ict 
in  der  quantimetrischen  Bestimmung  des  Schallstrahles  nui 
noch  weiter  ausgebaut  habe.  Die  Goldscheider  sch« 
Methode  hingegen  erfährt  durch  die  beschriebene  Technik  ein« 
Vereinfachung  in  der  Weise,  dass  das  Abstufen  der  Perkussioi 
bis  zur  ganz  leisen  ersetzt  wird  durch  die  Einschaltung  eine 
längeren  Schallstrecke,  wobei  die  Perkussionsstärke  jeweil 
gleich  bleibt.  Goldscheider  beschreibt  dies  selbst  i 
folgender  Weise: 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


133 


21.  Januar  1913. 


„Der  infolge  der  Kleinheit  der  Perkussionsfläche  des 
Griffels  schon  abgeschwächte  Schall  kann  dadurch,  dass  man 
sich  mit  dem  anschlagenden  Finger  noch  weiter  vom  Ende 
entfernt,  leicht  noch  weiter  vermindert  werden.“ 

Das  Quantimeter  gestattet  uns,  beiden  Methoden  zu  ent¬ 
sprechen,  hat  aber  den  Vorteil,  dass  es  innerhalb  der  einzelnen 
Perkussionsstufen  noch  eine  zahlenmässige  Bestimmung  er¬ 
möglicht,  wodurch  der  Name  Quantimeter  gerechtfertigt  wird. 

Mit  einigen  Worten  muss  noch  des  tympanitischen 
Schalles,  wie  man  ihn  über  Kavernen  findet,  gedacht  werden, 
da  er  eine  Sonderstellung  bei  diesen  Schallwertsbestimmungen 
einnimmt. 

Als  charakteristisch  hat  Turban  gefunden,  dass  Tym-  j 
panie  im  allgemeinen  bei  leiser  Perkussion  gegenüber  einer 
an  gleicher  Stelle  vorhandenen  Dämpfung  zurücktritt,  und  dass 
speziell  die  Kavernentympanie  oft  nur  bei  stärkerer  Per¬ 
kussion  sich  deutlich  abgrenzt  und  dann  am  Quantimeter 
nur  über  ganz  kurze  Strecken,  meist  nur  wenige  Zenti¬ 
meter  erstreckt.  In  vielen  Fällen  lässt  sich  so  eine  Kaverne 
sehr  genau  herausperkutieren,  wie  wir  durch  die  Kontrolle  am 
Röntgenbild  bestätigen  konnten. 

Aus  dem  bisher  Mitgeteilten  geht  hervor,  dass  die  be¬ 
schriebene  Methode  uns  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  der 
„komparativen  Methode“,  d.  h.  von  der  beide  Lungen  ver¬ 
gleichenden  Perkussion,  befreit,  indem  sie  für  jede  Stelle  an 
der  Lunge  ein  absolutes  Mass  von  Schallhelligkeit,  resp. 
Dämpfung  aufzustellen  vermag.  Aber  auch  für  die  immerhin 
unentbehrliche  komparative  Methode  selbst  bietet  sie  uns  in 
manchen  Fällen  eine  gewisse  Hilfe,  indem  sie  die  Feststellung 
erleichtert,  welche  von  beiden  Lungen  stärker  gedämpft  ist. 
Wir  beklopfen  dabei  in  einer  gewissen  Entfernung  vom  Null¬ 
punkt,  sagen  wir  bei  7  cm  z.  B.,  die  korrespondierenden 
Stellen  der  beiden  Lungen,  in  ganz  gleich  starker  Weise.  Wir 
finden  nun,  falls  es  sich  beiderseits  um  leichte  Dämpfung  han¬ 
delt.  den  Unterschied  viel  deutlicher  in  einer  Zone  des  In¬ 
struments,  in  der  wir  uns  bereits  nahe  der  Grenze  befinden, 
wo  der  Lungenschall  verschwindet.  Würden  wir  hingegen 
nahe  am  Nullpunkt  diese  Untersuchungen  vornehmen,  an  dem 
beiderseits  noch  reichlicher  Lungenschall  vorhanden  ist,  so 
würden  sich  die  feineren  Unterschiede  in  der  Intensität  der 
Dämpfung  nur  schwer  perzipierbar  machen. 


Ich  möchte  dies  in  einer  kurzen  Skizze  (Fig.  2)  graphisch 
beweisen  2).  Nehmen  wir  die  beiden  kongruenten  Dreiecke  als 
die  graphische  Darstellung  des  über  beiden  Lungen  vor¬ 
handenen  Schallgemisches  bei  leiser  Perkussion  an,  die  Grund¬ 
fläche  der  Dreiecke  dabei  als  Schallstrecke  gleich  15  cm,  die 
Höhe  der  Dreiecke  als  Schallstärke  beiderseits  3  cm.  Die 
linke  Lunge  sei  stärker  gedämpft  als  die  rechte.  Wir  finden 
dann,  wenn  die  schraffierten  Partien  die  Dämpfung  bedeuten, 
dass  beim  Beklopfen  am  Nullpunkt  die  Unterschiede  wenig 
markant  sind,  dass  aber  in  einer  Entfernung  von  7  cm  links 
nur  noch  minimaler  Lungenschall  vorhanden  ist,  während 
rechts  in  dieser  Entfernung  der  Lungenschall  noch  deutlich  ist. 
Die  Verhältniszahlen  von  Lungenschall  zur  Dämpfung,  die  beim 
Nullpunkt  1:1  resp.  1:0,66  betragen,  erfahren  die  Aenderung 
in  1:15  resp.  1 :  3. 

Wenn  ich  znsammenfassen  darf,  so  möchte  ich  als  Vor¬ 
teile  der  Methode  hervorheben: 


■)  Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  die  Skizze  den  wahren 
akustischen  Verhältnissen  nicht  entspricht:  sie  soll  auch  nur  das  Ver¬ 
ständnis  erleichtern. 


1.  Sie  gestattet  uns,  absolute  Werte  der  Dämpfung  zu 
finden,  die  bei  späteren  Untersuchungen  zur  Grundlage 
dienen  können,  ob  Aufhellung  oder  stärkere  Dämpfung 
eingetreten  ist. 

2.  Sie  erleichtert  uns  die  komparative  Perkussions¬ 
methode. 

3.  Wir  können  mit  ihrer  Hilfe  Kavernen  abgrenzen,  die 
sich  sonst,  wie  wir  wissen,  oft  nur  mit  Schwierigkeit 
physikalisch  nachweisen  lassen. 


Die  v.  Pirquetsche  Kutanreaktion  im  Dienste  der 
Schwindsuchtsprophylaxe. 

Von  Dr.  Büttner-Wobst,  Dresden-Davos. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  einen  Fall  von  Lungentuberkulose  genau 
zu  beobachten,  dessen  Vorgeschichte  mir  der  Wiedergabe  wert  er¬ 
scheint: 

Ein  26  jähriger  Kollege,  von  kräftigem  Körperbau,  ohne  erbliche 
Belastung,  erkrankte  im  September  1911  an  Lungentuberkulose,  die 
sich  zuerst  durch  eine  Blutung  manifestierte.  Er  war  schon  vor 
Jahren  vorübergehend  in  Sanatoriumsbehandlung,  da  —  1904  —  eine 
Dämpfung  auf  der  rechten  Spitze  festgestellt  wurde,  ohne  dass  katar¬ 
rhalische  Erscheinungen  Vorgelegen  hätten.  Es  handelte  sich  wohl 
um  eine  schon  damals,  vielleicht  in  der  Kinderzeit,  abgelaufene 
Spitzenerkrankung.  Seit  1909  nun  hatte  er,  teils  im  Interesse  der 
Selbstbeobachtung,  teils  auch  zu  demonstrativen  Zwecken  im 
Schwesternunterricht,  oft  Gelegenheit  genommen,  bei  sich  die  Kutan¬ 
reaktion  nach  v.  Pirquet  anzustellen,  die  jedesmal  positiv  ausfiel. 
Im  November  1910  nun  —  eine  interkurrente  Erkrankung  hatte  er, 
von  einer  Angina  1908  abgesehen,  nicht  durchgemacht  —  wurde  sie 
plötzlich  negativ  und  blieb  es  auch  bei  der  8  Tage  darauf  angestellten 
Kontrolle.  Im  Februar  des  Jahres  1911  stellte  sich  eine  trockene 
Pleuritis  ein,  die  bald  restlos  verheilte.  Nachuntersuchungen  ergaben 
nie  irgend  einen  Lungenbefund,  ausser  der  erwähnten  alten  Schall¬ 
verkürzung  auf  der  rechten  Spitze,  so  dass  der  Patient  auch  ohne 
weiteres  in  eine  Lebensversicherung  aufgenommen  wurde.  Im  Juni 
stellte  sich  eine  rasch  vorübergehende  Wiederholung  der  pleu- 
ritischen  Schmerzen  ein.  Im  Juli  wurde  wegen  eines  paraprokti- 
tischen  Abszesses  eine  Operation  nötig.  Die  ausgeschnittene  Abszess¬ 
wand  wurde  von  sachverständigster  Seite  untersucht  und  ergab 
keinerlei  Anhaltspunkte  für  eine  tuberkulöse  Natur  dieser  Erkrankung. 
Nachdem  Pat.  die  schwere  aufreibende  Berufstätigkeit  wieder 
2  Monate  durchgeführt  hatte,  wurde  er  im  Anschluss  an  einen  zwei¬ 
stündigen  Vortrag  von  einer  Blutung  überrascht.  Jetzt  fanden  sich 
auch  Tuberkelbazillen  im  Auswurf,  die  vorher  im  geringen  Morgen¬ 
sputum  nie  nachweisbar  gewesen  waren,  und  schliesslich  auch  ein 
physikalisch  diagnostizierbarer  Katarrh  in  der  rechten  Hilusgegend. 
Vom  weiteren  Verlaufe  interessiert  uns  hier  nur,  dass  die  v.  Pir¬ 
quet  sehe  Reaktion  wieder  positiv  geworden  ist. 

Diese  Krankengeschichte  scheint  mir  beachtlich  zu  sein  wegen 
des  Verhaltens  der  T  u  b  e  r  k  u  1  i  n  r  e  a  k  t  i  o  n  vor  dem 
Krankheitsausbruche;  sie  beweist,  dass  vor  dem  klinisch 
nachweisbaren  Beginn  einer  tuberkulösen  Zweiterkrankung  (solche 
liegt  aber  bei  der  Lungentuberkulose  der  Erwachsenen  wohl  immer 
vor)  die  positive  Kutanreaktion  negativ  werden  kann.  Es  bestand 
in  unserem  Falle  eine  prämonitorische  „Anergie“,  wie  wir  sie  z.  B. 
im  Verlauf  der  Masern  auch  kennen,  mindestens  3  Monate  vor  den 
ersten  klinischen  Symptomen  der  wiedereinsetzenden  Erkrankung. 
Es  wäre  eine  Nachprüfung  wünschenswert,  ob  diese  mangelnde  Re¬ 
aktionsfähigkeit  sich  regelmässig  oder  wenigstens  oft  vor  der  mani¬ 
festen  Lungentuberkulose  zeigt.  Diese  Nachprüfung  könnte  von  schul- 
oder  militärärztlicher  Seite  bei  hereditär  Belasteten  ohne  grosse 
Mühe  vorgenommen  werden.  Ergibt  sich  eine  allgemeinere  Bestäti¬ 
gung  meiner  Beobachtung,  so  wäre  zu  empfehlen,  tuberkulös  Gefähr¬ 
dete  regelmässig,  sagen  wir  alle  Monate,  zu  untersuchen.  Dann 
hätten  wir  im  Umschlag  der  Kutanreaktion  ein  neues  Frühsymptom 
und  mit  ihm  vielleicht  das  Mittel,  noch  vor  Ausbruch  der  Krankheit 
dieser  den  Boden  zu  entziehen.  Ich  verspräche  mir  wenigstens  in 
einem  solchen  Falle  viel  von  einer  sofort  eingeleiteten  Kur  —  hier 
wäre  eine  hygienisch-diätetische  Behandlung  in  Verbindung  mit  einer 
Tuberkulinkur  in  tuberkelbazillenfreier  Umgebung  vielleicht  das 
Rationellste  • — ,  wenn  es  dadurch  gelänge,  dem  Körper  seine  Re¬ 
aktionsfähigkeit  gegen  das  Tuberkulosegift  wieder  aufzuzwingen.  Ich 
nehme  an,  dass  die  herabgesetzte  Antikörperbildung  das  Primäre  bei 
dem  beobachteten  Vorgänge  ist  und  nicht  eine  Absorption  der  Anti¬ 
körper  durch  den  neueinsetzenden  Prozess  die  Kutanreaktion  nega¬ 
tiv  werden  lässt.  Diese  Anergie  kann  vielleicht  auftreten  als  Folge 
von  Ueberarbeitung,  psychischen  Traumen  und  ähnlichen  Schädi¬ 
gungen,  wie  wir  sie  so  oft  in  der  Anamnese  finden,  sie  schafft  eine 
zeitweise  „Krankheitsbereitschaft“  und  der  Betroffene  wird  dann 
von  aussen  oder  von  seiner  eigenen  alten  Tuberkulose  reinfiziert. 


1.14 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Ueber  negativen  Druck  in  den  langen  Röhrenknochen 

des  Hundes. 

Bemerkung  zu  der  Arbeit  von  Schnitze  und  Bchan: 

Von  Dr.  Richard  und  Dr.  Felicitas  Felten-Stoltzenberg 
in  St.  Peter  an  der  Nordsee. 

In  No.  52  dieser  Wochenschrift  berichtet  Schultze  über 
interessante  Ergebnisse  einer  Reihe  von  Versuchen,  die  er  gemeinsam 
mit  B  e  h  a  n  über  den  Druck  in  den  langen  Röhrenknochen  angestellt 
hat.  Der  kurzen  Aufzählung  der  Konsequenzen  aus  der  neuen  Er¬ 
kenntnis,  die  der  Verfasser  am  Schlüsse  gibt,  möchten  v  ir  eu  e 

e'^ne  Bd.  30,  Heft  3/4  der  Deutschen  Zeitschrift  für  orthopädische 
Chirurgie  haben  wir  auf  Grund  eines  sicheren  Falles  von  traumatischer 
solitärer  Knochenzyste  und  genauer  Prüfung  der  Vorgeschichte  der 
uns  in  der  Literatur  zugänglichen  Knochenzysten  die  Ueberzeugung 
ausgesprochen,  dass  die  sogen,  genuinen  solitären  Knochenzysten 
traumatischen  Ursprungs  seien.  Der  Vorgang  ist  dabei  nach  unserer 
Auffassung  etwa  folgender :  Zertrümmerung  von  Knochensubstanz  durcli 
Trauma,  verbunden  mit  Zerreissungen  des  Gefässnetzes,  die  nun  zu 
einer  dem  Knochenhämatom  eigentümlichen  verhältnismässig  star 
und  häufig  rezidivierenden  Blutung  führen,  die  ihrerseits  die  zystische 
Rarefizierung  und  Auftreibung  des  Knochens  verursacht.  Der  Grund 
aber  dieser  verhältnismässig  starken  und  rezidivierenden  Blutung 
im  Knochen  war  uns  unbekannt.  Dass  die  Knochenlasion  rein  sub¬ 
periostal  oder  wenigstens  in  beschränktem  Bezirke  subperiostal  sein 
müsse,  schien  uns  schon  damals  Bedingung.  , 

Auf  Grund  der  Tatsache  eines  negativen  Druckes  innerhalb  der 
Knochen  wird  nun  dies  eigentümliche  Verhalten  des  Knochen¬ 
hämatoms  verständlich:  Unter  der  Wirkung  des  in  der  Markhohle 
herrschenden  Sogs  muss  die  Blutung  aus  verletzten  Getassen  ve 
hältnismässig  stark  werden  und  so  lange  anhalten  blf  dl®  J3™.?  " 
diffeienz  annähernd  ausgeglichen  ist.  Das  kann  aber  bei  d^r  stän¬ 
digen  Absaugung  aus  den  starren  Stomata  der  aus  der  Markhohle 
abführenden  Venen  erst  dann  der  Fall  sein,  wenn  es  zu  Gerinnungen 
gekommen  ist.  die  bei  der  herrschenden  Strömung  langsamer  als  in 
extraossalen  Hämatomen  auftreten  müssen.  Im  Verlauf  der  lepara- 
torischen  Vorgänge  sind  nun  bei  der  Wiederherstellung  des  venösen 
Abflusses  und  damit  des  negativen  Druckes  Rezidive  der  Blutung 
aus  dem  jungen  Organisationsgewebe  sehr  wohl  vorstellbar. 

So  ist  also  das  Ergebnis  der  S  c  h  u  1 1  z  e  sehen  Untersuchungen 
auch  für  die  Erkenntnis  des  Wesens  der  Knochenzysten  von  Be¬ 
deutung.  _ 

Aus  der  Medizinschule  der  englisch-amerikanischen  Mission  in 
Tsinanfu,  Nordchina. 

Ueber  Erfahrungen  mit  der  Blasennaht  beim  hohen 
Steinschnitt  an  Kindern. 

Von  Dr.  Frh.  v.  Werthern  in  Heide  i.  H. 

Zu  der  von  Herrn  Dr.  Grussendorf  in  No.  51,  1912  diese. 
Wochenschrift  angeregten  Frage,  ob  Naht  oder  offene  Wundbehand¬ 
lung  nach  Sectio  alta  bei  Kindern  mit  Blasensteinen,  mochte  ich  kurz 
das  Wort  ergeifen  und  meine  diesbezüglichen  Erfahi  ungen  mitteilen, 
die  ich  Gelegenheit  hatte,  in  Nord-China  zu  machen,  wo  ja  auch  ^r 
Blasenstein  bei  Knaben  bisher  einen  der  häufigsten  chirurgischen  Ein¬ 
griffe  erfordert.  Meine  Erfahrungen  dort  führten  mich,  ich  will  es 
gleich  zu  Anfang  sagen,  zu  dem  entgegengesetzten  Resultat  wie  Herrn 
Dr  G.,  nämlich,  dass  auch  bei  Kindern  der  völlige  Nahtvei  Schluss 
nach  Sectio  alta  die  rascheste  und  angenehmste  Heilmethode  ist. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  im  Verlauf  von  18  Monaten  _1  Biasensteine 
zu  operieren,  von  denen  18  bei  Kindern  unter  15  Jahren,  die  meisten 
bei  Kindern  unter  8  Jahren  waren.  Alle  diese  Patienten  hatten  ihren 
Stein  schon  1  bis  mehrere  Jahre  und  litten  teilweise  unter  den  un¬ 
erträglichsten  Schmerzen.  Häufig  wurden  die  Kinder  gerade  wahrend 
einer  Exazerbation  der  Krankheit  gebracht,  die  meistens,  wie  wir 
uns  durch  die  Operation  überzeugen  konnten,  durch  eine  teste  Um¬ 
schnürung  des  Steins  in  der  Pars  prostatica  hervorgeruten  war,  so 
dass  nur  unter  den  furchtbarsten  Tenesmen  tropfenweise  der  Urm 
hervorgepresst  wurde.  Es  bestand  dabei  fast  ausnahmslos  Prolapsus 
ani.  Die  Qualen  der  Kinder  waren  häufig  so  gross,  dass  wir  meistens 
schon  nach  1—2  tägiger  Vorbereitung  operierten.  Die  18  Kinder  wur¬ 
den  alle  geheilt.  Im  Anfang  behandelte  ich  2  mal  wegen  der  argen 
Zystitis  und  bei  Vorhandensein  von  Blutgerinnsel  in  der  Blase  oiten, 
die  anderen  wurden  alle  genäht.  Ich  würde  jetzt  nur  noch  die  auf  s 
schwerste  gangränös  entzündeten  Blasen  offen  behandeln,  sonst 
immer  nähen,  da  ja  die  Nachbehandlung  und  Heilung  bei  den  genahten 
Fällen  durchweg  rascher  war,  selbst  bei  Auftreten  einer  kleinen  Urin- 
fistel,  die  bei  den  genähten  Blasen  immer  von  selbst  heilte.  Aller¬ 
dings  haben  wir  im  Gegensatz  zu  Herrn  Dr.  G.  bei  der  Operation 
immer  bei  eröffneter  Blase  und  nach  der  Blasennaht  mit  Bor-  und 
Wasserstoffsuperoxydlösung  gespült,  einmal  um  die  Blase  gründlich 
zu  reinigen  und  das  andere  Mal  die  Haltbarkeit  der  Blasennaht,  einer 
doppelten,  fortlaufenden,  zu  prüfen.  Weiter  haben  wir  immer,  und 
darin  sehe  ich  das  Geheimnis  unserer  guten  Erfolge,  nach  Entfernung 
des  Steins  eine  kleine  äussere  Urethrotomie  gemacht,  indem  von 


innen  eine  gebogene  Kornzange  gegen  den  Dam^r3fikithefeVin  di»’ 

um  durch  diese  Oeffnung  einen  weit  dickeren  Verwulkathe  er  ^ 

Blase  einführen  zu  können,  als  ihn  je  die  kindliche  Urethra  hatte 
beherbergen  können,  ein  Verfahren,  wie  es  auch  im  Handbuch  der 
prakt.  Chirurgie  empfohlen  wird.  Nur  durch  solch  grossen  Katheter 
ist  eine  ständige  Entleerung  der  Blase  auch  bei  Reizung  und  Zystitis 
gewährleistet.  Die  kleine  Urethrotomiewunde  heilt  nach  Entiernung 
des  Katheters  nach  8-14  Tagen  anstandslos,  selbst  wenn  er  zur 
Beschleunigung  der  Heilung  einer  kleinen  suprapubischen  Urinfistel 
noch  länger  liegen  bleiben  musste.  Der  vom  Damm  aus  eingefuhrte, 
srerade  liegende  Katheter  gewährleistet  nicht  nur  die  ständige  Ent¬ 
leerung  der  Blase,  wodurch  allein  die  Blasennaht  in  den  ersten  lagen 
nicht  in  Anspruch  genommen  wird,  sondern  auch  sofort  bei  stocken¬ 
der  Drainage  durch  Verstopfung  des  Katheters  eine  gründliche  Reini¬ 
gung  der  Blase  von  Gewebsfetzen  oder  Blutgerinnsel.  Ich  wage  zu 
behaupten,  dass  bei  derartigem  Vorgehen  keine  Gefahr  einet  Urin- 
infiltration  besteht,  auch  wenn  die  Blase  primär  geschlossen  wurde. 
Die  Schlussfolgerungen,  welche  ich  selbst  aus  meinen  Erfahrungen 
zog  sind  die,  dass  ich  nur  in  den  seltensten  Fällen  auf  eine  pri¬ 
märe  Blasennaht  verzichten,  im  besonderen  niemals  selbst  stärkere 
Blasenreizung  oder  die  Unmöglichkeit  einer  Tabaksbeutelnaht,  die  ich, 
w^Te  gesagt  nie  gemacht  habe,  als  Kontraindikation  e  nes  primären 
Wundschlusses  mit  Glasdrain  nach  Kocher  gelten  lassen  wurde. 


Von  Prof. 


Psychiatrie  und  Gynäkologie. 

B  o  s  s  i,  Direktor  der  Universitäts-Frauenklinik  in 
Genua. 


In  einem  in  No.  50  dieser  Wochenschrift  erschienenen  Aufsätze 
Psychiatrie  in  der  Gynäkologie“  greift  Mathe  s-Graz  die  Aus¬ 
einandersetzungen  Ortenaus  (No.  44  d.  Wochenschr.)  über  den  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Frauenleiden  und  psychoneu rot ische n  S  o- 
rungen  heftig  an.  Da  die  von  Ortenau  mitgeteilten  Falle  in  meiner 
Klinik  beobachtet  und  behandelt  wurden  und  die  Drtenausche 
Arbeit  unter  meiner  Verantwortung  veröffentlicht  worden  ist,  so 
sehe  ich  mich  gezwungen,  wenn  auch  me'ne  Jd®eJ 

bereits  klar  in  der  Wiener  ined.  Wochenschr.  (1912,  No.  47)  von  mi. 
ausgesprochen  und  durch  S  c  h  u  !  t  z  e  (Gynäkok  Rimdschau  19 
H.  1)  wiedergegeben  worden  sind,  auf  die  Einwande  M^thes  hiei 
kürz  einzugehen,  wenn  auch  Mathes  sich  auf  den  Sta'ldpu,1pJ  ;[ 
stellen  scheint,  dass  eine  Diskussion  einer  so  überwundenen  rrag. 

nicht  mehr  nötig,  ja  möglich  sei.  M  t  p  , 

Auch  jetzt  wieder  wundere  ich  mich  darubei,  dass  Mathe  , 
wie  übrigens  auch  seine  psychiatrischen  Kollegen  es  tun,  angesichts 
eiKes  so  komplexen  Problems,  welches  nicht  bloss  ln  das  physische 
und  psychische  Leben  der  Patienten,  sondern  auch  in  das  Fa¬ 
rn  i  1  i  e  n  1  e  b  e  n,  das  soziale  Leben,  das  g  e  s  e  t  z  1 1  che 
Lebenso  tief  eingreift,  nicht  durch  Entgegenstellen  von  klinischen 
Beobachtungen,  von  positiven  Fakta,  von  kontrollierbar  e  ii 
anatomisch- pathologischen  Daten,  so  wie  wir  es 
immer  tun,  antwortet,  sondern  sich  darauf  beschränkt,  eimach  zu 
protestieren,  wie  Vertreter  einer  Religion  protestieren,  wenn  man 

diese^r  angreiit^ht  im  Mittelalter,  wo  die  Medizin  noch  eine 

„Ansicht“  darstellte  und  die  Postulate  der  Medizin  eine  Art  von 
wissenschaftlichem  Mysterium  waren.  Alle  Zweige  der  Medizin 
haben  einen  möglichst  greifbaren  und  kontrollierbaren  Positivismus 
zu  erreichen  gesucht,  und  wo  dieser  noch  nicht  möglich  war.  wir 
dies  von  den  Vertretern  der  betreffenden  Wissenschaft  ruhig  zu¬ 
gegeben.  Die  Psychiatrie  aber,  wenn  auch  sicherlich  nicht  durch  die 
Schuld  ihrer  wohlverdienten  Vertreter,  bleibt  das  Gebiet  der  medi¬ 
zinischen  Wissenschaft,  welches  bis  zum  heutigen  Tage  am  wenigsten 
Fortschritt  auf  dem  Boden  der  greifbaren  Pathogenese  der 
Geisteskrankheiten  und  somit  der  Therapie  gemacht  hat.  Es  scheint 
mir  dieses,  z.  T.  wenigstens,  darauf  zu  beruhen,  dass  die  Psychiatrie, 
die  ein  Zweig  der  Neuropathologie  überhaupt  ist.  eine  selbständige 
Wissenschaft  geworden  ist,  anstatt  letzterer  untergeordnet  zu  bleiben. 

Es  darf  die  Lehie  rein  funktioneller  Störungen,  ohne  anatomische 
Grundlagen,  nicht  zu  weit  getrieben  werden.  Es  darf  nicht  vergessen 
werden,  dass  eine  anatomische  Läsion  eines  Organs  eine  funktio¬ 
nelle,  individuell  verschieden  stark  empfundene  Storung  bedingt.  \\  ie- 
viele  Störungen  während  der  Schwangerschaft,  der  Geburt,  dem 
Puerperium  wurden  früher  von  dem  Psychiater  als  rein  psychisch  an-, 
gesehen,  während  sie  heute  für  den  Geburtshelfer  die  Zeichen  einer 
organischen  Komplikation  eines  natürlichen  Prozesses  sind!  Die 
reine  Psychiatrie,  die  mehr  oder  weniger  eine,  auf  dem  Studium  von 
einer  anatomischen  Basis  entbehrenden  Symptomen  beruhende 
Wissenschaft  ist,  müsste  mit  Enthusiasmus  jeden  pathogenetischer 
und  therapeutischen  Beitrag  aufnehmen,  der  ihr  durch  die  andern 
Branchen  der  Medizin  gebracht  wird.  Wenn  ich  jedoch  bedenke 
welchen  Angriffen  von  psychiatrischer  Seite  ich  ausgesetzt  bm,  seit¬ 
dem  ich  die  häufige  Möglichkeit  von  dem  Vorkommen  von  durc. 
Störungen  des  Urogenitalapparates  reflektorisch  bedingten  Psycho¬ 
pathien  hervorhebe,  mich  auf  zahlreiche  klinische  Beobachtungei 
stützend,  so  bin  ich  geneigt  anzunehmen,  dass  die  Psychiatrie  voi 
den  Psychiatern  wie  ein  geschlossenes  Feld  (campo  chiuso)  bewach 
wird  in  das  nur  die  Psychiater  eindringen  dürfen  und  können,  wi. 
die  alten  Auguren;  dass  ferner  die  Irrenhäuser  von  Vertretern  andere 
Zweige  der  Medizin  nicht  betreten  werden  dürfen.  Und  doch,  wen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


21.  Januar  1913. 


cs  ein  Gebiet  der  Medizin'  gibt,  welches  der  Erleuchtung  durch 
alle  bedarf,  so  ist  es  dasjenige  der  psychischen  Krankheiten.  Es  ge¬ 
nügt  nicht,  eine  rein  symptomatische,  immer  kompliziertere  und  ver- 
wirrendere,  nach  den  einzelnen  Schulen  ganz  verschiedene  Termino¬ 
logie  und  Nomenklatur  aufzustellen,  ohne  Beachtung  kontrollierbarer 
klinischer  Fakta.  Dieselben  einfach,  ohne  sie  genau  geprüft  zu  haben, 
abzuleugnen,  ist  nicht  erlaubt.  Gegen  eine  auf  Fakta  beruhende 
Wissenschaft  protestiert  man  nicht;  man  darf  höchstens  mit  ihren 
Vertretern  diskutieren. 

Auf  eine  Besprechung  der  komplexen  und  komplizierten  psychia¬ 
trischen  Nomenklatur  will  ich  mich  nicht  einlassen;  eine  psychiatische 
Diagnose  ist  immer  mehr  oder  weniger  subjektiv,  besonders  wenn 
es  sich  um  die  in  praxi  wichtigsten  Grenzfälle  handelt.  Ich  bleibe 
auf  dem  rein  praktischen,  für  den  Patienten  wichtigsten  Boden  posi¬ 
tiver  klinischer  Tatsachen  und  kontrollierbarer  anatomischer  Daten, 
und  erkläre,  dass  ich  Patientinnen,  die  bereits  im  Irrenhaus  waren 
oder  in  dasselbe  aufgenommen  werden  sollten,  oder  die  Selbstmord¬ 
versuch  angestellt  hatten,  oder  die  an  der  Grenze  des  Verbrechens 
standen  bzw.  es  schon  ausgeübt  hatten,  welche  ihre  ganze  Um¬ 
gebung  unglücklich  machten,  lediglich  durch  Heilung  bestehender 
Genitalleiden  auch  von  ihren  psychischen  Störungen  befreit  habe. 
Dabei  ist  mir  gleichgültig,  ob  die  nähere  psychiatrische  Diagnose, 
unter  der  die  Patientin  im  Irrenhaus  aufgenommen  worden  war, 
richtig  war  oder  nicht.  In  meinen  Publikationen  habe  ich  die  Dia¬ 
gnosen  angeführt,  unter  denen  die  Patientinnen  mir  gebracht  wurden. 
Ich  hebe  nur  hervor,  dass  ich  Patientinnen,  die  von  ihrer  Umgebung 
und  ihren  Aerzten  als  geistig  gestört  angesehen  wurden,  die  für 
ihre  Umgebung  so  lästig  oder  gefährlich  geworden  waren,  deren 
Ueberführung  in  eine  Anstalt  zugegeben  wurde,  die  von  Psychiatern 
oft  jahrelang  ohne  jeden  Erfolg  behandelt  worden  waren,  geheilt  habe, 
ich,  der  Gynäkologe.  Ich  gebe  zu,  dass  in  Italien  die  Ver¬ 
hältnisse  zum  Teil  anders  liegen,  wie  in  Deutschland  oder  Oester¬ 
reich;  dass  sowohl  das  gynäkologische  wie  das  psychiatrische  Ma¬ 
terial  ein  verschiedenes  sein  dürfte.  Doch  habe  ich  dieselben  Erfah¬ 
rungen  in  meiner  grossen  internationalen,  den  „oberen  Zehntausend“ 
angehörigen  Klientel  gemacht,  wie  in  der  Armenpraxis  meiner  Klinik. 
Letztere  verfügt  über  ein  grosses  diesbezügliches  Material,  welches 
von  Jahr  zu  Jahr  wächst;  ich  bitte  jeden  Kollegen,  meine  Klinik  zu 
besuchen;  in  wenigen  Wochen  wird  er  sich  von  der  Richtigkeit 
meiner  Ansichten  überzeugen  können.  Eine  Erklärung  für  meine  Er¬ 
folge  finde  ich  nur  in  meiner  gynäkologischen  Behandlung.  Dieselbe 
ist  eine  ausgesprochen  konservative.  Meine  psychopathischen  Pa¬ 
tientinnen  leiden  meistens  an  chronischen,  schleichend  verlaufenden 
Prozessen;  ich  versuche  dieselben  zu  heilen  und  dieFunktionder 
Organe  wieder  völlig  herzustellen;  diese  Wiederher¬ 
stellung  hebt  die  psychischen  Störungen.  So  darf  ich  von  der 
gynäkologischen  Heilung  der  Psychopathien  sprechen,  so  auch  von 
der  gynäkologischen  Prophylaxe  der  Psychopathien,  des  Selbst¬ 
mordes,  des  Verbrechens  sprechen.  Dass  ich  dabei  rein  suggestiv 
wirke,  bin  ich  mir  nicht  bewusst.  Gerade  dass  meine  Behandlung  in 
einigen  Fällen  so  lange  Zeit  in  Anspruch  nimmt,  spricht  gegen  eine 
rein  suggestive  Wirkung  derselben.  Warum  erreiche  ich  denn  mit 
meiner  Suggestion  nichts  bei  den  vielen  Psychopathien  ungerechter¬ 
und  unerlaubterweise  von  anderen  Gynäkologen  kastrierter  Frauen? 
Lud  hier  will  ich  einschalten,  dass  kein  Gynäkologe  energischer 
als  ich  gegen  das  unberechtigte  Behandeln  des  gesunden  Genitales 
bei  nervösen  Frauen,  gegen  das  unsinnige  Operieren,  das  Exstirpieren 
des  Uterus  oder  der  Ovarien  ohne  absolute  Indikation  protestiert 
hat.  Ebensoviel  Frauen  werden  zu  Psychopathen,  weil  man  sie  un¬ 
berechtigterweise  gynäkologisch  behandelt,  operiert,  kastriert,  als 
welche  durch  Vernachlässigung  eines  chronisch-infektiösen  Prozesses 
psychisch  erkranken.  Die  gewissenhafte  Behandlung  anscheinend  oft 
geringfügiger  chronischer  Genitalprozesse  erfordert  viel  Zeit,  Geduld 
und  Erfahrung,  die  viele  „moderne“  Gynäkologen  nicht  besitzen;  sie 
halten  die  Behandlung  dieser  „langweiligen“  Erkrankungen  für  unter 
ihrer  Würde.  Sie  ziehen  es  vor,  die  Patientin  mit  guten  Worten 
wegzuschicken  oder  sie  einer  vagen  Behandlung  pro  forma  zu  unter¬ 
werfen,  um  sie  dann  später  einer,  nach  unserer  Ansicht  noch  immer 
oft  unberechtigten  Exstirpation  der  Ovarien  und  des  Uterus  zu  unter¬ 
ziehen.  Dieselben  schweren  psychischen  Störungen,  wie  die  Ka¬ 
stration,  führen  chronisch  infektiöse  Läsionen  des  Genitale  herbei. 
Durch  letztere  wird  einerseits  die  Funktion  der  Organe  mehr  oder 
\veniger  gestört  resp.  aufgehoben,  und  ferner  liefert  der  Infektions¬ 
herd  ständig  Toxine  an  das  Blut  ab.  Es  stellt  sich  eine  chronische 
loxänne  ein,  ähnlich  wie  bei  chronisch-infektiösen  Läsionen  des  Ma¬ 
gens,  des  Darmes,  des  Ohres,  der  Nase,  der  Prostata,  der  Urethra  beim 
Manne,  wie  beim  Typhus,  der  Influenza,  der  Malaria,  dem  Alkoholis- 
“«!*•  abe(  ist  der  reflektorische  Einfluss  des  Genitale,  sowohl 
beim  Manne,  wie  auch  —  und  das  in  noch  viel  höherem  Masse  —  bei 
aer  Frau,  auf  die  psychischen  Sphären  ein  weit  grösserer  als  der 
anderer  Organe.  Der  Genitalapparat  der  Frau  ist  nicht  bloss  die 
Basis  ihres  physischen  und  psychischen  Lebens,  sondern  biologisch 
streng  genommen,  eigentlich  ihr  Daseinszweck.  Auch  beim  Manne 
wirken  chronische  Entzündungen  des  Genitalapparates  viel  intensiver 
aut  die  Psyche  ein,  als  Erkrankungen  anderer  Organe.  Denken  wir 
nur  an  die  schwer  melancholischen  und  hypochondrischen  Zustände, 
die  wir  bei  Prostatikern  beobachten!  Deren  psychischer  Zustand 
drückt  sich  oft  in  ihren  Gesichtszügen  so  charakteristisch  aus,  dass  die 
Diagnose  bereits  ä  distance  beim  Betreten  des  Sprechzimmers  mög¬ 
lich  ist. 


Mat  lies  meint,  die  von  mir  bei  meinen  psychopathischen  Pa¬ 
tientinnen  Vorgefundenen  Genitalveränderungen  seien  meist  „ganz 
bedeutungslos  ,  wie  viele,  „Ovula  Nabothi“.  Es  ist  mir  nie  eingefallen, 
Ovula  Nabothi  als  pathologisch  aufzufassen;  sie  sind  nur  oft  eine 
Begleiterscheinung  chronischer  metritischer  Prozesse.  Ich  habe 
immer  geschrieben  und  gesagt,  dass  meistens  nicht  die  anscheinend 
schwereren  Formen  von  Erkrankungen  des  Genitale,  nicht  die 
Myome,  Karzinome,  Ovarialzysten  usw.  psychische  Störungen  herbei- 
fiihren,  sondern  gerade  diejenigen,  die  anscheinend  geringfügige 
und  deshalb  schwerer  diagnostizierbare  anatomische  Veränderungen 
hervorrufen,  die  deshalb  auch  am  leichtesten  der  subjektiven  Beob¬ 
achtung  der  Patientin  selbst  entgehen.  Es  sind  diese  die  chronisch¬ 
infektiösen  Endometritiden,  mit  Deformität  und  Lageveränderung  des 
Uterus,  mit  Retention  der  Sekrete  in  der  erweiterten  Uterushöhle, 
die  Zervixmetritiden  usw.  Dass  nicht  alle  Patientinnen  mit  der¬ 
artigen-  Genitalerkrankungen  psychische  Störungen  zeigen,  ist  selbst¬ 
verständlich.  Damit  diese  zustande  kommen,  muss  der  günstige 
Boden,  die  neuropathische  Veranlagung,  vorhanden  sein;  dann  wirken 
chronisch-infektiöse  Genitalprozesse  als  ein  recht  häufiges,  auslösen¬ 
des  Moment;  solange  sie  nicht  beseitigt  sind,  stellt  sich  das  psy¬ 
chische  Gleichgewicht  nicht  wieder  ein  und  der  Grundsatz,  bei  „ner¬ 
vösen“  und  psychisch  gestörten  Frauen  das  Genitale,  falls  es  krank 
ist,  nicht  zu  behandeln,  ja  sogar  solche  Patientinnen  nicht  einmal, 
besonders  wenn  sie  virgo  sind,  gynäkologisch  zu  untersuchen,  ist 
grundfalsch  und  verderblich.  Unsere  modernen  Kenntnisse  über  das 
Wesen  der  Psychoneurosen,  über  das  Vorkommen  von  so  vielseitigen 
funktionellen  Störungen  ohne  anatomische  Grundlage,  haben  ein  neues 
Licht  auf  zahlreiche,  bisher  dunkle  Krankheitsbilder  geworfen;  die 
Haupterrungenschaften  auf  diesem  Gebiete  verdanken  wir  Internisten 
(Dubois,  Bernheim),  Neurologen  (Dejerine  u.  a.),  nicht 
Psychiatern.  Doch  darf  eine  reine  Psychoneurose  nicht  diagnostiziert 
werden,  so  lange  der  Organismus  einen  Herd  chronisch-infektiöser 
Entzündung  in  sich  birgt.  Hierin  stimme  ich  vollkommen  überein 
mit  der  Auffassung  Bernheims  über  die  Aetiologie  seiner  „Neur¬ 
asthenie“.  Auch  erinnere  ich  an  die  Ansichten  der  F  r  e  u  d  sehen 
Schule,  die  viel  Richtiges  enthalten.  Daher  glaube  ich  nicht,  dass  die 
Verbreitung  meiner  Lehre  auf  den  Arzt  gefährlich,  sondern  im 
Gegenteil  höchst  segenbringend  im  Sinne  einer  sozialen  Prophylaxe 
wirken  dürfte. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  und  -Poliklinik  in 
München  (Direktor:  Prof.  Dr.  Heine). 

Zur  Pathologie  und  Klinik  der  otogenen  Grosshirnabszesse. 

Von  Dr.  Ludwig  Haymann,  Assistent  der  Klinik. 

(Schluss.) 

In  sehr  interessanter  Weise  zeigt  folgender  Fall  einen 
solch  deutlichen  Gegensatz  im  Verhalten  der  Sinusthrombose 
und  des  Hirnabszesses  in  Bezug  auf  die  Spontanheilungs¬ 
tendenz. 

Fall  II.  Pat.  0.,  41  Jahre  alt,  soll  seit  ca.  1  Jahr  an  recht¬ 
seitiger  Ohreiterung  leiden.  Früher  will  er  nie  ohrenkrank  gewiesen 
sein.  Eine  Zeitlang  soll  eine  grössere  Anschwellung  hinter  dem  Ohre 
bestanden  haben. 

Die  Untersuchung  am  9.  III.  11  ergab:  Eiter  im  rechten  Gehör¬ 
gang.  Am  .  Boden  desselben,  an  der  Grenze  zwischen  knorpeligem 
und  knöchernem  Abschnitt  eine  stecknadelkopfgrosse  Granulation, 
aus  deren  Kuppe  bei  Druck  auf  den  Gehörgang  tropfenweise  Eiter 
hervorquillt  und  neben  der  die  Sonde  auf  rauhen  Knochen  kommt. 
Trommelfell  imperforiert,  diffus  getrübt,  leicht  gerötet,  Konturen  ver¬ 
strichen.  Abziehen  der  Ohrmuschel,  Druck  auf  den  Tragus  schmerz¬ 
los.  Ueber  dem  Antrum  geringe  Druckempfindlichkeit.  Linkes 
Trommelfell  ohne  pathologische  Veränderungen. 

Die  Hörprüfung  ergibt:  Links  Konversationssprache  am  Ohr, 
rechts  wird  sie  überhaupt  nicht  gehört.  Rinne  (al)  r—  1+8. 
a’  vom  Scheitel  wird  angeblich  nicht  gehört.  Spontaner  Nystagmus 
besteht  nicht.  Nase,  Nasenrachenraum,  abgesehen  von  einer  Deviatio 
septi  ohne  pathologischen  Befund. 

Innere  Organe  ohne  krankhafte  Veränderungen.  Normale  Tem¬ 
peratur.  Urin:  E.  — ,  Z.  — .  Von  seiten  des  Nervensystems  keine 
pathologischen  Erscheinungen,  Abtragen  der  Granulation. 

11.  III.  11.  Die  Druckempfindlichkeit  über  dem  Antrum  hat 
zugenommen,  die  Granulation  ist  wieder  nachgewuchert.  Spuren 
von  Sekret.  Aufmeisselung  in  Chloroform-Aethernarkose. 

Nach  Abmeisselung  der  Kortikalis  gelangt  man  in  der  Höhe  des 
Antrum  in  eine  mit  Granulationen  erfüllte  Höhle,  die  der  Wand  des 
Sin.  sig.  anliegt.  Von  dort  her  entleert  sich  etwa  ein  Theelöffel 
rahmigen  Eiters.  Freilegung  des  Sinus  zentral-  und  peripherwärts, 
bis  er  normal  wird.  Die  in  der  Grösse  eines  Zehnpfennigstückes 
freigelegte  Dura  der  mittleren  Schädelgrube  zeigt  keine  Verände¬ 
rungen  im  Antrum.  Kein  Eiter.  Unter  dem  knöchernen  Gehörgang 
hineingeschoben  eine  grosse,  mit  Eiter  und  Granulationen  gefüllte 
Zelle,  von  der  eine  Fistel  nach  dem  Gehörgang  führt.  Abtragung 
der  Spitze,  Tamponade,  Verband. 

Bei  dem  4  Tage  später  erfolgten  Verbandwechsel  sieht  die 
Wunde  gut  aus.  Ueberall  lebhafte,  gesund  aussehende  Granulations- 


136 


MU ENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


bildung.  Befinden  des  Pat.  subjektiv  und  objektiv  gut.  Temperatur 

U  Elf  Tage  nach  der  Operation  musste  der  Pat.  morgens  plötzlich 
ein  paarmal  erbrechen.  Unter  raschem  Temperaturanstieg  zeigte 
er  mittags  verfallenes  Aussehen  und  war,  wahrend  er  morgens  noch 
völlig  klar  auf  alle  Fragen  antwortete,  leicht  benommen  und  sehr 
unruhig  Deutliche  Druckempfindlichkeit  der  Halswirbelsaule,  geringe 
der  Brustwirbelsäule.  Nackenstarre  angedeutet.  Richter  KeRj'S- 
Kein  Schwindel,  kein  Schwanken  beim  Gehen.  Spontanei  Ny 
stagmus  nicht  deutlich;  nur  beim  Blick  nach  der  ohrkranken  Seite 
einige  nystagmusartige  Zuckungen.  Brechreiz  ohne  Erbrechen.  La¬ 
byrinth  kalorisch  nicht  erregbar. 

'  Abends  Operation:  Die  Lumbalpunktion  ergab  tropfenweises  Ab- 
fliessen  von  getrübtem,  opaleszierendem  Liquor.  Das  Ausstrich¬ 
präparat  zeigte  viele,  meist  mononukleare  Zelle,n'n^'neß; 1^"«!,' 

LMe  angelegten  Kulturen  blieben  steril.  Sinus  und  Dura  der  hintereTi 

Schädelgrube  werden  weit  freigelegt.  Nach  En.tf®rne,IJ utlich 
wand  bedeckenden  Granulationen  sieht  man,  dass  dieselbe  deutlich 
eingesunken  und  verdickt  erscheint.  Die  Punktion  des  Sinus  ei 2'b t 
nach  einigen  negativen  Versuchen  Blut.  Punktion  und  Inzision  des 
Kleinhirn  medial  vom  Sinus.  Es  kommt  getrübter  Liquor,  lam- 

ponade^s  Be{inden  des  pat  ]iat  sjch  am  nächsten  Tage  nicht  wesent¬ 
lich  verändert.  Er  ist  unruhig,  klagt  über  heftigen  Kopfschmerz. 
Kernig  positiv.  Nackensteifigkeit  hat  zugenommen.  Leicht  be¬ 
nommen,  zeitweise  aber  Sensorium  ganz  frei.  Kein  Nystagmu  . 

Gehen  Schwanken  nach  der  rechten  Seite.  Keine  LahmUtu^nn’is 
Paresen.  Kein  Babinski.  Augenhintergrund  ohne  pathologischen 

Radikal-  und  Labyrinthoperation.  Ausgedehnte  Freilegung  der 
Dura  über  dem  Antrum  und  der  Pauke.  Die  freigelegte  Dura  zeigi 
starke  respiratorische  Bewegungen.  Das  Aussehen  und  Verhalten 
der  Dura  der  mittleren  Schädelgrube  spricht  gegen  einen  Schlafen¬ 
lappenabszess,  an  den  vermutungsweise  gedacht  wird.  Das  Bild 
der  Radikaloperationshöhle  ist  dadurch  nicht  ganz  klai,  da.s  sich  de. 
horizontale  Bogengang  sehr  schlecht  markiert.  Pauke  und  Antrum 
ziemlich  klein.  Abtragen  des  Fazialissporns.  Abmeisseln  des  Kno¬ 
chens  an  horizontaler  Begrenzung  und  in  der  Gegend  des  ovalen 
Fensters.  Es  wird  nirgends  das  Lumen  eines  Bogenganges  oder  des 
Vestibulums  gefunden.  Auch  bei  Abtragung  des  Knochens  an  der 
hinteren  Pyramidenfläche,  wodurch  der  hintere  Bogengang  entfernt 
wird,  kommt  nirgends  ein  Hohlraum  zu  Gesicht 

Am  nächsten  Tag  ist  Pat.  sehr  unruhig,  will  wiederholt  aus  dem 
Bett  Die  Nackensteifigkeit  ist  sehr  stark  ausgeprägt.  Incontinentia 
alvi  et  urinae.  Babinski  links  deutlich,  rechts  nicht.  Paresen  des 
linken  Fazialis  und  des  linken  Armes.  Vorgehaltene  Gegenstände 
werden  erkannt  und  benannt.  Lumbalpunktion  fördert  keinen  Tropfen 
Flüssigkeit  zutage.  Der  Befund  wird  durch  den  Nervenarzt  kon¬ 
trolliert  und  bestätigt.  Die  Möglichkeit  des  Bestehens  eines  Hirn¬ 
abszesses  wird  von  diesem  für  sehr  unwahrscheinlich  gehalten. 
Trotzdem  soll  am  nächsten  Tage  eine  Explorativpunktion  des  bchla- 
fenlappens  gemacht  werden.  Da  die  meningitischen  Erscheinungen 
aber  sehr  zugenommen  haben  und  der  Pat.  vollkommen  somnolent 
ist,  wird  sie  als  zwecklos  unterlassen.  Unter  Zunahme  der  Erschei¬ 
nungen  nach  1  Tage  Exitus. 

Die  Obduktion  ergibt  eine  basale  Meningitis,  ausgehend  von 
einem  Abszess  im  rechten  Schläfenlappen.  Die  Dura  ist  über  der 
rechten  Felsenbeinpyramide,  im  Bereiche  des  oberen  vertikalen 
Bogenganges,  verwachsen.  An  ihr  bleibt  beim  Hei  ausnehmen 
des  Gehirns  ein  etwa  pflaumengrosses,  aus  dem  rechten 
Schläfenlappen  entstammendes  Gebilde  hängen.  Beim  Aufschneiden 
erkennt  man,  dass  es  sich  um  einen  mit  dicken,  grünen  Liter  ge¬ 
füllten  Abszess  handelt,  der  von  einer  etwa  1  mm  dicken  Membran 
umgeben  ist.  In  den  vorderen  Partien  zeigt  sich  gegen  die  ge¬ 
sunde  Hirnmasse  nur  eine  unscharfe  Abgrenzung.  Hier  ist  die 
Abszessmembran  nicht  deutlich  ausgebildet,  sondern  die  Eitermassen 
scheinen  sich  diffus  in  die  weisse  Substanz  des  Grosshirns  hinein 
fortzusetzen  Die  Labyrinthhohlräume  sind  völlig  verödet,  anscheinend 
mit  Knochen  ausgefüllt.  Der  rechte  Sinus  transversus  ist  vom  oberen 
Knie  bis  zum  Bulbus  thrombosiert.  Histologisch  handelt  es  sich  um 
einen  spontan  völlig  ausgeheilten  rekanalisierten  Thiombus,  andeie 
Sinus  frei. 

Kurz  zusammengefasst  haben  wir  folgenden  Krankheits¬ 
verlauf.  Bei  der  Operation  einer  im  Anschluss  an  eine  an¬ 
scheinend  akute  Media  entstandenen  Mastoiditis  fand  sich  im 
Warzenfortsatz  eine  mit  Granulationen  erfüllte  Höhle,  ein 
perisinuöser  Abszess  und  eine  vereiterte,  in  den  Gehörgang 
durchgebrochene  Spitzenzelle.  Normaler  Heilverlauf.  11  Tage 
nach  der  Operation  plötzlich  meningitische  Erscheinungen. 
Keine  Zeichen  eines  frischen  Labyrintheinbruchs.  Exploration 
des  Sinus  transversus  und  des  Kleinhirns.  Radikal-  und 
Labyrinthoperation,  zunehmende  Meningitis.  Exitus.  Die 
Obduktion  ergab  einen  alten  Schläfenlappenabszess,  davon 
ausgehend  eine  eitrige  Meningitis.  Ausgeheilte  Thrombose  im 
Sinus  transversus.  Ausgeheilte  Labyrinthitis. 

Dieser  Fall  ist  in  mancher  Beziehung  interessant.  Der 
klinische  Verlauf  zeigt  wiederum  aufs  neue,  welche  Schwierig¬ 


keiten  mitunter  die  Beurteilung  gerade  otogener  Krankheits¬ 
erscheinungen  und  dementsprechend  die  Wahl  des  thera¬ 
peutischen  Vorgehens  machen  kann.  Dem  ganzen  Befunde 
nach  musste  man  in  diesem  Falle  an  einen  akuten  oder  sub¬ 
akuten  entzündlichen  Mittelohrprozess  denken.  Die  rechts¬ 
seitige  Taubheit  für  Sprache  und  a 1 2G)  war  nicht  ohne  weiteres 
einwandfrei  für  die  Annahme  entzündlicher  Veränderungen  im 
Labyrinth  verwertbar,  da  ja  Patient  auf  dem  anderen  Ohre 
mit  normalem  Trommelfell  sehr  schlecht  hörte  und  hiei  deut¬ 
lich  eine  Erkrankung  des  inneren  Ohres  festzustellen  wai. 
Die  kalorische  Prüfung  wurde  in  diesem  Falle  aus  bestimmten 
äusseren  Gründen  im  Anfang  unterlassen  und  erst  später  nac  i- 
geholt.  Wie  man  sieht,  empfiehlt  es  sich  aber  wohl,  m  jedem 
Falle  auch  von  akuten  Mittelohrprozessen,  die.  zur  Operation 
kommen,  nicht  nur  aus  wissenschaftlichen,  sondern  aus  piak- 
tischen  Gründen,  prinzipiell  die  Vestibularisfunktion  genau  zu 
prüfen.  Der  Operationsbefund  entsprach  der  Auffassung  des 
Falles.  Als  dann  plötzlich  die  meningitischen  Erscheinungen 
einsetzten,  legte  der  Befund  in  der  hinteren  Schädelgrube,  die 
kalorische  Unerregbarkeit  des  Labyrinths,  den  Gedanken  nahe, 
dass  die  Infektion  auf  einem  dieser  beiden  Wege  vor  sich 
gegangen  war,  zumal  manche  Zeichen  noch  am  ehesten  fm 
einen  Prozess  in  der  hinteren  Schädelgrube  sprachen.  Aller¬ 
dings  konnte  man  dagegen  auch  manche  Bedenken  gelten 
machen,  die  durch  den  Operationsbefund  am  Sinus  und  im 
Labyrinth  noch  vermehrt  wurden  und  die  es  nicht  als  sehr 
wahrscheinlich  erscheinen  Hessen,  dass  die  Meningitis  im 
direkten  Zusammenhang  mit  diesen  Veränderungen  stand.  I  le 
Obduktion  und  histologische  Untersuchung  hat  ja  auch  diese 
Vermutungen  völlig  bestätigt.  Eine  weitere  Freilegung  der 
Dura  der  mittleren  Schädelgrube,  die  uns  wohl  die  Wegleitung 
des  Abszesses  hätte  erkennen  lassen,  unterblieb  leider,  da  die 
in  ziemlicher  Ausdehnung  freigelegten  Partien  absolut  keine 
Veränderungen  zeigten.  Deshalb,  und  weil  auch  von  neuro¬ 
logischer  Seite  die  Annahme  eines  Schläfenlappenabszesses  für 
ganz  unwahrscheinlich  gehalten  wurde,  sahen  wir  von  einer 
Probeinzision  ab,  obwohl  verschiedentlich  an  die  Möglichkeit 
eines  Eiterherdes  im  Schläfenlappen  gedacht  worden  war.  Ls 
bestanden  eben  keine  irgendwie  verwertbaren  Symptome,  die 
mit  einiger  Sicherheit  auf  einen  solchen  Prozess  hingewiesen 
hätten.  Die  meningitischen  Erscheinungen  waren  die  ersten 
Zeichen  der  endokraniellen  Komplikation.  Die  Meningitis 
breitete  sich  sehr  rasch  aus  und  führte  in  kurzer  Zeit  zum 
Tode.  Der  Abszess  war  gewissermassen  aus  dem  Stadium 
der  Latenz  in  das  terminale  übergetreten,  resp.  seine  Mani¬ 
festation  fiel  mit  dem  Terminalstadium  zusammen.  Etwa  vor¬ 
handene  verwertbare  Symptome  wurden  durch  die  im  Voider- 
grund  stehenden,  meningitischen  Erscheinungen  völlig  ver¬ 
deckt  Die  in  den  beiden  letzten  Tagen  ante  exitum  auf¬ 
getretenen  Paresen  der  linken  Extremitäten  waren  die  ein¬ 
zigen  Lokalisationssymptome,  die  aber  auch  durch  die  be¬ 
stehende  Meningitis  ohne  weiteres  erklärt  werden  konnten. 
Das  Hauptinteresse  dieses  Falles  liegt  aber  in  seinem 

pathologisch-anatomischen  Verhalten.  Er  zeigt  einwand¬ 
frei,  dass  unzweifelhaft  otogene  Sinusthrombosen  spontan  völlig 
ausheilen  können,  wie  der  organisierte  und  zum  grössten  1  eil 
rekanalisierte  Thrombus  im  Sinus  sigmoideus  klar  beweist. 
Auf  die  nähere  Würdigung  dieses  Befundes  brauche  ich  hier 
nicht  weiter  einzugehen,  da  ich27)  ihn  bereits  an  anderer 
Stelle  ausführlich  beschrieben  habe.  Diese  auch  sonst  beob¬ 
achtete  Tendenz  otogener  Sinusthrombosen  zur  Spontan¬ 
heilung,  ist  in  unserem  Falle  um  so  beachtenswerter,  da  der¬ 
selbe  ursächliche  Prozess  im  Schläfenbein  gleichzeitig  noch 
eine  andere  endokranielle  Komplikation,  einen  Hirnabszess  be¬ 
dingt  hatte,  der  schliesslich  zu  einer  eiterigen  Meningitis  und 
dadurch  zum  Exitus  führte.  Dieser  Gegensatz,  —  ausgeheilte 
Sinusthrombose,  ausgeheilte  Labyrinthitis  einerseits,  langer¬ 
bestehender,  aber  schliesslich  doch  zur  Meningitis  fühlen  er 
Hirnabszess  andererseits  —  ist  für  die  Beurteilung  der  Hei- 
lungstendenz  der  Hirnabszesse  von  Interesse.  Er  beweist,  wie 
schon  oben  erwähnt,  dass  man  bei  Hirnabszessen  im  Gegen¬ 
satz  zu  anderen  endokraniellen  Erkrankungen  otogenen  Ur¬ 
sprungs  —  auch  unter  sonst  günstigen  Allgemeinbedingungen 

2e)  Siehe  Haymann:  Kritisches  zur  Feststellung  einseitiger 
Taubheit:  mit  a’.  Archiv  für  Ohrenheilkunde. 

27)  Haymann:  1.  c. 


21.  .Januar  1913. 


MÜ£NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


137 


mit  Spoutanheilungsvörgängeu  kaum  jemals  rechnen  darf.  Die 
ältere  noch  öfters  anzutreffende  Vorstellung,  dass  mit  der 
Bildung  einer  sogen.  Abszesskapsel  die  Eiterung  nun  zur 
Ruhe  gekommen  sei  und  die  Einschmelzung  nicht  weiter  fort¬ 
schreite,  wurde  durch  neuere  Untersuchungen  nicht  be¬ 
stätigt  28).  Miodowski59)  hat  in  seinen  histologischen 
Untersuchungen  über  otogene  Hirnabszesse  ausführlich  darauf 
hingewiesen,  dass  sich  auch  jenseits  des  bindegewebigen 
Walles  fortschreitende  entzündliche  Vorgänge  weiterhin  ab¬ 
zuspielen  pflegen.  Der  Vorgang  der  Balgbildung  ist  natürlich 
als  ein  Schutzversuch  des  Organismus  anzusehen.  Jedoch 
ist  sie  eben  nur  ein  Versuch,  der  wohl  fast  nie  einen  tatsäch¬ 
lich  ausreichenden  Schutz  darstellt.  Die  histologische  Unter¬ 
suchung  der  Abszesskapsel  ergab  in  unserem  Falle  die  be¬ 
kannten,  kürzlich  von  Miodowski  ausführlich  erörterten 
Verhältnisse,  weshalb  hier  darauf  nicht  näher  eingegangen 
werden  soll.  Es  sei  nur  erwähnt,  dass  an  einer  —  schon 
makroskopisch  erkennbaren  und  oben  beschriebenen  —  Stelle 
die  bindegewebige  Zone  der  Abszesskapsel  von  kleinzelliger 
Infiltration,  die  hier  diffus  in  die  benachbarten  Hirnpartien  vor¬ 
drang,  völlig  verdeckt  resp.  durchbrochen  war. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  auf  einen  praktisch  wich¬ 
tigen  Punkt  kurz  zu  sprechen  kommen,  der  durch  diese  beiden 
Fälle  gut  illustriert  wird:  nämlich  auf  die  oft  unterschätzten 
Schwierigkeiten  in  der  Diagnose  otogener  Schläfenlappen¬ 
abszesse.  Im  zweiten  Falle  fehlten  —  um  es  kurz  zu  rekapi¬ 
tulieren  —  alle  Symptome,  die  für  eine  exakte  Diagnose  ver¬ 
wendbar  gewesen  wären.  Die  allgemeinen  Erscheinungen, 
die  Pat.  bei  seiner  Aufnahme  bot,  waren  zwanglos  durch 
die  bestehende  Warzenfortsatzerkrankung  zu  erklären.  Die 
ca.  10  Tage  nach  der  Operation  einsetzenden  meningitischen 
Symptome  legten  bei  der  bestehenden  Labyrinthveränderung 
in  erster  Linie  den  Gedanken  nahe,  dass  der  entzündliche 
Prozess  auf  diesem  Weg  auf  das  Schädelinnere  übergegriffen 
hatte.  In  der  Zwischenzeit  wies  nicht  das  geringste  auf  einen 
latenten  Hirnabszess  hin.  Abgesehen  von  allen  anderen  Um¬ 
ständen  kam  noch  dazu,  dass  es  sich  um  einen  rechtsseitigen 
Schläfenlappenabszess  bei  einem  Rechtshänder  handelte.  Im 
ersten  Falle  lagen  die  Bedingungen  von  vornherein  insofern 
günstiger,  als  es  sich  um  einen  linksseitigen  Schläfenlappen¬ 
abszess  bei  einem  Rechtshänder  handelte,  man  also  mit  ziem¬ 
licher  Sicherheit  Sprachstörungen  erwarten  konnte.  Wir 
haben  aber  gesehen,  wie  selbst  dieses  prägnante  Symptom 
fehlen  oder  nicht  in  Erscheinung  treten  und  sich  erst  später 
deutlich  entwickeln  kann.  Die  sonstigen  Krankheitserschei¬ 
nungen  waren  alle  durch  das  ursächliche  Ohrenleiden  zu  er¬ 
klären.  Nur  das  eigentümliche  psychische  Verhalten  der 
Patientin  lenkte  den  Verdacht  auf  die  Möglichkeit  einer  endo- 
kraniellen  Komplikation.  Sichere  Schlüsse,  insbesondere  eine 
genauere  Lokalisation  der  Erkrankung,  konnte  man  natürlich 
daraus  nicht  ziehen. 

Es  liegt  nicht  im  Rahmen  dieser  kurzen  Abhandlung,  auf 
die  Diagnose  der  otogenen  Schläfenlappenabszesse  näher  ein¬ 
zugehen.  Alle  Einzelheiten  finden  sich  in  den  entsprechenden 
Arbeiten  von  Oppenheim30),  Körner31)  usw.  Hier  sei 
nur  erwähnt,  dass  die  Schwierigkeiten  bei  der  Diagnose  oto¬ 
gener  Hirnabszesse  nicht  nur  darin  bestehen,  dass,  wie  wir 
gesehen  haben,  unter  Umständen  alle  objektiven  Symptome 
fehlen,  oder  völlig  verdeckt  sein  können,  sondern  dass  auch 
umgekehrt  Erscheinungen  eines  Hirnabszesses  vorgetäuscht 
werden  können,  ohne  dass  ein  solcher  wirklich  vorhanden  ist. 
Abgesehen  von  gleichzeitig  bestehenden  gleichseitigen  Hirn¬ 
tumoren,  ein  Zusammentreffen,  das  bei  Erwachsenen  wohl  sehr 
selten  ist  ■),  erinnere  ich  an  die  Beobachtungen,  wo  extra¬ 
durale  oder  subdurale  Eiteransammlungen  die  Erscheinungen 


Literatur  bei  Oppenheim. 

')  Miodowski:  Beiträge  zur  Pathogenese  und  pathologi- 
scnen  Histologie  des  Hirnabszesses.  Archiv  für  Ohrenheilkunde, 

Bd.  77,  S.  239. 

.  I0)  Oppenheim:  Der  Hirnabszess.  A.  Holder.  Wien  und 

Leipzig  1909. 

■  V  Körner:  Die  otitischcn  Erkrankungen  des  Hirns  usw.  1902 

und  Anhang  1908. 

32>  Kindern  ist  dagegen  das  nicht  seltene  Zusammentreffen 
on  eitriger  Schläfenbeinerkrankung  und  Hirntuberkel  immer  in  Er¬ 
wägung  zu  ziehen.  Siehe  Körner:  Eitrige  Erkrankungen  des 

Hirns  usw. 

No.  3. 


von  Schläfenlappenabszesseil  vorgetäuscht  haben  [Heine33), 
Körne  r  |,  die  nach  Warzenfortsatzoperation,  nach  Entleerung 
des  betreffenden  Eiterherdes  verschwanden. 

Auch  bei  eitrigen  Meningitiden  können  durch  die  vor¬ 
wiegende  Lokalisation  der  entzündlichen  Veränderungen  im 
Bereich  einzelner  Rindenfelder  zerebrale  Herdsyptome  zu¬ 
stande  kommen,  wie  Beobachtungen  von  B  r  i  e  g  e  r  M), 
Körner 35),  K  u  h  n  u.  a.  m.  zeigen.  Schon  auf  der  Versamm¬ 
lung  der  deutschen  otologischen  Gesellschaft  zu  Hamburg 
1899  hat  Brieger  darauf  hingewiesen,  dass  die  Differen¬ 
zierung  der  otogenen  Meningitis  gegenüber  andersartigen 
endokraniellen  Eiterungen,  insbesondere  gegen  den  Hirn¬ 
abszess  dadurch  kompliziert  werden  kann,  dass  die  Meningitis 
sich  sehr  oft  sprungweise  ausbreitet  und  durch  Beschränkung 
auf  einzelne  Rindenfelder  Herdsymptome,  z.  B.  aphasische 
Störungen  hervorruft.  Ebenso  hat  man  bekanntlich  in  Fällen 
von  sogenannter  Meningitis  serosa  otitischen  Ursprungs  zere¬ 
brale  Symptome  auftreten  sehen,  die  auf  einen  Hirn-  oder 
Kleinhirnabszess  hinzuweisen  schienen.  Bei  der  Exploration 
der  vermuteten  Eiterherde  wurde  jedoch  kein  Eiter  gefunden, 
sondern  nur  vermehrter  Liquor  entleert.  Die  Erscheinungen 
gingen  daraufhin  zurück,  die  Patienten  gesundeten.  Be¬ 
merkenswert  ist  hier  ferner  noch  eine  kürzlich  von  Heil- 
bronn30)  aus  der  M  a  n  a  s  s  e  sehen  Klinik  mitgeteilte  Be¬ 
obachtung.  Bei  einem  Falle  von  otogener  Sinusthrombose 
nach  linksseitiger  chronischer  Ohreiterung  trat  eine  aus¬ 
geprägte  sensorische  Aphasie  auf,  die  nach  ca.  1  Tage  wieder 
verschwand.  Die  Obduktion  ergab  neben  einer  ausgedehnten 
Thrombose  im  linken  Sinus  transversus  eine  Pialvenenthrom- 
bose  des  linken  Schläfenlappens.  Der  Verschluss  der  Pialvene 
und  die  daraus  resultierende  Blutstauung  bedingten  wahr¬ 
scheinlich  vorübergehende  Ernährungsstörungen  des  betr. 
Hirnteiles,  als  deren  Folge  die  sensorische  Aphasie  auftrat. 

Nun  haben  wir  zur  Erkenntnis  der  Hirnabszesse  otogenen 
Ursprungs  —  bei  denen  wir  in  den  Mittelohrräumen  immer, 
wenn  auch  unter  Umständen,  recht  geringe  Veränderungen 
erwarten  dürfen  —  ein  wichtiges,  diagnostisches  Hilfsmittel: 
die  Freilegung  der  Schädelgruben  und  die  Probepunktion  des 
Hirns.  Schon  die  Freilegung  der  Schädelgruben  ermöglicht 
oft  einen  entscheidenden  Einblick,  der  für  unser  therapeu¬ 
tisches  Verhalten  ausschlaggebend  ist.  Allein  auch  die  so  er¬ 
langte  Erkenntnis  ist  nicht  immer  ausreichend  und  zulässig. 
Veränderungen  der  Dura  an  sich  gestatten  noch  keine  weiteren 
Schlüsse.  Vorhandene  Komplikationen,  wie  z.  B.  grosse 
Extraduralabszesse,  Sinusthrombosen  usw.  klären  die  Er¬ 
scheinungen  wohl  teilweise  auf,  schliessen  jedoch  einen  gleich¬ 
zeitig  bestehenden  Hirnabszess  natürlich  nicht  aus  (Fall  1). 
Immerhin  berechtigen  sie  unter  Umständen  dazu,  den  Erfolg 
des  Eingriffes  vorderhand  abzuwarten.  Am  einfachsten  ist  es 
natürlich,  wenn  man  an  der  veränderten  Durastelle  eine  Fistel 
findet.  Das  Fehlen  einer  solchen  beweist  aber  gar  nichts,  da 
sie  auch,  wenn  sie  vorhanden  ist,  mitunter  leicht  übersehen 
werden  kann,  wie  ein  von  Miodowski37)  histologisch 
untersuchter  Fall  zeigt,  bei  dem  die  Fistel  die  Dura  schräg 
durchsetzte  und  durch  den  Druck  des  Abszesses  ventilartig 
verschlossen  wurde.  Aus  den  Veränderungen  der  Duraaussen- 
fläche  kann  man  keine  bindenden  Schlüsse  ziehen,  weil  trotz 
eines  hohen  Granulationspolsters  die  eigentliche  Dura  gut  er¬ 
halten  sein  kann  und  umgekehrt.  Ueberhaupt  dürfen  wir  die 
makroskopischen  Befunde  hier  nur  sehr  vorsichtig  verwerten. 

Ohne  einem  zu  aggressivem  Vorgehen  das  Wort  zu  reden, 
und  bei  gewissenhafter  Würdigung  aller  in  Betracht  kommen¬ 
der  Momente  wird  man  deshalb  —  das  scheint  fast  allgemein 
anerkannt  zu  sein  —  öfters  zur  Exploration  des  Hirns  schreiten 
müssen,  ohne  sich  auf  einen  ganz  sicheren  Symptomenkomplex 
stützen  zu  können.  Ohne  die  eventuellen  Gefahren  einer  un¬ 
nötigen  Duraeröffnung  und  Hirnpunktion  zu  verringern  oder 

33)  Heine:  Zur  Kenntnis  der  subduralen  Eiterungen.  Lucae- 
Festschrift.  Berlin  1905.  Springer. 

31)  Brieger:  Verh.  d.  Deutsch,  otolog.  Gesellschaft  1899  in 
Hamburg.  Zur  Pathologie  der  otogenen  Meningitis. 

35)  Körner:  Eitrige  Erkrankungen  des  Hirns  usw. 

3®)  Heilbronn:  Arch.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  89. 

3')  Miodowski:  Beiträge  zur  Pathogenese  und  pathologischen 
Histologie  des  Hirnabszesses  (nebst  experimentellen  Untersuchungen 
über  die  Abdichtung  des  Arachnoidealraumes).  Arch.  f.  Ohrenheilk.. 
Bd.  77,  S.  239. 


4 


138 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


zu  übertreiben,  wird  man  sieb  zu  diesem  Eingriff  oft  um  so 
eher  entschlossen,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Heilungs¬ 
chancen  um  so  bessere  sind,  je  früher  der  Abszess  entleert 
wird,  dass  nicht  operierte  Hirnabszesse  so  gut  wie  immer 
zum  Exitus  führen,  und  wenn  man  durch  zu  langes  Zögern 
und  zu  grosse  Zurückhaltung  gelegentlich  Patienten  verloren 
hat,  die  bei  frühzeitiger  Exploration  des  Hirns  vielleicht  hätten 
gerettet  werden  können.  Wir  können  deshalb  den  jüngst  von 
Hasslauer38)  vertretenen  Anschauungen  nicht  zustimmen, 
der  im  Anschluss  an  die  Mitteilung  eines  operativ  geheilten 
Kleinhirnabszesses  empfiehlt,  immer  zu  warten,  bis  das  bym- 
ptomenbild  des  Hirnabszesses  ganz  deutlich  geworden,  weil 
man  warten  dürfe  und  könne.  Denn  einmal  braucht  das  Bild, 
wie  unsere  Fälle  zeigen,  gar  nicht  deutlich  zu  werden,  und 
wenn  es  deutlich  geworden  ist,  kommt  unsere  operative  Fli  e 
leicht  zu  spät.  Es  ist  eben  sicher  ein  beachtenswerter  Fort¬ 
schritt,  dass  man  durch  zielbewusstes,  operatives  Vorgehen 
jetzt  auch  otogene  Hirnabszesse  finden  und  heilen  kann,  die 
sich  noch  nicht  ganz  deutlich  manifestieren  in  Fällen,  wo 
wir  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  unserer  diagnostischen 
Kenntnisse  noch  nicht  in  der  Lage  sind,  solche  Erkrankung 
mit  absoluter  Sicherheit  festzustellen.  Wenn  man  die  publi¬ 
zierten  Fälle  daraufhin  durchsieht,  welche  Symptome  für  den 
operativen  Eingriff  massgebend  waren,  so  findet  man  bei  einei 
grossen  Zahl  und  oft  gerade  bei  den  sehr  günstig  verlaufenen, 
dass  nicht  sowohl  die  exakte  Diagnose,  als  vielmehr  die  — 
allerdings  oft  auf  einer  grossen  persönlichen  Erfahrung  ge¬ 
stützte  —  Vermutung  massgebend  für  die  Exploration  des 
Gehirns  und  die  operative  Aufdeckung  des  Abszesses  war.  Es 
ist  ohne  weiteres  zuzugeben,  dass  dieser  Zustand  nicht  gerade 
ideal  ist.  Bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse 
wird  man  aber  eben  nicht  selten  gezwungen  sein,  das  relativ 
verlässigste  diagnostische  Hilfsmittel:  die  Probepunktion  resp. 
die  Probeinzision  des  Hirns  anzuwenden,  ein  Standpunkt,  für 
den  erst  kürzlich  auch  H  i  n  s  b  e  r  g  gelegentlich  der  Mitteilung 
zweier  Fälle  von  Hirnabszessen  eingetreten  ist. 


Marion  Sims. 


Zur  Jahrhundertfeier  seines  Geburtstages. 


In  der  Geschichte  der  operativen  Gynäkologie  nimmt 
Amerika  einen  Ehrenplatz  ein.  Die  Namen  McDowell, 
Nott,  Batte  y,  Emmet,  Bozemann,  Edebohls, 
Kelly  werden  in  aller  Zukunft  genannt  werden.  Keiner  abei 
leuchtet  so  hell  wie  der  Name  Marion  Sims.  Sims  war 
einer  jener  seltenen  Männer,  die  die  altgewohnten  Pfade  ver¬ 
lassen,  die,  erfüllt  von  unbezwinglichem  Schaffensdrang,  ilne 
eigenen  Wege  gehen  und  neue  Bahnen  eröffnen.  Durch  seine 
epochemachenden  Neuerungen  wurde  er  dei  Begitindei  dei 
modernen  Gynäkologie  und  mit  Recht  nennen^  ihn  die  Ameri¬ 
kaner  Vater  der  operativen  Gynäkologie.  Es  geziemt  sich 
wohl,  dass  wir  dieses  edlen  und  verdienstvollen  Mannes  bei 
der  hundertjährigen  Wiederkehr  seines  Geburtstages  in  Dank¬ 
barkeit  gedenken.  . 

James  Marion  Sims  wurde  am  25.  Januar  1813  in 
bescheidenen  Verhältnissen  auf  einer  Farm  in  der  Nähe  des 
Städtchens  Lancaster  im  nördlichen  Teile  von  Siidcarolina 
geboren.  Er  stammt  aus  einer  in  der  ersten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  aus  England  eingewanderten  Familie.  Sein 
Vater  war  ein  in  seiner  engeren  Heimat  hochangesehener 
Mann.  Nachdem  Sims  die  Schulen  seiner  Heimat  absolviert 
hatte,  bezog  er  zur  weiteren  Ausbildung  das  Columbia  College 
in  Columbia,  woselbst  er  nach  2  Jahren  graduierte.  Hierauf 
begann  er  das  Studium  der  Medizin  am  Medical  College  zu 
Charleston.  Ein  Jahr  später  bezog  er  die  J  e  f  f  e  r  s  o  n  -  Uni¬ 
versität  zu  Philadelphia,  wo  er  im  Jahre  1835  zum  Doktor 
der  Medizin  promovierte.  Er  liess  sich  anfangs  in  seiner 
Heimat  Lancaster  als  Arzt  nieder,  aber  entmutigt  durch  den 
Tod  eines  Kindes,  das  unter  seiner  Behandlung  an  Cholera 
infantum  starb,  verliess  er  seine  Heimat,  zog  nach  dem  Staate 
Alabama  und  begann  die  Ausübung  seines  Berufes  in  Mount 
Meigs.  Gleich  anfangs  tat  er  sich  durch  eine  Anzahl  kühner 
Operationen  hervor  und  bald  war  sein  Name  einer  der  ersten 


38)  Hasslauer:  Archiv  für  Ohrenheilkunde,  Bd.  86.  S.  145. 


unter  den  Aerzten  der  Umgegend.  Schon  nach  2  Jahren 
siedelte  er  nach  Montgomery,  der  Hauptstadt  des  Staates, 
über.  Hier  war  es,  wo  er  seine  für  die  Entwickelung  der 
modernen  Gynäkologie  so  wichtigen  Operationen  ausführte. 
Von  grösster  Bedeutung  für  seine  späteren  Arbeiten  war  die 
Erfindung  des  nach  ihm  benannten  Scheidenspekulums. 

Sims  wurde  eines  Tages  zu  einer  Frau  gerufen,  die 
durch  Sturz  vom  Pferde  eine  Retroversio  uteri  erlitten  hatte. 

Er  brachte  die  Patientin  in  die  Knic-Ellenbogenlage  und  bei 
dem  Versuch,  die  Gebärmutter  in  ihre  ursprüngliche  Lage  zu 
bringen,  drang  die  atmosphärische  Luft  in  die  sich  aus¬ 
dehnende  Scheide  und  die  verlagerte  Gebärmutter  glitt  leicht 
in  ihre  normale  Lage  zurück.  Sims’  schneller  Blick  erkannte  i 
sofort  die  ganze  Bedeutung  dieses  Vorganges.  „Wenn  ich  in 
dieser  Lage  die  Scheide  durch  Luftdruck  ausdehnen  kann,  rief 
er  aus,  warum  sollte  ich  dieses  Prinzip  nicht  auch  bei  den 
Fällen  von  Scheidenfisteln  anwenden?“  So  verfiel  er  auf  die 
Idee  des  Rinnenspekulums,  „ohne  welches,  sagt  Olshausen, 
alle  unseren  modernen  Vaginaloperationen  undenkbar  wären  \ 
Schon  vorher  hatte  Sims  sich  mit  den  vesiko-vaginalen 
Fisteln  beschäftigt,  sie  aber  als  unheilbar  aufgegeben.  Jetzt 
aber  machte  er  sich  mit  unvergleichlichem  Enthusiasmus  an 
die  Heilung  dieses  schrecklichen  Zustandes,  der,  wie  Sims  J 
selbst  sagt,  schlimmer  ist  als  der  Tod.  Er  erbaute  in  der  ; 
Nähe  seines  Hauses  ein  kleines  Hospital,  wo  er  eine  Anzahl  1 1 
Negermädchen,  die  mit  diesem  Leiden  behaftet  waren, .  auf 
seine  eigenen  Kosten  unterhielt.  Jahrelang  arbeitete  Sims  M 
an  diesem  Werk.  Alle  Versuche  scheiterten  an  der  Infektion.  i 
Ein  Mann  mit  geringerer  Energie  und  Beharrlichkeit  hätte  den 
Mut  verloren.  Seine  Freunde  rieten  ihm,  die  Sache  auf¬ 
zugeben,  da  sie  ihn  nur  arm  mache.  „Ich  bin  überzeugt,  dass  : 
ich  diese  Sache  erfolgreich  durchführen  werde“,  war  seine 
Antwort,  „es  ist  mir  gleichgültig,  was  es  kostet,  selbst  wenn 
es  mein  Leben  kosten  sollte.“  Zuletzt  verfiel  Sims  auf  die  ! 
Silbernaht.  Er  wandte  dieselbe  bei  einer  Patientin,  an  der  er 
mehr  als  30  erfolglose  Versuche  gemacht  hatte,  an.  Die 
Heilung  gelang.  Gross  war  seine  Freude.  In  kurzer  Zeit  hatte 
er  alle  die  armen  Sklavenmädchen  von  ihren  schrecklichen 
Leiden  befreit.  Das  war  im  Jahre  1849.  Erst  im  Jahre  18521 
veröffentlichte  Sims  im  American  Journal  of  Medical  Sciences 
einen  Bericht  über  diese  schönen  Erfolge. 

Bald  aber  begannen  schwere  Tage  für  Sims,  die  seine 
Tatkraft,  seinen  Mut  und  sein  Selbstvertrauen  auf  eine  harte 
Probe  stellten.  Das  damalige  ungesunde  Klima  des  alabami- 
schen  Tieflandes  griff  seine  Gesundheit  stark  an  und  bedrohte 
mehrmals  das  Leben  des  verdienstvollen  Mannes.  Von  einem 
mehrere  Jahre  dauernden  chronischen  Leiden  suchte  er  Hei¬ 
lung  im  Norden  und  so  siedelte  er  im  Jahre  1853  nach  New 
York  über.  Arm  und  unbekannt  kam  er  mit  seinei  Familie 
hier  an,  und  er  hatte  lange  und  schwere  Kämpfe  zu  bestehen, 
bevor  seine  Verdienste  Anerkennung  fanden. 

Sims  sah  bald  ein,  dass  nur  ein  Hospital,  worin  aus¬ 
schliesslich  Frauenkrankheiten  behandelt  würden,  ein  ge¬ 
eignetes  Feld  für  seine  Tätigkeit  bieten  könne.  Mit  seiner  ge-g 
wohnten  Energie  ging  Sims  an  diese  schwierige  Aufgabe. 
Es  gelang  ihm,  die  Unterstützung  einiger  hervorragender! 
Aerzte  und,  was  viel  wichtiger  war,  das  Vertrauen  und  diel 
tatkräftige  Hilfe  einer  Anzahl  edler  vornehmer  Frauen  zu  ge¬ 
winnen,  so  dass  in  kurzer  Zeit  das  erste  grosse  Frauenhospital 
zustande  kam.  Sims  wurde  mit  dessen  Leitung  betiaut 
Jetzt  war  er  in  seinem  Element.  Seine  Gesundheit  kehrte 
zurück  und  bald  fanden  seine  Verdienste  die  gebührende  An 
erkennung. 

Im  Jahre  1861  reiste  Sims  nach  Europa,  zunächst  nact 
Schottland  und  England,  wo  er  einige  glänzende  Operationer 
an  Patientinnen  ausführte,  die  für  unheilbar  gehalten  wurden 
Dann  ging  er  nach  Paris  und  operierte  in  Gegenwart  vor 
Velpeau,  N  e  1  a  t  o  n,  C  i  v  i  a  1  e  u.  a.  eine  Anzahl  äussers 
schwieriger  Fälle  mit  durchschlagendem  Erfolg. 

Nach  seiner  Rückkehr  in  sein  Vaterland  veröffentlicht1 
Sims  seine  berühmten  „Clinical  Notes  on  Uterine  Surgery 
(1866),  die  sofort  in  mehrere  Sprachen  übersetzt  wurden  um 
seinen  Namen  in  der  ganzen  medizinischen  Welt  bekann 

machten.  ,  ,  . 

Als  der  deutsch-französische  Krieg  ausbrach,  befand  sic 
Sims  wieder  in  Paris.  Er  organisierte  sogleich  die  englisch 


iALERIE  HERVORRAGENDER  ARZTE  UND  NATURFORSCHER. 


- - 

/VIäRION  ßlMS. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  316,  igrj- 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München 


33SS 


21.  Januar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ 139 


amerikanische  Ambulanz,  deren  Leitung  er  übernahm.  Sims 
war  in  der  Schlacht  bei  Sedan  gegenwärtig.  Während 
mehrerer  Wochen  arbeitete  er  unermüdlich  in  dem  ihm  unter¬ 
stellten  Hospital,  in  dem  mehrere  Tausend  französischer  und 
deutscher  Verwundeter  behandelt  wurden. 

Nach  New  York  zurückgekehrt,  übernahm  S  i  m  s  wieder 
die  Leitung  des  Frauenhospitales,  aber  unerquickliche  Streitig¬ 
keiten  mit  der  Verwaltungskommission,  die  ihm  engherzige 
Vorschriften  machen  wollte,  veranlassten  ihn  von  dieser 
Stelle  zurückzutreten.  Im  Jahre  1883  wollte  er  nach  Was¬ 
hington  übersiedeln  und  hatte  alle  Vorbereitungen  dazu  ge¬ 
troffen,  als  er  am  13.  November  desselben  Jahres  plötzlich 
einem  Herzleiden  erlag. 

Wie  alle  Männer,  die  mit  neuen  Ideen  und  neuen  Ent¬ 
deckungen  hervortreten,  auf  Widerstand  treffen,  so  erging  es 
auch  Sims,  aber  während  das  Werk  manchen  grossen 
Mannes  erst  nach  seinem  Tode  Anerkennung  gefunden  hat, 
war  es  Sims  vergönnt,  noch  bei  seinen  Lebzeiten  seine  Ver¬ 
dienste  voll  gewürdigt  zu  sehen.  Er  wurde  mit  Ehren  über¬ 
häuft.  Der  Kaiser  Napoleon,  der  König  von  Belgien  und 
andere  Fürsten  ehrten  ihn  mit  Auszeichnungen. 

Sein  grosses  Verdienst  war  die  Erfindung  des  Rinnen- 
spekulums,  welche  die  Gynäkologie  in  ganz  neue  Bahnen 
lenkte.  Bei  der  operativen  Behandlung  der  Scheidenfisteln 
ist  die  Sims  sehe  Lage,  die  Silbernaht  und  seine  Drainage¬ 
methode  in  der  modernen  Gynäkologie  noch  massgebend. 
Sims  war  auch  der  erste,  der  den  krankhaften  Zustand  des 
Vaginismus  beschrieb  (1861);  er  war  es,  der  der  Cholezysto- 
tomie  zur  Entfernung  von  Gallensteinen  eine  praktische  Form 
gab  (1878)  und  Sims’  Verdienst  war  es,  das  erste  grosse 
Frauenhospital  der  Welt  ins  Leben  gerufen  zu  haben. 

Sims  war  ein  Mann  von  gewinnendem  Wesen,  freund¬ 
lich  gegen  jedermann  und  jederzeit  bereit,  Notleidenden  zu 
helfen.  Er  war  von  tiefem  Mitgefühl  für  die  Leiden  seiner  Mit¬ 
menschen  erfüllt,  das  auch  gegenüber  den  armen  Negerfrauen 
nicht  versagte.  Er  war  eine  gerade,  offene  Natur  und  ver¬ 
abscheute  jede  Art  von  Heuchelei.  Wo  er  Unrecht  sah, 
zögerte  er  nicht,  seine  Meinung  frei  herauszusagen,  was  ihm 
auch  manchen  Kummer  verursachte. 

Im  Jahre  1894  errichteten  ihm  seine  Mitbürger  im  Bryant 
Park  zu  New  York  eine  schöne  Statue;  sein  bestes  Denkmal 
ist  jedoch  sein  Werk,  ein  Monumentum  aere  perennius. 

A.  A 1 1  e  m  a  n  n. 


Paul  Segond. 

Am  27.  Oktober  v.  J.  starb  zu  Paris  Paul  Segond,  einer  der 
bekanntesten  französischen  Chirurgen. 

Paul  Segond,  dessen  unerwartetes  Hinscheiden  die  medi¬ 
zinische  Fakultät  in  Trauer  versetzte,  erklomm  nacheinander  alle 
Stufen  ärztlichen  Ansehens.  1874  als  Volontärarzt  und  etwas  später 
als  Assistenzarzt  zugelassen,  rückte  er  allmählich  zum  anatomischen 
Assistenten  und  Prosektor  der  Fakultät  vor.  Seine  Doktorarbeit 
(1880)  über  die  heissen  Prostataabszesse  und  die  periprostatitischen 
Phlegmonen  wurde  von  der  Academie  des  Sciences  und  der  Societe  de 
Chirurgie  preisgekrönt.  1882  zum  Chef  der  Klinik  ernannt,  sehen  wir 
ihn  im  Jahre  darauf  als  Hospitalchirurgen  und  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessor  der  medizinischen  Fakultät  auf  Grund  einer  ausgezeichneten 
Arbeit  über  die  Radikalbehandlung  der  Hernien. 

Als  chirurgischer  Chefarzt  der  Salpetriere  und  Generalsekretär 
der  Societe  de  Chirurgie  wurde  Segond  1904  Mitglied  der  Academie 
de  Medecine.  Er  gehörte  einer  grossen  Anzahl  französischer  und 
ausländischer  gelehrter  Gesellschaften  an  und  war  seit  1898  Offizier 
der  Ehrenlegion. 

Es  gibt  fast  keine  Frage  der  chirurgischen  Pathologie,  zu  der 
dieser  ausgezeichnete  Chirurg  nicht  wertvolle  Beobachtungen  und 
neue  operative  Indikationen  beigesteuert  hätte.  Unter  so  vielen  Ab¬ 
handlungen,  Referaten  und  kleineren  Aufsätzen,  von  denen  die  über 
die  chirurgische  Behandlung  der  Blasenexstrophie,  über  die  Resektion 
des  N.  maxillaris  Superior  und  des  Gangl.  sphenopalatinum,  über  die 
Chirurgie  der  Extremitäten,  über  Darmchirurgie,  über  die  Appendizitis 
zu  nennen  sind,  ist  vor  allem  derer  zu  gedenken,  die  das  Hauptwerk 
Segonds  darstellen,  seiner  gynäkologischen  Arbeiten. 

Ein  eifriger  Verfechter  der  konservativen  Chirurgie  des  Uterus, 
nahm  Segond  die  alte  A  m  u  s  s  a  t  sehe  Operation  wieder  auf  und 
schuf  eine  Operationstechnik  der  zervikalen  Hysterotomie  mit  nach¬ 
folgender  Enukleation  und  Zerstückelung  der  Korpusfibrome.  Er  führte 
die  P  c  a  n  sehe  Operation,  deren  Technik  bei  der  Behandlung  von 
Beckeneiterungen,  Adnextumoren  und  Fibromen  und  Neubildungen  des 
Uterus  er  sorgfältig  festlegte,  allgemein  ein.  Die  vaginale  Hysterek¬ 


tomie,  die  von  zahlreichen  Chirurgen  heftig  bekämpft  wurde,  fand 
in  ihm  einen  überzeugten  und  aufrichtigen  Verteidiger.  Er  erörtert 
der  Reihe  nach  ihre  Vorteile,  die  er  den  Gefahren  der  abdominalen 
Hysterektomie  gegenüberstellt,  aber  er  erkennt  in  loyaler  Weise  an, 
dass  diese  letztere  Operation  in  gewissen,  genau  umschriebenen 
Fällen  ausserordentlich  wertvoll  ist  und  trägt  selbst  zum  Studium  und 
zur  Verbreitung  der  amerikanischen  Methode  bei. 

Sein  gynäkologisches  Werk  wird  vervollständigt  durch  Arbeiten 
über  die  Chirurgie  der  Schwangerschaft  und  der  Entbindung  und 
durch  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Diagnostik  und  Behandlung  der 
Extraunterinschwangerschaft. 

Ein  so  bedeutendes  Werk  würde  für  sich  allein  genügen,  das 
Andenken  an  einen  Gelehrten  zu  verewigen.  Aber  wir  verehren  in  ihm 
auch  den  Menschen,  dem  alle  eine  lebendige  Erinnerung  bewahren 
werden,  die  das  Glück  hatten,  ihn  zu  kennen  und  ihm  näher  zu  treten. 
Ungemein  redegewandt,  von  hinreissender  Lebendigkeit  und  Heiterkeit, 
konnte  Segond  wie  kaum  ein  anderer,  alles  sagen,  was  er  sagen 
wollte.  Er  fand  überraschende,  oft  humoristische  Wendungen,  die 
das  Lachen  entfesselten  und  zur  Ueberzcugung  führten.  - 

Geschätzt  und  geliebt  von  seinen  Lehrern,  so  lange  er  zu  lernen 
hatte,  starb  Segond,  betrauert  von  Allen,  beweint  von  seinen 
Schülern.  P.  S  e  g  u  i  n  -  Paris. 


Allgemeine  Eindrücke  von  Amerika,  gelegentlich  der 
14.  deutschen  ärztlichen  Studienreise. 

Von  Prof.  G  a  1 1  i  in  Bordighera. 

Das  erste,  was  dem  europäischen  Besucher  in  Amerika  auffällt, 
ist  die  ausserordentliche,  individuelle  Unabhängigkeit  des  Ameri¬ 
kaners.  Die  Behörden  kümmern  sich  nicht  viel  um  das  einzelne  In¬ 
dividuum  und  man  sieht  fast  nichts  von  jener  patriarchalen  Bevor¬ 
mundung  der  europäischen  Behörden,  die  sich  bei  uns  an  allen  öffent¬ 
lichen  Orten  mit  allen  möglichen  Bekanntmachungen,  Warnungen  und 
..Verboten“  bemerkbar  macht.  Der  Amerikaner  ist  vor  allen  Dingen 
auf  sich  selbst  angewiesen.  „Help  yourself“.  Wenn  dieses  System 
auch  manche  Unannehmlichkeiten  im  Gefolge  haben  mag,  so  ist  es 
doch  gewiss  sehr  dazu  angetan,  die  individuelle  Tatkraft  und  Initiative 
im  höchsten  Masse  zu  entwickeln.  Während  man  bei  uns  viel  zu 
oft  zu  sehr  auf  die  Regierung  rechnet  und  zuviel  von  ihr  erwartet 
und  oft  ungerechterweise  über  die  Behörden  klagt,  statt  die  Schuld 
bei  den  einzelnen  Bürgern  zu  suchen,  schafft  in  Amerika  das  In¬ 
dividuum  selbst  Abhilfe,  oder,  wenn  dies  dem  Einzelnen  unmöglich  ist, 
tun  sich  mehrere  in  Gesellschaften,  Trusts  etc.  zusammen  und  er¬ 
zielen  auf  solche  Weise  wahrhaft  überraschende  Erfolge.  Eine 
weitere  gute  Wirkung  dieser  individuellen  Richtung  ist  das  starke 
Selbstbewusstsein  und  Vertrauen  in  sich  selbst;  ein  jeder  hält  sich 
dem  andern  gleichwert,  dekorative  Titel  sind  etwas  Unbekanntes, 
ebenso  wie  die  oft  übermässige  Schmeichelei  oder  gar  Kriecherei, 
der  man  manchmal  bei  uns  begegnet.  Dieser  Charakter  des  ameri¬ 
kanischen  Lebens  hat  sich  auch  im  medizinischen  Gebiet  ausgeprägt. 
Der  weitaus  grösste  Teil  aller  Krankenhäuser,  Kliniken  und  sonstigen 
Universitätseinrichtungen  ist  entweder  heute  noch  privater  Natur  oder 
doch  auf  private  Initiative  zurückzuführen.  Sobald  es  gilt  eine 
Lücke  auszufüllen  oder  einem  Bedürfnis  abzuhelfen,  verbinden  sich 
z.  B.  einige  Aerzte  zu  einem  „Board  of  Trustees“  und  gründen  ein 
Krankenhaus,  eine  Klinik  zur  Vervollkommnung  der  Aerzte,  manch¬ 
mal  eine  vollständige  Universität.  Wenn  dann  bei  den  steigenden 
Bedürfnissen  ihre  Kräfte  nicht  mehr  ausreichen,  um  allen  Verpflich¬ 
tungen  nachzukommen,  so  wenden  sie  sich  an  die  Allgemeinheit,  mit 
der  Bitte  um  Beihilfe,  und  das  Publikum  leistet  fast  immer  gern 
und  reichliche  Beiträge.  Das  Lying-in-Hospital  in  NewYork,  das 
Post-graduate  HosDital  ebenda  und  die  NewYork  Policlinic  sind 
imposante  Institute,  welche  auf  diese  Weise  entstanden  sind.  Aber 
ein  wahres  Vorbild  dessen,  was  private  Initiative  zu  leisten  vermag, 
ist  die  chirurgische  Klinik  der  Gebrüder  M  a  y  o.  In  einer  kleinen 
Stadt  des  Staates  Minnesota  haben  diese  hervorragenden  Chirurgen 
die  Klinik  ins  Leben  gerufen  und  diese  hat  sich  in  solch  gigantischer 
Weise  entwickelt,  dass  sie  nunmehr  nicht  nur  eine  der  wichtigsten 
Hilfsquellen  der  Stadt  bildet,  sondern  auch  in  Bezug  auf  die  Kranken¬ 
frequenz  sowohl,  als  auf  die  Riesenzahl  der  dort  tätigen  Aerzte  in 
keinem  Teile  der  Welt,  selbst  unter  den  staatlichen  Kliniken  nicht, 
ihresgleichen  findet. 

Sehr  viele  medizinische  Einrichtungen  verdanken  ihre  Ent¬ 
stehung  auch  der  Munifizenz  eines  Privatmannes,  welcher  oftmals 
nicht  nur  die  zur  Gründung  benötigte  Summe  hergibt,  sondern  auch 
später  immer  neue  Summen  zur  Verfügung  stellt,  damit  sich  das 
betreffende  Institut  immer  besser  entwickeln  kann.  Ein  typisches  Bei¬ 
spiel  dieser  Art  sahen  wir  im  Rockefellerinstitut  in  NewYork.  Im 
Jahre  1901  wurde  es  durch  den  bekannten  Millionär  ins  Leben  ge¬ 
rufen,  welcher  ein  Direktorium  von  sieben  Professoren  aus  den 
besten  Universitäten  der  vereinigten  Staaten  berief,  um  eine  Körper¬ 
schaft  zu  schaffen,  die  sich  „der  medizinischen  Forschung  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  Prophylaxe  und  Behandlung  der 
Krankheiten“  widmen  sollte.  Rockefeiler  stellte  zuerst  die 
Summe  von  300  000  Dollar  zur  Verfügung,  welcher  er  dann  noch 
2  620  610  Dollar  beifügte.  Als  sich  dann  später  das  Bedürfnis  nach 
einem  dem  Institut  angegliederten  Krankenhause  ergab,  konnte  dieser 

4* 


140 


MUCNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Vorschlag  des  „Board  of  Directors“  durch  eine  neue  Spende  von 
500  000  Dollars  im  Jahre  1908  ebenfalls  verwirklicht  werden;  ja  der 
freigebige  Mäcenat  erhöhte  diese  Summe  sogar  um  weitere 
170  015  Dollar,  weil  sich  der  erste  Plan  bei  der  Ausführung  als  zu 
beschränkt  erwies.  Mit  den  stetig  wachsenden  Bedürfnissen  des  In¬ 
stitutes  steigerte  sich  auch  die  Freigebigkeit  Rockefellers,  der 
im  Jahre  1910  wieder  3  141  000,  im  Jahre  1911  924  707  und  im 
Jahre  1912  noch  1  257  000  Dollar  folgen  liess. 

Ausser  einer  beträchtlichen  Anzahl  bekannter  Professoren,  die 
heute  dem  Rockefeller-lnstitut  angehören,  wirkt  dort  auch  der,  be¬ 
sonders  wegen  seiner  genialen  Experimente  der  Gewebetransplan¬ 
tation  berühmte  Prof.  Carrel,  der  erst  in  diesen  Tagen  mit  dem 
Nobelpreis  ausgezeichnet  wurde. 

Ein  weiteres  Charakteristikum  der  Amerikaner  ist  das  Bedürfnis, 
Gewaltiges,  über  das  gewöhnliche  Mass  hinausgehendes,  Verblüffen¬ 
des  zu  schaffen;  und  die  kolossalsten  Bauten,  die  riesenhaftesten 
Unternehmungen  findet  man  bekanntlich  in  Amerika.  Diese  Neigung 
verlässt  den  Amerikaner  auch  nicht  auf  medizinischem  Gebiete  und 
man  kann  die  Vorliebe  für  Wolkenkratzer,  z.  B.  auch  bei  den 
Hospitalbauten  konstatieren.  So  hat  die  NewYorker  Polyclinic  Me¬ 
dical  School  12  Stockwerke,  das  Lying-in-Hospital  9  und  das  Post¬ 
graduate  Hospital  einen  bescheidenen  Unterbau  von  7  und  darüber 
einen  Oberbau,  in  geringerer  Breite,  aber  weiteren  5  Stockwerken 
Höhe.  Die  Amerikaner  sind  überzeugt,  dass  unsere  Bauart  der 
Krankenhäuser  im  Pavillonsystem  mit  1 — 2  Stockwerken,  veraltet 
und  viel  weniger  praktisch  sei,  als  ihre  Hochbauten,  dass  sie  für 
Grossstädte  überhaupt  unausführbar  sei  und  dass  wir  besser  täten, 
auch  ihre  Art  anzunehmen.  Der  Betrieb  sei  billiger;  in  den  oberen 
Stockwerken  herrsche  bessere  Luft,  der  Küchendienst  wickelt  sich 
rascher  und  leichter  ab  und  die  Kranken  sind  im  Aufzug  leichter 
aus  den  Operations-  etc.  Sälen  wieder  in  ihre  Betten,  zu  bringen. 
Auch  dort,  wo  die  Terrain-  und  Geldfrage  nicht  dazu  zwingt,  folgt 
man  in  Amerika  daher  dem  System  der  Hochbauten  und  auch  das 
dem  Rockefeller-lnstitut  angegliederte  Krankenhaus  ist  z.  B.  8  Stock¬ 
werke  hoch. 

Was  für  unsere  Krankenhäuser  die  Gärten  und  Innenhöfe  sind, 
das  sind  für  die  amerikanischen  die  „ruff“.  Die  Kranken  bringen  viele 
Stunden  auf  diesen  Terrassen  zu,  sogar  die  Schwerkranken,  Fiebern¬ 
den,  werden  in  ihren  Betten  hinauf  geschafft  und  manche  bleiben 
sogar  die  Nacht  über  dort.  Zweifelsohne  atmen  die  Kranken  da  oben 
reinere  und  weniger  feuchte  Luft  ein,  sie  haben  mehr  Ruhe  und 
auch  mehr  oder  weniger  Aussicht  und  das  alles  rechtfertigt  die 
amerikanischen  hohen  Hospitalbauten. 

Uebrigens  geht  man  in  Amerika  auch  bei  der  Privatpraxis  ebenso 
ins  Riesenhafte.  Einen  guten  Begriff  davon  erhielt  ich  in  Chicago 
beim  Besuch  des  Columbus  Memorial  Building,  eines  Wolkenkratzers 
von  15  Stockwerken  und  einem  Reichtum  an  Aufzügen  und  sonstigen 
Bequemlichkeiten,  die  selbst  in  Amerika  ihresgleichen  suchen.  In 
diesem  Riesenbau  nun  sind  verschiedene  Stockwerke  nur  mit  ärzt¬ 
lichen  Sprechzimmern  besetzt.  Alle  nur  erdenklichen  Spezialisten 
sind  hier  vertreten  und  empfangen  zu  bestimmten  Stunden,  und 
ich  glaube  nicht  zu  übertreiben,  wenn  ich  die  Zahl  der  in  diesem  Bau 
vereinigten  Aerzte  auf  ca.  200  schätze. 

Auch  der  innere  Betrieb  der  Krankenhäuser  ist  nach  dem  Prinzip 
organisiert,  ein  Höchstnrass  von  Arbeit  mit  einem  Minimum  von  Zeit 
und  Anstrengung  zu  bewältigen.  Alles  ist  spezialisiert,  jeder  hat  seine 
bestimmte,  festgesetzte  Aufgabe.  Es  gibt  z.  B.  besondere  Kurse  für 
Anästhesie  und  Aerzte,  die  nichts  anderes  tun.  Der  Operateur  emp¬ 
fängt  den  Kranken  im  Operationssaal  schon  eingeschläfert  und  vor¬ 
bereitet  und  kümmert  sich  um  nichts  anderes  als  um  die  Operation. 
Alle  vorhergehenden  chemischen,  mikroskopischen  etc.  Unter¬ 
suchungen  werden  von  einem  eigens  dafür  spezialisierten  Stab  von 
Aerzten  ausgeführt.  Bemerkenswert  ist  auch  die  Bedeutung,  welche 
in  Amerika  die  Rektalchirurgie  erreicht  hat,  für  welche  es  ebenfalls 
Spezialkurse  und  Operateure  gibt. 

Wirklich  grossartig  sind  auch  die  Abteilungen  für  die  Kinder. 
Es  hat  mir  Eindruck  gemacht,  wie  z.  B.  im  Bellevue-Hospital  in 
NewYork  diese  kleinen  Patienten  behandelt  werden.  Die  Zahl  der 
Nurses,  die  Weitläufigkeit  der  Säle,  der  Ueberfluss  an  Raum  und 
Licht,  der  Reichtum  der  Einrichtungen  und  Mittel  für  Behandlung 
und  Prophylaxe  ist  wahrhaft  überraschend. 

Ebenso  grossartig  sind  die  „Heime“  für  die  Schwestern;  ge¬ 
waltige  Bauten,  mit  Direktions-,  Bibliotheks-  etc.  Sälen  und  be¬ 
quemen  Einzelschlafzimmern  für  die  Schwestern.  Bemerkenswert 
ist  auch  die  Genauigkeit  und  Vorsicht  bei  der  Auswahl  der  Adspiran- 
tinnen;  man  verlangt  von  ihnen  nicht  nur  ein  Attest  über  Gesundheit 
und  gute  Führung,  Impfzeugnis  etc.,  sondern  es  ist  auch  obligatorisch 
eine  Bescheinigung  des  Zahnarztes  über  gute  Zähne  vorzulegen.  Die 
Bewerberinnen  werden  je  nach  dem  Fall  angenommen  oder  abge¬ 
wiesen,  ohne  dass  für  letztere  Entscheidung,  die  immer  definitiv  ist, 
ein  Grund  angegeben  würde.  Durch  dieses  drakonische  Vorgehen  ist 
es  möglich  einen  Stab  von  Pflegerinnen  zusammenzubringen,  die 
wirklich  mustergültig  genannt  werden  können. 

Als  eine  wirklich  beachtens-  und  nachahmenswerte  Einrichtung 
möchte  ich  noch  das  „Social-Service“  erwähnen,  wie  es  z.  B.  im 
Bellevue-Hospital  funktioniert.  Ein  aufs  Geratewohl  aus  den  täg¬ 
lichen  Vorkommnissen  ausgewählter  Fall  möge  hier  den  Zweck  und 
die  Art  dieses  Social-Service  illustrieren.  Eine  Frau  kommt  in  das 
Ambulatorium  lim  sich  da  behandeln  zu  lassen.  Der  untersuchende 
Arzt  findet  den  Zustand  aber  so  kritisch,  dass  er  der  Frau  sagt, 


sie  müsse  sogleich  in  das  Hospital  eintreten,  um  operiert  zu  werden. 
Die  Frau  antwortet,  das  sei  unmöglich,  denn  sie  habe  sechs  Kinder 
zu  Hause,  die  sie  nicht  allein  lassen  könne.  Der  Doktor  steht  nun 
vor  einem  Problem,  das  er  nicht  allein  lösen  kann.  Hier  beginnt 
die  Tätigkeit  des  „Social-Service“.  Ein  Angestellter  begibt  sich  in 
die  Wohnung  der  Frau  und  erfährt  hier  folgendes:  Der  Mann,  ein 
Arbeiter,  ist  infolge  eines  Unglücksfalles  arbeitsunfähig  geworden  und 
die  Patientin  hat  deshalb  bisher,  mit  Hilfe  des  ältesten,  15  jährigen 
Sohnes  die  Familie  erhalten  müssen.  In  der  letzten  Zeit  ist  aber, 
der  eigenen  Krankheit  wegen,  der  Verdienst  immer  schmäler  ge¬ 
worden.  Wenn  sie  nun  in  das  Krankenhaus  eintritt,  kann  die  Familie 
nicht  mehr  leben.  Der  Hilfsplan  des  Social-Service  wird  nun  so 
festgesetzt;  der  fünfzehnjährige  Junge  und  das  älteste,  vierzehn¬ 
jährige  Mädchen,  müssen  während  der  Abwesenheit  der  Mutter  die 
Geschwister  und  den  Haushalt  versorgen;  die  nötigen  Mittel  werden 
von  einer,  vom  Social-Service  benachrichtigten  Wohltätigkeitsanstalt 
aufgebracht  und  das  Social-Service  sendet  seinerseits  dreimal 
wöchentlich  für  je  einen  halben  Tag  eine  Frau  zur  Hilfe,  um  das 
Haus  besser  in  Ordnung  zu  halten.  Ausserdem  wird  noch  eine 
Schwester  von  Zeit  zu  Zeit  Nachschau  halten,  um  sich  zu  überzeugen, 
dass  es  an  nichts  gebricht.  Ueber  das  Schicksal  der  Ihren  beruhigt, 
tritt  die  Mutter  am  nächsten  Tag  ins  Krankenhaus  ein,  wird  dort  mit 
Erfolg  operiert  und  nach  3  Wochen  ins  Rekonvaleszentenheim  ge¬ 
schickt,  das  sie  nach  etwa  einem  Monat  geheilt  und  neugekräftigt 
verlässt.  So  wird  nicht  nur  die  Mutter,  sondern  eine  ganze  Familie 
gerettet. 

Ein  Zweig  des  Social-Service,  der  auch  bei  uns  Nachahmung 
verdiente,  ist  die  sog.  „Psychopatic-Division“.  Der  Amerikaner 
ist  in  allen  Dingen  des  Lebens  ausnehmend  praktisch.  Er  hat  bald 
herausgefunden,  dass  die  Ratschläge  und  Vorschriften,  die  der  Arzt 
im  Krankenhaus  oder  im  Sprechzimmer  des  Patienten  erteilt,  in  den 
nervösen  Formen  nur  eine  sehr  relative  Wirkung  haben.  Die  Ange¬ 
stellten  der  Psychopatic-Division  suchen  deshalb  den  Kranken  in 
seiner  Wohnung  auf,  studieren  das  Milieu,  versuchen  durch  ihr  Ein¬ 
greifen  etwa  schädigende  Einflüsse  und  Ursachen  zu  beseitigen;  ganz 
als  ob  es  sich  um  die  Bekämpfung  einer  infektiösen  Krankheit  handeln 
würde  und  die  praktischen  Resultate  scheinen,  wie  aus  den  Veröffent¬ 
lichungen  hervorgeht,  sehr  günstige  zu  sein. 

Der  gleiche  Zug  der  Grossartigkeit  macht  sich  auch  in  den  Uni¬ 
versitäten  bemerkbar;  deren  Gebäude  sind  pompös,  die  Museen 
.  enorm.  Die  Bibliotheken  sind  aussergewöhnlich  gut  dotiert,  mit 
grossen  Lesesälen  für  die  Studenten  der  verschiedenen  Fakultäten 
versehen,  in  denen  die  Fachzeitschriften  und  Revuen  in  ausser- 
gewöhnlich  grosser  Zahl  allen  Studierenden  zur  Verfügung  stehen. 
Uebrigens  ist  jede  amerikanische  Stadt  stolz  auf  die  eigene  Bibliothek. 
So  selten  ein  Buchhändlerladen  anzutreffen  ist,  so  zahlreich  sind  da¬ 
für  die  öffentlichen  Bibliotheken  und  Lesesäle.  Als  besonders  gross¬ 
artig,  auch  vom  architektonischen  Standpunkt  aus,  möchte  ich  die 
Bibliotheken  von  Washington  und  NewYork  anführen. 

Aussergewöhnlich  entwickelt  ist  in  den  amerikanischen  Universi¬ 
täten  die  Leidenschaft  für  den  Sport.  Die  Universität  von  Chicago 
z.  B.  besitzt  ein  eigenes  grosses  Gebäude  mit  geräumigem  Schwimm¬ 
bad,  Fechtsaal  und  allen  möglichen  Apparaten  für  Gymnastik  etc.  und 
jeder  Student  muss  auch  ein  Examen  über  seine  körperlichen  Fähig¬ 
keiten  ablegen.  Dass  der  Rudersport  und  Spiele  im  Freien,  wie 
Baseball  etc.,  auf  der  Tagesordnung  stehen,  versteht  sich  von  selbst. 
Die  Leidenschaft  für  Kraftproben  und  physische  Kultur,  die  ohnehin 
jedem  Amerikaner  angeboren  ist,  wird  übrigens  von  den  Universitäts¬ 
behörden  noch  nach  Möglichkeit  unterstützt  und  immer  mehr  an¬ 
gespornt.  Bei  der  Eröffnung  der  Howard  Universität  in  Washington 
am  24.  September  hatte  z.  B.  jeder  Student  einen  Brief  des  Präsi¬ 
denten  (Rektors)  empfangen,  der  unter  anderem  folgenden  Passus 
enthielt;  „Wir  bewillkommen  Euch  in  diesem  neuen  Studienjahr. 
Ihr  sollt  nicht  nur  Euren  Geist  hier  bilden,  sondern  Euch  physisch, 
moralisch  und  sozial  üben  und  betätigen.  Jeder  Teil  der  Universität 
verdient  deshalb  Eure  Aufmerksamkeit.  Der  Sport  soll  Euch  rein 
erhalten  und  befähigen,  auch  Eurem  Nächsten  zu  nützen.“ 

Die  Universität  von  Chicago  verlangt,  dass  der  Student  bei  der; 
Eintragung  ein  Formular  ausfüllt,  das  eine  wahre  klinische  Ge¬ 
schichte  darstellt  und  in  dem  u.  a.  folgendes  gefragt  wird:  Alter  der 
Eltern  bei  der  Geburt  des  betr.  Studenten;  Krankheiten,  die  in  der 
Familie  bisher  vorgekommen  sind;  Gesundheitszustand  des  Vaters; 
ob  der  Student  aus  der  Stadt  oder  vom  Lande  stammt;  welche  Krank¬ 
heiten  er  durchgemacht  hat  und  an  welchen  er  vielleicht  noch  leidet; 
ob  er  Neigung  zu  Erkrankungen  hat  oder  nicht.  Und  das  ist  noch 
lange  nicht  alles;  das  Formular  weist  auch  noch  folgende  Fragen  auf:' 
Schlafen  sie  gut  und  wie  viele  Stunden  im  Durchschnitt?  Atmen 
Sie  durch  die  Nase  oder  den  Mund?  Welchen  Sport  treiben  Sie  und 
wie  viele  Stunden  in  der  Woche? 

Diese  Aufmerksamkeit,  die  dem  körperlichen  Befinden ,  zu-‘ 
gewandt  wird  und  die  Abstinenz  von  geistigen  Getränken  erklärt  es, 
dass  man  in  den  amerikanischen  Universitäten  fast  nur  kräftige  Stu¬ 
denten  von  gesundem  Aussehen  antrifft,  die  bedeutende  körperliche 
Leistungen  mit  Leichtigkeit  bewältigen.  Tatsächlich  ist  so  mancher 
von  ihnen  genötigt,  sich  während  der  Ferienmonate  durch  eigene, 
oftmals  schwere  körperliche  Arbeit  die  für  die  Studien  nötigen  Mit¬ 
tel  zu  erwerben.  So  erzählte  mir  ein  schwarzer  Student  von  der 
Howard-Universität  in  Washington,  einer  Universität,  die  fünf,  fast 
ausschliesslich  von  Negern  besuchte  Fakultäten  besitzt,  dass  er  seine 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Studien  durch  die  Trinkgelder  bestreite,  die  er  als  Steward  in  einem 
Schlafwagenzug  empfange. 

Auch  in  diesen  Fällen,  wie  überhaupt  überall  im  Leben,  sind 
eben  dem  Amerikaner  alle  Mittel  recht,  wenn  sie  nur  zum  Ziel,  d.  h. 
zum  Erfolg  führen.  Der  Erfolg  ist  dem  Amerikaner  alles,  und  das 
ganze  Leben  des  Einzelnen  wie  des  Volkes  lässt  sich  in  letzter  Ana¬ 
lyse  in  einer  Summe  von  Dollars  zusammenfassen;  sie  ist  der  greif¬ 
bare  Ausdruck  dessen,  was  ein  Individuum  wert  ist.  Dieser  Begriff 
vom  Wert  der  menschlichen  Tätigkeit  erklärt  verschiedene  öffentliche 
Dispositionen,  die  uns  übertrieben  dünken,  ebenso  wie  die  grosse 
Leichtigkeit,  mit  der  man  sich  in  Amerika  zu  chirurgischen  Engriffen 
entschliesst.  Bei  der  Wahl  der  Mittel  greift  der  Amerikaner  eben 
immer  zu  jenem,  das  am  sichersten  und  schnellsten  zum  Ziel  führt. 
Es  ist  z.  B.  schon  oft  gesagt  worden,  dass  die  Untersuchung  der  Ein¬ 
wanderer  inhuman  sei  und  viele  haben  Ellis  Island,  wo  die  Ausschif¬ 
fung  der  Einwanderer  erfolgt,  das  grösste  Gefängnis  der  Welt  ge¬ 
nannt.  In  der  Tat,  niemand,  der  Ellis  Island  besucht  und  die  kolos¬ 
salen  Eisengitter  sieht  und  die  kurze  militärische  Art  der  Beamten 
und  den  ungeheuren,  menschlichen  Strom,  der  von  einem  Inspektions¬ 
raum  zum  andern,  von  einem  Bureau  zum  andern  geleitet  und  Tage 
lang  hin-  und  hergeschoben  wird,  vermag  sich  eines  Schauderns  zu 
erwehren.  Aber  bei  einigem  Nachdenken  sagt  uns  unsere  Vernunft, 
dass  es  eben  nicht  anders  sein  kann.  Bis  zu  ein  und  einer  halben 
Million  Menschen  sind  schon  in  einem  Jahr  aus  allen  Teilen  der  Welt 
im  Hafen  von  New  York  gelandet;  wer  will  es  da  dem  Staate  ver¬ 
übeln,  dass  er  alle  Kranken,  Alten  und  Mittellosen  fernzuhalten  sucht; 
lauter  Leute,  die  früher  oder  später  doch  dem  Staat  zur  Last  fallen 
würden?  Im  Territorium  von  Panama  erstreckt  sich  die  Quarantäne 
und  die  Untersuchung  sogar  auf  die  Kajütenpassagiere,  die  aus  den 
Südstaaten  kommen,  aber  diese  Strenge,  zusammen  mit  den  wirklich 
grosszügigen  prophylaktischen  Massregeln  gegen  das  gelbe  Fieber 
und  die  Malaria  erklärt  es,  dass  es  der  amerikanischen  Regierung  ge¬ 
lang,  das  gewaltige  Werk  der  Durchstechung  des  Isthmus  von 
Panama  zu  Ende  zu  führen,  an  dem  sich  vorher  eine  andere  grosse 
Nation  nutzlos  erschöpft  hatte. 

Auch  den  Kranken  lässt  der  Gedanke,  Erfolg  um  jeden  Preis 
haben  zu  müssen,  nicht  los;  der  Drang  zur  Arbeit  bzw.  zum  Geld- 
verdienen  ist  so  stark  in  jedem  Individuum,  dass  es  ihm  unmöglich 
ist,  lange  in  einem  Krankensaal  zu  liegen  und  sich  ruhig  vom  Inter¬ 
nisten  behandeln  zu  lassen;  die  Operation  auch  wenn  sie  nur  explora- 
tiven  Charakter  hat,  wird  deshalb  sehr  gern  gewählt.  Die  Exstir¬ 
pation  des  Wurmfortsatzes  ist  da  drüben  die  alltäglichste  Sache  der 
Welt  und  selbst  wenn  der  Chirurg  aus  anderen  Gründen  Eingriffe  in 
die  Bauchhöhle  zu  machen  hat,  wird  der  Wurmfortsatz  ohne  weiteres 
entfernt.  Die  Verwandten  und  auch  die  Patienten  selbst  scheinen 
sich  gewissermassen  auf  die  Operation  zu  freuen  und  wenn  man  die 
Säle  durchschreitet,  in  welchen  die  zur  Operation  bestimmten  Kran¬ 
ken  liegen,  sieht  man  keine  verzweifelten  oder  traurigen  Mienen, 
sondern  auf  allen  Gesichtern  spiegelt  sich  eine  gewisse  Ungeduld 
und  die  sichere  Erwartung,  dass  sie  bald  geheilt  seien  und  dann 
diesen  Ort  der  Untätigkeit  wieder  verlassen  können.  Interessant  ist 
es  auch,  zu  sehen,  wie  rasch  und  leicht  der  Amerikaner  zu  narkoti¬ 
sieren  ist;  Morphium,  Skopolamin  werden  ebensowenig  angewandt, 
als  lokale  Anästhesie;  man  kennt  nur  die  allgemeine  Narkose  mit 
Aether,  Chloroform  wird  auch  nur  selten  verwendet.  Die  Technik 
der  Anaesthesie  ist  bewundernswert,  und  ich  habe  verschiedene 
hochangesehene  Chirurgen,  die  an  unserer  Studienreise  teilnahmen, 
mit  Begeisterung  davon  sprechen  hören.  Die  eigentliche  Operation 
selbst  geht  bei  den  Amerikanern  (im  Gegensatz  zu  der  bei  uns  ver¬ 
breiteten  Ansicht)  nicht  rascher  vor  sich,  als  bei  den  europäischen 
Chirurgen;  im  Gegenteil,  die  Operateure  arbeiten  mit  grosser  Um¬ 
ständlichkeit  und  Genauigkeit  und  halten  es  z.  B.  bei  Laparotomien 
tiir  ihre  Pflicht,  sich  gleich  zu  überzeugen,  ob  alle  Organe  in  Ordnung 
sind.  Aus  diesem  Grund  dauert  die  Operation  in  der  Regel  länger, 
als  in  Europa,  aber  diese  lange  Dauer  bringt  dank  der  vorzüglichen 
Narkose  keine  unangenehmen  Zwischenfälle. 

Meine  besondere  Aufmerksamkeit  hat  auch  die  schon  ziemlich 
ausgedehnte  Bewegung  für  Freiluftschlafen  und  Leben  („Living  and 
Sleeping  in  the  openair“)  erregt.  Das  grösste  Verdienst  um  die  Pro¬ 
paganda  hat  sich  Prof.  Knopf  in  New  York  erworben,  der  mit 
Wort  und  Schrift  und  seinem  Beispiel  sich  dafür  einsetzt.  Ich  emp- 
tend  aufrichtige  Bewunderung  für  den  hochgeschätzten  Freund  und 
Kollegen,  als  er  mir  in  seinem  Heim  die  sinnreiche  Betteinrichtung 
ZeM*f’  es  er.möglicht,  *n  e'ner  Stadtwohnung  in  freier  Luft  zu 
schlafen.  Wer  sich  für  diese  Behandlungsart  interessiert,  kann  alles 
nähere  aus  den  vorzüglichen  Publikationen  Knopfs  und  aus  den 
I  ropagandaschriften  der  Metropolitan  Life  Insurance  Company  in 
New  York  erfahren. 

Einen  sehr  schlechten  Eindruck  macht  auf  den  europäischen  Arzt 
die  allgemein  verbreitete  Gewohnheit  der  Aerzte,  in  allen  möglichen 
politischen  und  sonstigen  Zeitungen  zu  inserieren,  und  zwar  eine 
Art  von  Reklame  zu  machen,  die  für  uns  etwas  ganz  Unbekanntes 
ist.  Da  ist  z.  B.  ein  Dr.  R.  „Spezialist“  für  folgende  Krankheiten, 
Nervensystem,  Haut,  Blut,  Herz,  Magen,  Leber,  Nieren,  Blattern, 
Nase  Hals,  Lungen,  Strikturen,  Varikozele,  Hydrozele.  Ein  anderer, 
der  über  30  Jahre  Praxis  hinter  sich  hat  („over  30  Years  practice“), 
behandelt  ausser  all  den  obengenannten  Krankheiten  auch  noch  als 
-  pezialist  schlechten  Appetit,  schlechten  Geschmack,  Magerkeit,  ver- 
Lebenskraft  („Löss  of  appetite,  bad  taste,  loss  of  flesh,  loss  of 
V|tahty  )  etc.,  und  zu  alledem  macht  er  noch  die  erste  Untersuchung 


141 


umsonst  („Consultation  free“).  Ein  anderer  will  überhaupt  keinen 
g/ent,  bevor  der  Patient  eine  Besserung  verspürt.  Sogar  die  Dauer 
dei  Kur  wird  ganz  genau  angegeben;  eine  Blutvergiftung  verlangt 
eine  Kur  von  90  Tagen,  ein  Ausschlag  dagegen  nur  30,  eine  Nerven- 
sc  wache  30,  ein  Nierenleiden  30,  eine  variköse  Vergrösserung 
läge.  Hin  anderer,  Dr.  D.  W„  behandelt  ebenfalls  zahlreiche  Lei- 
cen,  besonders  geheime,  wirklich  radikal  und  zu  sehr  bescheidenen 
Dieisen;  auch  bei  ihm  sind  die  Konsultationen  gratis.  Sein  dring¬ 
licher  Aufruf  an  alle  Leidenden  schliesst  mit  diesen  Worten:  „Kommt 
alle,  um  das  anatomische  Museum  zu  besichtigen  und  den  Menschen 
in  gesundem  und  krankem  Zustand  zu  sehen.  Eintritt  frei.“  Ein 
Dr.  By . . .  endlich  bringt  sogar  sein  Bildnis  in  den  Inseraten,  und 
zwai  sieht  man  ihn  am  Mikroskop  und  vor  ihm  auf  dem  Tisch  steht 
eine  chemische  Retorte.  Seine  Fähigkeiten  scheinen  wirklich  die 
allei  speziellsten  zu  sein,  denn  er  behandelt  nur  „chronische  und  ner- 
vöS6  Leiden,  die  von  anderen  ohne  Erfolg  behandelt  wurden“,  und 
er  ruft  dem  Publikum  zu:  „Ihr  braucht  erst  nach  der  Behandlung  zu 
bezahlen. 

...  .  ^uch  ^'e  Universitäten  und  die  Postgraduate  Schools  inserieren 
übrigens  in  den  Tageszeitungen,  aber  doch  in  sehr  dezenter  Weise 
Sie  weisen  höchstens  auf  das  Alter  des  Institutes  und  den  Reichtum 
der  Lehrmittel  hin,  halten  sich  also  streng  innerhalb  der  von  Takt 
und  Standesehre  gezogenen  Grenzen. 

Es  haben  sich  aber  gegen  die  ärztliche  Reklame  in  politischen 
Zeitungen  auch  drüben  schon  zahlreiche  Stimmen  erhoben  und  man 
hat  eine  Abwehrbewegung  eingeleitet,  so  dass  man  zu  Ehren  der 
amerikanischen  Medizin  hoffen  darf,  dass  dieser  Missstand  bald  be- 
sedigt  werde.  Gegen  einen  anderen  schweren  Uebelstand.  gegen 
die  Geheimmittel  und  charlatanistischen  Spezifikums,  kämpft  in  echt 
amerikanischer  Grosszügigkeit  und  mit  entsprechendem  Erfolg  die 
„American  medical  Association“,  eine  mächtige  Vereinigung  von 
Aerzten,  die  ihren  Sitz  in  Chicago  hat,  wo  sie  ein  imponierendes, 
siebenstöckiges  Gebäude  besitzt,  in  welchem  sich  ausser  ausgedehn¬ 
ten  Räumen  für  chemische  Untersuchungen  u.  dergl.  auch  die 
Druckerei  und  Redaktion  des  offiziellen  Organs  der  Vereinigung,  des 
„Journal  of  the  American  medical  Association“  befindet.  Diese  Zeit¬ 
schrift  nimmt  einen  hervorragenden  Platz  in  der  amerikanischen 
medizinischen  Literatur  ein;  sie  ist  vorzüglich  geleitet  und  erscheint 
in  der  gewaltigen  Auflage  von  55  000  Exemplaren. 

Alles  zusammenfassend  kann  ich  von  unserer  Reise  in  Amerika 
nur  sagen,  dass  sie  reich  an  neuen  und  eigenartigen  Eindrücken  war; 
wir  haben  grossartige  Einrichtungen  gesehen  und  tüchtige,  hervor¬ 
ragende  Kollegen  kennen  gelernt,  und  wenn  man  sich  nach  diesen 
flüchtigen  Umblicken  ein  Urteil  gestatten  darf,  so  kann  es  nur  dahin 
gehen,  dass  sich  die  wissenschaftliche  Welt  Amerikas  auf  breiter, 
guter  Strasse  vorwärts  bewegt,  dass  sie  unabhängig  und  von  einem 
kräftigen  Impuls  zur  Initiative  erfüllt  ist  und  in  nicht  ferner  Zeit  auch 
auf  diesem  Gebiet  die  Lehrer  der  alten  Welt  nicht  nur  einholen, 
sondern  überflügeln  ward. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Prof.  Dr.  Paul  Eisler:  Die  Muskeln  des  Stammes.  Mit  106 

meist  farbigen  Abbildungen  nach  Zeichnungen  des  Verfassers.  Jena, 
Verlag  von  Gustav  Fischer,  1912.  705  S.  Preis  M.  28. — . 

Eislers  Buch,  welches  der  zweiten  Abteilung  des  achtbändi¬ 
gen,  von  K.  v.  Bardeleben  herausgegebenen  Handbuches  der 
Anatomie  angehört,  bringt  im  1.  Teil  die  allgemeine  Myologie.  Hier 
wird  die  Histologie  der  quergestreiften  Muskelfaser,  ihre  physi¬ 
kalisch-chemischen  Eigenschaften  (Totenstarre)  abgehandelt,  die  all¬ 
gemeine  Entwicklung  und  Anordnung  der  Skelettmuskulatur  be¬ 
sprochen  und  der  Muskel  als  Organ  in  seinen  Beziehungen  zum  Binde¬ 
gewebe,  zum  Nerven-  und  Gefässystem  betrachtet,  wobei  u.  a.  die 
vom  Verfasser  selbst  nach  v.  Bardelebens  und  F  r  o  h  s  e  s  Vor¬ 
gang  präparatorisch  erreichte  Darstellung  der  intramuskulären  Ner- 
venverzweigungen  ein  Beispiel  dafür  ist,  dass  Eislers  stolzes 
Werk  nicht  nur  eine  Bearbeitung  der  gesamten  einschlägigen  Litera¬ 
tur  in  sich  begreift,  sondern  auch  auf  zahlreichen  und  mühevollen 
eigenen  Untersuchungen  fusst.  Den  Schluss  des  allgemeinen  Teiles 
bilden  dann  Kapitel  über  das  Wachstum  des  Muskels,  über  die  Varia¬ 
tionen  im  Muskelsystem,  die  Verteilung  und  Anordnung  der  Musku¬ 
latur  und  die  Anzahl  und  Benennung  der  Muskeln.  Der  spezielle 
Teil  enthält  für  jeden  Muskel  des  Stammes  seine  Beschreibung,  die 
Darstellung  seiner  Lagebeziehungen,  Innervation  und  Blutversorgung, 
ferner  die  Variationen  des  betreffenden  Muskels  und  seine  ver¬ 
gleichende  Anatomie  und  Ontogenie.  Als  besondere  Kapitel  seien 
dann  noch  die  über  die  Halsfaszien,  die  Fascia  axillaris,  die  Fasciae 
dorsi  und  das  über  die  bindegewebigen  Strukturen  der  ventralen  und 
lateralen  Bauchwand  (Rektusscheide,  Abdominalfaszien,  Leistenband 
und  Leistenkanal)  erwähnt.  Die  Darstellung  wird  durch  eine  grosse 
Anzahl  von  naturgetreuen  und  doch  sehr  klaren  Abbildungen  illu¬ 
striert,  die  sämtlich  nach  Zeichnungen  des  Verfassers  hergestellt  sind. 

F.  Wassermann  - München. 

Handbuch  der  gesamten  medizinischen  Anwendungen  der  Elek¬ 
trizität,  einschliesslich  der  Röntgenlehre.  Herausgegeben  von 
H.  Boruttau  und  L.  Man  n.  2.  Bd„  2.  Hälfte,  mit  292  Abbildungen 
und  einer  Tafel.  Preis  geh.  M.  30. — .,  geh.  M.  32.50.  Verlag 
Dr.  Werner  Klink  har  dt,  Leipzig  1911. 


142 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Nach  langer,  langer  Zeit  folgt  die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Ban¬ 
des  nun  der  ersten  Hälfte.  Zweifellos  schadet  es  dem  Absatz  des 
vorliegenden  Werkes,  dass  die  einzelnen  Teile  in  so  sehr  grossen 
Zeitabschnitten  herausgegeben  werden.  Der  neue  Band  ist  vorzüg¬ 
lich  der  Elektro  t  h  e  r  a  p  i  e  gewidmet.  In  einem  „allgemeine  Elektro- 
therapie“  iiberschriebenen  Kapitel  erörtert  Wertheim-balo- 
m  o  n  s  o  n  eingehend  und  verständlich  die  wissenschaftlichen  uruncl- 
lagen  der  Elektrotherapie.  So  gross  die  Literatur  ist,  die  hier  an¬ 
geführt  und  verwendet  wurde,  der  direkte  Nachweis,  dass  die  EleK- 
trizität  als  solche  heilend  wirkt,  ist  freilich  selten  erbracht.  Maurice 
Mendelsohn  behandelt  die  spezielle  Elektrotherapie  dei 
Muskelkrankheiten.  Bei  Muskellähmungen  will  ja  eine  Anzahl  nam¬ 
hafter  Forscher  durch  vergleichende  Tierexperimente  festges teilt 
haben,  dass  die  elektrische  Behandlung  nicht  anzuzwenelnde  positive 
Erfolge  habe.  Behauptungen,  die  auch  vom  theoretischen  und  kli¬ 
nischen  Standpunkt  aus  wohl  begründet  werden  können.  Anders 
steht  es  wohl  mit  der  Elektrotherapie  der  „Gelenkkrankheiten  .  Es 
mag  zugegeben  werden,  dass  durch  frühzeitiges  Elektrisieren  ue^ 
zu  den  erkrankten  Gelenken  gehörigen  Muskeln  prophylaktisch  der 
drohende  Muskelschwund  vermieden  werden  kann.  Ob  aber  che 
Gelenkprozesse  selbst  durch  Galvanisation,  Faradisation,  Aisonvali- 
sation  wirklich  zum  Bessern  beeinflusst  werden  können,  ist  noch  zu 
wenig  erwiesen  als  dass  darüber  ein  grosses  Kapitel  gesclu  leben  wer- 

dui  ^Darstellung  des  schwierigen  Kapitels  der  „speziellen  Elektro¬ 
therapie  der  Nervenkrankheiten“  hat  der  Mitherausgeber  des  Werkes, 

L.  Mann-  Breslau,  selbst  übernommen.  Es  ist  nicht  leicht,  gute 
elektrotherapeutische  Vorschläge  zu  machen,  nach  denen  die  ein¬ 
zelnen  Gehirn-,  Rückenmarks-  und  Nervenkrankheiten  zu  behandeln 
sind.  Es  gehört  grosser  therapeutischer  Enthusiasmus,  es  gehören 
aber  auch  gute  positive  Kenntnisse  dazu,  um  dies  Kapitel  gut  ab¬ 
fassen  zu  können.  Wir  haben  wohl  niemand  in  Deutschland,  dei 
über  so  grosse  elektrodiagnostische  und  elektrotherapeutische  er- 
fahrung  verfügt,  wie  eben  L.  Man  n.  So  ist  es  auch  begreiflich, 
dass  dieses  Kapitel  besonders  gut  ist.  Wenn  freilich  genaue  elek¬ 
trische  Rezepte  gegeben  werden,  wie  z.  B.  Symptome  der  sexuellen 
Neurasthenie,  wie  die  Spermatorrhöe  oder  die  Impotenz  behandelt 
werden  sollen,  so  mutet  einen  dieses  etwas  altmodisch  an.  Sehi  ge¬ 
schickt  sind  die  Kapitel  über  die  elektrische  Behandlung  der  Hysterie, 
der  traumatischen  Neurosen  und  der  Beschäftigungsneui  osen  ab¬ 
gefasst.  Es  gibt  eben  doch  keinen  Faktor,  der  die  Psychotherapie 
so  eindruckvoll  und  so  wirksam  unterstützt,  als  eben  die  Elek¬ 
trizität.  „  , 

Giovanni  Galli  steht  bei  der  Abfassung  der  Elektiotheiapie 
der  inneren,  speziell  der  Herzkrankheiten  zu  sehr  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  Marbacher  Richtung  von  Smith  und  Horn  u  n  g,  als 
dass  seine  Darlegungen  allgemeine  Anerkennung  finden  konnten. 
Dass  die  Hochfreouenzströme  „ein  gutes  Hilfsmittel  in  der  Behänd- 
lung  geeigneter  Fälle  von  Arteriosklerose,  sowie  bei  erhöhtem  olut- 
druck  sind“  ist  eben  noch  nicht  erwiesen. 

In  dem  Abschnitt  der  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  Rhino- 
Laryngologie  (Arth.  Alexander)  werden  hauptsächlich  Apparate 
und  für  diese  Spezialwissenschaft  besonders  geeignete  Elektroden  ge¬ 
schildert.  Dass  in  dem  Kapitel  der  Elektrotherapie  in  der  Augen¬ 
heilkunde  (O.  Feh  r)  neben  Beschreibung  geeigneter  feiner  elektro- 
kaustischer  Brenner  und  Beleuchtungsapparate  besonders  die  Magnet¬ 
therapie  behandelt  wird,  braucht  kaum  erwähnt  zu  werden. 

Die  Artikel  über  die  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  Ohren¬ 
heilkunde  (G.  Brühl),  bei  den  Hautkrankheiten  (P.  Meissner), 
bei  den  Frauenkrankheiten  und  den  Gelenk-  und  Knochenverletzungen 
(A.  Laquerriere)  können  wesentlich  neue  Gesichtspunkte  nicht 

bringen.  .. 

Ausserordentlich  interessant  sind  die  Abschnitte  über  rranklini- 
sation  von  v.  Luzenberger  und  über  die  medizinische  Anwen¬ 
dung  der  Hochfrequenzströme  von  F.  B  e  r  g  o  n  i  e.  Leider  stehen 
nur  die  therapeutischen  Erfolge  dieser  Formen  der  Elektrizität  - 
einstweilen  wenigstens  - —  mit  den  grossen  Fortschritten,  welche  die 
Physik  in  dieser  Hinsicht  erzielt  hat,  in  schlechtem  Verhältnis. 

Etwas  anderes  ist  es  mit  den  Hilfsanwendungen  der  Elektrizi¬ 
tät  in  der  Medizin  (P.  Meissner  und  H.  Borutta  u).  Wer 
möchte  die  verschiedenen  Beleuchtungsapparate,  die  uns  einen  Ein- 
.  blick  in  die  Körperhöhlen  gestatten,  missen;  welche  Erleichterungen 
bedingen  dem  Chirurgen  die  elektrisch  angetriebenen  Instrumente! 

Als  letzter  Abschnitt  ist  dem  Buch  ein  Kapitel  über  die  Photo¬ 
therapie  angegliedert.  Auch  in  dieser  Hinsicht  leistet  —  das  ist  nicht 
zu  leugnen  —  die  Elektrizität  der  kranken  Menschheit  grosse  Dienste. 
R.  Steiner  verstand  es  sehr  gut,  die  physiologische  Wirkung  der 
verschiedenen  Anwendungsformen  der  Lichttherapie  wie  der  F  i  n  - 
senbehandlung,  der  Metallichtbehandlung,  der  Glühlichtbäder 
darzustellen. 

So  gibt  einem  das  vorliegende  Werk  einen  trefflichen  weiten 
Ueberblick  über  das,  was  es  im  Titel  verspricht,  über  die  gesamte 
Anwendung  der  Elektrizität  in  der  Medizin. 

L.  R.  Müller-  Augsburg. 

Wullstein-Wilins:  Lehrbuch  der  Chirurgie.  3.  Auflage, 
1912.  Verlag  von  Gustav  Fischer.  3  Bände.  Broschiert  M.  29.50, 
gebunden  M.  32.50.  ,  . , 

Das  Lehrbuch  der  Chirurgie  von  W  u  1 1  s  t  e  i  n  und  \v  i  1  in  s 
liegt  bereits  in  3.  Auflage  vor,  nachdem  die  1.  Auflage  erst  1908/09 


erschienen  ist.  Nach  Form  und  Inhalt  weist  die  neue  Auflage  wenig 
Änderungen  auf,  die  Zunahme  von  83  Bildern  ist  allerdings  be¬ 
trächtlich;  Einzelne  Kapitel  sind  vervollständigt.  So  werden  im 
1  Band  die  Erkrankungen  der  Halslymphdrüsen  ausführlicher  be¬ 
sprochen,  bei  tuberkulösen  Lymphomen  empfiehlt  de  Quervain 
womöglich  konservative  Behandlungmethoden  -  Jodoforminjektion, 
Sonnen-  oder  Röntgenbestrahlung.  Die  operative  Behandlung  müsse 
in  den  Hintergrund  treten.  Im  2.  Band  der  3.  Auflage  referiert 
Schloff  er  bei  den  Erkrankungen  des  Magens  über  radiologische 
Magen-,  Lanz  bei  den  Darmerkrankungen  über  röntgenologische 
Darmuntersuchungen.  Neu  behandelt  L  an  z.  auch  das  viel  diskutierte 
Krankheitsbild  des  Coecum  mobile.  Nach  L.  fuhrt  das  Coecum 
mobile  wieder  zur  alten  Lehre  der  Typhlitis  zuruck.  Dass  von  dieser 
gar  nicht  mehr,  wohl  aber  bei  analogen,  linksseitigen  Symptomen  von 
Sigmoiditis  gesprochen  werde,  sei  unbegreiflich  und  nur  als  Reaktion 
zu  erklären  auf  die  früher  alles  dominierende  Theorie  der  Typnhtis 
stercoralis.  Therapeutisch  zieht  La  nz  der  Zoekopexie  die > 
plikatio  vor.  Im  3.  Band  weist  Lange  bei  der  kongenitalen  Huft- 
gelenksluxation  darauf  hin,  dass  nach  den  Erfahrungen  der  letz  en 
Jahre  die  Endresultate  der  unblutigen  Einrenkung  nicht  selten  duich 
Deformierungen  des  Kopfes  getrübt  werden.  Der  weiche  Kopf  werde 
bei  Bewegungen  an  dem  harten,  unebenen  Pfannengrund  abgeschhffen. 
Diese  Deformierung  würde  sich  bei  alteren  Kindern  häufiger  zeigen 
wie  bei  jüngeren,  weshalb  man  auch  aus  diesem  Grunde  die  Repo¬ 
sition  möglichst  früh  vornehmen  soll.  Ritter  empfiehlt  zur  Nach¬ 
behandlung  Amputierter  warm  die  Hoeftma  n  n  sehen  Apparate, 
die  dem  Arbeiter  die  verschiedensten  Beschäftigungsmoglichkeiten 
geben.  G  e  b  e  1  e  -  München. 

Albert  Hoffa:  Technik  der  Massage.  6.,  verbesserte  Auflage. 
Herausgegeben  von  Georg  J  o  a  c  hi  m  s  t  h  al.  Mit  44  teilweise 
farbigen  Textabbildungen.  Verlag  von  Ferdinand  Enke,  btuttgar.  : 
1912.  Preis  3  M. 

Eine  neue  Empfehlung  bedarf  das  Hoffa  sehe  Buch  der  Mas¬ 
sage  nicht.  Trotz  der  vielen  Neuerscheinungen  auf  diesem  Gebiete 
ist  es  noch  nicht  überholt,  weder  in  der  Klarheit  der  Darstellung 
noch  in  der  instruktiven  Eigenart  der  Abbildungen.  Der  ursprüng¬ 
liche  Charakter  ist  durch  die  pietät-  und  verständnisvolle  Arbeit  des 
Herausgebers  gewahrt  geblieben.  F.  La  n  ge -München. 

Die  Praxis  der  Salvarsanbehandlung.  Von  Marineoberstabsarzt 
Dr  Gennerich.  Mit  2  Tafeln.  97  Seiten.  Verlag  von  August 
Hirschwald,  Berlin  1912.  Preis  M.  3.50. 

Wie  mir  aus  persönlichen  Mitteilungen  bekannt  ist,  hat  Exzellenz 
Ehrlich  die  Erfahrungen  Gennerichs  auf  dem  Gebiete  der 
Salvarsanbehandlung  immer  ganz  besonders  hoch  eingeschatzt;  einer¬ 
seits  der  Persönlichkeit  des  Beobachters  wegen,  andererseits  in  Hin¬ 
sicht  auf  das  Krankenmaterial  des  Forschers.  Gen  ne  rieh  ist 
Oberarzt  der  Krankenabteilung  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten 
im  Marinelazarett  Kiel-Wik;  er  hat  daher  Patienten  in  seiner  Pflege, 
die  sowohl  der  Art  der  Untersuchung  wie  der  Lange  der  Beobachtung 
nach  kaum  irgendwo  anders  durch  ein  ähnliches  Material  ubertronen 
werden  können.  Daher  ist  es  auch  für  die  Allgemeinheit  von  grösstem 
Interesse,  Gennerichs  Erfahrungen  kennen  zu  lernen,  und  hierzu 
bietet  obige  Schrift  reiche  Gelegenheit.  n  ..  , 

In  den  „Allgemeinen  Betrachtungen  bespncht  G.  die  Grunde 
für  das  Verlassen  der  Depotbehandlung,  ihren  Ersatz,  was  Dauer  und 
Intensität  angeht,  durch  die  intravenöse  Injektion;  die  „Behandlungs¬ 
intensität“,  die  abhängig  ist  von  der  Grösse  der  Dosen  und  der 

Länge  der  Pausen.  , 

In  dem  Abschnitt  über  die  intravenöse  Behandlung  setzt  er  den 
„Wasserfehler“  auseinander;  die  Wirkung  des  Salvarsans  nn  Körper, 
seine  schnelle  Ausscheidung;  die  Heilungsvorgänge,  die  Dosierung  des 
Salvarsans  und  seine  Störungen,  desgleichen  die  des  Neosalvarsan. 
Die  bisweilen  eintretende  Zyanose,  ebenso  wie  begleitende  Husten- ; 
anfälle  als  Depressorreflex.  Dem  Alt-Salvarsan  gäbe  er  den  Vor¬ 
zug  vor  Neo-Salvarsan.  ...  ..  . 

Kontraindikationen  sind  schwere  Herzfehler,  Gefassverande- 
rungen,  fortgeschrittene  Metasyphilis,  Erkrankungen  der  parenchyma- 
tosen  Organe.  Hier  sei  besondere  Vorsicht  am  Platze.^  Die  „Be¬ 
handlungstechnik“  und  die  „Kombination  mit  Quecksilber  schliessen 

den  allgemeinen  Teil.  „  „  .  ,  ,  .  , 

Im  nächsten  Kapitel,  meiner  Empfindung  nach  dem  mteressantw- 
sten  entwickelt  G.  den  Behandlungsplan  in  den  einzelnen  Stadien 
der  Syphilis,  nämlich:  Abortivbehandlung  des  Stadium  I.  Behandlung 
der  frischen  Sekundärlues,  der  älteren  Sekundärlues,  der  Iertuu- 
syphilis  und  der  Metasyphilis.  . 

Die  Auseinandersetzungen  über  die  Wassermannreaktion  weisen 
auf  die  Wichtigkeit  der  dauernden  Kontrolle  während  der  Behand- 

limS  Der  folgende  Abschnitt  bespricht  die  bisweilen  auftretende, 
immerhin  schon  seltene  Erscheinung  der  Beschleunigung  des  I  ertiar- 
stadiums  nach  Salvarsan;  der  letzte  die  Untersuchung  des  Lumbal- 
punktates. 

Dem  Buche  hängen  drei  Tabellen  an: 

1.  Fälle  mit  syphilitischen  Erscheinungen  bei  negativem  Wasser¬ 
mann,  die  auf  Salvarsan  positiv  wurden. 

2.  Provokatorische  Salvarsaninjektion  bei  latenten  Fallen  nactl 
negativer  Serumreaktion. 


2i.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


143 


3.  Provokatorische  Salvarsaninjektion  bei  latenten  Fällen  mit 
negativer  Serumreaktion,  die  eine  Salvarsankur  durehgeinacht  hatten. 

Einige  Tabellen  vervollständigen  den  Text. 

Wenn  auch  wohl  hauptsächlich  für  Spezialisten  bestimmt,  wird 
das  besprochene  Buch  auch  jedem  Praktiker  leicht  verständliche  Be¬ 
lehrung  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Salvarsanbehandlung  ge¬ 
währen.  Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Stargardt  und  Oloff:  Diagnostik  der  Farbensinnstörungen. 
Eine  Einführung  für  Sanitätsoffiziere,  beamtete  Aerzte,  Bahnärzte  und 
Studierende.  Verlag  von  J.  Springer,  Berlin  1912.  Preis  M.  1.80. 

Das  anregend  geschriebene  Büchlein  verdankt  seinen  besonderen 
Wert  der  reichen  Erfahrung,  die  Verff.  in  jahrelangen  Untersuchungen 
an  der  Kaiserlichen  Marine  sammeln  konnten.  Die  Verff.  geben  einen 
trefflichen  Ueberblick  über  die  Brauchbarkeit  der  verschiedenen 
Methoden.  Besondere  Beachtung  verdient  die  auch  von  anderen 
Seiten  erfolgte  Feststellung,  dass  die  für  beamtete  Aerzte  obliga¬ 
torisch  eingeführten  Nage  Ischen  Tafeln  bei  alleiniger  Verwendung 
keine  sicheren  Resultate  ergeben  und  also  bei  praktischen  Prüfungen 
durch  Stillings  pseudo-isochromatische  Tafeln,  im  Zweifelfalle 
und  bei  wissenschaftlichen  Untersuchungen  durch  das  Anomalo- 
skop  zu  ergänzen  sind.  Gilbert-  München. 

K.  Hoffendahl:  Biochemie  für  Zahnärzte  und  Studierende. 

Berlin-Wien,  Urban  &  Schwarzenberg,  1912.  212  Seiten. 

Preis  11  M. 

Dieses  Buch  stellt  ein  Exzerpt  der  Biochemie  vom  Standpunkt 
des  Zahnarztes  dar,  so  dass  sich  in  ihm  alle  diejenigen  Ergebnisse 
zusammengestellt  finden,  welche  geeignet  sind,  dem  Zahnarzt  die 
Zusammenhänge  seines  Arbeitsgebiets  mit  dem  der  allgemeinen  Bio¬ 
chemie  zu  vermitteln.  Die  Darstellung  ist  klar  und  zur  Einführung 
gut  geeignet.  Möge  es  dem  Buch  beschieden  sein,  einen  wesentlichen 
Anteil  bei  der  Verbreitung  biochemischen  Wissens  im  Kreise  der  vom 
Verfasser  gewünschten  Leser  zu  gewinnen.  H.  Schade  -  Kiel. 

Goethes  Leipziger  Krankheit  und  „Don  Sassafras“.  Von 

Dr.  Adolf  Hansen.  Leipzig,  Joh.  Wörners  Verlag.  58  Seiten. 

Preis 

ln  der  Münch,  med.  Wochenschrift  1898,  No.  48  hatte  W.  A. 
Freund  einen  Aufsatz  veröffentlicht  „Zu  Don  Sassafras“  und  „Ueber 
das  Pathologische  bei  G  o  e  t  h  e“.  Ihm  antwortete  Möbius  in 
No.  51  in  dem  Aufsatze  „Goethe  und  W.  A.  F  r  e  u  n  d“.  Der  Kern¬ 
punkt  des  Streites  ist  die  Frage,  ob  einige  Andeutungen  in  Briefen 
an  Käthchen  Schönkopf  und  an  Friedericke  Oeser  versteckte 
Anspielungen  an  eine  Syphilis  enthalten  oder  nicht.  Nach  der  An¬ 
schauung  Freunds  würde  die  Krankheit  Goethes  nicht  wie  wohl 
meist  angenommen  wurde,  eine  Tuberkulose  gewesen  sein,  die  er¬ 
freulicherweise  wieder  ausheilte,  sondern  eine  Syphilis,  die  auch 
die  Lebensdauer  nicht  beeinträchtigte. 

Gegen  diese  Anschauung  geht  nun  Hansen  von  botanisch¬ 
pharmazeutischem  Standpunkte  aus  vor.  So  sehr  der  Bericht¬ 
erstatter  der  Anschauung  Fränkels  und  Hansens,  „dass  mit 
einer  an  Gewissheit  grenzenden  Wahrscheinlichkeit  ausgesagt  werden 
kann,  dass  es  sich  um  Tuberkulose  gehandelt  habe“,  zuneigt,  so 
macht  es  doch  den  Eindruck,  als  ob  Hansen  mit  einem  zu  grossen 
Aufwand  von  Beweismaterial  gegen  seinen  Gegner  loszieht.  Wenn 
das  Medikament  Sassafras  auch  noch  so  wenig  gegen  Syphilis  hilft 
und  nur  gelegentlich  dagegen  angewandt  wurde,  so  beweist  das  nicht, 
dass  der  Arzt  Goethes  nicht  vielleicht  aus  irgend  einem  Grunde 
eine  Vorliebe  für  das  Mittel  hatte.  Mit  Recht  schreibt  Hansen: 
„Diese  Krankheit  (die  Syphilis)  ist,  wie  andere  Infektionskrankheiten, 
ein  Unglücksfall,  dem  auch  der  moralische  Mensch  unter  Umständen 
anheimfallen  kann.  Daher  kann  auch  ohne  Bedenken  darüber  ver¬ 
handelt  werden,  ohne  Anstoss  zu  erregen.  .  Wie  wenig  volle  Wahr¬ 
heit  über  das  Pathologische  das  Urteil  über  die  Persönlichkeit  be¬ 
einflusst,  lehrt  Ulrich  v.  Hütte  n.“  Warum  aber  dann  „wenn  das 
Pathologische  nur  eine  ganz  unsichere  Nachrede  ist“  es  „gewiss 
zum  Nachteil  der  Persönlichkeit  benutzt  wird“  ist  ohne  weiteres  nicht 
einzusehen. 

Nun  sind  freilich  die  angeführten  Stellen  aus  Goethes  Briefen 
so,  dass  wenn  sie  im  Sinne  Freunds  richtig  gedeutet  wären,  sie 
ein  frivoles  Bekenntnis  Goethes  zu  der  Krankheit  bedeuten 
würden.  „Das  wäre  eine  so  ungewöhnliche  moralische  Verkommen¬ 
heit  blutjunger  Leute,  dass  man  entsetzt  zurückschreckt,  das  auch 
nur  anzudeuten.“  „Wäre  diese  Auffassung  richtig,  so  müsste  ein 
tiefer  Schatten  auf  den  Charakter  des  jungen  Goethe  fallen.“ 

Und  deshalb  würde  es  Hansen  für  blamabel  für  die  Wissen¬ 
schaft  halten,  wenn  ihr  eine  bestimmte  Entscheidung  ja  oder  nein 
gelingen  würde,  statt  sich  bei  den,  von  ihm  angeführten  Worten 
Kir  steins  zu  beruhigen:  „Wir  haben  unser  diagnostisches  Urteil 
auf  Dinge  zu  gründen,  von  denen  wir  etwas  wissen  und  nicht  auf 
die,  von  denen  wir  nichts  wissen,  und  die  stillschweigend  voraus¬ 
zusetzen  die  reine  Willkür  wäre“. 

Selbst  wenn  Goethe  Syphilis  gehabt  und  vom  Wesen  seiner 
Krankheit  gewusst  hätte  —  zwei  Dinge,  die  in  dem  Streite  viel  zu 
wenig  auseinander  gehalten  werden  —  so  brauchten  wir  in  den 
angeführten  Briefstellen  noch  kein  frivoles  Bekenntnis  zu  sehen. 
Es  war  beim  jungen  Goethe  schon  die  Neigung  zu  Vermummung 
und  zum  Hineingeheimnissen  vorhanden.  Und  es  wäre  ein  ziemlich 
unschuldiges  Spiel  gewesen,  den  Mädchen  einige  Zweideutigkeiten  zu 


schreiben,  deren  Doppelsinn  nur  für  ihn  verständlich  war  und  ihrer 
Unschuld  entgehen  musste.  Sichert. 

Adam  K  a  r  r  i  1 1  o  n:  Im  Laude  unserer  Urenkel.  Roman.  Berlin 
1912,  G.  G  r  o  t  e  sehe  Verlagsbuchhandlung.’  352  S.  Preis  M.  3.50. 

Nun  ist  Adam  K  a  r  r  i  1 1  o  n,  Kollege,  Grossvater  und  Dichter 
zugleich,  aus  seinem  Odenwaldstädtchen  hinaus  noch  unter  die 
Schiffsärzte  gegangen!  „Ein  Schneider  auf  dem  Hamburger  Rödings- 
markt  hatte  in  einer  einzigen  Nacht  einen  schon  stark  angegrauten 
Bauerndoktor  in  einen  flotten  Schiffsarzt  verwandelt.  Die  Mittel, 
mit  denen  dies  Wunderwerk  zuwege  gebracht  wurde,  waren  freilich 
einfach  genug:  Ein  halb  Dutzend  vergoldeter  Knöpfe  an  den  Rock, 
rotgelbe  Litzen  an  die  Aermel  und  zwei  messingene  Blutegel  rechts 
und  links  vom  Rockkragen  und  die  Transsubstantation  war  ge¬ 
schehen.“  So  beginnt  K  a  r  r  i  1 1  o  n  seinen  neuesten  Roman  und  der 
Leser  segelt  mit  dem  Autor  und  seinem  sonnigen,  beschaulichen 
Humor  hinaus  in  das  Land  unserer  Urenkel,  in  unsere  afrikanischen 
Kolonien.  In  abgeklärter  Betrachtung  schildert  Karrillon  mit 
dichterischer  Kraft  seine  grossen  und  kleinen  Erlebnisse  und  gestaltet 
die  Schilderung  so  spannend  und  so  herzerfrischend,  dass  man  die 
Reise  mit  dem  grössten  Vergnügen  mitgeniesst.  Dazu  kommt  noch, 
dass  die  Anschaulichkeit  der  Schilderung  unserer  Kolonien  aus  hell¬ 
seherischem  Geiste  uns  das  Land  unserer  Urenkel  fast  heimatlich 
nahe  bringt.  Aus  all  diesen  Gründen  heraus  wird  jeder  der  alten 
Verehrer  des  Dichterkollegen  dies  neueste  Werk  sich  gerne  an- 
schaffen  und  wer  sich  diesen  neuen  Roman  als  erstes  Werk  K  a  r  r  i  1  - 
Ions  anschafft,  wird  die  früheren  - —  hier  besprochenen  — ■  sicherlich 
nachkaufen.  Die  Federzeichnungen,  die  den  Roman  begleiten,  würde 
man  gerne  vermissen.  Sie  können  die  durch  die  Erzählungskunst  des 
Verfassers  geweckten  Bilder  nur  ungünstig  beeinflussen. 

Max  Nassauer  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  99,  Heft  3,  1912. 

27)  G.  K  e  1 1  i  n  g  -  Dresden :  Mitteilungen  zur  Technik  der 
Magenresektion  beim  Karzinom. 

Die  Hauptgefahr  für  einen  ungünstigen  Ausgang  der  Operation 
besteht  in  der  Infektion  des  Operationsterrains  mit  dem  Inhalt  des 
krebsigen  Magens.  Die  schon  2 — 3  Tage  vor  der  Operation  zu  be¬ 
ginnenden  Magenspülungen  werden  mit  Pepsinsalzsäurelösung  vor¬ 
genommen.  Die  Patienten  _  bekommen  mit  der  Kost  organische 
Säuren.  Zur  endgültigen  völligen  Entleerung  des  Magens  wird  Luft 
in  den  Magen  eingeblasen  und  wieder  abgesaugt.  Bei  der  Exstir¬ 
pation  der  Lymphdrtisen  ist  zu  berücksichtigen,  dass  sie  virulente 
Bakterien  enthalten  können.  Deshalb  sind  sie  nicht  freizupräpa¬ 
rieren  oder  zu  durchschneiden,  sondern  mit  dem  Gewebe  im 
ganzen  zu  entfernen.  Während  der  Operation  wird  der  Magen, 
wenn  er  noch  nicht  ganz  leer  ist,  nochmals  mit  der  Schlundsonde 
leergesaugt.  Zur  meist  hinten  mit  dem  Murphyknopf  angelegten 
Gastroenterostomie  fügt  K.  bei  der  II.  B  i  1 1  f  o  t  h  sehen  Methode 
eine  Enteroanastomose,  die  mit  Hilfe  der  Naht  ausgeführt  wird.  Hier¬ 
durch  wird  die  Funktion  des  Magens  verbessert  und  eine  bessere 
Garantie  für  das  Halten  der  Verschlussnaht  am  Duodenum  gegeben. 
Bei  sehr  entkräfteten  Kranken  ist  nach  der  Resektion  die  Gastro- 
duodenostomie  nach  dem  II.  B  i  1 1  r  o  t  h  sehen  Verfahren  aus  Grün¬ 
den  der  Ernährung  vorzuziehen.  Die  Operationsmortalität  des  Ver¬ 
fassers  betrug  bei  72  Fällen  17  Proz.  Nach  K.s  Ansicht  hängt  das 
Dauerresultat  bei  der  Operation  des  Magenkrebses  in  erster  Linie 
von  der  Widerstandsfähigkeit  der  Patienten  ab.  Der  Körper  kann 
dann  unter  Umständen  Krebszellen  ausserhalb  des  primären  Tumors 
vernichten. 

28)  E.  W.  Hey  G  r  o  v  e  s  -  Bristol:  Ueber  operative  Behandlung 
der  Frakturen,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Gebrauches 
intramedullärer  Bolzen. 

Verf.  empfiehlt  im  Vergleich  zu  anderen  operativen  Methoden 
die  Anwendung  intramedullärer  Bolzen,  die  den  Gebrauch  äusserer 
Schienen  nach  der  Operation  unnötig  machen  und  nach  Heilung  der 
Wunden  Massage  und  Bewegung  gestatten.  Tierversuche  ergaben 
die  Ueberlegenheit  der  Bolzen  vor  der  Feststellung  der  Fragmente 
durch  Platten  und  Schrauben  oder  durch  Metallhülsen. 

29)  W.  N.  R  o  s  a  n  o  w  -  Moskau :  Lymphangioplastik  bei  Ele¬ 
phantiasis. 

Bei  einem  Patienten  mit  Elephantiasis  des  Ober-  und  Unter¬ 
schenkels  wurde  mit  gutem  Erfolg  folgende  Operation  ausgeführt. 
Aus  der  Haut  wurden  rhomboidale  Stücke  exzidiert  und  dann  aus 
dem  Unterhautzellgewebe  im  Zusammenhang  mit  der  Faszie  Lappen 
gebildet,  die  in  die  Tiefe  zwischen  die  Muskeln  verlagert  werden, 
um  die  Bildung  von  Anastomosen  zwischen  den  lymphatischen 
Systemen  der  Muskeln  und  Haut  zu  ermöglichen.  Die  Exzision  der 
Hautstücke  und  die  nachfolgende  Naht  sollten  durch  eine  Kompression 
einen  besseren  Lymphabfluss  herbeiführen. 

30)  S.  König:  Ueber  Absprengungsfrakturen  am  vorderen  und 
hinteren  Abschnitt  des  distalen  Endes  der  Tibia,  mit  Berücksichtigung 
der  Rissfrakturen. 

Literaturzusammenstellung.  Mitteilung  von  2  Fällen  von  Ab¬ 
sprengung  eines  Knochenstückes  aus  dem  Vorderrande  des  distalen 
Tibiaendes.  Entstehungsursache:  Stauchung  durch  Sturz  oder  kräf¬ 
tigen  Sprung.  Der  andrängende  Talus  stösst  eine  Knochenlamelle  von 


144 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


der  vorderen  Tibiaseite  ab.  Bei  dein  klinischen  Bilde  findet  man  im 
Beginn  Anschwellung,  besonders  der  vorderen  Qelenksgegend,  Be- 
wegungs-  und  Druckschmerz.  Charakteristisch  für  den  späteren  Ver¬ 
lauf  ist  die  zunehmende  Versteifung.  Verf.  hält  es  für  angezeigt, 
derartige  Hindernisse  möglichst  bald  operativ  zu  beseitigen. 

31)  E.  Payr:  lieber  die  operative  Behandlung  von  Kniegelenks¬ 
ankylosen.  (Chirurg.  Klinik  zu  Leipzig.) 

Zum  Gelingen  des  Erfolges  müssen  exakte  Indikationsstellung, 
operative  Technik  und  die  Nachbehandlung  zusammenhelfen.  Ge¬ 
eignet  zur  Mobilisierung  von  Kniegelenksankylosen  sind  jugendliche 
Menschen  mit  sicher  ausgeheilter  Grundkrankheit  mit  teilweise  er¬ 
haltener  Funktion  des  muskulären  Streckapparates.  Bei  akut  ent¬ 
zündlichen  Prozessen  und  bei  Ankylosen  nach  schwerer  stumpfer 
Gelenkfraktur  muss  besonders  darauf  geachtet  werden,  dass  nicht  zu 
früh  operiert  wird.  Kniegelenksankylosen  in  Streckstellung  nach 
Resektion  gelten  im  allgemeinen  als  Gegenindikation.  Bei  der  Unter¬ 
suchung  ist  besonders  festzustellen,  ob  die  Patella  noch  verschieblich 
ist.  Die  Operation  erfolgt  am  besten  ohne  Blutleere,  so  dass  ge¬ 
naueste  Blutstillung  durchführbar  wird.  Bei  der  fibrösen  Ankylose 
darf  bei  der  Eröffnung  des  ehemaligen  Gelenkspaltes  der  für 
die  spätere  Funktion  wichtige  Streckapparat  möglichst  nicht  ge¬ 
schädigt  werden.  Deshalb  eignen  sich  hierzu  nur  der  Koche  r  sehe 
seitliche  Bogenschnitt,  oder  ein  auf  beiden  Seiten  liegender  Längs¬ 
schnitt  oder  die  osteoplastische  Falzbildung  aus  der  Tuberositas 
tibiae  nach  Kirschner.  Nach  Eröffnung  des  Gelenkes  wird  die 
Kapsel  mit  sämtlichen  Bändern  exstirpiert.  Am  Gelenkende  des 
Femur,  das  oft  stark  abgeplattet  ist,  muss  zur  Erzielung  einer  kon¬ 
vexen  Fläche  häufig  die  Säge  benützt  werden.  Bei  ossaler  Ankylose 
wird  von  2  bogenförmigen  seitlichen  Schnitten  aus  die  ankylosierte 
Stelle  vorn  und  hinten  von  den  Weichteilen,  die  abgehoben  werden, 
isoliert.  Durch  Resektion  eines  mindestens  1  cm  dicken  Knochen¬ 
stückes  mit  schmaler  Blattsäge  wird  die  künftige  Femurgelenkfläche 
stark  konvex,  die  der  Tibia  schwach  konkav  gestaltet.  Bei  beiden 
Formen  der  Ankylose  wird  durch  eine  Längsinzision  dann  aus  der 
Fascia  lata  ein  grosser  Lappen  gebildet,  der  um  seinen  Stiel  gedreht 
und  auf  das  untere  Femurende,  wenn  lang  genug  noch  auf  die  Hinter¬ 
fläche  der  Patella  und  auf  die  Tibiafläche  gelegt,  und  überall  durch 
feine  Katgutnähte  am  Periost  befestigt  wird.  Dann  erfolgt  der  Schluss 
der  Weichteile  durch  sorgfältige  Naht.  2  Tage  nach  der  Operation 
wird,  um  den  Gelenkspalt  klaffend  zu  erhalten,  ein  am  Unterschenkel 
angreifender  Extensionsverband  angelegt.  Die  Nachbehandlung  be¬ 
ginnt  nach  Entfernung  der  Nähte  mit  seitlichen  Verschiebungen  der 
Patella,  vorsichtigem  aktiven  und  passiven  Beugen  und  Strecken  des 
Gelenkes.  Nach  ca.  3  Wochen  beginnen  Uebungen  an  einfachen 
Pendelapparaten,  die  täglich  durch  einige  Stunden  vorgenommen 
werden.  Massage,  Waschungen,  Elektrisierung,  aktive  Beuge-  und 
Streckübungen  und  Pendeln  sollen  5 — 6  Stunden  des  Tages  in  An¬ 
spruch  nehmen.  Wird  der  Kranke  gehfähig  (nach  4 — 6  Wochen  in 
günstigen  Fällen),  so  bekommt  er  einen  das  Kniegelenk  entlastenden 
Schienenhülsenapparat,  der  mit  einer  Extensionseinrichtung  für  Zug 
am  Unterschenkel  versehen  ist.  Die  seitliche  Verschieblichkeit  ist 
speziell  bei  den  knöchernen  Ankylosen  stets  auffallend  gering  ge¬ 
wesen.  Ist  sie  erheblich,  so  muss  sie  durch  sekundäre  Gelenkband¬ 
plastik  behoben  werden.  Ein  bleibender  Zustand  ist  am  neuge¬ 
schaffenen  Gelenke  etwa  nach  34  bis  1  Jahre  eingetreten.  Nicht 
selten  machen  sich  verschiedene  Nachoperationen  (Beseitigung  stören¬ 
der  Knochenvorsprünge,  Bänderplastiken  etc.)  nötig.  Technische 
Fehler,  die  während  des  Eingriffes  und  der  Nachbehandlung  passieren 
können,  werden  von  P.  eingehend  erörtert.  Das  schlimmste  Ereignis 
ist  die  Wiederkehr  der  Ankylose,  die  besonders  in  der  Neigung  der 
Patella  zur  Wiederverklebung  ihre  Ursache  findet. 

P.  hat  die  blutige  Mobilisierung  des  ankylosierten  Kniegelenks 
bisher  an  12  Fällen  (8  ostale,  4  fibröse  Versteifungen)  ausgeführt, 
ln  8  Fällen  wurde  ein  günstiges  Resultat  erzielt.  4  mal  wurde  eine 
Beweglichkeit  von  80 — 90  °,  2  mal  eine  solche  zwischen  45  und  90 0 
erzielt.  Ausführliche  Krankengeschichten. 

32)  M.  Sumita:  Experimentelle  Beiträge  zur  operativen  Mo¬ 
bilisierung  ankylosierter  Gelenke.  (Chir.  Klinik  in  Leipzig,  Geh. 
Med.Rat  Prof.  Payr.) 

Verf.  hat  an  20  Gelenken  bei  Hunden  Faszie,  Muskel,  Fett,  Sehne 
und  Sehnenscheide  nach  Entfernung  des  Gelenkknorpels  in  Form  ge¬ 
stielter  Lappen  interponiert  und  die  operierten  Tiere  dann  klinisch, 
anatomisch  und  histologisch  untersucht.  Die  Versuche  ergaben,  dass 
die  Weichteileinlagerung  in  die  Gelenke  nach  ihrer  absichtlichen  Ver¬ 
ödung  bei  keinem  Fall  eine  knöcherne  Versteifung  zur  Folge  gehabt 
hat.  Selbst  am  Kniegelenk  war  bei  Erhaltung  der  Muskulatur  eine 
befriedigende  Beweglichkeit  und  Festigkeit  zu  erreichen.  Alle  zur 
Interposition  verwendeten  Gewebe  zeigten  relativ  frühzeitig  eine 
fibröse  Umwandlung,  die  auf  den  bei  funktioneller  Inanspruchnahme 
des  Gelenkes  dauernd  ausgeübten  Druck  mit  Reibung  und  Zerrung 
zurückgeführt  werden.  Gewebsblutungen,  partielle  Nekrose,  Ver¬ 
flüssigung  des  nekrotischen  Gewebes  und  nachfolgende  Wanddiffe¬ 
renzierung  des  entstanden  Hohlraums  führen  im  Lappengewebe  zur 
Bildung  eines  schleimig  fadenziehende  Flüssigkeit  enthaltenden  ge¬ 
schlossenen  Raumes,  der  mit  den  Schleimbeuteln  viele  Aehnlichkeit 
hat.  Hinsichtlich  der  funktionellen  Anpassung  des  verwendeten 
Lappenmaterials  zeigten  sich  nur  geringe  Unterschiede.  Doch  hat 
S.  den  Eindruck  bekommen,  dass  sich  Faszie  und  Fett  besser  eignet 
als  Muskulatur  und  Sehne.  In  der  Umgebung  der  Gelenke  bildete 
sich  an  Stelle  der  bei  der  Operation  abgetragenen  Kapselteile  eine 


neue  gelenkkapselähnliche  Differenzierung  des  umgebenden  Binde¬ 
gewebes,  wodurch  das  Gelenk  eine  genügende  Festigkeit  erhielt. 
Eine  Knorpelregeneration  wurde  an  den  entknorpelten  Gelenkenden 
nicht  beobachtet. 

33)  E.  Pölya-Pest:  Die  Ursachen  der  Rezidive  nach  Radikal¬ 
operation  des  Leistenbruches. 

Verf.  revidiert  vom  Standpunkt  des  Chirurgen  aus  die  ver¬ 
schiedenen  einander  oft  widersprechenden  Angaben  der  Lehr-  und 
Handbücher  über  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Leistengegend. 
Von  den  Gebilden  des  Leistenkanales  bleiben  nur  das  Poupart sehe 
Band,  die  Aponeurose  des  Obliquus  externus  und  des  Obliquus  in¬ 
ternus  übrig,  die  zum  Verschluss  des  Leistenkanals  benutzt  werden 
können.  Auch  das  feste  Poupart  sehe  Band  verträgt  keine  über¬ 
mässige  Spannung.  Deshalb  rät  Verf.  bei  sehr  grossen  Diastasen  den 
Verschluss  des  Leistenkanals  im  medialen  Teile  so  vorzunehmen, 
dass  die  Muskulatur  an  das  Periost  des  Schambeins  oder  an  dieses 
selbst  genäht  wird.  Der  inguinale  Teil  des  Muse,  obliquus  ist  nur 
selten  gut  ausgebildet.  Der  brauchbare  dicke  Rand  des  Muskels 
liegt  meist  mehr  als  2  cm  vom  Leistenbande  entfernt.  Den  wich¬ 
tigsten  Akt  des  radikalen  Verschlusses  der  Leistenbruchpforte  bildet 
die  Vereinigung  der  die  Leistenspalte  begrenzenden  Gebilde:  lateraler 
Rektusrand,  reeller  Rand  des  Obliquus  internus  und  Poupart- 
sches  Band.  Am  meisten  werden  die  Schwierigkeiten  beim  Ver¬ 
schluss  des  Leistenkanales  charakterisiert  durch  die  Länge  des  la¬ 
teralen  Rektusrandes,  der  die  Leistenspalte  begrenzt.  In  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  betrug  diese  Länge  2—3  cm.  Nur  in  einem  einzigen 
Falle  war  bei  100  Messungen  des  Verf.  der  Rektus  aus  der  Bildung 
der  Leistenspalte  ausgeschlossen.  Deshalb  ist  die  hintere  Verschluss¬ 
naht  ohne  Annähung  des  Rektus  an  das  Poupart  sehe  Band  meist 
unvollkommen.  Diese  Annähung  des  Rektus  ist  ohne  Spannung 
nur  nach  ausgiebiger  Spaltung  der  Rektusscheide  zu  erreichen.  Noch 
mehr  verstärkt  wird  der  exakte  Verschluss  durch  Verdoppelung  der 
Aponeurose  des  Obliquus  externus  und  laterale  Verlagerung  und 
Knickung  des  Samenstranges.  L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 
82.  Band,'  1.  Heft.  Tübingen,  Laupp,  1912. 

Aus  der  chir.  Klinik  zu  Marburg  gibt  Rieh.  Hagemann  eine 
Arbeit  über  die  Diagnose  chirurgischer  Tuberkulosen  aus  den  patho¬ 
logischen  Ausscheidungen  mit  Angabe  eines  neuen  Verfahrens  im 
Tierversuch.  Er  bespricht  darin  die  verschiedenen  Untersuchungen 
der  Ausscheidungsprodukte  (Fehlen  der  Leukozyten  im  tuberkulösen 
Eiter  etc.);  Nachweis  der  spezifischen  Erreger  nach  Ausschleudern, 
Kalkwasserzusatz  (N  e  b  e  1),  Wasserstoffsuperoxyd-Homogenisierung 
(Sorge),  Antiformin  (Uhlenhuth),  Nachweis  der  Tuberkel¬ 
bazillen  durch  ihre  Affinität  zum  Chloroform  (Löffler  sehe  Me¬ 
thode).  H.  hat  hauptsächlich  das  Antiformin-Ligroin  und  Antiformin- 
Chloroform  sowie  das  Kalilaugenkalziumchloridverfahren  (Zahn) 
zur  Untersuchung  an  seinem  Material  angewandt;  konstatiert  jedoch 
auch,  dass  der  direkte  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  in  den  Aus¬ 
scheidungen  chirurgischer  Tuberkulosen  häufig  unmöglich  ist,  auch 
dann,  wenn  ein  nachfolgendes  Kulturverfahren  oder  der  Tierversuch 
positiv  ausfallen.  Um  das  Vorkommen  der  Much  sehen  granulierten 
Form  des  Tuberkelbazillus  in  den  Ausscheidungsprodukten  der 
chirurgischen  Tuberkulosen  gegenüber  der  nach  Ziehl-Neelson 
färbbaren  klarzustellen,  hat  H.  weiterhin  besondere  Untersuchungen 
angestellt.  Von  44  unter  Anwendung  der  Z  i  e  h  1  -  N  e  e  1  s  o  n  sehen 
und  G  r  a  m  -  M  u  c  h  sehen  Färbung  ausgeführten  Untersuchungen 
fielen  13  nach  beiden  Methoden  negativ  aus.  Von  31  positiv  aus¬ 
gefallenen  gelang  die  Färbung  mit  beiden  Methoden  28  mal,  die 
Ziehl-Neelson  sehe  Färbung  versagte  in  3  Fällen,  während  die 
Gr  am  - Much  sehe  in  allen  31  glückte.  H.  bespricht  die  Kultur¬ 
verfahren  (die  für  die  rein  klinisch-praktischen  Zwecke  nicht  ge¬ 
eignet),  sowie  den  Tierversuch  speziell  die  intrakutane  Tuberkulin¬ 
impfung,  die  H.  als  das  bequemste  und  am  schnellsten  zum  Ziele 
führende  Mittel  für  die  Feststellung  der  tuberkulösen  Erkrankung  des 
Versuchstieres  erscheint.  Die  Versuche  ergaben  H.,  dass  hoch- 
empfindliche  tuberkulöse  Meerschweinchen  mit  grosser  Sicherheit 
auf  die  subkutane  Injektion  eines  von  tuberkulösen  Erkrankungen 
des  Menschen  herrührenden  Materiales  mit  einer  eigenartigen  Ent¬ 
zündung  der  Haut  reagieren,  die  bei  entsprechenden  Kontrollieren 
nicht  auftritt  und  auch  nicht  mit  pathologischen  Ausscheidungen 
anderer  (nicht  tuberkulöser)  Krankheiten  hervorgerufen  werden 
kann.  Der  positive  Ausfall  dieser  für  Tuberkulose  spezifischen 
Reaktion  lässt  sich  schon  24  spätestens  48  Stunden  nach  der  Injektion 
erkennen. 

Aus  der  Würzburger  Klinik  gibt  Joh.  Ernst  Schmidt  Beiträge 
zur  Bewertung  der  konservativen  Hodenchirurgie  und  gibt  die  Er¬ 
gebnisse  von  an  Hunden  ausgeführten  Versuchen  betr.  Hoden¬ 
verlagerung  in  die  Bauchhöhle  (an  Tieren  von  3  Monaten  bis  zur 
völligen  Reife),  ferner  über  Versuche  von  Implantationen  des  Duct. 
def.  in  den  Hoden.  Die  Frage  nach  dem  Wert  des  Testierenden 
Hodens  für  den  Gesamtorganismus  beantwortet  Schm,  nach  seinen 
zahlreichen  Tierversuchen  dahin,  dass  wenn  nur  die  Ausführungs¬ 
wege  des  Samenstrangs  verschlossen  sind  bzw.  eine  Resektion  des 
Duct.  def.  und  Nebenhodens  vorhanden  ist,  keinerlei  Ausfall  für  den 
Gesamtorganismus  zu  fürchten,  denn  es  bleiben  die  beiden  spezi¬ 
fischen  Komponenten  des  Hodens  voll  erhalten.  Auch  die  Träger 
der  Bauchhoden  oder  Individuen,  deren  Hoden  anderweitig  verlagert 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


145 


wurden,  brauchen  gröbere  Ausfallerscheinungen  nicht  zu  befürchten, 
doch  geht  die  Spermatogenese  verloren. 

W.  Gundermann  berichtet  aus  der  chirurgischen  Klinik  zu 
Düsseldorf  über  Ectopia  testis  perinealis,  teilt  einen  betreffenden  Fall 
mit  Abbildungen  mit  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  Ectopia 
testis  perinealis  eine  Unterart  der  Ect.  proc.  vaginalis  perinealis  ist, 
die  als  primäre,  innere  Anomalie  vorkommt  und  vielleicht  eine 
atavistische  Bildung  darstellt.  Wahrscheinlich  kann  auch  eine  fötale 
Peritonitis  perineale  Richtung  des  Scheidenfortsatzes  zur  Folge 
haben,  nie  ist  die  Ectopia  perinealis  die  Folge  einer  Retentio  testis. 
Es  steht  noch  nicht  fest,  ob  die  Haltung  der  Frucht  in  den  letzten 
Schwangerschaftsmonaten  irgend  einen  Einfluss  auf  die  Richtung  des 
Proc.  vaginalis  hat,  ebenso  ist  nicht  völlig  geklärt,  ob  eine  primäre 
falsche  Insertion  des  Leitbandes  vorkommt. 

M  o  1  i  n  e  u  s  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik  über  die 
Amputation  bei  Gangrän,  geht  auf  die  Frage,  wo  man  bei  ein¬ 
getretener  Gangrän  amputieren  soll,  ein  und  kommt  zu  der  An¬ 
schauung,  dass  man  am  besten  mit  dem  Bier  sehen  Heizkasten  die 
Prüfung  betr.  genügender  Blutversorgung  vornimmt,  da  das  Fehlen 
des  Pulses  nicht  massgebend  ist.  Der  einzeitige  Zirkelschnitt  kommt 
bei  Amputation  wegen  Gangrän  in  erster  Linie  in  Betracht,  kom¬ 
plizierte  Schnittführungen  sind  nicht  angebracht.  Der  Extensions¬ 
verband  nach  Amputation  verhindert  am  besten  die  Retraktion  des 
Weichteilkegels  und  schützt  am  ersten  vor  Gangrän  der  den  Knochen¬ 
stumpf  deckenden  Weichteile. 

Linzenmayer  und  Brandes  geben  aus  der  chir.  und 
gynäkol.  Klinik  zu  Kiel  eine  Arbeit  betr.  extrachoriale  Frucht- 
entwicklung  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung  kongenitaler 
Deformitäten.  Sie  geben  eine  Zusammenstellung  von  53  Fällen  aus 
der  Literatur  und  fassen  das  Ergebnis  ihrer  Arbeit  dahin  zusammen, 
dass  bei  extrachorialer  Schwangerschaft  und  vollkommenem  Fehlen 
des  Fruchtwassers  zwar  normale  Kinder  geboren  werden  können, 
dass  aber  auffallend  häufig  missbildete  meist  mit  multiplen  Defor¬ 
mitäten  behaftete  Kinder  geboren  werden;  typische  Deformitäten 
^Klumpfiisse,  Klumphände,  Haken-  und  Plattfiisse)  sind  abgesehen 
von  Verkrümmungen  und  Verkürzungen  einzelner  Körperteile  am 
häufigsten.  Eine  genaue  Eruierung  pathologischer  Schwangerschafts¬ 
zustände  nach  Geburt  missbildeter  Früchte  und  genaue  Beschreibung 
aller  nach  extrachorialer  Entwicklung  geborenen  Kinder  müsse  ge¬ 
fordert  werden,  nur  bei  fortgesetzter  exakter  Untersuchung  aller 
dieser  Fälle  kann  man  hoffen,  tiefere  Einblicke  in  die  Beziehungen 
des  Fruchtwassermangels  und  des  abnormen  intrauterinen  Druckes 
zur  Deformitätenentstehung  zu  erhalten. 

Erich  Hesse  berichtet  aus  dem  Obuchowkrankenhause  in 
St.  Petersburg  über  den  Wert  der  freien  Netztransplantation  im 
Dienste  der  Bauchchirurgie  nach  den  Erfahrungen  dieses  Kranken¬ 
hauses.  Nach  seinen  Ausführungen  besitzen  wir  darin  ein  wirksames 
blutstillendes  Mittel,  die  Erklärung  dieser  Wirkung  liegt  scheinbar 
in  einem  thrombokinetischen  Einfluss  des  Netzes  auf  das  Substrat. 
Das  Hauptanwendungsgebiet  der  neuen  Methode  liegt  fraglos  in  der 
Leber-  und  Milzchirurgie,  wo  sie  beim  Verschluss  von  aller  Art 
Verletzungen  und  bei  der  Gallenblasenexstirpation  angewandt  wer¬ 
den  kann. 

Die  Vorteile  dieser  „lebenden  Tamponade“  liegen  dort,  wo  die 
Naht  nicht  möglich  oder  schwer  durchzuführen  ist,  im  Verhältnis  zur 
Gazetamponade  klar  auf  der  Hand.  Nach  den  bisherigen  Erfahrungen 
scheinen  die  Gefahren  sekundärer  Nachblutung  bei  der  Netzver- 
pflanzung  nicht  gross  zu  sein  und  ist  danach  zu  streben,  in  geeigneten 
Fällen  die  Bauchhöhle  zu  schliessen.  —  Nach  B  o  1  j  a  r  s  k  i  s  Ver¬ 
suchen  scheint  die  Methode  besonderen  Wert  bei  Leberresektionen 
zu  haben,  wenn  auch  der  Beweis  an  der  menschlichen  Leber  noch 
aussteht. 

Der  gleiche  Autor  berichtet  aus  dem  gleichen  Krankenhause 
über  die  klinische  Anwendung  der  Gefässnaht  auf  Grund  eines  Ma¬ 
terials  von  60  Fällen  und  zwar  der  Reihe  nach  bei  Aneurysma,  bei 
Verletzungen  der  Gefässe,  bei  Varizen  und  bei  angiosklerotischer 
Gangrän.  Betr.  Varizen  operiert  das  Obuchowkrankenhaus  seit 
3  Jahren  bei  positivem  T  rendelenburg  sehen  Symptom  nach 
der  De  lb  et  sehen  Methode  (saphenofemorale  Anastomose)  und  ist 
man  mit  den  Resultaten  (auch  Dauerresultaten)  sehr  zufrieden.  Die 
W  i  e  t  i  n  g  sehe  Operaton  verwirft  Hesse. 

S.  Ponomareff  berichtet  aus  demselben  Krankenhause  über 
die  Behandlung  infizierter  Verletzungen  des  Kniegelenks  mit  Bier- 
scher  Stauungshyperämie,  gibt  u.  a.  54  kurze  Krankengeschichten¬ 
auszüge  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  diese  Methode  zur  Be¬ 
handlung  von  Verlezungen  des  Kniegelenks  nicht  genügt,  jede  Ver¬ 
letzung  des  Kniegelenks  (besonders  wenn  durch  Eiterung  kompliziert) 
ist  mit  Immobilisation  zu  behandeln,  auch  wenn  Stauungshyperämie 
zur  Anwendung  kommt.  Bei  letzterer  darf  das  Eröffnen  des  Gelenks, 
sowie  sich  in  ihm  Eiter  ansammelt,  und  ebenso  die  Inzision  peri- 
artikulärer  Abszesse  nicht  unterlassen  werden.  Erst  nach  abge¬ 
klungenen  entzündlichen  Erscheinungen  dürfen  passive  Bewegungen 
gemacht  werden. 

W.  Kauert  berichtet  aus  der  Freiburger  Klinik  zur  Therapie 
der  Pseudarthrosen  durch  Osteoplastik  und  teilt  einen  bez.  Fall  mit. 

G.  Luce  berichtet  aus  der  Klinik  zu  Freiburg  i.  Br.  über  sogen, 
primäre  Karzinome  (Schleimhautnävi  nach  A  s  c  h  o  f  f)  und  primäre 
Karzinome  des  Wurmfortsatzes  und  teilt  je  2  Fälle  dieser  Affektionen 
näher  mit,  unter  Anreihung  einer  Reihe  von  Fällen  aus  der  Literatur. 


Es  empfiehlt  sich  nach  L.s  Ausführungen  eine  scharfe  Trennung  zwi¬ 
schen  den  relativ  häufig  konstatierten  Schleimhautnävi  und  den 
enorm  seltenen  primären,  klinisch  malignen  Karzinomen  des  Wurm¬ 
fortsatzes.  Vom  klinischen  Standpunkt  aus  kommt  für  beide  Er¬ 
krankungen  nur  die  chirurgische  Exstirpation  in  Frage.  Dass  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  Zoekalkrebs  von  primärem  Appendixkrebs  entstehen 
kann,  dafür  sprechen  die  in  der  Arbeit  referierten  Fälle. 

P.  Kranz  berichtet  aus  der  chir.  Klinik  und  dem  Institut  für 
experimentelle  Chirurgie  in  Frankfurt  über  innere  Sekretion,  Kiefer¬ 
bildung  und  Dentition,  gibt  allgemeine  biologische  Vorbemerkungen  und 
geschichtliche  literarische  Bemerkungen  und  geht  auf  die  Beziehungen 
von  Schilddrüse  und  Zähnen  unter  Berücksichtigung  der  Zahn-  und 
Kieferanomalien  bei  Kretinen  und  thyreotomierten  Tieren  etc.  näher 
ein,  ebenso  auf  Thymusdrüsen  und  Dentition,  Keimdrüsen,  Hypophyse 
und  Dentition  unter  Beigabe  einer  grossen  Anzahl  diesbezüglicher 
Abbildungen.  Die  Beziehungen  der  innersekretorischen  Drüsen  zur 
Dentition  stehen  ausser  Frage.  Eine  in  Aussicht  gestellte  weitere 
Arbeit  wird  die  verschiedenartigen  Dentitionsstörungen  näher 
differenzieren  und  in  den  Dienst  der  Klinik  stellen. 

Fritz  Schulze  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik  über  die 
alimentäre  Glykosurie  und  Adrenalinglykosurie  bei  Morbus  Base¬ 
dow»  und  ihre  operative  Beeinflussung.  Er  konnte  u.  a.  in  4  kurz 
mitgeteilten  Fällen,  bei  denen  vor  der  Operation  eine  Glykosurie 
beobachtet  war,  das  Verschwinden  derselben  infolge  der  Operation 
feststellen.  Nach  Sch.  ist  die  alimentäre  Glykosurie  bei  Morb.  Bas. 
keine  überaus  häufige  Erscheinung  (etwa  in  25  Proz.  der  Fälle)  und 
kann  durch  eine  Inkonstanz  ihrer  Intensität  ausgezeichnet  sein. 
Weitaus  häufiger  wird  das  Auftreten  einer  Glykosurie  selbst  nach 
geringen  Gaben  Adrenalin  bei  vorausgegangener  Darreichung  von 
100  g  Traubenzucker  beobachtet,  nach  0,3  mg  Adrenalin  in  etwa 
80  Proz.  der  von  Sch.  untersuchten  Fälle.  Die  Neigung  zu  Glykosurie 
nach  vermehrter  Traubenzuckerdarreichung  vindiziert  Sch.  besonders 
sympathikotonischen  Formen  des  Basedow,  neben  einer  aus  dem  Zu¬ 
stand  des  Nervensystems  abzuleitenden  relativen  Insuffizienz  des 
Pankreas  muss  das  Zustandekommen  der  Glykosurien  auf  den  Ein¬ 
fluss  der  Schilddrüse  bezogen  werden.  Die  operative  Verkleinerung 
letzterer  führte  in  allen  Fällen  zu  einer  Aufhebung  resp.  hochgradigen 
Verringerung  dieser  Glykosurie. 

Max  F  1  e  s  c  h  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik  über  den  Blut¬ 
zuckergehalt  bei  Morbus  Basedow»  und  über  thyreogene  Hyper¬ 
glykämie  im  Anschluss  an  eine  grosse  Zahl  klinischer  Untersuchungen; 

W.  Kaess  fernerhin  über  Untersuchungen  über  die  Viskosität 
des  Blutes  bei  Morbus  Basedow».  Unter  18  Fällen  fand  er  nur  3  mal 
normale  Viskosität,  meist  ist  sie  herabgesetzt,  die  Herabsetzung  ist 
in  den  rein  sympathikotonischen  Fällen  am  stärksten.  3  Wochen  nach 
der  Operation  zeigte  sich  bei  fast  allen  Fällen  eine  deutliche  An¬ 
näherung  der  Viskosität  an  die  Norm. 

Alfr.  Schubert  berichtet  ebenfalls  aus  der  Frankfurter  Klinik 
über  Trachealverdrängung  bei  Thymus  hyperplasticus  und  teilt  u.  a. 
einen  typischen  Fall  mit  Röntgenbild  mit,  in  dem  der  linke  Thymus¬ 
lappen  erfolgreich  exstirpiert  wurde.  Die  Trachealverschiebung  muss 
nach  Sch.  als  ein  wichtiges  Symptom  für  die  Druckwirkung  des 
hyperplastischen  Thymus  angesehen  werden  und  kann  als  Anhalts¬ 
punkt  für  das  Zustandekommen  plötzlicher  Todesfälle  im  Kindesalter 
analog  dem  Kropftod  dienen,  die  Erkennung  ergibt  sich  am  besten 
aus  dem  Röntgenbild;  eine  ausgesprochene  Verbreiterung  des  Mittel¬ 
schattens  nach  der  linken  Seite  hin  kann  bei  Kindern  die  Diagnose 
Thymus  hyperplasticus  wahrscheinlich  machen,  die  Schatten¬ 
verbreiterung  nach  rechts  unterliegt  zurzeit  'noch  verschiedenen 
Deutungen.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  1,  1913. 

P  e  r  i  m  o  f  f  -  Kasan  :  Ueber  Versuche  mit  Dauerdrainage  bei 
Aszites. 

Verf.  berichtet  über  einen  Fall  von  Hepatitis  luetica  mit  starkem 
Aszites,  bei  dem  die  einfache  Eröffnung  der  Bauchhöhle  mit  Ablassen 
der  Flüssigkeit  und  Anlegung  einer  Dauerdrainage  die  Wassersucht 
fast  ganz  zum  Verschwinden  brachte  und  den  Zustand  des  Kranken 
bedeutend  besserte.'  Weitere  Versuche  mit  dieser  modifizierten 
Talma  sehen  Operation  sind  zu  begrüssen. 

C.  R  a  m  m  s  t  e  d  t  -  Münster:  Die  Operation  der  angeborenen 
Pylorusstenose. 

Verf.  erläutert  an  einem  Beispiel,  dass  die  beste  und  einfachste 
Methode,  die  angeborene  Pylorusstenose  zu  beseitigen,  darin  besteht, 
den  Muskelring  des  Pylorus  bis  auf  die  (am  Prozess  unbeteiligte) 
Schleimhaut  einzukerben;  so  wird  Verengerung  und  Spasmus  mit 
einem  Schlage  beseitigt.  Diese  Operation  ist  auch  für  den  Säugling 
nicht  so  sehr  gefahrvoll,  wie  Kinderärzte  und  Chirurgen  häufig  noch 
befürchten,  sie  sollte  nur  möglichst  früh  gemacht  werden,  sobald  die 
Diagnose  Pylorospasmus  gestellt  ist,  damit  das  Kind  nicht  immer 
elender  wird. 

v.  Hofmeister  -  Stuttgart :  Die  methodische  Dilatation  der 
Papilla  duodeni  und  die  Choledochoduodenaldrainage. 

Um  nach  Gallensteinoperationen  Rezidivkoliken  zu  verhüten, 
empfiehlt  Verf.  folgende  Massnahmen:  1.  Er  erweitert  methodisch  die 
Papilla  duodeni  mittels  Urethralbougies  aus  Zinn  bis  zu  Char.  No.  22 
bis  24.  2.  Er  drainiert,  um  etwa  in  der  Leber  noch  sitzende  Kon¬ 
kremente  direkt  nach  aussen  zu  leiten,  den  erweiterten  Hepatikus 
mit  einem  das  Lumen  völlig  ausfüllenden  Schlauch,  der,  kurz  vor 


146 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


der  Wunde  abgeschnitten,  frühzeitig  eine  Ausspülung  der  Gallen¬ 
wege  ermöglicht.  3.  Er  stellt  eine  Choledochoduodenaldrainage  her, 
indem  durch  die  erweiterte  Papille  ein  6 — 8  mm  dicker  Schlauch 
3 — 4  cm  weit  ins  Duodenum  eingeführt  und  mit  einer  langen  Zwirn¬ 
naht  am  Rand  der  Choledochuswunde  befestigt  wird.  Diese  letzte 
Methode  ist  genauer  beschrieben  und  das  Einführen  des  Schlauches 
an  einer  Zeichnung  erläutert.  Sie  wirkt  als  Dauerbougie,  entlastet 
den  Darm,  gestattet  die  Einführung  von  Medikamenten  und  Speisen 
ohne  Belästigung  des  Magens  und  verhütet  völlig  den  Gallenverlust. 
Verf.  empfiehlt  besonders  die  Choledochoduodenaldrainage  zur  Nach¬ 
prüfung.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd. XXXVI, 
Heft  4. 

1)  T  r  a  s  s  1  -  Brünn:  Hypophysenextrakt  in  der  Behandlung  der 
Placenta  praevia. 

Wenn  nur  ein  kleiner  Teil  des  Fruchtkuchens  vorliegt,  wenn  eine 
Längslage,  besonders  Kopflage  besteht,  wenn  die  Geburtstätigkeit  so 
weit  vorgeschritten  ist,  dass  der  Halskanal  verkürzt  und  genügend 
offen  ist,  dann  wird  von  Verf.  die  Blase  gesprengt  und  sofort  Pitu- 
glandol  injiziert.  Bei  Vorliegen  von  grösseren  Lappen  der  Plazenta 
wird  die  kombinierte  Wendung  nach  Braxton-Hicks  ausgeführt, 
der  heruntergeholte  Fass  belastet  und  auch  dann  Hypophysenextrakt 
injiziert.  Bei  für  eine  Wendung  zu  wenig  eröffnetem  Halskanal  kann 
die  Metreuryse  vorausgeschickt  werden. 

2)  K  i  u  t  s  i  -  Halle :  Ueber  die  innere  Sekretion  des  Corpus 
luteum. 

Das  Corpus  luteum  beschleunigt  die  Blutgerinnung.  Man  kann 
sich  vorstellen,  dass  die  Luteinzellen  die  Ovarialblutung  nach  dem 
Platzen  des  G  r  a  a  f  sehen  Follikels  zum  Stillstand  bringen.  Für  das 
Studium  der  Biologie  des  Corpus  luteum  ist  eine  Isolierung  des 
Corpus  luteum  von  den  übrigen  Gewebsssubstanzen  notwendig. 

3)  K  i  e  s e  1  b  a  c  h  -  Erlangen:  Ueber  Papillome  der  Vagina. 

Beschreibung  zweier  Fälle,  die  in  ihrer  Art  sich  sowohl  von 

den  Spitzenkondylomen  als  auch  von  der  von  Neumann  geschil¬ 
derten  Colpitis  papulosa  deutlich  unterscheiden. 

4)  S  t  e  i  n  -  New  York:  Carcinosarcoma  uteri  mit  Metaplasie 
des  Zylinderepithelkarzinom  in  Plattenepithelkarzinom. 

In  einem  adeno-myomatösen  Uterus  hatten  sich  zunächst  ein¬ 
fache  Schleimhautpolypen  entwickelt,  die  dann  sarkomatös  degene¬ 
rierten.  Zugleich  fing  das  Drüsenepithel  der  Polypen  und  der  Mus¬ 
kularis  zu  wuchern  an  und  diese  adeno-karzinomatösen  Drüsen  weisen 
wieder  metaplastische  Vorgänge  im  Plattenepithelkarzinom  auf.  Das 
Sarkom  im  primären  Tumor  war  das  rascher  wachsende.  In  einem 
sekundären  Tumor,  der  ein  Jahr  später  zur  Beobachtung  kam,  fand 
sich  reines  gemischtzeiliges  Sarkom  mit  Vorherrschen  der  Riesen¬ 
zellen  und  keine  epithelialen  Gebilde. 

5)  S  a  e  n  g  e  r  -  München:  Ueber  ein  primäres  und  über  ein 
metastatisches  Ovarialkarzinom  mit  Milchbildung  in  den  Brustdrüsen. 

Verf.  berichtet  über  zwei  einschlägige  Fälle,  bespricht  die  Ur¬ 
sachen  der  Milchbildung  unter  kritischer  Würdigung  der  in  der 
Literatur  niedergelegten  Beobachtungen  und  ist  der  Ansicht,  dass 
nicht  das  Ovarium  als  Ausgangspunkt  der  Geschwulst,  sondern  die 
Unreife  des  Tumors  massgebend  ist  für  die  Fähigkeit  und  den  Grad 
der  Fernwirkung.  Ferner  muss  auch  der  Wegfall  der  Ovarien  ge¬ 
nügend  gewürdigt  werden. 

6)  Parker  D  a  v  i  s  -  Philadelphia :  Eine  Methode  zur  Kontrolle 
der  post-partum-Blutungen  vermittels  manueller  Kompression  der 
Aorta.  Kaiserschnitt  bei  Placenta  praevia. 

Im  Notfall  erwies  sich  Verf.  die  unmittelbare  Aortenkompression 
mit  der  zur  Faust  geballten  Hand  vom  Cavum  uteri  aus  als  ein  sehr 
wirksames  Mittel  zur  Stillung  von  Nachgeburtsblutungen.  Der 
Kaiserschnitt  bei  Placenta  praevia  wurde  7  mal  ausgeführt.  Diese 
Behandlung  eignet  sich  nur  für  die  Klinik.  Unter  günstigen  Um¬ 
ständen  kann  dadurch  das  Leben  der  Mutter  und  des  Kindes  gerettet 
werden. 

7)  v.  0  1 1  -  St.  Petersburg:  Bakteriologische  Kontrolle  der 
Aseptik  bei  der  vaginalen  Koliotomie. 

Die  Bauchhöhle  kann  nach  Ansicht  von  Verf.  bei  vaginalen  Ein¬ 
griffen  von  Anfang  bis  zu  Ende  keimfrei  gehalten  werden.  Diese 
Ansicht  stützt  sich  auf  viele  Kontrollversuche  während  der  Operation. 
Die  bei  der  T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  sehen  Lage  in  die  Bauchhöhb  ein¬ 
dringende  Luft  kann  durch  einen  vorgelegten  Gazebausch  filtriert 
werden.  Sehr  gut  ist  die  Desinfektion  der  Scheide  und  des  Uterus 
mittels  Jodtinktur.  Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VI,  Heft  24. 

Max  Stolz-  Graz :  Zur  Verwertbarkeit  der  Hypophysenextrakte 
in  der  rechtzeitigen  und  vorzeitigen  Geburt. 

Mitteilung  einer  Anzahl  von  selbstbeobachteten  Fällen.  Seine 
Ergebnisse  fasst  Verf.  wie  folgt  zusammen:  Den  fast  übereinstim¬ 
menden  Mitteilungen  zufolge  besitzen  wir  in  den  von  H  o  f  b  a  u  e  r 
eingeführten  Hypophysenextrakten  ausgezeichnete  Mittel,  unzuläng¬ 
liche  Wehen  zu  verstärken.  Dadurch  sind  wir  bei  den  rechtzeitigen 
Geburten  in  den  Stand  gesetzt,  die  durch  die  Erlahmung  der  Wehen 
verursachte  Verzögerung  hintanzuhalten,  geringe  Hindernisse  rascher 
zu  überwinden,  operative  Eingriffe  zu  erleichtern,  die  Nachgeburts¬ 
periode  gelegentlich  zu  unterstützen  und  abzukürzen. 


Die  Wirkung  der  Hypophysenextrakte  hilft  uns  ferner  bei  der 
raschen  Durchführung  des  artifiziellen  Abortes,  wenn  die  Wehen¬ 
tätigkeit  durch  mechanische  Mittel  (insbesondere  die  Metreuryse) 
erregt  wurde.  Ihre  Verwendung  beim  Abortus  incompletus  erscheint 
nicht  zweckmässig. 

Da  mit  jeder  auf  nicht  operativem  Wege  erzielten  Verkürzung 
der  Entbindung  die  Infektionsgefahr  für  die  Gebärende  sinkt,  er¬ 
scheinen  die  Hypophysenextrakte  auch  als  wertvolle  Mittel  in  der 
prophylaktischen  Bekämpfung  der  Wochenbettinfektionen  und  durch 
die  Verkürzung  der  Leiden  der  Gebärenden  in  Verbindung  mit  den 
Narkoticis  als  nicht  zu  unterschätzende  Bundesgenossen  im  Kampfe 
gegen  die  natürlichen  Geburtsschmerzen. 

Lucius  S  t  o  1  p  e  r  -  Wien :  Pankreas  und  Ovarium  in  ihren  Be¬ 
ziehungen  zum  Zuckerstoffwechsel.  (Aus  dem  Institut  für  allgemeine 
und  experimentelle  Pathologie  der  Wiener  Universität.) 

Verfasser  experimentierte  an  Hunden,  bei  denen  eine  partielle 
Pankreasexstirpation  gemacht  worden  war,  so  dass  die  Tiere  lange 
Zeit  am  Leben  erhalten  werden  konnten.  Mitteilung  von  4  Versuchen. 
Aus  seinen  Versuchen  folgerte  der  Verfasser: 

1.  dass  die  Herabsetzung  der  Assimilationsgrenze  für  Zucker  bei 
Tieren,  denen  das  Pankreas  zum  Teil  exstirpiert  wurde,  durch  Ver¬ 
abreichung  von  Ovarialsubstanz  bis  zu  einem  gewissen  Grade  kom¬ 
pensiert  werden  kann; 

2.  dass  nach  Kastration  bei  solchen  Tieren  die  Assimilations¬ 
grenze  für  Zucker  noch  tiefer  sinkt. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Archiv  der  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 
Stoffwechselpathologie  und  der  Diätetik,  red.  von  Prof.  J. 
Boas -Berlin.  Band  XVIII,  Heft  5. 

32)  R  ü  t  i  m  e  y  e  r  -  Basel:  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung 
der  Fermentuntersuchungen,  speziell  des  Labfermentes  des  Magen¬ 
saftes  bei  Magenkrankheiten,  zugleich  ein  klinischer  Beitrag  zur  Frage 
der  Wesenseinheit  von  Lab  und  Pepsin  beim  Menschen. 

Was  zunächst  die  Beantwortung  der  Frage  über  die  diagnostische 
Bedeutung  der  Fermentuntersuchungen,  speziell  des  Labfermentes,  bei 
Magenkrankheiten  anlangt,  so  glaubt  Rütimeyer  auf  Grund  ein¬ 
gehender  Untersuchung  sagen  zu-  dürfen,  dass  uns  die  Untersuchung 
der  Labwirkung,  weil  sie  feiner  nuanciert  ist,  differentialdiagnostisch 
bei  anaziden  Magensäften  (Achylie,  Karzinom  und  nervöser  An¬ 
azidität)  mehr  leistet  als  diejenige  der  Pepsinwirkung,  dazu  kommt 
noch,  dass  sie  rascher  und  mit  weniger  Material  durchführbar  ist. 
Soll  aber  auch  noch  die  Pepsinwirkung  geprüft  werden,  so  ist  nach 
des  Verfassers  Ansicht  die  Probe  nach  Mett  entschieden  den  übrigen 
vorzuziehen.  Hinsichtlich  der  Frage  der  Wesenseinheit  von  Lab  und 
Pepsin  beim  Menschen  ist,  soweit  aus  den  vorliegenden,  mit  roheren 
klinischen,  nicht  mit  exakt  physiologisch-methodologischen  Hilfs¬ 
mitteln  erlangten  Befunden  eine  physiologische  Schlussfolgerung  auf 
das  Verhältnis  des  Lab  zum  Pepsin  im  menschlichen  Magensaft  bezw. 
in  der  Magenschleimhaut  statthaft  ist,  dieselbe  angesichts  der  so  oft 
beobachteten  grossen  Divergenzen  im  qualitativen  und  quantitativen 
Verhalten  beider  nicht  im  Sinne  einer  Wesenseinheit  von  Lab  und 
Pepsin  zu  ziehen. 

33)  T  a  u  b  e  r  -  St.  Petersburg:  Zur  Frage  von  den  Störungen  der 
Fettverdauung  bei  den  Erkrankungen  der  Leber  und  des  Pankreas. 

(Aus  der  mediz.  Klinik  des  kaiserl.  mediz.  Institutes  für  Aerztinnen. 
Direktor:  Prof.  v.  L  e  w  i  n.) 

Die  in  vorliegender  Arbeit  angeführten  Beobachtungen  berech¬ 
tigen  nach  des  Verfassers  Anschauung  zu  folgenden  Schlüssen: 
1.  Wenn  bei  einer  atrophischen  Leberzirrhose  ohne  Ikterus  die  Fett¬ 
verseifung  und  Spaltung  bedeutend  herabgesetzt  ist  und  durch  Pan- 
kreondarreichung  die  Fettspaltung  deutlich  verbessert  wird,  dann  ist 
die  Mitbeteiligung  des  Pankreas  und  pankreatische  Hyposekretion 
sehr  wahrscheinlich.  2.  Dass  eine  solche  Mitbeteiligung  des  Pankreas 
bei  Leberzirrhose  jedenfalls  häufig  genug  vorkommt,  um  eine  dia¬ 
gnostische  und  therapeutische  Berücksichtigung  zu  verdienen. 

34)  Lohrisch  -  Chemnitz :  Ueber  den  qualitativen  Nachweis 
von  Fett  in  den  Sekreten  und  Extrakten  mit  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  der  Fäzes. 

Nachdem  die  bisher  gebräuchlichen  Untersuchungsmethoden 
wohl  zur  Erkennung  der  Fettsäurenadeln  und  Seifen  genügten,  in  der 
Differenzierung  der  Neutralfette  und  Fettsäuren  aber  völlig  versagten, 
musste  unser  Bestreben  dahin  gehen,  einen  Farbstoff  zu  finden,  der 
Fettsäuren  und  Neutraliett  in  charakteristischer  Weise  different  färbt 
und  dabei,  wegen  der  durch  Alkoholzusatz  bedingten  Störung,  d.  h. 
Zerreissung  des  Präparates,  in  wässeriger  Lösung  angewendet  wer¬ 
den  kann.  Diesen  Ansprüchen  nach  einem  brauchbaren  Fettfarbstoff 
scheint  nun,  sowohl  auf  Grund  der  Eisenberg  sehen  Arbeit  über 
Fettfärbung  (Virchows  Archiv  Bd.  199)  als  auch  nach  des  Verfassers 
eigenen  Erfahrungen,  die  sich  auf  zahlreiche  Magen-  und  Darm¬ 
inhaltsuntersuchungen  stützen,  vor  allem  das  Nilblausulfat  zu  ent¬ 
sprechen,  das  in  wässeriger  Lösung  die  Fettsäuren  blau  das  Neutral¬ 
fett  aber  rot  färbt  und  bei  seiner  äusserst  einfachen  Anwendung 
als  klinische  Untersuchungsmethode  für  den  Nachweis  der  ver¬ 
schiedenen  Fettarten  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  sein 
dürfte. 

35)  F  r  i  c  k  e  r  -  Bern:  Ueber  eosinophile  Proktitis. 

F  r  i  c  k  e  r  beschreibt  4  Fälle  eosinophiler  Proktitis,  jenes  eigen¬ 
artigen,  erstmals  von  Neubauer  und  S  t  ä  u  b  1  i  näher  beschrie- 


21.  Januar  191.3, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


147 


bcnen  Kranklieitsbildes  (Münch,  med.  Woclienschr.  Bd.  35:  „Ueber 
eosinophile  Darmerkrankimgen“),  das  charakterisiert  ist  nicht  so 
sehr  durch  die  plötzlichen,  ohne  ersichtliche  Ursachen  unter  leichten 
Abdoniinalschnierzen  sowie  etwas  vermehrten  Stuhldrang  auftreten¬ 
den  blutig-schleimigen  Entleerungen,  die  bisweilen  nur  wenige  Tage, 
zumeist  aber  selbst  Wochen  und  Monate  anhalten  können,  und  die 
Entzündung  des  Mastdarms  bezw.  S  romanum,  sondern  allein  durch 
die  der  Darmmukosa  leicht  anhaftenden  gelblichweissen,  zahlreiche 
eosinophile  Leukozyten  und  Granulosehaufen,  bisweilen  auch  C’nar- 
c  o  t  -  L  e  y  d  e  n  sehe  Kristalle  enthaltende  Schleimauflagerungen. 
Wenn  F.  auch  nicht  wie  Neubauer  und  S  t  ä  u  b  1  i  augenfällige 
Beziehungen  zwischen  dem  Leiden  und  asthmatischen  Zuständen 
beobachten  konnte,  so  ähneln  die  Vorgänge  doch  zweifellos  den¬ 
jenigen,  wie  sie  bei  Bronchialasthma,  beim  Heuschnupfen  und  Heu¬ 
fieber  sich  abspielen.  Fragt  man,  auf  welche  Weise  der  Uebertritt 
der  eosinophilen  Zellen  unabhängig  von  Blutungen  aus  der  Darmwand 
in  das  Darmlumen  zustande  kommt,  so  bleibt  zur  Erklärung  dieses 
Vorganges  nur  die  Annahme  eines  Uebertrittes  per  diapedesin,  da 
die  eosinophilen  Zellen  im  Blut  selbst  durchaus  nicht  vermehrt  sind 
und  Komarowskys  Anschauung,  dass  die  eosinophilen  Zellen 
nichts  anderes  seien  als  mit  Trümmern  von  Erythrozyten  beladene 
Leukozyten,  nach  den  Untersuchungen  E  h  r  1  i  c  h  s  und  seiner  Schü¬ 
ler  unbedingt  abgelehnt  werden  muss.  A.  Jordan-  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  Band  45,  4.  bis 
6.  Heft. 

Protokoll  der  6.  Jahresversammlung  der  Gesellschaft  deutscher 
Nervenärzte.  Siehe  diese  Wochenschrift  1912,  No.  48,  S.  2646. 

Band  46,  1.  Heft. 

M  a  r  g  u  1  i  s  -  Moskau :  Die  pathologisch-anatomischen  Verän¬ 
derungen  bei  Zystizerken  des  Grosshirns. 

Die  dieZystizerkusblase  umgebende  Kapsel  entsteht  aufGrund  einer 
entzündlichen  Reaktion  des  umgebenden  Gewebes  nach  Nekrose  der 
Hirnsubstanz  und  ist  aus  Bindegewebe  in  verschiedenen  Stadien  seiner 
Entwicklung  zusammengesetzt.  Im  Innern  der  Blase  findet  man 
lebende  oder  abgestorbene  und  verkalkte  Parasiten,  oder  auch  nur 
Haken.  Die  Granulationsgewebsschicht  ist  bei  toten  Zystizerken  be¬ 
deutend  schmäler,  als  bei  lebenden.  Die  Stärke  der  Gefässreaktion 
ist  abhängig  vom  Alter  der  Zystizerken.  Ependymitis  gi  anularis  hat 
Verf.  in  keinem  der  3  untersuchten  Fälle  gefunden. 

D  o  m  i  n  i  k  o  w  -  Frankfurt:  Zur  Histopathologie  der  Neuritis 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Regenerationsvorgänge. 

An  der  Hand  eines  Falles  von  doppelseitiger  Neuritis  des  Pero¬ 
neus  hat  Verf.  die  histologischen  Veränderungen  der  betroffenen 
Nerven  studiert.  Bei  der  Markscheidenförderung  zeigten  sich  in  den 
Peronei  und  Ischiadici  grosse  Lücken  zwischen  den  markhaltigen 
Fasern.  An  Stelle  dieser  Ausfälle  waren  bei  der  Bielschowsky- 
Färbung  zwischen  den  dickeren  Achsenzylindern  der  markhaltigen 
Fasern  dünne,  meistens  stark  variköse,  marklose  Fasern,  in  weit 
grösserer  Anzahl  als  wie  im  normalen  Bilde,  zu  sehen.  Die  Frage 
nach  der  Herkunft  dieser  Fasern  beantwortet  der  Verf.  dahin,  dass 
sie  wohl  zum  grössten  Teil  aus  Regenerationsvorgängen  durch 
Sprossungen  aus  den  erhalten  gebliebenen  Fasern  entstanden  sind; 
zum  Teil  sind  es  aber  verschont  gebliebene  marklose  Fasern,  wie  sie 
sich  in  jedem  Nerven  finden,  die  erfahrungsgemäss  sich  gegen  Noxen 
besonders  resistent  erweisen.  Als  atrophische  Fasern,  die  ihre  Mark¬ 
scheide  verloren  haben,  sind  sie  wohl  kaum  anzusprechen,  wenn 
auch,  namentlich  in  leichter  erkrankten  Nerven,  die  Existenz  solcher 
Fasern  nicht  geleugnet  werden  kann. 

Sarbö-Pest:  Klinisch  reiner  Fall  von  spastischer  Spinal¬ 
paralyse  (E  r  b)  als  Unfallfolge. 

Ein  Kutscher  erlitt  3  ganz  ähnliche  Unfälle  (Halten  durchgehen¬ 
der  Pferde  vom  Bock  aus),  wobei  anscheinend  die  Pyramidenbahn 
durch  Ueberanstrengung  geschädigt  wurde;  und  zwar  diese  eher  als 
die  Vorderhornzellen,  weil  die  kortikospinale  Bahn  in  ihrer  Aufgabe, 
die  wichtige  Koordination  der  angespannten  Muskulatur  zu  über¬ 
wachen  und  die  Muskeln  in  Spannung  zu  erhalten,  am  meisten  in 
Anspruch  genommen  war.  Nach  dem  1.  Unfall  hatte  sich  Zittern  und 
Schwäche  in  den  Beinen  eingestellt,  der  2.  verschlimmerte  den  Zu¬ 
stand,  nach  dem  3.  trat  das  klassische  Bild  der  spastischen  Spinal- 
paralyse  zu  Tage. 

Rönne  und  W  i  m  m  e  r  -  Kopenhagen :  Akute  disseminierte 
Sklerose. 

Das  klinische  Bild  des  Falles  Hess  eine  Gliosis  spinalis  oder  einen 
zentralen  Spinaltumor  vermuten.  Es  fehlten  die  klassischen  Symptome 
der  Sklerose,  auch  sprachen  der  akute  Beginn  und  rasche  Verlauf  der 
Krankheit  gegen  die  Annahme  einer  Sklerose.  Trotzdem  fanden  sich 
bei  der  Sektion  zahlreiche  sklerotische  Herde  im  Rückenmark  und  in 
der  Sehbahn  ohne  sekundäre  Degenerationen.  Bei  Schwund  der  Mark¬ 
scheiden  waren  die  Achsenzylinder  relativ  gut  erhalten.  Daneben 
bestand  eine  bedeutende  Infiltration  des  Gewebes  mit  mono-  und 
polynukleären  Zellen  und  Proliferation  des  Gliagewebes.  Nach 
diesem  histologischen  Bild  scheint  dem  Verf.  die  Auffassung  der 
Sklerose  als  einen  Entzündungsvorgang  am  plausibelsten,  wofür  auch 
der  Befund  am  Sehnerven  spricht. 

Behr-Kiel:  Die  Bedeutung  der  Pupillenstörungen  für  die 
Herddiagnose  der  homonymen  Hemianopsie  und  ihre  Beziehungen 
zur  Theorie  der  Pupillenbewegung. 

„Besteht  bei  eine/  homonymen  Hemianopsie  eine  ausgesprochene 
Pupillendifferenz  mit  der  weiteren  Pupille  auf  der  dem  Herd  gegen¬ 


überliegenden  Seite,  ist  ausserdem  auf  diesem  Auge  die  direkte 
Lichtreaktion  weniger  ausgiebig  und  die  hemianopische  Starre 
weniger  deutlich  bei  monokularer  Prüfung  als  auf  dem  anderen  Auge, 
und  findet  sich  ausserdem  eine  gleichsinnige  Lidspaltendifferenz, 
dann  kann  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  eine  Traktusläsion  als  Ur¬ 
sache  der  Hemianopsie  angenommen  werden.  Da  die  hemianopische 
Pupillenstarre  bezw.  Pupillenerweiterung  auf  dem  dem  Herd  gegen¬ 
überliegendem  Auge  regelmässig  weniger  deutlich  ausgesprochen  ist 
und  unter  Umständen  infolge  der  mangelhaften  pupillomotorischen 
Reizvalenz  des  elektrischen  Untersuchungslichtes  sogar  fehlen  kann, 
ergibt  sich,  dass  man  zunächst  binokular  untersuchen  muss  und  sich 
nicht  mit  der  Untersuchung  nur  eines  Auges  begnügen  darf. 

Durch  diese  Beobachtungen  wird  es  wahrscheinlich  gemacht, 
dass  die  in  einem  Traktus  vereinigten,  von  2  homonymen  Netzhaut¬ 
hälften  ausgehenden  Bündel  zentral  als  geschlossener  Faserzug  eine 
Kreuzung  vornehmen  und  in  das  Okulomotoriuskerngebiet  der  gegen¬ 
überliegenden  Seite  einstrahlen.  Durch  diese  Annahme  lassen  sich 
alle  physiologischen  Erscheinungen  und  pathologischen  Störungen  im 
Bereich  des  zentripetalen  Teils  des  Reflexbogens  einschliesslich  der 
einseitigen  reflektorischen  Pupillenstarre  ungezwungen  erklären.“ 

0.  R  e  n  n  e  r  -  Augsburg. 

Archiv  für  Hygiene.  77.  Band.  4.,  5.,  6.  Heft. 

Erhard  Glaser- Wien:  Ueber  die  Desinfektion  von  Fäkalien 
und  städtischen  Sielwässern,  die  Behandlung  der  letzteren  mit 
Nitraten,  nebst  Untersuchungen  über  die  Zusammensetzung  und  Ver¬ 
änderungen  des  Kanalinhaltes  des  Wiener  Hauptsammler. 

Verf.  hatte  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht,  an  der  Hand  der 
Wiener  Kanalwässer  die  verschiedenen  Desinfektions¬ 
methoden  der  Fäkalien  und  der  Abwässer  zu  prüfen  und  gleichzeitig 
auf  diese  Weise  über  die  Beschaffenheit  der  Kanalwässer  neue 
Resultate  und  Daten  zu  gewinnen,  da  seit  der  Fertigstellung  der 
zweiten  Hochquellenleitung  noch  keine  analytischen  Ergebnisse  Vor¬ 
lagen.  Wien  besitzt  z.  Z.  das  System  der  Schwemmkanalisation 
fast  vollständig  durchgeführt  und  nur  ein  kleiner  Teil  der  Stadt  hat 
noch  rI  rennsystem.  Als  sehr  günstig  muss  es  für  die  Stadt  bezeichnet 
werden,  dass  ein  vorzüglicher  Vorfluter  mit  sehr  viel  Wasser,  der 
Donaukanal  resp.  die  Donau  vorhanden  ist,  so  dass  man  in 
Wien  wohl  niemals  an  andere  Abwasserreinigungsmethoden  als  die 
Schwemmkanalisation  wird  zu  denken  brauchen.  Die  Unter¬ 
suchungen,  welche  in  chemischer  und  physikalischer  Hinsicht  mit  den 
neuesten  Methoden  durchgeführt  sind,  sind  in  bezug  auf  ihre  Ergeb¬ 
nisse  in  der  grossen  Arbeit  .ausführlich  niedergelegt. 

Es  hat  sich  gezeigt,  dass  die  Wiener  Sielwässer  nur  wenig  ver¬ 
schmutzt  sind,  was  aus  dem  Gesamtrückstand  und  der  reichlichen 
Menge  freien  Sauerstoffs  im  Abwasser  hervorgeht.  Die  fortlaufende 
Kontrolle  des  Grades  der  Zersetzung  resp.  Reinigung  der  Abwässer 
mittels  der  elektrischen  Leitfähigkeit  hält  Verf.  für  nicht  geeignet. 
Aus  der  Summe  der  chemischen  Untersuchungen  lässt  sich  entnehmen, 
dass  der  Faulprozess  in  einem  Mineralisierungsprozess  besteht,  bei 
dem  organischer  Stickstoff,  organische  Substanz  mit  der  Fäulnis¬ 
fähigkeit  abnehmen,  während  der  Ammoniakgehalt  zunimmt.  Da  —  wie 
sich  auch  bei  den  Wiener  Versuchen  gezeigt  hat  —  alle  bisher  be¬ 
kannten  Wasserreinigungsverfahren  höchstens  eine  Verminderung, 
aber  nie  eine  Vernichtung  der  pathogenen  Keime  ermöglichen,  so 
wäre  wenigstens  bei  solchen  Städten,  die  das  Wasser  des  Vorfluters 
zu  Trinkzwecken  verwenden,  eine  ständige  Desinfektion  erforderlich. 
Auch  bei  Schlachthäusern,  Abflüssen  von  Desinfektionsanstalten, 
Lederfabriken  wäre  sie  angezeigt.  In  bezug  auf  die  Desinfektion  der 
Fäkalmassen  zeigt  sich,  dass  alle  Mittel  bei  festgeformten  Stühlen 
versagen.  Nach  den  Versuchen  des  Verf.  wird  Anwendung  von 
Hitze  empfohlen  und  zwar  siedendheisses  Wasser,  mit  denen 
die  Abgänge  zu  behandeln  wären.  Für  breiige  Stühle  wird  der  Erfolg 
mit  Schwefelsäure  oder  Natronlauge  plus  siedendem  Wasser  noch 
vergrössert,  so  dass  eine  halbstündige  Einwirkung  von  einer  5  proz. 
Lösung  genügen  würde.  Für  eine  Grossdesinfektion  der  Fäkalien 
kommen  aber  nur  gelöschter  Kalk  oder  Chlorkalk  in  Betracht.  In 
Wiener  Abwässern  Hess  sich  das  Bact.  coli  bei  einer  Chlorkalk¬ 
konzentration  von  1 : 2000  innerhalb  zweier  Stunden  ermöglichen. 
Da  bei  angefaultem  Abwasser  mehr  Chlorkalk  verbraucht  wird,  so 
empfiehlt  sich  stets  die  Desinfektion  möglichst  frischer  Abwässer. 
In  den  Kanälen  der  Städte  finden  Prozesse  statt,  die  der  Selbst¬ 
reinigung  der  Flüsse  an  die  Seite  zu  stellen  sind,  nur  verlaufen  sie 
rascher  und  intensiver,  besonders  wenn  ein  genügendes  Gefälle  und 
Sauerstoffzutritt  vorhanden  ist.  Offene  Kanäle  sind  dafür  in  vielen 
Fällen  passend.  Bei  Behandlung  der  Abwässer  mit  Nitraten  wird 
mehr  erreicht,  wenn  die  Menge  des  zugegebenen  Nitrates  grösser  ist. 
Es  geht  eine  Zunahme  der  Alkalinität,  des  Ammoniaks  mit  der  Ab¬ 
nahme  der  Oxydierbarkeit,  des  Albuminoidammoniaks,  der  Fäulnis¬ 
fähigkeit  und  des  Leitvermögens  Hand  in  Hand.  Bei  Lichtzutritt 
wird  der  Abbau  der  fäulnisfähigen  Substanz  beschleunigt. 

R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  1912.  Bd.  43. 
1.  Heft. 

1)  Zwick  und  Zeller-  Berlin :  Ueber  den  infektiösen  Abortus 
der  Rinder.  I.  Teil. 

Bei  der  Untersuchung  über  den  infektiösen  Abortus  oder  das 
ansteckende  Verkalben,  welches  auch  im  Deutschen  Reiche 


MUENCHENlER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


148 


erhebliche  Opfer  bei  Kühen  fordert,  wurden  82  Fälle  berücksichtigt 
und  zwar  52  abortierte  Föten,  9  Frühgeburten,  18  Nachgeburten, 
2  Uteri  und  1  Probe  Scheidenausfluss.  Es  fanden  sich  in  der  Hälfte 
der  Fälle  Bakterien,  welche  mit  dem  „Bang  sehen  Abortusbazillus“ 
übereinstimmten.  Die  Hauptmerkmale  sind:  Keine  Eigenbewegung, 
öram  negativ,  zuweilen  Polfärbung,  kurze,  ovoide  Stäbchenformen 
etwa  1 — 2  i-i  lang.  Wachstum  am  besten  bei  37°  fakultativ  anaerob, 
aber  auch  aerob,  auf  gewöhnlichem  Agar,  Gelatineagar  mit  oder  ohne 
Serum.  Oberflächenkolonien  nach  der  Beschreibung  an  Koli  er¬ 
innernd.  Wächst  auch  auf  Gelatine,  jedoch  sind  auf  den  Platten  die 
Kolonien  erst  nach  4  Wochen  zu  bemerken.  Es  tritt  keine  Ver¬ 
flüssigung  ein.  Auf  Kartoffel  verschieden  zart.  Keine  Milch¬ 
koagulation,  Lackmusmolke  blauviolett.  Keine  Gasbildung.  Auf 
Drygalski  und  Endoagar  ohne  Farbveränderung.  Schwefelwasserstoff 
wird  gebildet.  Indol  dagegen  nicht.  Danach  dürfte  der  Organismus 
ein  naher  Verwandter  aus  der  Gruppe  der  hämorrhagischen  Septi- 
kämie  (Hühnercholera  u.  dergl.)  sein.  Die  Wirkung  des  Abortus¬ 
bazillus  besteht  in  einer  fibrinös  eitrigen  Entzündung  der  Placenta 
maternalis  und  foetalis.  Bei  abortierten  Föten  finden  sich  haupt¬ 
sächlich  Veränderungen  am  Magen  und  Darmkanal.  Leicht  gelingt 
es,  die  Bakterien  aus  dem  Labmagen  und  dem  Darm  des  Föten  zu 
isolieren.  Die  Uebertragung  auf  Ziegen,  Schafe  und  kleine 
Laboratoriumstiere  gelang  auf  intravenösem  Wege,  vaginal,  subkutan 
und  per  os  mit  künstlichem  und  natürlichem  Material.  Tiere,  welche 
abortiert  haben,  zeigten  Agglutinationswerte  zwischen  1 :  100  und 
1 : 1000.  Das  nach  Art  des  Tuberkulins  hergestellte  A  b  o  r  t  i  n  hat 
sich  nicht  als  diagnostisches  Mittel  erwiesen.  Die  Kühe  infizieren 
sich  durch  den  Bulbus  oder  auf  oralem  Wege.  Der  infektiöse 
Scheidenkatarrh  ist  als  Ursache  des  Verwerfens  nicht  anzusehen. 

2)  Zwick  und  Wedemann  -  Berlin :  Biologische  Unter¬ 
suchungen  über  den  Abortusbazillus. 

Der  oben  besprochene  Organismus  wächst  nicht  unter  absolut 
anaeroben  Verhältnissen.  Entwickelte  Kulturen  werden  nicht  ver¬ 
ändert  unter  dem  Einfluss  von  Sauerstoff,  Stickstoff,  Wasserstoff 
und  Kohlensäureatmosphäre.  Bei  60—65°  wird  das  Bakterium  in 
5 — 15  Minuten  abgetötet.  In  sterilem  Kuhharn  hält  es  sich  ca.  1  Tag. 
In  feuchtem  sterilem  Kuhkot  75  Tage.  In  3  proz.  Kresolschweiel- 
säurelösung  stirbt  der  Organismus  in  5 — 10  Minuten. 

3)  S.  Szymanowski  - Krakau :  Ueber  die  Anwendung  der 
Präzipitationsmethode  zur  Diagnostik  des  ansteckenden  Verkalbens. 

Bei  dahingehenden  experimentellen  Versuchen  stellte  es  sich 
heraus,  dass  für  praktisch-diagnostische  Zwecke  eine  Präzipitin¬ 
reaktion  mit  Karbolkochsalzextrakten  aus  Abortusbazillen  nicht,  zu 
empfehlen  ist,  da  es  an  spezifischer  Reaktion  wie  auch  an  Empfind¬ 
lichkeit  mangelt.  Es  geben  sowohl  Rinder,  welche  natürlich  erkrankt 
waren,  schwankende  Ergebnisse,  wie  auch  bei  ganz  einwandfreien 
Rindern  Präzipitationen  sich  mit  Karbolkochsalzextrakt  einstellten. 

R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  2,  1913. 

1)  N  e  i  s  s  e  r  -  Breslau :  Die  Prinzipien  der  modernen  Syphilis¬ 
therapie. 

Jubiläumsartikel. 

2)  Karl  v.  N  o  o  r  d  e  n  -  Wien:  Ueber  enterogene  Intoxikationen, 
besonders  über  enterotoxische  Polyneuritis.  (Vortrag,  gehalten  im 
University  medical  College  in  Syracuse,  N.Y.,  November  1912.) 

Verfasser  beschreibt  ein  wohlabgegrenztes  klinisches  Bild,  das 
auf  eine  intestinale  Intoxikation  zurückgeführt  werden  muss,  nämlich 
die  enterogene  toxische  Polyneuritis. 

3)  Max  W  e  i  c  h  e  r  t  -  Breslau :  Lähmungen  bei  Extensionsbe¬ 
handlung  von  Oberschenkelbrüchen..  (Im  Auszug  vorgetragen  in  der 
chirurgischen  Gesellschaft  im  Allerheiligenhospital  am  11.  Novem¬ 
ber  1912.) 

Verf.  beobachtete  eine  Reihe  von  Lähmungen  des  N.  peroneus 
und  N.  cutaneus  surae  lateralis  bei  der  Extensionsbehandlung  von 
Oberschenkelbrüchen.  Er  führt  dieselben  auf  eine  Ueberdehnung  des 
Ischiadikusstammes  zurück  und  macht  dafür  die  hohe  Gewichtsbe¬ 
handlung  resp.  bei  niederen  Gewichten  die  gleichzeitige  Extension 
und  Elevation  verantwortlich.  Seitdem  Verf.  zu  dem  Prinzip  der 
Zuppinger  sehen  Hemiflexionsmethode  übergegangen  ist,  wurden 
keine  Lähmungen  mehr  beobachtet.  Bei  dieser  wird  die  Elevations¬ 
schiene  im  Knie  abgeknickt,  der  untere  Teil  zum  Bett  etwa  in  45° 
geneigt,  während  der  obere  Teil  für  den  Unterschenkel  dem  Bett 
parallel  verläuft. 

4)  Arthur  Schlesinger  -  Berlin :  Zur  chirurgischen  Be¬ 
handlung  des  Morbus  Basedowii.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner 
medizinischen  Gesellschaft  am  4.  Dezember  1912.) 

cf.  pag.  2763  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

5)  Arthur  S  o  m  m  e  r  -  Breslau :  Das  E  h  r  m  a  n  n  sehe  Frosch¬ 
augenphänomen  im  Blutserum  von  Psoriasiskranken. 

Verf.  machte  folgende  interessante  Beobachtung:  wenn  man 
Froschaugenpupillen  in  das  Serum  normaler  Menschen  bringt,  so  er¬ 
weitern  sie  sich  bald,  bringt  man  sie  in  das  Serum  an  Psoriasis 
Leidender,  so  bleiben  sie  eng.  Verf.  führt  diese  Reaktion  auf  im  Blut¬ 
serum  Psoriasiskranker  vorhandene  minderwertige  adrenalinähnliche 
Substanzen  zurück,  wodurch  eine  Erweiterung  der  Froschaugenpupille 
ausbleibt. 

6)  J.  C.  S  c  h  i  p  p  e  r  s  -  Amsterdam :  Ein  Fall  von  akuter 
aleukämischer  Lymphadenose.  Kasuistischer  Beitrag. 


7)  Heinrich  O  f  f  e  r  g  e  1  d  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  synthetisches 
Hydrastinin  und  seine  Anwendung. 

Das  Hydrastinin  ist  nach  den  Erfahrungen  des  Verfassers  ein 
gutes  Mittel  zur  Bekämpfung  unkomplizierter,  primärer  und  sekun¬ 
därer  uteriner  Blutungen.  Die  Wirkung  ist  besonders  hervorragend 
bei  längerem  Gebrauche,  schon  prophylaktisch  vor  Beginn  der  Blu¬ 
tung  und  beim  virginellen  Uterus.  Wegen  seiner  Uteruskontraktionen 
auslösenden  Wirkungen  ist  es  zur  Behandlung  der  im  Verlaufe  einer 
Gravidität  auftretenden  Blutungen  nicht  am  Platze.  Es  ist  ein  un¬ 
giftigeres,  wirksameres  und  wohlschmeckenderes  Präparat  als  das 
Hydrastin,  und  viel  billiger. 

8)  Dührssen  -  Berlin:  Ueber  synthetisches  Hydrastinin  hydro- 
chloricum. 

Die  günstigen  Erfahrungen  des  Verfassers  mit  dem  Hydrastinin 
„Bayer“  decken  sich  mit  denen  anderer  Verfasser. 

9)  Rudolf  E  h  r  in  a  n  n  -  Berlin :  Ueber  das  Coma  diabeticum. 
(Schluss.) 

Aus  den  mitgeteilten  Experimenten  und  Beobachtungen  an  koma¬ 
tösen  Diabetischen  ergibt  sich,  dass  das  Coma  diabeticum  eine  spe¬ 
zifische  Buttersäurevergiftung  ist.  Die  Buttersäuren  wirken  als  Hirn¬ 
gifte  auf  Atemzentrum,  Vasomotorenzentrum  und  Grosshirn.  Bei  über¬ 
wiegender  Wirkung  der  Buttersäuren  auf  das  Gefässystem  kann  eine 
kardiovaskuläre  Form  des  Koma  zustande  kommen.  Der  Wirkungs¬ 
mechanismus  des  Natriumkarbonats  und  Natriumbikarbonats  beim 
Koma  beruht  einmal  auf  einer  schnelleren  und  reichlicheren  Aus¬ 
schwemmung  der  toxischen  Buttersäuren,  sodann  aber  auch  auf  einer 
erregenden  Wirkung  für  das  Gefässnervensystem. 

10)  Ernst  Jeger:  Ein  Instrument  zur  Erleichterung  der  Gefäss- 
naht  nach  C  a  r  r  e  I. 

Das  Instrument  besteht  aus  drei  Metallstäben  von  der  Dicke  einer 
starken  Stricknadel,  die  in  einem  Griff  vereinigt  sind.  Jeder  der 
drei  Stäbe  trägt  an  der  Spitze  eine  kleine  Klemmschraube.  In  diese 
werden  drei  Haltefäden,  zwischen  denen  das  Gefäss  straff  ausgespannt 
ist,  eingeklemmt.  Durch  diese  Vorrichtung  wird  das  Anlegen  einer 
fortlaufenden  Gefässnaht  ganz  ausserordentlich  vereinfacht. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  2,  1913. 

1)  O.  F  o  e  r  s  t  e  r  -  Breslau:  Die  analytische  Methode  der  kom¬ 
pensatorischen  Uebungsbehandlung  bei  der  Tabes  dorsalis. 

Klinischer  Vortrag;  Fortsetzung  aus  No.  1. 

2)  E.  F.  B  a  s  h  f  o  r  d -  London:  Das  Krebsproblem. 

Zweite  Leyden-Vorlesung,  gehalten  am  21.  Oktober  1912  im 
Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde,  referiert  in  No.  -14 
(1912)  der  Münch,  med.  Wochenschr.  Schluss  aus  No.  1. 

3)  M.  B.  S  c  h  m  i  d  t  -  Marburg:  Kalkmetastase  und  Kalkgicht. 

Im  Anschluss  an  einen  näher  mitgeteilten  Sektionsbefund,  welcher 

eine  ausgedehnte  Verkalkung  der  Lunge,  der  Magenschleimhaut,  der 
Nieren,  sodann  der  kleinen  Gefässe,  zumal  der  Arterien  des  Pankreas 
und  des  Uterus,  des  Herzmuskels  bei  Fehlen  einer  Knochenerkrankung 
und  Vorhandensein  einer  starken  chronischen  Nephritis  erkennen  Hess, 
wird  die  Entstehung  dieser  allgemeinen  Verkalkungen  einer  eingehen¬ 
den  Erörterung  unterzogen.  Verf.  gelangt  zu  der  Anschauung,  dass 
eine  Störung  des  Kalkstoffwechsels  zugrunde  liegen  muss,  die  ihrer¬ 
seits  irgendwie  mit  der  Nephritis  in  Zusammenhang  stehen  muss. 

4)  Huntemüller  und  P  a  d  e  r  s  t  e  i  n  -  Berlin :  Chlamydo- 
zoenbefunde  bei  Schwimmbadkonjunktivitis. 

Eine  in  gehäuften  Fällen  in  ein  und  demselben  Schwimmbad 
unter  den  Erscheinungen  des  akuten  Trachoms  auftretende  Konjunk¬ 
tivitis  zeigte  in  Ausstrichpräparaten  mit  Romanowskyfärbung  Zell¬ 
einschlüsse,  wie  sie  von  Halberstädter  und  Prowazek  eben¬ 
falls  beim  Trachom  beschrieben  wurden.  Immerhinbleibt  es  auch 
trotz  der  Uebertragbarkeit  auf  Affen  zweifelhaft,  ob  nicht  eine  be¬ 
sondere,  dem  Trachom  nur  verwandte  Krankheitsform  vorliegt;  der 
verhältnismässig  leichtere  Verlauf  könnte  dafür  sprechen. 

5)  H.  C  o  n  r  a  d  i  -  Dresden:  Ueber  Typhusbazillenträger. 

Für  die  Personen,  welche  nach  Ueberstehen  eines  Abdominal¬ 
typhus  noch  Typhusbazillen  beherbergen,  wird  der  Name  Haupt¬ 
träger,  für  solche  Personen,  welche  niemals  (erkennbar)  typhus¬ 
krank  waren  und  doch  Bazillen  ausscheiden,  der  Name  Neben¬ 
träger  vorgeschlagen.  Erstere  bedeuten  die  Hauptinfektionsgefahr. 
Aus  der  Tatsache,  dass  der  Typhus  nicht  sowohl  ein  lokale  Darrn- 
erkrankung  als  eine  Bakteriämie  darstellt,  erklärt  es  sich,  dass  5  Proz. 
der  Typhuskranken  chronisch  infiziert  bleiben  infolge  Infektion  der 
Gallenwege,  infektiös-embolischer  Herde  in  der  Niere.  Daraus  erhellt 
auch  die  Aussichtslosigkeit  einer  chirurgischen  Therapie.  Ob  von  der 
Chemotherapie  etwas  zu  hoffen  ist,  muss  abgewartet  werden.  Einst¬ 
weilen  ist  die  dringende  Ermahnung  zu  Sauberkeit  und  Vorsicht  das 
einzige  Mittel  im  Kampfe  gegen  die  Verbreitung  des  Typhus  durch 
Bazillenträger. 

6)  Fr.  P  o  r  t  -  Göttingen:  Hypertension  und  Blutzucker. 

In  Uebereinstimmung  mit  Weiland  liess  sich  feststellen,  dass 
nur  mit  Apoplexie,  Eklampsie  oder  Urämie  kombinierte  Nephritis  zu 
einer  Vermehrung  des  Blutzuckers  führt;  diese  löst  nicht  ohne 
weiteres  eine  Glykosurie  aus. 

7)  Paul  E  b  e  r  s  -  Baden-Baden:  Fall  von  operiertem  Rücken- 
markstumor. 

Von  den  Rückenmarkshäuten  in  der  Höhe  des  zweiten  Brust¬ 
wirbels  ausgehendes,  grosszeiliges  Sarkom,  das  bereits  in  die  Glia 
des  Rückenmarkes  hineingewuchert  war;  die  operative  Entfernung 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


149 


konnte  den  tödlichen  Ausgang  nicht  aufhalten.  Die  klinischen  Er¬ 
scheinungen  waren  im  wesentlichen  zunächst  die  einer  Halbseiten-, 
sodann  die  einer  Querschnittsläsion. 

8)  E.  R  i  m  i  n  i  -  Triest:  Ueber  den  Einfluss  des  Salvarsans  auf 

das  Gehörorgan. 

Acht  allerdings  zumeist  der  ersten  Zeit  der  Salvarsarüira  ange¬ 
hörenden  Fälle  Hessen  nach  der  Injektion  mehr  oder  weniger  schwere 
Gehörstörungen  erkennen.  Diese  sind  jedenfalls  nicht  auf  eine  direkt 
toxische  Wirkung  des  Salvarsans  zurückzuführen;  vielmehr  dürfte  in 
dem  latent  luetischen  Akustikus  eine  lebhafte  reaktive  Entzündung 
angenommen  werden.  Es  ist  daher  bei  der  Salvarsantherapie,  wo 
schon  zuvor  auch  nur  die  geringsten  Hörstörungen  vorliegen,  grosse 
Vorsicht  erforderlich. 

9)  Erich  H  a  r  t  u  n  g  -  Bernburg:  Fall  von  Dementia  paralytica 

und  Geburt. 

Vollkommen  normaler  Verlauf  der  Geburt  bei  ausgebildeter  Para¬ 
lyse. 

10)  Me  der -Köln:  Zwei  Fälle  von  verspäteter  Abheilung  der 
Impfpusteln. 

In  dem  einen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  Vaccina  serpiginosa, 
in  dem  anderen  um  ein  lokales  Vakzinerezidiv. 

11)  C.  Crede-Hörder-  Berlin-Friedenau :  Ueber  nichtgonor¬ 
rhoische  Ophthalmoblennorrhöen  der  Neugeborenen  und  Säuglinge. 

An  Stelle  der  Gonokokken,  welche  wohl  nicht  so  häufig  die  Er¬ 
reger  einer  Ophthalmoblennorrhoe  beim  Neugeborenen  sind,  als  viel¬ 
fach  angenommen  wird,  konnten  Gram-positive  Diplokokken,  Pneumo¬ 
kokken  und  Koli  entdeckt  werden.  Besonders  schwer  waren  die 
durch  Pneumokokken  hervorgerufenen  Entzündungen;  doch  sind  auch 
diese  wie  die  anderen  vor  der  gonorrhoischen  Ophthalmoblennorrhoe 
durch  das  Fehlen  einer  Beteiligung  der  Kornea  ausgezeichnet. 

12)  Thomas  Pertik-Pest:  Ueber  Jodostarin  und  Jodpräparate 
in  der  Therapie  der  Lungenschwindsucht. 

Auch  bei  solchen  Tuberkulösen,  welche  vollkommen  luesfrei 
sind,  eignet  sich  das  Jod  und  seine  Präparate  gut  zur  spezifischen 
Dauerbehandlung.  Als  besonders  empfehlenswert  erwies  sich  hierbei 
eine  Verbindung  des  Jods  mit  einer  ungesättigten  Fettsäure,  das 
Jodostarin,  welches  geschmacklos  und  frei  von  schädlichen  Neben¬ 
wirkungen  (Jodismus  höchstens  bei  ganz  grossen  Dosen)  ist,  schnell 
resorbiert  und  langsam  ausgeschieden  wird.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1912,  No.  36. 

A.  Hegner  - Jena:  Ueber  neue  Fortschritte  in  der  Brillen¬ 
kunde. 

Verf.  gibt  eine  Darstellung  der  Forschungsergebnisse  von 
Gullstrand,  Ost  w  alt  und  Tscherning  und  M.  v.  Rohr, 
die  die  Herstellung  „punktuell  abbildender“  Gläser  erstrebten.  Zum 
Referat  irn  Einzelnen  nicht  geeignet. 

Tieche -Zürich:  Notiz  über  einen  Fall  von  Balanitis  gan¬ 
graenosa. 

Ausführliche  Beschreibung  eines  schweren  Falles  von  Bai. 
gangr.,  Erörterung  der  Differentialdiagnose  gegenüber  Lues  und  der 
Behandlung. 

E.  0  b  e  r  h  o  1  z  e  r  -  Breitenau :  Einige  Beobachtungen  über  das 
psychogene  Moment  beim  Keuchhusten. 

Beobachtungen  einer  Krankenpflegerin,  die  durch  energische 
und  konsequente  Erziehung  bei  2  Kindern  von  7  Jahren  und  20  Mo¬ 
naten  eine  auffällige  Verminderung  und  Kupierung  der  Anfälle 
erreichte.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  2.  C.  K  1  i  n  g  Stockholm:  Die  Aetiologie  der  Kinderlähmung. 

Untersuchungen  von  Kling,  Petterson  und  W  e  r  n  s  t  e  d  t 
haben  ergeben,  dass  die  mikrobischen  Erreger  der  Kinderlähmung 
konstant  in  dem  Mund-,  Rachen-  und  Nasensekret,  auch  im  Tracheal¬ 
und  Bronchialsekret,  wie  im  Darminhalt  der  Erkrankten  vorhanden 
sind;  dieser  Nachweis  ist  auch  bereits  bei  leichteren,  sogen.  Abortiv¬ 
fällen,  wo  die  Lähmungen  fehlten,  gelungen,  desgleichen  auch  bei  dem 
Rachen-  und  Darmsekret  von  anscheinend  gesunden  Personen  in  der 
Umgebung  der  Erkrankten.  Bei  Rekonvaleszenten  wurden  teilweise 
noch  bis  in  den  7.  Monat  nach  Ablauf  des  akuten  Stadiums  die  Se¬ 
krete  als  virushaltig  befunden.  Doch  scheint  die  Virulenz  ziemlich 
rasch  abzunehmen,  indem  Impfungen  nicht  mehr  infiltrative,  sondern 
degenerative  Prozesse  am  Rückenmark  zur  Folge  haben,  wie  das 
auch  bei  den  Abortivfällen  der  Fall  ist.  Im  allgemeinen  erscheint  es 
daher  nicht  möglich,  die  Kranken  so  lange  zu  isolieren,  bis  sie  völlig 
mikrobenfrei  sind,  es  muss  die  Isolierung  während  des  akuten  Sta¬ 
diums  genügen. 

A.  P  a  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin  :  Zur  Benzolbehandlung  der  Leuk¬ 
ämie  und  sonstiger  Blutkrankheiten. 

Nach  P.s  Untersuchungen  wäre  anzunehmen,  dass  die  vom 
Menschen  ohne  Schaden  ertragenen  Benzolgaben  gemäss  den  Dar¬ 
legungen  Sellings  zu  klein  sind,  um  eine  Unterdrückung  der 
Knochenmarkszellbildung  zu  bewirken,  sie  könnten  vielmehr  nur  als 
Reizdosen  gelten;  bei  grösseren  Dosen  besteht  die  Gefahr  schwerer 
Schädigungen  der  Leber  und  der  Nieren.  Das  Benzin  scheint  etwa 
die  gleiche  Wirksamkeit  bei  geringeren  Nebenwirkungen  zu  besitzen. 
Beide  Mittel  wirken  weniger  elektiv,  weniger  eingreifend,  besonders 
aber  weniger  konstant  und  verlässig  auf  das  Knochenmark,  wie  die 


radioaktiven  Substanzen,  von  denen  dem  Thorium  sicher  die  grösste 
und  nachhaltigste  Wirkung  zukommt.  Ihre  Wirkung  auf  das  Blut  ist 
wenigstens  zum  Teil  nur  eine  scheinbare  und  vorgetäuschte.  Auch 
die  Appetitstörung  und  die  mögliche  Schleimhautschädigung  durch 
das  Benzol  und  Benzin  ist  nicht  gering  anzuschlagen. 

O.  Fischer  und  E.  Klausner  -  Prag:  Ein  Beitrag  zur  Kutan¬ 
reaktion  der  Syphilis. 

F.  und  K.  haben  zur  Kutanreaktion  Vbo — ‘/m  ccm  eines  Extraktes 
aus  einer  Pneumonia  alba  verwendet.  20  Fälle  von  Paralysen  re¬ 
agierten  ganz  negativ.  Dagegen  wurde  bei  weiteren  Versuchen  bei 
sämtlichen  Fällen  von  tertiärer  Lues  eine  nach  24  Stunden  auf¬ 
tretende,  nach  48  Stunden  am  deutlichsten  ausgeprägte  Reaktion  in 
Form  einer  ca.  zweihellerstückgrossen  bräunlichen  Papel  erzielt, 
deren  lebhaft  roter  Hof  die  Grösse  eines  Fünfkronenstückes  erreicht. 
Dieses  Infiltrat  bleibt  meist  wochenlang,  während  der  Entzündungs¬ 
hof  bald  zurückgeht.  Bei  Luetikern  des  ersten  und  zweiten  Sta¬ 
diums  blieb  die  Hautreaktion  stets  aus,  bei  Lues  hereditaria  tarda 
war  sie  positiv. 

R.  L  a  w  a  t  s  c  h  e  k  -  Prag:  Zur  Prognose  der  Säuglingstuber¬ 
kulose. 

Zum  Beweise,  dass  auch  bei  der  Säuglingstuberkulose  die  Pro¬ 
gnose  nicht  absolut  ungünstig  ist,  beschreibt  L.  einen  Fall,  wo  am 
38.  Lebenstage  positive  Kutanreaktion  (vorher  2  mal  negativ)  be¬ 
stand,  dann  wegen  unbestimmter,  aber  verdächtiger  Lungenerschei¬ 
nungen  eine  Tuberkulinbehandlung  erfolgte,  im  Alter  von  4  Monaten 
eine  Handgelenkseiterung  (Exkochleation)  entstand,  aber  fortan  eine 
ungestörte  Entwicklung  folgte  und  jetzt  das  zweite  Lebensjahr  über¬ 
schritten  ist. 

F.  Orthner-Ried  i.  J.:  Zur  Kasuistik  der  Pfählungsver¬ 
letzungen. 

Sturz  auf  einen  Heugabelstiel,  der  in  das  Rektum  eindrang  und 
dasselbe  zerriss.  15  Stunden  später  Ausspülung  des  Douglas  sehen 
Raumes  vom  Rektum  aus,  Drainage.  Am  15.  Tage  war  das  ziemlich 
beträchtliche  Exsudat  fast  geschwunden.  Heilung.  O.  verweist  auf 
die  Unsicherheit  gewisser  peritonitischer  Symptome,  welche  z.  B. 
durch  eine  Darmparese  infolge  Schockwirkung  vorgetäuscht  werden 
können  (Pulsbeschleunigung,  Erbrechen,  Singultus,  Meteorismus, 
Stuhl-  und  Gasretention). 

No.  1  u.  2.  G.  K  e  1 1  i  n  g  -  Dresden:  Neue  Versuche  zur  Erzeu¬ 
gung  von  Geschwülsten  mittels  arteigener  und  artfremder  Embryonal¬ 
zellen. 

Vorgetragen  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu 
Dresden  am  7.  XII.  12.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Ophthalmologie. 

Rönne:  Gesichtsfeldstudien  über  das  Verhältnis  zwischen  der 
peripheren  Sehschärfe  und  dem  Farbensinn,  speziell  die  Bedeutung 
derselben  für  die  Prognose  der  Sehnervenatrophie.  (Klin.  Monatsbl. 
f.  Augenheilkunde,  Bd.  49.  I,  S.  154.) 

Wenn  man  die  Gesichtsfelduntersuchung  nach  Bjerrums 
Methode  mit  verschiedenem  Objektsgesichtswinkel,  d.  h.  durch 
Variierung  des  Objektivabstandes,  vornimmt,  so  ergibt  sich  deutlich, 
dass  erstere  vielmehr  eine  Untersuchung  der  Punktsehschärfe  als 
des  Lichtsinnes  darstellt.  Eine  solche  methodische  Gesichtsfeld¬ 
prüfung  wird  diagnostisch  wertvoll,  wenn  man  sie  mit  den  Ergeb¬ 
nissen  der  Farbengesichtsfeldaufnahme  vergleicht.  Geht  man  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  Sehschärfe  und  Farbensinn  durch  die¬ 
selbe  Nervenfaser  geleitet  werden,  so  ergeben  sich  folgende  Schlüsse: 
Sind  eine  Anzahl  Leitungselemente  destruiert,  ohne  dass  eine 
Schädigung  der  noch  fungierenden  auftritt,  so  werden  sich  Seh¬ 
schärfe  und  Farbensinn  proportional  verhalten,  was  man  im  wesent¬ 
lichen  bei  abgelaufenen  und  stationären  Erkrankungen  der  Sehleitung 
erwarten  darf;  liegt  dagegen  ein  Leitungshemmnis,  ein  Widerstand 
in  der  Leitung  in  der  einzelnen  Nervenfaser  vor,  von  der  die 
Funktionen  der  Sehschärfe  und  des  Farbensinns  in  ungleicher  Weise 
betroffen  werden,  so  müssen  sich  Sehschärfe  und  Farbensinn  dis¬ 
proportional  verhalten,  ein  Ergebnis,  das  sich  bei  frischen  Leiden 
finden  dürfte,  vorausgesetzt,  dass  die  Anzahl  der  leitungsgehemmten 
Fasern  verhältnismässig  gross  ist  im  Vergleich  mit  den  noch  normal 
fungierenden,  wodurch  dann  zugleich  eine  ungünstige  Prognose  ge¬ 
geben  wäre.  Dies  fand  Verf.  auch  in  der  Praxis  im  wesentlichen 
bestätigt,  da  die  Fälle  stationärer  Sehnervenatrophie  eine  gute  Ueber- 
einstimmung  zeigten  zwischen  Punktsehschärfe  (Perimetrie)  und 
peripherem  Farbensinn.  Bei  den  progressiven  Sehnervenatrophien 
wird  man  zwischen  diffusen  und  Partialatrophien  unterscheiden 
müssen.  Bei  den  letzteren,  bei  denen  das  Leiden  keinen  Sprung  im 
Sehnervenquerschnitt  macht,  sondern  eine  ganze  Gruppe  von  Fasern 
destruiert,  wird  das  Grenzgebiet  zwischen  normalem  und  zugrunde 
gehendem  Geu'ebe  zu  schmal  sein,  um  eine  deutliche  Disproportio¬ 
nalität  zu  ergeben.  Anders  bei  den  diffusen  progressiven  (spinalen) 
Atrophien.  Hier  konnte  Rönne  unter  11  Fällen  6 mal  eine  langsame 
Progression  der  Atrophie  bei  proportionalem  Verhalten  von  Gesichts¬ 
feld  und  peripherem  Farbensinn  beobachten  und  5  mal  eine  schnelle 
bei  disproportionalem  Verhalten. 

W  o  1  f  b  e  r  g  -  Breslau :  Augenspiegelbefund  bei  Amblyopia  ex 
anopsia  und  Schielen.  (Wochenschr.  f.  Therapie  und  Hygiene  des 
Auges,  XVI.  Jahrgang,  No.  1  vom  13.  Oktober  1912.) 

In  der  Regel  findet  man  bei  Amblyopia  ex  anepsia  an  dem 
amblyopischen  Auge  keinerlei  ophthalmoskopische  Veränderungen; 


150 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


insbesondere  zeichnet  sich  dieser  Zustand  aus  durch  die  A  b  w  e  s  e  n  - 
heit  jeder  auf  akkommodative  Tätigkeit  zurückzurührende  Erschei¬ 
nungen,  wie  physiologische  Exkavation.  Konus-  oder  Terrassen¬ 
bildung  oder  Rarefikation  des  Pigmentepithels.  Dagegen  findet  man 
nach  dem  Verf.  an  dem  nicht  amblyopischen  Auge  desselben 
Individuums  solche  Veränderungen.  So  hat  W.  auch  in  zahlreichen 
Fällen  von  Strabismus  convergens,  in  welchen  das  abgelenkte 
amblvopische  Auge  keinerlei  akkommodative  Veränderungen  an  der 
Pupille  aufwies,  dieselben  am  fixierenden  Auge  stets  konstatiert. 

Die  Erklärung  hiefür  und  zugleich  für  das  Schielen  ergibt  sich 
aus  folgendem:  Normale  Augen  stellen  beim  Blick  in  die  Ferne  die 
Qesichtslinien  parallel,  während  sie  bei  einem  Hypermetropen  mit 
angeborenem  Mangel  der  Fusion  konvergent  stehen.  Um  nun  zu 
fixieren,  wird  von  dem  hypermetropischen  Kind  mit  einem  Auge 
akkommodiert  und  es  wird  jenes  Auge  zum  Fixieren  benützt,  welches 
der  akkommodativen  Tätigkeit  am  wenigsten  Widerstand  entgegen¬ 
setzt.  Haben  wir  auf  beiden  Augen  normale  Papillen,  so  wird  doch 
die  Beschaffenheit  der  physiologischen  Exkavation  oder  es  werden 
sonst  irgendwelche  anatomischen  Verhältnisse  auf  oder  an  der 
Papille  dem  durch  die  Akkomodation  intendierten  Dehnungs¬ 
prozess  auf  dem  einen  Auge  günstigere  Chancen  bieten  als  aut  dem 
anderen;  der  immerhin  auch  auf  dem  günstiger  beschaffenen  Auge 
anzunehmende  Widerstand  gegen  den  Dehnungsprozess  führt  zu  un¬ 
verhältnismässig  starker  Akkommodationsanspannung,  diese  ihrer¬ 
seits  aber  reflektorisch  zu  verstärkter  Konvergenz  und  mangels 
normaler  Fusionstendenz  zum  Strabismus  convergens.  Aus  dem 
Spiegelbefund  allein  lässt  sich  bei  Schielenden  entnehmen,  welches 
Auge  die  bessere  Sehschärfe  hat:  immer  dasjenige,  welches  die  deut¬ 
licheren  Spuren  akkommodativer  Tätigkeit  im  Augengrunde  aufweist. 

W  o  1  f  i  b  e  r  g  -  Breslau :  Würfelpunkt-Sehproben  zum  Gebrauch 
für  Schulärzte,  Militärärzte,  beamtete  Aerzte  usw.  (Zweite  Auflage. 
Verlag  von  Benno  E  i  k  e  1  e  s,  Breslau.  Preis  0.75  M.) 

Der  XI.  internationale  Ophthalmologenkongress  (Neapel  1909) 
ist  übereingekommen,  dass  das  Prinzip  der  Sehschärfenprüfung  in 
der  Ermittelung  der  Fähigkeit  beruhen  soll,  eine  Unterbrechung  einer 
Kontinuität  unter  dem  Gesichtswinkel  von  T  zu  nehmen.  Diese  Kon¬ 
tinuitätsunterbrechung  wird  als  Minimum  separabile  bezeichnet,  und 
als  Typus  für  eine  derartige  Prüfung  gilt  der  Landolt  sehe  Ring 
mit  seinen  Unterbrechungen.  Dem  Verf.  erscheint  nun  die  Lücke  im 
Ring  theoretisch  nicht  ganz  einwandfrei,  weshalb  er  statt  des 
L  a  n  d  o  1 1  sehen  Ringes  ein  schwarzes  Kreuz  gewählt  hat,  in 
welchem  ein  weisser  Flächenpunkt  von  L  Durchmesser  erkannt 
werden  soll.  —  Um  die  Prüfung  praktisch  noch  einfacher  zu  ge¬ 
stalten,  hat  er  ausserdem  nach  Analogie  Von  Wiirielaugen  weisse 
Punkte  mit  schwarzen  Würfelflächen  gewählt. 

Die  Würfelpunkt-Sehproben  haben  von  den  Lan¬ 
dolt  sehen  Ringen  und  auch  von  den  bisher  üblichen  S  n  e  1 1  e  n  - 
Cohn  sehen  Haken  dieses  voraus,  dass  sie  ohne  vornergehende  Er¬ 
läuterung  dessen,  was  mit  dem  Prüfungsobjekt  gemeint  ist,  ver¬ 
wendet  werden  können,  ein  für  Analphabeten  und  insbesondere  die 
Lernanfänger  in  den  Schulen  sehr  wesentlicher  Vorzug. 

Die  Würfelpunkt-Sehproben  bestehen  aus  5  schwarzen  Qua¬ 
draten  mit  weissen  Flächenpunkten  (eins,  zwei,  drei,  vier  Punkte), 
dreimal  in  diagonaler,  einmal  in  vertikaler  Anordnung,  ein  sechstes 
schwarzes  Quadrat  ist  ohne  Punkt.  Die  Punkte  haben  einen  Durch¬ 
messer  von  2  mm,  sie  erscheinen  in  6  m  Entfernung  unter  dem  Ge¬ 
sichtswinkel  von  T,  sie  müssen  also  bei  normaler  Sehschärfe  wie 
der  übliche  Cohn  sehe  Haken  auf  6  m  Entfernung  erkannt  werden, 
es  ist  dann  S  =  S;  wenn  sie  aui  5  m  erkannt  werden  =  5/e,  auf 
3  m  =  3/b  usw.  Die  Anordnung  der  drei  Punkte  einmal  in  diagonaler, 
einmal  in  vertikaler  Richtung  hat  nicht  nur  den  Zweck,  dem  Erraten 
vorzubeugen,  sondern  soll  zugleich  Gelegenheit  geben,  etwaigen 
Astigmatismus  zu  erkennen. 

v.  R  o  h  r  -  Leipzig:  Die  Brille  als  optisches  Instrument.  Bericht 
über  die  37.  Versammlung  der  ophthalmologischen  Gesellschaft  zu 
Heidelberg  1912,  S.  51. 

Verf.  beschäftigt  sich  hauptsächlich  mit  dem  Einfluss  der  Augen¬ 
bewegungen  auf  das  Sehen  durch  die  Brille.  —  Eine  ideale  Brille  soll 
auch  dann  ein  gutes  Bild  lieiern,  wenn  die  Blickrichtung  nicht  mit 
der  Achse  des  Brillenglases  zusammenfällt,  d.  h.  es  soll  der  „Astig¬ 
matismus  schiefer  Strahlenbüschel“  behoben  und  die  Brille  soll 
„verzeichnungsfrei"  sein.  —  Bei  gegebener  Brechkraft  und  gegebenem 
Abstande  vom  Augendrehpunkt  lässt  sich  der  Astigmatismus  schiefer 
Büschel  durch  geeignete  Auswahl  der  Krümmungsradien  beheben. 
Innerhalb  gewisser,  allerdings  ziemlich  weiter  Grenzen  für  die  Brech¬ 
kraft  ergibt  die  Rechnung  zwei  Lösungen  dieser  Aufgabe,  d.  h.  einen 
stärker  und  einen  schwächer  durchgebogenen  Meniskus.  —  Wenn 
aber  auch  der  Astigmatismus  eines  schiefen  Büschels  aufgehoben 
ist,  d.  h.  wenn  auch  die  Oerter  beider  Brennlinien  zusammenfallen, 
so  ist  ein  solches  Bündel  noch  lange  nicht  homozentrisch,  denn  die 
Hauptpunkte  der  beiden  Hauptschnitte  (des  sagittalen  und  des 
tangentialen  Büschels)  fallen  nicht  zusammen.  Die  Folge  davon  ist 
verschiedene  Vergrösserung  in  den  beiden  Hauptschnitten  oder 
„Verzeichnung“.  —  In  Hinsicht  auf  die  Aufhebung  des  Astigmatismus 
leisten  beide  Formen  von  Menisken  für  eine  bestimmte  Objekts¬ 
entfernung  dasselbe.  „Verzeichnungsfrei“  sind  sie  aber  nicht:  nur 
verzeichnen  die  Linsen  von  Wollastonscher  Form  (mit 
stärkerer  Durchbiegung)  weniger  als  die  von  0  s  t  w  a  1 1  scher 
Form  (von  schwächerer  Durchbiegung).  Den  ersteren  gebührt  also 


in  theoretischer  Hinsicht  der  Vorzug.  Leider  heben  sie  diesen  durch 
ihr  auffallendes  Aussehen  und  auch  durch  grössere  Verletzbarkeit 
wieder  auf. 

Nur  mit  asphärischen  Flächen  lassen  sich  beide  —  Astigmatis¬ 
mus  w  ie  Verzeichnung  —  beseitigen.  Derartige  Flächen  müssen  auch 
bei  Starbrillen  verwendet  werden,  wenn  man  die  genannten  Fehler 
vermeiden  will,  weil  sie  durch  die  Meniskenform  bei  dem  gegebenen 
Abstande  des  Glases  vom  Augendrehpunkt  (25—30  mm)  punktuell 
abbildende  Sammellinsen  nur  bis  zu  6,25  (bzw.  7,5)  Dioptrien  her¬ 
steilen  lassen.  Bei  den  gewöhnlichen  sphäro-zylindrischen  Linsen 
kommt  zu  den  bisher  besprochenen  Nachteilen  noch  hinzu,  dass  mit 
der  Aenderung  der  Blickrichtung  auch  erhebliche  Aenderungen  des 
Astigmatismus  eintreten.  Dieser  Nachteil  kann  durch  Verwendung 
Tori  scher  Flächen  mit  geeigneter  Durchbiegung  auf  ein  Mindest¬ 
mass  herabgedrückt  werden. 

Die  Veränderung  der  Perspektive  durch  Brillengläser  stellt 
Verf.  also  dar:  Konkavgläser  vergrössern  die  Tiefe  des  Objektes. 
Konvexgläser  vermindern  sie:  der  Hintergrund  escheint  also  bei  den 
ersteren  zu  niedrig,  bei  den  letzteren  zu  hoch. 

Kaz:  Ueber  die  Vollkorrektion  der  Schulmyopie.  (Wochenschr. 

i.  Therap.  u.  Hyg.  d.  Auges,  15.  Jahrg.,  No.  9,  S.  69.) 

Nach  Kaz  wäre  der  unzweifelhafte  Zusammenhang  zwischen 
Vollkorrektion  und  Stationärbleiben  der  Myopie  nicht  so  sehr  darin 
begründet,  dass  die  Vollkorrektion  das  Fortschreiten  der  Myopie  aui- 
hebt,  sondern  darin,  dass  die  stationären  Myopien  lieber  und  leichter 
die  Vollkorrektion  annehmen.  Er  teilt  die  Myopien  in  Hinsicht  aui 
ihr  Verhalten  bei  Vollkorrektion  in  4  Gruppen  ein: 

1.  Der  Myope  kann  mit  Vollkorrektion  nicht  in  der  Nähe  lesen 
und  lässt  sich  auch  nicht  allmählich  daran  gewöhnen  —  Myopie 
progressiv. 

2.  Vollkorrektion  wird  nach  und  nach  angenommen  —  Myopie 
trotzdem  progressiv. 

3.  Vollkorrektion  wird  sofort  angenommen  —  Myopie  stationär. 

4.  In  der  Nähe  wird  mit  Vollkorrektion  sogar  besser  gesehen  als 
mit  schwächeren  Gläsern  —  Myopie  stationär.  . 

Ernst  Ha  itz- Mainz:  Gelbe  Jagd-  und  Schiessbrillen.  (Wochen¬ 
schrift  f.  Therapie  u.  Hygiene  d.  Auges,  XVI.  Jahrg.,  No.  4,  S.  33.) 

Im  Gegensatz  zu  der  üblichen  Meinung,  gelbgefärbte  Gläser 
absorbierten  am  besten  die  ultravioletten  Strahlen  und  daher  stamme 
die  Vorliebe  der-  Jäger  und  Schützen  für  solche,  ist  Verf.  der  An¬ 
schauung,  dass  der  Nutzen  der  gelben  Gläser  mehr  auf  der  Aus¬ 
schaltung  der  blauen  Strahlen  beruht  und  begründet  dies  also: 
Es  ist  eine  Tatsache,  dass  unter  freiem  Himmel  bei  gewissen  Be¬ 
leuchtungen  die  Schatten  vielfach  eine  bläulich  grüne,  manchmal 
sogar  eine  ausgesprochen  blaue  Farbe  haben.  Letzteres  besonders 
in  der  sonnenbeschienenen  Schneelandschaft  und  während  der 
übrigen  Jahreszeiten  an  leicht  dunstigen  Tagen  bei  Tiefstand  der 
Sonne.  Es  erscheinen  dann  nicht  alle  Schatten  bläulich,  sondern 
vorwiegend  die  weiterentfernten  und  namentlich  auf  der  der  Sonne 
gegenüberliegenden  Seite.  Bei  noch  grüner  Vegetation  sehen  wir 
dann  dort  vornehmlich  zw^ei  Farbentöne:  ein  durch  Grau  stark  ge¬ 
dämpftes  Gelbgrün  der  belichteten  Stellen,  sowie  ein  Graublau  der 
Schatten.  Die  letzteren  sind  relativ  hell,  sie  kontrastieren  fast 
mehr  durch  die  Farbe  als  durch  die  Dunkelheit.  Infolge  des  bläulich- 
wreissen  Dunstes,  der  das  Ganze  überlagert,  sind  alle-  Konturen  ver¬ 
wischt,  die  beiden  Töne  gehen  an  den  Grenzen  allmählich  und  un¬ 
merklich  ineinander  über.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  eine 
derartige  Beleuchtung  für  den  Jäger  ungünstig  ist,  da  fernere  Gegen¬ 
stände,  selbst  wenn  sie  unter  genügend  grossem  Gesichtswinkel  er- 
erscheinen,  sich  schlecht  vom  Hintergründe  abheben.  Besieht  man 
sich  nun  eine  solche  Landschaft  durch  ein  nicht  zu  dunkles  gelbes 
Glas,  so  erfährt  allerdings  die  Helligkeit  des  ganzen  eine  gelinde 
Abschwächung,  aber  an  den  belichteten  Stellen  wird  die  Leucht¬ 
kraft  der  gelb  grünen  Farbe  als  solche  erhöht,  die 
Schatten  hingegen  sind  durch  Absorption  des 
blauen  Tons  rein  grau  und  merklich  dunkler  g  e  - 
w  orden.  Die  Helligkeitsunterschiede  zwischen  Licht  und  Schatten 
haben  sich  verstärkt,  alle  Konturen  treten  schärfer  hervor,  die  Land¬ 
schaft  hat  an  Plastik  gewannen  und  scheint  näher  gerückt.  Der 
W'aidmann  kann  das  Wild  besser  erkennen  und  treffen.  Der  Nutzen 
der  gelben  Gläser  beruht  also  mehr  auf  Ausschaltung  der  blauen  als 
auf  der  der  ultravioletten  Strahlen. 

Verf.  weist  ferner  darauf  hin,  dass  den  gelben  Gläsern  unter 
Umständen  auch  ein  erheblicher  militärischer  Wert  zukommen 
kann  und  zwrar  aus  folgenden  Gründen:  Mit  der  Vervollkommnung 
der  Schiesswaffen  haben  sich  die  Gefechtsentfernungen  bedeutend 
vergrössert;  die  Entscheidung  kann  heute  in  Distanzen  fallen,  in 
denen  man  früher  kaum  angriff.  Dabei  verrät  kein  Pulverdampf, 
kein  blinkendes  Metall  mehr  kilometerweit  den  Gegner.  Trägt  er 
noch  dazu  moderne  schutzfarbene  Uniform,  so  wird  er  auch  auf  ge¬ 
ringere  Entfernungen,  namentlich  an  dunstigen  Tagen  nur  schwer  zu 
erkennen  sein.  Jedes  Mittel,  das  hier  imstande  ist,  das  Sehen  zu 
bessern  und  die  Treffsicherheit  zu  heben,  sollte  daher  auf  seine 
Anwendbarkeit  geprüft  werden.  Dazu  rechnet  Verf.  auch  die  gelbe 
Schiessbrille.  Diese  wäre  an  solchen  Tagen  und  beim  Schiessen 
in  einer  solchen  Richtung  zu  tragen,  wo  die  Schatten  bläulich  sind. 
Die  feindlichen  Truppen  w-erden  dann,  wenn  die  Beleuchtung  für 
die  gelben  Brillen  günstig  ist,  von  vorne  belichtet  sein  und  es  w-ird 
hier  der  gelbliche  Ton  der  Felduniform  besonders  hell  erscheinen 


2l.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


151 


lassen  und  vortrefflich  vom  Hintergrund  abheben.  Jedenfalls  wäre  zu 
erwägen,  ob  man  nicht  die  Offiziere  und  diejenigen  Mannschaften, 
an  deren  Sehvermögen  besonders  hohe  Anforderungen  gestellt 
werden,  wie  Richtkanoniere.  Maschinengewehrschützen  und  Jäger 
damit  ausstatten  sollte.  Mindestens  sollte  man  solche  Leute,  die  zur 
Korrektion  von  Refraktionsanomalien  ohnehin  Brillen  tragen,  eine 
zweite  mit  gelben  Gläsern,  die  zugleich  als  Reserve  zu  dienen  hätte, 
mitführen  lassen. 

Fritz  S  c  h  a  n  z  -  Dresden :  Geiärbte  Gläser  als  Schiessbrillen. 

:  Ibidem  No.  5,  S.  41.) 

Auch  Schanz  ist  der  Anschauung,  dass  gefärbte  Gläser  für  die 
Jager  und  :* *oldaten  in  bestimmten  Situationen  Nutzen  bringen.  Yeri. 
bevorzugt  dabei  das  Euphosglas  und  sagt  darüber:  Im  Euphosglas 
haben  wir  jetzt  ein  Glas,  das  nur  die  nicht  direkt  sichtbaren  Strahlen 
absorbiert,  dabei  die  direkt  sichtbaren  möglichst  wenig  schwächt. 
Dieses  Glas  ist  zu  Schiessbrillen  ganz  besonders  geeignet.  Es 
verhindert  die  störenden  Wirkungen  der  nicht  direkt  sichtbaren 
Strahlen,  es  erhöht  auch  die  Kontrastwirkung.  Das  Euphosglas  ist  in 
zwei  Abstufungen  im  Handel.  Euphoslicht  A  dürfte  für  die  Schiess¬ 
brillen  genügen. 

H.  Schmidt-Rimpler  -  Halle  a.  S. :  Beobachtungen  bei 
einseitiger  Katarakt  und  Aphakie.  (Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilk.  49. 

1.  S.  692.) 

Die  Ausführungen  des  Verfassers  sind  von  um  so  höherem 
teresse.  als  er  die  Beobachtungen  an  sich  selbst  hat  machen  müssen. 
Das  erste  Zeichen  der  sich  entwickelnden  Katarakt  beobachtete  er 
beim  Mikroskopieren.  Hier  legte  sich  in  der  Nähe  des  Zentrums 
eine  durchscheinend  zarte,  unbewegliche  Trübungsplatte  auf  das  Ob- 
ekt.  die  anfänglich  eine  freie  Lücke  in  der  Mitte  hatte.  Dabei  bestand 
roch  volle  Sehschärfe  des  ergrittenen  Auges.  Allmählich  nahm  dann 
c:ese  ab.  aber  das  binokulare  Körperlichsehen  (beiderseits  E.  kein  As. 
-e  r;  Insuffizienz  der  Interni?  hielt  so  lange  Stand,  bis  bei  sich  immer 
.  .eh-  mindernder  Sehschärfe  die  nxierten  Objekte  unklar  wurden. 
Jetc:  wich  auch  zeitweise  das  Auge  ab,  aber  durchaus  nicht  immer 
in  einer  Richtung.  Nach  Operation  des  linken  und  bei  fortschreiten¬ 
der  Katarakt  und  Schwachsichtigkeit  des  rechten  Auges  zeigte  sich 
: ei  Betrachten  einer  Flamme  ohne  linksseitige  Korrektion  sehr  deut¬ 
en.  nass  die  ungleichen  Bilder  beständig  in  kleinen  Bewegungen 
^rc.  hin-  und  herwandern.  V  ollkommen  dauernd  korrekte  binokulare 
Fixation,  sowie  Körperlichsehen  ist  nur  bei  annähernd  gleicher  Grösse 
- " -  Scharfe  beider  Netzhautbilder  möglich.  Bei  zunehmender  Seh- 
'Ch wache  infolge  einseitiger  Starentwicklung  treten  die  bekannten 
o: -rangen  des  verloren  gegangenen  Körperlichsehens  auf.  aber  es 
-'s:  sich  durch  langsamere  und  vorsichtigere  Ausführung  eine  Reihe 
°n  Verrichtungen  erträglich  machen,  z.  B.  lässt  sich  für  den  Oph- 
:r. airnologen  die  schwierige  Beurteilung  der  Tiefe  der  vorderen 
Kammer  bei  Operationen  dadurch  einigermassen  ersetzen,  dass  das 
sahmaie  Messer  langsam  vorgeschoben  und  dicht  auf  die  Iris  aufgelegt 
•  ma.  Das  volle  einäugige  Sehen  ist  weniger  unbequem,  als  wenn 
aas  an  Mare  Bild  eines  Auges  das  klare  des  anderen  stört.  Das 
spräche  gegen  einseitige  Extraktionen  bei  normalsehendem  und  ge¬ 
sundem  anderen  Auge,  zumal  die  Vorteile  des  erweiterten  Gesichts- 
■- -Ms  mit  und  ohne  Gläserkorrektion  nicht  gross  sind  und  das 
•Ld\.: ..imi.d  des  aphakischen  Auges  das  des  gesunden  stört,  indem 
-  -  mein  ne  bei  aut’tritt.  sei  es.  wenn  beide  Bilder  zusammenfallen, 
je:  es.  wenn  sie  als  ungleich  scharfe  Doppelbilder  empfunden  werden. 
M;.:  der  Staroperation  erscheinen  dem  linsenlosen  Auge  alle 
-.m  m  viel  frischer  und  heller,  während  sie  das  kataraktöse  Auge 
me  u  h  nachgedunkelten  Gemälden  sieht,  nur  das  Blau  erschien  dem 
• auf  dem  Starauge  sogar  intensiver  als  auf  dem  aphakischen. 
v  on  Hess  sehen  Blaublindheit  konnte  er  also  an  sich  nichts  er- 

: ahren.  Mit  Sicherheit  konnte  er  ferner  an  sich  das  Fehlen  jeder 
akkommodativen  Veränderung  feststellen.  Sehr  störend  gestaltete  : 

.  Extraktion  das  periphere  Sehen:  Die  prismatische  Wir-  j 

-  dm  starken  Konvex-  bzw.  zylindrischen  Konvexgläser  führt  zu 
ner  fehlerhaften  Projektion  der  Objekte.  Einen  grossen  Fortschritt 
für  das  periphere  Sehen  der  Extrahierten  die  sphärisch- 
orischen  Gläser  Gullstrands  gebracht,  namentlich  bei 
-urkem  Astigmatismus  und  ungünstiger  Achsenlage  sind  sie  dringend 
m  empfehlen,  während  für  die  gewöhnlichen  Fälle  ihr  Vorzug  mit 
--  S  c::t  auf  die  hohe  Preislage  nicht  so  bedeutend  ist,  als  dass  sie 
■m:s  verordnet  werden  müssten.  Nach  Anschauung  des  Yeri.  he¬ 
mmet  eine  durch  Unfall  entstandene  einseitige  Aphakie  selbst  bei 
mste'  Sehschärfe  eine  Verringerung  der  Erwerbsfähigkeit,  die  etwa 
tut  15  Proz.  zu  schätzen  wäre.  Rhein. 

Inauguraldissertationen. l) 

Studien  über  die  Niere  ndekapsulation  hei  Eklam- 
>  i  (nebst  eigenen  kasuistischen  Beiträgen)*),  die 
:ml  \\  agner  an  der  Heidelberger  Universitäts-Frauenklinik  (Prof. 
'(enge1  anstellte,  haben  zu  folgenden  Resultat  geführt:  Als  ober- 
ter  Grundsatz  gilt  heute  allgemein  die  sofortige  Entbindung  nach  dem 
mme  -  bzw.  den  ersten  Anfällen,  von  der  Annahme  ausgehend,  dass 
as  h:  d:e  Quelle  der  Vergiftung  für  den  mütterlichen  Organismus  sei. 


‘)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
inc.-.e:-.  Arnulfstrasse  26.  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 

*)  4  Fäll;,  in  denen  nach  der  Sippe  Ischen  Indikationsstellung 
Nierenenthülsung  vorgenommen  wurde. 


A  erändert  sich  nach  der  Entbindung  das  Krankheitsbild  nicht,  so  ist 
zweiiellos  ein  kräitiger  Aderlass  von  800—1200  am  höchsten  zu 
werten  je  nach  der  Güte  des  Pulses,  und  zwar  ohne  Nachsendung  von 
0.7  proz^  Kochsalzlösung  zur  Vermeidung  einer  Chlorretention  im 
Blut.  Dann  kämen  feuchtwarme  Packungen  mit  sämtlichen  Kardiaca 
in  wechselnder  Folge,  damit  das  Herz  bis  zur  Erholung  der  Nieren 
nach  der  Entbindung  nicht  versage.  Tritt  damit  keine  wesentliche 
Besserung  ein,  so  hat  die  Nierenaushülsung  als  ultima  spes  ihre  Be¬ 
rechtigung,  solange  ihr  nichts  Besseres  entgegengesetzt  werden  kann 
(Heidelberg  1912.  27  S.)  Fritz  L  0  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Bonn.  November  1912. 

Mork  Fritz:  Unfall  und  progressive  Paralyse. 

Krumbach  Joseph:  Der  heutige  Standpunkt  der  Thrombose  nach 
gynäkologischen  Operationen. 

Krüsmann  Johannes:  Die  Tuberkulose  der  Nasenscheidenwand. 
Bergerhoff  Paul :  Ueber  die  Einwirkung  von  Salvarsan  auf 
Wachstum  und  Blutbildung  bei  Tieren. 

Becker  Emil:  Ueber  den  extraperitonealen  Kaiserschnitt  unter  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  von  34  Fällen  aus  der  Frauenklinik. 
B  r  o  d  i  h  n  Georg:  Trauma  und  Lungentuberkulose. 

M°*  ly  Carl:  Ueber  säurefeste  Stäbchen  in  hypertrophischen 
üaumentonsillen  und  adenoiden  Vegetationen  des  Nasen¬ 
rachenraumes. 

Flohr  Ernst:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Chloromerkrankung. 
rischer  Herwart :  Zahlreiche  Missbildungen  an  einem  Fötus  und 
ein  Fall  einer  doppelten  Ulnabildung. 

Levy  Tilly :  Myom  und  Schwangerschaft. 

Roser  Ernst :  Zur  Behandlung  der  kruppösen  Pneumonie  mit  hohen 
Kampferdosen. 

Klein  Josef:  Ueber  die  sogenannte  Mutation  und  die  Veränderlich¬ 
keit  des  Gärvermögens  bei  Bakterien. 

^chönenberg  Max:  Beitrag  zur  Arthrodese  des  Fussgelenks. 
Trampedach  Georg:  Milz  und  Magenverdauung  und  der  an¬ 
gebliche  Pepsingehalt  der  Milz. 

b-tüsser  Franz:  Ueber  die  primären  epithelialen  Neubildungen  des 
Nierenbeckens. 

Schneider  Albert:  Ueber  multiple  primäre  Karzinome  des  Magens. 

1  riedrich  Waldemar:  Die  strafrechtliche  Bedeutung  des  manisch- 
depressiven  Irreseins  und  der  Dementia  praecox. 

Töpfer  Max:  Beitrag  zu  der  Geschichte  der  Kohlenoxydvergiftung. 
Jacoby  Fritz:  Ueber  die  Folgen  elektrischer  Entladungen  auf  den 
Menschen,  speziell  über  Telefonunfälle. 

Dub  E.:  Leber  Epilepsie,  mit  besonderer  Berücksichtigung  ver¬ 
sicherungsrechtlicher  Fragen. 

Universität  Greifswald.  Dezember  1912. 

Reh  Max :  Ueber  Bronchialdiphtherie. 

Beyer  Wilhelm:  Ueber  einen  Fall  von  Pankreas-Fettnekrose  mit 
Zystenbildung,  letaler  Nekrose  der  Milz  und  Verschluss  der  Leber¬ 
arterie. 

Moral  Hans:  Ueber  die  ersten  Entwicklungsstadien  der  Glandula 
submaxillaris. 

Ficker  Johannes:  V  ergleichende  Sehschärfenbestimmungen. 
Pfoertner  Hans:  Ueber  Pf ählungsverletz ungen  des  Rektums  mit 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  und  ihre  Behandlung. 

Universität  Heidelberg.  November  und  Dezember  1912. 
Franke  Carl:  Ueber  die  Lymphgefässe  der  Lunge.  Zugleich  ein 
Beitrag  zur  Erklärung  der  Baucherscheinungen  bei  Pneumonie. 
F  ö  r  s  t  i  ge  Richard:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  des  Morbus 
Basedow  ii. 

Wagner  Emil:  Die  Xierendekapsulation  bei  Eklampsie  nebst 
eigenen  kasuistischen  Beiträgen. 

O  bk  i  roher  Günther:  W  rights  Lösung  zur  Drainage  von  lokali¬ 
sierten  Eiterungen. 

Universität  Leipzig.  Dezember  1912. 

Be  n  ecke  Heinrich:  Ueber  Varizen  und  ihre  Behandlung,  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  einer  Diszissionsmethode. 

Frl.  Buetow  Lucie:  Zur  Kenntnis  der  Hypophysenenzyme. 
Fiedler  Walter:  Ueber  Blutdruckmessungen  an  diphtheriekranken 
Kindern. 

Gill  e  Wilhelm :  Zur  Prognose  der  Keratomalazie. 

Grün  Ernst:  Beitrag  zur  Plexuslähmung  nach  Klavikulariraktur. 

Lins  Erich:  Operative  Behandlung  der  Prostataerkrankungen.  Kar¬ 
zinom.  Atrophie  und  Hypertrophie. 

Universität  Rostock.  Dezember  1912. 

Sc  h  a  r  la  u  Alwin:  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Vorkommens  der  Finna 
von  Taenia  solium  beim  Menschen. 

He  dinge  r  Miecystow:  Ueber  Anenzephalie,  insbesondere  über  die 
Muskulatur  von  Anenzephalen  und  verwandten  Missbildungs¬ 
formen. 

Hammer  Rudolf:  Ein  Fall  von  Atrophia  maculosa  cutis  idiopathica 
(Dermatitis  atrophica  maculosa). 

Steinohrt  Johann  Albrecht:  Zur  Kenntnis  der  epithelialen  Ge¬ 
schwülste  der  Kornea. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Auswärtige  Briefe. 

Schweizer  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Driichfiihriing  des  Kranken-  und  Unfallversicherungsgesetzes.  — 
Organisation  der  Schweizer  Aerzte. 

Die  Vorarbeiten  für  die  Vollziehung  des  im  vergangenen 
Jahre  vom  Schweizer  Volke  angenommenen  Kranken-  und  Un¬ 
fallversicherungsgesetzes  beschäftigen  zurzeit  weite 
Kreise  des  Landes  und  werden  begreiflicherweise  auch  von  der 
Aerzteschaft  mit  Spannung  verfolgt.  Als  wichtigstes  Ereignis  ist 
einstweilen  die  vom  Bundesrat  vorgeschlagene  und  vom  Parlament 
alsbald  genehmigte  Schaffung  eines  Bundesamtes  für 
soziale  Versicherung  zu  buchen.  Ursprünglich  hatte  zwar 
der  Bundesrat  geplant,  dem  schon  bestehenden,  sehr  gut  organisierten 
und  geleiteten  Aufsichtsamt  über  das  private  Versicherungswesen 
auch  den  Vollzug  der  neuen  Versicherungsgesetze  zu  überbürden. 
Allein  bei  näherer  Prüfung  erwies  sich  diese  Zusammenkoppelung 
besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Krankenversicherung  als  nicht  tun¬ 
lich  und  so  wird  denn,  trotz  der  zurzeit  herrschenden  Abneigung 
gegen  die  Schaffung  neuer  Bundesämter,  zweckmässigerweise  eine 
selbständige,  dem  Industriedepartement  angegliederte  Amtsstelle  ge¬ 
schaffen.  Den  neuen  Funktionären  wird  es  zumal  am  Beginn  ihrer 
Tätigkeit  an  Arbeit  nicht  mangeln.  Ausser  der  mehr  formellen  Ober¬ 
aufsicht  über  die  neue  Schweizerische  Unfallversicherungsanstalt 
wird  das  neue  Amt  zunächst  den  aus  dem  Anerkennungsverfahren  *) 
erwachsenden  Verkehr  mit  nahezu  2000  Krankenkassen  zu  besorgen 
haben.  Sodann  fällt  ihm  zu  die  Ueberwachung  der  Bestimmungen 
über  die  Freizügigkeit,  die  Kontrolle  der  Versicherungsleistungen 
und  der  Arzt-  und  Apothekerverhältnisse,  die  Festsetzung  der  jähr¬ 
lichen  Subventionen,  die  Prüfung  der  Jahresrechnungen  und  der 
finanziellen  Sicherheit  der  Krankenkassen.  Das  auf  diese  Weise  all- 
mählig  gewonnene  statistische  Material  soll  verarbeitet  und  zur 
Weiterentwicklung  der  Versicherung  verwendet  werden;  fehlt  doch 
z.  B.  in  unserem  Lande  krankenstatistisches  Material  in  grösserem 
Umfange  noch  völlig.  Das  Amt  für  soziale  Versicherung  soll  ferner 
denjenigen  Kantonen  und  Gemeinden  mit  den  notwendigen  Informa¬ 
tionen  und  Ratschlägen  dienen,  welche  von  der  im  Gesetze  vorge¬ 
sehenen  Möglichkeit,  die  Krankenversicherung  für  ihr  Gebiet 
obligatorisch  zu  erklären,  Gebrauch  machen  wollen.  Es  hat  sodann 
die  Versicherungsverhältnisse  der  zahlreichen  Angestellten  des  Bun¬ 
des  (Post-  und  Eisenbahnbetrieb)  zu  ordnen  und  bei  der  geplanten 
Errichtung  einer  Hilfs-  und  Pensionskasse  der  eidgenössischen  Be¬ 
amten  mitzuwirken.  Durch  das  Studium  der  Alters-  und  Invaliditäts¬ 
versicherung  in  den  Nachbarländern  soll  es  endlich  die  Vorarbeiten 
für  den  allerdings  noch  in  weiter  Ferne  liegenden  Ausbau  der  Ver¬ 
sicherung  in  dieser  Richtung  liefern.  So  wird  hier  ein  weites  und 
dankbares  Arbeitsfeld  auf  einem  in  der  Schweiz  von  Staats  wegen 
noch  wenig  bebauten  Gebiete  eröffnet  und  man  darf  gespannt  sein, 
wem  der  Bundesrat  diesen  ehrenvollen  Posten  anvertrauen  wird. 

Das  Industriedepartement  hat  ferner  aus  eigener  Initiative  eine 
Kommission  aus  Vertretern  der  an  den  Versicherungsgesetzen 
interessierten  Kreise  ernannt.  Diese  Kommission  soll  von  Zeit  zu  Zeit 
einberufen  werden,  um  an  der  Beratung  der  verschiedenen  für  die 
Vollziehung  des  Gesetzes  notwendigen  Vorarbeiten  mitzuwirken.  Es 
gehören  ihr  an:  13  Vertreter  der  Krankenkassen,  der  Präsident  des 
Verwaltungsrates  der  Unfallversicherungsanstalt,  je  2  Vertreter  der 
Industrie  und  des  Gewerbes,  ein  Arzt  und  ein  Apotheker.  Die  ärzt¬ 
liche  Vertretung  ist  namentlich  im  Vergleich  zur  Vertreterzahl  der 
Krankenkassen  quantitativ  sehr  bescheiden  ausgefallen  und  es  hat 
diese  Tatsache  in  ärztlichen  Kreisen  eine  gewisse  Verstimmung  er¬ 
zeugt.  Doch  ist  erfreulicherweise  die  Wahl  auf  den  Präsidenten  der 
Schweizerischen  Aerztekommission  gefallen,  so  dass  wenigstens  quali¬ 
tativ  die  ärztliche  Vertretung  den  Bedürfnissen  des  ärztlichen  Standes 
entspricht. 

Auch  für  die  Organisation  der  neu  zu  schaffenden  Schweize¬ 
rischen  Unfallversicherungsanstalt  sind  die  ersten 
Schritte  getan  worden.  In  den  Verwaltungsrat  wurden  gemäss  dem 
Wunsch  und  Vorschlag  der  Aerztekommission  2  Aerzte  berufen,  wo¬ 
runter  Dr.  K  o  e  b  e  r  1  i  n  in  Zürich,  wohl  der  gründlichste  ärztliche 
Kenner  des  Versicherungswesens  in  der  Schweiz.  Als  Präsident  des 
Verwaltungsrates  konnte  Ständerat  Dr.  Usteri  in  Zürich  gewonnen 
werden,  bisher  Leiter  der  Schweiz.  Lebensversicherungs-  und  Renten¬ 
anstalt,  der  unter  Verzicht  auf  seine  bisherige  Stellung  in  patriotischer 
Weise  sein  organisatorisches  Talent  und  seine  grosse  Erfahrung  dem 
neuen  staatlichen  Institut  zur  Verfügung  stellt. 

In  den  Kreisen  der  Krankenkassen  herrscht  ebenfalls  reges 
Leben.  Kleinere  Kassen  verschmelzen  miteinander,  um  lebenskräf¬ 
tiger  zu  werden,  andere  schliessen  sich  in  grösseren  Verbänden  zu¬ 
sammen  und  überall  sind  die  Vorstände  an  der  Arbeit,  die  Statuten 
den  Anforderungen  des  Gesetzes  anzupassen,  um  damit  das  Prädikat 
„anerkannte“  Krankenkasse  zu  erhalten  und  so  des  jährlichen  Bundes¬ 
beitrages  teilhaftig  zu  werden.  Auch  über  das  zukünftige  Ver¬ 
hältnis  zu  den  Aerzten  wird  eifrig  disputiert  und  leider  ist 
dabei  zu  konstatieren,  dass  die  ärztefeindliche  Gesinnung,  die  in  so 


*)  Wegen  der  Einzelheiten  des  Schweizerischen  Bundesgesetzes 
über  die  Kranken-  und  Unfallversicherung  siehe  meinen  Artikel  in 
Jahrgang  1912,  No.  9  dieser  Wochenschrift. 


zahlreichen  Krankenkassen  jenseits  des  Rheines  herrscht,  auch  auf  die 
hiesigen  Verhältnisse  abzufärben  beginnt,  obwohl  bisher  unter  dem 
Regime  völliger  Freiheit  und  Freiwilligkeit  im  Krankenkassenwesen 
ernstere  Streitigkeiten  zwischen  den  Aerzten  und  Krankenkassen  zu 
den  Ausnahmen  gehörten.  Soviel  steht  jetzt  schon  fest,  dass  von  den 
beiden  im  Gesetze  vorgesehenen  Möglichkeiten,  der  gänzlich  freien 
und  der  bedingt  freien  Aerztewahl  mit  Vertragsverhältnis,  in  weitaus 
den  meisten  Fällen  der  letztere  Modus  zur  Anwendung  kommen 
wird  und  dass  auch  bei  uns  die  Krankenkassen  wohl  von  den  Aerzten 
mancherlei  Opfer  verlangen,  ihrerseits  aber  keine  Konzessionen  ge¬ 
währen  wollen,  die  über  das  hinausgehen,  was  ihnen  das  Gesetz 
strikte  vorschreibt.  Die  Stellung  der  Aerzteschaft  ist  insofern  eine 
heikle  und  schwierige,  als  das  Gesetz  die  Krankenkassen  anerkennt 
und  subventioniert,  sowohl  wenn  sie  Krankengeld  und  Kranken¬ 
pflege,  als  auch  wenn  sie  nur  eines  von  beiden  gewähren.  Spannen 
nun  die  Aerzte  nach  der  Meinung  der  Krankenkassen  ihre  Forde¬ 
rungen  zu  hoch,  so  steht  zu  befürchten,  dass  die  Krankenkassen 
einfach  auf  die  Krankenpflegeversicherung  verzichten  und  sich  mit 
der  bescheidenen  Subvention,  aber  bequemen  Rolle  einer  blossen 
Krankengeldkasse  begnügen.  Ein  Ueberhandnehmen  dieser  Art 
Kassen  widerspricht  aber  allen  modernen  Bestrebungen  auf  dem  Ge¬ 
biete  des  Krankenversicherungswesens  und  liegt  auch  nicht  im  Geiste 
des  neuen  Schweiz.  Gesetzes.  Ueberdies  sind  die  reinen  Kranken¬ 
geldkassen  bei  den  Aerzten  sowieso  nicht  beliebt,  weil  ihre  Mit¬ 
glieder  wohl  den  Arzt  wegen  Kleinigkeiten  in  Anspruch  nehmen  und 
mit  Schreibereien  behelligen,  die  Honorierung  aber  nur  allzu  oft  ver¬ 
gessen.  Sind  aber  die  Aerzte  im  Interesse  dieser  Ausbreitung  der 
Krankenpflegeversicherung  den  Krankenkassen  gegenüber  namentlich 
in  der  Honorarfrage  zu  sehr  entgegenkommend,  so  müssen  sie  be¬ 
fürchten,  sich  ins  eigene  Fleisch  zu  schneiden  und  da  für  die  Mit¬ 
gliedschaft  bei  einer  Krankenkasse  keine  Einkommensgrenze  vorge¬ 
sehen  ist,  bei  zu  kleinen  Honoraren  eine  starke  ökonomische  Einbusse 
zu  erleiden.  Ein  weiteres,  nicht  so  leicht  zu  lösendes  Problem  bildet 
die  Frage,  wie  sich  die  Aerzte  am  besten  gegen  diejenigen  Kollegen 
schützen  sollen,  welche  durch  Polypragmasie  die  Kassen  schädigen 
und  damit  zugleich  die  freie  Arztwahl  in  Misskredit  bringen.  Da 
das  Gesetz  die  Honorierung  nach  Einzelleistungen  vorsieht  und  da 
die  Kollegen  in  vielen  Teilen  unseres  Landes  für  den  Krankenkassen¬ 
dienst  noch  gänzlich  undiszipliniert  sind,  so  sind  solche  Auswüchse 
mit  Sicherheit  zu  erwarten.  Das  vorgesehene  gemischte  Schiedsge¬ 
richt  wird  wohl  nur  die  krassesten  Fälle  zu  beurteilen  haben  und 
sollte  im  Interesse  des  ärztlichen  Standes  möglichst  selten  in  Funktion 
treten  müssen  und  so  geht  die  1  endenz  dahin,  eine  gegenseitige 
Selbstkontrolle  der  Aerzte  zu  schaffen,  wobei  die  den  Durchschnitt 
um  ein  gewisses  Mass  überschreitenden  Rechnungen  eine  auto¬ 
matische  Reduktion  erfahren  würden.  Leider  bestehen  bisher  für  ein 
solches  Vorgehen  nur  an  ganz  wenigen  Orten  die  nötigen  Grund¬ 
lagen.  Auch  die  Vereinbarung  eines  Pauschale  ist  in  Vorschlag  ge-: 
bracht  worden,  sofern  dasselbe  so  hoch  gehalten  würde,  dass  bei 
Umrechnung  auf  die  Einzelleistungen  in  Jahren  mit  normalem  Kran¬ 
kenstand  daraus  die  Ansätze  des  Minimaltarifes  resultieren  würden. 
Doch  ist  es  fraglich,  ob  die  Honorierung  durch  ein  Pauschale  mit 
dem  Text  des  Gesetzes  überhaupt  vereinbar  ist  und  die  Mehrzahl 
der  Kollegen  steht  diesem  System  der  Honorierung  ihrer  Leistungen 
einstweilen  noch  ablehnend  gegenüber. 

Eine  erfolgreiche  Wahrung  ihrer  Interessen  den  Krankenkassen 
gegenüber  wird  den  Schweizerischen  Aerzten  nur  gelingen,  wenn  sie 
durch  das  Band  einer  Organisation  geeint,  gemeinsam  handeln 
Voraussichtlich  sollen  die  Verträge  mit  den  Krankenkassen  von  dei 
kantonalen  Verbänden  abgeschlossen  werden,  damit  der  grosse: 
regionären  Verschiedenheit  der  Verhältnisse,  unter  welchen  in  un¬ 
serem  Lande  die  Ausübung  der  Praxis  geschieht,  gebührend  Rechnung 
getragen  werden  kann.  Es  bedeutet  deshalb  für  die  kantonalen  medi¬ 
zinischen  Gesellschaften  eine  wichtige  Aufgabe,  noch  vor  Beginn  dei 
Vertragsunterhandlungen,  möglichst  alle  in  ihrem  Gebiete  prakti 
zierenden,  ihr  noch  fernstehenden  Kollegen  zum  Anschluss  zu  veran 
lassen.  Inzwischen  ist  die  Schweiz.  Aerztekammer  an  der  Arbei 
in  Form  der  sog.  Krankenkassen-Normalien  die  Grund 
züge  aufzustellen,  welche  für  alle  in  der  ganzen  Schweiz  abzu 
schliessenden  Verträge  wegleitend  sein  sollen.  Näheres  darübe 
ein  andermal. 

Das  Bewusstsein,  dass  der  ärztlichen  Organisation  ernste  Kräh 
proben  bevorstehen  können,  hat  der  Aerztekommion  und  de 
Aerztekammer  Veranlassung  gegeben,  ihre  Geschäfts 
Ordnung  neu  zu  gestalten,  um  damit  einerseits  in  besserem  Kon 
takt  mit  der  Aerzteschaft  zu  bleiben  und  andererseits  um  zu  er 
reichen,  dass  ihre  Beschlüsse  auch  wirklich  bindende  Kraft  für  alb 
von  ihr  vertretenen  Organisationen  erhalten.  Denn  es  darf  nich 
mehr  Vorkommen,  wie  dies  bei  Anlass  des  auch  hier  besprochene: 
Postamt-Vertrages  geschehen  ist,  dass  ein  von  der  Aerztekamme 
genehmigter  und  damit  nach  der  Meinung  der  Parteien  für  all 
organisierten  Aerzte  verbindlicher  Vertrag,  hernach  von  einer  ein 
zelnen  lokalen  Organisation  nicht  anerkannt  wird.  So  unterbreite 
denn  die  Aeztekammer  ihren  Auftraggebern  eine  Neuordnung  des  Ge 
schäfts-  und  Instanzenganges  nach  folgenden  Grundzügen; 

Die  Aerztekammer  wird  nach  wie  vor  von  den  kantonale 
ärztlichen  Gesellschaften  in  der  Weise  gewählt,  dass  auf  50  Mitgliede 
der  kantonalen  Organisation  ein  Delegierter  entfällt.  Sie  hat  sic 
mit  denjenigen  Geschäften  zu  befassen,  welche  ihr  von  der  Aerzte 
I  kommission,  von  den  kantonalen  Gesellschaften  oder  von  einzelne 


21.  Januar  1913. 


MUENCH ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


153 


Delegierten  überwiesen  werden.  Alle  Beschlüsse  müssen  von  der 
Aerztekammer  den  kantonalen  Gesellschaften  einzeln  mitgeteilt  wer¬ 
den.  In  besonders  dringlichen  Fällen  kann  ein  Beschluss,  falls  er 
mit  einer  Mehrheit  von  mindestens  */ s  der  Stimmenden  gefasst  wurde, 
als  endgültig  und  verbindlich  erklärt  werden;  in  allen  übrigen  Fällen 
wird  der  Beschluss  erst  dann  verbindlich,  wenn  nicht  innert  Monats¬ 
frist  nach  dessen  Publikation  von  einer  kantonalen  ärztlichen  Ge¬ 
sellschaft  Einsprache  angekündigt  wird.  Wird  innerhalb  weiteren 
3  Monaten  von  mindestens  3  kantonalen  Organisationen  definitiv  Ein¬ 
sprache  erhoben,  so  gilt  diese  als  in  Kraft  getreten  und  der  Be¬ 
schluss  muss  von  der  Aerztekammer  einer  neuen  Beratung  unter¬ 
zogen  werden.  Falls  diese  wieder  zum  gleichen  Resultat  führt,  so 
muss  auf  Antrag  der  Einsprache  erhebenden  Geselschaften  der  Be¬ 
schluss  den  Mitgliedern  aller  kantonalen  Verbände  zur  U  r  a  b  s  t  i  m  - 
m  ii  n  g  unterbreitet  werden,  wobei  das  absolute  Mehr  der  Stimmen¬ 
den  entscheidet. 

Die  Aerztekommission  bildet  den  Ausschuss  der  Aerzte¬ 
kammer  und  besteht  aus  9  Mitgliedern.  Ihr  wird  neu  das  Recht  ein¬ 
geräumt,  einen  Arzt  als  ständigen  Sekretär  anzustellen,  was  sich  bei 
der  zunehmenden  Geschäftslast  mit  Hinsicht  auf  die  Versicherungs¬ 
gesetze  bald  als  Notwendigkeit  erweisen  dürfte.  Das  Bureau  der 
Aerztekommission  besteht  aus  3  Mitgliedern,  wovon  eines  der  fran¬ 
zösischen  Schweiz  angehören  soll.  Der  Geschäftskreis  erstreckt  sich 
1.  auf  Fragen,  die  ihr  von  der  Aerztekammer  zur  Vorbehandlung  über¬ 
wiesen  werden,  2.  auf  Fragen,  die  in  ihrem  eigenen  Kreise  angeregt 
werden,  3.  auf  Fragen,  deren  Behandlung  eidgenössische  oder  kan¬ 
tonale  Behörden,  ärztliche  Gesellschaften  oder  einzelne  Aerzte  von 
ihr  wünschen  (im  letzten  Falle  nur,  wenn  sie  allgemeine  ärztliche 
Interessen  betreffen)  und  4.  auf  die  Ueberwachung  der  Geschäfts¬ 
führung  der  Hilfskasse  für  Schweizer  Aerzte.  Alle  behandelten  wich¬ 
tigen  Geschäfte,  welche  die  berufliche  oder  materielle  Stellung  des 
Aerztestandes  betreffen,  sind  der  Aerztekammer  zur  Entscheidung 
vorzulegen.  Aerztekommission  und  Aerztekammer  tagen  für  ge¬ 
wöhnlich  in  dem  für  den  Schweiz.  Aerztestand  allmählig  als  Ver- 
siinmlungsort  historisch  gewordenen  Olten. 

Dieser  Entwurf  wird  nun  den  kantonalen  Organisationen  zur 
Diskussion  und  Einreichung  allfälliger  Abänderungsvorschläge  über¬ 
geben.  Im  Frühjahr  soll  er  der  Aerztekammer  vorgelegt  werden 
und  alsdann  in  der  von  ihr  zum  Beschlüsse  erhobenen  Form  der 
Urabstimmung  der  Aerzte  unterbreitet  werden.  Auf  den  ersten  Blick 
erweist  sich  die  vorgeschlagene  Geschäftsordnung  etwas  kompliziert 
und  in  der  Tat  dürfte  der  Geschäftsgang  in  vielen  Fällen  ziemlich 
schleppend  werden.  Allein  wenn  wir  berücksichtigen  unter  wie 
ausserordentlich  verschiedenen  sozialen  und  wirtschaftlichen  Verhält¬ 
nissen  die  Schweizer  Aerzte  praktizieren,  wenn  wir  daran  denken, 
dass  auch  die  Kollegen  des  französischen  und  italienischen  Sprach¬ 
gebietes  ihre  speziellen  Wünsche  haben  und  sich  nicht  zurückgesetzt 
fühlen  dürfen  und  wenn  wir  endlich  in  Rechnung  ziehen,  dass  der 
Schweizer  Bürger  durch  Referendum  und  Volksabstimmung  auch  auf 
anderen  Gebieten  gewöhnt  ist,  seine  Meinung  persönlich  und  nicht 
nur  durch  die  von  ihm  gewählten  Behörden  zu  äussern,  so  müssen 
wir  es  als  einen  glücklichen  Gedanken  bezeichnen,  dass  den  kan¬ 
tonalen  Gesellschaften  durch  das  Einspracherecht  und  der  Gesamtheit 
der  Aerzte  durch  die  eventuell  vorzunehmende  Urabstimmung  ein 
direkter  Einfluss  auf  die  Geschäftsführung  ermöglicht  wird.  Für  wirk¬ 
lich  dringliche  Fälle  ist  ja  ein  selbständiges  Handeln  der  Aerzte¬ 
kammer  vorgesehen,  falls  der  Beschluss  mindestens  eine  4/s  Mehrheit 
findet.  Kommt  die  Geschäftsordnung  annähernd  in  der  vorgeschla¬ 
genen  Form  zustande,  so  wird  der  Schweiz.  Aerztestand  innerlich  be¬ 
deutend  gefestigt  dastehen  und  ihm  allenfalls  angetragene  Kämpfe 
mit  Vertrauen  aufnehmen  können.  So  wird  es  ihm  hoffentlich  ge¬ 
lingen,  in  einer,  wenn  auch  nicht  idealen,  so  doch  annehmbaren  Lö¬ 
sung  seines  Verhältnisses  zu  den  Krankenkassen  zu  gelangen.  Die 
gesetzlichen  Grundlagen  dafür  sind  ja  glücklicherweise  geschaffen. 

_ _  Dr.  N. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  13.  Januar  1913. 

Herr  Klapp  demonstriert  vor  der  Tagesordnung  kurz  einen 
Studenten,  dem  bei  der  Mensur  die  Nasenspitze  abgeschlagen  war. 
Die  Nasenspitze,  die  der  Besitzer  3A  Stunden  im  Munde  aufbewahrt 
hatte,  wurde  nur  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  abgespült,  primär 
angenäht  und  zeigt  jetzt,  4  Wochen  nach  der  Verletzung,  bereits 
wieder  Sensibilität. 

Herr  Körte  demonstriert  das  Präparat  einer  typischen  Fraktur 
des  Gesichtsschädels,  bei  der  durch  nach  unten  wirkenden  Druck 
der  Oberkiefer  gewissermassen  nach  unten  herausgesprengt  wird. 

Herr  J  o  n  n  e  s  c  o  -  Bukarest  (a.  G.):  Rachianaesthesie  generale. 
(Mit  Projektionen.) 

J.  verwendet  die  Rachianästhesie  ausschliesslich  und  hat  durch 
sie  die  Inhalationsnarkose  völlig  ersetzt.  Er  hält  sie  für  die  An- 
üsthesierungsmethode  der  Zukunft  und  kennt  keine  Kontraindika¬ 
tionen.  Das  Rückgrat  wird  an  2  Stellen  punktiert: 

1.  zwischen  dem  1.  und  2.  Dorsalwirbel  für  die  Anästhesie  des 
Kopfes  und  der  oberen  Rumpfhälfte,  die  bis  etwa  zum  unteren  Rippen¬ 
rande  herabreicht; 


2.  zwischen  dem  12.  Dorsalwirbel  und  dem  1.  Lendenwirbel  für 
die  Anästhesie  der  ganzen  unteren  Rumpfhälfte. 

Die  Einspritzung  wird  mit  gewöhnlicher,  1  ccm  fassender  Pra- 
vazspritze,  mit  einer  dünnen  Nadel  für  die  Lumbalpunktion  versehen, 
ausgeführt.  Die  eingespritzte  sterilisierte  Lösung  enthält  Stovain 
unter  Zusatz  von  neutralem  schwefelsaurem  Strychnin,  das  die  schäd¬ 
lichen  Nebenwirkungen  des  Stovains  aufheben  soll.  Die  Dosis  richtet 
sich  nach  dem  Alter  und  Kräftezustand  des  Patienten  und  nach  dem 
Ort  der  Einspritzung: 

Bei  der  unteren  (Rückenlenden-)  Punktion  beträgt  sie  1 — 6  cg 
Stovain:  0,06  g  Stovain  ist  die  Maximaldosis. 

Bei  der  oberen,  hohen  Dorsalpunktion  ist  die  gewöhnliche  Dosis 
für  Erwachsene  2,  selten  3  cg  Stovain.  Bei  Kindern  schwankt  sie 
zwischen  A — 2  cg  Stovain. 

Die  Dosis  des  Strychnins  für  Erwachsene  beträgt  bei  der  unteren 
Rückenlendenpunktion  2  mg,  bei  der  oberen  hohen  Dorsalpunktion 
1  mg.  Für  Kinder  beträgt  sie  bei  der  ersteren  14  mg  (bis  zum  Alter 
von  2  Jahren)  und  1  mg  (bei  älteren  Kindern);  für  die  obere  Dor¬ 
salpunktion  schwankt  die  Dosis  zwischen  Vi  mg  bis  Vs  mg  Strychnin. 

Die  Einspritzung  geschieht  in  Seitenlage  oder  auch  in  sitzender 
Stellung  des  Kranken,  der  dann  sofort  gestreckt  hingel'egt  wird. 
Zeichen  von  Gehirnanämie  treten  dann  nicht  auf. 

Nach  Ansicht  des  Vortragenden  werden  die  schon  an  sich  sel¬ 
tenen  störenden  Nebenerscheinungen  (Kopfschmerzen,  Erbrechen,  Er¬ 
schlaffung  des  Schliessmuskels,  Harninkontinenz)  mit  der  Vervoll¬ 
kommnung  der  Methode  immer  mehr  verschwinden. 

Auf  Grund  seiner  Statistik  von  über  9000  Fällen  hält  J.  seine 
Methode  für  einfach,  gutartig  und  der  Inhalationsnarkose  in  jeder 
Weise  überlegen. 

Herr  Harzbecker:  Zur  Entstehung  der  Hernia  pectinea. 

Bei  ihr  liegt  die  Bruchpforte  nicht  im  Schenkelringe,  sondern 
medial  von  dem  medialen  Rande  des  Schenkelringes.  M.  fand  bei  der 
Präparation  dieser  Gegend,  dass  die  Fascia  pectinea  an  der  Insertions¬ 
stelle  des  Musculus  pectineus  diesem  nicht  fest  aufliegt  und  nicht 
unmittelbar  in  das  Ligamentum  Gimbernati  übergeht,  sondern  dass 
sich  die  Faszie  hier  abhebt,  so  dass  sich  zwischen  Fascia  pectinea. 
Os  pubis  und  Ligamentum  Gimbernati  ein  mit  Fettgewebe  ausgefüllter 
Raum  findet.  Hier  treten  dann  die  Herniae  pectineae  hindurch  und 
senken  sich  unter  der  Fascia  pectinea  im  Verlaufe  des  Musculus  pec¬ 
tineus  nach  abwärts.  Bei  der  wegen  Inkarzerationserscheinungen 
laparotomierten  Greisin  hatte  sich  die  Hernie  9  cm  tief  am  Musculus 
pectineus  nach  abwärts  gesenkt.  G  r  o  t  h. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  N  o  b  i  s. 

Schriftführer:  Herr  Ochsenius. 

Herr  U  h  I  e  demonstriert: 

L  Das  Präparat  einer  reinen  follikulären  Eierstocksschwanger¬ 
schaft  frühen  Stadiums  (6 — 8  Wochen).  Die  Verhältnisse  daher  sehr 
übersichtlich  und  ein  Zweifel  an  der  Diagnose  nicht  möglich.  Die 
A.  Martin  sehen  Anforderungen  an  eine  Ovarialgravidität  erfüllt 
der  vorliegende  Fall  vollkommenerweise:  1.  Beide  Eileiter  und  der 
linke  Eierstock  sind  völlig  unbeteiligt.  2.  geht  das  Lig.  ovarii  propr. 
dextrum  in  den  Fruchtsack  über  und  3.  lassen  sich  Teile  des  rechten 
Eierstockes  in  der  Fruchtsackwand  nachweisen.  Es  handelt  sich 
um  eine  33  jährige  Il.-para,  die  seit  6  Jahren  verheiratet  ist  und  vor 
5  Jahren  eine  Frühgeburt  im  5.  Monat  durchgemacht  hat.  Letzte 
Menses  4.  September  12.  11.  Oktober  bekommt  Pat.  nach  einer 

grossen  Wäsche  Schmerzen  in  der  rechten  Unterleibsgegend,  ver¬ 
bunden  mit  heftigem  Drängen  nach  unten  und  quälendem  Tenesmus. 
Sie  wendet  zunächst  Hausmittel  an,  worauf  sich  die  Beschwerden  in 
einigen  Tagen  besserten,  so  dass  sie  ihren  Hausstand  wieder  be¬ 
sorgen  konnte.  Anfangs  November  geht  Pat.  auf  Anraten  einer  Ver¬ 
wandten  zu  ihrem  Hausarzt,  der  sie  am  4.  XI.  der  Klinik  überwies. 
Untersuchung  in  Narkose:  Vulva,  Vagina  ohne  Besonderheiten. 
Portio  konisch;  Muttermund  geschlossen.  Kein  Abgang  von  Blut, 
Schleim,  noch  sonstigen  Sekrets.  Corpus  uteri  retrovertiert;  nicht 
vergrössert,  nach  links  gedrängt  durch  einen  apfelgrossen  Tumor 
der  rechten  Beckenhälfte,  der  auf  dem  Boden  des  Douglas  fest  fixiert 
ist  und  sich  derb  anfiihlt.  An  den  linken  Adnexen  nichts  auffälliges. 
In  den  Brüsten  kein  Kolostrum.  Wegen  Verdachts  einer  im  Wachs¬ 
tum  begriffenen  rechten  Eileiterschwangerschaft  wird  am  7.  No¬ 
vember  laparotomiert  und  dabei  folgender  Befund  erhoben:  Das  Ab¬ 
damen  enthält  weder  flüssiges  noch  geronnenes  Blut.  Hingegen  sehen 
Därme  und  Netz  gelblich  verfärbt  aus,  was  darauf  hindeutet,  dass 
vor  Wochen  (cf.  die  Attacke  am  11.  X.)  eine  Blutung  in  die  freie 
Bauchhöhle  stattgefunden  hat.  Uterus  sinistrovertiert.  Die  rechten 
Adnexe  auf  dem  Boden  des  Douglas  fest  verbacken,  werden  stumpf 
ausgeschält  und  abgebunden  unter  Exzision  des  interstitiellen  Tuben¬ 
anteils.  Sie  bestehen:  1.  aus  einer  kurzen,  schlanken  Tube,  die  noch 
mehrere  fötale  Windungen  aufweist;  2.  aus  dem  zum  Tumor  um¬ 
gewandelten  und  von  einem  grösseren,  bereits  in  Organisation  be¬ 
griffenen  Blutgerinnsel  umgebenen  rechten  Ovar.  Revision  der  linken 
Adnexe.  Linkes  Ovar  normal;  linke  Tube  verläuft  zwar  gestreckt. 


154 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


hat  aber  eine  fingerhutdicke,  geschlossene  Ampulle.  Eröffnung  der¬ 
selben,  wobei  sich  zäher,  farbloser  Schleim  entleert.  Stomatoplastik. 
Nach  Revision  der  Appendix,  die  in  Ordnung,  Toilette  der  Bauchhöhle 
und  Schluss  derselben  nach  oben  und  unten.  Heilungsverlauf  glatt. 
Entlassung  16  Tage  p.  opt.  mit  per  primam  verheilter  Wunde.  —  Am 
Präparat  selbst  sieht  man  die  schon  beschriebene  infantile  Tube. 
Ihr  Pavillon  ist  durchgängig,  aber  sonst  winzig  und  kümmerlich  ent¬ 
wickelt  Seine  Fransen  sind  spärlich  und  kurz.  Der  eigentliche 
Tumor,  der  das  exzentrisch  vergrösserte  rechte  Ovar  darstellt,  be¬ 
steht  fast  ausschliesslich  aus  dem  gelben  Körper  und  dem  Schwanger¬ 
schaftsprodukt.  Der  Eisack  birgt  eine  unverletzte  Eihöhle  mit  dem 
Fötus,  dessen  Alter  auf  6 — 8  Wochen  geschätzt  wird.  Längs  der 
ganzen  Peripherie  der  Eihöhle  Chorionbildung,  die  namentlich  in 
unmittelbarster  Nähe  des  Corpus  luteum  am  mächtigsten  ist.  —  An 
dem  vorliegenden  Fall  ist  zweierlei  bemerkenswert.  Einmal  der 
Befund  an  beiden  Tuben.  Die  eine  ist  kolbig  aufgetrieben  und  ver¬ 
schlossen.  Die  andere  und  zwar  die  rechte,  welche  trotz  ihrer  Win¬ 
dungen  und  Engigkeiten  von  den  Spermafäden  passiert  worden  ist, 
ist  auf  kindlicher  Entwicklungsstufe  stehen  geblieben.  Ob  dieser 
Infantilismus,  der  bekanntlich  in  der  Aetiologie  der  Tubargravidität 
eine  anerkannt  grosse  Rolle  spielt,  irgendwie  beim  Zustandekommen 
der  Eierstocksschwangerschaft  mitgewirkt  hat,  muss  dahingestellt 
bleiben.  Zum  zweiten  fällt  auf,  dass  es  trotz  der  5  Wochen  nach 
der  letzten  Menstruation  stattgehabten  Blutung  in  die  freie  Bauch¬ 
höhle  ganz  im  Gegensatz  zu  den  Erfahrungen  bei  der  Tubargravidität 
zu  keiner  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  gekommen  ist.  Die 
Blutung,  die  man  sich  nur  durch  Arrosion  eines  Ovarialgefässes 
seitens  einer  Chorionzotte  erklären  kann,  ist,  ohne  alarmierende  Er¬ 
scheinungen  zu  verursachen,  spontan  zum  Stillstand  gekommen  und 
hat  weder  der  Eihöhle  noch  dem  Fötus  geschadet.  —  Besprechung 
der  verschiedenen  Ausgänge  der  Ovarialgravidität  und  statistische 
Mitteilungen.  U.  verfügt  über  ein  Material  von  39  ektopischen 
Schwangerschaften,  worunter  sich  als  einziger  Fall  von  reiner 
Ovarialgravidität  der  vorliegende  befindet. 

2.  Ein  Präparat  von  Chorionepitheliom  im  Anschluss  an  eine 
rechtzeitige,  normale  Geburt.  Dasselbe  stammt  von  einer  41  jährigen, 
kräftig  gebauten  und  immer  gesund  gewesenen  VHI.-para,  die 
8  Wochen  nach  einem  spontanen  Partus  wegen  unregelmässiger, 
teilweise  sehr  starker  Blutung  von  ihrem  Hausarzte  der  Klinik  über¬ 
wiesen  wurde.  Hämoglobingehalt  nach  Sahli  58  Proz.  Keine 
Albuminurie.  Zervixdilatation  und  Austastung  in  Narkose.  Uterus 
puerperal  vergrössert,  fühlt  sich  auffallend  weich  an.  Endometrium 
im  allgemeinen  glatt.  Rechts  oben  im  Fundus  ein  weiches  Gerinnsel 
fühlbar,  das  herausgeholt  sich  als  teerartiges  Blutgerinnsel  entpuppt. 
Sonst  sind  irgendwelche  Knoten  oder  Resistenzen  im  Bereiche  der 
Gebärmutter  bet  der  fettleibigen  Pat.  nicht  zu  fühlen.  Abrasio  mu¬ 
cosae  uteri  nicht  besonders  ergiebig.  Am  Geschabsel  selbst  etwas 
Auffälliges  nicht  nachweisbar.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
ergibt  das  typische  Bild  des  Chorionepithelioms.  Beide  Zellarten  sind 
vertreten.  An  mehreren  Stellen  ist  das  Einbrechen  der  synzytialen 
Geschwulstzellen  in  die  Muskulatur  sichtbar.  Angesichts  der  deutlich 
destruktiven  Wirkung  des  Neoplasmas  auf  das  umliegende  Gewebe 
Wird  das  Chorionepitheliom  als  wahrscheinlich  malign  aufgefasst 
(was  übrigens  pathologisch-anatomischerseits  bestätigt  wurde)  und 
daraufhin  der  Uterus  samt  Adnexen  per  laparotomiam  entfernt.  Der 
Entschluss,  die  Gebärmutter  mit  ihren  Anhängen  zu  opfern,  wurde 
ausserordentlich  dadurch  erleichtert,  dass  es  sich  um  eine  ältere, 
dem  Klimakterium  nahestehende  Mehrgebärende  handelte,  die 
7  Kinder  am  Leben  hatte.  Der  abdominale  Weg  wurde  gewählt,  weil 
das  Uterusgewebe  sehr  weich  und  brüchig  war,  die  bei  der  vaginalen 
Totalexstirpation  häufig  vorkommenden  Impfmetastasen  vermieden 
werden  sollten  und  bei  event.  Metastasen  in  Drüsen  und  Parametrien 
die  Möglichkeit  der  Radikaloperation  nach  W  e  r  t  h  e  i  m  gegeben 
war.  Rekonvaleszenz  ungestört.  Entlassung  21  Tage  nach  der 
Operation  mit  gut  verheilten  Wunden.  —  Der  Uterus  ist  in  gehärtetem 
Zustand  9,5  cm  lang  und  7,5  cm  breit.  Die  Dicke  der  Korpuswand 
beträgt  2  cm.  Aus  seiner  hinteren  Wand  wölbt  sich  rechts  oben  ein 
walnussgrosser  Tumor  heraus,  der  sich  —  aufgeschnitten  —  mark¬ 
weich  anfühlt  und  rein  weiss  aussieht.  Die  Serosa  darüber  ist  ver¬ 
schieblich  und  unverändert.  Klappt  man  den  durch  einen  vorderen 
Längsschnitt  eröffneten  Uterus  auseinander,  so  findet  man  die  Gebär¬ 
mutterhöhle  zunächst  leer  und  ohne  Besonderheiten.  Erst  nach  Ver¬ 
längerung  des  Schnittes  nacli  der  rechten  Tubenecke  ist  der  knoten¬ 
förmige  Tumor  zu  übersehen.  Mit  einem  ganz  kleinen  Segment  ragt 
er  ins  Cavum  uteri  hinein,  zum  grössten  Teil  liegt  er  jedoch  in  der 
rechten  hinteren  Uteruswand,  die  er  fast  völlig  durchsetzt,  so  dass 
zwischen  Serosa  und  letzten  Ausläufern  der  Geschwulst  nur  ein  ganz 
dünner  Saum  von  Muskularis  übrig  geblieben  ist.  Die  Gefässe  des 
linken  Ligaments  sind  durchgehends  thrombosiert.  Bei  der  weiteren 
mikroskopischen  Verarbeitung  des  Präparats  wird  darauf  geachtet 
werden,  ob  die  Thromben  schon  verschleppte  Geschwulstelemente 
enthalten.  Es  soll  später  darüber  berichtet  werden.  —  Besprechung 
der  Pathogenese  des  Chorionepithelioms  an  der  Hand  der  ein¬ 
schlägigen  Literatur.  Was  schliesslich  die  Prognose  des  Chorion¬ 
epithelioms  anlangt,  so  ist  dieselbe  angesichts  des  unberechenbaren 
Verlaufs  immer  vorsichtig  zu  stellen.  Ob  der  besprochene  Fall 
dauernd  geheilt  bleibt,  muss  abgewartet  werden.  Einen  Vorteil  hat 
die  Pat.  aber  jetzt  schon  von  der  Operation.  Sie  ist  von  den 
schwächenden  Blutverlusten  befreit  und  wird  im  Kampfe  gegen  all- 


No.  3. 


fällige  Metastasenbildung  besser  abschneiden  als  ein  durch  Blutungen 
erschöpfter  Organismus. 

Herr  Richter:  Demonstration  eines  Falles  von  Xeroderma 
pigmentosum  mit  kurzer  Besprechung  der  Aetiologie,  die  in  einer 
angeborenen  Schwäche  der  Haut  gegenüber  den  chemisch  wirksamen 
Strahlen  des  Lichtes  besteht.  Die  Haut  schützt  sich  durch  Pigment¬ 
bildung.  Aber  dieses  Pigment  entwickelt  bald  seine  deletären  Eigen¬ 
schaften,  indem  es  befördernd  wirkt  auf  die  Wucherung  und  Zer¬ 
streuung  des  Epithels.  So  kommt  es  zur  Karzinose. 

Wenn  auch  die  Beseitigung  des  Pigments  (Chemikalien,  Kohlen¬ 
säureschnee)  wohl  denkbar  und  zum  Teil  schon  gelungen  ist,  dürfte 
doch  dessen  Wiederbildung  praktisch  kaum  zu  verhüten  sein,  wenn 
sie  auch  theoretisch  durch  dauernden  Aufenthalt  im  Zimmer  mit  roten 
Scheiben,  Tragen  von  Schleiern  resp.  Auftragung  von  Firnissen  mit 
entsprechenden  Farben  denkbar  wäre. 

Herr  Clemens:  Ersatzmittel  des  Natrium  salicylicum. 

Die  Nebenwirkungen  des  Salizyls  und  vieler  seiner  Derivate 
betreffen  den  Geschmack,  die  Reizerscheinungen  von  seiten  des 
Magens  und  die  toxischen  Allgemeinsymptome.  Fast  alle  übrigen 
Derivate  der  Salizylsäure  —  auf  diese  beschränkte  sich  der  Vor¬ 
tragende  —  schmecken  besser  als  das  Salizylnatrium.  Doch  bleibt 
dessen  Anwendung  per  klysma  für  viele  Fälle  rationell.  Die  Ester 
der  Salizylsäure  reizen  seltener  den  Magen.  Auch  die  Original¬ 
präparate  sind  nicht  chemisch  rein,  enthalten  freie  Salizylsäure,  wie 
demonstriert  wird.  Aus  den  Salzen  —3  Hydropyrin,  Aspirin  löslich  — 
wird  im  vollen  und  sezernierenden  Magen  die  Säure  abgeschieden. 
Die  Ester  werden  allmählich  gespalten,  daher  ist  die  toxische  Wirkung 
geringer,  aber  bei  grossen  Dosen  nie  mit  Sicherheit  auszuschliessen. 

Herr  Schuster:  lieber  Melubrin. 

Die  bisherigen  therapeutischen  Erfolge  bei  Melubrin  werden  voll 
bestätigt.  Bei  akuter  und  subakuter  rheumatischer  Polyarthritis 
zeigt  sich  ohne  störende  Begleiterscheinungen  fast  durchweg  eine 
sichere  antirheumatische  und  antipyretische  Wirkung.  Auch  andere 
fieberhafte  Krankheiten  werden  günstig  beeinflusst;  mit  der  Ent¬ 
fieberung  tritt  in  den  meisten  Fällen  eine  Abnahme  der  Tachykardie, 
hie  und  da  auch  eine  Beruhigung  der  Kranken  ein.  Nicht  zu  ver¬ 
kennen  ist  ferner  die  vorübergehende  oder  dauernde  Beseitigung  von 
Schmerzen  verschiedener  Erkrankungen  wie  Ischias,  Neuralgie.  Als 
Nervinum  setzt  es  die  Dauer  und  die  Zahl  der  Keuchhustenanfälle 
bei  Kindern  nach  längerem  Gebrauche  herab;  eine  Heilung  der 
Pertussis  ist  in  3  Wochen  nicht  zu  erzielen  gewesen. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

V.  Sitzung  vom  2.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Schmal  tz. 

Tagesordnung. 

Herr  Best:  Ueber  Thermopenetration  am  Auge.  (Erscheint 
unter  den  Originalien  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herren  Cahnheim,  Ganser,  Haenel, 

K  y  a  w,  W  e  r  t  h  e  r.  Best. 

Diskussion  über  die  Vorführungen  in  Hellerau. 

Der  Vorsitzende  bemerkt,  dass  ähnliche  Gedanken  wie  die 
von  D  a  1  c  r  o  z  e  schon  Goethe  vorgeschwebt  haben.  Dieser  lässt 
in  Wilhelm  Meisters  Wanderjahren  die  Erzieher  ausführen,  dass  die 
Musik  eine  grosse  erzieherische  Rolle  spielt.  Der  Rhythmus  ist  zwar 
dabei  nicht  erwähnt,  aber  es  ist  nach  den  ganzen  Ausführungen  klar, 
dass  Goethe  ausser  an  den  ästhetischen  Einfluss  dabei  auch  an  den 
speziellen  des  Rhythmus  gedacht  hat. 

Herr  Ganser:  Die  Methode  Dalcroze  steht  gegenwärtig  so¬ 
wohl  gymnastisch  wie  musikalisch  und  dramatisch  im  Mittelpunkt  des 
Interesses.  Nach  der  eigenen  Anschauung  in  Hellerau  ist  G.  jetzt 
von  dem  hohen  Wert  der  Methode  durchaus  überzeugt.  Die  Methode 
Dalcroze  ist  nicht  absolut  neu,  aber  in  ihrer  Art  etwas  durchaus  ! 
Neues,  und  sie  ist  berufen,  in  günstigem  Sinne  reformatorisch  zu 
wirken. 

Bezüglich  der  Form  der  Darstellungen  ist  anzuerkennen,  dass  I 
keine  vorbereitete  Schaustellung  gegeben  wurde.  Herr  Dalcroze  ■ 
führte  Kinder  vor,  die  ihre  erste  Unterrichtsstunde  erhielten;  so 
konnte  man  sehen,  wie  das  völlig  unvorbereitete  Gehirn  darauf  re¬ 
agierte. 

Von  dem  ästhetischen  Genuss  soll  hier  nicht  die  Rede  sein. 
Was  die  physische  und  psychische  Seite  betrifft,  so  wird  man  unwill¬ 
kürlich  zu  Vergleichen  mit  den  Turnübungen  der  eigenen  Jugendzeit 
in  den  Schulen,  Spielplätzen  und  Turnhallen  mit  ihrer  trostlosen  Oede 
herausgefordert.  Gewiss  ist  in  den  letzten  30  Jahren  darin  vieles 
besser  geworden;  die  Kinder  sind  jetzt  viel  mehr  angeregt  und  mehr 
bei  der  Sache.  Aber  die  Hellerauer  Aufführungen  sind  doch  davon 
noch  himmelweit  verschieden!  Die  Anwendung  der  Musik,  an  sich 
nichts  Neues,  spielt  bei  Dalcroze  eine  so  hervorragende  Roile, 
wie  sonst  nirgends,  und  darin  liegt  die  Bedeutung  der  Methode. 

Ueber  den  Wert  der  Methode  kann  man  den  Worten  des  Herrn 
Dalcroze  nicht  viel  hinzufügen.  Ganz  auffallend  ist  die  grosse 
Durchgeistigung  des  Turnens,  durch  die  eine  schier  unendliche 
Mannigfaltigkeit  erzielt  wird.  Der  beständige  Wechsel  regt  die  Auf¬ 
merksamkeit  immer  wieder  an;  es  ist  fast  mehr  geistige  als  körper¬ 
liche  Gymnastik.  Für  die  Uebung  und  Konzentrierung  der  Aufmerk- 


21.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


155 


samkeit  und  die  Beherrschung  der  geistigen  Kräfte  kann  keine  andere 
Methode  mehr  leisten. 

Die  Ermüdungsgefahr  ist  nicht  gross.  Im  Unterrichtswesen,  beim 
eigentlichen  Lernen  ist  alles  intrazentral,  hier  dagegen  fliesst  die  Er¬ 
regung  sozusagen  fortwährend  ab,  sie  entlädt  sich,  so  dass  eine 
schädliche  Abspannung  nicht  eintreten  kann. 

Bei  den  Aufführungen  der  Erwachsenen  erscheinen  als  grosse 
Vorteile  die  Zerlegung  komplizierter  Ausdrucksbewegungen  in  ihre 
Elemente  und  dann  wieder  ihre  synthetische  Darstellung.  So  werden 
Automatismen  ausgebildet.  Die  Uebungen  erzielen  durch  ihre  Mannig¬ 
faltigkeit,  die  Durcharbeitung  des  zentralen  Bewegungsapparates  und 
des  Körpers  bei  dem  Schüler  eine  solche  Beherrschung,  des  Körpers, 
eine  solche  statische  und  dynamische  Sicherheit,  dass  er  auto¬ 
matisch  seinen  Körper  in  Haltung  und  Bewegung  beherrscht.  Die 
Erziehung  geht  darauf  aus,  den  Menschen  in  Bewegung,  Haltung,  im 
ganzen  Benehmen  frei  zu  machen,  und  das  wird  durch  die  Methode 
Dalcroze  erreicht. 

Herr  Brückner  betrachtet  die  Dalcroze  sehen  Uebungen 
als  ein  Erziehungsmittel  nicht  nur  für  gesunde,  sondern  auch  für 
neuropathische  Kinder,  weil  sie  Willensübungen  in  einer  dem  Be¬ 
dürfnis  des  Kindes  angepassten  Form  darstellen.  Das  übliche  Schul¬ 
turnen  kann  dies  nicht  ersetzen. 

Herr  Werth  er  sieht  in  der  Methode  Dalcroze  eine 
musikalische  Bildungsmethode,  die  von  rhythmischen  Uebungen  aus¬ 
geht,  da  der  Rhythmus  ein  Element  der  Musik  ist.  Die  Musik  bei 
den  Uebungen  ist  nicht  Begleitung,  sondern  wesentlich.  Die  Per¬ 
zeptionsorgane  der  Schüler  werden  dauernd  angespannt  und  ver¬ 
feinert,  indem  sie  an  einer  improvisierten  Musik  mehr  hören  lernen 
als  der  Laie  hört.  Rhythmus,  Takt,  Melodie,  Tonart  usw.  werden 
erkannt  und  zum  Bewusstsein  gebracht  und  in  körperliche  Be¬ 
wegungen  umgesetzt:  es  kommt  unter  Regelung  von  Impulsen  und 
Hemmungen  zu  einer  bewussten  und  durchgeistigten  Beherrschung 
des  Körpers.  Nebenbei  wird  ein  Schatz  von  Vorstellungen  und  Er¬ 
innerungen  musikalischen  Inhaltes  gesammelt  und  bereit  gehalten. 

Die  Methode  fasst  an  einem  anderen  Ende  an  als  die  modernen 
Tanzereien.  Sie  schult  den  Geist,  bildet  Persönlichkeiten  und 
Künstler. 

Es  frägt  sich,  ob  diese  Methode  und  in  welchem  Umfang  sie  in 
der  Jugenderziehung  eingeführt  werden  kann,  da  die  wissenschaftliche 
Ausbildung  unserer  Kinder  schon  viel  Zeit  und  Kräfte  beansprucht. 

Herr  Wiebe:  Die  Schulung  der  Aufmerksamkeit,  die  in  Hel¬ 
lerau  so  sehr  gepflegt  wird,  legt  eine  Parallele  nahe  mit  einer 
anderen  Methode;  der  En  ge  Ischen  Sprechmethode.  Beide  gehen 
darauf  aus,  das  geistige  Bereitsein  zu  üben,  und  dadurch  wird  das 
geistige  Niveau,  die  Aufnahmefähigkeit,  gehoben.  Die  Engel  sehe 
Methode  ist  schon  von  einer  Anzahl  Lehrern  in  die  Volksschulen 
eingeführt  worden,  mit  dem  Erfolge,  dass  die  betreffenden  Klassen 
im  1.  Jahre  etwas  zurückblieben,  da  erst  die  Methode  bewältigt 
werden  musste,  im  2.  Jahre  aber  den  Parallelklassen  vorauskamen, 
weil  sie  durch  die  Schulung  der  geistigen  Bereitschaft  unter  günstigere 
Bedingungen  versetzt  waren.  Aehnlich  wird  es  auch  bei  der  Dal- 
c  r  o  z  e  -  Methode  sein. 

Herr  Bachmann  (als  Gast)  spricht  vom' musikalischen  Stand¬ 
punkt.  Seit  allen  Zeiten  gehörten  Musik  und  Körper  zusammen. 
Aber  die  Art  der  Kunst-  und  insbesondere  Musikübung  von  heute  ist 
ungesund.  Unsere  Kinder  mit  den  Fingerübungen  am  Klavier,  die 
Schüler  der  Konservatorien  mit  ihrem  vielstiindigen  Unterricht  zeigen 
das  Bild  des  Ungesunden.  Das  Resultat  ist  gute  Fingertechnik,  aber 
keine  musikalische  Bildung.  Unsere  musikalische  Bildung  von  heute 
ist  total  minderwertig.  Hier  kann  nur  die  Methode  Dalcroze  ein¬ 
treten.  Es  gilt  eine  ganz  neue  Basis  des  Musiklebens  zu  finden:  Die 
Dalcrozemethode  ist  die  natürlichste  und  gesündeste.  Nach  2  Jahren 
dieses  Unterrichtes  hat  das  Kind  eine  gewisse  musikalische  Grund¬ 
lage,  so  dass  es,  wenn  es  unter  einem  guten  Lehrer  weiterarbeitet, 
später  etwas  tüchtiges  leisten  kann.  Ein  Mensch,  der  in  dieses 
musikalische  Leben  eingeführt  ist,  wird  in  der  Tat  musikalisch, 
unsere  Kunst  ist  nicht  gesund;  sie  muss  wieder  rhythmisch  werden. 
Die  Kinder  müssen  ihre  Gedanken  musikalisch  formen  können,  sie 
müssen  in  den  Stand  gesetzt  werden,  selbst  musikalisch  zu  empfinden 
und  darzustellen.  Das  Rhythmische  ist  gewiss  ein  Hauptpunkt,  aber 
nur  eine  Miterscheinung  in  dem  grossen  Ganzen. 

Herr  Brückner  verwahrt  sich  dagegen,  gesagt  zu  haben,  die 
Dalcrozeübungen  seien  nur  für  Willensschwäche  Kinder.  Er  hat  ge¬ 
sagt:  Die  Uebungen  sind  wichtig  für  die  Erziehung  des  gesunden 
u  ti  d  des  kranken  Kindes. 

Herr  G.  Schmorl:  Es  wäre  interessant,  nach  dem  vielen 
Outen,  das  heute  zum  Lobe  der  Methode  Dalcroze  vorgebracht 
wurde,  zu  erfahren,  ob  etwa  auf  medizinischem  Gebiete  irgendwelche 
Schädigungen  beobachtet  worden  sind,  namentlich  im  Sinne  einer 
eventuellen  Ueberanstrengung. 

Herr  Aschen  heim  (als  Gast)  berichtet,  dass  er  bei  seiner 
nicht  sehr  kräftigen  Tochter,  die  seit  3  Wochen  an  den  Dalcroze- 
schen  Kursen  teilnimmt,  keine  Spur  von  Ermüdung  bemerkt  habe. 

Herr  Dohm  (als  Gast):  Bei  den  Kindern  von  Hellerau,  die  in 
dem  ziemlich  entfernten  Klotzsche  die  Schule  besuchen,  sind  keine 
Erscheinungen  von  Ueberanstrengung  beobachtet  worden.  Dabei 
werden  diese  Kinder  infolge  des  weiten  Schulweges  und  der  häufiger 
als  sonst  erfolgenden  Unterrichtsstunden  mehr  angestrengt  als  die 
anderen  Schüler.  Damit  soll  nicht  gesagt  werden,  dass  keine  un¬ 
günstigen  Erscheinungen  Vorkommen  könnten,  man  weiss  aber  dann 


I  nicht,  ob  das  an  der  Methode  oder  an  den  Lehrern  liegen  würde. 
Wenn  der  Lehrer  nicht  die  geeignete  Persönlichkeit  ist,  kann  aller¬ 
dings  Ermüdung  eintreten.  Die  Aufmerksamkeit  wird  an  sich  in 
hohem  Masse  angespannt,  aber  diese  Anspannung  entladet  sich 
ständig  in  der  Ausführung  von  Bewegungen  und  so  kommt  es  nicht 
zur  Ermüdung.  Besonders  in  den  Jahren  der  Pubertät  haben  die 
Uebungen  durch  die  Konzentration  der  Aufmerksamkeit  und  die  gleich- 
|  zeitige  körperliche  Ausarbeitung  besondere  Bedeutung.  In  diesen 
Jahren  spielen  allerlei  innere  Hemmungen,  die  nicht  genauer  auzu- 
drücken  sind,  eine  grosse  Rolle.  Da  können  die  Uebungen  eine 
natürliche  Ausdrucksweise  schaffen  für  mancherlei,  was  sonst  die 
Grundlage  für  spätere  Neurasthenie  in  sich  bergen  könnte.  Die 

rhythmischen  Uebungen  Hessen  sich  in  der  Schule  gut  an  Stelle  des 
in  diesen  Jahren  stockenden  Gesangsunterrichtes  einführen. 

Herr  Hans  H  a  e  n  e  1  teilt  hinsichtlich  des  Psychologischen  den 
Standpunkt  des  Herrn  Ganser.  Die  Uebungen  sind  als  „Hirn¬ 
gymnastik“  mindestens  ebenso  wertvoll  wie  als  Körpergymnastik. 
Wenn  aber  Herr  Bachmann  sagt,  dass  der  bisherige  Musikunter¬ 
richt,  weil  er  ungesund  sei,  nunmehr  überholt  sei  durch  die  Dal¬ 
crozeübungen,  so  muss  er  dem  widersprechen:  Wohl  kann  der 
Musikunterricht  auf  dem  Boden  des  Herrn  Dalcroze  mit  einer 
gymnastischen  Betätigungsart  verbunden  werden,  auch  gewinnen  ge¬ 
wiss  die  Kinder  für  ihre  weitere  musikalische  Ausbildung  eine  neue 
und  wertvolle  Grundlage;  aber  ausübende  Musiker  werden  sie  da¬ 
durch,  dass  ihnen  der  Rhythmus  beigebracht  wird,  nicht.  Gewiss 
ist  das  lange  Ueben  ungesund,  aber  es  wird  doch  nie  entbehrlich 
werden.  Diese  Frage  kann  nicht  vom  gesundheitlichen  Standpunkt 
betrachtet  werden.  Ebensowenig  könnte  das  Mikroskopieren  der 
Aerzte  oder  das  Reissbrettzeichnen  der  Techniker  entbehrt  werden, 
obwohl  beides  ungesund  ist. 

Es  wird  immer  gesunde  Musiker  geben,  die  nicht  durch  die 
Dalcrozeschule  gegangen  sind. 

Herr  Bachmann:  Wenn  ein  Mensch  durch  diese  Methode  die 
innere  Tonvorstellung  gewinnt,  also  in  jedem  Augenblick  mit  jedem 
Ton  innerlich  beteiligt  ist,  so  weiss  er,  welcher  Vorteil  darin  liegt 
und  wieviel  Zeit  und  Kraft  dadurch  erspart  wird.  Innere  Tonvor¬ 
stellungen  gibt  kein  Lehrer  im  Konservatorium.  Das  Studium  ist  zu 
anstrengend,  der  Lehrer  muss  die  Aufmerksamkeit  so  stark  auf  das 
Technische  richten,  dass  das  Innere  wenig  beteiligt  ist.  Durch  das 
Erwecken  innerer  Tonvorstellungen  kann  die  Arbeit  sehr  vereinfacht 
werden. 

Herr  Ganser:  Durch  die  Ausführungen  des  Herrn  Bach¬ 
mann  hat  die  Diskussion  eine  Verschiebung  erlitten.  Wir  haben 
hier  nicht  über  den  musikalischen  Wert  der  Dalcroze  sehen  Rich¬ 
tung  zu  reden  und  massen  uns  darüber  kein  Urteil  an. 

Nach  allem,  was  wir  gesehen  und  gehört  haben,  können  wir 
nur  den  Wunsch  haben,  dass  die  Dalcrozemethode,  soweit  sie  eine 
Gymnastik  des  Körpers  und  des  Geistes  durchführt,  in  den  Schul¬ 
unterricht  eingeführt  wird. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  12.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Brauer. 

Schriftführer:  Herr  Kehl. 

Herr  Paulsen:  Demonstration  von  Sporozoenpräparaten  und 
-kulturen,  die  bei  einem  Melanosarkom  auf  Schweineblutplasma  ge¬ 
züchtet  wurden. 

Paulsen  zeigt  Präparate  von  kleinen  kugeligen  Gebilden,  von 
denen  die  kleinsten  etwa  Y>  ß  im  Durchmesser  kernlos  sind.  Die 
grösseren  enthalten  einen  oder  mehrere  Kerne.  Bei  den  grössten 
findet  man  an  2  Stellen,  etwa  jeweils  den  6.  Teil  des  Umfanges  mit 
einer  doppelten  Kontur  versehen.  Bei  genauer  Betrachtung  sieht  man 
bereits,  dass  die  innere  Kontur  aus  2  kleinen  wurmartigen  Gebilden 
besteht.  In  der  weiteren  Entwicklung  werden  diese  Gebilde  frei. 
Das  nächste  Stadium  zeigt  uns  2  kleine  filariaähnliche  Organismen, 
die  am  einen  oder  an  beiden  Enden  mit  einem  stachelartigen  Fortsatz 
versehen  sind.  Aehnliche  Vorgänge  sind  bei  Gregarinen  und  Trypano- 
plasmen  beobachtet,  man  kann  diese  Organismen  aber  nicht  der  einen 
oder  andern  Gruppe  zurechnen,  wegen  sonstiger  erheblicher  Ver¬ 
schiedenheit  von  den  letzteren.  Derartige  Formen  sind  bereits  von 
verschiedenen  Forschern  beschrieben,  so  von  Vedeler,  Wer- 
nike,  Jackson  Clarke,  Pawlowsky  u.  a.  bei  Erforschung 
von  Sarkomen;  wenigstens  zeigt  hier  der  erste  Teil  der  Entwicklung 
sonst  ganz  dieselben  Verhältnisse.  Beschrieben  werden  die  wurm¬ 
artigen  Gebilde  nicht,  man  findet  aber  in  den  den  Arbeiten  bei¬ 
gegebenen  Zeichnungen  und  Photographien  etwas  Aehnliches,  so  bei 
Jackson  Clarke  auf  S.  813,  No.  4,  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  u.  Para- 
sitenk.,  XVI.  Bd„  No.  21.  Ferner  fand  auch  Paulsen  selber  bei 
den  Sporozoen,  die  er  bei  Maul-  und  Klauenseuche  züchtete,  wurm¬ 
artige  Organismen,  die  allerdings  in  mancher  Beziehung  Verschieden¬ 
heiten  von  den  letzteren  boten.  Die  Kulturen  selber  haben  nichts 
Charakteristisches;  das  Plasma  bleibt  längere  Zeit  klar,  dann  be¬ 
ginnt  nach  etwa  einer  Woche  der  ganze  Nährboden  sich  zu  trüben 
unter  etwas  Gasbildung;  allmählich  tritt  eine  Sedimentbildung  auf 
dem  Boden  des  Glases  ein,  wobei  das  Plasma  wieder  vollständig  klar 
wird.  Kontrolluntersuchungen  verliefen  bis  jetzt  negativ. 


156 


MUF.NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Ob  man  es  nun  in  diesem  Falle  mit  dem  Erreger  des  Sarkoms 
zu  tun  hat,  lässt  sich  vorderhand  nicht  entscheiden,  ebensogut  können 
es  harmlose  Saprophyten  sein.  Der  Erfolg  der  Untersuchung  besteht 
im  wesentlichen  darin,  dass  man  ein  Protozoon  in  seiner  Entwicklung 
von  Anfang  bis  zu  Ende  verfolgen  kann  und  dass  die  Erzielung  von 
Protozoenkulturen  durch  Einführung  von  Plasmanährböden  statt  des 
Serums  eine  wesentliche  Erleichterung  erfahren  hat. 

Herr  E.  Fraenkel:  Demonstrationen  zum  Gasbazillus.  (Wir¬ 
kungen  auf  den  weiblichen  Genitalapparat.) 

Herr  E.  Fraenkel  berichtet  über  die  Wirkungen  des  Bacillus 
emphysematosus  auf  den  weiblichen  Genitalapparat  und  erwähnt  die 
neuen  Erfahrungen,  die  durch  H  e  g  1  e  r  und  Schümm  über  die  Gift¬ 
wirkung  des  von  ihm  1901  zuerst  beschriebenen  Krankheitserregers 
gemacht  wurden.  Durch  die  Untersuchungen  von  Hegler  und 
Schümm  ist  es  möglich  geworden,  eine  Erklärung  zu  geben  für 
die  Veränderung  der  Hautfarbe  der  Patienten,  die  einer  Infektion  mit 
Bacillus  emphysematosus  erliegen,  die  bereits  von  Lenhartz 
charakterisiert  wurde.  Hegler  findet  bei  Frauen  im  Puerperium, 
die  eine  Infektion  mit  Bacillus  emphysematosus  erlitten  haben,  Met¬ 
hämoglobinämie  und  Methämoglobinurie,  doch  verlaufen  diese  Fälle 
meist  gutartig,  wenn  rechtzeitig  noch  vorhandene  Plazentareste  ent¬ 
fernt  werden.  Nach  den  Erfahrungen  des  Vortragenden  kommen 
Allgemeininfektionen  mit  dem  Gasbazillus  zu  tödlichem  Ausgang;  wo¬ 
bei  nicht  festgestellt  werden  kann,  warum  die  Patienten  im  einen 
Falle  ihrer  Infektion  erliegen  und  im  anderen  Falle  die  Krankheit  in 
Heilung  ausgeht.  Bei  der  Infektion  des  puerperalen  Uterus  ergeben 
sich  zwei  verschiedene  Krankheitsbilder:  1.  die  Infektion  des  Eihüllen¬ 
inhaltes  mit  Gasbildung  im  Fruchtwasser,  die  zur  Tympania  uteri 
führt;  2.  der  Einbruch  des  Gasbazillus  in  die  Uteruswand,  der  zum 
Bilde  der  Physometra  führt.  Vortragender  demonstriert  den  Uterus 
einer  44  jährigen  Patientin,  die  nach  kriminellem  Abort  ad  exitum  kam 
und  neben  Schaumorganen  bei  der  Obduktion  ferner  einen  miss¬ 
farbenen  Uterus  darbot,  dessen  Wandung  durch  Hohlräume  zwischen 
der  Muskulatur  ein  feinschwammiges  Gefüge  bekommen  hatte.  Es 
gelangt  ferner  ein  Uterus  zur  Demonstration,  der  operativ  (Oehl- 
ecker)  bei  einer  Frau,  die  an  Peritonitis  erkrankte,  entfernt  wurde 
und  der  dasselbe  Bild  wie  das  erste  Präparat  zeigt.  Die  Erläuterung 
des  Infektionsweges  und  des  histologischen  Befundes  derartiger  Uteri 
erfolgt  darauf  an  einer  Serie  von  Mikrophotogrammen.  Der  schnelle 
tödliche  Verlauf  des  Krankheitsbildes  ist  zurückzuführen  auf  den 
Lymph-  und  Blutreichtum  des  puerperalen  Uterus.  Bei  der  Gasent¬ 
wicklung  kommt  es  zu  Substanzverdrängung,  durch  die  in  dem  nicht 
entzündlichen,  nekrotisierenden  Gewebe  die  zahlreichen  Lyrnph- 
balmen  leicht  zugängig  werden  -und  bersten.  Besondere  Erwähnung 
findet  noch  die  Einwirkung  des  Gasbazillus  auf  den  im  graviden 
Uterus  vorhandenen  Fötus,  bei  dem  die  Lungen  befallen  werden 
können  und  unter  Umständen  zum  positiven  Ausfall  der  Schwimm¬ 
probe  führen  können. 

Bei  dem  Präparat  einer  Scheidenwand,  das  von  einer  83  jährigen 
Frau  stammt,  kommt  Vortragender  auf  das  von  v.  Winckel  be¬ 
schriebene  Bild  der  Kolpohyperplasia  cystica  zu  sprechen  und  er¬ 
wähnt,  dass  von  Lindenthal  und  Hitschmann  in  5  Fällen 
der  Bacillus  emphysematosus  gezüchtet  wurde.  Histologisch  ist  es 
möglich,  an  der  Zysteninnenwand  und  an  den  endothelialen  Verände¬ 
rungen  der  Lymphstränge  färberisch  den  Gasbazillus  nachzuweisen. 
Die  Frage  bleibt  offen,  warum  derselbe  Erreger  einmal  harmlos  und 
dann  wieder  tödlich  wirkt.  Jakobsthal  macht  toxische  Produkte 
für  die  Giftigkeit  verantwortlich  und  hat  bei  Meerschweinen  nach 
Injektion  von  bazillenausscheidunghaltiger  Flüssigkeit  Schockwirkung 
beobachtet.  Vortr.  konnte  diese  Befunde  nicht  erheben;  die  Einver¬ 
leibung  abgestorbener  Erreger,  samt  ihrer  Ausscheidungsprodukte, 
rief  bei  Meerschweinen  stets  nur  lokale  Hautnekrose  hervor.  (Aus¬ 
führlicher  Bericht  erfolgt  an  anderer  Stelle.) 

Diskussion:  Herr  Oehlecker  macht  klinische  Angaben 
zu  dem  Uterus,  den  Herr  Fraenkel  demonstrierte:  28  jährige  Frau, 
die  4  Geburten  hinter  sich  hatte.  Letzte  Regel  war  ausgeblieben. 
Fühlte  sich  mehrere  Tage  sehr  schlecht,  erkrankte  am  Tage  vor  der 
Aufnahme  mit  heftigen  Schmerzen  im  Leibe.  Wird  in  schwer  kran¬ 
kem  Zustande,  mit  eigenartig  blass-grauer  Farbe  und  den  Symptomen 
der  Peritonitis  eingeliefert.  Bei  der  Laparotomie  findet  sich  reich¬ 
lich  trübes,  blutiges  Exsudat  in  der  Bauchhöhle.  Am  Fundus  uteri 
zwei  orangengrosse,  blau-braune  Vorbuckelungen.  Im  prävesikalen 
Gewebe  usw.  Hämorrhagien.  Exstirpatio  uteri  usw.  —  Im  Uterus 
faules  Ei  und  kleine  Hohlräume  mit  Gas.  Aus  dem  Uterus  wie  aus 
dem  Blute  der  Pat.  wird  der  B.  emphysematosus  Fraenkel  gezüchtet. 
Im  Blut  wie  im  Urin  reichlich  Methämoglobin.  Trotz  Kochsalz- 
infusionen  nur  äusserst  wenig  braun-blutiger  Urin.  Tod  30  Stunden 
nach  der  Operation.  (Ureteren  intakt.) 

Bei  einer  schweren  Cholecystitis  acuta  beobachtete  O.  eine  auf¬ 
fällige,  blasig-sulzige  Beschaffenheit  des  retroperitonealen  Binde¬ 
gewebes,  des  kleinen  Netzes  usw.  Aus  exstirpierten  Gewebsstiicken 
wurde  der  Fraenkel  sehe  Gasbazillus  gezüchtet.  Aus  der  Gallen¬ 
blase  wurden  Kulturen  vom  Gasbazillus  und  vom  Streptococcus  ery- 
sipel.  gewonnen.  Pat.  wurde  nach  Cholezystektomie.  Drainage  der 
Gallenwege  usw.  geheilt. 

Herr  Schottmüller:  M.  H.!  Im  Anschluss  an  den  Vortrag 
des  Herrn  Fraenkel  möchte  ich  noch  einmal  kurz  darauf  hin- 
weisen,  dass  ich  schon  ir:  der  vorigen  Sitzung  der  Biologischen  Ab¬ 
teilung  Mitteilungen  über  Infektionen  durch  den  Bac.  phleg.  emphy- 
sem.  Fraenkel  gemacht  habe  gelegentlich  des  Vortrags  des  Herrn 


Hegler  über  M  e  t  h  ä  m  o  g  1  o  bi  n  uachweis  im  Blute  (Münch, 
med.  Wochenschr.  1912,  pag.  2924). 

Ich  hatte  darin  ausgeführt,  dass  vielfach  bei  Infektion  durch 
B  a  c.  phleg  m  ones  emphysematosae  Fraenkel  bei 
fieberhaftem  Abort  eine  ikterische  Verfärbung  der  Haut  auftritt. 
Schon  im  Jahre  1910  hatte  ich  den  ersten  derartigen  Fall  beobachtet, 
1911  einen  weiteren,  bei  denen  wir  im  Blutserum  bzw.  im  Harn 
Methämoglobin  resp.  Hämatin  nachweisen  konnten.  Wir 
waren  der  Frage  nachgegangen,  von  der  Annahme  aus,  dass  der 
Ikterus  solcher  septischer  Erkrankungen  nicht  ein  hepatogener,  son¬ 
dern  ein  hämatogener  ist.  Im  Blut  konnten  wir  intra  vitain  den 
Bac.  phleg.  emphysem.  züchten.  Die  zweite  Pat.  ging  an  einer  Peri¬ 
tonitis  zugrunde,  im  Peritoneum,  Blut  und  Uterus  wurde  der  Gas¬ 
bazillus  gefunden.  Bei  einem  dritten  Fall  von  Abort  und  Peritonitis 
derselben  Aetiologie  fanden  wir  Im  Urin  Methämoglobin.  Der  Nach¬ 
weis  im  Blute  misslang,  weil  es  zu  stark  mit  Wasser  verdünnt  wer¬ 
den  musste. 

Auch  bei  Infektionen  durch  andere  an  aerobe  Bakterien 
hatten  wir  die  gleiche  livide  gelbliche  Hautfarbe  häufiger  beobachten 
können,  und  zwar  waren  diese  Fälle  hervorgerufen  durch  Strepto¬ 
coccus  putridus  und  Staphylococcus  aerogenes. 
Ich  habe  auf  Fälle,  bei  denen  wir  Methämoglobin  im  Blute  bzw.  Urin 
nachweisen  konnten,  schon  in  einer  früheren  Arbeit  (Zentralbl.  f. 
Bakteriol.,  erste  Abteilung,  Originale,  Bd.  64)  bereits  hingewiesen. 

Lieber  die  Entstehung  der  Methämoglobinämie  ist  das  letzte  Wort 
noch  nicht  gesprochen. 

Dass  die  an  aeroben  Bakterien,  indem  sie  dem  Blute 
ihre  Endotoxine  mitteilen  (es  sind  welche,  die  die  in  Rede  stehenden 
Veränderungen  hervorrufen),  das  haben  wir  auch  experimentell  nach¬ 
weisen  können.  Ich  zeigte  Ihnen  einige  Kulturgläser,  in  denen  tejls 
anaerobe  Streptokokken  teils  Bac.  phleg.  emphysematos,  in  einer 
Blutbouillonlösung  gezüchtet  war.  Untersuchte  man  diese  5 — 6  tägige 
Kulturenflüssigkeit  mit  Hilfe  des  Spektroskopes,  so  erkannte  man 
deutlich,  dass  sich  Methämoglobin  entwickelt  hatte. 

Welcher  Art  das  Toxin  ist,  welches  die  Hämolyse  bedingt,  ist 
fraglich.  Sicher  ist  nur,  dass  sich  in  allen  Kulturgläsern  infolge  der 
Bakterienentwicklung  Schwefelwasserstoff  gebildet  hat,  es 
wäre  immerhin  denkbar,  dass  der  Schwefelwasserstoff  zur  Blut¬ 
dissolution  geführt  hat. 

Im  Gegensatz  zu  den  neulich  erwähnten  Fällen  von  septischen 
Infektionen  durch  den  Gasbazillus  begleitet  von  Methämoglobinämie 
verlief  der  Fall,  dessen  Sektionsergebnis  Herr  Fraenkel  Ihnen 
eben  mitteilte,  ohne  derartige  Erscheinungen.  Der  Verlauf  war  fou- 
droyant.  Am  9.  XII.  10  Eintritt  eines  Abortes,  am  folgenden  Tage 
Ausräumung,  schon  in  der  Nacht  hohes  Fieber  und  Benommenheit, 
Erbrechen.  Am  11.  XII.  Aufnahme  im  Krankenhaus.  Hochgradige 
Anämie,  Zyanose,  Dyspnoe,  Puls  fadenförmig,  Abdomen  druck¬ 
empfindlich,  Meteorismus.  Uterus  weich,  enthält  noch  stinkende  Pla¬ 
zentareste.  Temp.  39.  Urin  blutig.  Im  Uterussekret  Bac.  em¬ 
physematosus  gezüchtet.  Exitus  am  3.  Krankheitstage. 

Worauf  in  diesem  Fall  der  rapid  tödliche  Verlauf  zurückzuführen 
ist,  während  wir  bei  den  meisten  Infektionen  durch  den  Bac.  emph. 
einen  glücklichen  Ausgang  sehen,  ist  nicht  zu  sagen. 

Offenbar  ist  es  den  Bazillen  gelungen,  durch  die  Uteruswand  hin¬ 
durch  in  die  Lymphgefässe  des  Parametriums  und  in  das  Peritoneum 
zu  gelangen;  von  den  Lymphwegen  aus  sind  sie  in  grossen  Massen 
in  den  Blutstrom  eingeschwemmt  worden. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  kommt  es  aber  sicher  nicht  zu  diesem 
Fortschreiten  der  Bakterien  in  die  benachbarten  Organe. 

Vielleicht  ist  als  Grund  des  deletären  Ausgangs  anzunehmen, 
dass  die  septischen  Reste  zu  lange  bei  geschlossenem  Muttermund 
im  Uterus  zurückgehalten  wurden. 

Ueber  das  Krankheitsbild  und  unsere  diesbezüglichen  Fälle  wird 
in  Kürze  ausführlich  berichtet  werden. 

Herr  Simmonds:  Ich  habe  ebenfalls  mehrfach  auf  dem  Sek¬ 
tionstische  Fälle  von  Puerperalsepsis  mit  Gasbazillenbakteriämie  ge¬ 
sehen,  die  ebenfalls  alle  Zeichen  des  von  Schottmüller  und 
Hegler  als  Methämoglobinämie  bezeichneten  Krankheitsbildes  auf¬ 
wiesen.  Abgesehen  von  der  eigentümlichen  Bronzefärbung  der  Haut 
fällt  vor  allem  das  makroskopische,  wie  auch  das  mikroskopische 
Verhalten  der  Nieren  auf.  Die  histologischen  Befunde  am  Uterus 
entsprachen  ganz  den  von  Herrn  Fraenkel  geschilderten.  In 
Bezug  auf  die  Genese  der  sog.  Colpohyperplasia  cystica  kann  ich 
mich  indes  nicht  Herrn  Fraenkel  anschliessen.  Er  stellt  es  auf 
Grund  der  Arbeit  von  Hitschmann  und  Lindenthal  als  be¬ 
wiesen  hin,  dass  die  kleinen  Scheidengaszysten  durch  den  Gas¬ 
bazillus  hervorgerufen  werden  und  verschweigt,  dass  eine  Reihe 
von  zuverlässigen  Beobachtern  völlig  negative  Resultate  erhielten. 
Auch  ich  habe  öfters  diese  „Pneumatosis  cystoides  va¬ 
gin  a  e“,  wie  sie  am  besten  bezeichnet  wird,  gesehen,  aber  stets 
unabhängig  von  puerperalen  Infektionen,  unabhängig  von  irgend¬ 
welchen  Läsionen  und  entzündlichen  Vorgängen  am  Genitaltraktus, 
unabhängig  auch  von  Stauungszuständen.  Am  häufigsten  habe  ich 
den  Befund  als  harmlosen  zufälligen  Nebenbefund  bei  älteren  Frauen 
gesehen,  so  vor  einigen  Tagen  bei  einer  84  jährigen  Frau,  kurzum 
unter  Bedingungen,  die  gar  keinen  Anhalt  für  die  Entstehung  einer 
Gasbazilleninfektion  lieferten.  Weiter  habe  ich  bei  zahlreichen  histo¬ 
logischen  Untersuchungen  niemals  die  Bazillen  im  Innern  der  Zysten 
nachweisen  können.  Kulturversuche  scheiterten  an  der  Kleinheit  der 
Zysten.  Ich  kann  mich  daher  nicht  der  Angabe  Fraenkels  an- 


21.  Januar  1912. 


MUENCHENEE  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


157 


schliessen,  dass  die  Genese  der  Scheidenzysten  bereits  sicher  er¬ 
wiesen  ist. 

Ich  möchte  bei  der  Gelegenheit  an  eine  andere  Lokalisation 
der  Gaszystenbildung  erinnern,  an  die  „Pneumat  osis  cystoi- 
d  e  s  i  n  t  e  s  t  i  n  i“.  Ich  zeige  Ihnen  hier  den  Querdarm  einer  67  jühr. 
Frau,  der  wegen  Verdacht  eines  malignen  Tumors  reseciert  worden 
war.  Sie  sehen  Darmwand  und  Mesenterium  dicht  besetzt  mit 
kLinsten  bis  haselnussgrossen  Gaszysten.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  hat  auch  hier  nur  die  bekannten  Befunde,  vielfach  zarte 
Endothelzellen  und  polymorphe,  oft  riesenzellenartige  Gebilde  er¬ 
geben,  wie  das  ja  auch  in  den  Scheidenzysten  zu  finden  ist,  aber 
nichts  von  Bakteiien.  Weiter  ist  in  unserem  Institut  die  häufig 
zu  beobachtende  korrespondierende  Erkrankung  des  Schweines  mehr¬ 
mals  histologisch  und  kulturell  untersucht  worden,  aber  stets  mit 
negativem  Erfolg. 

Da  auch,  andere  Untersucher  dasselbe  Resultat  erhielten,  kann 
man  auch  hier,  ebensowenig  wie  bei  der  „Pneumatosis  cystoides 
vaginae1',  die  Frage  nach  der  Entstehung  der  üaszysten  als  gelüst 

bezeichnen. 

Herr  Bontemps  fragt  an,  ob  der  Herr  Vortragende  auch 
ausserhalb  des  Tierkörpers  niemals  Sporulation  beobachtet  hat;  nach 
Literaturangaben  soll  der  Gasbazillus  doch  auf  künstlichen  Nährböden, 
speziell  auf  blutserumhaltigen  Sporenbildung  zeigen,  während  dieselbe 
im  Tierkörper  niemals  beobachtet  ist. 

Herr  Fraenkel  (Schlusswort):  Sporenbildung  habe  ich  nur 
bei  einer  einzigen  Kultur,  ganz  im  Anfang  meiner  Beschäftigung,  mit 
dem  Gasbazillus,  beobachtet.  Das  Ausbleiben  der  Sporenbildung 
macht  es  erforderlich,  nach  spätestens  3 — 4  Tagen  auf  frische  Nähr¬ 
böden  weiter  zu  impfen,  da  sonst  die  Gasbazillen  sicher  absterben. 
Nur  in  Gelatinekulturen  halten  sie  sich  bis  zu  4  Wochen. 

Der  Deutung  des  Herrn  S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r  zur  Erklärung  der 
Verschiedenheit  des  Verlaufes  in  Fällen  von  puerperaler  Infektion 
mit  dem  Gasbazillus  schliesse  ich  mich  durchaus  an,  mit  der  Ein¬ 
schränkung,  dass  sich  die  in  die  Tiefe  dringenden  Bazillen,  wie  ich 
Ihnen  ja  an  den  verschiedenen  Mikrophotogrammen  zeigen  konnte, 
nicht  in  den  Blutgefässen,  sondern  in  Lymphspal- 
tcn  ansiedeln.  Von  diesen  aus  gelangen  sie  in  den  Kreislauf  und 
werden  nun  in  die  verschiedenen  Organe  und  Körperabschnitte  ver¬ 
schleppt.  Es  ist  in  dieser  Beziehung  interessant,  dass  in  einem  von 
amerikanischen  Aerzten  publizierten,  gleichfalls  eine  Puerpera  be¬ 
treffenden  Fall  sich  schon  4  Stunden  a.  m.  ein  weit  verbreitetes 
Unterhautemphysem  einstellte. 

Was  die  Gaszysten  der  Scheide  anlangt,  so  kann  ich 
nur  sagen,  dass  ich  in  den  wenigen  von  mir  untersuchten  Fällen 
histologisch  Bakterien  nachweisen  konnte.  Ueber  ihre  Natur  und 
ätiologische  Bedeutung  enthalte  ich  mich  mangels  eigener  bakterio¬ 
logischer  Untersuchungen  eines  bestimmten  Urteiles.  Auf  alle  Fälle 
glaube  ich,  dass  die  von  Lindenthal  und  Hitschmann  be¬ 
züglich  des  Gasbazillus  hierbei  erhobenen,  wenn  auch  von  anderen 
Autoren  nicht  bestätigten,  positiven  Befunde  nicht  ohne  weiteres 
ignoriert  werden  dürfen. 

Dass  die  Pneumatosis  cystoides,  über  die  mir  übrigens  eigene 
Erfahrungen  nicht  zur  Verfügung  stehen,  wegen  der  Uebereinstim- 
tnung  der  histologischen  Veränderungen  mit  den  bei  der 
Colpohyperplas.  cystica  festgestellten  auch  ätiologisch  mit 
dieser  zu  identifizieren  ist,  ist  zwar  denkbar,  aber 
keineswegs  notwendig,  da  doch  verschiedene  kausale  Mo¬ 
mente  zu  histologisch  analogen  Gewebsalterationen  Anlass  geben 
können. 

Die  von  Herrn  Oehlecker  erwähnte  nekrotisierende  Gallen¬ 
blasenentzündung  ist  für  die  Frage  nach  der  Beteiligung  des  Gäs- 
bazillus  beim  Entstehen  dieser  Erkrankung  nur  mit  Vorsicht  zu 
verwerten,  da  er  gemeinsam  mit  Streptokokken  aus  der  Galle  ge¬ 
züchtet  wurde,  während  mir  in  Schnitten  durch  das,  aus  der  Um¬ 
gebung  der  Gallenblase,  exstirpierte  Gewebe  allerdings  nur  der  Nach¬ 
weis  von  Gasbazillen  gelang.  Für  sehr  viel  wichtiger  halte  ich  die 
Frage  nach  der  Art  des  Hineingelangens  des  Gasbazillus  in  die 
Gallenblase,  d.  h.  ob  die  Invasion  auf  hämatogenem  oder  entero- 
genem  Wege,  also  entgegen  der  Stromrichtung  der  Galle,  erfolgt 
ist.  Ich  sehe  indes  von  einer  Erörterung  dieser,  für  die  Lehre  von 
der  Genese  der  Gallenblasenentzündung  überhaupt  bedeutungsvollen, 
aber  doch  etwas  abseits  von  dem  eigentlichen  Thema  liegenden  Frage 
ab  und  beschränke  mich  darauf,  diesen  Gesichtspunkt  in  die  Dis¬ 
kussion  geworfen  zu  haben. 

Ich  schliesse  mit  der  Hoffnung,  dass  aus  dem  ferneren  Zusammen¬ 
arbeiten  der  Klinik  mit  der  pathologischen  Anatomie  und  Bakteriologie 
noch  weitere  interessante  Tatsachen  über  das  Verhalten  des  Gas¬ 
bazillus  im  menschlichen  Körper  gewonnen  werden  mögen. 

Herr  Brauer:  Ein  Fall  von  Myositis  ossiticans. 

Herr  Brauer  bespricht  unter  Vorzeigung  der  durch  Operation 
gewonnenen  Präparate  das  eigenartige  Krankheitsbild  eines  61  jähr. 
Mannes,  der  seit  etwa  15 — 20  Jahren  an  Muskelschmerzen  in  den 
Waden  litt.  Die  Schmerzen  wurden  im  Laufe  der  letzten  Jahre  all¬ 
mählich  stärker  und  traten  schliesslich  auf  beiden  Seiten  so  heftig, 
krampfartig  auf,  dass  der  Patient  seine  Tätigkeit,  die  langes  Stehen 
im  Geschäfte  verlangte,  aufgeben  musste.  Es  wurde  im  Laufe  der 
Jahre  eine  Reihe  der  verschiedensten  Diagnosen  in  Erwägung  ge¬ 
zogen,  vor  allem  intermittierendes  Hinken  auf  arteriosklerotischer 
Basis;  diese  Annahme  konnte  ebenso  wie  die  -einer  alten  Knochen¬ 
fraktur,  von  Plattfussbeschwerden,  einer  Tabes  oder  eines  anderen 


Nervenleidens  mit  Bestimmtheit  ausgeschlossen  werden.  Pat.  ist 
kein  Raucher,  kein  Trinker,  Wassermannreaktion  negativ.  Das  von 
Herrn  H  a  e  n  i  s  c  h  angefertigte  instruktive  Röntgenbild  zeigte  in  der 
Wadenmuskulatur  beiderseits  ein  flossenartiges  Gebilde,  das  an¬ 
scheinend  von  der  Tibia  ausging  und  offenkundig  die  Ursache  der 
Beschwerden  bildete.  Bei  der  Operation  (Herr  R  inge  1)  fand  sich, 
mitten  im  Muskel  eingebettet,  dicht  dem  Knochen  anliegend,  eine 
Knochenspange,  die  auf  leichten  Meisselschlag  wie  ein  Glassplitter 
absprang.  Das  Gebilde  sass  richtig  im  Muskel  drin,  der  Knochen 
selbst  und  der  periostale  Ueberzug  erwies  sich  als  ganz  intakt.  Die 
bei  der  Operation  gewonnenen  Knochensplitter,  unter  denen  einer 
von  Flossenform  besonders  gross  ist,  zeigen  eine  Faserung,  die  sehr 
an  Lagerung  und  Form  von  Muskelfasern  erinnert.  Das  würde  dafür 
sprechen,  dass  die  Affektion  vielleicht  in  die  Gruppe  der  Myositis 
o  s  s  i  f  i  c  a  n  s  einzureihen  wäre  —  ganz  sicher  ist  diese  Deutung 
nicht;  ein  einfacher  periostaler  Auswuchs  liegt  wohl  bestimmt 
nicht  vor. 

Der  Patient  ist  jetzt  von  seinen  Schmerzen  im  wesentlichen 
befreit;  es  besteht  nur  noch  leichter  Spannungsschmerz  in  der  Haut 
der  Unterschenkel,  abhängig  von  den  nach  der  Operation  aufge- 
trenen  Oedemen. 

Diskussion:  Herr  Haenisch  demonstriert  die  zu  Herrn 
Brauers  Fall  gehörigen  Röntgenogramme,  die  an  der  Hinterkante 
beide  Tibien  fischflossenförmige,  den  Knochen  mit  etwas  breiterer 
Basis  direkt  anliegende  Knochenschatten  aufweisen,  auch  die  Fibula 
einer  Seite  zeigt  ähnliche  geringere  Anlagerungen.  Röntgenologisch 
ähneln  die  Aufnahmen  noch  am  meisten  den  Befunden,  die  als. 
Knochenbildungen,  parostaler  Kallus  etc.  nach  direkten  oder  in¬ 
direkten  Traumen  bekannt  sind.  Für  Myositis  ossiticans  sprechen 
die  Röntgenogramme  nicht.  H.  bespricht  eingehender  die  differential¬ 
diagnostischen  Fragen  bei  der  Deutung  ähnlicher  Knochenschatten 
am  Skelett  und  in  der  Muskulatur  und  demonstriert  eine  Reihe  ein¬ 
schlägiger  Diapositive.  Die  von  Herr  P  r  e  i  s  e  r  erwähnten  Ossi¬ 
fikationen  am  Ellbogengelenk  nach  Luxationen  und  Frakturen  des 
Capitulum  radii  etc.  gehören  nicht  hierher. 

Herr  Oehlecker  hält  es  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  die 
exostosenartigen  Bildungen  an  der  Tibia  und  Fibula  durch  ein  in¬ 
direktes  Trauma,  durch  teilweises  Abreisseu  von  Wadenmuskulatur 
und  Perioststückchen  (heftiger  Sprung  auf  beide  Füsse?)  entstanden 
sein  könnten.  0.  konnte  röntgenologisch  die  Entstehung  einer  Exo¬ 
stose  am  Femur  beobachten.  Nach  einer  indirekten  Gewaltein¬ 
wirkung,  nach  Muskelzerrung  mit  Bildung  eines  scheinbar  subperiostal 
gelegenen  Hämatoms  entstand  später  eine  Exostose.  Die  ziemlich 
grosse,  dreieckige  Exostose  wurde  abgemeisselt.  Die  Form  der 
Exostose  war  etwas  anders  und  ihre  Basis  war  breiter  als  im 
Brauer  sehen  Falle. 


Naturwissenschaft!.- medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Binswanger. 

Schriftführer:  Herr  Bennecke. 

Herr  Stintzing:  Ein  Fall  von  hereditärer  Ataxie. 

21  jähriger  Gymnasiast  aus  Russland  mit  belangloser  Familien¬ 
anamnese  stürzte  im  Alter  von  14  Jahren  5  m  tief  auf  das  Gesäss, 
konnte  aber  alsbald  wieder  aufstehen  und  trug  keinerlei  Beschwerden 
davon.  Erst  im  17.  Lebensjahre  begann  sein  jetziges  Leiden  mit  zu¬ 
nehmender  Schwäche  der  Beine,  später  auch  der  Rückenmuskeln  und 
seit  einem  Jahre  auch  der  Oberextremitäten.  Dabei  keinerlei 
Schmerzen,  keine  Störung  der  Miktion,  gutes  Allgemeinbefinden, 
gute  Intelligenz. 

Pat.  ist  nur  bei  beiderseitiger  Unterstützung  eben  noch  imstande, 
einige  Schritte  zu  machen,  wobei  die  Füsse  stampfend  aufgesetzt 
werden.  Im  Liegen  ausgesprochene  Ataxie  der  Beine  bei  erhaltener 
grober  Kraft.  Rechte  grosse  Zehe  in  dauernder  Beugekontraktur 
der  Endphalanx,  Streckkontraktur  der  Grundphalanx.  Im  Sitzen 
Schwanken  des  Rumpfes  und  Kopfes  (statische  Ataxie).  Starke 
Skoliose  der  Wirbelsäule.  Leichte  Ataxie  der  Arme  und  Hände. 
Sensibilität,  abgesehen  von  einem  hyperästhetischen  Gürtel  am 
Rumpf  und  gering  hypästhetischen  Zonen  an  den  Unterschenkeln  und 
Füssen,  intakt.  Patellarreflex  fehlt,  desgleichen  Achillessehnen-  und 
Kremasterreflex,  kein  Babinski.  Keine  reflektorische  Pupillenstarre; 
auch  sonst  die  Hirnnerven  frei.  Wassermann  negativ. 

Der  Beginn  des  Leidens  in  jugendlichem  Alter,  die  rasch  empor¬ 
steigende,  auch  statische  Ataxie,  das  Fehlen  des  Patellarreflexes  bei 
normalem  Verhalten  der  Pupillen  und  nur  sehr  geringfügiger  Sen¬ 
sibilitätsstörung,  die  charakteristische  Kontrakturstellung  der  grossen 
Zehe,  sowie  die  Skoliose  lassen  keinen  Zweifel  über  die  Diagnose 
„F  r  i  e  d  r  e  i  c  h  sehe  Krankheit“. 

Das  Eigenartige  des  Falles  ist  sein  singuläres  Auftreten 
in  einer  sonst  gesunden  Familie.  Die  Eltern  sind  nicht  miteinander 
verwandt,  eine  Schwester  im  Alter  von  24  Jahren  an  einem  Gewächs 
im  Leib  gestorben,  ein  älterer  und  ein  jüngerer  Bruder  gesund,  auch 
sonst  in  der  Verwandtschaft  kein  ähnliches  Leiden. 

St.  berichtet  über  die  Aetiologie  und  Anatomie  des  Leidens, 
sowie  über  Fälle  in  der  Literatur,  insbesondere  über  zwei  interessante 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  3. 


Stammbäume  von  Familien  mit  hereditärer  Ataxie,  die  K.  Frey  in 
Aarau  kürzlich  mitgeteilt  hat  (Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheil¬ 
kunde,  Bd.  44),  ferner  über  eine  von  ihm  selbst  beobachtete  Familie, 
in  der  4  Geschwister  an  derselben  Krankheit  in  verschiedenen 
Stadien  litten  (erschien  in  der  Münch.  med.  Wochenschr.  1887,  No.  21). 

Diskussion:  Herr  Binswanger  fragt,  ob  Störungen  des 
Temperatursinnes  bei  dem  Kranken  bestehen;  wäre  das  der  Fall, 
so  könnte  man  an  traumatische  Gliose  bzw.  Syringomyelie  denken, 
wobei  ähnliche  Krankheitsbilder,  wie  das  vorgestellte,  beobachtet 
wurden.  _ 

Herr  Stintzing  schliesst  das  für  seinen  Fall  aus,  den  er 
trotz  des  Traumas  und  der  fehlenden  familiären  Disposition  als 
hereditäre  Ataxie  auffasst.  Dissoziierte  Sensibilitätsstörungen, 
Atrophien,  wie  bei  Syringomyelie  seien  nicht  vorhanden.  Das 
Trauma  komme  vielleicht  als  auslösende  Ursache  in  Betracht. 

Herr  Reich  mann  stellt  einen  Fall  von  akutem  Gelenk¬ 
rheumatismus  vor,  bei  dem  im  Verlaufe  der  Krankheit  eine  Allgemein¬ 
infektion  mit  hämolytischen  Staphylokokken  aufgetreten  war  und 
der  in  völlige  Heilung  ausging.  Auf  70  g  Salizyl  in  12  lagen  war 
keine  Besserung  eingetreten;  es  hatten  sogar  die  Schwellungen  in 
manchen  Gelenken  zugenommen.  Auf  Tct.  jodi  per  os  sank  sofort 
die  Temperatur  fast  zur  Norm  ab,  dagegen  war  keine  dem¬ 
entsprechende  Besserung  des  Allgemeinbefindens  noch  ^e.s 
lokalen  Befundes  erfolgt.  Schliesslich  wurden  intravenöse  Kollargol- 
injektionen  (im  ganzen  6mal  6 — 10  ccm  einer  2proz.  und  3 proz. Lösung) 
gegeben.  Man  konnte  deutlich  verfolgen,  wie  nach  jeder  Injektion 
die  Zahl  der  Bakterien  im  Blute  abnahm  und  wie  diese  schliesslich 
ganz  verschwanden,  damit  aber  auch  die  Schwellung  und  Schmerz¬ 
haftigkeit  der  Gelenke.  —  Auf  der  Höhe  der  Erkrankung  wurde  auch 
eine  Lumbalpunktion  ausgeführt.  Der  Liquor  war  klar,  zeigte  aber 
etwas  Eiweiss-  und  Zellvermehrung  bei  nicht  erhöhtem  Druck  und 
es  fanden  sich  in  ihm  dieselben  hämolytischen  Staphylokokken  wie 
im  Blute,  obwohl  sonst  keinerlei  Zeichen  einer  Meningitis  bestanden. 

Der  Verf.  geht  dann  noch  kurz  auf  die  mögliche  Wirkungsweise  des 
Kollargols  ein,  welche  er  einmal  in  den  katalytischen  Eigenschaften, 
die  dem  Kollargol  als  kolloidalem  Metall  zukommen,  sowie  in  den 
zytologischen  Veränderungen  des  Blutes  bei  intravenöser  Injektion 

erblickt.  ,  ... 

Herr  Jancke  stellt  einen  Patienten  mit  tuberkulösem  Pleura¬ 
empyem  vor,  der  seit  2  Jahren  krank  ist.  Seit  IV2  Jahren  Behand¬ 
lung  durch  anfangs  häufigere,  später  seltenere  Punktionen  und  Aus¬ 
gleich  des  Minusdruckes  durch  Stickstoffeinblasung.  Die  Empyem¬ 
flüssigkeit,  die  anfangs  grünlicheitrig  war  und  ausser  massenhaften 
Zelltrümmern  grosse  Mengen  von  Tuberkelbazillen  (in  Ausstrich  ohne 
Sedimentierung  in  jedem  Gesichtsfeld  2 — 3  Bazillen!)  enthielt,  hat 
einen  mehr  serösen  Charakter  angenommen.  Bazillen  sind  seit 
%  Jahre  nicht  mehr  nachgewiesen  worden.  Das  Allgemeinbefinden 
ist  gut,  Pat.  hat  seit  lVs  Jahren  15  Pfund  zugenommen  und  versieht 
seinen  Dienst  als  Eisenbahnbetriebswerkmeister.  Jetzt  wird  alle 
8  Wochen  ca.  1,5 'Liter  Flüssigkeit  abgelassen  und  durch  N  ersetzt. 
Ohne  dringenden  Grund  soll  vorläufig  keine  Aenderung  der  Behand¬ 
lung  vorgenommen  werden. 

Kurze  Angaben  über  die  Thorakoplastik  und  die  doch  recht 
dürftigen  Heilungsresultate.  Redner  empfiehlt  die  hier  durchgeführte 
Behandlung,  durch  die  bereits  Wenckebach  1907  2  Fälle  von 
chronischem  Empyem  geheilt  hat. 

Herr  Rössle:  Demonstrationen  aus  dem  Gebiete  der  Patho¬ 
logie  der  Blutgefässe. 

1.  Postoperative  Verblutung  aus  zwei  hämorrhagischen  Erosionen 
des  Pylorusmagens  binnen  24  Stunden  nach  Anlegung  einer  Gastro¬ 
enterostomie  wegen  stenosierendem  Pyloruskrebs.  (S.-No.  442/12, 
62  jähr.  W.).  Bei  der  Sektion  fand  sich  noch  über  ein  Viertel  Liter 
Blut  im  Magen,  Blut  war  ferner  durch  die  Magen-Dünndarmfistel 
bereits  in  das  Jejunum  gelaufen.  Als  Quelle  der  Blutung  verrieten 
sich  die  beiden  frischen  Erosionen  schon  durch  die  anhängenden,  mit 
dem  Grunde  der  Erosionen  verfilzten  längeren  Blutgerinnsel.  Der 
Krebs  war  kaum  geschwürig;  geblutet  hatte  die  Frau  aber  schon 
früher. 

2.  Zwei  Fälle  von  Oesophagusblutungen  durch  hämorrhagische 

Diathesen;  , 

a)  bei  perniziöser  Anämie  (S.-No.  350/12,  40 jähr.  M.). 
Die  Schleimhaut  der  Speiseröhre  zeigt  von  der  Kardia  bis  herauf  in 
das  zweite  Drittel  ausgedehnte  Blutungen  mit  Erosionierung.  Bei 
der  Obduktion  fanden  sich  auch  reichliche  Blutgerinnsel  in  der 
Lichtung  und  als  weiterer  Beweis  für  den  nicht  unerheblichen  Blut¬ 
verlust  aus  der  Speiseröhre  brauner  Mageninhalt.  Gleichzeitig 
fanden  sich  im  Lungengewebe  multiple  Hämorrhagien  (als  Zentren 
für  beginnende  pneumonische  Infiltrationen)  und  kleine  Blutungen  im 
einen  Nierenbecken.  Klinisch  war  beobachtet,  dass  schon  5  Tage 
vor  dem  Tode  Blutgerinnsel  dem  Auswurfe  beigemischt  waren. 

b)  bei  frischem  Typhus  vom  Charakter  der  schwersten 
Allgemeininfektion  (S.-No.  411/12,  18  jähr.  M.).  Die  blutigen  Defekte 
der  Speiseröhrenschleimhaut  sind  sehr  ähnlich  denjenigen  des  vorigen 
Falles,  nur  viel  ausgedehnter,  auch  nach  oben;  mikroskopisch  ist  hier 
eine  hämorrhagische  Oesophagitis.  Es  fanden  sich  noch  Magen-, 
Darm-,  Haut-  und  Meningealblutungen,  desgleichen  wiederum  Blu¬ 
tungen  des  Nierenhilus.  (Demonstration.)  Auffällig  ist  bei  dem 
jungen  Stadium  der  Darmveränderung  (eben  beginnender  Ver¬ 
schorfung)  die  Schwere  der  typhösen  Kehlkopfveränderung.  (Demon¬ 


stration.)  Im  Leichenblute  und  in  der  Galle  bakteriologisch  keine 
Typhusbazillen.  Gruber-Widal  stark  positiv  mit  Leichenserum. 

3.  Zwei  Fälle  von  Thrombosen  der  Arteria  carotis.  Der  Ver¬ 
gleich  dieser  zwei  Fälle  mit  früher  beobachteten  dürfte  ergeben, 
dass  die  thrombotische  Verstopfung  der  Karotis  nur  dann  zu  Hirn¬ 
erweichung  führt,  wenn  die  Thrombosierung  sehr  rasch  und  bis  hoch 
in  den  Canalis  caroticus  hinein  stattfindet.  Diese  Verhältnisse  waren 
nur  im  ersten  Falle  gegeben,  während  in  anderen  Fällen  weder 
klinisch  noch  anatomisch  am  Gehirn  krankhafte  Erscheinungen  beob¬ 
achtet  wurden. 

a)  Thrombose  der  ganzen  rechten  Carotis 
interna  bis  zur  Austrittsstelle  aus  dem  Canalis  caroticus.  Den 
Kopfteil  des  Thrombus  an  der  Teilungsstelle  der  rechten  Carotis 
communis  bildet  ein  reitender  embolischer  Thrombus,  der  wenig  in 
die  Carotis  externa  hineinragt;  er  ist  hell  und  wandständig,  alles 
übrige  ist  obturierender  roter  Thrombus.  Akute  weisse  Erweichiur; 
der  mittleren  Teile  der  rechten  Hirnhemisphäre.  Daneben  kleinere 
ältere,  arteriosklerotische  Erweichungsherde  der  Hinterhauptlappcn, 
terminale  Apoplexie  des  linken  Sehhügels.  Subakute  verruköse 
Endokarditis  der  Aortaklappen;  embolische  Blutungen  von  Myokard. 
Darm,  Nieren  und  Nierenhilus.  (S.-No.  429/12,  70  jähr.  M.). 

b)  Totale,  alte  obliterierende  Thrombose  der 
Carotis  communis  dextra  bis  zur  Teilungsstelle  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  einem  Parietalthrombus  eines  syphilitischen  Aneu¬ 
rysmas  der  Aorta  ascendens  und  der  Arteria  anonyma  (S.-No.  373/12. 
42  jähr.  M.).  ln  diesem  Falle  keine  Zeichen  von  ischämischen  Wir¬ 
kungen  am  Gehirne. 

4.  Aneurysma  dissecans  der  Aorta  descendens  (S.-No.  230/12, 
79  jähr.  M.)  bei  ausgedehnter  kalkiger  Atherosklerose  und  hoch¬ 
gradiger  Erweiterung  der  ganzen  Aorta.  Das  Blut  hat  sich  oberhalb 
des  Zwerchfelles  in  der  Wand  der  Aorta  einen  Kanal  zwischen 
sklerotischer  Intima  und  atrophischer  Media  gegraben  und  strömte 
aus  diesem  neuen  Bett  nach  etwa  fingerlangem  Nebenlauf  in  die 
alte  Lichtung  zurück.  Die  Bildung  von  tiefen  Kalkplatten  im  Zu¬ 
sammenhänge  mit  atheromatösen  Geschwüren  scheint  die  Entstehung 
zu  begünstigen. 

5.  Totale  Thrombose  der  unteren  Bauchaorta  samt  Aesten 

(S.-No.  399/12,  52  jähr.  M.).  Der  Fall  ist  interessant  durch  die  bis  weit 
in  die  Beinarterien  zu  verfolgende  ältere  völlige  Verödung  der 
Arterienlichtungen.  Die  Darm-  und  Nierenarterien  sind  eben  noch 
für  den  Blutstrom  zugänglich;  aber  schon  in  Höhe  der  Zoeliaca  be¬ 
ginnt  der  wandständige  Thrombus,  der  dann  schnell  in  Höhe  der 
unteren  Mesenteria  zu  einem  obturierenden  wird.  Seine  braune 
Schichtung  und  die  völlige  Verwachsung  mit  der  Gefässwand  in  deren 
ganzen  Umkreis  geben  Aufschluss  über  sein  Alter  und  seine  Ent¬ 
stehungsweise.  Die  Gefässwand  darunter  und  sonst  ist  hochgradig 
atherosklerotisch.  Auch  in  den  grossen  Beckenarterien  fehlt  eine 
Lichtung  völlig.  Die  Arteriae  obturatoriae  sind  noch  teilweise  ver¬ 
legt.  In  den  Femorales  ist  die  Verlegung  des  Lumens  bis  auf  einen 
schmalen  Spalt  vollständig,  aber  mehr  durch  Endarteriitis,  bzw. 
durch  kalkige  Mesarteriitis,  als  durch  Thrombose  bedingt.  Noch  in 
den  Tibiales  und  Peroneae  fehlt  streckenweise  die  Lichtung  völlig. 
Bei  dieser  fast  grotesken  Ausschaltung  der  arteriellen  Blutbahn  aus 
der  Ernährungsfunktion  der  Beckeneingeweide  und  der  unteren 
Extremitäten  ergab  sich  schon  vornherein,  dass  die  Suche  nach  den 
gewöhnlichen  makroskopischen  Kollateralen,  die  nach  Wegfall  der 
Zirkulation  in  der  unteren  Bauchaorta  in  Betracht  kommen,  nicht 
viel  Sinn  hatte.  Wir  haben  aber  zum  Ueberfluss  die  Mammariae 
und  Epigastricae  nachgesehen:  ihr  Kaliber  war  nicht  vergrössert. 
So  musste  also  die  ganze  untere  Körperhälfte  auf  kapillärem  Wege 
ernährt  werden,  und  zwar  von  den  Arterien  der  oberen  Rumpfhälfte 
und  den  offen  und  etwas  weit  gefundenen  obersten  Lumbalarterien. 
Auch  das  Ueberfliessen  von  Blut  aus  Aesten  der  Mesentericae,  beson¬ 
ders  der  unverlegten  Mes.  superior,  in  Aeste  der  Hypogastrica  kam  in 
Betracht.  Bei  dieser  Sachlage  erscheint  es  wunderbar,  dass  klinisch 
keinerlei  Gehstörungen  und  Ernährungsstörungen  an  den  Beinen 
wahrzunehmen  waren.  Bei  der  Sektion  fand  sich  lediglich  über  dem 
ersten  rechten  Metatarsale  eine  schwärzliche,  zehnpfennigstückgrosse 
Hautstelle  (eben  beginnende  Gangrän).  Das  Herz  war  mächtig  ver¬ 
grössert  und  erweitert,  wog  690  g  und  wies  myokarditische  Schwielen 
auf.  Wir  müssen  annehmen,  dass  das  Herz  trotz  dieser  Verände¬ 
rung  genügend  Kraft  besass,  um  das  Blut  durch  die  langen  engen 
Kapillarbahnen  durchzutreiben.  Bemerkenswert  in  diesem  Zu¬ 
sammenhänge  ist  auch,  dass  Thrombenbildungen  im  venösen  System 
fehlten  (was  sonst  häufiger  gleichzeitig  mit  Aortenthrombose  ge¬ 
sehen  wird).  Der  vorliegende  Fall  ist  in  klinischer  Hinsicht  durch 
die  Symptomlosigkeit  bei  so  ausgedehnter  Arterienverlegung  ganz 
eigenartig,  soweit  ich  die  Literatur  übersehe  und  in  anatomischer 
Beziehung  kommen  ihm  an  Mächtigkeit  der  Arterienverstopfungen 
höchstens  die  Fälle  von  Barth  (Archives  gener.  de  med.  1835, 
Vol.  III),  D  u  p  u  y  (Bull,  d  la  soc.  anat'.  de  Paris  1872)  und  B  1  a  1 1  n  e  r 
(Fall  I,  I.-D.,  Basel  1910)  gleich. 

6.  Mehrere  andere  Fälle  von  besonderem  Kollateralkreislauf. 

In  dem  eben  geschilderten  Falle  waren  die  Arterien  des  Beckens 

und  der  unteren  Extremitäten  höchst  wahrscheinlich  ersetzt  durch 
die  Arteriae  mesentericae  (besonders  die  weite  obere)  und  die  Ar- 
teriae  lumbales.  Die  folgenden  Fälle  (gelegentliche  frühere  eigene 
Beobachtungen)  sind  Beispiele  für  grossartige  Kollateralenbildung 
I  bei  Ausschaltung  von  Hauptvenenstämmen. 


21.  Januar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


a)  Kollateralenbildung  bei  Leberzirrhose 
durch  Netzvenen  (463/09).  Das  Pfortaderblut  floss  durch 
Netzverwachsungen  in  einem  Bruchsacke  in  das  Gebiet  der  unteren 
Hohlvene  über;  ferner  fanden  sich  weite  Verbindungen  im  Gebiet 
der  1.  Vena  spermatica,  der  Venen  des  Milz-  und  Nebetmierenhilus. 
(Dieser  Fall  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  einem  von  Westen- 
hoeffer  beschriebenen  Falle;  ref.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907, 
No.  48.)  Es  handelte  sich  hier  also  um  die  spontane  Entstehung  von 
solchen  Kollateralen,  wie  sie  durch  die  Talmasche  Operation  ver¬ 
sucht  werden. 

b)  Zweiter  Fall  von  natürlich  entstandenem 
„Talma“  bei  zirrhotischer  Schrumpfung  der  Leber  (443/07).  Hier 
fanden  sich  Ueberläufe  des  Blutes  des  Pfortadersystems  an  vier 
Stellen:  erstens  in  stark  vaskularisierten  Verbindungen  der  Leber¬ 
kapsel  mit  dem  Zwerchfelle  („Kapselvenen“  K  ö  1 1  i  k  e  r  s),  zweitens 
in  Form  von  Verwachsungen  des  ganz  atrophischen  Netzes  mit  der 
vorderen  Bauchwand,  drittens  in  Ausbildung  grosser  Venen  in  Ver¬ 
wachsungen  des  rechten  Kolonknies  mit  der  Bauchwand,  schliesslich 
in  geradezu  enormer  Varizenbildung  zwischen  unterem  Milzpol  und 
Magenfundus  einerseits,  linker  Bauchwand  andererseits.  Dieser 
Fall  hat  eine  Aehnlichkeit  mit  dem  Saxers  (Zentralbl.  f.  Pathol 
13,  1902.) 

c)  Dritter  Fall  von  natürlich  entstandenem 
„1  alma"  bei  starker  syphilitischer  Schrumpfung  des  rechten  Leber¬ 
lappens,  vikariierender  Hypertrophie  des  linken  Lappens  und  be¬ 
sonderer  Hypertrophie  der  kleinen  hinteren  Lappen  (vor  allem  des 
Lobus  caudatus).  (S.N.  359/07.)  Hierdurch  war  eine  Verlegung  und 
Verengung  der  Vena  cava  inferior  und  der  Lebenvenen  bedingt.  Es 
fand  sich  nun  eine  durch  die  hochgradige  Blutstauung  und  die  Ab¬ 
magerung  des  Netzes  besonders  auffällige  und  leicht  auffindbare 
Kollateralenbildung  durch  Netzverwachsungen  mit  der  vorderen 
Bauchwand.  Sie  sehen  an  den  Abbildungen  die  fingerdicken  Venen¬ 
stämme  von  der  Vena  gastroepiploica  zur  Bauchwand  als  ein  ana- 
stomotisches  Netz  strahlen.  Ein  zweites  Ueberlaufgebiet  des  Ein¬ 
geweideblattes  fand  sich  auch  hier  im  Bereich  perihepatitischer 
Stränge. 

d)  Totale  Verlegung  der  unteren  Hälfte  der 
Vena  cava  inf.  infolge  krebsiger  Durchwachsung.  Der  Fall  sei 
aus  zwei  Gründen  kurz  erwähnt;  erstens  weil  er  zeigte,  dass  bei  all¬ 
gemeiner  schwerer  Anämie  sich  kollaterale  Erweiterungen  von  Ge¬ 
lassen  gar  nicht  nachweisen  lassen,  zweitens  weil  vielleicht  aus  der 
besonderen  Grösse  der  Leber,  die  sonst  durch  nichts  erklärt  wurde, 
auf  ein  wenigstens  teilweises  Eintreten  der  Pfortader  für  die  Hohl¬ 
vene  geschlossen  werden  durfte. 

7.  Abnormer  Ursprung  der  Art.  subclavia  dex- 
tra  und  der  carotis  dextra  (368/12).  Dass  die  Art.  sub¬ 
clavia  dextra  wie  hier  als  letzte  aus  dem  Aortenbogen  entspringt, 
ist  nicht  so  selten;  der  hier  erhobene  Befund,  dass  dies  die  rechte 
Karotis  mitmacht  und  dass  nun  beide  Gefässe  von  links  nach  rechts 
neben  einander  hinter  dem  Oesophagus  verlaufen,  dürfte  zu  den 
grossen  Seltenheiten  gehören.  Gleichzeitig  sieht  man  hier  eine  linke 
Art.  anonyma.  Die  unter  der  klinischen  Bezeichnung  „Dysphagia 
lusoria“  gehende  Varietät  der  rechten  Subklavia  wird,  wie  gesagt, 
nicht  selten  angetroffen;  obwohl  ich  schon  eine  ganze  Anzahl  Fälle 
gesehen  habe,  ist  mir  dabei  doch  nie  etwas  über  die  mit  dem  Namen 
gekennzeichneten  Schluckbeschwerden  bekannt  geworden.  Es  frägt 
sich  also,  ob  der  Name  berechtigt  ist.  Strümpell  hat  dies  schon 
bezweifelt. 

Diskussion:  Herr  W  r  e  d  e  bemerkt  zu  dem  Fall  von  post¬ 
operativer  Verblutung  aus  Erosionen  der  Magenschleimhaut,  dass 
die  Patientin  schon  tagelang  vor  der  Operation  stets  grosse  Mengen 
von  Blut  im  Magen  hatte. 

Herr  H  e  g  n  er  :  Lidplastik  nach  B  ü  d  i  n  g  e  r. 

Das  Bestreben,  Defekte  des  Augenlides  in  kosmetisch  und 
funktionell  befriedigender  Weise  zu  ersetzen,  hat  eine  grosse  Anzahl 
von  Methoden  der  Lidplastik  ins  Leben  gerufen.  Die  ältere  Methode, 
die  Plastik  mit  gestielten  Lappen,  findet  noch  immer  am  meisten 
Anwendung  und  erweist  sich  auch  als  das  sicherste  Verfahren.  Es 
gibt  aber  nicht  wenig  Fälle,  wo  die  Transplantation  eines  ungestielten 
Lappens  besonders  in  kosmetischer  Beziehung  bessere  Resultate  ver- 
^Pricht.  Eine  glückliche  Bereicherung  der  Operationstechnik  ist  die 
Methode  von  B  ü  d  i  n  g  e  r,  welche  darin  besteht,  dass  bei  Defekten 
des  larsus  ein  entsprechendes  Stück  Ohrknorpel  zur  Transplantation 
verwendet  wird. 

Vortragender  stellt  einen  Patienten  vor,  der  ein  ausgedehntes 
Karzinom  des  linken  Oberlides  hatte.  Die  Neubildung  ging  fast  1  cm 
weit  in  die  äussere  Lidhaut  hinein  und  beim  Ektropionieren  des  Lides 
j'eigte  sich  eine  Fortsetzung  des  Prozesses  nach  hinten  bis  auf  die 
Uebergangsfalte  in  einer  Breite  von  2  cm.  Es  war  in  Betracht  zu 
ziehen,  dass  bei  einer  Exstirpation  des  krankhaften  Gewebes*  der 
grösste  Teil  des  Lides  bis  zur  Uebergangsfalte  entfernt  werden 
musste.  In  Narkose  wurde  rechts  und  links  vom  Tumor  das  Lid 
durchtrennt,  die  1  cm  oberhalb  des  Lidrandes  gesunde  Haut  nach 
oben  präpariert  und  mobilisiert  und  der  ganze  mittlere  Teil  des 
larsus  in  einer  Breite  von  2  cm  bis  zur  Uebergangsfalte  exstirpiert. 
Nun  wurde  von  der  Ohrmuschel  und  zwar  aus  der  Partie  des  Helix 
ein  2/2  cm  breites  Stück  exzidiert,  das  hintere  Blatt  der  Kutis  weg- 
Präpariert  und  ein  leicht  konischer  Transplantationslappen  gebildet, 
von  dem  rechts  und  links  2  mm  Knorpel  abgetragen  wurde,  so  dass 


dei  Hautrand  um  so  viel  Vorstand.  Das  Stück  wurde  mit  der  Kutis 
innen  in  den  Defekt  eingesetzt,  das  innere  Blatt  der  Kutis  sorg¬ 
fältig  mit  der  Konjunktiva  vernäht,  der  sehr  dehnbare  Hautlappen 
hei  untergezogen  und  mit  dem  Rande  des  Transplantationsstückes 
vernäht.  Die  Heilung  erfolgte  per  primam.  Das  Operationsresultat 
ist  sehr  befriedigend:  der  Defekt  ist  vollständig  ersetzt,  das  Lid 
ist  nicht  deformiert,  funktioniert  normal  und  gerade  in  kosmetischer 
Beziehung  ist  der  Erfolg  günstig,  so  dass  von  einem  operativen 
Eingriff  fast  nichts  zu  sehen  ist. 

Diskussion:  Herr  Wrede:  Zu  derselben  Zeit  als 
öud  inger  die  freie  Transplantation  eines  Stückes  aus  dem 
Ohr  zum  Ersatz  eines  Augenlides  angegeben  hat,  empfahl 
nutz  König  das  gleiche  Material  zum  Ersatz  eines  Nasen¬ 
flügels.  Diese  Nasenflügelplastik  entbehrt  leider  der  nötigen 
Sichei  heit  des  Erfolges,  zum  Teil  weil  die  Ernährung  des 
überpflanzten  Nasenflügels  vom  angefrischten  Defektrande  her  bei 
eimgermassen  grösseren  Stücken  unzureichend  ist.  D  u  b  r  e  u  i  1  h. 
Loecke,  Reich  (Zentralbl.  f.  Chirurgie  1912,  S.  1537)  haben 
Abänderungsvorschläge  zur  Besserung  dieser  Randernährung  an¬ 
gegeben.  Vortragender  stellt  eine  Patientin  vor,  welche  von  ihm 
wegen  Defekts  des  ganzen  rechten  Nasenflügels  im  Jahre  1909  nach 
König  operiert  wurde  mit  der  Abänderung,  dass  das '  transplan¬ 
tierte  Ohrstück  mit  einem  gestielten  Hautlappen  nach  dem  Nasen¬ 
inneren  zu  unterfüttert  wurde,  den  er  vom  Defektrande  herunter¬ 
klappte,  wie  es  Lexer  1910  auf  dem  Chirurgenkongress  beschrieben 
hat.  Der  umgebildete  Nasenflügel  ist  im  Laufe  der  3  Jahre  nicht 
geschrumpft  und  zeigt  kosmetisch  ein  vorzügliches  Resultat. 

Herr  Strohmayer:  Zur  Inzuchtsfrage. 

Der  Misskredit,  in  den  die  Inzucht  geraten  ist,  stammt  aus  irr¬ 
tümlichen  Ausdeutungen  von  Tatsachen.  In  Wirklichkeit  haben  Ge¬ 
schichte  und  Tierzucht  erwiesen,  dass  wir  der  Inzucht  die  besten 
Produkte  verdanken.  Es  kommt  nur  darauf  an,  dass  man  die  In¬ 
zucht  mit  der  nötigen  Zuchtwahl  verbindet.  Die  Krankheiten,  die 
man  der  Inzucht  in  die  Schuhe  schiebt  (Geisteskrankheiten,  Taub¬ 
stummheit,  Retinitis  pigmentosa  etc.),  sind  von  ihr  nicht  verursacht, 
sondern  nur  unter  bestimmten  Voraussetzungen  begünstigt.  Die 
Inzucht  ist  nichts  Besonderes,  sondern  nur  ein  seit  den  Erkenntnissen 
Mendels  leicht  erklärbarer  Spezialfall  der  Vererbung.  Die  bei 
der  Inzucht  zumeist  erwähnten  Krankheiten  sind  rezessive  Merkmale 
im  Sinne  Me  n  d  e  1  s.  Bei  dieser  sind  die  Heterozygoten  (DR- 
Individuen)  manifest  gesund,  aber  keimkrank.  Bei  der  Paarung 
zweier  Heterozygoten  ist  theoretisch  nach  der  Formel  DR  X  DR 
—  DD.  +  2  DR  +  RR  ein  homozygot-rezessives  krankes  Kind  zu  er¬ 
warten.  Das  trifft  aber  bei  Inzucht  und  bei  Fremdzucht  zu.  Die 
Chance  der  Erkrankung  ist  bei  der  ersteren  nur  deshalb  grösser,  weil 
sich  zwei  Heterozygoten  mit  der  gleichen  rezessiven  Krankheits¬ 
anlage  in  derselben  Familie  leichter  treffen,  als  bei  der  Kreuzung 
fremden  Blutes.  Massgebend  für  den  Züchtungseffekt  ist  aber  immer 
nur  die  gametische  Konstitution  der  Eltern  und  nicht  die  Inzucht. 
Wichtig  ist  die  Erkennung  der  Heterozygoten  in  Familien  mit  rezessiv 
gehender  Anomalie.  Sie  sind  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  zu  er- 
schliessen  durch  die  Anwesenheit  kranker  Kollateralen  (Geschwister). 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  21.  November  1912,  in  der  chirurgischen  Klinik. 

Herr  Anschütz:  Demonstration  einer  frischen  Verletzung 
der  Wirbelsäule  (Luxationsfraktur). 

Diskussion  zum  Vortrage  Bauereisen:  Herren  An¬ 
schütz,  Klingmüller,  Stoeckel,  Bauereisen. 

Herr  Anschütz:  Ueber  falsche  Dickdarmdivertikel. 

Die  falschen  Divertikel  des  Dickdarms  sind  dem  Pathologen 
lange  Zeit  bekannt  gewesen,  ehe  die  Kliniker  ihnen  Aufmerksamkeit 
schenkten.  Erst  in  den  letzten  10 — J5  Jahren  hört  und  liest  man  mehr 
von  dieser  sehr  interessanten  und  folgenschweren  pathologischen 
Veränderung.  Die  falschen  Divertikel  werden  von  den  meisten  als 
Schleimhauthernien  angesehen,  welche  den  Gefässlücken  oder 
anderen  schwachen  Stellen  folgen;  Stauungszustände  im  Gefäss- 
system,  Fettschwund,  Obstipation  werden  als  Ursache  angeführt. 
Für  eine  Reihe  von  Fällen  trifft  jedoch  diese  Deutung  nicht  zu;  auch 
unter  den  von  A.  in  Kiel  beobachteten  5  Fällen  sind  einige,  bei  denen 
diese  Erklärung  nicht  anwendbar  ist.  Das  Alter,  in  dem  die  Diver¬ 
tikel  zur  Beobachtung  kamen,  schwankte  zwischen  23  und  72  Jahren. 
Häufiger  erkranken  Männer  als  Frauen.  Die  ersten  klinischen  Er¬ 
scheinungen  bei  Dickdarmdivertikeln  mögen  ganz  geringe  sein  und 
werden  nicht  beachtet.  Treten  aber  in  dem  Divertikel  und  seiner 
Umgebung  Entzündungserscheinungen  auf,  so  müsste  man  wohl  Be¬ 
schwerden  erwarten.  Mancher  dunkle  klinische  Fall  unklarer 
abdominaler  Schmerzen  und  entzündlicher  Vorgänge  mag  wohl  auf 
solchen  pathologischen  Veränderungen  beruhen.  An  einer  Reihe  von 
Fällen  werden  die  verschiedenen  Krankheitsbilder,  welche  durch 
Divertikel  entstehen  können,  demonstriert:  Die  schwerste  Kom¬ 
plikation  ist  wohl  die  Perforation  der  Divertikel  oder  des  durch  sie 
entstehenden  eitrigen  Exsudats  in  die  freie  Bauchhöhle. 

Fall  1.  Patient  29  Jahre.  Vor  4  Wochen  Schmerzanfall 
links,  Erbrechen,  seither  Fieber,  Stuhlverstopfung.  Meteorismus. 
7.  VII.  11  Operation.  Eiter  in  der  Bauchhöhle.  Um  die  Flexura 


160 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


sigmoidea  herum  grosse  Eiterhöhle.  Am  Darm  ein  hartes  halb¬ 
kugeliges  Infiltrat,  welches  eine  Perforation  zeigt.  Wenn  die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  hier  auch  fehlt,  so  gleicht  dieser  Fall  doch 
so  sehr  dem  gleich  zu  besprechenden,  dass  wir  ihn  zu  den  Diver¬ 
tikeln  zählen  möchten. 

Fall  2.  Dieser  kam  unter  dem  Bilde  des  chronischen  Ileus, 
infolge  Appendizitis  oder  Tuberculosis  intestini  zu  uns. 

Patient  23  Jahre.  März  1909  Blinddarmentzündung,  Erbrechen, 
Fieber,  Schmerzen  links.  14  Tage  krank.  19.  V.  09  Rückfall,  Schmerz, 
Erbrechen  erst  gallig.  28.  V.  fäkulent,  Darmverschluss,  Meteorismus. 

1.  VI.  Aufnahme;  chronischer  unvollkommener  Ileus,  kein  Fieber, 
keine  Darmsteifung.  5.  VI.  Operation;  Dickdarm  gebläht,  an  der 
Flexura  sigmoidea  walnussgrosser,  harter  'I  umor,  wandständig,  der 
beim  Vorziehen  perforiert.  Vorlagerung,  Abtragung,  Spornquetsche. 
28.  VH.  Anusverschluss.  Mikroskopisch:  typisches  Divertikel  mit 
Infiltration  und  Tumorbildung.  . 

Es  braucht  nicht  immer  zur  Perforation  in  die  freie  Bauchhöhle 
oder  zu  schwerem  Ileus  zu  kommen,  mitunter  entstehen  nur  ab¬ 
gekapselte  Exsudate,  welche  zurückgehen,  und  unter  typischen  Rück- 
fällen  immer  wieder  auftreten.  Der  Verlauf  ist  dann  mehr  chronisch. 

Fall  3.  Patient  42  Jahre.  Seit  einem  Jahre  5  Anfälle  mit 
Bauchschmerzen  links,  Exsudatbildung  und  Fieber,  ln  der  Zwischen¬ 
zeit  alles  normal.  Weder  Palpation  noch  Rektoskopie  ergibt  etwas 
Pathologisches.  Wegen  Tumorverdacht  7.  Hl.  1912  Laparotomie: 
Am  Colon  sigmoideum  auf  handbreite  Ausdehnung  zahlreiche  kleine 
Divertikel:  im  Mesenterium  alte  Narben,  mehrfache  entzündliche 
Verwachsungen.  Vorlagerung,  Spornquetsche.  Am  10  V.  Anus¬ 
verschluss,  11.  VI.  1912  geheilt  entlassen.  Mikroskopisch  typische 

Divertikel.  ,  ,  , ,  ,  OI 

Ein  Fall  von  Perforation  des  Divertikels  in  die  benachbarte  Blase 
wurde  beobachtet.  Es  stellte  sich  das  bekannte  Symptom  des  Luft- 

schiffens  ein.  T  ,  , ,,  ,  .  „ 

F  a  1 1  4  Patient  22  Jahre.  Seit  einem  Jahre  Stuhlbeschwerden, 
Tenesmus.  Seit  4  Wochen  Luft-,  später  Kotentleerung  im  Urin, 
heftige  Schmerzen.  Blasenkapazität  sehr  gering.  2  mal.  Zystoskopie 
•  esultatlos  17.  VI.  12  Operation:  Flexura  sigmoidea  ubersat  mit 
kleinen  Divertikeln,  zum  Teil  hart,  mit  Kot  gefüllt.  Feste  Adhäsionen 
mit  der  Blase.  Anus  praeternaturalis  zweizeitig.  Urin  sofort  klar, 
kein  Tenesmus  mehr.  22.  VII.  Peritonitis  +.  Linsengrosse  Perforation 
in  die  Blase,  alte  Narben  einer  Dysenterie  im  Kolon.  —  Offenbar  war 
bei  der  Operation  ein  Divertikel  zum  Platzen  gekommen,  wodurch 
die  Infektion  entstand,  sonst  wäre  ein  Erfolg  wohl  zu  erwarten  ge- 
wesen. 

Schliesslich  können  die  Infiltrate  um  die  Divertikel  herum  zu 
Schwielenbildung  im  Darmrohr  selbst  oder  im  Mesenterium  und  der 
Umgebung  führen,  so  dass  eine  harte  Stenose  entsteht,  welche  durch¬ 
aus  den  Eindruck  eines  ausgedehnten  inoperablen  Karzinoms  macht. 

Manche  Fälle  von  geheiltem  oder  langlebendem,  inoperablem 
Dickdarm-  oder  Rektumkarzinom  mögen  auf  diese  Weise  ihre  Er- 

khirung  finden.patient  54  Jahre  Seit  10  jahren  Stuhl  unregelmässig, 
zeitweise  Tenesmus.  Seit  8  Wochen  Anfälle  von  Schmerzen  und 
Erbrechen.  Harter  Tumor  links  am  Lig.  pouparti.  26.  X.  US 
Operation:  Tumor  im  Mesenterium  des  Colon  sigmoideum,  hart¬ 
höckerig,  fest  verwachsen  mit  der  Umgebung  und  den  grossen  je- 
fässen.  Lösung,  Vorlagerung,  Abtragung,  Spornquetsche,  Anus¬ 
verschluss  12.  XII.  —  Nach  4  Jahren  ausgezeichnetes  Befinden 

Die  Aetiologie  der  Divertikel  ist  vielleicht  nicht  eine  einheit¬ 
liche  Das  Leiden  bedarf  jedenfalls  mehr  als  bisher  unserer  Be¬ 
achtung;  die  Therapie  muss  eine  chirurgische  sein. 

Diskussion:  Herren  Ne  über,  Hoehne,  Stoeckel, 
A  n  s  chü  t  z.  . 

Her  Baum  spricht  über  renale  Hämaturie  und  geht  aut  die 
verschiedenen  Theorien  der  Blutung  aus  gesunden  Nieren  ein,  deren 
Berechtigung  er  nicht  anerkannt  wissen  mochte.  Alle  die  Falle,  in 
denen  eine  anatomische  Untersuchung  unterblieb  oder  nur  eine  Probe¬ 
exzision  gemacht  wurde,  müssen  von  vorneherein  als  be¬ 

weiskräftig  ausscheiden.  In  den  meisten  der  Testierenden  Beob¬ 
achtungen  fanden  sich,  mit  wenigen  noch  der  Klärung  harrenden 
Ausnahmen,  herdreiche  oder  über  die  ganze  Niere  verbreitete  lntei - 
stitielle  Prozesse,  die  die  Blutung  erklärten.  Gemeinsam  ist  diesen 
Fällen  von  Nephritis,  dass  Kolikschmerzen  und  Hämaturie  die  einzigen 
Symptome  darstellen.  Veränderungen  des  Harns  und  Eihohung  des 
Blutdruckes  dagegen  fehlen.  B.  schildert  die  hierhergehonge  Kranken¬ 
geschichte  eines  58  jährigen  Mannes  mit  vollkommen  einseitigen 
Symptomen,  die  auf  die  Nephrotomie  zurückgingen.  Bei  dem  zirka 
2  Monate  später  erfolgten  Tode  an  allgemeiner  Sepsis  ergab  die 
Autopsie  gleichmässige  interstitielle  und  parenchymatöse  Erkrankung 
beider  Nieren. 

Aber  nicht  in  allen  Fällen,  wo  die  Probeexzision  einen  Narben¬ 
herd  oder  frischere  interstitielle  Prozesse  aufgedeckt,  dürfen  diese 
mit  der  Blutung  in  kausalen  Zusammenhang  gebracht  werden.  Die 
Untersuchung  des  Markes  und  der  Papillen,  die  bei  der  üblichen 
Technik  der  Probeexzision  unterbleibt,  soll  nicht  vernachlässigt 
werden  B.  demonstriert  2  Patienten  von  22  und  28  Jahren,  bei 
denen  wegen  das  Leben  bedrohender  Hämaturie  vor  2  bzw.  1  Jahre 
die  blutende  Niere  exstirpiert  ward.  Auch  hier  war  die  Blutung  das 
einzige  Krankheitssymptom,  ln  beiden  Fällen  lange  Anamnese, 
makroskopisch  gesunde  Niere,  mikroskopisch  vereinzelte  inter¬ 


stitielle  Herde  in  der  Rinde,  die  Haupterkrankung  aber  im  Markteil. 
Im  ersten  Fall  eigentümliche  hyaline  Veränderungen  des  Stromes 
zwischen  den  Ausführungsgängen  mit  Verlegung  der  Gefässe  und 
Stauungsblutungen  oberhalb  der  Herde,  im  zweiten  Falle  ein  Angiom 
in  einer  Papille  mit  Zerstörung  des  bedeckenden  Nierenbecken- 
epithels,  ein  Befund,  wie  er  in  Deutschland  noch  nicht  beschrieben, 
in  der  englischen  und  französischen  Literatur  dagegen  öfter  publiziert 
worden  ist.  Beide  Patienten  sind  jetzt  vollkommen  gesund  und 

arbeitsfähig.  .  . 

Wenn  auch  dank  der  verfeinerten  Diagnostik  bei  einseitiger 
Hämaturie  Stein  und  Tuberkulose  sich  ausschliessen  lassen,  bleibt 
die  Differentialdiagnose  zwischen  I  umor  renis  und  „essentieller 
Hämaturie  meist  offen;  erst  die  Freilegung  der  Niere  klärt  die 
Situation. 

Herr  Noess  ke:  Zur  Behandlung  der  Sehnenscheiden- 
phlegmonen. 

N  o  e  s  s  k  e  empfiehlt  zur  Besserung  der  funktionellen  Resultate 
bei  vorgeschrittenen  Sehnenscheidenphlegmonen  die  Extraktion  der 
nekroseverdächtigen  Sehnen.  Er  unterscheidet  zwei  prinzipiell  ver¬ 
schiedene  Stadien  der  Sehnenscheidenphlegmone:  die  durch  die 
bakterielle  Infektion  hervorgerufene  eitrige  Entzündung  der  Sehnen¬ 
scheide,  und  die  im  Anschluss  an  die  Zerstörung  der  Sehnenscheide 
eintretende  demarkierende  Eiterung.  Die  letztere  bringt  bei  längerem 
Bestände  ernste  Gefahren  für  die  befallene  Extremität  mit  sich.  Sie 
begünstigt  hauptsächlich  den  Einbruch  in  benachbarte  gesunde  Ge¬ 
webe  und  führt,  besonders  bei  den  von  Daumen  und  Kleinfingei  aus¬ 
gehenden  Phlegmonen,  häufig  zur  Entwicklung  der  sogenannten 
„V“-Phlegmone. 

In  der  möglichst  frühzeitigen  Kupierung  der  demarkierenden 
Eiterung  sieht  N.  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  in  der  Behandlung 
dieser  Phlegmonen.  Im  allgemeinen  ist  beim  Erwachsenen  das 
Schicksal  einer  Sehne  schon  nach  4 — 5  tägigem  Bestände  einei 
schweren  Infektion  entschieden.  Selbst  wenn  es  durch  entsprechende 
Inzisionen  noch  gelingt,  einen  1  eil  der  in  Sequestrierung  begriffenen 
Sehnen  zu  erhalten,  ist  ein  solches  Glied,  infolge  der  anhaltenden 
Eiterung  und  entzündlichen  Infiltration  der  Umgebung,  funktionell 
meistens  ungünstiger  daran  als  ein  Finger,  dem  frühzeitig  die  ganze 
Sehne  entfernt  wird  und  der  dadurch  im  Besitze  normaler  Gelenke 
und  Bänder  bleibt. 

N.  demonstriert  das  günstige  funktionelle  Resultat  nach  früh¬ 
zeitiger  Extraktion  der  Sehne  des  Flexor  pollicis  longus  bei  einem 
52  jährigen  Manne,  bei  dem  die  Phlegmone  bereits  in  die  radiale 
Bursa  vorgedrungen  war  und  auf  den  Kleinfinger  überzugreifen 
drohte.  Die  Sehne  wurde  oberhalb  des  Handgelenks  durchschnitten 
und  über  der  Grundphalanx  extrahiert.  Der  Daumen  hat  im  Grund- 
gelenk  seine  normale  Beweglichkeit  behalten  und  das  Endglied  ist 
passiv  gut  beweglich  geblieben.  ...  ,  ,  , 

Ebenso  günstig  gestaltete  sich  der  Verlauf  einer  schweren  fort¬ 
geschrittenen  „V“-Phlegmone  bei  einem  älteren  Diabetiker  Hier 
wurden  die  Flexorensehnen  des  Kleinfingers  und  Daumens  oberhalb 
des  Handgelenks  durchschnitten  und  im  Handteller  extrahiert. 

Bei  der  Inzision  bedient  sich  N.  fast  ausschliesslich  der  queren 
und  schrägen  Schnitte,  die  die  besten  Narben  geben. 

Für  alle  volaren  Phlegmonen  empfiehlt  N.  als  das  technisch 
einfachste  und  zuverlässigste  Anästhesierungsverfahren  die  Injektion 
von  je  2—3  ccm  einer  4  proz.  Novokainlösung  an  den  Medianus  und 
Ulnaris,  unmittelbar  am  oder  etwas  oberhalb  des  Handgelenks  und 
unter  gleichzeitiger  Anlegung  eines  im  Sinne  der  Stauung  wirkenden 
Gummischlauches  dicht  vor  der  Injektionsstelle.  Die  Anästhesie  tritt 
nach  ca.  15  Minuten  ein  und  ist  stets  komplett.  Die  Nachschmerzen 

sind  auffallend  gering.  .  A  „  . 

In  frischen  Fällen  von  Sehnenscheidenphlegmonen  ist  die  Bier- 
sche  Stauung,  besonders  bei  jüngeren  Patienten,  ein  ausgezeichnetes 
Unterstützungsmittel  der  chirurgischen  Behandlung. 

Diskussion:  Herren  Ne  über,  Noesske,  Neu  bei, 
Noesske. 

Herr  Z  o  e  p  p  r  i  t  z:  Zur  Frage  der  okkulten  Blutung  bei  Magen¬ 
erkrankungen.  ,  _  x 

Bei  gesundem  Magen,  bei  chronischer  Gastritis  und  Adhasions- 

beschwerden  des  Magens,  bei  Folgen  von  früherem  Ulcus  ventricuh 
unter  der  Voraussetzung,  dass  das  Geschwür  vernarbt  ist,  wurde 
nach  entsprechender  Vorbehandlung  niemals  okkulte  Blutung  beob¬ 
achtet.  Bei  Ulcus  ventriculi  liess  sich  in  53  Proz.  der  Fälle  okkulte? 
Blut  nachweisen  —  hierbei  handelte  es  sich  jedoch  ausschliesslicl 
um  lange  bestehende  „chirurgische“  Ulzera  — ,  durchschnittliche 
Krankheitsdauer  12  Jahre.  Bei  190  Fällen  von  Magenkarzmon 
(darunter  140  durch  Operation  sichergestellt)  war  in  96  Proz.  dei 
Blutbefund  regelmässig  positiv,  Abmagerung  in  90  Proz.,  Anazidita 
in  89  Proz..  S  a  1  o  m  o  n  sehe  Probe  positiv  in  83  Proz.,  Milchsaun 
positiv  in  67  Pröz.,  lange  Bazillen  in  64  Proz.,  palpabler  I  umor  wai 
vorhanden  in  64  Proz.  der  Fälle.  Demnach  ist  der  regelmassig 
okkulte  Blutbefund  nicht  nur  das  konstanteste,  sondern  auch  da: 
relativ  verlässlichste  der  nicht  spezifischen  Symptome  des  Magen 
karzinoms.  Gerade  bei  den  Erkrankungen,  die  differentialdiagnostisci 
am  häufigsten  mit  dem  Karzinom  in  Konkurrenz  treten,  bei  der  chro 
nischen  Gastritis,  Adhäsionsbeschwerden  etc.  können  alle  andere: 
Begleiterscheinungen  des  Magenkarzinoms  ebenfalls  vorhanden  sein 
nur  die  okkulte  Blutung  fehlt.  Regelmässiger  okkulter  Blut 
befund  im  Stuhl  und  Mageninhalt  macht  daher  bei  auf  den  Magei 


21.  Januar  1913. 


weisenden  Beschwerden  eine  maligne  Erkrankung  desselben  wahr¬ 
scheinlich,  indiziert  jedenfalls  die  Probelaparotomie.  Negativer  Blut¬ 
befund  spricht  mit  sehr  grosser  Wahrscheinlichkeit  gegen  Karzinom. 

Diskussion:  Herren  L  ii  t  h  j  e,  A  n  s  c  h  ü  t  z,  Konjetzny, 
Lüthje,  Z  o  e  p  p  r  i  t  z. 

Herr  Konjetzny  bespricht  im  Anschluss  an  den  voran¬ 
gehenden  Vortrag  die  für  die  anatomische  Beurteilung  der  ange¬ 
schnittenen  Frage  bezüglich  der  Blutungen  beim  Magenkarzinom 
wichtigen  histologischen  Grundlagen.  Nicht  so  sehr  die  frühzeitige 
Ulzeration  des  Magenkarzinoms  an  und  für  sich,  als  vielmehr  ganz 
bestimmte,  vor  allem  angioplastische  Gewebsreaktionen  im  Krebs¬ 
stroma  und  in  den  Randpartien  des  Karzinoms  geben  Veranlassung 
zu  oft  dauernden  kapillaren  Blutungen  im  Bereich  des  Magen¬ 
karzinoms.  Die  hier  in  Betracht  kommenden  histologischen  Zustände 
werden  an  einschlägigen  Präparaten  demonstriert. 

Herr  Baum  empfiehlt  in  schweren  Fällen  von  Unterkiefer- 
f raktur  sehr  warm  die  Extensionsbehaudlung,  die  er  zuerst  vor  einem 
Jahre  bei  doppelseitigem  Bruch  des  aufsteigenden  Astes,  der  durch 
zahnärztliche  Behandlung  sich  nicht  reponieren  liess,  mit  bestem 
Ei  folg  in  Anwendung  brachte.  Seitdem  wiederholt  in  schweren 
Fällen  verwandt  hat  die  Methode  ausgezeichnete  Resultate  ergeben. 
Ein  Silberdraht  wird  um  2  oder  3  Zähne  des  zur  Dislokation  neigenden 
Fragmentes  gelegt  und  mit  1—2  Pfund  belastet.  In  einem  sehr 
sehweren  Fall  von  doppeltem  Bruch  des  linken  Unterkieferastes 
musste  der  Draht  subkutan  um  den  Kiefer  herumgelegt  werden.  Eine 
Durchbohrung  des  Kiefers  wurde,  weil  unnötig,  niemals  vorgenommen. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  18.  November  1912 
Vorsitzender:  Herr  Keller. 

Schriftführer :  Herr  Eugen  Hopmann. 

Herr  Dreyer  stellt  einen  Fall  von  Glättolindermatitis  vor. 
Derselbe  besteht  seit  etwa  2%  Jahren.  Ebenso  lange  gebraucht 
Patient  Glättolin.  Die  Schübe  kommen  mit  der  Glättolinverwendung. 
Am  Hals  ist  Rötung  und  Schwellung  vorhanden.  Auch  im  Gesicht 
findet  sich  eine  fleckige  Dermatitis,  die  besonders  die  Schnurrbart- 
gtgend  und  weniger  die  Wangen  befallen  hat.  Hinter  dem  rechten 
Ohr  ist  die  Haut  entzündet,  leicht  schuppend,  ragadiert,  teilweise 
nässend.  Cohn-  Frankfurt  lenkte  die  Aufmerksamkeit  auf  die  durch 
Glättolin  verursachten  Hautentzündung  bei  disponierten  Individuen. 

Herr  P  r  e  y  s  i  n  g  stellt  einen  Patienten  vor,  der  an  einem 
Hypophysentumor  litt  und  durch  Operation  geheilt  worden  ist.  Die 
Indikationen  und  die  Technik  der  Operation  wurden  besprochen. 

Herr  J  o  r  e  s  spricht  über  Lymphosarkoniatose  des  Verdauungs- 
traktus  unter  Demonstration  und  Besprechung  mehrerer  Fälle. 

Herr  Beltz:  Vorstellung  eines  Falles  von  Polyzythämie. 

Der  52  jährige  Mann  suchte  im  Juli  ds.  Js.  das  Augustahospital 
auf,  weil  er  kurz  vorher  grössere  Mengen  hellroten  Blutes  mit 
nustenstössen  entleert  hatte.  Schon  seit  etwa  2  Jahren  war  ihm 
und  seiner  Umgebung  eine  intensive  Rötung  des  Gesichts  und  der 
Hände  aufgefallen;  gleichzeitig  stellten  sich  geringes  Schwindel¬ 
gefühl  im  Kopf,  Herzklopfen  und  geringe  Atemnot  bei  körperlicher 
Anstrengung  und  äusserst  lästiges  Kältegefühl  an  Händen  und  Füssen 
ein.  Der  Kranke  zeigte  bei  der  Aufnahme  wie  auch  heute  noch  die 
charakteristische  tiefdunkelrote  (bordeauxrote)  Verfärbung  der 
Gesichtshaut  und  der  sichtbaren  Schleimhäute  (Konjunktiven,  weicher 
Gaumen,  Rachen,  Kehldeckel),  starke  Zyanose  der  Hände  und 
Füsse,  die  sich  kalt  anfiihlen. 

Ueber  den  Lungen  nur  geringe  katarrhalische  Erscheinungen, 
der  blutige  Auswurf  sistierte  nach  einigen  Tagen.  Das  Herz  zeigte 
geringe  Verbreiterung  nach  rechts,  die  Töne  sind  rein.  Der  Puls 
ist  dauernd  voll  und  kräftig,  von  leicht  vermehrter  Spannung. 
(Blutdruck  17Ü  X  120  Wasser.)  Das  Gefässrohr  der  Radialis  sowie 
der  tastbaren  Schlagadern  am  Halse  erscheinen  stark  entwickelt. 

Die  Milz  ist  nicht  palpabel,  auch  perkutorisch  nicht  vergrössert. 
Leber  erscheint  leicht  vergrössert  (16:12:7  cm). 

Nervensystem  ohne  Besonderheiten. 

Augenhintergrund  lässt  auf  dunkel-violettgrauem  Grunde  die 
P1  all  gefüllten  Gefässe  und  die  hellrote  Papille  scharf  hervortreten, 
er  zeigt  keine  Blutungen. 

Der  Urin  enthält  dauernd  eine  geringe  Spur  Eiweiss,  keine  Form¬ 
elemente,  kein  Zucker,  Urobilin  nicht  vermehrt. 

Die  Temperaturkurve  bewegte  sich  dauernd  an  der  unteren 
Grenze  des  Normalen,  überschritt  auch  nach  längerer  körperlicher 
I  ätigkeit  abends  37,0  in  der  Achsel  nie. 

Die  Blutuntersuchung  ergab  dauernd  eine  starke  Vermehrung 
der  roten  Zellen:  zwischen  7,9  und  9,2  Millionen  im  Kubikzentimeter. 
Die  Hämoglobinvermehrung  entsprach  nicht  der  Zahl  der  Roten  und 
schwankte  nach  Sahli  zwischen  135  und  150  Proz.;  der  Färbe¬ 
index  war  daher  kleiner  wie  1,0,  zwischen  0,7  und  0,8  schwankend: 
die  weissen  Zellen  waren  nicht  vermehrt  (5300  und  8700).  Mikro¬ 
skopisch  zeigten  die  Roten  im  frischen  Präparat  deutliche  Geldrollen- 
nildung;  im  Ausstrichpräparat,  das  nur  bei  fixem  Arbeiten  einiger- 
massen  gelang,  lagen  die  Roten  sehr  dicht  gedrängt,  wurden  nach 


161 


G  i  e  m  s  a  meist  etwas  blass  gefärbt,  zeigten  aber  morphologisch 
keine  besonderen  Abweichungen.  Die  weissen  Zellen  Hessen  ein 
deutliches  Prävalieren  der  myeloischen  Elemente  erkennen,  beim 
Auszählen  ergaben  sich :  Neutrophile  77  Proz.,  Lymphozyten  5  Proz., 
Myelozyten  3  Proz.,  Uebergangsformen  11  Proz.,  Eosinophile  4  Proz. 

Die  Viskosität  (gemessen  nach  Hess)  schwankte  zwischen 
8  und  10;  das  spezifische  Gewicht  (nach  Hammerschlag)  be¬ 
trug  1058.  Die  Gerinnungszeit  wurde  nicht  bestimmt,  doch  machte 
sich  bei  der  Blutuntersuchung  die  ausserordentlich  schnelle  Gerinn¬ 
barkeit  manchmal  recht  störend  bemerkbar. 

Therapeutisch  brachten  Sauerstoffinhalationen  Erleichterung  be¬ 
züglich  des  Schwindelgefühls  und  der  leicht  auftretenden  Atemnot. 
Eine  auf  den  Vorschlag  K  o  r  a  n  y  i  s  bei  dem  Kranken  eingeleitete 
Benzolkur  —  bisher  wurden  etwa  300  Kapseln  ä  0,5  verabreicht  -  - 
lässt  bis  heute  einen  ausgesprochenen  Effekt  im  Sinne  einer  Ve  • 
minderung  der  roten  Elemente  vermissen. 

Herr  Rohm  er:  Die  kindliche  Tuberkulose  im  Lichte  neuerer 
Forschung. 

Die  klinischen  Erscheinungsformen  der  Tuberkulose  des  Kinder 
sind  von  denjenigen  der  Erwachsenen  im  allgemeinen  prinzipiell  vei- 
schieden.  Vom  „Primäraffekt“  (primärer  Lungenherd  und  Verkäsung 
der  ihm  regionären  ,,Bronchial“driisen)  ausgehend  breitet  sie  sich 
im  1.  Lebensjahr  in  schrankenlosem  Wachstum  über  den  ganzen 
Körper  aus:  generalisierte  Tuberkulose;  vom  2.  bis 
6.  Jahre  tritt  diese  an  Häufigkeit  rasch  zurück  gegenüber  der 
tuberkulösen  Meningitis  einerseits,  der  Knochen-  und 
D  r  iisentuberkulose  andererseits.  Ferner  sind  hier  ziemlich 
häufig  akute  Miliartuberkulose,  akute  käsige 
Pneumonie  und  zahlreiche  seltenere  Formen.  Die  chronische 
Lungenschwindsucht  ist  durch  das  ganze  Kindesalter  hin¬ 
durch  sehr  selten  und  beginnt  erst  von  der  Pubertät  ab  häufiger  zu 
werden. 

Das  schulpflichtige  Alter  zeichnet  sich  aus  durch  eine 
auffallend  geringe  Tuberkulosemortalität  und  klinische  Morbidität, 
während  seine  Durchseuchung  mit  Tuberkeln  von  Jahr  zu  Jahr 
fortschreitet  und  gegen  das  14.  Jahr  die  beim  Erwachsenen  bekannte 
Höhe  bereits  erreicht  hat. 

Die  neueren  Anschauungen  gehen  dahin,  die  tuberkulösen  Er¬ 
krankungen  in  3  Stadien  - —  analog  der  Lues  —  einzuteilen: 

I.  Primäres  Stadium:  Bronchialdrüsentuberkulose  (+  vorauf¬ 
gehendem  kleinem  Lungenherd). 

II.  Sekundäre  Manifestationen:  Knochen-,  Drüsen-,  Hauttuber¬ 
kulose,  tuberkulöse  Meningitis,  Miliartuberkulose,  akute  Lungen¬ 
tuberkulose  usw. 

III.  Tertiäres  Stadium:  Hauptrepräsentant:  chronische  Lungen¬ 
schwindsucht. 

Die  letztere  denkt  man  sich  entstehend  entweder  durch  neue 
Aussaat  von  einem  latenten  tuberkulösen  Herde  aus  infolge  irgend 
eines  interkurrenten  schwächenden  Momentes  (endogene  Super¬ 
infektion)  oder  durch  Reinfektionen  von  aussen  her  (exogene  Super¬ 
infektion). 

Als  praktisches  Resultat  ergibt  sich,  dass  neben  den  bisherigen 
Bekämpfungsmassregeln  der  grösste  Nachdruck  auf  die  Ver¬ 
hütung  der  Infektion  der  4 — 6  ersten  Lebensjahre 
gelegt  werden  muss,  sei  es  durch  die  Entfernung 
der  Infekt  io  nsquelle,  sei  es  durch  diejenige  der 
gefährdeten  Kinder. 

Sitzung  vom  2.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Keller. 

Schriftführer:  Herr  Schickendantz. 

Herr  Frankenstein  spricht  über  Diagnose  und  Therapie 
der  Tubargravidität.  (Der  Vortrag  erscheint  in  den  „Fortschritten 
der  Medizin“.) 

Diskussion:  Herren  Dietrich,  F  ii  t  h,  Baus. 

Herr  Füth:  Ueber  Wesen  und  Behandlung  der  Dysmenorrhöe. 

Vortragender  verbreitet  sich  über  das  Wesen  der  reinen,  d.  h. 
nicht  von  krankhaften  Veränderungen  ausgehenden  Dysmenorrhöe 
und  bespricht  die  verschiedenen  Theorien,  die  man  zu  ihrer  Er¬ 
klärung  aufgestellt  hat  und  die  zu  kennen  von  Interesse  ist,  weil  sie 
das  Verständnis  für  die  Wirksamkeit  einer  Reihe  von  palliativen 
Massnahmen  eröffnen.  Redner  wendet  sich  vor  allem  dagegen,  dass 
nach  seinen  Erfahrungen  viel  zu  sehr  die  mechanische  Auffassung 
der  Dysmenorrhöe  in  den  Vordergrund  gestellt  und  deshalb  bei 
virginellen  Patientinnen  viel  zu  oft  lokal  mit  Sondierung  behandelt 
wird.  Redner  bestreitet  nicht  etwa  die  mechanische  Auffassung, 
glaubt  aber,  dass  es  besser  ist,  eine  bestehende  Dysmenorrhöe  zu¬ 
erst  nicht  vom  Standpunkte  der  mechanischen  Behinderung  des  Blut¬ 
abflusses  aus  aufzufassen,  da  man  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  mit 
palliativen  Massnahmen,  die  im  einzelnen  besprochen  werden,  aus¬ 
kommt  und  die  Beschwerden,  wenn  auch  nicht  ganz  verschwinden, 
so  doch  erträglich  werden. 

Diskussion:  Herr  Zöllner. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


162 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  24.  Oktober  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Romeick:  Ueber  Schädigung  des  Auges  durch  Licht 
und  deren  Verhütung. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  den  „Fortschritten  der 
Medizin“.) 

Herr  Blencke  demonstriert  die  Röntgenplattte  einer  Fraktur 
des  Os  naviculare  bei  einem  20  jährigen  Manne,  der  9  Wochen  vorher 
gefallen  und  wegen  Handgelenksverstauchung  behandelt  war.  Man 
sieht  einen  linsengrossen  Schatten  in  der  Mitte  des  Knochens,  von 
dem  aus  nach  jeder  Seite  hin  eine  äusserst  feine  Bruchlinie  zu  sehen 
ist.  Fs  handelt  sich  hier  um  jenes  Krankheitsbild,  das  vonPreiser- 
Hamburg  zuerst  beschrieben  und  als  eine  posttraumatische  Ostitis 
aufgefasst  war,  hervorgerufen  durch  den  Abriss  des  die  ernährenden 
Gefässe  führenden  Bandes,  wodurch  eine  zentrale  Erweichung  des 
Knochens  bedingt  wurde. 

Es  hat  sich  nun  aber  bei  einigen  operierten  Fällen  herausgestellt, 
dass  es  sich  um  eine  primäre  Fraktur  des  Knochens  handelt  und  dass 
die  zentrale  Höhlenbildung  die  Folge  einer  Nekrose  ist,  die  durch 
Zerquetschung  der  Spongiosa  beim  Bruch  entstanden  ist. 

Die  Bruchlinie  ist  nicht  immer,  wie  in  dem  demonstrierten  Falle, 
sichtbar;  sie  kann  bei  gewissen  Stellen  verborgen  bleiben. 

Bezüglich  der  Therapie  dieser  prognostisch  ungünstigen  Fälle 
steht  B.  auf  dem  Standpunkt,  dass  die  Exstirpation  des  gebrochenen 
Knochens  das  beste  Heilverfahren  ist,  falls  die  konservativen  Mass¬ 
nahmen  versagen.  Die  Operationen  haben  gezeigt,  dass  eine  nennens¬ 
werte  Funktionsstörung  durch  die  Entfernung  des  Knochens  nicht 
eintritt. 

Herr  Sandmann:  Beobachtungen  über  Sonnenblendung. 

(Erscheint  in  extenso  in  der  Zeitschrift  „Fortschritte  der 
Medizin“.) 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Matthes. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  Eduard  Müller  spricht  über  den  heutigen  Stand  unserer 
Kenntnisse  über  die  Epidemiologie  der  sog.  spinalen  Kinderlähmung. 
(Vergl.  sein  Referat  auf  dem  ersten  internationalen  Kongress  der 
Kinderärzte  in  Paris,  Oktober  1912.) 

Herr  Matthes  trägt  vor  über  Neuere  Anschauungen  über  die 
Gicht. 

Herr  König:  Demonstrationen  zur  Chirurgie  der  Nieren. 

Die  Bedeutung  des  Ureterenkatheterisnuts  führt  K.  zunächst  an 
einem  Fall  von  Teratom  der  Niere  vor  Augen.  Bei  dem  4 jähr. 
zarten  Mädchen,  welches  im  Frühjahr  eine  rasch  vorübergehende 
Hämaturie  gehabt  hatte,  zeigte  sich  Ausgangs  August  ein  grosser, 
fester  Tumor  der  linken  Oberbauchgegend.  Im  Urin  spärliche  Leuko¬ 
zyten.  Die  Geschwulst  entsprach  der  linken  Niere.  Bei  der  Zysto- 
skopie  gelang  es  bei  dem  4  jährigen  Kinde  beide  Ureteren  zu  sehen, 
und  den  völlig  gesunden  Urin  der  rechten  Niere  aufzufangen.  Es 
durfte  somit  die  linke  Niere  exstirpiert  werden,  welche  den  überkinds¬ 
kopfgrossen  Tumor  enthielt,  der  an  einzelnen  Stellen  in  Nierenkelche 
durchgebrochen  war.  Die  Untersuchung  ergab  ein  Teratom  mit 
karzinomatösen  Einlagerungen  (Prof.  Dr.  M.  B.  Schmidt).  Ver¬ 
lauf  ungestört,  völlige  Heilung  in  3  Wochen. 

K.  spricht  weiter  über  Beobachtungen  an  tuberkulösen 
Nieren  und  die  Schwierigkeiten,  sich  bei  doppelseitiger  Erkran¬ 
kung  therapeutisch  zu  entschliessen.  Die  vorgestellte  Patientin  leidet 
an  fortschreitender  Tuberkulose  der  Blase  und  zunehmenden  Beschwer¬ 
den  der  linken  Niere.  Ureterenkatheter  ergibt  links  sehr  stark,  rechts 
weniger  eiterhaltigen,  aber  doch  getrübten  Urin.  Tuberkclbazillen 
nachgewiesen.  Hier  soll  die  Funktionsprüfung  entscheiden.  D  e  r 
Blutgefrierpunkt  S  war  =  0,73,  bei  wiederholter  Unter¬ 
suchung.  Trotz  dieser  Insuffizienz  der  Gesamtleistung  machte  K. 
die  Exstirpation  der  schwer  tuberkulösen  linken  Niere,  —  mit  dem 
besten  Erfolge.  Die  Patientin  erholt  sich  andauernd;  der  Blutgefrier¬ 
punkt  beträgt  jetzt  0,68.  Wir  müssen  sicher  annehmen,  dass  die 
rechte  Niere,  aus  deren  Urin  sich  keine  Bazillen  darstellen  liessen, 
nur  toxisch  geschädigt  war,  und  dass  hier  die  Exstirpation  des 
primär  und  schwer  erkrankten  Schwesterorgans  ihre  weitere  Schä¬ 
digung  verhütet  (vgl.  Rovsing  u.  a.). 

Herr  Hohmeyer  spricht  über  postappendizitischen  Ileus. 

Herr  Magnus  demonstriert  zwei  Fälle  von  Madelung  scher 
Deformität,  eine  52  jährige  Frau  und  ihre  15  jährige  Tochter.  Bei 
beiden  sind  die  Veränderungen  durchaus  typisch:  am  linken  Handge¬ 
lenk  springt  das  distale  Ende  der  Ulna  über  den  Handrücken  vor, 
so  dass  die  Artikulation  mit  dem  Karpus  verloren  geht.  Der  Radius 
dagegen  ist  in  durchaus  fester  Gelenkverbindung  mit  der  Handwurzel; 
seine  Epiphyse  ist  volarwärts  abgeknickt,  und  seine  Gelenkfläche 
steht  nicht  senkrecht  zur  Achse  des  Vorderarmes,  sondern  fast  in 
dessen  Verlängerung.  Die  Extension  der  Hand  ist  wesentlich  be¬ 
hindert,  die  Flexion  dagegen  über  die  Norm  hinaus  möglich.  Das 


Röntgenbild  zeigt  die  Verschiebung  der  Gelenkfläche  noch  deutlicher. 
Bei  dem  jüngeren  Individuum  sieht  man,  dass  die  Epiphysenlinie 
am  Radius  wesentlich  höher  liegt  als  an  der  Ulna,  und  dass  die 
Epiphyse  eine  Keilform  angenommen  hat,  mit  der  Sitze  nach  der 
Ulna  zu.  Die  proximale  Knochenreihe  des  Karpus  beschreibt  nicht 
einen  Bogen,  sondern  einen  Winkel  mit  dem  Scheitel  im  Os  lunatum: 
dieses  und  das  Navikulare  sind  nach  proximal  verschoben,  gleichsam 
in  die  Epiphyse  hineingerückt. 

Ernstere  Beschwerden  werden  in  beiden  Fällen  nicht  geklagt, 
so  dass  auf  therapeutische  Massnahmen  verzichtet  wird,  zumal  die  in 
der  Literatur  beschriebenen  Erfolge  keineswegs  ermutigend  sind. 
Hervorzuheben  ist  die  Heredität  und  das  Fehlen  rachitischer  Sym¬ 
ptome  bis  auf  einen  geringen  Grad  von  Tete  carree  und  hohem 
Gaumen  bei  der  Tochter. 

Herr  Kirchheim:  Raynaud  sehe  Krankheit. 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  Dezember  1912. 

Herr  H  e  n  g  g  e  demonstriert  die  Patientin  mit  Ulcuskarzinom, 
bei  der  wegen  Drüsenmetastasen  die  Art.  und  Vena  iliaca  externa 
reseziert  werden  mussten.  Das  rechte  Bein  weist  keinerlei  Er¬ 
nährungsstörung  auf. 

Herr  Le  hie:  Die  Behandlung  der  Vorderhauptslagen. 

(Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  A.  Müller:  Kopfform  und  Geburtsmechanismus. 

In  der  geburtshilflichen  Nomenklatur  herrscht  eine  sehr  bedauer¬ 
liche  Ungleichheit  und  Unklarheit,  ganz  besonders  hinsichtlich  der 
Begriffe:  Vorderscheitelstellung,  Vorderhauptslage,  III.  und  IV. 
Schädellage.  Während  im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  die 
Franzosen  alle  einzelnen  Möglichkeiten  des  Geburtsmechanismus 
genau  beschrieben  und  bezeichneten,  war  das  Bestreben  der 
deutschen  Schule  auf  möglichste  Vereinfachung  der  Lehre  gerichtet, 
und  unterschied  nur  zwischen  dem  leichten  Mechanismus  der  tief¬ 
stehenden  kleinen  Fontanelle,  und  dem  schweren  bei  Tiefstand  der 
grossen  Fontanelle.  Nach  Ansicht  des  Vortr.  kann  aber  gerade  die 
Kenntnis  der  seltenen  Lagen  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit  für 
den  Geburtshelfer  werden.  Er  beobachtete  selbst  einmal  einen  Fall 
von  Vorderhauptslage,  der  ihm  durch  die  Eigenart  der  Kopfform, 
eine  Keilform,  ganz  besonders  auffiel,  und  den  er  dann  nur  von  den 
Franzosen  als  Positio  occipitio-sacralis  beschrieben  fand,  ein  Mecha¬ 
nismus,  der  nach  neueren  Untersuchungen  unter  10  000 — 20  000  Ge¬ 
burten  einmal  vorkommt.  Die  Nomenklatur  der  Franzosen  mit  der 
Einteilung  in  Positio  occipitalis  anterior,  posterior,  transversa,  pubica 
und  sacralis  geht  von  der  Richtung  im  Becken  aus,  welche  das 
Hinterhaupt  einnimmt.  Richtet  man  sich  aber  nach  dem  Teile  des 
kindlichen  Schädels,  der  am  tiefsten  steht,  so  kann  1.  die  kleine 
Fontanelle  am  tiefsten  stehen,  2.  beide  Fontanellen  gleich  tief,  3.  die 
grosse  Fontanelle  am  tiefsten,  4.  die  Stirne,  5.  das  Gesicht,  und  dem¬ 
gemäss  variiert  auch  der  Geburtsmechanismus.  Man  kann  auch 
unterscheiden  zwischen  Stirnschädellagen  und  Gesichtsschädellagen; 
bei  den  ersteren  ist  die  dorso  anteriore  die  günstigere  und  häufigere, 
bei  den  letzteren  die  dorso  posteriore,  weil  in  allen  diesen  Fällen 
der  Geburtsmechanismus  keinen  Widerstand  der  Wirbelsäule  zu 
überwinden  hat.  Immer  aber  ist  es  die  Kopfform,  welche  den  Mecha¬ 
nismus  bedingt,  und  wenn  einmal  der  Kopf  eine  bestimmte  Form 
angenommen  hat,  ist  es  kaum  mehr  möglich,  die  Entwicklung  in  einem 
andern,  als  dem  entsprechenden  Mechanismus  durchzusetzen.  Der 
Vortr.  beweist  dies  für  die  verschiedenen  Formen  sehr  anschaulich 
an  dem  von  ihm  konstruierten  geburtshilflichen  Phantom,  und  demon- 
stiiert  dazu  alle  charakteristischen  Kopfformen  an  mazerierten 
Schädeln  mit  von  ihm  selbst  genau  beobachtetem  Geburtsmecha¬ 
nismus. 

Diskussion  die  Herren:  Ziegen  speck,  Baisch, 
D  ö  d  e  r  1  e  i  n,  M  ii  1 1  e  r.  G.  Wiener-  München. 


Würzburger  Aerzteabend. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  November  1912. 

Herr  Zieler  demonstriert: 

1.  10 jähriges  Mädchen  mit  Lichen  scrophulosorum 
und  multiplem,  teils  ganz,  teils  fast  geheilten  Lupus  (Nase, 
Extremitäten).  Jetzt  während  dauernder  Behandlung  Auftreten 
eines  neuen,  kaum  linsengrossen  Lupusherdes  am  Kinn,  der 
als  hämatogen  entstanden  aufgefasst  werden  muss. 

2.  4  jähriges  Mädchen:  beginnender  Lupus  der  rechten 
Wange  von  etwa  Pfennigstückgrösse.  Da  Exzision  verweigert, 
Behandlung  mit  Mesothorium. 

3.  16  jähriges  Mädchen:  geheilter  Lupus  des  Nasen¬ 
rückens  (P  y  r  o  g  a  1 1  u  s,  F  i  n  s  e  n). 

4.  22 jähriger  Mann :  geheilter  Lupus  des  rechten  Vorder¬ 
arms  oberhalb  des  Ellenbogens  beginnend  mit  besonders  starker 
Beteiligung  der  Hand.  Lichtbehandlung  ohne  besonderen 
Erfolg.  Heilung  der  Reste  durch  P  y  r  o  g  a  1 1  u  s. 

5.  12 jähriger  Knabe:  Lupus  der  rechten  Wange  mit  dev 
O  u  a  r  z  1  a  m  p  e  behandelt. 


21.  Januar  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


6.  13 jähriger  Knabe:  Lupus  der  Nase  und  Oberlippe, 
Behandlung  mit  Pyrogallussalben  und  nach  Finsen. 

7.  25 jähriger  Mann:  ausgedehnter  Lupus  des  Ge¬ 
sichtes  und  des  Halses.  Wesentliche  Besserung  durch 
Pyrogallussalben  und  Lichtbehandlung.  Für  die 
Reste  Mesothorium. 

8.  16  jähriges  Mädchen :  ausgedehnter  Lupus  der 
rechten  Gesichtshälfte.  Vor  Jahren  unzweckmässig  be¬ 
handelt,  infolgedessen  durch  Lichtbehandlung  gar  nicht  beeinflussbar. 
Jetzt  Behandlung  der  Reste  nach  Finsen  und  mit  M  e  s  o  t  h  o  r  i  u  m. 

9.  23 jähriges  Mädchen :  ausgedehnter  Lupus  des  Ge¬ 
sichts  mit  teilweiser  Zerstörung  der  Nase.  Behandlung  und  Ver¬ 
lauf  wie  7. 

10.  43  jährige  Frau :  stark  zerfallener  Lupus  desganzen 
harten  Gaumens.  Langdauernde  örtliche  und  Röntgenbehand¬ 
lung.  Frst  in  den  letzten  Monaten  wesentliche  Besserung 
durch  Mesothorium. 

11.  28 jähriger  Mann:  vor  einem  Jahre  frischer  Primäraffekt; 
WaR.  — .  Behandlung  mit  Hg  (10,0  5  proz.  Asurollösung  +  0,85  Hg 
als  Ol.  einer.!)  und  Joha  (2  Injektionen  zu  je  0,6  Salvarsan).  Trotz¬ 
dem  fiel  die  WaR.  %  Jahr  nach  Beginn  bzw.  5  Wochen  nach  Ab¬ 
schluss  der  1.  Kur  positiv  aus!  Die  Johainjektionen  verliefen  zu¬ 
nächst  völlig  schmerzlos.  Erst  14  Tage  später  wurde  die  eine 
Injektionsstelle  bei  Druck  und  bei  Bewegungen  empfindlich.  Die 
Schmerzhaftigkeit  verschwand  im  Verlauf  von  5  Wochen,  während 
die  andere  Stelle  dauernd  reaktionslos  geblieben  ist.  %  Jahre  nach 
der  Einspritzung  fiel  der  Patient  auf  die  linke  Glutäalgegend,  die 
früher  Schmerzen  gezeigt  hatte.  Darauf  traten  etwa  8  Tage  später, 
ähnlich  wie  früher,  Schmerzen  an  dieser  Stelle  auf,  die  sich  unter 
feuchten  Verbänden  in  etwa  5 — 6  Tagen  zurückbildeten,  ebenso  wie 
die  Druckempfindlichkeit.  Jetzt  nach  einem  weiteren  Monat  keine 
Spur  von  Empfindlichkeit. 

Hier  ist,  durch  ein  Trauma  hervorgerufen,  eine  Reizung 
der  Nekrose  an  der  Stelle  der  Salvarsaninjektion  entstanden,  die 

o h ne  weitere  Folgen  zurückgegangen  ist.  Ob  der 
günstige  Ausgang  hier  der  Johaverwendung  zuzuschreiben  ist,  ist 
möglich,  aber  nicht  zu  entscheiden.  Intramuskuläre  Salvarsaninjek- 
tionen  machen  als  Joha  sicher  ebenso  Nekrosen  wie  in  anderen 
Mischungen.  Nur  sind  sie  wohl  wesentlich  weniger  ausgedehnt,  denn 
die  subjektiven  Erscheinungen  nach  den  Injektionen  sind  bei  sorg¬ 
fältiger  Technik  viel  geringer  oder  fehlen  ganz.  Vielleicht  kommt 
es  infolgedessen  auch  weniger  leicht  zu  einer  Sequestrierung  der 
Nekrose  infolge  traumatischer  Einwirkung  (vergl.  Fall  1  in  der 
Sitzung  vom  21.  Mai  1912,  diese  Wochenschrift  1912,  No.  32,  S.  1789). 

12.  58  jährige  Frau  mit  Narben  nach  gummösen  Geschwüren 
im  Bereich  der  stark  ausgebildeten  Krampfadern  des  linken 
Unterschenkels.  Die  Frau  ist  bereits  in  der  Sitzung  vom  21.  Mai  1912 
vorgestellt  worden  (No.  4).  Trotzdem  die  Patientin  als  Wäscherin 
dauernd  tätig  ist,  ist  nach  Abschluss  der  spezifischen  Behandlung 
bisher  kein  Rückfall  eingetreten.  WaR.  dauernd  +. 

13.  25 jähriges  Mädchen:  ohne  spezifische  Anamnese.  Seit 
1  Jahr  hat  sich  in  der  Mitte  der  rechten  Tibia  neben  der  vorderen 
I  ibiakante  eine  sehr  feste  höckerige  Geschwulst  entwickelt.  Nächt¬ 
liche  Schmerzen  in  der  Geschwulst  und  geringe  Kopfschmerzen  sind 
erst  in  letzter  Zeit  aufgetreten.  WaR.  +.  Jod  hatte,  wie  so  oft 
m  derartigen  Fällen,  keinen  Einfluss  gezeigt.  Der  positive  Ausfall 
der  WaR.  ist  ja  nur  als  allgemeine,  nicht  als  Organdiagnose  zu  ver¬ 
werten.  Das  Röntgenbild  (diffuse  Verdichtung  des  Knochengewebes 
ohne  irgend  welche  herdförmige  Aufhellung  des  Schattens)  gab  keine 
völlige  Aufklärung,  so  dass  zunächst  bei  der  Grösse  des  Tumors 
mehr  an  die  Möglichkeit  eines  Knochensarkoms  gedacht  wurde  als 
an  Knoehensyphilis.  1,4  Salvarsan  intravenös  in  10  Tagen  hat  aber 
eine  deutliche  Verkleinerung  und  Abflachung  des  Tumors  bewirkt. 
Pie  Behandlung  wird  kombiniert  mit  Hg  fortgesetzt. 

14.  Ekzemartige  Salvarsandermatitis.  '  27  jähriger  Mann:  Auf¬ 
nahme  mit  frischer  sekundärer  Syphilis  am  31.  VII.  1912.  Vom 
•M.  VII.  bis  5.  IX.  2,4  Salvarsan  intravenös,  0,4  Salvarsan  (Joha) 
intramuskulär,  0,3  Hg  (Oleum  cinereum).  21.  IX.  Wiederaufnahme 
mit  seit  wenigen  Tagen  bestehendem,  stark  juckendem,  hellrotem, 
masernartigen  Ausschlag  des  ganzen  Körpers  (mit  Ausnahme  des 
uesichts),  Stomatitis  (mangelnde  Mundpflege),  starker  Mattigkeit, 
Appetitlosigkeit  und  Verdauungsbeschwerden.  Allmählich  Ueber- 
sang  zu  diffusen  erythematösen,  teilweise  auch  vesikulösen  und  pustu- 
lösen  Veränderungen.  Starke  Konjunktivalschmerzen  ohne  deut¬ 
liche  Konjunktivitis  und  zunehmende  Beteiligung  des  Gesichts. 

Gegen  ein  Hg-Exanthem  sprach  der  hellrote  Farbenton.  Das 
ausserordentlich  quälende,  dauernd  vorhandene  Jucken 
ist  nach  einem  Aderlass  ( 150  ccm)  mit  nachfolgen¬ 
der  intravenöser  Kochsalzinfusion  (350  ccm)  nach 
Bruck  dauernd  verschwunden.  Die  Dermatitis,  bei  der 
kaum  die  mildesten  Medikamente  angewendet  werden  können,  hat 
sich  sehr  hartnäckig  verhalten  und  geht  erst  jetzt  allmählich  zurück. 
Uer  Urin  war  dauernd  eiweissfrei,  vor  10  Tagen  auch  arsenfrei. 
WaR.  — . 

Derartige,  nach  Neosalvarsan  häufiger  beobachtete  Exantheme 
sind  nach  Salvarsan  sehr  selten. 

15.  Naevus  flammeus  des  rechten  Vorderarms  (7  jähriger  Knabe). 

5  c  h  a  n  d  1  u  n  g  m  i  t  COs,  Mesothorium  u  n  d  d  e  r  O  u  arz- 
lampe.  Vergleich  der  verschiedenen  Wirkung. 


1.  Multiple  Pigmentnaevi  verschiedenster  Grösse  des  Gesichts. 
I  euweise  Beseitigung  durch  C02.  Sehr  gute  Wirkung. 

17.  33  jähriger  Mann  mit  Lupus  erythematosus  der  Wangen  und 
der  Ohren.  Beginn  vor  9  Jahren  angeblich  im  Anschluss  an  eine 
Erfrierung.  Pirquet  negativ  in  gesunder  Haut  und  im  Herd, 
Dosen  bis  10  mg,  Al  subkutan  ohne  örtliche  und 
Allgemeinreaktion.  Mikroskopische  Untersuchung  auf  TB 
(Antiformin)  steht  noch  aus.  Bisher  hier  kein  Anhalt  für  die 
neuerdings  mehrfach  behaupteten  Beziehungen  zur  Tuber¬ 
kulose.  Behandlung  mit  CO2. 

18.  64  jährige  Frau  mit  ganz  oberflächlichem  Karzinom,  das 
sich  vom  rechten  inneren  Augenwinkel  über  den  Nasenrücken  er¬ 
streckt.  Entwicklung  seit  4  Jahren,  klinisch  an  ein  tubero-serpigi- 
nöses  ulzeröses  Syphilid  erinnernd,  zumal  der  feine  Epitheliomrand¬ 
saum  sehr  wenig  ausgebildet  ist  und  an  einzelnen  Stellen  vollkommen 
fehlt.  Behandlung  mit  Mesothorium. 

19.  78jährige  Frau  mit  seit  70  Jahren  bestehendem 
Lupus  des  Gesichts,  auf  dem  sich  vor  1  Jahr  nach  einem 
Trauma  ein  Karzinom  (auf  dem  Nasenrücken)  entwickelt  hat. 
Behandlung  mit  Cosmescher  Paste. 

20.  20  jähriges  Mädchen  mit  seit  4  Monaten  bestehender 
Syphilis:  Fast  universelles  Leukoderm,  besonders  an  Hals,  Rücken, 
Brust  und  Gelenkbeugen. 

21.  26  jähriges  Mädchen:  Syphilisinfektion  vor  4  Jahren,  schlecht 
behandelt.  Jetzt  seit  mehreren  Monaten  Auftreten  von  multiplen 
Ulzerationen  bis  zu  höchstens  Pfenniggrösse  an  beiden  Unterschen¬ 
keln,  von  denen  ein  Teil  bereits  abgeheilt  ist,  ein  Teil  kraterförmige 
Geschwüre  von  geringer  Härte  darstellt.  Beziehungen  zu  Venen  sind 
klinisch  nicht  feststellbar,  aber  wahrscheinlich.  Es  handelt  sich  um 
Erscheinungen  der  Spätsyphilis,  deren  frühere  (noch  nicht  zerfallene) 
Stadien  man  als  Erythema  nodosum  syphiliticum  bezeichnet  hat. 
Das  Krankheitsbild  ähnelt  einer  tuberkulösen  Dermatose,  dem 
Erythema  induratum  Bazin.  WaR.  +.  Das  8  wöchige  Kind  der 
Patientin  zeigt  ein  ausgedehntes  papulöses  (zirzinäres) 
Syphilid. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  v  0  nt  15.  Januar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Rosenberg  eine 
Basedowkranke,  bei  der  die  Operation  erfolglos  ausgeführt  war  und 
die  Injektion  einer  Epithelkörperchenemulsion  eine  wesentliche  Besse¬ 
rung  herbeigeführt  hat,  die  auch  Herr  Fedor  Krause  in  diesem 
Falle  auf  die  Therapie  bezieht,  da  seit  der  Operation  2  Jahre  ge¬ 
wartet  war  und  somit  in  Rücksicht  gezogen  war,  dass  die  Besse¬ 
rungen  nach  Basedowoperation  oft  sehr  langsam  eintreten. 

Tagesordnung: 

Herren  Morgen  roth  und  Ginsberg:  Hornhautanästhesie 
durch  Chinaalkaloide.  (Kurze  Mitteilung.) 

Vortr.  hat  schon  früher  über  die  Wirkung  aes  Aethylhydro- 
kupreins  gegen  Pneumokokkeninfektionen  berichtet.  Es  sollte  jetzt 
die  Wirkung  des  Stoffes  bei  Ulcus  serpens  geprüft  werden.  Es  stellte 
sich  dabei  eine  anästhesierende  Wirkung  heraus.  Es  handelt  sich 

/\/\/OCH3 

bei  dem  Stoff  um  ein  Chininderivat  von  folgender  Formel :  ;  |  | 

\/\/ 

Zur  Infiltrationanästhesie  ist  Chinin  schon  von  anderer  Seite  ver¬ 
wendet  worden.  Die  neuen  Versuche  ergaben  eine  sehr  lange  Dauer 
der  Anästhesie,  20proz.  Lösungen  bewirkten  z.  B.  eine  lOtägige  Dauer 
der  Anästhesie  auf  der  Kornea;  eine  0,5  proz.  Lösung  der  homologen 
Propylverbindung  noch  von  2  Tage  Dauer.  Die  in  Betracht  kommen¬ 
den  Verbindungen  sind  an  Ungiftigkeit  dem  Kokain  überlegen,  nicht 
jedoch  dem  Novokain.  Die  Isopropylverbindung  hat  ausser  der  Iso- 
amylverbindung  die  stärkste  anästhesierende  Wirkung.  Anästhe¬ 
sierende  und  antiparasitäre  Wirkung  fallen  bei  den  einzelnen  Prä¬ 
paraten  nicht  zusammen. 

Diskussion:  Herr  Unger:  Bei  chirurgischer  Anwendung 
kann  man  grosse  Dosen  anwenden;  ohne  Adrenalinzusatz  stört  eine 
starke  Hyperämie.  Die  Anästhesie  tritt  später  ein,  hält  länger  an. 
Der  Nachschmerz  scheint  geringer  zu  sein. 

Herr  H.  Oppenheim  und  Herr  Fedor  Krause:  Partielle  Ent¬ 
fernung  des  Wurmes  wegen  Geschwulstbildung  unter  breiter  Eröff¬ 
nung  des  vierten  Ventrikels. 

Herr  H.  Oppenheim:  Nach  anfänglichen  Magenstörungen  trat 
Ohrensausen.  Schwindel  und  Abmagerung  ein.  Es  bestand  beiderseits 
Stauungspapille.  Eine  Reihe  von  Symptomen,  auf  welche  die  toxische 
Diagnose  gestellt  werden  sollte,  war  inkonstant.  Eine  Meningitis 
serosa  wurde  durch  Misserfolg  einer  Hg-Kur  auszuschliessen  versucht. 

Nach  der  Operation  stellte  sich  Singultus,  Nystagmus,  zerebellare 
Ataxie  ein,  allmählich  besserte  sich  der  Zustand.  Pat.  ist  jetzt  ohne 
objektive  Erscheinungen,  aber  nicht  ohne  subjektive  Beschwerden 
(Kopfschmerzen,  Aengstlichkeit). 

Das  Interessante  an  dem  Fall  ist  das  Fehlen  von  Nystagmus  und 
cerebellarer  Ataxie  bei  einem  Kleinhirntumor.  Beide  Symptome  traten 
erst  n  ach  der  Operation  auf.  Die  erwarteten  Störungen  der  Re¬ 
spiration,  Zirkulation,  Glykosurie  sind  nach  dem  Eingriff  vollkommen 
ausgeblieben.  Die  chirurgischen  Indikationen  brauchen  also  vor 
diesem  Gebiet  nicht  Halt  zu  machen. 


164 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


Herr  Krause  gibt  eine  Darstellung  der  Operation.  Der  maul- 
beerartige  Tumor  sass  an  der  von  Herrn  Oppenheim  angegebenen 
Stelle.  Sofort  nach  Wegklappen  des  Knochenlappens  quoll  die  linke 
Kleinhirnhemisphäre  vor  und  riss  die  Arachnoidea  ein;  es  entleerten 
sich  150  ccm  Liquor.  Bei  der  Operation  wurde  der  4.  Ventrikel  er¬ 
öffnet.  Durch  Ueberlagerung  •  der  Kleinhirnhemisphären  und  Dura 
wurde  eine  erfolgreiche  Deckung  des  Defektes  versucht. 

Diskussion;  Herr  R  o  t  h  m  a  n  n  betont,  dass  hier  nur  die 
Rinde  entfernt  wurde  und  dass  man  noch  grössere  Stücke  fortnehmen 
könne,  wenn  nur  die  Kerne  erhalten  bleiben. 

Herr  Oppenheim,  Herr  Krause  (Schlusswort). 

Wolff-Eisner. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  13.  Januar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung. 

Herr  D  o  r  n  e  r  (a.  Q.) :  Sehr  seltene  Komplikation  eines  Aorten¬ 
aneurysma. 

Eine  Sondierung  des  Oesophagus  ergab  in  28  cm  einen  pulsieren¬ 
den  Widerstand.  Es  bestand  eine  Kommunikation  zwischen  Oeso¬ 
phagus  und  Bronchus,  die  durch  den  nekrotisierenden  Druck,  der  von 
dem  Aneurysma  ausging,  entstanden  war. 

Herr  Ewald:  Ein  Fall  von  Milztumor  mit  tödlicher  Blutung. 

Ein  48  jähriger  Mann  mit  irrelevanter  Anamnese  zeigte  eine 
grosse  Geschwulst  im  Leibe,  die  sich  als  Milztumor  erwies.  Blut, 
Leber  und  sonstige  Organveränderungen  waren  nicht  vorhanden. 
14  Tage  nach  der  Aufnahme  zeigte  er  eine  sehr  starke  Magenblutung; 
während  dieser  Blutung  nahm  die  Milz  beträchtlich  an  Volumen  ab. 
Bei  der  Obduktion  fand  sich  in  der  Milzvene  ein  kanalisierter  Throm¬ 
bus  und  eine  entzündlich  verdickte  Venenwand.  Simmonds  be¬ 
trachtet  als  Ursache  Bakteriengifte  in  Verbindung  mit  syphilitischem 
Virus.  Die  Magenblutung  sieht  er  als  eine  parenchymatöse  an. 

Diskussion:  Herr  Fürbringer  berichtet  über  einen  Fall 
einer  plötzlichen  tödlichen  Blutung,  bei  der  ein  verborgenes  Magen¬ 
karzinom  in  die  Milz  gewuchert  und  Gefässe  arrodiert  hatte. 

Herr  A.  Fraenkel  berichtet  von  einer  profusen  Magenblutung, 
bei  der  sich  kapilläre  Erosionen  der  Magenschleimhaut  als  Ursache 
fanden.  Er  bezweifelt,  ob  bei  intakter  Magenschleimhaut  solche 
Blutungen  zustande  kommen  können. 

Tagesordnung. 

Herren  C.  Posner  und  W.  Scheffer  (a.  G.):  Zur  klinischen 
Mikroskopie  und  Mikrophotographie. 

Die  neuen  Methoden  erlauben  am  unbehandelten  Präparat  im 
Dunkelfeld  eine  detaillierte  Analyse  und  gestatten  photographische 
Aufnahmen  von  Harnsedimeriten  in  einer  Naturtreue,  wie  sie  bisher 
nicht  zu  erzielen  waren. 

Zunächst  ergibt  sich  aus  diesen  Untersuchungen,  dass  zwischen 
Zylindroiden  und  Zylindern  nahe  Beziehungen  bestehen;  die  albu- 
minoide  Zylindroidsubstanz  ist  gewissermassen  die  Muttersubstanz 
der  Zylinder.  Er  demonstriert  die  Nubekula,  die  sich  im  Dunkelfeld 
darstellt  und  z.  B.  zwischen  atypischem  oxalsaurem  Kalk  befindet 
und  die  wohl  die  Ursache  zur  Steinbildung  abgibt.  Er  zeigt  Photo¬ 
graphien  von  zytolytischen  Vorgängen,  die  z.  T.  nicht  anders  darstell¬ 
bar,  z.  T.  nicht  photographierbar  sind. 

Vor  allem  erwartet  Vortrag,  eine  Möglichkeit,  Urinsedimente 
naturgetreu  darzustellen. 

Diskussion:  Herr  Kraus,  Herr  Fürbringer. 

Wolff-Eisner. 


13.  Französischer  Kongress  für  innere  Medizin. 

Paris,  13. — 16.  Oktober  1912. 

I. 

Der  Kongress  wurde  in  Anwesenheit  des  Ministers  der  öffent¬ 
lichen  Arbeiten  und  zahlreicher  französischer  und  auswärtiger 
Aerzte  durch  eine  Ansprache  des  I.  Vorsitzenden  Chauffard  über 
die  „Psychologie  der  Kongresse“  eröffnet. 

Das  I.  Hauptthema  des  Kongresses  lautete:  die  Oxalämie 
und  Oxalurie,  worüber  L  o  e  p  e  r  -  Paris  referierte.  Die  Oxalurie 
wird  mit  der  Anwesenheit  mehr  weniger  beträchtlicher  Mengen 
von  Oxalsäure  im  Urin  erklärt;  die  Hauptverbindung  ist  oxalsaurer 
Kalk.  Die  Oxalurie  verrät  eine  abnorme  Anhäufung  von  Oxalsalzen 
im  Organismus  und  ist  klinisch  und  chemisch  wohl  charakterisiert, 
sie  ist  aber  nicht  die  Folge  der  Oxalämie,  d.  i.  der  Zunahme  der 
Oxalsäure  im  Blute.  Bei  der  physiologischen  Oxalurie  sind 
1  '/a — 2  cg  Oxalsäure  im  Urin  vorhanden,  bei  der  pathologischen 
ist  der  Gehalt  ein  sehr  wechselnder  je  nach  dem  vorliegenden  Krank¬ 
heitszustande.  Ständig  ist  Oxalurie  vorhanden  bei  Diabetes,  Adi¬ 
positas,  Oxalsteinen,  gewöhnlicher  Gicht,  bei  Darmsteinen,  chro¬ 
nischem  Rheumatismus,  Hautkrankheiten  wie  Psoriasis,  sie  kann 
Vorkommen  bei  gewissen  Formen  von  Neurasthenie,  von  Dyspepsie, 
Enteritis.  Die  Untersuchung  des  Urins  kann  keine  genaue  Auf¬ 
klärung  geben  über  die  Veränderungen  der  Oxalsäure  unter  dem  Ein¬ 
flüsse  der  Ernährung,  Ermüdung  usw.  und  noch  weniger  über  ihre 
Retention.  Die  Blutuntersuchung  kann  hierauf  eher  einiges  Licht 
werfen  und  es  ist  die  0  x  a  1  ä  m  i  e,  welcher  Referent  seine  besondere 


Aufmerksamkeit  widmet.  Gewisse  Formen  von  Asthma,  von  chro¬ 
nischem  oder  subakutem  Rheumatismus,  von  Leberaffektion,  von 
Diabetes,  besonders  die  schweren  Fälle  des  letzteren  im  Zustande 
des  Koma,  sind  von  beträchtlicher  Oxalämie  begleitet.  Die  Oxal¬ 
säure  des  Organismus  kann  einen  direkt  exogenen  Ursprung 
durch  Nahrungsmittel,  die  in  grösserer  Menge  oxalsaure  Salze  ent¬ 
halten,  und  einen  endogenen  durch  Umwandlung  der  verschie¬ 
denen  Gewebssubstanzen  haben.  Vom  klinischen  Standpunkt  aus 
muss  die  Wirkung  der  Oxalsäure  auf  den  menschlichen  Organismus 
in  dreierlei  Weise  betrachtet  werden:  als  akute,  latente  und 
chronische  Intoxikation.  Die  akute  Intoxikation  verrät  sich  durch 
Erbrechen,  Diarrhöe,  Magendarmverstimmung,  Erscheinungen, 
welche  alle  auf  direkte  Wirkung  des  Giftes  auf  die  Schleimhäute  zu¬ 
rückzuführen  sind.  Dann  treten  die  Symptome  der  Elimination  auf: 
von  Nervenstörungen  Bewusstseinsverlust  oder  Kollaps,  manchmal 
Lähmungen,  seltener  Trismus  und  Tetanus,  häufig  Mydriasis,  Hyper¬ 
ästhesie,  Schmerzen  in  den  Extremitäten;  die  fast  regelmässig  vor¬ 
kommenden  Atemstörungen  bestehen  in  Unregelmässigkeit  des 
Rhythmus.  Der  Puls  ist  klein,  verlangsamt,  Blutdruck  verringert. 
Die  latente  (diskrete)  Form  der  Oxalsäurevergiftung  kann  durch 
Genuss  gewisser  Nahrungsmittel,  wie  z.  B.  grosser  Mengen  Rha¬ 
barber,  Sauerampfer  und  auch  Kakao  entstehen.  Diarrhöe,  Darm¬ 
krämpfe,  nervöse  Aufregung  bilden  hier  neben  Gelenksschwellungen 
die  Haupterscheinungen.  Die  Symptomatologie  der  chronischen 
Oxalämie  ist  eine  noch  kompliziertere:  verringerter  Blutdruck  ist 
sehr  häufig,  ferner  kommen  vor  nervöse  Erschöpfung,  Migräne  und 
Neuralgien,  Darm-  und  Magenbeschwerden  der  verschiedensten  Art. 
Von  den  Nierenerscheinungen  sind  die  Steine  (als  solche  vereinzelt 
und  als  Sand)  am  bekanntesten.  Der  Oxalsand  kann  Nierenver¬ 
fettung,  welche  sich  nur  durch  hartnäckige  Kreuzschmerzen  kund¬ 
gibt  und  mit  der  Ausscheidung  der  Konkremente  aufhört,  bewirken. 
Neben  den  Gelenksschmerzen  der  Patienten  mit  Oxalämie  gibt  es 
einen  oxalsauren  Rheumatismus,  welcher  durch  Verdickungen 
der  Basis  und  des  Kopfes  der  Phalangen,  Verkrümmungen  der 
Finger  charakterisiert  und  fast  immer  von  Gelenksknarren  an  Knie- 
und  Schultergelenken  begleitet  ist.  Der  Beweis,  dass  die  Oxalsäure 
eine  Hauptrolle  bei  der  Entstehung  dieses  Rheumatismus  spielt,  liegt 
darin,  dass  eine  an  Oxalsäure  reiche  Ernährung  Gelenkslokalisationeu 
hervorrufen  kann,  die  mit  Aufhören  dieser  Nahrung  zurückgehen  und 
mit  erneuter  Gabe  wieder  auftreten.  Zudem  verschlimmert  sub¬ 
kutane  Injektion  von  2  mal  0,1  g  Na-Oxalat  den  Rheumatismus.  Bei 
den  Tuberkulösen  sind  die  Verkrümmungen  der  Finger,  die  hyper- 
trophierende  Knochenentztindung,  die  Arthritis  gewöhnlich  von 
Oxalämie  begleitet  und  es  wäre  interessant,  darnach  zu  forschen,  ob 
bei  anderen  toxischen  oder  infektiösen  Prozessen  die  übermässige 
Produktion  und  besonders  Retention  von  Oxalaten  nicht  das  Binde¬ 
glied  zwischen  der  Krankheit  selbst  und  der  Knochen-  oder  Gelenks¬ 
lokalisation  darstellt.  Eines  der  gewöhnlichsten  Symptome  der 
Oxalämie  ist  allgemeine  Ermüdung,  Muskelschwäche  und  stellt  zu¬ 
sammen  mit  der  nervösen  Depression,  der  Reizbarkeit  und  anderen 
Gefässerscheinungen  eine  Erscheinung  der  Demineralisation  dar, 
welche  für  den  Kliniker  eine  therapeutische  Indikation  ersten  Ranges 
ist.  Was  die  Pathogenese  betrifft,  so  hängt  die  Oxalämie  von 
verschiedenen  Ursachen  ab,  wovon  die  einen  in  Zirkulations-  oder 
Atmungs-,  die  anderen  in  Magendarm-  und  Leberstörungen,  andere 
in  der  Undurchgängigkeit  der  Niere  liegen.  In  allen  diesen  Fällen 
verrät  die  Oxalämie  eine  vorübergehende  oder  dauernde  Ueber- 
füllung  des  Blutes  und  der  Gewebe  durch  eine  im  Uebermass  pro¬ 
duzierte  Oxalsäure,  die  ungenügend  zerstört  oder  nicht  eliminiert 
wird.  Im  Gegensatz  zu  dieser  Gruppe  der  organischen 
0  x  a  1  ä  m  i  e  n  gibt  es  eine  andere,  mit  Diathesen,  wie  Gicht, 
Fettsucht,  Diabetes  verbundene,  wo  wieder  sekundäre  oder  idio¬ 
pathische  oder  primäre,  deren  eigentliche  Ursache  aber  nicht  zu 
ermitteln  ist,  unterschieden  werden.  L.  zweifelt  nicht,  dass  es  als 
Schwester  der  Uratgicht  eine  0  x  a  1  a  t  g  i  c  h  t  gibt,  wo  in  den 
Geweben  Kakablagernngen  und  nicht  Urate  vorhanden  sind  und  die 
periartikulären  oder  knöchernen  Missbildungen,  welche  sie  hervor¬ 
ruft,  als  Oxalate  bleiben  oder  sich  in  kohlensaures  Kalzium  um¬ 
wandeln. 

Die  Behandlung  muss  sich  gegen  die  Pathogenese  und  die 
Symptome  richten:  1.  in  der  Nahrung  alle  Speisen  meiden,  welche 
Oxalsäure  enthalten  oder  produzieren  können  (Thee,  Kakao,  Schoko¬ 
lade,  Pfeffer,  Sauerampfer,  Nukleine,  Purine,  Gelatine  verbieten, 
Fleischkost  einschränken),  2.  innerlich  Alkalien  geben,  um  die  Resorp¬ 
tion  der  Oxalate  zu  verringern  (Kreide,  Magnesia,  Na-bicarbon., 
Vichywasser),  3.  die  Oxalsäure  durch  geeignete  Medikamente  (Kalk- 
und  Magnesiumsalze)  neutralisieren,  4.  deren  Ausscheidung  be¬ 
günstigen  (salinische  und  drastische  Abführmittel.  Theobromin. 
Diuretin  und  Urotropin)  und  durch  geeignete  Mittel  (Kalksalze, 
Phosphorsäure  und  Na-phosphor.,  Piperazin)  vorher  zur  Lösung 
bringen  und  schliesslich  5.  dem  Organismus  wieder  Mineralsalze, 
besonders  Kalzium,  zuführen  (subkutane  Injektion  von  Kalzium- 
glyzerophosphat). 

L  a  m  b  1  i  n  g  -  Lille,  Korreferent,  bespricht  die  Biochemie  der 
Oxalsäure,  nachdem  er  die  verschiedenen  Methoden  angegeben  hat. 
die  zum  Nachweis  derselben  im  Urin,  in  den  Fäzes,  im  Blut,  in  den 
Geweben  dienen,  aber  alle  noch  absoluter  Genauigkeit  entbehren. 
Biochemisch  gibt  es  im  Organismus  exogene  und  endogene 
Oxalsäure.  Erstere  ist  die  durch  Nahrungsmittel  zugeführte;  die 


21.  Januar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Resorption  der  meist  als  Kalziumoxalat  eingenommenen  Oxalsäure 
hängt  besonders  von  der  Azidität  des  Magensaftes  ab,  im  Darmkanale 
ist  diese  Resorption  sehr  gering  oder  gleich  Null.  Jede  Oxalsäure, 
welche  der  Magenresorption  entgeht  —  ungefähr  8—9  Zehntel  der 
eingeführten  Menge  — ,  sollte  man  also  in  den  Fäzes  wieder  finden, 
ater  sicher  findet  nach  sehr  überzeugenden  Versuchen  auch  in 
manchen  Geweben,  Blut,  Muskeln,  Nieren  usw.  eine  Verbrennung  der 
Oxalsäure  statt,  wenn  dieselbe  auch  im  lebenden  Organismus  als 
schwierig  anzusehen  ist.  Auch  bei  völliger  Unterdrückung  aller  oxal¬ 
säurehaltigen  Nahrungsmittel  wird  durch  den  Urin  solche  noch  aus¬ 
geschieden  und  die  Frage  ist  noch  nicht  gelöst,  woher  diese  Oxal¬ 
säure  stammt.  Kohlehydrate  und  Fette  sind  sicher  ohne  Einfluss 
auf  deren  Abscheidung,  das  Fleisch  jedoch  liefert  Oxalsäure  und 
zwar  muss  man  die  darin  enthaltene,  an  Glykogoll  reiche  Gelatine 
als  deren  Quelle  annehmen,  während  der  genaue  Beweis  für  das 
Kreatinin,  die  Nnkleoproteine  und  Purine  noch  aussteht.  Nachdem 
L.  noch  die  anderen  Vorläufer  der  Oxalsäure  und  die  Bedeutung  der 
letzteren  im  intermediären  Stoffwechsel  besprochen,  kommt  er  zur 
Frage  der  endogenen  Oxalsäure.  Diese  stammt  aus  den  tief¬ 
liegenden  Geweben  während  des  Zustandes  der  Nüchternheit  und 
ihr  Ursprung  kann  vorläufig  nur  auf  die  Gelatine,  die  Nukleine  und 
Purine,  das  Kreatinin  usw.  der  Gewebe  zurückgeführt  werden.  Was 
die  toxischen  Wirkungen  der  Oxalsäure  betrifft,  so  hebt  L.  hervor, 
dass  die  Tiere,  welche  mit  Runkelrübenfütterung  viel  Oxalsäure 
erhalten,  auf  die  Dauer  Osteoporose  bekommen;  es  ist  daher  be¬ 
greiflich,  dass  selbst  kleine  Dosen  Oxalsäure,  welche  in  Ueberschuss 
im  Organismus  kreisen,  auf  die  Dauer  eine  toxische  Wirkung  bei 
den  mit  Oxalämie  behafteten  Personen  ausüben. 

Dyce  Duck  worth  -  London,  welcher  nach  seiner  persönlichen 
Erfahrung  von  oxalsaurer  Hämaturie  sprechen  kann,  stimmt  im  all¬ 
gemeinen  den  Schlussätzen  der  Referenten  bei,  lässt  aber  eine  Oxal¬ 
säure  Diathese  nicht  zu. 

Maragliano  erinnert  daran,  dass  sich  vor  mehr  als  40  Jahren 
Cantani  schon  mit  dieser  Frage  beschäftigt  hat.  Er  selbst  glaubt 
an  symptomatische  Oxalämien  und  an  eine  essentielle  Form. 

T  e  i  s  s  i  e  r  andererseits  findet,  dass  bei  der  Pathogenese  der 
Oxalämie  der  funktionelle  Zusfand  der  Leber  nicht  genügend 
Würdigung  finde.  Der  oxalsaure  Rheumatismus  scheine  ihm  be¬ 
sonders  periartikulär,  die  Reizbarkeit  der  Blase  eines  der  wichtigsten 
Symptome  zur  Diagnose  der  oxalsauren  Dyskrasie  zu  sein.  T.  spricht 
von  der  Beziehung  der  Oxalämie  zu  den  Erscheinungen  der  Urikolyse. 
Mit  S  a  r  v  o  n  a  t  und  R  a  b  a  1 1  u  hat  er  im  Reagenzglase  die  Um¬ 
wandlung  von  harnsaurem  Natrium  in  Oxalsäure  unter  dem  Einflüsse 
von  Radiumemanation  beobachtet. 

Sarvonat-  Lyon  ist  es  gelungen,  experimentell  beim  Hunde 
zu  zeigen,  dass  die  lebende  Leber  die  Harnsäure  zerstört  und  daraus 
Oxalsäure  wird  und  dieselbe  wieder  zum  Teil  von  der  Leber  auf 
Kosten  ihrer  eigenen  Substanz  zersetzt  wird.  Die  Leber  kann  also 
im  pathologischen  wie  normalen  Zustand  als  ein  regulierendes  Organ 
angesehen  werden,  das  Oxalsäure  produziert  oder  zerstört  je  nach 
der  mehr  weniger  grossen  Menge  dieser  Substanz. 

P  a  r  i  s  o  t  -  Nancy  glaubt,  dass  die  Oxalurie  im  Verlaufe  des 
Diabetes  besonders  in  den  mit  Obesitas  verbundenen  Fällen  vorkommt. 
Man  muss  also  den  Diabetikern  eine  Diät,  die  arm  an  Oxalsäure 
produzierenden  Substanzen  ist,  verordnen  und  gegen  die  Oxalämie 
durch  Remineralisation  und  Rekalzifikation  des  Organismus  an¬ 
kämpfen. 

Finck-Vittel  hält  Oxalurie  für  häufig  bei  Diabetes,  ebenso 
hei  den  Kolonialtruppen.  Für  Gicht  scheint  die  Oxalurie  dieselbe 
Bedeutung  zu  haben  wie  Glykosurie  für  Diabetes.  Eine  Menge  von 
Beuten  würden  wegen  gewöhnlicher  Zystitis  behandelt,  die  in  Wirk¬ 
lichkeit  nur  Oxalurie  haben 

Blum-  Strassburg  und  R  o  u  b  i  e  r  -  Lyon  berichten  über  ihre 
biochemischen  Studien,  die  sie  über  die  Oxalsäure  ausgeführt  haben. 


Verschiedenes. 

Ein  Tarifvertrag  zwischen  dem  Reichspostamt  und  dem  Leipziger 

Verband. 

E>ie  auf  der  Hauptversammlung  des  Leipziger  Verbandes  vom 
-3.  und  24.  November  1912  besprochene  Vereinbarung  mit  dem  Reichs¬ 
postamt  über  den  kassenärztlichen  Dienst  bei  den  neuerrichteten 
Krankenkassen  für  Unterbeamte  der  Reichspost-  und  Telegraphenver¬ 
waltung,  über  welche  auch  in  dieser  Wochenschrift  berichtet  wurde, 
ist  nunmehr,  trotz  der  verfrühten  Schadenfreude  der  Aerztegegner, 
zustande  gekommen.  Damit  ist  ein  vortreffliches  Vorbild  geschaffen 
dir  die  kommenden  Verhandlungen  mit  den  verschiedenen  Kassenver- 
bänden,  das  überdies  noch  den  Vorzug  hat,  von  einer  Reichsbehörde 
sanktioniert  zu  sein.  Damit  müssen  die  Bedenken,  denen  eine  andere 
Reichsbehörde,  nämlich  das  Reichsamt  des  Innern,  in  der  letzten  Zeit 
adzu  willig  ihr  Ohr  geliehen  hat,  verstummen.  Dieses  Friedenswerk 
ist  für  die  beiden  Vertragskontrahenten  um  so  rühmlicher,  als  es  in 
eine  Zeit  fällt,  in  der  die  Einigungsverhandlungen  im  Reichsamt  des 
nnern  zum  Stocken  gekommen  sind.  Diese  Vereinbarung  stellt  im 
I  rinzip  einen  Tarifvertrag  dar,  der  die  Interessen  beider  Teile 
Währt.  Durch  denselben  werden  endgültig  die  Behauptungen  unserer 
v  uler  widerles?K  dass  die  grundlegenden  Forderungen  des  Leipziger 
Wrbandes  von  den  Krankenkassen  nicht  erfüllt  werden  können, 
hoffentlich  wird  auch  die  bayerische  Post-  und  Telegraphenver¬ 


165 


waltung  dem  Vorbilde  der  Reichspost  folgen,  damit  nicht  die  bayeri¬ 
schen  Aerzte  gegenüber  ihren  nichtbayerischen  Kollegen  im  Nach¬ 
teil  bleiben.  Die  Vereinbarung  umfasst  die  Grundsätze  für  den 
kassenarztlichen  Dienst  und  Vertragsmuster,  welche  den  „Ver¬ 
tragsentwurf  mit  ärztlichen  Ortsvereinen“  und  den  eigentlichen 
„Dienstvertrag  enthalten,  analog  dem  Tarifvertrag  mit  den  kauf¬ 
männischen  Kassenverbänden.  In  dem  Vertrag  sind  die  Direktiven 
des  „Deutschen  Aerztevereinsbunües“  berücksichtigt,  auch  bezüglich 
der  2000-Mark-Grenze  und  der  Bezahlung  nach  Einzelleistungen 
Selbstverständlich  sind  auch  in  dem  Vertrage  Kontroll-  und 
Schiedseinrichtungen  festgelegt,  so  dass  den  kassenärztlichen  Vereinen 
ihre  Aufgaben  genau  vorgezeichnet  sind,  die  sie  im  Interesse  beider 
feile  zu  erfüllen  haben.  Da  die  aufgestellten  Grundsätze  für  den 
kassenärztlichen  Dienst  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  und  Be¬ 
deutung  sind,  ist  es  nötig,  dass  dieselben  zu  Nutz  und  Frommen 
der  Kassen  und  Aerzte  die  grösstmöglichste  Verbreitung  finden.  Die¬ 
selben  sollen  deshalb  auch  hier  im  Wortlaut  bekannt  gegeben  werden: 

Grundsätze  für  den  kassenärztlichen  Dienst  bei 
den  Krankenkassen  für  Unterbeamte  der  Reichs- 
Post-  und  Telegraphenverwaltung. 

I.  Zum  kassenärztlichen  Dienste  bei  den  Krankenkassen  für  die 
Unterbeamten  soll  grundsätzlich  jeder  Arzt  zugelassen  werden,  der 
in  Deutschland  approbiert  und  im  Besitze  der  bürgerlichen  Ehren¬ 
rechte  ist  und  der  sich  auf  die  vereinbarten  Bedingungen  verpflichtet 
hat.  Die  Verpflichtung  erfolgt  durch  die  Anerkennung  eines  Dienst- 
Vertrages,  welcher  die  beiderseitigen  Rechte  und  Pflichten  regelt. 

II.  Die  Dienstverträge  sind  von  den  Vorständen  der  einzelnen 
Krankenkassen  abzuschliessen.  Wird  der  Vertrag  mit  einem  ärzt¬ 
lichen  Ortsvereine  geschlossen,  so  ist  jedem  in  Deutschland  appro¬ 
bierten  und  im  Besitze  der  bürgerlichen  Ehrenrechte  befindlichen 
Arzte  der  Beitritt  offen  zu  halten.  Wird  der  Vertrag  mit  dem  Orts- 
vereine  nicht  geschlossen,  so  hat  der  Vorstand  der  Krankenkasse  alle 
Aerzte  zum  kassenärztlichen  Dienste  zuzulassen,  die  sich  zu  den  all¬ 
gemeinen  Bedingungen  verpflichten.  In  diesen  Fällen  hat  der  Vor¬ 
stand  darauf  hinzuwirken,  dass  ein  Prüfungsausschuss  gebildet  wird, 
für  den  jeder  vertraglich  verpflichtete  Arzt  wählbar  und  wahlbe¬ 
rechtigt  ist.  Orte  mit  weniger  als  5  Aerzten  werden  zur  Bildung 
eines  gemeinschaftlichen  Prüfungsausschusses  mit  einem  Nachbarorte 
zusammengeschlossen.  Dieser  Prüfungsausschuss  hat  die  dem 
Kassenvereine  zustehenden  Rechte  und  Pflichten. 

III.  Sollten  sich  die  Krankenkasse  und  der  ärztliche  Ortsverein 
über  den  Abschluss  eines  Vertrages  nicht  verständigen,  so  wird  bei¬ 
den  Teilen  anheimgegeben,  sich  über  die  Anrufung  eines  Schieds- 
ausschusses  mit  der  aus  §  10  der  Anlage  fügenden  Zusammensetzung 
zu  einigen. 

IV.  Die  Krankenbehandlung  erfolgt  nur  durch  Aerzte.  Nichtärzte 
dürfen  zu  selbständiger  Behandlung  auf  Kosten  der  Krankenkassen 
nicht  zugelassen  werden.  Bei  Zahnkrankheiten  mit  Ausschluss  von 
Mund-  und  Kieferkrankheiten  kann  die  Behandlung  an  Orten,  an  denen 
kein  Zahnarzt  vorhanden  ist,  durch  Zahntechniker  gewährt  werden;  an 
Orten  mit  einem  Zahnarzt  ist  hierzu  die  Zustimmung  des  Kassenmit¬ 
gliedes  erforderlich. 

V.  Behufs  Festsetzung  der  Gebühren  werden  die  Kassenmit¬ 
glieder  in  zwei  Gruppen  geteilt;  Gruppe  I  enthält  alle  Mitglieder  bis 
zu  2000  Mark,  Gruppe  II  alle  mit  mehr  als  2000  Mark  Jahresdienst¬ 
einkommen. 

Die  kassenärztliche  Behandlung  erstreckt  sich  nur  auf  die 
Mitglieder  der  Gruppe  I  und  deren  anspruchsberechtigte  Familien¬ 
angehörigen.  Die  Gebührenforderungen  für  diese  werden  aufgestellt 
nach  den  Mindestsätzen  der  preussischen  Gebührenordnung  für  appro¬ 
bierte  Aerzte  und  Zahnärzte  vom  15.  Mai  1896  mit  der  Massgabe,  dass 
Aerzte  in  den  Städten  der  Ortsklassen  A  oder  B  auf  die  Gebühr  für 
Besuche  und  Konsultationen  einen  Zuschlag  von  Vz  Mark  erheben.  Bei 
Besuchen  ausserhalb  des  Wohnortes  des  Arztes  wird  ausser  der 
Besuchsgebühr  vom  Beginn  des  zweiten  Kilometers  ab  noch  eine  be¬ 
sondere  Entschädigung  für  den  Weg  mit  1  Mark  50  Pfg.  für  jedes 
angefangene  Kilometer  und  ausserdem  für  Zeitversäumnis  mit  40  Pfg. 
für  angefangene  Kilometer  gewährt.  Die  Berechnung  der  Kilometer¬ 
gelder  hat  sowohl  für  den  Weg  als  auch  für  die  Zeitversäumnis  stets 
von  der  Wohnung  des  nächstwohnenden  Kassenarztes  zu  erfolgen, 
und  zwar  für  Hin-  und  Rückfahrt  zusammen  nur  einmal. 

Für  die  Behandlung  der  Mitglieder  von  Gruppe  II  oder  ihrer  an¬ 
spruchsberechtigten  Angehörigen  stellt  der  Arzt  seine  Gebührenforde¬ 
rung  den  Mitgliedern  selbst  zu,  ohne  an  die  in  Absatz  2  genannten 
Mindestsätze  gebunden  zu  sein.  Die  Rechnungen  sind  aber  nach 
Zahl  und  Datum  der  einzelnen  Leistungen  unter  Angabe  der  in  Be¬ 
tracht  kommenden  Gebührensätze  aufzustellen. 

VI.  In  jedem  mit  einem  ärztlichen  Ortsvereine  geschlossenen 
Vertrage  sind  für  die  Ueberwachung  der  kassenärztlichen  Tätigkeit 
hinsichtlich  der  Zahl  und  Art  der  ärztlichen  Leistungen  und  der  spar¬ 
samen  Verordnungsweise  ärztliche  Prüfungsstellen  vorzusehen,  ferner 
aus  einer  gleichen  Zahl  von  Kassenvertretern  und  Aerzten  bestehende 
Einigungsausschüsse  zur  Erörterung  aller  gemeinsamen  Angelegen¬ 
heiten  und  ein  Schiedsgericht  zur  Erledigung  von  Streitigkeiten,  die 
aus  dem  Vertrage  entstehen. 

VII.  Das  Recht  der  Krankenkassen  und  der  Postbehörden,  für 
die  Begutachtung  des  Gesundheitszustandes  der  Unterbeamten  und 
deren  Dienstfähigkeit  Vertrauensärzte  anzustellen,  wird  hiervon  nicht 
berührt.  Der  Vertrauensarzt  hat  sich  aber  jeder  Verordnung  und  Vor¬ 
schrift  hinsichtlich  der  Krankenbehandlung  zu  enthalten.  S. 


muenchener  Medizinische  Wochenschrift 


No.  3. 


166 


B  I  a  u  d  sehe  Pillen  nach  L  e  n  h  a  r  t  z. 

Herr  Apotheker  Petzet  vom  Allstem.  Krankenhause  Hamburg- 
Eppendorf  ersucht  uns  um  Bekanntgabe  der  nachstehenden,  gegenüber 
der  Mitteilung  in  No.  46,  S.  2542,  1912  vervollständigten  Vorschrift 
der  Pil.  Ferri  carbonic.  Blaudii  Lenhartz. 


Ferrum  sulfuric.  D.  A.  5. 

120,0 

Sacchar.  alb.  pulv. 

40,0 

Glycerin. 

42,0 

Kal.  carbonic.  pulv. 

60,0 

Natr.  bicarbonic. 

60,0 

Ferrum  sulfuric.  cryst.,  Sacchar.  alb  pulv.  und  Glyzerin  werden 
der  Reihe  nach  zu  einer  völlig  gleich  massigen  Masse 
gemischt,  dann  erst  werden  Kal.  carbonic.  pulv.  und  zuletzt 
Natr.  bicarbonic.  zugesetzt;  die  gut  durchgearbeitete  Mischung  wird 
jetzt  auf  das  Dampfbad  gebracht  und  mit  Aq.  dest.  75,0  angerührt. 
Nach  2 — 3  tägigem  Stehen  auf  dem  Dampfbade  wird  eine  Mischung 
von 

Magnes.  ust.  10,0 

Rad.  Althaeae  pulv.  20,0 

zugesetzt.  Man  dampft  noch  bis  zum  Gesamtgewicht  von  300,0  ein 
und  setzt  beim  Durcharbeiten  im  grossen  eisernen  Mörser  oder  besser 
in  der  Knetmühle  event.  noch  etwas  Ung.  Glyzerin,  zu.  Das  Gewicht 
der  Pille  soll  ca.  0,3  g  betragen. 

Aus  den  Parlamenten. 

Etat  des  preussischen  Abgeordnetenhauses.  — 
Medizinalwesen  und  Universitäten. 

,  Der  Voranschlag  der  dauernden  Ausgaben  für  das  M  e  - 
di  zinal  wesen  im  Jahre  1913  beträgt  5  632  000  M.':)  und  über¬ 
steigt  den  vorjährigen  um  223  000  M.;  die  Hälfte  dieses  Mehrbetrages 
ist  jedoch  keine  wirkliche,  sondern  eine  rechnungsmässige  Mehr¬ 
ausgabe,  da  110  000  M.  Reisekosten  der  Medizinalbeamten  aus  dem 
Etat  des  Finanzministeriums  in  den  des  Medizinalwesens  übernommen 
sind.  Im  einzelnen  sind  ausgeworfen  an  Besoldungen  für  die  Mit¬ 
glieder  und  Assessoren  der  Provinzial-Medizinalkollegien,  die  Re¬ 
gierungs-  und  Medizinalräte  sowie  7  Kreisärzte  als  ständige  Hilfs¬ 
arbeiter  bei  den  Regierungen  und  beim  Polizeipräsidium  in  Berlin 
insgesamt  347  000  M.;  für  64  vollbesoldete  und  455  nicht  vollbesoldetc 
Kreisärzte  (im  Vorjahre  59  bzw.  459),  den  Dirigenten  der  Hebammen¬ 
schule  der  Charitee,  7  Aerzte  der  französischen  Kolonie  1  740000  M.; 
für  36  Kreisassistenzärzte,  Hilfsarbeiter,  Stellenzulagen  für  nicht  voll¬ 
besoldete  Kreisärzte  und  Gerichtsärzte  291  000  M.  Geschäftsbedürf¬ 
nisse,  Dienstaufwandsentschädigungerl,  Vertretungen  etc.  264  000  M., 
Beihilfen  zum  Studium  medizinal-technisch  wichtiger  Einrichtungen 
3000  M.,  Remunerierung  für  die  Staatsprüfungen  200  000  M.  Insti¬ 
tut  für  Infektionskrankheiten  „Robert  Koch“:  Be¬ 
soldungen  für  3  Abteilungsvorsteher  und  4  wissenschaftliche  Mit¬ 
glieder  (im  Vorjahr  4  Abteilungsvorsteher  und  3  wissenschaftliche 
Mitglieder)  46  000  M.,  11  Assistenten  und  wissenschaftliche  Hilfs¬ 
kräfte  29  000  M.,  zur  Gewährung  von  freien  Verpflegungstagen  an 
Kranke,  die  ein  besonderes  Interesse  bieten,  119  000  M.  Versuchs¬ 
und  Prüfungsanstalt  für  Wasserversorgung:  für  persönliche  und  säch¬ 
liche  Ausgaben  197  000  M.,  Bad  Bertrich  89  000  M„  Hygienisches  In¬ 
stitut  in  Posen  75  000  M.,  in  Beuthen  43  000,  in  Saarbrücken  35  000  M. 
Vorsteher  und  Assistenten  an  den  Medizinaluntersuchungsämtern 
63  000  M.;  für  das  Impfwesen  an  persönlichen  und  sächlichen  Aus¬ 
gaben  110  000  M.;  Unterstützungen  für  Medizinalbeamte  und  deren 
Hinterbliebenen  67  000  M.,  für  die  auf  Grund  des  Gesetzes  vom  Jahre 
1899  in  den  Ruhestand  versetzten  Medizinalbeamten  und  ihre  Hinter¬ 
bliebenen  26  000  M.,  sanitätspolizeiliche  Kontrolle  behufs  Abwehr  der 
Choleragefahr  8000  M„  Lepraheim  im  Kreise  Memel  26  000  M., 
sonstige  sanitätspolizeiliche  Zwecke  220  000  M„  Hafen-  und  Schiffs¬ 
überwachung,  Unterhaltung  und  Beaufsichtigung  der  Quarantäne¬ 
anstalten  55  000  M.,  Ausführung  des  Gesetzes  betr.  die  Bekämpfung 
übertragbarer  Krankheiten  100  000  M.,  Unterstützung  des  Be¬ 
zirkshebammenwesens  100  000  M„  Zuschüsse  an  6  Aerzte  in 
armen,  wenig  bevölkerten  Gegenden  je  500 — 1800  M„  Beihilfen  für 
die  Zwecke  der  Fortbildung  der  Aerzte,  Zahnärzte  und  Apotheker 
28  000  M.  (gegen  das  Vorjahr  um  13  000  M.  erhöht). 

Einmalige  Ausgaben:  Fortbildungskurse  für  Medizinal¬ 
beamte  45  000  M.,  Teilnahme  der  Medizinalbeamten  an  der  Ausbil¬ 
dung  der  Desinfektoren  5000  M„  bei  dem  Institute  für  Infektionskrank¬ 
heiten  „Robert  Koch“  Erweiterungsbauten  45  000  M.  und  innere  Ein¬ 
richtung  des  Neubaues  für  die  Wutschutzabteilung  40  000  M„  Be¬ 
kämpfung  der  Granulöse  30  000  M„  des  Typhus  im  Regierungsbezirk 
Trier  2000  M.,  Beihilfen  zur  Veranstaltung  von  Forschungen  über  die 
Krebskrankheit  3000  M. 

Die  dauernden  Ausgaben  für  die  Universitäten 
sind  mit  rund  17/4  Millionen  M.  angesetzt,  631  000  mehr  als  im  Vor¬ 
jahr.  Von  den  medizinischen  Fakultäten  verlangt  an  Mehrausgaben 
Königsberg:  für  3  Ersatzordinariate  20  000  M„  Umwandlung  des 
Extraordinariats  für  Psychiatrie  in  ein  Ordinariat  2000  M.,  an  der 
Psychiatrischen  Klinik  Remuneration  für  einen  Oberarzt  2200  M. 
Berlin:  ein  Ersatzordinariat  6000  M„  Umwandlung  des  Extra¬ 
ordinariats  für  Ohrenkrankheiten  in  ein  Ordinariat  3000  M.,  Abtei¬ 
lungsvorsteher  beim  Pharmakologischen  Institut  4800  M.,  für  das 
Poliklinische  Institut  für  innere  Medizin  1  Assistenzarzt  1500  M., 
sächliche  Ausgaben  32  000  M.,  an  der  chirurgischen  Klinik  1  Assistenz¬ 


arzt  1500  M„  für  Instrumente  und  wissenschaftliche  Zwecke  6000  M„ 
für  das  zahnärztliche  Institut:  Remuneration  von  2  Oberassistenten 
und  3  Assistenten  9900  M„  wirtschaftliche  Ausgaben  28  000  M„  Hygie¬ 
nisches  Institut:  Remuneration  eines  Assistenten  1500  M„  Verstär¬ 
kung  des  Fonds  für  wissenschaftliche  Zwecke  an  der  I.  und  II.  Medi¬ 
zinischen  Klinik  je  1000  M„  Remuneration  eines  Assistenten  an  der 
Hautklinik  1500  M.  Greifswald:  für  3  Assistenten  an  der  Kin¬ 
derklinik  je  1500  M.  Breslau:  ein  Ersatzordinariat  7500  M.,  zur 
Verstärkung  der  sächlichen  Fonds  an  der  Medizinischen  Klinik 
5800  M.  Halle:  Erhöhung  der  sächlichen  Fonds  am  Physiologischen 
Institut  6000  M.  In  Kiel  ist  ein  Staatszuschuss  von  20  000  M.  in¬ 
folge  Steigerung  der  eigenen  Einnahmen  der  Akademischen  Heil¬ 
anstalten  entbehrlich  geworden.  Göttingen:  Remuneration  eines 
Oberarztes  an  der  Chirurgischen  Klinik  2200  M„  Erhöhung  der  Bei¬ 
hilfe  für  die  Poliklinik  für  Ohrenkrankheiten  700  M.  Marburg: 
für  die  Medizinische  Klinik  ein  Assistenzarzt  1500  M„  zu  wirtschaft¬ 
lichen  Ausgaben  3000  M.  Bonn:  Lohnerhöhungen  bei  den  Klinischen 
Anstalten  4000  M„  Remuneration  für  einen  Oberarzt  bei  der  Haut¬ 
klinik  (statt  eines  Assistenzarztes  mit  1500  M)  2200  M.,  an  der 
Frauenklinik  für  einen  Assistenzarzt  1500  M.,  zu  sächlichen  Ausgaben 
für  wissenschaftliche  Zwecke  500  M.  Der  Zuschuss  für  das  Chari- 
teekrankenhaus  in  Berlin  beträgt  898 000  M„  das  sind 
36  000  M.  mehr  als  im  Vorjahr,  von  denen  jedoch  ein  Teil  durch 
Uebernahme  von  anderen  Positionen  des  Etats  erklärt  wird.  An 
Mehrbeträgen  sind  zu  nennen:  zur  Verstärkung  der  Fonds  für  Ver¬ 
bandmaterial  und  Instrumente  5000  M„  zur  Vermehrung  der  Zahl  der 
Schwestern  und  Wärterinnen  an  der  I.  Medizinischen  und  an  der 
Chirurgischen  Klinik  ca.  14  000  M.  Pflege  der  Leibesübungen  an  den 
Universitäten  40  000  M.,  d.  i.  15  000  M.  mehr  als  im  Vorjahr  infolge 
Steigerung  des  Bedarfs.  Zuschüsse  an  etatsmässige  Professoren  mit 
geringfügigen  Nebenbezügen  535  000  M.,  das  sind  60  000  M.  mehr  in¬ 
folge  höherer  Einnahmen  aus  staatlichen  Honoraranteilen,  Besoldungs¬ 
zuschüsse  an  Professoren  und  Heranziehung  ausgezeichneter  Dozen¬ 
ten  465  000  JVL,  Remunerierung  von  besonderen  Lehraufträgen 
104  000  M„  Stipendien  für  Privatdozenten  und  andere  jüngere  Ge¬ 
lehrte  (im  einzelnen  bis  zu  höchstens  6000  M.)  60  000  M„  Zuschüsse 
an  etatsmässig  remunerierte  Assistenten  23  000  M.  Zuschüsse  an  die 
Versorgungsanstalten  für  die  Hinterbliebenen  von  Professoren 
342  000  M„  Stipendien  und  Unterstützungen  für  Studierende  75  000  M. 

Einmalige  Ausgaben.  Königsberg:  zur  Beschaffung 
von  Apparaten  und  Instrumenten  am  Anatomischen  Institut  5000  M., 
am  Hygienischen  Institut  2500  M.,  für  das  Pharmakologische  Institut 
und  die  medizinische  Klinik  je  4000  M„  Neubau  der  Psychiatrischen 
und  Nervenklinik  280  000  M„  Apparate  und  Instrumente  für  diese 
Klinik  15000  M.  Berlin:  Anmietung  von  Räumen  im  Kaiserin-Fried- 
rich-Hause  15  000  M.,  für  das  Poliklinische  Institut  zu  baulichen  Ver¬ 
änderungen  42  000  M.,  zu  Apparaten  und  Instrumenten  7000  M.,  iür 
die  Chirurgische  Klinik  und  Poliklinik:  Verstärkung  der  sächlichen 
Fonds  30  000  M.,  bauliche  Veränderungen  10  000  M.,  für  die  Klinik 
für  Augenkrankheiten  Instandsetzung  und  innere  Einrichtung 
28  000  M„  Apparate  und  Instrumente  9000  M.,  für  die  Frauenklinik 
bauliche  Veränderungen  10  000  M.,  Beschaffung  eines  neuen  Röntgen¬ 
apparates  3000  M.,  für  das  Hygienische  Institut  zu  Instrumenten  und 
Apparaten  5000  M.  Greifswald:  Instrumente  und  Apparate  für 
die  Chirurgische  Klinik  3600  M.,  Neubau  der  Kinderklinik  121  000  M., 
für  das  Hygienische  Institut  Instrumente  und  Apparate  4000  M.,  zur 
Herstellung  hochwertiger  Sera  zur  Blutuntersuchung  für  gerichtliche 
Zwecke  3000  M.  Breslau:  für  das  Pharmakologische  Institut  zur 
Erweiterung  und  inneren  Einrichtung  16  000  M„  Apparate  und  In¬ 
strumente  4000  M.;  für  die  Klinik  für  Haut-  und  Geschlechtskrank¬ 
heiten  zu  Zwecken  der  Syphilisforschung  10  000  M.,  zur  Erweiterung 
der  Klinik  und  inneren  Einrichtung  64  000  M.,  zu  Instrumenten  und 
Apparaten  4  000  M.  Halle:  für  das  Physiologische  Institut  zur  Er-, 
Weiterung  und  inneren  Einrichtung  48  000  M.,  Ergänzung  der  appara¬ 
tiven  Ausstattung  30  000  M„  Herstellung  neuer  Krankensäle  für  die 
Chirurgische  Klinik  150  000  M.,  Verbesserung  einer  Röntgeneinrich¬ 
tung  für  die  Nervenklinik  3500  M.  Kiel:  Um-  und  Erweiterungsbau 
des  Physiologischen  Institutes  100  000  M„  ein  Projektionsapparat  für 
die  Kinderpoliklinik  3000  M.  G  ö  1 1  i  n  g  e  n :  Instrumente  und  Apparate 
für  die  Chirurgische  Klinik  und  für  das  Hygienische  Institut  je  4000  M 
Marburg:  Mikroskope  für  das  Anatomische  Institut  2200  M.,  In¬ 
standsetzung  der  Sammlung  des  Pathologischen  Institutes  1600  M- 
bauliche  Veränderungen  an  der  Medizinischen  Klinik  115  000  M„  ein 
Röntgenapparat  für  die  Frauenklinik  4500  M.;  Neubau  der  Psychiatri¬ 
schen  Aufnahmestation  und  Poliklinik  150  000  M.,  Instrumente  unu 
Apparate  für  die  Poliklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Haiskrankheitei 
3000  M.  Bonn:  Apparate  und  Modelle  für  das  Anatomische  Institu 
5000  M„  bauliche  Herstellungen  im  Pathologischen  Institut  15  000  M. 
für  die  Medizinische  Klinik  bauliche  Instandsetzungen  und  Verbesse¬ 
rungen  im  Laboratorium  7000  M.,  Instrumente  und  Apparate  ein 
schliesslich  eines  Elektrokardiographen  5000  M.;  Instrumente  um 
Apparate  für  die  Frauenklinik  5000  M.  Chariteekranken 
haus  Berlin:  Verstärkung  des  Instrumentenfonds  10  000  M.,  zui 
Erforschung  der  Krebskrankheit  40  000  M„  Neubau  der  1.  und  II.  Medi 
zinischen  Klinik  und  der  gemeinsamen  Poliklinik  (7.  Rate)  490  000  M. 
für  Apparate  und  Instrumente  der  1.  Medizinischen  Klinik  70  000  M. 
der  Hals-  und  Nasenklinik  8000  M.,  Umbau  und  innere  Einrichtung 
dieser  Klinik  115  000  M.  Einmalige  Zuschüsse  zur  Beschaffung  voi 
Instrumenten  und  Apparaten  für  medizinische  Universitätsinstituü 
40  000  M„  Zuschüsse  für  die  Untersuchungen  mit  Röntgenstrahlci 
10  000  M.  M.  K. 


•“)  Die  Zahlen  sind  abgerundet  wiedergegeben. 


Januar  l$l3. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Therapeutische  Notizen. 

Den  Peritonealschutz  bei  unreinen  Operationen  sucht 
0.  Hoehne-Kiel  durch  die  anteoperative  Reizbehand¬ 
lung  des  Peritoneums  zu  erreichen  (Ther,  Monatsh.  1912,  11). 
Zu  dieser  Behandlung  eignen  sich  alle  Mittel,  welche  eine  Hemmung 
der  Bakterienresorption  und  eine  Vernichtung  der  im  Bauchraume 
enthaltenen  Keime  herbeiführen.  H.  bevorzugt  dafür  das  1  proz. 
Kampferöl,  das  in  einer  Menge  von  30  ccm  einige  Tage  vor  der 
Operation  in  die  Bauchhöhle  eingespritzt  wird.  Unter  234  in  dieser 
Weise  behandelten  Fallen  (darunter  113  Uteruskarzinomoperationen) 
ereigneten  sich  nur  2  Todesfälle  an  fibrinös-eitriger  Peritonitis 
(neben  18  Todesfällen  aus  anderen  Ursachen). 

Die  Wirkung  des  bei  schon  bestehender  Peritonitis  injizierten 
Kampferöles  möchte  H.  mit  der  Erzeugung  frischer  bakterizider  Kräfte 
erklären.  j^r 

Die  subkutane  Einverleibung  der  Kalzi  ujn  salze 
war  bis  jetzt  wegen  der  stürmischen  Abszess-  und  Nekrosenbildung 
an  der  Injektionsstelle  nicht  möglich.  Albert  Müller  und  Paul 
S  a  x  1  -  Wien  haben  darum  eine  Chlorkalziumgelatine  her¬ 
gestellt,  indem  sie  auf  Grund  eines  Tappeiner  sehen  Versuches  an- 
nahmen,  dass  die  Gelatine  eine  Schutzwirkung  auf  die  starke  Reiz¬ 
wirkung  des  CaCL  ausüben  würde.  Vor  der  Injektion  muss  die 
Chlorkalziumgelatine  10  Minuten  lang  in  siedendem  Wasser  erwärmt 
werden.  Von  der  5  proz.  CaCb-Gelatine  werden  5—7  ccm  in  die 
Glutäalgegend  injiziert.  Die  Injektionen  werden  immer  ohne  Schaden 
vertragen. 

Diese  Chlorkalziumgelatine  wurde  angewendet  bei  hämor¬ 
rhagischer  Diathese,  bei  Blutungen  aus  inneren  Organen,  bei  re¬ 
zidivierender  exsudativer  Pleuritis,  bei  Basedowscher  Krank¬ 
heit  und  bei  Asthma  bronchiale.  Die  Erfolge  waren,  zumal  bei  den 
inneren  Blutungen,  recht  befriedigende.  (Ther.  Monatsh.  12.  11) 

Kr. 

Ueber  die  Erfahrungen  an  der  Witze  Ischen  Klinik  mit  der 
Gastroenterostomie  berichtet  Peter  Janssen  -  Düsseldorf 
(Ther.  Monatsh.  12,  10).  Von  etwa  100  Fällen  wurden  die  Erfahrungen 
in  88  Fällen  bekannt. 

34  Gastroenterostomien  wurden  bei  Karzinom  vorgenommen. 
Von  30  Kranken,  über  die  Spätresultate  zu  erhalten  waren,  sind  18 
gestorben;  die  durchschnittliche  postoperative  Lebensdauer  derselben 
betrug  12,2  Monate.  Zählt  man  dazu  die  durchschnittliche  Lebens¬ 
dauer  der  12  noch  Lebenden,  so  ergeben  sich  16,4  Monate.  Die 
längste  seit  der  Operation  verflossene  Zeit  sind  47  Monate. 

Diese  gegenüber  anderen  Statistiken  ausserordentlich  günstigen 
Resultate  der  Gastroenterostomie  erklärt  J.  aus  der  Erweiterung  der 
Indikationsgrenzen:  reseziert  sollen  nur  diejenigen  Tumoren  werden, 
welche  keinerlei  Metastasen  oder  nur  ganz  kleine,  sicher  zu  ent- 
ternende  Drüsenmetastasen  zeigen. 

Auf  54  wegen  gutartiger  Magenerkrankungen  vorgenommene 
Uastroenterostomien  kommen  6  Todesfälle.  Das  Fernresultat  der 
Gastroenterostomie  wurde  in  27  wegen  Ulcus  und  Narbe  operierten 
Fallen  ermittelt:  23  mal  war  das  Befinden  vorzüglich,  3  mal  mässig 
gut,  1  mal  nicht  gebessert.  Bei  Ptose  wurde  8 mal  operiert:  in  3  von 
7  nachuntersuchten  Fällen  war  das  Befinden  sehr  gut,  in  3  gebessert 
in  1  ungebessert. 

Witzei  fügt  der  Gastroenterostomie  immer  eine  Gastrostomie 
hinzu  und  führt  den  Schlauch  durch  die  Anastomose  in  den  abführen¬ 
den  Darmteil  ein.  Der  Schlauch  bleibt  10  Tage  lang  liegen.  Kr. 

{•  Voss- Leopoldshöhe  berichtet  in  No.  47  der  Med.  Klinik 
(J912)>  dass  er  einen  Fall  von  Schweinerotlauf  des 
Menschen  mit  Rotlaufserum  erfolgreich  behandelt  hat. 
Nach  Günther  wurden  pro  10  Pfund  Gewicht  je  2  ccm  Rotlauf¬ 
serum  injiziert.  Tags  darauf  waren  Schmerzen  und  Schwellung  ver¬ 
schwunden.  Die  weitere  Ausbreitung  hörte  auf.  Gr. 

An  Hand  einer  Reihe  von  Krankengeschichten  tut  Kyaw- 
Dresdeii  dar,  dass  mittels  starker  Hitze  akute  und  chro¬ 
nische  Gonorrhöe  und  Prostatitis  in  kurzer  Zeit 
endgültig  geheilt  werden  kann,  dass  eine  Urethritis  rasch 
heilt  und  harte  Infiltrate  weich  werden,  Abszesse  der  Urethra  I 
und  Prostata  in  die  Harnröhre  zum  Durchbruche  kommen. 

1  ie  Hitze  kommt  zur  Anwendung  als  Thermopenetration,  in- 
dern  man  als  einen  Pol  eine  Sonde  in  die  Urethra  ein- 
führt,  deren  Kaliber  dem  des  Meatus  urethrae  entspricht.  Als  der 
andere  Pol  ist  eine  Elektrode  an  der  Aussenfläche  des  Penis  an¬ 
zulegen.  Bei  Prostatitis  wird  eine  Mastdarmbirnenelektrode  ein- 
gefiihrt.  Die  Methoden  sind  schmerzlos,  erfordern  aber  ausser  den 
Apparaten,  die  hohe  Anschaffungskosten  machen,  wegen  der  Ver¬ 
brennungsgefahr  die  Aufmerksamkeit  des  Arztes.  Eine  andere  Me¬ 
thode  der  Hitzeerzeugung  in  den  erkrankten  Geweben  ist  die,  dass 
man  durch  einen  geschlossenen  Katheter  stundenlang  50—52°  heisses 
Wasser  fhessen  lässt.  Sie  ist  gefahrlos  und  ermöglicht  eine  Selbst¬ 
behandlung.  (Med.  Klinik  1912,  No.  45.)  Gr. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Per  heutigen  Nummer  liegt  das  316.  Blatt  der  Galerie  bei:  Marion 
bims.  Vergl.  den  Artikel  auf  Seite  139  dieser  Nummer. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  20.  Januar  1913. 

.  Das  Zustandekommen  des  Tarifvertrags  mit  dem 
Reichsposta  in  t  bedeutet  einen  schönen  Erfolg  für  den  Leipziger 
Veiband.  Freie  Arztwahl  bei  den  Postkrankenkassen,  an  der  alle 
deutschen  Aerzte  (mit  Ausnahme  der  bayerischen,  die  hoffentlich 
bald  nachfolgen  werden)  teilhaben  und  unter  sehr  annehmbaren  Be¬ 
dingungen,  das  ist  um  so  erfreulicher,  als  dieser  Vertragsabschluss 
mit  einei  Reichsbehörde  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Neugestaltung 
auch  anderer  Verträge  anlässlich  der  Einführung  der  R.V.O.  bleiben 
kann.  Näheres  auf  Seite  165  dieser  Nummer. 

Einen  Missersolg  hat  dagegen  die  Aktion  der  englischen  Aerzte 
Siegen  das  nationale  Versicherungsgesetz  erlitten.  In 
einer  Rede  im  Advisory  Committee  of  the  Insurance  Commissioners 
teilte  dei  Minister  Lloyd  George  mit  unverhohlener  Genugtuung  mit, 
dass  die  Regierung  zurzeit  über  8000  und  bald  über  10000  Aerzte,  die 
sich  bereit  erklärt  hätten,  unter  dem  Gesetz  zu  arbeiten,  verfüge, 
d.  i.  die  Zahl,  die  die  British,  med.  Association  zur  Durchführung 
des  Gesetzes  für  notwendig  erklärt  habe.  Nach  dem  bisherigen  zu¬ 
versichtlichen  Ton  der  englischen  Fachpresse  ist  dieser  Misserfolg 
überraschend;  er  wird  aber  doch  begreiflich,  wenn  man  bedenkt, 
dass  die  englischen  Aerzte  den  Kampf  ohne  jede  finanzielle  Vorbe¬ 
reitung  geführt  haben.  Zum  Kriegführen  gehört  aber  Geld,  auch  für 
ärztliche  Kämpfe,  wo  es  sich  darum  handelt,  bedrohte  Existenzen 
eine  Zeitlang  über  Wasser  zu  halten.  Wir  hoffen  über  den  Stand  der 
Dinge  in  England  in  Bälde  ausführlicher  berichten  zu  können. 

Durch  Erlass  des  bayer.  Ministeriums  des  Innern  vom 
21.  Dezember  1912  wurde  bestimmt,  dass  die  Gebühren  für 
mikroskopische  Untersuchungen  auf  Tuberkel¬ 
bazillen  von  2  M.  auf  50  Pfg.  für  jede  Untersuchung  ermässigt 
werden  wenn  die  Untersuchung  für  eine  an  den  Landesverband  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Bayern  angeschlossene  Fürsorge¬ 
stelle  für  Tuberkulose  ausgeführt  wird. 

—  Der  Regierungspräsident  von  Düsseldorf  hat  die  Städte¬ 
krankenkassen  und  Kassenärzte  seines  Bezirkes  aufgefordert,  An¬ 
gaben  dariibei  zu  machen,  auf  welche  Ursachen  die  Steigerung 
der  Fehlgeburten  zurückzuführen  ist  und  welche  Vorschläge 
zur  etwaigen  Minderung  gemacht  werden  können.  Die  Angaben  sollen 
sich  auf  jedes  der  Kalenderjahre  von  1906  bis  einschliesslich  1912  er¬ 
strecken. 

—  In  Berlin  hat  am  16.  ds.  eine  Delegiertenversammlung  des 
Zentralverbandes  der  Kasse  n.ärzte  von  Berlin 
stattgefunden,  in  der  neue  Grundsätze  für  kassenärztliche  Verträge 
beschlossen  wurden.  Wir  kommen  darauf  zurück. 

—  Der  Nestor  der  Berliner  Aerzteschaft,  Geh.-Rat  Friedrich 
Körte,  feierte  seinen  95.  Geburtstag  unter  lebhafter  Anteilnahme 
aller  Kreise  der  Berliner  Bevölkerung. 

—  Dem  Frauenarzt,  Sanitätsrat  Dr.  Theodor  Landau  in  Berlin 
und  dem  Spezialarzt  für  Krankheiten  der  Harnorgane  Sanitätsrat 
Dr.  Hans  W  o  s  s  i  d  1  o  in  Schöneberg,  ferner  den  praktischen  Aerzten 
Dr.  Nikolaus  Gierlich  in  Wiesbaden  und  Dr.  Otto  Kalischer 
in  Berlin  ist  vom  Kultusminister  der  Professortitel  verliehen 
worden,  (hk.) 

—  Dem  Oberarzt  der  inneren  Abteilung  des  Herzoglichen 
Krankenhauses  zu  Braunschweig  Dr.  Adolf  Bingel  ist  der  Pro¬ 
fessortitel  verliehen  worden,  (hk.) 

—  Unter  dem  Namen  „Vereinigung  wissenschaft¬ 
licher  Hilfsarbeiterinnen“  ist  ein  Zusammenschluss  der  an 
Laboratorien  und  medizinischen  Instituten  tätigen  Frauen  erfolgt,  mit 
dem  Zweck,  die  Ausbildung  der  genannten  Hilfskräfte  zu  verbessern 
und  dadurch  den  Beruf  sozial  und  wirtschaftlich  zu  heben.  Auch 
eine  Stellenvermittlung  wurde  eingerichtet;  Anfragen  wegen  Stellen¬ 
vermittlung  sind  zu  richten  an  Frau  Beck-Valentin,  wissenschaft¬ 
liche  Zeichnerin,  Berlin  W.,  Schöneberger-Ufer  4L  Ueber  alle  Vereins¬ 
angelegenheiten  gibt  die  Vorsitzende,  Frl.  Elise  W  o  1  f  f,  Wilmers¬ 
dorf-Berlin  Nassauischestr.  54/55  oder  Frl.  Ida  Piorkowski, 
Berlin  W'.,  Uhlandstr.  42,  Auskunft. 

—  Am  Sonntag,  den  12.  Januar  hat  im  Landesnause  zu  Düssel¬ 
dorf  die  Gründungsversammlung  der  Rheinisch- 
Westfälischen  Gesellschaft  für  Versicherungs¬ 
medizin  stattgefunden.  Unter  dem  unmittelbaren  Eindruck  des 
glänzenden  Erfolges  des  internationalen  Kongresses  für  Unfall¬ 
medizin  in  Düsseldorf  hatten  sich  eine  Anzahl  von  Aerzten  unter 
Führung  des  Sanitätsrats  Dr.  L  e  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg  vereinigt,  um 
der  Versicherungsmedizin  durch  Gründung  einer  Gesellschaft  eine 
dauernde  Stätte  zweckmässiger  Förderung  zu  sichern.  Der  von 
diesem  Kreise  ausgegangenen  Einladung  waren  gegen  100  Aerzte  aus 
allen  Teilen  Rheinlands  und  Westfalens  gefolgt.  Der  vorgelegte 
Satzungsentwurf  wurde  genehmigt  und  damit  die  Gründung  der 
Gesellschaft  vollzogen.  Vorsitzender  ist  Rumpf-  Bonn,  Stell¬ 
vertreter  L  i  n  i  g  e  r  -  Düsseldorf,  Schriftführer  G  a  s  t  e  r  s  -  Mülheim 
a.  d.  Ruhr,  Kassenführer  Blum-  München-Gladbach,  die  mit 
7  weiteren  aus  verschiedenen  Bezirken  gewählten  Aerzten  den  Vor¬ 
stand  bilden.  Gemäss  §  1  ihrer  Satzungen  hat  die  Rheinisch-West¬ 
fälische  Gesellschaft  für  Versicherungsmedizin  den  Zweck,  ihre  Mit¬ 
glieder  zu  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  gesamten  wissenschaft¬ 
lichen  Versicherungsmedizin  anzuregen,  die  gesammelten  Erfahrungen 
auszutauschen  und  auf  diese  Weise  möglichst  einheitliche,  wissen¬ 
schaftlich  begründete  Anschauungen  zu  gewinnen.  Dieses  Ziel  soll 


16S 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3. 


erreicht  werden  durch  Vorträge  und  Diskussionen,  Vorstellungen  von 
Patienten,  Demonstrationen  von  Präparaten  usw.  Mitglieder  können 
nur  Aerzte  werden. 

—  Die  XV.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Gynäkologie  findet  vom  14. — 17.  Mai  1913  in  Halle  a.  S. 
statt.  Das  für  die  Verhandlungen  bestimmte  Thema  lautet:  „Die 
Beziehungen  der  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Nieren  sowie 
der  Störungen  der  inneren  Sekretion  zur  Schwangerschaft“. 
Referenten  sind  die  Herren  Fromme,  Zangemeister,  Seitz. 
Anmeldungen  von  Vorträgen  werden  bis  spätestens  den  20.  April  1913 
an  den  I.  Vorsitzenden  (Geh.  Rat  Veit)  erbeten. 

—  Die  diesjährige  Tagung  der  Deutschen  Pathologi¬ 
schen  Gesellschaft  findet  am  31.  März  und  1.  und  2.  April  in 
Marburg  a.  L.  statt.  Zur  Verhandlung  steht  als  Referatthema:  Ueber 
Herkunft  und  das  weitere  Schicksal  der  Lymphozyten  bei  entzünd¬ 
lichen  Prozessen.  Vortragsanmeldungen  sind  bis  zum  1.  März  an 
den  Vorsitzenden,  Herrn  Prof.  E.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Hamburg,  Alster¬ 
glacis  12,  zu  richten. 

—  Mit  dem  diesjährigen  Chirurgenkongress  wird 
wiederum  eine  Ausstellung  verbunden  sein,  die  im  Oberlichtsaal  der 
Philharmonie,  Berlin,  Bernburgerstr.  22 — 23,  wo  auch  die  Sitzungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  abgehalten  werden,  statt¬ 
findet.  Anmeldungen  zur  Ausstellung  nimmt  der  Schriftführer  der 
Gesellschaft  für  Chirurgiemechanik,  Direktor  Alfred  Hirschmann, 
Berlin  N.  24,  Ziegelstr.  30  entgegen. 

—  Aus  Anlass  des  17.  Internationalen  Medizinischen 
Kongresses  findet  vom  5. — 12.  August  1913  in  den  Räumen  der 
Londoner  Universität  (Imperial  Institute)  eine  „Medi¬ 
zinische  Fachausstellung“  statt.  Einzelheiten  sind  an  der 
Geschäftsstelle  der  Ständigen  Ausstellungskommission  (Berlin  NW.  40, 
Roonstrasse  1)  zu  erfahren. 

—  Prof.  Dr.  Franz  Hamburgers  vielbeachtete  Monographie : 
„Pathologie  und  Diagnostik  der  Tuberkulose  im  Kindesafter“  ist  nach 
kurzer  Frist  unter  dem  weitergefassten  Titel  „Die  Tuberkulose  des 
Kindesalters“  in  zweiter  Auflage  erschienen.  Kapitel  über 
Prognose,  Prophylaxe  und  Therapie  sind  neu  hinzugekommen. 
(Verlag  von  Franz  Deuticke  in  Wien,  Preis  6  M.) 

—  Vom  Versicherungsgesetz  für  Angestellte  ist 
eine  vollständige  Textausgabe  mit  Erläuterungen  und  Sachregister, 
bearbeitet  von  F.  Schmelzer,  Generaldirektor  des  Deutschen 
Privatbeamtenvereins,  in  Hermann  Hillgers  Verlag,  Berlin,  er¬ 
schienen.  Preis  50  Pfg.  Das  Heft  bildet  den  159.  Band  der  Samm¬ 
lung  „Bücher  des  Wissens“. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  den  amtlichen  Ausweisen  No.  6 
und  No.  7  sind  in  Konstantinopel  vom  17.  bis  23.  und  vom  24.  bis 
30.  Dezember  276  +  158  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  und 
141  +  74  gestorben.  Die  Gesamtzahl  der  Choleraerkrankungen  (und 
-Todesfälle)  in  Konstantinopel  vom  5.  November  bis  30.  Dezember 
wird  amtlich  auf  2342  (1146)  beziffert.  In  Haiffa  ist  am  21.  De¬ 
zember  v.  J.  1  tödlich  verlaufener  Cholerafall  festgestellt  worden; 
es  soll  eine  Ansteckung  durch  Cholerakranke  aus  Tiberias  vor¬ 
liegen.  —  Niederländisch  Indien.  Zufolge  Mitteilung  vom  4.  De¬ 
zember  v.  J.  sind  auf  Java  folgende  Cholerafälle  festgestellt  worden: 
In  Batavia  vom  3.  September  bis  13.  November  438  Erkrankungen 
(und  354  Todesfälle),  in  Samarang  vom  20.  September  bis  7.  No¬ 
vember  336  (298),  in  Pasoeroean  vom  6.  bis  26.  September  9  (6),  in 
Soerabaja  vom  12.  September  bis  8.  November  5  (3)  und  in  Tegal 
am  2.  Oktober  1  (1),  ferner  auf  den  Aussenbesitzungen  von  Anfang 
September  bis  Anfang  November  in  7  Ortschaften  insgesamt  37  (29). 
Die  Stadt  Batavia  gilt  seit  dem  30.  November  amtlich  nicht  mehr 
als  verseucht. 

—  Pest.  Russland.  In  dem  12  Werft  von  Merw  (Trans- 
kapisches  Gebiet)  gelegenen  Dorfe  Tschuiruk  sind  vom  9.  bis  21.  De¬ 
zember  v.  J.  29  tödlich  verlaufene  Fälle  von  Lungenpest  aufgetreten; 
die  Seuche  ist  durch  einen  Schmuggler  aus  Persien  eingeschleppt 
worden.  Von  den  in  der  Meierei  Popowski  im  2.  Donkreis  bis  zum 
21.  Dezember  an  Beulenpest  erkrankten  20  Personen  waren  bis  zum 
27.  Dezember  12  gestorben.  Laut  einer  am  24.  Dezember  veröffent¬ 
lichten  Bekanntmachung  sind  der  Kreis  Merw  und  die  Meierei 
Popowski  für  pestverseucht,  das  Chanat  Buchara  und  das  Samar¬ 
kandgebiet  sowie  das  Gebiet  des  Donischen  Heeres  für  pestbedroht 
erklärt  worden.  —  Aegypten.  Vom  21.  bis  27.  Dezember  v.  J.  er¬ 
krankten  4  (und  starben  2)  Personen.  Zufolge  Mitteilung  in  dem 
amtlichen  Bulletin  quarantenaire  No.  1  sind  vom  1.  Januar  bis  31.  De¬ 
zember  1912  in  Aegypten  884  Personen  an  der  Pest  erkrankt  und  441 
(im  Vorjahr  1041)  daran  gestorben,  während  436  geheilt  sind.  — 
Niederländisch  Indien.  Vom  4.  bis  17.  Dezember  v.  J.  wurden  auf 
Java  gemeldet:  Aus  dem  Bezirke  Malang  171  Erkrankungen  (und 
172  Todesfälle),  aus  Kediri  72  (51),  aus  Paree  41  (39),  aus  Soera¬ 
baja  8  (6),  aus  Toeloengagoeng  5  (4)  und  aus  Madioen  11  Todesfälle. 
Für  die  Zeit  vom  20.  November  bis  3.  Dezember  sind  nachträglich 
2  Fälle  aus  Paree  und  1  aus  Toeloengagoeng  mitgeteilt  worden.  Zu¬ 
folge  anderweitiger  Mitteilung  wurden  vom  15.  September  bis  31.  De- 
vember  v.  J.  in  Malang  insgesamt  388  Erkrankungen  (und  374  Todes¬ 
fälle),  in  Kediri  195  (189),  in  Madioen  29  (29)  und  vom  29.  September 
bis  16.  November  in  der  Stadt  Soerabaja  19  (19)  festgestellt.  An¬ 
geblich  wurden  nur  Eingeborene  und  Chinesen,  einstweilen  aber 
keine  Europäer  von  der  Seuche  ergriffen.  —  Philippinen.  In  Manila 
wurden  vom  21.  bis  30.  November  v.  J.  5  neue  Pestfälle,  von  welchen 


4  tödlich  verlaufen  sind,  gemeldet.  —  Brasilien,  ln  Pernambuco  im 
Oktober  v.  J.  2  Todesfälle. 

—  In  der  1.  Jahreswoche,  vom  29.  Dezember  1912  bis  4.  Januar 
1913,  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Thorn  mit  26,3,  die  geringste  Berlfn-Steglitz  mit 
5,3  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Berlin-Lichterfelde,  Bottrop, 
Graudenz,  an  Masern  und  Röteln  in  Flensburg,  Hagen,  Oberhausen, 
an  Diphtherie  und  Krupp  in  Koblenz,  Mülheim  a.  Rh.,  Ulm,  Wanne, 
an  Keuchhusten  in  Landsberg  a.  W.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Kiel.  Privatdozent  Dr.  B  o  e  h  m  e,  erster  Assistent  an  der 
medizinischen  Klinik,  folgte  einem  Rufe  des  deutschen  Roten  Kreuzes 
als  Leiter  eines  Lazaretts  zur  Bekämpfung  von  Infektionskrankheiten 
in  Nisch. 

Leipzig.  Geheimrat  Prof.  Dr.  Franz  Hof  mann,  Direktor 
des  Hygienischen  Institutes  der  Leipziger  Universität  und  Mitglied 
des  Reichsgesundheitsamtes,  tritt  am  1.  Oktober  1913  nach  40  jähriger 
Lehrtätigkeit  in  den  Ruhestand.  j 

Marburg.  Prof.  Dr.  Martin  Benno  Schmidt,  ordentlicher 
Professor  der  pathologischen  Anatomie  und  Direktor  des  patho¬ 
logischen  Institutes  der  Universität  Marburg,  hat  den  an  ihn  er¬ 
gangenen  Ruf  als  Nachfolger  von  Prof.  Dr.  R.  Kretz  in  Würzburg 
in  die  gleiche  Stellung  angenommen. 

Kopenhagen.  Prof.  Thorkild  Rovsing  wurde  zum  De¬ 
kanus  der  medizinischen  Fakultät  für  das  Jahr  1913  ernannt.  Habi¬ 
litation:  Dr.  med.  Karl  Permin,  Habilitationsschrift:  Tetanus- 
studien). 

(Todesfälle.) 

Am  23.  Dezember  verschied  in  Ospedaletti  der  bekannte  Heidel¬ 
berger  Anthropologe  O.  Schoetensack.  Sein  Name  ist  in 
weiteren,  besonders  auch  medizinischen  Kreisen  durch  die  Ent¬ 
deckung  des  ältesten  bisher  bekannten  menschlichen  Fossils,  des 
Unterkiefers  aus  den  Sanden  von  Mauer  bei  Heidelberg  bekannt 
geworden.  Sch.  taufte  dieses  ganz  ausserordentlich  alte  (zirka 
1  Million  Jahre)  und  äusserst  primitive  Skelettstück  bzw.  das 
menschenähnliche  Wesen,  dem  es  angehört  hat,  mit  dem  Namen 
„Homo  Heidelbergensi  s“.  Die  mustergültige  Beschreibung 
dieses,  seinem  Alter  und  seiner  Bedeutung  nach  bisher  einzigen 
Fundes  (Leipzig  1908)  hat  seinerzeit  berechtigtes  Aufsehen  in  der 
ganzen  wissenschaftlichen  Welt  erregt. 

Sch.  war  ursprünglich  Chemiker,  widmete  sich  dann  aber  ganz 
seinem  Lieblingsgebiete,  der  Anthropologie,  lange  Zeit  hindurch  nur 
als  Privatgelehrter.  Erst  im  reifen  Mannesalter  habilitierte  sich 
der  1850  geborene  Forscher  in  Heidelberg  (1904),  wo  er  bald  darauf 
zum  ausserordentlichen  Professor  für  Anthropologie  ernannt  wurde. 

S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

In  Bonn  starb  der  Pharmakologe,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Karl 
Binz,  81  Jahre  alt.  Wir  brachten  eine  Würdigung  seiner  Persön¬ 
lichkeit  anlässlich  seines  Rücktritts  vom  Lehramte  in  No.  14,  1908 
dieser  Wochenschrift. 

In  Greifswald  ist  am  16.  ds.  Mts.  der  Privatdozent  für  Chirurgie 
und  Assistenzarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  der  Universität  Kiel 
Prof.  Dr.  Hans  Noesske  im  Alter  von  41  Jahren  gestorben,  (hk.) 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  1.  Jahreswoche  vom  29.  Dez.  1912  bis  4.  Jan.  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs 
fehler  15  (13 1),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  6  (8),  Kindbettfieber  —  (1) 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  —  (—) 
Masern  u.  Röteln  1  (6),  Diphtherie  u.  Krupp  2  (— ),  Keuchhusten  3  (2) 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  1  (—),  akut.  Gelenkrheumatismus  2  (1) 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut 
Trichinenkrankh.  —  (— )»  Rose  (Erysipel)  —  (1),  Starrkrampf  —  (-) 
Blutvergiftung  1  (2),  Tuberkul.  der  Lungen  27  (28),  Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  4  (3),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  2  (2),  Lungen 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  19(11),  Influenza  2  (1),  veneri 
sehe  Krankh.  2  ( — ),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel 
fieber  usw.  — (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (1),  Alkohohs 
mus  2  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  6  (8),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  4  (2),  organ.  Herzleiden  20  (13),  Herzschlag,  Herz 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  2  (7),  Arterienverkalkun; 
3  (12),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  4  (2),  Gehirnschlag  11  (2; 
Geisteskrankh.— (— ),  Krämpfe  d.  Kinder  1  (11),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven 
Systems  10  (4),  Atrophie  der  Kinder  3  (3),  Brechdurchfall  —  (— ),  Magen 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  8  (10),  Blinddarm 
entzünd.  1  (2),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u 
Milz  4  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (6),  Nierenentzünd.  2  (2 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (1),  Krebs  20  (13),  sons 
Neubildungen  3  (5),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.  de 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  2  (1),  Mord,  Totschlag,  auc 
Hinricht.  — (1),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  2  (2 
and.  benannte  Todesursachen  3  (4),  Todesursache  nicht  (genau)  an 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  ( — )• 
Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  207  (195). 

4)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
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Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


No.  4.  28.  Januar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  med.  Abteilung  des  Altonaer  Stadt-Krankenhauses. 

Das  spasmogene  Ulcus  pepticum. 

Von  Prof.  Q.  v.  Bergmann. 

Aus  dem  Wunsche,  die  ganz  erhebliche  Wissensmehrung, 
die  durch  die  Erforschung  des  vegetativen  Nervensystems 
seitens  der  experimentellen  Physiologie,  Pharmakologie  und 
Pathologie  gewonnen  ist,  auf  die  Klinik  zu  übertragen,  ent¬ 
stand  die  Lehre  von  der  „Vagotonie“.  Jene  Prägung  von 
Eppinger  und  Hess  [l],  die  schnell  sich  eingebürgert  hat. 

Neben  den  am  Krankenbett  unmittelbar  zu  erhebenden 
Symptomen  einer  gesteigerten  Erregbarkeit,  besser  einer 
leichteren  Ansprechbarkeit  des  Vagus,  waren  die  mittelbaren 
durch  Pharmaka  auszulösenden  Symptome  dafür  massgebend, 
diese  grosse  Konstitutionsgruppe  aufzustellen. 

Grundlegend  schien  auch  hier  der  strenge  Antagonismus 
zwischen  Sympathikus  und  erweitertem  Vagussystem  (Hans 
Horst  Meyer  [2]  und  L.  R.  Müller  [3]).  „Befunde,  dass 
Menschen  mit  den  von  uns  angewandten  Dosen  sowohl  auf 
Atropin  und  Pilokarpin  als  auch  auf  Adrenalin  starke  Reaktion 
gezeigt  hätten,  fehlen  uns  vollkommen“.  Eppinger  und 
Hess  selbst  haben  in  ihren  Publikationen  das  apodiktische 
dieses  ihres  Satzes  nicht  aufrecht  erhalten.  Nachprüfungen 
haben  Petren  und  T  h  o  r  1  i  n  g  [4],  ebenso  Bauer  [5] 
(Innsbruck)  und  andere  gelehrt,  dass  die  Dinge  nicht  so  ein¬ 
fach  dem  Schema  sich  einfügen.  Auch  ich  konnte  auf  dem 
Hamburger  Neurologentag  [2]  auf  Grund  unserer  Erfahrungen 
an  einem  grossen  Material  aussagen,  dass  im  Gegenteil  weit 
häufiger  Individuen  gefunden  werden,  die  abnorme  Reaktionen 
im  Vagus  wie  im  Sympathikusgebiet  aufweisen,  so  etwa,  dass 
viele  Zeichen  erhöhter  Vagusansprechbarkeit  mit  wenigen  aus 
dem  Sympathikusgebiet  sich  kombinieren  oder,  gerade  um¬ 
gekehrt,  Sympathikuszeichen  überwiegen.  Zwischen  diesen 
Formen  alle  nur  denkbaren  Modifikationen  und  Uebergänge. 
Ja  wir  fanden,  dass  Individuen,  die  nur  in 
einem  Gebiet  Stigmata  boten,  streng  ge¬ 
nommen,  kaum  Vorkommen.  Eppinger  und 
Hess  selbst  schildern  z.  B.  ihren  Vagotoniker  mit  weiter 
Pupille,  dem  Zeichen  eines  Ueberwiegens  des  Sympathikus- 
tonus.  Auch  den  Begriff  der  „Tonie“  sollte  man,  wie  ich 
meine,  fallen  lassen,  da  es  nicht  leicht  ist,  die  vermehrte 
Reaktion,  die  sowohl  durch  den  Reizer  wie  den  Lähmer  des¬ 
selben  Gebietes  hervorgebracht  wird,  mit  diesem  Worte  in 
Einklang  zu  bringen.  Mag  der  strenge  Antagonismus  zwischen 
dem  „erweiterten  Vagussystem“  (das  übrigens  nach  Lang- 
ley  gar  kein  einheitliches  System  ist)  und  dem  Sympathikus, 
den  schon  die  Pharmakologie  anscheinend  etwas  zu  schema¬ 
tisch  formuliert  hat,  für  die  Klinik  sich  nicht  durchführbar  er¬ 
weisen,  der  geniale  Versuch  von  Eppinger  und  Hess 
bedeutet  uns  denn  doch  einen  fundamentalen  Fortschritt. 

Wir  werden  auseinanderzusetzen  haben 1),  wie  die  Klinik 
sich  zunächst  darauf  beschränken  sollte,  die  „Stigmata“  des 
vegetativen  Nervensystems  bei  jedem  Kranken  zu  erheben, 
sie  dann  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Zugehörigkeit  zu  Vagus 
und  Sympathikus  soweit  möglich  zu  ordnen  und  so  für  jeden 
Kranken  eine  gewisse  Vorstellung  des  Verhaltens  dieses 
Nervensystems  zu  gewinnen,  ganz  so  wie  wir  es  für  das 
Zentralnervensystem .  und  die  ihm  zugehörigen  motorischen 
und  sensiblen  Bahnen  im  Status  zu  tun  gewohnt  sind.  Ohne 
weiteres  ergibt  sich  uns  eine  grosse  Gruppe  von  „Nervösen“, 


)  »Der  Status  des  vegetativen  Nervensystems“  von  v.  B  e  r  g  - 
IT,ann,  Katsch,  Westphal  erscheint  in  dieser  Wochenschrift. 

No.  4. 


bei  denen  wir  „Asthenie  im  vegetativen  System“  diagnosti¬ 
zieren  müssen,  häufiger  mit  Dominanz  „vagasthenischer“  als 
„sympathikasthenischer“  Symptome. 

Man  vergesse  aber  nicht,  dass  nicht  nur  die  Einheit  dieser 
Systeme  zum  Teil  schon  eine  Abstraktion  ist,  die  manchen 
Tatsachen  Gewalt  antut,  dass  vor  allem  noch  komplizierte 
Nervensysteme  der  Organe  vorhanden  sind.  Wie  wenig 
wüssten  wir  beispielsweise  von  der  Herzfunktion,  wenn  wir 
nur  die  extrakardialen  Herznerven  berücksichtigen  wollten; 
kaum  anders  steht  es  gerade  mit  dem  Intestinaltraktus  und 
seinen  Plexus  (Kraus  und  Friedenthal  [6]). 

Will  man  die  Klinik  nicht  für  allzu  lange  an  zum  Teil  noch 
hypothetische  Auffassungen  festlegen,  so  resigniere  man  sich 
zu  dem  schon  hier  skizzierten  Vorschläge,  nur  Symptome  zu 
verzeichnen.  Längst  ehe  eine  einheitliche  Auffassung  der 
Hysterie  sich  durchzuringen  beginnt  (Freud)  und  für  viele 
scheint  das  auch  heute  nicht  der  Fall,  lehrte  uns  C  h  a  r  c  o  t 
durch  die  „Stigmata  der  Hysterie“  eine  präzise  Diagnostik. 
Halten  wir  uns  auch  für  das  vom  Willen  und  der  subjektiven 
Wahrnehmung  relativ  freie  Nervensystem  an  die  objektive 
Feststellung  der  Stigmata.  Suchen  wir  neue,  einleuchtende 
zu  gewinnen,  da  liegt  ein  grosses  zu  bebauendes  Feld,  dann 
wird  zugleich  mit  diesem  Ausbau  ein  tieferes  Verständnis  für 
Konstitution  und  Krankheitsdisposition  möglich  werden. 

Wie  ich  das  meine,  zeige  die  folgende  Behandlung  des 
Problems  der  Genese  des  Ulcus  ventriculi  und  duodeni. 

Sehen  wir  unsere  unter  diesem  Gesichtspunkte  aufgenom¬ 
menen  Krankengeschichten  durch,  so  finden  wir  bei  Ulcus 
ventriculi  und  duodeni  mit  frappanter  Häufigkeit  die  Zeichen 
abnormer  Reaktion  im  viszeralen  Nervensystem.  Die  einzigen 
Ausnahmen,  die  wir  unter  etwa  60  Fällen,  auf  Grund  deren 
diese  Behauptung  aufgestellt  wird,  finden,  betreffen  zwei  ältere 
Individuen,  die  jahrzehntelang  an  Ulcusbeschwerden  leiden. 
Schon  Eppinger  und  Hess  betonen,  dass  das  Syndrom 
der  Vagotonie  dem  jugendlichen  Alter  eigentümlich  sei.  Wir 
haben  Grund  zur  Annahme,  dass  die  Störungen  in  der  Har¬ 
monie  der  Antagonisten  mit  vorgerückten  Jahren  ver¬ 
schwinden.  Die  Individuen  sind  m.  E.  hinter  ihrer  Periode 
gestörter  Harmonien  im  viszeralen  System. 

Alle  übrigen  Untersuchten  boten  in  verschiedenem  In¬ 
tensitätsgrade  die  Zeichen  jener  Störung  im  oben  auseinander¬ 
gesetzten  Sinne. 

E.  und  H.  ist  die  häufige  Koinzidenz  von  Ulcus  ven¬ 
triculi  und  Vagotonie  aufgefallen.  Es  ist  ihnen  klar,  dass 
Magenneurosen  im  engsten  Zusammenhang  mit  dem  erreg¬ 
baren  oder  erregten  Vagus  stehen,  sowohl  die  Hyper¬ 
sekretion  wie  gewisse  spastische  Motilitätsstörungen  sind  ja 
als  Stigmata  zur  Vagusgruppe  gehörig  aufzufassen.  Sie  sagen 
aber  u.  a.:  „kommt  es  beispielsweise  bei  vagotonischen 
Individuen  zur  Entwicklung  eines  Ulcus  ventriculi, 
dessen  Entstehung  von  einer  nervösen  Kom¬ 
ponente  zunächst  nicht  abhängt2)  so  kann  man 
sich  vorstellen,  dass  der  lokale  Reiz,  der  von  dem  anatomi¬ 
schen  Krankheitsherd  ausgeht,  in  erster  Linie  in  die  Bahn  des 
leicht  erregbaren  Vagus  ausstrahlen  wird“.  Daher  nach  ihnen 
die  Hyperazidität,  der  erhöhte  Magentonus,  die  gesteigerte 
Peristaltik.  Auch  der  Schmerz  sei  beim  Vagotoniker,  der  ein 
Ulcus  akquiriert,  besonders  ausgeprägt.  Sie  betonen  weiter, 
dass  gerade  Ulcera  mit  geringen  oder  fehlenden  Beschwerden 
meist  auch  keine  Hyperazidität  und  keine  Zeichen  der  Vago¬ 
tonie  aufweisen.  Dieser  Widerspruch  mit  unseren  Angaben 
mag  zum  Teil  an  der  besprochenen  Einseitigkeit  liegen,  die  in 
der  Diagnose  der  „Vagotonie“  steckt.  Dass  auch  die  Aus- 

-)  Im  Original  nicht  gesperrt  gedruckt. 


1 


Müenchener  medizinische  Wochenschrift. 


\% 


No.  4. 


nahmen,  auf  die  wir  eben  bei  älteren  Leuten  hinwiesen,  mit¬ 
spielen,  glaube  ich  daraus  zu  ersehen,  dass  in  diesen  Fällen 
von  der  besonderen  Schwierigkeit  der  differentiellen  Diagnose 
gegen  das  Karzinom  gesprochen  wird.  Wie  dem  auch  sei,  die 
Genese  des  Ulcus,  die  ich  hier  zu  entwickeln  habe,  macht  sich 
nicht  anheischig,  der  einzige  Entstehungmodus  für  das  Ulcus 
ventriculi  und  duodeni  zu  sein.  Petren  und  T  h  o  r  1  i  n  g 
untersuchten  bei  Ulcus  das  vegetative  System  und  auch  sonst 
werden  sich  einzelne  Hinweise  in  der  Literatur  finden  lassen, 
die  zu  zitieren  ich  nicht  für  meine  Aufgabe  ansehe. 

Halten  wir  zunächst  an  dem  Satze  fest,  dass  in  erdrücken¬ 
der  Mehrzahl  der  Fälle  deutliche  Abweichungen  am  vege¬ 
tativen  Nervensystem  bei  unseren  Ulcus  ventriculi-  und 
duodeni-Kranken  von  uns  nachgewiesen  wurden. 

Unter  diesen  Symptomen  steht  das  Glanzauge  mit  mehr 
oder  weniger  deutlichem  Exophthalmus  in  seiner  Häufigkeit 
obenan;  etwa  zwei  Drittel  aller  unserer  Ulcuskranker  haben 
es.  Auch  bei  Individuen  ohne  dieses  charakteristische  Sym¬ 
pathikusauge  kommt  also  das  Ulcus  vor,  aber  wohl  stets  sind 
dann  andere  Stigmata  nachweisbar.  Es  steht  hier  wie  bei 
fast  jeder  klinischen  Diagnose:  nie  sind  alle  Symptome  vor¬ 
handen,  nie  sind  alle  gleich  stark  ausgeprägt  und  in  ihrer  Be¬ 
deutung  haben  sie  verschiedene  Wertigkeit. 

Nach  der  Häufigkeit  der  Erscheinungen  folgen  die  kalten, 
nassen  Hände  und  Fiisse,  das  Zittern,  vor  allem  aber  die  Nei¬ 
gung  zu  spastischer  Obstipation,  ihre  Vergesellschaftung  mit 
Hyperazidität  ist  geläufig.  Da  ich  sie  nicht  kausal  von  der 
vermehrten  Säure  bedingt  auffasse  in  Uebereinstimmung  mit 
Egbert  Koch  [7],  sondern  als  autonomes  Reizsymptom  (da¬ 
rüber  an  anderem  Ort),  ist  dieses  Zeichen  durchaus  wesent¬ 
lich;  es  findet  sich  ebenso  oft  bei  Ulcus  mit  normalen  Aziditäts¬ 
werten. 

Dermautographismus,  Blähhals  und  andere  vasomotorische 
Zeichen  sind  häufig  notiert,  endlich  pharmakologisch  meist 
ein  vermehrtes  Ansprechen  auf  die  Vagusreizer  wie  den 
Vaguslähmer  (Pilokarpin,  Physostigminatropinversuch),  aber 
auch  gleichzeitig  vermehrte  Adrenalinreaktion,  seltener 
diese  allein  verstärkt.  Schon  nach  K  cg  Pilokarpin  treten 
oft  lebhafte  Magenschmerzen,  „ein  krampfhaftes  Zusammen¬ 
schnüren“  des  Magens  auf,  das  etwas  abnormes  bei  dieser 
Dosis  ist.  Gerade  die  Magenzeichen  treten  bisweilen  so  vor 
den  anderen  im  Status  hervor,  dass,  freilich  nicht  im  strengen 
Wortsinn,  von  einer  Magenneurose  als  Ausdruck  einer  er¬ 
höhten  Ansprechbarkeit  im  „Enteriesystem“  des  Magens 
(und  Darms?)  gesprochen  werden  könnte. 

Diese  Magensymptome,  die  hier  anzureihen  wären,  seien 
zunächst  übergangen.  Nochmals  aber  betone  ich  die  Variation 
aller  Symptome  und  weise  darauf  hin,  dass  durchaus  nicht 
allein  Vagussymptome  vorliegen.  Ist  schon  die  Abhängigkeit 
des  Schwitzens,  der  Vasomotoren  überhaupt  vom  Vagus 
strittiges  Gebiet,  so  ist  Exophthalmus,  Tremor  nach  unserem 
Wissen  zum  Sympathikus  gehörig. 

Eines  aber,  das  ist  für  die  klinische  Diagnostik  wichtig, 
erhellt  schon  jetzt.  Bei  der  differentiellen  Dia¬ 
gnose  Ulcus  oder  Magenneurose  ist  es 
grundverkehrt,  Zeichen  allgemeiner  Neu¬ 
rosen  gegen  die  Ulcusdiagnose  zu  verwenden, 
wie  es  noch  fast  allgemein  geschieht.  Gerade  das  Gegenteil 
ist  richtig.  Man  verlange  zur  Ulcusdiagnose  allgemein  ner¬ 
vöse  Zeichen.  Sie  mit  der  besseren  Kenntnis  vom  vegetativen 
Nervensystem  fast  ausnahmslos  auch  zu  finden,  ist  heute 
möglich,  das  beweisen  unsere  Resultate.  Von  sämtlichen 
auf  die  Abteilung  gekommenen  Fällen,  60  an 
Zahl,  sind  58,  die  meisten  sehr  deutlich,  im 
obigen  Sinne  stigmatisiert,  sehr  viele  dar¬ 
unter  auch  im  älteren  diffuseren  Wortsinn 
als  „Neurotike r“. 

Line  Krankengeschichte  als  Typus  für  viele  möge  hier  folgen: 

Herr  Heinrich  S.,  39  Jahre,  erkrankte  am  Pfingstsonntag  1912  mit 
„Magenkrampf“.  Am  Abend  Wiederholung  des  „Krampfes“.  Die 
nächsten  Tage  Druckgefühl,  welches  nicht  mehr  ganz  verschwand. 
Am  6.  Oktober  unmotiviert  Schwindelgefühl  und  Mattigkeit,  tags 
darauf  bemerkt  er,  dass  der  Stuhl  pechschwarz  ist.  Wieder  einen 
Tag  später  Schwindel,  Ohnmacht,  bricht  dabei  etwa  ein  Glas  voll 
frischen  Blutes. 

Verstopfung  seit  Juni,  Stuhl  kugelig,  Schafskot.  Früher  nie¬ 
mals  Magenschmerzen,  speziell  kein  Hungerschmerz. 


Aus  dem  Status:  tiefe  Blässe  der  Haut,  hochgradige  Schwäche, 
Hämoglobin  47,  Puls  weich,  190,  unmittelbar  nach  der  Blutung. 

In  der  Linea  alba  eine  kleine  epigastrische  Hernie,  nirgends 
Druckempfindlichkeit. 

Im  Stuhlgang,  der  teerartig  aussieht,  stärkste  Blutreaktion. 
Während  des  Verlaufs  nach  anfänglicher  Erholung  erneute 
Magenblutung,  die  den  Kranken  wiederum  in  grösste  Lebensgefahr 
bringt,  später  langsame  Erholung,  wird  geheilt  entlassen,  nach  Zu¬ 


nahme  um  10,3  kg. 

Die  Funktionsprüfung  des  Magens  ergibt  bei  der  Entlassung 
(vorher  wegen  der  Blutung  nicht  untersucht):  Probefrühstück:  Ge¬ 
samtazidität  72,  freie  Salzsäure  55;  Probemahlzeit:  Gesamtazidi¬ 
tät  132,  freie  Salzsäure  76. 

Röntgenbefund:  Der  Magen  ist  nach  6  Stunden  leer  (also  kein 
Haudeksymptom!).  Am  Magenfundus  zeigt  sich  eine  tiefe  spastische 
Einziehung  (siehe  die 
beiden  Skizzen  von 
Röntgenplatten,  Abb.  1 
u.  2),  die  nach  einigen 
Minuten  vollkommen 
verstreicht.  Der  Be¬ 
fund  wird  wiederholt 
erhoben. 

Der  Status  des 
vegetativen  Nerven¬ 
systems,  hier  nur  skiz¬ 
ziert,  diene  als  belie¬ 
biges  Beispiel:  starker 
Exophthalmus,  Glanz-  Abbild,  l.  Abbild.  2. 

äuge,  mittelweite  Pu-  Vorübergehender  Spasmus  bei  Ulcus  ventriculi. 
Pille.,  roter,  sehr  inten¬ 
siver  Dermographismus.  Stets  schwitzende  Hände,  Füsse,  Achsel¬ 
höhlen.  Blähhals  angedeutet. 

Kotform  stets  Kugeln  von  Walnussgrösse,  Obstipation.  Brady¬ 
kardie  von  50 — 60  (trotz  der  Anämie!).  Nervöse  Ischurie. 

Pharmakologische  Prüfungen:  Pilokarpin:  Sehr  starker 
Schweissausbruch,  Speichel  60  ccm. 

Atropin:  Pulsfrequenz  steigt  von  60  auf  72.  Trockenheit  im 
Munde. 

.Suprarenin:  Schwacher  Tremor  der  Hände,  etwas  Herzklopfen. 
Zucker  positiv.  (Technik  der  pharmakologischen  Prüfung  a.  a.  O.) 


Der  spastische  Zustand  am  Magen  soll  im  Zusammen¬ 
hänge  später  besprochen  werden. 

Nur  flüchtig  sei  ferner  darauf  hingewiesen,  dass  konsti¬ 
tutionelle  Momente  beim  Ulcus  ventriculi  stets  betont  wurden. 
R  ö  s  s  1  e  führt  diese  Gesichtspunkte  in  der  grundlegenden 
Arbeit,  die  uns  noch  beschäftigen  wird,  zur  Genüge  an.  Hier 
nur  die  Bemerkung,  dass  wir  beim  Habitus  Stiller  fast 
regelmässig  die  Asthenie  im  vegetativen  Nervensystem  finden. 
Dies  ist  dem  nicht  wunderbar,  der  im  Habitus  Stiller  nicht 
nur  eine  abweichende  Skelettform  sieht,  sondern  weiss,  dass 
Haut  und  Haare,  dass  Muskel  und  Eingeweide  (z.  B.  das  apia¬ 
stische  Herz)  andere  Zeichen  konstitutioneller  Schwach¬ 
heit  bieten. 

Als  erster  Satz  meiner  Deduktion  gilt  also:  Patienten 
mit  Ulcus  ventriculi  und  duodeni  haben  mit 
verschwindenden  Ausnahmen  allgemeine 
Zeichen  gestörter  Harmonie  zwischen  Sym¬ 
pathikus  und  autonomem  (erweitertem  Va¬ 
gus-)  System,  oder  allgemeiner  und  richtiger 
im  vegetativen  Nervensystem  überhaupt. 


Der  zweite  Satz  lautet:  Neben  diesen  allge¬ 
meinen  Zeichen  sind  am  Magen  und  Duodenum 
selbst  die  vom  vegetativen  Nervensystem 
beherrschten  Funktionen  gestört. 

Ueber  die  Störung  der  sekretorischen  Funktion  wohl  im 
Sinne  vermehrter  Vagusimpulse  sei  hier  sehr  wenig  gesagt. 
Bekannt  ist  ja,  dass  die  Hyperazidität  beim  Ulcus  ursprüng¬ 
lich  in  ihrer  Häufigkeit  sehr  überschätzt  wurde.  Immerhin 
zeigt  unser  Material  subazide  Werte  wenig,  normale  Aziditäts¬ 
werte  seltener  als  gesteigerte.  Es  sei  an  die  Methode 
Gluczinskis  [8]  aus  der  Kocher  sehen  Klinik  erinnert, 
der  am  selben  Tage  das  gewonnene  ausgeheberte  Probefrüh¬ 
stück  mit  der  Probemahlzeit  vergleicht,  Mehrung  nach  dem 
stärkeren  physiologischen  Sekretionsreiz  spricht  für  Ulcus, 
geringere  Säurewerte  nach  Probemahlzeit  mehr  für  Karzinom. 
Prüft  man  in  dieser  Weise,  wird  sich  oft  eine  relativ  ge¬ 
steigerte  Reaktionsfähigkeit  auch  gegen  die  Norm  erweisen 
lassen.  Ein  nach  der  differentiell  diagnostischen  Seite  Ulcus 
oder  Karzinom  lehrreicher  Fall  wird  später  folgen,  weil  er 
als  Spasmus  der  ganzen  Antrumregion  Bedeutung  hat.  Auch 
auf  eine  Methode  meines  Assistenten  Katsch  nach  einem 


28.  Januar  1013. _  MURNCHEnRR  MEDIZINISCHE  WocriENSCHRiFl 


Kauversuch,  bei  dem  der  Speichel  nicht  verschluckt  werden 
darf  (Scheinfütterung),  Sekret  aus  dem  zuvor  leeren  Magen 
zu  gewinnen,  sei  nur  als  auf  eine  Prüfungsmethode  für  ge¬ 
steigerte  Sekretionstendenz  hingewiesen. 

Gerade  beim  Ulcus  duodeni  sind  besonders  gesteigerte 
Sekretionsverhältnisse  die  Regel.  Zwei  Fälle  von  typischem 
Morbus  R  e  i  c  li  m  a  n  n,  andere  klassische  „Parasekretionen“ 
(im  Sinne  von  Fujinami-Holzknecht  [9])  haben  wir  ge¬ 
rade  hier  häufig  beobachtet.  Unsere  Erfahrungen  an  20  genau 
studierten  Fällen  von  Ulcus  duodeni  werden  durch  die  Herren 
W  e  s  t  p  h  a  1  und  Katsch  in  einer  eingehenden  Publikation  s) 
niedergelegt. 

Nur  soviel  sei  hier  vorweggenommen:  Es  gibt  eine 
Gruppe  von  Ulcera  duodeni,  bei  denen  der  Pylorus  vermehrte 
Tendenz  zur  Oeffnung  hat  (Pylorusinsuffizienz)  und  die  Pars 
antri  hyperkinetisch  ist;  der  Bulbus  duodeni  oder  ein  ganz 
gefülltes  Duodenum  sind  zum  Teil  die  Folge  dieses  Verhaltens. 
So  etwa  verhält  sich  der  Typus,  den  Holzknecht,  Hau- 
dek,  Kienböck,  Kreuzfuchs  u.  a.  [10]  für  das  Duodenal- 
ülcus  aufgestellt  haben.  In  Verbindung  mit  hohen  Säure¬ 
werten  auch  ohne  den  klassischen  Hungerschmerz  oder  den 
.harakteristischen  Druckpunkt  sind  schon  diese  Zeichen  sehr 
verdächtig  für  Ulcus  duodeni,  wie  wir  uns  durch  zahlreiche 
Operationsbefunde  überzeugt  haben.  Es  gibt  auch,  das  haben 
\V  e  s  t  p  h  a  1  und  Katsch  gefunden,  ein  entgegengesetztes 
verhalten:  bei  ulcusfreiem  Magen  und  hohen  Säurewerten 
vermehrte  Tendenz  des  Pylorus  zum  Schliessen,  d.  h.  ein 
trosser  Sechsstundenrest  (Haudeksyptom),  oder  ein  zwar 
vom  Wismutbrei  bald  leerer  Magen,  bei  dem  aber  nach 
ler  Entleerung  der  Pylorus  unter  heftigen  Schmerzen  zu- 
tekrampft,  der  Magen  mit  grossen  Sekretmengen  gefüllt  ist. 
“s  wird  gezeigt  werden,  wie  mit  dem  Oeffnen  des  Pylorus 
)isweilen  der  Schmerz  verschwindet,  wie  der  Hungerschmerz 
nun  Teil  mit  diesem  Pylorospasmus  seine  Erklärung  findet, 
lier  sei  das  alles  nur  gestreift,  um  den  Satz  zu  stützen:  beim 
Jicus  duodeni  funktioniert  die  Magen-  (und  duodenale)  Musku- 
atur  in  abnormer  Weise,  sowohl  die  Antrumpartie  des 
Viagens  als  der  Pylorus  selber  sind  beteiligt. 

Ganz  das  gleiche  gilt  vom  Ulcus  ventriculi.  Mein  Ar¬ 
chen  auf  diesem  Gebiet  ging  von  der  Frage  aus:  Wovon 
längt  das  Spiel  des  Pylorus,  das  durch  das  Röntgenverfahren 
eicht  zu  beobachten  ist,  ab?  Ich  konnte  im  Frühjahr  in 
inem  Vortrag  im  Hamburger  Biologischen  Verein  zeigen, 
lass  der  Pylorusreflex  nicht  allein  ein  Säurereflex  (im  Sinne 
'on  v.  M  e  r  i  n  g  -  H  i  r  s  c  h)  sein  kann.  Das  ist  im  Zentral¬ 
st  für  Röntgenstrahlen  etc.  kurz  fixiert  und  wird  ausführ- 
ich  im  Archiv  für  klinische  Medizin  von  uns  dargelegt 
verden. 

Der  Pylorusreflex  kann  aus  der  Ferne  beeinflusst  werden, 
nechanisch  vom  Duodenum  aus,  ebenso  auch  vom  Magen- 
undus  her:  pylorusfernes  Karzinom,  quere  Naht  nach  Resek- 
ion  (Stier  lin)  usw.  Es  ist  aber  vor  allem  abhängig 
on  der  Innervationstendenz  des  Pylorus.  Diese  wird  durch 
vtropin  herabgesetzt,  durch  Physostigmin,  besser  noch  Mor- 
'hium  (Magnus)  vermehrt  usw. 

Die  ungeheuer  wichtige  Feststellung  H  a  u  d  e  k  s,  dass  ein 
>echsstundenrest  für  Ulcus  ventriculi  spricht,  erklärt  dieser 
elbst  schon  als  spastische  Tendenz  des  Pylorus.  Sie  ist  aber 
-  und  das  ist  das  wichtigste  —  auch  ohne  vermehrte  Säure 
eim  Ulcus  vorhanden,  umgekehrt  kann  sie  bei  Hyperazidität 
hne  Ulcus  fehlen.  Also  ist  sie  gerade  wie  die  Hyperkinese 
m  Magen  überhaupt  nicht  Folge  der  Säure,  sondern  ein 
agusstigma  und  die  vermehrte  sekretorische  Tätigkeit  ein 
arallel  gehendes  anderes.  Jedes  kann  für  sich  Vorkommen, 
cdes  deutet  nur  hin  auf  vermehrte  Erregungstendenz  im  vis- 
cralen  System,  sei  es  nach  der  sekretorischen  oder  der 
lotorischen  Seite.  Ganz  das  gleiche  gilt  von  der  peristo- 
schen  Tätigkeit  der  Magenmuskulatur  und  ihren  anderen 
lotorischen  Aufgaben. 

So  lautet  nochmals  präziser  gefasst  der  zweite  Satz: 
m  Magen  selbst  finden  sich  in  der  grossen 
I  e  h  r  z  a  h  1  der  Fälle  bei  Ulcus  ventriculi  und 
uodeni  die  Zeichen  vom  Nervensystem  aus 


3)  Diese  Wochenschrift. 


\1i 


übererregter  Drüsen-  und  Muskelfun  ktio  n. 
Speziell  das  Pylorusver  halten  ist  d  i  s  har¬ 
monisiert. 

Ich  komme  auf  eine  besonders  wichtige  spezielle  motori¬ 
sche  Funktion:  die  lokalisierten  Spasmen.  Vor  allem  die 
Spasmen  der  Muscularis  propria,  die  allein  im  Röntgenbilde 
zu  sehen  sind.  Die  Pseudosanduhrformen  des  Magens,  die  erst 
die  Röntgendiagnostik  des  Magens  in  Misskredit  brachten,  er¬ 
wiesen  sich  bald  als  Phänomene,  die  vom  Chirurgen  (Narkose) 
oder  Pathologen  freilich  oft  nicht  gefunden  werden  konnten. 

Häufig  sich  zu  einer  geringeren  narbigen  Verengerung 
des  Magens  addierend,  häufig  auch  ohne  eine  solche  auf¬ 
tretend  an  der  Stelle,  wo  ein  Ulcus  der  kleinen  Kurvatur  sitzt 
(J  onas  und  sehr  viele  andere  Autoren,  so  S  t  i  e  r  1  i  n) 
kennen  wir  jetzt  auch  Spasmen,  bei  denen  kein  —  oft  wohl 
noch  kein  —  Ulcus  vorhanden  ist.  Unter  vielen  anderen  hat  ja 
S  t  i  e  r  1  i  n  [11]  eine  sehr  gute  Darstellung  dieser  Verhältnisse 
gegeben  (Spasmen  bei  tabischen  Krisen,  Hysterie  usw.).  Ich 
zitiere  ferner  aus  Wien  Heyrovsky  [12],  weil  dieser  die  Be¬ 
ziehungen  von  Kardiospasmus  zum  autonomen  System  betont 
und  von  der  gemeinsamen  neurogenen  Ursache  bei  der  Kombi¬ 
nation  von  Kardiospasmus  und  Ulcus  spricht.  Hier  Vollständiges 
zu  bringen,  ist  nicht  möglich.  Wir  bringen  aus  unserer  eigenen 
Erfahrung  drei  charakteristische  Beispiele.  Das  eine,  schon  oben 
gelegentlich  der  Gluczinskiprobe  herangezogen, ein  anderes  noch 
deshalb  wichtig,  weil  die  Schmerzen  über  dem  rechten  Rektus 
lokalisiert  waren,  ohne  dass  ein  Ulcus  duodeni  bestand  (Kon¬ 
trolle  durch  den  Chirurgen,  der  das  Duodenum  öffnete),  sie 
führten  augenscheinlich  vom  Spasmus  im  Fundus  her,  da  sie 
in  dem  Masse  als  dieser  sich  entwickelte,  an  Intensität  Zu¬ 
nahmen  und  in  den  Zeiten  währten,  während  deren  der 
Spasmus  nachweisbar  war.  Die  folgenden  Skizzen  (3,  4  u.  5) 
erläutern  den  Beginn  der  zirkulären  Einschnürung  genau  an 
der  narbigen  Stelle,  das  Weitergreifen  distal-  und  proximal¬ 
wärts  bis  zu  einer  das  Lumen  ganz  aufzehrenden  ausgedehnten 
Konstriktion.  Als  dritter  Fäll  gelte  der,  den  wir  als  Beispiel 
für  den  Status  des  viszeralen  Nervensystems  eingangs  ge¬ 
bracht  haben  (Abbild.  1  u.  2). 

Zur  Erklärung  der  Abildungen  nur  kurz  das  Folgende: 

Fräulein  K.  hat  in  ihrem  Leben  schwerste  sexuell-ethische  Kon¬ 
flikte  durchgemacht.  Während  dieser  Zeit  Beginn  der  Magen¬ 
beschwerden,  im  Jahre  1896  vom  Arzt  konstatierte  Hämatemese.  Die 
Schmerzen  verschwanden  längstens  für  ein  Jahr,  dann  wieder  stän¬ 
dig  vorhanden.  Sie  setzen  bald  nach  dem  Essen  langsam  ein,  stei¬ 
gen  wehenartig  an  und  dauern  halbe  Stunden  und  Stunden.  Es  ge¬ 
lang  uns,  nach  einer  Breimahlzeit  den  Beginn  der  Schmerzattacke  im 
Bilde  festzuhalten.  Zunächst  eine  ganz  schmale  zirkuläre  Einziehung, 

Beobachtung  eines  allmählich  unter  Schmerzen  zunehmenden  Spasmus  bei  Ulcusnarbe. 


Abbild.  3.  Abbild.  4.  Adbild.  5. 


die  für  gewöhnlich  nicht  vorhanden  war.  Allmählich  schnüren  sich 
zwei  Säcke  vollkommen  ab,  ganz  ähnlich  wie  u.  a.  S  t  i  e  r  1  i  n  es 
geschildert  hat.  Die  Operation  ergibt  eine  postulzeröse  Narbe  mir 
Adhäsionen  von  dieser  Stelle  aus.  Der  Magen  erscheint  in  der  Nar¬ 
kose  kaum  verengt.  Im  Anschluss  an  die  Operation  Ausbruch 
schwerer  hysterischer  Erscheinungen,  Abasie,  vollkommene  An¬ 
ästhesie  und  Analgesie  beider  Oberschenkel.  Die  Magenschmerzen 
seit  der  Gastroenterostomie  mit  Magenplastik  vollkommen  ver¬ 
schwunden.  (Abbild.  3,  4  u.  5.) 

Der  totale  Füllungsdefekt  der  Regio  pylorica,  lediglich 
durch  Spasmen  bedingt,  ist  in  folgendem  Fall  das  Wesent¬ 
liche: 

32  jährige  Frau  mit  typischen  Ulcusschmerzen,  stigmatisiert  im 
vegetativen  Nervensystem,  okkulte  Blutungen  in  den  Fäzes.  Auch 
die  Oluczinskyprobe  spricht  für  Ulcus  und  gegen  Karzinom.  In  der 
Pylorusgegend  deutlich  palpabler  apfelgrosser  Tumor.  Im  Röntgen- 

r 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


172 


bilde  vollkommener  Füllungsdeiekt  der  Pars  antri.  (Abbild,  b.) 
Wegen  dieser  beiden  Momente  halten  wir  das  Karzinom  für  wahr¬ 
scheinlicher.  Während  der  Narkose  lässt  der 
Tumor  in  seiner  Härte  nach,  die  Pylorus- 
region  bleibt  aber  auch  noch  während  der 
Magenresektion  geschwulstartig.  Die  Eröffnung 
ergibt  ein  grosses,  nicht  kallöses,  flächenhaftes 
Ulcus  ventriculi,  auch  histologisch  benigne,  um 
das  herum  die  Pars  antri  sich  vollkommen  bis 
zum  Verschwinden  jeden  Lumens  kontrahiert 
hat.  Dieser  Spasmus  kann  nicht  ständig  vor¬ 
handen  gewesen  sein,  da  kein  Erbrechen  er¬ 
folgte  und  die  Kranke  sich  ausreichend  er¬ 
nährte. 

Nur  kurz  sei  betont,  dass  der 
Magenschmerz  nachweislich  oft 
mit  einem  Krampf  der  Mus- 
cularis  propria  zeitlich  vollkommen  zusam¬ 
men  f  ä  1 1 1,  sei  es  ein  Krampf  des  Pylorus,  der  Kardia  oder 
an  beliebiger  Stelle  des  Fundus.  Kontraktionen  glatter  Mus¬ 
kulatur  können  aller  Orten  mit  Schmerz  einhergehen  (Uterus, 
Gallenwege,  Harnwege,  Dickdarm),  es  geschieht  das  nicht 
regelmässig  (z.  B.  bei  den  grossen  Dickdarmbewegungen) 
und  umgekehrt  soll  nicht  etwa  gesagt  werden,  dass  jeder 
Ulcusschmerz  einen  Zusammenhang  mit  Spasmen  glatter 
Muskulatur  hat.  Andererseits  können  wir  etwa  auch  mit 
Schmerzen  verbundene  Spasmen  in  der  Muskularis  mucosae 
nicht  sichtbar  machen,  obwohl  diese  Spasmen  isoliert  Vor¬ 
kommen  (Lichtenbeit  [13]).  Es  scheint  mir  nicht  un¬ 
interessant,  dass  am  „Magenkrampf“  der  Laien  mehr  wahr  ist, 
als  man  bisher  annahm.  Mit  Absicht  ist  die  Beziehung  der 
glatten  Muskulatur  zur  Sensibilität  nicht  näher  disukutiert.  An 
ihrem  Bestehen  zweifelt  niemand,  der  vor  dem  Schirm  erlebt, 
wie  mit  dem  Einsetzen  des  Spasmus  der  Kranke  sagt:  „jetzt 
beginnt  der  Schmerz“,  nicht  anders  wie  etwa  eine  Frau  bei 
einer  Wehe  es  präzisiert. 

Der  dritte  Satz  lautet:  Eine  vermehrte  Neigung 
zu  Spasmen  der  Muskularis  ist  bei  den  Indi¬ 
viduen  vorhanden,  die  am  Magen  und  Duo¬ 
denum  auch  andere  Zeichen  gestörter  mo¬ 
torischer  und  sekretorischer  Funktion  bie¬ 
ten,  die  ausserdem  sonst  im  vegetativen 
Nervensystem  stigmatisiert  sind. 

In  diesen  Bahnen  gingen  meine  Ueberlegungen  als  durch 
zwei  Publikationen  die  Auffassung  von  der  Genese  des  Ulcus 
ventriculi  mir  wesentlich  gefördert  wurde. 

Ich  beginne  mit  der  späteren  von  R  ö  s  s  1  e  -  Jena  [14],  die 
vom  Gesichtspunkte  des  pathologischen  Anatomen  ausgehend 
ganz  erstaunlich  tiefgreifend  in  die  Verhältnisse  auch  am 
Lebenden  eingedrungen  ist.  Ein  Satz  wie  der:  „dass  für  die 
ganze  Frage  nervöser  Fernwirkungen  die  morphologische  Be¬ 
trachtungsweise  gleich  am  Ende  ist“,  hat  aus  dem  Munde  eines 
pathologischen  Anatomen  nicht  nur  etwas  Befreiendes,  sondern 
die  ganze  Gedankenrichtung  zeigt,  was  der  Klinik  diese  Dis¬ 
ziplin  zu  leisten  vermag,  wenn  sie  die  Erscheinungen  am 
Lebenden  in  ihr  Denken  mit  einbegreift,  anders  als  es  so 
oft  geschieht. 

Wir  hatten  uns  sagen  müssen,  dass  zu  den  bisher  be¬ 
handelten  Fakten  noch  etwas  hinzukommen  muss,  um  die  Ge¬ 
nese  des  Ulcus  wirklich  verständlich  zu  machen.  Warum 
hatte  nicht  jeder  Kranke  mit  Hyperazidität  oder  jeder  im  vis¬ 
zeralen  Nervensystem  überhaupt  stigmatisierte,  und  deren  sind 
nicht  Wenige,  ein  Ulcus,  warum  nicht  bei  jedem  Stigmati¬ 
sierten  „Magenkrämpfe“? 

R  ö  s  s  1  e  bezeichnet  das  runde  Geschwür  geradezu  als 
„zweite  Krankheit“.  Er  geht  naturgemäss  einen  anderen  Weg 
als  wir,  die  vom  Standpunkte  unserer  Röntgenuntersuchungen 
und  unseres  Interesses  für  „die  Vagotonie“  auf  das  Problem 
der  Ulcusgenese  hingeführt  wurden.  Es  fällt  R  ö  s  s  1  e  auf, 
dass  weit  häufiger  als  es  mathematischer  Wahrscheinlichkeit 
entspricht,  andere  Vorgänge,  wie  vor  allem  Appendizitis,  dem 
Ulcus  voraufgegangen  sind.  Er  zeigt,  dass  die  postoperativen 
Ulcusentstehungen  nicht  durch  Embolie  im  Sinne  Payrs 
allein  erklärbar  sind,  kurz:  die  Auffassung  dringt  bei  ihm 
durch,  das  irgendwelche  primären  „Quellgebiete“  nur  auf 
dem  Nervenwege  zu  Reflexen  am  Magen  führen.  Zum  Ent¬ 
stehen  solcher  spastischen  Reflexe  bedarf  es  aber  einer  be¬ 
sonderen  Konstitution,  denn  die  Quellaffektionen  sind  ja  unend¬ 


lich  viel  häufiger  als  ihre  Folge,  die  „zweite  Krankheit“,  näm¬ 
lich  das  Ulcus  rotundum. 

Es  kann  unmöglich  hier  die  ganze  schöne  Deduktion 
Rössles  wiedergegeben  werden.  Er  hat  als  Erster  die  Zu¬ 
sammenhänge,  an  denen  uns  hier  liegt,  dargelegt.  Was  wir 
Nützliches  und  Neues  auf  Grund  unserer  seit  dem  Frühjahr 
betriebenen  Studien  jetzt  nur  noch  hinzufügen  können,  ist  die 
klinische  Durcharbeitung  der  „Disposition  zum  Ulcus  ventri¬ 
culi“,  die  in  der  Disharmonisierung  des  viszeralen  Nerven¬ 
systems  liegt.  Es  ist  zweitens  die  genauere  Kenntnis  der  mo¬ 
torischen  Störungen  einschliesslich  der  Spasmen,  wie  sie  nur 
durch  das  Röntgenverfahren  am  selben  Material  uns  möglich 
war,  und  es  ist  eine  experimentelle  Seite  im  Problem  der 
Ulcusgenese.  Ich  will  nur  noch  hinweisen  auf  die  einleuchten¬ 
den  Erklärungen,  die  R  ö  s  s  1  e  gibt  für  die  Lokalisation  des 
spasmodisch  entstehenden  Ulcus,  ferner  darauf,  dass  eine  Zu¬ 
sammenziehung  der  Muscularis  propria  mit  der  der  Muscularis 
mucusae  zusammen  geschieht,  auf  die  Geschwindigkeit  mit 
der  nach  R  ö  s  s  1  e  ein  Ulcus  ventriculi  sich  entwickeln  kann, 
eine  Erfahrung,  die  wir  klinisch  durchaus  bestätigen  können. 
Ich  führe  dafür  einen  Fall  an,  bei  dem  ein  vorher  ganz  be¬ 
schwerdefreier  junger  Mensch  nach  einem  starken  psychischen 
Trauma  wenige  Tage  zuvor,  beim  Heben  einer  Last  plötzlich 
Schmerz  verspürt,  sofort  wegen  Perforationserscheinungen 
laparotomiert  werden  muss  und  der  Chirurg  (Prof.  Jenckel) 
ein  perforiertes  Ulcus  duodeni  findet.  Dieses  Beispiel  wirft  uns 
noch  ein  zweites  wichtigstes  Problem  auf:  Hat  Rössle  recht, 
wenn  er  die  primäre  Krankheit,  das  Quellgebiet,  meist  in  einer 
anatomischen  Läsion  sucht?  Selbst  z.  B.  ein  starker  Schmerz! 
irgendwo  in  der  Peripherie  könnte  reflektorisch  beim  Dis¬ 
ponierten  den  Spasmus  unseres  Erachtens  erzeugen.  So  sehr 
eine  gewisse  pseudokritische  Richtung  in  der  Medizin  skep¬ 
tisch  gegen  eine  solche  Annahme  sich  verhalten  wird,  sprechen 
wir  es  aus,  dass  auch  nach  unseren  Erfahrungen  schwere 
psychische  Traumen  Quellgebiete  im  Sinne  Rössles  sein 
können.  Wir  haben  weiter  gesehen,  wie  auf  solche  Traumen 
hin  die  Stigmata  im  vegetativen  System  qualitativ  und  ihrer 
Zahl  nach  gewaltig  gesteigert  wurden.  Wir  erinnern  als  Ana¬ 
logon  an  die  anerkannte  Entstehung  eines  akuten  Basedow 
nach  psychischem  Trauma.  Wir  erinnern  an  die  Publikation 
Curschmanns  [15] :  ein  Tabiker  zeigt  während  der  Krisen 
das  echte  Basedowsyndrom,  das  mit  den  Krisen  abklingt. 
Während  gesteigerter  Ulcusbeschwerden  sind  die  nervösen 
Zeichen  vermehrt,  mit  der  Besserung,  z.  B.  nach  Operationen, 
ein  auffälliges  Zurückgehen  der  Zeichen  (wiederholte  Beob¬ 
achtung).  Auch  physiologische  Analoga  gibt  'es  zu  diesem 
Auf  und  Nieder  in  der  Ladung  des  vegetativen  Nervensystems: 
Gravidität.  Wir  meinen  also,  im  disponierten  Individuum  setzt 
ein  psychisches  Trauma  (wir  verfügen  über  mehrere  sehr 
charakteristische  Anamnesen)  oder  ein  Schmerz,  oder  z.  B. 
eine  Cholelithiasisattacke,  ebenso  gut  die  erste  Quelle  als  eine 
Operation,  eine  Appendizitis  oder  irgend  eine  andere  ana¬ 
tomisch  nachweisbare  Primäraffektion  wie  in  unserem  Bei¬ 
spiel  die  epigastrische  Hernie.  Ausser  der  Disposition  noch 
ein  Etwas,  was  paroxysmusartig  sowohl  die  Disposition 
steigert,  wie  auch  direkt  reflektorisch  den  Spasmus  auslöst. 

In  der  Forderung  dieses  „ersten  Krank¬ 
sein  s“,  die  wir  Rössle  verdanken,  ich  möchte 
sagen  eines  „prim  um  moven  s“,  das  wir  weiter 
fassen  möchten,  steckt  ein  vierter  Leitsatz: 

Die  letzte  Frage:  kann  durch  den  Spasmus  denn  ein 
Ulcus  entstehen?  ist  vor  allem  durch  die  Schule  Talmas, 
zuletzt  durch  L  i  c  h  t  e  n  b  e  1 1  geklärt.  L  i  c  h  t  e  n  b  e  1 1  zeigt, 
dass  nicht  so  sehr  vasomotorische  Einflüsse  Ischämie  der 
Schleimhaut  bedingen  (Schule  Beneke:  Kobayas  hi  [16]). 
sondern  dass  dies  durch  Spasmen  in  der  Muscularis  mucosae, 
geschieht.  Wenn  diese  sich  zusammenzieht,  klemmt  sie  die1 
schräg  hindurchlaufenden  Gefässe  ab,  so  kommt  es  nach 
Lichtenbeit  nicht  nur  zur  Bildung  der  „Stigmata  ven¬ 
triculi“,  sondern  zu  wirklichen  kleinen  Geschwüren.  Diese 
Ulcera  erhält  er  nach  subdiaphragmatischer  Vagusdurch¬ 
schneidung. 

Es  ist  zur  Genüge  bekannt,  wie  wechselvolle  Ergebnisse 
die  Experimente  gehabt  haben,  die  früher  die  neurogene 
Theorie  der  Ulcusentstehung  stützen  sollten.  Der  entschei¬ 
dende  Fortschritt  in  all  diesem  ist  meines  Erachtens  angebahnt 


Abbild.  6. 

Grosser  Füllungsdefekt 
der  Regio  pylorica  bei 
ausgedehntem  nicht- 
kallösen  Ulcus  dieser 
Gegend. 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


173 


durch  Payrs  Experimente  [17],  der  mittelst  Einbolisierung 
(retrograde  venöse  Embolie)  wirkliche  Ulcera  erzeugte.  Mag 
die  spasmodische  Auffassung  zu  ihrem  Recht  kommen,  es 
bleibt  auch  dann  noch  Payrs  grosses  Verdienst,  gezeigt  zu 
haben,  dass  die  Grundvoraussetzung  zu  peptischer  Ver¬ 
dauung  eine  Zirkulationsunterbrechung  sein  muss.  Ich  er¬ 
innere  daran,  dass  nach  Reizung  des  Ganglion  coeliacum,  dass 
nach  Vagusdurchschneidung  verschiedenen  Autoren  die  Ulcus- 
erzeugung  glückte  oder  wenigstens  die  von  kleinen  Erosionen. 
Lichtenbelts  Tierexperimente  als  die  letzten  gründ¬ 
lichen  scheinen  mir  zu  zeigen,  dass  durch  nervöse  Faktoren 
ein  Krampf  der  Muscularis  mucosae  zustande  kommen  kann, 
der  die  Gefässe  abklemmt  und  im  ischämischen  Gebiete  zu 
peptischer  Verdauung  führt.  Wenn  die  Muscularis  propria 
sich  kontrahiert,  braucht  wohl  nicht  stets  die  der  Mukosa 
initzukrampfen  —  nicht  jeder  Röntgenspasmus  ein  Ulcus,  und 
umgekehrt.  —  Dass  aber  häufig  beides  sich  gesellschaftet, 
führt  R  ö  s  s  1  e  aus. 

Im  5.  Leitsatz  ist  gewissermassen  alles  enthalten,  was 
auf  Grund  von  Tierexperimenten  mit  früher  wechselndem  Er¬ 
folge  für  die  neurogene  Theorie  des  Ulcus  herangezogen 
werden  kann.  Spastische  Zustände  am  Magen 
führen  durch  Abklemmung  der  zuführenden 
Gefässe  zu  lokaler  Ischämie.  Die  so  von  der 
Ernährung  ausgeschalteten  Schleimhaut¬ 
partien  werden  angedaut,  Resultat:  die  Ero¬ 
sionen  und  Ulcera. 

Diese  werden  dann  nicht  ausheilen,  wenn 
die  spastische  Disposition  des  Magens,  durch 
die  kleinen  Erosionen  veranlasst,  häufig 
wieder  neue  Spasmen  an  gleicher  Stelle  aus¬ 
löst.  Dieser  Circulus  vitiosus  scheint  ge¬ 
eignet,  die  Chronizität  des  Ulcus  zu  erklären. 

Herr  Dr.  W  e  s  t  p  h  a  1  ist  im  Zusammenhänge  mit  den  uns 
beschäftigenden  Fragen  auf  die  Idee  gekommen,  ob  durch 
pharmakologische  Reizmittel  des  vegetativen  Systems  das 
Ulcus  ventriculi  erzeugt  werden  könne.  Die  Resultate  seiner 
>eit  dem  Frühjahr  angestellten  Tierexperimente  will  ich  hier 
nur  kurz  zusammenfassen:  Durch  die  pharmakologischen 
Vagusreizer  konnte  er  bei  geeigneter  Versuchsanordnung,  ja 
)ei  kombinierter  subkutaner  Injektion  von  Pilokarpin  und 
Physostigmin  sogar  in  sämtlichen  Fällen,  bei  Kaninchen 
hämorrhagische  Erosionen  der  Mukosa  des  Magens,  seltener 
des  obersten  Duodenums  herbeiführen.  In  einem  Falle  ent¬ 
band  sogar  ein  perforiertes  Ulcus.  Die  experimentelle  Er¬ 
zeugung  chronischer  Ulcera  misslang  bisher,  das  liegt 
lach  meiner  Auffassung  am  Fehlen  der  dispositioneilen  Mo- 
nente  bei  den  Versuchstieren.  Ohne  diese  Neigung  zu  lang- 
dauernden  Spasmen  am  Magen  wird  das  Produkt  eines  ein¬ 
zelnen  Magenkrampfes  —  die  Erosion  —  auch  beim  Menschen 
wohl  stets  zur  Ausheilung  kommen.  Bei  den  frisch  ge- 
öteten  Physostigmin-Pilokarpin-Tieren  sah  man  häufig  starke 
'Pastische  Schnürungen  am  Magen,  wie  wir  es  vom  Physo- 
digmindarm  durch  das  K  a  t  s  c  h  sehe  Bauchfenster  ja  regel- 
nässig  zu  sehen  gewohnt  sind.  Wir  glauben,  dass  die  Stig- 
nataerzeugung  durch  chemische  Vagusreizer  meist  auch  über 
len  Weg  spastischer  Zustände  geht.  W  e  s  t  p  h  a  1  wird  dem- 
üichst  über  seine  experimentellen  Arbeiten  selbst  berichten. 

Sie  ergänzen  durch  eine  andersartige  Versuchsmöglich- 
:('it  das  pharmakologische  Experiment,  die  bisher  durch 
Nerven-  und  Plexusdurchschneidung  und  Reizung  ge¬ 
wonnenen  Resultate,  welche  noch  so  viel  Widersprechendes 
■nthalten. 

Die  modernen  pharmakologischen  Gesichtspunkte,  die 
ielleicht  hier  fördern  werden,  haben  aber  im  Zusammenhang 
nit  der  Lehre  von  der  Vagotonie  uns  noch  eine  therapeutische 
»'Wiederbelebung  gebracht,  die  nicht  hoch  genug  einzuschätzen 
st:  die  Atropintherapie. 

Ich  möchte  sie  für  kein  Gebiet  vegetativer  nervöser 
'törung  so  warm  empfehlen,  wie  gerade  für  die  Ulcustherapie. 
lie  Belladonnabehandlung  des  Ulcus  ist  uralt  und  nie  ver¬ 
gessen.  Aber  die  neue  Zeit  und  auch  noch  v.  T  ä  b  o  r  a  [18],  als 
r  mit  Recht  grosse  Atropindosen  subkutan  empfahl,  hat  vor¬ 
wiegend  an  die  sekretionslähmende  Funktion  gedacht,  dabei 
wohl  an  den  Ulcusschmerz,  den  die  Säure  auf  dem  Geschwür 
uslösen  sollte.  Auch  ohne  Hyperazidität  wirkt  Atropin  genau 


ebenso  günstig.  Atropin  mildert  nicht  nur  den  Pylorus- 
spasmus  bei  Ulcus  (dieser  kann  ja  mit  Schmerz  verbunden 
sein  s.  o.),  die  gesamte  motorische  Reizbarkeit  lässt  nach. 
Nur  in  wenigen  Fällen  versagt  das  Mittel. 

Kaum  eine  frappantere  therapeutische  Wirkung  wie  das 
Aufhören  der  Ulcusbeschwerdcn  nach  Atropin.  Ich  emp¬ 
fehle  ganz  analog  wie  beim  Bronchialasthma 
— -und  diese  Analogie  ist  keine  äusserliche  — 
eine  systematische  Atropinkur  bei  Ulcusbe- 
h  a  n  d  1  u  n  g.  Viele  Zeichen  der  Vagusreizbarkeit  gehen 
zurück,  auch  im  Röntgenbilde  andere  motorische  Verhältnisse. 
Ich  habe  oft  Fälle  gesehen,  die  selbst  bei  Anwendung  von  viel 
Morphium  erheblich  litten,  dreimal  [4  bis  1  mg  Atropin  pro 
"l  ag  als  Pille  gegeben  und  meist  schon  am  ersten  Tag  ein 
Aufhören  jeder  Beschwerde.  (Prompter  wenn  nötig  subkutan.) 

Auch  der  Erfolg  der  Atropinkur,  der  sich  nicht  nur  auf 
die  Schmerzbeseitigung,  sondern  auf  die  bessere  Heilungs¬ 
tendenz  infolge  der  Beseitigung  spasmodischer  Neigung  be¬ 
zieht,  wäre  eine  gute  Stütze  für  unsere  Hypothese,  aber  nur 
ein  grosses  statistisches  Material  kann  hier  wirklich  ent¬ 
scheiden.  Es  genüge  zunächst,  dass  die  Lehre  von  der  Ulcus- 
genese  eine  alte,  bewährte,  ungewöhnlich  sicher  wirkende 
1  herapie  neu  belebt  hat  und  sie  als  weit  über  den  Rahmen 
einer  symptomatischen  Therapie  hinausgehend  charakterisiert. 

Kein  schlechteres  Mittel  bei  Ulcusbeschwerden  als  das 
Morphium,  das  Sekretion  und  spastische  Tendenz,  das 
die  Verweildauer  der  Speisen  im  Magen  (Magnus) 
steigert,  kein  besseres  als  Atropin.  Jede  diätetische 
Ulcuskur  werde,  diese  Forderung  stelle  ich 
mit  Bestimmtheit  auf,  kombiniert  mit  einer 
lange  fortgesetzten  systematischen  Atro- 
p  i  n  k  u  r.  Die  Dosierung  hängt  von  der  Atropinempfindlich¬ 
keit,  besser  der  Vagusansprechbarkeit  des  Individuums  ab, 
eine  Kontraindikation  wird  aus  dieser  Eigenschaft  selten  her¬ 
zuleiten  sein,  nur  die  Tagesdosen  erleiden  Modifikationen 
zwischen  1  und  4  mg,  man  gehe  an  die  höchsten  ertragbaren 
Dosen  hinan,  so  dass  auch  andere  Atropinwirkungen  deutlich 
werden,  nur  so  wird  der  Magen  ruhiger  gestellt.  Die  Herab¬ 
setzung  spasmodischer  Neigung,  aller  krankhaft  gesteigerten 
Magenmotilität  überhaupt,  zusammen  mit  der  Herabsetzung 
sekretorischer  Erregbarkeit  ist  das  Ideal  einer  rationellen 
internistischen  Ulcusbehandlung.  Ueber  den  Wert  einer  Kom¬ 
bination  mit  einer  Alkalikur  und  rein  vegetabilischer  kalorien¬ 
reicher  Kostform  (Gemüsepulver)  werde  ich  anderen  Ortes 
berichten  4). 

Denkt  man  an  die  von  R  ö  s  s  1  e  betonten  ersten  Krank¬ 
heiten,  die  Gelegenheitsursachen  zur  Ulcusentstehung,  er¬ 
scheint  mir  selbst  die  Frage  nicht  müssig,  ob  prophylaktisch 
dem  reflektorischen  Magenspasmus  durch  Atropin  nicht  vor¬ 
gebeugt  werden  sollte.  Ich  sähe  häufig  kein  Bedenken,  z.  B. 
nach  einer  einfachen  Appendixoperation  Atropin  zu  reichen, 
für  den  Darm  ist  das  unbedenklicher  wie  etwa  die  Hemmung 
durch  den  Sympathikusreizer,  das  Adrenalin,  der  so  oft  bei 
Eingriffen  am  Peritoneum  vom  Chirurgen  gegeben  wird. 
(R  ö  s  s  1  e  glaubt  an  nervöse  Reflexwirkungen  beim  Zustande¬ 
kommen  der  postoperativen  Pneumonien,  auch  bei  diesen 
Vaguspneumonien  müsste  prophylaktisch  Atropin  nützen.) 

In  ihrer  Wirkung  neuartig  erfasste,  ener¬ 
gische  langdauernde  Atropinkuren  bei  Ulcus 
ventriculi  und  du  öden  i,  das  ist  die  praktische 
Konsequenz  der  entwickelten  Lehre  von  der 
Ulcusgenese. 

Literatur. 

1.  Eppinger  und  Hess:  Die  Vagotonie.  Berlin  1910  bei 
Hirschwald  und  Zeitschrift  für  klinische  Medizin  67,  68.  — 

2.  Hans  Horst  Meyer:  Die  experimentelle  Pharmakologie.  (Mit 
G  o  1 1 1  i  e  b)  und  Verhdl.  der  Ges.  deutscher  Nervenärzte,  1912. 

3.  L.  R.  M  ü  1 1  e  r :  Verhandl.  der  Ges.  deutscher  Nervenärzte  1912  und 
Arbeiten  im  Archiv  f.  klin.  Med.  —  4.  P  e  t  r  e  n  und  T  h  o  r  1  i  n  g :  Zeit- 
schr.  f.  klin.  Med.  73.  —  5.  Bauer:  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  107. 
(2.  v.  Bergmann:  Diskussion  zur  Lehre  vom  Sympathikus.  Ver¬ 
handlungen  der  Ges.  deutscher  Nervenärzte,  s.  b.  Hans  Horst  Meyer.) 
—  6.  Kraus  und  Friedenthal:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1908, 
No.  38.  —  7.  Egbert  Koch:  St.  Petersburger  med.  Wochenschr.  1903, 
No.  48.  —  8.  Gluczinsky:  Zeitschr.  f.  klin.  Chirurgie  1912.  Fest¬ 
band  für  Kocher.  —  9.  Fujinani-Holzknecht:  Archiv  f. 


4)  Therapeut.  Monatshefte. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


17-1 


No.  4. 


klin.  Med.,  Bd.  105  und  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  7.  — 

10.  Kreuzfuchs:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46.  - 

11.  Stierlin:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  15  und  16.  — 

12.  Hey  rovsky:  Wiener  klin.  Wochenschrift  1912,  No.  38.  — 

13.  Lichtenbeit:  Die  Ursachen  des  chronischen  Magengeschwürs. 
Jena  1912.  —  14.  Rössle:  Mitteilungen  der  Grenzgebiete,  Bd.  25, 
H.  4.  —  15.  Cur  sch  mann:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  76,  H.  3 
und  4.  —  16.  Kobayas  hi:  Frankfurter  Zeitschr.  f.  Pathologie, 
Bd.  3,  H.  3.  —  17.  Payr:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1909,  No.  36, 
37  und  Kongress  für  Chirurgie  1907.  —  18.  v.  Tabora:  Münch, 
med.  Wochenschr.  1908,  No.  38. 


Alis  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Bonn  (Direktor: 

Geheimrat  F.  Schultze). 

Ueber  Blutdruckmessung  nach  Körperarbeit  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Beurteilung  der  Arbeitsfähigkeit. 

Von  Privatdozenten  Dr.  H.  Stursberg,  Oberarzt,  und 

Medizinalpraktikanten  H.  Schmidt,  Hilfsassistent. 

In  einer  früheren  Arbeit1),  die  sich  mit  dem  Verhalten 
des  systolischen  und  diastolischen  Blutdruckes  nach  dosierter 
Körperarbeit  beschäftigte,  hatte  der  eine  von  uns  (St.)  im 
Einklang  mit  den  Feststellungen  von  Bing,  Haskovec  u.a. 
den  Nachweis  erbracht,  dass  bei  Neurasthenischen,  besonders 
bei  solchen  mit  Erscheinungen  seitens  des  Zirkulations¬ 
apparates,  nach  körperlicher  Arbeit  zwar  qualitativ  etwa  die 
gleichen  Veränderungen  der  Blutdruckwerte  gefunden  werden 
wie  bei  Gesunden,  dass  aber  die  Zunahme  der  Herzleistung, 
wie  sie  aus  dem  Verhalten  der  Blutdruckwerte  erschlossen 
werden  kann,  durchschnittlich  grösser  als  in  der  Norm,  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  ganz  beträchtlich  erhöht  ist.  Ausserdem  hatte 
sich  nachweisen  lassen,  dass  auch  in  der  Ruhe  die  Blutdruck¬ 
werte,  im  besonderen  der  Pulsdruck,  bei  derartigen  Kranken 
durchschnittlich  höher  war  als  bei  den  gesunden  Vergleichs¬ 
personen. 

Weitere  Untersuchungen  haben  uns  in  der  Ueberzeugung 
von  der  Wichtigkeit  dieser  Befunde  für  die  Beurteilung  der 
Arbeitsfähigkeit  sowohl  neurasthenischer  wie  auch  mancher 
anderer  Kranker  bestärkt,  und  es  ist  der  Zweck  der  vor¬ 
liegenden  Mitteilung,  an  Hand  eines  grösseren,  mit  einem  ver¬ 
einfachten  Verfahren  untersuchten  Materials  erneut  auf  sie  hin¬ 
zuweisen. 

Die  Annahme,  dass  aus  den  nach  bestimmten  Arbeits¬ 
leistungen  beobachteten  Blutdruckänderungen  Schlüsse  auf  die 
Leistungsfähigkeit  der  Kreislaufsorgane  gezogen  werden 
können,  besteht  unseres  Erachtens  durchaus  zu  Recht.  Im  be¬ 
sonderen  haben  uns  die  Einwände,  welche  von  einigen  Unter¬ 
suchern,  z.  B.  von  H  e  r  z  f  e  1  d  2),  von  F  a  n  t  u  s  und  S  t  a  e  h  e- 
1  i  n  3),  dagegen  erhoben  worden  sind,  nicht  von  unserer  An¬ 
schauung  abzubringen  vermocht.  Denn  einerseits  ist  das  von 
diesen  Untersuchern  verarbeitete  Material  viel  zu  klein  (Fan- 
t  u  s  und  S  t  a  e  h  e  1  i  n  berichten  im  ganzen  über  14  Versuche, 
wovon  nur  4  Kranke  betreffen)  und  andererseits  kann  es 
unseres  Erachtens  nicht  zu  vergleichbaren  Ergebnissen 
führen,  wenn  in  einem  Versuche  150,  in  anderen  bis  zu 
3S00  mkg  Arbeit  geleistet  werden,  wie  dies  in  den  Versuchen 
von  F  a  n  t  u  s  und  S  t  a  e  h  e  1  i  n  der  Fall  war.  Bei  Herz¬ 
feld  schwanken  die  Arbeitsleistungen  zwischen  100  und 
2600  mkg.  Schlussfolgerungen  aus  derartigen  Versuchen 
wären  nur  dann  berechtigt,  wenn  die  Blutdruckzunahme  in 
ganz  bestimmtem,  gleichbleibendem  Verhältnis  zur  Höhe  der 
Arbeitsleistung  stände.  Da  dies  aber  bekanntlich  nicht  zu¬ 
trifft,  so  ist  zur  Erlangung  brauchbarer  Ergebnisse  möglichste 
Gleichheit  der  Versuchsbedingungen,  vor  allem  möglichst 
gleiche  Arbeitsleistung  in  allen  Fällen  sowohl  bei  Gesunden 
wie  bei  Kranken  erforderlich. 

Auf  die  Frage,  inwieweit  auf  Grund  der  Anschauungen 
von  Strasburger  aus  dem  Verhalten  der  Blutdruckwerte 


')  Stursberg:  Ueber  das  Verhalten  des  systolischen  und  dia¬ 
stolischen  Blutdruckes  nach  Körperarbeit  usw.  Arcli.  f.  klin.  Med., 
Bd.  90,  S.  548. 

■)  Herzfeld:  Zur  funktionellen  Herzdiagnostik.  Med.  Klinik 
1909,  S.  539. 

:!)  Fant  us  und  Staehelin:  Das  Verhalten  des  Blutdruckes 
beim  Menschen  bei  der  Erholung  von  Muskelarbeit.  Zeitschr.  f.  klin. 
Med.,  Bd.  70,  S.  444. 


Schlüsse  auf  Herzarbeit,  Gefässspannung  usw.  gezogen 
werden  dürfen,  soll  hier  nicht  eingegangen  werden,  da  bei  den 
im  folgenden  zu  besprechenden  Untersuchungen  nur  der  systo¬ 
lische  Druck  berücksichtigt  werden  wird. 

Das  bei  den  ersterwähnten  Untersuchungen  des  einen  von 
uns  angewendete  Verfahren  war  für  praktische  Zwecke  zu 
unbequem.  Dies  hatte  seinen  Grund  darin,  dass  in  möglichst 
genauer  Weise  sowohl  der  systolische  wie  der  diastolische 
Druck  und  die  Pulszahl  vor  und  nach  dosierter  Arbeit  (He¬ 
bung  eines  am  Fusse  befestigten  Gewichtes)  gleichzeitig  in 
demselben  Versuch  bestimmt  werden  sollte,  und  weil  dazu 
die  Anwendung  eines  graphischen  Verfahrens  nach  (Ma- 
sing-Sahli)  erforderlich  war.  Wir  haben  uns  bei  den  im 
nachstehenden  zu  besprechenden  Versuchen  auf  die  Bestim¬ 
mung  des  systolischen  Druckes  und  der  Pulszahl  in  getrennten 
Versuchen  beschränkt  und  hierdurch  weitgehendste  Verein¬ 
fachung  des  Verfahrens  erzielt. 

Zur  Blutdruckmessung  diente  der  Apparat  von  Riva- 
R  o  c  c  i  mit  breiter  Recklinghausen  scher  Manschette. 
Die  Untersuchung  wurde  zunächst  vorgenommen,  nachdem  die 
Kranken  einige  Zeit  ruhig  gesessen  hatten,  dann  wurden  sie 
schnell  im  Zimmer  hin-  und  hergeführt,  ohne  dass  die  Man¬ 
schette  abgenommen  wurde.  Der  Untersucher,  der  mit  dem 
Kranken  ging,  trug  dabei  das  Manometer.  Die  zurückgelegte 
Strecke  betrug  etwa  20  m.  Im  Augenblick  des  Hinsetzens 
brachte  der  Untersucher  das  Manometer  wieder  in  die  zur 
Untersuchung  geeignete  Stellung  und  nahm  so  schnell  wie 
möglich  die  Blutdruckmessung  vor.  Auf  diese  Weise  war  es 
möglich,  fast  unmittelbar  nach  Aufhören  der  Bewegung  den 
Blutdruck  zu  ermitteln  und  einen  Wert  zu  erhalten,  der  dem¬ 
jenigen  während  des  Umhergehens  jedenfalls  sehr  nahe  kommt, 
Untersuchung  während  der  Bewegung,  die  natürlich  am 
zweckmässigsten  wäre,  lässt  sich  aus  technischen  Gründen 
nicht  ausführen. 

In  jedem  Falle  wurden  im  allgemeinen  mindestens  drei 
derartige  Versuche  zu  verschiedener  Zeit  ausgeführt.  Ausser-1 
dem  wurde  in  weiteren  Versuchen  die  Erregbarkeit  des  Pulses! 
sowohl  nach  Umhergehen  wie  nach  Ersteigen  einer  Treppe! 
von  etwa  30  Stufen  ermittelt. 

Untersuchung  einer  grossen  Anzahl  Herz-  und  Nervem 
gesunder  ergab,  dass  bei  der  von  uns  gewählten  Versuchs-! 
anordnung  bei  ihnen  entweder  überhaupt  kein  Einfluss  des 
Umhergehens  auf  den  Blutdruck  erkennbar  war,  oder  das< 
eine  etwaige  Zunahme  sich  doch  in  sehr  engen  Grenzen  hielt 
Sie  erreichte  selten  10  mm  und  ging  nur  ausnahmsweise  über 
diesen  Wert  hinaus.  Von  der  Wiedergabe  der  gefundener 
Einzelwerte  können  wir  Abstand  nehmen. 

Regelwidrige  Erhöhung  der  Erregbarkeit  haben  wir,  un 
sicher  zu  gehen,  erst  dann  angenommen,  wenn  nach  dem  Um¬ 
hergehen  eine  Zunahme  des  systolischen  Druckes  um  mehr 
als  15  mm  Quecksilber  erkennbar  war.  Ueber  35  durchweg 
männliche  Kranke,  bei  denen  dies  der  Fall  war,  gibt  die 
folgende  Zusammenstellung  Auskunft.  Ihre  Anordnung  bedar 
wohl  keiner  besonderen  Erläuterung  (siehe  Tabelle). 

An  erster  Stelle  sind  in  der  Tabelle  die  Kranken  mi 
funktionell-nervösen  Störungen  aufgeführt  und  zwar  untei 
1- — 10  Neurastheniker  (bzw.  Hystero-Neurastheniker),  be 
denen  eine  nebenher  bestehende  organische  Erkrankung  nich 
erkennbar  war,  unter  11 — 15  Fälle,  in  denen  neben  sichere^ 
neurasthenischen  Beschwerden  organische  Veränderungen  be. 
standen,  ohne  aber  für  das  gesamte  Krankheitsbild  von  wesent 
licher  Bedeutung  zu  sein.  Endlich  folgen  unter  No.  16— 1( 
Kranke,  bei  denen  der  Verdacht  auf  Vorliegen  einer  Neur 
asthenie  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  als  berechtigt  erweisei 
liess.  Auf  den  Rest  der  in  der  Zusammenstellung  aufgeführte) 
Fälle,  die  organische  Veränderungen  zeigten,  kommen  wi 
später  zurück. 

Regelrechtes  Verhalten  fanden  wir  nur  bei  2  Fällei 
sicherer  Neurasthenie  und  bei  2  zweifelhaften  Fällen,  so  das 
der  Prozentsatz  der  Neurastheniker  mit  erhöhter  Erregbarkei 
des  Blutdrucks  ausserordentlich  gross  erscheint.  Weiter 
Untersuchungen  werden  lehren  müssen,  ob  sich  stets  ein  der 
artiges  Verhältnis  findet,  oder  ob  doch  vielleicht  Zufälligkeite 
in  der  Zusammensetzung  des  Krankenmaterials  bei  seine) 
Zustandekommen  eine  Rolle  spielen.  Letzteres  ist  uns  nich 
ganz  unwahrscheinlich. 


28.  Januar  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nummer  11 

Beruf 

Alter 

Diagnose 

Zunahme  des 
Blutdrucks 
nach 

Umhergehen 

(Die  Ausgangs¬ 
werte  sind  in 
Klammern  bei- 
gefügt.) 

Zunahme  d 
zahlen  i.d.e 
Viertelmir 
nach  Aufh 
der  Bewe 

nach 

Umhergehen 

Puls- 

rsten 

lute 

ören 

?ung 

C 

<u 

Jahre 

durch¬ 

schnittlich 

grösste 

geringste 

durch¬ 

schnittlich 

— 

grösste 

geringste 

nach  Trepi 

steigen 

1 

Bergmann 

35 

Neurasthenie  nach  Kopf¬ 
verletzung 

16  (123) 

1812 

14  (19) 

16 

10 

_ 

2 

Weber 

37 

Neurasthenie 

32  (115) 

34 

3C 

13  (21) 

- 

__ 

14 

3 

Bergmann 

43 

Neurasthenie  nachUnfall 

29  (133) 

3C 

27 

10  (21) 

10 

9 

11 

4 

Bergmann 

38 

Hystero-Neurasthenie 
nach  Unfall 

26  (121) 

27 

24 

15  (19, 

15 

14 

16 

5 

Bergmann 

48 

Neurasthenie  nachUnfall 

22  (121) 

25 

20 

7  (18) 

8 

6 

_ 

6 

Ackerer 

31 

Neurasthenie 

36  (150) 

39 

34 

10  (15 

10 

9 

_ 

7 

Platzarbeiter 

•27 

Geringe  Neurasthenie 
nach  Unfall 

30  (140) 

31 

28 

10  (17; 

11 

9 

— 

8 

Kommis 

16 

Neurasthenie 

24  (121) 

28 

19 

12  (21) 

13 

10 

12 

9 

10 

Konditor 

28 

Neurasthenie  (angebl. 
Herzbeschwerden) 

20  (128) 

26 

16 

5  (17) 

— 

— 

5 

Schlosser 

23 

Nervöse  Herzbeschwerd. 

25  (119) 

25 

24 

9  (20) 

11 

7 

_ 

11 

Schlosser 

27 

Neurasthenie  (geringe 
Spitzenveränderungen) 

33  (116) 

41 

21 

5  (22) 

5 

4 

8 

12 

Bergmann 

37 

Neurasthenie  nachUnfall 
Leichte  Spitzenaffektion 

28  (110) 

30 

26 

13  (20) 

15 

11 

14 

1^ 

Polizeisergeant 

37 

Neurasthenie 
(Unbedeut.  Bronchitis) 

30  (116) 

31 

29 

11  (18) 

11 

11 

— 

14 

Taglöhner 

24 

Neurasthenie,  Hypazidi- 
tät,  leichte  Enteritis 

29  (136) 

30 

28 

10  (17) 

11 

9 

— 

15 

Anstreicher 

20 

Neurasthenie,  Gastritis 

24  (113) 

24 

23 

10  (20) 

10 

9 

10 

16 

Taglöhner 

29 

Unbedeutende  Affectio 
apic.  d.  Ischiasähnl.  Be¬ 
schwerden.  Neurasth.  ? 

19  (121) 

21 

18 

3(16) 

4 

2 

17 

Maschinist 

32 

Reste  von  Wirbelbruch, 
abgeheilte  Affectio  apic. 
Verdacht  auf  Neurasth. 

29  (128) 

31 

28 

12  (16) 

13 

11 

15 

18 

Platzarbeiter 

35 

Neurasthenie  ?  n.  Unfall 

18  (138) 

20 

16 

5  (17) 

7 

3 

10 

19 

Band  wirk er 

55 

Brustschmerzen  ohne 
objekt.  Befund 

23  (107) 

23 

22 

10  (17) 

11 

9 

10 

20 

Polizeisergeant 

29 

Nervöse  Magenbeschw. 
Debilitas  cordis? 

23  (107) 

24 

23 

13  (22) 

— 

— 

17 

21 

22 

Heizer 

31 

Debilitas  cordis? 

18  (136) 

21 

16 

5  (21) 

6 

4 

_ 

Ackerer 

46 

Leichte  Myodegeneratio 
Neurasthenie? 

28  (162) 

30 

25 

5  (21) 

6 

3 

8 

23 

Schaffner 

44 

Potatorium 

21  (156) 

22 

19 

5  (20) 

5 

5 

7 

24 

Zögling 

14 

Typhus-Rekonvaleszent 

36  (118) 

36 

35 

14  (22) 

16 

12 

15 

>5 

Eisenbali  narb. 

27 

ft 

34  (134) 

36 

3-2 

14  (30) 

15 

12 

18 

26 

27 

Weber 

52 

Myodegeneratio 

18  (95) 

20 

16 

6  (19i 

6 

5 

6 

Fabrikarbeiter 

53 

Arteriosklerose 

35  (178) 

36 

34 

11  (29) 

12 

10 

13 

28 

Taglöhner 

57 

V 

30  (158) 

34 

26 

9  (22) 

9 

8 

11 

29 

Erdarbeiter 

32 

Aorteninsuffizienz 

40  (142) 

41 

39 

4  (20) 

5 

3 

6 

50 

Schlosser 

34 

Aorteninsuffizienz 
(und  -stenose) 
Abgelaufene  Nephritis? 

29  (122) 

34 

23 

16  (18) 

17 

15 

16 

51 

Taglöhner 

50 

Aneurysma  aortae 
Aorteninsuffizienz 

31  (170) 

38 

23 

9  (18) 

9 

8 

14 

52 

Heizer 

44 

Tabes, Aneurysma  aortae 

24  (128) 

27 

22 

5  (23) 

5 

4 

_ 

Io 

Schleifer 

32 

Lungen-  und  Darm¬ 
tuberkulose 

19  (108) 

21 

18 

11  (18) 

12 

54 

Dreher 

32 

Multiple  Sklerose 

20  (130) 

22 

19 

7  (20) 

8 

6 

_ 

55 

Schieferbrecher 

37 

Verdacht  auf  beginnende 
multiple  Sklerose 

22  (117) 

23 

21 

8  (18) 

10 

6 

1 

11 

Die  Grösse  der  Druckzunahme  ist  bei  der  Mehrzahl  der 
Kranken  recht  beträchtlich.  Den  höchsten  Mittelwert,  36  mm, 
inden  wir  bei  dem  unter  No.  6  geführten  31  jährigen  Ackerer, 
len  Höchstwert  bei  einem  Versuche,  41  mm,  in  Fall  11.  Die 
Ergebnisse  der  wiederholten  Messungen  bei  demselben  Kran¬ 
en  sind,  wie  die  beigefügten  Höchst-  und  Mindestwerte 
•engen,  oft  recht  gleichmässig,  gelegentlich  finden  sich  aber 
tuch  beträchtliche  Unterschiede,  über  deren  Ursache  sich 
lichts  bestimmtes  aussagen  lässt. 

Gleichmässigkeit  der  Versuchsergebnisse  besteht  insofern, 
üs  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Falles  1  stets  sämtliche  in 
erschiedenen  Versuchen  bei  demselben  Kranken  erhaltenen 
Verte  über  der  als  obere  Grenze  des  Regelrechten  angenom- 
nenen  Zahl  von  15  mm  stehen. 

Bestimmte  Beziehungen  zwischen  der  Schwere  der  ner- 
ösen  Störungen  und  der  Grösse  der  Blutdruckerhöhung 
varen  nicht  erkennbar. 


175 


Auf  die  Fälle  20 — 35  braucht  nicht  im  einzelnen  einge¬ 
gangen  zu  werden.  Bemerkenswert  ist  die  ausserordentlich 
starke  und  gleichmässige  Zunahme  bei  einem  Kranken  mit 
kompensierter  Aorteninsuffizienz  (Fall  29)  und  bei  zwei  Typhus¬ 
rekonvaleszenten  (Fall  24  und  25). 

Absinken  des  Blutdruckes  nach  dem  Umhergehen  wurde 
nicht  beobachtet,  wobei  allerdings  zu  berücksichtigen  ist,  dass 
wir  Fälle  mit  Zeichen  schwerer  Störung  der  Herztätigkeit  nicht 
in  den  Kreis  unserer  Untersuchungen  einbezogen  haben. 

Bevor  wir  auf  die  Bedeutung  der  erhöhten  Erregbarkeit 
des  Blutdruckes  für  die  Beurteilung  der  Kranken  eingehen, 
ist  noch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  sich  nicht  ohne  Blut¬ 
druckmessung  auf  einfacherem  Wege,  im  besonderen  durch 
die  Pulszählung,  die  gleichen  Anhaltspunkte  für  die  Beurteilung 
des  Kreislaufes  gewinnen  lassen.  Dies  wäre  zu  bejahen,  wenn 
die  Pulszahlen  in  allen  Fällen  wesentlich  deutlichere  Schwan¬ 
kungen  zeigen  würden  wie  die  Blutdruckwerte.  Dass  dies 
nicht  der  Fall  ist,  hat  der  eine  von  uns  (St.)  bereits  früher  be¬ 
tont  und  wir  müssen  auch  auf  Grund  unserer  späteren  Unter¬ 
suchungen  entgegen  Herzfeld  an  dieser  Anschauung  fest- 
halten.  Denn  ein  Vergleich  der  beiden  Spalten  unserer  Zu¬ 
sammenstellung  lehrt,  dass  in  mehreren  Fällen  die  Zunahme 
der  Pulszahlen  durchaus  im  Bereiche  des  auch  bei  Gesunden 
Beobachteten  bleibt,  während  der  Blutdruck  sich  als  erheb¬ 
lich  erregbarer  erweist.  Am  auffallendsten  ist  der  Gegensatz 
in  dem  bereits  erwähnten  Falle  29,  in  dem  die  Pulszahl  nach 
Umhergehen  nur  um  4,  nach  Treppensteigen  um  6  Schläge  in 
der  Minute  zunahm,  während  der  systolische  Druck  um 
40  mm  in  die  Höhe  schnellte.  Auch  in  anderen  Fällen, 
z.  B.  9,  11,  16,  18  ist  der  Unterschied  in  dem  Verhalten  beider 
Werte  unverkennbar.  Es  ist  klar,  dass  die  Beur¬ 
teilung  lediglich  auf  Grund  der  Pulszählung 
in  derartigen  Fällen  kein  völlig  richtiges 
Bild  von  der  Einwirkung  körperlicher  An¬ 
strengungen  auf  den  Kreislauf  geben  würde. 

Die  Schlüsse,  die  wir  aus  unseren  Untersuchungen  für  die 
Beurteilung  der  Leistungsfähigkeit  der  Kreislauforgane  ziehen 
müssen,  ergeben  sieh  von  selbst:  Ein  Kranker,  der 
unter  unbedeutenden  körperlichen  Anstren¬ 
gungen  eine  beträchtliche  Blutdrucksteige¬ 
rung  erleidet,  wird  durch  schwere  Arbeit 
leichter  geschädigt  werden  als  ein  Kranker, 
bei  dem  die  gleiche  Leistung  keine  oder  nur 
eine  unbedeutende  Blutdrucksteigerung  aus¬ 
löst.  Als  besonders  schonungsbedürftig  sind 
K  rankezu  bet  r  achte  n,  bei  denen  starke  Erreg¬ 
barkeit  des  Blutdruckes  und  des  Pulses  ge¬ 
funden  wird.  Bei  der  Abschätzung  der  Erwerbsfähigkeit, 
besonders  bei  Neurosen  nach  Unfall,  aber  auch  bei  anderen 
Erkrankungen,  wird  man  daher  diesen  Verhältnissen  Rechnung 
tragen  müssen. 


Beiträge  zu  einer  rationellen  Nervenchirurgie. 

Von  Dr.  A.  Stoffel,  Spezialarzt  für  orthopädische  Chirurgie 
in  Mannheim  (früher  Heidelberg). 

Wenn  sich  auch  im  letzten  Jahrzehnt  viele  Forscher  des 
Inlandes  und  auch  ganz  besonders  des  Auslandes  mit  dem 
Ausbau  der  Operationen  an  den  peripheren  Nerven,  speziell 
der  Nerventransplantation,  beschäftigten,  so  sind  wir  doch 
noch  nicht  dahin  gelangt,  dass  die  meisten  dieser  Operationen 
als  Eingriffe  gelten  können,  die  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von 
Erfolg  begleitet  sind.  Wir  tasten  und  suchen  noch  immer, 
neben  glücklichen  Resultaten  steht  die  sicher  nur  zum  kleinen 
Teil  publizierte  Menge  der  Fehlschläge.  Infolgedessen  stehen 
noch  viele  Operateure  vor  allem  der  Nervenüberpflanzung 
skeptisch  gegenüber,  und  nicht  mit  Unrecht. 

Fahnden  wir  nach  den  Ursachen,  welche  die  Fehlresultate 
bedingen,  so  möchte  ich  vor  allen  Dingen  darauf  hinweisen, 
dass  die  Technik  unserer  Nervenoperationen  noch  verbessert 
werden  muss.  Wir  müssen  uns  vor  allen  Dingen  die  Resultate, 
die  die  Forschung  auf  dem  Gebiete  der  Nervenanatomie 
zeitigte,  für  unser  operatives  Vorgehen  zunutze  machen.  Ich 


1)  On  the  failure  of  nerve  anastomosis  in  infantile  palsy.  By 
Dr.  A.  Stoffel.  Lancet,  September  10,  1910. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


komme  auf  diesen  Punkt  später  noch  zurück.  Als  weitere  Ur¬ 
sache  der  Fehlresultate  spreche  ich  die  an,  dass  manche 
Operateure  ohne  besondere  Vorstudien  sich  an  Nerven- 
operationen  heranwagen  und  infolgedessen  die  Technik  nicht 
völlig  beherrschen.  Bei  einer  Sehnen-  oder  Knochenoperation 
fällt  es  für  den  Erfolg  nicht  zu  sehr  in  die  Wagschale,  wenn 
die  Operation  nicht  ganz  lege  artis  durchgeführt  wird.  Die 
heilkräftige  Natur  gleicht  manches  aus.  Anders  ist  es  aber 
bei  Nervenoperationen.  Hier  gilt  es,  den  Eingriff  von  Anfang 
bis  zu  Ende  in  der  korrektesten  Weise  durchzuführen.  Durch 
einen  falschen  Schnitt  am  Nerven,  durch  eine  falsche  Naht, 
durch  unzureichende  Kenntnisse  über  die  Querschnittsverhält¬ 
nisse  des  Nerven  etc.  kann  alles  zunichte  gemacht  werden. 
Ist  dann  eine  solche  Operation  von  keinem  Resultat  gefolgt, 
oder  ist  durch  sie  sogar  ein  Schaden  gesetzt  worden,  dann 
wird  bisweilen  der  Eingriff  selbst  dafür  verantwortlich  ge¬ 
macht  und  die  Leistungsfähigkeit  der  Nervenoperationen  be¬ 
stritten.  Ich  selbst  hatte  einmal  Gelegenheit,  ausländischen . 
Autoren,  die  über  vollkommene  Misserfolge  der  von  ihnen  aus¬ 
geführten  Nervenoperationen  berichteten,  nachzuweisen,  dass 
grosse  Fehler  ihrer  Technik  anhafteten  ')•  Wer  über 
schlechte  Resultate  bei  Nervenoperationen 
berichtet,  muss  den  Nachweis  liefern,  dass  er 
die  Technik  vollkommen  beherrscht. 

Die  Hauptursache  der  Fehlschläge  ist  aber  durch  unsere 
noch  mangelhaften  Kenntnisse  über  den  Bau  und  die  Physio¬ 
logie  der  peripheren  Nerven  bedingt.  Ich  übersehe  nicht, 
dass  wir  in  vielen  verwickelten  Fragen  dieser  Gebiete  durch 
die  Arbeit  der  letzten  Jahre  ein  gutes  Stück  weiter  gekommen 
sind.  Es  unterliegt  aber  auch  keinem  Zweifel,  dass  noch  viele 
Punkte  ihrer  völligen  Klärung  harren,  und  dass  die  Bearbeitung 
anderer  Punkte  noch  aussteht.  Nur  dann,  wenn  diese  Gebiete 
hinreichend  ausgebaut  sind,  können  sie  als  solide  Basis  für  ein 
rationelles  chirurgisches  Vorgehen  gelten.  Es  wird  sich  also 
dringend  empfehlen,  sich  der  Bearbeitung  dieser  Gebiete  mehr 
hinzugeben  als  bisher.  Ich  gebe  zu,  dass  ein  Eindringen  in 
die  Anatomie  und  Physiologie  der  peripheren  Nerven  bei  der 
Schwierigkeit,  welche  die  Materie  oft  bietet,  nicht  auf  leicht 
zu  bahnenden  und  ebnenden  Pfaden  erfolgen  kann,  schwer  zu 
überwindende  Hindernisse  werden  sich  oft  in  die  Wege  stellen. 
Diese  Misshelligkeiten  dürfen  aber  kein  Abhaltungsgrund  sein, 
in  die  Reihen  der  Pioniere  auf  diesem  schwierigen,  aber  auch 
aussichtsreichen  Gebiete  einzutreten.  Der  Anatom  und  der 
Physiologe  können  die  Bearbeitung  der  einschlägigen  Fragen 
nicht  allein  übernehmen,  da  die  Natur  des  Stoffes  es  oft  ver¬ 
langt,  dass  eine  Kombination  von  rein  wissenschaftlicher 
Arbeit  und  praktischer  Tätigkeit  stattfindet.  Und  dazu  ist  in 
erster  Linie  der  Praktiker  berufen,  der  Laboratoriumsarbeit 
einerseits  und  Studien  am  gesunden  und  kranken  Menschen 
andererseits  in  einer  Hand  vereinigen  kann. 

Ich  selbst  machte  es  mir  vor  3  Jahren  zur  Aufgabe,  die 
Morphologie  der  peripheren  Nerven,  über  die  wir  fast  nichts 
wussten,  näher  zu  ergründen  und  hatte  im  Laufe  der  letzten 
Jahre  an  zahlreichen  Leichen  und  bei  vielen  Operationen  Ge¬ 
legenheit,  meine  Studien  zu  vertiefen  und  die  einzelnen  Be¬ 
funde  als  sicher  zu  fixieren.  Ich  wies  damals  als  erster  darauf 
hin,  dass  die  grossen  Extremitätennerven  keine  einheitlichen 
Gebilde  sind,  sondern  die  Summe  vieler  einzelner 
Nervenbahnen  darstellen.  Weiter  konnte  ich  beweisen, 
dass  diese  Nervenbahnen  im  Querschnitt  des  Extremitäten¬ 
nerven  immer  eine  ganz  bestimmte  Lage  einnehmen;  ich 
führte  den  Begriff  der  Topographie  des  Nerven¬ 
in  n  e  r  n  ein  2). 

Betrachten  wir  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  kurz  die 
Verhältnisse,  die  der  Nervus  medianus  bietet,  so  konnte  ich 
folgende  Befunde  erheben;  Verfolgt  man  die  Muskeläste  für 
die  beiden  Köpfe  des  M.  pronator  teres,  für  die  Mm.  flexor 
carpi  radialis  et  palmaris  longus  nach  proximal,  so  sieht  man, 
dass  sie  sich  auf  der  volaren  Fläche  des  Nerven  zu  einer  ein¬ 
zigen  Bahn  vereinigen.  Diese  Nervenbahn  nimmt  die  vordere 


2)  Stoffel:  Neue  Gesichtspunkte  auf  dem  Gebiete  der  Nerven- 
transplantation.  Zeitschr.  f.  orthop.  Chirurgie,  Bd.  25. 

3)  Eine  genaue  Darstellung  der  inneren  Struktur  der  Extremi¬ 

tätennerven  und  deren  Chirurgie  habe  ich  an  der  Hand  eingehender 
Abbildungen  im  2.  Teil  der  Orthopädischen  Operationslehre  (Verlag 
Ferdinand  Enke,  Stuttgart)  gegeben. 


Zone  des  N.  medianus  ein  und  ist  dem  M.  biceps  benachbart. 
Man  kann  diese  Bahn  bis  in  die  Nähe  des  Plexus  brachialis 
verfolgen.  In  allen  Querschnitten  des  mittleren  und  distalen 
Oberarmdrittels  verläuft  also  die  Bahn  für  die  drei  eben  er¬ 
wähnten  Muskeln  dicht  neben  dem  M.  biceps,  im  Nervenquer- 
schnitt  volar  und  radial. 

Für  den  M.  flexor  digitorum  sublimis  kommen  im 
Medianusstamm  zwei  Bahnen  in  Betracht:  die  eine  verläuft 
ulnar,  die  andere  ulnodorsal.  Mithin  verlaufen  alle  Fasern  für 
den  M.  flexor  digitorum  sublimis  auf  der  ulnaren  und  ulno¬ 
dorsalen  Seite  des  N.  medianus. 

Die  vielen  Zweige  für  die  Mm.  flex.  digit.  profundus,  flex. 
pollic.  long.  et  pronat.  quadrat.  vereinigen  sich  nach  proximal 
zu  einer  stärkeren  Nervenbahn,  die  im  N.  medianus  rein  dorsal 
verläuft. 

Für  die  gesamte  Fingerbeugung  kommt  also  am  Oberarm 
die  ulnare  und  dorsale  Partie  des  Nerven  in  Betracht. 

Nach  Abzug  aller  dieser  eben  erwähnten  Bahnen  ist  der 
Nerv  am  Oberarm  seiner  peripheren  Schichten  zum  grossen 
Teil  entkleidet,  im  Rest  des  Nerven  sind  alle  sensiblen  Fasern 
und  die  motorischen  für  die  kurzen  Handmuskeln  enthalten3). 

Ich  erkannte  die  grosse  Tragweite  dieser  Befunde  für 
unsere  Operationen  an  den  peripheren  Nerven  und  stellte  die 
Forderung  auf,  bei  Operationen  den  Querschnitts  Ver¬ 
hältnissen  der  Nerven  im  weitesten  Masse 
Rechnung  zu  tragen.  Nur  derjenige,  der  dieser  For¬ 
derung  gerecht  wird,  kann  Anspruch  darauf  erheben,  eine 
rationelle  Nervenchirurgie  zu  treiben. 

In  jüngster  Zeit  setzte  ich  meine  Studien  fort,  um  noch 
tiefer  in  das  Wesen  der  peripheren  Nerven  einzudringen. 
Dazu  gesellten  sich  noch  Untersuchungen  über  den  Aufbau 
der  quergestreiften  Muskeln 4).  Auf  diese  Untersuchungen 
möchte  ich  hier  nicht  näher  eingehen;  nur  kurz  sei  erwähnt, 
dass  es  mir  gelungen  ist,  auch  im  mikroskopischen  Bilde  be¬ 
stimmte  Bahnen  im  Nervenquerschnitt  durch  besondere  Fär¬ 
bung  herauszuheben.  Auf  diese  Weise  konnte  ich  zeigen,  wie 
sich  einerseits  die  einzelnen  motorischen  Bahnen  unter  sich 
und  andererseits  die  motorischen  und  sensiblen  Bahnen  gegen¬ 
seitig  in  ihrer  Grösse  verhalten,  und  vor  allem  wie  die  ein¬ 
zelnen  Bahnen  im  Nervenquerschnitt  orientiert  sind.  Die 
mikroskopischen  Bilder  demonstrieren  auf  das  Eindringlichste, 
dass  der  Nervenquerschnitt  in  einzelne  absolut  selbständige 
Abschnitte,  deren  jeder  eine  besondere  Bezeichnung  verdient, 
zerfällt,  und  zwar  werden  die  motorischen  Areale  nach  den 
Muskeln,  denen  sie  die  Nervenfasern  zusenden,  die  sensiblen 
nach  den  Hautbezirken,  deren  Versorgung  ihnen  zufällt, 
benannt. 

Jede  dieser  Nervenbahnen  setzt  sich  aus  vielen  Nerven¬ 
fasern,  deren  jede  der  Neurit  einer  Ganglienzelle  des  grauen 
Vorderhorns  des  Rückenmarks  ist,  zusammen.  Jeder  dieser 
Ganglienzellen  entspricht  ein  bestimmter  von  ihr  versorgter 
Bezirk  im  Muskel.  Ganglienzelle  und  ihr  Neurit  stellen  eine 
Einheit,  die  Nerveneinheit,  dar.  Der  Innervationsreiz, 
der  von  einer  Ganglienzelle  ausgeht,  passiert  auf  seinem  Wege 
zum  Muskel  nur  die  eine  zu  ihr  gehörige  Nervenfaser. _  Ist 
die  Ganglienzelle  vernichtet,  dann  degeneriert  die  Nervenfaser 
und  der  betreffende  Muskelbezirk  ist  ausser  Funktion  gesetzt 
und  entartet.  Bei  Sehnenüberpflanzungen  an  Kindern,  die 
eine  Poliomyelitis  durchgemacht  haben,  sieht  man  nicht 
selten,  dass  einzelne  Inseln  in  einem  sonst  ganz  degenerierten, 
blass  rosa  oder  gelblich  aussehenden  Muskel  eine  rote, 
gesunde  Farbe  zeigen.  Dieser  Befund  kann  nur  so  erklärt 
werden,  dass  die  den  roten  Inseln  zukommenden  Nervenein- 
heiten  intakt  sind,  während  die  Hauptmasse  der  den  Muskel 
versorgenden  Ganglienzellen  der  Vernichtung  anheim¬ 
gefallen  ist. 

Ich  glaube  im  allgemeinen  behaupten  zu  können: 
soviele  Nervenfasern  in  dem  Querschnitte  einer  Nervenbahn, 
soviele  Ganglienzellen  im  Rückenmark,  soviele  Muskelein¬ 
heiten  im  Muskel.  Die  Zahl  der  Nervenfasern  innerhalb  einer 
Nervenbahn  können  wir  ziemlich  genau  bestimmen:  wir 
können  sie  im  Mikroskop  unter  Zuhilfenahme  eines  Zeichen¬ 
apparates  oder  in  der  projizierten  Mikrophotographie  zählen. 


*)  Stoffel:  Zum  Bau  und  zur  Chirurgie  der  peripheren  Nerven. 
Verhandl.  d.  Deutsch.  Gesellsch.  f.  orthop.  Chir.,  XI.  Kongress,  191-- 


28.  Januar  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


m 


Ich  habe  die  Zahl  der  Nervenfasern  für  einige  Muskeln  be¬ 
stimmt.  Sie  beträgt  für  einen  Muskel  bis  zu  einigen  Tausenden. 

Derartigen  Rechnungen  haftet  aber  ein  Fehler  an:  die 
sensiblen  Muskelnervenfasern  sind  nicht  berücksichtigt.  Doch 
darf  der  Fehler  nicht  zu  hoch  bewertet  werden,  da  die  sen- 
siblen  Elemente  im  Muskel  eine  untergeordnete  Rolle  spielen, 
ihrer  Zahl  nach  weit  hinter  den  motorischen  Zurückbleiben. 
Vorderhand  können  wir  motorische  und  sensible  Fasern  im 
Muskel  noch  nicht  unterscheiden. 

Unter  einer  Muskeleinheit  verstehe  ich  die  Summe 
der  Muskelfasern,  die  von  den  Verzweigungen  einer  Nerven¬ 
faser  versorgt  werden  (Fig.  1).  Hiermit  haben  wir  den 


Fig.  1.  Schematische  Darstellung  einer  Nerven-  und  Muskeleinheit. 

kleinsten  Teil  des  Muskels  bestimmt,  der  isoliert  innerviert 
werden  kann.  Vom  physiologischen  Standpunkte  aus  können 
wir  die  Muskeleinheit  als  den  Elementar  motor  be¬ 
zeichnen. 

Die  Möglichkeit  einer  isolierten  Innervation  des  Elemen¬ 
tarmotors  ist  theoretisch  anzunehmen,  praktisch  können  wir 
ein  so  kleines  Muskelgebilde  isoliert  nicht  innervieren.  Da¬ 
gegen  sind  wir  befähigt,  eine  Gruppe  von  Elementarmotoren, 
die  wir  einen  Muskelabschnitt  nennen,  allein  für  sich  zur  Kon¬ 
traktion  zu  bringen.  Diese  Fähigkeit,  bestimmte  Teile  des 
Muskels  einzeln  für  sich  in  Tätigkeit  zu  versetzen,  ist  bei  den 
verschiedenen  Menschen  in  verschieden  hohem  Masse  aus¬ 
gebildet.  Es  gibt  Menschen,  die  es  darin  zur  höchsten  Voll¬ 
endung  gebracht  haben.  So  sah  ich  einen  dieser  Muskel¬ 
künstler,  der  auf  Kommando  z.  B.  am  M.  rectus  abdominis 
der  einen  Seite  einen  zwischen  zwei  Inscriptiones  tendineae 
gelegenen  Muskelabschnitt  kontrahierte,  der  die  verschiedenen 
Zacken  des  M.  serratus  anterior  einzeln  zur  Kontraktion 
brachte  etc.  Solche  Menschen  sind  in  der  Lage,  die  kompli¬ 
ziertesten  Bewegungen  mit  Leichtigkeit  auszuführen.  Sie 
nutzen  eben  die  verschiedenen  Funktionen,  die  den  ver¬ 
schiedenen  Abschnitten  ihrer  Muskeln  zukommen,  nach  Mög¬ 
lichkeit  aus.  Sie  besitzen,  wenn  ich  eine  ganz  beliebige  Zahl 
als  Basis  eines  Vergleiches  heranziehen  darf,  nicht  100  sondern 
300  „Muskeln“.  Durch  regelrechte  Schulung  lässt  sich  auch 
beim  Durchschnittsmuskelmenschen  die  Fähigkeit  steigern, 
sowohl  einzelne  Muskeln  für  sich  zu  bewegen  als  auch  an  be¬ 
stimmten  Muskeln  gewisse  Abschnitte  isoliert  in  Tätigkeit  zu 
setzen.  Ein  solcher  Mensch  wird  mit  der  Zeit  geschickter, 
d.  h.  er  lernt  es,  kompliziertere  Bewegungen,  die  ein  exaktes, 
maschinenmässiges  Ineinandergreifen  von  verschiedenen  Mus¬ 
keln  und  Muskelabschnitten  zur  Grundbedingung  haben,  aus¬ 
zuführen.  Er  erreicht  eine  physiologische  Vervollkommnung 
seiner  Muskulatur. 

Plumpe  Bewegungen  kommen  dann  zustande,  wenn  viele 
Muskeln  zusammen  in  Bewegung  gesetzt  und  die  verschie¬ 
denen  Funktionen  der  einzelnen  Muskelabschnitte  nicht  aus¬ 
genutzt  werden.  Wer  an  Leichen  schon  beobachtet  hat,  wie 
verschieden  oft  ein  und  derselbe  Muskel  bei  zwei  Menschen 
gebaut  ist,  wie  er  bei  dem  einen  Menschen  eine  einzige  Masse 
darstellt,  die  schwer  zu  zergliedern  ist,  während  er  bei  dem 
anderen  in  mehrere  scharf  voneinander  getrennte  Abschnitte 
differenziert  ist,  der  kann  sich  ein  Bild  davon  machen,  dass  es 
dem  ersteren  Menschen  im  Leben  schwer  fiel,  einigermassen 
verwickelte  Bewegungen  mit  diesem  Muskel  auszuführen,  und 
dass  der  andere  sicher  sonder  Mühe  in  geschickter  und  ge¬ 
wandter  Weise  seine  Gliedmasse  durch  diesen  Muskel  in  Be¬ 
wegung  setzen  konnte. 

So  erhalten  die  Begriffe  „Geschicklichkeit“  etc.  zum  Teil 
eine  Erklärung  durch  den  Bau  der  Muskeln. 

Aber  noch  auf  einer  anderen  anatomischen  Basis  könnte 
Jie  Anlage  zur  Geschicklichkeit  beruhen.  Es  fiel  mir  bei 
meinen  Nervenuntersuchungen  oft  auf,  dass  bei  einigen  Leichen 

No.  4. 


die  Nervenbahnen  auf  grosse  Strecken  völlig  voneinander  iso¬ 
liert  verliefen  und  nur  selten  Anastomosen  zeigten.  Der 
„innere  Plexus“  des  Nerven  war  nur  in  geringerem  Grade  aus¬ 
gebildet.  Der  Willensreiz,  der  eine  dieser  Bahnen  passiert, 
wird  nur  an  den  bestimmten  Muskel  gelangen  und  erfährt 
keine  Ablenkung  in  andere  Bahnen,  deren  Muskeln  nicht  zur 
Mitkontraktion  gebracht  werden  sollen.  Infolgedessen  .  fällt 
die  Bewegung  rein,  zielbewusst,  sicher  aus.  Der  Erfolg  der 
Bewegung  ist  der  gewollte,  die  Bewegung  ist  eine  „geschickte“. 
Jede  Nervenbahn  hat  Unterabteilungen,  die  ebenfalls  ana- 
stomosenartige  Verbindungen  zeigt.  Sind  nun  diese  Ver¬ 
bindungen  in  geringer  Zahl  ausgebildet,  so  dass  also  die  ein¬ 
zelnen  Unterabteilungen  der  Nervenbahn  selbständig  für  sich 
verlaufen,  so  wird  auf  den  Reiz  einer  kleinen  Gruppe  von 
Ganglienzellen  hin  nur  ein  bestimmter  Muskelkomplex  ant¬ 
worten  und  die  Nachbarkomplexe  werden  unerregt  bleiben. 
Auf  diese  Weise  ist  der  betreffende  Mensch  in  der  Lage,  eine 
Bewegung  aufs  feinste  zu  differenzieren. 

Wir  finden  aber  auch  Leichen,  deren  Nervenbahnen  auf 
weite  Strecken  miteinander  verbacken  sind  und  zahlreiche 
Anastomosen  zeigen.  Durch  dieses  Verhalten  der  Bahnen 
wird  der  Willensreiz  öfters  in  falsche  Bahnen  abgelenkt,  und 
so  werden  auch  andere  Muskeln  und  Muskelabschnitte  als 
die  in  Aussicht  genommenen  zur  Kontraktion  gebracht.  Das 
Resultat  ist  eine  ungeschickte,  das  Ziel  nicht  völlig  treffende, 
plumpe  Bewegung. 

Aus  dem  eben  Gesagten  geht  schon  hervor,  dass  wir  die 
Muskelindividuen  der  anatomischen  Nomenklatur  weder  vom 
morphologischen  noch  vom  physiologischen  Standpunkte  aus 
als  Einheit  betrachten  dürfen.  Im  Gegenteil.  Wir  haben  uns 
den  Aufbau  eines  Muskels  folgendermassen  zu  denken: 

Aus  vielen  Muskeleinheiten  wird  ein  kleiner  Muskelab¬ 
schnitt  gebildet,  mehrere  Abschnitte  ergeben  einen  Muskel¬ 
komplex.  Aus  mehreren  Komplexen  setzt  sich  der  Gesamt¬ 
muskel  zusammen.  Gesellen  sich  mehrere  Muskeln  zuein¬ 
ander,  so  haben  wir  eine  Muskelgruppe. 

Wie  liegen  nun  die  Verhältnisse  beim  Nerven?  Wir 
sahen  vorhin,  dass  als  Einheit  im  Nerven  die  Nervenfaser,  der 
Neurit  der  motorischen  Ganglienzelle,  zu  betrachten  ist. 
Mehrere  Nervenfasern  sammeln  sich  zu  einem  kleinen  Nerven¬ 
zweig.  Mehrere  Zweige  vereinigen  sich  zu  einem  Nervenast. 
Aus  der  Summe  der  Nervenäste  entsteht  der  Muskelnerv. 
Dieser  Muskelnerv  verläuft  nicht  allein  für  sich  zum  Rücken¬ 
mark,  sondern  er  schliesst  sich  an  andere  Muskelnerven  und 
an  sensible  Nerven  an.  Das  auf  diese  Weise  entstehende  Ge¬ 
bilde  ist  der  grosse  Extremitätennerv. 

Wir  sehen  also,  dass  Muskel  und  Nerv  ganz 
analog  gebaut  sind,  dass  sie  sich  aus  ein¬ 
zelnen  kleinen  Bausteinen  zusammensetzen, 
die  sich  zu  immer  grösser  werdenden  Ver¬ 
bänden  vereinigen. 

Diese  Vorstellungen  über  den  Bau  der 
Nerven  und  der  Muskeln  müssen  alle  unsere 
Operationen  an  diesen  Gebilden  beherrschen. 

Von  den  Operationen  an  den  Nerven  greife  ich  nur  eine 
heraus,  nämlich  die  Nerve ntransplantation.  Sie 
wurde  bis  vor  kurzem  in  der  Weise  geübt,  dass  man  von  einem 
gesunden  Nerven  irgend  einen  „Lappen“  abspaltete  und  diesen 
dem  gelähmten  Nerven  an  einer  beliebigen  Stelle  implantierte. 
Dieses  Verfahren  ist  unbedingt  zu  verwerfen,  da  es  den  ana¬ 
tomischen  Aufbau  des  Nerven  nicht  berücksichtigt.  Wenn 
Resultate  damit  erzielt  wurden,  so  waren  sie  nur  dem  Glücks¬ 
zufall  zu  verdanken,  dass  der  Operateur  einen  funktions¬ 
tüchtigen  motorischen  „Lappen“  erwischte  und  ihn  dem  ge¬ 
lähmten  Nerven  an  der  richtigen  Stelle  implantierte.  Sehr  oft 
kann  sich  dieser  Glückzufall  aber  nicht  ereignet  haben. 

Durch  meine  Untersuchungen  über  den  Bau  des  Nerven 
ist  der  bisherigen  Methode  der  Nervenüberpflanzung  voll¬ 
ständig  der  Boden  entzogen  worden,  und  meine  therapeu¬ 
tischen  Vorschläge,  die  auf  diesen  Untersuchungen  fussen, 
wurden  akzeptiert.  Alle  die  bisher  geübten  Verfahren  der 
Abspaltung,  Implantierung  etc.  müssen  verlassen  werden,  seit¬ 
dem  wir  die  rationelle  Nerventransplantation,  die  auf  der 
natürlichen  Struktur  der  Nerven  basiert,  kennen. 

Zwei  Forderungen  müssen  wir  jetzt  bei  einer  Nerven- 
transplantation  von  vornherein  erfüllen:  wir  müssen  am 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


m 


kranken  Nerven  die  Lage  der  gelähmten  Bahn  kennen,  und 
wir  müssen  am  gesunden  Nerven  d  i  e  Bahn  mit  absoluter 
Sicherheit  bestimmen  können,  die  wirklich  neurotisieren  kann, 
und  die  eventuell  auch  ausfallen  darf.  Nicht  bei  allen  Nerven 
und  nicht  an  jeder  Stelle  des  Nerven  können  wir  diesen 
Forderungen  gerecht  werden.  Verschmilzt  eine  Bahn  mit 
einer  anderen  zu  einem  nicht  zerlegbaren  Ganzen,  oder 
splittert  sie  sich  in  mehrere  Teile  auf,  dann  ist  sie  für  eine 
Ueberpflanzung  nicht  verwertbar.  Würden  wir  sie  benutzen, 
dann  verliessen  wir  uns  lediglich  auf  unser  Glück. 

Aus  diesen  kurzen  Andeutungen  erhellt  zur  Genüge,  dass 
der  Operateur,  der  sich  an  eine  Nerventransplantation  heran¬ 
wagt,  mit  dem  inneren  Bau  der  Nerven  absolut  vertraut  sein 
muss.  Kennt  er  die  Lage  und  den  Verlauf  der  einzelnen 
Bahnen,  so  ist  es  ihm  ein  leichtes,  sowohl  die  zweckmässige 
motorische  Bahn  abzuspalten  und  die  sensible  zu  vermeiden, 
als  auch  die  richtige  Stelle  zur  Implantierung  zu  treffen.  Die 
diesbezüglichen  Kenntnisse  und  die  technischen  Fertigkeiten 
kann  man  sich  in  erster  Linie  durch  Studium  an  der  Leiche, 
das  jedem,  der  sich  mit  Nervenoperationen  beschäftigt,  sehr 
empfohlen  werden  kann,  erwerben. 

Zur  allgemeinen  Technik  einer  rationellen  Nerveniiber- 
pflanzung  möchte  ich  folgendes  bemerken:  Als  Paradigma  sei 
eine  absteigende  Ueberpflanzung  gewählt.  Den  ersten  Akt 
der  Operation  bildet  das  Isolieren  der  Bahn,  die  als  Neuro- 
tiseur  benutzt  werden  soll.  Wir  fassen  mit  einer  feinen, 
spitzen  Pinzette  das  Neurilemm  der  Bahn,  deren  Lage  im 
Stamme  des  Nerven  wir  durch  unsere  anatomischen  Studien 
kennen,  und  ziehen  damit  die  Bahn  vom  übrigen  Nerven  etwas 
ab.  Dadurch  wird  das  Interstitium  sichtbar,  das  die  Bahn  von 
den  übrigen  trennt  (Fig.  2).  In  diesem  Interstitium  trennen 
wir  mit  einem  kleinen  Nervenmesser  das  Bindegewebe  vor¬ 
sichtig  durch,  unterminieren  die  Bahn  und  lösen  sie  in  ihrer 
ganzen  Zirkumferenz  los  (Fig.  2).  Haben  wir  das  erreicht, 
so  ist  es  ein  leichtes,  die  Bahn  nach  distal  und  proximal  eine 
Strecke  weit  zu  isolieren;  wir  spannen  die  Bahn  leicht  an  und 
trennen  schichtweise  das  zarte  Bindegewebe,  das  die  Bahn 
mit  den  Nachbarbahnen  verbindet,  durch.  Wollen  wir  ganz 
sicher  sein,  dass  die  isolierte  Bahn  auch  die  richtige  ist,  so 
berühren  wir  die  Bahn  mit  der  von  mir  konstruierten  Nadel¬ 
elektrode,  die  als  Kathode  an  einen  Galvanisationsapparat 
mittels  eines  sterilisierten  Kupferdrahtes  angeschlossen  ist 
(Fig.  2).  Der  betreffende  Muskel  wird  dann  zucken. 


N.radüdis 


lang 


Bahn  f  Cap. 
et.  med.  m-  tricip. 


N.  axillaris 


Fig.  2.  Meine  Methode  der  Abspaltung  eines  Teiles  eines  gesunden 
Nerven  zwecks  Ueberpflanzung  auf  einen  gelähmten  Nerven. 

Am  gesunden  N.  radialis  wird  die  Bahn  für  das  Caput  longum  et 
mediale  m.  tricipitis  zwecks  Ueberpflanzung  in  den  gelähmten 
N.  axillaris  abgespalten.  Die  Loslösung  geht  im  Bereiche  des  Binde¬ 
gewebes,  das  die  Bahn  von  den  übrigen  trennt,  vor  sich;  Nerven¬ 
fasern  dürfen  nicht  verletzt  werden.  Die  Pinzette  fasst  das  Neu¬ 
rilemm,  mit  Hilfe  der  Nadelelektrode  kann  man  die  Identität  der 
abgespaltenen  Bahn  kontrollieren. 


Ist  die  Bahn  genügend  weit  isoliert,  dann  trennen  wir  sie 
peripher  ab.  Den  peripheren  Stumpf  der  Nervenbahn  können 
wir  schlecht  versorgen.  Wir  werden  daher  als  Neurotiseure 
nur  solche  Bahnen  auswählen,  deren  Muskelgebiet  ausfallen 
kann,  ohne  dass  eine  bedeutende  Funktionsstörung  gesetzt 


wird.  Als  Bahnen,  die  sich  gut  isolieren  lassen  und  für  die 
Ueberpflanzung  geeignet  sind,  möchte  ich  kurz  nennen:  in  der 
Achselhöhle  die  Bahn  für  die  drei  Köpfe  des  M.  triceps  brachii, 
in  der  distalen  Hälfte  des  Oberarms  die  Bahn  für  die  Mm. 
pronator  teres,  flexor  carpi  radialis  et  palmaris  longus,  in  der 
Kniekehle  die  Bahn  für  den  M.  triceps  surae,  am  N.  ischiadicus 
die  Bahn  für  die  Kniebeuger  etc. 

Der  Neurotiseur  muss  so  weit  mobilisiert  werden,  dass 
er  in  einer  geschlängelten  Linie  zur  Implantationsstellc,  die 
jetzt  zu  bestimmen  ist,  verläuft.  Die  Implantationsstelle  dürfen 
wir  nicht  nach  Belieben  wählen,  sondern  müssen  streng  darauf 
achten,  dass  wir  den  Neurotiseur  nur  mit  der  Bahn,  deren 
Funktionsausfall  gedeckt  werden  soll,  in  Kontakt  bringen.  Da 


Fig.  3a — d:  Implantierung  eines  Nerven  nach  Stoffel. 


die  gelähmte  Bahn  mit  Hilfe  des  elektrischen  Stromes  nicht 
zu  bestimmen  ist,  so  sind  wir  lediglich  auf  unsere  anatomischen 
Kenntnisse  angewiesen. 

Die  Implantierung  selbst  führe  ich  folgendermassen  aus: 
Ich  frische  die  gelähmte  Bahn  mittels  eines  kleinen  Skalpells 
oder  einer  feinen  Schere  durch  einen  kleinen  Querschnitt 
(Okulierquerschnitt)  an  (Fig.  3  a).  Wollte  man  in  diesen 
Querschnitt  implantieren,  so  würde  man  bald  innewerden, 
dass  der  zu  überpflanzende  Nerv  schwer  mit  der  Wundfläche 
des  angefrischten  Nerven  in  Kontakt  zu  halten  ist.  Ich  lege 
deshalb  senkrecht  zum  Querschnitt  noch  einen  Längsschnitt 
(Fixierungslängsschnitt)  an  (Fig.  3  b),  der  vom  Querschnitt 
aus  nach  zentral  verläuft.  Bei  diesem  Längsschnitt  gebe  man 
sich  Mühe,  keine  Nervenfasern  zu  verwunden,  man  lege  ihn 
also  interstitiell  an.  In  diesen  Längsschnitt  wird  der  Neuroti* 


28.  Januar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


179 


:  seur  so  versenkt,  da$s  seine  Wundfläche  mit  der  durch  den 
Querschnitt  geschaffenen  Anfrischungsfläche  in  innigen  Kon¬ 
takt  gerät  (Eig.  3  c).  Ueber  dem  Längsschnitt  wird  das  Peri¬ 
neurium  durch  einige  Quernähte,  die  das  Perineurium  des  im¬ 
plantierten  Nerven  mitfassen,  geschlossen.  Eine  oder  zwei 
Nähte  schliessen  das  Nervenbindegewebe  auch  über  dem 
Okulierquerschnitt  (Fig.  3d).  Durch  diesen  exakten  Naht¬ 
verschluss  ist  die  ganze  Implantationswunde  unter  die  Peri- 
neuralwunde  versenkt. 

Im  folgenden  seien  3  Nervcntransplantationen  geschildert, 
wie  ich  sie  ausführe  bezw.  auszuführen  vorschlage. 

1.  Bei  Lähmung  des  M.  d  e  1 1  o  i  d  e  s  transplantieren 
wir  vom  gesunden  N.  radialis  die  Bahn  für  das  Caput  longum 
et  Caput  mediale  m.  tricipitis  auf  den  gelähmten  N.  axil¬ 
laris.  Meine  ersten  Axillarisplastiken  liegen  nun  3  Jahre 
zurück. 

Nachdem  wir  den  N.  radialis  freigelegt  haben,  suchen 
wir  uns  die  Bahnen  für  den  M.  triceps  auf.  Sie  verlaufen  in 
der  Achselhöhle  im  ulnaren,  ulnovolaren  und  ulnodorsalen 
Gebiete  des  N.  radialis.  Von  diesen  Bahnen  spaltet  man  die 
für  den-  langen  und  medialen  Kopf  des  M.  triceps  ab,  wobei 
man  nur  in  den  Interstitien  der  Nervenbahnen  arbeitet  (Fig.  2). 
Diese  abgespaltene  Bahn  wird  zum  N.  axillaris  geleitet,  der 
daraufhin  zu  untersuchen  ist,  ob  er  ein  Ganzes  darstellt  oder 
in  2  Teile  zerlegt  ist.  Es  kommt  nämlich  vor,  dass  der  ulnare 
und  der  humerale  Stamm  des  N.  axillaris  schon  in  der  Achsel¬ 
höhle  getrennt  voneinander  verlaufen.  Der  ulnare  Stamm 
versorgt  nur  die  Portio  spinata  m.  deltoidei,  der  humerale  die 
Portio  acromialis  et  clavicularis.  Da  letztere  die  wichtigere 
ist,  so  ist  sie  bei  getrenntem  Verlauf  der  beiden  Stämme  allein 
zu  versorgen.  Ist  der  N.  axillaris  nicht  geteilt,  dann  hüte  man 
sich  beim  Anlegen  des  Anfrischungsschnittes  davor,  in  das 
Interstitium  zwischen  ulnarem  und  humeralem  Stamm  zu  ge¬ 
raten.  Mit  der  Anfrischungsfläche  wird  die  abgespaltene 
Bahn  des  N.  radialis  in  Kontakt  gebracht  und  beide  Nerven 
werden  miteinander  vernäht. 

2.  Transplantation  der  Nn.  glutaei  bei  Läh¬ 
mung  des  M.  glutaeus  maximus,  medius  et 
m  i  n  i  m  u  s. 

Da  die  Nn.  glutaei  inferior  et  superior  büschelartig  gebaut 
sind,  so  kommt  nur  eine  aufsteigende  Implantation  in  Betracht. 
Wir  schneiden  daher  z.  B.  den  N.  glutaeus  inferior  möglichst 
weit  proximal  ab  und  verlagern  ihn  zum  N.  ischiadicus,  der 
gesunde  Nervenfasern  in-  sich  führt.  Wenn  z.  B.  die  Unter¬ 
schenkelbeuger  sehr  gut  funktionieren,  so  suchen  wir  uns  am 
N.  ischiadicus,  der  in  den  N.  tibialis  und  den  N.  peronaeus  zer¬ 
fällt,  die  Bahn  für  diese  Muskeln  auf.  Sie  verläuft  an  der 
medialen  (sakralen)  Kante  des  N.  tibialis.  Diese  Bahn  wird 
ingefrischt  und  in  ihr  der  gelähmte  Nerv  versenkt 5). 

3.  Transplantation  eines  Teiles  des  ge¬ 
sunden  M.  tibialis  auf  den  N.  peronaeus  super¬ 
ficialis  bei  Lähmung  der  Mm.  peronaei. 

Als  Kraftspender  wählen  wir  in  der  Kniekehle  die  Bahn 
für  das  Caput  laterale  m.  gastroenemii  und  die  dorsalen  Teile 
Jes  M.  soleus,  die  in  den  dorsalen  Teilen  des  N.  tibialis  ver- 
äuft,  aus.  Der  N.  peronaeus  „communis“  wird  in  seine  zwei 
Komponenten,  den  N.  peronaeus  profundus  und  den  N.  pero¬ 
neus  superficialis  zerlegt.  Nun  gilt  es,  an  letzterem  die 
Region  zu  bestimmen,  in  der  die  Fasern  für  die  Mm.  peronaei 
cerlaufen.  Sie  stellen  den  kleineren  Teil,  etwa  ein  Drittel  des 
V  peronaeus  superficialis  dar  und  liegen  an  der  medialen 
Seite  desselben.  Der  Rest  des  Nerven  enthält  nur  sensible 
nsern.  Die  motorische  Bahn  wird  angefrischt  und  in  ihr  der 
Keurotiseur  versenkt. 

Ich  möchte  meine  Ausführungen  mit  dem  Wunsche 
chliessen,  dass  uns  das  Wesen  des  peripheren  Nerven,  seine 
Morphologie,  seine  Physiologie  und  seine  Biologie  noch  weiter 
rschlossen  werden  möge.  Dann  werden  wir  auch  die 
Kerventransplantation,  das  schwierigste  Kapitel  der  Nerven- 
-hirurgie,  so  ausbauen  können,  dass  sie  in  der  Hand  von 
Spezialisten  Tüchtiges  leistet. 


8)  cf.  Stoffel:  Vorschläge  zur  Behandlung  der  Glutaeus- 
Jhmungen  mittels  Nervenplastik.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  107. 


Aus  dem  Röntgeninstitut  Dr.  Bruegel  und  Dr.  Kaestle 

zu  München. 

Bewegungsvorgänge  am  pathologischen  Magen  auf  Grund 
röntgenkinematographischer  Untersuchungen*). 

Von  Carl  Bruegel. 

Die  Durchleuchtung  des  Magendarmkanals  mit  Röntgen¬ 
strahlen  ist  im  Laufe  der  letzten  Jahre  zu  einem  so  überaus 
wichtigen  und  wertvollen  diagnostischen  Hilfsmittel  geworden, 
dass  diejenigen,  welche  die  radiologischen  Leistungen  auf  dem 
speziellen  Gebiete  kennen,  diese  Untersuchungsmethode  nicht 
mehr  missen  möchten.  Eine  Magendarmuntersuchung  ohne 
Heranziehung  der  Röntgenstrahlen  ist  ebenso  unvollständig 
und  lückenhaft  wie  eine  Magendurchleuchtung  ohne  Berück¬ 
sichtigung  der  klinischen  Untersuchungsmethoden.  Wir  müssen 
aber  noch  weiter  gehen.  Die  Untersuchung  am  Leuchtschirm, 
also  die  Dur  chleuchtung,  kann  wohl  gröbere  anatomische  Ver¬ 
änderungen  aufdecken.  Die  feinen  Details  bei  der  antralen 
Formation  entgehen  aber  selbst  dem  Auge  eines  geübten 
Untersuchers.  Ich  erinnere  an  die  Einführung  der  Biorönt- 
genographie.  Erst  die  Herren  Kaestle,  Rieder  und 
R  o  s  e  n  t  h  a  1  haben  auf  Grund  der  Serienaufnahmen  nach- 
weisen  können,  dass  es  weder  einen  Sphincter  antri  gibt 
noch  ein  strenglokalisiertes  Antrum.  Die  Leuchtschirmbeob¬ 
achtungen  haben  diese  Tatsachen  nicht  zu  konstatieren  ver¬ 
mocht.  Auch  die  einzelne  Photographie  ist  oft  ungenügend;  sie 
vermag  uns  eben  nur  eine  einzige  Phase  der  Magentätigkeit 
im  Bilde  zu  übermitteln.  Eine  einzige  Kontraktionsphase  ge¬ 
stattet  aber  nicht  in  allen  Fällen  einen  unbedingten 
Rückschluss  auf  den  Gesamtablauf  einer  Magenperistole.  Zum 
Beispiel  Bild  1:  Die  konzentrische  Abschnürung 
des  Antrum  ist  eine  energische  und  tiefe.  Auf¬ 
fallend  ist  vielleicht,  abgesehen  von  der  Quer¬ 
dehnung,  die  geradlinige  Begrenzung  gegen 
den  Pylorus  zu.  Jedenfalls  gestattet  dieses 
Einzelphasenbild  nicht,  umfangreiche  patho¬ 
logische  Veränderungen  zu  konstatieren.  Und  Bild  1. 
doch  bestanden  dieselben  in  eklatanter 
Weise.  Ich  werde  auf  diesen  Fall  in  seiner  Gesamtheit  später 
noch  zurückkommen.  Ebenso  wie  die  kinemiatographische 
Untersuchung  des  normalen  Magens  ganz  neue  Ergebnisse  auf¬ 
weist,  stehen  logischerweise  auch  für  den  pathologischen 
Magen  neue  und  wertvolle  Resultate  zu  erwarten.  Die  Herren 
Kaestle,  Rieder  und  Rosenthal  haben  am  Schlüsse 
ihres  Originalberichtes  über  die  Röntgenkinematographie  be¬ 
reits  dieser  Erwartung  Ausdruck  gegeben. 

Es  ist  mir  nun  in  den  letzten  Monaten  gelungen,  bei  einer 
Reihe  von  Fällen  mittels  Serienaufnahmen  diagnostische 
Untersuchungen  vorzunehmen,  deren  Ergebnisse  operativ 
kontrolliert  werden  konnten.  Da  solche  durch 
Autopsie  in  vivo  kontrollierte  Diagnosen 
und  deren  event.  Korrekturen  zweifellos  um 
vieles  wertvoller  sind  als  Serien  unkontrol¬ 
lierbarer  Röntgenbilder,  halte  ich  es  für  angezeigt, 
über  einige  gleichgeartete  Fälle  zu  referieren.  Die  Kenntnis 
der  Bewegungsvorgänge  am  Normalmagen  ist  für  die  Be¬ 
urteilung  der  pathologischen  Fälle  die  unbedingte  Voraus¬ 
setzung;  ich  verweise  auf  den  Kaestle-Rieder-  und  Rosen- 
thalschen  Originalbericht.  Der  Zweck  dieser  antralen  Be¬ 
wegungsvorgänge  ist  die  Durchmischung  und  allmähliche  Ent¬ 
leerung  des  Inhalts.  Die  Silhouette  des  Antrums  zeigt  sich  auf 
der  Höhe  der  Ausbildung  meist  als  ein  kugelähnliches  Ge¬ 
bilde;  gerade  Linien  fehlen  fast  oder  kommen  nur  in  ein¬ 
zelnen  Phasen  vor.  Das  ist  wichtig.  Es 
ist  natürlich  klar,  dass  die  normalen  Antrumbilder  nicht  alle 
diese  soeben  erwähnte  Form  aufweisen  werden.  Es  gibt 
zweifellos  Varietäten  und  individuelle  Verschiedenheiten  der 
mannigfachsten  Art.  Auch  ist  nach  dem  mir  vorliegenden 
Material  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  die  Aziditäts¬ 
verhältnisse  die  antrale  Konfiguration,  mindestens  aber  das 
Tempo  des  Ablaufes  einer  Peristole  zu  beeinflussen  vermögen. 
Diese  Fragen  können  heute  noch  nicht  exakt  beantwortet 
werden.  Es  fehlen  hiezu  bis  jetzt  die  nötigen  systematischen 
Untersuchungen  grösseren  Stiles.  Nun  zu  meinen  Fällen. 

*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  München 
am  4.  Dezember  1912. 


2* 


180 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Zuerst  ein  Fall,  der  zeitlich  viel  später  zur  Untersuchung 
kam  als  die  anderen.  Da  er  aber  diagnostisch  besonders 
interessant  ist,  will  ich  ihn  vorweg  nehmen. 

F  a  1 1  1.  R.  Am  8.  Oktober  untersuchte  ich  mit  Röntgenstrahlen 
einer.  Patienten  R.,  der  seit  6  Jahren  wegen  nervösen  Magenleidens  in 
Behandlung  gestanden  hatte.  Die  klinischen  Untersuchungsmethoden 
Hessen  mich  im  Stich,  so  dass  ich  eine  Röntgenuntersuchung  vor¬ 
nahm.  Bei  der  Durchleuchtung,  die  während  und  nach  der  Ein¬ 
nahme  des  trinkbar  flüssigen,  nicht  sedimentierenden  Kaestle- 
schen  Kontrastin-Mondamin-Breies  erfolgte,  ergab  sich  folgender  Be¬ 
fund:  Der  Magen  entfaltet  sich  in  durchaus  normaler  Weise.  Ex¬ 
quisiter  Langmagen.  Deutliche  Antrumperistaltik.  Der  anfängliche 
gute  Tonus  verschwindet  nach  wenigen  Minuten,  es  tritt  ausge¬ 
sprochene  Querdehnung  auf.  Die  grobe  Beweglichkeit  ist  gut,  doch 
bereitet  die  gewaltsame  Seitwärts-  und  Höherdrängung  des  Magens 
etwas  Schmerzen.  Die  Entleerung  vollzieht  sich  in  normaler  Zeit; 
nach  2Vi  Stunden  hatte  der  grösste  Teil  der  Kontrastmassen  den 
Magen  bereits  verlassen.  Bei  dieser  Kontrolldurchleuchtung  fiel 
mir  auf,  dass  das  Antrum  nach  dem  Pylorus  zu  durch  eine  scharfe 
horizontale  Linie  abgegrenzt  war.  Ich  kannte  diesen  Befund 
von  früheren  Röntgen-Kinematogrammen,  hatte  aber  noch  niemals 
am  Leuchtschirm  diese  Beobachtung  machen  können.  Ich  veranlasst 
den  Patienten  zur  kinejnatographischen  Aufnahme.  12  Bilder  in 
24  Sekunden,  10  Minuten  nach  der  Nahrungsaufnahme.  Hier  die 
Pausen  der  Kinematogramme  (Fig.  2). 


Bild  2  (Fall  R.  L). 


1 


Der  an  sich  lange  Magen  ist  ektatisch,  so  dass  die  normale 
Kontrastmahlzeit  denselben  nur  teilweise  zu  füllen  vermag.  Die 
Bildung  des  Antrum  vollzieht  sich  in  fast  normaler  Weise.  Auf¬ 
fallend  ist  die  scharfe  horizontale  praepylo  rische 
Abschlusslinie,  die  auf  allen  Phasenbildern  vorhanden  ist.  Während 
an  der  grossen  Kurvatur  die  peristaltischen  Wellen  bis  dicht  an  den 
Pylorus  gelangen,  verlieren  sich  dieselben  an  der  kleinen  Kurvatur 
viel  früher.  Die  Zeit  des  Ablaufes  einer  Peristole  (22—24  Sekunden) 
ist  als  normal  zu  bezeichnen. 

Meine  Diagnose  auf  Grund  dieser  Serienaufnahme  lautete:  Be¬ 
hinderung  des  Ablaufes  der  Kontraktionswellen  am  präpylorischen 
Teil  des  Magens  durch  Wandinfiltrat  oder  Narbe,  wahrscheinlich 
verbunden  mit  Verwachsungen.  Ich  empfahl  dem  Patienten  die 
Gastroenterostomie.  Herr  Wilhelm  Pettenkofer  nahm  die  Operation 
am  24.  Oktober  vor.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  wurde  der 

Magen  mit  grösster  Gründlichkeit  und 
Sorgfalt  abgesucht.  Nirgends  fand 
sich  eine  Wandveränderung,  nirgends 
eine  Narbe.  Es  bestanden  lediglich 
flächenhafte  Verwachsungen  zwischen 
präpylorischem  Magenteil  (und  zwar 
an  der  Rückwand)  und  dem  Duo¬ 
denum  einerseits  und  der  Gallen¬ 
blase  andererseits.  Dieselben  wur¬ 
den  bis  zum  normalen  Rande  des 
Ligam.  hepato-duodenale  gelöst;  es 
war  somit  der  präpylorische  Magen¬ 
teil  wieder  mobilisiert,  ln  der  Gallen¬ 
blase  keine  Steine.  Von  einer  Gastro¬ 
enterostomie  wurde  abgesehen  und 
der  Leib  sofort  wieder  geschlossen. 
Nachdem  der  Patient  aus  der  Heilanstalt  entlassen  war,  nahm 
ich  wieder  eine  kinematographische  Aufnahme  vor.  Wenn 
die  Verwachsungen  allein  imstande  sind,  die 
Konfiguration  des  Antrum  so  zu  verändern,  dass 
diese  breite  horizontale  Abschlusslinie  entsteht, 
so  muss  diese  letztere  jetzt  verschwunden  sein, 
umsomehr  als  die  übrigen  Bedingungen  mangels 
der  Gastroenterostomie  die  gleichen  geblieben 
waren.  Und  in  der  Tat.  diese  konstante  geradlinige  Begrenzung 
i  s  t  verschwunden.  Ich  nahm  10  Tage  später  eine  3.  Serienaufnahme 
des  Patienten  vor  und  erhielt  das  gleiche  Resultat.  Fig.  3  zeigt  den 
nicht  wieder  zu  erkennenden  Magen.  Das  typische  Bild  eines  Lang¬ 
magens  mit  Querdehnung.  Langsame  Peristaltik,  jedoch  ohne  Ver- 


m 


Bild  3  (Fall  R.  II). 


Zögerung  der  Entleerung,  wie  ich  mich  überzeugte.  Hier  sind  also 
nachgewiesenermassen  lediglich  flächenhafte  Verwachsungen  (Pat. 
will  früher  Ikterus  gehabt  haben)  das  ätiologische  Moment  gewesen. 

Fall  2.  K„  24  Jahre  alt,  Braugehilfe,  seit  5  Jahren  magen¬ 
krank.  Hat  erhebliche  Rückstände  im  Magen.  Starke  Gastrektasie. 
Behandlung  mit  Spülung  und  Stenosendiät.  Am  28.  August  dieses 
Jahres  nahm  ich  die  kinematographische  Aufnahme  vor,  12  Auf¬ 
nahmen  in  24  Sekunden,  10  Minuten  nach  der  Nahrungsaufnahme. 
Die  Pausen  der  Serienbilder  bringt  Fig.  4:  Starke  Längs-  und  Quer- 


Bild  4  (Fall  K.). 


dehnung  des  Magens.  Auch  hier  setzen  die  konzentrischen  Kon-{ 
traktionsbewegungen  kräftig  ein  und  wandern  normalerweise  pylorus-j 
wärts.  Während  die  peristaltische  Welle  an  der  grossen  Kurvatur] 
ungehindert  fast  den  Pylorus  zu  erreichen  vermag,  hat  an  der  kleine:; 
Kurvatur  die  sichtbare  Welle  ihren  Weg  bereits  früher  (auf  dem 
7.  Phasenbild)  beendet.  Besonders  schön  und  charakteristisch  prfi4 
sentiert  sich  auf  allen  Serienbildern  die  horizontale  Abgrenzungs¬ 
linie  gegen  den  Pylorus  zu.  Meine  Diagnose  lautete:  Wandinfiltra' 
oder  kallöses  Ulcus  im  antralen  Magenteil.  Die  am  4.  September  voi 
Herrn  Wilhelm  Pettenkofer  ausgeführte  Operation  ergab,  dass 
sich  an  der  Rückwand  des  antralen  Magenteiles  eine  Narbe  von 
der  Grösse  einer  Fingerkuppe  befand  und  dass  Verwach¬ 
sungen  nach  der  Gallenblase  und  dem  Duodenum  zu  bestanden 
Ein  Tumor  war  nicht  vorhanden.  Gastroenterostomie.  —  Bei  dei 
neulich  vorgenommenen  Kontrolluntersuchung  des  Magens  zeigte  sich 
dass  die  Magenerweiterung  erheblich  zurückgegangen  war;  der  kau 
dale  Pol  hat  sich  deutlich  wieder  dem  Nabel  genähert.  Hier  handeln 
es  sich  also  um  eine  grössere  Narbe  und  um  Verwachsungen. 

Fall  3.  H.  Von  anderer  Seite  zur  Untersuchung  zugewiesen 
Deutliche  und  erhebliche  Verzögerung  der  Magenmotilität.  Kine 
matographiert  im  November  ds.  Js.  Von  diesem  Fall  brachte  icl 
eingangs  bereits  ein  Phasenbild  als  Beispiel  dafür,  dass  ein  ein 
zelnes  Phasenbild  nicht  immer  zu  einer  sicheren  Diagnose  führt: 
Hierher  gehören  die  Pausen  auf  Fig.  5. 


Bild  5  (Fall  H.). 


Es  kommt  sehr  gut  zum  Ausdruck,  wie  sich  der  Magen  in  seinei 
präpylorischen  Teil  in  forcierter  Weise  bemüht,  die  Peristaltik  b 
zum  Pylorus  fortzusetzen.  Die  Kontraktionen  sind  wohl  ausgiebij 
aber  nicht  anhaltend,  so  dass  frühzeitig  und  vorzeitig  eine  Erschlaffun 
eintritt.  Die  Anlage  des  neuen  Antrum  mit  der  zapfenförmigen  Au1 
stülpung,  die  allmählige  Vertiefung  der  Einschnürung  an  der  grosse 
und  an  der  kleinen  Kurvatur  ist  ganz  normal.  Aber  in  der  direl 
vor  dem  Pylorus  gelegenen  Partie,  da,  wo  die  Kontraktionen  a; 
tiefsten  und  am  kräftigsten  einsetzen  sollen,  da  tritt  ganz  plötzlic 
eine  Erschlaffung  ein.  Das  Muskelgewebe  ist  in  seiner  Quantit; 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


181 


offenbar  so  reduziert,  dass  das  Mass  der  nötigen  Arbeit  trotz  aller 
Anstrengung  nicht  mehr  geleistet  werden  kann.  Die  horizontale 
Abschlusslinie  fehlt  auch  bei  diesem  Fall  niclu.  Die  von  mir  ge¬ 
stellte  Diagnose  lautete:  Hindernis  am  Magenausgang,  wahrschein¬ 
lich  ein  kallöses  Ulcus.  Reduktion  der  kontraktionsfähigen  Musku¬ 
latur  durch  Infiltrat  oder  Narben.  Herr  Prof.  O  e  b  e  1  e  führte  die 
Operation  aus.  Es  fand  sich  folgender  Befund:  Kallöses  Ulcus,  prä- 
pylorisch,  mit  starker  Infiltration  der  Umgebung.  Zahlreiche,  ganz 
kleine,  weisslich  verfärbte  narbige  Stellen,  der  Sitz  früherer  Ulzera. 
Ausgedehnte  Verwachsungen,  insbesondere  am  grossen  Netz,  ferner 
chronische  Appendizitis.  Gastroenterostomie. 

Zu  diesem  Fall  erlaube  ich  mir  zu  bemerken,  dass  der  Pat. 
4  Wochen  früher  bereits  durchleuchtet  war.  Ausser  Motilitäts¬ 
störungen  und  einer  Druckempfindlichkeit  in  der  Pylorusgegend  fand 
ich  damals  röntgenologisch  nichts.  Ich  schlug  die  Wiederholung  der 
Untersuchung  nach  4  Wochen  vor.  Die  2.  Durchleuchtung  lieferte 
den  gleichen  Befund,  so  dass  ich  mich  veranlasst  sah,  die  in  Fig.  5 
demonstrierte  Serienaufnahme  vorzunehmen. 

Zum  Schlüsse  noch  Fall  4.  (L.)  Zeitlich  ist  dieser  Fall  der 
erste,  bei  dem  die  horizontale  präpylorische  Abschlusslinie  gefunden 
wurde.  Kollege  K  a  e  s  1 1  e  und  ich  untersuchten  den  Patienten  ge¬ 
meinsam  im  Februar  1912  und  nahmen  auch  die  kinematographische 
Aufnahme  gemeinsam  vor.  welche  die  folgenden  Bilder  lieferte.  (Der 
Fall  blieb  zunächst  vereinzelt;  erst  im  August  1912  gesellten  sich 
dann  die  von  mir  untersuchten  und  soeben  aufgeführten  weiteren 
Fälle  dazu.)  Diagnose:  Kallöses  Ulcus  im  antralen  Teil  des  Magens, 
wahrscheinlich  auch  postpylorisch. 


Bild  6  (Fall  L.). 


Ausser  der  konstanten  horizontalen  Begrenzungslinie  ist  die  Ste- 
uosenperistaltik  vorzüglich  zu  beobachten.  Die  Kontrastfüllung  des 
Kolons  erklärt  sich  aus  der  Tatsache,  dass  tags  vorher  eine  Magen¬ 
durchleuchtung  vorgenommen  worden  war.  Herr  Prof.  v.  Stuben- 
r  a  u  c  h  operierte  den  Pat.  Es  fand  sich  ein  präpylorisches  kallöses 
Ulcus,  sowie  ein  ausgedehntes  Ulcus  im  Duodenum.  Es  wurde  die 
Gastroenterostomie  ausgeführt. 

Wenn  wir  die  4  Fälle  vergleichen,  so  finden  wir  auf  allen 
Bildern  ein  gemeinsames  Charakteristikum:  Die 
horizontale  Begrenzungslinie  gegen  den  Pylorus  zu.  Ich  be¬ 
tonte  bereits  eingangs  meiner  Ausführungen,  es  sei  besonderer 
Wert  darauf  zu  legen,  dass  diese  Horizontale  auf  allen 
Phasenbildern  vorhanden  sein  muss.  Ist  dies  aber  der 
Fall,  so  kommt  dieser  präpylorische  n  Ab¬ 
schlusslinie  zweifellos  diagnostische  Be¬ 
deutung  zu.  Das  darf  jetzt  als  erwiesen  gelten.  In  der 
Literatur  findet  sich  meines  Wissens  nirgends  ein  Hinweis 
auf  diese  horizontale  Abschlusslinie  und  deren  diagnostische 
Verwertbarkeit.  Diese  Linie  ist,  vorausgesetzt,  dass  sie 
konstant  auftritt,  sowie  dass  eine  Sedimentierung  ausge¬ 
schlossen  ist,  der  Ausdruck  dafür,  dass  Teile  der  an¬ 
tralen  Muskulatur  die  Fähigkeit  verloren 
haben,  sich  in  gleichsinniger  Weise  von  allen 
Seiten  her  konzentrisch  zu  kontrahieren.  Wie 
wir  gesehen  haben,  kann  dieser  pathologische  Zustand  herbei¬ 
geführt  werden  durch  flächenhafte  Verwachsungen,  durch 
grössere  Narben  oder  durch  Wandinfiltrate  (kallöse  Ulcera). 
Entsteht  durch  die  Starrheit  einzelner  Wandpartien  ein  Hohl- 
raum,  so  haben  wir  es  mit  einem  Flüssigkeitsspiegel,  einem 
Niveau  zu  tun.  Dieses  Niveau  kann  aber  —  ich  betone  dies 
ausdrücklich  —  hier  nicht  durch  Sedimentierung  entstanden 
sein,  einmal  deshalb  nicht,  weil  der  Kaestlesche  Kontrastin- 
Mondaminbrei  nicht  sedimentiert  und  dann  schon  deshalb 
nicht,  weil  die  Aufnahmen  10  Minuten  nach  der  Nahrungs¬ 
aufnahme  vorgenommen  wurden. 

In  vielen  Einzelbildern  stecken  ausserdem  noch  sehr  inter¬ 
essante  Details,  wie  die  „kleinschlägige  Peristaltik“,  ferner 


Abweichungen  von  der  bisher  als  Norm  bezeichneten  Zapfen¬ 
bildung  beim  neu  angelegten  Antrum,  die  Stenosenperistaltik 
im  Fall  4  (L.)  u.  a.  m.  Ich  werde  an  anderer  Stelle  Ge¬ 
legenheit  nehmen,  hierauf  zurückzukommen. 

Die  soeben  demonstrierten,  operativ  kontrollierten  Fälle 
haben  auch  insofern  Bedeutung,  weil  durch  dieselben 
bewiesen  wird,  dass  die  Methode  der  Serienaufnahmen 
alle  anderen  einschlägigen  Untersuchungsmethoden  iiber- 
trifft.  Verwachsungen,  wie  beim  Fall  R.  gehören 
nicht  mehr  zu  den  grobanatomischen  Veränderungen,  son¬ 
dern  zu  den  anatomisch  geringfügigen  und  sind  bis¬ 
her  noch  nicht  in  einwandfreier  Weise  nach¬ 
gewiesen  worden.  Eine  wirkliche  Frühdia¬ 
gnose  kann  nur  mittels  Serienaufnahmen  ge¬ 
stellt  werden.  Es  ist  klar,  dass  nicht  alle  Fälle  mittels 
Serienaufnahmen  untersucht  werden  können  und  untersucht  zu 
werden  brauchen.  Bei  verdächtigen  oder  diagnostisch  un¬ 
klaren  Fällen  muss  jedoch  von  dieser  Methode  Gebrauch  ge¬ 
macht  werden.  So  werden  einerseits  viele  Probelaparotomien 
entbehrlich,  andererseits  aber  können  alle  diejenigen  Fälle  dem 
Chirurgen  zugeführt  werden,  bei  denen  die  Serienaufnahme 
die  Aussichtslosigkeit  der  internen  Behandlung  von  vornherein 
ergeben  hat.  So  werden  dem  Arzte  viele  Misserfolge  erspart, 
der  Patient  hingegen  kommt,  falls  eine  Operation  sich  als 
nötig  erweist,  zu  einer  Zeit  zum  Chirurgen,  wo  er  sich  noch 
in  besserem  Kräftezustand  befindet. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena  (Direktor:  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Kurze  Mitteilung  über  eine  akute  Schwefelsäure-  und 
Kupfersulfatvergiftung  mit  besonderer  Berücksichtigung 

des  Blutbefundes. 

Von  Privatdozent  Dr.  V.  Reichmann,  Assistenzarzt  der 

Klinik. 

Wenn  man  die  bekannten  Lehrbücher  der  Hämatologie 
von  Gr  a  witz  und  Naegeli  daraufhin  durchsucht,  inwie¬ 
weit  Blutveränderungen  bei  akuten  Vergiftungen  auftreten,  so 
findet  man  höchstens  Angaben  über  das  Verhalten  der  Erythro¬ 
zyten,  über  Plasmolyse  und  deren  Folgeerscheinungen  und 
auch  in  dem  umfänglichen  Werke  von  Jaksch  im  1.  Band 
von  Nothnagels  spezieller  Pathologie  und  Therapie  er¬ 
fährt  man  kaum  mehr. 

Der  Grund,  weshalb  das  Blut  seither  so  wenig  beachtet 
worden  ist,  liegt  offenbar  darin,  dass  die  lokalen  Erschei¬ 
nungen  eben  ganz  das  klinische  Bild  beherrschen  und  meist 
fängt  man  erst  dann,  wenn  es  im  weiteren  Verlauf  zur 
Hämaturie  oder  Hämoglobinurie  gekommen  ist,  an,  auch  dem 
Blute  seine  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Da  nun  der  Verlauf 
einer  Vergiftung  gewöhnlich  sehr  reich  an  Komplikationen 
aller  Art  (eitrige  Bronchitiden,  Pneumonien.  Phlegmonen, 
Peritonitiden  etc.)  ist,  welche  dauernd  das  Blutbild  beein¬ 
flussen  können,  so  ist  es  von  Wert,  möglichst  reine  Fälle  zur 
Untersuchung  zu  bekommen.  Denn  nur  dann  kann  man  er¬ 
warten,  noch  eine  spezifische  Wirkung  des  eingenommenen 
Giftes  auf  den  hämatopoetischen  Apparat  zu  erkennen.  Das 
Material  unserer  Klinik  von  den  früheren  Jahren  war  wenig  zu 
gebrauchen,  da  in  den  meisten  Fällen  aus  dem  oben  erwähnten 
Grunde  eine  Blutuntersuchung  nicht  stattgefunden  hatte,  und 
wo  sie  geschehen  war,  war  sie  fast  stets  zu  spät  erfolgt. 
Immerhin  möchte  ich  zusammenfassend  erwähnen,  dass  mir 
bei  der  Durchsicht  wiederholt  Verminderung  der  Erythro¬ 
zytenzahl  und  des  Blutfarbstoffgehalts  sowie  Anisozytose  und 
konstant  eine  Vermehrung  der  Leukozyten  begegnete.  Im 
Verlaufe  des  letzten  Jahres  hatte  ich  Gelegenheit,  2  Fälle  von 
Vergiftungen  zu  untersuchen,  welche  gerade  bezüglich  ihres 
Blutbefundes  der  Mitteilung  wert  sein  dürften. 

1.  Fall.  Die  18  jährige  Pat.  wurde  spätestens  3  Stunden,  nach¬ 
dem  sie  ca.  30  ccm  einer  30 — 40  proz.  Schwefelsäure  getrunken  hatte, 
zu  uns  in  die  Klinik  gebracht.  Sie  will  sofort  einen  grossen  Teil  der 
Säure  erbrochen  haben. 

Der  Befund  war  kurz  folgender:  Sensorium  frei,  aber  Klagen 
über  heftiges  Kopfweh.  Gesicht  und  übrige  Haut  des  Körpers  blass. 
Die  Schleimhäute  der  Lippen,  der  Zunge  und  insbesondere  des  weichen 
Gaumens  sind  von  weisser,  glänzender  Farbe  und  geschwollen.  Der 
Isthmus  faucium  daher  stark  verengt.  Es  wird  jedoch  ohne  Miihe 
und  ohne  besondere  Schmerzen  eine  weiche  Sonde  in  den  Magen 


182 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


eingeführt  und  letzterer  mit  7 — 8  Liter  Wasser  (mit  Magn.  usta  ver¬ 
setzt)  ausgespiilt.  Zum  Schluss  wurden  4  Eier  in  den  Magen  nach¬ 
gegeben.  Im  Spülwasser  liess  sich  die  Schwefelsäure  bequem  als 
Sulfat  nachweisen.  Die  Untersuchung  der  Brustorgane  ergab  abge¬ 
sehen  von  einigen  feuchten  Rasselgeräuschen  über  dem  rechten  Unter¬ 
lappen  nichts  besonderes.  Beim  Atmen  empfand  die  Kranke  heftige 
Schmerzen.  Der  epigastrische  Winkel  zeigte  sich  sehr  druckempfind¬ 
lich;  Meteorismus  bestand  nicht.  Die  Leber  und  die  Milz  waren 
nicht  vergrössert.  Der  Harn  enthielt  (mit  den  gewöhnlichen  Proben 
untersucht)  nie  Eiweiss.  In  seinem  Zentrifugat  setzte  sich  eine 
braunrötliche  Masse  ab.  Mikroskopisch  sah  man  viel  saures  harn¬ 
saures  Natrium,  vereinzelte  hyaline  und  einige  Epithelzylinder, 
ausserordentlich  spärliche  Erythrozyten,  Leukozyten  überhaupt  nicht. 
Die  Benzidinprobe,  mit  dem  Harn  angestellt,  fiel  negativ,  mit  dem 
nicht  schwarz  gefärbten,  mässig  konsistenten  Stuhl  dagegen  stark 
positiv  aus.  —  Im  weiteren  Verlaufe  entwickelte  sich  rasch  über 
dem  rechten  Lungenunterlappen  eine  Bronchopneumonie  mit  Fieber 
(am  3.  Tage  nach  der  Aufnahme  auf  38,8°),  das  8  Tage  anhielt. 
Dann  stellten  sich  die  bekannten  Stenosen  im  Oesophagus  ein,  so 
dass  die  Kranke  durch  Klysmata  ernährt  werden  musste.  Am  7.  Tage 
ihres  Hierseins  bekam  sie  plötzlich  einen  Erstickungsanfall;  sie  zog 
sich  selbst  mit  den  Fingern  eine  22  cm  lange  Membran  aus  dem 
Halse,  welche  nichts  anderes  darstellte,  als  die  abgestossene,  nekro¬ 
tisch  gewordene  Schleimhaut  der  Speiseröhre,  ein  bekanntennassen 
bei  Schwefelsäurevergiftung  nicht  so  seltenes  Ereignis  (s.  Jak  sch; 
Vergiftungen,  pag.  9). 

Bei  dieser  Kranken  wurde  nun  sofort  nach  der  Aufnahme,  also 
3  Stunden  nach  dem  Trinken  der  Schwefelsäure,  die  Blutuntersuchung 
vorgenommen.  Die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  (4  100  000)  war 
nicht  vermindert,  der  Blutfarbstoffgehalt  betrug  68  Proz.,  die  Zahl 
der  Leukozyten  32  400  pro  Kubikmillimeter.  Im  Ausstrichpräparat 
zeigten  die  Erythrozyten  keine  Anisozytose,  keine  Punktierungen 
u.  dgl.  Erythroblasten  und  ihre  Vorstufen  waren  nicht  zu  sehen. 
Es  fiel  an  ihnen  nur  die  Verminderung  der  Hämoglobinmenge  durch 
die  stark  ausgeprägten  Dellen  auf.  Bezüglich  der  Leukozyten  er¬ 
kannte  man  sofort  eine  beträchtliche  Verschiebung  des  Blutbildes 
nach  links  im  A  r  n  e  t  h  sehen  Sinne.  Man  zählte  unter  den  weissen 
Blutkörperchen  (ausschliesslich  der  Lymphozyten)  nur  18  Proz.  mehr¬ 
kernige  Zellen.  Unter  den  übrigen  72  Proz.  zählte  man  46  Proz. 
Zellen  mit  einem  überall  gleichmässig  starken,  bogenförmigen  Kern, 
alle  anderen  hatten  einen  einfachen,  runden  bis  bohnenförmigen  Kern. 
Bezgl.  der  Beschaffenheit  ihres  Protoplasmas  ergaben  sich 

56  Proz.  neutrophile, 

11  Proz.  eosinophile, 

12  Proz.  Uebergangszellen, 

10  Proz.  grosse  mononukleäre  Zellen, 

8  Proz.  Myelozyten  und 

3  Proz.  Lymphozyten. 

Wiederholt  stiess  man  bei  der  Durchsicht  der  Präparate  auf 
grosse  Haufen  von  Blutplättchen,  so  dass  auch  diese  stark  ver¬ 
mehrt  sind.  —  Die  Patientin  wurde  später  auf  die  chirurgische  Klinik 
zur  Beseitigung  der  Oesophagusstenosen  verlegt.  Sie  starb  dort 
mehrere  Wochen  später  an  einer  Peritonitis.  Bei  der  Sektion  fand  eine 
genauere  Untersuchung  der  blutbildenden  Organe  nicht  statt.  Die 
Milz  war  nicht  vergrössert. 

Da  also  in  diesem  Falle  sofort  im  Anschluss  an  die  Ver¬ 
giftung  eine  hochgradige  Leukozytose  eingetreten  ist,  so  muss 
man  hier  mit  der  Möglichkeit,  dass  die  Schwefelsäure  selbst 
sie  hervorgerufen  hat,  wohl  rechnen.  Sie  ist  um  so  wahr¬ 
scheinlicher,  als  es  sich  hier  nicht  um  eine  Leukozytose  ge¬ 
wöhnlicher  Art  handelt,  wo  nur  die  neutrophilen  Zellen  ver¬ 
mehrt  zu  sein  pflegen.  Vielmehr  erinnert  uns  dieses  Blutbild 
durch  das  zahlreiche  Auftreten  mononukleärer  (Myelozyten 
und  Uebergangszellen)  und  eosinophiler  Zellen  sehr  an  das 
einer  myeloischen  Leukämie.  Natürlich  kann  ein  strikter 
Beweis  hiefür  nicht  gebracht  werden,  da  an  diesem  Blut¬ 
befunde  auch  resorbierte  Toxine,  welche  bei  der  Verätzung 
der  Gewebe  entstanden  sind,  wenigstens  teilweise  Schuld 
haben  können.  Ein  Versuch,  die  Schwefelsäure  im  Blute  nach¬ 
zuweisen,  wodurch  bei  positivem  Ausfall  unsere  Annahme  eine 
wesentliche  Stütze  erhalten  hätte,  wurde  nicht  ausgeführt. 

ln  dem  folgenden  Fall,  welcher  sowohl  bezüglich  der  Art 
der  Entstehung  als  auch  seines  ganzen  Verlaufes  recht  un¬ 
gewöhnlicher  Natur  ist,  gelang  es  nun  auch,  das  betreffende 
Gift  im  Blute  festzustellen. 

2.  Fall.  Der  2 XA  jährige  Patient,  welcher  vorher  stets  gesund 
gewesen  war,  kam  am  13.  Februar  d.  J.  nachmittags  5  Uhr  von 
der  Strasse  schreiend  zu  seiner  Mutter  gelaufen  und  erbrach  rasch 
nacheinander  grünlich-blaue  Massen.  Die  Eltern  vermochten  uns  nur 
anzugeben,  dass  das  Kind  mit  anderen  auf  der  Dorfstrasse  gespielt 
hat.  Sie  hielten  es  für  ausgeschlossen,  dass  das  Kind  etwas  getrun¬ 
ken  hatte.  In  der  Nacht  vom  13.  auf  den  14  erbrach  es  fast  unaufhör¬ 
lich  unter  heftigen  Schmerzen.  Das  Erbrochene  sei  allmählich  immer 
gelber  geworden.  Am  14.  früh  entleerte  es  einen  tiefroten  Harn  und 
verschiedene  dünnwässrige,  schwarz-grün  gefärbte  Stühle.  Gegen 


Mittag  wurde  das  Kind  ruhiger  und  schlief  öfters  ein.  In  diesem  Zu¬ 
stande  wurde  es  noch  am  gleichen  Abend  in  die  Klinik  gebracht. 

Der  Befund  war  folgender:  Gut  ernährter,  im  Verhältnis  zu 
seinem  Alter  kräftig  entwickelter  Knabe  in  leicht  somnolentem  Zu¬ 
stande.  Die  Pupillen  sind  weit;  sie  reagieren  prompt  auf  Licht  und 
Konvergenz.  Die  Schleimhäute  des  Mundes  und  des  Rachens  zeigen 
keine  Spur  von  Verätzung,  sie  sind  aber  fast  marmorweiss. 
Die  Brustorgane  sind  völlig  gesund;  nirgends  hört  man  Neben¬ 
geräusche  über  den  Lungen.  Der  Puls  ist  regelmässig,  beschleunigt, 
120  pro  Minute.  Das  Abdomen  zeigt  eine  deutliche  Auftreibung  in 
der  Magengegend,  dieselbe  ist  sehr  druckempfindlich.  Die  Leber 
und  Milz  erscheinen  nicht  vergrössert.  Die  Reflexe  der  Extremitäten 
sind  abgeschwächt.  Im  hochgestellten  Harn,  welcher  bald  nach 
der  Aufnahme  entleert  wurde,  finden  sich  hyaline  Zylinder,  wenig 
Epithelien  und  wenig  Konkremente,  viel  Blut  mit  wohlerhaltenen 
Erythrozyten,  der  fadenziehende  grün-schwarze  Stuhl  enthält  viel 
Schleim,  keine  mineralischen  Bestandteile.  Blut  lässt  sich_  auch  mit 
der  Benzidinprobe  nicht  nachweisen  Das  Kind  starb  5  Stunden 
nach  der  Aufnahme. 

Bei  den  fehlenden  Verätzungen  der  zugänglichen  Schleim¬ 
häute  des  Mundes  und  des  Rachens  gewann  die  Angabe  der 
Eltern,  dass  das  Kind  nichts  getrunken  haben  kann,  sehr  an 
Wahrscheinlichkeit.  Die  Eltern  hatten  bei  der  Einlieferung 
ein  Fläschchen  des  Erbrochenen  mitgebracht.  Es  war  von 
hellblauer  Farbe  und  reagierte  neutral.  Unser  Verdacht,  dass 
es  sich  hier  um  eine  Kupfervergiftung  handelte,  wurde  dadurch 
sehr  bestärkt.  Es  gelang  uns  auch  leicht,  mit  dem  Erbrochenen 
eine  sehr  schöne  blaue  Boraxperle  herzustellen.  Da  dasselbe 
von  den  im  Handel  gebräuchlichen  Kupferverbindungen  sich 
nur  bei  Vergiftung  mit  Kupfersulfat  blau  färben  konnte,  so  lag 
es  nahe,  anzunehmen,  dass  das  Kind  eines  der  schönen  blauen 
Kristalle  auf  der  Strasse  gefunden  und  verschluckt  hatte. 

Bevor  auf  den  Blutbefund  eingegangen  wird,  sei  ganz  kurz  der 
autoptische  Befund  des  Magens  ‘)  angegeben.  Derselbe  zeigte  an  der 
Grenze  von  Fundus  und  Antrum  pylori  sehr  starke  Verätzung,  während 
der  übrige  Teil  des  Magens  nur  entzündet  und  geschwollen  war. 
Wahrscheinlich  wurde  hier  an  dem  Orte,  wo  ja  die  stärksten  peri¬ 
staltischen  Wellen  entstehen,  das  Kupfersalz  eingeklemmt  und  des¬ 
halb  durch  das  Erbrechen  nicht  herausgeworfen.  Dieses  hielt  dann 
so  lange  an,  bis  das  Salz  sich  vollständig  gelöst  hatte.  Dadurch 
kam  aber  eine  ungewöhnlich  grosse  Menge  des  Kupfersulfates  zur 
Resorption,  die  ihrerseits  den  raschen  Tod  des  Kindes  zur  Folge 
hatte.  Ausser  dem  Fall  von  M  a  s  c  h  k  a,  in  dem  das  letale  Ende 
aber  erst  am  7.  Krankheitstage  erfolgt  war,  ist  in  der  Literatur  kein 
tödlicher  Fall  von  Kupfervergiftung  mehr  beobachtet  worden. 

Was  nun  das  Blut  anbetrifft,  so  ergab  die  Untersuchung  einen 
Hämoglobingehalt  von  60  Proz.,  eine  Erythrozytenzahl  von  3  324  000. 
eine  Leukozytenzahl  von  34  400.  Die  roten  Blutkörperchen  zeigten 
im  Ausstrichpräparat  eine  beträchtliche  Anisozytose  in  dem  Sinn, 
dass  man  zwar  häufig  Mikro-  aber  niemals  Makrozyten  zu  sehen  be¬ 
kam.  Die  Leukozytose  war  in  diesem  Fall  fast  eine  rein  neutrophile. 
Eosinophile  Zellen  fehlten  gänzlich;  dagegen  begegnete  man  ab  und 
zu  Myelozyten  und  relativ  häufig  den  grossen  mononukleären  Zellen. 
Bei  der  genauen  differentiellen  Zählung  fanden  sich  an  kernhaltigen 


Zellen : 

neutrophile  Leukozyten  73,5  Proz. 

mononukleäre  Leukozyten  7,5  „ 

Myelozyten  2,0  „ 

Eosinophile  0,0  „ 

Lymphozyten  16,0  „ 

kernhaltige  Erythrozyten  1,0  „ 


Die  Kerne  der  Leukozyten  färbten  sich  sowohl  mit  Giemsa  als 
mit  Jenner  sehr  intensiv.  Sie  Hessen  keinerlei  Struktur,  keine  Span-, 
genbildung  erkennen  und  hatten  dadurch  vielfach  ein  pyknotisches 
Aussehen.  Ca.  14  aller  neutrophilen  Zellen  war  ausserdem.  ausser-j 
ordentlich  klein,  wie  geschrumpft,  und  ihr  Protoplasma  enthielt  viel-, 
fach  Vakuolen.  Auch  hier  zeigte  sich,  wie  im  vorigen  Falle,  eine 
sehr  starke  Vermehrung  der  Blutplättchen,  teils  in  Form  von  Häut¬ 
chen,  teils  waren  sie  auch  diffus  über  das  Präparat  zerstreut. 

Da  in  diesem  Falle  die  verätzte  Fläche  relativ  klein  war 
(in  den  oberen  Luft-  und  Speisewegen  fand  sich  keine  Spur 
einer  Schleimhautalteration  und  jenseits  des  Magens  jeden¬ 
falls  kein  Geschwür)  und  da  im  pharmakologischen  Institut  in 
Blute  selbst  Kupfersulfat  nachgewiesen  wurde,  so  ist  kaum; 
noch  daran  zu  zweifeln,  dass  dasselbe  direkt  auf  den  härnato- 
poetischen  Apparat  eingewirkt  hat,  d.  h.  dass  es  die  Anämie 
und  die  Leukozytose  selbst  hervorgerufen  hat.  Bei  der  Sek¬ 
tion  baten  wir  Herrn  Professor  R  ö  s  s  1  e,  die  Knochen  nach-; 
Zusehen.  Dabei  zeigte  sich  das  Mark  der  langen  Röhren¬ 
knochen  in  ihrer  ganzen  Diaphyse  stark  gerötet  und  ge¬ 
schwollen.  Ausstriche  des  Markes  Hessen  eine  sehr  lebhafte 


*)  Der  Fall  wird  in  einer  Inaug.-Diss.  vom  hiesigen  patho 
logischen  Institut  ausführlich  veröffentlicht. 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Erythropoese  wie  Myelopoese  erkennen.  Ca.  %  aller  roten 
Blutkörperchen  hatten  Kerne  und  von  den  Arten  der  weissen 
Blutkörperchen  prävalierten  die  Myelozyten.  Auffallend  war 
die  sicher  nicht  verminderte  Menge  von  eosinophilen  Zellen, 
welche  ja  im  freien  Blute  ganz  fehlten.  Riesenzellen  sah  man 
nur  wenige.  Wenn  auch  dieses  Bild  des  Knochenmarkes  für 
das  Alter  des  Kindes  nicht  besonders  auffallend  ist,  wo  über¬ 
haupt  das  Mark  auch  makroskopisch  noch  eine  gewisse  Rötung 
zeigt,  so  spricht  doch  das  Fehlen  der  bekannten  stern¬ 
förmigen  Bindegewebszellen  sowie  der  aus  ihnen  hervor¬ 
gehenden  Fettzellen  für  eine  ganz  ungewöhnlich  starke  Blut¬ 
körperchenneubildung,  welche  um  so  erstaunlicher  ist,  als  noch 
keine  24  Stunden  seit  dem  Eintritt  der  Vergiftung  verstrichen 
waren. 

Ich  unterlasse  es,  verallgemeinernde  Schlüsse  aus  diesen 
beiden  Fällen  zu  ziehen.  Die  Entscheidung  der  Frage,  ob  in 
jedem  Fall  von  Schwefelsäure-  oder  Kupfersulfatvergiftung 
derartige  Blutbilder  entstehen,  muss  ich  der  Zukunft  über¬ 
lassen.  Es  genügt  mir,  darauf  hingewiesen  zu  haben,  dass 
auch  das  Blut,  insbesondere  seine  zytologische  Zusammen¬ 
setzung,  bei  Vergiftungen  wohl  der  Beachtung  wert  ist. 


Aus  der  Hebammenschule  in  Osnabrück  (Direktor:  Dr.  Riss- 

m  a  n  n). 

Schwangerschafts  -Toxikodermien  durch  Ring  ersehe 

Lösung  geheilt. 

Von  Dr.  Elise  Eichmann. 

Im  Juni  1912  veröffentlichte  mein  Chef,  Direktor  Riss¬ 
mann,  drei  Fälle  von  Toxikodermien  bei  Schwangeren  und 
Wöchnerinnen,  bei  denen  Heilung  nach  intramuskulärer  In¬ 
fusion  von  Ringer  scher  Lösung  eintrat.  Da  inzwischen  bei 
gleichartigen  Fällen  dieselbe  Behandlungsweise  fortgesetzt 
wurde,  so  bin  ich  jetzt  in  der  Lage,  über  drei  weitere  Fälle 
berichten  zu  können,  von  denen  besonders  der  letzte  Fall  (III) 
so  prägnant  ist,  dass  er  unbedingt  Erwähnung  verdient. 

Die  Technik  der  Applikation  der  Ringerlösung  haben  wir 
geändert;  die  Infusion  wurde  zugunsten  der  Injektion  auf¬ 
gegeben.  Da  die  intraglutäalen  Infusionen  mittels  Qiastrichter, 
Schlauch  und  Nadel  manchmal  bis  eine  halbe  Stunde  dauerten, 
und  die  Lösung  infolgedessen  stark  abkühlte,  auch  in  dem 
Gummischlauch  ziemlich  viel  zurück  blieb,  so  dass  eine  genaue 
Dosierung  nicht  gut  möglich  war,  so  haben  wir  in  diesen  Fällen 
die  R  i  n  g  e  r  sehe  Lösung  mit  einer  100  ccm  fassenden  Spritze 
in  die  Glutäalmuskulatur  injiziert.  Die  Injektion  ist  in  einigen 
Minuten  vollendet  und  verursacht  keine  grösseren  Beschwer¬ 
den  als  die  Infusion. 

Fall  I.  22jährige  Erstgebärende,  am  3.  VI.  12  in  die  An¬ 
stalt  aufgenommen,  klagt  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  über  star¬ 
kes  Hautjucken  an  Armen  und  Beinen.  Das  Jucken  soll  seit 
1  Wochen  bestehen  und  besonders  nachts  recht  quälend  sein,  so  dass 
der  Schlaf  dadurch  gestört  wird. 

5.  VI.  An  Armen  und  Beinen  frische  und  ältere  Kratzeffekte, 
bür  Skabies  keine  Anhaltspunkte.  Injektion  von  180  ccm  Ringer- 
scher  Lösung  (Rp. :  Natr.  chlorat.  1,8;  Calc.  chlorat.  0,048;  Kal.  chlo- 
rat.  0,084;  Natr.  bicarbon.  0,06;  Aq.  dest.  ad  200,0). 

ln  der  Nacht  darauf  ist  der  Schlaf  besser. 

Am  folgenden  Tage  kein  Jucken  mehr;  um  die  Injektionsstelle 
sreringe  Schmerzen. 

25.  VI.  Da  Pat.  seit  2  Tagen  wieder  über  Jucken  klagt,  wird 
-ine  zweite  Injektion  von  180  ccm  Ringer  scher  Lösung  gemacht. 

26.  VI.  Jucken  vollkommen  verschwunden,  und  nur  noch  ganz 
teringe  Kratzeffekte  zeugen  von  dem  früheren  starken  Juckreiz. 

In  der  folgenden  Zeit  wurde  nie  mehr  über  Jucken  geklagt;  die 
dten  Kratzeffekte  heilten  ab,  neue  traten  nicht  hinzu. 

13.  VII.  Normaler  Partus. 

Die  Wöchnerin  wurde  am  12.  Wochenbettstage  mit  Kind  ohne 
Beschwerden  entlassen. 

F  a  1 1  II.  18  jährige  I.-para  klagt  im  6.  und  7.  Schwangerschafts- 
nonat  über  starkes  Hautjucken,  besonders  abends  und  nachts.  Bei 
*er  Aufnahme  am  24.  VII.  12  bestehen  die  Beschwerden  schon  seit 
twa  8  Wochen. 

27.  VII.  Gestern  wieder  viel  Jucken.  An  Armen  und  Beinen 
-eigen  sich  zahlreiche  Kratzeffekte,  an  der  Innenseite  des  linken 
vnies  mehrere  quaddelartige  Erhebungen. 

Injektion  von  150  ccm  Ringer  scher  Lösung.  Abends  und 
mchts  darauf  noch  viel  Jucken. 

In  der  zweiten  Nacht  ebenfalls  noch  etwas  Jucken,  aber  nur 
;urz  andauernd. 


183 


30.  VII.  Kein  Juckreiz  mehr.  Kratzeffekte  abgeheilt.  Keine 
neuen  Kratzwunden. 

19.  IX.  Normale  Geburt. 

Mutter  und  Kind  werden  am  12.  Wochenbettstage  gesund  ent- 
lassen. 

Fall  III.  24jährige  I.-para  erzählt,  dass  sie  im  7.  Schwanger¬ 
schaftsmonate  geschwollene  Fiisse  gehabt  habe.  Als  die  Schwellung 
nach  etwa  6  wöchentlichem  Bestehen  zurückging,  sei  am  ganzen 

Vk°rrver,oein  stark,  juckender  Ausschlag  aufgetreten,  der  jetzt,  am 
46.  1a.  !2,  seit  2  Wochen  bestehe.  Das  Jucken  soll  auch  in  diesem 
ralle  nachts  besonders  stark  sein.  Auf  Brust,  Bauch,  Rücken  und 
der  Uber-  und  Innenseite  der  Oberschenkel  ausgebreitetes  multi¬ 
tot  mes  Exanthem,  welches  aus  dicht  nebeneinander  stehenden  lin¬ 
sen-  bis  talergrossen,  etwas  erhabenen  Flecken  besteht.  Die* 
grösseren  von  diesen  sind  im  Zentrum  von  braunroter  Farbe  und 
schuppen  leicht,  während  ihr  Rand  hochrot  und  wallartig  erhaben 
ist.  Die  kleineren  Flecke,  wohl  die  jüngsten  Eruptionen,  die  am 
meisten  jucken,  sind  quaddelartig  und  von  hellroter  Farbe.  Ueberall 
zwischen  dem  Exanthem  frische  Kratzeffekte.  Keine  Zeichen  von  Lues 
Mund  o.  B.;  keine  Drüsenschwellungen;  Genitalien  o.  B.  Düngern 
negativ.  Urin:  ganz  geringe  Spur  von  Albumen,  bei  der  Phenolsulfon¬ 
phthaleinprobe1)  starke  Verzögerung  in  der  Ausscheidung  des  Farb¬ 
stoffs. 

28  IX.,  lO'A  Uhr  vormittags.  Injektion  von  160  ccm  Ringer- 
scher  Lösung. 

29.  IX.  Jucken  soll  seit  gestern  Abend  etwas  geringer  geworden 
sein.  Keine  neuen  Kratzeffekte.  Schuppung  im  Zentrum  der  grösse¬ 
ren  Flecke  stärker  geworden,  Rand  derselben  blasser  und  flacher. 

L  X.  Exanthem  wesentlich  abgeblasst. 

3.  X.  Klagt  erneut  über  Jucken.  An  den  Oberschenkeln  und  am 
Halse  einige  neue  quaddelartige  Eruptionen. 

6A  Uhr  abends.  Injektion  von  190  ccm  Ringer  scher  Lösung. 

5  X.  Kein  Jucken  mehr;  Schlaf  letzte  Nacht  gut.  Exanthem  am 
Rumpfe  völlig  blass  und  ziemlich  stark  schuppend;  die  letzten  Erup¬ 
tionen  am  Halse  und  an  den  Oberschenkeln  zeigen  noch  leicht  rötlich“ 
Farbe. 

7.  X.  Klagt  über  Incontinentia  urinae,  wie  sie  bei  vielen  Frauen 
in  der  letzten  Zeit  der  Schwangerschaft  auftritt.  Die  hierdurch  fast 
ständig  durchnässte  Wäsche  hat  in  den  Oberschenkelfalten  ein  Ekzem 
hervorgerufen.  Das  Exanthem  auf  dem  Körper  ist  vollständig  ab¬ 
geblasst  und  verursacht  keine  Beschwerden  mehr. 

15.  X.  In  den  Schenkelbeugen  noch  geringe  Rötung. 

25.  X.  Pat.  liegt  seit  2  Tagen  wegen  leichter  Wehen  im  Bett. 
Vom  Exanthem  auf  dem  Körper  und  dem  Ekzem  in  den  Schenkel¬ 
beugen  nichts  mehr  zu  sehen. 

6 3A  Uhr  abends.  Normaler  Partus. 

6.  XI.  Wöchnerin  wird  mit  Kind  beschwerdefrei  entlassen. 

In  den  erwähnten  drei  Fällen  haben  wir  also  mit  Ringer¬ 
scher  Lösung  vollkommen  befriedigende  Resultate  erzielt. 
Dass  in  zwei  Fällen  nicht  gleich  nach  der  ersten  Injektion  voll¬ 
ständige  Heilung  eintrat,  ist  nicht  weiter  verwunderlich,  wenn 
man  bedenkt,  dass  die  Toxikodermien  schon  wochen-,  ja 
monatelang  bestanden.  Die  subjektiven  Beschwerden  besserten 
sich  prompt  nach  der  Injektion,  und  auch  die  objektiven  Krank¬ 
heitserscheinungen  wichen  deutlich,  wie  dieses  besonders  gut 
bei  Fall  III  zu  beobachten  war,  wo  sich  von  Tag  zu  Tag  eine 
merkliche  Besserung  zeigte.  Der  therapeutische  Eingriff  ist 
ausserdem  ein  völlig  harmloser  und  wegen  der  weniger  zu  be¬ 
fürchtenden  anaphylaktischen  Erscheinungen  den  Serum¬ 
injektionen  vorzuziehen.  Neben  den  Injektionen  von  Ringer- 
scher  Lösung  haben  wir  den  betr.  Frauen  streng  vegetarische 
Diät  gegeben,  da  wir  der  Ueberzeugung  sind,  dass  die 
Schwangerschaftstoxikosen  speziell  die  Toxikodermien  zum 
grossen  Teil  auf  alimentäre  Intoxikation  zurückzuführen  sind. 
Und  zwar  sind  wir  zu  dieser  Annahme  aus  folgenden  Gründen 
gekommen: 

1.  Es  steht  fest,  dass  bei  Veget arianer¬ 
innen  weniger  häufig  Schwangerschafts¬ 
toxikosen  beobachtet  sind. 

2.  Urtikariaausschlag  ist  in  den  meisten 
Fällen  nach  einem  Diätfehler  entstanden; 
Schwangere  neigen  aber  leichter  zu  Haut¬ 
ausschlägen,  die  aus  diesem  Grunde  ent¬ 
standen  sind,  weil  ihr  Stoffwechsel  ein  völlig 
veränderter  ist. 

Der  Kohlehydratstoffwechsel  versagt 
sehr  oft  (insuffisance  hepatique  der  Fran¬ 
zosen),  infolgedessen  tritt  die  Glykosurie  auf, 


D  Meine  Versuche  über  Nierenfunktionsprüfung:  durch  die  Phe¬ 
nolsulfonphthaleinprobe  mittels  des  Kolorimeters  von  Auten- 
rieth-Königsberger  werde  ich  in  der  nächsten  Zeit  ver¬ 
öffentlichen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


1184 

und  das  Eiweissabbauvermögen  ist  auch 
geschwächt. 

Bisher  hat  man  bei  den  Schwangerschaftstoxikosen,  zu 
denen  man  die  Schwangerschaftsniere,  die  Dermatosen,  die 
Hyperemesis  und  die  Eklampsie  zählt,  von  einer  plazentaren 
Theorie  gesprochen  und  angenommen,  dass  die  Intoxikation 
durch  parenterale  Eiweissabbauprodukte  hervorgerufen  ist,  die 
im  Blute  jeder  Schwangeren  und  Wöchnerin  kreisen.  Infolge¬ 
dessen  sind  die  serumtherapeutischen  Bestrebungen  angebahnt 
(Freund,  Mayer).  Freund  benutzte  bald  ausser  dem 
„Gravidenserum,  auch  Serum  von  Nichtgraviden,  Pferden  und 
Meerschweinchen  und  hatte  dabei  denselben  Erfolg  zu  ver¬ 
zeichnen  wie  nach  Gravidenserum.  Ebenso  waren  die  Ver¬ 
suche  von  R.  Franz  mit  Nabelschnurblutserum  und  von 
Hofbauer  mit  Pituitrin  von  Erfolg  begleitet.  Wenn  nun  die 
plazentare  Theorie  richtig  ist,  dann  müssten  all  die  genannten 
Heilmittel  (die  verschiedenen  angewandten  Sera,  Pituitrin  und 
Ringerlösung)  ein  und  dasselbe  Antitoxin  gegen  das  im  Blute 
kreisende,  aus  der  Plazenta  stammende  Toxin  enthalten. 

Gegen  die  plazentare  Theorie  sprechen  aber  ausser  den 
oft  betonten  Gründen  auch  gelegentliche  Misserfolge,  die  bei 
Seruminjektionen  zu  verzeichnen  waren.  R  ii  b  s  a  m  e  n  be¬ 
richtet  über  einen  Fall  von  hämorrhagischem  Exanthem,  das 
durch  Schwangerenserum  nicht  beeinflusst  wurde.  Veit  er¬ 
zielte  durch  Schwangerensera  bei  Schwangerschaftsnieren 
keine  Besserung.  Lässt  man  demzufolge  die  plazentare 
Theorie  nicht  gelten  und  nimmt  eine  alimentäre  Intoxikation 
an,  so  sind  die  Erfolge  mit  Ringer  scher  Lösung  durch  die 
Verdünnung  des  Blutes  und  somit  auch  des  Giftstoffes  und 
durch  die  gesteigerte  Diurese  zu  erklären,  die  die  Toxine 
schnell  aus  dem  Körper  schwemmt.  Durch  die  vegetarische 
Diät  aber  wird  die  Entstehung  von  neuen  Toxinen  ver¬ 
hindert. 

Da  aus  den  mitgeteilten  Misserfolgen  bei  der  Serum¬ 
therapie  und  unseren  Erfolgen  mit  Ringer  scher  Lösung  im 
Verein  mit  vegetarischer  Diät  noch  keine  definitiven  Schlüsse 
gezogen  werden  können,  weil  die  Anzahl  der  beobachteten  Fälle 
noch  zu  gering  ist,  so  wäre  eine  Nachprüfung  unserer  Behand¬ 
lungsweise  bei  Toxikodermien  und  auch  allen  anderen 
Schwangerschaftsintoxikationen  sehr  wünschenswert  Be¬ 
achtet  werden  müsste  ausser  den  im  Blute  kreisenden  Eiweiss- 
abbauprodtikten  auch  die  Retention  anderer  Stoffe  im  Blute 
der  Schwangeren  wie  der  Lipoide,  wie  diese  erst  kürzlich  von 
Herr  mann  und  Neu  mann  mitgeteilt  wurde,  so  dass  sie 
in  dieser  Arbeit  nicht  weiter  berücksichtigt  werden  konnte. 
Auch  wären  in  der  Gravidität  bei  anhaltenden  Kopfschmerzen, 
geringen  Oedemen,  die  durch  Nierenläsion  und  nicht  durch 
Stauung  entstanden  sind,  Uebelkeit  etc.  prophylaktisch  Ver¬ 
suche  mit  vegetarischer  Diät,  vielleicht  kombiniert  mit  einem 
Darmdesinfiziens  zu  machen.  Ueber  solche  Massnahmen 
werden  wir  demnächst  berichten. 

Am  24.  Dezember  habe  ich  die  zuletzt  erwähnte  Pat. 
(Fall  III)  wieder  gesehen.  Sie  hatte  frischere  Farben,  befand 
sich  sehr  gut;  Haut  war  völlig  rein;  das  Phenolsulfonphthalein 
wurde  wesentlich  schneller  durch  die  Nieren  ausgeschieden. 

Literatur. 

R.  Freund:  Serumtherapie  bei  Schwangerschaftstoxikosen. 
Verhandl.  d.  D.  Gesellsch.  f.  Gynäkol.,  München  1911.  —  Mayer: 
Normales  Schwangerenserum  als  Heilmittel  gegen  Schwangerschafts¬ 
dermatosen  im  besonderen  und  Schwangerschaftstoxikosen  über¬ 
haupt.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1911,  No.  9  u.  37.  —  Hetzer:  Verhandl. 
d.  D.  Gesellsch.  f.  Gynäkol.,  München  1911.  —  Veit:  Ebendaselbst. 
Rübsamen:  Ein  Versuch,  Schwangerschaftstoxikosen  durch  Ein¬ 
spritzung  von  Schwangerschaftsserum  zu  heilen.  Zentralbl.  f. 
Gynäkol.  1911,  No.  21.  —  R.  F  r  an  z:  Mit  Nabelschnurblutserum  ge¬ 
heilte  Schwangerschaftsdermatose.  Zentralbl.  f.  Gynäkologie  1912, 
No.  28.  —  H  o  f  b  a  u  e  r :  Schwangerschaftstoxämie.  D.  med  Wochen¬ 
schrift  1910,  No.  36.  —  Rissmann:  Intramuskuläre  Infusionen  von 
R  i  n  g  e  r  scher  Lösung  bei  Toxikosen,  namentlich  bei  den  Toxiko¬ 
dermien  von  Schwangeren  und  Wöchnerinnen.  D.  med.  Wochenschr. 
1912,  No.  24.  —  H  e  r  r  m  a  n  n  und  Neumann:  Lipoide  der  Gravidi¬ 
tät  und  deren  Ausscheidung  nach  vollendeter  Schwangerschaft. 
Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  42. 


Aus  der  Provinzial-Frauenklinik  und  Hebammenschule  zu 
Breslau  (Direktor:  Dr.  Bau  mm). 

Salvarsan  bei  Chorea  gravidarum. 

Von  E.  Härtel,  Oberarzt. 

In  No.  43,  Jahrg.  1912  dieser  Wochenschrift  publiziert 
Szametz  einen  durch  intravenöse  Infusion  von  Salvarsan 
geheilten  Fall  von  Chorea  minor  und  zitiert  daselbst  einen 
Artikel  S  a  1  i  n  g  e  r  s,  nach  dem  bis  zu  jener  Zeit  10  Fälle  von 
Chorea  minor  mit  Salvarsan  behandelt  worden  wären. 

Die  von  den  beiden  Autoren  veröffentlichten  günstigen 
Resultate  der  Salvarsaninjektion  bei  Chorea  minor  veran¬ 
lassen  mich,  meine  durch  die  Einzelheit  des  Falles  bedingte 
Reserve  in  der  Beurteilung  des  Heilerfolges  einer  Salvarsanin- 
fusion  bei  Chorea  gravidarum  fallen  zu  lassen.  Die 
Seltenheit  der  Erkrankung  hat  mich  bisher  nicht  zu  einer 
Nachprüfung  unserer  Beobachtung  kommen  lassen,  weswegen 
ich  mit  einer  allgemeineren  Publizierung  bisher  gezögert  habe. 
Nunmehr  glaube  ich  aber,  gestützt  auf  die  von  den  beiden 
Autoren  bekannt  gegebenen  günstigen  Resultate  bei  Chorea 
minor  auch  bei  den  schweren  Fällen  von  Chorea  gravidarum 
einen  Versuch  mit  einer  Salvarsaninfusion  empfehlen  zu 
können.  Handelt  es  sich  doch  bei  dieser  Erkrankung  um  ein 
Leiden,  das  man  in  schweren  Fällen  nur  durch  Einleitung  des 
Abortes  bekämpfen  zu  können  glaubt,  und  das  trotz  dieses 
heroischen  Mittels  in  einem  hohen  Prozentsatz  zu  geistigen 
Störungen  und  zum  Tode  führt.  Es  wäre  deshalb  als  ein 
grosser  Gewinn  zu  begrüssen,  sollte  sich  das  Salvarsan  auch 
in  dieser  Richtung  bewähren.  Der  Fall,  um  den  es  sich 
handelt,  ist  nach  der  gekürzten  Krankengeschichte  folgender: 

Am  25.  November  1911  wurde  die  Fabrikarbeiterin  Martha  H. 
vom  Arzte  wegen  Veitstanz  in  unsere  Anstalt  geschickt. 

Die  Familienanamnese  war  ohne  Besonderheiten.  Nervöse  erb¬ 
liche  Belastung  war  nicht  nachzuweisen.  Vor  3  Jahren  war  sie 
wegen  desselben  Leidens  1  Jahr  lang  in  der  medizinischen  Universi¬ 
täts-Poliklinik  mit  Pillen  und  Medizin  behandelt  worden.  Dann  war 
sie  angeblich  kerngesund.  14  Tage  vor  der  Aufnahme  erkrankte  sie 
mit  Zuckungen  in  Armen  und  Beinen.  Sie  war  zu  dieser  Zeit  irrt 
7.  Monate  schwanger.  Da  das  Leiden  schlimmer  wurde  und  sie 
schliesslich  arbeitsunfähig  machte,  suchte  sie  nach  8  I  agen  den  Arzt 
auf,  der  ihr  Arsenwasser  verordnete.  Trotzdem  verschlimmerte  sicli 
der  Zustand  dermassen,  dass  der  Arzt  Anstaltsbehandlung  für  not¬ 
wendig  erachtete. 

Bei  der  Aufnahme  ergab  sich  kurz  folgender  Status: 

Massig  genährte,  mittelkräftig  und  normal  gebaute  mittelgros.su 
Person.  Sichtbare  Schleimhäute  und  Gesichtsfarbe  o.  B.  Starke  Un¬ 
ruhe  der  gesamten  Körpermuskulatur  inklus.  der  mimischen.  Be¬ 
sonders  ausgeprägt  ist  sie  an  den  Extremitäten,  die  beständig  in 
choreatisch  zuckender  Bewegung  sind.  Ein  Glas  kann  sie  nur  mit 
Mühe  mit  Hilfe  beider  Hände  zum  Munde  führen.  Beständig  macht 
sie  zwecklose  Kau-  und  Schlingbewegungen.  Die  Sprache  ist  in¬ 
folgedessen  undeutlich  und  gaumig.  Sie  geht  nicht  gern,  infolge  der 
sich  beim  Gehen  störend  bemerkbar  machenden  ataktischen  Be¬ 
wegungen  der  Beine.  Sie  muss  beim  Essen  unterstützt  werden  und 
verschluckt  sich  oft  dabei.  Die  Gemütsstimmung  ist  sehr  labil.  Trau¬ 
rigkeit  und  Angst  wegen  ihres  Zustandes  herrschen  vor.  Organ¬ 
befunde  o.  B.,  speziell  ist  die  Herzdämpfung  nicht  verbreitert,  und 
die  Töne  rein  bei  regelmässiger  Aktion.  Der  Fundus  des  schwan¬ 
geren  Uterus  steht  3  Querfinger  oberhalb  des  Nabels;  Schädellage: 
Herztöne  und  Kindsbewegungen  sind  nachweisbar.  Urin  ist  frei  von 
Eiweiss  und  Zucker. 

Die  Behandlung  bestand  zunächst  in  Bettruhe  und  Isolation. 
Dazu  wurde  Brom  verabreicht.  Ein  Erfolg  war  aber  nicht  zu  be¬ 
merken.  Im  Gegenteil,  die  körperliche  Unruhe  nahm  zu,  und  Sprache 
sowie  Gemütsstimmung  wurden  schlechter.  Trotz  sorgfältige' 
Pflege  und  Fütterung  ging  die  Nahrungsaufnahme  zurück.  Bei 
gleichzeitigen  feuchten  und  trockenen  Ganzpackungen,  die  noch  am 
besten  wirkten,  wurde  Veronal,  Chloral  und  Skopolamin  verabreicht. 
Trotzdem  nur  ganz  vorübergehende  Beeinflussung  der  motorischen 
Unruhe.  Arsen  war  ihr  mit  Rücksicht  auf  die  erfolglose  Arsen¬ 
behandlung  vor  der  Aufnahme  bei  uns  noch  nicht  gegeben  worden 
gleichzeitig  in  Erinnerung  völliger  Wirkungslosigkeit  in  den  sonst 
üblichen  Dosen  bei  den  2  vorausgegangenen  Fällen  von  Chorea  gra¬ 
vidarum,  die  tödlich  ausliefen.  Wir  glaubten  es  aber  doch  noch  voi 
der  nunmehr  in  Frage  kommenden  Einleitung  des  Abortes  mit  dei 
Zuführung  grösserer  Arsendosen  versuchen  zu  müssen,  und  so  kämet 
wir  zur  Anwendung  des  Salvarsans.  Die  intravenöse  Injektion  wai 
bei  der  kolossalen  Unruhe  nur  in  Narkose  möglich.  Es  wurdet 
0,5  Salvarsan  nach  Blutentnahme  für  die  Wassermann  sehe  Re 
aktion  injiziert.  Die  W.  R.  fiel  negativ  aus.  Unmittelbar  nach  dei 
Injektion  war  keine  Besserung  zu  konstatieren;  sie  bekam  deshall 
weiterhin  ihre  feuchten  Ganzpackungen  und  Schlafmittel.  Aller 
dings  war  diese  Therapie  von  besserem  Erfolge  begleitet  als  frühe; 
insofern,  als  sie  nach  diesen  einige  Stunden  ruhig  schlief,  wahrem 


28.  Januar  IQKl 


Mt  FNCIIFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


185 


früher  die  motorische  Unruhe  Tag  und  Naclit  ungehalten  hatte.  Vom 
4.  Tage  ab  wurde  die  Besserung  im  allgemeinen  deutlicher.  Sie 
selbst  fühlte  sich  auch  ruhiger.  Vom  7.  Tage  ab  w*ar  eine. Anwen¬ 
dung  von  Narkoticis  nicht  mehr  notwendig.  Fat.  schlief  nachts  und 
ging  bei  Tage  mit  allerdings  noch  etwas  stapfendem  Gange  umher. 
Die  Sprache  besserte  sich  langsam.  Am  8.  Tage  konnte  sie  sich 
schon  einen  Apfel  selbst  schälen.  Am  11.  Tage  waren  die  Extremi¬ 
täten  fast  völlig  ruhig.  Nur  beim  Sprechen  machte  die  Patientin 
noch  unnötige  Bewegungen  mit  dem  Munde.  Die  Gemütsstimmung 
war  noch  labil.  Am  15.  Tage  nach  der  Injektion  war  sie  voll¬ 
kommen  ruhig.  Nur  beim  Sprechen  merkte  man  noch  ein  kleinwenig 
den  früheren  Zustand.  Da  Pat.  heiraten  wollte,  mussten  wir  sie  als 
fast  geheilt  entlassen.  Ich  hatte  jedoch  Gelegenheit,  sie  später 
wiederzusehen  und  konnte  sie  fast  2  Monate  nach  der  Injektion  in 
der  gynäkologischen  Gesellschaft  im  letzten  Monat  ihr.er  Gravidität 
als  völlig  gesund  und  rezidivfrei  vorstellen.  Da  die  Pat.  sich  nicht 
wieder  vorgestellt  hat.  glaube  ich  nach  unserer  Vereinbarung  an¬ 
nehmen  zu  können,  dass  auch  weiterhin  die  Chorea  sich  nicht 
wieder  bemerkbar  gemacht  hat. 

Ich  würde  also  mit  Rücksicht  auf  die  Erfahrungen  der 
beiden  obengenannten  Autoren  glauben,  annehmen  zu  dürfen, 
dass  auch  in  unserem  Falle  Salvarsan  eine  heilende  Wirkung 
entfaltet  hat.  Und  es  dürfte  wohl  angebracht  sein  in  schwe¬ 
ren  Fällen  von  Chorea  gravidarum,  die  durch  kein  anderes 
Mittel  zu  beeinflussen  sind,  erst  einmal  einen  Versuch  mit 
Salvarsan  zu  machen,  ehe  man  zur  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft,  deren  Erfolg  überdies  auch  noch  sehr 
zweifelhaft  ist,  schreitet. 


Nachtrag  zu  meiner  Mitteilung  „Heilung  eines  Falles 
von  Hautsarkomatose  durch  Thorium  X“. 

Von  Karl  Herxheim  er  in  Frankfurt  a.  M. 

Am  Schlüsse  der  genannten  Arbeit  habe  ich  dem  Zweifel,  dass 
die  Heilung  des  Falles  von  multiplen  Hautsarkomen  durch  Thorium  X 
eine  dauernde  sein  werde,  deutlich  Ausdruck  gegeben  und  gesagt, 
dass  die  Heilung  der  Hautsarkome  bis  zum  Verschwinden  aller  vor¬ 
handen  gewesenen  Geschwülste  gelungen  war.  Dies  war  tatsächlich 
der  Fall,  denn  die  mikroskopische  Untersuchung  eines  klinisch  aus¬ 
geheilten  pigmentierten  Stückchens  vom  linken  Vorderarm  ergab 
absolutes  Freisein  von  Sarkomzellen.  Es  konnten  natürlich  nicht  alle 
mit  Pigmentbildung  abgeheilten  Stellen  untersucht  werden.  Schon 
etwa  4  Wochen  nach  der  letzten  Besichtigung  des  Patienten  kamen 
neue  Knoten,  etwa  4 — 5  an  der  Zahl,  auf  dem  Rücken  wie  auch  einige 
auf  den  Armen,  diese  letzteren  lokalisiert  an  den  pigmentierten 
Stellen.  Patient  erhielt  darauf  nochmals  eine  Injektion  von  Thorium  X 
zu  1000  elektrostatischen  Einheiten.  Wenige  Wochen  später  er¬ 
krankte  —  ich  verdanke  diese  Mitteilung  Herrn  Kreisarzt  Dr.  Kuli- 
mann  in  Lauterbach  (Oberhessen)  —  der  Patient  an  ausgedehnten 
Metastasen  in  den  inneren  Organen.  Er  hatte  unerträgliche 
Schmerzen  im  Ischiadikusgebiet  und  in  der  linken  Nierengegend, 
mit  blutigem  Urin,  ferner  fötiden,  schokoladenbraunen  Auswurf,  der 
manchmal  unverändertes  Blut  enthielt.  Gegen  Ende  Dezember  trat 
rechtsseitige  Ptosis  und  Taubsein  der  rechten  Gesichtshälfte  auf, 
Appetitlosigkeit,  Durchfälle,  zunehmende  Prostration.  Ende  De¬ 
zember  erfolgte  unter  schweren  meningitischen  Erscheinungen 
(völlige  Bewusstlosigkeit.  Genickstarre,  C  h  e  y  n  e  -  S  t  o  k  e  s  sches 
Atmungsphänomen  etc.),  sowie  unter  einer  frischen  Eruption  von 
Sarkomknoten  am  linken  Unterarm  der  Exitus.  Die  Autopsie  wurde 
verweigert. 

Dass  in  vorliegendem  Falle  die  Thorium  X-Behandlung  die  neue 
Sarkomeruption  auf  der  Haut  und  offenbar  in  den  inneren  Organen 
nicht  hintanhalten  konnte,  würde  mich  nicht  davon  abhalten,  bis  auf 
weiteres  in  Zukunft  in  ähnlichen  Fällen  das  Thorium  X  wieder  in 
der  gleichen  Weise,  wie  wir  es  getan  haben,  anzuwenden,  zumal  da 
sich  jede  andere  Behandlung  bisher  als  aussichtslos  erwiesen  hat. 
Man  könnte  daran  denken,  die  Thorium  X-Behandlung  mit  derjenigen 
von  anorganischen  oder  organischen  Arsenikmitteln  zu  kombinieren. 
Solange  wir  freilich  die  Ursache  der  Sarkome  nicht  kennen,  fehlt  uns 
die  Basis  zur  systematischen  Bekämpfung  derselben. 


Eine  einfache,  neue  Bestrahlungslampe  für  Gleich-  und 

Wechselstrom. 

Von  Dr.  Wolff  in  Karlsruhe. 

In  den  letzten  Jahren  ist  auf  dem  Gebiete  der  Bestrahlungs¬ 
therapie  durch  die  Fortschritte  der  Röntgenkunde  das  allgemeine 
Interesse  von  der  Schwesterwissenschaft,  der  eigentlichen  Photo¬ 
therapie,  etwas  abgelenkt  worden. 

Tatsächlich  besitzen  wir  ja  auch  in  der  Finsen-  resp.  Finsen- 
Reynlampe,  sowie  in  der  Quarzlampe,  welche  am  meisten  Anklang 
gefunden  haben,  so  ausgezeichnete  Apparate,  dass  es  scheinen  könnte, 
als  ob  zur  Zeit  alle  Bedürfnisse  des  Lichtheilverfahrens  gedeckt 
seien. 

No- 


Und  doch  hat  es  seit  der  ersten  Veröffentlichung  der  Quarz¬ 
lampe  im  Jahre  1906  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  die  geringe 
1  iefenwirkung,  sowie  die  grosse  Oberflächenreizung  der  im  Queck- 
silbei  licht  enthaltenen  kurzwelligen  chemischen  Strahlen  gegenüber 
dem  Kohlenbogenlicht  bemängelten.  Jedenfalls  ist  der  Streit  noch 
nicht  entschieden,  welcher  Lichtquelle  bei  der  Lupusbehandlung  der 
Vorzug  gebührt.  Je  nach  dem  Fall  ist  bald  die  eine,  bald  die  andere 
Strahlenart  wirksamer.  So  gibt  es  z.  B.  Ekzemiormen,  bei  denen 
gerade  die  Verbindung  von  Licht  mit  Wärmestrahlen  besonders 
günstig  wirkt.  Es  ist  auch  experimentell  von  verschiedenen  Autoren 
(Bang,  I  hi  eie  und  Wolf)  nachgewiesen,  dass  die  chemischen 
Strahlen  bedeutend  wirksamer  sind  bei  Anwesenheit  von  Wärme, 
als  ohne  dieselbe. 


Eine  weitere  Schwierigkeit  bleibt  immer  noch  der  Kostenpunkt. 
Denn  abgesehen  von  dem  an  sich  beträchtlichen  Preis  für  die 
Lampen  selbst  wird  die 
Anlage  dort,  wo  kein 
Gleichstrom  vorhanden 
ist,  durch  die  Aufstellung 
eines  Umformers  recht 
kompliziert.  Zweifellos 
ist  gerade  aus  diesem 
Grunde  die  Lichtbehand¬ 
lung  für  viele  Dermato¬ 
logen  ein  pium  desi- 
derium  geblieben,  trotz¬ 
dem  sie  wissen,  dass  eine 
ganze  Anzahl  von  Fällen 


der  täglichen  Praxis  am 
besten  und  elegantesten 
mit  Licht  behandelt  wird. 

Es  ist  auch  gar  nicht 
nötig,  deswegen,  weil 
vielleicht  der  relativ  sel¬ 
tene  Lupus  vulgaris  am 
zweckmässUsten  mit 
einer  schwer  zu  be¬ 
schaffenden  Lampe  be¬ 
handelt  wird,  auf  die 
Lichtbehandlung  von  viel 
häufigeren  Affektionen 
(Akne!)  zu  verzichten,  wenn  wir  hier  mit  einfacheren  Lichtquellen 
billiger  und  zuweilen  sogar  besser  zum  Ziel  kommen. 

Ich  selbst  benütze  neben  der  Finsen-  und  Quarzlampe  eine  solche 
einfachere  Bestrahlungslampe  mit  Wechselstrom,  die  aus  den  Bedürf¬ 
nissen  der  täglichen  Praxis  herausgebildet  ist  und  mir  seit  mehreren 
Jahren  gute  Dienste  leistet. 


Ursprünglich  ging  ich  von  dem  Gedanken  aus,  eine  Lampe  zu 
konstruieren,  die  etwas  reicher  an  violetten  Strahlen  ist,  wie  die 
Finsenlampe,  ohne  das  im  Eisen-  und  Quecksilberlicht  enthaltene 
irritierende,  kurzwellige  Ultraviolett.  Dabei  schwebte  mir  die  bei 
der  Beleuchtung  von  Fabrikräumen  verwendete  Reginalampe,  sowie 
die  Kopierlampen  vor.  Beide  sind  besonders  reich  an  violetten 
Strahlen,  dadurch,  dass  ihre  Kohlen  im  luftverdünnten  Raume  und 
damit  im  Zusammenhang  mit  grossen  Lichtbogen  und  höherer 
Spannung  brennen.  Statt  aber  die  Kohlen  in  eine  Achse  zu  stellen, 
gab  ich  ihnen  eine  spitzwinklige  Stellung  (10°).  Dadurch  ist  erstens  das 
Licht  gezwungen,  infolge  einer  eigenen  elektromagnetischen  Wirkung 
bei  hoher  Spannung  in  grossem  halbkreisförmigen  Bogen  überzu¬ 
springen,  und  zweitens  sind  beide  Lichtkrater  direkt  nach  vorne 
gerichtet  und  werfen  ihre  ganze  Lichtfülle  dem  behandelten  Objekt 
entgegen.  Das  auf  diese  Weise  gewonnene  Licht  hat  einen  deutlich 
violetten  Charakter  und  vermag  auf  30  cm  Abstand  vom  Licht¬ 
bogen  photographisches  Silberpapier  ebenso  rasch  zu  bräunen  als 
die  Quarzlampe  auf  15  cm. 

Das  Gehäuse  der  Lampe  besteht  aus  einem  kurzen,  dicken,  mit 
weissem  Asbest  ausgekleideten  Eisenrohr,  welches  vorne  durch  eine 
gefensterte  Tür  verschliessbar  ist.  Als  Fenster  habe  ich  früher 
Uviolglas  oder  eine  runde  Scheibe  aus  geschmolzenem  Bergkristall 
verwendet. 

Später  bin  ich  davon  abgekommen,  da  sich  herausstellte,  dass 
durch  die  grosse  Hitze  im  Innern  der  Lampe  die  Luftverdünnung 
zusammen  mit  der  eigenartigen  Kohlenstellung  genügt,  die  Spannung 
zu  erhöhen.  Höchstens  wenn  die  Wärmestrahlung  unangenehm 


3 


186 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


empfunden  wird,  kann  dieselbe  durch  Zwischenschaltung  des  Fensters 
verringert  werden.  In  vielen  Fällen  ist  aber  die  gleichzeitige  Wärme¬ 
wirkung  und  die  damit  verbundene  Austrocknung  der  Gewebe  sehr 
zweckmässig.  Während  bei  völliger  Oeffnung  der  Tür  z.  B.  der 
ganze  Rücken  noch  wirksam  bestrahlt  werden  kann,  lässt  sich  durch 
verschiedene  Blenden,  die  in  die  Fensteröffnung  gelegt  werden,  die 
bestrahlte  Fläche  entsprechend  verkleinern.  Seitlich  ist  zur  Beob¬ 
achtung  der  Kohlen  ein  rechteckiges,  mit  Glimmer  abgeschlossenes 
Fenster  angebracht.  Durch  die  Rückwand  treten  die  Kohlen  ein, 
welche  durch  eine  mechanische  Vorrichtung  mittelst  Zahnstangen 
und  Zahnrad  vorgeschoben  und  stets  im  gleichen  Winkel  zueinander 
erhalten  werden.  Am  besten  hat  sich  ein  Abstand  der  Kohlenspitzen 
von  2,5  cm  bei  einem  Lichtbogen  von  3  cm  Länge  bewährt.  Die 
Zündung  erfolgt  durch  Vorschrauben  der  Kohlen  mittelst  eines  ge¬ 
meinsamen  Zahnrades  bis  zur  Berührung,  oder  durch  gleichzeitige 
Berührung  beider  Kohlenspitzen  mit  einer  dritten  Kohle.  Das  ganze 
Gehäuse  ist  auf  einem  verstellbaren  Stativ  montiert  und  kann  be¬ 
liebig  nach  jeder  Richtung  gedreht  werden.  Was  die  elektrische 
Energie  betrifft,  so  arbeitet  die  Lampe  bei  unserer  Netzspannung  von 
120  Volt  Drehstrom  durchschnittlich  mit  70  Volt  bei  ca.  12  Ampere, 
so  dass  der  Verbrauch  an  Elektrizität  genau  so  gross  ist  wie  der  der 
Quarzlampe  (inkl.  Umformer).  Bei  grösserer  Netzspannung  wird 
der  Effekt  bedeutend  erhöht,  ebenso  durch  Einschaltung  eines  Hoch¬ 
spannungstransformators. 

Was  nun  die  spezielle  Indikation  anlangt,  so  habe  ich  bis  jetzt 
gute  Erfolge  bei  Akne,  Ekzema  ves.,  Alop.  areata,  Ekzema  seb., 
Lichen  ruber,  Psoriasis,  Sycosis  idiop.,  Pruritus,  sowie  bei  Ulcus  molle, 
phagedaen.  und  luetischen  Affektionen.  Bei  Lupus  habe  ich  diese 
Lampe  bis  jetzt  nur  angewandt  zur  raschen  Ueberhäutung  ander¬ 
weitig  behandelter  Stellen  mit  und  ohne  Drucklinse.  Besonders  nach 
vorangegangener  Pyrogallusbehandlung  bei  grossen  Flächen  leistet 
sie  auch  hier  gutes.  Die  betr.  Partien  werden  mit  einer  grossen 
Quarzplatte  komprimiert  und  von  Zeit  zu  Zeit  mittelst  eines  Spray¬ 
apparates  gekühlt,  wenn  die  Wärme  unangenehm  werden  sollte. 
Die  Dauer  der  Belichtung  richtet  sich  natürlich,  abgesehen  von  der 
individuellen  Empfindlichkeit,  nach  dem  einzelnen  Fall  und  dauert 
durchschnittlich  eine  halbe  Stunde 

Meine  Erfahrung  über  die  Wirkung  dieser  Lampe  bezieht  sich 
vorerst  nur  auf  die  genannten  dermatologischen  Fälle,  möglicher¬ 
weise  lassen  sich  auch  noch  andere  günstig  beeinflussen.  Ebenso 
glaube  ich,  dass  sie  in  der  Chirurgie  zur  Wundheilung,  Ueber¬ 
häutung  von  Geschwüren,  bei  Verbrennungen  etc.  mit  Vorteil  be¬ 
nützt  werden  kann.  Ferner  ist  zu  erwarten,  dass  sie  in  der  Gynä¬ 
kologie  bei  Fluor  alb.,  der  jetzt  meist  mit  Pulver  behandelt  wird, 
durch  ihre  eminent  austrocknende  Wirkung  ebenfalls  gute  Erfolge 
erzielen  wird. 

Die  Lampe  wird  in  der  oben  beschriebenen  Form  von  der 
Berliner  Firma  Louis  und  H.  Loewenstein  geliefert  und  kann  so 
mit  einem  kleinen  Vorschaltwiderstand  bei  Gleich-  und  Wechselstrom 
direkt  verwendet  werden.  Sie  kann  aber  auch  nach  der  einen  oder 
anderen  Richtung  von  jedem  einzelnen  durch  Zutaten  wie  z.  B. 
durch  einen  die  Spannung  erhöhenden  Transformator  oder  durch 
Druck-,  Kühl-  und  Konzentrationslinsen,  Rot-  und  Blaugläsern,  modifi¬ 
ziert  werden.  Auch  in  der  Stärke  der  Kohlen  lassen  sich  Variationen 
vornehmen:  dicke,  etwa  12mm  Dochtkohlen  geben  wohl  einen  etwas 
giösseren  Lichteffekt,  doch  brennen  dünnere  Kohlen  (9:160  mm) 
etwas  ruhiger,  so  dass  ich  diese  empfehlen  möchte.  Unter  allen 
Umständen  sollen  des  Kontaktes  wegen  die  Enden  verkupfert  sein, 
wie  sie  speziell  für  diese  Zwecke  von  Conradhy-  Nürnberg  ge¬ 
liefert  werden. 

Selbstverständlich  hat  die  Bestrahlungslampe  eine  Anzahl  von 
Metamorphosen  durchgemacht,  bis  sie  die  Gestalt  angenommen  hat, 
in  der  ich  sie  seit  etwa  einem  Jahr  verwende.  Ich  glaube  sie  mit 
gutem  Gewissen  sowohl  denjenigen  Kollegen,  welche  Röntgen-, 
Finsen-  und  Quarzlampen  besitzen,  als  Ergänzung  für  Licht-  und 
Wärmebehandlung  grosser  Flächen  empfehlen  zu  können,  wie  auch 
ganz  besonders  denjenigen,  die  aus  äusseren  Gründen  eine  einfache 
Lampe  für  die  tägliche  Praxis  bevorzugen. 


Kombinierte  Augenelektrode  und  Augenirrigationsgefäss. 

Von  Dr.  med.  Q.  Bucky  in  Berlin. 

In  der  Augenheilkunde  hat  man  sich  bisher  der  Dauerirrigationen 
relativ  wenig  bedient,  und  zwar  vielleicht  hauptsächlich  deshalb,  weil 
eine  derartige  Massnahme  mit  ziemlichen  Umständen  verknüpit  war. 
Es  lag  das  daran,  weil  es  nötig  ist,  einen  absolut  wasserdichten  Ab¬ 
schluss  des  Irrigationsgefässes  am  Auge  herzustellen.  Die  bisher  ge¬ 
bräuchlichen  Gefässe  waren  so  konstruiert,  dass  man  zur  Er¬ 
neuerung  der  Flüssigkeit  dieselben  vom  Auge  wieder  entfernen  und 
nach  dem  Wechsel  der  Irrigationsflüssigkeit  von  neuem  dem  Auge 
adaptieren  musste.  Abgesehen  von  der  mühseligen  Handhabung  war 
die  Erneuerung  der  Irrigationsflüssigkeit  eine  beschränkte. 

Zur  Vermeidung  dieser  Uebelstände  dient  ein  in  folgendem  be¬ 
schriebenes  Irrigationsgefäss.  Ein  über  eine  Form  geblasenes  Glas- 
getäss  a  trägt  bei  b,  c  und  d  Ansätze.  Ansatz  b  und  Ansatz  c 
dienen  zum  Anschluss  von  Gummischläuchen,  durch  die  die  Irriga¬ 
tionsflüssigkeit  zu-  resp.  abfliesst.  Die  dem  Auge  zugekehrte  Oeff¬ 


nung  h  des  Glasgefässes  a  ist  der  Form  der  Augenumgebung  völlig 
angepasst,  so  dass  beim  Anpressen  des  Gefässes  der  Rand  h  völlig 
flüssigkeitssicher  abschliesst. 

Gleichzeitig  ist  das  Gefäss  als 
Augenelektrode  ausgebildet.  Zu  diesem 
Zwecke  ist  durch  den  Ansatz  d  eine 
kleine  metallische  Hilfselektrode  durch¬ 
geführt,  die  bei  f  eine  Klemme  zum  An¬ 
schluss  trägt.  Bei  Verwendung  des 
Gefässes  als  Augenelektrode  muss  das¬ 
selbe  mit  einer  gut  leitenden  Flüssig¬ 
keit,  z.  B.  5  proz.  Salzwasser,  gefüllt 
werden.  Dann  ist  es  möglich,  auch  bei 
geöffnetem  Auge,  ohne  Gefahr,  eine  be¬ 
liebige  Art  von  elektrischen  Strömen 
einwirken  zu  lassen.  Bei  der  Ver-  " 
wendung  von  Diathermieströmen  ist  es 
zweckmässig,  nach  der  Anfüllung  des 
Gefässes  mit  Salzwasser  den  Gummi¬ 
schlauch  vom  Ansatz  b  zu  entfernen 
und  ihn  durch  ein  mit  einem  Gummi¬ 
stopfen  i  armiertes  Thermometer  g  zu 
ersetzen,  so  dass  man  jederzeit  die 
Temperatur  des  Wassers  ablesen  kann.  Es  ist  zweckmässig,  vor 
dem  Anlegen  der  Augenelektrode  die  umgebende  Haut  etwas  ein¬ 
zufetten,  da  dann  der  Abschluss  leichter  geschieht.  Im  übrigen  ist 
die  Applikation  eine  derartig  einfache,  dass  es  nicht  nötig  ist.  näher 
darauf  einzugehen,  insbesondere  kann  das  Gefäss  in  jeder  Körper¬ 
lage  des  Patienten  angelegt  werden.  Die  Fixation  des  Gefässes  ge¬ 
schieht  entweder  bei  kürzerer  Applikation  mit  der  Hand  oder  bei 
Dauerapplikation  mit  einigen  Bindentouren *  *). 


Aus  dem  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten  in 

Hamburg. 

Zur  Frage  der  neuen  Ross  sehen  Entwicklung  des 

Syphiliserregers. 

Von  Dr.  V.  Schilling-  Torgau,  Oberarzt,  kommandiert 

zum  Institut. 

Das  erste  Heft  des  neuen  Jahrganges  dieser  Zeitschrift  enthält 
ein  interessantes  Sammelreferat  über  einige  ganz  kürzlich  erschienene 
englische  Arbeiten  (Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  Heft  1,  Ref. : 
K.  Ta  ege:  Neueste  Forschungen  über  Syphilisparasiten). 

Es  handelt  sich  um  Untersuchungen,  die  sich  an  eine  im  vorigen 
Jahre  erschienene  Arbeit  von  E.  H.  Ross  über  die  Kurloffkörper 
knüpfen  und  die  nunmehr  auf  Syphilis  und  andere  Spirochätosen  aus¬ 
gedehnt  wurden,  da  Ross  seinerzeit  zu  der  Vorstellung  kam,  dass! 
die  lange  bekannten  Kurloffkörper  des  Meerschweinchens  ihre  Ent¬ 
stehung  der  intrazellulären  Entwicklung  eines  spirochätenartigen 
Protozoons  verdankten. 

E.  H.  Ross  gelangte  zu  diesen  neuen  Anschauungen  auf  Grund 
einer  Methodik,  die  angeblich  zuerst  Befunde  lieferte,  wie  sie  zur 
Erkennung  des  parasitären  Charakters  der  in  den  Kurloffkörpern 
nachgewiesenen  Einschlüsse  notwendig  war.  Diese  Methode,  auf 
Anwendung  einer  komplizierten  Agarkomposition  beruhend,  wurde 
von  H.  C.  Ross  (1909)  beschrieben,  von  E.  H.  Ross  (1911) 
modifiziert  und  auf  die  Kurloffkörper  grösserer  Art  angewendet:  der 
erste  Vortrag  darüber  fand  am  29.  Februar  1912  in  der  Royal 
Society  statt.  Ross  zitiert  dabei  an  zwei  Stellen  seiner  ersten  mir 
vorliegenden  Arbeit  (Ann.  of  trop.  med.  VI,  1,  Mai  1912)  die  von 
mir  bezüglich  der  Kurloffkörper  geäusserte  Theorie  ihrer  Aehnlich- 
keit  mit  Chlaniydozoeneinschlüssen,  ohne  dass  ihm  anscheinend  die 
Originalarbeit  vorlag,  denn  die  Tafeln  zu  meiner  Arbeit 
zeigen  die  von  Ross  beschriebenen  Einschlüsse 
in  teilweise  bei  weitem  präziserer  Form,  aufsteigend 
von  rundlichen  kompakten  Gebilden  über  dickere  Stäbchen.  Hantel- 
und  Trommelschlegelformen  bis  zu  diplokokkenartigen  Gebilden 
(Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  Bd.  58,  p.  318  mit  Taf.  I  u.  II,  1911).  Tafel  I,  1$ 
gibt  einen  Kurloffkörper  mit  spirochätenartigen  Ein¬ 
schlüssen  klarster  Form,  Tafel  II,  22  die  spirillenartigen  Stadien 
mit  kurzer  Geissei  und  mehrere  Teilungsfiguren  derselben  wieder, 
Tafel  I,  Figur  7 — 14  zeigen  in  exakter  Darstellung  die  sehr  eigen-i 
artigen  Trommelschlegelformen  etc.  in  ihrer  Entwicklung.  [Später 
habe  ich  auch  farbige  Abbildungen  gegeben,  Zentralbl.  f.  Bakteriol., 
Bd.  63,  p.  393,  Tafel  II  1912  aus  der  gleichen  Serie  von  Aquarellen, 
die  ich  vollständig  im  Hamburger  Aerztl.  Verein  am  14.  Nov.  1911 
demonstrierte;  desgleichen  ein  Schleifenknäuel,  Verhandl.  der  Anat. 
Gesellschaft,  April  1912,  Anat.  Anz.,  Schwarzdruck.1)] 

Ein  Vergleich  aller  dieser  früheren  Abbildungen  mit  den  Ross- 
schen  in  der  erwähnten  Arbeit  und  in  der  referierten  (Brit.  med. 
Journal,  14.  Dez.  1912)  zeigt  ganz  augenscheinlich,  dass  die  von  mir 
beschriebenen  Einschlüsse  nicht  allein  identisch,  sondern  mit  einer 
einfacheren  Technik  präziser  zur  Darstellung  gelangten,  was  von 
Ross  noch  nicht  erwähnt  wurde. 

*)  Das  Gefäss  wird  hergestellt  von  der  Firma  Warmbrun  n. 
Quilitz  &  Co.,  Berlin  N.,  Heidestrasse. 

*)  Die  Fadenknäuel  etc.  wurden  im  Texte  erwähnt. 


28.  Januar  J9I3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Die  Uebertragung  dieser  Kurloffkörperbefunde  seitens  Ross 
und  anderer  (J  e  n  n  i  n  g  s,  Moolgavkar,  McDonagh)  auf  die 
Spirochatosen  und  gerade  auf  die  Lues  wird,  wie  der  Referent  an¬ 
deutet,  zahlreiche  Nachprüfungen  hervorrufen,  für  die  ich  meine 
sehr  einfache  I  echnik  statt  oder  neben  der  ausführlich  wieder¬ 
gegebenen  Ross  sehen  Methode  in  Erwähnung  bringen  möchte: 

1.  Man  löse  Azur  II  in  Alkoh.  abs.,  streiche  von  der  fast  ge¬ 
sättigten  Lösung  ein  Tröpfchen  deckglasbreit  auf  einen  sauberen 
Objektträger  und  lasse  die  dünne  Farbenschicht  ganz  trocknen.  (Die 
Verwendung  von  Azur  II  ist  das  Originale  der  Methode,  da  kein 
sonst  versuchter  Vitalfarbstoff  bisher  die  Einschlüsse  in  der  präzisen 
Form  herausbrachte,  wie  die  Arbeiten  von  Ledingham, 
Pappen  heim,  Patella  u.  a.  beweisen.) 

2.  Man  bringe  mit  einem  breiten  Deckglas  ein  Tröpfchen  peri¬ 
pheres  Blut  eines  weiblichen,  besonders  in  der  Tragezeit  stets 
reichlich  „infizierten“  Meerschweinchens  so  auf  die  Farbschicht,  dass 
sich  die  Flüssigkeit  spontan  in  dünner  Schicht  ausbreitet,  wobei  die 
Farbe  wieder  in  Lösung  geht.  Besonders  reichlich  findet  man  alle 
Stadien  jederzeit  auch  in  dem  mit  etwas  Serum  oder  NaCl  0,9  ver¬ 
dünnten  Milzbrei. 

3.  Man  beobachte  unter  Oelimmersion  einen  grossen  Mono¬ 
nukleären,  der  einen  ovalen,  schwach  lichtbrechenden  exzentrischen 
Einschluss  aufweist,  bis  in  etwa  10—20  Minuten  die  Färbung  erst 
blass,  dann  intensiver  bis  zur  Vollendung  auftritt.  Die  ausgefärbten 
Einschlüsse  zeigen  sich  in  den  geschilderten  Formen  äusserst 
präzise,  intensiv  dunkelviolettrot  als  einzige  derartig  gefärbte 
Gebilde. 

4.  Will  man  das  Studium  verfeinern,  so  kann  man  die  durch¬ 
gefärbten  Präparate  abheben,  d.  h.  das  Deckglas  mit  einer  Nadel 
aufheben  und  einfach  trocknen,  doch  leidet  die  Form  etwas  (Dauer¬ 
präparat:  trocken  aufzuheben).  Besser  fixiert  man  kurz  in  Osmium¬ 
dampf  nach,  solange  die  Schicht  noch  feucht  ist.  Beiderlei  Präparate 
können  nun  einer  Fixierung  mit  Azeton,  Methylalkohol,  Alkohol¬ 
äther  oder  dergl.  unterzogen  und  z.  B.  mit  Giemsafärbung  sehr 
wirkungsvoll  nach-  oder  umgefärbt  werden,  da  auch  der  Zellkern 
des  grossen  Mononukleären  nun  wie  üblich  sichtbar  wird. 

Ueber  weiteren  Techniken  siehe  die  zitierten  Arbeiten,  beson¬ 
ders  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  Bd.  58  u.  63. 

Fast  in  jeder  Methodik  ist  das  Aussehen  der  Kurloffkörper  ein 
durchaus  verschiedens,  trotzdem  ich  an  einer  strukturartigen  Zu¬ 
sammensetzung  der  merkwürdigen  Gebilde  gerade  nach  meinen 
Untersuchungen  kaum  zweifeln  möchte.  Es  muss  aber  betont 
werden,  dass  wir  eine  derartig  eigentümliche 
durchaus  metaphromatische  Totalfärbbark  eit 
für  keinen  parasitären  Organismus  bisher  kennen, 
soviel  mir  bekannt  ist,  diese  vielmehr  nur  an 
i\caktionsprodukten  von  Zellen  oder  Protozoen 
vorfinden.  Ich  sah  mich  daher  seinerzeit  veranlasst,  diese  Ein-  I 
Schlüsse  auf  Grund  gerade  dieser  mit  Ross  identischen  Befunde  für 
chlamydozoenähnlich  +)  zu  erklären.  Es  bedeutet  das  in  der  Theorie 
v.  P  r  o  w  a  z  e  k  s,  z.  B.  für  Guarnierikörper  etc.,  dass  diese  Gebilde 
intrazelluläre  Reaktionen  auf  ein  sogen,  „ultravisibles“  oder  noch 
unbekanntes  infektiöses  Virus  sein  könnten,  an  sich  aber  grösstenteils 
aus  zellulären  Erzeugnissen  sich  zusammensetzten.  Diese  Aehn- 
lichkeit  mit  Guarnierikörpern  ist  von  Ledingham  im  Sinne  der 
alten  Auffassung  derselben  als  intrazelluläre  flagellatenähnliche 
Paiasiten  bereits  gestreift,  doch  steht  Ledinghams  Auffassung 
der  Patella  sehen,  der  in  den  Kurloffkörpern  seit  langem  Leuko- 
zytozoen  oder  ähnliche  Flagellaten  sah,  bei  weitem  näher;  die 
moderne  Chlamydozoentheorie  steht  in  starkem  Gegensätze  zu 
diesen  Ansichten.  Die  Ross  sehen  Hypothesen  würden  allerdings 
eine  Art  Parallelismus  der  Spirochätenentwicklung  mit  manchen 
rlagellatenentwicklungen  bedeuten,  ohne  dass  damit  die  Kurloff¬ 
körper  irgendwie  den  Leukozytozoen  vergleichbar  würden.  Meine 
Erklärung  steht  so  wenig  im  Gegensatz  zu  der  Ross  sehen,  dass 
dieser  selbst  am  Schlüsse  seiner  Arbeit  in  dem  Brit.  med.  Journ. 
gerade  wie  ich  auf  den  Cvtorcytes  Guarnieri  und  Siegel  hin¬ 
wies;  das  unbekannte  Virus  wäre  nach  Ross  hier  also  eine  Spiro¬ 
chäte.  Ueber  die  event.  Möglichkeit,  derartige  stets  sehr  ähnlich 
organisierte  Zellerzeugnisse  aus  der  Zellstruktur  zu  erklären,  bitte 
ich  interessierenden  Falles  meine  erwähnten  Arbeiten  einzusehen. 

Die  von  Ross  angeführte  Beobachtung  lebender  aus  den  Ein¬ 
schlüssen  hervorgehender  Spirochäten  ist  neu;  Patella  glaubt 
einige  Male  lebende  Flagellaten  durch  Umwandlung  des  gesamten 
Kutiofrkörpers  aus  Zellen  ausschlüpfen  gesehen  zu  haben.  Das 
mögliche  Freiwerden  der  Stäbchen  etc.  mit  scheinbaren  (mole¬ 
kularen  etc.)  Bewegungen  ist  von  mir  erwähnt  (Zentralbl.  f.  Bakt., 
Bd.  58.) 

Sollten  die  Ross  sehen  Hypothesen  sich  bestätigen,  so  wäre 
das  allerdings  ein  epochaler  Fortschritt  in  der  Aufklärung  sehr  vieler 
bisher  schwer  deutbarer  Erscheinungen  und  es  sollte  mich  freuen, 
wenn  bei  den  sehr  notwendigen  Nachprüfungen  meine  oben  be¬ 
schriebene  einfache  Methodik  von  Wert  sein  könnte. 


,  t)  Es  gelang  inzwischen,  die  bereits  Taf.  II,  Fig.  22  (Zentralbl. 
i.  Bakt.,  Bd.  58)  abgebildeten  feiner.  Körnchen  präziser  als  einzelne 
und  doppelte  oder  als  Ketten  zwischen  den  gröberen  Körperchen  noch 
nachzuweisen,  worüber  ich  nach  Abschluss  der  Versuche  berichten 

werde. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Marburg  (Direktor: 
Professor  Dr.  W.  Zangemeister). 

Zur  Frage  des  Tuberkulosenachweises  durch  be¬ 
schleunigten  Tierversuch. 

Von  Prof.  Dr.  P.  Esch,  Oberarzt  der  Klinik. 

ln  No.  51,  1912  dieser  Wochenschrift  veröffentlicht  Rudolf 
Oppenheimer  aus  der  städtischen  Frauenklinik  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.  eine  Kritik  meiner  experimentellen  Untersuchungen,  die 
„über  die  Anwendung  der  intrakutanen  Tuberkulinreaktion  als  Hilfs¬ 
mittel  zum  beschleunigten  Nachweise  von  Tuberkelbazillen  durch  den 
Tierversuch“  handeln *). 

Wenn  ich  auf  diese  Kritik  eingehe,  so  muss  ich  zunächst  einiges 
Allgemeine  aus  dem  Gebiete  der  experimentellen  Tuberkulose¬ 
forschung  erörtern,  weil  in  dieser  Hinsicht  Unstimmigkeiten  zwischen 
Oppenheimer  und  mir  herrschen.  Oppenheimer  hält  die 
Aufschwemmung  von  Bazillenkulturen,  mit  denen  ich  meine  Ver¬ 
suche  teilweise  angestellt  habe,  für  das  „günstigste“  Infek¬ 
tionsmaterial.  Da  die  Bezeichnung  „günstig“  im  Zusammen¬ 
hänge  wohl  als  gleichbedeutend  mit  „wirksam“  aufgefasst  werden 
muss  —  streng  genommen  ist  ja  mein  Infektionsmaterial  nur  das 
„günstigste“  für  die  von  Oppenheimer  zu  Unrecht  ge¬ 
zogene  Schlussfolgerung  — ,  so  bemerke  ich  dazu,  dass  diese  Ansicht 
als  allgemeiner  Lehrsatz  keineswegs  den  tatsächlichen  Verhältnissen 
entspricht,  und  dass  sie  im  besonderen  für  meine  Experimente  absolut 
nicht  zutrifft.  Sie  wird  auch  von  Oppenheimer  in  keiner  Weise 
durch  vergleichende  Versuche  belegt. 

Der  Kürze  halber  kann  ich  hier  nicht  auf  anerkannte  Tatsachen 
über  Tierpathogenität  der  Bakterien  im  allgemeinen  und  des  Tuber¬ 
kelbazillus  im  speziellen  eingehen,  sondern  ich  muss  mich  darauf  be¬ 
schränken,  lediglich  auf  die  Ergebnisse  meiner  Versuche  aufmerksam 
zu  machen.  Aus  einem  Vergleiche  meiner  zahlreichen  Tierexperi¬ 
mente 1  2)  geht,  genau  im  Gegensätze  zu  der  Behauptung  Oppen- 
h  e  i  m  e  r  s,  hervor,  dass  die  tuberkulöse  Erkrankung  bei  den  Meer¬ 
schweinchen,  die  mit  einer  Bazillenkulturaufschwem¬ 
mung  infiziert  worden  waren,  nur  in  Ausnahmefällen  gleich¬ 
zeitig,  meist  aber  erheblich  später  nachweisbar  war,  als 
bei  den  Tieren,  die  mit  Tuberkuloseharn  infiziert  worden 
waren! 

Eine  zweite  allgemein  anerkannte  Anschauung,  der  gegenüber 
Oppenheimer  eine  Sonderstellung  einnimmt,  betrifft  die  Be¬ 
griffsbestimmung  der  „allgemeinen“  tuberkulösen  In¬ 
fektion  des  Meerschweinchens,  da  er  sagt,  dass  ich  irr¬ 
tümlich  annähme,  er  baue  seine  Diagnostik  auf  eine  allgemeine 
Infektion  des  Versuchstieres  auf.  Der  Irrtum  liegt  auch  in  diesem 
Falle  nicht  auf  meiner  Seite;  denn  Opp.enheimer  konstatierte 
bei  der  Autopsie  seiner  Versuchstiere  „regelmässig  eine  Miliartuber¬ 
kulose  der  Leber  und  Milz“  —  eine  tuberkulöse  Erkrankung  also, 
die  sich  nicht  nur  lokal  an  der  Injektionsstelle  (der  Leber),  sondern 
auch  an  einem  entfernt  liegenden  Organe  (der  Milz)  kennt¬ 
lich  machte.  An  sich  spricht  ja  schon  das  Auftreten  der  Tuberkulose 
in  miliaren  Herden  der  Milz  für  die  Verbreitung  der  Krankheit  auf 
dem  Blutwege.  Meine  Annahme  für  diesen  Infektionsweg  wird 
ausserdem  durch  die  auch  auf  die  übrigen  Organe  der  Tiere  sich  er¬ 
streckende  Sektion  bestätigt.  Ich  konnte  nämlich  bei  6  Meerschwein¬ 
chen,  die  in  der  Zeit  vom  11.  bis  19.  Tage  nach  der  intra¬ 
hepatischen  Impfung  seziert  wurden,  feststellen,  dass  makro¬ 
skopisch  je  4  mal  die  bronchialen  und  postjugularen  Drüsen  tuberku¬ 
lös  erkrankt  waren.  Einen  solchen  sicherlich  auf  dem  Wege  der 
Blutbahn  ausgebreiteten  Tuberkuloseprozess  des  Meerschweinchens 
bezeichnet  man  aber  als  eine  „allgemeine“  und  nicht  als  eine 
„lokale“  Infektion. 

Als  ein  Grundprinzip  bei  der  kritischen  Beurteilung  einer 
experimentellen  Arbeit  muss  ferner  gelten,  dass  man  nur  solche  Tiere 
untereinander  vergleicht,  die  unter  denselben  Versuchsbedingungen 
gestanden  haben.  Nur  durch  Ausserachtlassung  dieser  Selbstver¬ 
ständlichkeit  ist  es  möglich  geworden,  dass  Oppenheimer  meine 
Schlussfolgerungen  durch  meine  eigenen  Tabellen  zu  widerlegen 
sucht.  Er  baut  auf  die  Gegenüberstellung  meiner  intrakardial  in¬ 
fizierten  Tiere  (Tabelle  la)  gegen  ein  intrahepatisch  infiziertes  Tier 
(Tabelle  3)  den  Fehlschluss  auf,  dass  die  intrakardiale  Infektionsart 
der  intrahepatischen  nicht  überlegen  sei.  Das  intrakardial  ge¬ 
impfte  Meerschweinchen  erhielt  aber  nach  den  Angaben  im  Texte 
und  über  der  betreffenden  Tabelle  1  ccm  einer  Bazillenkulturauf- 
schwemmung  (1  mg  :  1000  ccm  Harn),  während  dem  intra¬ 
hepatisch  infizierten  Tiere  2  ccm  Tuberkuloseharn  in¬ 
jiziert  worden  waren  —  also  Infektionen  mit  ganz  verschiedenem  In¬ 
fektionsmaterial  und  mit  ganz  verschiedenen  Dosen  sind  es,  die 
Oppenheimer  heranzieht,  um  aus  meinen  Versuchen  eine  angeb¬ 
liche  Ueberlegenheit  seiner  Methode  herauszuretten.  Selbstverständ¬ 
lich  dauerte  das  Inkubationsstadium  bei  diesen  beiden,  grundsätz¬ 
lich  verschiedenen  Versuchen  verschieden  lange.  Ich  gebe 
Oppenheimer  den  Rat,  einmal  einen  vergleichenden  Versuch 
derart  zu  machen,  dass  er  z.  B.  einer  Tierreihe  1  mg,  einer  anderen 


1)  Diese  Wochenschrift  No.  39,  1912. 

2)  Mitteilungen  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir..  Bd.  25,  H.  4, 
1912,  p.  638. 


3* 


188 


MllENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  4. 


'I iuuoüuoo  in«  derselben  Bazillenkulturaufschwemmung  i  n  t  r  a  hepa¬ 
tisch  injiziert.  Er  wird  sich  dann  davon  überzeugen,  dass  es  je 
nach  der  Schwere  der  gesetzten  Infektion  wechselnd  lange  dauert,  bis 
er  die  Tuberkulose  nachweisen  kann. 

Unter  Hintansetzung  des  oben  erwähnten,  den  einfachsten  For¬ 
derungen  der  Logik  entsprechenden  Prinzipes,  hat  Oppenheimer 
auch  meine  Resultate  hinsichtlich  der  Frühdiagnose  der  I  uber- 
kulose  den  Ergebnissen  der  mit  seiner  Methode  angestellten  1  ier- 
versuche  gegenübergestellt,  ohne  die  vollständig  ver¬ 
schiedenen  Versuchsbedingungen  zu  berück¬ 
sichtigen.  Es  wäre  mir  wirklich  ein  Leichtes,  die  Inkubationszeit 
bei  meinen  Tieren  weiter  herabzusetzen,  indem  ich  einfach  eine  wirk¬ 
samere  Dosis  für  die  Infektion  wählte. 

Den  Satz  von  Oppenheimer,  dass  die  anatomische  Diagnose 
die  sicherste  für  die  Tuberkulose  sei,  unterschreibe  ich  insofern  durch¬ 
aus,  als  auch  ich  in  meiner  Veröffentlichung  mehrfach  daraui 
hingewiesen  habe,  dass  nach  der  positiven  intrakutanen  I  uberkulin- 
prüfung  die  Autopsie  zu  erfolgen  habe,  damit  die  biologische 
Diagnose  auch  durch  die  anatomische  erhärtet  würde;  infolge¬ 
dessen  kommt  der  Vorzug  der  Sektion  auch  meiner  Methode  zu¬ 
gute,  und  somit  ist  der  Vorwurf  gänzlich  verfehlt,  dass  ich  dem 
Kliniker  zumuten  wollte,  lediglich  auf  die  schwächste  positive  Intra¬ 
kutanreaktion  hin  eine  Niere  zu  entfernen. 

Gleichfalls  übersehen  hat  Oppenheimer,  dass  ich  zur  ob¬ 
jektiven  Würdigung  der  intrahepatischen  Infektion  „Kontrollversuche 
angestellt  habe  (Tabelle  3).  Hätte  Oppenheimer  mit  seiner 
Kritik  übrigens  auf  meine  ausführliche  Bearbeitung,  auf  die  ich  aus¬ 
drücklich  hingewiesen  habe,  gewartet,  so  hätte  er  Ein¬ 
sicht  in  weitere  Versuchsprotokolle  mit  seiner  Methode  nehmen 
können.  Er  hätte  daselbst  auch  andere  Methoden  zum  Tuberkulose¬ 
nachweise  und  die  Literatur,  deren  Unkenntnis  er  mir  zuschreibt,  be¬ 
rücksichtigt  gefunden,  soweit  sie  zu  meinen  Untersuchungen  Be¬ 
ziehungen  haben.  Ferner  wird  Oppenheimer  daselbst  noch  einen 
weiteren,  experimentell  fundierten  Einwand  gegen  die 
theoretische  Begründung  seiner  Methode  finden  (pag.  659b  den  ich 
hier  nicht  wiederholen  will. 

Gegen  die  kritischen  Bemerkungen,  welche  Oppenheimer, 
fussend  auf  den  exakten  Untersuchungen  von  Römer  und  Joseph, 
gegen  meine  Experimente  anführt,  erwidere  ich  aus  meiner  früheren 
Arbeit,  dass  diese  Untersuchungen,  die  anderen  Zwecken  dienten, 
insofern  für  meine  Versuchsanordnung  nicht  massgebend  sein  konnten, 
als  beide  Autoren  die  Frage  nicht  beantwortet  haben,  ob  die  Intra¬ 
kutaninjektion  zu  klinischen  Zwecken  im  Sinne  des  beschleunigten 
Nachweises  der  Tuberkelbazillen  dienstbar  gemacht  werden  könne, 
was  ich  mir  bei  meinen  Versuchen  als  Aufgabe  gestellt  hatte.  Dies 
allein  ist  auch  der  Grund,  weshalb  die  beiden  Autoren  seinerzeit  die 
infizierten  Tiere  erst  am  21.  Tage  intrakutan  prüften,  zu  welcher  Aus¬ 
sage  mich  Herr  Prof.  Römer  ermächtigt. 

Wenn  Oppenheimer  gar  die  Erfahrung  von  Römer  und 
Joseph,  dass  man  während  des  Inkubation  sstadi  um  s 
tuberkulös  infizierte  Tiere  völlig  unempfindlich 
gegen  Tuberkulin  finden  könne,  als  Beweis  für  die  Un¬ 
brauchbarkeit  der  Intrakutanreaktion  für  die  Frühdiagnose  heranzieht, 
so  suche  ich  für  meinen  Teil  vergebens  nach  Anhaltspunkten  hierfür 
in  dem  von  Oppenheimer  zitierten  Satze;  denn  tuberkulös 
infiziert  ist  ein  Meerschweinchen,  sobald  ihm  das  Virus  bei¬ 
gebracht  worden  ist,  es  wird  aber  erst  nach  dem  Ablauf  des  —  j  e 
nach  der  Schwere  der  Infektion  wechselnd  lange 
dauernden  —  Inkubationsstadiums  tuberkulin  reagierend 
und  tuberkulös  krank.  Ich  gebe  zu,  dass  die  Unterscheidung  dieser 
beiden  Begriffe  nicht  immer  strikte  durchgeführt  wird,  aber  in  dem 
von  Oppenheimer  aus  dem  Zusammenhänge  herausgerissenen 
Satze  lässt  sich  „tuberkulös  infiziertes“  Tier  nicht  anders  deuten. 

Die  schwächste  Form  der  positiven  Intrakutanreaktion  be¬ 
zeichnet  Oppenheimer  nach  dem  Vorgänge  von  Römer  mit 
Recht  als  „atypische“  Reaktion.  Um  jedoch  Missverständnissen  vor¬ 
zubeugen,  möchte  ich  hervorheben,  dass  ich  selbst  nach  dieser 
schwächsten  Reaktionsform,  auch  wenn  eine  sofortige  Sektion  nach 
dem  Auftreten  der  Reaktion  vorgenommen  wurde,  stets  ana¬ 
tomisch  eine  tuberkulöse  Erkrankung  der  Meerschweinchen  kon¬ 
statieren  konnte. 

Des  weiteren  will  ich  jetzt  die  Versuche  besprechen,  die 
Oppenheimer  zur  Widerlegung  meiner  Methode  ausgeführt  hat. 
Er  hat  2  Tiere  in  und  um  die  Leber  mit  tuberkuloseverdächtigem 
Harn  geimpft  und  am  12.  Tage  der  Intrakutanreaktion  unterzogen. 
Da  diese  noch  am  14.  Tage  negativ  war,  wurde  die  Sektion  vor¬ 
genommen,  wobei  sich  bei  beiden  Tieren  tuberkulöse  Veränderungen 
fanden.  Dieses  negative  Resultat  der  intrakutanen  Prüfung  wider¬ 
spricht  meinen  Erfahrungen  vollständig.  Niemals  blieb  die 
intrakutane  Reaktion  aus,  wenn  anatomisch  eine 
Tuberkulose  nachweisbar  war.  Nur  bei  solchen  Meer¬ 
schweinchen,  die  sich  im  Endstadium  der  Tuberkulose,  kurz  ante 
exitum,  befanden,  versagte  die  vorgenommene  Prüfung.  In  dieser 
Hinsicht  finde  ich  mich  in  voller  Uebereinstimmung  mit 
Römer  und  seinen  Mitarbeitern.  Im  Interesse  der  Methode 
möchte  ich  an  dieser  Stelle  nochmals  auf  einen  Satz  aus  meiner 
früheren  Veröffentlichung  aufmerksam  machen;  Es  ist  empfehlens¬ 
wert  auch  bei  einem  nicht  infizierten  Tiere  nebenbei  die  intrakutane 
Tuberkulininjektion  vorzunehmen,  bis  hinreichende  Erfahrungen  in  der 
Beurteilung  der  Reaktionsformen  gesammelt  sind! 


Meine  Ansicht,  dass  die  Oppenhei  m  e  r  sehe  Methode  mit  der 
mehligen  nicht  konkurrieren  könne,  halte  ich  nach  wie  vor  aufrecht. 
Die  intrahepatische  Methode  gibt  uns  keine  Handhabe,  die 
Entstehung  und  Weiterentwicklung  der  Tuberkulose  zu  verfolgen. 
Die  Anwendung  der  intrakutanen  Injektion  von 
0,02  ccm  Tuberkulin  setzt  uns  dagegen  sowohl  nach  der  intra¬ 
hepatischen,  wie  nach  jeder  anderen  Infektionsart  in^die  Lage,  den 
Tuberkuloseprozess  im  frühesten  Stadium  „im  Prinzipe“  bei  nur  einem 
Tiere,  das  immer  wieder  intrakutan  gespritzt  werden  kann,  zu  er¬ 
kennen.  Durch  die  biologische  Beobachtung  wird  uns  daher  strikte 
der  Zeitpunkt  angezeigt,  wann  das  Tier  getötet  und  anatomisch  unter¬ 
sucht  werden  soll,  und  durch  diese  fortgesetzte  Beobachtung  er¬ 
kennen  wir  auch  das  früheste  Stadium  der  Erkrankung. 

Setzen  wir  trotz  dieses  prinzipiellen  Unterschiedes  beide  Metho¬ 
den  in  Konkurrenz,  so  gestalten  sich  die  Verhältnisse  in  der  Praxis 
folgendermassen :  Nach  meiner  Methode  erhalten  2  Meerschweinchen 
auf  verschiedene  Art  und  verschiedene  Mengen  des  tuberkulose¬ 
verdächtigen  Materials  (siehe  meine  frühere  Veröffentlichung).  Am 
6.  Tage  und  3  Tage  später  wird  das  Tier,  welches  die  grösste 
Menge  des  Untersuchungsmaterials  oder  welches  das  Material 
direkt  in  die  Blutbahn  einverleibt  bekam,  intrakutan  geprüft. 
Vom  9.  Tage  nach  der  Infektion  ab  wird  bei  beiden  Tieren  ab¬ 
wechselnd  in  Intervallen  von  3  Tagen  das  Tuberkulin  intrakutan 
injiziert.  Ist  die  Reaktion  positiv  ausgefallen,  so  wird  das  betreffende 
Meerschweinchen  getötet  etc.  Ist  die  Reaktion  bis  Ende  der  6.  Woche 
negativ  ausgefallen,  so  wird  ebenfalls  ein  Tier  getötet,  damit  auch 
anatomisch  eine  Tuberkulose  ausgeschlossen  werden  kann. 

Nach  der  i  nt  rahepatischen  Impfung  O p p  e  n - 
heimers  muss  dagegen  am  7.  Tage  mit  der  Tötung  eines  lieres 
begonnen  werden,  der  jeden  dritten  Tag  eine  weitere  Tötung  zu  folgen 
hat,  wenn  wir  mit  der  Oppenheimer  sehen  Methode  hinsichtlich 
der  Frühdiagnose  dasselbe  erreichen  wollen  wie  mit  der  von  mir 
ausgearbeiteten.  Dadurch  benötigen  wir  bei  der  intrahepatischen  Me¬ 
thode  12  Tiere  für  einen  Versuch  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen:  Unter  den  Klinikern  wird  bisher  für  die  Dauer  des  Inku¬ 
bationsstadiums  der  Tuberkulose  beim  Meerschweinchen  eine  Zeit  bis 
zu  6  Wochen  in  Anschlag  gebracht.  Mit  dieser  Frist  müssen  wir 
beim  Ansetzen  jedes  Versuches  von  vornherein  rechnen;  denn  wir 
wollen  durch  den  Tierversuch  überhaupt  erst  das  Vorhandensein  oder 
das  Nichtvorhandensein  von  Tuberkelbazillen  nachweisen.  Wir  sind 
also  vollständig  im  Unklaren  über  die  eventuelle  Menge  der  Bazillen 
und  ihre  Virulenz  —  von  welchen  Faktoren  die  Zeitdauer  der  In¬ 
kubation  an  erster  Stelle  abhängig  ist — .  Wird  dann  die  1  uberkulose 
vor  der  6.  Woche  manifest,  so  ist  allerdings  bei  der  Oppen¬ 
heimer  sehen  Methode  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Anzahl  von 
Tieren  nutzlos  infiziert  worden;  bleibt  dagegen  der  anatomische  Be¬ 
fund  negativ,  so  muss  die  Tötung  bis  zum  42.  Tage  fortgesetzt  wer¬ 
den,  um  die  Tuberkulose  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  (Bei  dieser 
Versuchsanordnung  habe  ich  von  den  Ausnahmefällen,  bei  denen  die 
Tuberkulose  schon  vor  dem  7.  Tage  nach  der  Infektion  nachweisbar 
ist,  abgesehen.) 

Die  Veröffentlichung  von  Oppenheimer  erweckt  allerdings 
den  Eindruck,  als  ob  die  Inkubationsfrist  bei  der  intra- 
hepatischen  Impfung  bereits  nach  16  Tagen  verstrichen  sei. 
Er  sagt  nämlich:  „enthielt  der  überimpfte  Harn  Tuberkelbazillen,  so 
Hess  sich  regelmässig  nach  16  Tagen  eine  Miliartuberkulose  der  Leber 
und  Milz  feststellen“.  Beim  Lesen  dieses  Satzes  kann  man  sich  der 
Frage  nicht  erwehren,  ob  denn  die  Tuberkulose  bei  negativem  Ausfall 
der  Autopsie  vom  17.  Tage  nach  der  Impfung  ab,  mit  absoluter  Sicher¬ 
heit  ausgeschlossen  sei?  Die  Untersuchungen  Oppenheimers 
weisen  in  dieser  Hinsicht  eine  empfindliche  Lücke  auf,  die  experi¬ 
mentell  leicht  auszufüllen  wäre.  Unter  den  jetzigen  Umständen  ver¬ 
trete  ich  aber  den  Standpunkt,  dass  die  Entwicklung  des  Tuberkulose¬ 
prozesses  auch  bei  der  intrahepatischen  Methode 
Wochen  währen  kann,  und  wenn  ich  die  Ausführungen 
Oppenheimers  recht  verstehe,  so  enthalten  sie  am  Schlüsse 
seiner  Abhandlung  auch  eine  Konzession  in  dieser  Beziehung. 

Ich  konnte  übrigens  mit  der  i  n  t  r  a  p  e  r  i  t  o  n  e  a  1  e  n  Infek¬ 
tion,  soweit  ich  die  Versuche  mit  Tuberkuloseharn  ausführte, 
stets  (5  Versuche)  die  Tuberkulose  sogar  bis  spätestens 
zum  14.  Tage  nachweisen.  Diese  Tatsache  an  sich  beweist  nur, 
dass  ich  in  diesen  Fällen  ein  sehr  wirksames  Virus  injiziert  habe, 
sonst  aber  absolut  nichts.  Dasselbe  Urteil  gilt  für  die 
bis  jetzt  vorliegenden  Resultate  Oppenheimers,  die  er  bei  seiner 
Methode  mit  Tuberkuloseharn  erzielte,  wenn  er  nicht  den  Nachweis 
erbringt,  dass  das  Inkubationsstadium  bei  der  intrahepatischen  In¬ 
jektion  unter  allen  Infektionsmöglichkeiten  am  16.  Tage  ver¬ 
strichen  ist. 

Hinsichtlich  der  geschilderten  Vorzüge  der  intrakutanen  Tuber- 
kulinpriifung  kann  allenfalls  die  Bloch  sehe  Methode  mit  ihr 
konkurrieren,  weil  sie  allein  ebenfalls  Anhaltspunkte  gibt  den 
Tuberkuloseprozess  (an  der  gequetschten  Kniefaltendrüse)  beim  Meer¬ 
schweinchen  zu  verfolgen,  ohne  dass  das  T  ier  getötet  wer¬ 
den  muss.  Aber  sie  versagt  in  einer  Anzahl  von  Fällen,  was  ich 
bei  meiner  Methode  bisher  nie  erlebt  habe. 

Aus  den  dargelegten  Gründen  halte  ich  meine 
Methode  für  die  bei  weitem  brauchbarste  und  zu¬ 
verlässigste,  obwohl  die  intrakutane  Tuberkulinreaktion  nicht 
eher  auftritt,  als  bis  das  Tier  Tuberkuloseherde  hat.  Dabei  möchte  ich 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


189 


aber  betonen,  dass  die  Reaktion  schon  im  frühestenStadium 
des  Tuberkuloseprozesses  stets  positiv  ausfällt. 

Die  experimentellen  Beweise  für  diese  Schlussfolge¬ 
rung  enthalten  meine  früheren  Veröffentlichungen,  auf  die  ich  hiermit 
verweise.  Daselbst  ist  auch  der  Beweis  erbracht,  dass  der  Tier¬ 
versuch  zum  Nachweise  der  Tuberkelbazillen  bei  Anwendung  der 
intrakutanen  Tuberkulinprüfung  nur  durch  die  Infektion  direkt  in 
die  B  1  u  t  b  a  h  n  (intrakardiale  oder  intravenöse  Infektion)  eine 
weitere  Beschleunigung  erfahren  kann. 

Erhärtet  werden  meine  experimentellen  Beweise  durch  eine 
Nachprüfung  von  Richard  Hagemann!).  Auf  Grund  seiner 
Untersuchungen  kommt  er  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  intra¬ 
kutane  Impfung  mit  Tuberkulin  das  bequemste  und 
am  schnellsten  zum  Ziele  führende  Mittel  für  die 
Feststellung  der  tuberkulösen  Erkrankung  des 
V  ersuch  stieres  sei.  Hinsichtlich  der  von  Hagemann 
fernerhin  einwandfrei  festgestellten  U  e  b  e  r  1  e  gen  heit  der 
intrakardialen  Infektionsart  muss  ich  bemerken,  dass 
der  Autor  sie  nur  gegen  die  Bloch  sehe  Methode  ausgewertet  hat. 
Mit  der  intrahepatischen  Infektionsart  hat  er  keine  Versuche  an¬ 
gestellt. 


Anhangsweise  möchte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  noch  einige 
kurze  Bemerkungen  über  die  Technik  der  intrakardialen  Injektion  an¬ 
fügen,  wozu  mir  die  Erfahrungen  von  Hagemann  Veranlassung 
geben.  Er  verlor  zwei  Tiere  unmittelbar  nach  der  Injektion  an  Ver¬ 
blutung  in  den  Herzbeutel.  Auch  ich  habe  beim  Beginn  meiner 
Versuche  zwei  solcher  Fälle  erlebt,  seither  habe  ich  aber  bei  über 
100  Meerschweinchen  die  intrakardiale  Injektion  zu  den  verschieden¬ 
sten  Zwecken  vorgenommen  ohne  einen  mit  der  Technik  in  Zu¬ 
sammenhang  stehenden  Todesfall  zu  beobachten.  Nach  meinen  Er¬ 
fahrungen  lege  ich  Wert  darauf,  dass  eine  Spritze  mit  spielend  leicht 
gleitendem  Spritzenstempel  und  dass  eine  feine,  scharf  geschliffene 
Kanüle  zur  Injektion  benützt  wird,  ferner  dass  das  Tier  während  der 
Injektion  von  einer  zweiten  Person  möglichst  fest  gehalten  wird, 
damit  es  kaum  eine  willkürliche  Bewegung  machen  kann,  und  dass 
die  Kanüle  beim  Entfernen  aus  dem  Herzen  Schnellstens  herausge¬ 
zogen  wird. 

Ausserdem  beobachtete  Hagemann  zweimal  einen  schweren 
Schock  nach  der  Injektion,  den  ich  an  erster  Stelle  auf  die  Ausser- 
achtlassung  der  von  mir  empfohlenen  Vorbehandlung  der  Injektions- 
fliissigkeit  (Neutralisierung  etc.)  zurückführen  muss.  Um  die  intra¬ 
kardiale  Methode  jedoch  möglichst  zu  vereinfachen,  möchte  ich  einst¬ 
weilen  auf  Grund  der  H  a  g  e  in  a  n  n  sehen  und  meiner  eigenen  Erfah¬ 
rungen  versuchshalber  von  der  Neutralisierung  absehen;  man  muss 
dann  allerdings  mit  einem  mehr  oder  weniger  schweren  Schock 
des  Tieres  rechnen;  aber  bisher  ging  kein  Tier  durch  dieses  ver¬ 
einfachte  Verfahren  zugrunde. 


Aus  der  Prosektur  der  kaiserl.-königl.  Krankenanstalt  Rudolf¬ 
stiftung  in  Wien  (Vorstand:  Hofrat  R.  Paltauf). 

Ueber  den  Lipoidgehalt  der  sogen.  Appendixkarzinome. 

Von  Privatdozenten  Dr.  Rudolf  Maresch,  Prosektor. 

In  No.  46,  1912  dieser  Wochenschrift  erschien  eine  Arbeit 
Hörrmanns  über  die  Notwendigkeit  der  prophylaktischen 
Appendektomie  bei  gynäkologischen  Operationen,  die  zugleich  auch 
einen  interessanten  Beitrag  zur  Frage  der  sog.  Appendixkarzinome 
enthielt.  Der  Autor  streifte  kurz  die  noch  immer  strittige  Frage 
nach  der  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Bedeutung  dieser 
Tumoren,  verwies  besonders  auf  eine  von  Oberndorfer  in  der 
Sitzung  der  Münchener  gynäkol.  Gesellschaft  vom  23.  V.  1912  ge¬ 
machte  Mitteilung  über  den  Lipoidgehalt  der  Appendixtumoren  und 
bemerkte,  dass  Oberndorfer  damit  einen  fundamentalen  Unter¬ 
schied  zwischen  den  Kankroiden  und  echten  Karzinomen  gefunden 
habe. 

Dieser  Hinweis  veranlasst  mich,  auf  die  vielbesprochene  Frage 
über  die  Natur  der  Appendixkarzinome  nochmals  kurz  einzugehen 
und  zwar  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Lipoidgehaltes  dieser 

Geschwülste. 

In  der  Sitzung  der  Wiener  gynäkol.  Gesellschaft  vom  14.  Fe¬ 
bruar  1911,  in  welcher  Mandl  ein  Appendixkarzinom  demonstrierte, 
besprach  ich  in  der  Diskussion  den  von  mir  bereits  mehrere  Jahre 
vorher  erhobenen  Befund  von  Lipoiden  in  den  Zellen  der  sogen. 
Appendixkarzinome.  Ein  sehr  kurz  gefasstes  Referat  hierüber,  das 
leicht  übersehen  werden  kann,  enthält  der  Sitzungsbericht  im  Zen¬ 
tralblatt  für  Gynäkologie  1911,  Bd.  35,  S.  907. 

In  der  genannten  Sitzung  konnte  ich  auf  7  von  mir  untersuchte 
balle  hinweisen,  zu  denen  bis  heute  noch  4  weitere  hinzugekommen 
sind.  Diese  11  Präparate  stammen  teils  von  Obduktionen,  teils 
wurden  sie  bei  Appendektomien  gewonnen.  Die  Grösse  der  Ge¬ 
schwülste  schwankte  zwischen  der  eines  Hirsekorns  und  einer 
Kirsche.  Die  etwas  grösseren  Tumoren  erreichten  fast  durchwegs 
die  Serosa.  An  der  Spitze  des  Wurmes  oder  in  der  Nähe  derselben 
sassen  5,  die  übrigen  6  befanden  sich  in  verschiedener  Höhe  der 
Appendix.  Sie  stammten,  wie  die  meisten  bis  jetzt  beschriebenen, 

3)  Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  Bd.  LXXXII,  Heft  1. 


zumeist  von  jüngeren  Individuen  (ein  Tumor  von  einem  17  jährigen 
Mädchen),  nur  ein  Fall  von  einem  alten  Individuum,  einem  74  jährigen 
Mann. 

Von  einer  genaueren  Beschreibung  derselben  sehe  ich  ab,  da 
sie  alle  das  bekannte  typische  Verhalten  darboten. 

Der  4.  Fall  meiner  Serie  (vom  Frühjahr  1908)  betraf  einen 
Wurmfortsatz,  der  gelegentlich  einer  Adnexexstirpation  bei  einer 
32  jährigen  Frau  mitentfernt  worden  war.  Es  fand  sich  eine  fast 
kirschgrosse,  derbe  Auftreibung  an  der  Spitze  des  Wurmes  und  auf 
der  Schnittfläche  sah  man  einen  wohlabgegrenzten  Tumor  von 
10:12  mm  im  Durchmesser.  An  dieser  Geschwulst  fiel  mir  zum 
erstenmal  die  Gelbfärbung  des  Gewebes  auf,  die  hier  besonders 
deutlich  ausgesprochen  war  und  die,  wie  die  Folge  zeigte,  auch  an 
anderen  derartigen  Gewächsen  in  der  Regel  mehr  oder  weniger  auf¬ 
fällig  zutage  trat.  Sie  veranlasste  mich,  diese  Geschwulst  auch  an 
Gefrierschnitten  zu  untersuchen,  wobei  sich  zeigte,  dass  die  weiss- 
lichgelbe  bis  ockergelbe  Farbe  durch  fettähnliche  Substanzen  bedingt 
war,  die  in  den  Zellen  des  Tumors  in  überraschend  reichlicher 
Menge  enthalten  waren.  Sie  färbten  sich  mit  Sudan  und  Scharlach  R. 
leicht,  wenn  auch  weniger  leuchtend  als  Neutralfette,  mit  Nilblau 
rötlich,  und  Hessen  deutlich  Doppelbrechung  erkennen,  die  beim 
Erwärmen  schwand.  Im  Polarisationsmikroskop  erinnerten  die  auf¬ 
leuchtenden  Bezirke  der  Präparate  in  ihrer  Reichhaltigkeit  und  Aus¬ 
dehnung  an  das  Verhalten  der  Xanthome.  Die  doppeltbrechenden 
Substanzen  erfüllten  die  meisten  Tumorzellen  und  waren  in  Zellen 
des  Stützgewebes  nicht  enthalten.  Dieser  Lipoidgehalt  der  Gc- 
schwulstzellen  erklärte  auch  die  eigenartige  wabige  Struktur  ihres 
Protoplasmas,  die  bei  stärkerer  Vergrösserung  an  Paraffinschnitten 
in  verschiedener  Deutlichkeit  zu  erkennen  ist  und  dadurch  bedingt 
ist,  dass  beim  Einbettuugsverfahren  die  lipoiden  Substanzen  auf¬ 
gelöst  wurden. 

Da  ich  in  den  folgenden  3  Fällen  einen  analogen  Befund  erhoben 
hatte,  sprach  ich  in  der  oben  erwähnten  Sitzung  die  Ansicht  aus,  es 
könne  kaum  ein  Zufall  genannt  werden,  dass  meine  letzten  4  Fälle 
sich  in  gleicher  Weise  durch  einen  grossen  Gehalt  an  Lipoiden  aus¬ 
zeichneten.  Und  trotzdem  ich  in  den  bis  dahin  erschienenen 
Publikationen  keine  derartigen  Angaben  gefunden  hatte,  war  ich  ge¬ 
neigt  anzunehmen,  dass  dieser  Befund  für  die  sogen.  Appendix¬ 
karzinome  ein  charakteristischer  sei.  In  dieser  Annahme  bestärkte 
mich  die  in  derselben  Diskussion  von  Herrn  Prof.  H.  A  1  b  r  e  c  h  t 
gemachte  Mitteilung,  dass  auch  er  kurz  vorher  in  3  Fällen,  darunter 
auch  im  Falle  Mandls,  denselben  Befund  hatte  erheben  können. 

Seither  hatte  ich  noch  Gelegenheit  4  weitere  Fälle  zu  studieren, 
von  denen  einer  trotz  sorgfältiger  wiederholter  Untersuchung  keine 
derartigen  lipoiden  Substanzen  enthielt.  Es  handelte  sich  um  ein 
kleines  Geschwülstchen  in  einem  operativ  entfernten,  fast  vollständig 
gangränösen,  mehrfach  perforierten  Wurmfortsatz.  Histologisch 
wich  der  Tumor,  abgesehen  von  einer  geringeren  Grösse  des  Zell¬ 
leibes  der  Geschwulstzellen,  in  seiner  Struktur  nicht  wesentlich  vom 
sonstigen  typischen  Bau  dieser  Geschwülste  ab  und  es  ist  mir  nicht 
möglich,  eine  suffiziente  Erklärung  für  das  Fehlen  des  Lipoids  zu 
geben.  Die  bestehenden,  tiefgreifenden  entzündlichen  Veränderungen 
in  der  Nachbarschaft  dürften  wohl  kaum  einen  Grund  hierfür  ab¬ 
geben,  eher  wäre  daran  zu  denken,  dass  der  Lipoidgehalt  möglicher¬ 
weise  vom  Alter  der  Geschwulst  abhängig  ist  und  dass  in  diesem 
Falle  das  Lipoid  erst  später  aufgetreten  wäre.  Diese  Ausnahme 
fällt  aber  den  positiven  Befunden  gegenüber  nicht  ins  Gewicht,  deren 
Zahl  jetzt  noch  durch  die  Beobachtungen  Oberndorfers  ver¬ 
mehrt  wurde.  Trotzdem  wäre  es  sehr  wünschenswert,  in  weiteren 
Fällen  auf  den  Lipoidgehalt  zu  achten,  damit  die  Frage  nach  der 
Häufigkeit,  resp.  Konstanz  dieses  Befundes  erledigt  werden  könnte, 
was  leicht  gelingen  dürfte,  da  diese  Geschwülste  durchaus  nicht  als 
selten  zu  bezeichnen  sind. 

Selten  sind  unter  den  Appendixgeschwülsten  jene  Tumoren,  die 
in  keiner  Weise  einen  Zweifel  aufkommen  lassen,  dass  man  es  mit 
wahren  Karzinomen  zu  tun  hat:  Sie  sind  gross,  haben  ein  aus¬ 
gesprochen  destruktives  Wachstum  und  können  durch  Metastasierung 
zum  Tode  führen. 

Ich  habe  erst  einen  derartigen  Fall  beobachten  können.  Es 
handelt  sich  um  einen  72  jährigen  Mann.  Der  Wurmfortsatz  war  in 
einen  dicken  konischen  Zapfen  umgewandelt,  der  in  der  Nähe  der 
Basis  einen  Durchmesser  von  6:4  cm  besass,  seine  Hauptmasse 
bildete  ein  grauweisses  Geschwulstgewebe,  das  sich  auch  gegen  das 
Zoekum  vorwölbte,  das  Mesenteriolum  infiltrierte  und  die  regionären 
Lymphdriisen  in  bis  taubeneigrosse  Geschwulstknoten  umgewandelt 
hatte.  Histologisch  erwies  sich  das  Neoplasma  als  ein  zum  Teil 
deutlich  gelatinöses  Adenokarzinom.  Lipoidablagerungen  fanden  sich 
hier  nicht,  wie  ich  auch  in  anderen  Dickdarmkrebsen  keine  solchen 
habe  nachweisen  können. 

Es  ergibt  sich  aus  diesen  Beobachtungen  der  Schluss,  dass  der 
Lipoidgehalt  der  sogen.  Appendixkarzinome  eine  diesen  Geschwülsten 
eigene  charakteristische  Erscheinung  darstellt,  die  sie  vor  anderen 
typischen  Dickdarmkarzinomen  auszeichnet.  Sie  kann  der  Reihe 
jener  gewichtigen  klinischen  und  anatomischen  Momente  ange¬ 
gliedert  werden,  welche  für  eine  Sonderstellung  der  sogen.  Appen¬ 
dixkarzinome  sprechen,  könnte  aber  für  sich  allein  durchaus  nicht 
die  Annahme  begründen,  dass  diese  Geschwülste  nicht  als  Karzi¬ 
nome  aufgefasst  werden  dürfen.  Denn  die  Zellen  der  auch  weisslich- 
gelb  gefärbten  Prostatakarzinome  sind,  wie  Schlagenhaufer 


190 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


gezeigt  hat,  nicht  nur  im  Primärtumor,  sondern  auch  in  den  Meta¬ 
stasen  lipoidhältig.  Die  Fähigkeit  der  sogen.  Appendixkarzinome, 
Lipoide  zu  produzieren,  ist  vielleicht  in  der  Eigenart  der  diesen 
Tumoren  zugrunde  liegenden  Geschwulstkeime  begründet. 

Von  Interesse  wäre  es,  festzustellen  —  was  mir  bisher  mangels 
eines  entsprechenden  Materials  nicht  möglich  war  — ,  ob  die  multipel 
vorkommenden  Dickdarmkarzinoide  (Oberndorfer;,  deren  Aehn- 
lichkeit  mit  diesen  Wurmfortsatzgeschwülsten  wiederholt  hervor¬ 
gehoben  wurde,  einen  ähnlichen  Lipoidgehalt  aufweisen. 


Aus  der  V.  medizinischen  Abteilung  (Oberarzt:  Prof.  D  e  y  c  k  e) 
und  dem  Institut  für  experimentelle  Therapie  (Oberarzt: 

Dr.  Much)  des  Eppendorfer  Krankenhauses. 

Einiges  über  Tuberkulin  und  Tuberkuloseimmunität. 

Von  Deycke  und  Much. 

(Schluss.) 

II. 

Wir  kämen  nun  zu  den  Untersuchungen  am  Menschen, 
die  teils  Neues  bringen,  teils  als  Erläuterung  einzelner  Punkte 
des  eben  Gesagten  dienen  können,  und  so  dem  Vorhergesagten 
ohne  bestimmtes  logisches  Schema  ein-  und  angefügt  werden 
können. 

Auch  am  Menschen  wurden  sämtliche  4  Partialantigene 
des  Tuberkelbazillus  auf  ihre  biologische  Aktivität  geprüft.  Die 
Prüfungen  geschahen  nach  dem  Prinzip  der  feinsten  bisher  be¬ 
kannten  Tuberkulinreaktion,  d.  h.  vermittelst  der  intrakutanen 
Stichmethode,  wie  sie  von  Mantoux  und  Roux  zuerst 
empfohlen  wurde.  Wir  gingen  von  einer  bestimmten  Kon¬ 
zentration  der  einzelnen  Partialantigene  aus  und  stiegen  von 
da  zu  sehr  hohen  Verdünnungsgraden  auf,  in  der  Weise,  dass 
zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Stichproben  immer  ein 
zehnfacher  Konzentrationsunterschied  bestand.  Während 
beim  tuberkulösen  Tier  sich  sofort  ein  fundamentaler  Unter¬ 
schied  zwischen  dem  wasserlöslichen  Filtrat  und  den  unlös¬ 
lichen  Teilsubstanzen  der  Milchsäure-Tb. -Aufschliessungen 
erkennen  liess,  war  das  beim  Menschen  zunächst  nicht  so 
offensichtlich.  Im  Verlauf  der  zahlreichen  Einzelunter¬ 
suchungen  machten  sich  aber  doch  auch  hier  gewisse  quali¬ 
tative  Verschiedenheiten  im  biologischen  Verhalten  des  Fil¬ 
trates  und  des  Rückstandes  bemerklich.  In  den  höchsten  Kon¬ 
zentrationen  bewirken  die  unlöslichen  Partialsubstanzen  des 
Rückstandes,  vor  allem  das  Eiweissgemisch  als  der  bei 
weitem  aktivste  Stoff,  starke  entzündliche  Quaddelbildung,  die 
sich  bei  reaktiven  Personen  bis  zu  weit  ausgedehnten,  fast 
phlegmonös  aussehenden  Entzündungshöfen  und  zu  Pustel¬ 
und  Nekrosebildung  steigern  kann.  Immer  aber  handelt  es 
sich  um  rein  entzündliche,  mit  aktiver  Hyperämie  einher¬ 
gehende  und  demgemäss  durch  hochrote  Färbung  ausgezeich¬ 
nete  Prozesse.  Dagegen  sieht  man  bei  den  Reaktionen  des 
Filtrats  in  dem  Rot  des  entzündlichen  Reaktionsgebietes  meist 
deutlich  einen  gelben  Farbeneinschlag,  der,  wie  man  sich  bei 
genauer  Beobachtung  des  Entwicklungsverlaufes  unschwer 
überzeugen  kann,  von  gleichzeitigen  hämolytischen  Vorgängen 
herrührt.  Man  kann  wirklich  sagen,  dass  die  Stichreaktionen 
des  Filtrats  bei  gleicher  In-  und  Extension  im  allgemeinen 
giftiger  aussehen  als  die  der  unlöslichen  Teilsubstanzen.  Ein 
weiterer  qualitativer  Unterschied  zeigt  sich  gerade  bei  den 
schwächsten  Konzentrationsgraden.  Bei  technisch  richtiger 
Ausführung  nimmt  die  Intensität  der  mit  den  Rückstands¬ 
stoffen  vorgenommenen  Intrakutanreaktionen  entsprechend 
dem  Verdünnungsgrade  von  Stufe  zu  Stufe  allmählich  bis  zum 
völligen  Verschwinden  ab,  so  zwar,  dass  man  häufig  bei  der 
letzten  noch  positiven  Reaktion  zweifelhaft  sein  kann,  ob  da 
wirklich  noch  ein  sicher  positiver  Ausfall  vorliegt  oder  nicht. 
Anders  bei  den  Stichreaktionen  des  Filtrats  und  des  Alttuber¬ 
kulins.  Da  beobachtet  man  zunächst  freilich  auch  die  stufen¬ 
weise  Abnahme  der  Reaktionswirkung.  Ganz  plötzlich  aber 
hört  der  positive  Ausschlag  auf.  Die  letzte  positive  Reaktion 
imponiert  noch  als  stark  oder  ist  jedenfalls  sehr  deutlich 
positiv,  die  nächstfolgende  ebenso  deutlich  negativ.  Von  einem 
allmählichen  Abklingen  und  Verschwinden  ist  also  bei  den 
höheren  Verdünnungen  des  Filtrats  nicht  die  Rede.  Es  macht 
durchaus  den  Eindruck,  als  ob  bei  dem  wasserlöslichen  Filtrat 
durch  fortschreitende  Verdünnung  plötzlich,  vielleicht  auf  dem 
Wege  der  Dissoziation,  eine  Zustandsänderung  eintritt,  die 


jede  reaktive  Wirkung  aufhebt.  Ganz  analog  dürfte  die  schon 
lange  gemachte  Erfahrung  zu  bewerten  sein,  dass  1  uberkulin- 
lösungen  in  höherer  Verdünnung  nicht  haltbar  sind  und  ihre 
spezifische  Wirksamkeit  bald  verlieren.  Das  gleiche  gilt  von 
unserem  Filtrat.  Auch  diese  Beobachtungen  würden  daran 
denken  lassen,  dass  bei  der  Tuberkulinwirkung  eher  physi¬ 
kalische  als  rein  chemische  Vorgänge  in  Frage  kommen.  Denn 
es  kann  nach  dem  in  Teil  1  Gesagten  kein  Zweifel  sein,  dass 
das  Alttuberkulin  und  das  Filtrat  unserer  Säureaufschliessung 
des  Tb.  bei  aller  sonstigen  Verschiedenheit  insofern  gleich¬ 
geartet  sind,  als  sie  beide  dieselbe  Substanz  oder  vielmehr 
dasselbe  Agens  enthalten,  dem  die  klassische  Tuberkulin¬ 
wirkung,  d.  h.  der  Tuberkulintod  tuberkulöser  Meerschwein¬ 
chen  zuzuschreiben  ist. 

Auch  beim  Menschen  lässt  sich  der  Parallelismus  zwischen 
den  beiden  Präparaten  —  Alttuberkulin  und  Filtrat  —  beob¬ 
achten.  Erstens  laufen  die  Ergebnisse  der  Komplement¬ 
bindungsversuche  an  menschlichen  Seren  im  allgemeinen 
parallel,  d.  h.  wenn  ein  Serum  auf  Tuberkulin  positiv  reagiert, 
so  reagiert  es  auch  auf  das  Filtrat.  Freilich  besteht  keine 
vollständige  Kongruenz.  Das  ist  nicht  weiter  verwunderlich. 
Denn  einmal  ist  es  bisher  nicht  möglich  gewesen,  Tuberkulin 
und  Filtrat  quantitativ  auf  die  gleiche  Konzentration  an  wirk¬ 
samer  Substanz,  also  an  in  unserem  Sinne  klassischem  Tuber¬ 
kulin  einzustellen.  Andererseits  enthält  zumal  das  Alttuber¬ 
kulin  noch  eine  ganze  Reihe  anderer,  sowohl  spezifischer,  als 
auch  unspezifischer  Stoffe,  die  beim  Komplementbindungs¬ 
versuch  gewiss  nicht  gleichgültig  sind. 

Zweitens  beobachtet  man  bei  therapeutischen  Versuchen 
am  Menschen,  dass  alle  Präparate,  die  das  Filtrat  enthalten, 
z.  B.  die  gesamte  Milchsäureaufschliessung  der  Tb.  viel 
leichter  und  häufiger  allgemeine  fieberhafte  Reaktionen  auch 
schädlichen  Charakters  auslösen  als  die  unlöslichen  Partial- 
antigene,  also  auch  in  dieser  Eigenschaft  mit  dem  Alttuberkulin 
übereinstimmen.  Wir  haben  deshalb  seit  einiger  Zeit  nach 
Möglichkeit  die  Giftkomponente,  die  im  Alttuberkulin  ange¬ 
reichert  und  in  unserem  Filtrat  nachweislich  vorhanden  ist, 
bei  der  Behandlung  Tuberkulöser  auszuschalten  uns  bestrebt 
und  unsere  bisherigen  Erfahrungen  scheinen  für  die  Nützlich¬ 
keit  dieser  Massnahme  zu  sprechen.  — 

Und  nun  zu  den  wasserlöslichen  Teilsubstanzen  der  Tb., 
aus  denen  der  Rückstand  unserer  Milchsäureaufschliessung 
besteht.  Als  ersten  bei  der  Tuberkulose  wahrscheinlich  auch 
wichtigsten,  jedenfalls  aktivsten  Körper  haben  wir  das  E  i  - 
w  e  i  s  s  zu  betrachten.  Wenn  wir  kurzweg  vom  Eiweiss  des 
Tb.  sprechen,  so  ist  das  eigentlich  eine  Ungenauigkeit.  Denn 
erstens  handelt  es  sich  sicherlich  nicht  um  einen  einheitlichen 
chemischen  Stoff,  sondern  um  ein  Gemisch,  und  zweitens  ist 
uns  die  Natur  dieser  Stoffe  noch  durchaus  unbekannt.  Frei¬ 
lich,  dass  wir  es  mit  a  1  b  u  m  i  n  o  i  d  e  n  Körpern  zu  tun  haben, 
das  geht  abgesehen  von  dem  Stickstoffgehalt  schon  daraus 
hervor,  dass  das  Gemisch  gewisse  allgemeine  Eiweissreak¬ 
tionen  gibt,  und  dass  sich  aus  ihm  durch  starke  Laugen  Alkali- 
albuminate  gewinnen  lassen.  Dass  aber  keineswegs  die  ge¬ 
wöhnlichen  Eiweissarten  vorliegen,  wird  durch  den  auf¬ 
fallend  hohen  Phosphorgehalt  der  Substanz  ausser 
Frage  gestellt.  Diese  Tatsache  spricht  dafür,  dass  wir  es 
mit  sehr  komplizierten,  hochmolekularen  Stoffen  zu  tun  haben, 
die  vielleicht  in  die  Kategorie  der  Nukleoproteide  gehören,  ob¬ 
schon  sie  sich  als  völlig  unlöslich  herausgestellt  haben. 

Nach  diesen  kurzen  chemischen  Bemerkungen  wollen  wir 
die  biologische  Aktivität  dieser  Eiweissubstanz  auf  den 
Menschen  betrachten  und  beziehen  uns  da  auf  die  Ergebnisse 
zahlreicher  Intrakutanreaktionen,  die  an  Tuberkulosekranken 
und  gesunden  Personen  vorgenommen  wurden.  Im  allgemeinen 
begannen  wir  mit  einer  Verdünnung  von  1  :  10  000,  bezogen 
auf  Trockensubstanz.  Auf  diese  stärkste  Dosis  hin  reagierten 
die  meisten  Personen  mit  der  Bildung  von  mehr  oder  minder 
ausgedehnten  Nekrosen.  Bei  einzelnen  besonders  reaktiven 
Individuen  traten  geradezu  groteske  lokale  Veränderungen  an 
der  Injektionsstelle  auf,  phlegmonös  anmutende  entzündliche 
Prozesse  mit  zentraler  grosser  Pustel,  die  zu  einem  beträcht¬ 
lichen  Substanzverlust  führten.  Wenn  man  bedenkt,  dass  nur 
0,1  ccm  einer  Konzentration  von  1  :  10  000,  im  ganzen  also  an 
wirksamer  Substanz  nur  ein  hundertstel  Milligramm  eingeführt 
wurde,  so  muss,  wer  derart  heftige  Reaktionen  beobachtet, 


2S.  Januar  1913.  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


staunen.  Fast  noch  überraschender  und  anschaulicher  wird 
das  Bild,  wenn  man,  wie  das  in  jedem  Fall  geschehen  ist, 
die  obere  Verdünnungsgrenze  bestimmt,  bis  zu  welcher  über¬ 
haupt  noch  positive  Reaktionen  eintreten.  Wie  bei  ver¬ 
schiedenen  Personen  die  Intensität  einer  mit  der  gleichen  Kon¬ 
zentration  ausgeführten  Stichreaktion  je  nach  der  individuellen 
Reaktivität  sehr  verschieden  ist,  so  ist  auch  diese  äusserste 
Verdünnungsgrenze  starken  individuellen  Schwankungen 
interworfen.  Auf  Grund  eines  recht  reichlichen  Beobachtungs- 
materials  lässt  sich  folgendes  sagen:  Die  meisten  Menschen, 
die  mit  dem  Tuberkulosevirus  in  Berührung  gekommen  oder 
tuberkuloseinfiziert  sind,  reagieren  normalerweise  auf  Tb.-Ei- 
weiss  mindestens  bis  zu  einer  Verdünnung  von  1  :  10  Millionen 
positiv.  Man  kann  diese  Grenze  nach  unseren  bisherigen 
Erfahrungen  als  schwache  Reaktivität  bezeichnen.  Wird 
die  letzte  positive  Stichreaktion  mit  einer  Konzentration  von 
i  :  100  Millionen  erzielt,  so  kann  man  von  einer  mitt¬ 
leren  Reaktivität  sprechen.  Diese  mittlere  Linie  wird  sehr 
häufig,  vielleicht  absolut  am  häufigsten  erreicht.  Seltener  ist 
-ine  starke  Reaktivität,  bei  der  die  untere  Konzentrations- 
Grenze  bei  1:1  Milliarde  liegt,  doch  handelt  es  sich  hier 
noch  keineswegs  um  Ausnahmen,  und  mancher  auch  klinisch 
Gesunde  Mensch  steht  auf  dieser  a  priori  schon  recht  schwer 
vorstellbaren  Reaktivitätsstufe.  Damit  wären  die  gewisser- 
nassen  normalen  Reaktionsbreiten  abgegrenzt.  Was  darüber 
linaus  liegt,  darf  als  gesteigerte  Reaktivität  bezeichnet 
werden,  die  bei  weitem  seltener  vorkommt.  Immerhin  haben 
wir  bei  mehreren  Individuen  eine  obere  Verdünnungsgrenze 
/on  1  : 10  M  i  1 1  i  a  r  d  e  n,  nur  in  einigen  wenigen  Fällen  sogar 
.‘ine  solche  von  1  :  100  M  i  1 1  i  a  r  d  en  sicher  beobachtet.  Das 
•iind  Verdünnnngsgrade,  die  ans  Unfassliche  streifen  und  uns 
.■inen  äusserst  interessanten  Einblick  in  die  Möglichkeiten  bio- 
ogischen  Geschehens  und  Wirkens  gewähren.  Für  skeptisch 
veranlagte  Naturen  bemerken  wir  ausdrücklich,  dass  sowohl 
iei  der  Herstellung  der  Verdünnungen  wie  auch  bei  der  Tech- 
lik  der  Injektionen  mit  grösster  Vorsicht  zu  Werke  gegangen 
vvird.  So  werden  z.  B.  für  jede  einzelne  Verdünnung  —  und 
las  gilt  nicht  allein  für  das  Eiweiss,  sondern  auch  für  die 
nideren  Partialantigene  — -  eigene  Spritzen  und  Kanülen  ver¬ 
wandt,  die  zu  nichts  anderem  benutzt  werden.  Diese  Vor- 
vichtsmassregeln  sind  um  so  notwendiger,  als  die  sämtlichen 
1  Partialantigene  der  Tb.  durch  Kochen  in  ihrer  kutanen 
Reaktivität  nicht  im  geringsten  beeinträchtigt  werden. 

Wie  wir  von  einer  gesteigerten  Reaktivität  gesprochen 
laben,  so  gibt  es  auch  eine  abgeschwächte,  die  unterhalb  der 
(onzentrationsgrenze  von  1  : 10  Millionen  liegt.  Ob  die  ab- 
Geschwächte  Reaktivität  bei  gesunden  Personen,  die  mit 
Tuberkulose  in  Berührung  gewesen  sind  und  positiv  reagieren, 
iberhaupt  vorkommt,  wissen  wir  nicht.  Bis  jetzt  sind  uns  der- 
irtige  Fälle  nicht  begegnet  und  wir  halten  sie  einstweilen  für 
wenig  wahrscheinlich.  Dagegen  trifft  man  bei  Tuberkulose¬ 
kranken  nicht  selten  wesentliche  Abschwächungen  der  Re- 
iktivität  und  zwar,  soweit  wir  bis  jetzt  urteilen  können,  durch¬ 
weg  bei  Schwerkranken.  Ja,  die  Reaktivität  kann  auf  den 
Rullpunkt  sinken,  ebenso  wie  das  vom  Tuberkulin  bekannt  ist, 
ind  wie  beim  Tuberkulin  ist  auch  hier  das  Verschwinden  der 
Reaktionsfähigkeit  ein  signum  mali  ominis.  Schliesslich  be¬ 
geht  noch  ein  weiterer  Parallelismus  zwischen  dem  Tb.- 
'iweiss  und  dem  Tuberkulin  in  der  Tatsache,  dass  Menschen, 
lc  ren  Organismus  niemals  mit  dem  Tuberkulosevirus  Bekannt¬ 
schaft  gemacht  hat,  vor  allem  also  Kinder  in  den  ersten 
-cbensjahren  auch  auf  die  stärksten  Konzentrationen  —  wir 
;ind  in  einigen  Fällen  selbst  auf  1 :  1000  gestiegen  —  a  b  - 
■olut  negativ  reagieren,  sich  in  nichts  also  von  der 
tets  mit  Karbol-Kochsalzlösung  ausgeführten  Kontrolle  unter¬ 
scheiden.  — 

Wir  haben  das  Tb. -Eiweiss  als  das  Paradigma  im  Intra¬ 
kutan  versuch  hingestellt.  Die  beiden  anderen  unlöslichen 
artialantigene  —  das  Fettsäurelipoidgemisch  und  das  Neutral- 
ett  —  zeigen  im  Prinzip  dieselben  Eigenschaften  wie  das  Ei- 
veiss  und  wir  begnügen  uns  deshalb,  auf  das  Unterscheidende 
'inzuweisen. 

Zunächst  ist  da  ein  wesentlicher  quantitativer  Unterschied 
"-'merkbar.  Man  kann  sagen,  dass  durchschnittlich  das  Ei- 
'ciss  1000  mal  stärker  wirkt  als  das  Fettsäurelipoidgemisch, 
md  dass  letzteres  wieder  10  mal  stärker  ist  als  das  Neutral- 


fett.  Mit  anderen  Worten:  der  mittleren  Reaktivität,  die  wir 
beim  Eiweiss  in  einer  Verdünnung  von  1:  100  Millionen  kennen 
gelernt  haben,  entspricht  beim  Fettsäurelipoid  eine  Konzen¬ 
tration  von  1  :  100000,  beim  Neutralfette  eine  solche  von 
1  :  10000  etc.  Wir  wollen  natürlich  nicht  sagen,  dass  da 
mathematisch  festgelegte  Verhältnisse  vor  liegen,  aber  unser 
Beobachtungsmaterial  ist  gross  genug,  diese  proportionalen 
Zahlen  im  allgemeinen  als  gültig  und  jedenfalls  als  praktisch 
verwertbar  erscheinen  zu  lassen. 

Ein  weiterer  Unterschied  zwischen  Eiweiss-  und  Fett¬ 
körpern  besteht  in  dem  zeitlichen  Auftreten  der  Reaktions¬ 
erscheinungen:  Während  die  Eiweissreaktionen  meist  schon 
wenige  Stunden  nach  der  Injektion  als  deutliche  Quaddeln 
sichtbar  werden  und  nach  1 — 2  Tagen  zur  vollen  Entwicklung 
gelangt  sind,  gebrauchen  die  Fettkörper  viel  längere  Zeit,  um 
deutliche  lokale  Erscheinungen  auszulösen  und  es  vergehen 
mehrere  Tage,  bisweilen  selbst  1 — 2  Wochen,  um  völlig  aus¬ 
zureifen  (cf.  die  früher  beschriebenen  Tierversuche).  Und 
zwar  spielen  sich  die  Vorgänge  bei  den  Stichproben  des  Neu¬ 
tralfettes  durchweg  noch  langsamer  ab  als  bei  denen  des  Fett¬ 
säurelipoidgemisches.  Bei  diesen  kommt  es  bei  reaktiven  Per¬ 
sonen  vor,  dass  schon  nach  24  Stunden  wenigstens  die  stärk¬ 
sten  Konzentrationen  positive  Ausschläge  zu  zeigen  beginnen, 
beim  Neutralfett  vergehen  fast  stets  3—4  Tage  bis  zum  Auf¬ 
treten  der  ersten  sichtbaren  Erscheinungen.  Aus  diesen  Grün¬ 
den  ist  das  Ablesen  der  oberen  Verdünnungsgrenze  bei  den 
beiden  Fettantigenen  etwas  erschwert,  und  es  bedarf  jeden¬ 
falls  einer  genauen,  mindestens  auf  14  Tage  sich  erstreckenden 
Beobachtung,  um  Fehler  in  der  Beurteilung  der  Reaktivität  zu 
vermeiden.  Schliesslich  sei  noch  kurz  bemerkt,  dass  die  Ge¬ 
samtheit  der  drei  unlöslichen  Partialantigene,  also  der  Filter¬ 
rückstand  der  Tb.-Säureaufschliessung,  im  Intrakutanversuch 
stärker  reagiert  als  das  Filtrat,  und  dass  die  Milchsäureauf- 
schliessung  der  Tb.  in  toto  etwa  gleich  stark  wirkt  wie  das 
Alttuberkulin. 

m. 

In  seiner  Arbeit  über  Fettantikörper  führt  Mnch  fol¬ 
gendes  aus: 

„Auf  Grund  anderer  Untersuchungen,  die  in  diesem  Zusammen¬ 
hänge  nicht  geschildert  werden  können,  sind  wir  zu  der  Ueber- 
zeugung  gekommen,  dass  die  Immunität  bei  Tuberkulose  in  zwei 
verschiedene  Arten  zerfällt :  eine  humorale  und  eine  zelluläre. 
Zur  Abwehr  einer  Infektion  ist  die  humorale  durchaus  notwendig; 
für  die  Erhaltung  des  Immunitätszustandes  ist  nur  die  zelluläre 
notwendig.  Dringt  dann  in  einen  zellulär  immunen  Körper,  der  nur 
teilweise  oder  gar  keine  nachweisbaren  Partialantikörper  im  Blute 
besitzt,  von  neuem  Virus  hinein,  so  wird  dieses  dadurch  vernichtet, 
dass  von  den  immunen  Zellen  die  Partialantikörper  in  die  Blutbahn 
abgegeben  werden.  Wir  haben  das  Auftreten  der  Summe  von  Par¬ 
tialantikörpern  bei  erneuter  Bakterienzufuhr  in  einen  immunisierten 
Organismus  gradatim  am  Menschen  verfolgen  und  auch  im  Tierver¬ 
such  erhärten  können.  Wird  die  Bazillenzufuhr  von  neuem  über¬ 
wunden,  dann  verschwindet  wieder  ein  Teil  oder  die  Gesamtheit 
der  Partialantigene  aus  dem  Blute,  und  nur  noch  die  zelluläre  Im¬ 
munität  bleibt  übrig. 

Mit  der  Komplementbindung  weisen  wir  nur  die  humorale  Im¬ 
munität,  mit  der  Ueberempfindlichkeitsreaktion  sowohl  die  humorale 
wie  die  zelluläre  nach.  Daher  gehen  auch  beide  Reaktionen  nicht 
immer  parallel. 

Wer  kämpft,  braucht  also  die  humoralen  Immunstoffe;  wer 
nicht  mehr  kämpft,  aber  auf  eine  Abwehr  bereit  ist,  beschränkt 
sich  auf  die  zellulären.  Die  Grundimmunität  ist 
z  e  1 1  u  1  ä  r.“ 

Diese  Ueberzeugung  drängt  sich  uns  bei  unseren  Arbeiten 
immer  mehr  auf.  Die  Partialantikörper  im  Blute  werden 
bekanntlich  durch  die  Komplementbindungsmethode  nach¬ 
gewiesen.  Nun  sehen  wir  aber  bei  wiederholten  Unter¬ 
suchungen  des  Blutes,  dass  diese  Antikörper  ausserordentlich 
schnell  wechseln.  Der  Ausfall  der  Reaktion  kann  sich 
von  einem  Tage  zum  andern  verschieben,  während 
der  Ausfall  der  Intrakutanreaktion  über  lange  Zeit  hinaus  kon¬ 
stant  bleibt.  Die  Intrakutanreaktion  muss  demnach  durch 
einen  anderen  Modus  hervorgerufen  werden,  als  die  Kom¬ 
plementbindungsreaktion.  Die  Komplementbindungsreaktion 
wird  sicher  durch  einen  in  den  gelösten  Blutbestand¬ 
teilen  vorhandenen  Antikörper  hervorgerufen  (natürlich!). 
Dieser  Antikörper  ist  einheitlich.  Es  gibt  nur  einen 
Antikörper,  der  je  nach  dem  benutzten  Systeme  die  ver¬ 
schiedensten  Reaktionen  geben  kann.  Wenn  also  die  Intra- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4 


kutanreaktion  bei  Tuberkulose  konstant,  die  Komplement¬ 
bindungsreaktion  dagegen  inkonstant  ist,  so  kann  sie  nicht  auf 
diesen  einheitlichen  im  Blute  vorhandenen  Anti¬ 
körper  zurückgeführt  werden.  Für  ihr  Zustandekommen  einen 
besonderen  Antikörper  im  Blute  anzunehmen,  erscheint 
uns  unmöglich  und  würde  in  die  Zeiten  zurückführen,  wo  man 
bei  der  Aufzählung  der  Erscheinungen  für  jede  einzelne  Er- 
scheiung  einen  eigenen  Antikörper  annehmen  zu  müssen 
glaubte,  weil  man  die  Erscheinungen  in  ihrer  Gesamtheit  nicht 
überblickte  und  den  hohen  vereinheitlichenden  Gipfelpunkt 
nicht  zu  erklimmen  vermochte  bzw.  sich  dessen  nicht  getraute. 

Wir  kommen  also  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Intrakutan¬ 
reaktion  bei  Tuberkulose  nicht  immer  auf  humorale  Immun¬ 
stoffe  zurückzuführen  ist,  sondern  ein  Ausdruck  der  zellu¬ 
lären  Immunität  ist. 

Es  fragt  sich  nur:  ist  sie  in  jedem  Falle  Ausdruck  der 
zellulären  Immunität?  Diese  Frage  ist  schwer  zu  beantworten. 
Es  müsste  da  zuerst  die  Vorfrage  erledigt  werden:  Sind  einige 
dieser  Reaktionen  als  anaphylaktische  aufzufassen? 

Dass  die  Anaphylaxie  katexochen,  wie  sie  Fried- 
b  e  r  g  e  r  auffasst,  durch  gelöste  Blutstoffe  entsteht,  ist 
wohl  ziemlich  sicher.  Es  handelt  sich  dabei  um  die  Abspaltung 
eines  unspezifischen  giftigen  Spaltproduktes.  Ein  solches 
konnte  bisher  aus  jedem  geformten  Eiweisse  auch  im  Reagenz¬ 
glase  gewonen  werden.  Und  kürzlich  hat  auch  Much  über 
Versuche  berichtet  (Ueber  Fettantikörper,  s.  o.),  in  denen  es  ihm 
und  L  e  s  c  h  k  e  gelungen  war,  auch  aus  dem  Neutralfette  der 
Tuberkelbazillen  einen  Anaphylaxie  machenden  Stoff  in  ähn¬ 
licher  Versuchsanordnung,  wie  sie  bei  der  Gewinnung  des  aus 
Eiweiss  abspaltbaren  Anaphylatoxins  gebräuchlich  ist,  dar- 
zustellen. 

Aus  den  Partialantigenen  kann  man  also  künstlich  ein  Ana- 
phylatoxin  darstellen.  (Die  Darstellung  aus  dem  isolierten 
Tuberkelbazillen  e  i  w  e  i  s  s  e  ist  von  Much  an  demselben 
Orte  beschrieben.)  Es  fragt  sich  nun,  ob  nicht  auch  die  Intra¬ 
kutanreaktionen  mit  den  Partialantigenen  rein  anaphylak¬ 
tischer  Natur  seien.  Dann  müssten  sie  durch  die  gelösten 
Blutstoffe  hervorgerufen  werden.  Oder  wir  müssten  an¬ 
nehmen,  dass  die  Anaphylaxie  nicht  nur  durch  den  humoralen, 
sondern  auch  durch  den  zellulären  Immunitätszustand  aus¬ 
gelöst  werden  kann. 

Die  Frage  nach  der  anaphylaktischen  Natur  ist  vielleicht 
durch  eine  von  Bessau7)  vorgeschlagene  Versuchsanord¬ 
nung  zu  entscheiden,  indem  man  von  der  Antianaphylaxie  aus¬ 
geht.  Nun  weiss  man  zwar  noch  nicht,  was  das  Wesen  der 
Antianaphylaxie  ist.  Sollte  es  sich  aber  bewahrheiten,  dass 
die  Antianaphylaxie  durch  das  Anaphylatoxin  erzeugt  wird,  so 
muss  sie  notwendigerweise  unspezifisch  sein,  im  Gegensätze 
zu  dem  spezifischen  Immunitätszustande  gegen  die  Endotoxine. 
Denn  wenn  auch  die  Anaphylaxie  als  solche  eine  Immun¬ 
körperreaktion  ist,  so  ist  das  sich  dabei  bildende  Ueber- 
empfindlichkeitsgift  doch  in  jedem  Falle  ein  und  dasselbe,  also 
unspezifisch.  Sollte  es  an  dem  Zustande  der  Antianaphyläxie 
Schuld  sein,  so  kann  auch  dieser  folgerichtigerweise  nur  un¬ 
spezifisch  sein. 

Nun  sprechen  allerdings  die  Erfahrungen  bei  Masern  dafür, 
dass  auch  die  Reaktion  mit  Tuberkulin  anaphylaktischer  Natur 
ist.  Andererseits  ist  es  uns  aber  bisher  nicht  gelungen,  im 
Reagenzglase  aus  Tuberkulin  oder  aus  dem  Milchsäure-Tb. - 
Filtrat  mit  Serum  ein  Anaphylatoxin  darzustellen,  während 
solches  aus  den  dieselbe  Intrakutanreaktion  gebenden  Partial¬ 
antigenen  aus  dem  Rückstände  dargestellt  werden  kann. 

Wir  neigen  deshalb  und  auf  Grund  anderer  Beobachtungen 
und  Versuchsergebnisse,  die  wir  erst  später  veröffentlichen 
können,  zu  der  Ansicht,  dass  die  durch  das  reine  Tuber¬ 
kulin  hervorgerufene  Intra  kutanreaktion  zellu¬ 
lärer  Natur  sei.  Wahrscheinlich  ist  überhaupt  jede  wirk¬ 
liche  Tuberkulinreaktion  weniger  humoraler,  als  zellulärer 
Natur.  Oder  anders  ausgedrückt:  Die  Tuberkulin¬ 
reaktion  ist  meistens  eine  zelluläre  Lokal¬ 
reaktion.  Darauf  weist  auch  schon  die  nach  sub¬ 
kutaner  oder  intravenöser  Einverleibung  eintretende  Herd¬ 
reaktion  mit  einiger  Deutlichkeit  hin.  Ob  nun  diese  zelluläre 


Reaktion  als  eine  durch  zelluläre  Immunität  hervorgerufem 
Ueberempfindlichkeit  aufzufassen  ist,  ist  eine  andere  Frage. 

Im  allgemeinen  wird  man  sich  in  Zukunft  mit  de 
zellulären  Immunität  viel  nachdrücklicher  zu  befassei 
haben.  Im  Intrakutanversuche  prüfen  wir  ja  nur  die  Haut 
zellen.  Es  müssten  Mittel  und  Wege  gefunden  werden,  aucl 
den  vielleicht  viel  wichtigeren  Immunitätszustand  andere 
Zellen  zu  prüfen.  Vielleicht  erklärt  sich  auf  diesem  Wege  da. 
grosse  Rätsel,  dass  man  bisher  die  Ueberwindung  und  Bei 
kämpfung  einer  durch  Endotoxinbakterien  verursachten  In 
fektion  mit  Hilfe  der  Bakteriozidielehre  nicht  zur  völligen  Zu 
friedenheit  hat  lösen  können. 

Jedenfalls  spielt  die  zelluläre  Immunität  nicht  bei  alleij 
Krankheiten  die  gleiche  Rolle.  Während  sie  bei  den  akuteii 
viel  weniger  in  Frage  kommen  wird,  haben  wir  bei  dei| 
chronischen  gewiss  um  so  mehr  auf  sie  zu  achten.  Aller 
dings  kommen  auch,  worauf  schon  Much  in  seiner  Arbeil 
über  Fettantikörper  hingewiesen  hat,  chronische  Krankheiten 
wie  die  Lepra  vor,  wo  sie  kaum  eine  Rolle  spielt.  Beide 
Tuberkuloseimmunität  dagegen  spielt  sie  höchst! 
wahrscheinlich  die  Hauptrolle,  ebenso  wie  bei  der  Pocken 
immunität.  Hier  eröffnet  sich  der  Forschung  im  allgt 
meinen  und  bei  der  Tuberkulose  noch  im  besonderen  ei 
grosses  Gebiet,  zumal  wir  uns  bei  der  letzten  Krankheit  bc 
wusst  sein  müssen,  dass  die  Intrakutanmethode  keinesweg 
eine  Idealmethode  zum  Nachweise  einer  zellulären  Immunit; 
sein  wird. 

Dass  bei  der  Tuberkulose  die  humorale  Immunität  d; 
neben  eine  ausserordentlich  wichtige  Rolle  spielt,  ist  nac 
allem  was  Much  und  seine  Mitarbeiter  darüber  jüngsthi 
veröffentlicht  haben,  selbstverständlich.  Aber  diese  humoral 
Immunität  ist,  wie  dies  schon  in  den  eingangs  dieses  Al 
Schnittes  zitierten  Worten  auseinandergesetzt  wurde,  wähl 
scheinlich  von  der  zellulären  Immunität  bedingt,  oder  stell 
zum  mindesten  mit  ihr  in  einem  engen  Wechselverhälti 
n  i  s  s  e. 

Wie  wichtig  auch  die  humorale  Immunität  ist,  möge  e 
Beispiel  erläutern,  woraus  zugleich  hervorgeht,  dass  sie  untfj 
Umständen  genügt,  um  den  Tuberkuloseschutz  auf  ein  ändert 
Individuum  zu  übertragen.  Es  handelt  sich  dabei  um  eine 
von  Much  beobachteten  Versuch,  den  er  demnächst  m 
L  e  s  c  h  k  e  genauer  beschreiben  wird. 

Bei  einem  klinisch  tuberkulosefreien  Arzte  fanden  sich 
der  ersten  Zeit,  als  er  frisch  einen  Tuberkulosepavillon  übel 
nahm,  sämtliche  Partialantikörper  in  grosser  Menge  i1 
Blute,  die  vorher  nicht  vorhanden  waren.  Später  ve 
schwanden  sie,  ohne  dass  er  tuberkulös  geworden  wäre.  1 
Gegenteile,  seine  Immunität  bestand  fort.  Die  Erklärung  t: 
einfach.  Er  war  tuberkuloseimmun,  aber  wahrscheinlii 
schwach,  bevor  er  die  Abteilung  übernahm  (zelluläre  Ii 
munität).  In  der  ersten  Zeit,  wo  er  mit  grösseren  Mengen  vi 
Tuberkelbazillen  in  Berührung  kam,  erfolgt  eine  heftige  A- 
wehrbewegung,  es  tritt  im  Blute  die  Masse  von  Partialan 
körpern  auf.  Dadurch  wird  die  zelluläre  Immunität  zuglei  i 
rückwirkend  so  verstärkt,  dass  später  die  humoralen  An- 
körper  gar  nicht  mehr  nötig  sind.  —  Das  Plasma  dieses  Arzt; 
wurde  nun  in  verschiedenen  Zeiten  mit  Tuberkelbazillen  g- 
mischt  und  im  Meerschweinchenversuche  geprüft.  Dali 
zeigte  es  sich,  dass  die  Tiere  an  Tuberkulose  starben,  wci 
im  Blute  des  Arztes  nur  einige  oder  gar  keine  Partialan- 
körper  vorhanden  waren;  sie  blieben  aber  tuberkulöse 
frei,  als  das  Blut  zu  der  Zeit  entnommen  wurde  (also  z 
Zeit  der  Uebernahme  des  Pavillons),  wo  sämmtlicl 
Partialantikörper  im  Blute  vorhanden  waren. 

Auch  im  Tierversuche  bei  Ziegen  zeigte  sich  uns  äl 
liches.  Diese  hatten  nach  Vorbehandlung  mit  Milchsäure-T 
Aufschliessungen  sämtliche  Partialantikörper  im  Blute, 
dieser  Zeit  schützte  das  Blut  andere  Tiere  vor  einer  Tub< 
kuloseinfektion.  Dann  verschwanden  die  Partialantiköri 
ganz  oder  teilweise  aus  dem  Blute  der  Ziegen.  Das  B 
schützte  nicht  mehr  andere  Tiere;  die  Ziegen  selb 
aber  erwiesen  sich  als  vollkommen  tube 
k  u  1  o  s  e  i  m  m  u  n  8).  Daraus  ist  zweierlei  zu  schliesscn: 


8)  Aehnliches  ist  schon  vor  lins  von  R  ö  m  c  r  beobachtet  (Mik 
biologenkongress  1912). 


')  Bessau:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  802. 


IVLERIE  HERVORRAGENDER  ARZTE  UND  NATURFORSCHER. 


|(arl  ^opp. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  317.  tQiZ- 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


193 


1.  Soll  ein  Tuberkuloseschutz  übertragen  werden,  so  muss 
die  Sum  m  e  der  humoralen  Partialantikörper  im  Immunblute 
vorhanden  sein,  wie  dies  von  Much  zuerst  klar  formuliert 
wurde.  Auch  zur  Abwehr  einer  Infektion  bei  nicht  be¬ 
stehender  oder  schwacher  zellulärer  Immunität  ist  die 
Summe  der  humoralen  Partialantikörper  notwendig  (das  ist 
also  eine  Modifikation  des  früheren  Standpunktes,  nach  dem 
für  j  e  d  e  Abwehr  die  Summe  der  humoralen  Partialantikörper 
notwendig  sein  sollte). 

2.  Durch  die  Summe  der  humoralen  Partialantikörper  wird 
die  zelluläre  Immunität  rückwirkend  so  verstärkt,  dass 
sie  als  starke  zelluläre  Immunität  nachher  allein  zur  Ab¬ 
wehr  genügt.  Wenn  sie  wieder  schwach  wird,  treten  von 
neuem  die  humoralen  Partialantikörper  auf. 


Die  zelluläre  Immunität  zeigt  also  den  Dauer¬ 
zustand,  die  humorale  den  vorübergehenden  Zu¬ 
stand  an,  der  mit  dem  Dauerzustände  in  engster  Beziehung 
steht.  Und  in  diesem  Sinne  ist  auch,  wie  noch  einmal  betont 
werden  soll,  die  eigentliche  Tuberkulinreaktion  als  Ausdruck 
der  zellulären  Immunität  aufzufassen.  Denn  auch  die 
erwähnten  zellulär  immunen  Ziegen  geben  vor  der  In¬ 
fektion  noch  eine  Tuberkulinreaktion,  obwohl  sie  niemals  mit 
lebenden  Tuberkelbazillen  in  Berührung  gekommen  waren, 
obwohl  sie  sich  vollkommen  immun  erwiesen,  und  obwohl 
sie  keine  humoralen  Partialantikörper  mehr 
im  Blute  hatten. 

Auf  das  weitere  Studium  der  Partialantigene  und  Partial¬ 
antikörper  ist  sicherlich  die  Hoffnung  für  ein  gedeihliches, 
wenn  auch  langsames  Vorwärtskommen  in  dem  Gebiete  der 
Tuberkuloseimmunität  zu  setzen. 

- • - 

Zum  Heimgange  Kopps. 

Von  Dr.  H.  P  1  o  e  g  e  r,  I.  Assistenten  der  dermatologischen 
Poliklinik  in  München. 

Die  schöne  neue  Münchener  Poliklinik  hat,  kaum  eröffnet, 
schon  den  Verlust  eines  ihrer  eifrigen  Schöpfer  zu  beklagen. 

Bereits  im  alten  Hause  waren  von  den  Begründern 
der  Spezialabteilungen  zwei  dahingegangen,  der 
Laryngologe  Scheck  und  der  Otologe  H  a  u  g,  jetzt  schied 
als  dritter  der  Dermatologe  Ko  pp  am  24.  November  1912. 

Wie  seine  beiden  ihm  im  Tod  vorausgegangenen  Kollegen 
hat  K  o  p  p  die  ganz  eigenartige  Entwicklung  der  Spezial¬ 
disziplinen  im  alten  Reisingerianum  miterlebt,  mit- 
durchgelitten  und  durchgekämpft.  Er  durfte  aber  noch  gerade 
die  Freude  geniessen,  dass  er  seine  Pläne  in  der  neuen  Poli¬ 
klinik  verwirklicht  sah,  obwohl  es  ihm  nicht  vergönnt  war, 
den  verdienten  Lohn  voll  auszukosten,  weil  er  schon  zu  leidend 
war.  Er  hat  nur  noch  im  ersten  Semester  im  neuen  Hause 
Vorlesungen  halten  können  und  nur  noch  mühsam;  in  den 
letzten  4  dagegen  dozierte  er  nicht,  die  Stimme  versagte 
den  Dienst. 

Carl  K  o  p  p  war  ein  Münchener  Kind.  Er  ist  auch,  ab¬ 
gesehen  von  seiner  Ausbildungszeit,  von  ausgedehnten  Reisen 
zur  Erholung  oder  aus  wissenschaftlichen  Gründen,  seiner 
Heimatstadt  immer  treu  geblieben.  Einen  Ruf  nach  auswärts, 
nach  Innsbruck,  lehnte  er  ab. 

Er  wurde  am  1.  August  1855  geboren  als  Sohn  des  Ober¬ 
landesgerichtspräsidenten  K  o  p  p  in  München.  Auch  der 
Grossvater,  ein  Polizeiarzt,  war  Münchener.  Nach  Absol¬ 
vierung  des  Gymnasiums  machte  er  trotz  fröhlicher,  lebens¬ 
lustiger  Studentenzeit,  trotz  8  aktiven  Semestern  bei  der 
Frankonia,  deren  Ehrenmitglied  er  später  war,  rechtzeitig 
seine  Examina;  er  wurde  1879  approbiert  und  promoviert. 
Die  bedeutendsten  Professoren  unserer  Alma  mater  hatte  er 
zu  Lehrern :  Nussbaum,  Rothmund,  Gudden, 
Pettenkofer,  Ziemssen.  Er  war  dann  kurze  Zeit  bei 
Merkel  in  Nürnberg  und  darauf  2  Jahre  Assistent  bei 
Ziemssen  in  München  (1.  I.  1880  bis  1.  I.  1882),  der  ihn 
sehr  schätzte.  K  o  p  p  war  sogar  sein  behandelnder  Arzt. 
Nach  chirurgischer  Ausbildung  bei  R  i  e  d  i  n  g  e  r  in  Wtirzburg 
(1882/83)  sah  er  sich  vor  die  Frage  gestellt,  ob  er  Chirurg 
bleiben  oder  Dermatologe  werden  sollte,  da  er  von  2  Seiten 

No.  4. 


Zusagen  bekommen  hatte.  Es  zog  ihn  aber,  und  Ziemssen 
war  auch  hier  sein  Ratgeber,  zu  N  e  i  s  s  e  r  nach  Breslau,  wo 
er  bei  dem  Meister  der  Dermatologie,  der  ihm  zeitlebens  be¬ 
freundet  blieb,  seine  grundlegende  Ausbildung  erhielt  (bis 
1885).  Auch  er  sollte,  wie  soviele  aus  der  Breslauer  Schule, 
einen  der  dermatologischen  Lehrstühle  Deutschlands  späterhin 
einnehmen.  Schon  früher  hatte  er  wissenschaftliche  Studien¬ 
reisen  nach  Berlin  und  Wien,  nach  London  und  Paris  unter¬ 
nommen.  1886  sah  ihn  München  definitiv  wieder,  am  2.  April 
habilitierte  er  sich  hier.  Vorübergehend  war  er  Leiter  des 
Hautambulatoriums,  das  Ziemssen  in  seinem  einzigartigen 
medizinisch-klinischen  Institut  einrichtete.  Eine  stille  Hoffnung, 
einmal  im  Krankenhause  r.  Isar  eine  Hautabteilung  einrichten 
zu  können,  zerschlug  sich;  es  gibt  jetzt  noch  keine  derartige 
Abteilung  dort. 

Von  grossem  Vorteil  für  Kopps  Lehrtätigkeit  war  es 
aber,  als  H  e  1  f  e  r  i  c  h,  der  Leiter  der  chirurgischen  Poliklinik 
mit  vielem  dermatologischen  Material,  ihn  1886  aufforderte, 
als  Unterabteilung  die  Haut-  und  Geschlechtskranken  zu  über¬ 
nehmen,  obwohl  die  Ausstattung  des  abgetrennten  Raumes  die 
primitivste  war,  die  man  sich  nur  denken  konnte  und  leider 
auch  noch  Jahrzehnte  lang  so  bleiben  sollte.  Wir  verwahren 
noch  heute  in  unserem  Putzraum  einen  kleinen,  schmalen  Kasten, 
dessen  Ausziehplatte  Schreibgelegenheit  bot,  und  dessen 
kleine  Fächer  als  Aufbewahrungsort  diente  für  die  wenigen 
Utensilien,  Bücher  und  Instrumente,  die  der  Chef  selber  an- 
schaffen  durfte.  Hiermit  ausgerüstet  und  mit  einem  Studenten 
als  Famulus  wurde  die  dermatologische  Poliklinik  langsam 
und  mühsam  geboren.  Nur  allmählich  gab  es  kleine  Ver¬ 
besserungen.  An  Stelle  des  Vorhanges,  der  Kasten,  Dozenten, 
Famulus  und  Patienten  von  den  chirurgischen  Teilen  des 
Zimmers  abgrenzte,  traten  nach  ca.  10  Jahren  4  kahle  Wände 
im  Parterre  des  Reisingerianums.  Statt  einiger  100  Mark  aus 
chirurgischen  Mitteln  erschien  ein  Jahresetat  von  500  Mark 
für  die  jetzt  selbständige  Abteilung,  der  1902  sich  verdoppelte. 
Von  1904  ab  wurde  auch  ein  Assistent  mit  500  Mark  bedacht, 
der  erst  im  neuen  Hause  den  anderen  Assistenten  gleichgestellt 
wurde.  Der  Leiter  der  Abteilung,  der  1899  den  Professor¬ 
titel  erhalten,  bekam  dagegen  in  24  Jahren  gar  nichts,  er 
musste  sich  zufrieden  geben  mit  den  mühsam  erkämpften 
kleinen  Vorteilen.  Erst  am  1.  September  1910,  mit  Eröffnung 
des  neuen  Hauses  wurde  er  zum  a.  o.  Professor  in  etats- 
mässiger  Eigenschaft  mit  Gehalt  ernannt  und  ihm  Poliklinik 
der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  als  Lehraufgabe  über¬ 
tragen,  nachdem  er  über  80  000  Kranke  behandelt  und  sehr 
oft  aus  eigenen  Mitteln  zugesteuert  hatte,  um  überhaupt  den 
Betrieb  aufrecht  erhalten  zu  können.  Nur  manchmal  trug  er 
sich  mit  Rücktrittsgedanken,  wenn  seine  nur  zu  sehr  begrün¬ 
deten  Wünsche  immer  unberücksichtigt  geblieben  waren. 
Endlich  hatte  diese  Not,  die  nur  recht  der  begreift,  der  sie 
selbst  miterlebte,  ein  Ende.  Da  hatte  für  unseren  geduldigen 
Professor  aber  schon  seine  körperliche  Not  begonnen.  Ein 
tragisches  Geschick! 

Der  Herrichtung  der  neuen,  durch  die  Munifizenz  aller 
Behörden,  die  sich  jetzt  bei  den  Universitätsneubauten  zeigte, 
so  glänzend  ausgestatteten  Poliklinik,  widmete  er  sich  noch 
mit  unermüdlichem  Eifer.  Wir  hatten  plötzlich  15  grosse, 
helle  Räume,  statt  zuletzt  zweier  gänzlich  unzulänglicher,  wir 
hatten  eine  moderne  Einrichtung,  statt  einer  alten,  abgelebten, 
die  den  Vergleich  mit  der  irgend  eines  Spezialisten  nicht  aus- 
halten  konnte.  Der  hartnäckigen  Ausdauer  des  Chefs  gebührt 
das  grosse  Verdienst,  die  Bahn  für  die  poliklinische  Dermato¬ 
logie  in  München  freigemacht  zu  haben.  Sein  Nachfolger 
wird  diesen  Druck  nicht  mehr  empfinden,  unter  dem  K  o  p  p 
fast  ein  Leben  lang  gelitten. 

Aus  der  alten  Arbeitsstätte  gingen  trotzdem  zahlreiche 
Arbeiten  hervor,  die  meisten  vom  Leiter  selbst,  der  über  einen 
glänzenden  Stil  verfügte.  Nach  kleineren  Arbeiten  bei 
Ziemssen  (die  Schrift  über  Hautdrainagen  bei  Anasarka 
wird  auch  heute  noch  zitiert)  und  N  e  i  s  s  e  r  verfasste  er 
seine  ausserordentlich  sorgfältig  und  gross  angelegte  Habili¬ 
tationsschrift  über  „Die  Trophoneurosen  der  Haut“  1886. 
Stintzing  machte  damals  auf  das  Werk  aufmerksam  mit 
den  Worten,  „in  welchem  der  Verfasser  auf  Grund  eingehender 
literarischer,  klinischer  und  eigener  histologischer  Studien  eine 
wertvolle  Zusammenstellung  der  auf  dem  Gebiet  der  Dermato- 

4 


104 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


neurosen  bisher  bekannten  Tatsache  geliefert  hat“.  K  o  p  p 
glaubte  darin  ein  trophoneuritisches  Zentrum  annehmen  zu 
müssen,  ohne  trophoneurotische  Nerven  für  erwiesen  zu  er¬ 
achten.  Die  Erage  ist  ja  auch  heute  noch  nicht  geklärt.  1889 
schrieb  er  ein  Lehrbuch  der  venerischen  Erkrankungen,  gab 
je  einen  Atlas  über  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  heraus 
(1894).  ln  Penzoldt  und  Stintzings  Handbuch  der 
speziellen  Therapie  innerer  Krankheiten  verfasste  er  die  Ab¬ 
schnitte  über  die  Prophylaxe  der  venerischen  Erkrankungen, 
die  Behandlung  der  Gonorrhöe  und  der  Hypertrophien,  Atro¬ 
phien,  Neubildungen,  Geschwüre  und  Neurosen  der  Haut,  die 
4  Auflagen  erlebten  (1894—1910)  und  auch  ins  Spanische  über¬ 
setzt  wurden,  ln  Drasches  Bibliothek  der  medizinischen 
Wissenschaften  war  er  der  Autor  von  9  Artikeln  (1900).  Er 
war  Mitherausgeber  des  Archivs  für  Dermatologie  und 
Syphilis  und  der  Therapie  der  Gegenwart.  Im  Handbuch  von 
Goldscheider  und  Jacob  beschrieb  er  die  physikalische 
Therapie  der  Hautkrankheiten  (1902).  Die  Frage  der  event. 
tuberkulösen  Natur  des  Lupus  erythematodes  und  die  syphi¬ 
litische  Natur  der  Leukoplakia  mucosae  berührte  er  in  je  zwei 
Arbeiten.  Viele  kasuistische  Beiträge  entstammten  seiner 
Feder,  so  über  Jodismus,  multiple  neurotische  Hautgangrän, 
über  Syphilis  maligna,  Cutis  laxa,  multiple  Angiombildung, 
Naevus  vasculosus  verrucosus  faciei  (Darier).  Viele  liess 
er  in  Dissertationen  verarbeiten.  Unzählig  sind  die  flott  ge¬ 
schriebenen  Kritiken  und  Referate,  besonders  auch  in  dieser 
Wochenschrift.  Naturgemäss  probierte  er  viele  Heilmittel 
durch  und  schrieb  über  verschiedene  Quecksilbermittel,  über 
Ichthyol,  Europhen,  Dymal,  Jod  und  Salvarsan,  dessen  aus¬ 
gezeichnete  Wirkung  er  voll  anerkannte.  Mehrere  zusammen¬ 
fassende  Berichte  über  die  Fortschritte  der  Therapie  in  seinem 
Fach,  besonders  öfters  über  die  Gonorrhöe,  2  Nekrologe,  über 
Lev  in  und  S  c  h  w  i  m  m  e  r, .  sind  von  ihm. 

Mit  der  Erwähnung  dieser  Arbeiten  ist  seine  schrift¬ 
stellerische  Tätigkeit  noch  lange  nicht  erschöpft,  ich  zähle 
ca.  60  Arbeiten  (ohne  Kritiken  und  Referate);  ich  wollte  mit  der 
kurzen  Uebersicht  nur  die  Vielseitigkeit  seines  Schaffens  be¬ 
leuchten.  Ein  Gebiet,  die  sexuelle  Frage,  hat  er  öfters  in  der 
verschiedensten  Fragestellung  bearbeitet,  in  der  Jugend¬ 
erziehung,  der  Prostitution,  der  Gattenwahl,  als  sexuelle  Ver¬ 
antwortlichkeit  und  Fürsorge. 

Er  stand  diesen  Fragen  besonders  nahe  seit  1903,  wo  er 
als  Gründer  und  Vorstand  eines  Zweiges  der  Deutschen 
Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  in 
München  viele  Vorträge  über  dieses  ganze  Gebiet  hielt, 
speziell  auch  alljährlich  den  Abiturienten  hiesiger  Schulen,  die 
immer  zahlreich  erschienen;  er  war  sich  aber  der  Sisyphus¬ 
arbeit  sehr  wohl  bewusst.  Gemeinsam  mit  der  Polizei  nahm 
er  sich  der  Prostitutionsfrage  an.  Auch  als  gerichtlicher  Sach¬ 
verständiger  war  er  viel  begehrt.  Die  Kollegen  schätzten  ihn 
wegen  seines  zuvorkommenden  Wesens,  er  war  ein  beliebter 
Konsiliarius. 

Das  beste  leistete  er  aber  als  Lehrer.  Sein  Vortrag  war 
in  jeder  Hinsicht  anziehend;  in  seine  klaren  theoretischen  Aus¬ 
führungen  verwob  er  in  fesselnder  Weise  oft  die  reichen  Er¬ 
fahrungen  seiner  ausgedehnten  Praxis,  wobei  ihm  sein  vor¬ 
zügliches  Gedächtnis  sehr  zu  statten  kam.  Als  Meister  der 
Diagnose  trat  er  an  die  spezifisch  dermatologischen  Schwierig¬ 
keiten  heran,  als  Meister  der  Sprache  wusste  er  die  Auf¬ 
klärungen  zu  geben.  Seine  Zuhörer,  jetzt  über  120,  nahmen 
ständig  zu.  Fast  %  der  60  Münchener  Hautärzte  sind  aus 
seiner  Anstalt  hervorgegangen,  die  bei  ihrer  Uebersichtlichkeit 
gerade  für  die  praktische  Ausbildung  das  denkbar  beste  Ma¬ 
terial  bot.  Auch  als  Chef  blieb  er  immer  der  liebenswürdige, 
gerechte  Mensch,  harte  Worte  hörte  man  nie. 

Seine  Mussestunden  gehörten  der  Familie,  dort  war  er 
der  gütige,  besorgte  Vater,  der  jedem  einzelnen  noch  über  den 
Tod  hinaus  liebe  Worte  hinterliess.  Aus  seiner  glücklichen 
Ehe  mit  einer  Tochter  des  Bankdirektors  Volz  entsprangen 
1  Sohn  und  3  Töchter.  Auch  die  langen  Ferienmonate,  meist 
am  lieben  Gardasee  oder  im  heimatlichen  Oberstdorf,  trennten 
ihn  nicht  von  der  Familie.  Zwischendurch  führten  ihn  aber 
doch  grosse  Reisen  in  die  meisten  europäischen  Länder,  wo¬ 
bei  ihn  sehr  die  Kenntnis  5  lebender  Sprachen  unterstützte. 
Sein  ausgesprochenes  Sprachtalent  vermittelte  ihm  natürlich 


No.  4. 

auch  eine  vorzügliche  Kenntnis  der  Literatur,  besonders  der 
französischen. 

Kopp  hätte  mehr  aus  sich  machen  können,  er  hielt  aber 
immer  zurück.  Für  Polypragmasie  im  Schreiben  konnte  er 
sich  nicht  begeistern,  er  war  dazu  zu  bescheiden.  Aeussere 
Ehren  sind  ihm  nicht  viel  zu  teil  geworden.  Ausser  den 
schon  erwähnten,  ehrte  ihn  die  Aerzteschaft  München  1905 
durch  Wahl  zum  Vorsitzenden  im  Aerztlichen  Verein.  Im 
Aerztlichen  Bezirksverein  war  er  langjähriger  Ehrenrichter, 
bis  zuletzt.  Er  war  korrespondierendes  Mitglied  der  Wiener 
dermatologischen  Gesellschaft. 

Die  ruhige  Gleichmässigkeit  seines  festen  Charakters 
zeigte  sich  auch  besonders  in  seinem  Leiden,  das  ihn  schon 
über  5  Jahre  quälte.  (Hodgkin sehe  Krankheit  stellte  die 
Sektion  fest.)  Er  wurde  nicht  ungeduldig,  trotzdem  ihm  als 
Arzt  die  Schwere  seines  Leidens  nicht  verborgen  bleiben 
konnte.  Aber  auch  dem  Mediziner  bleibt  die  Hoffnung  noch 
treu,  zu  seinem  Glück.  Kopp  musste  K  Jahr  mit  der  Kanüle 
leben,  er  starb  im  58.  Lebensjahre. 

Der  Tod  war  ihm,  dem  Tapferen  ein  Befreier,  uns  riss 
er  eine  schmerzliche  Lücke.  Wir  können  nur  mit  weh¬ 
mütigem  Bedauern  seine  letzten,  für  liebe  Pflege  dankenden 
Worte  wiederholen:  „Schon  fertig?“ 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Aus  der  medizinischen  Poliklinik  Tübingen  (Vorstand:  Prof. 

Dr.  N  a  e  g  e  1  i). 

Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Hämatologie 
für  die  Neurologie*). 

Von  Prof.  Dr.  N  a  e  g  e  1  i. 

Als  mir  Ihr  Vorstand  den  Auftrag  übermittelt  hat,  Ihnen  ein 
Referat  über  die  diagnostische  Bedeutung  der  Hämatologie  für  die 
Neurologie  zu  halten,  da  konnte  ich  mit  gewissen  Bedenken  nicht 
zurückhalten. 

ln  allererster  Linie  musste  ich  mir  sagen,  dass  die  Beziehungen 
zwischen  Neurologie  und  Hämatologie  keine  besonders  engen  sind 
und  dass  ein  morphologischer  Blutbefund  nur  in  relativ  seltenen 
Fällen  für  Sie  diagnostisch  von  Bedeutung  sein  kann.  Die  Gründe 
dafür  sind  naheliegende.  Das  Blut  ist  zwar  ein  ausserordentlich 
feines  Reagens  für  Krankheiten  aller  Art,  aber  die  im  Blute  ein¬ 
tretenden  Veränderungen  haben  doch  nur  in  einer  beschränkten  Zahl 
der  Fälle  diagnostische  Kraft,  und  zwar  dann,  wenn  einigermassen 
spezifische  und  in  der  Regel  akute  Prozesse  vorliegen, 
während  Veränderungen  allgemeiner  Art,  wie  leichte 
Anämie,  mässige  Abweichungen  an  den  roten  und  weissen  Blut¬ 
körperchen,  Eiweissverminderung  im  Serum,  hauptsächlich  vom  All¬ 
gemeinbefinden  abhängig  und  daher  nicht  mit  einem  diagnostischen 
Index  behaftet  sind. 

Im  Gebiet  der  ganzen  Medizin  sind  es  nun  fast  ausnahmslos  die 
akuten  Prozesse  mit  Entzündung  und  Eiterung,  dann  die  Affektionen 
mit  Bakterien  und  tierischen  Parasiten,  ferner  die  stark  anämisieren- 
den  Krankheiten,  bei  denen  im  roten  und  weissen  Blutbilde  dia¬ 
gnostisch  wichtige  Veränderungen  entdeckt  werden,  und  dabei  sind 
es  die  gebildeten  spezifischen  Toxine,  die  eine  vielfach  charak¬ 
teristische  Blutkurve  zeichnen.  Dazu  kommen  ferner  die  Krankheiten 
der  blutbildenden  Organe  selbst  (Leukämien,  gewisse  Anämien)  und 
die  Lokalisation  der  Krankheiten  in  diese  Organe,  die  wiederum  zu 
erheblichen  Veränderungen  von  diagnostischem  Werte  führen  können. 

Bei  einem  schleichenden  chronischen  Prozesse  wird  man  aber 
nur  ganz  selten  bedeutungsvolle  Befunde  erheben,  wenn  ich  jetzt 
von  Allgemeinstörungen  absehe;  denn  der  für  das  Blutbild  in  erster 
Linie  wichtige  leukopoetische  Apparat  zeigt  eine  oft  auffällig  starke 
Gewöhnung  gegenüber  chronischen  Reizen.  So  lebhaft  er  bei  akuten 
Störungen  reagiert,  so  sehr  schwindet  seine  Reaktionstätigkeit  gegen¬ 
über  einem  chronischen  und  in  der  Stärke  ziemlich  gleichbleibenden 
Reize.  Es  ergeben  z.  B.  chronische  Tuberkulosen  fast  nie  irgendeine 
erhebliche  Blutveränderung.  Der  Reiz  stumpft  sich  mehr  und  mehr 
ab  und  die  Regenerationsbestrebungen  sind  imstande,  alle  Defekte 
rasch  wieder  auszugleichen. 

Wenn  Sie  nun  die  Zahl  Ihrer  Kranken  aus  dem  Gebiete  der 
Neurologie  durchgehen,  so  kann  Ihnen  darüber  wohl  durchaus  kein 
Zweifel  aufkommen,  dass  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  chro¬ 
nische  Schädlichkeiten  im  Spiele  sind  und  dass  auch  der  Verlauf  der 
Leiden  meist  ein  ungemein  langsamer  ist.  Nur  bei  den  Meningitiden, 
bei  Enzephalitis  und  Hirnabszess,  bei  Polyneuritis  und  Heine-Me- 
d  i  n  scher  Krankheit,  dann  noch  bei  einigen  Vergiftungen,  vor  allem 


*)  Referat,  gehalten  an  der  VIII.  Versammlung  der  Schweize¬ 
rischen  Neurologischen  Gesellschaft  in  Luzern,  9./10.  November  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


195 


28.  Januar  1913. 


bei  Bleivergiftung:,  kommen  Faktoren  in  Erscheinung,  von  denen  wir 
nach  den  vorausgegangenen  Grundsätzen  erhebliche  Blutverände¬ 
rungen  erwarten  dürfen.  Das  ist  dann  auch  in  der  Tat  der  Fall. 
Dazu  kommen  noch  einige  Erkrankungen  der  innersekretorischen 
Organe,  wie  besonders  das  Basedow  sehe  Leiden,  bei  denen  wir 
wichtigere  Blutveränderungen  in  neuester  Zeit  kennen  gelernt 
haben. 

Alle  diese  Affektionen  liegen  nun  aber  an  den  Grenzen  ihres 
Gebietes  zwischen  Neurologie  und  innerer  Medizin  und  beschäftigen 
wohl,  besonders  in  ihrem  Beginn,  den  inneren  Mediziner  mehr  als 
den  Neurologen.  Auch  andere  noch  zu  erwähnende  Leiden  kommen 
nur  zur  Seltenheit  zum  Nervenarzt,  und  daher  hatte  ich  tatsächlich 
manche  Bedenken,  Ihnen  ein  längeres  Referat  zu  halten.  Immerhin 
habe  ich  mir  dann  gesagt,  dass  der  Arzt  den  selteneren  Fällen  min¬ 
destens  das  gleiche  Interesse  entgegenbringt  wie  den  häufigen  und 
alltäglichen,  und  dass  gerade  das  Grenzgebiet  bei  allen  Disziplinen 
heute  ein  besonderes  Interesse  findet.  Sodann  glaube  ich,  Ihnen  doch 
eine  Reihe  von  wichtigeren  Einzelfragen  zur  Beantwortung  vorlegen 
zu  können  und  zweifle  nach  meinen  persönlichen  Erfahrungen  keines¬ 
wegs  daran,  dass  in  manchem  Spezialfall  bei  diagnostischen  Schwie¬ 
rigkeiten  die  Erhebung  eines  genauen  Blutbefundes  von  erheblichem 
diagnostischem  Werte  sein  kann.  Es  darf  daher  der  für  die  innere 
Medizin  geltende  Satz,  in  jedem  diagnostisch  unklaren  Falle  sollte 
eine  genaue  Blutuntersuchung  vorgenommen  werden,  auch  für  die 
akuten  Erkrankungen  aus  den  neurologischen  Gebieten  Geltung  bean¬ 
spruchen. 

Ich  werde  den  Beweis  für  diese  These  aus  einer  Reihe  von 
persönlich  beobachteten  Krankheitsfällen  zu  erbringen  versuchen  und 
bin  dazu  umsomehr  gezwungen,  als  in  der  Literatur  Angaben  über 
diese  Verhältnisse  sehr  spärlich  sind  und  in  manchen  Fragen  voll¬ 
ständig  fehlen. 

Meinen  Ausführungen  lege  ich  die  Einteilung  zugrunde,  dass  ich 
zunächst  die  eigentlichen  Blutkrankheiten  bespreche  und  das 
hervorhebe,  was  für  Sie  von  Bedeutung  sein  kann,  namentlich  in 
Jiagnostischer  Beziehung.  Nachher  will  ich  dann  die  Nerven¬ 
krankheiten  erörtern,  soweit  bei  ihnen  von  diagnostisch  wert¬ 
vollen  Blutbefunden  gesprochen  werden  kann. 

Wenn  ich  zunächst  die  Blutkrankheiten  in  den  Kreis  meiner  Be¬ 
sprechung  hineinziehe,  so  gilt  auch  hier  der  Satz,  dass  sie  nur  aus¬ 
nahmsweise  für  den  Neurologen  eine  direkte  Bedeutung  haben 
können. 

Die  leukämischen  Prozesse  können  immerhin  als  Selten¬ 
heit  Infiltrate  in  den  Hirnhäuten  und  in  den  Nervenbahnen  (Fazialis, 
Akustikus)  verursachen  und  namentlich  auch  durch  Blutung  ins  Ge¬ 
hirn  und  in  die  Nervenbahnen,  hier  besonders  in  das  Gehörsorgan 
und  in  das  Auge,  starke  krankhafte  Erscheinungen  hervorrufen.  Wohl 
nur  ganz  ausnahmsweise  wird  aber  in  diesen  Fällen  der  Neurologe 
zugezogen  und  nur  selten  liegen  dabei  Früherscheinungen  der  Krank¬ 
heit  vor.  Zudem  handelt  es  sich  in  der  Regel  um  einen  akuten 
fieberhaften  Prozess. 

Einzig  das  sog.  C  h  1  o  r  o  m  des  Schädels  zeigt  öfters  frühzeitig 
neben  periostealen  Infiltraten  am  Kopfe  Fazialislähmung  und  Gehör- 
und  Gesichtsschädigung.  Wir  wissen  heute  mit  Sicherheit,  dass  dieses 
eigenartige  und  oft  höchst  charakteristische  Krankheitsbild  stets  leuk¬ 
ämischen  Ursprungs  ist  und  können  daher  wohl  fast  immer  durch  Er¬ 
hebung  des  Blutbefundes  die  Diagnose  über  jeden  Zweifel  sicher¬ 
stellen. 

Bei  den  unter  dem  Krankheitsbilde  der  Pseudoleukämie 
verlaufenden,  ihrem  Wesen  nach  sehr  verschiedenartigen  Prozessen 
kommen  Schädigungen  peripherischer  Nerven  durch  Druck  ab  und  zu 
vor,  gewöhnlich  aber  auch  erst  in  Spätstadien,  wenn  das  Leiden  be¬ 
reits  längst  erkannt  ist.  Wiederholt  sind  hier  Beobachtungen  über 
spinale  Drucklähmungen  und  Paraplegien  bekanntgegeben  worden 
(kernet,  Eichhorst,  eigene  Beobachtungen  etc.),  wobei  es  sich 
um  lymphosarkomatöse  oder  wohl  häufiger  lymphogranulomatöse 
Wucherungen  im  Wirbelkanal,  besonders  in  den  Rückenmarkshäuten 
mit  Erweichung  des  komprimierten  Rückenmarks  gehandelt  hat. 

Bei  Myelom,  einer  tumorähnlichen,  meist  im  ganzen  Skelett 
des  Rumpfes  verbreiteten  seltenen  Krankheit,  bei  der  eine  bestimmte 
Zellart  des  Knochenmarkparenchyms  in  Wucherung  kommt,  finden 
sich  sehr  häufig  Nervensymptome  schon  frühzeitig  als  „rheumatische 
Schmerzen“,  Paresen,  Sensibilitätsstörungen;  auch  hier  sind  Para¬ 
plegien  in  mehreren  Fällen  zur  Beobachtung  gekommen.  Leider  ist 
der  Blutbefund  im  Anfang  wenig  charakteristisch;  nur  eine  allmählich 
stärker  werdende  Anämie  weist  auf  die  Zerstörung  der  blutbildenden 
Gewebe  hin.  Mit  der  Zeit  werden  die  Knochenauftreibungen  be¬ 
deutender  und  jetzt  wird  das  Leiden  in  seinem  Wesen  leichter  er¬ 
kannt.  Genauere  Blutbefunde  liegen  bisher  nur  in  wenigen  Fällen  vor. 

Bei  der  Biermerschen  perniziösen  Anämie  sind 
nervöse  Erscheinungen,  sensible  und  motorische  Störungen  durch  de- 
generative  Prozesse  im  Rückenmark  und  in  den  peripherischen 
Nerven  nicht  gerade  selten,  aber  doch  fast  immer  erst  in  den  Spät¬ 
stadien  vorhanden  und  müssen  sogar  auch  dann  meist  noch  besonders 
gesucht  werden.  Die  hämatologische  Untersuchung  hat  aber  dann 
schon  längst  die  Diagnose  des  Leidens  gesichert,  das  auf  anderem 
Wege  niemals  mit  Sicherheit  erkannt  werden  kann. 

Es  gibt  aber  in  der  Literatur  einige  wenige  Fälle,  in  denen  an¬ 
scheinend  die  nervösen  Störungen  der  Ausbildung  einer  schweren 
Anämie  vorangegangen  sind  (S  c  h  1  e  i  p,  B  r  a  m  w  e  1 1). 


Von  besonderer  Bedeutung  ist  hier  eine  Beobachtung  von 
S  i  e  m  e  r  1  i  n  g  von  perniziöser  Anämie  mit  spinaler  Erkrankung 
und  Geistesstörung. 

Es  sind  auch  hier  psychische  und  neurologische  Erscheinungen 
recht  frühzeitig  aufgetreten  und  haben  im  ganzen  Verlauf  des  Leidens 
eine  ungewöhnlich  starke  Rolle  gespielt. 

Stärkere  psychische  Störungen  kann  man  bei  der  Krankheit  ab 
und  zu  einmal  wahrnehmen. 

Ferner  sind  recht  bedeutende  Anämien  für  die  von  Strüm¬ 
pell  aufgestellte  Krankheit  der  kombinierten  Strang¬ 
sklerose  angegeben  worden.  Es  unterliegt  nach  den  neueren 
Untersuchungen  wohl  keinem  Zweifel,  dass  in  diesen  Fällen  die  Ver¬ 
änderungen  des  Rückenmarks  sekundäre  sind,  bedingt  durch  Verän¬ 
derungen,  die  von  den  Gefässen  ausgehen,  entstanden  auf  dem  Boden 
der  gemeinsamen  Grundursache  für  Anämie  und  Nervenschädigung, 
also  wohl  zweifellos  wie  bei  der  perniziösen  Anämie  durch  toxische 
Ursachen. 

Eine  genaue  Untersuchung  des  Blutes  wird  daher  in  diesen  Fällen 
diagnostisch  und  namentlich  auch  prognostisch  wertvoll  sein,  denn 
mit  der  Feststellung  einer  ihrer  Genese  nach  nicht  aufklärbaren 
perniziösen  Anämie  ist  die  Prognose  durchaus  infaust,  wenn  auch 
noch  für  längere  Zeit  Remissionen  eintreten  können. 

Bei  den  sekundären  Anämien  treten  mitunter  auch  ner¬ 
vöse  Störungen  organischer  oder  funktioneller  Natur  auf.  Ich  er¬ 
innere  an  die  Erblindungen,  die  nach  schweren  Magenblutungen  be¬ 
obachtet  worden  sind,  dann  an  die  durch  Drucklähmung  erzeugten 
Nervenschädigungen,  wenn  maligne  Tumoren  im  Innern  des  Organis¬ 
mus  sich  ausbreiten.  Ich  kenne  persönlich  mehr  als  einen  Fall,  in 
dem  die  in  den  Nerven  auftretenden  Schmerzen  zuerst  als  neur- 
asthenische  gedeutet  worden  sind,  während  die  Vornahme  einer  ge¬ 
nauen  Blutuntersuchung  eine  deutliche  Anämie  und  oft  auch  Leuko¬ 
zytose  ergeben  hat,  so  dass  diese  Symptome  bereits  mit  Sicherheit 
auf  das  Bestehen  einer  organischen  Affektion  hingewiesen  haben. 
In  der  Folgezeit  wird  dann  die  Anämie  neben  der  Kachexie  gewöhn¬ 
lich  immer  hochgradiger  und  ergibt  nun  sehr  wichtige  Anhaltspunkte 
für  das  Grundleiden,  indem  die  Anämie  z.  B.  den  Typus  der  Kar¬ 
zinomanämie  darstellt : 

41  jährige  Patientin  leidet  an  nervöser  Aerophagie,  hat  Sod¬ 
brennen  und  gelegentlich  unbestimmte  Schmerzen  im  Leib.  Der 
Spezialist  für  Magenkrankheiten  erhebt  normalen  Magenbefund.  Nach 
plötzlichem  Tode  des  Mannes  furchtbare  Aufregung  für  Monate. 
Jetzt  viel  stärkere  Beschwerden  und  Abmagerung  um  9lA  kg  in  einem 
Jahre.  Magenbefund  auch  jetzt  normal.  Wegen  der  grossen  Zahl 
sicher  psychogener  Symptome,  bei  Fehlen  einer  palpablen  Verände¬ 
rung  im  Leibe,  bei  normalem  Magenbefund  und  bei  der  Gewichts¬ 
zunahme  um  2  kg  und  sorgfältiger  Pflege  in  der  letzten  Zeit  werden 
die  Beschwerden  von  autoritativer  neurologischer  Seite  als  nervöse 
aufgefasst  und  eine  Kur  im  Süden  verordnet.  Diese  Kur  muss  aber 
wegen  der  Verstärkung  der  Beschwerden,  vor  allem  der  Schmerzen 
im  Leibe  rasch  unterbrochen  werden.  Die  schon  vor  dieser  Kur 
vorgenommene  Blutuntersuchung  hatte  ergeben: 

3.  XII.  09.  Hgl.  49 — 50  Proz.  Erythrozyten  2  834  000.  Viskosität 
3,2.  Serumviskosität  1,85.  Leukozyten  8020.  Starke  Abnormitäten 
der  Erythropoese,  vereinzelt  Myelozyten.  Daraufhin  schon  mit  Ge¬ 
wissheit  Annahme  eines  organischen  Leidens. 

Die  jetzt  wieder  durchgeführte  Untersuchung: 

18.  VI.  10.  Hgl.  28  Proz.  Erythrozyten  2  096  000.  Viskosität  2,2. 
Serumviskosität  1,55 — 1,60.  Leukozyten  7240.  Schwerste  Verände¬ 
rung  der  roten  Blutzellen. 

In  der  Folgezeit  trat  mit  immer  grösserer  Deutlichkeit  ein 
Gallenblasenkarzinom  zur  klinischen  Wahrnehmbarkeit  und  nach 
einigen  Monaten  erfolgte  der  Tod  nach  schwerster  Kachexie. 

Bei  den  Chlorosen  sind  funktionelle  Schädigungen  des 
Nervensystem  etwas  Häufiges  und  die  Kombination  von  Hysterie  und 
Chlorose  ist  etwas  Gewöhnliches.  Es  hat  sogar  nie  an  Stimmen  ge¬ 
fehlt,  die  überhaupt  die  Chlorose  als  eine  Neurose  erklären  wollen. 
So  hat  namentlich  G  r  a  w  i  t  z  diese  völlig  unannehmbare  Hypothese 
mit  Entschiedenheit  immer  und  immer  wieder  vertreten,  freilich  mit 
meines  Erachtens  durchaus  ungenügenden  Gründen.  Als  solche  er¬ 
wähnt  er  besonders,  das  Blut  werde  nicht  spezifisch  verändert, 
ferner  das  häufige  Vorkommen  von  Anomalien  in  der  Funktion  der 
vasomotorischen  Nerven  (wechselndes  Erblassen  und  Erröten),  dann 
die  Wirkung  ätiologischer,  zum  Teil  psychischer  Faktoren  für  die 
Entstehung  der  Krankheit  und  der  günstige  Einfluss  einer  antinervösen 
Therapie,  endlich  das  so  häufige  Zusammentreffen  nervöser  Störungen 
mit  Chlorose,  und  er  erklärt  die  anämische  Blutbeschaffenheit  „ledig¬ 
lich  für  ein  Begleitsymptom  der  Neurose“,  die  „eine  jugendliche  eigen¬ 
artige  Form  des  allgemein  hysterischen  Symptomenkomplexes“  dar¬ 
stelle,  die  Chlorose  werde  daher  „geradezu  zu  einer  eigenartigen 
Erscheinungsform  einer  juvenilen  Neurose  gestempelt“. 

Ich  glaube  freilich  nicht,  dass  jemand  unter  Ihnen  einer  solchen 
Auffassung  zustimmen  wird.  Das  Blut  ist  bei  Chlorose  freilich  nicht 
in  spezifischer  Weise  verändert,  wohl  aber  in  charakteristischer: 
immer  nimmt  der  Hämoglobingehalt  stärker  ab,  als  nach  der  Zahl 
der  roten  Zellen  zu  erwarten  wäre;  immer  entstehen  bei  der  Steige¬ 
rung  der  Anämie  kleine  blasse  rote  Blutzellen,  so  dass  der  Volumen¬ 
wert  der  roten  Blutkörpeichen  relativ  stark  sinkt  und  der  Viskositäts¬ 
wert  ganz  bedeutend  erniedrigt  wird;  immer  fehlen  alle  Zeichen 
einer  Blutzerstörung,  indem  das  Serum  ausserordentlich  blass  und 
nie,  wie  bei  destruktiven  Prozessen,  gelb  oder  goldgelb  (perniziöse 

4* 


196 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Anämie)  aussieht.  Auch  die  Leukopoese  wird  nie  wesentlich  be¬ 
einflusst. 

Das  Zusammentreffen  nervöser  oder  hysterischer  Zeichen  mit 
der  Chlorose  erklärt  sich  ungezwungen  durch  das  ausschliessliche 
Vorkommen  der  Chlorose  beim  weiblichen  Geschlecht  und  durch  die 
Entstehung  der  Chlorose  zur  Zeit  der  Pubertät.  Niemals  habe  ich 
trotz  spezieller  Untersuchungen  auf  diesem  Gebiete  jemals  einen  ein¬ 
zigen  Fall  männlicher  Chlorose  gesehen  und  in  der  ganzen  Literatur 
gibt  es  keine  einzige  sichere  Beobachtung  dieser  Art.  Die  Chlorose 
als  Form  der  Hysterie  hinstellen,  heisst  sowohl  das  Wesen  der  Chlo¬ 
rose  wie  der  Hysterie  total  verkennen. 

Ich  muss  es  mir  versagen,  auf  alle  Gegengründe  hier  des  ein¬ 
zelnen  einzutreten  und  möchte  nur  anführen,  dass  ausserordentlich 
viele  klinische  Erfahrungen  über  die  Entwicklung  der  Lehre  von  den 
innersekretorischen  Organen  doch  mehr  und  mehr  darauf  hinweisen, 
in  der  Chlorose  eine  Störung  derKeimdrüsenfunktion  und  zwar  des 
innersekretorischen  Zellgewebes  zu  sehen.  Nach  den  Erfahrungen 
der  letzten  Jahre  (Sahli,  Seiler,  M  o  r  a  w  i  t  z)  ist  besonders 
auch  daran  zu  denken,  dass  erhebliche  Beschwerden  mitunter  bei 
den  Chlorosen  schon  bei  noch  nicht  wesentlich  vermindertem  Hämo¬ 
globinbefund  vorhanden  sein  können,  besonders  bei  Rückfällen  der 
Chlorose  (eigene  Beobachtungen),  und  dass  eine  gegen  die  Chlorose 
gerichtete  Therapie  in  diesen  Fällen  zu  völliger  Heilung  der  Be¬ 
schwerden  in  kurzer  Zeit  führen  kann.  Die  Diagnose,  dass  es  sich 
dabei  um  Chlorose  handelt,  ergibt  sich  hier  viel  weniger  aus  dem  ge¬ 
ringfügigen  Blutbefund  als  aus  einer  sorgfältigen  Anamnese  und  einer 
richtigen  klinischen  Würdigung  der  Symptome.  Die  Annahme  einer 
rein  neurotischen  Störung  liegt  bei  kaum  verändertem  Blutbefund 
recht  nahe,  sollte  aber  bei  Beschwerden,  die  stark  an  Chlorose  er¬ 
innern  (grosses  Schlafbedürfnis!),  nur  mit  Vorsicht  gestellt  werden; 
eventuell  könnte  erst  eine  erfolglose  Eisentherapie  entscheidend  sein! 

Die  Besprechung  der  Chlorose  führt  uns  zu  den  Fragen  der 
Pseudoanämie.  Es  gehört  wohl  zu  den  häufigsten,  ich  möchte 
sagen  alltäglichen  Erfahrungen,  dass  bei  gewissen  nervösen,  vor  allem 
psychischen  Störungen  die  Ursache  in  einer  Blutarmut  erblickt  und 
hiefür  lediglich  das  blasse  Aussehen  der  Leute  als  ausreichender  Be¬ 
weis  angesehen  wird.  Sahli  war  wohl  der  erste,  der  mit  allem 
Nachdruck  auf  das  völlig  Irrige  dieser  Beweisführung  hingewiesen 
hat.  In  der  Tat  ergibt  dann  auch  die  in  solchen  Fällen  unerlässliche 
Untersuchung  des  Blutes,  dass  Hämoglobingehalt  und  Erythrozyten¬ 
zahl  in  der  Raumeinheit  durchaus  nicht  vermindert,  gar  nicht  so  selten 
sogar  erhöht  sind.  Insbesondere  sehen  Sexualneurastheniker  oft 
ausserordentlich  blass  aus,  und  die  eingehende  Blutuntersuchung  er¬ 
gibt  auch  nicht  die  geringste  Abnormität.  Hier  liegen  meistens  vaso¬ 
motorische  Ursachen  des  blassen  Aussehens  vor,  und  es  ist  meines 
Erachtens  an  eine  verminderte  Gesamtblutmenge  bei  normalem  Ver¬ 
halten  des  Blutes  in  der  Raumeinheit  nicht  zu  denken. 

Ueber  das  tatsächliche  Vorkommen  einer  verminderten 
Blutmenge  bei- nicht  organisch  Erkrankten  fehlen  uns  heute  noch 
immer  alle  sicheren  Grundlagen,  besonders  seitdem  auch  die  CO- 
Methode  der  Blutmengebestimmungen  als  unrichtig  erwiesen  ist  und 
zu  völlig  falschen  Ergebnissen  geführt  hat.  Ihre  Resultate  waren  in 
der  Tat  so,  dass  schon  aus  rein  klinischen  Gründen  an  der  Richtigkeit 
der  Methode  stark  gezweifelt  werden  musste.  So  ist  es  mir,  wie 
ich  früher  hervorgehoben  habe,  undenkbar,  dass  eine  perniziöse  An¬ 
ämie  mit  vermehrter  Blutmenge  existieren  sollte,  während  doch  jede 
Leichenöffnung  die  äusserst  geringe  Blutmenge  vor  Augen  führt. 

Um  auf  die  Bedeutung  der  Verminderung  der  Gesamt¬ 
blut  m  e  n  g  e  zurückzukommen,  so  kann  ich  mir  nicht  recht  vor¬ 
stellen,  wie  ein  solcher  Zustand  nicht  bald  zur  Korrektur  kommen 
sollte,  wenn  man  die  zahllosen  und  leichten  Regulationsvorrichtungen 
sieht,  die  schon  auf  mässige  Atemnot  zu  einer  Steigerung  der  Blut¬ 
körperchenzahlen  führen.  Und  wenn  diese  Regulationen  einmal  ver¬ 
sagen  sollten,  so  müsste  man  jetzt  sicherlich  eine  morphologische 
Schädigung  der  Blutzellen  feststellen  können  als  Insuffizienzerschei¬ 
nung  der  Erythropoese.  Dass  Schwankungen  in  der  Gesamtblut¬ 
menge  Vorkommen,  das  ist  ja  wohl  zweifellos,  dürfte  aber  in  erster 
Linie  auf  die  individuelle  Einstellung  der  Blutmenge  für  die  Be¬ 
dürfnisse  des  einzelnen  zurückzuführen  sein. 

Ich  möchte  Sie  daher  zu  sehr  grosser  Vorsicht  mahnen  bei  der 
Annahme,  dass  nervöse  Störungen  auf  eine  Verminderung  der  Ge¬ 
samtblutmenge  zurückzuführen  wären.  Eine  solche  Annahme  hängt 
heute  vorläufig  völlig  in  der  Luft. 

Gesichert  ist  dagegen  jetzt  das  Vorkommen  einer  eigentlichen 
Plethora  oder  Polyglobulie  mit  für  die  Raumeinheit  stark  erhöhten 
Werten  der  roten  Blutzellen.  Bei  den  reinen  Erkrankungen  der 
Polyzythämie  zeigt  auch  die  Sektion  das  Vorhandensein  einer  grossen 
Blutmenge  und  starke  regeneratorische  Bestrebungen  in  Milz  und 
Knochenmark.  Bei  diesen  an  sich  ätiologisch  nicht  geklärten  Leiden 
sind  nervöse  Störungen,  wie  Schwindel,  mitunter  als  Meniere, 
häufiges  Kopfweh  und  Kopfdruck,  Ohrensausen,  Erbrechen,  Schläfrig¬ 
keit  oder  Zeichen  von  Aufregung  nicht  selten,  und  der  Nervenarzt 
hat  daher  auch  hie  und  da  an  diese  Krankheit  zu  denken,  besonders 
wenn  das  Aussehen  der  Kranken  für  Plethora  spricht.  Der  genaue 
Blutbefund  wird  hier  in  jedem  typischen  Falle  Klärung  bringen. 

Es  gibt  aber  auch,  wie  die  Kasuistik  aus  den  letzten  Jahren 
gezeigt  hat,  recht  hohe  Zahlen  für  die  roten  Blutzellen  und  für  das 
Hämoglobin  bei  einzelnen  Neurasthenikern,  so  dass  man  hier  an 
Grenzfälle  gegenüber  der  eigentlichen  Krankheit  Polyzythämie  ge¬ 
dacht  hat.  Auch  diese  Leute  zeigen  die  obengeschilderten  nervösen 


Beschwerden  meist  in  ausgesprochener  Weise,  es  fehlt  ihnen  aber 
in  der  Regel  die  Milzschwellung,  oder  diese  ist,  wenn  vorhanden, 
sicherlich  niemals  so  erheblich  wie  bei  der  eigentlichen  wahren  Poly¬ 
zythämie;  zudem  fehlt  gewöhnlich  auch  eine  konstant  vorhandene 
Blutdrucksteigerung. 

Die  Beschwerden  dieser  Leute  mit  Polyglobulie  lauten  gewöhn¬ 
lich  auf  Kopfschmerzen  und  Kopfdruck,  Hitzegefühl,  auffällige  Ge¬ 
sichtsrötung,  Schlaflosigkeit,  Schwindel,  Ohrensausen,  Herzklopfen. 

Es  ist  nicht  klargestellt,  aus  welchen  Ursachen  hier  die  Poly¬ 
globulie  aufgetreten  ist,  und  ich  glaube,  dass  der  wirkliche  Zusammen¬ 
hang  mit  der  eigentlichen  Krankheit  Polyzythämie  durch  die  An¬ 
nahme  einer  schwach  ausgebildeten  Form  doch  noch  nicht  bewiesen 
ist,  und  dass  mancherlei  andere  Momente  hier  mitspielen  könnten. 
Es  wird  aber  auch  für  den  Nervenarzt  in  derartigen  Fällen  von  Be¬ 
deutung  sein,  an  das  Vorliegen  solcher  erheblicher  Polyglobulien  zu 
denken,  da  es  mindestens  für  einen  Teil  dieser  Fälle  nicht  unwahr¬ 
scheinlich  ist,  dass  die  nervösen  Beschwerden  sekundär  durch  die 
Polyglobulie  hervorgerufen  worden  sind,  wie  namentlich  der  oft 
auffällig  günstige  Einfluss  von  Blutentziehungen  nahelegt  oder  der 
Erfolg  einer  laktovegetabilischen  Diät,  wobei  die  hohen  Zahlen  sich 
gewöhnlich  reduzieren. 

Nachdem  wir  bis  jetzt  von  den  Blutkrankheiten  und  ihren  Be¬ 
ziehungen  zum  Nervensystem  gesprochen  haben,  will  ich  nunmehr 
zu  den  Blutbefunden  bei  Nervenkrankheiten  übergehen 
und  hier  zunächst  von  den  Meningitiden  reden.  Gleich  hier  haben 
wir  diagnostisch  recht  wichtige  Befunde  zu  erwähnen,  die  im 
Zweifelsfalle  für  die  Deutung  eines  Untersuchungsbefundes  herange¬ 
zogen  werden  können. 

Die  eitrige  Meningitis  bietet  im  Blute  das  Bild  einer 
akuten  schweren  Infektionskrankheit.  Systematische  Blutunter¬ 
suchungen  liegen  hier  besonders  für  die  Genickstarre  von  Rusca 
aus  der  S  a  h  1  i  sehen  Klinik  vor.  Wir  sehen  bedeutende  Leuko¬ 
zytosen,  selbst  dann,  wenn  der  Prozess  nicht  ein  besonders  ausge¬ 
dehnter  ist;  denn  das  Blut  bringt  aus  dem  Knochenmark  die  Zellen 
herbei,  die  das  eitrige  Exsudat  ausmachen.  Dabei  ist  die  grosse 
Mehrzahl  der  weissen  Zellen  von  den  die  Zusammensetzung  des 
Eiters  bedingenden  polymorphkernigen  neutrophilen  Leukozyten  ge¬ 
bildet;  die  Lymphozyten  treten  sehr  stark  zurück  und  die  Eosino¬ 
philen  fehlen  gänzlich  und  in  jedem  Falle.  Ferner  treffen  wir  eine  er¬ 
hebliche  Fibrinvermehrung,  erkennbar  an  der  starken  Ausbildung  des 
Fibrinnetzes  im  ungefärbten  Präparat  unter  dem  Deckglas  bei  der 
Gerinnung.  Entsprechend  der  hochgradigen  Inanspruchnahme  des 
Knochenmarkes  und  der  gleichzeitigen  schweren  Schädigung  der 
Zellbildung  durch  die  Toxine  der  Krankheit  sind  oft  zahlreiche  Leuko¬ 
zyten  in  ihren  Kernen  sehr  schlecht  ausgebildet  und  mangelhaft  diffe¬ 
renziert. 

16  jähriger  Patient.  Eitrige  Konvexitätsmeningitis  nach  Angina, 
Lumbalflüssigkeit  stets  steril,  ohne  Eiterkörperchen,  selbst  an  der 
Leiche  völlig  klar  und  ungetrübt.  Blut  steril. 

18.  VI.  Hgl.  90  Proz.  Rote  Z.  3  976  000.  Weisse  Z.  IS  400. 
Neutrophile  87  Proz.  Eos.  — !  Uebergangsf.  9,4  Proz.  Lymph. 
2,8  Proz.  Reizungsf.  0,6  Proz.  Viele  patholog.  Kernformen. 

22.  VI.  Leukozyten  21  000.  Neutrophile  88  Proz.  Eos.  — ! 
Lymphoz.  6  Proz.  Uebergangsf.  6  Proz. 

Die  Meningokokkenmeningitis  bietet  als  gleichfalls  eitrige  Menin¬ 
gitis  ein  durchaus  ähnliches  Blutbild.  Sie  setzt  stets  mit  hohen  Leuko¬ 
zytenzahlen  ein  und  zeigt  die  gleiche  Verschiebung  des  Blutbildes 
mit  starkem  Vorherrschen  der  neutrophilen  Zellen.  Sobald  aber 
Besserungen  im  Verlauf  des  Leidens  eintreten,  so  pflegt  die  Leuko¬ 
zytenzahl  erheblich  abzunehmen  oder  treten  einige  eosinophile  Zellen 
auf.  Letztere  deuten  stets  auf  prognostisch  günstigere  Verhältnisse 
hin  (Türk,  Rusca  u.  a.). 

13X>  jähriges  Mädchen,  seit  3  Tagen  mit  Kopfweh  erkrankt,  Ge¬ 
sichtsschmerzen,  Brechreiz,  Parese  des  rechten  Abduzens,  sehr 
mässige  Nackenstarre.  Kernig.  Sensorium  stets  klar.  Kein  Schüt¬ 
telfrost,  Temperaturen  mässig  38,4,  erst  zuletzt  39,4.  Keine  Hyper¬ 
ästhesie.  Herpes  erst  einige  Tage  nach  der  Blutuntersuchung  auf¬ 
getreten. 

Leukozyten  29  400,  Neutrophile  85  Proz.,  Eosinophile  0,  Lympho¬ 
zyten  5  FToz.,  Uebergangsformen  10  Proz.,  Fibrinvermehrung. 

Lumbalflüssigkeit  rein  eitrig.  Meningokokken  vorhanden.  Nach 
8  Tagen  alle  Symptome  verschwunden.  Heilung. 

In  dieser  Erkrankung  war  das  klinische  Bild  ein  gar  nicht 
schweres  gewesen,  so  dass  mindestens  sehr  starke  Zweifel  an  der 
klinischen  Diagnose  Genickstarre  vorhanden  gewesen  waren.  Erst 
die  genauere  Blutuntersuchung  und  nachher  die  Lumbalpunktion  führ¬ 
ten  zu  der  sicheren  Klärung  der  Sachlage. 

Einen  starken  Gegensatz  bietet  nun  die  tuberkulöse  Meningitis, 
indem  bei  ihr  in  der  sehr  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  eine  nennens¬ 
werte  Leukozytose  fehlt  oder  erst  gegen  das  Ende  des  Leidens  dann 
und  wann  einmal  sich  einstellen  kann.  Die  Verschiebung  des  leuko- 
zytären  Blutbildes  ist  dabei  bei  weitem  keine  so  starke;  eosinophile 
Zellen  sind  mitunter  noch  in  einzelnen  Exemplaren  vorhanden,  fehlen 
aber  häufig.  Eine  Fibrinvermehrung  ist  bisher  nie  konstatiert  wor¬ 
den.  Der  Unterschied  im  Blutbild  ist  sehr  leicht  zu  verstehen,  wenn 
wir  berücksichtigen,  dass  bei  der  tuberkulösen  Form  keine  Eiterung 
und  keine  sehr  starke  Fibrinzunahme  an  den  erkrankten  Stellen  statt¬ 
findet,  dass  ferner  das  sulzige  Infiltrat  der  Meningen  aus  Lympho¬ 
zyten  und  nicht  aus  Eiterzellen  (polymorphkernigen  Leukozyten) 
zusammengesetzt  ist. 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


197 


21jährige  Tochter,  erkrankt  am  21.  V.  mit  häufigem  Erbrechen 
und  38,8  Temperatur,  nachdem  etwas  Kopfdruck  und  wenig  Appetit 
schon  einige  Tage  aufgefallen  waren.  Später  nahm  das  Erbrechen  ab, 
die  Temperaturen  schwankten  vom  31.  V.  bis  2.  VI.  zwischen  37,3  und 
40,0.  Nackensteifigkeit  seit  1.  VI.  Hyperästhesie,  sehr  starke  Dermo- 
graphie.  Anfälle  von  schlaffer  Hemiparese  rechts.  Puls  von  60  auf  90 
gestiegen.  Herpes  0.  Okkulomotoriuslähmung  rechts.  Alle  Reflexe 
fehlen,  ausser  Kitzelreflex  der  rechten  Fussohle.  Sensoriuin  noch 
ziemlich  klar. 

2.  VI.  Leukozyten  8—9000.  Neutrophile  7714  Proz.  Eosino¬ 
phile  vereinzelt.  Lymphozyten  VU  Proz.  Uebergangsformen 

1434  Proz. 

6.  VI.  Gestorben.  Typische  Meningitis  tuberculosa  im  Kranken¬ 
haus. 

7/4  jähriges  Mädchen.  Seit  7.  V.  unpässlich  und  matt.  Leib¬ 
schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Appetit  gering.  Temperaturen 
zwischen  38,0  und  39,0  bis  zum  12.  V.,  seither  Abendtemperaturen 
meist  um  39,5.  Pulse  meist  120.  Nie  Kopfweh.  Nie  mehr  Leib¬ 
schmerzen.  Urin  normal.  Serumreaktion  auf  Typhus  und  Para¬ 
typhus  negativ. 

18.  V.  Zuckungen  im  Gesicht.  Keine  organische  Veränderungen 
nachweisbar  bei  genauester  Untersuchung.  Leukozyten  7—8000. 
Neutrophile  65  Proz.  Eosinophile  114  Proz.  Lymphozyten  21  Proz. 
Uebergangsformen  10  2/3  Proz. 

Wegen  des  morphologisch  ganz  normalen  Blutbildes  wird 
Typhus,  Scarlatina  sine  exanth.,  septische  Affektion  und  .Meningitis 
ausgeschlossen  und  mit  Wahrscheinlichkeit  eine  Bronchialdrüsen¬ 
tuberkulose  angenommen. 

Am  22.  V.  konnte  plötzlich  ein  Tumor  in  der  Gegend  des  Blind¬ 
darms  gefunden  werden,  sehr  oberflächlich,  unempfindlich,  mit  ganz 
glatter  Oberfläche.  Temperaturen  und  Pulse  wie  früher. 

24.  V.  Seit  2  Tagen  Erbrechen  und  Kopfschmerzen,  sonst  keiner¬ 
lei  auf  Meningitis  hinweisende  Erscheinungen.  Blutbefund:  Leichte 
Leukozytose,  ca.  10  000.  Neutrophile  7414  Proz.  Eosinophile 
y,  Proz.  Lymphozyten  1214  Pröz.  Uebergangsformen  1214  Proz. 

Die  grosse  Veränderung  des  Blutbildes  wurde  sofort  dahin  ge¬ 
deutet,  dass  eine  völlige  Aenderung  des  Zustandes  durch  das  Auf¬ 
treten  eines  entzündlichen  Prozesses  hinzugekommen  war.  Der 
Tumor  in  der  Blinddarmgegend  blieb  nicht  geklärt,  machte  aber  kli¬ 
nisch  keine  wesentlichen  Erscheinungen.  In  wenigen  Tagen  ent¬ 
wickelte  sich  nun  das  volle  Bild  der  Meningitis. 

Exitus  8.  VI.  Sektion:  Tuberkulöse  Meningitis  und  Ileozoekal- 
tuberkulose. 

Wir  sehen  hier  ausserordentlich  klar,  wie  ein  Umschlag  im 
Blutbild  die  Entwicklung  der  Meningitis  verraten  hat,  wie  ferner  das 
Blutbild  in  den  ersten  Tagen  der  ausgebrochenen  Meningitis  zwar 
deutliche  Veränderungen  aufweist,  aber  solche,  die  durchaus  von 
denjenigen  der  eiterigen  Meningitis  abweichen. 

26  jährige  Frau.  7.  III.  Kopfweh.  9.  III.  heftige  Kreuzschmerzen. 
10.  III.  vielfach  Erbrechen.  12.  III.  38,5,  Puls  68,  vom  Arzt  festgestellt. 
Dabei  kolossale  Kopfschmerzen.  15.  III.  Sensorium  völlig  frei, 
Nackenstarre  deutlich  und  erheblich,  sonst  bei  eingehender  Unter¬ 
suchung  kein  abnormer  Befund.  Keine  Hirnnervenlähmung.  Re¬ 
flexe  normal.  Keine  Spasmen,  keine  Dermographie. 

Leukozyten  8440.  Neutrophile  75  Proz.  Eosinophile  0.  Lympho¬ 
zyten  11J4  Proz.  Uebergangsformen  1214  Proz.  Mastzellen 
ln  Proz. 

Lumbalpunktion:  Helle  Flüssigkeit,  kein  Gerinnsel  gebildet.  Keine 
Bazillen  nachweisbar.  Sehr  wenige  Lymphozyten.  Schon  am  16.  III. 
Tazi  disparese  und  dann  immer  mehr  das  typische  Bild  der  tuberku¬ 
lösen  Meningitis.  Tod  28.  III.  Sektion. 

,  Zahlreiche  weitere  Fälle  zeigen  immer  und  immer  wieder  die 
gleiche  Blutveränderung  wie  die  geschilderten  Beobachtungen  (siehe 
besonders  auch  Türk:  Die  Leukozyten  bei  den  Infektionskrank¬ 
heiten). 

Es  ist  daher  gerade  in  den  relativ  frühen  Stadien  sehr  leicht,  die 
eitri;:e  und  die  tuberkulöse  Form  der  Meningitis  zu  unterscheiden, 
und  öfters  liefert  das  Blutbild  sehr  gute  Anhaltspunkte  über  die 

Natur  des  Falles. 

Nun  ist  ja  selbstverständlich,  dass  die  Lumbalpunktion  in  der 
Kegel  direktere  und  noch  sicherere  Beweise  für  die  Natur  der  Er¬ 
krankung  liefern  wird;  allein  sie  kann  doch  ab  und  zu,  selbst  bei 
wiederholter  Vornahme  versagen,  wie  gerade  der  ersterwähnte  Fall 

gezeigt  hat. 

In  Differentialdiagnose  mit  den  Meningitiden  kommen  hie  und 
ca  ätiologisch  wenig  geklärte  Fälle  von  Meningismus,  öfters  bei  Kin¬ 
dern,  seltener  bei  Erwachsenen  vor. 

Hier  sind  gewöhnlich  die  Blutveränderungen  sehr  geringgradig 
und  zeugen  für  das  viel  leichtere  Leiden  und  können  dadurch  diffe- 
rentiaidiagnostisch  wertvoll  sein. 

15  jähriges  Mädchen.  Seit  22  Tagen  Fieber,  ohne  erkennbare 
Ursache,  abends  meist  zwischen  38,0  und  38,7;  nur  ausnahmsweise 
•loher.  Puls  nie  über  96.  Seit  4  Tagen  Erbrechen  und  Kopfweh.  Hat 
einmal  einen  Schrei  ausgestossen  in  der  Nacht,  leichte  Krämpfe  als 
Mreckkrämpfe  in  den  Gliedern  hie  und  da.  Nie  Schweisse.  Aus- 
seneii  sehr  schlecht.  Vor  2  Jahren  Lungenspitzenkatarrh.  Wahr¬ 
scheinliche  Annahme  des  Arztes:  Tuberkulöse  Meningitis.  Objektiv 
durchaus  kein  irgendwie  abnormer  Befund  bei  eingehender  Unter¬ 
sucht,  ng  nachweisbar. 


Hämoglobin  100  Proz.  Leukozyten  9560.  Neutrophile  74  Proz. 
Eosinophile  l2/s  Proz.  Lymphozyten  14*73  Proz.  Uebergangsformen 
8-/3  Proz.  Mastzellen  1  Proz.  Die  normale  Zahl  der  Eosinophilen 
lässt  Meningitis  ausschliessen.  Wahrscheinlichkeitsdiagnose:  Tuber¬ 
kulöse  Bronchialdrüsen.  Ausgang:  Heilung  unter  langsamer  Ent¬ 
fieberung. 

6  jähriger  Knabe.  3.  V.  leichte  Schwellung  am  Hals.  Ging  mit 
Fiebern  in  die  Schule.  4.  V.  Mehrmals  Erbrechen,  Kopfweh,  matt, 
nachts  sehr  unruhig.  5.  V.  Arzt  gerufen.  Patient  etwas  benommen 
und  unklar.  Spricht  wenig.  Etwas  Nackensteifigkeit  und  Kernig. 
Temperatur  39,8.  6.  V.  Die  Mutter  wird  nicht  erkannt,  wohl  aber 
der  Arzt.  Aufsitzen  unmöglich.  Temperatur  am  Morgen  39,0,  abends 
38,5.  Der  Knabe  ist  schon  2 — 3  Wochen  nicht  wie  sonst,  sondern 
gereizt  und  hat  ab  und  zu  über  Kopfweh  geklagt. 

Befund  6.  V.  abends:  Puls  120.  Etwas  Nackenspannung.  Im 
Rachen  zäher  blutiger  Schleim,  sonst  nichts  Besonderes.  Leib  etwas 
aufgetrieben.  Kernig  ausgesprochen  positiv.  Steifigkeit  im  Rücken 
deutlich.  Babinski  rechts  zweifelhaft  positiv.  Sonst  bei  eingehen¬ 
der  Untersuchung  keine  weiteren  abnormen  Befunde. 

Leukozyten  6200.  Neutrophile  54  Proz.  Eosinophile  0.  Lympho¬ 
zyten  2614  Proz.  Uebergangsformen  1814  Proz.  Mastzellen  1  Proz. 
Daraus  Meningokokkenmeningitis  ganz  bestimmt  ausgeschlossen. 
Tuberkulöse  Meningitis  als  nicht  erwiesen  angesehen.  Blutbefund 
dafür  zu  wenig  typisch.  Lumbalpunktion  verweigert.  Rasche  Hei¬ 
lung  und  in  2  Tagen  schon  ganz  gesund.  Im  Rachenschleim  wurden 
Gram-negative  intrazelluläre  Diplokokken  in  ziemlicher  Zahl  gefun¬ 
den,  die  sich  bei  der  Kultur  als  Micrococcus  flavus,  nicht  als  Meningo¬ 
kokkus  erwiesen. 

40  jähriger  Mann.  3.  III.  Temperaturanstieg  auf  38,!.  Etwas 
Husten,  Schwindel,  Schwäche.  Bis  zum  5.  III.  Temperatur  abends 
bis  39,3  gestiegen.  4  dünne  Durchfälle,  ebenso  am  folgenden  Tage. 
Es  besteht  die  Möglichkeit,  nicht  aber  die  Sicherheit,  dass  der  Mann 
vor  dem  3.  III.  schlechte  Salami  gegessen  hat.  Kein  objektiver  Be¬ 
fund.  10.  III.  Entfiebert  unter  langsamem  Temperaturabfall.  12.  III. 
Schütteln  und  Frösteln  und  wieder  Fieber  auf  37,9,  die  bis  zum  15.  111. 
auf  39,9  anstiegen.  Jetzt  Nackensteifigkeit.  Delirien  und  kolossales 
Kopfweh.  15.  III.  Zweimal  Erbrechen  und  viel  Brechreiz.  Etwas 
Bronchitis,  doch  sehr  gering.  Zunge  stark  belegt.  Kopfschmerzen 
furchtbar.  16.  III.  Zunge  weiss.  Nackensteifigkeit  vorhanden,  aber 
gering.  Kernig  zweifellos.  Minimale  Bronchitis.  Optikus  hyper- 
ämisch.  Puls  90,  voll,  kräftig.  Sonst  alle  Befunde  vollkommen  nor¬ 
mal.  Leukozyten  ca.  8000.  Neutrophile  54aU  Proz.  Eosinophile 
114  Proz.  Lymphozyten  2814-  Proz.  Uebergangsformen  ll2/s  Proz. 
Reizungsformen  3 2/s  Proz.! 

Eine  Meningitis  wird  darnach  ausgeschlossen  und  Meningismus 
bei  einer  Darmintoxikation  angenommen,  weil  das  Leiden  mit  Durch¬ 
fall  eingesetzt  und  auch  das  Rezidiv  auf  ungeeignete  Nahrung  wieder 
ausgebrochen  war.  Heilung  in  wenigen  Tagen  bei  allmählichem 
Fieberabfall. 

Wenn  man  die  diagnostischen  Schwierigkeiten  bedenkt,  die  sehr 
oft  beim  Vorhandensein  von  meningitisähnlichen  Befunden  auftauchen, 
so  wird  man  über  jedes  unter  Umständen  aufschlussgebende  Sym¬ 
ptom  ausserordentlich  froh  sein,  auch  dann,  wenn  dadurch  nur  ein 
weiteres  Argument  in  der  Diagnosenstellung  gewonnen  wird. 

Bei  der  Encephalitis  non  purulenta  kommen  stärkere  Blut¬ 
veränderungen  vor,  deren  Kenntnis  in  einzelnen  Spezialfällen  wert¬ 
voll  sein  kann.  In  der  Regel  besteht  Leukozytose,  deren  Höhe  aber 
verschieden  ausfällt,  je  nach  der  Schwere  und  Akuität  des  Falles: 

2  jähriger  Knabe,  seit  langer  Zeit  stark  anämisch  und  etwas 
rachitisch.  9.  II.  bis  23.  II.  unklare  fieberhafte  Affektion  mit  Er¬ 
brechen,  Verstopfung,  grosser  Mattigkeit,  ohne  objektiven  Befund. 
Vom  19.  II.  Fieber  in  starkem  Abnehmen  und  folgender  Blutbefund: 
19.  II.  Hämoglobin  40  Proz.  Leukozyten  ca.  12  000.  Deutliche 
Leukozytose.  Neutrophile  37  Proz.  Eosinophile  4  Proz.  Lympho¬ 
zyten  50J4  Proz.  Uebergangsformen  814  Proz. 

23.  bis  26.  II.  fieberfrei,  dann  bis  zum  2.  III.  wieder  leichte  Tem¬ 
peraturerhöhung.  1.  III.  Erbrechen.  Konjug.  Blicklähmung  nach 
links.  Parese  und  Zuckungen  im  rechten  Fazialis  und  rechten  Arm. 
Lähmung  des  rechten  Beines.  Rechtes  Bein  alle  Reflexe  fast  völlig 
erloschen,  linkes  Bein  ganz  normale  Reflexe.  Rechts  Babinski,  links 
fehlend. 

2.  III.  Starke  Leukozytose  mit  Neutrophilen  73  Proz.  Eosino¬ 
phile  — !  Lymphozyten  13  Proz.  Uebergangsformen  14  Proz.  Mit 
der  Enzephalitis  hat  sich  das  Blutbild  vollständig  umgewandelt  und 
sind  die  eosinophilen  Zellen  völlig  verschwunden  und  ist  starke 
Leukozytose  aufgetreten. 

Nach  einigen  Tagen  Abfall  der  Temperatur  und  vollständiges 
Zurückgehen  der  Lähmung,  aber  nach  einigen  weiteren  Tagen  aber¬ 
mals  Fieber,  Bewusstseinsstörung,  klonische  Zuckungen,  jetzt  rechts, 
die  etwa  3  Tage  andauerten  mit  Paresen.  Sodann  aber  völlige 
Heilung  ohne  alle  Residuen.  Der  jetzt  9  jährige  Knabe  Ist  vollständig 
gesund. 

6  jähriger  Knabe.  16.  III.  Beginn  eines  Masernexanthems. 
19.  III.  Ausschlag  sehr  stark,  sonst  durchaus  nichts  Abnormes. 
21.  III.  Somnolenz  und  Nackensteifigkeit.  Zuckungen.  Secessus  in- 
voluntarii.  Verdrehen  der  Bulbi.  Hohe  Fieber.  22.  III.  38.2.  Puls 
120.  Respiration  36.  Völlig  somnolent.  Alle  Glieder  in  Spasmen  und 
Kontrakturen,  etwas  Nackenstarre.  Lautes  Stöhnen.  Patellarreflexe 
sehr  gesteigert,  andere  Reflexe  ziemlich  normal.  Konjug.  Blick¬ 
lähmung  nach  rechts.  Keine  basale  Lähmung.  Leichte  Otitis  media. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCH  ENSCH  RIET. 


Leukozyten  24  000.  Starke  neutrophile  Leukozytose.  Neutro¬ 
phile  85  Proz.  Eosinophile  0.  Lymphozyten  10  Proz.  Ueber- 
gangsformen  4,2  Proz.  Reizungsformen  0,4  Proz.  Myelozyten 
0,4  Proz. 

Bei  der  letzteren  Beobachtung  konnte  ich  die  vom  behandeln¬ 
den,  ausserordentlich  tüchtigen  Arzte  sehr  bestimmt  angenommene 
tuberkulöse  Meningitis  nach  den  eben  auseinandergesetzteri  Er¬ 
fahrungen  ausschliessen  und  für  enzephaiitische  Affektion  mit 
sehr  grosser  Wahrscheinlichkeit  eintreten.  Die  rasche  völlige  Hei¬ 
lung  ohne  Residuen  sprach  zweifellos  für  Enzephalitis. 

(Schluss  folgt.) 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Alexis  Carrel:  Artificial  Activation  of  the  growth  in  vitro  of 
connective  Tissue.  (The  Journal  of  experimental  Medicine,  edited 
by  Simon  Flexner,  M.  D.  and  Benjamin  T.  I  erry,  M.  D. 
Volume  XVII,  No.  1,  1.  Januar  1913.) 

Die  Tageszeitungen  brachten  vor  einigen  lagen  die  aufsehen¬ 
erregende  Mitteilung,  dass  es  Carrel,  dem  jüngsten  Träger  des 
medizinischen  Nobelpreises,  gelungen  sei,  eine  Methode  zu  finden, 
Schnittwunden  in  24  Stunden,  Beinbrüche  in  4 — 5  Jagen  zur  völligen 
Heilung  zu  bringen.  Diese  sensationellen  Mitteilungen  eilen  dem  tat¬ 
sächlichen  Befund  Car  reis  weit  voraus  und  Carrel  bezeichnet 
in  seiner  Mitteilung  als  erstrebenswertes  Ziel  seiner  Versuche,  was 
die  Tagespresse  als  erreicht  urbi  et  orbi  verkündet.  Carrel  geht 
von  Versuchen  aus,  die  die  Wirkung  verschiedener  Organextrakte  auf 
Wunden  zeigen.  So  schien  Thyreoideaextrakt,  den  Wunden  auf¬ 
gelegt,  besonders  üppige  Granulation  zu  veranlassen,  der  Knochen¬ 
haut  appliziert  besonders  starke  Verdickungen  des  Periosts  auszu¬ 
lösen.  So  interessant  nun  diese  Beobachtungen  sind,  so  schwer  lässt 
sich  der  Einfluss  der  verschiedenen  Medien  exakt  bestimmen.  Dia 
exakte  Bestimmung  ist  nur  möglich,  wenn  experimentell  an  isolierten 
Zellen  die  Beeinflussung  ihres  Wachstums  durch  Organextrakte  stu¬ 
diert  wild;  Versuche,  die  möglich  sind  durch  die  Harrison- 
C  a  r  r  e  1  sehen  Gewebskulturen  auf  dem  Deckglas,  die  verblüffend 
einfach  herzustellen  sind  und  das  Beobachten  des  Zellwachstums  und 
der  Zellvergrösserung  unter  dem  Mikroskop  gestatten.  Carrel 
hat  Extrakte  von  Hühnerembryonen,  von  Nieren,  Milz,  Muskulatur 
des  erwachsenen  Huhnes,  von  Sarkomen,  von  Thyreoidea,  Muskel, 
Milz  von  Hunden  und  von  der  Milz  des  erwachsenen  Kaninchens 
hergestellt.  Die  Ausgangsgewebe  wurden  zertrümmert,  zerrieben, 
gefroren,  dann  im  Brutschrank  bei  38 0  behandelt,  schliesslich  der 
Gewebsbrei  mit  R  i  n  g  e  r  scher  Lösung  verdünnt,  abgekühlt  und  dann 
zentrifugiert.  Das  Kulturmedium  erhielt  auf  2  Volum  hypotonischen 
Plasmas  (durch  Verdünnung  des  Plasmas  in  destilliertem  Wasser  her¬ 
gestellt)  ein  Volum  Extrakt.  Die  Gewebskulturen  bestanden  zumeist 
aus  Hühnchenherz  und  Hühnchenhaut  oder  Periost  vom  Hunde.  Alle 
diese  Versuche  zeigten  nun  im  Vergleich  zu  den  zahlreichen  Kon¬ 
trollen  ein  stark  gesteigertes  Wachstum,  das  das  Normale  um  das 
drei-  bis  vierzigfache  iibertraf.  Die  Resultate  waren  verschiedene, 
je  nach  der  eingeschlagenen  Methodik  und  der  Herstellungsart  der 
Extrakte.  Das  Wachstum  war  proportional  der  Konzentration  des 
Extraktes.  Dann  erwies  sich  embryonaler  Gewebsextrakt  am  wirk¬ 
samsten,  Nieren-  und  Herzextrakte  waren  weniger  wirksam. 
Thyreoideaextrakt  beeinflusste  besonders  das  Periostwachstum.  Auf¬ 
fallend  ist  auch  die  Spezifität  in  der  Wirkung  der  Extrakte;  Hühn¬ 
chenmilzextrakt  aktivierte  das  Wachstum  des  Bindegewebes  des 
embryonalen  Hühnchenherzens,  während  Hunde-  oder  Kaninchen¬ 
extrakte  auf  das  Hühnchengewebe  kaum  irgendwelchen  Einfluss  hat¬ 
ten.  Die  Aktivierkraft  der  Extrakte  verlor  sich  zum  Teil  bei  Er¬ 
hitzung  derselben  auf  56°  für  10  Minuten,  bei  noch  grösserer  Er¬ 
hitzung  dagegen  völlig.  Filtration  durch  Papier  veränderte  die  Ex¬ 
trakte  wenig;  Berkefeldfilter  verminderte,  Chamberlaindfilter  unter¬ 
drückte  die  wirkende  Kraft  des  Extraktes  völlig. 

Carrel  betont  ausdrücklich  am  Schlüsse  seiner  gedrängten 
und  präzisen  Mitteilungen,  dass  eine  praktische  Bedeutung  seinen 
Versuchen  noch  nicht  zukommt,  dass  sie  aber  nützlich  sein  werden, 
die  das  Gewebswachstum  bestimmenden  Faktoren  besser  zu  ver¬ 
stehen,  einen  Einblick  in  die  Dynamik  der  Zellen  zu  gewähren  und 
dann  schliesslich  auch  Licht  auf  den  Mechanismus  der  Wundheilung 
zu  werfen. 

Es  ist  ein  Genuss,  die  klaren,  einfachen,  jedes  schmückenden 
Beiwerks  und  jeder  überflüssigen  Aushölung  entbehrenden  Befunde 
C  a  r  r  e  1  s  zu  lesen  und  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  Carrel  wie 
mit  der  Ausarbeitung  der  Gewebskulturen  überhaupt,  so  auch  mit  der 
Wirkung  dieser  Extrakte  auf  die  Gewebskulturen  eine  theoretisch 
wichtige  und  interessante  Entdeckung  gemacht  hat,  die  vielleicht  ein¬ 
mal  die  Hoffnungen  erfüllen  wird,  deren  Voraussetzung  die  Ver¬ 
anlassung  der  Versuche  war.  Oberndorfer  -  München. 

R.  Tigerstedt:  Handbuch  der  physiologischen  Methodik. 

Leipzig,  S.  H  i  r  z  e  1.  3.  Bd.,  5.  Abteilung.  W.  Wirth:  Psycho- 

physik.  Geh.  18  M. 

Bei  der  grossen  Bedeutung,  welche  die  psychologischen  Me¬ 
thoden  für  die  Sinnesphysiologie  und  unter  den  klinischen  Fächern 
namentlich  für  die  Psychiatrie  besitzen,  ist  es  sehr  dankenswert,  dass 
sie  in  der  vorliegenden  Lieferung  eine  eingehende  Darstellung  ge¬ 


funden  haben.  Nach  einer  kurzen  Erörterung  der  allgemeinsten 
methodischen  Voraussetzungen  und  Vorfragen  wird  sofort  auf  die 
wichtigsten  Definitionen  und  Sätze  der  Kollektivmasslehre  eingegangen 
und  ausführlich  dargetan,  wie  die  Rohwerte  einer  Beobachtungsreihe 
rechnerisch  oder  graphisch  zu  bearbeiten  sind,  um  ihr  Verteilungs¬ 
gesetz  und  die  für  die  Beurteilung  des  Ergebnisses  wichtigen  Haupt¬ 
werte  und  Streuungsmasse  zu  gewinnen.  #  fl 

Die  speziellen  psychologischen  Methoden  scheidet  der  Verf.  in 
Reproduktions-  und  Reaktionsmethoden.  Bei  ersteren  wird  von  der 
Versuchsperson  die  Wiedergabe  des  Erlebten  verlangt,  bei  den 
letzteren  dagegen  irgend  eine  registrierbare  Aeusserung  des  Be¬ 
wusstseins.  Unter  den  Reproduktionsmethoden  werden  dann  die  Ver- 
gleichsmethoden,  die  Schwellenbestimmungen,  die  Aufmerksamkeits-, 
Auffassungs-  und  Gedächtnisleistungen  im  einzelnen  besprochen  und 
anschliessend  die  Analyse  der  Zeitvorstellung,  der  Gefühls-  und 
Willensakte.  ' 

Der  Abschnitt  über  die  Reaktionsmethoden  bringt  dann  eine  Be¬ 
schreibung  der  wichtigsten  zu  psychologischen  Versuchen  bisher  ver¬ 
werteten  Registrierungen  teils  willkürlicher  teils  unwillkürlicher 
Ausdruckserscheinungen,  wie  die  Ergographie  und  Dynamographie, 
die  Aufschreibung  der  unwillkürlichen  mimischen  Bewegungen,  der 
Atmungs-  und  Kreislaufserscheinungen  u.  a.  Es  folgen  die  für  ver¬ 
abredete  willkürliche  Reaktionen  zu  beachtenden  Vorsichtsmass- 
regeln  und  Kontrollen,  um  die  Reaktionsweise  der  Versuchsperson 
sicherzustellen  bezw.  in  die  richtige  Bahn  zu  lenken.  Der  sehr 
wertvolle  Beitrag  schliesst  mit  einer  Schilderung  der  Methoden,  die 
zu  den  auf  psychologischem  Gebiete  so  wichtigen  Zeitmessungen  aus¬ 
gebildet  worden  sind.  v.  Frey-  Würzburg. 

Prof.  F.  Thöle:  Die  Verletzungen  der  Leber  und  der  Gallen¬ 
wege.  Neue  deutsche  Chirurgie,  herausgegeben  von  P.  v.  Bruns. 
4.  Bd.  Ferd.  Enke.  1912. 

Das  Sr.  Exz.  dem  Generalstabsarzt  der  Armee  Prof.  Dr. 
v.  Schierning  gewidmete  Werk  gibt  nach  kurzer  Einleitung  und 
Statistik  der  exspektativen  und  operativen  Behandlungsresultate  zu¬ 
nächst  eine  Besprechung  der  Stich  Verletzungen  der  Leber 
(gestützt  auf  292  Fälle),  von  233  einfachen  Leberverletzungen  mit 
19,74  Proz.  Mortalität,  nach  Art,  Häufigkeit  des  Vorkommens,  mit 
allgemeinen  und  klinischen  Bemerkungen  etc.,  dann  der  Schuss- 
verletzungen  (200  Fälle),  darunter  83  einfache  Leberver¬ 
letzungen  mit  26,5  Proz.  Mortalität  und  16  komplizierte  Leberver- 
letzungen  (wovon  auf  die  Fälle  mit  schwerer  Leberverletzung 

62.5  Proz.  Mortalität,  auf  die  Fälle  mit  leichter  Leberverletzung,  abc- 
schweren  Komplikationen  67  Proz.  Mortalität  entfallen),  ebenfalls 
mit  entsprechenden  anatomischen  und  klinischen  Bemerkungen.  So¬ 
dann  behandelt  es  die  subkutanen  Rupturen  der  Leber  (unter 
Bezug  auf  260  Fälle),  188  einfache  Leberverletzungen  mit  55,85  Proz. 
Mortalität  und  72  komplizierte  Leberverletzungen  mit  78,6  resp. 

74.6  Proz.  Mortalität,  unter  Eingehen  auf  die  relative  Häufigkeit, 
den  Entstehungsmechanismus,  Symptome  und  diagnostische  Momente 
(Schock,  lokale  Abdominalsymptome,  lokaler  Schmerz,  Bauchdecken- 
spannung,  Erbrechen),  die  Gefahren  der  Leberruptur  (Blutung,  intra¬ 
abdomineller  Gallenerguss,  Infektion  auf  dem  Blut-,  Lymph-,  Gallen¬ 
weg,  Lungenaffektionen  etc.).  Im  2.  Abschnitte  geht  Th.  dann  auf  die 
operative  Behandlung  der  Leberverletzungen  näher  ein,  bespricht  die 
Indikationen  zu  operativem  Vorgehen  bei  offenen  Leberverletzungen, 
für  die  er  die  allgemeinen  Grundsätze  bei  Bauchverletzungen  gelten 
lässt,  da  die  Leberverletzung  oft  vor  der  Erweiterung  der  Wunde 
resp.  dem  Bauchschnitt  gar  nicht  zu  erkennen  ist  und  die  er  auch 
für  die  Kriegsschüsse  nicht  ganz  verwerfen  möchte  (wenn  er  auch 
überzeugt  ist,  dass  auch  bei  prinzipieller  Frühlaparotomie  die  Zahl 
der  zu  rettenden  Bauchschüsse  klein  sein  wird).  Endlich  geht  Th.  atu 
die  Indikationen  zu  operativem  Vorgehen  bei  subkutanen  Leberver¬ 
letzungen  näher  ein,  behandelt  bezüglich  Technik  der  operativen  Be¬ 
handlung  der  Leberverletzungen  die  Narkose  und  Vorbereitung  und 
Schnittführung  bei  subkutanen  und  offenen  Verletzungen,  wobei  er 
die  Schnitte  von  Langenbuch,  Mikulicz,  Kausch,.  Spren¬ 
gel,  die  spez.  Vorschläge  von  Wullstein,  Michaelis  etc.  im 
einzelnen  würdigt  und  im  allgemeinen  den  epigastrischen  Median¬ 
schnitt  befürwortet,  dem  er  nach  Bedarf  einen  Kau  sch  - 
schen  Schrägschnitt  hinzufügt,  von  dem  aus  event.  leicht  die  Re¬ 
sektion  der  unteren  Rippenknorpel  ohne  Eröffnung  der  Pleura  vor¬ 
genommen  werden  kann,  und  sodann  auch  die  weiteren  Hilfsgriffe, 
die  Leber  zugänglich  zu  machen,  berücksichtigt.  —  Die  präventiven 
Massnahmen  gegen  die  Blutung  nach  dem  Bauchschnitt  (Aorten¬ 
kompression,  Abklemmen  des  Lig.  hepatoduodenale.  temporäre  Unter¬ 
bindung  der  Art.  mesenterica  sup.)  etc.,  die  definitive  Blutstillung  und 
Versorgung  der  Leberwunde,  die  Technik  der  Tamponade  und  Naht 
werden  sodann  detailliert  besprochen  und  die  Frage,  welche  Methode 
den  Vorzug  verdient,  erörtert.  Nach  Th.  soll  man  die  Naht  immer 
anwenden,  wenn  keine  Kontraindikation  vorliegt,  bei  allen  glatten 
Schnittwunden  und  Rissen,  die  für  die  Naht  erreichbar  sind,  wenn 
der  Zustand  des  Pat.  die  mehr  Zeit  erfordernde  Naht  erlaubt.  Die 
Tamponade  ist  bei  allen  Schusskanälen,  bei  allen  Rupturen  mit  stark 
zerquetschten  und  zerrissenen  Rändern  und  wenn  der  Zustand  des 
Patienten  eine  rasche  Blutstillung  und  Beendigung  der  Operation  er¬ 
heischt,  die  Wunde  für  die  Naht  zu  gross  und  zu  unbequem  gelegen, 
sowie  bei  besonders  brüchigem,  pathologisch  verändertem  Leber¬ 
gewebe  am  Platze,  auch  wenn  die  Wunde  nahe  am  Hilus  liegt,  die 
grossen  Gefässe  verletzt,  Gefässnaht  aber  nicht  möglich  ist.  Auch 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


199 


;  die  thermischen  Methoden  zur  Blutstillung,  Paquelin,  heisser  Wasser- 
jampf,  Heissluftkauterisation  etc.,  und  chemische  Styptika  werden 
| erörtert  (aber  nicht  empfohlen)  und  schliesslich  auf  die  Verletzungen 
ler  V.  portae,  Art.  hepatica,  die  Aneurysmen  der  Art.  hepatica  ent¬ 
sprechend  eingegangen  und  die  Verletzungen  der  Gallenblase  und 
extrahepatischer  Qallengänge  besprochen.  Rin  ausführliches,  über¬ 
sichtliches  Literaturverzeichnis  ist  der  Arbeit  angeschlossen.  In  der 
\rbeit  ist  eine  eingehende  Berücksichtigung  der  ausgedehnten 
Jteratur  zu  erkennen,  eine  reiche  Kasuistik  verwertet,  auch  die 
.■ntsprechenden  experimentellen  Forschungen  (darunter  auch  zahl- 
eiche  eigene  Tierversuche  des  Autors  etc.)  herangezogen,  die 
Technik  der  Eingriffe  klar  und  übersichtlich  geschildert,  so  dass  das 
aetreffende  Gebiet  in  der  Arbeit  Th  Öles  eine  dem  jetzigen  Stand¬ 
punkt  entsprechende  ausführliche  Darstellung  erfahren  hat. 

Schreiber. 

R.  Cassirer:  Die  vasomotorisch-trophischen  Neurosen.  Zweite 
umgearbeitete  und  vermehrte  Ausgabe.  Mit  24  Abbildungen  im  Text 
und  24  Tafeln.  988  Seiten.  Verlag  von  S.  Karger.  Berlin  1912. 
Preis  30  M. 

Für  den  wissenschaftlichen  Geist  der  medizinischen  Forschung 
ist  es  ein  gutes  Zeichen,  dass  ein  so  grosses  und  so  teures  Werk 
wie  das  Buch  von  Cassirer  über  die  vasomotorisch-trophischen 
Neurosen  nach  verhältnismässig  kurzer  Zeit  in  zweiter  Auflage  er¬ 
scheinen  musste.  Lieber  seltenere  Krankheiten,  wie  über  die  Erythro- 
melalgie,  die  Raynaud  sehe  Krankheit  oder  die  Sklerodermie 
wächst  die  Zahl  der  kasuistischen  Beobachtungen  in  beängstigender 
Weise  lawinenartig  an.  Füllt  doch  das  Literaturverzeichnis  am 
Schlüsse  des  vorliegenden  Buches,  in  dem  Titel  an  Titel  sich  eng¬ 
bedruckt  aneinanderreihen,  zw'eiundneunzig  (!)  Seiten*).  Dem  ein¬ 
zelnen  Arzte  ist  es  unmöglich,  sich  in  diesen  Bergen  von  Papier 
zurecht  zu  finden  und  er  muss  demjenigen  dankbar  sein,  der  sich  die 
Mühe  gibt,  das  Wissenswerte  daraus  zusammenzufassen.  Freilich 
bedarf  es  dazu  eines  Fleisses  und  einer  Ausdauer,  wie  diese  Eigen¬ 
schaften  in  so  hohem  Grade  wie  bei  Cassirer  wohl  selten  zu 
rinden  sind.  Cassirer  hat  es  sich  nicht  verdriessen  lassen,  unge¬ 
zählte  Publikationen  zu  exzerpieren;  ja  wenn  dem  Buche  ein  Vor¬ 
wurf  gemacht  werden  kann,  so  ist  es  der,  dass  es  zu  breit  und 
zu  gründlich  angelegt  ist.  Mit  dem  mächtigen  Umfang  des  vor¬ 
liegenden  Werkes  stehen  die  minimalen  positiven  Kenntnisse  über 
die  Innervation  der  Gefässe  und  über  deren  Störungen  im  argen 
Missverhältnisse.  All  die  Hypothesen  von  vasomotorischen  Zentren 
m  Gehirne  und  im  verlängerten  Marke  und  die  Hypothesen  von 
vasomotorischen  Reflexzentren  in  der  Peripherie  sind  nicht  über¬ 
zeugend  zu  begründen.  Durch  Sammlung  der  Kasuistik  kommt  man 
im  Verständnis  der  vasomotorischen  Vorgänge  wohl  kaum  viel 
weiter.  Merkwürdigerweise  hat  man  gerade  dort,  wo  sicher  Zen¬ 
tren  für  die  vasomotorische  Innervation  gelegen  sind,  nämlich  in 
den  Ganglien  des  Grenzstranges,  noch  nicht  die  Lokalisation  der 
Ursache  für  die  schweren  Gefässstörungen,  welche  der  Erythro- 
melalgie  oder  der  Raynaud  sehen  Krankheit  zugrunde  liegen,  ge¬ 
sucht.  Und  merkwürdigerweise  hat  man  an  der  einzigen  Stelle,  wo 
man  Aussicht  hat,  die  vasomotorischen  Nerven  getrennt  von 
den  zerebrospinalen  zu  untersuchen,  an  den  Rami  communicantes,  bei 
diesen  Krankheiten  noch  kaum  Nachschau  gehalten.  Freilich  solche 
histologische  Forschungen  sind  technisch  recht  schwierig. 

Besonders  wertvoll  sind  in  dem  vorliegenden  Werke  die  ein¬ 
leitenden  Kapitel  über  die  Vasomotoren,  über  die  sekretorischen 
Bahnen  und  über  die  trophischen  Funktionen  des  Nervensystems. 
Cassirer  ist  auf  dem  Gebiete  der  vasomotorisch-trophischen  Neu¬ 
rosen  unsere  erste  Autorität,  der  auch  das  Ausland  niemand  eben¬ 
bürtigen  zur  Seite  stellen  kann.  Es  ist  seinem  Buche,  seinem  Lebens¬ 
werke,  zu  wünschen,  dass  es  noch  weitere  Auflagen  erlebt.  Hoffent¬ 
lich  kann  Cassirer  dann  auch  über  Forschungen  berichten,  die  in 
das,  trotz  der  riesigen  Kasuistik  doch  noch  dunkle  Gebiet  der  vaso¬ 
motorischen  Neurosen  klärendes  Licht  bringen  und  die  uns  ein  wirk¬ 
liches  Verständnis  dieser  Krankheiten  ermöglichen. 

L.  R.  Müller-  Augsburg. 

Der  Tuberkulose-Fortbildungskurs  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf.  Herausgegeben  von  L.  Brauer.  Ver¬ 
lag  K.  Kabitzsch,  Würzburg.  M.  9. — . 

Die  Begründung  zur  Herausgabe  dieser  gesammelten  Vorträge 
des  Tuberkulose-Fortbildungskurses  in  Hamburg  dürfte  vornehmlich 
darin  zu  erkennen  sein,  dass  Inhalt  und  Form  der  dargebotenen  Vor¬ 
träge,  die  in  Form  klinischer  Demonstrationen  zumeist  eine  aus¬ 
gezeichnete  Ergänzung  des  medizinischen  Universitätsunterrichts 
gaben,  von  den  sonst  gehandhabten  Unterrichtsformen  differieren. 
Aus  den  einzelnen  Arbeiten  und  Vorträgen  entnehmen  wir  vor  allem, 
dass  durch  die  Grösse  des  gebotenen  Materials  und  die  Eigenart  des 
im  Fppendorfer  Krankenhause  gepflogenen  Unterrichts  ein  abgrenz- 
bares  Gebiet  erschöpfend  zur  Darstellung  gelangen  kann.  In  dem 
Vorwort  Brauers,  des  Herausgebers  dieser  Vorträge,  ist  in  be- 


*)  Angesichts  einer  solch  unsinnig  grossen  und  doch  so  un- 
■  ruchtbaren  Literatur  ist  man  versucht,  Vorschläge  für  die  allge¬ 
meine  Einschränkung  der  Publikationen  zu  machen.  Es  ist  nur  zu 
Tiirchten,  dass  diese  ebensowenig  Erfolg  haben  werden  wie  die  Vor¬ 
schläge  für  die  Abrüstung  der  Mächte. 


soliderem  Masse  darauf  hingewiesen,  dass  lückenlose,  grosse  Be¬ 
obachtungsreihen  von  Kranken,  wie  sie  an  mittleren  und  kleinen 
Universitäten  schwerlich  ermöglicht  werden  können,  in  einer  Stadt 
wie  Hamburg  sich  mühelos  verwirklichen  lassen  —  in  Hamburg,  wo 
Mittel,  Lehrkräfte  und  Material  sich  kaum  wie  in  einer  anderen 
Stadt  zum  Ausbau  einer  Universitätsplanung  eignen. 

A.  Predöhl  gibt  eine  umfassende  Uebersicht  über  die  Mittel 
zur  sozialen  Fürsorge  im  Kampf  gegen  die  Tuberkulose  und  be¬ 
spricht  die  leitenden  Gesichtspunkte  bei  der  Auswahl  Tuberkulöser 
zur  Heilstättenbehandlung;  H.  S  i  e  v  e  k  i  n  g  beschreibt  die  Tätig¬ 
keit  der  Fürsorgestellen  für  Lungenleidende  in  Hamburg;  darauf 
folgen  von  H.  Much,  dem  Leiter  der  Abteilung  für  experimentelle 
Therapie  am  Eppendorfer  Krankenhause,  sechs  Vorlesungen  über 
neuere  Ergebnisse  und  Studien  über  die  Tuberkelbazillen,  über  die 
Immunität  bei  Tuberkulose,  Studien,  die  zum  grössten  Teil  die  ver¬ 
dienstvollen  Leistungen  Muchs  über  diese  Gegenstände  behandeln; 
Deycke  bespricht  auf  Grund  eigener  Forschungen  die  Beziehungen 
zwischen  Lepra  und  Tuberkulose;  O.  Schümm  bringt  eine  ein¬ 
gehende  Besprechung  der  Farbstoffe  und  Reaktionen  im  Harn  bei  der 
Tuberkulose;  über  die  Differentialdiagnose  der  tuberkulösen  orga¬ 
nischen  Erkrankungen  von  Gehirn  und  Rückenmark  betitelt  sich  ein 
weiterer,  interessanter  Aufsatz  von  M.  Nonne;  an  der  Hand  eines 
überreichen  Krankenmaterials  behandelt  F.  Oehlecker  die  ortho¬ 
pädischen  Massnahmen  bei  der  Knochen-  und  Gelenktuberkulose. 
Endlich  folgt  ein  Aufsatz  von  A.  Thost  über  die  Behandlung  der 
Larynxtuberkulose,  eine  Abhandlung  von  W.  Rüder  über  die 
Tuberkulose  in  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  und  eine  inter¬ 
essante  Studie  von  W.  Weygandt  über  den  Seelenzustand  der 
Tuberkulösen.  — 

Die  Hamburger  Fortbildungskurse  legen  beredtes  Zeugnis  für  die 
praktischen  und  wissenschaftlichen  Leistungen  der  Hamburger  Kran¬ 
kenanstalt  und  wissenschaftlichen  Institute,  insbesondere  des  Eppen¬ 
dorfer  Krankenhauses,  ab.  Sie  überzeugen  weiter,  dass  das  grosse 
Hamburger  Krankenhaus  und  überhaupt  die  Hamburger  akademische 
Medizin  zur  Uebernahme  eines  vollwertigen  klinischen  Unter¬ 
richts  im  wesentlichen  fertig  ist.  Herrn.  L  ü  d  k  e. 

Engelen:  Die  wichtigsten  Krankheitsbilder  der  inneren  Medi¬ 
zin  in  Statusform.  München  1912  bei  0.  Gmelin,  213  S.  4  M. 

Eine  wichtige,  oft  vernachlässigte  Aufgabe  des  Arztes  ist  es,  die 
am  Krankenbett  erhobenen  Befunde  möglichst  kurz  und  klar  zu  skiz¬ 
zieren  und  für  später  aufzubewahren.  Hiezu  soll  der  Studierende 
durch  Engelens  Buch,  das  die  einzelnen  Krankheitsformen  mög¬ 
lichst  knapp  und  präzise  in  Statusform  schildert,  angeleitet  werden. 
Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  das  Buch  diesen  Zweck  erreicht  und 
fleissig  benützt  wird.  Nebenbei  kann  es  als  sehr  zweckmässiges 
Repetitorium  der  inneren  Medizin  dienen.  Es  ist  sehr  sorgfältig  und 
geschickt  gearbeitet,  wenn  auch  einzelne  Krankheitsformen  sich 
gegen  die  Schilderung  in  Statusform  sträuben,  so  vor  allem  die  Neu¬ 
rosen.  Die  Darstellung  der  traumatischen  Neurose  dürfte  bei  Stu¬ 
dierenden  vielfach  das  Missverständnis  hervorrufen,  dass  die  be¬ 
rüchtigten  „objektiven  Symptome“  irgendwas  beweisen. 

Kerschensteine  r. 

Ludwig  Piskacek:  Lehrbuch  für  Schülerinnen  des  Hebamme- 
kursus  und  Nachschlagebuch  für  Hebammen.  Fünfte,  vermehrte  Auf¬ 
lage.  Mit  101  Abbildungen.  Wien  und  Leipzig  1913.  279  Seiten. 

Preis  9  K.  —  7.50  M. 

Das  vorliegende  Hebammenlehrbuch,  bestimmt  für  die  öster¬ 
reichischen  Hebammen,  erlebt  seit  dem  Jahre  1895  nunmehr  seine 
fünfte  Auflage,  ein  Zeichen,  dass  dasselbe  eine  gute  Aufnahme  ge¬ 
funden  hat.  Das  Buch  ist  auf  Kunstpapier  gedruckt,  wodurch  die 
zahlreichen  sehr  instruktiven  Abbildungen  besonders  schön  heraus¬ 
gekommen  sind,  allerdings  ist  dadurch  auch  der  Preis  des  Buches 
ein  recht  hoher,  verglichen  mit  dem  unseres  preussischen  Hebammen¬ 
lehrbuches.  Auf  Einzelheiten  kann  hier  nicht  eingegangen  werden; 
das  Buch  verdient  wegen  seiner  knapp  gefassten  und  klaren  Dar¬ 
stellung  sowie  der  übersichtlichen  Anordnung  des  Stoffes  vollste 
Anerkennung,  und  Empfehlung.  A.  Rieländer  -  Marburg  a.  L. 

J.  Marcuse:  Die  Beschränkung  der  Geburtenzahl,  ein  Kultur¬ 
problem.  51  S.  München,  E.  Reinhardt,  1913.  Preis  M.  2.50. 

J.  Wolff:  Der  Geburtenrückgang.  Die  Rationalisierung  des 
Sexuallebens  in  unserer  Zeit.  VI  und  235  S.  Jena,  G.  Fischer, 
1912.  Preis  M.  7.50. 

J.  Bornträger:  Der  Geburtenrückgang  in  Deutschland,  seine 
Bewertung  und  Bekämpfung.  Veröffentlichungen  aus  dem  Gebiete 
der  Medizinalverwaltung,  I,  Heft  13.  Berlin,  R.  Schötz,  1912. 
XV  u.  168  S.  Preis  M.  3.75. 

Die  drei  Schriften  beschäftigen  sich  mit  derselben  Erscheinung, 
dem  seit  Jahrzehnten  einsetzenden  relativen  und  nunmehr  auch  abso¬ 
luten  Rückgang  der  Geburten  und  seinen  Ursachen,  sowie  teilweise 
auch  mit  den  Mitteln  und  Möglichkeiten  seiner  Bekämpfung.  Sie 
nehmen  dabei  sehr  verschiedene  Standpunkte  zu  der  ganzen  Frage 
ein  und  spiegeln  so  in  nuce  den  Kampf  wieder,  der  über  dieses  Gebiet 
wissenschaftlich  und  publizistisch  —  was  wohl  zu  unterscheiden  ist 
teilweise  mit  grosser  Leidenschaft  geführt  wird  und  zu  dem  auch  der 
Arzt  in  Anbetracht  der  vielfachen  praktischen  Berührungspunkte  mit 
den  Bestrebungen  zur  Verhinderung  der  Empfängnis  und  Geburt  und 
ihren  gesundheitlichen  Folgen  Stellung  zu  nehmen  gezwungen  ist. 


200 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  4. 


M  a  r  c  u  s  e,  der  offenbar  der  Ansicht  ist,  den  fortgeschrittensten 
Standpunkt  einzunehmen,  erwartet  die  Höherentwicklung  der 
Menschheit  und  die  Unterordnung  niederstehender  Rassen  weniger 
von  der  Zahl  der  Hände  als  von  der  der  Köpfe  und  betont,  dass  eine 
Art  ihre  Erhaltung  sowohl  durch  gesteigerte  Fruchtbarkeit  wie 
durch  Vervollkommnung  der  Individuen  besorgen  kann,  wobei  aber 
gesteigerte  Fruchtbarkeit  ein  Ausweichen  vor  der  Selektion  dar¬ 
stelle.  Er  sieht  daher  einen  Rassenselbstmord  in  der  Herabsetzung 
der  Kinderzahl  nur  dann,  wenn  nicht  soziale  Massnahmen  zur  Ver¬ 
besserung  der  organischen  Anlagen  und  des  Milieus  in  weitem  Um¬ 
fang  getroffen  würden.  In  den  antikonzeptionellen  Mitteln  sieht  er 
den  einzigen  Damm  gegen  Fruchtabtreibung  und  Kindsmord  — 
nebenbei  jedenfalls  ein  unwirksamer.  Die  letzte  Ursache  der  Gebur¬ 
tenprävention  sieht  er  ebenso  wie  die  des  Alkoholismus  und  der  Zu¬ 
nahme  der  Geschlechtskrankheiten  ausschliesslich  in  ungünstigen 
sozialen  Verhältnissen  und  erwartet  vom  Staate  keine  durchgreifen¬ 
den  Massregeln  zur  Bekämpfung  all  dieser  Erscheinungen. 

Ganz  auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkt  steht  Born¬ 
träger,  der  ohne  besonderes  Streben  nach  wissenschaftlicher  Ver¬ 
tiefung  und  ohne  Achtung  vor  den  Schlagworten  der  Neomalthusianer 
die  weitgehenden  Wirkungen  ihrer  praktischen  Betätigung  und  Be¬ 
lehrung  besonders  auch  auf  Grund  der  ärztlichen  Erfahrung  schildert 
und  neben  den  grossen  auch  die  kleinen  Mittel  zur  Bekämpfung 
dieser  Richtung  nicht  verschmäht.  Wenn  er  auch  in  der  Bewertung 
der  Wohltätigkeitsbestrebungen  zu  weit  geht  und  mit  Unrecht  den 
herrschenden  Materialismus  auf  die  naturwissenschaftliche  Bildung 
zurückführt  —  in  Wirklichkeit  haben  die  meisten  Materialisten 
ebensowenig  eine  Weltanschauung  wie  ein  grosser  Teil  der  Nicht¬ 
materialisten,  sondern  sind  wie  diese  Mitläufer  —  so  ist  es  doch  ver¬ 
dienstlich,  dass  er  dem  Einzelnen  nicht  nur  mit  Angeboten,  sondern 
auch  mit  Forderungen  herantritt  und  dass  er  die  unwürdige  Rolle, 
die  einzelne  Aerzte  bei  der  Verbreitung  ungesetzlicher  Bestrebungen 
zur  Konzeptionsverhinderung  und  -Vernichtung  spielen,  offen  brand¬ 
markt. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  beiden  Schriften  beschäftigt  sich  Wolf  f 
ausgesprochenermassen  mit  dem  Problem  mit  rein  wissenschaftlicher 
Gelassenheit,  indem  er  die  verschiedenen  Ursachen  des  Geburten¬ 
rückganges  und  insbesondere  die  Tatsache  feststellt,  dass  er  eine 
Widerlegung  des  M  a  1 1  h  u  s  sehen  Gesetzes  bedeutet. 

Weinberg  -  Stuttgart. 

Handwörterbuch  der  Naturwissenschaften.  Herausgegeben  von 

E.  Korschelt  (Zoologie),  G.  Linck  (Mineralogie  und  Geologie), 

F.  Oltmanns  (Botanik),  K.  Schaum  (Chemie),  H.  Th.  Simon 
(Physik),  M.  Verworn  (Physiologie)  und  E.  Teich  mann 
(Hauptredaktion).  Lief.  7 — 34.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer 
1912.  Preis  der  Lieferung  M.  2.50. 

Seit  seinem  ersten  Erscheinen  im  Frühjahre  1912  hat  das  Hand¬ 
wörterbuch,  im  erfreulichen  Gegensatz  zu  vielen  anderen  lieferungs¬ 
weise  erscheinenden  Werken,  rasche  Fortschritte  gemacht.  Es  sind 
28  Lieferungen  erschienen  und  damit  Band  I  (Abbau — Black),  Band  II 
(Blatt — Ehrenberg),  Band  IV  (Lacaze-Duthiers — Nemathelminthes)  und 
Band  VII  (Nagelflue — Pyridingruppe)  vollständig.  Die  vorliegenden 
Bände  bestätigen  den  ersten  Eindruck,  dass  es  sich  hier  um  ein  höchst 
bedeutsames  Werk  handelt,  das  für  jeden  naturwissenschaftlichen  Ar¬ 
beiter  wertvoll  ist,  für  keinen  aber  mehr  wie  für  den  Mediziner, 
dessen  Berührungspunkte  mit  anderen  Wissenschaften  zahlreicher 
sind  wie  bei  irgend  einem  anderen  Gebiet.  Auf  den  Inhalt  einzugehen 
ist  unmöglich.  Wir  erwähnen  ganz  willkürlich  aus  den  letzten  Liefe¬ 
rungen  die  vorzüglichen  Artikel  über  Photochemie,  Photographie, 
Photographische  Messkunst,  Photometrie,  Photosynthese:  die  Artikel 
Pilze,  Plathelminthes,  Polymorphismus,  Protozoa,  den  grossen,  von 
Plate  geschriebenen  Artikel  Deszendenztheorie  etc.  Zahlreich  sind 
auch  die  biographischen  Artikel.  Jedem  Artikel  ist  eine  kurze  Inhalts¬ 
angabe  vorausgeschickt,  die  die  Orientierung  ausserordentlich  er¬ 
leichtert.  Wir  führen  als  Beispiel  die  Disposition  der  Abhandlung 
über  experimentelle  Psychologie  von  Ziehen  an:  1.  Abgrenzung 
gegen  die  Naturwissenschaften  s.  str.  2.  Aufgaben  der  Psychologie. 
3.  Geschichtliche  Entwicklung  der  psychologischen  Methoden,  a)  spe¬ 
kulative,  b)  empirische,  c)  experimentelle  oder  physiologische  Psycho¬ 
logie.  4.  Das  psychologische  Tierexperiment.  5.  Nichtexperimentelle 
Einzelbeobachtungen  und  Sammelbeobachtungen  (Statistik).  6.  An¬ 
wendung  der  Mathematik  auf  die  psychologischen  Untersuchungser¬ 
gebnisse.  7  Verwertung  der  Hirnphysiolgie  und  Hirnpathologie.  8.  In¬ 
dividual-  und  Massenpsychologie',  Völkerpsychologie.  9.  Tierpsycho¬ 
logie  und  Beziehung  zur  Zoologie.  10.  Allgemeine  psychologische  Ge¬ 
setze.  11.  Hauptrichtungen  der  heutigen  Psychologie.  12.  Be¬ 
ziehungen  zur  Erkenntnistheorie.  Das  Beispiel  zeigt,  wie  gründlich 
die  Artikel  auf  ihren  Stoff  eingehen,  der,  wie  nochmals  hervorgehoben 
sei,  in  streng  wissenschaftlicher  Form  behandelt  wird.  Das  Werk 
verdient  das  lebhafte  Interesse  auch  der  medizinischen  Kreise. 

Mollier  S.:  Das  histologisch-embryologische  Institut  der 
neuen  anatomischen  Anstalt  München  mit  einer  Darstellung  der  hier 
geübten  Unterrichtsmethoden  und  einem  Anhang:  Ueber  den  Bau 
eines  neuen  mikroskopischen  Statives.  4°.  Leipzig  1912.  S.  Her¬ 
zei.  56  Seiten,  18  Taf.,  97  Fig.  Preis  5  M. 

Mollier  beschreibt  in  der  vorliegenden,  äusserst  schön  aus¬ 
gestatteten  Schrift  die  Einrichtungen  des  im  oberen  Stockwerk  des 
neuen  Münchener  Anatomiegebäudes  untergebrachten  histologisch¬ 


embryologischen  Instituts,  des  Mikroskopiersaales  mit  seiner  Ein¬ 
richtung  und  der  dort  geübten  Methode  des  mikroskopischen  Kurses, 
der  Laboratorien,  Vorratsräume,  Tierställe,  Aquarien  etc.  Im  An¬ 
hang  wird  das  auf  M.s  Anregung  hin  von  der  Firma  Winkel  kon¬ 
struierte  Kursmikroskopstativ  erläutert,  dessen  schiefe,  künstlerisch 
schön  geformte  Säule  (Entwurf  Riemerschmid)  sich  der  Krüm¬ 
mung  der  Wirbelsäule  des  Beobachtenden  anpasst. 

S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

Neueste  Journaliteratur. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie.  Bd.  25,  Heft  3  u.  4,  Jena  1912,  Gustav  Fischer. 

22)  J.  Mayesima:  Ueber  den  Wert  und  das  Wesen  der 
C  a  m  m  i  d  g  e  sehen  Reaktion  bei  Pankreaserkrankungen.  (Aus  der 
Kais.  chir.  Universitätsklinik  Kyoto,  Japan.) 

Die  Reaktion  fiel  bei  den  verschiedensten  Erkrankungen  und 
häufig  auch  bei  Gesunden  positiv  aus,  hat  also  keine  diagnostische  Be¬ 
deutung  für  Pankreasleiden.  Die  Untersuchung  der  erhaltenen  Kri¬ 
stalle  zeigte,  dass  dieselben  nicht  immer  gleiche  chemisch-physi¬ 
kalische  Eigenschaften  besitzen,  und  dass  die  im  normalen  Harn  vor¬ 
kommenden  gepaarten  Glukuronsäuren  in  den  meisten  Fällen  den 
positiven  Ausfall  der  Reaktion  bewirken. 

23)  K.  I  s  o  b  e  (Kais.  Chir.  Klinik  Kyoto) :  Experimenteller  Bei¬ 
trag  zur  Bildung  venöser  Kollateralbahnen  in  der  Niere. 

Beim  Kaninchen  stellt  sich  nach  Ligatur  der  Nierenvene  kein 
genügender  Kollateralkreislauf  her.  Die  dekapsulierte  und  mit  Netz 
umhüllte  Niere  kann  sich  von  der  Venenligatur  so  weit  erholen,  dass 
die  Exstirpation  der  anderen  Niere  vertragen  wird,  meist  aber  wird 
die  Marksubstanz  nekrotisch.  Viel  rascher  und  besser  erholt  sich 
die  Niere  nach  Netzimplantation  in  die  Nephrotomiewunde.  Die  neuge¬ 
bildeten  Venenanastomosen  zwischen  Netz  und  Niere  waren  nach 
7  Monaten  noch  vorhanden,  auch  wenn  keine  Stauung  das  Offen¬ 
bleiben  dieser  Bahnen  begünstigte. 

24)  Sigmund  Auerbach  und  Franz  Alexande.r  (Marien¬ 
krankenhaus  zu  Frankfurt  a.  M.):  Ueber  eine  praktisch  wichtige  oto¬ 
gene  Hirnkomplikation. 

Bei  einem  Mann  mit  verjauchtem  Cholesteatom  im  linken  Mittel¬ 
ohr,  doppelseitiger  Stauungspapille  wurde  nach  Totalaufmeisselung 
die  linke  Vena  jugul.  int.  unterbunden,  Sinus  und  Bulbus  freigelegt, 
ihre  Wand  reseziert,  Thrombusmassen  ausgeräumt.  Das  Fieber  fiel 
ab,  das  Sehvermögen  verschlechterte  sich  bedeutend,  Abduzens  und 
Mundfazialis  rechts  wurden  paretisch.  Punktion  des  rechten  Seiten¬ 
ventrikels  und  des  Kleinhirns  hatte  keinen  Erfolg,  erst  nach  De- 
kompressivtrepanation  über  der  linken  Frontotemporalgegend  gingen 
die  Nervensymptome  zurück.  Der  Kranke  starb  an  Erysipel, 
Schädelphlegmone,  eitriger  Meningitis,  in  der  Nähe  des  Operations¬ 
gebietes  am  Ohr  fanden  sich  keine  Komplikationen.  Da  eine  auffällige 
Differenz  oder  Varietät  der  Blutleiter  nicht  gefunden  wurde,  so  ver¬ 
muten  Verfasser  als  Ursache  der  Hirndrucksteigerung  und  Papillitis 
Verlaufsanomalien  bezw.  Varietäten  der  Venen  im  Innern  des  Ge¬ 
hirns.  Bei  Thrombose  des  linken  Sinus  transversus  soll  man  daher 
mit  der  Unterbindung  der  V.  jugularis  lieber  etwas  zuwarten,  nament¬ 
lich  wenn  schon  eine  ausgesprochene  Papillitis  vorhanden  ist. 

25)  Erich  Ebstein  (Med.  Klinik  Leipzig):  Ueber  Eunuchoidis¬ 
mus  bei  Diabetes  insipidus. 

Bei  dem  einen  Kranken  fand  sich  ein  unzweifelhafter  Hypo¬ 
physentumor  mit  bitemporaler  Hemiachromatopsie,  Haarausfall,  tro- 
phische  Hautstörungen,  vermehrter  Fettansatz  in  der  unteren  Bauch¬ 
gegend,  an  den  Brüsten,  Oberarmen  und  Oberschenkeln,  ferner  Rück¬ 
bildung  der  Genitalien.  Bei  dem  anderen  15jähr.  Kranken  mit  Dia¬ 
betes  insipidus  fand  sich  der  charakteristisch  lokalisierte  Fettansatz, 
Hypoplasie  des  Genitales  und  Oligotrichosis,  die  Beteiligung  der 
Hypophyse  war  nicht  nachzuweisen,  doch  fiel  niedriger  Blutdruck  und 
kleine  Thyreoidea  auf. 

26)  Sigmund  Auerbach  und  Emil  Grossmann:  Ueber  einen 
Fall  von  doppelseitigen  mit  Erfolg  operierten  Kleinhirnzysten.  (Aus 
der  Poliklinik  für  Nervenkranke  und  der  Klinik  des  Roten  Kreuzes 
zu  Frankfurt  a.  M.) 

Bei  einem  20  jährigen  Manne,  welchem  vor  4  Jahren  eine  grosse 
Zyste  in  der  linken  Kleinhirnhemisphäre  osteoplastisch  entfernt  wor¬ 
den  war,  entwickelten  sich  entsprechende  Symptome  von  seiten  der 
rechten  Kleinhirnhemisphäre.  Eine  grosse  Zyste  wurde  in  einzeitiger 
Operation  möglichst  vollständig  entfernt;  Heilung.  Verfasser  wün¬ 
schen  ergänzende  katamnestische  Erhebungen  bei  den  sonst  als  ge¬ 
heilt  beschriebenen  Kranken  mit  operierten  Kleinhirnzysten. 

27)  Georg  B.  G  r  u  b  e  r  (Pathol.-Anat.  Inst,  des  Krankenhauses 
München  r.  d.  I.) :  Zur  Lehre  über  das  peptische  Duodenalgeschwür. 
Siehe  Referat  über  den  im  ärztlichen  Verein  München  gehaltenen 
Vortrag  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  51,  S.  2840. 

28)  Emmo  Schlesinge  r- Berlin:  Die  Behandlung  der  Gastro- 
ptose  durch  keilförmige  Resektion  in  der  Pars  media  des  Magens. 

Für  die  seltenen  Fälle  von  Gastroptosen,  welche  jeder  internen 
Therapie  getrotzt  haben,  und  deren  wesentliche  Symptome  nicht  nur 
Teilerscheinungen  einer  allgemeinen  Asthenie  sind,  schlägt  Verfasser 
vor,  dem  Magen  seine  normale  Form  durch  Resektion  des  schlaffen 
Mittelstückes  vgiederzugeben.  Die  Operation  hat  sich  in  einem  Fall 
bewährt  In  einem  anderen  Fall  bewährten  sich  einfache  Raffnähte 


28.  Januar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  201 


zwecks  Verkleinerung  des  Magens  nicht,  es  entstand  ein  Sanduhr- 

niagen. 

29)  Erich  Plate  und  Felix  Lewandowsky  (Allgem.  Kran¬ 
kenhaus  Hamburg-St.  Georg) :  Ueber  einen  Fall  von  symmetrischer 
Schwellung  der  Speichel-  und  Tränendrüsen,  nebst  Beteiligung  des 
lymphatischen  Apparates  und  der  Haut. 

Der  beschriebene  Fall  (12  jähriger  Knabe)  gehört  nicht  zur  Mi¬ 
kulicz  sehen  Krankheit,  denn  es  waren  auch  Milz-  und  Lymph- 
driisen  geschwellt,  das  Allgemeinbefinden  gestört,  ebenso  die  Herz¬ 
tätigkeit,  es  trat  ein  Exanthem  ähnlich  einem  Erythema  nodosum  auf; 
der  Tränendrüsenschwellung  ging  Konjunktivitis  voraus.  Es  wurde 
eine  Infektionskrankheit  mit  unbekanntem  Erreger  angenommen. 
Salizylbehandlung  wirkte  günstig. 

30)  Kiilbs:  Ueber  Lungenabszesse  und  Bronchiektasen.  (Aus 
der  med.  Klinik  Kiel.) 

Von  41  Fällen  mit  Lungengangrän  bzw.  putridem  Abszess  wur¬ 
den  24  operiert,  von  diesen  starben  7,  14  wurden  geheilt,  3  gebessert; 
von  den  17  Nichtoperierten  starben  8,  5  waren  ungeheilt,  4  gebessert. 
Aetiologie,  Diagnose,  Operationstechnik  (Lokalanästhesie)  werden 
besprochen.  Was  die  Indikation  zur  Operation  betrifft,  so  kann  man 
bei  akut  entstandenem  Prozess  einstweilen  zuwarten,  solange  der 
Allgemeinzustand  gut  ist.  Gehen  die  Symptome  nicht  zurück,  ist  der 
Abszess  lokalisierbar  und  zugänglich,  nimmt  das  Körpergewicht  ab, 
die  Pulsfrequenz  und  die  nervösen  Allgemeinerscheinungen  zu,  so  soll 
man  operieren,  insbesondere  wenn  man  Verwachsungen  erwarten 
darf.  Auch  beim  chronischen  Abszess  ist  vor  allem  der  Allgemein¬ 
zustand  massgebend. 

Auch  bei  den  7  operierten  Bronchiektasien  war  der  Eingriff  da¬ 
durch  veranlasst,  dass  die  Kranken  durch  putride  Bronchitis  oder 
starke  Blutungen  heruntergekommen  waren;  5  starben,  2  wurden  ge¬ 
bessert.  Die  Operation  kann  nur  Erfolg  haben,  wenn  man  ein  grosses 
Rippenfenster  anlegt  und  den  Thorax  ausgiebig  mobilisiert.  Bei  den 
Sektionen  fiel  auf,  dass  die  Ektasien  oft  im  Verhältnis  zum  reichlichen 
Sputum  klein  waren,  dass  die  Bronchitis  oft  ausgedehnter  war  als 
erwartet  wurde,  und  dass  meist  ausgedehnte  interstitielle  Verände¬ 
rungen  mit  ziemlich  erheblicher  Starre  des  mit  Bronchiektasen  durch¬ 
setzten  Lappens  vorhanden  waren. 

31)  Johannes  0  eh  ler  (Chir.  Klinik  Freiburg  i.  Br.):  Beitrag 
zur  Kenntnis  der  lokalen  Eosinophilie  bei  chirurgischen  Darmaffek¬ 
tionen  (eine  histologische  Studie). 

Es  gibt  eine  Gewebseosinophilie  ohne  merkliche  Vermehrung  der 
eosinophilen  Zellen  im  kreisenden  Blut,  und  zwar  kommt  lokale 
Eosinophilie  auch  physiologischer  Weise,  und  zwar  regelmässig  in 
der  Darmwand  zustande.  Sie  ist  die  Folge  des  durch  die  Ingesta  aus- 
geiibten  chemischen  bzw.  bakteriellen  Reizes.  Im  entzündeten  Wurm¬ 
fortsatz  und  auch  in  der  Umgebung  tuberkulöser  Herde  fand  Verf. 
die  Eosinophilie  nicht  erheblicher  als  sonst  in  der  Darmwand.  In 
Darmpolypen  fanden  sich  Eosinophile  besonders  reichlich,  ebenso  an 
der  Grenze  zwischen  Karzinom  und  Submukosa  (Schutzwall).  Das 
Bestehen  des  Tumors  für  sich  scheint  noch  keine  Eosinophilie  zu  be¬ 
dingen,  sondern  erst  die  Entzündung  und  besonders  die  Ulzeration. 
Die  „eosinophilen  Darmerkrankungen“  sind  wohl  mit  dem  Asthma 
bronchiale  auf  eine  Stufe  zu  stellen. 

32)  D.  G  e  r  h  a  r  d  t  -  Würzburg:  Ueber  günstige  Beeinflussungen 
chronischer  Erkrankungen  durch  interkurrente  Infektionskrankheiten. 

Vorübergehende  Besserung  wurde  in  folgenden  Fällen  be¬ 
obachtet.  Alte  Trigeminusneuralgie  sistierte  während  kruppöser 
Pneumonie;  doppelseitige  Ichias  bei  Kreuzbeintumor  sistierte 
während  Pneumonie:  tuberkulöser  Aszites  lieferte  reichliche  Diurese 
während  kruppöser  Pneumonie;  subchronischer  Gelenkrheumatismus 
verlor  seine  Symptome  während  follikulärer  Angina;  akute  Psychose 
(Verwirrtheit)  sistierte  während  Erysipel;  Drucksymptome  bei  Hirn¬ 
tumor  sistierten  während  Masern. 

Heft  4.  33)  Eugen  J  a  c  o  b  s  o  h  n  -  Charlottenburg:  Arthritis 

hypertrophicans.  Ein  Beitrag  zur  Klassifikation  der  chronischen  Ge¬ 
lenkerkrankungen. 

Die  geläufigen  Ausdrücke  „chronischer  Gelenkrheumatismus“ 
und  „Arthritis  deformans“  lehnt  Verf.  ab,  weil  mit  ihnen  kein  be¬ 
stimmter  Krankheitsbegriff  verknüpft  ist.  Für  zweckmässig  hält  er 
die  besonders  nach  dem  Röntgenbild  leicht  zu  treffende  Unterschei¬ 
dung  in  atrophische  und  hypertrophische  Gelenkerkrankungen.  Von 
der  hypertrophischen  Form  gibt  er  eine  ausführliche  Schilderung. 
Hauptmerkmale  sind,  dass  meist  ein  Gelenk  befallen  wird  (selten 
einige),  meist  ein  grösseres,  dass  das  männliche  Geschlecht  bevor¬ 
zugt  ist,  dass  palpable  Gelenkprominenzen  oder  freie  Gelenkkörper 
vorhanden  sind,  dass  trophische  Störungen  fehlen  oder  doch  wenig 
auffallen,  auch  Muskelatrophie  wenig  ausgeprägt  ist,  dass  das  Leiden 
langsam  fortschreitet  und  nicht  zur  Ankylose  führt,  und  dass  das  All¬ 
gemeinbefinden  selten  erheblich  gestört  ist.  Gelenkkrepitation  ist 
meist  stark,  die  Bewegungsfreiheit  verhältnismässig  gut  erhalten. 
Im  Röntgenbild  fallen  auf:  zackige  Auswüchse  oder  plumpe  Rand¬ 
wülste,  Bildung  freier  Körper,  breiter  Gelenkspalt,  Bildung  von 
Lücken  in  der  Spongiosa,  von  Defekten  in  der  Kortikalis,  verhältnis¬ 
mässig  geringe  Knochenatrophie.  Pathologisch-anatomisch  zeigt  sich 
vor  allem  die  Knorpelsubstanz  ergiffen,  die  Synovialis  weniger  be¬ 
teiligt.  Auch  das  jugendliche  Alter  wird  befallen,  namentlich  das 
Ellbogengelenk.  Trauma  spielt  eine  wichtige  Rolle.  Therapeutisch 
wirkt  Ruhe  schlecht,  Bewegung  mit  Massage  und  Hyperämie  gut. 
An  zahlreichen  Röntgenbildern  werden  die  Veränderungen  der  ein¬ 
zelnen  Gelenke  erläutert. 


34)  P.  Esch  (Universitäts-Frauenklinik  Marburg):  Experimen¬ 
telle  Untersuchungen  über  den  beschleunigten  Nachweis  von  Tuber¬ 
kelbazillen  durch  den  Meerschweinchenversuch. 

Die  intrakutane  Tuberkulininjektion  (0,02  ccm)  zeigte  sich  der 
subkutanen  bedeutend  überlegen,  die  Reaktion  tritt  rascher  und  zu¬ 
verlässiger  ein.  Als  doppelte  Sicherung  hat  man  dann  nach  der  posi¬ 
tiven  intrakutanen  Prüfung  die  Tötung  und  Autopsie  des  Versuchs¬ 
tieres.  Das  zuverlässigste  anatomische  Merkmal  der  generalisierten 
Meerschweinchentuberkulose  ist  die  Milzveränderung,  in  zweiter 
Linie  ist  auf  die  portalen  und  bronchialen  Drüsen  zu  achten.  Ob  die 
Injektion  des  zu  untersuchenden  Materials  intraperitoneal  oder  sub¬ 
kutan  oder  intrahepatisch  erfolgt,  ist  bei  Anwendung  der  intra¬ 
kutanen  Tuberkulinprüfung  gleichgültig;  intrakardiale  oder  intra¬ 
venöse  Injektion  wirkt  besonders  rasch  und  empfiehlt  sich  für  Harn, 
Exsudate,  Liquor  cerebrospinalis.  Die  genaueren  Vorschriften  betr. 
Zeitabstände,  Kontrolltier  etc.  sind  nachzulesen. 

35)  E.  P  a  g  e  n  s  t  e  c  h  e  r  -  Wiesbaden:  Das  Verhalten  trauma¬ 
tischer  Blutergüsse  speziell  in  den  Gelenken  und  der  Pleura. 

Dem  bei  Punktion  eines  Hämarthros  genu  erhaltenen  dunklen, 
auffallend  lang  flüssig  bleibenden  Blut  ist  von  der  Synovialiswand 
abgeschiedenes  Serum  und  Synovia  beigemengt.  Die  Synovialis 
selbst  schwillt  an.  Die  von  der  Natur  bewirkte  Verdünnung  des  Er¬ 
gusses  ist  zwar  „zweckmässig“,  hat  aber  auch  ihre  Nachteile,  es 
kommt  zu  Erschlaffung  oder  zu  Schrumpfung  der  durch  den  Erguss 
gereizten  Gelenkkapsel.  Blutige  Gelenkergüsse  soll  man  daher  lieber 
frühzeitig  punktieren.  Auch  beim  Hämothorax  beugt  die  Punktion 
einer  chronischen  Entzündung  und  Schwartenbildung  vor. 

36)  Paul  Zander:  Zur  Histologie  der  Basedowstruma.  (Aus 
dem  Pathol.-anat.  Institut  Freiburg  i.  Br.) 

24  Strumen  von  sicheren  Basedowfällen  aus  verschiedenen 
Gegenden  Deutschlands  wurden  histologisch  genau  untersucht;  die 
Hälfte  hatte  schon  ältere  Knoten,  die  andere  Hälfte  war  frei  von 
Adenombildungen.  Alle  zeigten  im  Parenchym  oder  in  den  Knoten 
oder  in  beiden  charakteristische  Veränderungen,  welche  bei  etwa 
500  zum  Vergleich  untersuchten  gewöhnlichen  Flachland-  und  Ge- 
birgskröpfen  nicht  gefunden  wurden.  Es  waren  Veränderungen  des 
sezernierenden  Epithels  und  seines  Verbandes,  des  Kolloides  und  des 
Gefässlymphsystems,  welche  auf  eine  vermehrte  Produktion  und  Re¬ 
sorption  von  Sekret  hindeuteten.  Die  Proliferations-  und  Hyper¬ 
plasiezustände,  ferner  die  häufige  Vermehrung  der  lymphatischen 
Elemente  fand  sich  oft  nur  herdweise,  so  dass  also  eine  sorgfältige 
Durchforschung  solcher  Drüsen  erforderlich  ist.  Die  Ergebnisse  be¬ 
stätigen  die  Befunde  Kochers,  dessen  Unterscheidung:  Struma 
Basedowiana  und  Struma  Basedowficata  Z.  für  zweckmässig  hält. 

37)  J.  Bungart:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Behandlung  gastro¬ 
intestinaler  Krisen  bei  Tabes  dorsalis  durch  Resektion  hinterer  Dor¬ 
salwurzeln  (Förster  sehe  Operation).  (Aus  der  Akad.  f.  prakt. 
Med.  in  Köln,  Chir.  Klinik  der  Städt.  Krankenanstalt  Lindenburg.) 

Bei  2  Kranken  hatte  die  Operation  den  gewünschten  Erfolg,  beim 
3.  Kranken  schwanden  die  gastrointestinalen  Beschwerden,  infolge 
des  protrahierten  Krankenlagers  kam  es  jedoch  zu  ausgedehntem  De¬ 
kubitus  und  eitriger  Zystitis.  Am  dankbarsten  sind  die  Fälle,  bei 
welchen  im  Anfang  der  Tabes  die  gastrointestinalen  Beschwerden 
vorwiegen  und  trophoneurotische  Störungen,  Ataxie  und  Muskel¬ 
atrophie  zurücktreten.  Bei  komplizierteren  Fällen  wird  die  Opera¬ 
tion  nur  durch  unerträgliche,  jeder  internen  Behandlung  trotzende 
Krisen  indiziert.  Bei  B.s  Fällen  stellte  sich  Sensibilität  auch  in  an¬ 
fangs  nach  der  Operation  unterbrochenen  Bezirken  wieder  her,  trotz¬ 
dem  1 — 2  cm  lange  Wurzelstücke  reseziert  waren;  Verf.  nimmt  an, 
dass  die  von  den  perzipierenden  Organen  über  das  intakte  Interverte¬ 
bralganglion  hinausgeleiteten  Reize  allmählich  neuen  Anschluss  an 
Anastomosennetze  der  Nachbarbezirke  fanden. 

38)  Josef  Reich:  Ueber  Gelbfärbung  der  Zerebrospinalflüssig¬ 
keit.  (Aus  der  Neurol,  Abt.  des  Allerheiligenhospitals  Breslau.) 

Bei  3  Fällen  von  Hirngeschwülsten  (Sarkom,  Karzinom,  Gliom) 
fand  sich  Gelbfärbung  des  Liquors,  Eiweissvermehrung,  starke  Ver¬ 
mehrung  der  zelligen  Elemente,  Gehalt  an  Blutkristallen.  Die  Ge¬ 
schwülste,  von  denen  2  schon  makroskopisch  durch  Blutreichtum  und 
Hämorrhagien  auffielen,  hatten  sich  bis  an  die  innere  und  äussere 
Gehirnoberfläche,  in  die  Ventrikelwand  oder  bis  zu  den  Meningen 
oder  nach  beiden  Seiten  ausgebreitet,  konnten  also  leicht  Blut  in  den 
Liquor  abgeben,  und  bedingten  dessen  Gelbfärbung. 

39)  Georg  B.  Grube  r  (Pathol.  Institut  des  Krankenhauses 
München  r.  d.  I.) :  Zur  Kasuistik  der  Pfortaderthrombose. 

Die  beschriebene  Thrombose  ging  aus  von  einem  grossen  Lobus 
posterior  (Atavismus)  bzw.  von  seinem  abnormen  Portalast.  Die 
ungewöhnliche  Leber-  und  Gefässbildung  wirkte  wahrscheinlich  dis¬ 
ponierend  bei  vorhandener  Neigung  zu  variköser  Entartung.  Klinisch 
waren  nur  „neurasthenische“  Symptome  vorhanden  gewesen. 

40)  Schumacher  und  Roth:  Thymektomie  bei  einem  Fall 
von  Morbus  Basedowii  mit  Myasthenie.  (Aus  der  Chir.  und  Med. 
Klinik  Zürich.) 

Nach  erfolgloser  Ligatur  einer  A.  thyr.  sup.  wurde  bei  dem 
20  jährigen  Mädchen  der  vergrösserte  Thymus  entfernt,  worauf  die 
Herzbeschwerden  und  myasthenischen  Erscheinungen  erheblich  zu¬ 
rückgingen.  Die  frühere  hochgradige  Lymphozytose  schwand.  Die 
sich  ergebenden  Fragen  betreffs  Wechselwirkung  der  Symptome  und 
der  Organe  mit  innerer  Sekretion  werden  erörtert. 

51)  R.  Rössle-Jena:  Das  runde  Geschwür  des  Magens  und 
des  Zwölffingerdarms  als  „zweite  Krankheit“. 


202 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Der  Begriff  „zweite  Krankheit“  will  sagen,  dass  es  sich  um  Lei¬ 
den  handelt,  die  erst  auf  der  Basis  eines  anderen  und  örtlich  ganz  ver¬ 
schiedenen  pathologischen  Geschehens  sich  entwickeln.  Eine  der 
wichtigsten  Primärerkrankungen  für  das  Magengeschwür  ist  die 
Appendizitis.  Als  weitere  Quellaffektionen  der  Geschwüre  wären  alle 
in  Narbenbildungen  ausgehenden  Entzündungen  und  Verletzungen  am 
Peritoneum,  an  Kopf  und  Hals  und  am  Endokard  zu  nennen:  auf  re¬ 
flektorischem  Wege  entstehen  entweder  Spasmen  der  Magenschleim- 
hautgefässe  oder  die  Gefässe  werden  durch  Spasmen  der  Muscularis 
mucosae  abgeklemmt.  Zunächst  entstehen  nur  Ekchymosen,  aus 
welchen  Erosionen  und  weiterhin  Geschwüre  werden  können.  Die 
These  wird  durch  pathologisch-anatomische,  klinische  und  experi¬ 
mentelle  Beobachtungen  gestützt.  R.  ürashey  -  München. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  99,  Heft  4,  1912. 

34)  E.  Schepelmann:  Das  Oe!  in  der  Bauchchirurgie.  (Aus 
Prof.  W  u  1 1  s  t  e  i  n  s  chir.  Klinik  in  Halle  a.  S.) 

Die  gleichzeitige  Applikation  von  •  Bakterien  und  Oel  in  die 
Bauchhöhle  von  Versuchstieren  wirkt  mit  Sicherheit  höchst  deletär, 
die  anteoperative  Behandlung  des  Bauchfells  mit  Oel  oder  Kampferöl 
bei  späterer  Infektion  des  Peritoneums  wirkt  bestimmt  nicht  günstig, 
vielleicht  eher  schädlich;  nur  bei  Zusatz  bakterizider  Stoffe  zum 
Oel  (25  proz.  Salimenthol)  scheint  die  Entwicklung  der  Bauchfell¬ 
entzündung  durch  die  langsam  abgegebene  und  daher  genügend  nach¬ 
haltig  wirkende  Salizylsäure  etwas  gehemmt  zu  werden. 

35)  W.  Denk:  Klinische  Erfahrungen  über  freie  Faszientrans¬ 
plantation.  (I.  Chirurg.  Klinik  in  Wien.  Prof.  Frhr.  v.  Eiseis¬ 
berg.) 

Die  freie  Faszientransplantation  ist  besonders  geeignet  zur 
Deckung  von  Duradefekten,  wobei  zur  verlässlichen  Verhinderung 
von  Liquorfisteln  und  Hirnprolapsen  die  breite  Uebereinanderlegung 
von  Faszien-  und  Durawand  und  zweireihige  fortlaufende  Naht  sehr 
anzuempfehlen  ist.  Die  implantierte  Faszie  geht  nach  Hirntumor¬ 
exstirpationen  mit  der  lädierten  Gehirnoberfläche  aller  Wahrschein¬ 
lichkeit  nach  stets  Verwachsungen  ein,  die  aber  für  das  Auftreten  von 
postoperativer  Epilepsie  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  dürfen. 
Zur  Verstärkung  unsicherer  Nahtlinien  und  Ueberbrückung  von  De¬ 
fekten  erwies  sich  die  frei  überpflanzte  Faszie  in  aseptischem  Ge¬ 
biete  als  äusserst  wertvoll.  Die  Faszie  muss  in  möglichst  grosser 
Fläche  mit  gut  ernährten  Gewebsteilen  in  Berührung  kommen  und 
jede  Tamponade  unterbleiben,  ln  nichtaseptischen  Gebieten  ist  die 
Einheilung  unsicher,  aber  nicht  absolut  aussichtslos.  In  2  Fällen  be¬ 
währte  sich  die  freie  Faszienplastik  bei  der  Mobilisierung  versteifter 
Gelenke.  Die  Gefahr  der  Muskelhernie  am  Ort  der  Faszienentnahme 
ist  gering,  ihr  Zustandekommen  ein  harmloses  Ereignis. 

36)  H.  Pichler  und  E.  0  s  e  r :  Lieber  Immediatprothesen  nach 
Unterkieferresektion.  (I.  Chirurg.  Klinik  in  Wien.  Prof.  Freiherr 
v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g.) 

Mitteilung  von  7  neuen  Fällen  von  Unterkieferresektion  (darunter 
5  einseitige  Exartikulationen).  Ausser  der  Immediatprothese  aus 
Zinn  nach  Fritzsche  wurde  mit  Vorteil  der  Kieferersatz  aus 
massivem  Vulkanit  oder  aus  einem  Abschnitt  eines  Schröder- 
scheu  Hartgummikiefers  gefertigt.  Besonders  empfohlen  wird  die 
Scharnierschiene,  die  den  zurückbleibenden  Kieferrest  umfasst  und 
verstellbar  mit  der  eigentlichen  Immediatprothese  verbunden  wird. 
Bei  Verwendung  der  Scharnierschiene  fällt  eine  hauptsächliche 
Ursache  für  partielle  Knochennekrosen  und  andauernde  Eiterungen 
fort,  wie  sie  bei  Verwendung  von  angenähten  oder  angeschraubten 
Prothesen  sehr  häufig  zu  beobachten  waren.  Zur  Vermeidung  von 
Fisteln  soll  die  Drainage  möglichst  frühzeitig  (am  2.  oder  3.  Tage 
post  op.)  entfernt  werden. 

37)  V.  Noguchi:  Ueber  die  Verteilung  der  pathogenen  Keime 
in  der  Haut  mit  Bezug  auf  die  Hautdesinfektion.  (Die  Grundregel 
der  Hautdesinfektion.)  (Chir.  Klinik  der  Kaiserl.  japanischen  Uni¬ 
versität  Fukuoka.) 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergaben,  dass  die  in  der 
Tiefe  der  gesunden  Haut  sitzenden  Keime  saprophytisch  sind. 
Pathogene  Keime  finden  sich  fast  nur  an  der  oberflächlichen  Schicht. 
Die  Keimfreiheit  der  Haut  kann  durch  keine  Methode  erreicht  werden. 
Das  fällt  aber  nicht  allzusehr  ins  Gewicht,  wenn  nur  die  pathogenen 
Keime  der  äusseren  Schicht  ausgeschaltet  oder  vernichtet  sind  und 
wenn  die  Haut  absolut  intakt  ist. 

38)  D.  Salomon:  Ueber  Frakturen  am  oberen  Ende  der  Tibia. 
(II.  chir.  Abt.  der  Kgl.  Charitee  zu  Berlin  —  Prof.  Dr.  Köhler.) 

Beschreibung  von  7  einschlägigen  Fällen,  einer  Fissur,  zwei 
Quer-,  zwei  Schräg-  und  zweier  Längsbrüche. 

39)  E.  Kaerger:  Ueber  die  Anwendung  der  direkten  Venen- 
anästhesie  bei  den  kleineren  subkutanen  Venen  zu  Operationen  an 
der  Hand  und  am  Fuss.  (Chir.  Universitätsklinik  und  Poliklinik  zu 
Berlin  —  Prof.  Bier.) 

K.  hat  die  Venenanästhesie  bei  über  150  kleineren  Operationen 
an  der  Hand  und  den  Fingern,  sowie  am  Fuss  und  den  Zehen  benutzt. 
An  der  Hand  wird  in  Form  von  Spikatouren  eine  Binde  so  angelegt, 
dass  sie  die  nicht  zu  Operationen  gebrauchten  Teile  für  das  An- 
ästhetikum  ausschaltet.  Die  Injektionstechnik  wird  genau  beschrieben. 
Für  die  Einspritzung  eignen  sich  die  subkutanen  Venen  an  Hand- 
und  Fussriicken,  an  ersterem  besonders  der  Ast  der  Vena  cephalica 
zwischen  1.  und  2.  Mittelhandknochen  sowie  der  Ramus  dorsalis 
communis  zwischen  3.  und  4.  Mittelhandknochen.  Injiziert  wurden 


10—30  ccm  einer  14  oder  1  proz.  Novokainlösung  ohne  Adrenalin¬ 
zusatz.  Das  Hauptfeld  für  die  Anwendung  dieser  Form  der  Venen¬ 
anästhesie  bleibt  jede  Operation  an  der  Hand  und  den  Fingern,  bei 
denen  eine  Leitungs-  und  Umspritzungsanästhesie  aui  Schwierig¬ 
keiten  stösst.  Kontraindiziert  ist  das  Verfahren  bei  frischen  entzünd¬ 
lichen  Prozessen  mit  Fieber,  Oedem  und  Neigung  zum  Fortschreiten 
der  Entzündung,  sowie  bei  Gangrän  infolge  von  Ernährungsstörungen 
durch  Arteriosklerose  und  Diabetes. 

40)  E.  Hay  ward:  Erfahrungen  und  Beobachtungen  an 
375  Fällen  von  Venenanästhesie.  (Chir.  Universitätsklinik  zu  Berlin  — 
Prof.  Bier.) 

Die  Anästhesie,  die  in  der  von  Bier  angegebenen  Form  her¬ 
gestellt  wurde,  war  vollkommen  in  93  Proz.,  ausreichend  in  4  Proz. 
Nur  in  3  Proz.  musste  Narkose  angewandt  werden.  Als  Gegen¬ 
indikation  zur  Methode  gilt  nur  diabetische  und  senile  Gangrän.  Die 
Injektion  in  die  Vene  soll  immer  peripherwärts  erfolgen.  Bei  einer 
zentralen  Injektion  wurde  der  einzige  Fall  von  leichter  Novokain¬ 
intoxikation  beobachtet. 

41)  D.  Eberle:  Die  praktische  Verwendung  der  Lokal¬ 
anästhesie  im  Krankenhaus.  (Stadtkrankenhaus  zu  OffenJbach  a.  M.  — 
Dr.  Rebentisch.) 

Verf.  berichtet  über  eine  grosse  Reihe  von  Operationen  an  allen 
Körperteilen,  die  unter  Lokalanästhesie  mit  bestem  Erfolg  ausgeführt 
worden  sind.  Bedeutungsvoll  ist  ein  schwerer  Erstickungsanfall,  den 
eine  an  einer  grossen  Struma  leidende  Frau  während  der  Injektion 
bekam.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  durch  die  subfaszialen  Injektionen 
ein  Druck  auf  die  Struma  und  auch  auf  die  stark  seitlich  ver¬ 
lagerte  und  komprimierte  Trachea  ausgeübt  wurde  und  hierdurch  der 
Erstickungsanfall  ausgelöst  wurde.  Bei  Appendixoperationen  wird 
unter  einer  Kombination  der  Lokalanästhesie  mit  Narkose  operiert. 
Für  grosse  Eingriffe  an  Arm  und  Bein  wurden  die  grossen  Nerven- 
stämme  unter  Lokalanästhesie  freigelegt  und  dann  anästhesiert.  In 
der  letzten  Zeit  wurde  mit  gutem  Erfolg  die  Plexusanästhesie  nach 
Kulenkampff  ausgeführt. 

42)  G.  Magnus:  Zur  Nagelextension.  (Chir.  Klinik  zu  Mar¬ 
burg  —  Prof.  König.) 

Bei  11  mit  Nagelextension  behandelten  Ober-  und  Unter¬ 
schenkelfrakturen  ergaben  sich,  wenn  man  eine  Verkürzung  von 
1  cm  noch  dazu  rechnen  will,  nur  3  ideale  Resultate.  Verf.  kommt 
zu  dem  Schluss,  dass,  da  es  sich  nicht  um  komplizierte  und  nicht 
einmal  durchweg  besonders  schwere  Frakturen  handelte,  das  Resultat 
der  Methode  im  Umfang  der  kleinen  Reihe  kein  sehr  gutes  zu  nennen 
sei.  Die  Nägel  wurden  an  den  Femurkondylen  bzw.  am  Kalkaneus 
angebracht.  2  leichte  Infektionen  von  den  Bohrlöchern  aus  wurden 
beobachtet. 

43)  E.  H  a  i  m  -  Budweis:  Die  appendikuläre  Peritonitis  vom 
bakteriologischen  Standpunkte. 

Verf.  verteidigt  seinen  in  früheren  Arbeiten  erhärteten  Stand¬ 
punkt,  nachdem  bei  bestimmten  klinisch  abgrenzbaren  Fällen  stets 
bestimmte  Bakterien  vorhanden  sind  und  das  entsprechende  Krank¬ 
heitsbild  auslösen.  Die  durch  Strepto-  oder  Pneumokokken  ver¬ 
ursachten  Appendizitiden  zeichnen  sich  durch  eine  heftig  verlaufende 
Infektion,  durch  eine  über  die  ganze  Bauchhöhle  rasch  fortschreitende 
Peritonitis,  durch  schwere  Störung  des  Allgemeinbefindens,  durch 
schlechte  Prognose  und  dabei  sehr  geringe  Veränderungen  in  der 
Appendix  aus.  Im  Gegensatz  hierzu  sind  die  Koliappendizi- 
tiden  dadurch  charakterisiert,  dass  die  Appendix  die  Tendenz  hat, 
rasch  in  Destruktion  und  Gangrän  zu  geraten.  Der  Prozess  schreitet 
in  der  Bauchhöhle  viel  langsamer  vor,  es  kommt  leichter  zu  einer 
Lokalisation  des  Prozesses,  zu  abgesackten  Abszessen;  das  All¬ 
gemeinbefinden  ist  nicht  schwer  gestört,  die  Prognose  ist  viel  gün¬ 
stiger.  Zur  Erzeugung  einer  Appendizitis  bedürfen  die  Bakterien  erst 
einer  Virulenzsteigerung,  die  gewöhnlich  durch  eine  Sekretstauung 
im  Wurmfortsatz  verursacht  wird.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  wird 
die  appendikuläre  Peritonitis  durch  eine  Mischinfektion  (von  aussen 
kommende  Bakterien:  Streptokokken  und  Pneumokokken  mit  der 
Darmflora)  verursacht. 

44)  E.  Glass:  Ueber  die  Dauerresultate  von  Meniskus¬ 
exstirpationen  bei  Meniskusverletzungen.  (Chirurg.  Klinik  der 
Kgl.  Charitee  zu  Berlin  —  Prof.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d.) 

Die  Dauerresultate  der  Meniskusexstirpationen  an  der  Klinik 
seit  dem  Jahre  1903  gestatten  auf  Grund  der  durchschnittlich  nach 
7 — 8  Jahren  erfolgten  Nachuntersuchung  für  die  Berechtigung  dieser 
Operation  einzutreten,  wenn  auch  durchaus  nicht  in  allen  Fällen 
Dauerheilung  erzielt  werden  kann.  In  über  %  der  Fälle  wurden  bei 
den  Nachuntersuchungen  schon  zur  Zeit  der  Operation  bestehende 
oder  spätere  Veränderungen  des  Kniegelenks  im  Sinne  der  Arthritis 
deformans  festgestellt.  Unter  11  Fällen  ergaben  5  ein  in  jeder  Weise 
gutes  Dauerresultat.  L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 
82.  Band,  2.  Heft.  Tübingen,  Laupp,  1912. 

Aus  der  Breslauer  Klinik  gibt  Herrn.  K  ii  1 1  n  e  r  Beiträge  zur 
Kenntnis  und  Operation  der  Struma  suprarenalis  haemorrhagica  und 

schildert  den  Fall  einer  43  jährigen  Frau  mit  mannskopfgrossem,  an¬ 
fangs  langsam,  dann  schneller  herangewachsenem,  die  ganze  rechte 
Oberbauchgegend  füllenden  fluktuierenden  Tumor,  der  vom  Lumbal- 
schnitt  aus  mit  der  Nebenniere  entfernt  wurde,  wobei  aber  wegen  aus¬ 
gedehnter  Verwachsungen  das  Bauchfell  eröffnet  werden  musste;  im 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


203 


’S.  Januar  1913. 


inschluss  gibt  K.  eine  kurze  Zusammenstellung  der  bisher  operativ 
chandelten  Fälle  (10  bei  Frauen,  3  bei  Männern).  Wie  für  sämtliche 
clnvierige  Exstirpationen  seitlich  gelegener  retroperitonealer  Qe- 
chwiilste  empfiehlt  K.  auch  für  die  Struma  suprarenal,  cyst.  haemor- 
hagica  die  kombinierte  extra-  und  intraperitoneale  Operation  von 
er  Lumbalgegend  aus. 

Aus  dem  Diakonissenhaus  zu  Wiesbaden  berichtet  Ernst  Pagen- 
t  e  c  h  e  r  zur  Klinik  und  Histologie  schwerer  Röntgenverbremiungen. 
'.  leugnet  eine  Idiosynkrasie  gegen  Röntgenstrahlen,  wie  man  sie 
nfangs  zur  Erklärung  dieser  Schädigungen  annehmen  zu  müssen 
laubte.  Im  Anschluss  an  die  Erfahrungen  Porters  u.  a.  bespricht 
’.  das  Röntgenulcus  und  dessen  histologische  Befunde,  schildert  2 
igene  Eälle  näher  und  empfiehlt  bezüglich  der  Therapie  die  Exzision 
lit  nachfolgender  T  h  i  e  r  s  c  h  scher  Transplantation,  deren  Erfolge 
r  an  Abbildungen  zeigt.  Exzision  mit  direkter  Naht  kann  nur  bei 
leinen  Defekten  in  Frage  kommen,  die  Exzision  muss  weit  und  tief 
enug  erfolgen,  bis  gesunde  Gewebslagen  erreicht.  P.  fordert  mit 
’orter  gründliche  frühe  Exzision  jeder  Röntgenschädigung  sogen. 
.  Grades  mit  sofortiger  Transplantation  nach  Thier  sch  als  das 
iormalverfahren  und  hat  hiervon  niemals  dauernden  Misserfolg  ge- 
ehen,  auch  der  Schmerz  hört  mit  der  Operation  auf. 

H.  L  i  n  d  n  e  r  gibt  aus  dem  Krankenhaus  Friedrichstadt  Dresden 
ine  Arbeit  über  Leberresektion  und  stellt  im  Anschluss  an  eine  zu- 
ächst  erfolgreich  ausgeführte  Leberresektion  15  Fälle  von  Resektion 
ir.es  Leberlappens  zusammen,  von  denen  nur  in  einem  Falle  ein 
lauerresultat  bekannt.  Im  L.schen  Fall  handelte  es  sich  um  eine 
6  jährige  Patientin,  bei  der  der  kindskopfgrosse  Tumor  (ein  sekun- 
äres  Karzinom)  den  Magen  vollständig  nach  aussen  gedrängt 
atte  und  die  Druckerscheinungen  zum  Eingriff  nötigten.  Im  Verlauf 
es  Zystikus  fanden  sich  mehrere  Karzinomknoten,  das  primäre  Kar- 
inom  sass  im  Fundus  der  Gallenblase,  die  mit  Steinen  erfüllt  war. 
’atient  starb  2  Monate  nach  der  Operation  an  rasch  wachsenden 
Metastasen. 

Karl  Kolb  gibt  aus  der  Heidelberger  Klinik  einen  Beitrag  zu 
en  Knochentumoren  thyreogener  Natur  und  beschreibt  den  Fall  eines 
5  jährigen  Fräuleins,  bei  dem  vor  7  Jahren  ein  Kropf  entfernt  wor- 
len  und  bei  dem  in  den  Schädelknochen  speziell  dem  Parietale  1. 
in  Tumor  heranwuchs,  der  für  ein  Sarkom  angenommen  und  radi¬ 
al  operiert  wurde,  9  Fälle  von  Tumoren  thyreogener  Natur,  speziell 
er  Schädelknochen,  werden  im  Anschluss  näher  angeführt,  bei  denen 
tters  Fehldiagnosen  vorkamen;  das  Trauma  spielt  dabei  eine  wohl 
u  beachtende  Rolle.  Bei  allen  Knochentumoren,  die  als  Sarkome 
ngesehen  werden,  muss  an  die  Möglichkeit  eines  thyreogenen 
inochentumors  gedacht  werden.  Die  Schädelknochen  und  die  Wir- 
ielsäule  sind  der  häufigste  Sitz  der  .thyreogenen  Knochentumoren. 
:rst  in  zweiter  Linie  kommen  die  langen  Extremitätenknochen.  Die 
Schilddrüse,  der  primäre  Tumor  braucht  nicht  klinisch  vergrössert  zu 
ein,  ist  es  aber  in  vielen  Fällen.  Die  Diagnose  ist  meist  nur  mit 
Vahrscheinlichkeit  zu  stellen,  sie  kann  durch  Probeexzision  erhärtet 
werden.  In  Fällen  von  multiplen  Knochentumoren,  bei  denen  auch 
ine  deutliche  Struma  vorhanden  ist,  ist  die  Diagnose  mit  Sicherheit 
u  stellen. 

P.  Bull  berichtet  aus  der  Klinik  des  Roten  Kreuzes  zu  Chri- 
tiania  über  Thrombosen  und  Embolien  nach  Appendizitisoperationesi 
ach  188  von  ihm  operierten  Fällen  (100  männlichen,  88  weiblichen 
ieschlechts),  115  akute,  73  chronische  Fälle  mit  11,7  Proz.  Mortalität. 
5.  bespricht  die  Symptome  (Schmerz,  Pulsfrequenz,  Hämoptyse  etc.), 
Diagnose  und  Prognose  dieser  Komplikation;  im  allgemeinen  kommt 
'hrombose  bei  akuter  Appendizitis  viel  seltener  vor,  wenn  sie  nicht 
iperiert  wurden,  als  wenn  sie  operiert  wurden.  B.  betont  u.  a.  dass 
-der  Laparotomierte,  der  zur  Obduktion  kommt,  genau  auf  Throm- 
iosen  untersucht  werden  sollte. 

Ces.  L  i  c  i  n  i  bespricht  aus  der  Klinik  zu  Genua  den  Einfluss  der 
Magensäfte  auf  lebende  Organgewebe  bei  gesundem  oder  zerstörtem 

5eritonealüberzug  und  teilt  diesbezügliche  Experimente  an  Hun- 

len  mit. 

Sophie  J  o  u  r  d  a  n  gibt  aus  der  Rostocker  Klinik  Erfahrungen 
iber  den  transperitonealen  Weg  bei  Operationen  an  der  Wirbelsäule 
nd  schildert  im  Anschluss  an  einen  schon  früher  von  Müller  mit- 
eteilten  Fall  und  an  die  Fälle  von  F.  Fischer  und  Kausch  8  weitere 
‘die  der  Rostocker  Klinik.  Das  betreffende  Vorgehen  gibt  einen 
'esseren  und  übersichtlicheren  Zugang  zu  den  unteren  Lumbal-  und 
’beren  Kreuzbeinpartien,  besonders  bei  Wirbeltuberkulose,  die  dort 
iurch  Röntgenbild  nachgewiesen  ist.  Wenn  beginnende  Abszess- 
’ildung  besteht,  Reizsymptome  vom  Rückenmark  fehlen,  empfiehlt 
.  dies  Verfahren,  wenn  die  Patienten  nicht  zu  sehr  schon  herunter- 
ekornmen  sind. 

Rud.  Bayer  gibt  aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Bonn  einen 
seitrag  zur  Histologie  des  Basedowthymus. 

Der  gleiche  Autor  berichtet  aus  derselben  Klinik  einiges  über  das 
’arkom  der  Scheidenhaut  des  Hodens  und  des  Samenstrangs  und 
eilt  u.  a.  2  Fälle  aus  der  Gar  re  sehen  Klinik  näher  mit  (gemischtes 
ibro-  und  Medullarsarkom),  die  die  in  Patel  und  Chaliers  Ar¬ 
chen  hervorgehobene  relative  Gutartigkeit  (langsames  Wachstum, 
Mangel  von  Beschwerden  und  von  Drüsenmetastasen,  Rezidivfreiheit) 
iuch  erkennen  lassen. 

A.  W  e  1 1  e  r  gibt  aus  der  Leipziger  Klinik  einen  Beitrag  zur 
venntnis  und  Kasuistik  der  Echinokokkuskrankheit  und  schildert  u.  a. 

1  Fälle  von  Leberechinokokkus  mit  Durchbruch  in  die  Pleura  näher, 
>ei  denen  ausgedehnte  Rippenresektionen  im  Verlaufe  nötig  wurden; 


er  stellt  im  Anschluss  kurz  35  betr.  Fälle  aus  der  Literatur  zusammen 
und  gibt  eine  Uebersicht  der  betr.  Literatur. 

Erich  Sonntag  gibt  aus  der  gleichen  Klinik  einen  Beitrag  zur 
Serumdiagnostik  der  Echinokokkusinfektion  mittels  der  Komplement- 
bindungsmethode.  Aus  S.s  Untersuchungen  ergibt  sich  1.  (zur  Kon¬ 
stanz)  in  2  Fällen  von  sicherem  Echinokokkus  mittels  der  Komple- 
mentsbinduilgsreaktion  ein  verwertbarer  Ausschlag,  2.  (zur  Spezifi¬ 
tät)  100  andersartige,  davon  20  luetische  Fälle  reagierten  negativ. 
Eine  „Gruppenreaktion“  war  in  1  Fall  von  Taenia  solium  und  in 
2  Fällen  von  Taenia  saginata  nicht  nachweisbar.  3.  (zur  Unter¬ 
suchungsmethodik)  als  brauchbares  Antigen  erwies  sich  Zystenflüssig¬ 
keit  von  Organen  erkrankter  Tiere.  In  schwach  reagierenden  Fällen 
dürfte  die  Verwendung  mehrerer  Antigene  von  Wichtigkeit  sein. 
Blasenwandalkoholextrakt  kann  als  Echinokokkenantigen  nur  be¬ 
dingte  Anwendung  finden. 

G  e  b  e  1  e  -  München  gibt  einen  kurzen  Bericht  über  die  deutsche 
ärztliche  Studienreise  nach  Amerika  im  Jahre  1912,  referiert  darin 
kurz  über  die  während  der  Seereise  von  Schneider,  Strauss, 
Graser,  Kirstein,  Weber,  Vossius,  Müllerheim, 
Frösche  1,  Eckstein,  Löffler,  Galli  gehaltenen  Vorträge 
und  schildert  kurz  die  Einrichtungen  der  Universitäten  und  Medizin¬ 
schulen  in  New.York,  Boston,  Baltimore,  Chicago,  hebt  besonders  die 
Institute  für  experimentelle  Chirurgie  hervor  und  erwähnt  speziell  den 
einzigartigen  Betrieb  der  chirurgischen  Klink  in  Rochester  bei  den 
Brüdern  M  a  y  o,  die  G.  „als  die  denkbar  beste  und  exakteste  Chirur¬ 
gie,  die  es  gibt“  bezeichnet,  und  von  deren  Riesenarbeit  (3745  Opera¬ 
tionen  im  Jahr  1911  —  G.  sah  von  9—11  Uhr  30  Operationen  von 
4  Herren  ausführen)  man  sich  schwer  eine  richtige  Vorstellung 
machen  kann.  Das  Entgegenkommen  der  amerikanischen  Kollegen 
wird  von  G.  sehr  gerühmt.  Sehr. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  119.  Band,  5.-6.  Heft. 

Elisabeth  Straube:  Ueber  die  Behandlung  der  Spondylitis 
in  Leysin  und  die  damit  erzielten  Resultate.  (Aus  der  Anstalt  von 
Dr.  Ro  liier  für  Behandlung  Chirurg.  Tuberkulose  in  Leysin.) 

Die  Arbeit  hat  dadurch  besonderes  Interesse,  dass  Verfasserin 
selbst  an  Spondylitis  litt,  die  in  Leysin  behandelt  wurde.  Das 
Material  umfasst  die  Patienten  Rolli  er  s  von  1904—1912.  Die 
Allgemeinbehandlung  gibt  die  Grundlage  für  die  ganze  übrige  Be¬ 
handlung  ab;  sie  besteht  in  kräftiger, -mehr  kohlehydrat-  und  fett¬ 
reicher  Nahrung,  Freiluftliegekur  und  Sonnenvollbad. 

Die  Angabe,  dass  das  Blut  im  Höhenklima  eine  Vermehrung 
der  roten  Blutkörper  zeigt,  widerspricht  den  Untersuchungen  von 
W  anner  in  Chesieres  sur  Bex,  der  eine  Abnahme  fand.  (Ref.) 

Gewöhnung  an  Liegekur  und  Sonnenvollbad  findet  langsam  statt, 
wie  das  schon  in  früheren  Arbeiten  R  o  1 1  i  e  r  s  und  seiner  Schüler 
betont  wurde. 

Von  nebenbei  angewandten  orthopädischen  Massnahmen  sei  be¬ 
sonders  hervorgehoben  die  ausgiebige  Verwendung  der  Bauchlage, 
bei  Kindern  findet  das  Gurtenkorsett  nach  Menard  vielfach  Ver¬ 
wendung.  Abszesspunktionen  werden  nur  vorgenommen,  wenn  nach 
intensiver  Bestrahlung  keine  Resorption  eintritt;  nie  kam  es  zu 
Mischinfektionen.  Unter  den  96  Patienten  sind  59  Erwachsene, 
37  Kinder,  darunter  6  Todesfälle,  die  ganz  desolate  Fälle  betrafen. 

Verfasserin  bespricht  dann  eingehend  ihr  Krankenmaterial 
nach  Sitz  der  Erkrankung,  Komplikationen  durch  Abszesse,  Fistel, 
Nebenerkrankungen,  Paraplegien. 

Es  zeigt  sich,  dass  trotz  der  schweren  Fälle,  die  vielfach.  Leysin 
als  ultimum  refugium  aufsuchten,  von  den  Kindern  84  Proz.,  von  den 
Erwachsenen  78  Proz.  geheilt  wurden;  gegenüber  den  Statistiken 
von  V  u  1  p  i  u  s,  L  i  1 1 1  e,  B  i  1 1  r  o  t  h,  Mohr  ist  das  Resultat  nicht 
nur  im  bezug  auf  die  Heilung,  sondern  auch  auf  die  Zahl  der  Todes¬ 
fälle  ein  weit  besseres.  Einige  besonders  charakteristische  Kranken¬ 
geschichten  werden  illustriert  mit  Röntgenbildern  und  Photographie 
ausführlich  dargestellt. 

Otto  Warschauer:  Ein  Beitrag  zur  Chirurgie  des  Ductus 
thoracicus.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  St.  Vlncenzstifts  in 
Hannover.) 

Um  bei  der  Exzision  eines  lymphogranulomatösen  Drüsen¬ 
tumors  in  der  linken  Fossa  supraclav.  eine  unbeabsichtigte  und  un¬ 
bemerkte  Verletzung  des  Ductus  thoracicus  zu  vermeiden,  wurde 
er  freigelegt,  doppelt  unterbunden  und  durchschnitten.  Wenn  auch 
die  anatomischen  Kenntnisse  über  Kollateralen  recht  spärlich  sind, 
so  sprechen  die  experimentellen  und  klinischen  Erfahrungen,  wie 
auch  die  vorliegende,  für  das  konstante  Vorhandensein  genügender 
Abflusswege  der  Lymphe  bei  Verschluss  des  Halsteils  des  Ductus 
thoracicus. 

S.  B.  d  e  G  r  o  o  t :  Kritische  und  experimentelle  Untersuchungen 
über  das  Entstehen  und  Verschwinden  der  Lymphdrüsen.  (Aus  dem 
patholog.-anatomischen  Laboratorium  der  Universität  Groningen.) 

Verschiedene  Tatsachen  deuten  darauf  hin,  dass  Lymphdrüsen 
unter  bestimmten  Verhältnissen  an  Zahl  zunehmen  können  und  dass 
auch  eine  Vermehrung  lymphoiden  Gewebes  im  postembryonalen 
Leben  stattfinden  kann.  Zunächst  stellte  Verf.  fest,  dass  eigentüm¬ 
liche  Formen  von  Lymphdriisengewebe,  wie  sie  z.  B.  bei  Matnmaka 
im  axillaren  Fett  angetroffen  werden,  den  Anfang  der  Entwicklung 
neuer  Lymphdrüsen  bedeuten.  Experimentell  wurde  dann  fest¬ 
gestellt,  dass  nach  Exstirpation  von  Lymphdrüsen  in  dem  um¬ 
gebenden  Fettgewebe  sich  lymphoides  Gewebe  entwickeln  kann. 


204 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Ferner  fand  de  Q  r  o  o  t,  dass  das  retikuläre  Gewebe  der  Lymph-  i 
driisen  durch  Aufnahme  von  Fett  in  Fettgewebe  übergehen  kann  und 
dass  umgekehrt  das  retikuläre  Gewebe  von  Lymphdrüsen  aus  Fett¬ 
gewebe  entstehen  kann. 

Neben  dieser  Entstehungsmöglichkeit  des  Drüsengewebes  im 
Fett  gibt  es  noch  eine  Entwicklung  von  Lymphdrüsen  aus  embryo¬ 
nalen  Keimen  oder  aus  vorhandenen  Lymphdrüsen.  Weiterhin  ist 
Verf.  der  Ansicht,  dass  Lymphdrüsen  im  Zustande  der  Regression 
in  Fettgewebe  übergehen  können. 

Mithin  sind  die  Lymphdrüsen  mehr  oder  weniger  labile  Organe, 
welche  unter  dem  Einfluss  bestimmter  Reize  sich  entwickeln  können, 
um  nachher  wieder  zu  verschwinden. 

Ferdinand  Baehr:  Fractura  malleoli  interni  non  sanata. 

Einem  bereits  früher  publizierten  Fall  folgt  hier  ein  zweiter. 

%  Jahre  nach  der  Verletzung  fand  sich  an  der  Ansatzstelle  des 
einen  Knöchels  eine  quere  Kante,  darunter  eine  Rille;  bei  Plantar¬ 
beugung  erweitert  sich  der  Spalt  etwas;  das  Röntgenbild  bestätigte 
die  Diagnose.  In  der  Literatur  fand  B.  keine  weiteren  Mitteilungen, 
glaubt  aber,  dass  die  Komplikation  gewöhnlich  der  Beobachtung 
entgeht.  Die  Therapie  hätte  zu  bestehen  in  operativer  Anheftung 
des  Malleolus. 

Rene  Leriche:  Ueber  einige  neue  Indikationen  der  Durch¬ 
schneidung  der  hinteren  Wurzeln.  (Aus  der  chir.  Klinik  in  Lyon.) 

Leriche  macht  den  Vorschlag,  die  F  ö  r  s  t  e  r  sehe  Operation 
auszudehnen 

1.  auf  hartnäckige  sehr  schmerzhafte  Fälle  von  Herpes  inter- 
costalis,  der  nach  seiner  Ansicht  Folge  einer  Entzündung  der  Nerven¬ 
wurzeln  ist.  In  einem  Fall  kam  es  nach  Durchschneidurig  der  4.  und 
5.  Dorsalwurzel  zu  prompter  Heilung; 

2.  auf  das  Mal  perforant  nach  vergeblicher  Anwendung  anderer 
Mittel; 

3.  auf  hartnäckige  schmerzhafte  Hyperchlorhydrien,  die  nicht 
Folge  eines  Ulcus  sind. 

Ludolf  Suessenguth:  Traumatische  Ruptur  der  Urethra 
mit  vollständiger  Ablösung  der  Blase  von  der  Symphyse.  (Aus  der 
Chirurg.  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  in  Altona.) 

Bei  dem  10  jährigen  Jungen  kam  es  dadurch,  dass  er  von  einem 
Lastfuhrwerk  überfahren  wurde,  zu  einer  zirkulären  Ruptur  der 
Harnblase  in  der  Pars  membranacea  mit  totaler  Ablösung  der  Blase 
von  der  Symphyse.  Die  ausgesprochenen  abdominalen  Symptome, 
der  vergebliche  Harndrang,  Entleerung  von  Blut  durch  den  Katheter 
Hessen  eine  intraperitoneale  Blasenverletzung  vermuten.  Sectio 
alta,  retrograder  Katheterismus.  Exitus  an  Fettembolie.  Der 
Mechanismus  der  Verletzung  wird  so  erklärt,  dass  es  durch  Zug¬ 
wirkung  zu  einer  Abreissung  der  Blase  von  der  Harnröhre  dicht  an 
ihrem  Blasenansatz  kam.  In  der  Literatur  nur  3  ähnliche  Fälle. 

Arthur  W.  Meyer:  Zur  Behandlung  der  Klavikularluxationen. 
(Aus  der  Chirurg.  Poliklinik  zu  Heidelberg.) 

Besonders  bei  veralteten  Fällen  der  akromialen  Luxation  ist 
die  blutige  Reposition  und  Fixierung  durch  Zwirn  oder  Seidennaht, 
Nagelung  oder  Silberdraht  das  beste  Verfahren.  Für  ganz  frische 
Luxation  empfiehlt  Verf.  zu  reponieren  und  nach  V  o  e  1  k  e  r  einen 
kleinen  mittelelastischen  Gummiball  auf  das  betreffende  Gelenk  und 
zwar  etwas  mehr  medial  auf  die  Klavikula  mit  Heftpflaster  zu 
fixieren.  Die  Methode  eignet  sich  auch  für  die  Behandlung  der 
Subluxation  (Diastasenf  in  diesem  Gelenk.  Bei  der  sternalen 
Luxation  ist  die  Reposition  gewöhnlich  leicht,  die  Fixation  schwer, 
daher  sollte  die  blutige  Reposition  und  Fixation  die  Methode  der 
Wahl  sein.  Einfacher  als  die  Methode  von  König  (Knochenperiost¬ 
schällappen),  die  Methode  Gersunys  und  die  Drahtnaht  ist  die  von 
Voelker  in  einem  Falle  ausgeführte  Methode:  Reposition  des 
Köpfchens  mit  Elevatorium,  Annähen  der  sternalen  Partie  der 
Pektoralis  mit  Faszie  an  dem  sternalen  und  klavikularen  Ansatz  des 
Halsnickers;  dadurch  wird  die  Klavikula  in  die  Tiefe  fixiert. 
Fixation  des  Armes  in  Mitella  mit  einigen  Stärkebindentouren. 

Wieting:  Die  erfolgreiche  Behandlung  der  angiosklerotischen 
Ernährungsstörungen  durch  die  arteriovenöse  Anastomose.  (Aus 
dem  Gülhane-Fortbildungskrankenhaus  in  Stambul.) 

Wenn  die  sogen.  Wieting  sehe  Operation  bislang  von  vielen 
Seiten  eine  ungünstige  Beurteilung  erfahren  hat,  so  liegt  das  daran, 
dass  man  entweder  bei  falscher  Indikationsstellung  von  ihr  Unmög¬ 
liches  erwartete,  oder  Komplikationen  Vorlagen,  die  das  Ende  der 
Patienten  herbeiführten,  ohne  dass  die  Operation  hieran  die  Schuld 
trägt.  Die  Anastomose  ist  das  einzige  Mittel,  die  angiosklerotische 
Gangrän  und  ähnliche  Prozesse  konservativ  zu  behandeln.  Sie  ver¬ 
hütet  die  drohende  Gangrän  oder  verschiebt  die  Amputationsgrenze 
möglichst  peripher. 

Den  Experimenten  Coenens  hält  Verf.  entgegen,  dass  Tier¬ 
experimente  zur  Entscheidung  der  Frage  über  die  Zulässigkeit  der 
Operation  nicht  herangezogen  werden  dürfen,  über  die  Indikations¬ 
stellung  entscheidet  einzig  und  allein  die  klinische  operative  Be¬ 
obachtung. 

Gefordert  wird  leidlicher  Ernährungszustand  des  Kranken,  eine 
gewisse  Anspannungsfähigkeit  des  Gefässystems,  Rückgang  der 
Oedeme  nach  kurzer  Hochlagerung.  Die  Gangrän  darf  nicht  zu 
vorgeschritten  oder  zu  rapid  progredient  sein,  stärkere  Infektionen 
müssen  fehlen.  Die  A.  fern,  muss  gut  pulsieren  bei  Fehlen  des 
Popliteapuises.  Die  Methode  der  Wahl  ist  die  seitliche  Anastomose 
mit  zentraler  Ligatur  der  Vene.  Abtragung  des  gangränösen  Teiles 


nahe  der  Gangrängrenze  ist  in  der  selben  Sitzung  geboten.  Da  die 
Anastomose  nicht  imstande  ist,  den  angiosklerotischen  Prozess  zu 
beeinflussen,  so  liegen  Rezidive  durchaus  im  Bereich  der  Möglichkeit. 

Die  Mortalität  bei  richtiger  Indikationsstellung  ist  gleich  Null. 
Da  eine  ganze  Anzahl  einwandfreier  klinischer  Erfolge  vorliegen 
(neue  Fälle  des  Verf.,  Fälle  Bernheim  etc.),  so  ist  die  Operation 
klinisch  durchaus  zulässig. 

A.  N  a  r  a  t  h :  Zur  Technik  der  Appendektomie. 

Wie  Haagn  und  wie  sicher  viele  Kollegen  macht  Narath 
auch  bei  der  Appendektomie  zuerst  die  Tabaksbeutelnaht  am  Zoekum, 
entfernt  darauf  die  Appendix  und  schnürt  die  Naht  zu,  während 
der  Stumpf  versenkt  wird.  Vor  Anlegung  der  Quetschklemme  wird 
dicht  oberhalb  noch  eine  gewöhnliche  Arterienklemme  angelegt.  Um 
ein  möglichst  gutes  kosmetisches  Resultat  zu  erhalten  und  vor  allem 
den  Patienten  vor  postoperativer  Hernienbildung  zu  bewahren,  be¬ 
vorzugt  N.  möglichst  kleinen  Hautschnitt  am  McBurney  im  Fasern¬ 
verlauf  des  Obi.  ext.  (1V4 — 2V4  cm  lang),  Durchtrennung  der  Apo- 
neurose  des  Obi.  ext.  in  einer  Ausdehnung  von  5 — 10  cm  unter  Ver¬ 
schiebung  des  Hautfensters.  Durchtrennung  des  Obi.  int.  und  transv. 
in  gleicher  Ausdehnung,  Durchtrennung  des  Peritoneums,  dessen 
Ränder  mit  2  Klemmen  armiert  werden.  Nach  Entfernung  des 
Wurmfortsatzes  wird  der  Peritonealzipfel  abgebunden  oder  fort¬ 
laufend  genäht;  einige  Knopfnähte  in  die  Aponeurosen.  Naht  der 
Haut,  die  bei  ganz  kleinen  Schnitten  event.  fortfällt.  Für  diese 
Methode  eignen  sich  am  besten  magere  Personen  mit  dünner  Fett¬ 
schicht  und  Fälle  der  Frühoperation  oder  des  freien  Intervalls.  Eine 
Erweiterung  des  Schnittes  kann  jederzeit  ausgeführt  werden. 

(Die  Schule  Enderlen  und  mit  ihr  Ref.  geht  in  ähnlicher 
Weise  vor,  so  dass  Ref.,  wie  auch  Narath,  es  erlebte,  dass  später 
Zweifel  aufkamen,  ob  ein  Patient  überhaupt  operiert  sei.  Ref.) 

A.  Wagner:  Ein  Fall  von  isolierter  Fraktur  des  Trochanter 
minor.  (Aus  dem  Johanniter-Kreiskrankenhaus  Neidenburg.) 

Die  Verletzung  kam  bei  einem  14  jährigen  Jungen  zustande  und; 
zwar  bei  schnellem  Lauf  (durch  Psoaskontraktion).  Die  Diagnose 
wurde  erst  durch  Röntgenbild  klar.  Therapeutisch  wurde  das  Bein 
in  Flexion  und  Aussenrotation  gelagert. 

Albert  Fromme:  Soll  im  Intermediärstadium  der  akuten 
Appendizitis  operiert  werden?  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik 
zu  Göttingen.) 

Die  Mortalität  bei  M  e  r  k  e  n  s  beträgt  10,4  Proz.,  an  uer 
Göttinger  Klinik  eigentlich  10,9  Proz.  Diese  Differenz  spricht  nicht 
für  oder  gegen  eine  Methode.  Unter  Stich  ist  die  Klinik  bei  den¬ 
selben  Grundsätzen  geblieben  wie  unter  Braun,  sie  führt  die  Früh¬ 
operation  aus  in  den  ersten  4S  Stunden,  im  Interniediärstadium  wird 
operiert  nur  aus  vitaler  Indikation.  ,  . 

In  den  Jahren  1910  und  11  wurden  355  Patienten  mit  Appendizitis 
behandelt  mit  einer  Mortalität  von  5,1  Proz.  Die  Mortalität  der 
Fälle  im  Intermediärstadium  beträgt  2,8  Proz.  gegenüber  10  Proz. 
in  der  Statistik  M  e  r  k  e  n  s. 

H.  J.  Lameris:  Zur  Behandlung  der  indirekten  Leistenhernie. 

(Aus  der  Chirurg.  Klinik  der  Universität  Utrecht.)  _ 

Aus  der  grossen  Statistik  des  Verf.  ergab  sich,  dass  die  in¬ 
direkten  Leistenhernien  nach  B  a  s  s  i  n  i  operiert  3,9  Proz.  Rezidive 
aufweisen,  während  es  bei  den  direkten  Hernien  zu  28,4  Proz 
Rezidiven  kam.  Weiter  ergab  sich,  dass  diejenigen  Fälle  die  besten 
Resultate  gaben,  bei  denen  die  Torsionsligatur  nach  Bassini  am 
besten  ausgeführt  werden  konnte,  während  bei  den  rezidivierten 
Fällen  der  Bruchsack  anders  versorgt  werden  musste.  Als  wich¬ 
tigsten  Teil  der  Operation  fasst  L.  die  Torsionsligatur  =  die  mög¬ 
lichst  radikale  Entfernung  des  Bruchsacks  auf  und  operierte  nunmehr 
nur  mit  Torsionsligatur  ohne  Radikalnaht  mit  demselben  guter 
Resultat.  Bei  den  wenigen  Rezidiven  handelte  es  sich  um  sogen 
kombinierte  Hernien.  Demnach  ist  jede  Radikalnaht  oder  plastische 
Operation  des  Leistenkanals  bei  der  indirekten  Hernie  überflüssig 

Kurze  Mitteilungen: 

Uffe  norde:  Nachtrag  zu  meiner  Mitteilung  über  die  otogene 

Meningitis.  . 

Beschreibung  seiner  Technik  der  Freilegung  des  inneren  Ohres. 

R.  Leriche:  Akute  Dilatation  vom  Magen  und  Duodenuu 
bis  zur  Radix  mesenterii  entstand  im  Anschluss  an  eine  sehr  reich 
liehe  Mahlzeit.  Gastrostomie  und  Gastroenterostomie.  Exitus 
2  Stunden  post  op. 

Theodor  Haaen:  Zur  Technik  der  Appendektomie. 

Anlegung  der  Tabaksbeutelnaht  vor  Abtragung  des  Wurmforh 
satzes.  (Vergl.  die  Arbeit  von  Narath.) 

Dr.  Flörcken  - Paderborn. 

Zentralblait  für  Chirurgie,  1913,  No.  2. 

Karl  Henschen  -  Zürich :  Dauerdrainage  stagnierende 

Aszitesergiisse  in  das  subkutane  oder  retroperitoneale  Zellgeweb' 
mit  Hilfe  von  Gummi-  oder  Fischblasenkondoms. 

Nach  Aufzählung  der  verschiedenen  Möglichkeiten,  eine  in 
direkte  oder  direkte  Absaugung  und  Ableitung  des  Aszites  zu  er 
zielen,  schildert  Verfasser  2  von  ihm  kürzlich  versuchte  Methoden 
Im  1.  Fall  leitete  er  einen  aus  dicker  Seide  geflochtenen  Fadenzop 
von  der  Bauchhöhle  aus  in  eine  subkutane  Tasche  und  schlug  de: 
freigelegten  Bruchsack  syphonartig  nach  aussen  oben  um,  eröffnet 
dessen  blindes  Ende  und  nähte  die  Mündung  ringförmig  unter  ein 
eigene  Hauttasche  subkutan  ein;  doch  funktionierte  das  syphon 


>8.  .tanuar  1 913. 


MüencHener  medizinische  Wochenschrift. 


205 


r tinc  Peritonealrohr  nur  wenige  Tage.  Deshalb  legte  er  eine 
)rainage  mit  Hilfe  von  Gummi-  oder  Eischblasenkondoms  an, 
welche  den  Aszites  in  das  lockere  retroperitoneale  Zellgewebe  ab- 
eiten  sollen.  Dieses  Verfahren,  das  genauer  beschrieben  ist,  hat 
ich  in  einem  Fall  von  Karzinomaszites  ziemlich  gut  bewährt. 

Arthur  Neudörfer  -  Hohenems :  Zur  Verwendbarkeit  der 
reien  Faszientransplantation. 

Verf.  erläutert  an  2  Fällen  2  weitere  Möglichkeiten,  freie  Faszie 
nit  Erfolg  zu  transplantieren:  im  1.  Fall  handelte  es  sich  um  eine 
'Pina  bifida,  bei  welcher  der  Duradefekt  durch  einen  Faszienlappen 
us  dem  Oberschenkel  mit  Erfolg  gedeckt  wurde;  im  2.  Fall  wurde 
ei  Meningocele  occipit.  inf.  die  kreisrunde  Knochenlücke  durch  einen 
’aszienlappen  geschlossen,  ln  beiden  Fällen  war  der  Erfolg  sehr  gut. 

v.  Hacker-Graz:  Ersatz  von  Schädel-  und  Duradefekten. 

Verf.  bringt  in  Erinnerung,  dass  die  von  Berndt  in  No.  48 
[■gegebene  Methode  bereits  von  ihm  selbst  1902  vorgeschlagen 
vorden  ist.  Heute  benützt  er  als  Ersatz  für  die  Dura  am  liebsten 
rei  transplantierten  Bruchsack  und  empfiehlt  womöglich  den  Defekt 
ler  Dura  und  des  Knochens  in  einer  Sitzung  zu  ersetzen. 

v.  Illyes-Pest:  Pyelotomie  mit  Inzision  der  vorderen  Nieren- 
teckenwand. 

Verf.  empfiehlt  zur  Entfernung  von  Steinen  aus  dem  Nieren- 
jecken  die  vordere  Pyelotomie  zu  machen,  weil  man  dann  nicht 
lie  ganze  Niere,  sondern  nur  den  oberen  Teil  des  Ureters  frei- 
, ulegen  braucht,  um  bequem  bei  leichtem  Abziehen  des  Ureters  durch 
■inen  Assistenten  die  vordere  Wand  des  Nierenbeckens  zu  erreichen. 
T>ie  Freilegung  der  hinteren  Wand  ist  oft  sehr  schwer  bei  fetten 
Jersonen;  ferner  kommen  dabei  nicht  selten  Blutungen  zustande 
aus  dem  Plexus  venosus  retropyelicus). 

F.  Steinmann  -  Bern :  Zur  Heftpflasterextension  in  Semi- 
lexion  des  Kniegelenkes. 

Verf.  empfiehlt,  statt  eines  Heftpflasterzügels,  wie  Grüne  an- 
;ab,  zwei  zu  verwenden,  welche  spiralförmig  am  Bein  herabziehen  und 
ich  zuerst  auf  der  Vorderseite  des  Oberschenkels,  ein  zweites  Mal 
in  der  Wade  kreuzen;  diese  2  Streifen  schmiegen  sich  überall  gleich- 
nässig  an  und  gestatten  eine  bequeme  Bewegung  des  Kniegelenkes, 
>!me  eine  Einschnürung  der  Weichteile  zu  verursachen. 

Richard  und  Felicitas  Felten-Stoltzenberg-St.  Peter 
i.  d.  Nordsee:  Zur  Technik  der  Fremdkörperextraktion. 

Verfasser  beschreiben  an  der  Hand  einer  Abbildung  genau  das 
or.  ihnen  ausgearbeitete  Verfahren;  sie  vermeiden  das  Operieren 
in  Röntgenzimmer  und  benützen  2  feine  Drahtnetze,  in  deren 
Quadrate  der  Fremdkörper  im  Röntgenbild  sich  projiziert:  die 
3rojektion  des  Fremdkörpers  wird  dann  auf  die  Haut  gezeichnet. 
'Jähere  Einzelheiten  sind  in  der  Arbeit  selbst  nachzulesen. 

E.  H  e  i  m  -  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  1  und  2. 

E.  Bumm-Berlin:  Zur  Frage  der  Wundversorgung  bei  der 
^adikaloperation  des  Carcinoma  colli  Uteri. 

Die  Hauptsache  bei  der  Radikaloperation  ist,  nur  gesundes  Peri- 
oneum  in  der  Bauchhöhle  zurückzulassen.  B.  schliesst  die  freie 
lauchhöhle  durch  die  seroseröse  Naht  ab  und  verwirft  jetzt  jegliche 
Tamponade  und  Drainage.  Die  Mortalität  der  letzten  100  Fälle  betrug 
lur  6  Proz.,  was  B.  auf  die  Ausschaltung  der  Peritonitis  durch  die 
Änderung  der  Wundversorgung  zurückführt.  Daneben  wurden  die 
•'Chutzmassregeln  verschärft:  Keine  Operationen  bei  febriler  Tem¬ 
peratur,  sorgfältige  Desinfektion  der  Oberfläche  des  Karzinoms, 
Schutz  vor  Keimverschleppung  während  der  Operation,  gute  Blut¬ 
stillung  und  Vermeidung  von  Nebenverletzungen.  Von  letzteren  sah 
3.  1  mal  eine  Harnleiterverletzung,  1  mal  eine  Blasenverletzung, 
mal  Durchtrennung  einer  verwachsenen  Ileumschlinge  und  3  mal 
^ektum-Scheidenfisteln  nach  Nekrose  der  Rektalwand. 

L.  P  r  o  c  h  o  w  n  i  c  k  -  Hamburg:  Akute  Tuberkulose  nach 
,'ynäkologischen  Eingriffen. 

7  Fälle,  in  denen  nach  gynäkologischen,  mitunter  ganz  einfachen 
Angriffen  akute  letal  verlaufende  Tuberkulose  aufgetreten  war. 
■Vegen  der  Einzelheiten  muss  auf  das  Original  verwiesen  werden. 

E.  Langes- Kiel:  Eine  neue  Methode  der  intraperitonealen 
erkiirzung  der  Ligg.  rotunda. 

L.  teilt  das  Lig.  rotund.  durch  Anlegung  von  2  Klemmen  in 
’  parallel  liegende  Schenkel.  Die  eine  Schleife  wird  am  inneren 
-eistenring  fixiert,  die  andere  am  Fundus  uteri.  ln  10  Fällen  hat 
ich  die  Methode  bisher  bewährt. 

Rieck-Mainz:  Darmverschluss  nach  Entbindungen  bei  plattem 
>zw.  rachitisch  plattem  Becken. 

Der  Fall  betraf  eine  29  jährige  I.-para;  als  Ursache  des  Darm- 
erschlusses  ergab  sich  eine  Kompression  des  Rektum  durch  den 
teriis.  Prophylaktisch  empfiehlt  R.  Darmentleerung  per  os,  Sehen¬ 
der  Knieellbogenlage,  event.  Punktion  des  Kolon  und  Einführung 
änes  Darmrohrs  unter  Leitung  von  einem  oder  2  Fingern  über  das 
’romontorium  hinaus. 

Robert  Meyer  und  Carl  Rüge  II -Berlin:  Ueber  Corpus 
uteum-Bildung  und  Menstruation  in  ihrer  zeitlichen  Zusammen¬ 
gehörigkeit. 

Aus  der  Untersuchung  von  27  Fällen  und  dem  Vergleich  der 
listologischen  Vorgänge  bei  der  Corpus  luteum-Bildung  mit  dem 
*atum  der  letzten  Menstruation  und  mit  der  Schleimhaut  der  meist 
otalexstirpierten  Uteri  kommen  Verfasser  zu  dem  Ergebnis,  dass 


sicher  ein  Zusammenhang  zwischen  Ovulation  und  Menstruation 
bestellt  und  dass  man  aus  dem  histologischen  Bilde  des  Corp.  lut. 
ungefähr  das  Datum  der  letzten  Menses  ablesen  kann. 

H.  Rotter-Pest:  Verfahren  zur  Heilung  enger  Becken. 

R.  hat  sein  schon  früher  (Zentralbl.  1912,  No.  13)  empfohlenes 
Verfahren  jetzt  an  der  Lebenden  ausgeführt.  Es  handelte  sich  um 
eine  32  jährige  Vlll.-para  mit  allgemein  verengtem,  platten  Becken, 
die  bisher  nur  tote  Kinder  zur  Welt  gebracht  hatte.  Die  Operation 
besteht  in  einer  Abmeisselung  —  „Reduktion“  —  des  Promontoriums. 
Verlauf  glatt.  Wie  eine  etwaige  Gravidität  später  verlaufen  wird, 
steht  dahin. 

E.  K  e  h  r  e  r  -  Dresden:  Vorläufige  Mitteilung  zur  exakten 
röntgenologischen  Beckenmessung. 

K.  hat  einen  Apparat  konstruiert,  mit  der  die  Conjugata  vera 
auf  den  Millimeter  genau  bestimmt  werden  soll.  Näheres  soll  später 
erfolgen. 

M.  S  p  e  r  1  i  n  g  -  Königsberg:  Ein  Fall  von  unstillbarem  Er¬ 
brechen  hei  Retroversio  uteri  puerperalis. 

Das  Besondere  an  dem  Fall  (23  jährige  I.-para)  war,  dass  das 
unstillbare  Erbrechen  zwar  nach  dem  3.  Monat  begann,  aber  auch 
nach  dem  Abort  fortdauerte.  Erst  nach  einer  Kürettage  des  Uterus 
ging  letzterer  wieder  in  anteflektorische  Stellung  über  und  von  da 
ab  verschwand  jede  Brechneigung. 

M.  Krüger-Franke:  Ueber  eine  seltene  Erkrankung  eines 
Neugeborenen.  (Akute  Tetanie.) 

Es  handelte  sich  um  einen  tetanischen  Zustand  des  ganzen 
Körpers,  Erbrechen  und  Durchfälle  vom  1.  Lebenstage  ab,  Tod  am 
2.  Tage.  Die  bakteriologische  Sektion  ergab  Streptokokken  im 
Darm.  Die  Mutter  blieb  gesund  und  machte  ein  fieberloses  Wochen¬ 
bett  durch.  Kr.  glaubt,  dass  es  sich  um  Resorption  von  Zerfalls¬ 
produkten  aus  dem  Darm  handelte,  die  zu  der  „akuten  Tetanie“ 
geführt  hat.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  59.  Band,  3.  u.  4.  Heft. 

1)  Dina  Rabinowitsch:  Die  Leukozyten  verschiedener 
Altersstufen.  Untersuchungen  über  die  Leukozyten  gesunder  Kinder. 

(Aus  der  Medizinischen  Universitätspoliklinik  in  Bern.) 

Die  Untersuchungen  haben  folgendes  ergeben:  Bei  gesunden  Kin¬ 
dern  im  Alter  von  1 — 15  Jahren  beträgt  die  Gesamtzahl  der  Leuko¬ 
zyten  im  Kubikzentimeter  Blut  im  Durchschnitt  6000 — 7000  wie  beim 
Erwachsenen.  Das  Geschlecht  bewirkt  keinen  Unterschied  in  der 
Leukozytenzahl. 

Die  neutrophilen  mehrkernigen  Leukozyten  nehmen  mit 
dem  steigenden  Alter  der  Kinder  kontinuierlich  an  Zahl  zu.  Von 
30  Proz.  im  ersten  Lebensjahre  bis  70  Proz.  im  15.  Lebensjahre.  Dem¬ 
entsprechend  sinkt  die  Zahl  der  Lymphozyten  von  60  Proz. 
bis  30  Proz.  Während  also  bei  kleinen  Kindern  die  Zahl  der  Lympho¬ 
zyten  grösser  ist  als  diejenige  der  neutrophilen  Granulozyten  ist  bei 
älteren  Kindern  das  Verhältnis  umgekehrt.  Die  Umkehrung  dieses 
Mengenverhältnisses  vollzieht  sich  durchschnittlich  im  6.  Lebensjahre. 

Die  Zahlen  der  eosinophilen  Zellen  betragen  im  Durch¬ 
schnitt  4 — 6  Proz.,  schwanken  aber  bei  verschiedenen  Kindern  glei¬ 
chen  Alters  in  weiten  Grenzen.  Die  Uebergangsformen 
machen  bei  Kindern  im  Durchschnitt  2 — 3  Proz.  aus.  Die 
Zahlen  der  Mastzellen  sind  bei  Kindern  im  ganzen  klein,  be¬ 
tragen  ca.  0,3 — 0,6  Proz.,  sehr  oft  werden  in  den  Präparaten  gar 
keine  Mastzellen  gefunden.  Die  Zahl  der  grossen  Mono- 
nukleären  beträgt  1 — 3,3  Proz.  und  ist  für  alle  Altersstufen  der 
Kinder  nahezu  gleich. 

2)  L.  M.  Pussep:  Operative  Behandlung  des  Hydrocephalus 

internus  bei  Kindern.  (Aus  der  neurochirurgischen  Klinik  im  psycho- 
neurologischen  Institut  zu  St.  Petersburg.) 

Verf.  glaubt  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  folgende  Thesen 
aufstellen  zu  können:  Die  vom  Verf.  modifizierte  K  r  a  u  s  e  sehe 
Operation  bei  Hydrozephalus  ist,  da  sie  dem  bekannten  Entstehungs¬ 
mechanismus  des  Hydrocephalus  internus  entspricht,  bei  verschie¬ 
denen  Formen  von  Hydrocephalus  internus  indiziert,  wobei  sie  in 
manchen  Fällen  von  kurativer,  in  anderen  von  palliativer  Bedeu¬ 
tung  ist. 

Diese  Operation  ist  in  technischer  Beziehung  die  einfachste.  Bei 
schweren  Formen  von  chronischem  Hydrocephalus  internus  kann  sie, 
allgemein  gute  Ernährung  des  Kindes  vorausgesetzt,  eine  gewisse  Er¬ 
leichterung  verschaffen. 

Bei  durch  Meningitis  bedingtem  akuten  Hydrozephalus,  wo  die 
Erscheinungen  der  Hirnkompression  sehr  stark  ausgeprägt  sind,  muss 
man  diese  Operation  nicht  nur  zur  Erleichterung  der  Leiden  der 
Kranken,  sondern  auch  behufs  günstiger  Beeinflussung  des  weiteren 
Krankheitsverlaufes  anwenden.  Die  Operation  kann  fast  in  allen 
Fällen  von  Hydrocephalus  angewendet  werden,  stets  aber  in  Kom¬ 
bination  mit  einer  energischen  internen  spezifischen  Behandlung. 

3)  A.  M  o  1  o  d  e  n  k  o  f  f :  Das  Fleckfieber  bei  Kindern  nach  dem 
Material  des  M  o  r  o  s  o  f  f  sehen  Kinderkrankenhauses  in  Moskau 
während  der  Epidemie  des  Jahres  1911. 

Klinische  Darstellung  dieser  in  Russland  noch  recht  häufigen  Er¬ 
krankung,  durch  zahlreiche  Tabellen  und  Kurven  illustriert. 

4)  Dm.  L  e  b  e  d  e  v:  Eine  seltene  Kombination  von  3  angeborenen 
Anomalien:  Urachusfistel,  Nabelstrangbruch  und  Kryptorchismus  bei 
einem  Kinde.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  zu  Moskau.) 

Der  12  Monate  alte  Knabe  wurde  durch  Operation  geheilt. 

Hecker-  München. 


206  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  4. 


Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  XI,  No.  7,  1912 

1)  Prof.  Eduard  M  ii  1 1  e  r  -  Marburg:  Die  Frühstadien  der 
epidemischen  Kinderlähmung.  (Aus  der  med.  Uni v.-Poliklinik  in 
Marburg.) 

Referat  auf  dem  I.  internationalen  Kongress  für  Kinderheilkunde 
ir.  Paris  —  Oktober  1912  — .  Vergl.  Heckers  Referat  über  diesen 
Kongress. 

2)  K.  Sugi:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Gallengangsstenose 
beim  Neugeborenen.  (Aus  der  Kinderklinik  der  Landes-Findelanstalt 
|Prof.  A.  Epstein]  und  dem  pathol.-anatomischen  Institut  [Prof. 
A.  Qhon]  der  deutschen  Universität  in  Prag.) 

Kasuistik.  Neben  der  Lues  sind  auch  noch  andere  Ursachen  iiir 
eine  entzündliche  Stenose  des  Gallengangs  möglich;  vielleicht  handelt 
es  sich  bei  dieser  Veränderung  sogar  in  manchen  Fällen  gar  nicht 
um  einen  kongenitalen,  sondern  um  einen  kurz  nach  der  Geburt  er¬ 
worbenen  Prozess. 

3)  F.  Lust:  Ueber  die  Ausscheidung  von  zuckerspaltenden 
Fermenten  beim  Säugling.  (Aus  der  Univ.-Kinderklinik  in  Heidel¬ 
berg.  Direktor:  Prof.  E.  Moro.) 

Fermentuntersuchungen  an  56  grösstenteils  ernährungsgestörten 
Säuglingen.  Laktase  wurde  in  jedem  untersuchten  Falle  nach¬ 
gewiesen,  auch  bei  einer  mit  Laktosurie  verlaufenden  alimentären 
Intoxikation.  M  a  1 1  a  s  e  wurde  gleichfalls  stets  gefunden.  Während 
bei  einer  lebensschwachen  Frühgeburt  die  Fäzes  nur  sehr  spärlich 
Laktase  enthielten,  war  die  Maltase  auch  hier  reichlich  vertreten. 
Auch  ein  invertierendes  Ferment  fand  sich  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle;  immerhin  konnte  sein  Nachweis  unter  34  Untersuchungen 
10  mal  nicht  erbracht  werden.  Für  ein  Fehlen  der  Invertinausschei¬ 
dung  bei  manchen  Säuglingen  kann  aber  der  Mangel  von  Rohrzucker 
in  der  Nahrung  mindestens  nicht  regelmässig  verantwortlich  gemacht 
werden.  Rohrzuckerausscheidungen  im  Urin  dürfen  keinesfalls  mit 
einem  Fehlen  des  invertierenden  Fermentes  in  ursächlichen  Zu¬ 
sammenhang  gebracht  werden.  „Wir  können  mit  grösster  Wahr¬ 
scheinlichkeit  annehmen,  dass  für  das  Auftreten  einer  Saccharosurie 
dieselben  Faktoren  wie  für  die  Laktosurie  zur  Verantwortung  ge¬ 
zogen  werden  müssen.“ 

4)  H.  H  a  h  n  und  F.  Lust:  Ueber  die  Ausscheidung  von  eiweiss-, 
stärke-  und  fettspaltenden  Fermenten  beim  Säugling.  (Aus  der 
Univer.-Kinderklinik  in  Heidelberg.  Direktor:  Prof.  E.  Moro.) 

Bei  diesen  Untersuchungen  handelt  es  sich  meist  um  die  gleichen 
Säuglinge,  deren  Stühle  Lust  (in  der  vorausgehenden  Arbeit)  auf 
zuckerspaltende  Fermente  geprüft  hat.  Es  gelang  mit  Ausnahme 
eines  einzigen  Falles  (schwerster  Dekomposition)  stets  tryptisches 
Ferment  in  den  Stühlen  nachzuweisen,  einerlei,  ob  es  sich  um  durch¬ 
fällige  oder  feste  Stühle  handelte.  Auch  die  Erepsinwirkung  war  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle,  und  zwar  auch  bei  akuten  und  chronischen 
Ernährungsstörungen,  sehr  ausgiebig.  Labferment  fand  sich  in  den 
Fäzes  aller  gesunden  Kinder,  auch  bei  einer  Reihe  akuter  und  chro¬ 
nischer  Ernährungsstörungen,  bei  anderen  blieb  aber  die  Labwirkung 
aus,  ohne  dass  sich  irgend  ein  gesetzmässiges  Verhalten  gezeigt 
hätte.  Die  Diastasewirkung  wurde  nie  völlig  vermisst;  wo  eine 
schwächere  Wirkung  vorhanden  war,  fand  sich  auch  gleichzeitig 
eine  Minderung  der  Trypsinwirkung.  Das  lipoly tische  Vermögen 
der  Fäzes  fand  sich  selbst  bei  den  schwersten  chronischen  Er¬ 
nährungsstörungen  ungeschwächt,  dagegen  war  es  sehr  auffällig, 
dass  Fäzes  aus  dem  Stadium  der  alimentären  Intoxikation  ein  auf¬ 
fallend  geringes,  vereinzelt  sogar  ein  völlig  mangelndes  Fettspaltungs¬ 
vermögen  besassen.  Auch  bei  der  H  e  u  b  n  e  r  sehen  Verdauungs¬ 
insuffizienz  älterer  Kinder  fand  sich  in  2  untersuchten  Fällen  keine 
mangelhafte  Absonderung  der  Verdauungsfermente. 

5)  Prof.  J  e  m  m  a  -  Palermo:  Leishmansche  Anämie. 

Referat  am  I.  Kongress  der  internationalen  Gesellschaft  für 
Pädiatrie  in  Paris  (Oktober  1912).  Vergl.  Heckers  Referat  über 
diesen  Kongress.  Albert  Uffenheimer  -  München. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

70.  Band,  5.  Heft. 

K.  Schübel:  Zur  Biochemie  der  Termiten.  (Pharmakol.  In¬ 
stitut  Würzburg.) 

Chemische  Untersuchungen  der  Kotstalaktiten  von  Eutermos 
monoceros;  die  Erwartung  des  Verf.,  wie  bei  gewissen  Lepidop- 
teren  Kantharidin  oder  kantharidinähnliche  Stoffe  zu  finden,  hat  sich 
nicht  bestätigt. 

A.  v.  Konschegg:  Ueber  die  Zuckerdichtigkeit  der  Nieren 
nach  wiederholten  Adrenalininjektionen.  (Pharmak.  Institut  Graz.) 

Wenn  man  durch  wiederholte  Adrenalininjektionen  die  Nieren 
von  Kaninchen  zuckerdicht  macht,  gelingt  es  auch  nicht  durch  Er¬ 
zeugung  von  Salzdiurese  Glykosurie  hervorzurufen.  Das  Blut  enthält 
nicht  mehr  Zucker  als  in  der  Norm,  aber  die  Nieren  selbst  enthalten 
erheblich  mehr  Zucker  als  normale  Nieren.  Es  kann  also  die  Hem¬ 
mung  der  Glykosurie  nicht  dadurch  bedingt  sein,  dass  die  Nieren 
keinen  Zucker  aus  dem  Blut  aufnehmen. 

O.  Loewi:  Untersuchungen  zur  Physiologie  und  Pharmakologie 
des  Herzvagus.  I.  Mitteilung.  Ueber  den  Einfluss  von  Chloralhydrat 
auf  den  Erfolg  der  Vagusreizung.  (Pharmakol.  Institut  Graz.) 

Chloralhydrat  intravenös  hemmt  die  Wirkung  der  Vagusreizung, 
grosse  Dosen  heben  sie  endgültig  auf.  Kampfer  hemmt  den  Erfolg 
der  Vagusreizung  vorübergehend.  Es  braucht  eine  Aenderung  in  der 
Intensität  der  Reizbildung  des  Herzens  nicht  in  einer  Frequenzände¬ 


rung  zum  Ausdruck  zu  kommen.  Die  Ursache  des  Wiederbeginns  der 
Herztätigkeit  während  fortdauernder  Vagusreizung  ist  eine  wach¬ 
sende,  durch  die  Hemmung  gesetzte  Intensitätssteigerung  der  Funk¬ 
tion  der  reizbildenden  Apparate. 

Derselbe:  II.  Mitteilung:  Ueber  die  Bedeutung  des  Kalziums 
für  die  Vaguswirkung. 

Geringgradige  Kalziumentziehung  steigert  die  Erregbarkeit  des 
Vagus  für  lange  Zeit,  hochgradige  oder  totale  nicht.  Die  Muskarin- 
wirkung  kommt  beim  Frosch  trotzdem  zustande.  Kalziumzufuhr  be¬ 
einflusst  auch  bei  Säuger  und  Frosch  die  Pilokarpin-  und  Muskarin¬ 
vaguslähmung  nicht. 

Derselbe:  III.  Mitteilung:  Vaguserregbarkeit  und  Vagusgiite. 

Pilokarpin  und  Muskarin  reizen  den  Vagus  an  der  myoneuralen 
Verbindung.  Die  Erregbarkeitsänderungen  des  Vagus,  besonders  die 
Vaguslähmung  ist  eine  Folge  dieser  Reizwirkung. 

C.  C  e  r  v  e  1 1  o  und  C.  Varvaro:  Ueber  das  Oxydationsver- 
mögen  einiger  Schwermetalle  in  Verbindung  mit  Eiweiss  und  einige 
physikalisch-chemische  Eigenschaften  derselben.  (Pharmakol.  In¬ 
stitut  Palermo.) 

Aus  den  Chloriden  von  Kupfer,  Eisen,  Quecksilber,  Zink  und> 
Mangan  wurden  Albuminate  hergestellt  und  deren  Oxydationsver-' 
mögen  gegen  Guajakharz,  Pyrogallol  und  Indigweiss  geprüft.  Am 
stärksten  oxydierten  Eisen  und  Kupferalbuminate,  dann  folgten  Queck¬ 
silber,  Zink  und  Mangan.  Infolge  der  Anwesenheit  des  Metallsalzes' 
in  der  Eiweisslösung  steigt,  ausser  beim  Zink  und  Quecksilber,  der: 
Koagulationspunkt  der  Eiweisslösung;  durch  das  Eisen  wird  die 
Koagulation  völlig  aufgehoben.  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  3,  1913. 

1)  H.  Lewis  J  o  n  e  s  -  London:  Fortschritte  in  der  Elektro¬ 
therapie. 

Jubiläumsartikel. 

2)  Alexander  T  i  e  t  z  e  -  Breslau:  Beidseitige  Resektion  oder 
einseitige  Exstirpation  des  Kropfes?  (Vortrag,  gehalten  am 
21.  Nov.  1911  in  der  Breslauer  chirurgischen  Gesellschaft.) 

Bei  vorwiegender  Beteiligung  der  einen  Seite  wendet  der  Ver¬ 
fasser  die  Exstirpation  an;  die  Resektion  'dagegen  bei  Fällen  vonj 
diffuser  doppelseitiger  Struma,  und  zwar  als  keilförmige  Exzisionj 
d.  h.  die  Gefässe  des  oberen  Pols  werden  unterbunden,  die  Struma 
mit  einer  Kropfzange  gefasst  und  hervorgezogen,  luxiert  und  so  weit 
freigemacht,  dass  es  gelingt,  ein  regelmässig  begrenztes  und  erheb-, 
liches  Stück  herauszuschneiden  und  den  Rest  sicher  mit  Katgut  zu 
vernähen.  Die  Gefässe  des  unteren  Poles  werden  nicht  angerührt, 
der  Isthmus  bleibt  erhalten  und  wird  nur  gekürzt,  wenn  er  knoten- 
oder  streifenförmig  am  Kehlkopf  in  die  Höhe  zieht. 

3)  Eugen  Holländer  -  Berlin :  Ein  dritter  Weg  zur  totalen 
Rhinoplastik.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
am  11.  Dezember  1912.) 

Cf.  pag.  2842  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

4)  Max  W  e  i  c  h  e  r  t  -  Breslau ;  Ueber  Mammaplastik.  (Vor¬ 
trag,  gehalten  am  8.  Nov.  1912  im  Allerheiligenhospital  am  klinischen 
Abend  der  medizinischen  Sektion  der  schlesischen  Gesellschaft  iiiri 
vaterländische  Kultur.) 

Verfasser  beschreibt  4  Fälle  von  Mammaamputationen,  bei  dener 
zur  Deckung  des  entstehenden  Defektes  die  andersseitige  Mamma  als 
gestielter  Lappen  eingesetzt  wurde.  Durch  diese  Plastiken  werden 
am  besten  die  Uebelstände  vermieden,  die  bei  so  grossen  Defekten 
durch  Narbenzug  entstehen. 

5)  Gustav  Baer  -  Davos:  Beitrag  zur  Kavernenchirurgie. 

Wie  der  beschriebene  Fall  zeigt,  kann  in  geeigneten  Fällen  vor 
grossen  Kavernen  die  extrapleurale  Pneumolyse  mit  sekundärer  pla¬ 
stischer  Füllung  der  entstandenen  Höhle  Erfolg  versprechen.  Auel 
partielle  Ablösung  genügt  bereits,  um  Kavernen  in  günstigem  Sinne 
zu  beeinflussen.  Der  Erfolg  kann  in  solchen  Fällen  durch  sekundäre 
Eröffnung  der  Kaverne  gesteigert  werden,  und  es  ist  wohl  möglich; 
dass  es  zu  einem  vollständigen  Erfolg  kommt,  wenn  der  Verschluss 
der  Bronchialfistel  gelingt  mit  nachfolgender  plastischer  Füllung  dei 
Höhle.  Die  Operation  könnte  auch  für  nicht  rein  kavernöse  Fälle  ir| 
den  oberen  Partien  der  Lunge  in  Frage  kommen. 

6)  Lydia  R  a  b  i  n  o  w  i  t  s  c h  -  Berlin:  Blutbefunde  bei  Tuber 
kuiose.  (Nach  einer  in  der  Gesellschaft  der  Chariteeärzte  an 
9.  Januar  1913  gemachten  Mitteilung.) 

Die  Ausführungen  der  Verfasserin  zeigen,  dass  die  Blutunter- 
suchungen  bei  Tuberkulose  noch  ein  grosses  und  dankbares  Feh 
bakteriologischer  Forschung  darbieten,  da,  wenn  auch  manches  gej 
klärt  ist.  doch  noch  vieles  der  Aufklärung  harrt. 

7)  Ernst  v.  C  z  y  h  1  a  r  z  -  Wien:  Ueber  Nystagmus  bei  fieber 
haften  Krankheiten. 

Im  allgemeinen  stimmen  die  Erfahrungen  des  Verfassers  mi 
denen  von  Beck  und  B  i  a  c  h  vollkommen  überein,  dass  das  Auf 
treten  des  Nystagmus  in  inniger  Beziehung  zum  Fieber  steht,  nur  h 
puncto  Typhus  und  Tuberkulose  kamen  sie  zu  anderen  Resultaten 

8)  M.  Bürger  und  B  e  u  m  e  r  -  Charlottenburg :  Zur  Lipoid 
Chemie  des  Blutes.  I.  Ueber  die  Verteilung  von  Cholesterin,  Cholc 
sterinestern  und  Lezithin  im  Serum.  (Schluss  folgt.) 

9)  Marcus  Rabino  witsch  -  Charkow :  Schutzimpfung  mi 
abgeschwächten  Tuberkelbazillen. 

Die  Virulenz  der  Tuberkelbazillen  ist  keine  konstante  Eigenschaf 
derselben  und  kann  künstlich  abgeschwächt  oder  ganz  zum  Ver 


28.  Januar  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


schwinden  gebracht  werden.  Die  ganz  abgeschwächten  Tuberkel¬ 
bazillen  in  Mengen  von  0,002  g  Meerschweinchen  subkutan  verimpft, 
erzeugen  bei  denselben  im  Verlauf  von  zwei  Monaten  keine  wahr¬ 
nehmbaren  tuberkulösen  Veränderungen.  Mit  den  abgeschwächten 
1  uberkelbazillen  vorbehandelte  Meerschweinchen  werden  für  eine 
zweite  Impfung  mit  sehr  virulenten  Bazillen  unempfänglich. 

Dr.  Qrassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  3,  1913. 

1)  0.  F  o  e  r  s  t  e  r  -  Breslau :  Die  analytische  Methode  der 
kompensatorischen  Uebungsbehandlung  bei  Tabes  dorsalis. 

Klinischer  Vortrag.  Schluss  aus  No.  2. 

2)  Oskar  B  r  u  n  s  -  Marburg:  Die  ßliitzirkulation  in  atmenden 
und  atelektatischen  Lungen. 

In  der  kollabierten  und  atelektatischen  Lunge  ist  der  Grad  der 
Durchblutung  ebenso  wie  die  Menge  des  jeweils  vorhandenen  Blutes 
geringer  als  in  der  normal  ausgedehnten  Lunge;  dies  ist  der  Grund, 
warum  bei  Kollaps  einer  Lunge  das  Körperblut  weder  sauerstoff¬ 
armer  noch  besonders  kohlensäurereicher  wird.  Bei  der  Pneumo¬ 
thoraxtherapie  der  Lungentuberkulose  kann  somit  von  einer  Hyper- 
äniiewirkung  nicht  die  Rede  sein. 

3)  Lydia  Rabino  witsch  -  Berlin :  Untersuchungen  zur 
Tuberkulosefrage. 

Es  hat  sich  herausgestellt,  dass  in  45  Proz.  von  Menschen,  die 
der  Tuberkulose  erlegen  waren,  Tuberkelbazillen  auch  in  der  Galle 
rmchgewiesen  werden  konnten;  in  relativ  vielen  Fällen  fand  sich  der 
Typus  bovinus.  Gelegentlich  ist  gleichzeitig  im  Körper  auch  der 
Typus  humanus  vorhanden,  was  zu  der  Annahme  hinleitet,  dass  die 
verschiedenen  atypischen  Bazillenformen  Transmutationsprodukte 
dai stellen.  So  ist  auch  vielleicht  die  Tatsache  zu  erklären,  dass  im 
Kindesalter  die  bovine  Form  ziemlich  häufig  gesehen  wird,  während 
bei  der  Tuberkulose  des  Erwachsenen  die  humane  Form  weitaus 
vorherrscht;  es  scheint  im  infizierten  Körper  also  eine  Umwandlung 
stattzufinden  und  nicht  eine  Mischinfektion  vorzuliegen.  Wie  beiin 
Menschen  so  weist  auch  beim  Kind  die  Ausscheidung  von  Tuberkel¬ 
bazillen  mit  den  Fäzes  auf  das  Vorhandensein  von  Tuberkelbazillen 
im  Gallenapparat  hin;  derartige  Tiere  zeigen  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  ihre  tuberkulöse  Erkrankung  nicht  anders  als  durch  einen 
positiven  Ausfall  der  Tuberkulinreaktion  an;  die  Milch  von  solchen 
Kühen  kann  infektiös  sein. 

4)  E.  B  e  h  r  e  n  r  o  t  h  -  Greifswald ;  Die  sexuelle  psychogene 
Herzneurose  („Phrenokardie“). 

Die  Phrenokardie  (fast  regelmässig  die  Teilerscheinung  einer 
allgemeinen  Nervosität,  Neurasthenie  oder  Hysterie)  ist  als  eine 
durch  sexuelle  Momente  bedingte  Psychoneurose  aufzufassen,  deren 
Hauptsymptome  durch  einen  intensiven  Schmerz  in  der  Gegend  der 
Herzspitze,  durch  eine  sogen.  Atemsperre  und  zeitweilige,  oft  aus 
dem  geringfügigsten  Anlasse  auftretende  Herzpalpationen  dargestellt 
werden.  Diese  können  mehr  oder  weniger,  da  es  sich  in  der  weitaus 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  um  Frauen  im  geschlechtsreifen 
Alter  handelt,  durch  hysterische  Symptome  verschleiert  sein.  Der 
objektive  Herzbefund  ist  meist  wenig  oder  gar  nicht  abweichend 
von  der  Norm.  Eine  Art  spastischer  Obstipation  wird  gelegentlich 
beobachtet.  Auffallend  pflegt  ein  gewisser  Wechsel  im  Befinden  der 
Patienten  zu  sein:  die  Krankheitserscheinungen  können  auch  in  Form 
von  Anfällen  auftreten. 

5)  D.iKulenkampff  -  Zwickau :  Zur  Frühdiagnose  der  akuten 
Magenperforation. 

Als  Frühsymptom  für  beginnende  Perforationsperitonitis  konnte 
in  einem  Falle  von  perforiertem  Magengeschwür,  ohne  dass  der 
Bauch  etwa  mit  Mageninhalt  stärker  erfüllt,  ohne  dass  die  Leber¬ 
dämpfung  aufgehoben,  eine  Flankendämpfung  vorhanden  gewesen 
wäre,  eine  ausgesprochene  Empfindlichkeit  der  Douglasschen 
Falte  bei  Druck  des  ins  Rektum  eingeführten  Fingers  gegen  die  Plica 
recto-vesicalis  festgestellt  werden. 

6)  Georg  W  o  1  f  s  o  h  n  -  Berlin :  Ueber  eine  Modifikation  des 
Staphylokokkenvakzins. 

Das  Staphylokokkenvivovakzin,  eine  Kombination  von  lebenden, 
abgeschwächten  Kulturfiltraten  und  von  abgetöteten  Kokken  hat  in 
30  Fällen  von  chronischem  Ekzem,  in  3  Fällen  von  Sykosis,  in 
14  Fällen  von  Furunkulose  eine  ganz  auffallende  Besserung  herbei¬ 
geführt.  Misserfolge  wurden  gesehen  2  mal  bei  Osteomyelitis 
femoris  mit  Sequesterbildung  und  2  mal  bei  chronischem  Ekzem  der 
Mammilla. 

7)  Philipp  E  r  1  a  c  h  e  r  -  Graz:  Kausale  und  symptomatische  Be¬ 
handlung  gonorrhoischer  Prozesse  des  Mannes  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Original-Gonokokkenvakzine  Menzer. 

Die  Menzer  sehe  Gonokokkenvakzine  hat  sich  —  es  wurden 
Mengen  von  5 — 28  Millionen  Gonokokken  in  der  Einzeldosis  injiziert  — 
ebensowohl  bei  Behandlung  der  akuten  und  chronischen  gonor¬ 
rhoischen  Urethritis  als  auch  bei  einer  Reihe  spezifischer  Kom¬ 
plikationen,  2  mal  sogar  noch  bei  akuter  gonorrhoischer  Sepsis  sehr 
gut  bewährt.  Auch  als  diagnostisches  Mittel  verdient  sie  angewendet 
zu  werden.  Trotz  offenkundiger  lokaler  Reaktion  konnten  niemals 
Temperatursteigerungen  oder  sonstige  üble  Nebenwirkungen  beob¬ 
achtet  werden. 

8)  Hermann  Opitz-Thorn:  Feststellung  der  freien  Salzsäure 
im  Mageninhalt  ohne  Magenschlauch. 

Eine  ausgiebig,  gelöcherte  ovale  Hartgummikapsel  wird  mit 


Kongo-  und  Lackmuspapier  beschickt  und  zum  Schutze  gegen  den 
Speichel  mit  einer  Oblate  umgeben  vom  Patienten  verschluckt  und 
nach  einiger  Zeit  mit  dem  an  ihr  befestigten  Seidenfaden  wieder 
heraufgezogen. 

9)  S.  L  o  e  b  -  Stuttgart :  Hemicanities  bei  Hemiplegie. 

Kasuistischer  Beitrag  mit  einer  photographischen  Abbildung. 

Die  Weissfärbung  der  Haare  an  der  linken  Kopf-  und  Gesichtsseite 
wurde  spätestens  am  8.  Tage  nach  der  Apoplexie  bemerkt. 

10)  Erwin  P  f  i  st  e  r  -  Kairo:  Ueber  Prostataelemente  bei 
Urethrorrhoea  ex  libidine. 

Zumal  bei  älteren  Männern  treten  Corpora  amylacea  aus  der 
Prostata  in  die  hintere  Harnröhre  über  und  können  dann  bei  einfacher 
Urethrorrhoea  libidinosa  mit  dem  Sekret  der  Harnröhrendrüsen 
herausgeschwemmt  werden.  Eine  Atonie  der  Prostata  braucht  somit 
nicht  ohne  weiteres  angenommen  zu  werden. 

11)  H.  V  i  r  c  h  o  w  -  Berlin:  Ein  Herzklappenebenenpräparat. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  in 

Berlin  am  18.  XI.  1912,  referiert  in  No.  48  (1912)  der  Münch,  med. 
Wochenschrift. 

12)  Artur  S  c  h  1  e  s  i  n  g  e  r  -  Berlin :  Ueber  latentes  Erysipel. 

Vorgetragen  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am 

25.  XI.  1912,  referiert  in  No.  49  (1912)  der  Münch,  med.  Wochensc'hr. 

13)  F.  1  s  a  e  s  s  e  r  -  Hannover :  Heissluftinhalation. 

Mittels  eines  eigens  konstruierten  elektrischen  Apparates  aus¬ 
geführte  Heissluftinhalation  von  etwa  120°  erwies  sich  von  günstigem 
Einflüsse  auf  chronische  Bronchitiden,  Asthmakatarrhe,  akute  Er¬ 
krankungen  des  Kehlkopfes  und  der  Luftröhre,  Schwellungszustände 
der  Nasenschleimhaut  und  Rachenkatarrhe.  Dem  Luftstrom  können 
auch  flüchtige  ätherische  Oele  beigemischt  werden. 

14)  Max  Henius:  Der  heutige  Stand  der  funktionellen  Nieren¬ 
diagnostik. 

Sammelreferat.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  1. 

()•  B  e  u  1 1  n  e  r  -  Genf :  Zur  Technik  der  Exstirpation  ent¬ 
zündlich  erkrankter  Adnexe  an  Hand  von  100  einschlägigen 
Operationen. 

Fortsetzung  folgt. 

C.  Arnd-Bern:  Zugverbände  mit  Trikotschlauchbinde. 

Verf.  empfiehlt  eine  Zugvorrichtung,  bei  der  eine  Trikot¬ 
schlauchbinde  verwendet  wird,  die  man  über  die  mit  Mastix-  oder 
Harzlösung  bestrichene  Extremität  rollt,  so  dass  man  zum  Zug  die 
ganze  Haut  gleichmässig  benutzen  kann.  Bei  sehr  empfindlicher 
Haut  verwendet  man  .Zinkleim  als  Klebemittel. 

L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinisch-therapeutische  Wochenschrift. 

No.  37.  K  o  n  r  i  e  d  -  Edlach :  Ueber  die  Behandlung  der  In¬ 
fektionskrankheiten  mit  organischen  Kolloiden  (Mykolisine  Doyen). 

Bei  der  teils  inneren,  für  leichtere  Fälle  ausreichenden,  teils 
subkutanen,  teils  kombinierten  Anwendung  des  Mykolisins  hat  Verf. 
in  24  Fällen  von  Angina  bei  Erwachsenen  und  Kindern  einen  auf¬ 
fallend  milden  und  unkomplizierten  Verlauf  beobachtet.  Aehnliche 
günstige  Wirkungen  sind  bei  einigen  Fällen  von  Pneumonie,  bei 
Bronchitis,  bei  akutem  und  verschlepptem  Schnupfen  zu  erzielen. 
Frühzeitige  und  energische  Anwendung  des  ganz  unschädlichen  Ver¬ 
fahrens  ist  zu  empfehlen. 

No.  38.  F  r  a  n  k  -  Hamburg :  Veronal  und  Veronainatrium  bei 
Seekrankheit. 

F.  bestätigt  die  Wirksamkeit  des  Veronals  und  Veronalnatriums 
bei  einem  grossen  Teil  der  Seekranken.  Bei  nervösen  Erschei¬ 
nungen  und  starken  Schmerzen  verdient  das  Veronal  den  Vorzug. 
Bei  Frauen  und  zur  Vermeidung  der  Angewöhnung  ist  das  Veronal- 
natrium  geeigneter,  weil  die  Wirkung  rascher  abklingt  und  keine 
Kumulierung  eintritt. 

No.  40.  A.  v.  P  f  1  u  g  k  -  Dresden :  Uebungsbehandlung  am  Auge. 

Die  gebräuchlichen  Uebungen  der  Schielenden  an  einem  Stereo¬ 
skopapparat  sind  ungenügend  wegen  der  bald  auftretenden  Lange¬ 
weile.  Es  ist  vielmehr  die  —  nicht  allzu  kostspielige  —  Beschaffung 
eines  grösseren  abwechslungsreichen  Instrumentariums  zu  empfehlen, 
an  dem  in  der  Wohnung  des  Arztes  in  besonderen  gemeinsamen 
Stunden  von  den  Kranken  geübt  werden  soll.  Kurze  Ausführungen 
über  die  erfolgreiche  Behandlung  der  beginnenden  Kurzsichtigkeit, 
der  asthenopischen  Beschwerden  infolge  von  latenter  Divergenz,  der 
postdiphtherischen  Akkommodationslähmungen.  Diese  Behandlungs¬ 
methoden  sollten  von  dem  praktischen  Arzt  gebührend  gepflegt 
werden. 

No.  41.  E.  D  a  m  m  a  n  n  -  Berlin:  „Penetrotherm“,  der  neueste 

Apparat  zur  Diathermie. 

Der  hier  beschriebene  Apparat  dient  einer  Vereinfachung  und 
Verbesserung  der  gebräuchlichen  Apparate. 

No.  42.  E.  Barth:  Zur  Technik  der  Rachenmandeloperation. 

Das  von  dem  Verf.  angegebene  Pharynxtonsillotom  hat  den 
Vorteil,  dass  die  abgetragene  Rachenmandel  nicht  ganz  oder  teil¬ 
weise  durch  Schleimhautbrücken  hängen  bleiben  kann,  ferner  dass 
die  Rachenschleimhaut  ausserhalb  der  Rachenmandel  nicht  verletzt 
wird,  da  die  Schneide  sich  nur  im  Niveau  des  der  Schleimhaut  auf- 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  4. 


2ö8 


liegenden  Rahmens  sieh  bewegt;  eine  Abtragung  des  submukösen 
Gewebes  bis  auf  die  Fibrokartilago  kann  daher  nicht  cintreten. 

No.  43.  C.  To  Ile  ns- Kiel;  Zur  Behandlung  der  Lungentuber¬ 
kulose  mit  dem  künstlichen  Pneumothorax. 

Verf.  übt  die  Einstichmethode  nach  F  o  r  1  a  n  i  n  i  mittels  einer 
von  ihm  modifizierten  Schmidt  sehen  Nadel.  Als  Infusionsapparat 
dient  der  von  Feulgen.  Zur  Einblasung  wird  Luft  verwendet  und 
zwar  das  erste  Mal  bis  zu  500  ccm.  Wiederholte  Nachfüllung  bis  zu 
einer  Druckhöhe  von  10—16  ccm  Wasser,  unter  Kontrolle  des  Luft¬ 
standes  am  Röntgenbild.  Von  den  Nebenerscheinungen  sind  künst¬ 
liche  Emphyseme  ohne  wesentliche  Bedeutung,  doch  können  auch 
Empyeme  entstehen.  Mit  Vorsicht  lassen  sich  ernstere  Zwischen¬ 
fälle  meist  vermeiden.  Die  Indikationen  sind  nicht  zu  eng  zu  fassen. 
Man  darf  den  Pneumothorax  anlegen  bei  einseitiger  Erkrankung, 
wenn  diese  weiter  als  bis  zur  3.  Rippe  reicht,  da  wenigstens  eine 
floride  Phthisis  von  dieser  Ausdehnung  nicht  selbst  ausheilt.  Bei 
doppelseitiger  Phthisis  lässt  sich  ein  Erfolg  noch  erwarten,  wenn 
eine  der  beiden  Lungen  noch  nicht  bis  zur  3.  Rippe  erkrankt  ist. 

No.  45.  A.  G  o  r  d  o  n  -  Philadelphia;  Die  Adipositas  cerebralis 
in  ihrer  Beziehung  zu  den  Hypophysistumoren. 

Beschreibung  eines  Falles  (Fröhlich  scher  Symptomen- 
komplex)  mit  Obduktionsbefund.  Als  auffällig  wird  u.  a.  eine 
konstante  leichte  Glykosurie,  die  vielleicht  einer  Verletzung  der 
Hypophyse  zuzuschreiben  ist,  hervorgehoben,  ferner  das  Auftreten 
profuser  Schweissausbrüche.  Bergeat  -  München. 

Neuere  Publikationen  auf  stimmärztlichem  Gebiete. 

Galens  Lehre  von  der  Stimme.  Von  Karl  K  a  s  s  e  1  -  Posen. 
(Zeitschr.  f.  Laryngol.,  Rhinol,  u.  ihre  Grenzgebiete,  Bd.  IV,  H.  3.) 

Die  systematische  Stimmforschung  beginnt  mit  Galen  tgeb. 
131  n  Chr.)  und  endet  —  bis  tief  in  die  neueste  Zeit  hinein  —  mit 
ihm.  Er  schuf  das  physiologische  Experiment,  studierte  auf  vivi- 
sektorischem  Wege  Atmung  und  Stimmgebung,  vor  allem  die  Be¬ 
ziehungen  der  Nervenzentra  zur  Stimme  und  zog  daraus  bedeutungs¬ 
volle  Schlüsse  für  die  Prophylaxe.  Die  Beobachtung  am  Kranken 
ergänzte  die  experimentellen  Ergebnisse.  Der  wichtigste  Teil  des 
Stimminstrumentes  ist  nach  G.s  Anschauung  der  Kehldeckel.  Da¬ 
durch,  dass  er  durch  Muskelwirkung  geöffnet  und  geschlossen  wird, 
soll  der  Ton  entstehen,  wobei  die  scharf  austretende  Luft  den  Kehl¬ 
deckel  erschüttert.  Durch  das  Eintreten  der  Luft  aus  der  Lunge 
in  die  Luftröhre  ertönt  diese.  Im  Kehlkopf  wird  der  Ion  verstärkt, 
der  Gaumen  dient  als  Schallapparat.  Es  finden  sich  ferner  Bemer¬ 
kungen  über  die  Stimme  zur  Zeit  der  Pubertät,  nach  der  Kastration, 
im  Verlauf  von  verschiedenen  Erkrankungen  (Pest)  etc.  Die  hygie¬ 
nischen  Vorschriften  betreffen  meist  die  Ernährung.  Als  besondeis 
schädlich  wird  die  Ueberanstrengung  der  Stimme,  lautes  Rufen 
und  Schreien  genannt.  „Wenn  auch  in  jener  alten  Zeit  die  Kennt¬ 
nis  der  natürlichen  Funktionen  von  den  engen  Grenzen  umzogen  war, 
welche  ihr  die  vorhandenen  Forschungsmethoden  setzten,  so  ist  es 
doch  Galens  unsterbliches  Verdienst,  als  erster  Arzt  das  Studium 
der  normalen  Vorgänge  als  den  einzigen  Ausgangspunkt  für  die  Er¬ 
kenntnis  von  krankhaften  Störungen  und  für  deren  Verhütung  syste¬ 
matisch  betrieben  zu  haben.“ 

Ueber  Phonasthenie  und  Uebungen  zu  ihrer  Heilung.  Von  Eug. 
H  o  p  m  a  n  n  -  Köln.  (Ibid.,  Bd.  V,  H.  4.) 

Hinweis  auf  verschiedene  wichtige  Momente,  die  bei  der  Be¬ 
urteilung  des  Krankheitsbildes  der  Phonasthenie,  das  sich  fast  aus¬ 
schliesslich  bei  neuropathischen  Individuen  findet,  zu  berücksichtigen 
sind.  Bezüglich  der  Uebungstherapie  wird  als  das  Wichtigste  bei 
jeder  Art  der  phonasthenischen  Stimmstörung  hervorgehoben  die 
Wiedergewinnung  oder,  was  meist  notwendig  ist,  die  Hervorrufung 
des  richtigen,  freien  Vokalklanges,  zuerst  in  Sprechtonhöhe.  An 
die  Uebungen  der  Vokale  schliesst  sich  die  Verbindung  derselben  mit 
den  Konsonanten,  die  in  ganz  bestimmter  Reihenfolge  vorgenommen 
und  bei  Sängern,  gleich  den  einfachen  Vokalübungen,  im  gesamten 
Stimmumfang  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Mittelregisters, 
durchgeführt  wird,  an.  Bei  Berufssprechern  folgen  Lese-  event.  Vor¬ 
tragsübungen,  bei  Kommandorufern  werden  die  einzelnen  Kom¬ 
mandos  unter  strengem  Festhalten  an  dem  freien  Vokalklang,  kurz 
gestossen,  ca.  1  Quint  über  der  Sprechtonhöhe  geübt. 

Die  Registrierung  in  der  Praxis  des  Rhino-Laryngologen.  Von 
H.  Gutzmann  -  Berlin,  (ibidem.) 

In  der  Einleitung  der  umfangreichen  Arbeit  empfiehlt  G.  die 
häufigere  Anwendung  des  Phonographen  als  eines  ebenso  guten  wie 
einfachen  und  bequemen  Registrierungsmittels.  Verf.  hat,  wie  er  im 
folgenden  ausführt,  um  den  registrierenden  Methoden  auch  in  der 
täglichen  Praxis  des  Rhino-Laryngologen  möglichst  allgemein  Ein¬ 
gang  zu  verschaffen,  das  gesamte  Instrumentarium  wesentlich  ver¬ 
einfacht  und  damit  billiger  gemacht.  Allen  Anforderungen  entspricht 
ein  in  seiner  Konstruktion  und  Anwendung  ausführlich  beschriebener, 
sehr  kompendiöser  Reiseregistrierapparat  ohne  Trommel 
mit  fertig  berussten  Papierstreifen.  Von  den  verschiedenen  in  der 
Arbeit  besprochenen  Anwendungsmöglichkeiten,  die  das  Instrument 
für  den  Praktiker  als  besonders  geeignet  erscheinen  lassen,  seien  hier 
nur  die  Aufnahmen  der  Stimmvibrationen  und  die  Verwendung  des 
experimentell-phonetischen  Verfahrens  zur  Kontrolle  therapeutischer 
Massnahmen  genannt.  Zahlreiche  ausführlich  erläuterte  Kurven  illu¬ 
strieren  die  hervorragende  Leistungsfähigkeit  des  Apparates. 


Gesangsphysiologie  und  Gesangspädagogik  in  ihren  Beziehungen 
zur  Frage  der  MuskelempHndungen  und  der  beim  Singen  am  Schädel 
und  am  Thorax  fühlbaren  Vibrationen.  Von  Dr.  Hugo  S  t  e  r  n  -  Wien. 

iMonatsschr.  f.  Ohrenheilk.  und  Laryngo-Rhinologie  1912,  H.  3.) 

St.  weist  im  ersten  Teile  der  interessanten  Arbeit  auf  einen 
Punkt  hin,  der  in  stimmpädagogischer  wie  -physiologischer  Beziehung 
bisher  nicht  genügend  gewürdigt  wurde.  Bei  aller  Bedeutung,  die 
dem  0  h  r  für  die  Stimmbildung  zukommt,  darf  die  Rolle  nicht 
unterschätzt  werden,  die  einem  richtigen  Muskelgefühl  und  einem 
guten  Muskelgedächtnis  beizumessen  ist.  Der  Sänger  muss  nicht  nur 
„hören“,  sondern  auch  „fühlen  lernen“1.  Die  verschiedenen  Muskel¬ 
empfindungen  müssen  methodisch  entwickelt  und  geschult  werden, 
vor  allem  durch  bewusst  durchgeführte  Atemübungen  und  eine 
richtige  Pflege  der  Lautbildung.  Gerade  letztere  ist  wegen  der 
innigen  Beziehungen  der  Stellung  bezw.  Bewegungen  des  Kehlkopfes 
zu  denen  des  Artikulationsrohres  von  grosser  Bedeutung.  Auch  auf 
Stimmein-  und  ansatz  ist  die  Entwickelung  des  Muskelgefühles  von 
Einfluss.  Was  die  Frage  der  bei  der  Stimmbildung  auftretenden  und 
stets  zu  konstatierenden  Vibrationen  (Resonanz)  betrifft,  so  betont 
Verf.,  der  sich  zu  diesen  Untersuchungen  auch  des  besonders  fein 
ausgebildeten  Getastes  (Gefühles)  der  Taubstummen  bediente,  dass 
dieselben  einen  wichtigen  Faktor  für  die  Beurteilung  der  Register¬ 
frage  darstellen.  Er  fand  beim  Mittel-  und  mehr  noch  beim  Kopf¬ 
register  am  Schädel  eine  Vergrösserung  des  vibrierenden  Bezirkes 
und  vor  allem  eine  Intensitätszunahme  der  Vibrationen.  In  dem¬ 
selben  Masse  nun,  in  dem  die  Vibrationen  am  Schädel  Zunahmen, 
nahmen  sie  am  Thorax  (Brust  und  Rücken)  ab.  Die  Divergenz 
zwischen  diesen  Ergebnissen  und  denen  des  Ref.  hat,  wie  auch  St. 
andeutet,  zum  Teil  in  der  leidigen  Registernomenklatur  („Kopf¬ 
stimme“)  ihren  Grund. 

Zur  Lokalisation  der  Kehlkopfinnervation  in  der  Kleinhirnrinde. 

Von  J  Katzenstein  und  M.  Rothmann.  (Passows  Beiträge, 
Bd.  V,  H.  5  und  6.)  e  0  .  u  3 

Verf.  studierten  den  Einfluss  des  Kleinhirns  auf  die  Stimmband- 
bewegungen  beim  Hund  auf  experimentellem  Wege,  wobei  die  Kehl¬ 
kopfuntersuchung  mittelst  Autoskopie  vorgenommen  wurde.  Es  fand 
sich,  dass  in  der  Rinde  des  unteren  Teiles  des  Lobus  ant.  cerebelli 
und  zwar  speziell  im  Gebiet  des  Lobulus  centralis  ein  Zentrum  für 
die  Innervation  des  Kehlkopfes,  der  Unterkiefermuskulatur  und  für 
die  Lautgebung  anzunehmen  ist.  Auch  konnte  festgestellt  werden, 
dass,  ähnlich  wie  bei  der  Grosshirninnervation,  ein  bilateraler 
Einfluss  auf  die  Stimmlippen  vorhanden  ist  mit  leichter  Bevorzugung 
der  Innervation  der  gleichseitigen  Stimmlippe.  Faradische  Reizung 
des  Lobulus  centralis  bei  Strömen  von  70—50  Rollenabstand  ergab 
eine  Hebung  des  ganzen  Kehlkopfes  mit  Anspannung  der  Kiefer¬ 
muskulatur  und  starke  Adduktion  der  Stimmlippen,  der  bisweilen  eine 
Abduktion  voranging.  Versuche,  welche  das  Verhältnis  des  zerebel¬ 
laren  Kehlkopf  Zentrums  zu  den  Kehlkopf-  und  Lautgebungszentren 
der  Grosshirnrinde  durch  kombinierte  zerebellare  und  zerebrale  Aus¬ 
schaltungen  klarlegen  sollten,  führten  zu  der  Annahme,  dass  auch 
nach  Fortfall  der  laryngealen  Zentren  der  Grosshirn-  und  Kleinhirn¬ 
rinde  ein  subkortikaler  Innervationsapparat  bestehen  bleibt,  der  die 
Kehlkopfbewegung  und  auch  die  Lautgebung  weitgehend  zu  regulieren 
imstande  ist. 

Analytisches  zur  Registerfrage.  Von  Dr.  R.  Sokolowsky. 
(Aus  d.  physiol.  Inst,  der  Univers.  Königsberg  i.  Pr.)  (Ibidem,  Bd.  VI, 


Auf  Grund  zahlreicher  Untersuchungen  kommt  S.  zu  dem  Er¬ 
gebnis,  dass  bei  der  Frauenstimme  —  im  Gegensatz  zur  Männer¬ 
stimme  (?"  Ref.)  —  eine  Dreiteilung  der  Register  in  Brust-,  Mittel¬ 
und  Kopfstimme  unmittelbar  gegeben  ist.  Die  Mittelstimme  der  Frau 
hat  im  grossen  ganzen  den  Umfang  einer  Oktave  und  stellt  das 
Hauptgebrauchsregister  dar.  Von  besonderem  Interesse  ist  die  Be¬ 
obachtung,  dass  die  physiologischen  Grenzen  der  Register  konstant 
zu  sein  scheinen,  d.  h.  unabhängig  von  der  Stimmlage  der  betreffenden 
Sängerin.  Sie  liegen  in  der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle  bei  e 
(Grenze  zwischen  Brust-  und  Mittelstimme)  resp.  e2  (Grenze  zwischen 
Mittel-  und  Kopfstimme).  Bezüglich  des  experimentellen  Nachweises 
dieser  mit  dem  Ohr  wahrgenommenen  Klangunterschiede  siehe  Mün¬ 
chener  medizinische  Wochenschrift  1912,  No.  27,  S.  1517. 

Ueber  die  Klangverhältnisse  in  der  Nase  beim  Sprechen  und 
Singen  und  über  das  Vorkommen  und  die  Bedeutung  des  Passa- 
vantschen  Wulstes.  Von  Dr.  Emil  F  r  ö  s  c  h  e  1  s  -  Wien.  (Archiv 
für  Laryngologie  und  Rhinologie,  Bd.  25,  Heft  3.) 

Ein  gerade  gebogener  Ohrkatheter,  dessen  breites  Ende  mit  einem 
Otoskop  verbunden  war,  wurde  entlang  dem  unteren  Nasengang  bis 
zur  hinteren  Rachenwand  geführt.  Auskultiert  man  nun,  während 
die  Versuchsperson  einen  Vokal  intoniert  und  der  Katheter  langsam 
gegen  den  Naseneingang  zu  bewegt  wird,  so  wird  ein  Ton  in  der 
Nase  erst  wahrgenommen,  wenn  das  Röhrchen  ca.  %  cm  von  der 
hinteren  Pharynxwand  entfernt  ist.  Ein  kräftiges  Schwirren  wurde 
erst  in  der  Gegend  des  harten  Gaumens  gehört.  Es  besteht  also 
im  Nasopharynx  ein  „toter  Raum“,  dessen  Entstehung  dadurch  zu 
erklären  ist,  dass,  wie  auf  dem  Röntgenogramm  zu  sehen  war,  beim 
Phonieren  in  der  Verlängerungsebene  des  harten  Gaumens  ein  deut¬ 
licher  Wulst  an  der  hinteren  Rachenwand  auftritt,  der  den  entlang 
der  letzteren  aufsteigenden  Luftstrom  nach  vorne  abdrängt.  Im 
Gegensatz  zur  bisherigen  Annahme  zeigte  es  sich,  dass  dieser  Pa  s  - 
sav  ant  sehe  Wulst  auch  bei  den  Nasallauten  auftritt.  Hinsichtlich 
der  weiteren  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  resümiert  Verf.; 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


209 


1.  Der  nasale  Beiklang  ist  abhängig:  von  dem  gesprochenen  oder  ge¬ 
sungenen  Vokal.  2.  Es  besteht  ein  ungerades  Verhältnis  zwischen 
der  Stärke  des  Nasentones  und  der  Länge  des  Ansatzrohres.  3.  Die 
Stärke  des  Nasentones  ist  der  Kraft  des  Gaumensegelverschlusses 
direkt  proportional.  4.  Mit  zunehmender  StimmstärKe  nimmt  der 
Nasenton  unter  physiologischen  Verhältnissen  ab.  5.  Auch  die  Ton¬ 
höhe  beeinflusst  die  Stärke  des  Nasentones. 

Zur  Frage  eines  Kehlkopfzentrums  in  der  Kleinhirnrinde.  Von 
G  r  a  b  o  w  e  r  -  Berlin.  (Ibidem,  Bd.  26,  H.  1.) 

Verf.  hält  es  zwar  für  wahrscheinlich,  dass  ein  Koordinations¬ 
zentrum  für  den  Larynx  an  irgend  einer  Stelle  des  Kleinhirns 
existiert,  kommt  jedoch  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  (Mit¬ 
teilung  von  10  Protokollen)  zu  der  Ueberzeugung,  dass  die  von 
Katzenstein  und  Rothmann  bezeichnete  Rindenstelle  (siehe 
oben)  nicht  der  Ort  ist.  welcher  dieses  Zentrum  enthält. 

Neuere  Hilfsmittel  der  phonetischen  Therapie  und  Diagnostik. 
Von  San.-Rat  Dr.  F  1  a  t  a  u  -  Berlin.  (Die  Stimme,  VI.  Jahrg.,  Heft  2.) 

1.  Versuche  zur  gleichzeitigen  Darstellung  von  Atem-  und  Kehl¬ 
kopfbewegungen  ohne  Anlegung  registrierender  Apparate.  Es  handelt 
sich  um  Reihenaufnahmen  bei  Sängern  und  Sängerinnen,  die,  unter 
bestimmten  Kautelen  der  Stellung,  der  räumlichen  Entfernung  und  der 
Markierung  besonders  wichtiger  Körperpunkte  gewonnen,  der  ge¬ 
nauen  Messung  und  Kontrolle  zugänglich  gemacht  werden,  ohne  dass 
eine  Beeinträchtigung  der  phonischen  Tätigkeit,  wie  sie  das  Anlegen 
von  Registrierapparaten  in  der  Regel  mit  sich  bringt,  erfolgt. 

2.  Oszillographische  Klangaufnahmen,  gewonnen  mit  einem  neuen 
Apparat,  dessen  Beschreibung  eine  Abbildung  veranschaulicht. 

3.  Kissenartiger  Apparat  aus  einem  feinen,  metallartigen,  mit  Asbest 
durchflochtenen  Gewebe,  der  durch  elektrischen  Strom  Wärmegrade 
bis  zu  65°  erzeugt  und  zur  Behandlung  der  phonasthenischen  Dys- 
ästhesien  und  Parästhesien  angewendet  wird. 

4.  Kleines  Instrument  zur  Registrierung  der  Zungen-  und  Mund¬ 
bewegungen  (Abbildung). 

5.  Kombination  der  Halsbandelektrode  mit  einem  gegen  den 
Zungengrund  federnden  Hebel,  wodurch  die  Arbeit  des  Zungengrundes 
im  Verhältnis  zu  dem  benachbarten  Teil,  namentlich  zum  Kehlkopf, 
beobachtet  werden  kann. 

Kunstgesang  und  Wissenschaft.  Von  Dr.  Ernst  B  a  r  t  h  -  Berlin. 
(Ibidem,  Heft  2  und  3.) 

Verf.  verbreitet  sich  in  ausführlichen  Darlegungen  über  die  Tat¬ 
sache.  dass,  wenn  auch  die  Nachahmung  eines  mustergültigen  Vor¬ 
bildes  als  vorzügliches  und  in  vielen  Fällen  einziges  Unterrichtsmittel 
seit  jeher  Geltung  hat.  doch  zwischen  Kunstgesang  und  Stimmwissen¬ 
schaft  die  mannigfachsten  Beziehungen  bestehen.  Für  den  Unter¬ 
richt  sind  die  Hilfsmittel,  die  die  Stimmphysiologie  an  ctte  Hand  gibt, 
in  den  meisten  Fällen  nicht  zu  entbehren.  Es  gilt  dies  in  dem  Sinne, 
dass  ..die  Wissenschaft  nicht  Meisterin,  sondern  eine  hilfreiche 
Dienerin  der  Kunst  sein  kann“.  Freilich  ist  dazu  vollständige,  auf 
klaren  Vorstellungen  beruhende  Beherrschung  der  wichtigsten  ana¬ 
tomisch-physiologischen  Dinge  von  Seiten  des  Pädagogen  erforder¬ 
lich.  Den  Schluss  der  interessanten  Ausführungen  bildet  ein  kurzer 
Hinweis  auf  die  Beziehungen  in  pathologischer  Hinsicht  und  die 
ärztliche  Beratung  bei  der  Wahl  des  Sängerberufes. 

Ueber  das  Kommandieren.  Von  Stabsarzt  Dr.  Zumsteeg- 
Ulm.  (Ibidem,  Heft  4.) 

Die  Ruf-  oder  Kommandostimme  steht  in  einem  ganz  bestimmten 
Verhältnis  zur  Sprechstimme:  in  dem  einer  Oktave.  Besteht  hier  ein 
Missverhältnis  —  in  der  Regel  dadurch,  dass  zu  hoch  kommandiert 
wird  — ,  so  treten  Störungen  auf.  die  sich  naturgemäss  umsomehr 
geltend  machen  werden,  wenn  schon  die  Sprechstimmlage  eine  zu 
hohe  ist.  Es  muss  deshalb  erst  die  Sprech-  dann  die  Kommando¬ 
stimme  systematisch  auf  die  richtige  Lage  eingeübt  werden.  Es  er¬ 
geben  sich  als  Forderungen:  1.  Man  hole  tief  Atem  vor  dem  Komman¬ 
dieren.  2.  Man  gebe  das  Kommando  mit  weichem  Stimmeinsatz, 
nicht  so.  dass  die  Stimmlippen  mit  hörbarem  Knall  sich  öffnen  (harter 
Stimmeinsatz),  sondern  kaum  hörbar  angehaucht.  3.  Für  die  Ver- 
nehmbarkeit  des  Kommandos  ist  hohes  Kommandieren  erforderlich. 
Man  kommandiere  so  hoch,  als  es  dem  Stimmorgan  möglich  ist, 
ohne  dass  es  mit  Unlustgefühlen  reagiert. 

Die  Störungen  der  Singstimme  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
ihre  Ursachen.  Von  Prof.  Dr.  Holger  Mygind  -  Kopenhagen. 
(Ibidem  Heft  5  und  6.) 

Unter  Zugrundelegung  seiner  an  250  Patienten  gesammelten  Er¬ 
fahrungen  bespricht  M.  die  Ursachen  der  Stimmerkrankungen,  vor 
allem  die  gross^  Bedeutung  der  Chlorose  (40  Proz.  unter  sämtlichen 
untersuchten  Sängerinnen)  und  des  übermässigen  und  falschen  Ge¬ 
brauches  des  Stimmorganes,  weiterhin  die  verschiedenen  Formen 
von  Störungen  (Unreinheit  des  Tones,  Stimmermüdung,  Schleim¬ 
ansammlung.  mangelhafte  Resonanz,  Gefühl  von  Trockenheit.  Par¬ 
ästhesien)  und  die  bekannten  organischen  Veränderungen  (Hyper¬ 
ämie.  Knötchenbildung,  Paresen,  Tracheitis,  Pharyngitis,  Tonsillitis 
chron.  Chron.  Rhinopharyngitis,  für  die  Singstimme  von  grosser  Be¬ 
deutung.  wurde  unter  sämtlichen  Erkrankungen  am  häufigsten  ge¬ 
funden  (108  Fälle),  während  die  für  die  Singstimme  besonders  dele¬ 
tären  atrophischen  Zustände  des  Nasenrachenraumes  selten  sind 
(II  Fälle).  Kurze  Bemerkungen  über  die  Therapie  beschliessen  die 
Arbeit. 

Laryngoskopie  bei  geschlossenem  Munde.  Von  San.-Rat  Dr. 
E 1  a  t  a  u  -  Berlin.  (Ibidem  Heft  6.) 

Beschreibung  des  bekannten  Kehlkopfendoskops,  seiner  Vorzüge 


und  der  Einführungstechnik.  In  stimmärztlicher  Hinsicht  kommt,  da 
keine  Dehnung  durch  Zungenzug  stattfindet,  dieser  Untersuchungs¬ 
methode  besondere  Bedeutung  zu  für  das  Studium  der  Funktions¬ 
bewegungen  im  Normalen  und  Pathologischen,  ferner  für  die  Be¬ 
obachtung  gewisser  artikulatorischer  Vorgänge,  sowie  für  strobo¬ 
skopische  Zwecke  und  photographische  Darstellungen. 

Ueber  die  optischen  Verhältnisse  des  Kehlkopfendoskops.  Von 
Th.  S.  F  1  a  t  a  u  -  Berlin.  (Iibdem  Heft  8  und  9.) 

Ausführliche,  zu  kurzem  Referat  nicht  geeignete  Beschreibung 
der  Theorie  des  von  F 1  a  t  a  u  modifizierten  H  a  y  s  sehen  Instrumentes 
und  der  aus  der  Konstruktion  resultierenden  Vorzüge. 

Der  Wert  klimatischer  Kuren  für  Berufssänger  und  -Sprecher. 
Von  Dr.  M.  B  o  c  k  h  o  r  n  -  Nordseebad  Langeoog.  (Ibidem  Heft  ID 
und  II.) 

Empfehlung  des  Seeklimas,  das  neben  der  wohltuenden  Reiz¬ 
wirkung  auf  die  Haut  (Durchblutung)  vor  allem  als  Luft-  (nicht 
Sonnen-)  Bad  ein  wirksames  Beruhigungsmittel  darstellt,  während 
das  See  b  a  d  sich  nicht  für  alle  Fälle  eignet.  Gymnastik  und  Sport 
sind  wichtige  psychische  und  damit  auch  wesentliche  Heilfaktoren. 
Die  reinigende  Wirkung  des  Seeklimas,  die  die  Heilung  bezw.  Bes¬ 
serung  unterstützt  und  vorbereitet,  zeigt  sich  oft  besonders  rasch 
bei  den  trockenen  Katarrhen  der  oberen  Luftwege,  besonders  der 
Nase  und  des  Rachens  und  —  durch  Ausschaltung  des  durch  das  an¬ 
haltende  heftige  Räuspern  bedingten  Reizes  —  auch  des  Kehlkopfes. 
Im  Verein  mit  der  Wirkung  auf  die  Bronchien  resultiert  weiterhin 
eine  Verbesserung  der  Atmung.  Das  durch  seine  Reinheit  heilkräftige 
Seeklima  wird  auch  für  die  Rekonvaleszenz  nach  operativen  Eingriffen 
und  weiterhin  zur  Nach-  und  Ferienkur  bei  Phonasthenie,  zunächst  in 
der  Wirkung  auf  die  Gesamtkonstitution,  sodann  zur  Fortsetzung 
stimmtechnischer  Uebungen  empfohlen. 

Disposition  und  Indisposition  beim  Singen.  Von  Prof.  Dr.  Fla- 
t  a  u  -  Berlin.  (Ibidem  Heft  12.) 

Neben  verschiedenen,  in  dem  sehr  lesenswerten  Aufsatz  ange¬ 
führten.  mehr  äusseren  Momenten  und  gewissen,  auf  psychischen 
und  physischen  Reaktionen  beruhenden  Störungen  (Lampenfieber. 
Menses),  die  die  stimmliche  Leistung  beeinträchtigen,  ohne  dass  der 
Sing-  oder  Sprechmechanismus  direkt  beteiligt  ist,  wird,  was  die 
örtlich  ausgelösten  Indispositionen  betrifft,  als  grosse  Gefahr  für  die 
Stimme,  besonders  bei  Anfängern,  die  berufliche  Verwendung  des  Or¬ 
gans  bei  nicht  ganz  intaktem  Stimmaoparat  genannt.  Bei  entzünd¬ 
lichen  Veränderungen  nicht  nur  des  Kehlkopfes,  sondern  auch  der 
übrigen  Luftwege,  ist  in  jedem  Falle  strengste  Berufsenthaltung  zu 
üben  bis  zur  völligen  Heilung.-  Vor  der  Applikation  anästhesierender 
und  anämisierender  Mittel,  durch  die  die  Singfähigkeit  behufs  Er¬ 
möglichung  einer  Vorstellung  einige  Stunden  künstlich  erhalten  wer¬ 
den  soll,  warnt  Fl.,  weil  dadurch  die  Gefahr  einer  stimmlichen 
Schädigung  nicht  nur  nicht  eliminiert,  sondern  im  Gegenteil  ge¬ 
steigert  wird.  Auf  rein  funktioneller  Basis  beruhende,  vorüber¬ 
gehende  Indispositionen  sind  durch  geeignete  stimmgymnastischc 
Behandlung  zu  bekämpfen,  während  beim  gehäuften  Auftreten  der¬ 
artiger  Störungen  und  Verdacht  auf  beginnende  chronische  Phon¬ 
asthenie  jede  Berufsausübung  in  der  Regel  bis  zur  völligen  Herstellung 
zu  unterbleiben  hat. 

Singstimme  und  Nasenresonanz.  Von  Prof.  Dr.  R  c  t  h  i  -  Wien. 
(Ibidem,  VII.  Jahrgang,  Heft  2.) 

Vergleiche  das  Referat  in  No.  45,  1912,  S.  2474  der  Münchener 
medizinischen  Wochenschrift. 

Kleinste  Larynxtumoren  und  ihre  Behandlung.  Von  Erich 
K  r  fi  g  e  r.  Inaug.-Dissertation  Berlin  1912. 

Kurzen  Erörterungen  hinsichtlich  Aetiologie,  Pathologie  und 
Therapie  der  als  Sängerknötchen  bekannten  Gebilde  folgt  die 
Beschreibung  von  9  Fällen  (beobachtet  an  der  Abteilung  für  Stimm- 
und  Sprachstörungen  der  Ohrenklinik  der  Kgl.  Charitee)  die  bei  Ueber- 
anstrengung  des  Stimmapparates  Verdickungen  an  verschiedenen 
Stellen  der  Stimmlippen  aufwiesen  In  2  Fällen  von  reinen  Sänger¬ 
knötchen  konnten  mikroskopisch  Hyperplasie  und  Verhornung  der 
Schleimhaut,  aber  keine  Drüsen  nachgewiesen  werden.  Es  sprechen 
diese  Befunde,  wie  die  vieler  anderer  Autoren,  gegen  die  Frankel- 
sche  Theorie,  nach  der  die  Sängerknötchen  zu  einer  an  der  Grenze 
des  vorderen  und  mittleren  Drittels  der  Stimmlippe  dicht  unterhalb 
des  Randes  gelegenen  Drüse  in  Beziehung  stehen.  Zur  momentanen 
Entfernung  der  Knötchen  wurde  eine  schneidende  Kürette  nach 
Katzen  stein  verwendet,  zur  Behandlung  durch  Aetzung  dient 
ein  ebenfalls  von  Katzenstein  angegebener,  mit  einer  Delle 
versehener  Aetzmittelträger  von  der  Form  einer  Kehlkopfsonde,  bi 
die  Vertiefung  des  Instrumentes  wird  ein  Tropfen  einer  20  proz.  Arg.- 
nitr. -Lösung  oder  einer  10 — 25  proz.  Chromsäurelösung  gebracht. 

Zimmermann  -  München. 

Inauguraldissertationen.  *) 

Die  Erfolge  der  Vakzinetherapie  bei  der 
Gonorrhöe  hat  Karl  Reber  zum  Gegenstand  seiner  Untersuch¬ 
ungen  an  der  Berner  geburtshilflich-gynäkologischen  Klinik  gemacht. 
Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  schreibt  er  den  Gonokokkenvakzinen 
einen  spezifisch  diagnostischen  Wert  zu.  Sichere  Erfolge  sind  mit 
der  Vakzinetherapie  bei  gonorrhoischen  Adnexerkrankungen  zu  ver- 


D  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


210 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


zeichnen,  bei  Urethral-,  Zervix-  und  Uterusgonorrhöe  dagegen  keine 

Erfolge  zu  erwarten.  (Bern  1912.  16  S.  A.-Q.  Hallersche  Buchdr.) 

Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Berlin.  Dezember  1912. 

Gutzmann  Friedrich:  Ueber  Kaiserschnitte  bei  Geburtsstörungen 
nach  antefixierenden  Operationen  am  Uterus. 

Dan  sei  Ernst:  Ueber  primäre  Muskeltuberkulose. 

Reinike  Elisabeth:  Zur  Kenntnis  des  kongenitalen  Ulnadefekts. 

Britzmann  Bernhard:  Beitrag  zur  Myosotis  ossificans  circum¬ 
scripta  traumatica. 

N  e  u  m  a  n  n  Eugen  Aloysius :  Ueber  die  Beziehungen  der  Lzmpho- 
zytose  zu  Erkrankungen  des  menschlichen  Auges  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Verletzungen. 

Sprengler  Johannes:  Ueber  die  Folgen  des  Verlustes  des  Mittel¬ 
fingers  für  die  Brauchbarkeit  der  Hand. 

Ornstein  Otto:  Ein  Fall  von  Botulismus. 

Schulz  Arthur:  Zur  Kenntnis  der  Fermente  der  Purinreihe. 

Schniirpel  Eberhard:  Ueber  Spontanfrakturen  bei  Tabes  dorsalis 
unter  Beschreibung  eines  Falles  von  spontaner  Beckenfraktur. 

Heinrichsdorff  Adele:  Ueber  die  Beziehungen  der  perniziösen 
Anämie  zum  Karzinom. 

Universität  Freiburg  i.  Br.  Dezember  1912. 

Egle  Franz:  Zur  Differentialdiagnose  von  multipler  Sklerose  und 
Kleinhirntumoren. 

Hirschberg  Felix:  Ueber  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica. 

Jaeger  Alfred:  Die  Arthritis  bei  Tabes  und  Syringomyelie. 

Joseph  Hans  Ludwig:  Zur  Geschichte  der  allgemeinen  Pathologie. 

Lenel  Rudolf  Otto:  Ueber  Rückenmarksdegenerationen  bei  per¬ 
niziöser  Anämie. 

Weiss  Berthold:  Ueber  hohen  Gradstand. 

Wietfeld  Heinrich:  Vierzehn  Fälle  von  Sexualvergehen. 

Universität  Königsberg.  September — Dezember  1912. 

Mathias  Ernst:  Die  Asepsis  in  der  Gynäkologie. 

Döhring  Franz:  Ueber  die  Feststellung  des  ursächlichen  Zu¬ 
sammenhanges  zwischen  Tod  und  Betriebsunfall. 

Aschkonasi  Dagobert:  Ueber  die  Entzündung  der  Schulter¬ 
gelenkschleimbeutel  mit  Verkalkung. 

Hur  witz  Salomon:  Ueber  das  Sarkom  der  Nase,  insbesondere  das 
Septumsarkom. 

Universität  Marburg.  Dezember  1912. 

Baer  Max:  Ueber  die  Todesursache  beim  Aortenaneurysma. 

Lippert  Ernst:  Experimentelle  Studien  über  das  Verhalten  der 
Blutgase  bei  Erkrankungen  der  Lunge  und  der  luftführenden  Wege. 

Universität  München.  Dezember  1912. 

Ossendorff  Kurt:  Ueber  Uterusruptur  und  ihre  Behandlung. 

Schwarz  Josef:  Beiträge  zur  speziellen  Pathologie  der  Neben¬ 
nieren. 

Stieve  Hermann:  Transplantationsversuche  mit  dem  experimentell 
erzeugten  Riesenzellengranulom.  (Mit  2  Tafeln.) 

Heinz  Edmund:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Lymphogranulo- 
inatosis. 

Pfister  Karl:  Ein  Fall  von  heterotypem  Lungenmischkrebs. 

Gruhle  Hans  W. :  Ergographische  Studien. 

Schmolck  Walter:  Ueber  ein  sogen.  Rankenangiom  des  Gehirns. 

Frankfurther  Walter :  Arbeitsversuche  an  der  Schreibmaschine. 

Knorr  Hans:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Trichinellenkrankheit  des 
Menschen. 

Mozdzynski  Tadeusz:  Ein  Fall  von  Luxatio  femoris  iliaca 
traumatica  mit  Epiphysenlösung  und  Bildung  eines  Kallus 
luxurians.  (Mit  2  Abbildungen.) 

v.  Dessauer  Erwin:  Beiträge  zur  Kasuistik  der  Neurofibrome. 

Herrmann  Oskar:  Ueber  die  Phlegmone  der  Magenwand. 

Georgi  Walther:  Experimentelle  Untersuchungen  zur  Embolie¬ 
lokalisation  in  der  Lunge. 

Grab  ich  Hans:  Fall  eines  eingekeilten  Zervixmyoms  unter  der 
Geburt,  Kaiserschnitt  und  Totalexstirpation. 

Beyrer  Wilhelm:  Klinik  der  Stirnlagen.  46  Fälle  der  Kgl.  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  in  München  aus  den  Jahren  1885 — 1911. 

Heidkamp  Hans:  Beitrag  zur  Tuberkulose  der  Hypophyse. 

Riester  Heinrich:  Milzexstirpation  nach  Schussverletzung. 

Barjaktarovic  Boginja :  Ovariotomie  während  Schwanger¬ 
schaft,  Geburt  und  Wochenbett. 

Kaufmann  Martin:  Pseudomyxoma  peritonei  ex  processu  vermi- 
formi  neben  Adenokarzinom  der  Appendix.  (Mit  2  Abbildungen.) 

Wayneroff-Winarow  E.:  Ueber  Tuberkulose  der  Vulva. 

Chwilewizky  Mnoucha:  Ueber  die  Beschleunigung  der  Nitrit¬ 
produktion  in  Kulturen  von  Choleravibrionen  in  Nitratbouillon 
durch  deren  vorhergehendes  Wachstum  auf  verunreinigtem  Boden. 

Müller  Oskar:  Ueber  seltenere  innere  Hernien  mit  besonderer 
Berücksichtigung  eines  Falles  von  „Psoashernie“. 

Universität  Tübingen.  Dezember  1912. 

Haccius  Alex:  Beiträge  zur  Salvarsanbehandlung  der  Syphilis. 

Jooss  K.  E. :  Die  Augenverletzungen  in  der  Tübinger  Klinik  im 
Jahre  1910. 


Katz  Tob.  Friedr. :  Myom-Sterilität?  Sterilität-Myom? 

Lanz  Julius:  Bericht  über  die  Wirksamkeit  der  Universitäts- 
Augenklinik  zu  Tübingen  für  das  Jahr  1911. 

Prinzing  Fritz:  Ueber  Meiostagminversuche  bei  Typhus. 
Wieland  Otto:  Ueber  seltene  Aneurysmaerkrankungen. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Delegiertenversainmlung  des  Zentralverbandes  der  Kassenärzte 
von  Berlin.  —  Grundsätze  für  kassenärztliche  Verträge.  —  Experi¬ 
mentelle  Eingriffe  an  Kranken.  —  Organisation  einer  Wohnungspflege 
und  Wohnungsaufsicht. 

Um  zu  den  veränderten  Verhältnissen,  welche  mit  dem  Inkraft¬ 
treten  der  Reichsversicherungsordnung  für  die  Krankenkassen  und 
ihre  Aerzte  geschaffen  werden,  Stellung  zu  nehmen,  waren  die  kassen¬ 
ärztlichen  Vereinigungen  Berlins  zu  einem  Zentralverbande  zu¬ 
sammengetreten,  der  unabhängig  von  dem  Arztsystem  und  den  beson¬ 
deren  Interessen  der  einzelnen  Gruppen,  allgemeine  Grundsätze  für 
die  künftigen  Verträge  mit  den  Kassen  aufstellen  sollte.  Der  mit 
dieser  Aufgabe  betraute  Ausschuss  hat  jetzt  seine  Arbeiten  so  weit 
beendet,  dass  er  einer  Delegiertenversammlung  des  Zentralverbandes 
die  Grundsätze  zur  Beratung  unterbreiten  konnte.  Der  Vorsitzende, 
Herr  Moll,  wies  darauf  hin,  dass  ein  fester  Zusammenschluss  der 
Aerzte  eine  unabweisbare  Notwendigkeit  sei,  denn  zurzeit  könne  kein 
Arzt  wissen,  ob  die  Kasse,  bei  der  er  tätig  ist,  nach  dem  1.  Januar 
1914  noch  bestehen  werde,  und  ob  ihm  nicht  dann  der  Boden,  auf 
dem  seine  Existenz  ruht,  entzogen  werde.  Welche  Bedeutung  die 
Frage  für  die  Berliner  Kassenärzte  hat,  geht  daraus  hervor,  dass  im 
Zentralverbande  die  Aerzte  von  weit  mehr  als  einer  Million  Kassen¬ 
mitglieder  vertreten  sind.  Der  Ausschuss  ist  sich  bei  der  Aufstellung 
der  Grundsätze  wohl  bewusst  gewesen,  dass  die  Forderungen  keine 
zu  hohen  sein  dürfen,  weil  die  Kassen  eine  gesetzliche  Einrichtung 
sind  und  ihre  Interessen  deshalb  ebenso  sehr  berücksichtigt  werden 
müssen,  wie  die  der  Aerzte;  die  Grundsätze  haben  daher  die  Bedeu¬ 
tung  einer  Mindestforderung  der  Aerzte.  Herr  Sternberg  er¬ 
läuterte  alsdann  die  Gesichtspunkte,  welche  bei  den  Arbeiten  des 
Ausschusses  massgebend  gewesen  sind.  Das  ärztliche  Honorar  bei  den 
Krankenkassen  ist  als  solches  aus  den  amtlichen  Statistiken  nicht 
ersichtlich,  weil  es  in  diesen  mit  einer  Anzahl  anderer  Ausgaben 
für  Krankenversorgung  zusammengefasst  ist;  es  dürfte  im  Durch¬ 
schnitt  des  Reiches  auf  ungefähr  5  M.  pro  Kopf  der  Kassenmitglieder 
zu  schätzen  sein.  In  Berlin  ist  es  erheblich  geringef,  das  ist  um  so 
weniger  gerechtfertigt,  als  die  Lebensverhältnisse  hier  teurer  sind; 
und  wenn  es  diese  Höhe  in  Zukunft  erreichen  sollte,  so  wäre  damit 
die  Einengung  der  Privatpraxis  infolge  der  Erhöhung  der  Versiche¬ 
rungsgrenze  und  der  Erweiterung  der  Versicherungsberechtigung 
noch  nicht  ausgeglichen.  Für  die  künftigen  Forderungen  sollen  daher 
massgebend  sein  die  Interessen  der  Aerzte  auf  der  einen  Seite  und 
die  finanzielle  Leistungsfähigkeit  der  Kassen  auf  der  anderen.  Da¬ 
mit  kommt  in  den  kassenärztlichen  Verträgen  ein  Grundsatz  zur  Gel¬ 
tung,  der  in  der  Privatpraxis  stets  gegolten  hat,  nämlich  dass  der 
Bessersituierte  ein  höheres  Honorar  zu  zahlen  hat  als  der  Weniger- 
bemittelte;  bisher  musste  auf  Grund  der  Meistbegünstigungsklausel 
jeder  Vorteil,  der  irgend  einer  Kasse  gewährt  wurde,  auch  den 
anderen  zugute  kommen.  Aber  eine  solche  Differenzierung  lässt  sich 
nicht  mechanisch  durchführen.  Wollte  man,  wie  es  in  manchen  Be¬ 
zirken  Deutschlands  geschehen  ist.  einen  bestimmten  Bruchteil  der 
Kasseneinnahmen  als  Arzthonorar  festsetzen,  so  kämen  bei  der  Ver- 
schiedenartigkeit  der  finanziellen  Lage  der  Kassen  sehr  erhebliche 
Unterschiede  heraus,  so  dass  die  eine  doppelt  so  viel  pro  Mitglied 
zahlen  müsste  als  eine  andere.  Um  hier  einen  Mittelweg  zu  finden, 
wird  vorgeschlagen,  das  Honorar  nach  den  Beiträgen  abzustufen. 
Diese  schwanken  bei  den  Berliner  Kassen  zwischen  27  und  60  M. 
pro  Jahr.  Es  soll  nun  eine  Gruppeneinteilung  stattfinden  und  für  die 
niedrigste  Gruppe,  d.  i.  diejenige  mit  einem  Mitgliederbeitrage  von 
nicht  über  30  M.,  eine  Grundgebühr  festgelegt  werden,  zu  der  dann 
in  einer  Staffelung  von  5  zu  5  M.  der  Beiträge  Zuschläge  gefordert 
werden.  Die  Höhe  der  Grundgebühr  und  der  Zuschläge  soll  einer 
späteren  Beschlussfassung  Vorbehalten  bleiben,  zumal  da  jetzt  noch 
nicht  feststeht,  welche  Leistungen  in  Zukunft  von  den  Kassen  ver¬ 
langt  werden.  Zur  Frage  der  Angemessenheit  des  Honorars  ist  eine 
oberlandesgerichtliche  Entscheidung  von  Interesse,  die  a’oer  noch  das 
Reichsgericht  beschäftigen  wird.  Danach  wird  eine  Festlegung  des 
Arzthonorars  bis  zu  25  Proz.  der  höchstmöglichen  Kasseneinnahmen 
als  gebührende  Berücksichtigung  der  Kassenfinanzen  betrachtet.  Das 
würde  für  Berlin  16  M.  pro  Kopf  der  Mitglieder  bedeuten,  eine 
Summe,  die  die  kühnsten  Forderungen  übersteigt.  Im  Jahre  1910 
wurden  im  Durchschnitt  des  Reiches  21  %  Proz.  der  Einnahmen  für 
ärztliche  Behandlung  verwendet,  in  Berlin  nur  13 %  Proz. 

Die  allgemeinen  Grundsätze  für  kassenärztliche  Verträge  sind 
mit  grosser  Sorgfalt  ausgearbeitet  und  suchen  den  mannigfaltigen 
Schwierigkeiten,  die  sich  im  Laufe  der  Jahre  in  der  kassenärztlichen 
Praxis  ergeben  haben,  gerecht  zu  werden.  Sie  sind  infolgedessen 
sehr  eingehend  und  ausführlich  zusammengestellt,  und  über  einige 
konnte  noch  kein  Beschluss  gefasst  werden,  diese  wurden  an  den  Aus- 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


211 


schiiss  des  Zentralverbandes  zur  nochmaligen  Prüfung  zurückver¬ 
wiesen.  Die  Grundsätze  besagen  im  wesentlichen  folgendes:  Dem 
kassenärztlichen  Honorar  wird,  unbeschadet  der  Form,  in  der  es  zur 
Verteilung  kommt,  ein  Pauschale  zugrunde  gelegt,  das  nach  der  Zahl 
der  Mitglieder  berechnet  wird;  dadurch  wird  den  Kassen  die  Möglich¬ 
keit  einer  festen  Etatsaufstellung  gegeben.  Von  dem  Pauschale  dür¬ 
ren  keinerlei  Abzüge  für  fremdärztliche  Hilfe,  Verbandmaterial, 
Bureau-  und  Verwaltungsunkosten  gemacht  werden.  Der  Sinn  dieser 
Bestimmung  soll  der  sein,  dass  die  Kassen  auf  ihre  Mitglieder  dahin 
wirken,  möglichst  den  Kassenarzt  in  Anspruch  zu  nehmen;  die  Aerzte 
aber  zu  den  Verwaltungskosten  der  Kasse  heranzuziehen,  liegt  kein 
Grund  vor,  dagegen  haben  sie  natürlich  die  Kosten  eines  von  ihnen 
selbst  eingerichteten  Bureaus  zu  tragen.  Der  folgende  Paragraph  will 
für  die  nach  §  176  R.V.O.  versicherungsberechtigten  und  nach  §  313 
die  Versicherung  fortsetzenden  Mitglieder  den  Nachweis  erbracht 
.vehen,  dass  das  Einkommen  der  Betreffenden  2500  M.  bezw.  4000  M. 
nicht  übersteigt.  Dadurch  soll  verhindert  werden,  dass  mehr  Per¬ 
sonen  in  die  Versicherung  einbezogen  werden,  als  dem  Sinne  des 
Gesetzes  entspricht;  dieser  Paragraph  soll  jedoch  erst  einer  noch¬ 
maligen  Prüfung  unterzogen  werden.  Bei  Verträgen  mit  Kassen¬ 
verbänden  oder  Kassenvereinigungen  sind  Rechtsgarantien  zu 
schaffen,  die  den  Aerzten  für  die  Dauer  des  Vertrages  den  unge¬ 
schmälerten  Bezug  des  Honorars  gewährleisten;  dadurch  soll  ver¬ 
hindert  werden,  dass  die  Kassen  durch  Austritt  aus  dem  Verbände 
sich  ihren  Verpflichtungen  entziehen,  während  die  Aerzte  an  den 
Vertrag  gebunden  sind.  Die  Meistbegünstigungsklausel  fällt  weg, 
den  Aerzten  steht  vielmehr  das  Recht  zu,  nach  der  Finanzlage  der 
Kasse,  der  Dauer  der  gewährten  Krankenhilfe  und  anderen  Gesichts¬ 
punkten  Differenzierungen  zu  fordern.  Auch  die  Reservefondsklausel 
fällt  weg,  d.  h.  vereinbarte  Honoraraufbesserungen  müssen  während 
der  Vertragsdauer  unabhängig  von  den  Jahresabschlüssen  der  Kasse 
eintreten.  Das  Honorar  für  Nachuntersuchungen  im  Interesse  der 
Kassen  fällt  diesen. zur  Last.  Atteste,  Gutachten  und  Bescheinigungen, 
welche  die  Mitglieder  nicht  für  die  Kassen  brauchen,  unterliegen  der 
Vereinbarung  zwischen  Mitgliedern  und  Aerzten.  Die  Honorare  sollen 
bei  allen  Verträgen  nach  demselben  Modus  berechnet  werden,  wobei 
den  Kassenärzten  eine  Kontrolle  über  die  gemachten  Angaben  zu¬ 
steht;  dadurch  soll  verhindert  werden,  dass  sich  aus  der  Verschieden- 
artigkeit  in  der  Berechnung  des  Mitgliederbestandes  Schwierigkeiten 
ergeben.  Die  vereinbarten  Grundsätze  gelten  für  eine  zu  bestim¬ 
mende  Zeitdauer,  innerhalb  deren  Verträge  auf  beliebig  lange  Zeit 
abgeschlossen  werden  können;  kurzfristige  Verträge  dürfen  nur  bis 
zum  Ablauf  der  vereinbarten  Grundsätze  verlängert  werden.  Die 
Kündigungsfrist  für  alle  Verträge  wird  auf  3  Monate  festgesetzt.  Für 
laufende  Verträge  werden  Uebergangsbestimmungen  festgesetzt.  Bei 
Vertragsverlängerungen  mit  derselben  Gruppe  sind  alle  bisherigen 
4erzte  wiederanzustellen,  ausgenommen  solche,  die  auf  Grund  der 
Entscheidung  eines  Schiedsgerichtes  entlassen  werden,  und  beim 
ixierten  Arztsystem  solche,  deren  Stellen  infolge  unzureichender  Be¬ 
schäftigung  eingehen.  Mit  Aerzten,  die  im  Laufe  der  Vertragsdauer 
neu  angestellt  werden,  dürfen  nur  die  vereinbarten  Verträge  und  nur 
bis  zum  Ablaufe  der  Vertragsdauer  abgeschlossen  werden.  Ein  von 
Jem  Kassenarzt  mit  seiner  Vertretung  betrauter  Arzt  darf  nur  aus 
Gnem  wichtigen  Grunde  abgelehnt  werden;  darüber,  sowie  über  die 
rortdauer  der  kassenärztlichen  Tätigkeit  bei  einem  Wohnungswechsel 
des  Arztes  entscheidet  das  Schiedsgericht.  Instruktionen  und  Ge¬ 
schäftsanweisungen  bilden  einen  integrierenden  Bestandteil  der  Ver¬ 
züge;  sie  dürfen  daher  in  keinem  Punkte  zu  den  getroffenen  Verein¬ 
barungen  in  Widerspruch  stehen  und  dürfen  während  der  Vertrags¬ 
dauer  mit  Zustimmung  der  Aerzte  geändert  werden.  Die  ärztliche 
Koalitionsfreiheit  darf  durch  keinerlei  Bestimmungen  beschränkt  wer¬ 
fen.  Der  folgende  Paragraph  verlangt  Bestimmungen,  die  den 
Kassenärzten  eine  ausreichende  Ruhe  an  Sonn-  und  Feiertagen  ge¬ 
währleisten;  darüber  sollen  aber  noch  vom  Ausschuss  des  Zentral- 
rerbandes  Einzelvorschläge  gemacht  werden.-  Sehr  wichtig  ist  der 
lächste  Grundsatz:  Für  die  begrenzte  freie  Arztwahl  und  das  fixierte 
Mztsystem  werden  Einrichtungen  zur  Regelung  der  Bewerbung  und 
Anstellung  getroffen.  Damit  sollen  Protektionswesen  und  ähnliche 
mliebsame  Erscheinungen  verhindert  und  unter  Berücksichtigung  des 
Bedarfes  und  der  Anciennität  allen  Aerzten  die  Möglichkeit  eröffnet 
werden,  bei  den  Kassen  auch  mit  diesen  Arztsystemen  tätig  zu  sein, 
-sjyjirde  gewünscht,  dass  Familienbehandlung  nur  gewährt  werde, 
wenn  die  Kasse  den  Familienmitgliedern  keine  freie  Arznei  gewährt; 
dieser  Paragraph  wurde  aber  an  den  Ausschuss  zurückverwiesen, 
-ur  Schlichtung  von  Streitigkeiten  über  die  vereinbarten  Grund¬ 
sätze  werden  paritätische  Schiedsgerichte  geschaffen.  Streitig¬ 
keiten  aus  dem  Vertrage  unterliegen  der  Entscheidung  eines  pari¬ 
atischen  Schiedsgerichtes  oder  einer  Beschwerdekommission,  deren 
irztliche  Mitglieder  von  den  Kassenärzten  gewählt  werden.  Wenn 
üch  das  paritätische  Schiedsgericht  nicht  einigen  kann,  so  wählt  es 
inen  unparteiischen  stimmberechtigten  Obmann;  kann  es  sich  über 
die  Person  des  Obmannes  nicht  einigen,  so  wird  das  Amtsgericht 
Berlin-Mitte  ersucht,  einen  zu  stellen.  Im  ersten  Vierteljahr  des 
Uzten  für  die  Dauer  der  Grundsätze  massgebenden  Jahres  finden 
ieue  Verhandlungen  über  die  weitere  Geltung  der  Grundsätze  statt. 

,  Da  die  vom  Zentralverbande  aufgestellten  Grundsätze  die 
irundlage  für  die  Verhandlungen  mit  der  Zentralkommission  der 
berliner  Krankenkassen  bilden  sollen,  ist  es  interessant,  wie  sie  von 
lern  Organ  der  Arbeiterpartei,  dem  „Vorwärts“,  aufgenommen 
werden,  ln  diesem  Blatte  wird  anerkannt,  dass  in  der  Versammlung 


die  Referenten  sowohl  wie  die  Diskussionsredner  sich  von  jeder 
Scharfmacherei  gegen  die  Kassen  ferngehalten  haben,  und  dass  die 
Forderungen  keine  übermässigen,  sondern  teilweise  bereits  erfüllt, 
in  manchen  Orten  sogar  überholt  sind.  Mit  Befriedigung  wird  hervor¬ 
gehoben,  dass  das  Arztsystem  in  den  Grundsätzen  keine  Rolle  spielt; 
und  schliesslich  wird  die  Erwartung  ausgesprochen,  die  auch  der 
Referent  betont  hatte,  dass  es  auf  der  Basis  dieser  Vorschläge  ge¬ 
lingen  werde,  zu  einer  Einigung  zwischen  Aerzten  und  Kranken¬ 
kassen  zu  kommen. 

Der  Antrag  betr.  experimentelle  Eingriffe  an  Kranken,  über  den 
wir  in  No.  2.  dieser  Wochenschrift  berichtet  hatten,  beschäftigte  in 
der  vorigen  Woche  die  Stadtverordnetenversammlung.  Anlass  dazu 
hatte  der  Vortrag  über  ein  Mittel  zur  Bekämpfung  und  Verhütung 
der  Tuberkulose  gegeben,  der  im  November  v.  J.  die  „Medizinische 
Gesellschaft“  und  auch  die  Oeffentlichkeit  beschäftigt  hatte,  und 
über  den  in  No.  46  und  47  dieser  Wochenschrift  ebenfalls  berichtet 
wurde.  Der  Antragsteller  wendet  sich  gegen  die  Kritik,  die  sein 
Antrag  verschiedentlich  in  der  medizinischen  Presse  gefunden  hat, 
ohne  aber  diese  Kritik  in  irgend  einem  Punkte  entkräften  zu  können, 
und  wendet  sich  dann  sehr  energisch  gegen  die  Versuche,  die  der 
dirigierende  Arzt  des  Waisenhauses  zu  prophylaktischen  Zwecken 
an  Kindern  angestellt  hat.  Er  bezeichnete  das  als  einen  unerhörten, 
frivolen  Vorgang,  einen  Hohn  auf  die  Barmherzigkeit  und  soziale 
Gesinnung,  einen  Missbrauch  der  anvertrauten  Kinder,  kurz  er  suchte 
in  seinen  Ausführungen  den  Mangel  an  Sachlichkeit  durch  Heftigkeit 
der  Ausdrücke  zu  ersetzen.  Das  tat  er  so  temperamentvoll,  dass 
der  Vorsitzende  ihn  ersuchen  musste,  in  seinen  Angriffen  gegen  einen 
Abwesenden  nicht  zu  weit  zu  gehen.  Bei  der  Besprechung  über  die 
Wirkungen  jenes  Vertrages  hatten  auch  wir  die  Folgen  der  voreiligen 
Kritik  und  der  noch  voreiligeren  Berichterstattung  bedauert;  aber 
niemanden  kam  es  in  den  Sinn,  den  Aerzten,  die  nicht  nur  im  besten 
Glauben,  sondern  auch  gestützt  auf  die  erwiesene  Unschädlichkeit 
mit  den  nötigen  Vorsichtsmassregeln  das  Mittel  anwandten,  daraus 
einen  Vorwurf  zu  machen.  Nach  den  Ausführungen  des  Antrag¬ 
stellers  wurde  es  Herrn  Landau  nicht  schwer,  dessen  Vorwürfe 
zu  entkräften  und  den  angegriffenen  Arzt  in  Schutz  zu  nehmen,  der 
nicht  nur  nicht  leichtfertig  gehandelt  habe,  sondern  wie  ein  vor¬ 
sichtiger,  um  das  Wohl  seiner  Pflegebefohlenen  besorgter  Mann; 
denn  das  in  Rede  stehende  Mittel  war  bereits  bei  Hunderten  von 
Kindern,  unter  andern  auch  von  einem  Arzt  an  seinem  eigenen  Kinde 
angewandt  worden.  Der  Versuch,  es  den  ihm  anvertrauten,  meist 
sehr  elenden,  aus  tuberkulösen  Familien  stammenden  Kindern  zugute 
kommen  zu  lassen,  war  also  •  durchaus  gerechtfertigt.  Der  Redner 
betonte  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  überhaupt  noch  niemals  ein 
Mensch  von  Medizinern  als  Versuchskaninchen  zu  Experimenten 
benutzt  worden  sei;  derartige  Eingriffe  dürfen  nicht  einmal  bei  zum 
Tode  verurteilten  Verbrechern  vorgenommen  werden.  Nachdem  ein 
Magistratsmitglied  erklärt  hatte,  dass  das  Vorgehen  des  betreffenden 
Arztes  vom  Magistrat  zwar  nicht  gebilligt  werden  konnte  (weil  es 
ohne  Vorwissen  der  Waisenverwaltung  geschah,  also  aus  formellen 
Gründen),  dass  ihn  aber  nicht  der  Schatten  eines  Vorwurfes  treffe, 
und  dass  der  Fall  der  Waisenverwaltung  keinen  Anlass  gebe,  neue 
Anordnungen  zu  treffen,  wurde  der  Antrag  zurückgezogen. 

Damit  könnte  der  Eindruck  erweckt  werden,  als  ob  die  ganze 
Angelegenheit  verlaufen  wäre  wie  das  Hornberger  Schiessen,  aber 
ganz  so  harmlos  ist  es  doch  nicht.  Was  pro  und  contra  gesagt 
wurde,  und  die  schliessliche  Abfuhr  wird  schnell  vergessen,  und 
semper  aliquid  haeret.  Dass  eine  Beunruhigung  in  weite  Schichten 
der  Bevölkerung  getragen,  die  bestehende  Abneigung  gegen  die 
Krankenhäuser  gesteigert  wird,  hätte  vermieden  werden  können, 
wenn  der  Antrag  ungestellt  geblieben  wäre.  Hoffentlich  werden 
sich  bessere  positive  Resultate  aus  der  nächsten  Stadtverordneten¬ 
sitzung  ergeben,  in  der  eine  Vorlage  über  die  Organisation  einer 
Wohnungspflege  und  Wohnungsaufsicht  zur  Beratung  steht.  Als 
Grundlage  der  zu  schaffenden  Einrichtung  soll  zunächst  eine  amtliche 
und  unparteiische  Erforschung  der  wirklichen  Wohnungsverhältnisse 
in  die  Wege  geleitet  werden;  das  sei  notwendig,  weil  in  der  Oeffent¬ 
lichkeit  so  viele  Behauptungen  über  die  Zustände,  die  im  Gross- 
Berliner  Wohnungswesen  herrschen,  aufgestellt  seien,  dass  sie  einer 
amtlichen  Klärung  bedürfen.  Die  zweite  Aufgabe  soll  die  sein,  im 
Rahmen  des  Erreichbaren  die  Misstände  im  Wohnungswesen  abzu¬ 
stellen:  Die  Wohnungskontrolle  soll  sich  im  wesentlichen  auf  kleine 
Wohnungen  und  auf  das  Schlafstellenwesen  erstrecken.  Man  wird 
versuchen,  Vorgefundene  Mängel  zunächst  durch  gütliches  Zureden 
und  Erteilung  von  Ratschlägen  zu  beseitigen;  die  Mieter  sollen  an 
zweckmässige  Behandlung  ihrer  Wohnungen  gewöhnt,  die  Vermieter 
zur  Beseitigung  baulicher  Missstände  angehalten  werden.  Wo  den 
Mietern  aus  pekuniären  Gründen  die  Befolgung  der  erteilten  Rat¬ 
schläge  unmöglich  ist,  sollen  ihnen  aus  einem  Fonds,  der  freilich  vor¬ 
läufig  noch  klein  ist,  Beihilfen  gewährt  werden.  An  der  Spitze  der 
Organisation  soll  eine  Deputation  stehen,  während  der  Schwerpunkt 
der  praktischen  Tätigkeit  in  ein  „Wohnungsamt“,  das  aus  Berufs- 
bearnten  gebildet  wird,  verlegt  wird.  Der  Magistrat  hofft,  dass  durch 
Uebertragung  der  Wohnungspolizei  an  die  Stadt  die  Wohnungs¬ 
fürsorge  noch  wirksamer  wird  gestaltet  werden  können,  wenn  auch 
beabsichtigt  ist,  polizeiliche  Massregeln  nach  Möglichkeit  zu  ver¬ 
meiden.  M.  K. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


212 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

VI.  Sitzung  vom  9.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Rudolf  Panse. 

Der  Vorsitzende  gibt  eine  Zuschrift  der  Bildungsanstalt  Ja- 
ques-Dalcroze  bekannt. 

Der  1.  Schriftführer  verliest  die  eingegangenen  Drucksachen. 

Tagesordnung: 

Herr  Weber:  Kurze  Demonstration  zur  angeborenen  Duodenal- 
atresie. 

W.  berichtet  über  eine  zweite  Operation  wegen  angeborener 
Verengerung  des  Duodenums  mit  epidiaskopischen  Demonstrationen. 
Das  betreffende  Kind  erbrach  seit  der  Geburt  alles  Genossene  untei 
Beimengung  von  Gallebestandteilen,  zeigte  Hungerstühle  und  starke 
peristaltische  Wellen  im  Oberbauch.  Ein  Milchstuhl  am  11.  Lebens¬ 
tage  bewies,  dass  der  Verschluss  im  Dünndarm  nicht  ganz  voll¬ 
ständig  sein  konnte.  Die  Operation  unter  Novokain  deckte  eine 
starke  Ausdehnung  des  Magens  und  der  ersten  ~la  des  Duodenums 
auf,  von  der  Plica  duodeno-jejunalis  waren  die  Darmschlingen  völlig 
zusammengefallen.  Keinerlei  peritoneale  Stränge.  Verwachsungen 
oder  dergleichen.  Die  hintere  Gastroenterostomie  war  schwierig 
wegen  der  Kleinheit  der  Verhältnisse,  gelang  aber  technisch;  ob 
auch  funktionell,  konnte  nicht  entschieden  werden.  Denn  das  Kind 
starb  bereits  nach  6  Stunden.  Die  Sektion  ergab  ausser  einer  niässi- 
gen  Menge  Blut  in  der  Bauchhöhle  einen  trommelfellartigen  Mem¬ 
branverschluss  am  Ende  des  Duodenums,  aber  noch  hinter  dem 
Bauchfell,  mit  einer  feinen  gangähnlichen  Verbindung  in  den  zu¬ 
sammengefallenen  Darmteil  unterhalb  der  Membran.  Hierdurch  war 
der  Milchstuhl  erklärt.  Bis  auf  einen  einzigen  Fall  vdn  Fockens 
in  Rotterdam  sind  bisher  sämtliche  Operationen  wegen  angeborener 
Dünndarmverengerung  tödlich  ausgegangen.  Der  hier  besprochene 
Fall  wird  ausführlich  in  der  „Med.  Klinik“  veröffentlicht  werden. 

Diskussion:  Herr  Friedrich  Hesse  berichtet  über  einen 
Fall  von  kongenitaler  Atresie  des  Dünndarms  ca.  20  cm 
oberhalb  der  B  a  u  h  i  n  sehen  Klappe  und  demonstriert  das 
Präparat. 

Das  2  Tage  alte  kräftige  Kind  kam  zur  Operation,  nachdem  es 
seit  der  Geburt  anhaltend  erbrochen  und  Mekonium  nicht  per  anum 
entleert  hatte:  der  Leib  war  eher  hoch  als  flach.  An '  der  Stelle 
der  Atresie  verband  ein  ca.  Vi  cm  langer,  drehrunder,  kaum  strick¬ 
nadeldicker  Strang  zu-  und  abführenden  Darmabschnitt;  der  ab¬ 
führende  hatte  kaum  die  Dicke  eines  dünnen  Bleistiftes,  er  war  so¬ 
wohl  abnorm  dünnwandig  wie  völlig  leer,  der  zuführende  war  über 
daumenstark,  in  dem  untersten  Teil  kleinkindsfauststark,  voll  Meko¬ 
nium  und  hatte  stark  hypertrophische  Wandung,  als  Ausdruck  der 
vermehrten  vergeblichen  Darmtätigkeit.  Zwischen  beiden  Schenkeln 
wurde  die  Anastomose  —  Seit  an  Seit  —  ca.  5 — 6  cm  lang,  aus¬ 
geführt,  eminent  erschwert,  wie  schon  oft  auch  von  anderen  be¬ 
tont,  durch  das  Missverhältnis  der  Dicke  der  Wandung,  besonders 
der  fast  papierdünnen  des  abführenden  Ileums  und  durch  die  Gering¬ 
fügigkeit  der  Zirkumferenz  dieses  Teiles.  Sofort  mit  der  Eröffnung 
des  Abdomens  quoll  fast  der  ganze,  bis  zum  Magen  dilatierte  Dünn¬ 
darm  hinaus;  in  diesem  Zustande  wurde  die  Operation  ausgeführt; 
diesem  Schock  dürfte,  nachdem  nur  mit  grösster  Mühe  das  Einbringen 
des  Darmes  in  die  Bauchhöhle  gelang,  der  Tod  des  Kindes  —  5  Stun¬ 
den  nach  der  Operation  —  in  erster  Linie  zuzuschreiben  sein.  Die 
Aetiologie  des  Falles  ist  hier  wohl  eindeutig:  es  fand  sich  ein 
unregelmässiger  membranöser  Strang,  der  von  der  linken  Bauch¬ 
seite  zur  Ileozoekalgegend  verlief  und  einen  Ausläufer  zur  Atresie 
schickte;  demnach  erklärt  sich  die  Entstehung  der  Atresie  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  aus  einer  üb  erstände  neu  intra¬ 
uterinen  Peritonitis. 

Herr  Peters  gibt  einige  Erläuterungen  zu  dem  von  Herrn 
Hesse  eben  besprochenen  Falle.  Die  Geburt  war  wegen  Schwan¬ 
gerschaftsnephritis  künstlich  eingeleitet  worden.  Bei  dem  Neu¬ 
geborenen  trat  sehr  bald  Erbrechen  ein,  das  rasch  gallig  wurde; 
man  nahm  eine  Diinndarmatresie  an.  Hinsichtlich  einer  eventuellen 
fötalen  Peritonitis  liess  sich  nichts  Bestimmtes  feststellen. 

Herr  Hans  Haenel:  Die  moderne  Tierpsychologie  und  die 
Elberfelder  Pferde. 

ln  den  Wandlungen  der  Tierpsychologie  der  Jahrhunderte 
können  3  Richtungen  unterschieden  werden:  1.  Gewohnheit  und 
Dogma  ziehen  eine  scharfe  Grenze  zwischen  menschlicher  und  tieri¬ 
scher  Seelenorganisation.  2.  Die  moderne  Biologie,  die  auf  De  s- 
cartes  fusst  und  von  Jacques  Loeb  in  ihrer  heutigen  Form  be¬ 
gründet  wurde,  strebt  nach  einer  Verwischung  der  Grenzen,  indem 
sie  zu  den  einfachsten  Lebensäusserungen  bis  zu  den  Einzelligen 
herabsteigt,  diese  als  Tropismen,  als  zwangsläufige  Reizverwertungen 
nachweist,  diesen  Vorgang  bis  zu  den  höheren  Tieren,  ja  bis  zum 
Menschen  zu  verfolgen  sucht  und  damit  die  Forderung  einer  objek¬ 
tiven,  d.  h.  von  Seelenäusserungen  freien  Psychologie  erhebt,  ln 
einer  objektiven  Nomenklatur  (B  e  t  h  e,  v.  U  e  x  k  ii  1 1),  in  der  Empfin¬ 
dungen  durch  „Rezeption“,  Sinnesorgane  durch  „Rezeptionsorgane“. 
Willkürbewegungen  durch  „Kinesen,  Antikinesen,  Tangantikinesen“ 
usf.  ersetzt  werden,  suchen  die  extremen  Vertreter  dieser  Richtung 
den  Nachweis  der  Durchführbarkeit  ihrer  Anschauung  zu  bringen, 


mit  dem  Ergebnis,  dass  sich  gerade  dabei  ihre  Undurchführbarkeit  für 
die  höheren  Tiere  erweist.  Immerhin  ist  die  biologisch-experimen¬ 
telle  Methode  zurzeit  die  herrschende  und  hat  vielfach  klärend  und 
illusionszerstörend  gewirkt.  3.  Eine  dritte  Richtung,  wohl  die  älteste 
und  heute  am  meisten  diskutiert,  ist  die  populär-psychologische,  die 
im  Zusammentragen  von  Einzelberichten  und  Erzählungen  über  liere 
deren  Menschenähnlichkeit  zu  entdecken  sucht  und  die  durch  das 
Dogma  gezogene  Schranke  von  oben,  vom  Standpunkte  des  Menschen 
her  durchbrechen  will.  Die  vollkommenste  Vertretung  fand  sie  viel¬ 
leicht  in  Brehms  „Tierleben“. 

Eine  Mittelstellung  zwischen  den  dreien  nimmt  W.  Wundt  ein. 
Er  erkennt  eine  echte  Tierpsychologie  an,  schreibt  den  Tieren  Affekte, 
Assoziationen,  Erinnerungen,  Bewusstsein  zu,  zieht  aber  die  Grenze 
zwischen  der  Assoziation  und  der  Intelligenz;  den  Schritt  von  jener  , 
zu  dieser  werde  heute  keines  der  höheren  I  iere  mehr  vollziehen 
Zu  den  dem  Menschen  reservierten  Intelligenzleistungen  zählt  er  die 
Bildung  von  Begriffen,  Urteilen  und  die  Phantasietätigkeit.  Teilen 
wir  vorerst  einmal  die  Meinung  W  u  n  d  t  s  und  der  Dogmatiker,  so 
lautet  die  Frage:  Denken  die  Tiere  nicht  aus  mangelnder  Fähigkeit 
oder  denken  sie  vielleicht,  können  es  uns  aber  wegen  des  Mangels  j 
einer  Sprache  nicht  mitteilen,  oder  können  sie  nicht  denken,  weil 
ihnen  die  Denkform,  eben  die  Sprache,  fehlt?  Die  beiden  letzteren 
Möglichkeiten  sind  praktisch  früher  nie  ernsthaft  in  Betracht  gezogen 
worden;  hier  setzt  die  Arbeit  zweier  Männer  ein,  v.  Osten  und! 
Krall.  1903  begann  in  Berlin  v.  Osten  seinen  „Klugen  Hans“  zu; 
demonstrieren,  der  rechnete  und  buchstabierte,  und  nach  2  Jahren 
durch  Pfungst  in  einem  ausführlichen  Gutachten  „entlarvt“  wurde; 
p  f  u  n  g  s  t  kam  zu  dem  Schlüsse :  der  Hengst  denkt  nicht,  sondern  ; 
reagiert  nur  auf  Zeichen,  die  allerdings  äusserst  fein  sind,  nur  in 
unwillkürlichen  Millimeterbewegungen  des  Kopfes  bestehen  und  die  j 
er  selbständig  herausgefunden  hat.  Die  öffentliche  Laufbahn  des , 
Hengstes  war  damit  abgeschlossen;  v.  Osten  und  Krall  machten; 
sich  aber  im  Stillen  an  eine  Nachprüfung  und  Widerlegung  des ; 
Pfungst  sehen  Gutachtens,  ausserdem  erwarb  Krall  nach 
v.  Ostens  Tode  zwei  andere  junge  Araberhengste  und  unterrichtete : 
sie  nach  der  gleichen  Weise.  Erst  nach  3'A  jähriger  Arbeit  gab  er 
Anfang  1912  sein  Buch  „Denkende  Tiere“  heraus;  ich  besuchte  ihn! 
darauf  im  Sommer. 

Krall  begann  bei  seinen  beiden  Pferden  Muhamed  und  Zarif; 
mit  Zählübungen;  ein  Kegel  wird  vor  des  Tier  hingestellt,  sein; 
rechter  Vorderlauf  gehoben  und  e  i  n  mal  wieder  niedergesetzt,  dazu 
mit  Betonung  gesprochen:  Eins!  und  die  Ziffer  1  mit  Kreide  an  die 
Wandtafel  geschrieben.  Dies  wird  oft  wiederholt  und  somit  die 
4  fache  Assoziation:  Kegel  und  Zifferbild,  Lautbild  und  Bewegung! 
eingeübt.  Nach  einiger  Zeit  ebenso  die  2,  die  3,  dabei  zugleich 
Addition  und  Subtraktion  optisch  vorgeführt.  Eines  Tages  bedarf  es 
des  Anfassens  am  Fusse  nicht  mehr,  auf  den  Zuruf  „Drei!“  hebt  das 
Pferd  von  selbst  3mal  den  Fuss  und  setzt  ihn  3  mal  wieder  nieder: 
die  Assoziation  zwischen  Lautbild  und  Bewegung  läuft  ab,  obwohl 
eines  der  Glieder  in  der  eingeübten  Assoziationskette,  die  Hilfe  mit 
der  Hand,  ausgefallen  ist.  Später  genügt  auch  das  Schriftbild  allein, 
um  das  richtige  Zählen  zu  veranlassen.  Es  geht  daraus  hervor,  dass, 
das  Tier  von  dem  sinnenmässigen  Eindruck  los  und  zu  dem  Und 
sinnlichen,  dem  Zahl  begriff  gekommen  ist.  Das  wird  weiter  be¬ 
wiesen  dadurch,  dass  es  mit  den  Zahlbegriffen,  ohne  das  Gegen¬ 
ständliche  vor  sich  zu  haben,  operieren,  d.  h.  rechnen  lernt,  und  dass 
es  die  erworbenen  Anfangsgründe  richtig  weiter  verwertet.  So  war 
ihm  gelehrt  worden,  die  Zehn  nicht  durch  10  maliges  Klopfen  in:t 
dem  rechten,  sondern  durch  einmaliges  mit  dem  linken  Fusse  an¬ 
zugeben;  die  Elf  mit  1  mal  rechts,  1  mal  links  usf.  Als  dann  die 
Aufgabe  19+1  gestellt  wurde,  gab  es  von  selbst,  ohne  neue 
Anleitung,  die  Lösung  durch  2  Hufschläge  links;  es  hatte  also  nicht 
nur  die  Zehn  sondern  auch  den  Begriff  des  Zehner  erfasst.  Für  die 
Begriffsbildung  noch  ein  anderes  Beispiel  unter  vielen;  Als  die  liere 
schon  lange  rechnen  konnten,  wurden  ihnen  Ziffern,  auf  einzelner 
Papptäfelchen  gedruckt,  vorgelegt:  sie  versagten  dabei  vollständig, 
versagten  auch,  als  die  Täfelchenziffern  den  Kreideziffern  auf  dei 
Wandtafel  so  ähnlich  wie  möglich  gemacht  wurden,  und  es  stellte 
sich  schliesslich  heraus,  dass  sie  die  Wandtafel  als  einen  wesent¬ 
lichen  Bestandteil  der  Ziffer  sich  mit  eingeprägt  hatten;  sie  hattet, 
nie  eine  ohne  die  andere  gesehen  und  die  Begriffsgrenze  folgerichtig 
erst  an  der  Grenze  der  Tafel  gezogen,  erkannten  die  Ziffer  ohne  die 
Tafel  nicht  als  solche  an.  Es  kostete  grosse  Mühe,  sie  von  diesen 
selbstgebildeten  Begriffe  wieder  loszubringen  und  ihnen  klar 
zumachen,  dass  eine  5  mit  Tinte  auf  weissem  Papier  oder  eine  au: 
grünem  Karton  geschnittene  5  dasselbe  sei  wie  die  Kreide-5  ai 
der  Wandtafel.  Es  war  viel  schwieriger,  ihnen  ihren  „Fehler“  -j 
wenn  man  ihn  so  nennen  kann!  —  wieder  zu  korrigieren,  als  ihner 
das  Subtrahieren  und  Multiplizieren  beizubringen.  Von  der  Multi 
plikation  zur  Potenz  und  Quadratwurzel  waren  Schritte,  die  nicht 
wesentlich,  sondern  nur  quantitativ  Neues  brachten;  Hindernisse 
waren  hauptsächlich  die  Widerwilligkeit.  Launenhaftigkeit  und  Zer 
streutheit  der  Tiere,  nicht  Unfähigkeit  und  Verständnislosigkei 
Nach  oft  wochenlangen  vergeblichen  Bemühungen  und  unüberwind 
liehen  Widerständen  erfolgten  manchmal  in  einem  oder  2  Tagen  gc 
radezu  sprunghafte,  überraschende  Fortschritte.  —  Zu  „schriftlichen 
Mitteilungen  wurden  die  Pferde  durch  eine  Art  Morse-Alphabet  be 
fähigt,  das  ihnen  eingeübt  wurde,  und  in  dem  jeder  Buchstabe  durc 
eine  bestimmte  Zahl  Klopftritte  bezeichnet  ist.  Als  es  an  die  Zu 
sammensetzung  von  Worten  ging,  merkte  Krall,  dass  die  Pferd 


28.  Januar  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


218 


leine  phonetische  Orthographie  anwandten,  d.  h.  die  Konsonanten 
nach  ihrem  Sprechwort  gebrauchten:  ha,  em.  te,  eff  usw.  Sie 
„schrieben“,  d.  h.  klopften  Hafer:  hfr,  Esel:  sl,  Pferd:  frt  usw.,  und 
zwar  ohne  Anleitung  dazu  und  in  immer  neuen,  nicht  vorauszusehen¬ 
den  Abwechslungen:  färd,  fert,  bferd,  pärd  u.  a.  m. 

Die  Erklärung  für  diese  Leistungen  kann  heute  nicht  mehr  in 
der  Richtung  der  P  f  u  n  g  s  t  sehen  unbewussten  Zeichen  gesucht 
werden.  Ich  selbst  habe  mich  überzeugt,  dass  das  Pferd  richtige  Ant¬ 
worten  gab,  während  Krall,  der  Pferdewärter  und  ich  draussen  auf 
dem  Hofe  standen  und  von  dem  Pferde,  das  allein  im  Stall  geblieben 
war,  nicht  gesehen  werden  konnten.  Die  gleichen  Massregeln  haben 
spätere  Beobachter  angewandt  (Prof.  Ziegler-  Stuttgart,  Dr.  Sa¬ 
ra  s  i  n  -  Basel,  Prof.  Chaparede  -  Genf  u.  a.),  noch  andere 
(Dr.  A  s  s  a  g  1  i  o  1  i  -  Florenz)  Hessen  sogar  das  Tier  hinter  der  ge¬ 
schlossenen  Stalltür  allein  arbeiten  und  beobachteten  es  durch  ein 
mit  Glas  geschlossenes  Fensterchen  in  der  Tür;  sie  erhielten  auch 
unter  diesen  Bedingungen  richtige  Antworten.  Damit  werden  auch 
akustische,  olfaktorische  —  und  telepathische  Uebertragungen  hin- 
iiillig,  die  man  alle  schon  hat  heranziehen  wollen.  Vorläufig  können 
die  Leistungen  nicht  anders  als  durch  ein  selbständiges  Denken  der 
Pferde  erklärt  werden.  Eine  neuerdings  gegründete  „Gesellschaft  für 
experimentelle  Tierpsychologie“  unter  dem  Vorsitze  von  Prof.  Zieg¬ 
ler-Stuttgart  wird  die  Prüfungen  fortsetzen  und  durch  neue  Ver¬ 
suche  erweitern. 

Diskussion:  Herr  Prüsmann:  Bei  der  Fragestellung 
liesse  sich  suggestive  Beeinflussung  dadurch  vermeiden,  dass  der 
Fragesteller  die  Lösungen  selbst  nicht  kennt.  Dafür,  dass  die  Pferde 
tatsächlich  rechnen,  spricht  der  Umstand,  dass  sie  beim  Lösen  einer 
Aufgabe,  deren  Resultat  eine  dreistellige  Zahl  ist,  die  letzte  Stelle 
derselben  mit  besonderer  Bestimmtheit  angeben,  ebenso  wie  auch 
wir  rechnen. 

Herr  Mann  berichtet  über  Beobachtungen  an  einem  Hunde, 
die  ebenso  wie  bei  dem  vom  Vortragenden  erwähnten  Pferd  die 
teste  assoziative  Verbindung  eines  Wortes  mit  einem  ganz  bestimm¬ 
ten  Gegenstand  zeigen. 

Herr  Hü  bl  er:  Wenn  der  Vortragende  meint,  dass  die  Pferde 
beim  Rechnen  zuweilen  raten,  so  ist  das  viel  schwerer  als  das 
Rechnen  selbst.  Durch  Raten  kann  das  richtige  Resultat  nicht  ge¬ 
funden  werden.  Er  hat  den  Eindruck  gewonnen,  dass  die  Pferde 
wirklich  rechnen. 

Herr  C  a  h  n  h  e  i  m  teilt  im  Anschluss  an  die  Mitteilung  des 
Herrn  M  ann  einige  eigene  Erfahrungen  an  Hunden  mit,  die  die  asso¬ 
ziative  Verknüpfung  einzelner  Worte  mit  bestimmtem  Tun  oder 
Lassen  beweisen. 

Herr  v.  Pflugk:  Wenn  die  Pferde  lernen,  Quadratwurzeln  zu 
ziehen,  so  liegt  das  wohl  darin,  dass  sie  sich  die  einzelnen  Quadrat¬ 
zahlen,  wie  25,  36  usw.  einprägen,  und  dass  alsdann  im  Augenblick 
des  Rechnens  das  entsprechende  Zahlenbild  auftaucht. 

Die  Elberfelder  Pferde  sind  auch  zur  Feststellung  der  Sehschärfe 
der  Pferde  verwendet  worden,  und  es  zeigte  sich  dabei,  dass  das 
Pferd  eine  Sehschärfe  von  2  hat,  also  das  doppelte  vom  Menschen, 
während  die  Sehschärfe  des  Hundes  nur  ein  Viertel  bis  ein  Fünftel 
der  menschlichen  Sehschärfe  besitzt. 

Herr  Rupprecht  11:  Man  könnte  an  diesen  Pferden  mit  den 
pseudoisochromatischen  Tafeln  von  Stilling  auch  Versuche  über 
den  Farbensinn  der  Pferde  anstellen  und  prüfen,  ob  sie  Farbenunter¬ 
schiede  wahrnehmen. 

Herr  Braune  fragt,  ob  der  Vortragende  wirklich  jede  Täu¬ 
schung  bei  der  Sache  für  ausgeschlossen  hält.  Beim  „klugen  Hans“ 
hat  die  gewählte  Kommission  sich  dahin  ausgesprochen,  dass  zuin 
mindesten  eine  unbewusste  Täuschung  vorläge.  Es  wäre  interessant 
zu  wissen,  ob  die  Kommission  sich  damals  getäuscht  hat.  Die  Lei¬ 
stungen  der  Pferde  gehen  teilweise  (Kubikwurzeln  usw.)  weit  über 
die  Fähigkeiten  der  meisten  Menschen  hinaus,  das  ist  so  überraschend, 
dass  man  zunächst  an  eine  Täuschung  denken  muss.  Aufgefallen  ist 
Herrn  B.  auch  die  Tatsache,  dass  die  Tiere  nicht  nur  einfache  Worte, 
sondern  auch  Zahlen  verstehen.  Ein  derartig  weitgehendes  Sprach¬ 
verständnis  bei  Tieren  widerspricht  allen  unseren  bisherigen  An¬ 
schauungen. 

Herr  Scheunert  hat  gelesen,  dass  die  Tiere  auch  spontan 
Gedanken  äussern  sollen,  und  fragt,  ob  der  Vortragende  Erfahrungen 
darüber  gesammelt  hat. 

Herr  Kretzschmar  stimmt  bezüglich  des  Ratens  der  Rechen¬ 
aufgaben  Herrn  Hüb  ler  zu.  Wenn  die  vom  Pferde  genannten 
Zahlen  sich  so  nahe  um  die  richtige  Lösung  herumgruppieren,  wie 
das  dort  der  Fall  war,  so  ist  es  kein  blindes  Raten,  sondern  ein  über¬ 
legtes  Schätzen. 

Herr  Panse  erwähnt,  dass  die  Pferde  sich  ohne  besondere 
Direktion  sogar  gegenseitig  Mitteilungen  machen  sollen. 

Herr  H.  Haenel  (Schlusswort):  „Unwissentliche“  Versuche, 
d.  h.  solche,  bei  denen  der  Frager  die  Antwort  selbst  nicht  weiss,  sind 
schon  mit  dem  „klugen  Hans“  mehrfach  ausgefühl  t  worden  und  ge¬ 
lungen.  Die  Telepathie  heranziehen  zu  wollen,  empfiehlt  sich  kaum, 
weil  das  nur  eine  Unbekannte  durch  eine  andere  ersetzen  hiesse; 
ausserdem  geben  die  Pferde  oft  genug  unerwartet  Aeusserungen  von 
sich  an  die  keiner  der  Anwesenden  denken  konnte.  Die  von  Herren 
Mann  und  Cahnheim  angeführten  Beobachtungen  fallen  noch  in 
das  Gebiet  der  Assoziation,  lassen  noch  keine  Begriffsbildung  er¬ 
kennen.  Das  Ziehen  von  Quadrat-  und  Kubikwurzeln  aus  fünf-  und 
sechsstelligen  Zahlen  muss  wohl  eine  Art  Raten  oder  Schätzen  sein, 


aber  ein  Raten  mit  mathematischem  Verständnis:  das  Tier  sieht  die 
Zahl  daraufhin  an,  in  der  Nähe  welcher  Zahl  etwa  die  Quadratwurzel 
liegen  könnte  und  trifft  diese  mehr  oder  weniger  genau.  Uebrigens 
hat  nur  der  eine,  Muhamed,  diese  fabelhafte  Rechenbegabung,  Zarif 
kommt  über  3  stellige  Zahlen  bisher  nicht  hinaus.  —  Farbensinn  und 
Sehschärfe  ist  bei  den  3  Tieren  recht  genau  geprüft  worden;  es 
war  das  nicht  schwer,  weil  sie  ja  eindeutige  Antworten  zu  geben 
imstande  sind.  —  Zum  Verständnis  der  Worte  sind  die  Pferde  zum 
grossen  Teile  von  selbst,  ohne  direkte  Unterweisung  gekommen;  wie 
das  lernende  Kind  füllten  sie  allmählich  immer  mehr  die  Laute,  die 
sie  anfangs  nur  als  leere  Geräusche  umgeben,  mit  Sinn  aus.  So 
wendete  z.  B.  Zarif  bei  den  Farbenprüfungen  eines  Tages  ganz 
von  selbst  das  Wort  „auch“  an:  er  klopfte,  als  ihm  nach  einer  dunkel¬ 
grünen  Tafel  eine  hellgrüne  vorgelegt  wurde:  „aug  grin“.  Die  Be¬ 
obachtung,  die  Herr  Scheunert  erwähnte,  wurde  von  Dr.  Dek- 
k  e  r  gemacht  und  im  Kosmos  veröffentlicht.  —  Die  übliche  Meinung, 
die  das  Pferd  den  dummen  Tieren  zurechnet,  beruht  vielleicht  auf 
falscher  Deutung  von  Eigenschaften,  die  teils  in  der  ausgeprägten 
Eigenwilligkeit  dieser  Tiere  begründet  sind,  teils  in  ihrer  Unfähigkeit 
zu  Bewegungsaufgaben,  die  ihrer  Natur  nicht  liegen.  Das  „Scheuen“ 
der  Pferde  z.  B.  ist  in  seiner  Natur  noch  gänzlich  unaufgeklärt,  hat 
wahrscheinlich  vielerlei  Ursachen.  (Autoreferat.) 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Kümmell. 

Demonstrationen: 

Herr  H.  Werner:  Ein  Fall  von  Verruga  peruviana. 

22  jähr.  Kaufmann  erkrankte  nach  einer  Reise  in  Peru  im 
April  1912  an  einem  typhusähnlichen  Fieber,  das  auf  Chinin  nicht 
reagierte.  Nach  6U  tägiger  Krankenhausbehandlung  in  Lima  vor¬ 
läufig  geheilt  entlassen,  bald  nachher  ähnliches  Fieber;  deswegen 
mehrere  Wochen  in  Callao.  In  dieser  2.  Fieberperiode  kam  es  zu 
einem  Exanthem:  rote,  warzige  Papillome  an  den  Streckseiten  der 
Extremitäten,  schubweise  auftretend,  von  verschiedener  Grösse, 
halbkugelig  die  Umgegend  überragend,  zum  Teil  auch  subkutan.  Die 
charakteristischen  Symptome  des  Leidens  sind  das  initiale  Oroya- 
oder  Carrionfieber,  die  Knotenbildung  in  und  unter  der  Haut  und  eine 
begleitend^  Anämie.  Vortragender  ist  zur  Zeit  noch  mit  ätiologischen 
Studien  beschäftigt. 

Herr  Kropeit:  43jährige  Frau,  der  er  einen  apfelgrossen,  um 
die  linke  Uretermündung  breitaufsitzenden  Blasentumor  mit  der 
Schlinge  des  Operationszystoskops  ambulant  entfernt  hat. 

Herr  A  1  b  a  n  u  s  bespricht  einige  Plastiken  und  Prothesen  in  der 
Rhinologie.  1.  Fall  von  doppelseitiger  Stirnhöhlenaufmeisselung,  in 
welchem  die  tiefen  Einziehungen  durch  Hartparaffininjektionen  aus¬ 
gefüllt  wurden.  2.  Fall  von  einseitiger  Stirnhöhleneiterung.  Es 
wurden  Periostlappen  von  oben  und  unten  über  den  Defekt  gezogen 
und  vernäht,  mit  sehr  gutem  kosmetischen  Erfolg.  3.  Fall  von 
schwerer  Nasentuberkulose,  der  Septum,  Nasensteg  und  untere 
Muscheln  zum  Opfer  fielen.  Eine  Kautschukprothese  deckt  den  De¬ 
fekt.  Demonstration  der  Herstellungsmethode.  4.  Fälle  von  ausge¬ 
dehntem  Nasenlupus,  in  denen  künstliche  Nasen  aus  Zelluloid  den 
entstellenden  Defekt  decken.  Die  Phasen  der  Herstellung  sind:  An¬ 
modellierung  einer  Plastilinnase,  Gipsabguss,  Giessen  eine  Bleinase, 
die  als  Stanze  in  gegossenem  Schwefel  eine  Zelluloidnase  presst. 
Bemalen  mit  Oelfarbe  der  Nase  von  innen,  wodurch  die  Transparenz 
der  Haut  nachgeahmt  wird.  Anrauhen  der  Oberfläche  der  Nase. 

Herr  Plate:  63 jähriger  Schuhmacher  mit  syphilissuspekter 
Anamnese,  aber  negativem  Wassermann.  Reduzierte  Ernährung, 
2.  Aortenton  akzentuiert,  periphere  Arteriosklerose.  Am  unteren 
Sternalende  eine  Knochenfistel.  Adenopathie.  Gang  mit  steifer 
Wirbelsäule,  zurückgelegtem  Oberkörper.  Die  Proc.  spin.  der  oberen 
Lendenwirbel  prominieren,  sind  druckempfindlich.  Patellarreflexe 
fehlen.  Gelegentliche  Fieberattacken,  in  deren  Verlauf  eine  Leber¬ 
schwellung  sich  entwickelt.  Schüttelfröste.  Kein  Ikterus.  Leber¬ 
rand  nicht  höckerig,  nicht  hart,  beweglich.  Diagnose:  Hepatitis 
syph.  Energisches  Traitement  mixte.  Temperaturabfall  nach 
2  Tagen  und  seit  der  Behandlung  Besserung  bis  zur  fast  vollständigen 
Genesung. 

Herr  Ritters  ha  ns:  Puella  publica.  Taboparalyse,  jetzt  in 
leidlicher  Remission,  die  vier  Reaktionen  stark  positiv.  Seit  über 
3/4  Jahren  besteht  in  schwankender  Intensität  eine  Hemiparese 
links  im  Anschluss  an  einen  apoplektiformen  Insult.  Die  Dauer  der 
Paresen  ist  im  allgemeinen  ein  wichtiges  differentialdiagnostisches 
Kriterium  zwischen  dem  apoplektiformen  Insult  bei  Paralyse  —  baldige 
restitutio  —  und  der  rechten  Apoplexie.  Interessant  ist,  dass  der 
Insult  im  Anschluss  an  ein  Trauma  —  4  Tage  vorher  Schlag  auf  den 
Kopf  —  auftrat.  Kritische  Besprechung  der  diagnostischen  Schwierig¬ 
keiten. 

Herr  Deseniss  zeigt  ein  Karzinom  der  Portio,  das  sehr  früh 
zur  Operation  kam  (Wertheim).  Der  sehr  günstige  Fall  hätte 
leicht  vaginal,  ohne  Hilfsschnitte  operiert  werden  können.  Trotzdem 
fand  sich  ein  krebsiges  Drüsenpacket  an  der  Teilung  der  Iliakal- 
gefässe,  das  entfernt  wurde.  Dies  zeigt,  wie  auch  ganz  initiale  Fälle 
schon  sehr  früh  Drüsenmetastasen  machen  können,  die  natürlich 


214 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


für  jede  vaginale  Methode  unangreifbar  sind  und  daher  grundsätzlich 
die  W  e  r  t  h  e  i  m  sehe  Radikaloperation  erfordern,  um  so  mehr,  als 
sich  die  primäre  Heilungsziffer  bedeutend  gebessert  hat. 

Vortrag  des  Herrn  Ri  eck:  Zur  Therapie  übermässig  starker 
menstrueller  Blutungen. 

Die  Behandlung  der  Menstrualblutungen,  die  die  Patientinnen 
anämisch  machen  und  schwächen,  ist  oft  sehr  schwierig.  Die  ver- 
ordneten  Präparate  wie  Sekale,  Hydrastis,  Eristyptizin,  heisse  Du¬ 
schen,  Gelatine,  Digitalis,  Chlorkalzium,  Pituitrin,  Eierstocksubstanz 
und  allgemeine  roborierende  Vorschriften  versagen  oft.  Dann 
kommen  die  operativen  Massnahmen;  die  Punktion  der  Portio  nach 
Eiith  zur  Verminderung  der  prämenstruellen  Anschoppung,  die 
Tamponade  des  Uterus,  die  aber  tagelang  liegen  bleiben  muss,  die 
Abrasio  in  Narkose  nach  vorheriger  Dilatation.  Aber  es  bleiben  dann 
doch  noch  einzelne  Fälle,  in  denen  eine  Insufficientia  uteri  ange¬ 
nommen  wird,  die  auch  so  nicht  heilen  und  zu  den  schwersten 
Blutungen  führen.  Hierfür  empfiehlt  Vortr.  die  von  ihm  angegebene 
„Defundatio  uteri“,  die  vaginale,  nahezu  extraperitoneal  vorzu¬ 
nehmende  Wegnahme  des  Fundus  uteri,  so  dass  noch  ca.  2  cm  Korpus¬ 
schleimhaut  bestehen  bleibt.  Das  Prinzip  ist,  die  Einschränkung  der 
Blutung  durch  Einschränkung  der  blutenden  Flächen  zu  erzielen. 
Demonstration  der  Methode  an  Lichtbildern.  Die  Methode  soll  also 
einen  Ersatz  bilden  für  die  sonst  in  derartigen  Fällen  ausgefiihrtc 
Totalexstirpation.  R.  bespricht  die  Indikationen  der  Operation. 

Diskussion:  Herr  K  ü  m  m  e  1 1  glaubt,  dass  die  Zahl  der 
Fälle,  in  welchen  die  R  i  e  c  k  sehe  Operation  angezeigt  ist,  nur  ver¬ 
schwindend  klein  sein  wird.  Ein  besonders  grosser  Nachteil  ist  doch 
der  damit  verknüpfte  Verlust  der  Zeugungsfähigkeit.  Besonders 
wünschenswert  ist  eine  gute  Diagnose,  die  Erkennung,  ob  es  sich 
nicht  doch  um  Myome,  Perimetritiden,  Eierstockserkrankungen  usw. 
handelt.  Als  Konkurrenzmethode  ist  die  Röntgenbehandlung  sehr  zu 
empfehlen. 

Herr  Matthaei  spricht  in  ähnlichem  Sinne.  In  den  Fällen,  in 
denen  eine  Abrasio  nicht  zum  Ziele  führt,  handelt  es  sich  meist  gar 
nicht  um  Erkrankungen  des  Uterus,  sondern  um  abnorme  Verhält¬ 
nisse  in  den  Adnexen.  Für  die  R  i  e  c  k  sehe  Methode  blieben  nur 
noch  die  extrem  seltenen  Fälle  übrig,  in  denen  aus  vitaler  Indikation 
sofort  operiert  werden  muss.  Solche  sind  M.  in  22  jähriger  Praxis 
noch  nicht  begegnet.  Dagegen  ist  bei  Frauen,  die  sich  der  Menopause 
nähern,  die  Totalexstirpation  vorzuziehen,  weil  das  zurückgelasseue 
Stück  Gebärmutter  nur  noch  die  Gefahr  eines  Karzinoms  bringen 
kann.  Von  ausgezeichnetem  Erfolge  ist  die  Röntgenbehandlung  be¬ 
gleitet.  Durch  die  exaktere  Dosierungsmöglichkeit  ist  man  imstande, 
gradatim  vorzugehen  und  eine  Verminderung  menstrueller  Blutungen 
durch  sie  zu  erzielen. 

Herr  Rüder  kann  die  Berechtigung  dieser  neuen  Methode  nicht 
anerkennen;  er  fragt  nach  dem  weiteren  Schicksal  der  Patientinnen, 
wie  lange  ist  die  Operation  her?  Eine  Abrasio  soll  immer  in  Narkose 
und  möglichst  exakt  vorgenommen  werden. 

Herr  H  a  e  n  i  s  c  h  ist  auch  der  Ansicht,  dass  die  Röntgenbehand¬ 
lung  schonender  sei,  als  die  R  i  e  c  k  sehe  Operation,  selbst  wenn  der 
Röntgenologe  eine  Kürettage  zur  Sicherung  der  Diagnose  verlangen 
muss.  Bei  Heranziehung  von  Statistiken  und  Erfolgen  muss  die 
Röntgenbehandlung  der  Myome  und  der  einfachen  Metropathien 
streng  auseinander  gehalten  werden.  Bei  letzterer  genügen  kleinere 
Dosen,  besonders  dann,  wenn  nur  Oligomenorrhoe  bezweckt  wird. 
Weitere  Fortschritte  in  der  Dosierung  werden  wohl  noch  sicherer 
ermöglichen,  ein  bestimmtes  Ziel:  Amenorrhoe  oder  Oligomenorrhoe 
zu  erreichen.  Vor  der  Bestrahlung  junger  Frauen  mit  hohen  Dosen 
warnt  H.,  insbesondere  wenn  eine  spätere  Gravidität  nicht  aus¬ 
geschlossen  werden  kann,  in  Hinblick  auf  Schädigungen  der  Keim¬ 
zellen.  Die  erschreckend  hohen  Dosen  starkgefilterter  Strahlen,  wie 
sie  die  Freiburger  Technik  empfiehlt,  hält  H.  für  nicht  ungefährlich. 

Herr  Grube  lobt  die  Riecksche  Defundatio  als  technisch 
leicht  und  schonend.  Ihr  Indikationsgebiet  ist  aber  nur  beschränkt. 

Herr  Lomer  ist  im  Gegensatz  zu  den  Diskussionsrednern  der 
einzige,  der  die  Operation  aus  eigenem  Gebrauch  kennt.  Er  hat  sie 
einige  Male  ausgeführt  und  möchte  sie  empfehlen.  Es  ist  vor  allem 
eine  wesentliche  Vereinfachung  der  üblichen  vaginalen  Total¬ 
exstirpation,  wenn  man  Portio,  Zervix  und  unteres  Uterinsegment 
nicht  mit  entfernt.  Bei  der  Blutung  hat  man  nur  mit  der  Art. 
spermatica,  nicht  mit  der  Uterina  zu  tun.  Die  Erfolge  der  Röntgen¬ 
therapie  sind  beachtenswert.  Das  Verfahren  ist  aber  noch  nicht 
spruchreif;  so  lange  der  Eine  mit  100,  der  Andere  mit  1400  Einheiten 
arbeite,  könne  man  nicht  erkennen,  wer  Recht  hat.  In  den  Fällen  von 
klimakterischen  Blutungen,  die  rasche  Hilfe  verlangten,  sei  die 
Teilresektion  jedenfalls  von  Vorteil. 

Herr  R  i  e  c  k  betont  in  seinem  Schlusswort,  dass  er  selbst  das 
Indikationsgebiet  sehr  eng  gezogen  habe.  Er  erwähnt  2  Fälle  von 
Defundation,  in  denen  man  mit  der  Röntgenbehandlung,  die  er  auch 
selbst  als  das  einzige  Konkurrenzverfahren  bezeichnet  habe,  nicht 
dasselbe  Ziel  hätte  erreichen  können.  Bei  jüngeren  Frauen  ist  die 
Röntgenbehandlung  zurzeit  noch  nicht  ganz  sicher  in  ihren  Erfolgen 
(nach  Runge  16 — 20  Proz.  Versager).  Seine  Methode  ist  an  anderen 
Orten  mit  gutem  Erfolge  nachgeprüft.  Ein  besonderer  Vorteil  ist 
auch  die  im  Gegensatz  zur  Röntgenbehandlung  erzielte  Beseitigung 
der  dysmenorrhoischen  Schmerzen.  Werner. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  E.  Göppert:  Ueber  die  Variabilität  des  menschlichen 
Körpers. 

Der  Vortrag  behandelt  in  erster  Linie  die  phylogenetisch  wich¬ 
tigen  Varietätengruppen,  die  atavistischen  oder  retrospektiven  und  die 
prospektiven  Varietäten.  Von  ihnen  zeigen  die  ersteren  Vorfahren¬ 
zustände,  während  die  prospektiven  Varietäten  die  Wege  weisen, 
die  eine  fortschreitende  Entwicklung  des  Organismus  einschlagen 
kann  und  möglicherweise  wirklich  einschlägt.  Beide  Varietäten- 
gi  uppen  werden  durch  Beispiele  belegt  und  für  beide  die  Frage 
ihres  ontogenetischen  Zustandekommens  erörtert.  Dabei  zeigt  sich, 
wie  durch  einen  besonderen  Fall  erläutert  wird,  dass  Atavismen  auf 
Erhaltung  embryonaler  Zustände,  die  sonst  überschritten  werden,  he-  1 
ruhen  können.  Diese  Tatsache  wird  verständlich  aus  Haeckels: 
biogenetischem  Grundgesetz,  nach  welchem  die  Ontogenese  in  grossen 
Zügen  die  Phylogenese  wiederholt.  Das  Vorkommen  vielfacher  Aus¬ 
nahmen  von  jenem  Gesetze,  die  sog.  Caenogenesen,  warnen  aber 
davor,  für  alle  Atavismen  den  gleichen  Entwicklungsgang  anzunehmen. 
Für  die  Entwicklung  von  prospektiven  Varietäten  liess  sich  in  einem 
Falle  wenigstens  erweisen,  dass  hier  zunächst  der  für  die  betreffende 
Art  geltende  Normalzustand  herausgebildet,  dieser  dann  aber  zu  de* 
Varietät  umgebaut  wird.  Auch  hier  kann  aber  das  Gleiche  nicht  für 
alle  Fälle  gelten. 

Zum  Verständnis  irgend  eines  Teiles  des  Organismus  gehört 
nicht  nur  die  Kenntnis  der  Norm,  sondern  auch  eine  Uebersicht  über 
alle  pro-  und  retrospektiven  Varianten,  über  ihre  Stellung  zu  einander 
und  über  ihr  zahlenmässiges  Vorkommen.  Die  von  Emil  Rosen¬ 
berg-  Utrecht  ausgearbeitete  Methode  einer  tabellarischen  Darstel¬ 
lung  dieser  Verhältnisse  gestattet  die  zielbewusste  Verwertung  der 
Varietätenforschung  für  anthropologische  Untersuchungen. 

Zu  den  phylogenetischen  Varietäten  gesellt  sich  noch  eine  um¬ 
fangreiche  Gruppe  von  Varianten,  denen  ein  bestimmter  Gesichtskreis 
nicht  zukommt,  die  daher  als  fluktuierende  Variation  bezeichnet 
werden  können.  Sie  werden  durch  Störungen  des  Ablaufes  der  Ent¬ 
wicklung  bedingt,  und  nur  das  Fehlen  von  Schädigungen  für  ihren 
Träger  lässt  sie  von  den  Missbildungen  trennen. 

Die  Varietätenforschung  darf  sich  nicht  darauf  beschränken, 
den  Charakter  der  Varietäten  zu  beurteilen,  sie  zu  klassifizieren  und 
ihre  formale  Genese  zu  untersuchen  Wichtige  Probleme  bilden  die 
Fragen  nach  den  Erblichkeitsverhältnissen  und  dem  kausalen  Zu¬ 
standekommen  der  Varietäten.  Von  der  experimentellen  Forschung, 
die  sich  diesen  Fragen  schon  mit  Erfolg  zugewandt  hat,  sind  weitere 
Fortschritte  in  unserer  Erkenntnis  zu  erhoffen. 

Herr  Bruns:  Die  Blutzirkulation  in  atmenden  und  aus  der 
Atmung  ausgeschalteten  Lungengebieten.  (Der  Vortrag  erscheint  in 
extenso  an  anderer  Stelle.) 

Herr  Rabe:  Ueber  die  Eisenresorption  vom  Darm  aus.  (Die 

Arbeit  ist  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  2809  erschienen.); 

Sitzung  vom  7.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  Bielschowsky  spricht  über  okulare  Störungen  als  Ur¬ 
sachen  von  allgemeinen  und  lokalisierten  nervösen  Beschwerden. 

B.  referiert  die  Arbeiten  amerikanischer  Autoren  (Stevens,; 
Savageu.  a.),  die  zuerst  auf  den  Zusammenhang  zwischen  okularen 
Störungen  (Astigmatismus  und  Störungen  des  Muskelgleichgewichtest 
und  nervösen  Erkrankungen  der  verschiedensten  Art  hingewiesenj 
haben.  In  Deutschland  hat  namentlich  Schön  die  nämlichen  An¬ 
sichten  vertreten,  und  nicht  bloss  Kopfschmerzen  und  Migräne,  son¬ 
dern  auch  leichtere  und  schwerere  Neurosen  (Chorea,  Epilepsie  etc.« 
auf  okulare  Störungen,  insbesondere  auf  latentes  Höhenschiele ii 
bezogen. 

B.  hat  schon  im  Jahre  1906  durch  systematische  Untersuchungen, 
an  einem  grossen  Material  festgestellt,  dass  Heterophorien  bei  de; 
verschiedenartigsten  Formen  von  den  sog.  funktionellen  Neuroseri 
und  Psychosen  keineswegs  häufiger  zu  finden  sind,  als  bei  völlig 
gesunden  Individuen,  was  gegen  die  Annahme  von  Schön  spricht 
dass  derartige  Neurosen  durch  Störungen  im  Gleichgewicht  de: 
Augenmuskeln  erzeugt  würden.  Die  Erfahrungen,  die  B.  iri  de: 
Folgezeit  hinsichtlich  der  besprochenen  Verhältnisse  gemacht  hat 
bestätigen  durchaus  die  schon  in  der  zitierten  Arbeit  ausgesprochene 
Ansicht,  dass  Heterophorien  zwar  bei  Individuen  mit  intaktem  Nerven¬ 
system  Störungen  desselben  (Neurosen)  nicht  zu  erzeugen  vermögen 
wohl  aber  neuropathische  Individuen  unter  den  genannter: 
okularen  Störungen  zuweilen  schon  bei  auffallend  geringen  Gradei 
der  letzteren  erheblich  zu  leiden  haben  und  durch  Korrektur  de; 
Heterophorien  von  ihren  Beschwerden  befreit  oder  doch  günstig  be 
einflusst  werden.  Hierfür  werden  einige  Beispiele  angeführt.  Es  is 
daher  durchaus  angezeigt,  bei  Patienten,  für  deren  unbestimmte  all 
gemeine  oder  aber  auch  lokalisierte  nervöse  Beschwerden  die  Ur 
Sache  nicht  klar  zutage  liegt,  auch  eine  genaue  Untersuchung  de 
Augen  zu  veranlassen. 


28.  Januar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHRIP1 


215 


B.  demonstriert  eine  35  jähriyre  Erau  mit  beiderseitigem  hocli- 
iradigen  Keratokonus  und  zarten  Trübungen  der  Kegelspitzen.  Die 
Sehschärfe  beträgt  rechts  Vbo,  links  1 5/«o.  Mit  —  20,0  D  bzw. 
-16,0  D  ist  die  Sehschärfe  nur  sehr  wenig  zu  bessern  (*/«o  bzw.  r,/oo). 
-ine  von  Herrn  F.  Müller,  Wiesbaden  für  das  linke  Auge  geblasene 
ilasprothese  verbessert  die  Sehschärfe  ohne  weiteres  auf  %  der  nor- 
uaien.  Die  Prothese  ist  sehr  leicht  ohne  Kokain  einzusetzen  und 
lerauszunehmen,  wird  von  der  Patientin  tagsüber  ohne  Reizerschei- 
mngen  getragen;  sie  lernt  vor  ihrer  Entlassung  aus  der  Klinik  das 
selbständige  Einsetzen  und  Herausnehmen  der  Prothese. 

Herr  König  demonstriert  eine  66jährige  Patientin  mit  Invagi- 
latio  ileocoecalis  durch  submuköses  Lipom.  Seit  5  Wochen  vor  der 
lperation  typische  Darmkoliken  mit  langdauernden  Darmsteifungen, 
'.unehmender  Obstruktion,  Erbrechen  etc.  Aeusserste  Abmagerung, 
verfall,  unbestimmte  Resistenz  in  der  Zoekumgegend.  Annahme: 
Jbturationsileus  durch  Karzinom.  Schräge  Laparotomie  am  15.  X. 
1.  J.,  es  findet  sich  eine  etwa  10  cm  lange  Invagination  vom  Dünn- 
larm  aus  ins  Zoekum,  in  der  lleozoekalgegend  eine  harte  ringförmige 
Verengerung.  Resektion  der  ganzen  Partie,  Verschluss  des  lleum  und 
ies  Colon  ascendens,  Seitenanastomose.  Bauchnaht,  kleine  Tampo- 
lade.  Guter  Verlauf,  kleine  Darmfistel  am  lateralen  Schnittende, 
m  Wege  der  Heilung. 

Das  der  Länge  nach  halbierte  Präparat  zeigt,  dass  ein  Teil  des 
leum  ins  Zoekum  vorgestülpt  ist,  an  der  Jnvaginationsgrenze  befindet 
Och  eine  Ulzeration,  in  der  von  Karzinom  nichts  nachzuweisen  ist. 
Ms  Ursache  der  Invagination  findet  sich  an  der  Spitze  des  Invagi- 
laturn  ein  kirschgrosses  submuköses  Lipom. 

In  der  Zusammenstellung  von  Hille  r  finden  sich  22  Fälle  von 
Oarmlipom  aus  der  Literatur,  9  mit  Invagination.  Bei  6  Fällen  hat 
vpontane  AusStossung,  eventuell  mit  geringer  operativer  Nachhilfe  bei 
/or  den  Anus  vorfallendem  Lipom,  zur  Heilung  geführt.  5  Fälle  sind 
iperiert,  alle  gestorben.  Der  vorgestellte  Fall  gehört  demnach  sicher- 
ich.  nicht  nur  wegen  des  guten  Heilerfolges,  sondern  als  Beobachtung 
tn  sich,  zu  den  wichtigeren  Befunden  bei  Darminvagination. 

Herr  Eduard  Müller  demonstriert  zunächst  A.  2  Fälle  mit  an¬ 
geborenen  Herzfehlern  (Pulmonalstenose  bei  einem  11  ährigen  Knaben 
md  einem  13  jährigen  Mädchen),  weiterhin  einen  Patienten  nrt  „trau- 
natischem“  Herzfehler  (Klappenriss  bzw.  Absprengung?).  Es  han- 
lelte  sich  um  einen  59  Jahre  alten  Landwirt  Eduard  H.,  der  zuvor 
itets  gesund  war  und  keine  anamnestischen  Anhaltspunkte  für  Gelenk¬ 
heumatismus  oder  Lues  darbot.  Am  10.  Juni  1909  schweres 
Trauma:  Fall  6—7  m  hoch  auf  Steinpflaster;  Auf- 
;chlagen  mit  der  linken  Brustseite,  dem  linken  Oberarm 
ind  Oberschenkel.  Keine  nachweisbaren  Rippenfrakturen,  kein  Blut- 
lusten  usw.;  jedoch  starke  Blau-  und  Grünfärbung  der  Herzgegend 
ind  sofort  nach  dem  Unfall  starke  Herz-  und  Atem- 
leschwerden  und  ein  subjektiv  empfundenes,  sich  nach  dem 
lalse  fortpflanzendes,  störendes  Geräusch  in  der  Herzgegend, 
letzige  Beschwerden:  vor  allem  Schmerzen  und  Druckgefühl  in  der 
inken  Brustseite,  sowie  das  erwähnte  Herzgeräusch.  Objektiv: 
\ortcninsuffizienzstenose;  leises  systolisches,  sowie  sehr  lautes  dia- 
äolisches,  ausgeprochen  musikalisches  Aortengeräusch.  Noch  in 
10  cm  Entfernung  des  Ohres  vom  Brustkorb  deutlich  zu  hören.  Blut- 
Iruck  erhöht  (175  R.-R.).  Mässige  allgemeine  Arteriosklerose;  keine 
eroberen  sonstigen  Organveränderungen.  Trotz  vollkommen  nega- 
iver  Luesanamnese  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  bei  3  Unter¬ 
teilungen  jedesmal  positiv!  Einige  Monate  nach  einer  Schmierkur 
legativ.  Keine  sonstigen  objektiven  Residuen  von  Lues.  In  einem 
/on  der  medizinischen  Klinik  abgegebenen  Gutachten  wurde  ein  Zu- 
-ammenhang  der  Herzstörung  mit  dem  schweren  Trauma  anerkannt. 
Vorher  nachweisbar  gesund  und  leistungsfähig,  schwerer  Unfall  mit 
lochgradiger  stumpfer  Gewalteinwirkung  auf  die  Herzgegend,  sofort 
lanach  Herz-  und  Atemstörungen,  sowie  ein  subjektiv  empfundenes 
Jerzgeräusch.  Klappenriss  oder  Klappenabsprengung  bei  schon 
u  v  o  r  vorhandener,  vielleicht  durch  eine  alte 
-ues  bedingter  Arteriosklerose?  Kein  Aneurysma; 
(eine  abortive  Tabes.) 

Hinweis  auf  die  Entstehung  traumatischer  Herzstörungen  durch 
lie  psychischen  und  körperlichen  Folgen  eines  Traumas.  Die  letz¬ 
ten  können  teils  in  Gewalteinwirkungen  auf  die  Herzgegend  selbst, 
eils  in  brüsken,  hochgradigen  körperlichen  Anstrengungen  liegen 
vor  allem  nach  Analogie  des  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen  Versuch  mit  voran¬ 
gehender  tiefer  Einatmung  und  Glottisverschluss).  Besprechung  von 
"allen  mit  Kombinationen  dieser  Ursachen  bei  traumatischen  Herz- 
(törungen  und  Hinweis  auf  das  gelegentliche  Vorkommen  derselben 
>ei  zuvor  gesunden  Soldaten  durch  heftige  Stösse  auf  die  Herz- 
tegend  beim  Bajonnettieren. 

B.  Gehäufte  epileptiforme  Konvulsionen  bei  einem  9  Jahre  alten 
belasteten  Mädchen;  Bromkalium  wirkungslos;  massenhaft  Askariden 
ind  Oxyuren;  Wurmkur;  sofortiges  und  bisher  andauerndes  Ver- 
;chwinden  der  Krämpfe. 

Mutter  leicht  ei  regbar;  neigt  zu  anfallsweisem  Herzklopfen  und 
Ohnmächten,  sowie  zu  migräneartigen  Kopfschmerzen.  Onkel  müt- 
erlicherseits  seit  dem  3.  Lebensjahr  epileptisch.  Geburt  der  Patien- 
!n  ohne  Störungen,  ausgetragenes,  gut  entwickeltes  Kind,  auch  spä- 
er  ohne  körperliche  und  psychische  Anomalien.  Kein  Trauma;  keine 
’sychischen  Schocks  als  Ursache.  Mitte  August  des  Jahres  fiel  das 
Kind  mitten  im  Spielen  ohne  erkennbare  äussere  Veranlassung  plötz¬ 
lich  um,  während  des  Anfalls  starke  Drehung  des  Kopfes  nach  links; 
seine  gröberen  sonstigen  Spasmen,  auch  kein  Zungenbiss  oder  Enu¬ 


resis.  Jedoch  Bewusstlosigkeit  und  Amnesie;  Dauer  nur  wenige 
Minuten.  Am  gleichen  Tage  noch  ein  zweiter  Anfall;  3  Tage  später 
abermalige  Insulte  und  hierbei  auch  tonische  Streckspasmen  im  linken 
Arm  und  linken  Bein.  Stets  Amnesie;  nur  die  Empfindung,  dass  irgend 
etwas  mit  ihm  passiert  ist.  Die  Anfälle  sich  immer  mehr  häufend,  später 
fast  stündlich  auftretend,  manchmal  sogar  3— 4  mal  in  der  Stunde.  Nie¬ 
mals  im  Anschluss  an  psychische  Erregungen;  Anfälle  auch  suggestiv 
nicht  auszulösen.  Kein  organisch-neurologischer  Befund;  im  Stuhle 
jedoch  Askariden-  und  Oxyureneier.  Auf  Bromkur  nur  vorüber¬ 
gehend  Besserung;  dann  trotz  steigender  Dosen  eher  noch  Häufung 
der  Anfälle.  Auf  Wurmkur  Abgang  von  20  grossen  Askariden  und 
massenhafter  Oxyuren  (es  „wimmelte“  im  Stuhl).  Seither  völliges 
Verschwinden  der  Anfälle.  Wassermann,  Pirquet  negativ.  Auch 
keine  Augenhintergrundsveränderungen  usw.  Dauerheilung? 

C.  Hinweis  auf  die  gelegentlichen  Schwierigkeiten  der  Blut¬ 
gewinnung  zu  serologischen  Zwecken  usw.  durch  Venenpunktion.  In 
der  Landpraxis  weigern  sich  die  Patienten  oft,  sich  punktieren  zu 
lassen.  Ein  blutiger  Schröpfkopf  wird  jedoch  fast  immer  konzediert. 
Demonstration  der  Technik,  die  auch  bei  Kindern  und  Frauen  mit 
schwer  zugänglichen  Venen  manchmal  ratsam  ist. 

Herr  Matthes  stellt  einen  Fall  von  rechtsseitiger  Zwerchfcll- 
lähmung  vor.  Die  Diagnose  lässt  sich  vor  dem  Röntgenschirm  exakt 
stellen.  Während  beim  Gesunden  und  ebenso  bei  einseitigem  Pneumo¬ 
thorax  durch  einen  tiefen  Inspirationsversuch  bei  geschlossenem  Mund 
und  geschlossener  Nase  beide  Zwerchfellhälften  in  den  Thoraxraum 
durch  die  Ansaugung  ansteigen,  geht  bei  diesem  Versuch  bei  be¬ 
stehender  Zwerchfellähmung  nur  die  gelähmte  Seite,  und  zwar  sehr 
hoch  hinauf  unter  gleichzeitiger  starker  Verschiebung  des  Media¬ 
stinums  nach  der  gesunden  Seite,  die  gesunde  Zwerchfellshälfte  steigt 
dagegen  herab,  wie  wenn  mit  freigegebener  Luftzuführung  geatmet 
würde.  Augenscheinlich  ist  die  Ansaugung  der  gelähmten  Hälfte  so 
stark,  dass  die  gesunde  Hälfte  der  ansaugenden  Wirkung  dadurch  so¬ 
weit  entzogen  wird,  dass  sie  nach  unten  sich  bewegen  kann.  Bei 
freier  Inspiration  dagegen  zeigt  sowohl  ein  Pneumothorax,  wie  eine 
Zwerchfellslähmung  das  Kienböck  sehe  Phänomen,  dass  die 
kranke  Seite  hinauf,  die  gesunde  herunter  geht,  während  beim  Ge¬ 
sunden  natürlich  beide  Zwerchfellshälften  sich  abwärts  bewegen. 
Dieses  bereits  früher  aus  der  M  a  1 1  h  e  s  sehen  Klinik  von  Well¬ 
mann  beschriebene  Verhalten  beweist  gleichzeitig,  dass  es  sich  beim 
Pneumothorax  nicht  um  eine  Zwerchfellähmung  handelt. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  Oktober  1912. 

Die  Gesellschaft  beschliesst,  für  das  Escherichdenkmal  in  Wien 
einen  Betrag  von  M.  100. —  beizusteuern. 

Herr  Rommel:  Die  Versorgung  luetischer  Pflegegekinder. 

R.  stellt  auf  Grund  seiner  Ausführungen  9  Leitsätze  auf.  Es 
diskutieren  hierüber  die  Herren  Spanier,  Wohlmut h,  Adam, 
Ibrahim,  J.  Meier  und  Rommel.  Schliesslich  wird  eine  Kom¬ 
mission  ernannt,  welche  die  Leitsätze  noch  zu  redigieren  hat.  Diese 
werden  dem  Bayerischen  Landesausschuss  für  Jugendfürsorge 
hinübergegeben.  Es  wird  ferner  der  Vorschlag  dieses  Ausschusses 
(welcher  auch  die  vorausgehende  Aussprache  veranlasst  hat)  an¬ 
genommen  : 

„dass  ein  Fonds  begründet  wird,  aus  welchem  ganz  oder  teil¬ 
weise  die  Kosten  des  in  grossen  Krankenhäusern  durchzuführenden 
Heilverfahrens  solcher  geschlechtskranker  Mädchen  bestritten  wer¬ 
den,  welche  in  kleinen  und  armen  Gemeinden  beheimatet  sind,  bei 
denen  eine  Garantie  für  gründliche  Heilung  schwerer  geschlecht¬ 
licher  Erkrankungen  gemeindeangehöriger  Mädchen  nicht  besteht.“ 

Herr  Isserlin  (a.  G.) :  Ueber  Intelligenzprüfungen  und  Intelli¬ 
genzdefekte. 

Ausgehend  von  verschiedenen  Versuchen,  den  Begriff  der 
Intelligenz  zu  bestimmen,  erörtert  Vortragender  die  Untersuchungen 
und  Prüfungsmethoden,  welche  neue  Grundlagen  für  solche 
Begriffsbestimmung  lieferten.  Der  Stufenbau  der  Intelli¬ 
genz  wird  kurz  skizziert  und  die  Prüfungsmethoden  des  „Inventars“ 
wie  der  „intellektuellen  Aktivität“  angedeutet.  Vortr.  geht  dann  über 
zu  den  Untersuchungsmethoden  (Tests,  Staffelserien  solcher),  welche 
eine  Stufen  o  r  d  n  u  n  g  der  Intelligenzen  festzustellen  suchen  und 
endet  mit  einem  Ueberblick  über  die  beginnenden  und  weiter  zu  er¬ 
strebenden  Einsichten  in  die  T  y  p  i  k  der  normalen  und  defekten 
Intelligenz. 

Diskussion:  Herren  v.  Pfaundler,  Goett,  Nado- 
leczny,  Ibrahim,  Isserlin  (Schlusswort). 

Ausserhalb  der  Tagesordnung  macht  Herr  v.  Pfaundler  Mit¬ 
teilung  von  der  bevorstehenden  Schliessung  des  Gisela-Kinderspitals 
(infolge  der  Beschlüsse  des  Münchener  Magistrates),  v.  Pfaund¬ 
ler  verliest  den  Entwurf  eines  Schreibens  an  den  Magistrat.  Das¬ 
selbe  soll  statutengemäss  in  der  nächsten  Sitzung  der  Gesellschaft  zur 
Abstimmung  vorgelegt  werden.  Ibrahim  gibt  anschliessend  ge¬ 
naue  Aufklärung  über  die  Genese  des  ganzen  Vorgangs. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 


I 


216 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  24.  Oktober  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Kraus. 

Schriftführer:  Herr  Wilhelm  V  o  i  t. 

Herr  K.  R  e  i  c  h  e  r  -  Bad  Mergentheim:  lieber  die  Bedeutung 
von  Blutzuckerbestimmungen  für  die  Diagnose  und  Therapie  des  Dia¬ 
betes  mellitus. 

Der  Vortragende  demonstriert  eine  auf  der  Motlisch- 
v.  Udränszky  sehen  Reaktion  beruhende  Methode  der  quanti¬ 
tativen  Blutzuckerbestimmung.  Sie  hat  vor  den  bisherigen  Methoden 
den  Vorzug,  mit  wenigen  Kubikzentimeter  Blut  ausführbar  und  ausser¬ 
ordentlich  einfach  zu  sein.  Ihre  genaue  Beschreibung  befindet  sich 
in  der  biochemischen  Zeitschrift,  Bd.  37,  1911.  Diese  Methode  hat  zur 
Aufdeckung  einer  für  Diabetes  typischen  Stoffwechselstörung  geführt 
und  gibt  uns  auch  eine  genaue  Kontrolle  für  den  Erfolg  der  jeweiligen 
diätetischen  und  Trinkkur.  Längere  Versuchsreihen  zeigen,  dass  z.  B. 
nach  einer  vorschriftsmässig  durchgeführten  strengen  Kur  der  Zucker 
aus  dem  Urin  vollständig  verschwunden  sein,  und  trotzdem  im  Blute 
noch  pathologisch  erhöhte  Werte  aufweisen  kann,  ln  diesen  Fällen 
ist  einerseits  die  Prognose  ungünstiger  zu  stellen  und  andererseits 
auch  ein  Fingerzeig  für  die  weitere  Behandlung  in  dem  Sinne  ge¬ 
geben,  dass  man  entweder  mit  den  Zulagen  von  Kohlehydraten  ausser¬ 
ordentlich  vorsichtig  verfahren,  oder  überhaupt  noch  solange  zu¬ 
warten  muss,  bis  die  Blutzuckerwerte  eine  deutliche  Tendenz  zum  Ab¬ 
sinken  zeigen.  Die  neue  Blutzuckerbestimmung  ermöglicht  uns  ferner 
die  Diagnose  von  jenen  seltenen  Fällen  von  latentem  Diabetes,  in 
welchen  es  überhaupt  nie  zur  Ausscheidung  von  Zucker  im  Urin, 
sondern  nur  zur  Erhöhung  des  Blutzuckerspiegels  kommt.  Es  wurden 
mehrere  solche  Fälle  beobachtet,  so  von  Furunkulose,  Ischias,  mit 
anderen  typischen,  diabetischen  Beschwerden,  ja  sogar  mit  ausge¬ 
sprochener  Gangrän,  bei  welchem  erst  nach  Aufdeckung  der  Hyper¬ 
glykämie  und  nach  Einleitung  kohlehydratfreier  Diät,  Heilung  erzielt 
wurde.  Die  mit  dieser  Blutzuckermethode,  wie  schon  eingangs  er¬ 
wähnt,  festgestellte  typische  Stoffwechselstörung  besteht  darin,  dass 
das  Blut  einen  erhöhten  Nüchternwert  aufweist,  dass  ferner,  nach 
Einverleibung  von  50 — 100  g  Traubenzucker,  die  Blutzuckerwerte  lang¬ 
samer,  aber  schliesslich  höher  ansteigen,  als  in  der  Norm  und  endlich 
auch  der  respiratorische  Quotient  durch  seinen  langsameren  und  ver¬ 
späteten  Anstieg  eine  Verschlechterung  der  Zuckerverbrennung  an¬ 
zeigt.  Es  war  daher  von  Interesse,  die  Frage  zu  untersuchen,  ob 
der  Einfluss  einer  Trinkkur  auf  den  Zustand  des  Diabetikers,  wirklich 
nur,  wie  man  bisher  annahm,  ein  suggestiver,  und  nur  auf  das  Fern¬ 
bleiben  vom  Berufe,  Ruhe  etc.  zurückzuführen  sei.  Es  zeigte  sich 
nun,  dass  unter  der  Einwirkung  der  Mergentheimer  Karlsquelle,  bei 
gleichbleibender  Kohlehydratzufuhr,  der  Blutzucker  in  den  meisten 
Fällen  um  die  Hälfte,  ja  bei  manchen  sogar  bis  auf  Va  des  ursprüng¬ 
lichen  Wertes  sank,  ähnlich  wie  es  schon  seinerzeit  Umber  und 
Allard  in  der  G  e  r  h  a  r  d  t  sehen  Klinik  für  den  Urinzucker  nach- 
weisen  konnten.  Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  wenn  unter  30 
mit  der  Mergentheimer  Trinkkur  behandelten  Diabetikern 
15  zuckerfrei  und  6  bis  auf  0,1  Proz.  Urinzucker  gebracht  werden 
konnten.  All  dies  zeigt  uns,  dass  wir  in  der  Mergentheimer  Karls¬ 
quelle  eine  mächtige  Unterstützung  im  Kampfe  gegen  den  Diabetes  be¬ 
sitzen  und  ist  uns  ein  Fingerzeig,  dass  wir  sie  auch  reichlich  zu 
Hauskuren  verwenden  sollen.  Uebertrifft  sie  doch  im  Kochsalz¬ 
gehalte  die  Kissinger  Rakoczyquelle  um  das  Doppelte  und  den  Hom- 
burger  Elisabethbrunnen  um  ein  Beträchtliches.  Auch  ihr  Gehalt  au 
purgierenden  Salzen  ist  bedeutender  als  der  des  Marienbader  Kreuz¬ 
brunnens  und  des  Karlsbader  Mühlbrunnens. 


Würzburger  Aerzteabend. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1912. 

Herr  Faulhaber:  Ueber  die  Diagnose  des  Duodenal¬ 
geschwürs. 

Nach  einleitenden  pathologisch-anatomischen  Bemerkungen  über 
das  Duodenalulcus  wird  die  Häufigkeitsfrage  gestreift  und  dabei  die 
Angaben  der  amerikanischen  und  englischen  Chirurgen  über  dieselbe 
als  zu  hoch  bezeichnet.  Nach  unseren  neueren  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Statistiken  kann  man  höchstens  ein  Verhältnis:  Duodenal- 
zu  Magenujcus  =1:4  herausrechnen.  Der  Vortragende  schildert 
hierauf  den  von  den  Engländern  und  Amerikanern  für  typisch  ge¬ 
haltenen  Symptomenkomplex  und  betont  demgegenüber,  dass  die 
Diagnose  Duodenalulcus  aus  objektiven  Symptomen  äusserst 
schwierig  sei.  Die  betreffenden  diagnostischen  Zeichen  werden  auf¬ 
geführt  und  dann  die  (bisher  noch  recht  spärlichen)  röntgenologischen 
Befunde  geschildert. 

Herr  Enderlen:  Im  Anschluss  an  den  Vortrag  von  Herrn 
Faul  h  aber  berichtet  Herr  Enderlen  über  mehrere  Operationen, 
welche  im  letzten  Monat  wegen  Duodenalulcus  vorgenommen  wurden. 

Es  kam  zur  Ausführung: 

a)  Die  Umschnürung  der  Pylorusgegend  mit  Seidenfaden  und 
Uebernühung  nach  ausgeführter  G.  E.  posterior  (zur  Resektion  des 
Ulcus  war  Pat.  zu  schwach). 


b)  Umschnürung  mit  Faszienstreifen  und  Uebernähung,  nach 
vorausgeschickter  G.  E. 

c)  Resektion  des  Ulcus,  Billroth  II;  letztere  wird  vorgezogen, 
da  die  Ausschaltung,  auch  nach  Durchtrennung  des  Magens  vor 
tödlicher  Blutung  nicht  schützt,  wie  ein  Fall  im  letzten  Jahre  bewies 

2.  W.,  14  Jahre  alt.  Knöcherne  Ankylose  des  linken  Kiefer¬ 
gelenkes  nach  Trauma.  Resektion  des  Kieferköpfchens,  Interpositioi: 
eines  gestielten  Faszienstreifens.  Volle  Beweglichkeit  erzielt. 

3.  R.,  20  Jahre.  Aufg.  2.  VIII.  12.  Entl.  16.  VIII.  12.  Mikro- 
gnathie,  Ankylose  beider  Kiefergelenke.  Mit  5  Jahren  fiel  er  im 
Treppenhaus  senkrecht  2  Stockwerk  tief  und  schlug  unterwegs  in 
der  1.  Etage  mit  dem  Kinn  auf  eine  Stange;  kurze  Zeit  bewusstlos. 
Ein  Kieferbruch  wurde  nicht  konstatiert.  2  Jahre  später  bemerkte 
man,  dass  er  den  Mund  nicht  mehr  aufmachen  konnte  und  dass  der 
Unterkiefer  zu  weit  nach  hinten  stand. 

3.  VIII.  Operation.  Treppenförmige  Durchsägung  beider  hori¬ 
zontaler  Unterkieferäste  und  plastische  Verlängerung.  Knochennaht 
Drain,  Hautnaht. 

13.  VIII.  Heilung. 

16.  VIII.  Unterkieferprofil  wesentlich  gebessert,  geringe  Be¬ 
weglichkeit  an  der  rechten  Nahtstelle,  rechtes  Kiefergelenk  anky- 
lotisch;  linkerseits  Nahtstelle  fest,  Kiefergelenk  beweglich. 

4.  W„  52  Jahre.  Tumor  der  Glandula  carotica  beiderseits 
Seit  20  Jahren  anfangs  walnussgrosse,  langsam  wachsende  Ge¬ 
schwulst  der  linken  Halsseite,  zeitweise  stechende  Schmerzen.  Sei 
%  Jahre  auch  haselnussgrosse  Geschwulst  an  der  rechten  Seite. 

15.  VI.  12.  Exstirpation.  Unterbindung  der  Carotis  commune 
und  externa;  zirkuläre  Naht  der  Carotis  interna  an  die  Carotis 
communis. 

29.  VI.  12.  Geheilt  entlassen. 

3.  VIII.  12  wird  auf  der  rechten  Seite  ein  etwa  muskatnuss 
grosser  Tumor,  an  der  Teilungsstelle  der  Karotis  gelegen,  exstirpiert 
Die  Geschwulst  wird  ohne  grosse  Schwierigkeit  von  der  extern: 
sowie  auch  von  der  interna,  mit  der  sie  etwas  verwachsen  ist 
gelöst.  Heilung  p.  p. 

Entlassen  10.  VIII.  12. 

5.  W.,  65  Jahre.  Aufg.  3.  XII.  12.  Retrosternaler  linksseitige! 
Tumor  (Mammakarzinom,  Metastasen).  1910  wegen  linksseitiger 

Mammakarzinoms  operiert,  seither  beschwerdefrei,  bis  vor  zirk; 
10  Wochen  über  Nacht  Heiserkeit  auftrat.  Seither  auch  zunehmendi 
Atembeschwerden  und  völlige  Stimmlosigkeit. 

Status:  In  der  Tiefe  der  Supraklavikulargrube  neben  und  vo 
der  Wirbelsäule  sehr  harte  unverschiebliche  Geschwulst,  die  siel 
nach  unten  retrosternal  fortsetzt.  Das  Röntgenbild  zeigt  Schattei 
über  der  linken  Lungenspitze,  Trachea  etwas  nach  rechts  ver 
schoben;  linkes  Stimmband  unbeweglich  in  Kadaverstellung. 

Zum  Zwecke  der  Dekompression  Durchtrennung  des  Sternun 
von  links  oben  nach  rechts  unten  bis  in  den  3.  Interkostalraun 
(5.  XII.  12).  Darauf  bedeutende  Besserung  der  Atmung.  Heiluni 
ohne  Störung. 

6.  K.,  74  Jahre.  Aufg.  8.  X.  12.  Entl.  19.  XI.  12.  Gallensteinileus 
Seit  3  Tagen  starke  Bauchschmerzen  ohne  strenge  Lokalisation,  Er 
brechen,  das  zuletzt  etwas  kotig  roch.  Stuhl  und  Winde  nicht  meh 
abgegangen.  Allmählich  zunehmende  Auftreibung  des  Bauches.  Al 
ganz  junge  Frau  Unterleibsentzündung.  Sonst  stets  gesund.  Kein 
Gallensteinkoliken. 

Abdomen  aufgetrieben,  diffuse  Druckempfindlichkeit.  Per  rectur 
und  vag.  nihil.  Im  Magen  fäkulent  riechende  Flüssigkeit. 

Die  Operation  ergab  in  einer  Dünndarmschlinge  einei 
walnussgrossen  Gallenstein,  der  durch  quere  Inzision  entfernt  wurdt 
Geheilt  entlasen  19.  XI. 

Bericht  über  einen  zweiten  Fall  von  Gallensteinileus.  Wege 
des  schlechten  Zustandes  Operation  abgelehnt.  Spontaner  Stein 
abgang,  Heilung. 

7.  B„  31  Jahre.  Eintr.  8.  VIII.  12.  Entl.  31.  VIII.  12.  Blutun 
in  das  Lager  der  rechten  Nebenniere.  Vor  3  Wochen  bei  der  Arbei 
stechende  Schmerzen  in  der  rechten  Nierengegend,  seit  14  Tage 
zeitweise  bettlägerig,  manchmal  Schüttelfrost. 

Befund:  Abdomen  nicht  aufgetrieben.  Etwas  aussen  vor 
Nabel  ein  gut  abtastbarer,  ungefähr  12  cm  langer  Tumor,  welche 
sich  unter  den  rechten  Rippenbogen  in  die  Nierengegend  verfolge 
lässt.  Tumor  hart,  glatt,  mässig  schmerzhaft.  Geringe  seitliche  Vei 
schieblichkeit.  Ganze  rechte  Bauchseite  etwas  voller,  rechte  Lender 
gegend  druckempfindlich.  Urin  o.  B. 

12.  VII.  12  Operation.  Schnitt  parallel  dem  rechten  Ripper 
bogen  und  der  Axillarlinie.  Etwa  kindskopfgrosse  zystische  Gt 
schwulst,  an  deren  unterem  Ende  die  rechte  Niere  hängt.  Nier 
unverändert,  Loslösung  der  Geschwulst  von  Leber,  Peritoneum  un 
Niere.  Geschwulst  reisst  dabei  ein,  es  entleeren  sich  grosse  Menge 
halb  geronnenen  Blutes.  Nach  Fixierung  der  Niere  Verschluss  de 
Wunde.  In  der  Wandung  der  entfernten  Blutzyste  Reste  der  Nebei 
niere.  Heilung  ohne  Störung. 

8.  L.,  10  Jahre.  Aufg.  24.  IX.  12.  Starkstromverbrennung  un 
Tetanus.  21.  IX.  12.  Pat.  kletterte  an  dem  Mast  einer  elektrische 
Leitung  empor  und  erfasste  mit  beiden  Händen  den  einen  Lichtdrah 
während  das  herabhängende  Knie  den  anderen  Lichtdraht  berührt1 
Sofort  verspürte  er  einen  starken  Schlag  und  blieb  am  Draht 
hängen.  Erst  nach  A  Stunde  wurde  er  vom  Mast  heruntergenomme: 
Der  Arzt  verband  ihn  und  schickte  ihn  in  die  Klinik. 


!8.  Januar  1913. 


217 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ausgedehnte  Verbrennung  der  rechten  Hand,  starke  Verbrennung 
ier  linken,  kleinere  Brandstellen  am  rechten  Unterarm  und  am 
)berarm  und  eine  grössere  am  linken  Knie. 

Kampferweinverbände.  Ausgedehnte  Nekrose  an  den  verletzten 
'teilen,  auch  Sehnen  ergriffen. 

1.  X.  Abnahme  des  völlig  nekrotischen  rechten  Ringfingers. 

.  X.  Trismus  der  Kaumuskulatur,  Tetanusantitoxin  100  A.E.  intra- 
enös.  5.  X.  Zunahme  der  Symptome  und  Schlingbeschwerden. 
.  X.  Injektion  von  4  ccm  einer  15  proz.  Lösung  von  Magnesium 
ulfuricum  lumbal.  Pat.  schläft  ziemlich  lang,  gegen  Abend  geringe 
vtembeschwerden,  die  sich  bald  geben.  6.  X.  deutlicher  Risus  Sar- 
lonicus,  deutlicher  Opisthotonus,  brettharte  Spannung  der  Bauch- 
nuskeln.  9.  X.  weitere  Injektion  von  4  ccm  Magn.  sulf.  (15  proz.). 
(eine  Reaktion.  Periphere  Wunden  heilen  gut,  starke  Eiterung  aus 
[en  beiden  kleinen  Wunden  am  Unter-  und  Oberarm.  10.  X.  wieder- 
olte  Anfälle  klonischer  Art.  12.  X.  Injektion  von  100  A.E.  intravenös, 
etanusantitoxin  auf  die  Wunde.  19.  X.  zunehmende  Besserung  aller 
'Vinptome  des  Tetanus.  Wunden  heilen  langsam,  Pat.  steht  auf. 

9.  W.,  41  Jahre.  Aufg.  17.  V.  12.  Entl.  3.  XI.  12.  Riesenzellen- 
arkom  des  unteren  Endes  des  linken  Femur.  November  1910  Schlag 
;egen  das  linke  Knie  ohne  äussere  Verletzungen.  Seit  Juni  1911 
Ichmerzen  im  linken  Knie,  die  trotz  Jodbehandlung  sich  ver- 
■chlimmerten.  Seit  April  Schwellung  der  Kniegegend  und  Be- 
vegungsbehinderung. 

Befund:  Schwellung  der  Kniegegend  und  des  unteren  Teils 
les  Oberschenkels,  kein  Erguss  im  Knie.  Starke  Druckempfindlich- 
;eit  des  unteren  Femurendes,  Beugung  aktiv  und  passiv  bis  zum 
echten  Winkel  möglich,  keine  Krepitation.  Tumor  des  unteren 
■’emurendes. 

1.  VII.  12  Operation:  Exstirpation  des  unteren  Femurendes. 
Transplantation  des  unteren  Femurendes  mit  Periost  von  einem  eben 
■erstorbenen  Mann.  Verbolzung  mittelst  eines  Periostknochenspans 
ius  der  Fibula  des  Toten. 

27.  IX.  leichte  Kallusbildung.  Das  transplantierte  Stück  in 
eichter  Winkelstellung.  Auf  der  Innenseite  ganz  mässig  sezer- 
üerende  Fistel.  3.  XI.  12  mit  Hülse  entlassen. 

Zur  Zeit  der  Demonstration:  Pat.  geht  mit  Hilfe  eines  Hiilsen- 
ipparates  und  Stockes.  Transplantat  fest  mit  dem  Wirtknochen  ver- 
lunden.  Pat.  kann  das  Bein  aktiv  leicht  heben;  im  Kniegelenk 
nässige  Beweglichkeit.  Auf  dem  Röntgenbild  deutliche  Kallus¬ 
bildung,  die  vom  körpereigenen  Femur  auf  den  fremden  Knochen 
ierüberzieht.  Behufs  Erzielung  einer  besseren  Beweglichkeit  kommt 
später  eine  Faszientransplantation  in  Frage. 

10.  T.,  49  Jahre.  Aufg.  23.  XI.  12.  D  u  p  u  y  t  r  e  n  sehe  Kon- 
raktur.  Vor  4  Jahren  Fall  auf  die  Hand.  %  Jahr  später  beginnende 
Jeugestellung  des  Kleinfingers.  November  1911  Operation  auswärts. 
Seither  wieder  ständig  zunehmende  Beugekontraktur. 

Befund:  rechter  5.  Finger  im  Metakarpophalangealgelenk 
Jeugestellung  von  150°.  1.  Interphalangealgelenk  Beugestellung  von 
110°,  2.  Interphalangealgelenk  gestreckt.  Stärkere  Streckung  der 
:rsten  beiden  Gelenke  unmöglich.  Aktive  Beugung  der  beiden  ersten 
jelenke  möglich,  des  2.  Interphalangealgelenkes  unmöglich,  passive 
nöglich.  Beugesehne  stark  vorspringend,  stark  gespannt,  auch 
L,  3.,  4.  Finger  können  nicht  völlig  gestreckt  werden. 

25.  XI.  Operation:  Plexusanästhesie.  Exzision  der  narbigen 
/erdichten  Haut  und  Fascie  palmaris.  Beugesehne  nicht  verkürzt. 
Streckung  des  Fingers,  Transplantation  nach  Wolfe-Krause  vom 
Oberarm.  Heilung  ohne  Störung;  gute  Beweglichkeit. 

11.  P.,  45  Jahre.  Aufg.  14.  XI.  11.  Sehnenverletzung  der  rechten 
iand.  Risswunde  in  der  rechten  Hohlhand  von  der  Basis  des  Klein- 
ingers  bis  zum  Handgelenk.  Aus  der  Wunde  heraus  hängt  ca.  15  cm 
die  Sehne  des  Flexor  sublimis  und  das  ca.  6  cm  lange  Stück  des 
"lexor  prof. 

Operation:  Leitungsanästhesie.  Ersatz  des  Flexor  prof. 
lurch  Palmaris  longus.  Sehnenscheide  teilweise  erhalten.  Naht 
Jerselben.  ln  der  Vola  Sehnenscheide  zerstört.  Ersatz  derselben 
lurch  linke  Vena  saphena.  Volle  Bewegungsfähigkeit.  (Anmerkung: 
Oer  Fall  wurde  auf  der  2.  Tagung  bayerischer  Chirurgen  demon¬ 
striert.  Das  Referat  gibt  ganz  unrichtige  Daten.) 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  22.  Januar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  F.  Kraus:  Demonstration  eines  Falles  von  Zysten- 
Jeschwulst  (wahrscheinlich  Echinokokkensack)  über  dem  Herzen  mit 
"rguss  in  die  rechte  Pleuraspalte  und  Kompression  des  Oesophagus, 
;owie  der  dazugehörigen  Röntgenbilder. 

Tagesordnung: 

Herr  C.  S.  Engel:  Demonstration  der  Wirkung  der  Venen¬ 
stauung  auf  die  Pulskurven  Herzkranker. 

Die  von  Torney  angegebene  Methode  der  Venenstauung  an 
len  Extremitäten  durch  Anlegung  von  Binden  unter  einem  Druck  von 
)0  mm  Hg  und  weniger  hat  Vortr.  bei  Herzkranken  zwecks  Ent¬ 
astung  des  Herzens  mit  günstigem  Erfolg  angewendet.  Er  demon¬ 
striert  die  mit  dem  Jack  sehen  Sphygmohämographer.  aufgenom- 
nenen  Pulskurven  von  der  Radialis,  Jugularis.  Karotis  und  vom  Her¬ 
ren.  Er  demonstriert  weiter  3  Kranke. 


Herr  F  r  e  n  k  e  1  -  Heiden:  Behandlung  schwerster  Formen  von 
Ataxie  bei  Tabes. 

Für  die  Behandlung  schwerster  Formen  von  Ataxie  bei  Tabes, 
die  nach  Vortr.  auf  Veränderungen  der  Muskelsubstanz  selbst  be¬ 
ruhen,  bei  denen  der  Kranke  die  passive  Erhebung  einer  Extremität 
nur  bei  sehr  starker  Exkursion  spürt  und  nur  noch  mit  Unterstützung 
oder  überhaupt  nicht  mehr  stehen  und  gehen  kann,  kommt  nach  Vortr. 
ausschliesslich  die  Uebungstherapie  in  Frage,  in  Verbindung  mit  gut 
sitzenden,  nirgends  drückenden  Apparaten,  deren  Bewegungsachsen 
mit  den  Bewegungsachsen  der  Gelenke  zusammenfallen  müssen. 

Ein  Genu  recurvatum  ist  vor  Beginn  der  Uebungstherapie  in 
normale  Stellung  zu  bringen;  Dekubitus,  der  wegen  herabgesetzter 
Sensibilität  leicht  übersehen  werden  kann,  unter  Umständen  sogar 
letalen  Ausgang  durch  Erysipel  zur  Folge  hat,  ist  zu  vermeiden. 
Uebermiidung  (das  Ermüdungsgefühl  ist  gleichfalls  manchmal  herab¬ 
gesetzt)  darf  nicht  Vorkommen.  Beim  Fehlen  des  natürlichen  Re¬ 
gulators  gegen  Uebermiidung,  des  Uebermüdungsgefiihls,  ist  beim  Do¬ 
sieren  der  Uebungstherapie  auf  die  Pulsfrequenz  zu  achten.  Gastrische 
Krisen  können  schwere  Rückfälle  bewirken. 

Diskussion:  Herr  Eckstein  bestätigt  die  Erfolge  bei 
dieser  Behandlung.  H.  S. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Januar  1913, 

gemeinsam  mit  der  Berliner  Gesellschaft  für-  Chirurgie. 

Tagesordnung: 

Herr  M.  Katzenstein:  Beitrag  zur  Entstehung  und  Behand¬ 
lung  des  Ulcus  ventriculi. 

Vortr.  konnte  zeigen,  dass  in  den  Magen  eingenähte  Darm¬ 
schlingen  sowie  Milz  verdaut  werden,  während  bekanntlich  Magen 
und  Duodenalschleimhaut  der  Verdauung  widerstehen.  Dies  beruht 
wohl  auf  dem  Gehalt  an  Antipepsin.  Atropindarreichung,  welches  die 
Saftsekretion  hemmt,  lässt  auch  eingenähte  Darmschlingen  etc.  un¬ 
verdaut  bleiben.  Antipepsinzerstörung,  durch  Injektion  von  Laugen 
in  die  Magenschleimhaut,  lässt  dagegen  Ulcus  entstehen.  Aus  seinen 
Versuchen  schliesst  Vortr.,  dass  zur  Entstehung  eines  Magen¬ 
geschwürs  1.  ein  Schleimhautdefekt  vorhanden,  2.  wirksamer  Magen¬ 
saft  abgesondert  werden  und  3.  Antipepsin  lokal  fehlen  muss.  Zur 
Therapie  hat  er  daher,  gemeinsam  mit  F  u  1  d,  Antipepsin  dargestellt 
und  per  os  gereicht.  Weder  die  Diät  von  Leube,  noch  die  von 
Lenhartz  ist  zweckentsprechend.  Man  muss  in  erster  Linie  durch 
die  Diät  die  Sekretion  einschränken.  Er  empfiehlt  Gemüse  und  viel 
Fett.  Chirurgische  Eingriffe  sollen  erst  nach  jahrelangem  Bestehen 
des  Ulcus  vorgenommen  werden.  Er  wählt  meist  die  Resektion,  die 
er  der  Gastroenterostomie  vorzieht,  wenn  nicht  Grösse  des  Ulcus  etc. 
technische  Schwierigkeiten  schafft.  72  Operationen  verliefen  ohne 
Todesfall.  Dann  kamen  4  hintereinander. 

Herr  Enimo  Schlesinger:  Ergebnisse  der  Röntgenunter¬ 
suchung  beim  Ulcus  ventriculi. 

Erst  nach  allen  übrigen  Untersuchungsmethoden  soll  die  rönt¬ 
genologische  einsetzen.  Die  Aufnahmen  finden  verschiedene  Zeit 
nach  der  Wismutmahlzeit  statt.  (Demonstr.  von  Röntgenogrammen.) 

Diskussion:  Herr  Boas:  Die  Aetiologie  des  Magen¬ 
geschwürs  ist  vielgestaltig.  Die  Diagnose  soll  möglichst  vor  dem 
Eintritt  von  Blutungen  gestellt  werden;  deswegen  ist  seine  Unter¬ 
suchung  auf  okkultes  Blut  so  bedeutsam.  Solange  kein  okkultes  Blut 
nachgewiesen  wird,  ist  die  Diagnose  nicht  sicher.  Hyperazidität  und 
Hypersekretion  ist  schwer  zu  behandeln. 

Herr  Bier:  Bei  Ulcera  der  kleinen  Kurvatur  werden  an 
seiner  Klinik  unter  keinen  Umständen  Resektionen  vorgenommen, 
weil  die  Naht  zu  starken  Deformitäten  des  Magens  führt. 

Herr  Kraus:  Die  Aetiologie  der  Ulcera  ist  vielgestaltig.  Auch 
mechanische  Momente,  wie  Traumen,  spielen  eine  grosse  Rolle.  Die 
Lenhartz  sehe  Diät  hat  sich  sehr  bewährt.  Die  von  den  Chirur¬ 
gen  operierten  Fälle  kommen  oft  in  schlechtem  Zustand  zu  dem  In¬ 
ternen  zurück. 

Herr  Sultan:  Bei  perforiertem  Ulcus  findet  man  röntgeno¬ 
logisch  oft  eine  Luftblase  zwischen  Leber  und  Zwerchfell  (Früh¬ 
zeichen). 

Herr  Federmann  unterscheidet  ein  Ulcus  superficiale  und  ein 
Ulcus  profundum.  Die  chirurgische  Behandlung  der  ersten  Haupt¬ 
gruppe  ist  unnötig,  die  Resektion  hat  bei  ihm  bei  der  letzteren  sehr 
gute  Resultate  geliefert. 

Herr  F  u  1  d  lehnt  die  Frühoperation  ab  und  rät  Neutraion-  und 
Antipepsindarreichung  per  os  an. 

Herr  Körte:  Das  Ulcus  verläuft  oft  latent:  operativ  bevorzugt 
er  im  allgemeinen  die  Gastroenterostomie.  Die  Resektion  ist  gefähr¬ 
licher  und  schwieriger  und  gibt  auch  keine  Dauerheilung. 

Herr  Schmieden  weist  darauf  hin,  dass  eine  primäre  Multi- 
plizität  der  Magengeschwüre  oft  übersehen  wird,  wodurch  manche  Re¬ 
zidive  nach  Operation  ihre  Erklärung  finden.  Die  fortlaufende  Säure¬ 
untersuchung  des  Magensaftes  ist  diagnostisch  wichtig.  Die  Resek¬ 
tion  wird  oft  an  der  Bier  sehen  Klinik  ausgeführt.  Adhäsionen  sind 
oft  bei  der  Deutung  von  Röntgenbildern  hinderlich. 

Herr  C  o  h  n  h  e  i  m  empfiehlt  gegen  Hyperazidität  die  Dar¬ 
reichung  von  Olivenöl:  dreimal  täglich  einen  Teelöffel  mit  Eigelb  an¬ 
gerührt.  W.-E. 


218 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Juni  1912. 

Vorsitzender:  Carl  Beck. 

Schriftführer :  Aug.  Strauch. 

D.  Lieberthal  stellt  eine  Frau  mit  Lichen  ruber  acuminatus 

vor  und  bespricht  die  Differentialdiagnose.  Die  ungünstige  Be¬ 
urteilung  der  Arsentherapie  von  seiten  der  Franzosen  rühre  daher, 
dass  dieselben  das  Arsen  per  os  verabfolgen;  denn  die  Heilungs¬ 
erfolge  bei  subkutaner  Anwendung  sind  vorzügliche.  Auf  eine  An¬ 
frage  hin  bespricht  L.  die  Blutbilder  bei  juckenden  Hautkrankheiten, 
die  zu  Kratzen  Veranlassung  geben;  es  handelt  sich  vor  allem  um 
Eosinophilie.  23 — 50  Proz.  eosinophile  Zellen  sah  L.  auch  nach 
Quecksilbereinreibungen  und  anderen  artifiziellen  Hautreizungen,  wie 
bei  Formalindermatitis. 

Carl  Beck  stellt  einen  Mann  vor,  der  vor  9  Jahren  durch  eine 
elektrische  Verbrennung  sein  rechtes  Ohr  vollständig  verloren  hatte. 
Nur  ein  kleines  Knorpelklümpchen  blieb  zurück.  Beck  zerlegte 
diesen  Knorpelrest  in  mehrere  Stücke,  und  durch  eine  Reihe  von 
plastischen  Operationen  mit  Zuhilfenahme  des  Knorpelrestes,  der 
umgebenden  Haut,  der  Haut  des  Bauches  und  eines  Armes  und  mittels 
T  h  i  e  r  s  c  h.  scher  Transplantation  gelang  es,  in  15  Operationen  iin 
Verlauf  von  4  Monaten  eine  neue  Ohrmuschel  zu  bilden.  Zur  Ver¬ 
besserung  des  Resultates  will  B.  noch  eine  Reihe  von  Trans¬ 
plantationen  vornehmen.  Zweimal  wurde  eine  italienische  Plastik 
von  einem  Arme  gemacht,  der  einmal  durch  10  Tage  über  dem  Kopfe 
gelassen  werden  musste.  Dabei  trat  eine  schlaffe  Lähmung  desselben 
ein,  die  nach  mehrwöchentlicher  Behandlung  vollständig  verschwand. 

Cli.  S.  Williamson  berichtet  über  folgende  Fälle: 

1.  Fall.  Junger,  starker  Mann,  früher  stets  gesund  mit  Aus¬ 
nahme  von  häufigen  Bronchitiden.  Vor  kurzer  Zeit'  beim  Bücken 
plötzlich  heftige  Schmerzen  in  der  linken  Nierengegend.  Der  Pat. 
litt  an  Kurzatmigkeit,"  wurde  blass  und  fast  ohnmächtig.  Kein  Fieber. 
Puls  130.  Williamson  sah  den  Pat.  nach  einigen  Tagen,  als  sich 
der  Zustand  desselben  sehr  verschlimmert  hatte.  Puls  140,  Tem¬ 
peratur  normal,  starke  Anämie,  Leukozytose  28  000.  Pneumothorax 
mit  Flüssigkeitserguss;  die  Punktion  ergab  Blut  mit  Pleuraexsudat 
in  grösserer  Menge  und  musste  im  Verlaufe  der  nächsten  Tage 
wiederholt  werden;  noch  nach  8  Tagen  wurde  z.  B.  auf  einmal 
“/ 3  Liter  der  blutigen  Fliissgkeit  entfernt.  Spez.  Gewicht  1039,  später 
1026,  1052,  1024.  Als  Ursache  dieses  Hämopneumothorax  hält  W. 
den  Durchbruch  einer  kleinen  oberflächlichen,  physikalisch  nicht 
nachweisbaren  tuberkulösen  Kaverne  mit  Eindringen  von  Luft  und 
Blut  in  den  Pleuraraum,  ein  sehr  seltenes  Ereignis.  Tumoren  glaubt 
W.  ausschliessen  zu  können.  Die  rezidivierenden  Bronchitiden 
würden  auf  Tuberkulose  hinweisen. 

2.  Fall.  29  jährige  verheiratete  Frau.  Mit  21  Jahren  begannen 
plötzliche  Anfälle  von  Erbrechen  ohne  Nausea,  begleitet  von  Schmer¬ 
zen  in  der  rechten  Nierengegend,  ausstrahlend  nach  vorne  unten.  Die 
Brechattacken  wiederholten  sich  in  Intervallen,  dauerten  2  bis 
3  Tage  und  glichen  einander.  Nichts  half.  Doch  wurden  die 
Schmerzen  später  geringer,  bis  schliesslich  die  Anfälle  nur  in  Er¬ 
brechen  bestanden.  Ein  Gynäkologe  führte  das  Erbrechen  auf  eine 
Pyosalpinx  zurück  und  unternahm  eine  Operation.  Zwei  Tage  post 
Operationen!  wieder  ein  Anfall.  Ein  Jahr  nachher  Operation  wegen 
eines  Kystoms  mit  Entfernung  des  Ovariums  und  der  Tube.  Die 
Anfälle  bestanden  weiter,  die  gesunden  Intervalle  wurden  kürzer. 
Später  Auftreten  von  intermittierendem  Schielen  durch  Parese  des 
Muse,  internus,  wogegen  eine  Tenotomie  von  einem  Augenarzt  aus¬ 
geführt  wurde.  Die  Brechanfälle  wurden  schlimmer;  ein  Arzt  dachte 
an  perigastrische  Adhäsionen  und  nahm  eine  Laparotomie  vor.  Die 
Anfälle  aber  dauerten  fort;  darum  wurde  eine  abermalige  Operation 
vorgeschlagen.  Die  Frau  kam  nach  Chicago,  wo  von  einem  bekannten 
Chirurgen  die  eine  Niere  wegen  Stein  entfernt  wurde.  Keine  Bes¬ 
serung  der  Brechanfälle.  Das  Sehen  der  Frau  wurde  schlecht,  es 
traten  Paresen  aller  Augenmuskeln  rechterseits  auf.  Quecksilber¬ 
behandlung  durch  längere  Zeit  ohne  Erfolg. 

Endlich  fielen  der  Frau  innerhalb  einiger  Wocnen  alle  Zähne 
schmerzlos  aus.  W.  fand  eine  rechtsseitige  Lähmung  des 
Okulomotorius,  des  M.  abducens  und  Pupillenstarre.  Im  Gebiete  des 
Trigeminus  auf  einer  Seite  Hypo-  und  Analgesie,  auf  der  anderen 
Seite  Hyperästhesie.  Lymphozytose  der  Lumbalflüssigkeit.  Untere 
Reflexe  erhalten.  Diagnose:  Tabes  Superior. 

W.  sah  zweimal  spontanen  schmerzlosen  Zahnaus¬ 
fall  in  der  Irren-  und  Nervenanstalt  in  Dunning.  Derselbe  ist  wohl 
ein  sehr  seltenes  Ereignis,  denn  Moyer  mit  seiner  grossen  Er¬ 
fahrung  hat  niemals  einen  solchen  gesehen. 

3.  Fall.  33  jähriger  Arzt  aus  Wisconsin.  Seit  etwa  1  Jahr 
Anfälle  folgender  Art:  Durch  8  Tage  Fieber,  im  Beginn  Schüttelfrost 
und  Erbrechen;  Milz-  und  Leberschwellung.  Nach  etwa  7  tägigen 
normalen  Intervallen  Wiederkehr  der  subjektiven  und  objektiven  Er¬ 
scheinungen  mit  Temperaturen  von  104 — 106  Fahrenheit,  auffällig 
niedriger,  sich  um  hundert  haltender  Pulsfrequenz.  Leukopenie  bis 
1800  mit  87  Proz.  Lymphozyten.  Man  dachte  zuerst  an  Rekurrenz 
und  Maltafieber. 

Williamson  entdeckte  in  der  rechten  Achselhöhle  eine  ge¬ 
schwollene  Drüse;  dieselbe  wurde  exstirpiert.  Aus  dieser  sowie  aus 


dem  Blute  gelang  es,  einen  streng  anaeroben  Bazillus  zu  züchten 
dessen  Identifizierung  aber  wegen  Missgliickens  der  Subkulturen  nich 
möglich  war. 

Der  Pat.  begab  sich  nach  der  Heimat,  wo  er  wieder  Anfälle 
bekam.  Nach  seiner  Rückkehr  in  Chicago  fand  W.  wieder  dei 
Bazillus.  Ein  Röntgenstrahlenbild  zeigte  geschwollene  Mediastinal 
driisen  (Patient  starb  nach  einigen  Monaten). 

4.  Fall.  Die  Tochter  eines  Arztes  zeigt  seit  8  Wochen  ähn 
liehe  Erscheinungen  wie  der  3.  Fall:  Mehrtägige  Fieberanfälle  mii 
mehrtägigen  Intervallen.  Die  Drüsen  in  einer  Achselhöhle  warer 
faustgross,  verkleinerten  sich  aber  bis  zur  Grösse  einer  Walnuss 
Das  Röntgenbild  zeigte  beträchtliche  Drüsenschwellungen  im  Media¬ 
stinum.  Wassermann  negativ.  Im  Blute  Diplokokken.  William 
s  o  n  schliesst  in  beiden  Fällen  Hodgkin  sehe  Krankheit  oder  Sar¬ 
kom  aus;  er  betrachtet  beide  Fälle  als  Bakteriämie  mit  nicht  idenJ 
tifizierten  Erregern. 

5.  F  a  1 1.  W.  demonstriert  Röntgenbilder  von  Enteroptose  nach 

einer  Wismutmahlzeit.  Patientin  macht  eine  Liege-  und  Mastkur. 

Diskussion:  Hultgen  spricht  zur  Differentialdiagnose  vor 
Tabes  superior  und  Gehirnlues  und  berichtet  über  einen  Fall  vor] 
Hämothorax  infolge  Anthrax;  hierauf  folgt  eine  Kritik  der  Dar¬ 
legungen  W  i  1 1  i  a  m  s  o  n  s,  betreffend  die  Fälle  3  und  4.  Pseudo-, 
leukämie  ist  nicht  ausgeschlossen. 

J.  Holinger  ist  nicht  von  der  tuberkulösen  Natur  des 
Hämatopneumothorax  ganz  überzeugt.  Es  kann  sich  um  ein  Pleura¬ 
sarkom  mit  sekundärer  Pleuritis  handeln.  Infolge  Brüchigkeit  eine; 
Pleurasarkoms  kann  Blut  und  Luft  in  die  Pleurahöhle  eintreten.  Einer 
solchen  Fall  sah  Holinger  1890  im  Jura  bei  der  Sektion. 

E.  Ries:  Der  2.  Fall  W.s  illustriert  die  unter  den  hiesigen 
Chirurgen  allgemein  herrschende  Polypragmasie.  Trotz  grossei; 
Gründlichkeit  werden  aber  bei  diagnostisch  schwierigen  Fällen  Irr 
tümer  nicht  zu  vermeiden  sein.  Die  Internisten  sind  nicht  freizu¬ 
sprechen.  So  wurde  z.  B.  Ries  eine  Frau  mit  einem  Tumor  des 
rechten  Femur  zur  Operation  geschickt.  Das  Radiogramm  zeigte 
aber  eine  C  h  a  r  c  o  t  sehe  Erkrankung  des  Femur  und  der  Wirbel¬ 
säule  infolge  Tabes.  In  einem  anderen  Falle  wurde  von  einem  Prak 
tiker  eine  Inzision  des  Fussgelenkes  wegen  Schwellung  ausgeführt! 
Ries  wies  auch  hier  eine  C  h  a  r  c  o  t  sehe  Schwellung  bei  Tabes 
nach.  Aber  auch  die  hiesigen  Gynäkologen  fallen  in  denselben  Fehlet 
des  zu  häufigen  Operierens  wie  die  Chirurgen.  Gegen  die  Ueber 
Schätzung  der  Bedeutung  einer  Retroflexio  uteri  oder  eines  Damm 
risses,  gegen  die  übertriebene  Auffassung  begleitender  Nervensym 
ptome  als  Reflexerscheinungen  und  gegen  die  auf  dieser  Auffassung 
beruhende  kritiklose  Operationssucht  muss  energisch  Stellung  ge 
nominen  werden.  Wie  unabhängig  begleitende  Nervenerscheinungei 
bei  einer  Retroflexion  sein  können,  zeigt  folgender  Fall:  Frau  eine: 
Arztes  mit  Retroflexio  uteri,  Kopfschmerzen,  Rückenschmerzen  um 
allgemeiner  Schwäche.  Ries  machte  ohne  Wissen  der  Frau  da: 
Pessarexperiment  und  brachte  den  Uterus  bald  in  Ante-  bald  in  Retro 
flexion.  Vollständiges  Schwinden  der  Rückenschmerzen  und  der  all 
gemeinen  Schwäche  auch  während  der  Retroflexion.  Die  Kopf 
schmerzen  verschwanden  erst  vollständig  nach  dem  Einlegen  eine: 
kleinen  Tampons  in  die  Scheide.  Frau  war  Hysterika. 

In  zweifelhaften,  diagnostisch  schwierigen  Fällen  von  Abdominal 
erkrankungen  wird  man  natürlich  in  Anbetracht  des  gegenwärtige! 
Standes  der  Technik  dem  Pat.  den  Vorteil  einer  explorativen  Ope 
ration  angedeihen  lassen.  Dass  man  hier  Ueberraschungen  erlebt 
weiss  man  in  allen  Ländern. 

Carl  Beck:  Es  gibt  Fälle,  bei  denen  man  als  Komplikatioi 
einer  Tabes  eine  chirurgische  Erkrankung  vorfindet.  Ein  solcher  Fal 
steht  jetzt  in  seiner  Behandlung.  Pat.  hatte  seit  über  10  Jahrei 
Blasenbeschwerden  infolge  Tabes;  später  auch  Darmbeschwerder 
schliesslich  auch  Incontinentia  alvi.  Seit  Kurzem  Schmerzen  in 
Mastdarm  und  Blutungen.  Es  fand  sich  ein  fast  faustgrosses  Kar 
zinom  der  Flexur  vor,  mit  Uebergreifen  auf  die  Blase.  Es  wird  di 
Krankengeschichte  eines  Opfers  der  hiesigen  Operationssucht  mit 
geteilt:  Frau  eines  Arztes.  Nach  6  wöchentlichen  Beschwerden  Ent 
fernung  der  Ovarien:  2  Tage  später  Entfernung  der  Gebärmutter, 
Später  Exstirpation  der  übriggebliebenen  Teile  des  inneren  Genitale; 
mit  Erzeugung  einer  Ureterfistel,  welche  ihrerseits  eine  Operatio 
erforderte.  Nachher  Nephrektomie  wegen  Steinen  und  Pyelitis.  Da 
bei  Entstehung  einer  Kotfistel;  wieder  eine  Operation  mit  Einleitun 
des  Kotes  durch  die  Scheide. 

Bezüglich  des  5.  Falles  W  i  1 1  i  a  m  s  o  n  s  ist  es  fraglich,  ob  di 
Beschwerden  der  Frau  nach  Wiederaufnahme  der  gewöhnliche 
Lebensweise  fern  bleiben  werden.  Die  Erfolge  der  chirurgischen  Be 
handlung  der  Enteroptose  sind  bisher  wenig  befriedigend  geweser 
Im  Gegensatz  zu  dieser  Erfahrung  hat  Rovsing  am  Chirurgen 
kongress  in  Atlantic  City  die  Mitteilung  gemacht,  dass  er  unter  26 
in  Kopenhagen  operierten  Fällen  bis  70  Proz.  Heilungen  und  nur  i 
11  Fällen  Misserfolg  gehabt  hat.  Diese  glänzenden  Resultate  sin 
wohl  durch  seine  besondere  Operationsmethode  zu  erklären,  dere 
Einzelheiten  geschildert  werden.  Rovsing  zeigte  am  Kongres 
eine  Anzahl  von  Radiograminen,  welche  noch  nach  Monaten  de 
Magen  in  richtiger  Lage  erwiesen. 

Williamson  (Schlusswort)  stützt  die  Annahme  der  tubei 
kulösen  Natur  des  Hämopneumothorax  vor  allem  auf  die  Tatsacln 
dass  77  Proz.  von  Pneumothorax  auf  Tuberkulose,  nicht  so  selte 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


28.  Januar  1913. 


iuf  latenter  Tuberkulose  beruhen.  In  Erwiderung  der  Kritik 
lultgens  bezüglich  des  3.  und  4.  Falles  hält  W.  an  seiner  Dia- 

jnose  fest. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  v  o  rn  10.  Januar  1913. 

Privatdozent  Dr.  B  ä  r  ä  n  y  stellt  einen  Fall  vor,  bei  welchem 
ine  ein  Jahr  lang  andauernde  Taubheit  infolge  Liquoransanimlung  irn 
<leinhirnbrückenwinkel  durch  Lumbalpunktion  resp.  beiderseits  aus- 
reführte  Freilegung  der  Dura  in  der  hinteren  Schädelgrube  voll- 
commen  beseitigt  wurde. 

Dr.  Pleschner  demonstriert  einen  Mann  mit  operativ  ge- 
icilter  traumatischer,  intraperitonealer  Blasenruptiir. 

Privatdozent  Dr.  L.  T  e  1  e  k  y  stellt  2  Feilenhauer  vor  mit  ganz 
rirkumskripten  Atrophien  einzelner  Muskeln  des  Daumenballens. 

Prof.  Dr.  Carl  Sternberg  -  Brünn  zeigt  Ausstrichpräparate 
ms  der  Milz  und  aus  den  Lymphdriisen  eines  an  Pemphigus  acutus 
verstorbenen  Kindes,  welche  —  nach  Qiemsa  gefärbt  —  die  von 
.  ipsciiütz  ebenfalls  bei  Pemphigus  chronica  eines  Erwachsenen 
refundenen  eigentümlichen,  kleinen,  ovalen  Gebilde,  einzeln  und  in 
jruppen,  aufweisen.  Sternberg  lässt  es  dabei  unentschieden,  ob 
diese  Gebilde  der  Gruppe  der  Protozoen  angehören,  was  L  i  p  - 
schütz  behauptet,  und  ob  diese  Gebilde  für  den  Pemphigus  eine 
itiologische  Bedeutung  haben. 

Dr.  Herbert  Koch:  Entstehungsursache  der  Meningitis  tuber- 
mlosa  bei  Kindern. 

Eine  statistische  Zusammenstellung  von  350  Fällen  aus  der 
Klinik  Escherich  und  der  Abteilung  Moser  ergab,  dass  die  tuberkulöse 
Meningitis  bei  Kindern  in  den  einzelnen  Jahren  gleich  häufig  be¬ 
obachtet  wird,  dagegen  zeigt  sich,  dass  sie  innerhalb  des  Jahres  zu 
Beginn  des  Winters  an  Zahl  zunimmt,  ihren  höchsten  Stand  im  Monate 
April  erreicht,  um  sodann  wieder  an  Zahl  abzunehmen.  Die  Krank¬ 
heit,  welche  in  die  Gruppe  der  akuten  Miliartuberkulose  gehört, 
kommt  am  häufigsten  im  2.  Lebensjahre  des  Kindes  vor,  um  in 
späteren  Jahren  an  Häufigkeit  abzunehmen,  was  sich  daraus  erklären 
lässt,  dass  der  kindliche  Organismus  überhaupt  bei  der  Zunahme  des 
Körperwachstums  eine  stärkere  Resistenz  gegen  die  Tuberkulose- 
nfektion  besitzt.  Von  100  an  Tuberkulose  verstorbenen  Kindern  star¬ 
ben  im  1.  Lebensjahre  ca.  40  an  Meningitis  tuberculosa,  während  an 
anderen  tuberkulösen  Prozessen  weitere  60  starben;  im  2.  Lebens- 
ahre  steigt  der  Anteil  der  Todesfälle  an  Meningitis  tub.  schon  auf 
\S  Proz.  Die  hereditäre  Belastung  solcher  Kinder  war  in  70  Proz. 
nachweisbar;  die  von  der  Krankheit  befallenen  Kinder  waren  zu¬ 
meist  schlecht  ernährt. 

Der  Vortr.  besprach  weiter  die  der  tuberkulösen  Meningitis 
vorausgehenden  Erkrankungen,  er  erörterte  eingehend  den  Sitz  des 
primären  tuberkulösen  Herdes  und  die  Umstände,  welche  die  miliare 
Uissaat  der  im  Organismus  vorhandenen  Tuberkelbazillen  herbei- 

tiihren. 

In  der  Diskussion  berichtete  Privatdozent  Dr.  Viktor  Blum 
iber  die  Resultate  seiner  in  Gemeinschaft  mit  Dr.  E.  Müller- 
ßasel  gemachten  statistischen  Erhebungen,  betreffend  das  Verhältnis 
zwischen  Tuberkulose  des  Harn-  und  Genitaltraktes  zur  Meningitis. 
Unter  den  in  den  Jahren  1901 — 1910  im  Wiener  allg.  Krankenhause 
verstorbenen  und  sezierten  tuberkulösen  Menschen  (5372)  befanden 
sich  723,  welche  Tuberkulose  des  Harntraktes  aufwiesen,  und  bei 
diesen  723  Fällen  bestand  222  mal  =  30,7  Proz.  auch  Meningitis, 
während  die  77  Fälle  von  Tuberkulose  des  Genitaltraktes  allein  nur 
13  Fälle  =  17  Proz.  an  Meningitis,  die  Tuberkulosen  des  Harn-  und 
Uenitaltraktes  (105)  22  Proz.,  die  Fälle  von  Lungentuberkulose  ohne 
Urogenitaltuberkulose  (4372)  gar  nur  6  Proz.,  die  Knochentuberku¬ 
losen  (216)  auch  nur  14  Proz.  an  Meningitis  aufwiesen.  Es  zeigt  sich 
also,  dass  eine  offenbare  Prädilektion  der  an  Nierentuberkulose  Er¬ 
krankten  zur  Meningitis  besteht,  während  die  Genitaltuberkulose  diese 
Prädisposition  nur  in  geringerem  Ausmasse  schafft. 

Gesellschaft  fiir  Innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  16.  Januar  1913. 

Fel.  Deutsch  demonstriert  einen  Mann  mit  myelogener  Leu¬ 
kämie,  welcher  mit  Benzol  behandelt  wurde.  Die  Milz  und  die  Leber 
waren  hochgradig  vergrössert,  über  beiden  Lungenspitzen  war  der 
Perkussionsschall  gedämpft.  Das  Fieber  blieb  fast  konstant  auf  38° 
stehen,  im  Blute  fanden  sich  836  000  Leukozyten  und  etwas  über 
*  Million  roter  Blutkörperchen.  Unter  der  Benzoltherapie  nahm  die 
Aahl  der  Leukozyten  ab  und  die  der  Erythrozyten  zu,  so  dass 
schliesslich  gegenwärtig  nur  mehr  7000  Leukozyten  gezählt  werden. 
Per  Leber-  und  Milztumor  ist  total  zurückgegangen.  Es  wurde  nun 
Jas  Benzol  ausgesetzt  und  statt  desselben  Arsen  gegeben. 

S.  Plaschkes  zeigt  einen  Fall  von  Hydrops  adiposus  der 
Pleura.  Pat.  zeigt  Symptome  der  Tabes.  Vor  einiger  Zeit  bekam  er 
'•'inen  linksseitigen  Pleuraerguss,  die  Punktion  ergab  ein  gelbliches, 
rahmiges  Exsudat,  welches  sich  beim  Stehen  in  ein  Sediment  aus 
zeitigen  Elementen  und  eine  fettig  aussehende,  klare  Flüssigkeit  schei- 
iC|;  Das  spezifische  Gewicht  des  Exsudates  ist  1027,  in  demselben 
befinden  sich  Eiweiss,  Fett  und  eine  Spur  von  Blut.  Der  Fettgehalt 


219 


entsteht  durch  fettige  Degeneration  des  pleuritischen  Exsudates  oder 
der  Pleuraauskleidung.  Pat.  hat  subfebrile  Temperaturen.  Da 
wiederholte  Punktionen  des  Pleuraexsudates  und  auch  die  Injektion 
von  Stickstoff  in  die  Pleurahöhle  erfolglos  waren,  wird  eine  Rippen¬ 
resektion  vorgenommen  werden. 

K.  Weiser  demonstriert  Kurven  von  Pulsus  irregularis  per- 
petuus. 

R.  Fleckseder  führt  einen  Mann  mit  chronischer  parenchy¬ 
matöser  Nephritis  und  einem  erweichten  Gumma  am  Schädel  vor. 
Pat.  hatte  vor  10  Jahren  Lues,  hat  jetzt  eine  gelappte  Leber,  einen 
leichten  Milztumor,  im  Harn  etwas  Eiweiss  und  manchmal  hyaline 
Zylinder.  In  der  letzten  Zeit  steigerten  sich  die  Nierenerscheinungen, 
der  Blutdruck  war  immer  niedrig.  Pat.  hat  über  dem  Hinterhaupt¬ 
höcker  eine  zweikronenstückgrosse  fluktuierende  Geschwulst,  welche 
von  einem  Knochenwall  umgeben  und  etwas  schmerzhaft  ist  (er¬ 
weichtes  Gumma).  Es  ist  nicht  entschieden,  ob  das  Nierenleiden  lue¬ 
tischer  Natur  ist. 

W.  Türk  bespricht  die  Therapie  der  Leukämie. 

Vortr.  hat  an  seiner  Abteilung  mehrere  Fälle  von  Leukämie  mit 
Benzol  behandelt,  in  4  Fällen  wurde  die  Therapie  wegen  Magen¬ 
beschwerden  von  den  Patienten  aufgegeben,  in  einem  Falle  wurden 
99  Kapseln  ä  0,5  g  ohne  Erfolg  gegeben,  auf  Röntgenbestrahlung  trat 
Besserung  ein.  In  einem  Falle  stieg  nach  Verbrauch  von  64  Benzoi- 
kapseln  die  Leukozytenzahl  noch  an,  in  einem  anderen  fiel  nach 
292  Benzolkapseln  die  Leukozytenzahl  binnen  7  Wochen  auf  7000 
herab. 

Vortr.  stellt  einen  57  jährigen  Mann  mit  lymphatischer  Leukämie 
vor,  dieser  hat  Schmerzen  in  den  Knochen  mit  wechselndem  Stand¬ 
ort.  Vor  2  Jahren  hatte  Pat.  5  Millionen  rote  und  42  000  weisse  Blut¬ 
körperchen,  nach  Röntgenbestrahlung  folgte  Besserung.  Vor  einigen 
Monaten  stieg  die  Leukozvtenzahl  auf  72  000  an,  Atoxylbehandlung 
hatte  keinen  Erfolg,  nach  Röntgenbestrahlung  sank  die  Leukozyten¬ 
zahl  ab.  In  einem  anderen  Falle  hatte  eine  langdauernde  Benzol¬ 
behandlung  auf  das  Blutbild  keinen  Erfolg,  die  Milz-  und  Drüsen- 
vergrösserung  blieb  konstant.  In  einem  Falle  mit  1  870  000  roten 
und  mehr  als  1  Million  weisser  Blutkörperchen,  kolossaler  Leber¬ 
schwellung,  Lymphdriisentumoren  und  Brustbeinschmerzen  wurde 
durch  energische  Röntgenbestrahlung  und  nachfolgende  Benzol- 
theranie  der  Patient  wieder  arbeitsfähig.  Die  Erythrozytenzahl  stieg 
auf  2/4  Millionen  an,  die  Leukozvtenzahl  sank  auf  35  000,  die  Lympho¬ 
zyten,  welche  früher  90  Proz.  der  weissen  Blutkörperchen  gebildet 
hatten,  verminderten  sich  auf  36  Proz.  Im  Harn  fanden  sich  nach 
der  Einleitung  der  Benzoltherapie  Nukleoalbumin  und  ausgelaugte 
rote  Blutkörperchen.  Diese  Beobachtung  regt  dazu  an,  bei  der  Ben¬ 
zoltherapie  auf  den  Harn  zu  achten,  ob  nicht  eine  Nephritis  im  Ent¬ 
stehen  begriffen  ist.  Der  Zweck  der  Leukämietherapie  ist  nicht  die 
Erreichung  einer  möglichst  niedrigen  Leukozytenzahl,  sondern  die 
Erzielung  einer  möglichst  langen  Remission  mit  Besserung  des  All¬ 
gemeinbefindens,  so  dass  Pat.  wieder  arbeitsfähig  wird.  Vor  einer 
zu  energischen  oder  fortwährend  fortgesetzten  Therapie  mit  irgend 
einem  Mittel  ist  zu  warnen,  auf  diese  Weise  kann  es  zu  einer  akuten 
Exazerbation  kommen.  Vortr.  hat  Remissionen  bis  zu  2 L>  Jahren 
beobachtet,  xyährend  dieser  Zeit  wurde  keine  Therapie  durchgeführt, 
bei  Verschlechterung  des  Befundes  wurde  entweder  eine  Röntgen¬ 
therapie  oder  eine  kombinierte  Behandlung  angewendet.  Es  gibt  auch 
Fälle,  welche  sich  gegen  die  bisher  bekannte  Therapie  refraktär  ver¬ 
halten.  Das  Benzol  ist  imstande,  eine  gesteigerte  Leukopoiese  herab¬ 
zudrücken,  es  wirkt  schwächer  als  die  Röntgenstrahlen,  ist  jedoch 
eine  wertvolle  Ergänzung  derselben.  Bezüglich  der  Therapie  der 
Leukämie  muss  man  noch  weitere  Erfahrungen  sammeln,  da  man 
über  sie  bisher  kein  definitives  Urteil  abgeben  kann.  Durch  zu 
starke  Bestrahlung  der  Knochen  wird  eine  Schädigung  des  Knochen¬ 
markes  herbeigeführt. 


13.  Französischer  Kongress  für  innere  Medizin. 

Paris,  13. — 16.  Oktober  1912. 

II. 

Die  akute  infektiöse  Kolitis  war  das  II.  Hauptthema  des 
Kongresses.  Cade-Lyon  besprach  die  Kolitis  beim  Er¬ 
wachsenen  und  zwar  die  primäre,  an  eine  spezifische  Infektion 
nicht  gebundene.  Dieselbe  kann  diffus,  generalisiert  oder 
partiell,  lokalisiert  sein.  Der  Prozess  der  Grimmdarmentzündung 
kann  oberflächlich,  nur  die  Schleimhaut  betreffend  sein,  welche  Art 
eher  den  generalisierten  Formen  angehört,  oder  die  tieferen  Darm¬ 
schichten  einschliesslich  des  Peritonealüberzugs  betreffen.  Auch 
pathologisch-anatomisch  muss  man  die  zwei  grossen 
Gruppen  der  akuten  superfiziellen  und  der  akuten  tiefreichenden 
unterscheiden.  Was  die  Aetiologie  und  Pathogenese  be¬ 
trifft,  so  sind  als  Infektionserreger  der  Bacillus  coli,  Streptokokkus, 
auch  der  Pneumo-,  Staphylokokkus  usw.  im  Spiele.  Die  Typhlitis 
befällt  mit  Vorliebe  das  herainvachsende  und  erwachsene  Alter  und 
zwar  besonders  männlichen  Geschlechts;  eine  spezielle  Art,  die 
Diverticulitis  sigmoidea  trifft  man  nicht  unter  einem  Alter  von 
40  Jahren.  Diätfehler,  Vergiftungen  mit  Nahrungsmitteln,  über¬ 
mässiger  Fleischgenuss  scheinen  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen, 
ebenso  Koprostase.  Die  Infektion  kann  autogen  oder  exogen  sein 
und  für  den  Dickdarm-  wie  jede  Art  Darmkatarrh  bieten  sich  zwei 
Infektionswege:  der  intestinale  direkte  oder  der  indirekte  auf  dem 


220 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


Wege  der  Blutbahn,  der  eine  immer  grössere  Bedeutung  zu  ge¬ 
winnen  scheint.  Klinisch  nimmt  C.  folgende  Einteilung  vor: 
A)  akute  diffuse  Typhlokolitis,  welche  das  Vorstadium 
einer  chronischen  Kolitis  sein  oder  zufällig  im  Verlaufe  einer  chro¬ 
nischen  Darmaffektion  entstehen  kann.  Man  unterscheidet  hier 
wieder  1.  einfache  akute  (katarrhalische),  welche  nur  ober¬ 
flächlichen  Schleimhautveränderungen  ohne  Ulzeration  oder  mit  nur 
geringen  Erosionen  entspricht.  Zuweilen  leichtes,  zuweilen  kein 
Fieber,  heftige,  kolikartige  Leibschmerzen  mit  mehr  weniger  häufigen, 
flüssigfesten  Stühlen,  Dauer  8 — 10  Tage,  die  aber  zu  Rückfällen, 
welche  Typhus  Vortäuschen,  führen  kann;  2.  akute  ulzeröse 
Kolitis  (schwere  dysenterieähnliche  Formen)  mit  plötzlichem  oder 
allmählichem  Beginn,  anfangs  seltenen,  harten,  dann  rasch  diarrhöisch 
werdenden  Stühlen,  welche  viel  Schleim,  selbst  Schleimhautfetzen, 
Eiter,  Blut  enthalten.  Heftige,  schwer  zu  lokalisierende  Schmerzen, 
Blasentenesmus.  Puls  beschleunigt,  Temperatur  erhöht  (bis  40°). 
Die  Prognose  ist  eine  schwere,  jedoch  kann  innerhalb  3 — 4  Wochen 
Heilung  eintreten,  Rückfälle  sind  häufig.  Differentialdiagnostisch 
kommen  Ruhr,  Typhus,  Intoxikationskolitis  in  Betracht.  Die  3. 
(ausserordentlich  seltene)  Form  —  C.  hat  nur  2  Fälle  beobachtet  — - 
ist  die  diffuse  phlegmonöse  und  gangränöse  Kolitis. 
Die  Hauptgruppe  B  bilden  die  lokalisierten  Formen  der  Kolitis, 
deren  häufigste  und  bekannteste  die  Appendizitis  ist.  Als  Unter¬ 
abteilungen  führt  C.  4  Formen  an:  1.  die  S  i  g  m  o  i  d  i  t  i  s,  2.  Typh- 
litis,  3.  aszendierende  Kolitis,  4.  Kolitis  des  rechten  Winkels  und 
Colitis  transversa.  Bei  der  Sigmoiditis  sind  folgende  mit  gradueller 
Zunahme  der  Erscheinungen  verbundene  Unterabteilungen  zu  machen: 
a)  akute  einiache,  b)  mit  plastischer  Perisigmoiditis  und  c)  mit  eitriger 
Perisigmoiditis  verbundene.  In  den  beiden  letzten  Fällen  muss  die 
Prognose  eine  reservierte  sein,  da  besonders  bei  der  eitrigen  Peri¬ 
sigmoiditis  Komplikationen  häufig  sind.  Sigmoiditis  mit  akuter  all¬ 
gemeiner  Peritonitis  und  Herniensigmoiditis  sind  selten.  Die  2. 
Typh  litis  stellt  eine  primäre  und  isolierte  Blinddarmentzündung 
dar,  welche  ,  unabhängig  von  jeder,  irgendwie  bedeutenden  Ver¬ 
änderung  des  Wurmfortsatzes  Vorkommen  kann.  Die  Erscheinungen 
und  Formen  sind  beinahe  die  gleichen  wie  bei  der  Sigmoiditis  und 
die  Lokalisation  nur  in  die  rechte  Fossa  iliaca  zu  übertragen.  Die 
Prognose  ist  sehr  verschieden,  je  nach  dem  Falle,  die  Diagnose  oft 
schwierig,  da  die  Typhlitis  im  allgemeinen  eine  seltene  Affektion, 
die  Differentialdiagnose  von  Appendizitis  nur  von  theoretischer  Be¬ 
deutung,  da  bei  beiden  Arten  die  Therapie  die  gleiche  ist.  Bei 
der  generalisierten  Kolitis  oberflächlicher  Natur  genügen  Bettruhe, 
heisse  Umschläge,  entsprechende  Diät,  ferner  warme  Kochsalz¬ 
einläufe,  Benzonaphtol,  leichte  Abführmittel,  ebenso  bei  der  ulzerösen 
Form,  wo  aber  noch  Belladonna,  Opium,  direkte  Einführung  anti¬ 
septischer  Mittel  in  den  Mastdarm  usw,  in  Betracht  kommen.  Für 
die  Fälle  einfacher  umschriebener  (segmentärer)  Kolitis  ist  ungefähr 
die  gleiche  Therapie  angezeigt,  bei  Perikolitis  muss  man  ebenso  wie 
bei  Appendizitis  im  Falle  von  Eiteransammlung  chirurgisch  ein- 
greifen,  bei  mit  allgemeiner  Peritonitis  komplizierter  Kolitis  wird  die 
Laparotomie  nur  wenige  Kranke  retten. 

Die  Korreferenten  H  u  t  i  n  e  1  und  Nobeeourt  besprechen  die 
akute  Kolitis  im  Kindesalter.  Nach  einem  erschöpfenden  Ueber- 
blick  über  die  historische  Seite  der  Frage  beschäftigt  sich  ihr 
Bericht  hauptsächlich  mit  der  Symptomatologie,  die  eine  ziemlich 
komplizierte  ist  und  keine  pathognomonische  Bedeutung  hat.  Der 
Schmerz  kann  fehlen,  spontan  sich  kundgeben  durch  Schreien, 
hervorgerufen  werden  durch  den  Stuhlgang  oder  die  Untersuchung 
(Palpation)  des  Leibes.  Bei  der  Inspektion  kann  der  Leib  normal, 
aufgetrieben  oder  eingefallen  —  was  charakteristischer  ist  —  sein, 
die  Palpation  ergibt  nichts  Charakteristisches.  Die  Leber  kann  ver- 
grössert  sein,  Milz  ist  normal.  Appetit  gering,  heftiger  Durst,  Zunge 
v'eiss,  dick  belegt,  mit  roten  Rändern,  Erbrechen  unregelmässig  vor¬ 
handen.  Im  allgemeinen  zu  Beginn  Verstopfung,  dann  spontan  oder 
artifiziell  Entleerung  festen  oder  halbflüssigen,  zuweilen  übel¬ 
riechenden  und  blutigen  Stuhles.  Die  Temperatur  kann  auf  38 — 40° 
steigen  und  fällt  in  den  leichten  oder  richtig  behandelten  Fällen  rasch. 
Puls  rasch,  Abmagerung,  allgemeine  Depression.  Bei  der  akuten 
schleimigen  Dickdarmentzündung  werden  unterschieden:  a)  die 
leichte  oder  gutartige,  die  häufigste  Art,  b)  die  partiellen  oder 
lokalisierten  Formen,  welche  besonders  Zoekum  und  Colon  ascendens, 
den  im  Becken  liegenden  Teil  des  Kolon  und  oberen  Teil  des  Mast¬ 
darms  betreffen,  c)  die  dysenterieähnliche,  welche  von  der  schlei¬ 
migen  nur  durch  das  Aussehen  der  Stühle  und  die  Heftigkeit  der 
Schmerzen  sich  unterscheidet.  Schliesslich  gibt  es  noch  eine  Form 
akuter  Kolitis,  wo  die  geringen  Darmstörungen  in  völligem  Miss¬ 
verhältnis  zu  der  Schwere  der  Allgemeinerscheinungen  stehen  und 
letztere  oft  so  hochgradig  sind,  dass  sie  den  Eindruck  einer  Cholera 
sicca  machen.  Die  Stühle  sind  dabei  immer  wenig  reichlich,  schleimig, 
grün,  der  Urin  gering.  Puls  verlangsamt  und  unregelmässig.  All¬ 
gemeine  Prostration  mit  oft  vorherrschenden  nervösen  Erscheinungen, 
wie  Krämpfen  usw.  Der  Tod  tritt  oft  unter  diesem  gesamten  Sym- 
ptomenbilde  ein,  während  eine  richtige  Behandlung  leicht  den  kleinen 
Patienten  retten  kann.  Komplikationen  von  seite  des  Harnsystems, 
der  Leber,  der  Atmungsorgane,  der  Haut  und  des  subkutanen  Zell¬ 
gewebes  können  zuweilen  das  ganze  Krankheitsbild  verändern.  Was 
die  pathologische  Anatomie  betrifft,  so  sind  im  Verlaufe 
der  akuten  Enterokolitis  die  Veränderungen  wechselnde,  bald  leicht 
und  oberflächlich,  bald  tiefgehend  und  speziell  auf  die  Follikel,  welche 


ulzerös  sein  können,  übergreifend.  Bakteriologisch  hat  man  den 
Bacillus  coli,  den  Dysenteriebazillus  und  Streptokokken  gefunden. 
Aetiologisch  wird  die  akute  Enterokolitis  in  primäre  oder 
idiopathische  und  sekundäre  eingeteilt.  Im  Lebensalter  von 
1—4  Jahren  ist  erstere  am  häufigsten,  wird  aber  auch  in  den  fol¬ 
genden  und  späten  Kinderjahren  beobachtet.  Die  Dentition  spielt  eine 
Gelegenheitsrolle  und  die  neuroarthritische  Vererbung  ist  von 
zweifellosem  Einflüsse.  Die  Hauptschuld  trägt  die  Ernährung: 
künstlich  und  zu  reichlich  genährte  Kinder  u.  ä.  m.;  aber  man  darf 
die  mitwirkende  und  oft  vorherrschende  Rolle  der  Mund-,  Nasen- 
und  besonders  Rachenaffektionen,  endlich  die  der  Ansteckung  und 
Sommerhitze  nicht  vergessen.  Die  sekundäre  Enterokolitis  kommt 
bei  Missbildungen  des  Dickdarms,  bei  Eingeweidewürmern  (Oxyuren, 
Askariden,  besonders  Trichozephalus),  Infektionskrankheiten  (In¬ 
fluenza,  akuten  Exanthemen,  Typhus),  Meningitis  als  Komplikation 
vor.  Differentialdiagnostisch  könnte  man  zuweilen  an  Darm- 
invagination,  Appendizitis,  akute  Peritonitis,  Typhus,  tuberkulöse 
Meningitis  denken.  Die  Therapie  besteht  in  erster  Linie  darin, 
den  Darm-  und  zuweilen  Mageninhalt  zu  entleeren,  die  darin  vor¬ 
handenen  schädlichen  Keime  zu  zerstören  und  die  Schleimhaut  zu 
beeinflussen.  Magen-  und  Darmspülungen  (mit  Vichywasser,  Koch¬ 
salzlösung,  verschiedenen  Abkochungen  usw.),  innerlich  Opium,  Arg. 
nitr.,  Ipekakuanha,  Kalomel,  Rizinusöl  und  besonders  Na  sulfur. 
werden  gute  Dienste  tun.  Gleichzeitig  muss  man  ein  bis  mehrere 
Tage  an  Wasserdiät  festhalten,  dann  allmählich  wieder  mit  Gerste-, 
Reisabkochungen  usw.  zur  normalen  Kost  übergehen.  Andererseits! 
muss  man  stimulierend  auf  den  Organismus  einwirken  und  gewisse 
Symptome  oder  Komplikationen  behandeln,  Bäder  ebenso  wie  Um¬ 
schläge  und  ähnliche  Mittel  werden  indiziert  sein.  Das  Kind  ist  nach 
der  Heilung  sehr  sorgfältig  zu  überwachen  und  gewisse  Mineral¬ 
wasserkuren  könnten  dann  angezeigt  sein. 

Marcel  Labbe- Paris  erklärt  die  Annahme,  es  müsse  mit  einer 
Perikolitis  immer  eine  Enterokolitis  verbunden  sein,  für  irrig  und 
führt  2  bezügliche  Beobachtungen  an. 

G  u  e  1  p  a  -  Paris  behandelt  die  akute,  nicht  sekundäre  Kolitis 
mit  Abführmittel  und  absoluter  Diät  während  24  Stunden. 

P  i  e  r  y  und  M  a  n  d  o  u  1  -  Lyon  glauben  aus  20  Beobachtungen 
schliessen  zu  können,  dass  es  bei  den  Phthisikern  einen  durch 
Schleimabsonderung  bedingten  Enterospasmus  gibt  und  dass  die, 
Enterocolitis  membranacea  sehr  oft  nur  eine  Erscheinung  der  ent¬ 
zündlichen  Tuberkulose  ist,  ebenso  eine  grosse  Anzahl  von  Fällen 
plastischer  Kolitis  und  Perikolitis  und  dass  man  die  Tuberkulose: 
zu  den  Ursachen  der  Hirschsprung  sehen  Krankheit  rechnen 
muss. 

Lanel-  Chätel-Guyon  hebt  die  Bedeutung  der  Mineralwässer 
und  der  physikalischen  Mittel  bei  der  Behandlung  der  Dickdarm¬ 
katarrhe  hervor,  ebenso  der  Hochfrequenzströme  (Applikation  ins 
Rektum  und  Pars  sigmoidea  mit  langen  Elektroden)  und  führt  zwe 
beweisende  Beobachtungen  an. 

Roubier-Lyon  hält  daran  fest,  dass  die  ulzerierende  Tuber¬ 
kulose  des  Dickdarms  viel  seltener  ist,  wie  jene  des  Dünndarms  unc 
bringt  4  bezügliche  Beobachtungen. 


16.  Versammlung  französischer  Urologen 

in  Paris  vom  9. — 12.  Oktober  1912. 

I. 

Das  Hauptthema  des  Kongresses  behandelte  die  Vergleichs- 
resultate  der  verschiedenen  Behandlungsmethoden  der  Nierentuber 
kulose.  Leon  Bernard  und  Heitz-Boyen  unterscheide; 

mehrere  anatomisch-klinische  Formen  derselben  und  besprechen,  in 
dem  sie  die  follikuläre,  epitheliale  und  interstitielle  (tuberkulöse 
Nephritis  ausser  Betracht  lassen,  hier  nur  die  Therapie  der  käsig 
eitrigen  chronischen  Infiltrationstuberkulose  de; 
Niere.  Nachdem  die  Nephrotomie,  ebenso  wie  die  partielle  Nephrek 
tomie  recht  ungünstige  Resultate  geliefert  haben,  erklären  Bericht 
erstatter  die  totale  Nephrektomie  für  die  Therapie  per  se  und 
möchten  nur  im  Hinblick  auf  die  von  manchen  Autoren  angeblich  mi 
der  sog.  spezifischen  Behandlung  erzielten  Erfolge  auch  diese  kur. 
streifen.  Die  Nierentuberkulose  gibt  sich  entweder  bei  Leuten,  di1 
schon  mit  anderen,  meist  geringfügigen,  tuberkulösen  Affektionen  be 
haftet  sind,  oder  bei  sonst  scheinbar  gesunden  Individuen  kund 
Jedenfalls  ist  sie  immer  primären  (deszendierenden,  hämatogenen)  Ur 
Sprunges,  ist  am  Anfang  einseitig,  was  schon  dazu  auffordert,  dieser 
ersten  primären  Herd  zu  beseitigen,  bevor  genügend  Zeit  zur  In 
fektion  der  zweiten  Niere  vorhanden  ist.  Unter  1022  Fällen  ha; 
Israel  nur  1,6  Proz.  sekundäre  Nierentuberkulose  nach  Nephrektonr 
gefunden,  während  man  29  Proz.  doppelseitiger  Nierentuberkulose  bt 
den  nicht  Operierten  findet.  Der  Verlauf  der  Nierentuberkulose  is 
ein  sehr  langsamer,  bei  einer  grossen  Zahl  von  Kranken  auf  3  bi 
4  Jahre,  sehr  oft  aber  noch  viel  länger  sich  erstreckend.  Dieser  lang 
same  Verlauf  ist  durch  Remissionsstadien,  die  sich  sehr  lange  am 
dehnen  können,  charakterisiert;  diese  Pausen  dürfen  aber  nicht  al 
Heilung  angesehen  werden,  da  eine  solche  in  spontaner  Weise  nich 
vorkommt.  i 

Das  Gesamtbild  des  Leidens  fordert  zu  chirurgischer  Behandlun 
auf.  ebenso  wie  dieselbe  sich  auf  die  genauen  diagnostischen  Mitte 
welche  hauptsächlich  auf  getrennte  Untersuchung  beider  Nieren,  voi 


’8.  Januar  1913, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


221 


natomischen  und  funktionellen  Standpunkte  aus,  beruhen,  stützt. 
Ile  experimentellen  und  klinischen  Versuche  lehren  zudem,  dass  die 
ntfernung  einer  Niere  von  keinerlei  schlimmen  physiologischen  Fol- 
en  begleitet  ist.  Auch  die  Resultate  der  Nephrektomie  ermuti- 
en  zu  ihrer  ausgedehnten  Anwendung:  die  unmittelbare  Mortalität 
eträgt  1 — 6  Proz.,  die  spätere  im  Durchschnitte  15  Proz.,  so  dass 
lan  sagen  kann,  die  Nephrektomie  rette  4/s  aller  Fälle  von  Nieren- 
iberkulose  vor  dem  Tode;  ausserdem  bleiben  von  den  Ueberleben- 
en  die  Hälfte  dauernd  geheilt.  Die  Operation  hat  einen  giin- 
igen^  Einfluss  auf  die  anderen  Herde  und  das  Allgemeinbefinden. 
Ile  Erfahrungen  lehren,  dass  die  Erfolge  um  so  bessere  sind,  je 
iiher  die  Operation  gemacht  wird,  und  dass  dieselbe  zuweilen  mit 
orteil  bei  doppelseitiger  Nierentuberkulose  ausgeführt  wird.  Was 
un  die  sogen,  spezifischen  inneren  Mittel,  vor  allem  Tuberkulin, 
etrifft,  so  lehrt  die  genaue  Kritik  der  veröffentlichten  Fälle,  dass 
irkliche  Heilung  nicht  in  einem  einzigen  Falle  vorkam,  sondern  es 
ch  höchstens  .um  eine  solche  scheinbarer  Art  handelte.  Der  Schluss 
■t  also  berechtigt:  ausser  in  jenen  Fällen,  wo  die  Nephrektomie  nicht 
mglich  ist,  muss  dieselbe  bei  diagnostisch  festgestellter  Nierentuber- 
ulose  in  jedem  Falle  ausgeführt  werden. 

C  a  t  h  e  1  i  n  -  Paris  bespricht  der  Reihe  nach  die  einfache  medi- 
inische  Behandlung,  die  keinerlei  Erfolg  verspricht,  die  Behandlung 
n  Kindesalter,  welche  eine  bewaffnete  exspektative  sei,  die  Behand- 
ing  mit  Tuberkulin,  welche  noch  keinen  Beweis  wirklicher  Heilung 
eliefert  habe,  und  schliesslich  die  chirurgische  Behandlung,  die  mit 
er  möglichst  frühzeitigen  Nephrektomie  allein  befriedigende  Erfolge 
efert. 

Le  Fur-Paris  bringt  eine  persönliche  Statistik  von  102  Nieren- 
jberkulosefällen,  bei  welchen  er  die  Nephrektomie  ohne  unmittel- 
aren  oder  späteren  Todesfall  ausgeführt  hat  und  von  weiteren 
3  Fällen,  welche  medikamentös  behandelt  wurden  und  4  Todesfälle 
eferten  =  5  Proz.  Mortalität.  Die  Verhältniszahl  der  Heilungen  ist 
ier  30—40  Proz.  L  e  F  u  r  schliesst  daher,  dass  die  Behandlung  der 
ierentuberkulose  sowohl  eine  innere  medikamentöse  wie  chirur- 
ische  sein  kann  und  dass  in  jedem  Falle,  auch  nach  der  Operation, 
rstere  noch  am  Platze  sei. 

R  a  f  i  n  -  Lyon  hat  165  Fälle  primär  mit  Nephrektomie  behandelt, 
onnte  sie  auch  weiterhin  beobachten  und  gibt  eine  genaue  Statistik 
er  operierten  Fälle:  8  Todesfälle  =  4,8  Proz.  im  ersten,  18  Todes¬ 
ille  =  10,9  Proz.  in  den  3  und  26  =  15,7  Proz.  in  den  6  der  Opera- 
on  folgenden  Monaten.  63  der  Fälle  =  38  Proz.  erwiesen  sich  als 
nvollkommen,  53  =  32  Proz.  als  vollkommen  geheilt. 

P  o  u  s  s  o  n  -  Bordeaux  führt  seit  1900  in  allen  Fällen  von  Nieren- 
iberkulose  die  Nephrektomie  aus  und  hatte  unter  70  Fällen,  welche 
ie  Operation  überlebt  haben,  9  Todesfälle  in  dem  derselben  folgen- 
en  und  nur  2  in  den  späteren  Jahren.  Von  den  59  noch  lebenden 
Operierten  datieren  die  Heilungen  auf  15,  13,  12  und  10  Jahre  zurück, 
in  Beweis  der  Heilwirkung  der  Nephrektomie  liegt  in  dem  regel¬ 
echten  Schwangerschaftsverlauf  der  Nephrektomierten  und  der  Tole- 
anz  derselben  gegen  die  Operationszufälle. 

Marion  weist  auch  noch  auf  den  schwerwiegenden  Zeitverlust 
in,  welchen  eine  medikamentöse  Behandlung  mit  sich  bringe,  und  der 
esonders  mit  Verschlechterung  des  Allgemeinbefindens  gefährlich  sei. 

De  K  e  e  r  s  m  a  k  e  r  -  Anvers  hat  im  Jahre  1903  mit  der  Tuber¬ 
ulinbehandlung  begonnen  und  ca.  450  Fälle  von  Tuberkulose  der 
larnwege  derselben  unterzogen;  er  schliesst,  dass  mit  einer  wohl- 
bgewogenen,  verständigen  Behandlung  diese  Methode  befriedigende 
Resultate  liefert. 

P  a  s  t  e  a  u  -  Paris  erklärt  die  Nierentuberkulose  für  eine  ausser- 
r dentlich  häufige  Krankheit,  die  progressiv  verläuft  und  durch  Ne- 
hrektomie  heilbar  ist.  Deren  geringe  Mortalität  (1 — 6  Proz.)  muss 
ie  Kranken,  der  Prozentsatz  völliger  Heilung  (50  Proz.)  den  Arzt 
ur  Operation  drängen.  Die  medikamentöse  Behandlung  der  Nieren- 
Jberkulose  ist  in  jenen  Fällen,  wo  die  Nephrektomie  möglich  ist, 
tuschend  und  gefährlich,  da  sie  die  zur  Heilung  notwendige  Opera- 
on  verzögert  oder  ganz  unterdrückt. 

Auch  C  a  r  1  i  e  r  -  Lille  bleibt  Anhänger  der  Nephrektomie;  er  hat 
ieselbe  133  mal  wegen  Nierentuberkulose  mit  6  Proz.,  bei  seinen 
:tzten  50  Fällen  mit  nur  3J4  Proz.  Mortalität  ausgeführt. 

J.  Castaigne  stellt  seine  eigenen  Erfahrungen  den  Schluss- 
ügerungen  der  Berichterstatter,  die  bezüglich  der  nichtchirurgischen 
iehandlung  allzu  pessimistisch  seien,  gegenüber:  unter  112  Fällen 
aren  10  am  Beginn  der  Erkrankung,  davon  scheinen  4  völlig  geheilt 
u  sein  und  die  6  anderen  auf  gutem  Weoe  der  Heilung  sich  zu  be- 
nden.  Die  anderen  102  Fälle  waren  nach  Ansicht  der  Chirurgen  in- 
Perabel,  davon  zejgen  8  wider  Erwarten  die  Erscheinungen  völliger 
Lilung,  22  fortschreitende  und  30  geringe  Besserungen.  Wenn  man 
edenkt,  dass  bei  diesen  102  Patienten  die  Prognose  denkbar  un- 
ünstig  war,  so  würde  diese  Statistik  doch  ein  beredtes  Zeugnis 
ugunsten  der  medikamentösen  Behandlung  liefern. 

Leon  Bernard  konstatiert  in  seiner  Replik,  dass  es  sich  nicht 
aruiri  handelt,  zu  wissen,  ob  die  sogen,  spezifischen  Mittel  eine 
ünstige  Wirkung  auf  die  Nierentuberkulose  ausiiben,  sondern  ob  sie 
men  heilenden  Einfluss,  wie  ihn  zweifellos  die  Nephrektomie  besitzt, 
aben  und  diese  Frage  sei  unbedingt  zu  verneinen. 


Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

(Nachtrag  zu  dem  Brief  auf  S.  210  dieser  Nummer.) 

Die  Frage  der  Ausländer  an  den  deutschen  ined.  Fakultäten. 

Nachdem  der  Medizinerstreik  in  Halle  die  Frage  des  Ausländer¬ 
studiums  an  den  deutschen  Universitäten  ins  Rollen  gebracht  hat, 
haben  nunmehr,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war,  die  Kliniker  der 
hiesigen  Universität  dazu  Stellung  genommen.  In  einer  gut  besuchten 
Versammlung  wurde  nach  einem  allgemeinen  Referat  über  den  Hal¬ 
lenser  Ausstand,  die  Ausländerfrage  und  die  Zustände  an  den  Berliner 
klinischen  Instituten  eine  Resolution  angenommen,  die  eine  Sympathie¬ 
kundgebung  für  die  Hallenser  Kommilitonen  enthielt.  Sodann  sprach 
der  Vorsitzende  über  den  Platzmangel,  der  sich  besonders  in  der 
chirurgischen  und  in  der  Frauenklinik  sowie  in  den  Präpariersälen 
geltend  mache  und  über  die  Schwierigkeiten,  die  sich  für  die  reichs- 
deutschen  Studenten  daraus  ergeben.  Im  letzten  Semester  sei  die 
Zahl  der  ausländischen  Mediziner  auf  568  gestiegen,  darunter  sind 
383  Russen,  und  die  ersten  Bankreihen  der  Hörsäle  sind  stets  von 
Ausländern  besetzt;  es  ist  daher  kein  Zufall,  dass  die  Zahl  der  reichs- 
deutschen  Mediziner,  obwohl  es  ein  Wintersemester  ist,  um  200  ge¬ 
sunken  ist.  Die  Bewegung  will  nicht  die  Gastfreundschaft  gegen  die 
Ausländer  verletzen,  will  aber  verhindern,  dass  ihnen  Vorteile  auf 
Kosten  der  Inländer  eingeräumt  werden.  Es  kommt  hinzu,  dass  ein 
Ausgleich  auf  dem  Boden  der  Gegenseitigkeit  nicht  möglich  ist,  denn 
die  slavischen  Völker  besitzen  nicht  genug  Hochschulen,  und  ausser¬ 
dem  stellen  die  russischen  Universitäten  viel  schärfere  Bedingungen 
für  die  Zulassung  von  Ausländern  als  die  deutschen.  Hierauf  be¬ 
richtete  der  Vorsitzende  der  Hallenser  Klinikerschaft  als  Vertreter 
des  Gesamtklinikerverbandes  Deutschlands  über  die  Forderungen 
dieses  Verbandes.  Auch  er  betonte,  dass  die  Bewegung  sich  nicht 
gegen  das  Ausländertum  überhaupt  richte;  gebildete  intelligente  Aus¬ 
länder  seien  uns  stets  willkommen,  sie  müssten  aber  die  gleiche  Vor¬ 
bildung  und  die  gleiche  Kulturstufe  haben  wie  die  anderen  Besucher 
der  Universität.  Man  habe  der  Bewegung  den  Vorwurf  gemacht, 
dass  sie  gegen  die  Internationalität  der  Wissenschaft  verstosse;  aber 
hier  handle  es  sich  nicht  um  Wissenschaft,  sondern  um  Ausbildung, 
und  diese  sei  national.  Aerzte,  die  nach  vollendeter  Ausbildung  in 
ihrem  Heimatlande  zu  uns  kommen,  finden  hier  stets  reichlich  Arbeits¬ 
gelegenheit.  Die  Forderungen  des  Klinikerverbandes  lauten:  1.  Die 
Ausländer  müssen  ein  staatliches  Reifezeugnis  beibringen,  das 
unserem  Abiturientenzeugnis  entspricht.  2.  Die  Ausländer  müssen  zur 
Immatrikulation  ein  von  der  Heimatbehörde  ausgestelltes  Führungs¬ 
zeugnis  vorlegen.  3.  Die  Erlaubnis  des  Praktizierens  sowie  die  Zu¬ 
lassung  zur  Doktorprüfung  ist  von  der  Vorlegung  eines  deutschen 
Zeugnisses  über  eine  Prüfung  in  der  deutschen  Sprache  abhängig  zu 
machen.  4.  Es  dürfen  nur  solche  Ausländer  praktizieren,  die  die 
ärztliche  Vorprüfung  oder  eine  ihr  gleichwertige  Prüfung  bestanden 
haben.  5.  Die  Zahl  der  Ausländer  ist  prozentualiter  zu  beschränken 
(das  soll  nicht  als  allgemeiner  numerus  clausus  aufgefasst  werden, 
sondern  als  eine  Beschränkung  nach  den  Verhältnissen  der  einzelnen 
Universitäten).  6.  Die  Ausländer  haben  die  doppelten  Gebühren  zu 
entrichten.  7.  Die  Ausländer  erhalten  die  Kolleggelder  nicht  ge¬ 
stundet.  8.  Die  Ausländer  haben  sich  bei  der  Inskription  in  eine 
besondere  Liste  einzutragen,  damit  die  Behörden  ihre  Berechtigung 
zum  Praktizieren  prüfen  können.  9.  Die  Verwendung  der  Ausländer 
zu  Famuli-  und  Volontärstellen  darf  erst  dann  erfolgen,  wenn  die 
reichsdeutschen  Studenten  berücksichtigt  worden  sind.  Dazu  kommt 
noch  als  eine  weitere  Forderung:  Die  ersten  vier  Reihen  in  den  Hör¬ 
sälen  bleiben  für  die  reichsdeutschen  Studenten  reserviert.  Alle  Aus¬ 
länder  können  erst  14  Tage  nach  Beginn  der  Vorlesungen  Plätze 
belegen. 

An  die  Referate  schloss  sich  eine  sehr  lebhafte  Diskussion  an, 
die  meisten  Redner  äusserten  sich  durchaus  zustimmend.  Eine  Er¬ 
scheinung  verdient  besonders  hervorgehoben  und  klargestellt  zu 
werden.  Da  die  russischen  Studenten  in  ihrer  überwiegenden  Mehr¬ 
heit  jüdischer  Religion  sind,  so  war  die  Vermutung  ausgesprochen 
worden,  dass  die  Bewegung  zugleich  einen  konfessionellen  Charakter 
habe,  und  ein  in  der  Versammlung  anwesender  Arzt  glaubte,  darauf 
hinweisen  zu  sollen.  Es  war  vielleicht  überflüssig,  diesem  Gedanken 
überhaupt  Raum  zu  geben;  jedenfalls  wurde  vom  Vorstandstisch  mit 
voller  Deutlichkeit  betont,  dass  ihnen  konfessionelle  Tendenzen 
irgendwelcher  Art  völlig  fern  liegen,  und  diese  Erklärung  wirkte  auf 
die  Versammlung  durchaus  befriedigend.  Es  liegt  also  für  uns  Aerzte 
kein  Grund  vor,  unsere  Sympathien  für  die  jungen  Kollegen  wegen 
angeblicher  Nebenerscheinungen  einzuschränken.  Eine  Vertreterin 
des  Studentinnenvereins  sprach  ihre  Zustimmung  zu  den  Ansichten 
der  männlichen  Kommilitonen  aus;  ebenso  erklärten  sich  auch  die 
Zöglinge  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  mit  den  Kommilitonen 
solidarisch.  An  der  Klinikerschaft,  deren  Gründung  am  gleichen 
Tage  beschlossen  wurde,  wollten  die  letzteren  sich  aber  nur  für 
repräsentative  und  gesellige  Angelegenheiten  beteiligen.  Dazu 
hatten  sie  einen  sehr  triftigen  Grund;  denn  sie  unterstehen  dem 
Kriegsministerium  und  dürfen  sich  an  das  Kultusministerium  Hin¬ 
durch  Vermittlung  des  Kriegsministeriums,  nicht  der  Klinikerschaft 
wenden;  ausserdem  dürften  sie  als  staatliche  Studenten  nicht  gegen 
staatliche  Einrichtungen,  z.  B.  in  Form  eines  Ausstandes,  Stellung 
nehmen.  Die  Forderungen  des  allgemeinen  Klinikerverbandes  wurden 
angenommen  und  sollen  sämtlichen  Fakultäten  an  einem  noch  zu  be¬ 
stimmenden  Termin  gleichzeitig  überreicht  werden.  M.  K. 


MUENCHENER'  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4. 


225 

Verschiedenes. 


Frequenz  der  deutschen  medizinischen  Fakultäten1). 


Universität 

Sommersemester  1912 

Wintersemester  1912/13 

Rei 

angeh 

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Ausländer 

Summa2) 

Darunter 

Frauen 

Zahnärzte 

Berlin  .  . 

1009 

152 

605 

1766 

156 

75 

1272 

249 

718 

5)2239 

182 

74 

Bonn  .  . 

594 

24 

31 

649 

42 

45 

577 

27 

25 

629 

37 

23 

Breslau  . 

441 

12 

79 

532 

19 

51 

501 

10 

91 

602 

21 

39 

Erlangen  . 

247 

102 

12 

361 

11 

12 

275 

107 

6 

388 

10 

13 

Frei  bürg  . 

122 

874 

76 

1072 

65 

37 

149 

754 

90 

993 

77 

36 

Giessen 

143 

119 

30 

292 

13 

73) 

132 

139 

25 

296 

11 

l4) 

Göttingen 

266 

58 

19 

343 

11 

2 

282 

74 

23 

379 

12 

2 

Greifswald 

289 

26 

12 

327 

6 

27 

251 

22 

7 

280 

9 

20 

Halle  .  . 

208 

24 

92 

324 

8 

30 

224 

29 

103 

356 

10 

24 

Heidelberg 

146 

511 

106 

763 

63 

58 

167 

412 

106 

685 

58 

49 

Jena  .  . 

63 

303 

38 

404 

17 

21 

67 

299 

50 

416 

16 

11 

Kiel  .  .  . 

524 

194 

33 

751 

24 

38 

383 

100 

13 

496 

14 

23 

Königsberg 

278 

10 

163 

451 

25 

29 

296 

5 

184 

485 

25 

15 

Leipzig 

339 

274 

239 

852 

28 

89 

358 

297 

292 

947 

29 

78 

Marburg  . 

345 

60 

15 

420 

20 

45 

328 

68 

13 

409 

22 

33 

München  . 

720 

1056 

367 

2143 

77 

83 

848 

1091 

348 

2287 

106 

94 

Münster  . 

208 

10 

— 

218 

6 

19 

224 

5 

— 

229 

7 

25 

Rostock 

51 

266 

19 

336 

1 

37 

48 

248 

16 

312 

1 

14 

Strassburg 

179 

146 

97 

422 

7 

33 

202 

169 

130 

501 

17 

25 

Tübingen  . 

169 

177 

10 

356 

15 

16 

206 

144 

10 

I  360 

13 

23 

Würzburg 

279 

302 

17 

598 

8 

94 

284 

313 

18 

615 

6 

76 

Summa 

6620 

3800  |2060  13380-622  848 

7074 

A562  2278J13904  683  698 

>)  Nach  amtlichen  Verzeichnissen.  Vergl.  diese  Wochenschr.  1912,  No.  33.  2)  Nicht 
inbegriffen  in  dieser  Summe  sind  die  Zahnärzte  und  Tierärzte.  8)  Ferner  172  Tierärzte. 
*)  Ferner  205  Tierärzte.  5)  Ohne  die  Studierenden  der  Kaiser  Wilhelms-Akademie. 


Die  Energos  Co. 

München  erfreut  sich  anscheinend  der  besonderen  Gunst  derer, 
die  durch  den  elektrischen  Strom  der  leidenden  Menschheit  helfen 
wollen.  Man  denke  an  das  berüchtigte  Ares-Institut,  das  in 
der  Neuhauserstrasse  seinen  Sitz  hatte  und  unter  der  „wissenschaft¬ 
lichen“  Leitung  eines  Dr.  J.  Spier,  später  unter  der  eines 
Dr.  A.  Meier  stand.  Das  Institut  vertrieb  zum  Preise  von  180  und 
250  M.  einen  nach  dem  Kriegsgotte  genannten  Gürtel.  Der  „Ares“ 
sollte  schwache  Männer  heilen.  Von  München  wird  auch  der  Aub- 
sche  Kopfgalvanisator  versandt.  Der  viel  angepriesene 
Apparat  wurde  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  von  Dr.  Löwen¬ 
feld  gebührend  gewürdigt.  In  Isarathen  haust  seit  geraumer  Zeit 
die  früher  in  Dresden  ansässige  Energos  Co.  Diese  Kompagnie 
hat  sich  zum  Ziel  gesetzt,  den  Kahlköpfigen  zu  helfen  und  den  Grau¬ 
köpfen  das  Haar  wieder  in  der  ursprünglichen  Farbe  spriessen  zu 
lassen.  Ueber  die  Wertlosigkeit  der  Energosapparate  sind  wohl  alle 
gewissenhaften  Aerzte  einig.  Ich  habe  nie  einen  Erfolg  davon  ge¬ 
sehen.  Der  bekannte  Dermatologe  Prof.  Dr.  Joseph  warnt  in 
seinem  Handbuch  der  Kosmetik  S.  434  vor  jenem  Massage¬ 
apparate.  Joseph  bezeichnet  ihn  als  wertlos  und  jeder  Spur  einer 
wissenschaftlichen  Unterlage  entbehrend.  Der  Patient  schade  sich 
obendrein  noch  dadurch,  dass  er  den  geeigneten  Zeitpunkt  versäume, 
um  sich  mit  der  beginnenden  Haarerkrankung  an  die  sachverständige 
Stelle  zu  wenden.  Die  Energos  Co.  setzt  das  „Vorhandensein 
wirksamer  Papillen“  voraus,  wenn  der  „Lebenswecker  für  Haar  und 
Bart“  neue  Lebenskraft  entfachen  solle.  Jeder  Arzt  weiss  aber,  dass, 
wo  überhaupt  noch  mit  der  Möglichkeit  eines  Haarwuchses  zu 
rechnen  ist,  sich  durch  geeignete  Massnahmen  Erfolge  erzielen  lassen, 
auch  ohne  Reklamemittel. 

Um  die  Vortrefflichkeit  ihrer  Apparate  zu  beweisen,  zählt  die 
Kompagnie  die  Namen  erlauchter  und  hochgeborener  Besteller  auf. 
An  den  amerikanischen  Schwindler  G.  A.  Mann  in  Rochester,  der 
sich  den  Titel  Professor  der  Radiopathie  zugelegt  hat,  wandten  sich 
hilfesuchend  eine  preussische  Prinzessin  und  ein  hoher  Offizier  der 
Potsdamer  Garnison  und  enthüllten  dem  Yankee  Dinge,  die  sie  kaum 
ihrem  Hausarzte  anvertraut  haben  würden.  Der  Ehrenmann  liess 
die  Briefe  und  andere  pikante  Zuschriften  photochemisch  verviel¬ 
fältigen  —  seinen  Freunden  zum  Zeitvertreib! 

Die  Einfuhr  der  Energos  -  wie  auch  der  Ortlidapparate 
gleicher  Herkunft  wurde  durch  Verfügung  des  österreichischen  Mini¬ 
steriums  des  Innern  verboten,  dessenungeachtet  zeichnet  die  Ener¬ 
gos  Co.  als  Hoflieferantin  des  Erzherzogs  Joseph  und  der  Erz¬ 
herzogin  Auguste  von  Oesterreich.  Die  Energos  Co.  rühmt 
sich,  vier  deutsche  Reichspatente  zu  besitzen.  Patentamtlicher 
Schutz  bietet  aber  keinerlei  Gewähr  für  die  Heilwirkung  eines 
Apparates,  da  weder  bei  der  Eintragung  als  Gebrauchsmuster,  noch 
als  Warenzeichen  eine  Prüfung  des  Gegenstandes  auf  seine  Heil¬ 
wirkung  stattfindet. 

Um  die  Wunderwirkung  ihrer  Apparate  darzutun,  genügen  der 
Kompagnie  nicht  schwärmerisch  verzückte  Worte,  auch  Bilder 
müssen  zeigen,  dass  Energos  die  mächtigste  Waffe  gegen  Haarausfall 
und  greisenhaften  Kopf  ist.  Die  Firma  liess  die  hellblonde  Charakter¬ 


tänzerin  Fried  Ruletti  mit  überpudertem  und  nacli  hinten  ge¬ 
bürstetem  Haar  photographieren,  dann  wurde  der  Dame  falsches  Haar 
angesteckt,  das  bis  über  die  Hüften  herabfiel,  und  eine  zweite  Auf¬ 
nahme  gemacht.  Die  erste  Aufnahme  erhielt  in  der  Veröffentlichung 
die  Unterschrift:  „Dame  mit  mattem,  durchsichtigem,  grau  ge¬ 
wordenem  Haar,  Schuppen,  Juckreiz  der  Kopfhaut,  fettigem  Haar¬ 
boden,  starkem  Haarausfall“.  An  dem  zweiten  Bilde  erkennt  man 
staunend  das  Ergebnis  der  achtundzwanzigfachen  Anregung  durch 
den  Wunderkamm:  „Dieselbe  (Dame)  hat  alle  Erscheinungen  des 
Haarleidens  verloren,  das  Haar  ist  in  früherer  brauner  (!)  Farbe 
voll  und  kräftig  gewachsen“. 

Neuerdings  führt  die  Kompagnie  ihre  „interessanten  Köpfe“  vor¬ 
sichtig  und  bescheiden  als  vergleichende  —  „Studien“  vor.  In  ihrem 
Lieblingsblatt,  der  Woche,  veröffentlichte  seinerzeit  die  Gesellschaft 
ein  Preisausschreiben  für  solche  Kahlköpfige,  die  innerhalb  einer 
bestimmten  Frist  mit  dem  famosen  Kamm  den  stärksten  Haarwuchs 
aufwiesen. 

Am  lehrreichsten  für  uns  Aerzte  ist,  wie  sich  die  Energos  Co. 
ärztliche  Gutachten  zu  verschaffen  wusste.  Würdige  Vorgängerin  der 
Kompagnie  war  die  Dresdener  Firma  F  o  r  t  a  g  n  e  N  a  c  h  f.,  die  für 
einen  elektrischen  Kamm  Rheophor  Stimmung  machte  und  Aerzten 
für  Berichte  mit  guten  Erfolgen  50 — 100  Mark  bot.  Die  Firma  trat 
auch  als  Medizinischer  Verlag  Goethe  an  Aerzte  heran 
und  suchte  Beiträge  für  ein  Werk  „Quell  der  Lebenskraft“,  ln  Wirk¬ 
lichkeit  war  es  ihr  um  Reklamematerial  für  den  Rheophor  zu  tun. 
(Vgl.  Gesundheitslehrer  Jahrg.  10,  No.  8.)  Später  setzte  sich  die 
Energos  Co.  unter  dem  Namen  eines  Dr.  Meienreis  mit  dem 
Geh.  Reg.  Petri  in  Verbindung,  den  sie  zum  Direktor  des  Kaiser¬ 
lichen  Gesundheitsamtes  „ernannte“  und  ersuchte,  eine  populär¬ 
wissenschaftliche  Zeitschrift  als  Herausgeber  zu  zeichnen.  Mit  dem 
Namen  des  Dr.  Petri  ging  man  krebsen.  Es  erschienen  in  medi¬ 
zinischen  Blättern  Anzeigen,  worin  „fortlaufende  Beiträge  für  vor¬ 
nehme  hygienische  Zeitung  bei  standesgemässer  Honorierung“  ge¬ 
sucht  wurden.  Wer  sich  zur  Mitarbeiterschaft  meldete,  erhielt  einen, 
Brief,  an  dessen  Kopf  der  stolze  Titel  Archiv  für  Hygiene 
und  verwandte  Gebiete  prangte.  Als  Herausgeber  wurde 
genannt :  Dr.  Petri,  prakt.  Arzt,  Kaiserl.  Geh.  Reg.-Rat,  Direktor 
des  Kaiserl.  Gesundheitsamtes.  Als  Verleger  zeichnete  der  Geist 
des  unbekannten  Dr.  Meienreis.  Die  Briefe  verkündeten  auch, 
dass  die  neue  vornehme  Zeitschrift  Abhandlungen  aus  der  „Welt  der 
Technik“  enthalten  solle,  die  besonders  eilig  und  doppelt  honoriert 
würden;  auch  könnte  für  solche  Abhandlungen  ein  Pseudonym  ge¬ 
wählt  werden.  Es  liege  gerade  ein  elektrischer  Doppelkamm  mit  dem 
Prüfungsergebnis  des  amerikanischen  Arztes  Dr.  Whitegood  vor. 
Mit  dem  Kamme  sollten  Versuche  vorgenommen  werden,  wobei  vor 
allem  auf  Neuerzeugung  des  Haares  zu  achten,  dann  auch  die  Neu¬ 
färbung  zu  berücksichtigen  sei.  Das  vornehme  „Archiv"  ist  nie  ei-j 
schienen,  Energos  Co.  verwandte  „geeignete“  elektrotherapeu- 
tische  Beiträge  zu  Reklamezwecken.  Dr.  Petri  erklärte,  dass  die 
von  ihm  für  das  „Archiv“  geschriebenen  Artikel,  schon  für  die; 
Energosbroschiire  benutzt  worden  seien,  als  er  den  Kamm  zur 
Prüfung  erhalten.  „Der  Kamm  versagte  vollständig  trotz  gewissen¬ 
hafter  Anwendung.“ 

Weiterhin  bot  die  Kompagnie  in  einer  Reihe  von  medizinischer 
Wochenschriften  ihren  „Lebenswecker“  kostenlos  den  Aerzten  zu 
Versuchen  an.  Sie  gab  aber  Apparate  nur  ab,  wenn  im  voraus 
„rückhaltlos  und  offen“  eine  günstige  Erklärung  über  die  Energos- 
konstruktion  abgegeben  wurde.  Solche  „rückhaltlosen“  Erklärungei 
sind  in  dem  Reklameheft  abgedruckt. 

Schon  seit  5  Jahren  unterzieht  der  bekannte  Gesundheits¬ 
lehrer  (Herausgeber  Primararzt  Dr.  Kanto  r)  den  Energosunfug 
einer  vernichtenden  Kritik.  Wie  verhielt  sich  dazu  die  Kompagnie: 
Dr.  Kantor  erhielt  einen  Artikel  des  Dr.  Brodzki  über  Haar¬ 
pflege  und  druckte  ihn  ahnungslos  im  Gesundheitslehrer  ab.  Die 
Abhandlung  war,  wie  sich  später  herausstellte,  ursprünglich  für  das 
famose  Archiv  bestimmt  gewesen.  Die  „Redaktion“  hatte  ihn  aber 
abgelehnt,  weil  der  Doppelkamm  zu  wenig  herausgestrichen  wor¬ 
den  sei.  Der  abgelehnte  Aufsatz,  in  den  Dr.  Brodzki  gutgläubig 
das  Prüfungsergebnis  des  Amerikaners  Dr.  Whitegood  über 
nommen  haben  will,  fand  also  Aufnahme  im  Gesundheitslehrer.  Die 
Energos  Co.  druckte  triumphierend  die  auf  den  Doppelkamm  sic! 
beziehende  Stelle  mit  Quellenangabe  in  ihrem  Reklamehef 
ab  und  setzte  stolz  als  eigenes  Geistesprodukt  in  einer  Fussnote 
folgende  Worte  hinzu:  „Obiger  Haar-Doppelkamm  ist  unter  den 
Namen  Energoskamm  allgemein  bekannt“.  Durch  dieses  Kunst 
Stückchen  sollte  dem  lästigen  Volksaufklärer  der  Mund  gestopft  und 
alle  seine  späteren  Warnungen  zuschanden  gemacht  werden.  Abe 
die  Kompagnie  hatte  sich  getäuscht,  ebenso  wie  sie  sich  täuschte,  al; 
sie  Kantor  einen  Geldbetrag  für  die  Aufnahme  eines  Artikels  „übe 
Erfahrungen  mit  dem  Energos“  anbieten  liess  und  mehrere  ganz 
seitige  Anzeigen  in  Aussicht  stellte. 

Unter  den  Begutachtern  des  Energos  spielt  ein  Edler  v  o  n  N  e  u 
mann  eine  ergötzliche  Rolle.  Dieser  Herr  schriftstellert  auch  unte 
dem  Namen  N  e  a  n  d  e  r,  Dr.  Heilwart  u.  a.  Neu  mann  sagt  de 
Energostherapie  eine  grosse  Zukunft  voraus  und  sandte  an  Aerzi 
frankierte  Briefumschläge,  um  die  Meinung  der  Kollegen  über  di 
Therapie  der  Zukunft  zu  ergründen.  (Vergl.  Gesundheitslehrer  Jahr 
gang  11,  No.  4.)  Ein  Dr.  Arndt  will  nicht  Eulen  nach  Athe 
tragen  durch  Aufzählung  all  der  vorzüglichen  Erfolge  des  Vibro 
Energos  usw. 


223 


l  Januar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  r 


Die  Hauptüberraschung  aber  sparte  sich  die  Energos  C  o. 
;  zum  Sommer  1912  auf.  Ueberall  in  deutschen  Landen,  in  Krossen 
d  kleinen  Blättern,  las  man  auf  Holzpapier  die  welterschütternde 
chricht.  Energos  Co.  in  München  habe  25  000  M.  zur  Anlage  von 
yerischen  Flugzeughäfen  gestiftet.  Die  Spende  wurde  an  höchster 
eile  angenommen. 

Die  selbstlose,  hohe  vaterländische  Gesinnung  der  Energos- 
mpagnie  zu  preisen,  ist  nicht  Zweck  dieser  Zeilen.  Ich  überlasse 
rn  dieses  Kapitel  einer  berufeneren  Feder. 

Dr.  Vorberg  -  Baden-Baden. 


Therapeutische  Notizen. 

Rose  11  hat  am  Bürgerspital  zu  Diedenhofen,  am  Tropen- 
ditut  zu  Hamburg  und  in  der  Privatpraxis  Versuche  mit  dem  Ei- 
•isspräparat  „Riba“  angestellt.  In  allen  Fällen  allgemeiner  Unter- 
■kihrung,  besonders  in  solchen,  wo  diese  auf  gestörter  Verdauung 
ruht,  zeigten  sich  bei  Gebrauch  von  Riba  in  Mengen  von  50  bis 
3  g  täglich  überraschende  sichtbare  Erfolge,  welche,  da  nicht 
,'ichzeitig  andere  Mittel  für  denselben  Zweck  gebraucht  wurden, 
sschliesslich  auf  die  Darreichung  von  Riba  zurückzuführen  waren, 
rf.  hat  sich  so  von  dem  positiven  Wert  des  Riba  als  Nähr- 
ittel  von  überraschender  Assimilierbarkeit  überzeugen  können, 
ef.  kann  auf  Grund  eigener  Erfahrung  die  „überraschende“  Wir- 
ng  dieses  Präparates  bei  allen  Fällen  von  Unterernährung  durchaus 
stätigen;  seit  er  das  Riba  in  der  verbesserten,  sich  nicht  mehr 
sammenballenden  Form  kennen  gelernt  hat,  in  der  es  jetzt  aus- 
hliesslich  hergestellt  wird,  verordnet  er  überhaupt  kein  anderes 
ihrpräparat  mehr.)  Das  Präparat  ist  leicht  in  allen  Flüssigkeiten 
dich,  leicht  bekömmlich  und  zeichnet  sich  ferner  durch  seine  Purin¬ 
mut  aus.  Bei  Achylie,  Hyperchlorhydrie  und  Pankreasinsuffizienz 
heint  es  sich  besonders  zu  bewähren.  (Allg  med  Zentral-Ztz 
i.  43,  1912.)  '  Fr.  L 

0.  S  i  m  m  o  n  d  s  -  Frankfurt  a.  M.  sagt  in  der  Med.  Klinik  1912, 
).  45,  dass  die  Thermopenetration  (eine  durch  tiefgehende  Er- 
irmung  hervorgerufene  Hyperämie)  in  der  Behandlung  der 
rostatitis  gonorrhoica  einen  souveränen  Platz  verdient, 
is  er  an  Hand  eines  sehr  markanten  Falles  erläutert.  Das  Ver- 
lren  erfordert  einige  Uebung  und  gut  sitzende  Elektroden,  da  sonst 
rbrennungen  leicht  eintreten.  Apparate  bei  Reiniger,  G  e  b  - 
r  t  &  Schall  zu  erhalten.  Qr 

F  r  a  e  n  k  e  1  und  Hauptmann  -  Halle  verwendeten  das 
i  n  t  e  r  n  i  t  z  sehe  Chineonal  (Chinin  +  Veronal  im  Ver- 
Itnis  2:1)  zur  Keuchhustenbehandlung.  Unter  30  Fällen  sahen  sie 
mal  eine  positive  Wirkung,  insoferne  während  der  Dauer  der  An- 
mdung  (im  1.  Lebensjahr  3  mal  täglich  0,1,  vom  2.  Jahre  ab  3  mal 
?lich  0,2)  die  Anfälle  seltener  waren  und  das  Erbrechen  ausblieb. 
:benerscheinungen  wurden  nicht  konstatiert.  (Med.  Klinik  191? 

».  46.)  Qr. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher, 
■r  heutigen  Nummer  liegt  das  317.  Blatt  der  Galerie  bei:  Carl 
opp.  Vergl.  den  Nekrolog  auf  Seite  193  dieser  Nummer. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  27.  Januar  1913. 

—  In  Berlin  haben  sich  die  Medizinstudierenden  klinischer  Se- 
•Ster  zu  einer  „K  1  i  n  i  k  e  r  s  c  h  ai  t“  zusammengeschlossen,  wie 
Iche  an  anderen  Universitäten,  z.  B.  in  München,  Heidelberg, 
He  a.  S.  sich  bewährt  haben.  Das  erste  Hervortreten  dieser  Klini- 
rschaft  betrifft  die  Stellungnahme  zur  Frage  des  Studiums  der 
Isländer  an  den  deutschen  medizinischen  Fakultäten.  In  einem 
chtrag  zu  unserem  heutigen  Berliner  Brief  (S.  221)  wird  darüber 
•sführlich  berichtet.  Man  kann  der  sachlichen  Behandlung  der  Frage 
;rch  die  Klinikerschaft  die  Anerkennung  nicht  versagen.  Es  besteht 
hr.e  Animosität  gegen  die  Ausländer,  es  spielen  keine  konfessionellen 
'gensätze  mit;  einzig  und  allein  das  an  manchen  Universitäten  be- 
“hende  Missverhältnis  zwischen  Unterrichtsmaterial  und  Andrang 
'r  Studierenden  zwingt  zur  Abwehr.  Die  unter  Mitwirkung  eines 
rtreters  der  Hallenser  Klinikerschaft,  der  das  Verdienst  zukommt, 
‘iiAnstoss  zur  endlichen  Regelung  der  brennenden  Frage  gegeben  zu 
ben,  aufgestellten  Sätze,  in  denen  die  Forderungen  der  Studenten- 
■iaft  niedergelegt  sind,  sind  als  massvoll  zu  bezeichnen;  man  kann 
Sar  bezweifeln,  ob  sie  genügend  wirksam  sein  werden.  Dass 
'^.s  geschehen  muss,  wenn  nicht  die  Ausbildung  unseres  eigenen 
•  etlichen  Nachwuchses  Schaden  leiden  soll,  zeigt  ein  Blick  auf  das 
;r  S.  222  dieser  Nummer  veröffentlichte  Verzeichnis  der  Frequenz 
ir  medizinischen  Fakultäten.  Fast  ein  Drittel  aller  Mediziner  in 
1  in,  in  Halle,  in  Leipzig,  mehr  als  ein  Drittel  in  Königsberg,  sind 
Mander!  Im  ganzen  studieren  2278  Ausländer  in  Deutschland. 
£$e  Zahl  wäre  nicht  unerträglich,  wenn  eine  gleichmässigere  Ver- 
hing  auf  die  einzelnen  Städte  stattfände.  Es  gibt  aber  sehr  gute 
nversitäten,  z.  B.  Erlangen,  Greifswald,  Kiel,  die  von  Ausländern 
[  in  ganz  verschwindender  Zahl  aufgesucht  werden.  Vielleicht 
■sse  sich  die  unerwünschte  und  nui  durch  die  dira  necessitas  ge- 


i echtfei  tigte  Härte,  die  in  der  Anwendung  von  Ausnahmemassregeln 
gegen  die  Ausländer  immerhin  liegt,  dadurch  mildern,  dass  seitens 
der  Universitätsbehörden  auf  eine  gleichmässigere  Verteilung  der 
ausländischen  Studierenden  hingewirkt  würde. 

—  Das  Reichsgericht  hat  die  Klage  des  Halleschen 
Ortskrankenkassen  verbandes  gegen  den  Verband  Halle¬ 
scher  Kassenärzte  in  Halle  a.  S.  durch  Urteil  vom  10.  Januar  in  Ueber- 
einstimmung  mit  den  beiden  Vorinstanzen  abgewiesen.  Damit  ist  der 
seit  Jahren  sich  hinziehende  Streit  zugunsten  der  Aerzte  entschieden. 

—  Die  Repräsentantenversammlung  der  British  medical  Asso¬ 
ciation  hat  die  Aerzte  von  ihrem  ehrenwörtlichen  Versprechen,  die 
Mitarbeit  an  dem  Nationalen  Versicherungsgesetze 
zu  verweigern,  entbunden.  Damit  ist  der  Kampf  vorläufig  zu  Ende; 
man  nimmt  in  englischen  ärztlichen  Kreisen  aber  an,  dass  er  baldigst 
wieder  aufgenommen  werden  wird.  Ausführlicher  Bericht  folgt  in 
nächster  Nummer. 

—  Das  K.  b.  Staatsministerium  des  Innern  hat  an  den  Unter¬ 
suchungsanstalten  für  Nahrungs-  und  Genussmittel  in  München,  Er¬ 
langen  und  Würzburg  und  an  der  Kreisuntersuchungsanstalt  in 
Speyer  Unterrichtskurse  für  gemeindliche  Polizei¬ 
beamte  zur  Unterweisung  in  der  Ueberwachung  des  Ver¬ 
kehrs  mit  Nahrungsmitteln,  Genussmitteln  und  Gebrauchs¬ 
gegenständen  eingerichtet.  In  den  Kursen  werden  die  einschlägigen 
wichtigeren  reichs-  und  landesrechtlichen  Vorschriften  erläutert,  die 
Anforderungen,  die  an  die  einzelnen  Betriebe  in  Bezug  auf  Räume. 
Einrichtung,  Reinlichkeit,  Aufbewahrung  der  Waren  usw.  zu  stellen 
sind,  dargelegt,  die  erforderlichen  Kenntnisse  in  der  Warenkunde 
vermittelt  und  die  Entnahme,  Verpackung  und  Versendung  von 
Proben  gelehrt  werden.  Die  Kurse  dauern  6  Tage;  die  ersten  finden 
in  München,  Erlangen  und  Würzburg  in  der  Zeit  vom  31.  März  mit 
5.  April  ldf.  Jrs.  statt.  Der  erste  Kurs  in  Speyer  wird  in  der  Zeit 
vom  3.  mit  8.  März  abgehalten. 

Das  Ministerium  des  Innern  hat  ferner  durch  Erlass  vom 
24.  Dezember  (Amtsblatt  No.  3  vom  20.  Jan.  1913)  eine  neue  An¬ 
weisung  für  die  Entnahme,  Verpackung  und  Verwendung  von  Proben 
zur  Untersuchung  durch  die  Untersuchungsanstalten  für  Nahrungs¬ 
und  Genussmittel,  sowie  eine  neue  Anweisung  zur  polizeilichen 
Ueberwachung  des  Verkehrs  mit  Milch  herausgegeben. 

—  Der  Magistrat  Berlin  bewilligte  für  das  Robert  Koch- 
Denkmal  15  000  M.  aus  der  Stadtkasse.  Die  Kosten  des  Denkmals 
sind  auf  100  000  M.  veranschlagt,  von  denen  bisher  60  000  M.  auf¬ 
gebracht  sind. 

—  Dem  Hallenser  Kliniker  Joh.  Christ.  Reil,  dessen  100.  Todes¬ 
tag  am  22.  November  d.  J.  gefeiert  werden  kann,  soll  in  Halle  a.  S. 
ein  Denkmal  gesetzt  werden. 

—  Die  Farbwerke  vorm.  Meister  Lucius  &  Brü¬ 
ning  feiern  in  diesem  Monat  ihr  50  jähriges  Bestehen.  Eine  bei 
diesem  Anlass  herausgegebene  Gedenkschrift  zeigt,  wie  dieses  Unter¬ 
nehmen,  dank  der  Tatkraft  seiner  Begründer,  aus  kleinen  Anfängen 
in  rascher  Entwicklung  zu  immer  grösserem  Umfang  und  zu  immer 
grösserer  Bedeutung  heranwuchs  bis  zu  seiner  jetzigen  Stellung  als 
einer  der  grössten  und  angesehensten  chemischen  Fabriken  der  Welt. 
Die  Schrift  zeigt  auch,  an  wie  vielen  wichtigen  Entdeckungen  die 
Farma  beteiligt  war;  ihre  Stellung  in  der  Arzneimittelindustrie  be¬ 
zeichnen  am  besten  die  drei  Worte;  Antipyrin,  Diphtherieserum  und 
Salvarsan.  Für  das  Wohl  ihrer  Arbeiter  und  Angestellten  hat  die 
Firma  vorbildliche  Einrichtungen  geschaffen. 

—  Die  Söhne  des  verstorbenen  Zahnarztes  Prof.  Dr.  Boe- 
d  e  c  k  e  r  in  Berlin  haben  die  Summe  von  15  000  M.  gestiftet  zur  Er¬ 
richtung  und  ersten  Unterhaltung  einer  neuen  Schulzahnklinik. 

—  In  Oldenburg  ist  ein  Landeskomitee  für  Krebs¬ 
forschung  begründet  worden. 

—  Die  Gesellschaft  für  innere  Medizin  und -Kinderheilkunde  in 
Wien  hat  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  gewählt 
die  Herren :  Franz  Hofmeister  in  Strassburg  i.  E„  Pierre  Marie 
in  Paris,  L.  R.  Müller  in  Augsburg  und  Adolf  Schmidt  in 
Halle  a  .S. 

—  Die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung 
des  Kurpfuschertums  hat  laut  Beschluss  der  General¬ 
versammlung  ihren  Sitz  nach  Dresden  verlegt  und  der  dortigen  Orts¬ 
gruppe  das  Präsidium  übertragen.  Sämtliche  Zuschriften  an  die 
Gesellschaft  sind  daher  nicht  mehr  an  den  bisherigen  Vorsitzenden, 
Herrn  Dr.  S  i  e  f  a  r  t  -  Berlin,  zu  richten,  sondern  um  Verzögerungen 
zu  vermeiden,  bis  auf  weiteres  direkt  an  Herrn  Dr.  N  e  u  s  t  ä  1 1  e  r, 
Dresden- Hellerau,  den  Mitredakteur  des  Gesundheitslehrers, 
welcher  die  Organisation  des  Dresdener  Bureaus  übernommen  hat. 

—  Das  neue  Verzeichnis  der  zur  Annahme  von 
Praktikanten  ermächtigten  Krankenhäuser  und 
medizinisch  - wissenschaftlichen  Institute  in 
Preussen  wird  in  einer  Sonderbeilage  zum  Ministerialblatt  für 
Medizinalangelegenheiten,  No.  4,  vom  22.  Januar  1913  veröffentlicht. 

-  Ein  alljährlicher  Stiftungsbetrag  von  10  000  M.  stand  im  ver¬ 
gangenen  Jahre  der  Professor  Dr.  Vulpiusschen  Ortho¬ 
pädisch-Chirurgischen  Heilanstalt  in  Heidelberg 
zum  6.  Male  zur  Verfügung.  Mit  Hilfe  dieser  Summe  wurden  300 
orthopädisch  kranke  Knaben  und  Mädchen  an  ca.  15  000  Verpflegungs¬ 
tagen  stationär  behandelt.  Anfragen  und  Anmeldungen  für  das 
laufende  Jahr  sind  zu  richten  an:  Die  Verwaltung  der  Professor 
Dr.  Vulpiusschen  Orthopädisch-Chirurgischen  Heilanstalt  in 
Heidelberg,  Luisenstrasse. 


224 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4 


—  Der  42.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Chirurgie  findet  vom  26.  bis  29.  März  in  Berlin  statt.  Haupt¬ 
themata  der  Verhandlung  sind:  Ulcus  duodeni,  Ref. :  Herr  Küttner- 
Breslau;  Hirn-  und  Rückenmarkschirurgie,  Reff.:  Herr  v.  Eiseis¬ 
berg  und  Herr  Ranzi-Wien;  Die  Behandlung  der  Gelenk-  und 
Knochentuberkulose,  Ref.:  Herr  G  a  r  r  e  -  Bonn.  Vorsitzender:  Exz. 
v.  A  n  g  e  r  e  r. 

—  Der  XII.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  orthopädische  Chirurgie  findet  in  der  Osterwoche, 
am  Dienstag,  den  25.  März  (dem  Tage  vor  der  Zusammenkunft  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie)  in  Berlin  im  Langenbeckhause, 
Ziegelstr.  10/11,  statt.  Die  Eröffnung  des  Kongresses  erfolgt  vor¬ 
mittags  9  Uhr.  Eine  Projektionssitzung  ist  für  Montag,  den  24.  März, 
also  am  Vorabend  des  Kongresses,  ebenfalls  im  Langenbeckhause, 

8  Uhr  abends,  angesetzt.  Als  Hauptthema  wurde  gewählt:  „Die 
Behandlung  der  chronischen  Arthritis  (Arthritis  deformans)“.  Herr 
Geheimrat  Dr.  Friedrich  Kraus-  Berlin  wird  einleitend  referieren 
über  „Symptomatologie,  Pathogenese  und  interne  Therapie  der  chro¬ 
nischen  Arthritis“,  im  Anschluss  daran  Herr  Prof.  Dr.  J.  Ibrahiin- 
München  über  „die  chronische  Arthritis  im  Kindesalter“,  sowie  Herr 
Dr.  G.  Preiser  - Hamburg  über  „die  orthopädische  Behandlung  der 
chronischen  Arthritis“.  Nach  Erledigung  des  Hauptthemas  folgen 
Vorträge  anderen  Inhalts.  In  der  Generalversammlung,  am  25.  März 
nachmittags,  sollen  Statutenveränderungen  beraten  werden.  Mittwoch, 
den  26.  März,  finden  gemeinsame  Sitzungen  mit  der  Sektion  für 
Kinesitherapie  (Massage,  Heilgymnastik,  Orthopädie)  des  IV.  Inter¬ 
nationalen  Kongresses  für  Physiotherapie  statt,  zu  der  die  Mitglieder 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  orthopädische  Chirurgie  ohne  weiteres 
Zutritt  haben.  Einführender  der  Sektion  ist  Herr  Prof.  Dr. 
G.  Joachimsthal  -  Berlin  W.,  Genthinerstr.  16,  bei  dem  auch 
Vorträge  anzumelden  sind.  Als  Hauptthemata  sind  hier  in  Aussicht 
genommen:  Die  physikalische  Behandlung  der  Gelenkkrankheiten 
(Referenten :  Wilms- Heidelberg,  R  o  1 1  i  e  r  -  Leysin,  Menard- 
Berck,  E  1  m  s  1  i  e  -  London)  und  die  Uebungstherapie  bei  Nerven¬ 
krankheiten  mit  oder  ohne  voraufgegangene  Operationen  (Referenten: 
Förster-  Breslau,  H  i  r  s  c  h  b  e  r  g  -  Paris). 

—  An  der  Universitäts-Augenklinik  in  Pest  wird  vom  3.  bis 
8  März  lfd.  Jrs.  von  den  wissenschaftlichen  Mitarbeitern  der  Zeiss- 
werke  Dr.  M.  v.  Rohr  und  Dr.  O.  Henker  ein  Kurs  der 
Brillen  künde  für  Augenärzte  abgehalten  (Preis  40  Kronen;  An¬ 
meldungen  an  Dr.  L.  v.  Liebermann,  Pest,  VIII,  Marienstr.  39). 

—  Die  Elektrizitätsgesellschaft  „S  a  n  i  t  a  s“  in  Berlin  hat  einen 
neuen,  reichhaltigen  Röntgenkatalog  herausgegeben,  den  sie 
Aerzten,  die  sich  dafür  interessieren,  unentgeltlich  zur  Verfügung 
stellt. 

—  Erkrankungen  an  Pocken  in  Bayern  im 
Jahre  1912.  Nach  den  beim  K.  Bayer.  Statistischen  Landesamt 
eingegangenen  Meldekarten  wurden  im  Jahre  1912  5  Pockenerkran¬ 
kungen  angezeigt,  davon  eine  in  Erlachhof,  B.-A.  Ingolstadt,  und  je 
zwei  in  Ludwigsau,  B.-A.  Germersheim,  und  in  Mittelhammer,  B.-A. 
Rehau.  Sämtliche  Fälle  gingen  innerhalb  3 — 4  Wochen  in  Genesung 
über.  Nach  den  begleitenden  Umständen  ist  anzunehmen,  dass  der 
Krankheitskeim  von  auswärts  eingeschleppt  wurde  und  zwar  in 
einem  Falle  aus  Russisch-Polen,  in  den  anderen  Fällen  aus  Böhmen 
und  Baden. 

—  Cholera.  Straits  Settlements.  In  Singapore  wurden  vom 
18.  November  bis  13.  Dezember  v.  J.  9  Cholerafälle  gemeldet.  — 
Japan.  Zufolge  Mitteilung  vom  27.  Dezember  v.  J.  sind  seit  dem 
25.  November  folgende  Erkrankungen  (und  Todesfälle)  festgestellt 
worden-  In  den  Städten  Osaka  12  (19),  Amagasaki  6  (— ),  Kobe- 
Hiogo  9  (6)  und  in  anderen  Teilen  der  Präfektur  Hiogo  9  (5).  Die 
letzte  Erkrankung  wurde  am  20.  Dezember  in  Osaka  beobachtet. 

—  Pest.  Russland.  Im  Transbaikalgebiete  sind  in  dem  Dorfe 
Werchneudinsk  des  Bezirkes  Nertschinsko-Sawodsk  Ende  Oktober 
und  Anfang  November  v.  .1.  3  Pesttodesfälle  bakteriologisch  fest¬ 
gestellt  worden.  Weitere  Erkrankungen  wurden  dort  bis  Ende  De¬ 
zember  nicht  beobachtet.  —  Aegypten.  Vom  28.  Dezember  v.  J. 
bis  3.  Januar  erkrankten  12  (und  starben  10)  Personen;  ferner  er¬ 
krankten  (starben)  vom  4.  bis  10.  Januar  2  (2)  Personen.  —  Britiscli 
Ostindien.  In  den  beiden  Wochen  vom  8.  bis  21.  Dezember  v.  .1. 
erkrankten  3876  +  2795  und  starben  2825  +  2237  Personen  an  der 
Pest.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  18.  bis  31.  Dezember  v.  J. 
wurden  auf  Java  gemeldet:  Aus  dem  Bezirke  Malang  147  Erkran¬ 
kungen  (und  146  Todesfälle),  aus  Kediri  42  (38),  aus  Paree  37  (33), 
ferner  aus  Soerabaja  18  und  aus  Madioen  11  Todesfälle.  Für  die 
Zeit  vom  4.  bis  17.  Dezember  sind  nachträglich  weitere  5  Todesfälle 
aus  Paree  mitgeteilt  worden;  ausserdem  betrug  die  Zahl  der  Todes¬ 
fälle  vom  4.  bis  17.  Dezember  im  Bezirke  Malang  nicht  172, 
sondern  162.  —  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  vom  3.  bis  23.  November 
v.  J.  6  Erkrankungen  und  2  Todesfälle.  —  Peru.  In  Mollendo  vom 
17.  bis  23.  November  v.  J.  5  Erkrankungen  und  2  Todesfälle. 

— -  In  der  2.  Jahreswoche,  vom  5. — 11.  Januar  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Landsberg  a.  W.  mit  28,2,  die  geringste  Pirmasens  mit  3,8  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Gladbeck,  Kaiserslautern, 
Oberhausen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Erfurt,  Hildesheim. 

V.  d.  K.  G.-A. 


(H  ochse  hulnachrichte  n.) 

Berlin.  Geheimrat  Prof.  Dr.  Otto  Heubner,  Direktor  de 
Klinik  und  Poliklinik  für  Kinderkrankheiten  an  der  Berliner  Uni 
versität,  beging  am  21.  Januar  seinen  70.  Geburtstag,  (hk.) 

Dresden.  Dem  dirigierenden  Arzt  der  städtischen  Heil-  un 
Pflegeanstalt  Geheimrat  Dr.  Ganser  wurde  anlässlich  seine 
60.  Geburtstages  (24.  I.  13)  von  seinen  Mitarbeitern,  ehemaligen  un 
jetzigen  Assistenten  und  Schülern  eine  Festschrift  überreicht. 

F  r  a  n  k  f  u  r  t  a.  M.  Als  Nachfolger  des  an  das  Krankenhau 
St  Georg  in  Leipzig  berufenen  Herrn  Dr.  Reinhardt  ist  Her 
Dr.  Edgar  Goldschmid,  I.  Assistent  am  Pathologischen  Institu 
der  Universität  Genf,  zum  Prosektor  am  Senckenberg  ischei 
Pathologischen  Institut  berufen  worden. 

Giessen.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  Bottiche 
erhielt  einen  Ruf  als  Leiter  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtische 
Krankenhauses  zu  Berlin-Lichtdhberg  und  hat  ihn  angenommen. 

(Todesfälle.)  J 

ln  Innsbruck  verschied  der  Universitätsprofessor  i.  R.  Dr.  Ludwi 
L  a  n  t  s  c  h  n  e  r,  ein  hervorragender  Chirurg,  im  87.  Lebensjahre 

In  Wien  starb  Dr.  Wilh.  M  i  1 1  a  c  h  e  r,  a.  o.  Professor  für  Pharma 
kognosie  und  Assistent  des  pharmakognostischen  Institutes. 

In  Edinburg  starb  59  Jahre  alt  Dr.  Georg  A.  G  i  b  s  o  n,  bekaml 
durch  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Herzpathologie. 

(Berichtigung.)  Der  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heil 
künde  in  Königsberg  am  9.  Dezember  vorgestellte  Fall  von  Narkoi 
lepsie  (diese  Wochenschrift  No.  1,  S.  49)  wurde  von  Dr.  Kliene 
berger  (nicht  von  Dr.  L  a  a  s  e  r)  demonstriert.  Ausführliche  Publi 
kation  des  Falles  demnächst  in  der  Berliner  klin.  Wochenschr. 


Korrespondenz. 

Zur  Behandlung  des  äusseren  Milzbrandes. 

Erwiderung  auf  die  Mitteilung  von  Herrn  Dr.  Veit  in  No.  51,  1911 
dieser  Wochenschrift  von  Dr.  H  e  i  n  e  m  a  n  n  -  Berlin. 

Herr  Veit  tritt  für  die  bekannten  Anschauungen  der  B  e  r  g 
mann-Bramann sehen  Schule  ein  und  empfiehlt  unter  Ai 
führung  eines  konservativ  behandelten  und  tödlich  verlaufenen  Falk 
diese  Behandlung.  'jl 

Ich  möchte  beiläufig  erwähnen,  dass  im  Oktoberheft  dt 
Deutschen  Zeitschrift  für  Chirurgie  eine  grössere  Arbeit  von  ni: 
über  dasselbe  Thema  erschienen  ist.  Ich  komme  hierin  zu  gan' 
entgegengesetzten  Resultaten  und  weise  auf  Grund  der  pathe. 
logischen  Anatomie  und  einer  Statistik  von  2000  Fällen  nach,  da.1 
die  operative  Lokaltherapie  die  rationellere  und  bessere  ist.  D, 
Herr  Veit  sich  auf  die  im  Jahre  1894  in  der  Deutschen  med.  Wochei 
schrift  erschienene  Theorie  Müllers  über  Milzbrandbehandlur 
beruft,  bitte  ich  ihn,  meine  obige  Arbeit  durchzulesen.  Er  wir 
finden,  dass  jeder  einzelne  Satz  der  Müll  er  sehen  Theorie  su 
durch  entgegengesetzte  Tatsachen  glatt  widerlegen  lässt. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  2.  Jahreswoche  vom  5.  bis  11.  Januar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung 
fehler  9  (15 1),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  3  (6),  Kindbettfieber  3  (- 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (—),  Scharlach— (- 
Masern  u.  Röteln  3  (1),  Diphtherie  u.  Krupp  —  (2),  Keuchhusten  1  (j 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (1),  akut.  Gelenkrheumatismus  -  ( 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundsw 
Trichinenkrankh.  —  (-),  Rose  (Erysipel)  3  (— ),  Starrkrampf  - 
Blutvergiftung  2  (1),  Tuberkul.  der  Lungen  12  (27),  Tuberkul.  and.  (Ji 
(auch  Skrofulöse)  1  (4',  akute  allgem.  Miliartuberkulose  1  (2),  Lunge 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  15(19),  Influenza  2  (2),  vene 
sehe  Krankh.  3  (2),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebi 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechs« 
fieber  usw.  — ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)3  (2),  Alkohol- 
mus  —  (2),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  2  (6),  sonst.  Kran! 
d.  Atmungsorgane  2  (4),  organ.  Herzleiden  23  (20),  Herzschlag,  Hei 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  7  (2),  Arterienverkalku! 
4  (3),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  4  (4),  Gehirnschlag  9  (1. 
Geisteskrankh.  1  ( — ),  Krämpfe  d.  Kinder  1  (1),  sonst.  Krankh.  d.  Nervo 
Systems 3  (10),  Atrophie  der  Kinder  2  -3i,  Brechdurchfall —  (—),  Mage¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  9  (8),  Blinddar- 
entzünd.  1  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  6  (4),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (4),  Nierenentzunu.  4  (, 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  2  (3),  Krebs  29  (20),  sor  ■ 
Neubildungen  3  (3),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (—),  Krankh.  o 
Bewegungsorgane  2  ( — ),  Selbstmord  1  (2),  Mord,  Totschlag,  at> 
Hinricht.  —(—),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  —  (. 
and.  benannte  Todesursachen  3  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  o 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (  )• 
Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  186  (207). 


1)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoc- 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Mflnchtner  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Im  Umf»ne  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Nummer  60  -d.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
6. — .  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


tl 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiert  i 
Für  die  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8'/*  — -1  l/hr. 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


fO  5  4  Febmr  1913  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

.ns  dem  Karl-Olga-Krankerihaus  und  dem  Ludwigsspital  zu 

Stuttgart. 

Beiträge  zur  Chirurgie  des  Choledochus*). 

Von  Prof.  v.  Hofmeister. 

Meine  Herren!  Es  ist  nicht  meine  Absicht,  heute  das 
anze  Gebiet  der  Gallensteinchirurgie  vor  Ihnen  aufzurollen; 
:h  möchte  vielmehr  nur  an  der  Hand  einiger  besonders  in- 
truktiver  Fälle  von  Choledochusverschluss  auf  die  kompli¬ 
ierten  und  gefährlichen  Eolgezustände  hinweisen,  zu  denen 
in  veraltetes  Gallensteinleiden  zu  führen  vermag.  Der  Zufall 
at  es  gefügt,  dass  unter  den  Gallensteinoperationen,  die  ich 
incrhalb  der  letzten  8  Wochen  ausgeführt  habe,  nicht  weniger 
ls  5  Fälle  sich  finden,  die  teils  durch  die  Eigenart  des  pathe¬ 
tischen  Befundes  besonderes  Interesse  erwecken,  teils  da- 
urch,  dass  sie  mir  den  Anstoss  gaben  zu  technischen 
leuerungen,  von  deren  weiterer  Verfolgung  ich  mir  einen 
ortschritt  in  der  Behandlung  schwerer  Choledochusver- 
ehliisse  verspreche. 

Das  Gallensteinleiden  ist,  wie  Ihnen  ja  allen  bekannt, 
erhältnismässig  harmlos,  solange  die  Steine  ruhig  in  der  nicht 
ifizierten  Blase  liegen.  Mit  einem  Schlag  aber  ändert  sich 
ie  Situation,  sobald  die  Gallengänge  an  der  Erkrankung  sich 
eteiligen.  Wenn  auch  nicht  zu  leugnen  ist,  dass  auf  dem 
Vege  der  Austreibung  der  Steine  durch  den  Choledochus  eine 
laturheilung  möglich  ist,  und  wenn  auch  tatsächlich  dieser 
liickliche  Ausgang  nicht  so  selten  vorkommt,  so  schafft  doch 
l  der  Mehrzahl  der  Fälle  das  Uebergreifen  der  Gallenstein¬ 
rankheit  auf  die  Gänge  und  speziell  auf  den  Ductus  chole- 
ochus  Zustände,  welche  zu  den  grössten  Gefahren  für  das 
.eben  des  Patienten  führen,  und  deren  Beseitigung  uns  vor 
ie  schwersten  technischen  Aufgaben  stellen  kann.  Ich  will 
fe  nicht  mit  der  theoretischen  Aufzählung  all  dieser  Even- 
ualitäten  hinhalten,  sondern  zur  Illustration  des  Gesagten  so- 
3rt  meine  Krankengeschichten  reden  lassen. 

Fall  1.  Totale  Zerstörung  des  D.  cysticus  und 
artielle  des  D.  choledochus  durch  Steine.  45 jährige 
rau,  die  schon  1909  und  ebenso  im  Juli  dieses  Jahres  in  ähnlicher 
'  eise  erkrankt  war,  wird  mit  schwerem  Ikterus,  der  angeblich  seit 
Wochen  bestehen  soll,  am  1.  X.  12  eingeliefert;  dabei  in  der  letzten 
eit  Temperaturen  bis  40,  im  Urin  viel  Gallenfarbstoff  und  spärlich 
ranulierte  Zylinder.  In  der  rechten  Bauchseite  unterhalb  der  Leber 
n  apfelgrosser,  druckempfindlicher,  derber  Tumor.  Stühle  acholisch. 

Operationsprotokoll:  4.  X.  12  Operation:  Veronal,  Skopomorphin, 
ethernarkose. 

Schnitt  vom  Schwertfortsatz  bis  zum  Nabel  mit  Exstirpation  des 
abels.  Nach  Eröffnung  des  Peritoneums  fühlt  man  sofort  die  stein¬ 
sfüllte  Gallenblase,  welche  ziemlich  stark  geschrumpft  erscheint, 
ine  breite  Netzadhäsion  am  Gallenblasengrund  wird  abgeklemmt 
nd  durchtrennt.  Nach  hinten  sind  die  Adhäsionen  zwischen  Duo- 
enum,  Gallenblasenstiel  und  Gallengängen  zu  einer  gleichförmig 
diwieligen  Masse  zusammengeschmolzen. 

Beim  Versuch,  nach  dem  Foramen  Winslowii  hin  frei  zu  machen, 
ölt  man  plötzlich  in  einen  Hohlraum,  aus  dem  sich  gallig  gefärbter 
iter  und  kleine  Gallensteine  entleeren.  Ein  etwa  pfirsichgrosser  Ab- 
«ess  erstreckt  sich  nach  hinten.  Medial  von  der  Abszessöffnung 
ihlt  man  eine  Anzahl  verschieden  grosser  Steine,  die  offenbar  dem 
holedochus  angehören.  Sie  werden  mit  Löffel  und  Finger  in  grosser 
nzahl  bis  über  Kirschgrösse  herausgeholt. 

Mit  dem  kleinen  Finger  kann  man  in  dem  Hohlraum  ein  Stück 
eit  nach  abwärts  Vordringen.  Nach  oben  wird  eine  Fortsetzung  in 
en  Hepatikus  nicht  gefunden.  Da  ein  Präparieren  in  dem  schwieli- 
en  Gewebe  gefährlich  und  aussichtslos  erscheint,  wird  zunächst  die 
lallenblase  in  ihrer  Mitte  längsgespalten,  massenhaft  Steine  heraus- 
eholt  und  dann  die  Spaltung  einerseits  bis  zum  Fundus,  anderseits 


*)  Vorgetragen  im  Stuttgarter  Aerztlichen  Verein  7.  XI.  12. 

No.  5. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 
schrittweise  nach  dem  Stiel  zu  fortgesetzt,  bis  der  Zystikus  in  der 
Abszesswand  abbricht.  Nach  längerem  Suchen  sieht  man  an  der 
Grenze  der  Abszesswand  von  oben  her  den  Hepatikus  einmünden, 
eine  glatte  Fortsetzung  seiner  Schleimhaut  in  den  Choledochus  findet 
sich  nur  nach  links  und  zum  Teil  nach  hinten.  Mit  der  Kupfersonde 
gelingt  es  nach  einigem  Suchen  die  Papille  zu  passieren  und  dann 
glatt  in  den  Darm  weiter  zu  sondieren.  Die  Papille  wird  mit  Zinn- 
bougie  16 — 22  ohne  Schwierigkeit  nachbougiert.  Weder  mit  Bougie 
noch  Löffel  werden  Steine  gefühlt.  Auch  nicht  im  Hepatikus,  der 
sich  glatt  sondieren  lässt.  Ein  T-Rohr,  beiderseits  2  cm  lang,  wird 
in  den  Gallengang  eingeführt  und  die  schwieligen  Wandreste  mit 
langgelassenen  Zwirnnähten  möglichst  dicht  um  dasselbe  zusammen¬ 
genäht.  Mit  der  Spritze  gelingt  es,  aus  dem  Hepatikusdrain  klare 
Galle  zu  aspirieren,  die  dann  weiter  spontan  nachfliesst.  Von  der 
gespaltenen  Gallenblase  werden  die  freien  Lappen  abgeklemmt  und 
abgetragen.  Die  Klemmflächen  sowohl  wie  der  Testierende  Wand¬ 
streifen  werden  gründlich  verschorft,  so  dass  das  ohnehin  schon 
spärliche  Epithel  sicher  vollständig  zerstört  ist. 

Beuteltamponade.  Schichtnaht  der  Bauchdecken  nach  oben  und 
unten  von  der  Drainage. 

Ungestörter  Heilverlauf.  Am  22.  X.  Entfernung  der  Chole- 
dochusdrainage;  seit  27.  X.  ist  der  Stuhl  gefärbt,  seit  30.  X.  ist  Pa¬ 
tientin  auf.  12.  XI.  Geheilt  entlassen. 

Es  hat  sich  also  hier  um  einen  jener  Fälle  gehandelt, 
welche  neuerdings  von  Riedel  beschrieben  worden  sind,  wo 
der  Ductus  cysticus  durch  die  Eiterung  um  die  Steine  in  seinem 
unteren  Teil  vollständig  zerstört  und  der  Choledochus  seitlich 
angefressen  war.  Die  Steine  lagen  teils  in  der  Gallenblase, 
teils  in  dem  Abszess,  teils  waren  sie  in  den  Choledochus  über¬ 
getreten.  Ein  Abgang  der  Steine  per  vias  naturales  war  hier 
vollständig  ausgeschlossen,  auch  wenn  sie  weniger  gross  ge¬ 
wesen  wären,  da  infolge  der  Zerstörung  der  Wand  die  vis 
a  tergo  fehlte. 

Fall  2.  Totale  eitrige  Zerstörung  der  Gallen¬ 
blase,  Choledochusstein;  abgekapselte  gallige 
Peritonitis  unter  der  Leber  und  im  kleinen  Becken. 

Der  2.  Fall  betrifft  eine  41  jährige  Frau,  aufgenommen  25.  IX.  12, 
die  ihren  ersten  Gallensteinanfall  vor  5 — 6  Jahren  durchmachte. 
Ende  Februar  dieses  Jahres  erkrankte  sie  wieder  und  war  14  Jahr 
lang  ikterisch.  Dann  war  sie  wieder  gesund,  bis  vor  10  Tagen  die¬ 
selben  Beschwerden  wiederkehrten,  in  den  ersten  Tagen  erträglich; 
dann  einige  Tage  später  plötzlich  nachts  ein  sehr  heftiger  Anfall,  in 
den  letzten  Tagen  Temperaturen  bis  40 u.  Stühle  völlig  entfärbt, 
starker  Ikterus,  Urin  stark  gallehaltig.  In  der  rechten  Oberbauch¬ 
gegend  sehr  grosser,  glatter,  druckempfindlicher  Tumor,  von  der  Leber 
nicht  abgrenzbar.  Nach  unten  davon  und  etwas  mehr  der  Mitte  zu, 
ein  kleinerer,  derber  Tumor,  der  für  die  Gallenblase  gehalten  wurde. 

Operationsprotokoll : 

26.  X.  12  Operation:  Veronal,  Skopomorphin-Aethernarkose. 

Schnitt  vom  Schwertfortsatz  bis  zum  Nabel.  Nach  Eröffnung  des 
Peritoneums  kommt  man  auf  das  Netz,  den  geblähten  Magen  und  die 
stark  geschwollene  Leber.  Nach  rechts  hin  bestehen  ausgedehnte 
Adhäsionen  zwischen  Leberrand,  hinaufgeschlagenem  Netz  und  vor¬ 
derer  Bauchwand.  Dieselben  werden  mit  dem  Finger  gelöst.  Plötz¬ 
lich  kommt  von  rechts  her  ein  grosser  Schwall  hellbraunen,  säuer¬ 
lich  riechenden  Eiters.  Er  wird,  so  gut  es  geht,  aufgetupft  und  sobald 
der  Zustrom  etwas  aufhört,  die  Bauchhöhle  nach  allen  Seiten  hin  ab¬ 
gestopft,  dann  werden  die  Adhäsionen  zwischen  Netz  und  Leberrand 
gegen  die  Mitte  zu  noch  weiter  getrennt.  Die  Unterfläche  des  Leber¬ 
randes  ist  ödematös  geschwollen,  in  der  Gegend,  wo  die  Gallenblase 
zu  finden  wäre,  befindet  sich  eine  derbe,  schwielige  Masse.  Ober¬ 
halb  des  stark  hinaufgezogenen  Duodenums  wird  vorsichtig  mit  dem 
Messer  inzidiert,  bis  man  plötzlich  in  einen  Hohlraum  hineinfällt,  der 
mit  schleimig  nekrotischen  Fetzen  gefüllt  ist.  Dies  ist  offenbar  die 
vereiterte  Gallenblase.  Aus  dem  Raum  führt  nach  hinten  und  rechts 
eine  breite  Kommunikation  in  den  Abszess,  die  Brücke  wird  durch¬ 
trennt.  Man  kann  nunmehr  deutlich  die  Reste  der  zerstörten  Gallen¬ 
blasenschleimhaut  erkennen.  Steine  sind  nirgends  zu  finden,  auch  in 
der  nach  hinten  liegenden  infiltrierten  Masse,  wo  der  Choledochus  ge¬ 
sucht  werden  muss,  nicht.  Da  keinerlei  Möglichkeit  eines  stumpfen 
Vorgehens  sich  bietet,  wird  das  schwielige  Gewebe  oberhalb  des 
Duodenums  mit  dem  Messer  quer  inzidiert,  und  es  gelingt  nun.  die 
mächtig  narbig  verdickte  Gallenblasenwand  nach  oben  abzuschieben, 
während  ein  Teil  unten  am  Duodenum  sitzen  bleibt.  Der  nun  frei- 

1 


226 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Belegte,  als  Choledochus  anzusprechende,  gleichfalls  schwielige 
Strang  wird  vorsichtshalber  mit  feiner  Spritze  punktiert,  wobei  sich 
etwas  schaumige,  gallige  Flüssigkeit  entleert.  Zwischen  Zügeln  wird 
durch  eine  2  mm  dicke  Schwiele  an  der  Punktionsstelle  eingeschnitten, 
diesmal  gelangt  man  in  ein  Lumen,  dessen  Schleimhaut  stark  granu¬ 
liert  erscheint.  Nach  einigen  Sondierungsversuchen  kommt  aus  dei 
Tiefe  klare  Galle,  es  gelingt  aber  weder  in  den  Hepatikus,  noch 
hinab  in  den  Darm  zu  kommen.  Es  wird  nach  abwärts  weiter  ge¬ 
schnitten  und  nunmehr  kommt  man  mit  der  Sonde  und  weiterhin 
mit  Zinnbougie  16—20  glatt  in  den  Darm  hinab,  während  sich  nirgends 
ein  Weg  in  die  Leber  findet.  Die  Galle  fiiesst  immer  dann,  wenn 
die  Bougie  aus  dem  Choledochus  gezogen  wird.  Es  muss  also  an- 
genommen  werden,  dass  der  inzidierte  Kanal  überhaupt  noch  nicht 
der  Choledochus,  sondern  der  mit  ihm  verwachsene  Zystikus  war. 
Auf  der  Bougie  wird  vorsichtig  weiter  abwärts  gespalten,  bis  man 
durch  X  cm  dicke  Schwielenmassen  richtig  in  den  Choledochus  ge¬ 
langt.  Dann  gelingt  es  mit  der  Sonde,  ebenfalls  um  eine  Ecke  herum, 
in  den  Hepatikus  zu  gelangen,  der  nun  auf  liegender  Sonde  gleich¬ 
falls  gespalten  wird.  Auch  nach  oben  gegen  die  Leber  zu,  sind 
keine  Steine  fühlbar.  Es  wird  ein  Rohr  mit  gespaltenem  Querstuck 
unschwer  eingeführt  und  darüber  der  Gallengang  mit  einigen  lang 
gelassenen  Zwirnnähten  dicht  geschlossen.  Die  Fetzen  schwieliger 
Gallenblase,  die  noch  hängen,  werden  vollends  abgetragen.  Die 
Duodenalwand  grenzt  in  grosser  Ausdehnung  an  den  Abszess  und 
erscheint  in  diesem  Bezirk  stark  mitgenommen.  Jetzt,  wo  sich  der 
Abszess  in  Ruhe  untersuchen  lässt,  stellt  sich  heraus,  dass  er  unter 
dem  rechten  Leberlappen,  bis  nach  hinten,  sich  erstreckt  hat.  Die 
ganze  Leberunterfläche  ist  gelblich  verfärbt.  Beuteltamponade  der 
Abszesshöhle.  Mit  Rücksicht  auf  die  Schädigung  des  Duodenums 
wird  eine  Gastroenterostomie  beabsichtigt;  beim  Versuch,  das  Netz 
zu  diesem  Zwecke  heraufzuholen,  erweist  es  sich  in  der  Höhe  des 
Beckeneingangs  adhärent  und  beim  Lösen  der  Adhäsionen  kommt 
plötzlich  ein  Schwall  des  gleichen  gallig  gefärbten  Eiters,  wie  er 
unter  der  Leber  gefunden  war.  Zahlreiche  Adhäsionen  im  kleinen 
Becken  werden  gelöst,  oberhalb  der  Symphyse  wird  ein  4  cm  langer 
Längsschlitz  angelegt  und  ein  Glasrohr  in  den  Douglas  hinabgeführt, 
aus  dem  sich  reichlich  Eiter  entleert.  Es  wird  mit  Kochsalzlösung 
durchgespült,  bis  sie  klar  abfliesst.  Das  Glasrohr  bleibt  liegen.  Ueber 
und  unter  der  Tamponade  Schichtnaht  der  Bauchdecken.  In  dem  am 
2.  Tag  post  Operationen;  entleerten  Stuhl  findet  sich  ein  fast  kirsch¬ 
grosser  Stein.  Der  Verlauf  war  in  Anbetracht  der  Schwere  der 
Veränderungen  ein  überraschend  glatter.  2,  XII.  geheilt  entlassen. 

liier  hat  es  sich  also  um  eine  totale  eitrige  Einschmelzung 
der  Gallenblase  gehandelt,  die  zunächst  zur  Infektion  des 
Peritoneums  führte.  Durch  Abkapselung  des  Prozesses  ist  es 
zur  Bildung  eines  grossen  Gallenabszesses  unterhalb  der 
Leber  gekommen  und  eines  zweiten,  der  das  kleine  Becken 
vollständig  ausfüllte.  Da  bei  der  Operation  kein  Stein  ge¬ 
funden  wurde,  musste  zunächst  angenommen  werden,  dass 
es  sich  um  einen  sogenannten  entzündlichen  Choledochus- 
verschluss  gehandelt  habe,  wie  er  gleichfalls  von  Riedel 
mehrfach  beschrieben  worden  ist  und  wie  ich  ihn  selbst  auch 
wiederholt  gesehen  habe.  Der  Druck  des  grossen  Abszesses 
auf  den  Gallengang,  dem  durch  seine  schwielige  Umgebung 
jede  Möglichkeit  des  Ausweichens  genommen  war,  konnte 
sehr  wohl  zu  einer  Aufhebung  der  Gallenpassage  führen.  Die 
Auffindung  des  Steines  im  ersten  Stuhlgang  erwies  diese  Er¬ 
klärung  als  irrig.  Wir  müssen  vielmehr  annehmen,  dass  der 
in  der  Papille  steckende  Stein  durch  die  Massagewirkung  der 
langdauernden  Manipulationen,  welche  zur  Lösung  der  Adhä¬ 
sionen  nötig  waren,  oder  auch  durch  den  ersten  Sondierungs¬ 
versuch  ins  Duodenum  hinabgedrückt  worden  ist. 

F  a  1 1  3.  Entzündlicher  Choledochusverschluss; 
beginnende  biliäre  Leberdegeneration. 

Die  29  jähr.  Frau,  die  schon  vor  2  Jahren  einen  Gallensteinanfall 
mit  Gelbsucht  durchgemacht  hat  und  in  der  Zwischenzeit  verschiedene 
Kuren  gebrauchte,  ist  seit  5  Wochen  schwer  gelbsüchtig.  Stühle  ent-  j 
färbt,  Urin  stark  gallehaltig,  etwas  Eiweiss.  Druckempfindlichkeit 
in  der  Gallengegend,  aber  kein  deutlicher  Tumor. 

Operationsprotokoll: 

24.  IX.  1912  Operation.  Veronal,  Skopomorphin,  Aethernarkose. 
Schnitt  zweifingerbreit  unter  dem  Schwertfortsatz  beginnend,  mit 
Exzision  des  Nabels.  Nach  Eröffnung  des  Peritoneums  stösst  man 
zunächst  auf  Kolon,  Netz  und  hochliegenden  Magen.  Die  unter  der 
stark  ikterischen  Leber  versteckte  Gallenblase  ist  zunächst  nicht 
sichtbar,  ln  ihr  lassen  sich  bei  mässiger  Spannung  zahlreiche  Steine 
durchtasten.  Bei  Abtastung  der  Gallengänge  und  des  Pankreaskopfes 
lassen  sich  zunächst  keine  Steine  durchfühlen.  Die  Bauchhöhle  wird 
nach  allen  Seiten  sorgfältig  abgestopft,  das  Foramen  Winslowii  tam¬ 
poniert  und  dann  die  breiten  Adhäsionen,  welche  sich  über  das  Duo¬ 
denum  hinweg  nach  der  Gallenblase  hinziehen,  teils  mit  dem 
Thermokauter  durchtrennt,  teils  mit  Stieltupfer  abgeschoben.  Die 
Stielgebilde  liegen  hoch  nach  hinten,  unter  der  Leber  fixiert, 
und  lassen  sich  nicht  vorzieheu,  daher  wird  der  Schnitt  rechts  von 
dem  Schwertfortsatz  bis  in  den  Rippenwinkel  hinaui  verlängert. 


Mit  Kropfsonde  und  Stieltupfern  wird  das  narbige  Gewebe  über 
dem  Choledochus  allmählich  entfernt.  Der  Gallenblasenhals  wird 
umgangen  und  auf  einen  Bindenzügel  genommen,  wodurch  die  Zu¬ 
gänglichkeit  noch  besser  wird.  Der  freigelegte  Choledochus  erscheint 
ziemlich  stark  erweitert.  Nach  rechts  und  hinten  vom  Choledochus 
sitzt  eine  mandelgrosse,  mit  der  Wand  fest  verwachsene  Drüse;  sie 
wird  in  Ruhe  gelassen.  Während  der  Manipulation  an  Gallenblase 
und  Choledochus  werden  beide  merklich  leerer.  Aus  dem  cröffneten 
Choledochus  entleert  sich  wenig  klare  Galle.  Mit  der  Sonde,  späte: 
mit  dem  schlanken  Löffel  und  Zinnbougie  No.  16  und  18  gelangt  man 
ganz  glatt  ins  Duodenum  ohne  einen  Stein  zu  fühlen.  Desgleichen 
lässt  sich  der  Hep.  frei  sondieren  nach  rechts  15,  nach  links  12  cm 
weit.  In  den  Hep.  kommt  ein  halbiertes  T-Rohr,  nach  oben  wird  die 
Hep  -Wunde  geschlossen.  Der  Zystikus  wird  abgeklemmt,  über  zwei 
doppelten  Katgutligaturen  durchtrennt  und  verschorft.  Die  Gallen¬ 
blase  wird  nach  aufwärts  mit  dem  Paquelin  abgelöst,  die  Zystika  mit 
Katgut  unterbunden.  Drainage  mit  mehrfachen  Jodoformgazestreifen,, 
nach  oben  und  unten  davon  Schichtnaht  der  Bauchdecken. 

Präparat;  Die  in  der  Wand  wesentlich  verdickte  Gallenblase  ent¬ 
hält  20,  beinahe  farblose.  Steine  mit  sehr  starker  Fazettierung.  DeF 
Wurmfortsatz,  von  der  Spitze  her  auf  1 X  cm  narbig  obliteriert,  zeigt1 
keine  frischen  Entzündungserscheinungen. 

Aus  dem  Verlauf  ist  hervorzuheben,  dass  in  den  ersten  Jager: 
nur  etwa  70 — 90  ccm  einer  schwarzbraunen,  dicken  Galle  aus  dei 
Drainage  entleert  wurden,  trotzdem  gar  keine  Galle  in  den  Dam; 
abfloss.  Ganz  allmählich  nur  besserte  sich  die  Gallensekretion,  so 
dass  etwa  am  10.  Tage  eine  24  ständige  Menge  von  250—260  g  eine; 
klaren,  hellbraunen  Galle  abgesondert  wurde.  Entsprechend  bildete, 
sich  auch  der  Ikterus  viel  langsamer  zurück,  als  wir  es  sonst  he 
der  Hepatikusdrainage  zu  sehen  gewohnt  sind.  Itn  übrigen  erfolgte 
die  Heilung  glatt.  Am  16.  X.  wurde  das  Gallendrain  entfernt,  von 
20.  X.  ab  sind  die  Stühle  gefärbt  und  am  31.  X.  ist  die  Gallensteinfiste; 
glatt  verheilt.  15.  XI.  geheilt  entlassen. 

Da  weder  bei  der  Operation  im  Ductus  choledochus,  nocl 
später  in  den  lange  Zeit  sorgfältig  untersuchten  Stuhlgänger 
ein  Stein  gefunden  wurde,  müssen  wir  hier  wohl  einen  ent 
zündlichen  Kompressionsverschluss  annehmen.  Die  mecha 
nischen  Bedingungen  für  einen  solchen  waren  wohl  gegeben 
von  vorne  her  drückte  die  prall  mit  Steinen  gefüllte  Gallen 
blase,  welche  von  der  geschwollenen  Leber  überlagert  war,  au 
den  Gang,  während  hinten  die  geschwollene,  fest  adhärent« 
Drüse  ein  Widerlager  bildete. 

Ausserdem  ist  der  Fall  von  Interesse,  als  ein  Beispiel  fii 
eine  beginnende  biliäre  Degeneration  der  Leber,  wi 
wir  sie  als  Folgeerscheinung  langdauernden  Choledochusver 
Schlusses  kennen.  Die  schwer  ikterische  Verfärbung  de 
Leber,  das  Darniederliegen  der  Gallensekretion  in  den  erste 
Tagen  nach  der  Operation,  und  das  auffallend  langsame  Ver 
schwinden  des  Ikterus  sind  die  charakteristischen  Zeiche 
dieser  Leberschädigung.  In  diesem  Falle  ist  es  noch  glück 
lieh  gelungen,  durch  Entlastung  der  Leber  die  Patientin  z 
retten.  Ist  der  Prozess  aber  weiter  fortgeschritten,  so  sehe 
wir  aus  dem  eröffneten  Gallengang  überhaupt  keine  Gail 
mehr  austreten,  sondern  es  fiiesst  gar  nichts  oder  nur  klar«. 
Schleim  und  die  Patienten  gehen  nach  Tagen  oder  Woche 
unter  Fortbestehen  bezw.  Zunahme  des  Ikterus  oder  auc 
an  cholämischer  Nachblutung  oder  Niereninsuffizienz  zugrund« 
Da  erfahrungsgemäss  zuweilen  schon  wenige  Wochen  zur  Ern 
Wicklung  dieser  traurigsten  Folge  der  Gallenstauung  genüge; 
und  da  wir  kein  Mittel  besitzen,  das  uns  mit  Sicherheit  vc 
der  Operation  über  den  Grad  der  Schädigung  des  Lebe; 
parenchyms  orientiert,  so  ergibt  sich  daraus  für  uns  die  ernst 
Mahnung,  mit  der  operativen  Beseitigung  des  Choledochu: 
Verschlusses  nicht  zu  lange  zu  warten;  denn  gegenüber  di 
vollentwickelten  biliären  Leberatrophie  vermag  auch  d 
glänzendste  chirurgische  Technik  nichts  mehr  zu  nütze 
Allerdings  hat  uns  die  Physiologie  in  den  letzten  Jahren  m 
einigen  Zeichen  der  Leberinsuffizienz  bekannt  gemacht,  d 
sich  relativ  einfach  klinisch  nachweisen  lassen,  und  um  derc 
Verwertung  in  der  chirurgischen  Praxis  sich  A  r  n  s  p  e  r  g  e 
besonders  verdient  gemacht  hat.  Es  handelt  sich  dabei  u 
Veränderungen  des  Blutes  und  des  Urins;  Her 
absetz  ung  der  Blutgerinnungsfähigkeit,  Poi 
k  i  1  o  z  y  t  o  s  e,  vermehrte  Ammoniakausscheidun 
im  Urin,  alimentäre  Lävulosurie  und  Urobilinuri 
So  sehr  ich  den  wissenschaftlichen  Wert  dieser  Symptome  ai 
erkenne  und  ihre  Bedeutung  als  diffentialdiagnostisches  Merl 
mal  zur  Unterscheidung  zwischen  mechanischem  und  funl 
tionellem  Ikterus  zu  würdigen  weiss,  auf  die  uns  hier  inte 
essierende  praktische  Frage,  wie  lange  wir  mit  der  Beseitigte 
eines  Choledochusverschlusses  warten  dürfen,  vermögen  s| 


Februar  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


ns  leider  keine  Antwort  zu  geben;  denn  ihr  Auftreten  im 
iefolge  eines  Choledochusverschlusses  sagt  uns  nur,  dass  der 
eletäre  Einfluss  der  Gallenstauung  schon  zu  einer  funktio- 
ellen  Insuffizienz  des  Leberparenchyms  geführt  hat,  dass  also 
itsächlich  mit  der  Operation  schon  länger  gezögert  worden 
;t,  als  zulässig.  Die  Frage,  ob  die  gestörte  Leberfunktion 
och  reparabel  ist,  bleibt  offen;  auf  sie  vermag  nur  der  post- 
perative  Verlauf  zu  antworten  und,  wenn  diese  Antwort  im 
inn  des  unerbittlichen  „zu  spät“  ausfällt,  so  ist  sie  für  den 
fausarzt,  wie  für  den  Chirurgen  gleich  deprimierend. 

Die  4.  Patientin,  über  die  ich  Ihnen  berichten  will,  ver- 
ient,  abgesehen  von  dem  wissenschaftlichen  Interesse,  schon 
ein  menschlich  unsere  Teilnahme  durch  ihre  lange  und 
chwere  Leidensgeschichte. 

Fall  4.  .Choledochussteine,  Rezidiv  nach  drei- 
i  a  I  i  g  e  r  Choledochotomie,  Narbenstenose  der  P  a  - 
llle;  Choledochotomie,  Duodenotomie,  Dilatation 
er  Papillenstenose,  Hepatikusdrainage,  Chole- 
ochoduodenaldrainage. 

Die  67jährige  Frau  ist  1898,  1900  und  1904  von  Burkhardt 
egen  Gallensteinen  operiert  worden.  Jedesmal  wurden  Steine  und 
röcklige  Massen  aus  dem  Choledochus  entfernt;  die  beiden  ersten 
lale  dieser  mit  Seide  genäht,  die  Gallenblase  (trainiert,  das  dritte 
lal  die  narbig  geschrumpfte  Gallenblase  exstirpiert  und  der  Chole- 
ochus  drainiert.  Schon  bald  nach  der  dritten  Operation  erkrankte 
ie  Frau  wieder  an  häufigen,  meist  kurzdauernden  Schmerzattacken 
on  mässiger  Intensität,  welche,  da  niemals  Ikterus  auftrat,  auf  einen 
rossen  Bauchbruch,  bezogen  bezw.  als  Adhäsionsbeschwerden  ge- 
eutet  wurden.  Am  Abend  des  23.  X.  wurde  ich  von  Herrn  San.-Rat 
^ eil  zugezogen,  da  seit  einigen  Tagen  Koliken  bestanden,  die 
ie  bisherigen  an  Schwere  weit  übertrafen.  Im  oberen  inneren 
Kinkel  der  Bruchpforte  fand  sich  ein  druckempfindlicher  Bezirk;  Tu- 
lor  nicht  zu  fühlen;  Urin  etwas  verdächtig  auf  Gallenfarbstoff,  soweit 
as  bei  Nacht  erkennbar;  Stuhlgang  gefärbt.  Bis  zu  der  am  nächsten 
lorgen  erfolgten  Aufnahme  ins  Ludwigsspital  hat  sich  die  Situation 
esentlich  geklärt  durch  einen  inzwischen  aufgetretenen  Ikterus;  im 
rin  Gallenfarbstoff,  sonst  nichts  Abnormes.  Demnach  musste  ein 
teinverschluss  des  Choledochus  angenommen  werden,  und  die  seit- 
erigen  vermeintlichen  Adhäsionsbeschwerden  als  rezidivierende 
iallensteinkoliken  aufgefasst  werden,  eine  Annahme,  welche  durch  die 
m  25.  X.  vorgenommene  Operation  bestätigt  wurde. 

Operationsprotokoll : 

25.  X.  12  Operation.  Veronal,  Skopomorphin,  Aethernarkose. 
chnitt  in  der  alten  Längsnarbe  führt  auf  enorme  Verwachsungen 
es  Kolon  mit  der  Bauchwand,  welche  präparierend  vorsichtig  mit 
ein  Messer  getrennt  werden.  Schiesslich  gelingt  es  zwischen  Leber¬ 
and  und  Rippenbogen  auf  die  freie  Leberfläche  zu  kommen  und  da- 
urcli  eine  Orientierung  zu  gewinnen.  Von  hier  aus  wird  zunächst 
ach  der  Mittellinie  in  die  Tiefe  gearbeitet  unter  teils  scharfer,  teils 
tumpfer  Lösung  der  Adhäsionen.  Dabei  entsteht  in  den  Narben  der 
.eberunterfläche  eine  Längsspalte,  die  offenbar  dem  alten  Gallen¬ 
lasenbett  entspricht.  In  ihrer  Richtung  wird  weiter  in  die  Tiefe 
orgedrungen,  bis  man  auf  ein  von  Narben  überzogenes  luftkissen- 
rtiges  Polster  kommt,  von  dem  sich  zunächst  nicht  entscheiden  lässt, 
as  es  ist;  Magen,  Duodenum,  Choledochus  kommen  in  Frage.  Ein 
Veiterarbeiten  erscheint  zu  gefährlich,  deswegen  wird  beschlossen, 
as  Kolon  abzulösen  und  das  Duodenum  weiter  unten  aufzusuchen, 
hirch  vorsichtige  Messerpräparation  kommt  man  weiter  nach  aussen 
eben  dem  Colon  ascendens  ins  freie  Peritoneum.  Von  hier  aus 
v'ird  nun  weiter  nach  rückwärts  und  gegen  die  Mitte  zu  gearbeitet, 
nd  hier  ist  das  Gewebe  so  locker,  dass  das  Vordringen  mittelst 
•tieltupfer  möglich  ist.  Weiter  nach  hinten  stösst  man  plötzlich  auf 
allig  gefärbtes  Oedem.  Schliesslich  kommt  man  in  dem  lockeren 
iewebe  plötzlich  in  einen  freien  Raum,  der  als  Foramen  Winslowii 
edeutet  wird.  Der  eingeführte  Finger  befindet  sich  nunmehr  hinter 
em  vorher  beschriebenen,  unklaren  Polster  und  fühlt  in  demselben 
eutliche  Pulsation  der  Art.  hepat.  und  mehrere  verschieden  grosse 
deine.  Zunächst  wird  die  vordere  narbige  Wand  vorsichtig  präpara- 
orisch  angeschnitten,  dann  ein  grosser  Stein  von  hinten  her  entgegen- 
edrängt  und  auf  diesem  die  2  mm  dicke,  derbe  Choledochuswand 
ollends  gespalten.  Es  entleert  sich  sofort  ein  grosser  Stein  und 
'ckerartige  weiche  Massen.  Nach  Aufhebung  der  bisherigen  He- 
atikuskompression  entleert  sich  ein  Schwall  trüber,  dunkelgrüner 
lalle  mit  zahlreichen  kleinen  Steinchen.  Mit  dem  Löffel  werden 
owohl  aus  dem  Choledochus  als  aus  dem  stark  erweiterten  Hepatikus 
'och  zahlreiche  grosse  und  kleine  Steinchen  entleert.  Die  Gänge 
md  so  erweitert,  dass  man  mit  dem  Zeigefinger  bis  hinab  ans  Duo- 
icnum  und  hinauf  in  die  Hepatikusäste  gelangen  kann.  Eine  Sonde 
gelangt  nicht  in  die  Papille.  Der  Hepatikus  wird  provisorisch  tam¬ 
poniert,  das  Duodenum  wird  über  der  Sonde  möglichst  weit  herauf- 
rezogen,  mit  2  Zügeln  gefasst  und  etwa  auf  2  cm  quer  inzidiert, 
loraut  sich  sofort  die  für  den  3  mm  dicken  Sondenkopf  unpassierbare 
apme  herausstülpen  lässt.  Die  Sonde  wird  durchgestossen  und 
,,  apillenrand  mit  2  Klammern  gesichert.  Es  wird  von  der  Chole- 
locnuswunde  aus  mit  Zinnbougies  bis  zu  Charr.  30  aufbougiert,  was 
Pielend  gelingt.  Mit  dem  Bougie  werden  noch  immer  kleine  Stein- 
-nen  heruntergeschoben.  Schliesslich  wird  noch  mit  einem  4  fachen 


Jodoformgazestreifen  ausgefegt,  der  aber  nichts  mehr  mitbringt. 
Durch  die  Choledochuswunde  wird  ein  8  mm  dicker  Schlauch  einge¬ 
führt,  welcher  etwa  3  cm  aus  der  Papille  herausragt.  Er  wird  durch 
eine  lang  gelassene  Zwirnnaht  im  unteren  Winkel  der  Choledochus¬ 
wunde  fixiert.  Die  Duodenalwunde  wird  mit  fortlaufender  Katgutnaht 
nach  vorgängiger  Jodierung  geschlossen  und  mit  Zwirn  und  Katgut 
fortlaufend  übernäht.  Losgelassen,  zieht  sich  die  Nahtstelle  so  hinter 
das  Kolon  hinab,  dass  eine  Berührung  mit  der  Tamponade  nicht  zu 
fürchten  ist.  ln  den  Hepatikus  hinauf  kommt  ein  15  mm  starker 
Schlauch.  Er  wird  mit  2  Zwirnnähten  im  oberen  Winkel  des  Chole¬ 
dochus  fixiert,  zwischen  den  beiden  Schläuchen  wird  der  Choledochus 
durch  Zwirnknopfnähte  (Knoten  einwärts,  Enden  lang)  geschlossen, 
darüber  fortlaufende  Katgutnaht.  Jodoformbeuteltamponade.  Nach 
abwärts  von  der  Drainage  wird  die  Bauchwunde  geschlossen.  Auf 
die  Beseitigung  der  Bauchhernie  muss  verzichtet  werden.  Von  den 
aus  dem  Choledochus  gesammelten,  im  ganzen  120  Konkrementen,  ist 
das  grösste  gut  haselnussgross.  Die  kleineren  und  kleinsten  Stücke 
sind  teils  schüppchenförmig,  teils  rauh  und  bröcklig  und  von  auf¬ 
fallend  weicher  Konsistenz,  so  dass  man  sich  des  Eindruckes  nicht 
erwehren  kann,  dass  sie  durch  Zertrümmerung  eines  grösseren  Steines 
entstanden  seien.  Der  Heilverlauf  war  ausserordentlich  günstig, 
reichliche  Gallensekretion,  rascher  Rückgang  des  Ikterus. 

4.  XI.  Entfernung  des  Drains.  6.  XI.  HKL-Spiilung  fördert 
noch  ein  hanfkorngrosses  Steintriimmerchen  zutage.  14.  XI.  Stühle 
gefärbt,  Gallensekretion  aus  der  Fistel.  Pat.  steht  auf.  20.  XI.  Aus 
der  Fistei  fliesst  keine  Galle  mehr.  10.  XII.  Geheilt. 

Meine  Herren!  Der  Fall  bietet  sehr  viel  des  Interessanten; 
zunächst  nach  der  diagnostischen  Seite  hin  die  Tatsache,  dass 
Choledochussteine  8 K  Jahre  vorhanden  sein  können,  ohne 
dass  Ikterus  auftritt.  Das  Vorkommnis  ist  übrigens  nicht  so 
selten  als  man  glauben  sollte,  berechnet  doch  Arnsperger 
für  die  Heidelberger  Fälle  von  Choledochussteinen  15  Proz., 
in  denen  Ikterus  vermisst  wurde.  In  unserem  Fall  ist  die 
mechanische  Deutung  für  das  Ausbleiben  der  Gelbsucht,  wie 
ich  glaube,  aus  dem  anatomischen  Befunde  unschwer  abzu¬ 
leiten.  Der  Choledochus  war  durch  die  Steinmassen,  die  er 
früher  beherbergt  hatte,  zu  einem  grossen  Sack  ausgeweitet, 
so  konnte  die  Galle  an  den  Steinen  vorbeifliessen  und  es  fehlte 
die  vis  a  tergo,  welche  notwendig  gewesen  wäre,  einen  Stein 
in  die  Papille  hinabzudrücken;  das  ist  um  so  leichter  ver¬ 
ständlich,  wenn  wir  bedenken,  dass  die  narbig  verengerte 
Mündung  nicht,  wie  es  gewöhnlich  der  Fall  ist,  eine  trichter¬ 
förmige  Fortsetzung  des  Ganges  bildete,  sondern  einfach  ein 
kleines  seitliches  Loch  in  der  Wand  des  grossen  Sackes  dar¬ 
stellte.  Erst  bei  der  letzten  Attacke,  die  offenbar,  wie  das 
gallige  Oedem  der  Umgebung  beweist,  mit  stärkeren  Ent¬ 
zündungserscheinungen  einherging,  kam  es  auf  Grund  dieser 
letzteren  zum  Verschluss  der  Papille.  Nicht  minder  interessant 
erscheint  die  hartnäckige  Neigung  zu  Rezidiven.  Bekanntlich 
sind  die  meisten  Gallensteinrezidive  sogen,  falsche  Rezidive, 
d.  h.  es  bleiben  bei  der  Operation  übersehene  Steine  oder 
Steintrümmer  zurück,  die  den  Kern  für  weiteres  Wachstum 
abgeben.  Die  gleiche  Rolle  können  auch  Fremdkörper  spielen, 
die  bei  der  Operation  in  den  Choledochus  hineingelangen,  und 
in  dieser  Richtung  ist  es  vielleicht  nicht  ohne  Bedeutung,  dass 
bei  den  ersten  beiden  Operationen  nach  der  Ausräumung  der 
Gallengang  sofort  durch  Seidenknopfnähte  geschlossen  wurde. 
Solche  unresorbierbare  Fadenschlingen  stossen  sich  in  das 
Lumen  ab  und  können  den  Kern  bilden  zu  neuen  Steinen.  Bei 
der  3.  Operation  wurde  mit  Katgut  genäht  und  der  Gang  drai¬ 
niert,  trotzdem  ist  das  Rezidiv  eingetreten,  und  doch  glaube 
ich,  dass  es  sich  auch  dieses  Mal  um  ein  falsches  Rezidiv 
handelte.  Zur  Begründung  dieser  Auffassung  sei  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  in  den  früheren  Operationsprotokollen  schon 
erwähnt  ist,  dass  weiche,  bröcklige  Massen  im  Gallengang 
gefunden  wurden.  Grössere  und  harte  Steine  können  wir  bei 
sorgfältigem  Absuchen  mit  Sonde  und  Löffel  relativ  sicher 
vollzählig  entfernen.  Ganz  anders  aber  liegen  die  Verhält¬ 
nisse,  wenn  die  Gallengänge  ausgestopft  sind  mit  bröckligen, 
mörtelartigen  Massen,  die  sich  infolge  ihrer  Weichheit  dem 
palpatorischen  Nachweise  entziehen,  und  beim  Anstossen  mit 
dem  Instrument  keinen  Klang  geben.  Von  den  Schwierig¬ 
keiten,  die  es  macht,  einen  mit  derartigem  Inhalt  vollgestopften 
Choledochus  gründlich  auszureinigen,  kann  sich  nur  der  einen 
Begriff  machen,  der  es  mit  Erlebt  hat.  Nur  zu  leicht  bleiben 
kleine  Partikel  in  den  erweiterten  Lebergängen  oder  in  dem 
supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  zurück;  manche  kom¬ 
men  imVerlauf  der  Nachbehandlung  noch  durch  das  Drain  oder 
neben  demselben  heraus,  andere  werden  gewiss  auch  per  vias 
naturales  noch  später  nicht  selten  ausgeschwemmt;  ist  aber 

I* 


228 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  £ 


der  Gang  mächtig  dilatiert,  und  die  Papille  narbig  verengt,  wie 
in  unserem  Fall,  so  bleiben  sie  eben  wo  sie  sind,  und  das 
Rezidiv  ist  fertig. 

Damit  komme  ich  auf  die  dritte  interessante  Seite  unseres 
Falles,  auf  die  Technik.  Ich  sehe  dabei  vollständig  ab  von  den 
kolossalen  Schwierigkeiten,  die  es  verursachte,  in  dem  schwie¬ 
ligen  Narbengewebe  durch  subtile  Messerpräparation  und 
schliesslich  nach  Sicherung  des  Duodenums  fern  vom  eigent¬ 
lichen  Krankheitsherd,  quasi  auf  Umwegen,  von  hinten  her 
an  den  Choledochus  heranzukommen.  Das  war  eine  pikante 
Beigabe,  aber  nicht  von  prinzipieller  Bedeutung.  Prinzipiell 
wichtig  sind  die  Massnahmen,  die  wir  treffen,  um  dem 
Patienten  auch  bei  derartig  ungünstig  gelagerten  Verhältnissen 
eine  Dauerheilung  zu  gewährleisten.  Mit  der  schematischen 
Ausführung  lehrbuchmässiger  Operationen  ist  hier  nichts  zu 
machen,  sie  mögen  heissen  wie  sie  wollen.  Die  Aufgabe  einer 
rationellen  Technik  ist  vielmehr  erstens  die  systematische 
Absuchung  und  Ausreinigung  der  gesamten  zugänglichen 
Gallenwege;  zweitens  die  Sorge  für  freie  Passage,  nicht  nur 
für  die  Galle,  sondern  auch  für  etwaige,  unserer  Suche  ent¬ 
gangene  kleine  Konkremente.  Mit  biegsamen  Löffeln,  event. 
unter  Zuhilfenahme  äusseren  Fingerdrucks,  werden  alle  er¬ 
reichbaren  Steine  herausgeholt,  kleinere  Partikel  werden  aus 
den  erweiterten  Lebergängen  durch  den  kräftigen  Strom  der 
vorher  gestauten  Galle  häufig  spontan  nachgeschwemmt.  Sind 
die  Konkrementmassen  sehr  weich  und  schmierig,  so  kann 
man  durch  Spülung  oder  Auswischen  mit  abgepassten 
schmalen  Bindenstreifen  nachhelfen,  was  bei  den  oft  finger¬ 
dick  erweiterten  Lebergängen  unschwer  gelingt.  Viel  mehr 
Arheit  verursacht  bei  zahlreichen,  namentlich  weichen  Steinen 
in  der  Regel  die  Ausräumung  des  absteigenden'  Choledochus- 
teiles.  Glaubt  man  mit  ihr  zu  Ende  zu  sein,  so  muss  die 
Durchgängigkeit  der  Papille  mit  dicker  Sonde  geprüft  werden. 
Ich  begnüge  mich  in  schweren  Fällen  nicht  mehr  mit  der  ein¬ 
fachen  Sondierung,  sondern  füge  die  methodische  Dilata¬ 
tion  der  Papille  hinzu,  welche  sich  mit  den  bekannten  Ure- 
thralbougies  aus  Zinn  überraschend  einfach  zu  gestalten  pflegt. 
Wie  Sie  aus  dem  Operationsprotokoll  entnommen  haben,  fand 
zunächst  die  Sonde  an  der  Papille  einen  unüberwindlichen 
Widerstand.  Das  Durchstossen  riskierte  ich  nicht,  aus  Furcht, 
einen  falschen  Weg  zu  machen.  Es  wurde  vielmehr  durch 
quere  Spaltung  des  Duodenums  die  Papille  direkt  zugänglich 
gemacht  und  dabei  eine  enge  Narbenstenose  konstatiert,  in 
welcher  der  Sondenknopf  steckt.  Nunmehr  liess  sich  die  Enge 
gefahrlos  forcieren  und  die  weitere  Bougierung  gelang  leicht. 
Dabei  konnte  ich  beobachten,  dass  die  dickeren  Bougies  noch 
mehrfache  kleine  Steinchen  mit  in  den  Darm  herunterbrachten. 
Schliesslich  wurde  noch  nach  dem  Vorgang  von  Kehr  der 
Choledochus  mit  vierfach  zusammengelegtem  Jodoformgaze¬ 
streifen  ausgefegt,  dabei  aber  keine  Steintrümmer  mehr  ge¬ 
funden.  Dieses  von  Kocher  als  Choledochoduodenotomia 
interna  bezeichnete  Verfahren  ist  natürlich  auch  dann  indiziert, 
wenn  ein  Stein  in  der  Papille  steckt,  welcher  sich  nicht  in  den 
Darm  durchdrücken  oder  nach  oben  schieben  lässt. 

Zur  Drainage  des  Gallenganges  sind  heute  ganz  all¬ 
gemein  die  Kehr  sehen  T-Rohre  im  Gebrauch,  welche  die 
grosse  Annehmlichkeit  besitzen,  dass  man  nach  einigen  Tagen 
den  nach  aussen  führenden  Schenkel  abklemmen  und  so  die 
Galle  wieder  dem  Duodenum  zuleiten,  also  die  Unannehmlich¬ 
keiten  des  totalen  Gallenverlustes  vermeiden  kann.  Selbst¬ 
verständlich  müssen  sie  dicht  in  den  Gallengang  einge¬ 
näht  werden. 

Behufs  Vermeidung  der  Steinbildung  um 
zurückgelassene  Nahtschlingen  bediene  ich 
mich  seit  10  Jahren  eines  Verfahrens,  das  sich  mir  aus¬ 
nahmslos  bewährt  hat.  Der  Gallengang  wird  durch 
Zwirnknopfnähte  geschlossen,  deren  Knoten  ins  Lumen 
gelegt  werden,  und  deren  eines  Ende  lang  gelassen 
und  mit  dem  Drain  zusammen  zur  Wunde  herausgeleitet  wird, 
so  dass  man  die  Fäden,  wenn  sie  nach  innen  durchgeschnitten 
haben,  was  gewöhnlich  in  10 — 14  Tagen  der  Fall  ist,  ohne 
Schwierigkeit  herausziehen  kann.  Die  Fäden  werden  durch 
ein  besonderes  Drain  herausgeleitet,  da  ich  es  einmal  gesehen 
habe,  dass  ein  solcher  Faden,  der  sich  etwas  angespannt  hatte, 
eine  Druckmarke  in  der  Seromuskularis  des  Magens  erzeugt 
hatte,  die  glücklicherweise  noch  rechtzeitig  entdeckt  wurde. 


In  komplizierten  Fällen,  wie  unsere  Beobachtung  4,  wo  ma 
mit  der  Möglichkeit  rechnen  muss,  dass  trotz  aller  Sorgial 
noch  kleine  Steine  in  den  Hepatikuszweigen  versteckt  gebliebe 
sein  können,  bietet  mir  die  T-Rohrdrainage  nicht  genügend 
Sicherheit,  weil  die  Chance,  dass  die  etwa  nachrückende 
Steinchen  den  Weg  durch  das  enge,  seitlich  abgehende  T 
Stück  wählen,  relativ  gering  ist..  Prinzipiell  müssen  wir  abe 
jede  unsichere  Chance,  die  sich  vermeiden  lässt,  auch  ver 
meiden.  Unter  solchen  Umständen  ziehe  ich  es  vor,  einen  ge 
wohnlichen  Schlauch  von  solcher  Dicke  einzulegen,  dass  e 
das  Lumen  des  Choledochus  bzw.  Hepatikus  vollständig  aus 
füllt.  Der  in  unserem  letzten  Fall  benützte  war  gut  fingerdick 
Ein  derartig  dicker  Schlauch  leitet  kleine  Konkremente  mi 
Sicherheit  nach  aussen.  Schneidet  man  ihn  vor  der  Wund 
kurz  ab,  so  kann  man  bequem  einen  dünnen  Nelatonkathete 
hoch  in  die  Lebergänge  hinaufführen  und  mit  Kochsalzlösun 
ausspülen.  Durch  Einfügen  eines  kurzen  Glasrohres  wir 
nachher  die  Verbindung  mit  dem  als  Heber  wirkenden  lange 
Schlauch  wieder  hergestellt.  Selbstverständlich  darf  durc 
das  Vertrauen  auf  die  breite  Drainage  die  Gründlichkeit  de 
Ausräumung  bei  der  Operation  nicht  notleiden;  aber  trotzdei 
ich  es  in  dieser  Richtung  gewiss  an  nichts  fehlen  liess,  wurd 
in  unserem  letzten  Fall  am  12.  Tage  p.  op.  noch  ein  hanfkorn 
grosses  Steintriimmerchen  durch  H202-Spülung  entfern 

Schliesslich  hat  mir  unser  Fall  4  noch  Gelegenheit  geböte! 
zur  Ausführung  einer  technischen  Modifikation,  die  ich  noc 
nirgends  beschrieben  gefunden  habe,  und  die  ich  mit  der 
Namen  Choledochoduodenaldrainage  bezeichne 
möchte.  j'. 

Der  durch  den  Choledochus  etwa  3—4  cm  weit  ins  Duc 
denum  hinabgeführte  7—8  mm  starke  Schlauch,  der  im  untere 
Winkel  der  Gallengangsinzisionen  wasserdicht  eingenäl 
wurde,  hat  uns  im  Verlauf  der  Nachbehandlung  nach  den  vei 
schiedensten  Richtungen  hin  wertvolle  Dienste  geleistet.  Zi 
nächst  sollte  er  dazu  dienen  als  elastische  Dauer 
b  o  u  g  i  e  den  bei  der  Operation  erreichten  Dilatationseffel 
zu  erhalten.  Dass  dieser  Zweck  erreicht  worden  is 
dürfte  daraus  hervorgehen,  dass  nach  der  Entfernun 
der  Drainagen,  trotz  der  grossen  seitlichen  Oeffnung  ii 
Choledochus,  der  Gallenabfluss  nach  dem  Darm  sich  rase 
hergestellt  hat.  Zweitens  wirkt  der  Schlauch  im  Sinn  eine 
prophylaktischen  Enterostomie  zur  Ent 
lastung  desDarms  in  den  ersten  beiden  Tagen  nach  de 
Operation  bis  zur  Wiederherstellung  der  normalen  Harn 
funktion.  Es  entleerten  sich  in  den  ersten  beiden  Tage 
ca.  100—150  ccm  klarer,  saurer  Magendarmsaft  in  24  Stunde: 
Nach  Abgang  des  ersten  Stuhles  wurde  der  Schlauch  al 
geklemmt. 

Drittens  erlaubt  die  Methode  die  Einführung  v  o 
Medikamenten  und  Nahrungsmitteln  ohn 
Belästigung  des  Magens.  Die  im  Gefolge  der  Op< 
ration  und  speziell  der  Tamponade  sich  entwickelnde  entzüni 
liehe  Reizung  der  Duodenalwand  bedingt  sehr  leicht  duro 
lokale  Paralyse  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprocher 
Passagebehinderung,  und  wer  es  gesehen  hat,  wie  enorm  nac 
schweren  Choledochusoperationen  zuweilen  die  Ernährur 
durch  den  Widerwillen  der  Patienten  und  durch  die  stark 
Brechneigung  erschwert  wird,  der  wird  den  Wert  einer  JVk 
thode  zu  schätzen  wissen,  die  ihm  erlaubt,  diesen  meist  sei 
elenden  Patienten  die  so  notwendige  Nahrung  und  etwai; 
Arzneimittel  unter  Umgehung  des  rebellischen  Magens  bt 
bringen  zu  können.  Wir  haben  Kaffee,  Ihee,  Kognak,  Milc 
Eier  und  von  Medikamenten  Bitterwasser,  Karlsbader  Sal 
Rizinusöl  eingespritzt  und  waren  an  der  ungehinderten  Zufuh 
möglichkeit  um  so  froher,  als  die  heftigen  Analschmerzen  i 
folge  einer  kleinen  Fissur  nach  wenigen  Tagen  die  Anwender 
von  Klysmen  unmöglich  machten  und  die  sehr  empfindlicl 
Patientin  sich  vor  Infusionen  entsetzlich  fürchtete.  Gleic 
zeitig  wurde  auch  noch  die  günstige  Gelegenheit  ausgenüb 
dem  Körper  die  für  die  Verdauung  wertvolle 
Sekrete  zu  erhalten,  indem  die  jeweils  einzufiihrendt 
Nahrungsmittel  mit  der  in  der  Zwischenzeit  angesammelt' 
Menge  von  Galle  bezw.  Duodenalsaft  vermischt,  eingesprit 
wurden.  Die  Methode  ist  in  ihrer  Anwendung  so  einfach  m 
in  ihren  Wirkungen  so  segensreich,  dass  ich  nicht  anstel 
schon  auf  Grund  meiner  Erfahrungen  an  diesem  einen  Fall,  s 


Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


229 


eii  Spezialkollegen  zur  Nachprüfung  in  geeigneten  Fällen  zu 

mpfehlen '). 

Meine  Herren!  In  aller  Kürze  möchte  ich  Ihnen  noch  über 
inen  Fall  berichten,  der  einen  ganz  exzeptionellen  Operations- 

efund  darbot. 

Fall  5.  Chronische  Cholezystitis  calculosa; 
itermittierender  Choledochusverschluss,  Chole- 
ochuspfortaderfistel;  Heilung  durch  Cholezyst- 
ktomie,  Choledochotomie  und  Naht  der  Pfort- 
derperforation. 

Der  Patient,  ein  52  jähriger  Offizier,  litt  seit  1905  an  häufig 
iederkehrenden  Gallensteinkoliken  teils  mit,  teils  ohne  Ikterus,  häufig 
it  Fieber  verbunden.  Zu  der  von  Herrn  Prof.  v.  Romberg  schon 
nger  vorgeschlagenen  Operation  hatte  er  sich  seither  nicht  ent- 
Jiliessen  können.  Im  Sommerurlaub  erfolgte  nun  ein  ganz  be- 
inders  schwerer  Anfall  mit  hohem  Fieber  und  Ikterus.  Nachdem 
eser  soweit  abgeklungen  war,  dass  der  behandelnde  Arzt  Reise- 
laubnis  erteilte,  kehrte  Pat.  hierher  zurück,  konnte  sich  aber  nicht 
:cht  erholen.  Mässige  Schmerzen,  rasch  vorübergehende  Tem- 
,’ratursteigerungen  blieben  bestehen,  bei  elendem  Allgemeinbefinden 
id  beängstigend  hoher  Pulsfrequenz.  Ich  fand  einen  sehr  elend 
issehenden  Herrn,  mit  fahler  Gesichtsfarbe,  ohne  eigentlichen  Ikterus, 
it  einer  Pulsfrequenz  von  140 — 160,  bei  Temperaturen  von  36,9  bis 
1,6°;  deutliche  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend; 
.-in  Tumor  fühlbar,  Urin  frei  von  Fiweiss  und  Gallenfarbstoff;  Stühle 
efärbt.  Der  nach  der  Anamnese  offenbar  vorhanden  gewesene 
holedochusverschluss  war  spontan  rückgängig  geworden.  Anamnese 
id  derzeitiger  Untersuchungsbefund  erlaubten  die  Diagnose  einer 
holelithiasis  mit  chronischer  Cholezystitis  und 
ekundärer  schwerer  Herzschädigung  auf  toxischer 
rundlage,  wie  sie  leider  auch  heute  noch  gar  nicht  selten  zur  Be- 
jachtung  kommt  in  Fällen,  wo  trotz  eklatanter  Erfolglosigkeit  in- 
rner  Kuren  und  trotz  immer  wiederkehrender  Anfälle  der  Entschluss 
ir  rettenden  Operation  nicht  gefunden  werden  kann.  Die  Operation 
jstätigte  die  Diagnose,  aber  sie  ergab  noch  einen  anderen  Befund, 
;n  wir  nicht  vermuten  konnten. 

Operationsprotokoll : 

Operation  11.  IX.  12.  Veronal,  Atropin-Morphium-Aethernarkose. 
;hnitt  vom  Schwertfortsatz  bis  zum  Nabel,  Exzision'  des  Nabels, 
der  stark  gefüllten,  in  der  Wandung  mässig  verdickten  Gallenblase, 
hlt  man  kleine  Steine.  Die  Leber  ist  ziemlich  stark  geschwollen, 
ier  nicht  ikterisch.  Die  Adhäsionen  des  Netzes  mit  der  Gallenblase 
erden  nach  vorheriger  Abklemmung  durchtrennt.  Exstirpation  des 
urmfortsatzes.  Gegen  den  Gallenblasenstiel  zu  ist  das  Gewebe 
idzündlich-fettig  infiltriert,  so  dass  zunächst  Details  nicht  zu  er- 
nnen  sind.  Das  Foramen  Winslowii  wird  tamponiert,  ebenso  die 
>rige  Bauchhöhle  mit  Tüchern  abgeschlossen.  Das  Gewebe  über 
m  Gallenblasenstiel  wird  mit  der  Kropfsonde  getrennt  und  die 
allengänge  freigelegt.  Der  Choledochus  erscheint  bleistiftdick,  der 
v’stikus  etwa  rabenkieldick,  beide  sind  ziemlich  prall  gespannt, 
inter  dem  Choledochus  findet  sich  eine  Drüse  von  Feuerbohnen- 
nsse,  deren  Exstirpation  ziemliche  Schwierigkeiten  macht.  Der 
stikus  wird  dicht  unterhalb  der  Blase  sorgfältig  isoliert,  mit  Zwirn 
iterbunden  und  auf  einen  Bindenzügel  genommen.  Der  Choledochus 
ird  an  2  Zügel  genommen,  dazwischen  eine  3  mm  lange  Inzision 
macht,  aus  der  sich  erst  Galle  und  weiterhin  reines  dunkles 
1  u  t  entleert.  Um  die  Quelle  der  Blutung  zu  finden,  wird  die 
zision  noch  etwas  hinauf  in  die  Hepatikuswand  und  nach  abwärts 
rlängert  und  man  konstatiert,  dass  aus  dem  Hepatikus  reine  Galle 
esst,  während  von  unten  her  Blut  kommt.  Der  Hepatikus  wird 
mponiert,  der  Choledochus  unterhalb  der  Inzision  durch  Stieltupfer 
)mprimiert.  Nunmehr  findet  man  an  der  Hinterwand  eine  hanf- 
»rngrosse,  ovale  Oeffnung  mit  scharfem,  narbigem  Epithelsaum,  aus 
■r  Blut  hervordringt,  sobald  man  mit  der  Kompression  unterhalb 
ichlässt.  Offenbar  handelt  es  sich  um  eine  vernarbte  Per- 
'ration  zwischen  Choledochus  und  Pfortader. 

-i  ein  Abpräparieren  des  Choledochus  bei  der  schlechten  Wandbe- 
haffenheit  ausgeschlossen  erscheint,  wird  die  Oeffnung  durch  feine, 
rilaufende  Katgutnaht  verschlossen,  worauf  die  Blutung  steht, 
mmehr  wird  der  Choledochus  sondiert,  die  Sonde  gelangt  glatt  in 
n  Darm,  ohne  einen  Stein  zu  finden.  Eine  Untersuchung  mit  dem 
iffel  kann  mit  Rücksicht  auf  die  Venennaht  nicht  riskiert  werden, 
den  Hepatikus  wird  ein  5  mm  starker  Gummischlauch  eingeführt 
'd  durch  eine  langgelassene  Zwirnnaht  fixiert.  Unterhalb  desselben 
ird  der  Choledochus  mit  einem  schmalen  Jodoformgazestreifen  fam¬ 
uliert  und  damit  auch  die  Naht  bedeckt.  Der  Zystikus  wird  etwa 
uim  von  seiner  Mündung  mit  Katgut  unterbunden,  durchtrennt  und 
e  Gallenblase  innerhalb  des  massigen,  narbigen  Bindegewebes  ihres 
-ttes  ohne  Blutung  exstirpiert.  Jodoformgazebeuteltamponade; 
ich  oben  davon  Schichtnaht  der  Bauchdecken.  Präparat:  In  der 
alienblase  findet  sich  ein  kirschkerngrosser  Schlussstein  und  13 
eine  schüppchenförmige  Konkremente. 

Der  postoperative  Verlauf  war  trotz  des  elenden  Allgemein- 
standes  und  der  schlechten  Herztätigkeit  ein  überraschend  glatter. 
lC  Galle  floss  von  Anfang  an  klar  und  reichlich,  Allgemeinbefinden 

')  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Einige  inzwischen  ausgeführte 
loledochoduodenaldrainagen  ohne  vorherige  Dnodenotomie  haben 
eine  Erwartungen  gerechtfertigt. 


und  Aussehen  hoben  sich  rasch  und  auch  die  Herztätigkeit  wurde 
langsam  besser  unter  abwechselndem  Digitalis-  und  Strophantusge- 
brauch.  Die  Tamponade  liess  ich  in  diesem  Falle  3  Wochen  und  den 
Jodoformgazestreifen  im  Choledochus  und  die  üallendrainage  sogar 
volle  4  Wochen  liegen,  um  die  solide  Heilung  der  genähten  Pfortader¬ 
wunde  nicht  zu  stören.  Nach  Entfernung  des  Hepatikusdrains  ver¬ 
siegte  die  Gallensekretion  aus  der  Wunde  in  kurzer  Zeit  und  am 
6.  XI.  wurde  der  Patient  mit  vollständig  vernarbter  Wunde  aus  dem 
Krankenhaus  entlassen. 

Das  subjektive  Befinden  ist  sehr  gut  und  auch  iin  Herum¬ 
gehen  zeigen  sich  keine  Beschwerden  von  seiten  des  Herzens, 
dagegen  ergibt  die  objektive  Kontrolle  immer  noch  stark  er¬ 
höhte  Pulsfrequenz,  welche  aber  exakt  nur  durch  Auskultation 
des  Herzens  festgestellt  werden  kann,  da  zahlreiche  Puls¬ 
wellen  die  Peripherie  nicht  erreichen.  Auf  Grund  der  bis¬ 
herigen  Besserung  und  gestützt  auf  günstige  Erfahrungen  in 
anderen  Fällen  glaube  ich  zu  der  Hoffnung  berechtigt  zu  sein, 
dass  jetzt,  nach  Entfernung  der  Causa  morbi  im  Laufe  der  Zeit 
auch  noch  eine  weitere  Erholung  des  Herzens  stattfinden  wird. 

Eine  Perforation  des  Ductus  choledochus 
in  die  Pfortader  ist  meines  Wissens  am  Lebenden  noch 
nie  beobachtet  worden;  auf  dem  Sektionstisch  wurde  das 
Vorkommnis  einige  Male  konstatiert  (Courvoisier  er¬ 
wähnt  4  derartige  Sektionsbefunde). 

Eine  Reihe  von  interessanten  Fragen,  die  sich  an  den  er¬ 
hobenen  Befund  knüpfen,  lassen  sich  leider  nur  unvollkommen, 
bezw.  gar  nicht  beantworten,  so  vor  allem  nicht  die  Haupt¬ 
frage  nach  der  Rolle,  die  die  gefundene  Perforation  in  dem 
klinischen  Bilde  gespielt  hat.  Die  Erscheinungen, 
welche  der  Patient  darbot,  finden  sich  samt  und  sonders  auch 
in  anderen  Fällen  von  verschleppter  Gallensteinkrankheit,  bei 
denen  eine  solche  Perforation  nicht  besteht.  Der  zeitweilig 
beobachtete  Ikterus  trat  offenbar  nur  auf,  wenn  ein  Chole¬ 
dochusverschluss  bestand;  in  der  übrigen  Zeit  fehlte  er  und 
dies  ist  auch  gar  nicht  zu  verwundern,  denn  die  in  das  Pfort¬ 
aderblut  direkt  übertretende  Galle  wird  ja  zunächst  wieder  in 
die  Leberzellen  geführt  und  dort  aus  dem  Blute  ausgeschieden, 
so  dass  sie  nicht  in  den  allgemeinen  Kreislauf  gelangt.  Ob  es 
nur  zu  einem  ulzerösen  Durchbruch  nach  vorheriger  Ver- 
lötung  der  Wand  gekommen  ist,  oder  ob  auch  ein  kleiner  Stein 
in  die  Pfortader  übergetreten  ist  und  sich  in  irgend  einem 
kleinen  Zweige  abgekapselt  hat,  können  wir  nicht  entscheiden; 
die  Möglichkeit  muss  zugegeben  werden.  Ebenso  fehlt  uns 
jeder  Anhaltspunkt  dafür,  ob  zeitweilig  Blut  aus  der 
Pfortader  in  den  Gallengang  übergetreten 
ist,  da  niemals  der  Stuhl  auf  Blut  untersucht  wurde.  Sehr 
wahrscheinlich  ist  es  übrigens  nicht,  da  der  Druck  im  Gallen¬ 
gang  erheblich  grösser  ist,  als  in  der  Pfortader,  wovon  wir  uns 
auch  bei  der  Operation  direkt  überzeugen  konnten,  da  zuerst 
nur  klare  Galle  unter  ziemlichem  Druck  abfloss,  und  erst  nach 
Aufhebung  des  letzteren  das  Blut  aus  der  Fistel  nachströmte. 
Interessant  ist  auch,  dass  ein  solcher  Durchbruch  in  die  Pfort¬ 
ader  stattfinden  kann,  ohne  dass  es  in  letzterer  zur  Throm¬ 
bose  kommt;  ob  dabei  die  gerinnungshemmende  Wirkung 
der  Galle  eine  Rolle  spielt,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Wenn  auch  viele  Fragen  unbeantwortet  bleiben  müssen,  so 
beweist  unser  Fall  doch  jedenfalls  das  eine,  dass  eine 
Choledochuspfortaderfistel  längere  Zeit  mit 
dem  Fortbestand  des  Lebens  vereinbar  ist, 
denn,  da  die  Perforationsöffnung  vollständig  glatt  vernarbte, 
entzündungsfreie  Ränder  besass,  muss  sie  längere  Zeit  be¬ 
standen  haben.  In  Bezug  auf  die  Technik,  lehrt  unser  Fall, 
dass  es  mit  relativ  einfachen  Mitteln  gelingt, 
eine  solche  Choledochuspfortaderfistel  zur 
Heilung  zu  bringen. 

Meine  Herren!  Ich  bin  am  Schluss.  Solch  komplizierte 
und  technisch  schwierige  Fälle,  wie  ich  sie  Ihnen  heute  ge¬ 
schildert  habe,  bieten  für  den  Chirurgen,  der  das  Messer  mit 
Lust  und  Liebe  führt,  einen  ganz  besonderen  Reiz,  schon  rein 
als  technische  Probleme,  und  wenn  es  gelingt,  solche  sonst 
sicher  verlorene  Menschen  durch  die  Operation  zu  retten,  so 
ist  dies  gewiss  eine  Quelle  grosser  und  berechtigter  Be¬ 
friedigung.  Trotzdem  schliesse  ich  meine  Ausführung  im 
Interesse  der  leidenden  Menschheit  mit  der  Bitte:  Nehmen  Sie 
doch  ja  in  ihrer  Praxis  keine  Rücksicht  auf  solche,  ich  möchte 
sagen,  sportliche  Neigungen  der  Männer  vom  Messer  und 
lassen  Sie  es  bei  ihren  Gallensteinpatienten  nicht  zur  Ent- 


230 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  5. 


Wicklung  solch  interessanter  Krankheitsbilder  und  Operations¬ 
befunde  kommen! 

Im  Vergleich  zu  dem,  was  ich  Ihnen  heute 
gezeigt  habe,  ist  die  operative  Radikal¬ 
heilung  des  auf  die  Gallenblase  beschränkten 
Steinleidens  für  Arzt  und  Patienten  eine 
Kleinigkeit.  Ich  stehe  keineswegs  auf  dem  radikalen 
Standpunkt,  die  Operation  prinzipiell  nach  dem  ersten  Chole¬ 
zystitisanfall  zu  empfehlen,  schon  weil  es  oft  nicht  möglich 
sein  wird,  die  gar  nicht  so  seltene  Cholecystitis  sine  concre- 
mento  sicher  auszuschliessen,  aber  wenn  wiederholte  oder  gar 
schwere  Attacken  von  Cholezystitis  auftreten,  und  damit  die 
Steindiagnose  gesichert  ist,  kann  ich  es  nicht  für  eine 
befriedigende  Lösung  unserer  therapeu¬ 
tischen  Aufgabe  a  n  s  e  h  e  n,  wenn  es  uns  gelingt, 
das  Leiden  in  ein  mehr  oder  weniger  langes 
Latenzstadium  überzuführen  und  dabei  dem 
Patienten  sein  Pulverfass  im  Leibe  zu  lassen.  Ebenso¬ 
wenig  kann  ich  den  Versuch  billigen,  unter 
solchen  Umständen  Steine  per  vias  naturales 
austreiben  zu  wollen.  Um  den  Preis  einer,  in  den 
allermeisten  Fällen  versagenden  Heilungschance  überant¬ 
worten  wir  durch  ein  solches  Vorgehen  den  Patienten  ganz 
unberechenbaren  Leiden  und  Gefahren,  wie  ich  sie  Ihnen  in 
meinen  heutigen  Beispielen  illustriert  habe. 

Dass  auch  schon  ein  erster  oder  zweiter  cholezystitischer 
Anfall  schwere  anatomische  Läsionen  setzen  kann,  weiss  jeder 
Chirurg;  ich  persönlich  habe  es  am  eigenen  Leibe  erfahren. 

Am  2.  Januar  bekam  ich,  im  Verlauf  einer  infektiösen  Bronchitis, 
einen  schweren  cholezystitischen  Anfall,  von  dem  es  zunächst  zweifel¬ 
haft  blieb,  ob  er  auf  Steinen  beruhte.  Er  ging  so  vollständig  zurück, 
dass  ich  nachher  zur  Ausübung  jeglicher  beruflichen  und  sport¬ 
lichen  Tätigkeit  befähigt  war,  bis  ich  Ende  März  abends  am  Schreib¬ 
tisch  von  einem  zweiten  Anfall  überrascht  wurde,  der  mich  veran- 
lasste,  mich  alsbald  den  bewährten  Händen  meines  Oberarztes,  Herrn 
Dr.  Magen  au,  zu  überantworten.  Was  ich  seiner  prompten  und 
ausgezeichneten  Hilfe  zu  verdanken  habe,  das  kam  mir  so  recht  zum 
Bewusstsein  bei  der  Betrachtung  des  Präparates  der  exstirpierteu 
Gallenblase.  In  der  verdickten  Wand  sitzen  zwei  Ulcera,  davon  eines 
mit  papierdünnem  Grund,  die  „drohende  Perforation“,  nirgends 
schützende  Adhäsionen. 

Die  lebendigen  Eindrücke,  die  ich  so  oft  am  Operations¬ 
tische  gewonnen,  haben  mich  abgehalten,  an  mir  selbst  mit 
irgend  welchen  Austreibungskuren  zu  experimentieren.  Hätte 
ich  anders  gehandelt,  wer  weiss,  ob  ich  heute  in  der  Lage 
wäre,  Ihnen  mit  so  behaglichen  Gefühlen  über  Gallensteine 
anderer  Leute  vorzutragen. 


Aus  der  Kuranstalt  Dr.  S  a  a  t  h  o  f  f  für  innere  und  Nerven¬ 
krankheiten  in  Oberstdorf. 

Thyreose  und  Tuberkulose. 

Von  L.  Saathoff. 

Schon  in  früheren  Zeiten  ist  vereinzelten  Beobachtern 
das  Zusammentreffen  von  Tuberkulose  und  Morbus 
B  a  s  e  d  o  w  i  i  aufgefallen,  aber  bei  der  relativen  Seltenheit, 
mit  der  die  Diagnose  auf  Basedow  überhaupt  gestellt  wurde, 
ist  es  kein  Wunder,  dass  man  nicht  weit  über  die  Rubrizierung 
dieser  Fälle  hinauskam.  Seitdem  wir  in  neuerer  Zeit  den  Be¬ 
griff  des  Basedow  viel  weiter  fassen,  oder  seitdem  wir  viel¬ 
mehr  alle  diese  Toxikosen,  die  sich  um  die  Schilddrüse  als 
Mittelpunkt  gruppieren,  nach  K  r  e  c  k  e  als  eine  grosse 
Krankheitseinheit  mit  dem  zusammenfassenden  Namen  der 
Thyreosen  betrachten,  von  denen  der  klassische  Basedow 
nur  als  ein  untergeordneter  Symptomenkomplex  gilt,  seitdem 
ist  man  unablässig  bemüht,  die.  Aetiologie  dieser  Krankheit  zu 
erforschen,  und  seit  dieser  Zeit  mehren  sich  die  Stimmen,  die 
das  auffallend  häufige  Zusammentreffen  von  Tuberkulose  und 
Thyreose  betonen  und  einen  ursächlichen  Zusammenhang  da¬ 
bei  vermuten.  Die  betreffenden  Arbeiten  seien  gleich  zu¬ 
sammen  unten  zitiert1);  als  die  ergiebigste  von  ihnen  möchte 

1)  Hedwig  v.  Branden  stein:  Basedowsymptome  bei 
Lungentuberkulose.  Berl.  klin.  Wochenscbr.  1912,  No.  39.  —  F.  Bia- 
lokur:  Basedowsymptome  als  Zeichen  tuberkulöser  Infektion  und 
ihre  Bedeutung  für  Diagnose  und  Therapie  der  Lungenschwindsucht. 
Zeitschrift  für  Tuberkulose,  Bd.  16,  H.  6.  —  Josef  Hollos:  Sympto¬ 
matologie  und  Therapie  der  latenten  und  larvierten  Tuberkulose. 


ich  die  von  Brandenstein  hervorheben  und  ihr  Studium 
empfehlen. 

Was  den  verschiedenen  Beobachtern  am  meisten  in  die 
Augen  fällt,  ist  die  geradezu  frappierende  U  e  b  e  r  e  in¬ 
st  i  m  m  u  n  g  in  den  Frühsymptomen,  die  sowohl  die 
Thyreose  als  die  Tuberkulose  aufweisen  kann.  Hier  wie  dort 
finden  wir  Herzstörungen,  vasomotorische  Erscheinungen, 
Neigung  zu  Schweissen,  Fiebererscheinungen,  Schwindelan¬ 
fälle,  Zittern,  leichtes  Ermüden,  Schlafstörungen,  Magendarm¬ 
erscheinungen  und  Abmagerung,  um  nur  die  hauptsächlichsten 
zu  nennen.  Alle  diese  Erscheinungen  wurden  bisher  zwanglos 
einer  der  beiden  Erkrankungen  untergeordnet,  je  nachdem  man 
suspekte  Erscheinungen  auf  den  Lungen  oder  eine  vergrösserte 
Schilddrüse  fand.  Häufig  genug  hing  die  Deutung  der  Sym¬ 
ptome  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  nur  von  dem  be¬ 
treffenden  Untersucher  und  seinen  diagnostischen  Richtungs¬ 
linien  ab,  und  die  Frage  Thyreose  oder  Tuberkulose  hat  schon 
manchem  gewiegten  Lungenspezialisten  Pein  gemacht. 

Nun  sind  aber  die  beiden  Erkrankungen  ihrem  ganzen 
Wesen  nach  doch  so  verschieden,  dass  sich  immer  gebiete¬ 
rischer  die  Frage  aufdrängen  musste,  ob  bei  dieser  Gleichheit 
der  Symptome  nicht  auch  ihre  unmittelbare  Ursache  dieselbe 
sei.  Bei  der  Thyreose  sind  die  beschriebenen  Symptome  oder 
wenigstens  ein  Teil  derselben  immer  vorhanden,  bei  der 
Tuberkulose  können  sie  in  einzelnen  Fällen  ganz  fehlen,  bei 
anderen  wieder  sind  sie  kaum  ausgesprochen,  und  nur  bei 
einem  gewissen  Teil,  und  da  ganz  besonders  bei  Frauen,  findet 
man  sie  mehr  oder  weniger  vollzählig  beisammen.  Es  lag 
also  auf  der  Hand,  in  diesen  Fällen  auf  eine  Beteiligung  der 
Schilddrüse  zu  fahnden,  und  zwar  zuerst  auf  die  am  nächsten 
liegenden  anatomischen  Veränderungen. 

Diese  fanden  sich  nun  auch  in  der  Tat  in  einem  recht 
erheblichen  Prozentsatz.  B  randenstei  n  gibt  bei  ihrem 
untersuchten  Material  von  100  Lungenkranken  der  Heilstätte 
Edmundstal  bei  Hamburg  (70  Frauen  und  30  Männer)  an,  dass 
von  den  Männern  20  Proz.,  von  den  Frauen  33  Proz.  eine 
vergrösserte  Schilddrüse  hatten.  Deutliche  klinische  Erschei¬ 
nungen,  wie  sie  den  bei  Thyreose  beobachteten  entsprechen 
boten  20  Proz.  der  Männer,  28,5  Proz.  der  Frauen.  Ausserdem 
waren  unter  den  100  Fällen  6  von  ausgesprochenem  Basedow 
Von  diesen  6  war  nur  ein  einziger  diagnostiziert,  ein  Beweis 
wie  sehr  der  Blick  von  den  Allgemeinerscheinungen  abgelenkt 
wird,  wenn  einmal  die  Diagnose  auf  Tuberkulose  festliegt. 

Ein  weiterer  Hinweis  auf  den  ätiologischen  Zusammen¬ 
hang  zwischen  beiden  Krankheiten  liegt  darin,  dass  von  ver 
schiedenen  Seiten  das  Entstehen  eines  ausgesprochene 
Basedow  im  Verlaufe  einer  Tuberkulose  gemeldet  wird 
Wenn  diese  Anschauung  richtig  ist,  so  müsste  sich  eint 
weitere  Eigentümlichkeit  der  Thyreose,  dass  sie  ungleich  inehij 
Frauen  befällt,  auch  in  diesem  Zusammenhang  ausprägen,  um 
so  fand  denn  auch  B  i  a  1  o  k  u  r  in  seiner  Praxis  auf  10  lungern 
kranke  Frauen  mit  Basedowsymptomen  einen  Mann.  Aller 
dings  gehen  über  diesen  Punkt,  je  nach  dem  verschiedene! 
Material  des  betreffenden  Untersuchers  die  Angaben  ziemlicl 
weit  auseinander.  —  Stabsarzt  Hufnagel  (1.  c.)  berichte 
bei  jungen  Rekruten,  die  in  ihrer  ersten  Dienstzeit  at 
Tuberkulose  erkrankten,  über  charakteristische  Basedow 
Symptome,  die  sich  im  Verlaufe  jener  Krankheit  entwickelten 
zugleich  mit  einer  rasch  auftretenden  und  zunehmende! 
Schilddrüsenschwellung. 

Die  einzelnen  Basedowsymptome,  die  die  verschiedene! 
Autoren  bei  ihren  Lungenkranken  fanden,  glaube  ich  als  bekann 
übergehen  zu  dürfen;  nur  einen  Punkt,  den  Brandensteii 
betont,  möchte  ich  noch  hervorheben.  M  o  e  b  i  u  s  führt  nebei 
den  anderen  bekannten  Erscheinungen  des  Basedow  als  eii 
weiteres  Symptom  das  Glanzauge  an.  Gerade  dieses  Sym 
ptom  finden  wir  aber  recht  häufig  bei  der  Lungentuberkulose 
und  zwar  besonders  bei  der  als  erethisch  bezeichneten  Form 
eine  Beobachtung,  die  auch  dem  Laien  sehr  geläufig  ist. 

Nach  allen  diesen  Feststellungen  musste  sich  auch  di 
Frage  erheben,  ob  die  bei  Thyreose  so  häufig  beobachtete 

Monographie  bei  Bergmann,  Wiesbaden  1911.  —  Viktor  Hui 
nag el:  lieber  Schilddrüsenerkrankungen  auf  tuberkulöser  Grund 
läge  bei  Einstellungsuntersuchungen.  Münch,  med.  Wochenschr.  191  - 
No.  25.  —  Ant.  Poncet  et  Rene  L  e  r  i  c  h  e:  Tuberculose  inflamm? 
toire  et  corps  Thyroide.  Gazette  des  Hopitaux  1909,  No.  148. 


4.  Februar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


231 


Temperatursteigerungen  dieser  Krankheit  als  eigenes  Symptom 
zukommen,  oder  ob  sie  nicht  ein  Ausdruck  der  begleitenden 
tuberkulösen  Krankheit  sind.  Im  grossen  und  ganzen  ist  bis 
heute  die  erste  Anschauung  noch  massgebend,  und  so  finden 
wir  in  einem  Aufsatze  von  Stern2)  die  Auffassung  vertreten, 
dass  die  Temperatursteigerung  eines  der  frühzeitigen,  wenn 
nicht  das  frühzeitigste  objektive  Symptom  von  Hyper- 
thyreoidismus  ist.  B  i  a  1  o  k  u  r  ventiliert  diese  Frage,  indem 
er  sich  auf  Möbius  beruft,  der  behauptet,  dass  die  reine 
Basedowkrankheit  ohne  Fiebersteigerung  verläuft.  Eine  be¬ 
stimmte  Stellung  nimmt  B.  aber  zu  der  Frage  nicht  ein. 

Schliesslich  war  noch  festzustellen,  ob  das  für  Basedow 
charakteristische  Blutbild,  das  zuerst  Kocher  beschrieben 
hat,  auch  bei  der  Tuberkulose  sich  findet.  Bekannt  ist  ja  das 
ausserordentliche  Schwanken  des  Blutbildes  bei  dieser  Krank¬ 
heit  und  die  weit  auseinander  gehenden  Angaben  der  ver¬ 
schiedenen  Autoren.  Brandenstein  hat  ihr  Material  auch 
auf  diesen  Punkt  untersucht  und  berichtet,  dass  sie  bei  Kranken 
des  ersten  und  zweitens  Stadiums  38  mal  eine  Lymphozytose 
gefunden  hat.  In  20  Fällen  stieg  die  Lymphozytenzahl  sogar 
über  40  Proz.  Jedenfalls  werfen  diese  Befunde  ein  ganz  be¬ 
merkenswertes  Licht  auf  die  strittige  Frage  des  Blutbildes  bei 
Tuberkulose. 

Was  ferner  den  bei  Tuberkulose  vorkommenden  Basedow¬ 
symptomen  noch  eine  besonders  charakteristische  Bedeutung 
verleiht,  ist  der  Umstand,  dass  sie  ganz  vorwiegend  bei  den 
Frühformen  auftreten,  und  im  späteren  Verlaufe  der  Tuber¬ 
kulose  verschwinden  können.  Im  grossen  und  ganzen  ist 
allen  Beobachtern  aufgefallen,  dass  gerade  die  Formen  der 
Lungentuberkulose,  bei  denen  thyreotoxische  Symptome  Vor¬ 
kommen,  nicht  zu  den  bösartigen  und  progredienten 
gehören. 

Soweit  das  tatsächliche  Material,  das  bisher  vorliegt.  Im 
wesentlichen  stimmen  die  Befunde  auffallend  gut  überein  und 
konvergieren  alle  nach  der  Richtung,  dass  die  Tuberkulose  in 
der  Aetiologie  der  Thyreosen  eine  erhebliche  Rolle  spielen 
muss.  Was  die  Erkennung  dieses  Zusammenhanges  in  der 
Praxis  anlangt,  so  liegt  sie  noch  sehr  im  Argen,  und  das  hat 
seinen  einfachen  Grund  darin,  dass  man  bei  vorliegender 
Tuberkulose,  wenn  nicht  gerade  ein  ausgesprochener  Basedow 
das  Bild  kompliziert,  die  Symptome  der  Thyreose  einfach  mit 
den  von  alters  her  bekannten  toxischen  Symptomen  der 
Tuberkulose  zusammenwirft.  Hat  man  aber  einmal  eine 
Thyreose  oder  gar  einen  Basedow  diagnostiziert,  so  ist  der 
Blick  leicht  so  befangen,  dass  ihm  sogar  manifeste  Zeichen 
der  bestehenden  Tuberkulose  entgehen,  oder  falsch  erklärt 
werden. 

Was  nun  meine  eigenen  Erfahrungen  anlangt,  so  habe  ich 
vor  \  Vi  Jahren,  ehe  die  erwähnten  Arbeiten  erschienen  waren, 
resp.  ehe  ich  von  anderer  Seite  darüber  gehört  hatte  —  was 
im  übrigen  nichts  zur  Sache  tut  —  angefangen,  auf  den  Zu¬ 
sammenhang  von  Thyreose  und  Tuberkulose  zu  achten  und 
ihm  systematisch  nachzugehen.  Während  die  anderen  Unter¬ 
sucher  hauptsächlich  die  Frage  verfolgten,  wie  viele  von  ihren 
Tuberkulösen  thyreotische  Symptome  aufwiesen,  war  für  mich 
in  erster  Linie  die  umgekehrte  Fragestellung  durch  die  Zu¬ 
sammensetzung  meines  Materiales  gegeben.  Im  ganzen  ver¬ 
folgte  ich  einen  einheitlichen  Plan:  Jeder  Fall  von  Basedow, 
jede  zweifellose  Thyreose,  aber  auch  alle  Fälle,  die  nur  irgend¬ 
wie  auf  thyreotoxische  Symptome  verdächtig  waren,  wurden 
mit  allen  Hilfsmitteln  auf  Tuberkulose  untersucht.  Umgekehrt 
jeder  Fall  von  klinisch  feststehender  Tuberkulose  auf 
'Thyreose. 

Wie  es  nun  manchmal  zu  gehen  pflegt,  wenn  man  eine 
fruchtbringende  Fragestellung  gewonnen  hat,  so  ging  es  auch 
mir:  Je  mehr  ich  suchte,  um  so  mehr  fand  ich,  und  meine 
Zahlen  sind  so  erstaunlich  hoch,  dass  ich  ihnen  eine  Erklärung 
vorausschicken  muss.  Mein  Material  ist  gerade  für  die  vor¬ 
liegende  Frage  ganz  einzigartig  günstig.  Alle  Autoren,  die  in 
Lungenheilstätten  beobachtet  haben,  berichten,  wie  schon  her¬ 
vorgehoben,  dass  es  in  erster  Linie  die  Initialfälle  sind, 
die  diesen  Symptomenkomplex  zeigen,  also  das  was  wir  ge¬ 
wöhnlich  als  geschlossene  Tuberkulose,  andre  als  Prätuber¬ 


2)  Heinrich  Stern:  Temperaturerhöhung  bei  Hyperthyreoidis- 
tnus.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  12. 


kulose  bezeichnen.  Nun  rekrutiert  sich  mein  Material  zum 
grossen  Teil  gerade  aus  diesen  Fällen,  von  denen  viele  nur 
als  Blutarme,  Bleichsüchtige,  Unterernährte  und  Nervöse 
kommen.  Dazu  gesellen  sich  dann  die  ausgesprochenen 
'Thyreosen  und  Basedowfälle,  die  ja  gern  ins  Gebirge  ge¬ 
schickt  werden.  Durch  diese  Zusammensetzung  werde  ich 
also  von  vornherein  einen  höheren  Prozentsatz  zu  erwarten 
haben,  als  spezielle  Lungen-  oder  Nervenheilanstalten.  Ferner 
kommt  noch  eins  in  Betracht.  Sanatoriumspatienten  sind  Men¬ 
schen  aus  den  höheren  Schichten  der  Bevölkerung.  Da  wir 
nun  annehmen,  dass  zum  Entstehen  einer  Thyreose,  bei  den 
meisten  wenigstens,  unbedingt  noch  die  neuropathische  Ver¬ 
anlagung  notwendig  ist,  so  wird  ohne  weiteres  klar,  dass  wir 
diese  Veranlagung  eher  bei  unseren  Patienten  finden  als  bei¬ 
spielsweise  bei  Krankenhausinsassen,  die  sich  zum  über¬ 
wiegenden  Teil  aus  der  robusteren  arbeitenden  Klasse  zu¬ 
sammensetzen. 

Trotz  dieser  Verhältnisse  wird  wohl  mancher  skeptisch 
mit  dem  Kopfe  schütteln,  wenn  er  meine  Zahlen  liest,  und  einen 
Einwand  höre  ich  schon  jetzt:  „Wir  wissen  doch,  dass  über 
90  Proz.  aller  Menschen  mit  Tuberkulose  infiziert  sind,  also 
wird  man  mit  genügend  feinen  Methoden  auch  wohl  bei  so 
ziemlich  jedem  Thyreotiker  die  Tuberkulose  nachweisen 
können.“  Kommt  man  solchem  Skeptiker  dann  mit  der  Tem¬ 
peraturkurve  der  Patienten,  so  wird  er  erst  den  Nachweis 
fordern,  dass  die  Thyretoxie  allein  kein  Fieber  macht.  Man 
sieht  also,  der  Beweis  ist  recht  schwer  zu  erbringen. 

Wenn  ich  es  trotzdem  versuchen  will,  so  habe  ich  vor 
allen  Dingen  darüber  Rechenschaft  zu  geben,  welche  Gesichts¬ 
punkte  bestimmend  sind  für  die  Diagnose  der  Tuberkulose  so¬ 
wohl  als  der  Thyreose. 

Als  massgebend  für  das  Bestehen  einer  aktivenTube  r- 
kulose  wurden  folgende  Punkte  erachtet:  1.  Ein  positiver 
physikalischer  Lungenbefund,  der  aber  in  meinen  Fällen  viel¬ 
fach  zweifelhaft  war  oder  auch  ganz  negativ  ausfiel.  2.  Die 
Röntgenuntersuchung,  die  nur  dann  als  positiv  gewertet 
wurde,  wenn  die  Veränderungen  so  weit  von  der  allen  Rönt¬ 
genologen  bekannten  „Norm“  abwichen,  dass  man  sie  mit 
ziemlicher  Sicherheit  als  pathologisch  deuten  konnte.  3.  Eine 
dauernd  erhöhte  Temperaturkurve,  die  nur  auf  rektalen 
Messungen  beruht.  Um  eventuelle  Einwände  von  vornherein 
abzuschneiden,  wurde  nur  nach  mindestens  halbstündiger 
körperlicher  Ruhe  gemessen.  Unter  diesen  Bedingungen  sind 
Temperatursteigerungen  über  37,0  sehr  wahrscheinlich,  über 
37,2  unbedingt  als  pathologisch  anzusprechen.  Bei  Frauen 
fiel  auch  die  bekannte  typische  prämenstruelle  Temperatur¬ 
steigerung  ins  Gewicht,  die  ich  auch  bei  leichtester  aktiver 
Tuberkulose  fast  nie  vermisse.  4.  Eine  nach  24 — 48  Stunden 
stark  positive  Pirquet  sehe  Reaktion.  Spätreaktionen 
wurden  nicht  gerechnet.  Eventuell  5.  subkutane  Tuberkulin¬ 
injektion  von  ein  hundertstel  bis  ein  fünfzigstel  Milligramm, 
positiver  Ausfall  nach  der  Stichreaktion  bemessen.  6.  Aus¬ 
schluss  von  anderweitigen  Affektionen,  die  die  abnormen 
Temperaturen  hätten  erklären  können. 

Alle  Symptome  kann  man  natürlich  bei  einem  Material, 
das  sich  fast  nur  aus  den  ersten  Frühstadien  zusammensetzt, 
nicht  erwarten,  in  jedem  Falle  verlange  ich  aber  für  die 
Diagnose  einer  beginnenden  aktiven  Tuberkulose  neben  den 
anderen  wechselnden  Zeichen  erhöhte  Temperaturen  und 
einwandfreie  positive  Tuberkulinreaktionen.  Beides  kann  ja 
bei  offener  Tuberkulose  fehlen,  bei  sicher  geschlossener  habe 
ich  sie  aber  so  gut  wie  nie  vermisst. 

Die  kritischen  Momente,  die  zur  Diagnose  der  Thyreose 
dienten,  waren  folgende:  1.  Vergrösserung  der  Schilddrüse, 
die  aber  bekanntlich  in  seltenen  Fällen  fehlen  oder  sich  wenig¬ 
stens  dem  Nachweise  entziehen  kann.  2.  Klinische  Zeichen, 
und  zwar  entweder  die  bekannten  des  Basedow  oder  wenig¬ 
stens  mehrere  der  in  der  Einleitung  aufgeführten  sonstigen 
thyreotoxischen  Symptome.  3.  Erhöhung  des  Umsatzes,  die 
sich  in  Abnahme  oder  Nichtzunahme  bei  überreichlicher 
Nahrungsaufnahme  äussert,  ein  Zeichen,  das  von  mancher 
Seite  als  das  ausschlaggebende  angesehen  wird.  4.  Das 
Ko  eher  sehe  Blutbild.  Auch  ich  habe  dies  ganz  regelmässig 
gefunden,  und  zwar  nicht  so  sehr  eine  absolute  Verminderung 
der  weissen  Blutkörperchen,  als  eine  Lymphozytose  und  fast 
noch  regelmässiger  eine  Mononukleose. 


232 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Und  nun  meine  Zahlen:  Ich  habe  45  Fälle  von  aus- 
gesprochener  Thyreose  beobachtet.  Diese  hatten  alle 
eine  mehr  oder  weniger  starke  Struma,  fast  alle  das 
K  o  c  h  e  r  sehe  Blutbild,  alle  wenigstens  einige  thyreotoxische 
Symptome,  6  darunter  waren  ausgesprochene  Basedowfälle. 
Von  diesen  45  Fällen  war  ein  einziger  frei  von 
Tuberkulose,  und  gerade  dieser  war  ein  schwerer  Base¬ 
dow,  der  aber  bis  auf  den  übrig  gebliebenen  Exophthalmus 
ohne  Operation  tadellos  ausgeheilt  ist.  Diese  Patientin  hatte 
als  die  einzige  normale  Temperaturen,  eine  schwache  Spät¬ 
reaktion  auf  Pirquet,  die  nach  dem  oben  Gesagten  als  negativ 
bewertet  wurde  und  auch  sonst  nicht  die  geringsten  Zeichen 
von  Tuberkulose.  Alle  44  anderen  hatten  subfebrile  bis  leicht 
febrile  Temperaturen,  ungefähr  die  Hälfte  leichte,  viele 
auch  nur  angedeutete  Lungensymptome,  alle  mit  Röntgen¬ 
strahlen  untersuchten  Fälle  (hier  sind  nur  photographische  Auf¬ 
nahmen  als  massgebend  angesehen)  hatten  einen  abnormen 
Befund,  besonders  häufig  an  den  Bronchialdrüsen,  und  schliess¬ 
lich  reagierten  alle  mehr  oder  weniger  stark  auf  Pirquet  oder 
Tuberkulininjektionen  in  den  angegebenen  Dosen.  42  Fälle 
waren  geschlossen,  nur  2  hatten  Tuberkelbazillen. 

Der  Verlauf  war  bei  fast  allen  so  günstig,  dass  sie  ent¬ 
weder  als  geheilt  entlassen  werden  oder  nach  erheblicher 
Besserung  später  einen  sehr  befriedigenden  weiteren  Verlauf 
melden  konnten.  Drei  Fälle  sind  nach  mehr  oder  weniger 
weitgehender  Besserung  operiert  worden,  davon  zwei  nicht 
zum  wenigsten  aus  kosmetischen  Rücksichten.  Einer  von 
diesen  kam  in  sehr  desolatem  Zustande  und  musste  erst  für 
die  Operation  reif  gemacht  werden,  was  auch  nach  einer  Ge¬ 
wichtszunahme  von  20  Pfund  gelang. 

In  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  habe  ich  mit  recht 
günstigem  Erfolge  Tuberkulin  angewandt,  und  konnte  so  auch 
ex  juvantibus  die  Diagnose  befestigen.  Manchmal  war  es  auf¬ 
fallend,  wie  mit  dem  schnellen  Heruntergehen  der  Temperatur 
zur  Norm  auch  die  Herz-  und  anderen  Störungen  schwanden. 

Wenn  ich  nun  mein  Material  an  Tuberkulose 
ausser  den  erwähnten  44  sichte,  so  hatte  ich  nur  ganz  ver¬ 
einzelte  schwere  Fälle.  Von  diesen  hatte  keiner  Erscheinungen 
von  Thyreose.  Ausser  diesen  bleiben  noch  etwa  15  leichtere 
Tuberkulosefälle  übrig,  die  ebenfalls  keine  thyreotoxischen 
Erscheinungen  hatten.  Auffallenderweise  —  aber  in  guter 
Uebereinstimmung  mit  den  anderen  Autoren  —  waren  diese 
vorwiegend  Männer,  während  die  mit  Thyreose  komplizierten 
fast  nur  Frauen  betrafen.  Den  Prozentsatz  auszurechnen, 
halte  ich  bei  meinem  immerhin  nur  kleinen  und,  was  das 
Geschlecht  betrifft,  etwas  einseitig  zusammengesetzten  Material 
für  überflüssig. 

Nun  möchte  ich  aber  nicht  missverstanden  werden  in  dem 
Sinne,  als  ob  ich  annähme,  dass  alle  Thyreosen  durch  Tuber¬ 
kulose  bedingt  sind.  Hollos  zieht  „mit  Wahrscheinlichkeit“ 
diesen  Schluss.  Dem  widersprechen  gewichtige  klinische  Mo¬ 
mente,  z.  B.  die  Entstehung  eines  Basedow  durch  akute  In¬ 
fektionskrankheiten,  und  auch  meinen  oben  erwähnten  Fall 
von  Basedow  ohne  Tuberkulose  kann  ich  dieser  Anschauung 
entgegenstellen.  Ich  möchte  nicht  einmal  den  Schluss  ziehen, 
dass  bei  allen  meinen  Fällen  beide  Krankheiten  in  ursäch¬ 
lichem  Zusammenhang  stehen  und  lasse  die  Frage  offen,  ob 
nicht  in  manchen  das  Zusammentreffen  zufällig  war.  Im 
grossen  und  ganzen  ist  aber  ein  näherer  Zusammenhang  so 
ersichtlich,  dass  uns  nur  übrig  bleibt,  uns  mit  dem  Resultat 
auseinanderzusetzen  und,  soweit  es  möglich  ist,  dem  ursäch¬ 
lichen  Verhältnis  beider  Erkrankungen  zueinander  nachzugehen. 

Am  einfachsten  ist  noch  die  Frage  zu  beantworten,  warum 
die  Frauen  so  viel  häufiger  von  der  Kombination  betroffen 
werden  als  die  Männer.  Einfach  aus  demselben  Grunde,  aus 
dem  sie  an  und  für  sich  so  viel  häufiger  an  Basedow  er¬ 
kranken:  Ihr  labileres  Nervensystem  schafft  ihnen  die  erhöhte 
konstitutionelle  Disposition,  die  unbedingt  eines  der  ausschlag¬ 
gebenden  ursächlichen  Momente  für  die  Entstehung  der 
Thyreosen  bildet.  Aber  diese  Disposition  scheint  nicht  nur 
allgemeine  Grundlagen  zu  haben,  sondern  auch  spezielle  orga¬ 
nische.  Es  ist  seit  langem  bekannt,  dass  die  Schilddrüse  beim 
'  weiblichen  Geschlecht  sehr  lebhaft  durch  die  Funktionen  des 
Geschlechtsappartes  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Zur  Zeit 
der  Pubertät,  der  Menses  und  der  Schwangerschaft  ver- 
grössert  sie  sich.  In  neuerer  Zeit  hat  Engelhorn  (Ref.  im 


Zentralblatt  für  die  gesamte  innere  Medizin,  Band  3,  Heft  6) 
diesen  Erfahrungen  eine  gesicherte  Unterlage  gegeben.  Bei 
brünstigen  und  graviden  Tieren  fand  er  präzise  histologische 
Zeichen  von  Hypertrophie  und  Hyperplasie  der  Schilddrüse 
mit  dem  Bilde  einer  lebhaften  Sekretion.  Auch  wird  neuer¬ 
dings  die  Schwangerschaft  mit  dem  richtigen  Funktionieren 
der  Schilddrüse  in  Zusammenhang  gebracht.  Alle  diese  Mo¬ 
mente  deuten  darauf  hin,  dass  bei  der  Frau  in  der  Korrelation 
der  inneren  Organfunktionen  die  Schilddrüse  eine  erheblichere 
Rolle  spielt  als  beim  Mann,  und  dass  sie  deshalb  auch  wohl 
als  leichter  vulnerabel  anzusprechen  sein  dürfte.  Nebenbei  sei 
in  diesem  Zusammenhang  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  be¬ 
kannte  gesteigerte  Libido  der  Frühtuberkulösen,  die  in  diesem 
Falle  bei  Mann  und  Frau  wohl  gleich  sein  dürfte,  nicht  hier 
einen  tieferen  Grund  ahnen  lässt,  als  man  gewöhnlich  anzu¬ 
nehmen  geneigt  ist.  Im  ganzen  bewegen  wir  uns  in  diesem 
Gebiet  noch  auf  einem  höchst  unsicheren  Boden,  und  die 
experimentelle  Forschung  wird  hier  noch  manches  Rätsel  zu 
lösen  haben. 

Weiter  erhebt  sich  die  Frage:  Welche  Affektion  ist  die 
primäre,  die  Tuberkulose  oder  die  Thyreose?  Dass  die  Infek¬ 
tion  mit  Tuberkelbazillen,  wenigstens  in  den  allermeisten 
Fällen,  in  der  Zeit  früher  fällt,  ist  sicher,  seitdem  wir  wissen, 
dass  fast  jede  Infektion  in  der  Kindheit  erworben  wird.  Aber 
es  könnte  doch  so  sein,  dass  erst  die  Schilddrüsenerkrankung 
infolge  der  Schädigungen,  die  sie  im  Körper  anrichtet,  die 
ruhende  Tuberkulose  aktiv  macht.  Dagegen  scheint  mir  in 
Uebereinstimmung  mit  den  anderen  Beobachtern  eine  ganze 
Reihe  von  Momenten  zu  sprechen.  Ich  habe  einzelne  Kranke 
beobachtet,  bei  denen  die  thyreotoxischen  Symptome  erst 
neueren  Datums  waren,  während  der  Befund  im  Vergleich  mit 
der  Temperaturkurve  und  dem  weiteren  Verlauf  unbedingt 
dafür  sprach,  dass  die  aktive  Tuberkulose  schon  längere  Zeit 
bestanden  hatte.  Ferner  werden  Fälle  gemeldet,  in  denen  bei 
jeder  Verschlimmerung  des  Zustandes  auch  die  Basedow¬ 
symptome  wieder  aufflackerten.  Dagegen  möchte  ich  ganz 
der  Ansicht  B  i  a  1  o  k  u  r  s  beipflichten,  dass  unter  Umständen 
die  durch  Tuberkulose  zum  Ausbruch  gekommene  Thyreose 
ihrerseits  wieder  ungünstig  auf  den  tuberkulösen  Prozess  zu¬ 
rückwirkt,  und  so  ein  recht  unangenehmer  Circulus  vitiosus 
entsteht. 

Wenn  man  so  zur  Auffassung  kommt,  dass  in  gewissen 
und  recht  häufigen  Fällen  die  Thyreose  der  Tuberkulose  ihre 
Entstehung  verdankt,  so  ist  noch  nichts  über  den  näheren 
Modus  ausgesagt.  Die  geläufige  Auffassung  ist  in  solchen 
Fällen,  die  Toxine  des  Tuberkelbazillus  anzuschuldigen.  Diese 
Erklärung  ist  plausibel,  aber  ebensogut  ist  eine  andere  denkbar 
und  vielleicht  noch  befriedigender.  Wir  wissen,  dass  bei  den 
verschiedensten  Infektionskrankheiten  eine  metastatische 
Thyreoiditis  mit  Basedowerscheinungen  Vorkommen  kann. 
Ferner  wissen  wir  durch  die  neuesten  Untersuchungen,  vor 
allem  Liebe  rmeisters,  dass  bei  aktiver  Tuberkulose  so 
gut  wie  immer  Tuberkelbazillen  im  Blute  kreisen.  Was  liegt 
also  näher  als  anzunehmen,  dass  diese  auch  in  die  Schild¬ 
drüse  gelangen  und  dort  eine  Veränderung  hervorrufen,  die 
sich  dann  klinisch  in  den  bekannten  Erscheinungen  äussert. 

Weiter  haben  wir  uns  die  Frage  vorzulegen,  wie  es 
kommt,  dass  die  begleitende  Thyreose  sich  ganz  vorwiegend 
in  den  ersten  Stadien  der  Tuberkulose  und  bei  den  pro¬ 
gnostisch  günstig  gelegenen  Fällen  findet,  während  sie  in  den 
späteren  Stadien  häufig  wieder  abklingt  und  bei  den  von  vorn¬ 
herein  offenen  und  progress  verlaufenen  Fällen  überhaupt 
selten  in  die  Erscheinung  tritt.  Die  meisten  Autoren  glauben 
an  eine  allmählich  eintretende  Immunität,  während  deren  die 
toxischen  Symptome  wieder  verschwinden.  Damit  ist  aber 
die  eben  zuletzt  erwähnte  Erfahrung  überhaupt  nicht  erklärt. 
Meines  Erachtens  liegt  eine  andere  Erklärung  näher.  Man  er- 
erinnere  sich  an  den  gelegentlich  zu  beobachtenden  Verlauf 
der  Krankheit  beim  Uebergang  von  einer  geschlossenen  in 
eine  offene  Tuberkulose:  Wir  finden  da  z.  B.  bei  einem 
Patienten  in  der  Spitze  einen  geschlossenen  Herd.  Trotz  alles 
Suchens  sind  im  Sputum  keine  Bazillen  vorhanden.  Dabei 
hat  der  Patient  aber  sein  tägliches  regelmässiges  Fieber  und 
auch  wohl  diese  oder  jene  Intoxikationssymptome.  Eines 
Tages  geht  die  Temperatur  herunter.  Wir  finden  auf  der 
Lunge  eine  Aenderung  des  Befundes  und  im  Sputum  reichlich 


.  Februar  101,1. 


MuencHeneN  medizinische  Wochenschrift, 


uberkelbazillen,  und  gelegentlich  können  wir  auch  beob- 
chten,  dass  die  toxischen  Symptome  mit  einem  Schlage  auf- 
ehört  haben.  Was  da  geschehen  ist,  dafür  gibt  es  nur  eine 
)eutung:  Die  Bazillen,  die  ja  fortwährend  neu  produziert 
/erden  und  im  Körper  resorbiert  werden  mussten,  haben  nun 
inen  freien  Ausweg  gefunden,  und  damit  hört  die  dauernde 
ergiftung  auf.  Eine  nähere  Vorstellung  dieses  wichtigen 
Momentes  ergibt  folgende  Erwägung:  Die  abgebauten  Sub- 
tanzen  der  Bazillenleiber,  die  ja  die  eigentlichen  Träger 
ler  Giftwirkung  sind,  gehen  zunächst  in  die  Lymphbahnen 
her  und  kommen  erst  auf  Umwegen  ins  Blut  und  in  die  Or- 
ane.  Solange  die  Lymphbahnen  ein  nach  aussen  allseitig  ge¬ 
flossenes  System  bilden,  müssen  die  giftigen  Substanzen 
'iesen  Kreislauf  zwangläufig  einschlagen.  Sobald  aber  der 
uberkulöse  Prozess  in  den  Bronchialbaum  eingebrochen  ist, 
ind  auch  die  Lymphbahnen  nach  aussen  geöffnet,  und  jetzt 
ann  das  ganze  im  tuberkulösen  Herde  gebildete  giftige  Ma- 
erial  nach  aussen  abfliessen.  Je  weiter  der  Zerfall  g^ht,  um 
o  mehr  Lymphbahnen  werden  geöffnet,  und  nur  so  kann  ich 
nir  erklären,  dass  selbst  bei  ausgebreiteten  Prozessen  die 
Temperaturen  normal  sein  und  Intoxikationssymptome  fehlen 
:önnen. 

Diese  Erklärung  befriedigt  meines  Erachtens  als  Antwort 
uf  die  vorgelegte  Frage  am  meisten,  und  dass  die  ge¬ 
flossene  Tuberkulose  den  günstigsten  Boden  für  eine 
hyreose  abgibt,  dafür  spricht  weiter  eine  Erfahrung,  die  wohl 
iele  andere  mit  mir  gemacht  haben,  dass  nämlich  die  hart¬ 
näckigsten  thyreotoxischen  Erscheinungen,  die  nach  der 
Vnamnese  schon  auf  Jahre  zurückgingen,  sich  gerade  bei  den 
’atienten  fanden,  die  gar  keine  Lungenerscheinungen  hatten, 
ondern  bei  denen  nach  dem  Röntgenbefund  eine  reine 
fronchialdrüsentuberkulose  vorlag.  Dass  gerade  diese  Fälle 
uch  das  hartnäckigste  und  am  schwersten  zu  beeinflussende 
heber  darbieten  können,  ist  ja  eine  alte  klinische  Er- 
ahrung. 

Nun  kommen  wir  aber  zu  der  sehr  schwierigen  Deutung 
ler  einleitend  erwähnten  und  bei  beiden  Prozessen  gleicher- 
nassen  vorkommenden  toxischen  Symptome.  Sollen  wir  diese 
lach  der  neu  gewonnenen  Einsicht  alle  auf  dem  Umwege  über 
lie  Schilddrüse  erklären?  Das  wäre  entschieden  viel  zu  weit 
.egangen,  und  hiesse  den  Tatsachen  Zwang  antun.  Jedenfalls 
;ibt  es  Fälle  von  Tuberkulose  —  besonders  gilt  das  wieder  für 
eine  Bronchialdrüsentuberkulose  — ,  bei  denen  man  typische 
ntoxikationssymptome  findet,  ohne  dass  irgend  ein  weiterer 
Jmstand  auf  die  Mitbeteiligung  der  Schilddrüse  hinweist.  Und 
lass  der  Tuberkelbazillus  an  und  für  sich  bei  seinem  Abbau  im 
Cörper  giftig  wirkt,  dafür  gibt  es  genügend  klinische  und.  ex- 
terimentelle  Beweise.  Nehmen  wir  also  an,  dass  manche  der 
eschilderten  Intoxikationssymptome  von  beiden  Prozessen 
ius  hervorgerufen  werden  können,  so  wird  uns  das  auf  den 
rsten  Blick  bei  der  anscheinend  so  absoluten  Verschiedenheit 
leider  Krankheitsformen  befremdend  Vorkommen.  -Wenn  wir 
ms  aber  erinnern,  dass  es  sich  in  beiden  Fällen  um  den  Abbau 
'on  Eiweisskörpern  handelt,  die  in  gewissen  Stufen  giftig 
virken,  so  ist  schon  ein  Verständnis  für  die  übereinstimmende 
■Virkung  gewonnen.  Von  der  modernen  Ueberempfindlich- 
:eitslehre  dürfen  wir  bald  einen  befriedigenden  Aufschluss 
iber  manche  der  sich  hier  erhebenden  Fragen  erwarten.  Für 
etzt  möchte  ich  folgende  Deutung  für  die  wahrscheinlichste 
iahen:  Die  Tuberkulose  kann  für  sich  allein  die  verschie¬ 
densten  Intoxikationserscheinungen  veranlassen.  In  vielen 
allen  aber  ruft  das  Tuberkulosegift  bei  dazu  disponierten 
ndividuen  eine  Veränderung  der  Schilddrüse  hervor,  auf  deren 
loden  die  Thyreose  erwächst.  Die  Symptome  sind  hier  als 
virklich  thyreotoxische  aufzufassen.  Gelegentlich  mag  es 
".eh  Vorkommen,  dass  beide  Momente,  das  primäre  und  das 
ekundäre,  nebeneinander  wirken. 

Hier  erhebt  sich  die  klinisch  recht  wichtige  Frage:  Kann 
ian  denn  nicht  vielleicht  aus  der  verschiedenen  Zusammen¬ 
hang  der  Symptome  einen  gewissen  Schluss  auf  die  Causa 
ocens  ziehen?  Im  Prinzip  ist  die  Frage  schwer  zu  beant¬ 
worten,  da  beide  Gifte  ganz  vorzugsweise  am  Sympathikus 
ngreifen.  In  der  Praxis  scheinen  mir  aber  doch  gewisse  An¬ 
haltspunkte  dafür  gegeben  zu  sein.  Wenn  die  Herzbeschwer¬ 
den  sehr  im  Vordergründe  der  Erscheinungen  stehen,  wenn 
ine  dauernde  Tachykardie  vorhanden  ist,  und  ganz  besonders 

No.  5. 


wenn  sich  sichere  Herzvergrösserungen  mit  wechselnden  ak¬ 
zidentellen  Geräuschen  nachweisen  lassen,  dann  hat  man  in 
allererster  Linie  an  die  Schilddrüse  zu  denken. 

Was  die  Rolle  des  Blutbildes  anlangt,  so  dürfte  der  auf- 
gedeckte  Zusammenhang  beider  Erkrankungen  ein  bedeut¬ 
sames  Licht  auch  auf  die  bisher  bei  der  Tuberkulose  er¬ 
hobenen  Blutbefunde  werfen.  Vor  allem  ist  jetzt  die  Inkon¬ 
gruenz  der  Meinungen  gerade  in  diesem  Punkte  leicht  zu  ver¬ 
stehen.  Denn  wenn  die  Thyreose  auch  nur  annähernd  so 
häufig,  wie  es  nach  den  jetzt  vorliegenden  Untersuchungen  der 
Fall  zu  sein  scheint,  die  Tuberkulose  kompliziert,  dann  sind 
vielfach  Blutbilder,  die  der  Thyreose  zukamen,  auf  die  Tuber¬ 
kulose  bezogen  worden,  und  unter  diesem  Gesichtspunkte  ist 
die  ganze  Frage  einer  neuen  Bearbeitung  zu  unterziehen. 
Branden  stein  wirft  sogar  die  Frage  auf,  ob  das  Blutbild, 
das  man  bisher  als  charakteristisch  für  Basedow  ansieht,  das 
sie  aber  bei  den  meisten  Tuberkulösen  des  I.  und  II.  Stadiums 
gefunden  hat,  vielleicht  nur  der  Ausdruck  dafür  ist,  dass  der 
Körper  noch  mit  der  tuberkulösen  Infektion  im  Kampfe  liegt. 
Auch  diese  Möglichkeit  muss  man  berücksichtigen;  meiner 
Ansicht  nach  sprechen  allerdings  verschiedene  gewichtige 
Gründe  gegen  sie,  vor  allem  der,  dass  häufig  genug  die  Höhe 
der  Lymphozytenzahl  parallel  geht  mit  der  Schwere  der 
thyreotoxischen  Symptome,  durchaus  aber  nicht  mit  der 
Schwere  der  tuberkulösen  Infektion. 

Schliesslich  sei  noch  die  für  die  Praxis  sehr  wichtige 
Frage  gestreift,  ob  es  ein  reines  Basedowfieber  gibt,  ob  über¬ 
haupt  von  der  Schilddrüse  aus  Temperatursteigerungen  aus¬ 
gelöst  werden.  Die  Entscheidung  darüber  ist  nicht  leicht  zu 
treffen.  Man  müsste  schwere  Basedowfälle,  bei  denen  mit  der 
Möglichkeit  des  Exitus  zu  rechnen  ist,  längere  Zeit  vorher 
genau  rektal  messen  und  nach  dem  Tode  in  der  minutiösesten 
Weise  auf  tuberkulöse  Herde  untersuchen.  Und  selbst  da¬ 
gegen  kann  man  einwenden,  dass  bei  schweren  Basedow¬ 
fällen  gegen  das  Ende  häufig  interkurrente  akute  Infektionen, 
vor  allem  von  der  Lunge  aus,  Vorkommen.  Nach  meinen  Er¬ 
fahrungen  muss  ich  mich  ganz  entschieden  auf  die  Seite  von 
Möbius  stellen,  der  annimmt,  dass  der  unkomplizierte 
Basedow  ohne  Fieber  verläuft.  Denn  ich  habe  noch  nie  einen 
Basedow,  überhaupt  noch  nie  eine  Thyreose  mit  Temperatur¬ 
steigerung  gesehen,  bei  der  sich  nicht  mit  Sicherheit  eine 
Tuberkulose  nachweisen  liess,  und  umgekehrt  war  der  einzige 
Fall  von  Basedow,  den  ich  mit  normalen  Temperaturen  be¬ 
obachtet  habe,  frei  von  Tuberkulose.  Es  wäre  sehr  zu  be- 
griissen,  wenn  sich  diese  Ansicht  bestätigte,  denn  dann  hätten 
wir  in  der  exakten  rektalen  Temperaturmessung  ein  sehr  be¬ 
quemes  Kriterium,  um  bei  jeder  Thyreose,  die  ohne  sonstige 
Komplikationen  einhergeht,  die  begleitende  oder  zugrunde 
liegende  Tuberkulose  zu  ermitteln  oder  wenigstens  wahr¬ 
scheinlich  zu  machen.  Ihre  völlige  Sicherstellung  ist  mit  den 
uns  heute  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln  leicht  geschehen. 

Was  die  Erkennung  des  ursächlichen  Zusammenhanges 
zwischen  Tuberkulose  und  Thyreose  so  ungemein  wichtig 
macht,  das  ist  die  grosse  Häufigkeit  des  auf  ihm  sich  auf¬ 
bauenden  Krankheitsbildes.  Manchem  beschäftigten  Praktiker 
werden  die  typischen  Fälle  jeden  Tag  Vorkommen.  Die  Dia¬ 
gnose  ist  nicht  schwer.  Es  genügt,  das  vorliegende  Bild  zu 
kennen,  um  es  auch  leicht  und  sicher  zu  erkennen.  Wenn  man 
bei  sehr  unbestimmten  Beschwerden  über  das  Bestehen  einer 
Thyreose  im  Zweifel  ist,  so  wird  die  Aufdeckung  einer  auch 
noch  so  geringen  aktiven  Tuberkulose  Klarheit  bringen  können 
und  eine  Diagnose  wird  die  andere  bestätigen  und  befestigen. 
Und  ausserdem  ist  die  Erkennung  dieses  Krankheitsbildes  sehr 
dankbar.  Wie  unendlich  viele  hierhergehörende  Kranke  sind 
nicht  zu  ihrem  Recht  gekommen  und  haben  seelisch  darunter 
gelitten,  wenn  das  letzte  Wort  der  Diagnostik  auf  Neurose, 
Neurasthenie  oder  gar  Hysterie  lautete.  Sie  fühlen  sich  nicht 
gesund  und  können  doch  keine  greifbare  Krankheit  vorzeigen, 
und  das  bringt  sie  in  Konflikt  mit  ihren  Angehörigen,  mit  ihrem 
Arzte  und  nicht  zuletzt  mit  sich  selbst. 

Und  nun  noch  ein  Wort  zur  Therapie:  Die  schweren 
Basedowfälle,  auch  wenn  sie  mit  Tuberkulose  kompliziert  sind, 
gehören  den  Chirurgen.  Wenn  der  oben  erwähnte  Circulus 
vitiosus  an  einem  Punkte  unterbrochen  wird,  dann  kann  sich 
auch  im  übrigen  der  Organismus  besser  erholen.  Selbstver¬ 
ständlich  werden  auch  alle  die  Fälle,  die  uns  keine  ätiologische 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


234 

Handhabe  bieten  und  die  der  internen  Therapie  trotzen,  die 
Domäne  des  Chirurgen  bleiben.  Erkennen  wir  aber  eine  Tu¬ 
berkulose  als  Grund  der  Krankheit,  oder  können  wir  auch  nur 
diesen  Zusammenhang  wahrscheinlich  machen,  dann  müssen 
wir  mit  allen  Mitteln  energisch  den  Kampf  gegen  die 
Tuberkulose  aufnehmen.  Erzielen  wir  hier  eine  Besse¬ 
rung,  so  schwinden  die  Basedowsymptome  oft  genug  von  selbst. 
Aber  mit  kleinen  Mittelchen  ist  da  nicht  viel  getan.  Wenn  es 
zu  Hause  nicht  besser  wird,  dann  heraus  mit  dem  Patienten 
aus  den  alten  Verhältnissen!  Jeder  Klimawechsel  tut  meistens 
schon  gute  Dienste.  Ob  es  aufs  Land,  an  die  See  oder  ins 
Gebirge  geht,  ist  eine  Frage,  die  erst  in  zweiter  Linie  kommt 
und  zum  grossen  Teil  von  den  Verhältnissen  abhängt.  Gute 
Luft,  reichliche  Ernährung  und  ein  sorgenloses  Dasein  für 
einige  Monate  wirken  manchmal  Wunder  auf  Körper,  Nerven 
und  Seele. 

Leitsätze: 

1.  Die  Tuberkulose  spielt  eine  wesentliche  ursächliche 
Rolle  für  die  Entstehung  der  Thyreosen  einschliesslich 
des  Basedow. 

2.  Es  handelt  sich  hier  meistens  um  initiale,  prognostisch 
günstige  Formen  der  Tuberkulose,  progresse  Formen 
gehen  seltener  mit  thyreotoxischen  Symptomen  einher. 

3.  Temperatursteigerungen  bei  anderweitig  nicht  kompli¬ 
zierten  Thyreosen  sind  fast  immer  auf  eine  begleitende 
oder  zu  Grunde  liegende  Tuberkulose  zu  beziehen.  Die 
Existenz  eines  reinen  Basedowfiebers  wird  mit  Möbius 
nicht  anerkannt. 

4.  Jeder  Fall  von  gesicherter  oder  auch  nur  verdächtiger 
Thyreotoxie  ist  auf  Tuberkulose  zu  untersuchen  und  bei 
positivem  Ausfall  auf  Tuberkulose  zu  behandeln.  Für 
schwerere  oder  hartnäckige  Fälle  bleibt  die  chirurgische 
Behandlung  angezeigt. 


Aus  der  II.  med.  Klinik  der  Akademie  für  praktische  Medizin 

Cöln  a/Rh. 

Eine  klinisch  einfache  Methode  quantitativer  Urobilinogen- 

bestimmung. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Von  Dr.  F  1  a  t  o  w  und  cand.  med.  B  r  ü  n  e  1 1. 

Das  Harnurobilinogen  und  seine  Oxydationsprodukte  be¬ 
anspruchen  seit  einigen  Jahren  berechtigterweise  ein  erhöhtes 
Interesse.  Eine  Begründung  findet  diese  Tatsache  in  der  all¬ 
mählich  zunehmenden  Erkenntnis  ihrer  physiologischen  Genese 
und  pathologischen  Vermehrung. 

J  a  f  f  e,  der  Entdecker  des  Urobilins,  hatte  die  Beziehung 
dieser  Substanz  zum  Bilirubin  nur  vermutet.  Friedrich 
Müller  konnte  durch  klinische  Beobachtungen  und  Studien 
bei  absolutem  Choledochusverschluss  den  klinischen  Be¬ 
weis  einer  Relation  zwischen  Gallenfarbstoff  und  Uro¬ 
bilin  erbringen. 

Chemisch  konnten  Versuche  von  M  a  1  y,  welcher  Bilirubin 
mit  Natriumamalgam  behandelte  und  Produkte  erhielt,  die 
dem  Urobilin  sehr  ähnelten,  eine  Andeutung  in  d  e  r  Richtung 
geben,  dass  Urobilinogen  bzw.  Urobilin  ein  Reduktions¬ 
produkt  des  Bilirubins  sein  könnte.  Aber  er  war  nicht  zu 
wohl  definierten,  einheitlichen  Produkten  gelangt,  wie  die 
neueren  Arbeiten  von  C  h  a  r  n  a  s  und  die  von  Hans  Fischer 
übereinstimmend  beweisen. 

Erst  die  zwei  letzten  Jahre  brachten  durch  die  exakten 
Arbeiten  von  Hans  Fischer  und  seinen  Mitarbeitern  einen 
sicheren  Beweis,  dass  Urobilinogen  das  Reduktionsprodukt 
des  Bilirubins  ist;  denn  es  gelang,  durch  Reduktion  des  Bili¬ 
rubins  mit  Natriumamalgam  eine  schön  kristallisierte  Substanz 
in  reichlicher  Ausbeute  zu  isolieren.  Aus  chemischen  Gründen 
nannte  er  sie  Hemibilirubin.  Diese  Verbindung  erwies  sich 
kristallographisch  sowohl  wie  in  ihrem  physikalischen  und 
chemischen  Verhalten  als  identisch  mit  einer  aus  dem  Harn 
isolierten  Verbindung,  die  in  allen  Punkten  die  Reaktion  des 
Urobilinogens  aufwies,  somit  mindestens  zum  wesentlichen 
Teil  demjenigen  Produkte  zukommt,  das  bisher  den  Namen 
Urobilinogen  führt.  Wie  dieses  erleidet  es  auch  leicht  eine 
Umwandlung  in  Urobilin. 


Mangels  hinreichender  Kenntnis  der  chemischen  Indivi¬ 
duen  „Urobilinogen“  und  „Urobilin“  fehlten  bisher  die  Kriterien 
für  die  Vollkommenheit  ihrer  quantitativen  Bestimmungs¬ 
methoden.  Auf  Grund  unserer  heutigen  Erfahrungen  kann 
keine  der  älteren  Methoden  Anspruch  auf  Genauigkeit  mehr 
erheben. 

Erst  in  letzter  Zeit  hat  C  h  a  r  n  a  s  aus  dem  v.  Fürth- 
schen  Laboratorium  eine  Methode  zur  Bestimmung  des  Uro¬ 
bilinogens  publiziert,  die  den  Anforderungen  der  Exaktheit 
Genüge  leistet  und  die,  im  Gegensatz  zu  Methoden  der  Vor¬ 
arbeiter,  nicht  das  Urobilin,  sondern  direkt  sein  Chromogen. 
nämlich  das  Urobilinogen,  spektrophotometrisch  zu  bestimmen 
sucht.  Seine  Arbeit  muss  an  dieser  Stelle  etwas  ausführlicher 
referiert  werden,  weil  sich  unsere  Methodik  an  die  seine  eng 
anschliesst. 

Charnas  macht  von  der  Eigentümlichkeit  des  Urobili¬ 
nogens  Gebrauch,  mit  p-Dimethylamobenzaldehyd  einen  sehr 
schönen  Farbstoff  zu  liefern.  Diese  Reaktion  wurde  in  patho¬ 
logischen  Harnen  zuerst  von  P.  E  h  r  1  i  c  h  beobachtet  und  von 
Otto  Neubauer  als  auf  das  Urobilinogen  zurückführbar 
nachgewiesen.  Hans  F  i  s  c  h  er  und  Friedrich  Meyer-Betz 
isolierten  nud  definierten  den  Farbstoff  chemisch. 

Das  Prinzip  der  Charnas  sehen  Methode  ist  nun,  diese 
Farbstoffbildung  unter  geeigneten  Bedingungen  möglichst 
quantitativ  und  frei  von  Nebenreaktionen  zu  gestalten  und  die 
Verdunklung  spektrophotometrisch  zu  bestimmen,  die  ein 
charakteristischer  Absorptionsstreifen  im  Sonnenspektrum  be¬ 
wirkt. 

Diese  Methode  erschien  uns  für  klinische  Zwecke  bei  dem 
teuren  Preise  spektrophotometrischer  Apparate  und  ihrer  ver¬ 
hältnismässigen  Kompliziertheit  zu  wenig  verbreitungsfähig 
und  wir  glaubten,  sie  durch  eine  einfachere  und  billigere  er¬ 
setzen  zu  sollen.  Gelang  es  nämlich,  eine  Vergleichslösung  zu 
erhalten,  die  den  gleichen  Farbenton  wie  das  Urobilinogen- 
rot x)  aufwies,  so  war  zweifelsohne  mit  Hilfe  des,  den  klini¬ 
schen  Bedürfnissen  so  sehr  entgegenkommenden  Kolorimeters 
nach  Autenrieth-Koenigsberger* 2),  eine  jederzeit 
mit  einfachen  Hilfsmitteln  ausführbare  quantitative  Bestim¬ 
mung  möglich.  Nun  besitzt  nach  unseren  Versuchen  die  soda¬ 
alkalische  Lösung  des  Phenolphthaleins  einen  Farbenton,  der 
so  angenähert  dem  Urobilinogenrot  entspricht,  dass  die  Dif¬ 
ferenz  in  der  Nuance  nur  sehr  empfindlichen  Augen  bei  naher 
Ablesung  auffällt.  Hält  man  den  Apparat  weit  von  sich,  so 
schwindet  das  Empfinden  für  diese  Differenz  völlig  und  man 
kann  bequem  innerhalb  dreier  bis  vier  Teilstriche,  bei  schwach 
gefärbten  Lösungen  noch  erheblich  genauer,  ablesen.  Man 
ruht  hin  und  wieder  die  Augen  durch  Fortwenden  des 
Blickes  aus. 

Methode. 

10  ccm  filtrierter  Urin  werden  mit  einigen  Körnchen  Weinsäure 
im  Scheidetrichter  angesäuert  und  2  mal  mit  der  je  5  fachen  Menge 
Aethers  vorsichtig,  unter  Vermeidung  von  Schlierenbildung,  durch- 
schiittelt 3). 

Sofort  bringt  man  den  abgegossenen  Aether  in  einen  Stöpsel¬ 
zylinder,  fügt  4  ccm  einer  1  proz.  ätherischen  Lösung  von  Dimethyl- 
amidobenzaldehyd 4)  hinzu,  schüttelt  und  tropft  6 — 8  Tropfen  mit  Salz¬ 
säure  gesättigten  absoluten  Alkohols  hinein5).  3  Minuten  wird  kräftig 
geschüttelt  und  jetzt  eine  genau  bekannte  Menge  Wassers  zugegeben 
(3 — 10  ccm  für  Harne  mit  normaler,  20 — 100  ccm  für  solche  mit  ver¬ 
mehrtem  Urobilinogengehalt).  Das  Wasser  muss  die  Wandungen  des 
Qefässes  überall  von  noch  vorhandenen  Farbstofftröpfchen  abspülen. 
Möglichst  sofort  pipettiert  man  das  farbstoffhaltige,  unter  dem  Aether. 
stehende  Wasser  ab  und  bringt  einen  Teil  in  den  Trog  des  Kolori¬ 
meters.  Der  Vergleichskeil  sei  mit  einer  Phenolphthaleinlösung 
1:50  000  angefüllt,  der  einige  Körnchen  Soda  zugefügt  wurden  (die 
soda-alkalische  Lösung  hält  sich  wochenlang  leidlich  unverändert. 
Enthält  sie  freies  kaustisches  Alkali,  so  blasst  sie  bereits  in  Bruch¬ 
teilen  einer  Minute  ab  und  ist  nach  Stunden  entfärbt). 


T  So  wollen  wir  diesen  Farbstoff  künftighin  einfachheitshalber 
benennen. 

2)  Zu  beziehen  durch  Heilige-  Freiburg  i.  B. 

3)  Zylindrische  Schütteltrichter  sind  geeigneter  wie  die  meist 
gebräuchlichen  birnenförmigen,  da  in  ihnen  die  Schlierenbildung  sel¬ 
tener  auftritt.  Ihr  Inhalt  betrage  ca.  75  ccm. 

4)  Lösung  im  Dunkeln  aufbewahren. 

5)  Die  Phenolphthaleinlösung  hält  man  sich  als  alkoholische 
Lösung  1 :  1000  vorrätig  und  verdünnt  zum  Gebrauch  mit  Wasser  im 
Verhältnis  1 : 50.  Die  wässrige  Lösung  ist  anfangs  haltbar,  schimmelt 
aber  allmählich. 


1  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


235 


Man  liest  ab,  indem  man  den  Apparat  in  Armlänge  fernhält0). 
;rst  nach  einiger  Zeit  blasst  die  Urobilinogenrotlösung  langsam  um 

unige  Grade  ab. 

Zur  Fixierung  eines  Standardwertes  möchten  wir  der  Ein- 
achheit  halber  vorschlagen,  sich  der  dem  Apparate  bei- 
;efiigten  Hämoglobintabelle  zu  bedienen  und  mit  dem  Ko- 
jrdinatensystem  zu  jeder  abgelesenen  Zahl  den  entsprechenden 
\Vert  genau  so  zu  bestimmen,  als  handle  es  sich  um  Hämo¬ 
globin.  Jeder  Hämoglobingrad  sei  eine  Phthaleineinheit  ge¬ 
launt  7).  Man  reduziert  den  gefundenen  Wert  auf  die  ur- 
-priinglich  verwandte  Harnmenge  und  nennt  die  Zahl  der  Ein- 
leiten  die  einem  Kubikzentimeter  zukommen  würde.  So  ge- 
A’innt  man  ein  vergleichbares  konventionelles  Mass,  das  bei 
Auswertung  gegen  Hemibilirubin  auch  leicht  ein  absolutes 
vverden  könnte,  falls  —  wie  es  scheint  —  Hemibilirubin  das 
inzige  „Urobilinogen“  wäre. 

Beispiel:  10  ccm  Urin  seien  ausgeäthert  worden.  Nach  Voll- 
äehung  der  Farbstoffkondensation  hätte  man  das  Urobilinogenrot  in 
(X)  ccm  Wasser  gelöst,  hätte  als  Wert  der  Farbstofflösung  am  Keil 
lie  Zahl  47  gefunden  und  aus  der  Tabelle  die  Zahl  (Hämoglobin- 
:ahl)  62  abgelesen.  Dann  besässe  der  Urin  den  Urobilinogenwert 
>20  in  Phthaleineinheiten  ausgedrückt,  da  ja  10  fach  soviel  Wasser 
:ur  Aufnahme  des  Farbstoffes  angewendet  wurde,  als  die  ursprüng- 
iche  Urinmenge  betrug.  Das  angeführte  Beispiel  würde  einem  sehr 
irobilinogenreichen  Urin  entsprechen. 

Nach  der  oben  geschilderten  Methode  haben  wir  stark 
irobilinogenhaltigen  Harn  in  verschiedenen  Verdünnungen  be- 
Ntimmt  und  Werte  gefunden,  deren  Fehler  bei  ununter- 
irochener  Ausführung  der  ganzen  Versuchsanordnung  (zirka 
10  Minuten  dauernd)  5  Proz.  nicht  überschritt. 

Urin  eines  Gesunden. 

Verwendet . 10  ccm 

Extrahiert  mit  .  2  X  50  ccm  Aether 

Farbstoff  aufgenommen  in  .  7  ccm  Wasser 

Abgelesen  am  Keil  ....  76 
Abgelesen  aus  der  Tabelle  .  22  7 

Phthaleineinheiten  mithin  .  .  22  X  j q  =  15,4 

Urin  einer  Pneumoniekranken. 

Verwendet . 10  ccm 

Extrahiert  mit .  2  X  50  ccm  Aether 

Farbstoff  aufgenommen  in  .  100  ccm  Wasser 
Abgelesen  am  Keil  ....  39 
Abgelesen  aus  der  Tabelle  .63  inr, 

Phthaleineinheiten  mithin  .  .  63  X  =  630,0 

Derselbe  Urin  zehnfach  verdünnt. 

Verwendet . 10  ccm 

Extrahiert  mit  .  2  X  50  ccm  Aether 

Farbstoff  aufgenommen  in  .  10,0  ccm  Wasser 

Abgelesen  am  Keil  ....  36 
Abgelesen  aus  der  Tabelle  .  66 
Einheiten . 66,0  (Ber. :  — ) 

Stauungsurin. 

Verwendet . 10  ccm 

Extrahiert  mit  .  2  X  50  ccm  Aether 

Farbstoff  aufgenommen  in  ,  40  ccm  Wasser 
Abgelesen  am  Keil  ...  69 
Abgelesen  aus  der  Tabelle  .  29  4n 
Gefunden . 29  X  1(J  =  116,0  Einheiten. 

Derselbe  Urin  (Mengenverhältnis  absichtlich  geändert). 

Verwendet . 20  ccm 

Extrahiert  mit .  2  X  50  ccm  Aether 

Farbstoff  aufgenommen  in  .  40  ccm  Wasser 
Abgelesen  am  Keil  ....  42 
Abgelesen  aus  der  Tabelle  .  59  4n 
Folglich  . 59  X  öt;  =  116,0  Einheiten. 

«U 

“)  Für  physiologische  Harne  nimmt  man  1  ccm  Aldehydlösung 
nid  2  Tropfen  salzsauren  Alkohols,  erheblichere  Ueberschiisse-  dieser 
tagenden  machen  die  Farblösung  rötlicher,  sofern  sie  nur  wenig 

arbstoff  enthält. 

‘)  Die  Tabellen  im  A  u  t  e  n  r  i  e  t  h  -  K  ö  n  i  g  s  b  e  r  g  e  r  sehen 
Apparat  sind  nicht  einheitlich,  weil  die  Keile  nicht  absolut  gleichartig 
lergestellt  werden  können.  Man  muss  daher  einen  tabellarisch  noch 
licht  von  der  Fabrik  geeichten  Keil  selbst  eichen.  Man  füllt  ihn  mit 
:  51)000  Phenolphthaleinlösung,  den  Kolorimetertrog  mit  bekannten 
•  erdünnungen  dieser  Lösung  und  trägt  sich  die  Koinzidenzpunkte,  die 
nan  ermittelt,  in  die  Tabelle  ein.  Bei  richtiger  Ablesung  liegen  sie 
iut  einer  Geraden. 


Es  genügte  hier  also  zur  völligen  Extraktion  die  zwei¬ 
malige  Verwendung  der  zweieinhalbfachen  Menge  Aethers. 
Die  Mengen  Aethers,  welche  wir  irn  allgemeinen  zum  Aus¬ 
schütteln  des  Urins  verwendeten,  wurden  aber  deshalb  grösser 
gewählt,  weil  erfahrungsgemäss  grössere  Mengen  Aethers  die 
Schlierenbildung,  die  sonst  leicht  eintritt,  verhindern. 

Wenn  in  seltenen  Fällen  fremdartige  Farbstoffe  das 
Aetherextrakt  und  die  daraus  gewonnene  Farblösung  ver¬ 
unreinigen  sollten,  so  ist  dieser  Fehler  leicht  dadurch  zu  kom- 
sieren,  dass  man  vor  das,  der  Ablesung  dienende  Fenster  des 
Kolorimeters  ein  geeignetes  Farbenfilter  bringt.  Dieses  be¬ 
steht  aus  einem  mit  Septum  versehenen  Troge.  Vor  das 
Urobilinogenprisma  wird  destilliertes  Wasser,  vor  das  Phenol¬ 
phthaleinprisma  eine  Flüssigkeit  geschaltet,  die  man  aus  dem 
gleichen  Harne  genau  so  gewinnt,  als  handele  es  sich  um  die 
kolorimetrische  Bestimmung  des  Urobilinogenrotes,  nur  lässt 
man  dann  das  Aldehydreagens  fort.  Wir  haben  starke,  ab¬ 
sichtlich  zugesetzte  Verunreinigungen  auf  dieses  Weise  un¬ 
schädlich  machen  können. 

Die  hier  wiedergegebene  Methode,  die  wir  auf  Ver¬ 
anlassung  unseres  Chefs,  Herrn  Professor  Moritz,  aus¬ 
arbeiteten,  kann  einem  genaueren  Studium  der  Urobilinogen- 
ausscheidung  dienen.  Man  wird  die  quantitative  Ausscheidung 
des  Urobilinogens  unter  physiologischen  und  pathologischen 
Verhältnissen  in  ihrer  Tageskurve  und  bei  verschiedener  Kost 
studieren,  ebenso  feststellen,  ob  gewisse  Schädlichkeiten  in  der 
Nahrung,  Gewürze,  Alkohol  usw.,  das  Harnurobilinogen  ver¬ 
mehren,  ähnlich  wie  F  i  s  c  h  1  e  r  dieses  für  notorische  Leber¬ 
gifte  gelegentlich  seiner  Untersuchungen  über  experimentelle 
Zirrhose  erwies.  Auch  die  Urobilinogenurie  bei  toxischem 
Blutzerfall  und  bei  Resorption  von  Hämorrhagien  muss  unter¬ 
sucht  werden. 

Solche  Fragen  sind  nunmehr  experimentell  prüfbar, 
während  bisher  eine  Vermehrung  des  physiologischen  Urobili¬ 
nogens  um  das  2 — 3  fache  wohl  stets  der  groben  Schätzung 
entging,  zumal  in  pathologisch  gedeuteten  Fällen  eine  Ver¬ 
mehrung  um  das  10— 40  fache  die  Regel  sein  dürfte.  Bei 
dieser  Gelegenheit  wird  man  vielleicht  das  Urobilin  mit  be¬ 
rücksichtigen  müssen,  das,  wie  C  h  a  r  n  a  s  (1.  c.)  angibt,  durch 
ammoniakalische  Gärung  des  Urins  in  Urobilinogen  zurück¬ 
verwandelt  werden  könnte.  Vielleicht  entfällt  aber  die  Not¬ 
wendigkeit  einer  Berücksichtigung  des  Urobilins  dann  voll¬ 
kommen,  wenn  man  stets  frischgelassenen  Urin  untersucht,  der 

—  wie  S  a  i  1 1  e  t  angibt  —  nur  Urobilinogen  und  vorerst  noch 
kein  Urobilin  enthalten  soll. 

Erst  nach  Fertigstellung  und  Niederschrift  der  vorliegenden 
Arbeit  werden  wir  auf  eine  Publikation  von  Brugsch  und  Retz- 
laff  (Zeitschr.  f.  experiment.  Pathol.  u.  Therap.,  Bd.  11,  1912)  auf¬ 
merksam,  in  welcher  diese  Autoren  Urobilinogenbestimmungen  mit 
dem  P  1  e  s  c  h  sehen  Kolorimeter  unter  Verwendung  einer  Lösung 
von  Bordeaurot  als  Vergleichslösung  ausführen.  Wir  halten  aber 
trotzdem  die  Publikation  unserer  Arbeit  nicht  für  überflüssig,  weil 
wir  finden,  dass  das  bläulichrote  Phenolphthaleinalkali  sich  ganz  er¬ 
heblich  besser  für  die  kolorimetrische  Bestimmung  eignet  wie  das 
Bordeaurot,  welches  mehr  nach  der  roten  Nuance  hin  schlägt.  Zu 
bemerken  ist  noch,  dass  in  der  oben  zitierten  Arbeit  eine  nähere 
Charakterisierung,  um  welches  Bordeaurot  es  sich  handelt,  fehlt. 
Wir  haben  uns  von  den  Farbwerken  die  Farbstoffe  Bordeau  R  und  G 
sowie  Amarant  0  senden  lassen.  Für  den  Vergleich  leidlich  ge¬ 
eignet  würden  nur  die  Farbstoffe  R  und  G  in  Betracht  kommen. 

Literatur. 

Jaffc:  Virchows  Archiv,  Bd.  47.  —  Saillet:  Revue  de 
Medecine,  17  (1897),  zit.  nach  Hammarsten.  —  D.  Charnas: 
Bioch.  Zeitschr.,  Bd.  20.  —  Hans  Fischer:  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie,  Bd.  73.  —  Hans  Fischer  und  P.  Meyer:  ebenda  Bd.  75. 

—  Hans  Fischer  und  Fr.  Meyer-Betz:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1912,  Bd.  15.  —  P.  E  h  r  1  i  c  h :  Med.  Woche  1901.  -—  O.  Neu¬ 
bauer:  Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  f.  Morphol.  u.  Physiol.,  München 
1903.  —  F.  Müller:  Jahresber.  d.  Gesellsch.  f.  vaterl.  Kultur,  Bres¬ 
lau  1892.  —  Die  zahlreiche  sonstige  Literatur  findet  sich  in  Ham¬ 
marstens  Lehrb.  d.  physiol.  Chemie  zusammengestellt. 


2* 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  in  Halle  a.  S. 

(Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Professor  Dr.  Veit). 

Vereinfachung  der  Anaerobenzüchtung  nebst  Angabe 
eines  praktisch  verwertbaren  neuen  Kulturverfahrens*). 

Von  Dr.  Walther  Lindemann,  Assistenzarzt. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  das  Züchten  anaerob 
lebender  Mikroorganismen  aus  dem  Blut  fiebernder  Wöch¬ 
nerinnen  heute  für  jeden  gewissenhaften  Untersucher  zur  Not¬ 
wendigkeit  geworden  ist.  Entgegen  der  früheren  Annahme, 
die  a  priori  plausibel  erscheint,  nämlich  dass  obligat-anaerobe 
Bakterien  im  Blute  wegen  des  anwesenden  Sauerstoffes  nicht 
existieren  könnten,  wissen  wir  jetzt  vornehmlich  durch  die 
grundlegenden  Arbeiten  Schottmüllers,  dass  sie  tatsäch¬ 
lich  lebensfähig  im  Blute  kreisen  können,  wobei  es  allerdings 
noch  nicht  sichergestellt  erscheint,  ob  die  eigentümlichen 
Formen  von  Bakteriämien,  in  denen  wir  mehrfach  anaerobe 
Keime  über  eine  längere  Zeit  im  Blute  finden  —  Fälle  wie  sie 
von  Burckhardt  beobachtet  worden  sind  —  auf  einer 
wiederholten  Keimeinschwemmung  von  einem  anaeroben  Herd 
aus  (meist  wohl  Thrombus)  beruhen,  oder  ob  sie  wirklich  im 
Blute  sich  längere  Zeit  lebensfähig  stationär  behaupten  können. 
Von  besonderer  Bedeutung  ist  die  Untersuchung  auf 
Anaerobier  bei  den  leichteren  Formen  des  Puerperalfiebers, 
bei  Fällen,  die  je  nach  der  Meinung  und  Auffassung  der  Autoren 
unter  dem  Namen  der  Saprämie  oder  Toxinämie  oder  Lochio- 
metra  etc.  zusammengefasst  werden;  denn  bekanntlich  gehen 
ia  die  Behauptungen  der  neueren  Zeit  dahin,  dass  wir  auch  hier 
öfter  als  wir  es  früher  glaubten.  Bakterien  im  Blute  kreisend 
finden,  falls  wir  auch  hier  anaerobe  Kulturen  anlegen.  Das 
ist  ferner  auch  von  Wichtigkeit  bei  den  Fiebererscheinungen 
des  septischen  Abortes.  Diese  meist  als  Schüttelfröste  oder 
wenigstens  höheres  Fieber  nach  der  Ausräumung  sich  zei¬ 
genden  Temperaturerhöhungen  hat  man  ja  im  Anfang  be¬ 
kanntlich  als  Fäulnisfieber  (Resorption  von  Bakterienstoff¬ 
wechselprodukten)  gedeutet,  später  nahm  man  eine  gelegent¬ 
liche  ausnahmsweise  Keimverschleppung  an,  jetzt  hat 
E.  Sachs  gezeigt,  dass  man  eigentlich  regelmässig,  wenn 
man  nur  im  geeigneten  Zeitpunkte  Blut  entnimmt,  nämlich 
etwa  5—10  Minuten  nach  der  Ausräumung,  Bakterien  im  Blute 
antrifft.  Er  betont  dabei  ausdrücklich  die  Wichtigkeit  der 
Züchtung  der  anaeroben  Blutbakterien. 

Ich  habe  seit  längerer  Zeit  ebenfalls  Untersuchungen  so¬ 
wohl  über  die  leichteren  Fiebersteigerungen  des  Wochenbettes, 
als  auch  die  Schüttelfröste  und  Temperaturerhöhungen  nach 
Abort  angestellt.  Doch  ist  hier  nicht  der  Ort,  über  meine  Re¬ 
sultate  zu  berichten,  auch  nicht  etwa  um  Stellung  zu  der  Streit¬ 
frage  der  Saprämie  und  Infektion  zu  nehmen,  das  soll  einer 
späteren  Publikation  Vorbehalten  bleiben.  Ich  will  nur  über 
eine  Methodik  der  anaeroben  Züchtung  berichten,  wie  sie  sich 
mir  als  zweckmässig  bei  meinen  Untersuchungen  heraus¬ 
gestellt  hat.  Vorher  möchte  ich  noch  eine  Tatsache  erwähnen, 
die  mir  bemerkenswert  erscheint,  und  ebenfalls  die  Wichtig¬ 
keit  des  anaeroben  Kulturverfahrens  demonstriert. 

Ich  habe  oft  die  Beobachtung  gemacht,  dass  fakultativ 
anaerobe  Keime  nach  der  Blutentnahme  besser  anaerob  als 
aerob  wuchsen,  so  dass  die  anaerobe  Kultur  z.  B.  schon  nach 
12  Stunden  deutlich,  die  aerobe  erst  nach  24  Stunden  positiv 
wurde.  Es  ist  das  eigentümliche  Verhalten  wohl  so  zu  er¬ 
klären,  dass  die  Keime  in  ihren  Brutherden,  z.  B.  Thromben 
der  Uterusvenen  oder  Eiresten  etc.,  mehr  die  anoxybiotische 
Komponente  ausbilden  —  anoxybiophil  werden  —  und  nun  in 
dem  ihnen  besser  zusagenden  anaeroben  Milieu  besser  wachsen. 

An  eine  gute  Methode  muss  die  Anforderung  gestellt 
werden,  dass  sie  uns  ermöglicht,  möglichst  schnell 
und  sicher  steril  eine  grössere  Menge  Blut  zu  ver¬ 
arbeiten  und  dabei  uns  zugleich  über  Zahl  und  kulturelle  Eigen¬ 
schaften  der  Keime  zu  orientieren.  Kommt  es  überhaupt  nur 
darauf  an,  nachzusehen,  ob  Keime  im  Blut  sind  oder  nicht, 
dann  ist  die  Blutbouillonmethode  völlig  ausreichend  und  allen 
anderen  vorzuziehen.  Man  lässt  dann  einfach  aus  einer  Arm¬ 
vene  eine  beliebige  Menge  Blut  in  gewöhnliche  oder  Trauben¬ 
zuckerbouillon  fliessen  und  macht  die  Röhrchen  in  Wasser¬ 


*)  Vortrag,  gehalten  in  dem  Aerztlichen  Verein  zu  Halle  a.  S. 
am  12.  Dezember  1912. 


stoff  (Burckhardt  hat  dazu  besondere  Röhrchen  empfohlen) 
oder  Pyrogallus  anaerob.  Die  spärlich  vorhandenen  Keime 
reichern  sich  dann  an  und  machen  sich  durch  Trübung,  Hämo¬ 
lyse  etc.  dem  Untersucher  sichtbar.  Das  Verfahren  lässt  aber 
im  Stich,  wenn  man  auch  über  die  Anzahl  der  im  Blute 
kreisenden  Keime  orientiert  sein  will,  wie  es  bei  schwereren 
puerperalen  Infektionen  zu  prognostischen  Zwecken  immerhin 
wünschenswert  erscheint.  Hier  sind  wir  stets  auf  die  Platten¬ 
methode  angewiesen,  d.  h.  auf  die  Verwendung  eines  festen 
Nährbodens.  Hierzu  war  bisher  die  von  Lamers  empfohlene 
und  etwas  modifizierte  L  e  n  t  z  -  H  e  i  m  sehe  Methode,  wobei 
jede  einzelne  Petrischale  mit  Pyrogallus  sauerstofffrei  gemacht 
wird,  am  gebräuchlichsten.  Es  besteht  kein  Zweifel,  dass  wir 
damit  gute  Resultate  erzielt  haben  und  auch  noch  erzielen 
werden.  Aber  das  Verfahren  ist  mit  seinen  Vorbereitungen 
ziemlich  zeitraubend,  und  setzen  wir  den  Fall,  dass,  wie  es  in 
grösseren  Betrieben  oft  vorkommt,  mehrere  Fälle  zu  gleicher 
Zeit  zu  untersuchen  sind,  so  hat  man,  wie  jeder  Kundige  zu¬ 
geben  wird,  einen  nicht  unbedeutenden  Aufwand  an  Zeit  und 
Mühe  zu  bewältigen,  falls  man  eben  eine  genügend  grosse 
Blutmenge,  ich  meine  jedesmal  mindestens  15—20  ccm  ver¬ 
arbeiten  will,  wobei  die  Lebensfähigkeit  der  Bakterien  ent¬ 
schieden  schädlich  beeinflusst  werden  kann  *). 


Ich  habe  zunächst  die  gewöhnlichen  Petrischalen  in  der 
in  Fig.  1  angegebenen  Weise  modifiziert. 

Die  untere  Kulturschale  trägt  an  zwei  gegenüberliegenden  Punk¬ 
ten  eine  Einkerbung,  so  tief,  dass  ihr  tiefster  Punkt  etwa  4  mm 
vom  Boden  entfernt  ist.  Der 


Deckel  trägt  nur  einen  kurzen 
Ueberhang,  so  dass  beim  Auf¬ 
decken  beiderseits  von  der 
Kerbe  ein  Loch  übrig  bleibt,  mit 
dem  der  Inhalt  der  Petrischale 
nach  aussen  kommuniziert. 
(Siehe  Figur.)  Der  Vorteil  dieser 
Einrichtung  ist  einleuchtend. 
Man  kann  die  Platten  in  beliebi¬ 
ger  Anzahl  in  seinem  anaeroben 
Medium  iibereinandersetzen,  wo¬ 
zu  man  grössere  Gefässe  be¬ 
nutzen  kann,  die  man  mit 
Wasserstoff  oder  Pyrogallus 
sauerstofffrei  macht.  Ich  ver¬ 
wandte  dazu  im  Anfang  eine 


Fig.  1.  Fig.  2. 

grössere  Sorte  Glasbüchsen  mit  eingefalztem  Deckel,  der  durch  Plasti¬ 
lina  abgedichtet  werden  konnte.  Jetzt  verwende  ich  Glasgefässe. 
wie  sie  zum  Einmachen  von  Früchten  im  Haushalt  gebräuchlich  sind 
Diese  haben  den  Vorzug  der  grösseren  Billigkeit. 

Auf  den  Boden  des  üefässes  kommt  die  entsprechende  Mengt 
Pyrogallussäure,  die  man  je  nach  der  Grösse  berechnen  muss,  darüber 
ein  Drahtdreifuss  von  3—4  cm  Höhe,  welcher  eine  Siebplatte  au; 
Porzellan  trägt.  (Siehe  Figur  2.)  Dann  werden  die  Platten  einge 
setzt  und  mit  einem  langen,  kleinen  Trichter  die  entsprechende  Mengt 
5  proz.  Kalilauge  auf  den  Boden  des  Gefässes  eingefüllt.  Der  Ver¬ 
schluss  geschieht  mittelst  Gummiring  und  Drahtbügel. 

Dass  derartige  grössere  Gefässe  wirklicl 
in  kurzer  Zeit  sauerstofffrei  gemacht  werdet 
können,  bewiesichfolgendermassenundemp 

fehle  das  Verfahren  zur  Kontrolle  auf  Ab 
Wesenheit  von  Sauerstoff. 

Es  ist  bekannt,  dass  Methylenblau  bei  alkalische 
Reaktion  leicht  zu  seiner  farblosen  Leukobase  reduzier 
werden  kann.  Wenn  man  z.  B.  im  Reagenzglas  eine  Traubenzucker 
lösung  (etwa  5  proz.)  mit  Soda  bis  zur  alkalischen  Reaktion  versetz 
und  nach  Hinzufügen  einiger  Tropfen  einer  wässerigen  Methylenblau 
lösung  kocht,  so  tritt  bald  eine  völlige  Entfärbung  des  Gemische 
ein.  Sobald  man  nun  das  Gefäss  offen  stehen  lässt,  wird  durch  de; 
Sauerstoff  der  Luft  die  Leukobase  wieder  zu  Methylenblau  oxydier 
und  es  entsteht  ein  blauer  Ring  am  oberen  Ende  der  Flüssigkeits 
Säule.  Die  Probe  wird  nun  so  angestellt,  dass  man  kurz  vor  diesen 
die  noch  nicht  abgekühlte  farblose  Flüssigkeit  in  das  anaerobe  Ge 

1)  Sämtliche  hier  angeführten  Glasmaterialien  sind  durch  di 
Firma  Schoeps,  Jaffas  Nachfolger,  Halle  a.  S.,  Geiststrass 
zu  beziehen. 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


237 


fiiss  hineinstellt.  Die  ausbleibende  Blaufärbung  gibt  uns  den  sicheren 
Anhalt,  dass  Sauerstoff  im  üefäss  nicht  mehr  vorhanden  ist. 

Einen  weiteren  Vorteil  bietet  dieses  Ver¬ 
fahren  dadurch,  dass  man  Platten  und  Bouil¬ 
lonröhrchen  zu  gleicher  Zeit  ansetzen  kann. 

Selbstverständlich  habe  ich  auch  durch  das  Züchten 
obligat  anaerober  Keime  die  Brauchbarkeit  dieser  Methode 
bewiesen.  Bacillus  oedemat.  maligni  und  botulinus,  die  mir 
in  liebenswürdiger  Weise  vom  hygienischen  Institut  zu  Halle 
zur  Verfügung  gestellt  waren,  gingen  beide  gut  an.  Da  man 
aber  diese  Keime  zu  Vergleichsversuchen  nicht  immer  zur  Ver¬ 
fügung  hat,  wird  der  Methylenblauprobe  in  praxi  wegen  der 
bequemen  und  leichten  Durchführung  der  Vorzug  zu  geben 


sein. 


Vorstehende  vereinfachte  Pyrogallusmethode  benutze  ich 
vorwiegend  zum  Weiterimpfen  und  Anlegen  von  Reinkulturen. 
Sie  hat  sich  auch  als  sehr  zweckmässig  erwiesen,  wenn  ein 
Material,  in  dem  man  obligate  Anaerobe  vermutet,  auf  deren 
Anwesenheit  untersucht  werden  sollte.  Man  konnte  dann  ein¬ 
fach  eine  grössere  Menge  von  ihnen  auf  eine  beliebige  Anzahl 
von  Bouillonröhrchen  verteilen  und  schnell  die  anaerobe 
Züchtling  einleiten.  Indessen  besitzt  das  Verfahren  den  Nach¬ 
teil,  dass  man  die  Kolonien  in  ihrem  Wachstum  nicht  oder  nur 
sehr  schlecht  beobachten  kann;  um  das  gut  und  bequem  zu 
ermöglichen,  möchte  ich  folgendes  neue  Kulturverfahren  an¬ 
geben: 

Es  stellt  eine  Kombination  dar  der  zuerst 
von  Schottmüller  angewendeten  Zylinder- 
inethode  mit  dem  Platten  verfahren.  Ich 
möchte  deshalb  das  KulturgefässZylinder- 
platte  nennen  (Fig.  3). 

Fig.  3.  Fig.  4. 


I  Anaeroben-Zylinderplatte 
im  Durchschnitt. 


Aeusseres  Inneres 

Oefäss.  Gefäss. 


Es  besteht  aus  zwei  Reagenzgläsern  grösseren  Kalibers,  die 
ineinander  geschoben  werden  können.  Zwischen  beiden  bleibt  ein 
inantelförmiger  Raum  frei,  der  durch  auf  der  Aussenwand  des  Innen- 
gefässes  angebrachte  Qlasstifte  konstant  erhalten  wird.  Der  Abstand 
kann  in  beliebiger  Weise  modifiziert  werden.  Das  Kulturmedium 
(Blutagarmischung)  wird  nun  in  den  Mantel  hineingegossen,  wozu 
am  oberen  Rande  des  Innengefässes,  um  das  Vorbeifliessen  zu  ver¬ 
hüten,  eine  Einbiegung  angebracht  ist  (Fig.  4).  Der  beim  Füllen  sich 
geltend  machende  Auftrieb  wird  durch  Aufdrücken  eines  Klumpens 
Plastilina  auf  die  Ränder  des  Qefässes  verhindert.  Man  kann  das 
auch  durch  Einzwängen  eines  entsprechenden  Glasstückes  zwischen 
die  Glaswände  erreichen,  was  den  Vorteil  der  gleichzeitigen  Sterili¬ 
sationsmöglichkeit  hat.  Indessen  sind  Verunreinigungen  durch  das 
aufgeklebte  Plastilina  nach  meinen  Erfahrungen  nicht  zu  fürchten. 
Nach  Erstarren  des  Blutagars  kann  man  noch  eine  Ueberschichtung 
mit  gewöhnlichem  Agar  vornehmen. 

Die  Grosse  des  Kulturglases  ist  so  gewählt,  das  ungefähr 
20  ccm  Flüssigkeit  in  den  Mantel  hineingehen.  Man  hält  sich 
nun  die  entsprechende  Menge  Agar  in  einer  grösseren  Art  von 
Reagensgläsern  vorrätig,  macht  ihn  flüssig  und  mischt  ihn  auf 
45  “  C  abgekiihlt  mit  3 — 4  ccm  Blut.  Das  Verhältnis  von  Blut  zu 
Asar  muss  hier  etwas  anders  sein  als  es  S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r 
tür  seine  Platten  angegeben  hat.  Sonst  wird  das  Röhrchen  nicht 
durchsichtig.  Am  besten  sind  3 — 4  ccm  Blut  in  20  Agar.  Je¬ 


doch  kann  je  nach  dem  Färbeindex  des  Blutes  die  zuzusetzende 
Menge  wechseln.  Dann  wird  schnell  eingefüllt  und  das  Röhr¬ 
chen  kommt  sofort  in  den  Brutofen.  Es  ist  klar,  dass  1  54  bis 
2  ccm  von  der  Oberfläche  entfernt  eine  strenge  Anaerobiose 
gesichert  ist.  Das  Ansetzen  von  4  bis  5  solchen  Röhrchen 
erfordert  bei  nötiger  Uebung  nicht  mehr  als  5—6  Minuten. 
In  dieser  Zeit  konnten  also  bereits  20  bis  25  ccm  Blut  anaerob 
in  einwandfreier  Weise  verarbeitet  werden.  Man  kann  nun 
sehr  schön  die  Eigentümlichkeit  der  aufgehenden  Keime  be¬ 
obachten.  Zahlreiche  Kontrollversuche  zeigen  mir,  dass  diese 
sich  nicht  etwa  der  Schwere  nach  zu  Boden  senken,  sondern 
gleichmässig  in  der  Blutmischung  verteilen.  Es  lässt  sich  also 
hierdurch  ein  sicherer  Schluss  ziehen  auf  kulturelle  Eigenart 
und  Zahl  der  im  Blute  kreisenden  Keime.  Da  es  nun  aber  er- 
fahrungsgemäss  Kolonien  besonders  von  anhämolytischen 
Streptokokken  gibt,  die  manchmal  auch  nicht  mit  Lupenver- 
grösserung  zu  erkennen  sind,  bzw.  Keime,  welche  auch  auf 
festen  Nährböden  überhaupt  nicht  angehen,  so  kombiniere  ich 
das  Ansetzen  der  anaeroben  Röhrchen  stets  mit  dem  der  Blut¬ 
bouillon,  indem  ich  noch  je  5  ccm  Blut  anaerob  (nach 
Büchner)  ansetze,  wobei  am  besten  eine  1 — 2  proz. 
Traubenzuckerbouillon  zu  benutzen  ist 2). 

So  hat  man  wohl  die  sicherste  Gewähr,  dass  man  keinen 
Keim  so  leicht  übersieht.  In  der  Tat  konnte  ich  öfter  bei 
meinen  Untersuchungen  finden,  dass  die  Blutagarröhren  steril 
erschienen,  während  die  Blutbouillon  positiv  wurde.  Man  um¬ 
geht  mit  der  Kombination  von  festen  und  flüssigen  Nährböden 
auch  die  Arbeit  des  Abimpfens,  denn  es  handelt  sich  ja  bei 
derselben  Patientin  in  beiden  Nährmedien  immer  um  dieselbe 
Art  von  Keimen.  Will  man  trotzdem  aus  den  anaeroben  Röhr¬ 
chen  abimpfen,  so  verfährt  man  folgendermassen: 

Man  erwärmt  das  ganze  Röhrchen,  geht  mit  einem  langen  aus- 
. geglühten  Draht  bis  auf  den  Boden  des  Aussengefässes  und  zieht 
unter  leicht  rotierenden  Bewegungen  Draht  mit  innerer  Röhre  zu¬ 
sammen  heraus.  Dieselbe  folgt  zum  Teil  mit  dem  daraufliegenden 
Blutagar,  indem  sie  etwas  davon  in  der  anderen  Röhre  zurück¬ 
lässt.  Die  herausgebrachte  Agarschicht  lässt  man  am  besten  auf 
einem  sterilen  Porzellanteller 'oder  eine  grosse  K  o  1 1  e  sehe  Schale 
fallen  und  kann  dann  hier  bequem  abimpfen. 

Ich  hätte  nicht  Gelegenheit  genommen,  vorstehende  Me¬ 
thodik  zu  veröffentlichen,  wenn  sie  nicht  gegenüber  den  bisher 
gebräuchlichen  wesentliche  Vorteile  böte.  Denn  es  ist  mit 
keiner  der  bis  jetzt  üblichen  möglich  gewesen,  in  so  kurzer 
Zeit  (5  Minuten  lang)  eine  so  grosse  Menge  Blutes  (20  bis 
30  ccm)  in  so  einwandfreier  Weise  anaerob  zu  verarbeiten 
und  dabei  zu  gleicher  Zeit  sich  über  Anzahl  und  kulturelle 
Eigentümlichkeiten  der  Keime  zu  orientieren.  Dabei  ist  die 
Möglichkeit  der  Verunreinigung  auf  ein  Minimum  reduziert. 

Die  Methode  ist  aber  nicht  nur  zur  Züchtung  der  Keime 
auf  dem  Blute,  sondern  auch  zum  Feststellen  der  Keimver¬ 
hältnisse  von  Vagina,  Zervix  und  Uterus  etc.  gut  brauchbar. 
Man  verteilt  dazu  eine  Oese  des  fraglichen  Sekretes  in  Blut¬ 
agar,  den  man  sich  in  bekannter  Weise  von  sterilem  Blut  her¬ 
stellt  und  legt  zu  gleicher  Zeit  ein  Ausstrichpräparat,  das  man 
nach  Gram  färbt,  und  eine  Bouillonkultur  an.  Besonders  bei 
Reinkulturen  ist  man  dann  mit  einem  Schlage  über  eine  grosse 
Anzahl  biologischer  Eigentümlichkeiten  des  in  Frage  kommen¬ 
den  Keimes  orientiert,  und  wenn  man  den  Blutagarmantel  nicht 
überschichtet,  auch  über  sein  Verhalten  zu  sauerstoffhaltigem, 
festen  Nährboden,  denn  die  obere  Schicht  des  Anaeroben- 
röhrchens  ist  ja  aerob. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  es 
sich  nicht  empfiehlt,  überhaupt  nur  anaerobe  Kulturen  bei 
Puerperalfieber  anzusetzen.  Wir  kennen  in  der  Hauptsache 
doch  nur  einen  obligaten  aeroben  Keim,  den  Influenza¬ 
bazillus,  der  für  derartige  Krankheitsfälle  nicht  oder  höchst 
selten  in  Betracht  kommen  dürfte.  Wenigstens  ist  bis  jetzt 
noch  kein  derartiger  Fall  bekannt.  Da  es  aber  nicht  viel  Mühe 
macht,  nebenbei  noch  eine  aerobe  Kultur  anzulegen,  so  würde 
ein  wesentlicher  Vorteil  sich  dadurch  nicht  erreichen  lassen. 

Besser  aber  als  mit  der  Petrischale  scheint  mir  die  Be¬ 
urteilung  der  Hämolyse  mit  der  Zylinderplatte  möglich  zu 
sein,  denn  wir  haben  hier  eine  konstante  Schicht,  die  sich  in 


-)  Es  schadet  nach  meinen  Erfahrungen  nichts,  wenn  das  Blut  in 
der  Bouillon  gerinnt.  Die  steril  gebliebenen  Röhrchen  geben  einen 
guten  Nährboden  ab. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


238 


beliebiger  Weise  variieren  lässt.  Ausserdem  bietet  sich  der 
Vorteil,  die  Hämolyse  im  aeroben  und  anaeroben  Medium  zu 
gleicher  Zeit  betrachten  zu  können. 

Nachschrift  bei  der  Korrektur. 

Eine  ausführliche  Mitteilung  über  die  Anwendbarkeit  der  Zylin¬ 
derplatte  für  Untersuchungen  ausserhalb  der  Blutbahn  befindlicher 
Bakterien  wird  Gisela  v.  P  o  s  w  i  k,  M.  D.,  später  geben,  welche 
jetzt  eiternde  Bauchwunden,  Fistelgänge  etc.  auf  die  Anwesenheit 
anaerober  Keime  untersucht.  Die  Methode  hat  sich  hierfür  als  voll¬ 
kommen  brauchbar  erwiesen,  nur  haben  wir  es  für  zweckmässig  ge¬ 
funden,  für  diese  Art  der  Untersuchungen  die  unteren  ülasvorspriinge 
an  der  Aussenwand  des  Innengetässes  fortzulassen  und  beim  Ab¬ 
impfen  das  Röhrchen  gar  nicht  zu  erwärmen.  Wenn  man  dann  mit 
einem  Draht  die  Blutagarschicht  bis  auf  den  Boden  durchsticht,  kann 
man  das  innere  Gefäss  unter  Zurücklassen  des  ganzen  Kulturmantels 
herausziehen  und  mit  umgebogener  Platinöse  oder  -draht  bequem 
abimpfen.  Es  wird  auch  bereits  in  einigen  hiesigen  Universitäts¬ 
kliniken  mit  der  Methode  gearbeitet,  wo  sie  sich  ebenfalls  als  prak¬ 
tisch  gut  brauchbar  erwiesen  hat. 


Zur  Wertschätzung  der  Brendel-Müllerschen  Reaktion. 

Von  Dr.  H.  C.  Plaut  in  Hamburg. 

Jeder,  der  die  Arbeit  von  Brendel  und  Müller  in 
No.  32  dieser  Wochenschrift,  Jahrgang  1912,  kennt  und  ver¬ 
gleichsweise  mit  der  Wasser  mann  sehen  Reaktion  an  einer 
Anzahl  von  Blutseren  nachgeprüft  hat,  wird  bedauern,  dass 
sie  die  letztere  nicht  ersetzen  kann.  Die  Verfasser  machen  aus 
dieser  Tatsache  auch  kein  Hehl,  sondern  „werden  auch  ferner¬ 
hin  die  beiden  Reaktionen  gleichzeitig  ausführen“.  Die  nicht 
spezifische  Hemmung  einzelner  Seren,  seltener  Fehlen  des 
Komplements  oder  mangelnder  Ambozeptor  im  frischen  Serum 
bedingen  diese  Einschränkung. 

Meine  Untersuchungen  haben  mir  nun  gezeigt,  dass  sich 
in  einer  Reihe  von  Fällen  die  nicht  spezifische  Hemmung  durch 
Modifikation  der  Methode  vermeiden  lässt,  wodurch  sie  an 
Brauchbarkeit  gewinnt,  da  die  anderen  Einschränkungs¬ 
faktoren  zu  verhängnisvollen  Irrtümern  nicht  führen 
können. 

Das  Prinzip  der  Brendel-Müller  sehen  Modifikation 
besteht,  um  es  kurz  für  den  nicht  orientierten  Leser  zu  wieder¬ 
holen,  darin,  dass  man  das  aktive  Patientenserum  mit  einer 
vorher  eigens  für  dasselbe  Patientenserum  austitrierten  Menge 
von  Hammelblutkörperchen- Aufschwemmung  zusammenbringt, 
nachdem  25  Minuten  lang  Gelegenheit  zur  Komplementbindung 
bei  38°  C  mit  einem  erprobten  Extrakt  gegeben  war.  Es  er¬ 
folgt  keine  Lösung  der  Hammelblutkörperchen,  wenn  das 
Serum  Antistoffe  enthält  im  Gegensatz  zu  den  Kontroll- 
röhrchen. 

Das  nachfolgende  Brendel-Müller  sehe  Schema  ver¬ 
anschaulicht  die  Versuchsanordnung. 


Frisches 

Serum 

Physi¬ 
ologische 
Na  CI 
Lösung 

Antigen 

Er¬ 
wärmung 
25  Min.  auf 
3S°  C. 

Hammel- 
blut- 
körper- 
chen  Auf¬ 
schwem¬ 
mung 

2 >/2  Proz 

Bemerkungen 

Vorversuch  I 

0,1 

1,0 

_ 

— 

0,8 

Hämolyse  in  10  Min. 

Vorversnch  II 

0,1 

1,0 

ja 

0,6 

ff  ft 

Reaction  .  . 

0,1 

1,0 

0,1 

j» 

0,45 

Ablesbar  in  20-  25 
Min. 

Die  Titrierung  der  Blutkörperchen  ist  notwendig,  da  in 
der  Zeit  (25  Minuten),  in  der  dem  Komplement  Gelegenheit 
geboten  wird,  sich  bei  38"  C  mit  den  Antistoffen  des  Serums 
zu  verbinden,  eine  Abschwächung  des  thermolabilen  Komple¬ 
mentes  statthat  und  dieses  dann  nicht  mehr  imstande  ist,  so¬ 
viel  Blutkörperchen  zu  lösen,  als  25  Minuten  vorher.  Aus 
einem  ähnlichen  Grunde  wird  auch  weniger  Antigen  zugesetzt, 
als  beim  Original-Wassermann,  weil  auch  der  Extrakt  an  und 
für  sich  komplementbindende  Eigenschaften  auf  das  Serum 
entfaltet.  Wärme  und  Extrakt  wirken  komplementvermindernd. 
Für  die  komplementvermindernde  Kraft  der  Wärme  wenden 
die  Verfasser  Kontrollen  an;  sie  fehlen  aber  merkwürdiger¬ 
weise  für  die  komplementhemmende  Wirkung  des  Extrakts 
allein  und  den  Einfluss  beider  Faktoren  zusammen.  Besonders 
die  letzte  Kontrolle  ist  als  durchaus  notwendig  zu  bezeichnen, 
da  beide  Faktoren  zusammen  beträchtliche  komplementzer¬ 


störende  Eigenschaften  entfalten.  So  kann  man  gar  nicht 
selten  beobachten,  dass  die  im  2.  Vorversuch  austitrierte  Blut¬ 
körperchenmenge  viel  zu  gross  ist,  um  volle  Lösung  im  Kon- 
trollröhrchen  des  Hauptversuches  eintreten  zu  lassen,  wenn 
man  vor  Einfügen  der  Blutkörperchen  zum  Kontrollröhrchen 
des  Hauptversuchs  noch  Antigen  zusetzt.  Dieser  Uebelstand 
wird  vermieden,  wenn  man  gleich  im  Vorversuch  das  Antigen 
mit  einfügt  und  ebenso  im  Hauptversuch  das  Kontrollröhrchen 
nachträglich  mit  Antigen  versieht. 

Das  Brendel-Müller  sehe  Schema  bekommt  durch 
Einfügen  beider  Kontrollen  folgendes  Aussehen: 


Frisches 

Serum 

Physi¬ 
ologische 
Na  CI. 
Lösung 

Antigen 

Er¬ 
wärmung 
25  Min.  auf 
38°  C. 

Hammel- 
blut- 
körper- 
chen  Auf¬ 
schwem¬ 
mung 
21/.  Proz. 

Bemerkungen 

Vorversuch  I 

0,1 

1,0 

— 

0,8*) 

Hämolyse  in  10  Min 
Wenn  sie  nicht  er¬ 
folgt  ist  d  Methode 
nicht  anzuwenden. 

Vorversuch  II 

0,1 

1,0 

0,05—0,1  >) 

0,8*) 

Hämolyse  soll  in  10 
Min.  erfolgen, wenn 
sie  nicht  deutlich, 
ist  die  Methode 
nicht  anzuwenden. 

Hauptversuch 

0,1 

1,0 

p 

"o 

cn 

1 

p 

ja 

0,6*) 

Ablesen  nach  10  u 
20  Min. 

Kontrollvers. 
Jetzt,  also  nach 
25  Min.,  Zusatz 

0,1 

1,0 

ja 

des  Antigens 

0,05-  0,1  >) 

0,6*) 

Nach  10  Min.  muss 
wenigstens  partielle 
Hämolyse  nach¬ 
weisbar  sein,  sonst 
ist  der  Hauptver- 
such  ungültig. '-') 

*)  Oder  entsprechend  weniger. 


Im  übrigen  beachte  man  genau  die  Vorschriften,  welche 
Brendel-Müller  geben,  besonders  titriere  man  die  Blut¬ 
körperchen  genau  aus  und  verwende  hierzu  mehrere  Röhrchen 
mit  0,1  Patientenserum.  Ich  habe  bisher,  also  in  ungefähr 
3  Monaten,  70  Blutsera  meiner  Patienten  mit  der  Brendel- 
Müller  sehen  Reaktion  mit  den  von  mir  für  nötig  erachteten 
Kontrollen  vergleichsweise  mit  W.R.  untersucht  und  folgende 
Resultate  erhalten : 

Die  Brendel-Müller  sehe  Reaktion  ergab  49  mal  die¬ 
selben  Ausschläge  wie  die  Original-Wassermannmethode,  in 
21  Fällen  diametrale. 

Das  Ergebnis  dieses  so  kleinen  Materials  kann  den¬ 
jenigen,  der  die  W.R.  als  alleinigen  Wertmesser  anlegt,  nur 
wenig  befriedigen.  Er  muss  zu  dem  Schlüsse  kommen,  ent¬ 
weder  die  W.R.  ist  technisch  nicht  einwandfrei  ausgeführt 
worden,  oder  die  B.M.R.  ist  so,  wie  ich  sie  angestellt  habe, 
unbrauchbar.  Beide  Einwürfe  sind  nicht  berechtigt. 

Die  W.R.  ist  nicht  von  mir,  sondern  von  einem  hiesigen 
Staatsinstitut  ausgeführt  worden,  bei  besonders  auffälligen 
Fällen  zur  Kontrolle  auch  noch  in  anderen  Instituten.  Ich  habe 
von  den  letzteren  nur  solche  Fälle  berücksichtigt,  wo  die  Re¬ 
sultate  der  Institute  gleichlautend  waren,  was  durchaus  nicht 
immer  der  Fall  ist. 

Der  zweite  Einwand  ist  vom  Standpunkt  der  Wasser¬ 
mannfanatiker  nicht  zu  wiederlegen.  Aber  meines  Erachtens 
darf  zur  Bewertung  dieser  Methode  durchaus  nicht  der  Aus¬ 
fall  der  W.R  als  Massstab  benutzt  werden,  sondern  ganz  allein 
die  klinische  Beobachtung  jedes  einzelnen  Falles.  Zeigt  sich, 
dass  die  B.M.R.  einen  positiven  Ausschlag  bei  negativer  W.R. 
gibt  auch  bei  Wiederholung  der  Versuche  an  verschiedenen 
Tagen  und  mit  neuer  Blutentnahme,  und  stellt  sich  bei  der 
klinischen  Beobachtung  des  Falles  heraus,  dass  wirklich  Lues 
vorliegt  und  hat  die  eingeschlagene  spezifische  Therapie  ge¬ 
nützt,  so  hat  die  Methode  in  dem  betreffenden  Fall  mehr  ge¬ 
leistet,  als  die  W.R.  Und  in  der  Tat  gibt  die  B.M.R.  in  einer 
erheblichen  Anzahl  von  Fällen  feinere  Ausschläge,  die  in  der 


’)  Lesse  r  scher  Extrakt  +  Kochsalzlösung  ää. 

2)  Wenn  die  Lösung  im  Hauptröhrchen  und  den  Kontrollr Ähr¬ 
chen  nicht  oder  unvollständig  erfolgt,  so  versäume  man  nie,  die 
beiden  Röhrchen  zu  zentrifugieren.  Man  erhält  dann  Nachricht  durch 
Vergleich  der  Farbenunterschiede  in  beiden  Röhrchen,  ob  das  Kon- 
trollröhrchen  allein  gleichviel  oder  mehr  Blutkörperchen  gelöst  hat, 
wie  das  Hauptröhrchen.  Beim  zweiten  Versuch  kann  man  sich  da¬ 
nach  richten,  oder  auch  gleich  Schlüsse  ziehen. 


1.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


239 


klinischen  Beobachtung  und  durch  die  Erfolge  der  Therapie 
die  vollberechtigte  Bestätigung  finden.  Dies  haben  B  r  e  n  d  e  1 
ind  Müller  behauptet,  und  ich  kann  es  nur  bestätigen.  Ein 
Tick  auf  die  nun  folgende  Zusammenstellung  der  Differenz- 
alle  zwischen  W.R.  und  B.M.R.  wird  die  Richtigkeit  dieser  Be¬ 
hauptung,  trotz  des  kleinen  Materials  und  trotz  der  Ueber- 
egenheit  der  W.R.  in  einigen  Fällen,  beweisen. 


diesem  Fall  20  gegenüber,  wo  sich  bei  einfacher  Angina  der 
W.  positiv  verhielt. 

Sehr  für  den  Wert  der  B  r  e  n  d  e  1  -  M  ii  1 1  e  r  sehen  Me¬ 
thode  spricht  Fall  14.  Leider  ist  der  Liquor  nicht  untersucht 
worden,  da  cs  sich  um  einen  ambulanten  Fall  handelt,  so  dass 
die  Beobachtung  unvollständig  ist.  Aber  der  positive  Aus¬ 
schlag  war  hier  für  mein  therapeutisches  Handeln  ausschlag- 


D  t- 

11 

3* 

Journal- 

Nummer 

Name,  Stand 
und  Alter 

Reaktion 

Brendel- 1  Wasser- 
Müller  mann 

Diagnose 

Klinische  Bemerkungen 

Therapeutischer  Erfolg 

i 

12 

Bau.,  Agent 

7.  VI 

II.  12 

40  Jahre 

4* 

— 

Lues  11 

Angina  spezif.  Rezidiv. 

Seit  Mai  in  meiner  Behandlung:  (Bauer  4-4*4*) 

• 

Salv.  kombin.  mit  Quecksilber.  Nach  3  Monaten 

2 

28 

Thor.,  Schuh- 

15.  X 

:.  12 

symptomlos  entlassen.  Reaktion  unverändert. 

Sept. 

macher 

4- 

— 

Lues  II 

Angina  spezif.  Rezidiv. 

1911  mit  3  Salvarsanspritzen  behandelt.  Jetzt 

1912 

kombinierte  Salvarsan-Quecksilberbehandlung. 

3 

35 

Frau  Ho.,  28  J. 

August 

Im  Mai  1912 

Im  Nov.  1912  symptomlos  mit  gleicher  Reaktion. 

Juni 

(schwanger) 

4* 

4- 4"  4- 

Lues  II 

Breite  Kondylome  an  den 

Im  Jan.  1912  im  Altonaer  Krankenhaus  2  intraven. 

1911 

Am  25.  IX. 

Am  26.IX.  12 

Rezidiv 

Labien  mit  posit.  Spir.- 

Salvarsanspritzen,  dann  Salvarsan-Quecksilber- 

Nov.  1912 

1 

Nov.  1912 

befund.  Rezidiv. 

behandlung.  Im  November  symptomlos. 

4 

56 

Frau  Ha.,  21  J. 

5.  1) 

C.  12+ 

4* 

— 

Lues  II 

Papul.  Exanth.  Ulcera  am 

Vom  Mai  1912  bis  November  1912  intensiv  mit 

5 

1 

Sehr.,  50  Jahre 

6.  1) 

(.  12 

Gaumensegel  Rezidiv. 

Salvarsan,  Jod  und  Quecksilber  behandelt. 

4* 

— 

Lues  III 

Guirlandenartige  Erosionen 

Im  Oktober  symptomlos  entlassen  nach  Salvarsan- 

6 

29 

Ad.  Kellner 

16.  D 

(.  12 

an  der  Zunge. 

Jodkur  mit  gleicher  Reaktion. 

30  Jahre 

+ 

— 

Lues  III 

Ozaena,  Perforation  der 

Im  Aug.  1910  wegen  Akkommodationslähmung  u. 

Nasenscheidewand. 

Nasenlues  von  mir  mit  Salv.  behänd,  Kommt  weg. 

Ozaena  u.  Nasenverstopfung.  Nach  2  Salvarsan- 

7 

31 

Re  .Vermieterin 

5.  XI.  12 

spritzen  0,5  u.  Jod  wesentl.  gebessert  entlassen. 

50  Jahre 

4- 

— 

Lues  III 

Nasenlues. 

Vor  9  Jahren  Infektion.  Nach  3  Salvarsanspritzen 

8 

3 

Albert  Bu., 

9.  IX.,  12.  IX.  12 

und  Jod  gebessert. 

32  Jahre 

— 

Lues  latens 

1908  wegen  Lues  behänd. 

Nach  Salvarsankur  wesentliche  Besserung  des 

9 

24 

Frau  Be., 

5.  I> 

(.  12 

Schwerhörig. 

Gehörs. 

24  Jahre 

+ 

— 

Lues  latens 

1905  wegen  Syphilis  be- 

Nach  spezifischer  Kur  Verschwinden  der  Kopf- 

10 

25 

Herr  Ha., 

5.  IX.  12 

handelt.  Kopfschmerzen. 

schmerzen. 

Portier 

+ 

— 

Lues  latens 

1910  angesteckt.  Häufige 

Kommt  am  10.  Sept.  mit  einer  Ulzeration  des 

Kuren,  die  letzte  1911/12. 

Zahnfleisches  und  Epitheldefekten  der  Zunge. 

11 

29b 

Gertrud  Ah., 

6.  IX.  12 

Symptomlos. 

Nach  Salvarsan  schnelle  Besserung. 

7  Jahr 

•F 

— 

Heredit.  Lues 

Keratitis  parenchymatosa. 

Nach  Salvarsankur  schnelle  Besserung. 

Schwerhörig.  Mutter  hat 

12 

55 

Alma  Kar., 

28.  J 

(.  12 

geschmiert. 

10  Jahre 

+ 

— 

Heredit.  Lues 

Eiteriger  Nasenkatarrh. 

Nach  spezifischer  Kur  leichte  Besserung. 

13 

23 

Ferdin.  St., 

3.  IX.  12 

Anfang  der  Sattelnase. 

Kellner,  36  .1  , 

+ 

— 

Tabes 

Völlige  Amaurose  auf  beid. 

Nach  intensiver  Quecksilber-Salvarsankur  keine 

14 

30 

Gri., 

18.  IX.  12 

Augen. 

Aenderung. 

27  Jahre 

4- 

— 

Tabes 

17.  IX.  R  nur  Lichtschein. 

Nach  intens.  Salvarsankur  mit  Antipyrinquecksilber 

L  Amaurose. 

(Kolle):  30  X.  R  Finger  in  Vk  m  exzentr.  nach 

15 

58 

Toni  Me.,  35  J  , 

9.  XI.  12 

(Prof.  Deutschmann.) 

aussen.  L  Lichtschein.  (Prof.  D  e  uts chm ann.) 

Schneiderin 

4-  ! 

- ' 

Lues  d.  Gehirns 

Ohrensaus.,  Schwerhörigk. 

Nach  kombinierter  Kur  etwas  gebessert.  Noch 

16 

11 

Frau  Bu., 

22.  VIII.  12 

Furchtbare  Kopfschmerz. 

in  Behandlung. 

40  Jahre 

— 

nh 

Luesverdacht 

Starke  Ulzerationen  im  Hals. 

Nach  kombinierter  Kur  schnelle  Besserung. 

od. Tuberkulose 

oder  beides 

17 

44 

ProstituierteFr., 

6.  VIII  12 

28  Jahre 

— 

4- 

Luesverdacht 

Frühere  Lues,  jetzt  Go- 

18 

48 

Frau  Fr. 

4.  X.  12 

norrhoe.  Keine  1. Ersch. 

- 

4- 

Luesverdacht 

Luesverd.,  Gaumensegel- 

Durch  spezifische  Kur  nach  Aussage  des  behänd. 

19 

49 

Frau  Ru., 

7.  X.  12 

lähmung.  Vater  anTabesf. 

Arztes  Dr.  Engelmann  wenig  gebessert. 

42  Jahre 

”1” 

Luesverdacht 

Chron.  Halsbeschwerden. 

20 

50 

Ti., 

8.  X 

12. 

21  Jahre 

— 

4- 

Keine  Lues 

Angina. 

In  wenigen  Tagen  glatt  mit  Gurgelungen  geheilt. 

21 

27 

Dr„ 

11.  IX.  12 

21  Jahre 

4- 

— 

Keine  Lues 

Stomatitis  ulcerosa. 

Schnelle  Besserung  durch  H2O2  Gurgelungen. 

Sehr  wichtig  erscheinen  die  vier  ersten  Fälle,  in  denen 
das  Versagen  der  W.R.  geradezu  rätselhaft  und  mit  den  bis¬ 
herigen  Erfahrungen  schwer  in  Einklang  zu  bringen  ist.  Aber 
jeder  praktische  Arzt  weiss,  dass  solche  überraschende  Ver¬ 
sager  mitunter  von  den  Instituten  gemeldet  werden,  und  für 
solche  Fälle  ist  es  gerade  sehr  wertvoll,  dass  der  Praktiker 
eine  Methode  an  der  Hand  hat,  die  ihm  selbst  eine  Kon¬ 
trolle  ermöglicht.  Und  das  gilt  auch  für  die  zahlreichen 
ärgerlichen  Fälle,  in  denen  aus  verschiedenen  Instituten  beim 
selben  Serum  entgegengesetzte  Resultate  festgestellt  wurden, 
Vorkommnisse,  über  die  ich  in  genügender  Anzahl  verfüge. 

Die  Fälle,  welche  Brendel-Müller  sehe  Versager 
betreffen,  bestätigen  nur  die  Behauptung  der  beiden  Ver¬ 
fasser,  dass  die  W.R.  nicht  entbehrt  werden  kann,  besonders 
ball  21,  der  am  schwerwiegendsten  gegen  die  alleinige  An¬ 
wendung  dieser  sinnreichen  Methode  spricht.  Freilich  steht 


gebend  und  der  erstaunliche  Erfolg  der  Therapie  zeigt,  dass 
es  der  richtige  Weg  war,  den  ich  einschlug. 

Zusammenfassend  bemerke  ich: 

Die  Brendel-Müller  sehe  Reaktion  mit  der  von  mir 
eingeführten  Extraktkontrolle  ist  für  den  praktischen  Arzt  nach 
der  unbedingt  nötigen  Einarbeitung  leicht  ausführbar  und  gibt 
wertvolle  therapeutische  Fingerzeige.  Sie  ersetzt  die  W.R. 
keineswegs,  ist  aber  geeignet,  diese  Reaktion,  die  fraglos  viel 
zu  kompliziert  ist,  um  stets  fehlerfrei  von  allen  Instituten  ge- 
handhabt  zu  werden,  zu  kontrollieren. 

Die  Brendel-Müller  sehe  Reaktion  ist  eine  indi¬ 
viduelle  Methode  und  darf  die  Fühlung  mit  der  klinischen 
Beobachtung  nicht  verlieren. 


240  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  5. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Rostock 
(Direktor:  Qeheimrat  Martius). 

Diphtheriebazillen  im  Harn. 

Von  Dr.  Walter  Beyer,  Assistent  der  Klinik. 

Die  Befunde  von  C  o  n  r  a  d  i  und  B  i  e  r  a  s  t  (D.  med.  W., 
22.  VIII.  12),  welche  an  der  bakteriologischen  Untersuchungs¬ 
anstalt  in  den  ihnen  eingesandten  Harnproben  von  Diphtherie¬ 
kranken  und  -rekonvaleszenten  in  etwa  einem  Drittel  der  Fälle 
Diphtheriebazillen  fanden,  veranlassten  mich,  die  Frage  der 
Ausscheidung  der  Bazillen  an  einem  klinischen  Material 
während  des  Verlaufes  der  Krankheit  zu  prüfen.  Die  Di¬ 
phtherie  gilt  bekanntlich  als  Typus  einer  Infektionskrankheit, 
bei  welcher  die  Infektion  gegenüber  der  Intoxikation  in  den 
Hintergrund  tritt.  Speziell  wird  der  Uebertritt  der  Keime  ins 
Blut  als  eine  verschwindende  Ausnahme  angesehen,  die 
eigentlich  nur  in  schweren  Fällen  sub  finem  vitae  hin  und 
wieder  beobachtet  wurde.  Nun  haben  neuerdings  besonders 
pathologische  Anatomen  Befunde  erheben  können,  welche 
ausserordentlich  überraschen  mussten.  So  fand  Bon  hoff1) 
an  dem  grossen  Material  des  Eppendorfer  Krankenhauses  in 
etwa  der  Hälfte  aller  Fälle  die  Bazillen  im  Liquor  cerebro¬ 
spinalis,  und  R  e  y  h  e  2)  ebendaselbst  wies  sie  in  85  Proz.  der 
daraufhin  untersuchten  Diphtherieleichen  in  den  Lungen  nach. 
Angesichts  dieser  und  der  von  Conrad i-Bierast  gefundenen 
Tatsachen  kann  man  heute  bereits  sagen,  dass  die  Diphtherie  j 
die  Sonderstellung,  welche  sie  seit  Löffler  unter  den  In¬ 
fektionskrankheiten  einnahm,  verloren  hat.  Der  direkte  Nach¬ 
weis  der  Bazillen  im  Blut  in  grösserem  Umfange  ist  nur  noch 
eine  Frage  der  allernächsten  Zeit.  Mir  selbst  gelang  er,  seit¬ 
dem  ich  etwas  mehr  Mühe  darauf  verwende,  wie  bisher,  in 
allen  letzthin  darauf  untersuchten  Fällen  von  Diphtherie,  wo¬ 
rüber  ich  a.  a.  O.  berichten  werde. 

C  o  n  r  a  d  i  und  B  i  e  r  a  s  t  zentrifugierten  einige  20  bis 
30  ccm  des  steril  entnommenen  Urins  und  strichen  das  Sedi¬ 
ment  auf  Löfflerplatten  aus.  Von  insgesamt  155  Kranken  und 
Rekonvaleszenten  wiesen  54  Bazillen  auf.  Die  meisten  dieser 
Fälle  verteilen  sich  auf  die  erste  Krankheitswoche,  nach  der 
2.  bis  4.  Woche  zu  werden  die  positiven  Befunde  spärlicher. 
Indes  wurden  einmal  noch  9  Wochen  nach  der  Erkrankung 
Keime  gefunden.  Da  die  Anzahl  derselben  im  direkten  Aus¬ 
strichpräparat  des  Urins  stets  nur  eine  sehr  geringe  war, 
halten  die  Autoren  die  epidemiologische  Bedeutung  der  Bak- 
teriurie  gegenüber  der  Weiterverbreitung  der  Krankheit  durch 
die  Rachenorgane  für  relativ  unerheblich.  Ich  stellte  mir  ' 
die  Aufgabe,  den  Gehalt  des  Urins  an  Diphtheriebazillen  vom 
Beginne  der  Krankheit  an  bis  möglichst  lange  in  die  Rekon¬ 
valeszenz  hinein  zu  verfolgen.  Cand.  med.  Dr.  phil.  F  r  a  a  t  z, 
mit  welchem  zusammen  ich  die  Untersuchungen  machte,  wird 
darüber  in  seiner  Dissertation  näher  berichten.  Wir  gingen  so 
vor,  dass  wir  den  Patienten  jeden  2.  Tag  (zu  beliebigen  Tages¬ 
zeiten)  katheterisierten,  und  von  dem  Urin  durchschnittlich 
ca.  40  ccm,  bei  spärlichem  Bodensatz  auch  mehr,  steril  zentri¬ 
fugierten.  Das  Sediment  wurde  darauf  in  toto  auf  eine 
Löfflerserumplatte  ausgegossen.  Wir  verwandten  Rinder-, 
Pferde-,  Menschenserum  oder  Aszitesflüssigkeit.  Von  der  an¬ 
fangs  beabsichtigten  Anwendung  des  neuen,  von  Con.radi 
empfohlenen  Tellurnährbodens  nahm  ich  Abstand,  nachdem 
mir  in  verschiedenen  Instituten,  welche  den  Nährboden  pro¬ 
biert  hatten,  mitgeteilt  worden  war,  dass  er  keinen  Vorteil  zu 
bieten  scheine.  Uebrigens  hatten  wir  mit  dem  Löfflerserum 
so  gute  Resultate,  dass  ich  keine  Veranlassung  sah,  noch  einen 
anderen  Nährboden  heranzuziehen. 

Wir  untersuchten  bis  jetzt  19  Fälle,  wovon  die  Hälfte 
Knaben,  die  Hälfte  Mädchen.  Es  fanden  sich  nun  in 
jedem  Falle  die  Bazillen  im  Harn,  die  Tage,  an 
welchen  wir  bei  einzelnen  Rekonvaleszenten 
nichts  nachweisen  konnten,  gehören  zu  den 
verschwindenden  Ausnahmen.  Ich  bin  davon  über¬ 
zeugt,  dass  man  in  den  betr.  Proben  bei  noch  eingehenderem 
Durchsuchen  der  Platten  die  Bazillen  ganz  gewiss  hätte  auf¬ 
finden  können.  Denn  die  ganze  Arbeit  erforderte  manchmal 
sehr  viele  Zeit  und  Geduld,  da  ausser  den  Diphtheriekeimen 


J)  Zeitschrift  für  Hygiene  und  Inf.  1910. 

2)  Miinch.  med.  Wochenschrift  1912,  No.  44. 


in  der  Regel  noch  andere,  meist  Staphylococcus  albus,  auch 
aureus,  zuweilen  Diplokokken  im  Urin  vorhanden  waren,  und  die 
Diphtheriebazillen  angesichts  ihrer  geringen  Tendenz,  flächen¬ 
haft  sich  auszubreiten,  leicht  von  den  anderen  Keimen  über¬ 
wuchert  werden,  besonders,  wenn  mit  dem  Sediment  noch 
eine  etwas  reichlichere  Urinmenge  zur  Verteilung  gelangte, 
ln  den  trockener  verarbeiteten  Proben  ist  die  Auffindung  leicht. 
Das  Wachstum  der  Diphtheriebazillen  war  (während  des  Be¬ 
stehens  der  Membranen)  in  den  ersten  Tagen  der  Krankheit 
ein  überaus  reichliches,  einzelne  Platten  waren  nach  24  Stun¬ 
den  von  einem  dichten  Rasen  bedeckt,  auf  anderen  waren  un¬ 
zählige  isolierte  Kolonien  gewachsen.  Das  Wachstum  wurde 
im  allgemeinen  spärlicher,  je  mehr  die  Fieberperiode  zurück¬ 
lag,  war  indes  in  einzelnen  Fällen  auch  noch  später  ziemlich 
reichlich.  Wir  haben  zurzeit  8  Fälle  unter  Beobachtung;  bei 
einem  sind  seit  der  Erkrankung  2  Wochen  verflossen, 
bei  einem  zweiten  3,  bei  einem  dritten  4  Wochen.  I  n 
drei  Fällen  liegt  die  Erkrankung  8  Wochen, 
in  einem  weiteren  10  Wochen  zurück.  Bei 
einem  anderen,  seit  8  Wochen  in  der  Klinik  befind¬ 
lichen  Knaben  handelt  es  sich  um  einen  in  einer  Anstalt 
zufällig  entdeckten  Bazillenträger,  bei  welchem  nicht 
festzustellen  war,  ob  und  wann  überhaupt  eine  Erkrankung 
Vorgelegen  hat.  In  allen  diesen  Fällen  finden  sich 
konstant  in  dem,  einen  um  den  anderen  Tag 
entnommenen  Urin  Diphtheriebazillen,  und  es 
ist  zurzeit  ein  Ende  der  Ausscheidung  gar  nicht  abzusehen. 
Der  bis  jetzt  in  einer  Reihe  von  Fällen  angestellte  Tierver¬ 
such  zeigte,  dass  es  sich  zum  Teil  um  energisch  Toxin  bildende 
Stämme  handelt. 

Der  Urin  enthielt  nur  in  zwei  Fällen  vorübergehend  Al¬ 
buinen,  dagegen  meist  weisse  Blutkörperchen  in  vermehrter 
Zahl;  weniger  Epithelien  der  Harnwege  und  spärlich  Erythro¬ 
zyten,  vereinzelt  auch  Zylinder  und  Zylindroide  bei  fehlendem 
Albumen.  Im  übrigen  war  er  klar  und  makroskopisch  unver¬ 
dächtig.  Ich  will  noch  erwähnen,  dass  die  Mehrzahl  der 
Fälle  von  mir  im  Beginn  intravenös  mit  1 — 2  ccm  des 
500  fachen  Heilserums  gespritzt  wurden,  und  dass  der  kli¬ 
nische  Verlauf  meist  normal  war. 

Vielfach  waren  im  Abstrich  von  der  Oberfläche  des 
Rachens  und  der  Mandeln  kulturell  keine  Bazillen  mehr  nach¬ 
weisbar,  und  es  wurde  daraufhin  praktisch  Keimfreiheit  an¬ 
genommen.  Sehr  mit  Unrecht!  Denn  seitdem  ich  mit  ganz 
schmalem  Tupfer  tief  in  die  Lakunen  einging,  ihn  darin  eine 
Weile  beliess,  bis  er  sich  ordentlich  vollgesogen  hatte,  und  dann 
auf  Löfflerplatten  ausstrich,  änderten  sich  die  Resultate  auf¬ 
fallend.  Wo  vorher  kaum  etwas  oder  nichts  zu  finden  war. 
erfolgte  nun  meist  reichliches  Wachstum.  Offenbar  werden 
die  oberflächlich  sitzenden  Keime  vom  Speichel  fortgespült, 
oder  durch  Gurgelwässer  abgetötet,  während  die  in  den  ge¬ 
schlossenen  Krypten  sitzenden  verschont  bleiben. 

Ich  möchte  auch  betonen,  dass  es  wichtig  ist,  besonders  in 
zweifelhaften  Fällen  Platten  und  nicht  lediglich  Röhrchen  zu 
verwenden,  wie  es  in  Untersuchungsämtern  der  Materialer¬ 
sparnis  halber  vielfach  üblich  ist.  Auf  einer  Platte  lässt  sich 
der  Tupfer  viel  ausgiebiger  ausstreichen,  und  nachher  ist  die' 
Uebersicht  eine  ganz  andere,  als  in  dem  engen,  beschlagenen 
Röhrchen.  Ich  fand  es  zweckmässig,  den  Wattetupfer  vor¬ 
dem  Ausstreichen  im  Kondenswasser  des  Petrischalendeckels 
erst  nass  zu  saugen,  wohl  auch  dort  probeweise  auszuquet-1 
sehen.  Die  Doppelfärbung  nach  Neisser  erübrigt  sich,  da 
die  Polkörnchen  mit  Methylenblaulösung  allein  schon,  sei  es- 
neutrale,  angesäuerte  oder  alkalische,  sehr  gut  hervortreten. 

Versuche,  die  Bazillen  durch  Urotropin¬ 
medikation  zum  Verschwinden  zu  bringen, 
verliefen  erfolglos. 

Die  nosologische  und  epidemiologische  Bedeutung  der¬ 
artiger  Befunde  liegt  auf  der  Hand.  Es  ist,  wie  gesagt,  nicht 
mehr  in  Abrede  zu  stellen,  dass  die  Diphtherie,  so  gut  wie  jede 
andere  Infektionskrankheit,  mit  einer  Bakteriämie  einhergeht. 
Die  von  mir  beobachtete  reichliche  Ausscheidung  von 
Keimen  während  des  Fiebers  und  so  lange  die  Membranen 
bestehen,  ist  wohl  nicht  gut  und  anders  zu  deuten,  als  durch 
eine  reichliche  Einwanderung  von  Bazillen  ins  Blut.  Ob  auch 
noch  in  den  Perioden  der  Rekonvaleszenz  Bakteriämie  vor¬ 
handen  ist,  wird  sich  durch  Blutuntersuchungen  entscheiden 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


4.  Februar  1913. 


24  i 


lassen.  Wahrscheinlich  beherbergen  ausser  dem  Blute  die 
verschiedensten  Organe  die  Keime,  ausser  den  Lungen  ins¬ 
besondere  auch  wahrscheinlich  die  Nieren  und  die  Blase.  Bei 
zwei  zur  Sektion  gekommenen  Diphtheriefällen  fand  ich  seiner¬ 
zeit  die  Keime  in  den  Nieren,  schon  im  blossen  Abstrich¬ 
präparat. 

Therapeutisch  werden  wir  es  von  nun  an  aufgeben,  uns 
und  die  Patienten  weiterhin  mit  allerhand  Einpinselungen  etc. 
auf  die  Rachenschleimhaut  abzuquälen.  Denn  abgesehen 
davon,  dass  alle  kritischen  Beobachter  über  die  absolute  Er¬ 
folglosigkeit  derartiger  Massnahmen  übereinstimmen,  ist  es 
nun,  nachdem  uns  die  neueren  Untersuchungen  erst  einen  rich¬ 
tigen  Begriff  von  der  Verbreitung  der  Diphtheriebazillen  im 
Körper  gebracht  haben,  überhaupt  schwerlich  denkbar,  die 
Schleimhäute  von  aussen  her  dauernd  keimfrei  zu  machen.  Die 
„innere  Desinfektion“  ist  aber  nicht  nur  bei  der  Diphtherie  ein 
pium  desiderium  bislang  geblieben. 

Die  Möglichkeit  der  W  e  i  t  e  r  v  e  r  b  r  e  i  t  u  n  g 
der  Diphtherie  durch  den  Harn  möchte  ich  durch¬ 
aus  nicht,  wie  C  o  n  r  a  d  i,  unterschätzen.  Einmal  ist  die 
Keimzahl  keineswegs  immer  spärlich,  und  ausserdem  wäre 
derselbe  Einwand  gegen  das  Ueberwiegen  der  Infektiosität 
des  Rachens  zu  erheben.  Auch  hier  ist  die  Keimzahl 
oft  sehr  spärlich,  und  von  einer  „Mehrzahl  von  Ba¬ 
zillen“  in  der  späten  Rekonvaleszenz  ist  nicht  die  Rede. 
Andrerseits  dürfen  wir  nicht  vergessen,  dass  es  sich  bei  der 
Diphtherie  meist  um  Kinder  handelt,  denen  irgend  ein  Be¬ 
griff  von  der  Schädlichkeit  ihres  Harnes  wohl  nicht  bei¬ 
zubringen  sein  wird.  Nicht  nur  die  Nachtgeschirre,  sowie 
Leib-  und  Bettwäsche,  sondern  auch  die  Hände  können  auf 
diese  Weise  überaus  leicht  infiziert  werden.  Und  was  bei 
Kindern  erst  einmal  an  den  Fingern  klebt,  das  findet  seinen 
Weg  in  die  Aussenwelt  mindestens  ebenso  sicher,  als  direkt 
von  der  Mundhöhle  aus. 

Während  wir  in  Krankenhäusern  bisher  die  Bazillenträger 
entlassen  konnten,  wenn  eine,  N.B.  wie  das  oben  angeführte 
Beispiel  zeigte,  oft  recht  problematische  Keimfreiheit  seitens 
der  Tonsille  konstatiert  worden  war,  müssten  wir  von  nun  an 
eigentlich  auch  noch  die  Keimfreiheit  des  Urins  abwarten.  Der 
Hygieniker  tut  sich  leicht  damit,  eine  Internierung  von  Keim¬ 
trägern  usque  ad  infinitum  zu  fordern.  Inwieweit  eine  solche 
aber  gesetzlich  überhaupt  möglich  und  ob  sie  praktisch  durch¬ 
führbar  sein  wird,  ist  eine  andere  Frage.  Das  Publikum  hat 
bisher  schon  kein  Verständnis  dafür,  wenn  ein  von  einer 
Krankheit,  die  in  8  Tagen  vorüber  ist,  vollkommen  Genesener 
noch  wochen-  und  monatelang  im  Krankenhaus  zurückbehalten 
wird.  Und  was  ist  eigentlich  damit  geleistet,  wenn  von  einem 
Hundert  Bazillenträgern  vielleicht  ganze  fünf  oder  sechs 
rigoros  vom  freien  Verkehr  abgeschlossen  werden,  zufällig 
deshalb,  weil  sie  das  persönliche  Missgeschick  hatten,  zu 
Beginn  ins  Krankenhaus  gebracht  zu  werden,  oder  einem  be¬ 
sonders  korrekten  Arzt  sich  anzuvertrauen,  der  sie  nicht  eher 
freilässt,  als  bis  die  Bazillen  geschwunden  sind.  Oder  welchen 
Sinn  hat  es,  ein  Kind,  das  die  Diphtheriebazillen  nicht  los 
werden  kann,  monatelang  —  in  einem  mir  bekannten  Fall  über 
ein  halbes  Jahr  —  vom  Schulbesuch  fernzuhalten,  wenn  nicht 
gleichzeitig  die  ganze  Schule  exactissime  bakteriologisch 
durchuntersucht  wird?  Soll  ein  Erwachsener  mit  Hilfe  der 
Polizei  gezwungen  werden,  das  Hotel,  in  dem  er  logiert,  bei 
Nacht  und  Nebel  zu  verlassen  und  sich  im  Krankenhaus  ein¬ 
zumieten,  wie  es  in  einem  mir  bekannten  Fall  passierte?  Be¬ 
sitzen  wir  denn  ein  sicheres  Mittel,  den  Menschen  zu  des¬ 
infizieren?  Ich  meine,  man  wird  sich  über  kurz  oder  lang 
mit  diesen  Fragen  in  etwas  weniger  doktrinärer  Weise  wie 
bisher  vielfach,  auseinandersetzen  müssen.  Denn  schliesslich 
hat  der  einzelne  doch  auch  ein  gewisses  Recht,  soweit  seine 
persönliche  Freiheit  in  Frage  kommt,  gegenüber  der  Allgemein¬ 
heit.  Man  soll  nur  den  Mut  haben,  einzugestehen,  dass  es  auf 
die  bisherige  Art,  diese  Dinge  ex  cathedra  zu  behandeln,  nicht 
gut  weitergehen  kann  3). 


3)  Vergl.  hierzu  die  Diskussion  auf  der  36.  Versammlung  des 
Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  Dresden  1911 
und  das  Referat  von  Lentz  über  die  Bekämpfung  der  Infektions¬ 
krankheiten.  Ausser  den  die  Schwierigkeiten  gegenüber  den  Keim¬ 
trägern  vollkommen  würdigenden  Ausführungen  von  Lentz  war  es 
No.  5. 


Nachtrag  bei  der  Korrektur.  Bei  8  der  erwähnten 
Ausscheider,  welche  kürzlich  aus  dem  Krankenhaus  entlassen  wur¬ 
den.  konnten  die  Bazillen  bis  zuletzt  ständig,  teils  reichlicher,  teils 
spärlich,  nachgewiesen  werden.  Die  seit  der  Krankheit  verflossene 
Zeit  betrug  bei  vieren  je  3 'A  bis  3'A  Monate,  bei  den  anderen  je  8, 
6,  5  und  4  Wochen.  Der  bis  jetzt  in  8  verschiedenen  Fällen  an- 
gestellte  Tierversuch  ergab  6  mal  virulente  und  2  mal  anscheinend 
avirulente  Stämme.  Einige  Male  war  es  nach  der  Injektion  von  je 
1  ccm  einer  8 — 14  tägigen  Bouillonkultur  zu  einer  mächtigen  fibrinösen 
Perikarditis  und  Pleuritis  gekommen,  abgesehen  von  den  Verödungen 
an  der  subkutanen  Injektionsstelle.  Bei  einem  Tier  wuchsen  reich¬ 
lich  Diphtheriebazillen  aus  der  Pleuraflüssigkeit,  dem  Blut  und  den 
Organen  des  Tieres,  was  bekanntlich  nur  selten  gelingt.  Diese  Tiere 
starben  in  wenigen  Tagen.  Erwähnen  möchte  ich  auch,  dass  aus 
den  Krypten  der  Tonsillen  in  all  diesen  Fällen  zuletzt  noch  Diphtherie¬ 
bazillen  wuchsen,  teilweise  überraschend  viele  Kolonien  auf  den 
Platten. 

Anderen  Autoren  scheint  der  Nachweis  der  Bazillen  im  Harn 
weniger  gut  gelungen  zu  sein.  Das  liegt  jedenfalls  im  wesentlichen 
daran,  dass  zu  wenig  Material  verarbeitet  wurde.  Z.  B.  verimpfte 
Koch  (D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  50)  laut  brieflicher  Mitteilung 
—  in  der  betr.  Publikation  fehlen  diese  Angaben  —  nur  3  Platinösen 
aus  dem  Sediment  von  30  ccm  Urin.  Wenn  man  von  einer  Tages¬ 
menge  von,  sagen  wir  einem  Liter,  nur  den  dreissigsten  Teil  benützt, 
und  davon  wiederum  vielleicht  nur  den  dreissigsten  Teil,  dann  darf 
man  sich  freilich  nicht  wundern,  wenn  man  gar  nichts  oder  selten 
etwas  findet.  Auch  bei  Conradi-Bierast  würde  der  Prozent¬ 
satz  positiver  Fälle  wohl  noch  wesentlich  höher  gewesen  sein,  wenn 
die  Autoren  das  ganze  Sediment  ausgegossen  hätten,  was  ja  eigent¬ 
lich  sehr  nahe  liegt.  Uebrigens  ist  die  Reinkultur  von  Diphtherie¬ 
bazillen  in  einzelnen  Fällen  gar  nicht  so  einfach.  Ich  verweise  hier 
auf  einen  von  mir  publizierten  Fall  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1911, 
No.  44),  in  dem  sie  unter  mehreren  geübten  Untersuchern  nur  einem 
gelang.  Was  den  Befund  von  für  das  Tier  nicht  virulenten  Stäb¬ 
chen  betrifft,  die  aber  sonst  alle  oder  die  wesentlichen  Merkmale  von 
Diphtheriebazillen  zeigen,  so  ist  die  Frage,  welche  Stellung  man  den¬ 
selben  zuweisen  soll,  noch  keineswegs  geklärt.  Eine  ganze  Anzahl 
von  Autoren,  unter  ihnen  Roux  und  v.  Behring,  sind  der  Meinung, 
dass  eine  wirkliche  Trennung  der  Gruppen  nur  mehr  oder  weniger 
künstlich  und  willkürlich  durchzuführen  ist. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau  (Direktor: 

Geheimrat  Prof.  Dr.  O.  K  ü  s  t  n  e  r). 

Indikationen  und  Resultate  abdominaler  Tampondrainage* *). 

Von  Privatdozent  Dr.  Hermann  Küster,  Assistenzarzt 

an  der  Klinik. 

M.  H.!  Ich  möchte  in  der  kurzen  Zeit,  in  der  ich  auf  ihre 
Aufmerksamkeit  rechnen  darf,  Ihnen  einen  Bericht  geben  über 
Indikationen  und  Resultate  abdominaler 
Tampondrainage  an  der  Hand  des  Materials  der  Bres¬ 
lauer  Frauenklinik  aus  einem  Zeitraum  von  5  Jahren. 

Wir  verstehen  unter  Tampondrainage  das  Einführen  eines 
Gazesackes  in  die  Bauchhöhle  und  zwar  verwenden  wir  die 
Art,  wie  sie  von  Mikulicz  angegeben  wurde. 

Je  nach  der  Indikation  wird  das  Innere  des  Sackes  noch 
mit  mehr  oder  weniger  Vioformgaze,  die  wir  neuerdings  ver¬ 
wenden,  oder  Jodoformgaze  —  früher  —  angefüllt;  so  wirkt 
der  Sack  bald  mehr  drainierend,  bald  tamponierend. 

Alle  meine  Angaben  beziehen  sich  auf  diese  Art  der 
Tampondrainage. 

M.  H.!  Was  wir  funktionell  und  anatomisch  durch  das 
Einführen  eines  solchen  Sackes  in  den  Peritonealraum  er¬ 
reichen  können,  wissen  wir,  darüber  brauchen  wir  nicht  mehr 
zu  diskutieren,  darüber  sind  die  Akten  geschlossen. 

Wir  wissen  ad  1),  dass  es  nicht  möglich  ist,  durch  diese 
oder  irgend  eine  andere  Art  der  Versorgung  des  Peritoneal¬ 
raums  eine  dauernde  Abfuhr  von  Flüssigkeit  —  eine  Dauer¬ 
drainage  des  Peritoneums  —  zu  erzielen. 

Wir  wissen  aber  2),  dass  jeder  Fremdkörper  und  so  auch 
der  Mikuliczsack  in  seiner  Umgebung  eine  Verklebung  peri¬ 
tonealer  Flächen  in  kurzer  Zeit  hervorruft. 

Das  hat  zur  Folge  einmal  das  Unerwünschte,  das  wir 
eben  schon  erwähnten,  dass  die  Ableitung  von  Flüssigkeit  aus 
dem  Abdomen  bald  unterbrochen  wird  —  andererseits  aber 


besonders  T  j  a  d  e  n,  der  sich  auf  den  realen  Boden  der  tatsächlichen 
Verhältnisse  stellte  und  davor  warnte,  sich  über  die  Durchführbar¬ 
keit  der  Isolierung  zu  Hause  und  die  Grenzen  einer  Heranziehung  der 
Krankenhäuser  für  diesen  Zweck,  frommen  Täuschungen  hinzugeben. 

*)  Etwas  gekürzt  vorgetragen  dem  VI.  internationalen  Kongress 
für  Gynäkologie  in  Berlin  am  10.  IX.  12. 


3 


242 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  5. 


gibt  cs  uns  die  Möglichkeit,  künstlich  an  jeder  beliebigen  Stelle 
des  Bauchraumes  in  kurzer  Zeit  Adhäsionen  zu  provozieren. 

Darüber  herrscht  wohl  Uebereinstimmung.  Die  Frage  ist 
nur  die,  ob  —  und  wenn  ja  —  in  welchen  Fällen  die  Er¬ 
zeugung  solcher  Adhäsionen  zweckmässig  und  wünschenswert 
erscheint. 

Darüber  dürften  die  Meinungen  auseinandergehen,  eine 
Einigung  wird  schwer  zu  erzielen  sein  —  aber  immerhin 
werden  Beiträge  von  Material  zur  Klärung  der  Leistungs¬ 
fähigkeit  der  Tamponade  wertvoll  und  vielleicht  auch  ver¬ 
wertbar  sein. 

Ich  kann  Ihnen,  m.  H.,  nicht  im  einzelnen  sagen,  welche 
Erwägungen  in  diesem  oder  jenem  Falle  meiner  Statistik  den 
Operateur  bewogen  haben,  das  Abdomen  nicht  zu  schliessen, 
sondern  die  Tampondrainage  auszuführen  —  ich  muss  mich 
vielmehr  darauf  beschränken,  die  Fälle,  so  gut  es  geht,  in  ein¬ 
zelne  Gruppen  unterzubringen. 

Mein  Material  umfasst  55  Fälle  aus  7  Jahren  —  unter 
1524  Laparotomien  — .  Es  sind  die  Fälle,  welche  seit  der 
Arbeit  von  K  ii  s  t  n  e  r  in  der  Festschrift  für  Olshausen 
1905  in  der  Breslauer  Klinik  tamponiert  oder  drainiert  worden 
sind.  Damals  sagte  K  ü  s  t  n  e  r  am  Schlüsse  der  Kritik  der 
Indikationen  der  Tampondrainage,  dass  er  es  in  Zukunft  eben¬ 
so  halten  werde,  wie  in  den  Jahren  vorher,  vielleicht  noch 
seltener  drainieren  werde. 

Als  massgebende  Faktoren  für  die  Indikationsstellung 
wurden  aufgestellt: 

1.  die  Wahrung  strengster  Asepsis, 

2.  das  Vermeiden  frischer  Adnexfälle, 

3.  die  mikroskopische  Untersuchung  des  Eiters. 

Nach  diesen  Grundsätzen  ist  in  den  letzten  Jahren  an 
unserer  Klinik  verfahren  worden  unter  Berücksichtigung  der 
Besonderheiten  jedes  einzelnen  Falles. 

Hannes  hat  schon  darüber  berichtet,  dass  wir  bei  der 
erweiterten  abdominalen  Radikaloperation  in  jedem  Falle 
prinzipiell  einen  Mikulicztampon  einlegen,  —  die  Karzinomfälle 
fallen  dementsprechend  hier  aus.  Es  bleiben  dann,  wie  gesagt 
in  7  Jahren  55  Fälle  übrig;  davon  sind  24  Operationen  wegen 
Eiterungen  an  den  Adnexen,  erheblich  weniger,  als  in  den 
Jahren  vorher,  entsprechend  der  Einschränkung,  welche  die 
Adnexoperationen  zugunsten  der  konservativen  Methoden  ge¬ 
funden  haben;  ferner  8  Myomoperationen,  7  Operationen 
wegen  Tubengravidität,  8  Operationen  wegen  Ovarialtumoren, 
der  Rest  wegen  der  verschiedensten  Affektionen,  peritonealer 
Abszess,  Uretervaginalfisteln  und  ähnliche  ganz  atypische 
Operationen. 

Aus  welchen  Indikationen  wurde  nun  in  diesen  Fällen 
tamponiert? 

20  mal  wegen  Blutunsicherheit,  wie  wir  das  zu 
nennen  pflegen.  Wenn  nach  Anwendung  aller  gebräuchlichen 
Mittel  zur  Blutstillung,  eingeschlossen  die  Anwendung  des 
Ferrum  candens,  zeitweise  Tamponade  mit  Gazetupfern, 
trocken  oder  mit  70  proz.  Alkohol  die  wunden  Flächen  sich 
wieder  und  wieder  mit  Blutstropfen  bedecken,  so  legen  wir 
den  M.  T.  ein,  stopfen  mit  Vioformgaze  aus. 

In  allen  Fällen  hat  diese  Methode  vor  Nachblutungen 
bewahrt;  alle  aus  dieser  Indikation  tamponierten  Fälle  sind 
geheilt. 

Wegen  D.a  rmverletzung  allein  wurde  einmal  ein 
Mikuliczsack  eingelegt;  —  das  Rektum  musste  quer  reseziert 
und  zirkulär  vereinigt  werden,  —  Genesung. 

Wegen  Infektionsverdachtes  allein  wurde  im 
ganzen  3  mal  drainiert,  2  mal  bei  verjauchten  Zervikalmyomen, 
1  mal,  weil  der  bei  der  Exstirpation  von  Pyosalpingen 
fliessende  Eiter  lange  Ketten  von  Streptokokken  enthielt  — 
auch  diese  Fälle  sind  geheilt.  — 

Füge  ich  nun  noch  hinzu  je  einen  Fall  von  Uterus¬ 
ruptur  intra  partum,  von  Uterusperforation  mit  dem 
Abortlöffel  und  einen  transperitonealen  Kaiser¬ 
schnitt,  bei  welchem  das  Fruchtwasser  Verdacht  erregte, 
so  habe  ich  Ihnen  über  die  Fälle,  in  denen  eine  einzige,  ein¬ 
fache  Indikation  vorlag,  bereits  berichtet. 

In  der  anderen  Hälfte  der  Fälle  war  es  die  Kombination 
mehrfacher  Indikationen,  welche  die  Tampondrainage  ver- 
anlasste. 

Blutunsicherheit  nach  Trennung  umfänglicher  Peritoneal¬ 


adhäsionen  zusammen  mit  Darmverletzungen,  mit  Ausfliessen 
bakterienhaltigen  Eiters  in  den  verschiedensten  Zusammen¬ 
stellungen  —  ein  Beweis  dafür,  dass  langwierige,  schwierige 
Verhältnisse  bei  der  Operation  Vorlagen. 

In  dieser  Kategorie  von  Operationen  finden  sich  auch 
sämtliche  Todesfälle,  die  wir  zu  beklagen  haben  —  das  sind 
im  ganzen  7. 

Davon  scheiden  für  die  Bewertung  der  Leistungsfähigkeit 
der  Tampondrainage  4  aus,  nämlich: 

1.  ein  Fall  von  sekundärer,  infizierter  Bauchhöhlen¬ 
schwangerschaft,  deren  Trägerin  seit  2  Monaten  bereits 
fieberte  und  am  3.  Tage  nach  der  Operation  an  schwereji 
Degenerationen  der  Leber,  der  Niere  und  des  Herzens  zu¬ 
grunde  ging, 

2.  ein  Fall,  welcher  5  Monate  nach  einer  abdominalen 
Ureterimplantation  an  Pneumonie  und  Pyonephrose  starb. 

3.  und  4.  zwei  Fälle  von  Peritonitis,  ausgehend  von  Darm¬ 
verletzungen,  die  nicht  dem  Tampondrain  anlagen. 

Es  bleiben  demnach  zu  Lasten  der  Tampondrainage  noch 
3  Fälle  übrig  —  unter  51  —  knapp  6  Proz.  — .  Sie  gestatten, 
m.  H.,  dass  ich  sie  Ihnen  ganz  kurz  skizziere. 

ln  dem  1.  Fall  ein  sehr  grosses,  allseitig  verwachsenes 
Papillom  des  Ovars,  bei  dessen  Entfernung  die  Flexur  breit  eröffnet 
wird  und  grössere  parenchymatöse  Blutung  noch  am  Ende  der  Opera¬ 
tion  notiert  ist;  Tod  am  3.  Tage  an  Peritonitis,  nicht  ausgehend  von 
der  Darmnaht,  die  gehalten  hat. 

Im  2.  Falle  ein  vereitertes  und  verjauchtes  Riesenmyom  mit 
zahlreichen  Verwachsungen,  mit  dem  Dünndarm  kommunizierend, 
schon  vor  der  Operation  fiebernd.  —  Tod  nach  26  Stunden  an  dif¬ 
fuser  eiteriger  Peritonitis. 

Im  3.  Falle  eine  Kombination  von  Kystoma  ovarii  mit  einem 
submukösen,  aus  dem  Muttermunde  herausragenden  Myom  und  Pel- 
veoperitonitis.  —  Tod  am  13.  Tage,  klinisch  Peritonitis  nicht  aus- 
zuschliessen.  Obduktion  nicht  gestattet. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  in  den  beiden 
ersten  Fällen  bereits  bei  der  Operation  eine  Ueberschwem- 
mung  der  ganzen  Bauchhöhle  mit  Keimen  sich  ereignete  — 
sie  illustrieren  die  uns  bekannte  Tatsache,  dass  eine  Ableitung 
von  Sekret  aus  der  Bauchhöhle  mit  der  Tampondrainage 
nicht  erreicht  werden  kann;  Fälle,  wie  diese  sind  verloren, 
man  mag  sie  behandeln,  wie  man  will. 

Ueber  den  dritten  Fall  —  der  erst  am  13.  Tage  zum  Exitus 
kam,  ist  mangels  der  Obduktion  ein  sicheres  Urteil  nicht  zu 
formulieren;  es  scheint  aber  doch  auch  hier  von  vornherein 
eine  Infektion  des  ganzen  Peritoneums  stattgefunden  zu  haben. 

Diesen  3  Misserfolgen,  welche  die  Tampondrainage  ihrem 
Wesen  nach  nicht  verhüten  konnte,  stehen  48  günstige  Aus¬ 
gänge  gegenüber;  in  zahlreichen  schweren,  auch  manifest 
infizierten  Fällen  hat  der  Tampon  schützende  Verklebungen 
zu  bilden  vermocht,  so  dass  die  Wundsekrete,  ohne  das  Peri¬ 
toneum  zu  infizieren,  abgeleitet  wurden. 

Abgesehen  von  der  Unbequemlichkeit  der  öfter  not¬ 
wendigen  Verbandwechsel  hat  die  Methode  noch  zwei  weitere 
Nachteile,  die  nicht  verschwiegen  werden  dürfen,  das  ist  ein¬ 
mal  eine  nicht  unbeträchtliche  Verlängerung  des  Kranken¬ 
lagers  und  dann  die  Möglichkeit  der  späteren  Hernienbildung 
an  der  Stelle  des  Tamponkanals,  über  deren  Häufigkeit  ich 
Ihnen  allerdings  zahlenmässige  Angaben  nicht  machen  kann. 

Die  Möglichkeit  der  Hernienbildung  führt  mich  zu  der 
Frage  der  sekundären  Naht. 

Es  ist  in  den  7  Jahren,  über  die  ich  Ihnen  berichte,  nur 
zweimal  sekundär  genäht  worden,  während  der  Vermerk, 
dass  die  Naht  am  folgenden  Tage  beabsichtigt  war,  sich  des 
öfteren  findet. 

Beckers  Dissertation  führt  unter  23  Fällen  noch  14  an, 
in  denen  am  Tage  nach  der  Operation  der  Tampon  entfernt 
und  genäht  wurde  —  alle  diese,  wie  auch  die  beiden  späteren 
gingen  in  Heilung  aus. 

Es  besteht  also  die  Möglichkeit,  in  geeigneten  Fällen  durch 
eine  Naht  nach  24  Stunden  die  durch  den  Tampondrain  offen 
gehaltene  Faszienlücke  zu  schliessen  und  so  die  Zahl  der 
Hernien  noch  zu  vermindern. 

Ich  fasse  die  Resultate  in  folgende  Sätze  zusammen: 

1.  Die  Tampondrainage  nach  Mikulicz  ist  eine  wirk¬ 
same  Methode  zur  Beherrschung  der  sogen,  parenchymatösen 
Blutungen  im  kleinen  Becken,  wenn  die  sonst  üblichen  Blut¬ 
stillungsmethoden  nicht  ausreichen. 


243 


Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2.  Die  Tampondrainage  ist  ein  sicheres  Mittel  zur  Er- 
lugung  eines  gegen  das  freie  Peritoneum  geschlossenen 
tnals,  durch  welchen  Wundsekrete  aus  der  Beckenhöhle  ab- 
■leitet  werden  können,  nicht  dagegen  vermag  sie  eine 
mernd  wirksame  Ableitung  von  Flüssigkeit  aus  dem  Peri- 
iiealraum  zu  garantieren. 

3.  Nachteile  der  Tampondrainage  sind  die  Verlängerung 
s  Krankenlagers  und  die  vermehrte  Gefahr  der  Hernien- 
ldung.  Dagegen  wird  die  Gefahr  sekundärer  Infektion  vom 
unponkanal  aus  durch  zweckentsprechende  Nachbehandlung 
aktisch  vollkommen  vermieden. 

4.  Daraus  ergeben  sich  Indikationen  und  Kontraindi- 
itionen: 

Angezeigt  ist  die  Tampondrainage  1.  bei  Blutungen, 
dann,  wenn  voraussichtlich  die  Bildung  reichlichen  Wund- 
kretes  zu  erwarten  ist,  bei  grossen  Höhlenwunden,  vor  allem 
■i  Infektion  oder  Infektionsverdacht  jeglicher  Art. 

Unzweckmässig  und  daher  nicht  angezeigt  ist  die  Tanipon- 
ainage  bei  diffuser  Peritonitis  und  Aszites. 

Ob  im  Rahmen  dieser  Indikationen  die  Grenzen  enger 
ler  weiter  zu  stecken  sind,  wird  hier  wie  überall  Sache  des 
nzelnen  bleiben,  der  je  nach  Wagemut  und  Erfahrung  ein 
össeres  und  kleineres  Risiko  eingehen  mag. 

Wir  glauben,  dass  unsere  klinischen  Erfahrungen  dafür 
rechen,  dass  die  Tampondrainage  die  Lebenssicherheit  nach 
implizierten  Operationen  erhöht  und  werden  uns  ihrer  auch 
rnerhin  in  den  gekennzeichneten  Fällen  bedienen. 


Beitrag  zur  Frage  der  Sterilisierung  aus  rasse¬ 
hygienischen  Gründen. 

jii  Dr.  August  H  e  g  a  r,  Oberarzt  an  der  Heil-  und  Pflege¬ 
anstalt  bei  Wiesloch. 

Die  Motive  zur  Sterilisierung,  d.  h.  der  Durchtrennung  von 
unenstrang  oder  Eileiter  unter  Erhaltung  der  Geschlechts- 
iisen  sind  verschieden.  An  erster  Stelle  finden  sich  die 
edizinischen:  einige  rein  chirurgische,  wie  die  Durch- 
hneidung  des  Samenstranges  bei  Prostatektomie,  bei  Hoden- 
uralgie  etc.  interessieren  uns  hier  nicht;  in  anderen  Fällen 
urde  die  Operation  als  indiziert  angesehen,  wenn  durch  einen 
ankhaft  gesteigerten  Geschlechtstrieb  (Onanie)  der  gesund- 
itliche  Zustand  eines  Menschen  geschädigt  wurde;  so  wurde 
verschiedenen  Männergefängnissen  in  Nordamerika  aus 
.jsem  Grunde  die  Vasektomie  vorgenommen.  Auch  in 
aitschland  wurde  mehrfach  aus  dem  gleichen  Motive  bei 
isteskranken  Frauen  sterilisiert  und  kastriert,  jedoch  ohne 
sondere  Erfolge.  Ferner  wird  zur  Verhinderung  der  Fort- 
anzung  sterilisiert,  so,  wenn  durch  eine  erneute  Schwanger¬ 
haft  Gesundheit  und  Leben  einer  Frau  bedroht  erscheint; 
i  Teil  der  Gynäkologen  stellt  sich  sehr  schroff  dieser  Indi- 
tion  entgegen:  die  Sterilisierung  dürfe  nicht  vorgenommen 
-rden,  solange  noch  eine  Heilung  der  Krankheit  in  anderer 
eise  möglich  ist;  einige  bestreiten  überhaupt  jede  Indikation 
ihrer  Vornahme,  nicht  einmal  bei  engem  Becken  sei  sie 
lügend  begründet.  Andere  sind  in  dieser  Hinsicht  tole- 
nter,  sie  ziehen  sogar  wirtschaftliche  Motive  in  den  medi- 
lischen  Kreis  hinein.  Wir  kommen  hier  mit  dem  Motiv: 
nderiiberfluss  bei  offenbarer  Armut,  zu  dem  Gebiet  der 
»zialen  Indikationen,  die  sich  vielfach  in  einem  weiten 
ihmen  bewegen:  Erhaltung  des  Familienlebens,  Interesse 
•r  vorhandenen  Kinder  und  des  Ehemannes,  Erwerbsbe- 
hränkung  der  Ehegatten  durch  weitere  Kinder,  missliche 
eliche  Verhältnisse  und  ähnliches. 

Wird  die  Sterilisierung  vorgenommen  bei  Gefahr  eines 
anken  oder  verbrecherischen  Nachwuchses,  so  haben  wir 
s  rassenhygienische  Motiv,  dasselbe  wird  ja  auch 
den  sozialen  Gründen  gerechnet  werden  müssen  und  geht 
ch  unter  dieser  Bezeichnung  in  der  Literatur,  es  empfiehlt 
:h  aber  eine  Trennung  von  den  ökonomisch-sozialen  Motiven 
rch  einen  besonderen  Namen.  Zu  den  sozialen  Indikationen 
ichte  ich  ferner  noch  die  als  kriminalistische  zu  be- 
ichnende  nennen:  die  Sterilisierung  (oder  Kastration)  wird 
''genommen  um  einen  gesteigerten  oder  pervertierten  Ge- 
tilechtstrieb,  der  zu  Sittlichkeitsverbrechen  führt,  zu  vor¬ 
igem  oder  zu  beseitigen. 


Die  Frage  nach  der  Berechtigung  der  Sterilisation  zur 
Verhinderung  der  Fortpflanzung  geisteskranker  und  ver¬ 
brecherischer  Individuen  wird  in  der  offiziellen  Medizin  nicht 
gerne  diskutiert.  Die  Bedenken  gegen  eine  derartige  Ein¬ 
schränkung  der  Zeugungsfähigkeit  liegen  nun  weniger  auf  dem 
moralischen  Gebiete  als  in  der  Betonung  der  juristischen 
Schwierigkeiten,  unserer  mangelhaften  Kenntnisse  der  Ver¬ 
erbungsgesetze  und  der  Befürchtung,  dass  das  Publikum  für 
dieses  Heilmittel  noch  nicht  aufnahmefähig  sei.  Besonders 
betont  die  psychiatrische  Wissenschaft,  dass  ihr  Ansehen 
durch  die  zwangsweise  Internierung  ihrer  Patienten  schon 
genügend  leide  und  daher  einen  weiteren  Eingriff  in  die  indi¬ 
viduellen  Rechte  vermeiden  müsse.  Die  opportunistischen 
Warnungen  vor  der  Oeffentlichkeit  dürften  jedoch  schon  zu  spät 
kommen.  Auf  zahlreichen,  auch  nicht  rein  medizinischen  Ver¬ 
sammlungen  wird  die  Frage  erörtert,  die  Literatur  wächst 
zusehends  und  wendet  sich  auch  an  nicht  ärztliche  Kreise. 
Und  gerade  diese  könnten  dem  Irrenarzte,  der  nicht  prophy¬ 
laktisch  für  die  Rassenhygiene  wirken  wollte,  den  Vorwurf 
machen,  dass  er  nur  eine  Fülle  von  minderwertigen  Persön¬ 
lichkeiten  zu  konservieren  bestrebt  sei  und  nicht  an  die  stei¬ 
genden  Lasten  der  Allgemeinheit  denke. 

Unter  den  europäischen  Staaten  wurden  zuerst  in  der 
Schweiz  Sterilisationen  zum  Zwecke  der  Verhinderung  eines 
geisteskranken  (im  weiteren  Sinne,  wozu  auch  Idiotie  zu 
rechnen  ist)  Nachwuchses  in  Irrenanstalten  vorgenommen. 
Die  interessanten  Schilderungen  darüber  zeigen  die  grossen 
Schwierigkeiten,  die  sich  jedem  derartigen  Vorgehen  ent¬ 
gegenstellen  und  erweisen  die  Notwendigkeit,  demselben  eine 
gesetzliche  Norm  zu  geben.  Es  hat  nun  bereits  eine  Legali¬ 
sierung  der  Sterilisation  in  einzelnen  Bundesstaaten  der  nord¬ 
amerikanischen  Union  stattgefunden.  Die  Sterilisationsgesetze 
in  Indiana  und  Connecticut  von  1907  und  1909  erlauben  in 
Gefängnissen  und  Irrenanstalten  die  zwangsweise  Sterili- 
sierug  von  Verbrechern,  Schwach-  und  Blödsinnigen  und  ein¬ 
zelnen  Kategorien  von  Geisteskranken,  die  die  Nachkommen¬ 
schaft  gefährden.  Bisher  würden  873  Verbrecher  durch  die 
Vasektomie  fortpflanzungsunfähig  gemacht.  Diese  Beschrän¬ 
kung  auf  Verbrecher  erweckt  nun  Bedenken,  ob  das  von  der 
Gesetzgebung  gewünschte  Ziel,  nämlich  die  Verhinderung 
einer  defekten  Nachkommenschaft  auch  erreicht  wird.  Die 
Sterilisierung  kann  —  ohne  Rücksicht  auf  die  Art  des  De¬ 
liktes  —  an  ausgesprochenen  Verbrechern  vorgenommen 
werden.  Als  solche  werden  in  der  Gesetzesvorlage  des 
Staates  Oregon  diejenigen  bezeichnet,  die  zum  drittenmale  zu 
einer  Gefängnis-  oder  Zuchthausstrafe  verurteilt  worden  sind. 
Es  handelt  sich  also  offenbar  um  Rückfalls-  und  Gewohnheits¬ 
verbrecher;  und  da  entsteht  die  Frage,  wie  weit  kommen  diese 
Leute  für  die  Fortpflanzung  in  Betracht?  Es  sind  dies  die 
Persönlichkeiten,  die  schon  sehr  früh  mit  dem  Gerichte  in 
Konflikt  kommen,  die  ständig  durch  die  Gefängnisse  wandern, 
immer  nur  kurze  Zeit  in  der  Freiheit  verbringen.  Ich  kann 
allerdings  keine  Zahlen  angeben,  glaube  aber  nach  meiner 
Kenntnis  von  dem  Material,  das  unsere  Gefängnisse  füllt, 
richtig  zu  schliessen,  dass  die  Nachkommenschaft  dieser 
degenerierten  Personen  eine  geringe  ist. 

Wenn  man  nach  amerikanischem  Vorbild  handeln  will, 
wird  man  folgerichtig  sein  Augenmerk  auf  die  Persönlichkeiten 
richten,  bei  denen  Verbrechen  und  Geistesstörungen  sich 
vereinigen  und  die  daher  als  die  gefährlichsten  Elemente  hin¬ 
sichtlich  eines  gesunden  Nachwuchses  erscheinen  müssen. 
Man  würde  besonders  die  sogenannten  Grenzzustände  treffen, 
die  psychopathischen  Persönlichkeiten  jeder  Art,  die  intellek¬ 
tuell  und  moralisch  Minderwertigen,  die  Haltlosen,  die 
Schwindler,  die  Epileptoiden,  die  Hysteriker  etc.  Eine  Prü¬ 
fung,  wie  es  sich  mit  deren  Fortpflanzung  verhält,  erscheint 
mir  daher  berechtigt.  Ich  hatte  schon  vor  einigen  Jahren 
gelegentlich  einer  Untersuchung  von  geisteskranken  Rechts¬ 
brechern  in  den  Irrenanstalten  Badens  darauf  geachtet  und  bin 
damals  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  dass  sich  eine  Sterili¬ 
sation  aus  rassehygienischen  Gründen  kaum  verlohnen  würde. 
Um  aber  sicher  zu  gehen,  habe  ich  noch  einmal  die  150  letzten 
Aufnahmen  von  Männern  in  der  Anstalt  Wiesloch,  die  mit  dem 
Strafgesetze  in  Konflikt  gekommen  waren,  durchgesehen. 
Von  einer  Aufstellung  von  Tabellen  habe  ich  abgesehen  und 
gebe  nur  die  Resultate  meiner  Durchzählung.  Unter  den  150 

3* 


244 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Kranken  waren  33,  die  eine  Ehe  eingegangen  waren,  11  waren 
schon  früh  geschieden  oder  lebten  getrennt;  10  Ehen  blieben 
ohne  Kinder  und  zwar  wohl  sicher  durch  die  Schuld  des 
Mannes,  10  Ehen  hatten  ein  Kind,  6  je  2  Kinder,  dem  gegen¬ 
über  standen  7  Ehen  mit  40  Kindern.  Die  Anstaltsaufnahme 
erfolgte  nicht  vor  dem  30.  Lebensjahre,  22  wurden  erst  nach 
dem  40.  Jahr  interniert.  Fast  alle  sind  mehrfach  bestraft. 
Aussicht  auf  Entlassung  besteht  nur  bei  wenigen,  fast  alle 
werden  dauernde  Anstaltsinsassen  bleiben;  es  handelt  sich 
in  der  Mehrzahl  um  Alkohol-  und  Epilepsiedemenzen  und 
Dementia  praecox-Zustände.  Nur  bei  zweien  käme  die  Frage 
nach  der  Sterilisation  jetzt  noch  in  Betracht;  beide  31  Jahre 
alt,  Epileptiker;  der  eine  wurde  schon  in  der  Jugend  wegen 
Raubes  bestraft,  später  zweimal  wegen  Sittlichkeitsvergehen 
an  Kindern  Strafverfolgung  eingeleitet  und  exkulpiert;  er  hat 
bisher  ein  Kind.  Der  andere,  ehemaliger  Zwangszögling,  be¬ 
ging  als  junger  Mensch  Brandstiftung  und  Diebstahl,  war  dann 
lange  Jahre  in  Anstaltsbehandlung.  Er  heiratete  vor  2  Jahren 
und  hat  1  Kind.  Kriminell  ist  er  seither  nicht  mehr  geworden, 
musste  jedoch  wegen  eines  Dämmerzustandes  in  die  Anstalt 
verbracht  werden.  Eine  dauernde  Zurückhaltung  des  Kranken 
ist  nicht  ausführbar.  Wenn  man  von  diesen  beiden  absieht, 
käme  man  bei  dieser  Gruppe  von  Kriminellen  schon  viel  zu 
spät,  wenn  man  sie  erst  in  der  Anstalt  sterilisieren  wollte; 
aber  auch  eine  Operation  nach  dreimaliger  Bestrafung  gemäss 
dem  amerikanischen  Gesetze  während  ihres  Gefängnisaufent¬ 
haltes  hätte  bei  ihnen  keinen  Erfolg  gebracht,  denn  gerade  die 
Kriminellen  mit  der  zahlreichen  Nachkommenschaft  kommen 
erst  nach  deren  Zeugung  mit  den  Strafgesetzen  in  Konflikt:  so 
wurde  ein  Epileptiker  mit  5  Kindern,  von  denen  3  epileptisch 
sind,  erst  2  Jahre  nach  der  Geburt  des  letzten  Kindes  kriminell, 
ein  anderer  Epilektiker  mit  3  Kindern,  davon  eines  idiotisch, 
beging  seine  mehrfachen  schweren  Sittlichkeitsverbrechen  an 
Kindern  3  Jahre  nach  der  Geburt  des  letzten  Kindes,  ein  dritter 
Epileptiker  hatte  schon  8  Kinder,  als  ihn  seine  Straftat  dauernd 
in  die  Anstalt  brachte,  ein  weiterer,  ein  schwerer  Psychopath 
erhielt  seine  erste  Strafe  mit  17  Jahren,  er  heiratete,  hatte 
4  Kinder;  er  war  straffrei  bis  zu  seinem  36.  Jahre,  in  einer 
Zeit,  Wo  sein  letztes  Kind  6  Jahre  alt  war.  Er  brachte  es 
dann  bis  zu  seiner  Anstaltsaufnahme  im  Jahre  1908  zu 
44  Strafen.  Ein  sehr  charakteristisches  Bild  bietet  die  folgende 
Lebensgeschichte:  ein  erblich  belasteter  schwachsinniger 
Mensch  mit  allmählicher  Entwicklung  zum  chronischen  Alko- 
holisten.  Heirat  1880,  7  Kinder,  daneben  ein  uneheliches; 

2  Kinder  leben  noch,  eines  in  einer  Idiotenanstalt.  Die  Frau 
starb  1889  an  Tuberkulose  im  Armenhause.  Er  selbst  erhielt 
von  1885 — 88  jährlich  je  eine  Gefängnisstrafe  wegen  Dieb¬ 
stahls.  Er  arbeitete  von  1884  an,  wo  er  einen  Unfall  erlitt, 
immer  weniger.  Seit  1889  ist  er  nur  noch  wenige  Wochen  in 
Freiheit  gewesen,  erlitt  97  Strafen,  darunter  mehrfache  wegen 
Diebstahls,  Körperverletzung,  Bedrohung,  war  siebenmal  im 
Arbeitshaus;  seine  Laufbahn  endete  1910  in  der  Irrenanstalt. 
Endlich  erwähne  ich  noch  einen  Psychopathen  mit  chro¬ 
nischem  Alkoholismus,  von  seinen  10  Kindern  war  das  jüngste 

3  Jahre  alt,  als  er  seine  erste  Strafe  erhielt;  mit  45  Jahren 
kam  er  dann  in  die  Anstalt.  —  Erst  die  fortschreitende  geistige 
Schwäche  bringt  die  Kriminalität;  das  Sterilisieren  käme 
immer  zu  spät. 

Wie  verhält  es  sich  nun  mit  den  117  Ledigen?  Wie 
geringwertig  dieses  Material  ist,  zeigt  sich  daraus,  dass  nur 
13  beim  Militär  gedient  haben,  51  wurden  wegen  körperlicher 
und  geistiger  Mängel  befreit,  15  wurden  vorzeitig  wegen 
Geisteskrankheit  entlassen  oder  desertierten.  Ich  kann  diese 
Kranken  in  drei  Gruppen  einteilen:  die  erste,  60  an  der  Zahl, 
kam  schon  vor  dem  30.  Jahre  in  die  Irrenanstalt.  Es  handelt 
sich  meistens  um  Leute,  die  schon  sehr  früh  mit  dem  Straf¬ 
gesetz  in  Konflikt  kamen,  bei  denen  fast  ununterbrochen 
Strafe  auf  Strafe  folgte;  bei  der  letzten  Gefängnis-  oder  Zucht¬ 
hausstrafe  brach  dann  die  geistige  Erkrankung  aus,  die  sie 
dauernd  in  die  Irrenanstalt  führte;  meist  handelte  es  sich  um 
Dementia  praecox.  Ein  kleinerer  Teil,  Imbezille  und  Psycho¬ 
pathen,  wechselt  eine  Zeitlang  zwischen  Gefängnis  und  Irren¬ 
anstalt,  bis  er  für  längere  Jahre  festgehalten  wird.  Die  zweite 
Gruppe,  45  Individuen,  kommt  erst  nach  dem  30.  Jahre,  meist 
in  späteren  Dezennien  dauernd  in  die  Irrenanstalt;  hier  han¬ 
delt  es  sich  mehr  um  Vagabunden,  die  auf  der  Strasse  liegen, 


wenn  sie  nicht  im  Krankenhaus,  Arbeitshaus  oder  Haft  sich 
aufhalten.  Ihre  Psychose  bleibt  oft  jahrelang  latent  und  uner¬ 
kannt.  Die  letzte  Gruppe  enthält  12  Kranke,  dieselben  sind 
nur  einmal  bestraft,  die  Strafe  liegt  zeitlich  weit  von  der  An¬ 
staltsaufnahme  entfernt  oder  das  Delikt  wurde  in  krankem 
Zustande  begangen  oder  sie  erkrankten  in  Haft;  es  sind  eben¬ 
falls  minderwertige  Menschen,  aber  keine  Gewohnheitsver¬ 
brecher  wie  die  beiden  anderen  Gruppen.  Eine  Entlassung 
kommt  bei  ihnen  nicht  in  Betracht.  Ich  habe  sämtliche  Kranke 
durchgeprüft,  welche  für  die  Sterilisation  in  Betracht  kämen, 
aber  nur  3  gefunden: 

Der  eine  ein  22  jähriger  früherer  Zwangszögling,  eine  psycho¬ 
pathische  Persönlichkeit  mit  Alkoholsucht  und  Intoleranz,  schor 
mehrfach  wegen  Betrügereien  bestraft,  er  hat  schon  ein  uneheliches 
Kind  und  macht  gerne  Heiratspläne.  Der  andere  ist  jetzt  27  Jahre, 
leidet  an  Epilepsie  mit  Alkoholsucht,  er  ist  libidinös,  verlobt  sich 
öfters.  Er  wurde  schon  früh  wegen  Betrügereien  auf  seinen  Geistes¬ 
zustand  untersucht.  Er  ist  seit  1907  in  der  Irrenanstalt,  wo  er  durch 
seine  Neigung  durchzugehen  der  Ueberwachung  grosse  Schwierig¬ 
keiten  macht.  Der  dritte  ist  ein  mit  Potatorium  und  Verbrechen 
erblich  belasteter  intellektuell  und  besonders  moralisch  schwach¬ 
sinniger  Mensch  von  29  Jahren,  der  seit  seinem  16.  Jahre  zahlreiche 
Srtafverfolgungen  wegen  Diebstahls  und  Körperverletzung  erlitt.  Die 
Entlassungsversuche  misslangen  immer.  Seine  letzte  Aufnahme 
wurde  durch  seinen  Entschluss  beschleunigt  eine  übelberüchtigte 
Person  zu  heiraten.  Eine  dauernde  Verwahrung  wird  sehr  schwer 
sein. 

Wenn  ich  diese  3  Fälle  ausnehme,  ist  die  übrige  grosse 
Masse  für  die  Fortpflanzung  bisher  nicht  in  Betracht  ge¬ 
kommen  und  kommt  auch  kaum  in  Zukunft  in  Frage.  Die 
Kranken  waren  in  ihrem  geschlechtskräftigsten  Alter  in  Ge¬ 
fängnissen  und  Irrenanstalten  eingesperrt,  die  kurzen  Frei¬ 
heitszeiten  führen  sie  ein  unstätes  Leben,  verkehrten  wohl 
nur  mit  Prostituierten,  sind  zum  Teil  sexuell  pervers,  sind 
durch  Krankheit  und  Entbehrung  geschwächt.  Meiner  An¬ 
sicht  nach  fallen  sie  für  die  Frage  der  Belastung  der  Nach¬ 
kommenschaft  und  damit  der  Sterilisation  aus. 

Eine  gesonderte  Besprechung  möchte  ich  noch  den  Sitt¬ 
lichkeitsverbrechern  widmen:  es  sind  unter  den  150  Kranken 
17,  davon  einer  mit  Sodomie  im  16.  Jahre,  1  Exhibitionist, 
2  mit  Inzest,  bei  7  handelt  es  sich  um  wiederholte  Vergehen 
gegen  §  176,3  (unzüchtige  Handlungen  an  Kindern  unter 
14  Jahren),  einmal  mit  Knaben,  5  hatten  Notzuchtsverbrechen 
hinter  sich.  Für  die  Entlassung  kommen  im  ganzen  nur  drei 
in  Betracht,  davon  ist  nur  einer  in  rassehygienischer  Hinsicht 
bedenklich,  es  handelt  sich  um  den  schon  erwähnten  ver¬ 
heirateten  Epileptiker.  Bei  den  Notzuchtsverbrechern  ist  eine 
Entlassung  nicht  vorauszusehen,  zwei  scheiden  aus  wegen 
frühzeitiger  Verblödung,  die  anderen  drei  könnte  man  höch¬ 
stens  prophylaktisch  wegen  Fluchtgefahr,  die  ja  nie  völlig 
auszuschliessen  ist,  sterilisieren.  Diesen  Kranken  möchte  ich 
noch  gesondert  die  Lebensgeschichte  eines  Notzuchtsver¬ 
brechers  anschliessen,  für  den  ein  eigenes  Kastrationsgesetz 
berechtigt  gewesen  wäre: 

K.  St.  ist  jetzt  54  Jahre  alt.  Schon  mit  11  Jahren  stand  er  vcr 
Gericht.  Zwangszögling.  Mit  20  Jahren  wegen  Tobsucht  aus  dem 
Strafvollzug  in  eine  Irrenanstalt.  Die  nächsten  2  Jahre  jeweils 
wieder  einige  Monate  in  2  Irrenanstalten.  Dazwischen  kleinere 
Strafen.  Mit  25  Jahren  Notzuchtsversuch;  Beobachtung  in  einer 
Universitätsklinik,  nach  §  51  exkulpiert:  Schwachsinn  mit  epileptoiden 
Zügen.  Dann  in  eine  Irrenanstalt  übergeführt;  er  entwich  das  nächste 
Jahr,  konnte  bald  wieder  zurückgebracht  werden.  War  dann  13  Jahre 
ununterbrochen  in  der  Anstalt,  machte  anfangs  grosse  Schwierig¬ 
keiten  durch  sein  brutales  und  erregtes  Wesen.  In  seinem  38.  Jahre 
gebessert  entlassen.  Er  trieb  sich  vagabundierend  >n  Süddeutsch¬ 
land  herum,  verübte  bald  unsittliche  Handlungen  an  Kindern;  wieder 
zur  Beobachtung  in  eine  Anstalt,  nach  §  51  ausser  Verfolgung  gesetzt. 
Die  Unterbringung  in  eine  Anstalt  wurde  erwogen,  jedoch  nicht  aus¬ 
geführt.  Im  nächsten  Jahre  verübte  S.  vier  Sittlichkeitsverbrechen 
hintereinander,  ein  Kind  missbrauchte  er  nach  seiner  Angabe  fünfmal, 
ein  anderes  eine  halbe  Stunde  lang,  an  zwei  weiteren  nahm  er  Cunni- 
lingus  vor.  Nochmalige  Begutachtung  in  einer  psychiatrischen  Klinik, 
w'ieder  §  51;  er  wurde  in  seine  Heimat  verbracht;  bis  über  seine 
weitere  Unterbringung  beschlossen  war,  im  Krankenhaus  interniert. 
Dort  entwich  er  und  verübte  gleich  wieder  zwei  Delikte:  er  miss¬ 
brauchte  ein  Kind  und  unter  Anwendung  brutaler  Gewalt  ein  junges 
Mädchen,  das  dann  von  einem  Kinde  entbunden  wurde.  Seither 
wieder  dauernd  in  der  Anstalt,  ln  seinem  50.  Jahre  gelang  es  ihm 
für  kurze  Zeit  zu  entweichen.  Nur  der  Umstand,  dass  er  sich 
draussen  etwas  Geld  zu  verschaffen  wusste  und  damit  eine  Pro¬ 
stituierte  bezahlte,  ist  es  wrnhl  zu  verdanken,  dass  es  nicht  noch  ein¬ 
mal  zu  einem  Verbrechen  kam. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


245 


4.  Februar  1913. 


Aehnlich  wie  bei  den  männlichen  kriminellen  Geistes¬ 
kranken  liegen  wohl  die  Verhältnisse  bei  den  weiblichen.  Von 
20  Frauen,  die  zurzeit  in  der  Anstalt  Wiesloch  untergebracht 
sind,  sind  16  ledig,  von  diesen  sind  10  als  steril  zu  bezeichnen, 
haben  infolge  von  früh  erworbener  Gonorrhöe  oder  Lues  nie 
ein  Kind  gehabt,  die  anderen  6  haben  zusammen  14  uneheliche 
Kinder,  von  diesen  starben  gleich  nach  der  Geburt  7,  davon 
2  durch  die  Hand  der  Mütter,  die  anderen  scheinen,  soweit 
meine  Ermittlungen  reichen,  am  Leben  geblieben  zu  sein.  Von 
den  4  verheirateten  war  eine  von  vornherein  steril,  die  an¬ 
deren  3  zeugten  7  Kinder,  von  denen  5  bald  starben.  Rein 
statistisch  betrachtet,  ist  die  lebende  Nachkommenschaft  dieser 
erblich  stark  belasteten,  von  Geburt  an  minderwertigen,  meist 
imbezillen  Personen,  nicht  sehr  gross.  Dazu  kommt  noch,  dass 
die  Kinder  mit  einer  Ausnahme  —  die  Kranke  kam  zweimal 
gravida  in  den  Strafvollzug  —  zu  einer  Zeit  gezeugt  wurden, 
als  sie  noch  nicht  die  kriminelle  Laufbahn  betreten  hatten. 
Fast  alle  bleiben  dauernd  interniert. 

Wenn  ich  noch  einmal  zusammenfasse,  so  ist  eine  wesent¬ 
liche  Reinigung  des  Volkes  und  Verringerung  der  Zahl  der 
Insassen  von  Gefängnissen  und  Irrenanstalten  durch  die  Steri¬ 
lisation  von  geisteskranken  Rechtsbrechern  nicht  zu  er¬ 
warten.  Die  Kriminalität  ist  als  Anzeige  für 
die  rassen  hygienische  Sterilisation  nicht  zu 
verwerten.  Das  bisherige  amerikanische  Vorgehen  er¬ 
scheint  —  soweit  aus  den  vorliegenden  Berichten  ein  Urteil 
überhaupt  möglich  ist  —  rassehygienisch  von  keinem  grossen 
Werte.  Es  ist  wohl  sicher,  dass  die  Annahme  der  nordameri¬ 
kanischen  Gesetze,  dadurch  der  Allgemeinheit  besonders  er¬ 
leichtert  und  plausibel  gemacht  wurde,  dass  die  Kastration  und 
Sterilisation  an  Verbrechern  ausgeführt  wurde.  Das  kali¬ 
fornische  Kastrationsgesetz  von  1907  führt  ausdrücklich  die 
Sexualverbrecher  an;  man  fand  wohl  eine  Art  Sühne  darin, 
dass  diese  speziell  da  gestraft  wurden,  wo  sie  gesündigt  hatten. 

Man  müsste  mit  der  Sterilisation,  um  überhaupt  etwas  zu 
erzielen,  schon  in  früheren  Lebensjahren  beginnen.  Die  beste 
Gelegenheit  böte  sich  bei  den  Zwangszöglingen,  unter  denen 
sich  naturgemäss  die  schlimmsten  Elemente  finden,  die  allen 
Frziehungsmassnahmen  Trotz  bieten.  Wir  wissen  aus  über¬ 
einstimmenden  Untersuchungen  der  letzten  Jahre,  dass  die 
erbliche  Belastung  mit  Alkohol  und  Kriminalität  bei  ihnen  eine 
sehr  erhebliche  ist,  dass  über  50  Proz.  als  psychisch  abnorm 
bezeichnet  werden  müssen.  Bei  fast  der  Hälfte  der  Mädchen 
über  14  Jahre  sind  Sittlichkeitsdelikte  der  Einweisungsgrund. 
Oie  Art  der  Kriminalität  ist  bei  ihnen  allen  schon  früh  erkenn¬ 
bar.  Wenn  wir  die  Sexualtätigkeit  rechtzeitig  einschränken 
könnten,  wäre  manches  Uebel  vermeidbar.  Die  Sterilisation 
scheint,  im  Gegensätze  zur  Kastration  nur  geringe  Ausfalls¬ 
erscheinungen  zu  bewirken,  allerdings  wären  noch  sichere 
Beobachtungen  an  jungen  Personen  nötig.  Schliesslich  spielen 
jedoch  derartige  Veränderungen  keine  grosse  Rolle  gegenüber 
den  sonstigen  schon  vorhandenen  angeborenen  Defekten.  Der 
Nutzen  der  Sterilisation  für  das  Individuum  und  die  Allgemein¬ 
heit  wäre  sicher  ein  grösserer  als  der  eventuelle  Schaden.  Da 
in  diesen  Fällen  die  Sterilisation  mehr  kriminalistische  Be¬ 
deutung  hat  als  rassenhygienische,  will  ich  hier  nicht  weiter 
darauf  eingehen. 

Um  einen  Nutzen  durch  die  Sterilisation  zu  bringen,  müsste 
man  schon  die  Erzeuger  solcher  defekten  und  verbrecherischen 
Individuen  treffen.  Bei  der  nahen  Beziehung  zwischen  Irre¬ 
sein  und  Verbrechen  werden  wir  das  Verbrechen  wirksam  be¬ 
kämpfen,  wenn  wir  überhaupt  die  Entstehung  der  Geistes¬ 
störungen  verringern.  Dazu  müssen  wir  aber  die  verschie¬ 
denen  Quellen,  aus  denen  immer  wieder  neue  Insassen  unserer 
Anstalten  entsteigen,  kennen  lernen.  Die  nachfolgenden  gleich¬ 
artigen  Beobachtungen,  alle  aus  dem  letzten  Jahre,  sollen  dazu 
einen  Beitrag  liefern: 

1.  B.  P.,  geb.  1880,  Werkmeistersfrau.  Ueber  erbliche  Belastung 
nichts  bekannt.  Aus  dem  Lebensgang  nichts  wesentliches  mitzuteilen. 
Stets  schwächlich.  Heirat  im  Jahre  1903;  zwei  gesunde  Kinder. 
1904  und  1905  geboren.  Beginn  der  geistigen  Erkrankung  fällt  schon 
ni  das  Jahr  1909:  sie  wurde  misstrauisch,  äusserte  Verfolgungs-  und 
Beobachtungsideen,  hatte  Sinnestäuschungen,  wurde  zeitweise  sehr 
erregt.  Ging  körperlich  zurück.  Am  7.  VI.  1911  in  unsere  Anstalt 
aufgenommen.  Sie  litt  an  Dementia  praecox,  bot  ein  ganz  einförmiges 
Bild:  sie  war  geistig  schon  sehr  geschwächt,  brachte  in  monotoner 
Weise  eine  Reihe  von  hypochondrischen  Klagen  vor,  fühlte  sich 


magnetisiert,  eingeschnürt  etc.  Ohne  besonderen  Affekt  lebte  sie 
stumpf  dahin,  lag  ständig  zu  Bett,  bedurfte  der  Nachhilfe  beim  Essen 
und  der  I  oilette,  zeigte  keinerlei  Interesse,  war  nicht  imstand,  eine 
Frage  sinngemäss  zu  beantworten.  Am  28.  VI.  wurde  die  Kranke  mit 
Zustimmung  des  Ehemannes  von  den  Eltern  gegen  unseren  Rat 
nach  Hause  genommen,  blieb  dort  aber  nur  ein  paar  Tage  und  kam 
dann  zum  Manne  zurück.  Am  9.  VII.  wurde  die  Kranke  in  einem 
ängstlichen  Erregungszustände  ins  Krankenhaus  und  von  dort  wieder 
nach  Wiesloch  gebracht.  Es  wurde  dann  im  weiteren  Verlaufe  ihres 
Anstaltsaufenthaltes  Gravidität  festgestellt.  Die  Verblödung  war 
noch  weiter  vorgeschritten.  Die  Kranke  wurde  dann  zu  ihrer  Ent¬ 
bindung  nach  Hause  entlassen. 

2.  B.  C.,  geb.  1884,  Aufsehersgattin.  Der  Grossvater  mütter¬ 
licherseits  Potator.  Körperliche  und  geistige  Entwicklung  ohne  Stö¬ 
rung.  Heirat  1906.  Pat.  gebar  1907,  1908,  1909  je  ein  Kind,  das 
zweite  starb  nach  einem  Monat.  Am  24.  X.  1910  wieder  Entbindung 
eines  noch  lebenden  Kindes.  Schon  in  der  Schwangerschaft  wurde 
die  Kranke  erregt,  war  misstrauisch,  wurde  gleichgültig  für  Familie 
und  Haushalt.  Zu  Beginn  des  Jahres  1911  heftiger  Ausbruch  der 
Psychose;  sie  glaubte,  der  Mann  mache  ihr  heimlich  Morphiumein¬ 
spritzungen,  im  Essen  sei  Gift,  sie  fühlte  sich  beobachtet,  glaubte, 
sie  könne  mit  künstlichen  Apparaten  in  die  Ferne  sehen,  werde 
magnetisiert,  elektrisiert.  Sie  wurde  dann  am  9.  III.  1911  in  die 
psychiatrische  Klinik  zu  Heidelberg  aufgenommen,  dort  am  1.  IV. 
ungeheilt  und  gegen  ärztlichen  Rat  vom  Manne  abgeholt.  Zu  Hause 
verstärkten  sich  die  psychopathischen  Erscheinungen,  sie  wurde 
ängstlich,  äusserte  immer  Wahnideen.  Schliesslich  setzte  ein  starker 
Erregungszustand  ein,  sie  wollte  sich  aus  dem  Fenster  stürzen,  drohte 
ihr  Kind  umzubringen,  so  dass  ihre  Aufnahme  in  die  Klinik  am 
26.  XI.  wieder  nötig  wurde,  von  dort  kam  sie  dann  nach  Wiesloch. 
Es  bestand  bei  ihr  ein  sehr  vorgeschrittener  Grad  von  Dementia 
praecox;  sie  ist  stumpf,  bringt  ganz  ohne  Kritik  eine  Fülle  von  Ver¬ 
folgungsideen  vor,  fühlte  sich  durch  „Pantomime“  nächtlich  miss¬ 
braucht,  spürt  Gift  im  Essen,  hörte  fast  ständig  Stimmen,  ist  ganz 
sprachverwirrt.  Im  März  1912  fand  ihre  Entbindung  von  einem  noch 
lebenden  Kinde  statt.  Ihre  Angehörigen  sind  sehr  entrüstet,  dass 
der  Ehemann  durch  die  neue  Gravidität  die  Krankheit  verschlimmert 
habe. 

3.  B.  B.,  geb.  1875,  Arbeiterfrau.  Vater  war  Trinker,  später 
geisteskrank,  ertränkte  sich;  Mutter  starb  mit  56  Jahren  an  Apoplexie. 
Der  Grossvater  mütterlicherseits  erhängte  sich;  bei  mehreren  Ver¬ 
wandten  der  Mutter  kamen  Apoplexien  vor.  —  Entwicklung  und 
Lebensgang  der  Kranken  boten  nichts  besonderes.  Heirat  1900. 
4  Kinder,  geboren  1901,  1904,  1906,  1908.  Beginn  der  geistigen  Er¬ 
krankung  nach  der  letzten  Entbindung  im  Mai  1908;  Auftreten  eines 
heftigen  manischen  Erregungszustandes  mit  völliger  Verwirrtheit. 
Die  Kranke  wurde  im  Juni  1908  in  die  Irrenanstalt  verbracht.  Die 
Erregung  dauerte  bis  Mitte  1910  fort;  es  blieb  dann  ein  Zustand 
vollständiger  Desorientiertheit  mit  hochgradiger  Gereiztheit,  Neigung 
zu  Gewalttätigkeiten  und  Zerstören  zurück.  Ihre  Redewendungen 
waren  zerfahren,  koprolalisch,  enthielten  stereotype  Wiederholungen 
und  Wortneubildungen.  In  ihrem  Benehmen  und  Rede  trat  ein  starker 
Grössenwahn  hervor.  Erst  Herbst  1910  besserte  sich  der  Zustand  in¬ 
sofern,  als  die  Kranke  ruhiger  und  geordneter  wurde,  anfing  Heim¬ 
weh  zu  äussern.  Es  wurde  daher  dem  dringenden  Wunsche  des  Ehe¬ 
mannes  nach  Entlassung  nachgegeben;  dieselbe  erfolgte  am  19.1.  1911. 
Die  Kranke  verkannte  noch  die  Personen,  hielt  z.  B.  den  Arzt  für 
einen  Mann  ihres  Heimatsortes,  kam  noch  leicht  in  ein  wirres  und 
erregtes  Reden  hinein.  Die  letzte  Periode  war  am  10. — 14.  I.  ein¬ 
getreten.  Nach  einem  Briefe  ihres  Mannes  war  sie  im  März  1911 
noch  nicht  gesund,  besorgte  aber  ihren  Haushalt.  Im  Dezember  19 il 
erhielten  wir  die  Nachricht,  dass  sie  am  27.  X.  ein  Mädchen  geboren 
habe.  Die  Kranke  leide  noch  an  Kopfweh  und  sei  aufgeregt  "). 

4.  A.  M.,  geb.  1875,  unehelich,  Schlossersfrau.  Mutterschwester 
an  Dementia  paralytica  gestorben.  Als  Kind  lange  Zeit  an  Bettnässen 
gelitten.  Mit  19  Jahren  erster  epileptischer  Anfall,  zusammen  mit  dem 
ersten  Auftreten  der  Periode;  zuerst  kamen  die  Anfälle  nur  prä¬ 
menstruell,  später  häufiger,  besonders  nachts.  Seit  1908  häufen  sich 
die  Anfälle,  oft  drei-  bis  viermal  täglich.  Patientin  war  wochenlang 
halb  bewusstlos,  hatte  Sinnestäuschungen,  Erregungszustände  mit 
grosser  Reizbarkeit  und  Gewalttätigkeit.  1910  Rippenfellentzündung. 
Heirat  1902.  Entbindungen  1903,  1904,  1905,  1906,  1907,  1909,  1910. 
Ein  Kind  starb  an  Gichtern,  ein  Kind  liess  die  Mutter  im  Anfall  fallen. 

Am  9.1.1911  wurde  die  Kranke  in  die  Anstalt  Wiesloch  ge¬ 
bracht,  da  sie  in  fremde  Häuser  lief,  dort  Streit  anfing,  ihre  Ange¬ 
hörigen  nicht  mehr  kannte.  Bei  uns  bot  sie  das  typische  Bild  der 
epileptischen  Demenz:  geistig  stumpf,  völlig  einsichtslos  für  ihre 
Lage,  leicht  reizbar,  bigott,  grosse  Selbstüberschätzung.  Etwa 
wöchentlich  ein  Krampfanfall,  öfters  Schwindelanfälle.  Am  19.  VI. 
wurde  die  Kranke  gegen  unseren  Rat  auf  ständiges  Drängen  des  Ehe¬ 
mannes  entlassen.  Derselbe  machte  glaubhaft  geltend,  dass  sein  Haus¬ 
stand  zugrunde  gehe,  dass  sein  Verdienst  zum  Unterhalt  der  Kinder  nicht 
mehr  ausreiche.  Schon  am  26.  VI.  wird  die  Kranke  wieder  gebracht: 
sie  hatte  zu  Hause  wieder  häufiger  Anfälle,  war  öfters  sehr  erregt, 
äusserte  verworrene  Grössenideen.  Sie  gab  an,  dass  sie  mit  ihrem 
Mann  öfters  verkehrt  habe.  Im  März  1912  gebar  sie  dann  ein  noch 


*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  Kranke  ist  jetzt 
wieder  schwanger. 


246 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  5. 


lebendes  Kind.  Dem  Ehemann  war  bei  der  Entlassung  vom  Arzt 
dringend  vom  Verkehr  abgeraten  worden. 

Wir  haben  es  also  mit  vier  Frauen  zu  tun,  die  alle  während 
einer  versuchsweisen  Entlassung  aus  der  Anstalt  kurze  Zeit 
nach  derselben  geschwängert  wurden.  Bei  dreien  bestand 
eine  schwere  Psychose  mit  bereits  deutlichem  geistigen  Zer¬ 
fall.  bei  der  vierten  eine  schwere  Epilepsie  mit  Verblödung. 
Alle  vier  waren  auch  für  den  Laien  erkennbar 
geistesgestört. 

Wir  sind  zwar  noch  nicht  imstande  zu  sagen,  welche  Erb¬ 
lichkeitsgesetze  hier  gültig  sind,  das  ist  aber  sicher,  dass 
Kinder,  die  von  solchen  geisteskranken  Müttern  abstammen, 
eine  unheilvolle  Erbschaft  antreten  und  schon  im  Keime  als 
geschädigt  angesehen  werden  müssen.  Wenn  wir  weiter  als 
richtig  annehmen  können,  dass  die  Entwicklung  eines  Kindes 
im  wesentlichen  von  dem  Zustand  der  Mutter  vor  und  nach 
der  Geburt  abhängt,  so  haben  wir  hier  die  ungünstigsten  Ver¬ 
hältnisse.  Wir  wissen  allerdings  nicht,  ob  die  bei  der  Dementia 
praecox  sich  abspielenden  Stoffwechselstörungen  Ursache  oder 
Begleiterscheinungen  der  Psychose  sind,  auf  jeden  Fall  liegt 
ein  noch  fortdauernder  Krankheitsprozess  der  Mutter  vor  mit 
spezieller  Wirkung  auf  das  Gehirn;  klarer  liegt  die  Schädigung 
bei  dem  Kinde  der  Epileptischen,  das  zwischen  Krampfanfällen 
konzipiert  ist  und  unter  Anfällen  sich  in  utero  entwickelt. 
Auch  das  Schicksal  derartiger  Kinder  nach  der  Geburt  ist  meist 
ein  bedauerliches,  es  entbehrt  der  Ernährung  und  Fürsorge 
der  Mutter,  wird  in  Pflege  gegeben,  kommt  unter  die  Ein¬ 
wirkungen  eines  ungünstigen  Milieus  wie  die  unehelich  Ge¬ 
borenen. 

Wie  lassen  sich  nun  solch  traurige  Vorgänge  verhindern? 
Laien  in  psychiatrischen  Dingen  betonen  bei  derartigen  Fragen, 
man  dürfe  eben  solche  Kranken  erst  nach  ihrer  Heilung  ent¬ 
lassen.  Ich  möchte  mich  auf  eine  Feststellung,  wann  und  ob 
diese  eintreten  kann,  hier  nicht  einlassen,  es  ist  fraglich,  ob 
bei  solchen  Psychosen  überhaupt  je  mehr  als  eine  Besserung 
möglich  ist.  Derartige  Kranke  bleiben  immer  für  ihre  weitere 
Nachkommenschaft  gefährlich.  Bei  jeder  Entlassung  aus  der 
Irrenanstalt  machen  sich  eine  Reihe  von  Faktoren  geltend; 
das  Drängen  der  Angehörigen,  die  ökonomische  Lage,  die  Ge¬ 
fahr  der  Auflösung  der  Familie,  die  Sorge  für  den  Hausstand 
und  die  Kinder.  Wir  müssen  bei  der  Ueberfüllung  der  An¬ 
stalten  immer  an  Entlassungen  denken.  Endlich  sind  wir  — 
wenigstens  bei  uns  in  Baden  —  gesetzlich  gar  nicht  berechtigt, 
Kranke,  die  keine  Gefahr  für  sich  und  andere  bilden,  für  deren 
Aufsicht  und  Pflege  gesorgt  ist,  noch  weiter  zurückzuhalten. 
Auf  eine  Heilung  können  wir  also  nicht  warten.  Die  Möglich¬ 
keit  einer  Schwängerung  ist  kein  Grund,  eine  verheiratete  Frau 
in  der  Anstalt  zu  behalten.  Die  Irrenärzte  würden  auch  gar 
keine  derartige  Bestimmung  wünschen.  Viele  Frauen  müssten 
bis  zum  Klimakterium  bleiben,  eine  Konsequenz,  die  auch  der 
schärfste  Rassenhygieniker  nicht  auf  sich  nehmen  würde. 

Es  bleibt  noch  der  Ausweg,  den  Ehemann  zu  belehren: 
eine  aussichtslose  Arbeit.  Wir  haben  das  ja  bei  unseren 
Kranken  getan.  Man  könnte  dann  noch  an  den  künstlichen 
Abort  denken;  ob  derselbe  hier  gesetzlich  zulässig  ist,  er¬ 
scheint  mir  zweifelhaft.  Auf  jeden  Fall  wäre  es  nur  ein  ein¬ 
maliger  Erfolg,  da  wir  bei  der  Fruchtbarkeit  der  Mütter  im 
nächsten  Jahre  wohl  wieder  vor  der  gleichen  Frage  ständen. 

Derartige  Kranke  sollten  dauernd  für  die  Zeugung  aus¬ 
geschaltet  werden;  die  Indikation  für  die  Sterilisierung  scheint 
mir  hier  gegeben  zu  sein;  sie  wird  noch  unterstützt  durch  eine 
Reihe  von  Nebengründen;  erneute  Schwangerschaft  bringt 
auch  meist  stärkere  psychotische  Erscheinungen;  die  minder¬ 
wertig  gewordene  Mutter  wird  nicht  vor  vermehrte  Aufgaben 
und  Sorgen  gestellt;  die  materielle  Lage  wird  nicht  ver¬ 
schlechtert.  Da  schon  eine  Reihe  von  Kindern  vorhanden  sind, 
ist  der  Kreis  der  „Entwicklungsmöglichkeiten  *)“  nicht  ein- 

J)  Ich  entnehme  diesen  Ausdruck  einem  Aufsatz  von  Karl 
J  e  n  t  s  ch.  Wie  ich  ihn  meine,  möchte  ich  durch  ein  Beispiel  zeigen: 
Die  Grossmutter  Beethovens  väterlicherseits  war  starke  Trinkerin, 
der  Vater  war  leichtsinnig,  verschwenderisch,  schwerer  Potator,  die 
Mutter  eine  leichsinnige  Person.  Der  erste  Sohn  aus  dieser  Ehe  starb 
nach  wenigen  Tagen,  der  zweite,  ein  Jahr  darauf  geboren,  ist 
Beethoven.  Wäre  nun  der  Vater  Beethovens  bei  seiner  starken 
erblichen  Belastung  und  seiner  Trunksucht  nach  dem  ersten  miss¬ 
glückten  Versuch,  Nachkommenschaft  zu  bekommen,  sterilisiert 
worden,  so  wäre  das  grösste  musikalische  Qenie  nie  geboren  worden. 


geschränkt,  d.  h.  es  war  die  Möglichkeit  gegeben,  dass  aus 
der  Ehe  brauchbare  Kinder  hervorgehen.  Da  unsere  Kranken 
schon  geistig  geschwächt  waren,  so  wären  auch  von  der  Ope¬ 
ration  keine  Gewissenskonflikte  oder  sonstige  psychische 
Schädigungen  zu  erwarten,  der  Wille  zum  Kinde  war  nicht 
da;  hinsichtlich  des  körperlichen  Gesundheitszustandes  be¬ 
stände  keine  Kontraindikation. 

Trotzdem  die  Gynäkologen  der  Ansicht  sind,  dass  die 
Tubensterilisierung  ohne  besondere  Gefahr  auszuführen  sei 
und  trotzdem  die  Frau  ja  mit  jeder  Schwangerschaft  eine  ge¬ 
wisse  Gefahr  läuft,  liegt  doch  in  der  Operation  ein  gewisses 
Risiko,  während  die  Vasektomie  eine  durchaus  ungefährliche 
Massnahme  darstellt.  Es  liegt  daher  zweifellos  eine  Unbillig¬ 
keit  darin,  wenn  vorzugsweise  der  Frau  das  Risiko  zugemutet 
wird.  Ich  halte  es  daher  für  durchaus  verwerflich,  eine  ge¬ 
sunde  Frau  zu  sterilisieren,  weil  der  Mann  ein  Alkoholiker 
oder  Epileptiker  ist;  es  ist  dies  schon  geschehen.  Ob  ein  ge¬ 
sunder  Mann  sich  sterilisieren  lassen  kann,  wenn  die  Frau 
die  Gefahr  für  den  Nachwuchs  bildet,  möchte  ich  vorerst  nicht 
entscheiden;  ich  darf  wohl  folgendes  Beispiel  aus  meiner  Er¬ 
fahrung  anführen: 

Der  Ehemann  durchaus  gesund  und  beruflich  tüchtig,  die  Frau 
eine  schwere  Hysterika,  die  schon  zweimal  in  der  Gravidität  die 
Irrenanstalt  aufsuchen  musste.  Nach  der  letzten  Niederkunft  hielt 
sich  der  Mann  erst  zurück,  gab  aber  dann  doch  dem  eifersüchtigen 
Drängen  der  Frau  nach.  Es  trat  eine  dritte  Gravidität  ein;  der  Mann 
schrieb  einen  verzweifelten  Brief  und  bat  um  eine  Bestätigung, 
dass  ein  künstlicher  Abort  begründet  sei.  Er  sah  einen  neuen  An¬ 
staltsaufenthalt  seiner  Frau,  die  Zerrüttung  seines  Haushaltes  voraus, 
vor  allem  glaubte  er,  bei  den  vorhandenen  Kindern  bereits  die 
nervösen  Züge  seiner  Frau  zu  erkennen  und  fürchtete  die  Belastung 
des  neuen  Ankömmlings. 

Zwei  andere  Fälle  liegen  einfacher;  ein  direkt  belasteter,  an 
zirkulärem  Irresein  leidender  Kranker  macht  sich  In  seinen  freien 
Intervallen  und  in  der  Depression  schwere  Selbstvorwürfe  wegen 
der  im  Beginn  der  manischen  Erregung  gezeugten  4  Kinder;  er 
fürchtet  für  diese  das  gleiche  Schicksal,  wie  er  und  sein  Vater  es 
tragen  mussten;  besonders  nahe  geht  ihm  seine  Frau,  auf  der  die 
ganze  Last  der  Folgen  seiner  Krankheit  ruht.  Derartige  Fälle  enden 
gerne  durch  Selbstmord.  Endlich  wäre  eine  Persönlichkeit  zu  er¬ 
wähnen,  die  man  zu  den„Haltlosen“  rechnen  kann;  er  ist  auch  erblich 
belastet.  Er  exzediert  in  allem,  sogar  während  einer  Abstinenzkur 
in  Limonade.  Wegen  eines  durch  chronischen  Alkohol-  und  Nikotin¬ 
missbrauches  herbeigeführten  nervösen  Zusammenbruchs  vorüber¬ 
gehend  in  einer  Anstalt.  Er  konsultierte  mich  aus  Anlass  der  vierten 
Gravidität  seiner  Frau;  als  Motiv  für  die  Vornahme  des  gewünschten 
künstlichen  Aborts  gab  er  die  Nervosität  seiner  Frau  an.  Eine 
Sterilisierung  des  Kranken,  nicht  der  Frau,  wäre  hier  bei  der  grossen 
Gefahr  für  die  Nachkommenschaft  indiziert. 

Die  Diskussion,  ob  jemand  aus  rassehygienischen  Motiven 
zu  sterilisieren  sei,  dürfte  manchen  als  zwecklos  erscheinen, 
besonders  so  lange  unsere  Gesetzgebung  diese  Operation  als 
eine  vorsätzliche  schwere  Körperverletzung  ansieht  und  un¬ 
angenehme  zivilrechtliche  Folgen  für  den  Operateur  ent¬ 
stehen  können.  Die  Frage  der  Sterilisierung  ist  jedoch  schon 
lange  keine  rein  theoretische  mehr,  es  wird  bei  Frauen  schon 
ziemlich  oft  sterilisiert,  und  zwar  aus  Gründen,  die  keine 
rein  medizinischen  mehr  sind  und  sicher  in  ihrer  ethischen  Be¬ 
wertung  tief  unter  dem  rassehygienischen  Motive  stehen.  Die 
Gefahr  des  Missbrauchs  bei  den  sogen,  sozialen  Indikationen: 
ungünstige  eheliche  und  ökonomische  Verhältnisse,  ist  sehr 
gross.  Es  kommt  zur  Sterilisierung  von  Frauen,  die  noch  ge¬ 
sunde  Kinder  gebären  können.  Die  Frauen  wissen  Operateure 
mit  beweglicher  Indikationsstellung  rasch  zu  finden.  Sollte 
die  Sterilisierung  in  einem  künftigen  Spezialgesetze  wenigstens 
fakultativ  erlaubt  werden,  so  wäre  meiner  Ansicht  nach  eine 
strenge  Trennung  von  allen  anderen  Motiven  darin  aus¬ 
zusprechen,  die  oben  erwähnten  sozialen  Motive  wären  zu 
verbieten.  Dadurch  würden  auch  die  rein  medizinischen 
Motive,  die  zu  Heilzwecken,  deren  Nachweis  dem  Operateur 
obliegt,  klar  darliegen,  Der  Staat  kann  bei  der  künstlichen 
Einschränkung  des  Nachwuchses  nur  ganz  genau  abgrenzbare 
Ausnahmen  gestatten. 

Literatur. 

Eine  ausführliche  Zusammenstellung  findet  sich  In  den  beiden 
Aufsätzen  von  Maier  und  Oberholzer:  Juristisch-psych.  Grenz¬ 
fragen,  Bd.  VIII,  1—3. 

Ferner  führe  ich  an:  Wilhelm:  Beseitigung  der  Zeugungs¬ 
fähigkeit  etc.  Juristisch-psych.  Grenzfragen,  Bd.  VII,  6 — 7.  —  Alfred 
He  gar:  Das  Martyrium  des  Sexualapparates.  Münch,  med. 


4.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  247 


Wochenschr.  1911  —  Verhandlungen  der  VII.  Tagung  der  Gesellschaft 
für  gerichtl.  Medizin  in  Vierteljahresschr.  f.  gerichtl.  Medizin  1912. 
Suppl. :  Sury:  Berechtigung  der  sozialen  Indikation  zur  Sterilisation 
etc.  —  Bericht  über  den  II.  Kongress  für  Familienforschung  1912, 
Vorträge  von  Rosenfeld  und  Oberholzer.  Müller- 
Schürsch:  Kastration  und  Sterilisation  aus  sozialer  Indikation.  — 
Thoma:  Untersuchungen  von  Zwangszöglingen.  Vierteljahresschr. 
f.  gerichtl.  Med.  1911,  Suppl.  —  August  He  gar:  Ueber  die  Unter¬ 
bringung  geisteskranker  Verbrecher.  Allgem.  Zeitschr.  f.  Psych., 
Bd.  66. 


Lithotripsie  oder  Lithotomie? 

Von  I)r.  med.  F  e  i  b  e  r,  Assistenzarzt  bei  Qeheimrat 
Dr.  Marc-  Wildungen. 

Noch  immer  verwerfen  viele  Chirurgen  die  Lithotripsie 
als  eine  unchirurgische  Operation,  ein  Arbeiten  im  dunkeln, 
das  keine  Gewähr  für  Vollständigkeit  bietet,  oder  wollen  sie 
wenigstens  sehr  eingeschränkt  wissen.  Was  die  Lithotripsie 
in  der  Hand  des  Geübten  leistet,  das  konnte  ich  während 
meiner  nunmehr  9  jährigen  Assistentenzeit  bei  Herrn  Geheim¬ 
rat  Dr.  Marc-  Bad  Wildungen  sehen.  In  diesem  Zeitraum, 
jedoch  nur  während  der  Monate  Mai  bis  Oktober,  durfte  ich 
bei  745  Operationen  assistieren.  Rechnet  man  die  Operationen 
hinzu,  die  in  den  Wintermonaten  teils  in  Wildungen,  teils  aus¬ 
wärts  von  Geheimrat  Marc  gemacht  wurden,  so  ergeben  sich 
leicht  900,  also  jährlich  ungefähr  100  Operationen,  ein  Material, 
wie  es  wohl  weder  in  Deutschland,  noch  in  Russland  und 
Frankreich  ein  anderer  Urologe  aufzuweisen  hat.  Auf  ein 
näheres  Eingehen  der  zunr  Teil  recht  interessanten  Fälle 
möchte  ich  vorläufig  verzichten  und  im  folgenden  nur  kurz 
einen  Gesamtüberblick  geben.  Trotzdem  es  sich  um  teilweise 
recht  schwierige  Fälle,  bei  denen  schon  von  anderer  Seite  die 
Lithotripsie  oder  auch  nur  die  Feststellung  des  vermuteten 
Steines  versucht  war,  handelte,  war  es  nur  4  mal  unmöglich, 
ohne  blutige  Operation  auszukommen. 

Einmal  handelte  es  sich  um  einen  grossen  Oxalatstein  mit  Urat- 
mantel  bei  einem  70  jährigen  Herrn  mit  sehr  weiter  Harnröhre,  die  das 
Einfiihren  grösserer  Instrumente  gestattete.  Das  Konkrement  konnte 
jedoch  mit  dem  stärksten  Lithotriptor  nicht  gebrochen  werden,  so 
dass  von  weiteren  Versuchen  abgesehen  und  der  Stein  durch  Sectio 
alta  entfernt  wurde. 

Bei  zwei  Prostatikern  mit  Balkenblase  war  es  unmöglich,  die 
Phosphatkonkremente  zu  fassen.  Der  Lithotriptor  glitt  immer  über 
die  aus  dem  Divertikel  hervorragende  rauhe  Fläche  hinweg. 

Uebrigens  gelang  es  bei  einem  Patienten  nach  %  Jahre,  das 
Konkrement,  das  inzwischen  erheblich  gewachsen  war,  mit  vieler 
Mühe  aus  seiner  Nische  herauszuhebeln  und  zu  zertrümmern. 

Bei  einem  4.  Falle  endlich  verhinderte  die  stark  in  die  Blase 
vorspringende  Prostata  ein  mit  Phosphatsalzen  inkrustiertes  Stück 
eines  schwarzen  Mercierkatheters  zu  fassen.  Sectio  alta  beförderte 
das  Konkrement  zutage,  der  Patient  erlag  aber  einer  Pneumonie. 

Was  das  Lebensalter  anbelangt,  so  war  die  Mehrzahl  der 
Kranken  jenseits  der  60  er,  der  älteste  war  85,  der  jüngste 
1 1  Jahre  alt.  7  Operierte  waren  unter  30  Jahren,  davon  ein 
23  jähriger  mit  Zystinsteinen.  Er  stammte  aus  einer  Familie, 
in  der  Zystinsteine  bei  verschiedenen  Gliedern  vorkamen. 

Dem  weiblichen  Geschlecht  gehörten  6  Patienten  an, 
4  mit  Phosphatsteinen  nach  gynäkologischen  Operationen, 
2  mit  Uratsteinen.  Geringfügige  Divertikelbildung  der  Blase 
hatten  das  Ausurinieren  der  Steine,  die  von  den  Nieren  her¬ 
untergekommen  waren,  verhindert. 

Die  Mehrzahl  der  Steine  waren  Urate.  Meistens  war  nur 
eine  Sitzung  nötig,  über  3  niemals.  Fast  durchweg  standen 
die  Patienten  am  Tage  nach  der  Operation  stundenweise  auf 
und  gingen  am  folgenden  Tage  aus.  Nur  ausnahmsweise,  bei 
stärkeren  Blutungen,  die  aber  durchweg  urethraler  Natur 
waren,  falschen  Wegen  oder  schwer  passierbarer  Harnröhre, 
wurde  nach  der  Operation  ein  Verweilkatheter  gelegt.  Wegen 
falscher  Wege  und  Strikturen  musste  auch  einigemale  1  bis 
2  Tage  vor  der  Operation  ein  Verweilkatheter  gelegt  werden, 
in  einem  Falle  sogar  14  Tage  lang.  Der  70  jährige  Patient 
hatte  trotz  Abmahnens  auswärts  seine  hypertrophierte  Pro¬ 
stata  mit  Röntgenstrahlen  behandeln  lassen,  zu  einer  Zeit,  in 
der  man  die  Dosierung  und  die  Gefahren  noch  nicht  voll 
würdigte.  Die  Folge  war  eine  intensive  Verbrennung  mit 
erheblicher  Striktur  der  Harnröhre  und  Stenose  des  Rektums, 
welche  die  Anlegung  eines  Anus  praeternaturalis  erforderte. 
Durch  Verweilkatheter  und  Bougies  wurde  die  Harnröhre  so 


erweitert,  dass  ein  starker  Lithotripter  eingeführt  werden 
konnte.  Das  grosse  Konkrement  wurde  gefasst,  zertrümmert 
und  nachher  aspiriert.  Der  Patient  ist  bis  heute,  nach 
6  Jahren,  rezidivfrei. 

Allgemeine  Narkose  wurde  6  mal  angewandt.  In  allen 
übrigen  Fällen  wurden  Harnröhre  und  Blasenhals  mit  einer 
2  proz.  Kokainlösung  unempfindlich  gemacht.  Trotzdem  jedes¬ 
mal  I  g  Kokain,  allerdings  Kokain  Merck  in  Originalpackung, 
gebraucht  wurde,  kamen  nur  4  mal  leichte  Intoxikationen, 
geringfügiger  Kollaps  oder  rauschähnliche  Zustände,  die  bald 
vorübergingen,  zur  Beobachtung.  Allerdings  glaube  ich,  dass 
das  günstige  Resultat  der  Schnelligkeit,  mit  der  operiert 
wurde,  zu  verdanken  ist,  dass  in  vielen  Fällen  das  Kokain  gar 
nicht  die  Zeit  hatte,  voll  und  ganz  zur  Wirkung  zu  kommen. 

Todesfälle  kamen  im  ganzen  8  vor,  von  denen  man  aber 
nur  4  dem  operativen  Eingriff  zur  Last  legen  kann.  Zwei 
alte  Prostatiker,  die  schon  in  früheren  Jahren  operiert  worden 
waren,  erlagen  einer  starken  Blutung  mit  Gerinnselbildung, 
ehe  man  durch  Sectio  alta  eingreifen  konnte. 

In  einem  3.  Fälle  trat  nach  der  Aspiration  bei  einem  83  jährigen, 
durch  heftigen  Blasenkatarrh  sehr  geschwächten  Herrn  eine  Peri¬ 
zystitis  ein,  der  der  Patient  nach  2  Tagen  erlag.  Sektion  wurde  leider 
nicht  gestattet,  doch  handelte  es  sich  wahrscheinlich  um  eine  Ruptur 
der  morschen  Blasenwand. 

Im  4.  Falle  handelte  es  sich  um  einen  52  jährigen  Herrn,  bei  dem 
schon  anderweitig  die  Lithotripsie  versucht,  wegen  schwer  passier¬ 
barer  Harnröhre  aber  aufgegeben  war.  Tags  zuvor  wurde  ein  Ver¬ 
weilkatheter  eingelegt,  mit  dem  Erfolge,  dass  das  Einführen  der 
starren  Instrumente  leicht  gelang. 

Duich  die  Aspirationssonde  entleerten  sich  12  erbsengrosse 
Urate.  Weitere  Aspiration  war  ohne  Erfolg,  die  Spülflüssigkeit  lief 
klar  und  scheinbar  vollständig  ab.  Am  nächsten  Tage  Fieber  und 
Schmerzen  in  der  Gegend  zwischen  Nabel  und  Symphyse,  besonders 
nach  der  Blinddarmgegend  ausstrahlend.  Trotz  der  Lokalisation  der 
Schmerzen,  und  weil  die  Lithotripsie  keinen  Anlass  bot  für  eine  sich 
so  schnell  entwickelnde  Perizystitis,  wurde  Appendizitis  angenommen 
und  abends  noch  die  Operation  vorgenommen.  Nach  Eröffnung  des 
Peritoneums  zeigen  sich  die  vorliegenden  Darmschlingen  leicht  serös 
durchtränkt  und  mit  zarten  Auflagerungen  bedeckt,  die  ein  langes 
Suchen  nach  der  Appendix  verbieten.  Ein  wurmfortsatzähnliches, 
ziemlich  oberflächlich  gelagertes  Gebilde  wurde  als  Wurmfortsatz 
angesprochen,  zur  besseren  Orientierung  aber  die  Blase  mit  einer 
Kollargollösung  angefüllt.  Dabei  zeigte  sich,  dass  die  vermeintliche 
Appendix  ein  langer,  schmaler  Divertikel  der  Blase  war,  der  nur 
eine  dünne  Oeffnung  nach  der  Blase  zu  hatte.  Im  Divertikel  selbst  war 
eine  kleine  Ruptur.  Die  Feinheit  der  Oeffnung  und  Ruptur  erklärte 
auch,  weshalb  der  Zwischenfall  während  des  Aspirierens  völlig  un¬ 
bemerkt  geblieben  war.  Der  Patient  erlag  2  Tage  später  der  Peri¬ 
tonitis. 

Was  das  Zurückbleiben  von  Trümmern  bei  der  Litho¬ 
tripsie  anbelangt,  ein  Vorwurf,  der  besonders  oft  von  den 
Gegnern  gemacht  wird,  so  kann  man  bei  sorgfältigster  Aspi¬ 
ration  und  eventuell  Kystoskopie  eine  volle  Garantie  über¬ 
nehmen,  dass  die  Blase  frei  von  Trümmern  ist.  Dass  bis¬ 
weilen  eine  gründliche,  sachgemässe  Aspiration  sicherer  ist 
wie  das  Kystoskop,  illustriert  folgender  Fall. 

Ein  Russe  wurde  im  Beisein  seines  Arztes  lithotripsiert.  3  Tage 
später  wurde  durch  Kystoskopie  ein  kleines  Trümmerstück  fest¬ 
gestellt.  Eine  geringe  Bewegung  des  Kystoskopes  aber  genügte,  das 
Stück  in  einem  Divertikel  völlig  verschwinden  zu  machen.  Kurze 
Aspiration  jedoch  förderte  es  bald  zutage. 

Wie  schnell  aber  oft  auch  bei  Sectio  alta  Steine  sich  neu 
bilden  können,  davon  2  Beispiele. 

Ein  62  jähriger  Herr  aus  Schweden  wurde  August  1911  von 
einem  namhaften  Chirurgen  durch  Sectio  alta  von  einem  Uratstein 
befreit.  Glatte  Heilung,  sehr  strenge  Diätvorschriften.  10  Monate 
später  schon  wurde  hier  durch  Lithotripsie  ein  etwa  hühnereigrosser 
Urat  entfernt. 

Ein  72  jähriger  Herr  durch  Sectio  alta  von  einem  Stein  befreit. 
Nach  längerer  Zeit  erst  Heilung  der  Fistel.  s/t  Jatire  nach  der  Ope¬ 
ration  erneute  Steinbeschwerden.  Aufbrechen  der  Fistel  unter  Fieber. 
Trotzdem  hier  Lithotripsie,  bei  der  die  Aspiration  besonders 
schwierig  war,  durch  die  bestehende  Fistel.  Letztere  heilte  langsam 
wieder  zu.  5  Monate  später  abermals  Steinerscheinungen.  Da  dem 
alten  Herrn  die  Reise  im  Winter  zu  beschwerlich  war,  wurde  ein 
Chirurg  in  der  Nähe  aufgesucht.  Dieser  erklärte  die  Lithotripsie 
für  eine  unvollständige,  unzeitgemässe  Operation  und  entfernte  durch 
Boutonniere.  Glatte  Heilung,  aber  schon  nach  3  Monaten  abermals 
Stein,  der  durch  Lithotripsie  entfernt  wurde. 

Die  beiden  Fälle,  die  nur  aus  der  Menge  herausgegriffen 
sind,  zeigen  deutlich  die  Vorteile  der  Lithotripsie  gegenüber 
der  Sectio  alta.  Ob  der  Operierte  am  2.  Tage  schon  völlig 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


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wieder  hergestellt  aus-  und  seinen  Geschäften  nachgehen  kann,  ! 
oder  tagelang  ans  Bett  und  Zimmer  gefesselt  ist,  spielt  doch  j 
sicherlich  eine  bedeutende  Rolle.  Sicherlich  sind  auch  die 
Gefahren  für  alte  Leute,  um  die  es  sich  doch  in  der  Mehrzahl 
handelt,  bei  der  Lithotripsie  entschieden  geringer.  Wie  gering 
ist  die  Mortalität,  4  Todesfälle  auf  900  Operationen,  also  nicht 
einmal  34  Proz.l  Ein  weiterer  nicht  zu  unterschätzender  Vor¬ 
teil  ist  auch  der,  dass  den  Patienten,  die  zum  Teil  recht 
messerscheu  sind,  so  dass  sie  lieber  ihren  Stein  mit  seinen 
Beschwerden  herumtragen,  als  sich  einer  „Operation“  unter¬ 
ziehen,  willig  sich  der  Lithotripsie,  die  nach  ihren  Begriffen 
keine  Operation  ist,  unterwerfen. 

Es  sollte  deshalb  keine  Frage  geben:  „Lithotripsie  oder 
Lithotomie?“,  sondern  nur  Lithotripsie,  im  äussersten  Not¬ 
fälle  aber  Lithotomie. 


Ueber  familiäre  Chondrodystrophia  foetalis*). 

Von  H.  Chiari  in  Strassburg  i.  Eis. 

Zu  den  interessantesten  Entwicklungsstörungen  im  Be¬ 
reiche  des  menschlichen  Skeletts  gehört  die  von  P  a  r  r  o  t  1886 
mit  dem  Namen  der  Achondroplasie  belegte,  von  Kaufmann 
1892  eingehend  anatomisch  studierte  und  als  Chondrodys¬ 
trophia  foetalis  bezeichnete,  im  fötalen  Leben  sich  abspielende 
Skelettanomalie.  Von  derselben  sind  bereits  zahlreiche  Fälle 
beschrieben  worden  und  steht  es  jetzt  sicher,  dass  die  mit 
dieser  Anomalie  geborenen  Individuen,  wenn  sie  auch  zumeist 
tot  geboren  werden  oder  bald  nach  der  Geburt  absterben, 
doch  auch  fortleben  und  sogar  ein  hohes  Alter  erreichen 
können.  P  a  r  r  o  t  selbst  beschrieb  bereits  eine  lebende 
achondroplastische  Zwergin  von  7  Jahren.  In  den  Arbeiten 
von  Keyser  1906  und  Schrumpf  1908  finden  sich  34  resp. 
35  Fälle  von  solchen  Zwergen  zusammengestellt,  deren  Fort¬ 
leben  zum  Teile  bis  in  das  5.  Dezennium  reichte.  S  i  e  g  e  r  t  1912 
zählte  50  chondrodystrophische  Zwerginnen  bis  zu  42  Jahren 
und  50  chondrodystrophische  Zwerge  bis  zu  62  Jahren. 
Porter  1907  erwähnte  sogar  einen  80  jährigen  achondro- 
plastischen  Zwerg.  Es  kann  also  bei  der  Chondrodystrophia 
foetalis  ein  Fortleben  bis  in  das  hohe  Alter  stattfinden.  Die 
betreffenden  Individuen  können  dabei,  abgesehen  von  ihrer 
Skelettanomalie  vollständig  normal  sein,  gute  Intelligenz 
zeigen  und  auch  zeugungs-  resp.  konzeptionsfähig  sein,  womit 
die  nicht  seltenen  Erfahrungen  über  Vererbung  der  Chondro¬ 
dystrophia  foetalis  in  Einklang  stehen. 

Geht  man  der  einschlägigen  Literatur  nach,  so  findet  man 
einerseits  ziemlich  viele  Fälle  von  unmittelbarer  Vererbung 
der  Chondrodystrophia  foetalis,  andererseits  Fälle  von  Vor¬ 
kommen  der  Chondrodystrophia  foetalis  in  mehreren  Gene¬ 
rationen  einer  und  derselben  Familie  mitunter  mit  Ueber- 
springen  einer  oder  der  anderen  Generation  und  Fälle  von 
Chondrodystrophia  foetalis  bei  Geschwistern.  Man  kann  alle 
diese  Vorkommnisse  als  familiäre  Chondrodystrophia  foetalis 
zusammenfassen.  Ich  konnte  von  solchen  Beispielen  familiärer 
Chondrodystrophia  foetalis  folgende  eruieren: 

1.  Lauro  1887.  Mutter  und  Kind  mit  Chondrodystrophie. 

2.  P  o  r  a  k  1890.  Eine  27  jährige  chondrodystrophische  Zwergin 
wurde  durch  Sectio  caesarea  von  einem  lebenden  Kinde  mit  Chondro¬ 
dystrophie  entbunden,  welches  1  Jahr  lang  lebte. 

3.  B  a  1  d  w  i  n  1890.  Eine  24  jährige  chondrodystrophische  Zwer¬ 
gin  wurde  von  einem  chondrodystrophischen  Knaben  entbunden. 

4.  Romberg  1891.  Bruder  und  Schwester  chondrodys¬ 
trophische  Zwillinge. 

5.  B  o  e  c  k  h  1893.  4  chondrodystrophische  Zwerge  in  6  Genera¬ 
tionen.  Ururgrossvater,  Vater  und  eine  Schwester  einer  chondrodys¬ 
trophischen  Zwergin  waren  selbst  chondrodystrophisch. 

6.  Apert  1902  und  Sevestre  1905.  Chondrodystrophischer 
Zwerg  mit  einer  7  jährigen  chondrodystrophischen  Tochter. 

7.  Christof  er  1902.  Mutter  und  Kind  mit  Chondrodys¬ 
trophie. 

8.  Decroly  1902.  Der  Grossvater  ein  chondrodystrophischer 
Zwerg  von  105  cm,  der  28  jährige  Vater  und  der  6  jährige  Sohn  auch 
chondrodystrophische  Zwerge. 

9.  Launois  1902.  Ein  25 jähriger  Mann  und  seine  26jährige 
Schwester  chondrodystrophische  Zwerge  mit  normalen  Eltern  nor¬ 
malen  Grosseltern  väterlicher  und  mütterlicher  Seite  und  normalen 
Geschwistern. 


*)  Besprochen  im  Unterelsässischen  Aerzteverein  in  Strassburg 
am  30.  November  1912. 


10.  Peloquin  1902  und  Poncet  et  Leriche  1903.  Ein 
30  jähriger  Mann  und  seine  27  jährige  Schwester  chondrodys- 
trophische^  Zwerge. 

11.  Gueniot-Potocki  1904.  Eine  chondrodystrophische 
Zwergin  gebar  als  erstes  Kind  ein  chondrodystrophisches  Mädchen, 
als  zweites  Kind  einen  ebenso  beschaffenen  Knaben  und  als  drittes 
Kind  ein  normales  Mädchen. 

12.  Lepage  1904.  Mutter  und  Tochter  mit  Chondrodystrophie. 

13.  T  r  e  u  b  1904.  Bruder  und  2  Schwestern  mit  Chondrodys¬ 
trophie. 

14.  N  y  h  o  f  f  (bei  T  r  e  u  b).  In  einer  Familie  7  Individuen  mit 
Chondrodystrophie. 

15.  Launois  et  Apert  1905  und  Apert  1909.  Vater  und 
2  Töchter  mit  Chondrodystrophie. 

16.  Keyser  1906.  Der  Vater  und  sein  1  lA  jähriger  Sohn  mit 
Chondrodystrophie. 

17.  Porter  1907.  6  chondrodystrophische  Zwerge  in  3  Genera¬ 
tionen.  Grossvater,  Vater,  3  Söhne  und  der  Bruder  des  Vaters  mit 
Chondrodystrophie. 

18.  Ei  ch  holz  1910.  Der  Vater,  2  Schwestern  im  Alter  von  40 
und  42  Jahren  und  die  Tochter  der  ersteren  Schwester  mit  Chondro¬ 
dystrophie. 

19.  Schemensky  1912.  2  chondrodystrophische  Zwillings¬ 

brüder  im  Alter  von  27  Jahren. 

Aus  dieser  Zusammenstellung,  in  der  freilich  nicht  alle 
Fälle  in  Bezug  auf  die  chondrodystrophische  Natur  des 
Zwergwuchses  absolut  sicher  genannt  werden  können,  da  sich 
vielfach  nur  ganz  kurze  Angaben  finden  oder  bloss  die  Dia¬ 
gnose  der  Achondroplasie  oder  Chondrodystrophie  vermerkt 
ist,  geht  aber  doch  zweifellos  hervor,  dass  die  Chondrodys¬ 
trophie  sowohl  von  väterlicher  als  von  mütterlicher  Seite  und 
zwar  von  ersterer  Seite  anscheinend  häufiger  als  von  letzterer 
vererbt  werden  kann  und  dass  der  familiäre  Charakter  der 
Chondrodystrophie  mitunter  in  ausgesprochener  Weise  zur 
Geltung  kommt.  Es  wirft  das  ein  gewisses  Licht  auf  die  sonst 
ganz  unklare  Aetiologie  dieser  Skelettanomalie  und  fordert 
dazu  auf,  gerade  in  dieser  Richtung  alle  zur  Beobachtung  ge¬ 
langenden  Fälle  von  Chondrodystrophia  foetalis  soweit  ais 
möglich  in  Bezug  auf  die  sonstigen  Familienmitglieder  und 
besonders  die  Aszendenz  zu  erforschen,  weil  sich  hiermit  viel¬ 
leicht  die  Erblichkeit  der  Chondrodystrophia  foetalis  als  regu¬ 
lär  erweisen  könnte.  Sehr  bestimmt  haben  das  schon 
Launois  und  Apert  ausgesprochen,  indem  sie  die  Chon¬ 
drodystrophie  geradezu  als  eine  hereditäre  und  familiäre 
Affektion  bezeichneten  und  in  ihr  sogar  einen  speziellen  Typus, 
eine  spezielle  Varietät  der  Species  Homo  sehen  wollten.  Es 
wären  solche  Nachforschungen  aber  noch  in  anderer  Hinsicht 
von  Interesse,  weil  damit  Material  für  die  in  neuerer  Zeit  als 
so  wichtig  erkannten  Mendel  sehen  Vererbungsregeln  beim 
Menschen  gewonnen  werden  könnten. 

Da  ich  nun  Gelegenheit  hatte,  auf  diesem  Gebiete  durch 
das  liebenswürdige  Bemühen  des  Herrn  Bahnarztes  Dr.  Otto 
Schroeder  in  Illkirch-Grafenstaden  ein  neues  Beispiel  für 
familiäre  Chondrodystrophie  feststellen  zu  können,  möchte  ich 
mir  erlauben,  im  folgenden  darüber  Mitteilung  zu  machen. 

Am  20.  März  1911  übersandte  Herr  Dr.  Schroeder 
an  das  pathologische  Institut  in  Strassburg  die  Leiche 
eines  frischtoten,  32  cm  langen,  ziemlich  gut  genährten 
männlichen  Fötus  mit  dem  ausgesprochenen  Bilde  einer  Chondro- 
dystrophia  foetalis.  Kopf  und  Rumpf  waren  relativ  sehr  gross,  die 
Extremitäten  sehr  kurz.  Die  Arme  waren  dabei  in  den  Ellenbogen¬ 
gelenken  gebeugt  und  mit  den  Händen  vor  der  Brust  einander  ge¬ 
nähert.  Die  Beine  waren  unter  dem  Gesässe  gekreuzt,  die  Füsse 
in  Varusstellung.  Der  Kopf  mass  33  cm  im  Horizontalumfange,  10  cm 
in  der  grössten  Länge  und  9,5  cm  in  der  grössten  Breite.  Er  trug  ein 
ausgebildetes  Kapillitium  mit  bis  2  cm  langen,  dunklen  Haaren.  Die 
Ohren  und  die  Lider,  die  Bulbi  und  die  Mundöffnung  waren  normal 
gebildet,  die  Nase  war  klein  und  an  ihrer  Wurzel  eingesunken.  Der 
Hals  erschien  dem  Kopfe  entsprechend  lang  und  dick.  Der  Thorax 
war  gut  gewölbt.  Sein  Horizontalumfang  in  der  Höhe  der  Mam- 
millae  betrug  24  cm.  Der  Unterleib  war  leicht  ausgedehnt,  mit  einem 
Horizontalumfange  von  27  cm  in  der  Nabelhöhe.  Am  Nabel  fand  sich 
ein  mit  gewöhnlicher  Menge  von  Sülze  versehener,  2  Arterien  und 
1  Vene  enthaltender  Nabelstrang.  Die  äusseren  Geschlechtsorgane 
und  der  After  waren  normal  gebildet.  Die  Hoden  waren  im  Skrotum 
zu  tasten.  Die  Scheitelsteissbeinlänge  betrug  23  cm,  die  Schultei- 
breite  11  cm.  Die  oberen  Extremitäten  massen  vom  Oberarmkopf 
zu  den  Fingerspitzen  9  cm,  die  unteren  vom  grossen  Trochanter  bis 
zur  Mitte  der  Planta  10  cm.  Die  Nägel  an  den  Fingern  und  Zehen 
waren  bereits  ziemlich  hart  und  ragten  die  Fingernägel  über  die 
Fingerbeeren  etwas  vor.  Dabei  waren  von  der  Verkürzung  nament¬ 
lich  die  Diaphysen  betroffen,  welche  entweder  gar  keine  oder  nur 
ganz  leichte  Verbiegungen  erkennen  Hessen  und  denen  zum  Teil  die 
Epiphysen  schief  angesetzt  waren.  Die  mitgesandte  Plazenta  entsprach 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


249 


in  ihrer  Grösse  einer  ca.  9  monatlichen  Frucht  und  besass  gewöhn¬ 
liche  Struktur.  Der  Nabelstrang  war  zentral  inseriert.  Die  Sektion 
des  Kopfes  und  Rumpfes  ergab  nirgends  pathologische  Verände¬ 
rungen,  namentlich  auch  nicht  irgend  welche  Missbildungen.  Die 
Lungen  waren  vollkommen  atelektatisch.  An  der  vorderen  Fläche 
des  Herzens  fanden  sich  im  Epikardium  zahlreiche  bis  linsengrosse, 
frische  Ekchymosen.  Die  Grösse  der  inneren  Organe  entsprach  auch 
einem  Fötus  von  dem  Ende  des  9.  Schwangerschaftsmonates.  Von 
diesem  Falle  untersuchte  Herr  Dr.  Fuchs  gelegentlich  seiner  Be¬ 
arbeitung  eines  Falles  von  Osteogenesis  imperfecta  (Virch.  Arch. 
207.  Bd.,  1912)  an  mikroskopischen  Durchschnitten  die  langen  Knochen 
des  linken  Armes  und  linken  Beines  sowie  eine  der  Mitte  der  Schädel¬ 
basis  entnommene  sagittale  Lamelle.  An  den  langen  Extremitäten¬ 
knochen  fand  sich  volles  Versagen  der  Knochenbildung  an  der  Grenze 
der  Diaphysen  gegen  die  Epiphysen,  indem  die  Reihenbildung  in  den 
Epiphysenknorpeln  fast  gänzlich  fehlte.  Die  perichondrale  resp.  peri¬ 
ostale  Knochenbildung  in  den  Diaphysen  war  hingegen  in  reichlichem 
Grade  erfolgt.  Eine  exzessive  Grössenentwicklung  der  Epiphysen¬ 
knorpel  war  nicht  zu  sehen.  An  der  Schädelbasis  war  bei  gewöhn¬ 
licher  Grössenentwicklung  des  Tribasilare,  die  Synchondrosis  spheno- 
occipitalis  vorhanden,  die  Synchondrosis  intersphenoidalis  hingegen 
ossifiziert. 

Darnach  war  der  Fall  als  eine  Chondrodystrophia  foetalis 
hypoplastica  im  Sinne  Kaufmanns  aufzufassen.  Das  Ein¬ 
gezogensein  der  Nasenwurzel  war  durch  geringe  Grössenent¬ 
wicklung  des  Nasenteiles  des  Schädels  vor  der  Sphenoid- 
gegend  bedingt  gewesen.  (Dieser  Fötus  ist  unter  No.  7120  im 
Museum  aufgestellt.) 

Am  22.  Juni  1912  übersandte  dann  Herr  Dr.  Schroe- 
der  dem  Institute  abermals  die  Leiche  eines  frischtoten, 
26  cm  langen,  auch  ziemlich  gut  genährten  männlichen 
Fötus  mit  der  gleichen  Skelettanomalie.  Wieder  waren  bei 
relativ  beträchtlicher  Grösse  des  Kopfes  und  Rumpfes  die  Extremi¬ 
täten  sehr  kurz,  die  Arme  in  den  Ellbogengelenken  gebeugt  und  mit 
den  Händen  auf  der  Brust  liegend,  die  Beine  unter  dem  Gesässe 
gekreuzt,  mit  Klumpfussbildung.  Der  Kopf  mass  30  cm  im  Horizontal- 
umfange,  9,5  cm  in  der  grössten  Länge  und  8.5  cm  in  der  grössten 
Breite.  Seine  Behaarung  bestand  aus  bis  2  cm  lansen  dunklen 
Haaren.  Das  Gesicht  war  wohlgebildet  bis  auf  Kleinheit  der  Nase  und 
deutliches  Eingesunkensein  der  Nasenwurzel.  Der  Hals,  der  Thorax 
und  der  Unterleib  zeigten  nichts  Abnormes,  ebensowenig  der  Nabel¬ 
strang,  die  äusseren  Geschlechtsorgane  und  der  After.  Die  Scheitel- 
steisslänge  war  22  cm.  Die  Arme  massen  8  cm,  die  Beine  9  cm  in 
der  Länge  und  waren  namentlich  die  Diaphysen  sehr  kurz.  Sie  zeigten 
auch  nur  ganz  geringe  Verbiegungen  und  waren  hart.  Die  Nägel 
ragten  über  die  Fingerbeeren  nicht  vor  und  waren  weicher  als  im 
ersten  Falle.  Die  Hoden  waren  in  das  Skrotum  herabgetreten.  Nach 
seiner  Entwicklung  war  der  Fötus  bis  zum  Anfang  des  9.  Schwanger¬ 
schaftsmonats  gediehen.  Die  Sektion  des  Kopfes  und  Rumpfes  ergab 
normale  Verhältnisse  bis  auf  das  Fehlen  der  Fixation  des  Colon 
ascendens  an  die  hintere  Bauchwand.  Die  Lungen  waren  voll¬ 
kommen  atelektatisch.  Ein  sagittaler  Medianschnitt  durch  den 
Schädel  erwies  wie  in  dem  früheren  Falle  Offensein  der  Spheno- 
basilarfuge  und  Synostose  der  Intersphenoidfuge.  Auch  hier  war 
der  vor  dem  gewöhnlich  entwickelten  Sphenoid  gelegene  Nasenteil 
der  Schädelbasis  entsprechend  dem  Eingezogensein  der  Nasenwurzel 
auffallend  kurz.  Von  diesem  Falle  untersuchte  ich  mikroskopisch 
das  rechte  Os  femoris  und  die  rechte  Tibia.  Der  mikroskopische 
Befund  war  derselbe  wie  in  dem  früheren  Falle  und  darnach  der 
Fall  auch  eine  Chondrodystrophia  foetalis  hyooplastica.  (Dieser 
Fötus  erhielt  die  Mus. -No.  7375.)  Die  beiden  Föten  nebeneinander 
betrachtet,  zeigten  zu  einander  die  grösste  Aehnlichkeit. 

Beim  Uebersenden  des  zweiten  Fötus  gab  nun  Herr 
Dr.  S  c  h  r  o  e  d  e  r  an,  dass  dieser  Fötus  der  Bruder  des  ersten 
am  20.  März  1911  übersandten  Fötus  sei,  dass  er  von  dem¬ 
selben  Vater  stamme,  und  dass  seine  Mutter  die  Schwester 
der  Mutter  des  ersten  Fötus  sei.  Herr  Dr.  Schroeder  hatte 
dann  noch  die  Güte,  folgende  Erhebungen  zu  machen: 

Der  Vater  der  beiden  Föten  ist  ein  30  jähriger  Mann,  ein 
Alkoholiker,  der  normalen  Körperbau  besitzt.  Sein  noch 
lebender  Vater,  also  der  Grossvater  der  beiden  Föten,  hat  auf¬ 
fallend  kurze  Beine,  so  dass  er  den  Eindruck  eines  Zwerges 
macht.  Die  Mutter  des  ersten  Fötus  ist  eine  normal  grosse, 
42  jährige  Frau,  welche  im  Jahre  1908  ein  normales  Kind  spon¬ 
tan  geboren  und  im  Jahre  1910  abortiert  hat.  Sie  besitzt  ein 
normal  dimensioniertes  Becken.  Die  Mutter  des  zweiten 
Fötus  ist  die  Schwester  der  Mutter  des  ersten  Fötus,  38  Jahre 
alt,  von  normalem  Körperbau,  mit  normalem  Becken.  Sie  war 
zum  erstenmal  schwanger.  Bezüglich  der  Dauer  der 
Schwangerschaft  wurde  betreffs  beider  Föten  angegeben,  dass 
die  Schwangerschaft  7- — 8  Monate  gedauert  habe.  (Nach  den 
geschilderten  Befunden  an  den  beiden  Föten  möchte  ich  aber 
wie  oben  bemerkt  wurde,  die  Schwangerschaftsdauer  in  beiden 
Fällen  höher  einschätzen  und  zwar  im  1.  Falle  auf  das  Ende 

No.  5. 


des  9.  und  im  2.  Falle  auf  den  Beginn  des  9.  Schwangerschafts¬ 
monats.)  Weiter  konnte  Herr  Dr.  Schroeder  noch  eruieren, 
dass  der  Vater  der  beiden  Föten  und  die  beiden  Mütter  ge¬ 
meinsame  Urgrosseltern  hatten,  über  die  Leibesbeschaffenheit 
dieser  und  der  übrigen  Aszendenz  mit  Ausnahme  des  väter¬ 
lichen  Grossvaters  war  leider  nichts  zu  erfahren. 

Ich  habe  diese  Beobachtung  von  Chondrodystrophia 
foetalis  zur  Kenntnis  gebracht,  weil  sie  ein  neues  Beispiel  von 
dem  familiären  Auftreten  derselben  gibt.  Wie  in  den  Fällen 
von  Decroly  1902,  von  Keyser  1906  und  von  Porter 
1907  waren  auch  hier  von  der  Chondrodystrophie  nur  männ¬ 
liche  Mitglieder  der  Familie  betroffen  worden.  Eine  Besonder¬ 
heit  meiner  Beobachtung  liegt  darin,  dass  die  Mütter  der 
beiden  Föten  Schwestern  waren  und  dass  bei  beiden  nach  der 
Konzeption  durch  dasselbe  Sperma  die  chondrodystrophischen 
Föten  sich  entwickelt  hatten. 

Literatur. 

Apert:  Quelques  remarques  sur  l’achondroplasie.  Nouv. 
iconographie  de  la  Salpetriere.  T.  XIV,  1901 — 2;  Une  famille  d’achon- 
droplases.  Bull,  de  la  soc.  de  Pediatrie  de  Paris  1909.  —  B  a  1  d  w  i  n: 
Achondroplasia.  Med.  News  1890.  —  Boeckh:  Ueber  Zwergbecken. 
Arch.  f.  Gynäk.,  Bd.  43,  1893.  —  Christofer:  American  pediatrie 
society  1902  (zitiert  bei  L  a  u  n  o  i  s  und  Apert  1905).  —  Decroly: 
Policlinique  de  Bruxelles  1902  (zitiert  bei  S  i  e  g  e  r  t  1912).  —  E  i  c  h  - 
holz:  Achondroplasia.  Brit.  med.  Journ.  1910,  I.  —  Oueniot- 
Potocky:  C.  r.  de  la  societe  d’obstetrique  de  gynecologie  et  de 
pediatrie  de  Paris  1904.  —  Kaufmann:  Untersuchungen  über  die 
sog.  fötale  Rachitis  (Chondrodystrophia  foetalis).  1892.  —  Keyser: 
Achondroplasia,  its  occurence  in  man  and  animals.  Lancet  1906,  I. 

—  Launois:  Deux  cas  de  nanisme  achondroplasique  chez  le  frere 
et  la  soeur.  Lyon  medical  1902.  —  Launois  et  Apert:  Achondro- 
plasie  hereditaire.  Bull,  et  mem.  de  la  soc.  med.  des  höpitaux  de 
Paris  1905.  —  La  uro:  Annali  di  obstetricia  e  ginecologia  1887 
(zitiert  bei  Launois  und  Apert  1905).  —  L  e  p  a  g  e :  Sectio  cae¬ 
sarea  chez  une  femme  achondroplasique.  C.  r.  de  la  Soc.  d’obstetr. 
de  gynecologie  et  de  pediatrie  de  Paris  1904.  —  Ny  hoff:  Zitiert  bei 
Treu  b.  1904.  —  Par  rot:  La  Syphilis  hereditaire  et  la  rachitis. 
Paris  1886.  —  Peloquin:.De  l’achondroplasie  chez  l’homme  et 
les  animaux.  These  de  Lyon  1902.  —  Poncet  et  Leriche:  Nains 
d’aujourd’hui  et  nains  d’autrefois.  Nanisme  ancestral.  Achondro- 
plasie  ethnique.  Bull,  de  l’acad.  de  medecine  1903.  —  Porak:  De 
l’achondroplasie.  Nouv.  Archives  d’Obstetrique  et  de  gynecologie 
1890.  —  Porter:  Achondroplasie :  Notes  on  three  cases.  —  Rom¬ 
berg:  Zitiert  bei  Launois  und  Apert  1905.  —  Schemen  sky: 
Zur  Röntgendiagnostik  der  „Chondrodystrophia  foetalis“.  Zeitschr. 
f.  Röntgenkunde,  14.  Bd.,  1912  und  Inauguraldissertation  Jena  1912. 

—  Schrumpf:  Ueber  das  klinische  Bild  der  Achondroplasie  (Chon¬ 
drodystrophie  beim  Erwachsenen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1908.  — 
Sevestre:  Academie  de  Medecine  1905  (zitiert  bei  Launois  und 
Apert  1905).  —  Siegert:  Der  chondrodystrophische  Zwerg¬ 
wuchs  (Mikromelie).  Erg.  d.  inn.  Med.  u.  Kinderheilk.,  Bd.  8,  1912. 

—  Treub:  Un  cas  d’achondroplasie.  Bull,  de  la  soc.  d’obstetr.  de 
gynecologie  et  de  pediatrie  de  Paris  1904. 


Aus  der  „Ernst-Ludwig-Heilanstalt“  in  Darmstadt. 

lieber  Neubornyval. 

Von  Dr.  R  i  g  1  e  r  in  Darmstadt. 

Ein  auffallend  günstiges  Resultat,  das  ich  kürzlich  mit  der 
Bornyvaldarreichung  bei  einem  Kranken  mit  schwerer,  ausge¬ 
sprochener,  nervöser  Herzstörung  erzielen  konnte,  und  zwar  in  relativ 
sehr  kurzer  Zeit,  veranlasst  mich  zu  nachstehenden  Zeilen: 

Wenn  auch  schon  eine  Reihe  von  Publikationen  über  die  An¬ 
wendung  des  Bornyvals  bei  Herzkrankheiten,  speziell  auch  bei  den 
Herzneurosen  vorliegt,  so  würde  es,  wie  ich  glaube,  doch  recht 
vorteilhaft  sein,  wenn  noch  an  einem  grösseren  Krankenmaterial 
systematisch  dahingehende  klinische  Versuche  einmal  angestellt 
würden,  und  vielleicht  gibt  die  Beobachtung  aus  der  Praxis,  die  ich 
bringe,  die  Anregung  dazu. 

Die  Krankengeschichte  ergibt  zunächst  kurz  folgendes: 

Patient  Z.  stammt  seiner  Angabe  nach  aus  gesunder  Familie, 
ist  auch  früher  niemals  erheblich  krank  gewesen.  Im  Anschluss  an 
eine  länger  dauernde  Einatmung  von  Arsenikdämpfen  traten  zunächst 
Herzbeschwerden  auf.  Der  den  Patienten  damals  behandelnde  Arzt 
stellte  eine  allgemeine  Nervosität  mit  unruhiger  Herztätigkeit  fest, 
Klagen  über  Herzklopfen  und  zeitweilig  Atembeschwerden.  Am 
Herzen  selbst  liess  sich  zunächst  objektiv  nichts  Besonderes  nach- 
weisen.  Später  stellten  sich  aber  Unregelmässigkeiten  des  Pulses 
ein,  welche  den  Patienten  sehr  änstigten,  auch  fand  sich  ein  starker 
Unterschied  der  Pulsfrequenz  im  Liegen  und  Stehen.  Dieser  Befund 
wurde  im  Jahre  1910  erhoben.  In  der  Folgezeit  ist  der  Zustand  dann 
immer  ein  leidlicher  gewesen,  so  dass  Herr  Z.  seiner  Tätigkeit 
als  Chemiker  nachgehen  konnte. 


4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


25(1 


Patient  konnte  selber  feststellen,  dass  die  Herzunregelmässig¬ 
keiten  hauptsächlich  nach  psychischen  Erregungen  auftraten.  Sie 
wurden  dann  sehr  lästig  und  waren  auch  mit  Alembeschwerden  ver¬ 
bunden. 

Als  Patient  im  Oktober  1911  zum  erstenmal  in  meine  Behand¬ 
lung  trat,  fanden  sich  eine  grosse  Reihe  allgemein  nervöser  Krank¬ 
heitszeichen,  der  objektive  Befund  war  fast  noch  ebenso  wie  früher. 
Die  Herzgrenzen  erwiesen  sich  als  dem  Normalen  entsprechend. 
Am  Orthodiagraphen  aufgenommen,  ergab  sich  als  Herzmass  16  zu  8. 
Die  Herztöne  waren  rein,  die  zweiten  Töne,  besonders  an  der  Basis 
deutlich  paukend,  die  Herzaktion  nicht  ganz  regelmässig.  Der  Puls 
schlug  im  Sitzen  88,  im  Stehen  96  mal,  nach  mehrmaligem  Bücken 
stieg  er  auf  112  Schläge  in  der  Minute  an.  Der  Blutdruck  betrug 
135  mm  Quecksilber,  der  Puls  erwies  sich  als  gut  gespannt  und 
gut  gefüllt. 

Damals  wurden  leichte  Gymnastik,  zweckmässige  Diät,  mög¬ 
lichst  reichliche  körperliche  Ruhe  und  Bäder  verordnet.  —  Dabei 
blieb  der  Zustand  ziemlich  unverändert,  die  subjektiven  Beschwerden 
Hessen  aber  nach. 

Aus  unbekannter  Ursache  trat  dann  im  Juli  ds.  Js.  unerwartet 
eine  starke  Verschlimmerung  in  dem  Befinden  ein.  Der  Puls  er¬ 
reichte  dauernd  eine  Frequenz  von  120 — 125  Schlägen  in  der  Minute, 
er  stieg  nach  leichten  körperlichen  Anstrengungen  noch  erheblich  an, 
dabei  machten  sich  sehr  starke  Unregelmässigkeiten  bemerkbar,  die 
nach  leichten  psychischen  Erregungen,  wie  der  Patient  angab,  noch 
mehr  hervorgetreten  sind. 

Objektiv  Hess  sich  nach  wie  vor  eine  wesentliche  Veränderung 
am  Herzen  nicht  nachweisen,  auch  bestanden  keinerlei  objektiv  nach-  | 
weisbare  Insuffizienzerscheinungen.  Da  Patient  aus  äusseren  | 
Gründen  die  ihm  verordnete  Ruhe  nicht  einhalten  konnte,  und  auch  1 
eine  Bäderbehandlung  nicht  durchführbar  war,  wurde  ihm  jetzt 
Bornyval  und  zwar  das  Neubornyval  in  steigender  Dosis,  zu¬ 
nächst  4,  später  6,  später  8  Kapseln  pro  die  verordnet. 

Dabei  trat  eine  ganz  wesentliche  Besserung  schon  nach  wenigen 
Tagen  ein,  obwohl  der  Patient,  wie  erwähnt,  sein  bisheriges  Leben 
kaum  änderte.  Die  Pulsfrequenz  sank  und  die  Angstzustände  machten 
sich  nicht  mehr  bemerkbar.  Auch  Hessen  sich  die  Unregelmässig¬ 
keiten  nicht  mehr  nachweisen,  wenigstens  längst  nicht  mehr  in  dem 
Masse,  wie  zuvor,  und  das  ganze  Aussehen  des  Patienten  war  vor 
allem  ein  bedeutend  besseres  geworden,  der  ängstlich  gespannte 
Gesichtsausdruck,  den  er  vorher  bot,  verschwand. 

Es  ist  dann  dem  Patienten  geraten  worden,  das  Bornyval  noch 
längere  Zeit  fortzunehmen  und  allmählich  mit  der  Dosis  wieder 
herunterzugehen. 

Veranlasst  durch  diese  recht  gute  Erfahrung  habe  ich  nunmehr 
reichlichen  Gebrauch  von  der  Anwendung  des  Bornyvals  gemacht, 
und  zwar  wurden  besonders  verschiedene  Formen  nervöser  Stö¬ 
rungen,  reine  Neurasthenien  und  Hysterien,  Herzneurosen,  Formes 
frustes  von  Basedow  und  eine  Reihe  traumatischer  Neurosen 
systematisch  mit  Bornyval  behandelt 

Mit  der  Aufzählung  der  einzelnen  Krankengeschichten  möchte 
ich  den  Leser  nicht  ermüden  und  mich  damit  begnügen,  das  Wesent¬ 
liche  hervorzuheben. 

Im  grossen  und  ganzen  habe  ich  bei  allen  behandelten  Fällen 
den  Eindruck  gehabt,  dass  durch  das  Bornyval  eine  wesentliche 
Beruhigung  des  Nervensystems  herbeigeführt  worden  ist,  und  dass 
das  Bornyval  vor  allem  das  leistet,  was  man  bei  diesen  therapeutisch 
so  undankbaren  Fällen  erwarten  kann. 

Insbesondere  ist  mir  in  Erinnerung  geblieben  ein  Fall  von  trau-  | 
matischer  Neurose.  Hier  Hess  sich  objektiv  eine  Abnahme  der 
hochgradigen  nervösen  Reizbarkeit  nachweisen  und  der  Kranke  gab 
selbst,  was  derartige  Patienten  ja  fast  nie  zu  tun  pflegen,  zu,  dass 
sich  sein  Zustand  gebessert  habe. 

Immerhin  sind  alle  diese  Fälle  natürlich  nicht  so  beweisend  wie 
der  erste,  weil  bei  ihnen  auch  selbstverständlich  alle  anderen  Hilfs¬ 
mittel,  besonders  physikalisch-diätetischer  Natur,  in  Anwendung  ge¬ 
zogen  worden  sind. 

Jedenfalls  habe  ich  aber  doch  entschieden  den  Eindruck  ge¬ 
wonnen,  dass  das  Bornyval  ein  besseres  Unterstützungsmittel  der 
physikalisch-diätetischen  Heilmassnahmen  bei  nervösen  Erschei¬ 
nungen  ist,  als  wie  die  einfache  Baldriantinktur.  Diese  Tatsache 
findet  ja  auch  in  der  Zusammensetzung  des  Präparates  ohne  weiteres 
ihre  Erklärung. 

Das  Neubornyval,  mit  welchem  ich  meine  Versuche  angestellt 
habe,  unterscheidet  sich  in  einigen  Punkten  von  dem  ursprünglich 
von  Siedler  in  die  Therapie  eingeführten  gewöhnlichen  Bornyval. 

Das  Neubornyval  ist  der  Isovalerylglykolsäure-Bornylester,  es 
enthält  53  Proz.  Borneol,  34,5  Proz.  Baldriansäure,  25,7  Proz. 
Glykolsäure.  Dargestellt  wird  es  durch  Erwärmen  äquivalenter 
Mengen  von  Chloressigsäurebornylester  mit  valeriansauren  Salzen 
und  danach  folgende  Reinigung  durch  Destillation  im  Vakuum. 

Das  Neubornyval  ist  eine  farblose,  fast  völlig  geruch-  und  ge¬ 
schmacklose,  ölige  Flüssigkeit,  welche  in  Wasser  nicht  löslich,  leicht 
löslich  dagegen  in  Weingeist,  Aether,  Benzol  und  fetten  Oelen  ist. 

Für  die  praktische  Anwendung  ist  besonders  von  Bedeutung, 
dass  gegen  saure  Agentien  das  Neubornyval  erheblich  widerstands¬ 
fähiger  ist,  wie  das  frühere  Präparat.  Gegen  künstlichen  Magensaft 
verhält  es  sich  bei  37 u  C  völlig  resistent,  passiert  dementsprechend 
den  Magen  unzersetzt  und  wird  im  wesentlichen  erst  im  Darm  unter 


Aufnahme  von  Wasser  in  Borneol,  Baldriansäure  und  Glykolsäure 
gespalten.  Infolge  des  vergrösserten  Moleküles  ist  der  Gehalt  des 
Neubornyvais  an  Borneol  und  Baldriansäure  zwar  etwas  geringer, 
als  der  des  Bornyvals,  doch  wirkt  dafür  die  Glykolsäure  ausgleichend! 
so  dass  die  Gesamtwirkung  mit  der  des  Bornyvals  identisch  ist. 

Schon  früher  hatte  ich  übrigens,  veranlasst  durch  die  Arbeiten 
von  Loh  mann,  Isola,  Engels  u.  a.,  das  Bornyval  in  ziemlich 
ausgedehntem  Masse  zur  Anwendung  gebracht. 

Im  grossen  und  ganzen  erinnere  ich  mich  auch  damals  mit  dein 
Erfolg  wohl  zufrieden  gewesen  zu  sein,  nur  wurde  seitens  der 
behandelten  Patienten  über  ein  sehr  lästiges  Aufstossen  nach  Ein¬ 
nehmen  des  Präparates,  häufig  geklagt. 

Durch  Selbstversuche  konnte  ich  mich  von  der  Richtigkeit  der 
Angabe  überzeugen  und  zwar  schien  es  mir  damals,  als  ob  es  ganz 
gleichgültig  sei,  ob  man  das  Präparat  in  den  leeren  Magen  oder  zu 
den  Mahlzeiten  nähme. 

Auch  von  anderer  Seite  sind  —  wie  ich  aus  der  Literatur 
ersehe  (Ewald)  —  derartige  Klagen  laut  geworden  und  dies  hat 
jedenfalls  die  darstellende  Firma  veranlasst,  jetzt  das  oben  näher 
skizzierte  Präparat  auf  den  Markt  zu  bringen.  Wie  aus  den  ange¬ 
führten  Angaben  über  das  Präparat  hervorgeht,  wird  es  im  Magen 
nicht  zerlegt  und  dem  entspricht  auch  der  Umstand,  dass  die 
Patienten  nach  dem  Einnehmen  fast  nie  mehr  über  das  früher  so 
lästige  Aufstossen  klagen. 

Will  man  ganz  sicher  gehen  und  das  Aufstossen  auf  alle  Fälle 
vermeiden,  so  empfiehlt  es  sich,  das  Präparat  während  der  Mahlzeit 
nehmen  zu  lassen.  Bei  dieser  Verordnung  sind  mir  irgend  welche 
Klagen  nie  mehr  geäussert  worden,  selbst  von  Patienten  mit  sonst 
recht  empfindlichem  Magen. 

Sehr  wesentlich  für  einen  dauernden  Erfolg  scheint  es  noch  zu 
sein,  dass  man  das  Präparat  längere  Zeit  andauernd  fortnehmen 
lässt,  und  dass  man,  mit  kleineren  Dosen  anfangend,  allmählich  an¬ 
steigt,  dann  aber  auch  nicht  plötzlich  aufhört,  sondern  schliesslich 
kleine  Dosen,  etwa  2 — 3  Gelatineperlen  pro  Tag  noch  längere  Zeit, 
selbst  über  Monate  hinaus,  gibt. 

Als  Maximaldosis,  wie  ich  sie  zur  Anwendung  gebracht  habe, 
möchte  ich  8  Gelatineperlen  pro  Tag  bezeichnen.  In  verschiedenen 
Arbeiten  findet  sich  aber  die  Angabe,  dass  auch  weit  höhere  Dosen 
ohne  Nachteil  vertragen  wurden.  Immerhin  dürften  aber  höhere 
Dosen  für  den  praktischen  Endeffekt  nicht  von  Bedeutung  sein. 

Die  Abgabe  von  Radiumpräparaten  aus  öffentlichen 
Stationen  zur  Behandlung  privater  Kranker4). 

Von  Eduard  Schiff  in  Wien. 

Seit  längerer  Zeit  besteht  in  Paris  die  Einrichtung,  dass  von 
seiten  einer  Gesellschaft,  welche  über  verhältnismässig  grosse 
Mengen  von  Radium  verfügt,  gegen  eine  Leihgebühr  an  Aerzte  und 
an  Laien  Radiumträger  verliehen  werden,  und  in  jüngster  Zeit  wurde 
durch  einen  offiziellen  Schritt  der  österreichischen  Verwaltung  im 
k.  k.  allgemeinen  Krankenhause  in  Wien  eine  Radiumstation  errichtet, 
um  „an  praktische  Aerzte  für  Zwecke  der  Behandlung  privater 
Kranker  Radiumträger  zu  verleihen“.  Diese  Radiumstation  ist 
gegenwärtig  der  dermatologischen  Klinik  angegliedert  und  soll  in 
späterer  Zeit  eine  selbständige  Stellung  erhalten. 

Die  Schädigungen  von  Patienten,  welche  durch  die  Radium¬ 
behandlung  von  seiten  unerfahrener  Aerzte  in  Paris  entstanden  sind, 
lassen  die  Frage  aufwerfen,  ob  die  österreichische  Verwaltung  recht 
daran  getan  hat,  die  Radiumtherapie  aus  den  Krankenhäusern  und 
aus  den  Arbeitsräumen  spezialistisch  arbeitender  Aerzte  hinaus¬ 
treten  zu  lassen  und  sie  den  Aerzten  zu  allgemeiner  freier  An¬ 
wendung  zu  übergeben.  Diese  Frage  ist  um  so  interessanter  als 
gerade  die  österreichische  Verwaltung  bezüglich  der  freien  An¬ 
wendung  der  Röntgentherapie  einen  entgegengesetzten  Standpunkt 
einnimmt  und  die  Ausnützung  der  Röntgentherapie  von  einer  be¬ 
sonderen  Bewilligung  der  Sanitätsbehörde  abhängig  macht. 

Es  ist  selbstverständlich  im  Interesse  der  Heilkunst  gelegen, 
dass  die  wirksamen  Heilpotenzen  nicht  im  Besitze  einzelner  Bevor¬ 
zugter  bleiben  und  von  ihnen  allein  angewendet  werden;  man  muss 
darnach  trachten,  unsere  Erkenntnis  zum  Gemeingute  aller  Aerzte 
zu  machen,  denn  nichts  ist  für  die  Fortentwicklung  der  Medizin  ge¬ 
fährlicher  als  die  Bildung  von  Monopolen.  Aber  andererseits  muss 
man  mit  Recht  im  Interesse  der  Allgemeinheit  die  Frage  stellen,  ob 
die  Radiumtherapie  so  weit  ausgebildet  ist,  dass  sie  von  den  Aerzten 
ebenso  sicher  angewendet  werden  kann  wie  ein  in  seinen  Wirkungen 
genau  gekanntes  Medikament? 

Diese  Frage  muss,  so  bedauerlich  es  auch  ist,  mit  nein  beant¬ 
wortet  werden;  freilich  sind  wir  über  die  ersten  tastenden  Versuche 
schon  weit  hinaus,  und  die  stattliche  Anzahl  von  Arbeiten  aus  den 
verschiedensten  Forschungsstätten  hat  der  Radiumtherapie  eine 
feste  Unterlage  und  feste  Indikationen  gegeben.  Aber  damit  ist  nicht 
alles  getan.  Man  kann  nicht  genug  oft  wiederholen,  dass  es  nicht 
genügt,  auf  eine  kranke  Hautstelle  einen  Radiumträger  aufzulegen: 
man  muss  die  Nachteile  der  Radiumwirkung  vermeiden  können,  denn 

*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  Naturforscherversammlung  in 
Münster,  September  1912. 


4.  Februar  1913. 


M 1 1 ENCHENfift :  Medizinische  wochensch r i fi ■ . 


die  Arbeit  mit  einer  Heilpotenz,  deren  Wirkungen  nicht  genau  vor¬ 
hergesehen  werden,  gleicht  der  Fahrt  auf  einem  Schiffe,  dem  das 
Steuer  fehlt.  Die  Radiumbehandlung  bedarf  grosser  Erfahrung,  um 
zum  therapeutischen  Erfolge  zu  gelangen,  und  mit  E.  Heuss  sehe 
ich  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen  die  Radiumtherapie  heute  noch 
zu  kämpfen  hat,  in  der  Unmöglichkeit,  in  jedem  einzelnen  Falle  die 
benötigte  Strahlenquantität  und  Strahlenqualität  genau  zu  berechnen, 
und  in  unserem  Unvermögen,  die  vom  einzelnen  Apparat  in  den 
Körper  geschickte  Strahlenmenge  auch  nur  annähernd  zu  bemessen. 

Dazu  kommt,  dass  wir  heute  wissen,  dass  nicht  nur  die 
Radiumsalze,  sondern  auch  die  Radiumemanation 
schädigend  einwirken  können.  Im  Wiener  Institute  für  Radium¬ 
forschung  kam  der  Fall  vor,  dass  ein  Gehilfe,  der  ein  längere  Zeit 
verschlossen  gewesenes,  Radiumsalz  enthaltendes  Glasgefäss  öffnete, 
infolge  der  Berührung  mit  der  entströmenden  Emanation  Verbren¬ 
nungen  an  seinen  Fingern  erhielt,  die  heute  noch  —  nach  fast 
3  Jahren  —  nicht  vollkommen  ausgeglichen  sind.  Und  der  Wiener 
Botaniker  Hans  M  o  I  i  s  c  h,  der  über  den  Einfluss  des  Radiums  auf 
Pflanzen  ausgedehnte  Versuche  anstellte,  rät  ausdrücklich,  nach  jeder 
Berührung  der  Hände  mit  Emanation  eine  Waschung  der  Hände  vor¬ 
zunehmen,  um  etw-a  anhaftende  Emanation  zu  entfernen;  er  fühlt 
sich  zu  der  Warnung  veranlasst,  dass  alle  Manipulationen  mit 
Emanation  wegen  ihrer  Schädlichkeit  für  menschliches  Gewebe  bei 
etwas  stärkerer  Konzentration  mit  der  grössten  Vorsicht  durchgeführt 
werden  müssen. 

Die  Schädigungen,  welche  durch  Radiumauflegepräparate  her¬ 
vorgerufen  werden  können,  sucht  die  heutige  Radiumtherapie  nach 
dem  Vorgänge  von  Wich  mann,  von  W  i  c  k  h  a  m,  von  Bayet 
und  von  D  o  m  i  n  i  c  i  durch  Dazwischenlegen  von  sog.  Strahlen¬ 
filtern  zu  verhüten,  und  es  ist  wiederum  nur  nach  einer  aus¬ 
gedehnten  Erfahrung  zu  beurteilen,  ob  man  in  den  Einzelfalle  Watte¬ 
lagen  oder  Metallblättchen  oder  Goldschlägerhäutchen  oder  Kaut- 
schuckblättchen  verwenden  soll.  Wie  soll  nun  gar  der  unerfahrene 
Arzt  die  sekundären  Strahlen  und  ihre  Reizwirkung  ver¬ 
meiden?  Wann  soll  er  zur  Absorption  der  Sagnacschen  Strahlen 
die  empfohlenen  Lagen  von  schwarzem  Papier  benützen,  und  wie 
soll  er  die  notwendige  Dicke  der  Strahlenfilter  bestimmen? 

Woher  soll  der  praktische  Arzt  die  Erfahrung  nehmen,  welche 
ihn  über  die  Zeitdauer  der  Applikation  orientiert?  Wie  soll  er, 
wenn  er  auf  tiefliegende  Prozesse  einwirken  will,  die  intensive 
Oberflächenwirkung  vermeiden  lernen?  Wer  lehrt 
ihn  die  'Unterschiede  kennen,  welche  zwischen  einer  Ekzembehand¬ 
lung  und  einer  Behandlung  des  Lupus  vulgaris  bestehen?  Und  wie 
soll  er  imstande  sein,  das  Verhältnis  zwischen  den  penetrieren¬ 
den  und  den  oberflächlich  wirkenden  Strahlen  thera¬ 
peutisch  auszuniitzen? 

Es  ist  natürlich  sehr  leicht,  die  Vorschrift  zu  geben,  dass  man 
bei  der  Behandlung  tieferliegender  Affektionen  das  darüberliegende 
gesunde  Gewebe  schonen  muss;  es  ist  aber  sehr  schwer  zu  sagen, 
ob  beim  Einlegen  eines  dicken  Bleibleches  zwischen  den  Radium¬ 
träger  und  zwischen  die  Haut  nicht  die  Verminderung  der  Strahlen¬ 
intensität  so  gross  geworden  ist,  dass  die  Radiumapplikation  statt 
weniger  Minuten  mehrere  Stunden,  ja  ganze  Tage  andauern  muss. 

Wer  lehrt  den  praktischen  Arzt,  ob  in  dem  speziellen  Falle  ein 
einzelner  Radiumträger  genügt,  oder  ob  nicht  mehrere  Träger  in 
der  von  Wickham  empfohlenen  Methodik  des  Feucroise  ver¬ 
wendet  werden  müssen?  Und  wer  weist  ihn  an,  wie  bei  dieser  Be¬ 
handlungsweise  eine  zu  starke  Lokalwirkung  vermieden  wird? 

Und  wie  soll  der  unerfahrene  Arzt  die  Umgebung  der  zu  be¬ 
handelnden  Körperpartie  vor  unerwünschter  Radiumwirkung  schützen? 
Wer  lehrt  ihn  die  Anfertigung  der  notwendigen  Schutznahmen,  und 
wie  soll  er  sich  gegenüber  von  auftretenden  Reaktionen  der  Haut 
verhalten? 

Es  gibt  sicherlich  Personen,  deren  Hautörgan  gegen  die  Radium¬ 
behandlung  überempfindlich  ist,  und  Heuss  sah,  dass  eine  früher 
bei  stundenlangem  Aufliegen  beschwerdelos  ertragene  Radiumplatte 
später  unter  gleichen  Bedingungen  schon  nach  wenigen  Minuten 
heftige  Beschwerden,  Brennen,  unausstehliches  und  tagelang  an¬ 
dauerndes  Jucken  immer  und  immer  wieder  auslöste;  wie  soll  sich 
der  Arzt,  dem  von  der  Radiumstation  ein  physikalisch  geprüftes 
Präparat  übergeben  wurde,  und  der  es  im  Vertrauen  auf  die  Vor- 
sichtsmassregeln,  die  man  ihm  empfohlen  hat,  verwendet,  bei  einem 
solchen  Falle  helfen? 

Es  ist  von  allen  Seiten  zugegeben,  dass  das  Radium,  am  un¬ 
richtigen  Orte  und  in  unrichtiger  Weise  angewendet,  einen  grossen, 
Ja  einen  unberechenbaren  Schaden  anrichten  kann.  Dies  ist  umso- 
fnehr  festzuhalten,  als  auch  Allgemeinwirkungen  des 
Radiums  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  beobachtet 
werden;  so  hört  man,  besonders  bei  Anwendung  des  Radiums  am 
Kopfe  und  am  Halse,  Klagen  über  nachfolgende  Schlaflosig¬ 
keit,  über  Kopfschmerzen  und  Müdigkeit.  Dazu 
kommen  die  Lokalwirkungen;  nach  der  Einwirkung  von 
Radium  auf  die  Haut  durch  eine  Viertelminute  hat  London  einen 
dauernden  Fleck  von  rostbrauner  Farbe  entstehen  gesehen,  und  nicht 
selten  entstehen  nach  einer  Bestrahlung  von  4 — 5  Minuten  auf  der 
Baut  Blasen.  Und  wenn  die  sofortigen  Folgen  ausbleiben,  können 
noch  Spätfolgen  entstehen.  So  hat  Axmann  darauf  aufmerk¬ 
sam  gemacht,  dass  manchmal  erst  monatelang  nach  der  Be¬ 
strahlung  Gefässerweiterungen  auftreten. 


Durch  die  Freigabe  der  Radiumpräparate  für  die  allgemeine 
I  raxis  werden  sich  zweifellos  die  Haftpflichtprozesse  der 
Aerzte  in  unliebsamer  Weise  vermehren,  und  die  Methodik  der 
Radiumbehandlung,  welche  heute  in  fortwährender  Umbildung  be- 
gi men  ist,  wird  eine  fortschrittsfeindliche  Diskreditierung 
erleiden. 

Dazu  kommt,  dass  die  hohen  Anschaffungskosten  des  Radiums 
die  Leihinstitute  zwingen,  hohe  Leihgebühren  zu  verlangen  das  In- 
stitut  leiht  den  Radiumträger  für  einen  Vormittag  aus  und  zwingt  den 
Kranken,  der  das  Präparat  nur  für  wenige  Minuten  verwendet,  den 
Leihpreis  für  mehrere  Stunden  zu  bezahlen;  in  jenen  Fällen,  in 
denen  täglich  durch  5  Minuten  das  Radium  appliziert  werden  soll, 
wird  bei  längerer  Dauer  der  Behandlung  das  Publikum  in  unnötiger 
Weise  mit  Kosten  belastet.  Dies  gilt  umsomehr  für  jene  Applikations¬ 
methoden,  in  welchen  gleichzeitig  mehrere  Radiumträger  an  einer 
einzigen  kranken  Partie  zur  Anwendung  kommen.  Eine  Leihanstalt 
würde  sich  nur  für  solche  Fälle  eignen,  in  welchen  eine  stundenlange 
Applikation  von  Radiumpräparaten  nötig  ist. 

Der  Gedanke,  die  Radiumpräparate  gegen  eine  Leihgebühr  an 
Aeizte  auszugeben,  stammt  aus  der  Zeit,  da  man  sich  in  einem 
Radiumträger  eine  Taschenausgabe  eines  Röntgenapparates  vor¬ 
stellte;  und  es  hatte  etwas  Bestechendes  an  sich,  dass  man  jeden 
Arzt  in  die  Lage  versetzen  wollte,  Strahlentherapie  zu  treiben,  ohne 
den  Patienten  in  ein  röntgentherapeutisches  Institut  zu  senden.  Wir 
wissen  aber  heute,  dass  die  Radiumstrahlen  ein  viel  mächtigeres 
Agens  darstellen  als  die  Röntgenstrahlen,  dass  sie  viel  tiefer  ein- 
dringen  und  bedeutend  destruktiver  wirken  als  die  von  einem 
Röntgenapparate  ausgehenden  Strahlungen. 

Hat  Fournier  seine  Berichterstattung  an  die  Academie  de 
medecine  über  die  Erfolge  der  Radiumbehandlung  mit  den  Worten 
eingeleitet:  „nous  allons  vous  mander  la  chose  la  plus  etonnante,  la 
plus  surprenante,  la  plus  ejourdissante,  la  plus  singuliere,  la  plus 
extraordinaire,  la  plus  imprevue,  la  plus  incroyable,  so  können  wir 
heute  —  nach  mehr  als  4  Jahren  - —  hinzufügen,  dass  die  Radium¬ 
therapie  wohl  hielt,  was  sie  versprach,  dass  sie  aber  voll  von  Tücken 
und  unliebsamen  Ueberraschungen  ist;  sie  ist  alles  weniger  als  ein¬ 
fach,  sie  ist  kompliziert  und  fordert  zu  fortwährender  Ueberwachung 
heraus,  sie  ist  in  unerfahrenen  Händen  trügerisch  und  unzuverlässig, 
und  sie  zwingt  ihre  Anhänger  zur  Erkenntnis,  dass  die  Radium¬ 
präparate  Despoten  und  nicht  Allerweltsdiener  seien.  Die  Radium¬ 
forschung,  welche  unsere  Grundanschauungen  in  der  Chemie  und  in 
der  Physik  umgestürzt  hat,  stürzt  auch  unser  Prinzip  von  der  Zu¬ 
gänglichkeit  aller  Heilmittel  für  alle  Aerzte;  aber  besser  ist  es,  dem 
einzelnen  unrecht  tun  als  der  Allgemeinheit  schaden. 

Gegen  die  Abgabe  von  Radiumemanationspräparaten  zu  Trink- 
und  Badezwecken  aus  öffentlichen  Stationen  ist  natürlich  nichts  ein¬ 
zuwenden;  aber  es  erscheint  notwendig,  im  Interesse  der  Aerzte  und 
im  Interesse  des  Publikums,  die  Abgabe  von  Radiumträgern  an 
Aerzte,  welche  sich  nicht  spezialistisch  mit  der  Strahlungstherapie 
beschäftigen,  vorderhand  hintanzuhalten.  Es  erscheint  mir  unstatt¬ 
haft,  dass  aus  einer  öffentlichen  Station,  deren  Beamte  nicht  in  der 
Lage  sind,  den  Kranken  zu  sehen  und  nicht  die  Möglichkeit  einer 
Ueberwachung  haben,  so  wirksame  und  dabei  so  gefährliche 
Agentien,  wie  es  die  Radiumträger  sind,  kontrollos  abgegeben 
werden.  Wir  wollen  und  müssen  aber  unser  Bestreben  darauf 
richten,  die  Radiumtherapie  der  ihr  innewohnenden  Gefahren  zu 
entkleiden,  und  dann,  aber  erst  dann,  soll  die  Radiumtherapie  nicht 
bloss  wissenschaftlich,  sondern  auch  tatsächlich  allen  Aerzten  zu¬ 
gänglich  sein.  Wir  tragen  alle  die  Ueberzeugung  in  uns,  dass 
Heuss  Recht  hat,  wenn  er  meint,  die  noch  so  junge  Radiumbehand¬ 
lung  werde  sich  in  der  Hand  des  erfahrenen  Arztes  als  eines  der 
mächtigsten  Therapeutika  eine  noch  nicht  absehbare  Zukunft  er¬ 
obern,  und  dass  sie  bestimmt  ist,  eine  ganze  Anzahl  bisher  als  unheil¬ 
bar  geltender  Leiden  heilbar  zu  machen,  nicht  nur  der  Körperfläche, 
sondern  auch  des  Körperinnern.  Lassen  wir  der  Radiumtherapie 
Zeit,  sich  zu  entwickeln,  und  sie  wird  unsere  Erwartungen  nicht 
enttäuschen! 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Ein  neuer  Amerikanismus  in  der  Medizin. 

Von  Dr.  C  r  ä  m  e  r. 

Aus  Amerika  ist  eine  Neuerung  herübergekommen,  die  bisher 
nur  in  Industrie-  und  Handelskreisen  Eingang  gefunden  hat  und  den 
Zweck  verfolgt,  einem  Erfinder  die  Vorteile  und  den  pekuniären 
Nutzen  aus  seiner  Erfindung  voll  und  ganz  zu  sichern  und  ihm  ein 
Monopol  für  seine  Erfindung  zu  schaffen,  das  er  nach  Beheben  aus¬ 
nützen  kann. 

Das  System  besteht  darin,  dass  Maschinen,  Instrumente,  Appa¬ 
rate  etc.  nicht  mehr  verkauft,  sondern  nur  mehr  verliehen  werden, 
dass  aber  ausserdem  auch  die  Einzelnleistung  der  erfundenen  Ma¬ 
schine,  des  Apparates  oder  Instrumentes  etc.  dem  Erfinder  oder 
dessen  Rechtsnachfolgern  extra  bezahlt  werden  muss.  Es  gilt  bei 
uns  in  Deutschland  als  ganz  selbstverständlich,  dass  eine  Erfindung 
medizinischer  Instrumente,  Apparate  etc.  niemals  in  dieser  Weise 
ausgebeutet  werden  darf,  das  verstösst  gegen  den  guten  Ton 
und  ein  Erfinder,  der  sich  in  dieser  Weise  bereichern  würde,  müsste 

4* 


252 


M'üfeNchfcNER  Medizinische  Wochenschrift. 


No.  $. 


darauf  gefasst  sein,  sehr  energisch  daran  erinnert  zu  werden,  dass 
er  als  Arzt,  der  nur  im  Dienst  des  allgemeinen  Wohles  steht,  nie¬ 
mals  solche  Geschäfte  machen  darf,  wenn  er  nicht  sehr  bedenklich 
gegen  ungeschriebene  Gesetze  verstossen  will. 

In  Wien  scheint  man  anderer  Meinung  zu  sein.  Die  Leser  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  werden  sich  erinnern,  ein  Referat  über  ein 
kleines  Buch  „Das  subaquale  Innenbad“  gelesen  zu  haben,  die  Me¬ 
thode  ist  von  Dr.  Brosch  und  Dr.  v.  Aufschneider  angegeben; 
es  sind  so  günstige  Erfolge  berichtet,  dass  ich  glaubte,  einen  Ver¬ 
such  mit  dem  Apparate  machen  zu  sollen.  Die  Methode  besteht 
darin,  dass  eine  Darmspülung  im  Wannenbad  gemacht  wird  mit  einer 
Sonde  ä  double  courant,  „Enterocleaner“  genannt,  bei  der  es  unter 
den  veränderten  Druckverhältnissen  gelingen  soll,  20 — 30  Liter  durch 
den  Darm  zu  spülen,  ohne  besondere  Unbequemlichkeit  für  den 
Patienten. 

Ich  liess  bei  dem  in  der  Abhandlung  angegebenen  Fabrikanten 
anfragen,  was  der  Apparat  kostet,  erfuhr  aber  zu  meinem  grossen 
Erstaunen,  dass  der  Apparat  nicht  verkäuflich  sei,  sondern  nur  leih¬ 
weise  von  der  Enterocleanergesellschaft  abgegeben  wird,  wobei  aber 
das  Einzelnbad  noch  extra  der  Gesellschaft  bezahlt  werden  muss  — 
Amerikanisches  System!  Interessant  ist  die  Motivierung  dieser  Ein¬ 
richtung.  In  einer  „Wichtige  wirtschaftspolitische 
Mitteilung“  überschriebenen  Zuschrift  heisst  es:  „Die  ärztlichen 
Erfinder  des  Enterocleaner  haben,  nachdem  sie  sich  von  der  weit- 
tragenden  Bedeutung  der  Enterocleanerbehandlung  die  Ueberzeugung 
verschafft  hatten,  den  für  die  gesamte  Aerzteschaft  zum 
Vorteil  gereichenden  Entschluss  gefasst,  ihre  Patentrechte  in  der 
Weise  auszuüben,  dass  die  Enterocleanerbehandlung  zu  einem 
ärztlichen  Monopol  ausgestaltet  wird. 

Würde  z.  B.  die  Enterocleanergesellschaft  Apparate  käuflich  aus 
der  Hand  geben,  so  wäre  hiedurch  das  System  des  ärztlichen  Mono¬ 
pols  durchbrochen,  weil  über  die  Verwendung  verkaufter  Apparate 
eine  Kontrolle  nicht  mehr  möglich  ist.  Einer  Laienkonkurrenz  in  der 
Enterocleanerbehandlung,  die  dann  in  kürzester  Zeit  auftreten  und 
mit  ganz  anderen,  weit  mächtigeren  Mitteln  (Reklame)  arbeiten 
würde,  welche  den  Aerzten  aus  Standesrücksichten 
nicht  zu  Gebote  stehen,  wären  aber  die  Aerzte  trotz  äusserster  Be¬ 
mühungen  in  keiner  Weise  mehr  gewachsen  und  hiedurch 
wäre  diese  —  in  der  gegenwärtigen  Zeit  der  wirtschaftlichen  Be¬ 
dingung  des  Aerztestandes  doppelt  erwünschte  —  sehr  er¬ 
giebige  neue  Einnahmequelle  für  alle  die  Enterocleaner¬ 
behandlung  ausübenden  Aerzte  endgültig  verloren.  Wir  bitten 
daher  alle  Aerzte  mit  Rücksicht  auf  den  für  die  Aerzteschaft  vorteil¬ 
haften  Entschluss  der  Erfinder,  uns  in  dem  Bestreben  zu  unterstützen, 
dass  sie  sich  mit  der  Abgabe  von  Enterocleanerapparaten  gegen 
Gebrauchslizenz  einverstanden  erklären.“ 

Dann  wird  an  alle  Aerzte  die  Bitte  gerichtet,  sich  mit  der  Abgabe 
von  Enterocleanerapparaten  gegen  Gebrauchslizenz  einverstanden  zu 
erklären  und  folgenden  Revers  zu  unterschreiben: 

Revers  für  Ausleihung  des  Enterocleaner- 

apparates. 

. bestätig  .  .  .  von  der  Enterocleanergesellschaft  m.  b.  H., 

IX  Spitalgasse  No.  1,  Telefon  No.  17  622,  als  Inhaberin  des  öster¬ 
reichischen  Patentes  No.  48  374,  des  ungarischen  Patentes  No.  52  873, 
des  deutschen  Patentes  No.  23  544  und  der  entsprechenden  Auslands¬ 
patente  einen  Apparat  für  subaquale  Darmbäder  (Enterocleaner) 
leihweise  zur  Benützung  unter  nachstehenden  Bestimmungen  erhalten 
zu  haben: 

L  Der  Apparat  trägt  die  No .  und  enthält  nachstehende 

Bestandteile: 

a)  den  eigentlichen  Darmspülapparat  (Subaqual-Enteroklysor); 

b)  die  elastische  Tragbandage; 

c)  den  Heberschlauch  mit  Hartgummiknie  und  Druckballen; 

d)  Kautschukschlauch  mit  Glasrohrknie  in  einem  Abschluss¬ 
stück. 

2.  Der  Apparat  bleibt  während  der  ganzen  Zeit  der  Ausleihe 
ausschliessliches  Eigentum  der  Verleiher. 

3.  Die  Ausleihe  findet  auf  die  Dauer  von  ....  Jahre...  statt; 
falls  einen  Monat  vor  Ablauf  dieser  Frist  von  keiner  Seite  eine 
Kündigung  erfolgt,  erscheint  die  Ausleihe  jeweilig  auf  einen  weiteren 
Zeitraum  von  . . .  Jahr  . .  verlängert. 

Nach  Ablauf  der  ursprünglichen  oder  verlängerten  Ausleihefrist 
ist  der  Apparat  den  Verleihern  vollständig  und  unbeschädigt  zurück¬ 
zustellen. 

4.  Die  Zusendung  und  Rücksendung  des  Apparates  erfolgt  auf 
Gefahr  und  Kosten  des  Eritlehners. 

5.  Für  die  Benützung  des  Apparates  ist  als  Entgelt  zu  leisten: 

a)  bei  Uebergabe  des  Apparates  ein  Betrag  von  80  M.  ein  für 
allemal; 

b)  für  jedes  Enterocleanerbad  eine  Gebühr  von  M.  2.50.  Die 
Bäder  dürfen  nur  gegen  Badekarten  verabreicht  werden, 
welche  von  den  Patentinhabern  zur  Verfügung  gestellt 
werden.  Die  Abrechnung  und  Bezahlung  dieser  Gebühren 
hat  monatlich  im  Nachhinein  zu  erfolgen. 

6-  D . gefertigt...  verpflichte.,  sich,  den  Apparat  an  keine 

andere  Person  oder  Anstalt  weder  entgeltlich  noch  unentgeltlich  zu 
überlassen,  widrigens  . . .  verpflichtet  wär . . .,  den  Verleihern  für 
jeden  auch  nur  angefangenen  Tag,  an  welchem  der  Apparat  unter 


Verletzung  dieser  Verpflichtung  an  eine  andere  Person  oder  Anstalt 
überlassen  wird,  eine  der  richterlichen  Mässigung  nicht  unterliegende 
Konventionalstrafe  von  50  M.  an  die  Verleiher  zu  bezahlen.  Ueber- 
dies  sind  die  Verleiher  in  diesem  Falle  berechtigt,  die  sofortige 
Rückstellung  des  Apparates  zu  verlangen.  Zur  sofortigen  Rück¬ 
forderung  sind  die  Verleiher  auch  dann  berechtigt,  wenn  der  Ent- 
lehner  mit  der  Zahlung  der  Leihgebühr  (Abs.  5)  im  Rückstand  bleibt. 

7.  Ansprüche  aus  dem  vorstehenden  Rechtsverhältnisse  können 
bei  dem  sachlich  zuständigen  Gerichte  in  Wien  geltend  gemacht 
werden  und  sind  auch  in  Wien  alle  Zahlungen  aus  diesem  Rechts¬ 
verhältnisse  zu  leisten. 

. am . 191  ..  . 

Weder  die  wirtschaftspolitische  Mitteilung  noch  der  Revers  be¬ 
darf  einer  besonderen  Kritik,  sie  sprechen  für  sich  selbst. 

Worin  die  Vorteile  für  die  gesamte  Aerzteschaft  bestehen  sollen, 
ist  absolut  nicht  erfindlich;  sie  bestehen  nur  für  die  Enterocleaner¬ 
gesellschaft,  die  durch  das  amerikanische  System  eine  Erfindung 
gewerbsmässig  ausschlachtet  und  es  durch  die  hohe  Leihgebühr  vielen 
Aerzten  geradezu  unmöglich  macht,  einen  solchen  Apparat  zu  be¬ 
nützen.  Eine  einfache  Rechnung  zeigt  dies.  Hat  sich  ein  Kollege 
einen  solchen  Apparat  geliehen  und  gibt  nun  in  einem  Jahre  10  solcher 
Bäder,  so  muss  er  der  Gesellschaft  für  das  einzelne  Bad  durch¬ 
schnittlich  M.  10.50  bezahlen,  ihm  bleibt  jedenfalls  nichts  übrig,  denn 
recht  viel  mehr  kann  er  einem  Patienten  kaum  für  ein  solches  Bad 
aufrechnen;  ja  selbst  wenn  er  20  Bäder  im  Jahre  gibt,  kann  für  ihn 
von  einer  sehr  ergiebigen  Einnahmequelle  gar  nie  die 
Rede  sein,  die  nur  der  Gesellschaft  zugute  kommt.  Wollte  man  die 
Ausbreitung  dieses  Apparates,  über  dessen  Wert  oder  Unwert  ich 
kein  Urteil  abgeben  kann,  unterbinden,  so  gäbe  es  keinen  besseren 
Weg  dazu  als  das  amerikanische  System.  Man  denke  sich,  es  wird 
ein  lebensrettender  Apparat  erfunden  und  nur  gegen  hohe  Leih¬ 
gebühr  abgegeben.  Ist  ein  solches  Vorgehen  zu  verantworten? 

Es  ist  tief  bedauerlich,  dass  man  sich  in  Wien  nicht  gescheut 
hat,  in  die  Medizin  ein  System  einzuführen,  das  schwer  gegen  die 
ärztliche  Ethik  verstösst.  Alle  Kollegen,  mit  denen  ich  darüber  ge¬ 
sprochen,  auch  eine  Reihe  von  Universitätsprofessoren  verurteilen 
das  Wiener  Vorgehen  auf  das  Allerentschiedenste.  Sorgen  wir  dafür, 
dass  dieses  System  vereinzelt  bleibt  und  in  Deutschland  keine  Nach¬ 
ahmung  findet. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Aus  der  medizinischen  Poliklinik  Tübingen  (Vorstand:  Prof. 

Dr.  N  a  e  g  e  1  i). 

Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Hämatologie 
für  die  Neurologie. 

Von  Prof.  Dr.  N  a  e  g  e  1  i. 

(Schluss.) 

Von  Bedeutung  kann  die  Erhebung  des  Blutbefundes  in  der 
keineswegs  leichten  Differentialdiagnose  zwischen  Zere- 
brospinalmeningitis  und  Heine-Medinscher  Krank¬ 
heit  werden.  Die  zahlreichen  Untersuchungen  namentlich  der 
deutschen  Autoren  haben  als  ein  wichtiges  Zeichen  der  Heine- 
Medinschen  Affektion  eine  Leukozytenverminderung1)  ergeben.  Für 
eine  Leukozytose  ist  ja  hier  auch  kein  genügender  Entzündungspro¬ 
zess  und  namentlich  keine  Eiterung  vorhanden.  Die  Infiltrate  längs 
der  Gefässscheiden  bestehen  ja  aus  spärlichen  Lymphozyten. 

Wenn  wir  nun  auf  Grund  reichlicher  Erfahrungen  bei  der  Ge¬ 
nickstarre  daran  festhalten  können,  dass  wohl  kein  einziger  akuter 
Fall  ohne  erhebliche  Leukozytose  einsetzt  und  wohl  immer  über 
15  000  Leukozyten  zeigt,  so  dürfte  doch  das  Blutbild  in  schwierigen 
Fällen  ein  recht  wertvolles  Symptom  für  Diagnose  und  Differential¬ 
diagnose  darstellen. 

Bei  Hirntumoren  sind,  von  vereinzelten  Fällen  aus¬ 
genommen,  genauere  Untersuchungen  bisher  nicht  gemacht  wTorden. 
In  einigen  eigenen  Beobachtungen  habe  ich  keinerlei  Befunde  von 
Bedeutung  erheben  können  und  ist  hier  wohl  von  der  Blutunter¬ 
suchung  kaum  je  ein  wertvolleres  Resultat  zu  erwarten;  die  Gründe 
dafür  sind  bereits  in  der  Einleitung  klargestellt  worden.  Eventuell 
könnte  ein  auf  starke  Entzündung  hinweisender  Befund  gegen  Hirn¬ 
tumor  mit  grosser  Sicherheit  sprechen. 

Auch  bei  Hirnabszess  sind  wohl  nur  ganz  ausnahmsweise 
eingehendere  morphologische  Blutuntersuchungen  durchgeführt  wor¬ 
den.  Hier  könnte  entschieden  eher  ein  Resultat  erhalten  werden;  da¬ 
gegen  möchte  ich  mir  nur  unter  gewissen  Umständen  irgend  etwas 
versprechen,  z.  B.  bei  dem  Rückgang  einer  Leukozytose  nach  einer 
Operation,  wo  ähnlich  wie  bei  anderen  Eiterungen  ein  definitives  Zu¬ 
rückgehen  der  Leukozytenerhöhung  für  eine  vollständige  Eröffnung 
eines  Abszesses  sprechen  würde. 

- 9 - 

T  Ich  konnte  in  letzter  Zeit  an  4  Fällen  ebenfalls  jedesmal 
Leukozytenverminderung  und  Eosinophilie  nachweisen.  Einmal  war 
dieser  Befund  gegenüber  der  Möglichkeit  einer  Osteomyelitis  be¬ 
sonders  wertvoll. 


4.  Februar  1913.  MUENOiENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  253 


Für  Epilepsie  sind  in  der  Literatur  zahlreichere  Erfahrungen 
niedergelegt,  die  oft  von  stärkeren  Leukozytenvermehrungen 
sprechen.  Hiebei  dürfte  es  sich  aber  in  der  Regel  um  eine  Zunahme 
der  weissen  Blutzellen  handeln,  die  mit  den  Konvulsionen  des  Anfalles 
selbst  im  Zusammenhänge  steht.  Wir  wissen,  dass  starke  Muskel¬ 
tätigkeit  recht  oft  zu  einer  erheblichen  Leukozytenvermehrung  führt; 
dabei  findet  zuerst  eine  Zunahme  der  Lymphozyten  wohl  durch  stär¬ 
keres  Zufliessen  von  Lymphe,  und  nachher  eine  sehr  bedeutende  Ver¬ 
mehrung  der  vom  Knochenmark  aus  zuströmenden  Zellen  statt. 

Ausserhalb  der  Anfallszeit  habe  ich  in  einigen  eigenen  Unter¬ 
suchungen  keinerlei  abnorme  Blutbilder  entdecken  können.  Da  Epi¬ 
leptiker  sich  auch  leicht  verletzen  und  dadurch  zu  Infektionen  kom¬ 
men,  so  dürften  auch  Leukozytosen,  die  nicht  direkt  auf  die  Kon¬ 
vulsionen  zurückgeführt  werden  können,  gelegentlich  durch  solche 
sekundäre  Momente  zu  erklären  sein.  Ich  glaube  nicht,  dass  daher 
bei  Epilepsie  irgendwie  eigenartige  Blutbefunde  zu  erhalten  wären. 

Das  gleiche  gilt  meines  Erachtens  auch  für  die  Dementia  prae¬ 
cox.  Ein  englischer  Forscher  Bruce  hat  hier  sehr  starke  Leuko¬ 
zytenvermehrungen  mitgeteilt,  die  mit  der  Krankheit  im  Zusammen¬ 
hang  stehen  und  ein  Glied  in  seiner  Beweiskette  für  den  toxischen 
Ursprung  der  Krankheit  bilden  sollten. 

Wenn  ich  seine  Zahlen  durchgehe,  so  finde  ich  sogar  Werte  bis 
63  000,  also  Steigerungen,  wie  wir  sie  selbst  bei  den  schwersten 
Infektionskrankheiten  mit  Tendenz  zu  Leukozytose  nur  ganz  aus¬ 
nahmsweise  finden.  Ich  selbst,  freilich  verfüge  ich  nur  über  ganz 
wenige  Beobachtungen,  habe  überhaupt  keinerlei  Abweichung  von 
der  Norm  entdecken  können,  und  mir  sind  die  Bruce  sehen  Re¬ 
sultate  völlig  unverständlich.  Gelegentlich  mag  auch  einmal  eine 
Sekundärinfektion  im  Spiele  sein.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  von 
Bruce  aber  muss  es  sich  um  irgendeinen  Irrtum  handeln.  Von 
Bruce  sind  auch  bei  akuter  Manie  im  Frühstadium  Leukozytosen 
von  18—20  000  als  konstant  oder  bis  40  000  als  gelegentlich  ver¬ 
zeichnet,  bei  Hebephrenie  bis  zu  30  000,  im  epileptischen  Anfall  oft 
30 — 40  000.  Es  dürften  hier  vielfach  durch  die  starke  Muskeltätigkeit 
gesteigerte  Werte  vorliegen;  dass  aber  derartig  hochgradig  ab¬ 
norme  Befunde  so  lange  andauern  sollen,  vermag  ich  nicht  recht  zu 
verstehen  und  sie  bedürfen  dringend  der  Nachprüfung. 

Bei  multiplen  Embolien  ins  Gehirn  habe  ich  einmal 
sehr  starke  Blutveränderungen  im  Sinne  einer  neutrophilen  Leuko¬ 
zytose  getroffen,  so  dass  anfänglich  ein  Befund  resultierte,  der  stark 
an  eine  Infektionskrankheit  erinnert  hat.  Immerhin  zeigte  eine  zweite 
Untersuchung  eine  so  weitgehende  Erholung  der  eosinophilen  Zellen, 
dass  jede  Eiterung,  die  klinisch  in  Betracht  gezogen  wurde,  aus¬ 
geschlossen  erscheinen  musste. 

53  jährige  Frau.  13.  IV.  Apoplexie.  21.  IV.  Schüttelfrost, 
39,1  Temperatur.  Zyanose.  Puls  160.  Kollaps.  23.  IV.  38,6  ohne 
Frost.  24.  IV.  Nur  noch  37,6.  25.  IV.  Starke  Durchfälle,  stets  som- 
nolent.  26.  IV.  Leukozyten  16  000.  Neutrophile  89  Proz.  Eosino¬ 
phile  0,2  Proz.  Lymphozyten  1,8  Proz.  Uebergangsformen  9  Proz.; 
viel  Fibrin. 

1.  V.  Zustand  immer  gleich.  Leukozyten  21  800.  Myelozyten 
3/?  Proz.  Neutrophile  88  Proz.  Eosinophile  eh  Proz.  Lymphozyten 
22h  Proz.  Uebergangsformen  82/7  Proz.;  viel  Fibrin. 

Sektion:  Sehr  zahlreiche  Embolien  im  Gehirn. 

Bei  Hysterie  und  Neurasthenie  findet  man  in  der  enorm 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  keinerlei  Abweichung  der  Blutbefunde 
von  der  Norm  und  nur  in  einem  Teil  der  Erkrankungen  mit  vor¬ 
wiegend  vagotonischen  Symptomen  eine  deutliche  und  gelegentlich 
eine  auffällige  Zunahme  der  eosinophilen  Zellen. 

Hier  liegt  der  Wert  einer  Blutuntersuchung  darin,  dass  bei 
pathologischem  Blutbefund  das  Bestehen  einer  organischen 
Affektion  angenommen  werden  muss  und  gerade  hier,  glaube  ich, 
sollte  bei  jedem  Zweifel  in  Zukunft  eine  eingehende  Prüfung  nicht 
unterlassen  werden.  Ein  völlig  normales  Blutbild  wäre  ein  weiteres 
und  recht  wichtiges  Zeichen  für  das  Fehlen  jeder  ernsteren  Organ¬ 
affektion  und  eine  krankhafte  Blutveränderung,  besonders  eine  Leuko¬ 
zytose  oder  eine  Anämie,  wird  dann  entweder  auf  den  Irrtum  in  der 
Diagnose  oder  auf  das  gleichzeitige  Bestehen  eines  zweiten  orga¬ 
nischen  Leidens  hinweisen. 

In  diesen  Fragen  verfüge  ich  über  eine  recht  erhebliche  Zahl 
von  eigenen  Untersuchungen,  Fälle,  in  denen  der  behandelnde  Arzt 
sich  in  der  Annahme  einer  rein  nervösen  Erkrankung  nicht  sicher  ge¬ 
fühlt,  und  in  denen  jetzt  der  Status  des  Blutes  doch  wichtige  An¬ 
haltspunkte  ergeben  hat. 

Manchmal  fällt  es  auch  durchaus  nicht  leicht,  nach  einer  zu¬ 
nächst  zweifellos  organischen  Krankheit  das  Ende  der  organisch  be¬ 
dingten  Beschwerden  mit  Sicherheit  anzunehmen  und  die  noch  blei¬ 
benden  Klagen  auf  rein  nervöse  Momente  zurückzuführen.  Auch  in 
diesem  Falle  kann  eine  exakte  Blutuntersuchung,  besonders  bei 
wiederholter  Vornahme,  das  stetige  Zurückgehen  der  organischen  Er¬ 
scheinungen  klarstellen  und  die  nervöse  Ursache  der  noch  bleibenden 
Beschwerden  sichern. 

Sehr  nervöse  26  jährige  Dame.  26.  I.  Mit  hohem  Fieber  unter 
dem  Bilde  einer  diffusen  Bronchitis  erkrankt,  Fieber  in  einigen  Tagen 
zurückgegangen.  Hochgradige  Erschöpfung.  Auch  nach  Ablauf  der 
erhöhten  Temperatur  noch  sehr  lebhafte  Klagen  über  Schmerzen  im 
Leibe  mit  der  Befürchtung,  dass  eine  Eiterung  im  Leibe  entstanden 
sei.  Starke  spontane  Schmerzen  und  lebhafte  Druckempfindlichkeit. 
Auch  zwei  Aerzte  wagen  am  7.  II.  eine  eitrige  Abdominalaffektion 
nicht  auszuschliessen. 


29.  I.  Bei  Temperatur  von  39,3,  105  Pulsen  und  absolut  nega¬ 
tiven  Organbefunden  war  folgender  Befund  erhoben  worden:  Leuko¬ 
zyten  5860,  also  normal.  Neutrophile  73  Proz.  Eosinophile  — . 
Lymphozyten  17 2/a  Proz.  Uebergangsformen  8J4  Proz.  Mit  6.  II. 
normale  Temperatur  erreicht.  Husten  noch  quälend. 

Jetzt,  7.  II.,  Leukozyten  6160,  also  normal.  Neutrophile  512/ä 
Proz.  Eosinophile  2  Proz.  Lymphozyten  35  Proz.  Uebergangs¬ 
formen  1014  Proz.  Reizungsformen  1  Proz.  Sehr  heftige  Schmer¬ 
zen  in  der  Blinddarmgegend. 

Es  war  hier  also  nach  der  akuten  Infektionskrankheit  mit 
Fiebern  die  für  den  Ablauf  einer  Infektion  charakteristische  Lympho¬ 
zytose  unter  Rückgang  der  Neutrophilen  eingetreten  und  die  zuerst 
verschwundenen  eosinophilen  Zellen  waren  wieder  erschienen,  somit 
das  typisch  postinfektiöse  Blutbild  erreicht.  Damit  konnte 
aber  jede  weitere  stärkere  Entzündung  oder  gar  eine  Eiterung  als 
vollkommen  ausgeschlossen  zurückgewiesen  und  die  Prognose  als 
durchaus  günstig  erklärt  werden,  ln  der  Tat  trat  sehr  rasche  Heilung 
ein,  auch  in  bezug  auf  die  nervös  bedingten  Beschwerden,  wobei  ge¬ 
wiss  die  Sicherheit  in  der  ärztlichen  Auffassung  des  Falles  nicht  ohne 
Einfluss  gewesen  ist. 

In  der  heutigen  Zeit  kommt  es  bei  nervösen  Patienten  gar 
nicht  selten  vor,  dass  bei  nervösen  Darmschmerzen  nicht  nur  vom 
Hausarzt,  sondern  auch  von  chirurgischer  Seite  die  Diagnose  Peri¬ 
typhlitis  gestellt  wird.  Nun  könnte  man  ja  freilich  vom  suggestiven 
Einfluss  der  an  sich  ja  nicht  nötigen  Entfernung  des  Wurmfortsatzes 
immerhin  eine  günstige  Wirkung  versprechen.  Dies  tritt  jedoch 
wohl  nur  recht  selten  ein;  vielmehr  kann  man  es  erleben,  dass  solche 
Patienten  nachher  von  einer  unnötigen  Operation  zur  anderen  drän¬ 
gen  und  auch  nach  Vornahme  einer  Blinddarmoperation  sich  keines¬ 
wegs  besser,  sondern  schlechter  fühlen.  Dem  Arzte  muss  es  aber 
widerstreben,  eine  absolut  unnötige  Operation  zu  billigen,  und  diese 
Art  Psychotherapie,  durch  eine  auch  eventuell  nicht  gerechtfertigte 
Operation  ein  Resultat  zu  erhalten,  halte  ich  für  eine  durchaus  un¬ 
richtige,  weil  sie  gerade  den  Arzt  davon  abhält,  den  Kranken  über 
das  wahre  Wesen  seiner  Leiden  aufzuklären  und  durch  den  einzig 
richtigen  Weg  einer  richtigen  Psychotherapie  die  psychisch  bedingten 
Krankheitserscheinungen  zu  verbannen. 

Nun  ist  ja  zuzugeben,  dass  hie  und  da  im  Einzelfalle  es  recht 
schwer  sein  kann,  zu  unterscheiden  zwischen  wirklich  vorhandener 
Perityphlitis  und  einer  Neurose,  die  eine  Blinddarmaffektion  vor¬ 
täuscht.  Es  kann  aber  in  manchen  Zweifelsfällen  tatsächlich  die 
Blutuntersuchung  eine  sichere.  Scheidung  vornehmen,  wie  ich  gleich 
an  einigen  Beispielen  zeigen  möchte,  und  erst  wenn  auch  diese 
Untersuchung  nebst  allen  anderen  die  Trennung  nicht  möglich  macht, 
dann  erst  halte  ich  im  Zweifelsfalle  die  Operation  für  berechtigt. 

25  jährige  Dame,  Aerztin,  bekommt  von  Zeit  zu  Zeit  sehr  heftige 
Leibschmerzen,  gewöhnlich  zu  Beginn  mit  Durchfall.  Schmerzen  zu¬ 
meist  in  die  Blinddarmgegend  lokalisiert.  Beginn  mit  mässiger  Tem¬ 
peratursteigerung.  Von  einer  chirurgischen  Autorität  Diagnose  Peri¬ 
typhlitis  gestellt  und  Operationstag  bestimmt.  Auffällig  war  von 
vornherein  das  ausgesprochen  neurasthenische  Verhalten  der 
Kranken. 

Blutbefund  bei  einem  Anfall:  Leukozyten  8000.  Neutrophile 
48  Proz.  Eosinophile  14  Proz.!  Lymphozyten  31  Proz.  Die  starke 
Eosinophilie  zeigte  hier  sofort,  dass  eine  vagotonische  Affektion  mit 
Exsudation  in  den  Darm  vorlag,  ein  vollkommenes  Analogon  zu  den 
Anfällen  des  Asthma  bronchiale,  und  die  weitere  Untersuchung  ergab, 
dass  die  Eosinophilie  genau  wie  bei  Asthma  in  der  Zeit  zwischen  den 
Anfällen  zurückging.  Leukozyten  7800.  Neutrophile  6014  Proz. 
Eosinophile  4  Proz.  Lymphozyten  31  Proz. 

Unter  diesen  Umständen  konnte  eine  Perityphlitis  wegen  der 
ausgesprochenen  Eosinophilie  völlig  ausgeschlossen  werden  und  die 
rein  psychische  Therapie  führte  mit  der  Zeit  auch  zu  vollem  Erfolg. 
Auch  hier  ist  die  Erkennung  des  Leidens  die  notwendige  Voraus¬ 
setzung  für  die  richtige  Therapie  und  für  die  gerade  in  solchen 
Fällen  absolut  nötige  Sicherheit  im  Auftreten  des  Arztes.  Eine 
Operation  hätte  wegen  der  vollen  Erfolglosigkeit  zweifellos  die 
grosse  Depression,  ja  Verzweiflung  der  Kranken,  nur  noch  gesteigert. 

27  jährige  Dame.  Plötzlich  mit  leichtem  Fieber  einsetzender  An¬ 
fall  von  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Vom  Arzte  Perityphlitis 
diagnostiziert. 

Leukozyten  3800.  Neutrophile  69  Proz.  Eosinophile  2'2U  Proz. 
Lymphozyten  2214  Proz. 

Das  durchaus  normale  Blutbild,  bei  sogar  erniedrigter  Gesamt¬ 
leukozytenzahl  und  einer  reichlichen  Zahl  von  eosinophilen  Zellen 
unterschied  sich  prinzipiell  von  den  Leukozytenbewegungen  selbst 
der  leichtesten  Blinddarmentzündung;  daher  Diagnose:  Colica  in- 
testini  nervosa.  Rasche  Heilung. 

Einige  Jahre  später  erkrankte  die  Dame  plötzlich  bei  ruhigem 
Sitzen  im  Eisenbahnzug,  ohne  jede  Veranlassung,  unter  furchtbaren 
Schmerzen  an  einer  Ischias,  deren  rein  hysterische  Basis  allen 
Aerzten  und  den  Angehörigen  selbst  zweifellos  gewesen  ist. 

Sie  wissen,  dass  in  den  letzten  Jahren  eine  Reihe  neurotischer 
Krankheitszustände  in  den  von  E  p  p  i  n  g  e  r  und  Hess  geprägten 
Krankheitsbegriff  der  V  a  g  o  t  o  n  i  e  zusammengefasst  worden  ist. 
Hierher  gehören  namentlich  die  Zustände  des  Asthma  bronchiale, 
manigfache  Magen-  und  Darmerkrankungen,  besonders  diejenigen  mit 
Spasmen  und  mit  Exsudation  in  den  Darm.  Die  Anfälle  zeigen  oft 
starke  vasomotorische  Erscheinungen  und  Schweisse;  nicht  selten 
sind  auch  chronisch  verlaufende  Leiden  dieser  Art. 


254 


muencHener  medizinische  Wochenschrift, 


No.  5. 


Die  Berechtigung  für  eine  derartige  Auffassung  und  Sonder¬ 
stellung  mancher  Organneurosen  im  Sinne  von  Eppinger  und 
Hess  halte  ich  für  erwiesen  und  sehe  ein  Hauptargument  dafür  in 
der  oft  glänzenden  Wirkung  des  Atropins,  desjenigen  Mittels,  das 
nach  unsern  physiologisch-pharmakologischen  Erfahrungen  den  Tonus 
im  autonomen  Nervensystem  herabsetzt.  Ein  weiteres  Argument  ist 
das  häufige  Vorkommen  einer  Eosinophilie  bei  all  diesen  Zuständen, 
und  zwar  wie  bereits  oben  an  Hand  eines  Beispiels  dargelegt  worden 
ist,  zu  Beginn  der  Anfälle. 

Diese  nur-  zeitweise  vorhandene,  dann  aber  sehr  beweisende 
Eosinophilie  ist  ein  ausserordentlich  wichtiges  Krankheitssyrriptom, 
da  es  ja  in  der  Regel  nicht  schwer  fällt,  die  anderen  Ursachen  einer 
Eosinophilie  (vor  allem  Anwesenheit  tierischer  Parasiten)  auszu- 
schliessen.  Wenn  ich  die  recht  ansehnliche  Zahl  meiner  Vagotoniker 
durchgehe,  so  habe  ich  bei  der  Mehrzahl  derselben  Eosinophilie  ge¬ 
funden,  freilich  in  recht  verschiedenen  Oraden,  und  wie  gesagt,  oft 
nur  zeitweise.  Ein  einmaliger  oder  selbst  mehrfacher  negativer 
Befund  kann  natürlich  nichts  gegen  das  Bestehen  des  Leidens  be¬ 
weisen. 

Ich  halte  es  daher  für  den  Neurologen  angezeigt,  dass  er  wenig¬ 
stens  im  Zweifelsfalle  bei  derartigen  Symptomenbildern  auch  einmal 
durch  eine  morphologische  Blutuntersuchung  die  Diagnose  zu  stützen 
versucht. 

In  bezug  auf  die  theoretische  Seite  der  Entstehung  der  Eosino¬ 
philie  in  solchen  Fällen  verweise  ich  auf  die  Arbeiten  von  Ealta 
und  seinen  Mitarbeitern,  die  an  Hand  vieler  klinischen  Beobachtungen 
und  vieler  Tierversuche  den  Nachweis  zu  erbringen  versucht  haben, 
dass  alle  vagotonischen  Mittel,  besonders  Pilokarpin,  häufig  zu 
Eosinophilie  und  Lymphozytose,  alle  sympathikotonischen  aber  zu 
Vermehrung  der  neutrophilen  Zellen  führen. 

Die  klinische  Forschung  hat  freilich  bei  vagotonischen  und 
sympathikotonischen  Zuständen  zahlreiche  Ausnahmefälle  ergeben 
(Bauer,  Schwenker  und  Schlecht),  was  durchaus  nicht  ver¬ 
schwiegen  werden  darf.  Dabei  wird  nach  Analogie  mit  den  chemi¬ 
schen  Substanzen  in  ihrer  ungleichen  Einwirkung  auf  die  verschie¬ 
denen  Gebiete  des  Nervus  vagus  von  einer  Dissoziation  der  Ein¬ 
wirkung  gesprochen  und  auch  das  Bestehen  von  antagonistischer 
Hemmung  angenommen.  Diese  Annahmen  sind  zweifellos  nicht  völlig 
unberechtigt;  ob  sie  aber  im  Einzelfalle  tatsächlich  die  Abweichung 
erklären,  das  ist  natürlich  ungeheuer  schwierig  zu  sagen,  oder  viel¬ 
mehr  meist  gar  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 

Festzuhalten  ist  aber  unbedingt,  dass  eine  sehr  grosse  Zahl  vago- 
tonischer  Zustände  beim  Menschen  (Asthma  bronchiale,  nervöse 
Darmaffektionen)  mit  einer  deutlichen  Eosinophilie  verbunden  und  da¬ 
mit  bei  positivem  Befund  mit  einem  vielfach  recht  wichtigen  dia¬ 
gnostischen  Index  versehen  sind. 

In  neuerer  Zeit  sind  auch  diagnostisch  wichtige  Blutverände¬ 
rungen  bei  Basedowscher  Krankheit  und  Myxödem  fest¬ 
gestellt  worden.  Kocher  hat  auf  die  Bedeutung  derartiger  Befunde 
zuerst  hingewiesen. 

Da  sie  als  Neurologen  die  Basedow  sehe  Krankheit  noch  nicht 
ausschliesslich  dem  Chirurgen  überlassen  wollen,  so  muss  ich  auch 
auf  diese  Befunde  eingehen.  Zahlreiche  Nachuntersuchungen  haben 
die  Lymphozytose  der  Basedow  sehen  Krankheit  als  einen  recht 
häufigen  und  oft  ausserordentlich  prägnanten  Befund  des  Leidens  er¬ 
geben.  Die  gesamte  Leukozytenzahl  sinkt  bei  den  schweren  Fällen; 
eine  Erhöhung  ist  nie  vorhanden.  Die  roten  Blutkörperchen  nehmen 
wegen  der  Krankheit  selbst  sicherlich  niemals  ab  und  der  Hämo¬ 
globingehalt  bleibt  auch  in  den  schwersten  Erkrankungen  ein  nor¬ 
maler.  Wenn  früher  in  der  Literatur  auch  gelegentlich  von  An¬ 
ämien  berichtet  worden  ist,  so  konnten  ausserordentlich  umfangreiche 
Untersuchungen,  vor  allem  Kochers,  eine  Anämie  nie  mit  Basedow 
allein  in  Zusammenhang  bringen  und  eigene  Fälle  (über  50,  zumeist 
bei  Patienten  Kochers  erhoben)  fallen  alle  durchaus  in  diesem 
Sinne  des  Fehlens  irgendeiner  Veränderung  an  den  roten  Blut¬ 
zellen  aus. 

Unter  den  weissen  Blutkörperchen  tritt  vor  allem  die  Erhöhung 
des  Lymphozytenprozentsatzes  und  die  absolute  Vermehrung  der 
Lymphozyten  mit  einer  gleichzeitigen  Verminderung  (prozentlich  und 
absolut)  bei  den  Neutrophilen  in  Erscheinung.  Die  eosinophilen  Zellen 
und  die  Uebergangsformen  zeigen  keinerlei  gesetzmässige  Schwan¬ 
kungen. 

Von  Bedeutung  ist  ferner  die  Verzögerung  der  Blutgerinnung, 
während  in  den  Viskositätswerten  keine  pathologischen  Befunde  zu 
verzeichnen  sind;  naturgemäss,  denn  diese  Werte  sind  bei  nor¬ 
malem  Blutplasmabefund  und  ungefähr  normaler  Leukozytenzahl  fast 
ausschliesslich  abhängig  von  der  Zahl  und  dem  Volumen  der  Erythro¬ 
zyten  und  dem  Hämoglobingehalte. 

Die  wichtigste  Frage  ist  hier  jetzt,  ob  die  morphologischen  Blut¬ 
befunde  tatsächlich  im  Zweifelsfalle  für  oder  gegen  Basedow  ent¬ 
scheiden,  oder  ob  ähnliche  Befunde  auch  bei  Struma  Simplex  Vor¬ 
kommen  können.  Von  einzelnen  Autoren  ist  das  letztere,  eine 
Lymphozytose,  in  nicht  wenigen  Fällen  gewöhnlicher  Kropfbildung, 
auch  das  Fehlen  der  Lymphozytose  bei  den  Formes  frustes  von 
Basedow  behauptet  worden,  so  dass  dadurch  der  diagnostische  Wert 
eine  Einbusse  erfahren  würde.  In  neuester  Zeit  gibt  Kocher  auch 
für  einzelne  gewöhnliche  Strumen  Lymphozytose  zu,  erklärt  aber 
solche  Strumen  als  hypothyreotische,  indem  auf  Verabreichung  von 
Schiladrüsensubstanz  die  Lymphozytose  verschwinde. 


Es  ist  aber  auch  gegen  diese  Annahme  von  Ba'uer  und  H in¬ 
te  regger  Opposition  erhoben  worden,  indem  die  beiden  Autoren 
beim  gleichen  Individuum  auf  Thyreoidea-Tabletten  ganz  variable 
Veränderungen  erhalten  haben.  Es  sind  also  alle  diese  Fragen  ein¬ 
gehend  weiter  zu  prüfen.  Schon  jetzt  steht  aber  der  hohe  Wert 
der  Blutveränderung  bei  Basedow  unzweifelhaft  fest,  wenn  es  sich 
auch  nicht  um  ein  absolut  sicheres  und  untrügliches  Symptom  handelt. 

Eine  nicht  ganz  kleine  Schwierigkeit  besteht  in  diesen  Fragen 
darin,  dass  eine  Lymphozytose  unter  zahlreichen  Umständen  auch 
sonst  Vorkommen  kann  und  so  könnte  sie  auch  ab  und  zu  bei  einer 
gewöhnlichen  Struma  als  ein  von  der  Schilddrüsenvergrösserung  an 
sich  unabhängiger  gleichzeitiger  Befund  angetroffen  werden.  Nach 
allen  schwereren  Infektionskrankheiten  kann  man  nämlich  monatelang 
Lymphozytosen  sehen,  ebenso  nach  Intoxikationen.  Bei  gutartig 
verlaufenden  leichten  Tuberkulosen,  z.  B.  auch  Bronchialdrüsentuber¬ 
kulosen  (P  h  i  1  i  p  p  i,  Schulz)  sind  Lymphozytosen  häufig.  Kein 
Wunder  daher,  wenn  man  selbst  bei  anscheinend  Gesunden  -viel 
mehr,  als  man  früher  je  gedacht  hat,  Lymphozytenwerte  entdeckt,  die 
wesentlich  über  die  als  normal  erklärten  relativen  und  absoluten 
Werte  hinausgehen  (G  a  1  a  m  b  o  s). 

Bei  einem  klinisch  festgestellten  Basedow  hat  die  Lymphozytose 
eine  prognostische  Bedeutung,  indem  die  Lymphozytenvermehrung 
um  so  stärker  ausfällt  und  die  Reduktion  der  Neutrophilen  um  so 
bedeutender  nachweisbar  ist,  je  schwerer  der  Fall  auftritt.  Dabei 
wird  es  sich  aber  auch  wohl  nicht  um  ein  absolut  gültiges  Gesetz 
handeln,  weil  so  viele  andere  Faktoren  ausser  der  Schilddrüse  eine 
Einwirkung  entfalten  können.  Dass  mit  der  operativen  Heilung 
des  Basedow  die  Lymphozytose  völlig  zurückgeht,  wie  Kocher 
angegeben  hat,  ist  von  anderer  Seite  (Klose,  Lampe,  Liese¬ 
gang)  bestritten  worden. 

Diagnostisch  wichtige  hämatologische  Befunde  sind  in  den  letzten 
Jahren  auch  bei  der  Bleivergiftung  von  zahlreichen  Autoren 
bekanntgegeben  worden,  und  hier  sind  es  Veränderungen  an  den 
roten  Blutzellen,  vor  allem  das  Auftreten  einer  basophilen  Punk¬ 
tierung,  die  bei  einigermassen  reichlichem  Auftreten  ein  starkes 
Argument  für  Bleiintoxikation  darstellt. 

Die  Ursache  dieser  Abnormität  der  Erythrozten  wurde  früher 
zumeist  in  einer  degenerativen  Veränderung  des  Zellprotoplasmas 
unter  der  Gifteinwirkung  gesucht  und  einzelne  Autoren  stellten  die 
kühne  Behauptung  auf,  es  seien  die  basophilen  Granula  geradezu  eine 
Bleiverbindung.  Heute  sind  derartige  Ansichten  wohl  gänzlich  ver¬ 
lassen,  zumal  die  gleiche  Punktierung  bei  regenerativen  Zuständen 
oft  vorkommt,  und  wie  ich  nachweisen  konnte,  bei  Tierembryonen 
im  Blute  mehr  als  50  Proz.  aller  Zellen  betreffen  kann. 

Es  steht  also  heute,  nach  einer  langen  und  hartnäckig  geführten 
Diskussion,  die  regenerative  Natur  der  basophilen  Körnelung  völlig 
sicher  fest,  und  als  das  wichtigste  Moment  in  dieser  Frage  sind 
jene  Fälle  anzusehen,  bei  denen  in  den  allerschwersten  Stadien  der 
Vergiftung  kurz  vor  dem  Tode  bei  Menschen  und  bei  Tieren  die 
Körnelung  wie  alle  anderen  regenerativen  Erscheinungen  ver¬ 
schwindet  (W  o  1  f  f,  Stadler,  experimentelle  Studien  von  S  a  - 
brazes,  Naegeli,  Lutoslawski). 

Die  Zuverlässigkeit  dieser  Blutveränderung  für  die  Annahme 
einer  Bleivergiftung  ist  aber  vielfach  überschätzt  worden,  und  es 
kann  gar  keine  Rede  davon  sein,  dass,  wie  sich  G  r  a  w  i  t  z  aus¬ 
drückt,  „alle  Bleivergifteten  in  auffälliger  Regelmässigkeit  und  :n 
grosser  Zahl  punktierte  rote  Blutkörperchen  aufweisen“  und  dass 
„reichliche  basophil  punktierte  Erythrozyten  bei  jedem  Bleikranken 
Vorkommen“  und  dass  gar  „ganz  konstante  Befunde  von  massen¬ 
haftem  Auftreten  basophil  punktierter  roter  Blutkörperchen“  zu  er¬ 
heben  wären. 

Vielmehr  bieten  nur  jene  Fälle  ausserordentlich  reichliche  und 
in  jedem  Gesichtsfeld  zuweilen  sogar  mehrfach  vorhandene  veränderte 
Zellen,  bei  denen  wegen  der  Bleivergiftung  auch  eine  Anämie  ent¬ 
standen  ist,  so  dass  also  Grund  für  eine  stärkere  Regeneration  ge¬ 
geben  ist.  Fehlt  aber  eine  Verschlechterung  des  Hämoglobinbefundes 
in  der  Raumeinheit,  wie  bei  so  vielen  Bleikranken,  so  ist  das  Vor¬ 
kommen  der  punktierten  Zellen  ein  mässiges  oder  spärliches,  so  dass 
man  Hunderte  von  Zellen  durchmustern  muss,  um  nur  ein  einziges 
Exemplar  zu  finden;  ja  es  gibt  selbst  Bleifälle,  bei  denen  beim  Fehlen 
jeder  Anämie  die  in  Rede  stehende  Veränderung  an  den  Blutkörper¬ 
chen  völlig  oder  so  gut  wie  völlig  fehlt,  und  doch  lässt  sich  bei  der 
chemischen  Harnuntersuchung  Blei  nachweisen. 

Im  allgemeinen  aber  ist  der  Blutbefund  ein  positiver  und  daher 
zweifellos  von  grosser  Bedeutung  für  die  Diagnose  jeder  Form  von 
Bleivergiftung,  nur  müssen  die  Darlegungen  über  den  Grund  der  Blut¬ 
veränderung  auf  das  richtige  Mass  zurückgeführt  werden  (siehe  die 
unter  meiner  Leitung  verfasste  Arbeit  von  Kuper  mann,  J.  D. 
Zürich  1912).  Für  den  Neurologen  ist  von  Wert,  zu  wissen,  dass  bei 
einer  saturninen  Bleilähmung,  wenn  sie  nicht  erst  nach  längerem 
Verlassen  der  Arbeit  und  nach  längerer  Behandlung  der  Patienten  auf¬ 
tritt,  ausgesprochen  positive  Befunde  zu  erwarten  sind. 

Entscheidend  fällt  der  Befund  der  Blutuntersuchung  dann  aus, 
wenn  die  Erkrankten  keinerlei  ausgesprochene  Koliken  oder  Läh¬ 
mungen  aufweisen  und  über  allgemeine  Abmagerung  und  grossen 
Kraftverlust  klagen,  und  dabei  zahlreiche  nervöse  Erscheinungen  dar¬ 
bieten.  Ein  Bleisaum  ist  dabei  nicht  immer  vorhanden:  denn  jedes 
wichtige  Symptom  der  Bleivergiftung  kann  gelegentlich  fehlen,  und 
ein  nachweisbarer  Bleisaum  ist  an  sich  oft  nicht  genügend  beweisend, 
da  noch  monatelang  nach  Erkrankungen  bei  völligem  Wohlbefinden 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


255 


der  Leute  ein  Bleisaurn  vorhanden  sein  kann,  und  leichter  Bleisaum 
auch  bei  andauernd  arbeitsfähigen  Malern  sich  findet  ohne  andere 
krankhaften  Erscheinungen. 

Bei  Encephalopathia  saturnina  ist  ein  positiver  Blutbefund  nur 
in  den  ersten  Stadien  zu  erwarten,  hauptsächlich  so  lange,  als  die 
im  Körper  vorhandene  Bleimenge  gross  genug  ist,  um  Anämie  zu 
erzeugen.  In  Spätstadien  dagegen  habe  ich  jede  Spur  von  ver¬ 
änderten  roten  Blutkörperchen  vermisst. 

Auch  bei  Bleivergiftungen,  die  sich  im  wesentlichen  nur  im  Auf¬ 
treten  von  Tremor  verraten,  ist  die  Blutuntersuchung  von  grossem 
Wert.  Ganz  einfach  ist  die  Deutung  der  Befunde  immerhin  auch  auf 
diesem  Gebiete  nicht,  weil  eine  Anzahl  von  stets  gesunden  Arbeitern 
doch  auch  leichte  Veränderungen  des  Blutes  zeigt  und  weil  ferner, 
wie  bei  Basedow,  auch  andere  Einflüsse  zum  Auftreten  der  baso¬ 
philen  Granulation  führen  können,  so  vor  allem  die  Resorption  von 
Blut,  z.  B.  nach  Genuss  von  Blutwürsten,  dann  aber  auch  nach 
inneren  Blutungen. 

Es  ist  daher  eine  gewisse  Grenze  festgestellt  worden,  bei  der 
erst  von  einem  für  Blei  beweisenden  Befunde  gesprochen  werden 
kann.  Als  diese  Grenze  hat  P.  S  c  h  m  i  d  t  das  Vorkommen  von  mehr 
als  100  basophil  punktierter  Zellen  auf  1  000  000  aufgestellt,  während 
Traut  mann  für  gerichtliche  Fälle  immerhin  300  auf  1  000  000  ver¬ 
langt.  Ich  kann  mich  aber  nicht  für  die  Gültigkeit  derartiger  so 
bestimmt  gefasster  Angaben  aussprechen  und  halte  selbst  den  Wert 
von  Trautmann  nicht  für  absolut  ausschlaggebend,  und  zwar  aus 
folgenden  Gründen: 

In  guten  Präparaten  kann  man  bei  grosser  Uebung  in  der  Mi¬ 
nute  700 — 1000  Zellen  auf  basophile  Punktierung  durchgehen,  in  10  Mi¬ 
nuten  also  vielleicht  10  000  Zellen.  Findet  man  jetzt  aber  in  dieser 
langen  Zeit  auch  nur  2  basophil  gekörnte  Erythrozyten,  so  ergibt 
das  200  auf  die  Million,  mithin  positivem  Befund  nach  P.  Schmidt. 
Einen  derartig  minimalen  Befund,  zwei  veränderte  Zellen  auf  10  000, 
in  10  Minuten  feststellbar,  kann  ich  aber  nicht  als  beweisend  an- 
sehen,  zumal  man  ab  und  zu  doch  viel  stärkere  Befunde  bei  an¬ 
deren  Erkrankungen  findet  und  schon  unter  physiologischen  Verhält¬ 
nissen  antreffen  kann.  Bei  einer  ganz  leichten  Spitzentuberkulose 
ohne  Blutung  habe  ich  einmal  eine  ausserordentlich  viel  grössere 
Zahl  von  punktierten  Erythrozyten  gefunden. 

Ich  möchte  daher  doch  zu  erheblicher  Vorsicht  in  der  Ver¬ 
wertung  des  Blutbefundes  bei  so  schwach  positiven  Ergebnissen 
mahnen  und  nur  den  wirklich  ausgesprochenen  Befunden  an  sich 
allein  vertrauen. 

Ich  habe  mich  bemüht.  Ihnen  zu  zeigen,  in  welchen  Fällen  Sie 
von  der  hämatologischen  Untersuchung  für  neurologische  Zwecke 
sich  etwas  versprechen  können  in  diagnostischer  Hinsicht.  Ich  glaube 
aber  kritisch  genug  gewesen  zu  sein,  um  Sie  vor  Ueberschätzung 
zu  warnen.  Ich  habe  auch  da  und  dort  darauf  hingewiesen,  dass 
selbst  positive  Befunde  in  ihrer  Deutung  noch  starker  Kritik  unter¬ 
liegen  müssen,  und  dass  ab  und  zu  ein  negativer  Befund  kein  Gegen¬ 
argument  für  eine  klinische  Annahme  sein  kann. 

Es  gilt  eben  auch  hier  der  Satz,  dass  jedes  Symptom  nur  im 
Rahmen  des  gesamten  klinischen  Bildes  betrachtet  und  beurteilt 
werden  kann,  und  dass  man  erst  bei  grosser  Kritik  in  der  Ein¬ 
schätzung  der  Beweiskraft  eines  Argumentes  zu  zuverlässigen 
Schlüssen  gelangt  und  sich  vor  Täuschungen  bewahrt. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

H.  Winter  stein:  Handbuch  der  vergleichenden  Physiologie. 
Jena,  G.  Fischer.  Lieferung  19 — 28,  je  5  M. 

Von  dem  umfassenden  Sammelwerk  sind  in  den  letzten  Monaten 
weitere  10  Lieferungen  erschienen,  die  eine  Reihe  wichtiger  und  be¬ 
deutender  Beiträge  enthalten. 

Der  von  F.  B  o  1 1  a  z  z  i  bearbeitete  Abschnitt  über  die  Zell- 
und  Körpersäfte  findet  mit  der  23.  Lieferung  seinen  Abschluss:  er 
führt  durch  ein  noch  wenig  bearbeitetes  und  dunkles  Gebiet  der  ver¬ 
gleichenden  Physiologie.  In  den  Lieferungen  22  und  25  haben  die 
physikalisch-chemischen  Erscheinungen  der  Atmung  durch  den 
Herausgeber  des  Werkes  eine  interessante  und  sorgfältige  Dar¬ 
stellung  erfahren.  Die  letztere  Lieferung  enthält  ausserdem  die 
ersten  Bogen  des  von  E.  B  a  b  ä  k  bearbeiteten  Abschnittes  über 
die  Mechanik  und  Innervation  der  Atmung.  In  den  Lieferungen  19 
und  26  erhalten  die  ausserordentlich  mannigfaltigen  und  merk¬ 
würdigen  Einrichtungen  zur  Lokomotion  der  Tiere  sowie  zur  Ge¬ 
räusch-  und  Tonerzeugung  durch  E.  du  Bois-Reymond  und 
O.  Weiss  eine  eingehende  Beschreibung.  Mit  Lieferung  27  be¬ 
ginnt  W.  Biedermann  die  Physiologie  der  Stütz-  und  Skelett¬ 
substanzen,  die  eine  grosse  Zahl  chemisch  und  mechanisch  höchst 
interessanter  Probleme  umfasst  und  in  enger  Beziehung  steht  zur 
Membranbildung  bei  den  Pflanzen.  Lieferung  24  bildet  den  1.  Teil 
einer  vorzüglichen  Darstellung  der  Physiologie  der  Zeugung  durch 
E.  Godlewsky.  In  der  Einleitung  hiezu  bespricht  dieser  Autor 
auch  die  bisher  aufgestellten  Theorien  über  den  Ursprung  des  Lebens 
überhaupt.  Lieferung  20  bringt  zunächst  den  Schluss  des  von 
J.  Loeb  bearbeiteten  Abschnittes  über  die  Tropismen,  sodann  eine 
von  S.  Baglion  i  bearbeitete  Zusammenstellung  des  Wenigen,  was 
über  die  sog.  niederen  Sinne  der  Tiere  (Drucksinn,  thermische  und 
chemische  Sinne,  Schmerzsinn)  bekannt  ist.  Es  folgt  sodann  die  Be¬ 
arbeitung  der  vergleichenden  Physiologie  des  Gesichtsinns  durch 


C.  Hess,  die  mit  der  21.  Lieferung  ihren  Abschluss  findet.  Diese, 
gleichzeitig  als  selbständige  Schrift  erschienene  ausgezeichnete  Be¬ 
arbeitung  beruht  in  erster  Linie  auf  den  bekannten  umfassenden 
Untersuchungen  des  Autors,  welche  sich  sowohl  auf  den  Lichtsinn, 
wie  auf  die  dioptrischen  Einrichtungen  und  die  Akkomodation  bei 
einer  grossen  Zahl  verschiedener  Tiere  erstreckt.  In  Lieferung  28 
gibt  E.  Mangold  eine  sorgfältige  kritische  Uebersicht  der  Beob¬ 
achtungen,  die  über  den  Gehörsinn  und  den  sog.  statischen  Sinn  der 
Tiere  bisher  gewonnen  worden  sind. 

Die  rasche  Folge  der  Lieferungen  lässt  erwarten,  dass  das  Werk 
in  Bälde  zum  Abschluss  kommen  und  dann  eines  der  wertvollsten 
Nachschlagebücher  darstellen  wird  für  alle  Fragen,  die  mit  den 
Lebenserscheinungen  im  Zusammenhang  stehen. 

v.  Frey-  Würzburg. 

Brouardel  et  Gilbert:  Nouveau  traite  de  Medecine  et  de 
Therapeutique.  Sous  la  direction  de  M.M.  A.  G  i  1  b  e  r  t  et  L.  T  h  o  i  - 
not.  XVI.  G.  H  a  y  em  et  G.  Lion:  Maladies  de  l’estomac.  Avec 

9  Figures  intercalees  dans  le  texte.  Paris.  J.  B.  B  a  i  1 1  i  e  r  e 
et  fils.  1913.  688  Seiten.  Preis:  13.50. 

Den  früher  wiederholt  in  dieser  Wochenschrift  rühmend  erwähn¬ 
ten  Bänden  des  bekannten  französischen  Sammelwerks  reiht  sich 
der  16.,  die  Magenkrankheiten,  aus  der  Feder  der  bekannten  Kliniker 
Hayem  und  Lion,  würdig  an.  Welches  Kapitel  diesem  oder 
jenem  der  beiden  Autoren  zuzuschreiben  ist,  wird  nicht  angegeben 
und  ist  ohne  genauere  Kenntnis  der  Schreibweise  beider  auch  kaum 
festzustellen.  Sicher  ist,  dass  wir  der  Arbeit  beider  ein  Buch  von 
unzweifelhafter  grosser  Bedeutung  verdanken.  Vor  allen  Dingen 
ist  der  Gegenstand  mit  grosser  Gründlichkeit  durchgearbeitet.  Der 
Leser  findet  in  allen  wichtigen  Fragen  tatsächliche  Belehrung  und 
theoretische  Auseinandersetzung,  zum  grossen  Teil  auf  Grund  eigener 
Erfahrungen  und  Forschungen  der  beiden  Autoren.  Die  Literatur  ist 
zwar  nicht  vollständig  —  das  wäre  bei  der  Ausgedehntheit  des  Ge¬ 
bietes  wohl  kaum  möglich  — ,  doch  sehr  reichlich  teils  zitiert,  teils 
in  den  Text  verarbeitet,  und  es  muss  rühmend  hervorgehoben  wer¬ 
den,  dass  auch  die  deutsche  wissenschaftliche  Arbeit  vielfach  zu 
ihrem  Recht  kommt.  An  manchen  Stellen,  so  bei  den  sekretorischen 
Störungen  und  bei  den  Schilderungen  der  klinischen  Erscheinungen 
überhaupt,  erscheint  die  Darstellung  vielleicht  etwas  zu  gründlich, 
d.  h.  es  werden  etwas  schematisch  zu  viele  Formen  und  Varie¬ 
täten  des  Krankheitsverlaufs  aufgezählt  und  unterschieden.  Sehr  in¬ 
struktiv  sind  die  zahlreichen  .Abbildungen  mikroskopischer  Präparate 
von  der  Gastritis,  Ulcus  und  Karzinom  und  sie  beweisen  zugleich,  wie 
grossen  Wert  die  Verf.  mit  Recht  bei  den  organischen  Magenerkran¬ 
kungen  auf  die  anatomisch-histologische  Basis  der  Forschung  legen. 
Dagegen  wären  vielleicht  auch  noch  einige  makroskopische  Ab¬ 
bildungen  nicht  überflüssig.  Zusammenfassend  darf  wohl  behauptet 
werden,  dass  das  Werk  der  französischen  Autoren  die  eingehende 
Berücksichtigung  aller  derer  verdient,  die  sich  mit  den  Krankheiten 
des  Magens  als  Spezialärzte  oder  Forscher  beschäftigen. 

P  e  n  z  o  1  d  t. 

Ueber  die  Regenerationsvorgänge  in  den  Nieren  des  Menschen. 

Von  Dr.  med.  A.  T  i  1  p,  Path.  Institut  Strassburg.  Bei  Gustav  F  i  - 
scher.  Jena  1912.  69  Seiten.  Preis  3  M. 

T  i  1  p  hat  die  Regenerationsvcrgänge  in  89  Fällen  von  Nieren¬ 
krankheit,  bei  akuten  und  chronischen,  herdförmigen  und  diffusen 
Prozessen,  sowie  bei  Adenomen  der  Niere  histologisch  untersucht. 
Die  Regeneration  kennzeichnet  sich  morphologisch  durch  Mitosen, 
epitheliale  Riesenzellen  und  Neubildung  von  einzelnen  Nierenepithelien, 
sowie  von  ganzen  Kanälchen,  welche  sich  an  den  fötalen  Typus 
anlehnen.  Letztere  kommen  nur  bei  herdförmigen  Erkrankungen  vor. 
Bei  Adenomen  tritt  sogar  Bildung  von  glomerulusähnlichen  Bildungen 
auf.  Die  Regeneration  findet  sich  in  kranken  Nieren  und  zwar  selbst 
in  hochgradig  erkrankten  sehr  häufig.  Hauptstätte  reparatorischer 
Vorgänge  ist  das  Nierenlabyrinth.  Das  Lebensalter  hat  geringen 
Einfluss  auf  die  Regenerationsfähigkeit.  Dagegen  wird  sie  ganz  auf¬ 
fallend  stark  beeinflusst  durch  septische  Erkrankungen.  Bei  solchen 
fehlte  in  nahezu  der  Hälfte  der  Fälle  jede  Spur  von  Regeneration. 
Damit  steht  in  bemerkenswertem  Einklang  die  klinische  Tatsache, 
dass  solche  Nieren  zu  kompensatorischer  Mehrleistung  unfähig  sind. 
Ebenso  fehlte  in  zwei  Diphtherienieren  jede  reparatorische  Tendenz. 
Sehr  interessant  ist  die  Feststellung,  dass  bei  herdförmigen  Erkran¬ 
kungen  reparatorische  Vorgänge  nicht  nur  im  Erkrankungsherd, 
sondern  auch  an  entfernt  liegenden  gesunden  Abschnitten  auftreten. 
Die  Regeneration  kommt  für  die  Funktion  nur  in  sehr  beschränktem 
Umfang  in  Betracht.  Am  meisten  bei  den  akuten  Nephritiden.  Die 
neugebildeten  Harnkanälchen  sind  meist  schon  histologisch  als  minder¬ 
wertig  zu  bezeichnen.  Wertvoller  für  die  Funktion  erscheinen  die 
einzelnen  neugebildeten  Epithelien  und  die  Riesenzellen. 

Schlayer  -  München. 

C.  Br  u  hin:  Moderne  Massage  auf  anatomisch-physiologischer 
Basis.  Mit  Berücksichtigung  der  schwedischen  Heilgymnastik  und 
der  Selbstmassage  im  Anhang.  Mit  200  Illustrationen.  Herrn.  Ham¬ 
brechts  Verlag,  Olten  (Schweiz)  1912.  Preis  6  M. 

Es  vergeht  kein  Jahr,  in  dem  nicht  ein  neues  Buch  über  Massage 
erscheint.  Durch  Fortschritte  und  Neuerungen  auf  diesem  Gebiete 
man  müsste  denn  die  Konstruktionen  von  Apparaten  zur  I  herrtio- 
massage,  Heliomassage,  Hydromassage  darunter  rechnen  —  ist  diese 


256 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Massenproduktion  nicht  bedingt.  Inhaltlich  müssen  deshalb  alle  diese 
Bücher  mehr  oder  weniger  dasselbe  bieten.  Auch  das  vorliegende 
Buch  nimmt  in  dieser  Beziehung  keine  Ausnahmestellung  ein.  Ein 
gut  geschriebener  Text  und  ein  reicher  Bilderschmuck  erleichtern  das 
Studium  des  Buches.  Nicht  unwidersprochen  darf  die  auf  S.  48  aus¬ 
gesprochene  Empfehlung,  tuberkulöse  Gelenke  zu  massieren,  bleiben. 
Im  allgemeinen  ist  bei  tuberkulösen  Gelenken  dringend  vor  der 
Massage  zu  warnen,  ob  überhaupt  und  für  welche  Fälle  vielleicht  eine 
Massage  in  Frage  kommen  kann,  ist  zurzeit  noch  nicht  zu  be¬ 
antworten.  F.  Lange-  München. 

Dattner,  Federn,  Ferenczi,  Freud,  F  r  i  e  d  3  u  n  g, 
Hitschmann,  Rank,  Reitler,  Rosenstein,  Sachs,  Sad- 
ger,  Steiner,  Stekel,  Tausk:  Die  Onanie.  14  Beiträge  zu 
einer  Diskussion  der  „Wiener  psychoanalytischen  Vereinigung“. 
Wiesbaden  1912.  Bergmann.  140  Seiten.  Preis  4  M. 

Die  Onanie  ist  wohl  noch  nie  in  diesem  Umfange  diskutiert 
worden.  Wenn  naturgemäss  auch  nicht  alle  Beiträge  gleichwertig 
sein  können,  so  sind  sie  doch  alle  lesenswert,  zum  Teil  sehr  in¬ 
teressant.  Die  meisten  fussen  auf  Freuds  „Drei  Abhandlungen  zur 
Sexualtheorie“.  Auf  Einzelheiten  kann  nicht  eingegangen  werden. 
Die  meisten  Redner  halten  die  Onanie  der  Pubertätszeit  für  einen 
physiologischen  Ausweg,  welcher,  vom  Normalen,  nicht  vorher  schon 
Nervenkranken  in  mässigen  Grenzen  betrieben,  keinen  körperlichen 
und  seelischen  Schaden  bringe.  Schaden  stifte  in  übertriebener  Weise 
oder  über  die  Pubertätszeit  hinaus  fortgesetzte  Selbstbefriedigung. 
Die  Neurasthenie  werde  zumeist  nicht  durch  den  häufigen  Akt  als 
vielmehr  durch  die  Angst,  das  Schuldgefühl  und  den  vergeblichen 
Kampf  gegen  die  Gewohnheit  geschaffen.  Der  Körper  könne  durch 
toxische  Einwirkungen  geschädigt  werden.  Auf  die  Psyche  wirkt 
schlimmer  die  geistige  Onanie  als  die  manuelle  Masturbation.  Bei  der 
Schilderung  der  Charaktereigenschaften  und  des  Gebahrens  der  Ona¬ 
nisten  finden  wir  manche  äusserst  treffende  Züge,  doch  m.  M. 
auch  manche,  welche  wir  auch  bei  nicht  masturbierenden  Heran¬ 
reifenden  finden  dürften.  Können  wir  schon  nicht  ohne  Weiteres 
zugestehen,  dass  jede  am  Säugling  beobachtete,  mit  Lustäusserungen 
und  -mienen  einhergehende  Bewegung  mit  sexuellem  Lustgefühl 
identisch  ist,  so  können  wir  auch  nicht  alle  diese  Bewegungen,  z.  B. 
Lutschen,  Streicheln,  zur  Onanie  zählen  oder  gar  eine  Ubiquität  der 
Säuglingsonanie  annehmen.  L  ö  w  e  n  f  e  1  d  zustimmend,  heben 
Reitler  und  Federn  hervor,  dass  Freud  mit  Unrecht  seine  an 
pathologischem  Material  gewonnenen  Erfahrungen  auf  das  normale 
Sexualverhalten  der  Kindheit  überträgt.  Wenn  Freud  in  seinen 
Werken  Waschungen,  Reibungen,  Verunreinigungen,  Reizungen  des 
Genitales  bei  Säuglingen  als  teleologische,  natürliche  Vorbereitungen 
und  die  nach  ihm  dadurch  hervorgerufene  Säuglingsonanie  für  ein 
von  der  Natur  gewolltes  künftiges  Primat  dieser  erogenen  Zone  für 
die  Geschlechtstätigkeit  hielt,  so  widerspricht  ihm  darin  Reitler, 
und  er  selbst  gibt  im  Schlussworte  der  vorliegenden  Diskussion  dieses 
teleologische  Argument  preis.  Ganz  ungeheuerlich  mutet  uns  der  von 
verschiedenen  Rednern  variierte  Satz  an:  „Die  letzten  Wurzeln  jeder 
Selbstbefriedigung  ruhen  in  der  notwendigen  Säuglingspflege!“ 

Ueber  spezielle  Formen  sexueller  Betätigung,  wie  Urethralerotik, 
(Enuresis),  Defäkationsmanipulationen,  After-,  Nasenbohren,  egoisti¬ 
sche,  sadistische,  kleptomanische  und  andere  Gewohnheiten  und  Un¬ 
arten,  von  Sammelwut  etc.  und  ihren  angenommenen  Zusammen¬ 
hängen  mit  sexuellen  Trieben  hören  wir  viel  Bemerkenswertes.  Das 
Verhalten  des  Onanisten  zu  seinen  Angehörigen,  zum  Weibe,  seine 
Minderung  an  Werbekraft,  an  heterosexueller  Befriedigung  finden 
eingehende  Besprechung.  Was  die  Heilung  der  Neurasthenie  der 
Onanisten  anlangt,  so  zweifelt  ein  Redner  an  der  Dauerhaftigkeit 
von  S  t  e  k  e  1  s  psychoanalytisch  gewonnenen  Erfolgen.  Als  beste 
Behandlung  wird  die  Befreiung  vom  Angst-  und  Schuldgefühl  be¬ 
zeichnet.  Die  Diskussion  zeigte,  wie  Freuds  Schlussatz  sagt, 
dass  das  Thema  der  Onanie  schier  unerschöpflich  ist.  Mit  Federn 
stimmen  wir  überein  —  und  das  gleiche  haben  Löwenfeld  und 
Uffenheimer  schon  bei  einer  Besprechung  derselben  Frage  in 
der  Münchner  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde  verlangt  — ,  dass  lang¬ 
dauernde  Beobachtungen  über  die  Verbreitung  echter  Onanie  im 
ersten  Lebensdezennium,  über  die  spätere  Entwickelung  der  gross 
gewordenen  Kinder  und  die  sexuellen  Erscheinungen  bei  ihnen  zur 
Klärung  nötig  sind.  Doernberger  -  München. 

Bise  hoff:  Lehrbuch  der  gerichtlichen  Psychiatrie  für  Medi¬ 
ziner  und  Juristen.  Berlin  und  Wien  1912.  Urban  &  Schwar¬ 
zenberg.  275  Seiten.  Preis  brosch.  8  M.,  geb.  10  M. 

Das  Buch  behandelt  zunächst  die  für  die  forensische  Psychiatrie 
in  Betracht  kommenden  deutschen  und  österreichischen  Gesetze, 
dann  die  Bedeutung  der  verschiedenen  psychischen  Abnormitäten  für 
die  gerichtliche  Medizin  und  schliesslich  die  Symptomatologie  der 
einzelnen  Psychosen  und  ihre  Behandlung  in  foro.  Alles  ist  sehr 
kurz,  klar  und  mit  grossem  Geschick  beschrieben.  Dass  auch  ein¬ 
zelne  noch  kontroverse  Ansichten  als  sicher  hingestellt  werden,  liess 
sich  bei  der  Knappheit  der  Darstellung  nicht  vermeiden. 

Bleuler-  Burghölzli. 

Ri  eg  er:  Aerztliehe  Gutachten  im  Strafrecht  und  Versiche¬ 
rungswesen.  IV.  Bericht  vom  Jahre  191 1  aus  der  psychiatrischen 
Universitätsklinik  Würzburg.  Verlag  Kabitzsch,  Wiirzburg  1912. 


R  i  e  g  e  r  s  sehr  feuilletonistisch  und  subjektiv  gehaltener  „Be¬ 
richt“  ist  eine  fortgesetzte  Klage  über  Menschen,  Ansichten  und 
Verhältnisse.  Im  Gegensatz  zu  Lombroso  steht  er  auf  dem  Stand¬ 
punkt,  dass  für  ein  peccatum  criminale  nicht  der  jeweilige  Mensch 
und  dessen  Gesinnung  zu  strafen  sei,  sondern  der  kriminelle  Begriff, 
weil  sonst  der  Willkür  Tür  und  Tor  geöffnet  werde.  Lombrosos 
Kriminalanatomie  führt  er  in  sarkastischer  Weise  ad  absurdum:  neben 
jeder  Galgenphysiognomie  ständen  mindestens  zwei  sehr  ehrbar  aus¬ 
sehende  Verbrecher.  Auch  die  allenfallsige  verbrecherische  Hirn¬ 
beschaffenheit  lasse  sich  nur  erkennen  aus  ihren  tatsächlichen 
Aeusserungen,  da  jetzt  noch  die  Mittel  fehlen,  um  über  etwaige  Ver¬ 
änderungen  der  Hirnmaterie  etwas  direkt  behaupten  zu  können,  was 
ja  auch  bei  den  meisten  Geisteskrankheiten  der  Fall  ist,  obwohl  hier 
zweifellos  in  vielen  Fällen  abnorme  Beschaffenheit  der  Hirnmaterie 
vorliegt.  Trotzdem  ist  die  psychiatrische  Psychologie  eine  wissen- 
schaftlich-gesetzmässige,  während  die  Kriminalpsychologie  zufällige 
äussere  Umstände  berücksichtigen  müsse,  welche  sich  jeder  Be¬ 
rechnung  entziehen,  da  es  bei  der  Begehung  von  Verbrechen  über¬ 
haupt  auf  die  äusseren,  zufälligen,  sozialen,  nicht  auf  die  inneren, 
wesentlichen,  zerebralen  Verhältnisse  ankomme.  Wenn  trotzdem 
aus  der  Kriminalpsychologie  zuviel  Wesens  gemacht  werde,  so  beruhe 
dies  darauf,  dass  sie  schon  lange  kultiviert  worden  sei,  andererseits 
viel  Gelegenheit  zur  Sensation  biete.  Neben  Lombroso  greift  er 
als  ebenfalls  „sensationshaschend“  den  Dresdner  Staatsanwalt  W  u  1  f  - 
f  e  n,  sowie  den  II.  Staatsanwalt  am  Appellationsgerichtshof  in  Paris, 
Dr.  med.  Maxwell  an,  wobei  er  aber  zugesteht,  dass  er 
des  ersteren  beanstandete  Buch  gar  nicht  gelesen  hat.  Er 
erteilt  ihnen  in  souveräner  Weise  den  Rat,  nicht  in  die  Psychiatrie 
zu  pfuschen,  von  der  sie  nichts  verständen:  sie  sollten  lieber 
Verbrecher  entdecken!  Hiezu  müsse  die  Medizin  Hilfe  leisten, 
aber  nicht  durch  psychologische  Erörterungen,  die  nichts  Spezifisch- 
Medizinisches  haben,  sondern  durch  die  Ausarbeitung  medizinisch- 
technischer  Hilfsmittel:  Photographie,  Daktyloskopie,  Riegers 
Kephalographie.  In  seinen  weiteren  Ausführungen  verlangt  er.  dass 
der  medizinische  Sachverständige  nicht  über  das  reden  solle,  was 
jedem  gebildeten  Mann  eigen,  sondern  nur  über  das,  was  bloss  er 
auf  Grund  seines  Berufes  wissen  könne,  wobei  jedoch  manche 
Gerichtsärzte  etwas  vorsichtiger  in  ihren  Aussagen  und  Bezeugungen 
sein  sollten:  letztere  Rüge  belegt  er  mit  einigen  tatsächlichen  Vor¬ 
kommnissen.  Mit  Recht  beklagt  er  auch  den  Missstand,  dass  den 
Aerzten  von  Richtern  oft  Fragen  vorgelegt  werden,  die  vernünftiger¬ 
weise  gar  nicht  beantwortet  werden  können.  Des  weiteren  lässt  er 
sich  aus  über  mancher  Gutachter  Abneigung  gegen  Einfaches  und 
Zuneigung  zu  Unklarem  und  Verworrenem,  sowie  die  Ansteckung  der 
Aerzte  mit  dem  berüchtigten  Deutsch  der  Juristen,  dem  ein  grosser 
Teil  des  Buches  in  markierten  Hinweisen  gelegentlich  der  Anführung 
von  Aktenauszügen  gewidmet  ist. 

Auf  Grund  von  ausführlichen  Krankengeschichten.  Sektions¬ 
befunden  und  Gutachten  vertritt  auch  Ri  eg  er  den  in  letzter  Zeit 
wiederholt  von  verschiedenen  Seiten  betonten  Standpunkt,  dass  viele 
Renten  zu  Unrecht  begutachtet  und  auch  bezahlt  werden,  durch 
falsch  angebrachtes  Mitleid  der  Aerzte  und  weil  in  der  Begutachtung 
die  „Subjektivität“  zu  sehr  vorherrsche.  Diese  letztere  gefährde 
die  Rechtssicherheit  in  Unfallsbegutachtungen  wie  im  Kriminal-  und 
Zivilrecht. 

Das  in  Sprache  und  Ausführungen  zum  mindesten  als  originell 
zu  beurteilende  Buch  Riegers  bringt,  von  der  menschlichen 
Schwäche  stark  betonter  „Subjektivität“  abgesehen,  viel  des 
interessanten  für  ärztliche  Sachverständige  und  Gutachter,  da  ihm 
Erfahrungen  aus  33  jähriger  Gutachtertätigkeit  zugrunde  liegen. 

Richard  B  1  u  m  m  -  Bayreuth. 

Alphonse  de  Candolle:  Zur  Geschichte  der  Wissenschaften 
und  der  Gelehrten.  Deutsch  herausgegeben  von  Wilhelm  O  s  t  w  a  1  d. 
Leipzig  1911.  Akademische  Verlagsgesellschaft.  466  Seiten.  Bro¬ 
schiert  12  M. 

Untersuchungen  über  die  „Aetiologie“  des  Genies:  des  Ge¬ 
lehrten  wie  des  Künstlers,  sind  nicht  neu  und  erwecken  stets  ein 
lebhaftes  Interesse,  wenn  sie  Momente  Zusammentragen,  welche  uns 
den  grossen  Geist  menschlich  näher  bringen.  Ich  erinnere  nur 
an  die  interessanten  Möbius  sehen  Pathographien :  Goethe, 
Nietzsche,  Schopenhauer,  Rousseau,  wobei  man  sich 
jedoch  stets  bewusst  bleiben  möge,  dass  solche  medizinischen  Be¬ 
leuchtungen  naturgemäss  einseitig  sein  müssen  und  zur  vollen  Wer¬ 
tung  grosser  Geister  ein  künstlerisches  „Einfühlen“  unum¬ 
gänglich  erforderlich  ist.  De  Candolle  nun  betrachtet  in  diesem 
monumentalen  Werk  die  Geschichte  einer  grösseren  Anzahl  von 
Naturforschern  und  Mathematikern  unter  dem  Gesichtspunkte  der 
Vererbung  und  Anpassung,  also  in  darwinistischer  Methodik, 
und  fördert  auf  diese  Weise  zweifellos  recht  bemerkenswerte  Tat¬ 
sachen  zutage.  Freilich  restlos  wird  damit  das  Rätsel  des  Genies 
nicht  gelöst  und  insbesondere  bedeutet  es  nur  Begriffsdialektik,  wenn 
die  Vererbungstheoretiker  gegenüber  den  zum  ersten  Male  erschei¬ 
nenden  aussergewöhnlich  begabten  Charakteren  in  einer  Familie 
erklären,  es  handle  sich  um  „individuelle  Variationen“. 

Auch  dürfte  es  etwas  Missliches  an  sich  haben,  die  geo¬ 
graphische  Verteilung  der  grossen  Männer  lediglich  nach  der 
Mitgliedschaft  einer  gelehrten  Gesellschaft  zu  konstruieren.  Po¬ 
litische,  kulturelle  und  geschichtliche  Faktoren  beeinflussen  die 
geistige  Gesundheit  eines  Volkes  so  grundlegend,  dass  demgegen- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


257 


4.  Februar  1913. 


über  der  Anhalt  an  jene  mehr  oder  weniger  äussere  Ehrung  von 
Gelehrten  notdürftig  erscheinen  muss.  Die  Wurzeln  der  Schöpfung 
des  Genies  erstrecken  sich  unzweifelhaft  auf  verschlungenen  Wegen 
weithinein  in  ein  dunkles  Erdreich  und  ziehen  hier  ihre  Nahrung 
heran,  ohne  dass  wir  ihrer  ansichtig  zu  werden,  in  der  Lage  wären. 
So  kann  eine  „Geniologie“  im  Sinne  de  Candolles  natur- 
gemäss  nur  fördernde  Umstände  zutage  bringen  auf  Grund  retro¬ 
spektiver  Analyse,  aber  ebensowenig  Züchtungsgrundsätze  aufstellen, 
wie  es  Nietzsches  Uebermenschenlehre  vermag.  Die  Natur  hat 
sich  eben  letzten  Endes  doch  das  entscheidende  Wort  in  der  Mensch- 
und  Charaktergestaltung  Vorbehalten  und  die  inneren  Gründe  ihres 
Gestaltungswillens  dem  menschlichen  Blick  verschleiert. 

Geht  man  mit  diesen  Voraussetzungen  an  das  Studium  des  vor¬ 
liegenden  Werkes  und  bleibt  man  sich  bewusst,  dass  die  Darwin¬ 
sche  Lehre  zwar  Anpassungserscheinungen  und  Vererbungsphäno- 
mene  beschreiben,  aber  im  innersten  Wesen  niemals  erklären 
kann,  so  kann  man  sich  zu  einer  anerkennenden  Wertschätzung  der 
mühevollen  Untersuchungen  und  des  reichen  Materials  gerne  ent- 
schliessen.  F.  Köhler-  Holsterhausen-Werden  Ruhr. 

B  o  e  h  m  und  Oppel:  Taschenbuch  der  mikroskopischen  Tech¬ 
nik.  7.  Aufl.  von  A.  O  p  p  e  1.  8°.  München  und  Berlin.  R.  0  1  d  e  n - 
bourg.  363  S.  10  Fig.  1912.  Preis  M.  6. — . 

Die  siebendte,  nach  dem  Tode  von  A.  Boehm  durch  A.  0  p  p  e  1 
allein  besorgte  und  dem  Andenken  C.  v.  K  u  p  f  f  e  r  s  und  seines 
früheren  Mitarbeiters  gewidmete  Auflage  des  bekannten  Taschen¬ 
buches  der  mikroskopischen  Technik  enthält  eine  Reihe  von  Neue¬ 
rungen,  so  namentlich  einen  kurzen  Abriss  der  experimentell-entwick¬ 
lungsmechanischen  Technik.  Im  übrigen  ist  das  vorzügliche  kleine, 
eben  wegen  seiner  Handlichkeit  im  mikroskopischen  Laboratorium 
kaum  mehr  entbehrliche  Buch  nur  soweit  ergänzt,  dass  es  auf  dem 
Laufenden  erhält.  Der  Anfänger  wird  es  mit  ebenso  gutem  Erfolge 
zu  Rate  ziehen  können  wie  der  Geübte,  es  wird  nie  versagen. 

S  o  b  o  1 1  a  -  Wiirzburg. 

Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 
12.  Band,  1.  Heft. 

1)  J.  Pie  sch,  L.  Karczag  und  B.  Ke  et  mann:  Das  Tho¬ 
rium  X  in  der  Biologie  und  Pathologie.  (Aus  der  II.  med.  Klinik 
in  Berlin.) 

Die  Verfasser  geben  zuerst  eine  Uebersicht  über  die  physi¬ 
kalischen  Eigenschaften  des  Thoriums  und  seiner  radioaktiven  Um¬ 
wandlungsprodukte  und  die  auf  der  Vergrösserung  der  Leitfähigkeit 
der  Luft  beruhenden  Messungsmethoden  für  das  Thorium  X  und 
gehen  dann  auf  die  biologisch-klinischen  Verhältnisse  ein.  Das 
Thorium  X  kann  subkutan,  intravenös,  per  os  oder  per  klysma  ein¬ 
verleibt  werden,  oder  es  kann  die  Thoriumemanation  inhaliert 
werden.  Die  Inhalation  der  Thoriumemanation  hat  vor  jener  der 
Radiumemanation  den  Vorzug,  dass  die  Halbwertszeit  der  Thorium¬ 
emanation  nur  53  Sekunden  gegenüber  der  3,8  Tage  währenden  der 
Radiumemanation  beträgt;  dass  sie  also  während  eines  Blutumlaufes 
zerfällt;  ihre  Zerfallsprodukte  kann  dann  der  Körper  binden,  während 
die  Radiumemanation  infolge  ihres  viel  langsameren  Zerfalls  zuin 
grossen  Teil  wieder  als  Gas  ausgeschieden  wird:  Von  intravenös 
eingefiihrtem  Radiumbromid  finden  sich  nach  24  Stunden  75  Proz. 
in  den  Knochen  und  im  Knochenmark  wieder,  von  den  übrigen  Or¬ 
ganen  enthält  am  meisten  der  Darm  mit  seinem  Inhalt,  ca.  8  Proz.: 
auffallend  grosse  Mengen  finden  sich  auch  in  den  Lungen  bzw.  der 
Trachea;  Gehirn  und  Rückenmark,  Hoden  und  Milz  enthalten  weniger 
als  die  Leber,  das  Blut  nur  Spuren,  die  Muskulatur  und  das  Herz 
gar  nichts.  Beim  Thorium  verhält  es  sich  im  grossen  und  ganzen 
ähnlich.  Das  Thorium  A,  ein  Umwandlungsprodukt  des  Thoriums  X, 
scheint  eine  grosse  Affinität  zur  Leber  zu  besitzen,  in  welcher  es 
nach  einer  Stunde  am  reichlichsten  angetroffen  wird;  nach 
24  Stunden  finden  sich  64  Proz.  Thorium  X  in  den  Knochen,  von 
Thorium  A  20  Proz.  in  den  Knochen  und  9  Proz.  in  der  Leber. 
Das  Thorium  X  wird  im  Harn  sofort  ausgeschieden,  die  Aus¬ 
scheidung  ist  anfangs  am  grössten,  nimmt  allmählich  ab  und  hört 
am  2.  Tag  auf;  in  den  Fäzes  dauert  die  Ausscheidung  bis  zum  4.  Tag; 
auch  durch  den  Schweiss  werden  geringe  Mengen  ausgeschieden. 
Im  ganzen  werden  jedoch  nur  12 — 18  Proz.  ausgeschieden,  die  übrigen 
80  Proz.  werden  zurückgehalten  und  können  bei  weiteren  Injektionen 
zu  kumuiativen  Wirkungen  führen.  Weder  Verdauungsversuche  mit 
Trypsin  noch  Gärungsversuche  mit  Hefe  auf  Traubenzucker,  Rohr¬ 
zucker  und  Galaktose  Hessen  eine  sichere  Wirkung  des  Thoriums 
erkennen.  Bei  kardialer  Dyspnoe  Hess  sich  eine  Verbesserung  der 
Atmung  durch  Thorium  X  erzielen;  die  Atemtiefe,  die  Residualluft 
und  die  Totalkapazität  nahmen  zu.  Sowohl  durch  die  Emanation  wie 
durch  intravenöse  Injektion  von  Thorium  X  Hess  sich  häufig  eine 
blutdrucksenkende  Wirkung  erzielen;  in  manchen  Fällen  Vermin¬ 
derung  der  Schlagfrequenz  mit  Zunahme  des  Schlagvolumens.  Bei 
Inhalationsversuchen  mit  Thoriumemanation  war  eine  Zunahme  des 
respiratorischen  Stoffwechsels  mit  einer  Erhöhung  des  respirato¬ 
rischen  Quotienten  bis  zu  1,4,  bei  intravenöser  Injektion  keine  Wir¬ 
kung  auf  den  Stoffwechsel  zu  beobachten.  Eine  Wirkung  auf  die 
Vermehrung  von  Bakterien  war  nicht  nachzuweisen.  Als  tödlich 
wirkende  Dosis  berechneten  sich  aus  den  Tierversuchen  für  einen 


Menschen  von  60  kg  Gewicht  10  000  elektrostatische  Einheiten,  nach 
der  Erfahrung  am  Menschen  selbst  können  jedoch  schon  5000  elektro¬ 
statische  Einheiten  den  Tod  herbeiführen.  Nach  der  intravenösen 
Injektion  bildet  sich  zuweilen  ein  sehr  schmerzhaftes  Ulcus  mit  einer 
sehr  geringen  Heilungstendenz,  so  dass  6  Monate  bis  zur  völligen 
Heilung  verstreichen  können.  Unangenehme  allgemeine  Symptome 
wurden  ausser  vorübergehendem  leichteren  Schwächegefühl  und 
kurzdauernden  Magenschmerzen  nicht  beobachtet.  Pigmentierungen 
und  Hypertrichiasis  traten  vereinzelt  auf.  Für  die  Dosierung  ist 
das  Blutbild  von  Wichtigkeit.  Solange  keine  Reaktion  des  Blutbildes 
zu  bemerken  war,  wurden  keine  störenden  Nebenwirkungen  beob¬ 
achtet.  Eine  Abnahme  der  weissen  Blutkörperchen  mahnt  zur  Vor¬ 
sicht.  Dosen  über  1000  elektrostatische  Einheiten  sollen  nur  in  den 
seltensten  Fällen  überschritten  werden.  Diarrhöen  auf  enteritischer 
Basis  bilden  eine  Kontraindikation.  Um  die  Reizwirkung  des  durch 
den  Darm  zur  Ausscheidung  gelangenden  Thorium  X  abzukürzen, 
empfiehlt  es  sich,  gleich  nach  der  Verabreichung  des  Thorium  X  die 
Peristaltik  durch  Abführmittel  anzuregen.  Zur  Reizwirkung  auf  das 
Knochenmark  sind  höchstens  30  elektrostatische  Einheiten  pro  in- 
jectione  in  3 — 4  tägigen  Zwischenräumen  nötig.  Bei  Fettsucht  wurde 
in  vielen  Fällen  durch  Steigerung  des  Stoffwechsels  beträchtliche 
Gewichtsabnahme  erzielt,  bei  Gicht  eine  Vermehrung  der  Harnsäure- 
und  Purinbasenausscheidung  und  eine  allgemeine  Besserung  des 
Krankheitszustandes  erzielt;  bei  Diabetes  mellitus  war  keine  Wirkung 
zu  erzielen.  Sklerodermie  wurde  gebessert;  bei  Tuberkulose,  Pneu¬ 
monie  und  Sepsis  wurden  keine  sicheren  günstigen  Wirkungen,  bei 
Nebenhöhleneiterung  vorübergehend  Aufhören  der  Eiterung  und  der 
Kopfschmerzen  erzielt.  Gelenk-  und  Muskelrheumatismus  wurde 
günstig  beeinflusst.  Bei  Herzkrankheiten  und  Arteriosklerose  wurden 
häufig  Besserung  der  Atembeschwerden  und  Verminderung  des  Blut¬ 
druckes  erzielt.  Bei  normalem  Blutbefund  wurde  fast  völliges  Ver¬ 
schwinden  der  Blutplättchen  und  Verminderung  der  Leukozytenzahl 
erzielt.  Bei  einem  Fall  von  sekundärer  Anämie  wurde  Zunahme  der 
Anisozytose  erzielt.  Bei  perniziöser  Anämie  wurden  geringe  Dosen 
angewendet,  da  eine  Reizwirkung  auf  die  blutbildenden  Apparate 
indiziert  war.  Als  maximale  Reizdosis  wurden  50  elektrostatische 
Einheiten  ermittelt.  Meist  reicht  man  aber  mit  20 — 30  aus.  In  einem 
Falle  wurde  Steigerung  der  Erythrozytenzahl  von  340  000  auf  4  000  000 
erreicht,  allerdings  nur  für  5  Monate,  nach  welcher  Zeit  ein  Rezidiv 
eintrat.  In  dem  2.  und  3.  Fall  konnte  nur  eine  Erythrozytenzahl  von 
ca.  2  000  000  erreicht  werden,  bei  dem  4.  Fall  trat  nach  einer  anfäng¬ 
lichen  Steigerung  von  900  000  auf  1  760  000  wieder  ein  ganz  steiler 
Abfall  auf  900  000  ein;  bei  einer  Anaemia  megalosplenica  infant.  wurde 
zwar  eine  Vermehrung  der  Erythrozyten,  aber  keine  Besserung  des 
Allgemeinbefindens  und  des  Milzbefundes  erzielt.  Bei  myeloischer 
Leukämie  wurde  durch  grosse  Dosen  eine  Abnahme  der  Leukozyten, 
sogar  ein  völliges  Verschwinden  der  Myelozyten  und  allgemeine 
Besserung  mit  Steigerung  der  Nahrungsaufnahme,  allerdings  nicht 
auf  die  Dauer,  erreicht.  Ebenso  wurden  bei  lymphatischer  Leukämie 
und  bei  nichtleukämischen  Lymphdrüsentumoren  wesentliche  Besse¬ 
rungen,  allerdings  auch  nicht  auf  die  Dauer,  erzielt. 

2)  Th.  A.  Maass  und  Pie  sch:  Wirkung  des  Thorium  X  auf 
die  Zirkulation,  (Aus  der  II.  med.  Klinik  und  dem  tierphysiologischen 
Institut  der  landwirtschaftlichen  Hochschule  in  Berlin.) 

Die  Untersuchungen  am  Froschherz  mittelst  der  Jakobi  sehen 
Durchströmung,  der  E  n  g  e  1  m  a  n  n  sehen  Suspensionsmethode  und 
der  direkten  Herzplethysmographie  ergaben,  dass  das  Thorium  X 
ebenso  wie  Radiumemanation  einen  ausgesprochenen  Einfluss  auf  das 
Kaltblüterherz  ausübt,  wahrscheinlich  derart,  dass  die  diastolische 
Dehnbarkeit  des  Herzens  eine  Zunahme  erfährt.  Versuche  über  die 
Beeinflussbarkeit  des  Blutdrucks  beim  Warmblüter  durch  Thorium¬ 
injektionen  blieben  ergebnislos.  Die  Erregbarkeit  der  herzhemmenden 
Vagusfasern  oder  der  nervösen  Endelemente  erfährt  unter  Thorium  X- 
Wirkung  bei  Kaninchen  zunächst  eine  Abnahme,  dann  bisweilen  eine 
geringe  Zunahme. 

3)  A.  Pappenheim  und  J.  Plesch:  Experimentelle  und 
histologische  Untersuchungen  zur  Erforschung  der  Wirkung  des 
Thorium  X  auf  den  tierischen  Organismus.  (Aus  der  II.  med.  Klinik 
in  Berlin.) 

Die  Wirkung  tödlicher  und  übertödlicher  Dosen  bei  Kaninchen 
zeigt  sich  in  sofortigem  Leukozytensturz  mit  daranschliessendem 
völligen  Verschwinden  derselben  aus  dem  Blut.  Zuerst  schwinden 
die  Lymphozyten,  dann  die  Monozyten,  Eosinophilen  und  Mastzellen, 
am  resistentesten  sind  die  polynukleären  Spezialleukozyten.  Von 
pathologischen  Formen  treten  Plasmareizungszellen,  aber  keine 
Jugendformen  auf;  die  Plättchen  schwinden  und  vergrössern  sich. 
Die  roten  zeigen  starke  Anisozytose,  keine  Degenerationen,  keine 
Jugendformen,  am  Anfang  des  3.  Tages  ist  gewöhnlich  das  Blut  auch 
vom  letzten  polynukleären  Leukozyten  frei.  Der  Tod  erfolgt  meist 
um  den  4.  Tag  herum.  Nachträgliche  Injektionen  von  Natrium 
nucleinicum  können  keine  Leukozytose  mehr  auslösen.  Makroskopisch 
deutliche  Blutungen  finden  sich  nicht;  das  Knochenmark  ist  makro¬ 
skopisch  dunkelrot  und  erweicht,  die  Milz  stellenweise  schwärzlich 
und  atrophisch.  Mikroskopisch  findet  sich  allgemein  äusserst  starke 
Hyperämie,  besonders  konstant  in  Lunge  und  Leber,  und  starke 
elektive  Zellschädigung  im  Knochenmark,  sowie  in  Leber,  Niere  und 
Nebenniere,  verknüpft  mit  Blutungen.  Relativ  resistent  scheint  das 
Zentralnervensystem  zu  sein;  an  der  Milz  finden  sich  atrophische 
Veränderungen. 


258 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  5. 


4)  K.  Amerling:  Experimentelle  Albuminurie  und  Nephritis 
bei  Hunden  infolge  von  Immobilisation.  (Aus  dem  pharmakol.  In¬ 
stitut  der  böhmischen  Universität  Prag.) 

Die  Versuche  ergaben,  dass  eine  bloss  zweistündige  Immobili¬ 
sation  bei  Hunden  hinreicht,  um  Albuminurie  und  Nierenentzündung 
hervorzurufen. 

5)  W.  Weiland:  Kohlehydratkuren  und  Alkalitherapie  bei 
Diabetes  mellitus;  ihre  Indikation  und  Prognose.  (Aus  der  med. 
Klinik  in  Kiel.) 

Blutzuckerbestimmungen  ergaben,  dass  eine  aussichtsreiche 
Therapie  nur  dann  gewährleistet  ist,  wenn  ihr  Erfolg  durch  Herab¬ 
gehen  des  Blutzuckerspiegels  erkennbar  ist.  Die  Hyperglykämie 
steht  in  keinem  Falle  zu  der  Schwere  der  Erkrankung  in  absolut 
parallelem  Verhältnis,  ihre  wechselnde  Höhe  ist  aber  ein  Indikator 
für  die  Schwere  der  Erkrankung.  Bei  Bewertung  der  Resultate  ist 
die  Nierendichtigkeit  zu  berücksichtigen.  Arteriosklerose  und  Hyper¬ 
tonie  allein  beeinflussen  die  Menge  des  Blutzuckers  nicht  so  stark, 
dass  daraus  diagnostische  Schwierigkeiten  entständen.  Für  das 
Zustandekommen  komplizierender  Erkrankungen  sind  andere  kausale 
Momente  wichtiger;  die  erfolgreiche  Therapie  dieser  Komplikationen 
ist  jedoch  von  der  Herabsetzung  der  Hyperglykämie  stark  abhängig. 
Gelingt  es  nicht,  den  Kranken  durch  strenge  Tage  oder  Gemüsetage 
zuckerfrei  zu  machen,  so  ist  der  Versuch  mit  einer  Haferperiode  zu 
machen,  gleichgültig,  ob  Azidosis  vorliegt  oder  nicht,  allenfalls  wird 
sie  nach  einigen  Gemüsetagen  wiederholt.  Ferner  sind  Hafertage 
einzuschieben,  wenn  die  Azetonurie  hohe  Grade  erreicht.  In  den 
schwersten  Fällen  versagt  der  Hafer  vielfach,  hat  jedoch  eine 
schonendere  Wirkung  als  Kohlehydratzuiuhr  in  anderer  Form. 
Protrahierte  Darreichung  von  Haferkost  über  Tage  und  Wochen 
hinaus  ist  zu  vermeiden;  am  besten  werden  2  Hafertage  mit  2  bis  3 
vorhergehenden  und  nachfolgenden  Gemüsetagen  angeordnet  und 
diese  Kostform  nicht  zu  bald  wiederholt.  Intravenöse  Infusionen  von 
Natr.  bic.  sind  beim  Koma  manchmal  wirkungslos,  auch  wenn  der 
Harn  dadurch  alkalisch  wird;  nach  grösseren  Infusionen  treten  leicht 
epileptiforme  Krämpfe  auf.  Es  ist  zweckmässig,  jedem  Diabetiker 
per  os  Natr.  bic.  in  grossen  Dosen  zu  geben,  so  dass  der  Urin  stets 
alkalisch  bleibt.  Gelingt  es  mit  mittleren  Dosen  (40 — 50  g)  täglich 
den  Harn  alkalisch  zu  erhalten,  so  liegt  eine  drohende  Gefahr  des 
Komas  nicht  vor;  eine  quantitative  Bestimmung  der  Azetonkörper¬ 
ausscheidung  ist  jedoch  zu  Anfang  bei  jedem  schwerer  Erkrankten 
notwendig  und  daher  Anstaltsbehandlung  indiziert,  um  einen  Ueber- 
blick  über  die  Schwere  der  Erkrankung  und  die  Besserungsfähigkeit 
zu  gewinnen;  ist  dies  gelungen,  so  kann  dann  ambulante  Behandlung 
einsetzen.  Von  Zeit  zu  Zeit  ist  jedoch  stets  eine  klinische  Nach¬ 
untersuchung  notwendig,  auch  wenn  es  gelingt  mit  40 — 50  g  Natr.  bic. 
den  Harn  zu  alkalisieren,  da  dabei  eine  Gefahr  des  Komas  nicht  ganz 
ausgeschlossen  ist.  Ganz  schwere  Fälle  sollten  unter  allen  Um¬ 
ständen  in  klinischer  Behandlung  verbleiben. 

6)  J.  H.  King:  Zur  Frage  der  Vermeidbarkeit  der  Adrenalin- 
glykosurie  durch  Nikotin.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Versuche  ergaben,  dass  auch  bei  nicht  vorbehandelten, 
noi mal  mit  rohem  Gemüse  ernährten  Kaninchen,  durch  eine  ent¬ 
sprechend  hohe  Dosis  von  Nikotin  die  durch  Adrenalin  hervor¬ 
zurufende  Glykosurie  verhindert  wird;  in  Uebereinstimmung  mit  den 
Resultaen  Hirayamas.  Die  Blutzuckerbestimmungen  ergaben, 
dass  bei  der  Injektion  von  Nikotin  und  Adrenalin  ebenso  starke 
Hyperglykämie  besteht  wie  bei  reinen  Adrenalininjektionen,  dass 
also  nicht  Glykogenmangel  Ursache  des  Ausbleibens  der  Glykosurie 
ist,  sondern  Dichtung  des  Nierenfilters. 

7)  L.  P  in  cu  ss  oh  n:  Untersuchungen  über  die  Seekrankheit. 
(Aus  der  II.  med.  Klinik  und  der  experim.-biolog.  Abteilung  des  pathol. 
Institutes  in  Berlin.) 

Die  Untersuchung  der  Magensaftsekretion  an  2  Hunden  mit 
Magenblindsack  nach  P  a  w  1  o  w  mittels  der  Bestimmung  der 
Diffusion  der  Salzsäure  in  Röhrchen,  welche  mit  Bayrischblau  ver¬ 
setztes  geronnenes  Eiweiss  enthielten,  bei  welchen  durch  die  fort¬ 
schreitende  Verdauung  die  blaue  Farbe  wieder  hervortritt,  ergaben 
während  einer  Reise  von  Hamburg  ins  Mittelmeer  eine  anscheinend 
der  Stärke  der  Schiffsbewegung  proportionale  Hemmung  der  Magen¬ 
saftsekretion.  2  Hunde,  welchen  das  innere  Ohr  nach  Munk  und 
B  a  g  i  n  s  k  i  möglichst  vollständig  zerstört  worden  war,  verhielten 
sich  ebenso  wie  nicht  operierte  Hunde.  Die  Bogengänge  scheinen 
demnach  keine  ausschlaggebende  Rolle  zu  spielen,  wenn  auch  der 
Beweis  der  völligen  Zerstörung  derselben  bei  den  2  Hunden  mangels 
anatomischer  Untersuchung  nicht  sicher  erbracht  ist. 

S)  L.  Hof  bau  er:  Natur  und  Entstehung  der  K  r  ö  n  i  g  sehen 
Lungenspitzenatelektase.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Wien.) 

Die  Annahme,  dass  die  K  r  ö  n  i  g  sehe  Lungenspitzenatelektase 
mit  Kollapsinduration  durch  Staubinhalation  infolge  mangelhafter 
Filtration  bei  behinderter  Nasenatmung  entstehe,  lässt  sich  nicht 
halten;  denn  Untersuchungen  mittels  des  M  a  r  e  y  sehen  Pneumo¬ 
graphen  ergaben,  dass  beim  Normalen  die  Lungenspitzen  respira¬ 
torisch  keine  wesentlichen  Aenderungen  aufweisen,  wenn  er  statt 
durch  die  Nase  durch  den  Mund  atmet.  Dagegen  zeigt  der  Mund- 
atmer  eine  deutliche  Vergrösserung  der  Ausschläge  des  über  den 
Lungenspitzen  angebrachten  Pneumographen,  wenn  er  gezwungen 
wird  durch  die  Nase  zu  atmen.  Die  Atelektase  der  Lungenspitzen 
beim  Mundatmer  rührt  also  nur  von  der  ungenügend  respiratorischen 
Tätigkeit  der  obersten  Thoraxpartien  her.  Die  von  Staehlin  und 


Schütze  gegen  die  pneumographische  Methodik  des  Verfassers 
erhobenen  Einwände  sind  nicht  stichhaltig. 

Lindemann  -  München. 

Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 

Heft  1,  1913. 

Goldscheider:  Die  Anwendung  der  physikalischen  Heil¬ 
methoden  zur  Behandlung  von  zentralen  Erkrankungen. 

Fortbildungsvortrag,  der  mehr  gibt  als  der  Titel  vermuten  Hisst. 
Ausser  den  eigentlichen  physikalischen  Methoden  (Bäder,  Arson- 
valisation,  Uebungstherapie,  Gehverbände)  werden  auch  andere,  z.  T. 
ausführlich,  besprochen,  z.  B.  Indikation  und  bisherige  Erfolge  der 
Försterschen  Operation,  epidurale  Injektionen,  Lumbal¬ 
punktionen,  sonstige  Operationen  (z.  B.  bei  Bechterew  scher 
Krankheit). 

L.  Brieger:  Ueber  die  Bedeutung  der  Hydrotherapie  iiir  die 
Hygiene. 

Bemerkungen  über  die  Bedeutung  der  Abhärtung,  die  beste  Form 
ihrer  Anwendung,  ihre  Indikationen. 

J.  A.  W  a  1  e  d  i  n  s  k  y  -  Tomsk :  Einfluss  der  Kohlensäurebäder 
auf  das  Elektrokardiogramm.  (Pathol.  Institut  Berlin.) 

Versuche  an  Kaninchen  zeigten  eine  Abnahme  der  Höhe  aller 
Zacken  des  Elektrokardiogramms  am  stärksten  nach  dem  ersten  Bau. 
nach  den  folgenden  schwächer.  Diese  Wirkung  hielt  auch  an  det: 
folgenden  Tagen  an. 

E.  P  1  a  t  e  -  Hamburg:  Ueber  einen  neuen  Vibrator  mit  erhöhter 
Ersehüttcrungszahl.  (Allgeni.  Krankenhaus  St.  Georg.) 

Beschreibung  und  Abbildung  eines  neuen  Vibrators,  der  von 
R  e  i  n  i  ge  r,  ü  e  b  b  e  r  t  &  S  c  h  a  1 1  hergestellt  und  unter  dem  Namen 
Rapidfibrator  vertrieben  wird. 

W.  Krebs:  Beitrag  zur  Technik  der  Bäder  und  des  Badens. 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  neue  Mode,  Klosett  und  Bad  in 
einem  Raum  zu  vereinigen,  gegen  die  unbequeme  Form  der  ge¬ 
bräuchlichen  Badewannen,  die  das  Baden  für  Kranke  zu  einer  An¬ 
strengung  machen,  empfiehlt  praktische  Badeeinlagen,  die  das 
Rutschen  auf  dem  glatten  Wannenboden  verhindern,  Badekissen  und 
Kühlapparate  für  Kopf  und  Herz  und  gibt  bemerkenswerte  Ratschlag': 
für  Einrichtung  von  Ruheräumen  in  Bädern  und  für  die  Organisation 
des  Badens,  die  die  zu  lange  W'artezeit  der  Badegäste  vermeiden  soll. 

W.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Berlin :  Temperatur  der  Schmeckstoffe  und 
Genuss. 

Hinweis  auf  die  jeder  guten  Hausfrau  bekannten  Tatsachen,  dass 
Liköre  eiskalt  am  besten  sind,  Schinken,  Speck  warm  stärker  ge¬ 
salzen  erscheinen,  Eisspeisen,  Kompott  sehr  reichlich  Zucker  ent¬ 
halten  können  ohne  zu  süss  zu  erscheinen  etc. 

S.  Auerbach  -  Frankfurt  a.  M. :  Eine  praktische  Unter¬ 
suchungselektrode. 

Rechtwinklig  abgebogene  Elektrode  und  in  rechtwinklig  ange¬ 
setztem  Gelenk  bewegliche  Elektrode,  die  bequemeres  Untersuchen 
gestatten.  Hergestellt  bei  Reiniger,  Gebbert  &  Schall. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  3,  1913. 

Felix  F  r  a  n  k  e  -  Braunschweig:  Die  osteoplastische  epiphysäre 
Amputatio  tibiae  sub  genu  als  Ersatz  für  die  Exartikulation  im  Knie¬ 
gelenk. 

Verf.  erläutert  die  Vor-  und  Nachteile  der  Exartikulation  gegen¬ 
über  der  Amputation  und  schildert  eingehend  sein  neues  Verfahren 
der  osteoplastischen  epiphysären  Amputation  der  Tibia,  das  die  Ober- 
schenkelkondylen  erhält,  dabei  aber  nicht  mehr  Haut  als  die  Ex- 
artikulation  beansprucht  und  so  die  Gefahr  der  Hautlappengangrän 
herabsetzt.  Die  wesentlichen  Punkte  der  Operation  sind,  dass  Verf. 
die  Kniegelenkshöhle  erhält,  von  der  Tibia  aber  eine  dünne,  den 
Epiphysenteil  enthaltende  Knochenscheibe  absägt,  mit  dem  Haut- 
lappen  die  Tuberositas  tibiae  in  Verbindung  lässt  und  diesen  auf  die 
dünne  Epiphysenscheibe  herunterklappt:  wichtig  ist  dabei  zur  Ver¬ 
meidung  jeder  Spannung,  dass  sämtliche  an  der  Epiphysenplatte 
haftende  Beugesehnen  durchtrennt  werden.  Ein  Röntgenbild  ver¬ 
anschaulicht  die  schöne  Form  des  Stumpfes.  Diese  Methode  emp¬ 
fiehlt  sich  als  Ersatz  der  Exartikulation  und  der  hohen  Unterschenkel¬ 
amputation. 

K  r  ü  g  e  r  -  Weimar:  Operative  Mobilisierung  des  Zoekum  bei 
der  Appendektomie,  sowie  Bemerkungen  zum  Artikel  Kofmanns 

(No.  50,  1912). 

Verf.  hält  die  von  Kofmann  vorgeschlagene  Ausschaltung 
der  Appendix  durchaus  nicht  für  unbedenklich.  Die  Schwierig¬ 
keiten  der  Appendektomie  bei  retrozoekaler  Lage  der  Appendix 
lassen  sich  überwinden,  wenn  man  zur  rechten  Zeit  operiert,  die 
Richtung  und  Lage  des  Hautschnittes  der  jeweiligen  Lage  der 
Appendix  anpasst  und  immer  unter  Leitung  des  Auges  arbeitet;  sehr 
empfiehlt  sich  dabei  der  R  i  e  d  e  1  sehe  Wechselschnitt;  ein  Kunst¬ 
griff,  die  retrozoekal  liegenden  Appendix  leichter  zu  finden,  besteht 
in  der  Inzision  der  Umschlagsfalte  des  Peritoneums  zwischen  Bauch¬ 
wand  und  Zoekum,  welche  den  Dickdarm  bequem  nach  der  Mitte  zu 
umdrehen  lässt  und  den  versteckten  Wurm  dann  leicht  zur  An¬ 
schauung  bringt. 

Friedrich  Neugebauer  -  Ostrau :  Ueber  die  Ausschaltung  des 

Wurmfortsatzes. 


4.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  259 


Verf.  warnt  gleichfalls,  die  von  K  o  f  ni  a  n  n  empfohlene  Aus¬ 
schaltung  nachzuahmen  und  illustriert  an  einer  Krankengeschichte, 
dass  eine  ausgeschaltete  Appendix  den  gleichen  Anfall  mit  Abszess¬ 
bildung  hervorrufen  kann  wie  eine  noch  unversehrte  Appendix. 

A.  T  h  i  e  s  -  Qiessen:  Die  Verwendung  des  Luffaschwammes  bei 

der  Laparotomie. 

Verf.  empfiehlt  zum  Zurückhalten  der  sich  vordrängenden  Darm- 
schlingen  den  Luffaschwamm,  der  Auskochen  und  Sterilisieren  gut 
verträgt;  vor  der  Einführung  in  die  Bauchhöhle  wird  er  mit  einer 
Kompresse  umwickelt,  damit  ein  mechanischer  Reiz  der  Serosa 
vermieden  wird.  Er  ist  billiger  als  der  Gummibadeschwamm  nach 
Perthes.  E.  H  e  i  m  -  Qerolzhofen. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd. XXXVI, 

Heft  5. 

1)  O.  S  c  h  m  i  d  t  -  Bremen:  692  Fälle  von  Fehlgeburten. 

Kritischer  Bericht  aus  der  Frauenklinik  der  Stadt  Bremen.  So¬ 
wohl  die  Fehlgeburten  wie  die  Todesfälle  nach  Abort  haben  in  den 
letzten  Jahren  zugenommen.  Die  Ursache  des  Abort  lässt  sich  in 
den  wenigsten  Fällen  feststellen.  Bei  der  Behandlung  wurde  zu¬ 
meist  aktiv  vorgegangen,  auch  mit  Kürette  und  Abortzange. 

2)  Holst-  Stettin :  Zur  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  sehen  Eklampsie- 
behandlung. 

ln  Anlehnung  an  die  Stroganoff  sehen  Grundsätze  übt  Verf. 
die  bedingte  Beschleunigung  der  Geburt,  nicht  aber  die  Schnellent¬ 
bindung  im  Sinne  des  Kaiserschnittes. 

3)  Schopp  -  Heidelberg :  lieber  Myomenukleation. 

Verf.  tritt  für  die  abdominale  Myomenukleation  ein,  besonders 
bei  jungen  myomkranken  Frauen.  Die  Resultate  waren  bei  60  Fällen 
nicht  schlechter  wie  bei  der  Paulysterektomie.  Von  45  nachunter¬ 
suchten  Fällen  rezidivierten  9  Proz.  Diese  kleinsten  Keime  kann 
man  in  Zukunft  durch  die  Röntgentherapie  wirksam  bekämpfen. 

4)  W  a  1 1  a  r  t  -  Basel:  Beitrag  zur  Frage  der  Schwangerschafts¬ 
veränderungen  der  Tube. 

Beschreibung  der  histologischen  Veränderungen  der  Tube 
während  der  Schwangerschaft,  die  parallel  mit  der  Ausdehnung  des 
Uterus  sich  ausbilden.  Mitunter  fand  Verf.  ein  Bild,  das  wie  ein 
Tuberkel  aussah:  das  Zentrum  wurde  aber  von  einem  Gefäss  ge¬ 
bildet.  in  dessen  Umgebung  eine  hochgradige  Hyperleukozytose  sich 
befand.  Die  deziduale  Reaktion  in  der  Tubenschleimhaut  ist  gering. 

5)  A.  H  ö  r  r  m  a  n  n  -  München :  Die  orthopädische  Becken- 
bauchbinde  (Fascia  pelvica  nach  B  r  a  c  c  o). 

Empfiehlt  diese  neue  Binde,  die  recht  gut  zu  sein  scheint. 

6)  R  i  e  c  k  -  Altona :  Die  Extraperitonisierung  vaginaler  Bauch¬ 
höhlenoperationen. 

Die  Bauchhöhle  wird  nur  kurze  Zeit  auf  vaginalem  Wege  er¬ 
öffnet,  der  Uterus  vorgezogen,  die  Blase  tief  im  Douglas  angenäht, 
so  dass  sich  Operation  wie  Exstirpation  des  Uterus  ausserhalb  der 
Bauchhöhle  abspielen.  Die  Stümpfe  werden  ähnlich  wie  bei  der 
W  e  r  t  h  e  i  m  sehen  Operation  dauernd  zwischen  Scheide  und  Blase 
eingelagert.  Das  Verfahren  eignet  sich  für  die  schwersten  Fälle  von 
fixierter  Retroflexie,  bei  Resektion  des  Corpus  uteri,  für  die  Radikal¬ 
operation  bei  Karzinom  sowie  für  die  Exstirpation  des  septischen 
puerperalen  Uterus.  Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  3.  1913. 

M.  Stolz-Graz:  Zur  Hyperemesis  gravidarum. 

Nach  St.  führt  die  vom  Uterus  ausgehende  Intoxikation  auf  dem 
Wege  des  Nervensystems  zur  Hyperemesis.  Für  die  Bekämpfung 
kommt  die  kausale  und  symptomatische  Behandlung  in  Betracht. 
Erstere  wird  durch  den  Abortus  oder  die  künstliche  Frühgeburt  ein¬ 
geleitet.  Für  letztere  empfiehlt  St.  Herabsetzung  der  Sensibilität 
durch  subkutane  oder  rektale  Verabfolgung  von  Narkotizis.  In  zwei 
schweren  Fällen  brachten  Opium-  bzw.  Pantoponsuppositorien  Heilung. 

H.  Schlimpert-  Freiburg:  Ein  Kippstuhl  zur  Ausführung 
der  hohen  extraduralen  Anästhesie. 

Der  Kippstuhl  ist  bestimmt,  die  Herstellung  einer  Knie-Ellbogen- 
Ugc  bei  gleichzeitiger  Beckenhochlagerung  zu  ermöglichen.  Zu  haben 
bei  F.  Fischer  in  Freiburg  i.  Br. 

M.  Z  o  n  d  e  k  -  Berlin:  Zur  Behandlung  der  Eklampsie. 

Durch  Torsion  oder  Kompression  des  Nierenstiels  wird  eine 
schlaffe  Niere  venös  hyperämisch:  bei  der  Dekapsulation  tritt  Blut 
und  Lymphe  aus  der  Oberfläche  hervor.  Hierdurch  kann  ein  Blut- 
und  Lymphaderlass  herbeigeführt  werden,  der  bei  Eklampsie  erfolg¬ 
reich  sein  dürfte. 

Franz  L  e  h  m  a  n  n  -  Berlin :  Klimakterische  Blutungen  und 
Karzinomprophylaxe. 

L.  tritt  dem  Ausdruck  „klimakterische  Blutungen“  entgegen,  der 
gefährlich  sei,  weil  dadurch  viele  Karzinome  im  Beginne  übersehen 
werden.  Dem  Publikum  gegenüber  darf  nie  von  unregelmässigen 
Blutungen  als  einem  gewöhnlichen  oder  gar  normalen  Ereignis  des 
Klimakteriums  gesprochen  werden.  Eigentliche  „klimakterische 
Blutungen“  gibt  es  nicht. 

E  k  s  t  e  i  n  -  Teplitz :  Ueber  Schutzpessare. 

Ein  neues  Okklusivpessar,  das  dem  Hodgepessar  nachgebildet 
ist,  aus  biegsamem,  elastischem  Material  besteht  und  mit  einem 
Kondom  überzogen  wird,  der  jedesmal  erneuert  wird.  Dies  „Reforrn- 
pessar“  wird  von  der  Firma  Phil.  P  e  n  i  n  in  Leipzig  hergestellt. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VII,  Heft  1. 

Otto  v.  Her  ff- Basel:  Zur  Vorbeugung  postoperativer  Perito¬ 
nitis  bei  verschmutzten  Laparotomien.  (Aus  dem  Frauenspital  Base! 
Stadt.) 

Verfasser  berichtet  über  die  Erfahrungen,  welche  in  seiner  Klinik 
mit  den  gegen  sekundäre  Operationsperitonitis  vorgeschlagenen  Mass- 
regeln  erzielt  wurden,  und  zwar  im  besonderen  mit  Kampferöl  und 
Pcrhydrol.  Nach  Ansicht  des  Verf.  ist  eine  am  Schlüsse  einer  un¬ 
reinen  Bauchoperation  vorgenommene  Oelung  nicht  imstande,  eine 
sekundäre  Peritonitis  restlos  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Die 
anteoperative  Kampferölung,  welche  fast  nur  bei  Karzinomoperationeu 
des  Uterus  in  Anwendung  kam,  hatte,  abgesehen  von  einigen  Miss¬ 
erfolgen  Nutzen.  Schädigungen  durch  Kampferöl  wurden  nicht  be¬ 
obachtet. 

Seit  einiger  Zeit  verwendet  Verf.  Perhydrol  bei  Eiterung  oder 
Jauchung,  regelmässig  nach  abdomineller  Hysterektomie  wegen 
Uteruskarzinom.  Näheres  über  die  Anwendung  muss  im  Original 
nachgelesen  werden.  Wenn  auch  die  Zahl  der  so  behandelten  Fälle 
noch  klein  ist,  so  ist  doch  Verf.  mit  der  Mitteilung  an  die  Oeffcnt- 
lichkeit  getreten,  weil  der  Verlauf  dieser  Fälle  bezüglich  Temperatur 
und  Puls  ein  ganz  auffallend  günstiger  gewesen  ist. 

Alfred  D  ü  h  r  s  s  e  n  -  Berlin:  Die  Ventrifixur  der  Ligamenta 
rotunda  unter  subperitonealer  Durchleitung  durch  die  Ligamenta 
lata. 

Die  Operation,  welche  die  Alexander -  Adams  sehe  Opera¬ 
tion  und  in  gewissem  Sinne  auch  die  Vaginifixur  zu  ersetzen  im¬ 
stande  ist,  besteht  in  der  subperitonealen  Durchleitung  einer  jeder- 
seits  gebildeten  Schlinge  des  Ligamentum  rotundum  durch  das  ent¬ 
sprechende  Ligamentum  latum  und  Vernähung  der  Schlinge  mit  den 
Rektusaponeurosen.  Ausführliche  Beschreibung  der  Operations¬ 
methode,  welche  vor  den  anderen  den  Vorteil  hat,  dass  sie  im  Ab¬ 
domen  keine  künstlichen  Bänder  setzt,  welche  zu  Ileus  führen  können. 
Die  Operation  wurde  bisher  in  33  Fällen  doppelseitig  und  in  31  Fällen 
die  einseitige  S  i  m  p  s  o  n  sehe  Operation  vorgenommen  und  zwar 
mit  gutem  Erfolge.  Zwei  Fälle  wurden  in  der  Schwangerschaft 
bezw.  in  der  Geburt  beobachtet,  in  zwei  Fällen  wurde  die  Operation 
während  der  Gravidität  vorgenommen. 

C.  H.  S  t  r  a  t  z  -  den  Haag:  Drei  Fälle  von  Vaginaltumoren.  (Mit 
2  Figuren.) 

Es  handelte  sich  in  den  Fällen  um  ein  Fibroma  vagin  ae, 
eine  Vaginalzyste  bei  Uterus  duplex  und  um  eine 
Dystopia  urethrae  infolge  eines  Tumor  artefi- 
cialis  e  Paraffin  o.  Kunze  Beschreibung  der  Fälle. 

Paul  Rissmann  -  Osnabrück :  Die  Ausbildung  von  Säuglings¬ 
pflegerinnen  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Hebammenschwestern  und 
zu  den  Krankenschwestern. 

Der  Verf.  stellt  am  Schlüsse  seiner  Arbeit  folgende  Thesen  auf: 

1.  Die  Ausbildung  der  Hebammenschwestern  muss  mindestens  in 
Bezug  auf  die  Länge  der  Ausbildungszeit  derjenigen  der  Kranken- 
und  Säuglingskrankenschwestern  gleich  sein  (zunächst  1  Jahr). 

2.  Die  sog.  Wochenbettpflegerinnen  haben  entsprechend  der 
Kürze  ihrer  Ausbildung  ihre  Pflicht  in  der  Praxis  getan,  jedoch  ist 
schon  lange  die  Organisation  des  Unterrichtes  und  die  staatliche 
Beaufsichtigung  in  der  Praxis  verbesserungsbedürftig. 

3.  Die  Ausbildung  der  einfach  vorgebildeten  Säuglingspflege¬ 
rinnen  für  die  Familien  (nach  Langstein)  muss  die  gleiche  sein 
wie  die  der  sog.  Wochenbettpflegerinnen,  die  in  Frauenkliniken, 
Hebammenschulen  und  ähnlichen  Anstalten  ausgebildet  werden. 

Hermann  Palm -Berlin:  Rückblick  auf  die  Gynäkologie  und 
Geburtshilfe  in  den  Jahren  1911  und  1912. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet! 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  XI,  No.  8,  1912. 

1)  R  o  1 1  i  e  r  -  Leysin:  Die  Sonnenbehandlung  der  Tuberkulose. 

Vortrag  auf  dem  Naturforscher-  und  Aerztekongress  in  Münster 
(vergl.  diese  Wochenschr.  pag.  2479). 

2)  B.  B  e  n  d  i  x  und  J.  Bergmann:  Ueber  das  sogenannte 
Kochsalzfieber.  (Aus  der  Charlottenburger  Säuglingsklinik,  diri¬ 
gierender  Arzt:  Prof.  B.  B  e  n  d  i  x.) 

Mit  den  jüngst  referierten  Befunden  Samelsons  überein¬ 
stimmende  Resultate.  Eine  (zu  dem  Zwecke)  aus  frisch  destilliertem 
Wasser  unter  allen  Vorsichtsmassregeln  hergestellte  und  sofort  nach 
der  Zubereitung  injizierte  Kochsalzlösung  (0,75  proz.)  ruft  beim 
Säugling  kein  Fieber  hervor.  Für  den  „Kochsalzversuch“  beim 
Säugling  darf  deshalb  nur  reines,  von  Bakterien  und  Bakterientoxinen 
freies  Wasser  verwendet  werden.  Dasselbe  gilt  auch  für  die  thera¬ 
peutische  Kochsalzinfusion.  Es  gehört  demnach  zum  Inventar  einer 
Säuglingsstation  ein  Destillationsapparat,  der  nur  von  einer  mit  den 
Vorsichtsmassregeln  für  die  Gewinnung  einwandfreier  Lösungen 
vertrauten  Person  bedient  werden  darf. 

3)  Martin  T  h  i  e  m  i  c  h  -  Magdeburg:  Zur  Stilltechnik. 

Bei  gesunden  Kindern  ist  es  niemals  nötig,  die  Zahl  von  5  bis 
6  Mahlzeiten  (bei  natürlicher  Ernährung)  zu  überschreiten,  wenn  man 
jedesmal  beide  Brüste  ausgiebig  entleeren  lässt.  An  einer  sehr 
grossen  Anzahl  von  stillenden  Frauen  hat  Th.  feststellen  können, 
dass  es  keiner  aus  natürlichem  Instinkte  handelnden  Mutter  einfällt, 
ihr  Kind  stets  nur  an  einer  Brust  anzulegen,  wenn  es  darnach  nicht 
vollbefriedigt  und  gesättigt  erscheint,  oder  es  aus  dem  Schlafe  zu 


260 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


wecken.  „Nur  unter  Berücksichtigung  dieser  beiden,  offenbar  den 
natürlichen  Verhältnissen  entsprechenden  Faktoren  wird  man  noch 
einmal  an  die  auch  durch  Rietschels  Erfahrungen  (Anstalts¬ 
erfahrungen)  nicht  entschiedene  Frage  herangehen  dürfen,  ob  eine 
Minderzahl  von  Kindern  nicht  mit  5  oder  6  Mahlzeiten  gedeiht, 
sondern  7 — 8  Mahlzeiten  beansprucht.“ 

4)  F.  Lust:  Ueber  den  Nachweis  der  Verdauungsferinente  in 
den  Organen  des  Magendarmkanals  von  Säuglingen.  (Aus  der  Univ.- 
Kinderklinik  in  Heidelberg.  Direktor:  Prof.  E.  M  o  r  o.) 

Diese  Untersuchungen  an  den  Organen  von  14  verstorbenen 
(ernährungsgestörten)  Säuglingen  schliessen  sich  an  die  beiden  (aus 
dem  vorigen  Heft  der  Monatsschrift  referierten)  Arbeiten  über  den 
Fermentnachweis  in  den  Fäzes  an.  Das  Endergebnis  der  sämt¬ 
lichen  Untersuchungen  —  die  sowohl  an  der  Stätte  des  Ent¬ 
stehens  wie  der  Ausscheidung  der  Enzyme  gewonnen  wurden  —  ist 
die  Ueberzeugung,  dass  den  Enzymen  in  der  Pathologie  der  Er¬ 
nährungsstörungen  bei  Säuglingen  nur  eine  verschwindend  kleine 
Rolle  zugeschrieben  werden  kann.  Es  liess  sich  an  einem  grösseren, 
sämtliche  Formen  von  Ernährungsstörungen  umfassenden  Materiale 
der  Nachweis  erbringen,  dass  in  keinem  einzigen  Falle,  welcher 
Form  von  Ernährungsstörung  er  auch  angehörte,  ein  tatsächlicher 
Mangel  einer  der  beiden  eiweissspaltenden  Fermente  (Trypsin, 
Erepsin),  ebensowenig  ein  solcher  der  Stärke  —  wie  der  beiden 
disaccharidspaltenden  Fermente  (Invertin,  Maltase)  vorlag.  Das 
relativ  häufige  Fehlen  einer  Invertinwirkung  der  Fäzes  beruht  nicht 
auf  einem  tatsächlichen,  sondern  nur  auf  einem  scheinbaren  Mangel 
eines  rohrzuckerspaltenden  Fermentes,  wie  sich  aus  der  kräftigen 
Invertinwirkung  sämtlicher  untersuchter  Schleimhautextrakte  des 
Dünndarms  zeigen  liess.  Daraus  lässt  sich  des  weiteren  folgern, 
dass  für  die  nicht  selten  bei  schweren,  besonders  akuten  Ernährungs¬ 
störungen  angetroffene  Saccharosurie  ebensowenig  ein  Mangel  des 
zuckerspaltenden  Fermentes  verantwortlich  gemacht  werden  darf, 
wie  es  für  die  Laktosurie  bereits  von  anderer  Seite  geschehen  ist. 
Von  den  disaccharidspaltenden  Fermenten  macht  nur  die  Laktase 
insofern  eine  kleine  Ausnahme,  als  sie  bei  nicht  lebensfähigen  Früh¬ 
geburten  gewöhnlich  nicht  vorhanden  ist.  Die  auffälligsten  Befunde 
ergaben  sich  bei  der  Untersuchung  des  Fettspaltungsvermögens  des 
Magendarmtraktus.  An  einer  kräftigen  lipolytischen  Fähigkeit  der 
Magenschleimhaut  ist  nach  L  u  s  t  s  an  Organextrakten  gewonnenen 
Erfahrungen  nicht  zu  zweifeln.  Andererseits  scheint  diese  Fähigkeit 
unter  dem  Einflüsse  von  Ernährungsstörungen  nicht  selten  beträcht¬ 
liche  Einbusse  zu  erfahren.  Auch  die  Lipase  des  Pankreas  dürfte  von 
sämtlichen  Verdauungsfermenten  des  Darmtraktus  am  wenigsten 
widerstandsfähig  sein.  Am  bemerkenswertesten  ist  die  grosse  Regel¬ 
mässigkeit  eines  zum  Teil  recht  erheblich  herabgesetzten  Fett¬ 
spaltungsvermögens  bei  alimentär  iutoxizierten  Kindern,  ohne  dass 
man  hierbei  von  einem  direkt  spezifischen  Befund  bei  dieser  Form 
von  Ernährungsstörungen  sprechen  darf. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 

Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten.  50.  Bd., 
2.  Heft,  1912. 

H.  Vogt:  August  Cramer  +. 

Carlo  Besta:  Ueber  die  zerebro-zerebellaren  Bahnen.  Ex¬ 
perimentelle  Untersuchungen.  (Aus  dem  psychiatrischen  und  neuro- 
pathologischen  Institut  der  Kgl.  Universität  Padua.)  Hierzu 
Tafeln  VI— IX. 

Zum  Studium  der  zerebro-zerebellaren  Bahnen  hat  Verf.  sehr 
zahlreiche  experimentelle  und  daran  anschliessend  mikroskopische 
Untersuchungen  angestellt.  Es  wurden  Abtragungen  von  Grosshirn¬ 
lappen  und  Durchschneidungen  des  Pedunculus  cerebri  im  Zwischen- 
und  Mittelhirn  an  erwachsenen  und  an  neugeborenen,  bei  völliger 
Entwicklung  getöteten  Tieren  ausgeführt,  desgleichen  zerebellare  Ab¬ 
tragungen  und  Operationen  zur  Lösung  strittiger  Punkte  und  Prä¬ 
zisierung  spezieller  topographischer  Beziehungen.  Die  definitiven 
Schlüsse,  die  sich  aus  den  Untersuchungen  ziehen  lassen,  sind  kurz 
folgende : 

I.  Von  der  Grosshirnrinde  steigen  durch  den  Pedunculus  cerebri 
Fasern  herab,  die  sich  in  der  ventralen  Brückenetage  mit  Nerven¬ 
zellen  in  Beziehung  setzen,  welche  ihre  Achsenzylinder  teils  zum 
Brachium  pontis  der  entgegengesetzten  und  teils  zur  homolateralen 
Seite  schicken;  es  wird  so  die  kortiko-ponto-zerebellare  Bahn  ge¬ 
bildet,  die  zum  Teil  gekreuzt  ist,  zum  Teil  nicht. 

2.  Die  gekreuzte  Bahn  kann  in  zwei  Teile  unterschieden  werden: 
der  eine,  von  den  vom  Lobus  fronto-sigmoideus  kommenden  Fasern 
gebildet,  welche  sich  in  der  ventralen  Brückenetage  mit  den  lateralen 
Zellen  in  Beziehung  setzen,  deren  Achsenzylinder,  im  ventralen  Teii 
des  Stratum  complexum  der  entgegengesetzten  Seite  verlaufend,  zum 
medialen  Teil  der  Kleinhirnhemisphäre  geht;  der  andere  von  den 
Fasern  des  Lobus  temporalis  und  des  Lobus  parietalis  gebildet, 
welche  sich  in  der  Ventralbrückenetage  mit  den  medialen  Zellen  in 
Beziehung  setzen,  deren  Achsenzylinder,  die  Pars  subpyramidalis  des 
Stratum  superficiale  durchziehend,  zum  Wurme  geht. 

3.  Die  homolaterale  Bahn  wird  von  Fasern  kortikalen,  nicht  genau 
bestimmten  Ursprungs  des  Pedunculus  cerebri  gebildet,  die  vor¬ 
wiegend  in  Beziehung  treten  zu  den  medialen  Zellen  der  para- 
lateralen  Area,  welche  den  Achsenzylinder  zum  lateralen  Teil  der 
Hemisphäre  schicken. 


4.  Die  lateralen  Zellen  der  paralateralen  Area  schicken  den 
Achsenzylinder  zum  homolateralen  Brachium  pontis;  die  Fasern 
jedoch,  zu  denen  sie  in  Beziehung  treten,  sind  nicht  genau  bestimmt. 

5.  Im  Brachium  pontis  besteht  zweifellos  ein  beträchtlicher 
zerebellofugaler  Anteil,  der  zur  Ventralbrückenetage  und  zum 
Tegmentum  pontis  der  entgegengesetzten  Seite  geht;  es  ist  jedoch 
unmöglich,  zu  bestimmen,  ob  er  einer  zerebello-ponto-kortikalen 
Bahn  angehört. 

6.  Vom  Kleinhirn  gehen  durch  das  Brachium  conjunctivum 
Fasern  zum  roten  Kern  und  zum  Thalamus  der  entgegengesetzten 
Seite;  es  ist  wahrscheinlich,  dass  eine  zerebello-thalamo-kortikale 
Bahn  besteht,  während  die  zerebello-rubro-kortikale  Bahn  sehr 
zweifelhaft  ist. 

Die  Einzelheiten  der  umfangreichen  Arbeit  müssen  im  Original 
nachgelesen  werden. 

E.  Siemerling:  Gliosis  spinalis  und  Syringomyelie,  Starke 
Beteiligung  des  Halsmarkes  mit  Zerstörung  der  Hinterstränge  hei 
erhaltener  Pupillenreaktion.  Güastift  am  Boden  des  vierten  Ven¬ 
trikels.  Hierzu  Tafeln  X— XIV  und  3  Textfiguren. 

Der  Arbeit  liegt  ein  klinisch  und  pathologisch-anatomisch  sehr 
interessanter  und  lehrreicher  Fall  zugrunde. 

R  a  e  c  k  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Die  Frühsymptome  der  arterio¬ 
sklerotischen  Gehirnerkrankung.  (Aus  der  Kgl.  psychiatrischen  und 
Nervenklinik  in  Kiel.) 

Nach  einleitenden  Vorbemerkungen  über  die  Schwierigkeit  der 
Feststellung  von  echten  Frühsymptomen  der  Hirnarteriosklerose  und 
über  die  einstweilige  Unmöglichkeit  einer  Klassifizierung  der  Friih- 
erscheinungen  nach  der  Art  ihrer  Entstehung  wendet  sich  Verf.  zur 
kritischen  Betrachtung  der  hauptsächlichsten  klinischen  Zeichen  des 
Initialstadiums.  Von  den  nervösen  Allgemeinerscheinungen  und  den 
somatischen  Störungen  werden  im  einzelnen  besprochen;  die  initiale 
Schlaflosigkeit,  Parästhesien,  Kopfschmerz,  Schwindelanfälle,  Sensi¬ 
bilitätsstörungen,  flüchtige  Herdsymptome,  Mono-  und  Hemiparesen, 
aphasische,  apraktische  und  asymbolische  Symptome,  Gesichtsfeld¬ 
defekte,  transitorische  Augenmuskellähmungen,  Pupillenverände¬ 
rungen,  Behinderung  der  Sprache,  Hypoglossus-  und  Fazialisparesen, 
Unsicherheit  der  Fingerbewegungen,  Schriftveränderungen,  Zitter¬ 
bewegungen,  Gangstörungen,  Störungen  der  Sehnenreflexe,  Erhöhung 
des  Spinaldruckes. 

Auf  psychischem  Gebiete  können  sich  früh  bemerkbar  machen 
Gedächtnisschwäche,  rasches  Ermüden  sowie  zeitweiliges  Versagen 
der  Assoziationstätigkeit  und  damit  des  Sicherinnerns,  Schwinden  der 
Gedanken  und  Fehlen  der  Worte  mitten  im  Gespräch,  Erschwerung 
des  Wortverständnisses,  geistige  Sterilität,  Verlust  an  Interesse,  Er¬ 
schwerung  der  Konzentration,  erhöhte  Reizbarkeit  und  Rührseligkeit, 
leichtere  Charakterveränderungen. 

Im  Initialstadium  der  Hirnarteriosklerose  werden  manchmal  ein 
neurasthenieartiger  Symptomenkomplex,  hypochondrische  Zustände 
und  hysteriforme  Bilder  mit  psychogenen  Zutaten  beobachtet. 
Praktisch  wichtig  ist  die  Tatsache,  dass  Geistesstörungen  verschie¬ 
denster  Art,  die  äusserlich  zunächst  den  Eindruck  heilbarer,  funktio¬ 
neller  Psychosen  erwecken,  das  Initialstadium  der  Hirnarterio¬ 
sklerose  einzuleiten  imstande  sind.  Ausser  Epilepsie  kommen 
depressive,  expansive,  paranoische  und  amentiaähnliche  Krankheits¬ 
bilder  vor;  bei  ihnen  allen  ist  auch  hier  wieder  das  Wesentliche: 
das  Schwankende  aller  Erscheinungen  und  die  grosse  Neigung  zu 
Intermissionen,  die  Verschlimmerung  durch  äussere  Schädlichkeiten 
und  die  Zugänglichkeit  für  alle  therapeutischen  Massnahmen,  welche 
auf  Ruhe  und  Schonung  abzielen.  Für  die  Sicherung  der  Diagnose 
einer  arteriosklerotischen  Psychose  ist  der  eventuelle  Nachweis 
einer  gleichzeitigen  arteriosklerotischen  Affektion  eines  anderen 
Organs  oder  der  peripheren  Arterien  von  grosser  Bedeutung.  Jedoch 
steht  die  Stärke  der  sklerotischen  Intimaverdickung  in  keiner  festen 
Beziehung  zur  Fühlbarkeit  der  Arterienwand.  Auch  eine  Blutdruck¬ 
erhöhung  gehört  nicht  notwendig  zum  Bilde  der  Arteriosklerose,  in 
der  Hauptsache  stützt  sich  in  den  ersten  Stadien  die  Abgrenzung  der 
nervösen  und  psychischen  Frühsymptome  der  Gehirnarteriosklerose 
gegenüber  den  Erscheinungen  einer  Neurasthenie,  Hysterie  od°r  aber 
gegenüber  funktionellen  Psychosen,  solange  sich  noch  keine  Zeichen 
beginnender  Verblödung  bemerkbar  machen,  allein  auf  das  Hinzu¬ 
treten  flüchtiger  somatischer  Herderscheinungen.  Auch  ob  die  gut¬ 
artigere  nervöse  Form  der  Hirnarteriosklerose  stationär  bleibt,  oder 
ob  sie  in  die  schwere  progressive  Form  übergeht,  erkennt  man 
ebenfalls  in  erster  Linie  an  der  eventuellen  Häufung  von  somatischen 
Herdsymptomen. 

Rudolf  0.  Lenel:  Ueber  Rückenmarksdegenerationen  bei 
perniziöser  Anämie.  (Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  der 
Universität  Freiburg.)  Hierzu  Tafel  XV  und  4  Textfiguren. 

Die  Arbeit  bringt  nach  eingehender  Berücksichtigung  der  ein¬ 
schlägigen  Literatur  die  ausführliche  Beschreibung  des  klinischen  und 
pathologisch-anatomischen  Bildes  eines  Falles  von  perniziöser 
Anämie  mit  Ataxie  der  oberen  und  unteren  Extremitäten,  Fehlen  des 
Bauchdeckenreflexes,  spastischer  Parese  und  Sensibilitätsstörungen 
der  Beine.  Die  Hinterstränge  fanden  sich  in  weiter  Ausdehnung, 
vom  untersten  Lendenmark  bis  zu  den  Goll-Burdach  sehen 
Kernen  mit  zirkumskripten  Herden  durchsetzt,  die  eine  typische  An¬ 
ordnung  meist  um  ein  Gefäss  herum  oder  entlang  einem  Qefäss- 
septum  aufwiesen.  Diese  Herde  zeigten  in  ihrem  Zentrum  die  Zeichen 
der  Sklerose,  in  ihrer  Peripherie  die  des  akuten  Zerfalls.  Rücken- 
markaufwärts  bedingten  sie  eine  sekundäre  Degeneration  der  sen- 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


261 


siblen  Fasern.  Die  Seitenstränge  waren  im  Lendenmark  und  unteren 
Brustmark  diffus  gelichtet.  Diese  Aufhellung  hielt  sich  mit  ziemlicher 
Exaktheit  an  die  Pyramidenseitenstrangbahnen.  Die  Kleinhirnseiten¬ 
strangbahn  fand  sich  im  Zustand  des  akutesten  Zerfalls,  aber  erst 
vom  mittleren  Brustmark  an  aufwärts.  Die  Clarke  sehen  Säulen 
waren  intakt.  Besonders  auffallend  war  bei  dem  Zerfall  der  Klein¬ 
hirnseitenstrangbahn  und  der  benachbarten  Teile  der  Pyramiden¬ 
seitenstrangbahn  die  stm-ke  Beteiligung  der  Neuroglia.  Die  Qefässe 
zeigten  einfache  Verdic*ung,  Quellung  der  Adventitia,  keine  Media¬ 
oder  Intimawucherung,  Veränderungen,  die  sich  nur  in  den  degene¬ 
rierten  Gebieten  fanden.  Die  Adventitiaquellung  ist  nur  ein  Glied  in 
der  Kette  der  Abbauvorgänge.  Die  Rückenmarksdegenerationen 
zeigten  sich  deutlich  entstanden  aus  Herden,  in  deren  Zentrum  meist 
ein  Gefäss  liegt.  Aetiologisch  ist  eine  Toxinwirkung  wahrscheinlich. 

W.  Stoecker:  Ueber  Balkenniange!  im  menschlichen  Gehirn. 
(Aus  der  Kgl.  psychiatrischen  und  Nervenklinik  in  Breslau.)  Hierzu 
Tafeln  XVI— XVIII. 

Klinisch  ist  der  vorliegende  Fall  bereits  von  0.  L.  Kliene- 
b  e  r  g  e  r  („Ein  Fall  von  Balkenmangel  bei  juveniler  Paralyse“, 
Allg.  Zeitschr.  f.  Psych.,  Bd.  67)  beschrieben  worden.  Die  eingehende 
anatomische  Darstellung  an  Serienschnitten  ergab  folgende  Haupt- 
abweichungen  vom  Bau  des  normalen  Gehirns: 

1.  Das  mächtige  Kommissurensystem  des  Balkens  fehlt.  An 
seiner  Stelle  findet  sich  ein  ausgedehntes  Längsfasersystem,  das  in 
sagittaler  Richtung  vom  Stirnhirn  bis  zum  Hinterhaupt  zieht.  Dieses 
Bündel  entspricht  in  seinen  Lagebeziehungen  und  Verlauf  einmal  der 
unter  „frontookzipitales  Assoziationsbündel“  und  „Balkenlängs- 
biindel“  von  anderen  Autoren  in  balkenlosen  Gehirnen  beschriebenen 
Faserung,  dann  aber  auch  dem  normalen  Balkenanteil  innerhalb  der 
Hemisphären.  Es  bildet  genau  wie  der  Balken  die  dorsomediale  Be¬ 
grenzung  des  Seitenventrikels,  den  gleichen  hakenförmigen  Fortsatz 
lateral  vom  Seitenventrikel,  die  sogen,  rückläufige  Balkenschicht  und 
im  Hinterhauptslappen  das  Tapetum  des  Ventrikels.  Desgleichen  gibt 
dieses  Bündel  während  seines  ganzen  Verlaufes  in  derselben  Weise 
wie  der  Balken  Fasern  an  seine  Umgebung  ab.  Der  einzige  Unter¬ 
schied  besteht  in  dem  Fehlen  des  beide  Teile  verbindenden  Zwischen¬ 
stückes. 

2.  Die  Fornixschenkel  und  -Säulen  vereinigen  sich  nicht  in  der 
Mittellinie  zum  Fornixkörper,  sondern  bleiben  dauernd  getrennt. 

3.  Ein  Septum  pellucidum  ist  nicht  vorhanden. 

4.  Der  Gyrus  fornicatus  ist  eine  breite  Windungsmasse,  welche 
beiderseits  bis  an  die  grosse  Längsspalte  reicht. 

5.  Eine  Comtnissura  anterior  ist  deutlich  vorhanden,  zeigt  durch¬ 
aus  der  Norm  entsprechende  Verhältnisse. 

6.  Ausserdem  zeigt  der  Windungs-  und  Furchenverlauf  an  der 
medialen  Seite,  sowie  an  der  Konvexität  gewisse  Abweichungen  von 
der  Norm. 

Max  Käst  an:  Der  Adrenalingehalt  des  Blutes  bei  einigen 

Psychosen.  (Aus  der  psychiatrischen  Klinik  und  dem  physiologischen 
Institut  zu  Rostock.)  Hierzu  Tafel  XIX. 

Von  17  Imbezillen  und  Idioten  zeigten  11  eine  erhebliche  Herab¬ 
setzung  des  Adrenalingehaltes  im  Blutplasma,  3  eine  mässige  Ver¬ 
ringerung  und  nur  3  die  Normalwerte.  Von  4  senilen  Psychosen 
Hessen  2  Fälle  von  seniler  Demenz,  davon  einer  mit  melancholischen 
Zügen,  keine  Abweichung  von  dem  normalen  Adrenalingehalt  er¬ 
kennen.  Bei  Fall  3  (präseniler  Beeinträchtigungswahn  mit  Hallu¬ 
zinationen)  und  4  (Presbyophrenie)  erweiterten  sich  die  Gefässe 
sogar.  Das  wichtigste  Ergebnis  der  Untersuchungen  erscheint  dem 
Verf.  der  mögliche  Nachweis,  ob  eine  Idiotie  oder  stärkere  Imbe¬ 
zillität  erworben  ist  oder  schon  in  der  ersten  Anlage  präformiert  ist. 
Betreffs  der  Untersuchungstechnik  und  der  Einzelheiten  der  Unter¬ 
suchungsergebnisse  wird  auf  das  Original  verwiesen. 

0.  Pförtner:  Die  weissen  Blutkörperchen  beim  Jugend¬ 
irresein.  (Aus  der  Universitätsklinik  für  psychische  und  Nerven¬ 
krankheiten  in  Göttingen.) 

Bei  90  an  Jugendirresein  Erkrankten  entnahm  Verf.  das  Blut 
einmal  oder  auch  mehrere  Male,  jedesmal  dann  in  Abständen  von 
mehreren  Wochen  und  stellte  ausserdem  bei  den  verschiedensten 
anderen  Geisteskranken  Kontrolluntersuchungen  an.  Nur  mit  ver¬ 
schwindend  wenigen  Ausnahmen  fand  sich  beim  Jugendirresein  eine 
Abnahme  der  polynukleären  Zellen  und  eine  Zunahme  der  Lympho¬ 
zyten.  Ebenso  war  die  Prozentzahl  der  Mononukleären  und  Ueber- 
gangsformen  bei  58,4  Proz.  der  Gesamtuntersuchungen  über  die 
Norm  erhöht.  Die  Prozentzahl  der  eosinophilen  Zellen  fand  sich  nur 
bei  15,3  Proz.  aller  Untersuchungen  erhöht,  bei  43,2  Proz.  dagegen 
sogar  unter  der  Norm.  Auch  die  Mastzellen  zeigten  in  einigen 
wenigen  Fällen  eine  ganz  geringe  Vermehrung.  Was  die  absoiute 
Zahl  der  Leukozyten  im  Kubikmillimeter  anbetrifft,  so  fanden  sich 
im  allgemeinen  ganz  normale  Zahlenwerte  oder  nur  eine  mässige 
Vermehrung  der  weissen  Blutkörperchen.  Bei  mehreren  Unter¬ 
suchungen  sank  sogar  die  absolute  Zahl  der  Leukozyten  unter  6000 
ms  zu  3600  herab.  Bezüglich  des  Leukozytenbefundes  Hess  sich  kein 
Unterschied  zwischen  der  hebephrenen,  paranoiden  und  katatonen 
f  orm  des  Jugendirreseins,  zwischen  den  einzelnen  Zustandsbildern 
und  hinsichtlich  des  ganzen  Verlaufes  der  einzelnen  Fälle  heraus¬ 
konstruieren.  Bei  der  Manie,  bei  Paralytikern  und  Epileptikern 
tanden  sich  zuweilen,  wenn  auch  nicht  häufig,  ganz  gleiche  Befunde 
v  ie  beim  Jugendirresein.  Blutkrisen  und  Hyperleukozytosen  konnten 
zweimal  im  Verlaufe  des  Jugendirreseins  festgestellt  werden. 


Beiden  Fällen  gemeinsam  war  die  starke  Verwirrtheit  und  Rat¬ 
losigkeit,  das  Halluzinieren,  die  hochgradige  Angst  mit  Versündigungs¬ 
und  Ueberwältigungsideen,  die  grosse  Unruhe  und  die  ausgesprochen 
rein  psychomotorischen  Bewegungsstörungen.  Beide  Kranken  machen 
zur  Zeit  der  grösseren  Unruhe  den  Eindruck  einer  schweren 
deliranten  Verwirrtheit.  Die  Hyperleukozytose  in  diesen  Fällen,  vor 
allem  die  hochgradige  Vermehrung  der  neutrophilen  Leukozyten,  ist 
wohl  als  ein  Schutzreflex  des  Organismus  anzusehen,  der  durch 
irgend  eine  Schädigung  toxischer  Natur  ausgelöst  ist. 

37.  Wanderversammlung  der  Südwestdeutschen  Neurologen  und 
Irrenärzte  in  Baden-Baden  am  8.  und  9.  Juni  1912. 

Offizielles  Protokoll. 

Referate.  —  Kleinere  Mitteilungen. 

Germanus  F  1  a  t  a  u  -  Dresden. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  54.  Heft  1  u.  2. 

1)  Fritz  Stromeyer:  Die  Pathogenese  des  Ulcus  ventriculi, 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  nach  den  Beziehungen  zwischen  Ulcus 

und  Karzinom.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Freiburg  i.  Br.) 

St.  hat  20  Fälle  von  einfachem  Magengeschwür  und  7  Fälle 
von  Geschwür  mit  bezw.  bei  Magenkarzinom  untersucht  und  diese 
anatomischen  und  zum  Teil  auch  histologischen  Untersuchungen  in 
der  vorliegenden  umfangreichen  Arbeit  niedergelegt. 

Die  aus  den  Untersuchungsergebnissen  gezogenen  Folgerungen 
sind  zum  Teil  den  herrschenden  Anschauungen  direkt  widersprechend. 

Verf.  spricht  der  mechanischen  Entstehung  der 
Ulzera  das  Wort,  indem  er  besonders  auf  die  Reibung  und  Schiebung 
der  Speisemasse  auf  der  Schleimhaut  entlang  der  kleinen  Kurvatur 
hinweist,  wo  die  Schleimhaut  zudem  eine  geringere  Verschieblichkeit 
besitze  als  an  anderen  Stellen.  Die  durch  die  Magenperistaltik  be¬ 
dingte  Zug-  oder  Schiebewirkung  soll  auch  nach  Verf.  die  typische 
schräg  gestellte  Trichterform  der  Ulzera  im  wesentlichsten  bedingen 
im  Gegensatz  zu  den  allgemeinen  Anschauungen,  dass  die  Trichter¬ 
form  (mit  dem  terrassenförmigen  Abfall  der  Geschwürsränder)  der 
Ausbreitung  der  kleineren  Magenwandgefässe  entspräche!  Die  Be¬ 
deutung  der  primären  Gefässwanderkrankung  für  die  Genese  des 
Ulcus  pepticum  wird  gewiss  mit  Recht  gering  eingeschätzt. 

Was  endlich  die  Beziehung  des  chronischen  Ulcus  ventriculi  zum 
Magenkarzinom  betrifft,  so  will  zwar  Verf.  die  Möglichkeit  der 
krebsigen  Umwandlung  der  Geschwürsränder  nicht  in  Abrede  stellen 
(eine  n  derartigen  Fall  beschreibt  er  selbst),  doch  glaubt  er,  dass 
sie  in  ihrer  Häufigkeit  überschätzt  werde  und  dass  die  sekundäre 
Entstehung  eines  Geschwürs  im  primären  Karzinom  „das  weitaus 
häufigere“  sei.  (??  Ref.) 

2)  Werner  Hu  eck:  Pigmentstudien.  (Aus  dem  Pathol.  Institut 
zu  München.)  (Habilitationsschrift  des  Autors.) 

Es  ist  ganz  unzweifelhaft,  dass  auf  dem  Gebiet  der  normalen 
und  pathologischen  Pigmente  des  menschlichen  Körpers  trotz  der 
grossen  Literatur  eine  ungeheuere  Verwirrung  herrscht;  in  der  vor¬ 
liegenden  sehr  interessanten  und  ausserordentlich  sorgfältigen 
Arbeit  versucht  Verf.  auf  Grund  systematischer  mikrochemischer 
Untersuchung  und  vergleichender  chemischer  Gewebsanalysen  diese 
verschiedenen  Pigmente  in  ein  System  zu  bringen. 

Bei  der  mikrochemischen  Untersuchung  und  Differenzierung 
spielt  der  Eisennachweis  in  den  Pigmenten  eine  wichtige  Rolle;  hier 
weist  H.  auf  die  bisherigen  vielfach  widersprechenden  Resultate  hin, 
die  sich  bei  sorgfältiger  Anwendung  der  kombinierten  Schwefel¬ 
ammonium-  und  Turnbullblaumethode  vermeiden  lassen 
sollen. 

H.  leitete  aus  dem  menschlichen  Blutfarbstoff  nur  Hämo¬ 
siderin  und  Hämatoidin  ab,  die  weder  in  einander  noch  aus 
einander  hervorgehen;  das  Hämosiderin,  aus  dem  sich  übrigens  nie¬ 
mals  ein  eisenfreies  Pigment  bildet,  wird  charakterisiert  als  ein  in 
Säuren  löslicher,  gegen  Alkalien,  Fettlösungs-  und  Bleichmittel 
resistenter  Körper,  der  die  Eisenreaktion  ergibt  und  vielleicht  als 
ein  im  chemischen  Sinn  kolloidales  Eisenoxyd  aufgefasst  werden 
kann,  das  in  lockerer  Form  an  Eiweiss-  und  Fettsubstanzen  ge¬ 
bunden  ist.  Das  Hämosiderin  tritt  nur  im  lebenden,  das  Hämatoidin 
nur  im  absterbenden  Gewebe  in  Erscheinung. 

Weiter  trennt  H.  ein  eisenfreies  „fetthaltiges  Abnutzungs¬ 
pigment“  L  i  p  o  f  u  s  c  i  n  (nach  Bors  t),  dessen  Entstehung  aus 
lipoiden  Stoffen  angenommen  wird,  in  dem  vielleicht  Fettsäuren  durch 
Oxydation  in  braungefärbte  Stufen  übergehen;  das  sogen.  Hämo- 
f  u  s  c  i  n  (in  der  glatten  Musculatur  etc.)  ist  ebenfalls  ein  solches  Lipo- 
fuscin.  Für  das  Melanin  endlich  (Pigment  der  Epidermis  und 
Kutis,  Retina  mit  Chorioidea,  Ganglienzellen  und  Pia  mater)  wird 
eine  Abkunft  von  gewissen  Eiweissubstanzen  angenommen,  es  wird 
von  den  fetthaltigen  Abnutzungspigmenten  getrennt. 

Ein  Vergleich  der  mikrochemischen  und  chemisch-analytischen 
Untersuchungsresultate  zeigt  weitgehendste  Uebereinstimmung,  d.  li. 
die  Intensität  der  mikrochemischen  Reaktion  geht  parallel  dem 
steigenden  Eisengehalt  der  durch  Auswaschung  blutfrei  gemachten 
Gewebe. 

3)  Joh.  Ipsen:  Untersuchungen  über  die  G  r  a  w  i  t  z  sehen 
Geschwülste.  (Aus  dem  Laboratorium  der  Chirurg.  Abteilung  C  des 
Reichskrankenhauses  Dänemarks.) 

Auf  Grund  histologischer  und  chemischer  (Fettgehalt!)  Unter¬ 
suchungen  lehnt  auch  I.  die  Herkunft  der  sogen.  Grawitzschen 


262 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  5. 


Tumoren  aus  überzähligen  Nebennieren  ab,  sondern  führt  sie,  wie 
Sabourin,  S  u  d  e  c  k,  S  t  o  e  r  k,  Z  e  h  b  e  u.  a.  auf  das  Nieren¬ 
parenchym  als  Geschwulstmatrix  zurück. 

4)  Ed.  Bundschuh:  Ein  weiterer  Fall  von  tuberöser  Sklerose 
des  Gehirns  mit  Tumoren  der  Dura  mater,  des  Herzens  und  der 
Nieren.  (Aus  dem  Pathol.-hygienischen  Institut  der  Stadt  Chemnitz.) 

In  dem  vorliegenden  genau  histologisch  beschriebenen  Falle 
(2  jähriges  Mädchen)  werden  die  gefundenen  Veränderungen  als 
Störungen  in  der  embryonalen  Entwicklung,  Hemmung  in  der 
Differenzierung,  z.  T.  falsche  Differenzierung  mit  abnormer  Wuche¬ 
rung  der  falsch  differenzierten  Zellen,  z.  T.  mit  richtiger  Tumor¬ 
bildung  (Tumoren  der  Ventrikel,  Gliom  der  Dura  mater  und  Tumoren 
des  Herzmuskels)  aufgefasst. 

5)  Henri.  Rautmann:  Ueber  Blutbildung  bei  fötaler  allge¬ 
meiner  Wassersucht.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  der  Stadt  Chemnitz.) 

Im  Gegensatz  zu  anderen  Autoren  betrachtet  Verf.  die  auch  in 
diesem  Fall  von  angeborener  Wassersucht  (9  monatliche  Frühgeburt) 
festgestellten  hochgradigen  fötalen  Blutbildungsherde  in  Leber,  Milz 
und  Nieren  als  primäre  Wucherungsvorgänge  und  nicht  als  repara- 
torische  erythroblästische  Bildungen  (d.  h.  als  Folge  der  primären 
Anämie),  noch  auch  die  Erkrankung  als  fötale  Leukämie,  da  einer¬ 
seits  die  degenerativen  Veränderungen  an  dem  roten  Blutkörperchen 
zu  gering  sind  und  andererseits  die  Leukozyten  im  Blutbild  völlig 
zurücktreten.  Nachdem  auch  Syphilis  völlig  auszuschliessen  ist, 
glaubt  R.  in  der  schweren  Nephritis  der  Mutter  und  den  damit  ver¬ 
bundenen  Stoffwechselstörungen  die  Ursache  für  jene  Veränderungen 
erblicken  zu  müssen;  die  fötalen  Nieren  erwiesen  sich  freilich  intakt. 

6)  Ernst  Ne  über:  Die  Gitterfasern  des  Herzens.  (Aus  dem 
Kgl.  ungarischen  pathol.-anatom.  Institut  in  Pest.) 

Das  wohl  entwickelte  Gitterfasergerüst  des  Herzmuskels  er¬ 
scheint  bei  pathologischen  Degenerationen  unverändert,  bei  atro¬ 
phischen  Zuständen  vermehrt  und  verdickt  (erklärlich  durch  den 
Schwund  der  Muskelfasern),  in  Schwielen  fehlen  die  Gitterfasern  und 
werden  ersetzt  durch  elastische  Elemente. 

7)  J.  F.  Poscharisky:  Zur  Frage  des  Fettgehaltes  der  Milz. 
(Aus  dem  Pathol.  Institut  der  Universität  zu  Warschau.) 

Das  in  der  pathologisch  veränderten  Milz  in  Form  feinster 
Tröpfchen  zu  findende  Fett  (Neutralfett)  findet  sich  bei  Kindern  meist 
in  den  Follikelzellen,  bei  Erwachsenen  in  der  Pulpa,  in  dem  Gefäss- 
und  Stützapparat;  auch  in  der  Milz  enthalten  Hyalin  und  Amyloid 
meist  viel  Fetttröpfchen. 

8)  Nicol:  Ueber  genuine  eitrige  Parotitis.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  zu  Freiburg  i.  Br.) 

N.  glaubt  nachweisen  zu  können,  dass  es  sich  um  eine  aszen- 
dierende  Infektion  (von  der  Mundhöhle  aus)  handelt,  die  im  Lumen 
des  Drüsenparenchyms  und  zwar  am  Uebergang  von  den  Sekret- 
rohren  zu  den  Schallstücken  einsetzt  und  sekundär  auf  interstitielles 
Gewebe  und  Drüsenzellen  übergeht;  in  einer  Funktionsstörung  der 
Drüse,  d.  h.  im  Sistieren  der  mechanischen  Ausspülung  der  Drüsen¬ 
ausführungsgänge  erblickt  N.  die  Gelegenheitsursache  für  die  aszen- 
dierende  Infektion  von  der  Mundhöhle  aus.  N.  stellt  eine  gute  Ueber- 
sicht  über  die  Einteilung  der  primären  und  sekundären  Parotitis  auf. 

9)  Walther  Georgi:  Experimentelle  Untersuchungen  zur 
Einbolielokalisation  in  der  Lunge.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu 
München.) 

Nach  den  experimentellen  Untersuchungen  des  Verf.  ist  eine 
Gesetzmässigkeit  bei  der  Verschleppung  von  embolischem  Material 
in  die  Pulmonalarterienäste,  wie  sie  Kretz  annimmt,  nicht  fest¬ 
zustellen. 

10)  Hermann  Stieve:  Transplantationsversuche  mit  dem 
experimentell  erzeugten  Riesenzellengranulom.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  des  Krankenhauses  München  r.  d.  Isar.) 

Die  durch  intraperitoneale  Injektion  von  allerfeinsten  Kieselgur- 
aut'schwemmungen  erzeugten  Riesenzellengranulome  (Podwys- 
sotzki,  Schirokogoroff),  —  durch  rein  formativen  Reiz  ent¬ 
standene  Granulationsgeschwülste  —  zeigen  manche  Aehnlichkeit  mit 
wirklichen  Geschwülsten  (Form,  exzedierendes  Wachstum,  Neigung 
zur  Nekrose  etc.),  wie  dies  auch  die  vorliegende  Arbeit  beweist. 
Durch  Ueber  impfung  solcher  Riesenzellengranulome,  teils  in 
Form  von  Stückchenimpfung,  teils  als  Breiinjektionen,  konnte  St. 
nun  aber  zeigen,  dass  dadurch  die  Proliferationskraft  der  binde¬ 
gewebigen  Granulomzellen  noch  wesentlich  gesteigert  wird,  indem 
dieselben  auf  dem  neuen  (artgleichen)  Mutterboden  ein  überstürztes 
infiltratives  Wachstum  einschlagen,  das  über  ihre  ursprüngliche  Be¬ 
stimmung  der  Abkapselung  der  Fremdkörper  (Kieselgurnadeln)  weit 
hinausgeht  und  an  die  biologischen  Eigenschaften  der  Geschwülste 
heranreicht!  H.  M  e  r  k  e  1  -  Erlangen. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie, 

70.  Band,  6.  Heft. 

O.  Gros:  Ueber  den  Wirkungsmechanismus  kolloidaler  Silber¬ 
halogenide.  (Pharmakol.  Institut  Leipzig.) 

Verf.  geht  aus  von  Versuchen  mit  Chlorsilber  und  Jodsilber,  die 
er  Kaninchen  intravenös  zuführte,  erörtert  ausführlich  die  Wirkungs¬ 
weise  dieser  Körper,  die  Abhängigkeit  der  toxischen  Wirkung  von 
der  Dissoziation  etc.  und  schliesst  daran  allgemeine  Ausführungen 
über  den  „pharmakody Hämischen  Grenzwert“  der  Substanzen  und 
über  die  Bedeutung  der  wirksamen  Menge  und  der  wirksamen  Kon¬ 


zentration  eines  Arzneimittels.  Zum  Referat  im  einzelnen  nicht  ge¬ 
eignet. 

M.  C  1  o  e  1 1  a  -  Zürich :  ln  welcher  Respirationsphase  ist  die 
Lunge  am  besten  durchblutet? 

Verf.  hat  neue  Versuche  in  der  von  ihm  angegebenen  Anordnung 
(dieses  Archiv  Bd.  66)  gemacht  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass 
bei  Beginn  der  Inspiration  ohne  Mehrleistung  des  rechten  Ventrikels 
die  Blutzufuhr  zu  den  Lungen  durch  Geradestellen  der  Kapillaren 
und  geringe  Erweiterung  derselben  erleichtert  wird.  Bei  weiterem 
Luftzutritt  in  die  Alveolen  hört  diese  physikalische  Begünstigung  auf, 
die  Lungengefässe  werden  durch  Längsdehnung  und  Kompression  de¬ 
formiert  und  die  Zirkulation  kann  nur  durch  Mehrleistung  des  rechten 
Ventrikels  aufrecht  erhalten  werden.  Dagegen  ist  in  diesem  Stadium 
durch  Verlangsamung  der  Strömung  und  Vergrösserung  der  Kontakt¬ 
fläche  der  Gasaustausch  erleichtert.  Die  Durchblutung  ist  also  am 
besten,  wenn  die  Lunge  von  der  Exspirationsstellung  aus  ganz  kleine 
Inspirationsbewegungen  ausfiihrt,  wie  dies  z.  B.  beim  einseitigen 
Pneumothorax  der  Fall  ist  und  bei  Thorakoplastik.  Auf  der  Höhe  der 
Inspiration  ist  die  Durchblutung  am  schlechtesten,  bei  exspiratorischer 
Ruhe  besser. 

Cushny:  Zur  Arbeit  von  E.  Hug:  „Ueber  die  Wirkung  des 
Skopolamins.“ 

H  u  g  s  Methodik  ist  zu  ungenau,  als  dass  seine  Resultate  die 
früheren  des  Verfassers  erschüttern  könnten.  Klinische  Versuche 
zeigten,  dass  die  beiden  Isomeren  des  Skopolamins  gleiche  narkotische 
Wirkung  haben. 

A.  Holste:  Ueber  den  Einfluss  der  Giftmenge  und  Giftkonzen¬ 
tration  der  Stoffe  der  Digitalingruppe  auf  die  Wirkung  am  Frosch¬ 
herzen.  (Pharm.  Institut  Strassburg.) 

Bei  einem  Teil  der  Versuche  war  der  Eintritt  des  systolischen 
Stillstandes  von  der  absoluten  zugeführten  Giftmenge  unabhängig, 
im  anderen  zeigte  sich  ein  deutlicher  Einfluss  der  Konzentration  bei 
gleichen  Giftmengen. 

Derselbe:  Systole  und  Diastole  des  Herzens  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  Digitalinwirkung. 

Die  kolloidalen  Bestandteile  des  Blutes  und  Serums  hindern  den 
Flüssigkeitsdurchtritt  durch  die  Herzwandung  von  aussen,  der  Durch- 
strömungsfliissigkeit  zugesetztes  Strophanthin  wirkt  daher  nur  auf 
die  inneren  Schichten  des  Herzmuskels  und  führt  systolischen  Still¬ 
stand  herbei.  Bei  Anwendung  von  Ringerlösung  kann  bei  geringer 
Strophanthinkonzentration  dieses  die  äusseren  Schichten  durchdringen 
und  diastolischen  Stillstand  herbeiführen,  ehe  durch  Wirkung  auf  die 
inneren  Muskelschichten  systolischer  Stillstand  entsteht. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  43.  Bd.,  1912. 
2.  Heft. 

1)  Friedrich  Auerbach  und  Hans  Pick-  Berlin :  Die  Alka¬ 
lität  von  Pankreassaft  und  Darmsaft  lebender  Hunde. 

Die  Untersuchungen  wurden  angestellt  mit  Hilfe  von  physi¬ 
kalischen  chemischen  Methoden,  welche  es  ermöglichen,  die 
Reaktion  resp.  die  A  1  k  a  1  i  n  i  t  ä  t  oder  Säure  der  menschlichen 
Säfte  sicherer  zu  beurteilen,  wie  es  mit  den  bisherigen  Methoden  der 
Fall  war.  Bisher  wurde  fast  allgemein  dem  Pankreassaft  und  z.  T. 
auch  dem  Darmsaft  eine  starke  alkalische  Reaktion  zugeschrieben, 
während  man  nunmehr  das  Blut  und  andere  Flüssigkeiten  als  neutral 
erkannt  hat.  Mit  Hilfe  der  elektrometrischen,  der  koloriskopischen 
und  der  titrimetrischen  Methode  gelang  es  übereinstimmend  nach¬ 
zuweisen,  dass  die  Alkalität  dieser  Säfte  nur  etwa  diejenige  einer 
Natriumbikarbonatlösung,  aber  bei  weitem  nicht  die  einer  Soda¬ 
lösung  ist.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  ist  im  Pankreassaft,  mit 
Sicherheit  im  Darmsaft  neben  Bikarbonat  noch  etwas  freie  Kohlen¬ 
säure  vorhanden,  so  dass  von  den  freien  Säften  Phenolphthalein 
nicht  oder  nur  etwas  gerötet  wird.  Die  Untersuchungen  wurden  mit 
3  Proben  von  Darmsaft  und  19  Proben  von  Pankreassaft  ausgeführt, 
welche  von  lebenden  Hunden  durch  permanente  Fisteln  gewonnen 
waren.  Die  anorganischen  Bestandteile  der  Säfte  sind  im  wesent¬ 
lichen  NaHCOs  und  NaCl,  wobei  im  Pankreassaft  das  Bikarbonat, 
im  Darmsaft  das  Chlorid  überwiegt.  Will  man  Versuche  mit 
Pankreas-  und  Darmfermenten  anstellen,  so  soll  man  sie,  um  die 
natürlichen  Verhältnisse  wahrzunehmen,  in  Bikarbonatlösung  oder 
noch  besser  in  freie  Kohlensäure  enthaltender  Bikarbonatlösung 
anstellen. 

2)  E.  Rost  und  Fr.  F  r  a  n  z  -  Berlin :  Vergleichende  Unter¬ 
suchungen  der  pharmakologischen  Wirkungen  der  organisch  ge¬ 
bundenen  schwefligen  Säuren  und  des  neutralen  schwefligsauren 
Natriums. 

Im  Anschluss  an  die  früheren  Untersuchungen  des  Verfassers 
über  die  Wirkung  der  schwefligen  Säure  sind  in  Ergänzung  und 
Fortführung  der  bisherigen  Resultate  weitere  Experimente  über  die 
Wirkung  bei  wiederholter  Zufuhr,  über  die  Wirkung 
dauernd  zu  geführter  kleiner  Mengen,  über  die  Be¬ 
einflussung  des  Stoff  Umsatzes,  über  das  Schicksal 
der  Säure  im  Organismus  und  die  Einwirkung  auf 
den  Menschen  ausgeführt  worden.  Benützt  wurde  neutrales  und 
schwefligsaures  Natron,  sowie  komplexe  schweflige  Säure.  Im  allge¬ 
meinen  lassen  sich  Giftwirkungen  nur  unter  ganz  bestimmten 
Voraussetzungen  erzielen.  Bei  Hunden  wird  Erbrechen  erzeugt, 
wenn  per  os  eine  bestimmte  Menge  und  Konzentration  überschritten 


{!.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


263 


v'ird.  Geringere  Dosen  werden  auch  bei  monatelanger  Versuchs¬ 
lauer  reaktionslos  vertragen.  Die  Ansichten  Kionkas,  dass  die 
chweflige  Säure  Blutgiftwirkungen  und  entzündungserregende  Eigen- 
chaften  auf  Nieren  ausübe,  ist  nach  Rost  irrtümlich.  Kleine  Fische 
eigen  in  Lösungen  von  schwefliger  Säure  und  ihren  Verbindungen 
as  bekannte  Bild  der  zentralen  Lähmung.  Beim  Menschen 
önnen  unter  Umständen  Magendarmreizungen  auftreten,  die  in 
Achtem  Aufstossen  und  Magendrücken  bestehen,  aber  auch  zu 
olgeerscheinungen  schwerer  Art  führen  können.  Derartige  Sym- 
itome  wurden  vom  Verf.  an  sich  bei  einmaliger  Gabe  von  1  g 
latriumsulfit  und  an  einer  anderen  Person  nach  einer  2  maligen 
tosis  von  5,8  Sulfit  beobachtet,  ln  Stoffwechselversuchen  zeigte  sich, 
ass  unter  besonderen  Verhältnissen  eine  ganz  geringe  Verschlechte- 
ung  der  Ausnützung  der  Eiweiss-  und  Fettnahrung  eintrat,  dass  aber 
er  Stickstoffumsatz,  die  Kohlensäure-  und  Wasserausscheidung  in 
einem  Falle  verändert  war.  Die  schweflige  Säure  verfällt  sehr 
asch  einer  Oxydation  im  Körper.  Wo  dieselbe  jedoch  zustande 
ommt,  ist  noch  nicht  festgestellt.  Die  Wirkung  ist  eine  äusserst 
richtige.  Im  ganzen  kann  die  Wirkung  der  schwefligen  Säure  als 
ialz Wirkung  aufgefasst  werden;  bei  Kaninchen  ist  ein  Teil 
er  örtlichen  Wirkung  als  Säurewirkung  aufzufassen. 

3)  A.  W  e  i  t  z  e  1  -  Berlin;  Die  bei  Stoffwechselversuchen  am 
»lenschen  und  Tier  zur  chemischen  Untersuchung  der  verabfolgten 
Jahrungsmittel  und  der  Ausscheidungsprodukte  angewendeten  Ver- 
ahren. 

Verf.  gibt  hier  eine  Uebersicht  über  die  Verfahren  der  Herstel- 
ing  und  Untersuchung  der  bei  den  Stoffwechselversuchen  ge¬ 
rauchten  Nahrungsmittel.  R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  4,  1913. 

1)  J.  Veit- Berlin:  Die  Eklampsie  und  ihre  Behandlung. 

Es  besteht  die  ziemlich  sichere  Aussicht,  dass  es  in  absehbarer 
'eit  gelingen  wird,  das  Gegengift  gegen  das  eklamptische  Gift  her- 
ustellen.  Bis  dahin  aber  haben  wir  in  der  Schnellentbindung  wie 
:i  dem  Aderlass  vereint  mit  Narkotizis  gute  Verfahren,  welche  viel¬ 
sicht  in  ihrer  Kombination  besonders  gute  Erfolge  zeigen  werden. 

2)  Karl  L  e  w  i  n  -  Berlin:  Versuche  über  die  Biologie  der  Tier¬ 
eschwülste.  (Nach  einem  Vortrag  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
m  18.  Dezember  1912.) 

cf.  pag.  2926  edr  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

3)  J.  Boas -Berlin:  Beitrag  zur  Methodik  und  Technik  der 
kkulten  Blutuntersuchung  des  Magendarmkanals. 

Die  vom  Verf.  modifizierte  Guajakprobe  gestaltet  sich  folgender¬ 
lassen:  Mehrere,  etwa  bohnengrosse  Fäzespartikel  werden  in  einer 
'orzellanschale  unter  allmähligem  Zusatz  einer  Eisessigalkohol- 
lischung  (1:3)  zerrieben  und  durch  ein  kleines  Filter  filtriert.  Ist  das 
iltrat  stark  braun  gefärbt,  so  kann  man  noch  2 — 3  ccm  Alkohol  zu- 
etzen.  Sodann  stellt  man  sich  durch  Auflösen  von  feinpulverisiertem 
iuajakharz  eine  eben  schwach  gelbe  alkoholische  Lösung  her,  fügt 
iervon  10 — 15  Tropfen  zum  Filtrat  und  ohne  Umschütteln  15  bis 
•0  1  ropfen  3  proz.  HaCL-Lösung  hinzu.  Bei  Blutanwesenheit  tritt 
ann  eine  tiefblaue  bis  stark  violette  Färbung  auf. 

4)  B  e  t  k  e  -  Frankfurt  a.  M. :  Resektion  von  tuberkulösen  Bi- 
irkationslymphdrüsen  wegen  Trachealstenose. 

Kasuistischer  Beitrag. 

5)  H  ö  r  z  -  Breslau :  Transduodenale  Hepatikusdrainage.  (Aus- 
ugsweise  vorgetragen  in  der  Breslauer  chirurgischen  Gesellschaft 
m  9.  Dezember  1912.) 

Drei  Fälle  von  transduodenaler  Hepatikusdrainage,  von  denen 
ie  beiden  ersten  genau  nach  der  Völck  ersehen  Methode  operiert 
urden,  beim  dritten  wandte  der  Verfasser  eine  kleine  Modifikation 
n,  die  darin  besteht,  dass  zunächst  ohne  Eröffnung  des  Darmlumens 
ie  hintere  Anastomosenwand  hergestellt  wird,  analog  der  Anlegung 
er  hinteren  Wand  bei  der  Gastroenterostomie  mit  Naht.  Dann  erst 
_ird  das  transduodenale  Drain  eingeführt  und  das  Darmlumen  er- 
ffnet.  Aus  dieser  Oeffnung  wird  das  Drainende  durch  die  Chole- 
ochusinzision  einige  Zentimeter  weit  in  den  Hepatikus  eingeführt, 
'en  Schluss  der  Operation  bildet  die  Herstellung  der  vorderen  Ana- 
tomosenwand  mittels  einfacher  oder  doppelter  Nahtreihe. 

6)  Heinrich  Harttung  -  Breslau :  Ueber  Spontangangrän  des 
eigefingers  und  symmetrische  Gangrän.  (Nach  einer  Demonstration 
i  der  med.  Sektion  der  vaterländischen  Gesellschaft  zu  Breslau  am 

Dezember  1912.) 

Kasuistischer  Beitrag. 

7)  Franz  N  a g  e  1  s  c  h  m  i  d  t  -  Berlin:  Ueber  die  elektrische  Be- 
andlung  der  Fettleibigkeit.  (Demonstrationsvortrag  in  der  Berliner 
ied.  Gesellschaft  am  27.  Nov.  1912.) 

cf.  pag.  2704  der  Münch,  med.  Wochenschrift  1912. 

8)  J.  PI  e  s  c  h  -  Berlin:  Zur  Frage  der  chemischen  Einwirkungen 
es  Thorium  X  auf  organische  Substanzen,  besonders  auf  die  Harn- 

iiure. 

Verf.  äussert  Bedenken  gegen  die  Publikation  von  F  a  1 1  a  und 
eh  n  er  in  No.  12  der  Berliner  klinischen  Wochenschrift  1912,  und 
udert  die  Autoren  auf,  ihre  Befunde  zu  revidieren. 

9)  Edmund  S  a  a  1  f  e  1  d  -  Berlin :  Ueber  Radium-  und  Meso- 
tioriumbehandlung  bei  Hautkrankheiten.  (Vortrag,  gehalten  in  der 
itzung  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  am  7.  Dezember  1912.) 

cf.  pag.  2842  der  Miinch.  med.  Wochenschrift  1912. 


10)  W.  Alexander  und  E.  U  n  g  e  r  -  Berlin:  Zur  Behandlung 
|  schwerer  Gesichtsneuralgien.  Alkoholiniektion  ins  Ganglion  Gasseri. 

(Nach  einer  Demonstration  in  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft 
am  13.  November  1912.) 

cf.  pag.  2595  der  Münch,  med.  Wochenschrift  1912. 

11)  T  r  eitel:  Klinische  Erfahrungen  mit  Adamon  bei  den  Reiz¬ 
zuständen  der  akuten  Gonorrhöe. 

Auf  Grund  seiner  günstigen  Erfahrungen  kann  der  Verfasser  das 
Adamon  empfehlen  zur  Verringerung  der  Beschwerden  bei  akuter 
Gonorrhöe.  Er  ordinierte  es  in  Tablettenform,  und  zwar  2  Tabletten 
von  je  0,5  g  zwischen  5  und  6  Uhr  abends  und  2  weitere  %  Stunde 
vor  dem  Schlafengehen  in  Wasser  aufgeschwemmt. 

12)  Georg  S  c  h  m  i  d  t  -  Berlin:  Neuerungen  im  Bereiche  der 
preussischen  Heeressanitätsverwaltung  während  des  Jahres  1912. 

Sammelreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  4,  1913. 

1)  Victor  K  1  i  n  g  m  ii  1 1  e  r  -  Kiel :  Die  Behandlung  der  Dermato¬ 
mykosen. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  B.  M  ö  1 1  e  r  s  und  G.  W  o  1  f  f :  Experimentelle  Untersuchungen 
mit  dem  Z  e  u  n  e  r  sehen  Tuberkulosepräparat  „Tebesapin“. 

Tebesapin  ist  ein  Präparat,  welches  von  Perlsuchtbazillen  ge¬ 
wonnen  wird  durch  siebentägige  Einwirkung  von  2  proz.  ölsaurem 
Natrium  und  einstiindiges  Erhitzen  auf  70—72°.  Selbst  die  stärkst- 
konzentrierten  Präparate  vermochten  bei  intraperitonealer  Ein¬ 
spritzung  an  tuberkulösen  Meerschweinchen  nicht  den  Tuberkulintod 
herbeizuführen.  Ferner  zeigte  das  Tebesapin  keine  Heilwirkung  bei 
i  tuberkulös  infizierten  Kaninchen,  auch  dann  nicht,  wenn  die  Ein¬ 
spritzung  schon  2  Tage  nach  der  Infektion  erfolgte,  ebensowenig 
konnte  eine  immunisierende  Wirkung  des  Tebesapin  bei  Kaninchen 
beobachtet  werden.  Neuerdings  wird  das  gleiche  Präparat  unter 
dem  Namen  „Molliment“  zur  Darreichung  per  os  empfohlen.  Diese 
Art  der  Einverleibung  ist  von  vornherein  als  wenig  aussichtsvoll  zu 
bezeichnen. 

3)  O.  R  o  e  p  k  e  -  Stadtwald-Melsungen :  Erfahrungen  mit  Meshe 
bei  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose, 

Mesbe,  ein  Extrakt  aus  der  amerikanischen  Malvacee  Sida 
rhombifolia  Cubilguitziana,  wird  von  mancher  Seite  zur  Behandlung 
von  Tuberkulose  jeder  Art,  von  Skrofulöse,  Lupus,  tuberkulösen  Ge¬ 
schwüren,  akuten  und  chronischen  Katarrhen  der  oberen  Luftwege 
und  Lungen  in  Form  von  Inhalations-  und  Trinkkuren  empfohlen. 
Auf  Grund  von  21  auszugsweise  mitgeteilten  Krankengeschichten  be¬ 
zeichnet  Verfasser  das  Mittel  als  völlig  wertlos  sowohl  bei  inner¬ 
licher  als  lokaler  Anwendung;  manchmal  sogar  schien  es  eine  Ver¬ 
schlechterung  des  tuberkulösen  Prozesses  herbeizuführen. 

4)  Edmund  M  a  1  i  w  a  -  Greifswald:  Der  kongenitale  familiäre 
Ikterus. 

Untersuchungsbefund  bei  16  jährigem  mit  angeborenem  chro¬ 
nischem  Ikterus  behafteten  Jungen,  in  dessen  mütterlicher  Aszendenz 
zahlreiche  Fälle  der  nämlichen  Erkrankung  nachzuweisen  waren. 
Ausser  dem  Ikterus  fand  sich  regelmässig  (auch  bei  den  in  der 
Literatur  mitgeteilten  Fällen)  ausgeprägte  Anämie  mit  Resistenz¬ 
verminderung  der  Erythrozyten;  Auftreten  von  hematies  granuleuses 
und  metachromatischen  Granula,  wie  sie  konstant  und  ziemlich  zahl¬ 
reich  beim  Neugeborenen  gesehen  werden,  ferner  Urobilin  —  oder 
Urobilinogenurie  und  Milztumor.  Nach  einem  von  Guizetti 
Pietro  in  Parma  vorliegenden  Obduktionsbefund,  bei  welchem  sich 
ein  rötliches,  himbeergeleeartiges  Knochenmark  ohne  eine  Spur  von 
Fettmark  vorfand,  dürfte  es  sich  um  eine  angeborene  Bildungs¬ 
anomalie  des  Knochenmarkes  mit  ihren  Folgen  handeln. 

5)  Biermann  -  Heidelberg :  Ueber  metapneumonische  Brachial¬ 
plexusneuritis  und  -polyneuritis. 

Nach  einer  Literaturübersicht  bringt  Verf.  die  Krankengeschichten 
dreier  Patienten  mit  Lungenentzündung,  bei  denen  sich  in  der  Re¬ 
konvaleszenz  neuritische  Schmerzen  und  Lähmungen  in  beiden 
Armen  (24  jähriges  Mädchen,  22 jähriger  Mann)  oder  in  beiden  Unter¬ 
schenkeln  und  Füssen  (47  jährige  Frau)  einstellten. 

6)  Takaoki  Sasaki  und  Jchiro  O  t  s  u  k  a  -  Tokyo :  Ex¬ 
perimenteller  Beitrag  zur  Kenntnis  des  putriden  Sputums. 

Für  die  im  putriden  Sputum  vorhandene  Skatolentwickelung 
konnte  als  verantwortlicher  Mikroorganismus  der  Bazillus  pyo- 
cyaneus  entdeckt  werden,  der  jedoch  seine  skatolbildende  Eigen¬ 
schaft  bei  längerer  Fortzüchtung  auf  künstlichem  Nährboden  verliert. 
Ausserdem  kommt  dem  Pyozyaneus  eine  Elastin  lösende  Wirkung  zu. 

7)  Eduard  M  e  1  c  h  i  o  r  -  Breslau :  Ueber  die  erhöhten  Gefahren 
operativer  Blutverluste  bei  angeborener  Enge  des  Aortensystems. 

Die  Hypoplasie  des  gesamten  arteriellen  Systems  geht  Hand  in 
Hand  mit  einer  Oligaemia  vera  und  aus  dieser  erklärt  sich,  dass,  wie 
zwei  hier  mitgeteilte  Krankengeschichten  beweisen,  auch  der  ver¬ 
hältnismässig  geringe,  durch  Operation  und  parenchymatöse  Nach¬ 
blutung  bedingte  Blutverlust  von  Y\  Liter  den  Tod  herbeiführen  kann. 
Ohne  eigentliche  Bluter  zu  sein,  haben  Kranke  mit  hypoplastischem 
Aortensystem  —  eine  Entwicklungshemmung,  die  klinisch  höchstens 
vermutet  werden  kann  —  zudem  eine  erhöhte  Neigung  zu  Hämor- 
rhagien,  vielleicht  auf  Grund  abnormer  Zerreisslichkeit  der  Gefäss- 
wände.  Es  ist  daher  bei  der  Vornahme  operativer  Eingriffe  doppelte 
Vorsicht  geboten. 


264  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  S. 


8)  Erich  Schlesinger  - Berlin :  Ueber  den  Schwellenwert  der 
Pupillenreaktion  und  die  Ausdehnung  des  pupilloraotorischen  Be¬ 
zirkes  der  Retina.  Untersuchungen  auf  Grund  einer  neuen  Methodik. 

Mit  Hilfe  eines  neuen,  vom  Verfasser  konstruierten,  eingehend 
beschriebenen  und  Peripupillometer  genannten  Apparates 
konnte  festgestellt  werden,  dass  der  Schwellenwert  der  Pupillen¬ 
reaktion  bei  normalen  Personen  gleichen  Alters  annähernd  konstant 
ist,  dass  der  Pupillarreflex  ermüdbar  ist,  dass  auch  die  Reflexzeit  bei 
fortgesetzten  Versuchen  zunimmt.  Als  Radius  des  pupillo-motorischen 
Bezirkes  der  Retina  wurde  5  mm  gefunden  im  Gegensatz  zu  Hess, 
der  3  mm  annimmt. 

9)  R.  F  r  i  e  d  -  Ludwigshafen  a.  Rh.:  Toxische  Erscheinungen 
nach  wiederholten  Embarininjektionen. 

Eine  36  jährige  Frau  wies  nach  der  5.  und  in  steigendem  Masse 
nach  der  6.,  7.  und  8.  Injektion  des  Quecksilberpräparates  Embarin 
Erscheinungen  auf,  wie  sie  gelegentlich  nach  Salvarsaneinspritzungen 
gesehen  und  auf  die  Bildung  von  Anaphylatoxinen  zurückgeführt 
werden:  Hohes  Fieber,  Schüttelfröste,  Kollapserscheinungen, 

Dyspnoe,  Zyanose,  Kopf-  und  Gelenkschmerzen,  vorübergehende 
Somnolenz. 

10)  H.  L  u  ca  s- Trier:  Zur  Herzchirurgie. 

19  jähriges  Mädchen,  Stichverletzung  des  linken  Ventrikels,  Herz¬ 
tamponade.  Naht  und  Heilung.  —  12  jähriger  Knabe,  7  inm-Revolver- 
schuss  durch  beide  Ventrikel,  Herztamponade.  Naht  und  Heilung.  — 
Als  Operationsverfahren  kam  beide  Male  Lappenschnitt  und  Drainage 
in  Anwendung. 

11)  Heinrich  L  o  e  b  -  Mannheim:  Heilung  der  Verrucae  planae 
durch  Salvarsan. 

Zwei  Fälle  wurden  prompt  durch  einmalige  intravenöse  Ein¬ 
spritzung  von  Salvarsan  bzw.  Neosalvarsan  geheilt,  während  sich  ein 
dritter  Fall  lange  refraktär  verhielt. 

12)  P.  M'e  y  e  r  -  Berlin:  Die  Syphilis  der  inneren  Genitalien  des 
Weibes. 

Sammelreferat.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  2. 

R.  Staehelin  -  Basel :  Röntgendiagnostik  in  der  inneren 
Medizin. 

Verf.  gibt  eine  Uebersicht  über  die  Befunde,  die  man  bei  Herz¬ 
fehlern,  Aneurysmen,  Tumoren,  Tuberkulose  erhält. 

B  e  u  1 1  n  e  r  -  Genf :  Zur  Technik  der  Exstirpation  entzündlich 
erkrankter  Adnexe  an  Hand  von  100  einschlägigen  Operationen. 

Schluss  folgt.  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  3.  L.  Kürt- Wien:  Zur  dorsalen  Auskultation  des  Herzens 
und  der  Gefässe. 

Aus  den  eingehenden  Darlegungen  ergibt  sich,  dass  im  Kindes¬ 
alter  die  Herztöne  auf  dem  Rücken  in  der  Regel,  bei  Erwachsenen 
seltener  zu  hören  sind,  am  besten  mit  unmittelbar  angelegtem  Ohr. 
Im  allgemeinen  sind  die  Töne  deutlicher  links  als  rechts  von  der 
Wirbelsäule  zu  hören.  Der  Akzent  liegt  meist  auf  dem  zweiten  Ton. 
Näheres  über  die  Lokalisation  der  Herztöne  und  Klappengeräusche 
ist  im  Original  zu  finden. 

Ferna  u,  Schrame  k,  Z  a  r  z  y  c  k  i  -  Wien:  Ueber  die  Wir¬ 
kung  von  induzierter  Radioaktivität. 

Nach  den  vorliegenden  Versuchen  bewirken  kleinere  Dosen 
induzierter  Aktivität  (nach  einem  näher  angegebenen  Verfahren  in 
Form  von  Injektionen)  Leukozytose,  grössere  Dosen  Leukopenie,  je 
mit  relativer  Lymphozytose  verbunden.  Beim  Ueberschreiten  einer 
gewissen  Dosis  hört  der  Grad  des  Abfallens  der  weissen  Blut¬ 
körperchen  auf,  der  Dosis  proportional  zu  sein.  Die  gleichen  Beob¬ 
achtungen  haben  F a  1 1 a  und  Levy  bei  Injektionen  von  Radiumsalz 
gemacht.  Die  Beeinflussung  des  Blutbildes  erhält  sich  36 — 48  Stunden, 
obwohl  die  induzierte  Aktivität  nach  4  Stunden  auf  Null  herabgeht. 
Bei  direkter  Bestrahlung  ist  die  therapeutische  Wirnung  der  indu¬ 
zierten  Aktivität  ähnlich  der  des  Radiums  selbst;  dabei  besteht  eine 
sehr  intensive  Alphastrahlung. 

J.  v.  Zubrzycki  und  R.  Wolfsgruber  - Wien :  Beitrag 
zur  Bekämpfung  der  Anämien  durch  intramuskuläre  Injektionen  von 
defibriniertem  Menschenblut. 

Die  von  Esch  (Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  41)  ange¬ 
gebene  Methode  hat  sich  in  6  Fällen  bei  stark  ausgebluteten  Frauen 
(Injektionen  von  20 — 30  ccm  in  Abständen  von  3 — 4  Tagen)  als  sehr 
brauchbar  gezeigt.  Das  Blutbild  wurde  entschieden  günstig  beein¬ 
flusst  und  damit  der  Allgemeinzustand  gebessert. 

Diese  Injektionen  haben  den  Vorzug  der  Einfachheit,  Schmerz¬ 
losigkeit  und,  bei  vollster  Asepsis,  der  Ungefährlichkeit. 

H.  Finsterer  -  Wien :  Seltene  Komplikation  nach  der  Hernio- 
toinie  einer  eingeklemmten  Leistenhernie. 

Bei  einer  70  jährigen  Kranken  traten,  nachdem  seit  der  Hernio- 
tomie  die  Darmpassage  frei  geworden  war,  neuerdings  Zeichen  des 
Darmverschlusses  auf.  Bei  der  nach  48  Stunden  gemachten  Laparo¬ 
tomie  fand  sich  an  dem  inkarzerierten  Darmteil  eine  4  cm  lange  Ver¬ 
klebung  mit  der  Nachbarschlinge  und  Abknickung  des  Darmes. 
Resektion.  Heilung. 


Solche  Fälle  sind  nicht  dem  eigentlichen  doppelten  Darm¬ 
verschluss  und  „Kombinationsileus“  zuzurechnen.  Der  Entschluss 
zur  Laparotomie  wird  sehr  erleichtert  durch  die  Verwendung  der 
Lokalanästhesie  mit  Infiltration  der  Muse,  recti  und  des  properi¬ 
tonealen  Gewebes  durch  0,5  proz.  Novokain-Adrenalinlösung.  Zur 
schmerzlosen  Abbindung  des  Mesenteriums  wurde  dasselbe  gleich¬ 
falls  mit  10  ccm  0,5  proz.  Novokainlösung  infiltriert. 

E.  P  f  1  a  n  z  -  Marienbad:  Zur  Balneotherapie  von  Nierenleiden. 

Verf.  bestätigt  die  Angabe  Zörkendörfers,  dass  unter  den 
Kranken,  welche  Marienbad  aufsuchen,  eine  auffallend  grosse  Zahl 
an  Albuminurie  und  Zylindrurie  leidet,  und  dass  diese  Affektionen 
während  des  Kurgebrauches  zu  einem  sehr  beträchtlichen  Teil  ver¬ 
schwinden  oder  gebessert  werden.  Bei  129  Kranken  P.s  schwand 
das  Eiweiss  30  mal  ganz,  59  zeigten  eine  Verminderung  desselben, 
unverändert  blieb  der  Befund  nur  bei  einem  Viertel  der  Fälle. 
Mehrfach  hielt  auch  dieser  Erfolg  längere  Zeit  unverändert  an.  Es 
scheint  diese  Wirkung  am  meisten  den  Sulfaten  zuzuschreiben  zu 
sein,  etwa  in  der  Weise,  dass  dieselben  die  vermehrte  Eliminierung 
gewisser  Abfallstoffe,  welche  sonst  durch  die  Niere  ausgeschieden 
werden  und  dieselbe  reizen,  durch  den  Darm  herbeiführen. 

E.  B  a  c  h  s  t  e  z  -  Wien:  Ueber  lokale  Behandlung  der  Keratitis 
parenchymatosa  mit  Neosalvarsan. 

Zusammenfassung:  Bei  9  Fällen  von  sicherer  Keratitis  par¬ 
enchymatosa  liess  sich  durch  Einträufeln  einer  2,5  proz.  Neosalvarsan- 
lösung  und  Einlegen  der  Substanz  in  den  Konjunktivalsack  kein 
günstiger  Erfolg  erzielen. 

H.  D  e  u  t  s  c  h  -  Brünn:  Alkohol  und  Homosexualität. 

D.  berichtet  kurz  über  einen  39  jährigen  Mann  von  sonst  nor¬ 
malem  geschlechtlichem  Verhalten,  der  regelmässig  nach  einem  Ge¬ 
nuss  von  Vz — 1  Liter  Bier  in  homosexueller  Richtung  aufgeregt  wird, 
obwohl  er  in  nüchternem  Zustande  direkten  Widerwillen  gegen 
homosexuelle  Betätigung  empfindet.  Verf.  schliesst  auf  eine  vor¬ 
handene  latente  Homosexualität  bzw.  Bisexualität. 

No.  4.  W.  B  ü  1 1  n  e  r  -  Riga:  Einige  Fragen  aus  der  Physio¬ 
logie  und  Pathologie  der  Verdauung  und  Resorption  im  Lichte 
moderner  serologischer  Lehren. 

Eignet  sich  nicht  zur  kurzen  Wiedergabe. 

O.  Kren- Wien:  Schlussbericht  über  unsere  Erfahrungen  mit 
Salvarsan.  (Aus  der  dermatologischen  Klinik  Prof.  Riehl.) 

Erfahrungen  an  600  behandelten  und  285  dauernd  beobachteten 
Fällen.  Den  grössten  Wert  hat  das  Salvarsan  im  Primärstadium. 
Mit  seltenen  Ausnahmen  wird  bei  frischen,  serologisch  noch  negativ 
reagierenden  Sklerosen  der  Ausbruch  sekundärer  Erscheinungen  ver¬ 
hindert  und  es  bleibt  nach  vorübergehender  Komplementablenkung 
die  Blutuntersuchung  negativ.  Die  Drüsenanschwellungen  bleiben 
aber  unverändert  in  einem  Latenzzustand  bestehen.  Einige  solche 
Fälle  sind  bis  jetzt  zwei  Jahre  frei  von  Sekundärzeichen.  Bei 
Sklerosen  mit  positiver  Serumreaktion  bleiben  die  Sekundärerschei¬ 
nungen  seltener  aus,  meist  fehlt  das  erste  Exanthem,  folgen  aber 
später  Haut-  und  Schleimhautaffektionen.  Weniger  durchgreifend 
wirkt  die  Behandlung  im  Sekundärstadium:  hier  sind  besonders 
längere  Zeit  kleine,  steigende  Dosen  am  Platze.  Ist  das  nicht  durch¬ 
führbar,  ist  die  kombinierte  Behandlung  mit  Quecksilber  notwendig. 
Vor  grossen  Salvarsangaben  ist  zu  warnen.  Besonders  günstig  ist 
die  Wirkung  bei  tertiärer  und  hereditärer  Lues.  Die  Nebenwirkungen 
sind  bei  vorsichtigem  Vorgehen  keine  lebensgefährlichen. 

Die  neurotrope  Wirkung  ist  im  Vergleich  zu  anderen  Arsen¬ 
mitteln  sehr  gering.  Das  Neurorezidiv  tritt  kaum  in  vermehrtem 
Masse  auf;  es  ist  ein  Symptom  der  Syphilis,  das  eine  energischere 
Salvarsanbehandlung  erheischt.  Als  Kontraindikation  gelten  Er¬ 
krankungen,  die  durch  Blutdrucksteigerung  geschädigt  werden,  alle 
schwereren  Nervenaffektionen,  gewisse  das  Ohr  in  Mitleidenschaft 
ziehende  Beschäftigungen,  nicht  luetische  Mittel-  und  Innenohr¬ 
erkrankungen,  die  zur  Drüsenerweichung  neigenden  Allgemein¬ 
erkrankungen,  gewisse  luetische  Affektionen  des  Respirationsweges 
(Larynx,  Bronchien)  wegen  der  Gefahr  akuter  Schwellungen. 

R.  Bar  any- Wien:  Ueber  einen  Fall  von  vollständiger  Wieder¬ 
herstellung  des  Gehörs  nach  kompletter,  nahezu  ein  Jahr  dauernder 
Taubheit  bei  dem  von  B  a  r  a  n  y  beschriebenen  Symptomenkomplex. 

Die  komplizierte  Krankengeschichte  mit  Beschreibung  der 
wechselnden  Erfolge  der  Lumbalpunktion  und  der  beiderseitigen  Frei¬ 
legung  der  Dura  (mit  Massage  bzw.  mit  Inzision  derselben),  wobei 
schliesslich  ein  Schwinden  des  Kopfschmerzes,  des  Ohrensausens  und 
beiderseits  eine  volle  Wiederherstellung  des  Gehöres  erzielt  wurde, 
ist  nicht  in  Kürze  wiederzugeben. 

E.  Guzmann  -  Wien :  Ueber  hereditäre,  familiäre  Sehnerven¬ 
atrophie.  . 

Kurze  Krankengeschichten  von  6  Gliedern  (Geschwistern)  einer 
Familie  mit  einigen  Besonderheiten,  z.  B.  das  bisher  nicht  beschrie¬ 
bene  Auftreten  der  Sehstörung  ausschliesslich  auf  einer  Seite  bei 
einem  Falle. 

B.  B  a  r  d  a  c  h  -  Wien:  Ueber  ein  Phenolphthaleinspektrum  und 
dessen  Einfluss  auf  die  spektroskopische  Harnuntersuchung. 

Bei  alkalischen  Harnen  wird  selbst  durch  sehr  geringe  Mengen 
Phenolphthalein  eine  rötliche  Mischfarbe  sowie  eine  Veränderung  des 
Spektrums  erzielt.  Letzteres  zeigt  eine  bald  schmälere,  bald  breitere 
Auslöschung  nahe  der  Linie  E  (gegen  das  Rot  hin),  die  sich  je  nach 
Verdünnung  und  Alkalität  mehr  der  Lage  des  Urobilin-  oder^  des 
reduzierten  Hämoglobinspektrums  nähert.  Dieses  Verhalten  ist  präi 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


265 


tisch  bei  der  Untersuchung  auf  Urobilin  wie  auf  Blut  zu  beachten. 
Die  spektroskopische  Untersuchung  auf  Urobilin  ist  daher  nur  in 
sauren  Flüssigkeiten  vorzunehmen. 

A.  v.  Koranyi:  Benzolbehandlung  der  Leukämie. 

Bemerkungen  zum  Aufsatz  Pappenheims  in  No.  2.  Dessen 
aus  Tierversuchen  abgeleitete  Bedenken  gegen  die  Benzolbehandlung 
sind  nicht  als  stichhaltig  anzusehen,  da  bei  Menschen  tatsächlich 
Schädigungen  nicht  eingetreten,  sondern  beträchtliche  Besserungen 
erzielt  worden  sind.  Gegenüber  dem  Thorium  ist  die  Benzolbehand¬ 
lung  einfacher  und  sicher  gefahrlos. 

F.  Tedesko:  Zur  Behandlung  der  Leukämie  und  sonstiger 
Blutkrankheiten. 

Verf.  bemerkt  zu  demselben  Aufsatz,  dass  bei  Benzol  in  der  täg¬ 
lichen  Maximaldosis  von  3  g  keine  Nierenschädigungen  oder  Beein¬ 
trächtigung  des  Allgemeinbefindens  zu  beobachten,  dagegen  günstige 
Erfolge  zu  verzeichnen  waren.  Vor  Ueberdosierung  muss  freilich 
gewarnt  werden. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

1912.  No.  38/41.  A.  M  a  r  g  o  1  i  s  -  Lodz :  Zur  Frage  vom  Einfluss 
der  vermehrten  Wasserzufuhr  auf  den  Stoffwechsel  des  Säuglings. 

Im  allgemeinen  ergaben  die  Untersuchungen,  auf  die  hier  nicht 
näher  einzugehen  ist,  dass  auch  bei  relativ  recht  hoher  Wasserzufuhr, 
die  längere  Zeit  ohne  Schaden  ertragen  wurde,  weder  aus  dem  Ver¬ 
halten  des  Harns  noch  aus  der  Gewichtskurve  ein  Nutzen  abgeleitet 
werden  kann.  Das  Gedeihen  der  Kinder  wurde  nicht  nennenswert 
beeinflusst. 

No.  41/42.  J.  Le  vit-Prag:  Die  bei  der  Behandlung  der  Kar¬ 
bunkel  mittels  Exzision  erzielten  Erfolge. 

Besprechung  der  verschiedenen  operativen  und  nicht  operativen 
Verfahren.  An  der  Klinik  von  Kukula  wird  die  Exstirpation  des 
ganzen  Karbunkels  bevorzugt  und  wurde  an  104  ambulant  und 
78  stationären  Kranken  ausgeführt  (tiefe  Umschneidung  des  Infiltrates 
und  Exstirpation  bis  auf  die  Faszie).  Die  Zahl  der  Todesfälle  unter 
letzteren  war  8,  dabei  bestand  5  mal  Diabetes,  2  mal  Diabetes  und 
Nephritis,  1  mal  Sepsis  schon  vor  der  Operation.  Die  Heilungsdauer 
betrug  in  der  Regel  4 — 5  Wochen.  Statistisches  ist  im  Original  ein¬ 
zusehen. 

No.  44/45.  N.  M  i  n  u  c  h  i  n -Basel:  Ueber  die  Ruptur  der 
Symphysis  ossium  pubis  unter  der  Geburt. 

Beschreibung  eines  Falles.  M.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die 
Grösse  der  Frucht  oder  der  Kraftaufwand  bei  künstlicher  Entbindung 
allein  nicht  zur  Symphysenruptur  führt;  abgesehen  von  schwerer 
Entzündung  der  Beckengelenke  oder  Destruktion  des  Knochens  in 
einzelnen  Fällen,  liegt  die  Ursache  meistens  in  einer  hochgradigen, 
während  der  Schwangerschaft  sich  ausbildenden  Auflockerung  der 
Beckengelenke.  Ein  abnormer  Geburtsmechanismus  erhöht  dann  die 
Gefahr,  ist  aber  nicht  notwendig  für  die  Ruptur. 

No.  46.  A.  G  a  s  b  a  r  r  i  n  i  -  Turin :  Untersuchungen  über 
lordotlsche  Albuminurie. 

Bei  Erwachsenen  sah  Verf.  durch  künstliche  —  aufrechte  oder 
horizontale  —  Lordose  keine  Albuminurie  auftreten;  bei  gesunden 
Kindern  trat  sie  durch  aufrechte  Lordose  ein;  bei  Nephritikern  wurde 
sie  durch  letztere  verstärkt. 

Durch  Expulsivbandagen  und  durch  Kompression  der  Luft  in 
metallenen  Stiefelschäften  entstand  keine  Albuminurie;  dagegen 
wurde  durch  Erzeugung  eines  Vakuums  in  diesen  Stiefelschäften  bei 
der  gleichzeitig  bewirkten  renalen  Ischämie  an  Gesunden  eine 
Albuminurie  erzeugt  und  letztere  bei  Nephritikern  gesteigert.  Bei 
aufrechter  Lumballordose  und  Bandagierung  der  Beine  trat  bei  ge¬ 
sunden  Kindern  eine  stärkere  Albuminurie  auf  als  bei  forcierter 
Lordose.  Bei  Hunden  und  Kaninchen  bewirkte  forcierte  Lordose  in 
gewöhnlicher  Körperstellung  eine  schwache  Albuminurie;  aus¬ 
gesprochener  wurde  diese  bei  Lordose  in  der  Rückenlage,  bedeutend 
aber  bei  aufrechte!  Lordose  und  Bandagierung  der  Beine. 

No.  43/46.  H.  Grenacher  -  Halle  a.  S. :  Ein  Beitrag  zur 
Thymusstenose. 

Ueberblick  über  die  Pathologie  der  Thymusstenose  und  21  bis 
jetzt  operativ  behandelte  Fälle,  denen  Verf.  einen  eigenen  durch 
Operation  gebesserten  hinzufügt.  Bei  diesem  wird  die  bestehende 
Idiotie  näher  erörtert.  Wenn  die  Röntgenbehandlung  der  Thymus¬ 
hypertrophie  möglicherweise  auch  Erfolg  haben  wird,  werden  die 
akuten  Fälle  mit  schweren  Anfällen  von  Dyspnoe  immer  der  chirur¬ 
gischen  Behandlung  bleiben,  welche  ungefährlich  ist  und  über¬ 
gehende  dauernde  Erfolge  hat.  Zurzeit  ist  die  partielle  Enukleation 
der  Driise  die  einzig  erlaubte  Operation  bei  Tracheostenosis  thymica. 

No.  50.  J.  J  i  a  n  u  -  Bukarest :  Gestielte  Transplantation  der 
Arteria  hypogastrica  zum  Ersatz  des  Harnleiters. 

Beschreibung  eines  Falles. 

No.  49/51.  L.  S  z  a  m  e  t  z  -  Vilbel:  Ueber  den  Einfluss  der 
Myome  auf  die  Sterilität  und  Fertilität. 

Mit  Verwertung  des  Materiales  der  Freiburger  Klinik  von  1904 
bis  1909  und  anderweitiger  Statistiken  kommt  Verf.  zu  dem  Resultat, 
dass  tatsächlich  die  Myome  oft  Sterilität  bedingen  und  zwar  be¬ 
hindern  submuköse  Myome  häufig  die  Konzeption,  interstitielle  und 
subseröse  bedingen  meist  nur  sekundäre  Sterilität.  Auch  die 
Fertilität  erfährt  durch  Myome  eine  Minderung. 

Bergeat  -  München. 


Laryngo-Rhinologie. 

W.  Alb  recht:  Heissluftbehaudlung  in  der  Laryngologie. 

(Aus  der  Klinik  für  Hals-  und  Nasenkranke  der  Kgl.  Charitee  in 
Berlin.  Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  G.  K  i  1 1  i  a  n.)  Archiv 
für  Laryngologie  und  Rhinologie.  Band  26,  Heft  3. 

Das  Heissluftverfahren,  dessen  genaue  Technik  beschrieben 
wird,  verspricht  Erfolg  1.  bei  akuter  Laryngitis,  2.  bei  subakuter  und 
chronischer  Laryngitis,  speziell  bei  der  trockenen  Form;  Voraus¬ 
setzung  ist  dabei,  dass  die  Erkrankung  nicht  schon  zu  lange  dauert 
und  zu  tiefgreifende  Veränderungen  gemacht  hat.  3.  Bei  Kehlkopf¬ 
ödemen  akuter  und  chronischer  Form.  Nachgewiesen  ist  dieses 
Resultat  zunächst  nur  bei  Oedemen  tuberkulöser  Natur,  doch  ist  die 
Uebertragung  auf  andere  Arten  ohne  weiteres  zulässig,  wenn  wir  uns 
die  Ursache  der  heilenden  Wirkung  vergegenwärtigen.  Sie  ist  auf 
die  resorbierende  Eigenschaft  der  gesteigerten  Durchblutung  zurück¬ 
zuführen,  die  für  alle  Oedeme  jeglicher  Aetiologie  gleichmässig  wirken 
muss.  4.  Lässt  sich  als  aussichtsreiches  Gebiet  noch  die  stenosierende 
Narbe  im  Kehlkopf  anführen,  welche  durch  die  Hyperämie  eine 
Lockerung  erfährt  und  sich  mithin  besser  für  die  Bougierung  eignet. 

Oswald  Levinstein  -  Berlin :  Ueber  eine  neue  „pathologische 
Tonsille“  des  menschlichen  Schlundes,  die  „Tonsilla  linguae  lateralis“ 
und  ihre  Erkrankung  an  Angina.  (Ebenda.) 

Auf  der -Schleimhaut  des  menschlichen  Schlundes  können  mit¬ 
unter  pathologische  Reize  dazu  führen,  dass  gewissermassen  ganz 
neue  Organe  entstehen,  die  sich  weder  makroskopisch  noch  mikro¬ 
skopisch  von  der  normalen  Tonsille  unterscheiden.  Ebenso  wie  L. 
dies  für  die  Pharyngitis  granulosa  und  lateralis  nachgewiesen  hat, 
tut  er  es  jetzt  für  die  seitlichen  Teile  des  Zungengrundes,  während 
seine  Mitte  schon  im  Normalzustände  die  Tonsille  lingualis  „media“ 
trägt,  ln  klinischer  Hinsicht  kann  die  neu  entstandene  Tonsille  lin¬ 
guae  lateralis  an  der  gleichen  akuten  Entzündung  erkranken,  wie  die 
normale  Tonsille  —  also  an  Angina  — ,  wie  L.  das  auch  schon  bei  der 
normalerweise  nicht  vorhandenen  „Seitenstrangstonsille“  beob¬ 
achtet  hat. 

Edmund  W  e  r  t  h  e  i  m  -  Breslau :  Ueber  die  Beziehungen  der 
Neuritis  optica  retrobulbaris  zu  den  Nebenhöhlenerkrankungen  der 
Nase.  Ebenda,  Band  27,  Heft  1. 

Nachdem  W.  an' mehreren  Fällen  das  Bestehen  obiger  Be¬ 
ziehungen  und  auch  die  Tatsache  der  Dauerheilungen  bei  recht¬ 
zeitigem  nasalen  Eingreifen  nachgewiesen  hat.  spricht  er  das  sehr 
beiechtigte  Verlangen  aus,  dass  künftig  nicht  nur  die  Ophthalmologen 
dem  Rhinologen  alle  ätiologisch  unklaren  Fälle  von  retrobulbärer 
Neuritis  zur  rhinologischen  Untersuchung  überweisen,  sondern  dass 
vielmehr  auch  die  Rhinologen  bei  Nebenhöhlenerkrankungen,  be¬ 
sonders  bei  Eiterungen  in  den  hinteren  Nebenhöhlen  weit  mehr  als 
bisher  die  okularen  Verhältnisse  beachten,  bezw.  eine  genaue  oph- 
thalmologische  Untersuchung  vornehmen  lassen,  zumal  erfahrungs- 
gemäss  eine  einseitige  Neuritis  optica  bei  normalem  zweiten  Auge 
keine  auffallenden  Sehstörungen  bei  dem  Patienten  hervorzurufen 
braucht. 

A  u  e  r  b  a  c  h  -  Baden-Baden :  Zur  Totalexstirpation  der  Ton¬ 
sillen.  Monatsschrift  für  Ohrenheilkunde  und  Laryngo-Rhinologie, 
Jahrgang  46.  Heft  11. 

A.  ist  Anhänger  der  Totalexstirpation,  da  es  das  radikalste 
Verfahren  ist  und  das  einzige,  welches  für  den  angestrebten  Zweck 
sichere  Garantien  bietet.  Die  Befürchtung,  dass  die  totale  Aus¬ 
schälung  der  Tonsille  auf  den  Gesamtorganismus  schädlich  einwirken 
könne,  ist  bisher  durch  die  Erfahrung  nicht  bestätigt  worden;  ausser¬ 
dem  käme  sie  nur  bei  Ausschälung  beider  Tonsillen  in  Frage.  Auch 
die  Blutung  ist  nicht  zu  fürchten,  man  kann  ungehindert  an  die 
Blutung  heran  und  die  eventuelle  Blutung  beginnt  sofort  nach  Auf¬ 
hören  der  Adrenalinwirkung.  Bei  den  konservativen  Mandelope¬ 
rationen  ist  das  blutende  Gefäss  meist  in  der  Tiefe  verborgen  und 
die  Blutung  tritt  oft  erst  nach  Verlauf  von  Stunden  auf.  Mitunter  sah 
A.  direkt  nach  dem  Eingriff  totale  Lähmung  des  Gaumensegels  der¬ 
selben  Seite:  sie  schwand  aber  nach  1 — 2  Tagen  jedesmal  wieder 
spontan.  (Ref.  ist  kein  unbedingter  Anhänger  der  Totalexstirpation, 
seine  Gründe  würden  hier  zu  weit  führen  und  sind  anderen  Orts 
mehrfach  ausführlich  dargelegt.) 

Robert  D  a  h  m  e  r  -  Posen :  Einseitige  Influenzalaryngitis  und 
Kelilkopftuberkulose.  Zeitschrift  für  Laryngologie,  Rhinologie  und 
ihre  Grenzgebiete.  Band  5,  Heft  4. 

ln  neuerer  Zeit  ist  man  darauf  aufmerksam  geworden,  was 
D.  an  14  Fällen  bestätigt,  dass  entgegen  der  bisherigen  Anschauung 
auch  einseitige  Stimmbanderkrankung  gutartiger  Natur  sein  kann. 
Während  früher  einseitige  Laryngitiden  allgemein  als  tuberkulös  an¬ 
gesehen  wurden,  erwiesen  die  beschriebenen  Fälle  D.s  und  anderer 
sich  als  katarrhalische,  subkutan-entzündliche  Erkrankung,  auch  mit 
gelegentlicher  Mitbeteiligung  des  übrigen  Larynx  und  der  Trachea: 
sie  zeichnen  sich  durch  langsam-hartnäckigen  Verlauf  aus.  gehen  aber 
schliesslich  in  Heilung  über.  Gegen  Verwechslung  mit  Tuberkulose 
schützt  das  Freisein  der  Lungen,  der  Verlauf  und  die  negative 
Tuberkulinreaktion.  Auch  Lues  und  Karzinom  können  nach  dem 
Aussehen  in  Frage  kommen.  Auch  hier  wieder  schützt  das  Fehlen 
der  Allgemeinerscheinungen,  die  negative  Wassermann  sehe 
Reaktion,  der  Verlauf  etc.  vor  Irrtümern.  Die  Behandlung  besteht 
in  Adstringenticn,  Umschlägen  und  vor  allem  Stimmenthaltung  bezw. 
-Schonung. 


266 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


R  i  c  h  t  e  r  -  Plauen  i.  V.:  Beitrag  zur  Behandlung  der  Ozaena. 

Ebenda. 

Die  Behandlung  der  Ozaena  muss  operativ  sein  und  nicht  wie 
bisher  meist  exspektativ  bezw.  aus  Spülung  und  Reinigung  bestehend, 
denn  so  wird  keine  genügende  Reinigung  aller  Nischen  und  Buchten 
und  nur  ungenügender  Erfolg  erzielt.  Die  Operation  bezweckt  die 
Freilegung  versteckter  Teile,  um  sie  mittels  Tamponade  (nach 
Gottsteins  Vorgang)  zu  behandeln.  Nach  eine  Woche  dauern¬ 
der  Vorbehandlung  zwecks  Fötorbeseitigung  wird  nach  Anwendung 
von  Kokain  und  Adrenalin  das  Siebbein  mittels  Konchotom  eröffnet, 
alsdann  wird  die  Riechspalte  mit  einer  eigens  konstruierten  Zange  er¬ 
weitert,  so  dass  die  vordere  Keilbeinhöhlenwand  freiliegt.  Ihre 
natürliche  Oeffnung  wird  mit  stumpfen  Haken,  wenn  nötig  auch  mit 
der  Stanze  so  weit  vergrössert,  dass  aus  der  punktförmigen  Oeffnung 
ein  ovaler  grosser  Spalt  wird.  Alsdann  werden  Tamponstreifen  mit 
antiseptischer  Lösung  evehtuell  auch  Borvaselin  in  die  Tiefe  der 
Nase,  die  Keilbeinhöhle,  Riechspalte  eingebracht  und  alle  2  Tage 
erneuert.  Allmählich  lässt  der  Gestank  nach  und  es  tritt  eine  nor¬ 
male  vollsaftige  Sekretion  ein.  Diese  zu  erhalten,  ist  Sache  der 
weiteren  Nachbehandlung.  (Wie?  Wie  lange?  Ist  überhaupt  die 
beschriebene  Methode  einfacher,  schneller  und  aussichtsreicher  als 
die  bisherige?  Referent.) 

Marius  M  e  n  i  e  r  -  Figeac  (Frankreich):  Geschichtliches  über 
die  Schweigekur.  Ebenda. 

Interessante  historische  Notiz,  aus  der  hervorgeht,  dass  auch 
schon  vor  Moritz  Schmidt  gelegentlich  die  Scnweigekur  zur 
Heilung  von  Kehlkopfleiden  angewandt  wurde.  Besonders  ein  fran¬ 
zösischer  Landarzt  gab  im  Jahre  1824  genaue  noch  heute  giltig  sein 
könnende  Vorschriften  für  die  Schweigekur  bei  einem  Fall  von 
Laryngitis  tuberculosa.  Auch  aus  einer  anderen  Literaturstelle  von 
ungefähr  derselben  Zeit,  ferner  einer  Romanbeschreibung  aus  einem 
medizinischen  Werk  von  vor  1650  geht  hervor,  dass  die  Schweigekur 
nicht  gänzlich  unbekannt  war.  Trotzdem  steht  das  Verdienst  von 
Moritz  Schmidt  ungeschmälert  da,  weil  er  diese  Behandlungsart 
aus  der  Vergessenheit  wieder  zu  Ansehen  brachte  und  zur  wirk¬ 
lichen  wissenschaftlichen  Methode  erhob. 

0.  Voss:  Fort  mit  der  Schlundsonde  bei  Fremdkörpern  in  der 
Speiseröhre.  (Aus  der  städtischen  Ohrenklinik  Frankfurt  a.  M.) 
Zeitschrift  für  Ohrenheilkunde  und  für  die  Krankheiten  der  Luftwege. 
Band  66,  Heft  1 — 2. 

V.  schliesst  sich  den  bereits  auch  anderweitig  ausgesprochenen 
Warnungen  vor  der  Schlundsonde  bei  Speiseröhrenfremdkörpern 
an;  er  sah  nach  blindem  Einführen  der  Sonde,  dass  eine  Gräte  tief 
in  die  Schleimhaut  hineingestossen  worden  war,  und  dass  hierdurch 
entzündliche  Schwellungen  und  Schwierigkeiten  bei  der  Extraktion 
entstanden  waren.  Wir  können  durch  die  Oesophagoskopie  jederzeit 
leicht  unter  Leitung  des  Auges  ohne  Schädigungen  die  Anwesenheit 
des  Fremdkörpers  feststellen  und  ihn  entfernen.  Die  Entfernung  ist 
einfach  und  leicht,  wenn  nicht  unzweckmässige  Handgriffe,  wie 
Sondeneinführung,  vorangegangen  sind.  Die  Verhältnisse  liegen  ähn¬ 
lich  wie  beim  Uhr,  wo  unter  Leitung  des  Auges  in  einwandfreier 
Weise  gearbeitet  werden  kann,  und  jedes  blinde  Arbeiten  nur  schadet. 

G.  Wüst  mann:  Zur  Jod-  und  Quecksilbertherapie  bei  Schleim- 
liauttuberkulose  der  oberen  Luftwege.  (Aus  der  Ohren-  und  Kehl¬ 
kopfklinik  der  Universität  Rostock  [Direktor:  Prof.  Dr.  K  ö  r  n  e  rl.) 
Ebenda. 

Aus  den  Fällen  von  W.  und  älteren  der  gleichen  Klinik  geht  mit 
Sicherheit  hervor,  dass  die  interne  lodkalibehandlung  viele  Schleim¬ 
hauttuberkulosen  in  den  oberen  Luftwegen  zur  Heilung  bringt.  Die 
Zutaten  zur  Jodkalibehandlung,  z.  B.  die  von  Pfannenstiel, 
haben  nur  zweifelhaften  Wert.  Mitunter  werden  Fälle  durch  Jod 
nicht  deutlich  und  schnell  besser,  alsdann  ist  die  Hinzufügung  einer 
Quecksilberkur  erforderlich.  Die  Frage,  wann  Jodkali  allein  und 
wann  Jodkali  und  Quecksilber  kombiniert  anzuwenden  ist,  kann  nicht 
schematisch  beantwortet  werden.  Nicht  die  Schwere  des  Prozesses 
ist  ausschlaggebend,  sondern  das  refraktäre  Verhalten  gegen  Jodkali. 

Walker  D  o  w  n  i  e  -  Glasgow :  4  Fälle  von  Larynxfraktir. 

The  Laryngoscope  1912,  No.  9. 

Larynxfrakturen  sind  ziemlich  selten,  so  dass  jeder  einzelne 
Fall  interessant  ist.  Sie  entstehen  deswegen  selten,  weil  der  Larynx 
trotz  seiner  oberflächlichen  Lage,  wegen  seiner  freien  Beweglichkeit 
und  Elastizität  seiner  Knorpel  im  allgemeinen  durch  Traumen  wenig 
beeinflusst  wird.  Wenn  in  der  Senilität  die  Verknöcherung  der 
Larynxknorpel  eintritt,  so  können  Frakturen  leichter  und  öfter  ent¬ 
stehen.  Direkte  Traumen  wie  Auffallen  des  Halses  auf  einen  harten 
Gegenstand  sind  selten,  meist  wird  die  Fraktur  durch  indirektes 
Trauma  wie  starke  seitliche  Kompression  nach  Art  der  Erdrosselung 
bewirkt.  Die  Symptome  bestehen  in  Larynxödem,  Schluckbeschwer¬ 
den,  Krepitation  und  mitunter  Abszessbildung,  Schwellung  der 
äusseren  Halsteile,  und  gelegentlich  Nekrose  der  frakturierten 
Knorpelstiicke.  Heilung  kann  nicht  immer  mit  Sicherheit  erwartet 
werden. 

J.  A.  S  t  u  c'ky  -  Lexington  U.S.A.:  Einige  unliebsame  Nach¬ 
wirkungen  der  zu  radikalen  Tonsillektomie.  Ebenda,  No.  10. 

In  Amerika  (und  annähernd  auch  in  Deutschland!  Ref.)  nimmt 
die  Radikalexstirpation  der  Tonsillen  seitens  der  Spezialisten  und 
Nichtspezialisten  überhand.  St.  hält  sich  deshalb  für  verpflichtet, 
nach  seinen  Erfahrungen  vor  der  leichtsinnigen  Operation  zu 
warnen.  Sie  ist  keine  einfache  Operation,  sondern  ein  grösserer 


Eingriff,  der  sorgfältig  erwogen  und  vorbereitet  sein  muss.  Wenn 
auch  nicht  direkt  im  Anschluss  an  die  Operation,  so  treten  doch  oit 
einige  Wochen  später,  wie  St.  selbst  sah,  Schädigungen  auf,  z.  B. 
Lymphdrüsenentzündungen  und  -Schwellungen,  Fazialislähmung, 
Singstimmschädigungen,  Schluckbeschwerden  durch  Narbenkon¬ 
traktion  und  Gaumensegellähmungen  u.  a. 

Herausgebernotiz:  Das  Massacker  der  Tonsille.  The  Journal  of 
Laryngology,  Rhinology  and  Otology.  1912,  Dezember. 

Die  gleichen  Gesichtspunkte  wie  im  vorstehenden  Artikel,  näm¬ 
lich  Warnung  vor  dem  unbesonnenen  Tonsillenoperieren  und  den 
notwendigen  Schäden  werden  auch  für  die  englische  Aerztewelt  von 
der  Redaktion  der  Zeitschrift  nachdrücklichst  betont.  Sie  knüpft  an 
die  in  gleichem  Sinne  unter  sehr  scharfen  Verurteilungsäusserungen 
geschriebene  Arbeit  eines  amerikanischen  Arztes  an,  die  sie  ein¬ 
gehendst  kommentiert  und  zwar  an  John  R.  Mackenzie:  The 
Massacre  of  Tonsill  in  Maryland  Medical  Journal.  September  1912. 

Lannois  et  Moncharmont  -  Lyon :  Ueber  sekundäres 
Karzinom  des  Larynx.  Annales  des  maladies  de  l’oreille,  du  larynx, 
du  nez  et  du  pharynx  1912,  No.  10. 

An  der  Hand  eines  selbstbeobachteten  Falles  und  der  in  der 
Literatur  niedergelegten  Beobachtungen  kommen  L.  und  M.  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  wirklichen  neoplastischen  Metastasen  im  Bereich 
des  Larynx  Ausnahmen  sind.  Sie  konnten  nur  4  Beobachtungen  zu¬ 
sammenstellen,  die  zweifelsfrei  sind.  Ebenso  selten  sind  die  Kar¬ 
zinome,  die  sekundär  auf  den  Larynx  überimpft  sind.  Mithin  scheint 
in  vielen  einschlägigen  mitgeteilten  Fällen  ein  Fehler  der  Beob¬ 
achtung  oder  Mangel  der  anatomischen  Kontrolle  vorzuliegen. 

Combier-Creusot:  Die  Behandlung  der  Dysphagie  bei  der 
tuberkulösen  Laryngitis.  Archives  internationales  de  Laryngologie. 
d’otologie  et  de  rhinologie.  September-Oktober  1912. 

Empfehlung  der  Alkoholinjektionen  in  die  Gegend  des  Nervus 
laryngeus  superior  aussen  am  Halse.  Sie  ist  nach  C.  selten  ohne 
Wirkung.  Die  Technik  ist  bekanntlich  einfach  und  wird  genauer 
beschrieben.  Max  Senator-  Berlin. 

Inauguraldissertationen. *) 

Ueber  hohen  Gradstand  berichtet  Bertold  W  e  i  s  s  auf 
Grund  von  11  Beobachtungen  an  der  Universitäts- 
Fra  u  e  n  -  K  1  i  n  i  k  in  F  r  e  i  b  u  r  g  i.  B  r„  die  in  der  Zeit  vom 
1.  April  1909  bis  1.  April  1912  zur  Beobachtung  gekommen  sind. 
Diese  11  Fälle  wurden  unter  3157  Geburten  beobachtet.  Die  Positio 
occipitalis  pubica  kommt  häufiger  vor  als  die  Pos.  occip.  sacralis. 
Bei  den  11  Beobachtungen  lag  7  mal  die  kleine  Fontanelle  und  4  mal 
die  grosse  Fontanelle  vorn.  Die  Stellung  des  Rückens  ist  niemals 
ganz  vorn  oder  ganz  hinten  gewesen,  sondern  immer  etwas  rechts 
oder  links  verschoben.  Daher  ist  auch  die  Drehung  des  Kopfes  von 
Vorderhaupts-  in  Hinterhauptslage  etwas  leichter.  Der  Geburtsver¬ 
lauf  war  5  mal  spontan.  Häufiger  wurde  beobachtet,  dass  der  Kopf, 
nachdem  er  ins  Becken  eingetreten  war,  eine  Drehung  und  Riick- 
drehung  machte,  oder  mit  totaler  Drehung  von  Vorder-  in  Hinter¬ 
hauptslage  (nie  umgekehrt!)  oder  gerade  ein-  und  durchtrat.  Der 
hohe  Gradstand  ist  häufiger  als  früher  angenommen  wurde.  (Frei¬ 
burg  i.  Br.  1912.  20  Seiten.  München,  R.  Müller  &  S  t  e  i  n  i  c  k  e.i 

Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Jena.  Oktober — Dezember  1912. 

Hartung  Erich:  Beiträge  zur  degenerativen  Vererbung. 
Schmidt  Willy:  Untersuchungen  über  die  Statozysten  unserer  ein¬ 
heimischen  Schnecken. 

Grunelius  Adolf  v. :  Ueber  die  Entwicklung  der  Haut  des 
Karpfens. 

Willer  A.:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Bandwurmseuche  (Ligulosis) 
der  Brachsen  oder  Bleie  (Abramis  brama). 

Ishioka  S.:  Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der  traumatischen 
Pneumonie. 

Klett  Walther:  Ueber  Schallschädigung  im  Gehörorgan  bei  Tauben. 
Hetzer  Walter:  Ueber  Stomatitis  bei  Scharlach  und  Scharlach- 
rezidive. 

Bau  mann  Willy:  Pathologisch-anatomische  Untersuchungen  bei 
einem  Fall  von  Kupfersulfatvergiftung. 

Handtmann  Erich:  Zur  Kenntnis  der  Divertikel  des  Magens. 
Sach  Walter:  Ein  Fall  von  Hümatometra  im  rudimentären  Neben¬ 
horn  eines  Uterus  unicornis. 

Pape  Hans:  Ueber  einen  Fall  von  akuter  Wismutvergiftung  von  der 
Bauchhöhle  aus.  X 

p  r  e  u  s  s  e  Wilhelm:  Ein  Fall  von  Diabetes  mellitus,  beobachtet  wäh¬ 
rend  Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett. 

Brauns  Hans:  Die  Einwirkung  abkühlender  Temperaturen  auf 
das  Blut. 

Gaertner  Rudolf:  Ein  Fall  von  primärem  Sarkom  der  Portio 
vaginalis  uteri. 

König  Rudolf:  Die  Chloräthylnarkose. 

Krüger  Wilhelm:  Das  Tuberkulin  in  der  Therapie  des  Lupus  vul¬ 
garis. 


D  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


4.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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>chümer  Emil:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Poliomyelitis  anterior 
chronica,  der  Polyneuritis  und  der  Meningitis  spinalis  chronica, 
unter  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Differentialdiagnose. 

Jndemann  Arno:  Die  Behandlung  des  Pemphigus  durch  intra¬ 
venöse  Shlvarsaninfusion. 

Rüdiger  Otto:  Salvarsan  bei  hereditärer  und  akquirierter  Syphilis 
im  Säuglings-  und  Kindesalter. 


Auswärtige  Briefe. 

Londoner  Brief. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  gegenwärtige  Lage  im  Kampfe  gegen  das  nationale  Ver- 
»icherungsgesetz. 

Das  erste  Stadium  des  Kampfes  zwischen  der  Regierung  und 
Jen  Aerzten  ist  zu  Ende.  Vor  wenigen  Tagen  hat  nämlich  die  letzte 
Repräsentantenversammlung  der  British  Medical  Association  mit 
,'rosser  Stimmenmehrheit  die  Aerzte  von  ihrem  ehrenwörtlichen  Ver¬ 
sprechen.  die  Mitarbeit  an  dem  Gesetze  zu  verweigern,  enthoben. 
Seither  füllen  sich  die  vorher  noch  etwas  lückenhaften  Reihen  der 
Versicherungsärzte  —  paneldoctors  genannt  —  auf  und  das  Gesetz 
st  im  vollen  Schwünge.  Die  Situation  gleicht  gegenwärtig  einem 
Waffenstillstände  nach  einer  verlorenen  Schlacht.  Die  jetzigen  Be¬ 
dingungen  des  ärztlichen  Dienstes  sind  anerkanntermassen  nur  ein 
Provisorium  und  es  muss  sich  bald  zeigen,  ob  die  Aerzteschaft  in 
der  zweiten  Phase  des  Feldzuges,  der  sich  nun  der  ganzen  Linie 
ntlang  entspinnen  wird,  der  Situation  gewachsen  ist  oder  nicht.  Bis¬ 
her  war  die  Fehde  kaum  mehr,  als  ein  Duell  zwischen  den  Ge- 
icralen  der  beiden  feindlichen  Parteien  —  der  B.M.A.  einerseits,  der 
Regierung  andererseits  — ,  mit  der  Inkrafttretung  der  Medical  Bene- 
its  aber  hat  sich  der  Schwerpunkt  nach  der  Peripherie  verschoben, 
und  das  endliche  Schicksal  des.  Streites  liegt  heute  in  der  Hand 
der  zahlreichen  praktischen  Aerzte  und  der  einzelnen  Versicherungs- 
■romitees  des  Landes. 

Es  liegt  mir  ferne,  hier  eine  Geschichte  der  Verhandlungen  der 
etzten  Jahre  zu  bringen,  auf  die  Ursachen  des  beklagenswerten  Aus¬ 
ganges  derselben  muss  aber  etwas  näher  eingegangen  werden,  ich 
will  aber  vorher  erwähnen,  dass  der  Kampf  nicht  ganz  fruchtlos 
läusgegangen  ist  und  dass  die  vielfachen  und  weitgehenden,  wenn 
auch  unzulänglichen  Zugeständnisse  der  Regierung  an  die  Aerzte 
Jas  ausschliessliche  und  bleibende  Verdienst  der  B.M.A.  sind  und 
ahne  diese  überhaupt  nie  gemacht  worden  wären.  Die  B.M.A.  hat 
einer  unter  den  schwierigsten  Verhältnissen  und  in  kurzer  Zeit  be¬ 
wiesen,  dass  die  Einigkeit  unter  den  Aerzten  —  diese  rarissima  avis 
—  nicht  ganz  ins  Reich  der  Utopien  gehört  und,  was  sich  durch 
Grammes  Zusammenhalten  erreichen  Hesse.  Vorderhand  ist  die  zarte 
Treibhauspflanze  leider  im  kalten  Norden  erstickt,  es  steht  aber  zu 
loffen,  dass  das  von  der  B.M.A.  gemachte  Exnerimentum  crucis  den 
Aerzten  ins  .Fleisch  und  Blut  übergehen  und  die  kaum  gewonnene 
and  wieder  verloren  gegangene  Einigkeit  von  neuem  auferstehen 
wird.  Dies  sind  die  Lichtpunkte  dieses  dunklen  Bildes;  sie  werden 
von  den  Gegnern  der  B.M.A.  nur  zu  oft  übersehen. 

Auf  Seite  der  Aerzte  hat  sich  in  den  letzten  2  Jahren  nicht 
-.eiten  eine  überschwängliche  Siegesgewissheit,  eine  unnachgiebig 
starre  Haltung  und  eine  Unterschätzung  der  Kräfte  des  Gegners  in 
verderblicher  Weise  kundgegeben,  die  Hauptschuld  an  dem  Debakle 
trägt  aber  meines  Ermessens  die  ungenügende  Orientierung  der 
B.M.A.  über  die  Stimmung  im  eigenen  Lager.  Hochtönende  Reso- 
utionen,  Reden  und  gewaltige  Stimmzettelerfolge  erweckten  selbst 
aei  kühl  denkenden  Leuten  die  Ueberzeugung,  dass  die  Lockrufe  der 
Regierung  bei  allen  Kollegen  auf  taube  Ohren  fallen  würden.  Man 
[rahm  daher  die  Einigkeit  unter  den  Aerzten  ohne  weiteres  als 
ertige  Tatsache  hin  und  handelte  demgemäss.  So  wurde  denn  das 
ainigkeitskind,  das  mit  so  viel  Mühe  und  Not  kaum  geboren  war, 
gleich  volljährig  erklärt  und  mit  der  Last  und  Arbeit  eines  aus¬ 
gewachsenen  Mannes  bebiirdet,  was  ihm  dann  eben  das  Rückgrat 
>rach.  Skeptiker  blickten  schon  zu  Anfang  mit  Beunruhigung  in  die 
Zukunft,  wurden  aber  in  dem  Begeisterungstaumel,  der  sich  da  allent- 
■alben  auf  Protestversammlungen  und  Vertretertagen  erhob,  kaum 
•u  Worte  gelassen.  Diese  Schwarzseher  bezweifelten  den  Wert  von 
Resolutionen  und  Stimmzettelerfolgen.  Auf  solchen  Versammlungen 
'Pich  nämlich  das  psychologische  Moment  der  Massen  (psychological 
noment  oi  the  crowd)  eine  grosse  Rolle;  die  Begeisterung  ist  äusserst 
-ontagiös,  erreicht  sehr  rasch  hohe  Fiebergrade,  kühlt  aber  in  der 
-insamen  Stille  der  Studierstube  ebenso  schnell  wieder  ab.  Zu  ße- 
-’dim  war  die  Zahl  der  Abgekühlten  noch  klein,  da  die  Glut  von  der 
'.M.A.  immer  wieder  von  neuem  angefacht  wurde  und  der  Tag  der 
Entscheidung  noch  ferne  lag;  als  aber  dieser  mit  Dezember  1912 
laherrückte,  da  lichteten  sich  die  Reihen  der  heulenden  Wölfe  und 
so  mancher,  der  seine  Existenz  bedroht  sah  und  hörte,  dass  sein 
'enachbarter  Kollege  Bussgedanken  hegte,  gab  nach  und  unterschrieb 
len  Kontrakt  mit  den  Insurance-commissioners.  Force  majeure  war 
-d  en  doch  stärker  als  die  Einigkeit  der  Aerzte.  Dies  führte  bereits 
m  Dezember  zu  zahlreichen  Resignationen  innerhalb  der  B.M.A. 
iuk1  zur  Gründung  eines  Vereines  von  Versicherungsärzten.  Aehn- 
liche  Vorgänge  spielten  sich  auch  unter  der  vielköpfigen  Aerzte¬ 


schaft  ab,  die  sich  von  jeher  der  B.M.A.  ferngehalten  hatte.  Bereits 
im  Beginn  war  hier  wohl  eine  mehr  abwartende  Haltung  und 
schwächere  Oppositionslust  die  Regel,  man  hörte  aber  wenig  von 
dieser  Partei,  da  ihr  Organisation  und  Presse  fehlen,  und  auch  häufig 
—  soweit  man  Gerüchten  Glauben  schenken  dart  —  Intimidation 
geübt  wurde.  Zum  Schluss  dürfte  wohl  die  Mehrzahl  dieser  Kollegen 
zur  Ansicht  gekommen  sein,  dass  es  besser  ist,  einen  Kompromiss 
abzuschliessen,  als  durch  eine  übereilige  Luftschlösserpolitik  alles 
aufs  Spiel  zu  setzen.  Man  kann  es  nicht  verhehlen,  dass  in  dem 
Kampfe  der  Praktiker,  die  interessierteste  Partei,  nicht  ge¬ 
nügend  oft  und  erst  spät  zu  Wort  gekommen  ist.  Die  Politik  wurde 
in  London  und  den  grossen  Provinzialzentren  gewöhnlich  von 
Spezialisten  und  Kollegen  mit  lukrativer  Praxis,  die  sich  nie  einfallen 
lassen  werden,  in  den  Versicherungsdienst  zu  treten,  zugeschnitten 
und  dem  Praktiker  aufgehängt.  Kein  Wunder,  dass  der  Rock  recht 
schlecht  sass. 

Auch  an  der  Art  des  Kampfes  ist  leider  sehr  viel  auszusetzen. 
Derselbe  war  ganz  besonders  in  den  letzten  Monaten  auf  Seite  der 
Aerzte  von  einem  virulenten  politischen  Animus  gegen  die  Regierung 
angekränkelt,  was  der  guten  Sache  auch  beim  Publikum  viel  ge¬ 
schadet  hat.  Wenn  einer  der  höchsten  Funktionäre  der  B.M.A. 
in  öffentlicher  Rede  sagt,  die  Regierung  täte  besser,  Dreadnoughts 
zu  bauen,  als  derlei  Gesetze  einzubringen,  dann  fragen  sich  viele 
Kollegen  mit  Recht,  ob  ihre  Angelegenheit  den  geeigneten  Köpfen 
anvertraut  ist.  Der  Finanzminister  andererseits,  der  häufig  wegen 
seiner  Impulsivität  angeklagt  wird,  hat  im  ganzen  und  grossen  die 
Objektivität  der  Diskussion  gewahrt  und  sich  jedenfalls  nie  zu  solchen 
Geschmacklosigkeiten  verstiegen.  Die  konservative  Presse  hat 
natürlich  auch  diesen  Kampf  zu  selbstsüchtigen  Parteizwecken  aus- 
geniitzt  und  viel  Unheil  angerichtet.  Es  wäre  natürlich  ungerecht, 
die  B.M.A.  damit  zu  belasten,  das  Publikum  und  viele  Aerzte  ver¬ 
muten  aber  doch  einen  inneren  Zusammenhang. 

Noch  ein  Wort  über  die  Behandlung  der  Abtrünnigen  zur  Zeit 
des  Zusammenbruches,  ln  der  Tagespresse  wurden  die  paneldoctors 
als  minderwertige  Aerzte  hingestellt  und  das  Publikum  gewarnt,  die 
medizinische  Presse  hat  aber  in  äusserst  anerkennenswerter  Weise 
ihre  Spalten  einer  derartigen  Kritik  nicht  geöffnet.  Die  geplante 
Boykottierung  der  paneldoctors  ist  natürlich  seit  Rückgabe  des 
ehrenwörtlichen  Versprechens  ins  Wasser  gefallen.  Nichts  wäre 
schädlicher  für  die  Zukunft,  ungerechter  und  schmachvoller,  als  wenn 
wir  ausserhalb  des  Versicherungsaktes  stehende  Aerzte  diese 
Kollegen  in  ihrer  Ehre  kränken  würden. 

Inwieweit  die  bekannten  6  Kardinalpunkte  der  B.M.A.  ver¬ 
wirklicht  oder  nicht  verwirklicht  sind,  wissen  die  Leser  aus  einem 
früheren  Berichte  (d.  W.  1912,  S.  2645).  Die  Bedingungen,  die 
gegenwärtig  gelten,  sind  die  gleichen,  wie  im  Dezember  v.  J.  und 
bedeuten  dank  den  Bemühungen  der  B.  M.  A.  jedenfalls  einen  grossen 
Fortschritt  gegen  früher.  Die  B.M.A.  hat  mehrfach  eigene  Projekte 
für  den  ärztlichen  Dienst  ausgearbeitet,  die  aber  von  der  Regierung 
abgelehnt  werden  mussten,  weil  u.  a.  bei  ihnen  die  staatliche  Kontrolle 
auf  ein  Minimum  reduziert  oder  ganz  ausgeschaltet  wird.  Die  völlige 
Aufhebung  dieser  liegt  aber  sicherlich  weder  im  Interesse  der 
Oeffentlichkeit  noch  der  Aerzte  selbst.  Andererseits  muss  jedoch 
zugegeben  werden,  dass  die  ärztliche  Repräsentation  auf  den  Ver- 
sieherungskomitees  eine  ganz  ungenügende  ist  —  ein  Kampfobjekt  für 
die  Zukunft. 

Das  Gesetz  ist  mit  15.  Januar  in  volle  Kraft  getreten.  Ueber  die 
Art  des  Arbeitens  und  die  Qualität  des  ärztlichen  Dienstes  lässt  sich 
wegen  Kürze  der  Zeit  kein  Urteil  abgeben,  auch  fehlen  mir  eigene 
Erfahrungen  darüber.  Momentan  sind  die  Versicherungsärzte  sehr 
überarbeitet,  da  jeder  Versicherte  seinen  Arzt  zu  wählen  und  ihm 
persönlich  eine  Karte  zur  Unterschrift  vorzulegen  hat.  Die  Warte¬ 
zimmer  dieser  Kollegen  sind  daher  gegenwärtig  sehr  überfüllt  und 
manche  sogar  Tag  und  Nacht  über  geöffnet.  Daraus  auf  eine  u  n  - 
geh  euere  Zunahme  der  Morbiditätsziffer  zu  schliessen,  ist 
natürlich  falsch,  geschieht  aber  von  Seite  der  Gegner  des  Gesetzes 
recht  häufig.  Dass  die  Zahl  der  Kranken  und  ganz  besonders  der 
trivialen  Fälle,  die  früher  nur  selten  ärztliche  Hilfe  suchten,  einiger- 
massen  in  die  Höhe  gehen  wird,  ist  andererseits  zu  erwarten.  Das¬ 
selbe  gilt  auch  von  Simulanten  und  Marodeuren.  Wer  das  Gesetz 
deshalb  verdammt,  schüttet  das  Kind  mit  dem  Bade  fort.  Ein 
Fall,  der  viel  Aufsehen  erregt  hat,  ist  bereits  gegen  das  Gesetz  aus- 
geniitzt  worden.  Ein  Kollege  fand  sein  Wartezimmer  mit  200  bis 
300  Versicherten  gefüllt  und  darunter  einen  Mann,  der  über  Bauch¬ 
schmerzen  klagte.  Da  die  Zeit  zur  Untersuchung  fehlte,  wurde  ein 
Pulver  verabreicht  und  der  Kranke  ohne  Untersuchung  fortgeschickt. 
Später  Exitus  wegen  eingeklemmter  Schenkelhernie.  Wie  zu  er¬ 
warten  stand,  hat  die  Presse  aus  dein  Falle  reichlich  Kapital  ge¬ 
schlagen. 

Die  Aerzte  Englands  haben  in  dem  langen  Kampfe  gegen  eine 
übermächtige  Regierung  nicht  die  wünschenswerten  Erfolge  erzielt, 
es  ist  aber  zu  hoffen,  dass  ihnen  dies  durch  strammes  Zusammen¬ 
halten  in  der  Zukunft  gelingen  werde.  Dabei  müssen  nicht  nur  die 
Interessen  der  Aerzte.  sondern  auch  diejenigen  der  Oeffentlichkeit 
gewahrt  werden.  Nur  durch  eine  Versöhnung  beider  kann  ein 
dauernder  Friede  hergestellt  werden. 

London,  Ende  Januar  1913.  Paul  Daser. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  N  o  b  i  s. 

Schriftführer :  Herr  L  o  h  r  i  s  c  h,  später  Herr  Ochsenius. 

Herr  Velhagen:  Die  Hauptschwierigkeit  bei  der  Unfallbegut¬ 
achtung. 

Der  Vortrag  wird  in  extenso  an  anderer  Stelle  veröffentlicht 
werden. 

Herr  Hoehi:  Eine  systematisierte  Muskelerkrankung. 

Vortr.  versteht  darunter  die  nach  Infektionskrankheiten  aller  Art 
auftretende,  entzündliche  Veränderung  der  Muskulatur  des  Thorax 
und  der  proximalen  Anteile  der  Extremitäten,  sowie  des  Kopfes  und 
Halses,  mit  Beteiligung  der  Sehnen,  Sehnenansätze,  der  Faszien  und 
des  Periostes  an  den  Prädilektionsstellen,  die  benannt  werden. 

Die  bisher  unter  dem  Namen  des  chronischen  Muskelrheumatis¬ 
mus,  des  Schwielen-  oder  Knötchenschmerzes  bekannte  und  von 
Norström,  Edinger,  Auerbach.  0.  Rosenbach  und  be¬ 
sonders  von  A.  Müller  beschriebene  Erkrankung  wird  in  ihrer  Be¬ 
deutung  für  nervöse  Leiden  noch  zu  wenig  gewürdigt  und  deshalb 
therapeutisch  ungenügend  beeinflusst,  wiewohl  die  Prognose  bei 
rechtzeitiger  Behandlung  günstig  ist.  Als  Heilmittel  kommen  für  das 
akute  Stadium  ausser  Antipyreticis  und  Antineuralgicis  Wärme  und 
Ruhe,  für  das  subchronische  Durchwärmung  der  Haut  und  der  Mus¬ 
kulatur  in  der  gebräuchlichen  Weise  (Bestrahlung,  Heissluft-  und 
Dampfdusche,  Quarzlampe,  Thermopenetration)  in  Frage  und  be¬ 
sonders  die  Massage,  die  für  das  chronische  Stadium  die  Behand¬ 
lung  der  Wahl  ist. 

Die  Behandlung  stellt  an  die  Geduld  des  Kranken  ebenso  hohe 
Anforderungen,  wie  an  die  Kraft  und  Ausdauer  des  Arztes,  und  zwar 
um  so  mehr,  je  später  die  Diagnose  gestellt  und  die  notwendige  Thera¬ 
pie  zur  Anwendung  gebracht  wird. 

Herr  Nobis:  Ueber  das  häufige  Nasenbluten  bei  Jugendlichen. 

Dieses  Leiden  ist  nicht  so  selten  und  übt  auf  den  Betreffenden 
meist  einen  sehr  ungünstigen  Einfluss  aus  durch  Schwächung  der  Kon¬ 
stitution  und  Empfänglichkeit  für  allerlei  Gesundheitsstörungen. 

Das  erste  Auftreten  erfolgt  meistens  in  den  Schuliahren,  dauert 
Jahre  bis  ein  Jahrzehnt  und  länger,  wenn  nichts  geschieht,  und  er¬ 
langt  bei  seltenerem  Auftreten  und  mässigem  Blutverlust  nur  ge¬ 
ringen  Einfluss  auf  das  Allgemeinbefinden,  dagegen  einen  grösseren 
bei  häufigerem  Auftreten  und  stärkerem  Blutverlust.  Von  diesen 
Kranken  dürfte  ein  Teil  der  Phthisis  oder  Tuberkulose  zum  Opfer 
fallen. 

Als  Hauptursache  für  die  Blutungen  hat  sich  mir  die  Trockenheit 
der  Nasenschleimhaut  mit  Neigung  zum  Anlegen  der  Sekrete  und  Ver¬ 
stopfung  besonders  nachts  mit  nachfolgender  Mundatmung  im  Schlaf 
erwiesen. 

Die  Trockenheit  bedingt  es  auch,  dass  pathologische  Keime  zahl¬ 
reich  zur  Ablagerung  in  die  Nase  und  Luftwege  gelangen  mit  den 
nicht  seltenen,  genannten,  unheilvollen  Folgen. 

Sind  andere  Ursachen  zum  Mundatmen  während  der  Nacht,  z.  B. 
Vergrösserung  der  unteren  Muscheln,  der  Luschka  sehen  Ton¬ 
sille  etc.  vorhanden,  so  sind  diese  nach  einiger  Besserung  bald  zu  be¬ 
seitigen. 

Eine  weitere  nicht  seltene  Ursache  für  dieses  Nasenbluten  ist 
angeborene  oder  sekundäre  Syphilis.  Wie  sonst  in  der  äusseren 
Haut  entstehen  hier  in  der  Schleimhaut  unschriebene  Exsudate  mit 
Krusten,  deren  Abreissen  von  der  Unterlage  beim  heftigen  Schnäuzen 
zu  Blutungen  führt. 

Ein  fast  regelmässiges  Vorkommen  bei  diesen  Kranken  ist,  dass 
sie  gerade  abends  am  meisten  essen  und  dadurch  die  Nasenatmung 
nachts  wesentlich  erschweren,  dagegen  früh  wenig  oder  gar  nichts 
essen,  weil  der  Mund  sich  in  einem  widrigen  Zustand  befindet. 

Die  Therapie  besteht  zunächst  in  Beseitigung  der  Krusten  durch 
Schnupfen  von  kräftigem  (2 — 3  proz.)  Salzwasser,  kräftige  Kost  mit 
Eisenpräparaten  und  abends  zeitig  und  wenig  essen.  Ist  einige  Kräfti¬ 
gung  erlangt,  ist  das  etwa  vorhandene  andere  Atmungshindernis  für 
die  Nacht  zu  beseitigen 

Endlich  haben  sich  mir  die  Jodpräparate  und  insbesondere  das 
Jodkali  als  ausserordentlich  nützlich  und  wirksam,  und  zwar  in  nur 
einmaliger  Dosis  von  0,5 — 1,5  täglich  früh  nach  dem  Kaffee,  gelöst 
in  reichlich  Wasser,  erwiesen,  weil  die  hauptsächlichste  Indikation, 
flüssigere  Nasensekretion,  dadurch  am  ersten  erreicht  wird. 

Auch  diese  Tatsache  spricht  für  die  Annahme,  dass  alte  Syphilis 
häufig  den  Grund  für  die  häufigen  Blutungen  abgibt. 

Bei  dieser  Medikation  sind  Obst  und  Siissigkeiten  streng  zu 
meiden. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Erlangen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1912. 

Demonstrationen: 

Herr  Jamin  bespricht  den  Krankheitsverlauf  eines  Falles  von 
subakut  verlaufender  eitriger  Zerebrospinalmeningitis  unter  Hinweis 
auf  die  von  Busse  beschriebenen  Fälle. 


Herr  Merkel  demonstriert  das  bei  der  Se'ktion  gewonnene 
Gehirnpräparat  des  Kindes,  sowie  mikroskopische  Präparate  von 
diesem  Fall,  welche  deutlich  die  von  Busse  geschilderten  und  ab¬ 
gebildeten  fettigen  Degenerationen  der  Exsudatzellen  zeigen. 

Herr  H  a  u  c  k  berichtet  über  die  höchst  interessante  Kranken¬ 
geschichte  eines  mit  Hämophilie  behafteten  Studenten,  der  scheinbar 
ohne  äusseren  Anlass  unter  den  Erscheinungen  einer  zerebralen 
Blutung  starb,  und  spricht  besonders  über  die  Therapie  der 
Hämophilie. 

Herr  Merkel  zeigt  das  Gehirnpräparat  dieses  Falles,  an  dem 
sich  ausser  älteren  meningealen  Blutungen  ein  kolossaler  zerebraler 
Blutungsherd  mit  Durchbruch  in  den  linken  Seitenventrikel  voriindet 
(der  Fall  wird  ausführlich  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  ver¬ 
öffentlicht  werden). 

Diskussion:  Herren  Bisch  off,  Spuler,  Penzoldt, 
Hauser,  Seitz. 

Herr  Merkel  zeigt  und  erläutert  Leichenorgane  eines  bei  einer 
Paratyphusepidemie  in  Erlangen  verstorbenen  Klinikpatienten,  bei 
dem  sich  multiple  Leberabszesse  und  ausgedehnte,  grossenteils  bereits 
gereinigte  Dünndarmgeschwüre  vorfanden,  die  hinsichtlich  ihrer 
Lokalisation  und  ihrer  Gestalt  von  den  gewöhnlichen  Typhusge¬ 
schwüren  ganz  wesentlich  abweichen. 

Diskussion:  Herr  Weichardt. 

Geschäftliches. 


Wissenschaftliche  Vereinigung  am  städt.  Krankenhaus 

zu  Frankfurt  a.  M. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  W  a  1 1  h  a  r  d. 

Schriftführer :  Herr  T  r  a  u  g  o  1 1. 

Herr  J.  Shimazono:  Ueber  Beriberi. 

Dr.  Shimazono  hat  über  Aetiologie,  pathologische  Anatomie, 
Symptomatologie  der  Beriberi  zusammenfassend  gesprochen. 

Ueber  die  Aetiologie  der  Krankheit  ist  man  noch  nicht  zum  end¬ 
gültigen  Schluss  gelangt.  Verschiedene  Untersuchungen  von  Bak¬ 
teriologen  sprechen  gegen  die  parasitäre  Ursache  dieser  Krankheit. 
Viele  Forscher  glauben,  dass  sie  in  irgend  einer  Beziehung  zur  Reis¬ 
nahrung  steht.  Der  Grund  dafür  liegt  darin,  dass  die  Krankheit 
hauptsächlich  in  den  Gegenden,  wo  der  Reis  die  Hauptnahrung  der 
Bewohner  bildet,  auftritt,  und  die  langbekannte  Tatsache,  dass  die 
Hühner  durch  ausschliessliche  Reisfütterung  in  einen  ähnlichen 
Krankheitszustand  gebracht  werden  können.  Shiga,  Kusamau.  a. 
haben  auch  mit  Säugetieren  ähnliche  Versuche  gemacht.  Aber  diese 
einseitige  Fütterung  bei  Tieren  ist  nicht  ohne  weiteres  mit  der 
menschlichen  Reisnahrung  mit  anderem  Zusatz  zu  identifizieren.  Man 
kann  durch  einseitige  Fütterung  mit  anderen  Getreidearten .  auch 
Hühner  in  gleichen  Krankheitszustand  bringen.  Einge  Verschieden¬ 
heiten  der  Symptome  und  der  anatomischen  Befunde  zwischen 
menschlicher  Beriberi  und  der  beriberiähnlichen  Krankheit  der  Vögel 
spricht  weder  gegen,  noch  für  diese  Annahme,  weil  sie  durch  die 
Arten  der  Organismen  verschieden  sein  können,  wenn  sie  auch  von 
derselben  Ursache  herrührt,  wie  es  bei  anderen  Vergiftungen  und 
Ernährungsstörungen  der  Fall  ist. 

Bei  Hiihnerberiberi  wirkt  Reiskleie  prophylaktisch  und  thera¬ 
peutisch  prompt.  Einige  Forscher  haben  davon  wirksame  Substanz 
extrahiert. 

Der  Vortragende  hat  an  Reis  starke  hämolytische  Wirkung  be¬ 
merkt,  und  es  gelang  ihm  diese  hämolytisch  wirkende  Substanz  rein 
darzustellen.  Physikalische  und  chemische  Eigenschaften  dieser  Sub¬ 
stanz  stimmen  ganz  mit  denen  der  Palmitinsäure  überein.  Die  An¬ 
gabe  von  Faust  u.  a„  das  die  gesättigte  Fettsäure  ganz  schwach 
hämolytisch  wirkt,  ist  nicht  richtig.  Er  hat  die  ganze  Reihe  von 
gesättigten  Fettsäuren  geprüft,  sie  wirken  von  Caprinsäure  bis 
Stearinsäure  hämolytisch  so  stark  wie  Oelsäure.  Da  aber  die  Fett¬ 
säure  nach  der  Resorption  vom  Darm  in  Neutralfett  umgewandelt 
wird,  so  glaubt  er,  dass  dieser  Fettsäuregehalt  keine  Besondere  Be¬ 
ziehung  zu  Beriberi  hat.  '  ,  j 

Nach  der  Beschreibung  der  pathologisch-anatomischen  Verände¬ 
rungen  des  Herzens,  der  Nieren,  der  peripherischen  Nerven  hat  er 
seinen  eigenen  Befund  im  Zentralnervensystem  aufgeführt. 

Im  Rückenmark  sieht  man  selten  Strangdegeneration  in  lang¬ 
dauernden  Fällen.  Gewöhnlich  sind  nur  Chromatolyse,  Schwellung, 
Kernverlageruug,  Vakuolisation  der  Ganglienzellen  im  Rückenmark, 
in  den  Spinalganglien  und  in  der  Medulla  oblongata  zu  beobachten. 

Unter  der  Symptomatologie  hat  er  bemerkt,  dass  er  im  Blut¬ 
serum  Vermehrung  des  Adrenalingehaltes  durch  Froschpupillen¬ 
reaktion  beobachtete.  Auch  hat  er  bestätigt,  dass  der  Widerstand 
der  roten  Blutkörperchen  gegen  hypotonische  Kochsalzlösung  manch¬ 
mal  gesteigert  ist.  Durch  seine  frühere  Untersuchung  des  Magen¬ 
saftes  in  50  Fällen  kam  er  zu  dem  folgenden  Schluss:  Die  Sekretion 
des  Magensaftes  kann  anfangs  sich  steigern,  dann  vermindert  sie  sich, 
in  schweren  Fällen  zeigt  sich  Anazidität.  Bei  der  Besserung  tritt 
freie  Salzsäure  wieder  auf.  Motilität  des  Magens  ist  auch  gestört. 
Als  diagnostisch  wichtig  hat  er  die  Lokalisation  der  sensiblen  Stö¬ 
rungen  betont.  Fusssohle  und  Dammgegend  werden  gar  nicht  odei 
nur  ganz  wenig  affiziert.  Der  Bauch  ist  gewöhnlich  ziemlich  stark 


MÜFNcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


269 


Februar  1913. 

lypästhetisch,  dagegen  wird  der  Rücken  sehr  wenig  affiziert.  Sen- 
;ible  Störung  des  Armes  ist  leichter  als  die  des  Beines,  sie  ver¬ 
leitet  sich  gewöhnlich  nicht  bis  zur  Schulter.  Gesicht  und  Hals  sind 
lusser  der  Umgebung  des  Mundes  ausnahmslos  frei  von  der  sen¬ 
siblen  Störung.  Diese  Störung  bleibt  als  Hypästhesie,  niemals  wurde 
ranz  anästhetisches  Gebiet  beobachtet. 

Ataxie  wurde  niemals  beobachtet,  man  sieht  aber  ausnahmslos 
Schwankung  des  Körpers,  besonders  beim  Augenschluss  in  Fallen, 
,vo  die  sensible  Störung  stark  ist.  Vortr.  hat  einen  Apparat  zur 
Messung  der  Empfindung  der  passiven  Bewegung  und  einen  anderen 
mr  Registration  der  Körperschwankung  konstruiert  und  die  Be¬ 
schaffenheit  der  Schwankung  bei  verschiedenen  Krankheiten  sowie 
die  Beziehung  zwischen  Schwankung  resp.  Ataxie  und  Störung  der 
Sensibilität  besonders  der  Tiefen,  studiert.  Damals  hat  er  bei  Beri- 
lerikranken  nachgewiesen,  dass  ihre  Schwankungskurve  von  der 
deichen  Beschaffenheit  wie  bei  Tabes,  nur  gewöhnlich  in  geringerem 
Jmfang  ist,  und  dass  sie  der  Störung  der  tiefen  Sensibilität  parallel  ist. 

Eine  merkwürdige  Tatsache  ist  es,  dass  die  motorische  Störung 
licht  selten  plötzlich  nach  der  Körperanstrengung  auftritt,  z.  B.  steht 
der  Beriberikranke  morgens  von  dem  Bett  auf  und  geht  auf  den 
Abort  ohne  besondere  Schwierigkeiten.  Dort  nimmt  er  nach  japani¬ 
scher  Sitte  eine  kurze  Zeit  hockende  Stellung  ein,  welche  grosse 
Anstrengung  der  Beinmuskeln  erfordert.  Beim  Rückweg  kann  er 
nicht  mehr  gehen,  so  dass  er  von  den  anderen  ins  Bett  gebracht 
werden  muss.  Dass  es  nicht  einfache  Ermüdung  ist,  beweist  die  Tat¬ 
sache,  dass  diese  plötzlich  eingetretene  Lähmung  einen  oder  mehrere 
Monate  lang  dauert.  Diese  Erscheinung  ist  sehr  gut  mit  Prof. 
:E  d  i  n  g  e  r  s  Aufbruchstheorie  zu  erklären. 

Diskussion:  Herren  Edinger,  Shimazono. 

Herr  P.  Schaeier  demonstriert  einen  Patienten,  der  an  Ma¬ 
laria  tertiana  litt  und  durch  Neosalvarsan  geheilt  werden  konnte. 
Der  Kranke,  der  von  anderer  Seite  schon  erfolglos  mit  Chinin  be¬ 
handelt  worden  war,  bekam  eine  halbe  Stunde  vor  dem  zu  er¬ 
wartenden  Anfall  0,6  Neosalvarsan  intravenös.  Das  Medikament 
wurde  ohne  alle  Schwierigkeiten  vertragen,  ein  neuer  Anfall  ist  seit¬ 
dem  nicht  mehr  aufgetreten.  Die  Malariaplasmodien  waren  nach 
etwa  30  Stunden  vollkommen  aus  dem  Blut  verschwunden,  während 
bis  dahin  noch  ziemlich  viele,  aber  anscheinend  erheblich  veränderte 
Formen  zu  finden  waren.  Um  unter  allen  Umständen  einem  Rezidiv 
vorzubeugen,  wurde  am  10.  Tage  nach  der  ersten  Injektion  eine 
zweite,  diesmal  0,9  Neosalvarsan,  vorgenommen.  Auch  diese  enorme 
Dosis  wurde  glänzend  vertragen.  (Der  Fall  wurde  im  108.  Band  des 
Deutschen  Archivs  für  klinische  Medizin  publiziert.) 

Diskussion:  Herren  B  e  n  a  r  i  o,  R  e  h  n. 

Herr  Fritz  La  quer:  Höhenklima  und  Blutneubildung. 

Vortr.  berichtet  über  das  wissenschaftliche  Ergebnis  eines 
4  wöchentlichen  Aufenthaltes  in  dem  Höhenlaboratorium  auf  dem  Col 
d’Olen  —  dem  Instituto  Internazionale  Seien  tifico, 
Angelo  Mosso.  Die  auf  Veranlassung  von  Prof.  O.  Cohn¬ 
heim  -  Heidelberg  angestellten  Blutuntersuchungen  ergaben  zunächst 
beim  Menschen,  dass  in  3000  m  Höhe  während  eines  längeren  Auf¬ 
enthalts  die  Zahl  der  Erythrozyten  in  dem  Kapillarblut  der  Finger¬ 
beere  und  ihr  völlig  parallel  auch  die  Werte  für  das  Hämoglobin  an- 
steigen.  Diese  schon  lange  bekannte  und  oft  erörterte  Blutver¬ 
mehrung  tritt  aber  nicht  plötzlich  auf,  wie  vielfach  behauptet  wurde, 
sondern  etwa  nach  10  Tagen.  Sie  nimmt  dann  langsam  zu  und 
erreicht  erst  nach  2 — 3  Wochen  ihren  höchsten  Wert.  Die  Zunahme 
beträgt  dann  rund  15  Proz.  Sie  ist  der  Ausdruck  einer  wirklichen 
Blutneubildung  im  Höhenklima,  das  offenbar  einen  spe¬ 
zifischen  Reiz  auf  den  blutbildenden  Apparat  ausübt.  Diese  Annahme 
wird  besonders  durch  die  angestellten  Tierexperimente  gestützt. 
6  Hunde,  denen  die  Hälfte  ihres  Blutes  durch  Aderlass  entnommen 
war,  ersetzten  den  Verlust  in  der  Höhe  in  durchschnittlich  16  Tagen, 
während  dieselben  Tiere  und  andere  in  der  Ebene  zum  Ersatz  der 
gleichen  Blutmenge  durchschnittlich  28  Tage  brauchten,  also  rund 
75  Proz.  länger. 

Trotz  aller  theoretischen  Bedenken  muss  man  den  verminderten 
Luftdruck  resp.  die  geringere  Sauerstoffspannung  der  Höhenluft  als 
ursächlichen  Reiz  für  die  Steigerung  der  Blutbildung  betrachten. 
(Die  ausführliche  Veröffentlichung  erscheint  an  anderer  Stelle.) 

Diskussion:  Herren  Friedländer,  Schwenken¬ 
becher,  Embden,  Altmann,  Laquer. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Haenisch. 

Schriftführer:  Herr  Kehl. 

Demonstration: 

Herr  E.  Fraenkel:  Anatomische  und  röntgenologische  De¬ 
monstrationen  aus  dem  Gebiete  der  Verkalkungen. 

F.  demonstriert,  nachdem  er  den  hohen  Wert  der  röntgeno¬ 
logischen  Untersuchung  pathologisch-anatomischer  Präparate  sowohl 
für  Unterrichtszwecke  als  auch  zur  Förderung  der  klinischen  Dia¬ 
gnostik  betont  und  an  dem  Beispiel  der  sogen.  „B  e  c  k  e  n  f  1  e  c  k  e“ 

erläutert  hat,  Röntgenbilder. 


Vortrag: 

Herr  Stargardt:  Ueber  die  Ursachen  des  Sehnerven¬ 
schwundes  bei  Tabes  und  progressiver  Paralyse. 

St.  teilt  seine  Befunde  bei  der  Untersuchung  tabischer  und  para¬ 
lytischer  Sehnervenatrophien  mit,  und  demonstriert  eine  Reihe  von 
Mikrophotographien  pathologisch-anatomischer  Präparate.  Die  bis¬ 
herige  Auffassung,  dass  der  Sehnervenschwund  bei  Tabes  und  pro¬ 
gressiver  Paralyse  ein  aszendierender  Schwund  des  Nerven  ist,  dass 
er  in  der  Ganglienzellenschicht  der  Retina  beginnt,  und  dass  es  sich 
um  eine  „Systemerkrankung“  handelt,  bezeichnet  Stargardt  als 
eine  unbewiesene  Hypothese.  Er  hat  bei  der  Untersuchung  gut 
fixierter  Netzhäute  niemals  Veränderungen  gefunden,  die  als  primäre 
aufzufassen  waren.  Auch  im  peripheren  Teile  des  orbitalen  Optikus 
fanden  sich  niemals  Veränderungen  die  als  primäre  gedeutet  werden 
konnten.  Als  Ort  der  Entstehung  der  Optikusatrophie  kommt  nach 
Stargardt  nur  der  intrakranielle  Teil  des  Optikus,  das  Chiasma 
und  in  ganz  seltenen  Fällen  der  hintere  Abschnitt  des  orbitalen  Teils 
des  Optikus,  die  Tractus  und  die  Corpora  geniculata  m  Betracht. 
Stargardt  schliesst  das  daraus,  dass  sich  an  den  eben  erwähnten 
Stellen  neben  den  degenerativen  Prozessen  auch  exsudative  Prozesse 
nachweisen  lassen.  Die  exsudativen  Prozesse  gehen  den  degene¬ 
rativen  voraus. 

Die  exsudativen  Prozesse  sind  sowohl  was  ihre  zelligen  Ele¬ 
mente,  als  auch  was  die  bei  ihnen  vorkommenden  Gefässverände- 
rungen  anbetrifft,  durchaus  identisch  mit  den  entzündlichen  Ver¬ 
änderungen  in  der  Hirnrinde  bei  der  Paralyse.  Stargardt  glaubt, 
dass  weder  der  exsudative  Prozess  von  dem  degenerativen  abhängig 
ist,  noch  umgekehrt.  Er  glaubt  vielmehr,  dass  beide  auf  ein  und 
dieselbe  Noxe  zurückzuführen  sind.  Als  solche  Noxe  könnte  nur  die 
Spirochaete  pallida  in  Betracht  kommen.  Dass  sie  bisher  nicht  ge¬ 
funden  worden  ist,  beweist  nichts. 

Durch  Untersuchung  der  Umgebung  des  Chiasma  Hess  sich  fest¬ 
stellen,  dass  auch  hier  degenerative  und  exsudative  Prozesse  Vor¬ 
kommen.  Die  Olfaktorii,  die  Okulomotorii,  das  zentrale  Grau,  die 
umliegenden  Hirnteile  könnten  ergriffen  werden  und  der  exsudative 
Prozess  könnte  selbst  auf  die  Hypophyse  übergreifen,  wie  das  auch 
schon  D  e  r  c  u  m  gefunden  hat. 

Den  entzündlichen  Prozess  fasst  Stargardt  ebenso  wie  die 
Aortitis  luica,  die  sich  in  über  40  Proz.  der  Paralytiker  und  Tabiker 
in  Kiel  fand,  gewisse  Spätformen  von  Aderhautentzündung  des  Auges, 
Erkrankungen  der  Gelenke  (Arthropathien)  als  „spätsyphilitische 
nicht  gummöse  Erkrankungen“  zusammen.  Zu  diesen  könnten  viel¬ 
leicht  auch  noch  die  von  Lesser  als  „quartäre  Lues“  bezeichneten 
Prozesse,  die  glatte  Zungenatrophie,  die  interstitielle  Hepatitis  und 
Nephritis  und  die  Orchitis  fibrosa  gerechnet  werden.  Bei  einem 
dieser  spätsyphilitischen  Prozesse  der  Döhle-Heller  sehen 
Aortitis  ist  es  ja  auch  schon  gelungen,  die  Spirochäte  nachzuweisen 
(Reuter). 

Diskussion:  Herr  Liebrecht:  Herr  Stargardt  hält 
auf  Grund  seiner  Untersuchungen  eine  grundsätzliche  Aenderung 
unserer  Anschauungen  über  den  Sehnervenschwund  bei  Tabes  für 
notwendig.  Die  bisherige  Anschauung  ist  folgende:  Infolge  von  tabo- 
toxischen  Stoffen  im  Blute  kommt  es  zu  einem  primären  Zerfalle  der 
nervösen  Elemente  des  Sehnerven  und  zwar  an  seinem  peri¬ 
pheren  Ende,  nach  Ansicht  der  meisten  Autoren  zuerst  in  den 
Ganglienzellen  der  Netzhaut.  Auch  die  häufigen  Augenmuskel¬ 
lähmungen  bei  der  Tabes,  die  reflektorische  Pupillenstarre  beruhen 
auf  einer  Kernerkrankung. 

Herr  Stargardt  kommt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen 
zu  wesentlich  anderen  Resultaten.  Nach  ihm  ist  beim  Sehnerven¬ 
schwund  der  Zerfall  der  nervösen  Substanz  ein  sekundärer,  das 
primäre  ist  eine  Entzündung,  die  von  den  Hüllen  der  Nerven  auf 
diesen  selbst  übergreift  und  die  hervorgerufen  wird  wahrscheinlich 
durch  lebende  Spirochäten.  Der  Angriffspunkt  dieser  Entzündungen 
liegt  stets  am  Chiasma  und  am  intrakraniellen  Teile  des  Sehnerven. 
Die  Atrophie  ist  keine  aufsteigende,  sondern  eine  absteigende.  Auch 
die  Augenmuskellähmungen  sind  durch  den  gleichen  entzündlichen 
Prozess  bedingt. 

L.  hat  lebhafte  Bedenken  gegen  die  Richtigkeit  der  vorge¬ 
tragenen  Theorie.  Dieselben  liegen  einmal  in  der  klinischen  Er¬ 
scheinungsform  der  Tabes  an  den  Augen. 

Mit  der  absteigenden  Atrophie  ist  schwer  zu  vereinen  die  Tat¬ 
sache,  dass  die  Papille  schon  regelmässig  atrophisch 
erscheint,  wenn  der  Patient  wegen  Sehstörung  zur 
Untersuchung  gelangt.  Dieses  frühzeitige  Sichtbarwerden 
der  atrophischen  Verfärbung  der  Papille  ganz  im  Frühstadium  der 
Sehstörung  wird  von  allen  unseren  massgebenden  Forschern  betont. 
Wenn,  wie  Herr  St.  meint,  die  Atrophie  im  Chiasma  oder  im  an¬ 
grenzenden  Sehnervenstück  zuerst  eintritt,  dann  müssten  öfters  Fälle 
zur  Beobacntung  kommen  mit  normaler  Papille  und  starker  Funk¬ 
tionsstörung,  wie  wir  das  nicht  selten  bei  der  echten  syphilitischen 
Erkrankung  der  Sehnerven  vorfinden.  Die  frühzeitige  Atrophie  der 
Papille  spricht  also  mehr  für  einen  peripheren  Beginn  der  Erkrankung. 

Das  frühzeitige  und  vorzugsweise  Befallensein  des  Chiasmas 
steht  in  keinem  Einklänge  mit  dem  Fehlen  hemi- 
anopischer  Defekte  im  Gesichtsfeld  bei  tabischer  Sehstörung; 
auch  die  gewöhnlichen  für  tabische  Erkrankung  charakteristischen 
Gesichtsfelder  mit  ihren  tiefen  sektorenförmigen  Einschnitten 
sprechen  wenig  für  eine  zirkuläre  entzündliche  Erkrankung. 


270 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Die  Augenmuskellähmungen  in  ihrer  Flüchtigkeit  und 
Unvollkommenheit  beruhen  nach  unseren  jetzigen  Kenntnissen  in 
einer  Kernerkrankung,  die  auch  öfters  nachgewiesen  ist  (S  i  e  m  e  r  - 
1  i  n  g),  nicht  in  einer  peripherischen  Erkrankung  der  Nerven. 

Ferner  betont  L.  als  ganz  besonders  wichtig  das  Fehlen 
jeder  papillären  Neuritis  bei  der  Tabes.  Gerade  die  ein¬ 
fache  unkomplizierte  Atrophie  der  Papille  ist  ein  wichtiges  Symptom 
tabischer  Erkrankung.  Es  ist  nicht  zu  verstehen,  warum  eine  vor¬ 
handene  interstitielle  Entzündung  nicht  wenigstens  in  einer  Anzahl 
von  Fällen  peripherwärts  bis  zur  Papille  fortschreiten  und  hier  zur 
Neuritis  führen  sollte,  wie  wir  das  bei  allen  interstitiellen  Ent¬ 
zündungen  gewohnt  sind.  Eine  Neuritis  der  Papille  spricht  aber 
stets  gegen  eine  tabische  Entstehung. 

ln  Betreff  der  anatomischen  Bilder,  die  Herr  St.  demonstriert 
hat,  ist  L.  aufgefaüen  die  Geringfügigkeit  der  entzünd¬ 
lichen  Veränderungen,  die  kaum  im  Verhältnis  stehen 
dürften  zu  einer  ausgebreiteten  Atrophie.  Auch  die  Septen,  die  den 
Verbreitungsgang  der  Entzündung  im  Nerven  darstellen,  schienen  in 
einer  Anzahl  von  Fällen  ganz  frei  von  entzündlichen  Herden  zu  sein. 
Bei  wirklich  ausgesprochenen  Entzündungen  ist  nicht  zu  vergessen, 
dass  nicht  so  selten  Kombination  der  Tabes  mit  Syphilis 
vorkommt  (W  ilbrand-Saenger).  Eine  Beurteilung  der  vor- 
geftihrten  Bilder  ohne  Kenntnis  der  Fälle  und  ohne  eingehendes 
Studium  der  Präparate  ist  nicht  angängig.  Wie  weit  sich  die  ana¬ 
tomischen  Befunde  des  Herrn  St.  bestätigen  werden,  muss  abgewartet 
werden.  Die  klinischen  Tatsachen  scheinen  L.  ent¬ 
schieden  gegen  die  Richtigkeit  der  neuen  An¬ 
schauungen  zu  sprechen. 

Herr  Saenger:  Es  ist  immer  misslich  in  eine  Diskussion  über 
einen  Gegenstand  einzutreten,  wenn  die  beiden  Untersucher  ver¬ 
schiedene  Forschungsmethoden  angewendet  haben.  Der  Vortragende 
hat  sein  Material  mit  Hilfe  von  anderen  Methoden  bearbeitet,  wie 
es  bisher  geschehen  ist.  Er  hat  uns  höchst  interessante  Photogramme 
seiner  Präparate  gezeigt.  Der  Deutung  jedoch,  die  der  Vortragende 
seinen  Befunden  gegeben  hat,  und  den  Schlussfolgerungen  vermag  S. 
nicht  zuzustimmen;  zumal  dieselben  nicht  nur  mit  den  bisher  ge¬ 
fundenen  histologischen  Ergebnissen,  sondern  auch  mit  der  klinischen 
Beobachtung  in  Widerspruch  stehen. 

Beim  tabischen  Sehnerven  handelt  es  sich  um  eine  reine 
Parenchymdegeneration,  die  meist  in  den  distalen  Teilen  der 
optischen  Bahn  beginnt. 

Saenger  hat  zusammen  mit  W  i  1  b  r  a  n  d  die  ersten  Anfänge 
der  tabischen  Optikuserkrankungen  studieren  können  bei  Fällen,  die 
in  vivo  keine  Sehbeschwerden  hatten.  Hier  fand  man  meist  Rand¬ 
degenerationen  ohne  jegliche  entzündlichen  Erscheinungen. 

Saenger  stimmt  durchaus  Liebrecht  bei,  dass  die  kli¬ 
nischen  Beobachtungen  sowohl  des  tabischen  Gesichtsfeldes,  wie  der 
tabischen  Optikusatrophie  durchaus  gegen  die  Schlussfolgerungen 
des  Herrn  Stargardt  sprechen. 

Nach  unseren  Untersuchungen  kann  der  tabische  Degenerations¬ 
prozess  sowohl  im  vorderen,  wie  in  den  hinteren  Abschnitten  des 
Oplikusstammes  sich  abspielen.  Sehr  selten  im  Chiasma  und  in  den 
Traktus.  Dann  würden  ja  hemianopische  Gesichtsfelddefekte  häufig 
bei  der  Tabes  zu  konstatieren  sein.  Ferner  sehen  wir  nie  bei  der 
Tabes  eine  neuritische  Optikusatrophie. 

Der  Angabe  des  Herrn  Stargardt,  dass  die  Ganglienzellen¬ 
schicht  der  Netzhaut  niemals  bei  der  Tabes  erkrankt  sei,  stehen  Be¬ 
funde  von  kompetenten  Untersuchern  entgegen.  So  konstatierte 
Michel  in  einem  Fall  von  tabischer  Optikusatrophie  einen  hoch¬ 
gradigen  Schwund  der  Ganglienzellenschicht  der  Retina. 

Wenn  Herr  Stargardt  die  Behauptung  aufstellt,  dass  der 
Prozess  im  Sehnerven  ganz  derselbe  sei,  wie  derjenige  in  den  Hinter- 
strängen  bei  der  Tabes,  d.  h.  die  Folge  einer  chronischen  Ent¬ 
zündung,  so  setzt  er  sich  damit  in  Gegensatz  zur  Anschauung  der 
modernen  Neurologie,  die  den  tabischen  Prozess  ais  einen  rein 
degenerativen  gegenwärtig  auffasst.  Auch  Spielmeyer  huldigt 
dieser  Ansicht  auf  Grund  seiner  Gliauntersuchungen. 

S.  fragt  Herrn  Stargardt,  ob  er  die  Möglichkeit  hatte,  seine 
Fälle  auch  klinisch  zu  untersuchen  und  ob  nicht  möglicherweise 
Kombinationen  eines  tabischen  mit  einem  luetischen  Prozess  manch¬ 
mal  Vorgelegen  haben. 

Schliesslich  weist  S.  auf  die  Wirkungslosigkeit  der  Therapie  bei 
der  progressiven  Sehnervenatrophie  hin.  Dieser  Umstand  spricht 
auch  mehr  für  den  degenerativen,  nicht  reparablen  Charakter  der 
Affektion  und  gegen  das  Vorhandensein  eines  entzündlichen  Prozesses. 

S.  wird  die  Befunde  des  Herrn  Stargardt  nachprüfen.  Den 
weitgehenden  Schlussfolgerungen,  die  Herr  Stargardt  aus  seinen 
Befunden  zieht,  kann  S.,  wie  gesagt,  nicht  zustimmen. 

Herr  Fraenkel:  An  den  Befunden  des  Herrn  Stargardt 
ist  nicht  zu  zweifeln,  er  hat  sie  uns  durch  photographische  Bilder 
in  objektivster  Weise  vor  Augen  geführt.  Gegen  seine  Auffassung, 
dass  das  syphilitische  Virus  sowohl  eine  Schädigung  der  mark¬ 
haltigen  Nervenfasern  bis  zu  deren  schliesslichem  Zerfall  als  auch 
das  Auftreten  aus  Plasmazellen  bestehender  Herde  veranlasst,  ist 
meines  Erachtens  nichts  einzuwenden. 

Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  man  in  dem  Befund  von  Plasma¬ 
zellenanhäufungen  den  Ausdruck  einer  spezifisch-syphilitischen  Er¬ 
krankung  zu  erblicken  hat.  Und  hierin  weiche  ich  von  Herrn 
S  t  a  r  g  a  r  d  t  ab.  Es  ist  bekannt,  dass  man  sie  bei  den  verschieden¬ 


artigsten,  auf  ganz  differenter  Aetiologie  beruhenden  Prozessen 
(ganz  frischen,  tuberkulösen,  aktinomykotischen  etc.)  antrifft.  Sie 
sind  nur  als  Ausdruck  einer  entzündlichen  Gewebsreizung  anzusehen, 
gestatten  aber  an  sich  keinen  sicheren  Schluss  über  das  auslösende 
ätiologische  Moment.. 

Eine  Parallelisierug  der  von  Herrn  Stargardt  erhobenen  Be¬ 
funde  mit  der  glatten  Atrophie  des  Zungengrundes,  der  sogen. 
Orchit.  fibrosa,  der  Aortitis  syphilit.,  der  Hepatit.  interstitial.  syphilit. 
halte  ich  nicht  für  zulässig,  da  die  genannten  Organveränderungen 
für  die  Diagnose  der  Syphilis  durchaus  verschiedenartig  zu  be¬ 
werten  und  in  ihrer  Pathogenese  als  keineswegs  einheitlich  aufzu¬ 
fassen  sind. 

Den  Beweis  dafür,  dass  die  Arthropath.  tabidorum  als  spezifisch¬ 
syphilitisch  aufzufassen  sei,  halte  ich  nicht  für  erbracht.  Die  an  dem 
vorgeführten  Photogramm  sichtbaren  Veränderungen  waren  recht 
minimal  und  sind  ihrem  Wesen  nach  (Endarteriitis,  Plasmazellen¬ 
anhäufung)  nicht  als  für  die  Diagnose  auf  Syphilis  massgebend  zu 
betrachten. 

Herr  Nonne  betont,  dass  das  anatomische  Bild  der  Tabes, 
soweit  das  Rückenmark  in  Betracht  kommt,  das  einer  primär-degene- 
rativen  Erkrankung  ist.  Dafür  spricht  sowohl  der  mikroskopische 
Befund,  der  eigentliche  Entzündung  vermissen  lässt  (Gefässe, 
Rückenmarkshäute)  als  auch  die  typische  systematische  Verteilung 
und  Progression  des  Prozesses.  Etwas  anderes  ist  es  mit  den 
Fällen  von  Pseudotabes  syphilitica,  d.  h.  Fällen  von  Meningomyelitis 
syphilitica  sowie  mit  den  seltenen  Fällen  von  Kombination  dieser 
2  Erkrankungen.  N.  hält  es  für  ein  Erfordernis,  von  jetzt  an  auch 
die  Fälle  von  einfacher  Tabes  mit  den  neuen  Methoden  (Plasma¬ 
zellen,  Abbauvorgänge)  zu  untersuchen.  Auf  diese  Notwendigkeit 
wiesen  auch  die  Untersuchungsergebnisse  des  Herrn  Star¬ 
gardt  hin. 

Herr  Stargardt  (Schlusswort);  Herr  Stargardt  erkennt 
die  von  anderer  Seite  gemachten  Einwände  nicht  an.  Wenn  man 
mit  anderen  als  den  von  ihm  geschilderten  Methoden  keine  exsu¬ 
dativen  Prozesse  gefunden  habe,  so  beweist  das  nichts.  Auch  aus 
der  Tatsache,  dass  bei  Kranken,  die  zum  ersten  Male  zum  Arzt 
kommen,  schon  eine  deutliche  Atrophie  der  Papille  vorhanden  wäre, 
ergebe  sich  kein  Gegenbeweis.  Denn  bei  der  langsamen  Entstehung  der 
Sehstörungen  könnten  sie  dem  Kranken  lange  Zeit  entgehen.  Fiii 
seine  Auffassung  sprächen  auch  vor  allem  die  vergleichend  patho¬ 
logisch-anatomischen  Untersuchungen  bei  Trypanosomenkrankheiten. 
Gerade  diese  Untersuchungen  haben  bei  einer  anderen  Erkrankung, 
die  früher  auch  als  parasyphilitische  aufgefasst  wurde,  der  hereditär 
luischen  Keratitis  parenchymatosa,  zu  einer  ganz  anderen  Auf¬ 
fassung  geführt. 

Stargardt  habe  schon  vor  Jahren  darauf  hingewiesen,  dass 
ganz  analoge  Prozesse  wie  diese  Keratitis  bei  Tieren,  die  mit 
Trypanosomen  geimpft  waren,  dadurch  zustande  kommen,  dass 
Trypanosomen  in  die  Hornhaut  direkt  einwandern  und  dass  nicht 
wie  von  anderen  Seiten  angenommen  war,  Toxine  die  Erkrankung 
bedingten.  Durch  Igersheimer  ist  ja  jetzt  auch  für  die  hereditär 
luische  Keratitis  parenchymatosa  des  Menschen  nachgewiesen, 
dass  sie  durch  direkte  Einwanderung  von  Spirochäten  zustande 
kommt.  Dieser  Vergleich  zeigt,  dass  unsere  heutige  Auffassung  von 
der  Entstehung  metasyphilitischer  Erkrankungen  sehr  der  Revision 
bedarf. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  March  and. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  v,  Strümpell  stellt  folgende  Fälle  vor; 

1.  Eine  33  jährige  Patientin  mit  den  ausgesprochenen  Erschei¬ 
nungen  eines  Myxödems.  Ein  Bruder  der  Patientin  ist  an  Diabetes 
gestorben;  Kropferkrankungen  in  der  Familie  sind  nicht  bekannt,  da¬ 
gegen  hat  Patientin  in  ihrem  15.  Lebensjahre  an  ziemlich  starkei 
Anschwellung  der  Schilddrüse  gelitten,  die  nach  Einreibungen  ver¬ 
gangen  ist.  Seit  ihrem  15.  Jahre  ist  sie  m_enstruiert,  aber  stets 
unregelmässig,  immer  in  längeren  Pausen  von- 5 — 6  Wochen.  Sie  hat 
9  Geburten  und  2  Fehlgeburten  gehabt.  Niemals  konnte  sie  eines 
ihrer  Kinder  stillen,  es  fehlte  jede  Milchabsonderung  der  Brustdrüse. 
Dabei  stellte  sich  nach  jeder  Entbindung  die  Menstruation  erst  nach 
ungefähr  4  Monaten  wieder  ein.  Im  Anschluss  an  die  letzte  Ent¬ 
bindung  im  Januar  1910  trat  ohne  weitere  Ursache  eine  auffallende 
Veränderung  in  dem  Aussehen  der  Kranken  ein.  Das  Gesicht  wurde 
eigentümlich  dick  und  geschwollen  und  auch  am  Rumpf  und  an  den 
Extremitäten  schwoll  die  Haut  an.  so  dass  die  Patientin  das  Gefühl 
starker  Schwere  und  Spannung  in  den  Gliedern  hatte.  Das  vorbei 
nur  geringe  Körpergewicht  der  Patientin  von  ungefähr  118  Pfund 
nahm  in  wenigen  Monaten  bis  140  Pfund  zu.  Dabei  fühlte  sich 
Patientin  matt  und  litt  zuweilen  an  Kopfweh.  Herzklopfen  hatte  sie 
niemals,  ihre  Zähne  lockerten  sich  etwas;  die  auffallendste  Erschei¬ 
nung  aber  w'ar  die,  dass  die  vorher  ausgesprochen  blonden  Haare 
ganz  dunkel,  fast  schwarz  wurden,  was  allen  Bekannten  der  Patientin 
in  hohem  Grade  auffiel.  Die  Schweissekretion  wurde  sehr  gering, 
so  dass  Patientin  fast  nie  mehr  schwätzte.  Sie  wurde  in  der  hiesigen 


I.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  271 


Jniversitätspoliklinik  von  Herrn  Geheimrat  Hoff  mann  mit 
'Childdrüsentabletten  behandelt,  wodurch  das  Körpergewicht  in 
venigen  Monaten  um  14  Pfund  abnahm  und  Patientin  sich  bedeutend 
vohler  fühlte.  In  den  letzten  Monaten  ist  sie  aber  wieder  viel 
iicker  geworden,  fühlt  sich  matter,  seit  4  Monaten  vollkommene 
Unenorrhöe.  Als  veranlassende  Ursache  der  ganzen  Erkrankung 
ibt  Patientin  Aufregungen  und  Sorgen  mancherlei  Art  an. 

Das  Gesicht  der  Kranken,  namentlich  um  die  Augen  herum 
ind  an  den  Wangen,  ist  eigentümlich  prall  geschwollen;  dieselbe 
igentümliche  pralle  Schwellung  der  Haut  findet  sich  am  Rücken 
ind  an  den  Extremitäten.  Die  Schwellung  ist  an  manchen  Tagen 
iel  erheblicher  wie  an  anderen,  sie  kann  z.  B.  am  Uhr  so  beträcht- 
ich  sein,  dass  vorübergehend  eine  leichte  Gehörstörung  eintritt. 
nnere  Organe  ohne  Besonderheiten,  Harn  ohne  Eiweiss  und  Zucker. 
)ie  Schilddrüse  ist  sehr  klein,  nur  der  mittlere  Lappen  ist  eben  ein 
\  enig  fühlbar.  In  der  Haut  des  Gesichtes  bräunliche  Flecken  von 
ler  Art  der  Chloasmata.  Puls  nicht  verlangsamt,  Körper- 
einperatur  normal,  aber  stets  unter  37°.  Keine  ausgesprochenen 
rsychischen  Veränderungen.  Der  Fall  ist  unzweifelhaft  als  thyreo¬ 
gene  Ernährungsstörung  aufzufassen  und  gehört  zum  Myxödem.  Die 
(ranke  soll  von  neuem  mit  Schilddrüsentabletten  behandelt  werden. 

2.  einen  20  jährigen  Kranken,  bei  dem  sich  nach  einer  verhältnis- 
niissig  geringfügigen  Aufregung  schwere  hysterische  Krampfanfälle 
■ingestellt  haben,  die  teils  von  selbst  mehrmals  täglich  auftreten, 
eils  jederzeit  suggestiv  durch  leichten  Druck  aufs  Abdomen  hervor- 
cerufen  werden  können.  (Starker  allgemeiner  Opisthotonus,  Are  de 
:ercle  etc.).  Wie  der  Anfall  durch  Suggestion  hervorgerufen  werden 
cann,  so  kann  er  auch  durch  suggestiven  Druck  auf  eine  andere  Stelle 
les  Abdomens  zum  Verschwinden  gebracht  werden.  Die  suggestive 
Auslösbarkeit  der  hysterischen  Anfälle  ist  nicht  selten  ein  praktisch 
.richtiges  und  brauchbares  Mittel  zur  Unterscheidung  der  hysteri¬ 
schen  von  den  epileptischen  Anfällen. 

Herr  Milner  stellt  eine  Patientin  vor  mit  einem  objektiv 
lörbaren,  dem  Puls  gleichzeitigen  Geräusch  auf  dem  rechten  Ohr. 

Das  16  jährige  Mädchen  hat  vor  9  Jahren  Scharlach  gehabt, 
rekam  dabei  Schmerzen  und  Schwerhörigkeit,  später  eine  eitrige 
Mittelohrentzündung,  an  der  sie  lange  behandelt  worden  ist.  Als 
las  Ohr  wieder  trocken  war,  soll  vor  4 — 5  Jahren  plötzlich  das 
etzige  Geräusch  aufgetreten  sein,  das  sich  im  Laufe  der  Jahre  un- 
mterbrochen  allmählich  verschlimmert  hat,  fortwährend  besteht  und 
lie  Patientin  sehr  belästigt,  so  dass  sie,  wenn  nötig,  durch  Operation 
ron  ihm  befreit  zu  werden  wünscht. 

Das  Geräusch  ist  nicht  nur  mit  dem  Ohrschlauch  im  äusseren 
iehörgang,  sondern  auch  mit  dem  Stethoskop  auf  der  äusseren  Ge- 
löröffnung  und  vor  ihr  und  auf  dem  ganzen  Warzenfortsatz  deutlich 
'.u  hören.  Es  fällt  mit  der  Hebung  der  Karotis  genau  zusammen 
ind  ist  schon  durch  ziemlich  leichten  Druck  auf  die  Karotisgegend 
soweit  abzuschwächen,  dass  ein  anderer  es  nicht  mehr  hört,  zu  völ- 
igem  Verschwinden  des  Geräusches  auch  für  die  Patientin  gehört 
iber  ein  ziemlich  starker  Druck  nach  oben  und  vorn  im  Winkel  zwi¬ 
schen  Sternokleidomastoideus  und  Unterkieferwinkel.  Drehungen  des 
(opfes  nach  recht  oder  links  haben  keinen  Einfluss  auf  die  objektive 
Stärke  des  Geräusches,  dagegen  wird  es  mit  der  Einatmung  objektiv 
■twas  stärker.  Pat.  glaubt  auch  eine  Verstärkung  durch  Drehen  des 
<opfes  nach  rechts  oder  links  zu  hören.  Die  Patientin  hat  be¬ 
sonders  darum  den  Wunsch  nach  Beseitigung  des  Geräusches,  weil 
.‘s  vor  einigen  Tagen  plötzlich  sich  für  sie  selbst  (nicht  aber  für  den 
Jntersucher)  verschlimmert  hat  nach  einem  Ton  im  Ohr,  „als  ob 
;t\vas  geplatzt  sei“. 

Es  gibt  drei  Arten  objektiv  hörbarer  Ohrgeräusche:  1.  Geräusche, 
die  durch  arrhythmische  Zusammenziehungen  verschiedener  Ohr- 
md  Rachenmuskeln  entstehen,  2.  in  Venen  entstehende  sogen.  Nonnen- 
reräusche  und  3.  von  Arterienerweiterungen  ausgehende  Geräusche. 

Ein  Muskelgeräusch  kann  hier  ausgeschlossen  werden,  nicht 
«wohl  wegen  Zusammenfallens  des  Geräusches  mit  dem  Puls  (denn 
las  soll  auch  bei  Muskelgeräuschen  im  Ohr  Vorkommen)  als  wegen 
meiner  Unterdriickbarkeit  durch  Kompression  der  Halsgefässe  und 
lusserdem  wegen  seines  Charakters,  der  bei  Muskelgeräuschen  als 
knipsend“  meist  beschrieben  wird. 

Auch  um  ein  Nonnengeräusch  kann  es  sich  wohl  nicht  handeln 
ind  überhaupt  nicht  wohl  um  ein  Venengeräusch,  weil  am  Hals  ausser 
-inern  geringen  leicht  hörbar  pulsierenden  Kropf  rechts  keinerlei 
Julsation  der  Venen  sicht-  oder  hörbar  ist.  Ich  nehme  darum  an, 
lass  das  Geräusch,  das  einen  ziemlich  harten  rauschenden  Charakter 
lat,  in  einer  Arterie  entsteht,  die  in  der  Höhe  des  Mittelohrs  ver- 
äuit.  Dass  das  Geräusch  in  diesem  Fall  nach  Otitis  media  purulenta 
mfgetreten  ist,  erinnert  an  einen  Fall,  in  dem  sich  ein  Aneurysma 
les  Teils  der  Karotis,  der  dicht  am  Mittelohr  vorne  unten  vorbeigeht, 
■lurch  eine  Perforation  des  Trommelfells  vorwölbte  und  vom  be- 
landelnden  Ohrenarzt  zunächst  für  einen  Polypen  gehalten  wurde. 
Jeim  Aetzungsversuch  fühlte  der  Kollege  die  blasenartige  Eindriick- 
larkeit  des  „Polypen“  und  nahm  darum  an,  dass  es  ich  um  eine 
Jünne  narbige  Stelle  des  Trommelfells  handle,  die  durch  ein  ab¬ 
geschlossenes  Exsudat  des  Mittelohrs  vorgewölbt  werde.  Er  schnitt 
iin  und  bekam  eine  schwere  Blutung,  die  sich  zunächst  durch  Tam- 
ronade  stillen  Hess,  nach  3  Tagen  aber  doch  noch  zur  Unterbindung 
Jer  Karotis  nötigte.  Auch  andere  Fälle  objektiv  hörbarer  Ohr¬ 
teräusche  infolge  von  Aneurysmen  sind  bekannt. 

In  diesem  Falle  ist  am  Ohr  nur  eine  abgelaufene  Otitis  media. 


keine  Störung  de§  inneren  Ohrs  nachzuweisen  und  in  der  Umgebung 
des  äusseren  Ohrs  keine  Pulsation  fühlbar.  Eine  Verletzung  als 
mögliche  Ursache  eines  Aneurysma  wird  hier  geleugnet,  kongenitale 
Lues  scheint  ausschliessbar. 

Ich  will  in  Lokalanästhesie  das  schuldige  •  Gefäss  unterbinden 
und  später  über  den  Erfolg  berichten.  Vom  otologischen  Standpunkt 
will  Dr.  L  e  v  y  den  Fall  genauer  mitteilen. 

Herr  Nebel:  Der  künstliche  Pneumothorax  im  Röntgenbilde 
mit  Projektionen. 

N.  macht  nach  einer  Pause  von  1  %  resp.  2  Vs  Jahren  nochmals 
auf  die  Bedeutung  der  Behandlung  schwerer,  vorwiegend  einseitiger 
Phthisen  mit  künstlichem  Pneumothorax  aufmerksam  und  zeigt  an 
ca.  50  Projektionsbildern,  wie  verschieden  sich  in  den  einzelnen  Fällen 

—  im  ganzen  18,  die  noch  in  Behandlung  stehen  —  die  intrathora¬ 
kalen  Verhältnisse  gestalten  je  nach  der  Art  der  Verwachsungen,  der 
Nachgiebigkeit  des  Mediastinums,  dem  Auftreten  von  Exsudaten  usw. 

N.  glaubt,  dass  wir  im  Pneumothoraxverfahren  eine  Therapie 
besitzen,  die  es  ermöglicht,  bei  richtiger  Indikation  nicht  nur  vorüber¬ 
gehende  Besserung,  sondern  auch  dauernd  günstige  Beeinflussung 
zu  erreichen  bei  einer  immerhin  nicht  ganz  unbeträchtlichen  Zahl 
Schwerkranker,  die  vordem  vergeblich  von  der  ärztlichen  Kunst 
Linderung  oder  Heilung  ihres  Leidens  erhofften,  und  tritt  der  Ansicht 
von  Koch-  Schömberg  bei,  der  aus  den  in  einer  schon  recht  um¬ 
fangreichen  Literatur  niedergelegten  Erfahrungen  und  aus  den  eigenen 
Beobachtungen  den  Schluss  zieht,  dass  der  künstliche  Pneumothorax 
nicht  nur  seine  Berechtigung  hat,  sondern  dass  man  als  Arzt,  ebenso 
wie  bei  operablen  Krebskranken,  so  auch  bei  schwe;  kranken  Tuber¬ 
kulösen  unter  Umständen  sogar  verpflichtet  ist.  ihnen  die  Wohltaten 
der  neuen  Methode  zukommen  zu  lassen.  V  o  1  h  a  r  d  betont  seines 
Erachtens  mit  Recht,  dass  die  Kollapstherapie  in  geeigneten  Fällen  sich 
nicht  nur  der  Tuberkulinbehandlung,  sondern  auch  der  Hochgebirgs- 
kur  überlegen  erweist,  was  schon  daraus  hervorgeht,  dass  die  Me¬ 
thode  seit  ihrer  Einführung  durch  Brauer  und  Spengler  in 
Davos  so  ausgedehnte  Anwendung  findet,  dass  auch  jeder  Praktiker 
eines  Tages  vor  die  Aufgabe  gestellt  sein  kann,  bei  einem  seiner 
früheren  Patienten  die  auswärts  begonnene  Behandlung  weiterzu¬ 
führen  resp.  für  deren  sachgemässe  Fortsetzung  Sorge  zu  tragen; 
denn  darin  besteht  ja  gerade  der  grosse  Vorteil  der  Methode,  dass 
der  Kranke  nicht  wie  bei  der  klimatischen  Kur  monate-  oder  jahre¬ 
lang  ans  Bett  oder  an  den  Liegestuhl  gefesselt  wird,  sondern  bei 
noch  bestehendem  Pneumothorax  früher  oder  später  wieder  seiner 
Beschäftigung  nachgehen  kann  und  zwar  ohne  Gefahr,  weil  bei  der 
Kollapsbehandlung  die  künstliche  Ruhe  auf  das  erkrankte  Organ  be¬ 
schränkt  und  dieses  zu  einer  vollständigeren  Ruhigstellung  gebracht 
wird,  als  es  sich  auch  bei  der  strengsten  Liegekur  erreichen  lässt. 

Wie  diese  Ruhigstellung  den  Krankheitsverlauf  oft  günstig  be¬ 
einflusst,  wird  an  einer  Kurve  gezeigt,  auf  der  der  Abfall  des  Fiebers, 
die  Abnahme  des  Sputums,  die  Häufigkeit  und  die  Druckverhältnisse 
der  einzelnen  N-Einfiillungen  sowie  die  Gewichtszahlen  übersichtlich 
abzulesen  sind. 

Aus  den  an  der  Hand  von  ca.  50  Projektionsbildern  der  1.  Gruppe 
gegebenen  Erläuterungen  geht  hervor,  dass  N.  zur  Lockerung  von 
Verwachsungen  auch  Fibrolysin  (einmal  mit  negativem  Erfolge  —  die 
Verwachsungen  waren  hier  auch  bei  Anwendung  höherer  Druck¬ 
werte  nicht  schmerzhaft  — ,  zweimal  mit  anscheinend  gutem  Erfolge 

—  hier  waren  die  Verwachsungen  sehr  schmerzhaft  schon  bei  An¬ 
wendung  mässigen  Druckes)  angewandt  und  bei  Beteiligung  der 
anderen  Seite  Tuberkulin  Rosenbach  zur  Unterstützung  heran¬ 
gezogen  hat. 

In  einem  Falle,  wo  nach  mehrfachen  vergeblichen  Probeein¬ 
stichen  doch  noch  eine  Stelle  mit  guten  manometrischen  Ausschlägen 
gefunden  wurde,  ohne  dass  jedoch  spontan  Stickstoff  aspiriert  wurde, 
hat  N.  nach  dem  Vorschläge  von  Holmgren  an  Stelle  des  N.  oder 
des  neuerdings  von  D  e  n  e  c  k  e  empfohlenen  0.  sterile  Kochsalz¬ 
lösung  benützt,  die  ohne  die  Gefahr  der  Gasembolie  bei  Anwendung 
mässigen  Druckes  entweder  Schmerzen  erzeugt,  wenn  sie  an  richtiger 
Stelle  die  gewünschte  Dehnung  veranlasst,  oder  schmerzlos  verläuft, 
wenn  sie  an  falscher  Stelle  zu  flach  extrapleural  oder  zu  tief  ins 
Lungengewebe  infundiert  wird,  oder  auch  reflektorisch  Husten  aus¬ 
löst,  wenn  sie  in  ein  Bronchiallumen  gelangt  und  dann  als  salzig¬ 
schmeckende  Flüssigkeit  expektoriert  wird. 

Die  Demonstration  der  Röntgenbilder  der  2.  Gruppe  —  12  Fälle, 
bei  denen  die  Weiterbehandlung  aus  verschiedenen  Gründen  nicht 
durchgeführt  werden  konnte  —  musste  wegen  Zeitmangels  unter¬ 
bleiben,  obwohl  gerade  diese  Fälle  bez.  der  Indikationsstellung  be¬ 
sonders  lehrreich  sind.  N.  kann  die  Angabe  F  o  r  1  a  n  i  n  i  s,  dass 
die  auf  der  nichtoperierten  Seite  auftretende  Hyperämie  leichte  Pro¬ 
zesse  daselbst  günstig  beeinflusse,  nicht  bestätigen  und  rät,  in  der¬ 
artigen  Fällen  gleichzeitig  eine  vorsichtige  Tuberkulinkur  einzuleiten 
resp.  die  Pneumothoraxbehandlung  mit  Sanatoriumsaufenthalt  zu  ver¬ 
binden. 

Desgleichen  musste  von  der  Demonstration  der  3.  Gruppe  ab¬ 
gesehen  werden,  im  ganzen  14  Fälle,  bei  denen  die  technische  Durch- 
resp.  Undurchführbarkeit  der  Methode  durch  mehrfache  Probeein¬ 
stiche  mit  Hilfe  des  Manometers  festgestellt  wurde.  Wiewohl  sich 
bei  solchem  Vorgehen  in  den  Fällen  mit  ausgedehnten  Verwachsungen 
Verletzungen  der  Lunge  nicht  vermeiden  lassen,  hat  N.  doch  niemals 
Nachteile  oder  Beschwerden  beobachtet,  selbst  wenn  der  Einstich  in 
derselben  Sitzung  an  10  verschiedenen  Stellen  vorgenommen  wurde. 


212 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


i 


No.  5. 


Bei  Verwendung  der  Schmidt  sehen  Doppelnadel  lässt  sich  übri¬ 
gens  bei  einiger  Uebung  durchs  Tastgefühl  mit  der  zweiten  Nadel 
wie  mit  einer  Sonde  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  schon  im  voraus 
bestimmen,  ob  man  einen  freien  Pleuraspalt  oder  festere  Verwach¬ 
sungen  vor  sich  hat. 

Für  diejenigen  Fälle,  wo  flächenhafte  Verwachsungen  eine  intra¬ 
pleurale  Kompression  nicht  oder  nur  sehr  unvollkommen  ermöglichen, 
kommt  dann  noch  die  totale  oder  partielle  extrapleurale  Thorako- 
plastik  und  speziell  die  von  Wilms  empfohlene  Verkleinerung  des 
Thoraxinnenraumes  in  Frage.  N.  hat  darüber  keine  persönlichen 
Erfahrungen. 

Sitzungen  vom  19.  November,  3.  und  17.  Dezember. 

Diskussionen  über  den  Vortrag  des  Herrn  Ri  ecke: 
Ueber  Salvarsan.  (Vgl.  diese  Wochenschrift  1912,  S.  2761.) 

Herr  Dünzelmann  teilt  Erfahrungen  aus  dem  Leipziger 
Kinderkrankenhaus  (Geheimrat  Prof.  Dr.  S  o  1 1  m  a  n  n)  über  40  Fälle 
von  Lues  congenita  mit.  Subkutan  und  intramuskulär  zu  injizieren 
wurde  nach  einigen  Versuchen  zu  gunsten  der  intravenösen  Methode 
ganz  aufgegeben.  Nachdem  anfangs  in  stark  verdünnter  Lösung  das 
neue  Mittel  einverleibt  wurde,  ging  man  später  zur  konzentrierten 
Lösung  (0,1  Salvarsan  in  2  ccm  Flüssigkeit)  über.  Die  Dosierung, 
anfangs  vorsichtig,  wurde  mit  grösserer  Erfahrung  bis  zu  0,15  Sal¬ 
varsan  und  0,2  Neosalvarsan  pro  Injektion  gesteigert.  Salvarsan 
und  Neosalvarsan  sind  gleich  in  Bezug  auf  Wirkung.  Neosalvarsan 
hat  den  Vorteil  angenehmerer  Zubereitung  und  hat  nicht  die  Gefahr 
der  Infiltratbildung  wie  das  Salvarsan. 

Die  alleinige  Salvarsanbehandlung  wurde  verlassen,  und  jetzt 
kombiniert  mit  Hydr.  jod.  flav.  und  Sublimatinjektionen  behandelt. 

Die  Wirkung  des  Mittels  auf  die  luetischen  Symptome  war 
meist  sehr  auffallend,  sie  verschwanden  spätestens  nach  7—8  Tagen 
völlig,  lediglich  die  Rhinitis  und  der  Milztumor  hielt  sich  länger. 
Auffallend  war  die  Mattigkeit,  Schläfrigkeit,  Schreckhaftigkeit  und 
Ueberempfindlichkeit  nach  der  Injektion. 

Fieber  trat  wechselnd  auf,  besonders  hohe  Grade  wurden  bei 
vorher  schon  Infizierten  (Bronchitis)  gemessen. 

Konstant  waren  schleimige  Stühle,  bisweilen  Erbrechen. 
Herxheim  er  sehe  Reaktion  und  Arsenexantheme  wurden  in 
seltenen  Fällen  beobachtet. 

Das  Auftreten  aller  Nachwirkungen  war  äusserst  wechselnd, 
und  nie  von  längerer  Dauer  (1 — 2  Tage). 

Von  37  intravenös  Injizierten  starben  12:  3  an  Pneumonie,  3  an 
Empyem  unabhängig  von  der  Injektion,  4  waren  schwere  Lues¬ 
formen,  bei  denen  die  Behandlung  überhaupt  nicht  viel  erhoffen 
liess,  2  starben  plötzlich  am  1.  und  8.  Tag  nach  der  letzten  Injektion. 

Ob  ein  Zusammenhang  mit  dem  Salvarsan  besteht,  kann  nicht 
mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden,  ist  aber  nicht  wahrscheinlich. 

5  mal  wurden  Rezidive  beobachtet,  2  Kinder  waren  ungenügend 
behandelt  worden. 

Die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  wurde  bei  12  Salvarsan- 
kindern  längere  Zeit  kontrolliert.  5  wurden  negativ,  einer  schwach 
positiv. 

Die  4  entlassenen  Neosalvarsankinder  waren  negativ. 

Ein  abschliessendes  Urteil  ist  bei  der  Kürze  der  Beobachtungs¬ 
zeit  nicht  möglich.  Weitere  klinische  Erfahrungen  über  Methode, 
Dosierung  und  Wirkung  sind  nötig. 

Die  kombinierte  Behandlung  scheint  der  alleinigen  Salvarsan- 
therapie  überlegen  zu  sein. 

(Ausführliche  Publikation  in  der  Zeitschrift  für  Kinderheilkunde 
demnächst.) 

Herr  Rösler  berichtet  über  2  Fälle  von  Lues  cong.  tarda,  die 
erfolgreich  mit  Salvarsan  behandelt  wurden  und  zwar  genügten  ge¬ 
ringe  Salvarsandosen  von  0,2 — -0,3,  um  günstige  Effekte  herbei¬ 
zuführen.  Es  handelte  sich  in  beiden  Fällen  um  Lebergummata. 
Herr  Rösler  glaubt,  dass  die  Kranken  als  geheilt  zu  betrachten 
sein  dürften. 

Herr  A.  Zaloziecki  weist  darauf  hin,  dass  die  allgemeine 
Ansicht  über  die  Entstehung  der  sog.  Salvarsanneurorezidive  jetzt 
dahin  geht,  dass  es  rein  luetische  Nervenerkrankungen  seien,  deren 
Manifestwerden  jedoch  irgendwie  durch  ungenügende  Salvarsan¬ 
dosen  begünstigt  würde;  es  sei  daher  stets  die  Salvarsantherapie 
mit  Hg  zu  kombinieren  und  in  allen  jenen  Fällen,  bei  denen 
eine  intensive  Behandlung  nicht  möglich  sei,  lieber  ganz  zu 
unterlassen.  An  der  med.  Klinik  seien  diese  Nervenstörungen 
recht  oft  beobachtet  worden,  augenblicklich  seien  2  derartige  Pat. 
in  Behandlung  der  Nervenstation  (Dr.  R  ö  p  e  r  t),  die  im  frühen 
Sekundärstadium  nach  je  2 mal  0.4  Neosalvarsan  aufgetreten 
sind.  —  Z.  möchte  ferner  auf  den  hohen  praktischen  (diagnosti¬ 
schen)  Wert  der  provokatorischen  Salvarsan- 
injektion  (Gennerich,  Milian)  hinweisen. 

Herr  S  t  r  e  f  f  e  r  frägt,  ob  das  Salvarsan  für  gewisse  Fälle  von 
Syphilis  als  eine  Bereicherung  anzusehen  sei,  speziell  mit  Rücksicht 
auf  Fälle  von  Kombination  der  Syphilis  mit  Tuberkulose,  wobei  ja 
bislang  die  spezifische  Behandlung  mehr  oder  weniger  kontra¬ 
indiziert  war. 

Herr  Knick  äussert  sich  mit  Rücksicht  auf  die  Akustikus- 
er  krank  ungen  zur  Neurorezidivfrage.  Unter  den  an 
der  Leipziger  Universitäts-Ohrenklinik  seit  Oktober  1909  beob¬ 


achteten  29  Fällen  von  Akustikusstörungen  bei  Frühluetischen  waren 
18  mit  Salvarsan,  2  mit  Quecksilber  vorbehandelt,  9  waren  ganz 
unbehandelt.  Für  die  luetische  Natur  der  Salvarsanneurorezidive 
sprach  folgendes:  1.  Die  Akustikusstörungen  bei  Salvarsanbehan- 
delten  boten  klinisch  das  gleiche  Bild  wie  die  übrigen  Fälle  (ein-  oder 
doppelseitige  reine  Kochlearstörung,  bzw.  Kombination  von  Kochlear- 
störung  mit  Vestibularsymptomen  oder  anderen  Hirnnervenerschei¬ 
nungen,  zugleich  Kopfschmerzen).  Auffällig  war  nur,  dass  bei  den 
unbehandelten  Fällen  im  Gegensatz  zu  den  vorbehandelten  durchweg 
Hauterscheinungen  bestanden.  2.  Die  Wassermann  sehe  Reaktion 
war  mit  Ausnahme  eines  noch  zu  erwähnenden  Falles  positiv.  3.  In 
14  von  16  daraufhin  untersuchten  Fällen  konnten  gleichzeitig  im 
Liquor  cerebrospinalis  ausgesprochene  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  (Lymphozytose,  Eiweissvermehrung, 
positiver  Wassermann)  ebenso  wie  bei  den  unbehandelten  Fällen 
nachgewiesen  werden.  Es  bestand  also  gleichzeitig  eine  luetische 
Meningitis,  als  deren  Teilerscheinung  die  Akustikuserkrankung  (Peri¬ 
neuritis)  aufzufassen  ist.  4.  Die  antiluetische  Therapie  (Salvarsan 
und  Hg-Injektionskur  mit  Kalomel  und  grauem  Oel)  führte  in  den 
meisten  Fällen  zu  erheblicher  Besserung  oder  völliger  Wiederher¬ 
stellung  der  Funktion.  Nur  bei  3  Fällen  blieb  einseitige,  bei  1  Fall 
doppelseitige  Taubheit  bestehen,  offenbar  weil  sie  zu  spät  zur  Be¬ 
handlung  gekommen  waren.  Diese  Fälle  sind  eine  Mahnung,  bei 
Neurorezidiven  sofort  antiluetisch  (mit  Salvarsan)  zu  behandeln,  um 
dauernde  Schädigungen  zu  vermeiden.  Andererseits  hat  die  Kontrolle 
des  Liquorbefundes  bei  unseren  Fällen  gezeigt,  dass  die  luetischen 
Meningitiden  bisweilen  sehr  hartnäckig  sind  und  eine  energische 
kombinierte  Behandlung  erfordern. 

In  allen  Fällen  von  Akustikusstörung  nach  Salvarsan  liess  sich 
also  nachweisen,  dass  noch  eine  manifeste  oder  latente  Lues  bestand 
(Wassermann,  Liquorbefund).  Es  war  daher  am  wahrscheinlichsten, 
dass  nicht  eine  toxische  Schädigung  durch  Salvarsan,  sondern  ein 
Neurorezidiv  der  Lues  vorlag.  Nur  ein  Fall  bildete  anscheinend  eine 
Ausnahme:  39 jähr.  Schmied  erkrankte  Oktober  1909  12  Wochen 
nach  Salvarsaninjektion  an  doppelseitiger  Nervenschwerhörigkeit 
ohne  Meningeal-  und  Vestibularsymptome.  (Siehe  Knick:  Mon.  f. 
Ohrenheilk.  1911.)  Das  klinische  Bild  glich  durchaus  einer  toxischen 
Schwerhörigkeit.  Da  in  keiner  Weise  (Wassermann  und  Liquor¬ 
befund  negativ)  eine  noch  bestehende  Lues  nachzuweisen  war  und 
da  der  Wassermann  bis  zur  letzten  Untersuchung  im  Januar  1912 
negativ  blieb,  wäre  dies  der  einzige  Fall,  bei  dem  eine  toxische 
Salvarsanwirkung  diskutabel  wäre.  (Nachtrag  beim  Druck:  Eine 
erneute  Untersuchung  am  29.  XI.  12  ergab:  tertiäre  Hauterschei¬ 
nungen  an  Unterschenkel  und  Kreuz,  Wassermann  positiv.  Damit 
scheidet  der  Fall  zur  Beurteilung  der  Toxizität  des  Salvarsans  aus.) 

Herr  Klemm:  Bei  im  ganzen  etwa  250  Salvarsaninjektiouen 
an  ca.  100  Patienten  wurde  anfänglich  so  verfahren,  dass  eine 
einzige  intravenöse  Injektion  vorgenommen,  daneben  ein  intra¬ 
muskuläres  Depot  angelegt  wurde.  Von  diesem  Verfahren  wurde 
indes  sehr  bald  wieder  abgegangen,  einmal  wegen  der  grossen 
Schmerzen,  die  mit  jeder  intramuskulären  Injektion  verbunden 
sind,  sodann  wegen  des  ebenfalls  regelmässig  auftretenden  und  dann 
permanent  bleibenden  Infiltrats,  das  die  Verwendung  der  betreffenden 
Gefässbacke  zu  Hydrargyruminjektionen  behindert.  Hiervon  ist  auch 
das  Schindler  sehe  Joha  nicht  auszunehmen.  Obwohl  bei  der 
Injektion  desselben  genau  nach  den  detaillierten  Vorschriften  ge¬ 
handelt  wurde,  die  Schindler  seinem  Präparate  beigibt,  wurde 
trotzdem  regelmässig  eines  von  diesen  persistierenden  Infiltraten 
erhalten. 

Es  ist  sicher,  das  man  auch  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen 
hiermit  auskommen  kann,  aber  genau  vornweg  wissen  kann  man  das 
nicht  und  deswegen  ist  es  besser,  wenn  man  gleich  von  vornherein 
mehr  tut.  Diese  Erkenntnis  führte  zunächst  zu  dem  Brauch,  die 
intravenöse  Injektion  dreimal  zu  wiederholen.  An  dieser  Anzahl 
wurde  sehr  lange  festgehalten  und  bei  einem  grossen  Teil  der 
Patienten  wird  auch  jetzt  noch  so  verfahren. 

Es  wurde  aber  auch  auf  5 — 6  Injektionen  hintereinander  ge¬ 
stiegen  und  zwar  ist  das  auch  immer  gut  vertragen  worden.  Zu 
empfehlen  ist  dieses  Verfahren  besonders  bei  Fällen,  in  denen  von 
vornherein  eine  gewisse  Hartnäckigkeit  des  Krankheitszustandes  zu 
erwarten  ist,  also  in  veralteten  Fällen  mit  lange  bestehender  posi¬ 
tiver  Wassermannreaktion,  Fällen  mit  Gehirnsymptomen,  Tabes  oder 
zu  befürchtender  progressiver  Paralyse,  ferner  in  Fällen  von  Lues 
hereditaria  tarda.  Auch  Fälle  frischer  sekundärer  Syphilis,  die  mit 
bereits  kräftig  entwickeltem  Exanthem  und  stark  positiver  Wasser¬ 
mannreaktion  in  die  Behandlung  eintreten,  gehören  hierher.  Wenn 
man  bisweilen  hört,  dass  Patienten  dieser  Kategorie  eine  einzige 
Salvarsaninjektion  bekommen  haben  und  weiter  nichts,  so  muss  man 
das  als  vollkommen  zwecklos  und  als  vergeudete  Mühe  und  Kosten 
bezeichnen.  Selbst  mit  3  Injektionen  sind  da  in  verschiedenen  Fällen 
Misserfolge  erlebt  worden,  indem  bei  den  frischeren  Fällen  wieder 
Sekundärerscheinungen  auftraten,  in  den  älteren  die  positive 
Wassermannreaktion  nach  vorübergehendem  Negativwerden  wieder 
ins  Positive  umschlug.  3  intravenöse  Injektionen  sind  nur  dann  als 
genügend  zu  bezeichnen,  wenn  wir  Fälle  mit  frischem  Primäraffekt 
und  noch  negativer  oder  schwach  positiver  Wassermannreaktion 
in  Behandlung  bekommen,  es  sich  also  um  die  Kupierung  der  Krank¬ 
heit  handelt.  Da  reichen  sie  vollkommen  aus,  die  Kupierung  ge¬ 
lingt  nach  meinen  Erfahrungen  sehr  gut.  Die  geschwiirige  Fläche 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


273 


[.  Februar  1913. 


er  Schanker  verkleinert  sich  zusehends,  es  tritt  dann  rasch  Ueber- 
äutung  ein  und  bald  verschwindet  auch  die  Infiltration.  In  allen 
derartigen  beobachteten  Fällen  sind  dann  später  auch  nie  wieder 
irscheinungen  aufgetreten,  und  soweit  Nachprüfung  möglich  war, 
vurde  auch  die  Wassermannreaktion  stets  negativ  befunden.  In 
en  anderen  Fällen  muss  man  die  Zahl  der  intravenösen  Injektionen 
uf  5—6  steigern,  und  wenn  man  sicher  gehen  will,  wie  ich  das  ver- 
chiedentlich  gehandhabt  habe,  eine  ein-  bis  zweimalige  Wieder- 
olung  dieser  Injektionsserie  vornehmen,  also,  ähnlich  wie  dies  bei 
ler  Hydrargyrumbehandlung  üblich  ist,  intermittierend  behandeln, 
is  kommt  da  natürlich  darauf  an,  was  die  äusseren  und  pekuniären 
erhältnisse  des  Patienten  erlauben. 

•  Als  Intervall  zwischen  den  einzelnen  Injektionen  bemesse  ich 
licht  8  Tage,  sondern  bei  den  ersten  3  Injektionen  häufig  nur 

•  Woche.  Voraussetzung  ist  bei  diesem  kurzen  Intervall  natürlich, 
ass  der  Patient  die  Einspritzung  gut  vertragen  hat  und  sich  nicht 
on  ihr  angegriffen  fühlt,  was  aber  bei  im  übrigen  gesunden  und 
räftigen  Leuten  gar  nicht  vorkommt.  Von  der  3.  Injektion  an  nehme 
ch  dann  die  Intervalle  auch  etwas  länger,  5 — 6  Tage  bis  1  Woche. 

Natürlich  darf  man  bei  dieser  grösseren  Injektionszahl  gewisse 
/orsichtsmassregeln  nicht  ausser  Acht  lassen.  Ich  wähle  die  An- 
angsdosis  nur  mässig  hoch,  Frauen  0,3,  Männer  0,4.  Ist  die  Injektion 
;ut  vertragen  worden,  so  steige  ich  halbdezigrammweise,  über- 
chreite  aber  die  Dosis  von  0,5  fast  nie,  nur  bei  kräftigen  Männern 
ehe  ich  ausnahmsweise  auch  einmal  bis  0,6.'  Ich  glaube,  dass  man, 
la  ja  doch  einmal  eine  sterilisatio  magna  mit  einem  einzigen  Iktus 
licht  zu  erreichen  ist,  mit  einer  Wiederholung  mässig  grosser 
losen  dasselbe  erreichen  kann,  wie  mit  wenigen  grossen, 
lie  ja  doch  immer  die  Gefahr  der  Intoxikation  in  sich  bergen. 

Für  die  Steigerung  der  Anzahl  der  Injektionen  spricht  auch  sehr 
lie  Tatsache,  dass  die  Fälle  von  Intoxikationen  mit  tödlichem  Aus- 
ang  in  der  Regel  schon  nach  der  1.  oder  2.  Injektion  auftreten.  Hat 
ler  Patient  also  2  Injektionen  gut  vertragen,  so  ist  anzunehmen,  dass 
r  auch  die  weiteren  gut  vertragen  wird.  Wie  vielfach,  so  besteht 
uch  hier  ein  gewisser  Widerspruch  zwischen  Theorie  und  Praxis: 
heoretisch  finden  wir  die  Anhäufung  des  Salvarsans  im  Körper, 
iraktisch  sehen  wir,  dass  das  Mittel  gut  vertragen  wird. 

Neurorezidive  habe  ich  auf  diese  Weise  kein  einziges  erlebt. 

Wichtig  ist,  vor  jeder  neuen  Injektion  den  Urin  zu  untersuchen, 
vas  ich  nie  unterlasse.  Wenn  ich  mich  recht  erinnere,  ist  aus  der 
.eipziger  dermatologischen  Klinik  zuerst  auf  das  Vorkommen  von 
iiweissausscheidung  nach  Salvarsaninjektion  aufmerksam  gemacht 
i  orden.  Oefter  als  zweimal  habe  ich  es  unter  meinen  250  Injek- 
ionen  allerdings  nicht  beobachtet.  Ich  halte  das  für  ein  gewisses 
Varnungszeichen,  dass  der  Patient  das  Mittel  nicht  sonderlich  gut 
•erträgt,  warte  natürlich  dann,  bis  das  Eiweiss  aus  dem  Urin  wieder 
erschwunden  ist  und  wiederhole  erst  dann  die  Einspritzung,  zu- 
lächst  mit  derselben  Dosis. 

Den  vorhergehenden  Ausführungen  ist  noch  hinzuzufügen,  dass 
n  allen  Fällen  ohne  Ausnahme  neben  der  Salvarsanbehandlung 
loch  eine  kräftige  Hydrargyrumbehandlung  nebenhergeht.  Das  zu 
rwähnen  ist  deshalb  wichtig,  weil  man  oft  gefragt  wird:  Salvarsan 
ider  Quecksilber?  Darauf  kann  man  nur  antworten:  Salvarsan 
ind  Quecksilber!  Die  beiden  Mittel  können  sich  nicht  gegenseitig 
rsetzen,  sondern  nur  ergänzen.  Das  eine  entfaltet  die  blendende 
-lomentar.wirkung,  und  was  ihm  an  Nachhaltigkeit  dieser  Wirkung 
tbgeht,  das  schafft  dann  das  Quecksilber.  Beiläufig  bemerkt  ver- 
vende  ich  seit  längerer  Zeit  als  Hydrargyrumpräparat  fast  nur  noch 
)leum  cinereum,  das  bei  Anwendung  entsprechender  Vorsichtsmass- 
egeln  vorzüglich  vertragen  wird. 

Herr  Stadler  teilt  die  Erfahrungen  mit,  die  in  der.  medi- 
inischen  Klinik  mit  der  Salvarsanbehandlung  der  syphilitischen  Ge¬ 
wiss-,  speziell  der  syphilitischen  Aortenerkrankung  gemacht  wurden. 
:s  wurde  stets  eine  kombinierte  Jod-Quecksilber-Salvarsantherapie 
lurchgeführt.  Nach  8 — 14  tägiger  Schmierkur  wurde  Salvarsan  zu- 
rst  in  einer  Dosis  von  0,1  oder  0,2  g  eingespritzt  und  die  gleiche 
losis.  wenn  gut  vertragen,  nach  weiteren  8  und  14  Tagen  wieder- 
iolt.  Dann  wurde  zu  grösseren  Dosen,  0,3  oder  0,4  übergegangen 
nid  im  Laufe  der  folgenden  Wochen  bei  Fortsetzung  der  Schniier- 
;ur  bis  zu  insgesamt  2,5  bis  3  g  Salvarsan  infundiert.  Bei  dieser 
orsichtig  einschleichenden  Behandlung  kam  es  niemals  zu  irgend 
velchen  Schädigungen  der  Kranken.  Zweimal  wurden  bei  der  ersten 
ind  zweiten  Injektion  vorübergehende  Temperatursteigerungen  be¬ 
obachtet,  die  das  eine  Mal  wahrscheinlich  auf  einem  Wasserfehler, 
las  andere  Mal  vielleicht  auf  einer  damals  versuchsweise  ein- 
icspritzten  grossen  Anfangsdosis  (0,3  g)  beruhten.  Bei  einem  Falle 
rat  nach  jeder  Salvarsaninjektion  für  mehrere  Tage  ein  Pulsus 
ngeminus  ohne  Erscheinungen  von  Herzinsuffizienz  auf. 

Dagegen  war  bei  fast  sämtlichen  Fällen  eine  gegenüber  der 
'übereil  einfachen  Quecksilberbehandlung  auffallend  schnelle  Bes- 
erung  der  Herztätigkeit  und  des  Allgemeinbefindens  zu  verzeichnen. 
Ri  2  Fällen  von  syphilitischer  Aorteninsuffizienz  mit  schweren  An¬ 
al  en  von  Angina  pectoris  hörten  die  Anfälle  nach  Einleitung  der 
salvarsanbehandlung  bald  und  für  die  Dauer  auf.  Symptome  der 
lerzmuskelinsuffizienz  besserten  sich  unter  Auftreten  starker  Diurese 
uiftallend  schnell,  ohne  dass  etwa  gleichzeitig  Herzmittel  und  Diu- 
etika  gegeben  wurden.  Die  Salvarsanbehandlung  wurde  auch  bei 
'allen  von  schwerer  Herzschwäche  mit  Aorteninsuffizienz  und 
Higina  pectoris  ohne  Schaden  vertragen.  —  Ueber  Dauererfolge 


dieser  kombinierten  Behandlung  lässt  sich  noch  nichts  sicheres  sagen, 
ebenso  fehlen  noch  Erfahrungen  über  die  Behandlung  von  grösseren 
sackförmigen  Aneurysmen  mit  Salvarsan.  Eine  Schädigung  wurde 
in  2  Fällen  bei  der  vorsichtigen  einschleichenden  Methode  nicht 
gesehen. 

Herr  V  ö  r  n  e  r  verzichtet  auf  das  Wort. 

Herr  F  rii  h  wa  1  d  weist  auf  die  nach  intramuskulärer  wie  intra¬ 
venöser  Salvarsaninjektion  auftretenden  Spätexantheme  hin.  Diese 
erscheinen  nach  8 — 10  Tagen  in  Form  von  hanfkorn-  bis  linsengrossen 
hellioten,  später  mehr  lividen  Knötchen,  die  sich  entweder  an  ein¬ 
zelnen  Prädilektionsstellen,  wie  Hand-  und  Fussriicken,  Knie  etc. 
lokalisieren  oder  sich  über  den  ganzen  Körper  disseminieren.  Gleich¬ 
zeitig  bestehen  schwere  Allgemeinerscheinungen,  Fieber  bis  40°, 
Kopfschmerzen,  Erbrechen,  Prostration  etc.  Unter  solchen  Um¬ 
ständen  können  akute  Exantheme  vorgetäuscht  werden.  Fr.  be¬ 
richtet  über  2  Fälle,  bei  welchen  Scharlach  bezw.  Flecktyphus  in 
differentialdiagnostische  Erwägung  kamen.  Die  Kenntnis  dieser 
Arzneiexantheme  ist  also  sehr  wichtig. 

Zum  Schlüsse  berichtet  Fr.  über  einen  Patienten,  der  wegen 
primärer  Syphilis  0,9  Neosalvarsan  erhalten  hatte.  Etwa  4  Wochen 
nach  der  Infusion  brach  die  Sklerose  wieder  auf;  das  dem  Patienten 
entnommene  Blut  erzeugte  bei  Injektion  in  die  Hoden  von  Kaninchen 
eine  typische  zirkumskripte  Orchitis  mit  Spirochäten. 

Herr  Schwarz  berichtet  über  Erfahrungen  mit  Salvarsan  bei 
syphilitischen  Augenerkrankungen.  Sie  stimmen  im  all¬ 
gemeinen  mit  den  Erfahrungen  in  anderen  Gebieten  überein:  Meist 
auffallend  rasche  Erfolge  bei  den  Erkrankungen  der  frühen 
Stadien, ^  so  besonders  bei  akuter  Iritis,  langsamere  und  weniger 
sichere  Wirkung  bei  Späterkrankungen.  Aber  auch  bei  solchen  treten 
Erfolge  nicht  selten  rascher  ein  als  bei  energischer  Hg-  und  Jod¬ 
behandlung.  So  bei  den  oft  recht  hartnäckigen  Pupillen  - 
und  Akkommodationsstörungen.  Eine  einseitige  Sphinkter¬ 
lähmung  mit  Akkommodationsparese  ging  nach  einer  intravenösen 
Infusion  in  wenigen  Tagen  zurück;  bei  einer  doppelseitigen  Ophthalmo¬ 
plegia  interior  wurde  die  Akkommodation  schon  am  Tag  nach  einer 
intramuskulären  Injektion  fast  ganz  normal,  während  die  Sphinkter¬ 
lähmung  in  reflektorische  Starre  überging;  bei  einem  anderen  Fall 
doppelseitiger  Ophthalmoplegia  interior,  die  einer  unter  Hg  zurück¬ 
gegangenen  teilweisen  Okulomotoriusparese  folgte,  trat  nach  vier 
Isaak  sehen  Einspritzungen  zu  0,1  (subkutan  im  Rücken)  erhebliche 
Besserung  der  Akkommodation  und  der  Pupillenbewegung  ein. 

Einer  nach  2  Salvarsaninfusionen  geheilten  Iritis  folgte  2  Monate 
später  als  „Neurorezidiv“  eine  vollständige  Abduzensläh  m  u  n  g, 
die  unter  weiterer  Salvarsan-  und  Hg-Behandlung  rasch  zurückging. 

Bei  einer  schweren'  glaukomatösen  Iritis  eines  arterio¬ 
sklerotischen  Heim  brachte  eine  Isaak  sehe  Injektion  zu  0,1  binnen 
8  Tagen  alle  entzündlichen  Erscheinungen  und  die  Drucksteigerung 
zum  Schwinden,  das  Sehen  hob  sich  von  blosser  Lichtwahrnehmung 
auf  lh 2.  Nach  Wiederholung  der  Injektion  weitere  Besserung. 

Eine  als  „Neurorezidiv“  aufgetretene  hochgradige  Seh¬ 
nerven-  und  Netzhautentzündung  heilte  unter  weiterer 
Salvarsan-  und  Hg-Behandlung  im  Laufe  von  4  Monaten  mit  Hinter¬ 
lassung  von  Netzhautnarben;  die  Sehschärfe  stieg  auf  4/s  bis  1.  (Der 
Fall  ist  schon  von  V  o  1 1  e  r  t  in  dieser  Wochenschr.  S.  1960  mitgeteilt.) 
Eine  leichte  Sehnervenentzündung  mit  staub¬ 
förmiger  Glaskörpertrübung,  gleichfalls  „Neuro¬ 
rezidiv“,  ging  unter  Salvarsan  und  Hg  zurück;  ein  Jahr  später  beider¬ 
seits  leichte  Papillitis  mit  Glaskörpertrübung,  Rückgang  unter 
gleicher  Behandlung. 

Ausser  den  angeführten  3  „Neurorezidiven“  sah  ich  eine  voll¬ 
ständige  Okulomotoriuslähmung,  die  noch  behandelt  wird,  ferner  eine 
einseitige  Ophthalmoplegia  interior  (nach  Salvarsan  und  Hg),  die  sich 
auf  weitere  Salvarsan-  und  Hg-Behandlung  nur  wenig  besserte. 

Am  unsichersten  reagiert  die  parenchymatöse  Kera¬ 
titis.  Bei  einem  mit  3  Infusionen  (in  8  tägigen  Pausen)  behandelten 
Fall  besserten  sich  die  Entzündungserscheinungen  nach  wenigen 
Wochen,  nach  2  Monaten  war  die  Hornhaut  merklich  aufgehellt. 
(Unter  Hg  weitere  langsame  Besserung.)  Einige  andere,  nicht  intra¬ 
venös  behandelte  Fälle  Hessen  keine  deutliche  Wirkung  des  Salvarsan 
erkennen,  auch  nicht  mit  der  bei  schmerzhaften  Augenentzündungen 
oft  beruhigenden  Halsstauung,  die  kürzlich  Neumayer  (S.  2617) 
zur  „Anreicherung“  der  Salvarsanwirkung  bei  Kopflues  empfahl. 

Bei  Keratitis  parench.  versuchte  ich  auch  örtliche  Be¬ 
handlung,  zuerst  mit  der  von  Ehrlich  empfohlenen  Amino- 
phenylarsinsäu  r  e,  die  mir  ( 10  proz.)  vom  Kollegen  R  i  e  c  k  e 
zur  Verfügung  gestellt  wurde;  selbst  reichliche  Einträuflung  sowie 
subkonjunktivale  Einspritzung  blieben  ohne  Einfluss.  Nach  Rosen¬ 
meyers  Mitteilung  (S.  2495  dieser  Wochenschrift)  versuchte  ich 
kürzlich  Neosalvarsan  bei  2  Fällen,  ging  bis  zu  stündlicher  Ein¬ 
träuflung  von  je  10  Tropfen  einer  5  proz.  Lösung  (die  nach  einigen 
Stunden  braun  wird  und  dann  durch  frische  Lösung  zu  ersetzen  ist). 
Die  frische  Lösung  ist  reizlos.  Sicheren  Erfolg  konnte  ich  noch  nicht 
feststellen.  Weitere  Versuche  empfehlenswert.  (Suspension  in  öliger 
Atropinlösung  habe  ich  noch  nicht  versucht.) 

Als  wirksamste  Anwendung  des  Salvarsan  hat  sich,  nach 
übereinstimmender  Beobachtung  der  Ophthalmologen,  auch  bei  Augen¬ 
erkrankungen  die  intravenöse  erwiesen.  Wo  diese  nicht  an¬ 
wendbar  oder  bedenklich  erscheint,  können  auch  mit  anderen  Me¬ 
thoden,  selbst  mit  schwachen  Dosen,  gute  Erfolge  erzielt  werden. 


27-4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  Präparate  nach  Isaak,  und  Joha  nach  Schindler  und 
N  e  i  s  s  e  r,  werden  frisch  im  allgemeinen  sehr  gut  vertragen; 
Schmerzen  und  Infiltrate  sind  wohl  meist  auf  abgelagerte  Präparate 
zurückzuführen.  Stets  habe  ich  noch  mit  Hg  und  Jod  (meist 
abwechselnd)  energisch  nachbehandelt,  oft  auch  schon  vor¬ 
behandelt.  Die  intravenöse  Infusion  habe  ich  nicht  selbst  ausgeführt, 
sondern  verschiedenen  Kollegen  überlassen. 

Die  Wirksamkeit  selbst  schwacher  Salvarsangaben  veranlasste 
mich,  Salvarsan  auch  rektal  zu  geben,  zunächst  in  einem  Fall  von 
Ophthalmoplegia  int.  als  Nachbehandlung,  wo  Hg  und  Jod  immer 
nur  kurze  Zeit  vertragen  wurden.  Ich  begann  mit  0,1;  die  neutia- 
lisierte  Lösung  wurde  auf  500 — 600  ccm  verdünnt.  Unter  vorsichtiger 
Steigerung  ging  ich  bis  0,5,  was  auch  reizlos  vertragen  wurde. 
Stuhlgang  erfolgte  gewöhnlich  erst  andern  Tags.  Bei  einem  Fall  von 
Keratitis  parench.,  wo  während  einer  Pause  in  der  Hg-Behandlung 
eine  Kniegelenksentzündung  mit  starker  Schwellung  und 
Schmerzhaftigkeit  aufgetreten  war,  gingen  diese  Erscheinungen 
schon  am  Tag  nach  einem  Salvarsaneinlauf  (0,5)  bedeutend  zurück; 
nach  dessen  Wiederholung  (mehrere  Tage  später)  verschwanden 
sie  rasch  ganz.  In  dem  12  Stunden  nach  dem  Einlauf  gelassenen 
Urin,  noch  mehr  in  dem  24  Stunden  darnach  gelassenen,  war  deutlich 
Arsen  nachweisbar.  Leichte  Temperatursteigerung  (bis  38,5)  wurde 
gelegentlich  nach  Einlauf  beobachtet,  ohne  sonstige  Störungen.  Auch 
anderweit  wurde  schon  Salvarsan  rektal  verabreicht  (s.  Ref.  in 
dieser  Wochenschrift:  B  a  y  r  o  w,  S.  273,  del  Portillo  S.  2475; 
ferner  Lyon  med.,  7.  Juli  1912:  Weil,  Morel  und  Q.  Mouri- 
quand).  Zur  Begünstigung  der  Resorption  lasse  ich  den  Tag  über 
nichts  trinken,  eine  Stunde  vor  dem  Einlauf  ein  Glyzerinsupposi- 
torium  geben,  das  nach  etwa  'A  Stunde  Stuhlgang  bewirkt.  Der  Ein¬ 
lauf  wird  abends  gemacht,  in  linker  Seitenlage,  dann  folgt  einige 
Minuten  Knie-Ellenbogenlage,  schliesslich  rechte  Seitenlage,  um 
die  Flüssigkeit  gut  im  Kolon  zu  verteilen.  Kürzlich  verabreichte 
ich  (nach  Beobachtung  der  Reizlosigkeit  am  Auge)  auch  Neo- 
salvarsan  als  Einlauf,  0,75.  dann  auch  0,9  in  zirka 
200  ccm  Wasser  gelöst,  das  ebenfalls  keinerlei  Störung  hervorrief. 
(Auch  hier  Arsennachweis  im  Urin.)  Weitere  Versuche  damit 
möchte  ich  für  Fälle  empfehlen,  wo  intravenöse  Infusion  aus  irgend 
einem  Grunde  nicht  angezeigt  ist. 

Herr  H.  K 1  i  e  n  weist  darauf  hin,  dass  Neurorezidive  nach  zu 
schwacher  Salvarsanbehandlung  nicht  nur  häufiger,  sondern  oft  auch 
intensiver  auftreten  als  bei  unbehandelter  Lues.  Möglicherweise 
beruht  dies  darauf,  dass  durch  den  massenhaften  Spirochätenzerfall 
infolge  der  Infusion  sich  in  den  folgenden  Wochen  in  grösserer 
Menge  Antikörper  entwickeln,  als  dies  im  gewöhnlichen  Verlauf  der 
Infektion  der  Fall  ist.  Bei  Wiederauskeimen  in  den  Meningen  zurück¬ 
gebliebener  Spirochäten  können  dann  die  Bedingungen  für  eine 
stärkere  allergische  Reaktion  der  Meningen  entstehen,  so  dass  die 
vorher  nur  latente  Meningitis  manifest  wird. 

Wie  durch  ungenügende  Salvarsanbehandlung  das  Auftreten  von 
Neurorezidiven  gefördert  wird,  so  kann  dadurch  auch  der  Ausbruch 
von  Tertiärerscheinungen  beschleunigt  werden.  Gewisse  Erfahrungen 
scheinen  schon  jetzt  dafür  zu  sprechen,  dass  auch  das  Auftreten 
metaluetischer  Affektionen  durch  insuffiziente  Salvarsantherapie  ge¬ 
fördert  werden  könne.  Das  wäre  um  so  weniger  überraschend,  als 
viele  Statistiken  zu  dem  Ergebnis  geführt  haben,  dass,  wenn  es  nicht 
gelingt,  die  Tabes  zu  vermeiden,  dieselbe  bei  mit  Hg  behandelten 
Fällen  früher  auftritt  als  bei  unbehandelten. 

Im  Beginn  metaluetischer  Nervenerkrankungen  scheinen  ver¬ 
einzelte  Salvarsandosen  u.  a.  verschlimmernd  wirken  zu  können, 
während  alle  Autoren,  welche  mit  wiederholten  Infusionsserien  von 
genügender  Gesamtdosis  behandelten,  über  auffallend  günstige  Erfolge 
bei  Tabes  berichten.  Für  Paralyse  liegen  noch  keine  zu  irgend¬ 
welchen  Schlüssen  berechtigende  Erfahrungen  mit  derartigen  Kuren 
vor.  Man  soll  daher  Metaluetiker  —  sofern  nicht  durch  den  Zustand 
Kontraindikationen  gegeben  sind  —  mit  wiederholten  Infusionsserien 
von  grosser  Gesamtdosis  behandeln,  wobei  mit  sehr  kleinen  Einzel¬ 
dosen  zu  beginnen  ist.  Zur  Beurteilung  des  Erfolges  und  zur  In¬ 
dikationsstellung  für  Weiterbehandlung  ist  ausser  den  klinischen 
Symptomen  und  der  Wassermannreaktion  die  Untersuchung  des 
Liquor  cerebrospinalis  heranzuziehen.  Letzteres  gilt  bei  der  enormen 
Häufigkeit  der  latenten  Meningitis  bei  Lues  II  für  alle  Stadien 
der  Lues. 

Herr  Ri  ecke  (Schlusswort):  Wenn  man  die  gesamten  Dis¬ 
kussionsäusserungen  an  den  Hauptpunkten,  die  ich  meinem  Vortrage 
zugrunde  legte,  bemisst,  so  ergibt  sich  zunächst  einmal  Ueberein- 
stimmung  hinsichtlich  der  Applikationsmethode.  Wer  auch  immer 
Salvarsan  erst  als  Gewebsinjektion  und  dann  intravenös  angewendet 
hat,  wird  die  letztgenannte  Einverleibungsart  sicherlich  als  die  einzig 
richtige  betrachten.  Es  sei  aber  noch  einmal  darauf  hingewiesen, 
intramuskuläre  Injektionen  von  Neosalvarsan  werden  im  allgemeinen 
so  gut  vertragen,  dass  sie  in  solchen  Fällen,  in  denen  sich  die 
intravenöse  Infusion  aus  irgendwelchen  Gründen  verbietet,  unbedenk¬ 
lich  angewendet  werden  können.  Ueber  die  rektalen  Infusionen  lässt 
sich  zurzeit  nur  sagen,  dass  sie  weiterhin  zu  versuchen  wären. 

Was  die  zweite  Frage  nach  der  Toxizität  des  Salvarsans 
anbelangt,  so  ist  auch  in  dieser  Diskussion  als  wichtigste  und  inter¬ 
essanteste  Erscheinung  die  der  Neurorezidive  hervorgetreten. 
Es  herrscht  auch  hier,  wie  ganz  allgemein,  heute  die  übereinstim¬ 
mende  Anschauung,  in  den  Neurorezidiven  rein  luetische  Erschei¬ 


No.  5. 


nungen  erblicken  zu  müssen.  Interessant  sind  in  dieser  Beziehung 
namentlich  die  Ziffern  des  Herrn  Knick,  welcher  unter  29  Fällen 
von  Akustikusstörungen  bei  Syphilis  18  mal  dieselben  nach  Salvarsan 
auftreten  sah,  11  mal  ohne  Salvarsananwendung.  Dieser  auffallend 
hohe  Prozentsatz  von  Neurorezidiven  ohne  Salvarsan  gibt  ent¬ 
schieden  zu  denken,  namentlich  bei  der  relativ  geringen  Gesamtzahl 
von  Beobachtungen. 

Die  von  Herrn  K  1  i  e  n  geäusserte  Meinung,  dass  die  Salvarsan- 
Neurorezidive  besonders  foudroyant  auftreten,  ist  wohl  für  viele 
Fälle  zutreffend,  aber  es  muss  wohl  dahingestellt  bleiben, 
ob  dies  als  Regel  betrachtet  werden  kann.  Meine  Er¬ 
fahrungen  sprechen  dagegen.  Auch  nach  Knicks  Beob¬ 
achtungen  unterscheiden  sich  die  Salvarsanneurorezidive  klinisch  in 
nichts  von  den  spontan  auftretenden  Neurorezidiven.  Als  inter¬ 
essanteste  Tatsache  der  ganzen  Neurorezidivfrage  dürften  zweifellos 
die  Veränderungen  im  Liquor  angesehen  werden,  wodurch  der 
meningeale  Charakter  mindestens  vieler  Neurorezidive  sicher  hervor¬ 
geht.  Ueberhaupt  sind  die  Resultate  der  Lumbalpunktion  in  allen 
Stadien  der  Syphilis  höchst  interessant  und  beachtenswert,  da  sich 
vielleicht  sehr  weitgehende  prognostische  Schlüsse  später  noch 
daraus  ergeben  können.  Die  Todesfälle,  die  im  Anschluss  an  Sal- 
varsanbehandlung  beobachtet  sind,  sind  keineswegs  einheitlicher1 
Natur,  sie  mögen  hier  unerörtert  bleiben,  da  in  der  Diskussion  von: 
denselben  nicht  weiter  die  Rede  gewesen  ist.  Den  Beobach¬ 
tungen  von  Herrn  F  r  ii  h  w  a  1  d  über  Spätexantheme  bei  Salvar¬ 
sanbehandlung  möchte  ich  noch  die  Mitteilung  zweier  Fälle  hin¬ 
zufügen.  Der  erste  betrifft  einen  etwa  30  jährigen  Mann,  welcher 
seit  bi 4  Jahren  an  Lues  erkrankt  war  und  im  Anschluss  an  eine  dritte 
intravenöse  Salvarsaninjektion  von  0,5  keinerlei  Nebenerscheinungen 
gezeigt  hatte.  Erst  etwa  20  Tage  darnach  trat  ein  Exanthem  unter 
Schüttelfrost  und  Fieber  ein,  welches  von  dem  Hausarzt  als  Masern¬ 
exanthem  angesehen  wurde.  Da  aber  doch  gewisse  Anzeichen, 
speziell  Konjunktivitis,  fehlten,  ergab  sich,  dass  es  sich  um  ein  Spät¬ 
exanthem  nach  Salvarsan  handelte.  Bemerkenswert  ist  sodann  das: 
Auftreten  eines  akuten  disseminierten  Ekzems  24  Stunden  nach  der: 
Injektion  von  Salvarsan,  welches  3  mal  in  gleicher  Weise  bei  einer 
Krankenschwester  nach  der  Injektion  von  0,3  Salvarsan  bzw. 
0,6  Neosalvarsan  gesehen  wurde.  Entwicklung  des  vesikulösen  Aus¬ 
schlages  jedesmal  12 — 24  Stunden  p.  i. 

Was  die  Dosierung  von  Salvarsan  anbelangt,  so  herrschen  hier,: 
wie  anderwärts  die  grössten  Differenzen.  Die  sehr  intensiven  Kuren, 
von  Herrn  Klemm  auf  der  einen  Seite  und  die  guten  Erfolge, 
welche  mit  sehr  geringen  Dosen  von  Herrn  R  ö  s  1  e  r  und  Herrn 
Stadler  erzielt  wurden,  beweisen  die  hier  herrschenden  Differenzen. 
Jedenfalls  steht  so  viel  fest,  dass  mit  einmaliger  Injektion  nichts  zu 
erreichen  ist.  Es  herrscht  auch  hier  allgemein  Uebereinstimmung. 
dass  nur  durch  eine  systematisch  durchgeführte  Salvarsaninjektions- 
kur  bedeutsame  Heilerfolge  zu  erzielen  sind. 

Was  den  dritten  Hauptpunkt  meines  Vortrages,  den  kurativen 
Wert  des  Salvarsans,  anbelangt,  so  herrscht  keine  Meinungs¬ 
verschiedenheit  darüber,  dass  das  Mittel  in  symptomatischer  Be¬ 
ziehung  von  hervorragender  Wirkung  ist.  Was  definitive  Heilungen 
anbelangt,  so  hängt  ja  dies  mit  der  Frage  nach  der  Dosierung  auf 
das  innigste  zusammen.  Wir  können  in  den  intensiven  Kuren,  wit 
sie  auch  von  einigen  Diskussionsrednern  analog  den  viel  ver¬ 
breiteten  Usancen  geübt  werden,  nicht  das  Wort  reden.  Gewiss  sind 
wir  in  der  Indikationsstellung  zur  Salvarsantherapie  im  ganzen  weit¬ 
herziger  geworden;  abgesehen  von  hochgradigen  myokarditischer 
Veränderungen,  schweren  allgemeinen  Erkrankungen,  auch  des: 
Zentralnervensystems,  von  ausgedehnten  Nephritiden  und  andern 
schwerwiegenden  Organerkrankungen,  wenden  wir  heute  auch  be 
schweren  Krankheitszuständen,  wie  aus  den  Ausführungen  des  Hem 
Stadler  hervorgeht,  berechtigterweise  das  Salvarsan  an.  Da: 
führt  zur  Beantwortung  der  Frage  des  Herrn  St  reff  er,  ob  uii' 
die  Salvarsantherapie  in  Bezug  auf  solche  Fälle  weiter  gebracht  hat 
in  denen  das  Vorhandensein  von  Quecksilberkuren  kontraindizieren 
den  Leiden  früher  uns  die  Hände  band.  Insbesondere  kommt  hier 
in  Betracht  die  Kombination  von  Syphilis  mit  Tuberkulose.  Wir  sim 
in  der  Tat  in  der  Lage,  bei  Tuberkulösen  durch  Salvarsan  erfreuliche 
Resultate  bei  Syphiliserkrankungen  zu  erreichen.  Allerdings  Heget 
einige  bemerkenswerte  Mitteilungen  von  Wechselmann,  Sal 
mon,  Zieler  und  Herxheimer  vor,  bei  denen  durch  Salvarsan 
infusionen  eine  Aktivierung  des  tuberkulösen  Virus  hervorgerufen  sei 
Die  Eigenschaft  des  Salvarsans,  hämorrhagische  Diathese  hervor 
zurufen,  ist  aber  wohl  vorläufig  mit  grosser  Vorsicht  zu  beurteilen 
Jedenfalls  habe  ich  selbst  während  und  kurz  nach  der  Menstruatio: 
zahlreiche  Infusionen  ohne  jede  Wirkung  auf  die  Blutung  yorge 
nommen.  Die  richtige  Dosierung  festzustellen,  wird  der  Zukunft  nocl 
Vorbehalten  bleiben.  Vom  wissenschaftlichen  Standpunkt  aus  ist  e 
beklagenswert,  dass  man  so  bald  und  so  allgemein  zur  kombinierte 
Behandlung  mit  Quecksilber  übergegangen  ist.  Es  wird  sicberlic' 
dadurch  die  Klarstellung  der  reinen  Salvarsanwirkung  auf  lange  Ze: 
hinausgeschoben  werden,  denn  wie  einerseits  die  ursprüngliche: 
Salvarsanwirkungen  bei  der  Gewebsinjektion  nicht  als  massgeblic 
betrachtet  werden  konnten,  so  hat  man  sehr  bald  nach  den  intra 
venösen  Injektionen  die  Kombination  mit  Quecksilber  aufgenornm-'i 
Bestrebungen,  wie  sie  daher  jetzt  sich  geltend  machen  (Kling 
in  ii  1 1  e  r)  und  die  auch  ich  vertrete,  dahingehend,  dass  in  geeignete 
Fällen  reine  Salvarsanbehandlung  ohne  Quecksilber  stattfinde,  sin 


[  Februar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


275 


aber  durchaus  zu  begriissen.  Dass  die  kombinierte  Behandlung  in 
irer  jetzt  beliebten,  überaus  intensiven  Art  und  Weise  Schädigungen 
erbeizufiihren  vermag,  kann  bei  so  differenten  Stoffen,  wie  Queck- 
ilber  und  Salvarsan  sind,  schliesslich  nicht  zu  sehr  verwundern. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  8.  November  1912. 

Herr  v.  Pfaundler  demonstriert : 

a)  ein  13  jähriges  Mädchen  mit  hysterischen  Charakterzügen  und 
rhweren  epileptiformen  Krämpfen,  die  am  besten  als  „psychalep- 
sche“  zu  bezeichnen  sind.  Er  nimmt  hiebei  Stellung  zur  Frage  der 
ogen.  affektepileptischen  Anfälle. 

b)  einen  Fall  (3  jähriges  Kind),  dessen  Diagnose  zwischen  früh- 
lfantiler,  progressiver  Muskelatrophie  nach Werdnig-Hofmann 
nd  kongenitaler  Myatonie  nach  Oppenheim  schwankt. 

c)  ein  ungewöhnliches  reiches  pontin-bulbäres  Krankheitsbild  bei 
I  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  scher  Krankheit. 

Diskussion  ad  a :  Herr  Dornberger. 

Herr  Ibrahim:  Mitteilungen  über  eine  Poliomyelitisepideniie. 

Erscheint  in  dieser  Wochenschrift. 

Diskussion:  Herren  Trump  p,  Hecker,  Seitz, 

■  c  h  n  e  i  d  e  r,  Klar,  Uffenheimer,  v.  Pfaundler,  Dörn- 
erger,  Ranke,  Ibrahim. 

Die  meisten  Heren  berichten  gleichfalls  über  Fälle  Heine- 
\  e  d  i  n  scher  Krankheit,  die  sie  in  der  letzten  Zeit  in  München  selbst 
i  Behandlung  bekamen.  Es  wird  beschlossen,  dass  die  Herren 
.Pfaundler  und  Ibrahim  sich  mit  Herrn  Ministerialrat  D  i  e  u  - 
onne  in  Verbindung  setzen,  um  im  Namen  der  Gesellschaft  für  eine 
inzeigepflicht  der  Erkrankung  zu  sprechen. 

Herr  v.  Pfaundler  verliest  den  Entwurf  eines  Schreibens  der 
iesellschaft  an  den  Magistrat  der  Stadt  München  in  Sachen  der 
Schliessung  des  Gisela-Kinderspitales.  Hierzu  sprechen  eine  grössere 
inzahl  von  Mitgliedern.  Es  wird  beschlossen: 

a)  das  Schreiben  geht  an  den  Magistrat. 

b)  eine  Deputation  der  Gesellschaft  begibt  sich  zum  Direktor  des 
»chwabinger  Krankenhauses,  den  magistratlichen  Referenten  und  son- 
tigen  in  dieser  Frage  massgebenden  Persönlichkeiten. 

c)  event.  • —  wenn  diese  Schritte  nicht  bereits  vom  gewünschten 
irfolg  begleitet  sind  —  soll  die  ganze  Affäre  in  der  Presse  be- 
andelt  werden  (vergl.  diese  Wochenschrift  1912,  pag.  2790). 

Albert  Uffenheimer-  München. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  Januar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung  ergreift 

Prof.  Bier  das  Wort  und  verliest  etwa  folgende  Erklärung.  Er 
rhält  fortwährend,  vor  allem  aus  Amerika  und  Spanien  Briefe,  ob 
yirklich  das  F  r  i  e  d  m  a  n  n  sehe  Mittel  so  ausgezeichnete  Resultate 
cibt.  Er  verwahrt  sich  gegen  die  Benutzung  seiner  Diskussions- 
lemerkungen,  die  tatsächlich  ungefähr  in  den  Pressenotizen  das 
iegenteil  von  dem  enthalten,  was  er  wirklich  gesagt  hat.  Er  be¬ 
lauert,  dass  ein  Mittel,  das  seine  Probe  noch  nicht  bestanden  hat, 
n  dieser  Weise  in  der  ausländischen  Presse  empfohlen  wird  und 
iirchtet,  dass,  wenn  das  Mittel  sich  nicht  bewährt,  eine  Schmälerung 
ies  Ansehens  der  deutschen  Medizin  eintritt,  wenn  unwidersprochen 
■olche  Nachrichten  verbreitet  werden.  Er  hofft,  dass  diese  Erklärung 
ebenso  schnell  ihren  Weg  in  die  ausländische  Presse  nehmen  werde. 

Herr  M.  Wolff:  Pneumothoraxoperation  bei  Tuberkulose. 

Vortr.  berichtet  kurz  über  die  Technik  der  Pneumothorax- 
Jperation,  die  er  nach  Brauer  und  F  o  r  1  a  n  i  n  i  ausführt.  Er  hält 
lie  Röntgenaufnahme  zur  Kontrolle  der  Einfüllungen  für  erforderlich, 
deuritische  Exsudate  traten  häufig  ein,  sind  aber  bei  ihm  stets  serös 
:ewesen.  Schliesslich  demonstriert  er  die  Röntgenbilder  dreier  nach 
'rauer  und  eines  nach  Forlanini  mit  Punktion  behandelten 
'alles. 

Tagesordnung: 

Herr  Abel:  Die  Elektrokoagulation  bei  der  operativen  Be- 
landlung  des  Krebses,  speziell  des  Gebärmutterkrebses.  (Kurzer 
»ortrag.) 

Ein  Teil  der  Karzinomrezidive  erklärt  sich  durch  Verschleppung 
°n  Keimen  bei  der  Operation.  Eine  Verbesserung  der  Operations¬ 
nethoden  würde  herbeigeführt,  wenn  man  vor  dem  Herausschneiden 
dies  Tumorgewebe  zerstören  würde.  Das  ist  möglich  durch  Anwen- 
hmg  der  Diathermiemethode.  Ausser  von  Czerny  in  Heidelberg 
md  Doy  en  in  Paris  ist  die  Methode  noch  nicht  angewandt  worden. 
A  ahlt  man  kleine,  gleichgrosse  Elektroden,  so  kann  man  zylindrische 
'tücke,  die  zwischen  beiden  Elektroden  liegen,  entfernen.  Mit  einer 
ladeiförmigen  Elektrode  kann  man  schneller  schneiden,  wie  mit  einem 
vlesser. 

_  ..  Vortr.  beschreibt  einen  Fall  eines  Uteruskarzinoms  bei  einer 
Bjähr.  Frau,  das  er  zuerst  mit  dieser  Methode  operiert  hat  (vaginal), 
'er  Verlauf  war  ein  vollkommen  reaktionsloser.  Von  einer  weiteren 
»erbesserung  der  Technik  erwartet  Vortr.  noch  weitere  Erfolge. 


Diskussion:  Herr  Holländer:  Der  Pacquelin  hat  eine 
sehr  geringe  Tiefenwirkung,  eine  bessere  das  Ferrum  candens,  am 
besten  ist  die  H  o  1 1  ä  n  d  e  r  sehe  Heissluftkauterisation,  die  einen 
Schorf  setzt  und  ausserdem  eine  Tiefenwirkung  hat.  Der  Diathermie 
dürfte  bei  mykotischen  Erkrankungen  wegen  der  Tiefenwirkung  eine 
grosse  Bedeutung  zukommen. 

Herr  Hammerschlag:  Impfrezidive  stellen  nur  einen  mini¬ 
malen  Bruchteil  der  Rezidive  überhaupt  vor;  auch  Winter  hat 
seinen  früheren  abweichenden  Standpunkt  aufgegeben.  Man  muss  die 
Diathermie  für  eine  differente  Massregel  halten,  welche  die  Operation 
aufhält.  Das  Zundrigwerden  der  diathermierten  Gewebe  ist  unbedingt 
eine  Kontraindikation  für  viele  Fälle. 

Herr  B  u  c  k  y  hebt  hervor,  dass  die  Blutstillung  durch  Dia¬ 
thermie  die  Zeitdauer  der  Operation  doch  wieder  abkürzt.  Die 
Stromlinien  sind  die  Ursache,  dass  man  einen  grossen  Tumor  durch 
Diathermie  niemals  ganz  zerkochen  kann. 

Herr  Israel  hebt  hervor,  dass  die  präliminare  Verkochung 
des  Tumors  die  zahlreichen  Rezidive  nicht  verhindern  kann,  die  ent¬ 
stehen,  weil  unsichtbare  Keime  ausserhalb  des  eigentlichen  Tumors 
zurückgeblieben  sind,  die  wir  nicht  sehen  können. 

Herr  Falk  betont,  dass  Impfrezidive  doch  nicht  so  selten  Vor¬ 
kommen  und  dass  alle  Bestrebungen  zu  ihrer  Verhütung  ihre  Be¬ 
rechtigung  haben. 

Herr  Borchardt  hält  es  ebenfalls  für  falsch,  operable  Tu¬ 
moren  mit  Diathermie  zu  behandeln.  Auch  bei  inoperablen  Fällen 
hat  er  nie  wirklich  erfreuliche  Resultate  gesehen.  Erfreulich  ist  die 
blutstillende  Wirkung,  z.  B.  bei  Kavernomen. 

Herr  Abel  (Schlusswort) :  Es  ist  immer  möglich,  bei  der  Opera¬ 
tion  Keime  in  den  Kreislauf  zu  verschleppen.  Und  einen  Versuch, 
der  der  Nachprüfung  wert  ist,  stellt  die  vorgeschlagene  Methode  zur 
Verbesserung  der  Operationsresultate  dar.  Wolff-Eisner. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  17.  Januar  1913. 

Piof.  D  i  in  m  e  r  stellt  einen  Mann  vor  mit  horizontal  pendelndem 
Nystagmus.  Die  Affektion  besteht  seit  frühester  Kindheit.  Inter¬ 
essant  ist.  dass  der  Mann  kleinere  Schrift  nur  dann  fliessend  liest, 
wenn  er  das  Buch  so  hält,  dass,  die  Zeichen  nicht  horizontal,  sondern 
vertikal  stehen  und  er  von  oben  nach  unten  lesen  kann.  D.  hat 
schon  früher  einen  solchen  Fall  beobachtet  und  beschrieben  und  die 
eigentümliche  Störung  erklärt. 

Dr.  H  o  f  b  a  u  e  r  demonstriert  2  Fälle  von  Pleuraschwarte, 
welche  er  dadurch  besserte,  dass  er  sie  nicht,  wie  es  bisher  allgemein 
geübt  wurde,  auf  der  gesunden,  sondern  auf  der  kranken  Seite 
lagern  liess.  Der  Vorteil  dieser  Lagerung  wird  auch  röntgenoskopisch 
dargelegt. 

Dr.  G.  Schwarz  zeigt  Stenosen  und  andere  Veränderungen 
des  Kolons,  welche  bei  direkter  Irrigoradioskopie  des  Kolons  sehr 
deutlich  gesehen  werden. 

Prof.  Dr.  Alfred  Exner:  Kriegschirurgische  Erfahrungen. 

Der  Vortr.  war  einige  Wochen  lang  Leiter  des  Alexander¬ 
spitals  in  Sofia,  einer  grossen,  aus  6  Pavillons  bestehenden  Kranken¬ 
anstalt,  welche  als  Verwundetenspital  eingerichtet  wurde.  Die 
grösste  Zahl  der  Verwundeten  langte  erst  nach  5 — 6  tägigem  Trans¬ 
port  in  offenen  Büffelwagen,  zumeist  in  recht  erschöpftem  Zustande 
und  in  der  Mehrzahl  medizinisch  nicht  gut  versorgt  an.  Es  gab  darum 
auch  eine  grosse  Zahl  von  infizierten  Knochenbrüchen.  Leicht  infi¬ 
zierte  Fälle  heilten  dann  rasch  nach  Ruhigstellung  der  verletzten  Ex¬ 
tremität  ab. 

Der  Vortr.  berichtet  über  die  grosse  Widerstandsfähigkeit  ein¬ 
zelner  Soldaten.  Er  hat  im  ganzen  ca.  1200  Verwundete  gesehen, 
davon  300  nur  einmal  (rascher  Abtransport  der  Leichtverletzten  in  die 
Provinzspitäler),  617  hat  er  längere  Zeit  beobachtet;  der  Rest  befand 
sich  noch  in  Behandlung,  als  er  abreiste.  Er  bespricht  eingehend  die 
Wirkung  der  türkischen  Projektile.  Von  12  Fällen  von  Starrkrampf 
(alle  Fälle  von  Tetanus  in  Sofia  wurden  in  sein  Spital  gebracht)  star¬ 
ben  10  trotz  sofortiger  Antitoxinbehandlung.  Diese  Infektion  dürfte 
beim  Transport  der  Verletzten  (Lagerung  auf  Stroh)  bedingt  worden 
sein.  Von  den  durch  Gewehrschüsse  Verletzten  waren  32  Proz.  in¬ 
fiziert,  von  den  durch  Artilleriegeschosse  Verletzten  40  Proz.  Die 
letztere  Zahl  ist  scheinbar  eine  geringe  (O  e  1 1  i  n  g  e  n  gab  eine  viel 
höhere  Zahl  an),  sie  erklärt  sich  aber  damit,  dass  die  Schwerverletz¬ 
ten  nicht  mehr  nach  Sofia  kamen,  da  sie  früher  starben. 

Die  konservative  Behandlung  hat  sich  glänzend  bewährt,  der 
Infektion  wurde  man  meist  durch  tiefe  Einschnitte  in  den  Eiterherd 
Herr.  Projektile  wurden  in  wenigen  Fällen  aus  dem  Körper  entfernt, 
wohl  aber  Nervennähte  gemacht,  Aneurysmen  operiert  etc.  Nicht- 
infizierte  Lungenschüsse  —  mehr  als  80  —  gaben  nur  selten  Anlass 
zu  einer  Operation,  allenfalls  wurde  ein  Hämatothorax  durch  Punk¬ 
tion  entleert.  Verletzungen  beider  Lungen  gaben  eine  schlechte  Pro¬ 
gnose. 

Der  Vortr.  besprach  sodann  die  Resultate  seiner  Eingriffe  bei 
Schädelschüssen  und  erörterte  einzelne  interessante  Beobachtungen. 
Spitzgeschosse  senkten  sich  und  drehten  sich  dabei,  so  dass  ihr 
stumpfes  Ende  vorausging,  was  die  Röntgendurchleuchtung  schön 


276  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  5, 


nachweisen  liess.  Ausserdem  sah  der  Vortr.  mehrere  Fälle  von  Gan- 
grän  nach  Applikation  mehrprozentiger  Karbollösungen,  so  am  Skro¬ 
tum,  Oberschenkel,  Auge  etc.  Auch  das  Auflegen  von  Tabak  auf 
frische  blutende  Wunden,  welches  dort  vielfach  geübt  wurde,  führte 
zum  Absterben  von  Gewebsteilen.  Gute  Unterstützung  fand  er  an 
den  freiwilligen  Krankenpflegerinnen,  welche  sich  aus  Damen  rekru¬ 
tierten,  die  früher  einen  Samariterkurs  durchgemacht  hatten. 

Auf  Grund  seiner  zweimonatlichen  Erfahrungen  in  Sofia  gelangt 
der  Vortr.  zu  folgenden  praktischen  Schlüssen:  Die  grössten 
Schwierigkeiten  im  Sanitätsdienste  sind  natürlich  unmittelbar  nach 
einer  grösseren  Schlacht  zu  überwinden.  Was  durch  unzeitgemässes 
Reinigen  oder  Tamponieren  der  Wunden  gesündigt  wird,  lässt  sich 
im  späteren  Laufe  der  Behandlung  schwer  wieder  gutmachen.  Hier 
war  im  bulgarischen  Sanitätsdienste  eine  Lücke,  die  bei  uns  in  Oester¬ 
reich  kaum  Vorkommen  dürfte.  Das  Vorhandensein  genügender  Men¬ 
gen  von  Fixationsmitteln  (Gips,  Schusterspänen  etc.)  in  den  vorderen 
Linien,  vor  allem  in  Feldspitälern,  ist  sehr  wichtig.  Ferner  war  ein 
grosser  Uebelstand,  dass  das  chirurgische,  aus  Kautschuk  be¬ 
stehende  Material  sehr  oft  infolge  langen  Lagerns  unbrauchbar  war, 
z.  B.  Drainröhren.  Diesem  Uebelstande  könnte  nur  dadurch  ab¬ 
geholfen  werden,  dass  alle  für  den  Krieg  vorbereiteten  Kautschuk¬ 
vorräte  fortwährend  neu  ergänzt  werden,  während  die  längere  Zeit 
liegenden  Vorräte  an  Krankenanstalten  abgegeben  werden.  Wichtig 
ist  endlich  ein  zweckmässiges  Zusammenarbeiten  einer  an  ein  solches 
gewöhnten  Aerztegruppe  und  des  Hilfspersonals. 

Assistent  Dr.  H.  Heyrovsky  berichtet  eingehend  unter  De¬ 
monstration  zahlreicher  Röntgenbilder  über  seine  kriegschirurgischen 
Erfahrungen  in  Philippopel.  Er  hat  360  Verletzte  längere  Zeit  be¬ 
obachtet  und  behandelt,  viel  mehr  aber  nur  einmal,  da  das  von  ihm 
geleitete  Spital  als  Evakuierungsspital  diente.  223  Verletzte  hatten 
Schusswunden  durch  Gewehrkugeln,  108  durch  Schrapnelle,  22  durch 
stumpfe  Gewalt.  Er  sah  22  Brustverletzungen,  4  Schädelschüsse, 
85  Knochenbrüche  etc.  Seine  Erfahrungen  stimmen  im  ganzen  mit 
denen  Prof.  E  x  n  e  r  s  überein. 


13.  Französischer  Kongress  für  innere  Medizin. 

Paris,  13. — 16.  Oktober  1912. 

III. 

Das  III.  Hauptthema  des  Kongresses  behandelt  die  Therapie 
der  hämorrhagischen  Symptome.  Paul  C  a  r  n  o  t,  der  erste  Referent 
legt  dar,  dass  diese  Therapie  die  Natur  nachahmen  und  sich  nach 
der  Pathogenese  richten,  um  die  Blutungen  zu  verhüten,  eine 
blutstillende,  um  sie  zu  hemmen,  und  eine  gegen  das  Zir- 
kulationssystem  gerichtete  sein  muss,  um  die  Folgen  der 
Blutungen  wieder  zu  reparieren.  Was  die  Pathogenese  betrifft,  so 
kommen  äussere  —  infektiöse  oder  toxische  —  und  innere 
oder  beide  zusammen  in  Betracht.  Die  1.  toxisch-infektiösen 
Erscheinungen  der  Blutungen  haben  einen  ganz  speziellen  Charakter: 
die  hämorrhagische  Variola  z.  B.  zeigt  im  Blute  ausserordentlich 
geringe  Menge  von  Hämatoblasten,  mangelnde  Retraktion  des  Blut¬ 
kuchens  und  keine  Serumtranssudation.  Ebenso  wie  diese,  fast 
immer  tödliche  Blatternform,  verursachen  der  maligne  hämor¬ 
rhagische  Scharlach,  die  hämorrhagische  Diphtherie,  Pneumokokken¬ 
infektion,  die  (seltenen)  hämorrhagischen  syphilitischen  und  (häufi¬ 
geren)  tuberkulösen  Erscheinungen,  Störungen  des  Blutdrucks,  der 
Vasodilatation,  andererseits  Veränderungen  des  Blutes  und  der  Ge¬ 
fässe,.  ebenso  wie  zuweilen  der  blutbildenden  Organe  (Knochenmark, 
Leber,  Nebennierenkapseln).  2.  Die  toxischen  Erscheinungen 
von  Blutungen  animalischen  Ursprungs  (durch  Schlangenbisse, 
Blutegel)  haben  im  allgemeinen  einen  der  Hämophilie  ähnlichen  Cha¬ 
rakter.  3.  Hümorrhagien  rein  toxischen  Ursprungs  entstehen  durch 
Phosphor,  Hg  ciraniir,  Alkohol,  Benzol  und  bedingen  Veränderungen 
des  Blutes,  der  Gefässe  oder  auch  innerer  Organe.  Die  zweite 
Hauptgruppe  der  Hümorrhagien,  durch  innere  Ursachen,  hängt 
zusammen  mit  Veränderungen  von  Organen,  die  eine  Rolle  bei  der 
Gleichgewichtserhaltung  der  Zirkulation  spielen,  also  1.  der  Leber 
(schwerer  Ikterus,  alkoholische  Zirrhose,  Fettleber),  2.  Nieren 
(Blutungen,  Hämaturie,  Epistaxis  u.  a.  m.  —  im  Verlaufe  der  akuten 
wie  chronischen  Nephritis),  3.  anderen  Organen,  wie  Neben¬ 
nieren,  Schilddrüse,  Lymphdrüsen.  Die  4.  Art  sind  Blutungen 
h  ä  matogenen  und  vaskulären  Ursprungs  und  —  noch  wenig 
geklärt  —  akute  und  chronische  Leukämie,  Purpura,  perniziöse 
Anämie.  Die  Hämophilie  stellt  wahrscheinlich  eine  klinische 
Gruppierung  verschiedener  Ursachen  dar.  Neben  der  grossen  fami¬ 
liären  gibt  es  eine  kleine  familiäre  und  auch  eine  spontane,  erworbene 
Hämophilie.  In  letzter  Linie  beruhen  die  Erscheinungen  der  Hämor- 
rhagien  auf  einer  Veränderung  des  Blutes  und  der  Blutgefässe; 
letztere  bersten  leicht  und  die  Veränderung  des  Blutes  erklärt  den 
Mangel  der  physiologischen  Blutstillung.  C.  bespricht  nun  des 
näheren  den  Mechanismus  der  Gefäss-  und  der  Blutveränderungen, 
ebenso  wie  jenen  der  Erneuerung  oder  Wiederherstellung  normaler 
Gefäss-  und  Blutzustände,  was  zur  praktischen  Therapie  der 
Hümorrhagien  überleitet.  Wo  es  möglich  ist,  gegen  die  Ursache 
selbst  vorzugehen,  wird  man  z.  B.  bei  Fällen  von  Infektion  ein 
spezifisches  Serum  oder  kolloidale  Metalle,  Kochsalzinjektionen,  bei 
Erkrankung  innerer  Organe  Opotherapie  in  Anwendung  ziehen. 
Sehr  häufig  genügen  aber  diese  Mittel  nicht  und  man  muss  zu  lokal 
und  allgemein  blutstillenden  Mitteln  greifen :  erstere, 


wenn  die  Blutung  leicht  zugänglich,  letztere,  wenn  dies  nicht  der 
Fall  ist.  Von  letzteren  kommen  in  Betracht:  Kochsalz  (täglich 
per  os  1 — 2  g  Na.  chlorat.  oder  Na.  sulfat.,  subkutane  Lösungen), 
Chlorkalzium  in  der  Dosis  von  2 — 4  g,  Gelatine  (lokal  5  bis 
10  proz.  in  physiologischer  Kochsalzlösung  oder  allgemein  in  2  bis 
5  proz.  sorgfältig  sterilisierter  subkutaner  Injektion  oder  auch  per  os), 
bei  Hümorrhagien  infolge  von  Infektionen  ist  Gelatine  kontraindiziert! 
Propepton,  subkutan  oder  intramuskulär  10 — 20  ccm  einer 
5  proz.  Lösung  und  Na.  nucleinicum  in  2  proz.  Kochsalzlösung 
0,15  g  (alle  5 — 6  Tage)  werden  neuerdings  empfonlen,  ebenso  wie 
neben  der  Opotherapie  die  Iso-Hämotherapie,  welcher  C. 
noch  eine  grosse  Zukunft  vorhersagt.  Bei  letzterer  wird  von 
Menschen  entnommenes  Blut  entweder  in  Form  von  Serum  oder 
von  frisch  defibriniertem  Blut  hypodermatisch  injiziert.  Die  Methode 
von  verstärktem,  wirksamen  Serum  besteht  darin,  Tiere  mit  be¬ 
sonders  wirksamem  Serum  noch  gegen  antikoagulierende  Substanzen 
(Pepton)  zu  immunisieren  und  ausserdem  deren  Blut  durch  eine  Reihe 
von  Blutentziehungen  speziell  hämatopoietisch  zu  gestalten. 

N  o  1  f,  der  Korreferent,  bespricht  die  Physiopathologie  der 
Blutgerinnung  und  entwickelt  hier  einige  von  der  gewöhnlichen  Auf¬ 
fassung  abweichende  Ansichten:  damit  sich  eine  Gerinnung  (ein 
Blutkuchen)  bildet,  ist  die  Gegenwart  von  Kalksalzen  und  von 
3  Proteinsubstanzen  (Fibrinogen,  Thrombogen,  Thrombozym)  not¬ 
wendig,  wovon  das  Fibrinogen  fast  in  seiner  gesamten  Menge  bei 
der  Fibrinbildung  gebraucht  wird.  Jedes  Plasma,  das  Thrombozym, 
Thrombogen,  Fibrinogen  und  Kalksalze  enthält,  kommt  innerhalb 
der  Gefässe  zur  Gerinnung,  wenn  dieselbe  nicht  durch  antikoagu¬ 
lierende  Substanz,  wovon  das  in  der  Leber  gebildete  Antithrombin 
eine  sehr  wichtige  ist,  verhütet  wird.  Aber  dem  antikoagulierenden 
Einfluss  des  letzteren  stellen  sich  wieder  Einflüsse  im  umgekehrten 
Sinne  entgegen.  Es  sind  das  unzählige,  lösliche  oder  unlösliche  Sub¬ 
stanzen,  wovon  das  Jonkalzium  wohl  bekannt  und  unter  den  kolloiden 
Substanzen  das  Lezithin  zu  erwähnen  ist.  Im  normalen  Leben  hält 
sich  zwischen  koagulierenden  und  antikoagulierenden  Substanzen 
das  Gleichgewicht,  welches  der  mehr  weniger  grossen  Stabilität  des 
Plasmas  entspricht  und  plötzlich  aufhört,  wenn  das  Blut  aus  den  Ge- 
fässen  austritt.  N.  sieht  bei  der  Gerinnung  die  Veränderungen  des 
Plasmas  für  das  Primäre  und  jene  der  Zellen  für  sekundär  an  und 
versucht,  eine  genauere  Erklärung  über  diese  Veränderungen  und  die 
Rolle,  welche  obengenannte  Substanzen  und  die  Blutbestandteile 
hiebei  spielen,  zu  geben.  In  pathologischen  Fällen  ist  nun 
die  Hauptanomalie  die  mangelhafte  hämostatische  Wirkung  des  Blut¬ 
kuchens.  Ist  sie  bei  einem  sonst  normalen  Individuum  vorhanden, 
so  spricht  man  von  Hämophilie.  Dieselbe  scheint  aber  eine  Konsti¬ 
tutionsanomalie  zu  sein,  welche  mehrere  Glieder  der  gleichen  Familie, 
besonders  des  männlichen  Geschlechts  befällt.  Neben  dieser  1.  fami¬ 
liären  Hämophilie,  welche  wahrscheinlich  auf  ungenügender  Throm- 
bozymbildung  im  Blutplasma  beruht,  gibt  es  noch  2.  eine  Intoxi- 
kations-  (Phosphor-  und  Chloroform-)  und  3.  eine  Hämophilie  der 
akuten  oder  subakuten  Purpura.  Diese  3  verschiedenen  Formen 
pathologischer  Zustände  können  auch  in  verschiedener  Kombination 
zusammen  Vorkommen.  Bezüglich  der  Therapie  der  Hämophilie 
erwähnt  N.  nur  kurz,  dass  die  Kalksalze  unkonstante  Erfolge  geben, 
frisches  Serum  in  komplizierter  Weise  wirkt  und  übrigens  nicht 
ganz  unschädlich  ist;  an  dessen  Stelle  wird  mit  Vorteil  Propepton 
angewandt,  die  gute  Wirkung  der  Gelatine  ist  noch  schwer  zu 
erklären. 

Henrot  - Reims  hat  vor  1870  mehrere  Male  in  verzweifelten 
Fällen  die  Transfusion  vorgenommen  und  so  Kranke  gerettet.  Ohne 
die  Schwierigkeiten  und  Gefahren  dieser  Operation  zu  verkennen, 
möchte  er  doch  bei  den  grossen  Fortschritten  der  Technik  ausge¬ 
dehntere  Anwendung  derselben  empfehlen 

P  i  c  -  Lyon  glaubt,  dass  Car  not  bei  der  Behandlung  der 
Blutungen  das  Amylnitrit  zu  wenig  beachtet  habe;  dasselbe  sei 
ein  sehr  wertvolles  Mittel  bei  Lungenblutung  und  ermögliche  rasch 
dagegen  vorzugehen.  Seit  7  Jahren  habe  es  sich  in  Lyon  bewährt, 
ohne  irgendwie  ernste  Gefahren  zu  bieten. 

Emile  Weil-  Paris  ist  der  Ueberzeugung,  dass  die  Pepton¬ 
injektionen  nicht  die  gleiche  Wirksamkeit  haben,  wie  die  von  Blut¬ 
serum;  letztere  haben,  wenigstens  in  Form  intravenöser  Injektion, 
eine  ausserordentlich  rasch  blutstillende  Wirkung  und  brächten,  kon¬ 
sequent  fortgeführt,  klinische,  wenn  auch  nicht  anatomische,  Heilung 
der  Hämophilie. 

Nobecourt  und  Leon  T  i  x  i  e  r  halten  die  Behandlung  mit 
Wittes  Pepton  (Injektionen)  für  besonders  angezeigt  und  wirk¬ 
sam  bei  akuten  Fällen  von  Hämophilie. 

P  a  r  i  s  o  t  -  Nancy  hat  die  Wirkung  des  hämopoietischen  Serums 
(Pferdeserum,  nach  C  a  r  n  o  t  s  Methode  gewonnen)  bei  40  Kranken, 
die  mit  verschiedenen  Formen  von  Anämie  behaftet  waren,  studiert 
und  einen  besonders  guten  Einfluss  bei  Anämie  infolge  von  Hämor- 
rhagien  oder  irgend  einer  akuten  oder  chronischen  Infektion  (be¬ 
ginnender  Tuberkulose)  beobachtet:  Anregung  des  Stoffwechsels, 
vermehrte  Diurese,  gesteigerten  Appetit.  In  subkutaner  Injektion 
verursacht  das  Serum  zuweilen  Zufälle  (8  mal  auf  30  Fälle);  ausser 
in  dringenden  Fällen  ist  es  daher  vorzuziehen,  das  Serum  per  os 
oder  völlig  getrocknetes  Blut  in  Form  komprimierter  Tabletten  zu 
geben. 

Von  sonstigen  Fragen  wurde  noch  die  Anaphylaxie  in 
eingehender  Weise  besprochen.  Armand  D  e  1  i  1 1  e  möchte  eine  ge- 


i.  Februar  1 0 1 3. 


MUFNCH'ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


277 


lauere  Umgrenzung  dieses  Begriffes  und  vor  allem  Unterscheidung 
iwischen  anaphylaktischen  Zuständen  und  den  Erscheinungen  medi- 
.amentöser  Intoleranz  wünschen. 

Chauffard  hält  es  für  wichtig,  dem  Zusammenhang  zwischen 
len  Erscheinungen  der  Anaphylaxie  und  der  Menge  Gift,  welche 
lieselbe  hervorruft,  Aufmerksamkeit  zu  schenken. 

A  c  h  a  r  d  und  F 1  a  n  d  i  n  konnten  das  in  den  Nerven- 
;entren  während  des  anaphylaktischen  Schocks  gebildete 
i  i  f  t. 

Widal,  Abrami  und  B  r  i  s  s  a  u  d  die  durch  Serum- 
njektionen  bewirkte  Autoanaphylaxie  studieren, 
dieselbe  kommt  nur  durch  intravenöse  Injektion  zustande,  tritt  bei' 
ier  ersten  Injektion  (von  20— 60  ccm)  auf  und  ist  eine  dauernde. 
Diese  Zustände  sind  um  so  häufiger,  je  mehr  Veränderungen  hetero¬ 
gner  Natur  das  Albumin  erfahren  hat.  Genaue  Beschreibung  der 
dlgemeinen  und  speziellen  Symptome  dieser  Autoanaphylaxie. 

Etir  Th  ao  n  sind  die  Folgen  der  Serumtherapie  ziemlich  ver¬ 
mieden  bei  Erwachsenen  und  Kindern,  sowohl  an  Häufigkeit  und 
'c’nwere,  wie  durch  zahlreiche  Variationen.  Bei  erwachsenen 
Tuberkulösen  sind  die  Serumzufälle  besonders  häufig  und  intensiv. 

L  e  s  n  e  und  Dreyfuss  zeigen,  dass  die  durch  Nähr  u  n  g  s- 
n  i  1 1  e  1,  wie  Eier,  Milch,  Krebs-  und  Muscheltiere  hervor¬ 
gerufene  Anaphylaxie  zuweilen  sehr  hochgradig,  ausnahms- 
veise  auch  tödlich  sein  kann.  Es  handelt  sich  gewöhnlich  um  Kinder, 
,\ eiche  Eier  oder  Milch  schlecht  vertragen  und  schon  früher  geringe 
Erscheinungen  von  Anaphylaxie  (Urtikaria,  lokalisierte  Oedeme  usw.) 
jezeigt  haben. 

Laroche,  Ch.  R  i  c  h  e  t  und  S  a  i  n  t  -  G  i  r  o  n  s  ist  es  gelungen, 
ieim  Meerschweinchen  einen  für  Eier  anaphylaktischen  Zustand 
experimentell  hervorzurufen. 

Martin  und  Darre  studieren  die  Fälle  von  Ser  um¬ 
leben  Wirkungen,  welche  am  Spital  Pasteur  vorge- 
vommen  sind  und  die  Mittel,  welche  dieselben  auf  ein  Minimum  be¬ 
schränken  und  weniger  heftig  gestalten  könnten. 

Gaussei  und  G  u  e  i  t  -  Montpellier  sprechen  über  die  Mittel, 
im  die  nach  Injektionen  von  Marmorekserum  vor- 
»ommenden  Zufälle  von  Anaphylaxie  zu  verhüten. 

Landouzy  stellt  die  Behauptung  auf,  dass  das  sogenannte 
ssentielle  Asthma  sehr  häufig  eine  Wirkung  larvierter 
bazillärer  (tuberkulöser)  Infektion  und  zwar  ohne  Zweifel  infolge  von 
\naphylaxie  sei;  die  Alternierung  zwischen  Urtikaria  und  Asthma  sei 
i.  a.  dafür  beweisend.  Der  Asthmatiker  müsse  wie  ein  nervöser 
Tuberkulöser  und  könnte  vielleicht  auch  durch  antianaphylaktische 
Vlittel  behandelt  werden. 

L  e  v  i  betont  den  Zusammenhang,  der  zwischen  den 
Zuständen  von  Anaphylaxie  und  Diathese  bestünde ; 
nangelhafte  Hygiene  und  Ernährung  spielten  bei  beiden  Erschei- 
lungen  eine  beträchtliche  Rolle. 

Schliesslich  bildete  noch  die  Typhusschutzimpfung 
Jen  Gegenstand  einer  umfangreichen  Diskussion.  Chantemesse 
berichtet  über  die  Erfolge,  welche  in  Marokko  bei  den  Kolonial¬ 
ruppen,  in  Rouen,  Havre,  Fecamp,  Tours,  Amiens  unter  der  Zivil¬ 
bevölkerung  und  in  einigen  Irrenanstalten  mit  der  Typhusschutz- 
mpfung  erzielt  wurden,  indem  alle  Geimpften  von  der  herrschenden 
Epidemie  verschont  blieben.  Im  Hotel  Dieu  werden  seit  Wz  Jahren 
die  auf  Ch.s  Abteilung  beschäftigten  Pfleger  von  Typhuskranken 
jeimpft  und  keiner  derselben  hat  bis  jetzt  Typhus  akquiriert.  Ch. 
bespricht  dann  noch  2  Punkte:  die  Behandlung  des  Typhus  mit  der 
Vakzine  und  die  Serumdiagnose  desselben  (mittelst  blossem  Auge 
Jiid  durch  Messung),  deren  er  sich  seit  Mai  lfd.  Jrs.  bedient  und 
»reiche  auf  Titrierung  der  Vakzine  beruht. 

Vincent  stellt  fest,  dass  das  Prinzip  der  Aktiven  Immuni¬ 
sierung  durch  abgetötete  Bakterien  oder  deren  lösliche  Produkte 
■  on  Pasteur  und  seiner  Schule  auf  zahlreiche  Infektionskrankheiten 
mgewandt  worden  ist.  Die  Typhusschutzimpfung  mit  abgetöteten 
Bazillen  hat  überall  gute  Dienste  getan  und  seit  einem  Jahre  in 
“rankreich  grosse  Verbreitung  gefunden;  speziell  das  Institut  von 
»al-de-Grace  hat  für  mehr  als  100  000  Personen  Impfstoff  in  Frank¬ 
reich,  nach  den  Kolonien  und  ins  Ausland  versandt.  Der  von  V. 
lergestellte  Typhusimpfstoff  ist  polyvalent  und  geht  aus  der  Mischung 
zahlreicher  Bazillenstämme,  die  speziell  aus  den  Ländern,  wo  die 
mpfungen  ausgeführt  werden,  stammen,  hervor.  Das  polyvalente 
^erutn  besitzt  alle  immunisierenden  Eigenschaften  des  lebenden 
Jazillus,  ohne  irgendwie  gefährlich  zu  sein.  Von  20  000  Personen, 
lie  geimpft  wurden  und  die  man  weiter  beobachten  konnte,  hat  keine 
■mzige  den  Typhus  akquiriert;  die  Immunität  wurde  sogar  in  den 
»thr  zahlreichen  Fällen,  wo  (in  Marokko  und  Algier)  nur  2  und 
Injektion  polyvalenter  Vakzine  gemacht  wurden,  erzielt.  Dieselbe 
iat  also,  sogar  in  schwacher  Dosis,  eine  bemerkenswerte  Wirksam¬ 
keit  und  man  muss  die  Typhusschutzimpfung  nicht  nur  in  Heer 
ind  Marine,  sondern  auch  bei  Kindern  und  jungen  Leuten  beiderlei 
ieschlechts,  die  so  empfänglich  fiir  den  E  b  e  r  t  h  sehen  Bazillus  sind, 
mpfehlen.  Von  1906 — 1910  starben  in  Frankreich  22  463  Personen 
in  I  yphus;  die  Ausdehnung  der  Schutzimpfung  ist  im  Verein  mit 
anderen  allgemein  anerkannten  Massnahmen,  berufen,  zahlreiche 
Menschenleben  zu  retten. 

J.  Louis  und  Combes  heben  die  Notwendigkeit  hervor,  alle 
nit  irgend  einer  akuten  oder  chronischen  Affektion,  speziell  mit 
I  uberkulose  behafteten  Individuen  zu  eliminieren.  Die  alten  Typhus¬ 


kranken  können  nach  Umlauf  von  5  Jahren  geimpft  werden;  früher 
würde  man  Allgemeinreaktionen  hervorrufen 

Crouzon  hat  an  der  Salpetriere  80  Krankenpfleger  mit  der 
Vakzine  von  Chantemesse  und  jener  von  Vincent  geimpft, 
die  Lokalreaktion  war  gleich  Null  oder  leicht,  die  febrile  ging  nur 
4  mal  über  39°  auf  einige  Stunden  hinaus. 

G  r  a  n  j  u  x  möchte  mit  der  Typhusschutzimpfung  kein  Präjudiz 
für  die  Militärbehörden  geschaffen  wissen,  die  übrigen  Schutzmass- 
regeln  zu  vernachlässigen  oder  gar  den  Geimpften  grössere  An¬ 
strengungen  zuzumuten. 

Courmont  und  Rochaix  geben  zu  prophylaktischen 
Zwecken  3  Vakzineeinläufe  in  je  5  tägigen  Pausen,  zu  Heilzwecken 
empfehlen  sie  Einläufe  von  100  ccm  Serum,  2  mal  pro  Tag,  möglichst 
frühzeitig  gegeben. 

Ardin  D  e  1 1  e  i  1,  L.  Negre  und  M.  Reynaud  erklären,  die 
Vakzinebehandlung  sei  um  so  wirksamer,  je  früher  sie  eingeleitet 
wird.  Die  beste  Lymphe  ist  nach  ihrer  Erfahrung  die  sensibilisierte 
von  Besredka,  welche  den  günstigsten  Einfluss  auf  den  Typhus¬ 
verlauf  habe.  st. 


16.  Versammlung  französischer  Urologen 

in  Paris  vom  9. — 12.  Oktober  1912. 

II. 

Ein  II.  Hauptthema  waren  die  Resultate  der  Prostatektomie. 

Castaigne  und  Lavenant  bringen  Beobachtungen  von 
Prostatikern,  welche  chronische  Nephritis  mit  Hydrurie,  Erschei¬ 
nungen  von  Hypertension  und  Herz-Gefässstörungen  gehabt  haben 
und  deren  Zustand  nach  der  Prostatektomie  normal  wurde. 

Chevassu  führt  die  Prostatektomie  unter  möglichster  Redu¬ 
zierung  der  Allgemeinnarkose  (auf  ca.  3  Minuten  mit  einer  Tube 
Chloräthyl),  welche  nur  im  Augenblick  der  Enukleation  notwendig  sei, 
und  vorgängiger  Lokalanästhesie  aus.  Die  so  operierten 
Kranken  hätten  keinerlei  Schock  aufzuweisen. 

Charles  V  i  a  n  n  a  y  -  St.  Etienne  hat  in  e  i  n  e  r  Sitzung  bei  6  Pa¬ 
tienten  Zystostomie  und  Prostatektomie  ausgeführt  und  in  allen 
6  Fällen  Heilung  erzielt.  Er  glaubt,  man  müsse  viel  häufiger  in  dieser 
Weise  Vorgehen,  da  sie  den  grossen  Vorteil  habe,  die  Dauer  der  Be¬ 
handlung  und  der  Bettruhe  abzukürzen  und  nur  eine  Narkose  zu  be¬ 
nötigen. 

Georges  Luys-Paris  empfiehlt  die  galvanokaustische  Behand¬ 
lung  der  chronischen  Urethritis,  und  zeigt  die  beträchtlichen  Vorzüge 
dieser  Behandlungsart,  indem  er  Indikationen,  Kontraindikationen, 
Technik  und  Zufälle  der  Reihe  nach  beschreibt. 

D  e  s  n  o  s  bespricht  die  Dauerheilungen  nach  elektrolytischer 
Dilatation.  Sein  erster,  so  vor  26  Jahren  behandelter  Patient  hat, 
ohne  dass  6  Jahre  lang  eine  Dehnung  vorgenommen  wurde,  Kaliber 
und  besonders  Weichheit  der  Harnröhrenwände  bewahrt,  von  20  wei¬ 
teren  vor  18  Jahren  behandelten  Fällen  blieben  10  ohne  Katheterismus 
geheilt.  Um  die  Heilung  dauernd  zu  erhalten,  ist  es  notwendig,  die 
elektrolytische  Behandlung  mehrere  Wochen  hindurch,  nachdem  der 
Grad  der  beabsichtigten  Weite  erreicht  ist,  fortzusetzen. 

N  i  c  o  I  i  c  h  -  Triest  hat  bei  der  Urogenitalchirurgie,  und  zwar 
in  409  Fällen  die  Lumbalanästhesie  mit  Stovain  angewandt:  148  mal 
wegen  Nieren-,  42  mal  wegen  Prostata-,  83  mal  wegen  Blasen-, 
124  mal  wegen  Operationen  an  den  äusseren  Geschlechtsteilen  usf. 
Der  jüngste  seiner  Operierten  war  9,  der  älteste  87  Jahre  alt.  N.  ist 
überzeugt,  dass,  die  Rachianästhesie  bei  genannten  Fällen  dem  Chloro¬ 
form  und  Aether  überlegen  ist,  weil  sie  weniger  gefährlich  ist  und 
die  Eingriffe  an  Blase  und  Prostata  viel  leichter  gestaltet. 

Paul  Hamonic-  Paris  bespricht  seine  Behandlungsmethode  der 
Orchi-Epididymitis  mittels  Injektionen  von  Argentum  colloidale  in 
Hoden,  Nebenhoden  und  Prostata.  H.  hat  seine  Methode  in  zahl¬ 
reichen  Fällen  von  gonorrhoischer  Epididymitis  angewandt  und  er 
sticht  selbst  bei  den  heftigsten  Fällen  in  das  volle  entzündliche  Ge¬ 
webe,  wobei  er  die  am  meisten  entzündeten,  d.  i.  schmerzhaftesten 
Stellen  wählt,  ein.  Eine  gewisse  Reaktion  stellt  sich  ein,  dann  folgt 
rasch  die  Resolution;  je  nach  dem  Falle  wird  die  Behandlung  durch 
weitere,  alle  2—3  Tage  wiederholte  Injektionen  noch  ergänzt.  Die 
Heilung  tritt  ein,  ohne  dass  jene  Indurationsknoten  Vorkommen, 
welche  nach  Anwendung  der  gewöhnlichen  Behandlungsmethoden 
noch  Jahre  lang  vorhanden  sind. 

Ch.  G  a  u  t  h  i  e  r  -  Lyon  zeigt  ein  neues  Zystoskop  für  den  Kathe¬ 
terismus  der  beiden  Ureteren, 

Jeanbrau  -  Montpellier  einen  Zystinstein,  der  durch  hohen 
Blasenschnitt  aus  der  Blase  eines  3  jährigen  Mädchens  entfernt 
wurde, 

L  o  u  m  e  a  -u  -  Bordeaux  berichtet  über  einen  ähnlichen  Fall 
dieser  sehr  seltenen  Steinbildung  bei  einem  ganz  jungen  Knaben,  wo 
ebenfalls  auf  hohen  Blasenschnitt  rasche  Heilung  erfolgte. 

J.  J  a  n  e  t  -  Paris  berichtet  über  die  Uebertragung  von  Blasen¬ 
infektionen  bei  Ehegatten:  in  3  Fällen  waren  die  Mikroorganismen 
beider  Blasen  identische,  bei  der  Frau  keine  Spur  von  Urethritis, 
welche  den  Uebergang  vom  Meatus  auf  die  Blase  erklären  konnte, 
vorhanden.  J.  glaubt,  dass  die  Ansteckung  unter  dem  Einfluss  des 
direkten  Ueberganges  des  Spermas  durch  die  Harnröhre  des  Weibes 
stattgefunden  hat. 

N  o  g  u  e  s  - Paris  glaubt,  dass  bei  solchen,  sehr  merkwürdigen 
und  seltenen  Fällen  direkter  Durchgang  der  Mikroorganismen  durch 


278 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  S. 


die  Harnröhre  stattfindet;  die  Fälle  spontaner  Zystitis  sind  beim 
Weibe  nicht  selten  und  haben  die  gleiche  Aetiologie. 

Georges  L  u  y  s  -  Paris  betont  die  absolute  Notwendigkeit,  die 
Litliotripsie  durch  die  Zystoskopie  zu  kontrollieren,  um  festzustellen, 
ob  sämtliche  Steinpartikelchen  wirklich  entfernt  sind. 

Vincent-  Tours  liefert  einen  merkwürdigen  Beitrag  zu  den 
Fremdkörpern  in  der  Blase  (2  Haarnadeln  in  der  Blase  eines  9  jähri¬ 
gen  Mädchens,  wo  sie  3  Jahre  vorher  eingeführt  wurden),  ebenso 
Ho  gge- Liege,  der  von  einer  48  jährigen  Hysterischen  berichtet, 
welche  im  Laufe  eines  Jahres  aus  pervers-sexuellem  Trieb  sich  73 
der  verschiedensten  Fremdkörper  in  die  Blase  eingeführt  hat,  wie 
alle  Arten  von  Knöpfen,  Haarnadeln,  Schreibfedern.  Schlüsseln,  Geld¬ 
stücke  usw.  Alle  diese  Fremdkörper  wurden  mit  Leichtigkeit  auf 
natürlichem  Wege  entfernt,  da  die  Harnröhre  sehr  ausgeweitet  war. 

St. 

Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Berlin-Brandenburger  Aerztekammer. 

Sitzung  vom  25.  Januar  1913,  mittags  1  Uhr  im  Landeshausc. 

Vorsitzender :  Herr  S  t  ö  t  e  r. 

Schriftführer ;  Herr  J.  A  1  e  x  a  n  d  e  r. 

Als  Vertreter  des  Oberpräsidenten  anwesend  Herr  Gell.  Re¬ 
gierungsrat  v.  Gneist. 

Der  Vorsitzende  gedenkt  des  verstorbenen  Mitgliedes  Sanitäts¬ 
rat  Dr.  Heidenhain  -  Steglitz. 

Zu  Punkt  1,  Geschäftliches  liegen  eine  Reihe  informa¬ 
torischer  Schriftstücke  vor.  Besonders  wichtig  ist  das  Anschreiben 
des  Herrn  Ministers  des  Innern,  in  welchem  er  den  Aerztekammer- 
ausschuss  um  seine  Stellungnahme  ersucht  hinsichtlich  der  Frage 
der  Rechtsfähigkeit  der  ärztlichen  wirtschaftlichen  Vereine. 
Zu  diesem  Punkt  spricht  Herr  Sternberg,  welcher  auf  die  Wich¬ 
tigkeit  der  gerichtlichen  Eintragung  und  auf  den  zweifelhaften  Ge¬ 
winn  der  staatlichen  Verleihung  der  Rechtsfähigkeit  hinweist.  Sollte 
die  gerichtliche  Eintragung  im  Einzelfalle  abgelehnt  werden,  so  sei 
die  Nichtrechtsfähigkeit  der  staatlichen  Verleihung  vorzuziehen.  Er 
beantragt  eine  Herbeiführung  einer  oberinstanzlichen  Entscheidung. 
Herr  S  t  ö  t  e  r  teilt  mit,  dass  der  Aerztekammerausschuss  diese  An¬ 
gelegenheit  in  8  Tagen  beraten  werde. 

Ein  Antrag  des  Herrn  Kühle  r,  dass  aus  hygienischen  Gründen 
der  Waldbestand  des  Grunewald  erhalten  bleiben  müsse, 
wird  einstimmig  angenommen. 

Ein  Antrag  der  Badischen  Kammer,  Widerspruch  zu  erheben 
gegen  die  geplante  ausschliessliche  Uebertragung  der  ärztlichen  Gut¬ 
achten  bei  der  Angestellten  Versicherung  auf  die  be¬ 
amteten  Aerzte  wird  einstimmig  angenommen.  Auch  die  syste¬ 
matische  Uebertragung  jeder  freiwerdenden  Impfarztstelle  auf  die 
beamteten  Aerzte  wird  gerügt.  Herr  S  t  ö  t  e  r  will  dies  im  Kammer¬ 
ausschuss  ebenfalls  zur  Sprache  bringen. 

Punkt  2  der  Tagesordnung ;  Kommissionsberichte. 
Dieselben  liegen  gedruckt  vor: 

a)  Ehrengerichte  (Referent  Herr  K  ä  h  1  e  r).  Zu  63  im  Beginn 
des  Jahres  anhängigen  Sachen  traten  181  hinzu.  Ihre  Zahl  hat  sich 
gegen  das  Vorjahr  um  20  vermehrt.  Glücklicherweise  hat  sich  die 
Zahl  der  Zurückweisungen  noch  stärker  vermehrt,  nämlich  auf  151 
(gegen  113  des  Vorjahres).  Verurteilungen  mussten  9  mal  im  nicht¬ 
förmlichen  und  12  mal  im  förmlichen  Verfahren  erfolgen.  5  mal  wurde 
von  seiten  des  Angeschuldigten  Berufung  eingelegt  (gegen  11  mal 
im  Vorjahr),  von  denen  4  Berufungen  vom  Ehrengerichtshof  zurück¬ 
verwiesen  wurden. 

b)  Die  Unterstützungskasse  bietet  ein  sehr  erfreuliches  Bild 
(Referent  Herr  Davidsohn).  Die  Zahl  der  im  Berichtsjahr  1912 
unterstützten  Einzelpersonen  konnte  auf  147  erhöht  werden.  Die 
Höchstunterstützung  betrug  (für  einen  Arzt)  1600  M.,  für  Arztwitwen 
850  M.,  für  Arztwaisen  500  M.  Im  ganzen  konnten  62  047  M.  zu 
Unterstützungszwecken  verwendet  werden.  Seit  den  11  Jahren  des 
Bestehens  sind  489  777  M.  für  diese  Zwecke  verausgabt  worden.  Der 
Vermögensstand  der  Kasse  hat  sich  von  1907  bis  1912  von  371  050  M. 
auf  509  824  M.  gehoben.  An  ausserordentlichen  Beiträgen  sind  im 
vergangenen  Jahr  10  116  M.  durch  Spenden  hinzugekommen. 

c)  Die  Darlehenskasse  (Referent  Herr  S.  Alexander). 
Die  Darlehen  können  jetzt  bis  zu  einer  Höhe  von  1000  M.  bewilligt 
werden.  Von  den  8  Darlehensgesuchen  wurden  5  in  Höhe  von 
1775  M.  bewilligt. 

d)  Die  3  Vertragskommissionen  (Gross-Berlin,  Reg.- 
Bezirk  Potsdam  und  Frankfurt).  Aus  den  3  zum  Teil  umfangreichen 
Berichten  ist  besonders  der  des  Herrn  Moll  über  die  Berliner  Ver¬ 
tragskommission  erwähnenswert.  Er  beweist,  dass  auch  in  Berlin 
durch  zielbewusstes  Vorgehen  eine  Besserung  der  Verhältnisse  an¬ 
gebahnt  ist.  Zur  Diskussion  sprechen  die  Herren  Henius, 
Munter,  Moll,  B  a  d  t.  Ein  Antrag  S  c  h  ii  c  k,  diesen  Vertrags¬ 
kommissionen  das  Vertrauen  der  Kammer  auszusprechen,  findet 
keinen  Widerspruch. 

e)  Die  Kurpfuschereikommission.  Der  Referent, 
Herr  Siefart,  berichtet  über  110  Eingänge  und  119  Ausgänge  im 
verflossenen  Jahr.  Er  rügt  mit  Recht  den  „ärztlichen  Ratgeber“,  der 
in  einer  Berliner  Tageszeitung  auf  Anfragen  aus  dem  Publikum  ärzt¬ 
liche  Ratschläge  erteilt,  statt  die  Antwort  zu  geben:  „Wende  dich  an 


deinen  Arzt!“  In  den  Ausstellungen  von  Gutachten  für  industrielle 
Unternehmungen  sollten  die  Aerzte  noch  viel  vorsichtiger  sein,  da 
sie  vielfach  zu  Reklamezwecken  missbraucht  werden!  Er  teilt  ferner 
mit,  dass  der  Vorsitz  der  deutschen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 
Kurpfuscherei  jetzt  an  Dresden  übergegangen  sei.  Die  600  M„  welche 
die  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer  der  deutschen  Gesell¬ 
schaft  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  bisher  bewilligte,  werden 
—  auf  Antrag  S  i  e  f  a  r  t  —  künftig  nach  Dresden  gezahlt  werden. 
Allerdings  darf  die  Berliner  Kammer  dann  Rechnungslegung  bean¬ 
spruchen. 

f)  Die  Bibliothek  weist  931  Bücher,  605  verschiedene  Werke 
und  85  Zeitschriften  auf.  (Bibliothekar  Herr  Wiesenthal.) 

3.  Den  Kassenbericht  über  das  Jahr  1912  erstattet  Herr 
S.  Alexander. 

Die  Einnahmen  betrugen,  wie  man  sich  aus  der  veröffent¬ 
lichten  Bilanz  mühsam  herausrechnen  muss,  113  878.96  M.  Den 
Hauptposten  machen  natürlich  die  Beiträge  mit  110  744  M.  aus.  Zu 
den  Einnahmen  kommt  ein  Kassenbestand  aus  dem  vorletzten  Jahre 
von  39  949  M.  Die  Ausgaben  betrugen  116  557.60  M.,  so  dass  der 
für  1913  verbleibende  Kassenbestand  37  270  M.  beträgt. 

Die  Ausgaben  setzen  sich  zusammen  aus:  1.  Verwaltungskosten 
15  409  M„  2.  Kosten  für  das  Ehrengericht  7226  M„  3.  Kosten  der 
Kammer-  und  Vorstandssitzungen  4522  M„  4.  und  12.  Beiträge  an  die. 
Unterstützungskasse  75  000  M.,  5.  Kosten  für  die  Kurpfuscherei¬ 
bekämpfung  1000  M„  6.  Bibliothek  2185  M„  9.  für  das  ärztliche  Fort¬ 
bildungswesen  1500  M.,  10.  für  den  Aerztekammerausschuss  1680  M„ 
11.  Dispositionsfond  3263  M.,  13.  Robert  Koch-Denkmal  300  M„ 
14.  Zentrale  für  Säuglingsschutz  100  M„  15.  für  die  Versicherungs¬ 
kasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  200  M„  16.  für  die  Zentrale  für  das 
Rettungswesen  in  Preussen  150  M„  17.  für  den  Darlehensfond  1936  M. 

4.  Hieran  schliesst  sich  die  Beratung  des  Voranschlages 
für  1913.  Derselbe  sieht  eine  Erhöhung  der  Beiträge  auf  115  456  M. 
vor.  Zur  Deckung  des  Bedarfes  wird  —  wie  alljährlich  —  vor¬ 
geschlagen,  zu  erheben:  1.  eine  Grundgebühr  von  10  M.  von  allen 
wahlberechtigten  Aerzten  des  Kammerbezirkes,  2.  einen  Zuschlag 
von  5  Proz.  des  Betrages  der  Staatseinkommensteuer  vom  Steuer¬ 
jahr  1912/13  von  denjenigen  wahlberechtigten  Aerzten,  welche  ein 
Gesamteinkommen  von  mehr  als  5000  M.  zu  versteuern  hatten. 

Dieser  Besteuerungsmodus  bedarf  einer  Mehrheit  von  Zwei¬ 
drittel  der  an  der  Abstimmung  teilnehmenden  Aerzte. 

Unter  den  Ausgaben  des  Voranschlages  sei  erwähnt,  dass  der 
Beitrag  an  die  Unterstützungskasse  auf  80  000  M.  erhöht  wurde.  Der 
Referent  (S.  Alexander)  weist  darauf  hin,  dass  vor  25  Jahren 
bei  Gründung  der  Aerztekammer  ein  freiwilliger  Beitrag  von  je  3  M. 
beschlossen  wurde,  welcher  von  1400  Kollegen  geleistet  wurde  und 
im  ganzen  4200  M.  Einnahmen  ergab.  Er  teilt  ferner  mit,  dass  im 
letzten  Jahre  1500  Aerzte  des  Kammerbezirkes  (im  ganzen  sind 
4342  Aerzte  zur  Steuer  herangezogen)  unter  4000  M.  Gesamteinkommen 
versteuerten. 

Ein  Antrag  auf  Erhöhung  der  Gehälter  für  die  Beamten  der 
Kammer  wird  zurückgezogen. 

Den  Voranschlag  wird  einstimmig  genehmigt. 

5.  Ueber  die  Regelung  der  gegenseitigen  Beziehungen  der 
preussi  sehen  Aerztekammern  untereinander  be¬ 
züglich  des  Unterstützungswesens  berichtet  Herr 
D  a  v  i  d  s  o  h  n.  Er  führte  aus,  dass  nach  Berlin  ungewöhnlich  viel 
Unterstützungsbedürftige  zusammenströmen.  Da  nun  in  Berlin  die 
ärztliche  Unterstützungskasse  sehr  viel  höhere  Summen  als  die  aller¬ 
meisten  sonstigen  Aerztekammern  bewilligen,  so  würde,  wenn  wir 
den  Wunsch  der  anderen  Kammern  erfüllen,  den  Wohnsitz  für  die 
Unterstützung  als  massgebend  zu  betrachten,  das  Hineinströmen  nach 
Berlin  von  Arztwitwen  noch  mehr  zunehmen  und  unsere  Kasse  zu 
ungunsten  der  bei  uns  Einheimischen  schwer  belasten. 

6.  Antrag  der  Aerztekammer  für  die  Provinz  Hannover: 
„Der  Ausschuss  der  preussischen  Aerztekammern  möge  dahin  vor¬ 
stellig  werden,  dass  beim  Staatsministerium  die  Aenderung  des. 
Gesetzes  betreffend  die  Reisekosten  der  Staatsbeamten 
von  26.  Juni  1910  dahingehend  bewirkt  wird,  dass  eventuell  die  alten 
Sätze  des  Gesetzes  vom  9.  März  1872  bestehen  bleiben  oder  aber  eine 
vollständige  Abänderung  im  Sinne  des  neuen  Gesetzes  vom 
26.  Juni  1910  erfolgt  und  zwar  in  der  Weise,  dass  12  M.  Tagegelder 
und  60  Pfg.  pro  Kilometer  Landweg  bewilligt  werden.“ 

Der  Referent,  Herr  Joachim,  schliesst  sich  den  Beschwerden 
der  hannoverschen  Kammer  über  ungenügende  Entschädigung  der 
Privatärzte  bei  gerichtlichen  Terminen  vollständig  an;  er  führt  aber 
aus,  dass  die  neueste  Gesetzgebung  wesentliche  Punkte  in  unklarer 
Fassung  enthalte.  Er  schlägt  daher  vor,  anstatt  des  Antrages 
Hannover,  seinen  Antrag  anzunehmen,  der  dahin  geht,  den  Minister 
um  eine  authentische  Interpretation  zu  bitten,  welche  Sätze  als 
Reisegelder  für  frei  praktizierende  Aerzte  bei  gerichtlichen  Terminen 
anzusetzen  sind.  Es  wird  so  beschlossen. 

7.  Antrag  der  Aerztekammer  der  Provinz  Hessen -Nassau 
(auf  Anregung  der  Kissinger  Badeärzte) :  „Der  Aerztekammer¬ 
ausschuss  möge  die  Kgl.  Staatsregierung  ersuchen,  beim  Bundesrat 
den  Antrag  zu  stellen,  dass  ausländischen,  in  Deutschland 
nicht  approbierten  Aerzten  die  Ausübung  der 
Praxis  in  jeder  Form  und  unter  jeder  Bezeichnung 
verboten  werde,  unbeschadet  der  für  die  Grenzbezirke  be¬ 
stehenden  internationalen  Vereinbarungen.“ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


279 


Februar  191,3. 


Der  Referent  Herr  Munter  weist  auf  die  formale  Unmöglich- 
it  hin,  fremden  Aerzten  die  Ausübung;  der  Praxis  zu  verbieten,  da 
r  Kurierfreiheit  haben  und  jeder  Pfuscher  „Heilbehandlung;“  treiben 
nn.  Die  Form  des  Antrages  Hessen  sei  überaus  schroff;  zum 
ndesten  müsse  bei  Reziprozität  anderer  Länder,  welche  anzu- 
cben  sei,  eine  Ausnahme  zulässig;  sein.  Auch  diese  Abschwächung; 
s  Antrages  genügt  Herrn  S.  Alexander  nicht.  Der  Antrag 
■ssen-Nassau  sei  eben  wegen  der  in  Deutschland  gesetzlich  be¬ 
henden  Kurierfreiheit  völlig  unmöglich.  Der  Antrag  Hessen-Nassau 
rd  abgelehnt. 

Schluss  der  Sitzung  53A  Uhr.  R.  Sch  a  eff  er. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Deutscher  Reichstag. 

Bei  der  Beratung  des  Etats  des  Reichsamtes  des  Innern  nahm  der 
i  tschrittliche  Abgeordnete  Dr.  Müller-  Meiningen  Gelegenheit, 
,e  gescheiterte  Verständigungsaktion  zwischen  Aerzteorganisation 
d  Krankenkassenverbänden  zur  Sprache  zu  bringen.  Er  erkannte 
e  Ablehnung  des  Leipziger  Verbandes  als  durchaus  berechtigt  an,  da 
an  ihm  nicht  zumuten  könne,  als  Vertreter  von  25  000  deutschen 
,'rzten  mit  einem  Zwergverbande,  dessen  Mitgliederzahl  stets  ge¬ 
hn  gehalten  werde,  in  gemeinsame  Verhandlungen  einzutreten,  die 
von  vornherein  als  ergebnislos  erscheinen  müssen.  Der  Redner 
hm  keinen  Anstand,  den  „Reichsverband“  als  gelbe  Aerztegewerk- 
haft  und  als  einen  Streikbrecherverband  zu  charakterisieren.  Er 
achte  auch  die  Klagen  der  Aerzteschaft  darüber  zum  Ausdruck,  dass 
den  geplanten  Verhandlungen  gerade  die  wichtigsten  Fragen  nicht 
r  Erörterung  gestellt  waren,  z.  B.  die  des  Arztsystems,  obwohl  der 
■ipziger  Verband  nicht  auf  dem  Standpunkte  der  unbedingten  obli- 
ttorischen  freien  Arztwahl  bestehe,  die  er  allerdings  als  letztes  Ziel 
istrebe.  Jedenfalls  aber  verlange  der  Verband  das  Recht,  mit  den 
-ar.kenkassen  von  Verband  zu  Verband  als  gleichberechtigte  Kontra¬ 
kten  zu  verhandeln,  und  dieses  Verlangen  sei  durchaus  berechtigt, 
er  Redner  unterzog  auch  den  bekannten  Erlass  des  preussischen 
inisters  des  Innern  über  die  Erlangung  der  Rechtsfähigkeit  der  ärzt- 
hen  Vereine  einer  recht  herben  Kritik,  er  nannte  den  Erlass  einen 
igesetzlichen  Eingriff  in  die  Unabhängigkeit  der  preussischen  Richter 
ld  ein  tendenziös  unfreundliches  Vorgehen  gegen  die  deutsche 
erzteschaft,  die  dadurch  vom  grössten  Misstrauen  gegen  die  Re¬ 
erung  erfüllt  werden  müsste;  es  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass 
t  Erlass  möglichst  rasch  zurückgezogen  werde.  Einen  Widerhall 
nden  die  Worte  des  Redners  im  Reichstage  nicht,  jedenfalls  blieben 
,e  von  seiten  der  Regierung  unbeantwortet;  aber  es  wäre  wohl  zu 
itimistisch,  darauf  den  Satz  anziiwenden:  Qui  tacet,  consentire 
detur. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Etatsverhandlungen  kamen  beim  Kapi- 
1  „Reichsgesundheitsamt“  die  Bekämpfung  der  Säuglingssterblich- 
;it,  die  Förderung  des  Hebammenwesens  kurz  zur  Sprache  und  aus- 
hrlicher  die  Ueberanstrengung  des  Krankenpflegepersonals.  Wie 
;r  Präsident  des  Reichsgesundheitsamtes  mitteilte,  hat  vor  2  Jahren 
ne  Umfrage  bei  5000  Krankenanstalten  mit  430  000  Betten  und  64  000 
rankenpflegern  und  -Pflegerinnen  stattgefunden,  aus  der  sich  das 
tsächliche  Bestehen  einer  Arbeitsüberlastung  ergibt.  Die  tägliche 
rheitszeit  erstreckt  sich  auf  11,  mitunter  auf  12  bis  13  Stunden,  dabei 
nd  dienstfreie  Zeit  und  Jahresurlaub  zu  kurz  bemessen.  Eine  ein- 
itliche  Regelung  dieser  Verhältnisse  auf  reichsgesetzlichem  Wege 
t  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden;  es  wird  jedoch  auf  Grund 
an  Vorschlägen,  die  im  Reichsgesundheitsamt  ausgearbeitet  sind, 
ne  Regelung  angestrebt.  M.  K. 

Preussisches  Abgeordnetenhaus. 

Es  scheint,  dass  die  Antwort  auf  die  Reichstagsrede  des  Herrn 
r.  Müller-  Meiningen  in  der  Budgetkommission  des  Abgeordneten- 
uises  erteilt  wurde,  wo  bei  der  Beratung  des  Medizinaletats  eben- 
Hs  das  Verhältnis  der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen  zur  Sprache 
im.  Dabei  wandte  sich  der  Berichterstatter  gegen  den  Leipziger 
erband  er  sprach  sein  Bedauern  darüber  aus,  dass  dieser  der  Ein¬ 
dung  des  Reichsamtes  des  Innern  nicht  gefolgt  sei,  und  erwähnte 
ich  eine  angebliche  Aeusserung  des  Herrn  L  e  n  n  h  o  f  f,  dass  der 
eipziger  Verband  die  Krankenversicherung  zu  einer  Farce  machen 
olle.  Mit  aller  Entschiedenheit  verwies  darauf  ein  fortschrittliches 
utglied  diese  Aeusserung  in  das  Reich  der  Fabel  und  setzte  die  be¬ 
amten  Gründe  des  Leipziger  Verbandes  für  seine  Ablehnung  der 
eilnahme  an  der  Konferenz  auseinander.  Auch  der  Minister  er- 
lärte  das  Gerücht  über  die  Aeusserung  Lennhoffs  für  falsch; 

empfahl  Tarifverträge,  zu  denen  der  Leipziger  Verband  ja  gern 
sreit  sei,  und  äusserte  sich  dann  über  seinen  Erlass  betr.  die  Ver¬ 
jüng  der  Rechtsfähigkeit  an  die  kassenärztlichen  Vereine.  Er 
iaubte,  dazu  verpflichtet  zu  sein,  aber  das  letzte  Wort  haben  darin 
dbstverständlich  die  Gerichte  zu  sprechen;  jedenfalls  fühle  er  sich 
ei  von  Animosität  gegen  die  ärztlichen  Standesbestrebungen.  Nach 
UI|  Berichten  der  Regierungspräsidenten  scheine  übrigens  an  den 
leisten  Orten  der  Abschluss  von  Kassenarztverträgen  sich  ohne 
rosse  Schwierigkeiten  zu  vollziehen.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Er- 
rterung  wurde  der  Gedanke  angeregt,  zum  Schutze  der  Kassen  gegen 
•  häufige  ärztliche  Besuche  und  zu  zahlreiche  Rezepte  den  Kreisarzt 
iit  der  Revision  zu  betrauen.  Ein  fortschrittlicher  Redner,  der  die 


Verhältnisse  besser  zu  kennen  scheint,  wies  aber  sofort  darauf  hin, 
dass  das  nur  zu  Kollisionen  zwischen  den  Kreisärzten  und  den  prakti¬ 
zierenden  Aerzten  führen  könne,  was  wiederum  von  nachteiligem 
Einfluss  auf  die  Tätigkeit  der  Kreisärzte  sein  würde.  Dem  stimmte 
auch  ein  Regierungsvertreter  zu  und  wandte  sich  zugleich  sehr 
energisch  gegen  den  Wunsch  der  Betriebskrankenkassen,  Kreisärzte 
als  Kassenärzte  heranzuziehen.  M.  K. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  3.  Februar  1913. 

—  Der  preuss.  Medizinalminister  hat  eine  neue  Dienstan- 
weisung  für  die  Hebammen  im  Königreich  Preussen  erlassen, 
die  im  Ministerialblatt  für  Medizinalangelegenheiten  No.  5,  vom 
29.  Januar  1913  veröffentlicht  wird.  Ueber  das  Verhalten  der 
Hebammen  gegen  die  Aerzte  bestimmt  die  Dienstanweisung  folgen¬ 
des;  Den  zugezogenen  Aerzten  soll  die  Hebamme  mit  gebührender 
Achtung  und  Bescheidenheit  gegenübertreten  sowie  über  ihre  Wahr¬ 
nehmungen  im  Berufe  gewissenhaft  und  ausführlich  Auskunft  erteilen. 
Den  ärztlichen  Anordnungen  muss  sie,  falls  dieselben  nicht  mit  den 
Bestimmungen  dieser  Dienstanweisung  in  Widerspruch  stehen,  pünkt¬ 
lich  Folge  leisten  und  ihnen  auch  bei  den  Pflegebefohlenen  und  deren 
Angehörigen  Geltung  zu  verschaffen  suchen.  Niemals  darf  sie  für  die 
Zuziehung  eines  bestimmten  Arztes  werben  oder  von  der  Zuziehung 
eines  solchen  abraten. 

—  Am  29.  v.  M.  fanden  im  Kaiserin-Augusta-Viktoria-Haus  in 
Berlin  Beratungen  über  die  Aufstellung  einheitlicher  Grundsätze 
für  die  Ausbildung  von  Säuglingspflegerinnen  statt. 
Die  Referate  erstatteten  die  Herren  La  n  g  s  t  e  i  n  -  Berlin  und 
Ibrahim-  München.  Es  wurden  7  Leitsätze  aufgestellt.  Für  die 
Ausbildung  einer  Säuglings  kranken  Schwester  wird  eine  Ausbil¬ 
dungszeit  von  2  Jahren  verlangt.  Diese  ist  an  einem  nach  modernen 
Grundsätzen  ärztlich  geleiteten  Säuglingsheim  oder  Kinderkranken¬ 
haus  abzulegen.  Die  geprüfte  Säuglingskrankenschwester  soll  durch 
ein  staatliches  Diplom  geschützt  werden.  Für  Pflegerinnen  gesunder 
Kinder  (Säuglingspflegerinnen)  wird  eine  Ausbildungszeit  von  min¬ 
destens  Vi  Jahr  für  genügend  erachtet. 

- —  Aus  Wien  schreibt  man  uns;  Die  wirtschaftliche  Organisation 
der  Aerzte  Wiens,  welche  in  ihrer  jüngst  abgehaltenen  Jahresver¬ 
sammlung  den  Minimalbeitrag  der  Mitglieder  von  5  auf  10  Kronen  er¬ 
höht  hat,  gibt  nunmehr  ein  eigenes  offizielles  Organ  „Mitteilungen  der 
wirtschaftlichen  Organisation  de!  Aerzte  Wiens“  heraus,  deren  erste 
Nummer  eben  erschienen  ist.  Wir  erfahren  aus  demselben  auch,  dass 
am  25.  Januar  1.  J.  ein  Vortragszyklus  beginnt,  in  welchem  seitens  er¬ 
fahrener  Praktiker  den  Studierenden  der  Medizin  und  selbstverständ¬ 
lich  auch  den  jungen  Aerzten  über  ihr  Verhalten  zum  Publikum,  zu 
dem  Behörden  und  Kassenleitungen  praktische  Anleitungen 
gegeben  werden  sollen.  Einzelne  Vorträge  sollen  sich  auch  mit  dem 
Strafgesetz,  soweit  es  den  Arzt  angeht,  mit  den  Steuervorschriften 
u.  dgl.  mehr  beschäftigen.  Man  hofft,  durch  diese  Vorträge  nicht  nur 
der  studierenden  Jugend,  sondern  auch  den  jungen  Aerzten  zu  dienen, 
dabei  aber  auch  der  Organisation  zu  nützen.  Den  ersten  Vortrag  wird 
Herr  Dr.  Gruss  „über  die  rechtliche  Stellung  des  Arztes“  halten. 
Wir  haben  schon  früher  mitgeteilt,  dass  die  wirtschaftliche  Organi¬ 
sation  mit  zwei  Autotaxigesellschaften  ein  Uebereinkommen  getroffen 
habe,  wonach  den  Aerzten  der  Fahrpreis  verbilligt  wird.  Der  Arzt 
erhält  einen  zur  Zahlung  des  Fahrpreises  bestimmten  Markenblock 
im  Werte  von  20  K  und  zahlt  dafür  nur  18  K  (Ersparnis  10  Proz.). 
Die  Summe  der  verfahrenen  Blocks  wird  von  den  Gesellschaften  sepa¬ 
rat  gebucht  und  je  nach  der  Höhe  des  Gesamtergebnisses  wird  seitens 
der  Gesellschaften  ein  weiterer  Rabatt  bis  zur  Maximalhöhe  von 
8  Proz.  rückvergütet.  Auch  für  Pauschalfahrten  innerhalb  der  21  Be¬ 
zirke  Wiens  wurden  den  Aerzten  besondere  Begünstigungen  ein¬ 
geräumt.  So  zahlen  sie  a)  bei  2  Stunden  Fahrt,  25  km  Maximal¬ 
leistung,  15  K,  auch  in  Marken;  b)  bei  4  Stunden  Fahrt,  40  km  Maxi¬ 
malleistung,  22  K;  jeder  weitere  Kilometer  kostet  60  h.  —  Die  Sta¬ 
tuten  des  vom  Wiener  mediz.  Doktorenkollegium  und  der  wirtschaft¬ 
lichen  Organisation  der  Aerzte  Wiens  gemeinsam  errichteten  „Aerztl. 
Zentral-Spar-  und  Kreditinstitutes“  wurden  der  Behörde  zur  Genehmi¬ 
gung  überreicht.  Diese  dürfte  bald  erfolgen,  sodann  könnte,  wenn 
die  Zahl  der  Genossenschafter  30 — 40  erreicht  hat,  die  Konstituierung 
dieser  Gesellschaft  stattfinden.  Ein  Anteilschein  wird  mit  100  K  (auf 
einmal  oder  in  Monatsraten  zu  j  e  20  K  einzuzahlen)  ausgegeben.  Die 
eingezahlten  Gelder  werden  mit  mindestens  4  Proz.  jährlich  verzinst, 
während  für  Darlehen  ein  Maximalzinsfuss  von  6  Proz.  eingehoben 
werden  dürfte,  und  zwar  ohne  weitere  Spesen.  Man  hofft,  durch 
diesen  niederen  Zinsfuss  manchem  ärztlichen  Darlehensbewerber 
wesentliche  Ersparnisse  verschaffen  zu  können. 

—  In  der  Budgetkommission  des  preuss.  Abgeordnetenhauses 
wurde  der  Staatsbeitrag  zur  Bekämpfung  der  Krebskrank¬ 
heit  von  7000  M.  auf  10  000  M.  erhöht. 

—  Verleihung  der  Helmholtz-Prämie.  Auf  dem 
Friedrichstage  der  Berliner  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften 
erhielt  Herr  Prof.  Dr.  Abderhalden,  Direktor  des  Physiologischen 
Institutes  der  Universität  Halle,  für  seine  Arbeiten  auf  dem  Gebiete 
der  Physiologie  die  Helmholtz-Prämie  im  Betrage  von  1800  M. 

—  Die  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst 
und  Literatur  in  Böhmen  hat  zur  Erinnerung  an  die  25jährige  Wirk¬ 
samkeit  Prof.  Dr.  Ewald  Herings  (jetzt  in  Leipzig)  an  der  deutschen 


280 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5. 


Universität  in  Prag  eine  Gedenktafel  gestiftet,  welche  am  8.  Februar 
d.  J.  im  neuen  Physiologischen  Institut  der  Universität  feierlich  über¬ 
geben  werden  soll.  Die  Gedenktafel  ist  ein  Werk  des  Prager  Bild¬ 
hauers  Prof.  Franz  M  e  t  z  n  e  r. 

Für  das  Robert  Koch -Denkmal  sind  —  ausser  dem 
Zuschuss  der  Stadt  Berlin  in  Höhe  von  15  000  M.  —  von  verschiedenen 
deutschen  Bundesfürsten  Beiträge  eingegangen.  Prinzregent  Luit¬ 
pold  von  Bayern  hat  kurz  vor  seinem  Tode  1000  Mark  gespendet; 
namhafte  Summen  haben  ferner  der  König  von  Württemberg  sowie 
die  ürossherzöge  von  Baden,  Hessen.  Oldenburg  und  der  Herzog  von 
Sachsen-Meiningen  beigesteuert.  Eine  Sammlung  unter  den  „Gou¬ 
vernementsbeamten,  Kaufleuten  und  Privaten“  in  Deutsch  Ost-Afrika 
hat  die  Summe  von  22 68  Mark  ergeben.  Ferner  sind  als  Spender  zu 
nennen:  von  Wülfing  (Sanatogenwerke)  1000  Mark,  Berliner 
chirurgische  und  otologische  Gesellschaft  je  200  Mark,  die  Berliner 
laryngologische,  ophthalmologische  und  dermatologische  Gesellschaft 
je  100  Mark,  die  orthopädische  Gesellschaft  50  Mark  u.  a.  m.  Bei¬ 
träge  nimmt  das  Bankhaus  von  Mendelssohn  &  Co.,  Berlin  W„ 
Jägerstrasse  49/50,  entgegen;  Auskünfte  erteilt  der  Schriftführer  des 
Komitees,  Dr.  Alfred  Bruck,  Berlin  SW.,  Markgrafenstrasse  87. 

—  Die  Kgl.  Medizinische  Akademie  in  Turin  hat  soeben  den 
Wettbewerb  für  die  13.  Preisverteilung  „Riberi“  über  20  000 
Lire  eröffnet,  für  wissenschaftliche  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
medizinischen  Disziplinen  im  Allgemeinen.  Interessenten  wollen  sich 
bis  zum  31.  Dezember  1916  melden.  Wegen  der  Bedingungen  wolle 
man  sich  an  das  „Sekretariat  der  Akademie  der  Medizin,  18,  via  Po, 
Turin“,  wenden. 

-  Dem  Direktor  der  Chemischen  Fabrik  Helfenberg  A.-ü.,  Pri¬ 
vatdozent  Dr.  phil.  Karl  Dieterich  in  Helfenberg-Dresden,  wurde 
das  Komturkreuz  des  spanischen  Isabellenordens  verliehen. 

Die  Womans  Medical  Association  in  NewYork  schreibt  das 
Mary  Put  n  am  Jacobi-Stipendium  für  ärztliche 
Fortbildung  aus.  Der  Betrag  des  Stipendiums  ist  800  Dollar. 
Die  Bewerbung  steht  allen  approbierten  Aerztinnen  offen.  Bewer¬ 
bungstermin  1.  April  1913.  Näheres  durch  die  Vorsitzende,  Dr.  Emilie 
Lewi,'35  Mt.  Morris  Park  West,  NewYork. 

—  In  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Rassen¬ 
hygiene,  Ortsgruppe  München,  hält  am  Dienstag,  den  11.  Februar 
1913,  abends  814  Uhr,  im  Hörsaal  des  anatomischen  Instituts,  Petten- 
koferstrasse  11,  Herr  Privatdozent  Dr.  Hermann  Lundborg  einen 
Vortrag  über  „Medizinisch-biologische  Familienforschung  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Kulturstaaten  auf  Grund  familiengeschichtlicher  Er¬ 
hebungen  in  Schweden“.  Eintritt  frei. 

—  Die  Ferienkurse  der  Berliner  Dozenten  Ver¬ 
einigung  finden  in  diesem  Jahre  in  der  Zeit  vom  3.  März  bis 
5.  April  statt  (mit  Ausschluss  der  Osterfeiertage  vom  21. — 24.  März). 
Im  Anschluss  hieran,  vom  7. — 12.April,  wird  ein  Gruppenkurs  über 
„Magen-Darmkrankheiten“  stattfinden.  Es  sind  beteiligt  an  diesem 
Kurse  die  Herren :  Bickel,  B  r  u  g  s  c  h,  L.  K  u  1 1  n  e  r,  Ehrmann, 
S  t  r  a  u  s  s,  Ewald,  A  1  b  u,  Umber,  Bessel-Hagen,  Zinn, 
Mühsam,  Benda,  R  o  t  h  m  a  n  n,  Rosenheim,  Nicolai, 
Finkeistein,  Klapp  und  Schmieden.  Das  Honorar  für 
diesen  Kurs,  der  volle  6  Tage  in  Anspruch  nimmt,  und  Vorträge, 
Demonstrationen  und  praktische  Uebungen  umfasst,  beträgt  30  M. 

—  Die  Sprechstunden  der  T  rinkerfürsorgestelle  Mün¬ 
chen  finden  künftig  statt  im  Schulhaus  St.  Annastrasse  No.  13,  Erd¬ 
geschoss,  Dienstags  von  %5 — 6  Uhr  nachmittags  und  Samstags  von 
'A7 — 8  Uhr  abends.  Beratung  nach  wie  vor  unentgeltlich. 

—  Cholera.  Bulgarien.  Zufolge  Mitteilung  vom  18.  Januar 
ist  in  Schumla  die  Seuche  erloschen,  die  Absperrungsmassregeln 
sind  aufgehoben.  Von  den  Erkrankungsfällen  soll  keiner  tödlich  ver¬ 
laufen  sein. 

—  Pest.  Die  in  der  Provinz  Chorossan  im  Oktober  v.  J.  aufge¬ 
tretene  Seuche  ist,  wie  nachträglich  festgestellt  wurde,  die  Lungen¬ 
pest  gewesen;  jedoch  ist  die  Provinz  zufolge  Mitteilung  vom  4.  Ja¬ 
nuar  für  pestfrei  erklärt,  da  seit  dem  23.  Oktober  kein  neuer  pest¬ 
verdächtiger  Fall  mehr  beobachtet  wurde.  —  Philippinen.  In  Manila 
wurden  vom  1, — 14.  Dezember  v.  J.  4  neue  Pestfälle,  davon  2  mit 
tödlcihem  Ausgange,  gemeldet.  —  Mauritius.  Vom  8.  November  bis 
5.  Dezember  v.  J.  179  Erkrankungen  und  122  Todesfälle.  —  Britisch- 
Ostafrika.  Zufolge  Mitteilung  vom  26.  Dezember  v.  J.  sind  seit  dem 
8.  Dezember  in  Mombassa  4  Pestfälle,  in  Kisumu,  dem  Endpunkt  der 
Ugandabahn  am  Viktoriasee,  und  in  Nairobi  je  1  Pestfall  festgestellt 
worden.  Die  Insel  Mombassa  wurde  am  25.  Dezember  erneut  als 
pestverseucht  erklärt.  — In  Mollendo  vom  1. — 7.  Dezember  v.  J. 
2  Erkrankungen  und  2  Todesfälle;  ferner  herrschte,  wie  nachträglich 
gemeldet  ist,  die  Pest  Anfang  September  v.  J.  in  Callao  und  Lam- 
bayeque.  —  Neu-Kaledonien.  Zufolge  Mitteilung  vom  5.  Dezember 
v.  J.  sind  in  Numea  insgesamt  29  Pestfälle  festgestellt  worden.  Bis 
zum  18.  November  waren  in  dem  für  Eingeborene  bestimmten 
Krankenhause  20  Todesfälle  vorgekommen;  von  7  erkrankten  Euro¬ 
päern  waren  bis  zum  5.  Dezember  2  gestorben. 

—  In  der  3.  Jahreswoche,  vom  12. — 18.  Januar  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Landsberg  a.  W.  mit  28,2,  die  geringste  Pirmasens  mit  5,1  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Graudenz,  an  Masern  und  Röteln  in  Fürth, 
Solingen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Braunschweig,  Ulm,  an  Keuch¬ 
husten  in  Elbing.  V.  d.  K.  G.-A. 


(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Für  das  Fach  der  Kinderheilkunde  habilitierte  sich 
Dr.  Ludwig  F.  Meyer.  Der  neue  Dozent  ist  seit  1.  April  1905  erster 
Assistent  am  Waisenhaus  und  Kinderasyl  der  Stadt  Berlin.  Er  ist 
1879  zu  Wiesbaden  geboren,  (hk.) 

Breslau.  Der  Direktor  der  Kgl.  chirurgischen  Universitäts¬ 
klinik  zu  Breslau,  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  K  ü  1 1  n  e  r,  wurde  zum 
Marine-Generalarzt  ä  la  suite  des  Marine-Sanitätskorps  ernannt.  — 
Die  im  verflossenen  Jahre  an  Kaisers  Geburtstage  seitens  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  gestellte  Preisaufgabe  lautete:  „Im  Hinblick  auf 
Gicht  und  Harnsäureinfarkt  soll  auf  experimentellem  Wege  fest¬ 
gestellt  werden,  unter  welchen  Bedingungen  eine  Zunahme  des  Ge¬ 
haltes  des  Blutes  an  Harnsäure  dazu  führt,  geformte  Ausscheidungen' 
der  letzteren  im  Urin  erscheinen  zu  lassen.“  Der  von  cand.  med. 
Adolf  Eckert  eingereichten  Bearbeitung  wurde  der  volle  Preis  und 
kostenlose  Promotion  zuerkannt.  Die  neue  Preisaufgabe  lautet:; 
„Beziehung  zwischen  Querschnitt  und  Wandstärke  der  Arterien  nebst 
Schätzung  des  Anteils  der  einzelnen  Gewebe  am  Aufbau  der  Wand.“ 

Dresden.  Den  Oberärzten  des  Krankenhauses  Diakonissen-) 
anstalt  wurde  der  Diensttitel  „Dirigierender  Arzt“  verliehen. 

Heidelberg.  Der  Assistent  der  Universitäts-Kinderklinik I 
(Luisenheilanstalt),  Dr.  med.  Franz  Lust,  hat  sich  habilitiert  mit 
einer  Vorlesung  über  „Die  Pathogenese  der  Tetanie  im  Kindesalter". 

Königsberg.  Dem  dirigierenden  Arzt  der  inneren  Abteilung 
des  Krankenhauses  der  Barmherzigkeit,  Oberstabsarzt  Dr.  Franz 
S  i  n  n  h  u  b  e  r,  ist  vom  Kultusminister  der  Titel  „Professor“  verliehen 
worden,  (hk.) 

W  ii  r  z  b  u  r  g.  Als  Nachfolger  von  Prof.  Karl  v.  Hess  ist  der 
mit  Titel  und  Rang  eines  ausserordentlichen  Professors  bekleidete 
Privatdozent  Dr.  med.  Karl  Wessely  vom  1.  Februar  1.  J.  zum 
ordentlichen  Professor  der  Augenheilkunde  und  zum  Vorstand  den 
ophthalmologischen  Klinik  und  Poliklinik  an  der  Universität  Würzburg 
ernannt  worden.  W.  ist  geboren  1874  in  Berlin  als  Sohn  des  Geh. 
Sanitätsrates  Dr.  Wessely,  (hk.) 

Montpellier.  Der  Professor  der  medizinischen  Klinik 
Dr.  Grasset  wurde  zum  Professor  der  allgemeinen  Pathologie 
und  Therapie,  der  Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und  Therapie! 
Dr.  R  a  n  z  i  e  r  zum  Professor  der  medizinischen  Klinik  ernannt. 

Wien.  Am  Sonnabend,  den  15.  Februar  d.  J.  findet  um  1 1  K>  Uhr 
vormittags  die  feierliche  Enthüllung  des  Denkmals  für  den  am  15.  fe-j 
bruar  1911  verstorbenen  Professor  der  Kinderheilkunde  an  der  Wiener 
Universität,  Hofrat  Dr.  Theodor  Escherich,  in  der  Vorhalle  der 
Universitäts-Kinderklinik  Wien  IX,  Lazarettgasse  14  statt.  Das  Denk¬ 
mal  wurde  von  Prof.  v.  Hellmer  entworfen  und  ausgeführt.  Gleich¬ 
zeitig  mit  dieser  Feier  wird  die  Ehrentafel,  welche  die  amerikanischem 
Schüler  Escherich  s  ihrem  verstorbenen  Lehrer  gewidmet  haben, 
enthüllt,  (hk.) 

(Todesfälle.) 

In  Kiel  starb  der  Professor  der  pathologischen  Anatomie,  Geh. 
Med. -Rat  Dr.  Heller.  Nekrolog  folgt. 

Dr.  G.  Bellisar  i,  Privatdozent  für  Neurologie  in  Neapel. 

Dr.  A.  Panella,  Privatdozert  für  Physiologie  in  Pisa. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  3.  Jahreswoche  vom  12.  bis  18.  Januar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  14  (91),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  7  (3),  Kindbettfieber  —  (3) 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  2  (— ),  Scharlach  1  (— ) 
Masern  u.  Röteln  3  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (— ),  Keuchhusten  1  (1) 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  — ( — ),  akut.  Gelenkrheumatismus —(—) 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (3),  Starrkrampf  —  (-) 
Blutvergiftung  6(2),  Tuberkul.  der  Lungen  12(12),  Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  6  (1),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (1),  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  14(15),  Influenza  2  (2),  veneri¬ 
sche  Krankh.  —  (3),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
fieber  usw.  —  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (3),  Alkoholis 
mus  —  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  7  (2),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  3  (2),  organ.  Herzleiden  26  (23),  Herzschlag,  Herz¬ 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  5  (7),  Arterienverkalkung 
7  (4),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  6  (4),  Gehirnschlag  6  (9) 
Geisteskrankh.  2  (1),  Krämpfe  d.  Kinder  —  (1),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven 
Systems  3  (3),  Atrophie  der  Kinder  1  (2),  Brechdurchfall  1  ( — ),  Magen¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  3  (9),  Blinddarm 
entzünd.  4  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u 
Milz  2  (6),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (3),  Nierenentzünd.  3  (4) 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  2  (2),  Krebs  20  (29),  sonst 
Neubildungen  2  (3),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  ( — ),  Krankh.  de 
Bewegungsorgane  1  (2),  Selbstmord  4  (1),  Mord,  Totschlag,  aucl 
Hinricht.  — ( — ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  7  (— ) 
and.  benannte  Todesursachen  4  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  194  (186). 

0  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mülilthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


1«  Mflncfiener  Medizinische  tf'otfienselirift  erschein!  wAchenr'iidi 
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ummer  804.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
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MÜNCHENER 


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ffirdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8'<t— 1  Lfiir. 
Für  Abonnement  an  I.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


3.  6.  II.  Februr  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Würzburg. 

e  wirksamen  und  wertvollen  Bestandteile  des  Kaffee- 
itränks  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  koffein¬ 
freien  Kaffees  HAG  und  des  Thumkaffees. 

3n  Prof.  Dr.  K.  B.  Lehmann,  Vorstand  des  hygienischen 
Instituts  Würzburg. 

1.  Vorbemerkung. 

Durch  meine  Arbeiten  mit  Wilhelm  [l]  und  Roh  rer 
j  glaubte  ich  die  Frage  entschieden  zu  haben,  dass  im  Kaffee 
ts  Koffein  der  einzige  wesentlich  wirksame  Körper  sei,  dem 
je  „Kaffeewirkung“  auf  Hirn  (Schlafverscheuchung),  Muskeln 
i  kleinen  Dosen  Steigerung  der  Leistungsfähigkeit,  in  grossen 
ttern,  Steifigkeit)  und  Nieren  (Diurese)  zukommt.  Ich  neigte 
ch  dazu,  die  Darmwirkung  (Vermehrung  der  Peristaltik) 
rauf  zu  beziehen  x).  Die  toxische  Wirkung  grosser  Kaffee¬ 
engen  und  mindestens  zum  Teil  die  chronische  Kaffeever- 
ftung  war  für  mich  identisch  mit  einer  Koffeinvergiftung, 
m  Röstprodukten  schrieb  ich  hohe  Bedeutung  für  den  Ge- 
ch  und  den  Geschmack  zu;  auf  Grund  eingehender  Versuche 
Menschen  bestritt  ich  aber  irgend  welche  stärkere  physio- 
?ische  Wirkung  insbesondere  die  Erzeugung  toxischer 
‘rnptome  durch  die  flüchtigen  Röstprodukte  „das 
iffeon“. 

Soviel  ich  sehe,  ist  dieser  Standpunkt  bis  in  die  neueste 
it  ausser  von  Binz  [3],  den  ich  mit  Rohr  er  widerlegt 
haben  glaube,  nicht  weiter  angegriffen  worden,  die  Arbeiten 
»n  Geiser  [4]  und  Boruttau  [5]  stimmen  durchaus  zu 
i  seren  Versuchen. 

Nun  hat  Harnack  [6]  1911,  nachdem  sein  Schüler 
ir  d  rn  ann  [7]  schon  1902  dem  Furfuralkohol  einen  Anteil  an 
1  r  Kaffeewirkung  zugeschrieben  hatte,  den  überraschenden 
landpunkt  vertreten,  dass  den  „Röstprodukten“  und  zwar 
i  eziell  den  flüchtigen  eine  starke  Wirkung  zukomme, 
eiche  die  speziell  nachteilige  Wirkung  des  Kaffees  gegenüber 
1  deren  koffeinhaltigen  Genussmitteln  durch  Reizung  des 

•  agens  und  reflektorisch  des  Herzens  erkläre.  Besonders 
;  er  fielen  sehr  bestimmte  Urteile  über  den  Einfluss  der 
i  e  i  n  i  g  u  n  g  und  des  Röstens  des  Kaffees  nach  Thum  2) 

•  Fhumkaffee“)  für  die  Verbesserung  der  Bekömmlichkeit  des 
'.‘tränkes  auf,  die  alsbald  von  der  Reklame  stark  vergröbert 

ausgebeutet  wurden,  dass  in  weiten  Kreisen  der  Aerzte 
^Sicherheit  und  Verwirrung  angerichtet  werden  mussten. 

Ich  fühlte  sofort  ein  lebhaftes  Bedürfnis  mir  Sicherheit 
1  rüber  zu  verschaffen,  was  ich  von  diesen  so  auffallenden 
igaben  halten  sollte,  die  —  ohne  meine  früheren  Unter- 
chungen  auch  nur  zu  erwähnen  —  ihnen  absolut  wider¬ 
rachen  und  sich  dabei  zum  Teil  auf  Resultate  stützten,  deren 
rwendbarkeit  mir  sehr  fraglich  erschien. 

‘)  Ich  habe  diese  Frage  im  folgenden  nicht  berührt.  Ich  glaube, 
>s  auch  den  Röstprodukten  neben  dem  Koffein  eine  Darmwirkung 
'■ommt.  Koffein  und  Röstprodukte  summieren  ihre  Wirkung, 

|  nrend  im  Thee  der  Gerbstoff  der  Koffeindarmwirkung  entgegen- 
'  Krü  s<rhe!nt-  Genaueres  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  es  scheinen 
lebhehe  individuelle  Unterschiede  vorzukommen. 

J  Rie.-‘  hum  sehe  Methode  besteht  im  wesentlichen  darin,  dass 
Rohkaffee  vor  dem  Rösten  einige  Minuten  in  warmem  Wasser 
weicht  und  abgebürstet  wird,  dann  wird  er  in  gewöhnlicher  Weise 
■  ostet.  (Vergl.  auch  unten.)  Es  ist  auch  sonst  in  der  Kaffee- 
»terci  äiigemchi  üblich,  gewisse  Sorten  noch  zu  belesen,  andere 
ch  Siebe  und  Wind  zu  reinigen,  vielfach  findet  auch  ein  Passieren 
ch  Wasser  statt. 

No.  6. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Ein  Besuch  von  Herrn  W  i  m  m  e  r,  Direktor  der  Kaffec- 
Handels-AktiCngesellschaft,  Bremen  (Kaffce-HAG),  der  von 
mir  über  verschiedene  Genussmittelfragen  ein  Urteil  hören 
wollte,  führte  dazu,  dass  ich  mich  entschloss,  unter  seiner 
freundlichen  Unterstützung  mit  sonst  kaum  zugänglichem 
Material  eine  Reihe  einschlägiger  Fragen  zu  bearbeiten  und 
speziell  auch  den  koffeinfreien  Kaffee  in  den  Kreis  der  Unter¬ 
suchung  einzubeziehen.  Bei  der  ganzen  Arbeit  bin  ich  von 
Herrn  Dr.  H.  M  a  c  h  w  i  t  z  in  der  eifrigsten  und  erspriess- 
lichsten  Weise  unterstützt  worden,  namentlich  hat  er  sich  um 
die  Ausführung  der  vielen  chemischen  und  physiologischen 
Versuche  verdient  gemacht. 

2.  Kurze  Ueber  sicht  über  die  Chemie  der  wirk¬ 
samen  Stoffe  des  Kaffees. 

Ueber  die  Bestandteile  des  gerösteten  Kaffees  ist  — 
wegen  der  Schwierigkeit  der  Untersuchung  —  relativ  wenig 
bekannt.  Es  ist  deshalb  im  folgenden  nicht  zu  umgehen, 
öfters  vom  ungerösteten  Kaffee  zu  sprechen. 

Das  Koffein,  der  interessanteste  Kaffeebestandteil,  als 
Trimethyldioxypurin  von  E.  Fischer  erkannt,  steht  der 
Harnsäure,  dem  Trioxypurin  chemisch  nahe.  Beim  Rösten 
geht  nur  ein  gewisser  Koffeinbruchteil  (zum  Teil  durch  Subli¬ 
mation)  verloren,  der  Wassergehalt  sinkt  aber  gleichzeitig,  so 
dass  der  Koffeingehalt  etwa  gleich  bleibt. 

Von  den  Methoden  der  quantitativen  Koffeinbestimmung 
dürfte  zur  Zeit  die  von  K.  L  e  n  d  r  i  c  h  und  N  o  1 1  b  o  h  in  [8] 
die  beste  sein.  Sie  quellen  das  Kaffeepulver  2  Stunden  mit 
der  halben  Menge  Wasser  und  extrahieren  dann  die  feuchte 
Masse  in  einer  Papierhülse  im  Soxhletapparat  mit  Tetrachlor¬ 
kohlenstoff.  Das  Lösungsmittel  wird  abdestilliert  und  der 
Rückstand  zur  Trennung  von  Fett  etc.  mit  heissem  Wasser 
ausgezogen,  der  Auszug  mit  Kaliumpermanganat  und  Wasser¬ 
stoffsuperoxyd  behandelt  und  so  die  verunreinigenden 
Stoffe  unlöslich  in  Chloroform  gemacht.  Man  extrahiert  den 
Trockenrückstand  mit  Chloroform.  Das  Koffein  kann  jetzt 
entweder  gewogen  oder  aus  dem  Stickstoffgehalt  ermittelt 
werden.  Die  Methode  benützt  eine  Reihe  von  Kunstgriffen, 
die  schon  von  anderen  angewendet  worden  sind,  verbindet 
sie  aber  auf  Grund  vieler  kritischer  Prüfungen  zu  einem  aus¬ 
gezeichnet  durchgearbeiteten  Verfahren.  Auch  ich  habe  nach 
dieser  Methode  gearbeitet.  Die  älteren  Methoden,  die  zuerst 
Wasserextrakte  des  Kaffees  hersteilen,  scheinen  durch  dieses 
Verfahren  weit  übertroffen. 

Ein  zweites  Kaffeealkaloid,  das  C  o  f  f  e  a  r  i  n  [9 — 15] 
scheint  mit  dem  T  r  i  g  o  n  e  1 1  i  n  (CtHtNCU)  des  Bocksklees 
(Trigonella  foenum  graecum)  identisch  zu  sein.  Es  soll  Nikotin- 
säuremethylbetain  sein.  Es  ist  nach  Kobert  ungiftig  und  im 
gerösteten  Kaffee  bisher  nicht  nachgewiesen  —  es  muss  bei 
den  Betrachtungen  ausscheiden. 

Ueber  die  „G  erbsäure  n“  des  rohen  Kaffees  ist  nach 
langen  Mühen,  die  in  die  Kinderjahre  der  organischen  Chemie 
zurückgehen,  jetzt  soviel  klar,  dass  wenigstens  zwei  vor¬ 
handen  sind.  Die  Chlorogen säure  (GaHssOia  +  Hi-O) 
ist  nach  Gort  er  [16]  als  eine  Verbindung  aus  2  Molekülen 
Kaffeesäure  (Dioxyphenylakrylsänre)  und  2  Molekülen 
Chinasäure  (Hexahydrotctraoxybenzoesäure)  nachge¬ 
wiesen.  Ein  glykosidischer  Kaffeegerbstoff  fehlt  daneben,  da¬ 
gegen  hat  Gort  er  eine  noch  wenig  studierte  Koffal- 
säure  (C3tH.-,iOi.-,)  aufgefunden,  die  Isovaleriansäure  ab- 
spalten  kann.  Pharmakologisch  sind  diese  Säuren  ganz  un- 
untersucht;  auch  ihr  Schicksal  beim  Rösten  des  Kaffeös  ist 
unbekannt.  Orientierungsversuche  ergaben  mir,  dass  die 
Chlorogensäure  im  gerösteten  Kaffee  jedenfalls  grossenteils 

1 


MUeNCHENER  MEDIZINISCHE  WO CHENSCH RIET . 


282 


zerstört  ist.  T  r  1 1 1  i  c  h  und  Gockel  [19],  welche  die  älteren 
Methoden  zur  quantitativen  Bestimmung  der  Gerbsäure  ver¬ 
suchten  und  verbesserten,  fanden  11,37  Proz.  „Gerbsäure“  im 
Rohkaffee  und  8,3  Proz.  im  gerösteten  Kaffee,  auf  gleiche 
Mengen  Trockenkaffee  bezogen.  Vergleiche  Literatur  [16, 

17,  18.]  ,  ^ 

Die  älteren  Arbeiten,  welche  mehr  Konstanten  als  Kon¬ 
stituenten  des  Kaffeefettes  feststellen,  sind  weit  über¬ 
holt  durch  die  tief  eingehenden  Arbeiten  von  H.  Mayer  und 
A.  Eckert  in  Prag  [20].  Das  K  a  f  f  e  e  ö  1  des  Rohkaffees 
enthält  etwa  21  Proz.  unverseifbare  Bestandteile  und  die 
Glyzerinester  von  6  Fettsäuren  und  zwar  besteht  dei  verseif¬ 
bare  Anteil  aus 

10  Proz.  Carnaubasäure,  1—2  Proz.  Kaprinsäure, 

1_1> /,  Proz.  Daturinsäure,  2  Proz.  Oelsäure, 

25—28  Proz.  Palmitinsäure,  50  Proz.  Linolsäure. 

Bei  der  Herstellung  des  Kaffee  HAG  (Extraktion  des  mit 
Dampf  durchfeuchteten  Rohkaffees  mit  Benzol)  wird  als 
Nebenprodukt  in  ziemlicher  Menge  ein  braungrünschwarzes 
hartes  Wachs  gewonnen,  welches  nach  H.  Mayer  und 
A.  Eckert  einen  Tannoresinester  der  Carnauba¬ 
säure  darstellt.  Etwas  genaueres  über  die  Schicksale  des 
Fettes  und  Wachses  beim  Kaffeerösten  ist  nicht  bekannt. 

Die  Kaffeebohne  hat  nach  War  nie  r  [21]  geröstet 
4,65  Proz.  Asche,  darin  viel  Kali  (63,8 — 79,9  Proz.)  und  Phos¬ 
phorsäure  (7,87—12,37).  Dies  gäbe  für  100  Kaffee  aus  10  _g 
Bohnen,  wenn  alles  Kali  extrahiert  würde,  0,8  Kali  0,55 
Kalium.  A  u  b  e  r  t  s  [22]  toxikologische  Spekulationen  sind 
heute  überlebt,  da  vom  Magen  aus  Kalisalze  selbst  in  sehr 
grossen  Dosen  nicht  schaden. 

lieber  die  Riechstoffe  des  gerösteten  Kaffees  —  der 
ungeröstete  enthält  kaum  solche  —  wissen  wir  zur  Zeit  etwa 
folgendes;  In  dem  Destillat  von  Kaffee  resp.  in  den  konden¬ 
sierten  Röstgasen  sind  von  Bernheime  r  [23]  gefunden: 
Fssigsäure,  Methylamin,  Hydrochinon  und 
Pyrrol,  von  Jäckle  [24]  Azeton,  Ammoniak, 
Trimethylamin,  Ameisensäure  und  einmal  ein 
schwefelhaltiger  Körper.  Von  Monari  und 
S  e  o  c  c  i  a  n  t  i  [24  a]  ist  P  y  r  i  d  i  n  nachgewiesen,  alles  Stoffe, 
wie  sie  bei  der  trockenen  Destillation  organischer  Stoffe  leicht 
erhalten  werden.  Erd  mann  [7]  gewann  neuerdings  aus 
dem  Kaffeedestillat  Furfuralkohol,  Valeriansäure 
und  P  h  e  n  o  1  e,  G  r  a  f  e  hat  dies  bestätigt.  Ueber  den  Körper, 
der  den  charakteristischen  K  a  f  f  e  e  g  e  r  u  c  h  gibt,  ist  nichts 
abschliessendes  bekannt.  Er  ist  leicht  flüchtig,  Bernheim 
wollte  ihn  als  Saligeninmethylester  deuten,  was 
nach  Bötsch  [25],  Thiele  und  Dimroth  [26]  unrichtig 
ist:  Die  beiden  darstellbaren  Ester  haben  andere  Eigen¬ 
schaften.  Jäckle  vermutet  in  einem  Kondensationsprodukt 
des  Furfurols  das  Kaffeearoma,  E  r  d  m  a  n  n  erklärt  es  für 
stickstoffhaltig  —  mehr  wissen  wir  nicht^  bisher.  Ueberein- 
stimmend  fanden  Er  dmann  [7]  und  Q  o  r  t  e  1  [-7],  dass 
man  durch  Erhitzen  von  Koffein,  Kaffeegerbsäure  und  Rohr¬ 
zucker  das  Kaffeearoma  erhalten  könne.  Da  auch  der  fast 
koffeinfrei  gemachte  Rohkaffee  beim  Rösten  genau  das 
gleiche  Aroma  liefert,  so  ist  jedenfalls  nur  sehr  wenig  Koffein 
zur  Aromaerzeugung  nötig. 

Nach  Abschluss  der  Arbeit  wird  mir  die  Untersuchung  von 
V.Grafe[27a]  zugänglich, die  nachweist,  dass  beim  Aufschliessen 
des  koffeinfreien  Kaffees  eine  sehr  starke  Verminderung  dei 
Rohfaser  (d.  h.  des  in  Säure  und  Alkali  unlöslichen  Anteils) 
und  dafür  eine  starke  Zunahme  des  wasserlöslichen  Anteils 
auftritt.  Damit  erklärt  sich  die  grössere  Brüchigkeit  des  zur 
Koffeinentziehung  mit  Wasserdampf  aufgeschlossenen  Roh¬ 
kaffees.  Beim  Rösten  wird  weniger  Kaffeol  und  namentlich 
der  Hauptbestandteil  desselben  Furfuralkohol  gebildet  wie  im 
Originalkaffee.  Grafe  meint,  dass  der  Furfuralkohol  aus  den 
Hcmizellulosen  der  Bohne  entstehe.  Ueber  den  Aromastoff 
enthält  die  Arbeit  nichts  wesentlich  neues. 

Ueber  die  Geschmackstoffe  kann  ich  nur  sagen, 
dass  das  Koffein  zwar  in  1  proz.  Lösung  kräftig  bitter  schmeckt 
(etwa  wie  Bitterwasser):  in  einer  2prom.  Lösung  aber  —  wie 
im  Kaffeegetränk  —  ist  der  Geschmack  schon  so  schwach, 
dass  er  von  den  Röstbittern  etc.  verdeckt  und  ohne  jeden  Ein¬ 
fluss  auf  den  Kaffeegeschmack  ist. 


3.  Die  Wirkung  der  Kaffeebestandteile. 

Der  geröstete  Kaffee  enthält  nach  Lendrich  und 
Nottbohm  1,12—3  Proz.  Koffein;  16  g  Kaffee  reichen 
nach  Au  her  t  [28],  15  g  nach  eigenen  Versuchen  aus,  um 
150  ccm  kräftigen  Kaffee  zu  bereiten.  Nach  Katz  [29]  wird 
das  Koffein  bis  auf  einen  Rest  von  17,5  Proz.  ausgezogen,  also 
sind  etwa  150  mg  als  die  kleinste,  400  mg  als  die  grösste  beim 
Genuss  einer  Kaffeehaustasse  guten  Kaffees  einwirkende 
Menge  zu  betrachten.  3  Tassen  aus  zusammen  50  g  Kaffee 
dürften  in  der  Regel  das  Maximum  darstellen,  was  ein  Kaffee¬ 
trinker  in  kürzerer  Zeit  zu  sich  zu  nehmen  pflegt,  darin  sind 
0,45—1,2  g  Koffein,  eine  stattliche  Menge! 

In  den  zwei  Versuchen  mit  0,5  g  und  dem  einen  mit  1  g 
Coffeinum  purum,  die  ich  1898  von  Dr.  Wilhelm  und 
Dr.  R.  O.  Neumann  anstellen  liess  [l],  ergaben  sich  jedes-! 
mal  Pulsverlangsamung  (von  63  auf  53;  72  bis  75  auf  68  bis 
70;  75  auf  66).  Der  Puls  war  voll,  hart,  einmal  unregel¬ 
mässig,  die  Harnsekretion  gesteigert,  der  Harn  dünn  (spez. 
Gewicht  1008  statt  1020).  Es  bestanden  eigenartige  Muskel¬ 
gefühle,  besonders  in  den  Knien  (als  ob  man  sich  setzen 
müsste!)  und  Zittern  der  Hände,  bei  1  g  kamen  stärkere  Un¬ 
ruhe,  Kongestionen,  Schwierigkeiten,  die  Gedanken  zu  kon¬ 
zentrieren,  später  etwas  Kopfschmerz  und  verzögerter  Nacht¬ 
schlaf  zur  Beobachtung,  obwohl  das  Koffein  am  Vormittag  ge¬ 
nommen  war. 

Grosse  Kaffeedosen  —  Extrakt  von  50  g  —  wirkten  ir 
meinen  damaligen  Versuchen  ganz  ebenso.  Da  der  Koffem- 
gehalt  nicht  bestimmt  wurde,  so  bleibt  unbekannt,  ob  0,5  odei 
1  g  darin  genommen  wurden.  Die  toxische  Wirkung  grossei 
Kaffeedosen  imponierte  uns  als  reine  Koffeinwirkungl 
Irgend  welche  Magenwirkung  wurde  von  den  zwei  Personer 
weder  nach  Kaffee  noch  nach  Koffein  beobachtet. 

Unsere  neuen  Versuche  —  diesmal  nur  mit  grossen  Dosei 
Kaffee  von  bekanntem  Koffeingehalt  —  ergaben  die  in  dei 
folgenden  Tabelle  zusammengestellten  Resultate. 

Vorbemerkungen  zu  meinen  Versuchen  ai 

Menschen. 

1.  Herstellung  der  Aufgüsse: 

Die  angegebene  Menge  Wasser,  meist  250  bzw.  500  ccm,  werüei 
in  einem  bedeckten  Topf  zum  Kochen  erhitzt,  dann  der  feingemahlen 
Kaffee  hinzugesetzt  und  noch  3  Minuten  weiter  gekocht.  Der  Aut 
guss  bleibt  10  Minuten  im  bedeckten  Qefäss  stehen,  darauf  wird  durc: 
ein  Filter  filtriert.  Das  Filtrat  wird  37°  warm  getrunken,  meist  nu 
mit  Zucker,  in  einzelnen  Fällen  wird  auch  Milch  hinzugegeben,  be 
sonders  bei  Personen  bei  denen  nach  Genuss  von  schwarzem  Kafte 
keine  Magensymptome  aufgetreten  waren,  der  Geschmack  ohn 
Milch  aber  nicht  mundete. 

2.  Versuchsanordnung: 

Die  Versuchspersonen  (junge  Aerzte  und  ältere  Medizin 
studierende)  wussten  wohl,  dass  es  sich  um  den  Unterschied  vo 
koffeinfreiem  und  koffeinhaltigem  Kaffee  handelte,  aber  in  keinei 
Falle,  welchen  von  beiden  sie  vorgesetzt  erhielten.  Ausser  mir  selb: 
und  Herrn  Dr.  B.,  die  wir  bei  unserer  Arbeit  blieben,  sassen  di 
Versuchspersonen,  besonders  D.,  F.  und  Dr.  V.  ruhig  am  lisch  m 
einer  nicht  aufregenden  oder  anstrengenden  Lektüre  beschädig 
Gewöhnlich  musste  mit  dem  Trinken  lange  gewartet  werden,  da  dt 
Puls  bei  ruhigem  Sitzen  auch  ohne  medikamentöse  Beeinflussun 
allmählich  erheblich  langsamer  wird.  So  konnten  wir  allein  durc 
1  Stunde  langes  Sitzen  z.  B.  bei  F.  den  Puls  von  80  bis  aut  " 
bringen. 

3.  Der  Koffeingehalt  ist  berechnet  aus  dem  von  uns  ei 
mittelten  Koffeingehalt  der  Kaffeebohnen  nach  Lendrich  un 
Nottbohm  unter  Multiplikation  mit  0,825,  dem  Katz  sehe 
Koeffizienten  für  den  Uebergang  in  das  Getränk. 

(Siehe  nebenstehende  Tabelle  1.) 

In  wenigen  Worten  heisst  dies: 

Eine  Pulsbeschleunigung  wurde  nie  beobachtet,  in  8  vc 
15  Fällen  war  Pulsverlangsamung  vorhanden.  Merkwürdig  is 
dass  in  den  Versuchen  mit  den  grössten  Dosen  bei  F.  keu 
Pulsverlangsamung  zu  beobachten  war.  Magenwirkunge 
fehlten  in  12  von  15  Fällen,  zweimal  wurde  etwas  Sodbrennc 
von  Dr.  V.  bemerkt,  vergl.  pag.  283,  einmal  von  D.  Leu 
schmerzen  nach  908  mg  Koffein.  Die  Respiration  war,  sowt 
sie  aufgeschrieben  wurde,  um  etwa  10  Proz.  erhöht.  Vie 
fach  wurde  etwas  Wärmegefühl  bemerkt,  etwas  Druckgefuf 
Schwere  und  Benommenheit,  auffallend  wenig  I  remor  ur 
Erschwerung  der  Konzentrationsfähigkeit  etc.  Eine  eigen 


L  Februar  101.1. 


MUENCHENEfe  MEhfZiNtscHE  WOCHENSCHRIFT. 


28.1 


eile  Anlegung  konnte  nicht  studiert  werden,  weil  während 
er  Versuche  keine  aktive  geistige  Arbeit  geleistet  wurde. 

Der  Schlaf  war  nach  den  grossen  Dosen  von  908  mg 
tets  empfindlich  gestört,  kleinere  Dosen  bis  454  mg  waren  bei 
leinen  4  Versuchspersonen  ohne  deutliche  Wirkung  auf  den 
chlaf.  Interessant  war,  dass  der  durch  einen  anstrengenden 


Spaziel  gang  erschöpfte  Herr  F.  noch  lYi  Stunden  nach  dem 
i  niken  sich  noch  müde  fühlte,  dann  aber  lange  wach  lag,  also 
eine  verzögerte  aber  starke  Wirkung. 

Die  Wii  kung  des  Kaffees  war  diesmal  eher  schwächer 
als  die  des  reinen  Koffeins  in  den  Versuchen  von  Neu  mann 
und  W  1 1  h  e  1  in,  was  nebenbei  dagegenspricht,  dass  der  Kaffee 


Tabelle  1.  Versuche  mit  normal  geröstetem  coffein haltigem  Kaffee. 


Datum 


O 

ä.y  E 

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V  3  c  G- 

Puls 

Respiration 

Erregung 

Schlaf 

>  & 

C 

ü  c  3 

Proz. 

Xi 

Magen¬ 

symptome 


Sonstige  nervöse 
Symptome 


Besondere 

Bemerkungen 


5.  III.  12 


D.  20 : 250 


6.  III.  12 


D. 


20 : 250 


165  mg 


Vorher  68 
10  Min.  nachher  68 
20  ,,  ,,  64 

30  „  „  63 


40  Min.  nachher  63 


55  „ 

64 

65  „ 

63 

80  „ 

ff 

63 

Keine 


Gut 


Keine 


Keine 


6.  III.  12  Dr.  V.  20  :  250  1 


12.  III.  12|  D. 


2.  III.  12 


20 : 250 


Dr.  B.  20  :  250 


3.  III.  12 


D. 


3.  III.  12  Dr.  V. 


165  mg 


Vorher  72  54  Min.  nachher  70 


10  Min.  nachher  6S 
’8  „  „  72 

65 

72 

ff 

ff 

64 

68 

11  » 

» 

70 

80 

64 

36  „ 

64 

90 

64 

40  „ 

>> 

'  72 

92 

68 

45  „ 

ff 

67 

100 

66 

50  „ 

ff 

69 

107 

»» 

66 

165  my 


165  mg 


Vorher  69 
15  Min.  nachher  60 

30  „  „  60 

45  „  „  60 

60  „  „  58 


75  Min.  nachher  56 
00  „  „  55 

Deutlich  kräftiger 
geworden 


Vorher  69—71 
10  Min  nachher  72 

20  „  „  70 

30  „  „  72 

36  „  „  70 

45  ,,  „  66 

Von  45  Min.  ab 


165  mg 


25 : 250  1 


206  mg 


25  :  250  I  1 


1.  III.  12  L.  50  :  500  1 


206  mg 


40  Min.  vorher 
10 


51  Min.  nachher  66 

60  „  „  70 

65  „  „  64 

73  ,,  ,,  66 

80  „  „  66 

90  „  66 

nachher  kräftiger 


5 

10 

25 

35 

40 


73 

84 

..  71 

nachher  73 
„  84 

„  75 

77 


ff 


50  Min.  nachher  85 

55  _  „  „  50 

Bei  den  höheren 
Zahlen  wurde  im 
Stehen ,  bei  den 
niedrigeren  im 
Sitzen  gezählt 


Vorher  72—78  45  Min.  nachher  66 


5  Min.  nachher  72 

55 

}  } 

” 

68 

10  ,1  ,, 

72 

60 

yy 

70 

20  „  ,, 

67 

70 

yy 

66 

30  „ 

72 

80 

72 

40  „ 

68 

Vorher  62 
15  Min.  nachher  54 

30  „  „  54 

«  „  „  54 

60  „  „  54 


75  Min.  nachher  52 

90  „  „  62 

Von  15  Min.  nach¬ 
her  ab  kräftiger 


Schwan¬ 

kungen, 
keine  auf¬ 
fallenden 
Frequenz¬ 
änderungen 


Keine 


Gut 


Keine 


Zirka  15  Minuten 

nach  d.  Trinken 
Gefühl,  als  ob  er 
höher  sässe 


Gut 


Gut 


Keine 


Vorher  Unruhe,  begin- 
16—18  nend  ca.  50  Min, 
Nachher  nachher,  10  Min. 
17j^_20  anhaltend 


Gut 


Gut 


V«  Stunden  nach 

d. Trinken  leicht. 
Sodbrennen 


Keine 


lJ^Std.  nachher 
Gefühl  leicht.  Be¬ 
nommenheit  im 
Kopf, bes.  Hinter¬ 
kopf,  u.  leichtes 
Hitzegefühl 


Lebt  abstinent 
und  pflegt  nie 
Bohnenkaffee 
zu  trinken. 
Aelteier  Herr 


Keine 


Keine 


Zirka  Stunde 
nachher  leichtes 
Wärmegefühl  im 
Kopf. 


Keine 


1.  IV.  12 


I  1.  IV.  12 


D. 


25  :  250 


Dr.  V.  25:250 


2,2 


413  mg 


Vorher  82 

20  Min.  nachher  78 

28  „  „  79 

38  „  „  75 

85  ,,  ,,  75 

60  „  „  74 


65  Min.  nachher  73 

85  „  „  73 

90  „  „  72 

Trotz  lebhafter 
geistiger  Arbeit 


454  mg  j  Vorher  65—68 

10  Min.  nachher  63 

20  „  „  68 

30  „  „  70 

38  „  „  72 


Keine 


Vorübergehende 

Kongestion  nach 
dem  Kopf  u.  Ge¬ 
fühl  der  Schwere 
im  Kopf. 


Keine 


2,2 


454  mg 


1  2-  IV.  12  D.  50  :  500  [  2,2 


4.  IV.  12 


15  Min 
25  „ 
40  „ 


Vorher  59 

nachher  54 
,,  49 

„  52 


45  Min.  nachher  70 

Vorher 

50  „ 

65 

16-17 

60  „ 

72 

Nachher 

69  „ 

65 

steig,  bis  20 

7t  „ 

yy 

60 

Keine 


Gut 


Keine 


Gut 


Keine 


Siehe  Versuch  3 


Keine 


Etwas  verstärkt. 
Wärmegefühl, 
Schwitzen  der 
Hände. 


Gut 


Keine 


Vorübergehend. 
Hitzegefühl  im 
Gesicht. 


65 

75 


52 

54 


F. 


6.  IV.  12  F. 


25 : 250 


2,2 


Keine 


Gut 


Vorübergehend 

leichtes 

Sodbrennen 


Keine 


908  mg 


Vorher  77-80 

7  Min.  nachher  83 


14 

24 

33 

41 

53 

56 


78 

75 

74 

80 

69 

70 


65 

yf 

yy 

74 

Nachh. steig. 

76 

yy 

78 

bis  20%. 

78 

ff 

ff 

72 

Vi  Stde.  lang 

86 

ff 

yf 

72 

Resp.  tief  u. 

Vorübergehend 

hörbar. 

klein  u.  w. 


454  mg 


Vorher  57-60 
5  Min.  nachher  56 
16  ,,  ,,  54 

25  „  „  52 


Stark 


35  Min.  nachher  52 

42  „  „  56 

60  „  „  56 

67  „  „  54 


Erst  2'/,  Stunden 
nach  d.  Hinlegen 
eingeschlafen. 


Zirka  2  Std.  nach|  Vorübergehende 


d.  Trinken  Leib 
schmerzen,  die 
noch  am  anderen 
Tage  anhalten 


50  :  500  |  2,2  908  mg 


4!.  IV.  12  F.  50  :  500  2,2 


Vorher  60  62 
12  Min.  nachher  55 
22  „  „  58 

32  ,,  ,  60 


42  Min.  nachher  58 

52  „  „  58 

62  „  „  56 


Keine 


Gut 


Keine 


Schmerzen  in  der 
Herzgegend. 
Leichte  Benom¬ 
menheit.  Tremor 
der  Hände  und 
Schlottern  der 
Knie  bisl  J4Stdn. 
nachher. 
Keine 


WlTTr  K.  |  50 . 400  I  2,2 


908  mg 


Vorher  62-64  35  Min.  nachher  62 


Sehr  unruhig, 
{nervös;  kann  am 
selben  Nach¬ 
mittag  nichts 
arbeiten. 


Trotz  Schlaf¬ 
bedürfnis  erst 
,2;.j  Stunden  nach 
d.  Hinlegen  ein¬ 
geschlafen. 


Keine 


Fähigkeit  sich  zul 
{  konzentrieren  j 
erschwert. 


5  Min.  nachher  62 

45  „ 

yy 

58 

10  ,,  ,,  61 

55  „ 

yy 

60 

15  ,,  60 

65  „ 

60 

25  „  „  66 

908  mg  I  Vorher  72-76 
\  10  Min.  nachher  72 
20  „  „  72 

30  „  .,  68 


40  M  in.  nachher  72 

55  „  „  76 

70  ,,  ,,  72 


Während  des 
Versuches  müde 
(Spaziergang)’ 
Unruhe  erst 
nachh.  zu  Hause, 
abends  nicht  ar¬ 
beiten  können, 
Nervosität  hält 
am  nächst.  Tage 
noch  an 


Um  )^i2  Uhr  zu 
Bett  gegangen, 
eingeschlaf.  erst 
um  VA  Uhr. 


Keine 


{Um  3^11  Uhr  zu 

Bett  gegangen, 
erst  nach  V„\  Uhr 
eingeschlafen. 
Sehr  schwüle 
feuchte  Luft 


Keine 


Kein  Tremor  etc.  | 


Spaziergang 

vorher 


Keine 


Keine 


284 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


noch  ein  besonderes  übersehenes  anregendes  Gift  enthält, 
wie  es  Aubert  im  Kali,  manche  Autoren  nn  Koffeon 

^'TuT' Wirkung  kleiner  Kaffee-  resp.  Koffeindosen  auf 
psychische  Vorgänge  ist  von  mir  nicht  selbst  studiert 
worden.  Die  Literatur  ist  reich  an  solchen  Arbeiten,  diese1' 
grosse  Anforderungen  an  Umsicht,  Unparteilichkeit  und  Kritik 
des  Beurteilers  stellt.  Die  Geis  er  sehe  [35]  Arbeit  bringt 
über  diese  Schwierigkeiten  Angaben,  vcrgl.  auch  die  Aus¬ 
führungen  von  mir  fl]  und  von  Wilhelm  Koch  [31].  Ohne 
auf  die  älteren  verdienstvollen  Arbeiten  von  Kraepclin  und 
Hoch  [321  und  der  eben  genannten  Autoren  einzugenen,  oe- 
schränke  ich  mich  darauf,  zwei  grosse  gründliche  ameri¬ 
kanische  ganz  neue  Arbeiten  kurz  zu  referieren. 

Holling worth  [30]  hat  eingehend  die  Wirkung  des 
Koffeins  auf  geistige  und  körperliche  Leistungsfahigkei  , 
Horatio  Wood  [30]  die  auf  Kreislauf  und  Muskeln  studiert. 
Hcdde  Autoren  verfügten  über  reichste  Hilfsmittel,  Hollin.^ 
worth  über  6  geschulte  Assistenten  und  16  Versuchspersonen 
für  an  Tage.  Der  Versuchspersonen  wussten  me,  ob  sie 
Koffein  oder  Milchzucker  erhielten.  Die  Wirkung  kleinei 
Dosen  d.  h.  von  0,06—0,24  g  trat  in  fast  allen  Versuchsreihen 
erst  eine  Stunde  nach  der  Aufnahme  ein,  oft  dauerte  es  noch 
länger.  Die  Wirkung  hielt  meist  eine  Reihe  von  Stunden  an, 
bei  grossen  Dosen  war  sie  manchmal  am  anderen  Morgen 
noch  merklich.  Kleine  Koffeindosen  vermehren  das  Zittern 
des  ausgestreckten  Armes  ein  wenig,  grosse  deutlich.  —  Die 
Zeit  in  der  400  Bewegungen  mit  dem  Vorderarm  ausgefuhrt 
werden  könen,  wird  durch  kleinere  und  grössere  Koffeindosen 
verkürzt  Die  Leistungen  auf  der  Schreibmaschine  werden 
durch  kleine  Dosen  bis  0,18  g  begünstigt,  durch  Dosen  von 
094 _ 0  36  g  verlangsamt,  die  Fehler  werden  etwas  vei  mindert. 

Die  Benennung  von  Farben  wird  durch  kleine  Dosen  deut¬ 
licher  als  durch  grössere  erleichtert,  resp.  beschleunigt. 
Additionsarbeiten  werden  durch  Koffein  deutlich  begünstigt. 
Die  Wirkung  dauert  bis  zu  6  und  7  Stunden  an,  ohne  dass 
später  eine  Depression  darauf  folgt,  im  Gegenteil  am  anderen 
Morgen  ist  die  Leistung  regelmässig  noch  etwas  besser  als 
am  vorhergehenden  Tag  vor  dem  Koffein.  (Da  jede  Mehr¬ 
leistung  von  einer  Abspannung  gefolgt  ist,  so  ist  dieser  Befund 
auffallend.  Ob  die  Uebung  hier  mitspielt?)  Der  Schlaf  ist 
durch  kleine  Dosen  von  0,06—0,24  g  nicht  deutlich  gestört, 
grössere  Dosen  von  0,36  g  an  erzeugen  bei  d  e  n 
meisten  Personen  ausgesprochene  Schlaf- 
Verschlechterung,  doch  gibt  es  Personen,  auf  die  auch 
diese  Dosen  ohne  Einfluss  sind.  Die  Wirkung  ist  am  deut¬ 
lichsten  beim  leeren  Magen,  oder  wenn  die  Einnahmen  an  auf¬ 
einanderfolgenden  Tagen  wiederholt  werden  Alter,  Ge¬ 
schlecht  und  frühere  Gewöhnung  an  Kaffee  spielen  keine  deut¬ 
liche  Rolle  für  die  Empfindlichkeit,  dagegen  ist  bei  niederem 
Körpergewicht  die  Schlafverschlechterung  deutlich  starker. 

Die  Reaktionszeit  ist  durch  grosse  Kaffeedosen  deutlich 
verkürzt,  bei  kleinen  Kaffeedosen  oft  verlängert. 

Das  Allgemeinbefinden  wurde  durch  die  Ver¬ 
suchszeit  (gute  Kost,  regelmässiges  Leben!)  meist  günstig  be¬ 
einflusst.  Nervöse  Symptome  wie  Kopfweh,  Warme- 
gefühl,  Schwindel  etc.  wurden  von  einzelnen 
nach  den  Dosen  von  0,24—0,36  g  angegeben,  d  1  e 
zartesten  Personen  zeigten  die  stärksten 

Svmptome.  r,  , 

ln  der  Arbeit  von  Horatio  Wood  [30]  wurden  an  4  Per¬ 
sonen  (von  denen  2  an  Kaffee  gewöhnt  waren,  2  nicht)  Ver¬ 
suche  ausgeführt.  Das  Resultat  lautet:  Therapeutische  Dosen 

von  2 _ 5  mg  Koffein  pro  1  kg  (d.  h.  140 — 350  mg  pro  70  kg) 

haben  einen  verhältnismässig  kleinen  Einfluss  auf  die  Zuku‘ 
lation,  es  vermehrt  ein  wenig  die  Kraft  der  Herzkontraktion 
und  erhöht  etwas  den  allgemeinen  Blutdruck  °).  Die  Puls¬ 
frequenz  ist  gewöhnlich  nicht  deutlich  verändert,  sie  ist  häu¬ 


figer  verlangsamt  als  beschleunigt.  Die  Wirkung  auf  die 
Muskeln  fasst  Wood  dahin  zusammen:  Koffein  wirkt  wie  ein 
Stimulans  auf  die  Reflexzentren  des  Rückenmarks,  es  be¬ 
fähigt  die  Muskeln,  sich  kräftiger  zusammenzuziehen  ohne 
eine  spätere  Depression  zu  erzeugen,  so  dass  die  gesamte 
Arbeitssumme  eines  Menschen  bei  der  Koffeinwirkung  grosser 
ist  als  ohne  Koffein. 

Diese  für  das  Koffein  in  kleinen  und  massigen  Dosen 
(wie  wir  sahen,  kann  der  Kaffeetrinker  in  3  lassen  bis  zu  1,2 g 
Koffein  aufnehmen)  recht  günstigen  Resultate  beziehen  sich 
alle,  wie  nochmals  hervorgehoben  sein  soll,  auf  eine  \  crsuchs- 
zeit  von  mehreren  Wochen  und  soweit  ich  sehe  nur  «Uifl 
gesunde  Personen. 

Nicht  untersucht  ist  dabei  die  hochwichtige  ringe  ge¬ 
blieben  ob  z.  B.  die  oben  gefundenen  auffallenden  Mehr- 
leistungen  im  Laufe  des  Jahres  andauern,  oder  ob  sie  —  was 
bei  starkem  Kaffeegenuss  wahrscheinlich  scheint  —  mit  der 
Zeit  in  ihr  Gegenteil  Umschlägen  (s.  u.). 

Menschen,  die  gegen  K  o  f  f  e  in  e  m  p  f  i  n  d  1  i  chea 
reagieren  als  meine  und  die  amerikanischen  Versuchsä 
Personen,  trifft  man  nicht  selten.  Dosen  von  0,5— 1,0  g  erj 
zeugen  bei  ihnen  nicht  nur  langdauernde  Schlaflosigkeit,  aucl 
rauschartige  Erregung,  Schwindel,  heftiges  Muskelzittern  ust. 
hierfür  ein  Schulbeispiel  nach  Bar  det  L35J. 

Ein  Dyspeptiker,  der  sehr  gut  starken  koffeinfreien  Kaffee  ver 
trug,  erkrankte  recht  schwer,  als  er  einmal  abends  in  einer  lassi 
sein-  starken  koffeinhaltigen  Kaffees  etwa  0,6  g  Koffein  aufnahm  Au 
eine  angeregte  und  leistungsfähige  Periode  von  einigen  stunde 
folgte  eine  Nacht  ohne  jeden  Schlaf  mit  starkem  Herz-  und  Aiterien 
klopfen  hoher  Pulsfrequenz,  Durst,  schmerzhaften  Zusammen 
zehumren  in  Magen,  Blase,  Darm.  Harn  wird  unter  Schmerz 
häufig  in  kleinen  Portionen  entleert,  enthält  viel  Urobilin  und  seh 
viel  Indikan.  Trotz  eines  19  ständigen  Schlafs  vom  Nachmittag  dq 
folgenden  Tages  brachte  erst  der  dritte  lag  leidliches  und  erst  de 
zehnte  gutes  Befinden,  namentlich  blieb  der  Magen  lange  seit 
empfindlich,  der  Puls  erhöht.  Da  der  Patient  an  koffeinfreien  ko 
zentrierten  Kaffee  gewöhnt  war,  so  erscheint  hier  das  Koffein  a 
einzige  Schädlichkeit.  Es  brauchen  offenbar  auch  die  gastrische 
Erscheinungen  bei  akuter  oder  chronischer  Kaffeevergiftung  (s.  u 
nicht  von  den  Röstprodukten  zu  kommen. 

Dass  viele  empfindliche  Menschen  sogar  schon  vc 
Kaffeedosen  mit  0,1—0,15  g  Koffein  höchst  unangenehm 
Schlaflosigkeit 4),  Herzklopfen,  Kongestionen  etc.  erfahren  i 
allbekannt.  Interessant  ist,  dass  früher  ganz  koffeintoleran 
Personen  sehr  empfindlich  werden  können;  bei  einem  mein! 
Freunde  besteht  die  gesteigerte  Empfindlichkeit  seit  ein« 
Influenzaerkrankung,  jedenfalls  besteht  nach  Anlage,  u 
wöhnung  und  wahrscheinlich  auch  nach  dem  momentanen  Z 
stand  des  Stoffwechsels  und  der  nervösen  Zentralorgane  eu 
sehr  verschiedene  individuelle  Empfindlichkeit  gegen  Koffej 
Die  Frage  der  chronischen  Koffeinwirkung 
bei  regelmässiger  Zufuhr  grosser  Dosen  will  ich  trotz  ihr 
«rossen  Interesses  nicht  ausführlich  behandeln,  da  mir  eigt 
Erfahrungen  fehlen.  Aus  den  Angaben  der  Autoren  geht  u 
zweifelhaft  hervor,  dass  Kaffee-  und  Theemissbrauch  in  ga 
ähnlicher  Weise  schädlich  auf  Hirn,  Nerven,  Herz  und  vi 
dauung  wirken.  Friedrich  Crämer  [34]  teilt  eine  Krosse  I 
zahl  derartiger  Erfahrungen  mit,  ohne  zwischen  Thee  il 
Kaffee  scharf  zu  unterscheiden. 

Aus  dem  W.  B  ö  1 1  g  e  r  sehen  Werke  [35]  „Genussmit te 
Genussgifte“  das  auf  die  Antworten  deutscher  Aerzte  auW 
Rundschreiben  aufgebaut  ist,  kann  man  leider  nicht  entnehn  ; 
ob  die  anonymen  Vota  von  einem  ausschlaggebenden  Teil  f 
deutschen  Aerzteschaft  stammen.  Sie  Ernten  sehr  ungun  A 
für  alle  koffeinhaltigen  Getränke  und  zwar  erscheint  der  Kat- 
nach  dieser  Quelle  noch  stärker  belastet  wie  der  Thee. 


3)  In  der  experimentellen  Pharmakologie  II.  Aufl.  von  Meyer 
und  Q  o  1 1 1  i  e  b  wird  p.  282  ein  Einfluss  auf  das  gesunde  Herz  ge¬ 
leugnet.  Die  Müdigkeitsverscheuchung  soll  möglicherweise  auf  einer 
Verengerung  der  Darmgefässe  und  besseren  Durchblutung  des  Hirt  s 
beruhen  -  Die  Herzwirkung  des  Kaffees  ist  in  einer  ganz  neuen 
Arbeit  von  Busquet  und  Tiefenau  am  Hund  dem  Koffein  zu¬ 
geschrieben,  sie  fehlt  absolut  bei  koffeinfreiem  Kaffee.  (Compt.  rend. 
Acad.  des  Sciences,  Bd.  155,  No.  5,  29.  VII.  1912.) 


*)  Eine  Sammlung  solcher  Fälle  gibt  Dr.  Ziem  im  Arch.  in  • 
de  Neurologie,  Jahrg.  34,  No.  6,  Juni  1912.  j  h  j 

*)  Die  Gewöhnung  an  Koftein  hat  Gourewitscn 
Cloetta  studiert  und  gefunden,  dass  man  I  lere  gewöhne ■  * 

grössere  Kaffeemengen  zu  vertragen  und  dass  dabei  eme  höhere 
nahmefähigkeit  des  Gehirns  für  Koffein  fuft"«,  bei  den  Kamjce 
speichert  das  Gehirn  enorme,  die  Muskeln  bedeutende  Me uig  • 
Fähigkeit  einer  vermehrten  Koffeinzerstorung  war  bei  keiner  He 
unzweifelhaft.  -  Ueber  die  Gewöhnung  des  Menschen  an  Kar 
getränk  bemerkt  G.,  dass  es  eine  Gewöhnung  an  Koffein  m 
Sinne  zu  geben  scheint,  dass  Dosen,  die  früher  erregten,  je 
depressiv  wirken.  (Arch.  f.  exp.  Path.,  Bd.  57,  p.  -1  ). 


.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


285 


Deutschland  viel  mehr  Kaffee  als  Thee  getrunken  wird, 
aucht  dies  nicht  ohne  weiteres  im  Sinne  von  Harnack 
o.)  gedeutet  zu  werden.  In  England,  dem  Lande  des  sehr 
:  irken  Theegenusses  sind  chronische  Theeschädigungen  an¬ 
blich  sehr  häufig.  Vergl.  auch  Mendel:  Berliner  klin. 
ochenschr.,  26.  Jahrg.  No.  40. 

Ueber  die  Wirkung  der  anderen  Kaffaebestand- 
i  1  e,  abgesehen  vom  Koffein,  ist  noch  nicht  sehr  oft  ge¬ 
beitet:  Das  „Koffeon“,  d.  h.  die  mit  Wasserdampf  flüchtigen 
standteile  habe  ich  mit  Wilhelm  [l]  und  später  mit 
o  h  r  e  r  [2]  eingehend  studiert  und  entgegen  den  Angaben 
der  Autoren  besonders  von  J.  Lehmann,  Binz  und 
rchangelsky  festgestellt:  Es  gelingt  nicht,  auf  Herz, 
rn,  Atmung,  Muskel  und  Nieren  auch  durch  die  allergrössten 
hsen  Destillat  (aus  bis  zu  500  g  Kaffee)  irgend  eine  sinnfällige 
irkung  zu  erzielen,  speziell  fehlte  jede  schlafraubende  Wir- 
Ing  der  intensiv  nach  Kaffee  riechenden  Destillate. 

Seither  hat  Geiser  [36]  unter  Leitung  von  C 1  o  e  1 1  a 
i d  Neumann  sorgfältige  Versuche  über  koffeinhaltigen 
,  d  bis  auf  Spuren  von  Koffein  befreiten  Kaffee  angestellt. 

)  unterscheidet  dabei  den  letzteren  in  ölfreien  (der  von  Oel 
id  Koffein  befreite  Rohkaffee  wurde  geröstet)  und  in  öl- 
iltigen  (dem  koffeinfreien  Rohkaffee  wurde  das  gleichzeitig 
itzogene  Oel  vor  dem  Rösten  wieder  zugesetzt).  Während 
t r  koffeinhaltige  Kaffee  in  einer  Dosis  von  15  g  auf  150  g 
1  it  ca.  0,12  g  Koffein)  Farbenwahrnehmungszeit  verkürzte, 

'  ir  der  koffein-  und  ölfreie  Kaffee  ganz  wirkungslos.  Der 
iffeinfreie  aber  ölhaltige  (der  etwa  dem  koffeinfreien  Kaffee 
;s  Handels  entspricht)  wirkte  in  der  einfachen  Konzentration 
:ht,  dagegen  in  der  doppelten  Konzentration  —  ob  daran 
L  ffeinreste  oder  die  Röstprodukte  schuld  waren,  ist  nicht 
:  .kutiert.  In  seinen  sphymographischen  und  Blutdruckbe- 
1  mmungen  fand  Geiser  für  Koffein  und  Vollkaffee  ein 
Linerwerden  des  Pulses,  eine  kleine  Steigerung  des  arte- 
llen  Druckes,  für  koffeinfreien  mit  und  ohne  Oel  keine  Wir- 
•ng.  Boruttau  [36]  kommt  durch  mannigfach  modifizierte 
1  rsuche  zum  Schluss,  dass  die  erregende  Wirkung  des 
ffees  nur  auf  das  Koffein  zurückzuführen  ist. 

Erdmann  [7]  hat  dem  von  ihm  aus  den  Aromastoffen 
'lierten  Furfuralkohol  eine  grössere  Bedeutung  zuge- 
irieben.  Doch  wagt  auch  Erd  mann  nicht  mehr  zu  sagen 
:  „Gleichwohl  wird  durch  den  hohen  Prozentsatz,  den  das 
ffeeöl  an  Furfuralkohol  aufweist  und  durch  den  Nachweis 

■  ner  energischen  pharmakologischen  Wirkungen,  von  denen 
.izelne  ersichtlich  mit  den  Folgen  starken  Kaffeegenusses 
'Sammenfallen,  die  Annahme  nahegerückt,  dass  ein  Teil  der 
'irkungen  des  Kaffees  in  der  Tat  auf  dem  Furfuralkohol 
ruht“.  Ich  kann  aber  nicht  einmal  soviel  zugeben.  NachErd- 
ann  erhält  man  0,557  pro  Mille  Gesamt-„Koffeon“  aus  dem 
rösteten  Kaffee,  darin  ist  rund  die  Hälfte  Furfuralkohol. 
■io  kommen  auf  100  g  Kaffee  —  die  Maximalmenge,  die  auf 
unal  zum  Kaffeegetränk  Verwendung  finden  kann  —  28  mg 
rfuralkohol.  Nehmen  wir  selbst  an,  dass  nur  14  des  wirk- 
h  vorhandenen  Furfuralkohols  gefunden  sei  und  dass  also 
f  100  g  Kaffee  50 — 60  mg  Furfuralkohol  kämen,  so  wäre 
ch  dies  ohne  Wirkung.  Erdmanns  Originalangaben 
den  für  Dosen  von  600 — 1000  mg  Furfuralkohol  sehr  un- 
her.  5  Selbstversuche  von  E  r  d  in  a  n  n  ergaben  zwar  meist 
lebliehe  Steigerung  der  Atemgrösse,  Atemfrequenz  und  ein- 
d  der  Kohlensäureproduktion,  doch  kritisiert  er  selbst  sehr 
htig  solche  Selbstversuche.  An  2  Personen,  die  nichts 

■  issten,  fand  er  0,6  und  1,0  g  ohne  nennenswerte  Wirkung  auf 
spiration  und  Atemgrösse.  In  3  eigenen  Versuchen  mit 
bsthergestelltem  Furfuralkohol  mit  1  g  an  einer,  mit  1  und 

T  an  einer  anderen  Versuchsperson  kamen  wir  im  wesent- 
hen  zu  negativen  Resultaten.  Das  Einnehmen  der  relativ 
ossen  Mengen  in  Zucker wasser  machte  vorübergehende 
izempfindungen  in  Kehle  und  Magen  (Zuschnüren,  Brech- 
z)  aber  in  kurzer  Zeit  ging  dies  vorüber.  An  der  Respi- 
'■on,  am  Puls  und  im  Allgemeinbefinden  war  keine  nennens- 
rte  Veränderung  zu  finden.  Mehr  mitzuteilen  lohnt  nicht. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  akademischen  Kinderklinik  in  Düsseldorf. 

Die  Oekonomie  im  Stoff-  und  Kraftwechsel  des  Säuglings. 

Von  Professor  Dr.  Arthur  Schlossmann  in  Düsseldorf. 

Der  Säugling  an  der  Mutterbrust  ist  in  Hinsicht  auf 
seinen  Stoff-  und  Kraftwechsel  ein  mechanisches  Wunder¬ 
werk.  Seine  Lebensfunktion  vollzieht  sich  bei  geringem  Ver- 
schleiss  des  Körperbestandes  und  bei  vorzüglicher  Ausnützung 
der  potentiellen  Energie,  die  ihm  in  der  Nahrung  gereicht 
wird.  Nehmen  wir  z.  B.  ein  Kind  von  3  Wochen  und  3500  g 
Gewicht.  Mit  500  g  Frauenmilch,  die  solch  ein  Säugling  täg¬ 
lich  trinkt,  wird  nicht  nur  der  Wärmeverlust  und  der  nicht 
unerhebliche  Kraftaufwand  gedeckt,  den  Bewegungen  und 
gelegentliches  Schreien  erfordern,  sondern  es  kann  auch  ein 
beträchtlicher  Anwuchs  erzielt  werden.  Zunahmen  von  30  g 
und  darüber  sind  unter  den  angenommenen  Verhältnissen 
nichts  seltenes. 

In  500  g  Frauenmilch  haben  wir  im  Durchschnitt  6g  N-haltige 
Substanz,  20  g  Fett  und  35  g  Milchzucker.  Bei  einem  Ansatz 
von  30  g  pro  Tag  hält  das  Kind  0,594  g  N  zurück  *),  von  den 
0,96  g  N,  die  sich  in  den  verzehrten  6  g  Eiweiss  finden,  werden 
also  fast 1  2/s  zum  Ansatz  verwandt.  Etwa  0,1  g  N  scheidet  ein 
natürlich  und  nicht  allzu  reichlich  genährtes  Kind  im  Stuhl  aus, 
zum  geringsten  Teil  im  unausgeniitzten  Eiweiss  der  Nahrung, 
zum  weitaus  grössten  Teile  in  den  Verdauungssäften  und  ab- 
gestossenen  Darmzellen,  sowie  vor  allem  in  Gestalt  der 
Stuhlbakterien.  Für  den  Urin  bleiben  somit  nur  0,266  g  N;  in 
der  Tat  kommen  so  niedrige  N-Werte  im  Urin  bei  einer 
knappen  natürlichen  Ernährung  vor.  Wir  müssen  also  an¬ 
nehmen,  dass  in  24  Stunden  nur  0,266X6,25  =  1,66  g  Eiweiss, 
sei  es  der  eingeführten  Nahrung,  sei  es  aus  dem  Körper- 
bestande  verbrannt  worden  ist.  Unser  Säugling  hat  somit 
7,1  Kalorien  aus  der  potentiellen  Energie  seiner  Eiweiss¬ 
nahrung  in  kinetische  umgesetzt.  Da  dem  Kinde  in  den  500  g 
Frauenmilch  350  Nutzkalorien  zur  Verfügung  stehen,  werden 
also  nur  2  Proz.2)  der  umgesetzten  Energie  aus  Eiweiss  frei¬ 
gemacht.  Menscheneiweiss  ist  ein  kostbares  Gut,  mit  dem 
der  Säugling  äusserst  ökonomisch  umgeht. 

Im  übrigen  werden  die  Ausgaben  unseres  Kindes  ziemlich 
gleichmässig  durch  Zersetzung  von  Fett  und  Zucker  gedeckt. 
In  dem  Anwuchs  von  30  g  finden  sich  3,69  g  Fett,  im  Kot 
rechnen  wir  2  Proz.  Fett  unausgenützt,  von  den  aufgenom¬ 
menen  20  g  können  also  nur  16  g  verbrannt  werden 
und  geben  149  Kalorien;  20  Proz.  sind  also  für  den  An¬ 
satz  und  Ausscheidung  im  Kote  abzuziehen  und  80  Proz. 
bleiben  für  den  Kraftwechsel.  Die  35  g  Milchzucker 
können  fast  restlos  —  das  Glykogen  des  Ansatzes 
kann  vernachlässigt  werden  —  verbrannt  werden  und 
geben  143,5  Kalorien.  Der  natürlich  ernährte 
Säugling  deckt  also  seinen  Stoffwechsel  zu 
gleichen  Teilen  aus  der  Nahrung,  aus  Zucker 
und  Fett;  die  Eiweissverbrennung  tritt  ganz 
in  den  Hintergrund3).  Wir  sehen  also,  dass  die  Oeko¬ 
nomie  des  Säuglingsorganismus  bei  natürlicher  Ernährung 
glänzend  eingerichtet  ist.  Obschon  die  spezifisch-dynamische 
Wirkung  des  arteigenen  Eiweisses  geringer  sein  dürfte,  als  die 
des  artfremden,  wird  doch  nur  ein  ganz  geringer  Teil  der 
Energie  aus  Eiweissverbrennung  gedeckt;  das  Kohlehydrat, 
das  gereicht  wird,  ist  Milchzucker,  der  auch  wieder  eine 
wesentlich  geringere  Steigerung  der  Wärmeproduktion  bei 
seiner  Nutzbarmachung  erfordert  als  die  Stärke,  und  gut  die 
Hälfte  der  Energie  wird  aus  dem  ökonomischen  Fett  frei¬ 
gemacht. 

Ich  glaube,  dass  inan  sich  diesen  Gedankengang  gar  nicht 
oft  genug  ins  Gedächtnis  zurückrufen  kann.  Interessant  ist 
dabei,  wie  spät  man  erst  angefangen  hat,  diesen  Dingen  die 
nötige  Aufmerksamkeit  zu  schenken  und  geradezu  unerklär¬ 
lich  ist  es,  dass  ein  Mann  wie  L  i  e  b  i  g  an  diesen  Tatsachen 


1)  Camerer  jun.  in  Handbuch  der  Kinderheilkunde  von 
Pfaundler  und  Schlossmann,  2.  Aufl.,  1.  Bd.  (Lit.  daselbst). 

2)  Diese  Zahl  ist  noch  zu  hoch  gegriffen,  da  ja  ein  Teil  des  N 
aus  Extraktivstoffen  stammt,  deren  Brennwert  niedriger  als  der  des 
Eiweisses  ist. 

3)  Ich  habe  auf  diese  Tatsache  bereits  vor  Jahren  nachdrücklich 
hingewiesen  (Ueber  .einige  bedeutungsvolle  Unterschiede  zwischen 
Kuh-  und  Frauenmilch,  Leipzig  1898.  Teubners  Verlag). 


286 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


vorübergehen  konnte.  Freilich,  als  L  i  e  b  i  g  sich  mit  diesen 
Dingen  beschäftigte,  ist  er  von  einer  Regel  abgewichen,  die 
er  sonst  im  Leben  streng  befolgt  hat  und  der  er  seine  unge¬ 
heueren  Erfolge  mit  verdankte:  nämlich  nichts  Ueberliefertes 
als  feststehende  Tatsache  hinzunehmen  und  sich  immer  durch 
eigene  Analyse  von  der  Richtigkeit  der  Untersuchungen  zu 
überzeugen,  auf  die  er  sich  selbst  dann  stützte.  Als  ihn  die 
Frage  der  Säuglingsernährung4)  zu  interessieren  begann  (186*4) 
legte  er  seinen  Berechnungen  Analysen  von  H  a  i  d  1  e  n  zu 
Grunde.  Ihnen  zufolge  enthielt  die  Milch  einer  gesunden  Fraü 
in  100  Teilen  3,1  Kasein,  4,3  Milchzucker  und  3,1  Butter. 
H  a  i  d  1  e  n  nimmt  also  den  Eiweissgehalt  zu  hoch,  den 
Fett-  und  Zuckergehalt  wesentlich  zu  niedrig  an.  Die  besten 
Untersuchungen  über  Frauenmilch,  die  damals  Vorlagen, 
stammten  von  Simon  5).  Auch  Berzelius6)  betrachtete 
diese  Untersuchung  als  die  „vollständigste"  und  gibt  ihren 
Inhalt  im  wesentlichen  wieder.  Danach  sollte  die  Frauenmilch 
im  Durchschnitt  3,40  Proz.  Kasein,  2,53  Proz.  Butter  und 
4,25  Proz.  Milchzucker  enthalten  7). 

Diese  Analysen  geben  also  ein  Bild  von  dem  Verhältnis  von 
stickstoffhaltiger  Substanz  zu  stickstofffreier,  das  noch  wesent¬ 
lich  verzeichneter  war,  als  das  auf  Grund  der  H  a  i  d  1  e  n  sehen 
Analysen  zustande  gekommene.  Hätte  Liebig  selbst  einige 
Frauenmilchanalysen  gemacht  und  bei  dem  einen  oder  anderen 
seiner  Enkel  damals  die  tägliche  Milchmenge  festgestellt,  die 
der  Säugling  trinkt,  so  würde  er  nicht  nur  andere  Zahlen  als 
Grundlage  für  seine  Säuglingssuppe  gewonnen  haben,  sondern 
die  geringen  Eiweisswerte  würden  ihn  schon  viel  eher  zu  einer 
Revision  seiner  Ansichten  über  die  Bedeutung  des  Eiweisses 
für  den  Stoffwechsel  geführt  haben.  So  aber  ging  Liebig 
von  falschen  Grundlagen  aus:  der  Misserfolg  war  unausbleiblich, 
obschon  natürlich  in  einzelnen  Fällen  Gutes  mit  der  Suppe  er¬ 
reicht  worden  sein  mag.  L  i  e  b  i  g  s  Gedanken  waren  übrigens 
sehr  stark  bei  der  Suppe,  deren  Bedeutung  er  selbst  sehr  hoch 
schätzte  8 *).  V  o  1  h  a  r  d,  der  bekannte  Chemiker  und  Bio¬ 
graph  L  i  e  b  i  g  s,  ging  als  dessen  Schüler  in  seiner  Verehrung 
so  weit,  dass  er  drei  seiner  Kinder  mit  der  Liebig  sehen 
Suppe  aufzog.  Liebig  kam,  wie  nun  V  o  1  h  a  r  d  H)  berichtet, 
fast  jeden  Tag  selbst,  um  nach  dem  Befinden  der  Kinder  zu 
sehen. 

Von  Liebig  wurde  dabei  zuerst  klar  und  bewusst  das 
Prinzip  aufgestellt,  dass  in  der  Säuglingsnahrung  fehlendes 
Fett  durch  Kohlehydrat  ersetzt  werden  könne;  auch  wurde 
von  ihm  zuerst  die  Vertretung  des  einen  Nährstoffes 
durch  den  anderen  isodynamisch  geordnet.  Wenn  auch 
gar  kein  Zweifel  darüber  bestehen  kann,  dass  sich 
Fett  und  Kohlehydrate  in  der  menschlichen  Ernährung 
nach  ihrem  Brennwerte  in  weitem  Masse  ersetzen  können, 
so  habe  ich  doch  immer  den  Standpunkt  vertreten,  und 
beharre  heute  mehr  als  je  darauf,  dass  die  ökonomischste 
Ernährung  des  Säuglings  bei  einer  Mischung  beider  Nährstoffe 
in  dem  Verhältnis,  wie  wir  sie  in  der  Frauenmilch  im  grossen 
Durchschnitt  finden,  gegeben  ist.  So  konnte  ich  schon  früher 
zeigen,  dass  der  Nutzen,  den  der  Körper  aus  isodynamischen 
Nahrungsgemischen  ziehen  kann,  durchaus  nicht  immer  der 
gleiche  sein  muss.  Ich  habe  10)  mich  dabei  zur  Bezeichnung 
des  Wortes  Isokerdie  Do  xiqöos,  der  Gewinn,  der  Nutzen) 


4)  Liebig:  Eine  neue  Suppe  für  Kinder.  Liebigs  Annalen, 
Bd.  133,  S.  374,  1865. 

r’)  Franz  Simon:  Die  Frauenmilch  nach  ihrem  chemischen  und 
physiologischen  Verhalten.  Berlin  1838. 

“)  Berzelius:  Lehrbuch  der  Chemie.  Von  F.  Wühler  über¬ 
setzt.  3.  Aufl.  1840,  IX.  Bd. 

7)  Simon  nahm  an,  dass  ein  gesundes  Kind  in  24  Stunden  18  bis 
24  Unzen  Milch  (=  540 — 720  g)  trinke  und  damit 

414 — 6  Drachmen  Käsestoff  =  16,875 — 22,5  g. 

614 — 8  „  Zucker  =  24,400 — 30.0  g, 

314 — 4  „  Butter  =  12,200— 15,0  g 

aufnähme. 

8)  Siehe  den  Brief  an  Wöhler  vom  27.  Nov.  1864:  „Dass  ich 
eine  neue  Suppe  für  Säuglinge  erfunden  habe,  welche  nach  ihrer  Zu¬ 
sammensetzung  die  Frauenmilch  ersetzen  soll,  habe  ich  Dir,  glaube 
ich,  schon  gesagt“  (22.  Febr.  1866).  Ferner  Briefe  an  Schön  lein 
vom  23.  Jan,  1865,  vom  17.  Mai  1865  6 kündet  voll  Freude,  dass  der 
Prinz  Viktor  Albert  —  ein  älterer  Bruder  des  jetzigen  Königs  von 
England  mit  der  Suppe  genährt  wurde)  und  ferner  vom  7.  März  1866. 

®)  Volhard:  Justus  v.  Liebig.  Job.  Ambrosius  Barths  Ver¬ 

lag.  Leipzig  1909,  II,  Bd.,  S,  307. 


bedient;  anisokerdisch  nenne  ich  im  Gegensätze  dazu  zwei 
Nahrungsgemische,  die  zwar  isodynam  sind,  bei  denen  aber 
doch  bei  der  Verfütterung  das  eine  einen  geringeren  Rein¬ 
gewinn  für  den  Körper  abwirft,  als  das  andere.  Ein  Beispiel 
macht  das  Gesagte  ohne  weiteres  klar.  Unser  Säugling  mit 
seinen  500  g  Frauenmilch  erhielt  350  Kalorien.  Bei  der  Ver¬ 
brennung  —  wir  lassen  den  Ansatz,  der  bei  diesem  Vergleich 
keine  Rolle  spielt,  völlig  beiseite  —  ergeben  die  darin  ent¬ 
haltenen  6  g  Eiweiss  9,12  g  COa,  20  g  Fett  56,12  g  CO2  und 
35  g  Zucker  57,05  g  CCD,  insgesamt  500  g  Frauenmilch  122,29  g 
CO2.  Nähre  ich  das  Kind  statt  dessen  mit  einer  Mischung 
von  Va  Milch  +  10  Proz.  Milchzucker,  also  mit  250  g  Kuh¬ 
milch,  500  g  Wasser  und  50  g  Milchzucker,  so  ergibt  dieses 
Nahrungsmenge  wieder  350  Kalorien  theoretischen  Nutz¬ 
wert,  aber  das  so  genährte  Kind  muss  250  g  Wasser  mehr 
resorbieren  nud  ausscheiden  und  es  ergeben  sich  bei  der  Ver¬ 
brennung  140,45  g  CO2  (nämlich  aus  7.5  g  Eiweiss  11,4  g  CO?, 
aus  7,5  g  Fett  21,05  g  CO2  und  aus  61,25  g  Zucker  108,0  g  CO2), 
das  sind  etwa  15  Proz.  CO2  mehr,  die  bei  dieser  Ernährung 
gebildet  werden.  Um  15  Proz.  CO2  mehr  aus  dem  Blute  zu 
entfernen,  muss  um  15  Proz.  öfter,  oder  um  15  Proz.  tiefer 
geatmet  werden,  also  eine  messbare  Mehrleistung  an  Atmungs¬ 
arbeit. 

Von  der  gleichen  Energiemenge,  die  dem  natürlich  und 
dem  unnatürlich  genährten  Kinde  zugeführt  wird,  geht  also 
ein  beachtlicher  Teil  für  Mehrarbeit  verloren. 

Auf  diese  Dinge,  die  ich  schon  früher  ausführlich  be¬ 
sprochen  habe,  gehe  ich  nicht  näher  ein.  Ich  möchte  jedoch 
noch  auf  einen  anderen  Punkt  hinweisen,  der  mir  ebenfalls 
wichtig  erscheint  und  auf  den  ich  erst  in  der  jüngsten  Zeit 
aufmerksam  geworden  bin.  Normalerweise  muss  der  Säugling 
Energie  aufspeichern  —  jeder  Anwuchs  bedeutet  ja  doch  eine 
Mehrung  der  im  menschlichen  Körper  gesammelten  Spann¬ 
kraft.  Die  beste  Form,  in  der  die  Energiespeicherung  erfolgen 
kann,  ist  der  Fettansatz.  Wird  das  Fett  direkt  aus  der  Nah¬ 
rung  im  Körper  des  Säuglings  abgelagert,  so  ist  dieser  Vor¬ 
gang,  ganz  besonders  wenn  die  Nahrung  des  Kindes  schon 
„Menschenfett“  enthält,  ein  sehr  einfacher  und  ökonomischer. 
Anders  liegt  die  Sache,  wenn  die  Fettbildung  im  Organismus 
des  Säuglings  erfolgen  muss.  Dass  dieser  Vorgang  möglich 
ist,  wissen  wir,  aber  er  ist  unökonomisch.  Je  100  g  Fett  haben 
wie  76,5  g  C.  Um  aus  Kohlehydraten  diese  100  g  Fett  bilden 
zu  können,  müssen  191,3  g  Zucker  gefüttert  werden,  damit 
nur  die  gleiche  Menge  C,  die  in  100  g  Fett  enthalten  sind,  dem 
Körper  zugeführt  werden  (191,3  g  Zucker  enthalten  ebenfalls 

76.5  g  C).  Diese  191,3  g  Zucker  würden  aber  trotzdem  nicht 
reichen,  um  eine  Fettbildung  von  100  g  zu  ermöglichen.  Denn 
in  100  g  Fett  mehrt  der  Körper  seinen  Energiebestand  um 
930  Kalorien,  in  den  191,3  g  Zucker,  die  wir  ihm  für  den  nötigen 
C-Gehalt  darbieten,  sind  nur  784,3  Kalorien.  Es  fehlen  somit 
145,7  Kalorien.  Wir  müssen  also  weitere  35,5  g  Zucker  zu¬ 
führen,  die  weder  als  Wärme  noch  als  Arbeit  dem  Säugling 
momentan  zu  gute  kommen.  Der  Kohlenstoff  aus  dieser 

35.5  g  Zucker  wird  als  CO2  ausgeatmet  werden  müssen,  er- 
höht  damit  wieder  die  Leistung  des  Kindes  und  somit  wird  eit 
Teil  des  Zuckers  gar  nicht  als  Fett  abgelagert,  sondern  füi 
diese  Leistung  verbraucht.  Mast  durch  Kohlehydrat 
um  Fett  zu  erzeugen,  ist  unökonomisch  gegen 
über  der  Mast  mit  Nahrungsfett. 

Auf  Grund  unserer  Kenntnisse  sind  wir  in  der  Lage,  um 
eine  ganz  gute  Vorstellung  von  dem  Energiewechsel  de 
natürlich  genährten  Säuglings  zu  machen  und  seine  Leistunget 
richtig  einzuschätzen.  Ein  Kind  von  3500  g  Gewicht  mit  nor 
maler  Oberfläche  —  also  kein  Atrophiker  —  und  in  normalei 
Temperaturverhältnissen  gehalten,  hat  einen  Grundumsatz  voi 
237  Kalorien,  d.  h.  in  völliger  Ruhe,  bei  Ausschaltung  der  Ver 
dauungsarbeit  werden  237  u)  Kalorien  für  die  Erhaltung  de 
Lebensfunktionen  verbrannt,  da  wir  pro  Quadratmeter  Ober 
fläche  des  Säuglings  mit  859  Kalorien  zu  rechnen  habei 
Unserem  Säugling  haben  wir  nun  rund  350  Kalorien  zur  Ver 


10)  Schlossmann:  Beiträge  zur  Physiologie  der  Er nähruii: 
des  Säuglings.  Verh.  d.  Gesellsch.  f.  Kinderheilk.  1909  u.  Arch. 
Kinderheilkunde. 

n)  Siehe  Schloss  mann  und  Murschhauser:  Der  (irutu- 
Umsatz  und  Nahrungsbedarf  des  Säuglings  gemäss  Untersuchungc 
des  Oasstoffwechsels.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  26,  1910,  p.  14  ff. 


1.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


igung  gestellt  (genau  354,1),  davon  gehen  50  Kalorien  für 
en  Ansatz  und  die  Verluste  im  Kot  ab,  so  dass  ihm  aus  zer- 
etztem  Eiweiss  7,1  Kalorien,  aus  Fett  149,  aus  Zucker  143,5 

299,0  oder  rimd  300  Kalorien  für  Wärmeabgabe  und  Arbeit 
erbleiben.  Da  für  den  Grundumsatz  237  Kalorien  nötig  sind, 
leiben  für  die  Leistungen  dieses  Kindes  63  Kalorien.  Der 
eistungszuschlag  beträgt  somit  26,5  Proz.  Ich  habe  an 
nderer  Stelle  ,2)  für  ältere  Kinder  mit  mässiger  Bewegung 
inen  Leistungszuschlag  von  30 — 40  Proz.  als  normal  be- 
eichnet. 

26,5  Proz.  Kraftzufuhr  über  den  Grundbedarf  hinaus 
rmöglichen  einem  Kinde  von  3  Wochen  jedenfalls  schon 
'ne  ganze  Menge  von  Bewegung.  63  Kalorien  ent¬ 
brechen  theoretisch  einer  mechanischen  Arbeitsmenge  von 
b  775  Meterkilogramm.  Wenn  der  Säugling  in  praxi 

der  chemischen  Energie  wirklich  in  Arbeitsleistung  um- 
btzt,  so  kann  er  also  in  24  Stunden  rund  7000  Meterkilo- 
ramm  leisten.  Ich  setze  dabei  absichtlich  die  wirkliche 
rbeit  mit  %  der  verbrauchten  Energie  ein,  weil  der  Säugling, 
nd  zwar  um  so  jünger  er  ist,  um  so  mehr,  unökonomisch 
ch  bewegt.  An  Stelle  eines  zielbewussten  Griffes  irrt  die 
jehende  kleine  Hand  umher  und  konsumiert  dadurch  unver- 
ältnismässig  viel  Kraft.  Auch  das  Schreien  darf  nach  dieser 
ichtung  nicht  unterschätzt  werden.  Gerade  diesen  Dingen 
:iben  Murschhauser  und  ich  in  unseren  Versuchen 
esondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  und  immer  genau  gra- 
liisch  in  unseren  Protokollen  die  Intensität  der  Bewegungen 
ährend  eines  Versuches  festgelegt.  Die  Beachtung  der  ge¬ 
isteten  Arbeit  ist  bei  der  Beurteilung  von  Versuchen  im  Re- 
lirationsapparat  von  grösster  Bedeutung.  Neuerdings  haben 
nerikanische  Autoren 13)  eine  Vorrichtung  ersonnen,  um  die 
ewegungen  der  Kinder  während  der  Versuche  mechanisch 
i  registrieren.  Ich  glaube  aber,  dass  unsere  Individualauf- 
.'ichnungen  zur  Beurteilung  der  Sachlage  geeigneter  sind, 
Jnn  gerade  das  Schreien  des  Kindes  wird  bei  der  graphischen 
ethode  recht  geringe  Ausschläge  geben,  bedeutet  aber  einen 
itnensen  Energieverbrauch.  In  einem  Versuche,  in  dem  das 
ind  eine  Stunde  schrie  und  sich  bewegte,  ergab  sich  ein  Plus 
in  13,27  Kalorien 14)  oder  praktisch  in  Arbeit  umgerechnet 
ne  Leistung  von  1900  Meterkilogramm  in  einer  Stunde.  Ein 
deresKind  von  nur  2%  kg  Gewicht,  das  wir  beobachteten  und 
is  eine  Stunde  lang  schrie,  zersetzte  in  dieser  Stunde  0,62  g 
lykogen  und  0,138  g  Fett  mehr,  verbrauchte  also  für  das 
bhreien  3,899  Kalorien;  es  entspricht  das  einem  mechanischen 
equivalent  von  1657  Meterkilogramm  oder  einer  effektiven 
rbeit  von  etwa  550  Meterkilogramm,  die  der  Säugling  damit 
.‘leistet  hat. 

Bei  unserem  Säugling  mit  seinen  3500  g  Gewicht  und 
10  g  Frauenmilch  ist  freilich  nicht  anzunehmen,  dass 

durch  solches  anhaltendes  Gebrüll  seiner  Umwelt  lästig 
ird.  Ein  natürlich  genährtes  Kind,  bei  dem  die  Nahrungs¬ 
engen  sich  in  so  bescheidenen  Grenzen  halten,  wird 
>en  weniger  schreien  als  ein  überfüttertes  Kind.  Gewiss 
lieh  bei  diesen  Dingen  die  Veranlagung  mit,  und  schon  . 

der  Wiege  unterscheidet  sich  der  Phlegmatiker  von  dem 
lolerischen  Temperament. 

Aber  auch  der  Choleriker  lernt  sich  zu  beherrschen, 
enn  die  Energiezufuhr  unter  das  Mass  des  Notwendigen 
rabsinkt.  Es  ist  interessant,  zu  beobachten,  wie  der 
stinkt  der  Kinder  sich  den  äusseren  Verhältnissen 
passt.  Eine  Frühgeburt  liegt  fast  die  ganze  Zeit  völlig 
‘beweglich,  meist  schlafend  im  Bette.  Schützt  man  sie 
rch  eine  erhöhte  Temperatur  der  Umgebung  und  durch 
.cken,  Watte  usw.  nach  Möglichkeit  vor  Wärmeverlusten 
rch  Strahlung,  so  kann  man  Zunahmen  des  Kindes  be- 
1  achten  trotz  sehr  geringer  Nahrungszufuhr.  Kalorien¬ 
lengen,  pro  Kilo  oder  pro  Quadratmeter  Oberfläche  be¬ 
lehnet.  die  nicht  entfernt  an  die  Normalwerte  herankommen, 


u)  Pfaundler  und  Schlossmann:  Handbuch  der  Kinder- 
1  1  künde,  Bd.  1;  pag.  254,  11.  Aufl. 

13)  Benedikt  und  Talbot:  Some  fundamental  principles  in 
-  dying  infant  metabolism.  American  Journ.  of  diseases  of  childreen. 
L  4,  Heft  3,  S.  129. 

'*)  Schlossmann  und  Murschhauser:  Ueber  den  Ein- 
!ss  des  Schreiens  auf  den  respiratorischen  Stoffwechsel  des  Säug- 
Us.  Biochem.  Zeitschr.,  Bd.  37,  S.  26. 


287 


genügen  dann  für  eine  gewisse  Zeit,  um  unter  solchen  Ver¬ 
hältnissen  die  Ausgaben  zu  decken  und  noch  einen  Ansatz  fcu 
erzielen.  Ganz  ähnlich  geht  es  bei  hungernden  Kindern,  bei 
herabgekommenen  Atrophikern,  die  mit  unglaublich  geringen 
Nahrungsmengen  ihr  Gewicht  erhalten  können,  sofern  die 
Wärmeabgabe  nach  Möglichkeit  verhindert  wird  und  sobald 
die  Kinder  selbst  sich  auf  eine  möglichste  Einschränkung  jeder 
Bewegung,  auf  völliges  Meiden  jeden  Schreiens  eingestellt 
haben.  Man  darf  aber  natürlich  Beobachtungen  an  solchen 
Kindern  nicht  benutzen  wollen,  um  Normalzahlen  für  Säug¬ 
linge  im  allgemeinen  abzuleiten. 

Wir  beurteilen  ja  geradezu  den  Säugling,  an  dessen 
Bett  wir  erstmalig  treten,  nach  der  Intensität  seiner 
Bewegungen  und  der  Fähigkeit,  seine  Muskulatur  sinn¬ 
gemäss  zu  benutzen.  Bleibt  das  Kind,  wenn  es  freigemachf, 
unbeweglich  liegen,  reagiert  es  nicht  auf  Hautreiz,  so 
steigen  uns  sofort  Zweifel  an  der  normalen  Entwick¬ 
lung  seiner  Psyche  auf.  Der  Idiot  ist  vielfach  an  seiner  Un¬ 
beweglichkeit  erkenntlich;  infolge  dieser  Unbeweglichkeit  sind 
idiotische  Kinder  zumeist  fett.  Ich  erinnere  an  die  Schwierig¬ 
keit,  den  myxödematösen  Säugling  von  dem  mongoloiden  zu 
unterscheiden.  Wenn  der  mongoloide  Idiot  fett  wird,  so  sieht 
er  dem  myxödematösen  sprechend  ähnlich  —  und  diese  Fett¬ 
sucht  finden  wir  eben  bei  idiotischen  Säuglingen  häufig  infolge 
des  zu  geringen  Stoffverbrauches  durch  Arbeit.  Am  Ende  des 
ersten  Lebensjahres  ist  die  Unterscheidung  der  verschiedenen 
Formen  des  Idioten  schon  leicht:  der  myxödematöse  bleibt 
klein  und  fett,  bei  dem  Mongolen  tritt  eine  Ueberbeweglich- 
keit  ein,  die  im  Verein  mit  dem  Wachstum  zur  Abmagerung 
führt  und  nunmehr  kann  die  Differentialdiagnose  schon  in  visu 
führt  und  nunmehr  kann  die  Differentialdiagnose  schon  e  visu 
gestellt  werden. 

Ich  möchte  übrigens  darauf  hinweisen,  dass  wir  ge¬ 
legentlich  Kinder  zu  sehen  bekommen,  deren  Bewegungs¬ 
drang  auch  pathologisch  gering  zu  sein  scheint,  bei 
denen  eben  das  Pathologische  nicht  im  Kind,  sondern  in  der 
Umgebung  des  Kindes  zu  suchen  ist.  Ich  denke  dabei  an  die 
unglücklichen  Geschöpfe,  welche  sofort  nach  der  Geburt  „ge¬ 
wickelt“  werden  und  die  dauernd  in  solcher  Bandage  leben 
müssen.  Leben  ist  freilich  für  einen  derartigen  Zustand  kein 
richtiger  Begriff.  „Non  vixit,  sed  in  vita  moratus  est“,  sagt  der 
kluge  Philosoph  Seneca13)  und  J.  J.  Rousseau  sagt  von 
solchem  Kinde:  „im  Mutterschosse  war  es  weniger  beengt, 
eingeschränkt,  zusammengepresst  als  in  seinen  Windeln.  Ich 
sehe  den  Vorteil  nicht  ein,  den  es  durch  seine  Geburt  ge¬ 
wonnen  hat.“ 

Sitten  und  Unsitten,  die  so  weit  verbreitet  sind, 
wie  beispielsweise  das  Wickeln,  haben  stets  ihren  tieferen 
Grund,  der  sich  auf  irgend  eine  an  und  für  sich  richtige,  aber 
falsch  gedeutete  oder  falsch  gewertete  Beobachtung  stützt. 
Wickele  ich  einen  Säugling  in  eine  meterlange,  wollene  oder 
gestrickten  Bandage  ein,  so  mindere  ich  die  Wärmestrahlung 
und  hemme  die  Bewegung;  ich  zwinge  also  den  Organismus 
zu  einer  weitgehenden  Oekonomie  und  ein  gewickeltes  Kind 
wird  bei  gleicher  Energiezufuhr  dicker,  fetter  werden  als  ein 
anderes  Kind,  das  seine  Glieder  frei  bewegen  kann.  Ganz 
ähnlich  gehen  die  Gefliigelmäster  vor;  sie  sperren  die  Tiere 
in  einem  warmen  Stall  und  binden  ihnen  die  Beine  eng  zu¬ 
sammen,  um  ihnen  die  Beweglichkeit  zu  erschweren  —  genau 
wie  die  Mütter,  die  ihre  Kinder  wickeln  und  die  mit  dem 
Gefliigelmäster  meist  noch  die  weitere  Aehnlichkeit  haben, 
dass  ihnen  das  Fettmachen  als  letztes  Ziel  ihrer  Wünsche  vor¬ 
schwebt.  Darauf  kommt  es  aber  nicht  an,  sondern  auf  die 
Ausbildung  der  Muskulatur,  die  nur  durch  Uebung  und  Ge¬ 
brauch,  nicht  aber  durch  völliges  Ausschalten  der  Bewegung 
erzielt  wird.  Das  ist  also  eine  falsche  Oekonomie,  die  beim 
normal  geborenen  Kinde  darauf  ausgeht,  durch  Hemmung  der 
Bewegung  Energieverluste  zu  verhüten. 

Die  Erfahrung  lehrt  uns,  dass  nur  ganz  ausnahmsweise  ein¬ 
mal  ein  Kind  durch  Uebertreibung  seiner  Bewegungen  zuviel 
der  zugeführten  Energie  verbraucht,  so  dass  für  den  Anwuchs 
nichts  übrig  bleibt  —  immer  natürlich  ein  gesundes  Kind  und 
eine  normale  Energiemenge  vorausgesetzt.  Dass  unnormale 
Kinder,  zumal  als  Folge  des  anormalen  Zustandes,  zu  beweglich 


15)  Ep.  93. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


288 


sein  können,  um  richtig  zuzunehmen,  wissen  wir  aus  der  Beob¬ 
achtung  bei  Säuglingen  mit  juckenden  Ekzemen.  Solche  Patien¬ 
ten  verwenden  zuweilen  enorme  Kraftleistungen  und  eine 
akrobatische  Geschicklichkeit,  um  trotz  aller  Vorsichtsmass- 
regeln  oder  Fesselungsversuche  den  Juckreiz  durch  Scheuern 
zu  mildern.  Dabei  tritt  oft  ein  Kraftverbrauch  über  das  Mass 
der  Kraftzufuhr,  und  dadurch  Gewichtsstillstand  oder  Ab¬ 
magerung  ein.  Aber  unter  normalen  Verhältnissen  ist  der 
Säugling  mit  der  ihm  zugeführten  Energie  sehr  haushälterisch 
und  zumal  das  natürlich  genährte  Kind  ein  Muster  ökonomi¬ 
schen  Kraftverbrauches;  von  ihm  können  wir  lernen,  wie  man 
mit  gegebenen  Mitteln  ein  Maximum  von  Leistung  bestreiten 
kann.  In  diesem  Sinne  können  die  Säuglinge  als  wirkliche 
Kulturträger  gewertet  werden,  denn  „die  Kultur  i  s  t“,  wie 
L  i  e  b  i  g 10)  sagt,  „die  Oekonomie  d  er  Kraft;  eine 
jede  unnütze  Kraftäusserung,  eine  jede 
Kraftverschwendung  in  der  Agrikultur,  in 
der  Industrie  und  der  Wissenschaft,  sowie  im 
Staate  charakterisiert  die  Rohheit  oder  den 
Mangel  an  K u  1 1 u r.“ 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Jena  (Direktor:  Professor 

Dr.  M.  Henkel). 

Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  und 

Tumorkranken. 

Von  Dr.  Paul  L  i  n  d  i  g,  Assistent  der  Klinik. 

Ein  Untersuchungsmaterial,  gewonnen  aus  weit  über 
100  Fällen  von  Schwangerschaft,  Tumoren  und  entzündlichen 
Vorgängen  der  Genitalorgane,  dürfte  es  rechtfertigen,  wenn 
nicht  nur  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  hier  mitgeteilt, 
sondern  auch  die  daraus  gezogenen  Schlüsse  einer  kritischen 
Bewertung  unterworfen  werden.  Seit  den  epochemachenden 
Veröffentlichungen  Abderhaldens  über  die  biologische 
Schwangerschaftsreaktion  war  es  ohne  weiteres  gegeben  und 
von  ihm  selbst  auch  an  den  verschiedensten  Stellen  induziert, 
seine  Methodik  zur  Erklärung  von  pathologischen  Zuständen 
heranzuziehen,  bei  denen  aus  einer  Reihe  von  Symptomen  auf 
eine  qualitative  Veränderung  des  Blutes  geschlossen  werden 
musste.  So  gingen  auch  wir,  in  jeder  Weise  befriedigt  durch 
den  immer  positiven  Ausfall  der  Reaktion  während  der  Gra¬ 
vidität  und  dadurch  überzeugt  von  der  Brauchbarkeit  des  Ver¬ 
fahrens  für  diagnostische  bzw.  differentialdiagnostische  Zwecke 
und  für  eine  aussichtsreiche  Bearbeitung  der  verschiedensten 
Fragen  auf  serologischem  Wege,  dazu  über,  Versuche  in  der 
angedeuteten  Richtung  anzustellen.  Aber  schon  bei  der  Dar¬ 
stellung  des  dem  Abbau  zu  unterwerfenden  Materials  stellte 
es  sich  heraus,  dass  die  zur  eindeutigen  Beurteilung  der  Re¬ 
sultate  erforderlichen  Voraussetzungen,  soweit  es  sich  um 
die  Beschaffenheit  des  koagulierten  Eiweisses  handelte,  sich 
entweder  sehr  schwierig  oder  nur  für  kurze  Zeit  erfüllen 
Messen,  ein  Umstand,  der  die  praktische  Verwertung  der 
Dialysiermethode  doch  sehr  beeinträchtigen,  seine  Anwendung 
bei  schwerer  zu  beschaffendem  Abbaumaterial  überhaupt  in 
Frage  stellen  musste. 

Abderhalden  schreibt  vor,  dass  das  entsprechende 
Substrat,  z.  B.  bei  der  Schwangerschaft  Plazenta,  gleich  nach 
der  Gewinnung  sorgfältig  vom  anhaftenden  Blut  gereinigt,  in 
kleine  Stücke  zerschnitten  und  etwa  10  Minuten  in  fliessendem 
Wasser  ausgewaschen  wird.  Darauf  kocht  man  es  so  lange 
mit  der  je  10  fachen  Menge  Wasser,  bis  das  Kochwasser  die 
Biuret-  und  die  Triketohydrindenreaktion  nicht  mehr  gibt;  das 
jedesmalige  Kochen  soll  ungefähr  5  Minuten  dauern,  beim 
ersten  Mal  wird  zweckmässig  eine  Spur  Eisessig  (1  Tropfen 
auf  1  Liter  Wasser)  zugesetzt.  Das  noch  reagierende  Koch¬ 
wasser  wird  abgeschüttet,  das  schon  koagulierte  Eiweiss¬ 
substrat  von  neuem  ausgewaschen  und  wieder  zum  Kochen 
angesetzt.  Wir  fanden,  dass  nach  durchschnittlich  4  maligem 
Kochen  das  Kochwasser  einwandfrei  war,  d.  h.  in  ihm  keine 
aliphatischen  oder  aromatischen  Aminosäuren,  welche  die 
Aminogruppe  in  der  Seitenkette  enthalten,  mehr  vorhanden 
waren.  In  der  Annahme  aber,  dass  dieser  Zustand  von  Dauer 
und  damit  das  Material  unbegrenzt  haltbar  wäre,  sahen  wir 


uns  getäuscht.  Bei  vorschriftsmässiger  Aufbewahrung  (Chloro¬ 
form-Toluol)  war  nach  mehrtägigem  Stehen  die  Ninhydrin- 
reaktion  wieder  positiv,  ein  Beweis,  dass  mittlerweile  von 
der  koagulierten  Substanz  herstammende,  unter  Umständen 
dialysabele  Eiweissstoffe  an  das  Deckwasser  abgegeben 
waren.  Abderhalden  ist  nun  der  Ansicht,  dass  die  Ei¬ 
weissubstanz  nach  6  maligem  Aufkochen  am  besten  durch  ganz 
frische  ersetzt  wird,  woraus  sich  dann  ohne  weiteres  ergibt, 
dass  für  jede  dritte  Dialyse  bei  einer  Pause  zwischen  den  ein¬ 
zelnen  Dialysen  von  ein  oder  mehreren  Tagen,  neues  Material 
verwandt  werden  muss.  Da  würde  man,  das  ist  wohl  ein¬ 
leuchtend,  schon  bei  der  Beschaffung  der  notwendigen  Pla¬ 
zenten  hin  und  wieder  auf  Schwierigkeiten  stossen,  wieviel 
mehr  aber  erst,  wenn  kostbareres  Material  (Karzinom  oder  noch 
seltenere  Tumoren)  dem  Abbau  unterworfen  werden  soll.  Und 
selbst,  wenn  vor  dem  Ansetzen  des  Dialysierversuches 
das  Deckwasser  negativ  reagieren  sollte,  liegen  darin  ja  noch 
keine  Garantien,  dass  nicht  während  des  Versuches  im  Brut¬ 
schrank  vom  Eiweissubstrat  dialysabele  Substanzen  an  die 
darüberstehende  Flüssigkeit  bei  vollständigem  Fehlen  von 
Fermenten  abgegeben  werden  könnten.  Sollte  der  Einwand 
gemacht  werden,  dass  darüber  doch  der  Kontrollversuch  Auf¬ 
schluss  geben  müsste  (entweder  Plazenta  +  physiologische 
Kochsalzlösung  oder  Plazenta  +  inaktiviertes  Serum),  so  ist 
das  deshalb  nicht  stichhaltig,  weil  die  koagulierte  Eiweissub¬ 
stanz  sich  ganz  verschieden  verhält  in  der  Abgabe  von  niedri-i 
geren,  dialysierbaren  Eiweissstufen.  Es  könnten  sehr  wohl  die 
Kontrolle  und  das  Dialysat  Serum  +  Plazenta  ungleiche  Re¬ 
aktion  geben  nur  aus  dem  Grunde,  weil  in  dem  einen  Schlauch 
dialysable  Stoffe  ausgelaugt  werden,  im  anderen  nicht. 

Um  diese  Fehlerquellen  zu  vermeiden,  suchten  wir  die 
Darstellung  des  Abbausubstrates  zu  modifizieren,  eingedenk 
des  Umstandes,  dass  Eiweiss  im  trockenen  Zustande  unver-| 
änderlich  ist,  eine  Beeinträchtigung  des  Versuches  durch 
Abgabe  nicht  kolloider  Stoffe  von  einem  derartigen  einmal 
einwandfreien  Material  also  nicht  mehr  möglich  sein  dürfte. 
Wir  gingen  so  vor:  Die  in  Frage  kommende  Substanz,  sagen 
wir  Plazenta,  wurde  genau  so  vorbereitet  wie  sonst  und  dann 
auch  bis  zur  Reaktionslosigkeit  des  Kochwassers  gegen  Nin- 
hydrin  gekocht.  Nun  wurden  die  einzelnen  Stückchen,  die  vor 
dem  Kochen  sehr  fein  zerkleinert  waren,  mit  Filtrierpapier 
im  Wärmeschrank  bei  85  0  C  gedörrt.  Die  nunmehr  stein- 
harten  Klümpchen  wurden  im  Mörser  zu  einem  feinen  Pulver 
zerrieben  und  lieferten  uns  damit  das  dem  Abbau  zu  unter¬ 
werfende  Produkt.  Wir  überzeugten  uns  von  seiner  Brauch¬ 
barkeit  in  der  Weise,  dass  wir  einen  Teil  längere  Zeit  mit 
Wasser  kochten  und  dann  das  Wasser  mit  Ninhydrin  prüften 
und  die  Biuretprobe  anstellten;  die  Reaktion  war  in  beider: 
Fällen  negativ.  Wenn  wirklich  diese  Kontrolle  einmal  positiv 
ausfallen  sollte,  was  aber  —  das  sei  ausdrücklich  bemerkt  - 
von  uns  niemals  beobachtet  wurde,  dann  würde  ein  noch 
maliges  Aufkochen  des  pulverisierten  Materials  sicher  genügen 
um  aus  diesen  feinsten  und  überall  zugänglichen  Körnchen  eir 
für  allemal  Produkte  zu  entfernen,  die  die  Schlauchmembrai 
noch  passieren  könnten.  Wir  haben  jetzt,  nach  über  einen 
Monat,  das  Plazentarpulver  wieder  gekocht  und  das  Koch 
wasser  geprüft:  es  war  genau  so  frei  von  reagierenden  Sub 
stanzen  wie  zu  Anfang.  Zum  Vergleich  wurde  das  Serum  voi 
über  20  Individuen,  die  sicher  schwanger  waren,  mit  gewöhn 
licher  koagulierter  Plazenta  und  mit  Trockenplazenta  zugleicl 
angesetzt,  und  da  fand  sich,  dass  das  Dialysat  bei  Trocken 
Plazenta  im  allgemeinen  eine  stärkere  Blaufärbung  mit  Nin 
hydrin  lieferte  als  das  der  Vergleichsversuche.  Damit  ist  be 
wiesen,  dass  die  Fähigkeit,  durch  Fermente  in  einfachere  Ei 
weisskoinponenten  zerlegt  zu  werden,  bei  dem  dargestellte 
Präparat  in  keiner  Weise  durch  die  Prozedur  des  Erhitzen 
bis  zur  Trockne  gelitten  hat.  Der  Einfachheit  halber  sei  i 
den  folgenden  Ausführungen  das  nur  durch  Kochen  koaguliert 
und  so  verwendete  Material  als  „feucht“,  das  gedörrte  un 
pulverisierte  als  „trocken“  bezeichnet.  Die  Ueberlegenhe 
des  letzteren  geht  weiter  aus  einigen  Beobachtungen  hervoi 
die  bei  den  oben  genannten  Vergleichsversuchen  mit  Schwär 
gerenserum  gemacht  wurden.  Da  zeigte  sich,  dass  da 
Dialysat:  inaktiviertes  Serum  +  feuchte  Plazenta  (die  selbs: 
verständlich  vorher  den  üblichen  Prüfungsmethoden  unten 
zogen  war  und  sich  als  einwandfrei  erwies)  beim  Koche 


,0)  2L  Chem.  Brief, 


1.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


uit  Ninhydrin  einen  violetten  Farbenton  annahm,  während  das 
)ialysat:  inaktivertes  Serum  +  Trockenplazenta  bei  der 
leichen  Behandlung  farblos  blieb  oder  sich  höchstens  leicht 
elb  färbte.  Eins  sei  hier  noch  besonders  betont:  Ein  Arbeiten 
iit  ganz  genau  gleichen  Quantitäten  von  Serum,  abzubauen- 
em  Substrat,  Dialysat  und  Reagens,  kann,  solange  feuchtes 
iubstrat  (Plazenta  etc.)  zur  Verwendung  kommt,  doch  niemals 
u  Vergleichswerten  führen,  da  z.  B.  dieselbe  Plazenta  an  ver¬ 
miedenen  Stellen  durchaus  ungleich  abgebaut  wird.  Wir 
aben,  um  uns  darüber  Klarheit  zu  verschaffen,  je  2  ccm  Serum 
on  einer  Schwangeren  auf  gleiche  Mengen  koaguliertes  Ei- 
veiss  von  1  g  aus  ein  und  derselben  Plazenta  im  Brutschrank 
inwirken  lassen  und  gegen  20  ccm  Aqua  dest.  dialysiert;  es 
yaren  Schläuche  gewählt,  die  bezüglich  ihrer  Durchlässigkeit 
eine  Unterschiede  zeigten.  Nach  löstündiger  Versuchsdauer 
ochten  wir  immer  10  ccm  der  Dialysate  mit  0,2  ccm  einer 
proz.  Triketohydrindenhydratlösung  und  erhielten  durchweg 
ositive  Reaktionen,  die  aber  in  ihrer  Farbenintensität  voll- 
tändig  differierten.  Dass  Serum,  Dialysat  und  Reagens  von 
leicher  Qualität  und  Menge  waren,  geht  aus  der  Versuchs- 
nordnung  hervor,  ein  Unterschied  kann  also  nur  durch  die 
erschiedenartige  Beschaffenheit  des  Substrats  bedingt  sein. 
)as  liess  sich  dann  augenscheinlich  nachweisen,  als  derselbe 
ersuch  wiederholt  und  nur  anstatt  feuchter  Plazenta  Trocken- 
lazenta  benutzt  wurde:  die  Reaktionen  färbten  sich  gleich¬ 
lässig  violett.  Damit  ist  auch  die  Homogenität  der  Trocken- 
ubstanz  einwandfrei  festgestellt.  Nun  ist  behauptet  worden, 
ass  das  Abbauvermögen  des  Schwangerenserums  während 
er  Gravidität  und  im  Wochenbett  einem  ständigen  Wechsel 
nterworfen,  u.  a.  um  die  Mitte  der  Schwangerschaft  am 
tärksten  sei;  man  hat  z.  B.  das  letztere  daraus  geschlossen, 
ass  die  Reaktionen  um  die  Zeit  immer  die  tiefste  Violett- 
trbung  zeigten.  Ob  das  wirklich  so  ist,  soll  an  Hand  unserer 
igenen  Beobachtungen  besprochen  werden,  diese  Schluss- 
olgerung  war  jedenfalls  verfrüht,  so  lange  die  wichtigste 
Voraussetzung,  ein  homogenes  Abbaumaterial,  nicht  gegeben 
/ar. 

Ueber  die  Erscheinung,  dass  hin  und  wieder  klares,  ab- 
olut  hämoglobinfreies  Schwangerenserum  schon  genügte,  um 
n  Dialysat  beim  Kochen  mit  Ninhydrin  Violettfärbung  her- 
orzurufen  (schwache  Violettfärbung  war  fast  immer  vor- 
anden),  ohne  dass  gegen  die  Dialysierschläuche  etwas  ein- 
uwenden  gewesen  wäre,  brachten  uns  Versuche  Aufschluss, 
ie  folgende  Ueberlegung  zum  Ausgangspunkt  hatten:  Im 
Hute  Schwangerer  kreist  blutfremdes  Eiweiss,  das  sich  so- 
/ohl  in  noch  nicht  abgebautem  Zustande  befinden  als  auch 
urch  Fermentwirkung  schon  in  niedere  Eiweissstufen  zerlegt 
ein  kann.  Ist  letzteres  der  Fall,  dann  muss  dieses  abgebaute 
iweiss  die  Schlauchmembran  passieren,  ganz  unabhängig  von 
twa  vorhandenen  fermentativen  Einflüssen;  derartige  Ein¬ 
üsse  sind  auszuschalten,  wenn  die  Fermente  entweder  durch 
.blauf  des  Versuchs  im  Eisschrank  vorübergehend  oder  durch 
orhergehendes  Erhitzen  des  Serums  dauernd  inaktiviert 
/erden.  Diese  Zerstörung  des  Ferments  durch  stärkere  Er- 
/ärmung,  wie  sie  auch  Abderhalden  in  seiner  Veröffent- 
chung  in  No.  46  der  „Deutschen  med.  Wochenschr.“  be¬ 
treibt,  nahmen  wir  in  der  Weise  vor,  dass  wir  das  Serum 
5  Minuten  lang  bei  einer  Temperatur  von  65°  hielten.  Dauert 
ie  Erhitzung  nur  kürzere  Zeit,  so  lässt  sich  nicht  mit  Sicher- 
eit  darauf  rechnen,  dass  die  Inaktivierung  vollständig  ist, 
bensowenig,  wenn  geringere  Temperaturgrade  angewandt 
/erden.  Bei  70 u  würde  nach  C.  Oppenheimer  die  Ver¬ 
gütung  sehr  schnell  eintreten,  bei  der  Temperatur  fallen 
ber  auch  die  Serumglobuline  schon  aus  und  machen  die 
iüssigkeit  zur  weiteren  Verwendung  ungeeignet.  Wir 
ahinen  nun  das  Serum  einer  Schwangeren,  das  uns  durch 
ioletten  Farbenton  im  Kontrollversuch  aufgefallen  war,  und 
eschickten  damit  zwei  Dialysierschläuche,  jeden  mit  2  ccm. 
vir  behandelten  sie  in  der  üblichen  Weise  und  stellten  das 
ölbchen  mit  dem  einen  in  den  Brutschrank,  das  andere  in 
en  Eisschrank.  Der  Rest  des  Serums  wurde  inaktiviert; 
ann  entnahmen  wir  ebenfalls  2  ccm  zur  Dialyse  bei  37  °.  Nach 
5  Stunden  stellten  wir  die  Ninhydrinprobe  an,  und  da  fand 
ch  nur  im  ersten  Kölbchen  die  bereits  beobachtete  leichte 
iolettfärbung,  während  bei  den  beiden  anderen  der  Farben- 
mschlag  über  einen  schwach  gelblichen  Ton  nicht  hinauskam. 

No.  fi. 


Es  hat  also  nur  im  Versuch:  „unbehandeltes  Schwangeren¬ 
serum  bei  37  u  eine  Dialyse  stattgefunden,  ein  Beweis  dafür, 
dass  das  im  Blut  von  graviden  Individuen  zirkulierende  blut¬ 
fremde  Eiweiss  noch  nicht  abgebaut  ist;  die  unter  Ein¬ 
wirkung  von  Fermenten  aus  diesem  Eiweiss  im  Blut  ent¬ 
stehenden  niederen  Eiweisstoffe  werden  in  irgend  einer 
Form  sofort  gebunden  und  sind  daher  durch  Dialyse  nicht 
mehr  nachweisbar.  Ihre  Darstellung  gelingt  erst,  wenn  dieser 
Fermentprozess  losgelöst  vom  Organismus  vor  sich  geht,  dann 
fehlt  der  kopulierende  Faktor,  der  sie  sonst  in  statu  nascendi 
an  sich  reisst. 

Um  die  in  der  eben  geschilderten  Versuchsreihe  ge¬ 
gebenen  Verhältnisse  in  ihren  Wirkungsmöglichkeiten  rest¬ 
los  zu  analysieren,  sei  noch  eines  Umstandes  gedacht,  dem 
wohl  eine  Beeinflussung  der  Reaktion  zugeschrieben  werden 
könnte.  Die  Tatsache  ist  nämlich  bekannt,  dass  den  Fer¬ 
menten  eine  geringe  Diffusibilität  eigen  ist,  die  bei  den  ein¬ 
zelnen  Fermentgruppen  verschieden  gross  ist  und  auch  von 
der  Art  der  Membran  abhängt.  Die  Temperaturhöhe  ist,  so¬ 
weit  bekannt,  für  diese  Eigenschaft  belanglos;  es  wäre  darum 
in  dieser  Hinsicht  gleichgültig,  ob  im  Brutschrank  oder  im  Eis¬ 
schrank  dialysiert  wird.  Da  nun  aber  die  Reaktion  im  Eis¬ 
schrankversuch  vollkommen  negativ  ausfiel,  brauchen  wir 
eine  solche  Eventualität  überhaupt  nicht  in  Rechnung  zu  setzen. 

Soweit  wir  bisher  feststellen  konnten,  bietet  die  Körper¬ 
wärme  die  Optimaltemperatur  für  den  Abbauprozess,  eine  ge¬ 
naue  Bestimmung  der  Temperaturgrenzen  und  des  Optimums 
bleibt  weiteren  Versuchen  Vorbehalten.  Eigene  Erfahrungen, 
eigene  Erfolge  und  Misserfolge  haben  uns  die  eben  be¬ 
schriebenen  Aendcrungen  in  der  Versuchsmethodik  zudiktiert; 
damit  soll  an  dem  aussichtsvollen,  in  der  Idee  so  mächtig  an¬ 
gelegten  Bau  Abderhaldens  nicht  gerüttelt  werden,  es 
ist  allein  ein  Ausdruck  dessen,  was  er  selbst  in  der  Einleitung 
zu  seinen  „Schutzfermenten  des  tierischen  Organismus“  sagt: 
jeder  neue  Arbeiter  bringt  neue  Werkzeuge. 

Wir  wählen  in  letzter  Zeit  folgende  Versuchsanordnung: 

3  Dialysierhülsen  —  die  alle  geprüft  und  in  ihrer  Durchlässigkeit 
möglichst  gleichmässig  sind  — •  werden  in  3  geeignete  Erlenmeyer- 
kölbchen  gestellt,  die  je  20  ccm  Aqu.  dest.  enthalten;  dann  kommt 
in  Hülse 

No.  1  2  ccm  Serum, 

No.  2  2  ccm  Serum  und  1  g  Trockensubstrat, 

No.  3  2  ccm  inaktiviertes  Serum  und  1  g  Trockensubstrat. 

Alles  wird  mit  Toluol  überschichtet  und  genau  16  Stunden  der 
Brutschranktempertur  ausgesetzt.  Diese  Zeit  kann  natürlich  auch 
überschritten  oder  abgekürzt  werden,  die  Hauptsache  ist  nur,  dass 
die  Versuchsdauer  bei  demselben  Untersucher  immer  die  gleiche 
ist.  Vom  Dialysat  werden  10  ccm  genommen  und  in  bekannter 
Weise  weiterbehandelt,  nur  setzen  wir  statt  0,2  ccm  einer  1  proz. 
Ninhydrinlösung  1  ccm  einer  0,2  proz.  Lösung  zu  und  vermeiden  so 
eine  Beeinflussung  der  Reaktion  durch  etwaige  kleine  Ungenauig¬ 
keiten  im  Zuträufeln  des  Reagens.  Jetzt  gibt  uns  No.  1  darüber  Auf¬ 
schluss,  ob  und  in  welchem  Grade  ein  Abbau  schon  im  Serum  ein- 
tritt;  denn  allein  die  Differenz  in  der  Reaktionsstärke  zwischen  1  und 
2  lässt  die  gesuchte  Intensität  der  Fermentwirkung  auf  das  jeweilige 
Substrat  erkennen.  Erst  dadurch  ist  es  möglich,  Resultate  zu  er¬ 
halten,  die  unter  einander  vergleichbar  sind  und  aus  dem  verschieden 
starken  Auftreten  der  Reaktion  Schlüsse  zulassen  auf  Qualität  und 
Quantität  der  Fermente.  No.  3  endlich  soll  dartun,  dass  im  Serum 
bei  Ausschaltung  der  Fermentwirkung  keine  dialysablen  Eiweiss¬ 
stoffe  mehr  enthalten  sind;  der  Zusatz  von  Trockensubstrat  dient 
hier  nur  zum  Nachweis,  dass  die  Fermente  tatsächlich  inaktiviert 
sind.  Eine  Kontrolle  des  Trockensubstrates  an  und  für  sich  ist  ja 
unnötig,  da  dessen  Unveränderlichkeit  ein  für  allemal  festgestellt  ist. 
Ein  Vergleich  zwischen  1  und  3  lässt  erkennen,  ob  überhaupt  und  in 
welcher  Menge  im  Blut  zirkulierendes,  nicht  abgebautes  Eiweiss 
vorhanden  ist. 

Nicht  bei  allen  Untersuchungen,  deren  Ergebnisse  nun¬ 
mehr  folgen,  ist  trockenes  Abbaumaterial  verwandt  worden, 
diese  Modifikation  ist  ja  doch  selbst  erst  ein  derartiges  Er¬ 
gebnis;  wir  haben  es  deshalb  auch  im  allgemeinen  unterlassen, 
auf  kleinere  Differenzen  im  Ablauf  der  Reaktion  Kombinationen 
und  Theorien  aufzubauen,  die  wir  am  Ende  wieder  hätten 
revidieren  müssen,  wo  es  aber  dennoch  geschehen,  da  waren 
wir  eben  unserer  Sache  ganz  sicher.  Die  Biuretreaktion  ist 
nur  in  zweifelhaften  Fällen  als  unterstützendes  und  aus¬ 
schlaggebendes,  bei  besonders  wichtigen  Versuchen  auch  als 
erhärtendes  Moment  herangezogen  worden. 

Noch  ein  paar  Bemerkungen  zu  den  Veröffentlichungen  von 
Franz  und  J  arisch  in  der  Wiener  klinischen  Wochenschrift  und 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


von  Frank  und  H eimann  aus  der  Breslauer  Klinik:  Es  decken 
sich  nämlich  deren  Resultate  zum  Teil  mit  den  unserigen,  der 
Weg  aber,  auf  dem  sie  gewonnen,  und  damit  die  Schlüsse,  die 
aus  ihnen  gezogen,  sind  nicht  ganz  unanfechtbar.  So  ist  auf 
der  einen  Seite  allein  die  Biuretprobe  angestellt  worden,  die 
zum  Nachweis  kleinster  Eiweissmengen  absolut  nicht  aus¬ 
reicht,  infolgedessen  ist  z.  B.  die  nicht  unwichtige  Tatsache 
vollständig  entgangen,  dass  schon  das  Dialysat  vom  Serum 
Abbauprodukte  des  Eiweisses  enthalten  kann.  Dass  Fisch¬ 
blasen  eine  durchaus  ungeeignete  Dialysiermembran  sind, 
haben  die  Untersucher  selbst  gefunden.  Endlich  muss  es  auch 
zu  ziemlich  unsicheren  Werten  führen,  wenn  Fermentwir¬ 
kungen,  deren  Optimaltemperatur  zwischen  35  und  40°  liegt, 
bei  Zimmertemperatur  mit  ihren  nicht  belanglosen  Schwan¬ 
kungen  vor  sich  gehen. 

Nun  zu  unseren  Resultaten: 

Wir  fanden,  dass  im  Serum  jeder  Schwangeren  Fermente 
sind,  die  Plazentareiweiss  abbauen;  uns  ist  kein  einziger  Fall 
von  Schwangerschaft  vorgekommen,  bei  dem  wir  diese  Er¬ 
scheinung  vermisst  hätten.  Dass  die  Fermentbildung  bis  zur 
Mitte  der  Gravidität  ansteigt,  um  dann  wieder  abzufallen,  ist 
nicht  beobachtet  worden,  die  tatsächlich  bestehende  Ungleich- 
mässigkeit  in  der  Reaktionsstärke  Hess  sich  bisher  in  kein 
Schema  einordnen,  in  letzter  Zeit  allerdings  fiel  es  auf,  dass 
in  den  ersten  Monaten  der  Schwangerschaft  die  Ninhydrin- 
probe  einen  tieferen  Farbenton  zeigte  als  in  den  späteren 
Monaten. 

Das  Serum  von  Wöchnerinnen  baute  noch  am  10.  Tag 
post  partum  ab,  ältere  gesunde  Wöchnerinnen  standen  uns 
bisher  nicht  zur  Verfügung.  Es  wird  betont  „gesunde“, 
denn  Wöchnerinnen  mit  puerperalen  Affektionen  bieten  anders 
zu  bewertende  Verhältnisse;  in  einem  Falle  nämlich  von  Kind¬ 
bettfieber  war  die  Reaktion  noch  4  Wochen  nach  der  Geburt 
stark  positiv,  2  Wochen  darnach  starb  die  Patientin.  Wir 
hatten  dadurch  Gelegenheit,  auch  deren  Galle  auf  Plazentar¬ 
eiweiss  einwirken  zu  lassen,  die  Ninhydrinreaktion  war  hier 
ebenfalls  stark  positiv;  Galle  allein  gab  keine  dialysablen 
Produkte  ab.  Unter  Umständen  können  also  auch  in  der  Galle 
eiweissspaltende  Fermente  vorhanden  sein. 

Die  Lumbalflüssigkeit  einer  Anzahl  von  Schwangeren  ist 
gleichfalls  der  Prüfung  unterzogen  worden,  sowohl  das  Lum- 
balpunktat  allein  als  auch  Punktat  und  Plazenta,  mit  nega¬ 
tivem  Erfolg  bis  auf  ein  einziges  Mal,  wo  bei  einer  Gravida 
wegen  Tuberkulose  die  künstliche  Frühgeburt  eingeleitet 
wurde;  da  war  die  Reaktion  im  „Punktat  +  Trockenplazenta“ 
schwach  positiv. 

Ferner  wurden  Plazenten  von  verschiedenem  Alter  (her¬ 
stammend  von  Abort,  Frühgeburt)  dem  Abbau  unterworfen; 
ein  Unterschied  liess  sich  nicht  bemerken. 

Unsere  Erfahrungen  über  die  Anwendung  der  bio¬ 
logischen  Reaktion  bei  Tubargravidität  erstrecken  sich  auf 
10  Fälle;  inwieweit  es  uns  gelang,  dadurch  und  mit  Unter¬ 
stützung  der  Arthigonreaktion  unter  Berücksichtigung  aller 
in  Betracht  kommenden  Momente  die  Diagnose  zu  sichern, 
soll  in  einer  besonderen  Arbeit  niedergelegt  werden.  Dass 
der  positive  Ausfall  der  Serumreaktion  nicht  ohne  weiteres 
genügt  zur  Feststellung  von  normaler  oder  pathologischer 
Schwangerschaft  (z.  B.  Extrauteringravidität),  davon  wird  im 
Verlauf  dieser  Mitteilung  noch  die  Rede  sein. 

Von  dieser  Basis  aus  den  Vorgängen  bei  Eklampsie 
nachzuforschen,  bot  sich  nur  einmal  die  Möglichkeit:  die 
Patientin  wurde  mit  den  schwersten  Erscheinungen  ein¬ 
geliefert,  sogleich  durch  Kaiserschnitt  entbunden  und  starb 
12  Stunden  nach  der  Operation.  Dass  die  Seltenheit  des  Ver¬ 
suchsmaterials  eine  ganz  besonders  peinliche  Wahrung  aller 
Kautelen  beim  Ansetzen  der  Versuchsreihe  gebot,  sei  voraus¬ 
geschickt.  Das  Ergebnis  war  folgendes: 

Eklampsie-Plazenta  wird  weder  vom  Serum  noch  von 
der  Galle  der  Eklamptischen  abgebaut,  wohl  aber  normale 
Plazenta.  Dagegen  wird  die  Eklampsie-Plazenta  von  nor¬ 
malem  Schwangerenserum  und  von  der  Galle  einer  6  Wochen 
post  partum  an  Puerperalfieber  Gestorbenen  in  niedere  Ei¬ 
weissstufen  gespalten. 

Die  Zerebrospinalflüssigkeit  der  Eklamptischen  hat  auf 
Eklampsie-Plazenta  schwach  abbauende  Wirkung,  etwas  ge¬ 
ringere  noch  auf  normale  Plazenta. 


Die  Reaktion  zeigt  bei  Eklampsieserum  allein  schwache 
Gelb-Violettfärbung,  bei  Galle  und  Zerebrospinalflüssigkeit  der 
Eklamptischen  einen  hellgelben  Farbenton. 


Von  einem  Fehlen  der  Fermente  bei  Eklampsie  kann  also 
ebensowenig  die  Rede  sein  wie  von  einer  mangelnden  Ab¬ 
baufähigkeit  des  Plazentareiweisses,  man  könnte  sich  höch¬ 
stens  vorstellen,  dass  die  Fermente  und  das  im  Blut  zirku¬ 
lierende  blutfremde  Plazentareiweiss  nicht  aufeinander  ein¬ 
gestellt  sind.  Im  übrigen  bietet  dieser  von  uns  beobachtete 
Fall  mancherlei  Analogien  zu  einem  der  von  Abderhalden, 
Freund  und  Pincussohn  in  den  „Praktischen  Ergeb¬ 
nissen  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie“,  Jahrgang  1910,  rnit- 


geteilten  4  Fälle. 


Wir  sind  dann  dazu  übergegangen,  Tumoren  als  Abbau¬ 
substrat  zu  verarbeiten  und  darauf  Serum  von  Tumorkranken 
und  Schwangeren  einwirken  zu  lassen;  in  gleicher  Weise 
wurden  Uterus,  Ovar  und  Muskeleiweiss  geprüft.  Da  stellte 
sich  nun  heraus,  dass  sowohl  Tumor-  als  auch  Schwangeren¬ 
serum  jede  dieser  Eiweissubstanzen  zerlegte,  allerdings  war 
beim  Muskeleiweiss  der  Grad  des  Abbaues  äusserst  gering; 
es  zeigte  sich  ferner,  dass  Tumorserum  auch  Plazenta  abbaut. 
Von  Tumoren  haben  wir  Karzinom,  Myom  und  Dermoid  einer 
grösseren  Reihe  von  Versuchen  unterworfen. 

Wir  sehen  also,  dass  es  ganz  nebensächlich  ist,  jedesmal 
das  entsprechende  Substrat  als  Spaltungsobjekt  zu  wählen; 
die  Annahme  von  einem  spezifischen  Charakter  der  Fermente 
ist  damit  hinfällig  geworden,  sie  haben  allgemein  proteolytische 
Wirkung.  Der  positive  Ausfall  der  Reaktion  sagt  deshalb  nach 
unseren  bisherigen  Erfahrungen  nur,  dass  das  Individuum, 
welches  das  Versuchsserum  geliefert  hat,  schwanger  oder 
Tumorträger  ist;  es  ist  aber  wahrscheinlich,  dass  das  Auf¬ 
treten  von  Fermenten  auch  bei  anderen  Störungen  im  Organ¬ 
gleichgewicht  vorkommt.  So  baute  —  das  ist  aber  nur  ein  ein¬ 
zelner  Fall  —  das  Serum  einer  Patientin,  bei  der  klinisch  nichts 
als  Oophoritis  nachzuweisen  war,  ebenfalls  ab.  Die  ver¬ 
schiedenen  Substrate  wurden  nicht  in  gleicher  Weise  ab¬ 
gebaut,  unter  anderem  war  auffallend,  dass  Karzinomeiweiss 
immer  sehr  viel  Abbauprodukte  lieferte.  Es  wäre  denkbar, 
dass  hier  durch  bakterielle  Einflüsse  der  Abbau  schon  ein¬ 
geleitet  oder  eine  Erleichterung  des  Abbauvermögens  ein¬ 
getreten  ist.  Es  ist  zu  hoffen,  dass  in  all  diese  doch  noch  sehr 
dunklen  Vorgänge  die  optische  Methode  etwas  mehr  Licht 
hineinbringen  wird.  Wir  sind  dabei,  die  hier  gestreiften 
Fragen  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus  zu  verfolgen. 


Zusammenfassend  lässt  sich  ein  Teil  unserer  Resultate  so 
formulieren: 

Im  Serum  von  Schwangeren,  von  Tumorträgern  mit  Ge¬ 
schwulst  im  Genitaltraktus  und  vielleicht  auch  bei  Entzün¬ 
dungen  ist  ein  proteolytisches  Ferment  vorhanden,  das  Ei- 
weiss  von  Plazenta,  Uterus  und  Ovar,  von  Tumoren  des 
Genitale  und  in  geringerem  Masse  auch  Muskeleiweiss  abbaut. 


Literatur. 

E.  Abderhalden:  Schutzfermente  des  tierischen  Organismus. 
Berlin  1912,  Springer.  —  E.  Abderhalden:  Synthese  der 
Zellbausteine  in  Pflanze  und  Tier.  Berlin  1912,  Springer.  — 
E.  Abderhalden  :  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden. 
Bd.  5  und  6.  —  E.  Abderhalden  und  M.  Kiutsi:  Biologische 
Untersuchungen  über  Schwangerschaft.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie, 
Bd.  77,  H.  4.  —  E.  Abderhalden,  R.  Freund  und  L.  Pin¬ 
cussohn:  Serologische  Studien  mit  Hilfe  der  optischen  Methode 
während  der  Schwangerschaft  und  speziell  bei  Eklampsie.  Prak¬ 
tische  Ergebnisse  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  2.  Jahrgang. 
1910,  S.  367.  —  E.  Abderhalden:  Diagnose  der  Schwangerschaft 
mit  Hilfe  der  optischen  Methode  und  des  Dialysierverfahrens. 
Münch,  med.  Wochenschr.  No.  24,  36  und  40.  Jahrgang  1912.  — 
R.  Franz-Graz:  Ueber  die  Bedeutung  der  Eiweisszerfallstoxikose, 
bei  der  Geburt  und  der  Eklampsie.  Münch,  med.  Wochenschr.  191- 
No.  31.  —  R.  Franz  -  Graz  und  A.  J  a  r  i  s  c  h :  Beiträge  zur  Kennt¬ 
nis  der  serologischen  Schwangerschaftsdiagnostik.  Wiener  klinische 
Wochenschr.  1912,  No.  39.  —  Erich  Frank  und  Fritz  H eimann 
Die  biologische  Schwangerschaftsdiagnose  nach  Abderha’dei 
und  ihre  klinische  Bedeutung.  Berliner  klinische  Wochenschr.  1912 
No.  36.  —  Carl  Oppenheimer:  Die  Fermente  und  ihre  Wir¬ 
kungen.  Leipzig  1910,  F.  C.  W.  Vogel. 


.  Februar  1913. 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


291 


ts  der  Kinder-Poliklinik  und  der  Säuglingsklinik  an  der  Uni¬ 
versität  Halle  a/S.  (Direktor:  Prof.  Dr.  Stoeltzner). 

iber  Larosan,  einen  einfachen  Ersatz  der  Eiweissmilch. 

Von  Prof.  Dr.  S  t  o  e  1 1  z  n  e  r. 

Der  heisse  Sommer  1911  brachte  wie  anderwärts,  so 
ch  in  Halle  ein  verhängnisvolles  Anschwellen  der  Säuglings- 
orbidität  mit  sich.  Die  Fälle,  in  denen  wir  das  Bedürfnis 
tten,  Eiweissmilch  anzuwenden,  waren  sehr  zahlreich, 
ider  war  aber  die  herstellende  Fabrik  offenbar  ausserstande, 
r  grossen  Nachfrage  zu  genügen.  Die  paar  Flaschen  Ei- 
eissmilch,  die  in  Halle  käuflich  zu  haben  waren,  konnten 
n  Bedarf  nicht  im  entferntesten  decken;  und  ganz  gewiss 
damals  mehr  als  ein  Säugling  zugrunde  gegangen,  den  die 
weissmilch  hätte  retten  können. 

Diese  unerträgliche  Notlage  brachte  mich  auf  den  Ge- 
nken.  ob  es  nicht  möglich  sein  sollte,  für  die  Eiweissmilch 
icn  gleichwertigen  Ersatz  zu  finden.  Der  Gang  meiner 
.'berlegungen  war  ungefähr  folgender: 

Die  Reduktion  der  Molke  und  des  Milchzuckers  lässt  sich 
<ne  weiteres  durch  Verdünnen  der  Milch  erreichen.  Wo- 
rch  unterscheidet  sich  nun  eine  mit  der  gleichen  Menge 
asser  verdünnte  Kuhmilch  von  der  Eiweissmilch?  Nach 
n  k  e  1  s  t  e  i  n  und  L.  F.  Meyer* 1)  enthält 


Eiweiss 

Fett 

Zucker 

P205 

CaO 


A  Liter  Kuhmilch 
15  g 
17,5g 
22,5  g 

1,22  g 
0,86  g 


1  Liter  Eiweissmilch 
30  g 
25  g 
15g 
1,35  g 
1,44  g. 


Die  Eiweissmilch  enthält  also  gegenüber  der  mit  der 
Liehen  Menge  Wasser  verdünnten  Kuhmilch  100  Proz.  mehr 
fweiss,  43  Proz.  mehr  Fett,  33  Proz.  weniger  Zucker, 
1  Proz.  mehr  P2O5  und  67  Proz.  mehr  CaO. 

Die  Unterschiede  im  Gehalt  an  Fett,  Zucker  und  Phos¬ 
porsäure  können  die  ausserordentliche  therapeutische  Ueber- 
I  renheit  der  Eiweissmilch  nicht  erklären.  Im  besonderen  gilt 
is  auch  für  den  um  Ya  geringeren  Gehalt  der  Eiweissmilch 
[  Milchzucker;  die  Bedeutung  der  Zuckerreduktion  ist  an- 
i igs  zweifellos  überschätzt  worden;  auch  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n 
d  L.  F.  Meyer  sind  mit  zunehmender  Erfahrung  immer 
t  igebiger  im  Zusatz  von  Kohlehydraten  zur  Eiweissmilch 
^worden2),  und  alle  übrigen  Autoren  stimmen  dem  bei3), 
hs  wesentliche  Merkmal  der  Eiweissmilch 
it  der  sehr  hohe  Gehalt  an  Eiweiss  und  an  Kalk. 

Ich  kam  nun  auf  den  Gedanken,  ob  man  nicht  durch  Hin- 
'■  ügen  von  Kasein-Kalzium  die  mit  der  gleichen  Menge 
Gsser  verdünnte  Kuhmilch  in  dem  erwünschten  Masse  mit 
Fveiss  und  mit  Kalk  anreichern  könnte.  Fügt  man  einer 
•Schling  aus  gleichen  Teilen  Milch  und  Wasser  2  Proz. 
Sein-Kalzium  hinzu,  das  einen  CaO-Gehalt  etwa  von 
-  Proz.  hat,  so  haben  wir  im  Liter 


Eiweiss 

34,5  g 

Fett 

17,5  g 

Zucker 

22,5  g 

p2o0 

1,22  g 

CaO 

1,36  g. 

Diese  Zusammensetzung  ist  derjenigen  der  Eiweissmilch 
'  ähnlich,  dass  ich  beschloss,  mit  Kasein-Kalzium  angerei- 
-  rte  Milchverdünnungen  an  Stelle  der  Eiweissmilch  zu 
•  'suchen. 

Kasein-Kalzium  gab  es  nicht  zu  kaufen;  ich  ging  deshalb 
'an  es  mir  selber  herzustellen.  Ich  habe  Magermilch  mit 
!  Teilen  Wasser  verdünnt,  mit  Essigsäure  schwach  an¬ 
kert,  das  ausfallende  Gerinnsel  abfiltriert  und  in  Wasser 
1  ,Kanz  wenig  Kalilauge  wieder  aufgelöst,  nunmehr  mit 
Lüg  Essigsäure  noch  einmal  ausgefällt  und  dieses  zweite 
Mnnsel  dann  in  Wasser,  dem  auf  das  Kasein  berechnet 
Proz.  CaO  zugesetzt  waren,  aufgelöst.  Auf  diese  Weise 
ielt  ich  eine  schöne,  wie  Milch  aussehende  Kasein-Kalzium- 
(ung.  Es  gelang  mir  jedoch  nicht,  aus  dieser  Lösung  das 


’)  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  71,  1910. 

)  Finkeistein  und  L.  F.  Meyer:  Münch.  ined.  Woclien- 
jnit  1911,  S.  340.  Benfey:  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  75,  H.  3, 

l)  z.  B.  Birk:  Monatsschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  9,  No.  3. 


Kasein-Kalzium  in  einer  brauchbaren  trockenen  Form  zu 
gewinnen. 

Mit  diesen  Vorbereitungen  war  die  heisse  Zeit  des  Jahres 
1911  dahingegangen,  ohne  dass  es  zu  praktischen  Versuchen 
an  kranken  Kindern  gekommen  wäre.  Mit  dem  Nachlassen 
der  Hitze  konnte  der  verringerte  Bedarf  an  Eiweissmilch 
wieder  regelmässig  gedeckt  werden,  und  mein  Interesse  am 
Kasein-Kalzium  trat  vorübergehend  hinter  andere  Arbeiten 
zurück.  Erst  im  Februar  1912  habe  ich  den  Gedanken,  mit 
Kasein-Kalzium  angereicherte  Milchverdünnungen  an  Stelle 
der  Eiweissmilch  zu  versuchen,  wieder  aufgenommen.  Ich 
wandte  mich  nunmehr  an  die  Firma  F.  Hoffmann-La  Roche 
öc.  Co.  in  Grenzach  mit  der  Bitte,  mir  zu  Versuchszwecken 
Kasein-Kalzium  in  Pulverform,  mit  einem  CaO-Gehalt  von 
2,5  Proz.,  herzustellen. 

Die  Firma  ging  mit  dankenswerter  Bereitwilligkeit  auf 
diese  Bitte  ein.  Leider  zeigte  sich,  dass,  obwohl  alle  Hilfs¬ 
mittel  der  Technik  zur  Verfügung  standen,  die  Herstellung 
eines  feinkörnigen  und  leichtlöslichen  Kasein-Kalzium-Pulvers 
zunächst  nicht  gelingen  wollte.  Es  bedurfte  monatelanger 
Anstrengungen,  um  die  Schwierigkeiten  einigermassen  zu 
überwinden.  Die  ersten  kleinen  Versuchsproben  erhielt  ich 
im  April  1912,  aber  erst  von  Mitte  Juli  1912  ab  konnten  mir 
regelmässig  ausreichende  Versuchsmengen  eines  praktisch 
brauchbaren  Präparates  überlassen  werden.  Immerhin  fallen 
auf  diese  Weise  die  heissen  Wochen  des  Jahres  1912  in  die 
Versuchszeit.  Im  ganzen  beträgt  die  Zeit,  die  ich  bisher  das 
Kasein-Kalzium  ohne  Unterbrechung  in  der  Behandlung  von 
ernährungsgestörten  Säuglingen  verwende,  etwas  über 
6  Monate. 

An  Feinkörnigkeit  und  konstant  guter  Löslichkeit  ist  das 
Kasein-Kalzium  inzwischen  immer  weiter  vervollkommnet 
worden.  Das  jetzige,  von  Hoffmann-La  Roche  Larosan 
genannte  Präparat  darf  als  technisch  einwandfrei  bezeichnet 
werden.  Es  ist  ein  lockeres,  feines,  geschmackloses  weisses 
Pulver,  das  sich  in  heisser  .Milch  gut  auflöst,  und  dessen 
wässerige  Lösung  neutral  reagiert. 

Die  Zubereitung  der  Larosanmilch  geschah  stets  folgen- 
dermassen: 

20  g  Larosan  wurden  mit  ungefähr  dem  dritten  Teile  eines  halben 
Liters  frischer  Milch  kalt  angeriihrt;  die  beiden  anderen  Drittel  des 
halben  Liters  Milch  wurden  inzwischen  zum  Kochen  gebracht.  Dann 
wurde  beides  zusammengegossen,  und  das  Ganze  unter  ständigem 
Rühren  5 — 10  Minuten  lang  gekocht.  Zum  Schluss  wurde  durch  ein 
Haarsieb  geseiht  und  mit  der  gleichen  Menge  Verdünnungsfliissigkeit 
gemischt. 

Die  Verdünnungsflüssigkeit  bestand  je  nach  Lage  des  Falles  ent¬ 
weder  aus  abgekochtem  Wasser  oder  aus  Schleim  oder  Mehlab¬ 
kochungen. 

Zucker  wurde  in  den  ersten  Tagen  nicht  zugesetzt,  bis  die  Stühle 
fester  geworden  waren;  war  dies  erreicht,  so  wurde  der  Verdünnungs¬ 
flüssigkeit  vorsichtig  steigend  von  1 — 5  Proz.  Zucker  zugesetzt,  in 
Ausnahmefällen  schliesslich  auch  noch  mehr.  Am  besten  bewährten 
sich  als  Zuckerzusatz  maltosehaltige  Präparate  —  ich  bevorzugte 
S  o  x  h  1  e  t  s  Nährzucker  — ;  viele,  aber  nicht  alle  Kinder  vertrugen 
jedoch  auch  einen  Zusatz  von  Rübenzucker  bis  zu  etwa  2A*  Proz. 
der  Verdünnungsflüssigkeit;  vollständig  abgesehen  habe  ich  von  der 
Verwendung  des  Milchzuckers. 

Zu  Beginn  der  Behandlung  erst  einmal  12—24  Stunden  Wasser¬ 
diät  einhalten  zu  lassen,  habe  ich  nur  in  toxischen  Fällen  nötig  ge¬ 
funden.  Die  Zwischenräume  zwischen  den  einzelnen  Mahlzeiten  habe 
ich  immer  mindestens  3  Stunden  betragen  lassen.  Die  jedesmaligen 
Nahrungsmengen  wurden  ungefähr  so  gewählt,  wie  es  bei  der  Eiweiss¬ 
milch  üblich  ist;  nur  bin  ich  im  ganzen  etwas  freigebiger  verfahren, 
insbesondere  habe  ich  auf  eine  Mahlzeit  niemals  weniger  als  20  g 
geben  lassen  und  bin  meist  schnell  zu  kalorisch  ausreichenden 
Mengen  angestiegen,  ohne  dass  die  Erfolge  deswegen  schlechter  ge¬ 
wesen  wären.  Bevor  ausreichende  Mengen  vertragen  wurden,  wurde 
selbstverständlich  neben  der  Larosanmilch  reichlich  abgekochtes 
Wasser  oder  dünner  Fenchelthee  ohne  Zucker  verabreicht. 

Die  Prüfung  des  Larosans  geschah  zunächst  im  St.  Elisa¬ 
beth-Kinderheim  zu  Halle  a.  S.,  das  der  ärztlichen  Leitung 
von  Frau  Dr.  Stoeltzner  untersteht,  an  34  ernährungs¬ 
gestörten  Säuglingen,  die  in  der  Mehrzahl  monatelang  fort¬ 
laufend  klinisch  beobachtet  werden  konnten.  Die  an  diesen 
Kindern  gewonnenen  Erfahrungen  wurden  weiterhin  bestätigt 
durch  19  poliklinische  Fälle,  ferner  durch  eine  Reihe  von 
Fällen  in  der  Privatpraxis,  und  schliesslich  seit  dem  30.  No¬ 
vember  1912  an  23  Säuglingen,  die  in  der  neuen  Hallenser 
Säuglingsklinik  mit  Larosan  behandelt  worden  sind. 


292 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  (\ 


Ein  näheres  Eingehen  auf  die  einzelnen  Fälle  würde  den 
Rahmen  dieser  Mitteilung  überschreiten  und  mag  für  eine 
andere  Gelegenheit  Vorbehalten  bleiben.  Ich  kann  die 
Erfolge  kurz  dahin  zusammenfassen,  dass  die 
Larosanmilch  mindestens  dasselbe  leistet 
wie  die  E  i  w  e  i  s  s  in  i  1  c  h. 

Im  Grunde  handelt  es  sich  auch  bei  der  Eiweissmilch 
nicht  um  eine  einheitliche  Wirkung,  sondern  um  zwei  ver¬ 
schiedene  Wirkungen,  die  sich  allerdings  in  sehr  glücklicher 
Weise  miteinander  verbinden.  Das  eine  ist  die  antidyspep- 
tische  Wirkung,  die  in  der  Bildung  von  Seifenstühlen  ihren 
Ausdruck  findet.  Das  Larosan  wirkt  in  dieser  Richtung  offen¬ 
bar  dadurch,  dass  die  Kaseinzulage  die  Darmfäulnis  begünstigt 
und  damit  den  sauren  Gärungen  entgegenwirkt,  während  die 
Kalziumzulage  nach  dem  Massenwirkungsgesetze  den  Umfang 
der  Kalkseifenbildung  im  Darm  vergrössert.  Die  in  der 
Larosanmilch  enthaltene  Fettmenge  ist  für  die  Bildung  von 
Seifenstühlen  offenbar  vollständig  ausreichend.  An  sich 
dürfte  ein  geringerer  Fettgehalt  eher  vorteilhaft  sein. 

Die  zweite  Wirkung,  die  wie  der  Eiweissmilch  so  in  aus¬ 
gesprochenem  Masse  auch  der  Larosanmilch  zukommt,  ist  eine 
schnelle  Hebung  der  Toleranz  gegen  Kuhmilch.  Diese  Wir¬ 
kung  zeigt  sich  sehr  deutlich  bei  Kindern  mit  schwererem 
Milchnährschaden,  die  zur  Zeit  keine  dyspeptischen  Stühle 
entleeren;  hier  pflegt  fast  sofort  nach  Einleitung  der  Ernährung 
mit  Larosanmilch  das  Körpergewicht  anzusteigen,  und  damit 
die  Reparation  einzusetzen. 

Ueber  das  Zustandekommen  dieser  toleranzerhöhenden  Wirkung 
habe  ich  meine  persönliche  Ansicht,  die  ich  seinerzeit  in  meinem 
Oxypathiebuche  näher  ausgeführt  habe.  Beim  Larosan  wie  bei  der 
Eiweissmilch  können  sich  wegen  relativen  Ueberschusses  des  Kal¬ 
ziums  über  die  Phosphorsäure  im  Darm  Kalkseifen  bilden,  ohne  dass 
es  durch  Umsetzung  der  hohen  Fettsäuren  mit  phosphorsaurem  Kalk 
zur  Entbindung  freier  Phosphorsäure  kommt,  die  nach  meiner  Auf¬ 
fassung  als  unverbrennbare  Säure  toleranzschädigend  wirkt.  Im 
übrigen  wird  natürlich  die  praktische  Brauchbarkeit  auch  von  Säug¬ 
lingsnahrungen  durch  theoretische  Erklärungsversuche  weder  erhöht 
noch  vermindert. 

Die  Larosanmilch  kann  nicht  den  Anspruch  erheben, 
etwas  wesentlich  neues  zu  sein.  Neu  ist  nur  die  äussere 
Form,  das  Larosan  ist  sozusagen  das  wirksame  Prinzip  der 
Eiweissmilch.  In  der  praktischen  Anwendung  hat  aber  das 
Larosan  vor  der  Eiweissmilch  viel  voraus.  Mindestens  in 
einer  Beziehung  übertrifft  das  Larosan  die  Eiweissmilch  so¬ 
gar  an  therapeutischer  Wirkung,  indem  nämlich  die 
bei  der  Eiweissmilch  so  häufige  vorüber¬ 
gehende  Verschlechterung  der  Kinder  in  den 
ersten  Tagen  der  Behandlung,  bei  der  Laro¬ 
sanmilch  fortfällt.  Es  ist  das  eine  sehr  merkwürdige 
Erfahrung,  die  ich  mir  nicht  näher  zu  erklären  vermag,  die 
aber  zweifellos  zu  Recht  besteht.  Als  zweitwichtigsten  Vor¬ 
zug  hat  das  Larosan  vor  der  Eiweissmilch  den  be¬ 
deutend  billigeren  Preis  voraus.  Ferner  ist  es  in 
der  Form  kompendiöser,  und  besonders  bei  älteren 
Kindern  wird  schliesslich  auch  das  bessere  Aussehen 
und  der  bessere  Geschmack  des  Larosans  angenehm 
empfunden  werden.  Tatsächlich  leistet  das  Larosan  auch  bei 
älteren  Kindern  in  geeigneten  Fällen,  wie  ich  mich  wiederholt 
überzeugen  konnte,  gute  Dienste 4). 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Strassburg. 

Ein  seltener  Fall  von  Kolipyämie;  zugleich  ein  Beitrag 
zur  klinischen  Bedeutung  des  Bakterienanaphylatoxins. 

Von  Privatdozent  Dr.  A.  Hamm,  Oberarzt  der  Klinik. 

Die  zu  Beginn  der  bakteriologischen  Aera  allgemein  ge¬ 
hegte  Hoffnung,  ein  ätiologisches  Einteilungsprinzip  der  Wund¬ 
infektionskrankheiten  nach  mykotischen  Gesichtspunkten  auf¬ 
stellen  zu  können,  hat  sich  mehr  und  mehr  zerschlagen.  Zwar 
steht  fest,  dass  einigen  wenigen  Wundinfektionserregern  ein 
ganz  typisches  Krankheitsbild  eigen  ist  —  ich  denke  be¬ 
sonders  an  Tetanus,  vielleicht  auch  Diphtherie  — ,  aber  diese 


4)  Das  Präparat  wird  Interessenten  von  der  Firma  F.  H  o  f  f  - 
mann-La  Roche  &  Co.  in  Qrenzach  (Baden)  zur  Verfügung  ge¬ 
stellt  und  soll  in  nächster  Zeit  dem  Handel  übergeben  werden. 


Ausnahme  bestätigt  doch  bloss  die  allgemeine  Regel,  dass  wir 
aus  dem  Symptomenbild  des  vorliegenden  Krankheitsfalles 
einen  sicheren  Rückschluss  auf  den  infektionsauslösenden 
Keim  meist  nicht  machen  können.  Diese  Tatsache  hat  durch 
die  Entdeckung  des  Bakterienanaphylatoxins  durch  Fried- 
berger  [l]  vielleicht  eine  plausible  Erklärung  gefunden. 

Friedberger  und  seine  Mitarbeiter  konnten  tier¬ 
experimentell  nachweisen,  dass  bei  dem  parenteralen  Abbau 
des  Bakterieneiweisses  unspezifische  giftige  Zwischenpro¬ 
dukte  entstehen,  die  er  analog  dem  bei  der  Serumanaphylaxie 
seit  längerer  Zeit  bekannten  Gift  als  „Bakterienana- 
p  h  y  1  a  t  o  x  i  n“  bezeichnet  hat. 

Mit  diesem  anaphylaktischen  Gift  ist  es  gelungen,  beim 
Tier  genau  dieselben  Erscheinungen  hervorzurufen,  wie  wir 
sie  beim  infizierten  Menschen  zu  sehen  gewohnt  sind,  ja  inan 
vermag  sogar  unter  Variierung  der  Dosis  und  der  Zeit  der 
Einspritzung  die  mannigfachen  Symptome  der  verschiedenen 
Infektionskrankheiten  direkt  künstlich  zu  erzeugen.  Fried¬ 
berger  ist  daher  geneigt,  die  den  einzelnen  Infektionskrank¬ 
heiten  gemeinsamen  Symptome  einheitlich  als  anaphy¬ 
laktische  Giftwirkung  aufzufassen. 

Dold  [1]  schliesst  sich  dieser  Auffassung  im  allgemeinen 
an  und  spricht  neuerdings  sogar  die  Vermutung  aus,  dass  die 
Pathogenität  und  die  Virulenz  der  Infektionserreger 
hauptsächlich  abhängig  ist  von  der  Schnelligkeit,  mit  der  die 
Keime  sich  im  Wirtskörper  zu  vermehren  vermögen,  mit  an¬ 
deren  Worten,  dass  die  Schwere  der  Vergiftung  ceteris 
p  a  r  i  b  u  s  lediglich  durch  die  Quantität  des  artfremden  Bak¬ 
terieneiweisses  bedingt  ist.  Dass  mit  dieser  Auffassung 
D  o  1  d  s  auch  die  Wichtigkeit  der  Phagozytose  sowie  den 
Bakteriolyse  in  einem  neuen  Lichte  erscheint,  soll  nui 
nebenbei  erwähnt  werden. 

Jedenfalls  wird  mit  dieser  Hypothese  die  alte  Lehre 
von  der  ausschliesslichen  Bedeutung  der  Endotoxine 
R.  Pfeiffers  vollständig  in  den  Hintergrund  gedrängt,  be¬ 
sonders  von  denen,  die  mit  Friedberger  das  relativ  un- 
giftige  Endotoxin  direkt  als  die  Muttersubstanz  des  hoch¬ 
giftigen  Anaphylaxietoxins  auffassen  und  die  anaphylaktische 
Giftwirkung  als  die  wesentliche  und  ausschlaggebende  ansehen 

Ob  diese  Annahme  zurecht  besteht,  lässt  sich  heute  nocl 
nicht  überblicken.  B  e  s  s  a  u  [2]  hat  jüngst  wichtige  Bedenkei 
dagegen  erhoben  und  will  experimentell  den  sicheren  Bewei: 
für  die  Verschiedenheit  von  Endotoxin  und  Anaphylaxietoxii 
erbracht  haben. 

Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  die  experimentelle  Grund 
läge  des  Bakterienanaphylatoxins  heute  eine  so  gefestigt», 
dass  wir  an  der  Möglichkeit  einer  bakteriell-anaphylak 
tischen  Giftwirkung  nicht  mehr  zweifeln  dürfen,  sondern  un 
fragen  müssen,  ob  nicht  auch  unter  den  am  Krankenbet 
schwer  Infizierter  zu  beobachtenden  Vergiftungserscheinungei 
solche  Symptome  auftreten,  die  den  Charakter  der  anaphylak 
tischen  Giftwirkung  an  sich  tragen? 

Vor  wenigen  Monaten  hatten  wir  Gelegenheit,  auf  unsere 
septischen  Abteilung  einen  Fall  zu  verfolgen,  bei  dem  sic 
einem  allerdings  der  Gedanke  an  eine  anaphylaktische  Ver 
giftung  unwillkürlich  aufdrängte.  Es  handelte  sich  um  ein 
28  jährige,  früher  immer  gesunde  VI.  Gebärende,  bei  der  de 
Arzt  3  Tage  vor  ihrer  Einlieferung  in  die  Klinik,  bei  be 
stehender  Koliinfektion  der  Harnwege  (lokales  Disposition« 
moment!)  digital  und  mit  der  Kürette  eine  Abortausräumun 
vorgenommen  hatte. 

Bereits  eine  Stunde  nach  der  Ausräumung  bekam  di 
Patientin  einen  intensiven  Schüttelfrost  mit  hohem  Fiebei 
die  Fröste  wiederholten  sich  an  den  beiden  folgenden  Tage 
mit  so  beängstigenden  dyspnoischen  Beschwerden,  das 
der  Arzt  die  Frau  der  Klinik  überwies.  Gleich  nach  ihrei 
Eintritt  stellten  sich  im  Abstand  von  zwei  Stunden  zwei  sei 
heftige  Fröste  ein:  die  Frau  schüttelte  sich  krampfartig  in¬ 
dem  ganzen  Körper,  das  Gesicht  war  blass,  die  Konjunktive 
stark  injiziert,  die  Pupillen  klein,  reaktionslos,  der  Puls  klei¬ 
frequent,  leicht  unterdrückbar,  die  Atmung  stark  beschleunig 
der  Thorax  in  ausgesprochener  Inspirationsstellung,  die  akze; 
sorischen  Atemmuskeln  in  angestrengter  Tätigkeit.  Dabei  b< 
stand  heftiger  Brechreiz,  besonders  gegen  Schluss  des  Anfall 
Die  Temperatur  betrug  am  Ende  des  ersten  Frostes  42°,  nac 
dem  zweiten  sogar  42,5  °. 


1  ■  Februar  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCH?!  WOCHENSCHRIFT. 


Derartige  dyspnoische  Anfälle  mit  Schüttelfrost  und  Er- 
rechen  machte  die  Frau  während  der  45  Tage,  die  sie  bis 
u  ihrem  I  ode  in  der  Klinik  war,  wie  aus  der  beigefiigten 
u  r  v  e  deutlich  zu  ersehen,  42  mal  durch,  nicht  selten  kamen 
wei  Anfälle  hintereinander  im  Abstand  von  1—3  Stunden, 


293 

war  die  ganze  Lunge  frei,  kein  grösserer  Embolus  zu  finden, 
der  die  eigenartigen  agonalen  Symptome  erklärte. 

Der  Seltenheit  des  Falles  wegen  führe  ich  die  Tem¬ 
per  a  t  urkurve  sowie  das  von  Herrn  Prof.  Dr.  C  h  i  a  r  i 
mir  gütigst  zur  Verfügung  gestellte  Sektionsprotokoll  an: 


_ Temperatur 

_ Puff 

t  Schüttelfrost 

jeist  dauerten  sie  'A — %  Stunden  an.  Im  Vordergrund  der 
'/mptome  stand  jedesmal  das  beängstigende  Er- 
'  ickungsgefühl,  das  zunächst,  an  grössere  oder 
leinere  Lungenembolien  denken  liess,  allerdings  auffällig 
;instig  durch  intravenöse  A  d  r  e  n  a  1  i  n  i  n  j  e  k  - 
ion  beeinflusst  wurde.  Ganz  aussergewöhnlich  war 
1  mer,  wie  schnell  sich  die  Patientin  von  ihren  Anfällen  er- 
1  Ite,  und  wie  sie  in  der  anfallsfreien  Zeit  sich  meist  so  ge- 
nd  fühlte,  dass  sie  oft  nur  mit  Mühe  im  Bett  gehalten  werden 
nnte. 

Der  letzte  Anfall  stellte  sich  mit  ganz  besonderer  Ve- 
menz  ein:  volle  vier  Stunden  bestand  schwerste  Dyspnoe 
ter  unausgesetztem,  konvulsionsartigem  Schütteln  des  Kör- 
rs;  anfangs  tobte  die  Frau,  man  möge  ihr  doch  Luft  zu- 
iren,  sie  ersticke,  später  wurde  sie  bewusstlos,  schliesslich 
tzte  die  Atmung  bei  noch  erhaltenem  Puls  ganz  aus;  für  eine 
abolie  konnten  wir  das  nicht  recht  ansehen. 

Um  so  gespannter  waren  wir  daher  auf  das  Resultat  der 
n  Herrn  Prof.  Chiari  ausgeführten  Autopsie.  Was  fand 
h?  Im  linken  unteren  Lungenlappen  ein  haselnussgrosser, 
morrhagischer  Infarkt,  in  einzelnen  Zweigen  der  Pulmonal- 
terie  dieses  Lappens  wenige  kleine,  fahle  Emboli,  sonst 


Frau  D.  Sekant:  Prof.  Chiari. 

Sektionsprotokoll  vom  31.  Mai  1912. 

......  „Die  Präparation  der  Laparotomiewunde  erweist  auch 

ihre  peritoneale  Seite  vollkommen  geschlossen.  Hingegen  findet  sich 
im  Panniculus  subcutaneus,  der  Wunde  entsprechend,  eine  mit  zer¬ 
flossenem  Fettgewebe  und  etwas  Blut  erfüllte  spaltförmige  Höhle 
von  12  cm  Länge,  4  cm  Breite  und  2  cm  Tiefe.  An  dem  Peritoneum 
der  Laparotomiewunde  das  grosse  Netz  mit.  seinem  unteren  Rande 
angewachsen;  desgleichen  zart  verklebt  das  Zoekum  und  S.  romanum. 
bei  deren  Lösung  gelblichgrüner  Eiter  ausfliesst.  Das  Zwerchfell 
rechts  an  der  2.,  links  an  der  3.  Rippe.  Die  rechte  Lunge  frei, 
desgleichen  die  linke.  Beide  Lungen  von  mittlerem  Blutgehalte,  luft¬ 
haltig.  Auf  der  Pleura  visceralis  des  hinteren  Randes  des  linken 
Unterlappens  ein  zarter  Anflug  fibrinösen  Exsudates.  Im  unteren 
Rande  dieses  Unterlappens  nach  hinten  zu  ein  1  ccm  grosser,  z.  T. 
vereiterter,  bräunlicher,  hämorrhagischer  Infarkt.  In  einzelnen 
Zweigen  der  Pulmonalarterie  in  der  linken  Lunge  fahle  Emboli. 

Im  Herzbeutel  etwa  10  ccm  leicht  rötlichen  Serums.  Das 
Herz  schlaff,  seine  Klappen  zart,  ebenso  die  Intima  der  grossen  Qefässe. 

Bei  der  Untersuchung  des  Situs  viscerum  abdomin.  zeigt  sich 
in  der  Excavatio  ante-  et  retrouterina,  ferner  auch  um  die  Adnexa 
uteri  Eiter.  Diese  Eiterung  gegen  die  freie  Bauchhöhle  durch  fibrinöse 
Verklebungen  der  Viscera  abdominalia  und  zwar  des  Zoekums  und 
S.  romanum  mit  dem  Uterus  und  dem  Parietalperitoneum  abge¬ 
schlossen. 

Leber  blass,  sehr  weich;  in  ihrer  Blase  helle  Galle. 

Milz  gewöhnlich  gross,  blass,  weich. 

Die  Nieren  blass,  stark  gelockert.  Schleimhaut  des  harn- 
leitenden  Apparates  blass.  Die  Va  gi  n  a  o.  B.,  desgleichen  der  etwas 
weichere  Uterus. 


294 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  6. 


Tuben  nud  0  v  a  r  i  e  n  o.  B. 

In  den  Vene  n  der  Parametrien  reichliche  Thromben  von  fahler 
Farbe.  Die  V.  sperm.  i.  sin.  bis  hinauf  zur  V.  renalis  sin.  durch 
fahle  Thrombenmasse  obturiert.  Die  V.  sperm.  i.  d  e  x  t  r  a  bis 
zur  V.  cava  inf.  hinauf  thrombosiert  und  in  beginnender  Obliteration. 

Die  V.  i  1  i  a  c  a  externa,  interna  et  communis  s  i  n  i  s  t  r  a  durch 
fahle  Thrombusmasse  obturiert,  desgleichen  die  V.  iliaca  interna 
dextra.  In  der  V.  il.  com  m.  dextra  entsprechend  der  Mündung 
der  V.  il.  int.  dextra  parietale  Thrombose.  Solche  auch  in  der  V.  cava 
inferior  an  der  Mündung  der  V.  il.  comm.  sin.  und  an  der  Mündung 
der  V.  spermatica  dextra. 

Die  V.  spermatica  i.  d.  et  sin.  ca.  2  cm  über  der  Linea  terminalis 
ligiert.  Desgleichen  am  Peritoneum  parietale  entsprechend  der 
Zusammenflussstelle;  der  V.  il.  int.  et  ext.  dextra  mehrere  Ligaturen 
(hier  war  eine  Ligatur  der  V.  il.  i.  d.  versucht  worden). 

Magen  und  Darm  o.  B„  ebenso  Pankreas  und  Nebennieren. 

Pathol. -  anat.  Diagnose: 

Thrombosis  venarum  pelvis  (post  abortum). 

Infarctus  haemorrhagicus  lobi  inf.  pulm.  sin.  partim  in  sup- 
puratione. 

Degeneratio  parenchymatosa.  Pyohaemia. 

Suppuratio  vulneris  post  ligaturain  v.  spermat.  int.  utriusque.“ 

Epikritisch  möchte  ich  noch  besonders  hervorheben  die  Tat¬ 
sache,  dass  von  der  zur  Zeit  der  Abortausräumung  nachgewiesenen 
Koli  zystitis  und  -pyelitis,  die  in  der  2.  Krankheitswoche 
mit  deutlicher  Pneumaturie1)  kombiniert  war,  dann  aber  in 
der  5.  Woche  spontan  abheilte,  bei  der  Autopsie  keinerlei  Symptome 
mehr  nachweisbar  waren;  der  primäre  Infektionsherd,  der  für  die 
puerperale  Infektion  als  „lokaler  Dispositionsfaktor“  offenbar  aus¬ 
schlaggebend  gewesen  war,  Hess  sich  autoptisch  nicht  mehr  fest¬ 
stellen. 

Zum  Verständnis  dieses  schweren  Krankheitsbildes, 
das  mit  so  aussergewöhnlich  geringen  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Veränderungen  einherging,  kann  daher  bloss  eine, 
speziell  das  Vasomotorenzentrum  lähmende  Giftwirkung  in 
Betracht  kommen.  Eine  solche  scheint  mir  für  den  vorliegen¬ 
den  Fall  am  natürlichsten  in  einem  direkt  in  die  Blutbahn  ein¬ 
geschwemmten  Bakteriengift  bzw.  in  dessen  Abbauprodukten 
gegeben. 

Es  hatte  sich  nämlich  im  Anschluss  an  die  Abortaus¬ 
räumung  eine  Thrombose  der  Beckenvenen  gebildet,  die  all¬ 
mählich  so  weiterwanderte,  dass  bei  dem  Operationsversuch 
am  39.  Krankheitstage  nur  noch  die  Vv.  spermaticae,  nicht 
mehr  die  Vv.  hypogastricae  unterbunden  werden  konnten  und 
bei  der  Autopsie  annähernd  das  ganze  Venengebiet  der  unteren 
Körperhälfte  bis  in  die  Vena  cava  inferior  mit  fahlen,  z.  T. 
eitrig-schmierigen,  bröckeligen  Thrombenmassen  obturiert 
war.  In  dem  weichen  Thrombenmaterial  sowie  im  Herzblut 
und  in  der  Milz  liess  sich  sowohl  im  direkten  Deckglas¬ 
präparat  wie  durch  ausgiebige  aerobe  und  an  aerobe 
Züchtung  nichts  we  ter  als  eine  Reinkultur  hämo¬ 
lytischer  Kolibakterien  nachweisen.  Dieselben 
Keime  hatte  ich  an  der  Lebenden2)  wiederholt  in  Rein¬ 
kultur  in  der  Scheide  sowie  im  Urin  aufgefunden,  es  war  mir 
hingegen  nie  gelungen,  trotz  wiederholter  Entnahme  reich¬ 
licher  Blutmengen  direkt  im  Schüttelfrost  und  trotz 
Verwendung  der  neueren  Anreicherungsverfahren 
für  Kolibakterien  die  Keime  im  Blute  selbst  nachzuweisen;  bei 
dem  protahierten  agonalen  Schüttelfrost  war  das  Blut  aller¬ 
dings  nicht  mehr  untersucht  worden. 

Es  ist  ja  bekannt,  dass  gerade  die  Kolibakterien  im 
strömenden  Blute  sehr  schnell  zu  Grunde  gehen,  aber  in 
unserem  Falle  muss  es  sich  doch  um  eine  abnorm  rasche  Ver¬ 
nichtung  der  Keime  im  Blute  gehandelt  haben.  Dafür  spricht 
einmal  die  Tatsache,  dass  trotz  der  ausgedehnten  Thrombosen, 
trotz  der  gehäuften  Aussaat  des  infizierten  Thrombenmaterials, 
gekennzeichnet  durch  die  Schüttelfröste,  ausser  dem  kleinen 
eitrigen  Lungeninfarkt  keinerlei  metastatische  Herde  im  Or¬ 
ganismus  nachweisbar  waren;  ferner  der  stets  negative  Aus¬ 
fall  der  bakterioskopischen  Blutuntersuchung  selbst  bei  der 
Blutentnahme  während  des  Schüttelfrostes,  wo  man  doch  an¬ 
nehmen  musste,  dass  die  Keime  eben  erst  in  den  Kreislauf 
hineingeschwemmt  worden  waren.  —  Und  gerade  in  dieser 

‘)  Lieber  die  Fähigkeit  des  B.  coli,  Pneumaturie  hervor¬ 
zurufen  cf.  Adrian  und  Hamm;  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Pneu¬ 
maturie.  Mitt.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir.,  Bd.  17,  1907,  p.  10. 

-)  Zur  Bestätigung  der  schönen  Untersuchungen  Schott- 
m  ii  Ilers  [6 1  hebe  ich  hervor,  dass  auch  bei  unserem  Falle  anfangs 
ein  ausgedehnter  Herpes  faciei  et  linguae  bestanden  hatte; 
ich  möchte  daher  den  Herpes  als  „prognostisch  günstiges  Zeichen“ 
(S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r,  p.  47)  nur  mit  grosser  Vorsicht  verwerten. 


aussergewöhnlich  rapiden  Zerstörung  der  Infektionserreger  ist 
vielleicht  die  Ursache  für  die  besonders  heftigen  Vergiftungs- 
erscheinungen  zu  suchen,  die  unseren  Fall  vor  anderen  Koli- 
pyämien  auszeichneten. 

Ich  möchte  nämlich  angesichts  des  ganzen  Krankheitsver¬ 
laufs  sowie  des  die  Todesursache  nur  ungenügend  erklärenden 
pathologisch-anatomischen  Befundes  den  Grund  für  das  Er¬ 
liegen  des  Organismus  in  einer  akuten  Giftwirkung 
d  e  r  in  grosser  Menge  aus  dem  infizierten  Thrombenmaterial 
in  den  Blutkreislauf  hineingeschwemmten  Kolibakterien 
erblicken. 

Die  exakte  experimentelle  Analyse  der  Giftwir¬ 
kung  ist  uns  heute  leider  noch  nicht  möglich;  wir  besitzen 
weder  eine  Methode,  das  im  menschlichen  Organismus  ge¬ 
bildete  Bakterienanaphylatoxin  nachzuweisen  und  i 
von  anderen  ähnlichen  Giftwirkungen  mit  Sicherheit  zu  unter¬ 
scheiden,  noch  vermögen  wir  über  die  spezifische  Wirkung 
der  Koliendotoxine  beim  Menschen  irgendwie  Ge¬ 
naueres  auszusagen.  Dass  eine  Endotoxinwirkung  in  unserem 
Falle  vorlag,  wäre  ja  bei  der  raschen,  offenbar  durch  Bakterio- 
lyse  hervorgerufenen  Vernichtung  der  Keime  von  vornherein 
durchaus  nicht  unwahrscheinlich;  bloss  entsprechen  die  vorhin 
erwähnten  Symptome  viel  weniger  den  im  Tierexpenment 
mit  Kolitoxinen  hervorgerufenen  Erscheinungen  —  es  liegen 
darüber  ältere  Untersuchungen  von  Gilbert,  Roger  [4 1 
und  Gautier  [5]  vor  —  als  den  für  die  Wirkung  des  Bak- 
terienanaphylatoxins  so  ausserordentlich  charakteristischen 
Merkmalen. 

Ausserdem  scheint  mir  für  die  Annahme,  dass  bei  dem 
rapiden  Keimuntergang  im  Blut  reichlich  körper¬ 
fremdes  Eiweiss  frei  wurde,  dessen  Abbaupro¬ 
dukte  die  schweren  Vergiftungserscheinungen  auslösten, 
besonders  auch  die  Tatsache  zu  sprechen,  dass  die  Patientin 
sich  von  ihren  dyspnoischen  Anfällen  so  ausserordentlich 
rasch  erholte:  sobald  das  körperfremde  Eiweiss  zerstört,  d.  h. 
in  ungiftige  Endprodukte  abgebaut  war,  fühlte  sich  die  Frau 
wieder  gesund. 

Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  ich  diesen  Erklä¬ 
rungsversuch  vorläufig  als  rein  hypothetischen 
ansehen  muss,  da  uns  für  die  Analysierung  der  Bakterien¬ 
giftwirkungen  am  Menschen  die  nötigen  objektiven  Unter¬ 
suchungsmethoden  noch  völlig  abgehen,  aber  immerhin  glaube 
ich,  den  mitgeteilten  Fall  als  markantes  Beispiel  dafür  an¬ 
führen  zu  können,  dass  die  Frage,  ob  es  Infektionskrankheiten 
gibt,  bei  denen  die  Allgemeinvergiftung  wesentlich  auf  ana¬ 
phylaktisches  Gift  zu  beziehen  ist,  nicht  nur  theoretisches 
Interesse  bietet,  sondern  auch  klinisch  weitgehende  Beachtung 
verdient. 

Literatur. 

1.  Dold:  Das  Bakterienanaphylatoxin,  Jena  1912  (mit  aus¬ 
führlichem  Literaturverzeichnis).  —  2.  Bessau:  Ueber  die  Diffe- 
|  renzierung  bakterieller  Gifte.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  IS. 
p.  802.  —  3.  Hamm;  Die  puerperale  Wundinfektion,  Berlin  191-’, 
p.  61.  —  4.  Gilbert,  Roger:  cf.  Baumgartens  Jahresber. 
1893,  p.  293.  —  5.  Gautier:  Les  toxines  mtcrobiennes  et  animales. 
Paris  1896,  p.  580.  —  6.  S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r:  Ueber  Febris  hepatica. 
Beitr.  z.  Klinik  d.  Infektionskrankh.  u.  z.  Immunitätsforschung,  Bd.  1. 
1912,  p.  44. 


Ueber  Erblichkeit  des  Atherom. 

Von  Hans  Schneider. 

Untersuchungen  der  letzten  Jahre  haben  bekanntlich  du 
Erblichkeit  einer  grossen  Zahl  krankhafter  Erscheinungen  und 
Anomalien  beim  Menschen  dargetan.  Eine  recht  häufige  patho 
logische  Erscheinung,  das  Atherom,  wurde  aber  bisher  nocl 
nicht  als  vererbbar  erkannt 1).  Es  wird  daher  von  Interess. 
sein,  wenn  ich  hier  den  Stammbaum  einer  Familie  mitteile 
in  der  das  Atherom  erblich  auftritt.  Da  ich  selbst  dem  vor; 
dem  jüngeren  Gliede  der  2.  Generation  sich  ableitenden,  be¬ 
sonders  interessierenden  Familienzweig  angehöre  und  dk 
Personen  desselben  von  der  3.  Generation  ab  sämtlich  kenne 
mich  ferner  für  die  1.  und  2.  Generation  auf  übereinstimmende 
Aussagen  von  Personen  der  3.  Generation  stützen  kann,  ver 


')  Nach  dankenswerter  mündlicher  Mitteilung  Herrn  Geheimrat' 
'  Ribbelt-  Bonn. 


11.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


295 


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Stammbaum  der  Elisabeth  von  der  Burg  aus  Mülheim-Ruhr.  (Atherom.) 


Fs 


nag  ich  für  die  Vollständigkeit  und  Richtigkeit  der  Aufstellung 
n  Bezug  auf  diesen  Familienzweig  voll  einzutreten. 

Den  anderen  Zweig,  der  sich  von  dem  älteren  Oliede  der 
!.  Generation  ableitet,  kenne  ich  nicht.  Nach  schriftlicher  Mit- 
eilung  des  Herrn  Dr.  med.  Thönes  -  Essen 2),  der  seiner 
l.  Generation  angehört,  sind  alle  Personen  desselben,  mit 
■  i  n  e  r  Ausnahme,  frei  von  Atherom.  Ich  habe  ihn  daher  nur 
üs  zur  3.  Generation  dargestellt.  Die  erwähnte  Ausnahme 
ictrifft  eine  Person  der  4.  Generation,  die  Trägerin  einer 
Uheromgeschwulst  ist.  Doch  liegt  hier  höchstwahrscheinlich 
Belastung  von  seiten  der  in  die  Familie  hineingeheirateten 
vlutter  dieser  Person  vor,  in  deren  Familie  nach  Angabe  des 
genannten  Gewährsmannes  ebenfalls  Atherom  auftritt. 

Zu  der  Wiedergabe  des  Stammbaumes  ist  folgendes  zu  be¬ 
merken :  Kreise  bedeuten  weibliche,  Quadrate  männliche  Individuen. 
Schwärzung  dieser  Symbole  zeigt  das  Vorhandensein  von  Atherom- 
.eschwulsten  an.  Die  in  die  Familie  hineingeheirateten  Personen 
ind  nicht  markiert,  da  sie  nachweislich  alle  aus  Familien  mit  in- 
teziig  auf  Atherom  reinem  Stammbaum  kamen.  Es  sind  überall 
amtliche  Nachkommen,  die  ein  Alter  von  mehr  als  12  Jahren  er¬ 
dicht  haben,  dargestellt.  Die  Unterklammerung  der  Zeichen  für  die 
.  und  10.  Person  der  4.  Familie  in  der  4.  Generation  besagt,  dass 
ier  Zwillinge  vorliegen.  Beide  sind  Träger  von  Atherom- 
eschwiilsten. 

Ein  Blick  auf  den  Stammbaum  lehrt  nun,  dass  das  pathologische 
Merkmal  sich  von  der  1.  bis  zur  4.  Generation  ohne  Unterbrechung 
berträgt.  Ein  Zufall  kann  dies  kaum  sein;  es  handelt  sich  also  um 
Erblichkeit.  Beim  Uebergang  zur  5.  Generation  —  die  meisten  Nach- 
ommen  der  4.  Generation  sind,  da  das  Atherom  ja  erst  spät  in 
uchtbarkeit  tritt,  leider  noch  zu  jung,  um  in  Betracht  gezogen  werden 
u  können  —  scheint  aber  eine  Ausnahme  vorzuliegen.  Das  älteste 
ndividuum  der  4.  Familie  vierter  Generation  ist  nicht  selbst  Träger 
es  Merkmals,  überträgt  es  aber  auf  einen  seiner  Nachkommen. 
Sein  Zeichen  ist  daher  gestrichelt.)  Das  kann  aber  nicht  gegen  die 
amilienerblichkeit  des  Atheroms  ins  Feld  geführt  werden,  da  das 
leiche  auch  bei  slrcng  mendelnden,  dominanten  Charakteren  aus- 
ahmsweise  vorkommt.  Ausserdem  spricht  gegen  die  Spontaneität 
es  Auftretens  von  Atherom  bei  dem  fraglichen  Individuum  der 
.  Generation  deutlich  der  Umstand,  dass  es  gerade  der  Familie 
ierter  Generation  entstammt,  in  der  sich  die  erbliche  Belastung  am 
uffälligsten  kundtut. 

Der  mitgeteilte  Stammbaum  zeigt  also  (zum  ersten  Male), 
lass  das  Atherom  unter  Umständen  ausgesprochen  erblich  auf¬ 
ritt.  Eine  andere  Frage,  zu  deren  Inangriffnahme  diese  kurze 
Mitteilung  die  Anregung  geben  mag,  ist  es,  ob  das  Atherom 
mmer  erblich  ist  oder  ob  es,  wenn  auch  nicht  immer  (wie 
nan  bisher  annahm),  so  doch  oft  auch  spontan  auftritt.  Sicher- 
ich  hat  man  bis  jetzt  zu  wenig  auf  die  Verteilung  des  patho¬ 
logischen  Charakters  innerhalb  der  mit  Atherom  belasteten 
Gmilien  geachtet. 

Ueber  den  Modus  der  Vererbung  des  pathologischen 
Merkmals  gibt  der  Stammbaum  keine  sichere  Auskunft,  wie 
s  nicht  anders  zu  erwarten  ist.  Die  Vermutung  ist  allerdings 
icht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  das  Merkmal  mendelt. 

Hierfür  spricht  besonders  die  Art  des  Auftretens  von 
vtherom  in  der  vielköpfigen  4.  Familie  der  4.  Generation,  deren 
bieder  zur  Hälfte  Träger  von  Atheromgeschwülsten  sind, 
rührend  die  andere  Hälfte  der  Familie  davon  frei  ist.  Das 
timmt  gut  zu  den  Erwartungen,  die  man  nach  den  sonstigen 
rfahrungen  an  erblichen  Anomalien  beim  Menschen  für  ein 
lendelndes  Merkmal  hegen  darf.  Dass  in  der  2.  Generation 
ieselbe  Verteilung  herrscht,  kann  schon  eher  dem  Zufall  zu- 
eschrieben  werden.  (Im  Durchschnitt  sind  37  K  Proz.  der 
lachkommen  Träger  des  pathologischen  Merkmals.)  Da  der 


"’)  Dem  ich  für  die  freundliche  Hilfe  meinen  Dank  ausspreche. 


pathologische  Charakter  abgesehen  von  dem  besprochenen 
Vorkommnis  in  der  5.  Generation,  nur  durch  Personen  ver¬ 
erbt  wird,  die  ihn  auch  äusserlich  zur  Schau  tragen,  so  sind 
wir  berechtigt,  ihn  (falls  er  tatsächlich  mendelt)  für  domi¬ 
nierend  zu  halten. 

Die  Beantwortung  der  Frage,  welche  von  den  zur  Her- 
vorrufung  des  Atheroms  erforderlichen  Bedingungen  es  eigent¬ 
lich  sind,  die  vererbt  werden,  wird  wohl  dem  Pathologen 
überlassen  werden  müssen. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik  für  Hals-  und  Nasenkranke 

zu  Königsberg  i.  Pr.  (Direktor:  Prof.  Dr.  Gerber). 

Die  elektrolytische  Behandlung  der  Trigeminusneuralgien. 

Von  Dr.  Aurelius  R  e  t  h  i,  Assistent. 

Bei  der  grossen  Zahl  von  Möglichkeiten,  die  als  Ursachen 
von  Trigeminusneuralgien  in  Frage  kommen,  muss  die  Fest¬ 
stellung  des  ätiologischen  Moments  —  hier  noch  mehr  wie 
sonst  —  jedem  therapeutischen  Versuche  vorangehen.  Die 
symptomatische  Therapie  ist  nur  berechtigt,  wenn  für  eine 
kausale  Behandlung  keine  Basis  gewonnen  werden  oder  keine 
Erfolge  mit  ihr  erzielt  we'rden  konnten.  Obwohl  wir  in 
unserer  Klinik  Trigeminusneuralgien  meist  bei  Patienten  mit¬ 
vermuteten  oder  auch  wirklich  vorhandenen  Nebenhöhlen¬ 
affektionen  sehen,  will  ich  doch  hier  noch  auf  zwei  Ur¬ 
sachen  hinweisen,  welche  oft  ausser  Acht  gelassen  werden: 
Malaria  und  Syphilis.  Natürlich  müssen  wir  auch  der  übrigen 
möglichen  Ursachen  gedenken:  Stuhlverstopfung,  Zahnkrank¬ 
heiten,  Oberkieferknochenerkrankungen,  Nasennebenhöhlen¬ 
empyemen,  Anämie,  Chlorose,  Arteriosklerose,  Influenza, 
Typhus,  Gelenkrheumatismus,  Gicht,  Diabetes,  wie  auch  In¬ 
toxikation  mit  Blei,  Quecksilber,  Nikotin,  Alkohol  und  die 
direkten  Schädigungen  des  Trigeminus.  Ich  habe  die  ersteren 
zwei  akzentuiert,  weil  ich  selbst  erlebte,  dass  solche  Patienten, 
welche  symptomatisch  behandelt  und  nicht  geheilt  wurden, 
nach  regelrechter  spezifischer  Kur  rapide  Besserung  zeigten. 
Leider  wird  auch  bei  richtiger  Erkenntnis  des  ursächlichen 
Zusammenhanges  eine  kausale  Therapie  nicht  immer  mit  Er¬ 
folg  gekrönt.  Dann  tritt  unser  eigentliches  antineuralgisches 
Vorgehen  in  seine  Rechte.  Abgesehen  von  der  medikamen¬ 
tösen  Therapie  stehen  uns  —  wie  bekannt  —  die  Galvanisation, 
die  Nervendehnung,  Nervendurchtrennung,  die  Neurexairesis 
(Nervenausreissen)  und  die  Ausrottung  des  Ganglion  Gasseri 
zur  Verfügung. 

Die  Galvanisation  bringt  hie  und  da  ausreichende  Resul¬ 
tate;  die  Nervendehnung  und  die  einfache  Durchschneidung 
des  Nerven  können  wir  mit  Recht  als  obsolet  betrachten. 
Karotiskompression  oder  sogar  Unterbindung  der  Carotis 
communis  wird  heutzutage  gewiss  niemand  mehr  einer  Neu¬ 
ralgie  wegen  ausüben.  Bessere  Resultate  gibt  das  Ausreissen 
des  Nerven,  da  hier  das  Zusammenwachsen  viel  weniger,  oder 
nur  nach  längerer  Zeit  auftritt,  wie  nach  der  einfachen  Durch- 
trennung.  Die  Ausrottung  des  Ganglion  Gasseri  ist  immer 
erfolgreich,  ausgenommen,  wenn  die  Neuralgie  von  zerebralem 
Ursprung  ist.  I)  o  1 1  i  n  g  e  r,  der  sich  eingehend  mit  der  Frage 
beschäftigte,  sieht  die  Kehrseite  der  Operation  darin,  dass  sie 
infolge  der  schwierigen  anatomischen  Verhältnisse  einer  der 
grössten  Eingriffe  sei;  der  Sinus  cavernosus  wird  meistens 
eröffnet,  wodurch  mächtige  Blutung  entsteht.  D  o  1 1  i  n  g  e  r 
modifizierte  deshalb  die  Operation.  Er  rottete  das  Ganglion 
Gasseri  nicht  aus,  sondern  zog  die  Trigeminuswurzeln  unter 


296 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


dem  Tentorium  hervor,  wodurch  er  eine  grössere  Blutung 
vermeiden  konnte.  Eine  neuere  Methode  ist  die  perineurale 
Injektion  von  gewissen  chemischen  Substanzen.  So  wurde 
1  proz.  Perosmiumsäure,  80  proz.  Alkohol  injiziert.  Nach 
Schloessers  Vorgang  nahm  hauptsächlich  letzteres  eine 
grosse  Verbreitung. 

In  unserem  grossen  Krankenmaterial  fanden  sich  —  aus 
den  eingangs  angegebenen  Gründen  —  nicht  selten  Patienten 
mit  Trigeminusneuralgien.  Unsere  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen  —  ausser  der  kausalen  Therapie  —  bestanden  neuer¬ 
dings  meistens  in  den  perineuralen  Alkoholinjektionen,  welche 
sehr  oft  erfolgreich  waren,  hie  und  da  aber  auch  uns  im 
Stiche  Hessen. 

Bei  einer  32  jährigen  Patientin  M.  Q.  aus  Königsberg,  die  wegen 
Verdacht  einer  Kieferhöhleneiterung  zu  uns  kam,  beträchtlich  ab¬ 
gemagert  und  schwächlich  aussah,  an  Vitium  und  rezidivierendem 
Gelenkrheumatismus  litt,  wurde  infolge  einer  rechtsseitigen,  äusserst 
hartnäckigen  Infraorbitalneuralgie  auch  die  Alkoholinjektion  gemacht. 
Die  Injektion  selbst  war  der  Patientin  sehr  schmerzhaft,  die  Gesichts¬ 
hälfte  schwoll  an,  die  neuralgischen  Schmerzen  Hessen  aber  kaum 
nach.  Nach  einigen  Tagen  traten  sie  wieder  vehement  auf.  Die 
Patientin  weigerte  sich,  eine  neue  Injektion  durchzumachen,  eine 
Operation  war  in  ihrem  Zustande  nicht  indiziert.  Deshalb  entschloss 
ich  mich,  zu  versuchen,  nach  genügender  Anästhesie  des  Nerven  die 
Neuralgie  mittels  elektrolytischer  Behandlung  zu  beseitigen.  Die 
Benützung  der  Elektrolyse  wird  hier  nur  dadurch  behindert,  dass 
die  gewöhnliche  elektrolytische  Nadel  eine  ebenso  grosse  Wunde 
oben  in  der  Haut  verursacht  wie  in  der  Tiefe,  wodurch  die  Infektion 

ein  offenes  Tor  findet,  oft 
Eiterung  auftritt,  und  später 
Vernarbung,  so  dass  der 
Eingriff  in  seinen  Folgen 
nicht  selten  komplizierter 
ist,  wie  eine  Operation.  Das 
müssen  wir  aber  vermeiden. 
Zu  diesem  Zwecke  Hess  ich 
durch  die  Firma  Reiniger, 
Gebbert  &  Schall  eine  ge¬ 
eignete  Nadel  fabrizieren, 
welche  ohne  äussere 
Wunde,  also  bei  Intakt¬ 
bleiben  der  Haut,  erst  in  der  Tiefe  ihre  Wirkung  ausübt.  Die 
Nadel  ist  gerade  und  nähnadeldick.  Das  %  bis  1  cm  lange  Ende  ist 
frei,  der  übrige  Teil  ist  mit  einer  dünnen  Schicht  Isoliermaterial 
umzogen,  welche  an  dieser  Partie  die  elektrische  Ausgleichung  be¬ 
hindert  (Fig.). 

Wie  ich  erfuhr,  benutzt  Kromayer  ähnliche  Nadeln  zur 
kosmetischen  Dauerepilation,  aber  seine  Nadeln  sind  natür¬ 
lich  diesem  Zwecke  entsprechend  äusserst  fein  und  das  freie 
Ende  ist  nur  %  bis  1  mm  lang. 

Allerdings  fand  ich  den  Kromayer  sehen  Schalter  sehr 
praktisch,  welcher  mittels  einer  gekrümmten  Nadel  am  Kleide 
des  Patienten  leicht  zu  befestigen  ist  und  auf  diese  Weise  be¬ 
queme  Arbeit  sichert.  Diesen  habe  ich  mit  meiner  Nadel 
verknüpft. 

Mein  Verfahren  ist  folgendes:  Eine  halbe  Stunde  vor  der 
Elektrolyse  gebe  ich  subkutan  1  emg  Morphium.  Gewiss  ist  es 
nicht  nachteilig,  das  Morphium  mit  Skopolamin  zu  kombinieren. 
Eine  Viertelstunde  später,  also  15  Minuten  vor  dem  elektrolytischen 
Verfahren,  desinfiziere  ich  die  entsprechende  Hautpartie  (Aether  und 
Jodtinktur),  ziehe  in  die  Pravazspritze  1  ccm  Eusemin  auf  und  stecke 
an  der  dem  Nervenkanal  entsprechenden  Stelle  ein  und  zwar  in  die 
Richtung  des  Kanalverlaufs.  Die  Nadel  führe  ich  in  den  Kanal  ein, 
spritze  dort  Vs  ccm  der  Lösung  ein;  die  andere  Hälfte  lasse  ich, 
während  die  Nadel  zurückgezogen  wird,  in  das  subkutane  Gewebe 
aus.  Den  Kanal  zu  treffen,  ist  sehr  leicht.  Der  supraorbitale  Kanal, 
resp.  die  Rinne,  wird  durch  die  Vertiefung  des  Orbitalrandes  an¬ 
gedeutet.  Das  Forainen  infraorbitale  und  mentale  ist  gleichfalls 
leicht  aufzufinden,  höchstens  müssen  wir  das  Nadelende  in  der  Tiefe 
etwas  weiter  schieben,  wenn  der  Kanal  nicht  gleich  aufgefunden 
wird.  Jetzt  warte  ich  15  Minuten  und  dann  führe  ich  die  Nadel, 
welche  der  Kathode  entspricht,  in  den  Kanal;  die  breite,  ange¬ 
feuchtete,  indifferente  Elektrode  gebe  ich  auf  die  entsprechende  Ge¬ 
sichtshälfte.  Jetzt  lasse  ich  den  Strom  durch,  und  zwar  bei  0  an¬ 
gefangen  sehr  langsam  bis  20 — 25 — 30  Milliampere  steigend.  Die 
Dauer  der  Sitzung  beträgt  15 — 16  Minuten.  Nach  dieser  Zeit  können 
wir  den  Strom  vermindern  und  schliessen  ihn  nach  langsamem 
„Hcrausschleichen“. 

Die  Anwendung  ist  zwar  etwas  langwierig,  da  aber  die 
Nadel  fix  steht  und  ihre  Schnur  am  Kleide  des  Patienten  be¬ 
festigt  ist,  da  die  breite  Elektrode  von  einem  Gehilfen  gehalten 
werden  kann,  so  ist  das  Verfahren  dem  Arzt  nicht  unbequem. 

Wenn  die  Patienten  auch  das  Verfahren  nicht  als  an¬ 
genehm  bezeichnen  können,  so  haben  sie  doch  keine  grösseren 


Schmerzen.  Ich  dachte,  dass  der  Nerv,  trotz  der  guten 
Anästhesie  die  Stromschleifung  befördern  wird;  ich  sah  aber 
kein  Zeichen  dafür;  sogar  Kopfschmerzen  traten  nicht  auf. 
Bei  der  eben  erwähnten  Patientin  ist  die  äussere  Haut  ganz 
unverletzt  geblieben.  Am  folgenden  Tage  war  eine  kaum 
wahrnehmbare  Schwellung  aufgetreten,  welche  bald  ver¬ 
schwand.  Die  Versorgungsregion  des  Nervenzweiges  ist  ganz 
unempfindlich  geworden.  Die  Schmerzen  sind  verschwunden. 

Das  Verfahren  habe  ich  übrigens  jetzt  bei  drei  Patienten  an¬ 
gewendet:  , 

Fall  II.  H.  M„  26jährige  Näherin  (Königsberg),  litt  seit 
5  Jahren  an  intensiver  Neuralgie  des  rechten  Nervus  supraorbitalis. 
Eine  Stirnhöhlenerkrankung  lag  nicht  vor.  Sie  wurde  dauernd  ohne 
Erfolg  behandelt.  Elektrolyse.  Unverletzte  Haut.  Das  Verfahren 
verursachte  keine  grösseren  Schmerzen.  P/2  Monate  später  meldete 
sie,  dass  sie  keine  Schmerzen  hat  und  ihr  Zustand  bessert  sich  von 
Tag  zu  Tag  mehr.  6  Monate  später  Anästhesie  der  rechten  Stirn- 

haI  Fall  III.  A.  T„  34  Jahre  alt,  Wirtin  (Neuendorf).  Patientin 
leidet  seit  8  Jahren  an  rechtsseitiger  Supraorbitalneuralgie,  welche 
so  quälend  ist.  dass  sie  in  ihrer  Arbeit  behindert  wird.  Keine  Neben¬ 
höhlenaffektion,  Nach  der  elektrolytischen  Behandlung  wurde  sie 
entlassen.  Zwei  Monate  später  schreibt  sie:  „Ich  habe  nach  der  Be¬ 
handlung  keine  Schmerzen  mehr  gehabt;  die  Fühlung  auf  der  be¬ 
treffenden  Stelle  ist  weggeblieben,  was  mir  aber  jetzt  nicht  mehr 
so  unangenehm  ist.“ 

Zusammengefasst  sehen  wir,  dass  wir  mit  dem 
beschriebenen  elektrolytischen  Verfahren  bei  der  Trigeminus¬ 
neuralgie  gute  Resultate  erzielen  können.  Kosmetisch  ist  es 
tadellos.  Die  Wirkung  ist  sicherer  wie  bei  der  Alkoholinjek¬ 
tion,  weil  der  Nerv  in  einer  Sitzung  in  der  Länge  von  1  bis 
1 %  cm  ganz  dissolviert  wird.  Ob  wir  mit  dem  Verfahren, 
ähnlich  wie  mit  der  Alkoholinjektion  —  und  dauernder  —  die 
Dysphagia  tuberculosa  beseitigen  können,  werden  die  weiteren 
Versuche  und  Beobachtungen  zeigen. 

Zum  Schluss  erlaube  ich  mir  noch  meinem  Chef,  Herrn 
Prof.  Gerber,  für  Ueberlassung  des  Materials  und  für  sein 
Interesse  an  der  Arbeit  meinen  besten  Dank  abzustatten. 


Ueber  Indikationen  und  Wirkungen  des  Homburger 

Tonschlammes. 

Von  San.-Rat  Dr.  v.  N  0  0  r  d  e  n  in  Bad  Homburg  v.  d.  Höhe. 

Den  Homburger  Tonschlamm,  im  Gegensatz  zum  Moore 
ein  Sediment  von  Gewässern,  benutzte  ich  seit  dem  Jahre  1906. 
Zaghaft  gingen  wir  wohl  alle  an  den  neuen,  hier  gegrabenen 
Heilfaktor.  Die  Frage  war,  ob  sich  die  Tonerde  befriedigend 
bearbeiten  lassen  würde,  ob  die  äusseren  Verhältnisse  die  Ton- 
schlammbehandlung  erlauben  würden  und  ob  das  Vertrauen 
des  Publikums  zu  erreichen  war,  nachdem  Vorversuche  die 
Aerzte  mit  solchem  erfüllt  hatten. 

Ein  hiesiger  Kollege,  Herr  Geh.  Rat  Weber,  hat  sich 
ganz  besonders  Verdienste  erworben,  alle  äusseren  Schwierig¬ 
keiten  zu  überwinden,  so  dass  der  neue  Heilfaktor  Homburgs 
alsbald  zur  therapeutischen  Verfügung  gestellt  werden  konnte. 
Das  etwas  an  Naturheilkunde  erinnernde  Material  erfreute 
sich  bald  solcher  Nachfrage,  dass  die  Anstalt  kaum  Genüge 
leisten  konnte  und  zwar  geschah  die  Verabreichung  nicht  nur 
auf  Verordnung  der  Aerzte,  auch  solcher  weithinaus  über 
Deutschlands  und  Europas  Grenzen,  sondern  auch  auf  dringen¬ 
des  Verlangen  der  Patienten;  dies  ist  gewiss  ein  durch¬ 
schlagender  Erfolg. 

Um  es  vorwegzunehmen,  denke  ich  mir  als  das  wirksame 
Prinzip  des  Tonschlammes  die  alte  Kombination  von  Feuchtig¬ 
keit,  Wärme,  Konsistenz,  Druck,  alles  Faktoren  die  seit 
ältesten  Zeiten  für  menschliche  Organe  und  Gewebe  als  heil¬ 
sam  befunden  wurden.  Ob  nebenher  die  aufgespeicherte 
starke  Radioaktivität  —  wenn  auch  wahrscheinlich  —  eine 
Rolle  spielt,  ist  ein  neueres  Problem.  Möglicherweise  bietet 
die  gerade  vorliegende  chemische  Komposition,  die  Verteilung 
gasiger,  mineralischer  nnd  flüchtiger  Bestandteile  andere 
günstige  Chancen.  Vom  Fango  wollte  man  eine  Zeitlang 
wirksame  elektrische  Ströme  zur  Haut  und  umgekehrt  gehen 
lassen  und  vom  Tonschlamm  orakelt  man  ebenso  über  un- 
erwiesene  Kräfte,  z.  B.  wird  von  gewichtiger  Seite  Wert 
darauf  gelegt,  dass  der  Schlamm  dem  Quellgebiet  entnommen 
werden  kann. 


I.  Februar  1913. 


Eine  nicht  unwesentliche  Unterstützung  bei  der  Applikation 
»ildet  die  Möglichkeit,  ihn  dem  Körper  gewissermassen  anzu- 
lodellieren,  wobei  die  Eigenwärme  des  schlechten  Wärme¬ 
eiters  direkt  auf  die  beschickte  Gegend  iiberzutreten  vermag. 

Die  Applikation  geschieht  nach  dem  Prinzipe  der  luft¬ 
erschlossenen,  hydrotherapeutischen  Kompressen. 

Nach  Analyse  des  Herrn  Dr.  Rüdiger  sind  folgende 
Wahlen  für  den  Tonschlamm  zu  vermerken: 


Kieselsäure 

SiOa 

37,400 

Proz. 

Tonerde 

Ab  O3 

13,776 

Eisenoxyd 

E  e2  Os 

3,612 

Kalk 

CaO 

0,566 

Magnesia 

MgO 

0,904 

Kali 

K2O 

0,526 

Natron 

NaaO 

2,820 

Schwefelsäure 

H2SO4 

0,290 

Chlorwasserstoffsäure  HCl 

0,310 

Organ,  u.  flücht.  Bestandteile 

4,520 

Wasser 

35.276 

* 

100, 0U0  Proz. 

Stark  radioaktiv. 


Ich  möchte  nicht  kasuistischen,  sondern  einen  allgemeinen 
Sericht  an  dieser  Stelle  ablegen  über  den  Eindruck,  den  ich 
ei  300  mit  unserem  Schlamm  behandelten  Patienten  gewann 
nd  bei  denen  ich  der  Einwirkung  nachgehen  konnte.  Dabei 
rgibt  sich,  wie  der  eine  oder  andere  physikalische  Faktor 
lehr  zur  Geltung  gekommen  sein  mag. 

Das  Material  ordnet  sich  am  besten  nach  den  Organen: 
laut,  Muskulatur,  Skelett,  Nerven,  Frauen¬ 
eiden,  innere  Organe. 

Die  Zubereitung  des  Schlammes  —  trockene  Hitze  und 
•ainpfverfahren  —  gibt  eine  gewisse  Garantie,  dass  pathogene 
eime  ertötet  sind.  So  braucht  man  kleine  Wunden  der  Haut 
icht  zu  umgehen  bzw.  ängstlich  abzudecken.  Offene  Tophi, 
Vundflächen  nach  Herpes  zoster,  ekzematös  veränderte  Haut- 
ächen,  Naht-  und  Stichkanalwunden  können  unbesorgt  auf 
’eaktionsgefahr  mit  Schlamm  überzogen  werden.  Dieser 
ms  tan  d  macht  es  möglich,  Gebrauch  von  diesen  Kataplasmen 
ei  infiltriertem,  auch  ulzerösem  Gewebe  nach  varikösen  Pro- 
essen  am  Unterschenkel  zu  machen.  Die  Einwirkung  ist 
ichtlich.  Es  kommt  zu  flotterer  Zirkulation,  Abschwellung 
rfolgt,  Oedeme  schwinden,  Epithelisierung  tritt  ein. 

Man  sieht  hier  nicht  allzuselten  interphalangeale,  chro- 
ische  Ekzeme  bei  inveterierter  Gicht,  deren  Hauptcharakter 
1  kutaner  Verdickung  mit  starker  tiefer  Rhagadenbildung  und 
luftung  der  Epidermis  besteht.  Die  Träger  solch  übler  Ver- 
ältnisse  an  den  Zehen,  besonders  der  Grundphalangen  sind 
eriodisch  vollkommen  lahmgelegt.  Ich  sah  diese  Gicht- 
usbruche  übrigens  nur  bei  Engländern  und  dann  wird  Here- 
ität  betont,  und  verfüge  über  3  krasse  Fälle,  in  denen  schnell 
»eioliation  der  Epidermis  eintrat,  tiefe  Risse  verflachten  und 
eilung  folgte.  An  dieser  Stelle  wirken  feuchte  Umschläge 
ngünstig. 

Mehrere  Fälle  mit  schmerzhaften  Nachempfindungen  nach 
erpes  zoster-Eruptionen  wurden  von  Hyperalgesie  befreit 
id  die  tardierte  Heilung  der  Bläschen  zum  Schlüsse  geführt. 

Schon  diese  wenigen  Gruppen  verschiedener  Krankheits- 
i  der  beweisen,  dass  Nüancierungen  in  der  Applikationsweise 
i  verlangen  sind,  wohin  Lagerung,  Belastung,  Wärmegrade, 
eddauer  gehören. 

Eine  Gelegenheitsbeobachtung  betreffend  das  Hautgebiet 
1  Sie  betrifft  den  Rückgang  von  Psoriasis  vul- 

iris  diffusa  im  Gebiete  der  Glutäalregion,  als  sich  ein  Ischias- 
ranker  lange  Zeit  den  Prozeduren  unterzog.  Dies  gab  Ver¬ 
fassung,  die  Applikationen  bei  Pruritus  scroti  und  benach- 
mer  Gegend  bei  einem  Diabetiker  zu  empfehlen.  Die  Be- 
rntung  peinlichster  Reinlichkeit  liess  Pilzwucherungen  als 
etiologie  ablehnen  und  die  nervöse  Form  annehmen.  —  Eine 
ame  mit  lästigem  Pruritus  vulvae  macht  temporär  mit  Erfolg 
ebrauch. 

In  einem  Falle  von  Elephantiasis  Arabum,  2  Fällen  von 
yxodem  blieb  jede  Einwirkung  aus. 

Wenn  in  obigen  Gruppen  Besserung  und  Heilung  erzielt 
urae  suche  ich  die  schwierige  Erklärung  teils  in  tonisieren- 
n  Wirkungen,  teils  in  Hebung  des  Stoffwechsels  der  Kutis, 

0  >ei  dahingestellt  bleibt,  ob  Hyperämie  und  Hebung  der 

Ne.  6. 


29? 


Emphatischen  Zirkulation  allein  wertvolle  Glieder  bilden,  oder 
ob  nicht  gerade  eine  Anregung  der  trophischen  Nerven  zu 
grösserei  Vitalität  die  Hauptrolle  spielt.  Dass  überhaupt  eine 
Einwirkung,  ein  Reiz  auf  das  Nervensystem  erfolgt,  sei  es 
durch  die  physikalische  Eigenart  des  Stoffes  oder  durch  die 
Form  dei  Applikation,  beweist  die  bei  Uebertreibung  nicht 
selten  auftretende  Erregung,  welche  bis  zur  Insomnie  gehen 
kann,  vornehmlich  wenn  die  oberen  Thoraxge^enden  und  der 
Nacken  behandelt  wurden  (Okzipitalneuralgien). 

Das  gibt  Ursache  sich  zu  überlegen,  ob  es  zweckmässig 
ist,  die  Tour  zweimal  am  I  age  vollziehen  zu  lassen.  Die 
individualisierende  Behandlung  gebietet  sich  von  selbst,  wenn 
andeis  nicht  der  Heilfaktor  znm  Lehm  eines  Heilkünstlers 
degradiert  werden  soll. 

Muskelschmerzen  akuter  Form  (Lumbago,  Torticollis 
rheumatica)  und  alteingesessene  Muskelrheumatismen  bieten 
das  Eldorado  für  den  Schlamm.  Ich  notiere  begeisterte  An¬ 
hängerinnen  in  der  Damenwelt,  die  durch  dünne  Blusen  und 
Dekolletierung  kaum  frei  von  Schulterschmerzen  werden. 
Desgleichen  betrachte  ich  die  tonischen  Kontraktionen  der 
Wadenmuskel  (Wadenkrämpfe),  welche  Trägern  von  Varizen, 
Diabetikern,  Arteriosklerotikern  die  Nächte  rauben,  als  Ge¬ 
eignet  zu  Behandlung. 

Teils  dem  Skelett,  teils  dem  Bewegungsapparat  zuge¬ 
hörig,  sind  die  Ueberlastungsschmerzen  bei  Plattfüsslern. 
Wohltätige  Einwirkung  wird  um  so  mehr  versichert,  als  lästige 
Hyperhidrose,  oft  wenigstens,  temporär  gemildert  wird. 
Irgendwelche  beruhigende  Einflüsse  auf  die  schweissondern¬ 
den  Nerven  oder  Drüsen  müssen  wohl  vorliegen. 

Die  Mehrzahl  der  behandelten  Fälle  gehörten  den  Misch¬ 
formen  von  Nerven  und  Muskelsystem  an.  Als  Paradigma  gilt 
Ischias.  Aber  man  erlebt  auch  Enttäuschungen,  ebenso  wie 
bei  jeder  anderen  Ischiastherapie;  das  Leiden  wurde  vielleicht 
höchstens  intermittierender.  Derartigen  Fällen  stehen  andere 
gegenüber,  die  in  kurzer  Zeit  dauerhaft  frei  wurden,  nament¬ 
lich  jüngere  Formen. 

Es  war  mir  nicht  möglich  die  Ischiatiker  in  feste  Gruppen 
einzuteilen.  Man  fügt  der  Diagnose  Ischias  das  Epitheton- 
gichtisch,  rheumatisch,  neuralgisch,  traumatisch  etc.,  je  nach 
der  Anamnese  hinzu.  Da  will  mir  nun  scheinen,  als  versage 
der  Tonschlamm  bei  den  gleichzeitig  mit  inveterierter  Gicht 
behafteten  Patienten,  während  man  bei  den  anderen  Formen 
reüssiert.  In  einem  Bade  mit  variablen  Heilfaktoren  werden 
solche  Fälle  nicht  einzig  in  einer  Linie  behandelt,  so  dass  der 
Einwurf,  den  Erfolg  kombinierter  Behandlung  zuzuschreiben, 
berechtigt  ist.  Leitet  man  aber  Mitteilungen  anderer  Fango¬ 
plätze  iibei,  so  gewinnt  die  Annahme,  dass  der  Tonschlamm 
wirksam  ist,  an  Sicherheit.  Besonders  trugen  fettlose 
Ischiatiker  mehr  Nutzen  davon,  was  auch  ein  Grund  sein  mag, 
dass  im  Ernährungszustand  reduzierte  Diabetiker  mit  wan¬ 
dernden  Neuralgien  leicht  Anhänger  der  Packungen  wurden. 
Praktisch  wichtig  ist  es,  die  Temperatur  (bis  50  0  C)  der  indi¬ 
viduellen  Reizbarkeit  der  Haut  anzupassen,  ein  Wink  von  Be¬ 
deutung  auch  für  alle  Prädilektionsstellen  für  Neuralgien,  die 
bei  Frauen  durch  die  Toilette  zur  Geltung  gebracht  werden, 
wie  Schultern  und  Oberarme  (cave  Combustiones).  Aber 
gerade  bei  Brachial-,  Infra-  und  Supraskapularneuralgien 
leisten  forcierte  Applikationen  viel. 

Auf  dem  Gebiete  der  Neuralgien  unter  Berücksichtigung 
der  Hypalgesien  und  Hypästhesien,  sowie  der  diesen  gegen¬ 
überstehenden  Empfindungen,  wird  dem  Praktiker  hier  am 
Orte  die  Tonschlammverordnung  unentbehrlich  werden. 

Eine  wesentliche  Verschlimmerung  verzeichnete  ich  in 
einem  Falle  von  Neuritis  acuta.  Die  Schmerzhaftigkeit  im 
beschickten  Arme  steigerte  sich  enorm.  Ganz  ohne  Einfluss 
blieb  die  Einwirkung  bei  Erythromelalgie,  doch  wiederum 
vorteilhaft  erwies  sich  die  Prozedur,  wenigstens  vorüber¬ 
gehend,  bei  jenen  lokal  anämischen  Zuständen,  die  als  doigts 
morts  bezeichnet  werden.  Versuche,  die  irradiierenden 
Schmerzen  im  Arm  und  an  den  Fingerspitzen  im  Angina 
pectoris-Anfall  erträglicher  zu  machen,  scheiterten. 

Gichtknoten  (H  e  b  e  r  d  e  n  sehe  Knoten),  bleibende  Ab¬ 
lagerungen  kristallinisch  gewordener  Harnsäure  und  ihrer 
Salze  in  abgestorbenen  Geweben  sind  nicht  zu  verändern; 
aber  ich  kenne  kein  triumphierenderes  Agens  beim  akuten 

3 


MUHNCHENER  MEi  HZlNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


2<)  s 


Podagraanfall  und  nachher,  sobald  überhaupt  die  Entzündung 
eine  Hantierung  erlaubt.  Kalte  Umschläge  irgendwelcher  Art 
wende  ich  nicht  mehr  an  beim  gichtbefallenen  Metatarso- 
phalangealgelenk. 

Manche  Indikation  im  präoperativen  Zustand  liess  sich 
finden,  um  mit  dem  Schlamm  vorbeugend  zu  arbeiten.  Auch 
bei  orthopädisch-mechanischer  Nachbehandlung  gewann  er 
Bedeutung,  denn  die  resorbierende  Kraft,  das  Gefügigmachen 
infiltrierter  Gewebe,  die  Beschleunigung  der  Massagemöglich¬ 
keit  ist  ihm  eigen.  Sehnen,  Muskel  und  periartikuläre  Gewebe 
sind  gleicherweise  angreifbar,  wohin  Tendovaginitis,  Dis¬ 
torsionen,  Hämatome  und  Gelenkversteifungen  nach  T  rauma 
gehörten. 

Ein  grosses  Kontingent  bildeten  die  Gelenke  nach  akutem 
Gelenkrheumatismus.  Alan  wird  auch  hier  stets  mit  Solbädern 
kombinieren,  und  wie  für  diese  die  empirisch  festgelegte  Wir¬ 
kung  schwer  erklärbar  ist,  so  desgleichen  für  den  Schlamm. 

Was  ich  vorher  mit  Lagerung  bezeichnete,  kommt  bei  der 
Gelenkbeschickung  besonders  in  Frage.  Anpassung  an  die 
physiologische  Gliedhaltung  ist  während  der  Behandlung  nötig, 
denn  eine  schlecht  gelagerte  schmerzhafte  Schulter,  ein  un¬ 
geschickt  flektiertes  Ellenbogengelenk,  ein  herabgedrücktes 
Fussgelenk  oder  überstrecktes  Knie  wird  ruhelos  und  schmerz- 
hafter  unter  der  Behandlung  und  der  Patient  geht  irritiert  aus 
den  Sitzungen  hervor.  Die  individuelle  Toleranz  gegen 
Schwere  und  Hitze  wächst  gradatim. 

Mit  Misserfolg  schnitt  die  Behandlung  einer  Klavierspieler¬ 
lähmung  ab,  während  ein  Geiger  nach  Ueberanstrengung  des 
Sehnen-  und  Faszienapparates  der  Hand  wieder  Spielkraft 
gewann. 

Die  unterstützende  Kraft  auf  den  eben  berührten  Gebieten 
legt  den  Gedanken  nahe,  eine  weit  ausgiebigere  Verwertung 
in  der  Unfallpraxis  durch  Errichtung  einer  geeigneten  Ton- 
schlammanstalt  (Kassen  und  Berufsgenossenschaft)  am  Orte 
des  Fundes  zu  ermöglichen. 

Den  chirurgischen  Typen  reihe  ich  gleich  an,  dass  Pro¬ 
statiker  mit  Einwirkung  von  der  Perinealgegend  aus,  die 
Umschläge  wohltätig  empfinden,  lässt  sich  auch  am  Gewebe 
oder  an  dem  Volumverhältnis  keine  Differenz  feststellen.  Die 
Wärmeleitung  dorthin  könnte  wohl  reflektorische  Zirkulations¬ 
veränderungen  mit  tonisierender  Wirkung  auf  die  Nerven¬ 
geflechte  ausüben.  Dem  gleichen  Vorgang  mag  ein  Erfolg  bei 
Blasenneurose  zuzuordnen  sein  und  wenn  in  einem  anderen 
Falle  das  psychosuggestive  Moment  nachdrücklich  genug  ein¬ 
setzte,  um  eine  sexuelle  Neurasthenie  heben  zu  können. 

Bei  Frauenleiden  ist  die  Auswahl  der  in  Frage  kommen¬ 
den  Mittel  im  Badeort,  gewöhnlich  eine  kurz  gemessene 
Zeit  im  Verhältnis  zur  Chronizität,  oft  recht  schwierig.  Soll 
man  abgebrochene  Lokalbehandlungen  wieder  aufnehmen, 
solche  weiterführen,  oder  soll  der  Aufenthalt  mehr  der  all¬ 
gemeinen  Kräftigung  und  Einwirkung  auf  das  Nervensystem 
dienen  unter  Abstandnahme  von  lokaler  Therapie?  Viele 
Verhältnisse  werden  zur  Entscheidung  mitsprechen;  ungern 
wird  man  sich  aber  eines  mildwirkenden,  resorbierenden, 
analgesierenden  Mediums  entraten.  Die  Ergebnisse  berech¬ 
tigen,  ausgiebigen  Gebrauch  zu  machen,  freilich  auch  wieder 
unter  achtsamer  Anordnung  der  Temperaturen,  Berück¬ 
sichtigung  der  belastenden  Schwere  und  auf  exakte  Fest¬ 
legung  der  Angriffsstelle.  Ein  kleiner  Vorteil  des  Schlammes 
vor  differenten  Umschlägen  besteht  darin,  dass  Ekzeme  und 
Urtikaria,  selbst  an  zarten  Hautstellen,  nicht  beobachtet 
wurden;  man  macht  bei  Fango  den  Diatomengehalt  unter 
anderen  Gründen  für  solche  verantwortlich.  Praktisch  ergibt 
sich  als  zweckmässig,  nach  der  Applikation  den  Leib  nicht  mit 
kaltem  Wasser  zu  reinigen,  um  nicht  die  gewonnene  Hyperämie 
abzuschwächen.  Bäder  (Kohlensäure-,  Sol-,  Fichtennadeln- 
und  Moorbäder)  gleich  nach  der  Packung  zu  nehmen,  ist 
untunlich,  weil  die  lokale  Wirkung  gekreuzt  wird.  Ob  die 
mit  Schlamm  begrabenen  Körperteile  stärker  transpirieren, 
ist  schwer  feststellbar,  jedenfalls  geraten  die  einzelnen  Pro¬ 
vinzen  nach  der  jeweiligen  Behandlung,  sowohl  bei  der  weissen 
als  farbigen  Rasse  in  hyperämischen  Zustand.  Die  Bekleidung 
ist  darnach  einzurichten. 

Bei  nicht  korpulenten  Frauen  ist  Tiefenwirkung  der 
Wärme  mittels  vaginaler  Messung  feststellbar;  immerhin  war 


der  Unterschied  nur  gering;  bei  50°  Materialtemperatur  stieg 
das  Quecksilber  von  36,7  auf  37,9°  C.  Wertet  man  neben 
Thermopenetration  die  Belastung,  die  mit  Hilfe  der  Respiration 
intraabdominale  Selbstmassage  nachahmt,  so  sind  Nutzwerte 
vorhanden,  die  berechtigen,  bei  den  chronischen  entzündlichen 
Prozessen  im  kleinen  Becken  in  diesem  Sinne  vorzugehen. 
Fälle,  die  nicht  operationsgerecht  sind  oder  postoperative 
Pflege  bedürfen,  haben  vielfach  diesen  Heilfaktor  andern  vor¬ 
teilhaft  angereiht.  Aber  les  extremes  se  touchent,  denn 
manche  Frauen  versichern,  gerade  mit  kühlen  (25  u  C)  Sitz¬ 
bädern  Besserung  verspürt  zu  haben.  Ueber  Douglasab¬ 
szesse  fehlen  mir  Erfahrungen  mit  Tonschlamm,  doch  wird 
anderseits  hervorgehoben,  dass  hochwarme  vaginale  Fango¬ 
tamponaden  erfolgreich  wirken.  In  einer  Serie  von  25  Fällen 
metritischer  und  Adnexerkrankungen  kann  das  Resultat  den 
objektiven  Nachprüfung  hinter  den  subjektiven  befriedigenden 
Mitteilungen  zugunsten  der  Kompressen  zurückstehen.  Und 
warum  soll  nicht  auch  hier  wie  bei  hydropathischen  Anwen¬ 
dungen  eine  mächtige  Leukozytenanziehung  erfolgen,  die  irr 
Auf  und  Nieder  der  Welle  die  resobierende  Arbeit  leistet? 

Eines  besonderen  Studiums  bedarf  es,  ob  die  rezidivieren¬ 
den  Appendixattacken  in  die  Behandlung  gezogen  werder 
sollen.  Ich  hatte  siebenmal  Gelegenheit.  Die  Beratung  in 
diesem  Sinne  hat  immer  etwas  unheimliches,  und  als  An¬ 
hänger  der  Frühoperation  bei  Appendizitis  möchte  icl 
prinzipiell  nicht  dazu  raten.  Um  so  bestimmter  kann  icl, 
versichern,  dass  Residuen  in  der  Ileozoekalgegend  günstige 
Felder  bilden. 

Die  Frage  nach  dem  Tonschlamm  ist  bei  operations 
scheuen  Trägern  von  Gallensteinen  und  Gallenblasenprozesset 
entzündlicher  Art  schon  typisch  geworden.  Nicht  der  Modt 
folgend,  aber  der  Tatsache  Rechnung  tragend,  dass  dies* 
Patienten  fanatische  Anhänger  der  Applikation  werden  können 
weil  sie  eine  wohltätige  Empfindung  mit  davon  nehmen,  ist  di* 
Behandlung  zu  konzedieren.  Das  gleiche  gilt  von  Schmerzei 
in  der  Pylorusgegend,  vielleicht  nach  Ulcus.  Sofort  nacl 
Gallensteinkrisen  sollten  Fango  bzw.  Tonschlamm  in  Er 
wägung  gezogen  werden,  und  theoretisch  wäre  es  einleuch 
tend,  dass  die  Entbindung  des  Konkrementes  nach  Lösung  de 
spastischen  Kontraktion  hierdurch  aus  dem  Gallenblasengan; 
beschleunigt  und  erleichtert  wird  und  dass  irradiierend* 
Schmerzen  früher  ausklingen. 

Der  Schlamm  im  Verein  mit  den  Quellen  dünkt  mir  ge 
eignet,  Kurorten  Konkurrenz  zu  bieten,  welche  die  Gallen 
steine  gerne  für  sich  pachten.  Ob  Rückbildungen  der  Leber 
Schwellungen  nach  chronischen  Darmleiden  dem  Regime,  de 
Quelle,  dem  Schlamm  zufallen,  kann  man  nicht  abwägen.  Di 
Komponenten  ergänzen  sich  untereinander.  Meinen  günstige 
Eindruck  konnte  ich  von  32  Fällen  gewinnen  und  unter  diese 
zähle  ich  eine  Anzahl  von  Leberschwellungen,  die  in  de 
Tropen  nach  chronischen  Darmleiden  (Dünndarmkatarrhe  un 
Dysenterien)  erworben  wurden.  Diese  Beschickung,  di 
Quellen  in  Verbindung  mit  Diät  und  das  roborierende  Klim; 
besonders  im  Frühjahr  und  Herbst,  eignet  Homburg  sicherlic 
zu  einer  Station  von  Rekonvaleszenten  nach  ungünstige 
T  ropenlandeinfliissen. 

Es  erübrigt  noch  eines  grossen  Gebietes  Erwähnung  z 
tun,  das  sind  die  Störungen,  die  sich  im  Intestinalapparat  al 
spielen  und  hier  sind  gerade  die  sogenannten  widerspenstige 
Fälle,  wo  das  Nervengebiet  durch  die  Zeitdauer  oder  IntensiU 
hineingezogen  ist,  erfolgreich  angreifbar.  Ich  lege  38  Fäll 
zu  Grunde,  wenn  ich  dafür  eintrete,  dass  Formen  rein  nervöse 
Flatulenz,  Atonien  der  anämisch-chlorotischen  Personen  un 
Colitis  mucosa  für  die  Packung  einen  guten  Boden  bilde! 
Hier  mag  Goldscheiders  Theorie  von  der  Bahnung  un 
Hemmung  einspringen,  welche  bei  hydriatrischen  Prozedurt 
nicht  bloss  auf  Blutverteilung  und  reflektorische  Beeinflussur 
der  glatten  und  quergestreiften  Muskulatur  rechnet,  sonder 
auch  auf  bahnende  und  hemmende  Nervenreize. 

Wo  einmal  der  Nervenwiderstand  auf  abschüssiger  Ebei 
gleitet,  können  glücklich  bahnende  Kräfte  oft  unter  eigenartig* 
Therapie  ausgelöst  werden,  wozu  der  Tonschlamm  immerh 
gehört.  Aber  wenn  ich  dem  suggestiven  Momente  grosse  B 
deutung  zuschreibe,  so  möchte  ich  dennoch  gerade  hier  b 
Beschickung  solcher  grossen  Flächen  die  Wärmetiefenwirkur 


I.  Februar  1 9 1 .3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT  1'. 


299 


nd  die  Umstimmung  int  Zirkulationsgebiet  nicht  unter- 

diätzen. 

Dass  die  heissen  abdominalen  Belastungen  Fernwirkungen 
rzeugen,  beweist  Pulserregung  während  und  nach  der  Appli- 
ation.  Ob  die  Blutdruckschwankungen  durch  Plethora  ab- 
uninalis,  welche  man  wahrscheinlich  hervorruft,  vor  sich 
ehen,  suchte  ich  gelegentlich  festzustellen,  doch  trübt  sich 
as  Resultat  leicht,  da  starke  sensible  Reize  meist  druck- 
eigernden  Effekt  haben. 

Noch  viele  Fäden  zu  den  verschiedenen  Gebieten  der 
athologie  können  gesponnen  werden.  Die  auswärtigen  Kol- 
gen  werden  vielleicht  diesen  neuen  natürlichen  Heilerfolg 
eiter  prüfen  und  diese  Mitteilungen  sollen  auch  dazu  an- 
gen,  den  bisher  im  eigenen  Vaterlande  noch  wenig  bekannten 
onschlamm,  als  einen  dem  Fango  ebenbürtigen  Schlamm 
izusehen. 


ie  Notwendigkeit  einer  obligatorischen  Einführung  der 
lutuntersuchung  nach  Wassermann  bei  der  Kontrolle 
er  Prostituierten  und  deren  Bedeutung  für  die  allgemeine 
Prophylaxe  der  Syphilis*). 

Von  Dr.  Max  Müller, 

irigierendem  Arzt  der  Abteilung  für  Hautkrankheiten  am 
städtischen  Krankenhause  zu  Metz. 

Durch  die  von  den  hiesigen  Garnisonlazaretten  bei  der 
tifnahme  venerisch  erkrankter  Soldaten  an  die  Polizei  er- 
atteten  Anzeigen  kam  Mitte  März  des  vergangenen  Jahres 
i  meiner  Kenntnis,  dass  ein  an  einer  frischen  Syphilis  er- 
ankter  Soldat  die  Puella  publica  B.  als  Infektionsquelle  an- 
2geben  hatte,  die  seit  mehr  als  einem  Jahre  bei  mir  unter 
ändiger  Kontrolle  stand,  den  vorgeschriebenen  Unter- 
ichungen  vollkommen  regelmässig  beigewohnt  hatte  und 
ährend  dieser  ganzen  Zeit  mit  Sicherheit  niemals  irgend 
eiche  Erscheinungen  einer  Syphilis  dargeboten  hatte, 
sichen  von  Soldaten  gemachten  Anzeigen  bezüglich  ihrer 
fektionsquelle  ist  aber  ein  grosses  Gewicht  nicht  immer  bei¬ 
tlegen,  weil  es  erfahrungsgemass  nicht  selten  vorkommt, 
iss  die  nach  ihrer  Infektionsquelle  befragten  Mannschaften 
is  einer  falsch  angebrachten  Ritterlichkeit  oder,  weil  sie  den 
asammenhang  tatsächlich  nicht  richtig  beurteilen  können, 
e  wirkliche  Infektionsquelle  nicht  angeben  wollen  oder 
innen  und  dann  irgend  eine  ihnen  zufällig  dem  Namen  oder 
rer  Wohnung  nach  bekannte  Puella  publica  angeben.  Als 
ir  aber  zufällig  wenige  Tage  später  in  meiner  Privatpraxis 
m  einem  absolut  zuverlässigen  Herrn  die  nämliche  Puella  B. 
lenfalls  als  Infektionsquelle  für  den  Primäraffekt  angegeben 
urde,  den  der  betreffende  Herr  hatte,  da  wurde  ich  stutzig, 
h  liess  die  B.  nunmehr  zur  genaueren  Feststellung  auf  meine 
rankenhausabteilung  verbringen,  woselbst  Blut  zur  Unter¬ 
teilung  nach  Wassermann  entnommen  wurde,  und  diese 
ntersuchung  ergab  in  der  Tat  ein  positives  Resultat, 
mamnestisch  war  bei  der  B.  von  einer  Lues  überhaupt  nichts 
;kannt,  sie  leugnete  bei  ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus 
it  aller  Bestimmtheit,  irgend  etwas  von  einer  früheren  Er¬ 
dung  an  Syphilis  zu  wissen,  hat  aber  dann  später,  kurz 
>r  ihrer  Entlassung  aus  dem  Krankenhause,  spontan  ein- 
standen,  dass  sie  bereits  früher  einmal,  vor  etwa  VA  Jahren, 
id&rwärts  an  Syphilis  behandelt  worden  sei.)  Durch  die 
-‘Ststellung,  dass  die  B.  einen  „positiven  Wassermann“  hatte, 
ar  die  Diagnose  Lues  bei  ihr  gesichert;  da  sie  lange  Zeit 
>rher  keinerlei  Lueserscheinungen  gehabt  hatte,  konnte  es 
-h  bei  ihr  zu  der  in  Frage  kommenden  Zeit  nur  um  eine 
t  e  n  t  e  Lues  gehandelt  haben,  welche  die  Uebertragung 
rmittelt  hatte.  Genau  gleich  gelagerte  Fälle  habe  ich  im 
mfe  der  letzten  Monate  viermal  zu  beobachten  Gelegenheit 
habt,  d.  h.  es  handelt  sich  um  vier  regelmässig  untersuchte 
uellae,  die  mir,  obwohl  sie  eine  sicher  latente  Lues  hatten, 
s  die  Infektionsquellen  von  im  ganzen  6  frischen  Syphilis¬ 
steckungen  bekannt  geworden  sind.  In  allen  vier  Fällen 
urde  der  Nachweis,  dass  eine  Syphilis  bei  den  betreffenden 


*)  Nach  einem  auf  der  84.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
scher  und  Aerzte  zu  Münster  i.  W.  (Sept.  1912)  gehaltenen  Vor- 

ge. 


Puellis  überhaupt  vorlag,  durch  den  positiven  Ausfall  der 
Wasser  in  a  n  n  sehen  Reaktion  erbracht. 

Wenn  es  mir  nun  im  Laufe  von  etwa  drei  Monaten  vier¬ 
mal  möglich  gewesen  ist,  festzustellen,  dass  eine  nach- 
gewiesenermassen  latente  Syphilis  zur  Ansteckung  geführt 
hat,  so  muss  die  Annahme  unbedingt  berechtigt  erscheinen, 
das  solche  Ansteckungen  durch  latente  Syphilis  —  ohne 
dass  es  zum  Nachweise  dieses  Zusammenhanges  kommt  —  tat¬ 
sächlich  ganz  erheblich  öfter  Vorkommen,  als  bisher  —  fast 
allgemein  —  angenommen  worden  ist. 

Da  nun  die  ärztliche  Kontrolle  der  Prostituierten  sich  nicht 
darauf  beschränken  darf,  Puellae  publicae,  die  bereits  eine 
Reihe  von  Infektionen  verursacht  haben,  nachträglich  fest- 
zustellen,  wenn  vielleicht  zufällig  eine  Anzeige  erfolgt  ist  oder 
irgend  welche  andere  Zufälligkeiten  es  veranlassen  -  da  wir 
vielmehr  die  wichtigste  und  auch  unerlässliche  Aufgabe,  eine 
„Conditio  sine  qua  non“  der  ärztlichen  Beaufsichtigung  der 
Prostitution  darin  erblicken  müssen,  dass  sie  bestrebt  sein 
muss,  prophylaktisch  zu  wirken,  d.  h.  Ansteckungen,  soweit 
das  nach  dem  jeweiligen  Stande  unseres  Wissens  möglich  ist, 
zu  verhindern,  so  muss  jene  —  längst  bekannte  und  durch 
meine  vier  Fälle  neuerdings  erhärtete  —  Tatsache,  dass  auch 
die  latente  Lues  infizieren  kann,  unbedingt  zu  der  For¬ 
derung  führen,  dass  wir  den  Versuch  machen  müssen,  die 
„latenten“,  d.  h.  die  durch  die  blosse  klinische  Untersuchung 
nicht  erkennbaren,  aber  wie  oben  dargelegt,  trotzdem  an¬ 
steckungsfähigen  Syphilisfälle  unter  den  Prostituierten,  heraus¬ 
zufinden  und,  soweit  dies  notwendig  erscheint,  einer  Behand¬ 
lung  zuzuführen.  Die  Ermittelung  der  latentsyphilitischen 
Puellae  kann  aber  heute  —  abgesehen  von  seltenen  Aus¬ 
nahmen,  die  praktisch  unberücksichtigt  bleiben  können  —  in 
zuverlässiger  Weise  erfolgen  durch  die  Blutuntersuchung 
nach  Wassermann. 

Indessen  bin  ich  durchaus  nicht  der  Ansicht,  dass  es  vom 
polizeiärztlichen  Standpunkte  aus,  der  in  erster 
Linie  immer  die  allgemeine  Prophylaxe  im  Auge  zu  behalten 
hat,  notwendig  wäre,  jede’ Puella  mit  „positivem  Wasser¬ 
mann“  einer  Behandlung  zu  unterwerfen. 

Nach  unseren  klinischen  Erfahrungen  wissen  wir,  dass  die 
Lues  im  allgemeinen  nur  etwa  3  bis  4  oder  5  Jahre  infektiös 
bleibt,  wenn  sie  in  dieser  Zeit  einigermassen  ausreichend  be¬ 
handelt  wird,  während  der  „positive  Wassermann“  ja  be¬ 
kanntlich  recht  oft  sehr  viel  länger  bestehen  bleibt.  Das  Ver¬ 
hältnis  des  „positiven  Wassermann“  zur  Infektiosität  der  Lues 
kann  man  nach  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens  m.  E. 
etwa  folgendermassen  präzisieren.  Der  „positive  Wasser¬ 
mann“  bedeutet  aktive  Lues;  die  Aktivität  einer  Lues 
kann  sich  aber  in  zweierlei  Weise  äussern:  erstens  in  ihrer 
Uebertragbarkeit  auf  andere  und  zweitens  in  der  Möglichkeit 
tertiärer  oder  metaluetischer  Erkrankungen  (Gummata,  Tabes, 
Paralyse,  Leukoplakie)  an  dem  betreffenden  Individuum  selbst. 
Die  letztere  Aktivitätsäusserung  einer  Lues  interessiert  uns  an 
den  Puellis  vom  rein  polizeiärztlichen  Standpunkte 
aus  in  kaum  nennenswertem  Masse:  die  metaluetischen  Er¬ 
krankungen  sind  nicht  infektiös,  und  die  tertiären  Syphilis¬ 
symptome  können  in  praktischer  Beziehung  ebenfalls  als  nicht¬ 
infektiös  angesehen  werden.  (Tatsächlich  sind  allerdings  auch 
die  gummösen  Prozesse,  wie  heute  wohl  nicht  mehr  bezweifelt 
werden  kann,  infektiös;  praktisch  kann  dies  indessen  hier  wohl 
ausser  Betracht  bleiben,  weil  diese  Spätformen  der  Lues  schon 
vermöge  ihrer  Lokalisation  sowie  durch  das  rein  äusserlich 
Sichtbare  und  Abstossende  ihrer  Erscheinung  wohl  kaum  je 
gerade  bei  Puellis  eine  Infektion  veranlasst  haben  oder  ver¬ 
anlassen  werden.)  Für  die  Kontrolle  der  Prostituierten,  d.  h. 
für  die  allgemeine  Prophylaxe  der  Lues  sind  von  Wichtigkeit 
vielmehr  allein  diejenigen  Luesfälle,  von  denen  eine  Ueber¬ 
tragung  der  Krankheit  auf  andere  zu  befürchten  ist,  d.  h.  die¬ 
jenigen  Fälle,  welche  sich  in  den  ersten  3—5  Jahren  der  Er¬ 
krankung  befinden.  Es  wird  meines  Erachtens  demnach  im 
allgemeinen  genügen,  diejenigen  unter  den  latentluetischen 
Puellae  mit  positivem  Wassermann  einer  Behandlung  zuzu¬ 
führen,  die  sich  in  den  ersten  3 — 5  Jahren  ihrer  Lues  befinden. 
Die  Einleitung  einer  antiluetischen  Behandlung  wird  ferner  in 
erhöhtem  Masse  notwendig  erscheinen  müssen,  wenn  (was 
ja  nicht  selten  der  Fall  ist)  ein  „positiver  Wassermann“  bei 
einer  Puella  konstatiert  wird,  bei  der  anamnestisch  von  einer 

3* 


ftX) 


MUE'NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Lues  überhaupt  nichts  bekannt  ist.  Findet  sich  aber  ein 
„positiver  Wassermann“  bei  latentsyphilitischen  Puellis,  bei 
denen  der  Infektionstermin  länger  als  3 — 5  Jahre  zurückliegt, 
so  ist  vom  polizeiärztlichen  Standpunkte  aus  im  all¬ 
gemeinen  keine  Veranlassung  zur  Einleitung  einer  Behandlung 
gegeben,  —  im  Gegenteil,  es  bestünde  ein  gewisses  Interesse 
daran,  diesen  Puellis  ihren  „positiven  Wassermann“,  d.  h.  also 
ihre  latente  Lues  möglichst  lange  zu  belassen.  Denn  solange 
sie  diese  ihre  latente  Lues  haben,  sind  sie  als  immun  zu  be¬ 
trachten  und  daher  viel  ungefährlicher,  als  eine  von  ihrer  Lues 
definitiv  geheilte  und  deshalb,  wie  wir  heute  wissen,  immer 
wieder  neuinfizierbare  Paella.  Indessen  wird  das  allgemeine 
ärztliche  Gewissen,  das  auch  im  Polizeiarzte  steckt,  den¬ 
selben  stets  dazu  führen,  einer  Puella  mit  einer  mehr  als 
5  Jahre  alten  Lues,  wenn  sie  einen  „positiven  Wassermann“ 
hat,  hiervon  Mitteilung  zu  machen.  Man  wird  es  aber  solchen 
Puellis  selber  überlassen  können,  ob  sie  sich  behandeln  lassen 
wollen  oder  nicht. 

Allgemein  und  für  jeden  Fall  zutreffende  und  bindende 
Regeln  darüber  aufzustellen,  wann  beim  Fehlen  klinischer  Er¬ 
scheinungen  und  nur  positivem  Blutbefund  eine  Behandlung 
eingeleitet  werden  soll,  —  das  dürfte  kaum  angängig  sein;  es 
muss  da  jeder  einzelne  Fall  genau  abgewogen  werden  und 
dem  pflichtmässigen  Ermessen  des  zuständigen  Arztes  ein  ge¬ 
wisser  Spielraum  überlassen  bleiben.  Für  die  Entscheidung 
wird  es  oft  von  weittragender  Bedeutung  sein,  zu  wissen, 
wie  der  bisherige  Verlauf  der  Krankheit  gewesen  ist  und  wann 
die  letztvorhergegangenen  infektiösen  Erscheinungen  auf¬ 
getreten  sind,  —  Fragen,  die  allerdings  bei  dem  bekannten  Be¬ 
streben  der  Puellae  uns  zu  belügen,  recht  oft  gar  nicht  zu 
beantworten  sein  werden. 

Ebenso  wird  es  selbstverständlich  auch  dem  Ermessen 
des  zuständigen  Arztes  überlassen  bleiben  müssen,  über  die 
Art  der  im  einzelnen  Falle  einzuleitenden  Behandlung  Be¬ 
stimmung  zu  treffen.  Nur  eine  allgemeine  Bemerkung  sei  in 
dieser  Beziehung  hier  gestattet:  eine  „nur“  auf  Grund  des 
positiven  Blutbefundes  eingeleitete  Behandlung  darf,  wozu 
das  Fehlen  sichtbarer  Erscheinungen  leicht  verleiten  könnte, 
unter  keinen  Umständen  milder  sein,  als  eine  bei  floriden 
Symptomen  eingeleitete  Behandlung;  das  Gegenteil  dürfte 
richtig  sein,  da  wir  ja  wissen,  dass  ein  „positiver  Wasser¬ 
mann“  sehr  viel  schwerer  als  klinische  Luessymptome  zu  be¬ 
seitigen  ist.  Die  energischste  Behandlung  aber  ist  angezeigt 
in  denjenigen  Fällen  mit  positivem  Blutbefunde,  in  denen 
anamnestisch  von  einer  Lues  überhaupt  nichts  bekannt  ist,  die 
also,  da  dementsprechend  eine  Behandlung  noch  nie  statt¬ 
gehabt  hat,  vielleicht  länger  als  andere  (behandelte)  Fälle 
infektiös  bleiben  dürften. 

Als  das  Ideal  einer  wegen  positiven  Blutbefundes  ein¬ 
geleiteten  Behandlung  muss  natürlicherweise  die  Beseitigung 
dieses  Befundes  angesehen  werden;  aber  Ideale  sind  eben  — 
Ideale,  und  sind,  wie  bekanntlich  auch  sonst,  so  auch  hier  in 
der  Wirklichkeit  nicht  immer  zu  erreichen.  Dass  es  nicht 
immer  gelingt,  den  „positiven  Wassermann“  zu  einem  nega¬ 
tiven  zu  machen  und  ihn  negativ  zu  halten,  muss  zugegeben 
werden,  —  indessen  gilt  das  von  dem,  wie  oben  dargelegt, 
gerade  den  Polizeiarzt  in  erster  Linie  interessierenden  „posi¬ 
tiven  Wassermann“  in  den  ersten  Jahren  der  Lues  in  viel 
geringerem  Masse  als  für  den  positiven  Blutbefund  in  den 
späteren  Jahren.  Und  ausserdem  dürfen  einzelne  thera¬ 
peutische  Misserfolge  nicht  davon  abhalten,  in  jedem  Falle, 
wo  es  angezeigt  erscheint,  mit  allen  uns  heute  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  wenigstens  den  Versuch  zu  machen,  den 
positiven  Blutbefund  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Dabei 
muss  schliesslich  auch  noch  folgendes  erwogen  werden:  je 
häufiger  und  regelmässiger  in  den  ersten  Jahren  der  Infek¬ 
tion  der  „positive  Wassermann“  entsprechend  behandelt  wird, 
desto  seltener  werden  sicherlich  diejenigen  Fälle  werden,  in 
denen  dieser  positive  Blutbefund  überhaupt  nicht  zum  Ver¬ 
schwinden  gebracht  werden  kann.  Ist  letzteres  aber  in  den 
späteren  Jahren  der  Infektion  dennoch  der  Fall,  so  ist  uns  das, 
wie  oben  bereits  betont,  für  die  allgemeine  Prophylaxe  gar 
nicht  unerwünscht  wegen  der  dann  weiter  fortbestehenden 
Immunität  der  betreffenden  Puella. 

Diese  Erwägungen  müssen  dazu  führen,  dass  die  Blut¬ 
untersuchung  nach  Wassermann  im  Interesse  einer  plan- 


No.  6. 


mässigen  Prophylaxe  der  Syphilis  als  integrierender  Bestand¬ 
teil  der  polizeiärztlichen  Untersuchung  der  Prostituierten  von 
amtswegen  obligatorisch  gemacht  wird;  es  dürfte  meines  Er¬ 
achtens  genügen,  wenn  prinzipiell  überall  jede  neu  zuziehende 
Puella  einer  solchen  Blutuntersuchung  unterzogen  und  diese 
dann  zwei  bis  drei  Mal  im  Jahre  wiederholt  wird. 

Um  die  Bedeutung  einer  allgemeinen  Einführung  einer 
solchen  Massnahme  bei  der  ärztlichen  Ueberwachung  der  Pro¬ 
stituierten  so,  wie  es  ihr  zukommt,  richtig  einzuschätzen,  muss 
man  sich’  nur  den  Gang  der  Syphilisinfektionen  im  allgemeinen 
klar  machen.  Man  muss  etwa  folgende  Berechnung  anstellen. 
Wenn  wir  von  den  mir  zunächst  liegenden  Metzer  Verhält¬ 
nissen  ausgehen,  so  haben  wir  hier  auf  einer  der  hier  be¬ 
stehenden  Kontrollstrassen  eine  ganze  Anzahl  von  Dirnen, 
deren  Besucher  meist  den  Kreisen  der  Arbeiter  und  der  Mann¬ 
schaften  der  grossen  Metzer  Garnison  angehören;  diese  zahlen 
im  allgemeinen  für  die  Tätigkeit  der  Puella  eine  Mark  (nur 
nach  den  Löhnungstagen  steigen  hier  die  Preise  manches  Mal). 
Bei  diesen  niedrigen  Preisen  müssen  die  Dirnen,  schon  um 
die  etwa  5  Mark  pro  Tag  betragende  Wohnungsmiete  und 
die  mindestens  2  Mark  pro  Tag  betragenden  Kosten  für  den 
Lebensunterhalt  aufzubringen,  täglich  eine  ganz  stattliche  An¬ 
zahl  von  Besuchern  bei  sich  empfangen.  Nehmen  wir  aber 
Minimalzahlen  an,  die  für  hiesige  Verhältnisse  sicherlich  hinter 
der  Wirklichkeit  weit  Zurückbleiben,  so  können  wir  die  Zahl 
der  von  einer  Puella  in  einem  Monat  ausgeführten  Koha- 
bitationen  auf  etwa  100  veranschlagen.  Handelt  es  sich  nun 
um  eine  Puella,  die  eine  latente  Lues  mit  „nur“  positivem 
Wassermann  hat  und  die  deshalb  nach  den  bisherigen  Ge¬ 
pflogenheiten  weiter  in  ihrer  Tätigkeit  belassen  wurde,  die 
aber  eben  wegen  ihres  positiven  Blutbefundes  als  infektiös  zu 
betrachten  ist,  so  wird  man  annehmen  können,  dass  eine  solche 
Puella  im  Laufe  eines  Monats  schätzungsweise  10  Männer 
infiziert.  Von  diesen  10  Männern  werden  vermutlich  höchstens 
drei  einigermassen  ausreichend  behandelt  werden,  die  übrigen 
sieben  bleiben  durchschnittlich  etwa  3  Jahre  infektiös.  Diese 
7  Männer  übertragen  ihre  Krankheit  weiter  und  zwar  infizieren 
sie  schätzungsweise 

im  1.  Jahre  je  15  =  105  Mädchen 
*  2.  „  „  10  =  70 

„3.  ,  ,5—35  , 

d.  h  im  Laufe  von  3  Jahren  210  Mädchen; 

unter  diesen  aber  werden  sich  sicherlich  eine  ganze  Anzahl 
solcher  Mädchen  befinden,  die  selbst  bereits  Puellae  publicae 
sind  oder  es  zu  werden  im  Begriffe  stehen,  und  die  nunmehr 
ihre  Syphilis  ins  ungemessene  weiter  verbreiten.  Ich  weiss 
sehr  wohl,  dass  man,  wenn  man  will,  an  jener  Rechnung  aus 
mancherlei  Gründen  Abstriche  machen  kann,  —  dann  möge 
man  aber  nur  bedenken,  dass  jene  210  neue  Syphilisinfektionen 
auf  die  Tätigkeit  einer  einzigen  Puella  im  Laufe  eines 
einzigen  Monats  zurückzuführen  sind,  und  man  möge  dem 
gegenüber  weiterhin  bedenken,  dass  heute  allerorten  eine 
sicherlich  recht  erhebliche  Anzahl  von  solchen  Puellis  mit 
latenter,  aber  trotzdem  infektiöser  Lues  ungehindert  ihrer 
Tätigkeit  nachgehen.  Man  wird  dann  ohne  weiteres  zugeben 
müssen,  dass  es  sich  bei  meinem  Vorschläge,  den  positiven 
Blutbefund  in  den  oben  angegebenen  Grenzen  zum  Gegen¬ 
stand  einer  (wenn  nötig  zwangsweisen)  Behandlung  zu 
machen,  nicht  um  eins  der  vielen  kleinen  Mittel  im  Kampfe 
gegen  die  Syphilis  handelt,  sondern  dass  durch  die 
Internierung  und  zwangsweise  Heilung  einer 
jeden  einzelnen,  an  und  für  sich  infektiösen 
Puella  publica,  die  dem  Verkehr  entzogen 
wird,  im  Laufe  der  Jahre  sicherlich  Tausende 
von  neuen  Syphilisinfektionen  vermieden 
werden  müssen. 


Schmerzlose  Entbindungen. 

Von  Dr.  A.  Voll,  Bahnarzt  in  Furth  i.  W. 

Die  Arbeit  von  Dr.  Rud.  Th.  Jaschke,  S.  72  dieser  Wochen¬ 
schrift  veranlasst  mich,  meine  Methode  schmerzloser  Entbindungen 
zu  veröffentlichen. 

Der  Dämmerschlaf  eignet  sich  nach  meiner  Ansicht  nicht  für 
die  Privatpraxis,  schon  deswegen,  weil  man  nicht  auf  die  Mithilfe  der 
Frau  verzichten  kann.  Sodann  hat  Jaschke  vollständig  recht, 
wenn  er  das  Erinnerungsvermögen  der  Mutter  nicht  ausschalten  will. 


.  Februar  1913. _ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ich  gab  früher  zunächst  eine  ausgiebige  Dosis  Morphium  und  er- 
ichte  dadurch,  dass  die  Schmerzhaftigkeit  der  Wehen  nicht  mehr 
rn  vollen  Bewusstsein  kam.  Infolgedessen  wurden  die  Wehen  be¬ 
utend  besser  verarbeitet,  allerdings  wurden  dieselben  auch  sei¬ 
ner,  indem  sie  in  längeren  Pausen  eintraten.  Dies  war  ein  Miss- 
uid,  aber  dadurch  wurden  die  Weichteile  besser  vorbereitet,  so 
ss  die  Gefahr  eines  Dammrisses  sehr  vermindert  wurde. 

So  schmerzhaft  nun  auch  die  Wehen  sind,  noch  schmerzhafter 
der  Durchtritt  des  Kopfes  durch  den  aufs  äusserste  gedehnten 
imm.  Dieses  aber  lässt  sich  sehr  leicht  vermeiden  durch  eine  ein- 
;he  Einspritzung  von  Kokain  mit  Adrenalin-  oder  Suprareninzusatz. 
i  diesem  Zweck  desinfiziert  man  den  Damm  mit  Benzin  und  in- 
iert  1  ccm  der  Lösung,  indem  man  ungefähr  2  cm  vom  freien  Saum 
s  Dammes  einsticht  und  die  Spritze  langsam  gegen  diesen  entleert, 
ne  Gefährdung  des  Dammes  tritt  hiedurch  nicht  ein.  Es  kam  nur 
(teil  zu  einem  Riss  und  wenn  schon,  nur  zu  einem  kleinen,  der  sich 
fort  schmerzlos  nähen  Hess.  Die  Nachgeburt  folgte  ohne  grösseren 
utverlust  nach  ungefähr  1  Stunde. 


jrwendung  der  elektrischen  Taschenlaterne  als  diag¬ 
nostisches  Hilfsmittel  bei  unsicheren  Hydrozelen. 

Von  Dr.  Armin  Mayer  in  Frankenhausen  (Kyffh.) 

Manchmal  bietet  die  Diagnosenstellung  beginnender  Hydrozelen 
hwierigkeiten,  wenn  nicht  genügend  Licht  zur  Verfügung  steht  und 
j  Abgrenzung  gegen  solide  Tumoren  nicht  gelingen  will.  Als  ein 
hr  wichtiges  Hilfsmittel  hat  sich  mir  da  die  dem  Landarzte  so  un- 
tbehrlich  gewordene  elektrische  Taschenlaterne  erwiesen;  denn 
gelingt  durch  sie,  die  Durchleuchtung  der  Hydrozele  in  einer  so 
inzenden  Weise  zu  erzielen,  wie  das  bisher  nicht  möglich  gewesen 
durch  die  dem  praktischen  Arzte  sonst  zur  Verfügung  stehenden 
chtquellen. 

Wesentlich  ist  dabei,  dass  die  elektrische  Glühbirne  sehr  dicht 
das  Skrotum  herangebracht  wird.  Dann  erreicht  man  eine  ausser- 
dentlich  scharfe  Trennung  des  Schattens  des  Hodens,  der  wohl 
was  Licht  noch  durchlässt,  von  dem  durchscheinenden  leuchten- 
n  Hellrot  der  Hydrozele. 

Wer  einmal  Gelegenheit  gehabt  hat,  in  diagnostisch  schwieri- 
ren  Fällen  die  alte  und  diese  neu  angegebene  Untersuchungs- 
“thode  vergleichend  anzuwenden,  wird,  sobald  ihm  eine  elektrische 
ehtquelle  zur  Verfügung  steht,  diese  als  diagnostischen  Berater 
:ht  mehr  missen  wollen.  Eine  gewöhnliche  elektrische  Glühbirne 
ebenfalls  brauchbar,  wenn  man  deren  vom  Skrotum  entlegene 
ite  mit  dunklem  Tuch  bedeckt. 

Bei  grösseren  Hydrozelen  ist  das  Durchleuchtungsbild  ein  glän- 

ndes. 


Das  neue  russische  Arbeiterversicherungsgesetz. 

Mit  dem  Eintritt  Russlands  wird  der  Kreis  der  europäischen 
aaten,  welche  dem  Beispiel  und  den  Erfahrungen  Deutschlands 
gend  die  soziale  Versicherung  einführten,  geschlossen.  Es  ergab 
h  dabei  als  selbstverständlich,  dass  der  Eigenart  und  Kulturstufe 
r  einzelnen  Nationalitäten  entsprechend  auch  der  Aufbau  der 
zialen  Gesetzgebung  sich  änderte,  wie  dies  insbesondere  das  Bei- 
iel  Russlands  erkennen  lässt. 

Die  im  Laufe  der  Jahre  1911/12  zustande  gekommenen  russi- 
hen  Arbeiterversicherungsgesetze  wurden  unter  dem  6.  VII.  12 
erhöchst  bestätigt  und  sollen  mit  dem  1.  I.  14  in  Kraft  treten.  Sie 
stehen  aus  dem  Arbeiterunfallversicherungsgesetz 
?0  Paragraphen)  und  dem  Arbeiterkranke  nversiche- 
ngsgesetz  (115  Paragraphen). 

I.  Das  Arbeiterunfallversicherungsgesetz. 

Nach  der  Statistik  von  1910  kommen  von  145,6  Millionen  russi- 
ler  Bewohner  etwa  6,5  Millionen  Lohnarbeiter  für  dieses 
setz  in  Betracht.  Dasselbe  umfasst  alle  Personen  ohne  Unter- 
ued  des  Geschlechtes  und  Alters,  die  laut  Dienstvertrag  im  Unter¬ 
timen  arbeiten  oder  im  Dienste  desselben  stehen.  Ausgeschlossen 
üben,  weil  besonders  versichert,  die  Unternehmen  der  Krone  und 
r  dem  öffentlichen  Verkehre  dienenden  Eisenbahngesellschaften, 
i  denjenigen  der  versicherten  Personen,  deren  Einkommen 
X)  Rubel  (etwa  M.  3240)  übersteigt,  wird  nur  diese  Summe  der 
rsicherungsberechtigung  zugrunde  gelegt. 

Träger  der  Unfallversicherung  —  dies  bleibt  ein 
u  dem  deutschen  Gesetze  abweichender  wichtiger  Punkt  —  sind 
sschliesslich  die  Unternehmer,  d.  h.  die  Arbeitgeber, 
lche  auch  durch  ihre  Beiträge  allein  die  notwendige  Kapitaldeckung 
rbeizufiihren  haben.  Dieselben  vereinigen  sich  zu  den  sog.  Ver- 
cherungsgenossenschaften  entsprechend  unseren  Be- 
sgenossenschaften,  deren  für  das  gesamte  Russland  auf  Verfügung 
s  Ministers  für  Handel  und  Industrie  12  begründet  werden  sollen, 
r  deren  Hauptverwaltung  sind  die  nachfolgend  benannten  Städte 
Aussicht  genommen:  St.  Petersburg,  Moskau,  Iwanowozniesiensk. 
ja,  Bialystok,  Warschau,  Kijw,  Charkoff,  Odessa,  Baku,  der  Ural 
J  der  Kaukasus. 


Die  unmittelbare  Ueberwachung  der  Arbeiterversicherung  ist 
einer  V  e  r  s  i  o  h  e  r  u  n  g  s  b  e  h  ö  r  d  e  übertragen,  die  unter  dem 
Vorsitz  des  Gouverneurs  in  jedem  Gouvernement  und  ausserdem 
noch  in  einigen  grösseren  Fabrikstädten  ihren  Sitz  hat.  Die  oberste 
Aufsichtsbehörde  für  das  gesamte  Versicherungswesen  ist  der  in 
Petersburg  zu  begründende  Versicherungsrat,  der  sog.  Kon  seil 
.«  1  A  >  beiter  Versicherung  unter  dem  Vorsitz  des  Ministers 
für  Handel  und  Industrie.  Der  Versicherungsrat  bestimmt  die  Ab¬ 
grenzung  der  einzelnen  Versicherungsgenossenschaften  und  über¬ 
wacht  die  Anlage  der  Kapitalien,  auch  die  Grundlagen,  nach  denen 
die  Prämien  der  Versicherung  zu  berechnen  sind,  werden  von  ihm 
festgesetzt  und  in  bestimmten  Zeitabständen  revidiert.  Der  Konseil 
für  Arbeiterversicherung  dient  somit  ausschliesslich  verwaltungstech¬ 
nischen  Aufgaben  und  ist  mit  den  in  der  deutschen  Versicherungs- 
gesetzgebund  vorgesehenen  Berufungsinstanzen  daher  nicht  zu  ver¬ 
gleichen. 

Die  Leistungen  der  Versicherung  bestehen  in 
folgendem: 

a)  F  r  e  i  e  Kur  oder  Krankenhauspflege  und  Krankengeld  in 
derselben  Höhe  wie  beim  Krankheitsfalle  in  den  ersten  13  Wochen 
von  den  Krankenkassen. 

b)  Krankengeld  über  die  13.  Woche  hinaus  in  Höhe  von 
-/3  des  Verdienstes  bei  fortdauernder  ärztlicher  Behandlung  oder 
Unfallrente  von  der  14.  Woche  ab  durch  die  Versicherungsgenossen¬ 
schaft. 

c)  Sterbegeld  (20 — 30facher  Tagelohn  und  Hinterbliebenen¬ 
rente  bis  662/ 3  des  Jahresarbeitsverdienstes). 

Alle  Unfälle  werden  entschädigt  (ausser  bei  Vorsatz).  Gleich 
dem  deutschen  Gesetz  beträgt  die  Rente  für  völlige  Erwerbsunfähig¬ 
keit,  gleich  unserer  Vollrente  2U  des  Jahreseinkommens.  Ausserdem 
können  jedoch  auf  Wunsch  der  „Pensionäre",  d.  h.  der  Rentenemp¬ 
fänger,  und  mit  Einwilligung  der  Versicherungsgenossenschaften  an 
Stelle  der  Pensionen  einmalige  Zahlungen  treten,  wenn  die  Jahres¬ 
rente  36  Rubel  und  ausserdem  15  Proz.  vom  Jahreseinkommen  des 
Verletzten  nicht  übersteigt.  §  35  gibt  bestimmte  Vorschriften  für  die 
Feststellung  der  Höhe  der  jeweiligen  Abfindungssumme. 

Zum  Teil  abweichend  von  der  deutschen  R.V.O.  sind  die  nach¬ 
folgenden  wichtigen  Bestimmungen: 

Bei  Geisteskrankheit,  vollem  Verlust  des  Sehvermögens,  Ver¬ 
lust  beider  Hände  oder  beider  Beine,  wie  bei  völliger  Hilflosigkeit, 
die  eine  Pflege  durch  eine  andere  Person  erfordert,  wird  die  Pension 
im  Betrag  des  vollen  Jahreseinkommens  des  Verletzten 
zuerkannt.  Es  kommt  hierin  unseres  Wissens  zum’ ersten  Male  in  der 
sozialen  Gesetzgebung  die  Absicht  zum  Ausdruck,  für  bestimmte 
gut  abgegrenzte  körperliche  Schädigungen  eine  bestimmte  Entschädi¬ 
gung  endgültig  festzusetzen,  so  dass  in  allen  derartigen  Fällen  der 
Gang  des  Verfahrens  damit  ungemein  vereinfacht  wird.  Nur  bei  der 
„Hilflosigkeit“  wird  sich,  gleichwie  bei  uns,  immer  wieder  die  Frage 
erheben,  ob  dieselbe  in  der  Tat  eine  „völlige“  ist,  eine  Begriffs¬ 
bestimmung,  die  sich  in  der  Praxis  leider  als  recht  dehnbar  er¬ 
wiesen  hat. 

Pensionen,  die  verletzten  Minderjährigen  und  Halbwüchsigen 
zuerkannt  sind,  werden,  sobald  Minderjährige  das  Alter  von  erwach¬ 
senen  Arbeitern  erreichen,  in  dem  Verhältnisse  erhöht,  in  welchem  der 
durchschnittliche  Tagesverdienst  eines  Arbeiters  für  die  bezeichneten 
Altersgruppen  stand,  und  zwar  wird  das  Verhältnis  angewandt, 
welches  zur  Zeit  der  erstmaligen  Pensionszuerkennung  in  Kraft  war. 
Auch  diese  Bestimmung  muss  nun  als  recht  zweckentsprechend  be¬ 
zeichnet  werden,  da  der  Jahresarbeitsverdient  Minderjähriger,  nach 
dem  die  Rente  berechnet  wird,  naturgemäss  recht  niedrig  ist,  bei 
längerem  Rentenbezug  bezw.  erheblichen  Unfallschäden  sich  daraus 
aber  in  späteren  Jahren  Härten  ergeben,  deren  Ausgleich  das  russische 
Gesetz  in  der  vorbezeichneten  Weise  anstrebt. 

Die  Familie  eines  Verunglückten  hat  ein  Recht 
auf  Entschädigung  nur  dann,  wenn  der  Tod  infolge 
der  Verletzung  eintrat.  Liegt  zwischen  dem  Tage  des  Un¬ 
falles  und  dem  Tode  ein  Zeitraum  von  mehr  als  2  Jahren,  und  hatte 
der  Verletzte  die  ärztliche  Behandlung  schon  früher  eingestellt,  so 
erhält  die  Familie  nichts,  da  das  Gesetz  in  diesem  Falle  den  Tod 
nicht  als  Folge  des  Unfalles  anerkennt,  sobald  der  Verletzte  indessen 
noch  während  der  ärztlichen  Behandlung  stirbt  und  der  Nachweis 
geliefert  wird,  dass  Tod  und  Unfall  in  ursächlichem  Zusammenhang 
stehen,  so  erhält  die  Familie  die  sog.  Hinterbliebenenrente,  selbst 
wenn  mehr  als  2  Jahre  seit  dem  Unfall  verflossen  sind. 

Das  Gesetz  verlangt  nicht,  dass  der  Verletzte  sich  durch  den 
Fabrikarzt  kostenfrei  behandeln  lässt,  sondern  sieht  auch  die  freie 
Arztwahl  nach  einer  besonderen  Gebührenfestsetzung  vor.  Da  nun 
die  Versicherungsgenossenschaft  nach  dem  Gesetz  für  die  Folgen  des 
Unfalles  nur  bei  sachgemässer  Behandlung  haftet,  so  ist  sie 
in  der  Lage,  dem  Verletzten,  der  sich  gar  nicht  oder  unzweckmässig 
behandeln  lässt,  die  Unfallrente  teilweise  oder  ganz  zu  entziehen. 
Hierdurch  sollen  die  Arbeiter  einmal  mehr  zum  Kassen-  oder  Fabrik¬ 
arzt  geführt,  dann  aber  vor  allem  vor  dem  Kurpfuschertum  bewahrt 
werden. 

Wie  auch  bei  der  deutschen  Reichsversicherungsordnung  erteilt 
die  Ve>-sicherungsgenossenschaft  dem  Verletzen  nicht  später  als 
innerhalb  eines  Monats  vom  Tage  des  Empfanges  seiner  Forderung 
den  Vorbescheid,  gegen  den  dieser  dann  binnen  2  Monaten  Einwen¬ 
dungen  erheben  kann.  Ist  der  Verletzte  mit  dem  endgültigen  Bescheid 


302 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


nicht  zufrieden,  so  kann  er  binnen  sechsmonatiger  Frist,  gerechnet 
vom  Tage  der  Mitteilung  dieses  Beschlusses,  vor  dem  ordent¬ 
lichen  Gericht  nach  den  Grundsätzen  der  Zivilprozessordnung 
Berufung  einlegen. 

Es  bedeutet  dies  eine  sehr  wesentliche  Abweichung  von  der 
deutschen  R.V.O.  insofern,  als  damit  die  hier  eingeschobene  Be¬ 
rufungsinstanz  der  früheren  Schiedsgerichte  für  Arbeiterversicherung, 
jetzigen  Oberversicherungsämter,  wie  auch  die  Rekursinstanz,  das 
Reichsversicherungsamt,  in  Fortfall  gelangen.  Das  kann  aber  nur 
durch  eine  zweifellos  sehr  beträchtliche  Belastung  der  Zivilgerichte 
geschehen,  bei  denen  entsprechend  die  Einrichtung  besonderer  Senate 
für  die  Unfallversicherten  sich  ergeben  dürfte.  Immerhin  fehlt  bei  • 
dieser  Art  von  Rechtsprechung  dann  das  Zusammenwirken  von 
Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern,  auf  dem  gerade  in  Deutschland  ein 
guter  Teil  des  Vertrauens  beruht,  welches  der  Berufungsinstanz  gerade 
von  seiten  der  Arbeiter  entgegengebracht  wird,  eine  Einrichtung,  der 
unsere  soziale  Gesetzgebung,  kurz  gesagt,  wohl  zumeist  ihre  Popu¬ 
larität  in  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  verdankt. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  hinzugefügt,  dass  in  den  ersten  3  Jahren 
häufiger  als  einmal  im  Jahre  eine  Rentenänderung  nicht  vorge¬ 
nommen  werden  kann.  Pfändung  oder  Beschlagnahme  der  auf  Grund 
von  Bescheiden  zuerkannten  Renten  darf  nicht  stattfinden. 

Wie  die  vorstehenden  Ausführungen  erkennen  lassen  —  es 
konnte  hier  nur  das  wesentlichste  hervorgehoben  werden  —  ist 
die  russische  Unfallversicherungsgesetzgebung  erheblich  vereinfacht 
gegenüber  der  deutschen.  Die  Hauptunterscheidungsmerkmale  be¬ 
stehen  dabei,  um  es  noch  einmal  kurz  zu  wiederholen,  in  folgendem: 

1.  Die  Arbeiter  leisten  keinen  Beitrag  zu  der  staatlichen  Unfall¬ 
versicherung,  die  gesamten  Kosten  der  Unfallversicherung  trägt  der 
Arbeitgeber  (Unternehmer). 

2.  Mit  dem  endgültigen  Bescheide  erledigt  sich  die  Wirksamkeit 
der  Unfallversicherungsgesetzgebung,  indem  Berufungen  hiergegen 
bereits  den  ordentlichen  Gerichten  bezw.  dem  Zivilprozessverfahren 
anheimfallen. 

II.  Das  Arbeiterkrankenversicherungsgesetz. 

Die  Form  dieser  Versicherung,  welche  die  gleichen  Kategorien 
von  Arbeitern  umfasst,  wie  die  Unfallversicherung,  geschieht  in  ört¬ 
lichen  Krankenkassen  (auf  Gegenseitigkeit  mit  Selbstverwaltung). 
An  Krankenkassen,  deren  etwa  4000  in  Frage  kommen,  werden  ge¬ 
gründet  :  Einzelne  Kassen  für  ein  Unternehmen  allein  und  ge¬ 
meinsame  für  mehrere  Unternehmen  zusammen.  Die  Anzahl  der 
Mitglieder  einer  Kasse  darf  nicht  unter  200  sein.  Die  Krankenkasse 
wird  auf  Grund  des  Normalstatuts  oder  eines  Statuts,  welches  Ab¬ 
weichungen  vom  Normalstatut  enthält,  gegründet.  Aufsichtsbehörde, 
der  auch  die  Feststellung  des  Normalstatuts  zufällt,  ist  die  Arbeiter¬ 
versicherungsbehörde  bezw.  der  Konseil  für  Arbeiterversicherung. 

Die  Leistungen  der  Krankenversicherung  be¬ 
stehen  in  folgendem: 

a)  Freie  Kur  oder  Krankenhauspflege  auf  Kosten  des  Unter¬ 
nehmers  bis  zu  16  Wochen. 

b)  Krankengeld  04— 2/s  des  Lohnes  für  Arbeiter  mit  Ange¬ 
hörigen,  Yi—Vi  für  Alleinstehende)  vom  4  Tage  der  Erkrankung  ab 
bis  zu  26  Wochen. 

c)  Wochengeld  bis  zu  vollem  Lohn  für  6  Wochen  (2  Wochen 
vor  der  Geburt  und  4  Wochen  darüber  hinaus). 

d)  Sterbegeld,  der  20 — 30  fache  Tagelohn. 

Ausdehnung  dieser  Leistungen  auf  die  Familienangehörigen  der 
Mitglieder  ist  zulässig. 

Eine  ganz  wesentliche  Aenderung  gegenüber  der  gleichartigen 
Gesetzgebung  anderer  Staaten  bildet  hierbei  die  unter  a)  festgelegte 
Bestimmung,  dass  die  ausschliessliche  Verantwortung  für  Kur  und 
Krankenhauspflege  der  Arbeitgeber  trägt,  für  dessen  Rechnung  sie 
gewährt  wird. 

Es  kommen  hierfür  nach  dem  Gesetze  in  Betracht : 

1.  Erste  Hilfe  bei  plötzlichen  Erkrankungen  und  Unfällen, 
2.  ambulatorische  Behandlung,  3.  Geburtshilfe,  4.  stationäre  Behand¬ 
lung  mit  vollem  Unterhalt  der  Kranken.  Zur  ärztlichen  Hilfe  gehört 
unentgeltliche  Verabfolgung  von  Arzneien,  Verbandzeug  und  anderem 
notwendigen  medizinischen  Zubehör.  Diese  Bestimmungen  werden 
aber  nicht  auf  die  ärztliche  Hilfe  bei  Unfallverletzten  nach  der 
13.  Woche  ausgedehnt,  sondern  sind  in  diesem  Falle  von  den  schon 
vorher  erwähnten  Unfallversicherungsgenossenschaften  zu  tragen. 

Der  Besitzer  eines  Unternehmens  kann  sich  zum  Zweck  der  Er¬ 
füllung  seiner  Verpflichtungen  mit  Besitzern  anderer  Unternehmungen, 
mit  Krankenkassen  oder  privaten  Heilanstalten,  sowie  städtischen  und 
landschaftlichen  Verwaltungen  zusammentun,  sie  können  gemeinsame 
Krankenhäuser  begründen  u.  ä.  m.  Immer  jedoch  bleibt  der 
Unternehmer  verantwortlich  für  die  Kur  und  Kran¬ 
kenhauspflege.  Kann  er  sie  selbst  nicht  beschaffen  und  geht 
sie  demgemäss  in  einer  öffentlichen  Heilanstalt  vor  sich,  so  hat  er 
den  Betrag  hierfür  nachträglich  zu  entrichten  entsprechend  den 
immer  für  2  Jahre  im  voraus  festgesetzten  Tagespreisen  der  Kranken¬ 
häuser. 

Die  Mittel  der  Krankenkassen  werden  gebildet  aus  den  Bei¬ 
trägen  der  Arbeiter  (bis  zu  3  Proz.  des  Lohnes)  und  der  Arbeitgeber 
(2/ 3  der  Beiträge  der  Kassenmitglieder),  aus  Einnahmen  vom  Ver¬ 
mögen  der  Kasse,  aus  Darbringungen  und  Schenkungen,  und  aus  Geld¬ 
strafen,  welche  von  der  Direktion  der  Krankenkassen  auferlegt 
werden. 


Die  Verwaltung  der  Kassen angelegheiten  wird 
der  Generalversammlung  und  dem  Kassenvorstande  auferlegt.  Die 
Generalversammlung  besteht  aus  Delegierten  der  Arbeiter,  deren 
Anzahl  jedoch  nicht  mehr  als  200  betragen  und  Vertretern  der 
Unternehmer,  welch  letztere  jedoch  nur  2/s  der  Stimmen  der  Arbeit¬ 
nehmer  erhalten,  so  dass  diese  immer  über  die  Majorität  verfügen 
werden.  .  . 

Während  das  russische  Unfallversicherungsgesetz  sich  in  seinen 
wichtigsten  Punkten  an  das  deutsche  Vorbild  anlehnt,  ist  die  russische 
Krankenversicherung  nach  wesentlich  anderen  Gesichtspunkten  aus¬ 
gestaltet.  Hier  gehen  2  Arten  von  Leistungen  nebeneinander  her, 
die  Krankenkassen,  welche  nichts  anderes  sind  als  Zwangs- 
kassen  und  Geldunterstiitzungen  gewähren  und  die  ärztliche 
Hilfe  etc.,  welche  einzig  Sache  des  Arbeitgebers  bleibt  und  iür 
deren  Erfüllung  derselbe  allein  zu  sorgen  hat. 

Es  bedeutet  dies  aber  für  die  russischen  Aerzte  die  völlige 
Unabhängigkeit  von  den  Krankenkassen,  dagegen  die  Notwendigkeit 
einer  Verständigung  mit  den  Arbeitgebern.  Gelingt  es  den  Aerzten 
dann  nicht,  mit  diesen  letzteren  geeignete  Vereinbarungen  zu  treffen, 
so  können  sich  hieraus  eingreifende  Konflikte  ergeben,  die  auch  für 
die  Versicherten  um  so  fühlbarer  sein  werden,  als  eine  Ablösung 
der  Verpflichtung  des  Unternehmers  durch  bare  Leistungen,  wie  sie 
z.  B.  der  §  370  unserer  deutschen  R.V.O.  vorsieht,  das  russische 
Gesetz  nicht  kennt.  Die  Konsequenz  dieser  Bestimmungen  wird 
auch  für  Russland  die  Notwendigkeit  des  Zusammenschlusses  der 
Kassenärzte  zwecks  Aufstellung  gleichmässiger  Tarife  bilden  —  also 
tout  comme  chez  nous  —  wenngleich  auf  Grund  wesentlich  anderer 
Vorbedingungen.  Bedeutet  es  doch  zweifellos  einen  Vorteil,  mit  dem 
Unternehmer  allein  sich  verständigen  zu  müssen,  als  auf  die  Ver¬ 
ständigung  mit  einer  aus  zahlreichen  Köpfen  bestehenden  Kassenver¬ 
waltung  angewiesen  zu  sein.  Wir  gehen  vielleicht  nicht  fehl  in  der 
Annahme,  dass  gerade  diese  engere  Verbindung  des  Arbeitgebers 
als  Haupt  der  Krankenorganisation  seiner  unterstellten  Arbeiter  mit 
dem  Arzt  einen  Rest  jenes  patriarchalischen  Verhältnisses  darstellt, 
wie  es  in  Russland  noch  auf  anderen  Gebieten,  vor  allem  auf  dem 
Lande,  vorherrscht  und  in  dieser  Form  durch  den  damit  verbundenen 
persönlichen  Einfluss  vielleicht  seine  grossen  Vorteile  gegenüber 
andersartigen,  mehr  unpersönlichen,  Systemen  besitzt. 

Dr.  Erwin  F  r  a  n  c  k  -  Berlin. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Der  Arzt  in  der  Rechtsprechung. 

Von  Regierungsrat  Paul  Kaestner  in  Berlin. 

T. 

Das  der  Aerztewelt  selbstverständlich  nächstliegende  Sonder- 
gebiet  der  Rechtsprechung  in  ärztlichen  Ehrensachen  wird  in  dieser 
Wochenschrift  in  einem  Ueberblick  über  die  Entscheidungen  des  ver¬ 
gangenen  Jahres  erörtert  (vergl.  zuletzt  die  Nummern  47  und  48  von 
1912).  Einer  Anregung  der  Schriftleitung  gemäss  sollen  hier  jetzt 
auch  in  gewissen  Zeiträumen  Artikel  erscheinen,  die  für  Aerzte  inter¬ 
essante  Fragen  aus  dem  umfangreichen  Gebiete  des  bürgerlichen 
Rechts,  des  Strafrechts  und  des  Verwaltungsrechts  betreffen  und  be¬ 
sonders  eine  Uebersicht  über  solche  gerichtliche  Entscheidungen 
geben,  die  zu  kennen  für  die  Aerzte  von  Bedeutung  ist.  Ein 
„Deutsches  Aerzterecht“  ist  erfreulicherweise  kürzlich  in  gemein¬ 
samer,  gründlicher,  ärztlich-juristischer  Arbeit  vom  Sanitätsrat  Dr. 
Heinrich  Joachim  in  Berlin  und  Justizrat  Dr.  A.  Korn  am 
Kammergericht  in  Berlin  geschaffen  worden.  Dieses  treffliche,  lang 
entbehrte  Werk  (2  Bände,  Verlag  von  Franz  V  a  h  1  e  n,  Berlin)  bietet 
jedem  Arzt,  der  sich  über  Rechtsfragen  seines  Berufes  und  über  die 
Rechtsprechung  in  ärztlichen  Angelegenheiten  bis  zum  Jahre  1911 
unterrichten  will,  bis  dahin  die  sichere  Grundlage  und  den  zuver¬ 
lässigen  Wegweiser.  Als  fortlaufende  Ergänzungen  zu  diesem  Werk 
können  die  nachfolgenden  Uebersichten  gelten,  die  der  Aehreniese 
auf  den  für  Aerzte  interessanten  Parzellen  des  weiten,  fruchtbaren, 
aber  immer  schwerer  zu  überblickenden  Feldes  der  Rechtswissen¬ 
schaft  und  Rechtsprechung  dienen  sollen.  — 

Ueber  die  Frage  der  Zulässigkeit  polizeilicher  Beanstandung 
der  von  einem  Heilkundigen  geführten  Bezeichnung  „in 
Amerika  approbierter  Arzt“  handelt  ein  ausführlich  be¬ 
gründetes  Urteil  des  Oberverwaltungsgerichts  vom  25.  April  191- 
(Min.-Blatt  f.  Med.-Angel.  1912,  S.  209  f.,  216  f.).  Der  Angeklagte  hat 
zwar  ausdrücklich  zu  erkennen  gegeben,  dass  er  eine  im  Inlande  ge¬ 
prüfte  Medizinalperson  nicht  sei.  Das  Oberverwaltungsgericht  be¬ 
anstandet  aber,  dass  er  gerade  den  Ausdruck  gewählt  habe,  der 
nach  der  Gesetzessprache  der  Reichsgewerbeordnung  (§  29)  an¬ 
gewendet  wird,  um  die  staatliche  Zulassung  derjenigen  Personen  zu 
bezeichnen,  die  in  Deutschland  das  Recht  zur  Führung  des  ArzttiteiS 
erlangt  haben.  Hierin  müsse  zum  mindesten  die  Behauptung  ge¬ 
sehen  werden,  dass  er  im  Auslande  auf  Grund  eines  Bildungsganges 
und  einer  Prüfung,  die  im  wesentlichen  den  deutschen  Anforderungen 
entspreche,  die  Zulassung  als  Arzt  erlangt  habe.  Sei  dies  aber 
nicht  der  Fall  (was  eingehend  auf  Grund  der  Beweisaufnahme  geprüft 
und  verneint  wird),  so  stelle  sich  die  Bezeichnung  als  —  wenn 
auch  im  Auslande  —  approbierter  Arzt  als  eine  falsche  Be¬ 
hauptung  über  geschäftliche  Verhältnisse  dar,  die  geeignet  sei,  den 


I.  Februar  1913, 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


303 


»schein  eines  besonders  günstigen  Angebots  zu  erwecken  (§  1  des 
eiclisgesetzes  zur  Bekämpfung  des  unlauteren  Wettbewerbs  vom 

Mai  1896)  und  die  deshalb  auch  von  der  Polizei  verboten  werden 

jnne. 

In  diesem  Zusammenhänge  sei  auf  die  Entscheidung  desselben 
erichts  vom  22.  Januar  1912  (Min.-Blatt  f.  Med.-Angel.  1912,  S.  169) 
:tr.  Ungültigkeit  der  von  dem  German  American  Dental  College  in 
hicago  verliehenen  Doktortitel  hingewiesen,  die  als  mindestes 
'fordernis  verlangt,  dass  die  als  Doktorwürde  betrachtete  und  so 
.“zeichnete  Auszeichnung  von  einem  Institut  verliehen  ist,  an  wel- 
lern  ernste  Wissenschaft  gepflegt  und  Vorlesungen  gehalten  wurden, 
■wie  ferner,  dass  die  Verleihung  auf  Grund  einer  ernstlichen  Prii- 
ng  und  Feststellung  des  Besitzes  gewisser  Kenntnisse  und  Fähig¬ 
ster  erfolgte.  War  dies  nicht  der  Fall,  so  befand  Kläger  (ein  Zahn- 
chniker)  sich  nicht  befugter  Weise  im  Besitz  der  Doktorwürde  und 
uideite  durch  deren  Führung  dem  §  360  No.  8  des  Reichsstrafgesetz- 
iches  zuwider.  — 

Unter  die  Strafvorschriften  des  §  147  No.  3  der  Reichsgewerbe- 
dnung  fallen  nur  Benennungen,  welche  der  Heil¬ 
ewer  betreibende  seiner  Person  beilegt,  nicht  aber 
Iche  Worte,  durch  die  er  ausschliesslich  seine  Tätigkeit  sach- 
ch  kennzeichnet  (Urteil  des  Kammergerichts,  I.  Strafs.,  6.  Juni 
12:  im  Medizinalarchiv  f.  d.  Deutsche  Reich,  III,  S.  353).  Nach 
147  No.  3  wird  bestraft,  wer  ohne  hierzu  approbiert  zu  sein  sich  als 
•zt  bezeichnet  oder  sich  einen  ähnlichen  Titel  beilegt,  durch  den  der 
laube  erweckt  wird,  der  Inhaber  desselben  sei  eine  geprüfte  Medi- 
nalperson.  Das  bayerische  Oberste  Landesgericht  hat  noch  in 
ner  Entscheidung  vom  4.  April  1911  (Gew.-Archiv,  XI,  S.  325)  an 
■r  Ansicht  festgehalten,  dass  auch  eine  die  Tätigkeit  einer  Person 
nnzeichnende  objektive  Bezeichnung  zur  Annahme  der  Beilegung 
nes  arztähnlichen  Titels  genügen  könne.  Auch  das  Oberlandes- 
•richt  Celle  (Urteil  vom  29.  Juni  1903,  Goltd.  Arch.,  52,  S.  258)  hat  in 
nem  Fall,  in  dem  ein  Zahntechniker  seinem  Namen  die  Bezeichnung 
Zahnklinik“  hinzugefügt  hatte,  entschieden,  dass  darin  die  Bei- 
jung  eines  arztähnlichen  Titels  gefunden  werden  könne.  Dagegen 
eht  das  Reichsgericht  (Entsch.  i.  Strafs.,  31,  S.  164)  auf  dem  Stand- 
nkte,  dass  derjenige,  der  seine  Leistungen  anbiete,  ohne  sich  eine 
r  Bezeichnung  der  von  ihm  ausgeübten  Tätigkeit  dienende  Be- 
nnung  beizulegen,  nicht  nach  §  147,  3  strafbar  sei.  Es  hat  dem- 
mäss  einen  Angeklagten,  der  sejnem  Namen  die  Bezeichnung 
omöopathische  Kur“  hinzugefügt  hatte,  freigesprochen.  Das  Kam- 
ergericht  hat  sich  dem  angeschlossen.  Es  möge  sein,  dass,  wie  das 
yerische  Oberste  Landesgericht  hervorhebe,  die  weitergehende 
isicht  dem  Grund  und  Zweck  der  Vorschrift  mehr  Rechnung  trage, 
ie  sie  aber  gefasst  sei,  könne  sie  nur  so  ausgelegt  werden,  dass 
liglich  die  persönliche  Benennung  einer  Person  durch  sie  getroffen 
;rden  sollte.  — 

Ist  einem  Arzte  ein  Vorwurf  daraus  zu  machen,  dass  er  sich 
einem  Orte  zur  Ausübung  der  Praxis  niederliess,  obwohl  dort  be- 
its  vor  ihm  2  Aerzte  sich  niedergelassen  hatten?  Nach  §  29  Abs.  3 
r  Reichsgewerbeordnung  sind  die  Aerzte  innerhalb  des  Reichs 
der  Wahl  des  Ortes,  wo  sie  ihr  Gewerbe  betreiben  wollen,  nicht 
schränkt.  Jeder  Arzt  hat  also  das  Recht,  an  jedem  Orte  des 
'utschen  Reichs  sich  niederzulassen  und  an  jedem  Orte  des 
utschen  Reichs  die  Praxis  auszuüben.  Dieses  Recht  ist  ein  sub- 
ctives  öffentliches  Recht,  in  dem  der  Arzt  gegen  seinen  Willen  nicht 
schränkt  werden  darf.  Landesgesetzliche  Bestimmungen,  welche 
ihrer  Wirkung  darauf  hinausliefen,  die  Aerzte  in  dem  ihnen  reichs- 
;  setzlich  gewährleisteten  Recht  der  Freiheit  in  der  Wahl  des  Ortes 
r  Ausübung  der  Heilkunde  —  in  der  ärztlichen  Freizügig¬ 
st  zu  beschränken,  wären  unwirksam.  Damit  steht  es  in  Wider- 
Tuch,  wenn  der  Angeschuldigte  auf  Grund  der  §§  20,  33,  35  des 
ndesgesetzes  vom  10.  Oktober  1906,  die  Rechtsverhältnisse  des 
nitätspersonals  betreffend,  bestraft  ist,  weil  er  die  Praxis  am 
ohnorte  zweier  anderer  Aerzte  ausübt.  Wer  von  einem  ihm  reichs- 
■  setzlich  gewährleisteten  Recht  Gebrauch  macht,  kann  dieser  Händ¬ 
ig  wegen  nicht  auf  Grund  eines  Landesgesetzes  'bestraft  werden, 
is  dem  Aerzteverein,  dessen  Mitglieder  eine  Beschränkung  der 
chsgesetzlichen  Freizügigkeit  freiwillig  auf  sich  genommen 
Iben,  war  der  Angeschuldigte  ausgetreten.  Das  Urteil  des  Ehren- 
irichtshofes  ist  daher  aufgehoben  (Urteil  des  badischen  Verwal- 
ugsgerichtshofes  vom  2.  April  1912,  Zeitschr.  f.  badische  Verw.,  44, 

1  137). 

Zur  Erläuterung  dieser  Entscheidung  sei  bemerkt,  dass  nach 
::’l  des  genannten  badischen  Gesetzes  dem  Arzte  und  dem  Beauf- 
'igten  des  Ministeriums  des  Innern,  der  die  Anklage  vertritt,  gegen 
1  s  Urteil  des  ärztlichen  Ehrengerichtshofes  die  Berufung  an  den 
Mischen  Verwaltungsgerichtshof  zusteht,  wenn  das  ehrengericht- 
Mie  Urteil  nach  ihrer  Meinung  auf  einer  Verletzung  des  Gesetzes  be- 
nt.  Dem  preussischen  Ehrengerichtsgesetz  ist  diese  zur  Abschnei- 
ng  nicht  unmöglicher  Konflikte  zweckmässige  Bestimmung  fremd, 
hch  hat  der  preussische  Ehrengerichtshof  gerade  in  dieser  gleichen 
Gge  wiederholt  die  gleiche  Entscheidung  getroffen  und  eine  Be- 
'  irän kung  der  reichsgesetzlich  gewährleisteten  ärztlichen  Freizügig¬ 
st  gegen  den  Willen  des  Arztes  durch  ehrengerichtliche  Massnahmen 
1  gesperrten  Orten)  für  gesetzwidrig  und  daher  unzulässig  erklärt 
bitscheidungen  vom  9.  Januar,  2.  Dezember  1905,  Entsch.  d.  EGH., 
D.  126,  131,  135).  — 

Ueber  den  Gebührenanspruch  für  ein  en  ä  r  z  t  - 
Rhen  Besuch,  auch  wenn  dieser  nach  einer  fest- 


bestimmten  Frist  bewirkt  wird,  falls  er  nicht  vorher  aus¬ 
drücklich  abbestellt  ist,  hat  das  Landgericht  Hamburg  in  dem  die 
Verhältnisse  des  Arzthauses  verständnisvoll  würdigenden  Urteil  vom 
29.  Januar  1912  entschieden  (Medizinal-Archiv,  III,  S.  357).  Will  ein 
Kranker  den  Besuch  eines  Arztes  zu  einer  festgesetzten  Stunde  oder 
zu  einer  bestimmten  Zeit  haben,  so  muss  er  dies  ausdrücklich  mit 
dem  Bemerken  erklären,  dass  er  sonst  auf  die  Dienste  des  Arztes 
verzichte  und  die  Hilfe  eines  anderen  in  Anspruch  nehmen  werde. 
Anderenfalls  muss  der  zuerst  angenommene  Arzt  der  Meinung  sein, 
dass  seine  Dienste  immer  noch  willkommen  seien  und  auch  noch  be¬ 
ansprucht  würden.  Die  Ehefrau  des  Beklagten  hatte  eine  derart  be¬ 
stimmte  Erklärung,  als  sie  den  Besuch  des  klagenden  Arztes  bei  ihrem 
Kinde  wünschte,  nicht  gegeben.  Sie  hatte  den  Arzt  nicht  zu  Hause 
angetroffen  und  das  Dienstmädchen  gefragt,  wann  er  zurückkehren 
werde.  Das  Dienstmädchen  hatte  erklärt,  sie  könne  den  Arzt  tele¬ 
phonisch  erreichen  und  ihm  die  Bestellung  übermitteln  und  hatte  hin¬ 
zugefügt,  er  werde  spätestens  um  8  Uhr,  wie  dies  von  der  Frau 
gewünscht  wurde,  kommen.  Diese  Erklärung  des  Dienstmädchens 
enthielt  nicht  eine  feste,  den  Arzt  verpflichtende  Zusicherung,  dass 
Kläger  bis  8  Uhr  den  gewünschten  Besuch  machen  würde.  Zu 
rechtsgeschäftlichen  Erklärungen  war  das  Dienstmädchen  nach  seiner 
Stellung  im  Haushalt  nicht  befugt.  Es  gab  nur  das  unverbindliche 
Versprechen  ab.  den  Arzt  zu  benachrichtigen  und  ihn  zu  veranlassen, 
bis  8  Uhr  zu  kommen.  Anders  konnte  ihre  Mitteilung  nicht  auf¬ 
gefasst  werden.  Die  Eigenart  des  ärztlichen  Berufes  verbietet  es 
auch,  dass  dritte  Personen  über  die  Zeit  der  Arbeitstätigkeit  eines 
Arztes  disponieren  können,  da  der  Arzt,  wie  jedermann  weiss,  nicht 
bestimmt  über  seine  Zeit  verfügen  und  stets  unvermutet  festgehalten 
werden  kann.  Wenn  dann  die  Beklagte,  als  der  Arzt  später  kam. 
erklärt  hat,  sie  wolle  ihr  Kind  nicht  wecken,  so  hat  sie.  da  zwingende 
Gründe  zu  solcher  Ablehnung  nicht  Vorlagen,  dem  Arzte  die  Lei¬ 
stung  unmöglich  gemacht  und  hat  die  Inanspruchnahme  des  Arztes 
zu  vergüten,  obwohl  er  irgendwelche  Tätigkeit  nicht  entfaltet  hat.  — 
Von  erheblichem  Interesse  ist  eine  Abhandlung  des  Wirkl.  Geh. 
Rats  Dr.  A.  Förster,  des  früheren  Direktors  der  Medizinalabtei¬ 
lung  im  Ministerium  des  Jnnern  und  Verfassers  der  preussischen  Ge¬ 
bührenordnung  für  Aerzte  vom  15.  Mai  1896  (13.  März  1906),  „Zur 
Frage  des  Honorars  ärztlicher  Spezialisten“  in  der  Wochen¬ 
schrift  „Preussisches  Verwaltungsblatt“  1912,  No.  23,  S.  381.  Sie  geht 
aus  von  einem  in  der  Tagespresse  wiedergegebenen  Urteil  des  Amts¬ 
gerichts  Berlin-Mitte,  das  die  Honoraransprüche  ärztlicher  Autori¬ 
täten  behandelt  und  ausgesprochen  hat.  dass  die  ärztliche  Gebühren¬ 
ordnung  mit  ihren  Honorarsätzen  auf  diese  Autoritäten  keine  Anwen¬ 
dung  finde.  Denn  es  sei  allgemein  bekannt,  dass  ärztliche  Autoritäten 
regelmässig  erheblich  über  die  Höchstsätze  der  Gebührenordnung 
hinausgehende  Honorare  für  ihre  Leistungen  beanspruchten,  und  wer 
sich  an  sie  wende,  müsse  sich  darüber  klar  sein,  dass  er  eine  ausser¬ 
ordentliche  Honorarforderung  zu  erwarten  habe.  Ein  derartiger  Arzt 
könne  voraussetzen,  dass  ein  Patient,  der  sich  an  ihn  wende,  ohne 
sich  zuvor  über  die  Honorarforderung  zu  unterrichten,  in  der  Ver¬ 
mögenslage  sein  müsse,  dasjenige  Honorar  zu  zahlen,  das  andere 
Patienten  ersten  Chirurgen  in  ähnlichen  Fällen  zu  bewilligen  pflegten. 
Dies  sei  so  selbstverständlich,  dass  die  ersten  Spezialärzte  und  Autori¬ 
täten  die  Honorarfrage  regelmässig  nicht  zu  besprechen  pflegten.  För¬ 
ster  legt  eingehend  dar,  dass  derartige  Erwägungen  den  Ausschluss 
der  Gebührenordnung  für  spezialärztliche  Behandlung  nicht  begründen 
und  dass  sie  dem  Gesetz  sowohl  wie  der  in  der  Literatur  und  in  der 
Rechtsprechung  herrschenden  Auffassung  widersprechen.  Der  Arzt 
hat  gegen  den  Patienten  zunächst  zwar  und  in  erster  Linie  Anspruch 
auf  Zahlung  der  vereinbarten  Vergütung  (§  611  Abs.  1  BGB.s, 
§  80  Abs.  2,  Satz  1  der  Reichsgewerbeordnung),  die  grundsätzlich  be¬ 
liebig  hoch  oder  niedrig  bemessen  sein  kann.  Ist  eine  Vereinbarung 
aber  nicht  getroffen,  .so  ist  bei  dem  Bestehen  einer  Taxe  die  tax- 
mässige,  in  Ermangelung  einer  Taxe  die  übliche,  erforderlichen 
Falles  festzustellende  ortsübliche  Vergütung  zu  gewähren  (§  612 
Abs.  2  BGB.s,  §  80  Abs.  2  Satz  2  RGO.).  Die  Gebührenordnung  ist 
eine  Taxe  von  allgemein  verbindlichem  Charakter,  deren  weit  aus¬ 
einanderliegende  Sätze  den  Beteiligten  und  dem  Richter  Anpassung 
an  die  Umstände  des  Einzelfalles  in  weitem  Masse  gestatten.  Zu 
den  approbierten  Aerzten,  für  welche  sie  nach  dem  im  §  1  gewählten 
allgemeinen  Ausdruck  gilt,  gehören  auch  die  Spezialärzte  und  medi¬ 
zinischen  Universitätsprofessoren,  deren  höheres  Mass  von  Erfahrung 
und  technischer  Geschicklichkeit  als  wertsteigernde  Momente  be¬ 
rücksichtigt  sind.  Für  sie  sind  Sonderrechte  nicht  begründet  und 
können  um  so  weniger  anerkannt  werden,  als  die  Berechtigung  zur 
Bezeichnung  als  „Spezialarzt“  bisher  gesetzlich  nicht  geregelt  ist 
und  es  unter  den  etwa  20  000  preussischen  Aerzten  zurzeit  gegen  3000 
„Spezialärzte“  gibt.  Nun  sei  versucht,  das  vermeintliche  Recht  zu 
beschränken  auf  „allererste  Autoritäten,  welche  einen  Weltruf  ge¬ 
messen“,  wie  es  in  einem  Urteil  des  Landgerichts  I  Berlin  heisse. 
Der  Beweis  einer  derartigen  Voraussetzung  seines  Anspruches  würde 
für  den  Spezialarzt  schon  durch  „Takt  und  Erziehung.  Rücksicht  auf 
seine  Spezialkollegen  und  Achtung  vor  der  eigenen  Persönlichkeit“ 
unmöglich  gemacht  werden.  Auch  die  Beschränkung  auf  solche  Spe¬ 
zialärzte,  die  zugleich  im  Hauptamte  Universitätslehrer  sind,  müsse 
als  unangebracht  und  der  inneren  Berechtigung  entbehrend  schon  mit 
Rücksicht  auf  die  wissenschaftlichen  und  operativen  Glanzleistungen 
nichtakademischer  Aerzte.  die  eine  Monopolstellung  der  Universitäts¬ 
lehrer  längst  gebrochen  hätten,  zurückgewiesen  werden.  Glaubt  der 
Spezialarzt,  von  dessen  freier  Entschliessung  grundsätzlich  die  Ge- 


364 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Währung  der  begehrten  ärztlichen  Hilfeleistung  abhängt,  diese  nur 
gegen  ein  die  Höchstsätze  der  Gebührenordnung  überschreitendes 
Honorar  gewähren  zu  können,  so  muss  er  den  Patienten  hiervon  in 
ausreichender  Weise  in  Kenntnis  setzen  und,  falls  dieser  sich  weigert, 
die  ärztliche  Hilfe  ablehnen.  —  Förster  befindet  sich  mit  seinen 
Ausführungen  in  Uebereinstimmung  mit  der  herrschenden  Meinung, 
wie  sie  auch  bei  J  o  a  c  h  i  m  -  K  o  r  n,  I,  S.  383  erörtert  und  ge¬ 
billigt  ist.  — 

Dem  an  schwerem  chronischem  Ekzem  der  Hände  leidenden  und 
in  seiner  Arbeitsfähigkeit  dadurch  stark  beeinträchtigten  N.,  der 
freiwilliges  Mitglied  der  allgemeinen  Ortskrankenkasse  war,  wurde 
von  dem  Spezialarzt  für  Hautkrankheiten  Dr.  M.  in  0.  eine  vier-  bis 
fünfwöchentliche  und  höchstens  50  M.  Kosten  verursachende  Rönt¬ 
gen-  und  Heissluftbehandlung  empfohlen  und  hiernach 
Heilung  mit  fast  absoluter  Sicherheit  in  Aussicht  gestellt.  Die  Kran¬ 
kenkasse  lehnte  die  Uebernahme  der  Kosten  ab,  weil  die  angegebene 
Behandlung  keine  ärztliche  Behandlung  sei,  sondern  unter 
den  Begriff  „Heilmittel“  falle,  aber  nicht  zu  den  „ähnlichen  Heil¬ 
mitteln“  (§  6  Ziff.  1  KVG.,  §  11  Ziff.  1  des  Kassenstatuts),  d.  h.  solchen 
bis  zum  Betrage  von  20  M.  gehöre.  Das  Oberverwaltungsgericht 
Oldenburg  hat  durch  Urteil  vom  11.  Januar  1912  (Zeitschr.  f.  Verw. 
u.  Rechtspfl.,  Bd.  39,  S.  74)  entschieden,  dass  in  der  von  Dr.  M.  selbst 
vorgenommenen  Behandlung  des  Kranken  mit  Röntgenbestrahlung 
und  Heissluft  eine  „ärztliche  Behandlung“  zu  erblicken  sei.  Eine 
derartige,  verhältnismässig  noch  neue  Behandlungsmethode  dürfe,  nur 
durch  die  Hand  eines  sachverständigen  Arztes  oder  von  einer  Hilfs¬ 
person  unter  seiner  unmittelbaren  Leitung  angewendet  werden. 
In  beiden  Fällen  sei  sie  zur  ärztlichen  Behandlung  zu  rechnen.  Die 
Anschauungen  könnten  sich  vielleicht  in  Zukunft  ändern  und  noch 
einmal  dahin  gehen,  dass  vom  Arzte  verordnete  Röntgen-  oder  Heiss¬ 
luftbehandlung  geprüften  Heilgehilfen  oder  derartigen  Personen  un¬ 
bedenklich  überlassen  werden  könnten.  Gegenwärtig  sei  das  nicht 
der  Fall.  Und  selbst  wenn  man  die  fragliche  Behandlungsart  nicht 
a  b  s  o  lu  t  unter  den  Begriff  der  ärztlichen  Behandlung  einreihen 
wollte,  so  müsse  sie  für  die  Verhältnisse  des  vorliegenden  Falles 
doch  zweifellos  dazu  gerechnet  werden,  da#Dr.  M.  der  einzige  Arzt 
im  Herzogtum  Oldenburg  sei,  der  die  Bestrahlung  anwende  und  die 
Möglichkeit,  durch  andere  Personen  ihrer  teilhaftig  zu  werden,  dort 
nicht  bestehe.  — 

Die  Frage,  wer  dem  Arzt  die  Kosten  einesAttestes  zahlt, 
wird  häufig  streitig,  weil  dem  Arzte  gegenüber  oft  nicht  hinreichend 
klar  zum  Ausdruck  kommt,  wer  das  Attest  von  ihm  verlangt  und 
ob  der  zu  begutachtende  Patient  nur  als  der  auf  Verlangen  und  Kosten 
eines  Dritten  zu  Untersuchende  oder  als  Selbstkontrahent  bei  dem 
Arzte  erscheint.  Ein  Kaufmann  verlangte  von  seiner  Verkäuferin, 
die  als  Klägerin  vor  der  ersten  Kammer  des  Berliner  Kaufmanns¬ 
gerichts  gegen  den  Kaufmann  auf  Zahlung  der  Kosten  eines  ärztlichen 
Attestes  klagte,  über  ihre  Erkrankung  ein  ärztliches  Attest,  obwohl 
für  die  Dauer  einer  Krankheit  die  Gehaltszahlung  vertragsmässig  aus¬ 
geschlossen  war,  verweigerte  dann  aber  die  Zahlung  der  Attest¬ 
kosten,  weil  Klägerin  durch  ihre  Krankheit  den  Anlass  zu  dem  Attest 
gegeben  habe  und  es  deshalb  auch  bezahlen  müsse.  Ausserdem  müsse 
Klägerin  ihm  mindestens  den  Beweis  erbringen,  dass  sie  die  Honorar¬ 
forderung  des  Arztes  beglichen  habe.  Das  Kaufmannsgericht  ver¬ 
urteilte  den  beklagten  Kaufmann  zur  Zahlung  der  Kosten  des  Attestes, 
da  er,  nicht  die  Verkäuferin,  den  Anlass  zu  dessen  Ausstellung  ge¬ 
geben  habe  und  der  Beklagte  selbst  durch  den  Einwand,  dass  die 
Klägerin  die  Honorarforderung  des  Arztes  noch  nicht  bezahlt  habe, 
von  seiner  Zahlungspflicht  nicht  befreit  werde.  (Aus  dem  „Vorwärts“ 
vom  13.  Dezember  1912.)  — 

Zur  Vornahme  einer  ärztlichen  Operation  an 
einem  noch  minderjährigen  Patienten,  die  zum  Nutzen 
des  Patienten,  zur  Heilung  eines  Körperschadens  dient,  soll  der  Arzt 
nach  einem  Urteil  der  Strafkammer  1  des  Landgerichts  II  Berlin  vom 
30.  Januar  1912  (Aerztl.  Sachverst.-Zeitg.,  XVIII,  246)  nur  der  Ein¬ 
willigung  des  Patienten  selbst  bedürfen,  sofern  dieser  nach  Verstan¬ 
desreife  und  körperlicher  Entwicklung  als  selbständig  und  verfügungs¬ 
fähig  anzusehen  sei.  Die  Strafkammer  hat  hier  im  Gegensatz 
zum  Reichsgericht  angenommen,  dass  eine  ärztliche  Opera¬ 
tion,  mit  Einwilligung  des  verständigen  und  bürgerlich  erwachsenen, 
wenn  auch  noch  minderjährigen  Patienten  vorgenommen,  die  zum 
Besten  des  Patienten,  zur  Heilung  eines  Körperschadens  dient,  keine 
körperliche  Misshandlung,  sondern  eine  rationelle,  gebotene  Behand¬ 
lung  darstelle,  die  geschieht,  nicht  um  dem  anderen  wehe  zu  tun, 
sondern  um  ihn  von  seinem  Leiden  zu  befreien.  Zu  solchem  Eingriff 
hat  die  Strafkammer  unter  den  genannten  Voraussetzungen  nur  die 
Einwilligung  des  Patienten  selbst  für  erforderlich  gehalten,  da  auch 
zahllose  andere  Erklärungen  (und  nur  um  eine  solche,  nicht  um  ein 
Rechtsgeschäft  handele  es  sich  bei  der  Einwilligung  zu  einer  ärzt¬ 
lichen  Operation)  von  Minderjährigen,  die  schon  erwachsen  und  selb¬ 
ständig  seien,  anstandslos  im  bürgerlichen  Verkehr  abgegeben 
würden.  — 

Der  Kreisarzt  Dr.  C.  untersuchte  auf  Ersuchen  des  Re¬ 
gierungspräsidenten  den  Regierungssekretär  G.  auf  seinen  Gesund¬ 
heitszustand  und  erstattete  ein  Gutachten,  nach  welchem  G.  in¬ 
folge  schwerer  Arterienverkalkung  und  chronischer  Nierenerkrankung 
zur  Erfüllung  seiner  Amtspflichten  dauernd  unfähig  sei.  G.  klagte 
mit  der  Behauptung,  dass  das  Gutachten  „falsch“  sei.  bei  dem  Amts¬ 
gericht  P.  auf  Ersatz  der  Aufwendungen,  die  er  infolge  des  Gut¬ 
achtens  habe  machen  müssen  und  nahm  zum  Beweise  dafür,  dass 


No.  6. 


er  körperlich  und  geistig  amtsfähig  und  gesund  sei.  auf  die  Atteste 
mehrerer  Aerzte  Bezug.  Die  Kgl.  Regierung  erhob  zugunsten  des 
beklagten  Kreisarztes  bei  dem  Oberverwaltungsgerichte  Konflikt 
mit  dem  Antrag  auf  Einstellung  des  gerichtlichen  Verfahrens,  da  der 
Kreisarzt  sich  bei  Ausstellung  des  Gutachtens  der  Unterlassung  einer 
ihm  obliegenden  Amtshandlung  nicht  schuldig  gemacht  habe  (§  li, 
Abs.  2  des  Einf.-Ges.  z.  Ger.-Verf.-Ges.  v.  27.  Januar  1877).  Der 
Kläger  bezeichnete  den  Konflikt  als  unzulässig,  da  nach  §§  34,  115  der 
Dienstanweisung  für  die  Kreisärzte  die  Untersuchungs-  und  Begut¬ 
achtungstätigkeit  des  beklagten  Kreisarztes  eine  vertrauensärztliche 
Tätigkeit  sei  und  nicht  zu  den  Obliegenheiten  gehöre,  die  mit  dem 
Amte  des  Kreisarztes  als  solchem  verbunden  wären.  Das  Oberver¬ 
waltungsgericht  hat  im  Urteil  vom  20.  Oktober  1911  (Min.-Bl.  f.  Med.- 
Ang.  1912,  S.  20)  den  Konflikt  als  zulässig  erklärt.  Der  Kreisarzt 
sei  zwar  vermöge  seines  Amtes  nicht  allgemein  verpflichtet,  eine  ver¬ 
trauensärztliche  Tätigkeit  zu  übernehmen,  müsse  dies  aber  tun,  mit¬ 
hin  auch  den  Gesundheitszustand  eines  unmittelbaren  Staatsbeamten 
im  dienstlichen  Interesse  untersuchen,  wenn  der  Regierungspräsident 
ihn  hiermit  beauftrage  (§§  34  Abs.  3,  115  Abs.  1,  Abs.  2  lit.  C  der 
Dienstanweisung  vom  1.  September  1909).  Der  Beklagte  habe  daher 
bei  Ausstellung  des  Gutachtens  als  Beamter  gehandelt  und  seine  Tätig¬ 
keit  verliere  ihren  amtlichen  Charakter  nicht  aus  dem  Grunde,  dass 
sie  an  sich  nicht  zu  den  Aufgaben  des  staatlichen  Gesundheitsbeamten 
des  Kreises  gehöre  (§§  1,  6  d.  Ges.  betr.  die  Dienststellung  des 
Kreisarztes  vom  16.  September  1899)  sondern  erst  durch  den  Auftrag 
des  Regierungspräsidenten  dazu  werde.  Der  hienach  zulässige  Kon¬ 
flikt  ist  als  begründet  erklärt,  da  nach  dem  Ergebnis  der  Beweisauf¬ 
nahme  der  Kreisarzt  mit  der  vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  ge¬ 
botenen  Gewissenhaftigkeit  zu  Werke  gegangen  sei.  — 

Die  Schadensersatzpflicht  eines  Heilgehilfen 
wegen  falscher  Behandlung  einer  Armverrenkung  und 
Nicht  Überweisung  des  Verletzten  an  einen  Arzt 
behandelte  das  Reichsgericht  in  einem  Urteil  vom  25.  Juni  1912  (Recht¬ 
sprechung  und  Mediz.  Gesetzgeb.  1912,  S.  233).  Eine  vierzehnjährige 
Dienstmagd,  die  sich  bei  einem  Sturz  vom  Wagen  das  Ellenbogen¬ 
gelenk  verrenkt  hatte,  war  4  Wochen  lang  von  einem  Heilgehilfen,  der 
die  Verletzung  nicht  erkannt  hatte,  mit  Einreibungen  behandelt.  Der 
erst  dann  zugezogene  Arzt  vermochte  die  Verrenkung  nicht  mehr 
zu  beseitigen.  Die  Verletzte  klagte  gegen  den  Heilgehilfen  auf  Ersatz 
ihrer  Auslagen  und  Zahlung  einer  Rente  und  ihr  Anspruch  wurde 
vom  Landgericht  und  vom  Oberlandesgericht  in  München  sowohl  wie 
vom  Reichsgericht  als  aus  §  823  d.  B.G.B.s  begründet  anerkannt. 
Die  Fahrlässigkeit  des  Heilgehilfen,  also  sein  Verschulden  liege  nicht 
in  der  falschen  Diagnose,  denn  auch  ein  wissenschaftlich  gebildeter 
Arzt  könne  irrige  Diagnosen  stellen  und  ob  Bruch  oder  Verrenkung 
vorliege,  sei  oft  wegen  der  Schwellungen  nicht  festzustellen.  Könne 
jedoch  eine  Verrenkung  nicht  durch  Betasten  festgestellt  werden,  so 
biete  die  Wissenschaft  in  den  Röntgenstrahlen  ein  sicheres  Mittel 
dazu.  Könne  auch  dem  Beklagten,  der  nur  harmlose,  unschädliche, 
aber  auch  nutzlose  Mittel  angewendet  habe,  die  Röntgenuntersuchung 
nicht  zugetraut  werden,  so  sei  er  doch  verpflichtet  gewesen,  die 
Klägerin,  statt  sie  wochenlang  hinzuhalten,  möglichst  schleunig  einem 
Arzte  zu  überweisen.  Indem  er  dies  unterliess,  verletzte  er  die  vet- 
kehrsübiiche  Sorgfalt  und  machte  sich  aus  §  823  B.G.B.s  schaden¬ 
ersatzpflichtig.  — 

Wegen  Beleidigung  der  Aerzte  der  Stadt  X.  war  vom  Rechts¬ 
anwalt  N.  Strafantrag  gestellt  „auf  Grund  einer  Vollmacht“, 
die  von  zwei  Vorstandsmitgliedern  des  Aerztevereins  zu  X. 
unterschrieben  ist.  Der  Vorderrichter  hat  den  Strafantrag  für  rechts- 
wirksam  gehalten,  weil  der  Vorstand  des  Aerztevereins  der  „statuten- 
mässig  festgesetzte  Hüter  der  ärztlichen  Standesehre“  sei.  Das 
Reichsgericht  (Urteil  vom  13.  Februar  1912,  Deutsche  Jur.-Ztg.  XVII, 
812)  hat  diese  Auffassung  als  rechtsirrig  erklärt.  Der  Verein  habe 
nach  §  1  seiner  Satzung  lediglich  den  Zweck,  „die  Belebung  des 
kollegialen  Verkehrs  durch  gemeinsame  Wahrnehmung  der  ärztlichen 
Interessen  und  durch  Besprechung  fachwissenschaftlicher  Gegen¬ 
stände  zu  fördern“.  Aber  selbst  wenn  die  Satzungen  des  Vereins 
zum  „Hüter  der  ärztlichen  Standesehre“  den  Verein  bestimmen  würden, 
wäre  dies  bedeutungslos,  da  daraus  noch  nicht  die  Berechtigung  zur 
Stellung  des  Strafantrages  wegen  Beleidigung  der  dem  Verein  ange¬ 
hörenden  Aerzte  folgen  würde.  Die  Frage  der  Antragsberechtigung 
wegen  Beleidigung  sei  im  Strafgesetzbuch  erschöpfend  geregelt  und 
abgesehen  von  den  dort  in  den  §§  65,  195,  196  vorgesehenen  Fällen 
müsse  der  Strafantrag  vom  Verletzten  selbst  (§  65)  ausgehen,  wozu 
erforderlich  sei,  dass  er  die  auf  Herbeiführung  des  Strafverfahrens 
gerichtete  Willenserklärung  im  eigenen  Namen  abgibt.  — 

ln  einem  Urteil  vom  16.  April  1912  (Min.-Blatt  f.  Med.-Ang.  1912. 
S.  381)  führt  das  Reichsgericht  aus,  dass  durch  Verabreichung 
bereits  benutzter  Moorbäder  an  Badegäste  eines  Moor¬ 
bades  alle  Tatbestandsmerkmale  des  strafrecht¬ 
lichen  Betruges  erfüllt  werden.  Die  Behauptung  der  Re¬ 
visionskläger,  das  Publikum  rechne  mit  derartig  schlecht  hergestellten 
Bädern  und  nehme  in  der  Regel  keinen  Anstoss  daran,  ob  das  Moor 
bereits  benützt  oder  ganz  oder  teilweise  gebraucht  worden  sei,  sei 
vom  Vorderrichter  aus  zutreffenden  Gründen  bereits  zurückgewiesen. 
Wenn  dieser  auf  Grund  besonderer  Beweisergebnisse  oder  nach  der 
Auffassung  des  täglichen  Lebens  das  Gegenteil  angenommen  habe,  so 
gebe  dies  keine  Veranlassung  zu  rechtlichen  Bedenken.  Ob  dem  Moor 
durch  die  vor  der  Wiederverwendung  zu  Bädern  schon  erfolgte  Be¬ 
nutzung  zum  gleichen  Zwecke  ein  Teil  der  Heilkraft  entzogen  worden 


fl.  Februar  iQiJ. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


väre,  sei  Tatfrage.  Die  völlige  oder  teilweise  Entwertung  der  Bäder 
lurch  das  Verfahren  der  Angeklagten  könne  schon  daraus  gefolgert 
verden,  dass  eine  derartige  Bereitung  von  Moorbädern  nicht  nur  aus 
anitären,  sondern  schon  aus  Gründen  der  Reinlichkeit  deren  Wertung 

»eeinträchtige.  — 

Auch  die  nur  gelegentlichen  Gehilfen  des  Arztes,  z.  B. 
lessen  Ehefrau,  sind  zur  Wahrung  des  Berufsgeheimnisses  ver¬ 
nichtet  und  demgemäss  zur  Zeugnisverweigerung  b  e  - 
echtigt.  Die  Ehefrau  eines  Arztes  war  dessen  Vertreter  bei 
lern  Einpacken  der  zur  Behandlung  einer  Fehlgeburt  erforderlichen 
nstrumente  behilflich  gewesen  und  hatte  dabei  von  dem  Fall,  dessen 
irztliche  Behandlung  erbeten  war,  Kenntnis  erhalten.  In  dem  dann 
lachfolgenden  Ehescheidungsprozesse  nahm  der  klagende  Ehemann 
uif  das  Zeugnis  der  Ehefrau  des  Arztes  Bezug,  das  diese  als  Gehilfin 
les  Vertreters  ihres  Ehemannes  in  seiner  ärztlichen  Praxis  ver- 
veigerte.  Das  Oberlandesgericht  Dresden  hat  in  der  Entscheidung 
om  3.  Februar  1912  (Rechtsprechung  und  Mediz.-Gesetzgeb.  1912, 
'.  225)  die  Verweigerung  des  Zeugnisses  durch  die  Ehefrau  des 
\rztes  als  berechtigt  anerkannt.  Da  es  sich  nur  darum  handelte,  dem 
(lüger  den  Beweis  eines  Ehescheidungsgrundes  zu  verschaffen,  hätte 
edenfalls  der  Ehemann  der  Zeugin  und  sein  ärztlicher  Vertreter  das 
<echt  der  Zeugnisverweigerung  gehabt.  Dieses  Recht  müsse  aber 
luch  den  Personen  zugesprochen  werden,  die  dem  Arzte  in  seinem 
Gerufe,  wenn  auch  nicht  berufsmässig,  sondern  nur  gelegentlich,  be- 
nlflich  sind  und  dabei  Wahrnehmungen  vertraulicher  Art  machen, 
hnen  seien  zufolge  ihres  Verhältnisses  zum  Arzt,  also  kraft  eines 
Verhältnisses,  das  sich  je  nachdem  als  Amt  oder,  wie  bei  der  Ehefrau 
les  Arztes,  als  Stand  oder  als  Gewerbe  kennzeichne,  alle  diejenigen 
Tatsachen  gleichfalls  anvertraut,  die  nach  der  Natur  der  Sache  und 
lach  gesetzlicher  Vorschrift  (§  300  Straf-Gesetz.-B.)  geheim  gehalten 
.verden  sollen.  Wenn  auf  sie  die  Vorschriften  über  das  Recht  zur 
(eugnisverweigerung  (§  383,  Abs.  1,  No.  5  Zivil-Proz.-Ord.)  nicht  an¬ 
wendbar  wären,  so  würde  kein  Kranker  davor  sicher  sein,  dass  die 
Vahrnehmungen.  die  irgend  ein  Gehilfe  des  von  ihm  zugezogenen 
Arztes  mache,  in  einem  Prozess  wider  seinen  Willen  gegen  ihn 
erörtert  und  verwendet  würden.  Es  würde  also  das  für  den  Verkehr 
(ranker  mit  dem  Arzte  notwendige  Vertrauen,  das  als  das  höhere 
Gut  geschützt  werden  müsse,  untergraben  werden.  — 

Ein  von  einer  öffentlich-rechtlichen,  gemeinnützigen  Ortskranken- 
casse  angestellter  Kassenarzt  hatte  sich  im  Ans  teil  ungs- 
/ertrag  verpflichtet,  bei  vorzeitiger  Kündigung  seines  fünfjährigen 
Vertrages,  sogar  unbeschadet  seiner  Schadensersatzpflicht  für  die  Zu- 
cunft,  das  ganze  empfangene  Honorar  zurückzubezahlen, 
;o  dass  er  nicht  nur  seine  Tätigkeit  ohne  jede  Vergütung  ausgeübt, 
sondern  auch  noch  die  durch  das  Honorar  gleichzeitig  entgoltenen, 
sehr  erheblichen  Auslagen  selbst  zu  tragen  hatte.  Das  Oberlandes¬ 
tericht  Hamm  hat  im  Urteil  vom  4.  April  1912  (Rechtsprechung  des 
Jberlandesger.  XXIV,  S.  263)  einen  derartigen  Vertrag  als  ein  gegen 
lie  guten  Sitten  verstossendes  Rechtsgeschäft  für  nichtig  erklärt 
§  138  B.G.B.s).  Der  Vertrag  verstiess  gegen  die  guten  Sitten  auf 
seiten  des  Arztes,  der  seine  höhere  Vorbildung  erfordernde  und 
lementsprechend  in  der  allgemeinen  Meinung  bewertete  Tätigkeit 
grundsätzlich  nur  gegen  Entgelt  auszuüben  pflegt,  der  überdies  die 
seiner  wartenden  Verhältnisse  so  gut  wie  gar  nicht  kannte  und  daher 
veder  wusste,  ob  die  Möglichkeit  bestand,  seinen  Verpflichtungen 
mr  ärztlichen  Versorgung  der  zahlreichen  Kassenmitglieder  gerecht 
?u  werden,  noch  ob  die  Praxis  ihm  unter  Berücksichtigung  der 
k'on  ihm  nicht  zu  übersehenden  Auslagen  eine  annehmbare  Lebens¬ 
stellung  bringen  würde.  Der  Vertrag  verstiess  gegen  die  guten 
■sitten  nach  Anschauung  aller  ehrbar,  billig  und  gerecht  denkenden 
(reise  aber  auch  auf  Seiten  der  Ortskrankenkasse,  deren  Pflicht  es 
st,  ihren  Angehörigen  für  Krankheitsfälle  die  Hilfe  eines  Arztes  zu 
sichern,  dessen  Berufsfreudigkeit  nicht  so  herabgedrückt  ist,  wie  es 
eicht  die  Folge  solcher  unwürdigen  und  finanziell  drückenden  Be¬ 
stimmungen  sein  kann.  Dies  gilt  um  so  mehrmals  die  Bestimmung  auf 
Verlangen  der  Kasse  aufgenommen  ist,  um  den  Beklagten  auf  jeden 
“'all  von  einer  Kündigung  vor  Ablauf  von  5  Jahren  abzuhalten  und 
-umal  die  Ortski  ankenkasse  eine  wirtschaftliche  schwache  Stellung 
les  Beklagten  ausgeniitzt  hat,  der  als  Arzt  nicht  ohne  zwingendste 
iriinde  auf  eine  so  weitgehende  Knebelung  seiner  wirtschaftlichen 
"reiheit  und  Selbstbestimmung  eingegangen  sein  würde.  — 

Ueber  den  Begriff  der  „Privatentbindungsanstalt“ 
iat  sich  das  Oberverwaltungsgericht  in  einem  Urteil  vom  30.  Sep¬ 
tember  1912  (Min.-Bl.  f.  Med.-Angel.  1912,  S.  388)  dahin  ausge¬ 
sprochen,  dass  es  nach  den  Umständen  des  Einzelfalles  zu  beurteilen 
sei,  ob  es  sich  um  eine  genehmigungspflichtige  Privatentbindungs- 
instalt  handle  (Erfordernis  der  Konzession  nach  §  30  der  Reichs-Ge- 
‘':erbe-Ordnung).  Das  Vorliegen  eines  Grossbetriebes  und  das  Vor- 
landensein  besonderer  technischer  Einrichtungen  sei  zur  Erfüllung  des 
Jegriffes  nicht  erforderlich,  es  genüge  vielmehr  das  Bereithalten  eines 
besonderen  Lokales,  in  dem  Schwangere  überhaupt,  nicht  nur  einzelne 
bestimmte  Personen  solcher  Art,  aufgenommen  und  verpflegt  werden, 
n  zweifelhaften  Fällen  sei  massgebend,  ob  nach  dem  geplanten  oder 
atsächlichen  Betriebe  Veranlassung  zur  Prüfung  des  Unternehmens 
m  polizeilichen  Interesse  zur  Beseitigung  derjenigen  Gefahren,  denen 
liese  Prüfung  Vorbeugen  solle,  gegeben  sei.  Unerheblich  sei  es,  wie 
■ler  einzelne  Arzt  die  Sachlage  in  dieser  Beziehung  beurteile  und  ob 
>ei  Gelegenheit  Zimmer  auch  an  Nichtschwangere  vermietet  würden, 
ftenn  die  Vermietung  an  Schwangere  zum  Zwecke  der  Abwartung 
ihrer  Entbindung  die  Regel  bilde.  — 

No.  6. 


Der  Leiter  und  Pächter  einer  zur  medikomechanischen  Nachbe¬ 
handlung  durch  Unfall  verletzter  Personen  bestimmten  Privat- 
krankenanstalt,  Dr.  E.,  hatte  gegen  den  Eigentümer  einer  be¬ 
nachbarten  Schankwirtschaft  wegen  Belästigung  der  Insassen  seiner 
Krankenanstalt  durch  Geräusche  aus  der  Schankwirtschaft  polizei¬ 
liche  Verfügungen  erwirkt,  durch  welche  dem  Wirt  bauliche  Ver¬ 
änderungen  an  seinem  Tanzsaal  auferlegt  wurden.  Der  Wirt  hat  im 
Wege  der  Klage  die  Aufhebung  dieser  polizeilichen  Verfügungen  er¬ 
reicht.  Die  Entscheidung  des  Öbcrverwaltungsgerichtes  vom  7.  Juli 
1912  (Min.-Bl.  f.  Med.-Ang.  1912,  S.  234)  geht  davon  aus,  dass  zwar 
Bestimmungen  der  Reichsgewerbeordnung  dem  polizeilichen  Ein¬ 
schreiten  an  sich  nicht  entgegenstanden.  Dass  der  Betrieb  einer 
Wirtschaft  den  Anforderungen  der  Gewerbeordnung  (§§  33,  10)  dau¬ 
ernd  entsprechen  muss  und  dass  zur  Erhaltung  des  vorschrifts- 
mässigen  Zustandes  der  Eigentümer  des  Lokales  auch  wegen  bau¬ 
licher  Veränderungen  in  Anspruch  genommen  werden  kann,  ist  an¬ 
erkannten  Rechtens.  Dabei  ist  auch  nicht  unbedingt  ausschlaggebend, 
ob  der  eine  Gefahr  hervorrufende  Betrieb  schon  vor  den  bedrohten 
Einrichtungen  bestanden  hat.  Für  die  Abwehr  nachteiligen  Ge¬ 
räusches  von  Gebäuden,  die  auf  einem  mit  unruhigen  Betrieben  schon 
umgebenen  Grundstück  errichtet  sind,  ist  aber  nicht  lediglich  der 
Besitzer  des  das  Geräusch  erzeugenden  Betriebes  in  Anspruch  zu 
nehmen.  Vielmehr  fordert  bei  solcher  Sachlage,  wie  sie  auch  hier 
bestand,  da  auch  noch  andere  Schank-  und  Tanzlokale  sich  nahe  der 
Krankenanstalt  befinden,  der  der  Polizei  obliegende  Ausgleich  einander 
widerstreitender,  ihrer  Obhut  indessen  gleichmässig  anvertrauter 
Interessen  auch  die  Herbeiführung  sorgfältigster  Einrichtungen  in  dem 
von  fremdem  Geräusch  vermeintlich  beeinträchtigten  Betriebe.  Dass 
dies  aber  bei  Unterbringung  von  Kranken  in  sehr  leicht  gebauten 
Baracken  (Pavillons)  mit  Wänden  von  Gipsdielen  und  Magnesitplatten 
erreicht  sei,  war  nicht  anzunehmen.  Nachdem  der  Wirt  nach  be¬ 
hördlichen  Weisungen  schon  wiederholt  Aenderungen  zur  Milderung 
der  Schallwirkungen  des  Tanzsaales  vorgenommen  hatte,  musste  es 
dem  Besitzer  der  Krankenanstalt  überlassen  bleiben,  durch  geeignete 
Vorkehrungen,  etwa  durch  Verstärkung  der  Aussenwände  seiner  Ge- 
bände,  durch  Verlegung  der  gegen  Geräusche  empfindlichen  Kranken 
u.  dgl.  auf  seinem  Grundstücke  befriedigende  Zustände  zu  schaffen.  — 

In  einer  Entscheidung  vom  3.  Mai  1912  (Min.-Bl.  f.  Med.-Ang. 
1912,  S.  223,  228)  führt  das  Oberverwaltungsgericht  mit  eingehender 
Begründung  aus,  unter  welchen  Voraussetzungen  die  Beschaf¬ 
fung  einer  zur  Bekämpfung  übertragbarer  Krank¬ 
heiten  dienenden  Einrichtung  (die  Errichtung  einer  Isolier¬ 
baracke)  von  der  Kommunalaufsichtsbehörde  angeordnet  werden 
könne  (§  30  d.  Ges.  betr.  die  Bekämpfung  übertragbarer  Krankh. 
vom  28.  August  1905).  Im  Anschluss  an  die  Begründung  des  Ge¬ 
setzentwurfes  wird  dargelegt,  dass  die  Prüfung  nicht  ausschliesslich 
vom  Standpunkte  des  medizinalpolizeilich  Wünschenswertesten  er¬ 
folgen  dürfe,  dass  vielmehr,  um  die  Anwendung  der  Bestimmung  des 
§  29  des  Gesetzes  zu  begründen,  d.  h.  um  den  Begrifi  des  Not¬ 
wendigen  in  ihrem  Sinne  zu  erfüllen,  besondere,  nach  den  Um¬ 
ständen  des  Einzelfalles  zu  beurteilende  Verhältnisse  obwalten  müss¬ 
ten,  welche  die  Bewohnerschaft  der  in  Anspruch  genommenen  Ge¬ 
meinde  in  gesundheitspolizeilicher  Beziehung  stärker  als  die  Allge¬ 
meinheit  gefährden.  — • 

Im  Urteil  vom  20.  September  1912  (Min.-Bl.  f.  Med.-Ang.  1912, 
S.  356)  hat  das  Oberverwaltungsgericht  seiner  ständigen  Recht¬ 
sprechung  gemäss  entschieden,  dass  die  Ortspolizeibehörden  zur 
Durchführung  ihrer  den  Vorschriften  des  Reichsimpf¬ 
gesetzes  vom  8.  April  1874  entsprechenden  Anordnungen  befugt 
sind,  die  im  §  132  des  Landesverwaltungsgesetzes  bezeichneten 
Zwangsmittel  und  insbesondere  auch  die  zwangsweise  Vorführung 
von  Kindern  vor  den  Impfarzt  für  den  Fall  zur  Anwendung  zu  bringen, 
dass  die  Kinder  nicht  in  der  gesetzten  Frist  einem  anderen  Arzte  zur 
Untersuchung  und  Impfung  zugeführt  sind  und  durch  dessen  Zeugnis 
der  vorgeschriebene  Impfnachweis  geführt  ist.  — 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Ueber  den  Wert  der  Alquie-Alexanderschen  Operation*). 

Von  Oberarzt  Dr.  Walther  Rüder  in  Hamburg-Eppendorf. 

Wie  soll  man  den  aus  seiner  normalen  Lage  gebrachten  frei¬ 
beweglichen  Uterus  therapeutisch  behandeln? 

Dieses  Thema  ist  in  der  letzten  Zeit  wiederholt  in  verschiedenen 
gynäkologischen  Gesellschaften  besprochen  worden. 

Es  schien  mir  deshalb  von  Wert,  auch  vor  dem  hier  versammel¬ 
ten  Kreise  diese  Frage  zur  Diskussion  zu  stellen,  und  zwar  möchte  ich 
mich  heute  darauf  beschränken,  das  pro  et  contra  der  Alquie- 
Alexanderschen  Operation  zur  Sprache  zu  bringen. 

Um  nicht  zu  ausführlich  zu  werden,  will  ich  nach  ganz  kurzer 
Darstellung  der  allmählichen  Entwicklung  der  Operation,  besonders 
in  Deutschland,  an  der  Hand  der  über  dieses  Thema  erschienenen 
Hauptarbeiten  die  Technik,  sowie  die  Indikationsstellung,  besprechen, 

*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  in  der  Gynäkologischen  Gesell¬ 
schaft  in  Hamburg. 


4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


306 


um  Ihnen  dann  über  meine  eigenen  Beobachtungen,  die  sich  auf 
ca.  80  Fälle  erstrecken,  kurz  zu  berichten. 

Mit  Unrecht  hat  man  nach  meiner  Ansicht  den  eigentlichen  Ur¬ 
heber  jener  Idee,  durch  Vorziehung  und  Verkürzung  der  runden  Bän¬ 
der  vom  Leistenkanal  aus  die  Lage  der  Gebärmutter  zu  beeinflussen, 
hei  der  zurzeit  am  meisten  üblichen  Benennung  des  Operationsver¬ 
fahrens  übergangen. 

Die  Tatsache,  dass  A 1  q  u  i  e,  wie  wir  in  der  Anatomie  von 
Tillaux  (1897,  S.  918  und  früher)  lesen,  als  Erster  im  Jahre  1840 
den  Gedanken  aussprach,  den  nach  abwärts  gedrängten  Uterus  durch 
Kürzung  der  Ligamenta  rotunda  vom  Leistenkanal  aus  zu  heben,  sollte 
meines  Erachtens  ihm  durch  Nennung  seines  Namens  gedankt  wer¬ 
den.  Und  zwar  in  der  Form,  dass  man  seinen  Namen  mit  dem¬ 
jenigen  des  Engländers  Alexander  zusammenstellt,  welcher  die 
Operation  zuerst  ausführte.  Seihst  hatte  Alquie  seinen  Vorschlag 
niemals  verwertet  und  nie  an  der  Lebenden  die  Operation  erprobt. 

Dieser  Tatsache  haben  wir  es  wohl  zuzuschreiben,  dass  seine 
Idee  bei  seinen  Zeitgenossen  nur  wenig  Aufnahme  fand. 

Erst  42  Jahre  später,  wenn  wir  von  einzelnen  weniger  bekannt 
gewordenen  Versuchen  in  Deutschland,  wie  dem  von  Langen- 
beck  im  Jahre  1856  veröffentlichten,  absehen,  wurde  im  Jahre  1882 
von  dein  englischen  Gynäkologen  Alexander  in  Liverpool  durch 
Bekanntgabe  von  4  operierten  Fällen  die  Idee  in  energischer  Weise 
wieder  aufgenommen  und  besonders  bei  Korrektur  der  beweglichen 
Rückwärtslagerungen  des  Uterus  zur  Nachahmung  empfohlen. 

Im  Jahre  vorher  hatte  Adams,  Gynäkologe  in  Glasgow,  er¬ 
neute  Versuche  an  der  Leiche  bekanntgegeben. 

Aber  hauptsächlich  nur  in  Amerika  und  England  fand  das  Vor¬ 
gehen  von  Alexander  Nachahmung. 

Bei  uns  in  Deutschland  vergingen  lange  Jahre,  bis  man  den 
Wert  der  neuen  Methode  der  Korrektur  des  falschgelagerten  Uterus 
richtig  erkannte  und  die  abfällige  Kritik  fallen  liess,  wie  sie  be¬ 
sonders  auf  dem  Gynäkologenkongress  in  München  1886  hervorge¬ 
treten  war,  wo  Z  e  i  s  s  über  nur  zwei  Fälle  berichtete. 

Die  Ursache  dieser  verzögerten  Anerkennung  eines  Operations¬ 
verfahrens,  welches  gerade  anatomischen  und  physiologischen  Be¬ 
dingungen  so  vorzüglich  Rechnung  trägt,  lag  damals  und  liegt  wohl 
noch  heute  stellenweise  in  der  nicht  genügend  ausgebildeten  rein 
chirurgischen  Technik. 

Schon  1887  wurde  von  K  ii  m  m  e  1 1  gelegentlich  einer  Bekannt¬ 
gabe  von  vier  Fällen  auf  diesen  Punkt  hingewiesen. 

Erst  1891  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Halle  trat 
Saenger  -  Leipzig  für  die  Alquie-Al  exander  sehe  Operation 
ein,  allerdings  in  Verbindung  mit  einer  von  ihm  angegebenen  Modi¬ 
fikation,  der  gleichzeitigen  Retrofixatio  colli  uteri. 

Schon  seit  dem  Jahre  1888  hatte  nun  die  Koche  r  sehe  Klinik, 
ohne  ihre  guten  Resultate  bekannt  zu  geben,  sich  mit  Erfolg  der 
A  1  q  u  i  e  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen  Methode  bedient,  aber  erst  im  Jahre 
1893  wurden  die  in  Bern  gesammelten  Erfahrungen,  die  für  die 
weitere  Entwicklung  der  Operation  in  Deutschland  von  so  bahn¬ 
brechender  Bedeutung  waren,  durch  L  a  n  z,  einem  früheren  Assi¬ 
stenten  von  Kocher,  der  damals  in  Berlin  in  der  Klinik  des 
Gynäkologen  Rumpf  hospitierte,  auf  Veranlassung  dieses  letzteren 
veröffentlicht. 

Unter  Beihilfe  von  Lanz  nahm  dann  R  u  m  p  f,  ein  Schüler 
von  Gussero  w,  mit  Eifer  die  Operation,  nach  wiederholten  Ver¬ 
suchen  an  der  Leiche,  wieder  auf  und  gab  im  Archiv  für  Gynäkologie, 
Bd.  57,  1898  auch  seinerseits  seine  Erfahrungen  bekannt,  an  der 
Hand  von  75  operierten  Fällen.  Jedem  jüngeren  Kollegen,  der  mit 
der  Alquie -Alexander  sehen  Operation  Versucne  machen  will, 
kann  ich  nur  aufs  lebhafteste  empfehlen,  dieser  in  ihrer  vorbildlichen 
Einfachheit  und  instruktiven  Klarheit  auf  diesem  Gebiete  einzig  da¬ 
stehenden  Arbeit  volle  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 

Ich  bin  überzeugt,  dass  die  Rumpf  sehe  Arbeit  schon  viele 
Anhänger  des  A  1  q  u  i  e  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen  Operationsverfahrens 
geworben  hat  und  noch  weiterhin  gewinnen  wird. 

Als  nicht  minder  bedeutungsvoll  und  im  hohen  Grade  förderlich 
für  die  Weiterverbreitung  der  Operation  möchte  ich  noch  erwähnen 
die  schon  vor  der  R  u  m  p  f  sehen  Arbeit  erschienenen  Schriften  von 
Werth  in  der  Festschrift  für  die  Gynäkologische  Gesellschaft  in 
Berlin  1894  und  ferner  die  Arbeit  von  F  ü  t  h  aus  der  Rotier  scheu 
Klinik  in  der  Festschrift  für  das  St  Hedwig-Krankenhaus  1896.  Der 
letztere  bietet  auch  eine  genaue  Zusammenstellung  der  Literatur  bis 
zum  Jahre  1896.  Es  würde  zu  weit  führen,  heute  noch  weiter  auf 
die  Einzelheiten  einzugehen. 

Genannt  sei  nur  noch  eine  grössere  Zusammenstellung  von 
Waldschmidt,  der  über  151  Fälle  berichtet,  die  von  K  ii  m  m  e  1 1  - 
Eppendorf  operiert  wurden. 

Alle  hier  genannten  Operateure  verfügen  über  äusserst  zufrieden¬ 
stellende  Resultate  und  empfehlen  die  Operation  aufs  lebhafteste. 
Worin  nun  das  Alquie -  Alexander  sehe  Operationsverfahren  im 
einzelnen  besteht,  brauche  ich  vor  Ihnen,  meine  Herren,  nicht  aus¬ 
einanderzusetzen,  und  ebenso  ist  es  nicht  am  Platze,  mit  Schilde¬ 
rungen  der  Anatomie  der  in  Frage  kommenden  Gebiete  Sie  aufzu¬ 
halten.  Ich  will  aus  dem  anatomischen  Gebiete  für  diejenigen,  welche 
diesem  Operationsverfahren  noch  weniger  Beachtung  schenkten, 
nur  einiges,  was  für  die  glatte  Erledigung  des  Eingriffes  sich  anderen 
und  mir  von  besonderer  Bedeutung  erwiesen  hat,  hervorheben.  Am 
wichtigsten  für  die  rasche  Auffindung  der  Bänder  ist  die  Kenntnis 


No. 


der  Verhältnisse  des  Musculus  obliquus  externus  und  besonders  seiner 
Faszie. 

Wer  mit  Ruhe  die  stets  verschieblich  über  dieser  straffen  Faser¬ 
schicht  hegenden  Weichteile  -  Haut,  Fettgewebe,  oberflächliche 
Faszie  —  durch  einen  1  cm  oberhalb  des  Ligament  Poupartii  ver¬ 
laufenden  Schnitt  durchtrennt,  den  Faser  verlauf  von  oben  aussen 
nach  innen  unten  dieser  meist  silberglänzenden  Obliquusfaszie  sich 
stets  vor  Augen  hallend,  der  wird  nicht  leicht  dem  so  verhängnisvollen 
Fehler  verfallen,  dass  er  in  eine  falsche  Schicht  gerät,  binnen  kurzem 
hilflos  dasteht  und  die  Operation  nicht  lege  artis  beenden  kann. 

So  lange  man  Zweifel  hegt,  nach  Durchtrennung  von  Haut  und 
Fettgewebe,  ob  man  auf  der  genannten  Faszie  angelangt  ist,  mache 
man  es  sich  zum  Gesetz,  mehr  stumpf  als  scharf  arbeitend,  vorsichtig 
weiter  in  die  'Liefe  vorzudringen. 

Es  empfiehlt  sich  ferner  das  von  Rumpf  angegebene  Hilfsmittel 
für  Ungeübtere,  dass  man  die  Faszie  zuerst  im  äusseren  Drittel  des 
Schnittes  zu  erreichen  sucht  und  nun,  auf  dieser  mit  einem  sterilen 
Tupfer  nach  nuten  innen  gegen  das  Tuberculum  pubicum  zu  vor¬ 
dringend,  die  leicht  verschieblichen  Weichteile  vom  Leistenkanal  ab¬ 
drängt,  um  so  seine  beiden  Schenkel  sich  vor  Augen  zu  führen. 

Alle  anderen,  als  Wegweiser  angegebenen  Merkmale,  wie  das 
von  Imlach  gepriesene  Fettklümpchen,  oder  der  Verlauf  kleiner, 
das  Ligamentum  begleitender  Arterien  sind  weniger  verwertbar,  wie 
diese  Methode  der  stumpfen  Verdrängung  und  Abschiebung  der 
Weichteile  gegen  das  Tuberculum  pubicum  zu.  Nächst  diesem  Akt 
der  Operation  möchte  ich  als  ganz  besonders  wichtig  betonen,  dass 
man  das  Band  des,  nebenbei  bemerkt  schon  kurz  vor  Beginn  der 
Operation  in  normale  Lage  gedrückten,  Uterus  von  allen  begleiten¬ 
den  Fasern  durch  abstreifende  Bewegungen  mit  sterilem  Tupfer  be¬ 
freien  muss,  um  es  weit  genug  und  leicht  ohne  Kraftanwendung  vor¬ 
ziehen  zu  können.  Auch  sei  hier  nochmals  erwähnt,  dass  man  jede 
Blutung  nach  Möglichkeit  vermeiden  resp.  sofort  zur  Stillung  bringen 
muss,  da  sonst  auch  hier  die  Differenzierung  der  Gewebe  und  speziell 
des  blassbläulich  erscheinenden  Ligament,  rotundum  sehr  erschwert 
ist  und  leicht  unmöglich  gemacht  wird.  Ich  bin  auf  diesen  Akt  der 
Operation  so  ausführlich  eingegangen,  weil  durch  die  hier  sich  bieten¬ 
den  Schwierigkeiten  die  Operation  bei  manchen  Anfängern  in  Miss¬ 
kredit  gekommen  ist,  und  weil  unglückliche  Ausgänge  der  erfolglosen 
Bändersuche  doch  gelegentlich  zu  schwersten  Schädigungen  geführt 
haben.  (Siehe  den  Fall  von  Hocheisen,  Berlin,  klin.  Wochenschr. 
1905,  Ges.  d.  Chariteeärzte,  17.  XI.  04.  Unterbindung  des  Nervus 
cruralis.) 

Auch  finden  wir  in  der  Literatur  verhältnismässig  häufig  in  den 
einzelnen  Arbeiten  die  Angabe,  dass  das  eine  oder  andere  Band,  oder 
gar  beide  Bänder,  nicht  gefunden  wurden.  Gerade  über  die  Auf¬ 
findung  der  Bänder  ist  man  verschiedenster  Meinung. 

Während  Smith-  Montreal  sagt,  man  finde  das  Band  auch 
„mit  verbundenen  Augen“,  spricht  B  i  e  r  m  e  r,  damals  Magdeburg 
(Therapeutische  Monatshefte  1900)  Zweifel  aus  betreffs  des  konstanten 
Vorkommens  der  Ligamenta  rotunda.  Er  stützt  sich  dabei  auf  Beob¬ 
achtungen,  die  er  gelegentlich  bei  Laparotomien  machte.  Ich  selbst 
kann  diesen  Befund  nicht  bestätigen,  denn  bei  keiner  meiner  Laparo¬ 
tomien  habe  ich  ein  Fehlen  des  Lig.  rotimd.  konstatieren  können. 

Schuld  an  diesen  falschen  Anschauungen  trägt  wohl  erstens  der 
Umstand,  dass  das  Ligament  sich  im  äusseren  Leistenkanal  manchmal 
stark  auffasert. 

Als  zweite  Erklärung  gilt  aber  wohl  auch  die  Aeusserung  von 
Fehling:  Zentralbl.  1905,  der  die  als  ungewöhnlich  dünn  beschrie¬ 
benen  Bänder  als  Kunstprodukte  bezeichnet,  die  aus  der  Faszie 
herauspräpariert  seien. 

Bezüglich  des  weiteren  Verlaufes  der  Operation  möchte  ich  noch 
bemerken,  dass  ich  zur  Fixierung  der  Bänder,  die  ich  entsprechend 
ihrem  natürlichen  Verlauf  gegen  das  Tuberculum  pubicum  vorlagere, 
in  letzter  Zeit  stets  Silkworm  oder  Seide  verwendete,  denn  gerade 
meine  Misserfolge  hatte  ich  bei  den  Fällen,  wo  ich  die  fixierenden 
Nähte  mit  Katgut  ausführte.  Die  Nähte  wurden  stets  so  gelegt,  dass 
sie  das  Band  nur  zur  Hälfte  umschnürten  und  ein-  und  ausstechend 
die  gelegentlich  zur  Freilegung  des  Bandes  gespaltene  Faszie,  oder, 
wo  dieser  Hilfsschnitt  nicht  notwendig  war,  nur  den  Leistenkanal 
verschlossen. 

Zu  den  von  Kocher  vorgeschlagenen  Aenderungen  bei  der 
Versorgung  der  Bänder  habe  ich  mich  nicht  veranlasst  gesehen.  Ob 
die  Abknickung  des  Bandes  nach  aussen  bei  Vorziehung  und  Fixierung 
in  dieser  Richtung,  anstatt  gegen  das  Tuberculum  pubicum  zu,  zu 
Gangrän  des  Bandes  führen  kann,  wie  von  anderer  Seite  die  Be¬ 
fürchtung  ausgesprochen  ist,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen, 
es  scheint  mir  aber  bei  den  blutreichen  Geweben  nicht  sehr  wahr¬ 
scheinlich.  Was  nun  die  Indikation  zur  Operation  angeht,  so  bin 
ich  der  Meinung,  dass  einer  jeden,  auch  der  nichtfixierten  Rückwärts¬ 
lagerung  des  Uterus,  und  nur  für  diese  ist  ja  das  ursprüngliche 
A  1  q  u  i  e  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehe  Verfahren  gedacht,  eine  pathologische 
Dignität  zukommt. 

Ich  bin  in  der  Lage,  gerade  hierfür  einen  ganz  besonders 
drastischen  Fall  als  Beispiel  anführen  zu  können,  der  die  Ansicht, 
die  neuerdings  wieder  mehr  und  mehr  um  sich  zu  greifen  scheint, 
dass  die  bewegliche  Rückwärtslagerung  des  Uterus  niemals  die  Ur¬ 
sache  nennenswerter  Störungen  werden  könne,  schlagend  widerlegt. 

Bei  dieser  Patientin  hatte  man  zu  wiederholten  Malen  in  zwei 
Krankenhäusern  alle  erdenklichen  Methoden  erprobt,  um  dieselbe 
von  äusserst  schmerzhaften,  seit  langer  Zeit  bestehenden  Blasen- 


II.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


307 


cräinpfcn  zu  befreien,  die  sich  im  Anschluss  an  eine  schwere  Zangen¬ 
geburt  allmählich  eingestellt  hatten. 

Mit  Bädern,  Blasenspülungen,  oft  wiederholter  Zystoskopie, 
\etzungen,  Tuberkulineinspritzung,  mit  allen  Chemikalien,  die  gegen 
tlasenstörungen  empfohlen  sind,  mit  langdauernder  Bettruhe  und 
Therapie  des  Nervensystems,  kurz  mit  allen  erdenklichen  Methoden 
.var  die  Brau  viele  Monate  lang  behandelt  worden,  aber  ohne  jeglichen 
■rfolg.  Ich  fand  bei  der  Aufnahme  nichts  weiter,  wie  einen  tief  hinten 
md  retrovertiert  liegenden,  an  ganz  schlaffen  Bändern  pendelnden 
Jterus.  Ein  zunächst  mit  Pessar  angestellter  Versuch  brachte  zwar 
^cliou  eine  zufriedenstellende  Wirkung  hervor,  doch  hielt  leider  der 
Ring  nicht  den  Uterus  auf  die  Dauer  in  normaler  Lage,  weil  schon 
.las  Vorüberdrängen  von  hartem  Stuhl  genügte,  den  Uterus  wieder 
tach  hinten  zu  verlagern. 

So  entschloss  ich  mich  zur  Operation. 

Seit  der  Operation,  die  im  Jahre  1906  vorgenommen  wurde,  ist 
Jie  Patientin  mit  einem  Schlage  von  allen  Beschwerden  befreit  und 
lat  seitdem  einen  normalen  Partus  durchgemacht,  der  die  normale 
Lage  des  Uterus  nicht  wieder  gestört  hat. 

Einen  ähnlichen  drastischen  Fall  erwähnt  Späth  in  seiner  Ar¬ 
beit.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  13. 

Nach  dieser  kurzen  Abschweifung,  durch  welche  vor  allem  der 
neueren  Ansicht  entgegengetreten  werden  soll,  die  die  bewegliche 
Retroflexio  versio  als  Quantite  negligeable  betrachtet  wissen  will 
(siehe  auch  Zentralblatt  1912,  No.  32,  A.  M  a  y  e  r  -  Tübingen), 
möchte  ich  zu  der  Frage  übergehen,  welche  Fälle  von  beweglicher 
Rückwärtslagerung  für  Pessarbehandlung  und  welche  zur  Operation 
geeignet  zu.  rechnen  sind. 

Ich  glaube  Ihnen  am  kürzesten  meine  Stellung  zu  dieser  Frage 
präzisieren  zu  können,  wenn  ich  Ihnen  anführe,  welche  Fälle  ich 
von  vornherein  von  der  Behandlung  durch  Ringe  für  aus¬ 
geschlossen  erachte.  Es  sind  dies  diejenigen  Patientinnen,  bei 
denen  es  sich  handelt: 

I.  um  Virginität, 

II.  zu  kurze  Vagina,  abgeflachtes  Scheidengewölbe  und  kurze 

Portio, 

III.  entzündliche  Prozesse  mit  schwer  zu  beseitigendem  Fluor. 

IV.  zu  ungewöhnliche  Sensibilitäten,  selbst  kleineren  Eingriffen 
gegenüber, 

V.  junge  Ehe, 

VI.  alte  Dammrisse,  die  an  sich  einer  Operation  bedürfen. 

Als  gelegentliche  Indikation  möchte  ich  mit  VV  e  r  t  h  -  Kiel  den 
Fall  bezeichnen,  dass  Pat.  vom  Ausland  oder  vom  Lande  zugereist 
kommen,  und  zurückkehren  in  Verhältnisse,  wo  eine  sachverständige 
Pessarbehandlung  nicht  durchführbar  erscheint. 

Auf  dringenden  Wunsch  habe  ich  ferner  stets  bei  Eheleuten, 
denen  das  Pessar  ein  impedimentuni  coeundi  war,  mich  dem  Ver¬ 
langen  nach  operativem  Vorgehen  willfährig  gezeigt. 

Kann  man  doch  von  der  Alquie-Alexander  sehen  Opera¬ 
tion  mit  Recht  sagen,  dass  man  die  Patientinnen,  die  sich  derselben 
unterziehen,  durch  einen  nicht  lebensgefährlichen  Eingriff  von  einer 
den  Lebensgenuss  störenden  lästigen  Beigabe  für  immer  befreit. 

Soweit  gehe  ich  allerdings  nicht,  wie  Kocher-  Bern,  der  in 
seiner  Operationslehre  sagt:  „Es  ist  schwer  begreiflich,  wie  so  viele 
Frauenärzte  noch  ihre  Patientinnen  mit  den  Mutterringen  monate- 
und  jahrelang  herumschleppen  mögen,  denn  nach  meiner  Ansicht  ist 
man  nicht  nur  imstande,  vielen  Patientinnen  ihre  Beschwerden  durch 
einen  gutsitzenden  Ring  so  zu  beseitigen,  dass  ihnen  durch  dieses 
Hilfsmittel  keinerlei  Belästigung  entsteht,  sondern  es  gibt  auch  einen 
nicht  geringen  Procentsatz  von  Fällen,  wie  Sie  alle  wissen,  wo  man 
durch  längeren  Gebrauch  des  Pessars  besonders  nach  frühzeitig,  etwa 
Fnde  der  3.  Woche,  im  Puerperium  eingeleiteter  Behandlung  die 
Rückwärtslagerung  zur  Heilung  bringen  kann. 

Will  man  aber  von  Pessarbehandlung  absehen  und  die  Frauen 
bestimmen,  durch  Operation  sich  ihre  Beschwerden  beseitigen  zu 
lassen,  so  kann  man  das  streng  genommen  nur  dann  tun,  wenn  man 
auf  jede  Eröffnung  des  Peritoneums  bei  der  A  1  q  u  i  e  -  Alexander  - 
sehen  Operation  verzichtet,  die  übrigens  bei  den  von  mir  operierten 
Fällen  auch  zur  besseren  Auffindung  und  Freilegung  der  Bänder  sich 
niemals  als  notwendig  erwiesen  hat.  Auch  die  von  Dührssen: 
Berl.  klin.  Wochenschr.  45,  1911  als  Ersatz  für  Alexander- 
Ada  m  sehe  Operation  angegebene  Methode  des  Flankenschnittes  ist 
demnach  nicht  zu  empfehlen. 

Zur  Bekämpfung  eines  Leidens,  das  keine  Gefahren  in  sich  birgt, 
dürfen  wir  meines  Erachtens  nur  ein  Heilverfahren  in  Anwendung 
bringen,  das  auch  seinerseits  keine  Lebensgefahr  in  sich  schliesst. 

Ich  habe  mich  deshalb  niemals  zu  der  von  Edebohls  - New 
York  und  von  Goldspohn  empfohlenen  Lösung  innerer  Verwach¬ 
sungen  vom  eröffneten  Peritonealkegel,  resp.  vom  Douglas  aus  ent- 
schliessen  können,  die  besonders  von  der  Klinik  K  ii  s  t  n  e  r  -  Breslau 
geübt  wird  (Zentralbl.  1908,  No.  49),  um  so  die  Anwendbarkeit  der 
A  Iq  u  i  ö-A  1  e  xa  n  de  r  sehen  Operation  auch  auf  die  durch  Ver¬ 
wachsungen  fixierten  Retroflexionen  ausdehnen  zu  können,  zumal 
dieses  Arbeiten  im  Dunklen  neben  der  Peritonealeröffnung  noch  weit 
grössere  Gefahren  in  sich  birgt.  Erwähnt  sei  hier  der  Fall  von 
B  u  m  m,  bei  welchem,  infolge  Lösung  von  Verwachsungen  im  Dunk¬ 
len,  eine  adhärente  Darmschlinge  eröffnet  wurde  mit  nachfolgender 
Sepsis  und  Exitus  letalis.  Derartig  lockere  Verklebungen  von  Darm¬ 
schlingen  mit  den  Teilen  des  Genitaltraktus  sind  durchaus  keine  Sel¬ 
tenheiten.  Ich  selbst  sah  gelegentlich  einer  Laparotomie  solche  Ver¬ 


klebung  einer  frei  durch  die  Bauchhöhle  ziehenden  Dünndarmschlinge 
mit  der  Tube,  bei  deren  Lösung  durch  leichten  Druck  sich  auf  die 
abdeckenden  Tücher  Darminhalt  ergoss. 

Etwas  anderes  ist  es,  wenn  man  bei  Laparotomien  wegen  fixier¬ 
ter  Rückwärtslagerung  den  Pfannenstiel  -  und  K  U  s  t  n  e  r  sehen 
Querschnitt  mit  der  Alquie-Alexander  sehen  Versorgung  der 
runden  Mutterbänder  vereinigen  will.  Sei  es  nach  Palm-Rumpf 
mit  dem  Ankerschnitt,  den  ich  wiederholt  mit  gutem  Erfolge  aus¬ 
geführt  habe  (Referat  siehe  Zentralbl.  1909,  No.  2,  S.  63)  oder  nach 
Späth  (Zentralbl.  1904)  oder  Littaucr  (Sammlung  klin.  Vor¬ 
träge,  544). 

Nach  dieser  kurzen  Darstellung  einiger  aus  der  Literatur  heraus¬ 
gegriffenen  Hauptarbeiten  und  weiteren  Aeusserungen  über  die  Tech¬ 
nik  und  Indikationsstellung  gestatten  Sie  mir  nun  über  die  von  mir 
operierten  Fälle  zu  berichten,  ohne  dass  ich  Sie  mit  Wiedergabe  von 
Krankengeschichten  aufhalte. 

Ich  operierte  im  ganzen  80  Fälle,  von  denen  die  ersten  im  Jahre 
1900  zur  Operation  kamen. 

Alle  angeführten  Fälle  wurden  nur  wegen  frei  beweglicher  Rück¬ 
wärtslagerung  des  Uterus  operiert.  Bei  Prolaps  habe  ich  das  Ver¬ 
fahren  nur  vereinzelt,  und  zwar  kombiniet  mit  Kolporrhaph.  ant.  und 
post,  angewendet. 

Es  handelte  sich  bei  meinen  Fällen  46  mal  um  Frauen,  die  be¬ 
reits  geboren  hatten,  22  mal  um  Frauen,  die  noch  nicht  geboren 
hatten,  und  12  mal  um  Virgines. 

Bei  34  Patientinnen  wurde  vorher  teils  kürzere,  teils  längere 
Zeit,  manchmal  Jahre  lang  Pessarbehandlung  durchgeführt,  die  dann 
aus  verschiedenen  Gründen,  wie  Druckgeschwüre,  Douglasschmerz 
—  bevorstehende  Ehe,  oder  sonst  dringendes  Verlangen,  von  den 
„Widerwärtigkeiten  des  Ringtragens“  befreit  zu  sein,  aufgegeben 
wurde. 

Alle  80  operierten  Fälle  heilten  per  primam  und  blieben,  soweit 
sie  mir  wieder  vor  Augen  kamen,  von  Hernienbildung  in  der  Narbe 
frei. 

Bei  einem  Fall  beobachtete  ich  eine  ganz  eigenartige  Störung. 
FriiheremBrauche  folgend,  hatte  ich  in  einer  allerdings  sehr  anämischen 
Patientin  eine  sehr  reichlich  dicke  Schicht  von  Xeroformpulver  der 
Naht  als  Deckung  gegeben  und  fand  dann  am  6.  Tage  nach  fieber¬ 
losem  Verlauf  die  Haut  im  ganzen  Bereich  der  Narbe  schwarz  ver¬ 
färbt  und  bretthart  trocken  gangränesziert.  Ob  hier  eine  ungewöhn¬ 
liche  Einwirkung  des  Xeroforms  auf  die  Weichteile  als  Ursache  mit 
in  Rechnung  zu  ziehen  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Nach  Abtragung  der  abgestorbenen  Teile  reinigte  sich  die  Wunde 
rasch  und  die  dann  ausgeführte  Sekundärnaht  heilte  ungestört,  zumal 
nur  die  oberflächlichen  Schichten  zerstört  waren.  Ebendiese  Pat. 
hat  nachher  auch  eine  normale  Geburt  Überstunden  und  fand  sich  der 
Uterus  post  partum,  wie  mir  der  behandelnde  Kollege  mitteilte,  in 
normaler  Lage. 

Im  ganzen  haben  von  den  operierten  Patientinnen  12  Frauen 
später  normale  Geburten  durchgemacht.  Darunter  2  wiederholte  Ge¬ 
burten.  Von  einer  Patientin  wurde  gemeldet,  dass  im  4.  Monat  der 
Gravidität  Abort  eingetreten  sei. 

Bezüglich  der  Heranziehung  nach  der  Operation  eingetretener 
Aborte  zur  Diskreditierung  des  gewählten  Verfahrens  glaube  ich. 
müsste  mit  mehr  Vorsicht  und  skeptischer  geurteilt  werden,  denn  bei 
der  Bewertung  dieser  Störungen  ist  doch  vor  allem  festzustellen,  ob 
die  betreffenden  Frauen  sich  noch  weitere  Kinder  wünschten  und  ob 
nicht  vielleicht  diese  oder  jene  Hilfe  tätig  gewesen  ist,  den  Abort 
künstlich  absichtlich  herbeizuführen. 

Offenbare  Misserfolge  beobachtete  ich  in  4  Fällen,  und  zwar 
unter  meinen  ersten  Operationen.  Von  diesen  hatte  eine  nach  mehre¬ 
ren  Jahren  guten  Befindens  ein  Trauma  erlitten,  während  bei  der 
zweiten  infolge  Unachtsamkeit  des  Pflegepersonals  durch  Ueber- 
füllung  der  Blase  bei  behinderter  Entleerung  das  Rezidiv  zustande  ge¬ 
kommen  war.  Ein  drittes  Rezidiv  trat  ein  infolge  nicht  erkannter  be¬ 
ginnender  Tubenaffektion. 

Die  Gefahr  der  gestörten  Heilung  durch  die  Behinderung  der 
spontanen  Urinentleerung  droht  leider  bei  einem  grösseren  Prozent¬ 
satz  der  Fälle,  denn  die  Urinretention  ist  in  der  Rekonvaleszenz  eine 
sehr  häufige  lästige  Zugabe. 

Im  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1905,  No.  10  erwähnt  G  u  t  b  r  o  d  -  Heil¬ 
bronn  ebenfalls  diese  Störung  nach  Alquie-Alexander  scher 
Operation.  Er  sagt :  ebenso  wie  im  Wochenbett  nach  S  c  h  r  ö  d  e  r  die 
Urinretention  durch  die  Schwere  des  puerperalen  Uterus  entsteht,  der 
durch  Zug  die  Harnröhre  nach  hinten  abknickt,  ebenso  entsteht  bei 
der  A  1  q  u  i  c  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen  Operation  durch  Elevation  des 
Uterus  eine  Abknickung  nach  vorne,  wie  auch  G  e  b  h  a  r  d  t  -  Berlin 
seinerzeit  an  der  Leiche  nachwies. 

G  u  t  b  r  o  d  legte  deshalb  5  Tage  lang  einen  Dauerkatheter  ein, 
und  ich  bin  diesem  Vorgehen  gefolgt  bei  Versagen  anderer  Mittel, 
besonders  nachdem  ich  gesehen,  dass  in  der  B  u  m  m  sehen  Klinik 
nach  zahlreichen  gynäkologischen  Operationen  der  gläserne  Pierde- 
fusskatheter  eingelegt  wird,  lediglich  um  Störungen  der  Heilung 
durch  die  Manipulationen  des  Heilpersonals  dadurch  feruzuhalten. 
Alle  meine  Patientinnen  habe  ich  12  bis  14  Tage  liegen  lassen  und 
dann  auf  Einlegung  eines  Pessars  für  die  ersten  Wochen  nach  der 
Operation,  wie  es  manche  Autoren  als  gute  Hilfe  empfehlen,  ver¬ 
zichtet. 

An  Störungen  in  der  Rekonvaleszenz,  die  nicht  direkt  mit  der 
Wunde  im  Zusammenhänge  waren  —  die  Heilung  per  primam  int.  be- 

4* 


308 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


wies  dieses  — ,  beobachtete  ich  einmal  eine  Pleuritis  und  einmal  eine 
Thrombose  am  Oberschenkel.  Eine  Patientin  hatte  auch  bei  einer  Ge- 
burt  vorher  eine  Thrombose  überstanden. 

Bei  einem  dritten  Fall  sah  ich  einen  mit  hohem  Fieber  auf¬ 
tretenden  linksseitigen  Parotisabszess,  für  den  keine  andere  Ursache, 
wie  allenfalls  kranke  Zähne,  gefunden  werden  konnte. 

Der  Abszess  heilte  nach  kleiner  Inzision  und  Ansaugen  mit 
Bier  scher  Stauungsglocke.  Wie  schon  erwähnt,  trat  auch  in  diesem 
Falle  prima  intentio  ein. 

Todesfälle  kamen  nicht  vor. 

Auf  Grund  meiner  hier  vorgetragenen  Beobachtungen  bei  der 
Ausführung  der  A  1  q  u  i  e  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen  Operation  kann  ich 
dieses  operative  Verfahren  zur  Heilung  der  freibeweglichen  Riick- 
wärtslagerungen  des  Uterus  in  jeder  Weise  zur  Nachahmung  emp- 
fehlen.  Der  Geübte  wird  mit  dieser  Operation  stets  die  besten  Er¬ 
folge  haben.  Um  aber  gute  Erfolge  zu  erlangen  sind  genaue  ana¬ 
tomische  Kenntnisse  des  in  Frage  kommenden  anatomischen  Gebietes 
und  ein  auf  Grund  gesammelter  Erfahrung  sich  entwickelndes  ruhiges, 
zielbewusstes  Operieren  erforderlich. 

Statistische  Zusammenstellungen  an  der  Hand  von  Kranken¬ 
geschichten  einer  langen  Reihe  von  Jahren,  wie  wir  sie  in  der  Litera¬ 
tur  vielfach  finden,  besagen  nach  meiner  Ansicht  für  die  Bewertung 
der  Operation  gar  nichts. 

Erstens  kann  man  gerade  bei  der  A  1  q  u  i  e  -  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen 
Operation  die  Anfängeroperationen  in  keiner  Weise  als  vollwertig 
mit  berechnen  und  zweitens  ist  die  Auswahl  der  Fälle  von  gynäko¬ 
logisch  gut  geübter  Hand  ein  absolutes  Erfordernis  für  den  gewünsch¬ 
ten  Dauererfolg.  Eine  Forderung,  die  auch  H.  Freund  (Münch, 
med.  Wochenschr.  1909,  No.  5)  besonders  hervorhebt. 

Sieht  man  doch  nicht  selten  Fälle,  wo  die  Operation  ausgeführt 
wurde,  trotzdem  der  Uterus  durch  chronische  Metritis  stark  verdickt, 
oder  durch  sonstige  entzündliche  Prozesse  mit  den  benachbarten 
Darmschlingen  verklebt  war. 

Als  bestes  Kriterium  für  die  Brauchbarkeit  des  Verfahrens  sind 
in  erster  Linie  die  Befunde  nach  später  eingetretenen  normalen  Ge¬ 
burten  und  besonders  nach  wiederholten  Geburten  zu  verwerten. 
Gerade  in  dieser  Beziehung  aber  habe  ich  nur  günstige  Erfahrungen 
gesammelt. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Schmidt  Adolf:  Klinik  der  Darmkrankheiten.  Erster  Teil. 
Mit  102  grösstenteils  farbigen  Textabbildungen.  Wiesbaden  1912. 

J.  F.  B  e  r  g  m  a  n  n.  380  Seiten.  Preis  12  M. 

Wenn  ein  Autor  die  Berechtigung  hatte,  mit  einem  neuen  Werk 
über  die  Darmkrankheiten  aufzutreten  und  den  guten  monographischen 
Bearbeitungen  auf  diesem  viel  beackerten  und  doch  lange  nicht  völlig 
erschlossenem  Gebiete  eine  weitere  hinzuzufiigen,  so  war  es  Adolf 
Schmidt.  Verdanken  wir  doch  seiner  energischen  Initiative  die 
Anbahnung  einer  funktionellen  Diagnostik  der  Darmerkrankungen, 
analog  der  der  Magenkrankheiten.  Zunächst  werden  in  ebenso  prä¬ 
ziser  wie  gründlicher  Weise  die  anatomischen,  physiologischen,  allge¬ 
mein  ätiologischen  und  pathologisch-anatomischen  Grundlagen  der 
Lehre  von  den  Darmkrankheiten  geschildert  und  durch  gute  Abbil¬ 
dungen  erläutert.  Besonders  ausführlich  ist  das  Kapitel  „Diagnostik“ 
behandelt,  in  dem  die  Darstellung  sowohl  der  rein  klinischen  Beob¬ 
achtung,  als  auch  der  komplizierten  physikalischen,  chemischen  und 
mikroskopischen  Methoden  und  deren  kritische  Bewertung  als  be¬ 
sonders  gelungen  bezeichnet  werden  muss.  In  dem  Abschnitt:  The¬ 
rapie  wird  der  gegenwärtig  zu  Gebote  stehende  therapeutische 
Apparat  vorgeführt  und  beurteilt.  Im  speziellen  J  eile  umfasst  ein 
grosses  Kapitel  zunächst  die  „funktionellen  Störungen  der  Darmver¬ 
dauung  (Darmdyspepsien)“,  unter  denen  im  einzelnen  unterschieden 
werden:  die  akuten  Darmdyspepsien  und  Magendarmdyspepsien, 
die  Jejunaldiarrhöe,  chronische  gastrogene  Darmdyspepsie,  die  in¬ 
testinale  Gärungsdyspepsie,  die  habituelle  Obstipation,  die  Entozoen- 
dyspepsie  und  eine  Reihe  von  sekundären  dyspeptischen  Störungen 
(Basedow,  Addison.  Amyloid,  Neurosen  etc.).  Dem  Referenten  will 
scheinen,  als  ob  nicht  alle  diese  Störungen,  wie  die  Entozoen,  das 
Amyloid  u.  a.  unter  den  Begriff  „funktionelle  Störungen“  streng  ge¬ 
nommen  fallen  würden.  Doch  ist  aus  praktischen  Gründen  vielleicht 
nichts  dagegen  einzuwenden.  Das  zweite  grosse  Kapitel  des  speziellen 
Teils  trägt  die  Ueberschrift:  Entzündliche  Erkrankungen  des  Darmes, 
ln  diesem  werden  als  Einzelerkrankungen  unterschieden:  Enterokolitis 
und  Gastroenterokolitis  acuta  und  chronica,  Enteritis  acuta  und  chro¬ 
nica,  Typhlitis,  Appendizitis,  Colitis  acuta  und  Perikolitis,  Colitis 
chronica  mucosa  et  membranacea,  Colitis  chronica  suppurativa,  Sig- 
moiditis  und  Perisigmoiditis,  Proktitis  und  Periproktitis.  —  Das  ganze 
Werk  ist  nach  dem  zu  beurteilen,  was  der  Verf.  in  der  Vorrede 
sagt.  Die  Entstehung  des  Buches  ist  zunächst  auf  den  Wunsch  der 
Aerzte  nach  einer  Zusammenfassung  der  Schmidt  sehen  Unter- 
suchungs-  und  Behandlungsmethoden  zurückzuführen,  den  Verf.  durch 
eine  Neuauflage  seiner  „Studien  über  die  Funktionsprüfung  des  Darmes“ 
nicht  erfüllen  konnte.  Aber  es  ist  weit  mehr  geworden.  Wenn  auch 
die  eigenen  Untersuchungen,  Beobachtungen  und  Anschauungen  im 
Vordergrund  stehen,  so  sind  doch  die  älteren  und  vor  allem  auch 
die  neuesten  Forschungen  und  Darstellungen  anderer  Autoren  mit 
wenig  Ausnahmen  so  sorgfältig  verwertet,  dass  wir  wirklich  eine 
wichtige  und  durchaus  moderne  Bereicherung  der  medizinischen  Li¬ 


teratur  in  dem  Buche  erblicken  dürfen.  Damit  soll  nicht  gesagt  sein, 
dass  der  Ref.  in  allen  Einzelheiten  mit  dem  Verf.  einverstanden  wäre. 
Das  erwartet  der  Autor  nach  einer  Aeusserung  im  Vorwort  selbst 
nicht.  Das  ändert  aber  vor  allem  gar  nichts  daran,  dass  der  Rei. 
das  vorzüglich  ausgestattete,  lehrreich  illustrierte  und  fesselnd  ge¬ 
schriebene  Werk  den  Forschern  wie  den  Aerzten  auf  das  Wärmste 
empfiehlt.  Es  eignet  sich  ebenso  zur  anregenden  Lektüre  wie  zum 
häufigen  Nachschlagen,  wie  vor  allem  zum  eingehenden  Studium. 
Wir  erwarten  den  Schluss  des  Werkes  mit  lebhafter  Spannung. 

P  e  n  z  o  1  d  t. 

Zur  Morphologie  der  Nierensekretion  unter  physiologischen  und 
pathologischen  Bedingungen.  Von  Dr.  Suzuki,  Arzt  in  Japan. 
Mit  einem  Vorwort  von  L.  A  sc  ho  ff  in  Freiburg  i.  Br.  Mit  6  Ab¬ 
bildungen  im  Text  und  6  Tafeln.  Bei  Gustav  Fischer,  Jena  1912. 
244  Seiten.  Preis  15  Mark. 

Ausgangspunkt  der  Arbeit  ist,  wie  Asch  off  im  Vorwort  sagt, 
der  Wunsch,  morphologische  Kontrollprüfungen  für  die  physiologi¬ 
schen  Funktionsprüfungen  kranker  Nieren  zu  finden.  Als  Methode 
wurde  die  Vitalfärbung  mit  Lithionkarmin  gewählt. 

Nach  eingehenden  Vorstudien  am  normalen  Tiere  wurde  die 
Ausscheidung  und  Speicherung  des  Farbstoffes  unter  pathologischen 
Bedingungen  untersucht.  Es  ergab  sich:  Ausscheidung  und  Speiche¬ 
rung  des  Farbstoffes  fallen  weit  auseinander,  ein  Moment,  das  an  sich 
schon  Schlüsse  aus  der  Ausscheidung  eines  Farbstoffes  auf  die  Ge¬ 
samtfunktion  sehr  erschwert.  Ferner:  Zwischen  der  Intensität  de~ 
Ausscheidung  und  derjenigen  der  Vitalfärbung,  speziell  der  Granula, 
besteht  keine  Relation.  Die  vitale  Färbung  gibt  also  für  die  In¬ 
tensität  der  Ausscheidung  keinen  Massstab,  ein  sehr  bemerkenswertes 
Ergebnis,  das  in  starkem  Gegensatz  zu  vielfach  gehegten  Vorstel¬ 
lungen  steht. 

Auf  Grund  der  Speicherungsverhältnisse  des  Lithionkarmins  teilt 
S.  die  Tubuli  in  verschiedene  Abschnitte  ein  und  schliesst  daraus 
auf  Verschiedenheiten  der  Funktion.  Ein  Schluss,  der  für  andere 
Substanzen  als  Lithionkarmin  und  vielleicht  andere  Farbstoffe  nicht 
zwingend  ist. 

Höchst  interessant  und  wertvoll  sind  die  darauf  aufgebauten  Stu¬ 
dien  über  die  Topographie  der  Kanälchenschädigung  bei  toxischen 
Nephritiden.  Freilich  werden  uns  die  grossen  Differenzen  im  vitalen 
Verlauf  durch  die  gefundenen  relativ  geringen  Verschiedenheiten  de<- 
Schädigung  allein  nicht  verständlich.  S.  negiert  die  Existenz  von 
experimentell  zu  erzeugenden  vaskulären  Nephritiden,  weil  er  bei 
keiner  toxischen  Nephritis  morphologische  Veränderungen  in  dem 
Gefässapparat  und  den  Glomerulis  finden  konnte.  Mit  diesem  Be¬ 
funde  bestätigt  er  das,  was  schon  von  Heineke  und  dem  Re¬ 
ferenten  für  bestimmte  toxische  Nephritiden  festgestellt  war.  Die 
funktionelle  Untersuchung  solcher  Nierengefässe  ergab  aber  trotz  des 
negativen  anatomischen  Befundes  eine  schwere  Beeinträchtigung  des 
Nierengefässystems.  Diese  Feststellung  bleibt  bestehen  und  ist  durch 
andere  Einflüsse  als  die  Schädigung  der  Nierengefässe  nicht  zu  er¬ 
klären.  Speziell  ist  der  Versuch  Suzukis,  das  Versagen  der  Ge- 
fässe  mit  der  Höhe  des  Blutdruckes  in  Zusammenhang  zu  bringen, 
unhaltbar.  Die  Erscheinungen  des  Versagens  der  Gefässe  finden  sich 
in  ganz  gleicher  Weise  auch  bei  hohem  Blutdruck.  Gibt  man  grössere 
Dosen  der  Gifte  oder  verwendet  man  stärkere  Tiere,  so  finden  sich 
in  Weiterentwicklung  der  zuerst  nur  funktionell  erkennbaren  Gefäss- 
schädigung  auch  anatomisch  Zeichen  einer  solchen  an  den  Glomerulis, 
jedoch  nur  bei  bestimmten  Vergiftungen,  wie  Chrom  und  Kantharidin. 
Vielleicht  erweitert  S.  seine  Versuche  nach  dieser  Richtung. 

Eine  grosse  Anzahl  von  wertvollen  Details,  besonders  morpho¬ 
logischer  Art,  sind  in  die  Monographie  verflochten. 

Von  wesentlichem  Interesse  ist  endlich  die  Feststellung,  dass  es 
in  der  Tat  gelingt,  durch  Uran  einen  Prozess  hervorzurufen,  der 
anatomisch  als  Schrumpfniere  bezeichnet  werden  muss.  Diese  Ver¬ 
suche  bilden  eine  Bestätigung  von  D  i  c  k  s  o  n  s  Mitteilungen. 
Asch  off  betont  in  seinem  Vorwort,  dass  eine  Nierenschädigung, 
welche  zu  einer  typischen  Schrumpfniere  führen  kann,  wohl  kaum 
mehr  als  ein  rein  degenerativer  Zustand  betrachtet  werden  kann. 
Wie  ihn  denn  auch  die  morphologische  Untersuchung  der  toxischen 
Nephritiden  davon  überzeugte,  dass  es  sich  bei  vielen  von  ihnen  nicht 
um  eine  rein  passive  Veränderung  des  Epithels,  sondern  um  einen 
Entzündungsprozess  handelt.  Dieser  Standpunkt  ist  für  die  Wertung 
der  toxischen  JNephritiden  im  Vergleich  zu  den  menschlichen  von 
grosser  Bedeutung.  Schlayer  -  München. 

J.  G.  Thomson,  S.  W.  McLellan,  Sir  Ronald  Ross:  The 
cultivation  of  one  generation  of  malarial  parasites  (Plasmodium  falci- 
parum)  in  vitro,  by  Bass’s  method.  Annals  of  Tropical  Medicine 
and  Parasitology.  1913.  Vol.  VI,  No.  4,  pag.  449. 

Thomson  und  McLellan  beschreiben  die  Reinkulturen 
einer  Generation  von  zwei  Malaria-Tropika-Fällen  nach  der  Bass- 
schen  Methode  und  fügen  eine  vorzügliche  bunte  und  eine  schwarze 
Tafel  mit  zahlreichen  Abbildungen  von  verschiedenen  Entwickluugs- 
stadien  der  Parasiten  hinzu.  Besonders  interessant  zu  beobachten  ist 
die  Tendenz  der  voll  entwickelten  Schizonten,  im  Ausstrichpräparat  sich 
zusammenzuballen.  Erst  durch  die  Reinkultur  ist  es  ermöglicht  worden, 
zahlreiche  Teilungsformen  des  Plasmodiums  immaculatum.  die  im 
peripheren  Blut  so  spärlich  aufzutreten  pflegen,  in  einem  Gesichts¬ 
feld  nebeneinander  zu  sehen.  Sir  Ronald  Ross  bestätigt  die  Angabe 
der  beiden  Forscher  und  betont,  dass  nun  der  strikte  Beweis  der 


.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  309 


folgreichen  Reinkultur  des  Tropikaparasiten  erbracht  ist.  Er  hält 
esen  Fortschritt  für  ausserordentlich  wichtig,  da  alle  bisherigen 
istrengungen,  den  Malariaerreger  zu  züchten,  seit  dem  Tage  seiner 
ltdeckung  durch  Laveran  1880  erfolglos  geblieben  waren. 

0  1  p  p  -  Tübingen. 

Bise  ho  ff,  Hoff  mann,  Schwiening:  Lehrbuch  der 

ilitärhygiene.  B.  IV:  Infektionskrankheiten  und  nicht 
fektiöse  Armeekrankheiten.  Berlin  1912.  A.  Hirsch- 
a  1  d.  Preis  7  M.,  geb.  8  M. 

Die  Verfasser  haben  in  anregender  Sprache  eine  übersichtliche 
irstellung  des  Themas  gebracht.  Die  Abhandlungen  über  Tuber- 
ilose,  Staphylokokken-  und  Streptokokkenerkrankungen,  Trachom 
ld  auch  von  allgemeinerem  Interesse.  Ausgezeichnet  ist  die  Schil- 
rung  über  Hitzschlag  und  über  Alkoholismus.  Was  Einzelheiten  be- 
ifft,  so  ist  die  Gefahr  der  Leichen  Infektionskranker  mit  Recht  etwas 
riickgestellt.  Die  Ausdrücke  Sommer  und  Winter,  kältere  Jahres- 
it  dürften  im  indischen  Klima  durch  trockene  und  feuchte  Jahreszeit 
:  ersetzen  sein.  Von  Zusammendrängen  der  Bewohner  infolge  Kälte 
um  auch  nur  in  den  nördlichsten  Teilen  Indiens  gesprochen  werden, 
ass  dieselben  Waschbecken  von  mehreren  Leuten  kurz  hinter¬ 
nander  benutzt  werden,  die  Ausgabe  einer  Waschschüssel  an  jeden 
ann  bestimmungsgemäss  nur  in  Trachomgegenden  geschieht,  er- 
eckt  Bedenken.  Die  Infektion  durch  Uniformen,  Decken,  die  ein 
iderer  Mann  hatte,  ist  durch  Desinfektion  dieser  Objekte  zu  ver¬ 
eiden.  Den  Fliegen  wird  mit  Recht  im  ganzen  Lehrbuch  eine 
ichtige  Rolle  bei  der  Infektion  zugeteilt.  Dass  ausschliesslich 
ensch  und  Tier  als  Infektionsquelle  wirken,  stimmt  in  diesem  Sinne 
cht  für  Paratyphus,  Proteuserkrankungen  und  die  Eitererreger.  Dass 
e  übliche  Bauweise  der  Kasernen  gemeinsame  Laterinen  auf  dem 
ofe  vorschreibt,  ist  hygienisch  nicht  unbedenklich.  Für  die  Kasern- 
isinfektion  wird  mit  Recht  Ausschluss  der  Mitwirkung  privater  und 
ädtischer  Desinfektionsanstalten  verlangt.  Wenn  Frauen  als 
artoffelschälerinnen  in  den  Küchen  angestellt  werden,  müssen  sie 
lenso  auf  die  Infektiosität  ihrer  Abgänge  untersucht  werden,  wie 
es  richtig  für  das  Küchen-  und  Kantinenpersonal  verlangt  wird.  Der 
ngabe  ist  beizustimmen,  dass  bei  ausgedehnten  Epidemien  soviel 
eimträger  erscheinen,  dass  der  Keim  gewisserinassen  ubiquitär  ist 
ld  die  Feststellung  der  Keimträger  wirkungslos  wird.  Auffallend  ist 
e  Angabe  über  die  ungenügenden  Vorrichtungen  zur  Beseitigung 
ir  Fäkalien  in  den  preussischen  Lagern.  Ersatzpräparate  des 
ublimates  haben,  und  zwar  auch  bei  den  Armeen,  in  Form  des  Hg 
^ycyanat.  allgemeinere  Einführung  gefunden,  die  diesbezügliche 
emerkung  trifft  nicht  zu.  Für  das  Feld  wird  das  (vom  Referenten 
irigens  zuerst  angegebene)  Kalium  permanganat-Paraform-Ver- 
hren  zur  Zimmerdesinfektion  empfohlen.  Die  Bücherdesinfektion 
ich  Gärtner  mit  Alkohol  im  Vakuum  soll  sich  nicht  bewähren, 
ur  Desinfektion  von  Leder  und  Gummi  wird  das  „sorgfältige  und 
iederholte“  Abreiben  mit  Desinfektionsflüssigkeit  verworfen.  Be- 
:htenswert  ist  die  Vorschrift  zur  Sterilisierung  der  Gummihand- 
:huhe.  Zur  Wanzenvertilgung  gibt  es  aber  jetzt  ganz  brauchbare 
pparate.  Alexine  und  W  rights  Opsonine  sind  nicht  zweierlei, 
h  r  1  i  c  h  s  Theorie  ist  am  bequemsten,  nicht  am  befriedigendsten, 
ie  negative  Phase  wird  einmal  angenommen,  dann  einmal  abgelehnt, 
ass  bei  Serumverwendung  Unglücksfälle  trotz  grosser  Mengen  nicht 
orkommen,  ist  statistisch  lange  widerlegt.  Die  Tuberkulinprobe  in 
er  jetzt  üblichen  Form  wird  für  die  Beurteilung  der  Militärdienst- 
ihigkeit  nicht  geeignet  bezeichnet.  Die  grundlegenden  Beob- 
ehtungen  über  Typhusbazillenausscheidung  in  der  Inkubation  sind 
om  Referenten,  nicht  von  K  o  n  r  a  d  i  gemacht.  Die  Untersuchung 
on  Mannschaften,  die  typhuskrank  waren  oder  aus  verseuchter  Um- 
ebung  stammen,  bei  der  Einstellung,  ist  in  Bayern  z.  B.  schon  lange 
orgeschrieben.  Dass  beim  Paratyphus  die  Kontaktinfektion  im 
ordergrund  steht,  dürfte  nach  dem  derzeitigen  Stand  der  Frage  nicht 
lehr  zutreffen.  Ob  das  plötzliche  Erlöschen  von  Ruhrepidemien 
eim  Verlassen  der  Uebungsplätze  nicht  vor  allem  mit  Nahrungs- 
üttelinfektion  zu  tun  hat,  dürfte  zu  erwägen  sein.  Wie  ersichtlich 
ibt  das  Buch  auch  eine  Fülle  von  Anregungen,  das  Studium  derselben 
iirfte  nicht  nur  für  Sanitätsoffiziere,  auch  für  Amtsärzte  und  solche, 
ie  es  werden  wollen,  von  grossem  Nutzen  sein. 

Georg  Mayer-  München. 

Graefe-Saemisch:  Handbuch  der  gesamten  Augenheil- 
unde.  III.  Auflage.  Verlag  von  W.  Engelmann,  Leipzig. 

1.  I.  Teil,  VIII.  Kap.:  M.  Nussbaum:  Entwicklungsgeschichte  des 

■enschlichen  Auges.  Mit  63  Fig.  im  Text.  Subskriptionspreis  ge- 
eftet  M.  3.60,  gebunden  M.  6.10.  Einzelpreis  5.40  resp.  7.90. 

Von  der  III.  Auflage  des  Handbuches  lagen  bisher  nur  die 
eiden  Werke  von  v.  Hess  (Refraktionsanomalien  und  Linse)  vor. 
un  treten  die  Arbeiten  Nussbaums  und  Pütters  dazu.  Das 
ussbaumsche  Werk  ist  in  der  (noch  unvollendeten)  II.  Auflage 
es  Handbuches  schon  1899  erschienen;  sein  Umfang  ist  von  79  Seiten 
uf  104  Seiten  gewachsen,  eine  mässige  Vermehrung,  wenn  man  die 
ülle  der  wichtigen  Arbeiten  überblickt,  die  auf  diesem  Gebiete  seit 
899  erschienen  sind  —  u.  a.  von  Rabl,  "Nussbaum,  v.  S  z  i  1  i, 
.  Lenhossek,  K  öllik  er,  Froriep,  Krückmann  und 
e  e  f  e  1  d  e  r.  Die  Figuren  sind  von  54  auf  63  vermehrt,  sehr  zweck¬ 
lässig  ist  die  Anbringung  von  Seitenüberschriften  an  Stelle  des 
üher  durchgehenden  Titelaufdruckes.  Die  Ausstattung  ist  wie 
nmer  vorzüglich. 


2.  I.  Teil,  X.  Kapitel:  A.  Piitter:  Organologie  des  Auges.  Mit 
220  Figuren  im  Text  und  25  auf  10  Tafeln.  Subskriptionspreis  geh. 
M.  16,  geb.  M.  18.50.  Einzelpreis  24  resp.  26.50. 

Das  vorliegende  Werk  war  in  der  II.  Auflage  1908  erschienen, 
also  9  Jahre  nach  dem  Nussbaum  sehen  Werk.  Es  ist  sehr  zu  be- 
grüssen,  dass  die  beiden,  verwandte  Themata  behandelnden  und  sich 
vielfach  ergänzenden  Arbeiten,  nunmehr  in  III.  Auflage  gleichzeitig 
vorliegen.  Die  Benützung  des  Handbuches  wird  durch  möglichste 
Durchführung  des  gleichzeitigen  Erscheinens  sachlich  zusammenge¬ 
höriger  Kapitel  jedenfalls  wesentlich  gefördert  werden. 

Der  Umfang  ist  von  395  Seiten  auf  424  vermehrt;  8  weitere 
Textfiguren  sind  hinzugefügt.  Unter  den  seit  1908  auf  diesem  Gebiete 
hinzugekommenen  Arbeiten  stehen  in  erster  Linie  die  zahl¬ 
reichen  vergleichend-physiologischen  Experimentaluntersuchungen  von 
v.  Hess  über  die  Akkomodation  und  ferner  über  den  Lichtsinn  in 
der  Tierreihe,  „durch  die  dieser  Forscher  die  vergleichende  Physio¬ 
logie  des  Licht-  und  Farbensinnes  der  Tiere  auf  eine  exakte  Basis 
gestellt  hat“.  Dieselben  sind  eingehend  berücksichtigt. 

Salzer-  München. 

Prof.  Dr.  Fritz  H  o  h  m  e i  e  r  -  Marburg:  Die  Anwendungsweise 
der  Lokalanästhesie  in  der  Chirurgie.  Verlag  von  August  Hirsch- 
wald,  Berlin  1913.  81  Seiten.  Preis  4  M. 

Das  vorliegende  Buch  will  ein  Leitfaden  zum  Operieren  in  Lokal¬ 
anästhesie  sein  und  empfiehlt  sich  als  solcher  durch  eine  klare  Dar¬ 
stellung  der  in  Betracht  kommenden  anatomischen  Verhältnisse,  nebst 
einer  reichen  Auswahl  zum  Teil  den  Werken  von  S  p  a  1 1  e  h  o  1  z  und 
Corning  entlehnter,  instruktiver  Abbildungen.  Für  die  Ausführung 
der  schon  längere  Zeit  gebräuchlichen  Verfahren  sind  im  allgemeinen 
die  Braun  sehen  Vorschriften  als  Grundlage  genommen,  stellenweise 
mit  geringen  Modifikationen,  wie  z.  B.  bei  der  Anästhesierung  zur  Aus¬ 
führung  von  Leistenbruchoperationen.  Wenn  bei  der  Besprechung 
der  jüngsten  Fortschritte  in  der  Leitungsanästhesie  der  Verf.  es  für 
nicht  gerechtfertigt  hält,  die  Plexusanästhesie  nach  Kulenkampff 
oder  H  i  r  s  c  h  e  1  zu  Fingeroperationen  heranzuziehen,  so  muss  man 
ihm  unbedingt  beipflichten.  Es  ist  ein  wesentlicher  Vorteil  der  gegen¬ 
wärtigen  Arbeit,  dass  sie  bei  den  technischen  Ausführungen  immer 
wieder  betont,  wie  nicht  die  Novokainisierung  der  grösseren  Nerven- 
stämme  für  sich  allein,  sondern  erst  ihre  Kombination  mit  der  Weich¬ 
teilanästhesierung  zu  idealen  Erfolgen  zu  führen  vermag.  So  wird 
diese  Anleitung  für  jeden  Freund  der  modernen  Lokalanästhesie  eine 
wertvolle  Ergänzung  zu  dem  bekannten  Braun  sehen  Werke  dar¬ 
stellen.  ,  Baum-  München. 

Dr.  Oskar  Langemak:  Die  Arbeitsstätte  des  Chirurgen  und 
Orthopäden.  (Mit  Winken  für  Einrichtung  von  Privatkliniken.)  Mit 
45  Abbildungen.  Verlag  von  Gustav  Fischer,  Jena  1912.  Preis 
5  M. 

Das  kleine  Buch  kann  dem  Arzte,  der  gezwungen  ist,  eine  Klinik 
einzurichten  und  zu  betreiben,  viel  Zeit,  viel  Verdruss  und  viele 
Unkosten  ersparen.  Es  bietet  mehr,  als  sein  Titel  verspricht.  Ausser 
der  Einrichtung  der  Krankenräume,  des  Warte-  und  Sprechzimmers, 
der  Operationssäle  etc.  wird  auch  die  Herrichtung  und  Sterilisation 
der  Verbandstoffe,  die  Gipstechnik,  die  Desinfektion  des  Operations¬ 
feldes  und  der  Hände  eingehend  besprochen. 

F.  Lange-  München. 

Aschaffenburg:  Die  Sicherung  der  Gesellschaft  gegen  ge¬ 
meingefährliche  Geisteskranke.  Ergebnisse  einer  im  Aufträge  der 
Holtzendorff-Stiftung  gemachten  Studienreise.  Berlin  1912.  Gut- 
tentag.  288  Seiten.  Preis  6  M. 

Nach  genauer  Prüfung  der  rechtlichen  Verhältnisse  und  der  ver¬ 
schiedenen  Unterbringungsarten  geisteskranker  Verbrecher  in  Europa, 
zu  einem  grossen  Teil  basierend  auf  eigener  Anschauung,  kommt 
Verf.  in  den  wichtigsten  Punkten  zu  folgenden  Schlüssen:  Es  sind 
Massnahmen  zu  treffen  nur  gegen  diejenigen  Geisteskranken,  die  ge¬ 
meingefährlich  sind.  Die  grossen  Kriminalanstalten  in  England  und 
Italien  haben  sich  nicht  so  bewährt,  dass  sie  zur  Nachahmung  emp¬ 
fohlen  werden  könnten.  Adnexe  an  Strafanstalten  könnten  für  ge¬ 
wisse  Zwecke  sehr  gute  Dienste  leisten,  aber  unter  der  Bedingung, 
dass  sie  unabhängig  von  der  Strafanstalt  unter  ärztlicher  Leitung 
verwaltet  werden.  Im  Allgemeinen  empfiehlt  sich  Verteilung  der  ge¬ 
fährlichen  Kranken  auf  alle  zur  Verfügung  stehenden  Irrenanstalten, 
die  sich,  wenn  nötig,  durch  besonders  gesicherte  Abteilungen  zu 
diesem  Zwecke  einzurichten  haben.  Dabei  sollte  Rücksicht  auf  die 
Möglichkeit  genommen  werden,  die  Einrichtung  zur  Ausbildung  von 
Juristen  und  Medizinern  zu  benützen. 

Ein  allseitiges  Studium,  eine  grosse  Erfahrung,  ein  volles  Ver¬ 
ständnis  für  die  theoretischen  wie  die  praktischen  Seiten  des  be¬ 
handelten  Gegenstandes  und  eine  klare  Darstellung  verleihen  dem 
Buche  einen  hohen  Wert.  Nach  den  vielen  Erörterungen  der  letzten 
zwei  Dezennien  und  den  tastenden  Versuchen  der  Praxis  bedeutet  es 
einen  Abschluss.  Man  hat  nach  der  Lektüre  das  Gefühl:  Die  schwe¬ 
benden  Fragen  sind  erledigt,  die  Behörden  sollten  nun  wissen,  wie 
sie  zu  handeln  haben.  Bleuler-  Burghölzli. 

Aerztliche  Rechts-  und  Gesetzeskunde.  Herausgegeben  von  Geh. 

Med.Rat  Prof.  Dr.  O.  Rapmund,  Regierungs-  und  Medizinalrat  in 
Minden  i.  W.  und  Geh.  Ober-Medizinalrat  Prof.  Dr.  E.  Dietrich, 
Vortragender  Rat  im  Ministerium  des  Innern  in  Berlin.  Zweite,  gänz- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


310 


lieh  umgearbeitete  Auflage.  2  Bände.  1417  Seiten.  Preis  geh.  32  M. 
Verlag  von  Georg  T  h  i  e  rn  e,  Leipzig  1913. 

Bei  den  vielfachen  Beziehungen,  welche  der  Arzt  infolge  seines 
Berufs  zu  dem  öffentlichen  Leben  hat,  ist  es  für  ihn  ein  unabweis¬ 
bares  Bedürfnis,  mit  den  hier  einschlägigen  gesetzlichen  Bestim¬ 
mungen  sich  vertraut  zu  machen,  und  zwar  besteht  ein  solches  Be¬ 
dürfnis  nicht  etwa  nur  für  den  beamteten,  sondern  ebenso  auch  fin¬ 
den  praktischen  Arzt.  Für  diesen  ist,  da  ihm  eine  Amtsbibliothek 
nicht  zur  Verfügung  steht  und  in  der  Regel  auch  nicht  leicht  zugäng¬ 
lich  ist,  eine  geordnete  Zusammenstellung  der  für  ihn  wichtigen  ge¬ 
setzlichen  Bestimmungen  von  ganz  besonderem  Wert. 

Es  ist  deshalb  ein  verdienstvolles  Unternehmen,  dem  sich  zum 
zweitenmal  die  oben  genannten  Verfasser  unterzogen  haben,  ein  der¬ 
artiges  Werk  zu  schaffen,  dieses  Verdienst  kann  als  ein  um  so 
grösseres  bezeichnet  werden,  als  es  ihnen  gelungen  ist,  in  übersicht¬ 
licher,  präziser  und  erschöpfender  Weise  die  überreiche  Materie  zu 
behandeln. 

Nach  der  Natur  der  Sache  ist  es  naheliegend,  dass  m  erster  Linie 
und  am  eingehendsten  die  für  Preussen  geltenden  Bestimmungen  vor¬ 
getragen  werden,  indes  sind  auch  die  wesentlichen  Bestimmungen 
der  einzelnen  deutschen  Bundesstaaten,  soweit  diese  gesondert  für 
diese  Gebiete  erlassen  sind,  genügend  berücksichtigt,  um  dem  Arzte 
die  erforderliche  Orientierung  zu  vermitteln. 

Es  ist  nicht  möglich,  hier  auf  Einzelheiten  des  umfangreichen 
zweibändigen  Werkes  näher  einzugehen,  es  sei  nur  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  alles,  was  die  öffentlichen  und  privaten  Rechtsverhält¬ 
nisse  des  Arztes  berührt,  und  nicht  zuletzt  die  verschiedenen  Standes¬ 
fragen  eine  eingehende  sachgemässe  Behandlung  erfahren,  so  z.  B. 
die  jetzt  für  die  ganze  deutsche  Aerztewelt  so  aktuelle  Frage  ihrer 
Stellung  in  der  Reichsversicherungsordnung,  die  gesetzlichen  Bestim¬ 
mungen  über  die  staatliche  Organisation  des  ärztlichen  Standes  in 
den  verschiedenen  Bundesstaaten,  das  ärztliche  Vereinswesen,  das 
ärztliche  Unterstützungswesen,  die  für  den  Arzt  wichtigen  Bestim¬ 
mungen  aus  dem  Strafgesetzbuche,  der  Gewerbeordnung,  der 
Seuchengesetzgebung,  dem  Nahrungsmittelgesetz  usw. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  das  Werk  mit  Rücksicht  auf 
die  Bedeutung  seines  Inhalts  sich  baldigst  Eingang  verschaffen  wird 
nicht  nur  in  der  Aerztewelt  sondern  auch  bei  allen  Behörden,  die  mit 
dem  ärztlichen  Berufe  dienstlich  in  Berührung  zu  treten  haben. 

Schliesslich  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  die  Ausstattung 
des  Buches  eine  vorzügliche  ist.  Dr.  S  p  a  e  t  -  Fürth. 


Gewerbehygienische  Uebersicht. 

Von  Dr.  Fr.  K  o  e  1  s  c  h,  Kgl.  Landesgewerbearzt. 

Aus  der  jüngsten  gewerbehygienischen  Literatur  sind  zunächst 
einige  Sammelberichte  kurz  zu  erwähnen,  so  über  die  Be¬ 
obachtungen  der  Englischen  Gewerbeaufsichtsbeam¬ 
ten  im  Jahre  1910,  erschienen  in  Concordia  1912,  No.  13;  der  Artikel 
enthält  interessante  Mitteilungen  über  Lüftung,  Luftfeuchtigkeit  und 
Heizung  in  gewerblichen  Betrieben,  über  pneumatische  Werkzeuge, 
Häutedesinfektion,  Staubmessung  u.  dgl.  —  Der  in  der  Zeitschr.  f. 
Gewerbehygiene  (1912,  S.  335)  veröffentlichte  Auszug  aus  den  Be¬ 
richten  der  Hamburger  Gewerbeaufsichtsbehörde 
1911  bringt  Angaben  über  gewerbliche  Vergiftungen  durch  Benzol  und 
verwandte  Produkte,  die  als  schnelltrocknende  Anstrichmittel  Ver¬ 
wendung  finden,  über  Manganismus,  Schädigungen  durch  tropische 
Hölzer  u.  dgl.  Bewerkenswerte  Mitteilungen  aus  den  Berichten  der 
Oesterreic  bischen  Inspektoren  1911  (über  Vergiftungen 
durch  Pb,  Hg,  P,  Anilin,  gewerbl.  Ekzeme,  Milzbrand  u.  dgl.),  sowie 
der  Holländischen  Beamten  (über  die  Anmeldung  ver¬ 
schiedener  Gewerbekrankheiten,  über  die  Bekämpfung  der  Bleigefahr 
in  der  graphischen  und  keramischen  Industrie,  über  Milzbrand)  finden 
sich  ferner  in  den  Mitteilungen  des  Instituts  f.  Gewerbehygiene  in 
Frankfurt  a.  M.  1912,  No.  12.  Weiterhin  sei  auf  das  Referat  in  No.  45 
(S.  2482  und  2484)  dieser  Wochenschrift  über  den  15.  Internatio¬ 
nalen  Hygienekongress  in  Washington  verwiesen,  welches 
eine  Reihe  gewerbehygienischer  Fragen  behandelt. 

Einen  lesenswerten  Aufsatz  bringt  die  Zeitschrift  f.  Gewerbe¬ 
hygiene  1912,  No.  16  flg. :  „U  c  b  e  r  den  Einfluss  der  Berufs¬ 
tätigkeit  auf  d,  i  e  Entstehung  von  Frauenkrank¬ 
heiten“.  Von  Hermann  Heng.  Die  Anregung  zu  dieser 
Arbeit  ging  vom  Referenten  aus,  der  im  Vorjahre  eine 
diesbezügliche  Aufforderung  in  der  medizinischen  Presse  erliess,  um 
für  die  Beurteilung  dieser  wichtigen  Beziehungen  neues  Material  zu 
gewinnen.  Denn  zweifellos  ist,  wie  dies  auch  B  o  s  s  i  feststellt, 
in  der  Art  und  dem  Charakter  sowie  in  der  notwendig  gesteigerten 
Anstrengung  der  modernen  Frauenarbeit  hauptsächlich  die  Aetiologic 
der  sich  stets  mehrenden  Krankheiten  der  weiblichen  Genitalorgane 
zu  suchen.  Nach  Anführung  der  anatomischen  Details,  aus  denen  sich 
die  ausserordentlich  geschützte  Lage  der  Gebärmutter  ergibt,  erörtert 
Heng  zunächst  die  durch  anhaltendes  Stehen  bedingten  Unterleibs¬ 
schädigungen.  Hiebei  kann  durch  Muskelzug,  zumal  beim  noch  wach¬ 
senden  Knochen  eine  Veränderung  des  knöchernen  Beckens  erfolgen; 
die  begleitenden  Zirkulationsstörungen  führen  zu  Menstruations¬ 
anomalien,  begünstigt  durch  abnorme  Füllung  der  Harnblase;  beson¬ 
ders  die  Lageveränderungen  der  Gebärmutter  können  durch  Arbeit 
im  Stehen  in  Verbindung  mit  Armbewegungen  und  Harnretention  ver¬ 
anlasst  werden.  Die  Arbeit  im  Sitzen,  die  unzertrennlich  mit  vorn¬ 


übergeneigter  Haltung,  dabei  aber  auch  mit  Raumbeengung  in  Brust 
und  Unterleib  einhergeht,  begünstigt  einerseits  Blutarmut  und  Tuber¬ 
kulose,  andererseits  Blutstauung  in  den  Genitalien  mit  Menstruations- 
störungen  und  Gebärmutterkatarrhen.  Eingehend  werden  die  Ver¬ 
hältnisse  bei  den  Maschinennäherinnen  besprochen  und  u.  a.  auch 
die  Ergebnisse  der  S  t  r  a  s  s  m  an  n  sehen  Enquete  angeführt;  letz¬ 
terer  Autor  fand  unter  1500  Kranken  der  Charitee-Frauenklinik 
356  Machinennäheri'nnen;  auch  Falk  und  Sarrazin  bringen  ge¬ 
häufte  Genitalstörungen  mit  dieser  Berufstätigkeit  in  Zusammenhang. 
Dass  das  Maschinennähen  gelegentlich  zu  onanistischen  Reizungen 
dient,  daran  ist  allerdings  die  normale  Berufsarbeit  unschuldig;  be¬ 
sonders  in  Frankreich  sind  Erfahrungen  letzterer  Art  wiederholt 
beobachtet  worden.  Bezüglich  der  körperlichen  Erschütterungen  wäre 
zu  bemerken,  dass  hiedurch  besonders  Schwangere  und  Wöchiieriime:i 
geschädigt  werden,  ebenso  Patientinnen  mit  Adnexerkrankungen  oder 
unkorrigierten  Lageanomalien.  Auf  die  Zeit  der  Menses  wäre  eigent¬ 
lich  in  jedem  weiblichen  Berufe  grösstmögliche  Rücksicht  zu  nehmen; 
plötzliche  heftige  Bewegungen  und  Erschütterungen  haben  hiebei  viel¬ 
fach  schädliche  Einwirkungen  gezeigt,  wie  Ovarialhämatome, 
Metrorrhagien  u.  dgl.  Die  schädliche  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
auf  die  weiblichen  Keimdrüsen  ist  ja  bekannt.  Von  den  gewerblichen 
Giften  wirkt  besonders  das  Blei  ausserordentlich  deletär,  indem  es 
Fehlgeburten  und  Totgeburten,  Bleisiechtum  der  Säuglinge  u.  ä.  pro¬ 
voziert;  ähnlich  gesundheitsschädigend  wirkt  auch  das  Quecksilber 
Hingegen  soll  nach  neueren  Anschauungen  die  gewerbliche  Beschäfti¬ 
gung  mit  Phosphor  nicht  wesentlich  schädigen,  wenn  auch  Menstrua¬ 
tionsstörungen  bei  Zündholzarbeiterinnen  beobachtet  wurden. 
Schwefelkohlenstoff  erzeugt  bei  den  Arbeiterinnen  Impotenz.  Ueber 
die  Schädlichkeit  des  Nikotins  in  der  Tabakindustrie  sind  die  An¬ 
schauungen  nicht  völlig  geklärt;  die  beobachteten  Menstruations¬ 
störungen  dürften  mehr  den  äusseren  Verhältnissen  und  der  Arbeits¬ 
weise  im  Sitzen  zuzuschreiben  sein;  in  Frankreich  wurde  hohe  Säug¬ 
lingssterblichkeit  bei  stillenden  Tabakarbeiterinnen  festgestelit;  an¬ 
geblich  soll  in  der  Muttermilch  Nikotin  nachweisbar  sein.  Benzol  und 
seine  Derivate  erzeugen  neben  Haut-  und  Schleimhautblutungen  auch 
Metrorrhagien  und  Anämie;  die  Disposition  zur  Vergiftung  ist  bei 
Frauen  grösser  als  bei  Männern,  zumal  zur  Zeit  der  Menstruation. 

Abgesehen  von  Gewerbe  und  Industrie  finden  wir  Frauen  noch 
in  den  verschiedensten  Berufsarten,  als  Lehrerinnen,  Erzieherinnen, 
Hebammen  u.  dgl.  Dysmenorrhoischc  Beschwerden,  Amenorrhoe 
u.  ä.  sind  bekanntlich  bei  diesen  Berufszugehörigen  relativ  häufig 
und  meist  durch  geistige  Anstrengung,  sitzende  Lebensweise,  Ver¬ 
änderung  der  sozialen  und  klimatischen  Verhältnisse  etc.  bedingt. 
Eine  gynäkologische  Beratung  bei  der  Berufswahl  wäre  daher  regel¬ 
mässig  zu  fordern. 

Stand  und  Beruf  sind  ferner  von  Einfluss  auf  den  Beginn  der 
Menses;  bei  industriellen  und  landwirtschaftlichen  Arbeiterinnen  tritt 
die  erste  Regel  meist  später  ein  als  bei  Städterinnen  bezw.  sozial 
höher  stehenden  Frauen;  auffallend  früh  beginnt  sie  bei  Mädchen,  die 
sich  dem  Studium  oder  geistigen  Arbeiten  widmen,  wie  Studentinnen, 
Lehrerinnen,  Schauspielerinnen  etc. 

Infolge  dieser  mannigfachen  beruflichen  Beeinträchtigungen  be¬ 
darf  die  erwerbstätige  Frau  zeitweise  ganz  besonderer  Schonung, 
besonders  in  der  Pubertät,  in  den  Wechseljahren  und  in  der  Schwan¬ 
gerschaft;  meist  aber  ist  diese  Schonung  unmöglich,  besonders  dann, 
wenn  die  Frauenarbeit  mit  der  Männerarbeit  in  Konkurrenz  tritt. 
Leider  fehlt  es  uns  immer  noch  an  eingehender  Kenntnis;  unser 
Wissen  ist  gerade  auf  diesem  wichtigen  Gebiete  noch  sehr  lücken¬ 
haft.  Es  sollten  daher,  wie  dies  auch  Fritsch  forderte,  wenigstens 
die  in  besonders  bedenklichen  Berufen  arbeitenden  Frauen  vor  der 
Einstellung  gynäkologisch  untersucht  werden,  die  Aufnahme  soll  von 
der  Beibringung  eines  Tauglichkeitsattestes  abhängig  gemacht  wer¬ 
den;  event.  könnte  dies  von  Fabrikärztinnen  vorgenommen  werden. 
Zuin  Schlüsse  führt  Verf.  alle  zum  Schutz  der  Frau  dienenden  Be¬ 
stimmungen  der  GO.,  der  verschiedenen  Bundesratsbekaniit- 
machungen  u.  dgl.  auszugsweise  an. 

Einen  weiteren  Beitrag  zur  Frauenarbeit  bringt  E.  Giovan¬ 
ni  ni  in  II  Ramazzini,  H.  4  u.  5  (1912):  „Der  Schutz  der 
schwangeren  Arbeiterin  in  der  letzten  Schwan¬ 
ge  r  s  c  h  a  f  t  s  p  e  r  i  o  d  e“.  An  dem  Material  der  Frauenklinik  zu 
Pisa  1895—1907  (1348  Geburten)  stellte  Verf.  fest,  dass  bei  günsti¬ 
gerer  sozialer  Lage,  bei  günstigeren  Lebens-  und  Arbeitsbedingungen 
der  Mutter  das  Gewicht  des  Kindes  steigt,  während  umgekehrt  mit  der 
Verschlechterung  der  Existenzbedingungen  die  Gewichtswerte  der 
Neugeborenen  ungünstiger  werden.  Die  Folgen  der  Aufbesserung  dei 
Lebensbedingungen  und  körperlichen  Schonung  machen  sich  bereib 
dann  geltend,  wenn  die  Mutter  längere  Zeit  vor  der  Entbindung  u 
der  Klinik  sich  erholen  konnte.  Die  Neugeborenen  lediger  Mütter 
zeigten  deutlich  eine  Gewichtsminderung,  gleichbedeutend  mit  kör¬ 
perlicher  Minderwertigkeit,  und  zwar  schien  letztere  um  so  grösser 
je  sozial-tieferstehend  die  Berufsklasse  der  Mütter  war;  die  schlecli 
testen  Zahlen  wiesen  demnach  die  Dienstboten,  Schneiderinnen 
Spinnerinnen  etc.  auf.  Bei  der  grossen  Bedeutung  des  Schwangeren 
Schutzes  ist  eine  staatliche  Regelung  unerlässlich.  In  Italien  ward, 
durch  das  Gesetz  vom  17.  VII.  1910  zunächst  nur  eine  Wöchnerinnen 
Unterstützung  von  4  Wochen  eingeführt;  eine  Ergänzung  durch  ge 
setzliche  Schonzeit  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  mit  Schwan 
gerenunterstützung  wäre  daher  dringend  erforderlich. 

Ueber  die  Beschäftigungsneurosen  findet  sich  eim 
sehr  ausführliche  Abhandlung  in  der  Wiener  med.  Wochenschi 


.  Februar  1013. 


muenchener ;  medizinische  Wochenschrift. 


Mi 


i.  43/44  (1912)  von  L.  v.  Frankl-Hochwart.  Vgl.  das  Re- 
at  in  No.  51  (S.  2833)  dieser  Wochenschrift. 

Die  Frage  der  gefärbten  Gläser  als  Jagd-,  Schnee- 
i  d  Schutzbrillen  bespricht  Fr.  Schanz  in  der  Wochenschr. 
Therapie  u.  Hygiene  d.  Auges.  XV,  1912,  No.  45.  Verf.  erwähnt 
nächst  die  Schädlichkeit  der  ultravioletten  Strahlen,  unter  deren 
.Wirkung  die  Linse  des  Auges  fluoresziert.  Dieses  Fluoreszenzlicht 
regt  indirekt  die  lichtempfindlichen  Elemente  und  erschöpft  die  Seh- 
iffc  der  Netzhaut,  erzeugt  ferner  bei  intensiver  Einwirkung  einen 
hein,  der  sich  über  das  Auge  legt.  Die  nicht  in  Fluoreszenzlicht 
igewandelten  Strahlen  schädigen  die  Netzhaut,  besonders  die  Kör- 
rschicht  (Versuche  von  Birch-Hirschfeld);  auch  Farben- 
instörungen  werden  beobachtet,  z.  B.  nach  Arbeiten  vor  der  Queck- 
berdampflampe.  Den  besten  Schutz  gegenüber  diesen  Lichtschädi- 
ngen  gewähren  Schutzbrillen  aus  Euphos'glas,  sowohl  bei  der  Jagd. 
.  auch  bei  Gewerbebetrieben  (Glasmacher,  Elektrotechniker,  beim 
togenen  Sclnveissverfahren,  bei  Ballonfahrten,  zum  Schutze  gegen 
hneeblindheit  etc.;  der  Südpolentdecker  Amundsen  äusserte 
h  hierüber  ausserordentlich  befriedigt).  Die  obenerwähnte  Fluo- 
szenzwirkung  hat  Verf.  dadurch  zu  demonstrieren  versucht,  dass  er 
der  Rückwand  eines  Kastens  einen  Spiegel,  an  der  Seitenwand  ein 
nkelblaues  Glas  anbrachte.  Hält  man  diesen  Kasten  wie  ein  Stereo- 
op  dicht  an  das  Gesicht  und  stellt  sich  so,  dass  durch  die  Biau- 
. heibe  diffuses  Tageslicht  auf  das  Auge  fällt,  so  sieht  man  im  Spiegel 
■  Pupille  des  eigenen  Auges  grau,  sie  fluoresziert. 

Bezüglich  der  Caissonkrankheit  sei  kurz  auf  eine  Arbeit  von 
Bornstein-Hamburg  in  der  Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Medi- 

i  u.  ö.  Sanitätsw.  1912,  4.  H.  verwiesen:  „Erfahrungen  über 
iressluftkrankh  eiten“,  ref.  in  No.  51,  S.  2832  dieser 
ochenschrift. 

Eine  höchst  instruktive  zusammenfassende  Arbeit:  „Die  ge- 
ndheitliche  Gefährdung  der  Arbeiter  durch 
aubentwicklung  in  gewerblichen  Betrieben 

ii  d  ihre  Verhütung“,  veröffentlichte  E.  Mangelsdorf  in 
<r  D.  Vierteljahrschr.  f.  ö.  Gesundheitspflege,  42.  Bd„  4.  H.  (1912). 
1>  rund  30  Druckseiten  einnehmende  Arbeit  kann  natürlich  in  einem 
Irzen  Referat  auch  nicht  annähernd  gewürdigt  werden. 

Aus  der  Mailänder  Klinik  für  A  r  b  e i t  e  r  kränk¬ 
elten  liegt  u.  a.  eine  Arbeit  von  D.  Cesa-Bianchi  vor  ü  her 
iaubinhalation  und  Lungentuberkulose;  die  Ab- 
nidlung  erschien  gleichzeitig  mit  der  italienischen  Publikation  in  der 
/itsclir.  f.  Hygiene,  73.  Bd„  1912,  S.  166.  Verf.  suchte  unter  Ver- 
vndung  von  Talkum,  Gips,  Thomasschlacke,  Kohle  (Anthrazit), 
<ment,  Perlmutterstaub  und  Schleifsand  den  Zusammenhang  zwi- 

•  ien  Lungentuberkulose  und  Einatmung  von  mechanisch  wirkendem 
'mb  beim  Meerschweinchen.  Letztere  wurden  ausgewählt,  weil 
!  einerseits  gegen  Tuberkulose  besonders  empfindlich  sind,  anderer- 
;  ts  neben  der  Lokalerkrankung  meist  auch  eine  Allgemeininfektion 

gen,  während  typische  Lungentuberkulose  allerdings  selten  zu  be- 

■  achten  ist.  Bei  einfachem  Aufenthalt  im  Staubluftkasten  verhielten 
Gi  die  liere  gegenüber  den  Konfrontieren  normal;  sobald  jedoch 

Nasenatmung  irgendwie  verlegt  wurde,  traten  häufig  alsbald  pneu- 
nnieartige  Erkrankungen  auf.  Sowie  die  äusserlich  anscheinend 
i  rmalen  Tiere  auf  irgendeine  Weise  (subkutan,  tracheal  etc.)  mit 
lierkelbazillen  infiziert  wurden,  gingen  sie  an  typischen  schweren 
iicrkulösen  Lungenerkrankungen  zugrunde.  Durch  die  Staubinha- 
.  ion  wurde  also  in  der  Lunge  zweifellos  ein  locus  minoris  resisten¬ 
te  geschaffen,  welcher  der  Bazillenansiedlung  günstigste  Bedin- 

•  ngen  schaffte.  Eine  spezifisch-verletzende  Wirkung  der  einzelnen 
uiharten  konnte  bisher  noch  nicht  gefunden  werden.  Die  Versuche 

'■rden  fortgesetzt  werden.  —  Eine  weitere  Abhandlung  Pneu- 
1  1  n  o  k  o  n  i  o  s  e  n  und  Lungenspitzenkatarrh  stammt 
ii  dem  Leiter  der  genannten  Klinik,  E.  D  e  v  o  t  o,  abgedruckt  in  den 
ti  della  Societä  Lombarda  di  Scienze  mediche  e  biologiche,  I,  3. 

Auf  die  Frage:  Ist  der  Lederstaub  für  die  Gesund- 
*  L  ^i?  r  Arbeiter  gefährlich?  gibt  eine  kleine  Abhandlung 
ii  r.  H  o  1 1  z  m  a  n  n  in  der  Zeitschr.  f.  Gewerbehygiene  1912,  No.  17 
twort.  Lederstaub  entsteht  bei  der  Schuhfabrikation  beim  Ab- 
Mleiien  der  Sohlen  und  Absätze;  derselbe  ist  weich  und  zeigt  mikro- 
^  misch  keine  scharfen  Ecken,  mechanische  Verletzungen  sind  kaum 
'  befürchten.  Milzbrandkeime  dürften  ihm  keine  mehr  anhaften,  da 
Gerbprozess  eine  Desinfektion  im  bakteriologischen  Sinne  statt- 

■  Jet.  Ebenso  ist  auch  durch  die  Gerbstoffe  eine  chemische  Schädi- 

-  ig  nicht  zu  erwarten,  da  ein  Teil  der  Gerbstoffe  mit  dem  Binde- 
k‘lVebe  der  Haut  eine  Tannineiweissverbindung  eingeht,  während 

-  anderer.  Teil  sich  auf  der  Bindegewebsfaser  niederschlägt  und 
|  ig  an  ihr  haftet.  Nur  ausnahmsweise  dürfte  bei  übermässiger  Ger- 

ig  treier  Gerbstoff  sich  vorfinden,  der  jedoch  (Tannin)  dem  Orga- 
mus  kaum  schaden  dürfte.  Bei  Chromleder  ist  ein  Ueberschuss 

■  i  freier  Chromsäure  undenkbar,  da  letztere  aus  Gründen  der  Halt- 
keit  peinlich  ausgewaschen  bezw.  mit  alkalischer  Lösung  neutrali- 

''ft  wird.  Gleichwohl  ist,  von  dem  Grundsätze  ausgehend,  dass 
•er  Staub  gefährlich  ist,  eine  mechanische  Absaugung  auch  hier  zu 
dern. 

,  Uebergehend  zu  den  Vergiftungen  sei  zunächst  auf  die 
'eit  von  R.  0  r  b  ä  n  in  der  D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  44  betr. 
werbliche  Vergiftungen  mit  Bezug  auf  die 
fj?  e  F  m  a  ii  n  s  c  h  e  Blutprobe  verwiesen ;  ref.  in  No.  46 
I-),  S.  2526  dieser  Wochenschrift. 


?ie  i?  2 1  v  e  1  R  1  t  u  n  g  behandelt  ein  ausgezeichnetes  Referat 
von  L.  1  eleky,  welches  er  anlässlich  der  Sitzung  des  Grossen 
Kates  des  Frankfurter  Instituts  für  Gewerbehygiene  erstattete  (er- 
schienen  in  den  Schriften  des  genannten  Instituts,  Berlin  1912,  bei 
A.  Seydel):  Die  ärztliche  Ueberwachung  und  Be¬ 
gutachtung  der  in  Blei  betrieben  beschäftigten 
A  r  beite  r.  Jede  Rückhaltung  von  Blei  im  Organismus,  ja  schon 
1?  •  des  Bleies  durch  denselben  stellt  ein  pathologisches 

Ereignis  dar  und  führt  zu  einem  von  der  Norm  abweichenden  Zustand. 
In  dei  Natur  besteht  keine  scharfe  Grenze  zwischen  „Bleiaufnahme" 
und  „Bleivergiftung“.  Gleichwohl  müssen  wir  uns  bemühen,  auf 
Grund  gewisser  Anzeichen  den  drohenden  Eintritt  von  —  das  körper¬ 
liche  Wohlbefinden  oder  die  Arbeitsfähigkeit  beeinträchtigenden 
Krankheitserscheinungen  vorauszusehen  und  ihn  durch  Entfernung 
des  Arbeiters  aus  der  für  ihn  besondes  gefährlichen  Umgebung  zu 
verhüten.  Hierzu  dient  die  fortgesetzte  ärztliche  Ueberwachung  der 
bleigefährdeten  Arbeiter  durch  unabhängige  Aerzte  (event. 
Amtsärzte).  Die  Untersuchungen  sind  je  nach  Gefährlichkeit  des 
Betrieben  2— 4  wöchentlich  vorzunehmen.  Untersuchungen  in 

mehr  als  einmonatlichen  Intervallen  kommt  nur  der  Wert  von  Stich¬ 
proben  zu;  andererseits  kann  der  Arzt  in  bestimmten  (zweifelhaften) 
Fällen  event.  noch  kürzere  Intervalle  als  2—4  Wochen  einhalten. 
Die  Entscheidung  über  event.  Arbeitsausschluss  kann  natürlich  nur 
unter  Abwägung  der  drohenden  Gesundheitsgefährdung  und  der  wirt¬ 
schaftlichen  Verhältnisse  erfolgen;  bei  alten  Bleiarbeitern  mit  bereits 
bestehenden  Organschäden  kann  event.  auf  einen  Arbeitsausschluss 
verzichtet  werden,  da  auch  durch  diese  Prophylaxe  eine  wesent¬ 
liche  Besserung  der  Organdefekte  doch  nicht  mehr  zu  erwarten  ist. 
Ungelernte  Arbeiter  werden  durch  den  Arbeitsausschluss  relativ  weni¬ 
ger  geschädigt  als  gelernte;  andererseits  sind  letztere  einer  Belehrung 
mehr  zugänglich.  Aufgabe  der  sozialen  Gesetzgebung  ist  es,  durch 
Gewährung  von  Renten  die  wirtschaftliche  Beeinträchtigung  als  Folge 
des  Arbeitsausschlusses  zu  mildern  bzw.  zu  beseitigen.  Neben  der 
periodischen  Untersuchung  muss  eine  Aufnahmeuntersuchung  statt¬ 
finden;  Frauen  und  Jugendliche,  Tuberkulöse,  Herzkranke.  Neur¬ 
astheniker  und  Epileptiker,  Nierenkranke,  Alkoholiker  etc.  sind  von 
der  Bleiarbeit  vorweg  abzuweisen.  Die  Untersuchung  auf  Blei¬ 
schädigung  muss  sich  auf  verschiedene  Symptome  stützen,  die  erst 
in  ihrer  Zusammenfassung  ein  Urteil  gestatten.  Insbesondere  die 
sogen.  Frühdiagnose,  d.  h.  die  Vorhersage  des  Ausbruches  ernsterer 
Gesundheitsschädigungen,  kann  sich  nur  auf  eine  Mehrheit  von  Sym¬ 
ptomen  aufbauen.  Solche  sind  der  B  1  e  i  s  a  u  m  (der  allerdings  auch 
fehlen  kann),  der  bei  seinem  Vorhandensein  eine  Bleianhäufung  im 
Körper  dokumentiert.  Von  grösserer  Bedeutung  ist  das  B  1  e  i  k  o  1  o  - 
r  i  t,  jene  charakteristische  fahle  Blässe  mit  einem  Stich  ins  Ascn- 
graue.  Die  Hornhaut  zeigt  eine  leichte  Gelbfärbung,  die  Lippen  und 
die  übrigen  sichtbaren  Schleimhäute  sind  anämisch.  Weiter  ist  auf 
den  Gesamthabitus  (Abmagerung,  mangelnde  Ernährung  etc.) 
zu  achten,  ln  zweifelhaften  Fällen  ist  das  Vorkommen  basophiler 
Granulationen  im  Blutausstrich  wichtig.  Ferner  scheint  der 
Hämatoporphyrinurie  eine  grosse  Bedeutung  für  die  Dia¬ 
gnose  und  besonders  Frühdiagnose  der  Bleivergiftung  zuzukommen. 
Die  Untersuchung  des  Urins  auf  Blei  ist  wenig  beweisend,  da  aus  dem 
Fehlen  von  Blei  im  Urin  keinerlei  Schlüsse  zu  ziehen  sind.  Meist 
findet  sich  eine  Hämoglobinverminderung:  Blutdrucksteigerung  tritt 
meist  im  Spätstadium  auf  (Nephritis).  Bei  älteren  Arbeitern  finden 
sich  ausserdem  noch  ausgeprägte  Symptome  der  Bleierkrankung: 
Tremor,  Lähmungserscheinungen,  Steigerung  des  Patellarreflexes,  Er¬ 
scheinungen  seitens  der  Hirnnerven,  Sehstörungen,  Albuminurie  etc. 
Der  Arbeitsausschluss  hat  mindestens  so  lange  zu  erfolgen,  bis  die 
Symptome  verschwunden  sind,  eher  noch  2—3  Wochen  länger;  nur 
beim  Bleisaum  ist  eine  Ausnahme  gestattet.  6—8  Wochen  bilden 
stets  das  Mindestmass.  Bei  Erkrankungen  des  Nervensystems  sind 
Rezidive  sehr  häufig;  diese  Arbeiter  sind,  wenn  irgendwie  möglich, 
dauernd  von  der  Bleiarbeit  fernzuhalten.  Natürlich  werden  auch 
exakt  durchgeführte  periodische  Untersuchungen  nicht  imstande  sein, 
das  Vorkommen  von  Bleivergiftungen  völlig  zu  verhüten,  auch  die 
sich  ganz  langsam  entwickelnden  Gefässveränderungen  können  wohl 
nicht  völlig  verhindert  werden.  Gleichwohl  ist  von  einer  derartig 
organisierten  Ueberwachung  in  Verbindung  mit  den  hygienisch-tech¬ 
nischen  Massnahmen  der  Gewerbeaufsichtsbeamten  eine  wirksame 
Bekämpfung  des  Saturnismus  zu  erwarten. 

Ein  interessanter  Fall  von  B  1  e  i  k  o  1  i  k  r  e  z  i  d  i  v,  der  von 
E.  D  e  v  o  t  o  vorgestellt  wurde,  findet  sich  in  den  Atti  della  Societä 
Lombarda  di  Scienze  mediche  e  biologiche,  vol.  1.  fase.  3  verzeichnet. 
Es  handelte  sich  um  einen  32  jährigen  Bleiweissarbeiter,  der  nach 
etwa  1  monatlicher  Arbeit  eine  heftige  Bleikolik  bekam  und  nach 
2  monatlicher  Krankenhausbehandlung  beschwerdefrei  entlassen 
wurde.  Da  er  in  den  „Giftbetrieb"  nicht  mehr  zurückwollte  und  sonst 
keine  Arbeit  fand,  kam  er  im  Ernährungszustand  ausserordentlich 
herunter  und  erlitt  12  Tage  nach  der  Krankenhausentlassung  einen 
neuen  Kolikanfall,  mit  Saum,  Blutdrucksteigerung,  Albuminurie  und 
ähnlichen  typischen  Symptomen.  Nachdem  beim  Pat.  in  der  Zwi¬ 
schenzeit  keinerlei  neue  Bleiaufnahme  stattfinden  konnte,  ist  der  Fall 
als  charakteristisches  Beispiel  dafür  anzuführen,  dass  durch  die  man¬ 
gelhafte  Lebensführung  und  durch  die  hiebei  bestehende  Konsumption 
die  Bleielimination  seitens  des  Darmes  und  der  Nieren  momentan 
gestört  und  damit  eine  neue  Organanreicherung  veranlasst  wurde. 
Diese  2.  Kolik  ging  auf  Pilokarpin  subkutan  und  gute  Ernährung  bald 
wieder  zurück;  die  Gewichtszunahme  betrug  12  kg  in  40  Tagen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


312 

Ueber  die  Verteilung  des  Bleies  in  verschie¬ 
denen  Organen  und  Geweben  nach  subkutaner 
Injektion  stellten  M  a  u  r  e  1  und  Carcanagua  in  T  oulouse 
eingehende  Untersuchungen  an,  deren  Resultate  in  den  Comptes 
rendus  de  la  soc.  de  biologie,  72.  Bd„  No.  26—28  (1912)  veröffent¬ 
licht  sind.  Einem  Ref.  der  Zeitschr.  f.  Medizinalbeamte  No.  24  (1912) 
folgend,  fand  sich  das  meiste  subkutan  injizierte  Blei  in  der  Niere, 
dann  im  Magen  und  Darm,  in  den  quergestreiften  Muskeln  und  im 
Gehirn,  erst  nachher  folgte  die  Leber.  Letztere  enthält  hingegen 
das  meiste  Blei,  wenn  die  Aufnahme  vom  Darm  her  erfolgt.  Am 
empfindlichsten  gegen  Blei  sind  die  roten  Blutzellen,  sodann  die  glatten 
Muskelfasern,  die  sensiblen  und  motorischen  Nerven,  die  querge¬ 
streiften  Muskeln,  der  Herzmuskel,  die  weissen  Blutzellen.  Tatsäch¬ 
lich  verlaufen  die  Organerkrankungen  genau  in  dieser  Reihenfolge; 
auch  die  Häufigkeit  der  klinischen  Symptome  entspricht  der  im  Tier¬ 
versuch  festgestellten  Abstufung.  Da  die  am  meisten  reagierenden 
anatomischen  Elemente  zugleich  auch  die  grössten  Bleimengen  zu¬ 
rückhielten,  scheint  die  Empfindlichkeit  der  Gewebselemente  mit 
der  Menge  von  Blei,  die  jeweilig  von  ihnen  retiniert  wird,  im  Ver¬ 
hältnis  zu  stehen. 

Betreff  der  viel  diskutierten  Frage  der  Schädigungen  durch 
Bleidampf  liegen  2  Arbeiten  von  L.  Lewin  vor,  die  beide  in  der 
Zeitschr.  f.  Hygiene  No.  73,  1912,  S.  155  bezw.  161  erschienen  sind. 
Vgl.  auch  die  kurzen  Referate  in  No.  50,  S.  2749  dieser  Wochenschrift: 
Die  Bedingungen  für  die  Bildung  von  Bleidampf  in 
Betrieben  —  und :  Schutzvorrichtungen  gegen  die 
Aufnahme  von  Blei  in  Bleischmelzkesseln.  Die  Ver¬ 
flüssigung  des  Bleies  erfolgt  je  nach  Betriebsart  und  Zweck  bei  recht 
verschiedenen  Temperaturen,  sie  schwankt  auch  mit  dem  Schmelz¬ 
punkte,  der  bei  etwa  326°  C  liegen  dürfte  (Schwankungen  zwischen 
262  und  334°  technisch  angegeben).  Es  wurden  nun  über  einem, 
mit  ca.  500  kg  Blei  beschickten  und  mit  einer  Haube  versehenem 
Schmelzkessel  in  verschiedenen  Abständen  vom  Bleispiegel  kleine 
Porzellandeckel  angebracht  und  darauf  niedergeschlagene  Pb-Dämpfe 
mit  Schwefelammonium  geprüft;  auch  eine  Absaugung  der  Dämpfe 
und  Einleitung  in  1  proz.  Salpetersäure  wurde  versucht.  Bei  Tem¬ 
peraturen  von  500—520°  C  im  Bleibad  konnten  nie  irgendwelche 
Bleidampfspuren  nachgewiesen  werden,  vielmehr  bei  reinem  Blei  erst 
bei  850—900°  C.  Wohl  aber  können  aus  Legierungen  oder  bei  Kar¬ 
bonaten  ev.  schon  bei  niedrigeren  Temperaturen  kleinste  Bleiteilchen 
mitgerissen  werden,  bei  Bleiglanz  war  dies  z.  B.  schon  zwischen 
750  und  800“  C  der  Fall.  Nachdem  bei  der  Bleierzverhüttung  Tem¬ 
peraturen  von  ca.  1200—1300°  C  erreicht  werden,  ist  dabei  reichliche 
Gelegenheit  zur  Bleiaufnahme  in  Staubform  gegeben.  —  Im  Allge¬ 
meinen  hält  es  Verf.  für  angezeigt,  über  allen  Bleibädern  Schutz¬ 
hauben  anzubringen,  um  ein  mögliches  Verdampfen  und  Verspritzen 
zu  vermeiden.  Es  wird  sodann  eine  derartige  Ummantelung  mit  Ab¬ 
saugevorrichtung  beschrieben,  wie  sie  im  Kabelwerk  der  A.E.G.  in 
Berlin  in  Gebrauch  ist.  Hierdurch  wurde  (in  Verbindung  mit  per¬ 
sönlicher  Prophylaxe)  die  Zahl  der  Bleierkrankungen  erheblich  ein¬ 
geschränkt;  innerhalb  der  3  letzten  Jahre  kamen  nur  5  manifeste  (!) 
Fälle  unter  402  Arbeitern  vor.  (Allerdings  dürften  die  persön¬ 
lichen  Schutzmassnahmen  hiebei  das  wirksamere  Moment  gewesen 
sein.  Derartige  Schutzhauben  und  Abzüge  sind  übrigens  in  der  In¬ 
dustrie  ziemlich  allgemein  eingeführt.  Die  Ergebnisse  L  e  w  i  n  s 
decken  sich  im  allgemeinen  mit  den  Beobachtungen  des  Ref.,  welche 
im  Jahresbericht  der  Kgl.  bayer.  Gewerbeaufsichtsbeamten  1909. 
S.  XXIV  kurz  wiedergegeben  sind.  Tatsächlich  gelang  es  dem 
Ref.  innerhalb  4  Jahren  noch  nicht,  beispielsweise  bei  den  Blei- 
soldatengiesserinnen,  die  bekanntlich  mit  fast  reinem  Blei  arbeiten, 
auch  nur  eine  bleiverdächtige  Arbeiterin  zu  entdecken,  obwohl 
dieselben  z.  T.  jahrzehntelang  an  den  Schmelzkesseln,  z.  T.  auch 
ohne  Abzug,  sassen.  Ref.) 

Das  Bulletin  of  the  Bureau  of  Labor  bringt  2  interessante  Re¬ 
ferate  von  A.  Hamilton  und  J.  B.  Andrews  betr.  Blei¬ 
farbenindustrie  und  Bleivergiftungen  inden  Ver¬ 
einigten  Staaten  von  Amerika,  denen  nach  einem  Auszug 
von  R  a  m  b  o  u  s  e  k  in  Concordia  1912  (S.  497)  zu  entnehmen  ist,  dass 
die  amerikanische  Bleifarbenindustrie  der  englischen  oder  deutschen 
in  hygienisch-technischer  Beziehung  bedeutend  nachsteht;  insbe¬ 
sondere  ist  die  Staubgefahr  dort  noch  eine  sehr  grosse.  Eine  Blei¬ 
gesetzgebung  fehlt  noch  in  den  Vereinigten  Staaten  (mit  Ausnahme 
von  Illinois).  Von  23  bestehenden  Bleiweissfabriken  sind  10  ganz 
veraltet  und  primitiv;  18  Fabriken  arbeiten  nach  dem  alten  holländi¬ 
schen  Verfahren,  3  nach  dem  Carter-Schnellverfahren,  je  1  mit  dem 
Matheson-  bezw.  Mild-Prozess.  Die  Arbeiter  sind  meist  Neger, 
Slaven  und  Italiener;  der  Arbeiterwechsel  ist  sehr  gross,  beträgt  in 
der  Mehrzahl  der  Betriebe  20  Proz.  wöchentlich,  so  dass  sich  bei 
einem  durchschnittlichen  Arbeiterstand  von  55 — 65  Mann  ein  Wechsel 
von  250 — 400  Personen  ergibt!  Natürlich  wird  eine  stramme  Disziplin 
und  ein  rationeller  Arbeiterschutz  dadurch  unmöglich  gemacht.  Die 
Kenntnis  der  tatsächlich  vorkommenden  Vergiftungen  ist  infolge¬ 
dessen  sehr  schwierig;  nur  wo  regelmässige  ärztliche  Untersuchungen 
stattfanden,  war  genaueres  Material  zu  erhalten  (bisher  nur  in  6  Fa¬ 
briken  durchgeführt).  Trotzdem  konnten  vom  1.  I.  1910  bis  1.  V.  1911 
388  Bleivergiftungen  nachgewiesen  werden.  Die  Zahl  der  schweren 
und  tödlichen  Fälle  ist  nicht  gering.  Insgesamt  wurden  im  Staate 
New  York  in  den  Jahren  1909  und  10  nach  den  Leichenschauscheinen 
60  Bleitodesfälle  festgestellt,  wahrscheinlich  allerdings  viel  zu  wenig. 
Hievon  betrafen  45  Bleifarbenarbeiter  (Maler),  3  Bleischmelzer. 


4  Drucker,  3  Bleiweissfabrikarbeiter,  2  Akkumulatorenarbeiter  u.  dgl. 
Als  häufigste  Todesursache  war  Nephritis  in  16  Fällen  verzeichnet; 
sodann  Zirkulationsstörung  in  13,  Magendarmleiden  in  11,  Nerven- 
und  Gehirnaffektionen  in  9  Fällen.  Je  2  Fälle  waren  mit  1  uberkulose 
und  Alkoholismus  kompliziert.  Demnach  scheint  die  Nephritis  eine 
der  häufigsten  letalen  Komplikationen  der  Bleierkrankung  zu  sein; 
nicht  selten  dürfte  auch  dem  Alkohol  hiebei  eine  aggravierende  Rolle 
zukommen. 

Ueber  das  Blei  weissverbot  in  Deuts  c  h  1  and  ver¬ 
fasste  R.  Fischer  einen  Bericht  an  die  Internat.  Vereinigung  f.  ge- 
setzl.  Arbeiterschutz,  der  in  den  Mitteilungen  d.  Instituts  f.  Gewerbe¬ 
hygiene  in  Frankfurt  abgedruckt  ist.  Im  Gegensatz  zu  anderen  Staa¬ 
ten  ist  Deutschland  bisher  zu  einem  reichsgesetzlichen  Bleifarben¬ 
verbot  noch  nicht  gekommen,  weil  die  Meinungen  über  dessen  Not¬ 
wendigkeit  und  Wirksamkeit  noch  auseinandergehen  und  weil  man 
vielfach  auch  den  Bleiweissersatzmitteln,  besonders  Zinkweiss  und 
Lithopon,  die  erforderliche  Wetterbeständigkeit  und  Deckkraft  noch 
nicht  zutraut.  Man  will  daher  in  Deutschland  das  Bleiweiss  bei 
Aussenanstrichen  noch  keineswegs  entbehren  können.  Dagegen  is; 
die  Verwendung  der  Ersatzfarben  bei  Innenanstrichen  wohl  möglich, 
auch  vielfach  bereits  eingeführt,  wenn  sich  auch  manche  Vorurteile 
geltend  machen.  Schwierig  ist  die  Definition  „Innenanstrich“.  Hier¬ 
unter  würden  alle  Anstriche  zu  verstehen  sein,  die  auf  Bauten  an  den 
inneren  Gebäudeteilen  zur  Ausführung  kommen;  die  Anstriche  von  im 
Innern  befindlichen  Gegenständen  würden  dagegen  nicht  darunter¬ 
fallen,  ebensowenig  wie  die  inneren  Flächen  von  Baukonstruktionen. 
Schwer  ist  auch  bei  den  ins  Freie  gehenden  Fenstern  und  Türen  zu 
entscheiden;  eine  Trennung  in  Innen-  und  Aussenfläche  mit  ver¬ 
schiedenem  Anstrich  ist  wohl  in  praxi  undurchführbar  und  unkon¬ 
trollierbar.  Jedenfalls  müssen  mit  dem  Bleiweissverbot  noch  andere 
Kontrollvorschriften  gegeben  werden,  besonders  der  Deklarations¬ 
zwang  für  bleihaltige  Farben  etc.  unter  Festsetzung  einer  Verun- 
reinigungsgrenze  von  etwa  34 — 1  Proz.  Die  Verpackungen  ^und  Vor- 
ratsgefässe  müssen  mit  der  Aufschrift  „Bleifarbe,  Vorsicht"  signiert 
werden.  Gelegentlich  müssen  von  den  Aufsichtsbeamten  Proben  ent¬ 
nommen  werden  zwecks  chemischer  Untersuchung.  Falls  der  Unter¬ 
nehmer  von  dem  Fabrikanten  getäuscht  wurde,  ist  letzterer  allein 
strafbar. 

Zweckmässig  wäre  es  auch,  wenn  die  Ersatzfarben  als  „bleifrei“ 
deklariert  werden  müssten.  Schliesslich  sind  entsprechende  Straf¬ 
bestimmungen  vorzusehen.  Zum  Schlüsse  folgt  ein  Verzeichnis  der¬ 
jenigen  deutschen  Staatsbehörden,  welche  innerhalb  ihrer  Ressorts 
bereits  eine  Einschränkung  des  Bleiweisses  vorgenommen  haben 
(Bau-,  Post-,  Bahnbehörden,  Kriegsministerien  u.  dgl.). 

Eine  sehr  hübsche  und  zweckmässige  Massnahme  zur  Ver¬ 
hütung  der  Bleivergiftung  ist  von  R.  Apt  in  der  Sozial¬ 
technik  1912,  No.  23,  S.  446  beschrieben;  beim  Kabelwerk  Oberspree 
der  A.E.G.  sind  seit  einiger  Zeit  Reinigungsnecessaires  für  Blei¬ 
arbeiter  eingeführt,  bestehend  aus  einem  Zinkkästchen  mit  Aluminium¬ 
becher,  Zahnpulver.  Zahnbürste,  Handbürste  und  Seife.  Die  Käst¬ 
chen  sind  verschliessbar,  mit  Löchern  zur  Ventilation  versehen  und 
zu  20  (und  mehr)  in  besonderen  Aufbewahrungsregalen  untergebracht. 
Die  Ausgabe  erfolgt  leihweise.  Zahnbürste  und  -pulver  werden  selbst¬ 
verständlich  hiebei  erneuert.  Die  Einrichtung  hat  sich  sehr  bewährt 
und  verdient  Nachahmung.  (Schluss  folgt.) 

Neueste  Journaliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  100,  Heft  1,  1912. 

W.  Körte:  Einleitung  zum  100.  Bande  von  Langenbecks 
Archiv  für  klinische  Chirurgie. 

1)  Freiherr  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien:  Zur  Operation  der  Hypo¬ 
physisgeschwülste.  , 

An  der  Hand  von  16  operierten  Fällen  (3  Männer  und  13  Frauen) 
wird  das  klinische  Krankheitsbild  kurz  erörtert.  8  mal  fanden  sich 
die  Symptome  des  Hypopituitarismus  (Typus  adiposo-geuitalis), 
6  mal  die  von  Hyperpituitarismus  (Akromegalie),  2  mal  M-ischformeu. 
Von  allgemeinen  Hirndrucksymptomen  fanden  sich  Augenstörungen 
in  allen  bis  auf  einen  Fall,  Kopfweh  immer.  Zum  Teil  erklärten  sich 
auch  die  Augenstörungen  durch  lokalen  Druck  des  Tumors  auf  das 
Chiasma  (z.  B.  die  temporale  Hemianopsie).  Als  sehr  charakteristisch 
fand  sich  immer  die  von  Oppenheim  beschriebene  Exkavation 
des  Türkensattels,  meist  mit  Zerstörung  seiner  Umrandung.  Die 
Operation  beseitigte  nahezu  ausnahmslos  die  Kopfschmerzen  und  er¬ 
zielte  oft  wesentliche  Besserung  des  Sehvermögens.  In  den  Fällen 
von  Typus  adiposo-genitalis  gingen,  wenn  auch  weniger  deutlich,  die 
spezifischen  Symptome  (Fett,  Störung  der  geschlechtlichen  Funk¬ 
tionen,  Aufhören  der  Menses)  zurück;  ferner  wurde  3  mal  deutlich 
der  Rückgang  der  Symptome  von  Akromegalie  bemerkt.  Die  Unter 
suchung  der  bei  der  Operation  entfernten  Gewebsteile  ergab  1  mal 
eine  Zyste  mit  benigner  Wand,  1  mal  eine  solche  mit  maligner  Wand¬ 
entartung  epithelialer  Natur,  2  mal  ein  inoperables  Sarkom,  je  1  mal 
ein  Sarcoma  alveolare,  ein  zellreiches  Adenom,  einen  epithelialen 
Tumor,  ein  Angiosarkom  und  8  mal  Adenoma  malignum.  Das  Adenom 
der  Hypophyse  zeigte  auch  in  v.  E.s  Fällen  einen  auffallend  benignen 
Charakter.  4  Patienten  kamen  nach  der  Operation  infolge  einer 
foudroyanten  Meningitis  ad  exitum,  die  sich  in  2  Fällen  im  Anschluss 
an  einen  vor  der  Operation  vorhanden  gewesenen  Schnupfen  ent¬ 
wickelt  hatte.  In  leichten  Fällen,  namentlich  wenn  Sehstörungen  und 
Kopfweh  fehlen,  besteht  noch  keine  Indikation  zur  Operation.  Auel; 


11.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


313 


bei  ganz  irreparablen  Störungen  der  Augen  und  nur  geringen  Kopf¬ 
schmerzen  ist  die  Operation  abzulehnen.  Bei  schweren  Hirndruck- 
symptomen  leistet  vielleicht  ein  einfaches  Entlastungsventil  dasselbe 
wie  die  gefährlichere  Hypophysektomie.  Die  üblichen  Operations¬ 
verfahren,  um  an  die  Hypophyse  heranzukommen,  werden  besprochen. 
Verf.  bevorzugt  die  temporäre  Aufklappung  der  Nase.  Die  Einzel¬ 
heiten  seines  Verfahrens  werden  an  der  Hand  von  Abbildungen 
genau  beschrieben. 

2)  A.  Bier:  Beobachtungen  über  Knochenregeneration.  (Kgl. 
Chirurg.  Universitätsklinik  in  Berlin.) 

Die  Nachuntersuchung  einer  Patientin,  bei  der  vor  nahezu 
15  Jahren  in  einen  grossen  Humerusdefekt  ein  Tibiaspahn  trans¬ 
plantiert  worden  war,  ergab,  dass  sich  der  überpflanzte  Knochen¬ 
spahn  zu  einem  vollkommenen  Röhrenknochen  mit  zentraler  Mark¬ 
höhle  umgewandelt  hat.  Der  Knochen  hat  ungefähr  die  Gestalt  eines 
normalen  Oberarmknochens  angenommen.  An  der  Tibia  fand  sich  an 
diesem  wie  an  10  neueren  Fällen  eine  vollständige  restitutio  ad 
integrum,  die  oft  überraschend  schnell  (in  einem  Falle  1  Monat  nach 
der  Knochenentnahme)  vor  sich  gehen  kann.  Nach  B.s  Ansicht  ist 
diese  vollkommene  Restitution  die  Folge  seines  Vorgehens.  Die  Haut 
wurde  über  dem  Defekt  dicht  vernäht.  Der  Defekt  kann  sich  dann, 
wenn  ein  komprimierender  Verband  vermieden  wird,  mit  Blut  füllen. 
In  diesen  Bluterguss  wächst  nun  die  Tibia  hinein,  wobei  die  Regene¬ 
ration  hauptsächlich  vom  Mark  ausgeht,  und  nimmt  ihre  ursprüng¬ 
liche  Form  wieder  an.  Das  in  der  Tibia  an  der  Knochenentnahme¬ 
stelle  freiliegende  Mark  führt  zu  heftigen  Entzündungserscheinungen 
und  häufig  zu  Fieber.  Diese  sofort  einsetzende  Entzündung  gibt 
einen  Schutz  gegen  die  bakterielle  Infektion  ab.  was  aus  dem  gün¬ 
stigen  Verlaufe  der  von  B.  operierten  17  Fälle  von  ausgedehnten 
Knochentransplantationen  geschlossen  wird. 

3)  V.  Schmieden  und  F.  Erkes:  Klinische  Studien  über 
die  Neubildungsvorgänge  am  Hüftgelenk  im  Anschluss  an  die 
Resektion.  (Kgl.  Chirurg.  Universitätsklinik  in  Berlin  —  Geh.  Med.- 
Rat  Prof.  B  i  e  r.) 

Verfasser  haben  die  in  den  letzten  5  Jahren  in  der  Berliner 
Klinik  mit  Hüftgelenkresektion  behandelten  Kranken  nachuntersucht. 
Als  günstiger  Ausgang  fand  sich  in  einem  Teile  der  Fälle  ein  Zustand 
beschränkter  schmerzloser  Beweglichkeit  (anatomische  Pseud- 
arthrose),  als  ungünstiger  derselbe  funktionelle  Zustand  aber  ver¬ 
bunden  mit  heftigen  Schmerzen  bei  Bewegungsversuchen.  Das 
Röntgenbild  zeigte  in  solchen  Fällen  atypische  Wucherungen  am 
Pfannendach  und  Oberschenkelstumpf  mit  Verknöcherungen  der 
artikulären  und  paraartikulären  Weichteile.  Besonders  gut  war  das 
Resultat  nach  der  Hüftgelenksresektion  von  jugendlichen  Personen 
in  Form  einer  anatomischen  und  funktionellen  Nearthrose  mit  freier 
Beweglichkeit  und  Hemmung.  Ein  gutes  Resultat  bedeutet  auch  die 
einseitige  völlige  knöcherne  Ankylose  in  Flexion  und  Abduktion. 
Will  man  Beweglichkeit  erzielen,  so  ist  wichtig  die  Erhaltung  von 
Periost,  Kapsel,  Bändern,  Sehnen  und  Muskeln.  Im  allgemeinen  ergab 
sich,  dass  es  sich  bei  den  an  den  resezierten  Hüftgelenken  gefundenen 
Neubildungsvorgängen  um  zweckmässige,  der  Wiederherstellung  der 
Funktion  dienende  Prozesse  handelt.  Bei  den  Regenerations¬ 
vorgängen  spielt  das  Periost  eine  grosse  Rolle. 

4)  H.  v.  Habe  rer:  Ueber  unilaterale  Pylorusausschaltung. 
(Chirurg.  Klinik  in  Innsbruck.) 

Verf.  berichtet  über  24  von  ihm  vorgenommene  Pvlorus- 
ausschaltungen  nach  v.  Eiseisberg  (Durchschneidung  des  Magens 
mit  blindem  Verschluss  beider  Magenteile,  Gastroenterostomie). 
Beim  Ulcus  duodeni  ist  sie  für  ihn  die  Operation  der  Wahl.  Beim 
Ulcus  pylori  und  bei  Ulzerationen  im  präpylorischen  Teil  kommt  sie 
in  Betracht,  wenn  die  an  sich  wünschenswerte  Resektion  des  Ulcus 
aus  technischen  Gründen  nicht  gut  ausführbar  ist.  Bei  ausgedehnten 
perigastritischen  Veränderungen  in  der  Pylorusgegend  ist  die 
Pylorusausschaltung  der  einfachen  Gastroenterostomie  überlegen. 
Die  Durchschneidung  des  Magens  stellt  einen  integrierenden  Bestand¬ 
teil  der  Pylorusausschaltung  dar.  Verf.  führt  immer  erst  die  Gastro¬ 
enterostomie  und  dann  die  Pylorusausschaltung  aus. 

5)  F.  H  ä  r  t  e  1:  Die  Leitungsanästhesie  und  Injektionsbehandlung 
des  Ganglion  Gasseri  und  der  Trigeminusstämme.  (Chirurg.  Klinik 
m  Berlin  —  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Bier.) 

Eingehende  Beschreibung  der  vom  Verf.  angegebenen  Methode, 
örtlich  anästhesierende  Lösungen  an  das  Ganglion  Gasseri  heran- 
zubiingen.  Das  Prinzip  des  Verfahrens  ist  folgendes:  Einstich  an 
der  Wange  im  Gebiet  der  oberen  Molarzähne,  Einführung  der  Nadel 
unter  Vermeidung  einer  Perforation  der  Mundschleimhaut  zwischen 
aufsteigendem  Unterkieferast  und  Tuber  maxillare  zum  Planum  infra¬ 
temporale,  nach  Erreichung  des  3.  Astes  Einführung  in  den  Schädel 
zum  Ganglion.  Die  durch  ausgedehnte  anatomische  Untersuchungen 
begründete  feinere  Technik  ist  im  Original  einzusehen.  Durch 
orbitale  Injektionen  kann  man  ferner  mit  Sicherheit  sämtliche  Aeste 
des  Nerv,  ophthalmicus  sowie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auch  den 
Nerv,  maxillaris  leitungsanästhetisch  machen.  Diese  Form  der  An¬ 
ästhesierung  des  Nerv,  maxillaris  hat  Verf.  in  einer  Reihe  von 
Operationen  erprobt  und  empfiehlt  diese  Punktion  besonders  für 
solche  Fälle,  wo  aus  anatomischen  oder  pathologischen  Gründen  die 
anderen  Wege  zum  2.  Ast  ungangbar  sind.  Die  Anästhesierung  des 
Ganglion  Gasseri  wurde  bisher  bei  16  Operationen,  darunter  6  Ober¬ 
kieferresektionen  und  2  Zungenexstirpationen,  angewendet.  Ferner 
wurden  zum  Zweck  der  Neuralgiebehandlung  bei  14  Patienten  27  In¬ 


jektionen  von  Novokain  oder  Alkohol  in  das  Ganglion  Gasseri  vor¬ 
genommen.  Die  Anästhesie  erstreckte  sich  bei  gelungener  Injektion 
auf  das  ganze  Versorgungsgebiet  des  Trigeminus,  so  dass  interessante 
Studien  über  die  Ausdehnung  der  Trigeminussensibilität  möglich 
werden.  Nebenerscheinungen  (beobachtet  vorübergehende  Abduzens- 
paresen,  Schlafzustände.  Uebelkeit)  sind  durch  richtige  Technik  zu 
vermeiden,  allgemeine  Nacherscheinungen  (Kopfschmerzen)  voraus¬ 
sichtlich  auf  ein  Minimum  zu  reduzieren.  Die  Resultate  von  Novokain- 
und  Alkoholinjektionen  ins  Ganglion  Gasseri  bei  Trigeminusneuralgie 
waren  folgende:  Seit  kurzer  Zeit  bestehende  Neuralgien  leichteren 
Grades  wurden  schon  durch  einmalige  Novokaininjektion  günstig 
beeinflusst.  Von  den  schweren  Fällen  reagierten  am  besten  die  noch 
nicht  mit  peripheren  Injektionen  vorbehandelten.  Rezidivierende 
Fälle  schienen  auf  Alkoholinjektionen  ins  Ganglion  günstig  zu 
reagieren.  L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  120.  Bd.,  1. — 2.  Heft. 

E.  Payr:  Zum  Tode  L  i  s  t  e  r  s. 

Eine  Würdigung  seines  Lebenswerkes. 

Ernst  Fritsche:  Ueber  die  Frakturen  des  Zahnfortsatzes  des 
Epistropheus.  Neue  röntgenographische  Darstellung  des  Processus 
odontoideus.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Basel.) 

Veranlassung  zu  der  Arbeit  bot  ein  einschlägiger  Fall;  der  Un¬ 
fall  lag  4  Monate  zurück,  bei  der  anderweitig  ausgeführten  1.  Unter¬ 
suchung  war  auch  röntgenologisch  keine  Fraktur  nachzuweisen,  durch 
Zug  am  Kopf  war  es  jedoch  zu  besserer  Ausführbarkeit  von  Dreh¬ 
ungen  gekommen.  Neuralgien,  Schlaflosigkeit,  Beschränkung  der 
Drehbewegung  quälte  den  Patienten  noch.  Durch  eine  Aufnahme 
mittels  in  den  Nasenrachenraum  eingeführten  Film  liess  sich  sehr 
schön  und  einwandfrei  eine  Fraktur  an  der  Basis  des  Proc.  odontoi¬ 
deus  des  Epistropheus  nachweisen.  Durch  Ruhe,  Antineuralgika 
wurde  Patient  wesentlich  gebessert. 

Verf.  glaubt,  dass  durch  die  anamestisch  geschilderte  Bewegung 
eine  Luxatio  atlanto  epistr.  reponiert  wurde,  mit  dem  diese  Fraktur 
immer  kompliziert  ist. 

In  der  Literatur  finden  sich  46  Beschreibungen  von  Zahnfortsatz¬ 
frakturen.  Das  häufige  Vorkommen  einer  gleichzeitigen  Luxation 
wird  durch  die  anatomischen  Verhältnisse  verständlich.  Die  ange¬ 
gebenen  Filmaufnahmen  de  Quervains  vermögen  die  Diagnose  zu 
sichern.  23  mal  entstand  die  Fraktur  durch  Fall  auf  den  Kopf,  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  muss  an  eine  Knochenerkrankung  oder  an  Entwicklungs¬ 
störungen  gedacht  werden.  Heftige  Okzipitalneuralgien  sind  ein  sehr 
konstantes  Symptom  der  Fraktur;  die  Zeichen  einer  Rückenmarks¬ 
kompression  können  auch  bei  schweren  Halswirbelverletzungen 
fehlen.  Vorwiegende  Störung  der  Rotation  legt  den  Verdacht  einer 
Zahnfortsatzfraktur  nahe.  In  7  Fällen  wurde  eine  Prominenz  an  der 
hinteren  Rachenwand  gefühlt,  11  mal  hatten  die  Patienten  Schluck¬ 
beschwerden.  Krepitation  wurde  10  mal  gehört,  vielleicht  wären 
sie  mit  dem  Stethoskop  (Ludolff)  noch  häufiger  hörbar  gewesen. 
Die  Mortalität  beträgt  57,5  Proz.  Sehr  wichtig  ist,  dass  8  mal  der 
Tod  durch  Spätluxation  in  der  Articulatio  atlanto  epistrophica  ein¬ 
trat  bei  anfänglich  ungestörtem  Heilungsverlauf.  Diese  Möglichkeit 
der  Spätluxation  ist  die  Folge  davon,  dass  die  knöcherne  Verheilung 
zumeist  eine  mangelhafte  war.  Die  Prognose  muss  infolgedessen 
sehr  vorsichtig  gestellt  werden.  Die  langsame  Reposition  durch 
monatelange  Extension  ist  der  therapeutisch  beste  Weg,  später  kann 
die  Therapie  nur  eine  symptomatische  sein.  Bei  völliger  Haltlosigkeit 
des  Kopfes  könnte  man  ev.  eine  Osteoplastik  aus  der  Spina  scapul. 
(nach  de  Quervain)  machen.  Bei  Lähmungen  empfiehlt  sich  früh¬ 
zeitige  Laminektomie. 

R.  Sievers:  Uebertragung  gestielter  Hautlappen  aus  der  Haut 
des  vorderen  Brustkorbs  auf  Fingerdefekte.  (Aus  der  Chirurg.  Univer¬ 
sitätsklinik  und  Poliklinik  Leipzig.) 

Um  bei  Fingerverletzungen  möglichst  viel  von  dem  Finger  ohne 
Beschädigung  einer  Funktion  zu  erhalten,  wandte  S.  eine  der  Muff¬ 
plastik  Payrs  nachgebildete  Methode  der  Plastik  aus  der  Brusthaut 
an,  zumeist  aus  der  Höhe  der  7.  Rippe  etwas  ausserhalb  der  Mam- 
millarlinie.  Gipskapselverband.  Die  Durchtrennung  der  Stiele  kann 
schon  am  7.  Tage  vorgenommen  werden.  Wie  die  beigefügten  illu¬ 
strierten  Krankengeschichten  zeigen,  bekommt  man  zumeist  so  eine 
gute  widerstandsfähige  Deckung,  die  zum  Tasten  besser  geeignet  ist 
als  anderes  Material. 

Erich  Lange:  Stauungsblutungen  infolge  traumatischer  Rumpf¬ 
kompression.  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik  zu  Leipzig.) 

Nach  dem  Material  der  Leipziger  Klinik  kommen  unter  allen 
Rumpfkompressionen  nachweisbare  Stauungserscheinungen  in  7,8  Proz. 
der  Fälle  vor,  Stauungsblutungen  nur  in  3,4  Proz.  der  Fälle.  Neben 
6  ausgesprochenen  Stauungsblutungen  kamen  13  leichtere  Fälle  mit 
Stauungserscheinungen  zur  Beobachtung.  Mit  denen  in  der  Leipziger 
Klinik  behandelten  Fällen  von  Stauungsblutungen  umfasst  die  Literatur 
nunmehr  5,5  Fälle.  Als  Ergebnis  der  fleissigen  Arbeit  mit  grossem 
Literaturverzeichnis  führt  Verfasser  folgendes  an: 

Durch  den  erhöhten  intrathorakalen  und  intraabdominalen  Druck 
beider  traumatischer  Rumpfkompressionen  pflanzt  sich  eine  rück¬ 
läufige  Blutwelle  besonders  stark  nach  den  oberen  Körperpartien 
fort,  deren  Effekt  im  wesentlichen  per  rhexin  zustandekommende 
Stauungsblutungen  sind.  Wesentlich  ist  die  „passive  Kompression'* 
der  Körperhöhlen  „aktive  Momente“  (Glottisschluss,  Bauchpresse) 
können  begünstigend  wirken.  Das  Auftreten  der  Hautekchymosen  im 


314 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  6. 


Wurzelgebiet  der  V.  facial.  com.  ist  die  Folge  der  Klappenlosigkeit 
oder  Funktionsunfähigkeit  etwaiger  Intimaduplikaturen  in  diesen 
Venen.  Bei  sehr  hohem  Druck  können  funktionstüchtige  Klappen 
insuffizient  werden.  Das  Fehlen  von  Gehirnblutungen  und  die  Selten¬ 
heit  intraokularer  Blutaustritte  ist  bedingt  durch  Gegendruck  des 
normalen  intrazerebralen  und  intraokularen  Druckes.  Für  die  Ge¬ 
hirnnerven  spielt  ausserdem  die  syphonartige  Einmündung  des  Sinus 
s:gm.  in  der  V.  jug.  eine  Rolle. 

Molineus:  Ueber  das  Endresultat  bei  doppelten  Knöchel- 
brüchen.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  der  Akademie  für  praktische  Me¬ 
dizin  zu  Düsseldorf.) 

Im  Gegensatz  zu  Eich  ler,  Löw  und  Hey  mann,  deren  Ar¬ 
beiten  auf  klinisch  behandelten  Fällen  basieren,  verfolgte  Verfasser 
Fälle,  die  zumeist  zu  Hause  behandelt  waren.  Es  zeigte  sich,  dass, 
wie  auch  Liniger  behauptete,  die  D  u  p  u  y  t  r  e  n  sehe  Fraktur 
(Pronationsbrüche  der  Malleolen)  in  %  der  Fälle  zu  mittelmässiger 
schlechter  Heilung  führt.  Verf.  fordert  daher  für  die  schweren  Pro¬ 
nationsbrüche  Krankenhausbehandlung,  gute  Reposition  durch  Ueber- 
korrektion  in  gutsitzendem  Verbände;  man  muss  stets  mit  dem  Vor¬ 
handensein  einp.s  dritten  Fragments  in  der  Diastase  zwischen  Fibia 
und  Fibula  rechnen.  Noch  nach  langer  Zeit,  bei  weichem  Kallus, 
kann  ein  Pes  abductus  pronatus  planus  entstehen,  der  unter  allen  Um¬ 
ständen  vermieden  werden  muss. 

Kurze  Mitteilungen. 

R.  Bayer:  Ein  peritheliomartig  gebauter  Tumor  der  Glutäal- 
gegend.  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik  zu  Bonn  a.  Rh.) 

Der  kleinapfelgrosse  Tumor  sass  bei  einem  18  jährigen  Patienten 
auf  der  Höhe  der  Gesässbacke  und  imponierte  äusserlich  als  Der¬ 
moid.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  auf  Grund  der  mor¬ 
phologischen  Struktur  wie  per  exclusion  die  Diagnose;  Peritheliom. 

Rittershaus:  Zur  Kasuistik  der  Herzverietzungen.  (Aus  dem 
dem  Herzogi.  Landkrankenhaus  Koburg.) 

Schussverletzung  des  linken  Ventrikel,  Naht;  sekundäres  Em¬ 
pyem  der  Pleura,  Exitus  unter  septischen  Erscheinungen. 

G  a  e  r  t  n  e  r :  Primäres  Lymphosarkom  des  Dünndarms.  (Aus 
dem  Herzogi.  Landkrankenhaus  Coburg.) 

Der  49  jährige  Patient  bot  klinisch  die  Erscheinung  eines  tuber¬ 
kulösen  Ileozoekaltumors  mit  Stenose  und  Aszites.  Plötzlicher  Exitus 
am  Tage  der  Aufnahme.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  ulze- 
rierten  Tumors  ergab  ein  Lymphosarkom. 

E.  Fritsche:  Nachtrag  zu  meiner  Arbeit:  „Ueber  die  Frak¬ 
turen  des  Zahnfortsatzes  des  Epistropheus.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  zu 
Basel.) 

Noch  ein  Fall  von  Fraktur  des  Epistropheus;  wieder  wurde  die 
Diagnose  durch  Röntgen  gesichtet,  klinisch  fanden  sich  wieder  Neur¬ 
algien  des  N.  occip.  major.,  Haltlosigkeit  des  Kopfes,  Druckempfind¬ 
lichkeit  des  Domes,  des  2.  Wirbels  und  der  hinteren  Rachenwand 
mit  blutiger  Suffusion. 

Theodor  Rousseau:  Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Dr. 
E.  Erkes  und  Zahnarzt  F.  Ernst:  „Die  totale  Exartikuiation  der 
Mandibula  und  ihr  prophetischer  Ersatz.“ 

Die  in  dem  Falle  erwähnte  Claude  Martin  sehe  „Schiene“  so¬ 
wie  der  Kieferersatz  stammen  von  Rousseau. 

Flörcken  -  Paderborn. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  4. 

Richard  L  e  v  y  -  Breslau:  Röntgenbestrahlung  der  Aktinomykose. 

Verf.  zeigt  an  2  Fällen  den  auffallend  günstigen  Einfluss  der 
Röntgenbestrahlung  auf  die  Aktinomykose,  wenngleich  er  sie  nur  bei 
solchen  Fällen  angewandt  sehen  will,  bei  denen  ein  operativer  Ein¬ 
griff  vergeblich  oder  technisch  unausführbar  war. 

Arthur  H  o  f  m  a  n  n  -  Offenburg :  Zur  Frage  der  freien  Trans¬ 
plantation  des  Peritoneums. 

Verf.  schildert  ganz  kurz  einen  Fall  von  Ileus,  wo  bei  der  Ab¬ 
lösung  der  geknickten  Darmschlinge  ein  Serosadefekt  entstand,  den 
er  mit  bestem  Erfolge  durch  ein  freies,  dem  Peritoneum  parietale 
entnommenes  Stückchen  Serosa,  deckte. 

B  e  r  t  e  1  s  m  a  n  n  -  Kassel :  Zur  Naht  von  grossen  Nabelbrüchen 
und  ähnlichen  Hernien. 

Die  Nahtmethode  des  Verfassers  beruht  auf  dem  Prinzip,  dass 
Zug  und  Spannung  nicht  die  Muskel  selbst  treffen,  sondern  durch  die 
Aponeurosen  auf  sie  übertragen  werden;  er  sticht  an  der  Unterfläche 
der  vorderen  (linken)  Rektusscheide  ein,  wo  er  mit  dem  Ablösen 
der  Scheide  aufgehört  hat,  führt  die  Naht  durch  die  Oberfläche  des 
(linken)  M.  rectus,  sticht  an  seinem  Innenrand  aus,  sticht  wieder  am 
Rand  des  (rechten)  M.  rectus  ein  und  führt  von  unten  her  die  Naht 
durch  die  vordere  (rechte)  Rektusscheide.  Nun  lassen  sich  die  Nähte 
nach  der  Mitte  zu  leicht  knüpfen,  wobei  man  einen  starken  Zug  aus¬ 
üben  darf.  Ueber  dieser  Naht  werden  dann  rechte  und  linke  Rektus¬ 
scheide  miteinander  vereinigt. 

Hagedorn  - Görlitz :  Subkutane  Pankreasquetschungen. 

Verf.  schildert  an  2  Fällen  die  Symptome  einer  traumatischen 
Erkrankung  des  Pankreas;  beidemal  zeigte  sich  eine  typische  Fett¬ 
nekrose  und  eine  blutig-seröse  Flüssigkeit  zwischen  den  Darm¬ 
schlingen.  Während  der  1.  Fall  bis  zur  Operation  am  17.  Tage  keine 
sichere  Diagnose  stellen  liess,  standen  im  2.  Falle  die  klinischen  Er¬ 
scheinungen  eines  intraabdominellen  Traumas  sofort  im  Vordergründe. 
Beide  Fälle  wurden  durch  eine  Operation  glatt  geheilt. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 


Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Band  72, 

Heft  3,  1912.  Stuttgart,  F.  Enke. 

Isei  Obata -Tokyo:  Die  Knochenkerne  des  fötalen  mensch¬ 
lichen  Beckens. 

Vergleichend  anatomische  Studien  an  49  menschlichen  Em¬ 
bryonen  von  3% — 90  mm  (mikroskopisch)  und  an  fötalen  Becken,  die 
nach  der  Methode  Spalteholz  durchsichtig  gemacht  wurden. 
Entwicklungsstudien.  10  Abbildungen. 

Miki  K  i  u  t  s  i  -  Hakodate  (Japan) :  Das  „Syncytiopräzipitin“. 
Untersuchungen  über  das  Eklampsiegift. 

Zum  Nachweis  der  Zellspezifität  der  menschlichen  Plazenta  wurde 
das  Synzytium  isoliert  und  damit  Tiere  vorbehandelt.  Das  Anti¬ 
serum  —  „Syncytiumpräzipitin“  —  ist  ein  plazentaspezifisches  Prä¬ 
zipitin.  Gegen  dieses  Antiserum  reagierten  Amnion  stark,  Keim¬ 
drüsen  schwach  positiv.  Das  Synzytium  ist  demnach  seiner  bio¬ 
logischen  Genese  nach  als  Produkt  des  Fötalektoderma  anzu¬ 
sprechen.  Auf  die  weiteren  Schlussfolgerungen  sei  im  Original  hin¬ 
gewiesen. 

F.  A  h  1  f  e  1  d  -  Marburg :  Riesenkinder. 

Verf.  hat  die  gesamte  Weltliteratur  durchgearbeitet  und  be¬ 
richtet,  dass  die  bisher  angezweifelten  Riesenkinder  von  exzessiver 
Körpergrösse  und  Gewicht  tatsächlich  geboren  werden.  Er  stellt  die 
prädisponierenden  Momente  zusammen. 

P.  C.  T.  von  der  Hoeven  - Leiden :  Ursache  und  Therapie 
der  Steisslage. 

Die  Ursache  der  Steisslage  besteht  darin,  dass  der  Tonus  in 
der  Uteruswand  nicht  genügend  ist,  um  den  Schädel  zu  zwingen,  bei 
einer  Bewegung  des  Steisses  nach  unten  zu  gehen.  Die  gewöhnliche 
Rotation  des  Kindes  um  eine  Achse  im  Zentrum  des  Uterus  unter¬ 
bleibt,  die  Wirbelsäule  wird  gestreckt,  der  Schädel  bleibt  anfangs 
mehr  an  seiner  Stelle.  Therapeutisch  steht  H.  auf  dem  Standpunkte, 
bis  zur  Geburt  des  Steisses  zu  warten,  dann  aber  sofort  einzu¬ 
greifen. 

O.  B  o  n  d  y  -  Breslau:  Die  Bedeutung  der  Pneumokokken  für 
die  puerperale  Infektion. 

Fieberhafter  Abort,  an  den  sich  eine  Sepsis  anschliesst,  als  deren 
Erreger  Pneumokokken  gefunden  werden.  In  der  Epikrise  dieses 
Falles  und  ähnlicher  Fälle  aus  der  Literatur  macht  B.  auf  die  Be¬ 
deutung  dieser  Keime  als  Krankheitserreger  im  Puerperium  auf¬ 
merksam. 

K.  Lauben  heim  er  -  Heidelberg:  Bemerkungen  zu:  Kritik  der 
Händedesinfektionsmethoden  von  R.  S  c  h  ä  f  f  e  r. 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  von  Schäffer  an  seiner  Arbeit 
über  die  Brauchbarkeit  und  Nützlichkeit  des  Chlor-m-Kresol,  gelöst  in 
rizinolsaurem  Kali,  geübte  Kritik.  Vor  Anwendung  des  Mittels  ist 
eine  gründliche  mechanische  Bearbeitung  der  Hände  notwendig. 

P.  R  u  p  p  r  e  c  h  t  -  Dresden :  Erfahrungen  über  das  Vulva¬ 
karzinom. 

Das  Vulvakarzinom  zählt  zu  den  weniger  bösartigen  Krebsen. 
Es  macht  selten  Eingeweidemetastasen  und  verläuft  bisweilen  sehr 
langsam.  Schon  durch  eine  sehr  unvollkommene  Operationsweise 
(partielle  Vulvaresektion  und  gründliche  Leistendrüsenausräunmng) 
ist  es  in  41,1  Proz.  der  Fälle  dauernd  heilbar.  Bei  radikalerem  Vor¬ 
gehen  ist  noch  eine  weitere  Steigerung  der  Dauerheilungen  zu  er¬ 
warten.  Eine  zukünftige  grössere  Statistik  müsste  getrennt  betrachten: 
1.  Die  kankroiden  Geschwüre,  Geschwülste  und  Papillome.  2.  Die 
Schamlippen  und  die  Klitoriskrebse.  3.  Die  kleinen  Primäraffekte 
mit  kleinen  und  mit  grossen,  endlich  die  grossen  Primäraffekte  mit 
kleinen  und  mit  grossen  Leistendrüsen. 

F.  Kermauner- Wien:  Die  Fehler  in  der  Verschmelzung  der 
Müller  sehen  Gänge. 

F.  Noack  - Halle  a.  S. :  Der  Uebergang  von  mütterlichen  Schei¬ 
denkeimen  auf  das  Kind  während  der  Geburt. 

Die  mütterlichen  Scheidenkeime  haben  einerseits  infolge  ihrer 
erhöhten  Virulenz,  andererseits  infolge  weitgehender  Infektionsge¬ 
legenheiten  eine  grössere  Bedeutung  für  die  Pathologie  des  Neu¬ 
geborenen  als  die  so  oft  angeschuldigten  Aussenkeime.  N.  gibt  eigene 
und  aus  der  Literatur  zusammengesuchte  Beobachtungen,  in  denen  die 
Aetiologie  der  Erkrankung  zum  mindesten  durch  eine  kritische  Auffas¬ 
sung  wahrscheinlich,  oft  sicher  gestellt  wird.  Auf  der  Haut  kommen 
der  Pemphigus  Simplex,  das  Erysipel,  gonorrhoische  Exantheme  in 
Betracht.  Im  Auge  spielt  die  Infektion  der  Konjunktiva  mit  Gono¬ 
kokken  und  anderen  Keimen,  die  Dacryocystitis  neonatorum  eine 
Rolle.  Pneumonien,  Otitis  media,  Meningitis  purulenta,  Gastroenteritis, 
Pseudodiphtherie,  Stomatitis  simplex  und  gonorrhoica,  Soor.  Mastitis, 
septische  Nabelinfektionen,  Vulvovaginitiden,  Proktitis  und  Periprok¬ 
titis  sind  in  ihrer  Genese  auf  eine  intra-partum-Infektion  zurückzu¬ 
führen.  Werner-  Hamburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  4. 

Hans  Kunz-  Dresden :  Herpes  zoster  im  Wochenbett. 

Bei  einer  18  jährigen  I.-para  entwickelte  sich  nach  normaler  Ge¬ 
burt  am  4.  Tage  ein  Zoster  pectoralis,  der  nach  8  Tagen  wieder  ver¬ 
schwand.  In  der  geburtshilflichen  Literatur  konnte  K.  nur  einen 
typischen  Fall  von  Zoster  finden,  den  Neu  beschrieben  hat. 

Joh.  R  e  sch  -  Innsbruck:  Zum  Artikel  Ahlfelds:  „Hand  von 
der  Gebärmutter“. 

R.  verteidigt  seinen  Vorschlag  über  das  „Halten“  der  Gebär- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


315 


II.  Februar  1913. 


mutter  gegenüber  den  von  A  h  1  f  e  1  d  dagegen  erhobenen  Einwen¬ 
dungen. 

Rolf  L  u  t  z  -  München:  Die  Reifezentren  der  Frühgeburt  im 

9.  Monat. 

L.  unterscheidet  ausgetragene  und  reife  Kinder.  Erstere  kommen 
39  -41  Wochen  nach  dem  1.  Tage  der  letzten  Regel  zur  Welt,  letztere 
haben  den  Grad  körperlicher  Entwicklung  erreicht,  den  man  bei 
ausgetragenen  Kindern  zu  beobachten  pflegt.  Diese  Begriffe  sind 
nicht  identisch.  Ausgetragene  Kinder  können  nicht  alle  Zeichen  der 
Reife  bieten,  und  Kinder  können  von  der  32.  Schwangerschafts- 
woche  an  mit  allen  Zeichen  der  Reife  geboren  werden.  In  24  Fällen 
von  Frühgeburt  fand  L.  alle  Zeichen  der  Reife.  Die  körperliche  Ent¬ 
wicklung  des  Fötus  ist  im  9.  Monat  nach  Länge  und  Gewicht  ab¬ 
geschlossen;  der  10.  Monat  dient  dem  innern  Ausbau  des  Organismus. 

R.  Roeme  r -Erfurt:  Ein  Fall  von  Haematoma  vaginae  et  vul¬ 
vae  mit  nachfolgendem  Verblutungstod. 

23  jährige  IL-para  bekam  nach  Ausstossung  der  Plazenta  ein 
faustgrosses  Haematom  der  Vulva  und  Vagina.  Die  ganze  hintere 
Scheidenwand  war  von  ihrer  Unterlage  lappenartig  abgerissen.  Auf 
dem  Transport  platzte  die  Geschwulst.  Pat.  starb  an  Verblutung. 

H  a  s  s  e  -  Diedenhofen:  Zur  Behandlung  chronischer  Becken¬ 
erkrankungen. 

Erneute  Empfehlung  des  Beckenthermophors. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Hand  76,  Heft  6. 

241  Stanislaus  Ostrowski:  Zur  Frage  der  Urobilinurie  und 
Urobilinogen  wie  bei  Brustkindern.  (Aus  dem  Kais.  Petersburger 
Findelhause.) 

Verf.  konnte  feststellen,  dass  die  auf  die  Anwesenheit  dieser  Kör¬ 
per  hindeutenden  Reaktionen  bei  gesunden  Kindern  im  Säuglingsalter 
iast  immer  ein  negatives  Resultat  geben.  Bei  positivem  Ausfall  deu¬ 
ten  sie  fraglos  auf  einen  pathologischen  Zustand  im  Organismus,  und 
was  das  wahrscheinlichste  ist  —  auf  die  funktionelle  Insuffizienz  der 
Leber  in  bezug  auf  Urobilin  und  Urobilinogen  hin;  letztere  deutet 
jedenfalls  auf  eine  anatomische  Insuffizienz  der  Leber,  und  insofern 
haben  diese  Reaktionen  auch  eine  praktische  Bedeutung  in  der  Patho¬ 
logie  des  frühen  Kindesalters.  Irgendwelche  diagnostische  Bedeutung 
bei  anderen  als  Infektionskrankheiten  bei  Säuglingen  haben  diese  Re¬ 
aktionen  nicht. 

25)  Felix  von  Szontagh  -  Pest :  Angina  und  Scharlach.  (Mit 
einer  Abbildung  im  Text.) 

Verf.  vertritt  in  dieser  Arbeit  den  Standpunkt,  dass  Scarlatina 
und  Angina  fliessende,  ineinander  übergehende  Krankheitsbegriffe 
sind;  zwischen  einfacher  und  Scharlachangina  gebe  es  keinen  prin¬ 
zipiellen,  sondern  nur  einen  graduellen  Unterschied.  S.  sucht  nicht 
nach  einem  noch  unbekannten  Scharlachgift,  sondern  sieht  das  Zu¬ 
standekommen  des  Scharlachs  in  einer  veränderten  bzw.  ge¬ 
steigerten  Reaktionsfähigkeit  des  Körpers.  S.  verschiebt  damit  das 
Problem,  welches  wir  bisher  in  der  familiären  bzw.  individuellen  Dis¬ 
position  dem  Scharlach  gegenüber  zu  lösen  trachteten.  Wenn  man 
dem  Forscher,  wenn  auch  zögernd  auf  diesem  neuen  Gedankengang 
folgen  wird,  so  stutzt  man  doch,  wenn  Szontagh  einem  zumutet, 
sich  von  der  Kontagiositätslehre  für  diese  Erkrankungen  —  speziell 
für  die  Angina  —  loszusagen  und  an  ihre  Stelle  „die  Identität  des 
Milieus“  setzt. 

26)  J.  T  r  u  m  p  p  -  München:  Rektaler  Schleimepithelpfropf  und 
Darmstenosen  beim  Neugeborenen. 

Kasuistische  Mitteilung.  (6  Abbildungen  im  Text.) 

27)  Franz  Schäfer:  Ein  Fall  von  angeborener  Pylorusstenose 
(Typus  Landerer-Maier)  beim  Säugling  und  Entwicklung  des 
Sanduhrmagens.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  zu  Göttingen 
I Direktor :  Prof.  Dr.  F.  G  ö  p  p  e  r  t].)  (Hierzu  3  Tafeln.) 

Kasuistik. 

28)  H.  K  o  e  p  p  e  -  Giessen :  Ein  Fall  von  „S  tili  scher  Krank¬ 
heit“.  (Hierzu  2  Tafeln.) 

Die  kasuistische  Mitteilung  klärt  zwar  nicht  die  Aetiologie  der 
seltenen  Erkrankung  zeigt  aber  ihre  vollkommene  Unabhängigkeit 
von  der  Tuberkulose  mit  der  sie  nach  ihrem  klinischen  Bilde  leicht 
verwechselt  wird. 

Literaturbericht,  zusammengestellt  von  A.  N  i  e  m  a  n  n  -  Berlin. 
—  Sach-  und  Namenregister  zu  Bd.  76.  —  Titel  und  Inhaltsverzeichnis 
zu  Bd.  76.  O.  Rommel  -  München. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  54,  Heft  3. 

11)  Friedrich  Lehnert:  Ueber  tödliche  Vergiftung  mit  chlor- 
saurem  Kalium  bei  einer  Gravida.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu 
Leipzig.) 

Eine  20  jährige  Gravida  im  VI.  Monat  nahm  einen  Theelöffel 
chlorsaures  Kalium,  erkrankte  unter  Durchfall  und  Erbrechen  und 
starb  am  4.  Krankheitstag  Nachmittag,  nachdem  sie  früh  abortiert 

hatte. 

Der  anatomische  Obduktionsbefund  war  der  typische : 
bräunliche  Verfärbung  der  Rumpf-  und  Gesichtshaut;  das  ganze  Blut 
und  die  Blutgerinnsel  der  Mutter  wie  auch  des  Fötus  (!)  ausge¬ 
sprochen  schokoladefarben,  graubraun,  die  Nieren  dunkelbraun,  be¬ 
sonders  die  Pyramiden  braun  gestreift. 


Starke  Veränderungen  zeigten  intra  vitarn  und  im  irisch  unter¬ 
suchten  Leichenblut  die  roten  Blutkörperchen,  sie  erscheinen  grossen- 
teils  als  scharfkonturierte  Ringe,  z.  T.  glänzende,  stark  lichtbrechende 
Körnchen  enthaltend,  wobei  bemerkenswert  ist,  dass  sich  diese  so 
veränderten  Erythrozyten  bei  Essigsäurezusatz  nicht 
mehr  auf  lös  teil!  Diese  schweren  Veränderungen  der  Ery¬ 
throzyten  treten  erst  im  2.  Stadium  der  Vergiftung  am  2. — 5.  Tag 
auf;  zunächst  wandelt  sich  unter  dem  Einfluss  des  aufgenommenen 
Giftes  das  Oxyhämoglobin  der  roten  Blutkörperchen  in  Methämo- 
globin  um,  wobei  dieselben  lediglich  gequollen  erscheinen;  dann  erst 
verfallen  sie  der  Hämolyse,  das  Methämoglobin  diffundiert  ins  Plasma 
und  es  bleiben  im  Zellleib  jene  eigenartigen  offenbar  schwerer 
diff usibeln  eiweissartigen  Substanzen  in  Körnchenform  zurück.  — 
Bei  dieser  Methämoglobinämie  —  sowohl  der  Harn  wie  auch  das 
Blut  der  betr.  Patientin  ergaben  intra  vitarn  das  typische  Methämo- 
globinspektrum  —  werden  von  den  Organen  des  Körpers  am  inten¬ 
sivsten  die  Nieren  geschädigt;  während  die  Glomeruli  so  gut  wie 
frei  bleiben,  finden  sich  die  stärksten  Zellveränderungen  in  den  ge¬ 
wundenen  Kanälchen  und  den  dicken  Teilen  der  H e n  1  e sehen 
Schleifen,  woselbst  das  Hämoglobin  in  Form  kleiner  Tröpfchen  zur 
Abscheidung  ins  Lumen  gelangt.  Indem  sich  durch  Wasserresorption 
diese  Hämoglobintropfen  zu  kompakten  Massen  und  Zylindern  zu- 
samenballen,  führen  sie  zu  vollständigem  Verschluss  des  Kanälchen¬ 
systems,  wodurch  —  wie  bei  der  Sublimatvergiftung  —  der  Tod 
unter  urämischen  Erscheinungen  eintreten  kann. 

12)  Fritz  Kermauner  -  Wien:  Das  Fehlen  beider  Keimdrüsen. 

Kritische  Besprechung  der  Literatur. 

13)  Johannes  Fauth:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Trauma 
und  Syringomyelie.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  in  Strassburg  i.  E.) 

In  den  drei  mitgeteilten  Fällen  von  direkter  Gewalteinwirkung 
auf  die  Wirbelsäule  und  dadurch  bedingter  Kompressionsmyelitis 
waren  3  bzw.  9  bzw.  20(4  Monate  zwischen  Trauma  und  Tod  der 
Verletzten  vergangen;  als  Erklärung  für  die  Vorgefundenen  Nekrose¬ 
herde  und  Höhlen  im  Rückenmark  führt  F.  erstens  die  durch  indirekte 
Gewalteinwirkung  bedingte  schwere  Schädigung  einzelner  Nerven¬ 
bündel  an,  wozu  dann  die  mit  der  Kompression  verbundene  Lymph- 
stauung  (langdauerndes  Oedem)  als  zweites  schädigendes  Moment 
hinzukommt.  —  Grössere  Blutungen  als  Ursache  der  Höhlenbildung 
schliesst  F.  in  seinen  Fällen  aus  wegen  des  geringen  Pigment¬ 
befundes. 

14)  Erik  Johannes  Kraus:  Die  Lipoidsubstanzen  der  mensch¬ 
lichen  Hypophyse  und  ihre  Beziehung  zur  Sekretion.  (Aus  dem 
Pathol.  Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag.) 

Verf.  hat  185  Hypophysen  aller  Altersstufen  (von  einem  Fötus 
von  25  cm  bis  zu  85 jähr.  Individuen)  untersucht:  Die  in  den  Hypo- 
physenepithelien  vorkommenden,  mit  einer  albuminoiden  Substanz 
kombinierten  isotropen  Lipoidtropfen,  mit  dem  Alter  des  Individuums 
an  Grösse  und  Zahl  zunehmend,  sind  nicht  als  spezifische  Sekretions¬ 
produkte,  sondern  als  Ausdruck  gesunkener  Zellfunktion  anzusehen: 
daneben  kommen  noch  als  Degenerationszeichen  doppeltbrechende 
Substanzen  vor. 

Das  spezifische  Hypophysensekret  soll  farblos  sein  und 
soll  auf  dem  Weg  durch  den  Hinterlappen  und  das  Infundibulum  dem 
Gehirn  zugeführt  werden;  das  vom  Vorderlappen  gebildete 
Kolloid  soll  dagegen  ein  Degenerationsprodukt  sein  und  durch 
Uebergang  in  die  Blutbahn  zuweilen  mit  Zelllipoiden  zur  Ausscheidung 
kommen. 

*15)  S.  Saltykow:  Ueber  die  Genese  der  „karzinoiden 
Tumoren“  sowie  der  „Adenoinyome“  des  Darmes.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  des  Kantonsspital  zu  St.  Gallen.) 

S.  nimmt  an,  dass  sich  infolge  Entwicklungsstörung  überzählige 
Pankreasanlagen  in  verschiedener  Weise  entwickeln  könnten,  ent¬ 
weder  als  Adenomyome  des  Magen-Dünndarmkanals  mit  dem 
erhaltenen  Typus  der  Ausführungsgänge,  oder  als  ausgebildete 
Nebenpankreasanlage  mit  Ausdifferenzierung  aus  dem 
Kanalsystem  zu  fertigen  Läppchen,  oder  aber  endlich  als  sogen, 
karzinoide  Tumoren  des  Dünndarms,  in  welchen  die  ganze 
Keimversprengung  zur  Bildung  von  „Pankreasinselgewebe“  ver¬ 
braucht  worden  sein  sollte  (?  Ref.).  S.  entwickelt  diese  Auffassung 
(siehe  auch  Verhdl.  der  Deutschen  Path.  Gesellschaft  Strassburg  1912) 
auf  Grund  der  histologischen  Untersuchung  von  5  Adenomyomfällen 
und  7  Beobachtungen  derartiger  karzinoider  Tumoren,  die  in  ihrer 
onkologischen  Stellung  noch  immer  sehr  umstritten  sind. 

16)  G.  Chosrojeff:  Ueber  2  Fälle  von  seltenen  Magen¬ 
tumoren.  (Aus  der  therapeutischen  Fakultätsklinik  der  Kaiserl. 
St.  Wladimir-Universität  zu  Kiew.) 

I.  Fall  von  Polyposis  ventriculi  (36  jähriger  Mann,  operativ  be¬ 
handelt);  die  exstirpierten  6  Polypen  sind  sog.  adenomatöse  Polypen, 
zum  Teil  mit  bereits  eingetretener  krebsiger  Entartung.  —  II.  Ei¬ 
förmiger  Tumor  vor  dem  Pylorus  (50  jähriger  Mann,  Sektionsbefund) 
gelegen,  nach  der  Begutachtung  durch  A  s  c  h  o  f  f  als  Endotheliom 
diagnostiziert. 

17)  Carl  Franke:  Ueber  die  Anthrakose  retroperitonealer 
Lymphdrüsen  und  die  Möglichkeit  direkter  Metastasen  von  den  Brust¬ 
organen.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  zu  Heidelberg.) 

Durch  Beobachtung  an  Leichen  und  Injektionsversuche  hat  F. 
aufs  neue  die  bekannte  Tatsache  bestätigt  gefunden,  dass  die  retro- 
peritonealen  Lymphdrüsen  um  die  Aorta  herum,  fast  bis  zur  lliaka- 
gabelung,  ferner  diejenigen  am  Pankreas,  im  Hilus  der  Milz,  Leber 
und  Nieren  in  Verbindung  stehen  mit  den  Lungenlymphgefässen  und 


316 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


dass  auf  diesem  Wege  neben  Kohle  und  Bakterien  auch  Tumor¬ 
elemente  verschleppt  werden  können. 

Kleinere  Mitteilungen: 

1)  Benelli:  Mykose  der  Magenschleimhaut.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  zu  Freiburg  i.  Br.) 

36jährige  Frau;  eitrige  Peritonitis,  ausgehend  von  einem  ulze¬ 
rösen  Magenwandprozess,  in  dem  sich  reichlich  Fadenpilz¬ 
myzel  nachweisen  Hess;  die  Peritonitis  wird  durch  Sekundär¬ 
infektion  erklärt. 

2)  Walter  Hof  mann;  lieber  die  Lokalisation  von  Embolien 
in  der  Lunge  beim  Menschen.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Leipzig.) 

An  der  Hand  des  grossen  Leipziger  Sektionsmaterials  (von 
214  Jahren)  wird  die  von  Kretz  behauptete  Gesetzmässigkeit  bei 
der  Einschwemmung  von  embolischem  Material  in  die  einzelnen 
Pulmonalarterienäste  bzw.  Lungenlappen  nicht  bestätigt. 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

71.  Band,  1.  Heft. 

L.  Kirchheim:  Ueber  den  Schutz  der  Darmwand  gegen  das 
Trypsin  des  Pankreassaftes.  (Med.  Klinik  Marburg.) 

Beim  Hunde  sind  Darm,  Blase  und  Oesophagus  gegen  die  Wir¬ 
kung  grosser  Mengen  von  hochkonzentrierten  Pankreatinlösungen  ge¬ 
schützt,  wenn  diese  vom  Lumen  her  mit  der  Schleimhautoberfläche  in 
Kontakt  treten.  Reagenzglasversuche  zeigten,  dass  der  Darmschleim 
dem  Trypsin  gegenüber  eine  schützende  Rolle  spielt.  Es  war  aber 
keine  antitryptische  Wirkung  des  Schleimes,  wie  sie  das  Blutserum 
zeigt,  nachzuweisen.  Da  das  Pankreatin  rasch  aus  dem  Darm  ver¬ 
schwindet,  so  kann  man  nicht  wie  bei  Blase  und  Oesophagus  an¬ 
nehmen,  dass  der  Schutz  durch  mangelnde  Resorption  erfolgt;  im 
Gegenteil,  es  ist  wahrscheinlich,  dass  der  rasche  Abtransport  des 
Fermentes  die  Darmschleimhaut  schützt.  Es  spielt  also  die  Funktion 
des  Epithels  eine  gewisse  Rolle.  Epithelloses,  lebendes  Gewebe  ist 
auch  relativ  sehr  resistent,  sofern  es  das  Ferment  langsam  von  der 
Oberfläche  her  aufnimmt.  Umgeht  man  diese  physiologischen  Ver¬ 
teidigungsmittel  durch  direkte  Injektion,  so  tritt  Nekrose  auf.  Eine 
organspezifische,  antitryptische  Immunität  des  Darmes  gegenüber  dem 
Pankreatin  oder  Trypsin  ist  jedenfalls  nicht  anzunehmen. 

A.  Fröhlich  und  E.  P.  Pick:  Die  Folgen  der  Vergiftung 
durch  Adrenalin,  Histamin,  Pituitrin,  Pepton  sowie  der  anaphylak¬ 
tischen  Vergiftung  in  Bezug  auf  das  vegetative  Nervensystem.  (Phar¬ 
makologisches  Institut  Wien.) 

Intravenöse  Applikation  der  genannten  Substanzen  bewirkt  Ver¬ 
minderung  der  Erregbarkeit  der  vegetativen  Nervenendapparate. 
Dieser  Zustand  ist  reversibel  und  kann  die  in  demselben  Nerven 
enthaltenen,  qualitativ  verschiedenen,  nervösen  Elemente  ungleich  be¬ 
treffen.  Bei  Anwendung  verschiedener  Stoffe  spielt  die  Reihenfolge 
der  Applikation  eine  grosse  Rolle  für  den  Endeffekt.  Die  Ab¬ 
schwächung  der  Erregbarkeit  gilt  meist  für  eine  ganze  Reihe  von 
Giften,  die  sonst  verschieden  wirken,  die  also  unbekannte  gemeinsame 
Eigenschaften  haben  müssen.  Für  die  Praxis  wichtig  sind  die  Be¬ 
funde  am  puerperalen  Uterus  der  Versuchstiere:  Histamin  vorher  in¬ 
jiziert,  stört  die  Wirkung  von  Pituitrin,  Adrenalin  und  Pilokarpin. 
Tyramin  macht  dagegen  nicht  Pituitrin,  Histamin  oder  Adrenalin 
unwirksam,  auch  Pituitrin  nicht  das  Adrenalin.  Kombinierte  In¬ 
jektion  zweier  Uterustonika  schliesst  aber  eine  Verstärkung  der 
augenblicklichen  Wirkung  nicht  aus. 

H.  Handrovsky  und  E.  Pick:  Ueber  die  Entstehung  vaso- 
konstriktorischer  Substanzen  durch  Veränderung  der  Serumkolloide. 
(Pharmakol.  Institut  Wien.) 

Die  Verfasser  prüften  am  L  ä  w  e  n  -  T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  sehen 
Froschpräparat,  wieweit  physikalische  Aenderungen  der  Serum¬ 
kolloide  deren  biologische  Wirkung  ändern  können.  Durch  Stehen¬ 
lassen  der  Sera,  durch  Schütteln  mit  Kaolin,  Kieselguhr  oder  Fibrin 
nahm  ihre  vasokonstriktorische  Wirkung  zu.  Es  scheint  sich  um 
eine  Entmischung  kolloider  Komplexe  zu  handeln.  Die  vasokonstrik¬ 
torische  Wirkung  war  in  erster  Linie  an  die  löslichen  kolloiden  Be¬ 
standteile  gebunden,  nicht  an  die  Globuline  und  nicht  an  kristalloide 
Substanzen.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Archiv  für  Hygiene.  77.  Band.  7.  und  8.  Heft. 

1)  K.  B.  Lehmann  und  Ludwig  D  i  e  m  -  Würzburg :  Experi¬ 
mentelle  Studien  über  die  Wirkung  technisch  und  hygienisch  wichtiger 
Gase  und  Dämpfe  auf  den  Menschen.  (XXX).  Die  Salpetersäure. 

Die  tödliche  Dosis  von  Salpetersäure  bei  Katzen  ist  etwa 
0,5 — 0,73  mg  im  Liter,  der  sie  in  35 — 120  Minuten  erliegen.  Eine  Katze 
nimmt  etwa  11 — 12  mg  Salpetersäure  auf.  Erträglich  sind  Dosen  für 
Katzen  von  0,05 — 0,1  mg  bei  mehrstündigen  Einwirkungen.  0,2  mg 
wird  2/4  Stunden  ertragen,  in  5  Stunden  jedoch  ist  diese  Dosis  tödlich. 
Die  von  der  Katze  aufgenommene  Menge  ist  vollkommen  unschädlich, 
da  der  Tod  sich  durch  ein  entstehendes  akutes  Lungenödem  erklärt. 
Von  Menschen  wurde  0,3  mg  1  Stunde  lang  ohne  Schaden  ertragen. 
Die  Symptome  des  Niesreizes,  Druckgefühls  in  Kehlkopf  und  Luft¬ 
röhre,  Husten  und  Jucken  im  Gesicht,  Bindehautreiz  und  Speichel¬ 
sekretion  nahmen  nach  20  Minuten  und  in  den  folgenden  40  Minuten 
nicht  mehr  zu,  dagegen  stellte  sich  Stirnkopfweh  ein.  0,22  mg  wirkten  in 
2—3  Minuten  bedeutend  heftiger  mit  Reizsymptomen,  Stirnkopfweh, 
starksaurem  Geschmack  und  einem  Gefühl  der  Trockenheit  der 
Hände.  Das  ganze  Symptomenbild  ist  wenig  charakteristisch  und 


verhält  sich  ganz  ähnlich  wie  bei  der  Einatmung  von  Salzsäure, 
schwefliger  Säure  u.  dergl. 

2)  K.  B.  L  e  h  m  a  n  n  und  H  a  s  e  g  a  w  a  -  Würzburg :  Die  nitrosen 
Gase:  Stickoxyd.  Stickstoffdioxyd,  salpetrige  Säure,  Salpetersäure. 

Nach  Ansicht  des  Verfassers  wirken  alle  nitrosen  Gase  von  der 
Lunge  aus  wie  eine  äquimolekulare  Mischung  von  Salpetersäure  und 
salpetriger  Säure,  zu  denen  sie  durch  Sauerstoff  und  Wasserein¬ 
wirkung  auf  die  verschiedenen  Komponenten  der  nitrosen  Gase 
werden.  Aehnlich  so  wie  bei  der  Salpetersäure  tritt  der  Tod  ein, 
nicht  durch  eine  eigentliche  Säurevergiftung,  sondern  durch  Lungen¬ 
ödem.  Die  Krankheitssymptome  erklären  sich  durch  die  lokale  An¬ 
ätzung  des  Respirationstraktus,  welche  zu  Laryngitis,  Bronchitis, 
Hyperämie  und  Blutungen  nebst  starken  Oedemen  führen.  Eine  Nitrit¬ 
vergiftung  kann  nicht  angenommen  werden.  Im  allgemeinen  dürften 
0,1  mg  salpetriger  Säure  +  Salpetersäure,  als  Salpetersäure  ge¬ 
nossen,  noch  einige  Stunden  ohne  Bedenken  ertragen  werden,  da¬ 
gegen  0,2  nur  etwa  noch  eine  halbe  Stunde  und  0,3  bis  0,4  mg  er¬ 
scheinen  bei  einer  etwas  längeren  Einwirkung  schon  direkt  gefährlich. 
2  mg  sind  für  Tiere  rasch  tödlich.  Beim  Menschen  ist  eigentümlich, 
dass  bei  ihm  in  der  Regel  erst  4 — 6  und  mehr  Stunden  nach  der 
Inhalation  eine  ernste  Erkrankung  eintritt.  Dies  Verhalten  findet  sich 
bei  Tieren  nur  ganz  vereinzelt. 

3)  Vladislaw  R  u  z  i  c  k  a  -  Prag:  Ueber  die  natürliche  Schutz¬ 
kraft  in  Entwickelung  begriffener  Hühnereier.  (Vorläufige  Mitteilung.! 

Verfasser  machte  die  Beobachtung,  dass  Hühnereier,  die  er  in 
eine  Glasschale  blies,  sich  ca.  14  Tage  unversehrt  bei  37°  hielten, 
wiewohl  er  weder  die  Glasschalen  sterilisiert  hatte,  noch  sterile 
Instrumente  benutzte.  Dagegen  gelang  es  nicht,  unbefruchtete  Eier 
länger  als  4 — 7  Tage  vor  der  Zersetzung  zu  bewahren.  Es  scheint 
ein  natürlicher  Immunitätsvorgang  sich  bei  den  befruchteten  Eiern 
abzuspielen,  der  ein  Fauligwerden  verhindert. 

R.  O.  Neumann  - Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  5,  1913. 

1)  Lauder  B  r  u  n  t  o  n  -  London:  Funktionelle  Krankheiten  der 
Arterien.  Sammelreferat. 

2)  W.  R.  Hess-  Zürich :  Der  Einfluss  des  Druckes  auf  den 
Koeffizienten  der  Blutviskosität. 

Die  Versuche  des  Verfassers  zeigen,  dass  entgegen  der  Ansicht 
Glaubermanns  bei  Viskositätsuntersuchungen  des  Blutes  er¬ 
hebliche  Druckdifferenzen  nicht  nur  zulässig  sind,  sondern  gefordert 
werden  müssen. 

3)  Martin  Hahn  und  Rudolf  Heim-  Freiburg  i.  B.  Die  Bestim¬ 
mung  der  Kohlensäurespannung  in  der  Alveolarluft  mittels  des  Inter¬ 
ferometers. 

Die  bisherigen  Untersuchungen  haben  bewiesen,  dass  wir  in  dem 
tragbaren  Interferometer  von  Zeiss  ein  äusserst  handliches  Instru¬ 
ment  vor  uns  haben,  um  ambulant,  namentlich  für  klinische  Zwecke, 
die  Kohlerisäurcspannung  in  der  Alveolarluft  bequem,  schnell  und  mit 
genügender  Genauigkeit  zu  ermitteln.  Die  Ablesung  bietet  schon  nach 
geringer  Uebung  keine  Schwierigkeiten  mehr.  Auch  für  theoretische 
Untersuchungen,  namentlich  pharmakologischer  Art,  erscheint  das 
Instrument  geeignet. 

4)  F.  G 1  a  s  e  r  -  Berlin:  Das  histologische  Blutbild  in  schweren 
Fällen  von  infantilem  Skorbut  (M  ö  1 1  e  r  -  B  a  r  I  o  w  sehe  Krankheit) 
und  das  Auftreten  dieser  Krankheit  im  schulpflichtigen  Alter.  (Nach 

Krankenvorstellungen  auf  Demonstrationsabenden  im  Auguste-Vik- 
toria-Krankenhause  zu  Berlin-Schöneberg.) 

2  Fälle  von  infantilem  Skorbut;  der  zweite  bei  einem  7 jährigen 
Knaben,  stellt  eine  grosse  Seltenheit  dar.  Unter  entsprechender  Diät 
kamen  beide  Fälle  zur  Heilung. 

5)  R.  S  e  e  f  e  1  d  e  r  -  Leipzig:  Zur  Kenntnis  der  degenerativen 
Hornhauterkrankungen. 

Verf.  will  einem  grösseren  und  nicht  ophthalmologischen  Leser¬ 
kreise  über  2  degenerative  Hornhauterkrankungen  berichten,  die 
durchaus  nicht  immer  leicht  und  gleichgültig  sind,  sondern  die  Funk¬ 
tion  und  den  Bestand  des  betreffenden  Auges  schwer  gefährden 
können.  Es  sind  das:  die  Randdegeneration  der  Hornhaut  und  die 
Dystrophia  epithelialis  corneae. 

6)  A.  Schischlo  -  Wladiwostok :  Ueber  die  Heilung  des 
Juckens  mit  autogener  Vakzine. 

Verf.  rät,  bei  entsprechenden  Fällen  von  Hautjucken,  das  aui 
toxischer  Basis  zu  entstehen  scheint,  einen  Versuch  mit  autogener 
Vakzine  zu  machen. 

7)  Wilhelm  B  e  c  k  e  r  s  -  Aachen :  Ueber  Dosierung  von  Arznei¬ 
mitteln  in  Tropfenform. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Verf.  sind  die  Patenttropfgläser 
noch  so  ungenau,  dass  es  sich  zur  Vermeidung  von  Vergiftungen 
empfiehlt,  stark  wirkende  Arzneien  nie  in  Tropfenform,  sondern  nur 
nach  Gewicht  zu  verordnen  wenigstens  so  lange  bis  einwandfreie 
Tropfvorrichtungen  hergestellt  werden. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  5,  1913. 

1)  Max  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien :  Zur  Pathogenese  und  Aetiologie 
der  Rachitis. 

Bei  der  Rachitis  kommt  die  Schädigung  des  Organismus,  die 
sich  als  krankhaft  vermehrte  Gefässneubildung  mit  mangelhafter  Ver¬ 
kalkung  der  frisch  produzierten  Gewebe  einerseits  und  abnormer 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


j.  Februar  1913. 


Knorpel-  und  Knocheneinschmelzung  andererseits  darstellt,  nicht  auf 
lein  Wege  des  Verdauungstraktus  zustande,  sie  liegt  vielmehr  auf 
espiratorischem  Gebiet;  Schuld  trägt  eine  Verunreinigung  der  Atem- 
uft,  wie  sie  sich  in  Proletarierkreisen  als  „Armeleutegeruch“  kenn- 
eichnet.  Damit  in  Einklang  stehen  die  Tatsachen,  dass  die  Rachitis 
iesonders  häufig  in  den  Wintermonaten  auftritt,  wo  die  Kinder  kaum 
n  die  freie  Luft  kommen,  dass  die  Schwere  und  Häufigkeit  der 
frkrankung  mit  der  Zahl  der  in  den  Wohnräumen  lebenden  Personen 
teigt,  dass  die  Zeichen  einer  angeborenen  Rachitis  weit  mehr  bei 
enen  Kindern  gesehen  werden,  die  im  Winter  und  Frühjahr  zur 
Veit  kommen,  als  bei  den  Sommer-  und  Herbstkindern. 

2)  Max  J  o  s  e  p  h  -  Berlin :  Die  Wassermann  sehe  Histopin- 
herapie  in  der  Dermatologie. 

Das  aus  den  immunisierenden  Substanzen  der  Staphylokokken 
lergestellte  Histopin  kommt  als  verdünnte  Gelatinelösung  oder  als 
-albe  zur  Verwendung  bei  Staphylokokkenerkrankungen  der  Haut. 
Vährend  im  allgemeinen  bei  der  Furunkulose  das  Präparat  vor- 
viegend  eine  immunisierende  Wirkung  besitzt,  entfaltet  es  kurative 
Kräfte  bei  oberflächlicher  Follikulitis,  Impetigo  Simplex,  Impetigo 
ontagiosa,  Ekzem,  besonders  Lippenekzem  und  perionychialen 
Ekzemen;  Acne  vulgaris  wird  gelegentlich  günstig  beeinflusst;  bei 
ler  Behandlung  der  Acne  varioliformis  ist  Histopin  allen  anderen 
Mitteln  überlegen.  An  sich  selber  konnte  Verf.  eine  günstige  Wirkung 
ler  Histopintherapie  bei  Blepharitis  ciliaris  feststellen. 

3)  Ludwig  Z  w  e  i  g  -  Dortmund:  Die  Behandlung  der  Furun- 
tulose  und  der  Sycosis  coccogenes  mit  dem  Staphylokokkenvakzin 
.Opsonogen“. 

Opsonogen  ist  eine  von  der  Chemischen  Fabrik  Güstrow  her- 
restellte  Emulsion  aus  abgetöteten  Staphylokokken;  Bericht  über 
i  Fälle  (darunter  ein  5  Monate  alter  Säugling)  von  Furunkulose  und 
I  Fälle  von  Sycosis  coccogenes,  in  denen  das  genannte  Präparat  bei 
>ubkutaner  Injektion,  am  besten  zwischen  die  Schulterblätter,  aus- 
rezeichnete  therapeutische  Erfolge  lieferte. 

4)  S.  H  e  r  z  b  e  r  g  -  Greifswald:  Klinische  Versuche  mit  den 
solierten  wirksamen  Substanzen  der  Hypophysen. 

Unter  dem  Namen  „Hypophysin“  wird  von  den  Höchster  Farb- 
•verken  ein  Präparat  ausgegeben,  das  die  wirksamen  Hypophysen- 
jestandteile  in  Form  eines  schwefelsauren  Salzes  enthält;  1  ccm 
;einer  1  prom.  Lösung  entspricht  in  der  Wirkung  1  ccm  Pituitrin. 
Eur  Anwendung  gelangte  das  Mittel,  intramuskulär  injiziert,  mit 
jutem  Erfolge  bei  primärer  und  sekundärer  Wehenschwäche,  zur 
Einleitung  der  Geburt  am  normalen  Schwangerschaftsende  sowie  auch 
nne  Woche  früher.  Hervorragende  Wirkung  hatte  das  Präparat,  be¬ 
sonders  wenn  es  direkt  in  die  Uterusmuskulatur  (durch  die  Bauch¬ 
lecken  hindurch)  injiziert  wurde,  bei  schwerer  Uterusatonie,  wo 
sekalepräparate  schon  im  Stich  gelassen  hatten.  Auch  die  prophylak- 
:ische  Injektion  zur  Vermeidung  stärkerer  Blutung  bei  Ausführung 
les  Kaiserschnittes  bewährte  sich  gut.  Zur  Einleitung  der  Frühgeburt 
)der  gar  des  Aborts  scheinen  sich  die  Hypophysininjektionen  weniger 
m  eignen,  da  wohl  Kontraktionen  der  Korpusmuskulatur,  aber  keine 
Zervixentfaltung  erreicht  wird. 

5)  Januarius  v.  Zubrzycki  und  Richard  Wolfsgruber- 

Wien:  Normale  Hämagglutinine  in  der  Frauenmilch  und  ihr  Ueber- 
,rarig  auf  das  Kind. 

Normalerweise  finden  sich  in  der  Frauenmilch  Hämagglutinine, 
die  bei  Erstgebärenden  länger  und  in  grösserer  Menge  nachgewiesen 
werden,  als  bei  Mehrgebärenden,  weder  durch  das  Stillgeschäft, 
noch  durch  die  Verdauung  beeinflusst  werden  und  auf  den  Säugling 
anscheinend  nicht  übergehen. 

6)  P.  B  a  u  m  m- Breslau :  Erfahrungen  über  den  extraperitonealen 
Kaiserschnitt. 

Der  suprasymphysäre  Schnitt  bleibt  nur  in  der  Fälle  extra¬ 
peritoneal;  immerhin  eignet  er  sich  noch  oft  dort,  wo  der  gewöhnliche 
Kaiserschnitt  sicher  kontraindiziert  ist.  Bei  52  Proz.  sog.  „unreiner“ 
Fälle  beträgt  die  Gesamtmortalität  der  Mütter  doch  nur  4  Proz.  Es 
ist  der  extraperitoneale  suprasymphysäre  Kaiserschnitt  dreimal 
lebenssicherer  als  der  transperitoneale.  Besprechung  der  Technik 
sowie  der  Indikationen  für  die  Bauchdecken-  oder  Scheidendrainage 
oder  beide.  Als  Komplikationen  kommen  hauptsächlich  Blasenver¬ 
letzungen  und  Schenkelvenenthrombosen  in  Betracht.  Eine  Wieder¬ 
holung  des  suprasymphysären  Kaiserschnittes  bei  derselben  Frau  hat 
an  sich  nichts  Bedenkliches.  Bei  Gelegenheit  der  Ausführung  der 
Operation  in  Lumbalanästhesie  glaubt  Verf.  von  dieser  einen  schäd¬ 
lichen,  unter  Umständen  den  Tod  herbeiführenden  Einfluss  auf  das 
kindliche  Herz  gesehen  zu  haben. 

7)  J  a  r  o  s  c  h  -  Friedrichsheim :  „Mesbe“  bei  Lungentuberkulose. 

Abermals  eine  Ablehnung  des  Mesbe  als  eines  spezifischen  Heil¬ 
mittels  der  Lungentuberkulose. 

8)  J.  H  o  1  m  g  r  e  n  -  Stockholm;  Ueber  den  Einfluss  der  weissen 
Blutkörperchen  auf  die  Viskosität  des  Blutes. 

Der  Viskositätswert  steigt  oder  fällt  mit  der  wachsenden  oder 
abnehmenden  Grösse  des  Quotienten  Polymorphkernige  Leuko¬ 
zyten  :  Lymphozyten.  Dementsprechend  kann  eine  Erhöhung 
der  Blutviskosität  erzielt  werden,  wenn  man  eine  prozentuale  Ver¬ 
mehrung  der  neutrophilen  Leukozyten  herbeiführt,  wie  es  durch  In¬ 
jektion  von  Hetol,  Rhomnol,  Phagozytin,  Salvarsan  und  auch  Gela¬ 
tine  geschieht. 

9t  V.  E 1 1  e  r  m  a  n  n  -  Kopenhagen ;  Quantitative  Ausflockungs- 

reaktlonen  bei  Syphilis. 


317 

Durch  verschiedene  Modifikationen  in  der  Zusammensetzung  des 
H  c  r  m  a  n  -  P  c  r  u  t  z  sehen  Reagens  unter  Zufügung  von  NaCl  in 
physiologischer  Lösung  ist  es  gelungen,  eine  Formel  zu  finden,  welche 
an  Empfindlichkeit  und  Spezifizität  der  Wassermann  sehen  Re¬ 
aktion  gleichkommt:  3  Vol.  einer  Cholestearinsuspension  1:25  in 
0,9  proz.  NaCl-Lösung  +  1  Vol.  Na.  glycocholicum  1,2  Proz.  in 
Wasser. 

10)  L.  K  r  e  d  e  1  -  Hannover :  Zur  Behandlung  der  Kieferspalten 
und  Hasenscharten. 

Bemerkungen  zu  der  Abhandlung  von  Dr.  W.  Neuma  n  n  in 
No.  52  v.  J.  dieser  Wochenschrift.  Die  dort  empfohlene  Kiefer¬ 
klammer  wird  für  nicht  unbedingt  erforderlich  und  für  nicht  ganz 
unbedenklich  gehalten. 

1 1)  D  o  b  b  e  r  t  i  n- Berlin-Oberschöneweide :  Schnittlänge, Bauch¬ 
spülung,  Bekämpfung  der  Dannlähmung  bei  Appendizitis-Peritonitis. 

Die  Schnittlänge  braucht  auch  in  komplizierteren  Fällen  6  cm 
nicht  zu  überschreiten;  der  Wechselschnitt  ist  überall  ausreichend. 
Bei  freier  Peritonitis  erfolgt  die  Spülung  mittels  40  cm  langen  Glas¬ 
rohres  von  allen  Seiten  der  Bauchhöhle  aus  lediglich  durch  die 
eine  kleine  Operationsöffnung;  nur  bei  abgekapselten  Eiterherden 
sind  mehrere  Inzisionen  notwendig.  Die  postoperative  und  peri- 
tonitische  Darmlähmung  wird  durch  prinzipiell  am  Tage  nach  der 
Operation  vorzunehmende  Magenspülung  mit  nachfolgender  Rizinus- 
eingiessung  bekämpft.  Von  überraschend  belebender  Wirkung  auf 
die  Darmperistaltik,  auch  noch  in  verzweifelten  Fällen,  haben  sich 
hoch  im  Darm  mittels  Rekordspritze  ausgeführte  Injektionen  von 
25 — 50  ccm  Glyzerin  gezeigt. 

12)  Karl  L  ü  d  e  r  s  -  Wiesbaden :  Die  syphilitische  Mittelohr¬ 
entzündung. 

Von  der  Otitis  media  bei  Syphilitikern  wohl  zu  unterscheiden 
ist  die  syphilitische  Mittelohrentzündung,  die  eine  gummöse  Entzün¬ 
dung  der  Paukenhöhle  bezw.  Labyrinthwand  darstellt;  auf  den  ersten 
Blick  kann  sie  eine  gewöhnliche  akute  Mittelohrentzündung  Vor¬ 
täuschen.  Die  Parazentese  fällt  immer  negativ  aus.  Therapeutisch 
kommt  nur  eine  antisyphilitische  Kur  in  Betracht.  Das  Gehörver¬ 
mögen  bleibt  mehr  oder  weniger  vollständig  verloren. 

13)  A.  D  u  t  o  i  t  -  Montreux:  Die  Schilddrüsentuberkulose. 

Sammelreferat.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  3. 

H.  Brun-Luzern:  Ein  epigastrischer  Rippenkorbrandschnitt 
für  Magenoperationen,  insbesondere  die  Resektion  bei  Karzinom. 

Verf.  empfiehlt  einen  Schnitt,  der  am  rechten  Rippenbogen  ent¬ 
lang  zum  Proc.  xiphoid.  und  von  da  nach  abwärts  entlang  dem 
linken  Rippenbogen  führt.  Links  kann  man,  wenn  nötig,  nach  Mar¬ 
wedel  die  Rippenknorpel  resezieren.  Dieser  Schnitt  ist  ein  Uni¬ 
versalschnitt  für  alle  Operationen  am  Oberbauch  und  macht  beson¬ 
ders  den  Magen  in  allen  Teilen  gut  zugänglich. 

0.  Beuttner  -  Genf;  Zur  Technik  der  Exstirpation  entzündlich 
erkrankter  Adnexe  an  Hand  von  hundert  einschlagenden  Opera¬ 
tionen.  (Schluss.) 

Verf.  bringt  eine  ausführliche  Darstellung  seiner  Erfahrungen  bei 
100  abdominalen  Operationen,  die  er  nach  Faures  und  Kellys 
Prinzipien  (Operation  von  der  Mittellinie  des  Beckens  nach  aussen 
und  von  unten  nach  oben)  ausführte.  In  19  Fällen  machte  er  die 
Hemisektion  des  Uterus  nach  F  a  u  r  e,  in  2  die  vordere  Dekollation 
nach  Kelly-Faure,  in  einem  Falle  die  hintere  Dekollation,  5 mal 
die  supravaginale  Uterusamputation  nach  Kelly,  19 mal  die  trans¬ 
versale  fundale  Keilexzision  des  Uterus  (nach  Beuttner),  1  mal 
die  totale  Uterusexstirpation  nach  R  i  c  h  e  1  o  t.  9  Fälle  betrafen 
atypische  Operationen,  44  Fälle  einfache  Adnexexstirpationen.  Die 
Technik  der  Operationen  wird  sehr  ausführlich  beschrieben  und  durch 
zahlreiche  Abbildungen  erklärt.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  5.  K.  U  1 1  m  a  n  n  -  Wien :  Zur  Frage  der  Parasitotropie  und 
Toxizität  des  Salvarsans  (Neosalvarsans). 

Referiert  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  S.  108.  (Schluss 
folgt.) 

C.  Breus:  Zur  Aetiologie  und  Genese  der  O  1 1  o  sehen  Protru¬ 
sion  des  Pfannenbodens. 

Bei  strengem  Festhalten  an  dem  wirklichen  Otto  sehen  Befunde 
sind  zurzeit  13  einschlägige  Fälle  aufzustellen.  Eine  eingehende  Kritik 
zweier  Fälle  von  Kaufmann  bzw.  von  C  h  i  a  r  i  ergibt  für  ersteren 
eine  traumatische  Pfannenveränderung,  welche  nicht  streng  dem 
Otto  sehen  Typus  entspricht,  für  den  letzteren  auf  der  einen  Seite 
das  Bestehen  einer  reinen  Otto  sehen  Pfanne,  auf  der  anderen  Seite 
eine  sekundäre  tabische  Veränderung  an  einer  Ottoschen  Pfanne. 
Die  Entstehung  der  Otto  sehen  Pfanne  durch  tabische  Arthropathie 
ist  bis  jetzt  ebensowenig  erwiesen,  wie  eine  solche  durch  Arthritis 
deformans. 

G.  Sch  warz-Wien:  Ueber  direkte  Irrigo-Radioskopie  des 
Kolons. 

Die  von  Haenisch  (Münch,  med.  Wochenschr.  1911.  S.  2375) 
vorgeschlagene  Durchleuchtung  auf  dem  „Trochoskop“-Tisch  bei 
gleichzeitiger  Irrigation  des  Kolons  mit  einer  Kontrastmischung  hat 
Sch.  unter  Einführung  einiger  technischer  Erleichterungen  weiter  ver- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  fi. 


318 


folgt.  Als  Einlaufmasse  verwendet  er  eine  Suspension  von  150  g 
Bariumsulfat  in  1  Liter  Wasser  (38°),  in  dem  25  g  Mondamin  (Mais¬ 
stärke)  aufgekocht  sind.  Besonders  für  die  Feststellung  von  Steno- 
sierungen  (u.  a.  des  ventilartigen  Verschlusses)  des  Kolons,  dessen 
Verhalten  im  ganzen  Verlauf  unmittelbar  zu  beobachten  ist,  bietet 
das  Verfahren  sehr  wertvolle  Vorteile,  wie  an  einigen  Fällen  (Ab¬ 
bildungen)  gezeigt  wird. 

E.  Baumgartner-Graz:  Die  Zahnkaries  —  eine  Strepto- 
mykose. 

Durch  Einbringen  der  Zahnkronen  in  eine  Methylalkohol-Zelloi- 
dinlösung,  welche  mit  Salpetersäure  versetzt  ist,  hat  B.  die  nach  Ent¬ 
kalkung  in  ihrer  natürlichen  Lage  erhaltene  organische  Substanz  des 
Zahnschmelzes  zur  Anschauung  gebracht.  Entgegen  den  bisherigen 
Annahmen  zeigte  sich  nun,  dass  innerhalb  dieser  organischen  Sub¬ 
stanz  nach  Zerstörung  des  Schmelzoberhäutchens  ausgedehnte 
Massen  von  Mikroorganismen,  und  zwar  von  Streptokokken  zur  An¬ 
siedlung  und  zur  Ausbreitung  gelangen,  welche  weiter  auch  in  die 
Zahnbeinkanälchen  und  das  Zahnmark  Vordringen;  die  Hauptrolle 
spielen  die  Streptokokken,  ihnen  folgen  dann  andere  Bakterien  nach, 
welche  den  Zerstörungsprozess  fortsetzen. 

H.  Pa  ch -Pest:  Eine  neue  Gefahrenquelle  für  gewerbliche 
Augenverletzungen. 

Nach  P.s  Wahrnehmungen  ist  in  Fabriken  für  elektrische  Glüh¬ 
lampen,  speziell  bei  der  schliesslichen  Erhitzungsprobe,  häufig  Ge¬ 
legenheit  zu  Augenverletzungen  gegeben,  indem  bei  ungeeigneter 
Manipulation  zwischen  den  benachbarten  Leitungsdrähten  der  auf¬ 
gehängten  Lampen  beim  Abnehmen  der  letzteren  ein  Kurzschluss 
entsteht.  Dabei  schmilzt  Kupfer  und  wird  in  feinsten  Partikeln  event. 
in  die  Augen  des  Arbeiters  verspritzt.  Es  ist  daher  in  solchen  Fabri¬ 
ken  das  Tragen  ausreichend  grosser  Schutzbrillen  erforderlich,  welche 
zur  Vermeidung  von  Lichtschädigungen  am  besten  aus  Euphosglas 
herzustellen  sind. 

A.  Brosch -Wien:  Zur  inneren  Behandlung  von  Dickdarm- 
stenosen. 

B.  berichtet  über  die  günstige  Beeinflussung,  welche  sich  in 
manchen  Fällen  von  Dickdarmstenosen  durch  die  Enterocleaner- 
behandlung  erzielen  lässt.  Solche  Erfahrungen  bilden  auch  eine 
Stütze  für  Theilhabers  Empfehlung  der  heissen  subaqualen 
Innenbäder  für  die  Nachbehandlung  operierter  Darmkarzinome  zur 
Hyperämisierung  der  Narben  in  der  Darmwand.  Bei  sehr  empfind¬ 
licher  Schleimhaut  eignen  sich  dafür  besonders  Kamilleninfuse. 

Prager  medizinische  Wochenschrift. 

1912.  No.  43.  A.  P  i  c  h  1  e  r  -  Klagenfurt:  Das  Gesichtsfeld  beim 
Flimmerskotom,  sowie  andere  Beiträge  zum  klinischen  Bilde  dieser 
Krankheit. 

Der  Aufsatz  behandelt  (mit  Krankengeschichten  und  Selbst¬ 
beobachtungen)  die  Aussengrenzen  des  Gesichtsfeldes,  den  Gesichts¬ 
feldausfall,  die  bisweilen  hochgradige  Einschränkung  des  Gesichts¬ 
feldes,  die  Hemianopsie,  die  zentripetale  Form  des  Flimmerskotoms, 
die  prodromalen  Lichterscheinungen,  Adaptionsstörungen,  vaso¬ 
motorische  Störungen. 

No.  45/47.  J.  Mendl-Briinn:  Zur  Frage  der  Schulanämie  und 
deren  Prophylaxe. 

M.  hat  an  je  25  Schulknaben  und  -mädchen,  welche  ausser  dem 
blassen  Aussehen  keinerlei  sonstige  Krankheitszeichen  hatten,  Blut¬ 
untersuchungen  gemacht,  die  hier  ausführlicher  wiedergegeben  und 
erörtert  werden.  Die  „Pseudoanaemia  infantum  scholaris“  zeigt 
eigentlich  gesundes,  aber  doch  nicht  normales  Blut,  für  dessen  Aende- 
rung  eine  Reihe  nicht  genau  präzisierbarer,  mit  dem  dauernden  Schul¬ 
betrieb  verbundener  Schädlichkeiten  verantwortlich  zu  machen  sind. 
Unterernährung  spielt  hierbei  nur  eine  Nebenrolle,  eine  gewisse  Be¬ 
deutung  hat  wohl  die  Helminthiasis.  Aus  der  sehr  variablen  Leuko¬ 
zytengruppierung,  welche  in  dem  Blutbild  dieser  Pseudoanämie  her¬ 
vortritt,  scheidet  Verf.  etwa  folgende  Typen  aus:  I.  Verminde¬ 
rung  der  polynukleären  neutrophilen  Leukozyten, 
a)  mit  Vermehrung  der  eosinophilen  mononukleären  Leukozyten  und 
Lymphozyten,  b)  mit  Vermehrung  der  eosinophilen  Leukozyten  und 
lymphozytären  Elemente.  Diese  beiden  Formen  bilden  die  Regel. 
Selten  sind:  c)  mit  Vermehrung  der  mononukleären  Leukozyten  und 
der  Lymphozyten,  d)  mit  Vermehrung  der  Lymphozyten  allein. 
II.  Vermehrung  der  polynukleären  neutrophilen 
mit  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  neben 
Verminderung  der  Lymphozyten  (selten).  Diese  Blut¬ 
bilder  und  vor  allem  das  Fehlen  schwerer  somatischer  Veränderungen 
bilden  die  Grundlage  für  die  Differentialdiagnose  gegenüber  anderen, 
speziell  Bluterkrankungen.  Für  die  Prophylaxe  ist  das  ganze  Gebiet 
der  Schulhygiene  heranzuziehen. 

No.  49.  A.  M  o  d  e  1  s  e  e  -  Prag:  Ueber  die  klinische  Verwend¬ 
barkeit  des  Präzisionsmikrometers  für  Körperflüssigkeiten,  speziell 
Blut,  nach  Dr.  P.  Röthlisberger. 

Nach  Untersuchungen  an  der  v.  J  a  k  s  c  h  sehen  Klinik  erklärt 
sich  Verf.  durch  die  von  Röthlisberger  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1910,  S.  2335)  angegebene  Methode  nicht  für  befriedigt.  Bei 
übermässigem  Zeitaufwand  und  grösserer  Kompliziertheit,  sind  auch 
die  Farbenabstimmungen  zu  wenig  präzis  und  nach  einigen  Tagen 
wegen  Nachdunkeins  der  aufbewahrten  Streifen  schon  nicht  mehr 
nachzuprüfen. 


No.  50/51.  W.  P  1  ö  n  i  e  s  -  Hannover :  Die  Auskultophonation  als 
Untersuchungsmethode  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Technik 
der  Lungenuntersuchung  und  der  aus  frühester  Kindheit  stammenden 
tuberkulösen  Lungeninfektion. 

P.  übt  die  Goldscheider  sehe  abgestufte  Perkussion  mit 
Vorteil  bei  gleichzeitiger  Auskultation  aus.  Man  setzt  den  Hör- 
schlauch  auf  das  zu  untersuchende  Organ  und  perkutiert  leise  vom 
Rande  her.  Wo  der  Auskultationston  lauter  wird,  ist  die  Grenze 
des  Organs  („Auskultoperkussion“).  Besonders  zuverlässig  wird  der 
Befund,  wenn  auf  dem  schräg  aufgesetzten  Goldscheider  sehen 
Glasgriffel  leise  perkutiert  wird.  Um  verschiedene  subjektive  Momente 
auszuschalten,  geht  Verf.  weiter  so  vor,  dass  er  bei  aufgesetztem 
Phonendoskop,  Hörrohr  usw.  eine  tönende  Stimmgabel  ausserhalb 
des  Organes  aufsetzt  und  auf  der  Haut  gegen  das  Organ  hin  ver¬ 
schiebt.  An  der  Grenze  des  Organes  gewännt  der  Ton  beträchtlich 
an  Stärke.  Mit  dieser  Auskultophonation,  welche  ganz  einfach  aus¬ 
zuführen  ist,  lassen  sich  sehr  gute  Resultate  erzielen.  Ueber  ihre 
Verwertung  zur  feineren  Feststellung  von  Lungenherden,  namentlich 
der  aus  der  früheren  Kindheit  stammenden  Herde  in  der  Lungenspitze 
und  in  der  Fossa  supra-  und  infraspinata  werden  die  eingehendsten 
Angaben  gemacht. 

No.  52.  G  m  e  i  n  e  r  -  Leoben:  Ein  Fall  von  erkannter  hetero- 
toper  Zwillingsschwangerschaft. 

Beitrag  zur  Kasuistik,  die  noch  sehr  gering  ist. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Spanische  Literatur. 

S.  Dessy  und  R.  A.  Marotta:  Die  Giftigkeit  der  Echino¬ 
kokkenflüssigkeit,  (Rev.  de  la  Soc.  med.  argent.  Juli — August  1912.) 

Intravenös  injiziert  bewirkt  die  Echinokokkenflüssigkeit  (10  bis 
50  ccm)  beim  Hunde  ein  stets  gleiches,  bisweilen  zum  Tode  führen¬ 
des  Syrnptomenbild,  das  charakterisiert  ist  durch  Blutdrucksenkung, 
Dyspnoe,  Ungerinnbarwerden  des  Blutes,  Erbrechen  und  (bisweilen 
rein  blutige)  Durchfälle.  Die  vorherige  subkutane  oder  intravenöse 
Injektion  einer  kleinen  Menge  (2  ccm)  der  Flüssigkeit  oder  die  gleich¬ 
zeitige  Injektion  von  Adrenalin  verhindert  das  Entstehen  der  Ver- 
giftungssymptome.  Die  vergiftende  Dosis  liegt  5 — 6  mal  höher,  wenn 
die  Injektion,  statt  in  die  Ohrvene,  in  die  Saphena  erfolgt.  Die  das 
Syrnptomenbild  hervorrnfende  Substanz  ist  thermostabil,  gibt  keine 
Eiweiss-  oder  Peptonreaktion;  sie  findet  sich  sowohl  in  der  ursprüng¬ 
lichen  wie  in  der  eingeengten  Flüssigkeit,  ebenso  in  den  verschie¬ 
denen  Mazerationen  und  Dekokten  der  Hydatidenmembran.  Das 
Vergiftungsbild  ist  sehr  ähnlich  dem  bei  Anaphylaxie  und  bei  Kran¬ 
ken,  bei  denen  eine  Echinokokkuszyste  platzt  oder  punktiert  wird. 

R.  Növoa:  Einfluss  des  doppeltkohlensauren  Natrons  auf  die 
Azetonurie.  (Gaz.  med.  catal.,  15.  Oktober  1912.) 

In  einem  Hundeversuch  (4,8  kg)  wurden  bei  völligem  Hunger 
0,9 — 4,29  mg,  bei  Fleischfettdiät  1,4  mg,  also  sehr  geringe  Mengen 
Azeton  ausgeschieden;  Zufuhr  von  10  g  NaaCOs  liess  (entgegen  den 
Angaben  von  Maignon  und  Morand:  Compt.  rend.  Soc.  biol. 
No.  36,  1911)  die  Werte  emporschnellen  (auf  ca.  22  bezw.  15  mg). 
2  Kaninchen  (von  etwas  über  2  kg  Gewicht)  schieden  bei  der  ge¬ 
wöhnlichen  Riibendiät  3,2  bezw.  1,65  mg  Azeton  aus,  also  mehr  als 
der  Hund  bei  Hunger.  Die  Hungerwerte  lagen  noch  höher  (3,5 — 8,1 
bezw.  4,0—5,03);  2  g  NasCOs  bewirkten  im  ersten  Falle  eine  Ver¬ 
minderung,  im  zweiten  eine  Mehrausscheidung.  Der  Unterschied 
zwischen  Hund  und  Kaninchen  ist  vielleicht  so  zu  erklären,  dass 
ersterer  an  ein  kohlehydratarmes  Regime  gewöhnt  ist  und  für  ge¬ 
wöhnlich  vollständig  die  Azetonkörper,  die  aus  dem  Abbau  der 
Amidosäuren  entstehen,  verbrennt;  in  dieser  Beziehung  ist  er  nicht 
wesentlich  anders  daran,  wenn  er  völlig  hungert  und  so  sein  eigenes 
Eiweiss  und  Fett  verbrennt.  Das  Kaninchen  dagegen  ist  für  gewöhn¬ 
lich  an  grössere  Kohlehydratmengen  gewöhnt.  Ein  Diabetiker  mit  Azi- 
dosis,  der  4,3 — 5,6  g  Azeton  ausschied,  schied  bei  60 — 80  g  NasC03  am 
ersten  Tag  7,2,  dann  aber  nur  4,9;  3,0;  4,6  g  Azeton  aus.  Es  ist  nicht 
wahrscheinlich,  dass  es  sich  bei  der  Azetonvermehrung  nach  Natron 
lediglich  um  Ausschwemmung  handelt;  dagegen  spricht,  dass  auch 
die  prozentische  Menge  des  Azetons  vermehrt  ist. 

F.  Aparicio:  Die  Albuminoreaktion  im  Sputum.  (Rev.  med. 
de  Rosario,  No.  3,  1912.) 

Untersuchung  der  Sputa  von  107  Lungenaffektionen  nach  der 
R  o  g  e  r  sehen  Angabe.  Alle  31  offenen  Tuberkulosen  sowie  15  von 
18  geschlossenen  gaben  positive  Reaktion,  relativ  häufig  war  die 
positive  Reaktion  auch  bei  den  Bronchitiden  der  Herz-  und  Nieren¬ 
kranken  (10  von  15).  Dagegen  gaben  von  23  einfachen  akuten  und 
chronischen  Bronchitiden  nur  5  eine  positive  Reaktion.  Eine  negative 
Reaktion  spricht  also  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  gegen  Tuber¬ 
kulose;  positive  Reaktion  bei  einer  Bronchitis  ohne  Herz-  und  Nieren¬ 
affektion  spricht  eher  für  Tuberkulose. 

C.  B.  Udaondo:  Behandlung  der  Magendarmatonie  mit  Hypo- 
pliysenextrakt.  (Rev.  de  la  soc.  med.  argent.  Juli — August  1912.) 

Verf.  bringt  5  Krankengeschichten,  nach  denen  durch  intra¬ 
muskuläre  Injektionen  von  Hypophysenextrakt  die  Symptome  der 
Magenatonie  gebessert,  der  Stuhl  geregelt  wurde.  Die  Dosis  des 
verwendeten  Präparates  betrug  Yi—W*  ccm,  alle  4 — 5,  später  alle 
8  Tage. 

J.  Codina  Castellvi:  Resultate  der  Behandlung  klinischer 
Kranker  mit  Tuberkulin  und  antituberkulösem  Serum.  (Rev.  de  med. 

y  cir.  präet.  14.— 28.  Oktober,  7. — 28.  November  1912.) 


II.  Februar  1913. 


MUeNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


319 


Verf.  berichtet  über  ein  kleines,  aber  exakt  beobachtetes  Ma¬ 
terial  (24  Fälle),  das  teils  mit  Alttuberkulin,  teils  mit  antituber¬ 
kulösein  Serum  („Ferrän“),  teils  mit  antituberkulöser  Lymphe 
(„Ferran“),  teils  mit  sensibilisierter  Lymphe,  teils  nacheinander  mit 
verschiedenen  Präparaten  behandelt  wurde.  Da  die  Arbeit  für 
deutsche  Leser  kaum  etwas  Neues  bringt,  sei  hier  nur  auf  sie  hinge¬ 
wiesen. 

D.  G.  Pittaluga:  Das  kindliche  „Kala-Azar“  an  der  Ostküste 
Spaniens.  (Med.  de  los  nifios.  November  1912.) 

Die  Untersuchungen  wurden  in  Tortosa  im  Ebrodelta,  einer 
sumpfigen  und  malariaverseuchten  Gegend,  vorgenommen.  Es  gibt 
dort  eine  grosse  Anzahl  Kinder  mit  Milzschwellung,  die  sicher  nicht 
malariakrank  sind,  und  die  in  den  Sterblichkeitsstatistiken  als  Leuk¬ 
ämie,  Pseudoleukämie  etc.  geführt  wurden.  Solcher  Fälle  kamen  in 
dem  2000  Einwohner  zählenden  Orte  innerhalb  8  Jahren  nicht  we¬ 
niger  als  42  bei  Kindern  unter  3  Jahren  zum  Exitus.  Ein  Mitarbeiter 
des  Verfassers  wies  nun  im  Milzsaft  eines  erkrankten  Kindes  den 
typischen  L  e  i  s  h  m  a  n  sehen  Parasiten  nach,  so  dass  also  Kala-Azar 
dort  sichergestellt  ist. 

P.  Escudero:  Hereditär-syphilitische  Aortenveränderungen 

beim  Kind.  (Rev.  de  la  soc.  med.  argentina.  Juli — August  1912.) 

Ein  sicher  hereditär-luetischer  Knabe  von  6  Jahren  zeigte,  ohne 
deutliche  subjektive  Symptome  aufzuweisen,  einen  stark  hyper¬ 
trophischen  linken  Ventrikel,  ein  lautes  systolisches  Geräusch,  Puls¬ 
differenz,  eine  zylindrische  Dilatation  des  Arcus  aortae,  also  das  Bild 
einer  Aortitis  und  Stenose  der  Aorta.  Die  Affektion  wurde  bei  einer 
Masernerkrankung  zufällig  entdeckt,  die  gleiche,  wenn  auch  nicht  so 
starke  Affektion  bei  seinem  4  jähr.  Bruder  durch  die  darauf  gerichtete 
Untersuchung.  Das  dritte  PA  jähr.  Kind  war  frei.  Derartige  Fälle 
mögen  häufiger  sein  als  sie  entdeckt  werden. 

D.  C.  Alvarez:  Neue  chirurgische  Behandlungsmethode  des 
Magengeschwürs.  (El  Siglo  med.  2.  November  1912.) 

Ein  Zufall  führte  den  Verf.  zu  seiner  neuen  Methode:  Ein  Ulcus- 
patient  hatte  einen  Tumor  an  der  Wirbelsäule  (Nähe  des  7.-9.  Brust¬ 
wirbels);  die  Entfernung  des  Tumors  beseitigte  definitiv  die  Ulcus- 
beschwerden.  In  einem  2.  Falle  von  Ulcus  wurde  obige  Operation, 
ohne  dass  ein  Tumor  vorhanden  gewesen  wäre,  nachgeahmt,  mit 
gleichem,  wenn  auch  nur  temporärem  Erfolg.  Beide  Fälle  sind  in  der 
Medecine  moderne  1903  publiziert.  Verf.  glaubt,  dass  das  wirksame 
dieser  Methode  die  Beeinflussung  des  Sympathikus  ist,  auf  den  ein 
Zug  an  den  Interkostalnerven  durch  die  Rami  communicantes  über¬ 
tragen  wird.  Er  veröffentlicht  nun  8  weitere  Fälle,  in  denen  er 
iolgendermassen  vorging:  Inzision  zweifingerbreit  von  den  Dornfort¬ 
sätzen  entfernt  von  der  6. — 9.  Rippe  durch  Haut,  Aponeurose  und 
Muskularis  bis  auf  die  Rippe,  Inzision  der  Muskulatur  des  6. — 8.  Inter¬ 
kostalraumes,  Ziehen  an  den  blossgelegten  Nerven  vom  Zentrum  nach 
der  Peripherie  in  verschiedenen  Richtungen  unter  Schonung  der 
Pleura;  in  den  6  letzten  Fällen  wurde  die  Prozedur  vom  5. — 7.  Inter¬ 
kostalnerv  vorgenommen  und  ein  Stückchen  des  5.  reseziert.  Als 
Nebenerscheinungen  traten  einige  Tage  heftige  Neuralgien  und  Taub¬ 
heitsgefühl  an  der  vorderen  Bauchwand  ein.  Alle  Patienten  hielten 
Milchdiät  14 — 34  Tage  lang.  Der  längst  operierte  Fall  datiert  vom 
30.  März  1912.  4  Fälle  sind  zunächst  geheilt,  2  gebessert,  2  erst  ganz 
kurz  operiert.  Genaue  Mageninhaltsuntersuchungen  wurden  vor  der 
Operation  und  am  Schlüsse  der  Milchdiät  vorgenommen  und  ergaben 
meist  ein  teilweise  beträchtliches  Herabgehen  der  Säurezahlen.  (Ob 
die  guten  Ergebnisse  nicht  eher  eine  Folge  der  Ruhe  und  Milch¬ 
diät  als  der  Operation  sind?  D.  Ref.) 

J.  Garcia  del  Mazo:  Das  Salvarsan  in  der  Augenheilkunde. 
(Rev.  de  med.  y  cir.  präet.,  21.  Dezember  1912.) 

Verf.  glaubt  bemerkt  zu  haben,  dass  man  seit  Beginn  der  Sal- 
varsanära  auffallend  mehr  Lueskranke  mit  Augenmuskellähmungen 
und  Augenveränderungen  sieht  als  vorher.  Eine  ernste  Komplikation, 
die  wohl  auf  eine  vor  5  Wochen  von  anderer  Seite  vorgenommene 
intravenöse  Salvarsaninjektion  bezogen  werden  könnte,  sah  er  ein¬ 
mal,  eine  Neuritis  optica,  die  weder  durch  Hg.  noch  durch  Jod  beein- 
dusst  werden  konnte  und  in  Atrophie  ausging,  ein  Vorkommnis,  das 
sonst  bei  Frühsyphilis  kaum  beobachtet  ist.  Fälle  von  Augensyphilis  hat 
er  im  ganzen  8  mit  Salvarsan  behandelt,  nämlich  2  von  interstitieller 
Keratitis  ohne  Erfolg,  1  Fall  von  Iritis,  die  trotz  Salvarsan  ausbrach 
und  durch  eine  zweite  Injektion  nicht  wesentlich  beeinflusst  wurde, 
1  Fall  von  Iridochorioiditis  mit  rascher,  aber  nicht  nachhaltiger  Bes¬ 
serung,  2  von  Neuroretinitis  mit  Besserung,  2  von  Optikusatrophie 
ohne  Erfolg. 

F.  MasyMagro:  Neue  Methode  der  Tuberkelbazillenfärbung. 
(Rev.  valenc.  de  cienc.  med.  10.  Dezember  1912.) 

Die  Färbung  geht  folgendermassen  vor  sich: 

L  Spontane  Trocknung  des  Objektträgerpräparats. 

2.  Fixierung  in  der  Flamme  oder  durch  halbstündiges  Verweilen 
im  Thermostaten  bei  115— -120°. 

3.  Färbung  in  der  G  o  s  i  o  sehen  Farblösung  (Methylenblau  med. 
Höchst  3,0,  Borax  5,0,  Aq.  dest.  100,0;  die  Farbe  muss  alt  sein  oder 
w  enigstens  einige  Tage  offen  im  Thermostaten  bei  37°  unter  häufigem 
Schütteln  gestanden  haben),  3  Minuten,  unter  3 — 4  maligem  Er¬ 
wärmen,  bis  gerade  Dämpfe  aufsteigen. 

4.  3 — 4  Sekunden  Verweilen  in  25  proz.  H2SO1. 

5.  40  Sekunden  Entfärbung  in  absolutem  Alkohol. 

6.  Kurzes  (wie  lange?)  Verweilen  in  einer  Lösung  von  E  sbachs 
Reagens  und  absolutem  Alkohol  ää. 


7.  Sorgfältige  Waschung  in  Brunnenwasser  und  Trocknen  mit 
Filtrierpapier. 

8.  Entfärbung  in  einer  Lösung  von  50  proz.  Alkohol  100,0,  Natron¬ 
lauge  0,5,  Jodkali  1,0. 

9)  Sorgfältige  Waschung  zuerst  mit  Brunnenwasser,  dann  mit 
Aq.  dest. 

10.  Trocknung  mit  Filtrierpapier,  dann  spontane  Trocknung. 

Die  Methode  färbt  die  Tuberkelbazillen  rosarot,  ihre  intrabazil¬ 
lären  Granula  dunkelrot,  alle  anderen  Bazillen  und  Zellen  hellblau, 
sie  soll  alle  bisherigen  Methoden  übertreffen. 

F.  Muril  lo:  Experimentelle  Studie  über  Desinfektionsmittel 
bei  Cholera  und  ihre  praktische  Verwertbarkeit.  (Bol.  del  inst.  nac. 
de  higiene,  No.  31,  30.  September  1912.) 

Verf.  stellte  zunächst  fest,  dass  Seife  nicht  einmal  in  10  proz. 
Lösung  das  Wachstum  der  Choleravibrionen  hindert,  während  das 
Waschwasser  der  Wäschereien  im  Durchschnitt  nur  0.13  Proz.  Seife 
enthält.  Die  Lauge  des  Handels  verhindert  (dem  Nährboden  zu¬ 
gesetzt)  die  Entwicklung  des  Vibrio  zu  2,2  Proz.,  tötet  inn  zu  3  Proz., 
Karbolsäure  verhindert  zu  1:700,  tötet  binnen  5  Minuten  zu  0,5:100, 
verseifte  Karbolsäure  (Marke  „Sac“)  verhindert  zu  1 : 800,  tötet  zu 
1:500,  Zitronensaft  verhindert  zu  2,2:100. 

M.  Kaufmann-  Mannheim. 

Inauguraldissertationen.  *) 

Das  Versehen  der  Schwangeren  in  Volksglaube 
und  Dichtung  behandelt  eine  ausgezeichnete  Studie  von  Fritz 
Kahn  (Berlin  1912,  66  Seiten,  Frankfurt  a.  M.,  J.  D.  Sauerlän¬ 
de  r  s  Verlag).  Details  lassen  sich  im  Rahmen  eines  kurzen  Re¬ 
ferates  nicht  bringen,  die  Arbeit  ist  aber  interessant  genug,  von  den 
Kollegen  eingehend  studiert  zu  werden.  Als  Frucht  der  systemati¬ 
schen  Analyse  des  von  ihm  studierten  Problems  glaubt  es  der  Autor 
als  erwiesen  bezeichnen  zu  können:  „dass  entgegen  der  bisherigen 
Ansicht  der  Glaube  an  das  Versehen  trotz  seiner  Verbreitung  einer 
einheitlichen  altasiatischen  Quelle  entspringt  und  durch  die  ganze  Ent¬ 
wicklung  der  Kultur  hindurch  noch  heute  in  fast  ungeändertem  alt¬ 
asiatischem  Gewände  im  Volke  weiterlebt,  ein  psychologisch  ebenso 
interessantes  wie  medizinisch  fesselndes  Problem  für  zukünftige  For¬ 
schungen.“  Fritz  L  0  e  b. 

Neu  erschiene  ne  Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  Januar  1913. 

Pfoertner  Hans:  Ueber  Pfählungsverletzungen  des  Rektums  mit 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  und  ihre  Behandlung. 

La  qua  Julius:  Fünf  Jahre  Säuglingssterblichkeit  in  Pommern 
(1906—1910). 

Universität  Kiel.  November — Dezember  1912. 

Bo  chat  Wilhelm:  Ueber  Psychosen  im  Verlaufe  von  Typhus  ab¬ 
dominalis  und  Erythema  multiforme  exsudativum. 

Buch  holz  Karl:  Tuberkulose  und  Gravidität  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Tuberkulinreaktion  in  der  Schwangerschaft. 
Bunke  Felix:  Beitrag  zur  Lehre  der  progressiven  neurotischen 
Muskelatrophie. 

Conradie  Louis:  Ein  Beitrag  zur  forensischen  Bedeutung  der 
Paranoia  chronica  (Politischer  Verfolgungswahn). 

Kirchberg  Hans:  Zur  Symptomatologie  und  Pathologie  der  Hirn¬ 
tumoren. 

Klipstein  Curt:  Zur  speziellen  Pathologie  des  Ureters. 

Sommer  Otto:  Ein  Beitrag  zu  der  Lehre  von  „Dämmerzustände 
bei  Epilepsie“. 

Steinhoff  Karl:  Beitrag  zur  Lehre  von  der  postdiphtherischen 
Lähmung. 

Tietz  Friedrich:  Zur  Lehre  von  den  in  der  Haft  entstehenden 
Psychosen. 

Universität  Tübingen.  Januar  1913. 

Barth  Otto:  Ein  Beitrag  zur  Wirkung  der  Opiumalkaloide  unter 
besonderer  Berücksichtigung  des  Pantopons. 

Bippus  Adolf:  Ein  Beitrag  zur  sogen.  Osteopsathyrosis  idiopathica. 
Du  ss  ler  Hermann:  Zur  Kasuistik  des  Wandertriebs  auf  psycho¬ 
pathischer  Grundlage. 

Franz  Wilhelm:  Ueber  jugendliche  hochgradige  Myopie. 

Hai  st  Helmut:  Anatomische  Untersuchungen  bei  4  Fällen  von  hoch¬ 
gradiger  Myopie  im  Hinblick  auf  das  Vorhandensein  von  Lakunen- 
bildung  im  Sehnerven. 

Klett  Bernhard:  Ueber  die  Wirkung  toter  Tuberkelbazillen. 
Vogel  Wilhelm:  Beiträge  zur  Kritik  der  Wasseruntersuchungs¬ 
methoden. 

Wagenhäuser  Fritz:  Anatomische  Untersuchungen  bei  8  Fällen 
von  Linsenluxation  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Ver¬ 
änderungen  am  Sehnerv. 

Prinzing:  Ueber  Meiostagminversuche  bei  Typhus. 


0  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


320 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  6. 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Internationale  Hilfe  gegen  Kriegsseuchen.  —  Die  Gesundheitsver¬ 
hältnisse  Wiens  im  Jahre  1912.  —  Eine  neue  Reichsanstalt  für  Miitter- 
und  Säuglingsfürsorge.  —  Eine  Musteranstalt  zur  Unterbringung  von 
Fürsorge-  und  Erziehungszöglingen.  —  Die  Verträge  mit  den  Unfall¬ 
versicherungsgesellschaften  gekündigt,  der  Vertrag  mit  den  privaten 
Lebensversicherungsgesellschaften  abgeschlossen.  —  Ueber  die  Be¬ 
handlung  Nicht-Armer  seitens  einer  Gemeinde. 

Seit  einigen  Jahren  propagiert  Prof.  Dr.  Rudolf  Kraus  die  Idee, 
zur  Bekämpfung  der  Seuchen  im  Frieden  eine  internationale  Gesell¬ 
schaft  zu  gründen,  um  denjenigen  Ländern,  deren  Selbsthilfe  nicht 
ausreichend  ist,  rasche  und  ausgiebige  Hilfe  zu  leisten.  Da  es  nun 
bekannt  ist  und  die  Meldungen  nach  den  letzten  Schlachten  am  Balkan 
es  neuerlich  bestätigten,  dass  im  Kriege  die  durch  Infektionskrank¬ 
heiten  bedingten  Verluste  an  Mannschaft  diejenigen  weit  übertreffen, 
welche  durch  Waffen  herbeigeführt  werden,  hält  er  es  für  ein  Gebot 
der  Menschlichkeit,  dass  die  Kulturvölker  neben  den  militärischen 
Massnahmen  auch  diejenigen,  welche  zur  Verhütung  der  Kriegs¬ 
seuchen  führen,  mit  derselben  Energie  für  den  Kriegsfall  vorbereiten 
sollen.  Mit  anderen  Worten:  Es  müssten  gleich  zu  Beginn  des  Krie¬ 
ges  ebenso  wie  Chirurgen  auch  Aerzte  für  infektiöse  und  andere 
Kranke,  Pflegepersonal  für  Infektionsspitäler,  Bakteriologen  und 
Hygieniker  durch  internationale  Hilfe  beschafft  werden 
können. 

Mitte  November  v.  J.  begab  sich  Prof.  Kraus  in  Begleitung 
mehrerer  anderer  Wiener  Aerzte  über  Aufforderung  des  Königs 
Ferdinand  nach  Bulgarien,  um  daselbst  die  Organisation  der 
Massnahmen  zur  Bekämpfung  der  Cholera  im  bulgarischen  Heere  zu 
übernehmen.  Die  Erfahrungen,  welche  er  daselbst  zu  sammeln  Ge¬ 
legenheit  hatte,  bestimmten  ihn  neuerdings,  die  von  ihm  vertretene 
Idee  öffentlich  zu  verfolgen.  In  einem  im  „Neuen  Wiener  Tagblatt'1 
im  Jänner  1.  J.  erschienenen  Artikel  weist  er  darauf  hin,  dass,  wie¬ 
wohl  Bulgarien  über  Bakteriologen  mit  Laboratorien  verfügte,  beim 
plötzlichen  Auftreten  der  Cholera  bei  der  Tschataldschalinie  diese 
Kräfte  lange  nicht  ausreichten,  um  die  Epidemie  wirksam  zu  be¬ 
kämpfen.  In  Tschorlu,  wo  es  ca.  2500  kranke  Soldaten  gab,  waren 
für  diese  nur  2  Aerzte  bestellt.  Die  Kranken  waren  anfangs  ohne 
genügende  Pflege  und  überhaupt  ungenügend  versorgt.  Das  war  auch 
anderwärts  der  Fall,  es  gab  keine  Isolierspitäler,  anfangs  zu  wenig 
Aerzte  und  zu  wenig  Pflegepersonal,  auch  fehlte  es  noch  an  bakterio¬ 
logischen  Laboratorien.  „Und  dennoch  sind  die  Hygieniker  und  Bak¬ 
teriologen  samt  Laboratorien  für  die  Lokalisierung  der  Epidemie  au 
der  Tschataldschalinie,  für  die  Bekämpfung  der  Kontaktinfektionen 
in  Spitälern  und  im  Lande  durch  Kranke  und  Bazillenträger  von  aller¬ 
grösster  Bedeutung  gewesen.“ 

Als  er  sodann,  nach  glücklichem  Abschluss  seiner  Tätigkeit,  in 
Sofia  vom  Könige  und  von  der  Königin  in  Audienz  empfangen  wurde 
und  seinen  Bericht  über  die  Vorgefundenen  sanitären  Mängel  und 
deren  Abhilfe  erstattete,  als  er  auch  an  dieser  Stelle  dafür  eintrat, 
dass  die  internationale  Gesellschaft  vom  Roten  Kreuze  diese  Idee  in 
ihr  Programm  aufnehmen  und,  den  Anforderungen  der  Hygiene  ent¬ 
sprechend,  den  Rahmen  ihrer  ursprünglichen  Tätigkeit  erweitern 
solle,  fand  er  den  vollen  Beifall  beider  Majestäten.  Der  König  for¬ 
derte  ihn  auf,  ihm  hierüber  ein  ausführliches  Expose  vorzulegen,  wo¬ 
bei  er  gleichzeitig  die  Absicht  äusserte,  persönlich  an  die 
Spitze  dieser  Aktion  zu  treten.  Durch  die  Enunziation 
dieser  Absicht  —  so  schliesst  Prof.  Kraus  —  und  durch  die  gleich¬ 
zeitig  erteilte  Erlaubnis  zur  Veröffentlichung  hat  König  Ferdinand 
neuerdings  einen  deutlichen  Beweis  seiner  ausserordentlich  modernen 
und  humanen  Weltanschauung  und  seines  grossen  Verständnisses  für 
die  Fragen  des  Volkswohles  gegeben. 

(Man  kann  nur  wünschen,  dass  diese  Anregung  jetzt  bei  allen 
Völkern  und  Nationen  auf  einen  fruchtbaren  Boden  falle,  damit  wenig¬ 
stens,  wenn  schon  Kriege  nicht  vermieden  werden  können,  die  ent¬ 
setzlichen  Folgen  der  Kriegsseuchen,  die  weiteren  schweren  Verluste 
an  Cholera,  Typhus,  Ruhr  etc.  stark  herabgesetzt  werden.) 

Der  Oberphysikus  der  Stadt  Wien,  Obersanitätsrat  Dr.  Böhm, 
hat  jüngst  in  einer  Sitzung  der  städtischen  Amtsärzte  eine  Uebersicht 
über  die  Gesundheitsverhältnisse  unserer  Stadt  im  Jahre  1912  er¬ 
stattet.  Einige  Ziffern  dieses  Berichtes  erscheinen  uns  beachtenswert. 
Die  Mortalität  betrug  im  Vorjahre  (wenn  man  Ortsfremde  und  Per¬ 
sonen  unbekannten  Wohnortes  abrechnet)  14,6  Prom.,  1911  noch 
15,68  und  vor  10  Jahren  17,89  Prom.  Wir  nähern  uns  damit  zum 
erstenmal  dem  in  sanitärer  Hinsicht  so  vorgeschrittenen  England,  wo¬ 
selbst  auf  je  1000  Einwohner  14— — 15  Todesfälle  jährlich  entfallen.  Da¬ 
bei  zeigte  sich  die  wichtige  Tatsache,  dass  bei  uns  im  Laufe  der 
letzten  2  Dezennien  alle  Todesursachen,  welche  das  Säuglings¬ 
und  Kindesalter  betreffen,  wesentlich  zurücktreten, 
während  die  Krankheiten  des  höheren  und  insbesondere  des 
Greise  nalters  in  ganz  bedeutendem  Masse  überwogen.  Vor 
10  Jahren  starben  8850  Kinder  im  1.  Lebensjahre  und  7281  Personen 
über  dem  60.  Lebensjahre  —  dagegen  im  Berichtjahre  5922 
Säuglinge  und  9658  Personen  über  dem  60.  Lebensjahre,  davon  1434 
über  lern  80.  Lebensjahre  (gegen  1180  im  Jahre  1903).  Es  ist  also 
eine  völlige  Umkehr  eingetreten :  früher  etwa  9000  Säug¬ 


linge  gegen  7000  Greise,  jetzt  6000  Säuglinge  gegen  fast  10  000 
Greise.  Dabei  haben  die  akzidentellen,  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
vermeidbaren  Krankheiten  sich  vermindert,  wogegen  die  Krankheiten, 
welche  der  Ausdruck  für  die  schliesslich  eingetretene  Erschöpfung 
der  Lebenskräfte  sind,  wie  Herzdegeneration,  Arteriosklerose  etc.  in 
den  Vordergrund  traten. 

Hat  sich  also,  wie  ausgeführt  wurde,  erfreulicherweise  das 
Durchschnittsalter  der  Verstorbenen  bedeutend  erhöht,  so  gingen 
andererseits  die  Geburten  in  Wien  an  Zahl  auffallend  zurück, 
eine  Tatsache,  die  seit  einem  Dezennium  in  ganz  Mitteleuropa  unter 
lokal  und  sozial  ganz  verschiedenen  Umständen  konstatiert  wird. 
Vor  10  Jahren  wurden  46  000,  vor  20  Jahren  noch  mehr  als  50000 
lebende  Kinder  jährlich  in  Wien  geboren,  im  Vorjahre  nur  mehr  40  503: 
im  letzten  Dezennium,  ohne  Rücksicht  auf  den  ganz  bedeutenden  Be¬ 
völkerungszuwachs,  um  100  000  Kinder  weniger  (lebend)  geboren  als 
im  vorletzten.  Dieser  Geburtenrückgang  fordert  nicht  nur, 
sondern  ermöglicht  auch  in  ganz  unverkennbarer  Weise  eine  inten¬ 
sivere  Fürsorge  nicht  bloss  für  das  einzelne  Kind,  sondern  auch  für 

dessen  Mutter . „Der  Säugling,  das  Schulkind,  die  heranwach- 

sende  Jugend  müssen  rechtzeitig  in  ihrer  körperlichen  Entwick¬ 
lung  nach  weitsichtigen  ärztlichen  Prinzipien  gefördert,  vor  schädi¬ 
genden  Einflüssen  in  wirksamer  Weise  geschützt  werden“  etc. 

So  schön  diese  Worte  unseres  Oberphysikus  sind,  so  wenig  ent¬ 
sprechen  ihnen  die  Bemühungen  unserer  Stadtväter  auf  den  Gebieten 
des  Säuglingsschutzes  und  der  Kinderfürsorge.  In  den  städtischen 
Volks-  und  Bürgerschulen  gibt  es  trotz  jahrelanger  und  oft  wieder¬ 
holter  Mahnungen  seitens  der  praktischen  Aerzte  noch  immer  keine 
fix  besoldeten  Schulärzte,  welche  die  hunderttausende  Schulkinder 
„rechtzeitig“  in  ihrer  körperlichen  Entwicklung  fördern  könnten,  es 
fehlt  vielfach  an  genug  grossen  Spielplätzen,  überdies  kommen  tau¬ 
sende  Schulkinder  hungrig  zur  Schule  und  essen  sich  kaum  einmal  im 
Tage  satt  etc.  Es  ist  einfacher  und  bequemer,  überall  wo  es  nottut 
an  die  private  Mildtätigkeit  zu  appellieren,  als  selbst  in  den  Säckel 
zu  greifen  und  grossangelegte  soziale  Fürsorge  für  unsere  Jugend  zu 
betreiben.  Da  werden  von  unseren  Stadtvätern  Jahr  um  Jahr  hun¬ 
derttausende  Kronen  für  Empfänge  und  Bankette  oder  für  die  Dekora¬ 
tion  unserer  Strassen  bei  sog.  feierlichen  Anlässen  ausgegeben,  die 
Förderung  jener  Zwecke  aber,  welche  auch  der  erste  Amtsarzt  der 
Stadt  Wien  für  dringend  hält,  wird  anderen  Kreisen,  dem  Staate,  dem 
Lande  oder  den  Privaten,  zugeschoben. 

Wenn  dennoch  etwas  in  dieser  Richtung  geschieht,  so  ist  es 
wahrlich  nicht  das  Verdienst  unserer  Stadtväter.  Die  grosse  Kom¬ 
mission  des  Kaiser-Jubiläums-Fonds  für  Kinderschutz  und  Jugend¬ 
fürsorge  hat  in  ihrer  am  18.  Januar  1.  J.  unter  dem  Vorsitze  des 
Ministerpräsidenten  abgehaltenen  Sitzung  beschlossen,  eine  Reichs¬ 
anstalt  für  Mütter  -  und  Säuglingsfürsorge  mit  dem 
Kostenaufwande  von  einer  Million  Kronen  ehestens  zu  erbauen  und 
den  Rest  des  vorhandenen  Fonds  von  2  019  500  K  der  Errichtung 
einer  Musteranstalt  zur  Unterbringung  von  Fürsorge-  und  Erziehungs¬ 
zöglingen  vorzubehalten.  Mit  dem  Bau  der  besagten  Reichsanstalt 
soll  sofort  begonnen  werden.  Die  Säuglingsabteilung  soll  Raum  für 
80  Kinder  bieten.  Man  hat  mit  Recht  viel  mehr  von  der  grossen 
Aktion  erwartet,  man  ist  also  enttäuscht,  dass  die  seinerzeitigen 
Sammlungen  im  ganzen  Reiche,  die  über  Wunsch  unseres  Monarchen 
unter  dem  Motto  „Für  das  Kind“  eingeleitet  wurden,  nur  zur  Errich¬ 
tung  zweier  neuer  Anstalten  ausgereicht  haben. 

Der  Geschäftsauschuss  der  österreichischen  Aerztekammern  hat 
die  Verträge  mit  den  Unfallversicherungsgesellschaften  im  Namen 
aller  Aerztekammern  gekündigt  und  wird  demnächst  Direktiven  für 
die  Aerzte  herausgeben,  wie  sie  sich  diesen  Gesellschaften  gegen¬ 
über  benehmen  sollen.  Die  Gesellschaften  blieben  bei  ihrem  Tarife 
von  6  K  für  die  Ausstellung  von  Unfallattesten,  Anfangs-  und  Schluss¬ 
bericht,  während  der  Aerztekammerausschuss  für  solche  Atteste  ein 
Mindesthonorar  von  10  K  verlangte.  Die  auch  in  Oesterreich  ver¬ 
tretenen  deutschen  Unfallversicherungsgesellschaften  zahlen  im 
Deutschen  Reiche  für  ein  solches  Attest  10  M„  also  mehr,  als  der 
Aerztekammerausschuss  für  die  österreichischen  Aerzte  verlangte. 
Auch  die  von  den  Aerzten  vor  3  Jahren  gegründete  Versicherungs¬ 
gesellschaft  gegen  Unfälle,  der  „Kosmos“,  zahlt  den  Aerzten  für  den 
Anfangs-  und  Schlussbericht  die  verlangten  10  K.  Es  wird  also  zum 
Kampfe  kommen,  wobei  es  nicht  zweifelhaft  ist,  wer  obsiegen  wird. 

Mit  den  Vertretern  der  Lebensversicherungsgesellschaften 
hingegen  ist  das  Uebereinkommen  seitens  aller  österreichischen 
Aerztekammern  vor  einigen  Tagen  auf  die  Dauer  von  10  Jahren  ge¬ 
schlossen  worden  und  tritt  am  1.  März  1913  in  Wirksamkeit.  Das 
Untersuchungshonorar  (bisher  bei  fast  allen  Gesellschaften  nur  10  K 
für  eine  Versicherung  auf  jeden  Betrag)  wird  in  Hinkunft  in  abgestuf¬ 
ter  Weise  von  10 — 20  K  betragen.  Also  für  Versicherungen  auf  Kapi¬ 
talien  bis  zu  5000  K  inkl.  —  10  K,  bei  Versicherungen  über  5000  bis 
zu  10  000  K  ein  Honorar  von  15  K  und  bei  Versicherung  von  Kapi¬ 
talien  über  10  000  K  ein  Honorar  von  20  K.  Die  Honorierung  von 
Spezialärzten  wird  durch  dieses  Uebereinkommen  nicht  getroffen, 
sie  hat  auf  Grund  einer  besonderen  Vereinbarung  zwischen  Gesell¬ 
schaft  und  Spezialarzt  zu  erfolgen.  Untersucht  der  Arzt  ohne 
direkten  Auftrag  den  Aufnahmsbewerber  in  dessen  Wohnung,  so  ist 
er  nicht  berechtigt,  die  Besuchsgebühr  von  2  K  in  Anrechnung  zu 
bringen.  Eine  Besuchsgebühr  von  2  K  ist,  besonders  in  Grossstädten 
mit  ihren  weiten  Entfernungen,  eine  lächerlich  kleine,  wir  wollen 
hoffen,  dass  sich  die  Untersuchungsärzte  grössere  Zeitverluste  mit 


1.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


321 


'agengeldern  in  anderer  Weise  werden  honorieren  lassen.  Der 
7  sagt  zwar:  „Wenn  die  Wohnung  des  Versicherungsbewerbers 
cht  in  jenem  Orte  gelegen  ist,  in  welchem  der  Vertrauensarzt  an- 
ssig  ist,  wird  dem  Arzt  ausserdem  der  Betrag  der  effektiven  Fahrt- 
iesen  vergütet“;  das  passt  aber  nicht  auf  Wien,  wo  der  Vertrauens- 
zt  zuweilen,  selbst  bei  Benützung  eines  Wagens,  bis  zu  einer 
unde  brauchen  kann,  um  in  die  Wohnung  des  Aufnahmsbewerbers 

i  gelangen.  Das  muss  also  in  anderer  Weise  bezahlt  werden. 

Zum  Schlüsse  noch  ein  merkwürdiger  Prozess  und  ein  inter- 
santes  Urteil.  Die  Gemeinde  St.  Peter  in  Dalmatien  hatte  eines 
iges  beschlossen,  ihrem  Gemeindearzte,  der  für  die  Besorgung  des 
{entliehen  Sanitätsdienstes  und  für  die  Behandlung  der  erkrankten 
men  jährlich  1800  K  bezog,  weitere  1200  +  400,  zusammen  weitere 
■00  K  zu  bezahlen,  wenn  er  alle  Insassen  von  St.  Peter  und  Mirce 
ine  Honorarforderung  behandle.  Sie  gewährte  also  auch  den  Nicht- 
men  freie  ärztliche  Behandlung.  Ein  in  St.  Peter  ansässiger  zweiter 
:zt  fühlte  sich  dadurch  in  seinem  Einkommen  intensiv  geschädigt 
id  rekurrierte  gegen  diesen  Beschluss  beim  Landesausschuss  des 
iinigreichs  Dalmatien.  Dieser  gab  dem  Rekurse  keine  Folge,  und 
r  geschädigte  Arzt  ging  an  den  Verwaltungsgerichtshof,  aber  auch 
eser  wies  die  Beschwerde  als  unbegründet  ab.  Er  motivierte  sein 
rteil  damit,  dass  die  Gemeinde  hiezu  gesetzlich  das  Recht  habe; 
t  es  aber  gesetzlich  gestattet,  dann  ist  das  Honorar,  welches  dem 
rzte  für  die  Behandlung  von  nicht-armen  Gemeindeinsassen  gezahlt 

ii  d,  ein  Gemeindeaufwand,  zu  dessen  Bedeckung  die  Steuerträger 
:r  Gemeinde  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  sie  von  dieser  Einrichtung 
ich  Gebrauch  machen,  beitragspflichtig  sind.  Dieser  Beitragsleistung 
innen  sich  auch  jene  Gemeindemitglieder,  welche  den  hiefür  an- 
:stellten  Arzt  nicht  in  Anspruch  nehmen,  so  wenig  entziehen,  wie 
:r  Beitragsleistung  für  den  Betrieb  eines  Gemeindekrankenhauses, 
ich  wenn  sie  auf  eine  Verpflegung  in  demselben  nicht  reflektieren, 
'enn  der  klagende  Arzt  behauptet,  er  sei  durch  diese  Einrichtung  in 
•iner  freien  Praxis  intensiv  geschädigt,  so  sei  das  eine  Schädigung 
ines  persönlichen  Interesses;  dieses  Interesse  aber  reicht  nicht  hin, 
n  die  von  der  Gemeinde  getroffene  Einrichtung  als  eine  gesetz- 
idrige  Verletzung  der  Rechte  des  Beschwerdeführers  erscheinen 
i  lassen. 

Der  Paragraph  mag  den  Herren  vom  Verwaltungsgerichtshofe 
cht  geben;  unser  Gefühl  bäumt  sich  aber  gewaltig  gegen  dieses 
rteil,  durch  welches  einem  praktischen  Arzte  ohne  sein  Verschulden 
it  einem  Male  aller  Erwerb  unterbunden  wird.  Die  Hauptschuld 
ifft  natürlich  die  Herren  der  Gemeinde.  Die  möge  bei  etwaiger  Er- 
ankung  ihres  Gemeindearztes  zuschauen,  wo  sie  für  ihn  sofort  einen 
■itweiligen  Ersatz  finden  werden.  Alle  weiteren  Bedenken  gegen 
n  solches  Vorgehen  einer  Gemeinde  wollen  wir  unterdrücken. 


Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  Verstadtlichung  des  Berliner  Rettungswesens.  —  Städtisches 
'ohlfahrtsamt  für  Kinderfürsorge.  —  Aerztliche  Sonntagsruhe. 

Die  Verstadtlichung  des  Berliner  Rettungswesens,  welche  viele 
ihre  hindurch  die  ärztlichen  Gemüter  erregt  und  nicht  selten 
hitzt  hatte,  ist  nun  endlich  zur  Tatsache  geworden;  die  betreffende 
agistratsvorlage  wurde  in  der  letzten  Sitzung  der  Stadtverordneten- 
ersammlung  ohne  Ausschussberatung  und  fast  ohne  Debatte  ange- 
imrnen.  Desto  mehr  muss  vorher  in  den  Kommissionssitzungen 
ibattiert  worden  sein,  denn  die  Vorlage  trägt  in  ihrer  jetzigen  Form 
-'ii  deutlichen  Stempel  des  Kompromisses.  Das  trifft  besonders  für 
e  Kardinalfrage  der  ganzen  Angelegenheit  zu:  Wenige  festange- 
ellte  Aerzte  oder  Beteiligung  aller  dazu  bereiten  Aerzte  am 
ettungsdienst?  Es  ist  an  dieser  Stelle  schon  wiederholt  gesagt 
orden,  dass  und  warum  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Kollegen 
is  letztere  Prinzip  für  das  einzig  zweckentsprechende  hält,  eine 
eine,  einflussreiche  Gruppe  aber  sich  für  das  erstere  einsetzte. 
J  ist  denn  beschlossen  worden,  dass  auf  jeder  Rettungsstelle  grund- 
itzlich  7  Aerzte  Dienst  tun  sollen,  es  ist  aber  je  nach  Bedürfnis  und 
ngebot  zulässig,  bis  auf  5  herunter  und  bis  auf  10  hinaufzugehen, 
a  bei  der  Besetzung  der  Stellen  die  jetzt  diensttuenden  Aerzte  in 
ster  Reihe  berücksichtigt  werden  sollen,  so  ist  anzunehmen,  dass 
e  Mehrzahl  der  an  der  Sache  interessierten  Kollegen  auch  künftig 
eschäftigt  werden.  Weniger  befriedigend  sind  andere  Bestim¬ 
mungen,  die  auch  in  der  Generalversammlung  des  „Aerztevereins 
-'S  Berliner  Rettungswesens“  starken  Widerspruch  fanden.  So  wird 
^wünscht,  dass  nur  Aerzte,  die  im  Weichbilde  der  Stadt  Berlin 
iicht  Gross-Berlin)  und  möglichst  sogar  im  Bezirk  der  Rettungs¬ 
elle  wohnen,  und  nur  solche,  die  allgemeine  Praxis  treiben,  zuge¬ 
ssen  werden.  Dabei  würden  also  die  besonders  geeigneten  Chirur- 
:n  ausgeschlossen  sein.  Wer  die  Berliner  ärztlichen  Verhältnisse 
2nnt,  weiss,  dass  in  manchen  Bezirken,  besonders  der  inneren  Stadt, 
imöglich  eine  genügende  Zahl  allgemeiner  Praktiker  gefunden  wer- 
-U  kann,  um  mit  ihnen  einen  regulären  Dienst  aufrecht  zu  erhalten, 
Jmal  da  ausserdem  verlangt  wird,  dass  jeder  Arzt  sich  zu  minde- 
ens  3  aufeinanderfolgenden  Dienststunden  und  zu  mindestens 
?  Tages-  und  30  Nachtdienststunden  für  den  Kalendermonat  ver¬ 
nichtet.  Die  Schwierigkeit,  dieses  Programm  durchzuführen,  muss 
T.on  bei  den  Vorberatungen  zum  Ausdruck  gekommen  sein,  denn 
ach  der  Art  der  Formulierung  handelt  es  sich  nicht  so  sehr  um 


Vorschriften  als  um  Wünsche.  Es  ist  daher  anzunehmen,  dass  diese 
Wünsche  da  unerfüllt  bleiben  werden,  wo  sie  mit  den  Erfordernissen 
des  Dienstes  unvereinbar  sind.  Die  Praxis  pflegt  sich  ja  mit  papie¬ 
renen  Vorschriften  unschwer  abzufinden;  wie  das  im  gegebenen  Fall 
geschehen  wird,  können  wir  der  Zukunft  überlassen;  und  unbeschadet 
aller  künftigen  Reformwünsche  müssen  wir  es  vom  allgemeinen  wie 
vom  ärztlichen  Standpunkte  mit  Befriedigung  hinnehmen,  dass  das 
Rettungswesen  den  Händen  privater  Organisationen  entzogen,  damit 
aus  dem  Streit  der  Parteien  herausgehoben  und,  einheitlich  geregelt, 
in  die  Gruppe  der  städtischen  Einrichtungen  eingereiht  ist. 

Es  scheint,  dass  mit  dem  Wechsel  in  dem  Oberbürgermeister¬ 
posten  zugleich  ein  lebhafterer  und  frischerer  Zug  in  die  Wohlfahrts¬ 
bestrebungen  der  städtischen  Verwaltung  gekommen  ist.  Ueber  die 
Einrichtung  eines  Wohnungsamtes  hatten  wir  schon  berichtet.  Ein 
weiterer  Antrag  geht  dahin,  den  Magistrat  zu  ersuchen,  ein  städti¬ 
sches  Wohlfahrtsamt  für  Kinderfürsorge  zu  errichten.  Dieses  Amt 
soll  zugleich  als  Vermittlungsstelle  für  sämtliche  städtischen  und 
staatlichen  (man  kann  wohl  hinzufügen,  auch  privaten)  Kinderfür¬ 
sorgebestrebungen  dienen.  Seitdem  wir  in  das  Jahrhundert  des  Kin¬ 
des  eingetreten  sind,  hat  fast  jedes  Jahr  neue  Einrichtungen  für  Kin¬ 
derschutz  und  Kinderwohlfahrt  gebracht.  Staat  und  Gemeinde,  grosse 
und  kleine  Vereine  haben  sich  in  den  Dienst  der  Sache  gestellt,  aber 
meist  ohne  Fühlung  miteinander  zu  nehmen,  und  so  konnte  es  nicht 
ausbleiben,  dass  an  einer  Stelle  zu  viel,  an  anderer  zu  wenig  ge¬ 
tan  wurde,  dass  Geld  und  Kraft  hier  vergeudet  wurde  und  dort  fehlte. 
Es  fehlte  an  einer  planmässigen  Uebersicht  und  an  einer  Zentralstelle, 
die  den  Einzelbestrebungen  und  den  Einzelleistungen  die  zweckdien¬ 
liche  Richtung  anweist.  Diesem  Mangel  soll  das  Wohlfahrtsamt  für 
Kinderfürsorge  abhelfen,  und  es  wäre  wünschenswert,  wenn  die 
städtischen  Körperschaften  sehr  bald  der  gegebenen  Anregung 
folgten. 

Die  ärztliche  Sonntagsruhe  in  Gross-Berlin,  zu  der  vor  einigen 
Monaten  die  vorbereitenden  Schritte  getan  waren,  hat  jetzt  feste 
Formen  angenommen,  die  in  der  Gründung  eines  „Gross-Berliner 
Aerztevereins  für  die  Sonntagsvertretung“  zum  Ausdruck  gekommen 
sind.  Die  Organisation  ist  so  gedacht,  dass  Berlin  nach  Stadtteilen 
geordnet  in  grosse  Bezirke  eingeteilt  wird,  an  deren  Spitze  je  ein 
Vertrauensmann  steht,  und  jeder  Bezirk  wird  wieder  in  kleinere 
Bezirke  geteilt,  so  dass  deren  im  ganzen  30 — 36  entstehen,  die  je 
einem  Obmann  unterstellt  sind.  Vertrauensmänner  und  Obmänner 
haben  ehrenamtlich  die  lokalen  ärztlichen  Bedürfnisse  zu  regeln.  Da¬ 
mit  aber  Mängel,  die  sich  vielleicht  in  der  praktischen  Durchführung 
ergeben,  nicht  sogleich  die  Gesamtheit  belasten,  soll  die  Einrichtung 
nicht  auf  einmal  über  ganz  Berlin  ausgedehnt,  sondern  zunächst  in 
einem  seiner  Lage  nach  gut  umgrenzten  Bezirk  eingeführt  werden. 
Hier  sind  die  Vorbereitungen  so  weit  vollendet,  dass  der  Vertretungs¬ 
dienst  bereits  am  1.  März  beginnen  kann.  Die  Sonntagsdienstzeit 
für  den  vertretenden  Arzt  soll  von  mittags  um  12  Uhr  bis  nachts  um 
12  Uhr  festgelegt  werden;  in  keinem  Fall  darf  der  Dienstarzt  die  ihm 
zugewiesenen  Patienten  über  den  Sonntag  hinaus  behandeln.  Die 
Zahl  der  Aerzte,  die  sich  an  dem  Vertretungsdienst  beteiligen  wollen 
ist  gross  genug,  um  die  Durchführung  des  Planes  für  Gross-Berlin  zu 
gewährleisten.  M.  K. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

I.  Kongress  der  Internationalen  Vereinigung  für  Pädiatrie 

in  Paris  vom  6.  bis  10.  Oktober  1912. 

Berichterstatter:  Prof.  Hecker-  München. 

Die  Sitzungen  fanden  statt  in  der  Ecole  de  Medecine,  im  Höpital 
des  Enfants  malades  und  im  Höpital  Herold.  Am  1.  Tag  ging  eine 
Sitzung  des  Internationalen  Komitees  und  ein  Empfang  beim  Prä¬ 
sidenten  des  Kongresses,  Prof.  H  u  t  i  n  e  1,  voraus. 

In  der  ersten  Sitzung  am  7.  Oktober  behandelte  H  u  t  i  n  e  1  die 
Geschichte  der  Internationalen  Gesellschaft  für 
Pädiatrie  und  betonte  die  Notwendigkeit  eines  derartigen  Zu¬ 
sammenschlusses  der  Fachgenossen.  Für  den  erkrankten  Prof. 
Troitzky  -  Charkow  verlas  der  Generalsekretär  Barbier-  Paris 
Auszüge  aus  dem  angekündigten  Vortrage :  Historische  Studie 
über  die  Arbeiten  der  französischen  Pädiatrie 
während  der  letzten  4  Jahrhunderte. 

Als  Referatthemata  waren  aufgestellt:  Die  Anämien  im  Kindes¬ 
alter  und  die  Poliomyelitis. 

I.  Die  Anämien  im  Kindesalter. 

1.  Referat:  Leon  T  i  x  i  e  r  -  Paris :  Die  Anämie  des  Säuglings. 

T.  behandelt  hauptsächlich  das  Blutbild  und  erwähnt  das  häufige 
Vorkommen  der  myeloiden  Formen,  die  rasche  Abnahme  der  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  und  die  grosse  Rolle,  die  der  Blutzerfall,  die 
Hämolyse,  dabei  spielt.  Die  anatomisch  vielfach  beobachtete  Ver¬ 
mehrung  des  Knochenmarks  lässt  auf  vorwiegend  medulläre  Blut¬ 
bildung  schliessen,  doch  finden  sich  auch  deutliche  Zeichen  von  ex¬ 
tramedullärer  Blutbildung.  Perniziöse  Formen  sind  nicht  selten  und 
entstehen  dann  sehr  rasch.  Therapeutisch  interessiert  das  „hämato- 
poetische  Serum  Carnots“,  d.  h.  Serum  eines  frisch  entbluteten 
Tieres,  das  angeblich  wirksam  sein  soll. 


3  22 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  6. 


2.  Referat:  R.  J  e  ni  m  a  -  Palermo :  Die  Leishmania-Anämie. 

Die  Leishmania  oder  Infantile  infektiöse  Pseudoleukämie  oder 
Anaemia  splenica  infantilis  infectiosa  ist  eine  Infektionskrankheit  und 
befällt  vorwiegend  Kinder  im  1.  Lebensjahre.  Sie  kommt  vor  an  den 
Küsten  des  Mittelmeeres  und  wurde  im  Jahre  1905  durch  P  i  a  n  e  s  e 
auf  die  Wirkung  eines  der  Kala-azar  ähnlichen  Parasiten  zurück¬ 
geführt.  Die  Aehnlichkeit  ist  so  gross,  dass  J  e  in  m  a  die  beiden 
Parasiten  fiir  identisch  hält.  Die  Krankheit  wird,  ebenso  wie  die 
Leishmania  des  Hundes,  durch  Flöhe  übertragen.  Anatomisch  findet 
sich  Hypertrophie  von  Milz,  Leber  und  Lymphdrüsen.  Im  Blut  ein 
variables  Bild,  meist  Anämie  mit  Leukopenie. 

Klinisch  unterscheidet  J.  drei  Formen,  eine  akute,  subakute  und 
chronische.  Nach  einer  unbekannten,  wahrscheinlich  langdauernden 
Inkubationszeit  folgt  eine  Initialperiode  von  einigen  Tagen  mit  Fieber 
und  Magendarmerscheinungen.  Daran  schliesst  sich  die  eigentliche 
anämische  Periode  mit  ausgesprochener  Anämie,  mit  Blutungen, 
Oedemen,  Milztumor  etc.  Die  dritte,  kachektische  Periode  beschliesst 
die  Erkrankung  und  hält  an  bis  zum  Tod.  Die  Prognose  ist  ungünstig, 
doch  kommen  jetzt  Fälle  durch,  die  mit  Arsacetin  und  Eisenkakodylat 
behandelt  werden. 

Die  Diskussion,  an  der  sich  Valagussa  -  Rom,  Cres- 
p  i  n  -  Algier,  J  e  m  m  a  beteiligten,  dreht  sich  hauptsächlich  um  die 
Differentialdiagnose  zwischen  Leishmania  und  chronischer  Malaria, 
die  nach  J  e  m  m  a  nur  durch  Milzpunktion  möglich  ist. 

3.  Referat.:  A.  C  z  e  r  n  y  -  Strassburg:  Die  Anämie  alimentären 
Ursprungs. 

Von  der  eigentlichen  Anämie  ist  vor  allem  abzutrennen  die 
vasomotorische  Blässe,  die  so  häufig  bei  Darmstörungen 
aller  Art,  auch  bei  Infektionskrankheiten  vorkommt.  Echte  Anämie 
findet  sich  fast  ausschliesslich  nur  in  den  ersten  Kinderjahren.  Zieht 
man  die  infektiösen  Anämien  ab,  dann  bleibt  eine  Anzahl  von  Anämien, 
deren  Ursprung  in  der  Ernährung  zu  suchen  ist;  nicht  in. ungenügender 
Ernährung,  sondern  in  einer  nach  besonderer  Richtung  hin  insuffi¬ 
zienten  Nahrung,  und  zwar  ist  es  die  Einförmigkeit  der  Ernährung 
und  vor  allem  ein  ausschliessliches  und  zu  lange  fort¬ 
gesetztes  MilchregHme.  Bei  den  grossen  Schwankungen 
im  physiologischen  Blutbild  des  Säuglings  darf  von  Anämie  nur  in 
ausgesprochenen  Fällen  geredet  werden,  wenn  Blutfarbstoff  und  rote 
Blutkörperchen  vermindert  sind.  Leukozytose  findet  sich  nicht. 

Bei  Kombination  der  Anämie  mit  Milztumor  tritt  der  letztere 
meist  lange  vor  der  Anämie  auf.  Solche  Fälle  sind  aufzufassen  als 
Kombination  von  Anämie  mit  exsudativer  Diathese,  von  welcher  die 
Kinder  auch  andere  Symptome  aufweisen  (welche?).  Häufig  ist  auch 
die  Kombination  mit  Rachitis.  Dabei  ist  die  Anämie  nicht  etwa  ein 
Symptom  der  Rachitis,  sondern  eine  eigene  Krankheit,  die  ohne  Paral¬ 
lelismus  neben  der  Anämie  verläuft:  die  eine  Erkrankung  kann  geheilt 
werden,  die  andere  fortbestehen.  Ebenso  ist  es  mit  der  Kombination 
von  Anämie  und  Neuropathie.  In  solchen  Fällen  kann  die  Anämie 
zwar  schwinden,  die  Blässe  aber,  sofern  sie  neuropathisch-vaso- 
motorischen  Ursprungs  ist,  weiter  bestehen. 

Die  Anämie  verbindet  sich  gewöhnlich  mit  Perioden  stärkeren 
Fettansatzes,  welcher  auf  dieselbe  Ursache  wie  die  Anämie,  nämlich 
auf  die  Milchmast  zurückzuführen  ist.  Bei  diesem  Milchregime  iührt 
der  Mangel  an  Kohlehydraten  auch  zu  deutlicher  Weichheit  und 
mangelhafter  Entwicklung  der  Muskeln.  Ein  Einfluss  auf  das  Körper¬ 
wachstum  dagegen  ist  nicht  nachzuweisen. 

Bei  der  Therapie  bleibt  die  Zufuhr  von  Eisen  allein  ohne 
Erfolg,  wenn  nicht  gleichzeitig  eine  alimentäre  Beeinflussung  statthat. 
Auch  die  Zufuhr  Fe-reicher  Stoffe  (Eier,  Spinat,  Früchte)  hat  keine 
Wirkung.  Ausschliesslich  die  Reduktion  der  Milch  bezw.  in 
schwereren  Fällen  das  gänzliche  Ausschalten  derselben  bringt  Nutzen. 

A  e  t  i  o  1  o  g  i  e :  Die  Anämie  —  in  der  Hauptsache  ein  Fe-Mangel 
—  entsteht  wohl  weniger  durch  mangelhafte  Fe-Zufuhr  als  durch  eine 
Verminderung  der  dem  Säugling  innewohnenden  Eisenbestände  und 
Reserven.  Es  ist  unwahrscheinlich,  wenn  auch  ausnahmsweise  zu¬ 
zugeben,  dass  eine  ungenügende  (Fe-arme)  Ernährung  der  Schwan¬ 
geren  Einfluss  auf  den  Fe-Bestand  des  Kindes  hat;  ebensowenig  ist 
bisher  ein  gültiger  Beweis  für  den  Zusammenhang  des  Fe-Qehaltes 
der  Muttermilch  mit  der  Anämie  des  Kindes  geliefert  worden.  Es 
ist  unwahrscheinlich,  dass  die  Milch  zu  wenig  Stoffe  enthält,  die  not¬ 
wendig  sind  zur  Bildung  des  Hämoglobins,  sondern  durch  die  aus¬ 
schliessliche  Milchernährung  findet  infolge  der  Bildung  von  Kalkseifen 
im  Darm  eine  dauernde  Alkalientziehung  statt  und  dieser  Alkalimangel 
schädigt  dann  die  Hämatopoese.  Die  Anämie  bessert  sich  erst,  wenn 
der  Organismus  über  die  nötige  Alkalimenge  disponiert,  um  seinen 
saueren  Produkten  zu  begegnen. 

Die  rege  Diskussion,  an  der  sich  Barbier-  Paris.  Halle- 
Pai  is,  Rist-  Paris,  Feer-  Zürich,  Brudinsky  -  Warschau, 
d’E  s  p  i  ii  e  -  Genf  und  im  Schlusswort  T  i  x  i  e  r  und  Czerny  be¬ 
teiligen,  ergibt  teils  Zustimmung  teils  Widerspruch,  besonders  über 
den  Nutzen  der  Eisenbehandlung  und  über  die  ausschliessliche  Rolle 
der  Ernährung  als  Ursache  der  Anämie  (Fälle  ohne  alimentäre  Aetio- 
logie,  viel  unerkannte  infektiöse  Anämien,  Erfolge  durch  Eisen  usw.). 

An  diese  Referate  schlossen  sich  kürzere  Vorträge  an.  Es 
sprachen  Nobecourt  -  Paris  über  Hämatologie  und  Knochenver¬ 
änderung  bei  B  a  r  1  o  w  scher  Krankheit.  Die  Krankheit  führt  zu  ver¬ 
schiedenen  Formen  von  Anämie,  leichterer  und  schwererer  Art,  auch 
zu  eigentlicher  Chlorose.  Die  myeloide  Reaktion  des  Blutes,  d.  h.  der 
Uebergang  von  Myelozyten  und  kernhaltigen  Blutkörperchen  in  die 


peripheren  Gefässe  ist  häufig.  Die  ausgedehnten  Veränderungen  an 
den  Knochen  (Resorption  der  Knochenbälkchen,  Behinderung  der 
Knochenbildung,  Sklerose  des  Knochenmarks  machen  die  schwere 
Blut  Veränderung  verständlich.) 

Armand-Deliile  -  Paris :  Anaemia  splenomegalica  durch 
Fragilität  der  Blutkörperchen  beim  Kind. 

Seltene  Erkrankung.  Charakterisiert  durch  beträchtliche,  an¬ 
scheinend  kongenitale  Anämie,  Milztumor,  starke  Verminderung  des 
Hämoglobingehaltes  und  der  Zahl  der  roten  Blutkörperchen,  Poikilo¬ 
zytose,  Anisozytose  und  Auftreten  von  granulierten  Zellen. 

Derselbe:  Eisenbehandlung  der  Anaemia  posthaemorrhagica. 

Empfehlung  der  Eisenbehandlung  bei  Anämie  infolge  von  gastro¬ 
intestinaler  Hämorrhagie  beim  Neugeborenen. 

Derselbe:  Städtische  Faktoren  in  der  Aetiologie  der  chloro- 
tischen  Anämie  beim  Säugling  und  ihre  Prophylaxe. 

Die  chronische  Kohlensäurevergiftung  durch  Heizapparate  und! 
Leuchtgas  soll  bei  der  Mutter  und  von  dieser  aus  sekundär  auch  beim 
Kind  Anämie  erzeugen,  die  durch  Eisenbehandlung  der  Mutter 
während  der  Schwangerschaft  verhindert  werden  kann. 

Ribadeau-Dumas  -  Paris :  Infektiöse  akute  Anämien  beim 
Kinde. 

Am  nächsten  Morgen  Besichtigung  des  Höpital  Herold  unter  Füh¬ 
rung  der  beiden  Chefärzte  Prof.  Le  Sage  und  Dr.  Barbier.  Letz- j 
terer  demonstrierte  Ernährungskurven  von  Kindern,  die  bei  gemisch¬ 
ter  Kost  besser  gediehen  als  bei  ausschliesslicher  Milchnahrung,  und 
eine  Sammlung  von  anatomischen  Präparaten  aus  dem  Gebiet  der 
Säuglingstuberkulose. 

Le  Sage  gab  einen  Ueberblick  über  sein  Isolierungssystem  bei 
Infektionskrankheiten.  Ein  grosser  Saal  ist  durch  einen  Mittelgang 
geteilt;  zu  beiden  Seiten  sind  die  Boxen,  kleine  Zimmer,  deren) 
4  Wände  2  m  hoch  sind,  in  der  unteren  Hälfte  aus  Holz  in  der  oberen 
aus  Glas  bestehen;  die  Türe  führt  in  den  Mittelgang.  Nach  oben  konv 
munizieren  sie  frei  mit  dem  Hauptsaal.  Die  Fenster  sind  geschlossen: 
und  enthalten  nur  in  ihrem  obersten  Teil  eine  kleine  Oeffnung.  Die | 
Saaltiire  bleibt  offen.  So  herrscht  eigentlich  Windstille  in  dem  Zim¬ 
mer.  Jede  Boxe  beherbergt  ein  Kind.  Die  Kinder  kommen  wahllos 
in  die  Boxe,  wie  es  die  Aufnahme  mit  sich  bringt,  einerlei,  ob  das; 
Kind  mit  Masern,  Scharlach,  Windpocken  oder  Diphtherie  behaftet,: 
oder  ob  es  gar  nicht  ansteckend  erkrankt  ist.  Die  Fälle  von  Heber-! 
tragung  sind  nach  der  Mitteilung  von  Le  Sage  äusserst  selten | 
und  betragen  für  jede  einzelne  Erkrankung  nicht  mehr  als  1 — 2  Proz.,' 
berechnet  auf  die  Zahlen  der  betreffenden  Einzelerkrankungen. 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  hielt  Le  Sage-  Paris  seinen! 
Vortrag:  Ueber  die  Wichtigkeit  der  Ventilation  für  die  individuelle 
Isolierung.  Nach  einem  historischen  Ueberblick  über  die  Methoden 
der  Isolation  kommt  Le  Sage  zu  dem  Schluss,  dass  sein  System  das 
beste  sei  und  schreibt  der  individuellen  Ventilation  bezüglich  der 
Fernübertragung  von  Infekten  grosse  Bedeutung  zu.  Die  Ventilation) 
ist  verschieden  nach  der  Art  der  Erkrankung.  So  wird  das  Varizellen¬ 
gift  durch  leichtesten  Luftzug  übertragen,  während  andere  Affektionen’ 
einen  stärkeren  Zug  bedürfen,  wie  Masern,  Scharlach  etc.  Die  Venti¬ 
lation  ist  für  jeden  Pavillon  speziell  zu  studieren  (mit  Zigaretten-, 
rauch),  was  oft  lange  Zeit  erfordert.  Sie  erfolgt  durch  die  perforier¬ 
ten  Fenster  und  die  offene  Saaltüre. 

Am  Nachmittag  begann  die  Behandlung  des  zweiten  Hauptrefe-J 
rates:  Poliomyelitis. 

1.  Eduard  M  ü  1 1  e  r  -  Marburg:  Die  Epidemiologie  der  sogen, 
spinalen  Kinderlähmung. 

Von  den  16  Thesen  sind  folgende  die  wichtigsten:  Die  üblichen 
Eingangspforten  des  Virus  sind  wohl  obere  Luftwege  und  Darmirak- 
tus;  sie  sind  gleichzeitig  auch  die  Ausscheidungsstellen  des  Erregers. 
Da  das  Virus  im  Sputum  (Speichel  inbegriffen)  und  im  Stuhl  der  in¬ 
fizierten  Menschen  enthalten  ist,  müssen  diese  Ausscheidungen  die 
wesentlichsten  Infektionsquellen  sein  Der  indirekten  Uebertragung’ 
durch  Trinkwasser  und  Nahrungsmittel,  vor  allem  durch  Milch,  kommt 
kaum  eine  allgemeinere  Bedeutung  zu,  dagegen  ist  die  Möglichkeit 
einer  solchen  durch  Staub,  erdigen  Schmutz,  Kleidungsstücke,  Schuhe, 
durchaus  gegeben.  Sie  mahnt  uns  zu  sorgfältiger  Wohnungsdesinfek¬ 
tion  nach  Poliomyelitiserkrankungen. 

Zwischen  epidemischer  Poliomyelitis  und  Lyssa  bestehen  zahl¬ 
reiche  Analogien,  so  die  Uebertragung  durch  Tiere.  Nicht  selten  zeigt 
sich  ein  gehäuftes  Sterben  von  Haustieren  unter  spinalen  Lähmungs- 
erscheinungen  während  Poliomyelitisepidemien.  Als  Ueberträger 
kommen  von  den  kleineren  Tieren  nur  die  Fliegen,  nicht  aber  Flöhe 
und  Wanzen  in  Betracht,  und  jene  auch  nur  gelegentlich. 

Die  Häufigkeit  einer  Einschleppung  und  Weiterverbreitung  des 
Leidens  durch  scheinbar  gesunde  und  erwachsene  Zwischenpersoner 
kann  nicht  mehr  bezweifelt  werden.  Besonderes  Interesse  bean¬ 
spruchen  die  abortiven  Fälle  ohne  klinische  Rückenmarksbeteiligung.1 
da  sie  häufiger  sind  als  die  Lähmungsfälle.  Die  auffällige  Bevor¬ 
zugung  dünnbevölkerter  wenig  verkehrsreicher  Bezirke  durch  Epi¬ 
demien  spricht  gegen  das  Vorherrschen  der  Kontagiosität.  Neben  der 
Kontagion  ist  noch  ein  unbekanntes  örtliches  „Etwas“,  eine  persön¬ 
liche  Prädisposition  erforderlich.  Die  spinale  Kinderlähmung  hinter¬ 
lässt  Immunität.  Vortr.  plädiert  für  eine  ständige  und  allgemeine 
gesetzliche  Anzeigepflicht  der  Kinderlähmung  in  allen,  auch  durch 
sporadische  Fälle  bedrohten  Staaten,  sowie  eine  bessere  Schulung  der 
Aerzte  in  der  Erkennung  des  Leidens. 


1.  Februar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


323 


2.  Eduard  M  ü  1 1  e  r  -  Marburg :  Die  Symptomatologie  des  Früli- 
tadiums  der  epidemischen  Kinderlähmung. 

Das  akut  einsetzende  Frühstadium  lässt  sich  in  2  Phasen  teilen: 
i  die  präparalytischen  fieberhaften  Vorläufererscheinungen  und  in 
ic  Periode  der  Lähmungsentwicklung.  Die  präparalytische  Beteili- 
ung  der  Respirationsorgane  äussert  sich  bald  in  hartnäckigem 
chnupfen,  bald  in  Angina,  Bronchitis  oder  Pneumonie,  während  unter 
en  Erscheinungen  des  Digestionsapparates  ruhrartige  Symptome  im 
ordergrund  stehen;  zuweilen  auch  hartnäckige  initiale  Verstopfung, 
alls  das  Bild  der  Meningitis  vorliegt,  sieht  man  Nacken-  und  Wirbel- 
teifigkeit,  Schläfrigkeit  am  Tage,  Unruhe  bei  der  Nacht,  Kopfweh  etc. 

Im  Rahmen  des  vielgestaltigen  Symptomenbildes  kehren  folgende 
iardinalerscheinungen  immer  wieder :  auffallende  Hyper- 
sthesie  der  Haut,  einhergehend  mit  grosser  Schmerzhaftigkeit  bei 
iewegungen,  namentlich  in  der  Wirbelsäule,  wobei  besonders  typisch 
;t  die  umschriebene  Hyperästhesie;  weiterhin  die  Neigung  zuni 
chwitzen  und  schliesslich  das  Ergebnis  der  Lumbalpunktion  und  das 
erhalten  des  Blutbildes.  Die  Lumbalpunktion  ergibt  Drucksteigerung 
nd  Mengenzunahme  bei  Klarheit  und  Sterilität  der  Flüssigkeit.  Im 
llutbild  ist  wichtig  das  Fehlen  einer  Leukozytose  oder  eine  posi- 
:ve  Leukopenie. 

Weitere  Frühsymptome  sind:  das  Verschwinden  von  Reflexen 
nd  lokalisierte  Muskelhypotonien,  sowie  motorische  Insuffizienzen. 
>ie  Serodiagnose  ist  im  Frühstadium  nicht  brauchbar.  Nicht  selten 
ind  Störungen  der  Sensibilität  und  der  Blasenmastdarmfunktion. 

Wird  das  Frühstadium  glücklich  überstanden,  dann  können  selbst 
erzweifelte  Fälle  mit  völligen  doppelseitigen  Lähmungen  und  Bulbär- 
eteiligung  restlos  abheilen. 

3.  Julius  Z  a  p  p  e  r  t  -  Wien :  Pathologische  Anatomie  und  experi- 
lentelle  Pathologie  der  Poliomyelitis.  (Das  Referat  wurde  nur  ein¬ 
ereicht,  da  Referent  nicht  erschienen  war.) 

Bezüglich  der  Eintrittspforten  und  Ausscheidungsstellen  kommt 
'.  zum  selben  Ergebnis  wie  Müller.  Das  Vorhandensein  eines 
Antitoxins  im  Blute  von  infiziert  gewesenen  Individuen  lässt  sich 
ehr  gut  diagnostisch  zur  Erkennung  zweifelhafter  Fälle  verwerten, 
ler  erste  Angriffspunkt  des  Giftes  sind  die  Nervenzellen,  in  denen  es 
ur  ausgesprochenen  Degeneration  und  Zerstörung  kommt. 

Anschliessend  an  diese  Referate  wurden  noch  eine  Reihe  klei- 
erer  Vorträge  über  Poliomyelitis  gehalten: 

B  okay -Pest:  Die  Epidemie  von  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  scher 
(rankheit  im  Jahre  1911. 

Die  Krankheit  breitete  sich  längs  der  grossen  Verkehrsstrassen 
us.  Von  seiten  der  Regierung  ist  seit  1912  die  obligatorische  An¬ 
meldung  der  Poliomyelitisfälle  angeordnet  worden. 

Axel  Johannessen  -  Christiania :  Akute  Poliomyelitis  in  Nor- 
vegen. 

Auch  hier  Ausbreitung  längs  der  Verkehrswege.  Die  Ueber- 
ragung  erfolgt  wahrscheinlich  durch  Insekten,  besonders  Flöhe.  Die 
Regierung  hat  zur  Bekämpfung  der  Seuche  eine  Reihe  von  Mass- 
iahmen  getroffen  u.  a. :  Isolierung  der  Kranken  in  der  akuten  Periode 
>is  zu  3  Wochen;  besondere  Vorsicht  beziigl.  der  Nasenschleimhäute 
md  des  Sputums  sowie  der  anderen  Entleerungen,  eingehende  Des- 
nfektion,  obligatorische  Anzeige.  Vom  Parlament  sind  besondere 
Mittel  für  das  Studium  der  Erkrankung  bewilligt. 

G  o  r  t  e  r  -  Leyden:  Beobachtungen  über  die  Epidemiologie  der 
leine  - Medin  sehen  Krankheit. 

Keine  Uebertragung  durch  gesunde  oder  kranke  Bazillenträger. 

Mathilde  de  B  i  e  h  1  e  r  -  Warschau:  Beobachtungen  bei  der 
5oliomyelitisepidemie  in  Polen  im  Jahre  1911. 

Gute  Erfolge  mit  Elektrargol.  Die  Notwendigkeit  polizeilicher  An- 
neldung,  obligatorischer  Desinfektion  und  Schulüberwachung  wird 
'etont. 

Wernstedt  -  Stockholm :  Die  zweite  grosse  schwedische 

5oliomyelitisepidemie. 

ln  den  Jahren  1911  und  1912  wurden  mehr  als  6000  Fälle  gemeldet. 
■  on  einem  der  grössten  Epidemieherde  aus  hat  sich  die  Krankheit 
veiter  verbreitet  und  zwar  so,  dass  die  Ausbreitung  in  jedem  Monat 
ich  als  konzentrische  Zone  um  den  früheren  Epidemiebezirk  herum 
agerte.  Von  den  neuen  Herden  des  Jahres  1911  lagen  die  meisten 
n  unmittelbarer  Nähe  früherer  Herde  aus  dem  Jahre  1905,  wobei 
nanche  als  direkte  örtliche  Fortsetzung  der  ersten  Herde  aufgefasst 
'■erden  müssen.  Besprechung  der  klinischen  Symptome  und  der  von 
V.  ausgeführten  experimentellen  Untersuchungen:  Nachweis  der  Er- 
eger  in  den  Sekreten  von  Nase,  Mund,  Rachen,  Luftröhre  und  Darm, 
md  zwar  nicht  nur  bei  Kranken,  sondern  auch  bei  Gesunden  und  bei 
ibortivfällen.  Die  Tenazität  der  Erreger  in  den  Sekreten  beträgt 
v’onat°. 

.P  ettersonn-  Stockholm :  Zur  Epidemiologie  der  Poliomyelitis, 
»ekämpfung  der  Fliegentheorie. 

Ne  1 1  e r  -  Paris:  Die  Poliomyelitis  in  Frankreich. 

Forderung  der  Anmeldepflicht  und  Isolierung  während  eines  Mo- 
'ates.  Gute  Erfolge  mit  Urotropin,  6 — 8  mal  2  g  täglich. 

George  Schreiber  -  Paris :  Die  Reflexe  bei  Poliomyelitis. 

'  Nicht  immer  fehlen  die  Reflexe.  Man  kann  zuweilen  das  Gegen- 
eil  konstatieren,  nämlich:  Steigerung  beider  Patellarreflexe;  Ver- 
chwinden  des  Patellarreflexes  gleichzeitig  mit  Steigerung  des 
tchillessehnenreflexes ;  Verlöschen  der  Reflexe  der  oberen  Extremi- 
aten  mit  Steigerung  der  Reflexe  der  unteren  Extremitäten;  Steigerung 
Kr  Reflexe  im  Stadium  der  Rückbildung  etc. 


Der  vierte  Tag  brachte  das  Korreferat  von  Gmbredanne- 
Paris:  Traitement  chirurgica!  des  suites  des  Poliomyelitis. 

Vortragender  bespricht  zuerst  die  verschiedenen  in  Betracht 
kommenden  Operationsmethoden,  Tenotomien,  Sehnenverkürzungen, 
Sehnenüberpflanzungen,  Nervenpfropfungen,  Arthrodesen,  um  dann  auf 
die  Behandlung  der  nach  Lähmungen  entstehenden  Knochendeformi¬ 
täten  überzugehen.  Weiterhin  werden  die  speziellen  Behandlungs¬ 
methoden  öfter  wiederkehrender  Lähmungstypen  behandelt  und  zum 
Schluss  die  Therapie  der  Wachstumsverkürzung  der  Gliedmassen 
besprochen,  die  auch  ohne  gleichzeitige  Muskellähmungen  durch  physi¬ 
kalische  und  funktionelle  Störungen  an  den  Gelenkknorpeln  hervor¬ 
gerufen  werden:  Kontinuitätsresektion  des  gesunden  Gliedes,  Kauteri¬ 
sation  oder  andere  Reizung  der  Gelenkknorpeln,  Sohlenerhöhung, 
schiefe  Osteotomie  der  Tibia. 

Die  weiterhin  noch  gehaltenen  Vorträge  waren  folgende: 

Albert  D  e  1  c  o  u  r  t  -  Brüssel :  Kontagiosität  der  Rhachitis  beim 
Tiere. 

Eine  solche  sei  beim  Schwein  erwiesen. 

Jan  R  a  c  z  y  n  s  k  i  -  Lemberg:  Ueber  den  Einfluss  der  Sonnen¬ 
strahlen  auf  die  Knochenentwicklung  bei  Rhachitis. 

Finster  gehaltene  Tiere  zeigten  entschieden  weniger  Kalk,  Phos¬ 
phor  und  mehr  Chlor. 

T  h  i  e  m  i  c  h  -  Magdeburg:  Technik  der  Ernährung. 

Vortragender  bekämpft  das  Aufwecken  der  Kinder  aus  dem  Schlaf 
zur  Nahrungsaufnahme  und  das  schematische  Trinkenlassen  an  e  i  n  e  r 
Brust. 

Jan  R  a  c  z  y  n  s  k  i  -  Lemberg:  Das  Schicksal  der  nichtpatho¬ 
genen  Mikroben  im  Magen-Darm-Kanal  des  Säuglings. 

Versuche  mit  Prodigiosuskultur,  die  bei  Brustkindern  im  Stuhl 
nicht  nachgewiesen  werden  konnte,  dagegen  häufig  bei  Flaschen¬ 
kindern. 

Ernö  D  e  u  t  s  c  h  -  Pest :  Kinderheilkunde,  Hygiene  und  Kinder- 
schutz. 

Vortragender  plädiert  für  sozial-hygienische  Ausbildung  der 
Mediziner. 

Hans  V  o  g  t  -  Strassburg :  Ueber  künstlichen  Pneumothorax  beim 
Kinde. 

Die  Operation  kann  schon  am  Ende  des  ersten  Lebensjahres 
ausgeführt  werden  und  gibt  bei  Lungentuberkulose  gute  Resultate. 

G  r  o  s  s  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Milzexstirpation  bei  B  a  n  t  i  scher 
Krankheit. 

Auffällige  Besserung  bei  einem  zehnjährigen  Mädchen  durch  die 
Operation  hinsichtlich  der  Blutzusammensetzung  und  der  Stickstoff-, 
Kalk-  und  Phosphorbilanz. 

Leon  d  ’  A  s  t  r  o  s  und  Teissonier  -  Marseille :  Die  Wasser¬ 
mann  sehe  Reaktion  bei  Neugeborenen  und  Säuglingen. 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  an  500  Kindern  sprechen  für 
die  praktische  Verwendbarkeit  der  Reaktion  auch  in  diesem  Alter, 
jedoch  nur  bei  deutlichem  Ausschlag. 

V.  S  o  1  o  n  -  V  e  r  a  s  -  Smyrna :  Die  Malznährmittel  in  der  Be¬ 
handlung  der  Enteritis  bei  kleinen  Kindern. 

Die  Malzpräparate  leisten  gute  Dienste  im  Anschluss  an  Wasser¬ 
diät  und  Gemüsesuppendiät. 

Albert  D  e  1  c  o  u  r  t  -  Brüssel :  Die  Behandlung  der  Pneumonien 
durch  Sauerstoffinhalationen. 

Die  Erfolge  sind  günstig,  besonders  bei  Anwendung  grösserer 
Dosen  und  Herstellung  einer  förmlichen  Sauerstoffätmosphäre. 

Suarez  de  M  e  n  d  o  z  a  -  Paris :  Kinderschutz  in  Spanien. 

An  allen  Universitäten  bestehen  Lehrstühle  für  Kinderheilkunde, 
ferner  allenthalben  bedeutende  Vereinigungen  zur  Bekämpfung  der 
Säuglingssterblichkeit. 

Als  Sitz  des  nächsten  Kongresses  im  Jahre  1915  wird  Brüssel 
bestimmt.  Die  gewählten  Hauptthemata  lauten: 

1.  Die  Rolle  der  Nebennieren  in  der  Kinderheilkunde, 

2.  Diagnose  und  Behandlung  der  Tuberkulose-Driisen-Erkrau- 
kungen, 

3.  Prophylaxe  der  kontagiösen  Erkrankungen  in  ihrer  Beziehung 
zum  Bau  neuer  Hospitäler. 

Der  Besuch  des  Kongresses  war,  wenigstens  von  romanischer 
Seite,  ein  lebhafter.  Von  deutschen  Klinikern  waren  anwesend: 
Brüning,  Czerny,  Feer,  Keller,  Schlossmann,  S  i  e  - 
g  e  r  t,  T  h  i  e  m  i  c  h.  Oestereich  fehlte  ganz.  Der  mangelhafte  Besuch 
war  auf  die  unzureichende  Organisation,  vor  allem  bei  der  Vorbe¬ 
reitung  des  Kongresses,  zurückzuführen,  die  auch  während  der  Tagung 
mehrfach  zu  bemerken  war.  Den  nächsten  Kongressen  wäre  eine 
regere  allseitige  Teilnahme  lebhaft  zu  wünschen.  Die  internationale 
Vereinigung  ist  jedenfalls  ein  bemerkenswerter  Ansatz  zu  einer  guten 
Sache;  die  unvermittelt  nebeneinander  herlaufenden  Anschauungen 
und  Erfahrungen  der  deutschen,  französischen  und  englischen  Pä¬ 
diaterschulen  bedürfen  dringend  eines  Ausgleiches.  Die  Verlegung 
nach  Brüssel  und  die  Wahl  der  Themen  lässt  freilich  noch  nicht  allzu¬ 
viel  erwarten. 


324 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  5.  Februar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Schönstadt:  Kontinuitätsresektion  des  Humerus  wegen 
Sarkoms.  (Mit  Krankenvorstellung.)  —  Dazu  Vorlegung  zweier 
anderer  Präparate;  darunter  ein  von  einem  Geisteskranken  selbst 
herausgerissenes  Auge. 

Herr  Schönstadt  hat  zur  Rettung  eines  Mädchens,  das 
10  g  Sublimat  genommen  hat,  die  Niere  eines  Java-Affens  in  die 
Arteria  brachialis  eingenäht.  Die  Patientin  ging  8  Tage  nach  der 
Operation  zugrunde,  doch  hat  die  Niere  einige  Tage  ein  zellreiches 
Sekret  abgesondert. 

Tagesordnung: 

Herr  Ernst  R.  W.  F  r  a  n  k:  Ueber  seltene  Verletzungen  der  Harn¬ 
blasenschleimhaut. 

Bei  den  häufigen  Verletzungen  der  Geschlechtsteile  bei  Abtrei¬ 
bungsversuchen  sind  Berichte  über  Blasenverletzungen  auffallend  sel¬ 
ten.  Die  Verletzungen  betreffen  den  Teil  der  Harnröhre,  welcher  der 
Achse  der  Harnröhre  entspricht.  Es  handelt  sich  um  flache  Schleim¬ 
hautdefekte,  die  zum  Teil  eitrig  belegt  sind.  In  der  Nähe  finden  sich 
oft  kleine  Defekte,  von  spitzen  Gegenständen  hervorgerufen,  die  von 
diagnostischer  Bedeutung  sind. 

Vorher  hatte  Vortr.  eine  grosse  Reihe  Bilder  von  Blasenerkran¬ 
kungen  demonstriert  (Cystitis  totalis  von  N  o  t  z  e,  tuberkulöse  Ge¬ 
schwüre,  syphilitische  Schleimhautpapeln  und  Argyrie,  papilläre 
Zystitis  etc.). 

Herr  v.  Hanse  mann:  Ueber  das  Schicksal  von  Gallensteinen. 

(Kurzer  Vortrag.) 

Vortr.  hat  schon  aus  früheren  Beobachtungen  den  Eindruck  ge¬ 
wonnen,  dass  sich  Gallensteine  in  der  Gallenblase  wieder  auflösen 
können.  F  r  e  r  i  c  h  s  hatte  schon  gleiche  Befunde  mitgeteilt,  wenn 
auch  seine  Deutung  der  Befunde  heute  nicht  mehr  zutreffend  ist. 

An  der  N  a  u  n  y  n  sehen  Klinik  sind  Versuche  angestellt  worden,  • 
menschliche  Gallensteine  in  Hundsgallenblasen  einzubringen,  die  sich 
dort  auflösten,  abgesehen  von  Kalk-  und  Pigmentsteinen  (Quincke 
und  Hoppe-Seyler). 

Vortr.  hat  eine  Reihe  von  derartigen  Versuchen  angestellt,  bei 
denen  täglich  10 — 15  mg  Abnahme  des  Steingewichts  festzustellen 
war.  Die  Steine  bestanden  z.  T.  aus  Cholestearin,  z.  T.  partiell  aus 
Pigment  und  Kalk.  Es  ist  so  die  Mehrzahl  aller  Gallensteine  löslich. 

Auch  in  der  Gallenblase  selbst  finden  bei  Pigment-Cholestearin- 
steinen  Lösungsvorgänge  statt,  wie  Vortr.  aus  der  Demonstration 
von  Lakunen  und  Hohlgängen  zwischen  einzelnen  Steinen  zu  er¬ 
weisen  sucht. 

Vortr.  hat  eine  Anzahl  von  Zuckereiern  in  ein  Gefäss  mit 
Zuckerlösung  gebracht  und  dabei  im  Prinzip  die  gleichen  Formen 
erhalten,  wie  wir  sie  an  den  Gallensteinen  sehen.  Bei  Gallensteinen 
in  Lösung  sieht  man  auf  Schliffen  ein  Exzentrischliegen  der  Schich- 
tungszentra.  Solche  Lösungerscheinungen  an  den  Gallensteinen  sind 
nicht  selten,  sondern  sehr  häufig. 

Diskussion:  Herr  Arthur  F'ränkel  weist  darauf  hin,  dass 
man  verkalkte  von  auflösungsfähigen  Steinen  röntgenologisch  diffe¬ 
renzieren  kann. 

Herr  Kraus  weist  darauf  hin,  dass  Cholestearin  in  normaler 
Galle  sich  löst,  dass  es  sich  aber  bei  Fällen  von  Gallensteinbildung 
nicht  um  normale  Galle  handelt. 

Herr  v.  Hansemann:  Schlusswort.  Wolff-Eisner. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  Februar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Plehn:  Ein  Fall  von  Herzblock  mit  Adams-Stokes- 
schem  Symptomenkomplex  (mit  Demonstration). 

Es  handelt  sich  um  ein  29  jähriges  Mädchen,  das  plötzlich  mit 
Heizschmerzen  und  Ohnmächten  (noch  im  Bett)  erkrankte.  Bei 
diesen  Ohnmachtsanfällen  waren  die  Pupillen  reaktionslos.  Anfalls¬ 
weise  wurde  der  Radialpuls  unregelmässig.  Die  Pulsfrequenz  ging 
bis  28  herunter,  später  auf  13 — 14.  Venenpuls  war  konstant  vor¬ 
handen.  Das  Röntgenogramm  ergab  eine  starke  Dilatation  des  rechten 
und  linken  Vorhofs.  An  den  Herzklappen  fand  sich  eine  chronische 
Randfibrose,  eine  gleiche  an  den  Papillarmuskeln,  so  dass  man  im 
Hirsch  sehen  Bündel  analoge  Veränderungen  erwarten  darf. 

An  Kurven  demonstriert  Vortragender  die  Dissoziation  zwischen 
Ventrikel-  und  Vorhofkontraktion. 

Diskussion:  Herr  R  e  h  f  i  s  c  h  erklärt  die  zweizackige 
Kurve  des  Spitzenstosses  dadurch,  dass  der  Spitzenstoss  öfter  in 
zwei  Tempi  erfolgt. 

Herr  Plehn  (Schlusswort) :  Für  eine  Aetiologie  einer  Infektions¬ 
krankheit  fehlt  jeder  Anhaltspunkt. 

Herr  Ziemann:  Ueber  künstliche  Weiterentwicklung  der  Ma¬ 
lariaparasiten  in  vitro  (mit  Demonstrationen). 

In  Blutegeln  war  die  Vermehrung  von  Malariaplasmodien  vom 
Vortr.  nie  zu  erzielen  gewesen.  Nach  Mitteilung  amerikanischer 
Forscher  (Bass)  ist  die  Kultur  der  Malariaplasmodien  jetzt  gelungen. 


No.  6. 


Es  werden  steril  (unter  Vermeidung  von  Luftblasen)  10  ccm  Blut 
mit  50  Proz.  Dextrosezusatz  bei  40°  bebrütet.  Es  gelingt  in  der  Kul¬ 
tur  der  Nachweis  des  Perniziosaerregerzyklus,  was  im  kreisenden 
Blut  bekanntlich  nicht  möglich  ist. 

In  einem  Tertianafall  ist  es  Vortr.  gelungen,  ein  deutliches 
Wachstum  der  Kultur  festzustellen,  wenn  auch  keine  Reinkultur  zu 
erzielen.  Bei  einem  zweiten  Versuch  gelang  die  Kultur. 

Findet  ein  Merozyt  einen  Erythrozyten,  so  kann  der  Parasit  bis 
zur  Sporulation  gelangen,  sonst  wird  er  eine  Beute  der  Leukozyten 
und  des  Serums.  Durch  Chinin  verschwanden  mikroskopisch  die 
Parasiten,  Hessen  sich  aber  durch  Kultur  noch  nachweisen. 

Vortr.  demonstriert  eine  Reihe  wundervoller  Lumiereaufnahmen, 
welche  den  Entwicklungsgang  von  Perniziosa-  und  Tertianakulturen 
demonstrieren  (Sporulationsformen,  Merozyten,  absterbende  Formen 
etc.).  Die  absterbenden  Formen  kann  man  im  strömenden  Blut  nicht 
auffinden,  weil  sie  in  der  Milz  abgefangen  werden.  Der  Dextrose¬ 
zusatz  hat  nach  Bass  vielleicht  die  Wirkung,  die  Lipoidsubstanzen 
gegen  die  Wirkung  des  Serums  zu  schützen  event.  aber  auch  nur  die 
Klebrigkeit  der  Erythrozyten  zu  erhöhen. 

Diskussion:  Herr  Plehn:  Sein  Bruder  hat  2 mal  24  Stunden 
im  heizbaren  Objekttisch  die  Entwicklung  der  Malariaplasmodien  be¬ 
obachtet. 

Herr  Ziemann  (Schlusswort) :  Die  Befunde  P  1  e  h  n  s  haben  in 
der  Literatur  keine  Bestätigung  gefunden.  Bei  dem  Bass  sehen 
Verfahren  handelt  es  sich  nicht  nur  um  Beobachtung  von  Entwick¬ 
lungsvorgängen,  sondern  um  eine  rapide  Vermehrung. 

Tagesordnung: 

Herr  Tachau:  Untersuchungen  über  den  Zuckergehalt  des 
Blutes  und  deren  klinische  Bedeutung. 

Die  eigene  Methode  des  Vortr.  ergibt  ungefähr  die  gleichen 
Werte,  wie  die  nach  Bang  oder  eine  polarimetrische.  Das  Blut 
wurde  von  noch  vollkommen  nüchternen  Menschen  entnommen.  Bei 
30  normalen  Menschen  ergab  sich  als  Mittelwert  des  Zuckergehaltes 
0,084  Proz.,  ein  Wert,  der  nach  Einnahme  von  100  g  Glukose  selten 
0,1  Proz.  überstieg. 

Bei  Fieber  wurde  stets  Hyperglykämie  beobachtet,  die  auch 
nach  dem  Temperaturabfall  noch  anhielt.  Nach  Darreichung  von 
100  g  Glukose  stieg  hier  der  Zuckergehalt  des  Blutes  auf  0,18  bis 
0,2  Proz.,  jedoch  nicht  etwa  parallel  der  Temperaturhöhe.  Bei  chro¬ 
nischer  Nephritis  zeigt  sich  Hyperglykämie  nur  beim  Hinzutritt  von 
Fieber,  ebenso  ist  eine  solche  bei  Leberkrankheiten  selten  (Zirrhose, 
Lues,  Ikterus).  Alimentäre  Glykämie,  die  meist  zwei  Stunden  Dauer 
hat,  ist  häufig,  ohne  dass  eine  Glykos  u  r  i  e  ihr  nachfolgt,  was  wohl 
auf  eine  Zuckerdichtigkeit  des  Nierenfilters  zu  beziehen  sein  dürfte. 

Bei  Diabetes  ist  in  leichten  Fällen  der  Zuckergehalt  des  Blutes 
in  normalen  Grenzen,  doch  kommt  auch  starke  Glykämie  bei  geringer 
Zuckerausscheidung  im  Urin  vor. 

Das  Plasma  enthält  im  allgemeinen  nicht  viel  mehr  Zucker,  als 
das  Gesamtblut;  doch  steigt  der  Zuckergehalt  des  Plasmas  nach 
alimentärer  Zuckerzufuhr  relativ  stärker  an.  Wolff-Eisner. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

VII.  Sitzung  vom  16.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Rudolf  Panse. 

Tagesordnung: 

Herr  W.  L.  Meyer:  Demonstration  eines  Falles  von  Symble¬ 
pharon  totale  durch  Pemphigus. 

Die  78  jährige,  bisher  gesunde  Frau  kam  zuerst  im  April  1911 
in  die  Poliklinik  des  Carolahauses  mit  einer  eigenartigen  Konjunkti¬ 
vitis  mit  Narbenbildung,  die  aber  nicht  nach  Trachom,  sondern  wie 
durch  Aetzwirkung  entstanden  aussah.  Die  Behandlung  schien  auf 
das  Leiden  keinen  Einfluss  zu  haben.  Die  Frau  blieb  dann  weg  und 
erst  im  Februar  1912  kam  sie  wieder,  nachdem  ihr  im  August  1911 
im  Stadtkrankenhaus  Johannstadt  anscheinend  der  linke  Tränensack 
entfernt  worden  war,  mit  einem  fast  totalen  Symblepharon  und 
Hornhauttrübung  auf  dem  linken  und  starkem  Schwund  der  Ueber- 
gangsfalten  auf  dem  rechten  Auge.  Im  Juli  1912  bestand  links  totales 
Symblepharon  mit  Xerophthalmus,  Kornea  total  verkrustet,  rechts 
war  die  Conjunctiva  palpebrar.  stark  geschrumpft  mit  weisslichen 
Narben  durchzogen,  die  Conjunct.  bulbi  dünn,  eigenartig  sukkulent, 
leicht  zerreisslich  und  leicht  blutend.  Im  Munde  fanden  sich  aus¬ 
gedehnte  oberflächliche  Ulzerationen  in  der  Schleimhaut  mit  leicht 
infiltrierten  Rändern,  besonders  am  weichen  und  harten  Gaumen. 

Da  offenbar  dem  rechten  Auge  dasselbe  Schicksal  drohte  wie 
dem  linken  und  von  spezialärztlicher  Seite  die  Affektion  des  Mundes 
und  der  Konjunktiva  für  Kraurosis  angesprochen  wurde,  wurde  be¬ 
schlossen,  den  Versuch  zu  machen,  den  Bindehautsack  durch  Ein¬ 
pflanzen  von  Vaginalschleimhaut  wieder  herzustellen,  da  Mund¬ 
schleimhaut,  der  Mundaffektion  wegen,  nicht  zur  Verfügung  stand. 

Am  22.  VII.  12  wurden  in  Narkose  nach  vollständiger  Lösung 
der  Lider  bis  tief  in  die  ursprünglichen  Uebergangsfalten  hinein  zwei 
der  Patientin  gleichzeitig  durch  den  Assistenten  aus  der  Vagina  ent¬ 
nommene,  möglichst  verdünnte  Schleimhautlappen  mit  durch  die  Haut 
ausgestochenen,  doppelt  armierten  Zügelnähten,  Schleimhautseite 
nach  oben,  tief  in  den  Fornix  hineingepflanzt  und  an  Stelle  der  Con- 
junctiva  bulbi  oben  und  unten  über  dein  Bulbus  ausgebreitet.  Die 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


325 


Februar  1913. 


Jonjunctiva  palpebrarum  wurde  durch  je  einen  dünnen,  aus  der  Haut 
les  Oberarms  geschnittenen  Lappen  nach  Thier  sch  gedeckt  und 
lie  Fixierung  der  Schleimhautlappen  gegen  den  Bulbus,  der  Haut¬ 
appen  gegen  die  Lider  durch  Einlegen  einer  Glasprothese,  über  der 
lie  Lider  sorgfältig  geschlossen  und  mit  Heftpflaster  Zusammen¬ 
halten  wurden,  erreicht.  Die  Prothese  wurde  am  4.  Tag  entfernt. 
)ie  Schleimhaut-  und  die  Hautlappen  heilten  gut  an,  die  Lidtasche 
var  unten  1  cm,  oben  1,5  cm  tief,  das  Auge  wieder  beweglich. 

Ende  August  war  auch  auf  dem  rechten  Auge  das  Symblepharon 
.oweit  fortgeschritten,  dass  die  Kornea  schon  in  Mitleidenschaft 
rezogen  wurde  und  das  Auge  fast  unbeweglich  war.  Da  der  Ersatz 
ier  Conjunctiva  palpebrarum  durch  Hautläppchen  wegen  der  Trok- 
cenheit  der  Lidtasche  links  unzweckmässig  erschien,  wurde  be- 
.chlossen,  auf  dem  rechten  Auge  die  Conjunctiva  palpebrarum  durch 
/aginalschleimhaut  zu  ersetzen  und  die  Conjunctiva  palpebrarum  et 
ornicis,  soweit  sie  noch  vorhanden  war,  der  Conjunctiva  bulbi  zuzu- 
.chlagen,  um  dann  später  die  Conjunctiva  bulbi  entweder  auch  durch 
Vaginalschleimhaut  oder  andere  erhältliche  Schleimhaut  zu  ersetzen. 

Am  22.  VIII.  wurden,  wieder  in  Narkose,  rechts  die  Lider  derart 
reipräpariert,  dass  der  Rest  von  Schleimhaut  zur  Conjunctiva  bulbi 
linzukam  und  auf  dem  Bulbus  ausgestrichen  wurde.  Nun  wurde  die 
Conjunctiva  palpebrarum,  wie  links  die  Conjunctiva  bulbi,  durch  zwei, 
,'iner  anderen  Patientin  gleichzeitig  auf  der  Frauenstation  eni- 
rommene,  breite  Lappen  von  Vaginalschleimhaut  ersetzt,  indem  die 
Lappen,  Epithel  gegen  den  Bulbus,  mit  doppelt  armierten,  in  der 
Jebergangsfalte  durch  die  Haut  ausgestochenen  Zügelnähten  wie  links 
n  die  Uebergangsfalten  hineingezogen  und  mit  den  Rändern  durch 
eine  Nähte  an  den  Lidrand  und  an  die  Conjunctiva  bulbi  befestigt 
wurden.  Die  ursprüngliche  Absicht,  die  Fixation  der  Lappen  hier 
iurch  eine  Prothese  zu  bewirken,  in  der,  wie  bei  einem  Hiihner- 
iugenring,  die  Kornea  ausgespart  war,  um  die  noch  vorhandene  Kor- 
tea  nicht  zu  drücken,  musste  aufgegeben  werden,  da  die  von  Herrn 
\.  M  ü  1 1  e  r  -  Wiesbaden  für  den  Fall  angefertigten  und  freundlichst 
zur  Verfügung  gestellten  Prothesen  zu  gross,  bzw.  die  Schleimhaut¬ 
appen  zu  dick  ausgefallen  waren. 

Die  Schleimhautlappen  stiessen  sich  zum  Teil  ab,  der  grösste 
Teil  heilte  aber  an,  so  dass  zunächst  der  Bindehautsack  wieder  tiefer 
var.  Dann  aber  trat  eine  auffallend  rasche  Schrumpfung  des  unteren 
Sindehautsackes  ein,  während  der  obere  erhalten  blieb;  die  Kornea 
:rübte  sich  von  unten.  Auch  links  schrumpfte  der  Bindehautsack 
unten  vollständig,  oben  zum  grössten  Teil,  fast  auf  den  Stand  vor  der 
Operation  wieder  zusammen,  so  dass  von  weiteren  operativen  Ein¬ 
griffen  abgesehen  wurde. 

Gerade  in  den  letzten  Tagen  hat  das  Auftreten  einer  typischen 
Pemphigusblase  am  Gaumen,  die  vorher  nie  beobachtet  werden 
<onnte,  gezeigt,  dass  die  Annahme  einer  Kraurosis  nicht  richtig  war, 
sondern  dass  die  Affektion  des  Mundes  und  der  Konjunktiva  als  Pem¬ 
phigus  aufzufassen  ist. 

Seit  Mitte  Oktober  wurden  Versuche  mit  Injektion  von  Fibro- 
lysin  gemacht,  die  entschieden  zur  Fortsetzung  dieser  Behandlung 
ärmuntern,  indem  schon  nach  der  ersten  Injektion  von  1  ccm.  in  den 
linken  Oberarm  sich  eine  ganz  deutliche  geringe  Sukkulenz  des  nar¬ 
big  geschrumpften  unteren  Bindehautsackes  zeigte.  Auch  rechts  er¬ 
schien  die  Lidspalte  weiter  und  die  Lider  beweglicher. 

Diskussion:  Herr  Geis  hat  den  demonstrierten  Fall  wegen 
Tränensackeiterung  operiert.  Schon  damals  bestand  teilweises  Sym¬ 
blepharon.  Es  wurde  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  Pem¬ 
phigus  gestellt. 

Herr  Hermann  Becker;  Soweit  ich  mich  erinnere,  haben  wir 
im  Johannstädter  Stadtkrankenhause  auch  die  Blasen  an  der  Schleim¬ 
haut  des  harten  Gaumens  wiederholt  gesehen  und  daraufhin  die  Dia¬ 
gnose  Pemphigus  der  Bindehaut  des  Auges  gestellt.  Weil  das  rechte 
Auge  anscheinend  noch  gesund  war,  verordneten  wir  wegen  der 
Trockenheit  und  Spannung  im  linken  Auge  Salben  und  Oele.  Patien¬ 
tin  hat  sich  später  der  Behandlung  entzogen  und  sich  anderweitig 
behandeln  lassen. 

Herr  Dünger:  Zur  Klärung  des  Falles  könnte  die  morpho¬ 
logische  Blutuntersuchung  beitragen.  Findet  sich  eine  nennenswerte 
Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen,  so  würde  das  sehr  zugunsten 
der  Annahme  eines  Pemphigus  sprechen,  da  bei  dieser  Krankheit  stets 
sine  mehr  oder  weniger  erhebliche  Eosinophilie  vorhanden  ist. 

Herr  W.  L.  Meyer  dankt  für  die  Anregung  und  bemerkt,  dass 
in  dem  betreffenden  Falle  diese  Untersuchung  noch  nicht  ausgeführt 
wurde. 

Herr  Rudolf  Panse:  Die  Schleimhautveränderung  des  vor¬ 
gestellten  Falles  ist  keine  typische  Leukoplakie. 

Herr  Geis:  Möglicherweise  könnte  auch  die  Tränensackver¬ 
änderung  auf  Pemphigus  beruhen.  Die  Wassermann  sehe  Re¬ 
aktion  war  negativ  ausgefallen. 

Herr  W.  L.  Meyer:  Es  soll  bei  der  Kranken  noch  ein  Versuch 
mit  Arsentherapie  gemacht  werden. 

Herr  Rupprecht  II:  Demonstrationen  aus  der  pathologischen 
Anatomie  des  Auges. 

Der  Vortragende  demonstriert  mit  dem  Projektionsapparat  eine 
grössere  Anzahl  mikroskopischer  Präparate  (Erkrankungen  der  Binde¬ 
baut  und  Hornhaut,  Verletzungen,  intraokulare  Tumoren,  Amotio  re¬ 
tinae,  sympathische  Ophthalmie,  Glaukom  etc.).  Die  Präparate  stam¬ 
men  mit  wenigen  Ausnahmen  aus  dem  Laboratorium  der  Freiburger 
Universitäts-Augenklinik  des  Herrn  Prof.  A  x  e  n  f  e  1  d. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Erlangen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  22.  November  1912. 

Herr  S  t  o  r  a  t  h  demonstriert  die  Schwebelaryngoskopie  nach 
Killian  an  einer  Patientin  und  trägt  bei  derselben  das  rechte 
tuberkulöse  Stimmband  ab.  Der  Demonstration  ging  eine  kurze 
Erläuterung  der  Geschichte  und  des  Prinzipes  der 
genannten  Untersuchungsmethode  voraus,  sowie  ein 
kurzes  Referat  über  die  an  der  oto-laryngologischen  Klinik  bisher 
schwebelaryngoskopisch  behandelten  5  Fälle.  In  4  Fällen  bestand 
Larynxtuherkulose  neben  teils  manifester,  teils  latenter  Lungentuber¬ 
kulose.  Davon  ist  ein  Fall  anscheinend  geheilt,  zwei  bedeutend  ge¬ 
bessert  mit  Aussicht  auf  Heilung,  ein  Fall  starb  einige  Monate  nach 
der  Operation  an  Hämoptoe.  Zur  Herbeiführung  des  Dämmer¬ 
schlafes  gaben  wir  2  mal  0,015  Morphium  +  2  mal  0,0003  Skopo¬ 
lamin  (frisch  bereitet).  Obgleich  diese  Dosen  grösser  sind  als  sie 
Killian  empfohlen  hat,  waren  wir  mit  dem  Dämmerschlaf  nicht 
ganz  zufrieden,  da  die  Patienten  z.  T.  starke  Schmerzen  äusserten. 
Vielleicht  wird  dieser  Uebelstand  durch  den  neuen  A  lb  recht - 
sehen  Spatel  gemildert,  der  die  Epiglottis  schont,  wenn  man  nicht 
vorzieht  in  der  Klinik  die  Allgemeinnarkose  mehr  zu  verwenden. 

Bei  den  Operationen  in  der  Schwebe,  besonders  an 
der  Rückwand  des  Larynx  wurde  es  bei  manchen  Fällen  für  den 
Operateur  unangenehm  empfunden,  dass  der  Kehlkopf  immer  auswich 
und  die  Doppelkürette  liier  nicht  gut  fasste;  besonders  fiel  es  in  dem 
5.  Falle  auf,  wo  wir  einen  derben  pachydermischen  Tumor  bei  einem 
Knaben  an  der  hinteren  Wand  abtrugen.  In  Zukunft  beabsichtigen 
wir  deshalb,  den  Kehlkopf  durch  ein  Instrument,  welches  denselben 
vom  Hypopharynx  her  haJbringförmig  umgreift  und  so  gleichsam 
2  Finger  ersetzt,  zu  fixieren. 

Herr  v.  Kryger  bespricht  einen  Fall  von  traumatisch  ent¬ 
standener  (Sturz)  subduraler  Blutung,  die  vom  Vortr.  mit  bestem 
Erfolge  operativ  behandelt  worden  war. 

Herr  Kleist  demonstriert  an  dem  betr.  Patienten  die  zurzeit 
noch  bestehenden  nervösen  Störungen,  nämlich  Residuen  von 
motorischer  Aphasie  und  Apraxie  der  Hände,  zumal  rechterseits. 

Herr  Toenniessen:  Ueber  die  Variabilität  und  Artbeständig¬ 
keit  der  Bakterien.  (Mit  Demonstration.) 

Verf.  geht  von  Versuchen  aus,  welche  mit  dem  Friedlände  r- 
schen  Pneumoniebaziilus  angestellt  wurden.  Dieser  Mikroorganismus 
ist  befähigt,  auf  dem  gewöhnlichen  Schrägagar  innerhalb  einer  Kultur¬ 
generation  eine  Varietät  abzuspalten,  welche  im  Gegensatz  zu  dem 
Ausgangsmaterial  keine  Kapsel  bildet  und  avirulent  ist.  Die  Ent¬ 
stehung  der  Varietät  ist  eine  mutationsartige,  denn  die  Varietät  tritt 
sprunghaft  auf  (im  Verlauf  einer  Kulturgeneration  vollkommen  aus¬ 
gebildet),  ist  erblich  und  schlägt  bei  Uebertragung  alter  Kulturen 
in  den  normalen  Typus  zurück.  Damit  ist  erwiesen,  dass  ein  patho¬ 
gener  Keim  durch  Mutation  in  den  saprophytischen  Zustand  über¬ 
gehen,  seine  Virulenz  jedoch  durch  einen  Rückschlag  in  den  para¬ 
sitären  Zustand  auf  einem  ihm  zusagenden  Nährboden  auch  ohne 
Tierpassage  wiedergewinnen  kann.  Die  Beständigkeit  des  Normal¬ 
typus  und  der  Varietät  unter  gewissen  Bedingungen  sowie  die  Ten¬ 
denz  der  Varietät  zu  Rückschlägen  in  die  parasitäre  Form  auch  ohne 
Tierpassage  ist  ein  Beweis  für  die  ausserordentliche  Artbeständigkeit 
der  Bakterien  trotz  ihrer  Fähigkeit,  in  fast  allen  ihren  Eigenschaften 
zu  variieren.  Unter  Berücksichtigung  der  Befunde  anderer  Autoren 
lässt  sich  folgern,  dass  auch  duch  die  weitgehenden  Veränderungen, 
welche  an  den  Bakterien  in  letzter  Zeit  als  Mutationen  be¬ 
schrieben  wurden,  noch  nicht  der  Nachweis  einer  experimentell  er¬ 
zielten  Artumbildung  erbracht  wurde.  Wenn  auch  als  logische 
Konsequenz  der  Deszendenztheorie  eine  weitere  Umbildung  der  Bak¬ 
terien  als  möglich,  sogar  wahrscheinlich,  anerkannt  werden  muss, 
sind  die  Bakterienarten  in  praktischer  Beziehung  doch  als  beständig 
anzusehen. 

Diskussion:  Herren  Spuler,  Heim,  Weichardt, 
Hauser,  Seitz. 

Geschäftliches. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  K  ü  m  m  e  1 1. 

Herr  Kotzen  b  erg  berichtet  über  2  Fälle  von  Myxoedema 
congenitale,  in  denen  er  nach  Versagen  der  internen  Organotherapie 
Schilddrüsengewebe  transplantiert  hat.  Es  handelte  sich  um  2  Ge¬ 
schwister  von  2  bzw.  3  Jahren;  die  Transplantation  der  mütterlichen 
Schilddrüse  führte  er  in  dem  einen  Falle  in  die  Milz  nach  P  e  y  e  r, 
in  dem  anderen  in  die  Metaphyse  der  Tibia  nach  Kocher  aus. 
K.  bespricht  die  schwierige  Technik  dieser  Operation,  für  die  ein 
besonderes  Instrumentarium  benutzt  wird  und  empfiehlt  zwei¬ 
zeitiges  Operieren.  Organe  mit  innerer  Sekretion  brauchen  eine 
starke  Ernährung,  um  nicht  einer  Nekrose  anheimzufallen.  Die  Blu¬ 
tungsgefahr  bei  Verwendung  von  Milz  und  Knochenmark  wird  durch 
das  zweizeitige  Vorgehen  verringert.  Der  in  den  vorgestellten  Fällen 
bisher  erzielte  Erfolg  ist  sehr  ermutigend. 

Herr  K  Ummell  stellt  a)  einen  Herrn  vor,  bei  dem  er  vor 
5/i  Jahren  wegen  Karzinom  die  Zuge  total  exstirpiert  hat.  Intravenöse 


326 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  6. 


Narkose.  Unterbindung  der  Art.  lingualis.  Wangenschnitt,  fast  blut¬ 
lose  Exstirpation  ähnlich  wie  in  dem  vor  1  Jahr  vorgestellten  Fall  von 
Tonsillarkarzinom.  Totalexstirpation.  Pat.  kann  gut  sprechen  und 
schlucken.  Der  Mundboden  hat  an  Stelle  der  Zunge  einen  Wulst  ge¬ 
bildet,  durch  den  die  Bewegung  der  Speisen  im  Munde  erfolgt. 

b)  Demonstration  einer  durch  ein  weitgehendes  Karzinom  des 
Bodens  der  Mundhöhle  völlig  sequestrierten  Zunge,  die  durch  ein¬ 
fachen  Zug  mit  einer  Pinzette  total  aus  dem  Munde  gelöst  werden 
konnte. 

Herr  S  u  d  e  c  k  bespricht  an  der  Hand  von  4  vorgestellten  Fällen. 
Röntgenbildern  und  Präparaten  die  Methoden  der  Unterkieferresek- 
tion  wegen  grosser  maligner  Tumoren  und  der  dazu  notwendigen 
Prothesen.  Die  Resultate  sind  kosmetisch  und  funktionell  aus¬ 
gezeichnet.  Die  Zusammenarbeit  mit  einem  Zahnarzt,  der  die  Im- 
mediatprothese  schon  vor  der  Operation  vorbereitet,  so  dass  sie  so¬ 
fort  eingesetzt  wird,  hat  sich  bewährt.  Welche  der  Prothesen  man 
wählen  muss  (Sauer  sehe  schiefe  Ebene,  Elfenbein,  Kautschuk 
etc.)  hängt  von  der  Ausdehnung  des  Tumors  und  der  Resektionsaus¬ 
dehnung  ab.  Bisweilen  muss  auch  ein  Stück  der  äusseren  Haut  mit¬ 
entfernt  werden;  solche  Defekte  lassen  sich  durch  Transplantation 
(aus  der  Nackenhaut)  decken.  Die  vorgestellten  Fälle  sind  3%,  4, 
2  und  1  Jahr  rezidivfrei. 

Herr  H  e  g  e  n  e  r  demonstriert  2  Fälle  von  eigentümlicher  Haut¬ 
verfärbung:  Fall  von  Argyrosis,  bedingt  durch  jahrelange  Pinselung 
eines  Zungenulcus  mit  Höllensteinlösung  und  ein  Fall  von  Addison- 
scher  Krankheit,  der  sich  durch  eine  ganz  enorme  Mulatten-ähnliche 
Hautverfärbung  auszeichnet.  In  diesem  Falle  steht  die  Bronzeskin 
derart  im  Vordergründe  der  Symptome,  dass  die  Diagnose,  ob  es 
sich  wirklich  um  eine  Nebennierenerkrankung  handelt,  zweifelhaft  ist. 
Alle  übrigen  typischen  Stigmata  sind  nur  gering  vorhanden. 

Vortrag  des  Herrn  Lomnitz:  Ueber  die  verschiedenen  For¬ 
men  der  chronischen  Obstipation. 

Vom  normalen,  einmal  in  24  Stunden  erfolgenden  Defäkationsakt 
kommen  Abweichungen  nach  verschiedenen  Richtungen  vor,  derart, 
dass  seltener  und  häufiger  der  Stuhlgang  abgesetzt  wird,  ohne  dass 
bei  den  Betreffenden  Beschwerden  bestehen.  Von  Obstipation  ist  im 
allgemeinen  erst  zu  reden,  wenn  eine  Verzögerung  des  Stuhlganges 
über  24  Stunden  Unbehagen  hervorruft.  Vortragender  schlägt  vor, 
primäre  und  sekundäre  Obstipation  zu  trennen  und  bespricht  zunächst 
die  letztere,  die  sich  im  Anschluss  an  Störungen  der  Zwerchfellbewe¬ 
gungen,  der  dekompensierten  Herzfehler,  verschiedener  Leber-  und 
Gallenblasenerkrankungen,  einzelner  Magenerkrankungen,  Ver¬ 
letzungen  des  Mesenteriums,  Entzündungen  in  der  Nähe  des  Darmes, 
auch  ohne  dessen  direkte  Beteiligung,  einstellt.  Auch  die  Störung  der 
Funktion  des  Defäkationsaktes  führt  zu  einer  Erschwerung  des  Stuhl¬ 
ganges  infolge  von  Erkrankung  des  Mastdarms,  verschiedenster  Art, 
durch  entzündliche  Vorgänge  im  kleinen  Becken  und  deren  Folge¬ 
zustände,  ferner  durch  Schwäche  der  austreibenden  Kräfte  (Bauch¬ 
decken-  und  Beckenbodenmuskulatur).  In  allen  den  Fällen,  in  denen 
die  Obstipation  nicht  anatomisch-mechanisch  bedingt  ist,  wählt  Vor¬ 
tragender  mit  Nothnagel  und  Oscar  Simon  die  treffende  Be¬ 
zeichnung:  funktionelle  Obstipation.  Nothnagel  hielt  noch  die 
funktionelle  Obstipation  für  proktogen,  doch  trifft  dies  nur  für  eine 
kleine  Anzahl  von  Fällen  zu,  die  von  Singer  und  Hertz  besonders 
studiert  worden  sind,  von  diesem  Dyschezie,  von  jenem  Torpor  recti 
genannt  wurden.  Adolf  Schmidt  und  seine  Mitarbeiter  analysierten 
zuerst  den  Kot  von  Patienten,  die  mit  funktioneller  Obstipation  be¬ 
haftet  waren  und  fanden  ihn  nach  allen  Richtungen  hin  besser  aus¬ 
genützt,  als  den  Kot  der  Normalen,  auch  wenn  diese  künstlich  durch 
Opium  verstopft  wurden.  Auf  diesen  Tatsachen  baute  Schmidt 
seine  Theorie  auf,  dass  die  gute  Resorption  im  Dünndarm  die  primäre 
Erscheinung  sei,  aus  dieser  zu  guten  Ausnützung  die  Obstipation  re¬ 
sultiere.  Diese  Theorie  ist  stark  erschüttert  durch  die  modernen 
Röntgenbefunde  bei  der  funktionellen  Obstipation.  Vortragender  er¬ 
läutert  die  von  verschiedenen  Autoren  erhobenen  Befunde,  die  nicht 
alle  übereinstimmend  sind,  aber  im  wesentlichen  doch  intensive  Zer¬ 
teilbewegungen  sowie  den  namentlich  von  v.  Bergmann  und 
Lenz  gefundenen  retrograden  Transport  aufweisen,  also  keine  Ruhe 
jm  Dickdarm  bei  der  funktionellen  Obstipation,  sondern  sogar  zum 
Teil  gesteigerte  pathologische  Tätigkeit  zeigen.  Da  sicher  auch  der 
Dickdarm  in  der  Lage  ist,  nicht  nur  Wasser  zu  resorbieren,  sondern 
auch  Stickstoff-,  fett-  und  kohlehydrathaltige  Substanzen  aufzusaugen, 
so  findet  auch  der  Opiumrausch  Loh  risch’,  der  ja  dae  Haupt¬ 
probe  auf  die  Theorie  der  vom  Dünndarm  ausgehenden  Verstopfung 
bildete,  seine  besondere  Erklärung  der  Art,  dass  durch  die  Opium¬ 
lähmung  des  Darmes  die  Möglichkeit  einer  einfachen  Wasserresorp¬ 
tion  noch  vorhanden  war,  die  pathologisch  gesteigerten  antiperistal¬ 
tischen  und  Zerteilungsbewegungen  aber  unterblieben,  wodurch  die 
weitere  Ausnützung  des  Kotes  im  Dickdarm  sistiert  wurde.  Für  die 
Zukunft  sind  von  der  Röntgenmethode  noch  wertvolle  Aufschlüsse 
über  die  funktionelle  Obstipation  zu  erwarten. 

Diskussion:  Herr  v.  Bergmann:  Die  alte  F  1  e  i  n  e  r  sehe 
Trennung  der  Obstipation  in  spastische  und  atonische  soll  man 
fallen  lassen,  da  beide  Formen  beim  gleichen  Individuum  Vorkommen. 
Die  Schmidt  sehe  Theorie  der  „Eupepsie“,  durch  die  die  eingedick¬ 
ten  Kotmassen  liegen  bleiben,  ist  gleichfalls  nicht  richtig.  Die  alte 
Auffassung  von  dem  verlangsamten  Kottransport  ist  durch  die  neueren 
Röntgenuntersuchungen  wieder  gefestigt.  Durch  das  Röntgenver¬ 
fahren  kann  man  lokalisatorisch  das  Vorkommen  der  beiden  Typen: 


Aszendenstypus  und  proktogenen  Typus  beweisen  und  unterscheiden. 
Auch  die  pharmakologischen  Experimente  bestätigen  diese  Auffassung. 
B.  demonstriert  Röntgenbilder  von  Dickdärmen  nach  Pilokarpin- 
Physostigmin,  Atropin,  Adrenalin  und  demonstriert  an  den  Darm¬ 
bildern  die  Unterschiede  der  Wirkung.  Gegen  die  Schmidt  sehe 
Theorie  spricht  auch  die  Therapie.  Der  Darm  soll  geschont,  nicht  ge¬ 
reizt  werden.  Eine  schlackenreiche  Kost  macht  Spasmen,  während 
eine  schlackenarme  Kost  die  Reize  herabsetzt.  Die  habituelle  Ob¬ 
stipation  ist  keine  chemische,  sondern  eine  motorische  Erkrankung 
des  Kolon. 

Herr  Neumann  berichtet  über  ähnliche  Versuchsanordnungen, 
aus  denen  der  grosse  Wert  des  Atropins  bei  den  spastischen  Formen 
der  Obstipation  hervorgeht.  Werner. 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  12.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  L  e  x  e  r. 

Schriftführer :  Herr  Bennecke. 

Vor  der  Tagesordnung. 

Herr  Henkel: 

a)  Röntgenplatte  einer  im  9.  Monat  Schwangeren,  bei  der  kli¬ 
nisch  die  Diagnose  auf  Zwillinge  gestellt  war.  Auf  der  Platte  lassen 
sich  nun  Drillinge  nachweisen.  Man  sieht  auf  der  rechten  Darmbein¬ 
schaufel  einen  Kopf  nach  oben  und  rechts  einen  zweiten.  Dani 
sieht  man  eine  kindliche  Wirbelsäule  ganz  deutlich,  welche  zum 
kleinen  Becken  zieht,  die  aber  in  keine  Beziehung  zu  den  beiden 
Köpfen  auf  der  Platte  zu  bringen  ist,  wohl  aber  mit  dem  dritten  Kopi, 
der  durch  die  bimanuelle  Untersuchung  als  im  Becken  stehend  deut¬ 
lich  nachzuweisen  ist. 

b)  2  Fälle  von  primärem  Scheidenkarzinom  mit  gutem  Erfolge 
operiert  durch  abdominale  Totalexstirpation  —  Entfernung  von  Uterus 
mit  seinen  Adnexen  und  der  ganzen  Scheide  im  Zusammenhang. 

c)  2  Fälle  von  Uterusruptur.  Werden  ausführlich  in  dieser 
Wochenschrift  publiziert. 

Herr  Lindig:  Ueber  Fermentwirkungen  bei  Schwangeren  und 
Tumorkranken  als  Beitrag  zur  Serodiagnose  nach  Abderhalden. 

(Erscheint  ausführlich  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer.) 

Tagesordnung. 

Herr  Henkel:  Künstliche  Neubildung  der  Scheide. 

Den  ersten  Versuchen  einer  künstlichen  Neubildung  der 
Scheide  lag  die  Absicht  zugrunde,  das  Blut  einer  Hämato¬ 
me  t  r  a  zu  entleeren.  Es  handelt  sich  hierbei  also  mehr  um  die 
Bildung  eines  Kanals,  der  die  dauernde  •Sekretableitung  aus  dem 
Uterus  gewährleisten  sollte.  Dupuytren  und  Villau  me  (1817 
und  1823)  operierten  in  der  angegebenen  Absicht. 

Mit  dem  ausgesprochenen  Plan  künstlichen  Ersatz  für  ange¬ 
borenen  Defekt  zu  schaffen,  beschäftigte  man  sich  erst  seit  dem 
Jahre  1872  (Hepper,  H-Schnitt!). 

Gestielte  Lappen,  Thier  sch  sehe  Transplantation  wurden  zur 
Auskleidung  des  Kanals  verwendet.  Autoplastisch,  homoio- 
plastisch  und  heteroplastisch  wurde  vorgegangen.  Die 
Lappen  resp.  das  Material  stammte  aus  dem  Oberschenkel,  der 
Scheide  anderer  Frauen,  bei  Prolaps  gewonnen,  etc.  Auch  Darm¬ 
schleimhaut  vom  Kaninchen  wurde  verwendet. 

Die  im  speziellen  angewandte  Technik  war 
folgende: 

Es  wurde  meist  stumpf  der  Kanal  zwischen  Blase  und  Mastdarm 
gebohrt,  mehr  oder  weniger  tief,  und  dann  versuchte  man  den  Kanal 
mit  Epithel  auszukleiden. 

Isaak  und  Brothers  Umschnitten  die  Verschlussmembran 
der  Vulva  und  lagerten  sie  durch  kräftigen  Druck  in  die  Tiefe.  Das 
sollte  eine  Art  Ersatz  von  Portio  und  Scheidengewölbe  sein.  Die 
Wand  des  Kanals  wurde  mit  T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Transplantationen 
bedeckt. 

Bumm  spaltete  die  kleinen  Labien  und  stülpte  sie  in  den  Wund¬ 
kanal  ein.  Pfannenstiel  bohrte  von  oben  her  den  Kanal 
für  die  Scheide  und  nähte  die  Portio  des  vorhandenen  Uterus  in  den 
eröffneten  Scheidenblindsack  ein;  er  rechnete  bei  dieser  Operation 
damit,  dass  durch  Retraktion  ein  genügend  langer  Kanal  ent¬ 
stehen  würde. 

Das  Prinzip  aller  dieser  Operationen  bestand  immer  darin, 
dass  der  künstlich  gebildete  Kanal  durch  fortgesetzte  Dila¬ 
tation  weit  gehalten  werden  musste;  und  man  bemühte  sich,  ihn 
auf  die  eine  oder  andere  Weise  zu  epithelisieren. 

Die  Resultate  waren  in  der  ersten  Zeit  immer  ganz  gut,  dann 
kam  aber  der  hinkende  Bote  hinterdrein:  Durch  Schrumpfung  und 
durch  die  Bildung  druckempfindlicher  Narben  wurde  der  anfäng¬ 
liche  Erfolg  meist  wieder  vernichtet.  Welchem  Arzt  oder  welcher 
Frau  könnte  man  auch  die  täglich  fortzusetzende  Dilatation  zumuten! 
Das  war  aber  die  Voraussetzung  für  den  kleinsten  bleibenden  Erfolg. 

Originell  war  die  Idee  zur  Auskleidung  des  Wund¬ 
kanals  das  Peritoneum  zu  verwenden,  das  geschah  einmal 
durch  Herunterdrücken  desselben  mittels  Tamponade  und  dann  in  der 
Weise,  dass  der  Bruchsack  von  derselben  Frau  verpflanzt  wurde. 

Einen  wirklichen  Fortschritt  erzielte  man  in  der  ganzen 
Frage  der  künstlichen  Scheidenbildung  erst,  als  man  auf  den  Ge- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


327 


.  Februar  1913. 


nken  kam,  Darmabschnitte  zur  Bildung  der  künstlichen 
heide  zu  verwenden. 

Q  e  r  s  u  n  y  benutzte  einen  Längssteifen  aus  der  vorderen  Mast- 
rmwand,  der  unten  gestielt  blieb,  umgedreht  wurde  und  zur  Bil- 
üig  der  vorderen  Scheidenwand  diente.  Von  diesem  Lappen  aus 
Ute  ohne  weiteres  die  Epithelisierung  der  neuen  Scheide  vor  sich 
hen.  Damit  nun  nicht  Kotstauung  die  Wundheilung  beeinträchtigte, 
urde  der  Sphincter  ani  gespalten  und  offen  gehalten, 
e  Gefahr  der  Operation  bestand  in  der  Tendenz  zur  Fistelbildung 
d  der  Schrumpfung,  der  durch  fortgesetztes  Tragen  von 
ilatatoren  entgegengewirkt  wurde. 

S  n  e  g  u  i  r  e  f  f  verwandelte  den  ganzen  unteren  Mastdarmschnitt 
klusive  Sphinkter  zur  Scheide,  resezierte  darnach  das  Steissbein, 
ilte  den  oberen  durchtrennten  Mastdarmabschnitt  herunter  und  ver- 
andte  ihn  zur  Bildung  eines  Anus  praeternaturalis  mit  der  Mündung 
nter  dem  Sphinkter,  der  selbst  als  Scheideneingang  diente.  Mit 
esem  Verfahren  war  eine  dauernde  Inkontinenz  für  Stuhl  und 
ähungen  verbunden. 

Amann  benutzte  den  vorderen  Teil  der  Ampulla  recti,  welche 
igeblich  bei  Genitalhypoplasie  besonders  weit  sein  soll,  zur  Neu- 
Idung  der  Scheide. 

Popo  ff  amputierte  zur  künstlichen  Herstellung  einer  Scheide 
nen  entsprechend  langen  Abschnitt  des  Rektums  oberhalb  des 
üiinkters  und  brachte  diesen  nach  vorn.  Danach  wurde  das  obere 
ektumende  durch  den  Sphinkter  hindurchgezogen  und  an  der 
isseren  Haut  befestigt.  Zu  dieser  Operation,  die  dann  auch  weiter- 
n  von  Schubert  ausgeführt  wurde,  war  die  Resektion  des  Steiss- 
ins  nötig.  Eine  Eröffnung  des  Peritoneums  braucht  dabei  nicht 
^genommen  zu  werden. 

B  a  1  d  w  i  n  und  M  o  r  i  verwandten  Abschnitte  des  D  ü  n  n  - 
arms  zur  Scheidenbildung.  Der  erstgenannte  operierte 
i  Jahre  1904  so,  dass  er  nach  Bohrung  des  notwendigen  Kanals 
ne  aus  der  Kontinuität  ausgelöste  Ileumschlinge  herunterzog  und  so 
nen  Doppelkanal  bildete,  der  naturgemäss  der  ausgesprochenen  Ten- 
nz  zur  Schrumpfung  am  intensivsten  entgegenwirkte. 

M  o  r  i  begnügte  sich  bei  sonst  ähnlicher  Technik  mit  dem  Her- 
iterholen  eines  einfachen  Dünndarmstückes. 

H.  berichtet  im  Anschluss  daran  über  zwei  eigene  Ope- 
ationen,  die  er  nach  der  von  Baldwin  angegebenen  Technik 
leriert  hat. 

Die  Technik  war  im  speziellen  so,  dass  der  Hymenalsautn  um- 
Tinitten  wurde,  dann  liess  sich  mit  der  Pinzette  leicht  ein  strang- 
tiges  Gebilde  abheben,  das  weiterhin  leicht  stumpf  und  mit  wenigen 
cherenschlägen  auszulösen  war.  So  gelangte  man  leicht  in  die 
iefe,  und  der  Kanal  für  die  neue  Scheide  war  ohne  Nebenverletzung 
:hnell  gebildet.  Das  Douglasperitoneum  blieb  zunächst  uneröffnet. 
ann  Laparotomie,  Resektion  eines  ca.  25  cm  langen  Ileumstiickes, 
:ssen  Enden  sofort  geschlossen  wurden.  Die  Kontinuität  des  lleums 
urde  durch  Anastomose,  Seit  zu  Seit,  wieder  hergestellt.  Mit  einem 
indenzügel  wurde  nunmehr  die  Ileumschlinge  durch  den  Kanal  nach 
röffnung  des  Peritoneums  auf  dem  Beckenboden  hindurchgezogen 
nd  aussen  an  der  Haut  der  Vulva  befestigt.  Die  ganze  Operation 
mg  beide  Male  ohne  den  geringsten  Zwischenfall  vor  sich.  Nach 
nigen  Tagen  wurde  die  Darmschlinge  an  ihrer  Konvexität  eröffnet 
nd  der  zwischen  den  beiden  Darmstücken  befindliche  Sporn  ab- 
equetscht.  -Im  2.  Fall  operierte  H.  bei  einer  21  jährigen  Näherin 
-nau  so.  Beide  Operationen  wurden  am  gleichen  Tage  ausgeführt. 
i  dem  ersten  Falle  des  18  jährigen  Mädchens  handelte  es  sich  um 
inen  Defekt  von  Scheide,  Uterus  und  Tuben.  Die  Ovarien  waren 
achzuweisen.  Bei  der  zweiten  Patientin  bestand  eine  Hämatometra, 
ie  zu  sehr  schmerzhaften  Zuständen  bei  der  Menstruation  geführt 
atte.  Ein  sehr  ausgedehntes  Exsudat  im  Parametrium  verhinderte 
i  diesem  Falle  die  Absicht,  den  Uterus  mit  der  neuen  Scheide  in 
erbindung  zu  bringen.  Deshalb  wurde  exstirpiert.  Die  Technik 
ieser  Art  der  künstlichen  Scheidenbildung  nach  Baldwin  wird 
on  H.  als  einfach  geschildert. 

Mit  einem  kurzen  Hinweis  auf  die  Berechtigung  derartiger 
'perationen  schliesst  H.  seine  Ausführungen. 

Diskussion:  Herr  Lexer  schlägt  gegen  die  Schrumpfung 
es  eingenähten  Darmstückes  die  Neubettung  mit  Fettgewebe  vor, 
B.  mit  Hilfe  eines  Netzzipfels  oder  mittelst  gestielter  Fettlappen 
us  der  Glutäalgegend.  Bei  langem  S  romanum  ist  vielleicht  der  Dick¬ 
arm  besser  als  der  Dünndarm  zu  verwenden.  Bezüglich  der 
chleimhauthomoplastik  (von  Scheidenprolapsen  anderer  Patienten) 
agt  L.,  ob  tatsächlich  gute  Erfolge  bekannt  wären. 

Schlusswort  Herr  Henkel:  Die  homoplüstische  Verwendung 
on  Scheidenlappen  hat  auf  die  Dauer  nicht  befriedigt. 

Herr  Lommel  demonstriert  Puls-,  Venen-  und  elektrokardio- 
raphische  Kurven  eines  Falles  von  paroxysmaler  Tachykardie, 
enenkurven  und  Elektrogramm  zeigten,  dass  es  sich  um  eine  vom 
orhof  ausgehende  Tachykardie  handelte  und  dass  während  des  An¬ 
ales  Vorhofflimmern  bestand.  Der  anfangs  gleichmässige  Puls  des 
ichykardischen  Anfalles  zeigte  nach  kurzer  Zeit  stets  die  Merkmale 
es  Pulsus  alternans.  Vortr.  erörtert  im  Anschluss  an  diesen  Fall 
en  Mechanismus  verschiedenartiger  tachykardischer  Anfälle.  (Der 
ortrag  erscheint  ausführlich  an  anderer  Stelle.) 

Herr  Noll:  Nachweis  der  Fettsubstanzen  des  Muskelgewebes. 

Vortr.  berichtet  über  eine  Methode,  durch  Lösung  des  Eiweisses 
er  Muskelfaser  die  ohne  weiteres  nicht  sichtbaren  Fettsubstanzen 
er  Sarkoplasmas  mikroskopisch  darzustellen.  Dies  gelang  durch 


künstliche  Verdauung  mit  Pepsin  und  Salzsäure,  ferner  durch  Neutral¬ 
salzlösungen  und  1  proz.  Kalilauge,  sowohl  an  der  Skelettmuskulatur 
vom  Menschen,  Säugetier,  Vogel,  Frosch,  als  auch  am  Herzen  und 
an  glatter  Muskulatur.  Auf  diese  Weise  liess  sich  das  Fett  in  über¬ 
raschend  grosser  Menge  innerhalb  der  Muskelfasern  und  Muskel¬ 
zellen  sichtbar  machen.  Es  wurden  eine  Reihe  Zeichnungen  nach 
Osmium-  und  Sudanpräparaten  epidiaskopisch  gezeigt,  aus  denen 
hervorging,  wie  mit  zunehmender  Lösung  des  Eiweisses  immer 
grösser  werdende  Fetttropfen  auftraten.  Ferner  wurde  auf  die  Aehn- 
lichkcit  hingewiesen,  die  diese  Bilder  mit  denen  der  sogen,  fettigen 
Degeneration  des  Muskels  haben. 

Diskussion:  Herr  Rössle:  Die  Mitteilungen  des  Herrn 
Vortragenden  sind  für  den  Pathologen  besonders  interessant,  und  es 
gäbe  manche  histologische  Erfahrung,  welche  sich  mit  den  vorge¬ 
tragenen  Befunden  gut  in  Uebereinstimmung  bringen  Hesse,  so  z.  B. 
der  Uebergang  von  albuminöser  Entartung  in  die  sogenannte  fettige 
Degeneration.  Jedoch  scheinen  mir  andererseits  die  Befunde  in 
Bezug  auf  ihre  Beziehungen  zur  Frage  der  fettigen  Degeneration  im 
allgemeinen  noch  zu  vieldeutig.  So  müsste  insbesondere  die  Art 
dieser  durch  proteolytische  Verdauung  entstandenen  Fettphanerose 
mikrochemisch  genauer  definiert  werden.  Aus  den  vorgezeigten  Fär¬ 
bungen  lässt  sich  nicht  sagen,  ob  nicht  etwa  nur  eine  postmortale 
myelinige  Dekomposition  der  Zellen  vorliegt.  Die  Möglichkeit  wäre  ja 
gegeben,  dass  durch  die  Verdauung  nichts  anderes  bewirkt  wird,  als 
eine  besondere  Beschleunigung  des  autolytischen  Prozesses.  Es 
müsste  deshalb  vorerst  das  Verhältnis  dieser  künstlichen  Verdauung 
zum  Vorgang  der  Autolyse  genauer  festgestellt  werden.  Gleich¬ 
gültig  aber,  ob  nun  Herrn  Nolls  Befunde  nur  für  die  Kenntnis  der 
Fettphanerose  bei  Autolyse  bemerkenswertes  bringen  oder  nicht,  sind 
sie  als  ein  neuer  experimenteller  Weg  für  die  Erforschung  der  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Eiweiss  und  Fett  in  der  Zelle  sehr  zu  begriissen. 

Herr  Noll:  Einen  Versuch  mit  aseptischer  Autolyse  des  Muskels 
habe  ich  gemacht.  Die  Veränderungen  verlaufen  hierbei  aber  viel 
langsamer  als  bei  der  künstlichen  Verdauung. 

Das  Fett  zeigte  sich  überall  einfachbrechend.  Ferner  wurde 
sein  Verhalten  gegen  Nilblausulfat  und  mit  der  Benda-Fischler- 
schen  Methode  der  Fettsäurefärbung  geprüft.  Danach  muss  man  das 
„Fett“  im  wesentlichen  als  eine  Mischung  von  Neutralfett  und  Phos- 
phatiden  betrachten.  Im  Herzen  ist  sein  Gehalt  an  Phosphatiden 
grösser  als  im  Skelettmuskel. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  3.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  March  and. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Payr  demonstriert  eine  28jährige  Patientin  mit  glücklich 
ausgeführter  Reposition  einer  reinen  Beugungsluxation  zwischen 
4.  und  5.  Halswirbel. 

Aufnahme  3  Wochen  nach  dem  Unfall  auf  die  chirurgische  Klinik. 
Die  Verletzung  war  am  4.  XI.  12  durch  Herabstürzen  von  einem 
Stuhle  auf  das  Hinterhaupt  entstanden.  Kurz  andauernde  Lähmung 
des  ganzen  Körpers.  Nach  einer  Stunde  schwerer  Ohnmachtsanfall. 
Im  rechten  Arm  Parästhesien  und  Kontrakturen,  die  schon  nach 
Tagen  zurückgingen,  links  unvollständige  Plexuslähmung  (stärkste 
Beteiligung  der  Muskeln  des  Schultergürtels  sowie  des  Vorder¬ 
armes).  Sowohl  Drehung,  als  Beugung  der  Halswirbelsäule  sind  sehr 
eingeschränkt.  Das  Röntgenbild  zeigt  die  Beugungsluxation 
mit  Verhakung  der  Gelenkfortsätze  in  deutlichster  Weise. 

Die  Reposition  wurde  am  26.  XI.  12  in  der  Weise  aus¬ 
geführt,  dass  die  Patientin  nach  vorheriger  Skopolamindarreichung 
mit  Glisson  scher  Schlinge  um  den  Hals  unter  den  B  e  e  1  y  sehen 
Rahmen  gesetzt  wird;  es  wird  soweit  extendiert,  dass  die  Patientin 
gerade  noch  mit  den  Nates  die  Sitzfläche  des  Stuhles  erreicht  und 
sich  im  halbwachen  Zustande  durch  aktive  Muskeltätigkeit  in  dieser 
Lage  erhält. 

Es  wird  nun  vorsichtig  bis  zum  Nachlassen  der  Muskelspannnng 
narkotisiert,  noch  etwas  stärker  extendiert  und  durch  leichte  Rück¬ 
wärtsbeugung  bei  durch  eine  Schlinge  nach  vorn  angezogener 
unterer  Halswirbelsäule  die  Einrenkung  ausgeführt. 

Die  Röntgenkontrolle  erweist  eine  nahezu  vollständige 
Rückkehr  der  Lage  der  beiden  Wirbel  zur  Norm.  Eine  ganz  gering¬ 
gradige  noch  vorhandene  Verschiebung  ist  vielleicht  durch  Auf¬ 
lagerung  von  neu  gebildetem  Bindegewebe  auf  die  Gelenkfortsätze 
zu  erklären. 

Jedenfalls  war  aber  der  Erfolg  auch  klinisch  sofort  bemerk¬ 
bar,  indem  die  Halsbewegungen  nach  dem  Erwachen  aus  der  Narkose 
vollkommen  frei  waren  und  die  Plexuslähmung  schon  innerhalb 
24  Stunden  ganz  zuriiekging.  (Nach  8  Tagen  vollkommen.) 

Patientin  wird  noch  für  kurze  Zeit  mit  Extension  in  Reklinations¬ 
stellung  nachbehandelt. 

Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  Nebel  über  Pneumo¬ 
thorax. 

Herr  Stephan  (a.  G.)  demonstriert  eine  Patientin  aus  der 
v.  Strümpell  sehen  Klinik,  bei  der  vor  3  Monaten  ein  linksseitiger 
Pneumothorax  angelegt  wurde.  Zu  Beginn  Hessen  sich  sehr  inter¬ 
essante  Beobachtungen  in  Bezug  auf  die  anzuwendende  Technik 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


machen.  Es  ergab  sich  nämlich  die  Unmöglichkeit,  mit  Hilfe  der 
üblichen  Technik  die  Pleurablätter  in  ausgedehnterer  Weise  von  ein¬ 
ander  abzulösen.  Die  physikalische  und  radiologische  Untersuchung 
hatten  vorher  einen  freien  Pleuraspalt  sehr  wahrscheinlich  gemacht. 
Nach  zweimaligem  Versuch  wurde  zunächst  das  Anlegen  eines 
Pneumothorax  aufgegeben  und  erst  später,  auf  Drängen  der  Patientin, 
von  neuem  aufgenommen.  Vortr.  ging  dann  in  der  Weise  vor,  dass 
er  an  den  verschiedensten  Stellen,  am  Rücken,  in  der  axillaren  Zone 
und  an  der  Brust  mit  einer  feinen  Punktionsnadel,  an  der  ohne 
Unterbrechung  der  Stickstoffleitung  zur  Kontrolle  eine  Rekordspritze 
angebracht  war,  einging  und  in  zahlreichen  Sitzungen  kleine  Stick¬ 
stoffmengen  (5 — 20  ccm)  unter  hohem  Druck  zwischen  die  Ver¬ 
wachsungen  einpresste.  Irgendwelche  Zwischenfälle  kamen  dabei 
nicht  zur  Beobachtung.  Nach  6  Wochen  war  es  auf  diesem  Wege 
möglich  geworden,  eine  totale  Immobilisierung  der  Lunge  zu  er¬ 
zielen.  Dass  es  sich  allenthalben  um  starke,  flächenhafte  Ver¬ 
wachsungen  der  Pleurablätter  gehandelt  hatte,  war  aus  der  mano¬ 
metrischen  Kontrolle  zu  ersehen.  —  Vortr.  führte  an  Hand  des  Falles 
weiter  aus,  dass  es  nicht  erlaubt  ist,  die  sogen.  Punktionsmethode 
a  priori  zu  verwerfen.  Wenngleich  die  Behauptung  zu  Recht  besteht, 
dass  es  mit  der  Brauer  sehen  Methode  gelingt,  mehr  Patienten  der 
Pneumothoraxtherapie  zuzuführen  als  mit  der  reinen  Punktions¬ 
methode,  so  zeigt  der  demonstrierte  Fall  andererseits,  dass  auch 
bisweilen  die  Forlaninimethode  der  anderen  überlegen  ist.  Im  vor¬ 
liegenden  Falle  hätte  man  mit  der  reinen  Schnittmethode  schon  nach 
dem  ersten  Eingriffe  den  Versuch  als  aussichtslos  aufgeben  müssen. 
Die  Zukunft  der  Pneumothoraxtherapie  dürfte  im  übrigen  wohl  in 
der  Kombination  beider  Methoden  liegen.  Der  erstmalige  Eingriff 
geschieht  dabei  am  besten  durch  einfache  Punktion  unter  Manometer¬ 
kontrolle;  sie  ist  in  erfahrener  Hand  ungefährlich  und  weit  weniger 
eingreifend  als  die  Eröffnung  des  Thorax  durch  breiten  Schnitt  und 
nachherige  Naht.  Nur  wenn  sich  auf  diese  Weise  ungünstige  Ver¬ 
hältnisse  ergeben,  ist  —  im  allgemeinen  —  ein  weiterer  Versuch  mit 
der  Brauer  sehen  Methode  zu  unternehmen.  (Wird  ausführlich  an 
anderer  Stelle  publiziert.) 

Herr  Nebel  (Schlusswort). 

Herr  Schüffner  demonstriert  Mikropliotos  von  Konjunktiva- 
abstrichen,  die  von  malayischen  Trachomkranken  stammten,  mit  den 
von  Prowazek  und  Halberstädter  entdeckten  Einschlüssen 
(Chlamydozoen).  Auf  den  Bildern  ist  der  dimorphe  Charakter  des 
Trachomerregers  gut  zu  erkennen.  Die  grösseren,  oft  mit  Kokken 
verwechselten  Initialkörperchen  in  ihrer  etwas  unregelmässigen,  an 
Pflastersteine  erinnernden  Form  und  die  kleineren,  sich  mit  Qiemsa 
rot  färbenden  Elementarkörperchen.  Beim  Wachsen  des  Einschlusses 
verschwinden  die  Initialkörperchen  allmählich  und  es  bleiben  nur 
verschwommene  Reste  des  an  ihrem  Aufbau  beteiligten  Plastins, 
blau  färbbar,  zurück.  Die  Epithelzelle  scheint  unter  der  Ein¬ 
wanderung  und  Entwickelung  der  Parasiten  nicht  sichtbar  zu  leiden, 
ihr  äusserer  Habitus,  vor  allem  auch  der  Kern,  bleiben  durchaus 
erhalten  und  funktionstüchtig.  Die  Infektion  trägt  daher  den 
Charakter  einer  Symbiose  (Prowazek),  die  sehr  chronisch  ver¬ 
läuft  und  nur  zu  einer  Epithelvermehrung  und  Verdickung  führt.  Die 
Infektion  verursacht  aber  wohl  eine  Resistenzverminderung  des 
Epithels,  das  nun  durch  sekundäre  Prozesse  leichter  geschädigt  und 
zerstört  wird.  Die  schweren  Folgen  des  Trachoms,  Schrumpfung, 
Pannus,  fasst  S.  im  Sinne  Prowazeks  als  sekundär  bedingt  auf. 
Die  Kleinheit  der  Elementarkörperchen,  auf  den  Photos  scharf  hervor¬ 
tretend,  macht  ihre  Filtrierbarkeit  verständlich.  Diese  Eigenschaft 
haben  sie  mit  den  übrigen  Chlamydozoen  gemein,  die  sich  dadurch, 
sowie  durch  ihre  Fähigkeit,  Reaktionsprodukte  in  der  Zelle  zu  bilden 
(Neg rische,  Guarnirische,  Molluskumkörperchen)  und  endlich  durch 
ihr  chemisches  Verhalten  gewissen  Stoffen  gegenüber  von  Bakterien 
unterscheiden.  Dass  es  ein  vermehrungsfähiges  Virus  ist,  wird  da¬ 
durch  bewiesen,  dass  es  passagenweise  auf  anthropoide  Affen  über¬ 
impft  werden  konnte. 

An  zweiter  Stelle  gibt  Schüffner  eine  Uebersicht  seiner 
15  jährigen  Tätigkeit  als  ärztlicher  Berater  der  Senembahgesellschaft 
auf  Deli-Sumatra  (ein  grosses  Tabaksunternehmen  mit  6  Pflanzungen, 
mit  ca.  7000  farbigen  Arbeitern,  teils  Chinesen,  teils  Javanen,  arbeitend; 
im  Tropenflachlande  gelegen,  mit  ca.  500  Quadratkilometer  be¬ 
tragendem  Landbesitz).  Das  „Klima“  dort  war  wegen  seiner 
mordenden  Eigenschaften  berüchtigt.  S.  demonstriert  das  an  Hand 
einer  Mortalitätsstatistik,  wobei  er  ausser  den  14  selbst  erlebten 
Jahren  noch  die  7  Jahre  vorher  mit  heranzieht  und  die  ganze  Zeit 
in  drei  Perioden  zu  etwa  7  Jahren  einteilt.  In  der  ersten  Periode, 
während  welcher  hygienisch  fast  nichts  geschah,  hat  die  Kurve  einen 
springenden  Charakter;  je  nach  dem  Fernbleiben  oder  dem  Einfallen 
von  Epidemien,  denen  die  Leute  hilflos  preisgegeben  waren,  bleibt 
die  Mortalität  auf  32  P  r  o  m.  oder  steigt  bis  a  u  f  136  P  r  o  m„  d.  h. 
also:  der  Arbeiterbestand  wurde  mehr  als  dezimiert.  Der  Durch¬ 
schnitt  in  diesen  Jahren  war  eine  Mortalität  von  73  Prom.;  normaler¬ 
weise  hätte  sie  in  dem  Lebensalter  von  20 — 50  Jahren  etwa  10  Prom. 
sein  sollen. 

In  die  zweite  Periode  von  8  Jahren  fällt  der  Kampf  gegen  die 
Krankheiten,  den  S.  nach  modernen  Prinzipien  aufnahm.  Die  Kurve 
zeigt  von  Anfang  an  eine  fallende  Tendenz,  nicht  mehr  die  riesigen 
Differenzen  der  früheren  Periode,  sondern  hält  sich  zwischen  60  Prom. 
und  19  Prom.;  durchschnittlich  starben  in  diesen  Jahren  41  Prom. 
der  Arbeiter,  also  32  Prom.  weniger  als  in  der  ersten  Periode. 


No.  6 


Die  dritte  Periode  endlich  zeigt  die  Mortalität  auf  ihr  Mindest¬ 
mass  herabgedrückt,  hier  schwankt  sie  nur  noch  z Wischer 
15  Prom.  und  9,7  Prom.,  der  Durchschnitt  für  diese  Periode  be¬ 
trägt  11,5  Prom.,  also  nur  noch  wenige  Zehntel  von  dem  idealer 
Stande  entfernt. 

Die  wichtigste  Periode  ist  die  zweite,  in  welche  die  Aufklärungs¬ 
arbeit  über  die  früher  vielfach  verkannten  Krankheiten  fällt,  ferner 
das  Tasten  nach  geeigneten  Bekämpfungsmitteln  und  Methoden,  bis 
zur  vollendeten  Assanierung. 

Von  ausschlaggebender  Bedeutung  war  die  Vertreibung  der 
Beriberi,  der  alimentären  Polyneuritis,  durch  Kostveränderung;  dann 
der  Cholera  durch  Quarantäne  und  durch  sehr  rigorose  Nahrungs¬ 
überwachung  einer  jeden  Arbeitergruppe,  wo  plötzlich  Cholera 
einfiel.  Die  Leute  müssen  dann  für  einige  Tage  nur  heisse 
Nahrung  zu  sich  nehmen,  aus  reinen  Schüsseln  mit  ge¬ 
waschenen  Händen;  alle  Reste  werden  entfernt,  so  dass  sie  nicht  als 
Nährböden  für  Choleravibrionen  dienen  können,  die  durch  Kontakt 
oder  Fliegen  dort  hingebracht  werden  können.  Derartige  Mass-, 
nahmen  sind  natürlich  nur  gegen  eine  Krankheit,  wie  die  Cholera' 
möglich,  welche  in  Deli  nur  rasche  Raubzüge  hält.  Neuerdings! 
wurden  auch  durch  die  Schutzimpfung  grosse  Erfolge  erzielt. 

Ferner  ist  dauernd  die  Bekämpfung  der  Ankylostomiasis  im 
grössten  Massstabe  durchgeführt  worden.  Am  längsten  widerstand 
die  stets  im  Lande  sich  befindende  Dysenterie,  und  zwar  haupt¬ 
sächlich  die  Amöbendysenterie.  Obwohl  man  früher  schon  gegen 
sie  durch  Versorgung  der  Arbeiter  mit  Thee  vorging,  so  wich  sie 
doch  erst,  nachdem  diese  Theeversorgung  in  solcher  Reichlichkeit  ge-! 
handhabt  wurde,  dass  die  Leute  schlechterdings  nicht  mehr  in  die 
Notlage  kamen,  unreines  Wasser  zu  trinken.  Die  Leute  erhielten 
nicht  nur  Thee,  wenn  sie  auf  Arbeit  gingen,  sondern  er  wurde  ihnen! 
in  die  weit  auseinanderliegenden  Felder,  wo  die  Leute  einzeln,  in 
Abständen  von  2 — 300  Metern  arbeiten,  mehrmals  den  Tag  über! 
nachgetragen.  Dieses  System  gab  für  die  Amöbendysenterie  den 
Ausschlag,  sie  ging  herunter,  und  ist  es  auch  seitdem  geblieben. 
S.  weist  besonders  darauf  hin,  dass  für  Cholera  und  für  Typhus  diesei 
Theeversorgung  nicht  genügte,  und  dass  darum  der  Weg,  den  diese 
beiden  Infektionen  nehmen,  nicht  vorwiegend  der  über  das  Wasser, 
der  hier  ja  ausgeschaltet  wurde,  sein  kann. 

Die  Rolle  der  Malaria  hat  man  in  Deli  früher  überschätzt,  sie 
kommt  für  die  Mortalität  ebensowenig  wie  die  Pocken,  welche  durch 
die  Vakzination  ausgeschaltet  wurden,  oder  wie  die  Pest  in  Betracht. 
Dagegen  droht  als  neue  Gefahr  das  Gelbfieber,  wenn  nach  der  Er¬ 
öffnung  des  Panamakanales  der  Weg  zur  Ostküste  Amerikas  offen, 
gestellt  wird. 

Die  hier  erreichte  Assanierung,  eine  der  ersten  in  den  Tropen 
überhaupt,  vor  allem  aber  der  jetzt  schon  8  Jahre  lang  dauernde 
Bestand  des  Erfolges  gestatten  einen  hoffnungsvollen  Ausblick  in  die 
Zukunft  tropischer  Kolonien,  und  zeigen,  welches  dankbare  Gebiet 
für  hygienische  Pionierarbeit  in  den  Tropen  offen  steht.  (Wird  als 
Originalarbeit  erscheinen.) 

Diskussion:  Herr  Löh  lein  hält  Herrn  Schüffner 
gegenüber  auf  Grund  der  vorliegenden  epidemiologischen  Erfah¬ 
rungen,  speziell  auch  seiner  eigenen  in  Kamerun,  für  wahrscheinlich, 
dass  bei  der  Amöbiasis  Kontakt  infektion  die  wichtigste 
Form  der  Verbreitung  ist. 

Herr  Schüffner  bemerkt,  dass  für  die  Amöbendysenterie  die 
Verschleppung  durch  Fliegen  viel  weniger  oder  überhaupt  nicht  ir 
Betracht  komme  als  wie  für  die  viel  kleineren  und  in  unendlich 
grösseren  Massen  entleerten  Cholera-  und  Typhusbazillen.  Bei  diesem 
bakteriellen,  im  Gegensatz  zu  den  Amöben  im  Freien  vermehrungs¬ 
fähigen  Virus  versagt  daher  eine  einseitige  Trinkwasserversorgung, 
die  bei  der  Amöbendysenterie  den  augenfälligen  Erfolg  hatte.  Bei 
Typhus  und  Cholera  muss  man  in  gleicher  Weise  auf  die  Infektion 
durch  Nahrungsmittel  achten.  I 

Herr  Abel  weist  auf  die  grosse  Bedeutung  der  von  Schüff¬ 
ner  durchgeführten  Organisation  zur  Tropenhygiene  hin. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Friedeberg  stellt  einen  Fall  von  Polymastie  vor,  der 
einen  jungen  Mann  mit  zwei  überzähligen  Brustdrüsen  betrifft.  Die¬ 
selben  sind  symmetrisch  an  der  vorderen  Bauchwand  angeordnet 
Der  Warzenhof  ist  wie  bei  den  beiden  normalen  dunkel  pigmentiert: 
sein  Durchmesser  beträgt  7  mm.  Ein  Ausführungsgang  ist  auf  der 
Mammillen,  selbst  mit  starker  Vergrösserung,  nicht  festzustellen 
Störungen  haben  die  überzähligen  Brustdrüsen  hier  niemals  ver¬ 
anlasst. 

Diskussion:  Herr  Kluge:  M.H.!  Ich  erinnere  mich  be 
der  Vorstellung  des  Kollegen  Friedeberg,  dass  wir  Militärärzte 
im  Anfang  der  90  er  Jahre  als  Stabsärzte  auf  Bitten  des  Anatomer 
Prof.  Bardeleben  angewiesen  wurden,  bei  dem  Ersatzgeschäü 
auf  alle  Fälle  von  „Polymastie“  oder  wie  damals  gesagt  wurde 
„Hyperthelie“  (von  die  Brustwarze)  zu  achten.  Ich  habt 

damals  eine  ganze  Reihe  solcher  überzähliger  Brustwarzen  bei  der 
jungen  Leuten  gefunden,  etwa  5  auf  1000.  Es  fiel  schon  damals  aut- 


![.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


329 


iss  die  Stellung  der  überzähligen  Warzen,  wie  sie  es  auch  in  dem 
er  vorgestellten  Falle  sehen,  in  einer  schräg  von  oben  aussen  nach 
neu  unten  verlaufenden  Linie  stehen,  man  verglich  es  damals  mit 
in  Sitz  der  Knöpfe  beim  Ueberrock  der  Offiziere.  Nach  der 
■utigen  Mode  stimmt  das  allerdings  nicht  mehr. 

Herr  Wendel:  Demonstration  eines  Falles  von  multiplen  tuber- 
ilösen  Strikturen  des  Dünndarmes. 

Fs  handelt  sich  um  eine  33  jährige  Frau,  welche  schon  seit 
Jahren  an  Darmbeschwerden  litt,  die  sich  in  den  letzten  Wochen 
i  ileusartigen  Symptomen  steigerten:  Schmerzhafte  Darmsteifungen, 
■brechen,  Stuhlverhaltung,  Meteorismus.  Besonders  gut  sicht-  und 
lilbar  waren  die  Darmsteifungen,  und  zwar  sah  man  stets  mehrere 
armschlingen  sich  gleichzeitig  steifen.  Im  Röntgenbilde  nach 
ismutmahlzeit  waren  sehr  deutlich  verschiedene  Dünndarm- 
Illingen,  durch  Einschnürungen  getrennt,  zu  erkennen.  Bei  der 
peration  fanden  sich  im  Dünndarm,  ziemlich  regelmässig  verteilt, 
ehr  als  12  Stenosen,  welche  20 — 30  cm  voneinander  entfernt  waren, 
ie  zwischen  ihnen  gelegenen  Darmabschnitte  waren  stark  gefüllt, 
ebläht.  ihre  Wand  hypertrophisch.  Die  Stenosen  selbst  wurden 
rrch  harte,  plattenartige  Infiltrate  der  Submukosa  gebildet.  Ihr 
ittelpunkt  entsprach  dem  Mesenterialansatze.  Sie  umfassten  2/s  bis 
des  Darmumfanges.  Die  Serosa  war  ganz  unverändert  und  mit 
;r  Muskularis  gegen  die  Infiltrate  verschieblich.  Durch  narbige 
:hrumpfung  war,  ähnlich  wie  beim  Sanduhrmagen,  die  Darmwand 
i  das  Infiltrat  herangezogen  und  dadurch  eine  hochgradige  Stenose 
erursacht.  Die  gleichzeitig  vorhandenen  mesenterialen  Lymph- 
lotenschwellungen  und  eine  nachweisbare  rechtsseitige  Lungen- 
ithise  sprechen  für  eine  tuberkulöse  Natur  der  Stenosen.  Es  blieb 
.veifelhaft,  ob  in  der  Mitte  der  Infiltrate  noch  Ulcera  vorhanden  oder 
les  nur  Narbe  war.  Zweifellos  aber  waren  es  keine  floriden  tuber- 
jlösen  Ulcera,  sondern  in  der  Vernarbung  begriffene.  Frei  von  den 
eränderungen  waren  ausser  dem  ganzen  Dickdarm  etwa  100  ccm 
am  obersten  Jejunum  und  20  cm  vom  untersten  Ileum.  Eine  Darm- 
:sektion  erschien  bei  dem  grossen  Ausfall  von  vornherein  aus- 
;schlossen.  Daher  wurde  einfach  oberhalb  und  unterhalb  der  Ste¬ 
ssen  zwischen  Jejunum  und  Ileum  eine  seitliche  Anastomose  mit 
aht  angelegt.  Diese  hatte  den  besten  Erfolg.  Völliges  Verschwin- 
;n  der  Beschwerden.  Gewichtszunahme,  keine  Durchfälle. 

Demonstration  der  Patientin  und  der  Platten. 

Herr  R  e  t  z  1  a  f  f :  Ueber  Venennaht. 

Vortr.  stellt  einen  33jähr.  Mann  vor,  der  mit  Kompressions- 
erband  um  den  linken  Oberarm  in  der  Nacht  des  7.  X.  12  in  die 
udenburger  Krankenanstalt  eingeliefert  war.  Nach  Abnahme  des 
erbandes  trat  eine  starke  Blutung  aus  der  linken  Achselhöhle  auf, 
ie  von  2  Messerstichen  herrührte.  Da  man  das  blutende  Gefäss 
iclit  zu  Gesicht  bekommen  konnte,  wird  die  Operation  in  Narkose 
ngeschlossen.  Die  kleinen  Stiche  werden  durch  Inzision  der  weit 
nterminierten  Haut  erweitert.  Man  konnte  nun  erkennen,  dass  kurz 
or  Uebergang  der  Vena  axillaris  in  die  Venae  brachiales  sich  in  der 
rsteren  ein  3  cm  langer  Schnitt  befand.  R.  nähte  die  Vene  fort- 
iufend  in  der  Längsrichtung  mit  feinem  Katgut,  darauf  Unterbindung 
lehrerer  kleiner  Aeste  in  der  anderen  erweiterten  Stichöffnung.  Die 
Vunde  heilte  primär.  In  der  Blutableitung  des  linken  Armes  ist 
eine  Störung  eingetreten. 

Herr  Kluge:  Ueber  Sterilität. 

M.  H.!  In  diesen  Tagen  wurde  mir  von  einer  jungen  Frau 
leiner  Klientel,  welche  im  verflossenen  Sommer  zweimal  wegen 
ehlgeburt  behandelt  werden  musste  und  die  noch  jetzt  im  Anschluss 
n  den  letzten  Abort  an  einer  eitrigen  Endometritis  leidet,  das  In- 
trument,  welches  ich  Ihnen  hier  zeige,  übergeben.  Sie  hatte  selbst 
ie  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  die  jetzige  Nachkrankheit  wohl 
ine  Folge  des  Gebrauches  dieses  Instrumentes  sein  müsse.  Vor 
lehreren  Jahren  sind  von  ihr  zwei  gesunde  Kinder  geboren, 
iinschte  dann,  im  Einverständnis  mit  ihrem  Mann,  keine  Kinder 
lehr.  Der  zuerst  Jahre  hindurch  geübte  Coitus  interruptus  machte 
en  Mann  nervös;  es  wurde  dann  der  Frau  auf  ihre  Mitteilungen  hin 
on  einer  Verwandten  das  Sterilet  übergeben,  welches  sie  sich  selbst 
ingefiihrt  haben  will  mit  dem  Effekt,  dass  sie  kurz  hintereinander 
Mal  konzipierte  und  offenbar  infolge  des  eingeführten  Instrumentes 
bortierte.  Sie  versicherte,  nie  mehr  solche  Mittel  anwenden  zu 
rollen.  Das  Instrument  führt,  wie  Sie  aus  dem  aufgedruckten 
tempel  ersehen,  den  schönen  Namen  „Obstavit“  und  wird  als 
Rauhs  Uterusschutzpessar“  bezeichnet.  Es  ist  in  der  Form  und 
n  Aussehen  viel  gefälliger  als  das  berüchtigte  H  o  1 1  w  e  g  sehe 
terilet,  und  da  es  aus  Aluminium  gefertigt  ist,  sehr  leicht.  Dass 
s  ebenso  unsicher  auf  die  Verhütung  der  Konzeption  und  beför- 
ernd  auf  die  Herbeiführung  des  Abortes  wirkt  wie  das  Ho  11  weg - 
ehe.  ersehen  Sie  aus  meiner  Mitteilung. 

Herr  Wendel  bespricht  die  von  ihm  bevorzugte  Operation  der 
ctopia  testis  nach  Katzenstein,  besonders  unter  Hinweis  auf 
ie  von  Habs  der  Gesellschaft  empfohlene  Operation  der  Ver- 
igerung  des  ektopischen  Testis  in  die  kontralaterale  Skrotalhälfte. 
he  Operation  nach  Katzenstein  benutzt  bekanntlich  einen 
appen  aus  dem  Oberschenkel  mit  Fascia  lata,  um  einen  dauernden 
lug  am  Testikel  so  lange  auszuführen,  bis  der  Samenstrang  hin¬ 
eichend  gedehnt  ist,  dass  er  den  im  Grunde  des  Skrotum  liegenden 
loden  nicht  mehr  nach  oben  ziehen  kann.  Wer  den  Operationsplan 
iest,  hält  ihn  für  sehr  kompliziert.  In  Wirklichkeit  ist  aber  die 
echnik  sehr  einfach.  Sie  gibt  auch  bei  Leisten-,  ja  selbst  noch  bei 
lauchhoden  so  gute  Resultate,  wie  keine  andere  Methode.  Der 


Vortragende  hat  nie  einen  Versager  gehabt.  Er  sieht  den  grossen 
Vorteil  der  Methode  darin,  dass  der  Testikel,  welcher  selbst  bei 
starker  operativer  Dehnung  des  Samenstranges  stets  Neigung  hat, 
wieder  sich  nach  oben  zu  verlagern,  an  der  Oberschenkelfaszie 
unterhalb  des  Grundes  des  Skrotums  fixiert  und  da¬ 
durch  wirklich  nach  unten  gezogen  wird.  Das  Skrotum  selbst  kann, 
wie  man  auch  in  ihm  den  Testikel  befestigen  möge,  keinen  Wider¬ 
stand  gegen  den  Zug  nach  oben  leisten,  sondern  muss  diesem  Zuge 
folgen.  Man  findet  daher  nach  den  anderen  Operationsmethoden  den 
oder  die  Hoden  am  Damm  an  der  Peniswurzel  sitzen,  nicht  im  Grunde 
des  Skrotums.  Zwar  wird  von  den  Verfechtern  dieser  Fixation  im 
Skrotum  angeführt,  dass  die  Patienten  sich  manuell  später  den 
Hoden  herabziehen.  Aber  bei  jüngeren  Knaben,  wo  man  schon  der 
komplizierenden  Hernien  wegen  oft  zu  operieren  gezwungen  ist,  kann 
eine  solche  Manipulation  am  eigenen  Testis  weder  aus  erzieherischen 
Gründen  gutgeheissen,  noch  auch  so  konsequent  durchgeführt  werden, 
dass  sich  der  gewünschte  Erfolg  versprechen  lässt.  Aber  auch  bei 
älteren  Individuen  ist  eine  Operation  vorzuziehen,  die  es  ganz  dem 
Arzte  überlässt,  wann  er  die  Dehnung  des  Samenstranges  für  hin¬ 
reichend  hält.  Dann  wird  in  Lokalanästhesie  die  Basis  des  Lappens 
durchschnitten  und  die  kleinen  Wunden  an  Oberschenkel  und  Skrotum 
durch  Naht  geschlossen. 

Diskussion:  Herr  Habs:  Die  von  mir  angegebene  und  auf 
dem  Chir.-Kongress  1910  in  der  Diskussion  (cf.  Verhandlungen 
Seite  64)  mitgeteilte  Operationsmethode  zeitigt  —  im  Gegensatz  zur 
Annahme  des  Kollegen  Wendel  recht  gute  Resultate;  die  Methode 
gleicht  im  ersten  Teil  (möglichst  hohe  Befreiuung  des  Samenstranges) 
der  des  Herrn  Katzenstein,  weiterhin  aber  wird  der  Hoden 
fixiert  dadurch,  dass  man  in  das  Septum  scroti  ein  kleines  Loch 
macht,  in  der  anderen  Skrotalhälfte  stumpf  eine  Lage  für  den  Hoden 
bohrt,  den  Testis  durch  den  Septumschlitz  in  die  andere  Skrotal¬ 
hälfte  verlagert  und  den  Septumschlitz  durch  einige  Nähte  derart 
verengert,  dass  die  Testis  nicht  zurückschlüpfen  kann.  Es  wird 
also  der  Testis  tiefer  als  die  Peniswurzel  fixiert  und  er  kann  nicht 
nach  oben  zurückschlüpfen,  da  ihn  das  derbe  Septum  daran  ver¬ 
hindert.  Bei  doppelseitigem  Kryptorchismus  wird  durch  den  gleichen 
Septumschlitz  der  rechte  Hoden  in  die  linke,  der  linke  in  die  rechte 
Skrotalhälfte  verlagert.  —  Dasselbe  Verfahren  hat  jetzt  (Bull,  de  l’acad. 
medec.  1912,  No.  11)  der  französische  Chirurg  Ch.  Walther  ver¬ 
öffentlicht  und  empfohlen.  —  Die  Methode  ist  für  die  Patienten 
bequemer  wie  die  Katzenstein  sehe.  Das  weitere  Herabtreten 
des  Hoden  resp.  die  weitere  Dehnung  des  Samenstrangs  wird  von 
den  Patienten  manuell  durch  Abwärtsziehen  des  Testis  erreicht, 
anstelle  des  Zuges  durch  'Oberschenkelbewegungen  bei  der 
Katzenstein  sehen  Methode. 

Herr  Kluge:  Ich  möchte  den  Herrn  Vortragenden  nur  fragen, 
ob  es  sich  auch  schon  in  den  Kinderjahren  empfiehlt,  bei  Erschei¬ 
nungen  von  Inkarzeration  des  Testikels  im  Leistenkanal  die  Ope¬ 
ration  zu  empfehlen,  auch  wenn  z.  B.  im  Liegen  der  im  Stehen  nach 
oben  abgewichene  Testikel  sich  wieder  in  den  Hodensack  hinein¬ 
schiebt  und  dann  keinerlei  Beschwerden  bereitet,  während  er  aller¬ 
dings  im  Stehen  offenbar  lebhafte  Schmerzen  verursachte.  —  Ich 
habe  vor  wenigen  Tagen  einen  solchen  Fall  bei  einem  5  jährigen 
Knaben  gesehen.  — 

Herr  Wendel  erwidert  Herrn  Kluge,  dass  er  die  Operation 
gern  bei  Knaben  ausführt,  ehe  sie  in  die  Schule  kommen,  damit 
ihnen  die  Erkenntnis,  dass  sie  an  ihren  Sexualorganen  nicht  normal 
sind,  erspart  bleibt. 

Herrn  Habs  erwidert  er,  dass  nicht  theoretische  Auseinander¬ 
setzungen,  sondern  die  praktische  Erfahrung  entscheiden  müsse. 
Er  demonstriert  deshalb  einen  14  jährigen  Patienten  mit  doppel¬ 
seitigem  Leistenhoden.  Rechts  wurde  der  Hoden  erst  während  der 
Operation  am  inneren  Leistenringe  gefunden,  links  lag  er  dicht 
hinter  dem  äusseren  Leistenringe.  Links  war  er  schon  vor  der 
Operation  palpabel  gewesen,  rechts  nicht.  Ein  eigentliches  Skrotum 
war  überhaupt  nicht  vorhanden,  sondern  der  Bulbus  urethrae  war 
von  einer  runzeligen  Hautfalte  bedeckt,  welche  sich  zwar  dehnen  liess, 
aber  sich  sofort  wieder  an  den  Damm  anlegte.  Hier  galt  es  also 
erst  ein  Skrotum  zu  schaffen.  Die  Operation  verlief  folgender- 
massen : 

1.  Freilegung  der  beiden  Testikel  durch  Inguinalschnitt. 
Dehnung  des  Samenstranges  und  Herunterziehen  desselben  aus  der 
Bauchhöhle  unter  breiter  Spaltung  des  deckenden  hinteren  Peri¬ 
tonealblattes.  Radikaloperation  der  komplizierenden  Hernie. 

2.  Bildung  eines  Lagers  für  jeden  Hoden  in  der  gleichnamigen 
Hälfe  des  rudimentären  Skrotums.  Durchstossung  der  tiefsten  Stelle 
des  Skrotum  mit  der  Kornzange.  Beiderseits  wird  die  Albuginea  des 
Hodens  mit  mehreren  Seidennähten  gefasst  und  dadurch  der  Hoden 
durch  den  Skrotalschlitz  nach  dem  Oberschenkel  zu  hervorgezogen. 

3.  Bildung  eines  Haut-Faszienlappens  mit  unterer  Basis  bei  stark 
gebeugten  Oberschenkeln,  welche  gleichzeitig  etwas  abduziert  sind. 
Die  Albugineatestis  wird  mit  Seide  fest  an  die  Fascia  lata  genäht, 
die  Haut  des  Lappens  an  den  Schlitzrand  des  Skrotums.  Dadurch 
wird  zugleich  das  Skrotum  so  nach  abwärts  gezogen,  dass  es  den 
Testis  wieder  umgibt. 

Die  Nachbehandlung  bestand  in  allmählicher  Streckung  der 
durch  Kissen  gebeugt  gehaltenen  Oberschenkel.  Wundheilung  pri¬ 
mär.  Der  jetzt  demonstrierte  Patient  ist  4  Wochen  nach  der  Ope¬ 
ration,  seit  10  Tagen  ausser  Bett.  Er  geht  umher.  Beim  Gehen 
sieht  man,  wie  der  Oberschenkel  jedes  Mal  auf  seiner  Seite  einen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  ( 


330 


Zug  am  Testikel  .ausübt.  Dieser  Zug  ist  absolut  nicht  schmerzhaft, 
er  hindert  den  Patienten  nicht  am  Gehen.  Man  fühlt  den  Testikel 
am  Grunde  des  Skrotums  liegen.  Er  und  das  Skrotum  sind  an  dem 
kleinen  Oberschenkellappen  fixiert.  Schon  jetzt  ist  der  Samenstrang 
so  gedehnt,  dass  bei  Beugung  des  Oberschenkels  der  Testikel  nicht 
höher  steigt.  In  kurzer  Zeit  kann  die  Basis  des  Lappens  mit  einem 
Scherenschlag  durchtrennt  werden.  Dann  bildet  das  Stückchen 
Oberschenkelhaut  den  Grund  des  Skrotum. 

Vortragender  wartet  ab,  ob  man  ihm  mit  anderen  Methoden 
einen  gleichen  Erfolg  vorweise. 

Herr  Wendel:  Demonstration  eines  Falles  von  Prostata¬ 
hypertrophie,  kompliziert  durch  Blasensteine. 

73  jähriger  Mann,  seit  6  Jahren  komplette  Ischurie,  kathetcrisiert 
sich  selbst.  Vor  1  Jahre  wurden  im  Krankenhause  Altstadt  die 
Blasensteine,  welche  sich  gebildet  hatten,  durch  Sectio  alta  entfernt, 
nicht  aber  die  Prostata.  Die  Steine  haben  sich  wieder  gebildet.  Sie 
wurden  durch  Katheter  gefühlt  und  auf  der  Röntgenplatte  dargestellt. 
Es  handelt  sich  um  2  kastaniengrosse  Steine  von  der  Gestalt  eines 
Tetraeders,  im  Gesamtgewicht  von  50  g.  Daneben  war  eine  flächen¬ 
hafte  Inkrustation  der  Blasenschleimhaut  vorhanden,  besonders  in 
dem  tiefen  Rezessus  hinter  der  mächtigen  Prostata.  Diese  wird 
durch  transvesikale  Prostatektomie  entfernt.  Sie  wiegt  85  g.  Der 
Patient,  in  Lumbalanästhesie  operiert,  hat  die  Operation  sehr  gut 
überstanden.  Er  lässt  von  der  3.  Woche  ab  seinen  Urin  ganz  spon¬ 
tan  in  3 — 4  ständigen  Pausen.  Er  wird  mit  Blasenspülungen,  Wil- 
dunger  Wasser,  Urotropin  solange  nachbehandelt,  bis  der  Urin  klar 
und  sauer  ist. 

Der  Vortragende  verbreitet  sich  über  die  Behandlung  der  Pro¬ 
statahypertrophie  in  grossen  Zügen.  Er  behandelt  die  akute  Ischurie 
mit  regelmässigem  Katheterismus,  Blasenspülungen,  Lindenblüten- 
thee,  Urotropin.  Bei  chronischer  macht  er  die  transvesikale  Pro¬ 
statektomie,  event.  nach  Vorbehandlung  der  Zystitis,  meist  in  Lum¬ 
balanästhesie. 

Herr  Wendel:  Demonstration  von  neuropathischen  Gelenk¬ 
erkrankungen  bei  Tabes  und  Syringomyelie.  Demonstration  von 
Röntgenplatten,  Resektions-  und  Amputationspräparaten. 

Herr  Blencke:  Mitteilungen  über  tabische  Gelenkentzün¬ 
dungen  und  Spontanfrakturen. 

An  der  Hand  von  zwei  durch  Amputation  gewonnenen  Unter¬ 
schenkeln  mit  erheblichen  tabischen  Fussgelenksentziindungen  und 
zahlreichen  Frakturen  bespricht  B.  die  verschiedenen  Formen  der 
Arthropathie  in  grossen  Zügen  und  berichtet  kurz  über  die  Resultate 
der  mikroskopischen  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  so¬ 
wohl  am  Knochen  wie  auch  an  den  Nerven,  an  denen  Veränderungen, 
die  für  das  Entstehen  der  Gelenkerkrankung  bezw.  der  Frakturen 
von  Bedeutung  wären,  nicht  gefunden  werden  konnten. 

Beide  Fälle  standen  noch  nicht  im  ataktischen  Stadium,  sondern 
es  waren  bei  beiden  die  Gelenkentzündungen  bezw.  die  Frakturen 
die  Frühsymptome  einer  Tabes,  deren  eigentliche  Anzeichen  erst 
später  in  die  Erscheinung  traten. 

B.  will  deshalb  bei  der  Veröffentlichung  aller  pathologisch¬ 
anatomischen  Untersuchungen  einen  strengen  Unterschied  gemacht 
wissen  zwischen  solchen  Fällen,  die  im  Frühstadium  der  Tabes  auf- 
treten  gleichsam  als  allererstes  Symptom  dieser  und  zwischen 
solchen  im  ataktischen,  schon  weit  vorgeschrittenen  Stadium.  Dass 
bei  letzteren  für  eine  Anzahl  auch  gewisse  schwerere  krankhafte,  das 
ganze  Skelett  betreffende  osteomalazische .  und  osteoporotische  Vor¬ 
gänge  verantwortlich  zu  machen  sind,  ist  —  darin  hat  Baum 
sicherlich  recht  —  ebenso  klar  wie  dass  bei  jenen  ersteren  jedwelche 
nachweisbare  organische  Skelettveränderungen  fehlen. 

Wenn  auch  über  die  eigentliche  Entstehungsursache  der  Ge¬ 
lenkentzündungen  und  Spontanfrakturen  der  Streit  noch  nicht  ganz 
beigelegt  ist,  so  wird  wohl  heutzutage  von  keiner  Seite  mehr 
bestritten  werden,  dass  diese  mit  einer  Erkrankung  bezw.  Alteration 
des  Nervensystems  in  engste  Verbindung  zu  bringen  sind  und  dass 
sie  sich  deshalb  auch  ohne  das  geringste  Trauma,  ohne  die  geringste 
Gewalteinwirkung  von  aussen  her  entwickeln  können. 

Und  diese  unumstössliche  Wahrheit  dürfte  vor  allen  Dingen  für 
die  Berufsgenossenschaften  von  grösster  Wichtigkeit  sein,  weil  es 
ihnen  so  viel  eher  möglich  ist,  in  zweifelhaften  Fällen  Entschädigungs¬ 
ansprüche  abzulehnen. 

Es  genügt  nicht,  wenn  der  Kläger  sich  bei  der  üblichen  Be¬ 
schäftigung,  die  das  Mass  einm-  gewöhnlichen  Betriebsarbeit  nicht 
übersteigt,  sich  eine  derarige  Erkrankung  zuzieht,  sondern  es  muss 
immer  ein  Unfall  im  gesetzlichen  Sinne  vorhanden  sein,  es  muss 
sich  um  eine  traumatische  Fraktur  eines  Tabetischen  handeln,  keines¬ 
wegs  aber  um  eine  Spontanfraktur  im  wirklichen  Sinne  des  Wortes, 
bei  der  jedes,  auch  noch  so  geringe  Trauma  fehlt. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Dezember  1912. 

Herr  Vogel  demonstriert: 

a)  einen  Fall  von  Möller-Barlow  scher  Krankheit; 

b)  einen  Fall  von  Periostitis  ossificans  luetica  (mit  Röntgen- 
Tilde  rn>. 

Disk  u  s  s  i  o  n :  Herr  Ibrahim. 


Herr  v.  Pfaundler  war  in  Sachen  der  Anzeigepflicht  de 
H  e  i  n  e -  M  e  d  i  n  sehen  Krankheit  bei  Herrn  Medizinalrat  Dieu 

d  o  n  n  e.  Dieser  meint,  dass  man  am  besten  zunächst  bei  den  baye 
rischen  Aerzten  eine  Rundfrage  in  dieser  Angelegenheit  vor 
nehmen  solle  und  stellt  der  Gesellschaft  die  materielle  Unterstützun 
des  Ministeriums  in  Aussicht.  Herr  v.  Pf.  liest  den  mit  Ibrahin 
ausgearbeiteten  Entwurf  der  Rundfrage  vor.  Nach  längerer  Dis 
kussion  werden  Fragebogen  und  Rundschreiben  mit  geringen  Ab! 
änderungen  genehmigt. 

Der  Vorsitzende  berichtet  über  die  in  Sachen  des  Gisela 
Kinderspitals  getanen  Schritte  (vergl.  die  letzten  Sitzungsprotokolle 
und  über  deren  endlichen  Erfolg.  Hiezu  spricht  Herr  I  b  r  a  h  i  m. 

Besprechung  des  Antrages  Spatz-Grünwald:  Zusammen 
Schluss  der  Münchener  ärztlichen  Spezialgesellschaften  mit  dem  ärzt 
liehen  Verein.  Es  sprechen  hiezu  die  Herren  Dörnbergerl 
v.  Pfaundler,  Ibrahim,  Trump  p,  Regensburger,  Bins 
wanger,  Nadoleczny,  Hecker,  Uffenheimer,  Ranke 
Meier. 

Prinzipiell  wird  der  Antrag  in  der  Abstimmung  angenommen. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 


Wissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Januar  1913. 

Herr  Hof  mann:  lieber  Ermüdungsreaktionen. 

H.  berichtet  zunächst  über  die  Verwendung  der  zuerst  voi 
W  e  d  e  n  s  k  y  beim  Wechsel  der,  Reizfrequenz  und  der  Reizstärkt 
beschriebenen  Phänomene  für  das  Studium  der  Ermüdung  im  Tier 
experinient.  Man  benützt  zu  den  Versuchen  zwei  Induktionsapparate 
mit  verschiedener  Unterbrechungsfrequenz  des  primären  Stromes 
Bei  dem  einen  Apparat  lässt  man  den  Hammer  ganz  langsam 
schwingen,  so  dass  bloss  20  Unterbrechungen  des  primären  Strome 
pro  Sekunde  zustande  kommen:  „seltene  Reizung“.  Bei  dem  anderer 
schaltet  man  als  Unterbrecher  eine  Stimmgabel  mit  wenigsten 
100  Schwingungen  pro  Sekunde  ein:  „frequente  Reizung“.  Faraj 
disiert  man  nun  beim  Frosch  den  freigelegten  Nerven  abwechsehn 
mit  den  seltenen  und  frequenten  Strömen,  so  beobachtet  man  nu 
geringe  Unterschiede  im  Reizerfolg.  Je  weiter  aber  die  Ermüdunij 
fortschreitet,  desto  deutlicher  sinkt  die  Kontraktion  des  Muskels  be 
frequenter  Reizung  sehr  rasch  ab,  während  die  Kontraktion  be 
seltenen  Strömen  während  der  ganzen  Reizdauer  ziemlich  gleich  hocl 
und  kräftig  bleibt.  Beim  Frosch  tritt  dieses  Ermüdungsstadium  nacl 
mehreren  Reizungen  schon  am  normalen,  unvergifteten  Tier  ein 
Kaninchen  muss  man  schwach  mit  Kurarin  vergiften  oder  sehr  tie 
mit  Aether  narkotisieren.  Besonders  schön  war  das  Phänomen  ai 
Katzen  zu  sehen,  denen  beide  Nebennieren  in  2  Operationen  nach 
einander  exstirpiert  waren. 

Sehr  merkwürdig  ist  eine  zweite,  ebenfalls  zuerst  von  W  e 
densky  beschriebene  Erscheinung,  welche  sich  im  Ermüdungs 
Stadium  bei  der  Reizung  mit  frequenten  Strömen  einstellt,  wenn  mal 
dabei  während  fortdauernder  Reizung  die  Stromstärke  ändert.  E 
nimmt  dann  die  Muskelkontraktion  bei  Verstärkung  der  Reizströrm 
nicht  zu,  sondern  die  Kontraktion  wird  niedriger:  sie  wird  aber  be; 
Abschwächung  des  Reizstromes  sogleich  wieder  höher.  Diese. 
Phänomen  ist  weniger  gut  an  Fröschen,  sehr  gut  aber  wieder  be 
Katzen  nach  Nebennierenexstirpation  zu  sehen. 

Die  zuerst  erwähnte  Verschiedenheit  des  Reizerfolges  bei  starker 
Strömen  verschiedener  Frequenz  tritt  im  Laufe  der  Ermüdung  auci 
bei  der  direkten  Reizung  des  kurarisierten  Muskels  auf.  Dagegei 
ist  am  kurarisierten  Muskel  die  zuletzt  beschriebene  paradoxe  Ab 
Schwächung  der  Kontraktionen  bei  Verstärkung  der  Reizung  nich 
zu  beobachten. 

Die  Erklärung  des  Vortr.  für  diese  Erscheinungen  geht  von  de 
Tatsache  aus,  dass  unmittelbar  nach  jeder  Erregung  des  Muskel: 
dessen  Erregbarkeit  vorübergehend  herabgedrückt  wird  und  ers 
nachher  wieder  zur  vollen  Höhe  ansteigt  und  'zwar  geschieht  die: 
um  so  langsamer,  je  stärker  der  Muskel  ermüdet  ist.  Treffen  als: 
den  ermüdeten  Muskel  sehr  frequente  Reize,  etwa  100  in  der  Se 
künde,  so  hat  er  nach  jeder  Erregung  bloss  xUoo"  Zeit  zur  Er 
holung,  die  Stärke  der  Kontraktionen  wird  daher  rasch  sehr  klein 
Lässt  man  seltene  Reize,  etwa  20  pro  Sekunde,  einwirken,  so  kamj 
er  sich  in  dem  Zeitraum  zwischen  zwei  Reizen  (lUo")  jedesmal  vie 
weiter  erholen,  die  Einzelerregungen,  aus  deren  Summation  sich  du 
tetanische  Muskelkontraktion  zusammensetzt,  werden  daher  vir 
höher  sein.  Nun  ermüdet  aber  nicht  bloss  der  Muskel,  sondern  auci 
der  nervöse  Zuleitungsapparat  zur  Muskelfaser  in  der  gleichet 
Weise.  Bei  Reizung  des  Nerven  mit  frequenten  Strömen  werdei 
daher  dem  Muskel  vom  Nerven  her  sehr  frequente,  aber  auch  ent 
sprechend  schwache  Reize  zugeleitet.  Schwächt  man  nun  ausserder 
noch  die  Reizströme  ab,  so  können  die  vom  Nerven  aus  zum  Muske 
zugeleiteten  Ströme  so  schwach  werden,  dass  nur  ein  Bruchteil  ver 
ihnen  auf  den  Muskel  überzugehen  vermag.  Es  fällt  nämlich  dam 
der  unmittelbar  auf  eine  Muskelerregung  folgende  Reiz  noch  in: 
Refraktärstadium  des  Muskels,  bleibt  daher  ganz  unwirksam,  um 
erst  der  zweite,  oder  gar  erst  der  dritte  vermag  den  Muskel  dam 
wieder  zu  reizen.  Der  Muskel  wird  dann  nur  von  der  Hälfte  ode 
von  einem  Drittel  der  Nervenreize  erregt  und  er  verhält  sich  dahe 
so,  wie  bei  einer  seltenen  Reizung. 


.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


331 


Vortr.  berichtet  nun  über  die  Verwertung  dieser  beim  Tier 
adierten  Erscheinungen  beim  Menschen. 

1.  In  einem  Falle  von  Myasthenia  gravis  pseudoparalytica  konnte 
nachweisen,  dass  die  Abnahme  der  Kontraktionshöhe  bei  wieder- 
Iter  faradischer  Reizung  nur  bei  75  Unterbrechungen  vorhanden 
ar.  Wurden  dagegen  nur  15  Unterbrechungen  des  primären 
romes  in  der  Sekunde  genommen,  so  traten  auch  nach  sehr  häufiger 
iederholung  der  Reizung  immer  wieder  kräftige,  während  der 
nzen  Reizdauer  anhaltende  Muskelkontraktionen  auf.  Die  Koti- 
iktionen  waren  überdies  bei  den  frequenten  Reizströmen  von  vorne 
rein  viel  schwächer,  als  bei  den  Reizungen  mit  seltenen  Strömen, 
is  paradoxe  Phänomen  —  stärkeres  Absinken  der  Muskel- 
intraktion  bei  stärkeren  frequenten  Strömen  —  lässt  sich  nicht  nach¬ 
eisen.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  abnorm  leichte  Ermüdbarkeit 
er  die  Muskelfaser  und  nicht  die  Nervenapparate  betraf. 

2.  Da  die  Zahl  der  Einzelerregungen,  welche  dem  Skelettmuskel 
i  der  willkürlichen  Innervation  von  den  Ganglien  des  Rückenmarks 
r  zugeleitet  wird,  nach  Piper  zwischen  50  und  60  in  der  Sekunde 
trägt,  so  war  zu  erwarten,  dass  man  mit  einer  Reizfrequenz,  die 
;her  viel  höher  ist,  ein  besonders  rasches  Auftreten  der  Ermüdungs¬ 
scheinungen  schon  am  Gesunden  erzielen  dürfte.  Es  zeigte  sich 
in  (höhere  Reizfrequenz  256  Unterbrechungen,  seltene  20  und  30  in 
:r  Sekunde),  dass  bei  diesen  Reizfrequenzen  Ermüdungserschei- 
ingen  schon  nach  einer  Reizdauer  von  1 — 2  Minuten  auftreten 
innen.  Der  Ermüdungsgrad  ist  individuell  sehr  verschieden  und 
iriitrt  auch  bei  derselben  Versuchsperson  zu  verschiedenen  Zeiten, 
’ar  der  Ermüdungsabfall  bei  starken  frequenten  Strömen  sehr  aus- 
isprochen,  so  konnte  man  nachweisen,  dass  die  Muskelkontraktion 
:i  schwächeren  Strömen  langsamer  absank,  als  bei  stärkeren.  Es 
irfte  möglich  sein,  auf  diese  Weise  schon  kleine  Unterschiede  in 
;r  Ermüdbarkeit  und  deren  Beeinflussung  durch  verschiedene 
issere  und  innere  Bedingungen  in  sehr  einfacher  Weise  zu  studieren. 
5  werden  aber  derartige  Versuche  voraussichtlich  auch  die  Mög- 
:hkeit  bieten,  die  Ermüdung  des  nervösen  Apparates  scharf  von 
;r  eigentlichen  myasthenischen  Reaktion  zu  trennen. 

3.  Bei  einem  Fall  von  Morbus  Addison  ii  war  die  fara- 
sche  Reizbarkeit  der  Muskeln  ausserordentlich  herabgesetzt.  Bei 
rekter  Reizung  der  Muskeln  des  Thenar  und  der  Wadenmuskeln 
dang  es  nicht,  mit  faradischen  Strömen,  welche  Pat.  schon  schmerz¬ 
et  empfand,  eine  Kontraktion  auszulösen.  Bei  Reizung  des  M. 
ilmaris  longus  erhielt  man  schwache  Kontraktionen,  und  zwar 
aren  diese  deutlich  kräftiger  bei  der  seltenen  Reizung,  als  bei  der 
equenten.  Bei  wiederholter  Reizung  mit  frequenten  Strömen  nahm 
e  Kontraktionsstärke  rasch  ab. 

4.  Keinen  deutlichen  Unterschied  bei  der  Untersuchung  mit 
trömen  verschiedener  Frequenz  gab  ein  Fall  von  Myotonia  con- 
mita.  Bei  wiederholter  Faradisation  des  M.  flexor  digitorum 
ofundas  stellte  sich  heraus,  dass  die  erste  Kontraktion  nach  einer 
ngeren  Ruhepause  zunächst  hoch  war,  die  nachfolgende  war  da¬ 
ngen  niedrig  und  erst  die  späteren  nahmen  wieder  allmählich  an 
öhe  zu.  Diese  Erscheinung  wurde  sowohl  bei  Reizung  mit 
56  Unterbrechungen  des  primären  Stromes,  als  auch  bei  13  Unter¬ 
rechungen  in  der  Sekunde  beobachtet.  Ein  irgendwie  deutlicher 
nterschied  zwischen  diesen  beiden  Reizfrequenzen  konnte  dabei 
icht  beobachtet  werden.  Darnach  ist  dies  also  eine  Erscheinung 
anz  besonderer  Art. 

Schliesslich  weist  Vortr.  noch  auf  die  Verschiedenheit  der 
eizung  der  sensiblen  Nerven  bei  verschiedenen  Reizfrequenzen  hin. 
ci  den  hohen  Reizfrequenzen  ist  die  Reizung  auch  bei  starken 
trömen  nicht  besonders  schmerzhaft.  Dagegen  kann  die  Reizung 
lit  den  seltenen  Strömen,  besonders  wenn  sie  sehr  lange  anhält, 
echt  unangenehm  werden. 

Angesichts  der  schon  ziemlich  weit  geführten  experimentellen 
nalyse  der  Erscheinungen  im  Tierexperiment  wäre  es  daher  er- 
iinscht,  wenn  auch  die  darauf  fussende  Anwendung  am  Menschen 
och  an  weiteren  Fällen  erprobt  würde. 

Herr  Hering:  Ueber  ein  Symptom  von  Herzschwäche:  Para¬ 
taxe  Verkleinerung  der  Kammersystole  nach  Verlängerung  der  Pause 
m  Säugetierherzen. 

Während  normalerweise  mit  der  Abnahme  der  Herzschlagzahl 
ie  Systolengrösse  zunimmt,  habe  ich  schon  vor  längerer  Zeit 
90ü — 1904)  an  Säugetierherzen  Ausnahmen  davon  gesehen  und  zwar 
ti  kuraresierten,  vagotomierten  Hunden  nach  relativ  geringgradiger 
rstickung  oder  nach  Muskarinvergiftung,  im  ersten  Falle  bei  einer 
chlagzahl  von  z.  B.  150,  im  zweiten  Falle  bei  einer  Schlagzahl  von 
B.  90.  Die  Verlängerung  der  Kammerpause  wurde  durch  Extra- 
v'Stölen  herbeigeführt.  Gleichgültig  nun  ob  es  infolge  der  an  der 
ava  superior  durch  einen  Einzelinduktionsschlag  ausgelösten 
xtrasystole  zu  einer  Kammersystole  kam  oder  nicht  (z.  B.  bei 
rosser  Vorzeitigkeit  der  Vorhofextrasystole),  war  nach  der  hiedurch 
ewirkten  entsprechenden  Verlängerung  der  Kammerpause  die 
ammersystole  z.  B.  um  %  verkleinert  (statt  wie  gewöhnlich  ver- 
rossert),  wonach  in  Form  einer  Treppe  die  folgenden  Systolen 
rösser  wurden,  bis  sie  die  Grösse  erreichten,  die  vor  Auslösung  der 
xtrasystole  bestand.  Dass  die  Erscheinungen  von  der  Länge  der 
ause  abhängen  geht  daraus  hervor,  dass  sie  um  so  stärker  hervor- 
aten,  je  länger  die  Pause  war,  und  fehlten,  wenn  die  Verlängerung 
ur  Kering  war.  Diese  Erscheinungen  traten  nur  an  den  Kammern 
uf,  nicht  an  den  Vorhöfen,  was  wieder  ein  Beispiel  ist  für  die  Ver¬ 


schiedenheit  im  Verhalten  der  Kammern  und  Vorhöfe  unter  sonst 
gleichen  Umständen.  Eine  ähnliche  Beobachtung  hat  kürzlich 
(November  1912)  auf  Grund  von  Arterien-  und  Venenpulskurven 
Goteling  Vinnis  bei  einem  60  Jahre  alten  Manne  beschrieben; 
er  erklärt  die  Erscheinung  als  bedingt  durch  einen  Vagusreflex;  diese 
Erklärung  trifft  für  meine  Beobachtungen,  da  die  Vagi  durchschnitten 
waren,  nicht  zu;  da  es  ferner  gleichgültig  war,  ob  der  die  Extra¬ 
systole  an  der  Vena  cava  auslösende  Reiz  eine  Kammersystole 
hervorrief  oder  nicht,  und  der  gleich  starke  Extrareiz  die  Erscheinung 
nicht  zur  Folge  hatte,  wenn  die  Extraperiode  an  der  Kammer  um 
wenig  länger  war  als  die  Normalperiode,  hing  die  Erscheinung  weder 
vom  Extrareiz  noch  von  der  Extrasystole  ab,  sondern  wie  gesagt, 
von  der  Länge  der  Pause.  (Autoreferat.)  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  30.  November  1912. 

Herr  R.  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z  stellt  einen  Fall  von  „Bromoderma“  bei 
einem  51/*  jährigen  Mädchen  vor.  Dasselbe  nahm  wegen  Epilepsie 
durch  lange  Zeit  Brom  ein,  in  der  letzten  Zeit  betrug  die  tägliche 
Dosis  1  Vs  g.  Seit  3  Wochen  besteht  die  Hautaffektion  an  den  beiden 
Unterschenkeln.  Rechts  teils  einzelne,  teils  gruppierte  Blasen  und 
ein  über  kronengrosser  verruköser  Herd,  links  ein  kleinhandteller¬ 
grosses,  einer  tiefen  Trichophytie  gleichendes  Infiltrat.  Die  An¬ 
häufung  des  langsam  ausscheidenden  Broms  aus  dem  Organismus 
erklärt  das  Auftreten  des  Bromodermas,  Stasen  und  Traumen,  seine 
Lokalisation  an  den  Unterschenkeln. 

Herr  Eckstein  spricht  über  die  Indikationen,  die  Ausführung 
und  die  Resultate  der  Quadrizepsplastik  bei  spinaler  Kinderlähmung, 
erörtert  deren  Vorteile  gegenüber  der  Arthrodese  und  paraartikulären 
Osteotomie  des  Kniegelenkes  und  demonstriert  an  Patienten  die  guten 
Erfolge.  Ueberpflanzt  wurden  auf  die  Quadrizepssehne  die  Sehnen 
des  Sartorius  mit  oder  ohne  Grazilis  und  Bizeps. 

Herr  Sträussler:  Demonstrationen. 

Herr  Bardachzi:  Ulcus  penetrans  ventriculi  mit  spastischem 
Sanduhrmagen  und  Pylorusstenose.  O.  Wiene  r. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  24.  Januar  1913. 

Dr.  E.  Freund  und  Gisa  Kaminer:  Ueber  chemische  Wir¬ 
kungen  der  Röntgen-  und  Radiumstrahlen  in  bezug  auf  Karzinom. 

Ausgehend  von  den  Beobachtungen  der  Röntgenkarzinome  haben 
die  Vortr.  Haut-  und  anderen  Organstückchen  mit  Röntgen-  und  Ra¬ 
diumstrahlen  behandelt  und  dann  nachgesehen,  wie  diese  zwei  Fak¬ 
toren,  welche  bekanntlich  Karzinomzellen  beeinflussen,  auf  unver¬ 
änderte  Gewebe  einwirken.  Es  zeigte  sich  hiebei  folgendes;  Eine 
intensive  Einwirkung  der  Röntgenstrahlen  (therapeutisches 
Bestrahlen  war  wirkungslos)  bewirkte  das  Verschwinden  der 
im  normalen  Serum  und  in  dem  normalen  Gewebe  vorhandenen  Fett¬ 
säure,  welche  ihrerseits  —  was  frühere  Untersuchungen  gelehrt 
hatten  —  die  Karzinomzellen  zerstört.  Im  Gegensätze  hiezu  ver¬ 
mochte  die  Radiumbestrahlung  aus  Karzinomserum  und  Kar¬ 
zinom-Muttergewebe,  die  —  wie  ebenfalls  schon  früher  gezeigt  wurde 
— •  Karzinomzellen  unverändert  lassen,  ja  sogar  gegen  normales  Serum 
schützen,  eine  die  Karzinomzellen  zerstörende  Säure  frei  zu 
machen.  Die  Quelle  dieser  Säure  ist  das  Nukleoglobulin. 

In  praktischer  Hinsicht  ist  dies  wichtig,  indem  sich  zeigt,  dass 
eine  Haut,  welche  durch  die  Röntgenbestrahlung  ihr  Zerstörungsver¬ 
mögen  verloren  hat,  es  durch  eine  nachfolgende  Radiumbestrahlung 
wieder  gewinnen  kann.  Ferner  lässt  sich  aus  diesen  Versuchen  der 
Schluss  ziehen,  dass  das  Verschwinden  der  Fettsäure  der  Karzinom¬ 
bildung  vorausgeht. 

Dr.  Heinrich  H  a  a  s  e  zeigt  ein  Kind  mit  Eventratio  diaphrag- 
matica. 

Dr.  R.  Strisower  stellt  aus  der  Klinik  v.  N.oor  den  einen 
Fall  von  Marschhämoglobinurie  vor. 

Dr.  F.  Demraer  demonstriert  ein  Lungenpräparat  nach  Ad¬ 
renalininhalation. 

Dr.  Luger  macht  Mitteilung  über  seine  im  Vereine  mit 
Dr.  Köhler  erhaltenen  Resultate  der  Meiostagminreaktion  bei  Kar- 
zinomfällen. 

Prof.  Alex.  Fraenkel:  Kriegschirurgische  Eindrücke  und  Be¬ 
obachtungen  vom  Balkankriege. 

Unter  Hinweis  auf  seine  früheren  kriegschirurgischen  Er¬ 
fahrungen  im  serbisch-bulgarischen  Kriege  und  Betonung  des  Um¬ 
standes,  dass  an  den  Grunderfahrungen  der  feldärztlichen  Tätigkeit 
sich  —  wenigstens  im  wesentlichen  —  kaum  etwas  geändert  habe, 
bespricht  der  Vortr.  eingehend  die  Wirkungen  des  Spitzgeschosses, 
die  Abhängigkeit  der  Endergebnisse  von  äusseren  Verhältnissen, 
speziell  im  bulgarisch-türkischen  Kriege  vom  unsäglich  traurigen 
Transport  der  Verwundeten,  die  nach  Sofia  erst  nach  einer  beschwer¬ 
lichen  Reise  von  3 — 4  Tagen  iti  seine  Behandlung  gelangten.  Auch  bei 
den  Leichtverletzten  war  ein  grosser  Erschöpfungszustand,  ein  un- 


332 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


iiberwindliches  Bedürfnis  nach  Ruhe  und  Schlaf  bemerkbar,  viele  von 
ihnen  fieberten,  litten  an  Bronchitiden,  Diarrhöen  oder  gar  an  Typhus. 
Erfreulicherweise  hatten  alle  diese  ungünstigen  Umstände  auf  den  Zu¬ 
stand  der  Wunden  selbst  einen  verhältnismässig  nur  sehr  geringen 
Einfluss  geübt. 

Reine  Weichteilwunden  heilten  unter  wenigen  Schutzverbänden 
rasch  ab,  aber  auch  nicht  wenige  Schussfrakturen  an  den  oberen  und 
unteren  Extremitäten  zeigten  den  Verlauf  und  die  Behandlungsdauer 
wie  bei  subkutanen  Frakturen.  Verwundete,  die  ohne  Verband  an¬ 
kamen,  boten  recht  häufig  eine  reaktionslose  Schorfheilung  dar, 
schlimm  ging  ,es  nur  solchen  Verwundeten,  die  noch  deutlich  die 
Zeichen  von  an  ihnen  ausgeführten  Eingriffen,  speziell  eine  Tampo¬ 
nade  des  Schusskanals  aufwiesen.  Da  gab  es  oft  schwere  lokale  In¬ 
fektionen.  Brentano  hat  dasselbe  an  seinem  Materiale  in  Char- 
bin  konstatiert.  Der  Vortr.  besprach  einschlägige  Beobachtungen  und 
zieht  daraus  den  Schluss,  dass  man  zur  Verwundetenfürsorge  auf  den 
Hilfs-  und  Verbandplätzen  möglichst  nur  Blessiertenträger  und  Sani¬ 
tätssoldaten  heranziehe  —  allerdings  unter  umsichtiger  ärztlicher  Lei¬ 
tung  und  einer  Mannschaft,  die  nach  genau  reglementierten  Vor¬ 
schriften  handelt. 

Der  Vortr.  besprach  bei  diesem  Anlasse  und  rühmte  sehr  das  im 
Jahre  1909  herausgegebene  österreichische  Dienstbuch:  „Anleitung 
für  die  kriegschirurgische  Tätigkeit  auf  dem  Schlachtfelde“  und 
wünscht,  dass  dieses  kleine  vortreffliche  Vademekum  der  Kriegs¬ 
chirurgie,  das  nur  in  wenigen  Punkten  einer  Revision  bedürftig  wäre, 
eine  recht  weite  Verbreitung  und  über  den  Kreis  der  Militärärzte 
hinaus  die  ihm  gebührende  Beachtung  fände. 

Recht  unliebsam  wurde  von  allen  in  Sofia  tätigen  Chirurgen  der 
Mangel  an  Okulisten  und  Otiatern  empfunden;  im  Zentrum  der  Ver¬ 
wundetenbehandlung  würden  diese  Spezialisten,  auch  Neurologen,  er- 
spriesslichere  Dienste  leisten  als  auf  den  Verbandplätzen,  wo  sie  sich 
mit  Recht  deplaziert  fühlen  müssen. 

Auf  spezielle  Punkte  übergehend,  erörterte  der  Vortr.  nochmals 
die  Projektilwirkung  des  neuen  Spitzgeschosses,  würdigte  die  exakten 
Versuche  Riedingers  über  die  Wirkung  dieser  Projektile,  zumal 
deren  Tendenz  zur  Umkehrung  innerhalb  des  Schusskanals,  mit  der 
Spitze  gegen  den  Einschuss  gerichtet,  ferner  das  Entstehen  von 
Zysten  hämorrhagischen  Inhalts  um  das  Spitzgeschoss  (vor  Jahren 
von  Fritz  Salzer  beschrieben),  dann  die  hiedurch  bedingten  ernsten 
Komplikationen  (Späterscheinungen,  Aneurysmen  etc.)  In  dieser 
Hinsicht  nähert  sich  das  kleine  Spitzgeschoss  in  seiner  Wirkung  den 
alten  Projektilen.  Anders  ist  die  Wirkung  des  aus  geringer  Ent¬ 
fernung  entsandten  Spitzgeschosses,  was  der  Vortr.  eingehend 
würdigt. 

Es  werden  sodann  die  Erfahrungen  bei  Schussfrakturen  mit¬ 
geteilt,  hiebei  ebenfalls  zuwartendes  Verhalten  bei  Okklusion  und  Im¬ 
mobilisierung,  auch  wenn  schon  Infektion  vorliegt,  warm  empfohlen. 
Ganz  ausnahmsweise  wird  man  die  Knochensplitter  extrahieren  oder 
gar  Resektionen  in  der  Kontinuität  der  Knochen  ausführen,  wenn  trotz 
ausgiebiger  Inzision  und  Drainage  die  Infektion  auf  den  Knochen  über¬ 
greift  und  diesen  zur  Mortifikation  bringt.  Ebenso  verhielt  es  sich 
meist  bei  Gelenksschüssen. 

Bei  Schädelschüssen  und  speziell  bei  Tangentialschüssen  ist 
ebenfalls  von  primären  Eingriffen  abzusehen.  Der  Vortr.  sah  in  seinem 
Spitale  mehrere  solche  Schädelstreifschüsse,  die  mit  tiefgreifenden 
Mulden  glatt  abgeheilt  waren.  Fälle,  die  zu  Spättrepanationen  Anlass 
gaben,  waren  selten.  Solche  Verletzte  werden,  da  sie  ja  bewusstlos 
auf  dem  Kampfplatze  liegen  bleiben,  selten  am  1.  Tage  verbunden, 
das  noch  vielfach  vorgeschlagene  frühe  Debridement,  die  Extraktion 
der  in  die  Gehirnsubstanz  eingedrungenen  Knochensplitter,  Weg¬ 
räumung  von  Blut  und  Koagulis  etc.  kommen  meist  zu  spät,  man  sollte 
also  auch  bei  diesen  Fällen  eventuelle  Operationen  erst  im  Sekundär¬ 
stadium  vornehmen,  was  schon  v.  Bergmann  empfohlen  hat. 

Als  der  Vortr.  vor  ca.  20  Jahren  in  dieser  Gesellschaft  im  An¬ 
schlüsse  an  seine  Experimentalarbeit:  „Ueber  die  Bedeutung  von 
Fremdkörpern  in  Wunden“  auf  die  Möglichkeit  reaktionsloser  Hei¬ 
lung  der  Schusswunden,  wenn  sie  in  ihrem  Innern  Fremdkörper  ber¬ 
gen,  hinwies,  als  er  damals  dafür  eintrat,  dass  man  auch  den  Kriegs¬ 
wunden  ihren  von  Haus  aus  gutartigen  Charakter  durch  einfache 
Okklusion  wahren  und  sie  nur  vor  einer  spezifischen  Infektion 
schützen  solle,  da  wurde  er  zur  Zeit  der  Hochflut  der  Antisepsis  und 
noch  unter  dem  Einflüsse  von  der  Ubiquität  der  pathogenen  Keime 
von  Bakteriologen  und  Chirurgen  heftig  angegriffen  und  gegen  seine 
Ausführungen  wurde  förmlich  Verwahrung  eingelegt.  Dabei  hatte 
schon  E.  v.  Bergmann  durch  Publikation  seiner  11  Kniegelenks¬ 
schüsse,  die  er  durch  einfache  Okklusion  vor  spezifischer  Infektion 
schützte,  geradezu  vorbildlich  gewirkt.  Er  selbst  hatte  damals  ver¬ 
gebens  seine  kriegschirurgischen  Erfahrungen  in  Belgrad  ins  Treffen 
geführt,  welche  gezeigt  hatten,  dass  für  die  aus  etwaigen  Störungen 
des  Wundverlaufes  sich  ergebenden  Eingriffe  in  den  Reservespitälern 
noch  immer  Zeit  genug  sei.  Jetzt  sind  die  Grundsätze,  für  die  er 
damals  eingetreten  ist,  fast  allgemein  anerkannt  und  seine  jüngsten 
Erfahrungen  im  Balkankriege  können  ihn  nur  in  seinen  Anschauungen 
bekräftigen.  Wenn  nicht  alles  täuscht,  hat  auch  die  seither  heran¬ 
gewachsene  neue  Chirurgengeneration  diese  Anschauungen  akzeptiert. 

In  der  Diskussion  verteidigte  Prof.  Dr.  Colmers  -  Koburg, 
der  auch  in  Sofia  tätig  gewesen,  seinen  Standpunkt,  dass  Schädel- 
Tangentialschüsse  in  einem  Spitale  sofort  operativ  angegangen, 
während  Gehirnschüsse  vorerst  in  Ruhe  gelassen  werden  sollen,  so- 


No.  6 


ferne  nicht  Blutungen  oder  Infektion  zu  einem  eingreifenden  Verfahrei 
zwingen.  Der  Redner  wies  ferner  darauf  hin,  dass  Bulgarien  zu  Be 
ginn  des  Krieges  im  ganzen  658  Aerzte  besass,  welche  einberufei 
werden  konnten,  daher  für  die  grosse  Armee  absolut  ungenügend  ai 
Zahl  vorhanden  waren.  Die  in  der  Chirurgie  nicht  gut  ausgebildetei 
Feldscherer  und  die  Blessiertenträger  schadeten  auf  den  Verband¬ 
plätzen  oft  mehr  als  sie  nützten,  dazu  kamen  die  schlechten  Trans¬ 
portmittel  der  Verletzten,  der  Mangel  an  Nahrung  etc.,  weshalb  dem 
auch  viele  Verwundete  auf  dem  Transport  an  Erschöpfung,  Hunger 
Verblutung  u.  dgl.  zugrunde  gingen. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  29.  Juni  1912. 

Vorsitzender:  Carl  Beck. 

Schriftführer:  Aug.  Strauch. 

Herr  Prof.  Thorkild  Rovsing  aus  Kopenhagen  wird  als  Gas* 
vom  Vorsitzenden  begrüsst. 

Prof.  Rovsing  dankt  für  die  Bewillkommnung  und  hält  einetj 
Vortrag,  in  welchem  er  zu  einigen  Fragen  der  Chirurgie  Stellung 
nimmt. 

1.  Frage  der  Antiseptik. 

Wenn  er  durch  Europa  und  Amerika  geht,  so  sieht  er  mit  Be 
dauern,  dass  Grossich  durch  die  routinemässige  und  infolge  de' 
Bequemlichkeit  verführerische  Anwendung  des  Jodspiritus  einen 
L  i  s  t  e  r  und  Koch  in  den  Hintergrund  hat  drängen  können,  und 
manche  Chirurgen  die  fundamentalen  Arbeiten  dieser  Männer  ver 
gessen  gemacht  hat.  Die  Anwendung  der  Jodtinktur  als  Desinfizien: 
vor  Operationen  beruht  nicht  auf  Erfahrung,  nicht  auf  einer  experi » 
mentellen  Feststellung  ihrer  Wirkung  auf  die  Bakterien.  Trotz  de 
Mangelhaftigkeit  dieser  Basis  wurde  die  chirurgische  Welt  getäuscht 
Das  ist  ein  ernstes  Zeichen  der  Zeit.  Hat  doch  Koch  schon  187* 
gezeigt,  dass  die  Jodtinktur  ein  schlechtes  Antiseptikum  ist,  in  derr 
Streptokokken,  Staphylokokken  und  Tetanusbazillen  tagelang  lebet 
können.  Rovsing  hat  den  Gebrauch  der  Tinktur  auf  seine 
Klinik  schon  lange  verboten.  Als  seine  Assistenten  gegen  diese: 
Verbot  drei  Patienten  mit  derselben  behandelt  hatten,  erfolgte  In: 
fektion;  in  einem  Falle  Tetanus,  in  einem  anderen  eine  Gasphlegmonei 
Seit  dieser  Zeit  sind  seine  Assistenten  von  dem  Glauben  an  die  Jod 
tinktur  geheilt.  Man  darf  eben  nicht  die  Prinzipien  der  Anti-  resri 
Aseptik,  der  gründlichen  Reinigung  im  chirurgischen  Sinne  über  Bon 
werfen  und  sich  mit  blossem  Bestreichen  mit  der  Jodtinktur  be; 
gnügen. 

2.  Frage  der  Narkose. 

Ein  Amerikaner  war  es,  der  das  grosse  Glück  hatte,  das  best' 
Narkosemittel,  den  Aether,  gefunden  zu  haben.  O  1 1  i  e  r  in  Lyoi, 
hat  unter  50  000  Aethernarkosen  keinen  einzigen  Todesfall.  Schweize 
zeigten  dieselben  brillanten  Erfolge.  Leider  brachte  ein  Amerikane 
von  Paris  den  Gebrauch  des  Chloroforms  nach  Amerika,  wo  es  seit 
her  trotz  der  enormen  Zahl  von  Todesfällen  noch  viel  in  Ver 
Wendung  steht.  R.  ist  darum  in  Amerika  sehr  enttäuscht.  Er  sieh: 
wie  ausgezeichnete  Chirurgen  hier  sich  immer  noch  vor  dem  Aethe 
scheuen.  R.  gebraucht  Aether  seit  12  Jahren  und  hat  niemals  eine 
unangenehmen  Zwischenfall  erlebt.  Bei  Chloroform  sah  er  imme: 
Unsicherheit,  konnte  niemals  das  Gefühl  der  Besorgnis  los  werde 
und  beobachtete  zu  oft  schlechten  Puls.  Die  Zeit  der  Chloroform 
narkose  war  für  ihn  immer  „a  dreadful  time“.  R.  beschreibt  sein 
eigene  Anwendungsmethode  des  Aethers  mittels  eines  Gaudaphil 
sackes,  der  den  Aether  enthält  und  als  Maske  über  Mund  und  Nas 
angelegt  wird.  Eine  halbe  Stunde  vor  der  Operation  erhält  de 
Patient  eine  Morphiumeinspritzung.  Bei  kleinen  Operationen  ge 
nügen  25  g,  bei  grösseren  50  g  Aether.  In  4  Minuten  ist  Patien 
in  primärer  Narkose,  welche  für  kleine  Eingriffe  hinreicht,  nac 
10  Minuten  ist  der  Patient  vollständig  gefühllos  für  grössere  Opt 
rationen.  Die  Vorteile  seiner  Methode  sind:  sie  ist  ökonomiscl 
der  Aether  verdunstet  nicht  in  die  freie  Zimmerluft;  man  kann  darur 
auch  bei  Mundoperationen  den  Paquelin  gebrauchen.  Der  Aether 
dampf  ist  immer  warm  im  Gegensatz  zu  der  gewöhnlichen  Tropt 
methode,  bei  der  die  Luft  eiskalt  in  die  Lungen  kommt.  BronchiU 
Pneumonie  und  das  Kindesalter  sind  keine  Kontraindikationen.  Wen 
man  den  Aether  auf  der  einen  Seite  gerade  bei  schweren  Zuständei 
bei  Anämie,  Herzschwäche,  Ileus  oder  bei  Sterbenden  vorzieht,  un 
auf  der  anderen  Seite  für  gefährlich  erklärt,  so  ist  dies  unlogiscl 
Um  die  Unschädlichkeit  des  Aethers  für  die  Lungen  zu  erweisei 
tötete  Rovsing  Tiere  mittels  Aethereinatmung.  Bei  der  Sektio 
fanden  sich  niemals  Veränderungen  in  Lungen  und  Bronchien,  nie 
mals  Zeichen  einer  Reizung  derselben,  nur  Schleimansammlung  ii 
Rachen. 

Rovsing  spricht  sich  sehr  scharf  auch  gegen  die  übrige 
Ersatzmittel  des  Aethers,  einschliesslich  Skopolamin,  Kokain,  Stc 
vain  für  die  Lumbalanästhesie  aus. 

3.  Frage  der  Nierenchirurgie. 

Rovsing  wendet  sich  gegen  die  Ueberschätzung  der  funktic 
neben  Prüfungsmethoden  der  Nieren  mittels  Indigokarmin,  Methylei 
blau  etc.  oder  mittels  der  Kryoskopie.  Nicht  wenige  seiner  Fälle  m 
ungünstigem  Ausfall  dieser  Proben  wurden  durch  die  Operation 
noch  gerettet.  Ihm  scheint  es  logischer,  die  Ureaprobe  anzuwende 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


m 


1.  Februar  1913. 


it  der  er  zahlreiche  Versuche  gemacht  hat.  Aber  auch  die  ver- 
inderte  Ureaausscheidung  in  der  Probe  ist  keine  Kontraindikation 
;gen  die  Entfernung  der  (anderen)  kranken  Niere.  Ebenso  unbe- 
■chtigt  erscheint  R.  die  Ablehnung  einer  Prostataoperation  bei  un- 
instigem  Ausfall  der  Phenolphthaleinprobe.  Viele  Prostatiker  sind 
solchen  Fällen  noch  zu  retten.  Dieses  schlechte  Prinzip  hilft  nur 
;n  Statistiken  der  Chirurgen.  R.  wendet  niemals  Kollargol  zur 
iektion  in  das  Nierenbecken  an,  da  dieser  Stoff  die  Niere  schädigt 
nd  in  einer  Reihe  von  Fällen  Nierengangrän  erzeugt  hat.  Trotz 
ieser  warnenden  Erfahrungen  ist  die  Anwendung  desselben  leider 
)  häufig,  was  besonders  in  Amerika  mit  Rücksicht  auf  die  Beliebt¬ 
et  von  Schadenersatzklagen  gegen  Aerzte  hervorgehoben  werden 
uss. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1912. 

Hedonalnarkose. 

C.  M.  P  a  g  e  schildert  die  von  ihm  geübte  Methode  der  Hedonal- 
nästhesie  folgendermassen:  die  Vena  saphena,  welche  in  der  Regel 
ir  die  Infusion  benutzt  wird,  legt  man  nach  Injektion  von  Novokain 
her  dem  Malleolus  internus  in  der  nötigen  Ausdehnung  frei  und  be- 
•stigt  darin  die  Kanüle.  Die  zu  infundierende  Lösung  (0,75  Hedonal 
uf  100,0  physiologische  Kochsalzlösung)  hat  eine  Temperatur  von 
0 — 43°  C  und  wird  langsam  in  Mengen  von  etwa  100  ccm  in  2  bis 
Minuten  inijziert.  In  der  Regel  kann  mit  der  Operation  begonnen 
erden,  wenn  500  ccm  injiziert  sind.  Eine  vollständige  Beseitigung 
er  Hautreflexe  ist  nicht  wünschenswert;  vielmehr  soll  der  Patient 
ui  die  erste  Hautinzision  noch  einigermassen  reagieren.  Das  Ver- 
ihren  ist  seit  etwa  einem  Jahr  im  St.  Thomas  Hospital  in  Gebrauch 
ewesen  und  ist  bereits  von  Redner  unter  Zugrundelegung  von 
00  Fällen  bei  früherer  Gelegenheit  beschrieben  worden.  Seitdem  ist 
asselbe  noch  bei  310  anderen  Fällen  angewandt  worden.  Nicht  für 
iese  Narkose  geeignet  sind  sehr  alte  Patienten,  namentlich  Arterio- 
klerotiker,  ferner  Patienten  mit  akuten  Lungenaffektionen  oder  mit 
inem  Herzleiden.  Besonders  nützlich  erwies  es  sich  dagegen  bei 
(ropfkranken  sowie  beim  Morbus  Basedowii  (5  Fälle),  ferner  bei 
'allen  von  Schock  und  starkem  Blutverlust,  zerebralen  und  spinalen 
Erkrankungen  und  bei  Operationen,  welche  eine  längere  Schmerz- 
ieriode  nach  der  Operation  erwarten  lassen.  Allerdings  haften  der 
Aethode  gewisse  Gefahren  an,  wie  Redner  ausdrücklich  hervorhebt. 

P.  S  a  r  g  e  n  t  hat  bei  43  intrakraniellen  Operationen  die  Hedonal- 
larkose  verwendet  und  ist  damit  sehr  zufrieden  gewesen. 

B.  Ward  hat  das  Mittel  in  der  Kinderpraxis  bei  70  Fällen  an- 
;e wandt;  er  hat  dabei  einen  Fall  verloren,  ein  lymphatisches  Kind, 
las  für  jede  Art  von  Narkose  ein  schwieriger  Fall  gewesen  wäre. 

Royal  Society  of  Medicine,  Section  of  Electro-Therapeutics. 

Sitzung  vom  15.  November  1912. 

Die  Gefahren  der  Elektrizität. 

J  e  1 1  i  n  e  k  -  Wien  besprach  an  der  Hand  einer  kinemato- 
traphischen  Demonstration  die  mit  der  elektrischen  Starkstroml¬ 
eitung  verbundenen  Gefahren  und  Schädlichkeiten.  Er  betonte  zu- 
lächst,  dass  es  sehr  schwer  ist,  den  Grad  der  Gefahr  richtig  zu 
leurteilen.  Es  sind  Fälle  vorgekommen,  bei  denen  die  Berührung 
nit  einem  Strom  von  100  Volt  Spannung  schon  den  Tod  herbei- 
iilirte,  während  andererseits  Ströme  von  10  000  und  sogar  20  000  Volt 
celegentlich  nicht  letal  wirkten.  Bestimmende  Faktoren  sind  hierbei 
Jie  Beschaffenheit  des  Stromes  einerseits  lind  diejenigen  des  be¬ 
atmten  Individuums  andererseits.  Es  kommen  in  Betracht  die  Volt¬ 
zahl,  die  Ampereage,  die  Zahl  der  berührten  Pole  und  die  Dauer 
ler  Berührung  mit  dem  Strome.  Auf  der  anderen  Seite  sind  mass- 
tebende  Momente  der  Körperwiderstand,  die  Beschaffenheit  des  be¬ 
treffenden  Individuums,  sein  psychischer  Zustand  und  der  von  dem 
■'trom  eingeschlagene  Weg.  Man  hat  als  das  die  Grenze  der  Gefahr- 
osigkeit  nicht  überschreitende  Mass  einen  Wechselstrom  von 
100  Volt  und  einen  kontinuierlichen  Strom  von  500  Volt  angenommen. 
Hiermit  erklärt  sich  Redner  durchaus  nicht  einverstanden,  denn  es 
st  vorgekommen,  dass  ein  Mann  durch  einen  Strom  von  nur  65  Volt 
beim  Berühren  einer  elektrischen  Lampe  den  Tod  fand.  Auch  die 
Behauptung,  dass  der  Mensch  1/m  Ampere  immer  ohne  Nachteil  er¬ 
trage,  ist  nicht  als  absolut  richtig  anzunehmen.  Die  Folgen  des 
elektrischen  Schocks  äussern  sich  öfters,  wie  an  Röntgenbildern 
demonstriert  worden  ist,  in  Form  von  Knochenschwund.  Weichteil- 
rerletzungen  aber,  selbst  hohen  Grades,  heilen  gewöhnlich  erstaunlich 
gut  und  zeigen  eine  auffällige  Schmerzlosigkeit  und  Freibleiben  von 
Eiterbildung.  Als  die  unmittelbare  Todesursache  bei  der  letalen 
Einwirkung  der  Elektrizität  wird  von  manchen  Autoren  Herzstillstand 
»ngegeben,  von  anderen  dagegen  Respirationslähmung,  und  wiederum 
von  anderen,  zu  denen  J.  gehört,  Gehirnlähmung.  Wahrscheinlich 
ist  die  Wirkungsweise  nicht  in  allen  Fällen  die  gleiche.  Vor  allen 
Bingen  ist  zu  betonen,  dass  durch  eine  längere  Zeit  hindurch  fort¬ 
gesetzte  künstliche  Atmung,  wobei  die  S  c  h  a  e  f  e  r  sehe  Methode 
vorzugsweise  zu  empfehlen  ist,  oft  ein  scheinbar  erloschenes  Leben 
erhalten  bleiben  kann.  Es  ist  von  besonderer  Wichtigkeit,  dass  nach 
erlittenem  Unfall  keine  Zeit  verloren  werde,  ehe  die  Behandlung 
einsetzt. 


S.  R  a  m  hat  in  seiner  Eigenschaft  als  Inspizient  bei  Elektrizitäts¬ 
werken  im  Laufe  der  letzten  10  Jahre  45  Todesfälle  kennen  gelernt, 
welche  durch  Ströme  von  nicht  mehr  als  250  Volt  herbeigetiihrt 
worden  waren;  bei  drei  Gelegenheiten  handelte  es  sich  um  einen 
kontinuierlichen  Strom.  Er  erwähnt  ein  Erlebnis,  dass  ein  Arzt 
einen  vom  Strom  getroffenen  Arbeiter  für  tot  erklärte  und  seiner 
Wege  girtg,  worauf  die  Kameraden  des  Verletzten  die  Belebungs¬ 
versuche  wieder  aufnahmen  und  völlig  erfolgreich  zu  Ende  führten. 

H.  L.  Jones  betont,  dass  man  meist  erstaunlich  wenig  nervöse 
Nachwirkungen  nach  solchen  Unfällen  beobachte.  Als  Todesursache 
führt  er  noch  die  bei  manchen  Fällen  ganz  enorme  Erhitzung  des 
getroffenen  Körperteils  an.  P  h  i  1  i  p  p  i  -  Bad  Salzschlirf. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  11.  November  1912. 

Die  „Milzdiagnose“  des  Typhus. 

Vincent-  Val-de-Gräce  hat,  gestützt  auf  die  regelmässige 
Milzvergrösserung  bei  Typhus,  untersucht,  ob  die  Inokulation  eines 
Antigensupplements  (2  ccm  konzentrierten  Autolysats  lebender  Ba¬ 
zillen,  durch  Aetherbeisatz  sterilisiert)  nicht  die  Wirkung  hätte,  eine 
für  die  Diagnose  brauchbare  Milzreaktion  hervorzurufen.  Diese  seit 
mehr  als  4  Jahren  begonnenen  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf 
57  Kranke,  wovon  39  mit  Typhus,  3  mit  Paratyphus,  15  mit  ver¬ 
schiedenen  anderen  Infektionskrankheiten,  wie  Maltafieber,  Pneumo- 
typhus  usw.  Die  sorgfältige  Grenzbestimmung  der  Milz  durch  leichte 
Perkussion  vor  und  nach  der  Injektion  der  Bazillenextrakte  ermög¬ 
licht  —  im  Falle  von  Typhus  —  festzustellen,  dass  dieses  Organ  um 
1 — 2  cm  in  seinen  beiden  Durchmessern  unter  dem  Einfluss  der  In¬ 
jektion  zunimmt.  Diese  Milzreaktion  zeigt  sich  meist  10 — 18  Stunden 
nach  der  Injektion,  selten  später;  sie  wurde  in  mehr  als  94  Proz.  der 
Fälle  beobachtet.  Die  Leber  kann  ebenfalls  grösser  werden  (35  Proz. 
der  Fälle).  Die  Injektion  der  Typhusbazillenextrakte  verursacht 
keine  Milzreaktion  bei  gesunden  oder  mit  anderen  Leiden  als  Typhus 
behafteten  Personen.  Die  Typhuspatienten  reagieren  nicht  auf  die 
Injektion  des  Paratyphus  B-Antigens  und  umgekehrt.  Diese  Methode 
kann  also  zur  klinischen  Diagnose  des  Typhus  una  Paratyphus  be¬ 
nützt  werden;  sie  ermöglicht  in  einigen  Stunden  die  Natur  von  Ty¬ 
phus  levissimus  oder  ausgesprochenem  Typhus  im  Verlaufe  von  Epi¬ 
demien  festzustellen,  wo  die  Blutprobe  oder  die  klinischen  Symptome 
erst  viel  später  diese  genaue  Feststellung  ermöglicht  hätten. 

Societe  medicales  des  hopitaux. 

Sitzung  vom  29.  November  und  7.  Dezember  1912. 

Die  syphilitische  Natur  der  Sydenham  sehen  Chorea. 

Nachdem  M  i  1  i  a  n  schon  früher  über  2  Fälle  von  Chorea  syphi¬ 
litischer  Natur  berichtet  hatte,  bringt  er  nun  eine  Statistik  über 
15  weitere  solcher  Fälle,  ln  73,33  Proz.  derselben  ist  die  Syphilis 
sicher  (positiver  Wassermann),  in  13,33  Proz.  wahrscheinlich  (aus¬ 
gesprochene  Stigmata)  und  in  13,33  Proz.  zweifelhaft.  Die  Syphilis 
der  Choreapatienten  gibt  sich  gewöhnlich  nicht  durch  Hautgummata, 
Schleimhautplaques,  Knochenveränderungen  usw.  kund,  sondern  sie 
ist  vor  allem  eine  Dystrophie.  Jedenfalls  ist  die  Syphilis  ein  häufiger 
Faktor  bei  der  Chorea;  den  deutlichen  Beweis  hierfür  konnte  M. 
damit  liefern,  dass  er  3  Fälle  rasch  durch  Quecksilberbehandlung 
zur  Heilung  brachte.  Der  Verlauf  der  Chorea,  fast  ohne  Fieber,  sub¬ 
akuter  Art  mit  Remissionen  und  Rückfällen,  mit  Komplikationen  wie 
Aphasie,  Hemiplegie,  geistigen  Störungen  dürfte  nur  ihre  syphilitische 
Natur  bestätigen.  Zudem  ist  die  empirisch  als  beste  geltende  Therapie 
der  Chorea  (Arsenik  in  hohen  Dosen)  ein  spezifisches  Mittel  der 
Syphilis. 

Comb  y,  Guillain,  Nobecourt  und  Claude  können  diese 
Aetiologie  durchaus  nicht  akzeptieren  und  führen  dagegen  eine  Reihe 
von  Gründen  an:  das  Vorherrschen  der  Chorea  bei  Mädchen,  ihr 
Ausbruch  in  den  späteren  Kinderjahren,  häufiges  Fehlen  heredosyphi- 
litischer  Stigmata,  Häufigkeit  von  Herzkomplikationen  und  von  Fieber, 
mangelnde  Erscheinungen  der  gewöhnlichen  syphilitischen  Verände¬ 
rungen  im  Liquor  cerebrospinalis  oder  an  den  Nervenzentren  oder 
Gehirnhäuten,  oft  negativer  Wassermann.  Die  Wirksamkeit  des 
Arseniks  spricht  ebensowenig  für  die  syphilitische  Natur,  denn  oft 
bleibt  Chorea  auch  gegen  dieses  Mittel  resistent  und  Quecksilber  ist 
ganz  ohne  Einfluss. 

C  r  o  u  z  o  n  hatte  bei  20  Fällen  von  Chorea,  die  er  in  der  Klinik 
von  Pierre  Marie  beobachtet  hat,  achtmal  negativen  Wassermann. 

Babönneix  ist  der  Ansicht,  man  müsse  bei  vorhandener 
Chorea  an  Heredosyphilis  denken,  die  zuweilen  eine  prädisponierende 
oder  bestimmende  Rolle  spiele.  Unter  145  Fällen  von  Chorea  hat  B. 
36  mal,  d.  i.  in  25  Proz.  Syphilis  gefunden,  aber  er  möchte  damit  noch 
nicht  auf  die  syphilitische  Natur  des  Leidens  schliessen. 

T  r  i  b  o  u  1  e  t,  der  400  Fälle  von  Chorea  beobachtet  hat,  negiert 
den  Einfluss  der  Syphilis.  Die  Chorea  heilt  spontan,  mit  und  ohne 
Arsenik,  zudem  haben  die  tödlichen  Komplikationen  der  Chorea 
keinen  Zusammenhang  mit  der  Syphilis.  Schliesslich  hat  T.  in  allen 
Fällen,  die  er  gesammelt  hat,  und  ohne  jede  spezifische  Behandlung 
niemals  diese  scheinbare  Syphilis  wieder  entstehen  sehen. 


334 


muenchener  medizinische  Wochenschrift, 


M  i  l  i  a  n  erklärt  in  seiner  Replik,  die  Statistik  von  Babön- 
neix  bekräftige  gewissennassen  die  von  ihm  aufgestellte  Hypothese. 
Der  Ansicht  1  r  i  b  o  u  1  e  t  s  stehe  jene  von  Marfan  gegenüber, 
wonach  Arsenik  zuweilen  die  Chorea  bessere.  M.  schliesst  mit  der 
Erklärung,  er  habe  nur  die  Aufmerksamkeit  darauf  lenken  wollen, 
dass  die  Sy  den  ha  m  sehe  Chorea  möglicherweise  syphilitischer 
Natur  sein  könne. 

Die  Radiotherapie  der  Struma. 

C  r  o  u  z  o  n  und  Folley  stellen  einen  Fall  von  Basedow¬ 
scher  Krankheit  vor,  der  durch  Röntgenstrahlen  bedeutend  gebessert 
wurde  und  wo  die  Besserung  bereits  länger  als  1  Jahr  anhält,  und 
berichten  im  Anschluss  hieran  über  10  weitere,  ähnlich  gebesserte 
Fälle.  Die  Technik  der  Röntgenologie  ist  nun  eine  so  vollendete,  dass 
man  heutzutage  hohe  Dosen  anwenden  kann,  ohne  die  geringste  Der¬ 
matitis  oder  Hautpigmentierung  befürchten  zu  müssen. 

T  r  i  b  o  u  1  e  t  fand,  dass  die  Radiotherapie  die  gleich  guten  Re¬ 
sultate  bei  einfacher  Struma  gebe  und  führt  2  Fälle  an,  wo,  ohne 
dass  irgend  welche  Pigmentierung  zurückblieb,  bestrahlt  wurde  — 
was  bei  jungen  Frauen  von  grosser  Wichtigkeit  sei. 

H  i  r  t  z  hat  einen  Fall  von  Struma  exophthalmus  beobachtet, 
gegen  welchen  Radiotherapie  überraschend  günstig  gewirkt  hat. 

Sitzung  vom  20.  Dezember  1912. 

Die  Mumpsphlebitis. 

•Edg  H  i  r  t  z  und  M.  Salomon  berichten  auf  Grund  von  drei 
eigenen  Beobachtungen  über  diese  noch  nicht  beschriebene  Kompli¬ 
kation  der  Parotitis.  Sie  tritt  mit  Vorliebe  bei  überanstrengten  Per¬ 
sonen  und  im  Verlaufe  von  schweren  Epidemien  auf;  zuweilen  gehen 
ihr  schwere  Parotitis  und  andere  Komplikationen  (Mammitis, 
Ovaritis,  Orchitis)  voraus,  sie  kann  aber  auch  während  einer  ge¬ 
wöhnlichen  Parotitis  oder  einer  latenten  Form  derselben  Vor¬ 
kommen.  Die  Phlebitis  kann  sich  durch  allgemeines  Unbehagen, 
Fieber  usw.  kundgeben  oder  in  ganz  insidiöser  WeiSe,  ein  Gefühl 
der  Schwere  in  den  Extremitäten  hervorrufend,  beginnen.  Vor  allem 
sind  es  die  Venen  der  letzteren,  welche  befallen  werden;  sie  werden 
schmerzhaft,  hart,  von  einem  massigen  Oedem  begleitet.  Die  Entzün¬ 
dung  befällt  allmählich  mehrere  Venensegmente,  verschwindet  lang¬ 
sam  und  verursacht  längere  Funktionsbeschränkung  (Immobilisation). 
Die  Phlebitis  hat  in  einem  Falle  die  Nabel-  und  epigastrischen  Venen 
befallen  und  eine  tödliche  Embolie  hervorgerufen.  Berichterstatter 
betonen  daher  die  Notwendigkeit,  im  Verlaufe  selbst  leichter  Mumps¬ 
fälle  Vorsichtsmassregeln  und  zwar  speziell  bei  überanstrengten  Er¬ 
wachsenen,  wo  man  mit  Parotitisseptikämie  rechnen  muss,  zu  treffen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Nürnberg. 

Sitzung  vom  3.  Januar  1913. 

Im  Einlauf  befindet  sich  u.  a.  ein  Gutachten  des  Universitäts- 
pjofessor  Heim,  erstattet  auf  Bitte  der  Vorstandschaft,  über  die 
Zweckmässigkeit  eines  von  den  Schulärzten  an  den  Stadtmagistrat  zu 
richtenden  Antrages,  nach  dem  der  Schulbesuch  diphtheriegeneser 
Kinder  vom  negativen  Ausfall  der  bakteriologischen  Untersuchung 
eines  Tonsillenabstrichpräparates  abhängig  gemacht  werden  soll. 
Das  Gutachten  tritt  für  den  Antrag  ein.  Die  Herren  Wertheimber 
und  Mohr  haben  praktische  Bedenken.  Die  Belastung  der  Aerzte 
steige  allmählich  zu  sehr,  die  Patienten  litten  gleichfalls;  seit  der 
Anzeigepflicht  der  offenen  Tuberkulose  müssten  solche  Kranke  durch 
den  Besuch  der  Fürsorgeschwestern  erkannt  öfter  die  Wohnung  ver¬ 
lassen;  darum  gingen  sie  weniger  zum  Arzt.  Die  Anzeige  werde 
bei  der  Diphtherie  z.  T.  unterlassen  werden.  Herr  Alexander 
weist  darauf  hin,  wie  die  Anzeige  der  Blenorrhoe  neonatorum  nicht 
selten  unterbleiben  müsse,  weil  bei  dem  engen  Zusammenwohnen  der 
Arbeiter  oder  auch  für  den  Mann  nicht  übersehbare  Verwicklungen 
für  die  Familie  oder  für  die  Ehe  entstünden.  Herr  Steinhardt 
hat  den  Antrag  bei  den  Schulärzten  nach  einem  einstimmig  zu¬ 
stimmend  begutachteten  Referat  auf  dem  Schularztkongress  einge¬ 
bracht  die  ärztliche  Moral  und  Hygiene  gebiete  ihn,  selbst  wenn 
damit  Schwierigkeiten  verknüpft  seien;  nach  den  bisherigen  Erfah¬ 
rungen  würden  sie  von  den  Vorrednern  überschätzt;  man  habe  sich 
überall  daran  gewöhnt;  bei  zu  starker  Belastung  der  Aerzte  müssten 
die  Schulärzte  einspringen.  Die  nur  informatorische  Abstimmung  er¬ 
gab  eine  beträchtliche  Mehrheit  der  Antraggegner. 

Die  Jahresberichte  werden  erstattet;  die  Tätigkeit  der  Vor¬ 
standschaft  und  der  Kommissionen  war  reichlich;  die  Beteiligung  der 
Aerzte  an  den  Plenarsitzungen  auffallend  gering  wie  schon  in  den 
letzten  Jahren.  Aus  der  Kasse  werden  1000  M.  dem  L.  V.  über¬ 
wiesen.  Bei  dem  Bericht  der  Rezeptrevisoren  weisst  Herr  Stau- 
der  auf  die  Verschiedenartigkeit  der  Handverkaufsartikel  in  ver¬ 
schiedenen  Apotheken  hin;  es  existiert  eine  Handelsgesellschaft 
deutscher  Apotheker,  die  gleichmässige  und  gute  Ware  liefere;  Nürn¬ 
berger  gehören  ihr  nicht  an.  Es  soll  nach  Beibringung  von  Material 
durch  Herrn  S  t  a  u  d  e  r  darüber  beraten  werden,  da  vorerst  nicht 
klar  ist,  ob  mehr  als  Uebereinstimmung  mit  den  Vorschriften  der 
Pharmakopoe  verlangt  werden  kann. 

Antrag  des  Herrn  Kronheimer:  Es  solle  für  die  ärztliche 
I  atigkeit  bei  den  städtischen  Mütterberatungsstellen  Honorar  ver¬ 


No.  (y 


langt  werden.  Die  Begründung  liegt  darin,  dass  es  sich  nicht 
mehr  um  ein  Experiment,  sondern  um  eine  von  der  Allgemeinheit 
anerkannte  soziale  Pflicht  der  Gemeinde  handelt;  die  Stadt  ha: 
eigentlich  die  Forderung  einer  Honorierung  schon  bei  der  Einführung 
erwartet;  die  Mittel  sind  da.  Der  Antrag  schliesse  sich  Prinzipien 
dem  berechtigten  Antrag  Leipzig-Land  auf  dem  Aerztetage  an.  Herr 
M  o  h  r  hält  die  unentgeltliche  Tätigkeit  für  Ehrenpflicht  der  Aerzte 
als  Berater  und  Erzieher;  diese  Arbeit  für  die  Allgemeinheit  be¬ 
friedige  mehr  als  die  Praxis;  die  Bezahlung  vermindere  ihre  ideale 
Seite  und  damit  die  Freude  daran.  Von  Standeswegen  dürfe  man  in 
so  persönliche  Verhältnisse  nicht  eingreifen.  Herr  Steinhardt 
will  Honorierung  nur  für  die  zukünftigen  Mutterberatungsärzte,  damit 
die  bisherigen  Aerzte.  von  denen  einer  oder  der  andere  nur  ehren¬ 
amtlich  tätig  sein  wolle,  sich  nicht  zurückziehen.  Mehrfach  wird 
von  Seiten  anderer  Kollegen  darauf  hingewiesen,  dass  der  Antrag 
prinzipiell  wohl  Zustimmung  verdiene;  eine  differente  Behandlung 
der  Aerzte  untunlich  sei.  Es  sei  aber  kaum  der  Zeitpunkt  geeignet 
die  Angelegenheit  zur  Durchführung  zu  bringen.  Mit  einer  Stimme 
Mehrheit  gelangt  der  Antrag  der  Vorstandschaft  auf  Zurückstellung 
bis  nach  der  Beratung  Leipzig-Land  auf  dem  Aerztetag  zur  An¬ 
nahme. 

Eine  ausgedehnte  Debatte  schloss  ich  an  das  Referat  (Herr 
Mainzer)  über  die  Vertragsverhandlungen  mit  der  Maschinenbau¬ 
aktiengesellschaft.  Ein  früherer  Vorschlag  des  Referenten,  ein  Pau¬ 
schale  anzunehmen  und  die  Verteilung  in  der  Hauptsache  auf  einem 
auf  der  Durchschnittszahl  der  bei  einem  Krankheitsfall  gemachten 
Besuche  sich  stützenden,  aber  gestaffelten  Tarif  (Einschränkungen 
bei  grösserer  Patientenzahl)  vorzunehmen,  hatte  in  der  Vertrags- 
kommission  keine  Annahme  gefunden,  weil  eine  Anzahl  von  Kollegen 
sich  zum  Abgehen  von  der  bisher  üblichen  Bezahlung  nach  Einzel¬ 
leistungen  nicht  entschlossen  konnten  und  Einheitlichkeit  bei 
der  prinzipiell  wichtigen  Angelegenheit  erwünscht  schien.  Referent 
empfiehlt  einen  Kompromissantrag  der  Vertragskommission;  der  Kasse 
pro  Mitglied  und  Jahr  eine  Höchstgrenze  von  8  M.  zu  garantieren; 
Ueberschreitung  wird  prozentual  vom  Gesamthonorar  abgezogen; 
einer  Aenderung  des  Staffeltarifs  soll  zugestimmt  werden.  Die 
weitere  detaillierte  Ausarbeitung  bleibt  der  Vertragskommission  über¬ 
lassen.  Herr  Mohr  ist  gegen  jede  Honorarbegrenzung;  man  dürfe 
sich  nichts  wegnehmen  lassen;  nach  dieser  kämen  andere  Kassen; 
für  das  Jahr  bis  zur  Einführung  der  R.V.O.  ginge  es  auch  so;  durch 
bessere  Kontrolle  werde  der  Status  der  Kasse  sich  bessern;  sie  kranke 
an  zu  hohem  Krankengeldausgaben.  Herr  Steinheimer  hält 
eine  Aenderung  für  nötig,  da  das  Honorar  tatsächlich  zu  hoch  sei; 
es  sei  aber  nur  an  einigen  Kollegen  gelegen,  die  man  durch  andere 
Fassung  des  Staffeltarifs  werde  treffen  können.  Man  solle  bei  der 
bewährten  Bezahlung  nach  Einzelleistungen,  die  anderwärts  erstrebt 
werde,  verhaaren,  deshalb  habe  er  dem  ursprünglichen  Antrag  auf 
Pauschalbezahlung  nicht  zugestimmt.  Dem  Kompromissantrag  stimme 
er,  wenn  auch  mit  schwerem  Herzen,  zu. 

Herr  Mainzer:  Der  Kompromissantrag  führt  zum  Pauschale, 
denn  keiner  könne  zweifeln,  dass  der  Grenzbetrag  bei  dieser  Kasse 
überschritten  werde;  einer  gründlichen  prinzipiellen  Regelung  hätte 
man  sich  um  so  weniger  entziehen  sollen,  als  damit  ein  Stück  Arbeit 
erledigt  gewesen  wäre,  das  bei  den  Verhandlungen  zur  Einführung 
der  R.V.O.  wieder  in  Angrif  genommen  werden  müsse.  Es  bestehe 
in  der  übermässigen  Honoraranschwellung  ein  Missstand;  er  sei  un¬ 
abhängig  von  der  Krankenkontrolle,  wie  andere  Kassen  mit  sehr 
guter  Kontrolle  (Polygraph.  Ortskrankenkasse)  zeigen;  er  müsse 
natürlich  auch  bei  den  anderen  Kassen  beseitigt  werden.  Schuld 
daran  treffe  die  Bezahlung  nach  Einzelleistung  und  nach  einem 
Staffeltarif  ohne  Höchstgrenze.  Bei  mittleren  Kassen  habe  sich  dieser 
Modus  entschieden  nicht  bewährt.  Der  Staffeltarif  gebe  die  Maximal¬ 
zahl  der  erlaubten  Besuche  an;  es  ergebe  sich  im  Laufe  der  Jahre 
nicht  nur  bei  einzelnen,  sondern  in  weit  grösserem  Umfange  die 
Neigung,  das  auszunützen.  Tatsächlich  ist  die  Zahl  der  ärztlichen 
Leistungen  pro  Fall  hier  nicht  unwesentlich  höher  als  auswärts.  Der 
Staffeltarif  wirkt  bei  verschiedenen  Kassen  verschieden;  bei  grös¬ 
seren  Kassen  kommen  mehr  Aerzte  zu  so  grosser  Patientenzahl,  dass 
sie  nach  den  höheren  Staffeln  mit  beschränkter  Zahl  zu  honorierender 
Besuche  bezahlt  werden,  kleinere  Kassen  arbeiten  teuerer.  Zudem 
ist  die  Verteilung  der  Patienten  auf  die  Aerzte  nicht  bei  allen 
Kassen  eine  ähnliche;  sie  hänge  von  dem  Zusammenwohnen  in  be¬ 
stimmtem  Bezirke  oder  mehr  verteiltem  Wohnen  der  Kassenmit- 
glieder,  von  der  Zahl  und  Lage  der  Betriebe,  der  Zahl  der  bei 
den  Arbeitsstätten  und  dem  eventuell  engen  Wohnbezirk  der  Kassen¬ 
mitglieder  ansässigen  Aerzte  in  erster  Reihe  ab  und  ändert  sich 
damit.  Damit  ändert  sich  statistisch  nachweisbar  die  Wirkung  des 
Staffeltarifs.  Der  Staffeltarif  müsse  mehr  an  die  Durchschnitts¬ 
zahl  der  gemachten  Besuche  sich  anlehnen;  die  Fixierung  eines 
Grenzbetrages  sei  mindestens  erforderlich.  Natürlich  seien  nicht  nur 
die  Aerzte  an  der  Erhöhung  der  Honorare  schuld;  vor  allem  auch 
die  erhöhte  Inanspruchnahme  der  Aerzte  durch  die  Kassenmitglieder. 
An  der  Debatte  beteiligen  sich  noch  die  Herren  Steinheimer, 
Mohr,  Wertheimer,  Schuh,  Staude  r.  Die  ersten  lehnen 
die  Ausführungen  des  Referenten  ab,  die  letzten  stimmen  ihnen  zu. 

Der  Antrag  der  Vertragskommission  wird  gegen  eine  kleine 
Minderheit  angenommen.  Dr  Mainzer. 


MUHNcHeNEr  Medizinische  Wochenschrift. 


1  Februar  1913. 


Verschiedenes. 

In  dem  vortrefflichen  Archiv  für  Entwicklungsmechanik  von 
\  Roux  bringen  Charles  R.  Stockaril  und  Dorothy  M.  C  r  a  i  g 
dem  anatomischen  Labor  der  Cornell  Univers.  med.  College, 

' v York  eine  experimentelle  Studie  über  den  Ein- 
ss  des  Alkohols  auf  die  Keimzellen  und  auf  die 
ibryoent  Wicklung  der  Säugetiere  zur  Veröffent- 
ung.  deren  Hauptergebnis  in  weitesten  Kreisen  bekannt  zu  werden 
.  dient.  Aus  42  Paarungen  alkoholisierter  Meerschweinchen  re- 
.  ierten  nur  18  lebendige  .hinge  und  von  diesen  lebten  nur  7  (5  waren 
\  kümmert)  länger  als  einige  Wochen,  während  aus  9  Kontroll- 
rungen  17  Junge  resultierten,  die  alle  gesund  und  kräftig  waren 
ji  die  alle  am  Leben  blieben.  Woraus  sich  einwandfrei  ergibt,  dass 
Alkohol  auf  die  elterlichen  Keimzellen  und  auf  die  Entwicklung 
c  Nachkommenschaft  einen  fatalen  Einfluss  hat.  (Bd.  35,  H.  3, 
r  569— 584.)  Fr.  L. 

Therapeutische  Notizen. 

Von  der  Firma  K  n  o  1 1  &  Cie.,  Ludwigshafen,  wird  ein  Haar- 
■. sser:  Euresolspiritus  in  Handel  gebracht,  welcher  gegen- 
:r  den  bisherigen  Mitteln  mir  mehrere  Vorzüge  zu  haben  scheint, 
i  habe  es  bei  Psoriasis  capitis  gebraucht.  Schon  nach  1 — 2  Wa- 

■  ungen  verschwindet  das  lästige  Jucken  wie  die  Schuppenbildung 

k  lzlich.  Die  Anwendung  ist  äusserst  einfach.  Gleich  nach  dem 
•  istehen  früh  besprengt  man  die  Kopfhaut  mit  dem  Spiritus  und  ver- 
ibt  ihn  mit  den  Fingerspitzen.  Damit  ist  alles  geschehen.  Man 
1  tucht  den  Kopf  nicht  zu  waschen,  wie  bei  anderen  sonst  guten 
iarmitteln,  was  in  der  kühlen  Jahreszeit  leicht  zu  Erkältungen 
:  rt.  Bis  zur  Beendigung  der  Toilette  ist  die  Kopfhaut  und  das 
tar  völlig  trocken.  Ein  Einfetten  ist,  da  der  Spiritus  etwas  ölige 
Insistenz  besitzt,  unnötig.  Dr.  W.  Doering,  prakt.  Arzt. 

Die  Hypophysenextrakte  sind  nach  Joseph  Hirsch  - 
frlin  wertvolle  Mittel  zur  Abkürzung  der  Geburtsdauer  (Ther. 
fmatsh.  12,  11).  Ihr  Hauptanwendungsgebiet  liegt  in  der  Austrei- 
i  igsperiode;  die  Dosis  soll  0,2  g  betragen.  Direkt  nach  der  Ent- 
t  düng  ist  vor  dem  Abgang  der  Plazenta  die  Injektion  von  Hypo- 
[  rsenextrakt  zu  widerraten.  Nach  Ausstossung  der  Plazenta  ist 
i  Injektion  von  0,3 — 0,4  g  Hypophysenextrakt  empfehlenswert  zur 
Ikämpfung  der  atonischen  Blutungen.  Zur  Abortbehandlung  eignet 
sh  das  Mittel  nicht.  Bei  pathologischen  Entbindungen  (drohender 
;aief läge,  fehlerhafter  Stellung,  Placenta  praevia,  Missverhältnis 
.  ischen  Kopf  und  Becken)  vermag  die  Anwendung  von  Hypo- 
[ysenextrakt  operative  Eingriffe  zu  verhüten.  Bei  Entbindungen 
irch  Sectio  caesarea  ist  prophylaktische  Injektion  von  Hypophysen- 
itrakt  angezeigt. 

Das  Hypophysenextrakt  hat  sich  weiter  bewährt  zur  Bekämp- 
iig  von  Blutungen  infolge  Subinvolutio  uteri.  Kr. 

Lenzmann  -  Duisburg  hat  erwachsene  Menschen,  die  an 
hrtussis  litten,  intravenös  mit  Chi,nin  behandelt.  Die  Anfälle 
rschwanden,  nachdem  er  an  zwei  aufeinanderfolgenden  Tagen  je 
i  5  Chinin  verabreicht.  Man  benützt  eine  10  proz.  Chininlösung  in 
i  proz.  physiologischer  Kochsalzlösung.  Chininum  muriaticum  fällt 
dieser  Lösung  teilweise  aus,  weshalb  man  die  Lösung  vor  der 
ektion  erwärmt.  Chininum  lacticum  löst  sich  besser.  Für  Kinder 

■  .riet  sich  zum  selben  Zwecke  ausgezeichnet  Hydrochininum  muria- 

um.  Man  spritzt  es  intramuskulär  ein.  Nach  einer  Woche  ver¬ 
binden  bei  den  Kindern  die  schweren  Anfälle.  Kinder  bis  zu 
Jahr  erhalten  pro  dosi  0,02 — 0,05.  Am  Schluss  des  1.  Jahres  gibt 
in  0,1,  im  2.  Jahre  0,1—0,15;  im  3.  Jahre  0,2.  Grössere  Kinder 
halten  0,25 — 0,3.  Kinder  von  10—14  Jahren  vertragen  bis  zu  0,5 
ramuskulär,  0,1 — 0,2  intravenös;  auch  hievon  erhalten  die  Er- 
ichsenen  0,25  intravenös.  (Med.  Klinik  1912,  No.  44.)  Gr. 

Hübner  macht  in  der  dermatologischen  Zeitschrift,  Bd.  19. 
863,  1912  darauf  aufmerksam,  dass  beim  Kaninchen  eine  längere 
it  fortgesetzte  Aufnahme  von  Yohimbin  (50  Tage)  eine  gering- 
dge  Eiweissausscheidung  hervorruft.  Auch  kürzer  dauernde  Ver- 
reichung  (4—7  Tage)  war  imstande,  leichte  anatomische  Ver¬ 
derungen  hervorzurufen.  Es  wurde  dann  allerdings  nie  Eiweiss  im 
in  gefunden.  Immerhin  sind  die  angegebenen  Erscheinungen 
mptome  einer  Nierenreizung,  welche  es  geraten  erscheinen  lässt, 
i  Yohimbin  anwendung  in  der  humanen  Medizin  stets  den  Urin 
kontrollieren.  Fr.  L. 

R  o  c  k  h  i  1 1  empfiehlt  auf  Grund  vorzüglicher  Resultate  bei 
Fällen  die  Behandlung  der  Variola  mit  Jodtinktur, 
it  einer  Mischung  aus  10  Proz.  Jodtinktur  und  90  Proz.  Glyzerin 
;rden  die  Pusteln  2 — 3  mal  täglich  bestrichen.  (Journ.  amer.  med. 
»oc.,  Bd.  58,  S.  273,  1912.)  Fr.  L. 

Untersuchungen  von  S  i  v  o  r  i  und  C  o  s  t  a  n  t  i  n  i  zu  pro- 
y  taktischen  Zwecken,  auf  gastrischem  Wege  Kaninchen  gegen 
iphtherie  zu  immunisieren,  eröffnen  Ausblicke  auf  eine  solche 
rophylaxe  beim  Menschen.  2 — 6  Wochen  täglich  mit  Diphtherie- 
rum  (50 — 100  I.-E.)  gefütterte  Meerschweinchen  wurden  uti- 
ipfindlich  gegen  eine  tödliche  Minimaldosis  von  Diphtherietoxin. 


335 

Diese  Unempfindlichkeit  trat  noch  schneller  ein  bei  der  Verbitterung 
eines  Serums,  welches  5  Tage  nach  der  letzten  Toxininjektion  vom 
Pferde  entnommen  war.  Es  handelt  sich  um  aktive  Immunisierung 
durch  die  Antigenreste  des  Serums.  (Arch.  di  farmacol.  sperim.  e  sc. 
affini,  Bd.  11,  S.  259,  1912.)  Fr.  L. 

Unter  dem  Namen  „Huste  nicht“  sind  Hustenbonbons  im 
Handel,  welche  Eukalyptusöl  enthalten.  M.  Oppenheim  teilt 
in  der  Dermatol.  Wochenschr.,  Bd.  54,  S.  224,  1912  einen  Fall  mit, 
wo  nach  reichlichem  Genuss  dieser  Bonbons  Erytheme,  Knötchen, 
Papeln  und  an  einzelnen  Stellen  Purpuraflecken  an  Händen,  Hand¬ 
gelenken  und  Füssen  gleichzeitig  mit  Uebelkeit  und  Mattigkeit  auf¬ 
traten.  Fr.  L. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  318.  Blatt  der  Galerie  bei:  Karl 
L  ö  b  k  e  r.  Der  Nekrolog  erschien  bereits  in  No.  44,  S.  2406,  1912. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  10.  Februar  1913. 

—  Zu  interessanten  Debatten  ist  es  im  preussischen  Ab¬ 
geordnetenhaus  bei  der  zweiten  Lesung  des  Medizinal¬ 
etats  gekommen.  Besonders  die  Fragen  des  Geburtenrückgangs 
und  der  Säuglingssterblichkeit  wurden  eingehend  beleuchtet  und 
gaben  den  ärztlichen  Mitgliedern  Dr.  Arning  und  Dr.  M  u  g  d  a  n, 
ferner  dem  Regierungsvertreter  üeheimrat  Kirchner  Gelegenheit 
zu  längeren  Ausführungen.  Darüber  wird  in  üblicher  Weise  berichtet 
werden.  Auch  der  Konflikt  zwischen  den  Krankenkassenverbänden 
und  der  ärztlichen  Organisation  wurde  von  verschiedenen  Seiten  des 
Hauses  berührt.  Besonders  eingehend  tat  dies  der  konservative  Ab¬ 
geordnete  v.  d.  Oste  n,  der  über  den  Leipziger  Verband  das  un¬ 
gereimteste  Zeug  redete,  das  man  wohl  je  über  ihn  gehört  hat.  Seine 
Kampfesweise  übertreffe  alle  sozialdemokratischen  Hetzereien  bei 
weitem,  er  übe  einen  Koalitionszwang  aus  nach  dem  Vorbilde  der 
Gewerkschaften,  er  verletze  die  sozialen  Pflichten,  die  dem  Aerzte- 
stand  obliegen  und  gefährde  wichtige  Allgemeininteressen.  Diese  und 
ähnliche  Expektorationen  trugen  dem  Redner  „lebhaften  Beifall 
rechts“  ein.  Kollege  Mugdan  unterzog  sich  der  dankenswerten, 
wenn  auch  nicht  gerade  schwierigen  Aufgabe,  den  Redner,  ebenso 
wie  den  gleichgesinnten  Abg.  V  o  r  s  t  e  r  gründlich  abzuführen,  was 
er  mit  gewohntem  Geschick  und  -nicht  ohne  Humor  besorgte. 

—  Das  bayerische  Kultusministerium  hat  genehmigt,  dass  ver¬ 
suchsweise  der  Kgl.  Landesturnanstalt  in  München  ein  Labora¬ 
torium  zu  Untersuchungen  und  Messungen  bezüg¬ 
lich  der  Wirkung  der  einzelnen  Turnarten,  T  u  r  n  * 
spiele  und  Sportsarten  angegliedert  werde.  Die  medizinische 
Leitung  hat  der  Privatdozent  für  Chirurgie  an  der  Universität 
München  Dr.  Hans  v.  B  a  e  y  e  r  übernommen.  Auf  wissenschaft¬ 
licher  Grundlage  soll  mit  Hilfe  physiologischer  Methoden  1.  der  Ein¬ 
fluss  der  Leibesübungen  auf  den  menschlichen  Organismus,  Atmung, 
Herztätigkeit  usw.  ergründet  werden,  um  ihren  vorübergehenden  oder 
dauernden  Nutzen  zu  erweisen,  andererseits  auch  die  möglichen 
vorübergehenden  oder  dauernden  Schädigungen  nicht  zu  übersehen. 
2.  Sollen  die  Kandidaten  des  nunmehr  eingerichteten  zweijährigen 
Lehrganges  für  die  Ausbildung  von  Turnlehrern  im  Hauptamte  an¬ 
geleitet  werden,  selbst  solche  Messungen  an  Schülern  vorzunehmen, 
damit  im  Zusammenarbeiten  mit  den  künftigen  Schulärzten  einwand¬ 
freies  Material  zur  tieferen  wissenschaftlichen  Begründung  von 
Turnen,  Spiel  und  Sport  gewonnen  werden  kann,  (hk.) 

—  Der  praktische  Arzt  Dr.  H.  in  Arnstorf  in  Niederbayern,  ehe¬ 
maliges  Zentrumsmitglied  des  bayer.  Landtags,  ist  wegen  fortgesetz¬ 
ter  Steuerhinterziehung  vom  Landgericht  Deggendorf  zu 
einer  Geldstrafe  von  2536  M.,  event.  12  Wochen  Haft,  und  zur  Tra¬ 
gung  der  Kosten  verurteilt  worden. 

—  Die  Adelheid  - Bleichröder-Stiftung  hat  auch 
im  laufenden  Jahre  Unterstützungen  in  der  Gesamthöhe  von  5790  M. 
für  wissenschaftliche  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Medizin  und  der 
angrenzenden  naturwissenschaftlichen  Fächer  zu  vergeben.  Gesuche 
sind  in  5  Abschriften  bis  spätestens  31.  März  1913  an  den  Vorstand 
der  Gesellschaft  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  z.  H.  des  ge¬ 
schäftsführenden  Sekretärs  Prof.  Dr.  B.  R  a  s  s  o  w,  Leipzig,  Stephan¬ 
strasse  8  zu  richten.  Von  dieser  Stelle  können  auch  die  Satzungen 
der  Stiftung  kostenlos  bezogen  werden.  Die  Verleihung  der  Sub¬ 
ventionen  geschieht  auf  der  85.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  zu  Wien  am  25.  September  1913. 

—  Zum  Direktor  und  leitenden  Arzt  der  Chirurg.  Abteilung  des 
neu  erbauten  St.  Norbert-Hospitals-Hauptstrasse  in 
Berlin-Schöneberg  wurde  der  seitherige  Leiter  des  Elisabeth-Kranken¬ 
hauses  in  Kassel,  Dr.  Franz  Kuhn  ernannt. 

—  Die  in  Gottleuba  errichtete  grosse  Heilstätte  der  Landes¬ 
versicherungsanstalt  im  Königreich  Sachsen  soll  am  1.  April  d.  J.  er¬ 
öffnet  werden.  Chefarzt  ist  der  Nervenarzt  San.-Rat  Dr.  Bartels. 

—  In  Berlin  hat  sich  eine  „Aerztliche  Gesellschaft 
für  Sexualwissenschaft“  konstituiert,  als  deren  Vorstand 
die  Mediziner  Geheimrat  Prof.  Dr.  Eulenburg,  Dr.  Iwan  Bloch, 
Dr.  Magnus  H  i  r  s  c h  f  e  1  d,  Sanitätsrat  Dr.  H.  Koerber,  Dr.  Herrn. 
Rohleder,  Dr.  Otto  Adler  und  Dr.  Otto  J  u  1  i  u  s  b  u  r  ge  r 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


fungieren.  Die  erste  öffentliche  Monatssitzung  der  neuen  Orga¬ 
nisation  findet  in  dem  kleinen  Saale  des  Langenbeckhauses  am 
Freitag,  den  21.  Februar  d.  J..  abends  8  Uhr  statt.  Auf  der  Tages¬ 
ordnung  steht  ein  Vortrag  von  Dr.  Kvan  Bloch:  „Die  Aufgaben  der 
ärztlichen  Gesellschaft  für  Sexualwissenschaft“  und  Demonstrationen 
von  Dr.  M.  Hirschfeld:  Hermaphroditen-Moulagen.  Als  Zweck 
der  Gesellschaft  wird  angegeben:  Erforschung  des  Geschlechtslebens 
nach  streng  wissenschaftlichen  Grundsätzen  und  Förderung  des 
Interesses  fiir  diese  Forschung  in  ärztlichen  Kreisen.  Ordentliche 
Mitglieder  der  Gesellschaft  können  ausschliesslich  Aerzte  und 
Aeiztinnen  werden,  während  als  ausserordentliche  Mitglieder  auch 
nicht  medizinische  Akademiker  zugelassen  werden. 

—  Am  7.  und  8.  Mai  findet  in  Stuttgart  die  20.  Tagung  des 
Vereins  deutscher  Laryngologen  (Vorsitzender:  Sie¬ 
benmann-  Basel)  statt.  Es  wird  gebeten,  beabsichtigte  (noch  nicht 
anderweits  publizierte)  Vorträge  oder  Demonstrationen  bis  zum 
1.  April  beim  Schriftführer  (Richard  Hoff  mann,  Dresden  1, 
Grunaer  Strasse  8,  I)  anzumelden.  An  diesen  sind  auch  Meldungen 
zur  Mitgliedschaft  zu  richten.  Das  definitive  Programm  wird  Mitte 
April  versandt  werden. 

—  Die  Anatomische  Gesellschaft  hält  ihre  27.  Ver¬ 
sammlung  in  Greifswald  vom  10.  bis  13.  Mai  ab.  Vorsitzender  der 
Gesellschaft  ist  Prof.  B  o  n  n  e  t  -  Bonn.  Nähere  Auskunft  erteilt 
Dr.  v.  Möllendorff  - Greifswald. 

—  Der  4.  Internationale  Kongress  für  Physio¬ 
therapie  findet  vom  26. — 30.  März  in  Berlin  statt.  Der  Kongress 
zerfällt  in  4  Sektionen,  Balneotherapie  und  Klimatotherapie,  Elektro- 
Radio-Röntgentherapie,  Kinesiotherapie,  Diätetik,  in  denen  Referate, 
Vorträge  auf  Einladung  des  Vorstandes  und  angemeldete  Vorträge 
gehalten  werden,  eine  allgemeine  Sitzung  (im  Reichstagsgebäude) 
hat  als  Thema  die  physikalische  Behandlung  der  Kreislaufstörungen 
(Ref.  0.  Müller-  Tübingen,  V  a  q  u  e  z  -  Paris,  Wide-  Stockholm). 
Mit  dem  Kongress  ist  eine  Ausstellung  verbunden.  Anfragen  und 
Mitteilungen  sind  an  den  Generalsekretär  des  Kongresses  Dr.  1  m  m  e  1- 
m  a  n  n,  Berlin  W.  35,  Liitzowstr.  72  zu  richten,  über  die  Ausstellung 
erteilt  Stabsarzt  Dr.  O.  S  t  r  a  u  s  s.  Berlin  N.,  Kesselstr.  19,  Auskunft. 
Die  Wohnungsbeschaffung  hat  das  Reisebureau  der  Hamburg-Amerika- 
Linie,  Berlin  W.  8,  Unter  den  Linden  8,  übernommen. 

—  Auf  dem  9.  Kongress  amerikanischer  Aerzte 
und  Chirurgen,  der  am  6.  und  7.  Mai  d.  J.  in  Washington  statt¬ 
findet,  wird  Prof.  Dr.  S  c  h  1  a  y  e  r  in  München  auf  Aufforderung  des 
Kongresses  das  Referat  über  eines  der  Hauptthemata,  das  Studium 
der  Nierenfunktion,  erstatten.  Das  zweite  Hauptthema  lautet: 
„Ueber  die  Entwicklung  der  Gewebe  in  vitro“. 

—  Der  nächste  Kongress  der  Deutschen  dermato¬ 
logischen  Gesellschaft  findet  in  Wien  am  19.  und  20.  Sep¬ 
tember  unmittelbar  vor  der  Naturforscherversammlung  statt.  An¬ 
gemeldete  Vorträge,  die  auf  dem  Kongress  nicht  zur  Verhandlung 
kommen,  können  in  den  Sektionssitzungen  der  Naturforscher¬ 
versammlung  gehalten  werden.  Etwaige  Anfragen  sind  zu  richten 
entweder  an  Prof.  Ehrmann,  Wien  IX,  Kolingasse  9,  oder  Geheim¬ 
rat  Neisser,  Breslau,  Fürstenstrasse  112. 

—  An  Stelle  des  „Zentralblattes  für  Psychoanalyse“  gibt  Prof. 
Freud  von  jetzt  ab  eine  „Internationale  Zeitschrift  f  ii  r 
ärztliche  Psychoanalyse“  heraus.  Diese  wird  redigiert 
von  Dr.  S.  F  e  r  e  n  c  z  i -Pest  und  Dr.  Otto  Rank -Wien  und  ist 
das  offizielle  Organ  der  internationalen  psychoanalytischen  Ver¬ 
einigung.  Sie  bezweckt  Einführung  in  das  Wesen  und  die  Uebung 
der  Psychoanalyse  und  einen  fortlaufenden  Ueberblick  über  die  Ent¬ 
wicklung  des  Wissenschaftszweiges  zu  geben.  Die  neue  Zeitschrift 
erscheint  6  mal  im  Jahr  und  kostet  18  M.  Verlag  von  Hugo  Heller 
&  Co.  in  Wien. 

—  Der  1.  Deutsche  Kongress  für  alkoholfreie 
Jugenderziehung  findet  vom  26. — 28.  Mai  d.  J.  in  Berlin  statt. 
Dem  Kongress  geht  am  25.  Mai  eine  Reihe  von  wissenschaftlichen  Vor¬ 
trägen  des  Berliner  Zentralverbandes  zur  Bekämpfung  des  Alkoholis¬ 
mus  voraus,  die  in  den  allgemeinen  Inhalt  und  die  allgemeine  Be¬ 
deutung  der  Alkoholfrage  einführen.  Die  Geschäftsstelle  des  Kon¬ 
gresses,  Berlin  W.  15,  Uhlandstr.  146,  nimmt  Anmeldungen  entgegen 
und  verschickt  Programme  in  jeder  gewünschten  Zahl  unentgeltlich. 

—  Aus  unserem  Leserkreis  werden  wir  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht,  dass  der  Verfasser  der  in  d.  W.  1912,  S.  2734  erschienenen 
Arbeit:  „Universalbruchband.  Aus  dem  Ambulatorium  der  Privat- 
Frauenklinik  von  Privatdozent  Dr.  Ziegen  speck.  Von  Dr.  v.  Bo¬ 
ro  s  i  n  i“,  nicht  als  Arzt  approbiert  ist. 

-  Cholera.  Türkei.  Nach  den  amtlichen  Ausweisen  No.  9 
und  10  sind  in  Konstantinopel  vom  7.  bis  13.  und  14.  bis  20.  Januar 
46  +  5  Personen  erkrankt  und  29  +  3  Personen  gestorben.  — 
Zanzibar.  Bis  Ende  1912  waren  auf  der  Insel  seit  dem  Ausbruch  der 
Cholera  943  Personen  erkrankt  und  davon  912  gestorben.  Die  letzte 
Erkrankung  erfolgte  am  23.  Dezember. 

-  Pest.  Russland.  Zufolge  Mitteilung  vom  15.  Januar  hat 
sich  die  Pest  im  Dongebiete  auf  weitere  Ortschaften  ausgebreitet. 
Vom  5.  bis  12.  Januar  wurden  9  neue  Erkrankungen  gemeldet.  Ins¬ 
gesamt  sind  im  2.  Donkreis  seit  dem  Auftreten  der  Seuche  im  No¬ 
vember  v.  J.  aus  6  Ortschaften  38  Erkrankungen  mit  22  Todesfällen 
bekannt  geworden.  Laut  einer  am  16.  Januar  veröffentlichten  Be¬ 
kanntmachung  sind  das  Transkaspische  und  das  Samarkand-Gebiet 
sowie  das  Chanat  Buchara  als  pestbedroht  zu  betrachten.  —  Britisch 
Ostindien.  Vom  29.  Dezember  bis  4.  Januar  erkrankten  5621  und 


No.  6. 


starben  4561  Personen  an  der  Pest.  —  Niederländisch  Indien.  Vom 
1.  bis  14.  Januar  wurden  auf  Java  gemeldet:  Aus  dem  Bezirke  Malang 
134  Erkrankungen  (und  133  Todesfälle),  aus  Paree  42  (41),  ans 
Kediri  41  (32),  aus  Madioen  26  (24),  aus  Soerabaja  8  (8)  und  aus 
Nagawi  1  Fall.  Für  die  Zeit  vom  18.  bis  31.  Dezember  v.  J.  sind 
nachträglich  aus  Kediri  2  Fälle  und  aus  Paree  1  mitgeteilt  worden. 
China.  Auf  der  Insel  Hainan  ist  im  November  v.  J.  die  Pest  aus¬ 
gebrochen,  ebenso  in  der  Chinesenstadt  von  Pakhoi  zu  Anfang  De¬ 
zember;  bis  zum  27.  Dezember  waren  in  Pakhoi  etwa  30  Chinesen 
der  Seuche  erlegen.  —  Brasilien.  In  Pernambuco  vom  16.  bis  30.  No¬ 
vember  v.  J.  2  Todesfälle  und  in  Rio  de  Janeiro  vom  24.  bis  30.  No, 
vember  1  Erkrankung  und  1  Todesfall. 

In  der  4.  Jahreswoche,  vom  19. — 25.  Januar  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Bochum  mit  25,7,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit  3,6  Todesfällen' 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenm 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Oberhausen,  an  Diphtherie  und  Krupp 
in  Dortmund,  Heilbronn.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  148  Frauen  sind  an  der  Breslauer  Universität  imf 
laufenden  Wintersemester  rite  immatrikuliert,  davon  21  für  Medizin, 
2  für  Zahnheilkunde. 

Königsberg.  Dr.  Friedrich  Meyer-Betz,  Oberarzt  an 
der  med.  Klinik,  habilitierte  sich  für  das  Fach  der  inneren  Medizin 
mit  einer  Antrittsvorlesung:  „Ueber  photodynamische  Wirkung“. 

Rostock.  Dr.  Albrecht  B  u  r  c  h  a  r  d.  Spezialarzt  für  Rönt¬ 
genologie,  hat  sich  für  dieses  Fach  mit  einer  Arbeit  über:  „Die  rönt¬ 
genologische  Nierendiagnostik“  habilitiert.  Seine  Antrittsvorlesung 
wird  das  Thema:  „Die  Entwicklung  der  Röntgenologie“  behandeln. 

Catania.  Der  Privatdozent  an  der  med.  Fakultät  zu  Neapel 
Dr.  J.  B  e  1  f  i  o  r  e  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  klinische 
Chemie. 

Neapel.  Dr.  U.  Masucci  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  medizinische  Semiologie. 

Pa  via.  Der  ausserordentliche  Professor  der  externen  Patho¬ 
logie  Dr.  G.  P  e  r  e  z  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Pest.  Privatdozent  Dr.  J.  L  o  v  r  i  c  h  wurde  zum  Direktor 
der  Hebammenanstalt  in  Pest  ernannt;  die  Wahl  hat  somit  einen  der 
tüchtigsten  Fachleute  Ungarns  getroffen. 

Pisa.  Dr.  A.  S  e  r  t  o  1  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
externe  Pathologie. 

Prag.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Anatomie  an  der 
tschechischen  med.  Fakultät  Dr.  Karl  W  e  i  g  n  e  r  wurde  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  ernannt. 

Rom.  Dr.  V.  Caraff a  habilitierte  sich  als  Privatdozent  türj 
medizinische  Pathologie. 

Saratow.  Der  Privatdozent  in  Kasan  Dr.  J.  N.  B  y  s  t  r  e  n  i  u 
wurde  zum  Professor  der  Pädiatrie  ernannt. 

Siena.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Neurologie  und 
Psychiatrie  Dr.  O.  Fragnito  wurde  zum  ordentlichen  Professor 
ernannt. 

Turin.  Dr.  F.  Lasagna  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Oto-Rhino-Laryngologie. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  4.  Jahreswoche  vom  19.  bis  25.  Januar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  11  (14  *),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  7  (7),  Kindbettfieber  1  (—) 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (2),  Scharlach  —  (1) 
Masern  u.  Röteln  3  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (1),  Keuchhusten  1  il) 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  ( — l,  akut.  Gelenkrheumatismus —(—) 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  ( — ),  Starrkrampf  —  (-) 
Blutvergiftung  3  (6',  Tuberkul.  der  Lungen  22  (12),  Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  5  <6  ,  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ).  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  15(14),  Influenza  4  (2t,  veneri 
sehe  Krankh.  2  (— ),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
fieber  usw.  —  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.1 2(1),  Alkoholis 
mus  —  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  3  (7),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  7  (3-,  organ.  Herzleiden  18  '26),  Herzschlag,  Herz¬ 
lähmung  lohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  2  (5t,  Arterienverkalkung 
2  (7),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  7  >C\  Gehirnschlag  6  16) 
Geisteskrankh.  1  (2),  Krämpfe  d.  Kinder  4  ( — ),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven 
Systems  7  (3),  Atrophie  der  Kinder  2  G\  Brechdurchfall  1  (1),  Magen 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  2  (3),  Blinddarm 
entzünd.  2  (4),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase.  Bauchspeicheldrüse  n 
Milz  4  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  13),  Nierenentzünd.  6  13 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg  3  (2),  Krebs  17  (20),  sonst 
Neubildungen  6  (2  ,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  '1>,  Krankh.de 
Bewegungsorgane  —  -1),  Selbstmord  1  (4),  Mord,  Totschlag,  aucl 
Hinricht. — (—\ Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  (7) 
and.  benannte  Todesursachen  1  (4t,  Todesursache  nicht  ("genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  2  11t. 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  189  (194). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


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*  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
immer  8(1  M.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
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MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  i 
Fördie  Redaktion  Arnulfstr.26  Bürozeit  der  Redaktion  1  l/hr. 
Für  Abonnement  an  j.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


).  7.  18.  Februar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

is  dem  pathologisch-anatomischen  Institut  und  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  zu  Freiburg  i.  Br. 

ir  Frage  der  Beeinflussbarkeit  tiefliegender  Krebse 
durch  strahlende  Energie. 

Anatomische  und  klinische  Mitteilungen  von  A  s  c  h  o  f  f, 

K r  ö n  i g  und  Gauss.  • 

(Mit  einer  Tafel.) 

Ueber  die  Beeinflussbarkeit  bösartiger  Geschwülste  durch 
jntgen-  und  Radiumstrahlen  liegt  sowohl  klinisch  wie  auch 
ithologisch-histologisch  bereits  eine  umfangreiche  Literatur 
)r.  Es  sei  hier  nur  auf  das  „Handbuch  der  allgemeinen 
athologie“  von  Marchand-Krehl,  auf  die  Zusammen- 
ellung  von  Herxheimer  und  R  e  i  n  k  e  in  den  Ergeb- 
ssen  von  Lubarsch-Ostertag,  insbesondere  auch  auf  die 
rbeiten  von  Werner  aus  dem  Czerny  sehen  Institut 
id  auf  die  Ausführungen  von  B  e  r  g  o  n  i  e  in  der  allgemeinen 
athologie  von  Bouchard  und  Roger  hingewiesen. 

Nachdem  eine  gewisse  Zeitlang  das  Studium  der  bio¬ 
gischen  Strahlenwirkungen  mehr  in  den  Hintergrund  ge- 
eten  war,  hat  dasselbe  neuerdings  wieder  lebhafter  ein- 
:setzt  und  zwar  nach  2  Richtungen  hin:  einmal  in  Bezug  auf 
e  feinere  Analyse  der  in  den  betroffenen  Zellen  vor  sich 
:henden  chemisch  oder  morphologisch  nachweisbaren  Stoff- 
echselstörungen  (Neuberg),  unter  denen  besonder  diejenigen 
;r  Lipoidsubstanzen  das  Interesse  fesseln  (Tschacholin), 
idererseits  in  Bezug  auf  die  zuerst  von  Perthes  genauer 
udierten  Tiefenwirkungen  gefilterter  Strahlen.  Im  folgenden 
inn  ich  (A.)  nur  zu  dem  letzteren  Problem  Stellung  nehmen, 
sofern  mir  Gelegenheit  geboten  war,  einige  Fälle  von 
arzinom,  die  in  der  hiesigen  Frauenklinik  mit  stark  gefilterten 
öntgenstrahlen  in  abnorm  grossen  Dosen  behandelt  worden 
aren,  von  Anfang  bis  zu  Ende  histologisch  zu  kontrollieren. 

Da  der  Kliniker  in  dem  vorliegenden  Falle  von  der  theo- 
üischen  Voraussetzung  ausging,  dass  zur  Erzielung  einer 
fügenden  Tiefwirkung  grosse  Dosen  besonders  harter 
trahlen  dem  Körper  einverleibt  werden  mussten,  so  wurde 
as  Interesse  des  pathologischen  Anatomen  nach  zweierlei 
ichtung  hin  in  Anspruch  genommen,  einmal  wie  weit  iiber- 
aupt  eine  Beeinflussbarkeit  tieferliegender  Krebswucherungen 
töglich,  und  andererseits  ob  eine  solche  intensive  Durch- 
rahlung  ohne  Schädigung  des  übrigen  Organismus  durch- 
ihrbar  wäre.  Sind  die  Untersuchungen  bezüglich  der 
ineren  Gewebsveränderungen  noch  nicht  abgeschlossen,  so 
ssen  sich  doch  beide  Fragen  in  einem  gewissen  Umfange 
:hon  jetzt  beantworten.  Ich  schicke  zunächst  kurz  die  patho- 
igisch-anatomischen  und  histologischen  Daten  der  zu  be- 
arechenden  Fälle  voraus: 

Fall  I.  Frau  E.  Klinische  Diagnose:  Carcinoma  ventriculi  in- 

>erabile. 

Am  19.  Juli  1912  wurde  eine  Probeexzision  aus  einer  Magen¬ 
schwulst  dem  hiesigen  Institut  zugesandt.  Mikr.  handelte  es  sich 
den  beiden  übersandten  Stückchen  um  ein  typisches  Adeno- 
irzinom,  ohne  Neigung  zur  Schleimbildung,  wie  es  Fig.  1  an- 
ihaulich  darstellt. 

Am  5.  November  wurden  von  neuem  kleinere  exzidierte 
lückchen  aus  der  Magenwand  im  Gebiet  des  Antrum  pylori  und 
is  der  Pylorusgegend  selbst  dem  pathol.  Institut  zugesandt, 
ikr.  fand  sich  neben  deutlichen  Bestandteilen  der  Muskulatur 
orwiegend  verdickte  Serosa  vor,  in  der  sich  ein  zum  Teil  be- 
“its  narbig  verändertes  Granulationsgewebe  entwickelt  hatte, 
is  nach  der  Oberfläche  zu  mit  einer  dicken  Schicht  gewöhn¬ 
ter  Eiterzellen  bedeckt  war,  in  der  Tiefe  neben  Leukozyten  reich- 
-'h  lymphozytäre  Infiltration  aufwies  (s.  Fig.  2).  Diese  lympho- 

No.  7. 


zytären,  zum  Teil  auch  leukozytären  Infiltrate  erstrecken  sich  auch  in 
die  muskulären  Schichten  der  Magenwand.  Innerhalb  des  Granula¬ 
tionsgewebes  der  Serosa  fanden  sich  zum  Teil  kleinere  Haufen  grob 
vakuolisierter  Zellen,  die  den  Eindruck  gewucherter  und  in  das  Granu¬ 
lationsgewebe  eingeschlossener  Endothelzellen  machten.  Sichere 
KrebszelLnstränge,  insbesondere  solche  von  adenomatösem  Charak¬ 
ter  wurden  nirgends  gefunden,  dagegen  wies  ein  gleichzeitig  exstir- 
pierter  Lymphknoten  aus  der  Netzgegend  die  typischen  Bilder  des 
Adenokarzinoms  auf. 

Am  2.  November  wurde  5  Stunden  nach  dem  Tod  der  Frau  die 
Obduktion  vorgenommen.  Baucheingeweide  durch  Formolinjektion 
direkt  nach  dem  Tode  vor  postmortalen  Veränderungen  geschützt. 
Die  pathologisch-anatomische  Diagnose  lautete  kurz  zusammengefasst 
folgendermassen: 

Alte  und  frische  Laparotomiewunde  unterhalb  des  linken  Rippen¬ 
bogens;  postmortale  Schnitteröffnung  der  Bauchhöhle  im  Gebiet  der 
älteren  Weichteilwunde.  Kallöses  Ulcus  im  Antrum  pylori;  Krebs¬ 
metastasen  in  den  portalen  Lymphknoten,  in  der  Leber  und  in  beiden 
Eierstöcken;  leichte  Atrophie  der  Milz;  leichte  Atrophie  der  Leber; 
entzündliche  Cholelithiasis.  Differenter  Fettgehalt  der  Rindenschicht 
zwischen  linker  und  rechter  Nebenniere,  vereinzelte  Schrumpfungs¬ 
herde  (embolischer  oder  arteriosklerotischer  Natur?)  in  der  linken 
Niere.  Lungenödem.  Struma  nodosa.  Säbelscheidentrachea.  Geringe 
Atherosklerose  der  Aorta.  Frische  Peritonitis  bei  frischer  Gastro¬ 
enterostomie. 

Aus  dem  Sektionsprotokoli  sei  kurz  folgendes  mitgeteilt: 

Bei  weiterer  Eröffnung  der  Bauchhöhle  deutlicher  Formolgeruch. 
Die  genaue  lnspektion  zeigt,  dass  eine  Dünndarmschlinge  dem  oberen 
Jejunum  angehörend,  über  das  grosse  Netz  und  das  Kolon  hinweg  an 
die  grosse  Kurvatur  des  Magens  gezogen  und  in  die  Vorderfläche  des¬ 
selben  eingenäht  ist.  Bei  Druck  auf  den  Magen  wird  sehr  leicht  Gas 
und  Flüssigkeit  aus  dem  Magen  in  die  zuführende  und  die  abführende 
Darmschlinge  hinübergetrieben.  Die  weiter  abwärts  gelegenen,  zum 
Teil  noch  vom  Netz  bedeckten  Dünndarmschlingen  zeigen  lebhafte  In¬ 
jektion,  fühlen  sich  seifig  an  und  sind  mit-  eitrig-fibrinösen  Belägen  be¬ 
deckt. 

Im  kleinen  Becken  liegen  30  ccm  einer  leicht  bltuig  gefärbten 
eitrigen  Flüssigkeit.  Der  zuerst  entfernte  Dünndarm  ist  in  seinen 
unteren  Abschnitten  ziemlich  stark  kontrahiert;  in  seinen  oberen 
mässig  stark  mit  Flüssigkeit  gefüllt;  die  Lymphdrüsen  des  Mesen¬ 
teriums  sind  nicht  geschwollen,  kaum  zu  fühlen.  Der  Appendix  etwas 
nach  oben  unter  den  Recessus  ileocoecalis  geschlagen,  ist  frei  von  be¬ 
sonderen  Veränderungen,  ln  der  Bursa  omentalis  kein  besonderer  In¬ 
halt.  Nach  Emporheben  des  Magens  fühlt  man  an  der  kleinen  Kur¬ 
vatur  bis  vierfingerbreit  von  der  Kardia  hinaufreichend  eine  Ver¬ 
härtung  der  Wand,  die  sich  an  der  kleinen  Kurvatur  in  einzelne, 
narbig-weisse,  flache  Knötchen  auflöst. 

im  Ligamentum  hepato-gastricum  fühlt  und  sieht  man  einen  klein¬ 
bohnengrossen,  harten  Geschwulstknoten.  Die  Gallenblase  zeigt 
flache  Strangbildungen  nach  dem  Anfangsteil  des  Duodenums  hinüber. 
Man  fühlt  in  ihr  2  grosse  walzenförmige  Steine. 

An  den  Gefässen  nichts  besonderes.  Aus  dem  Duodenum  ent¬ 
leert  sich  reichlich  dunkle,  erbsenbrühartige  Flüssigkeit.  Pylorus  für 
die  Kuppe  des  kleinen  Fingers  eben  durchgängig.  Wegen  der  Gastro¬ 
enterostomie  wird  der  Magen  von  vorne  geöffnet.  Aus  dem  Magen 
entleert  sich  ebenfalls  eine  gallig  gefärbte,  reichliche,  dem  Duodenal¬ 
inhalt  entsprechende  Flüssigkeit.  Bei  der  Eröffnung  des  Magens 
sehr  lebhafter  Formolgeruch  (vom  Kliniker  post  mortem  injiziert). 
An  dem  Magen  sieht  mm  im  Fundustsil  deutlich  grobe  Falten  und 
zierliche  Felderbildung  (wie  normal).  An  der  kleinen  Kurvatur  an 
der  Schleimhaut,  ca.  6  cm  von  der  Kardia  entfernt  liegend,  eine  Ein¬ 
lagerung  flacher,  derber  Knötchen;  allmählich  nach  dem  Antrum  pylo- 
rum  zu  verhärtet  sich  der  Magen  und  man  sieht  dicht  vor  dem 
Pylorus  ein  flaches,  glattrandiges,  glattgrundiges  Geschwür,  an  dessen 
kardialer  Seite  man  sehr  deutlich  die  Ueberschiebung  der  gewulsUten 
Schleimhaut,  an  dessen  Pylorusseite  man  eine  deutliche  Abflachung 
beobachtet.  Während  sich  der  kardiale  Geschwürsrand  sehr  hart 
anfühlt,  fühlt  sich  der  pyloruswärts  gelegene  Rand  relativ  weich  an. 
Im  Gebiet  des  Geschwürs  weist  die  Magenwand  eine  Dicke  von  8  mm 
auf,  von  denen  5  auf  die  hochgradig  verdickte  Muskulatur  gehen.  In 
der  Muskulatur  einzelne  weisse  Streifen.  Das  Geschwür  liegt  an  der 
kleinen  Kurvatur  und  reicht  auf  Hinter-  und  Vorderwand  hinüber.  Im 
Bereich  der  vorderen  Wand  sieht  man  dem  pyloruswärts  gerichteten 
Rand  zu  entsprechend  an  der  unregelmässig  rauhen,  leicht  höckerigen 
Serosa  mehrere  feine  Fäden  (Probeexzision  2  Tage  ante  mortem). 
Makroskopisch  ist  an  der  Schnittfläche  durch  die  vordere 

1 


No.  ?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Magenwand  nichts  von  Ca.  zu  sehen.  An  der  Hinterwand  des 
Magens  dagegen  sieht  man  die  Fettgewehsträubchen  der  Serosa 
auffallend  weiss  gefärbt,  wie  narbig  verändert;  Geschwulstgewebe 
nicht  sicher  festzustellen. 

Der  Choledochus  lässt  auf  Druck  Galle  durchtreten;  nicht  er¬ 
weitert,  gallig  imbibiert.  Am  Gallenblasenhals  sitzt  ein  linsengrosses, 
mehr  graues,  wie  ein  geschwollener  Lymphknoten  aussehendes  Ge¬ 
bilde.  Auch  der  Lymphknoten  an  der  Leberpforte  ist  vergrössert, 
man  sieht  in  ihm  2  kleinste,  markig  aussehende  Knötchen  (Meta¬ 
stase?).  Auch  in  den  anderen  Lymphknoten  des  Ligamentum  hepato- 
duodenale  sieht  man  verkäste,  sich  hart  anfühlende  Knötchen.  In  der 
Pfortader  ein  postmortales  Gerinnsel.  Der  Zystikus  durchgängig.  Ls 
entleert  sich  eine  sehr  zähe  dunkelgrüne  Galle;  Gallenblasenwand 
o.  B.  In  der  Galle  liegen  2  leicht  tonnenförmige,  deutlich  facettierte 
Steine  mit  höckeriger  Oberfläche.  Beide  ungefähr  kirschgross,  der 
eine,  mehr  rundliche,  lässt  bis  in  den  Kern  hinein  eine  deutliche 
Schichtung  erkennen,  der  andere  nicht. 

Pankreas  auf  dem  Durchschnitt  o.  B.  Ductus  pancreaticus  nicht 
erweitert,  keine  Fettgewebsnekrose,  normale  Konsistenz. 

Leber,  23K>  cm  Durchmesser,  zeigt  die  schon  erwähnten  zahl¬ 
reichen,  besonders  rechts,  aber  auch  links  lokalisierten  Geschwulst¬ 
knoten.  Die  Knoten  sind  von  markig-weisser  Farbe,  scharf  gegen 
die  Umgebung  prominierend,  zeigen  keine  zentrale  Nekrose,  durch¬ 
schnittlich  kirschkern-  bis  kirschgross.  Ihre  Zahl  ist  ziemlich  erheb¬ 
lich. 

Die  Gastroenterostomiewunde  ist  in  beiden  Schenkeln  gut  durch- 


An  der  eröffneten  Jejunalschlinge  keine  besonderen  Verände¬ 
rungen. 

Histologisch  interessierte  vor  allem  das  kallöse  Ulcus  des 
Magens.  Die  mikr.  Untersuchung  eines  Längsschnittes  durch  das 
Ulcus,  der  absichtlich  nicht  durch  den  Boden,  sondern  mehr  durch  die 
Randpartien  gelegt  wurde,  ergab  neben  ausgedehnten  entzündlich¬ 
schwieligen  Verdickungen  der  Serosa  eine  im  ganzen  wohlerhaltene 
Muskulatur  mit  leicht  verbreiterten,  zum  Teil  zellig  infiltrierten,  zum 
Teil  hyalinisierten  Bindegewebssepten  (s.  Fig.  3).  Die  Mukosa  und 
Submukosa  fehlen.  Die  Muskularis  liegt  frei  an  dem  Geschwürsgrund 
zutage,  und  ist  zum  Teil  in  den  geschwürigen  Zerfall  mit  einbezogen. 
Das  Geschwür  ist  nach  innen  zu  mit  einer  dicken  Schicht  neutrophiler 
Leukozyten  bedeckt,  die  nach  innen  zu  in  eine  mehr  oder  weniger 
breite  nekrotische,  von  Bakterienmassen  durchsetzte  Schicht  über¬ 
gehen.  Unter  der  Leukozytenschicht  findet  sich  ein  fibroblasten-, 
aber  nicht  besonders  gefässreiches,  die  oberflächliche  Muskelschicht 
durchsetzendes  Granulationsgewebe,  welches  sich  allmählich  in  die 
intramuskulären  Septen  verliert,  bzw.  sich  in  den  zelligen  Infiltraten 
derselben  fortsetzt.  Diese  zelligen  Infiltrate  bestehen  vorwiegend  aus 
Plasmazellen,  untermischt  mit  eosinophil  gekörnten  Leukozyten,  die 
auch  reichlich  in  den  äusseren  Schichten  der  Muskulatur  und  in  der 
verdickten  Subserosa  auftreten.  Die  bindegewebigen  Teile  der  ner¬ 
vösen  Plexus  sind  ebenfalls  stark  verdickt  und  zellreich.  Die  grösse¬ 
ren  in  der  Subserosa  verlaufenden  Gefässe  zeigen  hier  und  da  deut¬ 
liche  Zeichen  der  Endarteriitis  productiva  bezw.  der  Arteriosklerose, 
doch  hält  sich  diese  Veränderung  überall  in  massigen  Grenzen  und 
nirgends  finden  sich  stärkere  Verengerungen  oder  gar  Obliteration. 

Von  den  alten  karzinomatösen  Wucherungen  der  Magenwand  ist 
nichts  mehr  zu  finden;  nur  an  einer  Stelle  im  Geschwürsgrund,  wie 
auch  an  einer  anderen  Stelle  tiefer  in  der  Muskulatur  gegen  die  Sub¬ 
serosa  zu,  lassen  sich  eigenartige  Lückenbildungen  im  Gewebe  er¬ 
kennen,  die  aus  einem  zarten,  aus  spindligen  Zellen  bestehenden 
Maschenwerk  mit  unregelmässig  grossen  Lücken  dazwischen  be¬ 
stehen.  In  diesen  Lücken  liegt  eine  im  Hämatoxylin-Eosin-Präparat 
ungefärbt  bleibende  Masse  von  fädiger  Struktur,  die  sich  im  Kresyl- 
violettpräparat  als  Schleim  erweist.  In  diesen  spärlichen  Schleim¬ 
resten  finden  sich  auch  vereinzelte  grosskugelige,  mit  grösseren 
Kernen  versehene  als  Ca. -Zellen  anzusprechende  Gebilde.  Das 
Protoplasma  dieser  Zellen  ist  fein  und  grob  vakuolisieft,  unscharf 
begrenzt,  wie  in  Auflösung  begriffen.  Auch  die  Kerne  sind  vakuoli- 
siert  und  sehen  wie  zerknittert  aus.  Neben  diesen,  eben  noch  als 
Krebszellen  erkennbaren  Gebilden  finden  sich  innerhalb  des  Schleims 
zerstreut  pyknotische  Kerntrümmer.  Von  irgendwelchen  frischen 
Krebszellenwucherungen  ist  nichts  zu  entdecken  (s.  Fig.  4). 

Eine  zweite,  ebenfalls  dem  Geschwürsrand  entnommene  Partie  des 
Ulcus  zeigt  die  verdickte  Subserosa  und  Muskularis  vollständig  frei 
von  Krebswucherungen,  nur  an  den  inneren  Wandschichten  in  dem 
Granulationsgewebe  des  Geschwürsgrundes  zerstreute,  kleine  Gruppen 
von  polymorphen,  sich  gegenseitig  abplattenden,  zum  Teil  sich 
schalenförmig  umgebenden,  mehr  wie  Pflasterepithel  aussehenden 
Krebszellen,  deren  Protoplasma  feinkörnige  Verfettung  aufweist. 


Fall  II.  Frau  M„  57  Jahre.  Klinische  Diagnose:  Inoperables 
Zervixkarzinom. 

Die  erste  Probeexzision  ging  dem  Institut  am  13.  III.  12  zu.  Die 
Diagnose  lautete;  Es  handelt  sich  um  einen  nicht  verhornenden 
Plattenepithelkrebs  der  Zervix. 

Die  nächstfolgenden  Exzisionen  ergaben  folgende  Resultate: 

1.  V.  12.  J.-No.  579.  1.  Probeexzision  während  dej 

Bestrahlung:  Die  Probeexzision  (gekochtes  Präparat),  s.  Fig.  5, 
zeigt  das  Gewebe  von  breiten  Krebssträngen  auf  das  Dichteste  durch¬ 
setzt.  Die  Krebsstränge  tragen  den  Charakter  von  weichem  Platten¬ 
epithelkrebs.  Gegenüber  der  ersten  Exzision  bestehen  Unterschiede, 
insofern  die  Kernteilungsfiguren  sehr  viel  seltener  sind,  die  Basalt¬ 


zellen  gegenüber  den  auffallend  blasig  gestalteten  Stachelzellen  sehr 
zurücktreten,  wie  überhaupt  auch  an  den  jugendlichen  Krebszellen 
Vakuolisierungen  des  Protoplasmas  sehr  auffallend  sind. 

Es  besteht  Einwanderung  eosinophiler  Leukozyten  ln  die  Krebs¬ 
stränge. 

10.  V.  12.  J.-No.  620.  2.  Probeexzision  während  der 
Bestrahlung:  In  dem  Präparat  sieht  man  noch  immer  auf¬ 
fallend  breite,  vielfach  verästelte,  miteinander  kommunizierende  Krebs- 
stränge.  Im  Gegensatz  zu  den  Präparaten  der  letzten  Exzision  fällt 
hier  die  ausgesprochene  Neigung  zur  Bildung  von  Hornperlen  auf. 
Allerdings  handelt  es  sich  nicht  um  echte  Verhornung,  sondern  um 
parakeratotische  Vorgänge.  Die  schon  im  letzten  Präparat  beob¬ 
achtete  Vakuolisierung  der  Krebszellen  ist  hier  ebenfalls  vorhanden. 
Fast  alle  Krebsstränge  zeigen  eine  reichliche  Durchsetzung  mit  eosino¬ 
phil  gekörnten  Leukozyten.  Auch  sieht  man  eine  starke  Zersplitterung 
der  Krebsnester  durch  eindringende  Granulationszellen.  Kernteilungs¬ 
figuren  fallen  in  den  untersuchten  Präparaten  nicht  auf. 

15.  V.  12.  J.-No.  662.  3.  Probeexzision  während  der 
Bestrahlung:  Die  Reduktion  des  krebsigen  Gewebes  tritt  jetzt’ 
noch  stärker  hervor,  insofern,  als  nur  noch  relativ  schmale,  zu  ein¬ 
zelnen  insularen  Bezirken  zusammengelagerte  krebsige  Zellstränge  in 
dem  mehr  faserreichen  jugendlichen  Narbengewebe  auftauchen.  An 
den  Krebssträngen  ist  wieder  die  Vakuolisierung  der  Zellen,  wenig¬ 
stens  in  den  achsialen  Gebieten  der  Zellstränge,  auffällig.  Para- 
keratoide  Perlbildungen  treten  dagegen  zurück.  Ungemein  reichlich 
ist  die  Anhäufung  eosinophil  gekörnter  Leukozyten,  die  auch  überall  in 
die  Krebsstränge  einwandern.  Auffallend  ist,  dass  in  diesem  Präparat 
wieder  reichlich  Kernteilungsfiguren,  z.  1 .  auch  pluripolare,  sichtbar 
sind. 

22.  V.  12.  J.-No.  607.  4.  Probeexzision  während  der 
Bestrahlung:  In  der  4.  Exzision  finden  sich  ganz  ähnliche  Bildei 
wie  in  der  2.,  indem  die  parakeratotischen  Formationen  in  Gestalt 
unvollständig  verhornter,  umfangreicher  Perlen  stark  in  die  Augen 
fallen.  Kernteilungsfiguren  sind  sehr  spärlich.  Die  starke  Infiltratior 
mit  Leukozyten  besteht  noch  weiter. 

4.  VI.  12.  J.-No.  771.  5.  Probeexzision:  Im  übersandtet 
Gewebsstückchen  sind  noch  sehr  reichlich  Krebsstränge  vorhanden 
doch  tritt  an  denselben  die  Neigung  zu  parakeratotischen  Formationei 
noch  stärker  als  früher  hervor.  Auch  findet  sich  ziemlich  reichlich 
Keratohyalinbildung.  Kernteilungsfiguren  treten  ganz  zurück.  Die 
Krebszellen  sind  auffallend  variabel  an  Form  und  Grösse  und  e: 
zeigt  sich  eine  Neigung  zur  Bildung  von  Riesenzellen  mit  Riesen 
kernen  bezw.  mehrkernigen  Riesenzellen,  wie  wenn  die  Teilungs 
tendenz  des  Protoplasmas  abgeschwächt  wäre.  Das  Bindegewebs 
geriist  ist  noch  immer  so  zellreich  und  enthält  noch  ebenso  vie 
leukozytäre  Elemente  wie  früher. 

12.  VI.  12.  J.-No.  800.  6.  Probeexzision  w  ährend  de 
Bestrahlung:  Mikroskopisch  hat  sich  das  Bild  insofern  geändert 
als  das  übersandte  Gewebsstückchen  so  gut  wie  ausschliesslich  au: 
Narbengewebe  beteht.  Nur  an  einer  Stelle  findet  sich  noch  eu 
grösserer  Komplex  von  Karzinomzellen.  An  dieser  Stelle  zeigen  siel 
inmitten  der  Karzinomzapfen  typische  Kankroidperlen  mit  Leuko 
zytenpfröpfen.  Die  Krebszellen  sind  relativ  gross,  den  Gebildet 
der  Stachelzellenschicht  entsprechend.  Kerne  im  grossen  ganzen  voi 
gleicher  Grösse  und  Gestalt,  bläschenförmig,  mit  senönem  Kern 
körperchen.  Das  Ganze  ist  durchsetzt  von  reichlichen  Leukozyten 
Auffallend  ist  nur  der  starke  Gehalt  an  Kernteilungsfiguren.  Inmittei 
des  Narbengewebes  finden  sich  zahlreiche  Nervenstränge  eingebettet 

20.  VI.  12.  J.-No.  843.  7.  Probeexzision  während  de 
Bestrahlung:  In  dem  neuen  Präparat  finden  sich  wieder  seh 
reichliche  Krebszapfen  mit  auffallend  viel  Kernteilungsfiguren  in  ein 
zelnen  Abschnitten  derselben. 

26.  VI.  12.  J.-No.  878.  8.  Exzision  während  der  Be 

Strahlung:  Es  findet  sich  ziemlich  reichliche  und  regelmässi: 
stark  entwickelte  Zapfenbildung  von  Karzinom.  Die  Zellen  sin 
relativ  gleichmässig.  gross,  Kerne  oval  bis  rund,  ebenfalls  ziemlic 
gleichmässig.  An  einzelnen  Zapfen  grössere  Unregelmässigkeiten  un 
Neigung  zur  Bildung  von  Hornperlen.  Hie  und  da  auch  stärker 
Vakuolisierung.  Kernteilungsfiguren  treten  nur  vereinzelt  hervor. 

4.  VII.  12.  J.-No.  935.  9.  Probeexzision  während  de 
Bestrahlung:  In  dem  zellenreichen  Narbengewebe  noch  seit 
reichliche,  lebhaft  gefärbt  aussehende  Krebsstränge  und  Neste, 
Deutliche  Neigung  zur  Hornperlenbildung.  Kernteilungsfiguren  trete  i 
ganz  zurück,  sind  aber  noch  immer  vorhanden.  Gegenüber  de 
letzten  Exzision  ist  der  Rückgang  in  den  Kernteilungsfiguren  unvei| 
kennbar. 

16.  VII.  12.  J.-No.  1005.  10.  Probeexzision  währen 

der  Bestrahlung:  Mikroskopisch  finden  sich  die  Bilder  eint1 
sehr  stark  verhornenden  Plattenepithelkrebses.  Es  ist  hervoi 
zuheben,  dass  neben  parakeratotischen  Massen  auch  echte  Hort 
massen  in  den  Kankroidnarben  auftreten.  Die  Schichtung  der  Zel 
zapfen  erinnert  jetzt  mehr  an  diejenige  des  normalen  Epithels,  wer 
auch  noch  starke  Atypien  in  der  Dicke  der  einzelnen  Schichte 
in  Grösse  und  Form  der  Zellen  und  Kerne  genügend  bestehe 
Kernteilungsfiguren  sind  bei  den  gewöhnlichen  Durchmusterung* 
nicht  festzustellen.  Es  besteht  also  gegenüber  dem  letzten  Befumj 
eine  wesentliche  Besserung. 

26.  VII.  12.  J.-No.  1106.  11.  Probeexzision  währen 

der  Bestrahlung.  Mikroskopisch  zeigt  sich  das  Bild  eint 
deutlich  verhornenden  Platenepithelkrebses.  Das  Krebsgewebe  t 


.LER1E  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER. 


ARL 


h 


OBRER. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  318,  1913. 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


E  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


339 


>ch  sehr  reichlich  vorhanden.  Auch  finden  sich  noch  auffallend 
ichlich  Kernteilungsfiguren,  mit  mehreren  pluripolaren  Formen. 

Gegenüber  der  letzten  Exzisionen  ist  vielleicht  eine  stärkere 
ornbildung  bezw.  Parakeratose  zu  konstatieren,  aber  sonst  besteht 
;jne  sichtbare  Besserung. 

3.  VIII.  12.  J.-No.  1156.  12.  Exzision  während  der 

(.Strahlung.  Breite,  mit  reichlichen,  zur  Verhornung  neigenden 
srlbildungen  versehene  Krebsstränge.  Die  Zellen  z.  T.  vakuolisiert, 
e  und  da  Riesenkernbildungen.  Im  grossen  ganzen  ziemlich  gleich- 
iissige.  bläschenförmige  Kernstruktur,  von  gleicher  Grosse.  Kern- 
ilungsfiguren  nicht  besonders  reichlich.  Es  besteht  keine  wesent- 
;he  Besserung. 

22.  VIII.  12.  J.-No.  1239.  13.  Exzision  während  der  Behand- 
i  ng  (s.  Fig.  6) :  In  der  Exzision  finden  sich  einzelne  nekrotische  Rar¬ 
en;  dieselben  sind  stark  von  Leukozyten  durchsetzt.  In  diesen 
.irtien  finden  sich  auch  Gruppen  von  Krebszellnestern,  anscheinend 
i  Untergang  begriffen.  An  anderen  Stellen  finden  sich  jedoch  sehr 
iiitige  Züge  von  Krebsgewebe  mit  massig  reichlichen  Kernteihmgs- 
'uren.  Auch  hier  parakeratotische  Bildungen,  jedoch  nicht  so  aus- 
esprochen  wie  im  letzten  Präparat.  Eine  deutliche  Besserung  ist 
so  nicht  wahrzunehmen. 

10.  IX.  12.  J.-No.  1312.  14.  Probeexzision  während 

er  Bestrahlung:  Das  Bild  hat  sich  insofern  wieder  geändert, 
s  stärkere  Neigung  zur  Verhornung  der  immer  noch  reichlich 
orhandenen  Krebszellstränge  besteht.  Die  Kernteilungsfiguren  sind 
■lativ  spärlich  und  wo  vorhanden,  vielfach  verklumpt.  Die  Neigung 
jr  Bildung  von  Riesenkernen  ist  noch  sehr  ausgesprochen.  Im 
-ossen  ganzen  macht  das  Krebsgewebe  noch  immer  den  Eindruck 
ner  guterhaltenen  Proliferation,  da  erhebliche  Degenerationen  des 
rotoplasmas  oder  der  Kerne  der  einzelnen  Krebszellen  nicht  festzu- 
ellen  sind. 

23.  IX.  12.  J.-No.  1359.  15.  Probeexzision:  Das  Bild  ist 

n  anderes  als  die  letzte  Probeexzision  bot.  Die  Krebsstränge  sind 
i  sich  noch  reichlich  vorhanden,  zum  Teil  erscheinen  sie  zersprengt 
jrch  stark  leukozytenhaltige  Gewebe.  An  einem  anderen  Teile  fällt 
ir  grosse  Reichtum  und  das  absolute  Vorherrschen  von  Plasma- 
ellen  in  und  zwischen  den  Krebssträngen  auf.  Das  Gefüge  der 
tiänge  an  sich  erscheint  etwas  lockerer,  die  Vakuolisierung  stärker; 
ehrkernige  Riesenzellen  und  Riesenkerne  häufig.  Kernteilungs- 
juren,  auch  atypische,  hie  und  da  zu  sehen. 

23.  X.  12.  J.-No.  1481.  16.  Probeexzision  während 
er  Bestrahlung:  Mikroskopisch  ausgedehnte  breitzapfige 
rebsstränge  mit  zahlreichen  Kernteilungsfiguren  und  ohne  Zeichen 
er  Zellschädigung. 

5.  XI.  12.  J.-No.  1507.  17.  Probeexzision  während 
er  Bestrahlung:  Der  Charakter  des  Karzinoms  hat 
ch  sehr  wenig  geändert.  Die  Zellen  sind  auffallend  gross,  fast 
[lanzenzellenähnlich  geworden.  Das  Protoplasma  ganz  durchsichtig, 
n  einzelnen  Stellen  ist  ausgesprochen  Kankroidperlenbildung  vor- 
anden.  An  den  Get'ässen  enorme  Verdickungen  mit  leukozytären  In- 
Itrationen  der  Wand. 

Patientin  starb  am  14.  November  1912.  Die  Sektion  fand  am 
5.  November  1912  statt. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:  Ulzerieren ■ 
is  Karzinom  der  Scheide  und  der  Zervix  mit  Perforation  in  das 
ektum.  Uebergreifen  auf  die  linksseitigen  Parametrien  und  ober- 
ichliche  Karies  des  linken  Tuber  ischii.  Drohende  Perforation  der 
läse  am  Fundus  derselben.  Cystitis  cystica  und  polyposa.  Karzino- 
latöse  Striktur  beider  Ureteren  und  beiderseitige  Hydronephrose. 
usgedehnte  Thrombose  der  Beckenvenen.  Frische  Embolie  im 
achten  Lungenunterlappen  mit  frischer  Gangränbildung.  Frische 
brinös-eitrige  Pleuritis  rechts.  Atrophie  der  Nebennierenrinde,  An- 
mie  der  Organe,  Verfettung  des  Herzmuskels. 

Aus  dem  Sektionsprotokoll: 

Beckenorgane:  Vollständige  Verlötung  des  Uterus  und  der 
dnexe  mit  dem  Peritoneum.  In  der  Blase  klare,  dem  Geruch  nach 
irmolhaltige  Flüssigkeit.  Links  am  Blasengrund  zahlreiche  derb- 
Jckerige  Vorsprünge,  z.  T.  kleinhöckerig,  mehr  granulär.  Die  vor- 
2re  Blasenwand  ist  mit  der  Symphyse  fest  verlötet.  Die  Heraus- 
ihme  der  Beckenorgane  stösst  wegen  starker  Fixierung  und  Formol- 
btung  auf  Schwierigkeiten.  Nach  Entfernung  der  Beckenorgane 
eht  man  nach  links  zu  eine  geschwulstförmige  Masse  vom  Para- 
Atrium  bis  zum  Tuber  ischii  sich  herüberstrecken.  Der  Knochen  ist 
ruh  an  einer  Stelle.  Beckenvenen  überall  thrombotisch  verschlossen, 
ei  Eröffnung  des  Rektums  sieht  man  an  der  Vorderwand  eine  mark- 
ückgrosse,  trichterförmige  Oeffnung,  die  in  die  Scheide  hineinführt, 
-’Sgleichen  auch  die  geschwulstartigen  Wucherungen,  die  sich  gegen 
N  linken  knöchernen  Beckenring  erstrecken.  In  der  Scheide 
leinere  und  grössere  Kotbröckel.  Nach  Eröffnung  der  Scheide  sieht 
?an  diese  in  eine  unregelmässige,  mit  fetzigen  höckerigen  Wänden 
jersehene  Höhle  verwandelt,  in  deren  hintere  Wand  das  Rektum  mit 
ngestülptem  Rand  der  Schleimhaut  hineinsieht.  Ueberall  an  der 
»and  eigentümlich  weissliche,  zierliche  Zeichnung  zeigende,  mehrere 
jiillimeter  dicke  Schicht  von  Tumorgewebe,  das  zum  grossen  Teile 
i  der  Innenfläche  verjaucht  ist.  Nach  vorne  zu  ist  die  Wand  der 
jeheide  ganz  zerstört.  Blasenwand  an  einer  Stelle  fünfpfennigstiiekgross 
ipierdünn,  anscheinend  fehlt  äussere  Wandschicht  oder  Muskulatur, 
er  ganze  Boden  der  Harnblase  ist  den  erwähnten  Querfalten  der 
läse  entsprechend  verdickt.  Die  erwähnten,  jetzt  z.  T.  zystisch  aus- 
-henden  Höcker  entsprechen  dem  Bilde  der  Cystitis  cystica.  Uterus 


zeigt  auf  dem  Durchschnitt  keine  deutliche  Portio  mehr,  doch  ist  dci 
Rest  der  Portio  nur  stellenweise  von  Karzinom  durchwuchert.  Isth¬ 
mus  und  Korpus  makroskopisch  frei  von  Karzinom.  Beide  Ovarien 
innig  mit  den  Tuben  zu  einer  nicht  entwirrbaren  Masse  verlötet,  in 
allen  Venen  Ihromben.  Rechter  Ureter  in  dem  formolgehärteteu 
Gewebe  schwer  zu  verfolgen.  Einmündung  des  rechten  Ureters  in  die 
Blase  frei,  von  dem  Eintritt  durch  krebsige  Wucherungen  ummauert. 
Oberhalb  der  Ummauerung  starke  Erweiterung  des  Ureters. 

Mikroskopischer  Befund:  Portiokarzinom:  An 
Wandquerschnitten  durch  die  Herde  sieht  man  ausgedehnte,  oberfläch¬ 
liche  Nekrose,  darunter  befindet  sicli  eine  ausgebreitete  karzinomatöse 
Wucherung,  welche  bis  in  das  fibrös  verdichtete  perivaginale  Gewebe 
hineinreicht.  Von  den  eigentlichen  Wandelementen  der  Scheide,  ins¬ 
besondere  der  Muskulatur,  sind  keine  oder  nur  ganz  spärliche  Reste 
hier  und  da  erhalten.  Vielmehr  findet  sich  zwischen  den  Krebszellen 
ein  an  Spindelzellen  reiches,  unregelmässig  breites,  zum  Teil  mit  Rund¬ 
zelleninfiltration  versehenes  Bindegewebe.  Das  Karzinom  stellt  ein  von 
zahlreichen  Perlkugelbildungen  durchsetztes  Plattenepithelkarzinom 
dar.  Während  in  den  tieferen  Schichten  die  Krebsstränge  sehr  zahl¬ 
reich  sind  und  mehr  aus  kleineren,  den  basalen  Elementen  gleichenden 
Zellen  aufgebaut  sind,  die  relativ  viele  Kernteilungsfiguren  aufweisen, 
sieht  man  in  den  oberen  Schichten,  und  zwar  ziemlich  plötzlich, 
eine  Umwandlung  in  dem  Typus  der  Krebszellen  auftreten.  Die  Krebs¬ 
stränge  bestehen  hier  vorwiegend  aus  auffallend  grossen,  riesigen 
Zellen  mit  entsprechend  grossen  Riesenkernen.  An  den  unregelmässig 
geformten,  sehr  chromatinreichen  Kernen  fallen  starke  Vakuolen¬ 
bildungen  besonders  in  die  Augen.  Bemerkenswert  ist.  dass  inner¬ 
halb  der  Riesenzellenzonen  in  den  axialen  Gebieten  der  Krebszellen¬ 
stränge  die  gleichen  Perlbildungen  vorhanden  sind  wie  in  den  klein¬ 
zeiligen  Krebssträngen  der  Tiefe,  ohne  dass  man  Uebergangsbilder 
zwischen  den  geschichteten  Zellen  der  Perlen  und  den  Riesenkern¬ 
zellen  sieht.  Es  liegt  also  die  Annahme  nahe,  dass  die  Umwandlung 
der  Krebszellen  in  Riesenzellen  erst  eingetreten  ist,  nachdem  bereits 
die  Perlen  gebildet  waren. 

An  der  Blasenschleimhaut  finden  sich  in  dem  auffallend 
gut  erhaltenen  und  relativ  dicken  Uebergangsepithel  grössere  und 
kleinere  Hohlraumbildungen,  die  allem  Aussehen  nach  auf  partielle 
Degeneration  der  Epithelzellen,  mit  gleichzeitiger  Anhäufung  von 
Flüssigkeit  zwischen  den  Epithelzellen,  ähnlich  den  Blüschenbildungen 
der  äusseren  Epidermis,  zurückzuführen  sind.  Auch  das  darunter¬ 
liegende  Schleimhautbindegewebe  zeigt  die  ausgesprochenen  Bilder 
des  chronischen  Oedems  mit  Auseinanderdrängung  der  Bindegewebs- 
maschen  und  Ausfüllung  derselben  mit  lymphozytären  und  klasmato- 
zytären  Elementen.  Die  ödematöse  Schwellung  erstreckt  sich  durch 
alle  Wandschichten  der  Blase  hindurch. 

In  der  Leber  finden  sich  Zeichen  geringer  Stauung.  Ausser¬ 
dem  zerstreut  ganz  kleine,  wie  Nekrosen  aussehende  Herdbildungen. 
Bei  stärkerer  Vergrösse^ung  zeigt  sich  die  Struktur  der  Läppchen, 
insbesondere  das  Kapillarnetz,  ausgezeichnet  erhalten,  aber  die  Leber¬ 
zellen  zwischen  diesem  Netzwerk  fehlen  gänzlich.  An  ihrer  Stelle 
lassen  sich  nur  noch  die  leicht  pigmentierten  und  geschwollenen 
K  u  p  f  f  e  r  sehen  Sternzellen  nachweisen.  Es  handelt  sich  also  um 
eine  ganz  umschriebene  Ausschmelzung  der  spezifischen  Parenchym¬ 
zellen  ohne  Strukturschädigung.  In  der  Milz  sind  die  Follikel  gut 
entwickelt  und  frei  von  degenerativen  Prozessen.  In  der  Pulpa  tritt 
die  Gerüstsubstanz  ziemlich  deutlich  hervor.  In  dem  Pulpagewebe 
zwischen  dem  venösen  Sinus  sehr  ausgesprochene  Pigmentablage¬ 
rungen.  An  der  durch  Gasfüllung  stärker  geblähten  Dickdarmpartie 
keine  Anomalie,  desgl.  ist  auch  am  Dünndarm  die  feinere  Struktur 
der  Schleimhaut  sehr  gut  erhalten.  P  a  n  e  t  h  sehe  Zellen  und  gelbe 
Zellen  sind  deutlich  nachweisbar.  Auch  der  Magen  zeigt  im  Fundus¬ 
gebiet  die  typische  Gliederung  der  allgemeinen  Drüsenelemente  und 
lässt  nichts  von  Schädigung  erkennen. 

Fall  III.  Frau  Sp„  55  Jahre.  Klinische  Diagnose:  Inoperabler 
Krebs  der  Brustdrüse. 

Die  erste  Probeexzision  wurde  am  23.  V.  untersucht  und  ergab 
folgendes  Resultat: 

Mikroskopisch  in  Mamma  und  Drüsen  die  typischen  Bilder  des 
tubulären  Karzinoms.  Die  nächstfolgenden  Exzisionen  sind  durch  die 
folgenden  Berichte  charakterisiert. 

20.  VI.  12.  J.-No.  841.  1.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 

lung:  Es  sind  keine  Veränderungen  bemerkbar.  Das  ganze  Gewebe 
sieht  nicht  sehr  kräftig  aus. 

26.  VI.  12.  J.-No.  881.  2.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 

Mikroskopisch  finden  sich  noch  unregelmässig  zerstreute  Gruppen  von 
Krebszellen  mit  deutlicher  Vakuolenbildung  in  den  einzelnen  Zellen  mit 
sehr  schönen  Leiden  sehen  Vogelaugen. 

4.  VII.  12.  J.-No.  937.  3.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 

Von  den  2  übersandten  Stücken  zeigt  das  eine  kleinere  Narben¬ 
gewebe  mit  hochgradig  degenerierten  vakuolisierten  Krebszellen- 
resten,  während  das  andere  sehr  lebhaft  gefärbte,  nur  wenig  verändert 
aussehende  reiche  Krebsstrangbildungen  aufweist,  wie  sie  für  den 
Scirrhus  mammae  charakteristisch  sind.  In  dem  letzten  Präparat 
besteht  kein  wesentlicher  Unterschied  gegeniibei  der  vorletzten  Ex¬ 
zision. 

11.  VII.  12.  J.-No.  997/98.  4.  Probeexzision  während  der  Be¬ 
strahlung:  Mikroskopisch  findet  sich  ein  mit  zahlreichen  Leukozyten 
durchsetztes,  ziemlich  gefässreiches  Narbengewebe,  mit  spärlichen 
Krebszellenresiduen.  Die  Krebszellen  sind  stark  vakuolisiert  und  die 
Sudanfärbung  fällt  an  den  Vakuolen  negativ  aus.  Hier  und  da  finden 


340 


MUENCHENKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7 


sich  kleinste  koagulationsnekrotische  Herde,  besonders  in  der  Um¬ 
gebung  von  Qefässen,  deren  Wand  oft  in  die  Koagulationsnekrose  mit 
einbezogen  ist.  Das  „unterhalb“  bezeichnete  Stück  zeigt  noch 
weniger  Krebsreste,  dafür  um  so  ausgedehntere  Nekrosen. 

Jedenfalls  besteht  in  beiden  Stücken  ein  deutlicher  Rückgang 
gegenüber  der  letzten  Exzision,  besonders  dem  einen  Teilstück  der- 

sübcru,  ^  ^  J.-No.  1108.  5.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Oben:  ln  dem  ziemlich  faserreichen,  von  Leukozyten  stark  durch¬ 
setzten  Narbengewebe  finden  sich  noch  immer  kleine  Nester  von 
Krebszellen,  allerdings  mit  hochgradiger  Vakuolisierung  des  Epithels. 
Kernteilungsfiguren  sind  bei  gewöhnlicher  Durchsicht  nicht  zu  linden. 
Das  Bild  hat  sich  gegenüber  der  letzten  Exzision  nicht  wesentlich 

verändert.  ,  .  ,  ,  ,  , 

Unten:  Das  mikroskopische  Bild  gleicht  genau  den  Bildern  wie 
im  Stück  oben.  Auch  hier  besteht  kein  wesentlicher  Unterschied 
gegenüber  der  letzten  Exzision. 

Rand  säum:  Am  Randsaum  findet  man  noch  reichliche  Krebs- 
zellenstränge  von  dem  Charakter  eines  weichen  Mammakrebses,  ohne 
die  starke  Vakuolisierung  wie  in  den  anderen  Präparaten,  wenn  auch 
einzelne  Epithelnester  dieselben  schon  in  relativ  hohem  Grade  auf¬ 
weisen  können.  Im  Bindegewebe  zahlreiche  Plasmazellen  und  eosino¬ 
philgekörnte  Leukozyten.  _  , , 

3.  VIII.  12.  J.-No.  1157.  6.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Oberer  Pol:  Zellreiches,  von  Leukozyten  und  Lymphozyten  reich¬ 
lich  durchsetztes  Gewebe,  darin  sieht  man  deutliche  Reste  von  Krebs- 
zellnestern,  in  denen  allerdings  eine  meist  hochgradige  Vakuolisierung 
besteht.  Kein  wesentlicher  Unterschied  gegenüber  der  vorigen  Ex- 


zision 

3'.  VIII.  12.  J.-No.  1158.  Unterer  Pol:  Hier  finden  sich  nur 
noch  ganz  spärliche  Krebsnester.  Es  besteht  hier  ein  Rückgang. 

22.  VIII.  12.  J.-No.  1237.  7.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Unten:  In  den  beiden  Stückchen  findet  sich  eine  ausgedehnte  Ne¬ 
krose,  in  der  kaum  noch  Reste  von  Kerntrümmern  zu  erkennen  sind. 
Am  Rand  derselben  rieben  traumatischer  Kernzertrümmerung  reich¬ 
liche  Leukozyten  und  zerfallende  Kernteile.  In  dem  einen  Stückchen 
auch  junges  Granulationsgewebe.  Krebszellen  sind  trotz  sorgfältigen 
Untersuchens  mit  Sicherheit  nicht  mehr  festzustellen. 

Oben:  Dasselbe  wie  unten.  Totale  Nekrose  mit  einwucherndem 
Granulationsgewebe.  Nirgends  sichere  Reste  von  Krebszellen. 

M  a  m  m  i  1 1  a :  In  der  Mammilla  finden  sich,  in  junge  Granulationen 
eingeschlossen,  vereinzelte  Reste  stark  vakuolisierter  Kiebszellen. 
Starke  Durchsetzung  des  Gewebes  mit  Leukozyten,  am  Rand  eben¬ 
falls  nekrotisches  Gewebe.  Zum  Teil  traumatische  Kernzertrümme¬ 
rung.  Gegenüber  den  letzten  Exzisionen  besteht  dementsprechend 
eine  Besserung. 

23.  IX.  12.  J.-No.  1352.  8.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Unten:  Im  nekrotischen  Gewebe  ziemlich  reichlich  kleinste  Kom¬ 
plexe  stark  vakuolisierter  Krebszellen.  Am  Rande  der  Exzision  im 
ulzerösen  Gewebe  anscheinend  Tupferreste. 

Im  2.  Stückchen  dasselbe  Bild  wie  im  im  ersten. 

Mitte:  Im  Granulationsgewebe  finden  sich  einzelne  Stellen, 
die  vielleicht  als  Reste  von  Krebsgewebe  angesehen  werden  dürfen. 

26.  IX  12.  J.-No.  1365.  9.  Exzision  während  der  Bestrahlung, 
aus  Knoten  der  linken  Mamma.  In  der  übersandten  Exzision  finden 
sich  zahlreiche  Züge  von  Krebsgewebe  zwischen  derbem  Binde¬ 
gewebe.  Die  Haut  nirgends  ulzeriert.  Die  Krebszellen  selbst  zeigen 
stellenweise  starke  Vakuolenblidung.  (Da  inzwischen  in  dei  linken 
Mamma  ebenfalls  kleine  knötchenförmige  Tumoren  fühlbar  geworden 
waren,  wurde  nach  Zurückpräparieren  der  Haut  auch  dort  eine  Probe¬ 
exzision  vorgenommen.)  ^  . 

1.  X.  12.  J.-No.  1391.  Exzision  während  der  Operation,  Stück¬ 
chen  aus  der  linken  Mamma:  Es  handelt  sich  um  karzinomatöses  Ge- 

^ebt19.  X.  12.  J.-No.  1461.  10.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Mikroskopisch  finden  sich  in  einem  fast  gar  keine  Reizung  auf¬ 
weisenden  Stückchen  Mammagewebe  ausgesprochene  Krebswuchs¬ 
rungen,  ohne  stärker  hervortretende  regressive  Veränderungen  an 
den  Krebszellen  selbst.  Nur  hier  und  da  Vakuolenbildung. 

Man  gewinnt  den  Eindruck,  als  wenn  das  betr.  Gewebe  nicht  von 
der  strahlenden  Energie  erreicht  worden  wäre. 

5.  XI.  12.  J.-No.  1506.  11.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Mikroskopisch  findet  sich  noch  immer  ein  Krebsgewebe  vom 
Typus  des  tubulären  Karzinoms.  Hier  und  da  sieht  man  eine  Neigung 
zur  plattenepithelähnlichen  Umwandlung.  An  anderen  Stellen  stösst 
man  auf  Granulationsgewebe,  in  dem  sich  noch  Reste  mit  Hämatoxylin 
schmutzig  gefärbter  Krebszellentrümmer  vorfinden. 

25.  XI.  12.  J.-No.  1611.  12.  Exzision  (an  der  linken  Mamma): 

In  den  exzidierten  Massen  wird  wohl  verändertes  Drüsengewebe, 
aber  kein  sicheres  Karzinom  nachgewiesen. 

Die  Patientin  starb  am  20.  XI.  12,  914  Uhr  vormittags. 

Am  selben  Tage,  nachmittags  5  Uhr,  wurde  die  Obduktion  vor¬ 


Zwerchfellunterfläche,  mit  umschriebener  Atrophie  der  Leber.  Alte 
Spitzen-  und  Lymphknotentuberkulose  rechts.  Thrombose  der  rech¬ 
ten  Vena  femoralis.  Embolien  in  der  Verzweigung  beider  Lungen¬ 
arterien. 


genommen. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:  Röntgenbestrahlte,  doppel¬ 
seitige  karzinomatöse  Ulzera  der  Mamma;  linksseitige  Freilegung  der 
Mamma  durch  Zurücklegung  von  Hautlappen.  Krebsinfiltration  in 
beiderseitigen  axillaren  Lymphknoten.  Rechtsseitige,  die  Thorax¬ 
wand  durchsetzende  Nekrose  im  Gebiet  der  Röntgenbestrahlung. 
Umschriebene  Pleuraverwachsung  und  beginnende  Abszessbildung 
der  Lunge.  Umschriebene  Peritonitis  an  entsprechender  Stelle  der 


Aus  dem  Sektionsprotokoll.  Leiche  einer  ca.  55 jähri 
gen  Frau  von  grazilem  Körperbau.  I  otenstarre  nur  im  Kiefergelenk; 
Totenflecke  an  den  abhängigen  Partien;  ausgedehnte  Zahndefekte 
In  der  rechten  Ellenbeuge  und  auf  der  Radialseite  des  rechten  Unter 
armes  finden  sich  mehrere  Millimeter  lange,  frisch  aussehendc 
Schnitte  An  Stelle  der  rechten  Mamma  findet  sich  ein  7  cm  langer 
10  cm  breiter  Defekt  der  Haut  mit  zackigem,  schwach  ab¬ 
gebrochenem  Rand.  Links  findet  sich  ebenfalls  ein  Hautdefekt,  er  ha 
die  Grösse  von  11: 15)4  cm.  Der  Grund  dieses  Defektes  ist  ein 
getrocknet  und  von  schwarzer  Farbe.  Auf  Druck  sickert  an  einzelnei 
Stellen  Flüssigkeit  hervor.  Der  Rand  des  Defektes  ist  leicht  abge- 
stumpft  und  zum  Teil  mit  talkumähnlichem,  leicht  angetrockneten 
Puder  bedeckt.  Wo  der  Rand  frei  ist,  zeigt  er  ganz  helle  Farbe  un« 
ist  von  glatter  Beschaffenheit  wie  bei  Epithelneubildungen.  Die  Hau, 
ist  leicht  abhebbar  und  frei  von  grösseren  Geschwulstbildungen. 

Links  ist  im  Gegensatz  zu  rechts,  wo  das  Mammagewebe  gam 
geschwunden  ist,  die  Form  der  Mamma  in  Gestalt  eines  Fettgewebs 
Polsters  erhalten.  Hier  und  da  sieht  man  schwarze,  trockene  Massen 
nach  ihrer  Entfernung  bemerkt  man  im  Fettgewebe  einzelne  heilert- 
narbig  aussehende  strangförmige  Partien;  es  lassen  sich  jedoch  nir¬ 
gends  sichere  Geschwulstknötchen  durchfühlen,  nur  an  einer  Stell 
findet  sich  ein  hirsekorngrosses,  weissliches  Knötchen,  das  aui  den 
Durchschnitt  ein  markiges  Aussehen  aufweist.  Am  Rande  dieses 
fekts  ist  die  Haut  wallartig  eingerollt  und  zeigt  Nahte  und  Naht 
narben.  Es  gelingt  nur  mit  Mühe,  in  der  Gegend  des  rechten  Defekts  di 
Brusthaut  zu  lösen;  dabei  zeigt  sich,  dass  die  erwähnte,  den  Bode 
des  Defektes  einnehmende  Nekrose  sich  bis  auf  das  I  erichondnm 
erstreckt;  auch  die  interkostale  Muskulatur  ist  in  eine  graue  -  etunier 
umgewandelt.  Links  ist  die  Brusthaut  leicht  abziehbar,  die  MusKula 

tur  darunter  unverändert.  „  .  .  ,.  , 

Bei  der  Durchtrennung  der  rechten  Pleura  findet  man  die  Lung 
-im  Gebiet  des  4.  und  5.  Rippenknorpels  ausgedehnt  verwachsen;  ma 
sieht  dass  sich  die  schmutzige  Färbung  bis  auf  das  Lungengeweb 
erstreckt.  Innerhalb  der  Pleura  costalis  findet  sich  eine  erbsengross 
Höhle,  die  mit  schmierigem  Inhalt  gefüllt  ist.  Die  Rippen  sind  leid 
zu  schneiden;  links  sinkt  die  Lunge  bei  Eröffnung  der  Pleura  zuruck 
sie  ist  nirgends  verwachsen.  Auf  der  Unterseite  des  rechten  Zwei  cl 
felis,  das  ebenfalls  mit  der  Lunge  verwachsen  ist,  finden  sich  frisch 
fibrinöse  Auflagerungen;  in  der  linken  Pleurahöhle  kein  besondere 
Inhalt.  Im  Herzbeutel  etwas  blutige  Flüssigkeit.  Herz  von  haus 
grosse  zeigt  ausgesprochene  Totenstarre  des  rechten  Ventrikels. 

Die  linke  Lunge  ist  von  luftkissenartiger  Konsistenz  und  wen 
ziemlich  starke  Anthrakose  auf.  In  den  Bronchien  kein  besonder! 
Inhalt.  In  dem  Hauptast  der  Lungenarterie  ein  der  Wand  fest  ac 
härenter  reitender  Embolus.  Keine  Pneumonie;  keine  Spitzentube 
kulose,  auch  in  den  Lymphknoten  nichts  Besonderes.  Rechts  d; 
gegen  sind  die  Hiluslymphknoten  ausgedehnt  verkalkt.  Die  ve 
wachsungen  der  rechten  Lunge  sind  besonders  im  Unterlappen  gege 
Brustwand  und  Zwerchfell  zu  sehr  stark.  Im  ganzen  ist  auch  die; 
Lunge  gut  lufthaltig,  von  luftkissenartiger  Konsistenz.  In  den  Broi 
chien  befindet  sich  etwas  zäher  schleimiger  Inhalt.  Im  Gebiet  di 
Unterlappens,  welcher  zu  dem  früher  erwähnten  Eiterherd  in  d- 
Lunge  gehört,  fühlt  man  eine  leichte  Verhärtung.  Der  Herd  selbst  e> 
weist  sich  auf  dem  Durchschnitt  als  ein  tatsächlich  auf  das  Lunge 
parenchym  übergreifender,  sonst  oberflächlicher  Zerstörungsproze:- 
Auch  rechts  finden  sich  im  Hauptstamm  des  Unterlappens  embohscl 
.Pfropfen,  die  der  Wand  adhärent  sind. 

In  der  linken  Achselhöhle  fühlen  sich  die  Lymphknoten  ai 
fallend  derb  an.  Auf  dem  Durchschnitt  zeigt  sich  ein  bohnengross 
markiger  Herd  der  Krebsmilch  abstreifen  lässt.  Dagegen  zeigen  c 
supraklavikulären  Lymphknoten  keinerlei  Verhärtung.  Rechtsseiti 
Achsellymphknoten  ebenfalls  derb  und  zeigen  markiges  Aussehen  n 
rötlichen  Zonen  auf  dem  Durchschnitt.  I 

Mikroskopischer  und  bakterieller  Befund:  Ki 
turen  aus  dem  Herzblut  negativ.  Aus  der  linken  Mamma  wurd 
zahlreiche,  durch  das  ganze  Mammagewebe  hindurch  reichende  btuQ 
untersucht.  Dabei  wird  in  nur  einem  Stückchen  und  zwar  in  eint 
mehr  der  Oberfläche  entsprechende  Gebiet,  an  einer  Stelle,  die  sein 
makroskopisch  als  verdächtig  bezeichnet  wurde,  Krebsgewebe  te 
gestellt.  Es  handelt  sich  um  vereinzelte,  in  kleineren  Gruppen  z- 
sammenhängende,  tubulär  und  alveolär  angeordnete  Krebszellt 
nester.  Die  Mehrzahl  der  Zellen  macht  durchaus  den  Eindruck  wo 
erhaltener  Lebensfähigkeit,  soweit  das  aus  der  gleichmassigen  L 
bung  des  Protoplasmas  und  der  guten  Färbbarkeit  der  Kerne  t 

schlossen  werden  kann.  . 

An  den  Randpartien  dieses  kleinen  Krebsknotens  finden  sich  u- 
änderungen  im  Zellcharakter  nach  der  Richtung  hin,  dass  die  rela 
kleinen  Krebszellen  der  zentralen  Gebiete  in  grössere,  zum  I  eil  a- 
fallend  grosse,  mehr  plattenepithelähnliche  Elemente  übergehen,  ai 
in  ihrer  gegenseitigen  Lagerung  und  gegenseitigen  Gestaltsbec- 
flussung,  sowie  in  der  mehr  azidophilen  Färbung  des  Protoplasn- 
an  Plattenepithel  erinnern.  Schon  bei  der  Hämatoxylinfärbung  w  ‘ 
den  eigenartige,  auf  Faserbrückenbildung  hindeutende  Säume  an  t> 
plattenepithelähnlichen  Elementen  sichtbar.  Zwischen  und  um  » 
Karzinomreste  herum  findet  sich  ein  sehr  zellreiches  Narbengewe 
welches  gegen  die  Oberfläche  zu  in  eine  nekrotische  Form  iibergt- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


341 


8.  Februar  1913. 


In  allen  übrigen  Schnitten  wird  neben  mehr  oder  weniger  aus- 
ebreiteten  entzündlichen  Bindegewebswucherungen,  die  nach  der 
iberfläche  zu  in  eine  breite  Granulationsgewebsschicht  übergehen, 
zw.  in  der  Tiefe  sich  in  umschriebene,  mehr  narbig  aussehende  Herd- 
ildung  auflösen,  nur  noch  Mammadrüsengewebe  gefunden.  Dieses 
eigt  sehr  charakteristische  Veränderungen,  die  einmal  in  einer  Star¬ 
en  Bindegewebswucherung  um  die  Drüsenkanälchen,  das  andere 
lal  in  einer  Charakterveränderung  des  Epithels  bestehen.  Letztere 
ffenbart  sich  in  einer  Umwandlung  des  Drüsenepithels  in  Platten¬ 
pithel.  Diese  Umwandlung  geschieht  unter  gleichzeitiger  Wucherung: 
er  Zellen,  denn  die  Lumina  der  Kanälchen  werden  durch  Zellmassen 
erschlossen.  Die  metaplasierten  Zellen  zeigen  deutliche  Stachel¬ 
ellenformen.  Ob  der  Metaplasie  eine  stärkere  Schädigung  mit 
pithelverlust  vorausgegangen,  lässt  sich  nicht  beweisen.  In  ein¬ 
einen  dilatierten  Kanälchen  findet  sich  eine  kollostrumähnliche  Masse. 

Auf  der  rechten  Seite  findet  sich  unter  den  oberflächlichen 
ekrotischen  Schichten  ein  spindelzellenreiches,  von  atrophischen, 
igmentierten  Muskelresten  durchsetztes  Gewebe.  Karzinomreste 
urden  darin,  soweit  bis  jetzt  die  Untersuchung  angestellt  wurde, 
icht  gefunden.  In  den  nekrotischen  Massen  sehr  ausgedehnte  Bak- 
irienwucherungen.  An  den  grösseren  Arterien,  sowie  den  grösseren 
ervenstämmen,  welche  zwischen  der  atrophischen  Muskulatur  hin- 
urchbrechen,  lassen  sich  keine  ausgesprochenen  degenerativen  oder 
^aktiven  Erscheinungen  nachweisen.  Vor  allem  fehlen  weiter  aus- 
ebildete  endarteritische  Prozesse. 

In  den  axillaren  Lymphknoten  lässt  sich  ausgedehnte 
rebswucherung  feststellen.  Es  handelt  sich  um  ein  tubulär-alveolär 
»geordnetes  Karzinom,  dessen  Zellen  keine  stärkere  regressive  Ver- 
nderungen,  von  einzelnen  Vakuolisierungen  abgesehen,  aufweisen, 
ber  auch  nur  ganz  vereinzelte  Kernteilungsfiguren  erkennen  lassen, 
n  den  Randpartien  des  Lymphknotens  finden  sich  vereinzelt  hyalines 
arbengewebe  und  pigmentreiches  Granulationsgewebe.  Wie  weit 
iese  Veränderungen  auf  vorübergehende  Beeinflussung  der  Krebs- 
ucherung,  wie  weit  auf  traumatische  Einflüsse  oder  Infektions- 
rozesse  zu  beziehen  sind,  entzieht  sich  der  Beurteilung. 

Von  den  übrigen  Organen  sind  vor  allem  die  Veränderungen  der 
eher  in  dem  schon  makroskopisch  erwähnten  Bezirk  sehr  auffällig, 
s  handelt  sich  hier  um  die  Bilder  einer  sehr  hochgradigen  Stauungs- 
trophie,  ohne  dass  es  gelingt,  eine  Ursache  für  diese  Stauung  aufzu- 
iiden.  Von  der  gewöhnlichen  Stauung  unterscheidet  sich  die  Struk- 
ir  der  Läppchen  weiterhin  dadurch,  dass  die  Kapillarerweiterungen, 
enn  auch  vorwiegend  zentral,  doch  sehr  unregelmässig  sind  und 
elegentlich  an  Teleangiektasie  erinnern.  Die  Leberzellen  zwischen 
en  erweiterten  Kapillaren  sind  hochgradig  atrophisch  und  stark  pig- 
lentiert.  In  der  Peripherie  erscheint  die  normale  Struktur  durch 
ne  Wucherung  des  Lebergewebes,  die  zu  einer  Zusammensetzung 
er  Leberzellbalken  aus  auffallend  kleinen,  dicht  gedrängten  Paren- 
ivmzellen  geführt  hat,  sichtlich  gestört.  An  anderen  Stellen  ausser- 
alb  des  veränderten  Bezirkes  sind  die  Stauungserscheinungen  sehr 
iel  geringfügiger  und  die  Leberstruktur  ist  im  ganzen  gewahrt;  ver- 
nzelte  verkäste  Tuberkel  werden  gefunden. 

In  der  Niere  findet  sich  eine  Schwellung  der  Epithelien  der 
auptstücke,  aber  keine  erkennbare  sichere  Schädigung. 

Im  Herzmuskel  eine  dem  Alter  entsprechende  Pigmentierung, 
eutliche  Kittlinienbildung,  keine  nennenswerte  Fragmentation. 

In  der  Lunge  eine  der  Pleuranekrose  entsprechende,  nur  wenig 
die  Tiefe  reichende  Abszessbildung,  in  deren  Umgebung  sich  die 
ilder  der  chronischen  Pneumonie  finden.  Am  Magen  fehlt  im  Fun- 
usgebiet  die  sonst  so  deutlich  hervortretende  Differenzierung  der 
rüsenzellen.  Es  finden  sich  eigentümliche  synzytiale  Bildungen,  be- 
mders  im  Halsteil  der  Drüsen.  Das  Oberflächenepithel  fehlt,  ebenso 
rs  Epithel  der  Magengrübchen.  Auffallend  viel  Kernteilungsfiguren 
i  Halsgebiet  der  Drüsen.  Das  Stroma  sehr  zellreich.  In  den  Ge- 
ssen  starke  Füllung  mit  lymphozytären  und  leukozytären  Elementen, 
uscularis  mucosae  gut  erhalten. 

Gallenblasenschleimhaut  und  Nervus  vagus  o.  B. 

In  der  Milz  sind  die  Lymphknötchen  relativ  klein.  Ihre  Ab- 
'enzung  gegen  das  Pulpagewebe  unscharf.  Hier  eine  starke  An¬ 
rufung  von  Plasmazellen;  auch  Pigmentablagerung  relativ  reichlich, 
uch  sonst  die  Pulpa  auffallend  reich  an  grösseren  plasmareichen 
'.ementen  mit  basophiler  Tönung  (Myeloblasten?),  auch  blutkörcher- 
lenhaltige  Zellen.  Relativ  viel  Kernteilungsfiguren. 

Epithelkörperchen,  Pankreas  und  Thyreoidea  o.  B. 

(Schluss  folgt.) 


us  dem  Laboratorium  der  städt.  Krankenanstalten  Mannheim. 

Die  Mobilisierung  des  Glykogens*). 

Von  E.  J.  L  e  s  s  e  r. 

M.  H.!  Das  Glykogen  ist  ein  Stoff,  der  die  Geschichte 
-iner  Entdeckung  in  seinem  Namen  enthalten  trägt.  Claude 

*)  Nach  einem  im  naturhistorisch-medizinischen  Verein  zu  Heidel- 
-rg  gehaltenen  Vortrage. 

Die  ausführliche  Mitteilung  der  Versuche  erfolgt  in  kurzem  in 
-r  „Zeitschrift  für  Biologie“;  frühere  Mitteilungen  siehe  Zeitschr.  f. 
■ol-  LVI,  S.  467.  Med.  Klinik  1912,  No.  11.  Zentralbl.  f.  Phys. 
d.  XXVI,  No.  VII,  S.  325. 


Ber  n  ard  fand,  dass,  wenn  man  zuckerfreie  Lebern  von 
Säugetieren  bei  Zimmertemperatur  liegen  lässt,  nach  kurzer 
Zeit  in  ihnen  Zucker  enthalten  ist.  Als  er  den  Stoff,  aus  dem 
dieser  neugebildete  Zucker  entstanden  war,  mit  chemischen 
Methoden  aus  der  Leber  isoliert  hatte,  und  in  Substanz  im 
Reagenzglas  vor  sich  hatte,  nannte  er  ihn  den  Zuckerbildner, 
das  Glykogen.  Es  ist  klar,  dass  bei  dieser  Lage  der  Dinge  zu¬ 
nächst  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher,  die  sich  mit  diesem 
neuen  Stoff  beschäftigten,  von  Schiff  bis  Langendorf, 
auf  diesen  Prozess  der  Zuckerbildung  aus  dem  Glykogen  ge¬ 
richtet  war;  namentlich  2  Fragestellungen  waren  es,  die 
hauptsächlich  immer  wieder  untersucht  wurden,  z.  B.  von 
P  a  v  y  und  von  S  e  e  g  e  n.  Ist  die  Zuckerbildung  aus  Glykogen 
ein  Prozess,  der  in  der  lebenden  Zelle  vorkommt,  ein  Lebens¬ 
prozess,  oder  ist  es  nur  eine  sogenannte  „postmortale“  Ver¬ 
änderung  in  der  Leber?  Ferner:  Handelt  es  sich  bei  der 
Zuckerbildung  aus  dem  Glykogen  in  der  Leber  um  einen 
Lebensvorgang,  den  Langendorf  z.  B.  eine  Zuckersekre¬ 
tion  nennt  und  in  Analogie  mit  den  Sekretionen  anderer  Drüsen 
stellt  oder  um  einen  fermentativen  Prozess,  bei  dem  ein  dia- 
statisches  Ferment  in  der  Leber  auf  das  Glykogen  wirkt,  ähn¬ 
lich  wie  das  Ptyalin  des  Speichels  im  Reagenzglas  das 
Glykogen  verzuckert?  Nachdem  endgültig  festgestellt  war, 
dass  sich  mit  den  üblichen  Methoden  diastatische  Fermente 
aus  der  Leber  (und  fast  allen  anderen  Organen)  extrahieren 
lassen,  war  diese  Streitfrage  entschieden  und  damit  schien 
das  Interesse  an  dem  Vorgänge  der  Zuckerbildung  aus  dem 
Glykogen  in  der  überlebenden  Leber  zunächst  erschöpft.  Die 
Aufmerksamkeit  der  Forscher,  welche  sich  mit  dem  Glykogen 
beschäftigten,  war  nunmehr  darauf  gerichtet,  aus  welchen 
Stoffen  das  Glykogen  im  tierischen  Organismus  aufgebaut 
wird  und  über  welche  Stufen  der  Abbau,  die  Oxydation  des 
aus  dem  Glykogen  entstandenen  Traubenzuckers  geht.  Wenn 
Sie  das  grosse  Werk  Pflügers  über  das  Glykogen  in  die 
Hand  nehmen,  so  finden  Sie,  dass  der  Schilderung  der  Syn¬ 
these  des  Glykogens  aus  anderen  Stoffen  und  der  Beschrei¬ 
bung  der  intermediären  Prozesse  bei  der  Oxydation  des 
Traubenzuckers  ein  sehr  grosser  Raum  gewidmet  ist,  während 
sich  nur  ganz  wenige  Seiten  mit  der  Umwandlung  des 
Glykogens  in  Traubenzucker  durch  die  Diastase  beschäftigen. 

Ich  möchte  nun  heute  wiederum  an  jene  alte  Fragestellung 
anknüpfen,  wie  sie  z.  B.  bei  S  c  h  i  f  f  sich  findet  und  ich  möchte 
die  Frage  so  formulieren,  wann  und  wie  entsteht  aus  dem 
Glykogen  Traubenzucker? 

Die  Versuche,  die  im  hiesigen  Laboratorium  zum  Teil 
unter  der  Mitwirkung  von  Herrn  J.  G  r  o  d  e  angestellt  wurden, 
sind  fast  ausnahmslos  am  Frosch  ausgeführt  worden.  Wenn 
man  homologe  Organe  des  Frosches  wie  den  rechten  und  den 
linken  Schenkel,  den  rechten  und  den  linken  Gastrocnemius, 
den  rechten  und  den  linken  Seitenlappen  der  Leber,  die  Eier 
des  rechten  und  des  linken  Ovariums  miteinander  in  Bezug 
auf  ihren  Glykogengehalt  vergleicht,  so  zeigt  sich,  dass  diese 
nahezu  vollständig  in  Bezug  auf  den  Glykogengehalt  überein¬ 
stimmen.  Dabei  werden  die  Organe  je  nach  ihrer  Grösse  und 
ihrem  Glykogengehalt  von  etwa  15—40  Einzelindividuen  zu¬ 
sammen  untersucht. 

Um  Beispiele  anzugeben:  Die  rechten  Schenkel  von  28 
Fröschen  enthielten  nach  der  Pflüger  sehen  Methode  analy¬ 
siert  0,554  Proz.  Glykogen,  die  linken  zufällig  genau  die  gleiche 
Menge.  Die  rechten  Seitenlappen  der  Leber  von  20  Fröschen 
im  Gewicht  von  12,5  g  enthielten  17,50  Proz.  Glykogen,  die 
linken  Seitenlappen  der  Leber  derselben  Frösche  enthielten 
bei  einem  Gewicht  von  11,43  g  17,75  Proz.  Glykogen.  Die 
Differenz  zwischen  beiden  Werten  beträgt  also  nur  1,4  Proz. 
des  gesamten  Glykogengehaltes.  Die  Differenz  zwischen  dem 
rechten  und  linken  Gastrocnemius  beträgt  1,6  Proz.  in  zwei 
Versuchen,  zwischen  den  Eiern  des  rechten  und  linken 
Ovariums  2,4  und  2,7  Proz.  des  gesamten  Glykogengehaltes. 
Man  kann  also  bereits  auf  Differenzen  von  5  Proz.  etwa 
zwischen  homologenen  Organen  der  rechten  und  linken  Seite, 
wenn  sie  regelmässig  Vorkommen,  Wert  legen. 

Wir  haben  nun  an  diesen  Organen  des  Frosches  den 
sogen,  postmortalen  Glykogenschwund  untersucht.  Mir 
fanden  in  den  Monaten  April  bis  Juni,  dass  die  überlebende 
Leber  des  Frosches  in  etwa  3  Stunden  bei  22°  in  Ringerlösung 
die  mit  Sauerstoff  durcliströmt  wurde,  50  Proz.  ihres  Glyko- 


342 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7 


Kens  verlor,  während  der  Muskel  in  der  gleichen  Zeit  etwa 
15 — 20  Proz.  seines  Glykogengehaltes  einbüsste.  Wir  haben 
damit  nichts  anderes  getan,  als  den  bekannten  postmortalen 
Olykogenschwund  in  Leber  und  Muskel  festgestellt,  der  auch 
bei  Froschorganen  und  mittlerer  Temperatur  längst  bekannt 
ist.  Sehr  verwundert  aber  waren  wir,  als  wir  die  gleichen 
Versuche  im  Dezember  und  im  Januar  anstellten  und  in  einer 
grösseren  Reihe  untereinander  völlig  übereinstimmender  Ver¬ 
suche  fanden,  dass  um  diese  Jahreszeit  der  postmortale 
Olykogenschwund  in  ausgeschnittenen,  der  Zirkulation  ent¬ 
zogenen  Organen  des  Frosches  nahezu  vollkommen  fehlt. 
Man  kann  Seitenlappen  der  Leber  des  Frosches  beispielsweise 
sicher  534  Stunden  lang  bei  22—24"  halten  in  Ringerlösung, 
ohne  dass  das  Glykogen  irgendwie  merklich  abnimmt.  Die 
maximale  unter  diesen  Umständen  beobachtete  Abnahme  be¬ 
trägt  5  Proz.,  die  mittlere  Abnahme,  die  aus  einer  grösseren 
Anzahl  von  Versuchen  gezogen  wurde,  beträgt  3  Proz.,  liegt 
also  den  Fehlergrenzen  der  Bestimmungsmethode  so  nahe, 
dass  es  erlaubt  ist,  zu  sagen,  um  diese  Jahreszeit  fehlt  in  Leber 
und  Muskel  und  wie  ich  gleich  hinzufügen  will,  im  unreifen, 
mit  dem  Ovarium  entnommenen  Froschei  gleichfalls,  der  post¬ 
mortale  Glykogenschwund.  So  überraschend  dieser  Befund 
für  uns  war,  er  ist  dennoch  nicht  neu.  Bereits  1859  hat 
Schiff  mitgeteilt,  dass  im  Dezember,  besonders  aber  im 
Januar  der  Leber  der  Frösche  das  diastatische  Ferment  fehlt. 
So  drückte  er  das  Ergebnis  seiner  Versuche  aus,  in  denen  er 
fand,  dass  der  Zuckerstich  um  diese  Jahreszeit  beim  Frosch 
nicht  gelingt,  dass  ferner  die  Leber  des  eben  getöteten  Tieres 
zuckerfrei  ist  und  auch  zuckerfrei  bleibt,  wenn  man  sie  einige 
Zeit  bei  Zimmertemperatur  verweilen  lässt.  Dabei  enthält 
sie  reichlich  Glykogen,  welches  er  nach  der  Methode  von 
H  e  n  s  e  n  nachwies,  indem  er  die  gekochte  Leber  zer¬ 
kleinerte  und  mit  Speichel  versetzte.  Dann  bildete  sich  in 
kurzer  Zeit  reichlich  Zucker.  Diese  Angaben  von  Schiff 
haben  trotz  ihrer  grossen  Merkwürdigkeit  in  der  Literatur 
kaum  Beachtung  gefunden.  Schiff  hat  nun  aus  seinen  Ver¬ 
suchen  geschlossen:  im  Dezember  und  im  Januar  enthält  die 
Leber  der  Frösche  kein  diastatisches  Ferment.  Diesen  Schluss 
haben  wir  nicht  gezogen.  Ich  habe  ein  Jahr  früher  beob¬ 
achtet,  dass  man  den  Glykogengehalt  von  Fröschen,  welche 
man  durch  die  Fleischmaschine  gibt,  um  24  Proz.  (im  Mittel 
aus  4  Versuchen)  geringer  findet,  als  den  von  Fröschen,  die 
man  unzerkleinert  auf  Glykogen  analysiert.  Ich  habe  das 
seinerzeit  so  zu  verstehen  gesucht,  dass  in  der  Zelle  Glykogen 
und  Diastase  voneinander  getrennt  seien;  nach  der  mecha¬ 
nischen  Zerkleinerung  kommen  sie  zusammen  und  es  beginnt 
eine  sehr  starke  Hydrolyse  des  Glykogens.  Die  überlebenden 
Froschorgane,  welche  im  Winter  keinen  postmortalen  Gly¬ 
kogenschwund  zeigen,  waren  ein  vortreffliches  Material,  um 
diese  Hypothese  zu  prüfen.  Sie  hat  sich  vollkommen  bestätigt. 
Wenn  man  Lebern,  Muskeln,  E'roscheier,  die  im  Winter  keinen 
postmortalen  Glykogenschwund  in  intaktem  Zustande  zeigen, 
zerkleinert  —  am  besten,  indem  man  sie  erst  in  einer  Eis¬ 
kochsalzmischung  frieren  lässt  und  im  eisgekühlten  Mörser 
verreibt  — ,  so  weisen  sie  einen  kolossalen  Glykogenschwund 
auf.  Die  Leber  nimmt  um  24 — 60  Proz.  in  4  Stunden,  der 
Muskel  um  52 — 56  Proz.,  die  Froscheier  um  90 — 97  Proz.  ihres 
Anfangsglykogengehaltes  ab.  Am  besten  gelingt  der  Ver¬ 
such  an  Froscheiern.  Diese  braucht  man  nur  in  fester  Kohlen¬ 
säure  frieren  und  rasch  wieder  auftauen  zu  lassen.  Dabei 
geht  in  ihnen  ein  Vorgang  vor  sich,  der  offenbar  mit  der 
Hämolyse  der  roten  Blutkörperchen  durch  Gefrieren  und 
Wiederauftauen  Aehnlichkeit  hat.  Nach  dem  Auftauen  in 
Ringerlösung  ist  diese  durch  einen  unlöslichen,  schmutziggelb 
gefärbten  Stoff  vollkommen  trübe  geworden.  Es  findet  also 
die  Tatsache,  dass  überlebende  Organe  des  Frosches  im 
Winter  keinen  Glykogenschwund  zeigen,  nicht  darin  ihre  Er¬ 
klärung,  dass  die  Organe  um  diese  Jahreszeit 
keine  Diastase  enthalten,  sondern  darin,  dass 
diese  innerhalb  der  intakten  Zelle  u  n  w  i  r  k  - 
s  a  m  i  s  t.  Ich  möchte  dies  zunächst  einmal  so  versinnbild¬ 
lichen,  dass  ich  sage:  In  der  Zelle  sind  Glykogen  und  Diastase 
voneinander  getrennt.  Um  aufeinander  wirken  zu  können, 
müssen  sie  durch  Diffusion  innerhalb  der  Zelle  Zusammen¬ 
kommen.  Die  Diffusion  ist  im  Winter  durch  ein  unbekanntes 
Hindernis  unmöglich  gemacht,  während  dieselbe  im  Sommer 


mit  Leichtigkeit  vor  sich  geht.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen 
dass  es  hiermit  zusammenhängt,  dass  im  Sommer  der  Froscl 
durchschnittlich  etwa  0,3  Proz.  Glykogen  nur  enthält  trot. 
sehr  reichlicher  Ernährung,  während  er  im  Winter  bei  voll 
ständigem  Hunger  noch  im  Januar  (frischgefangene  R.  fusc, 
sofort  nach  dem  Fang  untersucht)  einen  Glykogengehalt  voi 
1,4  Proz.  aufweist. 

Ich  habe  nun  früher  gezeigt,  dass  der  Prozess  de 
Diffusion  von  Diastase  zu  Glykogen  ausserordentlich  ge 
steigert  werden  kann,  wenn  man  den  Fröschen  den  Sauerstol 
entzieht.  Ebenso  wie  am  ganzen  intakten  lebenden  Tiere  er 
hält  man  diese  Beeinflussung  der  Hydrolyse  des  Glykogen 
am  überlebenden  Froschmuskel  in  den  Frühjahrsmonaten  so 
wie  auch  im  September.  Im  Frühjahr  beträgt  die  Mehrab 
nähme  des  Glykogens  überlebender  Froschmuskeln  in  Stick, 
Stoff  30  Proz.  von  dem  Glykogengehalt  der  mit  Sauerst«» 
durchströmten  Muskeln. 

Im  September  beträgt  sie  nur  mehr  10  Proz.  Befruchtet 
Froscheier  weisen  in  4  Stunden  bei  Zimmertemperatur  un 
Durchleitung  von  Stickstoff  eine  Abnahme  von  etwa  10  Pro/ 
gegenüber  gleichbehandelten,  aber  mit  Sauerstoff  durch 
strömten  Eiern  auf.  Diese  Beeinflussung  überlebender  Organ 
hinsichtlich  des  Glykogenschwundes  durch  Entziehung  de 
Sauerstoffes  ist  nun  unmöglich  in  den  Zeiten,  in  welchen  di 
Froschorgane  keinen  postmortalen  Glykogenschwund  am 
weisen,  in  der  glykogenfesten  Periode,  wie  ich  das  nenne 
will.  Wenn  man  an  die  vorher  geschilderte  Vorstellung  ar 
knüpfen  will,  könnte  man  sagen:  in  den  Zeiten,  in  denen  ii 
überlebenden  Organ  zwischen  Glykogen  und  Diastase  ei 
Diffusionshindernis  besteht,  welches  ihr  Zusammenkomme 
vollständig  verhindert,  ist  eine  Beeinflussung  durch  Sauei 
Stoffentziehung  nicht  möglich,  wenigstens  nicht  unter  den  vo 
mir  gewählten  Versuchsbedingungen,  d.  h.  innerhalb  4  Stunde 
bei  22—24".  Anders  aber  verhält  sich,  wie  früher  von  m 
gezeigt  worden  ist,  um  die  gleiche  Jahreszeit  das  ganz 
lebende  Tier.  Dieses  weist  innerhalb  von  4  Stunden  und  b< 
erheblich  niederer  Temperatur  (12 — 16°)  eine  Abnahme  dt. 
Glykogens  um  10 — 20  Proz.  bei  Anoxybiose  auf.  Das  kan 
nicht  daran  liegen,  dass  hier  Einflüsse  des  Nervensystems  eil 
Rolle  spielen,  denn  in  Froscheiern  und  in  Froschmuskel 
(wahrscheinlich  auch  in  ausgeschnittenen  Froschlebern)  erhä 
man  ja  im  Frühjahr  die  gleiche  Beeinflussung  durch  Anoxj 
biose  am  ausgeschnittenen,  der  Zirkulation  entzogenen  Orga 
wie  am  intakten  Tier.  Ueberlebende  Organe  weisen,  al 
gesehen  von  der  Abwesenheit  der  Einflüsse  des  Nervei 
Systems,  noch  einen  zweiten  Unterschied  gegenüber  dem  ii 
takten  Tiere  auf.  Sie  sind  der  Zirkulation  entzogen.  Es  flies 
an  den  Zellen  nicht  mehr  der  Blutstrom  vorüber  und  es  finde 
keine  Diffusionen  mehr  aus  den  Kapillaren  in  die  Zellen  ur 
aus  den  Zellen  in  die  Kapillaren  zurück,  statt.  Wenn  me 
sich  vorstellt  in  Anlehnung  an  die  schönen  Untersuchung« 
von  Warbur  g,  dass  die  Diastase  an  Strukturbestandtei 
etwa  der  Zellwand  adsorbiert  wäre,  so  wäre  es  nicht  au 
geschlossen,  dass  durch  diese  Diffusionsströme,  die  aus  dt 
Kapillaren  in  die  Zelle  hinein  und  aus  der  Zelle  heraus  in  d 
Kapillaren  gehen,  eine  Lockerung  des  Fermentes  stattfindi 
könnte.  Diese  vorläufige  Vorstellung  bedarf  natürlich  not 
sehr  des  experimentellen  Beweises,  und  es  wird  vielleic 
nicht  möglich  sein,  sie  dauernd  aufrecht  zu  erhalten.  Eil 
experimentelle  Prüfung  scheint  mir  indes  keineswegs  au 
geschlossen.  Ich  resümiere:  Wir  können  am  Frosch  eii 
glykogenstabile  Zeit  und  eine  glykogenlabile  Zeit  unte 
scheiden.  In  der  ersteren  bleibt  innerhalb  von  4  Stunden  b 
22 0  im  überlebenden  Organ  der  Glykogengehalt  konstai 
Ein  postmortaler  Glykogenschwund  findet  in  den  erst 
4  Stunden  nach  dem  Tode  (wahrscheinlich  auch  noch  längt, 
was  indes  noch  experimentell  zu  prüfen  ist)  nicht  statt, 
dieser  Jahreszeit  ist  das  überlebende  Organ  durch  Anoxybio 
nicht  beeinflussbar,  wohl  aber  das  ganze  lebende  Tier.  !)■ 
Fehlen  des  postmortalen  Glykogenschwundes  rührt  nicht  t! 
her,  dass  die  Zellen  keine  Diastase  enthalten.  Es  ist  vielme' 
durch  Strukturverhältnisse  innerhalb  der  intakten  Zelle  b 
dingt.  Zerstört  man  die  Struktur,  so  ist  auch  in  der  glykoge- 
festen  Zeit  der  postmortale  ülykogenschwund  vorhanden.  1 
der  glykogenlabilen  Zeit  findet  man  ebenso  wie  den  po 
mortalen  Glykogenschwund  im  intakten  ausgeschnitten' 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


343 


Organ  auch  seine  Beeinflussung  durch  Anoxybiose,  die  ihn 
am  Muskel  beispielsweise  um  30  Proz.  etwa  vermehrt.  Die 
Beeinflussung  der  Hydrolyse  des  Glykogens  am  ganzen 
lebenden  Tier  findet  sich  zu  allen  Jahreszeiten  in  gleicher 
Weise.  In  der  glykogenfesten  Zeit  ist  der  Glykogengehalt  der 
Frösche  hoch,  bis  1,4  Proz.  trotz  Inanition,  in  der  glykogen¬ 
labilen  Zeit  trotz  reichlicher  Ernährung  gering,  0,2  bis 
0,4  Proz. 

Es  fragt  sich,  ob  die  hier  geschilderten  Verhältnisse  nur 
Interesse  haben  für  die  Biologie  des  Frosches,  oder  ob  ihnen 
eine  allgemeinere  Bedeutung  zukornmt.  Dies  scheint  mir  be¬ 
züglich  der  Pathogenese  des  Diabetes  der  Fall  zu  sein.  Nam¬ 
hafte  Kliniker  sehen  als  eine  der  Hauptursachen  des  Diabetes 
eine  vermehrte  Umwandlung  des  Glykogens  in  Traubenzucker 
an.  Man  hat  daran  gedacht,  dass  es  sich  dabei  um  eine  er¬ 
höhte  Diastaseproduktion  handle.  Dies  erscheint  darum  wenig 
stichhaltig,  weil  in  jeder  Leber  soviel  Diastase  enthalten  ist, 
dass  man  damit  das  Glykogen  vieler  anderer  Lebern  völlig  in 
Zucker  verwandeln  kann.  Nicht  die  Menge  der  Diastase  in 
der  Zelle  ist  vermehrt,  sondern  die  Wirksamkeit  der  bereits 
vorhandenen  Diastase  ist  vergrössert,  vielleicht  infolge  ver¬ 
stärkter  Diffusion  von  Ferment  zu  Glykogen.  Man  könnte 
folgende  Analogie  einmal  aussprechen:  Die  überlebende  Leber 
des  Sommerfrosches  verhält  sich  zur  überlebenden  Leber  des 
Winterfrosches,  wie  der  Diabetiker  zum  Normalen. 

Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  das  Aussprechen  einer 
solchen  Analogie  eine  Ueberschreitung  der  Experimental¬ 
ergebnisse  ist.  Aber  nach  mehrjähriger  Beschäftigung  mit 
diesen  Fragen  ist  es  vielleicht  einmal  erlaubt,  einen  solchen 
Ausspruch  hinauszuwerfen,  wie  man  einen  Lasso  einem 
davongaloppierenden  Pferde  nachwirft.  Ob  die  Schlinge  fasst, 
ist  freilich  eine  andere  Frage.  Das  wird  man  erst  entscheiden 
können,  wenn  man  die  Differenz,  welche  zwischen  dem  über¬ 
lebenden  Froschorgan  im  Sommer  und  im  Winter  besteht  und 
die  das  völlig  verschiedene  Verhalten  hinsichtlich  des  post¬ 
mortalen  Glykogenschwundes  bedingt,  physikalisch-chemisch 
wird  beschreiben  können. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  Freiburg  i.  Br. 

(Direktor:  Professor  Dr.  de  la  Camp). 

Das  Auftreten  virulenter  Tuberkelbazillen  im  Blut  nach 
der  diagnostischen  Tuberkulininjektion. 

Von  Privatdozent  Dr.  Bacmeister. 

Das  Uebertreten  von  Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn 
ist  in  letzter  Zeit  vielfach  behandelt  worden.  Es  liegen  eine 
grössere  Anzahl  von  Arbeiten  der  letzten  Jahre  vor,  die  sich 
mit  diesem  Gegenstand  beschäftigen.  Seitdem  die  Methode 
von  Stäubli3)  und  Schnitter2)  bekannt  geworden  ist, 
haben  viele  Autoren  versucht,  die  säurefesten  Bazillen  im 
strömenden  Blute  nachzuweisen.  Diese  Methode  sollte  es 
ermöglichen,  aus  wenigen  Kubikzentimeter  Blut  die  Bazillen 
zu  gewinnen  und  im  Ausstrichpräparat  zu  erkennen.  Es 
wurden  dabei  Resultate  gewonnen,  die  mit  unserer  bisherigen 
Auffassung  von  der  Entstehung  und  Entwicklung  der  Organ¬ 
tuberkulose  im  menschlichen  Körper  nich-t  in  Einklang  zu 
bringen  waren.  Wenn  man  den  Ergebnissen  dieser  Arbeiten  :i) 
folgen  wollte,  so  müsste  man  annehmen,  dass  im  menschlichen 
Körper  nicht  nur  bei  einer  progredienten  tuberkulösen  Er¬ 
krankung,  sondern  auch  bei  den  initialsten  Formen,  bei 
klinisch  noch  nicht  erkennbarer  oder  seit  Jahren  völlig  latent 
gewordener  Organtuberkulose  ständig  die  spezifischen  Ba¬ 
zillen  in  so  grosser  Menge  im  Blute  kreisen,  dass  der  Nach¬ 
weis  aus  wenigen  Kubikzentimeter  Blut  fast  regelmässig  ge¬ 
lingt.  In  auffallender  Weise  standen  diese  Resultate  mit  dem 
Ergebnis  des  Tierversuches  im  Widerspruch,  der  gerade  bei 
den  initialen  Fällen,  bei  der  klinisch  sonst  nicht  diagnostizierten 
1  uberkulose  in  der  grössten  Anzahl  der  Fälle  ein  negatives 
Resultat  ergab.  Eine  kritische  Nachprüfung  der  Ausstrich¬ 
methode,  wie  sie  an  unserer  Klinik  von  mir  und  R  u  e  b  e  n 


‘)  Münch,  med.  Wochenschr.  1908. 

2)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1909,  36. 

:l)  Literatur  siehe  F.  Kleinperer:  Therapie  der  Gegen  warf, 

Oktober  1912, 


durchgeführt  wurde  *),  hat  dann  auch  ergeben,  dass  die 
Stäubli-Schnitter  sehe  Methode  für  den  Nachweis  der 
Tuberkelbazillen  im  Blute  keine  einwandfreien  Resultate 
liefert,  dass  durch  sie  im  Ausstrichpräparat  Gebilde  zur  Dar¬ 
stellung  kommen,  welche  keine  Tuberkelbazillen  sind,  wenn 
sie  ihnen  auch  morphologisch  vollkommen  in  jeder  Beziehung 
gleichen  und  durch  die  mikroskopische  Untersuchung  von 
ihnen  nicht  zu  trennen  sind.  Die  Antiforminmethode,  die  sonst 
so  vorzügliche  Resultate  liefert,  versagt  bei  dem  in  3  proz. 
Essigsäure  aufgelösten  Blut,  weil  mit  ihr  auch  in  solchem 
Blute  „typische  säurefeste  Bazillen“  gewonnen  werden,  das 
aus  beweisbar  tuberkulosefreien  menschlichen  und  tierischen 
Organismen  stammt.  So  ist  es  unmöglich,  mit  ihr  die  echten 
Tuberkelbazillen  von  ganz  gleich  aussehenden  Gebilden  zu 
trennen,  mögen  es  nun  anderweitige  säurefeste  Bazillen  im 
Blute  oder  Kunstprodukte  sein,  und  es  ist  nicht  zu  verwundern, 
dass  die  Berichte  über  das  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen 
im  Blut  eine  erstaunlich  hohe  Ziffer  gebracht  haben,  da  diese 
Pseudotuberkelbazillen  bei  intensivem  Suchen  fast  in  jedem 
Präparat  zu  finden  sind. 

Wenn  wir  nun  auch  die  zahlreichen  positiven  Resultate, 
die  sich  nur  auf  das  Ausstrichverfahren  gründen,  nicht  aner¬ 
kennen  können,  so  haben  doch  die  vielfach  mit  ihnen  ver¬ 
bundenen  Tierversuche  den  Beweis  geliefert,  dass  wirklich 
virulente  Tuberkelbazillen  viel  häufiger  in  das  Blut  übertreten 
und  in  der  Blutbahn  kreisen,  als  wir  früher  angenommen 
hatten.  Es  ist  besonders  das  Verdienst  von  Lieber- 
in  e  i  s  t  e  r  5),  der  in  sorgfältig  und  über  lange  Zeit  fort¬ 
geführten  Untersuchungen  gezeigt  hat,  dass  bei  bestehender 
Organtuberkulose  ein  Uebertritt  und  Vorhandensein  von 
Bazillen  in  das  Blut  nicht  selten  ist.  Wenn  er  auch  im  Tier¬ 
versuch  in  den  meisten  Fällen  nicht  den  Beweis  hat  bringen 
können,  dass  bei  den  zahlreichen  Erkrankungen  nicht  erkenn¬ 
bar  tuberkulösen  Charakters,  bei  denen  das  Ausstrichpräparat 
nach  Stäubli-Schnitter  säurefeste  Bazillen  zeigte, 
diese  mit  echten  Tuberkelbazillen  identisch  waren,  so  geht 
doch  aus  seinen  Versuchen  hervor,  dass,  je  schwerer  der 
tuberkulöse  Prozess  im  Körper  ist,  um  so  häufiger  spezifische 
Bazillen  im  Blut  angetroffen  werden.  So  konnte  er  in  einer 
früheren  Arbeit  zeigen,  dass  bei  Uebertragung  von  Blut 
phthisischer  Patienten  auf  Meerschweinchen,  20  Tage  vor  dem 
Tode  der  Patienten  K,  20 — 80  Tage  ante  exitum  die  Hälfte, 
mehr  als  80  Tage  35  Proz.  aller  Fälle  einen  posiviten  Tier¬ 
versuch  ergaben.  In  einer  späteren  Statistik  gibt  er  an,  bei 
50  Fällen  Lungenkranker  III.  Grades  24  mal,  bei  32  Fällen 
II.  Grades  14  mal,  bei  18  Fällen  I.  Grades  2  mal  ein  positives 
Resultat  erhalten  zu  haben.  Bei  den  vielen  Fällen  nicht  kli¬ 
nisch  nachweisbarer  Tuberkulose,  die  säurefeste  Bazillen  im 
Ausstrich  hatten,  waren  nur  6  Tiere  erkrankt.  Es  geht  also 
aus  den  Tierversuchen  beweisend  hervor,  dass  bei  schweren 
Erkrankungen  in  nicht  so  seltenen  Fällen  virulente  Bazillen 
im  Blute  kreisen. 

Bei  der  Nachprüfung  der  Ausstrichmethode,  die  ich  ge¬ 
meinsam  mit  Herrn  Medizinalpraktikanten  R  u  e  b  e  n  durch¬ 
führte,  haben  wir  bei  den  meisten  untersuchten  Fällen  natür¬ 
lich  auch  den  Tierversuch  herangezogen.  Ueber  die  Resultate 
haben  wir  an  anderer  Stelle  berichtet 4).  Wir  haben  unter 
anderen  15  leichtere  Fälle  von  Lungentuberkulose  untersucht, 
wir  fanden  bei  allen  „säurefeste  Bazillen“  im  Ausstrich¬ 
präparat,  dagegen  war  der  Tierversuch  in  allen  Fällen  ergeb¬ 
nislos. 

Wir  haben  nun  bei  allen  15  Patienten,  nachdem  der  erste 
Tierversuch  angesetzt  war,  eine  diagnostische  Tuberkulin¬ 
injektion  vorgenommen  und  dann  12  bis  24  Stunden  später 
möglichst  auf  der  Höhe  der  Reaktion  wieder  Blut  entnommen 
und  Kaninchen  in  derselben  Menge  (10  ccm)  in  die  Bauch¬ 
höhle  eingespritzt. 

Während  die  ersten  15  Versuche  (vor  der  Tuberkulin¬ 
injektion)  bei  durchschnittlich  dreimonatlicher  Dauer  des  Ver¬ 
suches  sämtlich  negativ  waren,  fanden  sich  bei  der  zweiten 
Serie  der  Tiere,  die  also  mit  dem  Blute  derselben  Patienten, 
das  auf  der  Höhe  der  Reaktion  entnommen  wurde,  injiziert 
wurden,  4  tuberkulös  erkrankt. 


')  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  50. 

R)  Virch.  Arch.,  Bd.  197,  H.  3  und  Med.  Klinik  1912,  25. 


344 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


1.  Patient  K.,  weiblich,  36  Jahre. 

Geringe  Dämpfung  beider  Spitzen,  rechts  etwas  stärker  wie 
links.  Verschärftes  Atmen  im  Dämpfungsbezirk.  Rechts  oben  ein¬ 
zelne  Rasselgeräusche.  Im  Röntgenbild  neben  leichter  Trübung  beider 
Spitzen  einzelne  peribronchiale  Verdichtungen  im  rechten  Unterlappen. 
Im  spärlichen  Sputum  leine  Tuberkelbazillen.  Bei  rektaler  Messung 
(Bettruhe)  höchste  Temperatur  abends  37,6.  Bei  einem  Kaninchen, 
dem  10  ccm  Blut  intraperitoneal  eingespritzt  wurden,  konnten  nach 
3  Monaten  keine  tuberkulösen  Veränderungen  gefunden  werden.  Am 
26.  VI.  0,001  Alttuberkulin.  Am  27.  VI.  Temperaturanstieg  auf  38,2 
(rektal).  Deutliche  lokale  Reaktion,  deutliches  Stärkerwerden  der 
Lungenerscheinungen.  Reichliche  Rasselgeräusche  in  der  rechten 
Spitze.  Entnahme  von  10  ccm  Blut  und  Injizierung  in  die  Bauchhöhle 
eines  Kaninchen.  Nach  3  Monaten  fanden  sich  bei  dem  Kaninchen 
einzelne  tuberkulöse  Knoten  in  der  Leber,  im  Peritoneum  und  eine 
isolierte  tuberkulöse  Erkrankung  in  der  Lunge.  Die  mikroskopischen 
Schnitte  ergaben  typische  tuberkulöse  Veränderungen  der  Gewebe 
mit  positivem  Bazillenbefund. 

2.  Pat.  S.,  24  Jahre. 

Sehr  geringer  Lungenbefund.  Rechte  Spitze  geringe  Schallver¬ 
kürzung,  rechts  oben  unbestimmtes  Atmen,  keine  Rasselgeräusche. 
Röntgenbild:  Spitzen  nicht  deutlich  getrübt,  am  linken  Hilus  leichte 
peribronchiale  Verdichtungen.  Im  Auswurf  keine  Tuberkelbazillen. 
Bei  rektaler  Messung  abends  Temperaturen  bis  37,8.  Ueberimpfung 
des  Blutes  auf  ein  Kaninchen  nach  4  Monaten  ergebnislos.  Am  27.  VI. 
Injektion  von  0,001  A.  T.,  keine  besondere  Reaktion  (Temperatur  37,8 
rektal).  Am  4.  VII.  0,002  A.  T„  abends  Temperatur  39,1  (rektal). 
Ziemlich  starke  lokale  Reaktion,  Auftreten  von  Rasselgeräuschen  in 
der  linken  Spitze.  Blutübertragung  auf  ein  Kaninchen,  getötet  am 
15.  II.  Grosser  tuberkulöser  Knoten  in  der  Leber.  In  der  Leber 
und  Mesenterialdrüsen  deutlich  typische  tuberkulöse  Veränderungen 
mikroskopisch  nachweisbar. 

3.  Pat.  Kn.,  44  Jahre. 

Klopfschall  über  beiden  Spitzen  leicht  verkürzt,  desgleichen  rechts 
hinten  unten.  Ueber  beiden  Spitzen  abgeschwächLs  Atmen,  rechts 
über  der  Spina  sc.  und  der  Klavikula  feine  und  mittelgrossblasige 
Rasselgeräusche.  Röntgenbild:  Spitzenfelder  beiderseits  getrübt,  das 
ganze  rechte  Lungenfeld  ist  etwas  trüber  wie  das  linke,  rechtes 
Zwerchfell  minder  gut  beweglich.  Beiderseits  vom  Hilus  gegen  die 
Spitzen  peribronchiale  Verdichtungen.  Temperatur  rektal  bis  37,8, 
im  spärlichen  Sputum  keine  Tuberkelbazillen.  Ueberimpfung  von  Blut 
auf  ein  Kaninchen  nach  4  Monaten  negativ.  Am  16.  VII.  12  0,001  A.  T„ 
abends  Temperatur  39,7.  Lokale  Reaktion  positiv,  rechts  obmi  wurde 
die  Dämpfung  erheblich  stärker,  sehr  viel  reichlichere  Rasselge¬ 
räusche.  Entnahme  von  Blut  auf  der  Höhe  des  FLbers.  Ueber- 
tragung  auf  ein  Kaninchen.  Nach  3%  Monat  fand  sich  bei  der  Sektion 
des  Tieres  eine  spärliche  Peritonealtuberkulose,  tuberkulöse  Knoten 
in  der  Leber  und  vereinzelte  Knötchen  in  den  Lungen.  Alle  Ver¬ 
änderungen  wurden  im  mikroskopischen  Präparat  als  tuberkulös  er¬ 
kannt. 

4.  Pat.  B.,  26  Jahre. 

Sehr  geringer  Lungenbefund.  Keine  deutliche  Spitzendämpfung. 
Ueber  beiden  Spitzen  verschärftes  Atmen,  über  der  rechten  Klavikula 
im  Hustenstoss  vereinzeltes  Knacken.  Röntgenbild:  Beide  Lungen- 
und  Spitzenfelder  hell,  p.mibronchiale  Verdichtungen  am  rechten  Hilus. 
Subfebrile  Temperaturen  bis  37,8  rektal.  Im  spärlichen  Auswurf  keine 
Tuberkelbazillen.  Uebertragung  von  Blut  auf  ein  Kaninchen.  Nach 
3  Monaten  ergebnislos.  Am  7.  VIII.  0,002  A.  T„  abends  38,1  rektal, 
geringe  lokale  Reaktion.  Auftreten  einer  Lichten  Dämpfung  über  der 
rechten  Spitze,  jetzt  Rasselgeräusche  in  mässiger  Zahl  deutlich  ver¬ 
nehmbar.  Entnahme  von  Blut,  Uebertragung  auf  ein  Kaninchen.  Nach 

3  Monaten  fand  sich  bei  der  Sektion  des  Tieres  eine  mikroskopisch 
und  makroskopisch  erkennbare  Peritonealtuberkulose  mit  einzelnen 
Knötchen  in  Leber  und  Lungen. 

Es  konnten  also  unter  30  Tierversuchen  viermal  virulente 
Tuberkelbazillen  im  Blute  lungenkranker  Menschen  nach¬ 
gewiesen  werden.  In  allen  Fällen  war  das  Blut  auf  der  Höhe 
des  Fiebers  nach  einer  Tuberkulininjektion  entnommen.  Die 

4  Patienten  hatten  sowohl  an  der  Injektionsstelle,  wie  im  er¬ 
krankten  Organ  mit  verstärkten  Krankheitserscheinungen 
reagiert.  Bei  allen  4  Patienten  fiel  der  Tieversuch  vor  der 
Injektion  negativ  aus.  Ein  Zusammenhang  zwischen  dem 
Auftreten  virulenter  Bazillen  im  Blut  und  der  Tuberkulin¬ 
reaktion  scheint  zu  bestehen.  Bei  zwei  Patienten  (1  und  4) 
war  die  Temperatursteigerung  nicht  bedeutend,  38,2  und  38,1 
rektal.  Aber  auch  bei  diesen  war  eine  deutliche  Reaktion  in 
den  Lungen  nachweisbar. 

Wir  haben  oben  gesehen,  dass  ein  Uebertritt  von  viru¬ 
lenten  Bazillen  in  die  Blutbahn  bei  aktiven  progredienten 
tuberkulösen  Lungenprozessen  häufig  vorkommt  und  im  Tier¬ 
versuch  bewiesen  werden  konnte.  Wir  wissen,  dass  eine 
Tuberkulininjektion,  die  eine  grössere  Temperatursteigerung 
zur  Folge  hatte,  ein  Aufflackern  des  tuberkulösen  Prozesses, 
speziell  in  der  Lunge  bewirken  kann.  Ein  Uebertreten  von 
Bazillen  in  das  Blut  ist  also  nicht  sehr  überraschend. 


Immerhin  verdient  diese  Tatsache  eine  besondere  Auf¬ 
merksamkeit  und  ist  wichtig  für  die  Praxis.  Die  diagnostische 
subkutane  Tuberkulininjektion  hat  ja  überhaupt,  gerade  weil 
wir  wissen,  dass  lokale  Prozesse  eine  lokale  Reaktion  zeigen, 
deren  Dosierung  nicht  in  unserer  Macht  steht,  sehr  an  klini¬ 
scher  Wertschätzung  verloren.  Wenn  aber  durch  sie  viru¬ 
lente  Bazillen  direkt  in  die  Blutbahn  getrieben  werden  können 
—  die  obigen  Befunde  lassen  kaum  eine  andere  Deutung  zu  — , 
so  müssen  wir  bei  ihrer  Anwendung  mit  grösster  Vorsicht 
Vorgehen. 

Schädliche  Folgen  sind  bei  unseren  Patienten  nicht  auf¬ 
getreten.  Die  Temperaturen  sanken  schnell  auf  die  frühere 
Höhe  dauernd  zurück.  Vielleicht  sind  die  Bazillen  im  Körper 
zugrunde  gegangen,  vielleicht  sind  sie  irgendwo  deponiert  und 
führen  noch  ein  latentes  Dasein.  Auf  jeden  Fall  verdienen 
unsere  Befunde  Beachtung  und  eine  Nachprüfung  wäre  sehr 
erwünscht. 

Nicht  die  Höhe  der  Temperatur  scheint  für  den  Uebertritt 
der  Bazillen  massgebend  zu  sein,  sondern  die  akute  Reaktion 
im  lokalen  Herde,  die  wir  in  allen  Fällen  fanden.  Diese  Re¬ 
aktion  bedeutet  eine  Gefahr  für  den  Patienten  und  muss  bei 
der  diagnostischen  und  therapeutischen  Verwendung  des 
Tuberkulins  vermieden  werden. 

Nach  Abschluss  dieser  Arbeit,  deren  Inhalt  in  kurzer  Form  in 
der  medizinischen  Geselschaft  in  Freiburg  i.  Br.  am  19.  November 
1912  mitgeteilt  wurde,  ist  eine  Arbeit  von  Lydia  Rabinowitsch“) 
erschienen,  welche  eine  wertvolle  Bestätigung  obiger  Befunde  gibt. 
L.  Rabinowitsch  hat  bei  ihren  Untersuchungen  im  Ausstrich¬ 
verfahren  und  einmal  auch  im  Tierversuch  bei  Versuchstieren  ein 
Uebertreten  von  Tuberkelbazillen  in  das  Blut  durch  Tuberkulin- 
injektion  erzielt.  Auch  sie  glaubt,  das  Erscheinen  der  Bazillen  im 
Blut  auf  die  erfolgte  Herdreaktion  zurückführen  zu  müssen.  Sie  sieht 
mit  Recht  in  ihren  Experimenten  einen  Beweis  für  die  von  V  i  r  c  h  o  w 
und  Orth  auf  Grund  ihres  Sektionsmaterials  bereits  vor  22  Jahren 
aufgestellte  Behauptung  von  der  künstlichen  Mobilisation  des  Tu¬ 
berkelbazillus  durch  Tuberkulininjektionen.  Eine  weitere  Stütze  für 
die  Berechtigung  dieser  Annahme  beim  Menschen  intra  vitam  bringen 
meine  obigen  Befunde.  Gegen  einige  Ausführungen  von  L.  Rabino¬ 
witsch,  die  sich  gegen  unsere  Anschauung  von  der  Unzuver¬ 
lässigkeit  der  Ausstrichmethode  richten,  muss  ich  Stellung  nehmen. 
Wir  haben  für  unsere  Tierexperimente  aus  Gründen,  die  für  and°re 
Studien  massgeblich  waren  und  über  die  ich  später  berichten  werde, 
einen  Kaninchenstamm  gewählt,  der  sich  durch  zahlreiche  Unter¬ 
suchungen  als  sehr  empfänglich  für  den  Typus  humanus  erwiesen  hat. 
Um  aber  gegen  alle  Einwendungen  gerüstet  zu  sein,  haben  wir  fast 
unser  gesamtes  Material  von  ganz  initialen  Phthisen,  bei  denen  wir 
„säurefeste  Bazillen“  im  Blute  fanden,  auch  auf  Meerschweinchen 
verimpft,  und  ich  möchte  hier  ausdrücklich  festsLllen,  dass  auch 
durch  diese  Versuchsreihe,  die  schon  mehrere  Monate  läuft,  bisher 
auch  nicht  die  geringste  Revidierung  unserer  Ergebnisse  an  den  Ka¬ 
ninchen  eingetreten  ist.  Dieser  Vorwurf  von  Rabinowitsch  ist 
also  hinfällig.  Weiter  möchte  ich  an  dieser  Stelle  mitteilen,  dass  ich 
ebenfalls  bei  zwei  Meerschweinchen  unter  drei  untersuchten  Fällen, 
wo  jede  Tuberkulose  durch  genaueste  Untersuchung  auszuschliessen 
war,  säurefeste  Bazillen  im  Blute  gefunden  habe.  Auch  ich  glaube 
dass  es  sich  hier  um  einen  Eiitterungsbazillus  handeln  kann,  der 
vielleicht  in  einzelnen  Ställen  häufiger  vorkommt  wie  in  anderen.  Wir 
sind  .weit  entfernt  davon  und  haben  es  deutlich  zum  Ausdruck  ge¬ 
bracht,  die  Tatsache  abzustreiten,  dass  die  neueren  Unter¬ 
suchungen  den  Beweis  gebracht  haben,  dass  die  Tuberkelbazillen  viel 
häufiger  im  Blute  zu  finden  sind,  als  früher  angenommen  wurde.  Wir 
stehen  in  keinem  Gegensatz  zu  den  Tierversuchen  Lieber¬ 
meisters  und  Rumpfs,  die  wir  völlig  anerkennen.  Unsere  Er¬ 
fahrungen  haben  uns  aber  gezeigt,  dass  sowohl  beim  Tier  wie  beim 
Menschen  im  Ausstrichverfahren  Gebilde  zur  Darstellung  kommen,  die 
zum  Teil  sicher  keine  Tuberkelbazillen  sind,  dass  die  Identität 
dieser  Bazillen  immer  erst  durch  den  Tierversuch  bewiesen  werden 
muss.  Da  wir  diese  „Fütterungsbazillen“  auch  bei  unseren  Meer¬ 
schweinchen  gefunden  haben  —  vielleicht  sind  sie  bei  uns  häufiger 
als  in  anderen  Ställen,  sicher  vor  Verwechslung  wird  man  niemals 
sein  — ,  müssen  wir  unsere  Bedenken  gegen  die  Meerschweinchen¬ 
versuche  Sturms  (in  unserer  Arbeit.  Deutsche  med.  Wochenschrift 
1912,  50  wurde  irrtümlicherweise  von  Kaninchen  gesprochen)  aufrecht 
erhalten,  soweit  das  Ausstrichverfahren,  dessen  Wert  eigentlich  durch 
d°n  Tierversuch  bewiesen  werden  sollte,  einfach  auf  den  Tierversuch 
übertragen  wmrde. 


8)  Berliner  klinische  Wochenschrift  1913,  3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


345 


J  8.  Februar  1913. 

ins  der  I  lircktorialabtcilung  des  allgemeinen  Krankenhauses 

Nürnberg. 

um  Nachweis  der  „T uberkelbazillen“  im  strömenden  Blut. 

Von  Dr.  Eduard  Kahn. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Seitdem,  vor  allem  auf  Anregung  von  Liebermeister, 
as  Blut  Tuberkulöser  und  Tnberkuloseverdächtiger  häufiger 
ls  früher  mikroskopisch  auf  Tuberkelbazillen  unter- 
ncht  wurde,  hat  sich  die  auffallende  Tatsache  herausgestellt, 
ass  man  viel  öfter  „säurefeste  Stäbchen“  fand,  als  zu  er¬ 
warten  gewesen  war.  Diese  Stäbchen  sprach  man,  da  man 
Ile  Verunreinigungen  möglichst  ferngehalten  hatte,  für 
uberkelbazillen  an.  Nun  waren  die  Stäbchen  in  der  Form 
licht  gerade  immer  typisch  für  Tuberkelbazillen,  ■ —  (so  er¬ 
wähnt  vor  allem  Rumpf,  dass  man  sich  unter  diesen 
uberkelbazillen  des  Blutes  für  die  meisten  Fälle  nicht  jene 
arten  und  schlanken  Gebilde  vorstellen  dürfe,  die  wir  aus 
len  Sputumpräparaten  kennen)  — ,  man  sah  auch  nur  selten 
ie  charakteristischen  Granula,  aber  sie  waren  so  auffallend 
ot  gefärbt,  dass  man  sie  eben  nur  für  Tuberkelbazillen  halten 
u  können  glaubte;  das  um  so  mehr,  als  man  bei  diesen  Unter- 
uchungen  —  meist  nach  der  Methode  von  Schnitter  und 
Gäubli  (mit  Homogenisierung  mit  3  proz.  Essigsäure  und 
.ösung  mit  Antiformin)  —  alle  möglichen  Vorsichtsmass- 
egeln  ergriffen  hatte,  um  Verunreinigungen  durch  andere 
äurefeste  Stäbchen  fernzuhalten. 

Als  ich  nun  auf  Veranlassung  meines  Chefs,  des  Herrn 
Tof.  Johannes  Müller,  der  mich  bei  allen  meinen  Unter- 
uchungen  in  überaus  wohlwollender  Weise  mit  Rat  und  Tat 
literstützte,  an  einem  Teil  des  Tuberkulosematerials  des 
iesigen  Krankenhauses  diese  Blutbefunde  nachuntersuchte, 
iel  mir  auf,  dass  es  oft  schwierig  ist,  eine  Grenze  zu  ziehen 
wischen  dem,  was  man  in  den  nach  Schnitter  hergestellten 
Mutpräparaten  noch  als  „säurefeste“  Stäbchen  bezeichnen 
will  und  was  nicht,  noch  mehr  aber,  dass  unter  den  säure¬ 
festen  Gebilden  alle  möglichen  Uebergänge  existieren 
wischen  solchen,  die  ohne  Zweifel  Tuberkelbazillen  sind,  und 
olchen,  die  sicher  als  Kunstprodukte  oder  Verunreinigungen 
rgend  welcher  Art  aufzufassen  waren.  Das  brachte  mir  in 
lie  Untersuchung  eine  gewisse  Unsicherheit;  um  so  mehr,  als 
lie  anderen  Autoren  anscheinend  solche  Schwierigkeiten  nicht 
eliabt  hatten,  wenigstens  in  ihren  Publikationen  kaum  davon 
prachen.  Da  nun  aber  die  Angaben  der  verschiedenen 
uitoren  über  die  Zahl  der  gefundenen  Tuberkelbazillen  sehr 
’oneinander  abweichen,  ( — -  die  meisten  deutschen  Autoren, 
wie  Liebermeister,  Rumpf,  F.  Klemperer,  fanden 
ur  vereinzelte  Stäbchen  und  nach  langem  Suchen,  die 
apaner,  Kurashige  vor  allen,  reichliche  in  jedem  Gesichts¬ 
eid  — ,  musste  ich  annehmen,  dass  offenbar  unter  den  ver- 
chiedenen  Autoren  auch  verschiedene  Auffassungen  darüber 
ierrschen,  was  als  Bazillus  zu  betrachten  ist  und  was  nicht. 
Schliesslich  musste  auch  das  Resultat  der  Tierunter- 
uchungen,  das  im  Gegensatz  stand  zum  Ergebnis  der 
nikroskopischen  Methode,  einige  Bedenken  erregen:  denn 
iei  Verimpfungen  des  Blutes  auf  Meerschweinchen  lassen  sich 
iur  in  einer  ganz  geringen  Zahl  virulente  Bazillen  tatsächlich 
achweisen;  da  lag  es  denn  nahe,  Fehlerquellen  der 
nikroskopischen  Untersuchungsart  zu  suchen. 

Es  wurden  dabei  von  mir  zwei  verschiedene 
V  ege  begangen.  Ich  wandte  einmal  das  Tierexperiment  an, 
lann  aber  auch  eine  chemisch-physikalische  Untersuchungsart. 

Da  die  Tierversuche  noch  nicht  ganz  abgeschlossen  sind, 
wollte  ich  mit  der  Publikation  meiner  gesamten  Resultate 
loch  einige  Monate  warten.  Nun  sehe  ich  mich  aber  veran- 
asst,  in  der  Form  einer  vorläufigen  Mitteilung  die 
Ergebnisse  meiner  zweiten  Untersuchungsreihe 
u  veröffentlichen,  da  in  einer  vor  kurzem  erschienenen  Arbeit 
lacmeister  und  Rueben1),  die  wohl  von  ähnlichen 
Überlegungen  ausgingen,  auf  einem  etwas  anderen  Wege 
Ts  ich  zum  selben  Resultat  kamen:  nämlich,  dass  die 
aikroskopische  Methode  absolut  unzuver- 
ässig  sei. 


B  a  c  m  e  i  s  t  er  und  Rueben  untersuchten  mit  der  Antiformin 
methode  Blut  von  gesunden  Menschen  und  gesunden  Kaninchen; 
dabei  konnten  sie  bei  einigem  Suchen  immer  säurefeste  Stäbchen 
finden,  auch  wenn  autoptisch  nicht  das  geringste  Tuberkuloseverdäch¬ 
tige  sich  zeigte;  sie  halten  darum  die  Stäbchen  für  eine  Art  Ver¬ 
unreinigung  oder  Niederschlag,  die  zwar  in  den  angewandten  Chemi¬ 
kalien  selber  nicht  Vorkommen,  die  aber  aus  dem  Blut  durch  die 
Art  der  Gewinnung  des  Präparates  entstehen. 

Meine  Untersuchungen  waren  schon  abgeschlossen,  als 
diese  Arbeit  erschien;  da  mit  ihr  die  ganze  Frage  aktuell  ge¬ 
worden  ist,  will  ich  im  folgenden  meine  Ergebnisse  kurz  mit- 
teilen.  (Ausführliche  Versuchsprotokolle  werde  ich  in  einer 
späteren  Arbeit,  die  auch  über  die  Tierversuche  berichten  soll, 
anführen.) 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Säurefestigkeit  der  Tuberkel¬ 
bazillen  vor  allem  (nicht  allein!)  durch  ihre  Wachshülle  be¬ 
dingt  ist.  Diese  Wachshülle  besteht  nun  zum  grossen  Teil 
aus  Cholesterin  und  Lezithin,  Stoffen,  die  auch  einen  grossen 
Teil  der  Stromata  der  roten  Blutkörperchen  ausmachen.  Da 
liegt  doch  nahe,  daran  zu  denken,  dass  die  Blutkörperchen¬ 
hüllen  auch  eine  gewisse  Säurefestigkeit  haben  könnten! 

Es  wurden  nun,  um  das  zu  klären,  aus  mehreren  Litern 
Pferdeblut  nach  der  Methode  von  P  a  s  c  u  c  c  i  (auf  die  mich 
Herr  Prof.  Spiro  in  Strassburg  in  liebenswürdiger  Weise 
aufmerksam  machte),  grössere  Mengen  der  Stromata  isoliert. 
Dabei  konnte  nachgewiesen  werden,  dass  die 
auf  keine  Weise  vorbehandelten  Hüllen  der 
roten  Blutkörperchen  in  hohem  Grade  säure¬ 
fest  sind;  aber  auch  wenn  man  die  leeren  Blutkörperchen¬ 
hüllen  in  derselben  Weise  wie  sonst  das  genuine  Blut  (nach 
Schnitter  und  S  t  ä  u  b  1  i)  auflöst,  findet  man  zwar  den 
grösseren  Teil  der  nicht  gelösten  Blutkörperchenschollen  in 
allen  Nuancen  blau  bis  violett  gefärbt,  es  lassen  sich  aber 
noch  reichlich  sicher  säurefeste  Elemente  nachweisen.  Dabei 
ist  auffallend,  dass  man  bei  genauer  Durchsicht  der  Präparate 
viele  Gebilde  trifft,  die  in  Gestalt  und  Färbung  ganz  den 
Tuberkelbazillen  gleichen. 

Fs  wurden  zur  Kontrolle  richtige  Tuberkelbazillen,  die  mittelst 
der  Antiformin-Ligroinmethode  aus  einem  reichlich  Tuberkelbazillen 
enthaltendem  Sputum  gewonnen  waren,  auf  Objektträger  gebracht, 
die  schon  mit  der  Stromatamasse  beschickt  waren;  dabei  konnte  ich 
feststellen,  dass  selbst  bei  langer  Entfärbung  noch  immer  Stromata 
blieben,  die  mindestens  ebenso  deutlich  noch  gefärbt  waren  wie  die 
Tuberkelbazillen. 

Es  sollten  nun  auch  reines  Cholesterin  und  Lezithin 
(von  Merck)  auf  ihre  Säurefestigkeit  geprüft  werden.  Dabei  er¬ 
gaben  sich  allerdings  Schwierigkeiten;  denn  Cholesterin  ist  in  heissem 
Alkohol  löslich,  daher  wird  es  leicht  mit  dem  heissen,  alkoholhaltigen 
Karbolfuchsin,  gern  auch  bei  der  Entfärbung  durch  den  Salzsäure¬ 
alkohol  weggespült;  es  blieben  aber  manchmal  schwach  rosagefärbte 
Tafeln  zurück.  Das  zähe  Lezithin  klebte  leichter;  bei  ihm  war  auch 
ganz  deutlich  ein  nicht  sehr  intensiver  Grad  von  Säurefestigkeit 
nachzuweisen. 

Es  ist  also  die  Möglichkeit  vollauf  gegeben,  dass  im  nor¬ 
malen  Blut  „säurefeste  Stäbchen“  mikroskopisch  nachge¬ 
wiesen  werden  können,  auch  wenn  sicher  keine  Verunreini¬ 
gung  dazu  kam,  —  dass  diese  säurefesten  Stäbchen  aber 
noch  lange  nicht  mit  Tuberkelbazillen  identisch  zu  sein 
brauchen.  Mit  dieser  Feststellung  ist  die  Ar¬ 
beitsmethode,  die  nur  das  mikroskopische  Bild 
berücksichtigt,  wertlos  geworden. 

Nun  kommt  aber  noch  hinzu,  dass,  auch  bei  aseptischen 
Vorgehen  und  mancher  anderen  Vorsicht,  sich  doch  eine 
weitere  Fehlerquelle  einschleichen  kann.  A  u  c  1  a  i  r  und 
Paris,  Fontes  u.  a.  haben  gezeigt,  dass  die  Säurefestigkeit 
der  Tuberkelbazillen  eine  „komplexe“  Erscheinung  ist,  die 
nicht  nur  an  die  Wachskörper  gebunden  ist,  sondern  sicher 
auch  einem  Teil  der  Eiweisskörper  der  Tuberkelbazillen  an¬ 
haftet;  dass  diese  Eigenschaft  nicht  ausschliesslich  dem  Ei¬ 
weisskörper  der  Tuberkelbazillen  eigen  ist,  beobachtet  man 
manchmal,  wenn  man  das  Sputum  einer  kruppösen  Pneumonie 
auf  Tuberkelbazillen  untersucht;  es  gelingt  oft  nicht,  da§  Prä¬ 
parat  zu  entfärben.  Das  veranlasste  mich  auch,  Eiweisskörper 
des  Blutes  auf  ihre  Säurefestigkeit  zu  prüfen.  Wenn  man 
Fibrin  flocken  aus  Hammel-  oder  Pferdeblut  direkt,  oder 
nachdem  man  sie  mit  der  Antiforminmethode  vorbehandelt 
hat,  untersucht,  so  zeigt  sich,  dass  auch  sie  eine  Säurefestig¬ 
keit  besitzen,  die  hinreicht,  Tuberkelbazillen  vorzutäuschen, 
—  besonders  da  bei  der  Auflösung  mit  Antiformin  sich  kleinste 

2 


*)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912.  No.  50. 

No.  7. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHR1FJ 


No.  7. 


Splilterchen  bilden,  die  in  der  Form  den  1  uberkelbazillen 
zum  verwechseln  gleichen.  Nun  soll  man  ja  nach  Lieber- 
m  c  i  s  t  e  r  und  anderen  Autoren  eine  Blutgerinnung,  also  auch 
Fibrinbildung  möglichst  vermeiden,  aber  kleine  Flöckchen 
mögen  doch  wohl  hie  und  da  bei  aller  Vorsicht  entstehen. 

Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  auch  andere  Eiweisskörper  eine 
gewisse  Säurefestigkeit  besitzen;  so  ist  z.  B.  Eiweissglyzerin 
so  säurefest,  dass  es  am  besten  als  Klebemittel  nicht  verwendet  wird, 
wenn  man  auf  spärliche  Tuberkelbazillen  fahnden  will. 

Ich  komme  also  zum  selben  Resultat  wie  Bac- 
m  e  i  s  t  e  r  und  Rueben;  es  ist  völlig  unzureichend  und  irre¬ 
führend,  lediglich  aus  der  mikroskopischen  Untersuchung  des 
Blutes  auf  die  Anwesenheit  von  Tuberkelbazillen  schliessen 
zu  wollen;  dabei  ist  freilich  nicht,  wie  Bacmeister  und 
Rueben  annehmen,  die  Schnitter  sehe  Methode  allein 
die  Ursache  des  Fehlers,  es  sind  vielmehr  bei  keiner  Methode 
Irrtiimer  auszuschliessen,  weil  sich  im  Blute  genügend  Sub¬ 
stanzen  finden,  die  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  schon 
säurefest  sind. 

Für  den  Nachweis  der  Tuberkelbazillen 
im  Blut  ist  also  lediglich  der  Tierversuch  von 
Wert;  und  er  ist,  damit  die  Frage  endgültig  entschieden 
werden  kann,  im  grössten  Massstabe  auszuführen. 


Tuberkelbazillennachweis  im  Blut. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Kessler  in  St.  Avold. 

Jeder  der  Phthisikerblut  auf  die  Anwesenheit  von 
Tuberkelbazillen  mittelst  direkten  Ausstriches  auf  einen  Ob¬ 
jektträger  mikroskopisch  untersucht  hat,  weiss,  wie  mühselig 
dies  Verfahren  ist. 

Eine  erhebliche  Erleichterung  ist  nach  Stäubli1)  da¬ 
durch  zu  erzielen,  dass  das  frisch  gewonnene  Blut  sofort  mit 
3  proz.  Essigsäure  verdünnt  wird,  wodurch  ohne  Schädigung 
der  Bakterien  die  roten  Blutkörperchen  sich  auflösen.  Durch 
Zentrifugieren  werden  dann  die  Bakterien  sedimentiert,  das 
Sediment  auf  Objektträger  ausgestrichen  und  nach  den  üb¬ 
lichen  Methoden  kann  die  Tuberkelbazillenfärbung  vorge¬ 
nommen  werden. 

Dies  Verführen  baute  Schnitter2)  späterhin  speziell 
zum  Nachweis  von  Tuberkelbazillen  weiter  aus,  indem  er 
dem  Sediment  noch  Antiformin  zusetzte,  wodurch  das  Auf- 
linden  der  restlos  übrigbleibenden  Tuberkelbazillen  sehr  er¬ 
leichtert  ist. 

Trotz  aller  Vorteile  haftet  aber  auch  dieser  Methode  der 
Nachteil  an,  dass  nur  ungeronnenes  Blut  untersucht  werden 
kann. 

Das  von  mir  angegebene  Verfahren  dagegen  gestattet 
auch  die  Untersuchung  geronnenen  Blutes  und  bietet  dabei 
keinerlei  technische  Schwierigkeiten. 

Aus  einem  Ohrläppchen  des  Kranken  werden  etwa  0,5 — 1,0  ccm 
Blut  in  eine  Kapillare  entnommen.  Wird  dieselbe  an  beiden  Enden 
mit  Siegellack  verschlossen,  so  kann  die  Verarbeitung  des  Blutes  nach 
beliebig  langer  Zeit  erfolgen,  indem  dann  aus  der  an  beiden  Enden 
abgeschnittenen  Kapillare  der  Blutfaden  herausgeholt  und  in  ein 
Reagenzglas  gebracht  wird,  in  welchem  sich  eine  Messerspitze  voll 
Trypsin  Grübler  und  etwa  1  ccm  Leitungswasser  befinden.  Das  Ge¬ 
misch  bleibt  bei  Zimmertemperatur  unter  mehrmaligem  Umschütteln 
etwa  1  Stunde  stehen,  innerhalb  welcher  Zeit  sich  der  Blutfaden  auf¬ 
löst.  Nach  dieser  Zeit  kommen,  ähnlich  dem  von  Schulte3)  an¬ 
gegebenen  Verfahren  zum  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im  Sputum, 
zu  dieser  Mischung,  die  ich  als  1  Teil  bezeichne,  doppelt  so  viel  Teile 
25  proz.  Antiformin  und  3  Teile  Brennspiritus,  also  ein  Verhältnis  der 
Bestandteile  von  1:2:3,  wobei  sowohl  nach  dem  Antiforminzusatz, 
wie  auch  nach  demjenigen  des  Brennspiritus  gut  umgeschüttelt  wird. 
Die  ganze  Flüssigkeit  wird  alsdann  in  Zentrifugengläschen  gebracht, 
etwa  eine  halbe  Stunde  bei  flottem  Lauf  zentrifugiert,  darauf  die 
Flüssigkeit  vom  Bodensatz  abgegossen  und  das  Sediment  ist  fertig 
zum  Ausstrich  und  zur  Färbung. 


T  Stäubli:  Beitrag  zum  Nachweis  von  Parasiten  im  Blut. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1908,  No.  50. 

2)  Schnitter:  Nachweis  und  Bedeutung  der  Tuberkelbazillen 
im  strömenden  Phthisikerblut.  D.  med.  Wochenschr.  1909,  S.  1566. 

3)  Schulte:  Methodik  und  Technik  des  neuen  Verfahrens  zum 
Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im  Sputum  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  U  h  1  e  n  h  u  t  h  sehen  Antiforminverfahrens.  Med.  Klinik 
1910,  No.  5. 


Der  Verarbeitung  grösserer  Blutungen  stellt  nichts  im 
Wege.  Es  lassen  sich  mit  dieser  Methode  alle  gewünschten 
Blutmengen  untersuchen,  bei  entsprechend  mehr  Zusätzen. 

Wenn  ich  als  nötige  Blutmenge  nur  etwa  0,5— 1,0  ccm 
verlange,  so  geschieht  es  aus  dem  Grunde,  weil  eine  derartig 
kleine  Blutprobe  viel  leichter  von  den  Patienten  zu  erlangen 
ist,  wie  eine  etwa  15—20  ccm  durch  Venenpunktion  zu  ent¬ 
nehmende  Blutmenge,  und  hoffe  ich  dadurch  zu  erreichen,  dass 
auch  ausserhalb  des  Krankenhauses  die  praktischen  Aerzte 
sich  leichter  bei  zweifelhaften  Fällen  zur  Blutentnahme  ent¬ 
schlossen  werden,  zumal  die  Untersuchung  des  Blutes  aut 
Tuberkelbazillen  ein  wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel  ist. 


Vereinfachte  Magen-Bioröntgenographie. 

Von  Dr.  Karl  K  a  e  s  1 1  e  in  München. 

Seit  Veröffentlichung  der  ersten  bioröntgenographischen 
Magenuntersuchungen  von  Rieder,  R  o  s  e  n  t  h  a  1  und  mir 
sind  Jahre  vergangen.  Zahlreiche  Untersuchungen  haben 
seitdem  gezeigt,  dass  die  in  Wort  und  Bild  von  uns  ge¬ 
schilderte  Art  der  Magenbewegung  als  Normalvorgang  zu 
gelten  hat.  Tatsachen,  die  geeignet  wären,  unsere  Angaben: 
zu  korrigieren,  hegen  nicht  vor,  und  was  an  Richtigem  über 
die  normale  Magenbewegung  seitdem  „neu“  entdeckt  wurde, 
findet  man  bei  genauem  Zusehen  schon  in  den  Bildern  und  dem 
Text  unserer  Arbeiten  niedergelegt. 

Einzelne  unserer  Bilder  haben  in  Nebensachen  andere 
Deutung  erfahren.  F  o  r  s  s  e  1 1  hat  unsere  Befunde  aus  der 
Anatomie  des  Magenmuskelschlauches  im  ganzen  in  sehr 
glücklicher  Weise  gedeutet  und  erklärt. 

Die  Vorgänge  in  der  Regio  pylorica  des  Magens  stellen 
sich  im  wesentlichen  dar  als  eigenartige  Peristaltik  von 
grosser  Energie  und  eigenartiger  Ausbildung  der  Wellentäler. 
Die  vollkommene  Entleerung  des  pylorusnahen  Magenteils 
erfolgt  bezw.  kann  erfolgen  „durch  (ailseitiges) 
Zusammenlegen  seiner  Wandunge  n“.  („Ueber 
Röntgenkinematographie,  II.  Mitteilung“,  von  Kaestle, 
Rieder  und  R  o  s  e  n  t  h  a  1  in  der  „Zeitschrift  für  Röntgen¬ 
kunde“,  Bd.  12,  1910.)  Dieser  Satz  sei  manchen  unserer 
Kritiker  „zur  Kenntnisnahme  empfohlen“. 

Unwesentliche  Abweichungen,  Spielarten  finden  sich 
—  wie  überall  in  der  Natur  —  so  auch  beim  Vorgang  der 
menschlichen  Magenbewegung.  Die  Wellentäler  wechseln  von 
Fall  zu  Fall  an  Tiefe,  Breite  und  Dauer  ihres  Bestehens,  be¬ 
sonders  nahe  dem  Pylorus.  Die  Wellenberge  sind  bald  mehr 
flach  und  gerundet,  bald  mehr  spitz;  sie  tragen  Kämme. 
Tonusschwankungen  grösserer  Magenteile  können  beobachtet 
werden  und  dergl.  mehr. 

Bis  jetzt  ist  das  Gebiet  noch  nicht  so  scharf  umrissen, 
dass  man  sicher  angeben  könnte,  wo  die  Spielart  aufhört  und 
das  Krankhafte  beginnt.  Wahrscheinlich  werden  diese  Ueber- 
gänge  —  wie  auch  auf  anderen  Gebieten  der  normalen  unc 
pathologischen  Physiologie  —  vielfach  fliessend  bleiben.  Dass; 
wir  aber  zur  Untersuchung  von  Bewegungsvorgängen  unc 
Bewegungsstörungen  am  Magen  keine  andere  der  Biorönt 
genographie  gleichwertige  Methode  besitzen,  ist  unbestreit¬ 
bare  Tatsache.  Mit  ihrer  Feststellung  soll  nichts  gegen  der 
Wert  der  Schirmdurchleuchtung  gesagt  sein.  Auch  wei 
Magenbewegungsvorgänge  kinographisch  untersucht,  ver 
zichtet  nicht  auf  die  Durchleuchtung  des  Magens.  Unser 
Ziel  ist  nicht  künstliche  Beschränkung  sondern  Bereicherum. 
ärztlichen  Könnens.  Jede  röntgenologische  Magenunter 
suchung  hat  mit  einer  Durchleuchtung  zu  beginnen,  die  bak 
abschliessende,  bald  vorläufige  Untersuchungsmethode  ist 
Die  Durchleuchtung  hat  durch  die  Bioröntgenographie  ai 
Wert  gewonnen:  Wir  sehen,  seitdem  wir  den  Vorgarn 
der  Magenbewegung  wirklich  kennen,  nicht  selten  auch  an 
Leuchtschirm  Einzelheiten,  die  uns  früher  entgangen  sind 
Freilich  wird  das  Schirmbild  eines  Bewegungsablaufes  ver 
glichen  mit  seiner  bioröntgenographischen  Darstellung  imnie 
skizzenhaft  bleiben;  das  Bioröntgenogramm  ist  in  der  Ent 
Scheidung  über  das  Tatsächliche  von  Bewegungserscheinungei 
„höhere  Instanz“. 

Es  ist  widersinnig,  die  Untersuchungsergebnisse  eine 
rein  objektiven  Methode  mit  denen  einer  weniger  objektive! 


8.  Februar  1913. 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


347 


ritisieren  zu  wollen:  Das  Röntgenkinogramm  z.  B.  etwa  mit 
inem  Leuchtschirm-  oder  gar  einem  Palpationsbefund.  Und 
och  ist  beides  versucht  worden.  Man  braucht  das  logisch 
Inmögliche  dieses  Vorgehens  nur  einmal  klar  durchzudenken, 
m  sich  selbst  und  anderen  eine  Kritik  solcher  Kritik  zu 
rsparen. 

Dass  mit  der  Feststellung  einer  Bewegungsstörung  nicht 
uch  ohne  weiteres  die  Frage  nach  ihrer  Ursache  beantwortet 
;t,  gilt  für  das  Kinogramm  ebensowohl  wie  für  das  Schirm- 
ild.  Ob  die  Störung  des  Bewegungsablaufes  durch  äussere 
infliisse  auf  den  Magen  oder  durch  Veränderungen  in  der 
lagenwand  selbst  bedingt  ist,  ob  ein  Infiltrat  von  einem  Ge- 
chwiir  oder  einem  Karzinom  herriihrt,  bedarf  zur  Ent¬ 
kleidung  erschöpfender  Anwendung  aller  diagnostischen  Hilfs- 
littel.  Auch  hier  soll  die  Bereicherung  auf  der  einen  Seite 
icht  zu  einer  Verarmung  auf  der  anderen  führen. 

Die  Bioröntgenographie  findet  die  Grenzen  ihrer  Anwen- 
ungsmöglichkeit  im  Preis  der  einzelnen  Untersuchung  und 
irer  zeitraubenden  Technik. 

Levy-Dorn  suchte  die  Bioröntgenogramme  durch  seine 
Polygramme“  zu  ersetzen;  das  sind  bekanntlich  2  oder  mehr 
lagenmomentaufnahmen  aus  einer  Peristole  auf  eine  nicht 
ewechselte  Platte.  Die  Bilder  decken  sich  weitgehend.  Bei 
lehr  als  2  Bildern  wird  das  Liniengewirr  unenträtselbar. 
wei,  selbst  drei  und  vier  Bilder  aus  einem  Magenbewegungs- 
blauf  vermögen  über  Normalität  oder  krankhafte  Verän- 
erung  des  Vorganges  keinen  Aufschluss  zu  geben.  Immer 
leiben  uns  Polygramme  die  Auskunft  über  die  zeitliche  Auf¬ 
inanderfolge  der  Bilder  schuldig,  eine  Auskunft,  die  wir  ob- 
-ktiv  nur  mit  Hilfe  des  Plattenwechsels  erhalten  können. 

Die  Polygraphie  im  Sinne  Levy-Dorn  s,  der  übrigens 
i  Albers-Schönberg  und  Krause  Vorgänger  hatte, 
t  kein  Ersatz  der  Kinographie. 

Neuerdings  ist  es  mir  gelungen,  6—9  bezw.  12—18  Augen- 
licksbilder  aus  einem  Bewegungsablauf  des  ganzen  Magens 
der  seiner  wesentlichsten  Teile  auf  einem  Film  oder  einer 
latte  von  der  Grösse  40  X  50  festzuhalten.  Diese  Bilderzahl 
einigt  zu  einem  diagnostisch  ausreichenden  Einblick  in  den 
lagenbewegungsvorgang.  Die  Methode  ist  in  ihrer  Durch- 
ihrung  einfach  und  billig,  ebenso  die  dazu  nötige  maschinelle 
inrichtung,  die  auch  anderen  röntgenologischen  Zwecken 
ient. 

Das  Wesen  der  Methode  besteht  in  folgendem:  Ein 
>lm  oder  eine  Platte  zwischen  Verstärkungsschirmen 
inn  in  geeigneter  Vorrichtung  in  zwei  zu  einander  senk- 
-chten  Richtungen  einer  Ebene  leicht  und  rasch  ruck- 
tig  unmittelbar  hinter  bzw.  unter  einer  den  Film  all- 
itig  überragenden  Bleiwand  bewegt  werden,  von  Hand 
Jer  maschinell.  Die  Bleiwand  trägt  eine  viereckige  Oeff- 
mK  von  veränderlicher  Grösse  (Blendenöffnung).  Gegen 
e  Wand  lehnt  oder  legt  sich  mit  seiner  Vorderseite 
-r  zu  Untersuchende  so,  dass  seine  auf  der  Bauchwand 
.amtlich  gemachte  Magengegend  in  bestimmter  Einstellung 
die  Weite  der  Blende  fällt.  Die  automatisch  —  in  beliebig 
i  wählenden  Zeiträumen  —  rhythmisch  einschaltbare  Rönt- 
.‘tiröhre  befindet  sich  60 — 100  cm  hinter  dem  Kranken  und 
hwirft  durch  das  filmnahe  Diaphragma  auf  einen  dahinter 
'\v.  darunter  eingestellten  Teil  des  Films  ein  Magenmoment- 
Id.  Dann  wird  der  Film  eine  bestimmte  Strecke  ruckartig 
eiterbewegt,  steht  wieder  still,  und  auf  einen  unbelichteten 
imteil  neben  bzw.  unter  oder  über  dem  belichteten  Feld 
hwirft  ein  neues  Strahlenbündel  ein  neues  Magenbild.  Bei 
lendenweite  20  X  16  kann  man  auf  einen  Film  40  X  50  bei  dem 
nannten  Röhrenabstand  leicht  6  Bilder  auch  ptotischer  und 
:tatischer  Mägen  aufnehmen;  bei  einer  Blendenweite  16  X  13 
Hngen  ohne  Schwierigkeit  9  Aufnahmen  der  uns  besonders 
dressierenden  distalen  Magenteile.  Nimmt  man  auf  jedes  je- 
eils  eingestellte  Feld  2  Momentbilder  —  im  Sinne  der  Poly- 
amme  —  auf,  dann  erhält  man  12  bzw.  18  Magenbilder  aus 
ner  Peristole.  Dass  gegen  derart  aufgenommene  Poly- 
amme  alle  gegen  die  gewöhnlichen  Polygramme  mög- 
hen  Einwände  hinfällig  werden,  ist  ohne  weiteres  ein- 
isehen.  Wählt  man  statt  des  Films  oder  der  Platte  40  X  50 
'Iche  von  der  Grösse  50  X  60,  was  ich  für  unnötig  halte, 
«rauf  der  Apparat  aber  einzurichten  wäre,  dann  hat  man 
e  Möglichkeit,  bei  grösserer  Blendenweite  grössere  Felder 


zu  bestrahlen.  Der  Serienaufnahme  im  Liegen  geht  —  der 
Einstellung  wegen  — -  mit  Vorteil  eine  Einzelaufnahme  in 
Bauchlage  voran.  Magenaufnahmen  in  Rückenlage  sind  aus 
verschiedenen  Gründen  ergebnisarm. 

Der  Plattenfeldwechsel  kann  von  Hand  unschwer  zwei¬ 
mal  in  der  Sekunde  vollzogen  werden,  eine  Wechselzahl,  die 
für  Magenuntersuchungen  bekanntlich  niemals  nötig  wird,  für 
Herzuntersuchungen  aber  nicht  ausreicht.  Der  Apparat  ist 
zunächst  zur  Untersuchung  von  Bewegungsvorgängen  be¬ 
stimmt,  bei  denen  man  mit  der  genannten  Wechselzahl  aus¬ 
kommt. 

Die  Herzkinematographie  hat  seit  unseren  ersten  Ver¬ 
öffentlichungen  pr  a  k  t  i  s  c  h  keine  Fortschritte  gemacht,  keine 
nennenswerten  Ergebnisse  gezeitigt.  Dass  wir  auf  dem  bisher 
in  der  Herzkinematographie  begangenen  Wege  überhaupt 
zum  Ziel  kommen  werden,  erscheint  fraglich. 

Die  wirtschaftlichen  Vorteile  der  beschriebenen  Methode 
sind  durch  folgende  Tatsachen  gegeben:  Man  benötigt  zur 
Aufnahme  nur  einen  Film  oder  eine  Platte  40X50  und  einen 
oder  zwei  Verstärkungsschirme  gleicher  Grösse,  die  zur  Aus¬ 
rüstung  jedes  Röntgenologen  gehören;  Sonderanschaffung 
von  Verstärkungsschirmen  zur  Kinographie  ist  unnötig.  Der 
Anschaffungspreis  des  auch  für  andere  röntgenologische 
Zwecke  als  Aufnahmestativ  im  Stehen  und  Liegen  dienenden 
Apparates  ist  geringer  als  der  eines  Bioröntgenographen. 
Man  spart  Zeit:  nur  ein  Film  ist  einzulegen  und  zu  entwickeln. 
Endlich  kann  man  Serienaufnahmen  in  Bauchlage  machen, 
was  bisher  nicht  möglich  war,  unter  Umständen  aber,  auf  die 
hier  nicht  eingegangen  werden  kann,  von  Wert  ist. 

Der  Aufnahmeapparat  stellt  zurzeit  noch  ein  Provisorium 
dar;  er  wird  für  den  allgemeinen  Gebrauch  weiter  aus¬ 
gebaut. 

Aus  der  grossen  Zahl  der  von  mir  aufgenommenen  Bilder¬ 
folgen  seien  vier  Serien  wiedergegeben. 


Serie  A. 


Serie  A  stellt  6  Aufnahmen  aus  dem  Bewegungsablauf  eines 
gesunden  Männermagens  dar.  Die  Bilder  wurden  in  22  Sekunden 
bei  60  cm  Fokusplattenabstand  als  Momentaufnahmen  nach  der  üb¬ 
lichen  Vorbereitung  im  Stehen  aufgenommen.  Die  Bilder  verstehen 
sich  an  Hand  unserer  früheren  Erklärungen  des  Vorganges,  auf  die 
hier  verwiesen  sei,  von  selbst. 

Serie  B  zeigt  9  Bilder  des  gleichen  Magens  in  Bauchlage. 
Der  Magen  liegt  hoch  und  schräg  im  Leibe,  der  Uebergang  des 
ab-  und  aufsteigenden  Magenschenkels  ineinander  erfolgt  -  -  im 
Gegensatz  zum  Magen  im  Stehen  —  nicht  spitz-,  sondern  rund- 
bogenförmig,  besonders  auf  Seiten  der  kleinen  Kurvatur.  Die  Wellen¬ 
berge  haben  flach  gewölbte  Rücken.  Im  übrigen  aber  verläuft  der 
Entleerungsvorgang,  wie  durch  diese  Bilder  zum  ersten  Male  nach¬ 
gewiesen  wird,  in  Bauchlage  wesentlich  in  der  gleichen  Weise  wie  im 
Stehen.  Man  erkennt  die  Formveränderung  des  pylorusnahen  Magen¬ 
teils,  das  peristaltische  Weiterwandern  der  Einschnürung  a-b  (des  alten 
„Sphinkter  antri“  pyloruswärts  (P  =  Pylorus),  hinter  der  sich  in 
bekannter  Weise  eine  neue  antrale  Formation  entwickelt.  Schlies¬ 
sung  und  Oeffnung  des  Pylorus  und  Schwankungen  seiner  Weite  sind 
auf  den  Bildern  besonders  schön  zu  sehen. 


2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  7. 


348 


Serie  B. 


Serie  C. 


Serie  D. 


Serie  C  gibt  6  Aufnahmen  wieder  aus  dem  Bewegungsablauf 
eines  hochgradig  ptotischen  weiblichen  Magens  im  Liegen.  Die 
Aufnahmen  wurden  bei  60  cm  Fokusplattenabstand  in  22  Sekunden 
hergestellt.  Der  hochgradige  Langmagen  behält  seine  Angelhaken¬ 
form  auch  im  Liegen  bei.  Der  Bewegungsablauf  vollzieht  sich  in 
ganz  ähnlicher  Weise  wie  im  Stehen.  Man  erkennt  deutlich,  wie 


die  „Sphinkter  antri“  genannte  Einschnürung  (a.  b)  über  die  Regio 
pylorica  des  Magens  abläuft,  diese  entleerend.  Nächst  dem  Py 
lorus  (P)  erreicht  die  tiefe  Einschnürung  dadurch,  dass  oral  gelegene 
Magenteile  zusammengezogen  bleiben,  bei  peristaltischem  Weiter¬ 
laufen  der  Kontraktion  pyloruswärts,  besondere  Breite.  Man  sieht, 
ganz  entsprechend  unseren  früheren  Beobachtungen,  „wie  sich  das 
alte  Antrum  im  letzten  Stadium  seines  Bestehens  durch  Zusammen¬ 
legen  seiner  Wandung  entleert“. 

S  e  r  i  e  D.  Die  9  Phasenbildcr  stellen  Bewegungen  des  distalen 
Teiles  eines  hochgradigen  weiblichen  Langmagens  im  Stehen  dar. 
Die  Serie  wurde  in  22  Sekunden  aufgenommen.  Bild  1,  2,  3  und  9 
der  Folge  zeigen  eigenartig  atypische  Kontraktionserscheinungen  auf 
Seiten  der  kleinen  Kurvatur  der  Regio  praepylorica  des  Magens  bei 
offenem  Pylorus  (P);  Bild  4  und  5  in  bekannter  Weise  normale 
Peristaltik  pylorusnaher  Magenteile.  Man  achte  auf  das  Auftreten' 
der  Einschnürungen  a  und  b  auf  Bild  9,  nachdem  2 j •>  Sekunden 
zuvor  der  Magen  die  Form  eines  Beutels  gezeigt  hatte. 

Es  würde  zu  weit  führen,  auf  Einzelheiten  der  Bilder 
näher  einzugehen;  sie  sollten  neben  dem  Interesse,  das  sie  an 
sich  zu  bieten  vermögen,  in  erster  Linie  den  Beweis  für  die 
Brauchbarkeit  der  neuen  Methode  erbringen. 

Der  praktischen  Ausführung  meiner  Entwürfe  lieh  der 
Techniker  der  Kuranstalt  Neu-Wittelsbach,  S  p  i  n  d  1  e  r,  seine 
Geschicklichkeit.*) 

In  der  Sitzung  des  Münchener  ärztlichen  Vereins  vom  4.  XII.  12: 
habe  ich  das  Wesen  der  neuen  Methode  und  des  zu  ihrer  Durch¬ 
führung  nötigen  Apparates  besprochen  und  eine  grössere  Anzahl  von 
Diapositiven  nach  Originalplatten  vorgeführt. 


Lieber  Operationen  im  Blaseninnern  mit  Hilfe  von 
Hochfrequenzströmen. 

Von  Dr.  med.  G.  Bucky  und  Dr.  Ernst  R.  W.  Frank 

in  Berlin. 

I.  Technischer  Teil. 

Von  Dr.  med.  G.  Bucky  in  Berlin. 

Auf  Grund  der  mannigfaltigen  Vorteile,  die  das  Operierer 
mit  Hilfe  der  Hochfrequenzströme  (Fulguration,  Thermopene- 
tration  etc.)  bietet,  lag  es  nahe,  dasselbe  Verfahren  in  det 
Blase  anzuwenden,  denn  gerade  die  Vorzüge,  die  diese  Me¬ 
thode  hat,  nämlich  das  Operieren  ohne  Blutverlust,  die  Ver¬ 
meidung  jeder  Infektionsgefahr,  sind  für  Operationen  in  dei 
Blase  von  allergrösstem  Wert.  Zwar  hat  man  schon  sei 
langer  Zeit  mit  der  Glühschlinge  in  der  Blase  gearbeitet;  aucl 
stellt  das  neue  Verfahren  durchaus  nichts  wesentlich  andere; 
dar:  der  Effekt  dabei  bleibt  hier  wie  dort  eine  Zerstörung  de; 
Gewebe  mittelst  Hitze.  Trotzdem  sind  aber  die  Hochfrequenz 
ströme  dem  Paquelin  weit  überlegen  und  zwar  aus  folgender 
Gründen: 

Zunächst  fällt  bei  den  Hochfrequenzströmen  jede  strah 
lende  Wärme  fort,  so  dass  unangenehme  Nebenwirkungei 
viel  besser  vermieden  werden  können  wie  bisher.  Ferne 
kann  die  Hitzewirkung  bedeutend  weiter  getrieben  werdei 
als  bei  der  Glühlampe,  drittens  ist  die  Lokalisation  de 
Wirkung  bedeutend  erleichtert  und  dadurch  ist  es  möglicl 
geworden,  an  einer  beliebigen  Stelle  des  Blaseninnern  di 
Hochfrequenzströme  wirken  zu  lassen,  wo  dies  bisher  ent 
weder  unmöglich  oder  mit  grossen  Schwierigkeiten  verknüpf 
war.  Der  Hauptvorzug,  der  den  Hochfrequenzströmen  de 
grössten  Vorsprung  vor  der  bisherigen  Methode  verleiht,  is 
die  geradezu  wunderbar  feine  Dosierung  der  Hitzewirkung 

Es  sind  namentlich  in  der  letzten  Zeit  eine  Reihe  vo 
Publikationen  über  das  in  Frage  stehende  Thema  erschiene 
die  es  ratsam  erscheinen  lassen,  die  Vorgänge  bei  der  An 
Wendung  der  Hochfrequenzströme  hier  etwas  näher  zu  be 
trachten,  da  in  vielen  Köpfen  mancherlei  Irrtümer  und  viel 
Unklarheiten  selbst  bei  Leuten,  die  sich  mit  der  Materie  nähe) 
befasst  haben,  zu  spucken  scheinen. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  von  Grund  auf  die  Entstehun 
und  das  Wesen  der  Hochfrequenzströme  auseinanderzusetzei 
Es  sollen  hier  nur  in  aller  Kürze  die  Haupteigenschaften  diesU 
Ströme  gekennzeichnet  werden,  soweit  sie  für  unser  Them 
von  Wichtigkeit  sind. 

Bekanntlich  stellen  die  Hochfrequenzströme  Wechse 
ströme  von  enorm  hoher  Schwingungszahl  dar,  und  zwar  bc 

*)  Der  Apparat  wird  von  der  „Polyphos“,  E.  Q.  m.  b.  H„  hie 
I  gebaut  werden. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


349 


ragen  diese  Schwingungen  bis  zu  mehreren  Millionen  pro 
Sekunde.  Derartige  Ströme  verhalten  sich  in  Bezug  auf  ihre 
^egulierbarkeit  analog  den  elektrischen  Strömen  wie  wir  sie 
,onst  in  der  Medizin  und  im  täglichen  Leben  anwenden.  Wie 
die  elektrischen  Ströme  fallen  auch  die  Hochfrequenzströme 
mter  die  allgemein  geltenden  elektrischen  Gesetze.  Das  heisst, 
uieh  die  Hochfrequenzströme  setzen  sich  mehr  oder  weniger 
u  Wärme  um  je  nach  dem  O  h  m  sehen  Widerstand,  den  sie 
iberwinden  müssen.  Der  menschliche  Körper  bietet,  ganz 
illgemein  gesprochen,  dem  elektrischen  Strom  einen  hohen 
Widerstand,  infolgedessen  wird  sich  im  Körper  ein  relativ 
grosser  Teil  des  durchfliessenden  elektrischen  Stromes  in 
Wärme  Umsetzern  Dieses  ganz  allgemein  geltende  Gesetz 
st  die  Basis  für  die  Zerstörung  von  Geweben  mit  Hilfe  von 
lochfrequenzströmen.  Warum  ist  es  nun  nötig  oder  zweck- 
nässig. .  gerade  Hochfrequenzströme  und  nicht  unsere  alltäg- 
ichen  Gleichströme  oder  Wechselströme  zu  benutzen?  Die 
Antwort  auf  diese  Frage  ergibt  sich  von  selbst,  wenn  man 
die  Eigentümlichkeit  der  Hochfrequenzströme,  ihre  Richtung 
so  eminent  oft  in  der  Zeiteinheit  zu  wechseln,  in  Betracht 
zieht.  Durch  diesen  enormen  Wechsel  ist  nämlich  der  elek¬ 
tische  Strom  nicht  mehr  imstande,  irgendwelche  nennens¬ 
werte  chemische  Nerven-  oder  Muskelwirkungen  auszulösen. 
Man  kann  sich  das  so  vorstellen,  als  ob  die  betreffenden 
jhemischen  Reaktionen  dem  elektrischen  Strom  ein  zu  grosses 
Trägheitsmoment  entgegensetzen,  so  dass  bereits  vor  dem 
hintritt  der  Reaktion,  zu  dem  eine  gewisse  Zeit  notwendig  ist, 
Jer  Strom  seine  Richtung  geändert  hat  und  mithin  seine 
Wirkung  gerade  umgekehrt  hat. 

Ein  solcher  Strom  wird  vom  Körper  infolgedessen  aus¬ 
schliesslich  in  seiner  Wärmewirkung  empfunden.  Während 
wir  z.  B.  bei  Gleichstrom  imstande  sind,  nur  wenige  tausendstel 
Ampere  durch  den  Körper  zu  schicken,  da  bei  höheren  Strom¬ 
stärken  unerträgliche  Reizerscheinungen  auftreten,  können 
wir  Hochfrequenzströme  bis  zu  2  und  3  Ampere  anwenden, 
üine  dass  der  Patient  eine  andere  Empfindung  hätte  als  die 
ler  Wärme.  Wie  wesentlich  die  Erhöhung  der  Stromstärke 
iir  die  entwickelte  Wärme  ist,  geht  aus  dem  Joule  sehen  Ge¬ 
setz  hervor,  welches  besagt,  dass  die  während  der  Zeiteinheit 
■ntwickelte  Wärmemenge  dem  Widerstand  des  Drahtes  und 
.lern  Quadrat  der  Stromstärke  direkt  proportional  ist. 
demnach  wird  also  bei  verdoppelter  Stromstärke  die  Wärme¬ 
entwicklung  vervierfacht. 

Selbstverständlich  ist  es  möglich,  Hochfrequenzströme 
von  verschiedenen  Spannungen  zu  erzeugen  und  es  fragt  sich 
um,  ob  es  für  den  vorliegenden  Zweck  ratsam  ist,  eine  hohe 
)der  eine  niedrige  Spannung  zu  benutzen.  Je  höher  die 
Spannung  ist,  um  so  besser  wird  ein  Widerstand  überwunden, 
tiithin  also  wird  sich  eine  geringere  Menge  des  Stromes  bei 
gleichbleibendem  Widerstand  in  Wärme  mnsetzen,  wenn  der 
Jurchfliessende  Strom  eine  höhere  Spannung  erhält.  Geht 
>chon  daraus  hervor,  dass  es  zweckmässig  ist,  Hochfrequenz- 
Aröme  von  niedriger  Spannung  zur  Anwendung  zu  bringen, 
so  kommt  noch  als  wesentliches  Unterstützungsmoment  dafür 
linzu,  dass  der  höher  gespannte  Strom  einerseits  dazu  neigt, 
loch  noch  eine  Nervenwirkung  auszuüben  und  andererseits 
Jie  Funkenbildung  begünstigt,  wenn  die  Elektroden  nicht  ab¬ 
solut  fest  dem  Körper  anliegen.  Diese  erhöhte  Funkenbildung 
beeinträchtigt  auch  bis  zum  gewissen  Grade  die  Sicherheit 
ler  Lokalisation  der  Wirkung. 

Nach  dem  oben  angeführten  Joule  sehen  Gesetz  ist 
erner  die  Wärmeentwicklung  in  der  Zeiteinheit  direkt  pro¬ 
portional  dem  Widerstand  des  betreffenden  Körpers.  Der 
W  iderstand  seinerseits  ist  direkt  proportional  der  Länge  und 
imgekehrt  proportional  dem  Querschnitt  des  betreffenden 
eiters.  Danach  muss  also  die  Wärmeentwicklung  dort  am 
grössten  sein,  wo  der  Querschnitt  des  betreffenden  Leiters  am 
feinsten  ist.  Tatsächlich  ist  dieses  Gesetz  direkt  am  mensch- 
ichon  Körper  nachweisbar.  Schickt  man  mit  Hilfe  zweier  ge¬ 
wöhnlicher  Handelektroden,  wie  sie  auch  bei  der  Faradisation 
gebräuchlich  sind,  Hochfrequenzströme  von  einer  Hand  durch 
len  Körper  zur  anderen  Hand  des  Patienten,  so  tritt  nicht 
illein  die  erste  Erwärmung  in  den  Handgeleken  auf,  sondern 
Je  steigert  sich  auch  an  diesen  Stellen  am  meisten. 
Tnd  zwar  nur  weil  hier  der  Strom  genötigt  ist,  den  kleinsten 
.Verschnitt  zu  passieren. 


Je  nach  der  Grösse  der  gewählten  Elektroden  und  ent¬ 
sprechend  dem  Körperquerschnitt  wird  der  Wärmeeffekt  ein 
anderer  werden.  Legt  man  wie  in  Fig.  1  gleich  grosse  Elek- 

Qi 


Fig.  1. 


troden  (El.  El)  an  einen  gleichbleibenden  Körperquerschnitt 
(Q  1)  an,  so  verlaufen  die  Stromlinien  parallel  zueinander  in 
gleichbleibender  Entfernung,  d.  h.  der  Körperteil  wird  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  gleichmässig  erwärmt.  Weist  jedoch  der 
Körperquerschnitt  (Fig.  2)  an  einer  Stelle  eine  Einschnürung 


(Q  2)  auf,  so  werden  sich  die  Stromlinien,  die  von  den  gleich¬ 
grossen  Elektroden  E  2,  E  2  ausgehen,  bei  Q  2  zusammeu- 
drängen  müssen,  wobei  an  dieser  Stelle  die  grösste  Erwär¬ 
mung  resultiert.  Anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  wenn 
man  die  Elektroden  kleiner  wählt,  als  den  kleinsten  Körper¬ 
querschnitt.  In  Fig.  3  erreichen  die  Elektroden  E  3,  E  3  nicht 


die  Grösse  des  kleinsten  Körperquerschnittes  Q3;  infolge¬ 
dessen  wird  die  Wärmeentwicklung  und  auch  die  Wärme- 
empfindung  bei  a  kleiner  sein  als  an  den  Auflagestellen  der 
Elektroden.  Es  ist  derselbe  Vorgang  wie  in  Fig.  4,  wo  die 


Q4 


Elektroden  kleiner  gewählt  sind,  als  der  gesamte  Körperquer¬ 
schnitt.  Auch  hier  muss  der  grösste  Effekt  an  den  Elektroden 
entstehen.  Analog  der  Wärmesteigerung  bei  Verkleinerung  des 
Querschnittes,  tritt  eine  erhöhte  Wirkung  bei  Verkleinerung 
einer  Elektrode  ein.  In  Fig.  5  ist  an  dem  Querschnitt 


Q  5 


Q  5  eine  kleine  Elektrode  einer  grösseren  gegenüber  angelegt. 
Die  Folge  der  Grössendifferenz’  ist  die  Zusammendrängung  der 
Stromlinien  im  Bereich  der  kleinen  Elektrode.  Je  kleiner  man 
diese  wählen  wird,  um  so  grösser  wird  die  Hitzeentwicklung 
in  deren  Umgebung.  Den  höchsten  Wärmegrad  erreicht  man 
demgemäss  mit  einer  punktförmig  anliegenden  Elektrode,  z.  B. 
mit  einer  Nadel,  während  an  der  grossen  Gegenelektrode  so 
gut  wie  keine  Wärme  auftritt.  Diese  enorme  Verengerung 


350 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHR1F' 


des  Strombettes  hat  im  Gefolge,  dass  an  der  verengten  Stelle 
eine  so  gewaltige  Wärmesteigernng  stattfindet,  dass  fast 
momentan  eine  Verschorfung  der  Gewebe  an  dieser  Stelle 
resultiert.  Allein  durch  die  Wahl  der  Grösse  der  Elektroden 
hat  man  es  einerseits  an  der  Hand,  die  Wärmeentwicklung 
so  zu  variieren,  dass  alle  Grade  der  Einwirkung  von  der 
leichten  Hyperämie  zur  Koagulation  des  Eiweisses  und  endlich 
bis  zur  Verschorfung  der  Gewebe  erreicht  werden  können. 
Andererseits  kann  selbstverständlich  die  Wärmeentwicklung 
durch  Variierung  der  Stromstärke  verschieden  dosiert  werden. 

Was  nun  die  praktische  Ausführung  der  Methode  anlangt, 
so  sollen  hier  nur  die  Anwendungsnamen,  die  für  Blasen¬ 
operationen  in  Betracht  kommen,  dargestellt  werden.  Man 
geht  zweckmässig  so  vor,  dass  man  an  irgend  einer  Stelle  des 
Körpers  des  Patienten  eine  möglichst  grosse  Elektrode  (die 
jedoch  nicht  grösser  als  200  qcm  zu  sein  braucht)  anlegt. 
Diese  Elektrode  wird  mit  der  einen  Klemme  des  Hochfrequenz¬ 
apparates  0  verbunden,  mit  der  zweiten  Klemme  bringt  man 
eine  kleine  Elektrode  in  leitende  Verbindung,  die  in  Form  eines 
Bougies  in  das  zu  benutzende  Operationszystoskop  eingeführt 
wird.  Die  Blase  wird  vorher  mit  einer  Salzlösung  ge¬ 
füllt,  da  so  am  besten  Funkenbildung  vermieden  wird. 
Unter  Leitung  des  Auges  wird  jetzt  die  kleine  Elektrode  in 
feste  Berührung  gebracht  mit  derjenigen  Stelle  der  Blasen¬ 
wand,  die  der  Operation  unterzogen  werden  soll,  wenn  man 
nun  den  schwächsten  Strom  einschaltet  und  nach  und  nach 
die  Stromstärke  erhöht,  so  gelingt  es  leicht,  die  Wirkung  der 
Wärmeentwicklung  zu  kontrollieren.  Es  tritt  zunächst  eine 
weissliche  Verfärbung  in  der  Umgegend  der  Elektrode  auf; 
es  ist  dies  das  Zeichen  für  die  Koagulation  der  umliegenden 
Gewebe.  Steigert  man  den  Strom  noch  weiter,  so  gerät  das 
Wasser,  welches  die  weisslichen  Stellen  berührt,  in  Wallung, 
weil  hier  die  Hitze  100°  C  erreicht  hat.  Dabei  auftretende 
Blasen  sind  nicht  etwa  auf  die  elektrolytische  Wirkung  des 
Stromes  zurückzuführen,  sondern  sind  ausschliesslich  der  Aus¬ 
druck  für  das  Kochen  des  Wassers.  Ist  die  Hitze  soweit  ge¬ 
steigert,  dass  an  der  Berührungsstelle  der  Elektrode  das  Ge¬ 
webe  verschorft  ist,  dann  bildet  dieser  Schorf  einen  hohen 
Widerstand  für  den  Strom.  Der  Strom  wird  unterbrochen, 
es  wird  an  dieser  Stelle  ein  Funkenüberschlag  sichtbar,  wobei 
nunmehr  auch  elektrolytische  Wirkungen  auftreten.  Nur  im 
Falle  der  Verschorfung  beginnt  die  Elektrode  dem  Gewebe 
adhärent  zu  werden,  während  bei  der  einfachen  Koagulation 
ein  Kleben  der  Elektrode  am  Gewebe  nicht  stattfinden  darf. 

Je  nachdem,  ob  man  eine  Oberflächenwirkung  oder  eine 
Tiefenwirkung  erreichen  will,  wird  man  die  Grösse  der  Elek¬ 
trode  zu  wählen  haben.  Je  spitzer  die  Elektrode,  um  so 
grösser  ist  die  Oberflächenwirkung.  Je  breiter  die  Elektrode, 
um  so  grösser  ist  die  Strommenge  und  also  auch  die  Tiefen¬ 
wirkung. 

Handelt  es  sich  z.  B.  um  einen  gestielten  Tumor  der  Blase, 
so  stellen  sich  die  Verhältnisse  ähnlich  dar  wie  in  Fig.  2.  In 
Fig.  6  sei  B  die  Blasenwand,  T  ein  Tumor,  der  der  Blasen¬ 


wand  mit  dem  Stiel  S  aufsitzt.  Die  Elektrode  E  sitzt  dem 
Tumor  breit  auf.  Bei  dieser  Anordnung  werden  die  Strom¬ 
linien  von  der  indifferenten  grossen  Elekrode  aus  durch  den 
Körper  von  überall  her  eintreten.  Um  nun  zur  kleinen  Elek¬ 
trode  E  zu  gelangen,  sind  die  Stromlinien  genötigt,  den  Eng¬ 
pass  des  Stieles  S  zu  passieren.  Es  geschieht  dasselbe  wie 

*)  Wir  haben  ständig  mit  dem  Siemens  &  Halsk  eschen 
Diathermieapparat  gearbeitet,  der  uns  ohne  jede  Störung  recht  gute 
Dienste  geleistet  hat. 


No.  7. 


oben  in  Fig.  2  gezeigt  worden  ist.  An  der  Stelle  der  Ein¬ 
schnürung  entwickelt  sich  die  grösste  Hitze.  Der  Stiel  wird 
in  seinem  ganzen  Querschnitt  koaguliert,  die  Blutzirkulation 
zum  Tumor  und  damit  die  Ernährung  des  Tumors  wird  unter¬ 
brochen  und  nach  wenigen  Tagen  stösst  sich  der  Tumor 
spontan  ab. 

Es  ist  von  verschiedenen  Autoren  bei  derartigen  Blasen¬ 
operationen  so  vorgegangen  worden,  dass  sie  die  Elektrode 
nicht  direkt  dem  Tumor  aufsetzten,  sondern  mit  dem  über¬ 
springenden  Funken  operierten.  Diese  Methode  ist  absolut 
unzweckmässig,  da  erstens  aus  dem  Obigen  hervorgeht,  dass 
damit  ausschliesslich  eine  Oberflächenwirkung  erzielt  werden 
kann,  ferner  tritt  sehr  schnell  eine  lokale  Erhitzung  auf,  die 
das  Wasser  zum  Aufkochen  bringt.  Hierdurch  wird  jedoch  das 
Bild  wesentlich  getrübt  und  nicht  allein,  dass  der  lokale 
Befund  dadurch  schwerer  zu  erheben  ist,  tritt  schnell 
durch  losgelöste  Gewebsteilchen  und  durch  Koagulation  von 
herumflottierenden  Eiweisskörperchen  eine  Trübung  des 
Wassers  und  dadurch  eine  Störung  des  Bildes  ein.  Ein  wei¬ 
terer  grosser  Nachteil  der  Methode  mit  dem  überspringenden 
Funken  ist  der,  dass  man  genötigt  ist,  um  den  grösseren 
Widerstand  zu  überwinden,  eine  grössere  Spannung  zu  be¬ 
nutzen.  Diese  grössere  Spannung  führt  nicht  nur  leicht  zur 
unnötigen  Irritation  des  Patienten,  durch  auftretende  Nerven¬ 
reizungen  etc.,  sondern  sie  bedingt  auch  noch  eine  grössere 
Stromstärke.  Funkenbildung  erzeugt  ausserdem  unbedingt 
faradisches  Gefühl.  Alle  diese  Momente  zusammengenommen, 
schädigen  die  feinere  Dosierung  und  das  Sicherheitsgefühl, 
welches  durch  die  klare  Beobachtung  resultiert.  Arbeitet  man 
dagegen  mit  fest  aufgesetzter  Elektrode  und  niedriger  Span¬ 
nung,  so  werden  alle  diese  Uebel  von  vorneherein  bis  auf  ein 
Mindestmass  beschränkt. 

Es  ist  von  anderer  Seite  betont  worden,  dass  die  Gefahr 
der  Blasenruptur  eine  grosse  sei,  da  man  ja  nicht  wisse,  ob 
man  nicht  auch  eine  Koagulation  der  Blasenwand  setze.  Diese 
Gefahr  besteht  jedoch  nur  in  sehr  geringem  Masse,  da  wir 

1.  imstande  sind,  bei  langsamem  Vorgehen  den  Vorgang  genau 
zu  verfolgen  und  da  2.  die  Blasenwand  als  solche  den  Strom¬ 
linien  eine  Ausdehnung  nach  allen  Seiten  gestattet,  womit 
natürlich  die  Verteilung  der  Wärmeentwicklung  auf  eine 
grosse  Fläche  resultiert.  Ist  diese  Gefahr  bei  breitbasig  auf¬ 
sitzenden  Tumoren  völlig  ausser  acht  zu  lassen,  so  ist  sie  doch 
nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen  bei  Tumoren,  deren  Stiel 
gerade  in  der  Blasenwand  seinen  engsten  Querschnitt  hat. 
Einerseits  werden  nun  derartige  Verhältnisse  äusserst  selten 
sein  und  andererseits  kann  es  bei  vorsichtigem  Vorgehen 
auch  in  diesem  ungünstigen  Falle  nur  in  den  obersten  Schichten 
des  Blasenepithels  zur  Koagulation  kommen,  weil  ja  in  den 
unteren  Schichten  die  Stromlinien  wieder  bereits  die  Gelegen¬ 
heit  haben,  sich  nach  allen  Seiten  auszubreiten. 

Die  Grundsätze  für  die  Anwendung  der  Hochfrequenz¬ 
ströme  in  der  Blase  sind  kurz  zusammengefasst  folgende: 

1.  Die  Anwendung  der  Hochfrequenzströme  für  Ope¬ 
rationen  in  der  Blase  ist  der  Anwendung  der  Glühschlingen  etc. 
überlegen  einerseits  durch  die  Möglichkeit  der  feineren  Do¬ 
sierung  der  Koagulation  und  andererseits  durch  die  feinere 
Lokalisationsmöglichkeit  der  Wirkung. 

2.  Die  Hochfrequenzströme  sollen  eine  möglichst  niedrige 
Spannung  haben,  da  dadurch  das  Bild  ein  klareres  bleibt  und 
eine  bessere  Tiefenwirkung  garantiert  ist.  Ferner  wird  durch 
höhere  Spannung  der  Patient  leicht  irritiert,  weil  dabei  Nerven- 
etc. -Reizungen  leichter  auftreten  können. 

3.  Für  Oberflächenwirkungen  sind  möglichst  spitze,  für 
Tiefenwirkungen  möglichst  flächenhafte  Elektroden  zu  ver¬ 
wenden. 

4.  Die  Gefahr  der  Blasenverletzungen  als  Ursache  für 
Blasenruptur  ist  eine  geringe,  vorausgesetzt,  dass  die  Technik 
eine  richtige  ist. 

II.  Klinischer  Teil. 

Aus  der  Urologischen  Klinik  von  Dr.  Ernst  R.  W.  Frank 

in  Berlin. 

Die  von  Edwin  Beer -New  York  im  Zentralbl.  f.  Chir., 
1910,  No.  34  veröffentlichte  Mitteilung  über  die  Behandlung 
von  Blasentumoren  mittels  des  Hochfrequenzstromes  ver- 
anlasste  mich,  die  Methode  meinerseits  nachzuprüfen.  Oe- 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENLR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


351 


egenheit  dazu  bot  mir  ein  Patient,  welcher  neben  einer  Pro- 
itatahypertrophie  mässigen  Grades  an  multiplen  Blasen- 
Kipillomen  litt.  Der  Fall  war  besonders  dadurch  kompliziert, 
lass  eine  Anzahl  bis  walnussgrosser  Papillome  ihren  Sitz  im 
llasenhalse  hatte  und  bis  in  die  Pars  prostat.  hineinragte.  Der 
Datient  hatte  lange  Zeit  an  schweren  Blasenbildungen  gelitten, 
dir  die  Behandlung  mit  dem  Operationskystoskop  sind  der- 
irtig  lokalisierte  Tumoren  völlig  unzugänglich.  Auch  durch 
lie  Sectio  alta  sind  sie  schwer  erreichbar,  und  die  zu  ihrer 
adikalen  Entfernung  nötige  Schleimhautresektion  hat  überaus 
ästige  und  langwierige  Blasenhalsstrikturen  im  Gefolge.  Dazu 
lonimt  noch  die  Häufigkeit  des  Rezidivs  nach  blutigem  Ein¬ 
griff.  Gerade  dieser  Fall  schien  mir  ein  ausserordentlich  ge¬ 
eignetes  Probeobjekt  für  die  Leistungsfähigkeit  und  Nützlich- 
<eit  der  Hochfrequenzströme  zu  sein.  Da  ich  selbst  über 
erforderliche  Apparatur  nicht  verfüge,  wandte  ich  mich  an 
Herrn  Dr.  B  u  c  k  y,  welcher  mir  seinen  Apparat  zur  Er¬ 
zeugung  von  Hochfrequenzströmen  bereitwilligst  zur  Ver¬ 
fügung  stellte.  Ich  verfuhr  nach  dem  Vorschläge  B  e  e  r  s  in 
Jer  Weise,  dass  ich  eine  Hochfrequenzelektrode  durch  den 
Kanal  eines  Ureterenkystoskops  in  die  Blase  einführte,  während 
die  äussere  Elektrode  auf  dem  Oberschenkel  des  Patienten 
appliziert  wurde.  Es  wurde  dann  mittelst  des  A  1  b  a  r  r  a  n  - 
when  Hebels  das  Knöpfchen  der  biegsamen  Elektrodensonde 
.m  eines  der  Papillome  direkt  herangebracht  und  ein  Strom 
von  0.3  Ampere  eingeleitet. 

Die  am  14.  August  1911  vorgenommene  Prozedur  war  für  den 
Jatienten  in  keiner  Weise  schmerzhaft  und  nur  dadurch  von  einer 
tanz  geringen  Blutung  begleitet,  dass  vor  Einleitung  des  Stromes 
;ich  beim  Bewegen  des  Kystoskopes  das  Sondenknöpfchen  unter 
druck  auf  der  Oberfläche  des  Tumors  hin  und  her  bewegt  hatte. 
Während  der  Wirkung  des  Stromes  konnte  man  deutlich  sehen,  wie 
las  Gewebe  an  der  Berührungsstelle  und  in  deren  Umgebung  in 
;igentümlicher  Weise  verändert  wurde.  Es  sah  genau  so  aus,  wie 
venn  rote  Fleischfasern  beim  Einbringen  in  kochendes  Wasser  eine 
ierinnung  ihres  Eiweissgehaltes  erleiden.  Man  sah  deutlich,  wie 
Schneeflocken  gleich  kleine  weisse  Partikel  auf  den  Blasenboden 
nnuntersanken. 

Am  nächstfolgenden  Tage  besteht  an  der  behandelten  Stelle  ein 
lacher  Defekt  von  der  Grösse  eines  Pfennigstückes,  welcher  deutlich 
lie  Koagulationswirkung  (weissliche  Verfärbung)  erkennen  lässt. 
\usserdem  gab  der  Patient  an,  etwas  leichter  urinieren  zu  können. 
Vorher  war  seine  Miktion  stets  erschwert  und  zuweilen  entstand 
.ine  komplette  Retention,  wenn  bei  dem  Miktionsakt  ein  Teil  der 
Tumoren  in  den  durch  die  Prostatahypertrophie  eingeengten  Blasen- 
lals  hineingepresst  wurde  und  so  einen  Verschluss  herbeiführte.  Vor 
ler  Hochfrequenzbehandlung  hatte  ich  das  Zustandekommen  völliger 
Jrinverhaltung  dadurch  beseitigt,  dass  ich  den  mittleren  Prostata¬ 
appen  im  Irrigations-Urethroskope  galvanokaustisch  durch¬ 
rennt  hatte.  Dass  trotzdem  Schwierigkeiten  beim  Miktionsakt  be- 
’tehen  blieben,  lag  eben  an  der  Eigenart  des  geschilderten  Sitzes 
ler  Geschwülste. 

In  Abständen  von  10 — 12  Tagen  nahm  ich  nun  an  benachbarten 
'teilen  die  Hochfrequenzbehandlung  immer  in  der  geschilderten  Weise 
ind  mit  dem  gleichen  Resultate  vor.  Am  18.  November  koagulierte 
ch  zum  ersten  Male  an  einem  der  rechts  belegenen  Tumoren  eine 
üwa  markstcükgrosse  Stelle  mit  einem  Strom  von  0,2  Ampere.  Dies- 
nal  war  der  Effekt  ein  erheblich  intensiverer.  Einigemale  klagte  der 
’atient  auch  über  leichte  elektrische  Schläge  an  der  Oberschenkel- 
lektrode.  Nach  3  Tagen  gibt  der  Patient  an,  das  Urinieren  sei  2  Tage 
ang  etwas  erschwert  und  die  Blase  sei  empfindlich  gewesen.  Nach 
veiteren  7  Tagen  lässt  sich  kystoskopisch  ein  etwa  %  des  Papilloms 
ntsprechender  Defekt  deutlich  erkennen  mit  einer  völlig  reaktions- 
osen  Umgebung.  Während  dieser  Zeit  stellte  sich  eine  markante 
Besserung  der  Blasenentleerung  ein. 

Infolge  einer  Pleuritis,  an  welcher  der  Patient  erkrankte,  erlitt 
lie  Behandlung  eine  längere  Unterbrechung.  Da  mit  der  knopf- 
"rmigen  Elektrode  immer  nur  relativ  kleine  Partien  koaguliert  wer¬ 
ten  konnten,  hatte  ich  mir  in  der  Zwischenzeit  von  der  Firma  S  i  e- 
nens  &  Halske  eine  flache,  messerförmige  Elektrode  herstellen 
assen,  welche  mittelst  des  Albarran  sehen  Hebels  so  gestellt 
•'erden  konnte,  dass  ihre  Fläche  parallel  der  Wand  des  Blasenhalses 
ind  ihre  Schneide  gegen  die  Basis  des  zu  behandelnden  Tumors  ge- 
ichtet  war.  Ich  hatte  diese  Konstruktion  der  Klinge  gewählt,  weil 
ch  mir  von  derselben  einen  erheblich  grösseren  Effekt  versprechen 
iurfte. 

Mit  diesem  Instrumentarium  nahm  ich  zuerst  am  9.  Januar  einen 
Angriff  vor.  Bei  dieser  Gelegenheit  bewährte  sich  auch  eine 
\enderung  im  Anschluss,  welche  die  Möglichkeit  faradischen 
iefiihles  an  der  Oberschenkelelektrode  ausschloss.  Während 
der  Operation  konnte  ich  auf  das  Deutlichste  feststellen,  dass 
-'S  mit  diesem  Instrument  gelang,  eine  erheblich  grössere  Partie 
les  Tumors  in  einer  Sitzung  zu  koagulieren.  3  Tage  später  gab 
ler  Patient  an,  eine  erhebliche  Erleichterung  beim  Urinakte  zu  spüren, 
:r  brauche  fast  gar  nicht  mehr  zu  pressen.  Sein  Restharn,  der  vor¬ 


her  immer  noch  zwischen  100  und  200  geschwankt  hatte,  betrug  nun¬ 
mehr  25  ccm.  Es  waren  weder  Blutungen  noch  irgendwelche  Be¬ 
schwerden  aufgetreten.  Die  Abbildung 
(Fig.  1)  zeigt  auf  das  Deutlichste  den 
Effekt  des  Eingriffes.  Es  besteht  ein 
rinnenförmiger  Defekt  in  der  Tumor¬ 
masse,  dessen  Ränder  leicht  verschont 
sind. 

Schon  nach  6  Tagen  nahm  ich  einen 
neuen  Eingriff  vor.  Wiederum  gelang  I 
es,  ein  anderes  Papillom  fast  voll-  » 
kommen  zu  zerstören.  Es  wurden  dann 
noch  4  weitere  Eingriffe  vorgenommen, 
welche  einigemale  von  geringen  Re¬ 
aktionen  gefolgt  waren.  Es  hatten  sich 
unter  ganz  leichten  Blutungen  in 
grösseren  Zwischenräumen  Gewebs- 

fetzen  entleert,  welche  immer  den  Effekt 
der  Koagulation  deutlich  zeigten.  Kysto¬ 
skopisch  konnte  man  die  koagulierten 
kennen  und  es  liess  sich  beobachten, 
zur  Gewebsschrumpfung  neigten,  so  dass  kleine,  an  der  früheren 
Stelle  der  Tumoren  noch  sichtbare  Hervorragungen  allmählich  völlig 
verschwanden.  Eine  im  September  vorgenommene  kystoskopische 
Untersuchung  liess  erkennen,  dass  alle  behandelten  Papillome,  also 
hauptsächlich  diejenigen  an  der  oberen  Zirkumferenz  entweder  ver¬ 
schwunden  oder  ganz  erheblich  verkleinert  waren.  Der  Restharn  ging 
in  der  ganzen  Zeit  nicht  mehr  über  50  ccm  hinaus  und  der  Patient 
war  mit  dem  erzielten  Erfolge  so  zufrieden,  dass  es  einiger  Ueber- 
redung  bedurfte,  um  ihm  plausibel  zu  machen,  dass  zur  Beseitigung 
der  noch  nicht  behandelten  Geschwülste  noch  mehrere  Sitzungen 
erforderlich  seien. 


Fig.  1. 

Partien  deutlich  er- 
dass  solche  Stellen 


Bei  einem  24  jährigen  Mädchen  hatte  sich  im  Anschluss  an  eine 
Blinddarmoperation  ein  Stein  um  eine  nach  der  Blasenwand  durchge¬ 
wanderte  Fadenschlinge  gebildet  und  unter  dem  Einfluss  der  Reibung 
dieses  fixierten  Konkrementes  war  dicht  an  der  rechten  Harnleiter¬ 
mündung  ein  grosser  gestielter  Polyp  gewachsen.  Auch  nach  Entfernung 
desSteines  zeigte  derPolyp,  wie  mehrere  kystoskopischeUntersuchun- 
gen  erwiesen,  die  Tendenz,  sich  zu  vergrössern.  Ich  koagulierte  den¬ 
selben  am  19.  Januar  mittels  Hochfrequenzstromes,  welchen  ich  in  der 
Stärke  von  0,3  Ampere  etwa  1  Vs  Minuten  einwirken  liess.  Die  koagu¬ 
lierende  Wirkung  war  sofort  sichtbar.  Eine  4  Wochen  später  vor¬ 
genommene  Untersuchung  zeigte,  dass  der  Polyp  vollkommen  ver¬ 
schwunden  und  an  der  Stelle  seines  früheren  Sitzes  eine  ganz  ober¬ 
flächliche,  kleine  Epithelnarbe  sichtbar  war. 

Ein  weiterer  Fall,  welchen  ich  in  diesem  Jahr  zu  behandeln 
Gelegenheit  hatte,  betrifft  einen  50  Jahre  alten  Herrn,  welcher  ein 
halbes  Jahr  zuvor  blutigen  Urin  bemerkt  und  gleichzeitig  ziehende 
und  stechende  Schmerzen  in  der  rechten  Blasenhälfte  empfunden 
hatte.  Beide  Symptome  hatten  sich  des  öfteren  wiederholt  und  in 
letzter  Zeit  den  Patienten  mehrfach  genötigt,  das  Bett  zu  hüten.  Bei 
der  kystoskopischen  Untersuchung  fand  ich  als  Ursache  der  genann¬ 
ten  Beschwerden  ein  haselnussgrosses  Papillom  oberhalb  der  linken 
Hai  nleitermündung  (Fig.  2). 

Am  25.  September  applizierte  ich  mittels  der  messerförmigen 
Elektrode  einen  Strom  von  0,3  Ampere  3  Minuten  lang  an  der  Basis 
und  an  der  Oberfläche  des  Tumors.  Der  sehr  empfindliche  Patient 
äusserte  ab  und  zu  ein  ganz  leichtes  Schmerzgefühl  in  der  Blase,  über 
das  er  auch  in  gleicher  Weise  bei  späteren  kystoskosichen  Unter¬ 
suchungen  klagte. 


Fig.  2.  Fig  3. 

Die  am  1.  Oktober  vorgenommene  Blasenbesichtigung  ergab  an 
Stelle  des  Papilloms  ein  völlig  koaguliertes  rundliches  Gebilde,  dessen 
nächste  Umgebung  eine  etwas  dunkle  Verfärbung  aufwies. 

Am  22.  X.  sieht  man,  dass  das  Papillom  völlig  verschwunden  ist. 
Man  erkennt  noch  die  Basis  des  Stieles,  welche  wie  gekochtes  Ei- 
weiss  aussieht.  Die  Umgebung  ist  in  der  Grösse  eines  Zweipfenuig- 
stiiekes  ganz  leicht  mit  weissern  Schorf  bedeckt  (Fig.  3).  Die  Be¬ 
schwerden  sind  völlig  verschwunden. 

10  Tage  später  ist  an  der  behandelten  Stelle  nur  noch  eine  ganz 
oberflächliche  Narbe  zu  erkennen.2) 

2)  Anm.  bei  der  Korrektur.  Ich  habe  seither  3  weitere  Fälle  mit 
gleich  guten  Ergebnissen  behandelt. 


352 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No, 


i 


Die  geschilderte  Methode  hat  vor  den  übrigen  zur  Ent¬ 
fernung  von  Geschwülsten  angegebenen  cndovesikalen  Me¬ 
thoden  den  Vorzug  technisch  leichterer  Ausführbarkeit.  Nach¬ 
blutungen  und  Infektionen  sind  bei  richtiger  Handhabung  völlig 
ausgeschlossen  und  die  Gefahr  einer  Perforation  der  Blase  ist 
keineswegs  grösser,  als  dies  bei  galvanokaustischem  Arbeiten 
der  Fall  ist.  Richtige  und  sachgemässe  Anordnung  der 
Elektrizitätsquellen  vorausgesetzt,  ist  die  Methode  für  den 
Patienten  kaum  mehr  angreifend  als  eine  einfache  kysto- 
skopische  Untersuchung.  Einige  Male  gaben  Patienten  an, 
das  Gefühl  eines  leichten  Brennens  empfunden  zu  haben. 
Nicht  unwesentlich  ist  auch  der  Umstand,  dass  abgesehen  von 
dem  leider  noch  kostspieligen  Anschlussapparat  für  den  Hoch¬ 
frequenzstrom,  besondere  Instrumente  nicht  erforderlich  sind, 
da  sich  die  in  Frage  kommenden  Elektroden  mit  Leichtigkeit 
durch  den  genügend  weiten  Kanal  eines  Ureterenkystoskops, 
wie  ihn  z.  B.  das  von  mir  konstruierte  Instrument  für  die 
doppelte  und  einseitige  Harnleitersondierung  aufweist,  durch¬ 
bringen  lässt. 

Schliesslich  weise  ich  darauf  hin,  dass  sich  operative  Ein¬ 
griffe  in  der  Harnröhre  und  ganz  besonders  im  prostatischen 
Teile  derselben  unter  Kontrolle  des  Auges  mit  Hilfe  von  Hoch¬ 
frequenzströmen  weit  einfacher  und  besser  als  auf  galvano¬ 
kaustischem  Wege  ausführen  lassen.  Ein  von  mir  zu  diesem 
Zwecke  angegebenes  Instrumentarium  wird  zurzeit  hergestellt. 


Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Universitätsklinik  zu  Berlin 
(Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  A.  Bier). 

Lieber  Aethertropfnarkosen  nach  vorheriger  Injektion 
von  Pantopon-Atropinschwefelsäure. 

Von  Dr.  Eugen  Kisch,  Volontärassistent  der  Klinik. 

Die  einfache  Aethertropfnarkose  hat  man  nach  zwei 
Richtungen  hin  wesentlich  verbessert:  einmal  durch  Injektion 
von  Morphium  (0,01)  vor  Beginn  der  Narkose,  und  zweitens 
durch  Sekretion  beschränkende  Mittel.  Durch  Morphium 
erreicht  man  psychische  Beruhigung  des  Patienten,  Ver¬ 
kürzung  oder  gar  Verhinderung  des  Exzitationsstadiums  und 
Beschränkung  des  Aetherverbrauches  auf  ein  Minimum.  Um 
die  Salivation,  den  hauptsächlichen  Nachteil  der  Aether- 
narkose,  zu  verhindern,  hat  Becker1)  dem  Aether  das 
sekretionsbeschränkende  Latschenöl,  Ol.  Pini  Pumilionis,  zu¬ 
gesetzt  und  zwar  20  Tropfen  auf  200  g  Aether.  Da  die  Wir¬ 
kung  des  Latschenöles  nicht  hinreichend  zuverlässig  war,  ver¬ 
suchte  man  durch  subkutane  Injektion  von  Mitteln,  welche 
energisch  die  Sekretion  beschränken,  die  lästige  Speichel¬ 
absonderung  bei  der  Narkose  zu  verhüten.  Mit  bestem  Er¬ 
folg  hat  man  Atropin,  sulf.  (0,001)  und  späterhin  auch  Scopola- 
min.  hydrobrom.  (0,0005)  verwandt.  Letzteres  wirkt  indi¬ 
viduell  recht  verschieden  und  ist  ausserdem  ein  keineswegs 
ungefährliches  Mittel;  daher  dürfte  das  Atropin  für  diese 
Zwecke  vorzuziehen  sein  2). 

Diese  Morphium-Atropin-Aethernarkose  ist  zweifellos 
recht  empfehlenswert.  Eine  weitere  Verbesserung  kann  man 
nach  unserer  Erfahrung,  über  die  im  Folgenden  berichtet 
werden  soll,  durch  Ersatz  des  Morphiums  durch  Pantopon 
und  des  Atropins  durch  Atropinschwefelsäure  bewirken. 

Pantopon 

teilt  nämlich  nicht  die  Nachteile  des  Morphiums,  die  in  Er¬ 
niedrigung  der  Pulszahl,  Verlangsamung  der  Atmung,  Herab¬ 
setzung  der  Darmperistaltik  und  oftmals  auftretendem  Er¬ 
brechen  bestehen. 

Auf  Grund  von  Tierversuchen  stellte  B  e  r  g  i  e  n 3)  fest, 
dass  im  Gegensatz  von  Morphium,  das  schon  in  geringen 
Mengen  (0,02)  ein  vorübergehendes  Sinken  der  Pulsfrequenz 
verursacht,  das  Pantopon  selbst  in  höheren  Dosen  (0,08)  keine 
sichtliche  Beeinflussung  der  Herztätigkeit  hervorruft. 

1)  W.  B.  Müller-  Berlin :  Narkologie. 

)  Ueber  erfolgreiche  Versuche,  die  Herr  Privatdozent  Dr.  D  o  - 

n  i  t  z  gemeinsam  mit  mir  ausgeführt  hat,  um  auch  bei  Kindern,  ja 
sogar  bei  Säuglingen  die  Salivation  zu  unterdrücken  und  somit  die 
sonst  so  häufig  auftretende  postoperative  fieberhafte  Bronchitis  zu 
verhindern,  werden  wir  bald  ausführlich  berichten. 

a)  Bergien:  Ueber  die  Beeinflussung  von  Atmung  und  Zirku¬ 
lation  durch  Pantopon.  Dissertation,  Bern  1910. 


Diese  Beobachtung  können  auch  wir,  soweit  das  Pantopon 
in  Betracht  kommt,  für  den  Menschen  bestätigen.  Denn  un¬ 
abhängig  von  der  Einwirkungsdauer  des  Pantopons  waren  die 
Durchschnittszahlen  der  Pulsfrequenz  vor  der  Einspritzung 
und  vor  Beginn  der  Narkose  in  der  bei  weitem  grössten  Zahl 
der  Fälle  gleich  und  zeigten  sonst  im  Durchschnitt  eine  Diffe¬ 
renz  von  3 — 5  Schlägen  in  der  Minute.  Dieser  geringe  Unter¬ 
schied  ist  wohl  auf  psychische  Erregung  zurückzuführen. 

Durch  vergleichende  Versuche  über  die  Einwirkung  des 
Pantopons  und  Morphiums  auf  die  Atmung  fand  A.  Loewy4), 
dass  Pantopon  das  Atemzentrum  beim  Hund  überhaupt  nicht, 
beim  Menschen  nur  in  geringem  Masse  beeinflusst,  während 
Morphium  die  Erregbarkeit  des  Atemzentrums  ganz  erheblich 
herabsetzt. 

Diese  deutlich  verschiedene  Einwirkung  des  Pantopons 
und  Morphiums  erklärt  L  o  e  w  y  damit,  dass  im  Pantopon 
neben  dem  Morphium  noch  Papaverin,  Kodein,  Narkotin. 
Thebain  und  Laudanin  enthalten  sind,  die  erregend  auf 
die  Rückenmarkszentren  —  also  auch  auf  das  Atemzentrum  - 
einwirken  und  somit  zum  Teil  die  lähmende  Wirkung  des 
Morphiums  aufheben. 

Während  Morphium  eine  Darmperistaltik  stark  herab¬ 
setzende  Wirkung  hat,  ist  das  bei  Pantopon  in  subkutaner 
Anwendung  nicht  der  Fall.  Diese  Beobachtung  konnten  wir 
um  so  einwandfreier  anstellen,  als  wir  auch  post  Operationen! 
zur  Schmerzlinderung  statt  Morphium  Pantopon  verabreichten. 
Bei  diesen  Patienten  gingen  im  Gegensatz  zu  solchen,  die 
Morphium  erhalten  hatten,  die  Blähungen  durchschnittlich  in 
den  ersten  24  Stunden  ab  und  zwar  ohne  besondere  Be¬ 
schwerden  zu  verursachen.  Dies  gilt  nur  für  die  subkutane 
Anwendung  des  Pantopons,  während  es  per  os  auf  nüchternen 
Magen  gereicht,  eine  ausgesprochene  Darmperistaltik  hem¬ 
mende  Wirkung  hat. 

Das  postoperative  Erbrechen  birgt  eine  nicht  zu  unter¬ 
schätzende  Gefahr  in  sich  sowohl  für  die  Nähte  wie  für  die 
Lunge.  Denn  einerseits  werden  durch  die  Würgbewegungen 
und  durch  die  dadurch  bedingte  Anspannung  der  Bauch¬ 
muskulatur  eine  oft  zu  grosse  Anforderung  an  die  Haltbarkeit 
der  eben  erst  gelegten  Nähte  gestellt  und  andererseits  liegt 
bei  den  noch  bewusstlosen  Patienten  die  Gefahr  sehr  nahe, 
dass  der  aus  dem  Magen  regurgitierte  Inhalt  in  die  Trachea 
gelangt.  Das  postoperative  Erbrechen  wird  aber  ausser  durch 
das  Inhalationsnarkotikum  sehr  oft  durch  das  zur  psychischen 
Beruhigung  des  Patienten  vor  der  Operation  verabreichte 
Morphium  bedingt.  Seitdem  wir  aber  zu  diesem  Zwecke  statt 
Morphium  Pantopon  injizieren,  hat  das  postoperative  Er¬ 
brechen  ganz  erheblich  abgenommen. 

Auf  die  Pupillen  hat  das  Pantopon  nach  unseren  Er¬ 
fahrungen  einen  nur  sehr  geringen  Einfluss  und  ruft,  je  länger 
es  einwirkt,  in  einem  desto  grösseren  Prozentsatz  der  Fälle 
trotz  des  gleichzeitig  verabfolgten  Atropins  eine  geringe  Ver¬ 
engerung  der  Pupillen  hervor. 

Wir  benutzten  ein  fertig  sterilisiertes  Präparat  in  Am¬ 
pullen,  von  denen  jede  0,02  Pantopon  +  0,001  Atropinschwefel¬ 
säure  enthielt.  Das  zu  den  Versuchen  notwendige  Material 
wurde  uns  von  der  Firma  Hoffmann-La  Roche  zur  Verfügung 
gestellt.  Wir  führten  diese  Injektion  in  300  Fällen  aus. 

Um  die  günstigste  Wirkungsdauer  des  Pantopons  zu 
finden  —  d.  h.  diejenige,  die  das  Exzitationsstadium,  das  Sta¬ 
dium  des  relativ  grössten  Aetherverbrauches,  während  der 
Narkose  verhindert  —  haben  wir  zu  den  verschiedensten 
Zeiten  nach  der  Injektion  mit  der  Narkose  begonnen.  Es 
zeigte  sich,  dass  die  beste  Wirkung  des  Pantopons  für  die 
Narkose  nach  einer  halben  Stunde  eintritt.  Unsere  Versuche 
zerfallen  demnach  in  solche,  bei  denen 

1.  unmittelbar, 

2.  früher  als  A,  Stunde, 

3.  genau  A,  Stunde, 

4.  später  als  Stunde 

nach  der  Injektion  die  Narkose  eingeleitet  wurde. 

Die  Durchschnittsdauer  der  Narkose  war  in  allen  4  Nar¬ 
kosenreihen  eine  fast  gleiche,  nämlich  wenig  über  60  Minuten. 


*)  Loewy:  Ueber  die  Wirkung  des  Pantopons  auf  das. Atem¬ 
zentrum.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  46,  1910. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


353 


Zur  Beschleunigung  des  Eintritts  der  Narkose  wurde 
gleichzeitig  neben  dem  Aether  noch  Chloroform  ver¬ 
abreicht  in  der  I.  Narkosenserie  bei  25,0  Proz.,  in  der  II.  Nar¬ 
kosenserie  bei  8,3  Proz.,  in  der  III.  Narkosenserie  bei  2  Proz. 
und  in  der  IV.  Narkosenserie  bei  3  Proz.  der  Fälle. 

In  der  III.  Narkosenserie,  d.  h.  wo  Pantopon  zur  günstig¬ 
sten  Zeit  —  XA  Stunde  vor  Beginn  der  Narkose  —  eingespritzt 
wurde,  war  das  Erregungstadium  nur  in  einem  einzigen  Falle 
vorhanden.  Wurde  dagegen  die  Narkose  unmittelbar  nach  der 
Injektion  von  Pantopon  begonnen,  so  war  die  Exzitation  nur 
in  43,7  Proz.  der  Fälle  aufgehoben  und  in  gleichfalls  43,7  Proz. 
gering,  in  12,6  Proz.  sogar  stark.  Bei  der  II.  Narkosenserie, 
bei  der  weniger  als  Vz  Stunde  mit  dem  Beginn  der  Narkose 
gewartet  wurde,  war  die  Exzitation  in  67,9  Proz.  aufgehoben, 
in  29,9  Proz.  gering  und  in  2,2  Proz.  stark  vorhanden.  In  den 
Fällen,  bei  denen  später  als  XA  Stunde  nach  der  Injektion  die 
Narkose  eingeleitet  wurde,  war  die  Exzitation  in  80  Proz.  auf¬ 
gehoben,  in  20  Proz.  gering  und  in  0  Proz.  stark  vorhanden. 

Wir  sehen  also,  dass  der  Zweck  der  vorherigen  Ein¬ 
spritzung  eines  Narkotikums,  den  wir  hauptsächlich  in  der 
Ausschaltung  des  Exzitationsstadiums  er¬ 
blicken,  fast  ausnahmslos  erfüllt  wird,  wenn  man  das  Narkoti¬ 
kum  zur  richtigen  Zeit  injiziert,  d.  h.  bei  0,02  Pantopon 
genau  Az  Stunde  vor  Beginn  der  Narkose. 

Die  *  .  .  ,  f 

Atropinschwefelsaure 

reagiert  neutral  und  kristallisiert  in  Prismen,  die  bei  238  bis 
239°  schmelzen,  leicht  löslich  in  warmem,  schwer  löslich  in 
kaltem  Wasser,  unlöslich  in  Alkohol  sind.  Die  Atropin¬ 
schwefelsäure  enthält  10  Proz.  weniger  Atropin  als  Atropin- 
sulfat.  Nach  Angabe  der  Firma  ist  bei  ihr  die  Wirkung  auf 
das  Herz  —  Lähmung  der  Endausbreitung  des  Nervus  vagus 
und  dadurch  bedingte  Erhöhung  der  Pulsfrequenz  —  sowie  die 
Wirkung  auf  die  Atmung  —  Lähmung  der  Vagusäste  der  Bron¬ 
chien  —  weniger  ausgeprägt  als  bei  Atropinsulfat. 

Wie  aus  unserer  Statistik 5)  hervorgeht,  ist  bei  Atropin¬ 
schwefelsäure,  ebenso  wie  bei  Pantopon,  die  Wirkung  am 
sichersten  und  intensivsten,  wenn  die  Einspritzung  Az  Stunde 
vor  Beginn  der  Narkose  erfolgt.  In  unserer  III.  Narkosen¬ 
serie  —  d.  h.  Beginn  der  Narkose  genau  %  Stunde  post  in- 
jectionem  —  war  nämlich  während  des  Beginns  der  Narkose 
die  Salivation  vollkommen  aufgehoben  in  88,6  Proz.,  gering  in 
11,4  Proz.  und  stark  in  0  Proz.  der  Fälle;  im  Verlauf  des 
Stadiums  der  tiefen  Narkose  fehlte  die  Speichelabsonderung 
völlig  in  80  Proz.  der  Fälle  und  war  in  20  Proz.  in  geringem, 
in  0  Proz.  in  erheblichem  Masse  vorhanden;  während  des  Er¬ 
wachens  war  in  85,7  Proz.  der  Fälle  die  Salivation  absolut 
aufgehoben  und  in  12,3  Proz.  gering,  in  2  Proz.  stark.  Eine 
absolut  sichere  Aufhebung  der  Salivation  durch  Atropin  — 
innerhalb  der  nicht  toxischen  Dosen  gereicht  —  kann  man 
allerdings  nicht  erreichen,  da  alle  Atropinwirkungen  indi¬ 
viduellen  Schwankungen  unterworfen  sind. 

Im  Widerspruch  zu  den  Erfahrungen,  die  man  bei  der 
therapeutischen  Anwendung  des  Atropins  gegen  pathologische 
Schweisse  gemacht  hat  und  im  Gegensatz  zu  den  Schilde¬ 
rungen  in  den  pharmakologischen  Lehrbüchern  auf  Grund  von 
Tierversuchen,  nach  denen  infolge  der  Atropinwirkung 
die  in  der  Haut  gelegenen  Drüsen  ihre  Tätigkeit  einstellen  und 
dann  die  Salviation  aufhört,  haben  wir  in  allen  vier  Nar¬ 
kosenserien  des  öfteren  bei  völlig  aufgehobener  Salivation 
Feuchtigkeit,  mitunter  sogar  starken  Schweiss  der  Haut  be¬ 
obachtet. 

Den  Ersatz  des  Morphiums  durch  Pantopon  können  wir 
auf  Grund  unserer  Statistik  empfehlen,  da  abgesehen  von 
seinen  oben  angeführten  Vorzügen  vor  dem  Morphium  das 
Pantopon  —  zur  richtigen  Zeit  verabreicht  —  mit  fast  abso¬ 
luter  Sicherheit  die  Exzitation  verhindert. 

Von  der  Atropinschwefelsäure  können  wir  auf  Grund 
unserer  Erfahrungen  bestätigen,  dass  sie  ebensogut  wie  Atro¬ 
pin.  sulf.  die  Salivation  unterdrückt.  Der  Vorteil  besteht  in 
der  von  der  Firma  angegebenen  halb  so  grossen  Giftigkeit, 
über  die  wir  selbst  jedoch  keine  experimentellen  Erfahrungen 
gesammelt  haben. 

5)  Wegen  Raumbeschränkung  wird  am  Schlüsse  der  Arbeit  nur 
eine  prozentuale  Berechnung  der  wichtigsten  Punkte  aus  der  Statistik 
veröffentlicht. 

No.  7. 


Beginn 

I.  Zahl 
Mädchen  2). 

II.  I  n  h  a 


der  Narkose  unmittelbar  nach  der  Einspritzung. 

der  Fälle  =  16  (Männer  6,  Frauen  7,  Knaben  1, 


III. 

IV. 


ationsanästhetikum 

a.  Aether  12  mal  =  75,0  Proz. 

b.  Aether  +  Chloroform  4  mal  =  25,0  Proz. 


Durchschnittsdauer 
E  x  z  i  t  a  t  i  o  n: 


der  Narkose:  63  Minuten. 


a.  Aufgehoben  7  mal  = 

43,7  Proz. 

b.  gering  vorhanden  7  mal  = 

43,7  Proz. 

c.  stark  vorhanden  2  mal  = 

12,6  Proz. 

V. 

Salivation: 

a. 

Während  des  Beginnes  der  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  9  mal  = 

56,3  Proz. 

2.  gering  vorhanden  7  mal  =: 

43,7  Proz. 

3.  stark  vorhanden  0  mal  = 

0  Proz. 

b. 

Während  der  Exzitation: 

1.  nicht  vorhanden  4  mal  = 

44,4  Proz. 

2.  gering  vorhanden  4  mal  = 

3.  stark  vorhanden  1  mal  = 

44,4  Proz. 
11,2  Proz. 

c. 

Während  der  tiefen  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  8  mal  = 

50  Proz. 

2.  gering  vorhanden  4  mal  = 

25  Proz. 

3.  stark  vorhanden  4  mal  = 

25  Proz. 

d. 

Während  des  Erwachens: 

1.  nicht  vorhanden  7  mal  = 

46,6  Proz. 

2.  gering  vorhanden  8  mal  = 

53,4  Proz. 

3.  stark  vorhanden  0  mal  — 

0  Proz. 

Beginn  der  Narkose  früher  als  Yi  Stunde  nach  der  Einspritzung. 

I.  Zahl  der  Fälle:  134  (Männer  57,  Frauen  58,  Knaben  7, 
Mädchen  11). 

II.  Inhalation sanästhetikum: 

a.  Aether  123  mal  =  91,7  Proz. 

b.  Aether  +  Chloroform  11  mal  =  8,3  Proz. 

III.  D  u  r  c  h  s  c  h  n  i  1 1  s  d  a  u  e  r  der  Narkose:  62  Minuten. 


IV.  E  x  z  i  t  a  t  i  o  n : 

a.  aufgehoben  91  mal  = 

b.  gering  vorhanden  40  mal  + 

c.  stark  vorhanden  3  mal  = 

V.  Salivation: 

a.  Während  des  Beginnes  der  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  101  mal  = 

2.  gering  vorhanden  30  mal  — 

3.  stark  vorhanden  3  mal  = 

b.  Während  der  Exzitation: 

1.  nicht  vorhanden  24  mal  — 

2.  gering  vorhanden  15  mal  = 

3.  stark  vorhanden  4  mal  = 

c.  Während  der  tiefen  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  99  mal  = 

2.  gering  vorhanden  31  mal  = 

3  stark  vorhanden  4  mal  = 

d.  Während  des  Erwachens: 

1.  nicht  vorhanden  98  mal  = 

2.  gering  vorhanden  33  mal  = 

3.  stark  vorhanden  3  mal  = 


67.9  Proz. 

29.9  Proz. 
2,2  Proz. 


75.3  Proz. 

22.4  Proz. 

2.3  Proz. 

55,9  Proz. 

34.8  Proz. 

9.3  Proz. 

73.9  Proz. 
23,2  Proz. 

2,9  Proz. 

73,1  Proz. 
24,6  Proz. 

2.3  Proz. 


Beginn  der  Narkose  Y*  Stunde  nach  der  Einspritzung. 

I.  Zahl  der  Fälle  =  50  (Männer  17,  Frauen  28,  Knaben  1, 
Mädchen  4). 

II.  Inhalationsanästhetikum: 

a.  Aether  49  mal  =  98  Proz. 

b.  Aether  +  Chloroform  1  mal  =  2  Proz. 


III.  D  u  r  c.h  s  c  h  n  i  1 1  s  d  a  u  e  r  der  Narkose:  63  Minuten. 

IV.  E  x  z  i  t  a  t  i  o  n : 


a.  aufgehoben  49  mal  = 

98  Proz. 

b.  gering  vorhanden  1  mal  = 

2  Proz. 

c.  stark  vorhanden  0  mal  = 

0  Proz. 

V. 

Salivation: 

a. 

Während  des  Beginnes  der  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  44  mal  — 

88,57  Proz. 

2.  gering  vorhanden  6  mal  = 

11,43  Proz. 

3.  stark  vorhanden  0  mal  — 

0  Proz. 

b. 

Während  der  Exzitation: 

1.  nicht  vorhanden  1  mal 

100  Proz. 

2.  gering  vorhanden  0  mal  = 

0  Proz. 

3.  stark  vorhanden  0  mal  = 

0  Proz. 

c. 

Während  der  tiefen  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  42  mal  = 

80  Proz. 

2.  gering  vorhanden  8  mal  = 

20  Proz. 

3.  stark  vorhanden  0  mal  = 

0  Proz. 

d. 

Während  des  Erwachens: 

1.  nicht  vorhanden  42  mal  = 

85.7  Proz. 

2.  gering  vorhanden  6  mal  = 

12,3  Proz. 

3.  stark  vorhanden  1  mal  = 

2,0  Proz. 

MUEBÖBeNeR  medizinische  w  ochenschrie t. 


Beginn  der  Narkose  später  als  L  Stunde  nach  der  Einspritzung. 

I.  Zahl  der  Fälle  100  (Männer  28.  Frauen  57,  Knaben  2. 
Mädchen  12). 

II.  Inhalationsanästhetikum: 

a.  Aether  97  mal  =  97  Proz. 

b.  Aether  +  Chloroform  3  mal  =  3  Proz. 

III.  Durchschnittsdauer  der  Narkose:  62  Minuten. 

IV.  E  x  z  i  t  a  t  i  o  n: 

a.  aufgehoben  80  mal  = 

b.  gering  vorhanden  20  mal 

c.  stark  vorhanden  0  mal  ~ 

V.  Salivation: 

a.  Während  des  Beginnes  der  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  77  mal  = 

2.  gering  vorhanden  21  mal  = 

3.  stark  vorhanden  2  mal  = 

b.  Während  der  Exzitation: 

1.  nicht  vorhanden  14  mal 

2.  gering  vorhanden  5  mal  = 

3.  stark  vorhanden  1  mal  = 

c.  Während  der  tiefen  Narkose: 

1.  nicht  vorhanden  75  mal  = 

2.  gering  vorhanden  19  mal  = 

3.  stark  vorhanden  6  mal  = 

d.  Während  des  Erwachens: 

1.  nicht  vorhanden  70  mal  = 

2.  gering  vorhanden  27  mal  = 

3.  stark  vorhanden  1  mal  = 


Aus  der  II.  med.  Klinik  der  Akademie  für  prakt.  Medizin 
zu  Köln  a.  Rh.  (Chef:  Prof.  Moritz). 

Praktische  Winke  zur  Bestimmung  der  Harnsäure  und 
Purinkörper  im  Urin. 

Von  Dr.  L.  F 1  a  t  o  w. 

In  gebührender  Kürze  seien  folgende  Vereinfachungen  der 
bisherigen  Methoden  zur  Harnsäure-  und  Purinkörperbestim¬ 
mung  wiedergegeben,  welche  die  Laboratoriumspraxis  als 
brauchbar  erwiesen  hat. 

a)  Zur  Technik  der  Harnsäurebestimmung. 

1.  Es  ist  nicht  nötig,  den  nach  Salkowski-Ludwig 
aus  dem  Harn  gewonnenen  Silbermagnesia-Niederschlag  mit 
Schwefelwasserstoff  oder  Schwefelnatrium  zu  zersetzen;  man 
kann  ihn  vielmehr  nach  erfolgtem  Auswaschen  direkt  in 
10  proz.  Schwefelsäure  unter  gelindem  Erwärmen  zerlegen. 
Die  ausgeschiedene  Harnsäure  lässt  sich  nach  irgend  einem 
der  bekannten  Verfahren  nach  erfolgter  Filtration  bestimmen. 
Nach  Kieldahl  mittels  Permanganattitration  oder  azidime- 
trisch  unter  Anwendung  von  V20  N  Piperidinlösung.  Da  nicht 
in  jedem  Laboratorium  für  gelegentliche  Harnsäureunter¬ 
suchung  diese  Normallösungen  vorhanden  sind,  erscheint  mir 
folgendes,  von  mir  erprobte  Titrationsverfahren  auch  recht 
brauchbar,  weil  es  nur  das  Vorhandensein  einer  V10  Normal¬ 
kalilauge  erforderlich  macht. 

Löst  man  Harnsäure  in  40  proz.  siedendem  Formalin1), 
das  man  vorher  unter  Zusatz  von  Phenolphthaleinlösung, 
gleichfalls  unter  Siedehitze  bis  zur  eben  erkennbaren  Rosa¬ 
färbung  mit  1/io  Normallauge  neutralisiert  hat,  so  lässt  sich  die 
Harnsäure,  wenn  man  bis  zu  eben  dieser  schwach  Rosafärbung 
titriert,  mit  grosser  Schärfe  in  ihrer  Formaldehydlösung  be¬ 
stimmen.  Sie  erscheint  dabei  als  einwertige  Säure. 

•  Praktisch  pflegte  ich  eine  Harnsäurebestimmung  in  folgen¬ 
der  Weise  vorzunehmen: 

In  einem  50  ccm  fassenden  Zentrifugenröhrchen  wurden  25  ccm 
Urin  mit  15  ccm  einer  Silbermagnesiasulfat-Mixtur  gefällt  ),  der 
Niederschlag  abzentrifugiert,  auf  einem  Filter  gesammelt  und  so  lange 
mit  spurweise  Ammoniak  haltigem  Wasser  gewaschen,  bis  im  Filtrat 
nach  Ansäuren  mit  Salpetersäure  durch  Jodkali  keine  Silberfällung 
mehr  nachweisbar  war.  Der  Niederschlag  wurde  vom  Filter  zurück 


1)  Auf  die  leichte  Löslichkeit  von  Harnsäure  in  Formalin  hat 
vor  kurzem  Schittenhelm  aufmerksam  gemacht. 

2)  Magnesiasilbersulfatmixtur  bestand  aus  zwei  Lösungen,  die 
vor  dem  Gebrauch  zu  gleichen  Teilen  gemischt  wurden.  Lösung  1: 
2  proz.  ammoniakalische  Silbernitratlösung,  Lösung  2:10  g  Magne¬ 
siumsulfat  in  wenig  Wasser  gelöst  mit  30  ccm  konzentrierter 
Ammonsulfatlösung  versetzt,  mit  10  proz.  Ammoniak  zu  100  ccm  auf- 
gefüllt. 


in  das  Zentrifugenglas  gespritzt,  wiederum  zentrifugiert  und  das 
Zentrifugat  mit  10  ccm  10  proz.  Schwefelsäure  im  Zentrifugengläscheu 
bei  Wasserbadtemperatur  zerlegt.  Die  abgeschiedene  Harnsäure 
wurde  nach  12  Stunden  auf  einem  Asbestfilter  abgesaugt,  mit  5  ccm 
Wasser  tropfenweise  nachgewaschen  und  die  Reste  noch  darin  ent¬ 
haltener  Säure  durch  Auswaschen  mit  Alkohol  entfernt. 

Asbest  +  Harnsäure  wurden  in  das  Zentrifugenglas  zurückge¬ 
bracht,  unter  Zusatz  von  neutralisiertem  40  proz.  Formaldehyd  in 
siedendem  Wasserbade  einige  Zeit  erhitzt  (ca.  8  Minuten)  und  dann 
heiss  titriert. 

Einfache  Filtration  anstatt  des  Zentrifugierens  ist  genau  so 
zweckmässig,  falls  keine  Zentrifuge  zur  Verfügung  steht. 

b)  Bestimmung  der  Purinkörper. 

H  a  y  c  r  a  f  t 3 4)  hat  vorgeschlagen,  den  nach  S  a  1  k  0  w  k  i 
erhaltenen.  Purinkörper  und  Harnsäure  enthaltenden  Nieder¬ 
schlag  in  Salpetersäure  zu  lösen  und  das  Silber  titrimetrisch 
mit  Rhodanammoniumlösung  zu  bestimmen,  gegenüber  äl¬ 
teren  Verfahren,  welche  eine  Veraschung  des  Silbernieder¬ 
schlages  angeben.  Die  titrimetrische  Bestimmung  des  Silbers 
scheint  mir  mittels  meiner  nachfolgend  angegebenen  Methode 
eleganter,  schärfer  und  wegen  der  absoluten  Haltbarkeit  der 
Titerflüssigkeit  empfehlenswerter. 

Der  nach  Salkowski-Ludwig,  am  besten  aber  mit  Silber¬ 
magnesia  -Sulfat-  Mixtur  (s.  oben)  erhaltene  Niederschlag  wird  mit 
Wasser  dem  einige  Tropfen  Ammoniak  zugesetzt  wurden,  bis  zur 
Silberfreiheit  des  Filtrates  gründlich  gewaschen.  Der  Niederschlag 
wird  dann  vom  Filter  mit  Wasser  in  einen  Erlenmeyerkolben  gespritzt. 
nachUebersäuerung  mit  einigen  Tropfen  reiner  konzentrierter  Schwefel¬ 
säure  zersetzt,  das  Ganze  abgekiihlt,  mit  Stärkekleisterindikator  ver¬ 
sehen.  Dann  wird  der  Flüssigkeit  ein  Körnchen  Natriumnitrit  (Diazo  11 
Ehrlich)  zugefügt.  Man  lässt  alsdann  T20  Normal-Jodkaliumlösung  *) 
aus  einer  Bürette  hinzufliessen  bis  zur  Blaufärbung  der  Stärke.  Das 
durch  die  salpetrige  Säure  ireiwerdende  Jod  wird  nämlich  erst  in  dem 
Augenblicke  mit  der  Stärke  verkettet,  wo  alles  Silber  quantitativ 
als  Jodsilber  ausgefällt  ist.  So  erhält  man  mit  Leichtigkeit  eine  exakte 
Silberanalyse  des  Niederschlages,  aus  der  sich  in  bekannter  Weise 
die  Purinkörper  dadurch  berechnen  lassen,  dass  man  für  je  ein 
Molekül  der  zuvor  bestimmten  Harnsäure  ein  Atom  Silber  in  Rech¬ 
nung  setzt  und  den  Rest  des  Silbers  auf  die  übrigen  Purinkörper 
bezieht,  von  denen  je  ein  Molekül  zwei  Atome  Silber  beansprucht. 


Aus  der  Klinik  für  Hautkrankheiten  der  städtischen  Kranken¬ 
anstalt  Lindenburg  [Kölner  Akademie  für  praktische  Medizinl 
(dirigierender  Arzt:  Prof.  Dr.  Zinsser). 

Zwei  Fälle  von  Neosalvarsanvergiftung. 

Von  Paul  Wahle,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Auf  die  ersten  günstigen  Berichte  über  Neosalvarsan  und 
auf  Grund  unserer  eigenen  Erfahrung  die  uns  bei  ca.  500  intra¬ 
venösen  Neosalvarsaninjektionen  nennenswerte  schädigende 
Nebenwirkungen  nicht  hatte  beobachten  lassen,  haben  wir 
längere  Zeit  an  unserer  Klinik  keine  Bedenken  gehabt,  die 
Neosalvarsankur  mit  anfänglichen  Dosen  von  0,9  g  der  Emp¬ 
fehlung  von  E.  Schreiber  entsprechend  sofort  zu  beginnen. 

Zwei  sehr  unangenehme  Beobachtungen,  die  wir  inner¬ 
halb  weniger  Tage  machen  mussten,  haben  uns  jedoch  dahin 
aufgeklärt,  dass  das  Neosalvarsan  doch  nicht  ein  so  ungefähr¬ 
liches  Mittel  ist.  wie  es  zuerst  schien. 

Es  handelte  sich  im  I.  Falle  um  einen  Patienten  E.  H.,  Student. 
21  Jahre  alt.  Infektion  vor  5  Wochen. 

Vor  etwa  8  Tagen  hatte  Patient  ein  kleines  Geschwür  unter  der 
Vorhaut  bemerkt,  das  nach  einigen  Tagen  abheilte. 

16.  IX.  Aufnahme  in  die  Klinik. 

Status:  Linsengrosse  Sklerose  unter  dem  Präputium;  Sklera- 
denitis  inguinalis  et  cubitalis,  leicht  angedeutete  Roseola.  Lungen. 
Herz  und  Nervensystem  0.  B.  Urin  frei  von  Zucker  und  Erweis? 
W  a  s  se  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  +,  Spirochaete  pallida  +. 

Krankheitsverlauf: 

16.  IX.  4  Uhr  nachmittags  0,9  g  Neosalvarsan  intravenös. 
Abends  7  Uhr  Erbrechen,  Durchfall,  Kopfschmerzen,  Temperatur  38  . 

17.  IX.  Erbrechen  hat  bis  2  Uhr  nachts  angedauert.  Heute  klagt 
Pat.  über  Kopfschmerzen,  Rückenschmerzen,  Appetitlosigkeit,  fühl: 
sich  elend  und  hat  ein  brennendes  Gefühl  im  Halse.  Temperatur 
morgens  37°,  abends  37,2°.  Der  Urin  wurde  an  diesem  Tage  nicht 

untersucht.  ,  ..  , 

Am  18.  IX.,  als  der  Patient  sich  noch  immer  sehr  unbehaglich 
fühlte,  über  andauernde  Brechneigung  klagte,  fand  sich  bei  der  Kocli- 


3)  s.  Neubauer-Vogel:  Analyse  des  Harns,  Auflage  1898, 
S.  831. 

4)  8,3  g  Jodkalium  auf  1  Liter  Wasser. 


80  Proz. 
20  Proz. 
0  Proz. 


77  Proz. 
21  Proz. 
2  Proz. 

70  Proz. 
25  Proz. 

5  Proz. 

75  Proz. 
19  Proz. 

6  Proz. 

71.4  Proz. 

27.5  Proz. 
1,1  Proz. 


8.  Februar  1913 


MUeNCHener  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIE' 


rohe  im  Urin  ein  xanz  enormer  Eiweissgehalt.  Der  Urin  erstarrte 
ist  beim  Kochen.  Die  E  s  b  a  c  h  sehe  Probe  ergab  2U  Prom.  Eiweiss. 
s  wurden  im  ganzen  in  24  Stunden  500  ccm  Urin  entleert.  Mikro- 
kopisch  fanden  sich  im  Sediment  zahlreiche  hyaline  und  granulierte 
vlinder,  Epithelien  und  rote  Blutkörperchen,  ln  den  nächsten  Tagen 
mg  der  Eiweissgehalt  stetig  herab,  die  Formbestandteile  wurden 
reuiger  und  die  Urinmenge  stieg  bei  gleichzeitiger  Besserung  des 
illgemeinbefindens. 

Am  26.  IX.  konnte  Pat.  frei  von  Eiweiss  nach  Hause  entlassen 

werden. 

Er  berichtete  später,  dass  zu  Hause  noch  einmal  vorübergehend 
ine  kleine  Eiweissmenge  vom  Arzt  festgestellt  worden  sei. 

Bei  einer  Nachuntersuchung  am  10.  X.,  18.  X.  und  26.  X.  konnte 
m  vollkommen  eiweissfreier  Urin  nachgewiesen  werden.  Eine  in¬ 
wischen  eingeleitete  Schmierkur  wurde  gut  vertragen. 

Viel  unangenehmer  verlief  der  II.  Fall. 

B.  W.f  Friseur,  22  Jahre  alt. 

17.  IX.  Aufnahme  in  die  Klinik.  Zunächst  dreitäige  Behand- 
ang  einer  bestehenden  Skabies. 

Urin  war  vor  und  nach  der  Krätzekur  frei  von  Zucker  und  Ei- 

veiss. 

20.  IX.  Patient  wird  auf  die  Abteilung  für  Syphiliskranke  verlegt. 

Früher  stets  gesund.  Infektion  Ende  Juli  1912.  Mitte  August 
leines  Geschwür  unter  der  Vorhaut.  Seit  5  Tagen  Kopfschmerzen, 
iaarausfall  und  rechtseitige  Leistendrüsenanschwellung.  Geschwür 
rar  vor  der  Aufnahme  mit  Kalomel  behandelt  worden. 

Status:  P.  A.  am  Frenulum  mit  positivem  Spirochätenbefund, 
•tarker  eitriger  Ausfluss  mit  positivem  Gonokokkenbefund.  Post- 
kabiöses  Ekzem.  Auf  Brust  und  Rücken  vereinzelt  Roseola.  Recht- 
eitige  harte,  walnussgrosse,  indolente  Leistendrüsenschwellung, 
inks  geringer. 

Innere  Organe  o.  B.  Urin  frei  von  Zucker  und  Eiweiss.  Was- 
ermann  sehe  Reaktion  H  K  Der  Urin  wird  5  Minuten  vor  der 
'alvarsaninjektion  noch  einmal  untersucht  und  ist  frei  von  Eiweiss. 

Krankheitsverlauf: 

20.  IX.  Y12  Uhr  0,9  g  Neosalvarsan  intravenös.  12  Uhr  Scfnittel- 
rost,  Uebelkeit,  Temperatursteigerung,  38°,  Puls  116,  jedoch  regel- 
lassig.  Yi2  Uhr  starkes  Erbrechen  dünnschleimiger,  gelblich-grtin- 
cher  Massen.  Das  Erbrechen  wiederholt  sich  bis  abends  7  Uhr  etwa 
ide  Viertelstunde.  Patient  klagt  am  Nachmittag  über  Schmerzen  im 
anzen  Körper,  geringe  Kopfschmerzen  und  Steifigkeit  in  der  Nacken¬ 
egend.  Gegen  4  Uhr  mittags  210  ccm  leicht  getrübter  Urin,  der 
tarken  Eiweissgehalt  hatte.  E  s  b  a  c  h  sehe  Probe  2  Prom.  Mikro- 
kopisch  vereinzelt  hyaline  und  granulierte  Zylinder  und  rote  Bhü- 
örperchen.  Temperatur  5  Uhr  38,8°,  Puls  120. 

21.  IX.  Pat.  hatte  bis  12  Uhr  nachts  Ruhe,  dann  wieder  jede 
■tunde  Erbrechen  mit  kurzen  Ruhepausen  bis  zum  Morgen.  Morgen- 
emperatur  37,3,  Puls  94.  Bis  zum  Morgen  wurden  220  ccm  Urin 
ntleert  mit  5  Prom.  Eiweiss.  Mikroskopisch  zahlreiche  hyaline  und 
ranulierte  Zylinder  und  rote  Blutkörperchen.  Jegliche  Nahrung, 
elbst  mit  Wasser  verdünnte,  eisgekühlte  Milch  wird  nach  2  Minuten 
•aeder  erbrochen.  Patient  klagt  über  Magenschmerzen.  Erbrechen 
auert  fort;  Magenspülungen  bringen  für  kurze  Zeit  Erleichterung 
ibendtemperatur  38,2°,  Puls  104. 

22.  IX.  Seit  dem  Morgen  des  21.  IX.  Anurie.  Patient  hatte 
rührend  der  Nacht  wenig  Ruhe,  stündliches  Erbrechen.  Jegliche 
üssige  Nahrung  wird  sofort  wieder  erbrochen.  Morgentemperatur 
6,9  ,  Puls  92.  Magenspülungen.  Abendtemperatur  38,2",  Puls  100. 

■  bends  600  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  per  rectum,  die  Pa- 
ent  ganz  bei  sich  behält. 

23.  IX.  Wenig  Nachtruhe,  wiederholtes  Erbrechen,  Magen- 
chmerzen,  Anurie.  Rektale  Kochsalzeinläufe  von  800  bezw. 
60  ccm,  die  ganz  resorbiert  werden.  Venesectio  der  Kubitalis. 
80  ccm  dickflüssigen  Blutes  werden  entnommen,  daran  anschliessend 
-erden  intravenös  300 ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  injiziert, 
lorgentemperatur  37,7,  Puls  92,  Abendtemperatur  38,2,  Puls  96. 

24.  IX.  Keine  wesentliche  Besserung  des  Allgemeinbefindens, 
■doch  15  ccm  Urin,  der  eiweisshaltig  ist.  Wiederholtes  Erbrechen. 

-5.  IX.  80  ccm  Urin,  der  Vt  Prom.  Eiweiss  enthält.  Patient  be- 
jüt  einige  Schlucke  Thee  bei  sich.  Rektale  Einläufe  mit  Linden- 
mtenthee  und  Traubenzucker.  Erbrechen  tritt  weniger  häufig  auf. 
-eine  Iemperatursteigerung.  Puls  regelmässig,  aber  klein. 

26.  IX.  220  ccm  Urin,  der  eine  Spur  eiweisshaltig  ist  und  mikro- 
Kopiscn  keine  Formbestandteile  enthält.  Ausser  geringen  Mengen 
nee  keine  Nahrungsaufnahme;  noch  zeitweises  Erbrechen.  Tem- 
eratur  und  Puls  normal. 

27-  IX.  430  ccm  Urin  mit  schwach  positiver  Eiweissprobe.  An 
iesem  Morgen  stellte  sich  bei  dem  Kranken  unter  Temperatur- 
‘eigerung  eine  linkseitige  zentrale  Pneumonie  ein  (rostfarbenes 
put  um,  Temperatur  37,4,  Puls  100  und  klein),  die  im  Laufe  der 
uchsten  läge  den  ganzen  linken  Unterlappen  befiel  und  auch  auf  die 
-chte  Lunge  Übergriff  und  weniger  wegen  ihrer  Ausdehnung,  als 
egen  des  elenden  Allgemeinbefindens  den  Kranken  in  ernste  Lebens¬ 
eiahr  brachte.  Glücklicherweise  hatte  sich  in  der  Zwischenzeit  die 
rvru!gUn8:  verloren,  so  dass  eine  genügende  Nahrungsaufnahme 
logiich  wurde.  Erst  am  6.  Tage  war  Patient  wieder  fieberfrei. 
Pater  entwickelte  sich  dann  noch  bei  dem  Kranken  eine  rechtseitige 
c nntis  exsudativa  ohne  Temperatursteigerung,  die  sich  allmählich 


355 


resorbierte,  so  dass  Patient  sich  z.  Z.  in  Rekonvaleszenz  befindet.  Die 
Urinmengen  hatten  sich  von  lag  zu  Tag  gesteigert  und  betrugen 
sogar  mehiere  Tage  mehr  als  2  Liter.  Der  Urin  ist  jetzt  dauernd 
eiweissfiei,  der  Appetit  gut.  Eine  inzwischen  eingeleitete  Schmierkur 
wurde  bisher  gut  vertragen. 

Selbstverständlich  sucht  man  bei  diesen  Fällen  eine  be¬ 
sondere  Ursache  für  die  toxischen  Erscheinungen. 

Ein  organischer  Wasserfehler,  eine  Zersetzung  des  Neo- 
salvarsans  durch  längeres  Stehen  sind  bei  unserer  Technik 
vollkommen  ausgeschlossen,  da  wir  in  unserer  Klinik  nur 
frisch  von  uns  selbst  destilliertes  Wasser  verwenden  und  das 
Neosalvarsan  erst  unmittelbar  vor  der  Injektion  auflösen. 
Das  bei  den  beiden  Injektionen  verwandte  Neosalvarsan  hatte 
verschiedene  Fabrikationsnummern.  Aus  den  nämlichen  Neo- 
salvarsanpaketen  und  mit  dem  nämlichen  destillierten  Wasser 
wurden  andere  Patienten  ohne  Nebenerscheinungen  injiziert. 
Es  muss  also  doch  wohl  die  Ursache  für  die  Intoxikation  in 
dem  Patienten  gesucht  werden,  sei  es,  dass  eine  besondere 
Idiosynkrasie  gegen  das  Mittel  oder  sonstige  prädisponierende 
Momente  Vorlagen.  Beide  Patienten  waren,  abgesehen  von 
der  Lues,  vor  der  Injektion  vollkommen  gesund. 

Der  Student  gab  zu,  in  den  letzten  Tagen  einem  etwas 
reichlicheren  Biergenuss  gehuldigt  zu  haben,  ohne  dass  man 
gerade  von  grösseren  Alkoholexzessen  sprechen  könnte.  Bei 
dem  Friseur,  bei  dem  ein  vorheriger  Alkoholexzess  nicht  in 
Betracht  kommt,  könnte  man  möglicherweise  eine  vorher¬ 
gehende  Reizung  der  Nieren  durch  die  Krätzekur  annehmen. 
Die  Krätzekur  wird  bei  uns  mit  einer  Schwefel-Kalium- 
karbonikum-Salbe  gemacht, 

Rp.  Sulf.  praecipitat.  122,0 

Kal.  carbon.  138,0 

Axungiae  porci  ad  1000,0 

bei  deren  Verwendung  wir  noch  niemals  Nierenreizung  beob¬ 
achtet  haben.  Es  war  auch  bei  diesem  Patienten  vor  und 
nach  der  Krätzekur  und  unmittelbar  vor  der  Neosalvarsan- 
injektion  der  Urin  eiweissfrei  gefunden  worden.  Immerhin 
lässt  es  sich  nicht  ganz  von  der  Hand  weisen,  dass  durch  das 
Krätzemittel  vielleicht  eine  Veränderung  in  dem  Chemismus 
des  Körpers  hervorgerufen  war,  welche  die  rasche  Zersetzung 
des  eingeführten  Neosalvarsans  zur  Folge  gehabt  haben 
mag. 

Herr  Geheimrat  Ehrlich  machte  uns  darauf  aufmerk¬ 
sam,  dass  nach  E  m  e  r  y  ein  anorganischer  Wasserfehler 
Reaktionen  hervorrufen  soll.  Das  mag  möglich  sein,  aber  es 
ist  doch  schwer  verständlich,  dass  eine  minimalste  Spur  von 
Blei  oder  gar  von  aus  dem  Glas  der  Kühler  stammenden 
Silikaten  zu  einer  toxischen  Umsetzung  des  Neosalvarsans 
führen  soll.  Sollte  das  doch  der  Fall  sein,  so  wäre  man  jedes¬ 
mal  ohne  eine  eingehendste  Analyse  des  destillierten  Wassers, 
die  ja  in  praxi  ganz  undurchführbar  ist,  in  der  Gefahr,  dem 
Patienten  eine  womöglich  tödliche  Injektion  zu  applizieren. 
Dann  müsste  man  ein  für  allemal  auf  jede  Verwendung  des 
Neosalvarsans  verzichten.  Wenn  das  Mittel  so  labil  ist, 
dürften  im  Körper  des  Patienten  selbst  noch  viel  mehr  Mög¬ 
lichkeiten  für  eine  Zersetzung  gegeben  sein. 

Um  frei  gewordene  Endotoxine  kann  es  sich  in  unseren 
Fällen  schon  deswegen  nicht  handeln,  weil  in  beiden  Fällen 
die  vorausgehenden  syphilitischen  Erscheinungen  nicht  be¬ 
sonders  schwer  waren  ganz  abgesehen  davon,  dass  derartige 
Reaktionen  mit  schwerer  Nephritis  als  Folge  von  Endotoxin¬ 
schädigung  nicht  anzunehmen  sind.  Es  handelt  sich  zweifellos 
um  ganz  schwere  toxische  Nebenwirkungen  des  Neosalvar¬ 
sans,  wie  sie  beim  Salvarsan  kaum  beobachtet  worden  sind. 
Sie  sind  um  so  unheimlicher,  als  man  gar  keine  Möglichkeit 
hat,  sie  vorauszusehen. 

Dass  W  o  1  f  f  und  M  u  1  z  e  r  und  neuerdings  auch  Eich- 
hörst  ganz  analoge  toxische  Nebenwirkungen  schon  nach 
0,6  g  bezw.  0,7  g  Neosalvarsan  beobachtet  haben,  bestärkt 
uns  nur  in  unserer  Auffassung,  dass  das  Neosalvarsan  nicht 
nur  nicht  ungefährlicher,  sondern  im  Gegenteil  gefährlicher 
als  das  Salvarsan  ist  und  jedenfalls  für  die  ambulante  Behand¬ 
lung  nicht  verwandt  werden  sollte. 


3 


356 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


Aus  der  Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin:  Chir.  Klinik 
der  K.  A.  Lindenburg  (Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  T  i  1  m  a  n  n). 

Ersatz  von  Finger-  und  Zehenphalangen’). 

Von  Dr.  W.  G  o  e  b  e  1. 

Die  zielbewusste  Arbeit  gerade  der  letzten  Jahre  hat  auf 
dem  Gebiete  der  freien  Organ-  und  Gewebeverpflanzung  er¬ 
staunliche  Möglichkeiten  eröffnet.  Gewiss  handelt^  es  sich 
hier  bei  vielem  eben  nur  um  Möglichkeiten;  mit  der  Zeit  aber 
ist  manches,  zumal  auf  dem  Gebiete  der  freien  Knochenver¬ 
pflanzung  in  die  Praxis  übergegangen  und  nach  und  nach  zum 
selbstverständlichen  und  sicheren  Erfolg  versprechenden  Ver¬ 
fahren  geworden.  Bietet  demgemäss  auch  die  Mitteilung  ein¬ 
zelner  Erfolge  chirurgisch  nur  selten  noch  grösseres  Interesse, 
so  lag  mir  doch  daran,  an  der  Hand  des  im  folgenden  wieder¬ 
gegebenen  Falles  auf  ein  Verfahren  zum  autoplastischen  Er¬ 
satz  von  Fingerphalangen  hinzuweisen,  das,  von  W  o  1  f  f 
(Verh.  d.  deutschen  Ges.  f.  Chirurgie  1910  und  Münch,  ined. 
Wochenschr.  1911)  schon  vor  einigen  Jahren  empfohlen,  ein 
radikaleres  Vorgehen  als  die  übliche  Implantation  eines 
Knochenspahnes  zwischen  die  zu  erhaltenden  Gelenkflächen 
gestattet  und  kosmetisch  und  funktionell  gleich  gute  Resultate 
verspricht. 

Wolff  hatte  bei  einem  27  jährigen  Mädchen  wegen 
Spina  ventosa  des  Grundgliedes  des  rechten  4.  Fingers  die 
ganze  Phalanx  entfernt  und  durch  die  ganze  periostumkleidete 
Grundphalanx  der  rechten  2.  Zehe  ersetzt.  Den  Defekt  in  der 
Zehe  deckte  er  gleichzeitig  durch  Einpflanzung  eines  dem 
6.  Rippenknorpel  entnommenen  Stückes.  Der  Erfolg  war  vor¬ 
trefflich.  —  Ich  bin  im  folgenden  Falle  in  gleicher  Weise  vor¬ 
gegangen. 

Der  16  jährige  Arbeitsjunge  H.  L.  litt  seit  6  Jahren  an  langsam 
wachsenden  Geschwülsten  des  Grund-  und  Mittelgliedes  des  linken 
4.  Fingers.  Die  Geschwulst  des  Grundgliedes  hatte  bei  der  Aufnahme 
in  die  Klinik  Taubeneigrösse  ereicht  und  hinderte  erheblich  bei  der 
Arbeit.  Der  ganze  Finger  war  stark  nach  aussen  gedrängt  und  in 
der  Flexion  so  behindert,  dass  die  Fingerspitze  der  Hohlhand  nur  bis 
auf  6  cm  genähert  werden  konnte.  Die  üebrauchsfähigkeit  der  Hand 
zur  Arbeit  war  dadurch  naturgemäss  beträchtlich  herabgesetzt. 

Das  Röntgenbild  bestätigte  die  Diagnose  Enchondrom  der  Grund- 
lind  Mittelphalanx,  zeigte  aber  auch  noch  eine  beginnende  Enchon- 


Abb.  1.  Abb.  2. 

drombildung  der  Endphalanx  (Abb.  1).  Da  die  weitgehende  Zer¬ 
störung  der  Grundphalanx  eine  Erhaltung  des  Fingers  kaum  gestattete, 
auf  der  anderen  Seite  aber  weder  der  Junge  noch  der  Vater  mit 
der  Exartikulation  des  Fingers  einverstanden  war,  wurde  ihnen  der 
Vorschlag  des  Ersatzes  der  am  meisten  zerstörten  Phalanx  durch 
ein  Zehenglied  gemacht. 


*)  Nach  einer  Demonstration  im  Allgemeinen  ärztlichen  Verein 
in  Köln. 


Am  27.  IV.  11  wurde  in  Narkose  die  Grundphalanx  von  dor¬ 
salem,  seitlichem  Schnitt  aus  unter  möglichster  Schonung  der  Ge- 
fässe  und  Nerven  ohne  künstliche  Blutleere  entfernt.  Ihre  Kortikalis 
war  papierdünn;  sie  selbst  brach  beim  Anfassen  mit  der  Muzeuxzange 
zusammen,  so  dass  die  Tumormasse  überall  hervorquoll.  Eine  Er¬ 
haltung  war  ausgeschlossen.  In  den  Defekt  wurde  sofort  die  im 
Röntgenbilde  gleichgross  erscheinende  Grundphalanx  der  linken 
2.  Zehe  mit  einem  verhältnismässig  grossen  Kapselrest  eingepflanzt. 
Die  Kapselläppchen  wurden  mit  feinsten  Katgutnähten  vereinigt  und 
über  dem  ganzen  enganschliessend  die  Streckaponeurose  und  die  Haut 
durch  Seidennähte  sorgfältig  vernäht.  Der  Defekt  in  der  2.  linken 
Zehe  wurde  in  gleicher  Sitzung  durch  Einpflanzung  eines  der  6.  Rippe 
entnommenen.  4,5  cm  langen  Knorpelstückes  gedeckt.  Auch  hier  sorg¬ 
fältige,  engschliessende  Weichteilnaht  über  dem  Ersatz. 

Die  Wunden  heilten  störungslos.  Schon  am  Tage  nach 
der  Operation  vorsichtige  systematische  Bewe¬ 
gung  e  n  der  linken  Hand.  Etwa  10  Tage  nach  der  Operation  konnte 
der  Finger  aktiv  in  gleichem  Umfange  wie  vor  der  Operation  bewegt 
werden.  Die  seit  langem  bestehende  Beschränkung  der  Beweglichkeit : 
sowohl,  wie  das  noch  vorhandene  Enchondrom  des  Mittelgliedes  hin¬ 
derten  zunächst  die  weitere  Zunahme  der  Beweglichkeit.  5  Wochen 
nach  dem  ersten  Eingriff  wurden  die  Enchondrome  im  Mittel-  und  End¬ 
glied  mit  dem  scharfen  Löffel  entfernt.  Die  Behandlungsdauer  wurde 
durch  diesen  2.  Eingriff  natürlich  verlängert,  betrug  im  ganzen  aber 
doch  nicht  mehr  als  9  Wochen.  Nach  dem  zweiten  Eingriff  nahm  die 
Beweglichkeit  weiter  zu.  Der  Junge  hat  nach  Ablauf  der  9.  Woche 
die  Arbeit  wieder  aufgenommen,  war  seitdem  voll  arbeitsfähig  und 
völlig  beschwerdefrei.  Der  Einfluss  der  Arbeit,  der  Funktion  der 
Hand,  erwies  sich  als  sehr  wohltätig.  Sieht  man  von  einer  geringen 
Verkürzung  des  Fingers  ab,  so  ist  ihm  jetzt  nach  mehr  als  Jahresfrisi 
äusserlich  etwas  abnormes  kaum  mehr  anzusehen.  Der  Finger  ist 
aktiv  in  allen  Gelenken  beweglich,  ist  allerdings  immer  noch  nicht 
ganz  zur  Faust  einzuschlagen.  Die  Gebrauchsfähigkeit  der  Hand  ist 
in  keiner  Weise  beeinträchtigt.  Das  Röntgenbild  der  linken  Hand 
(Abb.  2)  zeigt,  wie  anstandslos  sich  der  Fremdling  der  neuen  Um¬ 
gebung  anpasst  und  wie  vortrefflich  im  besonderen  die  Gelenkfliichen 
artikulieren.  Das  Implantat  zeigt  keinerlei  Atrophie  und  fällt  nur 
durch  eine  gewisse  Schlankheit  unter  den  übrigen  Phalangen  auf. 

Auch  in  der  linken  2.  Zehe  ist  das  Rippenknorpelstück  glatt 
eingeheilt.  Eine  Melaplasie  in  Knochengewebe,  die  unter  der  verän¬ 
derten  Funktion  vielleicht  hätte  erwartet  werden  können,  ist  nicht 
eingetreten,  wenigstens  gibt  das  gut  abtastbare  Implantat  heute  nach 
Jahresfrist  keinen  Röntgenschatten. 

Die  Fälle  zeigen,  dass  die  autoplastische  Verpflanzung  der 
ganzen  periostumkleideten  Zehenphalanx  im  geeigneten  Falle 
bei  mindestens  gleich  gutem  Erfolg  keine  grösseren  tech¬ 
nischen  Schwierigkeiten  bietet  als  die  von  Tie  mann, 
(Müller),  Schmieden  und  Pels-Leusden  zur  Be¬ 
handlung  der  Spina  ventosa  empfohlene  und  praktisch  ja  auch 
oft  geübte  Verpflanzung  eines  Periostknochenspahnes  aus 
Tibia  oder  Ulna  zwischen  die  zu  erhaltenden  Epiphysen, 
die  deren  völlige  Integrität  zur  Erlangung  eines  brauchbaren 
funktionellen  Resultates  natürlich  zur  strengen  Voraus¬ 
setzung  hat.  Wo  kein  fremdes  Material  zur  Verfügung  steht, 
gestaltet  sich  das  Verfahren  durch  den  notwendigen  sekun¬ 
dären  Ersatz  der  Zehenphalanx  allerdings  umständlicher,  hat 
dafür  aber  den  Vorzug,  dass  es  ohne  Rücksicht  auf  die  Er¬ 
haltung  der  Gelenkflächen  ein  gründlicheres  Vorgehen  bei  der 
Entfernung  des  Krankhaften  gestattet,  also  auch  bei  Mit¬ 
erkrankung  der  Gelenke  anwendbar  bleibt. 

So  einfach  sich  die  Verpflanzung  in  technischer  Beziehung 
auch  gestaltet,  so  möchte  ich  doch  nicht  unterlassen,  ausser 
auf  die  Notwendigkeit  der  sorgfältigsten  Adaptierung  der 
Weichteile  und  der  genauen  Wiederherstellung  des  Streck¬ 
apparates,  gerade  in  diesem  Zusammenhang  auf  den  Wert 
der  frühzeitigen  funktionellen  Inanspruch¬ 
nahme  hinzu  weisen,  die  sich  uns  in  der  Verpflanzungs¬ 
technik  überhaupt  in  vielfacher  Erfahrung  als  eine  der 
wichtigsten  technischen  Bedingungen  bewähr 
hat.  Am  Finger  hat  sie  den  doppelten  Wert,  dass  sie  die  ver¬ 
hängnisvolle  Ruhigstellung  vermeidet  und  damit  die  erste  und 
selbstverständliche  Voraussetzung  zur  Erzielung  der  Gelenk¬ 
funktion  bildet  und  dass  sie  zugleich  für  die  Einheilung  um 
Erhaltung  des  Implantetes  neben  der  Ernährung  die  wichtigste 
biologische  Bedingung  darstellt. 

An  sich  ist  diese  Wertauffassung  vom  trophischen  Ree¬ 
der  Funktion  nichts  neues;  wir  machen,  unbewusst  fast,  ir 
der  praktischen  Chirurgie  einen  weitgehenden  Gebrauch  vo: 
ihr.  Als  wesentlichen,  ja  ausschlaggebenden  Faktor  für  da 
Gelingen  der  Transplantation  aber  ist  der  Funk 
tionsreiz  erst  in  neuerer  Zeit  und  zuerst  von  Roux  ge 
würdigt  worden,  der  in  der  Befriedigung  dieses  funktionelle! 


's.  Februar  1913. 


leizbediirfnisses  neben  der  schnellen  Herstellung  der  Er¬ 
fahrung  die  wichtigste,  den  Transplantationserfolg  begiin- 
tigende  Vorbedingung  sieht;  denn  „nur  da,  aber  auch  überall 
a.  wo  dieser  doppelte  Anschluss  gelingt,  bevor  die  Teile 
urch  temporären  Nahrungs-  oder  Reizmangel  zu  sehr  ge- 
chädigt  sind,  um  sich  nach  dem  Anschluss  wieder  erholen 
u  können,  kann  eine  erfolgreiche  Implantation  stattfinden“. 
Ileich  grosse  Bedeutung  für  die  Erhaltung  und  Ernährung 
berpflanzter  Gewebe  messen  auch  March  and,  Salzer, 
ores,  Borst  u.  a.  zum  Teil  unter  Erbringung  interessanter 
xperimcnteller  Beweise,  der  schleunigen  Wirkung  und  Er- 
iaitung  des  Funktionsreizes  bei. 

Für  Binde-  und  Stützsubstanzen,  Knochen,  Knorpel  und 
lastisches  Gewebe  ist  der-  Funktionsreiz  ein  mechanischer, 
!er  sich  nach  der  Verpflanzung  aus  Zug  und  Druck,  aus  Lage 
md  den  sonstigen  Bedingungen  des  Verpflanzungsortes  oft 
enug  von  selbst  ergibt.  Damit  erklärt  sich  zu  einem  Teile 
ielleicht  die  Anspruchslosigkeit  und  Eignung  gerade  der 
itiitzgewebe  zu  Verpflanzungszwecken  vor  dem  in  dieser  Be¬ 
gehung  weit  anspruchsvolleren  Drüsen-  oder  Muskelgewebe. 
Jank  dieser  Genügsamkeit  erfreut  sich  der  leicht  zu  be- 
.chaffende  und  leicht  einheilende  Knochenspahn  einer  viel- 
;eitigen  Verwendung  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass 
■r  zur  Erfüllung  einfacher  statischer  Aufgaben,  am  Mittel- 
uss,  in  der  Diaphyse  der  Röhrenknochen,  am  Unterkiefer  usw. 
las  ausreichende  und  ideale  Ersatzmittel  bleiben  wird.  Die 
linpflanzung  eines  Knochenspahnes  in  ein  Gelenk  aber  gibt 
ceine  guten  Resultate  und  ist  zumal  am  Finger,  wo  es  sich  um 
lie  Erhaltung  hoher  funktioneller  Leistungen  handelt,  nach 
Möglichkeit  zu  vermeiden.  Hier  halte  ich  mit  W  o  1  f  f  die 
lutoplastische  Auswechslung  der  ganzen  Fingerphalanx  durch 
lie  anatomisch  gleichgestaltete  und  aus  annähernd  der 
deichen  Funktion  kommenden  Zehenphalanx  mit  ihren  vor- 
refflich  passenden  Gelenkflächen  für  das  natürlichere  und  weit 
brauchbarere  Verfahren,  das  zum  mindesten  in  den  Fällen  den 
Vorzug  verdient,  wo  sich  die  Erhaltung  der  natürlichen  Ge- 
enkflächen  als  unangängig  oder  im  Interesse  der  Dauerheilung 
loch  als  bedenklich  erweist. 


Ueber  die  Wirkung  von  intravenösen  Infusionen  mit 
Aurum-Kalium  cyanatum. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  C.  B  r  u  c  k  und  A.  Glück1). 
Von  Wolfgang  Heubner  in  Göttingen. 

Bruck  und  Glück  schildern  einige  Tierexperimente  an  Kanin- 
:hen  und  eineAnzahl  klinisch-therapeutischer  Versuche  an  lupösen  und 
syphilitischen  Patienten  mit  Aurokaliumzyanid.  Sie  stellten  die  Dosis 
etalis  für  Kaninchen  bei  intravenöser  Injektion  zu  15  mg  pro  kg  Kör¬ 
pergewicht  fest,  während  10  mg  noch  ertragen  wurden,  allerdings 
inter  vorübergehenden  Symptomen  der  Blausäurevergiftung.  An 
hren  Kranken  fanden  sie  nach  wiederholten  intravenösen  Injektionen 
illmählichen  Rückgang  der  Herde,  Reinigung  und  Schliessung  der 
Jlcera  usw.  Nach  der  einzelnen  Injektion  beobachteten  sie 
zuweilen  rasch  vorübergehenden  Temperaturanstieg,  gelegentlich  Er¬ 
brechen  und  Durchfall,  ferner  deutliche  Lokal  reaktion,  bestehend 
n  „intensiver  Rötung“  der  Herde  oder  benachbarter  Gebiete 
besonders  Fall  8  und  20  der  .rsten  Reihe). 

Bereits  vor  Jahren  habe  ich  eine  Analyse  der  Wirkung  des 
loldes  gegeben,  dabei  auch  mit  Auronatriumzyanid  experimen- 
iert2).  (Natürlich  ist  es  hier  für  die  Wirkung  völlig  gleichgültig,  ob 
nan  das  Natrium-  oder  Kaliumsalz  der  Aurozyanwasserstoffsäure 
verwendet.)  Ich  habe  damals  festgestellt,  dass  dieses  Salz  sowohl 
Blausäure-  wie  Goldwirkung  besitzt,  die  sich  schon  durch  blosse  Be- 
pbachtung  der  Symptome  scharf  nebeneinander  beobachten  lassen, 
vorausgesetzt,  dass  nicht  infolge  hoher  Dosis  die  Blausäurevergiftung 
rasch  zum  Tode  führt.  Dann  sieht  man  —  in  charakteristischer  Weise 
edoch  nur  am  Fleischfresser  —  nach  der  intravenösen  Injektion  rasch 
vorübergehende  Blausäuresymptome  (heftige  Atmung,  Krämpfe),  auf 
Jie  erst  die  langsamer  einsetzenden  Symptome  der  Goldvergif- 
tung  folgen:  Erbrechen,  psychische  Depression  mit  zunehmender 
Benommenheit,  eventuell  Durchfälle,  die  blutig  werden,  bei  rascherem 
Vergiftungsablauf  aber  auch  fehlen  können;  die  Sektion  erst  gibt  den 
klassischen  Befund:  tiefdunkelrote,  samtartige  Färbung  und  Schwel¬ 
ung  der  gesamten  Dünndarmschleimhaut  bis  ins  untere  Ileum  hinein, 
sowie  allerlei  andere  Zeichen  schwerster  kapillärer  Hyperämie  im 
?anzen  Körper. 


1)  Diese  Wochenschrift  1913,  S.  57. 

:)  Ueber  Vergiftung  der  Blutkapillaren.  Archiv  f.  exp.  Pathol. 
u-  Pharmakol.,  56,  1907,  S.  370,  390. 


357 


Ich  habe  in  der  erwähnten  Arbeit  nachgewiesen,  dass  die  Ver¬ 
giftung  besteht  in  einer  Lähmung  der  kontraktilen  Ele¬ 
mente  der  Blutkapillaren.  Ich  habe  ferner  die  Gleichartig¬ 
keit  des  Vergiftungsbildes  mit  dem  der  Arsenikvergiftung  erörtert,  die 
Schmiedeberg  schon  seit  langem  als  eine  Kapillarvergiftung  auf¬ 
gefasst  hatte 3),  und  auf  die  grosse  Zahl  von  Substanzen  ausführlich 
hingewiesen,  die  in  die  gleiche  Gruppe  der  „K  a  p  i  1 1  a  r  g  i  f  t  e“  ge¬ 
hören:  Sepsin,  Emetin,  Brechweinstein  und  eine  ganze  Klasse  von 
komplexen  Metallverbindungen.  Es  scheint  mir  an  der  Zeit,  jene 
Beobachtungen  und  Ausführungen  einmal  wieder  der  Vergessenheit4) 
zu  entreissen,  weil  in  den  letzten  Jahren,  besonders  in  der  experi¬ 
mentellen  Krebstherapie,  öfters  solche  komplexen  Metallverbindungen 
Anwendung  fanden,  offenbar  ohne  dass  sich  die  Autoren  ihrer  Wir¬ 
kung  auf  die  Kapillaren  bewusst  waren,  auch  wenn  sie  typische  Er¬ 
scheinungen,  wie  Hyperämie  und  Blutungen,  selbst  wahrnahmen5 *). 

Auch  Bruck  und  Glück  dürften  wohl  Anlass  haben,  dieser 
sicher  festgestellten  Wirkung  des  Goldes  die  gleiche  Be¬ 
achtung  bei  der  Deutung  ihrerResultate  zu  schenken,  wie  etwa  der  von 
ihnen  vermuteten  direkten  Wirkung  auf  die  im  Gewebe  vege¬ 
tierenden  Tuberkelbazillen.  Schildern  sie  doch  selbst,  dass  wenig¬ 
stens  bei  einigen  ihrer  Patienten  die  nach  der  Injektion  eintretende 
Hyperämie  direkt  im  Krankheitsherde  zu  sehen  war.  Erbrechen 
und  Durchfall  scheint  mir  gleichfalls  nichts  anderes  zu  sein,  als  der 
Ausdruck  der  Kapillarenerweiterung  im  Magendarmkanal,  genau  wie 
das  bei  der  Arsenikvergiftung  der  Fall  ist.  Auch  die  Temperatur¬ 
steigerung  dürfte  mit  der  Kapillarenerweiterung  (im  Gehirn?)  Zu¬ 
sammenhängen;  für  das  „putride  Gift“  (Sepsin)  ist  es  bereits  durch 
Ernst  v.  Bergmann0)  festgestellt  worden,  dass  kleine  Dosen  tem¬ 
peratursteigernd,  grosse  temperaturherabsetzend  wirken;  Gleiches 
gilt  für  Arsenik,  wie  mein  Schüler  August  Bock7)  nachwies. 

Um  nicht  missverstanden  zu  werden,  möchte  ich  hervorheben, 
dass  ich  durchaus  nicht  behaupten  will,  Goldsalze  und  andere  kom¬ 
plexe  Metallsalze  könnten  nicht  auch  auf  andere  Zellen  als  die  kon¬ 
traktilen  Elemente  der  Blutkapillaren  wirken  (z.  B.  Tumorzellen, 
Parasitenzellen).  Habe  ich  doch  selbst  in  der  erwähnten  Arbeit  an 
Protozoen  und  Hefezellen  die  schädigenden  und  abtötenden  Konzen¬ 
trationen  für  Goldsalz  (Aurinatriumchlorid)  festgestellt  und  beträcht¬ 
liche  Unterschiede  der  Empfindlichkeit  gefunden.  Aber  ich  meine,  ehe 
man  von  „Tumoraffinität“,  „innerer  Desinfektionswirkung“  uswr. 
spricht,  sollte  man  sich  über  die  Bedeutung  des  auffallendsten  und 
sichersten  W'irkungsfaktors,  nämlich  der  Funktionsänderung  im  Zir¬ 
kulationssystem,  möiglichst  im  klaren  sein.  Ein  Teil  der  von  Bruck 
und  Glück  in  Aussicht  gestellten  weiteren  Arbeit,  die  „Art  und 
Weise  der  Wirkung  genau  studieren“  soll,  ist  eben  schon  geleistet. 


Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Würzburg. 

Die  wirksamen  und  wertvollen  Bestandteile  des  Kaffee¬ 
getränks  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  koffein¬ 
freien  Kaffees  HAG  und  des  Thumkaffees. 

Von  Prof.  Dr.  K.  B.  Lehmann,  Vorstand  des  hygienischen 

Instituts  Würzburg. 

(Schluss.) 

Als  Ersatz  für  die  Studien  über  die  Wirkung  der  einzelnen 
Röstprodukte  müssen  vorläufig  Untersuchungen  über  die  Wir¬ 
kung  grosser  Dosen  koffeinfreien  Kaffees  ein- 
treten,  der  die  gesamten  Röstprodukte  enthält.  Wir  arbeiteten 
mit  einem  Kaffee  HAG,  der  aus  dem  oben  bewährten  Kaffee  I 
durch  Koffeinentziehung  bis  auf  0,1  Proz.  hergestellt  war.  E  s 
handelt  sich  zunächst  darum,  festzustellen, 
ob  demselben  in  sehr  grossen  Dosen  irgend 
welche  schädlichen  Wirkungen  zukommen, 
fehlen  sie,  so  sind  damit  alle  Stoffe  bis  auf  das 
Koffein  vom  Verdacht  gereinigt,  die  beob¬ 
achteten  schädlichen  Wirkungen  grosser 
Kaffeedosen  zu  verschulden  (s.  Tab.  2). 

Aus  allen  diesen  Angaben  folgt:  An  der  überwiegenden 
Mehrzahl  unserer  Versuchspersonen  war  von  koffeinfreiem 
Kaffee  in  den  grössten  Dosen  (bis  Extrakt  aus  100  g)  keine 


3)  Grundriss  der  Arzneimittellehre,  3.  Auflage,  1895,  S.  316. 

4j  Meine  wichtigsten  Resultate  sind  übrigens  in  Schmiede¬ 
bergs  Grundriss  der  Pharmakologie,  6.  Auflage,  1909,  S.  543  über¬ 
gegangen. 

5)  Vgl.  z.  B.  Neuberg,  Caspari  und  Löhe:  Weiteres  über 
Heilversuche  an  geschwulstkranken  Tieren  mittels  tumoraffiner  Sub¬ 
stanzen.  Berl.  klin.  Wochenschr.,  49,  1912,  S.  1405. 

°)  Das  putride  Gift  und  die  putride  Intoxikation.  Dorpat, 
W.  Gläser,  1868,  S.  9. 

7)  Ueber  Fiebererscheinungen  nach  intravenösen  Injektionen, 
vornehmlich  indifferenter  Partikelchen.  Archiv  f.  exp.  Pathol.  u. 
Pharmakol,  6S,  1912,  S.  1,  36.  — •  Siehe  auch  diese  Wochenschrift  1911. 
S.  2433. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


358 


Tabelle  2.  Versuche  mit  koffeinfreiem  Kaffee. 


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1/1  N 

03 

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Nummer 

Datum 

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u 

'S  «!  C 

Puls 

Respiration 

Erregung 

Schlaf 

Magen¬ 

symptome 

03  C 

C  o 

03  Q. 
bß  g 

o 

CO 

Besondere  Bemerkungen 

1 

7.  III.  12 

D. 

20  :  250 

0,1 

16  mg 

Vorher  78  80 
10  Min.  nachher  78 

20  „  „  76 

28  „  „  79 

37  „  „  73 

43  „  „  74 

46  „  „  78 

54  Min.  nachher  74 

63  „  „  76 

73  „  „  74 

83  „  „  72 

92  „  „  76 

100  ,,  „  73 

109  „  „  74 

Keine 

Out 

Keine 

Keine 

2 

7.  III.  12 

Dr.B. 

20  :  250 

0,1 

16  mg 

Vorher  84-85 
15  Min.  nachher  86 
25  „  „  86 

40  Min.  nachher  84 
55  „  „  83 

70  „  „  86 

Keine 

Out 

Keine 

* 

Keine 

3 

8.III.  12| 

Dr.  V. 

207  250 

0,1 

16  mg 

Konstant  auf  56 

- 

Keine 

Gut 

Keine 

Keine 

— 

4 

19.  III.  12 

L. 

25  :  250 

0,1 

21  mg 

Scheint  verlangsamt  von  78  auf  72,  bei 
lebhafter  geistiger  Tätigkeit,  aber  zu 
wenig  gezählt. 

Keine 

Gut 

Am  Tage  vorher 
Obstipation, 
nach  45  Minuten 
Stuhlgang. 

Keine 

5 

20.  III.  12 

Dr.  V. 

25  :  250 

ö/T 

21  mg 

Vorher  60 
15  Min.  nachher  60 
30  „  „  62 

45  Min.  nachher  60 
60  „  „  57 

75  „  „  60 

Keine 

Gut 

Vorübergehend 

schwaches 

Sodbrennen 

Keine 

6 

21  111  12 

L. 

25  :  250 

0,1 

21  mg 

Vorher  wie  nachher  konstant 
auf  86—88 

— 

Keine 

Gut 

Keine 

Keine 

7 

3.  IV.  12 

F. 

25  :  250 

0,1 

21  mg 

Vorher  18 
15  Min.  nachher  61 
22  „  „  58 

31  „  „  62 

40  Min.  nachher  60 

47  „  „  60 

60  „  „  54 

67  ,,  „  56 

Vorher  14  —  15 

Mitte  16—17)4 
Ende  1554-16)4 

Keine 

Gut 

Keine 

Keine 

TT 

5.  IV.  12 

F. 

1  0  :  700 

0,1 

83  mg 

Vorher  70—72 

7  Min.  nachher  72 

16  „  „  64 

26  „  „  66 

35  „  „  61 

45  „  „  60 

60  Min.  nachher  60 
Es  konnte  nicht  ge¬ 
nügend  lange  mit 
dem  Beginn  des 
Versuches  gewartet 
werden  (s.  Vers.  7) 

Keine 

Gut 

Vorüber¬ 

gehender 

Brechreiz 

Keine 

9 

10.  IV.  12 

r. 

50  : 250 

0,1 

42  mg 

Vorher  54 

5  Min.  nachher  54 

10  „  „  59 

15  „  ,,  60 

20  „  „  56 

25  „  „  59 

30  „  „  57 

35  Min.  nachher  56 
45  „  „  58 

60  „  „  58 

70  „  „  56 

80  „  ,,  55 

90  „  „  54 

Keine, 
schwache 
Anreg.durch 
die  Wärme 
(draussen 
nasskalt) 

Gut 

Keine 

Keine 

Vorher  zweistündiger 
Spaziergang. 

10 

12.  IV.  12 

F. 

50 : 250 

0,1 

42  mg 

Vorher  62—66 
10  Min.  nachher  66 
20  „  „  60 
30  ,,  ,,  66 

40  Min.  nachher  64 
50  „  ,,  66 

60  „  ,,  66 

Keine, 

auch  keine 
Anregung 

Gut 

Keine 

Keine 

Vorher  dreistündiger 
Spaziergang. 

11 

18.  IV.  12 

K. 

50  :  400 

0,1 

42  mg 

Vorher  77 

5  Min.  nachher  71 

15  „  „  71 

25  „  „  71 

40  „  „  69 

50  „  „  77 

60  Min.  nachher  66 

70  „  „  i?)  80 

85  „  „  72 

Nicht  lange  genug 
gewartet 

(vgl.  Versuch  12) 

Keine 

Gut 

Keine 

Keine 

12 

21  IV.  12 

K. 

1  50  :  400 

0,1 

1  42  mg 

Vorher  68  -72 
15  Min.  nachher  72 

30  „  „  68 

40  Min.  nachher  72 

41  „  „  72 

60  „  „  72 

Keine 

;  Gut 

Keine 

Keine 

.13 

24  IV.  12 

Dr.  V 

50  :  400 

0,1 

42  mg 

Vorher  56 
10  Min  nachher  56 
20  „  „  54 

30  ,,  ,,  55 

40  Min.  nachher  55 
50  „  „  56 

60  „  „  56 

Keine 

Gut 

Keine! 

1 

Keine 

(?) 

toxikologische  Wirkung  zu  sehen:  Atmung,  Puls,  Schlaf 
wurden  absolut  unbeeinflusst  gelassen,  obwohl  Dosen  ange¬ 
wandt  wurden,  die  im  praktischen  Leben  kaum  in  Betracht 
kommen.  Der  Puls  war  in  einigen  Fällen  auch  etwas  ver¬ 
langsamt,  doch  ist  Versuch  8,  bei  dem  nicht  lange  genug  vor¬ 
her  gewartet  wurde,  in  dieser  Beziehung  auszuschalten.  Bei 
Dr.  V.  blieb  die  Pulsverlangsamung  aus,  die  bei  koffeinhaltigem 
Kaffee  in  grösseren  Dosen  nie  vermisst  wurde.  In  einer 
besonderen  demnächst  im  Archiv  für  Hygiene  zu  publizieren¬ 
den  Arbeit  hat  Dr.  K  a  k  i  s  a  w  a  unter  meiner  Leitung  gezeigt, 
dass  die  diuretische,  nierenreizende  Wirkung  des  Vollkaffees 
dem  koffeinfreien  Kaffee  vollständig  fehlt. 

Eine  Versuchsperson  (Dr.  V.)  erwies  sich  gegen  die  Röst¬ 
produkte  des  Kaffees  nicht  ganz  unempfindlich,  sowohl  bei 
dem  Genuss  von  koffeinhaltigem  Kaffee  als  von  koffeinfreiem; 
bei  mehr  oder  weniger  leerem  Magen  zeigte  sich  mehrmals 
etwas  Sodbrennen,  wenn  grosse  Mengen  ohne  Milch  und 
Zucker  rasch  genommen  wurden.  Herr  Dr.  V.  steht  «aber 
unter  meinen  Versuchspersonen  mit  seiner  Empfindlichkeit 
allein. 

Ueber  die  Wirkung  des  Kaffees  und  verwandter  Auf¬ 
güsse  gerösteter  Pflanzen  auf  die  Magenfunktion  ist  noch 
manches  zu  erklären,  die  Angaben  gestatten  jedenfalls  noch 
kein  einheitliches  Bild.  Auf  die  Verdauungsversuche  in  vitro 
kann  ich  gar  keinen  Wert  legen;  sie  haben,  soweit  ich  sehe, 
allgemein  eine  Hemmung  der  Pepsinwirkung  ergeben. 
L  i  e  b  i  g  behauptet,  dass  eine  Tasse  starken  Kaffee  nach 
Tisch  die  Verdauung  plötzlich  aufhebt  (Chemische  Briefe  32) 
auch  Crämer  [34]  sagt  über  das  Kaffeetrinken  nach  den 
Mahlzeiten:  „Alle  Autoren  sind  darüber  einig,  dass  dadurch 
die  Verdauung  gestört  und  die  Verweildauer  der  Speisen  ver¬ 


längert  wird“.  Als  Autor  zitiert  er  dafür  Rumpf:  Deutsche 
med.  Wochenschr.  Bd.  52,  1905,  pag.  2091,  wo  keine  weiteren 
Belege  gegeben  sind.  Ohne  Wirkung  fand  Ogata  [37]  den 
Kaffee  auf  die  Lösung  des  Fleisches  im  Hundemagen,  er  ver¬ 
zögerte  sie  nur  ein  klein  wenig,  gerade  wie  Wasser. 
Paechtner  [38]  konnte  am  Hunde  von  1  proz.  Zichorien¬ 
aufguss  keine  Wirkung  auf  Fleisch-  und  Reisverdauung  kon¬ 
statieren. 

In  auffallendem  Gegensatz  zu  diesen  Angaben  hat 
Pinkussohn  [39]  nach  der  P  a  w  1  o  w  sehen  Methode 
—  Studium  der  Sekrete  eines  abgetrennten  kleinen  Magen¬ 
abschnittes  bei  Einbringung  der  Versuchsflüssigkeit  in  den 
Hauptmagen — am  Hunde  gezeigt,  dass  Saftsekretion  und  Säure¬ 
gehalt  durch  Kaffee  vorübergehend  stark  gesteigert  sind. 
Malzkaffee  wirkt  ganz  ähnlich,  wenn  auch  etwas  weniger  plötz¬ 
lich;  ebenso  fettarmer  Kakao.  Dass  koffeinfreier  Kaffee  ähnlich 
wirken  wird,  ist  wohl  unbezweifelbar.  Boruttau  [36]  hat 
auch  durch  starke  Zichorienaufgüsse  ähnliches  bewirkt  und 
Schmiedeberg  [40]  hat  in  einer  ganz  neuen  Studie  auf 
die  verstärkende  Wirkung  der  Bitterstoffe  der  Zichorie  auf 
die  Magensaftsekretion  nachdrücklich  hingewiesen  —  kurz: 
es  wirken  alle  bitteren  Röstprodukte  ini 
wesentlichen  gleich,  wenn  auch  natürlich  im  einzelnen 
quantitativ  verschieden,  wobei  die  Menge  der  eingeführten 
Substanz  und  die  Individualität  der  Versuchsperson  eine  wich¬ 
tige  Rolle  spielen.  — 

Ich  möchte  aus  all  den  Angaben  nur  schliessen,  dass 
für  die  Mehrzahl  der  gesunden  Menschen  der 
übliche  Kaffee  ohne  schädliche  Wirkung  für 
die  Verdauung  ist,  dass  aber  auch  die  praktische  Be¬ 
deutung  der  Sekretionsanregung  noch  problematisch  ist. 


18.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  359 


Gramer  [34],  der  so  viele  Magenstörungen  in  überzeugen¬ 
der  Weise  dem  Kaffee  und  Theemissbrauch  zuschreibt,  spricht 
sich  p.  72  ausführlich  gegen  ein  generelles  Kaffeeverbot  bei 
Magenkranken  aus,  nur  das  Kaffeetrinken  nach  den  Mahl¬ 
zeiten  findet  er  bedenklich. 

Hier  ist  nun  der  Ort  auf  Harnacks  Arbeit  [6]  näher  einzu¬ 
gehen.  Es  ist  dies  aus  dem  Grunde  schwierig,  weil  die  Arbeit  sehr 
weitgehende  Ueberlegungen  und  Behauptungen,  aber  nur  wenige 
chemische  Tatsachen  und  gar  keine  physiologischen  Experimente 

enthält. 

Harnack  sagt  zunächst:  Das  Koffein  verleiht  dem  Kaffee  „die 
wichtigen  stimulierenden  Eigenschaften,  indem  es  Nerv  und  Muskel 
beeinflusst“.  Von  den  anderen  Koffeinwirkungen  wird  nur  gesagt: 
„Teilt  das  Koffein  einerseits  gewisse  Wirkungen  mit  der  Digitalis, 
so  kann  man  es  nach  anderen  Richtungen  hin  dem  freilich  viel  zu 
giftigen  Strychnin  an  die  Seite  stellen.  Nach  Genuss  eines  sehr 
starken  Kaffee-Extraktes  lässt  sich  z.  B.  unter  Umsfänden  eine  sehr 
beträchtliche  Steigerung  der  Sehschärfe  beobachten.  Charakteristisch 
für  das  Koffein  ist  ferner  eine  Kontraktion  der  Hautgefässe  und 
Neigung  zur  Erhöhung  der  Blutwärme“ 6). 

Obwohl  also  starke  Wirkungen  auf  Herz  und  Zentralnerven¬ 
system  von  Harnack  für  das  Koffein  zugegeben  werden,  spricht 
er  mit  keinem  Wort  davon,  inwieweit  etwa  die  un¬ 
erwünschten  Kaffeewirkungen  durch  das  Koffein 
bedingt  sein  könnten,  sondern  er  widmet  mehrere  Seiten 
der  Betrachtung,  dass  die  bei  vielen  Menschen  zu  konstatierende 
schlechte  Bekömmlichkeit  des  Kaffees  auf  die  R  ö  s  t  p  r  o  d  u  k  t  e, 
und  zwar  (nach  Seite  1872)  die  flüchtigen  Röstprodukte, 
zu  beziehen  sei.  Die  Röstprodukte  reizten  den  Magen,  brächten  eine 
vermehrte  Säureproduktion  hervor  und  beeinflussten  dann  wieder 
reflektorisch  das  Herz  empfindlicher  Menschen.  Ueberhaupt  seien 
sehr  oft  Störungen  der  Herzaktion  Folgen  einer  Magenreizung,  Er¬ 
brechen  des  saueren  „Herzwassers“  beseitige  manche  Herz¬ 
beklemmung. 

Da  ich  selbst  1885  in  einer  eingehenden  Studie  am  Menschen  mit 
E.  B  1  e  u  1  e  r  [41]  die  schon  früher  von  Ackermann  beschriebene 
Pulssteigerung  bei  Magenreizung  als  einen  sehr  häufigen  und  leicht 
darzustellenden  Vorgang  (z.  B.  nach  Einnehmen  grösserer  Salz¬ 
mengen)  geschildert  habe,  so  liegt  mir  nichts  ferner  als  die  Möglich¬ 
keit  des  von  Harnack  angenommenen  Mechanismus  zu  bestreiten. 
Harnack  hat  uns  aber  keinen  einzigen  solchen  Fall  mitgeteilt  und 
ui  unseren  vielen,  oben  angeführten,  eigenen  Kaffeeversuchen  ist  mit 
und  ohne  Koffein  zwar  einigemale  (bei  Dr.  V.)  deutlich  Magen¬ 
reizung  und  Sodbrennen  konstatiert  worden,  aber  doch  ohne  jede 
reflektorische  Herzwirkung.  Wo  wir  überhaupt  Herzwirkungen  kon¬ 
statierten,  waren  es  stets  nur  Pulsverlangsamungen,  die 
nie  nach  koffeinfreiem,  aber  fast  stets  nach  grösseren  Dosen  koffein¬ 
haltigen  Kaffees  hervortraten,  genau  von  gleicher  Art  wie  durch 
reines  Koffein  [1]. 

Da  in  unseren  Versuchen  mit  koffeinfreiem  Kaffee  (Extrakt  aus 
20—100  g)  die  Röstprodukte  alle  enthalten  waren,  so  ergibt  sich  deut¬ 
lich,  dass  jedenfalls  die  Röstprodukte  des  Kaffe°s  n  icht 
häufig,  leicht  oder  in  der  Regel  reflektorische  Herzstörungen  aus- 
lösen.  Erst  in  der  allerletzten  Zeit  habe  ich  einmal  von  einem 
Kollegen  gehört,  dass  ihm  nicht  nur  koffeinhaltiger,  sondern  auch 
koffeinfreier  Kaffee  Störungen  der  Herztätigkeit  verursache. 

Weiter  geht  aus  den  vielen  mit  Wilhelm  vorgenommenen 
Y ersuchen  mit  Kaffeedestillaten,  d.  h.  den  flüchtigen  Röstprodukten 
hervor,  dass  dieselben,  obwohl  sie  sauer  und  zu  kräftig  schmeckten, 
nie  nennenswerte  Magenstörungen.,  Herzempfindungen  oder  Pulsver¬ 
änderungen  hervorgebracht  haben.  Wir  waren  allerdings  genötigt, 
durch  Alkali  oder  Zucker  den  Geschmack  der  stärksten  Destillate 
(aus  100 — 500  g  Kaffee)  etwas  zu  korrigieren. 

Da  ich  prinzipiell  Harnacks  Lehre  von  der  allgemeinen 
grossen  Bedeutung  der  Röstprodukte  für  die  Kaffeewirkung  beim 
gesunden  Durchschnittsmenschen  widersprechen  muss,  so  war  ich 
von  vornherein  sehr  skeptisch  gegen  seine  Versicherung,  dass  der 
Thumkaffee  (aus  in  warmem  Wasser  geweichten,  durch  Bürsten 
von  Häutchen,  oberflächlichem  Fett  und  etwas  Gerbsäure  befreiten 
und  dann  gerösteten  Bohnen)  so  sehr  viel  bekömmlicher  sei  als  der 
gewöhnliche.  Physiologische  Beweise  fehlen  leider  bei  Harnack 
für  diese  Behauptung  vollständig;  seine  chemischen  Beweise  sind 
folgende : 

Es  soll  Vi  Proz.  des  Kaffeefettes  beim  Reinigen  nach  T  h  u  m 
verschwinden  und  zwar  gerade  das  Oberflächenfett,  „das,  wenn  es 
an  der  Luft  verbrennt,  das  abscheulich  riechende  Akrolein  liefert“. 
Nähere  Analysen  sind  keine  mitgeteilt.  Der  geröstete  Kaffee  enthält 
nach  König  etwa  11,8  Proz.  Fett;  ob  es  hier  auf  Vs  Proz.  weniger 
ankommt,  ist  doch  fraglich.  Dass  übrigens  gerade  auch  bei  der  Ge¬ 
winnung  des  koffeinfreien  Kaffees  fettartige  Substanzen  und  zwar 


“)  Hier  knüpft  Harnack  an:  „Während  der  Furfuralkohol  im 
Kaffee  durch  beträchtliche  Verringerung  der  Wärmeproduktion  tem¬ 
peraturerniedrigend  wirkt  (E.  E  r  d  m  a  n  n).“  Es  ist  mir  unverständ¬ 
lich,  wie  jemand  aus  den  E  r  d  m  a  n  n  sehen  minimalen  Zahlen  eine 
1  emperaturherabsetzung  bei  kaffeetrinkenden  Menschen  ernstlich  er- 
Schliessen  kann. 


vorwiegend  natürlich  von  der  Oberfläche  entfernt  werden,  beweisen 
die  mir  von  der  Kaffee-HAG  zugestellten  grossen  Proben  dieses 
Abfallfettes  oder  Wachses.  Harnack  sagt  selbst  über  die  Her¬ 
stellung  des  koffeinfreien  Kaffees:  „Die  Rohbohne  verliert  ausser  dem 
Koffein  nur  ein  kleines  Quantum  einer  öligen  Substanz  und  eines 
besonderen  von  der  Oberfläche  der  Bohne  stammenden  Stoffes,  der 
auffallend  an  sogenanntes  Baumwachs  (vegetabilisches  Wachs)  er¬ 
innert  und  in  kompakten  Schichten  eine  schwärzliche  Färbung  zeigt“ 
(D.  med.  Wochenschr.  No.  6,  1909).  Dass  Akrolein  gebildet  wird, 
hat  überhaupt  niemand  bewiesen. 

Die  Analysen  des  gleichen  Kaffees  bei  verschiedener  Röstung 
ergaben  Harnack: 

Geröstet  nach  alter  Art:  Gewaschen  und  geröstet  nach  Thum: 

Extrakt  23,01  Proz.  22,01  Proz. 

Davon  Asche  3,45  „  3,13  „ 

Es  wäre  also  um  eine  Kleinigkeit  (ca.  5  Proz.)  Wasserextrakt 
weniger  im  Thumkaffee,  was  sich  durch  die  Schwierigkeit,  zwei 
Proben  absolut  gleichmässig  zu  rösten,  aufs  leichteste  erklärt. 

Aus  diesen  Zahlen  ist  nichts  massgebendes  weiter  zu 
schliessen,  er  hat  daher  zur  J.  T  r  a  u  b  e  sehen  Methode  [42,  43], 
der  Stalagmometrie  gegriffen,  um  Differenzen  festzustellen. 
Die  Methode  gibt  an,  in  welchem  Verhältnis  die  Tropfenzahl  steht 
von  Wasser  einerseits,  von  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  an¬ 
dererseits,  wenn  beide  aus  einer  gleichen  Glasröhre  bei  gleicher 
Temperatur  ausfliessen.  Es  ist  von  J.  Traube  und  dann  von 
Harnack  einwandfrei  gezeigt,  dass  ein  bestimmtes  Volumen 
Kaffee  eine  ca.  25  Proz.  grössere  Tropfenzahl  oder  um  25  Proz. 
kleinere  Tropfen  bildet  als  Wasser.  Es  ist  auch  kein  Zweifel,  dass 
dies  weder  von  Koffein  noch  von  den  Salzen  herkommt7). 

Traube  und  Harnack  schreiben  der  verminderten  Ober¬ 
flächenspannung  des  Kaffees  gegenüber  Wasser  (und  Thee)  eine 
grosse  physiologische  Bedeutung  zu  und  Harnack  hat  es  unter¬ 
nommen,  mit  dem  Stalagmometer  die  Verschiedenheit  und  ver¬ 
schiedene  Bekömmlichkeit  des  gewöhnlichen  gerösteten  Kaffees  und 
des  Thumkaffees  zu  beweisen. 

Er  findet:  es  wogen  20  Tropfen  Aqua  destillata  1,44  g,  20  Tropfen 
Kaffeeabsud  aus  gewöhnlichem  Kaffee  1,19  g  —  Abnahme  gegen 
Wasser  17,4  Proz.,  20  Tropfen  Kaffeeabsud  aus  Thumkaffee  1,23  g 
—  Abnahme  gegen  Wasser  14.6  Proz.,  eine  andere  Vergleichsprobe 
ergab  17,1  und  13,6  Proz.  Abnahme  gegen  Wasser  bei  gewöhnlichem 
und  Thumkaffee. 

Obwohl  ich  mit  H  o  e  b  e  r.  1 44 1  und  verschiedenen  anderen  von 
mir  konsultierten  Physiologen  die  ganze  Betrachtungsweise  Har¬ 
nacks  und  insbesondere  ihre  Anwendung  auf  solch  schwierige 
praktische  kragen  für  anfechtbar  ansehe,  habe  ich  es  doch  für 
meine  Pflicht  gehalten,  auch  meinerseits  zunächst  einmal  das  Tat¬ 
sächliche  der  Angaben  zu  prüfen,  nachdem  wir  uns  lange  in  der 
Methode  geübt  (Tabelle  3  siehe  nächste  Seite). 

Mein  Thumkaffee  war  von  einem  Inhaber  der  Thumlizenz 
aus  der  gleichen  Kaffeesorte  1  hergestellt,  mit  der  ich  sonst  meist 
experimentierte,  wofür  ich  die  nötigen  Garantien  besitze. 

Ausserdem  wurden  von  der  Firma  Georg  Josef  Meyer,  Nürnberg, 
2  nach  dem  Thumverfahren  hergestellte  Kaffees  käuflich  bezogen, 
der  eine  zu  M.  1.60,  der  andere  zu  M.  2.20  pro  Vs  kg,  also  eine  gute 
und  eine  vorzügliche  Qualität. 

Aus  all  den  Zahlen  der  Tabelle  3  folgt  für  mich,  dass  die 
Basis  der  Betrachtungen  von  Harnack,  soweit  sie 
sich  auf  Stalagmometrie  beziehen,  nicht  genügend 
fundiert  ist.  Die  gleiche  Kaffeesorte  1  koffeinhaltig  und  ge¬ 
wöhnlich  geröstet,  koffeinfrei  und  gewöhnlich  geröstet  und 
koffeinhaltig  und  nach  Thum  geröstet  liefert  mir  fast  absolut  iden¬ 
tische  Stalagmometerzahlen,  auch  vier  andere  Kaffeesorten  ergaben 
keine  Abweichungen,  die  in  Betracht  kommen.  Eine  relativ  recht 
hohe  —  wenn  auch  deutlich  etwas  niedrigere  Tropfenzahl  als  die  bei 
echtem  Kaffee  — •  ergaben  auch  Malzkaffee  und  Zichorienkaffee.  B  e  i 
dieser  Sachlage  erübrigt  es  weiter,  über  die  prin¬ 
zipielle  Bedeutung  der  Stalagmometer  zahl  zu 
diskutieren. 

Ich  habe  auch  vergleichende  Säuretitrierungen  in  gleichmässig 
hergestellten  Extrakten  von  verschiedenen  Kaffees  ausgeführt  und  für 
den  gleichen  Kaffee,  mochte  er  nach  Thum  oder  gewöhnlich  geröstet 
sein,  die  gleichen  Säurezahlen  erhalten.  Eine  Reihe  vergleichender 
Verdauungsversuche  von  Eiweisswiirfeln  mit  Pepsin,  Salzsäure  und 
Zusatz  von  Thumkaffee  oder  gewöhnlichem  Kaffee  ergab  keine  fass¬ 
baren  Unterschiede  in  der  Menge  des  gelösten  Eiweisses,  meist 
stimmten  die  beiden  Kontrollen  sehr  gut. 

In  Tabelle  4  gebe  ich  nun  unsere  physiologischen  Ver¬ 
suche,  die  wir  mit  Thumkaffee  angestellt  haben. 


7)  Da  Alkohol  einen  besonders  stark  vermehrenden  Einfluss  auf 
die  Tropfenzahl  hat,  so  könnte  man  erwarten,  dass  die  flüchtigen 
Stoffe  der  Röstung  an  der  grossen  Tropfenzahl  des  Kaffees  schuld 
sind,  irgend  einen  Beweis  dafür  vermisst  man  aber  bei  H  a  r  n  a  c  k. 
Wie  aus  meiner  Tabelle  3  folgt,  hat  jedenfalls  der  Furfuralkohol  nur 
einen  sehr  bescheidenen  Einfluss  auf  die  Tropfenzahl  selbst  in  einer 
Ipioz.  Lösung  (eine  %  proz.  Lösung  liefert  20,46  Tropfen,  eine 
1  pioz,  Lösung  21,33  Tropfen  statt  19,5  Wassertropfen  bei  19,5  0, 


360 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


Tabelle  3.  Vergleichende  Untersuchung  von  gewöhnlich  ge¬ 
röstetem,  Thumkaffee  und  koffeinfreiem  Kaffee  aus  gleichem  Aus¬ 
gangsmaterial  auf  physikalische  Konstanten. 


A)  T  r  i  1 1  i  c  h  e  x  t  r  a  k  t  e.  (10  Kaffee  auf  250  Wasser.) 


cd 

Tropfenzalil 

E3 

i.  'Ho 
—  5  o 

Verwendete  Kaffeesorte 

8« 

JS  Ss 

N  <X> 

O)  rn 

CX, 

gq 

Mittel 

aus 

Kaffee 

pro 

1  ccm 
Wasser 

s 

PL, 

B 

<S> 

-M  rH 

zj  cn 

SS  § 

E-!g  >► 

Kaffee  I  koffeinhalt.  1  Proz.,  normal 

geröstet  .  Probe  a 

1  0055 

24,98 

19,4 

20 

0,98 

Probe  b 

1,005 

25,50 

19,5 

22 

0,97 

Kaffee  I  von  Koffein  bis  auf  0,10 
Proz.  befreit,  normal  geröstet 

Probe  a 

1,004 

25,65 

19,4 

21 

0,97 

Probe  b 

1,0045 

25,36 

19,5 

22 

0,97 

Kaffee  I  koffeinhaltig  (1  Proz.)  nach 

0,96 

Thum  geröstet  .  .  Probe  a 

1,0055 

25,5 

19,35 

18 

Probe  b 

1,006 

25,5 

19,35 

18 

0,95 

B)  Aufgüsse  nach  Harnack.  (20  Kaffee  auf  200  Wasser.) 


Verwendete  Kaffeesorte 

Tropfenzahl 
pro  1  ccm 
Kaffee 

Kaffee  I  koffeinhaltig,  1  Proz.  Koffein, 

normal  geröstet . Probe  a 

27,61 

Probe  b 

27,77 

Kaffee  I  koffeinfrei,  d.  h.  0,1  Proz. 

Koffein,  normal  geröstet  .  .  Probe  a 

27,33 

Probe  b 

27,57 

Kaffee  I  koffeinhaltig,  1  Proz.,  nach 

Thum  geröstet . Probe  a 

27,2 

Probe  b 

27,2 

Kaffee  II  stark  koffeinhaltig,  2,2  Proz. 

Koffein,  normal  geröstet  .  .  Probe  a 

27,64 

Probe  b 

27,55 

Kaffee  III  nach  Thum  geröstet,  1,27  Proz. 

Koffein,  von  Meyer,  Nürnberg 

Probe  a 

27,26 

Probe  b 

27,23 

Kaffee  IV  nach  Thum  geröstet,  1 ,26  Proz. 

Koffein,  von  Meyer,  Nürnberg 

Probe  a 

26,97 

Probe  b 

27,08 

Malzkaffee  (Kathreiner)  .  .  Probe  a 

25,14 

Probe  b 

25,36 

Zichorien  (Frank) . Probe  a 

24  07 

Probe  b 

24,14 

Tropfenzahl 
pro  1  ccm 
Wasser 


19,60 


Jeder  Kaffee  ist  zweimal  untersucht,  Probe  a  und  b;  ausserdem  sind 
alle  Zahlen  Mittel  aus  je  10  Bestimmungen  bei  24°. 


Die  Tabelle  4  zeigt,  dass  sich  unsere  Versuchsper¬ 
sonen  gegen  Thumkaffee  nicht  merklich  anders 
verhielten  als  gegen  anderen  koffeinhaltigen 
Kaffee.  Bei  D.  fehlt,  ebenso  wie  bei  gewöhnlichem  gerösteten 
Kaffee  mit  100 — 200  mg  Kaffein  eine  typische  Pulsverlangsamung  und 
jegliche  Art  Magenwirkung. 

Bei  Dr.  V.  traten  zweimal  die  gleichen  leichten  Magenwirkungen, 
viermal  die  typische  Pulsverlangsamung  ein,  wie  bei  seinen  Ver¬ 
suchen  mit  gewöhnlichem  Kaffee.  Es  fehlt  nie  Pulsverlangsamung, 
wenn  die  Dosis  über  0,2  Koffein  betragen  hatte.  Das  Sodbrennen 
scheint  bei  ihm  dann  aufzutreten  und  zwar  bei  Thumkaffee  wie  bei 
jeder  anderen  Art  Kaffee  wenn  er  —  wie  er  es  zu  tun  pflegt,  — 
längere  Zeit  keinen  Bohnenkaffee  mehr  getrunken  hat.  In  2  Ver¬ 
suchen  ist  aber  deutlich  Pulsverlangsamung  ohne  Magenreizung 
beobachtet  —  genau  wie  bei  den  Versuchen  mit  Koffein  von  Wil¬ 
helm  und  N  e  u  m  a  nn .  — 

Der  Geschmack  des  Thumkaffees  wurde  von  ca.  40  Per¬ 
sonen  mehrfach  .mit  dem  Geschmack  des  auf  gewöhnliche  Weise 
hergestellten  Vollkaffees  verglichen.  Das  Resultat  aller 
Versuche  war,  dass  es  absolut  unmöglich  ist,  die¬ 
selben  objektiv  als  „gut“  oder  „schlecht“  zu  unter¬ 
scheiden.  Wohl  schmeckte  manchen  Personen  der  eine,  anderen 
der  andere  besser,  aber  dass  der  eine  rein,  der  andere  verbrannt, 
„rauchig  geschmeckt“,  „einen  Schwanz  gehabt“  habe,  war  uns  un¬ 
möglich  zu  finden.  —  Das  Protokoll  eines  solchen  Versuches  gebe 
ich  im  Auszug:  13  Personen  an  Alter,  Bildung  und  Geschlecht  ver¬ 
schieden  tranken  gleich  zubereitete  Aufgüsse  (20  : 200)  der  drei 
Kaffeesorten  normal  geröstet. 


A.  Kaffee  I  koffeinhaltig  1  Proz.  Koffein  \  , 

B.  Kaffee  I  koffeinfrei  0,1  Proz.  Koffein  /  normal  gerostet. 

C.  Kaffee  I  koffeinhaltig  1  Proz.  Koffein  nach  Thum  geröstet. 


Die  Trinkenden  konnten  die  3  Kaffeesorten,  von  deren  Herkunft 
sie  natürlich  nichts  wussten,  rein  oder  mit  gleichen  Quantitäten  Milch 
und  Zucker  probieren,  sie  wurden  aufgefordert  zu  sagen:  Ich  stelle 
dem  Geschmack  nach  cen  3  Kaffeesorten  die  Note  I  (bester),  !I 
(mittlerer),  III  (schlechtester)  aus.  Es  ist  interessant,  dass  die  Summe 
der  13  Urteile  für  jede  Sorte  genau  25  oder  26  gibt,  also  die  Durch¬ 
schnittsnote  2,0  für  alle  Sorten. 

Damit  ist  mir  erwiesen,  dass  dem  Thum¬ 
kaffee  vor  anderem  ordentlich  behandeltem 
Kaffee  praktisch  kein  Vorzug  zukommt,  und 
dass  die  T  h  u  m  sehe  Reinigung  der  Kaffeebohnen  kein  Produkt 
von  besonderen  hygienischen  Eigenschaften  liefert,  wie  es  die 
Reklame  behauptet.  Nach  wie  vor  bleibt  bestehen,  dass  das 
Koffein  die  einzige  kräftig  und  gelegentlich  toxisch  wirkende 
Substanz  im  Kaffee  ist,  und  dass  die  flüchtigen  Röstprodukte 
zwar  für  den  Geruch  und  Geschmack  sehr  wichtig  sind,  dass 
aber  weder  ihnen  noch  den  unflüchtigen  Röstprodukten  in  den 
üblichen  Dosen  eine  wesentliche  direkte  zentrale  Wirkung 
zukommt  wie  dem  Koffein. 


Tabelle  4. 


s- 

<u 

B 

c 

5 

Z 

Datum 

Versuchs¬ 

personen 

Konzentration 

Coffeingehalt 
nach  Lendrich 
u.  Nottbohm  | 

Coffeingehalt  1 
des  Aufgusses  ! 
berechnet  n.Katz 

mit  82,5  Proz.  | 

Puls 

Respiration 

Erregung 

Schlaf 

Magen¬ 

symptome 

Sonstige  nervöse 
Symptome 

Besondere 

Bemerkungen 

•X 

Proz. 

i 

11.  III.  12 

D. 

20 : 250 

1 

165  mg 

Vorher  72-75 

9  Min.  nachli.  —70 
20  „  „  -73 

29  „  „  72 

36  „  „  75 

43  „  „  72 

50  Min.  nachher  66 
55  ,,  ,,  68 

63  „  ,,  68 

72  „  „  65 

78  „  „  65 

88  ,,  ,,  68 

Vorher 
141/,  15V* 
Mitte 

13  —  1 3'/a 
Ende 
14-15 

Keine 

Out 

Keine 

Keine 

2 

11.  III.  12 

Dr.  V 

20 : 250 

1 

165  mg 

Vorher  62 
15  Min  nachher  62 
30  „  ,,  60 

45  Min.  nachher  60 
60  „  „  60 

Keine 

Out 

Keine 

Keine 

3 

15.  III.  12 

D. 

25:  250 

1 

206  mg 

Vorher  74  -  78 
8  Min.  nachher  74 
16  „  „  82 

26  „  „  72 

35  „  5,  70 

43  „  ,,  80 

52  Min.  nachher  74 
58  ,,  ,,  76 

66  „  „  80 

75  „  „  76 

82  „  „  76 

Vorher 

18  19 
Mitte 
16V*-'  17 
Ende 
18-19 

Leichte  Unruhe 
während  des 
ganzen 
Versuchs 

Out 

Keine 

Keine 

4 

13.  III  12 

Dr.  V. 

25  :  250 

1 

206  mg 

Vorher  65 
15  Min.  nachher  60 
30  „  „  55 
45  „  „  55 

60  Min.  nachher  60 
75  „  „  58 

90  „  „  58 

Keine 

Out 

Keine 

Keine 

5 

18.  111.  12 

Dr.  V. 

25  : 250 

1 

206  mg 

Vorher  63  -  66 
15  Min.  nachher  65 
30  „  „  59 

45  ,,  ,,  56 

60  Min.  nachher  53' 
75  „  „  61 

90  „  „  58 

1  Puls  voller 

Keine 

* 

Out 

Keine 

Keine 

6 

13.  VI.  12 

Dr.  V. 

50  :  400 

1 

412  mg 

Vorher  59 
10  Min.  nachher  56 
20  „  ,,  52 

30  „  „  49 

40  Min.  nachher  53 
50  „  „  53 

70  „  „  53 

Keine 

2}^Stdn.zu  Bette 
gelegen  ohne 
einzuschlafen, 
'03^*1  Uhr  abds. 

Leichtes  Sod¬ 
brennen,  3  Stdn. 
anhaltend 

Keine 

Seit  deml.IV.  hat 
Herr  V.  keinen 
Bohnenkaffee 
getrunken 

7 

21.  VI.  12 

Dr.  V. 

25  :  250 

1,26 

256  mg 

Vorher  58 
5  Min.  nachher  58 
10  „  „  57 

25  „  „  56 

45  „  „  50 

60  „  „  50 

70  Min.  nachher  50 
80'  „  „  51 

85  „  ,.  52 

55  „  „  50 

100  „  „  51 

Keine 

Out 

Während  des 
ganzen  Versuchs 
leichtes  nicht 
kontinuierliches 
Sodbrennen,  oft 
saures  Aufstoss. 

Keine 

18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


361 


Zum  koffeinfreien  Kaffee  habe  ich  vor  kurzem:  Zur 
Psychologie  und  Hygiene  der  Genussmittel,  (Rektoratsrede, 
Wiirzburg  1912),  Stellung  genommen.  Ich  habe  dort  aus- 
gefiihrt,  dass  die  Genussmittel,  deren  Bedeutung  in  erster 
Linie  auf  der  zentralen  Wirkung  eines  Bestandteils  zu  beruhen 
scheint  (Wein — Alkohol;  Kaffee — Koffein;  Tabak — Nikotin)  so¬ 
lange  nicht  richtig  verstanden  werden,  als  wir  diese  allein 
berücksichtigen.  Nicht  vergessen  dürfen  wir  die  begleitenden 
Würzen,  die  zumeist  peripher  wirkenden  aber  unser  Gesamt¬ 
befinden  durch  Vermittlung  des  Geruchs-  und  Geschmacks¬ 
sinnes8)  höchst  angenehm  beeinflussenden  Stoffe,  die  wir  nur 
sehr  unvollständig  chemisch  kennen,  —  über  deren  Anwesen¬ 
heit  uns  aber  unsere  Sinne  so  klare  Auskunft  geben.  Diese 
begleitenden  Würzstoffe  sind  für  den  Genussmittelwert  von 
solch  fundamentaler  Bedeutung,  dass  Wein,  Kaffee,  Thee  und 
Tabak  nie  nach  ihrem  Gehalt  an  Alkohol,  Koffein  und  Nikotin 
gehandelt  werden,  ja  dass  man  vielfach  geradezu  den  leich¬ 
teren  d.  h.  giftärmeren  Sorten  den  Vorzug  gibt,  wenn  sie 
reich  an  Aromastoffen  sind.  Eine  sehr  erhebliche 
Anzahl  von  Menschen  geniesst  in  den  gewohnten  Genuss¬ 
mitteln  vor  allem  die  peripheren  Würzen,  den  Wohlgeschmak 
und  Wohgeruch  und  nimmt  —  oft  nur  ungern  —  die  Wirkung 
des  zentralen  Genussmittels  in  den  Kauf.  Viele  Menschen,  vor 
allem  solche  mit  zarter  Gesundheit  lieben  den  Weingeschmack 
und  die  Zigarre,  fürchten  aber  Alkohol  und  Nikotin,  sie 
möchten  ihren  gewohnten  aromatischen  Kaffee  nicht  ent¬ 
behren  und  scheuen  die  Wirkung  des  Koffeins  auf  den  Schlaf, 
auf  die  Gicht  usw.  Wer  in  voller  Gesundheit  Kaffee  trinkt, 
um  seine  geistige  und  körperliche  Leistungsfähigkeit  vorüber¬ 
gehend  energisch  zu  verbessern  resp.  zu  verlängern,  wer  ein 
Nervensystem  hat,  das  nach  der  vermehrten  Leistung  unter 
der  Kaffeewirkung  (Koffeinwirkung)  leicht  immer  wieder  zum 
Zustand  der  Ruhe  zurückkehrt  —  der  wird  natürlich  koffein¬ 
haltigen  Kaffee  wählen.  Wer  aber  aus  Erfahrung  weiss,  dass 
ihm  koffeinhaltige  Getränke  Kongestionen  machen,  Herz¬ 
klopfen  erzeugen,  den  Schlaf  rauben  —  der  kann  im  koffein¬ 
freien  Kaffee  einen  wertvollen  Ersatz  finden,  ein  Surrogat,  das 
ihm  die  ganze  Symbolik  der  gemütlichen  Kaffeestunde  lässt, 
ihm  den  ganzen  Wohlgeschmack  des  Originalgetränkes  über¬ 
mittelt,  ohne  irgendwie  zu  schaden.  Vielleicht,  dass  ausser¬ 
dem  die  minimalen  Koffeindosen,  die  zurückblieben,  dem 
Koffeinempfindlichen  gerade  genügen,  um  ihm  eine  leichte  vor¬ 
übergehende  Anregung  zu  geben,  vielleicht  dass  den  empyreu- 
matischen  Bestandteilen  und  dem  heissen  Wasser  in  Ver¬ 
bindung  mit  Ruhen  und  Plaudern  und  der  ganzen  Suggestion 
der  Kaffeestunde  auch  noch  eine  leichte  Wirkung  zukommt 
wie  dies  aus  der  Geiser  sehen  Arbeit  geschlossen  werden 
könnte.  Hier  sind  noch  manche  schwierige  Fragen  an  „ner¬ 
vösen“  Personen  zu  lösen.  Tatsache  ist,  dass  sich  Tausende 
von  Menschen  bei  dem  koffeinfreien  Kaffee  sehr  wohl  fühlen. 

Was  viele  Menschen  freiwillig  getan  haben,  auf  die  ihnen 
schlecht  bekommenden  koffeinhaltigen  Genussmittel  ver¬ 
zichten,  das  haben  andere  unter  dem  Zwang  ärztlicher  Ver¬ 
ordnung  tun  müssen.  Alle  ärztlichen  Autoritäten  verbieten 
heute  Herzkranken,  Nierenkranken  und  sehr  vielen  Nervösen, 
vor  allem  an  schlechtem  Schlaf  leidenden,  den  Genuss  der 
koffeinhaltigen  Genussmittel;  vergl.  z.  B.  Jürgensen  [45], 
v.  K  r  e  h  1  [46].  Auch  Gichtleidende  sollen  sie  meiden,  da  eine 
Entmethylierung  des  Koffeins  nach  K  o  t  a  k  e  in  der  Leber, 
nach  Schittenhelm  auch  in  der  Lunge  stattfindet  und 
Besser  bei  Umber  eine  direkte  Steigerung  der  Harnsäure¬ 
produktion  bei  Gichtikern  und  Normalen  nachwies  (vergl. 
Besser:  Therapie  der  Gegenwart,  50.  Jahrg.,  Heft  7  und 
Umber:  „Lehrbuch  der  Ernährung  und  der  Stoffwechsel¬ 
krankheiten“  1909,  S.  324). 

All  diesen  zahlreichen  Kranken,  Halbgesunden  und  bloss 
zur  Erkrankung  Disponierten  ist  in  dem  koffeinfreien  Kaffee  ein 
wertvoller  Ersatz  geboten,  wie  viele  ärztliche  Stimmen  be¬ 
weisen  [47]. 

Nur  in  den  Ausnahmefällen  wird  auch  er  nicht  vertragen 
werden,  wo  der  Magen  gegen  alle  Getränke  aus  kaffeeartigen 
Röstprodukten  abnorm  empfindlich  reagiert. 

8)  Beim  Rauchen  kommt  das  optische  Vergnügen  bei  der  Be¬ 
trachtung  der  Spiele  der  Rauchwolken  desgl.  der  Entwicklung  der 
weissen  Asche  als  so  wichtig  hinzu,  dass  alle  Raucher  versichern, 
das  Rauchen  im  Dunkeln  sei  ein  sehr  geringer  Genuss. 

No.  7. 


Literatur. 

1.  K.  B.  Lehmann  und  Wilhelm:  Arch.  f.  Hyg.,  Bd.  32, 
1898,  p.  310.  —  2.  K.  B.  Lehmann  und  Roh  rer:  Arch.  f.  Hyg., 
Bd.  44,  1902,  p.  203.  —  3.  Binz:  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  1878, 
Bd.  9,  und  Vorlesungen  über  Pharmakologie,  Berlin  1886,  p.  270,  und 
Zentralbl.  f.  innere  Med.  1900,  Bd.  21,  p.  1 10.  —  4.  G  e  i  s  e  r :  Arch.  f. 
exp.  Path.  u.  Pharm.,  Bd.  53.-5.  Boruttau:  Zeitschr.  f.  physik. 
u.  diät.  Ther.  1908/09,  Bd.  12.  —  6.  Harnack:  Münch,  med. 
W ochensehr.  1911,  p.  1868.  —  7.  Erdmann:  Arch.  f.  exp.  Pharm, 
u.  Path.  1902,  Bd.  48,  p.  233  und  Ber.  d.  deutschen  ehern.  Gesellsch. 
1902,  Bd.  35,  p.  1846 — 54.  —  8.  Lendrich  und  Nottbohm: 
Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nähr.-  u.  Genussmittel,  Bd.  17,  1909,  p.  241.  — 
9.'  P  a  1 1  a  d  i  n  o :  Beilstein,  Bd.  III,  p.  888.  —  10.  P  o  1  s  t  o  r  f  f :  Chem. 
Zentralbl.  1909,  Bd.  2,  p.  2015.  —  11.  Jahns:  Chem.  Ber.,  Bd.  20, 
1887,  p.  2843.  —  13a.  Graf  L. :  Zeitschr.  f.  öfi.  Chemie  1904,  Bd.  X, 
P-  279.  —  14.  Gorter:  Liebigs  Annalen,  Bd.  372,  p.  237.  —  14.  Ro¬ 
bert:  Lehrb.  d.  Intoxikationen,  2.  Aufl.,  1906,  Bd.  2,  p.  1235.  — 

16.  Gorter:  Liebigs  Annalen,  Bd.  358,  p.  327;  Bd.  359,  p.  217.  — 

17.  Griebel:  Ueber  den  Kaffeegerbstoff,  Inaug.-Diss.  München  1903 
(Hilger).  —  18.  Payen:  Liebigs  Annalen.  Bd.  60,  p.  268  und: 
Comptcs  rendus  1846,  Bd.  22,  p.  724;  Bd.  23,  p.  8  u.  p.  244.  — 
19.  Tr  il  lieh  und  Gockel:  Zeitschr.  f.  Unt.  d.  Nahrungsmittel, 
Bd.  1,  1896,  p.  101.  —  20.  H.  Meyer  und  A.  Eckert:  Sitzungs¬ 
berichte  der  Wiener  Akad.  CXIX,  116,  Okt.  1910.  Vgl.  auch  Bene¬ 
dict-  Ulz  er:  Analyse  d.  Fett-  und  Wachsarten,  5.  Aufl.,  1903, 
820.  —  21.  Aubert  und  Dehn:  Pflügers  Archiv  1874,  Bd.  9,  p.  1 17 
und  Pflügers  Archiv  1872,  Bd.  5,  p.  589.  —  23.  Bernheim  er: 
Wiener  Akademiebericht,  Bd.  81,  Abt.  2,  1880,  p.  1032  und  Monats¬ 
hefte  f.  Chemie  1880,  Bd.  1,  p.  456.  —  24.  J  ä  c  k  1  e:  Zeitschr.  f.  Unters, 
d.  Nähr.-  u.  Genussmittel  1898,  Bd.  1,  p.  457.  —  24a.  Monari  und 
Scoccianti:  Annal  di  Chem.  et  die  Farm.  1895,  Bd.  21,  p.  70.  — 
25.  Bötsch:  Monatshefte  f.  Chemie  1880,  Bd.  1,  p.  621.  —  26. 
Thiele  und  D  i  m  r  o  t  h :  Liebigs  Annalen,  Bd.  305,  p.  102,  1899.  —» 
27.  Gorter:  Liebigs  Annalen,  Bd.  358,  p.  334.  —  27a.  V.  Grafe: 
Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  Wien,  mathem.-naturw.  Klasse  1, 
Bd.  121,  Juli  1912.  —  29.  J.  Katz:  Arch.  d.  Pharmacie  1904,  Bd.  242, 
p.  42,  ref.  in  Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nähr.-  u.  Genussmittel  1904,  Bd.  8, 
p.  30.  Vgl.  auch  P.  Wäntig:  Arb.  a.  d.  Kaiserl.  Gesundheitsamt 
1906,  Bd.  23,  p.  315 — 32,  ref.  in  Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nähr.-  u.  Genuss¬ 
mittel  1906,  Bd.  12,  p.  430.  —  28.  Aubert:  Pflügers  Archiv  1872, 
Bd.  5,  p.  589.  —  30.  H  o  1 1  i  n  g  w  o  r  t  h,  Horatio  Wood:  The  Thera- 
peutic  gazette,  Bd.  56,  15.  Jan.  12.  —  31.  Wilh.  Koch:  Ergographische 
Studien  (bei  Hans  Horst  Meyer),  Dissert.  Marburg  1894.  —  32. 
Aug.  Hoch  und  Emil  Kraepelin:  Ueber  die  Wirkung  der  Thee- 
bestandteile  auf  körperl.  u.  geist.  Arbeit.  Leipzig,  Engelmann, 
1895.  —  32a.  K.  B.  Lehmann  und  Tendlau:  Arch.  f.  Hyg., 
Bd.  32,  p.  327.  —  33.  Bardet:  Bulletin  general  de  Therapeutique 
No.  2,  12.  Juli  1911.  —  34.  Frdr.  Crämer:  Die  Einwirkung  der 
Genussmittel  auf  den  menschlichen  Organismus,  speziell  auf  die  Ver¬ 
dauungsorgane.  I  .Tabak,  Kaffee,  Thee.  München,  J.  F.  Leh¬ 
mann,  1907.  —  35.  W.  Röttger:  Genussmittel  und  Genussgifte. 
1906.  Stande,  Berlin.  —  36.  Max  Geiser:  Arch.  f.  exp.  Pathol. 
u.  Pharmakbl.,  Bd.  53,  p.  112,  1905, —  36.  Boruttau:  Zeitschr.  f. 
Physik,  u.  diät.  Therapie,  III,  1908/09.  —  37.  M.  Ogata:  Arch.  f. 
Hyg.,  Bd.  III,  204.  —  38.  Paechtner:  Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nahr.- 
u.  Genussmittel,  23.  Bd.,  Heft  6,  1912.  —  39.  Pinkussohn:  Münch, 
med.  Wochenschr.  1906,  No.  26.  —  40.  Schmiedeberg:  Arch.  f. 
Hyg.,  Bd.  76,  p.  210,  1912.  —  41.  E.  Bleuler  und  K.  B.  Leh¬ 
mann:  Arch.  f.  Hyg.  1885,  Bd.  3,  p.  215.  —  42.  Traube:  Pflügers 
Archiv,  Bd.  105,  p.  541  u.  559,  1904,  Bd.  132,  p.  511,  1910,  Bd.  1, 
p.  312,  1909.  Verhandl.  d.  deutschen  physik.  Gesellsch.,  Bd.  10,  p.  880, 
1908.  —  43.  Traube  und  Blumenthal:  Zeitschr.  f.  exp.  Pathol. 
u.  Ther.,  Bd.  2,  p.  117,  1095.  —  44.  Hoeber:  Physikalische  Chemie 
der  Zelle  und  der  Gewebe.  3.  Aufl.,  Leipzig  1911,  p.  227  u.  268.  — 
45.  Jürgensen:  Erkrankungen  der  Kreislauforgane,  Insuffizienz 
(Schwäche)  des  Herzens.  In  Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therapie, 
Bd.  15,  1.  Teil,  1.  Abt.  Wien,  1899,  p.  182.  —  46.  v.  Kr  eh  1:  Erkran¬ 
kungen  des  Herzmuskels  und  die  nervösen  Herzkrankheiten.  In 
Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therapie,  Bd.  15,  1.  Teil,  5.  Abt.  Wien, 
1901,  p.  73 — 74,  p.  184,  p.  263.  —  47.  Vgl.  z.  B.  Samuely  -  Franzens¬ 
bad:  Deutsche  med.  Presse  1912,  No.  1.  A.  Möller:  Therap. 
Rundschau  1908,  No.  47.  Glücksmann  und  Gorini:  Ref.  in 
Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nahrungsmittel,  Bd.  20,  p.  10. 

- • - 

Der  Arzt  als  Patient. 

Seinen  eigenen  Herzschlag  kann  man  hören,  wenn  man  das  Ohr 
aufs  Kopfkissen  presst,  das  eigene  Blut  kann  man  sehen,  wenn  man 
mit  geschlossenen  Lidern  in  die  Sonne  blickt.  Man  kann  sich  auf 
viele  Arten  selber  belauschen,  spürt  Knarren  in  Sehnen,  Knacken  in 
Gelenken  und  Knurren  im  Magen,  und  manch  einer  ist  schon  in  Ver¬ 
legenheit  gekommen,  weil  seine  Verdauungsorgane  sich  zu  zanken 
anfingen,  als  ob  er  sechs  Katzen  im  Bauche  trüge.  Von  diesen  natür¬ 
lichen  oder  leichtpathologischen  Aeusserungen  der  Organe  bis  zur 
Schmerzempfindung  ist  es  noch  ein  weiter  Weg,  und  diese  selbst  ist 
an  oft  unberechenbare,  psychische  Faktoren  geknüpft;  man  fürchtet 
sich  vor  einem  Nadelstich  und  bemerkt  einen  tiefen  Messerschnitt 
erst  daran,  dass  das  Blut  herunterläuft.  Ganz  unangenehm  ist  es  aber 

4 


362  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No^7^ 


gewiss,  einen  heftigen  Knall,  eine  Sprengung  im  eigenen  Körper  zu 
erleben. 

Ich  ging  ruhig  bei  Tauwetter  auf  ebener  Strasse  hin,  als  ich  ein 
wenig  ausrutschte;  um  nicht  den  Boden  zu  berühren,  hielt  ich  mit 
aller  Kraft  an  mich;  im  selben  Augenblick  ging  mir  ein  Donnerschlag 
durch  den  Leib,  zugleich  wusste  ich;  jetzt  ist  die  Streckersehne  ge¬ 
rissen  und  die  Kniescheibe  an  den  Oberschenkel  hinaufgefahren. 
Ruhig  Blut.  Leise  sank  die  Nacht  über  mich  her. 

Als  ich  wieder  sehen  konnte,  ordnete  ich  unter  den  Herbei¬ 
gelaufenen  das  Notwendige  an.  Ich  liess  mir  das  Knie  steif  binden, 
wurde  auf  einen  Holzschlitten  gelegt  und  nach  Hause  gebracht;  aber 
einer  in  mir  sagte  unablässig:  wenn  du  nur  schon  24  Stunden  älter 
wärest. 

Es  war  am  5.  Januar  1909,  nachmittags  um  2  Uhr;  Automobile 
gab  es  keine,  das  nächste  Dampfschiff  fuhr  am  anderen  Morgen  um 
10  Uhr  nach  Konstanz. 

Noch  niemals  hat  sich  ein  Mensch  so  gefreut  unters  Messer  zu 
kommen  wie  ich  nach  den  21  Stunden,  die  ich  im  Notverband  gelegen. 
Meine  einzige  Sorge  war:  werden  sie  mich  im  Krankenhaus  gleich 
vornehmen?  Glücklicherweise  war  alles  bereit.  Schon  im  Opera¬ 
tionssaal  wurde  mir  behaglich  zu  Mut.  Als  sich  die  Maske  über  mich 
senkte,  dachte  ich:  ich  will  es  ihnen  erleichtern;  ich  will  sofort  ein- 
schlafen.  Atmete  dreimal  tief  mit  offenem  Mund,  trank  in  richtigen 
Zügen  den  Aetherdunst  und  versank  leise  in  einen  Abgrund.  Es  ist 
ein  seliges  Wonnegefühl,  so  wie  ich  mir  den  Opiumrausch  denke,  ein 
Bodenverlieren,  ein  Hinunterschweben  auf  sanften  Flügeln.  Plötz¬ 
lich  hebt  ein  Klopfen  in  den  Ohren  an,  als  ob  mit  zehntausend  Dampf¬ 
hämmern  drauflos  geschlagen  würde,  schneller,  schneller,  und  da  ist 
ein  Punkt,  etwa  wie  wenn  noch  auf  einen  elektrischen  Knopf  gedrückt 
würde  und  dann:  der  Gaul  geht  durch,  rasend,  der  ganze  Organis¬ 
mus  saust  dahin,  die  Seele  fährt  aus  dem  Leib.  Schlaf. 

Das  ist  der  Tod.  Man  existiert  nicht  mehr.  Anders  kann  der 
Tod  nicht  sein.  — 

Ich  erwachte  in  einem  Krankenbett.  Zwei  Stunden  waren  ver¬ 
gangen.  Der  erste  Gedanke:  so,  jetzt  weiss  ich’s;  euch  bin  ich  hinter 
eure  Schliche  gekommen;  jetzt  weiss  ich,  wie  der  Tod  ist.  Ein  läp¬ 
pisches  Frohlocken  erfüllte  mich,  und  es  fiel  mir  sofort  ein,  dass  ich 
mit  dem  Gedanken  an  einen  Freund  eingeschlafen  war:  hat  er  es 
nicht  kürzlich  genau  so  erzählt,  diesen  Punkt,  von  dem  ab  man  ge¬ 
liefert  ist,  wehrlos,  ohne  Hilfe?  Ein  paar  Tropfen  mehr,  und  man 
wacht  nicht  mehr  auf.  Vom  Vorhof  des  Tods  in  den  Tod  —  ohne 
Unterschied,  ohne  es  zu  merken.  Ein  Zorn  erfasste  mich  über  diese 
Machtlosigkeit. 

Uebrigens  stellte  es  sich  heraus,  dass  dieses  Gespräch  mit  dem 
Freund  nie  stattgefunden  hatte. 

Mühsam  holte  ich  nun  ein  paar  Gedanken  in  meinem  Hirn  zu¬ 
sammen,  ich  spürte  sie  beinahe  körperlich  entstehen,  sie  lagen  da 
herum  und  ich  musste  sie  fassen,  eine  gewisse  närrische,  tölpelhafte 
Heiterkeit  versuchte  einen  halben  Spass  zu  machen,  die  Zunge  ver¬ 
sagte  den  Dienst,  lallte  schwer  im  Mund  herum,  und  als  sie  sprach, 
kam  nicht  das  zustand,  was  das  Gehirn  wollte.  Bald  merkte  ich,  dass 
die  Zunge  verschwollen  war,  ohne  Zweifel,  weil  sie  während  der 
Operation  in  den  Schlund  gerutscht  und  mit  der  Zungenklemme  fest¬ 
gehalten  worden  war. 

Ich  habe  das  später  mehrfach  gehört,  dass  man  beim  Erwachen 
aus  der  Narkose  noch  in  der  Trunkenheit  kindisch  zu  spassen  ver¬ 
sucht;  ich  soll  der  alten  Schwester  Oliva  heilig  versprochen  haben: 
oh,  ich  werde  noch  feine  Gedichte  machen,  und  ein  Kamerad  sagte 
dem  Arzt,  er  mache  so  ein  katholisches  Gesicht;  andere  plärren  und 
spinnen  an  dem  schweren  Gedankengang  weiter,  mit  dem  sie  ein¬ 
geschlafen  sind,  und  das  geschah  dann  im  heftigsten  Widerstreben, 
im  natürlichen  Kampf  des  Lebens  gegen  den  Tod.  Uebrigens  glaube 
ich,  dass  jede  Narkose  sich  rasch  und  günstig  vollzieht,  wenn  der 
Kranke  vorher  darüber  aufgeklärt  und  bereit  ist,  dass  er  mit  bestem 
Willen  mithelfen  soll.  Ich  war  in  einer  halben  Minute  friedlich  ein¬ 
geschlummert. 

Eine  tiefe  Dankbarkeit  erfüllte  mich  gegen  die  Narkoseschwester, 
für  diesen  ununterbrochenen,  erinnerungslosen  Schlaftod. 

Naseweise  junge  Schwestern  haben  sich  schon  zum  Spass  gegen¬ 
seitig  narkotisiert;  das  ist  ein  Unfug,  und  ich  kann  mir  denken,  dass 
er  zum  Laster  werden  kann.  Dagegen  wünsche  ich  jedem  Arzte,  dass 
er  selber  einmal  unters  Messer  kommt,  und  am  eigenen  Leibe  ver¬ 
spürt,  was  im  Patienten  vorgeht. 

Verwundert  besah  ich  nun  mein  Bein;  es  war  von  oben  bis  unten 
in  Wasserglasverband  gepackt,  auf  eine  Holzschiene  gelegt;  das  Knie 
wTar  eröffnet  worden  und  das  untere  Sehnenende,  an  dem  ein  Stück¬ 
chen  Knochen  hing,  mit  der  Kniescheibe  vernäht.  Zwar  war  eine 
breite,  gutgeflickte  Wunde  gesetzt,  aber  ich  hatte  die  erlösende  Emp¬ 
findung:  es  ist  alles  wieder  in  Ordnung  und  sitzt  an  der  rechten  Stelle, 
nicht  mehr  so  unnatürlich  und  peinvoll  wie  vorher. 

Zum  erstenmal  kam  ich  aus  eigener  Erfahrung  darauf,  zu  wel¬ 
chen  Funktionen  das  Kugelgelenk  im  Knie  bestimmt  ist.  Der  Gesunde 
weiss  nichts  von  seinen  Gliedern,  er  nimmt  ihre  Arbeit  selbstverständ¬ 
lich,  danklos  und  ohne  Besinnen  hin;  erst  der  Kranke  dringt  mit 
Schmerzen  in  den  Sinn  seiner  Organe  ein.  Die  geringste  Berührung 
des  Betts  empfand  ich  als  Stoss  in  der  Wunde,  und  ich  sah  ein,  dass 
das  Kniegelenk  des  Gesunden  jeden  Schritt  und  Schlag  in  sich  auf¬ 
fängt,  seine  Erschütterungswirkung  abschwächt  und  für  den  Körper 
neutralisiert;  es  ist  als  Dämpfer  in  die  Knochenleitung  eingeschaltet; 


ohne  dieses  sanftarbeitende,  wohlgeölte  Gelenk  würde  jeder  Tritt 
wie  eine  Gewalttat  auf  den  Körper  wirken,  wir  würden  das  Gleich¬ 
gewicht  verlieren  und  Umfallen. 

Kaum  hatten  sich  die  braven  Organe  Haut,  Muskeln,  Sehne, 
Knochen,  Nerven,  Gefässe  von  dem  rauhen  Eingriff  in  ihr  ruhiges 
Leben  notdürftig  erholt,  so  begannen  sie  mit  Eifer  den  Heilungspro¬ 
zess.  In  den  ersten  Tagen,  stets  um  dieselbe  Nachmittagsstunde, 
setzte  eine  eigentümliche  Schmerzempfindung  ein:  ein  ganzer  Klem¬ 
merhaufen,  ein  Ameisenheer  nagte  mit  tausend  Bissen  an  der  Wunde, 
zerrte,  rupfte  und  zupfte  daran;  gegen  Abend  versurrte  es  wohlig. 
Die  Nächte  brachten  Schlaf  von  halben  Stunden.  Wie  anspruchslos 
wird  der  Schwerkranke.  Um  eine  Stunde  Schlaf  in  einer  Nacht  ist 
er  beglückt;  unbeweglich  lernt  er  die  Wochen  in  steifer  Rückenlage 
verbringen.  Das  Zeitmass  ist  verschoben.  Einmal  wachte  ich  nachts 
auf  und  sah  auf  die  Uhr;  sie  zeigte  5  Minuten  vor  3A  2  Uhr;  sofort 
schlief  ich  wieder  ein,  schlief  tief  und  fest,  lange,  lange,  und  wachte 
wohl  nach  Stunden  wieder  auf;  es  waren  noch  2  Minuten  bis  '14  2; 
ich  hatte  genau  3  Minuten  geschlafen.  Morphium  bewährte  sich  nicht, 
es  verursachte  beim  Einschlafen  elektrische  Schläge  durch  den  ganzen 
Körper  durch.  Dagegen  preise  ich  ein  leichtes  Fiebermittel.  Ich  hatte 
anfangs  stets  Temperaturerhöhung,  38,5,  etwas  allzulange,  weshalb 
mein  Operateur,  der  alte,  geniale  Otto  Kappe  ler,  knurrte;  schliess¬ 
lich  bat  ich  um  ein  Fiebermittel;  ich  kenne  mich,  ich  hätte  beim 
geringsten  Schnupfen  hohe  Temperatur,  mein  Blut  brenne  leicht; 
ungern  bewilligte  er  ein  Pülverchen  Phenacetin,  und  weg  war  das 
Fieber. 

Nach  8  Tagen  hob  um  die  Mittagszeit  ein  wohliges  Schaffen  im 
Knie  an,  irgend  ein  magnetischer  Strom  wurde  erzeugt,  eine  elek¬ 
trische  Maschine  nähte  und  stach  angenehm  prickelnd  an  den  Wund¬ 
teilen;  es  war,  als  ob  eine  Dynamomaschine  drin  arbeitete;  dabei 
spürte  ich  lebhaft,  wie  die  beiden  Knochenstücke  sich  anzogen,  sich 
ineinander  pressten  und  ineinander  hineinwuchsen;  ich  hatte  jetzt  nur 
die  Pflicht  stillzuliegen  und  dem  mächtigen  Schaffen  im  Knie  zuzu¬ 
horchen. 

Mit  Vorsicht  griff  ich  zu  Büchern.  Gleich  das  erste,  das  ich  in 
die  Hand  bekam,  Heydenstams  Karl  XII.,  war  zu  schwer  für  das 
junge  Leben,  das  erst  wieder  die  Augen  in  mir  aufschlug;  es  strengte 
mich  an,  erschien  mir  blutrünstig  und  erdrückend.  Darnach  verfiel 
ich  aufs  Gegenteil,  und  las  eine  Sammlung  lustiger  Gedichte  und  Ge¬ 
schichten;  sie  wurden  zu  leicht  befunden  und  hinterliessen  eine  Leere. 
Ich  glaube,  der  Kranke  ist  feinfühliger  und  bestimmter  in  seinem  Ge¬ 
schmack  als  der  Gesunde.  Erst  als  ich  an  die  Sprüche  von  Goethe, 
an  Mörike  und  Gottfried  Keller  geriet,  ging  mir  das  liebe  Leben  wieder 
an,  das  ich  nun  10  Wochen  nur  vom  Fenster  aus  betrachten  sollte. 
Das  waren  drei  gute  Krankenfreunde.  Freilich,  am  besten  wirkte 
der  lebendige  Humor  aus  erster  Hand,  von  einer  prächtigen  alten 
Krankenschwester  gespendet.  Nichts  regt  die  Lebensgeister  so  an, 
wie  ein  unvermutetes  Lachenkönnen  über  irgendeine  Torheit  oder 
eine  sich  eben  abspielende  Anekdote,  die  einem  unversehens  in  den 
Schoss  fällt;  sie  schüttelte  sie  aus  dem  Aermel. 

Allmählich  gewann  ich  Sinn  für  meine  Umgebung. 

Das  Krankenzimmer  war  mustergültig  nach  hygienischen  Grund¬ 
sätzen  nur  mit  dem  Notwendigsten  versehen,  die  Wände  abwaschbar, 
mit  grauer  Oelfarbe  gestrichen;  kein  Bild,  keine  Unterbrechung  der 
eintönigen  Flächen.  Dem  Bett  gegenüber  war  eine  Tür  in  die  Wand 
eingelassen,  deren  Holz  nicht  unter  einer  Oelfarbe  verdeckt,  sondern 
mit  dünnem  Lack  überzogen,  als  ehrliches  Tannenholz  hervortrat. 
Die  Masern  dieser  Türe  waren  lange  Zeit  die  einzige  FTholung,  der 
ästhetische  Genuss  für  mein  verarmtes  Auge.  Ihnen  danke  ich  soviel 
wie  Goethe,  Mörike  und  Keller.  Bis  ich  an  der  Stubendecke 
einige  Sprünge  im  Gips  entdeckte,  die  wie  Flüsse  auf  einer  Landkarte 
gewunden  verliefen.  Diese  Masern  und  diese  Sprünge  werde  ich 
nie  vergessen,  und  wenn  ich  100  Jahr  alt  werde.  Die  Hygiene  ist 
eine  herbe  Tochter  des  Verstandes,  eine  Puritanerin  und  Bilder¬ 
stürmerin,  eine  Erzlangweilerin;  ihr  gilt  alles  als  Staubfresser,  was 
nicht  abwaschbar  ist;  derweil  darbt  das  Herz  und  wird  müde  und 
schliesst  Freundschaft  mit  Rissen  und  Rosen  und  allem,  was  nur  nicht 
hygienisch  ist. 

Ich  weiss,  ich  bin  ein  Ketzer,  und  hätte  in  meiner  Krankenzeit 
auch  etwas  Gescheiteres  tun  können  als  aus  der  Schule  zu  schwatzen. 
Als  ich  wieder  anfing,  gehen  zu  lernen  wie  ein  kleines  Kind,  erst  im 
Trichter,  dann  an  zwei  Stöcken,  unbehilflich  und  plump,  und  als  ich 
an  der  Maschine  zwangsweise  im  Knie  gebeugt  und  gestreckt  wurde, 
da  wusste  ich,  dass  an  mir  ein  Meisterstück  der  ärztlichen  Kunst 
verrichtet  war,  das  vor  15  Jahren  noch  keiner  kannte,  und  dass  ich 
nicht  als  ein  Krüppel  im  Leben  herumhumpeln  würde,  sondern  ein¬ 
mal  noch  über  die  Berge  springen  könnte. 

Aber  ich  habe  meine  stillen  Beobachtungen  angestellt  über  Arzt 
und  Leben.  Im  allgemeinen  traut  sich  der  Arzt  auf  dem  platten 
Lande  und  oft  auch  in  der  Stadt,  zu  viel  zu;  er  will  alles  machen 
und  da  kommen  die  saumseligen  Patienten  leicht  zu  spät  vor  die 
rechte  Schmiede,  ins  Krankenhaus,  wo  unter  viel  günstigeren  Ver¬ 
hältnissen,  mit  geschultem  Personal,  mit  Asepsis,  mit  Apparaten  ge¬ 
arbeitet  wird.  Der  Einzelarzt  kann  heute  unmöglich  in  allen  Sätteln 
gerecht  sein;  so  wird  er,  wenn  er  ehrlich  ist,  in  vielen  Fällen  den 
Patienten  so  schleunig  wie  möglich  ins  Krankenhaus  oder  zum  besten 
Spezialarzt  befördern,  der  kraft  seiner  reichen  Erfahrung  auf  seinem 
Gebiete  in  kurzer  Zeit  bewältigt,  woran  der  einfache  Arzt  zersplittert 
wäre;  dann  hat  er  als  Berater  der  Menschheit  besser  gedient  als 
wenn  er  sich  erst  selber  daran  versucht  hätte. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


363 


Otto  K  a  p  p  e  1  e  r  ist  kurz  nach  meiner  Entlassung  gestorben, 
am  11.  Mai  1909,  er,  der  Blinddarmspezialist,  an  Blinddarmentzündung; 
ich  habe  ihn  V*  Jahr  lang  als  sein  Patient  wie  einen  Vater  verehren 
gelernt;  er  gehörte  zum  Schlage  der  Bismarck  und  Kiderlen- 
W  acht  er,  knorrig,  kurz  angebunden,  gütig  und  voll  Humor. 

Vor  zwei  Jahren  suchte  mich  ein  Kollege  auf,  der  zufällig  bei 
meiner  Operation  zugegen  gewesen  wrar.  Er  kam,  um  mir  zu  sagen, 
wie  froh  er  sei,  dass  K  a  p  p  e  1  e  r  mich  mit  Katgut  genäht  habe,  und 
zwar  bei  der  verwickelten  Sache  wunderbar  kombinierend;  eine 
Patellarfraktur,  die  er  kurz  darauf  mit  Silberdraht  genäht  gesehen 
habe,  sei  infiziert  worden  und  habe  zum  Ende  geführt. 

Heute  kann  ich  tüchtig  marschieren  und  bin  schon  aufs  Rad 
gestiegen;  nur  einen  bösen  Wettervogel  habe  ich,  und  den  Föhn 
prophezeie  ich  mit  Leichtigkeit  und  Stöhnen  drei  Tage  vorher. 

Ludwig  F  i  n  c  k  h,  Gaienhofen. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Ueberblick  über  die  Entwicklung  und  die  Erfolge  der 
Lichttherapie  in  den  ersten  15  Jahren. 

Von  Dr.  B  r  e  i  g  e  r  in  Berlin. 

Im  Jahre  1895  trat  Finsen  mit  seiner  Lichtbehandlung  des 
Lupus  zuerst  an  die  Oeffentlichkeit  und  fast  zu  gleicher  Zeit  der 
Amerikaner  Dr.  Kellogg  mit  dem  von  ihm  erfundenen  Gliihlicht- 
bade.  Doch  konnte  das  Licht  erst  dann  auf  weiteren  Gebieten  der 
Krankenbehandlung  erfolgreich  angewandt  werden,  als  1898  der 
Kohlenbogenlicht-Scheinwerfer  zur  Lichttherapie  herangezogen  wurde, 
und  einerseits  zur  örtlichen  Behandlung  auf  dem  Gebiete  der  Der¬ 
matologie  und  Chirurgie,  sodann  aber  auch  zur  Allgemeinbehandlung 
in.  kombinierten  Lichtheilverfahren  vielseitige  Anwendung  fand.  Von 
diesem  Zeitpunkt  fängt  eigentlich  die  Lichtbehandlung  erst  an,  Spe¬ 
zialwissenschaft  zu  werden. 

Da  ich  mich  seit  1900  fast  ausschliesslich  mit  dieser  Therapie 
beschäftige,  so  will  ich  versuchen,  im  folgenden  die  Richtlinien  fest¬ 
zulegen,  die,  nach  meinen  langjährigen  Erfahrungen  an  ca.  10  000 
Patienten,  innegehalten  werden  müssen,  wenn  man  bei  der  thera¬ 
peutischen  Verwendung  des  Lichtes  wissenschaftlich  rationell  ver¬ 
fahren  und  Erfolge  erzielen  will.-  Ich  halte  dies  um  so  mehr  für  ge¬ 
boten,  als  man  neuerdings  dahin  neigt,  einer  einzelnen  Strahlengattung, 
mit  welcher  man  freilich  in  vielen  Fällen  vorzügliche  Resultate  er¬ 
zielt,  den  Vorzug  zu  geben,  obgleich  sie  absolut  nicht  imstande  ist 
die  anderen  therapeutisch  ebenso  wertvollen  Strahlen  zu  verdrängen, 
da  diese  auf  anderen  Krankheitsgebieten,  wo  jene  kaum  nennenswerte 
Erfolge  aufweist,  mit  grossem  Erfolg  verwandt  werden. 

Als  natürliche  Lichtquelle  steht  uns  die  Sonne,  als  künstliche 
das  Glühlicht,  das  Kohlenbogenlicht  und  das  Eisen-  resp.  Quecksilber¬ 
dampflicht  bei  der  Therapie  zu  Gebote.  Alle  diese  Lichtquellen  sen¬ 
den  strahlende  Energie  von  mehr  oder  weniger  starker  Intensität  aus, 
die  wir  mit  unserem  Auge  als  Licht  und  mit  unserem  Gefühl  als 
Wärme  empfinden,  die  aber  auch  je  nach  ihrer  Zusammensetzung 
mehr  oder  weniger  starke  chemische  Reize  auf  unsere  Haut  aus¬ 
zuüben  vermag. 

Schon  die  Lichteindrücke  auf  unser  Auge  sind  nicht  ohne  Ein¬ 
fluss  auf  unser  Allgemeinbefinden!  Dies  braucht  nicht  besonders  be¬ 
tont  zu  werden,  da  jeder  weiss,  wie  heller,  klarer  und  freundlicher 
Sonnenschein  ganz  anders  auf  unsere  Arbeitsfreudigkeit  wirkt  wie 
trübes  und  dunkles  Wetter. 

Bei  der  therapeutischen  Verwendung  des  Lichtes  kommen  da¬ 
gegen  in  erster  Linie  die  beiden  anderen  Einwirkungen  der  Licht¬ 
strahlen  auf  den  Körper  in  Betracht,  die  Wärmewirkung  und  der 
chemische  Reiz. 

Die  Lichtstrahlen,  welche  den  Körper  treffen,  dringen  als  Aether- 
wellen  in  denselben  ein,  und  zwar  je  nach  ihrer  physikalischen  Be¬ 
schaffenheit  mehr  oder  weniger  tief.  So  gehen  die  kurzwelligen  und 
raschschwingenden  ultravioletten  Strahlen  schon  in  den  oberfläch¬ 
lichsten  Gewebsschichten  zugrunde,  während  die  violetten  und  blau¬ 
violetten  Strahlen  tiefer  dringen  und  so  fort;  nur  rote  Strahlen  ver¬ 
mögen,  aus  reichlich  starker  Lichtquelle  stammend,  selbst  die  Brust 
eines  erwachsenen  Mannes  zu  durchdringen.  (Nach  den  neuesten 
Forschungen  von  Rollier-Rosellen  sollen  jedoch  nur  2/s  der 
ultravioletten  Strahlen  in  der  äusseren  Haut  absorbiert  werden, 
während  das  andere  Drittel  in  langwellige  Strahlen  umgewandelt 
wird  und  dann  auch  tiefer  ins  Gewebe  eindringt.)  Wo  aber  Aether- 
schwingungen  zugrunde  gehen,  da  entsteht  nach  dem  Joule  sehen 
Gesetz  Wärme.  Sie  entsteht  also  auch  im  Körperinnern  allenthalben, 
wohin  die  Lichtstrahlen  dringen  und  absorbiert  werden.  Freilich 
empfinden  wir  diese  Wärme  nur  auf  unserer  äusseren  Haut;  im  Innern 
des  Körpers  wird  dieser  Umwandlungsprozess  ebensowenig  intensiv 
empfunden,  wie  die  durch  erhöhten  Stoffwechsel  bei  körperlicher 
Arbeit  im  Körperinnern  vor  sich  gehende  Wärmeproduktion,  trotzdem 
auch  sie  die  Körpertemperatur  so  weit  erhöhen  kann,  dass  es  zum 
Schweissausbruch  kommt.  Auch  hochfrequente  Ströme  erzeugen 
nach  demselben  Gesetz  beim  Passieren  des  Körpergewebes  Wärme; 
auch  diese  Wärme  wird  von  uns  für  gewöhnlich  nicht  empfunden; 


setzen  wir  aber  an  Stelle  der  für  gewöhnlich  verwandten  gedämpften 
Wellen  der  Hochfrequenzströme  ungedämpfte,  wie  dies  bei  den  Dia¬ 
thermieapparaten  geschieht,  so  werden  wir  uns  auch  sofort  der 
Wärmeproduktion  in  unserem  Innern  als  Wärme  durch  unser  Gefühl 
bewusst.  Die  Wärme,  welche  die  Aetherwellen,  also  auch  die  Licht¬ 
strahlen  in  unserem  Körper  hervorrufen,  ist  daher  eine  ganz  spe¬ 
zifische,  wie  solche  andere  Wärmequellen,  die  nur  allein  durch 
Leitungswärme  wirken,  nicht  zu  erregen  vermögen.  Die  Wärme, 
welche  bei  der  körperlichen  Arbeit  durch  erhöhten  Stoffwechsel  im 
Körper  erzeugt  wird,  unterscheidet  sich  jedoch  in  einem  wesent¬ 
lichen  Punkte  von  der  Wärme,  welche  durch  Absorption  der  Licht¬ 
strahlen  entsteht.  Während  nämlich  bei  der  körperlichen  Arbeit 
das  Herz  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird,  bleibt  dies  bei  der  Ab¬ 
sorption  der  Lichtstrahlen  unbeteiligt.  Hierin  liegt  ein  Hauptgrund, 
dass  auch  Kranke  mit  schweren  Klappenfehlern  und  Herzkompen¬ 
sationstörungen  richtig  verabfolgte  Lichtbäder  sehr  gut  vertragen 
und  sich  in  denselben  sehr  wohl  fühlen. 

Obgleich  man  früher  diese  spezifische  Wärmewirkung  bei  der 
Allgemeinbehandlung  im  Lichtbade  nicht  nachweisen  konnte,  so 
musste  man  sie  doch  theoretisch  annehmen,  zumal  man  sie  bei  der 
örtlichen  Lichtanwendung  immer  wiedfer  beobachten  konnte.  Wenn 
man  nämlich  irgend  einen  Körperteil  örtlich  bestrahlte  und  hierbei 
den  Scheinwerfer  so  einstellte,  dass  die  Temperatur  des  Lichtes  dort, 
wo  es  die  Haut  traf,  niedriger  war  als  die  Hauttemperatur,  so  zeigten 
sich  trotzdem  auf  der  bestrahlten  Stelle  nach  einiger  Zeit  Schweiss- 
perlen. 

Auch  gelang  es  S  c  h  o  1 1  z  -  Königsberg  im  Jahre  1904,  diesen 
Vorgang  in  einer  Reihe  interessanter  Experimente  einwandfrei  nach¬ 
zuweisen  [1]. 

Heute  beobachten  wir  den  Vorgang  stets,  wo  wir  die  Intensiv¬ 
lichtbäder,  z.  B.  das  Lichtbad  „Polysol“  anwenden,  da  bei  diesen 
Bädern  schon  bei  30 — 35°  C,  also  weit  unter  der  normalen  Körper¬ 
temperatur,  profuser  Schweissausbruch  stattfindet.  Die  Theorie  der 
spezifischen  Wärmewirkung  stiess  in  Aerztekreisen  auf  starken 
Widerspruch  und  wurde  immer  wieder  in  Abrede  gestellt.  Dies  war 
auch  die  Veranlassung,  dass  die  Ansicht  fast  allgemein  verbreitet 
war,  dass  im  Lichtbad  auch  nicht  mehr  zu  erreichen  sei  als  in 
irgend  einem  anderen  Schwitzbade.  Aber  gerade  diese  spezifische 
Wärmewirkung  begründet  insbesondere  die  grossen  Vorzüge  des 
kombinierten  Lichtheilverfahrens;  bei  diesem  wird  auf  einen  be¬ 
stimmten  Körperteil  des  im  Lichtbade  sitzenden  Patienten  von  einer 
intensiven,  ausserhalb  des  Lichtkastens  sich  befindenden  Lichtquelle 
noch  konzentriertes  Licht  geworfen,  welches  hier  zur  Absorption 
gelangt,  eine  grössere  Menge  von  Wärme  an  dieser  Stelle  ent¬ 
wickelt  und  die  durch  das  allgemeine  Lichtbad  schon  hervorge¬ 
rufene  allgemeine  arterielle  Hyperämie  örtlich  in  dem  erkrankten 
Körperteile  noch  steigert  und  so  eine  raschere  Resorption  dort  ab¬ 
gelagerter  Krankheitsprodukte  herbeiführt. 

Diese  spezifische  Wärmewirkung  ist  auch  einer  der  Haupt¬ 
gründe  für  die  rasche  Resorption  von  Blutergüssen,  wie  wir  sie 
jedesmal  prompt  eintreten  sehen,  wenn  wir  frische  Blutergüsse  unter 
Lichtbehandlung  nehmen,  wobei  es  ganz  einerlei  ist,  ob  dieselben 
direkt  unter  der  Haut  sitzen  oder  ob  sie  in  die  Körperhöhlen  und 
Gelenke  stattgefunden  haben.  Ist  man  doch  sogar  imstande,  bei 
oberflächlichen  Blutergüssen  die  bekannte  Farbenveränderung  wäh¬ 
rend  der  Belichtung  mit  blossem  Auge  zu  verfolgen,  falls  nur  der 
Bluterguss  auch  weniger  dicke  Stellen  zeigt,  worauf  vor  12  Jahren 
zuerst  v  M  i  n  i  n  -  St.  Petersburg  aufmerksam  machte  [2]. 

Die  zweite  bei  der  Lichtbehandlung  in  Betracht  kommende  Ein¬ 
wirkung  des  Lichtes  ist  der  chemische  Reiz  der  Lichtstrahlen.  Dass 
Pflanzen  nicht  nur  Wärme,  sondern  auch  Licht  brauchen,  um  zu  ge¬ 
deihen,  wissen  wir;  es  ist  der  Lichtreiz,  der  den  Blättern  die  grüne 
Farbe  gibt,  die  im  warmen  Dunkelzimmer  ausbleibt,  die  aber  immer 
im  Freien  erfolgt,  ob  die  Pflanze  von  der  Wärme  der  Sonnenstrahlen 
getroffen  wird  oder  ob  sie  im  Schatten  wächst.  „Die  menschliche 
Blume  ist  diejenige,  welche  von  allen  Blumen  am  meisten  der  Sonne 
bedarf“,  sagt  Rousseau.  Bestimmt  gedeiht  auch  Tier  und  Mensch 
im  Dunkeln  nicht!  Auch  hier  spielt  der  chemische  Lichtreiz  sicher 
eine  grosse  Rolle,  trotzdem  dieser  Reiz  für  gewöhnlich  nur  so 
schwach  ist,  dass  er  sichtbare  Spuren  nicht  hinterlässt.  Dass  blaue 
und  ultraviolette  Strahlen  Entzündungen  der  Haut  hervorrufen,  hatte 
1889  Widmark  entdeckt  und  hierauf  gründete  Finsen  seine 
Lupusbehandlung,  die  ja  auch  äussere  Zeichen  einer  starken  Ent¬ 
zündung  der  behandelten  Stelle  und  ihrer  unmittelbaren  Umgebung 
mit  sich  bringt.  Dagegen  konnten  bei  dem  Licht  aller  anderen  in 
der  Lichtbehandlung  gebrauchten  Apparate  äussere  Zeichen  der 
Lichtwirkung  nicht  nachgewiesen  werden.  Erst  als  im  Jahre  1902 
das  Eisenlicht  in  die  Lichtbehandlung  eingeführt  wurde  und  es  be¬ 
sonders  der  Dermoscheinwerfer  ermöglichte,  grössere  Hautpartien 
gleichzeitig  mit  mässig  konzentrierten  violetten  und  ultravioletten 
Strahlen  zu  belichten,  trat  die  entzündliche  Wirkung  der  blauvioletten 
Spektrumseite  deutlich  zutage  und  wurde  zur  Behandlung  einer  Reihe 
von  Hautkrankheiten  (chronischen  Ekzemen,  Psoriasis  etc.)  sowie 
zur  Heilung  schlecht  granulierender  Wunden,  veralteter  Beinge¬ 
schwüre,  tuberkulöser,  fistulöser  Wunden  erfolgreich  benützt.  Gleich¬ 
zeitig  entdeckte  man  dabei  die  entzündungshemmende  Eigenschaft 
der  roten  Lichtstrahlen  und  konnte  hierdurch  die  Erfolge  dieser 
Strahlen  bei  nässenden  Ekzemen,  Erysipel,  Urtikaria,  sowie  bei  der 
Wundheilung  erklären.  Der  Hautreiz  der  verschiedenen  Farben,  d.  h. 

4* 


364 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


der  Aetherwellen  von  verschiedener  Länge  und  Schwingungsdauer 
zeigte  sich  demnach,  soweit  wenigstens  die  uns  sichtbaren  Aether¬ 
wellen,  die  Lichtstrahlen  in  Frage  kommen,  wesentlich  different. 
Während  dem  roten  Licht  jeder  Reiz  fehlt,  diesem  vielmehr  eine 
entzündungshemmende  Wirkung  innewohnt,  fängt  die  Reizwirkung 
beim  Gelb  an,  um  desto  intensiver  zu  werden,  je  mehr  man  sich 
dem  Ultraviolett  nähert.  Selbstverständlich  muss  man.  wenn  man 
diese  differenten  Wirkungen  beobachten  resp.  therapeutisch  ver¬ 
wenden  will,  die  Lichtstrahlen  so  applizieren,  dass  sie  an  der  Stelle, 
wo  sie  die  Haut  treffen,  von  niedrigerer  Temperatur  sind  als  die 
dortige  Hauttemperatur,  weil  sonst  unter  der  in  den  Vordergrund 
tretenden  Wärmewirkung  die  spezifische  Wirkung  der  einzelnen 
Strahlengattung  nicht  zur  Geltung  kommen  kann. 

Alle  diese  Beobachtungen  bei  der  örtlichen  Lichtbehandlung  der 
Wunden  und  Hautkrankheiten  zwangen  geradezu  dazu,  auch  bei  der 
Lichtwirkung  im  Lichtbade  neben  der  oben  beschriebenen  Licht¬ 
wärmewirkung  auch  noch  diesen  Lichtreiz  auf  die  Haut  als  mit¬ 
wirkendes  Moment  anzunehmen.  Für  diese  Theorie  gab  es  lange 
Jahre  hindurch  keine  Beweise  und  nur  die  immer  wiederkehrenden 
praktischen  Erfolge  bei  der  Behandlung  der  Stoffwechselkrankheiten 
(Gicht,  Rheumatismus,  Fettsucht  und  Diabetes)  sowie  bei  Chlorose 
und  Anämie,  Syphilis  und  Tuberkulose  bestärkten  sie.  Es  war  doch 
ganz  unerklärlich,  dass  hier  gerade  die  Bäder,  die  wie  die  blauen 
Bogenlichtbäder  nur  Strahlen  enthielten,  welche  schon  in  den  ober¬ 
flächlichsten  Körpergeweben  zugrunde  gingen,  viel  wirksamer  waren 
wie  die  Glühlichtbäder,  die  doch  reich  an  roten,  viel  tiefer  ins 
Körperinnere  dringenden  Strahlen  waren.  Noch  viel  rätselhafter 
war  es,  dass  örtliche  Blaulichtbestrahlung  tiefgehende,  tuberkulöse 
Fistelwunden  zur  Heilung  brachten,  ja  dass  sogar  Blaulichtbestrah¬ 
lungen  der  Brust  auf  tuberkulöse  Prozesse  in  der  Lunge  Einfluss 
haben  konnten,  wie  solches  durch  in  die  Augen  fallende  Verminderung 
der  Tuberkelbazillen  im  Auswurf  klar  zutage  trat,  obgleich  doch  mit 
positiver  Sicherheit  feststeht,  dass  kein  blauer  Lichtstrahl  bis  in  diese 
Tiefen  dringen  kann  [3], 

Es  mussten  also  irgendwelche  indirekte  Wirkungen,  durch  Re¬ 
flexe  ausgelöst,  Veranlassung  zu  diesen  Heilerfolgen  sein.  Auch  andere 
Beobachtungen  führten  zu  demselben  Schluss.  Die  bekannten  Heil¬ 
erfolge,  welche  B  e  r  n  h  a  r  d  -  Samaden  14]  auf  seiner  chirurgischen 
Station  hatte,  nachdem  seit  9  Jahren  die  Höhensonnenbehandlung  dort 
eingeführt,  sowie  R  o  1 1  i  e  r  -  Leysin  f5]  bei  der  Behandlung  der 
Tuberkulose  der  Haut,  Knochen  und  Gelenke  mit  der  Höhensonne  und 
die  auch  von  Widmer  [61  und  anderen  neuerdings  bestätigt  wer¬ 
den,  deckten  sich  mit  den  Erfolgen,  welche  man  b’i  demselben 
Leiden  seit  15  Jahren  bei  der  Behandlung  mit  dem  künstlichen  Lichte 
des  Bogenlichtscheinwerfers  hat  1 7 ].  Es  musste  also  bestimmt  ein 
gemeinsames  Agens  in  beiden  Lichtsorten  sein,  welches  u.  a.  in  der 
Sonne  der  Ebene  nur  in  geringen  Mengen  sein  konnte,  da  diese 
bei  denselben  Leiden  keine  oder  nur  geringe  Heileffekte  und  dann 
nur  in  viel,  viel  längerer  Zeit  hatte. 

Ganz  zufällig  kam  ich  bei  der  Behandlung  einer  Psoriasis¬ 
kranken  und  gleichzeitig  B  a  c  h  -  Oberkaufungen  bei  Versuchen  über 
die  Beeinflussung  des  Blutdruckes  durch  ultraviolette  Bestrahlung,  ge¬ 
stützt  auf  eigenartige  Beobachtungen,  welche  wir  hierbei  machten, 
zu  dem  Resultat,  dass  nur  die  ultravioletten  Strahlen  dieses  gemein¬ 
same  Agens  sein  könnten.  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  auf  die 
Sache  näher  einzugehen,  und  muss  ich  auf  unsere  Veröffentlichungen, 
die  wir  ohne  von  einander  zu  wissen,  auch  ziemlich  gleichzeitig 
machten,  hinweisen  [8  u.  9]. 

Kurz  will  ich  nur  das  Resultat  resümieren:  Die  Reizwirkung 
des  Lichtes  auf  die  Haut  steigt  mit  dem  Gehalt  an  ultravioletten 
Strahlen  und  ist  deswegen  am  grössten  im  künstlichen  Höhensonnen¬ 
bad  (ultravioletten  Strahlen  der  Quecksilberdampflampen),  dann  in 
der  Höhensonne,  d.  h.  also  bei  der  Sonne  in  Höhen  von  1500—2000  m, 
der  Sonne  der  öden  Tropen  und  der  hohen  See  und  im  Lichte  des 
Kohlenbogenlichtscheinwerfers,  dann  folgt  die  Sonne  des  Mittelgebirges 
und  endlich  die  Sonne  der  Tiefebene  und  das  Licht  der  Glühlampe. 
Der  Ultraviolettgehalt  der  Sonne  der  verschiedenen  Höhenlagen  wird 
bedingt  durch  die  mehr  oder  weniger  starke  Dichtigkeit  der  Atmo¬ 
sphäre,  von  der  die  mehr  oder  weniger  starke  Absorption  des  Ultra¬ 
violettes  abhängig  ist.  Stellt  man  einen  Patienten  in  der  Entfernung 
von  je  l'A  m  in  die  Mitte  zwischen  2  grossen  Quecksilberdampf¬ 
lampen,  die  so  montiert  sein  müssen,  dass  die  Strahlen  ungehindert 
nach  vorn  austreten  können  und  lässt  nun  das  Licht  5  Minuten  auf 
den  nackten  Körper  wirken,  so  merkt  der  Patient  zunächst  nichts; 
nach  etwa  2  Stunden  macht  sich  ein  angenehmes  Wärmegefühl 
geltend  sowie  das  Gefühl  des  leichteren  Atmens.  Letzteres  tritt  be¬ 
sonders  deutlich  bei  Patienten  zutage,  welche  wegen  Herzinsuffizienz 
an  Luftmangel  leiden,  ein  Vorgang,  der  auch  bei  Blaulichtb 'Strah¬ 
lungen  schon  beobachtet  wurde  [lQl.  Nach  und  nach  rötet  sich 
die  Haut;  der  Höhepunkt  dieser  arteriellen  Hyperämie  wird  in  etwa 
6— S  Stunden  erreicht,  um  12—24  Stunden,  ja  mehrere  Tage,  auf 
gleicher  Höhe  zu  bleiben  und  dann  allmählich  wieder  abzufallen;  der 
Stoffwechsel  ist  während  dieser  ganzen  Zeit  gesteigert,  der  Blutdruck 
herabgesetzt,  der  Hämoglobingehalt  vermehrt.  Bei  wiederholter  Be¬ 
strahlung  bräunt  sich  die  Haut  und  zwar  auch  an  Stellen,  die  man 
aus  irgendwelchen  Gründen,  z.  B.  bei  Damen  oft  das  Gesicht  mit 
einem  Tuch  verdeckte;  das  ganze  Aussehen  des  Patienten  wird  ge¬ 
sunder,  es  ähnelt  dem  einer  Person,  die  eben  aus  längerem  Auf¬ 
enthalt  im  Hochgebirge  oder  an  der  See  zurückkommt;  überflüssiges 


Fett  schwindet,  auch  ohne  besondere  Diät.  Vor  allem  fühlt  sich 
der  Patient  selbst  gesunder  und  oft  sogar  der  Arteriosklerotiker  rühmt 
bald  das  viel  bessere  Befinden. 

Wenn  bei  diesen  Vorgängen,  besonders  bei  der  Blutdruckherab¬ 
setzung  die  andauernde  Hauthyperämie  eine  sehr  grosse  Rolle  spielt, 
so  scheint  sie  doch  nicht  die  einzige  Reaktion  des  Körpers  auf  die 
ultraviolette  Bestrahlung  zu  sein,  letztere  scheint  vielmehr  auch 
auf  die  Epidermiszellen  selbst  einen  Reiz  auszuüben.  Hierauf  machte 
zuerst  Widmer“)  aufmerksam  und  führt  hier  näher  aus,  wie  bei 
der  Höhensonnenwirkung  der  Einfluss  derselben  auf  die  Epidermis, 
das  alte  Ektoderm,  der  Hauptfaktor  ist.  Er  erinnert,  'dass  unsere 
Haut  nicht  als  einfaches  Schutzmittel  anzusehen  ist,  sondern  als  ein¬ 
zigste  und  höchst  wichtige  Vermittlungsstelle  mit  der  Aussenwelt;  die 
Haut  mit  ihren  feinen  Nervenendigungen  bildet  zugleich  mit  den 
Sinnesorganen  den  Kontakt  mit  den  Aussenfaktoren  und  vermittelt  so 
unsere  vornehmsten  Lebensvorgänge  und  stellt  das  ganze  vitale 
Gleichgewicht  her.  Auch  von  anderer  Seite  wird  eine  solche  direkte 
Lichtwirkung  auf  die  Epidermiszellen  nicht  allein  angenommen,  ihr 
wird  auch  bei  dem  Zustandekommen  der  Erfolge  der  Lichtwirkung 
eine  Hauptrolle  zugeschrieben.  Eine  solche  direkte  Einwirkung  auf 
die  Epidermiszellen  würde  auch  auf  die  einfachste  Weise  erklären, 
weswegen  es  gerade  den  Lichtstrahlen  gelingt,  selbst  bei  grossen 
Substanzverlusten  der  Haut  durch  ihre  ganze  Dicke  hindurch  eine 
volle  restitutio  ad  integrum  wieder  herzustellen,  wobei  alles  wieder 
so  ersetzt  und  hergestellt  wird,  wie  es  im  normalen  Zustande  war. 
Diese  gewaltigen  Reaktionen  des  menschlichen  Körpers  auf  die  Strah¬ 
len  der  Höhensonne  wie  auf  die  Strahlen  aus  stark  violetthaltigen 
künstlichen  Lichtquellen,  die  am  stärksten  bei  dem  Licht  der  Queck¬ 
silberdampflampe  hervortraten,  haben  nun  zu  der  Ansicht  Ver¬ 
anlassung  gegeben,  dass  diese  Lampen  allein  bei  der  ferneren  Licht¬ 
behandlung  in  Frage  kommen  könnten.  Wenn  ich  mich  ja  selbst,  wie 
aus  meinen  obigen  Ausführungen  hervorgeht,  von  der  vorzüglichen 
Wirkung  dieser  Strahlen  und  den  therapeutischen  Erfolgen  bei  ihrer 
richtigen  Anwendung  überzeugen  konnte  und  ihren  Wert  ganz  gewiss 
nicht  herabsetzen  will,  so  muss  ich  doch  jener  Ansicht  mit  aller  Ent¬ 
schiedenheit  und  Schärfe  entgegentreten,  da  diese  Einseitigkeit  grosse 
Enttäuschungen,  besonders  auf  dem  weiten  Gebiete  der  Wundbehand¬ 
lung  nach  sich  ziehen  würde,  da  hier  das  Ultraviolett  in  der  Stärke, 
wie  es  von  der  Quecksilberdampflampe  geliefert  wird,  nur  in  den 
wenigsten  Fällen  indiziert  ist. 

Wenn  wir  die  verschiedenen  Wirkungen,  der  verschiedenen 
Lichtstrahlen,  wie  ich  sie  in  kurzen  Zügen  oben  geschildert  habe  und 
wie  sie  die  praktischen  Erfahrungen  voll  und  ganz  bestätigen,  zu¬ 
grunde  legen  —  und  dies  ist  doch  der  einzige  wissenschaftlich  gang¬ 
bare  Weg  — ,  so  müssen  wir  ganz  andere  Richtlinien  für  die  Licht¬ 
behandlung  aufstellen,  die  ich  hier  in  groben  Zügen  andeuten  will. 

Die  örtliche  Lichtbehandlung  ist  von  der  allgemeinen  getrennt 
zu  behandeln.  Die  örtliche  Bestrahlung  findet  erstens  statt  bei  Haut¬ 
krankheiten.  Hier  ist  das  Licht  des  Kohlenbogenscheinwerfers  als 
rotes  Licht  dort  zu  verwenden,  wo  wir  eine  entzündungshemmende 
Wirkung  erzielen  wollen,  während  wir  uns  des  blauen  Lichtes  be¬ 
dienen,  wenn  wir  eine  leichte  Reizung  beabsichtigen.  Soll  letztere  in 
ausgedehnter  Weise  erfolgen,  so  müssen  wir  das  Ultraviolett  wählen 
und  haben  hier  in  der  Entfernung  des  gu  behandelnden  Objektes  von 
der  Lichtquelle  sowie  in  der  Länge  der  Expositionszeit  ein  Mittel,  die 
nachfolgende  Reaktion  zu  verstärken  resp.  genau  zu  dosieren.  Auch 
bei  der  örtlichen  Wundbehandlung  steht  an  erster  Stelle  das  weisse 
Licht  des  Bogenlichtscheinwerfers.  Nur  in  den  verhältnismässig 
wenigen  Fällen,  wo  schlechte  Granulationen,  chronische  Bein¬ 
geschwüre,  tuberkulöse  Fisteln  etc.  einen  stärkeren  Reiz  verlangen, 
bedienen  wir  uns  des  Ultraviolettes  der  Quecksilberlampe,  aber  auch 
stets  nur  so  lange,  bis  eine  Umstimmung  erreicht  ist;  sobald  die 
Wunde  Heilungstendenz  zeigt,  gute  Granulationen  auftreten,  greifen 
wir  am  vorteilhaftesten  wieder  zum  Kohlenbogenlicht,  das  wir,  je 
nach  dem  Aussehen  der  Wunde  bald  als  blaues,  bald  als  rotes,  am 
meisten  jedoch  wohl  als  weisses  Licht  anwenden.  Zur  schnellen 
Resorption  von  Blutergüssen,  zur  Heilung  von  Quetschwunden  ist 
ganz  allein  das  Kohlenbogenlicht  indiziert.  Ebenso  ziehe  ich  zur 
örtlichen  Behandlung  von  tuberkulösen  Gelenkaffektionen  das  Kohlen¬ 
bogenlicht  vor.  Nach  den  mir  mündlich  gemachten  Mitteilungen, 
sowie  auch  nach  seinen  Veröffentlichungen  fll]  scheint  auch  Vul- 
p  i  u  s  -  Heidelberg,  welcher  seit  bald  einem  Jahr  die  Lichtbehandlung 
in  seinem  Sanatorium  für  Knochen-,  Gelenk-  und  Drüsenleiden  im 
Solbad  Rappenau  eingeführt  hat,  dieselben  Erfahrungen  zu  machen. 

Zur  örtlichen  Behandlung  von  Neuralgien,  sowie  überhaupt  zur 
Schmerzstillung  eignet  sich  am  besten  blaues  Licht. 

Dagegen  sind  zur  allgemeinen  Lichtbehandlung  alle  diejenigen 
Lichtquellen  in  den  Vordergrund  zu  stellen,  welche  entweder  bei 
möglichst  viel  strahlender  Energie  möglichst  wenig  leitende  Wärme 
abgeben  oder  solche,  welche  einen  kräftigen  Hautreiz  bedingen. 

Hier  nehmen  ohne  Zweifel  die  ultravioletten  Strahlen  der  Qucck- 
silberlampe,  das  künstliche  Höhensonnenbad,  die  erste  Stelle  ein. 
Vor  der  natürlichen  Höhensonne  hat  die  künstliche  den  grossen  Vor¬ 
teil,  dass  sie  allerorts  und  zu  jeder  Zeit  zu  haben  ist,  während  jene, 
selbst  in  den  klimatisch  giinstigst  gelegenen  Höhen  doch  immer  nur 
in  einer  viel  beschränkteren  Anzahl  von  Tagen  wirklich  effektvoll 
scheint,  als  man  für  gewöhnlich  anzunehmen  pflegt.  Sodann  ist  die 
künstliche  Höhensonne  stärker  an  Ultraviolett  als  ihre  natürliche 
Schwester  und  immer  stets  gleich  stark  und  durch  Entfernung  und 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


365 


Dauer  immer  ganz  genau  und  präzise  zu  dosieren,  so  dass  man 
in  ihr  ein  allen  Anforderungen  der  Therapie  entsprechendes  Heilmittel 
besitzt.  Die  absolute  Ungefährlichkeit  der  Applikation,  da  jede  etwa 
zu  starke  Reaktion  ganz  von  selbst  und  auch,  in  den  schwersten 
Formen  auftretend,  ohne  jedwede  Narbenbildung  heilt  sowie  der 
Umstand,  dass  sie  selbst  von  dem  schwächsten  Herzen  nicht  allein 
gut  vertragen,  sondern  auch  geradezu  wohltuend  empfunden  wird,  ist 
ein  nicht  hoch  genug  einzuschätzender  Faktor  dieser  Behandlung. 
Sodann  sind  die  Stunden,  ja  Tage  lang  anhaltenden  Einwirkungen 
auf  Stoffwechsel,  Blutbildung  und  Herzentlastung  Erfolge,  die  wir 
in  so  einfacher,  angenehmer,  nicht  angreifender  Weise  mit  keinem 
anderen  Mittel  zu  erreichen  imstande  sind. 

Die  natürlichen  Höhensonnenbäder  sind  den  künstlichen  gleich¬ 
wertig,  wenn  sie  auch  vielleicht  etwas  längere  Zeit  in  Anspruch 
nehmen.  Auch  die  künstlichen  Sonnenbäder  zwischen  2  Kohlen¬ 
bogenscheinwerfern  haben  fast  denselben  Wert,  da  sie  auch  so  viel 
Ultraviolett  führen,  wie  zu  einer  kräftigen  Reaktion  der  Haut  noch 
erforderlich  ist:  sie  bilden  eine  mildere  Form  der  Höhensonnen¬ 
bäder  zwischen  Quecksilberlampen. 

Die  Lichtbäder  im  Lichtkasten  kommen  dann  in  zweiter  Reihe, 
und  zwar  die  Glühlichtbäder  mit  Intensivlampen,  „Polysol“  u.  a., 
und  das  kombinierte  Lichtheilverfahren,  wobei  man  zu  erwägen  hat, 
dass  im  ersteren  mehr  die  Lichtwärme,  bei  dem  zweiten  mehr  der 
Hautreiz  in  den  Vordergrund  der  Wirkung  tritt.  Das  gewöhnliche 
Glühlichtbad  endlich  ist  ein  angenehmes,  hygienisch  auf  höchster 
Stufe  stehendes  Schwitzbad,  das  jedoch  lichttherapeutisch  gegenüber 
den  obigen  Lichtapplikationen  ziemlich  gering  bewertet  werden  muss. 

Literatur. 

1.  Scholtz:  Ueber  die  Bedeutung  der  Wärmestrahlung  bei  der 
Behandlung  mit  künstlichem  Licht.  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1904, 
No.  18.  —  2.  v.  Min  in  Exz. :  Ueber  die  Anwendung  der  Licht¬ 
therapie  in  der  Chirurgie.  Die  med.  Woche  1904.  No.  14.  —  3.  K  a  i  - 
ser:  Wiener  klin.  Rundschau  1903,  No.  16  u.  17.  —  4.  Bernhard: 
Therapeutische  Verwendung  des  Sonnenlichtes  in  der  Chirurgie. 
Zeitschr.  f.  diätet.  u.  physik.  Therapie  1905/06,  No.  2.  —  5.  R  o  1 1  i  e  r : 
La  eure  d’altitude  et  la  eure  de  solaire  de  la  tuberculose  chirurgicale 
Neuchatel  1908.  Imp.  Delachaux  &.  Niestle.  —  6.  Widmen  Die 
Beeinflussung  der  Blutkrankheiten  durch  das  Hochgebirge.  Zeitschr. 
f.  Balneologie,  Klimatologie  und  Kurorthygiene  1911,  No.  1.  Bar- 
den  heuer:  Die  Sonnenbehandlung  der  peripheren  Tuberculosis, 
besonders  der  Gelenke.  Strahlentherapie  1912,  No.  1.  —  7.  Brei¬ 
ger:  Die  Lichtbehandlung  in  der  Chirurgie.  Med.  Woche  1904, 
No.  24  u.  25.  Derselbe:  Oertliche  Lichtbehandlung  und  Bier- 
sche  Stauung.  Zeitschr.  f.  diätet.  und  physik.  Therapie  1906/07,  No.  2. 
Bieling:  Kasuistische  Beiträge  zur  Wirkung  der  Bogenlichtbe¬ 
handlung  bei  der  Wundheilung.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1903. 
No.  46.—  8.  Bach:  Die  Einwirkung  des  Quarzlampenlichtes  auf 
den  Blutdruck  mit  Bemerkungen  über  seine  therapeutische  Ver¬ 
wendung  bei  Allgemeinerkrankungen.  Deutsche  med.  Wochenschr. 

1911,  No.  9.  —  9.  Breiger:  Kann  man  die  Höhensonne  künstlich 
ersetzen?  Med.  Klinik  1911,  No.  11.  —  10.  V.  Rubrow  und  Karl 
Sonne:  Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  universellen  Licht¬ 
erythems  auf  die  Respiration  bei  Herzkranken.  Zeitschr.  f.  klin.  Med. 

1912,  No.  1  und  2  (Referat  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  26, 

з.  1451).  —  11.  V  ulpius:  Sanatoriumsbehandlung  der  chirurgischen 
Tuberkulose.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912.  No.  28. 

(Weitere  Literaturangaben  finden  sich  bei  Breiger:  Die 
wissenschaftliche  Begründung  der  Lichttherapie.  Zeitschr.  f.  diätet. 

и.  physik.  Therapie  1911,  Bd.  15.) 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

E.  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  -  Halle  a.  S.:  Physiologisches  Praktikum. 
Chemische  und  physikalische  Methoden.  283  Seiten  mit  271  Figuren 
im  Text.  Verlag  von  J.  Springer,  Berlin  1912.  Preis  10  M. 

Mit  jedem  Jahre  mehrt  sich  die  Zahl  der  Bücher,  welche  der 
praktischen  Physiologie  gewidmet  sind,  das  Bedürfnis  nach  prak¬ 
tischer  Betätigung  in  der  Physiologie  hat  sich  eben  in  erfreulicher 
weise  gesteigert.  Dankbar  wird  man  es  begrüssen,  wenn  die  Ver- 
tasser  solcher  Bücher  ihre  ausgedehnten  Erfahrungen  auf  speziellen 
Gebieten  der  Physiologie  der  Allgemeinheit  zugängig  machen,  wie 
dies  besonders  in  dem  ersten,  chemischen  Teile  des  vorliegenden 
P  raktikums  der  Fall  ist.  Der  Verfasser  dieses  Praktikums  hat  sich 
aber  nicht  nur  auf  sein  spezielles  Arbeitsgebiet  beschränkt,  er  hat 
auch  den  physikalischen  Teil  der  Physiologie  in  gleichem  Masse  zum 
orte  kommen  lassen  und  sich  bei  der  Schilderung  einer  Reihe  von 
Versuchen  auf  das  im  wesentlichen  die  physikalische  Seite  der 
Physiologie  berücksichtigende  Praktikum  von  R.  F.  F  u  c  h  s  -  Breslau 
gestützt. 

Die  Themata  des  ersten  Teiles  lauten:  Grundregeln  und  all¬ 
gemeine  Methoden  beim  chemischen  Arbeiten  —  Allgemeiner  Gang 
bei  der  Untersuchung  einer  unbekannten  Substanz  oder  Flüssigkeit  — 
Qualitativer  Nachweis  von  Stickstoff  in  organischen  Verbindungen  - — - 
Aschenanalyse  —  Massanalyse  —  Bestimmung  des  spezifischen  Ge¬ 
wichtes  von  Flüssigkeiten  —  Qualitative  Mikroanalyse  —  Kapillar- 
analyse  __  Herstellung  der  angeführten  Reagenzien  —  Atomgewichte  — 
'  erhältniszahlen  zur  Berechnung  von  Analysenresultaten  —  Orga¬ 


nische  Präparate  —  Kohlenhydrate  —  Fette,  Cholesterin  —  Eiweiss¬ 
stoffe,  Proteine  —  Darstellung  von  Aminosäuren  und  Polypeptiden  — 
Nukleinsäuren  —  Untersuchung  von  Speichel,  Milch,  Galle  und  Harn 
auf  die  wichtigsten  Bestandteile  —  Nachweis  von  Adrenalin  in  der 
Nebenniere  —  Nachweis  von  Fermenten  in  Geweben  —  Quantitative 
Bestimmung  des  Stickstoffstoffwechsels  beim  Tier. 

Im  zweiten  Teile  werden  die  folgenden  Themata  behandelt: 
Untersuchung  des  Verhaltens  gelöster  Stoffe  —  Bestimmung  der  Ver¬ 
brennungswärme  im  Kalorimeter.  Tierische  Wärme  —  Funktion 
der  Verdauungsdrüsen  —  Blut  —  Kreislauf  des  Blutes.  Herz  —  Atmung 
—  Allgemeine  Eigenschaften  des  Muskel-  und  Nervengewebes  — 
Flimmerbewegung.  Muskelkraft.  Gehen  und  Stehen  —  Sinnes¬ 
organe  —  Rückenmark  und  Gehirn. 

Schon  die  Anführung  dieser  Hauptthemata,  welche  meist  zahl¬ 
reiche  Einzelaufgaben  umfassen,  ergibt,  dass  auf  relativ  engem  Raume 
viel  geboten  wird.  Die  Anleitung  im  Buche  ist  eine  sehr  zweck¬ 
mässige,  der  Praktikant  soll  alles  zur  Lösung  der  Aufgaben  Erforder¬ 
liche  möglichst  selbst  oder  mit  Gruppengenossen  zusammen  von 
Grund  aus  hersteilen  oder  aufbauen;  der  Lehrer  ist  nicht  entbehrlich 
gemacht,  die  Arbeit  ist  ihm  aber  doch  sehr  erleichtert.  Ein  Schmuck 
des  auch  sonst  von  der  Verlagsbuchhandlung  sehr  gut  ausgestatteten 
Buches  sind  die  instruktiven,  sehr  sauber  gezeichneten  Abbildungen, 
die  von  Bruno  Marx  herstammen;  fast  auf  jede  Seite  des  Buches 
kommt  durchschnittlich  eine  Abbildung.  Nach  alledem  kann  das 
Buch  nur  angelegentlich  empfohlen  werden. 

K.  Bürker  -  Tübingen. 

Otto  Bütschli:  Vorlesungen  über  vergleichende  Anatomie. 
2.  Lief.  Allgemeine  Körper-  und  Bewegungsmuskulatur;  elektrische 
Organe  und  Nervensystem.  8°.  Leipzig,  W.  Engelmann.  S.  401 
bis  644.  Fig.  265 — 451.  1912.  Preis  geh.  M.  9. — . 

Die  vorliegende  zweite,  des  in  3  Lieferungen  geplanten  Werkes 
von  Bütschli  behandelt  im  Anschluss  an  die  1910  erschienene 
erste  die  allgemeine  Körper-  und  Bewegungsmuskulatur,  die  elek¬ 
trischen  Organe  und  das  Nervensystem  (der  Metazoen).  Bei  der  auf 
breitester  Grundlage  aufgebauten  Darstellung  fällt  die  doch  äusserst 
knappe  und  präzise  Form  der  Behandlung  des  Gegenstandes  in  jedem 
Kapitel  sehr  angenehm  auf.  Der  Leser  wird  mit  wenig  Worten  aus¬ 
reichend  unterrichtet,  ohne  durch  Weitschweifigkeit  ermüdet  zu 
werden.  Der  Kundige  muss  erstaunt  sein,  selbst  bis  zum  Menschen 
herauf  eingehende  Angaben  zu  finden.  Sehr  einfache,  aber  über¬ 
sichtliche  Bilder,  namentlich  vorzügliche  Schemata,  unterstützen  den 
Text.  S  o  b  o  1 1  a  -  Wtirzburg. 

Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  und  der  pathologischen 
Anatomie  des  Kindesalters.  Herausgegeben  von  H.  Brüning  und 

E.  Schwalbe.  I.  Band.  I.  Abteilung.  Wiesbaden,  Verlag  von 
J.  F.  Bergmann,  1912. 

Die  Kinderheilkunde  hat  sich  immer  mehr  zu  einem  selbständigen 
Spezialfach  entwickelt,  dessen  Berechtigung  heute  kein  einsichtsvoller 
Arzt  mehr  bestreiten  wird.  Tatsächlich  sind  daher  jetzt  auch  an 
allen  deutschen  Universitäten  besondere  Lehrstühle  für  Kinderheil¬ 
kunde  und  besondere  Kinderkliniken  errichtet. 

Es  ist  dies  nicht  allein  dadurch  begründet,  dass  die  klinische 
Untersuchung  des  kindlichen  Organismus  im  frühen  Kindesalter  an 
die  Untersuchungstechnik  besondere  Anforderungen  stellt  und  der 
Arzt  viel  mehr  als  beim  Erwachsenen  auf  das  Resultat  einer  rein 
objektiven  Untersuchung  sein  Urteil  bilden  muss,  sondern  vor  allem 
auch  dadurch,  dass  viele  Krankheitsprozesse  ausschliesslich  oder 
wenigstens  vorwiegend  dem  Kindesalter  eigen  sind  und  dass  ferner 
auch  Krankheitsprozesse,  welche  allen  Lebensaltern  gemeinsam  sind, 
in  dem  unentwickelten  und  verschieden  reagierenden  kindlichen  Orga¬ 
nismus  einen  wesentlich  abweichenden  Verlauf  nehmen  von  dem 
beim  Erwachsenen. 

Was  aber  fiir  die  Klinik  des  Kindesalters  gilt,  gilt  auch  in  vieler 
Hinsicht  für  dessen  allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Ana¬ 
tomie.  Wenn  auch  selbstverständlich  die  Grundprozesse  der  Krank¬ 
heit,  wie  Entzündung  usw.,  im  kindlichen  Organismus  nach  den  glei¬ 
chen  Gesetzen  sich  abspielen,  wie  beim  Erwachsenen,  und  wenn  auch 
in  jedem  grösseren  Lehrbuch  der  allgemeinen  Pathologie  und  patho¬ 
logischen  Anatomie  nicht  nur  die  dem  Kindesalter  besonders  eigen¬ 
tümlichen  Krankheiten,  wie  z.  B.  die  Rachitis,  ausführlich  geschildert 
sind,  sondern  auch  auf  die  charakteristischen  Abweichungen  hin- 
gewiesen  ist,  welche  dieser  oder  jener  Krankheitsprozess  hinsichtlich 
seines  Verlaufes  und  der  dabei  zu  beobachtenden  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Veränderungen  im  Kindesalter  bietet  (wie  z.  B.  Pneumonie, 
Lungentuberkulose  usw.),  so  geben  diese  Lehr-  und  Handbücher  doch 
keinen  geschlossenen  Ueberblick  über  die  im  Kindesalter  besonders 
auftretenden  Krankheitsprozesse  und  ihre  dem  Kindesalter  besonders 
eigentümlichen  Erscheinungen. 

Das  Fehlen  eines  besonderen  Werkes  über  die  allgemeine  Patho¬ 
logie  und  pathologische  Anatomie  des  Kindesalters  musste  daher  bis 
jetzt  als  eine  Lücke  in  der  medizinischen  Literatur  empfunden  wer¬ 
den  und  es  ist  deshalb  dankbar  anzuerkennen,  dass  die  Herausgeber 
und  Mitarbeiter  des  vorliegenden  Werkes  diese  Lücke  ausgefüllt 
haben. 

Das  Werk  soll  2  Bände  umfassen  und  ist  auf  breiteste  Grundlage 
gestellt;  nur  auf  eine  besondere  Darstellung  der  Pathologie  der  Zelle 
und  der  Kreislaufstörungen  wurde  verzichtet,  da  weder  für  letztere 
noch  für  die  Pathologie  der  Zelle  sich  wesentliche,  dem  Kindcsalter 


366 


MUHNÜHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


eigentümliche  Besonderheiten  anfiihren  lassen,  das  W  erk  aber  auch 
nicht  bestimmt  sein  kann,  die  vorhandenen  Lehr-  und  Handbücher 
über  allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie  zu  ersetzen. 

Dagegen  sollen  eigene  Kapitel  über  vergleichende  Pathologie  und 
über  die  gerichtsärztliche  Untersuchung  angefügt  werden,  was  aus 
praktischen  Gründen  sehr  zu  begrüssen  ist. 

ln  der  vorliegenden  1.  Hälfte  des  I.  Bandes  finden  wir  zunächst 
eine  übersichtliche  Darstellung  der  Geschichte  der  Pathologie  des 
Kindesalters  (B  r  ü  n  i  n  g).  Kap.  II  handelt  von  den  normalen  Alters¬ 
unterschieden  und  dem  Wachstum  im  Kindesalter,  über  Ursachen  der 
Krankheiten  im  Kindesalter  im  allgemeinen  und  über  die  Analyse  der 
Altersdisposition  (Schwalbe).  Im  III.  Kapitel  sind  die  regressiven 
Ernährungsstörungen,  die  Regeneration,  die  Hypertrophie  und  die 
Entzündung  besprochen  (Mönckeberg),  in  Kapitel  IV  die  tieri¬ 
schen  Parasiten  (P  e  i  p  e  r)  und  im  Kapitel  V  die  Infektionskrank¬ 
heiten  bzw.  die  pflanzlichen  Parasiten.  Kapitel  VI  gibt  eine  Ueber- 
sicht  über  die  allgemeine  Missbildungslehre  und  die  fötalen  Erkran¬ 
kungen  (Wolff),  Kap.  VII  endlich  eine  zusammenfassende  Dar¬ 
stellung  der  im  Kindesalter  vorkommenden  Geschwülste  (Merke  1). 

Sämtliche  Kapitel  zeichnen  sich  durch  Klarheit  und  Anschaulich¬ 
keit  der  Darstellung  aus,  bei  welcher  überall  das  gerade  für  die 
Pathologie  des  Kindesalters  Wichtige  und  Eigentümliche  besonders 
hervorgehoben  ist. 

Nicht  nur  der  Kinderarzt  wird  aber  in  dem  Werk  Belehrung  fin¬ 
den,  sondern  auch  der  Pathologe  selbst.  Denn  das  Vorkommen  man¬ 
cher  wichtiger  Krankheitsprozesse  des  späteren  Lebens  auch  im  Kin¬ 
desalter  oder  im  Fötalleben  ist  oft  von  Bedeutung  für  die  Auffassung 
dieser  Krankheitsprozesse  überhaupt  und  es  ist  daher  auch  von  all¬ 
gemeinem  Interesse,  dass  in  dem  vorliegenden  Werk  solche  Pro¬ 
zesse  gerade  mit  Rücksicht  auf  das  Kindesalter  eine  eingehende  Be¬ 
handlung  erfahren  haben.  Es  sei  hier  nur  auf  die  von  Merkel  ge¬ 
gebene  Zusammenstellung  aller  bis  jetzt  bei  Kindern  beobachteten 
Fälle  von  Polyposis  adenomatosa  hingewiesen.  Sie  zeigt,  wie  ver¬ 
schwindend  selten  diese  eigenartige  Form  der  Geschwulstbildung  bei 
Kindern  tatsächlich  beobachtet  worden  ist,  so  dass  damit  ihre  von 
verschiedenen  Autoren  behauptete  angeborene  Anlage  völlig  unzu¬ 
länglich  begründet  erscheint. 

So  wird  das  Werk  das  Interesse  des  Klinikers  und  des  Patho¬ 
logen  in  gleichem  Masse  erregen  und  bei  allen  Aerzten  einer  warmen 
Aufnahme  sicher  sein.  G.  Hauser. 

P.  de  Rio  Branco:  Essai  sur  l’anatomie  et  la  medecine 
operat.  du  tronc  coeliaque  et  ses  branches.  Paris  1912.  G.  Stein- 
h  e  i  1,  edit. 

Ein  umfangreiches  Werk  - —  das  Resultat  ausgedehnter  ana¬ 
tomischer  Studien  in  den  Laboratorien  Prof.  Hartmanns,  Faure, 
R  i  e  f  f  c  1,  D  u  v  a  1  — ,  das  von  dem  Grundsatz  ausgeht,  dass  dem 
Chirurgen  die  Anatomie  der  viszeralen  Arterien  ebenso  bekannt  sein 
müsste,  wie  die  der  Arterien  an  den  Gliedmassen  etc.  liegt  in  dem 
828  Seiten  starken  Bande  vor,  das  eine  eingehende  Darstellung  des 
Truncus  coeliacus  gibt  und  im  einzelnen  speziell  die  Art.  coronaria 
ventriculi,  die  Art.  splenica,  die  Mesenterica  sup.  und  ihre  Aeste, 
die  Art.  hepatica  behandelt  und  zwar  unter  jeweiliger  Berücksich¬ 
tigung  der  Geschichte,  Entwicklungsgeschichte,  allgemeinen  Beschrei¬ 
bung,  Lage,  Kaliber,  Verzweigungen,  Beziehungen  zu  den  benach¬ 
barten  Organen  etc.  und  mit  spezieller  Darstellung  der  Aufsuchung  zu 
operativen  Eingriffen,  Unterbindung  resp.  Vermeidung  der  Verletzung 
des  betreffenden  Gefässes.  All  die  verschiedenen  Methoden,  die  zur 
operativen  Freilegung  der  Art.  splenica  etc.  vorgeschlagen,  werden 
gewürdigt;  Rio  Branco  empfiehlt  für  die  Art.  splenica  spez.  einen 
parakostalen  Schnitt  entlang  des  linken  Rippenbogenrandes  mit  senk¬ 
rechter  Verlängerung  nach  abwärts  (wenn  es  sich  nicht  um  enorme 
Milzvergrösserung  handelt).  Ein  grosses  Gewicht  legt  er  bei  all 
solchen  Eingriffen  am  oberen  Bauchraum  auf  Lagerung  in  dorso- 
lumbaler  Lordose,  d.  h.  Hebung  der  Gegend  der  unteren  Brustwirbel¬ 
säule  durch  einen  Stützapparat  und  Hochlagerung  des  Thorax,  ev. 
mit  seitlicher  Lage  (dorsolumbaler  Skoliose)  und  zeigt  R.  u.  a.  durch 
instruktive  Tafeln  wie  wesentlich  dadurch  die  Gegend  unter  der 
Leber  etc.  zugänglicher  wird.  Für  die  Freilegung  der  Hepatika, 
die  ebenfalls  in  ihrem  Stamm,  den  kollateralen  Aesten,  Endästen  etc. 
geschildert  wird,  empfiehlt  R.  Br.  einen  Winkelschnitt  vom  Proc. 
xyphoideus  zum  Nabel  und  von  da  zum  rechten  Rippenbogen  an  den 
9. — 10.  Rippenknorpel.  Mit  grosser  Ausführlichkeit  werden  auch  die 
Anomalien  in  der  Gefässverteilung  etc.  besprochen  und  führt  der 
Autor  am  Schlüsse  seines  Werkes  29  persönliche  Beobachtungen  und 
237  Fälle  aus  der  Literatur  an. 

Die  zahlreichen  und  guten  anatomischen  Abbildungen,  vom  Autor 
selbst  entworfen  (auch  Diagramme  und  schematische  Darstellungen), 
geben  eine  reiche  Illustration  des  Textes.  Im  Interesse  der  Ueber- 
sichtlichkeit  wäre  es  wohl  gewesen,  wenn  die  historischen  Bemer¬ 
kungen,  embryologischen  Darstellungen  in  kleinerem  Druck  vorange¬ 
stellt  und  noch  etwas  kürzer  zusammengedrängt  wären  —  in  der 
heutigen  Zeit,  in  der  dem  Arzt  so  viel  praktisch  Wichtiges  zur 
Lektüre  vorliegt,  ist  es  demselben  nicht  übel  zu  nehmen,  wenn  er 
vor  allzu  umfangreichen  Darstellungen  eines  Spezialthemas  etwas 
zurückschreckt.  Es  ist  zweifellos,  dass  in  dem  Werke  R.  Br.s  eine 
grosse  Arbeit  geleistet  und  reiche  anatomische  Detailstudien  ge¬ 
sammelt  sind,  die  unter  Umständen  grosse  praktische  Bedeutung 
haben.  Druck  und  Ausstattung  des  Werkes  sind  tadellos. 

Schreiber. 


Eduard  Martin:  Der  Haftapparat  der  weiblichen  Genitalien. 

II.  Teil:  Der  Prolaps.  (Mit  24  Tafeln.)  Berlin,  Karger,  1912. 
Preis  25  M. 

Den  ersten  Teil  des  Martin  sehen  Werkes,  das  den  Haftapparat 
der  weiblichen  Genitalien  unter  normalen  Verhältnissen  darstellt, 
haben  wir  in  No.  23  dieser  Wochenschrift  vom  Jahre  1911  bereits 
besprochen.  Im  zweiten  Teil  wendet  der  Verf.  die  Ergebnisse  des 
ersten  auf  die  Aetiologie  und  Therapie  der  Vorfälle  an.  Er  führt  sie 
im  wesentlichen,  entsprechend  seinen  bekannten  Anschauungen,  auf 
Erschlaffung  der  bindegewebigen  Haft-  und  Befestigungsmittel  zurück, 
während  er  dem  muskulären  und  faszialen  Beckenboden  nur  eine 
sekundäre  Bedeutung  zuweist.  Wenn  er  auch  mit  dieser  Betonung 
der  Bedeutung  des  Bindegewebes  als  Haltapparat  der  Genitalien 
sowie  in  manchen  anderen  Punkten,  so  in  der  Bewertung  der  Zysto- 
zele  als  Ursache  des  Vorfalls  der  vorderen  Scheidenwand,  in  seiner 
Auffassung  des  Einflusses  der  Unfälle  auf  Genitalprolapse  etc. 
manchen  Widerspruch  erfahren  wird,  so  muss  man  doch  der  kon¬ 
sequenten  Durchführung  seines  Standpunktes  Anerkennung  wider¬ 
fahren  lassen.  Diese  Konsequenz  zeigt  sich  auch  weiterhin  in  der 
Empfehlung  bestimmter  Operationsmethoden  des  Vorfalls,  die  in  an¬ 
schaulichen  Abbildungen  erläutert  werden.  Sie  gipfeln  in  der  Kol- 
porrhaphia  anterior  mit  Blasenraffung,  in  der  Kolpoperineoplastik  in 
Kombination  mit  der  Alexander-Adams  sehen  Operation  und 
in  der  Empfehlung  der  Levator-Fasziennaht  zur  Rekonstruktion  des 
Beckenbodens.  Bei  der  bildlichen  Darstellung  dieser  letzteren  Ope¬ 
ration  ist  es  mir  freilich  fraglich,  ob  Martin  tatsächlich  die  Levator¬ 
schenkel  und  nicht  lediglich  die  Musculi  perinei  vereinigt,  zumal  er 
die  Muskeln  nicht  aus  ihren  Faszien  auslöst,  sondern  die  Faszien¬ 
ränder  selbst  aneinander  näht.  Für  grosse  Vorfälle  scheint  Martin 
der  Totalexstirpation  den  Vorzug  vor  den  Interpositionsmethoden 
zu  geben. 

Das  ganze  Werk  zeichnet  sich  insbesondere  dureh  vorzügliche 
zeichnerische  Wiedergabe  der  anatomischen  Präparate  aus. 

B  a  i  s  c  h. 

Krafft-Ebing:  Psychopathia  sexualis  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  konträren  Sexualempfindung.  Eine  medizinisch- 
gerichtliche  Studie  für  Aerzte  und  Juristen.  Vierzehnte,  vermehrte 
Auflage.  Herausgegeben  von  Prof.  A,  Fuchs.  Stuttgart  1912.  Fer¬ 
dinand  Enke.  Preis  11  M. 

Das  Buch  ist  nun  auf  460  Seiten  angeschwollen.  Gegenüber 
der  zuletzt  hier  besprochenen  10.  Auflage  sind  die  Beobachtungen 
vermehrt,  die  Theorien  mit  den  neuesten  Kenntnissen  über  die  Funk¬ 
tionen  der  Geschlechtsdrüsen  und  der  Hormonlehre  in  Zusammen¬ 
hanggebracht  worden  und  namentlich  haben  die  forensische  Bedeutung 
der  sexuellen  Anomalien  und  die  einschlägigen  Gesetzesbestimmungen 
eingehende  Behandlung  gefunden.  Sonst  hat  das  Buch  keine  Aende- 
rungen  erfahren.  B  1  e  u  1  e  r  -  Burghölzli. 

Sanitätsrat  Dr.  J  e  s  s  n  e  r:  Lehrbuch  der  Haut-  und  Geschlechts¬ 
leiden,  einschliesslich  der  Kosmetik.  Bd.  I,  geb.  12  M.;  bei  Abnahme 
auch  des  Bandes  II,  10  M.  391  S.  27  Moulagenbilder,  6  farbige 
histologische  Bilder.  Stübers  Verlag,  Würzburg. 

In  10  Jahren  hat  sich  das  Jessner  sehe  Kompendium  zu  einem 
zweibändigen  Lehrbuch  herausgearbeitet,  ein  Zeichen  für  seine 
Brauchbarkeit  und  wachsende  Beliebtheit. 

Jessner  behandelt  seinen  Stoff 

I.  in  einem  allgemeinen  Teil:  Anatomie  der  Haut,  ihre  Physio¬ 
logie,  Diagnostik,  Verhältnis  der  Hautleiden  zu  inneren  Erkrankungen, 
allgemeine  Therapie  der  Hauterkrankungen,  darin  enthalten  Strahlen. 
Licht,  Elektro-,  Thermo-,  Chemotherapie  und  dermatologische 
Chirurgie. 

II.  in  einem  speziellen  Teil:  Er  gruppiert  hier  nach  einem  System, 
welches  er  Jessnersches  System  nennt:  Funktionsstörungen, 
Anomalien  der  Blutverteilung  (ohne  Entzündungserscheinungen),  Ent¬ 
zündungen,  Granulome,  Hypertrophien,  Neubildungen,  regressive  Er¬ 
nährungsstörungen. 

Der  III.  Teil:  die  Kosmetik  der  Haut  und  Haare.  —  Rezeptformeln. 
—  Register. 

Das  Werk  ist,  wie  die  Jessner  sehen  Kompendien,  sehr  glatt 
geschrieben  und  gibt,  meiner  Beobachtung  nach,  über  alle  Anfragen 
Auskunft;  wenn  auch  bisweilen  überaus  kurz.  Die  Therapie  ist  durch¬ 
gängig  bis  auf  die  neuesten  Veröffentlichungen  besprochen.  Be¬ 
sonders  anerkennenswert  sind  die  farbigen  Abbildungen,  welche  bis  auf 
wenige  —  Favus,  Psoriasis  des  Rückens,  Tuberkulid  —  in  Plastik  und 
Farbwiedergabe  nichts  zu  wünschen  lassen. 

Zu  erhoffen  ist,  dass  die  Besprechung  der  dermatologischen 
Pharmakopoe  bei  nächster  Auflage  einer  Durchsicht  unterzogen  wird. 
Adeps  benzoatus  existiert  nicht  mehr  in  der  Pharmakopoe.  Fetron 
zeichnet  sich  nicht  durch  seinen  Schmelzpunkt,  sondern  seine  Wasser¬ 
aufnahmefähigkeit  aus,  Lanolin  und  seine  Abkömmlinge  werden  jetzt 
nur  als  Lanolin  verordnet,  Ungt.  Glyzerini  wird  aus  Stärke  und  Gly¬ 
zerin  und  nicht  aus  Tragacanth  und  Glyzerin  hergestellt. 

Und  so  wären  einige  kleine  Unebenheiten  zu  beseitigen. 

Druck  und  Ausstattung  sind  völlig  auf  der  Höhe. 

Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Prof.  Dr.  Hermann  Gutzmann:  Stimmbildung  und  Stimmpflege. 

2.,  vermehrte  Auflage.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  Wiesbaden 
1912.  216  Seiten.  Preis  M.  3.20. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


367 


Das  kleine  Werk,  das  schon  bei  seinem  ersten  Erscheinen  an 
dieser  Stelle  besprochen  und  empfohlen  wurde  (vgl.  M.  in.  W.  1907, 
No.  5)  ist,  nachdem  es  längere  Zeit  vergriffen  war,  in  neuer  Auflage 
herausgekommen.  Diese  verdient  eine  Empfehlung  in  erhöhtem 
Masse,  da  Q.  in  den  —  nunmehr  zwölf  —  gemeinverständlichen 
Vorlesungen,  die  das  Buch  bilden,  bei  aller  Knappheit  in  der  Dar¬ 
stellung  des  Stoffes  doch  sämtliche  wichtigeren  Arbeiten,  die  bis  in 
die  letzte  Zeit  hinein  auf  dem  Gebiete  der  Stimmwissenschaft  er¬ 
schienen  sind,  berücksichtigt.  So  interessieren  neben  vielem  anderen, 
neu  hinzugekommenen  insbesondere  die  Ausführungen  über  die  „Re¬ 
sonanz“  und  die  sog.  „Deckung“  des  Gesangstones,  d.  i.  dasjenige 
Hilfsmittel,  dessen  sich  der  geschulte  Sänger  bedient,  um  den  Ueber- 
gang  von  den  tiefen  zu  den  höheren  Lagen  möglichst  auszugleichen, 
sowie  vor  allem  auch  die  Berichtigung  verbreiteter  irrtümlicher 
Auffassungen  hinsichtlich  der  Fortpflanzung  und  „Reflexion“  der  im 
Kehlkopf  entstandenen  Schallwellen.  Der  funktionellen  Stimm¬ 
schwäche  (Phonasthenie)  ist  nunmehr  eine  eigene  Vorlesung  ge¬ 
widmet,  die  in  Kürze  über  alle  Einzelheiten  des  wichtigen  Krankheits¬ 
bildes  orientiert.  Ebenfalls  in  einem  eigenen  Abschnitte  werden  die 
beim  Singen  am  Schädel,  Gesicht  und  Thorax  nachweisbaren  Vibra¬ 
tionen  und  die  verschiedenen  Auffassungen  des  in  gesangspädago¬ 
gischen  Werken  eine  grosse  Rolle  spielenden  „primären  Tones“  be¬ 
handelt.  Mit  besonderem  Interesse  wird  man  auch  die  diese  Vor¬ 
lesung  abschliessenden  Ausführungen  des  Verfassers  über  das  Ver¬ 
hältnis  der  verschiedenen  Sprachen  zum  Gesang  und  vor  allem  über 
die  Merkmale  der  dem  Deutschen,  Englischen,  Französischen  und 
Italienischen  eigentümlichen  sog.  Artikulationsbasis  oder  Mundlage 
(Bewegungen  der  Lippen,  Zungenlage,  Stellung  bezw.  Bewegungen 
des  Unterkiefers,  Art  des  Stimmeinsatzes)  lesen. 

So  bringt  das  vortreffliche  Büchlein  nicht  nur  in  rein  ärztlicher 
Hinsicht,  sondern  auch  nach  verschiedenen  anderen  Richtungen  hin 
eine  Menge  des  Belehrenden  und  Anregenden. 

Zimmermann  -  München. 

Johannes  Ohm:  Das  Augenzittern  der  Bergleute.  Sein  Krank¬ 
heitsbild  und  seine  Entstehung,  dargestellt  an  mehr  als  500  selbst 
beobachteten  Fällen.  Leipzig,  Wilhelm  Engelmann,  1912.  98  S. 
Preis  2.40  M. 

Die  Arbeit  stellt  eine  eingehende  Studie  des  Krankheitsbildes  dar. 
Nachdem  das  Thema  seit  längerer  Zeit  zur  Ruhe  gekommen  war,  ist 
das  Werk  nur  zu  begrüssen.  Leiden  doch  nach  Ohm  mindestens 
3,3  Proz.  der  Bergleute  daran,  im  Bereich  des  Bochumer  Knapp¬ 
schaftsvereins  allein  mindestens  etwa  11  500  Bergleute,  und  ist  doch 
das  Leiden  in  nicht  wenigen  Fällen  die  Ursache  dauernder  Invalidität. 
Das  Auftreten  der  Krankheit  wird  auf  Grund  der  Literatur  und  einer 
Erfahrung  an  grossem  Material  eingehend  geschildert;  ferner  er¬ 
fahren  die  verschiedenen  Ansichten  über  die  Entstehung  der  Krankheit 
eine  genaue  Darlegung.  Ohm  kommt  zu  einer  eigenen  Ansicht, 
indem  er  die  Krankheit  als  eine  Störung  der  Equilibrierung  der  Augen 
iauffasst  und  zwar  der  feineren  gegensinnigen  Innervation,  die  den 
Zweck  hat,  beide  Augen  auf  gleicher  Höhe  zu  halten,  mit  dem  Sitz 
im  Okulomotorius-Trochleariskern;  die  Ursache  der  Störung  ist  im 
wesentlichen  in  einer  Ermüdung  der  Heber  des  Auges  zu  suchen.  — 
Jedem,  der  sich  über  die  komplizierte  Erkrankung  orientieren  will. 
"  ird  das  Studium  der  Arbeit  empfohlen.  Fleischer-  Tübingen. 

Friedr.  Wiedemann  -  Neu-Ulm :  Nachschlagebuch  zur 

Krankenversicherung  einschliesslich  der  gemeinsamen  Vorschriften 
nach  der  Reichsversicherungsordnung,  insbesondere  für  Aerzte,  mit 
einem  Vorwort  von  Medizinalrat  U  t  z.  Wtirzburg,  Verlag  von  Curt 
Kabitzsch,  1913.  153  S.  Preis  kart.  3  M. 

Das  Nachschlagebuch  zur  Krankenversicherung  ermöglicht  durch 
seine  alphabetische  Anordnung,  seine  kurze,  bündige  Fassung  und 
durch  die  genaue  Bezeichnung  der  einschlägigen  Gesetzesstellen  eine 
rasche  Orientierung  auf  dem  schwierigen  Gebiete  der  Reichs¬ 
versicherungsordnung,  soweit  sie  die  gemeinsamen  Vorschriften  und 
die  Krankenversicherung  umfasst.  Das  Buch  ist  deshalb  Aerzteu, 
welche  nicht  genügend  Zeit  haben,  sich  mit  der  schwierigen  Materie 
zu  befassen,  als  Nachschlagebuch  warm  zu  empfehlen. 

Scholl-  München. 

Gewerbehygienische  Uebersicht. 

Von  Dr.  Fr.  Koelsch,  Kgl.  Landesgewerbearzt. 

(Schluss.) 

Ueber  die  Bedeutung  der  Chromate  für  die  Ge¬ 
sundheit  auf  Grund  eigener  experimenteller  Studien  berichtete 
K.  B.  L  e  h  mann  anlässlich  einer  Sitzung  im  Frankfurter  Institut  für 
jiewerbehygiene  (Berlin  1912,  bei  A.  Seydel).  Verf.  konnte  bei 
keinem  der  untersuchten  64  Arbeiter  Albuminurie  oder  sonstige  ernst¬ 
lichere  Erkrankungen  nachweisen,  hingegen  mehrfach  harmlose  Haut- 
geschwiirchen  oder  kleine  Narben  und  bei  ca.  75  Proz.  der  Arbeiter 
eine  Perforation  oder  ein  Geschwür  der  Nasenscheidewand;  auch  in 
einer  Chromatgerberei  wurden  unter  69  Arbeiter  nennenswerte  Ge- 
Mindheitsschädigungen  nicht  gefunden.  Fütterungsversuche  bei  Tieren 
gaben  keine  bemerkenswerten  Resultate  beziigl.  etwaiger  Chromat¬ 
schädigungen;  hingegen  gelang  es  dem  Verf.  als  ersten,  Chromat- 
perforationen  des  Nasenseptums  experimentell  durch  Versprayung 
von  Chromatlösung  (entsprechend  3  mg  Chrom  pro  1  cbm  Luft)  zu 


erzeugen;  ausserdem  zeigten  die  hiebei  verwendeten  Katzen  ausser¬ 
ordentlich  schwere,  eitrige  Bronchitiden.  Das  Vorkommen  von 
Chromatkatarrhen  beim  Menschen  dürfte  aus  der  Krankenstatistik  er- 
wiesen  sein.  Für  die  Entstehung  der  Chromatschädigungen  ist  die 
sog.  I  röpfchenintoxikation  von  Bedeutung,  indem  aus  den  eindampfen¬ 
den  Chromatlaugen  Dampfbläschen  aufsteigen,  die  von  einem  Chro¬ 
matmantel  umhüllt  sind.  Diese  Bläschen  kondensieren  sich  allmäh¬ 
lich  zu  Tröpfchen  und  gelangen  so  auf  die  Haut  und  Schleimhäute. 
Weitere  ausführliche  Berichte  über  diese  Untersuchungen  werden 
in  Kürze  noch  erscheinen. 

Veranlasst  durch  die  Beobachtung,  dass  bei  Tunnelarbeitern, 
die  an  sog.  Minenkrankheit  litten,  regelmässig  Veränderungen  in  den 
Lungen  klinisch  nachweisbar  waren,  suchte  C.  R  u  b  i  n  o  die  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Gasvergiftung  und  Integrität  der  Luftwege  ex¬ 
perimentell  zu  studieren.  Die  Beobachtungen  sind  in  11  Ramazzini, 
H.  3,  1912,  niedergelegt:  „Die  Wirkungen  der  Gasvergif¬ 
tungen  in  ihrer  Abhängigkeit  vom  Zustand  der 
Atmungsorgan e“.  Verf.  erzeugte  experimentelle  Schädigungen 
der  Luftwege  einerseits  durch  Einatmung  nitroser  Gase,  andererseits 
durch  Russinhalation  (Anthrakose).  Es  ergab  sich,  dass  gesunde 
Tiere  gegen  Luftabschluss  (Asphyxie  mit  O-Mangel  und  COa-An- 
reicherung)  wesentlich  resistenter  sind  als  solche  mit  Anthrakose, 
dass  ferner  bei  letzteren  die  Resistenz  um  so  geringer  ist,  je  länger 
bestehend  und  je  intensiver  die  Russlunge  ist.  Aehnliches  zeigte 
sich  auch  bei  der  Leuchtgasvergiftung,  wo  sich  sowohl  bei  hoher 
wie  bei  niederer  Konzentration  die  lungengesunden  Tiere  resistenter 
erwiesen.  Dasselbe  ergab  sich  auch  bei  Zuführung  des  Leuchtgases 
in  die  Vena  jugularis,  indem  bei  den  lungenkrank  gemachten  Tieren 
viel  geringere  Dosen  letal  wirkten  wie  bei  den  gesunden;  die  Schä¬ 
digungen  des  Alveolarepithels  begünstigt  eine  Ansammlung  des  CO 
im  Organismus  und  beeinträchtigt  die  sekretorische  bzw.  disso- 
zierende  Wirkung  der  Lunge,  welche  für  CO  bereits  1875  von  Claude 
Be  r  n  a  r  d,  später  von  Montuori  und  G  i  a  c  o  s  a  festgestellt 
wurde.  Bei  der  „Minenkrankheit“  handelt  es  sich  um  eine  Kom¬ 
bination  von  CO-Vergiftung  mit  Sauerstoffmangel  der  Atemluft  und 
COa-Anreicherung;  begünstigend  wirkt  die  Arbeit  bezw.  die  Er¬ 
müdung. 

Hieran  reiht  sich  die  in  No.  50,  S.  2750  dieser  Wochenschriit 
bereits  besprochene  Arbeit  von  Weber:  Zur  Kritik  der  Gas¬ 
vergiftungen  in  Kohlenbunkern.  Marine-Rundschau 
1912,  S.  456. 

Zur  Kenntnis  der  psychischen  Störungen  nach 
Kohlenoxydvergiftungen.  Von  G.  G  i  e  s  e.  Allgemeine 
Zeitschrift  für  Psychiatrie,  Bd.  68,  H.  6.  Im  Zusammenhänge  mit 
2  selbstbeobachteten  Fällen  bespricht  Verf.  die  neueren  einschlägi¬ 
gen  Arbeiten.  Kohlenoxyd  ist  ein  spezifisches  Nervengift,  seine 
psychische  Wirkung  ist  verschieden,  je  nachdem  ein  bereits  vorher 
schon  labiles  Nervensystem,  eine  Neurasthenie  oder  Hysterie  etc.  be¬ 
stand,  oder  ein  bisher  nervengesutider  Mensch  vergiftet  wurde.  Man 
unterscheidet  nach  S  i  b  e  1  i  u  s  eine  intervalläre  und  nichtinter- 
valläre  Gruppe.  Bei  ersterer  tritt,  nachdem  anscheinend  die  Ge¬ 
nesung  bereits  erfolgt  war,  plötzlich  die  Psychose  auf,  welche  in 
schweren  Fällen  tödlich  endet  (progressiver  Charakter)  oder  in 
Pseudoparalyse,  akute  Demenz  u.  dgl.  übergeht  (regressive  Form). 
Die  nichtintervalläre  Gruppe  führt  zur  stabilen  Demenz  mit  Ge¬ 
dächtnisstörungen,  neuropathischen  Zuständen,  Rausch  und  Dämmer¬ 
zuständen  u.  dgl.  Verf.  geht  sodann  eingehend  auf  die  verschiedenen 
psychischen  und  somatischen  Symptome  ein,  erörtert  die  Differential¬ 
diagnose  und  die  Therapie,  die  im  allgemeinen  symptomatisch  sein 
muss.  Im  pathologisch-anatomischen  Bilde  sind  Erweichungsherde, 
Gliawucherungen,  Degeneration  der  Gefässwandungen,  Hämorrhagien 
u.  dgl.  zu  finden.  — :  Vgl.  hiezu  auch  die  Arbeit  von  Quensel  über 
Melancholische  Depression  durch  Kohlenoxyd¬ 
vergiftung  in  Aerztl.  Sachverständigen-Ztg.  1912,  No.  15. 

In  einer  Züricher  Dissertation  veröffentlicht  Pedro  Llopart 
seine  Erfahrungen  über  Vergiftungen  durch  „n  i  t  r  o  s  e 
Gase“  (Zürich  1911).  Die  Gefahr  der  nitrosen  Gase  ist  im  all¬ 
gemeinen  weit  umfangreicher  und  grösser,  als  dies  gemeiniglich  an¬ 
genommen  wird.  Bei  der  akuten  Vergiftung  findet  sich  sofort  sehr 
quälender  Krampfhusten  mit  folgendem  Fremdkörpergefühl  auf  der 
Brust;  die  Kehle  ist  zusammengeschnürt,  weiters  treten  neben  Husten 
Angstgefühl  und  Schweissausbruch  auf.  Später  wird  die  Sprache 
undeutlich,  der  Gang  taumelnd,  die  Augen  quellen  vor,  der  Auswurf 
wird  sehr  reichlich,  so  dass  in  einigen  Stunden  mundvolle  Sputa  in 
der  Menge  von  1  Liter  und  mehr  sich  ansammeln  können;  der  Aus¬ 
wurf  ergibt  in  frischen  Fällen  Diphenylaminreaktion.  Der  Tod  erfolgt 
unter  Lungenödem  und  Zyanose.  Bei  der  chronischen  Vergif¬ 
tung  finden  wir  u.  a.  fahles,  blasses  Aussehen,  chronische  Bronchitis, 
event.  mit  Stickhusten  und  Atemnot,  Bluthusten,  Zyanose,  Tachy¬ 
kardie.  Die  Zähne  zeigen  die  charakteristische  Säurenekrose.  An 
der  Leiche  sind  charakteristisch  gelbe  Verfärbung  der  Nasenlöcher, 
der  Bart-  und  vorderen  Haupthaare,  von  der  Säure  herrührende 
gelbliche  Flecken  an  Haut  und  Schleimhäuten.  HNO3  und  HNO2  oder 
deren  Salze  sind  im  Auswurf,  im  Urin,  in  serösen  Ergüssen  und  event. 
an  den  Haaren  nachweisbar.  In  fast  allen  Fällen  findet  sich  typisches 
Lungenödem.  Nitrose  Gase  sind  in  der  Leiche  nicht  mehr  nachweis¬ 
bar,  da  selbst  grosse  Mengen  vor  dem  Tode  wieder  ausgeschieden 
werden.  Die  Fundstelle  der  Leiche  ist  für  die  Entstehungsstelle  der 
nitrosen  Gase  nicht  von  Belang,  da  die  Erkrankten  lange  Zeit  bei  Ver¬ 
stand  sind  und  den  gefährlichen  Raum  meist  rasch  verlassen,  der  Tod 


368 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


also  regelmässig  ausserhalb  des  letzteren  erfolgt.  —  Die  Ver¬ 
abreichung  von  Chloroformtropfen  als  Gegengift  wird  vom  Verf.  (mit 
Recht)  abgelehnt;  eher  ist  der  Genuss  von  Milch  zu  empfehlen.  Beim 
Umgang  mit  nitrosen  Gasen  ist  immer  Vorsicht  erforderlich;  insbeson¬ 
dere  müssen  die  jugendlichen  Arbeiter  geschützt  werden. 

Einige  in  der  letzten  Journalliteratur  veröffentlichte  Aufsätze 
über  gewerbliche  Gifte  wurden  bereits  in  unserer  Wochenschrift  kurz 
besprochen;  der  Vollständigkeit  halber  seien  sie  an  dieser  Stelle  zu¬ 
sammenfassend  erwähnt :  H.  Paschkis,  Gewerbliche  Haut¬ 
verätzungen,  Wiener  med.  Wochenschr.  1912,  No.  44,  ref.  in 
No.  51,  S.  2833  —  F.  Lennmalm,  Ueber  chronische 
Arsenvergiftung  etc.,  Prager  med.  Wochenschr.  1912, 
No.  35/37,  ref.  in  No.  51,  S.  2834  —  Fr.  Tedesko,  Die  Benzol¬ 
behandlung  der  lymphatischen  Leukämie,  Sitzungs¬ 
bericht,  ref.  in  No.  48,  S.  2653  —  M.  J.  Bernstein,  Durch  D  i  - 
nitrobenzol  verursachte  Dermatitis,  Lancet  v.  8.  VI. 
1912,  ref.  in  No.  48,  S.  2642  —  endlich  die  äusserst  interessante 
Abhandlung  von  S.  G.  Leuenberger,  Die  unter  dem  Ein¬ 
flüsse  der  synthetischen  Farbenindustrie  be¬ 
obachtete  Geschwulstentwicklung,  Bruns  Beiträge  z. 
klin.  Chirurgie,  80.  Bd,  2.  H.,  ref.  in  No.  46,  S.  2521. 

Einige  Studien  liegen  wiederum  über  die  Phytonosen  vor. 
So  veröffentlichte  A.  Nestler  in  den  Berichten  der  Deutschen 
Botanischen  Gesellschaft,  H.  10,  1911.  Beobachtungen  über  die 
hautreizende  Wirkung  des  Amberholzes  (Liqui- 
dambar  styraciflua  L.).  Bei  Untersuchung  des  sogen,  ost¬ 
indischen  Satinholzes  stellte  es  sich  heraus,  dass  unter  diesem  Namen 
2  verschiedene  Holzarten  im  Handel  sind,  nämlich  das  echte^  ost¬ 
indische  oder  asiatische  Satinholz  (Seidenholz,  Chloroxylon  Swie- 
tania)  und  das  schon  äusserlich  vollkommen  verschiedene  Satin- 
Nussbaumholz  (Amberholz,  Liquidatnbar  styraciflua  L.).  Während 
es  dem  Verf.  nicht  gelang,  den  die  bekannte  hautreizende  Wirkung 
des  ersteren  Holzes  verursachenden  Körper  zu  extrahieren,  fand  er 
in  letzterer  Holzart  eine  nur  ätherlösliche  stearinartige  Sub¬ 
stanz,  die,  in  kleiner  Menge  auf  die  Haut  des  Unterarms  gebracht, 
dort  nach  5  Stunden  eine  hohe,  prallgespannte  gelbliche  Blase,  von 
entzündlichem  Hof  umgeben,  hervorrief;  das  nach  Platzen  der  Blase 
sich  bildende  Geschwürchen  heilte  im  Verlaufe  von  ca.  4  Wochen 
ab.  —  Derselbe  Autor  studierte  weiters  die  hautreizende 
Wirkung  des  Cocoboloholzes,  ebenda  H.  3,  1912.  Die 
Wirkung  ist  unschwer  nachzuweisen  durch  Auflegen  von  feinem 
Sägemehl  auf  die  feuchte  Haut;  sie  zeigt  sich  als  heftiges  Jucken, 
Bildung  roter  Papeln,  entzündliche  Rötung  und  folgende  Abschup¬ 
pung.  Die  spezifische  Substanz  ist  in  Wasser  weniger,  in  Alkohol 
und  Benzol  leicht  löslich,  wahrscheinlich  also  ein  ätherisches  Oel, 
das  bei  Zusatz  von  Osmiumsäure  graugrünlich  erscheint.  —  Heft  6, 
1912  der  genannten  Berichte  enthält  u.  a.  eine  Mitteilung  desselben 
Autors  über;  Cortusa  Matthioli  L„  eine  stark  haut¬ 
reizende  Pflanze.  Das  Berühren  der  Pflanze  ruft  eine  mit 
heftigem  Juckreiz  und  Blasenbildung  einhergehende  Dermatitis  her¬ 
vor;  gleiche  Erscheinungen  treten  auf  bei  zufälliger  Uebertragung  des 
reizenden  Körpers  durch  die  infizierten  Hände.  Träger  der  haut¬ 
reizenden  Substanz  sind  (wie  bei  der  Primel)  die  Drüsenhaare,  wel¬ 
che  ein  kristallisierendes  Sekret  absondern.  Die  Kristalle  sind  in 
Alkohol,  Aether  und  verdünnten  Säuren  leicht  löslich,  in  Wasser  un¬ 
löslich. 

Aus  Anlass  einer  gegen  den  Fiskus  gestellten  Entschädigungs¬ 
klage  beschäftigten  sich  F..  Rost  und  E.  G  i  1  g  eingehend  mit  dem 
Giftsumach  (Rhus  toxicodendron)  und  seinen  Gift¬ 
wirkungen.  Berichte  der  D.  pharmaz.  Ges.,  22.  J.,  H.  6.  Die 
Verff.  sichten  zuerst  die  Literatur,  welche  viele  Mitteilungen  über 
Sumach-Hautentzündungen  durch  Berühren,  sogar  infolge  Aus¬ 
dünstung  des  Strauches  enthält.  Als  Ursache  dieser  Giftigkeit  wur¬ 
den  abwechselnd  die  Exhalationen  der  Pflanze,  ein  giftiges  Gas,  ein 
Alkaloid,  eine  flüchtige  Säure  angesprochen.  Die  eigenen  Unter¬ 
suchungen  ergaben  nun,  dass  sich  Köpfchenhaare  oder  Drüsenhaare 
weder  zu  Beginn  noch  zu  Ende  der  Vegetationszeit  spontan  loslösten; 
auch  experimentell  konnte  die  Loslösung  nur  in  minimaler  Menge  ver¬ 
anlasst  werden.  Ein  Sekret  konnte  von  den  unverletzten  Blättern 
und  Stengeln  ebenfalls  nicht  abgestreift  werden;  demgemäss  traten 
auch  bei  Berührung  der  Blätter  oder  Zweige  Hautreizungen  nicht  ein. 
Eine  Uebertragung  durch  Pollenkörner  konnte  nicht  stattgefunden 
haben,  weil  die  betr.  Pflanzen  des  Berliner  botanischen  Gartens  alle 
weiblich  waren.  Dagegen  findet  sich  überall  in  der  Pflanze  eine 
Harzemulsion,  welche,  bei  Verletzung  der  Pflanzen- 
teile  mit  der  Haut  in  Berührung  gebracht,  schon  in  Spuren  Entzün¬ 
dungserscheinungen  hervorruft.  Die  entstandene  Dermatitis  kann  je¬ 
doch  mit  einer  gesättigten  Bleiazetatlösung  in  50 — 70  proz.  Alkohol 
prompt  beseitigt  werden;  insbesondere  wird  dadurch  der  starke  Juck¬ 
reiz  beseitigt.  Arbeiter,  die  mit  der  Pflanze  zu  tun  haben,  müssen 
sich  durch  Kopf-  und  Handschutz  vor  der  Berührung  mit  dem  Harz¬ 
saft  schützen.  Vom  Beschauen  allein  ist  jedoch  eine  Schädigung  nicht 
zu  befürchten;  die  Klage  des  angeblich  hiebei  Geschädigten  war  da¬ 
her  abzuweisen.  Die  interessante  Abhandlung  ist  mit  35  Abbildungen 
ausgestattet. 

Eine  Originalnotiz  über  Hautausschlag  durch  Staub 
von  mexikanischem  Blauholz  bringen  die  Mitteilungen  d. 
Instituts  f.  Gewerbehygiene  in  Frankfurt,  No.  12  (1912),  S.  191.  Ein 
mit  dem  Spalten  dieses  Farbholzes  beschäftigter  Arbeiter  erkrankte 
an  einem  krätzeartigen  Ausschlag  der  Unterarme,  der  ihn  zur  Arbeits¬ 


einstellung  zwang,  während  die  anderen,  z.  T.  schon  viele  Jahre 
tätigen  Arbeiter  keine  Störung  beobachteten.  Der  erkrankte  Arbeiter 
litt  an  Lungentuberkulose  und  starb  daran  einige  Zeit  nachher. 

Eine  eingehende  Studie  von  0.  H  e  i  n  e  m  a  n  n  beschäftigt  sich 
mit  dem  äusseren  Milzbrand  des  Menschen.  D.  Zeitschr. 
f.  Chirurgie,  Bd.  119,  1912.  Verfasser  unterzieht  hierin  die  ver¬ 
schiedenen  therapeutischen  Methoden,  konservative  und  chirurgische 
j  Therapie,  Behandlung  mit  Serum,  Salvarsan  und  Kollargol,  einer  kri¬ 
tischen  Besprechung,  fasst  die  einschlägigen  Beobachtungen,  soweit 
sie  publiziert  sind,  statistisch  zusammen  und  kommt  hiebei,  gestützt 
durch  eigene  Erfahrungen,  zu  nachstehendem  Resultat;  Konservative 
und  operative  Milzbrandtherapie  sind  beide  rationell,  doch  ist  nach 
Theorie  und  Praxis  die  Operation  die  bessere  Methode;  letztere  muss 
in  der  radikalen  Zerstörung  des  Karbunkels  bestehen.  Keinesfalls  ist 
die  Operation  schädlich,  wenn  sie  nur  vollständig  ist;  hingegen  kann 
wohl  eine  unvollständige  Operation  schaden.  Wenn  Allgemeininfek¬ 
tion  droht  oder  bereits  vorhanden  ist,  ist  die  Lokaltherapie  mit  Serum, 
Salvarsan  oder  Kollargol  zu  kombinieren.  —  Vgl.  hiezu  auch  den 
Aufsatz  von  K.  E.  V  e  i  t  über  die  M  i  1  z  b  r  a  n  d  t  h  e  r  a  p  i  e  in  No.  51 
(S.  2810)  dieser  Wochenschrift. 

Ueber  Milzbrand  und  Salvarsan  veröffentlichte 
G.  B  e  c  k  e  r  in  der  Mediz.  Klinik  1912,  No.  44  eine  kurze  Abhandlung 
und  teilt  darin  noch  2  weitere  durch  intravenöse  Salvarsaninjektion 
(allerdings  vergeblich)  behandelte  Fälle  mit.  Für  die  Prognose  des 
Milzbrands  ist  es  ausschlaggebend,  ob  bei  der  Aufnahme  des  Pat. 
bereits  Bazillen  im  Blute  sind  oder  nicht.  Im  letzteren  Falle  führt 
auch  die  konservative  Behandlung  zum  Ziele,  während  im  ersteren 
mit  Salvarsan  vielleicht  eine  Heilung  zu  erzielen  ist;  in  einem  Falle 
gelang  dies  dem  Verf.  auch.  In  allen  zum  Tode  gekommenen  Fällen 
des  Hamburg-Eppendorfer  Krankenhauses  Hessen  sich  noch  intra 
vitam  Bazillen  im  Blute  nachweisen.  Zur  Beurteilung  einer  thera¬ 
peutischen  Methode  ist  die  vorherige  bakteriologische  Blutunter¬ 
suchung  unbedingt  erforderlich. 

Die  schwierige  Frage  der  Häutedesinfektion  behandelt  eine 
Arbeit  von  Moegle:  Zur  Desinfektion  milzbrand¬ 
sporenhaltiger  Häute  und  Felle.  Zentralbl.  f.  Bakterio¬ 
logie,  I,  66,  S.  442.  Verf.  bemüht  sich,  teils  die  bereits  vorhandenen 
Methoden  nachzuprüfen,  teils  eigene  Desinfektionsmethoden  auszu¬ 
arbeiten.  Zunächst  blieben  die  infizierten  Häute  etc.,  mit  der  Fleisch¬ 
seite  nach  aussen,  gerollt  8 — 14  Tage  liegen  und  wurden  ab  und  zu 
mit  Kochsalzlösung  befeuchtet,  wodurch  die  Sporenbildung  wesent¬ 
lich  beschleunigt  wurde;  sodann  wurden  die  Häute  und  Felle  ge¬ 
trocknet  (bei  37°  im  Brutschrank  oder  bei  30 — 32°  im  Trocken¬ 
apparat  über  Chlorkalzium).  Das  Vorhandensein  von  Milzbrand¬ 
sporen  an  den  so  vorbereiteten  Häuten  war  kulturell  erwiesen.  Zur 
Desinfektion  wurden  die  Methoden  von  Schatten  froh  ( 1  proz. 
Salzsäure  in  8  proz.  Kochsalzlösung),  von  Seym  our-  Jone 
(0,01  proz.  Sublimat  in  1  proz.  Ameisensäure)  und  die  Modifikation 
des  letzteren  Verfahrens  (0,1  proz.  Formalin  in  1  proz.  Ameisensäure) 
verwendet,  indem  die  Hautstücke  für  6  Stunden  in  die  genannten  Lö¬ 
sungen  bei  Temperaturen  von  40 — 42°  eingelegt,  sodann  in  Soda¬ 
lösung  übertragen  wurden.  Sämtliche  damit  beschickten  Nährböden 
blieben  steril.  Bei  einer  2.  Versuchsreihe  wurden  dieselben  Lösungen 
in  stärkerer  Konzentration  bei  niederer  Temperatur  (15—16°)  und 
für  längere  Zeit  angewendet,  bei  weiteren  Versuchsreihen  wurden 
verschiedene  Variationen  von  Konzentration,  Temperatur  und  Zeit 
erprobt.  Hiebei  ergab  die  Methode  von  Seymour-Jones  durch¬ 
weg  positive  Resultate,  während  das  Verfahren  nach  Schatten- 
froh  einige  Male  versagte,  besonders  bei  Temperaturen  unter  20°; 
letzteres  ist  jedoch  für  die  Praxis  billiger  und  einfacher.  Gerbver¬ 
suche  ergaben  gleich  gute  Resultate;  die  Enthaarung  erfolgte  bei  der 
Schattenfroh  sehen  Methode  vielleicht  etwas  leichter.  Hin¬ 
gegen  ist  die  Verwendung  von  Formalin  statt  Sublimat  bei  der  modi¬ 
fizierten  Seymour  sehen  Methode  für  den  Gerbprozess  schädlich, 
macht  daher  die  Brauchbarkeit  in  der  Praxis  illusorisch. 

In  der  D.  Vierteljahrschr.  f.  ö.  Gesundheitspflege,  24.  Bd.,  4.  H. 
(1912)  veröffentlicht  Steinhaus  Beiträge  zur  Hygiene 
des  Bettfedernhandels.  Verf.  konnte  durch  mechanische 
Reinigung  von  gröberen  Verunreinigungen  und  folgender  Behandlung 
im  Formalin-Wasserdampfgemisch  bei  2,5  Atm.  Ueberdruck  und  137° 
Dampftemperatur  eine  Desinfektion  der  Bettfedern  ohne  deren  Schädi¬ 
gung  erzielen.  Er  fordert  daher,  dass  die  Desinfektion  von  Bett¬ 
federn  allgemein  eingeführt  bzw.  vorgeschrieben  werde,  einmal  zum 
Schutze  der  Allgemeinheit,  um  Seuchenverschleppungen  zu  ver¬ 
meiden,  dann  im  Interesse  der  in  den  Bettfedernreinigungsanstalten 
tätigen  Arbeiter.  Bezüglich  der  hygienischen  Einrichtungen  der  An¬ 
stalten  und  zum  Schutze  des  Personals  sind  generelle  Forderungen 
zu  erlassen.  Was  speziell  diese  gewerbehygienischen  Massnahmen 
betrifft,  so  ist  zunächst  durch  Absaugung  bzw.  Tragen  von  Respira¬ 
toren  die  Staubgefahr  zu  bekämpfen.  Der  Infektionsgefahr  (wieder¬ 
holt  wurden  z.  B.  Ansteckungen  an  Blattern  beobachtet)  ist  durch 
eine  den  ganzen  Körper  deckende,  waschbare  Arbeitskleidung  und 
besondere  Bedeckung  der  Hände  und  Unterarme  vorzubeugen.  Für 
ausreichende  YVasch-  und  Badegelegenheit  ist  Sorge  zu  tragen;  die 
Wände  sind  mit  desinfizierenden  Flüssigkeiten  regelmässig  zu  reini¬ 
gen.  Besondere  Beachtung  verdient  die  Beseitigung  der  Abwässer, 
welche  sehr  reich  an  Ammoniak  und  faulfähigen  Substanzen  sind. 
Kinder  dürfen  bekanntlich  nach  §4  des  Kinderschutzgesetzes  in 
Bettfedernreinigungsanstalten  nicht  beschäftigt  werden. 


8.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  369 


Die  Hygiene  des  Bergbaues  und  Hüttenwesens, 
nsbesondere  die  Tätigkeit  des  beamteten  Arztes 
uf  diesem  Gebiete,  behandelt  Kreisarzt  Dr.  Frey  in  den 
eröffcntlichungen  a.  d.  Gebiete  d.  Medizinalverwaltung,  1.  Bd„  14.  H. 
erf.  bespricht  zunächst  die  einzelnen  Gesundheitsgefährdungen  im 
ergbau  und  im  Hüttenwesen  durch  abnorme  Temperaturen,  Luft- 
erschlechterung,  Feuchtigkeit,  Ueberanstrengung  und  gezwungene 
orperhaltung,  Wurmkrankheiten,  Infektionskrankheiten,  Vergif- 
ingen  etc.  und  deren  Folgen.  Zum  Schutze  dienen  u.  a.  verschiedene 
iundesratsverordnungeti  und  Bergpolizeibestimmungen,  denen  es  in 
erbindung  mit  technischen  Verbesserungen  zweifellos  gelang,  hygie- 
ische  Erfolge  zu  erreichen;  doch  können  letztere  noch  nicht  als 
ollkommen  genügend  angesehen  werden,  es  mangelt  noch  vielfach 
ine  gründliche  ärztliche  Erforschung  der  schädlichen  Einflüsse.  Eine 
ei  den  hiebei  interessierten  (162)  preussischen  Kreisärzten  ver- 
nstaltete  Rundfrage  ergab,  dass  die  amtsärztliche  Ueberwachung 
nd  ärztliche  Durchforschung  der  genannten  Betriebe  noch  manche 
iicken  offen  lasse,  wenn  auch  manche  Kreisärzte  bemüht  waren, 
ich  intensiver  mit  diesen  Fragen  abzugeben.  Aber  von  diesen  spär- 
chen  Ausnahmen  abgesehen  lag  bisher  eine  eingehende  gewerbe- 
ygienische  Betätigung  der  Kreisärzte  nicht  vor.  Allerdings  gäbe 
ie  Dienstanweisung  wohl  die  Basis  ab  für  eine  eingehendere  Mit- 
rbeit  auf  diesem  Gebiete,  andererseits  stellen  sich  dem  doch  einige 
lindernisse  in  den  Weg:  Zeitmangel,  eingehendes  technisches  Wissen, 
langelnde  Bewegungsfreiheit  u.  dgl.  m.  So  kommt  Verf.  zu  dem 
chlusse,  dass  die  gewerbehygienische  Ueberwachung  zwar  für  klei- 
ere  und  wenig-industrielle  Kreise  dem  Kreisarzt  wohl  belassen  wer- 
en  kann,  dass  hingegen  für  Industriebezirke  besser  von  der 
lanspruchnahme  der  ohnehin  schon  stark  überlasteten  Kreisärzte 
bzusehen  wäre  und  eigene  Gewerbeärzte  nach  dem  Muster 
on  Bayern,  Baden,  Eisass  etc.  aufzustellen  seien;  ihre  Tätig  eit 
,önnte  wohl  einige  benachbarte  Kreise  umfassen.  Eingehend  erörtert 
erf.  die  Tätigkeit  und  Kompetenzen  des  gewerbeärztlichen  Dienstes 
n  Auslande  und  in  Süddeutschland,  wo  sich  dieses  Institut  zweifel- 
)s  gut  eingebürgert  und  bewährt  hat;  denn  nur  der  Arzt  dürfte 
nstande  sein,  die  Einwirkung  der  Arbeit  auf  den  Organismus,  also 
ie  eigentliche  Gewerbekrankheit,  zu  erforschen  und  zu  klären  und 
amit  Fingerzeige  zur  Sanierung  zu  geben.  Die  Geschichte  der  Ge- 
.erbehygiene  ist  hiefiir  der  beste  Zeuge.  Dem  Gewerbe-  und  Berg- 
ufsichtsbeamten  bleibt  immer  noch  ein  reiches  Arbeitsgebiet  über, 
as  sich  hauptsächlich  auf  den  formellen  Ueberwachungsdienst,  Un- 
dlschutz,  technische  Sanierung  u.  dgl.  erstreckt.  Ein  eifriges  Zu- 
ammenarbeiten  beider  Organe,  des  ärztlichen  und  technischen  Be- 
mten,  dürfte  die  besten  Resultate  zeitigen.  Ein  Verzeichnis  der 
reussischen  Berg-  und  Hüttenbetriebe  mit  Belegschaftszahlen  nebst 
iteraturangaben  schliesst  die  sehr  beachtenswerte  Arbeit  des  be- 
annten  Montanhygienikers.  —  Bekanntlich  wurde  jüngst  (4.  XII. 
912)  die  Anstellung  eines  Landesgewerbearztes  auch  im  Säch  si¬ 
chen  Landtage  eingehend  diskutiert  und  mit  besonderem  Hin¬ 
weis  auf  die  günstigen  Erfahrungen  in  Süddeutschland  einstimmig 
er  Antrag  der  Deputation  zum  Beschlüsse  erhoben,  „die  Kammer 
/olle  beschlossen.  den  Antrag  Castan  und  Gen. 
/egen  Anstellung  eines  Landesgewerbearztes 
er  Kgl.  Staatsregierung  zur  Berücksichtigung  zu 
b  e  r  we  i  s  e  n“. 

Zum  Schlüsse  noch  eine  ganz  kurze  Mitteilung:  Die  schon  viel- 
ich  erwähnte  Klinik  für  Arbeiterkrankheiten  in  Mai- 
a n d  verfügte  bis  1.  November  1912  über  ausserordentliche 
chenkungen  zur  Förderung  wissenschaftlicher  Untersuchungen 
i  der  Höhe  von  92  300  L.  U.  a.  wurden  20  000  L.  vom  Könige  von 
alien,  50  000  L.  von  einem  in  Südamerika  lebenden  Italiener,  der 
lest  von  Industriellen  und  Privaten  gespendet.  In  den  letzten  Tagen 
/urde  eine  neue  Spende  von  12  000  L.  übergeben.  Mögen  diese  Bei- 
piele  zu  ähnlichen  Schenkungen  auch  bei  uns  Anregung  geben.  Auch 
nsere  gewerbehygienischen  Institute  (Kgl.  Arbeitermuseum  Miin- 
hen,  Institut  für  Gewerbehygiene  in  Frankfurt  u.  dgl.)  wüssten 
twaige  Spenden  recht  gut  zu  verwerten  zum  Nutzen  der  werk- 
iitigen  Volksgenossen. 

Neueste  Journaliteratur. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Band  XXV,  Heft  I. 
912.  Herausgegeben  von  L.  B  rau  e  r -Eppendorf. 

C..  F  ö  r  s  t  e  r  -  Heidelberg:  Ueber  Tuberkulintherapie  bei  der 
hirurgischen  Tuberkulose  des  Kindesalters. 

Anfangs  war  der  Verfasser  bestrebt,  absolut  reaktionslos  zu  in¬ 
zieren,  bei  weiteren  Erfahrungen  aber  fand  er,  dass  das  thera- 
eutische  Optimum  bei  derjenigen  Dosis  liegt,  die  mässige  Stich-  und 
okalreaktion  verursacht  und  eben  noch  vertragen  wird,  ohne  deut¬ 
sche  Allgemeinwirkungen  hervorzurufen.  Die  Anfangsdosen  sind 
Millionstel  von  Milligramm  Alttuberkulin.  Aus  seinen  Beobachtungen 
chliesst  Förster,  dass  diejenigen  Fälle  die  besten  Aussichten  bei 
uberkulinbehandlung  bieten,  welche  ausgesprochene  Ueberempfind- 
ehkeit  erkennen  lassen.  Dann  aber  leistet  die  spezielle  Therapie 
üinstiges.  Bei  Fällen  mit  akuten  klinischen  Erscheinungen  sind  auch 
Linste  Dosen  nur  mit  Vorsicht  anzuwenden.  Die  Skrofulöse  ist  ein 
iinstiges  Feld  für  die  reaktionslose  Tuberkulintherapie. 

F.  K  u  h  n  -  Berlin-Schlachtensee :  Bemerkungen  zu  der  Arbeit 
Berlins  in  Heft  3,  Bd.  XX1H  über  Erfahrungen  mit  der  Saug- 
laske. 


Kuhn  kann  sich,  obwohl  das  Berlin  sehe  Material  weder 
was  die  Auswahl  noch  die  Anwendungsweise  betrifft,  günstige 
Chancen  bot,  dem  im  allgemeinen  ungünstigen  Schlussurteil  nicht  an- 
schliessen. 

W  o  1  f  f  -  Reiboldsgrün :  Die  hämatogene  Verbreitung  der  Tuber¬ 
kulose  und  die  Disposition  bei  Tuberkulose. 

Der  Verfasser  konstatiert,  dass  die  Anschauungen,  die  er  über 
das  Wesen  der  Phthise  seit  langem  vertreten  hat,  durch  die  neueren 
Forschungen  bestätigt  wurden.  Die  letzte  Erkenntnis  ist  die  Lehre 
von  der  hämatogenen  Verbreitung  der  Tuberkulose  im  menschlichen 
Körper;  hierdurch  hat  man  einen  Schlüssel  zur  Erklärung  der  Dispo¬ 
sition,  indem  die  im  Blut  kreisenden  Keime  Organe  befallen,  die  ana¬ 
tomisch  oder  funktionell,  ererbt  oder  erworben,  ein  Punctum  minoris 
resistentiae  darstellen. 

Mieczyslaw  Lichtenstein  -  Warschau :  Sind  die  Gallengangs¬ 
tuberkel  in  der  Leber  das  Resultat  einer  Ausscheidungstuberkulose? 

Im  Gegensatz  zu  früheren  Anschauungen  sollen  nach  Sim- 
monds  die  Gallengangstuberkel  so  entstehen,  dass  die  Bazillen  in 
die  Galle  ausgeschieden  werden,  in  die  Gallengänge  kommen,  diese 
infizieren  und  vom  Lumen  des  Gallenganges  aus  durch  die  Wand 
zu  einer  Erkrankung  der  Umgebung  führen.  Die  histologische  Unter¬ 
suchung  von  3  Lebern  ergab,  dass  man  eher  eine  sekundäre  Be¬ 
tätigung  der  Gallengänge  annehmen  muss,  so  dass  noch  kein  sicherer 
Beweis  für  die  Entstehung  der  Gallengangstuberkel  durch  eine  Aus¬ 
scheidungstuberkulose  erbracht  ist. 

J.  G  w  e  r  d  e  r  -  Davos :  Die  Tuberkulosesterblichkeit  unter  der 
einheimischen  Bevölkerung  in  Davos.  Ein  Beitrag  zur  Frage  der 
Ansteckungsgefahr  an  Lungenkurorten  und  der  Tuberkulosevererbung. 

Statistische  Erhebungen  zeigen,  dass  eine  anormale  Vermehrung 
der  tuberkulösen  Todesursachen  unter  den  Einheimischen  von  Davos 
nicht  zu  konstatieren  ist.  Dabei  wurden  Alter,  Beruf  und  verwandt¬ 
schaftliche  Beziehungen  besonders  berücksichtigt  und  es  konnte  die 
wichtige  Rolle  gezeigt  werden,  welche  die  Blutsverwandtschaft  bei 
der  Tuberkulose  der  Einheimischen  in  Davos  spielt.  Die  Tuberkulose¬ 
mortalität  ist  besser  als  in  der  Gemeinde  Bergün,  und  G  wer  der 
begründet  dieses  unerwartete  Ergebnis  durch  Hinweis  auf  folg°nde 
Punkte:  Oekonomische  Verhältnisse,  Alkohol,  Klima,  Inzucht,  hygieni¬ 
sche  Verhältnisse.  —  Von  einer  vermehrten  Ansteckungsgefahr  kann 
in  hygienisch  geleiteten  Lungenkurorten  wie  Davos  keine  Rede  sein. 

J.  Holmagren  -  Stockholm :  Die  Uebereinstimmimg  zwischen 
dem  Verhalten  verdünnter  Säuren  in  Löschpapier  und  der  Tuberkulin- 
reaktion  in  der  Haut. 

Die  Tuberkulinreaktion  zeigt  viele  Analogien  mit  den  Verhält¬ 
nissen  bei  der  Adsorption  verdünnter  Säuren  im  Löschpapier,  für  die 
H  o  1  m  g  r  e  n  eine  mathematische  Formel  aufgestellt  hat.  Die  kon¬ 
statierte  Uebereinstimmung  spricht  für  die  Möglichkeit,  dass  auch  bei 
der  Tuberkulinreaktion  eine  ähnliche  Adsorption  verdünnter  Säuren 
oder  von  Stoffen  mit  ähnlichen  Eigenschaften  stattfindet  und  auf  die 
Grösse  der  Papel  Einfluss  ausübt. 

Ernst  Pac'h  ne  r -Prag:  Erfahrungen  mit  dem  Tuberkulomuzin 
Weleminsky. 

Weleminsky  konnte  durch  eine  eigenartige  Züchtungs¬ 
methode  einen  Tuberkelbazillenstamm  in  ca.  8  Jahren  so  weit  ver¬ 
ändern,  dass  unter  seinen  Stoffwechselprodukten  koagulables  Eiweiss 
und  vor  allem  Muzin  auftrat.  Das  muzinhaltige,  bazillenfreie  Bouillon¬ 
filtrat  zeigte  bei  der  experimentellen  Kaninchen-  und  Meerschwein¬ 
chentuberkulose  vermehrte  immunisatorische  Eigenschaften  im  Ver¬ 
gleich  mit  gewöhnlichen  Tuberkelkulturen.  Pachner  hat  das  neue 
Präparat  zunächst  an  35  nicht  ausgewählten  Fällen  aller  Stadien 
menschlicher  Tuberkulose  studiert  und  nach  den  günstigen  Resultaten 
bis  jetzt  über  120  Patienten  damit  behandelt.  Besonders  instruktiv 
für  die  Beurteilung  der  Wirkungsweise  waren  die  günstig  beeinflussten 
Fälle  von  äusserer  Tuberkulose.  Das  Tuberkulomuzin  ist  ein  spe¬ 
zifisch  wirksames  Mittel,  dessen  toxische  Komponente  gering  ist. 
Eine  Gewöhnung  an  das  Präparat  findet  nicht  statt,  so  dass  die  wirk¬ 
same  Dosis  während  der  ganzen  Behandlungsdauer  die  gleiche  blieb. 
Bei  Erwachsenen  wird  mit  10,  bei  Kindern  mit  5  mg  begonnen  und 
solange  (jeweils  um  das  Doppelte)  gestiegen,  bis  das  Optimum  er¬ 
reicht  ist,  auf  welches  das  betreffende  Individuum  deutlich  reagiert. 
Die  günstige  Wirkung  tritt  dann  sehr  rasch  ein  und  soll  besonders 
überraschend  sein  bei  den  schweren  und  fieberhaften  Fällen  des  II. 
und  III.  Stadiums. 

F.  A.  B  a  u  e  r  -  Inner-Arosa :  Heilstättenerfahrungen  über  Bron- 
chiektasien. 

Ausführliche  Besprechung  von  8  eigenen  und  Skizzierung  zweier 
fremder  Fälle,  von  denen  9  einer  Volksheilstättenbehandlung  von 
3  bis  12  Wochen  ausgesetzt  waren.  In  keinem  Falle  wurde  auch 
nur  irgend  eine  Spur  einer  wirklich  objektiv  feststellbaren  Besserung 
des  eigentlichen  Leidens  erzielt,  2  Fälle  wurden  chirurgischer  Be¬ 
handlung  überwiesen,  in  2  Fällen  wirkte  die  Liegekur  verschlimmernd 
auf  die  Husten-  und  Auswurfbeschwerden.  Hingegen  wirkte  die 
Ouincke  sehe  Hängelage  günstig  und  die  Digitalis-Atropinkur  schien 
von  einem  gewissen  Vorteil  zu  sein.  Wie  bei  der  Phthisis  können 
eigentliche  Erfolge  nur  im  frühen  Entwicklungsstadium  der  Krankheit 
erzielt  werden.  Die  Behandlung  hat  also  im  jugendlichen,  meist  im 
Kindesalter,  einzusetzen.  Zu  dem  Zweck  muss  allerdings  die  Früh¬ 
diagnose  der  Bronchiektasien  noch  ausgebaut  werden. 

P.  Schlippe  -  Darmstadt. 


370 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  7. 


Klinisches  Jahrbuch.  Bd.  26,  Heft  4. 

Lochte:  Die  soziale  Medizin,  ein  notwendiger  Unterrichts- 
gegenständ. 

L.  untersucht,  inwiefern  die  Aerzte  den  Aufgaben  der  Arbeiter¬ 
versicherung  bisher  gewachsen  gewesen  sind  und  welche  Vorschläge 
von  den  Aerzten  zum  Zwecke  ihrer  Ausbildung  in  der  sozialen  Me¬ 
dizin  gemacht  worden  sind. 

Czerny,  P.  B  o  n  n  t  z  und  K.  Bonntz:  Die  Universitäts¬ 
kinderklinik  zu  Strassburg  i.  E. 

P.  Kr  eh  len:  Jahresbericht  über  die  Ergebnisse  der  Tuber- 
kuloseforschung  1911. 

Zusammenfassende  Sammlung  der  wichtigsten  Arbeiten  auf  dem 
weitschichtigen  Gebiete  der  Tuberkulose. 

Spiel  mann:  Die  medizinischen  Institute  der  preussischen 
Universitäten  und  die  für  sie  aufgewendeten  staatlichen  Mittel  in  den 
letzten  30  Jahren. 

Statistische  Darstellungen.  Im  Anhang  Mitteilung  der  Kur-  und 
Pflegekosten  mit  den  sonstigen  Gebühren  und  Entschädigungen  an 
allen  Universitätsinstituten. 

Mit  diesem  Band  hört  das  klinische  Jahrbuch  auf,  zu  erscheinen, 
wegen  des  Mangels  an  Material  und  an  Abonnenten,  wie  der  Heraus¬ 
geber  in  seinem  Schlusswort  bekennt.  R.  S  e  g  g  e  1  -  Geestemünde. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  120.  Band,  3. — 4.  Heft. 

Antonio  de  Cortes:  Die  angebliche  Orchitis  par  effort  vor 
der  Pathologie,  der  Klinik  und  dem  Unfallgesetz.  (Aus  der  Chirurg. 
Abteilung  des  Ospedale  Maggiore  in  Bergamo.') 

Die  Krankheit  setzt  während  einer  heftigen  Anstrengung  mit 
einem  plötzlichen  Schmerz  in  einem  Hoden  ein,  der  in  den  nächsten 
Tagen  bis  auf  das  6  fache  des  normalen  Volumens  anschwellen  kann. 
Der  Hoden  findet  sich  meist  in  situ,  seltener  fixiert  am  äusseren 
Leistenring.  Hoden,  zuweilen  der  Nebenhoden  oder,  beide  ver- 
grössert,  Palpationsschmerz,  häufig  ektatische  Samenstranggefässe. 
Puls,  Temperatur  normal,  Harn-Geschlechtswege  o.  B.,  nach  1  bis 
2  Wochen  Rückkehr  zur  Norm  ohne  Komplikationen,  seltener  Aus¬ 
gang  Atrophie.  Die  Bezeichung  Orchitis  besteht  nicht  zu  Recht, 
besser  spricht  man  von  Kongestion  oder  endo-  oder  peritestikulären 
Blutungen  infolge  Anstrengung.  Vergleich  mit  den  Stauungsblutungen 
bei  Rumpfkompression  Wichtig,  auch  für  die  Frage  der  Unfall¬ 
schädigung,  ist  der  Ausschluss  anderer  Hodenerkrankungen  nach 
einer  Hodenläsion  infolge  Anstrengung. 

Anton  Dilger:  Ueber  Gewebskulturen  in  vitro  unter  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  Gewebe  erwachsener  Tiere.  (Aus  der 
chirurgischen  Universität  in  Heidelberg.) 

Dilger  unternahm  eine  Nachprüfung  der  zunächst  von 
H  a  r  r  i  s  o  n,  später  von  Burrows  und  Carrel  publizierten  Ver¬ 
suche  über  Gewebskulturen  in  vitro.  Dilger  verfuhr  subtil  nach 
der  von  Carrel  und  Burrows  angegebenen  Technik,  er  experi¬ 
mentierte  fast  ausschliesslich  mit  den  Geweben  erwachsener  Tiere. 
Nach  seinen  Erfahrungen  und  einer  Kritik  der  Präparate  Carrel- 
Burrows  lehnt  Verfasser  entschieden  ab,  dass  bei  den  Kulturen 
erwachsener  Warmblüterorganteilchen  ein  wirkliches  Wachstum 
eintritt  im  Sinne  einer  organischen  Formation.  Mit  anderen  Autoren, 
z.  B.  Prausnitz,  wird  das  Auftreten  von  spezifischen  Zellarten 
in  der  Umgebung  der  Primärpräparate  entschieden  bestritten,  es 
handelt  sich  um  amöboide  Bindegewebszellen:  mit  Prausnitz  und 
J  o  1 1  y  konnte  D  i  1  g  e  r  an  den  am  Rande  aufgetretenen  Zellen  schon 
bald  degenerative  Erscheinungen  nachweisen;  ton  keiner  Seite  ist 
bis  jetzt  der  Nachweis  eines  echten  Wachstums  von  Gewebskulturen 
erwachsener  Tiere  erbracht.  Ebenso  fehlt  der  Beweis  eines  Wachs¬ 
tums  maligner  menschlicher  Tumoren  in  vitro. 

W.  Keppler  und  F.  Breslauer:  Zur  Frage  der  intra¬ 
venösen  Narkose.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg.  Universitätsklinik  Berlin.) 

Das  Ideal  einer  intravenösen  Narkose  wäre  Injektion  von  wenigen 
Kubikzentimetern  die  gar  keine  Ansprüche  an  die  Regelung  des 
Blutdrucks,  an  Gefässsystem  und  Herz  stellt:  das  Mittel  müsste 
absolut  unschädlich  für  alle  lebenswichtigen  Organe  sein.  die.  be¬ 
täubende  Wirkung  müsste  nach  Schluss  der  Operation  bald  auf¬ 
hören.  Da  unseren  bisher  bekannten  Methoden  stets  der  eine  oder 
andere  der  erwähnten  Mängel  anhaftet,  suchten  Keppler  und 
Breslauer  systematisch  der  Erfüllung  der  erwähnten  Forderungen 
auf  dem  Wege  des  Tierexperiments  (Hund)  näher  zu  kommen. 

Zunächst  wurde  festgestellt,  dass  Ritters  intravenöse  Kokain¬ 
injektion  eine  zentrale  Kokainvergiftung  mit  Analgesie  macht;  eine 
praktische  Anwendung  verbietet  sich. 

Des  weiteren  wurden  durchprobiert  Chloralhydrat,  Paraldehyd, 
Amylenhydrat,  Urethan,  Hedonal,  Medinal,  Trional,  Isopral;  keines 
dieser  Mittel  erfüllt  die  für  die  intravenöse  Narkose  aufgestellten 
Bedingungen. 

Endlich  wurde  aus  der  Gruppe  der  narkotischen  Alkaloide 
Morphin,  verdünnte  Opiumtinktur  und  das  Pantopon  probiert,  es 
gelang  in  über  50  Fällen  mit  intravenöser  Pantoponinjektion  beim 
Hunde  eine  ideale  Narkose  zu  erzielen;  injiziert  wurden  % — 1  cg 
Pantopon  auf  1  kg  Körpergewicht;  die  Pupillen  sind  in  tiefer  Narkose 
eng,  Puls  und  Atmung  etwas  verlangsamt,  eine  Schädigung  von  Herz 
und  Lunge,  Nieren  wurde  nie,  Erbrechen  nur  1  mal  beobachtet;  das 
Erwachen  folgte  schnell  und  vollkommen;  es  handelt  sich  bei  der 
Pantoponnarkose  wie  bei  der  Morphiumgruppe  überhaupt  um  Be¬ 
täubung  des  ürosshirns  ohne  Erloschensein  der  Reflexe,  ohne  voll¬ 


kommene  Erschlaffung  der  Muskulatur,  die  praktisch  vollständig 
ausreicht. 

Leider  zeigte  sich,  dass  sich  die  Erfahrungen  am  Hunde  nicht 
auf  den  Menschen  übertragen  lassen.  Dosen  von  0,05  und  0,1  Pan¬ 
topon  zeigten  keine  Spur  einer  analgesierenden  Wirkung,  dagegen 
bei  letzter  Dosis  eine  Narkose  des  Atemzentrums  (2  tägiger  Schlaf). 

Fritz  Kr  oh:  Beiträge  zur  Anatomie  und  Pathologie  der  quer¬ 
gestreiften  Muskelfaser.  Experimentelle  Studien  zur  Lehre  und  von 
der  ischämischen  Muskellähmung  und  Muskelkontraktur.  (Mit¬ 
teilungen  aus  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Köln.)  1.  Teil 
Beiträge  zur  Anatomie  und  Pathologie  der  quergestreiften  Muskel¬ 
faser.  Fortsetzung  folgt. 

Max  Krabbel:  Tuberkelbazillen  im  strömenden  Blut  bei 
chirurgischen  Tuberkulosen.  (Aus  dem  St.  Johannishospital  in  Bonn.) 

Es  wurden  untersucht  nach  der  Schnitter  sehen  Methode 
(kombiniertes  Essigsäure-Antiformin-Verfahren)  18  klinisch  sichere 
Knochentuberkulosen  mit  12  positiven  Befund  =  66,6  Proz.;  5  Fälle 
von  Drüsentuberkulosen  mit  1  positiven  Ergebnis  =  20  Proz.;  4  Fälle 
von  Haut-,  Schleimhaut-,  Sehnenscheidentuberkulose  mit  1  positiven 
Ergebnis  =  25  Proz. 

Verf.  glaubt,  dass  in  Fällen,  in  denen  nicht  schon  eine  kliniscli 
nachweisbare  Lungentuberkulose  Anlass  zur  Bazillämie  gibt,  der 
positive!  Bazillenbefund  für  die  Sicherung  der  Diagnose  von  grosser 
Bedeutung  ist. 

Nobe:  Ein  seltener  Fall  von  Luxation  im  Talonavikulargelenke. 

(Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Marinelazaretts  Cuxhaven.) 

Die  Verletzung  kam  zustande  dadurch,  dass  der  Patient  vom 
Fahrdamm  auf  den  Fusssteig  sprang,  wobei  der  Fuss  auf  einen 
kantigen  Stein  nach  innen  umknickte.  Es  handelte  sich  um  eine  reine 
Verrenkung  nach  innen.  Reposition  in  Narkose,  T-Schiene,  Massage; 
später  Plattfusseinlage.  Heilung  mit  guter  Funktion. 

Kurze  Mitteilungen: 

Saal  mann:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Spinn 
bifida.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  städtischen  Wenzel-Hanke- 
Krankenhauses  Breslau.) 

Das  3  jährige  Kind  erkrankte  unter  dem  Bilde  einer  abszedie- 
rer.den  Wirbelsäulenkaries.  Auf  Grund  des  Röntgenbildes,  das  einen 
scharfen  Defekt  der  Bögen  des  4.  und  5.  Lendenwirbels  zeigte,  wurde 
der  Prozess  erkannt  als  Spina  bifida  mit  abgeschnürtem  und 
infizierten  Meningozelensäckchen  und  Entwicklung  eines  Abszesses 
an  dem  Kreuzbein.  Exitus  an  Bronchopneumonie  nach  Abszess¬ 
spaltung.  Die  mazerierte  Wirbelsäule  zeigte  deutlich  das  Bild  der 
Spina  bifida.  Flörcken  -  Paderborn. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  Bruns. 
82.  Band,  3.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp,  1913. 

Aus  der  Tübinger  Klinik  berichten  A.  Reich  und  Prof. 
Blauei  über  den  Einfluss  künstlicher  Trachealstenose  auf  die 
Schilddrüse.  Bei  Studien  und  Experimenten  über  die  Herzver¬ 
änderungen  bei  Struma  und  die  künstliche  Erzeugung  letzterer  haben 
sie  auch  den  Einfluss  künstlicher  Luftröhrenverengerung  durch  un¬ 
vollständige  Abschnürung  an  Ratten  studiert  und  bei  5  histologisch 
einheitliches  Schilddrüsenbild  gefunden,  nämlich  im  Gegensatz  zu 
nahezu  100  histologisch  untersuchten  Normalratten  ausschliesslich 
Plattenepithel,  erheblich  kleinere  und  dichtere  Kerne  (ohne  Anhalts¬ 
punkte  für  Degeneration)  relativ  grosse  Follikel,  nie  Erscheinungen 
von  Kolloidverflüssigung  oder  Abnahme  des  histologisch  darstellbaren 
Kolloids  vielmehr  stets  erhöhte  Kolloidfällung  der  Follikel.  Die 
Veränderungen  entsprechen  einem  Zustand  des  Hypothyreoidismus 
und  dieser  wurde  verursacht  und  unterhalten  durch  längerdauernden 
Sauerstoffmangel.  Die  Versuchsergebnisse  geben  Bausteine  für  die 
B  r  e  i  t  n  e  r  sehe  Theorie,  wenn  sie  auch  keine  entsprechende 
Stellungnahme  zu  ihrer  Gesamtheit  ermöglichen. 

Aus  dem  Krankenhaus  zu  Schwäbisch  Gmünd  gibt.  Erich 
Höniger  einen  Beitrag  über  die  Tracheostenosis  thymica  im 
Anschluss  an  einen  näher  mitgeteilten  Fall  bei  4  monatlichem  Kind, 
bei  dem  mehrere  Stunden  und  Tage  anhaltende  Anfälle  von  Atemnot 
auftraten  und  mehrfach  deshalb  intubiert  werden  musste.  Es  wurde 
die  Resektion  eines  walnussgrossen  Stückes  der  Thymus  mit  Erfolg 
vorgenommen.  H.  bespricht  die  mechanische  Theorie  des  Stridor 
thymicus,  die  nicht  auf  alle  Fälle  anwendbar  ist,  die  B  e  n  e  k  e  sehe 
Anschauung  von  der  intrauterin  entstehenden  mechanischen  Ab¬ 
plattung  der  Trachea  bei  hyperplastischer  Thymus  und  glaubt,  dass 
in  manchen  Fällen  auch  eine  chemische  und  bisher  nicht  aufgeklärte 
Einwirkung  bestehen  kann.  Die  Pal  tauf  sehe  Lehre  und  die  von 
der  Hyperthymisation  (S  v  e  h  1  a)  sind  sicher  für  manche  Fälle  zu¬ 
treffend,  der  hyperplastischen  Thymus  scheint  nach  Hart  und 
Bi  r  eher  eine  deutliche  Toxizität  zuzukommen.  —  Für  die  Chirurgie 
kommt  nur  die  partielle  Thymusresektion  in  Betracht  bei  mecha¬ 
nischer  Tracheakompression;  die  nicht  durch  sicher  nachweisbare 
mechanische  Ursachen  zu  erklärenden  Fälle  von  Tracheostenosis 
thymica  sind  wohl  zunächst  durch  Intubation  zu  behandeln  und  wenn 
eine  Abnahme  der  Intensität  der  Stenoseerscheinungen  nach  mehr¬ 
fachen  Intubationen  nicht  ersichtlich,  erscheint  ebenfalls  die  partielle 
Resektion  indiziert,  die  einen  Ausgleich  in  der  gestörten  inneren 
Sekretion  zu  schaffen  scheint.  Bei  der  Intubation  ist  auf  genügend 
lange  Kanüle  zu  achten  (Röntgenkontrolle).  —  H.  lässt  dahingestellt, 
inwiefern  eine  Alkalitherapie  etwa  zur  Neutralisation  der  Säure¬ 
intoxikation  Platz  zu  greifen  hat. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


371 


F.  S  m  o  1  e  r  gibt  aus  der  mähr.  Landeskrankenanstalt  zu 
Olmiitz  einen  Beitrag  zur  Unterbindung  der  Carotis  communis,  be¬ 
spricht  die  Geschichte  der  Operation,  die  Ursache  der  Hirnstörungen 
nach  derselben  und  die  Beobachtungen,  dass  letztere  ausbleiben, 
wenn  stärkerer  Blutverlust  vorangegangen,  sowie  die  Methoden  der 
vorgängigen  teilweisen  Zuschnürung  der  Arteria  (wozu  Sm.  ein 
eigenes  Instrument  angegeben  hat  |s.  Abb.]).  Sm.  teilt  aus  seiner 
Abteilung  10  Fälle  von  Karotisunterbindung  mit;  von  7  vorher  ge¬ 
drosselten  Fällen  hat  keiner  Hirnerscheinungen  gezeigt.  Die  un¬ 
mittelbare  Unterbindung  der  Carotis  communis  ist  ohne  vorher¬ 
gehende  Drosselung  derselben  ein  Eingriff,  der  wegen  seiner  grossen 
Gefahr  nicht  vorgenommen  werden  darf  (es  sei  denn  zu  unbedeuten¬ 
der  notwendiger  Blutstillung  bei  Verletzung  des  Gefässes).  —  Die 
Unterbindung  der  Carotis  ext.  kann  die  der  communis  nicht  in  allen 
Fällen  ersetzen.  Die  Unterbindung  der  Carotis  communis  nach  vor¬ 
hergegangener  Drosselung  des  Gefässes  ist,  wenn  die  Zuschniirung 
allmählich  vorgenommen  und  bis  zu  vollkommener  Verlegung  des 
Gefässes  fortgesetzt  wird,  vollkommen  gefahrlos,  die  Operation  kann 
deshalb  auch  in  Fällen,  bei  denen  die  Indikation  nur  eine  relative  ist, 
angewandt  werden.  — 

Kurt  Morgenstern  berichtet  aus  der  Klinik  zu  Frankfurt 
und  chirurgischen  Poliklinik  zu  Heidelberg  über  kongenitale  heredi¬ 
täre  Ankylosen  der  Interphalangealgelenke  und  teilt  2  diesbezügliche 
Fälle  näher  mit,  in  denen  die  betr.  Deformitäten  (Hand  und  Fuss 
betr.)  in  der  Familie  weit  verbreitet  waren  (wenn  auch  mit  gewissen 
Abweichungen).  M.  unterscheidet  nach  Besprechung  und  Anführung 
zahlreicher  Fälle  kongenitaler  Ankylosen  der  Interphalangealgelenke 
2  Gruppen:  solche,  in  denen  die  Difformitäten  durch  eine  Entwick¬ 
lungshemmung  entstanden  und  symmetrisch  einseitig  mit  Defekten 
an  der  Muskulatur  bzw.  dem  Thorax  in  Verbindung  mit  Missbildung 
der  oberen  Extremität  auftreten  und  die  durch  eine  Raumbeengung 
erklärt  werden  können,  während  die  anderen  durch  aus¬ 
gesprochene  Symmetrie,  exquisite  Vererbungstendenz,  gleichzeitiger 
Affektion  der  Fiisse  in  mehreren  Fällen  (wie  in  den  beiden  von  M. 
mitgeteilten)  sich  charakterisieren.  Diese  ist  M.  geneigt  auf  Ent¬ 
wicklungsanomalie  zurückzuführen,  in  den  betr.  Gelenken  ist  an¬ 
scheinend  an  den  distalen  Phalangen  der  lokale  Epiphysenkern  schein¬ 
bar  fehlend  in  Wirklichkeit  mit  dem  distalen  Ende  des  Grundglieds 
verwachsen,  wie  aus  den  Röntgenogrammen  ersichtlich. 

S.  Züllig  gibt  aus  dem  Kantonspital  Miinsterlingen  eine  Arbeit: 
Munddiphtherie  und  Munddiphtheroid;  er  bespricht  ausführlich  im 
Anschluss  an  die  C.  B  r  u  n  n  e  r  sehen  Arbeiten  unter  Anführung  der 
betr.  bakteriologisch  untersuchten  Fälle  die  Frage  und  stellt  neben 
den  von  Brunner,  Tavel  untersuchten  Fällen  24  Fälle  von  Mund¬ 
diphtherie  aus  der  Literatur  kurz  zusammen.  Selten  handelt  es  sich 
um  reine  Infektionen,  meist  Mischinfektionen  (Klebs-Löffler-Bazillus 
+  Eitererreger  oder  Bact.  coli  oder  Pseudodiphtheriebazillus),  u.  a. 
teilt  Z.  bei  Besprechung  der  Frage,  dass  auch  durch  andere  In¬ 
fektionen,  Wundbelag  etc.,  klinisch  charakteristisches  Bild  entstehen 
könne,  einen  Fall  mit,  in  dem  dies  durch  Bacillus  pyo- 
cyanaeus  der  Fall  war.  Züllig  bespricht  die  Möglichkeiten 
der  Infektion  mit  Diphtheriebazillen  unter  Eingehen  auf  das 
Vorkommen  etc.  derselben,  geht  auf  die  Trennung  von  Hospital¬ 
brand  ein  und  stellt  als  Munddiphtherioide  die  Fälle  auf,  in 
denen  das  klinische  Aussehen  für  Diphtherie  spricht,  die  bakterio¬ 
logische  Untersuchung  aber  den  Klebs-Löffler-Bazillus  nicht  ergibt. 
Zum  Schluss  geht  Z.  auch  auf  die  D  e  u  t  s  c  h  1  ä  n  d  e  r  sehe  Arbeit 
ein,  nach  der  auch  endgültige  Entscheidung  nur  der  wissenschaftliche 
Nachweis  des  Diphtheriebazillus  liefere. 

Franz  v.  Fäykis  gibt  aus  der  Klinik  zu  Pest  eine  Arbeit  über 
die  akute  Entzündung  des  Pankreas,  teilt  u.  a.  6  Fälle  mit,  bei  deren  4 
die  Pankreatitis  bei  der  Operation  konstatiert  wurde  (2  Heilungen), 
während  nur  in  2  Fällen  die  Diagnose  vor  der  Operation  gestellt 
werden  konnte.  Bei  früher  vorausgegangenen  Gallensteinkoliken 
besonders  bei  fettleibigen  Personen,  bei  plötzlicher  Erkrankung  mit 
schweren  Symptomen,  Auftreibung  und  Resistenz  in  der  epigastrischen 
Gegend  (durch  lokale  Blähung  des  Colon  transv.  infolge  von  Lähmung 
der  Nerven  im  Gefolge  der  Imbibition)  muss  man  an  akute  Pankrea¬ 
titis  denken  und  ist  schnelles  Eingreifen  geboten.  F.  ist  für  Früh¬ 
operation,  da  man  nicht  wissen  kann,  wann  die  Nekrose  eintreten 
'Grd,  er  bespricht  die  Anschauungen  K  ö  r  t  e  s,  Dreesmanns 
und  P.olyas  etc.,  plädiert  für  Eingehen  oberhalb  des  Nabels, 
stumpfe  Trennung  der  Schichten  des  Lig.  gastro-col.  und  Eingehen 
auf  das  Pankreas,  event.  Einreissen  von  dessen  Kapsel  (Payr, 
Guleke).  Nach  der  Versorgung  des  Pankreas  wird  Gazetampo¬ 
nade,  Drainage  auch  vom  For.  epiploic.  und  Mesocolon  transv.  aus 
angewandt.  Die  Pankreatitis  ist  eine  gefährliche  Krankheit,  nicht 
nur  wegen  des  zweifelhaften  Erfolges  der  Operation,  sondern  auch 
weil  in  jedem  Stadium  während  des  Heilungsverlaufes  plötzlich 
Rückfall  und  Tod  Vorkommen  kann.  Die  Erkenntnis,  dass  es  auch 
spontan  heilende  Pankreasentzündungen  gibt,  soll  nach  F.  uns  nicht 
beeinflussen  da  die  Pankreatitis  eine  unberechenbare  Krankheit  sei. 

Wiih.  v.  Steimker  gibt  aus  der  Chirurg.  Klinik  und  dem  anat. 
Institut  zu  Göttingen  eine  Mitteilung:  2  seltenere  Hernien  (Hernia 
supravesicalis  ext.  und  Hernia  ventr.  lateralis),  betr.  deren  er  je  einen 
bzw.  2  Fälle  näher  mitteilt  und  die  bisher  in  der  Literatur  mit¬ 
geteilten  Fälle  sammelt,  nach  Befund,  Symptom  etc.  bespricht  und 
in  Tabellen  zusammenstellt. 

Max  Brandes  bespricht  aus  der  Kieler  Klinik:  typische  Frak¬ 
turen  des  atrophischen  Femur,  teilt  u.  a.  6  Fälle  von  Femurfrakturen 


am  unteren  Ende  des  Femur  mit,  die  bei  Lux.  coxae  cong.  am  Ende 
oder  bei  Manipulationen  gegen  Ende  der  Gipsverbandbehandlung  ein¬ 
traten  (eine  zweifellos  bei  den  Einrenkungsmanövern)  und  zieht  nach 
entsprechenden  Tierversuchen  den  Schluss,  dass  eine  Inaktivitäts¬ 
atrophie  an  der  Architektur  der  Spongiosa  sich  schon  in  auffallend 
kurzer  Zeit  bemerkbar  macht  (schon  nach  2  Wochen).  Nach  Frak- 
tunerungsversuchen  an  kindlichen  Beinen  etc.  scheint  Br.  besonders 
in  der  Behandlung  der  Lux.  cong.  coxae  die  absichtlich  und  methodisch 
hergestellte  suprakondyläre  Osteoklase  sogar  Vorteile  zu  haben,  wenn 
man  die  Anteversion  des  Schenkelhalses  korrigieren  will.  Br.  fasst 
das  Resultat  seiner  Arbeit  dahin  zusammen:  1.  Knochenatrophie  be¬ 
günstigt  am  kindlichen  Femur  das  Entstehen  subperiostaler  supra- 
kondylärer  Frakturen;  2.  die  beobachteten,  einander  in  ihrer  Form 
gleichen,  stets  an  derselben  Stelle  am  atrophischen  Knochen  ein¬ 
setzenden  Frakturen  sind  beschrieben  im  Verlauf  oder  nach  Ablauf 
von  Coxitis  tub.  lux.  long.  cox.,  Destruktionsluxation  und  Hiiftoperation 
Gonitis  tub.;  3.  diese  Frakturen  des  atrophischen  Femur  sind  weder 
typisch  für  eine  besondere  Atrophieform,  noch  kann  die  untere 
Femurdiaphyse  auf  Grund  der  Beobachtung  dieser  Frakturen  als  eine 
Prädilektionsstelle  arthritischer  Knochenatrophie  bei  Koxitis  be¬ 
zeichnet  werden;  4.  eine  einfache  durch  Krankheit  oder  Gipsverband 
hervorgerufene  Inaktivitätsatrophie  genügt,  um  einer  geringfügigen 
nicht  immer  genau  zu  bemerkenden  äusseren  Gewalteinwirkung  die 
Frakturierung  zu  ermöglichen;  5.  die  Lokalisation  dieser  Frakturen 
an  der  stets  gleichen  Stelle  des  Femur  ist  bedingt  durch  besondere 
Festigkeitsverhältnisse  am  atrophischen  Oberschenkel  und  einen  be¬ 
sonderen  Entstehungsmechanismus,  der  mit  einer  Biegungsbeanspru- 
chung  des  Femur  endet;  6.  bei  diesem  durch  äussere  Gewalteinwir¬ 
kung  hervorgerufenen  Mechanismus  ist  der  kontrakte  Zustand  und 
der  Ursprung  der  Kapsel,  Bänder  und  Sehnen  am  Kniegelenke  von 
Bedeutung;  7.  da  es  sich  um  den  Einfluss  dieser  mechanisch  ein¬ 
wirkenden  Faktoren  auf  den  atrophischen  Femur  handelt,  so  ist  es 
auch  möglich,  die  Entstehung  solcher  Frakturen  an  kindlichen 
Leichen  experimentell  nachzumachen;  8.  der  Name  Spontanfraktur 
bezeichnet  keineswegs  treffend  diese  Frakturen,  ein  einheitlicher 
Name  wird  zunächst  kaum  allgemein  Anerkennung  finden,  „die 
typischen  Brüche  des  atrophischen  Femur“  erscheint  die  zweck- 
mässigste  Bezeichnung. 

Aus  der  Bonner  Klinik  bespricht  Sy  ring:  Zoekum-Dünndarm- 
volvulus  in  einer  eingeklemmten  Hernie.  Er  beschreibt  einen  Fall 
von  Kombination  eines  das  untere  lleum  und  Zoekum  betr.  Volvulus 
mit  einer  Hernie,  die  das  klinische  Bild  der  lnkarzeration  bot,  bei 
58  jähr.  Frau,  sowie  einen  weiteren  ähnlichen  Fall,  ebenfalls  durch 
Herniotomie  geheilt.  •  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  5. 

Aizner-Lodz:  Zur  Ptosisoperation  mit  freier  Faszientrans¬ 
plantation. 

Verf.  hat  kürzlich  mit  gutem  Erfolge  eine  kongenitale  Ptosis 
operiert,  indem  er  nach  dem  Vorschlag  von  Payr  zur  Uebertragung 
der  Kraft  des  Stirnmuskels  auf  das  Oberlid  einen  freien  Faszien¬ 
streifen,  (aus  dem  Oberschenkel)  benützte.  Er  beschreibt  diese 
Methode  und  demonstriert  an  2  Abbildungen  den  Erfolg  der  Ope¬ 
ration,  weist  aber  auch  darauf  hin,  dass  die  freitransplantierte  Faszie 
die  Neigung  zur  Schrumpfung  hat. 

Arthur  H  o  f  m  a  n  n  -  Offenburg:  Zur  Behandlung  der  totalen 
Harnröhrenzerreissungen. 

Verf.  benützt  bei  der  Operation  einer  totalen  Harnröhrenruptur 
einen  halbweichen,  zugespitzten  und  an  beiden  Enden  mit  einem 
Knöpfchen  versehenen  Katheter,  welcher  mit  einem  Griff  an  einem 
Metallkatheter  angebracht  wird,  dessen  Schnabel  eine  Halbrinne 
bildet,  die  nach  der  Spitze  zu  offen  ist  und  sich  konisch  verjüngt. 
Diese  Art  der  Befestigung  dieser  beiden  Katheter,  welche  abgebildet 
sind,  vermeidet  jede  neue  Verletzung  der  Harnröhre. 

E.  Grunert  -  Dresden :  Ein  Prostataringmesser  für  die  supra- 
pubische  Prostatektomie. 

Verf.  hat  die  Erfahrung  gemacht,  dass  die  Harnröhre  um  so 
rascher  wieder  funktionstüchtig  ist,  je  schonender  man  bei  der 
Prostatektomie  die  Pars  prostatica  urethrae  behandelt.  Er  macht 
deshalb  mit  einem  eigens  konstruierten  Ringmesser  eine  ringförmige 
Inzision  um  das  Orificium  int.  herum  und  schält  die  Drüsenlappen 
mit  dem  Finger  aus.  (Mit  einer  Abbildung  des  Ringmessers.) 

R.  Burmeister  -  Concepcion :  Bolus  alba  im  Handschuh. 

Bevor  Verf.  die  sterilen  Handschuhe  anzieht,  verreibt  er  Bolus 
alba  mit  etwas  sterilem  Wasser  über  beide  Hände,  welche  so  einen 
Ueberzug  von  dickflüssiger  Boluspaste  erhalten.  Nun  lassen  sich 
sehr  leicht  die  Handschuhe  darüber  an-  und  ausziehen  und  die  Haut 
der  Hände  wird  durch  den  Bolusüberzug  nicht  so  stark  mazeriert. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie.  Bd.  XXXVI. 
Heft  6. 

1)  R  ii  h  1  -  Dillenburg:  Ueber  Uterusperforationen  bei  Aus¬ 
räumung  von  Aborten  und  Vorschläge  zu  deren  Verhütung. 

Durch  die  Mitteilung  Pu  pp  es  über  2  Fälle  von  Perforation 
mit  tödlichem  Ausgang  bei  der  Ausräumung  von  Aborten  angeregt, 
bespricht  Verf.  die  Gründe  für  diese  traurigen  Vorkommnisse.  In 
einem  grossen  Teil  der  Fälle  fand  Verf.  den  Grund  in  der  mangelhaften 
Informierung  der  Aerzte.  Nach  einer  Darstellung  über  die  Yer- 


372 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


hiitung  der  Unglücksfälle,  in  der  für  den  Praktiker  besonders  die 
expektative  Behandlung  und  bei  Ausräumungen  möglichste  Ver¬ 
meidung  aller  Instrumente  betont  wird,  meint  Verf.,  dass  die  Gut¬ 
achter  sich  in  Zukunft  auf  den  Standpunkt  stellen  müssten,  „dass 
Aerzte  für  die  Folgen  von  Uterusperforationen  zivil-  und  straf¬ 
rechtlich  haftbar  zu  machen  sind,  wenn  sie  bei  dem  Eingriffe  nicht 
die  erforderliche  Technik  und  Erfahrung  besitzen,  wenn  sie  ferner 
nicht  in  der  Lage  sind,  solche  Verletzungen  in  der  heute  modernen, 
wissenschaftlich  anerkannten  Weise  zu  behandeln,  wenn  sie  ohne 
genügende  Assistenz  operieren  und  ohne,  dass  die  heute  üblichen 
Vorkehrungen  für  die  Handhabung  der  Anti-  und  Aseptik  bei  den 
Operationen  treffen  und  für  eine  genügende  Nachbehandlung  sorgen.“ 

2)  B  a  r  c  h  e  t  -  Hamburg :  Gravidität  in  einem  Uterusdivertikel. 

Der  Fall  erinnert  an  eine  interstitielle  Schwangerschaft,  die 

Tube  der  betreffenden  Seite  Hess  sich  indes  ohne  Zusammenhang 
mit  dem  Fruchtsack  bis  in  den  Uterus  verfolgen.  Der  überall  mit 
Peritoneum  überkleidete  Fruchtsack  macht  den  Eindruck  einer 
herniösen  Ausstülpung  der  Gebärmutter,  dessen  Höhle  mit  der  Uterus¬ 
höhle  in  Kommunikation  steht.  Die  Fälle  scheinen  sehr  selten  zu  sein. 

3)  Stroganoff-St.  Petersburg:  Zur  Frage  über  das  frühe 
Aufstehen  nach  der  Geburt. 

Von  11  000  Wöchnerinnen  Hess  Verf.  ca.  S00  Erstgebärende  am 
3.  Tag,  die  übrigen  am  5.  Tag  aufstehen.  Er  sieht  darin  für  die 
Wöchnerin  und  für  das  Gedeihen  des  Kindes  einen  Vorteil.  Gegen¬ 
indikation  bildet  erhöhte  Temperatur,  verschiedene  Infektionskrank¬ 
heiten,  Nephritis,  schwacher  Allgemeinzustand  nach  Blutungen,  Blut¬ 
armut,  Herzfehler  und  Risse  des  Geburtskanals.  Dabei  wird  das 
Aufstehen  hinausgeschoben. 

4)  Elten-Charlottenburg:  Das  Plazentarangiom  —  eine  echte 
Geschwulst. 

Im  Gegensatz  zu  Gräfenberg  und  Meyer  hält  Verf.  die 
Plazentarangiome  für  echte  Geschwülste.  Es  handelt  sich  in  den 
meisten  Fällen  um  wirklich  geschwulstmässig  proliferierende  Gefäss- 
bezirke  in  den  Chorionzotten,  die  aus  sich  herauswachsen  und  so 
gegenüber  dem  umgebenden  Gewebe  in  scharfen  Gegensatz  treten. 
2  einschlägige  Fälle  werden  beschrieben,  in  denen  eine  thrombotische 
Nekrose  der  Geschwülste  keine  klinischen  Erscheinungen  machte. 

5)  Weill-Bad  Elster:  Beitrag  zur  Entwicklungsmechanik  des 
Geschlechts. 

Zwischen  den  Generationszellen  bestehen  nach  W.  fast  mathe¬ 
matische  Beziehungen.  Die  beiden  Zellen  ringen  um  das  Geschlecht. 
Unter  Anwendung  des  in  der  Physik  für  in  Bewegung  befindliche 
Körper  gültigen  Gesetzes  ist  die  kinetische  Energie  einer  Zelle  pro¬ 
portional  der  Masse  (weibliche  Zelle)  und  dem  Quadrate  der  Ge¬ 
schwindigkeit  (männliche  Zelle).  Alles,  was  demnach  imstande  ist, 
die  kinetische  Energie  der  einen  oder  anderen  Zelle  zu  schwächen, 
sei  es  durch  Beeinflussung  der  Masse  (Stärkung  oder  Schwächung) 
oder  der  Geschwindigkeit,  muss  das  Resultat  des  Kampfes  ver¬ 
schieben.  Diese  Beeinflussung  kann  die  mannigfachsten  Gründe 
haben  (Erregung  oder  Lähmung,  Altersdifferenz,  konstitutionelle 
Krankheiten  etc.),  sie  kann  aber  auch  durch  künstliche  Ernährung 
erreicht  werden,  wie  Verf.  experimentell  nachgewiesen  haben  will. 

6)  B  e  1  o  w  -  Charkow:  Glandula  lutea  und  Ovarium  in  ihrem 
Verhalten  zu  den  normalen  physiologischen  und  pathologischen  Ver¬ 
gangen  im  weiblichen  Organismus. 

Zu  kurzem  Referat  ungeeignet. 

7)  P  1  e  n  z  -  Charlottenburg:  Zur  Entstehung  von  Dermoid¬ 
kugeln. 

Für  die  Entstehung  von  Kugeln  in  Dermoidzysten  ist  notwendige 
Voraussetzung  das  Eindringen  von  seröser  Flüssigkeit,  wie  sie  durch 
Stieltorsion  (Stauungsödem),  durch  Einbruch  einer  einfachen  Zyste, 
vielleicht  auch  noch  auf  andere  Weise  erklärt  werden  kann.  Es 
muss  ein  Teil  des  Fettes  verseift  worden  sein,  entweder  vorher  oder 
durch  lipolytische  Eigenschaften  des  Transsudates.  Wahrscheinlich 
kombinieren  sich  beide  Möglichkeiten.  Mechanische  Einwirkungen 
auf  die  so  in  der  Flüssigkeit  suspendierte  Fettmasse  führen  dann  zur 
Kugelbildung,  wie  man  im  analogen  Versuch  nachahmen  kann. 

8)  J  i  a  n  u  -  Bukarest:  Intraabdominale  Myorrhaphie  des  Muse, 
levator  am  hei  Uterusvorfällen. 

Das  Verfahren  besteht  darin,  dass  Verf.  die  Vereinigung  der 
Levatoren  und  die  Kürzung  der  Ligamente  abdominell  vornimmt. 
Nach  Ablösung  der  Blase  von  der  Scheide  wird  vorne  zunächst  die 
Scheide  gerafft  oder  reseziert,  wenn  eine  Zystozele  vorhanden  ist, 
in  den  übrigen  Fällen  begnügt  er  sich  nach  Ablösung  der  Scheide 
und  des  Mastdarms  damit,  dass  er  beiderseits  die  Levatoren  fasst 
und  unter  gleichzeitiger  Raffung  der  Scheide  vereinigt.  Bei  Peri¬ 
metritis  und  Salpingitis  ist  die  Hysterektomie  vorzuziehen. 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VII,  Heft  2. 

Wilhelm  Liepmann  - Berlin :  Eklampsie  und  Anaphylaxie. 

Verf.  kommt  am  Schlüsse  seiner  Betrachtungen  zu  dem  Ergeb¬ 
nisse,  dass  die  Eklampsie  und  die  Anaphylaxie  zwei  Wege  sind,  die 
einander  parallel  laufen,  die  sich  niemals  kreuzen  und  nichts  mit 
einander  gemein  haben.  Die  Giftquelle  bei  der  Eklampsie  ist  die 
Plazenta;  die  Ausschaltung  dieser  Giftquelle  durch  die  Schnell¬ 
entbindung  ist  die  beste  Eklampsiebehandlung.  Der  Erfolg,  der  mit 
der  Schnellentbindung  erzielt  wird,  und  die  dauernde  Gesundung  der 
Eklamptischen  ist  das  Grab  der  Ueberempfindlichkeitslehre,  der 
Anaphylaxie. 


Emil  E  k  s  t  e  i  n  -  Teplitz-Schönau :  Geburtshilfliche  Kasuistik 
aus  dem  IV.  Quinquenuium  geburtshilflicher  Praxis. 

Bericht  über  783  Fülle  aus  der  Privatpraxis  des  Verfassers. 
Besonders  besprochen  sind  Fälle  von  Entbindung  mit  Forzeps, 
Wendung,  Steisslage,  Perforation,  Zwillingen,  Retentio  placentae  post 
partum,  Dammnaht,  Placenta  praevia,  Sectio  caesarea,  Psychosis 
puerperalis,  Ruptura  uteri,  Abortus  und  Partus  praematurus,  Inversio 
uteri  totalis,  Partus  praematurus  arteficialis,  Graviditas  extrauterina, 
Lageveränderungen  des  graviden  Uterus  und  Sepsis  puerperalis. 
Einzelheiten  würden  den  Rahmen  eines  kurzen  Referates  über¬ 
schreiten  und  müssen  im  Original  nachgelesen  werden. 

Von  den  mitgeteilten  783  Fällen  verliefen  772  Fälle  normal,  in 
11  Fällen  erkrankte  und  starb  die  Mutter,  in  18  Fällen  das  Kind. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Hegars  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Bd.  XVIII,  Heft  1.  Leipzig,  Georg  Thieme,  1913. 

Richard  M  e  e  s  -  Heidelberg:  Kleinhirnexstirpation  bei  einem  Fall 
von  angeborener  Hydrencephalocele  occipitaüs. 

Der  Fall  ist  selten  insofern,  als  das  Kind,  dem  man  nach  der 
Geburt  wegen  der  Encephalocele  das  Kleinhirn  entfernen  musste, 
jetzt,  nach  VA  Jahren,  noch  weiterlebt  und  sich,  wenn  auch  langsam, 
doch  relativ  gut  entwickelt. 

M.  Ogata-  Osaka:  Die  Symptomatologie  der  Rachitis  und 
Osteomalazie  in  Japan. 

Es  handelt  sich  um  genaue  Beschreibung  einer  merkwürdigen, 
in  der  Provinz  Toyama  endemisch  auftretenden  Krankheit,  die  die 
Knochen  befällt  und  zuerst  1906  zufällig  entdeckt  wurde.  0.  unter¬ 
suchte  240  Fälle  aus  dem  Bezirk  besonders  vom  gynäkologischen  und 
geburtshilflichen  Standpunkt  aus,  und  zwar  190  Kinder  von  1  bis 
15  Jahren,  25  Nulliparae  von  16—25  Jahren  und  25  Multiparae  von 
26—47  Jahren.  So  wurde  es  ihm  möglich,  seine  Untersuchungen  in 
physikalischer,  chemischer,  physiologischer,  bakteriologischer  und 
klinischer  Hinsicht  in  der  Arbeit  niederzulegen;  die  Krankheit  ist 
nichts  anderes  als  Rachitis  und  Osteomalazie. 

A.  H  ä  b  e  r  1  e  -  Würzburg:  Ein  Fall  von  Doppelmissbildung. 

Es  lag  Dicephalus  tribrachius  vor. 

A.  Mayer-Ttibingen:  Ueber  einige  seltene  Formen  von  engem 
ßcckcn« 

M.’  beschreibt  genau  2  Hebotomiebecken,  ein  durch  traumatischen 
Pfannenbruch  und  zentrale  Luxation  des  Oberschenkels  verengte:' 
Becken  und  ein  atypisch  platt-rachitisches  Becken  mit  luetischen 
Knochenveränderungen;  letztere  bestanden  in  Rauhigkeiten  der 
Knochenoberfläche,  in  abnormer  Knochendicke  mit  starker  Reduk¬ 
tion  der  Beckeninnenmasse,  leichter  Vorwölbung  der  Schossfuge  und 
vielleicht  auch  Verengerung  des  Beckenausgangs. 

Kasashima  -  Dairen :  Zur  Frage  über  die  aktive  Therapie  bei 
fieberndem  und  septischem  Abort. 

Nach  K.s  Ansicht  sind  die  der  aktiven  Therapie  nachgesagten 
Gefahren  nicht  erwiesen,  daher  kann  der  praktische  Arzt  sie  dann 
stets  einschlagen,  wenn  der  Krankheitsprozess  auf  den  Uterus  be¬ 
schränkt  ist. 

Y.  Kasashima  -  Dairen :  Ueber  den  Pantopon-Skopolamin- 
Dämmerschlaf. 

Beim  Morphium-Skopolamin-Dämmerschlaf  stellten  sich  doppelt 
so  viel  Narkosenstörungen  ein  wie  bei  Pantopon-Skopolamin.  Post¬ 
operativ  fand  sich  bei  Pantopon  viel  weniger  Erbrechen. 

H.  S  e  1 1  h  e  i  m  -  Tübingen ;  Aggregatzustand,  Elastizität  und 
Festigkeit  des  Bauches. 

Sehr  genaue  und  interessante  Arbeit,  die  im  Original  nachgelesen 
werden  muss. 

M.  B  ossi-Genua:  Eierstocks-Uterus-Erkrankungen  und 

Psychopathien. 

Auszug  der  Mitteilung  bei  der  Sitzung  am  3.  Juni  1912  der 
R.  Academia  medica  mit  Diskussion.  B.  weist  jede  Anschuldigung 
von  Uebertreibung  empört  zurück,  weil  der  (mit  Recht!  Ref.)  von 
ihm  verteidigte  Grundsatz  der  ist,  dass  die  Heilung  eines  kranken 
Organs,  vor  allem  wenn  dieses  der  weibliche  Genitalapparat  ist,  nie¬ 
mals  schaden,  sondern  nur  nützen  kann  und  dass  auch  der  Irre  wegen 
seines  Zustandes  nicht  von  den  elementarsten  Gesetzen  der  Humani¬ 
tät,  im  Krankheitsfalle  mit  den  technischen  Mitteln  der  betreffenden 
Spezialität  behandelt  zu  werden,  ausgeschlossen  sein  darf. 

W.  Weinberg-  Stuttgart :  Zur  Frage  der  Vorausbestimmung 
des  Geschlechtes  beim  Menschen.  Polemik  gegen  Schöner. 

A.  H  e  g  a  r  -  Freiburg :  Bericht  über  die  Angelegenheit  N  i  e  b  e  r  - 

g  all.  i  ,  , 

Persönliche  Bemerkung.  Vogel-  Aachen. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  1913.  Bd.  43. 

3.  Heft. 

1)  S  t  r  ö  s  e  -  Berlin :  Das  Veterinärwesen  einschliesslich  einiger 
verwandter  Gebiete  in  der  Schweiz. 

2)  Holl-Berlin:  Das  Veterinärwesen  einschliesslich  einiger 
verwandter  Gebiete  in  Dänemark. 

3)  Z  e  1 1  e  r  -  Berlin:  Das  Veterinärwesen  einschliesslich  einiger 
verwandter  Gebiete  in  Aegypten. 

Die  mit  Hilfe  der  Kaiserl.  Konsulate  resp.  Generalkonsulate  in 
den  betreffenden  Ländern  und  anderer  Ouellen  bearbeiteten  Berichte 
I  enthalten  je  5  grosse  Abschnitte  über  die  Veterinärbehörden 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


373 


’8.  Februar  1913. 


und  das  tierärztliche  Personal,  den  Viehbestand,  den 
Viehverkehr,  die  Bekämpfung  der  Viehseuchen,  das 
Schlachtvieh  und  die  Fleischbeschau  und  geben  damit 
eine  gute  und  zuverlässige  Uebersicht  über  alle  wichtigen  Punkte  des 
Veterinärwesens.  Interessant  sind  nicht  nur  in  medizinischer  Be¬ 
ziehung  die  Bedeutung  der  Viehseuchen  und  deren  Bekämpfung, 
sondern  auch  die  Frage  des  Fleischbedarfs,  der  Produktion  und  der 
Ausfuhr.  In  letzter  Beziehung  berühren  sich  fast  zwei  Extreme; 
während  in  Aegypten  z.  B.  alles  Schlachtvieh,  mit  Ausnahme  der 
wenigen  zum  Genuss  benutzten  Kamele,  von  auswärts  eingeführt 
werden  muss,  kann  Dänemark  sich  ausserordentliche  Einnahmen  mit 
seiner  Ausfuhr  verschaffen  und  seinen  Bedarf  selbst  leicht  decken. 

4)  F.  S  c  h  r  ö  de  r  -  Berlin;  Beitrag  zur  Kenntnis  der  ölhaltigen 
Samen  von  Ximenia  americana  L. 

Ximenia  americana  ist  eine  baumartige  Pflanze,  welche  zur 
Familie  der  Olacaceen  gehört  und  im  tropischen  Afrika  (Ostafrika) 
vielfach  vorkommt.  Da  deren  Samen  eine  beträchtliche  Menge  an 
Oel  enthalten,  so  wurden  sie  auf  die  chemische  Zusammensetzung 
und  die  Menge  desselben  untersucht,  um  über  die  praktische  Ver¬ 
wertung  des  Oeles  ein  Urteil  zu  gewinnen.  Die  Samenkerne  ent¬ 
halten  2,99  Proz.  Wasser,  66,07  Proz.  Fett,  15,25  Proz.  Eiweissstoffe, 
3,04  Proz.  Rohfaser,  2,19  Proz.  Mineralstoffe  und  10,46  Proz.  Extrakt¬ 
stoffe.  Nach  der  Fruchtschale  der  Kokospalme,  welche  6/  Proz.  Oel 
aufweist,  sind  also  diese  Samen  die  fettreichsten,  die  zur  Verwertung 
herangezogen  werden.  Der  Gehalt  an  kautschukartigen  Substanzen, 
welche  das  Oel  sehr  zäh  machen,  lässt  es  aber  vorläufig  wohl 
noch  nicht  als  zum  menschlichen  Genüsse  geeignet  erscheinen.  Auch 
sind  ernährungsphysiologische  Versuche  und  Versuche  über  die  Un¬ 
schädlichkeit  bei  längerer  Einnahme,  noch  nicht  angestellt  worden. 

5)  Arno  Müller-  Berlin :  Ueber  Wassersterilisation  mittels 
ultravioletter  Strahlen. 

Der  auch  schon  von  anderer  Seite  geprüfte  Wassersterilisator 
der  Westinghouse  Cooper  Hewitt  Gesellschaft  wurde  vom  Verfasser 
ebenfalls  einer  Prüfung  unterzogen,  es  konnten  jedoch  die  von 
Schwarz  und  Aumann  erzielten  Erfolge  nicht  ganz  bestätigt 
werden,  trotz  genauer  Einhaltung  ihrer  Versuchsanordnung.  Voll¬ 
kommene  Sterilität  trat  nur  bei  sehr  stark  herabgeminderter  Durch¬ 
flussgeschwindigkeit  in  äusserst  keimarmem  und  klarem  Leitungs¬ 
wasser  auf.  Bei  der  maximalen  Durchflussgeschwindigkeit  von 
600  Liter  in  der  Stunde  waren  schon  in  20  cm  des  belichteten 
Wassers  Keime  nachzuweisen,  auch  wenn  das  Rohwasser  nur 
7  Keime  in  1  ccm  enthalten  hatte.  Vielleicht  sind  die  Differenzen 
erklärlich  unter  der  Annahme,  dass  verschiedene  Lampen  derselben 
Art  bei  gleichem  Stromverbrauch  nicht  immer  die  gleichen  Mengen 
bakterizid  wirksamer  Strahlen  erzeugen. 

R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  6,  1913. 

1)  Sigmund  G  o  1 1  s  c  h  a  1  k  -  Berlin:  Ueber  die  Ursachen  und 
die  Behandlung  des  Ausflusses  aus  dem  weiblichen  Genitale. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  W.  K  ö  r  t  e  -  Berlin :  Typische  Fraktur  des  Gesichtsschädels. 

Vortrag  in  der  Berlin  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  13.  Ja¬ 
nuar  1913,  ref.  in  No.  3,  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

3)  W.  K  a  u  s  c  h  -  Schöneberg:  Erfahrungen  über  Tuberkulin 

Rosenbach. 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  9.  De¬ 
zember  1912,  ref.  in  No.  51,  1912  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

4)  W.  B  r  a  u  n  -  Berlin :  Die  Bedeutung  und  Durchführbarkeit 
von  Prophylaxe  und  Frühbehandlung  der  Diphtherie. 

Lediglich  der  Eintritt  der  Serumbehandlung  innerhalb  der  ersten 
36  Stunden  nach  dem  ersten  Beginn  der  Erkrankung  ist  von  ent¬ 
scheidendem  Wert  in  der  Diphtheriebehandlung.  Es  ist  daher  auch 
in  zweifelhaften  Fällen  nicht  erst  auf  den  Ausfall  der  bakteriologischen 
Untersuchung  zu  warten.  In  dieser  Richtung  ist  auch  auf  das 
Publikum  durch  Merkblätter,  Vorträge,  die  Tagespresse  aufklärend 
einzuwirken.  Alle  mit  dem  Diphtheriekranken  in  Berührung  ge¬ 
kommenen  oder  kommenden  Personen,  insbesondere  also  die  Fa¬ 
milienmitglieder,  sind  einer  prophylaktischen  Serumeinspritzung  von 
600,  in  schweren  Fällen  Fällen  auch  1000  I.-E.  zu  unterziehen,  deren 
Schutzwirkung  sich  mit  „fast  absoluter“  Sicherheit  auf  etwa 
3  Wochen  erstreckt  und  dann  allmählich  abklingt.  Bei  der  ausserdem 
notwendigen  Organisation  der  Diphtheriebekämpfung  müssen  Aerzte- 
schaft  und  Behörden  Zusammenarbeiten. 

5)  H.  Z  i  e  m  a  n  n  -  Charlottenburg:  Ueber  die  künstliche  Weiter¬ 
entwicklung  (in  vitro)  des  Tertian-Malariaparasiten. 

Unter  Dextrosezusatz  (nach  den  Bass  sehen  Angaben)  ange¬ 
legte,  von  einem  an  Tertianarezidiv  erkrankten  Patienten  stammende 
Blutkulturen  Hessen  eine  deutliche  Weiterentwicklung  erkennen,  bei 
der  sich  die  geschlechtlichen  Formen  wesentlich  resistenter  erwiesen 
als  die  ungeschlechtlichen. 

6)  H.  W  e  r  n  e  r  -  Hamburg:  Ueber  menschliche  Trypanosontiasis 
mit  Schlafkrankheitssymptomen  aus  Portugiesisch-Ostafrika,  ver¬ 
ursacht  durch  Trypanosoma  rhodesiense,  und  über  Lumbalpunktats¬ 
befunde,  insbesondere  die  Nonne-Apelt  sehe  Phase  I-Reaktion, 
bei  Schlafkrankheit. 

Klinischer  Verlauf,  Befund  im  Blute,  im  Lumbalpunktat  und  bei 
der  Sektion  eines  an  der  Infektion  mit  Trypanosoma  rhodesiense  zu¬ 
grunde  gegangenen  Mannes.  Besonders  auffallend  war  das  Vor¬ 


handensein  ausgesprochener  Schlafkrankheitssymptome,  die  bei  An¬ 
wesenheit  des  genannten  Trypanosomentypus  von  Sanderson  ver¬ 
misst  wurden,  ferner  eine  gegen  das  Ende  zu  starke  Zunahme  der 
Drüsenschwellungen,  eine  absolute  Resistenz  gegenüber  Atoxyl  und 
Tartarus  stibiatus,  endlich  ein  völliges  Verschwinden  sämtlicher 
Trypanosomen  aus  dem  peripherischen  Blute  18  Stunden  vor  dem 
Tode,  welche  Erscheinung  auf  die  prämortale  CCL-Intoxikation  des 
Blutes  zurückgeführt  wird.  Eosinophilie  war  nicht  vorhanden.  Der 
positive  Ausfall  der  Phase  I-Reaktion  des  Lumbalpunktates  weist  auf 
bereits  bestehende  krankhafte  Veränderungen  im  Zentralnerven¬ 
system  hin. 

7)  Albert  S  i  p  p  e  1  -  Frankfurt  a.  M  :  Ueber  differentiell-dia¬ 
gnostische  Schwierigkeiten  in  der  Gynäkologie. 

Den  grossen  Schwierigkeiten,  die  sich  unter  Umständen  einer  ge¬ 
nauen  gynäkologischen  Diagnose  entgegenstellen  und  die  immer  noch 
viel  zu  oft  die  durch  versteckte  objektive  Veränderungen  bedingten 
Beschwerden  ins  Reich  der  Hysterie  verweisen  lassen,  muss  mit 
allen  Mitteln  begegnet  werden.  In  Sonderheit  sind  Narkose  und 
Bcckenhochlagerung  zur  Untersuchung  heranzuziehen. 

8)  Otto  Jacobson  -  Berlin :  Zur  Diagnostik  der  Broncho- 
stenose. 

Die  langsam  sich  ausbildende  Bronchostenose  setzt  Verände¬ 
rungen,  die  sich  im  Röntgenbilde  in  charakteristischer  Weise  sicht¬ 
bar  machen.  Als  auffallendstes  und  regelnrässigstes  Symptom  wird 
die  inspiratorische  Verschiebung  des  Herzens  samt  dem  Mediastinum 
in  die  kranke  Brustseite  bezeichnet;  die  Exspiration  lässt  Herz  und 
Mediastinum  in  ihre  gewöhnliche  Lage  zuriiekkehren.  Zu  erklären 
ist  diese  Erscheinung  als  kompensatorischer  Vorgang,  bei  welchem 
sich  die  dem  stenosierten  Bronchus  zugehörige  Lunge  in  der  ge¬ 
gebenen  Zeit  nicht  genügend  aufblähen  kann,  während  sich  die  Lunge 
der  gesunden  Seite  in  entsprechend  stärkerem  Grade  mit  Luft  füllt. 

9)  Dora  Fraenkel  -  Berlin :  Ueber  die  normale  Körpertemperatur 
des  Kindes  und  ihr  Verhalten  bei  Bewegung  und  Ruhe. 

Nachmittagstemperaturen  von  38°  und  darüber  sind  bei  sonst 
gesunden  Kindern  nicht  ohne  weiteres  als  Zeichen  einer  latenten 
Tuberkulose  aufzufassen.  Sie  sind  eine  Folge  der  beim  Spielen, 
Spazierengehen  usw.  stattfindenden  stärkeren  Muskelarbeit  und  durch 
Bettruhe  zur  Norm  zurückzubringen,  die  bei  den  meisten  Kindern  37,2° 
im  After  betragen  dürfte.  Neuropathische  Kinder  pflegen  höhere 
Bewegungstemperaturen  aufzuweisen,  als  nicht  neuropathische. 

10)  F.  Johannessohn  -  Berlin-Oberschöneweide :  Klinischer 
Beitrag  zur  Bewertung  von  Ureabromin  (Bromkalziumharnstoff). 

Das  Ureabromin  zeigte  günstige  sedative  Wirkung  bei  epilepti- 
formen  Krampfanfällen,  bei  nervösen  Erregungszuständen  sowie  bei 
Ueberleitungsstörungen  des  Herzens.  Auch  bei  neurasthenischen  und 
hysterischen  Beschwerden,  zumal  bei  Schlaflosigkeit,  wurden  gute 
Erfolge  gesehen. 

11)  E.  K  e  i  b  e  1  -  Berlin :  Erfahrungen  mit  dem  Erystyptikum 
„Roche“. 

Gebärmutterblutungen  der  verschiedensten  Art,  bei  Entzün¬ 
dungen,  nach  Aborten,  im  Klimakterium,  wurden  durch  Erystyptikum 
„Roche“,  eine  Kombination  von  Sekakornin  „Roche“  mit  Hydrastis- 
extrakt  und  Hydrastininum  syntheticum  ausserordentlich  günstig  be¬ 
einflusst.  Da  die  einzelnen  Komponenten  verschiedene  Angriffspunkte 
im  Körper  haben  (Sekale  —  Uterusmuskulatur,  Hydrastis  —  Vaso¬ 
motoren)  so  ergibt  sich  eine  potenzierte  Wirkung. 

12)  Franz  M.  G  r  o  e  d  e  1  -  Frankfurt  a.  M. :  Die  Technik  der 
Röntgenkinematographie. 

Beschreibung  eines  von  Reiniger,  Gebbert  &.  Schall 
gebauten  Röntgenkinematographen,  der  auf  26  cm  breiten  und  6  m 
langen  Filmbändern  9 — 10  Aufnahmen  in  der  Sekunde,  im  ganzen 
22  Aufnahmen,  hintereinander  gestattet. 

13)  S  c  h  u  r  i  g  -  Berlin-Friedenau:  Zur  therapeutischen  Verwen¬ 
dung  der  Hochfrequenzströme. 

Hochfrequenzströme  werden  infolge  der  ihnen  zugeschriebenen 
günstigen  tonisierenden  Wirkung  auf  das  gesamte  Nerven-  und  Ge- 
fässsystem  angewendet  bei  Neurasthenie,  Ischias,  tabischen 
Schmerzen,  klimakterischen  Beschwerden,  Arteriosklerose,  un- 
kompensierten  Herzfehlern,  Herzneurosen,  Hämorrhoiden,  ja  sogar 
bei  Hämophilie  und  Basedow. 

14)  M  o  m  b  u  r  g  -  Bielefeld:  Zur  Frage  der  Stützpunkte  des 
Fusses  beim  Gehen  und  Stehen. 

Hauptstützpunkte  des  Fusses  sind  der  Kalkaneus  und  die  Köpf¬ 
chen  des  II.  und  III.  Metatarsale. 

15)  Martin  K  a  u  f  m a n n  -  Mannheim:  Beobachtungen  über 
Arsenüberempfindlichkeit. 

Zu  dem  Aufsatz  von  Stäubli  in  No.  52,  1912  dieser  Wochen¬ 
schrift. 

16)  A.  D  u  t  o  i  t  -  Montreux :  Die  Beziehungen  des  Morbus  Base- 
dowii  zur  Thymushyperplasie. 

Sammelreferat.  Baum-  München. 

Oesterreicliisclie  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  6.  E.  Freund  und  G.  K  a  m  i  n  e  r  -  Wien:.  Ueber 

chemische  Wirkungen  von  Röntgen-  und  Radiumbestrahlung  in  bezug 
auf  Karzinom. 

Zusammenfassung:  Durch  toxische  (nicht  therapeutische) 
Röntgenbestrahlung  wird  die  im  normalen  Gewebe  und  im  normalen 


374 


muenchsner  Medizinische  Wochenschrift. 


No.  1. 


i  f 


Serum  vorhandene  ätherlösliehe,  Karzinonizellen  zerstörende  Fett¬ 
säure  zum  Verschwinden  gebracht.  Demgegenüber  Hisst  exzessive 
Radiumbestrahlung  diese  Fettsäure  unverändert  und  vermag  aus  dem 
pathologischen  Nukleoglobulin  der  Karzinomatösen  eine  in  Aether 
lösliche,  Karzinomzellen  zerstörende  Fettsäure  freizumachen. 

Karzinomzellen  werden  nur  durch  Radium-,  nicht  durch  Röntgen¬ 
bestrahlung  ihres  pathologischen  Selektionsvermögens  für  Kohle¬ 
hydrate  beraubt. 

Weiter  hat  sich  gezeigt,  dass  bei  Hautstückchen,  in  denen  durch 
Röntgenbestrahlung  das  Zellzerstörungsvermögen  erloschen  war, 
dieses  durch  Radiumbestrahlung  wieder  hergestellt  wurde,  also  wohl 
die  durch  Röntgenbestrahlung  gebundene  Fettsäure  durch  Radium¬ 
bestrahlung  wieder  abgespalten  wurde. 

Vorstehende  Ergebnisse  geben  eine  Erklärung  für  die  Tatsache, 
dass  längere  Röntgenbestrahlung  eine  Disposition  zur  Entstehung 
eines  Hautkarzinoms  gibt.  Sie  lassen  ferner  daran  denken,  bei  Rönt¬ 
genschädigungen  die  Radiumbestrahlung  therapeutisch  zu  versuchen. 

A.  Exner-Wien:  Kriegschirurgische  Erfahrungen  aus  Bul¬ 
garien. 

S.  Bericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  S.  275. 

H.  Hey  ro  vsky-Wien:  Chirurgische  Erfahrungen  aus  dem 
bulgarisch-türkischen  Krieg. 

S.  Bericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  S.  276. 

O.  v.  Frisch -Wien:  Kriegschirurgische  Erfahrungen  aus 
Sofia. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am  31.  1.  13. 

A.  F  r  ä  n  k  e  1  -  Wien:  Kriegschirurgische  Eindrücke  und  Beob¬ 
achtungen  vom  Balkankriege. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am  24.  1.  13. 

K.  Ü  1 1  m  a  n  n  -  Wien:  Zur  Frage  der  Parasitotrople  und  Toxi¬ 
zität  des  Salvarsans  (Neosalvarsans). 

Schluss.  Siehe  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  S.  108. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

1912.  No.  52.  J.  G  r  o  s  s  ma  n  n -  Wien:  Beitrag  zur  Technik 
und  zur  klinischen  Verwertung  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen  Aldehydreaktion. 

Verf.  hat  gefunden,  dass  die  Aldehyd-Urobilinogenreaktion  des 
Harnes  durch  Dialyse  verstärkt  wird  bezw.  erst  als  positiv  erkennbar 
wird.  Weiter  zeigte  es  sich,  dass  bei  20  Fällen  von  sichergestellten 
Herzfehlern  nach  physischer  Arbeit  Harn  nach  Dialyse  positive 
Aldehydreaktion  aufwies.  Bei  19  sicher  nicht  Herzkranken  fand  sich 
die  positive  Reaktion  4  mal  (Leberzirrhose,  Cholelithiasis,  Alkoholis¬ 
mus);  von  10  Fällen  mit  unsicherem  Herzbefund  reagierten  7  positiv. 
Schliesslich  reagierten  von  10  Soldaten  nach  einem  angestrengten 
Marsch  einer  positiv,  bei  welchem  Anämie  und  dumpfe  Herztöne  zu 
finden  waren.  Es  hat  bis  jetzt  den  Anschein,  dass  eine  positive  Alde¬ 
hydreaktion  des  nach  körperlichen  Anstrengungen  erhaltenen  und 
dialysierten  Harns  sich  in  zweifelhaften  Fällen  für  das  Bestehen  eines 
organischen  Herzleidens  verwerten  lässt. 

1913.  No.  1.  F.  S  c  h  a  u  t  a  -  Wien :  Ueber  moderne  Myom¬ 
behandlung. 

Nach  einer  Uebersicht,  bei  welcher  er  sich  für  eine  starke  Ein¬ 
engung  der  palliativen  Therapie  und  bezüglich  der  Operationen  im 
allgemeinen  für  das  radikale  Vorgehen  ausspricht,  geht  Sch.  näher 
auf  die  Röntgenbehandlung  ein.  Dieselbe  bedeutet  eine  Bereicherung 
der  Therapie,  kann  aber,  selbst  nicht  ohne  Gefährlichkeit,  die  Opera¬ 
tion  nicht  ersetzen,  welche  namentlich  mit  Hinblick  der  Degenera¬ 
tionsgefahr  der  Geschwülste  bei  älteren  Frauen,  sowie  infolge  der 
zunehmenden  Vollendung  der  Technik  und  geringeren  Mortalität,  bei 
einfacher  gelagerten  Fällen  in  erster  Linie  in  Frage  kommt.  Die 
Indikationsstellung  für  die  Röntgenbehandlung  soll  dem  Gynäkologen 
Vorbehalten  bleiben.  Als  direkte  Kontraindikation  haben  zu  gelten 
Kompressionserscheinungen,  Adnexerkrankungen,  zystische  Degene¬ 
ration,  Nekrose  und  jeder  Verdacht  auf  Malignität.  Wegen  der 
Gefahr  von  Ausfallserscheinungen  soll  bei  jüngeren  Kranken  die  Be¬ 
strahlung  unterbleiben. 

G.  v.  H  a  i  n  i  s  s :  Diagnostischer  Wert  des  P  i  t  r  e  s  sehen  „Signe 
du  sou:!. 

Verf.  bestätigt  das  günstige  Urteil  Slatowerc-hownikows 
(Vergl.  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912,  S.  1624)  über  die  Verwend¬ 
barkeit  des  „Signe  du  sou“  für  den  Nachweis  von  Flüssigkeit  in  der 
Brusthöhle.  Zwei  Krankengeschichten. 

L.  D  e  v  o  t  o  -  Mailand:  Aetiologie  und  Klinik  der  Pellagra. 

D.  betont,  dass  das  Erythem  nicht  das  initiale,  sondern  in  vielen 
Fällen  nur  das  erste  manifeste  Symptom  der  bis  dahin  latenten 
Pellagra  ist.  Es  ist  daher  nicht  zweckmässig,  von  einer  kutanen 
Form  der  Pellagra  zu  sprechen;  am  besten  unterscheidet  man 
4  Phasen,  die  präpellagröse,  die  leichte,  mittelschwere  und  schwere 
Form,  je  nach  der  Gesamtschwere  des  Krankheitsbildes. 

In  ätiologischer  Beziehung  hält  D.  daran  fest,  dass  der  Mais¬ 
genuss  zur  Entstehung  der  echten  Pellagra  notwendig  ist,  wobei  dem 
Zein  eine  besondere  Rolle  zuzukommen  scheint.  Hierzu  ist  zu  be¬ 
merken,  dass  ein  nach  Genuss  von  verdorbenem  Mais  an  Pellagra 
Erkrankter  und  gesund  gewordener,  auch  durch  frischen,  unver¬ 
dorbenen  Mais  neu  erkranken  kann,  und  dass  eine  langanhaltende 
vorwiegende  Ernährung  mit  gutem  Mais  in  sehr  seltenen  Fällen  auch 
zu  Pellagra  führen  kann.  Die  Annahme  S  a  m  b  o  n  s,  dass  ein 
Sporenpilz  der  Erreger  der  Pellagra  sei,  lehnt  D.  ab.  Zum  Schlüsse 
wird  festgestellt,  dass  in  8  Provinzen  Oberitaliens  infolge  fort¬ 


schreitender  Aufklärung,  Rückgang  des  Maisgenusses  und  Hebung 
des  Wohlstandes  die  Zahl  der  Pellagrakranken  in  12  Jahren  um  mehr 
als  75  Prozent  abgenommen  hat.  Bergeat  -  München. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene. 

H  e  1 1  e  r  -  Charlottenburg:  Die  Geschlechtskrankheiten  als  ge¬ 
setzlicher  Grund  zur  Lösung  der  Verlobungen  und  Trennung  der  Ehen. 

(Med.  Ref.  1912,  No.  19.) 

Hinsichtlich  infektiöser  Geschlechtskranker  sind  diese  Fragen 
seit  Einführung  des  BGB.  in  einer  auch  uns  Aerzte  grössenteils  be¬ 
friedigenden  Weise  geordnet.  Schwierigkeiten  ergeben  sich  aber  be¬ 
züglich  der  rechtlichen  Stellung  der  früher  krank  gewesenen  und  jetzt 
relativ  geheilten  üonorrhoiker  und  Luetiker.  Soll  jeder,  der  früher 
an  einer  Geschlechtskrankheit  gelitten  hat,  dies  vor  Eintritt  in  die  Ehe 
dem  anderen  Teil  offenbaren,  um  sich  vor  den  Folgen  einer  Ehe¬ 
anfechtung  zu  schützen?  Dadurch  würden  sicher  eine  Reihe  von 
Ehen,  die  ohne  Nachteil  geschlossen  werden,  nicht  zustande  kommen. 
Die  „Gefährdung"  durch  relativ  Geheilte  scheint  Verf.  mehr  eine 
juristische  Konstruktion  als  eine  Gewissenssache,  andererseits  die 
Rückwirkung  eines  solchen  Vorg.hens  auf  die  Eheschliessung  und 
schon  im  Rückgang  befindliche  Geburtenziffer  bedenklich.  Deshalb 
befürwortet  er,  die  nach  sachverständigem  Urteil  relativ  geheilte  Ge¬ 
schlechtskrankheit  als  eine  unerhebliche  persönliche  Eigenschaft  an¬ 
zusehen,  die  nicht  der  Offenbarungspflicht  unterliegt. 

F.  Meyerstein  - Berlin :  Das  ärztliche  Berufsgeheimnis.  Sind 
Reformen  zum  §  300  StGB,  nötig?  (Ebenda  No.  20.) 

M.,  der  vom  juristischen  Standpunkt  die  Frage  behandelt,  ver¬ 
tritt  die  Anschauung,  dass  für  den  Arzt  ausschliesslich  der  Patient, 
nicht  aber  ein  weiterer  oder  engerer  Kreis  seiner  Umgebung,  z.  B. 
der  Auftraggeber  oder  die  honorierende  Person,  den  Geheimnisträger 
darstellt.  Die  Geheimnispflicht  dauert,  so  lange  der  Patient  lebt. 
Nicht  nur,  was  der  Arzt  infolge  seiner  Fach-  und  Sachkunde  erfahren 
hat,  sondern  auch  alle  äusserlichen  Wahrnehmungen,  von  denen  er 
bei  Ausübung  seines  Berufes  Kenntnis  erhalten  hat,  sind  in  die 
Schweigepflicht  einzuschliessen.  Verf.  erörtert  auch  die  Frage,  was 
als  „unbefugte“  Offenbarung  zu  gelten  hat  und  glaubt,  dass  die  herr¬ 
schende  Rechtsprechung  den  höheren  sozialen  oder  sittlichen  Pflich¬ 
ten,  die  den  Arzt  nötigen  können  die  Schweigepflicht  zu  verletzen, 
gebührend  Rechnung  trägt.  Eine  Abänderung  des  §  300  hält  er  des¬ 
halb  für  unnötig.  Gegen  die  Auffassung,  dass  die  Schweigepflicht  mi: 
dem  Tode  des  Behandelten  erlischt,  äussert  in  No.  21  Odebrecht 
unter  Anziehung  eines  Beispiels  (Tod  eines  ausserehelich  geschwän¬ 
gerten  Mädchens  aus  angesehener  Familie  an  den  Folgen  eines 
Aborts)  gewichtige  Bedenken.  In  seinem  Schlusswort  verharrt  aber 
Verf.  auf  seiner  rechtlichen  Anschauung  von  dem  Erlöschen  der 
Schweigepflicht  mit  dem  Tode  des  Patienten,  die  Ausnahmen  nicht 
zulässt.  Das  Recht,  Klage  zu  erheben,  ist  nicht  auf  die  Erben  über¬ 
tragbar.  (Anm.  des  Ref.:  Neben  der  gesetzlichen  Pflicht  bestehen 
hier  auch  moralische  Pflichten.  Es  ist  Sache  des  Taktes,  wieweit 
der  Arzt  über  das  Grab  hinaus  Verschwiegenheit  zu  üben  sich  ver¬ 
pflichtet  fühlen  muss.) 

Haussen  -  Kiel :  Die  Abnahme  der  Geburtenzahlen  in  den  ver¬ 
schiedenen  Bevölkerungsklassen  und  ihre  Ursachen.  Nach  Unter¬ 
suchungen  in  Schleswig-Holstein.  (Arch.  f.  soz.  Hygiene,  Bd.  VII, 
H.  4.) 

Die  zahlreichen  Tabellen  lassen  in  Schleswig-Holstein  in  glei¬ 
cher  Weise  wie  in  den  benachbarten  Gebieten  einen  steten  Geburten¬ 
rückgang  in  Stadt  und  Land  erkennen.  In  den  grossen  Städten  haben 
die  wohlhabendsten  Bezirke  die  niedrigsten  Geburtenziffern.  Sie 
betrug  in  Hamburg-Harvestehude  schon  1900  nur  17,7  Prom.  Aber 
auch  in  den  Arbeitervierteln  zeigte  sich  eine  auffällige  Abnahme 
(so  in  Altona  von  39  Prom.  1890  auf  28,4  Prom.  1911).  In  vielen 
Orten  ist  eine  Abnahme  der  ehelichen  und  eine  Zunahme  der  unehe¬ 
lichen  Geburten  zu  verzeichnen.  Der  seit  1906  in  Preussen  sich  voll¬ 
ziehende  Rückgang  der  Eheschliessungen  macht  sich  mit  einigen 
Ausnahmen  auch  in  Schleswig-Holstein  bemerkbar.  Schuld  daran 
tragen  u.  a.  die  steigenden  Lebensansprüche.  Unter  den  Ursachen 
für  die  Verminderung  der  Geburten  wird  das  Eindringen  antikonzep¬ 
tioneller  Mittel  —  darunter  auch  der  gefährlichen  Uterindusche  —  auch 
in  Arbeiterkreise  angeführt;  in  einigen  ländlichen  Gegenden  wird  sogar 
coitus  per  anum  geübt.  Nach  der  Zahl  der  Aborte  zu  schliessen  ist 
kriminelle  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  in  Kiel  häufig.  Heb¬ 
ammen  und  Aerzte  verbreiten  die  Handhabung  der  Okklusivpessare. 
Um  ein  weiteres  Sinken  der  Geburten  zu  verhindern,  empfiehlt  Verf. 
neben  anderem  das  Verbot  der  Anpreisung  antikonzeptioneller  Mitte! 
in  Zeitungen  und  Schaufenstern  und  das  Einlegen  von  Pessaren  durch 
Hebammen. 

H.  Fehlmeyer:  Die  Erwerbsunfähigenversicherung  in  Gross¬ 
britannien  und  Irland.  (Ebenda.) 

Wiedergabe  der  wesentlichen  gesetzlichen  Bestimmungen  und 
Schilderung  der  Organisation  des  komplizierten  Verwaltungsappa¬ 
rats. 

Un,?er-  Perleberg:  Die  Entwicklung  der  Stadt  Perleberg  in  be¬ 
völkerungsstatistischer  und  sanitärer  Beziehung.  (Ebenda.) 

Weitere  derartige  Arbeiten,  die  über  längere  Zeit  Bevölkerungs¬ 
bewegung,  Mortalität  und  Morbidität  kleinerer  Städte  verfolgen,  wür¬ 
den  Material  zu  lehrreichen  Vergleichen  zwischen  den  örtlichen  und 
allgemeinen  sanitären  Verhältnissen  des  ganzen  Landes  oder  be¬ 
stimmter  Bezirke  liefern. 


18.  Februar  1913. 


MüKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


375 


E.  Prinzing:  Die  grosse  Flecktyphusepidemie  in  Mitteleuropa 
m  Anschluss  an  den  russischen  Feldzug.  (Med.  Ref.,  No.  26.) 

Anlässlich  der  Jahrhundertfeier  der  Befreiungskriege  ist  diese 
ingehende  epidemiologische  Studie,  die  zum  erstenmal  eine  urn- 
assende  Darstellung  der  schweren  Seuche  liefert,  von  besonderem 
nteresse.  Nach  den  Untersuchungen  des  Verfassers  sind  zwei  Epi- 
iemien  zu  unterscheiden.  Die  erste  wurde  von  den  Trümmern  der 
us  Russland  heimkehrenden  Armee  eingeschleppt  und  richtete  vor 
Ilern  in  Ostpreussen  grosse  Verheerungen  an,  die  zweite  breitete  sich 
si3  vom  sächsischen  Kriegsschauplatz,  besonders  nach  der  Schlacht 
iei  Leipzig,  auch  über  den  Süden  Deutschlands  in  entsetzlicher  Weise 
us.  Leipzig  selbst,  dann  Frankfurt,  Mainz  litten  furchtbar.  In 
layern  sollen  1813/14  über  18  000  Personen  am  Flecktyphus  erkrankt 
nid  3000  gestorben  sein. 

Pr.  schätzt  die  Zahl  der  Sterbefälle  in  Deutschland  unter  der 
Zivilbevölkerung  auf  2 — 300  000,  der  ca.  2  Millionen  Erkrankungsfälle 
.egeniiberstehen,  so  dass  der  10.  Teil  der  Einwohnerschaft 
m  ansteckenden  Typhus  erkrankte.  Die  Verluste  der  Heere  daran 
ind  nicht  festzustellen.  Die  Verbreitung  der  sehr  kontagiösen  Er- 
;rankung  scheint  durch  Ungeziefer,  besonders  durch  Kleiderläuse, 
icgiinstigt  worden  zu  sein.  Lieber  500  Aerzte  erlagen  der  Krankheit. 
Jesonders  gross  war  die  Sterblichkeit  in  den  belagerten  Plätzen, 
vo  in  den  Lazareten  unbeschreibliche  Zustände  herrschten.  Die  Ein- 
.chleppung  solcher  und  ähnlicher  Kriegsseuchen  geschieht  meist  durch 
lie  heimkehrenden  Truppen  und  durch  Gefangenentransporte.  So  ge- 
angten  1871  die  Pocken  zu  uns,  und  die  Tatsache,  dass  1871/72  über 
70  000  Pockentodesfälle  in  Deutschland  zu  verzeichnen  sind,  denen 
ils  Gesamtverlust  der  Feldarmee  einschliesslich  Krankheiten,  „nur“ 
:twas  über  43  000  Todesfälle  gegenüberstehen,  verdient  immer  wieder 
rnsteste  Beachtung.  F.  P  e  r  u  t  z. 

Veue  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  Versicherungsmedizin. 

A)  Unfallversicherung. 

T  h  i  e  m  -  Kottbus :  Geschwülste  und  Unfall  mit  besonderer  Be- 
ücksichtigung  des  Krebsgewächses.  (Monatsschr.  f.  Unfallheilkunde 
912,  No.  8.) 

Der  Artikel,  der  als  Vortrag  auf  dem  3.  internationalen  med. 
Jnfallkongress  gehalten  wurde,  gibt  eine  gute  Darstellung  der  Richt¬ 
igen  für  die  Begutachtung.  Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die 
verschiedenen  Ansichten  der  Forscher  über  die  Krebsentwicklung 
nit  dem  Resultate,  dass  wir  in  dieser  Frage  noch  nicht  weiter 
gekommen  sind  als  anzunehmen,  dass  einmal  die  Epithelzellen  durch 
chronische  Reize  verschiedener  Art  eine  wesentliche  Veränderung 
n  ihren  Lebensäusserungen  erfahren  und  dass  ihnen  im  Körper  des 
erkrankten  keine  genügende  Widerstandskraft  entgegentritt,  wird 
luseinandergesetzt,  dass  und  warum  die  Forschung  nach  einem 
bestimmten  Krebserreger  für  die  Unfallbegutachtung  nicht  von  aus¬ 
schlaggebender  Wichtigkeit  ist;  es  müssen  alle  Umstände  berück¬ 
sichtigt  werden,  welche  zur  Geschwulstentwicklung  beitragen;  mögen 
ilso  auch  noch  andere  Ursachen  für  die  letztere  bestehen,  so  gilt  doch 
eine  Verletzung,  wenn  sie  wesentlich  mit  zur  Erzeugung  der  Ge¬ 
schwulst  beiträgt,  im  Sinne  des  Gesetzes  auch  als  Ursache.  Nun 
gestattet  das  Unfallgesetz  aber  auch  Bindeglieder  zwischen 
uifall  und  Geschwulstbildung,  als  welche  beim  Krebs  Narben  und 
jeschwüre,  die  ja  ihrerseits  Verletzungs-,  also  auch  Unfallfolge  im 
Gnne  des  Gesetzes  sein  können,  falls  sie  nur  im  Betriebe  er¬ 
worben  wurden,  in  Betracht  kommen.  Dabei  ist  der  Begriff  der 
^arbe  sehr  weit  zu  fassen;  eine  Narbe  ist  nach  jeder,  auch  einer 
dumpfen  Verletzung  ernster  Art  zu  erwarten,  wenn  auch  Haut  und 
Schleimhaut  dabei  unverletzt  blieben.  Aber  man  darf  nicht  nach 
eder,  auch  der  kleinsten,  einmaligen  stumpfen  Verletzung  narbige 
iewebsveränderungen  von  solcher  Bedeutung  erwarten,  dass  sie  den 
Joden  zur  Entwicklung  einer  Krebsgeschwulst  abgeben  könnten, 
n  dieser  Beziehung  ist  die  Ansicht  von  Löwenstein,  die  er  in 
meiner  Arbeit  „Unfall  und  Krebskrankheit“  aus  dem  Heidelberger 
Samariterhaus  veröffentlicht  hat,  nämlich,  dass  es  nicht  einer  einiger¬ 
nassen  erheblichen  Verletzung  mit  entsprechenden  Anfangserschei- 
ningen  (Schwellung,  Schmerzen,  Zeichen  eines  Blutergusses  u.  dgl.  m.) 
Kdarf,  sondern  dass  auch  geringe  Einwirkungen,  wenn  sie  nur  „mikro¬ 
skopisch  erkennbare  Zertrümmerungen  und  Verletzungen  von  Zell- 
{ruppen  und  partielle  oder  totale  Losreissung  solcher  Gruppen  durch 
'Zusammenhangstrennung  aus  dem  Gewebe“  bewirken,  genügen, 
Jurchaus  zu  verwerfen. 

Nach  T  h  i  e  m  ist  zur  Anerkennung  des  Zusammen¬ 
langes  zwischen  der  Entwicklung  einer  bösartigen  Geschwulst  und 
•liner  einmaligen  Verletzung  mehr  nötig  als  eine  mikroskopische  Ver¬ 
schiebung  der  Teile  durch  die  Gewalteinwirkung;  es  müssen  so- 
°rtige,  unseren  unbewaffneten  Sinnen  erkenn- 
1  a  r  e  V  e  r  1  e  t  z  u  n  g  s  f  o  1  g  e  n  vorhanden  sein,  wie :  glaubhaft  ge¬ 
wachter  örtlicher  Schmerz,  Störung  oder  Aufhebung  der  Verrich¬ 
tung  der  getroffenen  Stelle  (Steifigkeit,  lähmungsartige  Schwäche, 
linken),  Erbrechen  oder  Blutbrechen  bei  Magenverletzungen,  Husten 
Ger  Bluthusten  bei  Lungenverletzungen,  Hirnerscheinungen  bei  Kopf¬ 
verletzungen,  Schwellung  oder  Verfärbung  der  getroffenen  Stelle 
durch  Bluterguss  unter  der  Haut,  Erschwerung  der  Arbeit  oder  Un- 
uhigkeit  zu  dieser  für  kurze  Zeit  u.  dgl.  m.  Alle  diese  unmittelbaren 
Verletzungsfolgen  können  bald  wieder  vergehen,  und  dann  folgt  eine 
’reie  Zeit  bis  zum  Auftreten  der  Geschwulstbeschwerden.  Vor  allen 
Dingen  aber  muss  daran  festgehalten  werden,  dass  der  Unfall  zur 


s  o  f  o  r  l  i  g  e  n  A  n  m  e  1  d  u  n  g,  Zeugenbenennung  etc.  führt,  weil  eine 
verspätete  Meldung  die  Eruierung  des  Hergangs  des  Unfalles 
schwierig  oder  gänzlich  unmöglich  machen  kann.  Weiter  muss  das 
örtliche  Zusammentreffen  von  Geschwulst  und 
Gewalteinwirkung  verlangt  werden,  wobei  es  auf  die  Ein¬ 
wirkungsstelle,  nicht  auf  die  Auftreffsstelle  der  quetschenden  oder 
stossenden  Gewalt  ankommt.  —  Schliesslich  kann  auch  von  der 
Forderung  von  Brücken  erschein  ungen  zwischen  Unfall  mit 
den  ersten  Verletzungsfolgen  einerseits  und  dem  Auftreten  von  Ge- 
schwulsterscheinungen  andererseits  nicht  abgegangen  werden;  der 
Zusammenhang  einer  Krebsgeschwulst  mit  einem  Unfall  ist  sehr  un¬ 
wahrscheinlich,  wenn  ein  Bindeglied  zwischen  dem  letzteren  und 
den  Zeichen  der  Krebsentwicklung  länger  als  zwei  Jahre  hindurch 
vollkommen  fehlt;  sind  Brückenerscheinungen  da,  dann  überbrücken 
diese  aber  eventuell  (lü— 15  jährige  Dauer  von  Hirngliomen,  Narben¬ 
krebse)  eine  viel  längere  Zeit.  Die  untere  Grenze  ist  bei  Sarkomen 
etwa  10  Tage,  bei  Karzinomen  4  Wochen. 

Bei  der  Frage  der  Verschlimmerung  bösartiger  Ge¬ 
schwülste  durch  Unfälle  handelt  es  sich  entweder  um 
1.  Tochtergeschwulstbildung  (Metastase) :  bezüglich  der¬ 
selben  ist  die  Ansicht,  dass  sie  nur  durch  Verletzungen  der  Geschwulst 
selbst  entstehen  könne,  nicht  mehr  als  ausnahmslos  geltender  Satz  zu 
halten,  wenn  der  Vorgang  auch  meistens  sich  so  abspielen  mag;  doch 
sprechen  verschiedene  Beobachtungen  dafür,  dass,  wenn  einmal  eine 
primäre  Geschwulst  so  weit  gediehen  ist,  dass  sie  eine  Aussaat  von 
Zellen  bewirkt,  eine  Verletzung  den  Ort  der  Ablagerung  dieser  Zellen 
bestimmen  kann;  oder  es  handelt  sich  2.  um  Verlaufsbeschleu¬ 
nigung  der  Geschwulst  durch  den  Unfall:  eine  solche  ist  nur  anzu¬ 
nehmen,  wenn  Genaues  über  den  zeitlichen  Verlauf  der  Geschwulst 
bekannt  ist  und  dieser  Verlauf  durch  den  Unfall  erheblich  beschleu¬ 
nigt  wird. 

Es  wird  eine  der  vornehmsten  Aufgaben  der  Statistik  sein,  fest¬ 
zustellen,  wie  lange  Zeit  vom  Erkennen  einer  Geschwulst  bis  zum 
Tode  verläuft,  wenn  der  Verlauf  nicht  durch  eine  Operation  beeinflusst 
wird. 

Zum  Schlüsse  werden  14  Fälle  aus  der  neueren  Literatur  mitge¬ 
teilt,  in  denen  mit  Wahrscheinlichkeit  Unfälle  erzeugend  oder  be¬ 
schleunigend  auf  bösartige  Geschwülste  eingewirkt  haben. 

Lubar  sch- Düsseldorf:  Geschwülste  und  Unfall.  (Ibidem 
No.  9/10.) 

Dieser  ebenfalls  auf  dem  3.  Internationalen  medizinischen  Unfall¬ 
kongress  gehaltene  Vortrag  kommt  bezüglich  der  Begutachtung  zu 
ungefähr  denselben  Schlussfolgerungen  wie  der  eben  referierte 
T  hie  ms.  Vom  rein  theoretischen  resp.  experimentellen  Standpunkt 
aus  ist  ein  sicherer  wissenschaftlicher  Beweis  dafür,  dass  einmalige 
Gewalteinwirkungen  die  Entstehung  von  krankhaften  Gewachsten 
direkt  auszulösen  vermögen,  bisher  nicht  erbracht;  ein  wachstumsbe¬ 
schleunigender  Einfluss  von  Traumen  auf  bereits  bestehende  Ge¬ 
wächse  ist  theoretisch  nicht  zu  bestreiten,  im  einzelnen  Falle  aber 
sehr  schwer  zu  erweisen,  weil  alle  Gewächse  nicht  kontinuierlich 
weiterwachsen,  sondern  Zeiten  des  Wachstumsstillstandes  mit  solchen 
der  Wachstumsbeschleunigung  wechseln. 

M  a  r  c  u  s  -  Berlin:  Zur  Frage  der  Linkshändigkeit  in  der  Unfall¬ 
versicherung.  (Ibidem  No.  11.) 

Für  die  Verwertung  der  Erwerbsfähigkeit  ist  bei  den  meisten 
Menschen  (97  Proz.)  die  rechte  Hand  die  wichtigere;  die  linke  leistet 
Mehrarbeit  bei  Angehörigen  bestimmter  ßerufsklassen  (Glasbläser, 
Kellner)  und  bei  den  sog.  Linkshändern.  Linkshändigkeit  kann  simu¬ 
liert  werden,  ohne  vorhanden  zu  sein,  von  Rechtshändern  bei  Ver¬ 
letzung  der  linken  oberen  Extremität;  was  zu  einer  Benachteiligung 
der  Versicherungsträger  führt;  noch  grösseren  Schaden  wird  den  letz¬ 
teren  zugefügt  durch  Dissimulation  einer  wirklich  vorhandenen 
Linkshändigkeit  bei  Beschädigung  der  rechten  oberen  Extremität. 
Deshalb  ist  es  notwendig,  mittels  sicherer  Untersuchungsmethoden  die 
Unterscheidung  zwischen  Rechts-  und  Linkshändigkeit  zu  ermög¬ 
lichen.  Ansätze  hierzu  finden  sich  in  den  Beobachtungen  von  Brü¬ 
ning  (bei  Kreisbewegungen  beider  Arme  in  entgegengesetzter  Rich¬ 
tung,  des  einen  zum  Körper  zu  und  des  anderen  vom  Körper  weg, 
pflegt  schliesslich  einer  von  beiden,  und  zwar  der  mindergeübte,  die 
Richtung  zu  ändern  und  in  die  des  anderen,  führenden  zu  verfallen), 
von  Käppel  (die  linke  Hand  des  Rechtshänders  neigt  bei  Schreib- 
versuchen  zur  sog.  Spiegelschrift  hin;  lässt  man  den  zu  Unter¬ 
suchenden  mit  beiden  flach  gehaltenen  Händen  zugleich  auf  einer 
Tischplatte  Kreise  in  entgegengesetzter  Richtung  beschreiben,  so  ge¬ 
lingt  das  ohne  jede  Störung;  lässt  man  ihn  aber  dann  Kreise  in 
gleicher  Richtung,  mit  beiden  Händen  nach  rechts  oder  links  zu, 
gleichzeitig  beschreiben,  so  fängt  die  mindergeübte  Hand  schon  sehr 
bald  an,  entweder  statt  der  verlangten  Kreise  eine  schränge  Linie 
von  aussen  oben  nach  innen  unten  und  zurück  zu  beschreiben,  oder 
sie  verfällt  wieder  in  die  Kreisbewegung  in  entgegengesetzter  Rich¬ 
tung),  von  H.  Engel  (beim  Versuch  des  Exploranden,  einen  Bleistift 
zu  spitzen,  sieht  man,  ob  man  es  mit  einem  Rechtshändigen  oder 
Linkser  zu  tun  hat).  Diese  Methoden  müssen  noch  weiter  ausgebaut 
und  um  neue  vermehrt  werden,  letzteres  schon  deshalb,  damit  der 
Verletzte  bei  Nachuntersuchungen  nicht  inzwischen  sich  auf  die  früher 
bei  ihm  angestellten  Versuche  eingeübt  haben  kann.  Im  übrigen  ist 
auch  bei  ausgesprochenen  Rechts-  oder  Linkshändern,  denen  die  ge¬ 
schicktere  Extremität  verletzt  wurde,  mit  der  Zeit  die  Verminderung 
ihrer  Erwerbsbeschränkung  durch  die  allmählich  einsetzende  An- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  7. 


376 


passung  und  Gewöhnung  an  die  neuen  Verhältnisse  zu  berücksich¬ 
tigen. 

W.  Speck:  Amyotrophische  Lateralsklerose  nach  Trauma. 

(Chir.  Abt.  d.  Diakonissenhauses  in  Leipzig.)  (Ibidem.) 

Bis  jetzt  sind  10  Fälle  von  amyotrophischer  Lateralsklerose  nach 
Trauma  in  der  Literatur  bekannt.  Als  direkte  Folge  eines  Unfalles 
bei  vorher  klinisch  wie  anatomisch  gesundem  Zentralnervensystem 
kann  die  auch  als  „motorische  Tabes“  bezeichnete  Krankheit  nicht 
in  Betracht  kommen;  dagegen  kann  das  Trauma  die  Krankheit  „aus- 
lösen“,  was  ja  im  Snne  des  U.V.G.  zur  Anerkennung  des  Zusammen¬ 
hanges  genügt.  Zur  Annahme  eines  solchen  traumatischen  Zustande¬ 
kommens  ist  es  aber  nötig,  dass  Symptome  einer  Nervenerkrankung 
sowie  überstandene  Lues  auszuschliessen  sind,  dass  das  Trauma  ein 
entsprechend  erhebliches  gewesen  sein  muss,  dass  zwischen  dem  Un¬ 
fall  und  dem  Auftreten  der  ersten  Symptome  der  Erkrankung  minde¬ 
stens  ein  Zeitraum  von  einigen  Wochen  vergangen  war,  anderer¬ 
seits  dieser  Zeitraum  auch  nicht  länger  als  ein  halbes  Jahr  beträgt, 
sowie  dass  die  ersten  Anzeichen  an  dem  verletzten  Körperteil  oder 
den  ihm  zunächst  liegenden  Gliedmassen  sich  zeigen  und  hier  auch 
während  des  ganzen  Verlaufes  am  stärksten  ausgeprägt  bleiben. 
Diesen  Voraussetzungen  entsprach  ein  vom  Verf.  mitgeteilter  Fall, 
der  darnach  den  11.  in  der  Literatur  bildet. 

J.  R  u  b  i  n  -  Essen-Ruhr :  Zur  Kritik  des  Traumas  bei  der  Pneu¬ 
monie  durch  körperliche  Anstrengung.  (Ibidem  No.  12.) 

Ueber  die  Frage  der  Pneumonie  nach  körperlicher  Anstrengung, 
also  ohne  direkte  Kontusion  des  Brustkorbes,  sind  die  Ansichten  noch 
nicht  geklärt.  Litten,  der  Vater  der  Kontusionspneumonie,  hat  sich 
für  eine  weitgehende  Toleranz  in  den  Fällen  von  Pneumonie  nach 
Anstrengung  ausgesprochen  und  dabei  auf  die  Bedeutung  des  Glottis¬ 
schlusses  bei  starker  Kompression  des  Lungengewebes  für  den  Me¬ 
chanismus  der  Lungenbeschädigung  bei  fixiertem  Thorax  hingewiesen, 
während  R  e  n  v  e  r  s  den  Einwand  erhob,  in  einer  vorher  gesunden 
Lunge  könne  eine  Zerreissung  infolge  körperlicher  Anstrengung  allein 
nicht  eintreten;  Wes  teil  hoff  er  hat  sich  vom  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Standpunkt  ebenfalls  zu  der  R  e  n  v  e  r  s  sehen  Anschauung 
bekannt,  nach  welcher  zur  Verletzung  der  Lungen  durch  übermässige 
Anstrengung  eine  vorherige  Schädigung  des  Gefässsystems  gefordert 
werden  müsse.  Darauf  hat  Kraus  treffend  erwidert,  dass  profuse 
Haut-  und  Lungenblutungen  selbst  bei  ganz  jugendlichen  und  offenbar 
gefässgesunden  Epileptikern  vorkämen,  und  dass  selbst  der  patho¬ 
logische  Anatom  den  Nachweis  einer  traumatischen  Läsion  innerhalb 
des  pneumonischen  Herdes  kaum  je  werde  führen  können.  P  1  e  h  n 
hat  geradezu  die  Auffassung  vertreten,  die  Mechanik  des  Zustande¬ 
kommens  der  Lungenläsionen  nach  schweren  körperlichen  An¬ 
strengungen  unterscheide  sich  nicht  wesentlich  von  der  bei  direkter 
Druck-  und  Stosswirkung;  bei  schwerer  körperlicher  Arbeit  müssten 
die  Lungen  selbst  passiv  als  Widerlager  für  die  wesentlich  stärkere 
Wirkung  der  Exspiratoren,  vor  allem  der  Bauchmuskeln,  eintreten; 
damit  sie  das  könnten,  werde  die  Glottis  unwillkürlich  geschlossen, 
und  man  habe  so  das  gleiche  Verhalten  vor  sich  wie  beim  V  a  1  - 
sal vaschen  Versuch,  wo  ebenfalls  bei  geschlossener  Glottis  die 
luftgefüllte  Lunge  einen  Druck  durch  den  Thorax  erfahre.  Von  allen 
Seiten  ist  immer  wieder  der  Wunsch  nach  der  Mitteilung  genau 
beobachteter  und  möglichst  mit  autoptischen  Befunden  ausgestatteter 
Fälle  laut  geworden,  welchem  Verlangen  der  von  R.  berichtete 
autoptische  Nachweis  einer  Blutung  in  den  Bauchmuskeln  bei  einer 
Pneumonie  nach  starker  körperlicher  Anstrengung  (Aufladen  von 
eisernen  Schienen)  entspricht.  Die  Frage,  inwieweit  dieser  Blutherd 
mit  der  pneumonischen  Infiltration  einerseits  und  mit  einer  in  ihr 
vorhandenen  Gefässverlegung  andererseits  in  Verbindung  zu  bringen 
ist,  ob  es  sich  um  einen  primären  Riss  in  der  (rechten)  Rektus- 
muskulatur  und  eine  sekundäre  Veränderung  in  den  Lungen  (emboli- 
scher  Versuchluss  zweier  Pulmonalästchen  der  rechten  Lunge  und 
Pneumonie  derselben)  oder  ein  direktes  Trauma  der  Lunge  oder 
angesichts  der  Pulmonalastverlegung  um  einen  Einriss  in  der  Media 
der  beiden  Pulmonalgefässe  oder  endlich  um  eine  primäre  Pneumonie 
und  eine  erst  dann  durch  sie  bedingte  Blutung  in  den  rechten  (und 
zur  wachsartigen  Degeneration  vornehmlich  des  linken)  Muse,  rectus 
handelte,  liess  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden;  jedenfalls  wird 
man  in  künftigen  Fällen  von  traumatischer  Pneumonie  auf  derartige 
Gefäss-  und  Muskelverletzungen  achten  müssen. 

In  dem  Gutachten  über  den  Fall  wurde  der  Tod  als  Folge  eines 
Betriebsunfalles  aufgefasst,  welcher  Anschauung  sich  die  B.G.  ohne 
weiteres  anschloss. 

J.  L  e  v  a  i  -  Pest:  Ueber  die  ambulante  Behandlung  der  Knochen¬ 
brüche  der  oberen  Extremität  mit  Gipsschieneii.  (Aerztl.  Sachverst.- 
Ztg.  1912,  No.  19.) 

Empfehlung  der  Behandlung  von  Frakturen  aller  Art  an  der 
oberen  Extremität  mit  abnehmbaren  einfachen  Verbänden  (Gips¬ 
schienen,  die  im  feuchten  Zustand  auf  die  redressierte  Extremität  an¬ 
gelegt  und  sowohl  im  allgemeinen  als  besonders  an  den  Stellen, 
welche  eine  Stütze  für  die  Extension  abgeben  sollen,  gut  angepasst 
werden;  damit  die  Extremität  bis  zur  vollständigen  Erhärtung  der 
Schienen  in  korrigierter  Stellung  unverriiekt  verbleibt,  wird  an  dem 
fertigen  Verband  eine  mit  Watte  gepolsterte  Holzschiene  befestigt, 
die  nach  14  bis  1  Stunde  wieder  abgenommen  wird). 

M.  Mayer  -Simmern:  Schädigungen  durch  Bissverletzungen  im 
landwirtschaftlichen  Betriebe.  (Ibidem  No.  20.) 

Besprechung  der  Bedeutung  der  Bissverletzungen,  ihrer  Diffe¬ 


rentialdiagnose  gegenüber  anderen  Verletzungen,  der  Feststellung 
der  Identität  des  „schuldigen“  Menschen  oder  Tieres,  wozu  eine  ge¬ 
naue  Kenntnis  des  Gebisses  der  einzelnen  Tierarten  gehört,  und  der 
Begutachtung  der  Spätfolgen,  sowie  Mitteilung  mehrerer  Fälle  aus 
der  Erfahrung  des  Verf.  nebst  solchen  aus  der  Literatur. 

K  n  e  p  p  e  r  -  Düsseldorf :  Ein  Beitrag  zum  K'apitel  „Gewöhnung 
an  Unfallfolgen“.  (Ibidem  No.  22.) 

6  Fälle,  die  dem  alten  Erfahrungssatz  zur  Stütze  dienen,  dass 
gerade  dann  in  oft  ungeahnt  kurzer  Zeit  und  in  ganz  ausserordentlich 
vollkommener  Weise  eine  mehr  oder  weniger  volle  Anpassung  an 
ausgedehnte  Defekte  eintritt,  wenn  keine  Entschädigung  der  Ver¬ 
letzungsfolgen  in  Frage  kommt  oder  wenn  die  Verletzten  glauben, 
ihre  Rente  könne  nicht  mehr  herabgesetzt  werden. 

C.  Hirsch:  Ueber  Folgezustände  nach  Schädeltraumen  und 
ihren  Einfluss  auf  die  Rentenfestsetzung.  (Ohrenklinik  des  sta.lt 
Krankenhauses  in  Frankfurt  a.  M.)  (Ibidem  No.  23.) 

Schädelverletzte  werden  vom  Chirurgen  und  eventuell  später 
auch  vom  Neurologen  begutachtet,  ohne  dass  meistens  eine  spezia- 
listische  Ohrenuntersuchung  stattfindet,  obwohl  fast  bei  jeder  nennens 
werten  Schädelverletzung  das  so  überaus  empfindliche  Gehörorgan 
alteriert  wird.  Schon  der  erstbehandelnde  Arzt  müsste  wenigstens 
eine  Spiegeluntersuchung  des  Ohres  vornehmen,  das  Gehör  mittels 
Flüstersprache  prüfen  und  an  den  Augen  etwa  vorhandenen  Spontan¬ 
nystagmus  feststellen;  damit  wäre  für  den  später  begutachtenden 
Otologen  schon  eine  grosse  Vereinfachung  und  Erleichterung  seiner 
Arbeit  gegeben,  den  Versicherten  und  Versicherungsträgern  aber  ein 
bedeutender  Dienst  geleistet.  Wie  mannigfach  und  wichtig  die  oto- 
logischen  Unfallfolgen,  die  einer  grossen  Anzahl  von  Aerzten  noch 
fremd  zu  sein  scheinen,  sind,  wird  an  mehreren  Fällen  illustriert. 

E.  B  1  o  c  h  -  Kattowitz :  Traumatische  Neurose  ohne  Renten¬ 
anspruch.  (Ibidem  No.  24.) 

5  Fälle,  in  denen  allen  der  Gedanke  an  Unfallrente  gar  nicht  erst 
aufgetaucht  ist  resp.  bald  zurückgedrängt  wurde  und  die  doch  Schul¬ 
fälle  der  als  traumatische  Neurose  bezeichneten  Krankheit  darstellen 
und  die  zweitens  ganz  oder  wenigstens  teilweise  arbeitsunfähig  ge¬ 
worden  sind,  die  also  den  Vorschlag  der  Nichtentschädigung  der  trau¬ 
matischen  Neurose  als  einer  nur  durch  das  Versicherungsgesetz 
zustande  gekommenen  Krankheit  unhaltbar  erscheinen  lassen. 

W.  Gilbert-  München :  Die  Behandlung  der  Kalkverletzung 
des  Auges.  (Zeitschr.  f.  Versicherungsmed.  1912,  No.  8.) 

Die  Gefahren,  die  einem  durch  Kalk  verätzten  Sehorgan  drohen, 
bestehen  vornehmlich  in 

1.  den  Folgen  einer  ausgedehnten  Verätzung  bzw.  Verbrennung 
der  Bindehaut:  Verwachsungen,  Symblepharon; 

2.  primären  Verätzungen  der  Kornea:  Kalkinkrustation; 

3.  sekundären  trophischen  Erkrankungen  der  Kornea  nach  zir¬ 
kulärer  Verätzung  der  Conjunctiva  bulbi:  Hornhautgeschwüre  und 
Perforation. 

Die  erste  Hilfe  bei  jeder  Kalkverätzung  hat  die  Aufgabe  zu  er¬ 
füllen,  die  teils  frei  im  Bindehautsack  befindlichen,  teils  oberflächlich 
dem  Gewebe  anhaftenden  Kalkpartikelchen  durch  Spülung  und  even¬ 
tuell  vorsichtiges  Abschaben  mit  Fremdkörpernadel  oder  Daviel- 
schem  Löffel,  an  der  Hornhaut  mit  ölgetränktem  Spitztupfer  zu  ent¬ 
fernen;  zur  Spülung  benützt  man,  da  der  Kalk  durch  Wasserauinahnie 
aus  dem  Bindehautsack  schon  gelöscht  ist,  am  zweckmässigsten  kal¬ 
tes  Wasser;  Zuckerlösung  ist  zu  verwerfen.  Kleine  oberflächliche 
Läsionen  des  Bindehautepithels  pflegen  binnen  weniger  Tage  unter 
feuchten  Verbänden  zu  heilen;  bei  ausgedehnteren  und  tiefergreifen¬ 
den  Verätzungen  ist  restitutio  ad  integrum  kaum  zu  erwarten. 

Die  Hauptaufgabe  der  Therapie  bleibt  daher  nach  der  ersten 
Hilfeleistung  die  Aufhellung  der  Kalkinkrustationen  der  Hornhaut 
durch  Lösung  der  Kalktrübungen  mit  Ammoniumsalzen,  ein  Verfahren, 
das  heute,  ein  Jahrzehnt  nach  dem  Bekanntwerden  der  ersten  dies¬ 
bezüglichen  Versuche  G  u  i  1 1  e  r  y  s,  immer  noch  nicht  Gemeingut 
aller  Aerzte  geworden  ist.  Die  Einwirkung  der  Ammoniumsalze  ge¬ 
schieht  in  Form  von  Augenbädern  mit  Ammon,  tartaric.  (bis  zu 
10  Proz.)  oder  mit  Ammoniumchlorid  (in  gleicher  Konzentration  und 
mit  Zusatz  von  0,01 — 0,02  Weinsäure),  2 — 3  mal  täglich  für  je  X>  bis 
%  Stunde;  für  die  Nacht  wird  eine  5 — 10 proz.  Ammonium-tartarlcum 
Salbe  in  den  Bindehautsack  eingestrichen  und  dann  ein  feuchter  Ver¬ 
band  angelegt. 

Diese  Therapie  vermag  manchem  schwer  verätzten  Auge,  das 
vor  Einführung  der  chemischen  Lösungsmittel  für  den  Sehakt  nahezu 
oder  ganz  verloren  gewesen  wäre,  einen  brauchbaren  Teil  des  Seh¬ 
vermögens  zu  erhalten. 

W.  Becker:  Ueber  traumatische  Neurosen.  (Ibidem  No.  H 

und  12.) 

Die  bekannten  Tatsachen  über  Begriffsbestimmung,  Prädispo¬ 
sition,  Symptome,  Prognose,  Therapie,  Entschädigungsfrage  bilden 
die  eine  Hälfte  der  Arbeit,  woran  sich  eine  statistisch-klinische  Ver¬ 
arbeitung  der  unter  ca.  4000  gemeldeten  Unfällen  sich  befindenden 
58  traumatischen  Neurosen  aus  den  Akten  einer  landwirtschaftlichen 
Berufsgenossenschaft  anschliesst. 

A.  H  o  f  f  m  a  n  n :  Herz-  und  Gefässkrankheiten  und  Unfall. 
(Med.  Klinik  in  Düsseldorf.)  (Med.  Klinik  1912,  No.  39.) 

Zusammenfassender  Artikel  über  die  Frage,  auf  welche  Weise 
ein  Unfall  die  Kreislauforgane  schädigen  kann  (direkte  umschriebene 
Gewalteinwirkung  auf  den  Thorax,  allgemeine  Erschütterungen,  ein¬ 
malige  heftige  Muskelanstrengungen,  plötzlicher  heftiger  Schrecken 


377 


18.  Februar  1913.  MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


oder  sonstige  psychische  Aufregung)  und  über  die  Berechtigung,  bei 
vorliegender  Herzerkrankung  eine  Schädigung  durch  Unfall  anzu- 
uehmen;  auch  die  Verschlimmerung  eines  Herzleidens  durch  Unfall 
und  die  Entstehung  der  Aneurysmen,  bei  welchen  man  stets  durch  die 
Wasser  m  ann  sehe  Reaktion  Lues  nachweisen  kann,  sowie  die 
Entstehung  von  Arteriosklerose  durch  Unfall  wird  kurz  behandelt; 
Jie  Symptome  bei  Kreislaufstörungen  nach  Unfall  werden  besprochen 
und  mehrere  Fälle  von  Herzkrankheiten  nach  allgemeiner  Körper¬ 
erschütterung,  sowie  ein  autoptisch  sichergestellter  Fall  von  Ruptur 
des  Herzmuskels  und  des  vorderen  Aortensegels  nach  einmaliger 
Muskelans_trengung  mitgeteilt. 

A.  Bli  m-  Wien:  Die  „funktionelle“  Behandlung  von  Knochen- 
briiehen.  (Ibidem.) 

Funktionelle  Behandlung  der  Knochenbrüche  ist  das  Bestreben, 
anatomische  und  physiologische  Wiederherstellung  gleichzeitig  her¬ 
beizuführen.  Erstere  wird  erreicht  durch  präzise  Fragmentadaption 
und  Retention,  zumeist  durch  zeitweilige  Ruhigstellung,  letztere  durch 
frühzeitige  Mobilisierung;  die  Vereinigung  dieser  Gegensätze  gelingt 
im  Wege  geeigneter  Verbandmethoden  und  häufigen  Verband¬ 
wechsels,  durch  streng  individualisierende,  stetige  und  zielbewusste 
Beobachtung  und  Behandlung  nicht  nur  der  verletzten  Teile,  sondern 
auch  der  unverletzten  Nachbargebilde.  Dies  wird  im  einzelnen  weiter 
ausgeführt  und  als  Beispiele  für  die  Konsequenzen  aus  den  auf¬ 
gestellten  Prinzipien  der  funktionellen  Therapie  betont,  dass  es  ebenso 
unrichtig  ist,  wenn  gesunde  Finger  dadurch  versteifen,  dass  sie  in 
einen  Verband  miteinbezogen  werden,  der  für  den  frakturierten  Fin¬ 
gerteil  zu  umfangreich  war  und  zu  lange  liegen  blieb,  wie  wenn,  um 
eine  geringe  Dislokation  ad  longitudinem  von  Femurfragmenten  zu  be¬ 
kämpfen,  die  Extension  so  lange  und  so  intensiv  betrieben  wird,  dass 
die  Kniegelenksbänder  elongiert  und  die  Tragfähigkeit  des  Knie¬ 
gelenks  hierdurch  gefährdet  wird. 

P.  Schuster:  Welche  Vorsichtsmassregeln  sind  bei  der  Unter¬ 
suchung  des  Nervensystems  Unfallverletzter  zu  beobachten?  (Ibi¬ 
dem  No.  42.) 

Als  allgemeine  Grundsätze  sind  zu  beachten:  Orientierung  über 
die  Anamnese  schon  vor  der  Untersuchung  (Aktenstudium),  unvor¬ 
eingenommenes  Verhalten  dem  zu  Untersuchenden  gegenüber,  Ver¬ 
meidung  unvorsichtiger  oder  falsch  aufzufassender  Bemerkungen, 
Unterlassung  schmerzender  Untersuchungsmethoden,  Ausführung 
aller  einzelnen  Untersuchungen  und  Prüfungen  möglichst  in  der 
Weise,  dass  der  Explorand  nicht  weiss,  worauf  es  dem  Unter¬ 
sucher  ankommt. 

Im  speziellen  werden  die  Methoden  der  Untersuchung  der  motori¬ 
schen  Leistungsfähigkeit,  des  R  o  m  b  e  rg  sehen  Phänomens  und  der 
sensiblen  und  sensorischen  Funktionen  nach  dem  Prinzip  der  Ab¬ 
lenkung  der  Aufmerksamkeit  geschildert,  wobei  manche  neuen  De¬ 
tails  mitgeteilt  werden. 

Als  dritter  Punkt  gelangt  die  epikritische  Bewertung  des  Unter¬ 
suchungsbefundes  zur  Sprache,  wobei  man  in  der  Deutung  etwaiger 
Widerspiirche  in  demselben  sehr  vorsichtig  sein  muss,  da  solche  ofr 
auch  bei  ganz  unverdächtigen  Hysterikern  sich  finden. 

K.  B  i  e  h  1  -  Wien:  Ueber  Hörprüfung  und  ihre  Verwertung  in  der 
amts-  und  zivilärztlichen  Praxis.  (Ibidem.) 

Alle  Methoden,  welche  zur  Aufdeckung  angeblicher  ein-  oder 
doppelseitiger  Schwerhörigkeit  angegeben  sind,  sind  in  der  Hand 
eines  unerfahrenen  Arztes  wertlos,  wenn  nicht  gar  gefährlich;  der 
Erfahrene  Arzt  andererseits  gebraucht  sie  kaum. 

Bei  der  Vornahme  der  Hörprüfung  ist  vor  allem  das  Hören  für 
die  Sprache  einer  näheren  Prüfung  und  Feststellung  zu  unterziehen 
(Flüstersprache).  Zur  Beurteilung  des  Grades  der  Hörstörung  und 
des  Sitzes  derselben  sind  noch  weitere  Hilfsmittel  nötig:  Unter¬ 
suchung  auf  Hören  des  Tickens  der  Taschenuhr  und  Stimmgabel¬ 
prüfung. 

Im  Speziellen  sind  vorzunehmen:  der  Weber  sehe  Versuch,  der 
Rinnesche  Versuch,  die  Prüfung  der  Wahrnehmung  hoher  Töne 
mittels  des  Galtonpfeifchens  oder  besser  des  Monochords,  sowie  die 
vergleichende  Untersuchung  der  Hörschärfe  durch  hohe  und  tiefe 

Stimmgabeln. 

G  r  a  e  s  s  n  e  r  -  Köln :  Der  röntgenologische  Nachweis  von  Ver¬ 
letzungen  der  Wirbelsäule.  (Ibidem.) 

Bei  der  Begutachtung  von  Verletzungen  der  Wirbelsäule  spielt 
die  Röntgenuntersuchung  eine  Hauptrolle,  nicht  so  sehr  bei  schweren 
Schädigungen,  wo  nur  der  klinische  Befund  bestätigt  zu  werden 
braucht,  als  bei  solchen  Fällen,  bei  denen  nach  einer  verhältnismässig 
geringfügigen  Gewalteinwirkung  andauernde  Beschwerden  in  der 
Wirbelsäule,  namentlich  Schmerzen  im  Kreuz,  geltend  gemacht  wer¬ 
den,  für  die  klinisch  keine  objektiv  nachweisbaren  Veränderungen 
nachgewiesen  werden  können.  Zu  einer  einwandfreien  Beurteilung 
sind  aber  gut  gelungene,  d.  h.  scharfe  und  womöglich  auch  kontrast¬ 
reiche  Bilder  erforderlich.  Die  Erzielung  solcher  ist  oft  schwierig, 
manchmal  unmöglich;  bei  nicht  einwandfrei  gelungenen  Bildern  ist 
deshajb  stets  darauf  hinzuweisen,  dass  das  vorliegende  Bild  zwar 
Veränderungen  nicht  erkennen  lasse,  dass  aber  trotzdem  solche  vor¬ 
liegen  können.  Nicht  selten  werden  über  anderen  auffälligen  Ver¬ 
letzungen  Wirbelbeschädigungen  anfangs  übersehen  und  nicht  be¬ 
handelt,  bis  erst  das  Röntgenbild  dieselben  zeigt. 

Besondere  Schwierigkeiten  bietet  die  röntgenologische  Beur¬ 
teilung  der  Verhältnisse  am  5.  Lendenwirbel,  zumal  da  Abnormitäten 
m  der  Verbindung  zwischen  ihm  und  dem  Kreuzbein  mannigfach  sind. 


Auch  an  den  übrigen  Wirbeln  kommen  Abnormitäten  vor,  die  zu 
Irrtümern  Anlass  geben  können. 

Die  Mehrzahl  der  Wirbelverletzungen  bilden  die  Kompressionen 
der  Wirbelkörper:  dann  kommen  die  Verletzungen  der  Inter  vertebral¬ 
scheiben,  die  Frakturen  der  Proc.  spinosi,  Frakturen  der  Querfort¬ 
sätze  (isoliert  meist  nur  au  den  Lendenwirbeln  vorkommend),  die 
(seltenen)  isolierten  Frakturen  der  Wirbelbögen  (cave:  Deutung  des 
gar  nicht  so  seltenen  Offenbleibens  des  Bogens  des  ersten  Sakral¬ 
wirbels  als  Bruches!),  die  Verletzungen  der  Gelenkverbindungen, 
deren  Darstellung  und  Beurteilung  ebenfalls  schwierig  ist.  Zinn 
Schlüsse  wird  der  röntgenologische  Nachweis  der  Veränderungen 
bei  der  fortschreitenden  Wirbelsäulenversteifung,  deren  beide  Formen, 
die  Spondylarthritis  ankylopoetica  und  die  Spondylitis  deformans, 
häufig  mit  einem  Trauma  in  Zusammenhang  gebracht  werden,  be¬ 
sprochen. 

Rumpf-Bonn:  Zur  Begutachtung  und  Behandlung  der  trau¬ 
matischen  Herz-  und  Gefässerkrankungen.  (Ibidem  No.  45.) 

Bei  der  Begutachtung  ist  es,  abgesehen  von  einer  genauen  Kennt¬ 
nis  der  gesamten  Pathologie  und  dem  Studium  der  augenblicklich  vor¬ 
liegenden  Erscheinungen  auch  nötig,  dem  ganzen  Leben  des  zu  Be¬ 
urteilenden  mit  allen  guten  und  schädigenden  Einwirkungen,  soweit 
als  möglich,  zurück  bis  zu  den  Erzeugern  nachzugehen,  die  bei  dem 
Unfallereignis  eingetretenen  Aenderungen  an  der  Hand  eigener  und 
anderweitiger  ärztlicher  Beobachtung  zu  prüfen  und  dann  in  ihrem 
weiteren  Verlaufe  bis  zu  dem  augenblicklichen  Befunde  zu  verfolgen. 
Nur  so  ist  es  möglich,  die  wichtigen  Fragen  zu  beantworten: 

1)  Welche  Momente  haben  schon  früher  einen  ungünstigen  Ein¬ 
fluss  auf  das  Herz  ausgeübt? 

2)  Haben  ungünstige  Momente  zu  offenkundigen  oder  mit  Wahr¬ 
scheinlichkeit  anzunehmenden  Erscheinungen  geführt? 

3)  Welcher  Einfluss  auf  die  vorhandene  Störung  muss  dem  Unfall 
als  auslösende  Bedingung  zugeschrieben  werden? 

Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  werden  die  Herzaffektionen,  die 
Arteriosklerose,  das  Aortenaneurysma,  die  nervösen  Störungen  nacii 
Unfällen  behandelt. 

Hinsichtlich  der  Therapie  spielt  die  körperliche  und  seelische 
Ruhe  und  Beruhigung  des  Kranken  eine  grosse  Rolle. 

L.  F  e  i  1  c  h  e  n  f  e  1  d  -  Berlin :  Feststellung  der  Unfalltatsache 
durch  die  Obduktion  bei  Erkrankungen  der  Gefässe.  (Ibidem  No.  46.) 

Unter  Zugrundelegung  des  Befundes  bei  18  Fällen  von  Gefäss¬ 
erkrankungen,  die  in  3  Gruppen,  Erkrankungen  der  Hirngefässe,  der 
Herzgefässe  und  der  grossen  Schlagader,  eingeteilt  werden,  kommt 
Verf.  zu  folgenden  Leitsätzen: 

1.  Die  Obduktion  ist  bei  -jedem  gegen  Unfall  Versicherten  er¬ 
forderlich,  sobald  ein  Zusammenhang  des  Todes  mit  einem  Unfall 
in  Frage  kommt. 

2.  Die  Obduktion  muss  stets  von  einem  pathologischen  Ana¬ 
tomen  oder  pathologisch-anatomisch  geschulten  Obduzenten  ausge- 
führt  werden. 

3.  Der  Obduzent  muss  vor  der  Vornahme  der  Obduktion  ge¬ 
naue  Kenntnis  von  dem  stattgefundenen  Unfallereignis  und  von  den 
beobachteten  oder  behaupteten  Verletzungen  haben. 

0.  S  c  h  e  1 1  o  n  g  -  Königsberg:  Einiges  über  Albuminurie,  Puls¬ 
frequenz,  Kniereflex,  vasomotorisches  Nachröten,  Augen-,  Zungen-, 
Händezittern,  MacBurney  sehen  und  Erb  sehen  Druckpunkt, 
Masodynie,  Ovarie:  nach  Untersuchungen  an  Gesunden.  (Ibidem.) 

Die  Untersuchungen,  die  an  einer  grossen  Zahl  männlicher  und 
weiblicher  Bewerber  für  den  Post-  und  Telegraphendienst  angestellt 
wurden,  sind  sowohl  für  die  Unfall-  wie  für  die  Lebensversicherung 
von  Bedeutung.  Das  Ergebnis  ist,  dass  Albuminurien  bei  gesunden 
Personen  zu  den  Ausnahmen  gehören;  ebenso  ist  dies  der  Fall  bei 
dem  MacBurney  sehen  und  E  r  b  sehen  Druckpunkt,  bei  Ovarie 
und  Mastodynie.  Dagegen  fanden  sich  erhöhte  Kniereflexe,  Pulsbe¬ 
schleunigung  und  die  anderen  „nervösen“  Symptome  in  einem  auf¬ 
fallend  hohen  Prozentsatz  aller  untersuchten,  also  vollkommen  ge¬ 
sunden  Personen. 

Wenn  nun  aber  Verf.  in  Bezug  auf  dieses  letztere  Faktum  sagt, 
dass  man  deshalb  in  diesen  Erscheinungen,  wenn  sie  bei  nervösen 
Menschen  konstatiert  werden,  keineswegs  den  objektiven  Ausdruck 
einer  funktionellen  Nervenerkrankung  erblicken  kann,  und  dass  es 
bedenklich  erscheint,  auf  diese  Symptome  hin  eine  so  schwerwiegende 
Krankheitsdiagnose  zu  gründen,  so  ist  dies  zu  weit  gegangen  oder 
wenigstens  zu  Missverständnissen  Anlass  gebend.  Denn  die  Dia¬ 
gnose:  Neurasthenie,  traumatische  Neurose  etc.  gründet  sich  nicht 
ausschliesslich  auf  die  obengenannten  Symptome,  sondern  muss  auch 
den  Gesamteindruck  in  körperlicher  und  seelischer  Hinsicht  in  Be¬ 
rücksichtigung  ziehen;  im  Verein  damit  können  aber  die  erwähnten 
Erscheinungen  wohl  die  Diagnose  der  funktionellen  Nervenaffektion 
objektiv  stützen,  resp.  begründen  helfen.  Im  übrigen  ist  bei  der 
Bewertung  der  Symptome  auch  nie  das  Vorhandensein  eines  oder  des 
anderen  derselben  allein  von  grosser  Bedeutung,  sondern  das  gleich¬ 
zeitige  Bestehen  mehrerer  oder  gar  aller.  Der  Verf.  würde  sich 
deshalb  ein  Verdienst  erwerben,  wenn  er  seine  Untersuchungen 
dahin  ergänzen  würde,  festzustellen,  wieviele  der  genannten  Phäno¬ 
mene  jeweilig  gleichzeitig  bei  den  einzelnen  Individuen  vorhanden 
waren. 

Bezüglich  des  vasomotorischen  Nachrötens  ist  die  Intensität  des¬ 
selben  doch  nicht  so  ganz  indifferent,  da  es  wohl  ,  ein  Unterschied 
ist,  ob  die  Rötung,  nach  strichförmiger  Reizung  z.  B.,  sich  als  Linie 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


378 


oder  als  breite  Fläche  oder  gar  als  urtikariaähnliche  Erhebung  über 
das  Hautniveau  dokumentiert. 

P.  E  w  a  1  d  -  Hamburg :  Die  Ursache  der  traumatischen  Muskel¬ 
verknöcherung.  (Zeitschr.  f.  ärztliche  Fortbildung  1912,  No.  20.) 

Die  beiden  Theorien  der  Myositis  ossific.  träum.,  die  Bildung 
der  Knochensubstanz  aus  dem  abgerissenen  Periost  einerseits,  aus 
dem  Bindegewebe  andererseits,  haben  jede  verschiedene  Bedenken 
gegen  sich,  weshalb  nach  E.  ein  weiterer  Faktor,  der  zum  Trauma  und 
durch  dasselbe  hinzukommen  muss,  um  die  Verknöcherung  herbeizu¬ 
führen,  zu  suchen  ist.  Dieser  Faktor  ist,  da  alle  Fälle  von  trau¬ 
matischer  Myositis  ossif.  —  abgesehen  von  denen  in  den  Adduktoren 
des  Oberschenkels,  die  mehr  durch  ein  chronisches  Trauma  ent¬ 
stehen  sollen  —  mit  Gelenkverletzungen  in  Zusammenhang  zu  bringen 
sind,  die  Gelenkflüssigkeit.  Zur  Begründung  werden  mehrere 
Fälle,  sowie  der  Röntgenbefund  im  Frühstadium  (wolkige  Schatten 
in  der  Nähe  des  Gelenkes)  angeführt.  Mit  der  Annahme  der  Gelenk- 
fliissigkeit  als  des  mitwirkenden  Momentes  wäre  die  vom  Skelett 
isolierte  Lage  der  Verknöcherung,  wären  die  bizarren  Formen  und 
dsa  Aussehen  der  Oberfläche  derselben,  sowie  die  als  Produkt  eines 
abgerissenen  Periostfetzens  viel  zu  grossen  Längen-  und  Breiten¬ 
masse  erklärt  und  wäre  die  Verlegenheitsannahme  einer  Disposition 
beseitigt;  es  würden  auch  die  Rezidive  nach  zu  frühzeitigen  Opera¬ 
tionen  erklärt:  die  Synovia  wird  durch  den  Eingriff  von  neuem  in  die 
Umgebung  versprengt,  weniger  von  der  Gelenkhöhle  her  als  aus  den 
Zwischenräumen  und  Höhlen  der  Geschwulst  selber;  endlich  er¬ 
führe  auch  die  Tatsache,  dass  durch  frühzeitige  Massage  und  Be¬ 
wegungen  die  Ossifikation  verschlimmert  wird,  ihre  Erläuterung:  die 
Gelenkflülligkeit  wird  durch  die  Manipulationen  in  die  Umgebung  ge¬ 
bracht. 

J  a  n  z  -  Thorn  :  Die  Ursache  der  traumatischen  Muskelverknöche¬ 
rung.  (Ibidem  No.  24.) 

J.  glaubt,  dass  die  militärärztliche  Erfahrung  der  Ewald  sehen 
Theorie  nicht  Recht  geben  könne,  da  die  zahlreichen  Fälle  von  Myo¬ 
sitis  ossif.  des  linken  Oberarmes  durch  Stoss  mit  dem  Fechtgewehr 
(„Bajonettierknochen“)  und  von  Verknöcherung  des  Quadrizeps 
femoris  infolge  von  Hufschlag  beweisen,  dass  der  Austritt  von  Sy¬ 
novia  nichts  damit  zu  tun  habe,  da  der  Ort  der  Vetletzung  weit 
genug  von  den  Gelenken  entfernt  sei,  um  eine  Mitverletzung  der 
letzteren  auszuschliessen. 

Ewald-  Hamburg :  Erwiderung.  (Ibidem.) 

E.  erwidert  hierauf,  dass  er  die  rein  periostale  Entstehung  von 
Knochenbildung  nach  Trauma  keineswegs  leuene,  seine  Theorie  be¬ 
ziehe  sich  auf  die  schwierig  zu  erklärenden  Fälle,  wo  in  der  Nähe 
eines  Gelenkes  und  zunächst  ohne  Zusammenhang  mit  dem  Knochen 
exzessive  Ossifikationen  in  den  Weichteilen  auftreten,  die  bezüglich 
Lage  und  Ausdehnung  im  Breiten-  und  Dickendurchmesser,  Bau  und 
Rückbildung  unmöglich  periostalen  Ursprunges  sein  können. 

B)  Invaliditätsversicherung. 

S  c  h  ii  1  e  -  Freiburg  i.  B. :  Ueber  die  „unklaren“  Begutachtungs- 
fälle.  (Aerztliche  Sachverständigenzeitung  1912,  No.  22.) 

Es  gibt  Fälle,  in  denen  die  objektiv  nachweisbaren  Organver¬ 
änderungen  nicht  sehr  ausgesprochen  sind  und  die  zur  Begründung 
der  Invalidität  notwendigen  662/3  Proz.  Arbeitsminderung  nicht  er¬ 
reichen,  trotzdem  aber  die  Angaben  des  Antragstellers,  derartige  Be¬ 
schwerden  zu  empfinden,  dssa  es  ihm  nicht  möglich  sei,  zu  arbeiten, 
Glauben  verdienen;  denn  bei  Krankheiten,  wie  Migräne,  Ischias,  Neur¬ 
algien,  chronische  Gelenkerkrankungen,  Rheumatismus  etc.,  können 
sehr  grosse,  zur  völligen  Arbeitsunfähigkeit  führende  Schmerzen  be¬ 
stehen,  für  die  wir  keine  objektiven  Symptome  besitzen;  man  ist  dabei 
ganz  auf  die  Angaben  des  Patienten  angewiesen.  Diese  zu  kon¬ 
trollieren,  sind  die  Angaben  seiner  Umgebung  das  einzige  Mittel. 
Ergeben  diese  die  Richtigkeit  der  vorgebrachten  Arbeitsunfähigkeit, 
so  ist  in  dem  Gutachten  zum  Ausdruck  zu  bringen,  dass  der  ob¬ 
jektive  Befund  unter  gewöhnlichen  Umständen  eine  Arbeitsminderung 
von  weniger  als  662U  Proz.  bedingen  würde;  wenn  aber  gerichts¬ 
seitig  festgestellt  werden  würde,  dass  der  Antragsteller  tatsächlich 
nichts  arbeitet,  weil  er  angeblich  dies  vor  Schmerzen  nicht  tun 
könne,  so  sei  ärztlicherseits  dazu  zu  bemerken,  dass  ausnahmsweise 
so  heftige  Schmerzen  doch  bei  der  vorliegenden  Krankheit  auftreten 
können  und  dass  der  Gegenbeweis  nicht  erbracht  werden  könne;  es 
sei  die  Rente  deshalb  zuzubilligen,  wenn  zuverlässig  Zeugen  über¬ 
einstimmend  feststellen,  dass  der  Antragsteller  trotz  aller  Versuche 
nicht  imstande  war,  dauernd  eine  annehmbare  Arbeit  zu  leisten. 

C)  Lebensversicherung. 

F  I  e  s  c  h  -  Wien :  Ein  Reformvorschlag.  (Zeitschrift  für  Ver¬ 
sicherungsmedizin  1912,  No.  104.) 

F.  schlägt  vor.  weil  der  erkrankte  Versicherte  sich  selbst  über¬ 
lassen,  nicht  immer  für  tunlichste  Verlängerung  seiner  Lebensdauer 
sorge,  dass  die  Lebensversicherungsgesellschaft  ihm  im  Falle  einer 
Erkrankung  einen  „erstklassigen“  Vertrauensspezialarzt  beistelle,  der 
ihr  nach  der  Konsultation  Bericht  erstatten  und  den  Patienten  u.  a. 
auch  vor  einem  angeratenen  Eingriff  wegen  dessen  hoher  Mortalität 
zugunsten  konservativer  Behandlung  warnen  soll.  Diese  Einschie¬ 
bung  einer  Zwischeninstanz  zwischen  behandelndem  Arzt  und  Pa¬ 
tienten,  der  übrigens  heutzutage  fast  immer,  namentlich  wenn  er  so 
situiert  ist,  dass  er  sein  Leben  versichert  hat,  selbst  vor  gering¬ 
fügigen  Operationen  sich  erst  noch  bei  zwei  und  mehr  Aerzten  Rat 


erholt,  ist  absolut  nicht  im  Interesse  des  Kranken  und  wird  wohl 
auch  von  den  Gesellschaften  des  Kostenpunktes  halber  abgelehnt 
werden;  im  übrigen  ist  nicht  anzunehmen,  dass  der  Versicherte  sich 
in  Zweifelsfällen  nach  dem  Votum  des  Vertrauensspezialarztes,  auch 
wenn  derselbe  allererstklassig  ist,  richten  wird,  da  der  Patient, 
manchmal  vielleicht  mit  Recht,  annehmen  wird,  dass  dessen  Gut¬ 
achten,  als  zu  sehr  von  dem  Interesse  der  Gesellschaft  beeinflusst, 
nicht  zugleich  auch  seine,  des  Patienten,  Interessen  und  Willensab¬ 
sichten  trifft.  Oder  glaubt  Verfasser,  dass  in  seinem  Beispiel  von 
dem  an  gastrischen  Krisen  Leidenden,  der  sich  sagt:  Lieber  die 
(übrigens  gar  nicht  so  grosse)  Mortalitätsgefahr  der  Förster- 
schen  Operation  (die  doch  mindestens  ebenso,  wenn  nicht  weniger 
ungefährlich  ist  wie  die  „relative  Sicherheit“  der  Exstirpation  des 
Ganglion  Gasseri,  die  anzuraten,  in  einem  anderen  Beispiel  deshalb 
nützlich  erscheint,  um  den  Patienten  mit  schwerer  Trigeminusneuralgie 
vor  Selbstmord  zu  bewahren)  in  den  Kauf  nehmen,  als  der  Ver¬ 
sicherungsgesellschaft,  und  nur  dieser,  zuliebe  10  volle  Jahre  „kon¬ 
servativ“  wahnsinnige  Schmerzen  ertragen!  —  glaubt  Verf.,  dass 
dieser  Tabeskranke  von  seinem  einmal  festgefassten  Entschluss,  über 
dessen  Tragweite  ihn  der  behandelte  Arzt  doch  auch  aufgeklärt  hat 
(gibt  es  doch  Neuralgiker,  die  um  die  Operation  förmlich  betteln!), 
durch  einen  erstklassigen  Spezialvertrauensarzt  sich  zurückhalten 
lässt,  damit  die  Gesellschaft  weniger  Geld  verliert?  Vielleicht  finden 
sich  zu  alledem  gar  keine  Aerzte,  die  einen  solchen  erstklassigen 
Spezial  Vertrauensarztposten  übernehmen! 

Etwas  anderes  ist  es  mit  den  anderen  Vorschlägen  (Gewährung 
eines  die  Belehnungsgrenze  übersteigenden  Darlehens  oder  einmaligen 
Betrages  in  Krankheitsfällen),  deren  nähere  Durchführung  aber  auch 
nicht  präzisiert  wird. 

L.  F  e  i  1  c  h  e  n  f  e  1  d  -  Berlin  :  Bemerkung  zu  deni  Artikel:  „Ein 
Reformvorschlag“  von  Dr.  Jul.  Flesch.  (Ibidem  No.  11.) 

Ablehnung  aller  gemachten  Vorschläge  aus  rein  versicherungs¬ 
technischen  Erwägungen. 

J.  Flesch -Wien:  Die  Verwertung  diagnostischer  Fortschritte 
in  versicherungsärztlicher  Hinsicht.  (Med.  Klinik  1912,  No.  40.) 

Revue  über  eine  Reihe  moderner  diagnostischer  Methoden 
(Rekto-,  Romanoskopie,  Blutuntersuchung  bei  Polyzythaemia  vera, 
Röntgenographie  der  Bauch-  und  Brustorgane,  Wassermann  sehe 
Untersuchung,  Abderhalden  sehe  Schwangerschaftsdiagnose,  ali¬ 
mentäre  Galaktosurie,  alimentäre  Aminosäureausscheidung,  Bu¬ 
ten  k  o  sehe  Reaktion  zur  Feststellung  der  progressiven  Paralyse 
u.  a.),  die  von  der  Lebensversicherungsmedizin  berücksichtigt  wer¬ 
den  sollen,  grösstenteils  aber  für  den  Vertrauensarzt  zu  schwierig 
oder  zu  umständlich  oder  an  und  für  sich  überflüssig  sein  werden. 
Von  Wert  sind  diagnostische  Winke,  wie:  bei  präklimakterischer 
Amenorrhoe  an  Hypophysiserkrankung  zu  denken;  bei  Kürschnern  und 
Pelzarbeitern  auf  die  bei  diesen  häufig  vorkommenden  emphysema¬ 
tosen  Bronchialkatarrhe  und  Bronchialasthmaerkrankungen  infolge  In¬ 
halation  feinster  Härchen  zu  achten;  Betonung  der  in  vielen  Fällen 
nicht  ins  Gewicht  fallenden  Harmlosigkeit  leichter  Enophthalmie: 
Warnung  vor  Verwechslung  von  Pentosurie  mit  Diabetes  mellitus 
(Orceinprobe!). 

J.  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Wassermannreaktion  und 
Lebensversicherung.  (Blätter  für  Vertrauensärzte  der  Lebensver¬ 
sicherung  1912,  H.  5.) 

Eine  prinzipielle  Einführung  dieser  Methode  in  die  Praxis  der 
Versicheruugstnedizin  erscheint  zunächst  nicht  angezeigt,  da  weder 
positive  Reaktion  identisch  ist  mit  positiver  Lues  noch  negative  Re¬ 
aktion  die  letztere  mit  Sicherheit  ausschliesst. 

M.  S  c  h  w  a  b  -  Berlin-Wilmersdorf. 

Inauguraldissertationen. *) 

An  der  Universitäts-Hautklinik  zu  Strassburg  hat  Alfred 
Lubenau  Untersuchungen  über  die  therapeutische  An¬ 
wendung  des  Salvarsans  bei  nicht  syphilitischen 
Erkrankungen  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Hauterkrankungen  angestellt.  (Strassburg  1912,  42  S., 
Els.-Lothr.  Buchdr.).  Es  handelte  sich  um  je  einen  Fall  von  Pem¬ 
phigus  vegetans,  Verrucae  planae  juveniles,  Mycosis  fungoides,  tor¬ 
pidem  ekthymaähnlichem  Geschwür,  Pemphigus  malignus,  Derma¬ 
titis  herpetiformis  Du'nring,  Leukaemia  cutis.  Im  Nachtrag  wird  noch 
über  einen  Fall  von  Lichen  circumscriptus  bullosus  berichtet,  bei  dem 
völlige  Heilung  unter  Salvarsananwendung  eintrat.  Weiter  handelt 
es  sich  noch  um  je  2  Fälle  von  Lichen  ruber  planus,  Lichen  ruber 
simpl.  chron.  Bei  Psoriasis  ist  von  der  Salvarsananwendung  nichts 
zu  erhoffen.  Grosse  Erfolge  sind  auch  bei  den  meisten  Pemphigus- 
arten  nicht  zu  erwarten,  in  Hinsicht  auf  die  trübe  Prognose  dieser 
Affektion  ist  aber  ein  Versuch  mit  Salvarsan  gerechtfertigt.  Bei 
Pemphigus  vegetans  ist  zu  einem  Versuch  dringend  zu  raten.  Er¬ 
folge  bei  Leukaemia  cutis  rechtfertigen  die  Anwendung  des  Mittels. 
Bei  sehr  zahlreichen  Verrucae  planae  juveniles,  bei  hartnäckigem 
Lichen  ruber  planus,  bei  Lichen  chronicus  Vidal  käme  Salvarsan  in 
Betracht. 

Arno  Lin  de  mann  teilt  in  einer  Jenenser  Dissertation  einen 
Fall  von  Pemphigus  mit,  der  durch  intravenöse  Sal- 

J)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


18.  Februar  1913. 


MUENCHKNKK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


379 


varsaninfusion  Re  heilt  wurde.  Es  handelt  sich  um  ein 
22 jährisres  Mädchen,  welches  im  Laufe  von  2  Wochen  im  Ranzen 
1.5  r  Salvarsan  bekommen  hatte.  (Jena  1912,  23  S.  LeipziR-ßorna 
iei  Robert  N  o  s  k  e.)  Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Berlin.  Januar  1913. 

Mole  vs  Konstantin:  Ein  Fall  von  Muskelatrophie  nach  VerletzunR 
der  Art.  axillaris. 

sch  wc  ring  Karl  Anton:  Ueber  funktionelle  Prüfung  des  Herzens 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  von  M.  Katzenstein 
angegebenen  Methode. . 

W  e  s  t  p  h  a  1  Karl :  Zur  Therapie  lebensgefährlicher  Blutungen  beim 
Ulcus  ventriculi. 

Merzberg  Erich:  Ueber  die  Mobilisation  des  Schulter-  und  Ell¬ 
bogengelenkes  durch  Transplantation  von  Gelenkenden, 
lacobi  Rudolf:  Zur  Klinik  der  Myositis  ossificans  progressiva. 
Schumacher  Joseph:  Ueber  Thymusstenose  und  den  heutigen 
Stand  ihrer  Pathologie. 

\\  olostnich  Nicolaus:  Ueber  Trichterbrust. 

Wunderlich  Gottfried :  Zur  Kakuistik  des  primären  Magen¬ 
sarkoms. 

Grote  Heinrich:  Die  Technik  der  Trepanation. 

Universität  Breslau.  November  1912— Januar  1913. 

ßukolt  Anton:  Das  Auftreten  einer  Pupillendifferenz  bei  einseitigen 
Lungenerkrankungen. 

~  h  r  i  s  t  i  a  n  i  August:  Die  W  a  1  c  h  e  r  sehe  Hängelage. 
Juliusburger  Ernst:  Ueber  die  Beziehungen  der  multiplen  In¬ 
farzierung  der  Niere  zum  klinischen  Bild  des  Morbus  Brightii. 
Kotzulla  Otto  Heinrich:  Zur  Chirurgie  der  tiefen  Beckendrüsen. 
Kutznitzky  Erich:  Experimentelle  und  klinische  Beiträge  zur 
Frage  der  Hauftalgsekretion. 

Obst  Hugo:  Die  poliklinischen  Geburten  in  Beckenendlage  vom 
1.  IV.  1904  bis  31.  III.  1911. 

Patzek  Paul:  Ein  Fall  von  Pseudomyxombildung  nach  Appendizitis. 
Reim  Walter :  Die  Säureagglutination  der  Bakterien  und  ihre  Ver¬ 
wertung  in  der  Praxis. 

W  iewiorowski  Paul:  Das  Verhalten  der  Venenklappen  bei  der 
experimentellen  Umkehr  des  Blutstroms. 

Universität  München.  Januar  1913. 
tlaernmerle  Otto:  Ueber  Gelenkmäuse. 

Goldschmitt  Otto:  Ueber  Kombinationen  einiger  Lokal¬ 
anästhetika. 

Kerkovius  Rudolf:  Bericht  über  die  Krankenbewegungen  der 
Kgl.  medizinischen  Universitäts-Poliklinik  in  München  im  Jahre  1911. 
Abramowitsch  Heinrich :  Drei  Ponstumoren. 

Käsbohrer  Max:  Die  durch  die  Oberflächenapplikation  von 
Medikamenten  erzeugte  örtliche  Daueranästhesierung  chirur¬ 
gischer  Erkrankungsformen.  (Dargestellt  an  der  Hand  ihrer 
historischen  Entwicklung  unter  besonderer  Berücksichtigung  des 
neuen  Benzoesäureesters  Cycloform.) 

Voss  Gottfried:  Ueber  einen  Fall  von  doppelseitigem  Kolobom  am 
Sehnerveneintritt  mit  Mikrophthalmus  des  einen  Auges. 
Fesenmeyer  Franz :  Zur  Anwendung  des  Murphyknopfes  bei  der 
Gastroenterostomia  retrocolica  posterior. 

!'  r  an k  e  n  t  h  a  1  Ludwig:  Die  Tumoren  der  Niere  an  der  Kgl.  chirur¬ 
gischen  Universitätsklinik  seit  dem  Jahre  1902. 

Jerchel  Walter:  Inwieweit  wird  das  Medizinstudium  durch 
„Rotgrünblindheit“  beeinflusst? 

R  ii  t  h  Wilhelm:  Einige  Beiträge  zur  toxischen  Wirkung  des  Queck- 
silberoxyzyanids. 

Reiser  August:  Ueber  die  Varikozele  und  deren  operative  Be¬ 
handlung. 

Gei  nie  in  Friedrich:  Vergleichende  Versuche  mit  Antigeneu  ver¬ 
schiedener  Herkunft.  Ein  Beitrag  zur  Theorie  und  Praxis  der 
Wassermann  sehen  Reaktion. 

Risch  ne  r  Leopold:  Statistischer  Beitrag  zur  Tuberkulose  im 

Kindesalter. 

Reisland  Rudolf:  Zur  Kasuistik  der  otitischen  Hirnabszesse, 
e.  Miltner  Theodor:  Wiederholte  Tubenschwangerschaft, 
hssig  Karl:  Die  Ursachen  der  Menorrhagien. 

0  o  1  d  s  t  e  i  n  Margareta :  Zwei  Fälle  von  angeborener  Ptosis.  (Mit 

zwei  Abbildungen.) 

Universität  Würzburg.  Januar  1913. 

Gey  Clemens:  Beitrag  zur  Frage  der  Dauerheilung  des  Kollum- 
karzinoms  durch  die  Operation. 

Kees  Ottmar  Karl:  Ueber  Kehlkopfgeschwülste. 

I- u  i  g  Bruno:  Beiträge  zur  Schwefelkohlenstoff-  und  Benzolver¬ 
giftung  in  akuten  und  chronischen  Versuchen. 

Kurz  Ludwig:  Beiträge  zur  Komplikation  von  Tuberkulose  und 
Schwangerschaft. 

N  e  u  m  a  n  n  Kurt :  Parapneumonisches  Empyem. 

Gertel  Fritz:  Anämie  und  Eosinophilie  bei  Taenien. 

W o  1  f  Wilhelm:  Ueber  die  Einwirkung  des  Benzylchlorids  und 
Benzalchlorids  auf  den  tierischen  Organismus. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

VIII.  Sitzung  vom  23.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Tagesordnung. 

Herr  Riebold:  Erklärung  der  Vererbungsgesetze  der  Hämo¬ 
philie  auf  Grund  der  Mendel  sehen  Regeln. 

Die  Vererbungsgesetze  der  Hämophilie  folgen  durchaus  den 
Men  de  Ischen  Regeln,  mit  der  Einschränkung,  dass  die  Krankheit 
im  allgemeinen  nur  für  den  Mann  dominant,  für  das  Weib  aber 
rezessiv  ist,  und  mit  der  weiteren  Einschränkung,  dass  in  einigen 
Fallen  auch  für  den  Mann  die  Dominanz  der  Krankheit  verloren  gehen 
kann.  Bei  dieser  letzteren  Form  des  Vererbungsmodus,  die  sich  aus 
der  typischen  Form  entwickelt  hat,  und  stets  auf  diese  zurückzuführen 
ist,  ist  die  Hämophilie  für  alle  Glieder  der  Familie  eine 
l  e  z  e  s  s  i  v  e  Eigenschaft  geworden.  Die  Krankheit  wird  in  diesen 
Fällen  nur  dann  in  die  Erscheinung  treten  können,  wenn  beide 
Eltern  die  Krankheitsinl jge  latent  führen,  was  am  häufigsten  bei  Ehen 
unter  Blutsverwandten  Vorkommen  wird. 

Mitteilung  zweier  Stammbäume  eigener  Beobachtung,  die  die 
beiden  Vererbungsformen  der  Hämophilie  zeigen. 

Diskussion:  Herr  Braune  kennt  ebenfalls  einen  Fall  von 
Hämophilie  in  scheinbar  gesunder  Familie.  In  der  Aszendenz  ist 
nichts  nachzuweisen.  Ein  Bruder  des  Patienten  ist  im  2.  Lebens¬ 
jahre  an  „Gehirnerweichung“  gestorben,  und  B.  vermutet,  dass  dieser 
ebenfalls  Bluter  war.  Man  findet  in  Bluterfamilien  eine  hohe  Sterb¬ 
lichkeit,  auch  bei  den  gesunden  Mitgliedern;  doch  wird  dies  wieder 
aufgewogen  durch  eine  grosse  Fruchtbarkeit.  So  wurden  in  der 
Bluterfamilie  Mampel  24  Kinder,  in  einer  ihm  bekannten  Familie 
12  Kinder  geboren.  Die  scheinbar  gesunden  Vorfahren  der  Bluter 
sind  nicht  wirklich  gesund,  sondern  haben  die  Anlage  in  sich.  Da 
die  Bluter  meist  zeitig  sterben,  so  kann  man  mit  den  Zahlenver¬ 
hältnissen  der  Nachkommenschaft  nicht  viel  anfangen. 

Was  die  Auffassung  des  Vortragenden  über  die  rudimentären 
Fälle  anlangt,  nach  der  zu  der  Bluteranlage  noch  eine  zweite,  die 
erste  unterdrückende  Anlage  hinzukommen  soll,  so  wäre  es  inter¬ 
essant,  festzustellen,  ob  gelegentlich  in  späteren  Generationen  die 
hemmende  Anlage  sich  wieder  abspaltet:  dann  müssten  reine  Bluter 
herauskommen. 

In  dem  B.  bekannten  Stammbaum  Mampel  sind  auch  die  ge¬ 
sunden  Familienglieder  angegeben.  In  diesem  Stammbaum,  der  in 
5  Generationen  111  Angehörige  mit  37  Blutern  umfasst,  ist  kein 
einziges  Mal  der  Fall  verzeichnet,  dass  ein  männlicher  Bluter  die 
Krankheit  vererbt  hätte.  Es  ist  möglich,  dass  die  Vererbung  in  ganz 
anderer  Weise  als  der  vom  Vortragenden  angegebenen  erfolgt.  Es 
dürfte  sich  bei  der  Vererbung  durch  männliche  Kranke  um  homo¬ 
zygote  Bluter  handeln. 

Herr  Ernst  Schmor  1:  Ein  Beitrag  aus  der  Praxis:  In  einer 
Bluterfamilie  sind  Vater  und  Mutter  gesund;  zwei  verheiratete 
Töchter  sind  scheinbar  gesund,  haben  aber  beide  blutende  Kinder 
männlichen  Geschlechts.  Die  3  Söhne  der  erstgenannten  sind  alle 
Bluter,  zwei  sind  klein  gestorben,  der  3.  ist  jetzt  40  Jahre  und  hat 
keine  blutenden  Kinder. 

Herr  Geipel:  Es  ist  nicht  angebracht,  die  Vererbungstheorie 
auch  auf  die  Struma  zu  übertragen,  die  ja  experimentell  erzeugt 
werden  kann;  ebenso  die  Cholelithiasis.  Beide  Krankheiten  sind  so 
weit  verbreitet,  dass  man  sie  nicht  ohne  weiteres  auf  einfache  Ver¬ 
erbung  zurückführen  kann. 

Herr  Hüb  ler  fragt,  ob  über  die  Vererbung  von  Krankheiten 
in  Verwandtenehen  etwas  näheres  bekannt  ist.  Besonders  Ohren- 
und  Geisteskrankheiten  sollen  dabei  leicht  vererbt  werden. 

An  die  Vererbung  der  Struma  glaubt  auch  er  nicht. 

Herr  Riebold:  Der  demonstrierte  Stammbaum  (Mampel)  ist 
in  der  Originalarbeit  von  Lossen  enthalten,  allerdings  in  anderer 
Form.  Bezüglich  der  Vererbung  der  Hämophilie  durch  männliche 
Bluter  ist  zu  bedenken,  dass  von  diesen  nur  wenige  das  zeugungs¬ 
fähige  Alter  erreichen.  In  den  wenigen  Stammbäumen,  die  derartige 
Fälle  aufweisen,  zeigt  sich  bei  den  hämophilen  Vätern  eine  auf¬ 
fällig  geringe  Zahl  von  Kindern.  Dass  solche  männliche  Bluter  reine 
Homozgoten  sind,  ist  nicht  sehr  wahrscheinlich. 

Was  die  Erblichkeit  anderer  Krankheiten  betrifft,  so  glaubt  er, 
dass  die  Erblichkeit  bei  vielen  Krankheiten  eine  viel  grössere  Rolle 
spielt,  als  man  sonst  annimmt  .  Ueber  Vererbung  von  Krankheiten  in 
Verwandtenehen  ist  schon  verschiedenes  bekannt:  So  gibt  z.  B. 
Plate  an,  das  sich  die  Epilepsie  nach  demselben  rezessiven  Typus 
vererbt,  den  Vortragender  für  die  Hämophilie  annimmt. 

Herr  Erich  Aschen  heim  (a.  G.) :  Ueber  das  Blutbild  bei 
Rachitis  und  über  rachitische  Megalosplenie. 

Der  Vortragende  erörterte  zuerst  eingehend  an  der  Hand  des 
Pappen  hei  m  sehen  Atlas  der  menschlichen  Blutzellen  die  Mor¬ 
phologie  der  Leukozyten.  Eingehend  auf  das  Säuglingsblut  hob  er 
das  Vorwiegen  der  einkernigen  Formen  in  diesem  Alter  und  die 
Häufigkeit  jugendlicher  z.  T.  grosszeiliger  einkerniger  Formen  hervor. 

Das  Blut  des  Rachitikers  ist  stets  verändert,  doch  brauchen  die 
Veränderungen  nicht  hochgradig  zu  sein.  Meist  sind  Erythrozyten 
und  Hämoglobingehalt  etwas  vermindert,  der  Färbeindex  ist  fast  stets 


380 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  7. 


normal.  Am  stärksten  wird  die  quantitative  Zusammensetzung  der 
weissen  Blutzellen  beeinflusst:  Die  einkernigen  Formen  sind  gegen 
die  Norm  vermehrt,  unter  ihnen  finden  sich  noch  mehr  als  sonst 
jugendliche  Formen,  eventuell  finden  sich  grosse  Lymphozyten 
(Lymphoblasten)  und  Lymphoidozyten. 

In  einer  verhältnismässig  kleinen  Anzahl  sind  aber  die  Ver¬ 
änderungen  bei  den  Kindern  mit  rachitischer  Diathese  bedeutend 
hochgradiger.  Die  Anämie  ist  schwer,  es  treten  kernhaltige  Ery¬ 
throzyten  (manchmal  in  sehr  grosser  Anzahl)  auf,  die  jugendlichen 
einkernigen  Formen  sind  noch  stärker  vermehrt,  es  finden  sich 
Myelozyten.  Es  bestehen  von  der  leichtesten  bis  zu  der  schwersten 
Blutveränderung  fliessende  Uebergänge.  Kinder  mit  den 
schweren  Blutveränderungen  haben  stets  eine  tastbare  Milz.  Ist  diese 
dann  sehr  gross,  sind  die  Kinder  gelblich-blass,  zeigen  sie  Neigung 
zu  Blutungen,  dann  sprechen  wir  von  „Anaemia  splenica“.  Da  diese 
aber  nichts  anderes  ist  als  eine  Blutveränderung  bei  Rachitis  mit 
ihren  Folgesymptomen,  so  haben  Benjamin  und  der  Vortragende 
dafür  den  Namen:  Rachitische  Megalosplenie  in  Vor¬ 
schlag  gebracht.  Vortragender  betont,  dass  die  Schwere  der  Rachitis 
durchaus  nicht  der  Schwere  der  Blutveränderung  entsprechen  muss, 
wenn  dies  auch  häufig  der  Fall  ist.  Die  letzte  Ursache,  warum  es 
zur  rachitischen  Megalosplenie  kommt,  ist  uns  unbekannt.  Wir 
müssen  eine  konstitutionelle  Schwäche  der  hämatopoetischen  Organe 
(gewissermassen  eine  Diathese  derselben)  annehmen,  die  unter  Ein¬ 
wirkung  der  rachitischen  Noxe  besonders  schwere  Veränderungen 
entstehen  lässt. 

Vortragender  bespricht  dann  noch  die  Differentialdiagnose  und 
Therapie,  (cf.  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medizin,  Bd.  97  und  105, 
ref.  Münch,  med.  Wochenschr.  1909,  S.  2649  und  1912,  S.  1054.) 

Diskus sion:  Herr  Dünger:  Den  Ausführungen  des  Vor¬ 
tragenden  kann  man  inhaltlich  voll  zustimmen;  zu  bedauern  ist  jedoch 
die  Anwendung  der  Bezeichnung  Anaemia  splenica.  Dieser  Name, 
zuerst  von  Griesinger  benutzt,  wurde  .in  die  Literatur  1866 
durch  einen  Schüler  des  genannten  eingeführt  gelegentlich  der  Be¬ 
schreibung  eines  Falles  von  aleukämischer  Systemerkrankung  und 
10  Jahre  später  durch  Strümpell  in  der  weiteren  Allgemeinheit 
bekannt,  als  dieser  unter  demeseiben  Namen  einen  Fall  von  perni¬ 
ziöser  Anämie  beschrieb.  Nachher  haben  besonders  italienische 
Autoren  den  Ausdruck  zur  Bezeichnung  schwerer  Kinderanämien 
verwendet.  Dergestalt  sind  unter  der  Bezeichnung  Anaemia  splenica 
die  verschiedenartigsten  Erkrankungen  beschrieben  worden,  und  man 
kann  deshalb  Naegeli,  Türk  u.  a.  nur  zustimmen,  wenn  sie  die 
genannte  Bezeichnung,  die  nicht  als  das  Syndrom  Anämie  und  Milz¬ 
tumor  in  sich  schliesst,  aus  der  hämatologischen  Nomenklatur  ganz 
ausgeschlossen  wissen  wollen.  Es  empfiehlt  sich,  die  in  Rede 
stehende  Krankheit  entweder  —  nach  dem  Vorschläge  des  Vor¬ 
tragenden  —  als  rhachitische  Megalosplenie,  oder  als  Kinderanämie 
nach  J  a  k  s  c  h  zu  bezeichnen.  Die  bisher  meist  übliche  Be¬ 
nennung  Anaemia  infantum  pseudoleucaemica  ist  zu  verwerfen  und 
zwar  deshalb,  weil  sie  wieder  auf  den  verschwommenen  Begriff  der 
Pseudoleukämie  Bezug  nimmt,  der  in  der  neueren  hämatologischen 
Literatur  jetzt  mit  Recht  von  allen  Seiten  abgelehnt  wird. 

Herr  R  i  e  t  s  c  h  e  1  fragt,  ob  Blutveränderungen  bei  der  Osteo¬ 
malazie  und  der  Rhachitis  tarda  bekannt  sind,  insbesondere,  ob  dabei 
Lymphozytose  beobachtet  worden  ist. 

Herr  Aschenheim  entgegnet  Herrn  Dünger,  dass  er  die 
Bezeichnung  Kinderanämie  nach  J  a  k  s  c  h  deshalb  nicht  für  emp¬ 
fehlenswert  hält,  weil  sich  zur  Zeit  das  Bestreben  geltend  mache, 
keine  Personennamen  in  die  Namenklatur  einzuführen;  im  übrigen 
will  er  sich  aber  auf  die  von  ihm  angegebene  Bezeichnung  keines¬ 
wegs  versteifen. 

Auf  die  Frage  des  Herrn  Rietschel  erwidert  er,  dass  Unter¬ 
suchungen  über  Rachitis  tarda  vorliegen;  dabei  haben  sich  die 
typischen  rachtitischen  Veränderungen  gefunden,  genau  wie  bei  der 
kindlichen  Rachitis. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Erlangen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  16.  Dezember  1912. 

Herr  K  ö  n  i  g  e  r  berichtet  über  einen  Fall  urämischer  Pleuritis 
mit  sehr  grossem  Exsudat,  welches  die  ganze  rechte  Brusthälfte  ein¬ 
nahm  und  starke  Verdrängungs-  und  Stauungserscheinungen  zur  Folge 
hatte.  Nach  teilweiser  Entleerung  (1  Liter)  des  dünnflüssigen,  leicht 
hämorrhagischen  Pleuraergusses  (spez.  Gew.  1012)  trat  ein  rascher 
Rückgang  der  Stauungserscheinungen,  insbesondere  der  Oedeme  an 
den  Beinen,  eine  bedeutende  Zunahme  der  Diurese  und  ein  Sinken 
des  Eiweissgehaltes  des  Urins  von  16  Prom.  auf  0,5  Prom.  ein,  worauf 
freilich  einige  Tage  später  ein  plötzlicher  Herztod  folgte.  Die 
urämische  Aetiologie  der  Pleuritis  war  bei  dem  Fehlen  typischer 
urämischer  Symptome  (der  Blutdruck  betrug  nur  115  mm  Hg)  intra 
vitam  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  nur  durch  die  zytologische 
Untersuchung  aufzuklären,  welche  neben  Erythrozyten  ein  Gemisch 
von  Pleuraepithelien  und  zahlreichen  morphologisch  gut  erhaltenen 
polymorphkernigen  neutrophilen  Leukozyten  und  nur  spärliche  Lym¬ 
phozyten  ergab.  Die  Obduktion  bestätigte  diese  Annahme  und 
stellte  als  Ursache  der  Nierenstörungen  bei  dem  53  jährigen  Manne 
eine  (genuine)  Schrumpfniere  fest. 

Diskussion:  Herr  Spuler. 


Herr  Lobenhofer:  Ueber  zirkuläre  Geiässnaht. 

Nach  einer  kurzen  Uebersicht  über  die  historische  Entwicklung 
der  Gefässnaht  werden  die  3  wichtigsten  Methoden  der  Nahttechnik 
von  Murphy,  Payr  und  C  a  r  r  e  1  in  ihren  Einzelheiten  be¬ 
sprochen  und  die  wichtigsten,  dabei  zu  beachtenden  Phasen  hervor¬ 
gehoben.  Die  histologischen  Bilder  der  Nahtstellen  werden  kurz  be¬ 
schrieben  und  an  Präparaten  demonstriert.  Die  Wertigkeit  der  drei 
Nahtmethoden  ist  nicht  gleich,  weil  die  Chancen  für  das  Durchgängig¬ 
bleiben  der  Nahtstelle  verschieden  sind.  Die  C  a  r  r  e  1  sehe  Methode 
verdient  weitaus  den  Vorzug. 

Sodann  wird  die  Frage  erörtert,  was  die  moderne  Gefässchirurgic 
zu  leisten  imstande  ist  und  es  werden  die  einzelnen  Gebiete  ihrer  An¬ 
wendungsmöglichkeit  behandelt,  sowohl  in  der  Therapie  wie  in  der 
experimentellen  Chirurgie. 

Diese  Gebiete  sind:  die  Naht  nach  direkter  Gefässverletzung  bei 
Unfällen  (Kriegschirurgie)  oder  Operationen,  wo  unbeabsichtigte  Ge- 
fässwunden  gesetzt  werden  können  oder  kleine  Stücke  aus  der  Kon¬ 
tinuität  reseziert  werden  mussten,  weil  die  Wand  verändert  war 
(ideale  Operation  des  Aneurysmas)  oder  von  Tumoren  durchwachsen 
war. 

Dann  wird  näher  auf  die  arteriovenöse  Anastomose  bei  Extreini- 
tätengangrän  und  die  saphenofemorale  Anastomose  bei  Varizen  ein¬ 
gegangen.  Erstere  ist  in  ihrem  Wert  noch  sehr  umstritten  und  be¬ 
darf  jedenfalls  einer  strengen  Indikationsstellung,  wie  Wieting 
selbst  betont.  Ueber  letztere  Operation  liegen  noch  viel  zu  spärliche 
Berichte  vor,  als  dass  man  sich  ein  Urteil  bilden  könnte. 

Die  Anpassungsfähigkeit  der  Venen  an  einen  erhöhten,  arteriellen 
Binnendruck  hat  die  Anwendungsmöglichkeit  der  Gefässnaht  insofern 
erhöht,  als  auch  grössere  Stücke  aus  der  Kontinuität  einer  Arterie 
entnommen  werden  können,  ohne  dass  die  Blutversorgung  der  Peri¬ 
pherie  aufhört;  man  transplantiert  ein  geeignetes  Venenstück  in  die 
resezierte  Arterie. 

Damit  wird  auf  die  Anwendung  der  Gefässnaht  in  der  experi¬ 
mentellen  Chirurgie  eingegangen  und  auf  die  Erfolge  und  Misserfolge, 
die  die  Organtransplantationen  ergeben  haben;  die  einzelnen  Ver¬ 
suche  werden  geschildert  und  Präparate  und  ein  nun  3A  Jahre  leben¬ 
der  Hund  mit  transplantierter  Niere  vorgestellt. 

Zum  Schlüsse  werden  die  Grenzen,  die  für  diese  Experimente  ge¬ 
steckt  sind,  besprochen  und  auf  die  biologisch  wichtige  Tatsache 
hingewiesen,  dass  auch  nach  allen  möglichen  Vorbereitungen  (Blut¬ 
austausch,  Parabiose)  doch  nur  die  Autoplastik  mit  Aussicht  auf 
Erfolg  angewendet  werden  kann. 

Die  einzelnen  besprochenen  Punkte  werden  durch  Tafeln,  Prä¬ 
parate  und  Mitteilungen  aus  der  Literatur  erläutert. 

Diskussion:  Herr  Spuler. 

Herr  Kümmell:  Zur  Netzhautablösung. 

Vortr.  bespricht  zunächst  den  Verlauf  der  Netzhautab¬ 
lösung  und  geht  dann  ausführlich  an  der  Hand  eines  untersuchten 
Falles  auf  die  pathologische  Anatomie  dieser  Erkrankung  ein.  Fl¬ 
iegt  vor  allem  Wert  auf  die  Veränderungen  der  Pigmentepithelien, 
die  teils  degenerativer,  teils  proliferierender  Art  sind.  Auch  an  den 
Ziliarepithelien  sind  eine  Reihe  von  Störungen  nachweisbar,  sowohl 
in  der  Art  der  Pigmentverteilung,  als  auch  in  den  Veränderungen 
der  einzelnen  Zellen  selbst.  Dazu  kommen  noch  entzündliche  Ver¬ 
änderungen  der  Aderhaut  und  der  Iris,  so  dass  hier  ein  einheitliches 
Krankheitsbild  vorliegt,  dessen  sekundäre  Veränderungen  die  Netz¬ 
hautablösung  sowie  die  sich  dabei  findende  Hypotonie  des  Bulbus, 
die  spätere  Kataraktbildung  und  die  iritischen  Erscheinungen  sind. 
Diese  Störungen  sind  also  als  koordinierte  Erscheinungen  der  gleichen 
Erkrankung  aufzufassen.  Bei  der  Erklärung  der  Netzhautablösung  als 
solcher  ist  festzuhalten,  dass  der  Glaskörper  infolge  der  Erkran¬ 
kung  der  Ziliarepithelien  und  der  Aderhaut  schwer  geschädigt  sein 
muss,  wie  es  sich  auch  in  der  Spannungsverminderung  des  Auges  aus¬ 
drückt.  Während  so  im  Glaskörper  verminderter  Druck  herrscht,  ist 
in  der  Aderhaut  höherer,  weil  normaler,  Druck.  Infolge  des  so  ent¬ 
stehenden  Druckgefälles  muss  es  schliesslich  zu  Transsudation  aus 
der  Aderhaut  kommen,  die  die  Netzhaut  vor  sich  hertreibt.  Da  gleich¬ 
zeitig  auch  noch  abnorme  Verbindungen  des  Glaskörpers  mit  der 
Netzhaut  bestehen,  so  kommt  die  auch  dem  normalen  Glaskörper  inne¬ 
wohnende  Spannkraft  zur  Geltung  und  wird  sich  auf  die  Netzhaut 
übertragen,  so  dass  letztere  auch  aktiv  vom  Glaskörper  aus  vorge¬ 
zogen  wird. 

Diskussion:  Herr  Spuler. 

Geschäftliches. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1635.  ordentliche  Sitzung  vom  6.  Januar  1913. 
im  Sitzungssaal  des  Vereins,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Baer  wind;  später  Herr  Flesch. 

Schriftführer:  Herr  Eier  mann;  später  Herr  Benario. 

Herr  B.  Fischer:  Demonstrationen. 

Herr  A.  Bloch:  Totale  Nieren-Ureterexstirpation  bei  Niereti- 
und  Uretertuherkulose  mit  Ureterstriktur. 

1.  Fall.  Pat.  von  37  Jahren,  die  seit  4  Jahren  an  Schmerzen 
in  der  rechten  Seite  leidet.  Schmerzen  treten  anfallsweise  auf, 
lassen  nach  2  Jahren  nach.  Vor  Vs  Jahr  Sturz  von  der  Treppe. 
Danach  Wiederauftreten  der  Beschwerden,  nur  sind  sie  jetzt  dauernd. 


1 8.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


381 


iegen  tiefer  und  nehmen  an  Intensität  allmählich  zu.  Zu  gleicher 
'eit  wird  aber  der  seit  4  Jahren  stets  trüb  gewesene  Urin  immer 
darer,  bis  er  allmählich  ganz  klar  wird. 

Befund  ergibt  bei  völlig  klarem  Urin  einen  Tumor  der  rechten 
Jauchseite,  der  sich  ziemlich  hart  anfühlt  und  massig  druckempfindlich 
st.  Rechte  Uretermündung  zystoskopisch  nicht  sichtbar,  man  sieht 
echts  auch  keine  Blauausscheidung  nach  Indigkarmininjektion.  Dia¬ 
gnose:  Abgeschlossene,  wahrscheinlich  tuberkulöse  Pyonephrose. 
Jperation:  zeigt  eine  etwa  um  das  Doppelte  vergrösserte  Niere,  die 
.'inen  prall  gefüllten  Sack  mit  stark  verdickten  Wänden  darstellt. 
Jreter  hat  etwa  die  Dicke  eines  prall  gefüllten  Dünndarmes  und  ist 
nit  Flüssigkeit  strotzend  gefüllt.  Anfügung  des  extraperitonealen 
Schnitts  zur  Freilegung  des  Ureters  an  den  lumbo-abdominalen 
Schrägschnitt,  weite  Abschiebung  des  Peritoneums.  Ureter  zeigt  sich 
um  bis  weit  hinab  enorm  verdickt  und  prall  gefüllt.  Etwa  2  cm 
iberhalb  der  Einmündungsstelle  des  Ureters  in  die  Blase  verjüngt 
üch  der  Ureter  plötzlich  zu  einer  feinen  Striktur,  unterhalb  der  er 
ibliteriert  zu  sein  scheint.  Abklemmung  oberhalb  und  unterhalb  der 
striktur,  Freimachung  des  Nierenstiels,  Abklemmung,  Durch- 
<chneidung  des  Nierenstiels  in  typischer  Weise,  Durchschneidung 
jes  Ureters  in  der  Striktur.  Pyonephrose  und  der  ganze  Ureter 
werden  so  im  ganzen  herausgenommen.  Es  werden  nur  Streifen  auf 
len  Ureterstumpf  und  Nierenstiel  gelegt  und  zum  oberen  bzw.  unteren 
Wundpol  herausgeleitet,  die  ganze  übrige  Wunde  in  exakten  Etagen- 
iäl  ten  geschlossen. 

Primäre  Heilung  der  Wunde.  Entlassung  der  Pat.  13  Tage  nach 
Operation.  B.  bespricht  noch  in  einer  Epikrise  die  Krankengeschichte 
und  die  Indikationen  bzw.  Qegenindikationen  der  Exstirpation  des 
tuberkulösen  Ureters  bei  der  Nephrektomie  einer  tuberkulösen  Niere. 

2.  Fall.  Pyelotomie  und  plastische  Operation  am  Ureter  bei 
infizierter  intermittierender  Hydronephrose. 

22  jähriger  junger  Mann,  der  vor  3  Jahren  an  Gelenkrheumatis¬ 
mus  litt  und  bei  dem  sich  im  Anschluss  hieran  zum  erstenmal  Koliken 
in  der  rechten  Seite  einstellten.  Koliken  wiederholten  sich  3  bis 
4 wöchentlich  und  dauerten  ca..  3  Tage  an.  Urin  während  der 
Koliken  stark  vermehrt,  während  der  Koliken  ausserdem 
klar,  nach  Aufhören  der  Koliken  mehr  oder  weniger  blutig. 
Untersuchung  ergibt  normalen  Urin  und  kein  palpable  Niere.  Pat. 
stellt  sich  dann  auf  Anraten  während  einer  Kolik  wieder  vor.  Temp. 
38,2.  Urin  klar,  Niere  nicht  palpabel.  Zystokopie  ergibt  normale 
Blase  und  Uretermündungen,  links  prompte  Blauausscheidung  nach 
Indigkarmininjektion,  rechts  nicht.  In  den  nächsten  Tagen  Ver¬ 
schlimmerung  der  Symptome  daher  Operation:  Freigelegte  Niere 
stark  vergrössert,  sehr  weich  und  zeigt  auf  der  Oberfläche  mehrere 
Buckel.  Ureterabgangsstelle  von  2  Qefässbündeln 
abgeschnürt.  Durchtrennung  der  Gefässbündel  nach  Unter¬ 
bindung.  Sodann  Pyelotomie  und  Dauerdrainage  des  Nierenbeckens. 
Entleerung  von  200  ccm  dicken  eitrigen  Urins.  Schluss  der  Wunde. 
Heilung  und  Entlassung  nach  3  Wochen.  Urin  völlig  klar.  Pat.  gänz¬ 
lich  beschwerdefrei. 

3.  Fall:  Perforierte  Hydronephrose. 

17  jähriger  Junge,  der  schon  als  Kind  immer  über  Schmerzen  in 
der  linken  Seite  klagte.  Später  häufig  schwere  Kolikanfälle  in  der 
linken  Seite.  Vor  5  Wochen  wieder  fieberhafte  Koliken,  die  nicht 
nachliessen.  1  Tag  lang  völlige  Amaurose,  daher  Transport  in  das 
Krankenhaus  mittels  Landauers  (Pat.  ist  von  auswärts).  Am  näch¬ 
sten  Tag  Aufhören  der  Beschwerden,  aber  Anschwellung  der  ganzen 
linken  Seite. 

Untersuchung  zeigt  stark  kollabierten  Pat.  in  schlechtem  Er¬ 
nährungszustand,  mit  starker  respiratorischer  Dyspnoe.  Herz  nach 
rechts  verdrängt,  Puls  ca.  140. 

Ganze  linke  Bauchseite  von  einem  äusserlich  sichtbaren  Tumor 
eingenommen,  der  in  ganzer  Ausdehnung  fluktuiert,  stark  gespannt  ist 
und  die  linke  untere  Thoraxhälfte  stark  vorwölbt. 

Zystoskopie  ergibt  normale  Blase,  normale  rechte  Uretermün¬ 
dung.  Linke  Uretermündung  nicht  sichtbar,  auch  nach  Indigkarmin¬ 
injektion  links  keine  Blauausscheidung,  rechts  prompte. 

Diagnose:  Hydronephrose. 

Operation:  Nach  Eröffnung  der  Caps,  retrorenalis  reisst  die 
Caps,  adiposa  ein  und  entleeren  sich  ca.  4  Liter  einer  schwarzgrauen, 
mit  zahlreichen  ebenso  gefärbten  Bröckeln  vermischten,  Flüssigkeit. 
Nach  vollkommener  Entleerung  liegt  eine  gewaltige  Höhle  mit  sehr 
starren  Wänden  vor.  Ganz  in  der  Tiefe  gewahrt  man  nun  die  Niere, 
die  fest  verbacken  mit  der  Umgebung  in  ihrer  stark  verdickten  Caps, 
propr.  liegt.  Auf  ihrer  Oberfläche  gewahrt  man  eine  pfennigstück¬ 
grosse  Perforation,  durch  die  es  nun  stark  blutet. 

Da  Caps,  propr.  mit  der  Umgebung  fest  verwachsen  ist,  muss 
Niere  dekapsuliert  werden,  wobei  sie  verschiedentlich  einreisst  und 
stark  blutet.  Stiel  kann  nicht  freigemacht  werden,  daher  im  tiefsten 
Punkt  des  Nierenbeckens  Klemme  und  Abtrennung.  Ausstopfung  der 
sehr  grossen  Wundhöhle  mit  Mi  k  u  1  i  c  z  scher  Tamponade,  sodann 
prunärer  Verschluss  des  grössten  Teiles  der  Wunde. 

Pat.  erholt  sich  nach  der  Operation.  Nach  3  Wochen  aus  der 
Klinik  entlassen,  nach  weiteren  3  Wochen  völlig  geheilt. 

Herr  Hanauer:  Abnahme  der  Geburten  in  Frankfurt  a.  M. 

Wie  sich  aus  der  Kurve  ergibt,  lässt  sich  in  Frankfurt  a.  M.  be¬ 
reits  im  vorigen  Jahrhundert  ein  ständiges  Sinken  der  Geburten  vom 
Beginne  des  19.  Jahrhundert  bis  zum  Ende  desselben  nachweisen. 

Den  niedersten  Stand  erreichte  die  Geburtenzahl  in  den  Jahren 
1855 '56  mit  19,26.  Erst  um  die  Mitte  der  60  er  Jahre  beginnt  wieder 


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eine  Zunahme,  die  bis  Ende  der  70  er  Jahre  anhält  und  im  Jahre  1877 
mit  35,8  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Diese  aufsteigende  Periode  ist 
der  total  veränderten  Bevölkerungszusammensetzung  zu  verdankten, 
wie  sie  Mitte  der  60  er  „ 

Jahre  nach  Einverlei-  dZ 
bung  Frankfurts  in  den  Bevakecr 
preussischen  Staat  her¬ 
vorgerufen  wurde;  die 
Einführung  der  Frei¬ 
zügigkeit,  der  Ge¬ 
werbefreiheit  und  die 
durch  die  Gesetzgebung 
und  den  wirtschaft¬ 
lichen  Aufschwung  er¬ 
leichterte  Eheschlies¬ 
sung  veranlassten  das 
Zuströmen  einer  grös¬ 
seren  Zahl  jüngerer, 
meist  den  arbeitenden 
Klassen  angehörender 

Personen.  Die  Eheschliessungszahl  stieg  1875  auf  13,2. 

Mit  dem  Beginne  der  80  er  Jahre  nimmt  die  Geburtenziffer  in 
Frankfurt  wieder  ab,  hält  sich  aber  jahrelang  zwischen  27  und  30; 
seit  1907  weist  sie  aber  eine  ständig  sinkende  Tendenz  auf, 
sie  fiel  von  27,9  in  1907  auf  22,7  in  1911;  sie  erreichte  damit 
einen  Tiefstand,  wie  er  in  Frankfurt  seit  1866  nicht  mehr  erlebt 
wurde.  Der  Abnahme  der  Geburtenziffer  geht  die  Abnahme  der 
Fruchtbarkeitsziffer  parallel.  Auf  je  100  gebärfähige  Frauen  im 
Alter  von  16 — 50  Jahren  entfielen  1880/81  10,13  Geburten,  1905/06 
8,81,  eheliche  Geburten  bei  verheirateten  Frauen  21,  43  und  16,39, 
uneheliche  Geburten  bei  unverheirateten  Frauen  1,87  und  2,53.  Es 
sind  hier,  um  den  Vergleich  nicht  zu  trüben,  die  eingemeindeten 
Orte  ohne  Berücksichtigung  geblieben,  mit  Berücksichtigung  der¬ 
selben,  da  es  sich  um  durchwegs  gebäudereiche  Orte  handelt,  wird 
der  Abfall  etwas  maskiert.  Es  haben  demnach  in  demselben  Masse 
wie  die  ehelichen  Geburten  abgenommen,  die  unehelichen  zuge¬ 
nommen. 

Um  zu  eruieren,  wie  sich  die  Geburtenabnahme  bei  den  ver¬ 
schiedenen  Bevölkerungsschichten  verhält,  betrachten  wir  die  Ge¬ 
burtsverhältnisse  der  einzelnen  Konfessionen,  sowie  die  Ver¬ 
teilung  der  Geburten  auf  die  verschiedenen  Stadtteile: 


Bei  den 

Evangelischen  Katholiken 


1900 

1905 

1910 


25,7 

24,0 

20,6 


auf  1000 

79.2 
26,6 

23.2 


Israeliten 

17.6 

15.7 
13,4 


Man  sieht  demnach,  dass  die  Geburtenziffer  bei  allen  Kon¬ 
fessionen  abgenommen  hat,  auch  bei  den  Katholiken,  was  deswegen 
bemerkenswert  ist,  weil  von  manchen  Seiten  (J.  Wolf,  Rost)  der 
Katholizismus  als  das  mächtigste  Bollwerk  gegen  die  Geburten¬ 
abnahme,  gerühmt  wird. 

Da  in  Frankfurt  den  verschiedenen  Stadtteilen  auch  sozial  ver¬ 
schieden  Bevölkerungsschichten  angehören,  so  gibt  die  Betrachtung 
der  Geburtenverhältnisse  der  einzelnen  Stadtteile  auch  wieder  ge¬ 
wisse  Anhaltspunkte  für  die  Geburtenverhältnisse  gewisser  sozialer 
Schichten.  Die  Tabelle  über  die  Verteilung  der  Geburten  über  die 
verschiedenen  Stadtteile  ergibt  nicht  nur,  dass  z.  B.  in  der  west¬ 
lichen  Aussenstadt,  dem  feinsten  Wohnviertel,  die  Geburtenziffer 
von  1900  auf  1910  von  17,2  auf  9,8  gesunken  ist,  sondern  auch  in  den 
vorwiegend  von  Arbeitern  bewohnten  Stadtgegenden,  z.  B.  in  der 
Altstadt  sank  sie  von  32,5  auf  24,2,  in  der  nordwestlichen  Aussen¬ 
stadt  von  32  auf  23,  in  Bornheim  von  40,0  auf  31,8,  im  inneren  Sachsen¬ 
hausen  von  35,6  auf  27,2,  in  Niederrad  von  50,8  auf  35,5,  in  Ober¬ 
rad  von  40,5  auf  24,6.  Damit  ist  bewiesen,  dass  die  Geburtenabnahme 
vorwiegend  durch  die  Geburtenbeschränkung  der  breiten  Massen  be¬ 
wirkt  ist. 

Ob  die  Abnahme  des  Geburtenüberschusses  bemerkbar,  diese 
ist  in  Frankfurt  a.  M.  infolge  der  niedrigen  Sterblichkeit,  namentlich 
der  Säuglingssterblichkeit  besonders  hoch,  sie  fiel  jedoch  von  48,65 
in  1906  auf  42,72  in  1911. 

Was  die  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  der  Geburtenabnahme  in  Frankfurt  a.  M. 
anbelangt,  so  konnte  diese  in  einer  veränderten  Alterszusammen¬ 
setzung  der  Bevölkerung  zu  suchen  sein,  dadurch,  dass  die  Zahl  der 
im  zeugungsfähigen  Alter  stehenden  Personen  abgenommen  hat. 
Tatsächlich  hat  von  1900  auf  1905  die  Ziffer  der  im  15.— 50.  Lebens¬ 
jahr  stehenden  Personen  zu  Gunsten  der  Kinder  und  älteren  Per¬ 
sonen  abgenommen,  die  Ziffern  der  Volkszählung  für  1910  sind  noch 
nicht  bekannt.  Wenn  die  Verschiebung  in  der  Alterszusammen¬ 
setzung  auch  für  die  Jahre  1905—1910  zu  konstatieren  ist,  so  werde 
die  Geburtenabnahme  zum  Teil  auf  natürliche  Ursachen  zurückzu¬ 
führen  sein. 

Von  Bedeutung  ist  hier  auch  die  Abnahme  der  Eheschliessungen 
im  letzten  Jahrfünft,  sank  diese  doch  von  11,25  in  1906  auf  9,79  pro 
1000  Einwohner  in  1911.  Naturgemäss  geht  mit  der  Abnahme  der 
Eheschliessungen,  die  zweifellos  in  den  ungünstigen  wirtschaftlichen 
Verhältnissen  ihre  Ursache  hat,  auch  das  Sinken  der  Geburtenziffer 
einher,  da  gerade  die  jungen  Ehen  für  die  Erzeugung  der  Kinder  am 
ehesten  in  Betracht  kommen.  Ungünstig  auf  die  Eheschliessung. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


382 


namentlich  auf  die  frühe  Elleschliessung,  wirkt  auch  die  auch  in 
Frankfurt  immer  mehr  zunehmende  Frauenerwerbsarbeit,  die  durch 
die  nun  mehr  um  sich  greifende  Frauen  e  m  a  n  z  i  p  a  t  i  o  n  gefördert 
wird,  endlich  das  Zölibat  der  zahlreichen  Lehrerinnen,  Beam¬ 
tinnen  usw. 

Dafür,  dass  die  Geburtenabnahme  in  Frankfurt  auf  physische 
Ursachen  zurückzuführen  wäre  oder  auf  Abnahme  der  Zeugungsfähig¬ 
keit  und  Fruchtbarkeit,  diese  wieder  hervorgerufen  durch  gewisse 
konstitutionelle  Schädlichkeiten,  dafür  liegt  kein  Anhaltspunkt  vor. 
Vielleicht  muss  man  hier  aber  daran  denken,  dass  das  Stillen  emp¬ 
fängnisverhütend  wirkt  und  die  auch  in  Frankfurt  in  den  letzten  Jahren 
konstatierte  Zunahme  des  Stillens  die  Fruchtbarkeit  der  Frauen  in 
ungünstigem  Sinne  beeinflusst  hat. 

Wenn  also  die  Geburtenabnahme  in  Frankfurt  nicht  auf  phy¬ 
sische,  ungewollte  Ursachen,  auf  Entartung  zurückzuführen  ist,  so 
müsse  letztere  in  der  freiwilligen  Abstinenz  von  der  Kindererzeugung 
gesucht  werden.  Zweifellos  trägt  hier  auch  die  Abnahme  der  Kinder¬ 
sterblichkeit  ihren  Teil  bei,  denn  es  geht  nicht  nur  eine  hohe  Ge¬ 
burtenziffer  meist  mit  einer  hohen  Säuglingssterblichkeit  einher,  son¬ 
dern  letztere  ist  auch  wieder  auf  die  Zahl  der  Geburten  von  Einfluss. 
Da,  wo  viele  Kinder  wegsterben,  besteht  das  Bedürfnis  sie  zu  er¬ 
setzen,  wenn  wenige  wegsterben,  ist  das  Bedürfnis  dazu  ein  geringes. 

Im  übrigen  beruht  die  gewollte  Beschränkung  der  Kinderzahl 
auf  sozialen  Gründen,  namentlich  gilt  dies  vom  Rückgang  der  Ge¬ 
burtenziffer  des  Arbeiterstandes.  Die  zunehmende  Teuerung  der 
Lebensmittel  macht  sich  gerade  in  Frankfurt,  das  von  jeher  als  teuere 
Stadt  bekannt  ist,  besonders  fühlbar.  Frankfurt  ist  ferner  wiegen 
der  teueren  Wohnungsmieten,  welche  auch  die  kleinen  Wohnungen 
betrifft,  längst  unvorteilhaft.  Daher  haben  jetzt  auch  der  Arbeiter 
und  kleine  Mann  sowie  die  Angehörigen  des  Mittelstandes,  was  früher 
ein  ausschliessliches  Privileg  der  besitzenden  Klassen  war,  das  Be¬ 
streben,  den  Wohnungsspielraum  für  das  einzelne  Glied  der  Familie 
nicht  zu  klein  werden  zu  lassen  und  er  greift  zur  künstlichen  Ge¬ 
burtenbeschränkung.  Unter  diesen  Umständen  haben  die  Ideen  des 
Neomalthusianismus  auch  in  den  unteren  Kreisen  Eingang  gefunden. 

1  rotz  des  Verbotes  der  Ankündigung  der  antikonzeptionellen  Mittel 
haben  sich  dieselben  auch  Eingang  in  die  Häuser  der  Arbeiter  ver¬ 
schafft  und  namentlich  ist  hier  von  Bedeutung,  dass  neuerdings  auch 
in  Frankfurt  durch  Hausierer,  Bilderhändler  usw.  derartige  Mittel 
in  den  Familien  der  Arbeiter  verkauft  werden. 

Schliesslich  berührt  der  Vortragende  noch  kurz  die  Frage  der 
öffentlichen  Ankündigung  der  antikonzeptionellen  Mittel,  sowie  die 
Frage,  wie  sich  die  Aerzte  zu  dem  Problem  der  Geburtenprävention 
verhalten  sollen.  Im  ersten  Punkte  betont  er,  dass,  wenn  neuer¬ 
dings  sogar  von  ärztlicher  Seite  das  Verlangen  erhoben  wird,  den 
Verkauf  von  Präventivmitteln  zu  erschweren,  u.  a.  verlangt  wird,  dass 
sie  nur  in  den  Apotheken  gegen  ärztliches  Rezept  abgegeben  werden 
dürfen,  vielleicht  gerade  die  jetzige  gesetzliche  Praxis  das  Richtige 
treffe,  wenn  sie  zwar  den  Verkauf  ohne  weiteres  freigebe,  jedoch  die 
Ankündigung  verbiete.  Was  das  Verhalten  der  Aerzte  anlangt,  so 
wünscht  Vortragender,  dass  sie  sich  in  der  Empfehlung  und  Appli- 
zierung  von  antikonzeptionellen  Mitteln  eine  gewisse  Reserve  aufer¬ 
legten  und  die  Indikationen  nach  der  medizinischen  und  sozialen 
.-.eite  enger  begrenzten,  als  dies  jetzt  der  Fall  ist. 

Herr  K.  E,  Boehncke:  Kombinationsbehandlung  der  Pneumo¬ 
kokkeninfektion  (Sero-  und  Chemotherapie). 

(Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 


Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  10.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Bettmann. 

Schriftführer :  Herr  F  i  s  c  h  1  e  r. 

Demonstrationsabend  der  chirurgischen  Klinik. 

Herr  Krall:  a)  Lungen-  und  Zwerchfellstich,  b)  Strumitis 
substernalis.  Spaltung  des  Manubrium  sterni. 

Es  ist  verhältnismässig  selten,  dass  bei  intrathorakalen  Ope- 
lationen  ein  Unter-  oder  Ueberdruckapparat  unbedingt  nötig  ist. 
Doch  gibt  es  eine  Reihe  von  Fällen,  bei  denen  die  Verwendung  des 
Druckdifferenzverfahrens  für  den  Patienten  von  grossem  Nutzen  ist, 
z.  B.  zur  Aufblähung  der  Lunge  nach  der  eigentlichen  Operation 
zwecks  Vermeidung  des  Pneumothorax,  der  eine  Infektion  be¬ 
günstigt.  Ausserdem  werden  durch  Aufblähen  der  kollabierten  Lunge 
nach  der  Operation  die  Gefahren  der  etwaigen  Pneumonie  der  in¬ 
takten  Lunge  vermindert.  Auch  können  bei  Anwendung  des  Ueber- 
druckapparats  erstickende  Personen  so  lange  am  Leben  erhalten 
werden,  bis  das  Atemhindernis  beseitigt  ist,  wie  es  bei  einem  der 
vorgestellten  Patienten  der  Fall  war.  Vortr.  bespricht  den  Unter¬ 
druckapparat  von  Sauerbruch,  die  Ueberdruckapparate  von 
E  n  g  e  1  k  e  n,  Brauer  und  Tiegel  und  den  der  Drägerwerke 
und  beleuchtet  die  Vor-  und  Nachteile  jedes  dieser  Apparate.  Be¬ 
sonderen  Vorteil  scheint  ihm  der  Apparat  der  Drägerwerke  zu  bieten, 
der  zugleich  eine  Vorrichtung  für  künstliche  Atmung  besitzt.  Es 
wird  im  Anschluss  daran  ein  Lungen-  und  Zwerchfellstich  demon¬ 
striert,  bei  dem  die  Blähung  der  Lunge  vor  Schluss  der  Brusthöhle 
den  Vorteil  brachte,  dass  trotz  der  Infektion  nur  ein  partielles  Empyem 


zustande  kam.  Die  Lunge  hat  sich  nach  Beendigung  der  Eiterung 
gut  ausgedehnt.  Bei  dem  zweiten  Fall  bestand  infolge  eines  von 
der  Schilddrüse  ausgehenden  Tumors  grosse  Erstickungsgefahr,  doch, 
gelang  es  die  Pat.  durch  den  Sauerstoffüberdruck  so  lange  am  Leben 
zu  erhalten,  bis  die  Atmung  durch  Sternumspaltung  wieder  frei  ge¬ 
worden  war.  Die  direkt  anschliessende,  schwere  Eiterung  sowie  das 
klinische  Bild  lassen  eine  Strumitis  substernalis  wahrscheinlich  er¬ 
scheinen  als  eine  Struma  maligna  substernalis.  Die  Exstirpation  des 
Tumors  war  tatsächlich  wegen  Verwachsungen  und  des  Zustandes 
unmöglich. 

Diskussion:  Herr  Wilrns  glaubt,  dass  die  Insufflation 
grössere  Gefahren  bringe  als  die  Anwendung  des  so  bequemen 
Dräg  er  sehen  Apparates.  Derselbe  hat  gegenüber  den  grösseren 
Ueberdruckkammern  unbedingt  den  Vorzug,  da  man  die  Lage  des 
Patienten  bei  etwa  eintretender  Störung  noch  ändern  kann.  Die  Be¬ 
hinderung  bei  Anwendung  der  grösseren  Kammern  ist  für  den  Ope¬ 
rateur  sehr  störend. 

Herr  Wilrns:  a)  Hyperästhetische  Zonen  bei  Schussverletzung 
des  Gehirns. 

W.  führt  das  Auftreten  hyperästhetischer  Zonen  auf  Verletzung 
des  Symphatikus  zurück.  Die  Ausbreitung  der  Zonen  entspricht  nicht 
dem  Ausbreitungsgebiet  einzelner  Nervenärzte,  sondern  hat  einen 
segmentalen  Charakter.  (Demonstration.) 

b)  Pat.  mit  Stenose  des  Oesophagus,  deren  benigne  Natur  durch 
digitale  Palpation  von  einer  Gastrotomie  aus  festgestellt  werden 
konnte.  W.  hat  diese  digitale  Untersuchung,  bei  der  der  Finger  in 
die  Gastrotomieöffnung  eingebunden  wird,  besonders  auch  für  die 
Entfernung  von  Fremdkörpern  am  unteren  Oesophagus  empfohlen. 

c)  Pat.  mit  Knochentransplantation:  Ersatz  des  oberen  Humerus¬ 
drittels  durch  das  obere  Drittel  der  Fibula  nach  Entfernung  eines 
Riesenzellensarkoms  des  Humerus. 

d)  Pat.  mit  Knochentransplantation:  Ersatz  des  mittleren  Drittel 
beider  Vorderarmknochen  wegen  Spindelzellensarkoms  durch  zwei 
Stücke  der  Fibula.  In  beiden  Fällen  heilten  die  transplantierten 
Stücke  ein.  Konsolidation  ist  in  letztem  Falle  noch  nicht  eingetretei:. 

e)  Pat.  mit  Palliativtrepanation  bei  Tumor  cerebri  unbekannten 
Sitzes.  Besserung  der  Stauungspapille,  Verschwinden  aller  sub¬ 
jektiven  Beschwerden,  Arbeitsfähigkeit  (2  Fälle). 

f)  Kind  mit  Blasenektopie,  bei  dem  die  Einpflanzung  der  Ureteren 
in  den  Mastdarm  gemacht  wurde,  da  die  Operation  der  Blasenektopie 
nach  T  rendelenburg  nicht  mehr  möglich  war,  wegen  Mangels 
des  Sphincter  vesicae  (2  Operationen  waren  vorher  auswärts  ge¬ 
macht  worden).  Für  die  häufigere  Anwendung  der  Trendelen¬ 
burg  sehen  Operation  spricht  die  Tatsache,  dass  die  guten  Erfolge 
der  übrigen  Methode  keine  Dauererfolge  sind,  denn  die  Pyelitis  hat 
doch  meist  nach  wenigen  Jahren  den  Exitus  der  Kinder  bedingt. 
Im  allgemeinen  plädiert  Wilrns  für  die  ideale  Methode  der  Blasen¬ 
ektopie  nach  Trendelenburg.  Die  Beckendurchtrennung  ist 
nicht  schwierig;  verwendet  man  zur  Kompression  des  Beckens  in 
der  Nachbehandlung  den  schon  früher  von  W.  angegebenen  Kom- 
pressionsapparat,  so  ist  ein  Dekubitus  ausgeschlossen  und  die  Heilung 
wesentlich  vereinfacht. 

g)  Pat.  mit  Ischuria  paradoxa  bei  Prostataatrophie  wahrschein¬ 
lich  kongenitalen  Ursprungs,  wobei  das  Hauptgewicht  der  Störung 
weniger  auf  die  Atrophie  als  vielmehr  auf  den  spastischen  Zustand 
der  Prostata  gelegt  werden  muss.  Partielle  Entfernung  der  Prostata. 

h)  Totalexstirpation  der  Blase  wegen  Karzinoms  bei  einem 
Anilinarbeiter  auf  pararektalem  Wege  nach  der  V  o  e  1  c  k  e  r  sehen 
Methode.  Es  gelang,  die  Blase  mit  Prostata  extraperitoneal  aur- 
zuschälen.  Die  Ureteren  müssen  noch  in  einer  zweiten  Sitzung  in 
der  Lendengegend  herausgeleitet  werden.  Die  erste  Operation  wurde 
sehr  gut  überstanden. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Marchand. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Harlmann  bespricht  einen  Fall  von  überzähligem 
aberranten  Ureter,  der  in  die  Vulva  ausmündete.  Das  in  der  vorderen 
Scheidenwand  gelegene  distale  Ende  war  ampullär  erweitert.  Dieses 
Stück  wurde  reseziert,  der  Ureter  dann  per  vaginam  in  die  Blase 
implantiert;  Heilung,  volle  Kontinenz. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  erweiterter  Form  anderen  Orts.) 

Herr  Heineke  demonstriert  3  Fälle  von  M  i  k  u  1  i  c  z scher 
Krankheit.  (Der  Vortrag  erscheint  unter  den  Originalien  dieser 
Wochenschrift.) 

Herr  Heineke  und  Herr  R  o  s  e  n  t  h  a  1  (a.  G.)  demonstrieren 
die  Lilienfeld  sehe  Röntgenröhre. 

Die  L  i  1  i  e  n  f  e  1  d  sehe  Röhre*)  hat  sich  seit  Monaten  in  der 
chirurgischen  Universitäts-Poliklinik  für  Aufnahmen  sämtlicher 
Körperteile  gut  bewährt.  Das  Prinzip  der  Röhre  ist  kurz  folgendes: 
Bei  den  bisher  gebrauchten  Röhren  lässt  sich  das  Vakuum,  von  dessen 
Höhe  die  Härte  oder  Weichheit  der  Röhre  abhängig  ist,  nur  in  ge- 


*)  Siehe  Lilienfeld  und  R  o  s  e  n  t  h  a  1 :  Fortschritte  auf  dem 
Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Bd.  18,  S.  256,  1912. 


8.  Februar  1913. _  MUENCHENKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ingeni  Umfang  regulieren.  Durch  die  sog.  Regeneriervorrichtungen 
elingt  es  zwar,  eine  hart  gewordene  Röhre  wieder  weicher  zu 
lachen;  doch  hat  diese  Regulierung  ihre  Grenzen,  auch  ist  es  nicht 
lüglich,  eine  weiche  Röhre  sofort  wieder  hart  zu  machen.  Ferner 
ermögen  diese  Reguliervorrichtungen  auch  nicht  dem  Altern  der 
(Öhre,  das  —  von  der  Metallzerstäubung  abgesehen  —  hauptsächlich 
ureh  den  allmählichen  Verbrauch  des  Gasgehaltes  der  Röhre  be- 
ingt  ist,  vorzubeugen.  Die  Röhren  werden  immer  härter  und  bieten 
;er  Entladung  schliesslich  solchen  Widerstand,  dass  der  Strom  in 
orm  von  Funken  aussen  um  die  Röhre  herumgeht  und  sie  schliesslich 
urchschlägt. 

Die  Lilienfeld  sehe  Röhre  beruht  nun  auf  einem  ganz 
nderen  Prinzip.  Die  Röhre  ist  so  weit  evakuiert,  wie  dies  nur 
berhaupt  möglich  ist;  sie  ist  so  hart,  dass  sie  auf  den  gewöhnlichen 
nduktorstrom  überhaupt  nicht  anspricht.  Lilienfeld  macht  die 
(Öhre  nun  dadurch  leitfähig,  dass  er  einen  zweiten  Strom  von  ge- 
ingerer  Spannung  und  geringerem  Energieverbrauch  durch  die  Röhre 
iurchschickt,  den  sog.  Leitfähigkeitsstrom.  Zur  Einleitung 
lieses  Stromes  benutzt  Lilienfeld  zwei  besondere  Elektroden, 
velcher  ausser  der  gewöhnlichen  Kathode,  Antikathode  und  Anode 
in  Rohre  angeordnet  sind.  Die  eine  dieser  neuen  Elektroden,  die 
Cathode  des  Leitfähigkeitsstromes,  besteht  aus  einem  Stückchen 
hatinfolie,  welches  auf  helle  Glut  erhitzt  die  Eigenschaft  hat,  u  n  - 
ibhängig  vom  Gasgehalte  der  Röhre  einen  verhältnis- 
niissig  niedrig  gespannten  Strom  durchtreten  zu  lassen.  Der  Leit- 
iihigkeitsstrom  macht  nun  die  Röhre  für  den  Röntgenstrom  durch¬ 
gängig,  besorgt  aber,  was  die  Hauptsache  ist,  gleichzeitig  auch  die 
idiebige  Regulierung  des  Härtegrades  der  Röhre.  Die  Leit- 
ähigkeit  der  Röhre  und  damit  ihre  Weichheit  ist  nämlich  der 
itärke  des  Leitfähigkeitsstromes  direkt  pro- 
>ortional.  Ist  der  die  Röhre  durchlaufende  Leitfähigkeitsstrom 
chwach,  so  ist  der  Widerstand  in  der  Röhre  gross;  man  braucht 
ehr  hochgespannten  Induktorstrom  und  erhält  harte  Röntgenstrahlen, 
e  stärker  der  Leitfähigkeitsstrom  ist,  desto  geringere  Spannung  des 
nduktorstroms  ist  nötig  und  desto  weicher  sind  die  Röntgenstrahlen, 
furch  Regulierung  des  Leitfähigkeitsstromes, 
tlso  durch  einfaches  Verschieben  des  Kontaktes 
m  einem  Widerstand  ist  man  also  imstande,  die 
Hohrein  jedem  Momen  tau  fjeden  beliebigen  Härte¬ 
irad  zu  bringen.  Man  kann  die  harte  Röhre  sofort  weich  und 
lie  weiche  sofort  hart  machen,  kann  die  Röhre  auch,  während  sie 
rn  Gange  ist,  beliebig  weich  und  hart  machen  und  so  von  einem 
fbjekt  eine  harte  und  weiche  Aufnahme  gleichzeitig  auf  derselben 
3latte  machen. 

Für  die  Röhre  werden  also  3  Ströme  und  3  Stromquellen  ge- 
rraucht.  Der  eine  Strom  glüht  die  Kathode  des  Leitfähigkeitsstromes 
nit  einem  Verbrauche,  wie  er  z.  B.  zum  Glühen  einer  kleinen  Glüh- 
ampe  erforderlich  ist.  Die  beiden  übrigen  Stromquellen  entladen 
üch  durch  das  Vakuum  der  Röhre:  der  Leitfähigkeitsstrom 
mtlädt  sich  von  dem  glühenden  Platinblättchen  aus,  während  die 
eigentliche  Röntgenentladung  genau  so,  wie  bei  den  be- 
<annten  Röntgenröhren,  zwischen  einem  Aluminiumhohlspiegel  und 
einer  Aluminiumanode  verläuft.  Die  Bedienung  der  Röhre  ist  trotz 
Ipr  scheinbar  komplizierten  Konstruktion  ebenso  einfach,  wie  bei  den 
bisher  üblichen  Röhren,  da  die  3  Ströme  der  Röhre  mit  einem  einzigen 
landgriff  ein-  und  ausgeschaltet  werden. 

Die  Röhre  wird  im  Gebrauch  vorgeführt.  Ferner  werden  Auf¬ 
nahmen  demonstriert,  die  mit  derselben  Röhre  unmittelbar  hinter¬ 
einander  bei  gleicher  Entfernung  und  gleicher  Expositionszeit,  bei 
weicher  und  harter  Schaltung  gemacht  worden  sind. 

Diskussion:  Herr  R  ö  s  1  e  r  weist  darauf  hin,  dass  Versuche 
nit  der  L  i  1  i  e  n  f  e  1  d  sehen  Röhre  an  der  medizinischen  Universitäts- 
aoliklinik  nicht  besonders  günstig  ausgefallen  sind.  Das  Instrumen¬ 
tarium  bestand  aus  einem  Kohl  sehen  Induktorium  von  50  cm  Fun- 
tenlänge,  einer  Akkumulatorenbatterie  zur  Erzeugung  des  Heiz¬ 
stromes  und  einer  besonderen,  ziemlich  komplizierten  Zuleitung  des 
Vimärstromes,  d.  i.  des  Leitfähigkeitsstromes  von  440  Volt  Spannung, 
Jessen  Stromstärke  durch  einen  Kontaktwiderstand  zwischen  40  bis 
180  MA.  reguliert  werden  konnte.  Durch  einfaches  Verschieben  des 
Kontaktes  konnten  keine  extremen  Härtegrade  erreicht  werden,  der 
Härtegrad  der  extrem  evakuierten  Röhre  schwankte,  nachdem  die 
Heizelektrode  zum  Glühen  gebracht  und  der  Primärstrom  eingeleitet 
worden  war,  zwischen  3 — 4  und  höchstens  7 — 8  Wehnelteinheiten, 
mittels  des  W  e  h  n  e  1 1  sehen  Kryptoradiometers  geprüft.  Durch¬ 
leuchtungen  ergaben,  wie  auch  bei  der  heutigen  Demonstration,  keine 
einwandfreien  Bilder  von  verschiedenen  besonders  extremen  Härte¬ 
graden.  Gute  Aufnahmen  des  Thorax  konnten  nicht  bei  beliebiger 
Einstellung  des  Induktoriums  erzielt  werden,  erst  dann,  wenn  der  pri¬ 
märe  Strom  des  Induktoriums  die  Stärke  erreicht,  hatte,  die  sonst  bei 
1  horaxaufnahmen  in  Anwendung  kam.  Ein  Durchgang  des  Induk- 
sionsstroms  mit  Erzeugung  von  Röntgenstrahlen  konnte  auch  ohne 
Leitfähigkeitsstrom  erreicht  werden,  wenn  nur  die  Heizelektrode  eine 
Zeitlang  geglüht  und  das  Innere  der  Röhre  erwärmt  hatte.  Das 
extreme  Vakuum  der  Röhre  war  also  schon  durch  Erwärmung  herab- 
s'emindert  worden,  anscheinend  waren  die  Röhren  nicht  genügend 
evakuiert.  Als  Missgeschick  muss  erwähnt  werden,  dass  uns  bei 
Gnem  Versuche  die  Heizelektrode  durchbrannte  und  die  Röhre  un¬ 
brauchbar  machte.  Auf  Grund  dieser  praktischen  Erfahrungen  möchte 
K.  nur  darauf  hinweisen,  dass  die  Lilienfeld  sehe  Röntgen- 


383 

Dilire,  ohne  auf  das  Prinzip  und  ihren  Wert  näher  einzugehen,  doch 
ein  kompliziertes  Instrumentarium  erfordet,  das  nicht  immer  auf  ein¬ 
faches  Verschieben  eines  Kontaktes  anspricht.  Im  Gegenteil  es  ist 
eine  ausserordentlich  sachkundige  Arbeit  nötig,  um  nicht  schon  beim 
Ausprobieren  zu  viel  Röhren  zu  zerstören  und  weiter  damit  Erfolge 
so  weitgehender  Natur  —  Aufnahmen,  Durchleuchtungen,  Ober¬ 
flächen-  und. Tiefenbestrahlungen  mit  einer  Röhre  —  wie  das  aus  den 
Darlegungen  des  Herrn  Prof.  Hcineke  gefolgert  werden  kann,  zu 
erzielen.  Ob  diese  Erfolge  in  jedem  Falle  und  mit  dem  von  Herrn 
Prof.  H  e  i  n  e  k  e  demonstrierten,  vereinfachten  Hilfsinstrumentarium 
immer  möglich  sind,  werden  weitere  Untersuchungen  ergeben. 

Herr  H  e  i  n  e  k  e  begegnet  in  seinem  Schlusswort  dem  Bedenken 
des  Herrn  R  ö  s  1  e  r  an  der  Hand  von  Röntgenphotographien. 

Herr  Dünkeloh:  Entfernung  eines  Fremdkörpers  durch 
Tracheotomie. 

Herr  Heller:  Demonstration  eines  Falles  von  Mikrognathie. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  21.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirse h. 

Herr  Wendel  demonstriert: 

1.  2  Fälle  von  Magenresektion  wegen  Carcinoma  ventriculi.  Bei 
dem  einen  Falle  wurde  ein  per  continuitatem  ergriffenes  Stück  des 
linken  Leberlappens  durch  Keilresektion  mitentfernt.  Die  Vereinigung 
von  Magen  und  Darm  nach  der  Resektion  geschah  durch  Gastro- 
Duodenostomie  nach  Kocher.  Glatte  Heilung  ohne  Zwischenfall. 
Demonstration  der  beiden  Patientinnen  und  der  resezierten  Kar¬ 
zinome. 

2.  Eine  Exostosis  cartilaginea  am  Vorderarm  eines  jungen 
Mädchens,  ausgehend  vom  Radius,  etwas  oberhalb  der  unteren 
Epiphyse,  und  in  das  Spatium  interosseum  derart  entwickelt,  dass 
eine  bogenförmige  Verkrümmung  der  Ulna  dadurch  hervorgerufen 
worden  ist,  welche  eine  starke  Verbreiterung  und  hässliche  Defor¬ 
mierung  hervorgerufen  hat.  Die  Exostose  hat  zwei  mit  Knorpel  be¬ 
deckte  Ausläufer.  Sie  sitzt  sehr  breitbasig  der  Kortikalis  auf.  Sie 
wurde  abgetragen,  und  da  das  Knochenwachstum  noch  nicht  beendet 
ist,  von  einer  Korrektion  der  Ulnadeformität  abgesehen.  Heilung 
p.  p.  Demonstration  des  Präparates  und  der  Röntgenplatten. 

Herr  Habs  bespricht  an  einer  Reihe  von  Röntgenbildern  die 
verschiedenen  Typen  der  Handwurzelbrüche,  darunter  einen  Bruch 
des  Erbsenbeines,  bei  welchem  durch  direkte  Gewalt  das  distale 
Ende  abgesprengt  (nicht,  wie  meist,  das  proximale  abgerissen)  war. 
Er  rät  in  allen  Fällen  von  Contusio  manus  eine  Röntgenphotographie 
anfertigen  zu  lassen,  um  keine  Fraktur  zu  übersehen  und  ebenso  bei 
allen  Fällen  von  Radiusfraktur  auf  der  Röntgenplatte  die  Handwurzel¬ 
knochen  genau  zu  betrachten,  da  sich  recht  oft  hier  weitere  Frakturen 
finden,  die,  wenn  nicht  beachtet,  langdauernde  Bewegungsstörungen 
bedingen  können. 

Herr  Ke  ferst  ein:  Das  Feuerbestattungsgesetz. 

Das  Feuerbestattungsgesetz  wurde  nach  voraufgegangener  Kom¬ 
missionsberatung  im  Mai  1911  von  dem  preussischen  Abgeordneten¬ 
hause  nur  mit  einer  Stimme  Mehrheit  angenommen,  welche  sich  bei 
nochmaliger  Nachzählung  auf  zwei  Stimmen  Mehrheit  erhöhte.  Das 
Gesetz  ist  am  14.  IX.  11  veröffentlicht  worden  und  hat  seit  der  Zeit 
Gesetzeskraft.  In  der  Begründung  des  Gesetzes,  als  es  als  Gesetzes¬ 
entwurf  bei  der  gesetzgebenden  Körperschaft  eingebracht  wurde, 
war  auch  der  Rechtsstreit  erwähnt,  welchen  der  Verein  für  Feuer¬ 
bestattung  in  Hagen  i.  W.  gegen  die  Polizeiverwaltung  zu  Hagen 
bei  dem  Oberverwaltungsgericht  durchgefiihrt  hatte.  Dieser  Feuer¬ 
bestattungsverein  hatte  1907  ein  Krematorium  erbaut,  doch  war  ihm 
von  der  Polizei  die  Verbrennung  von  Leichen  verboten  worden.  In 
diesem  Verbot  heisst  es:  Die  Königliche  Staatsregierung  sei  bisher 
der  Verbrennung  der  Leichen  entgegengetreten  mit  Rücksicht  auf  die 
vorherrschende  religiöse  Anschauung  und  Pietät  weiter  Kreise.  Auch 
würde  die  Verbrennung  von  Leichen,  wenn  sie  gestattet  werden 
sollte,  eine  Reihe  von  Anordnungen  erforderlich  machen,  welche  nur 
im  Wege  der  Gesetzgebung  getroffen  werden  könnten.  Solange  diese 
gesetzliche  Regelung  fehle,  könne  die  Leichenverbrennung  im 
Interesse  der  öffentlichen  Ordnung  nicht  zugelassen  werden. 

Der  Verein  erhob  Klage  und  machte  geltend,  es  sei  nicht  ein¬ 
zusehen,  inwiefern  durch  Einäscherung  einer  Leiche  eine  Störung 
der  öffentlichen  Ruhe,  Sicherheit  oder  Ordnung  entstehe  oder  eine 
Gefahr  für  das  Publikum  oder  einzelne  Personen  herbeigeführt 
werden  könnte.  Wenn  die  Feuerbestattung  den  vorherrschenden 
religiösen  Anschauungen  zuwiderlaufe,  so  sei  es  nicht  Aufgabe  der 
Polizei,  das  Gefühlsleben  des  Menschen  zu  schützen.  Verfehlt  sei 
fei  ner  die  Ansicht  der  Polizei,  dass  die  Feuerbestattung,  solange  sie 
nicht  gesetzlich  geregelt  sei,  gegen  die  öffentliche  Ordnung  verstosse. 
Der  Verein  ging  in  seinem  Rechtsstreit  bis  zum  höchsten  Gerichtshof, 
nämlich  bis  zum  Oberverwaltungsgericht  und  dieses  hat  folgendes 
Erkenntnis  erlassen,  welches  hier  im  Auszuge  mitgeteilt  wird: 
„Anzuerkennen  ist  zunächst,  dass  eine  gesetzliche  Bestimmung, 
welche  die  Feuerbestattung  für  unzulässig  erklärt,  in  Preussen  nicht 
besteht.  Die  bisherigen  gesetzlichen  Bestimmungen  haben  zwar  die 
Erdbestattung  vorausgesetzt,  weil  nur  diese  Art  der  Bestattung  zur 
Zeit  des  Erlasses  des  allgemeinen  Landrechts  in  Preussen  üblich  war. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  7. 


Hieraus  die  Folgerung  herleiten  zu  wollen,  dass  eine  andere  Art  der 
Bestattung,  insbesondere  die  Feuerbestattung,  verboten  wäre,  würde 
indessen  verfehlt  sein.  Ein  derartiges  Verbot  ist  nirgends  ausge¬ 
sprochen.  Es  ist  unbestritten,  dass  die  Feuerbestattung  mit  den  An¬ 
schauungen  der  christlichen  Kirche  in  Widerspruch  steht.  Die  katho¬ 
lische  Kirche  erlaubt  keinem  ihrer  Angehörigen,  einem  Leichen- 
verbrennungsverein  beizutreten  oder  zu  bestimmen,  dass  seine  Leiche 
oder  die  eines  andern  verbrannt  werde.  Auch  die  evangelische 
Kirche  untersagt  überwiegend  ihren  Geistlichen  die  amtliche  Be¬ 
teiligung  bei  einer  Feuerbestattung.  Jedoch  könne  man  eine  Rück¬ 
wirkung  auf  religiös-kirchliche  Verhältnisse  bzw.  auf  das  christliche 
Glaubens-  und  Gefühlsleben  durch  polizeilichen  Zwang  nicht  ver¬ 
hindern  und  zwar  um  so  weniger,  als  diese  Frage  keineswegs  allein 
die  Angehörigen  der  christlichen  Kirche  berühre.  Muss  hiernach 
der  religiös-kirchliche  Gesichtspunkt  ausscheiden,  so  stützt  sich  doch 
die  polizeiliche  Verfügung  zutreffend  auf  die  Interessen  der  staat¬ 
lichen  Rechtsordnung.  Es  ist  nicht  möglich  auf  dem  Boden  der 
Rechtsordnung  die  dem  Staate  zustehenden  Rechte  der  Feuer¬ 
bestattung  gegenüber  zur  Geltung  zu  bringen.  Nach  verschiedenen 
Richtungen  hin  bedarf  dieselbe  infolgedessen  der  Ergänzung.  So 
lange  solche  nicht  stattgefunden  hat,  ist  für  die  Einführung  der 
Feuerbestattung  kein  Raum  gegeben.  Ihre  Zulassung  ohne  die  er¬ 
forderliche  vorgängige  Regelung  würde  mit  der  bestehenden  Rechts¬ 
ordnung  in  Widerspruch  treten  und  sie  unter  Verletzung  der  staat¬ 
lichen  Befugnisse  durchbrechen.  Dies  Interesse  der  öffentlichen 
Ordnung  zu  wahren  ist  die  Polizei  ebenso  berechtigt  wie  verpflichtet. 
Die  Polizeiverwaltung  zu  Hagen  hat  sich  daher  bei  ihrem  Verbot  in 
den  Grenzen  ihrer  Befugnisse  gehalten.  Hiernach  war  das  Verbot 
der  Benutzung  des  Krematoriums  zur  Leichenverbrennung,  welches 
die  Polizeiverwaltung  zu  Hagen  an  den  klagenden  Verein  erlassen 
hat,  als  gerechtfertigt  zu  erachten  und  es  musste  auf  Abweisung  der 
Klage  erkannt  werden.“ 

Gegen  die  Feuerbestattung  waren  also  stets  religiöse  Bedenken 
und  andere  Bedenken  der  Rechtspflege,  d.  h.  kriminelle  Bedenken, 
entstanden  und  das  Gesetz  hat  versucht,  diese  Bedenken  nach  jeder 
Richtung  zu  zerstreuen.  Es  war  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob 
eine  Garantie  geschaffen  werden  müsste,  wenn  eine  Beseitigung  des 
menschlichen  Körpers  durch  Feuer  gestattet  wird,  dass  die  Straf¬ 
rechtspflege  nicht  dabei  leidet,  weil  etwa  durch  Beseitigung  des  ■ 
Körpers  die  Beweisführung  dafür,  dass  ein  Verbrechen  vorliegt, 
wesentlich  erschwert  würde.  Es  war  die  Frage,  wie  sich  diese 
Gefahr  durch  das  Gesetz  vermeiden  Hesse,  da  durch  die  Beerdigung 
derartige  Beweisstücke  nicht  entzogen  worden  wären.  Es  musste 
daher  vor  der  Bestattung  eine  Untersuchung  der  Leiche  angeordnet 
werden,  welche  annähernde  Sicherheit  dafür  gewährt,  dass  hier  der 
Verdacht  eines  Verbrechens  nicht  vorliegt.  Es  musste  festgestellt 
werden,  ob  ein  gewaltsamer  Tod  eingetreten  sei,  besonders,  dass 
ein  Giftmord  nicht  vorliege.  Während  bei  der  Erdbestattung  die 
Leiche  noch  nach  Jahren  ausgegraben  werden  konnte,  fällt  bei  der 
Feuerbestattung  diese  Möglichkeit  fort.  Es  war  daher  vielfach  in 
der  Beratung  des  Gesetzes  erörtert  worden,  dass  bei  jeder  Leiche, 
welche  der  Feuerbestattung  übergeben  werden  sollte,  eine  Leichen¬ 
öffnung  vorzunehmen  sei.  Zuletzt  hat  man  sich  aber  mit  der  Leichen¬ 
besichtigung  begnügt,  die  von  dem  beamteten  Arzt  und  zwar  von 
dem  Gerichtsarzte  bzw.  dem  Kreisarzt,  der  als  Gerichtsarzt  tätig  ist, 
voi  zunehmen  sei  unter  Zuziehung  des  behandelnden  Arztes.  Wenn 
durch  das  Gutachten  dieser  beiden  die  Todesursache  nicht  sicher 
festgestellt  wird,  dann  soll  eine  Leichenöffnung  vorgenommen  werden. 
Es  wird  also  in  allen  zweifelhaften  Fällen  vor  der  Einäscherung  die 
Leichenöffnung  erfordert,  und  der  Gerichtsarzt  hat  die  Bescheinigung 
auszustellen,  es  sei  zweifelsfrei,  dass  ein  Verdacht,  der  Tod  sei  durch 
eine  strafbare  Handlung  herbeigeführt  worden,  sich  nicht  ergeben 
hat.  In  zweifelhaften  Fällen,  wo  die  Leichenöffnung  ausgeführt  wird, 
ist  dann  auch  bei  Verdacht  auf  Vergiftung  eine  chemische  Unter¬ 
suchung  nicht  ausgeschlossen.  Die  Feuerbestattung  soll  nicht  etwa 
die  Erdbestattung  ersetzen,  sie  ist  vielmehr  nur  fakultativ.  Vor¬ 
läufig  wird  sie  auch  immer  noch  der  Ausnahmefall  bleiben. 

Es  ist  auch  noch  an  der  Asche  einer  verbrannten  Leiche  mög¬ 
lich,  gewisse  Gifte,  nämlich  die  metallischen  Gifte  und  Arsenik  fest¬ 
zustellen,  nur  muss  der  Staat  dafür  sorgen,  dass  die  Asche  nicht  mit 
anderen  Bestandteilen  vermischt  wird  und  dass  sie  derartig  auf¬ 
bewahrt  wird,  dass  noch  nach  längerer  Zeit  eine  chemische  Unter¬ 
suchung  dieser  Asche  ausgeführt  werden  kann. 

Es  ist  der  Ausdruck  Feuerbestattung  im  Gesetz  gewählt  worden 
und  nicht  Leichenverbrennung,  weil  auch  die  Beisetzung  der  Asche 
an  einer  bleibenden  Ruhestätte  in  Frage  kommt.  Die  Genehmigung 
zu  einer  Feuerbestattungsanlage  kann  nicht  einer  Privatperson  oder 
den  Feuerbestattungsvereinen  erteilt  werden,  sondern  nur  Gemeinden 
und  Gemeindeverbänden  oder  Körperschaften  des  öffentlichen  Rechts, 
denen  die  Sorge  für  Beschaffung  der  öffentlichen  Begräbnisplätze 
obliegt,  so  den  Kirchengemeinden  und  auch  den  Synagogengemeinden. 

Will  eine  Gemeinde  eine  Feuerbestattungsanlage  erbauen,  so 
muss  der  Antrag  von  mindestens  Zweidrittelmehrheit  beschlossen 
werden.  In  Städten,  wo  die  Mehrheit  der  Bewohner  der  katho¬ 
lischen  Kirche  angehört,  wird  voraussichtlich  so  bald  eine  Feuer¬ 
bestattungsanlage  nicht  möglich  sein.  Zuerst  muss  also  eine  Stadt 
bei  der  Stadtverordnetenversammlung  die  Probe  machen,  ob  eine 
Zweidrittelmehrheit  vorhanden  ist.  Ist  eine  solche  Mehrheit  nicht 
vorhanden,  so  ist  die  Sache  vorläufig  unmöglich  und  man  kann 
weitere  Schritte  nicht  unternehmen.  Auch  die  Gebrauchsordnung 


muss  von  der  Aufsichtsbehörde  genehmigt  werden  mit  dem  Gebühren¬ 
tarif.  Dieser  soll,  wie  es  in  den  Ausführungsbestimmungen  heisst, 
nicht  zu  niedrig  bemessen  werden,  um  nicht  einen  indirekten  Anreiz 
zu  schaffen,  die  Feuerbestattung  der  Erdbestattung  vorzuziehen. 

Weiter  sollen  die  Aschenreste  auch  nach  längerer  Zeit  noch  im 
Interesse  der  Strafrechtspflege  behördlich  untersucht  werden  können. 
Deshalb  sollen  die  Aschenreste  dem  Zugriff  von  Privatpersonen  völlig 
entzogen  sein. 

Zur  Vornahme  der  Feuerbestattung  ist  in  jedem  Falle  mindestens 
24  Stunden  vorher  die  Genehmigung  der  Ortspolizeibehörde  des 
Verbrennungsorts  einzuholen.  Antragsberechtigt  ist  jeder  Be¬ 
stattungspflichtige.  Die  Genehmigung  ist  schriftlich  zu  erteilen,  sie 
muss  versagt  werden,  wenn  nicht  beigebracht  wird:  1.  die  amtliche 
Sterbeurkunde,  2.  die  amtsärztliche  Bescheinigung  über  die  Todes¬ 
ursache,  3.  der  Nachweis,  dass  der  Verstorbene  die  Feuerbestattung 
seiner  Leiche  angeordnet  hat,  4.  die  Bescheinigung  der  Ortspolizei¬ 
behörde  des  Sterbeorts  oder  des  letzten  Wohnorts  des  Verstorbenen, 
dass  keine  Bedenken  gegen  die  Feuerbestattung  bestehen,  dass  ins¬ 
besondere  ein  Verdacht,  der  Tod  sei  durch  eine  strafbare  Handlung 
herbeigeführt  worden,  nicht  vorliegt. 

Die  amtsärztliche  Bescheinigung  über  die  Todesursache  ist  auf 
Grund  der  Leichenschau  auszustellen  unter  Zuziehung  des  behan¬ 
delnden  Arztes.  Vor  der  Bescheinigung  ist  die  Leichenöffnung  vor¬ 
zunehmen,  wenn  einer  der  beteiligten  Aerzte  dies  zur  Feststellung 
der  Todesursache  für  erforderlich  hält. 

Der  Nachweis,  dass  der  Verstorbene  die  Feuerbestattung  ange¬ 
ordnet  hat,  kann  erbracht  werden:  1.  durch  eine  letztwillige  Ver¬ 
fügung  des  Verstorbenen,  2.  durch  mündliche  Erklärung  des  Ver¬ 
storbenen,  die  von  einer  zur  Führung  eines  öffentlichen  Siegels  be¬ 
rechtigten  Person  als  in  ihrer  Gegenwart  abgegeben  bekundet  wird. 
Die  Anordnung  ist  nur  wirksam,  wenn  der  Verstorbene  sie  nach 
vollendetem  16.  Lebensjahre  getroffen  hat,  sie  kann  nicht  durch  einen 
Vertreter  getroffen  werden.  Stand  jedoch  der  Verstorbene  unter 
elterlicher  Gewalt  und  hatte  er  nicht  das  16.  Lebensjahr  vollendet, 
so  tritt  der  Antrag  des  Inhabers  der  elterlichen  Gewalt  an  die  Stelle 
der  Anordnung. 

In  den  Ausführungsbestimmungen  heisst  es:  Dem  behandelnden 
Arzte  ist  nur  Gelegenheit  zu  geben,  der  Leichenschau  beizuwohnen 
um  sich  gutachtlich  zu  äussern.  Erscheint  er  trotz  der  Aufforderung 
nicht,  verweigert  er  auch  ein  schriftliches  Gutachten,  so  soll  der 
beamtete  Arzt  die  Leichenschau  allein  vornehmen  und  die  Be¬ 
scheinigung  auch  ohne  Mitwirkung  des  behandelnden  Arztes  erteilen 
dürfen.  _  ... 

In  der  Diskussion  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  jeder,  der 
nach  seinem  Tode  die  Feuerbestattung  haben  wollte,  durch  letzt¬ 
willige  Verfügung  dafür  sorgen  müsse.  Traut  er  seinen  Angehörigen 
nicht  zu,  dass  sie  seine  letztwillige  Verfügung  auch  befolgen  werden, 
so  müsste  er  durch  letztwillige  Verfügung  gewissermassen  einen 
Testamentsvollstrecker  ernennen. 

Herr  Wendel:  Vortrag  über  „Retrograde  Inkarzeration  der 
Hernien. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  den  Ergebnissen  der  Chirurgie  und 
Orthopädie  von  Payr  und  Küttner.) 

Herr  P.  Schreiber:  Mitteilung  über  Optikerschulen. 

M.  H.!  Die  Optikerschule,  über  welche  ich  heute  zu  Ihnen 
zu  sprechen  beabsichtige,  interessiert  ja  in  erster  Lime  die  Augen¬ 
ärzte,  indessen  möchte  ich  im  Anschluss  an  meine  kurze  Mitteilung 
einen  Appell  an  die  praktischen  Aerzte  knüpfen,  welche  uns  Augen¬ 
ärzten  in  dieser  peinlichen  Angelegenheit  sehr  zu  Hilfe  kommen 

könnten.  .  . 

Wie  Ihnen  wohl  nicht  entgangen  sein  wird,  geht  das  Bestreben 
der  Optiker  dahin,  dem  Augenarzt  das  Brillenbestimmen  immer  mehr 
und  mehr  aus  der  Hand  zu  nehmen.  In  zahllosen  Annoncen  zeigen 
sie  dem  Publikum  an,  dass  sie  in  besonderen,  vom  Laden  getrennten 
Räumen  die  kompliziertesten  Brillenbestimmungen  mit  allen  mög¬ 
lichen  Instrumenten  der  Neuzeit  kostenlos  und  ohne  Kaufzwang  aus¬ 
führten.  Sollten  Augenkrankheiten  oder  Star  vorhanden  sein,  wurden 
die  werten  Kunden  einem  gewissenhaften  Augenärzte  überwiesen. 
Dieser  oder  ein  ähnlicher  Tenor  wird  in  allen  diesen  Annoncen  an¬ 
geschlagen.  Einigen  mit  grösseren  Mitteln  arbeitenden  Optikern  ist 
es  auch  gelungen,  Augenärzte,  welche  die  Not  des  Lebens  dazu 
zwang,  in  ihren  Läden  zu  beschäftigen.  Jedenfalls  hat  sich  aber  bei 
dem  deutschen  Optikerverbande  die  Ansicht  durchgerungen,  dass  sie 
ihr  Ziel,  die  Augenärzte  nach  Möglichkeit  auszuschalten,  am  ein¬ 
fachsten  dadurch  erreichen  könnten,  wenn  sie  eine  Fachschule  für 
Ladenoptiker  einrichteten,  in  welcher  denselben  von  augenärztlicher 
Seite  die  für  funktionelle  Prüfungen  und  objektive  Augenunter¬ 
suchungen  notwendigen  Kenntnisse  beigebracht  würden. 

Eine  derartige  Fachschule  wurde  vor  ungefähr  3  Jahren  unter 
der  Aegide  des  Grossherzoglich  Hessischen  Ministeriums  des  Innern 
in  Mainz  ins  Leben  gerufen  und  lehrte  an  derselben  der  bekannte 
Dr.  Graf  v.  W  i  s  e  r  das  Brillenbestimmen.  Da  die  Mainzer  Schule 
wegen  der  exzentrischen  Lage  im  Deutschen  Reiche  nicht  prospe¬ 
rierte,  wurde  in  der  Vorstandssitzung  des  Deutschen  Optiker vei- 
bandes  in  Jena  im  Frühjahr  1912  beschlossen,  diese  Schule  nach  Berlin 
zu  verlegen,  und  wurde  dieselbe  am  10.  Oktober  1912  daselbst  er¬ 
öffnet.  Gegen  diese  Schule  wäre  von  augenärztlicher  Seite  nicht  viel 
einzuwenden,  wenn  den  Zöglingen,  die  sich  nur  darüber  auszuweisen 
haben,  dass  sie  19  Jahre  alt  sind  und  dass  sie  eine  mindestens 
zweijährige  praktische  Tätigkeit  als  Ladenoptiker  hinter  sich  haben, 


■S.  Februar  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ji  übrigen  aber  eine  Volks-  oder  Bürgerschulbildung  besitzen 
innen.  Mathematik,  Physik  und  Optik,  Elektrotechnik,  Photographie, 
uchführung,  Schaufensterdekoration  und  fremde  Sprachen  beige¬ 
acht  würden.  Dagegen  muss  man  absolut  missbilligen,  dass  die 
idenoptiker  in  dieser  Schule  von  einem  Augenarzt  namens  Sieg- 
ied  Gur  an  im  Brillenbestimmen,  in  ophthalmometrischen  Ueb- 
lgen,  in  Skiaskopie,  im  Gebrauch  des  Augenspiegels  und  seiner 
iwendung  im  Refraktionsbestimmen,  in  der  Handhabung  der  Oph- 
almometrie  und  Optometrie,  sowie  über  den  Schutz  und  die  Pflege 
s  Auges  unterrichtet  werden. 

Es  ist  ganz  selbstverständlich,  dass  in  dieser  Schule,  welche 
ich  einem  halben  Jahre  ihre  Zöglinge  eventuell  als  diplomierte 
ptiker  entlässt,  ein  Heer  von  Kurpfuschern  grossgezogen  wird, 
elches  nicht  nur  den  Augenärzten,  sondern  vor  allen  Dingen  dem 
iblikum  sehr  gefährlich  werden  wird.  Denn,  wenn  auch  die  Deutsche 
otikerschule  bislang  unter  Polizeiaufsicht  steht  und  sich  nicht  staat- 
h  konzessioniert  oder  privilegiert  nennen  darf,  so  ist  es  ganz  klar, 
iss  es  die  dieser  Schule  entspringenden  Jünger  mit  einem  Nimbus 
nkleiden  wird,  wenn  sie  polizeilich  bestätigt  und  befugt  sind,  nach 
Jahre  Augenheilkunde  mit  Volksschulvorbildung  zu  treiben,  wäh- 
nd  der  praktische  Arzt  erst  nach  mehrjährigem  Spezialstudium  sich 
Ligenarzt  nennen  darf. 

Leider  kann  ich  nun  dem  praktischen  Arzte  und  besonders  dein 
elgeplagten  und  überbürdeten  Kassenarzte  den  Vorwurf  nicht  er- 
aren,  dass  er  auch  ein  gut  Teil  dazu  beigetragen  hat,  den  Optiker 
i  veranlassen,  sich  zum  Kurpfuscher  auszubilden,  indem  er  seine 
illenbedürftigen  IJatienten  einfach  zum  Optiker  schickte  mit  der 
eisung,  sich  von  demselben  die  nötige  Brille  aussuchen  zu  lassen, 
h  möchte  nun  die  Herren  Kollegen  im  Aufträge  der  in  Magdeburg 
aktizierenden  Augenärzte  recht  herzlichst  gebeten  haben,  mit 
esem  Verfahren  in  Zukunft  zu  brechen  und  in  den  Fällen,  wo  Sie 
cht  in  der  Lage  sind,  ihre  Patienten  mit  selbst  festgestellen  Brillen 
ersehen  zu  können,  dieselben  nicht  dem  Optiker,  sondern  dem 
agenarzt  zu  überweisen. 


leinisch-westfälische  Gesellschaft  für  innere  Medizin 
und  Nervenheilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

.  ordentliche  Versammlung  in  Köln,  am  3.  Nov.  1912. 

Vorsitzender:  Herr  L  e  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg. 

Schriftführer:  Herr  L  a  s  p  e  y  r  e  s  -  Bonn. 

.Herr  L  e  v  y  -  Essen  stellt  einen  Säugling  von  10  Monaten  vor, 
r  März  ds.  Js.  an  einer  sehr  schweren  Form  von  Genickstarre 
lalbseitenlähmung)  erkrankte  und  durch  Seruminjektionen  in  die 
itenventrikel  des  Grosshirns  geheilt  wurde,  da  ausser  der  ersten 
ignostischen  alle  Lumbalpunktionen  misslangen.  Residuen:  Taub¬ 
it  und  leichte  Parese  der  vorderen  Halsmuskeln  (der  Fall  ist  ver- 
tentlicht  im  Arch.  f.  Kinderheilkunde,  Bd.  59,  H.  1/2),  ferner  den 
iter  dieses  Säuglings,  Epileptiker,  der  3  Monate  später  ebenfalls 

Genickstarre  erkrankte  und  durch  4  aufeinanderfolgende  intra- 
;nbale  Seruminjektionen  (trotz  schweren  Herzkollaps  nach  der 
iektion  am  2.  Tage)  prompt  geheilt  wurde. 

Herr  H  o  c  h  h  a  u  s  -  Köln  demonstriert  die  Präparate  eines 
ules  von  syphilitischer  Bronchialerkrankung. 

Es  handelte  sich  um  eine  30  jährige  Frau,  die  unter  den  Zeichen 
hwerer  Trachealstenose  am  20.  III.  12  ins  Krankenhaus  gebracht 
-irde.  Sie  gab  an,  dass  sie  vor  2  Monaten  an  Husten  ohne  Auswurf 
krankt  sei  und  dass  sehr  bald  heftigste  Atemnot  dazugetreten  sei: 
nst  sei  sie  früher  gesund  gewesen,  nur  mit  19  Jahren  habe  sie 
ien  Hautausschlag  gehabt. 

Die  Kranke  war  blass,  mager,  leicht  zyanotisch.  Die  Atmung 
ir  sehr  angestrengt  und  erfolgt  mit  starkem  inspiratorischen 
ridor;  starkes  Hinuntersteigen  des  Kehlkopfes  bei  jeder  Inspiration. 

Die  Untersuchung  ergab  Narben  am  Gaumen;  im  übrigen  an 
Tlkopf  und  Trachea  nichts  Abnormes;  auch  nicht  mittelst  der 
onchoskopie  (durch  Herrn  Dr.  S  c  h  i  c  k  e  n  d  a  n  t  z),  Herzbefund 
ir  normal;  die  Durchleuchtung  ergab  keinen  Tumor,  kein  Aneu- 
ma-  Lungenränderstand  sehr  tief;  sonst  Befund  normal.  Uebrige 
gane  ohne  Störung;  nur  an  den  Tibien  Verdickungen. 

Da  Wassermann  stark  positiv,  wurde  gleich  eine  Einspritzung 
n  Salvarsan  vorgenommen;  auch  erhielt  die  Kranke  Jod.  Trotzdem 
-irde  die  Atemnot  schlimmer  und  die  Kranke  starb  plötzlich  am 
IV.  12. 

Die  Obduktion  ergab  ausser  luetischen  Narben  am  Gaumen 
1  Anfänge  beider  Hauptbronchien  eine  umschriebene  gummöse 
ucherung  der  Bronchialwände,  die  das  Lumen  ganz  erheblich 
dosierte;  die  Ausdehnung  betrug  etwa  VA — 2  cm,  ausserdem  einige 
sch  wollene  Mediastinaldrüsen  und  zahlreiche  Gummen  in  der  Leber. 

Derartige  umschriebene  syphilitische  Wucherungen  in  den 
onchien  sind  selten;  in  der  Regel  pflegen  dieselben  zu  ulzerieren 
e  dann  Hämoptoe  hervorzurufen,  was  hier  indes  nicht  der  Fall 
iir-  Neben  der  hier  vorhandenen  Form  der  Bronchiallues  kommt 
cli  eine  zweite  vor,  die  entlang  den  Bronchien  weiter  zieht  und 
h  bis  in  die  Lunge  hinein  erstreckt. 

Herr  Pincus-Köln:  Neuritis  optica  und  Neurofibromatose, 
rankenvorstellung.) 

Pat.  mit  typischer  Neurofibromatose  der  Haut  (R  e  c  kling- 


h  a  u  s  e  n),  der  seit  einigen  Monaten  an  einer  bisher  gutartig  ver¬ 
laufenden  Neuritis  optica  beider  Augen  leidet.  Erscheinungen  irgend¬ 
welcher  Erkrankung  anderer  Hirnnerven  oder  einer  Hirngeschwulst 
fehlen,  und  es  finden  sich  auch  keinerlei  Anzeichen  sonst  einer  All¬ 
gemeinerkrankung. 

(Ueber  den  Fall  wird  an  anderer  Stelle  ausführlich  berichtet 
werden.) 

Herr  Sie  ge  rt- Köln  demonstriert  einen  Fall  von  Zuckerguss- 
Ieber  als  1  eilerscheinung  chronischer  fibröser  Polyserositis  beim 
9  jährigen  Mädchen.  Beginn  vor  6  Jahren  mit  Endo-Perikarditis  nach 
A^ffinä.  Typischer  Verlauf  mit  den  bekannten  Remissionen.  Seit 
3  Monaten  keine  Punktion  des  Aszites  nötig.  Hochgradiger  In¬ 
fantilismus. 

Herr  Moritz-  Köln :  Ueber  den  künstlichen  Pneumothorax. 

(Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  H  o  c  h  h  a  u  s  -  Köln; :  Erfahrungen  über  die  Behandlung 
chronischer  Lungenerkrankungen  mit  dem  künstlichen  Pneumothorax. 

Der  Vortragende  bespricht  zuerst  das  besonders  von  fran¬ 
zösischen  und  russischen  Aerzten  empfohlene  Verfahren,  die  ex¬ 
sudative  Pleuritis  mit  Einblasung  von  Stickstoff  in  die  Pleurahöhle 
zu  behandeln;  es  soll  dadurch  die  Gefahr  der  starken  Druckvermin- 
derung  bei  der  Ablassung  des  Pleuraexsudats  vermieden  werden; 
ferner  soll  die  Entleerung  dadurch  in  weit  vollkommenerer  Weise 
als  mit  den  anderen  Methoden  erreicht  werden  und  es  sollen  Ad¬ 
häsionen  der  Pleuren  seltener  Zurückbleiben;  in  Deutschland  hat 
Arnsperger  neuerdings  diese  Behandlungsmethode  empfohlen 
Der  Vortragende  hat  dieselbe  in  den  letzten  Jahren  häufiger  an¬ 
gewendet  und  kann  bestätigen,  dass  besonders  bei  der  Entleerung 
grosser  Exsudate  sich  dieselbe  sehr  bewährt  hat.  Irgendwelche  Be¬ 
schwerden  traten  nie  ein  und  die  Entleerung  war  stets  eine  recht 
ausgiebige  bei  Anwendung  der  einfachen  Ausheberung  durch 

I  roikart  mit  Schlauch  und  Trichter.  Ob  Adhäsionen  dadurch  ver- 
mieden  werden,  vermag  er  nicht  sicher  anzugeben;  jedenfalls  scheint 
das  Verfahren  für  geeignete  Fälle  empfehlenswert. 

Den  künstlichen  Pneumothorax  nach  F  o  r  1  a  n  i  n  i,  der  in 
Deutschland  von  Brauer  und  Schmidt  zuerst  empfohlen  worden, 
hat  H.  in  21  Fällen  angewendet,  und  zwar  bei  4  Bronchiektatikern 
und  bei  17  Phthisikern. 

Die  Methode  war  die  von  Brauer  mit  der  Modifikation,  dass 
der  Schnitt  nur  2  cm  gross  gemacht  wurde  und  dann  Fett-  und 
Muskelgewebe  bis  zur  Pleura  zum  Teil  stumpf  durchtrennt  wurde. 
Dann  wurde  letztere  mit  dem  S  a  1  o  m  o  n  sehen  Troikart  durch- 
stossen;  kurz  vor  dem  Eingriff  erhielt  der  Kranke  eine  Morphium¬ 
injektion;  ferner  wurde  sowohl  'die  Haut,  wie  auch  die  Weichteile 
bis  auf  die  Pleura  sorgfältig  mit  S  c  h  1  e  i  c  h  scher  Lösung  anästhe¬ 
siert.  Irgendwelche  unangenehme  Zufälle  traten  nicht  auf;  der  Stick¬ 
stoff  wurde  erst  dann  hereingelassen,  wenn  der  mit  dem  Troikart 
verbundene  Manometer  deutlich  negativen  Druck  und  die  bekannten 
respiratorischen  Schwankungen  zeigte.  Die  Erreichung  eines  kom¬ 
pletten  Pneumothorax  gelang  nur  in  wenigen  Fällen;  in  den  meisten 
Fällen  war  derselbe  durch  die  vorhandenen  Adhäsionen  nur  partiell 
und  wurde  erst  nach  mehrfachen  Insufflationen  zu  einem  fast  totalen: 
in  den  letzteren  Fällen  war  der  kleine  Eingriff  auch  häufig  von 
lebhaften  Schmerzen  in  der  Brust,  leichten  Beklemmungen  und  Ohn¬ 
machtsanwandlungen  begleitet. 

Die  Menge  des  injizierten  Gases  war  verschieden;  anfangs 
wurden  häufiger  1000 — 1500  ccm  injiziert;  in  letzter  Zeit  selten  mehr 
als  6 — 700  ccm.  Die  Menge  musste  nach  dem  Manometerdruck  und 
der  individuellen  Verträglichkeit  bemessen  werden. 

Die  Resultate  waren  folgende:  Von  den  4  Bronchiektatikern 
wurde  einer  wesentlich  gebessert,  zwei  zeigten  keine  Veränderungen 
und  bei  einem  trat  eine  Verschlechterung  ein. 

Von  17  Phthisikern,  fast  durchweg  vorgeschrittenen  einseitigen 
Erkrankungen  mit  ganz  geringer  Beteiligung  der  anderen  Lunge  sind 

I I  aus  der  Behandlung  entlassen,  während  6  sich  jetzt  noch  auf  der 
Klinik  befinden. 

Von  den  11  ersten  wurden  5  wesentlich  gebessert  entlassen; 
der  Husten  liess  nach,  der  Auswurf  wurde  bedeutend  geringer,  das 
Fieber  sank  ab,  die  Nachtschweisse  Hessen  nach,  das  ganze  Allge¬ 
meinbefinden  wurde  besser;  eine  wesentliche  Gewichtszunahme 
wurde  dagegen  nur  vereinzelt  erzielt. 

Wie  lange  der  Effekt  bei  dem  Einzelnen  angehalten,  kann  ich 
nicht  genau  sagen,  da  dieselben  sich  der  anempfohlenen  Nachkontrolle 
entzogen;  nur  einer  derselben  wurde  nach  einem  halben  Jahre  in 
sehr  verschlechtertem  Zustand  wieder  aufgenommen  und  starb  bald 
darauf. 

Von  den  6  übrigen  sind  5  meist  nach  längerer  Behandlung  ge¬ 
storben;  bei  dreien  davon  trat  nach  den  ersten  Nachfüllungen  zuerst 
eine  Besserung  auf,  die  indes  nicht  standhielt  und  dann  einer  zu¬ 
nehmenden  Verschlimmerung  Platz  machte. 

Bei  zweien  trat  gleich  nach  der  ersten  Nachfüllung  eine  starke 
Verschlimmerung  ein,  so  dass  von  der  weiteren  Fortsetzung  Abstand 
genommen  werden  musste. 

Bei  einer  Kranken  stellte  sich  nach  mehrmaliger  Nachfüllung 
ein  Seropneumothorax  ein;  das  Befinden  wurde  danach  anfangs 
schlechter,  besserte  sich  nachher  aber  wieder  derartig,  dass  die 
Kranke  auf  ihren  Wunsch  entlassen  werden  konnte. 

Bei  den  6  noch  in  Behandlung  befindlichen  Kranken  ist  in 
4  Fällen  eine  merkliche  Besserung  eingetreten,  während  bei  zweien 
ein  Erfolg  nicht  konstatiert  werden  kann. 


386 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


Die  Resultate  bei  den  17  Behandelten  wären  also  kurz  dahin 
zusammeniassen,  dass  bei  9  Fällen  eine  Besserung,  bei  5  Fällen  eine 
Verschlechterung  und  in  3  Fällen  kein  Erfolg  erzielt  wurde. 

In  Anbetracht  der  Schwere  der  Erkrankung  kann  das  Resultat 
immerhin  als  ein  sehr  beachtenswertes  betrachtet  werden  und  wird 
zur  weiteren  Anwendung  in  geeigneten  Fällen  stets  wieder  auf¬ 
fordern.  Die  Zahl  der  hier  in  Betracht  kommenden  Fälle  ist  aller¬ 
dings  nicht  gross,  wenn  man  an  der  eingangs  festgelegten  Indikation, 
nur  schwerere,  vorzugsweise  einseitige  Fälle  zu  behandeln  festhält. 
V  o  1  h  a  r  d  berechnet  nach  seiner  Erfahrung,  dass  höchstens 
4 — 5  Proz.  der  Tuberkulösen  für  diese  Behandlung  in  Betracht 
kommen. 

Ob  auch  leichtere,  wenig  vorgeschrittene  Kranke  mit  dem  künst¬ 
lichen  Pneumothorax  behandelt  werden  sollen,  ist  noch  strittig.  Da 
derselbe  immerhin  nicht  ganz  ohne  Gefahren  ist,  wird  man  dies 
r.ur  in  Ausnahmefällen  tun  dürfen,  z.  B.  bei  einer  sehr  starken 
Progressivität  des  Prozesses,  der  durch  unsere  übrigen  Methoden 
kein  Einhalt  zu  tun  ist. 

Diskussion:  Herr  Paul  Krause-  Bonn  weist  darauf  hin, 
dass  ein  recht  beträchtlicher  Teil  der  Tuberkulösen,  welchen  man 
einen  künstlichen  Pneumothorax  gesetzt  hat,  höchst  unangenehmen 
Komplikationen  ausgesetzt  sind.  Er  habe  zurzeit  wieder  eine 
Patientin  in  Beobachtung,  welche  2  Monate  nach  Anlegung  des  Pneu¬ 
mothorax  einen  Sero-Pneuomothorax  bekam,  welcher  jetzt  bereits 
5  Monate  lang  besteht  und  durchaus  keine  Neigung  zum  Zurückgehen 
zeige,  im  Gegenteil,  er  nehme  langsam  immer  mehr  zu.  Eine  inter¬ 
kurrente  Erkrankung  sei  in  seinem  Falle  nicht  nachweisbar  ge- 
weisen.  Es  ist  ja  ohne  weiteres  zuzugeben,  dass  die  Ruhigstellung 
der  Lungen  durch  den  Flüssigkeitserguss  eine  grössere  wird.  Immer¬ 
hin  ist  doch  zweifellos  diese  Komplikation,  welche  nach  Saug- 
mann  in  8  Proz.,  nach  Brauer  in  5  Proz.  vorkomme,  eine  wenig 
angenehme.  Man  kann  nie  Voraussagen,  ob  sie  ohne  alle  Folgen  ver¬ 
schwinden  wird.  Zweifellos  liegt  die  Gefahr,  dass  ein  Empyem 
daraus  wird,  ausserordentlich  nahe.  Von  weiteren  Komplikationen 
seien  die  Todesfälle  zu  erwähnen,  welche  unmittelbar  an  die  An¬ 
legung  des  Pneumothorax  sich  einstellen.  Brauer  hat  unter  102 
Fällen  4  Todesfälle,  wovon  2  sicher  auf  Luftembolien,  zwei  andere 
iiöchst  wahrscheinlich  darauf  zurückzuführen  sind.  Von  weiteren 
Zufällen  sei  zu  erwähnen  die  zu  starke  Verschiebung  des  Media¬ 
stinum  nach  der  anderen  Seite  des  Zellgewebes,  Emphysem,  starke 
Störungen  der  Atmung  (Dyspnoe,  Glottiskrämpfe)  mit  Abnahme  der 
Pulsfrequenz,  vorübergehender  Kollaps  und  allgemeine  Vasomotoren¬ 
störung  und  schliesslich  ein  schnelles  Aufflackern  des  tuberkulösen 
Prozesses  der  anderen  Seite.  Aus  dieser  kurzen  Aufzählung  geht  zur 
Genüge  hervor,  dass  man  unter  allen  Umständen  eine  strenge  Indi¬ 
kationsstellung  erwünschen  muss.  Anerkannt  sei  folgende:  schwere 
einseitige  Erkrankung,  Fehlen  von  Adhäsionen  auf  der  kranken  Seite, 
während  die  andere  Seite  frei  oder  fast  frei  von  tuberkulösen  Herden 
ist.  Als  eventuelle  Indikation  kommt  weiter  in  Betracht:  starke 
protrahierte  Blutungen  bei  schwerer  einseitiger  Erkrankung 
ohne  Adhäsionen,  ferner  langsam  entstandene  einseitige  schwere  Er¬ 
krankung  mit  mehrfachen  Verwachsungen,  dagegen  sei  streng  abzu¬ 
lehnen,  dass,  wie  es  ihm  in  der  Praxis  mehrmals  zur  Kenntnis  ge¬ 
kommen  ist,  die  Indikation  auf  ganz  frische  Lungenspitzenkatarrhe 
ausgedehnt  wird.  Auch  die  Indikation  bei  schwerer  Erkrankung  der 
einen  Seite,  während  die  andere  Seite  sehr  beträchtlich,  z.  B.  der 
ganze  Oberlappen  erkrankt  ist,  sei  zu  verwarfen.  Als  Kontraindi¬ 
kationen  kommen  in  Betracht,  schwere  Erkrankung  anderer  Organe 
irgend  welcher  Art;  sehr  schnell  vorwärtsgehender  tuberkulöser  Pro¬ 
zess,  welcher  zur  Kavernenbildung  neigt  und  schliesslich  vollständige 
Verwachsungen  der  zu  operierenden  Seite. 

Der  künstliche  Pneumothorax  ist  in  geeigneten  Fällen  geeignet, 
eine  Besserung  zu  erzielen.  Man  müsse  sich  aber  vor  allzugrossem 
Optimismus  fernhalten.  Eine  grosse  Schwierigkeit  stelle  die  Nach¬ 
behandlung  dar.  Es  sei  ja  ganz  ausgeschlossen,  dass  man  eine 
grössere  Anzahl  von  Tuberkulösen  1 — 2  Jahre  oder  noch  länger  im 
Krankenhause  deshalb  wird  behalten  können.  Die  Anlegung  des 
Pneumothorax  wird  dadurch  für  den  grössten  Teil  der  Kranken  schon 
aus  rein  wirtschaftlichen  Gründen  unmöglich. 

Herr  M  e  i  s  s  e  n  -  Hohenhonnef  berichtet  über  die  Erfahrungen 
mit  künstlichem  Pneumothorax  im  Sanatorium  Hohenhonnef.  Der 
verwendete  Apparat  ist  nach  den  Angaben  von  Ad.  Schmidt- 
Halle  u.  a.  von  Götze  in  Leipzig  hergestellt  und  zeichnet  sich  durch 
bequeme,  übersichtliche  Anordnung,  leichte  Transportierbarkeit* 
—  sämtliche  Teile  sind  auf  einem  Standbrett  montiert  —  und  andere 
Vorzüge  aus,  namentlich  sind  Quetschhähne  ganz  vermieden.  Der 
Eingriff  wurde,  nach  gemeinsamer  Indikationsstellung,  von  dem 
2.  Arzte  der  Anstalt,  Herrn  Dr.  Salzmann,  ausgeführt.  Als  Ope¬ 
rationsmodus  wurde  eine  Stichmethode  gewählt,  und  zwar  wird  zu¬ 
nächst  eine  kurze  stärkere  Kanüle  an  der  gewählten  Stelle  bis  zum 
Rippenfell  eingestossen,  und  dann  durch  diese  die  engere  stumpfe 
Nadel  vorsichtig  weitergeführt,  bis  der  Ausschlag  am  Manometer 
zeigt,  dass  der  Pleuraraum  erreicht  ist.  Diese  Methode  vermeidet 
die  Nachteile  der  einfachen  scharfen  Nadel  und  ersetzt  den  Schnitt 
bei  der  Schlitzmethode  durch  den  unter  lokaler  Anästhesie  zunächst 
eingeführten  Dorn;  man  hat  dadurch  den  grossen  Vorteil,  dass  man 
sofort  eine  zweite  Stelle  versuchen  kann,  wenn  man  an  der  ersten 
nicht  zum  Ziele  kommt.  Es  gelang  mit  dieser  Methode  leicht  bei  21 
von  23  Fällen  einen  mehr  oder  weniger  vollständigen  Pneumothorax 
herzustellen;  das  Nichtgelingen  in  den  2  Fällen  beruhte  auf  zu 


starken  pleuritischen  Verwachsungen.  Es  wurden  bei  der  ersten 
Anlegung  des  Pneumothorax  niemals  mehr  als  einige  hundert  Kubik¬ 
zentimeter  Stickstoff  eingelassen,  um  den  Organen  Zeit  zu  geben, 
sich  an  die  veränderten  Verhältnisse  zu  gewöhnen  und  vorhandene 
Adhäsionen  nicht  zu  sehr  zu  zerren.  Die  Einblasungen  wurden  dann 
in  geeigneten  Zwischenräumen,  wöchentlich  etwa  2 — 3  mal,  wieder¬ 
holt,  bis  die  gewünschte  Kollabierung  bzw.  Stillstellung  der  Lunge 
erreicht  war. 

Als  Indikation  haben  wir  stets  schwere  Erkrankung  genommen, 
Fälle,  die  nur  zu  gewinnen,  nicht  zu  verlieren  hatten,  also  vor  allem 
dauerndes  Fieber,  das  durch  die  gewöhnliche  Behandlung,  Bett¬ 
ruhe  etc.  nicht  zum  Verschwinden  zu  bringen  war,  einigemal  auch 
starke  Blutungen.  Wir  halten  es  auch  bis  auf  weiteres  nicht  iiir 
richtig,  die  Indikationsstellung  auf  leichte  Fälle  auszudehnen;  man 
muss  sie  aber  auch  nicht  auf  hoffnungslose  Fälle  beschränken. 

Möglichst  auf  eine  Seite  beschränkte  Erkrankung  ist  natürlich 

Voraussetzung  für  den  Eingriff,  kann  und  braucht  aber  nicht  ganz 
unbedingt  genommen  zu  werden,  da  die  andere  Seite  fast  nie  völlig] 
fi ei  ist.  Bedenkliche  Erscheinungen  haben  wir  beim  oder  im  An¬ 
schluss  an  den  Eingriff  niemals  beobachtet.  Die  namentlich  beim 
ersten  Anlegen  nicht  ganz  zu  vermeidenden  Schmerzen  waren  nur 
selten  erheblich  und  Hessen  stets  bald  nach.  Die  Oppression  ist 
meist  auffallend  gering.  Von  seiten  des  Herzens  wurden  Störungen 
überhaupt  nicht  beobachtet.  Einigemal  trat  ein  unbehagliches  Gefühl 
im  Magen  auf,  anscheinend  infolge  des  Druckes  auf  dies  Organ. 
Hautemphyfem  kam  nur  wenigemal  vor. 

Was  nun  die  Erfolge  anlangt,  soweit  darüber  bis  jetzt  zu 

urteilen  ist.  so  können  wir  sie  in  etwa  zwei  Drittel  der  Fähe  als 

befriedigend  und  teilweise  als  gut  bezeichnen.  In  dem  übrigen  Drittel 
blieb  die  gewünschte  Wirkung  aus;  doch  haben  wir  Nachteil  nicht 
beobachtet.  Von  den  günstig  beeinflussten  Fällen  wurde  mehr 
fach  das  Verschwinden  des  langwierigen,  auf  andere  Weise' 
nicht  zu  beseitigenden  Fiebers  und  entsprechende  Erholung  beob¬ 
achtet.  In  einem  dieser  Fälle  bildete  sich  ein  Seropneumothorax; 
der  Fall  ist  aber  gleichwohl  bis  jetzt  recht  gut  verlaufen  und  kann 
zu  unseren  besten  Erfolgen  gerechnet  werden.  Alles  in  allem 
genommen  sind  unsere  bisherigen  Erfahrungen  mit  dem  künst¬ 
lichen  Pneumothorax  (seit  etwa  einem  Jahre)  ermutigend,  hi  An¬ 
betracht,  dass  es  sich  bei  der  Operation  stets  um  schwere  Fälle  mit 
vorgeschrittener  Erkrankung  handelt,  darf  man  natürlich  nicht  zu 
viel  erwarten.  Wir  meinen  aber,  dass  durch  den  Eingriff,  wenn  er 
mit  richtiger  Indikation  vorsichtig  und  sorgfältig  ausgeführt  wird, 
manchem  Schwerkranken  wesentlich  genützt  und  die  Chancen  der 
Lebensverlängerung,  vielleicht  auch  allmählicher  Heilung  erheblich 
verbessert  werden  können. 

Herr  S  t  ii  r  t  z  -  Köln,  Herr  W  a  r  b  u  r  g  -  Köln,  Herr  S  i  e  g  e  r  t  - 
Köln. 

Herr  Auerbach  I  -  Köln  glaubt,  die  Warnung,  die  Prot 
S  i  e  g  e  r  t  an  das  von  ihm  mitgeteilte  Erlebnis  knüpft,  könne  folge¬ 
richtig  nur  zu  dem  Entschluss  führen,  überhaupt  jede  mechanische 
Intervention  bei  einem  Kranken  zu  unterlassen. 

Eine  bedeutsame  Indikation  für  den  künstlichen  Pneumothorax 
dürften  die  schweren  nicht  stillbaren  Hämoptoen  besonders  !ie 
initialen  Tuberkulosen  abgeben,  wo  durch  den  Eingriff  ein  völlige: 
Lungenkollaps  erwartet  werden  kann  und  dadurch  auch  zugleich  di< 
gefährlichen  Folgeerscheinungen  für  die  gesunden  Lungenteile  durcl 
Aspiration  verhütet  werden  können.  Eine  sich  stets  wiederholend: 
freilich  nicht  starke  Lungenblutung  bei  einer  beginnenden  I  über 
kulose  eines  jungen  Mannes  hörte  nach  der  N-Einblasung  aui 
F  o  r  1  a  n  i  n  i  hat  in  mehreren  schweren  Fällen  guten  Erfolg  gesehen 

Auf  leichte  und  bequeme  Weise  kann  der  Pneumothorax  mittel: 
des  von  Adolf  Schmidt  angegebenen  Doms  und  der  dünnen 
stumpfen,  vorne  mit  2  kleinen  Oeffnungen  versehenen  Hohlnadel  an 
gelegt  werden. 

Herr  Lenzmann:  Ich  habe  zur  Anlegung  des  Pneumothora: 
immer  den  —  von  Schmidt  angegebenen  —  Dorn  benutzt,  de 
wohl  am  besten  schützt  vor  einer  Verletzung  der  Lunge  oder  eine 
Luftröhrenastes.  Wenn  man  den  Dorn  bis  zur  Pleura  costalis  ein 
sticht  und  dann  das  stumpfe  Instrument  vorschiebt,  bis  sich  an 
Manometer  ein  negativer  Druck  zeigt,  dann  ist  man  sicher  im  Pleura 
raum.  Ich  habe  bis  jetzt  immer  Luft  eingeblasen,  die  ich  duro 
sterile  Watte  und  durch  Lösung  von  übermangansaurem  Kali  leiten 
d'er  eine  geringe  Menge  Schwefelsäure  zugesetzt  ist  (etwa  2  Pro/. 
Ich  habe  gefunden,  dass  diese  Lufteinblasungen  dieselben  Resultat 
ci  geben. 

Herr  Rindfleisch-  Dortmund :  a)  Tumor  des  linken  Parieta' 
lappens  —  N  e  i  s  s  e  r  sehe  Hirnpunktion. 

Bei  einem  24  jähr.  Mädchen  entwickelt  sich  neben  allgemeine 
Tumorsymptomen  ziemlich  rasch  folgender  Symptornenkomoltp 
rechtsseitige  Ataxie  mit  schwerer  Störung  der  tiefen  Sensibilität  bi 
fast  völliger  Integrität  der  Oberflächensensibilität:  doppelseitig, 
Abduzensparese.  .  g,J 

Daraus  wird  folgende  Herddiagnose  abgeleitet:  Tumor  m  de 
mittleren  Partien  des  vorderen  Abschnitts  des  linken  Parietallappei 
etwas  unterhalb  der  Rinde.  Hirnpunktion  nach  N  e  i  s  s  e  r  3  cm  hint< 
dem  Querzentrum:  in  einer  Tiefe  von  4(4 — 5  cm  derber  Widerstand 
in  dem  aus  diesem  Bezirk  ausgestanzten  Gewebsstückchen  sei 
zahlreiche  grobgekörnte  Zellen.  Bei  der  Operation  (Prof.  HenU 
wird  an  der  bezeichneten  Stelle  2 — 3  cm  unter  der  Rinde  ei 
mandarinengrosser  Tumor  gefunden,  der  sich  leicht  ausschälen  las: 


18.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


387 


jnd  sich  histologisch  als  Gliasarkom  charakterisiert  (Prof. 

5  c  h  r  i  d  d  e). 

Tod  nach  3  Monaten  an  einem  Lokalrezidiv. 

b)  Status  thymolymphaticus  und  Salvarsan. 

1.  50  jähr.  Frau,  bei  der  sich  unter  wochenlangem  hohem  remit¬ 
ierendem  Fieber  ein  grosser  derber  grobhöckriger  Lebertumor  ent- 
vickelt  hat,  erhält,  da  die  Wassermann  sehe  Reaktion  unzwei- 
leutig  positiv  ausfiel,  0,6  Neosalvarsan  intravenös,  %  Stunde  später 
erfüllt  die  bis  dahin  völlig  komponierte  Kranke  in  schweren  Kollaps; 
ler  Puls  wird  fadenförmig  und  hebt  sich  nicht  mehr  trotz  reichl¬ 
icher  Anwendung  von  Kampfer  und  Adrenalin.  Exitus  7  Stunden 
lach  der  Infusion. 

Autopsie  (Prof.  Schridde):  Sekundärer  Leberkrebs,  aus¬ 
gehend  von  der  Gallenblase;  bei  genauester  Durchforschung  keine 
Reichen  von  Lues  (cf.  Bittorf  und  Schidorski:  Perl.  klin. 
\Vochenschr.  1912);  Thymus  persistens  (45  g);  Herz  und  Gefass¬ 
tstem  o.  B. 

2.  11  jähr.  kräftiger  Knabe  am  2.  Tage  eines  schweren  Scharlach 
iufgenomtnen,  da  der  Zustand  am  nächsten  Tage  aber  noch  schlimmer 
war,  venöse  Infusion  von  0,45  Neosalvarsan.  lA  Stunde  später 
Schüttelfrost ;  schwerer  Kollaps  mit  Abfall  der  Temperatur  und  kaum 
ühlbarem  sehr  frequenten  Puls;  Exitus  16  Stunden  nach  der  Infusion. 

Autopsie  (Prof.  Schridde):  Eitrige  Tonsillitis;  Milzschwel- 
ung;  sehr  ausgesprochener  Status  thymolymphaticus  mit  Hyper- 
rophie  des  linken  Ventrikels. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

S  i  t  zu  n  g  v  o  m  12.  Februar  1913. 

Tagesordnung: 

Herr  Eugen  Joseph:  Demonstration  zystoskopischer  Bilder 
von  Bilharzia  der  Blase.  (Kurze  Demonstration.) 

Bei  einem  Aegypter  befanden  sich  Bilharziaeier  im  Stuhl  und 
Drin.  In  der  Blase  fand  sich  ein  reines  Bilharziabild  ohne  Kompli¬ 
kation  mit  Tumor  oder  Konkrementen.  Die  Behandlung  soll,  so  lange 
veine  Blutungen  auftreten,  konservativ  sein. 

Diskussion:  Herr  Ernst  R.  W.  Frank  weist  auf  die  Erfah- 
ungen  englischer  Aerzte  hin,  nach  denen  derartige  Erkrankungen  sich 
in  Europa  von  selbst  oft  sehr  wesentlich  bessern,  wenn  auch  eine 
vollkommene  Heilung  nicht  zu  beobachten  ist. 

Herr  M.  Rothmann:  Gegenwart  und  Zukunft  der  Rücken¬ 
markchirurgie. 

Es  ist  erst  25  Jahre  her,  dass  Horsley  und  Gowers  den 
ersten  Rückenmarkstumor  diagnostizierten  und  operierten.  Jetzt 
werden  50  Proz.  operierter  Rückenmarkstumoren  erfolgreich  be¬ 
handelt,  doch  betrifft  der  Sitz  dieser  Tumoren  meist  nur  die  Riicken- 
markshäute.  Vortr.  hat  1907  auf  die  Möglichkeit  hingewiesen,  auch 
ntramedulläre  Tumoren  zu  operieren.  So  sind  dann  auch  im  gleichen 
Jahre  von  Krause  und  Eiseisberg  Geschwülste  resp.  Tuber¬ 
kulose  der  Hinter-  und  Seitenstränge  operiert  worden. 

Vortr.  unterscheidet  1.  intramedulläre  Tumoren,  von  denen  bisher 
12  operiert  worden  sind. 

2.  Extramedulläre,  in  das  Rückenmark  von  aussen  einge- 

ät  ungene  Tumoren. 

3.  Fremdkörper  im  Rückenmark  (Pistolenschüsse). 

4.  Andere  Rückenmarksaffektionen  (Erweichungen,  Zysten  etc.). 

Unter  21  intramedullären  Eingriffen  finden  sich  nur  4  Todesfälle, 

\  on  den  Tumoren  geben  die  Gliome  die  schlechtesten  Resultate.  Bei 
den  Fällen,  in  denen  sich  Kugeln  im  Rückenmark  fanden,  ist  fast  voll¬ 
ständige  restitutio  eingetreten,  in  dem  einen  Falle  war  schätzungs¬ 
weise  des  Rückenmarkquerschnittes  lädiert. 

Die  zentralen  Geschwülste,  die  meist  beide  Seiten  befallen,  sind 
meist  weniger  zur  Operation  geeignet,  als  dis  einseitigen,  die 
B  r  o  w  n  -  S  e  q  u  a  r  d  sehe  Symptome  machen.  Am  wenigsten  zur 
Operation  geeignet  sind  multiple  Tumoren. 

Nach  den  experimentellen  Erfahrungen  an  Hunden  und  Affen  tritt 
nach  Durchschneidung  der  Hinterstränge  keine  Unempfindlichkeit, 
sondern  nur  eine  leichte  Ataxie  der  oberen  Extremitäten  ein.  Ebenso 
können  ein  oder  zwei  Segmente  grauer  Substanz  ohne  stärkere  Aus¬ 
fallserscheinungen  entfernt  werden,  ausgenommen  das  4.  Zervikal¬ 
segment,  weil  hier  der  Sitz  des  Atemzentrums  ist.  Auch  am  Affen 
natte  Vortr.  gezeigt,  dass  die  Ausschaltung  der  Seitenbahnen  ebenfalls 
ohne  schwerere  Störungen  möglich  ist.  Wie  traumatische  Läsionen 
oeim  Menschen  beweisen,  kommt  es  allmählich  selbst  zur  Restitution, 
wenn  Vorderstrang  und  Seitenstrang  zerstört  sind. 

Als  „physiologische“  Eingriffe  bezeichnet  Vortr.  die  gewollte 
Ausschaltung  von  Nervenzentren  zu  therapeutischen  Zwecken  (Exstir¬ 
pation  von  Hirnzentren  bei  Epilepsie,  die  Förster  sehe  Operation, 
d-  i.  die  Durchschneidung  hinterer  Wurzeln  zur  Beseitigung  der 
>pasmen  bei  L  i  1 1 1  e  scher  Krankheit).  Aus  unserer  Kenntnis  der  ge¬ 
kreuzten  Vorderseitenstränge  zur  Leitung  der  Schmerzempfindung 
empfiehlt  Vortr.  bei  einseitigen  inoperablen  Beckentumoren  Durch¬ 
trennung  der  gekreuzten  Vorderseitenstrangbahn  zur  Aufhebung  der 
5chmerzempfindung.  In  Amerika  ist  von  S  p  i  1 1  e  r  und  Martin 
eine  derartige  Operation  mit  gutem  Erfolg  ausgeführt  worden.  Bei 
schwerer  Athetose  eines  Beines  käme  partielle  Durchschneidung  der 
Pyramidenbahn  im  mittleren  Brustmark  in  Frage,  da  dies  ohne 


dauernde  ^  Ausfallserscheinungen  möglich  ist.  Bei  diesen  „physio¬ 
logischen  Operationen  empfiehlt  er  den  Chirurgen  die  Mitwirkung 
erfahrener  Neurologen. 

Im  Anschluss  an  diese  Ausführungen  demonstriert  Vortr.  eine 
Reihe  von  Präparaten  über  experimentelle  Ausschaltungen  von 
Seitensträngen,  Vordersträngen,  Pyramidenbahnen  und  kombinierte 
Durchschneidungen  an  Hunden  und  Affen. 

Diskussion:  Herr  Stadelmann  moniert,  dass  in  den 
Rothmann  sehen  Versuchen  nur  Durchschneidungen,  nicht  Ex¬ 
zisionen  vorgenommen  worden  sind. 

Herr  Borchardt  dankt  namens  der  Chirurgen  für  die  aus 
den  Versuchen  des  Vortr.  gewonnene  Erkenntnis,  dass  das  Rücken¬ 
mark  weniger  empfindlich  ist,  als  man  bisher  angenommen  hat.  Mit 
der  Anerkennung  intramedullärer  Tumoren  muss  man  sehr  vorsichtig 
sein,  weil  extramedulläre  Tumoren  oft  vom  Rückenmark  so  um¬ 
wachsen  sind,  dass  man  sie  mit  intramedullären  verwechseln  kann. 

Herr  Oppenheim  hielt  anfangs  die  Rückenmarkstumoren  für 
operativ  nicht  angreifbar;  allerdings  bleibt  auch  jetzt  nur  eine  kleine 
Gruppe  dem  operativen  Eingriff  zugänglich.  In  seinen  zwei  operierten 
„intramedullären“  Fällen  trat  einmal  Exitus  infolge  Pneumonie  ein. 
einmal  trat  die  Restitutio  der  Funktion  nicht  in  der  schönen  Weise 
ein,  wie  wir  sie  bei  extramedullären  zu  sehen  pflegen.  Gegen  die 
operative  Durchschneidung  der  Pyramidenbahn  bei  Athetose  erhebt 
er  schwerwiegende  prinzipielle  Bedenken. 

Herr  M  a  s  s  berichtet  über  einen  Fall  multipler  Rückenmarks¬ 
tumoren  mit  starker  Kompression,  bei  denen  infolge  der  langsamen 
Entwicklung  der  Kompression  nur  sehr  geringe  absteigende  Degene¬ 
ration  aufgetreten  war. 

Herr  Rothmann  (Schlusswort).  Wolff-Eisner. 


Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  Fe  b  r  u  a  r  1913. 

Herr  Maass:  1.  Kongenitale  Vorderarinsynostose,  beobachtet 
an  einem  11  monatlichen  Kinde. 

Herr  Joachimsthal  berichtet  von  3  derartigen  Fällen. 

2.  Seltene  Geschwulst  im  Kindesalter. 

Das  an  der  linken  Halsseite  sitzende,  operativ  entfernte  Fibro- 
myxom  war  deswegen  bemerkenswert,  weil  es  klinisch  durchaus 
rr.align  imponierte,  histologisch  sich  als  gutartig  erwies. 

Herr  Max  Cohn:  Die  Appendix  im  Röntgenbilde. 

Die  Darstellung  der  Appendix  auf  dem  Röntgenbilde  ist  bisher 
selten  gelungen  und  war  meist  ein  Zufallsprodukt.  C.  hat  in  einer 
grossen  Reihe  von  Beobachtungen  systematisch  eine  röntgenologische 
Darstellung  des  Wurmfortsatzes  angestellt.  Er  benützt  für  die  Auf¬ 
nahmen  des  Fortsatzes  eine  möglichst  kleine  Blende,  nachdem  vorher 
durch  grössere  Blende  die  Einmündungsstelle  des  lleums  festgesteilt 
ist;  die  Momentaufnahmen  von  Yi — 1  Sekunde  Dauer  werden  ohne 
Kompression  vorgenommen.  Die  Beobachtungen  beginnen  4  Stunden 
nach  der  Mahlzeit  des  Kontrastmittels.  Aus  den  zahlreichen  Bildern 
geht  hervor,  dass  die  Appendix  sich  mit  dem  Zoekum  bewegt  und 
um  dasselbe  herum.  Die  Zeit  der  Füllung  mit  dem  Kontrastmittel  ist 
eine  sehr  verschiedene,  ist  anscheinend  zeitlich  unabhängig  von  der 
Füllung  des  Zoekums  und  beginnt  oft  erst  nach  7 — 8  Stunden.  Ebenso 
braucht  die  Entleerung  des  Wurmfortsatzes  recht  verschiedene  Zeit, 
in  einem  Falle  zeigte  er  sich  noch  nach  120  Stunden  gefüllt.  Für 
die  Frage,  welche  Kräfte  bei  der  Appendixbewegung  eine  Rolle 
spielen,  ist  die  Kenntnis  wichtig,  das  das  Zoekum  sich  peristaltisch 
und  antiperistaltisch  bewegt.  Man  muss  annehmen,  dass  die  Appendix 
durch  Eigenbewegung  sich  entleert;  der  Ablauf  ihrer  Antiperistaltik  ist 
bedeutsam,  da  ihre  Störung  zu  krankhaften  Zuständen  Anlass  gibt. 

Wie  aus  dem  reichen  Bildermaterial  hervorgeht,  zeigt  ein  und 
derselbe  Wurm  unter  Umständen  ganz  verschiedene  Konfiguration. 
Konstante  Verkrümmung  lässt  adhäsive  Prozesse  vermuten. 
Durch  Momentaufnahmen  desselben  Wurmfortsatzes  erhält  man  also 
Phasen  seines  Bewegungsablaufes;  aus  einem  einzigen  Bilde  einen 
Schluss  über  krankhafte  Lage  oder  Gestalt  zu  ziehen,  wäre  ein  Kunst¬ 
fehler;  ebenso  ist  die  Annahme  einer  Obliteration  verkehrt,  wenn  der 
Wurmfortsatz  bei  einer  Aufnahme  nicht  zur  Darstellung  kommt. 

Herr  F  r  ä  n  k  e  1  mahnt  bei  der  diagnostischen  Verwertung  der 
Appendixaufnahmen  zur  Vorsicht:  bei  schneller  Füllung  und  prompter 
Entleerung  kann  ein  gesunder  Wurmfortsatz  angenommen  werden. 

Herr  U  n  g  e  r :  Totale  Magenresektion. 

Eine  wirklich  totale  Resektion  des  Magens  ist  einwandfrei  nur 
einmal  beschrieben  worden.  Bei  der  operierten  Kranken  war  der 
ganze  Magen  in  einen  grossen  wurstförmigen  Tumor  verwandelt.  Die 
Vereinigung  durch  Naht  zwischen  Oesophagus  und  Duodenum  liess 
sich  in  seinem  Falle  ohne  Spannung  ausführen.  Die  Durchtrennung 
beider  Vagi  hatte  keine  bleibende  Störung  verursacht. 

Die  Patientin  hat  die  Operation  vor  7  Monaten  durchgemacht, 
die  Nahrungsaufnahme  erfolgt  ohne  Störung.  Als  Beweis  für  die 
totale  Entfernung  des  Magens  führt  U.  an,  das  keine  Spur  von  Lab 
oder  Pepsin  im  Urin  nachzuweisen  ist,  die  sich  bei  Erhaltung  eines 
Teiles  sezernierender  Magenschleimhaut  vorgefunden  hätten. 

Herr  Zeller  hat  in  einem  von  ihm  operierten  Falle  nicht  total 
reseziert  sondern  an  der  Kardia  ein  Stück  des  Magens  erhalten,  um 
die  Spannung  bei  der  Naht  zu  vermeiden. 


388 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  7. 


Herr  Joseph:  Zur  Technik  der  Gastroenterostomie. 

Das  stark  quetschende  Instrument  besteht  im  wesentlichen  aus 
2  Branchen  und  ist  mit  einer  gedeckten  Messervorrichtung  versehen. 
Nach  Anlegung  der  hinteren  Serosanaht  werden  die  Branchen  in  je 
eine  kleine  Oeffnung  im  Magen  und  im  Darm  eingeschoben  und  über 
dem  Instrument  wird  dann  eine  zweite  vordere  Serosanaht  an¬ 
gelegt. 

Beim  Herausziehen  des  Instrumentes  tritt  die  Messervorrichtung 
in  Wirksamkeit,  so  dass  die  Anlegung  der  Gastroenterostomie  ge- 
wissermassen  subserös  und  aseptisch  vor  sich  geht.  G  r  o  t  h. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  November  1912. 

Herr  S  c  h  1  o  f  f  e  r :  Zur  Nierenchirurgie. 

Schl,  spricht  über  seine  Erfahrungen  im  letzten  Jahre,  an  Fällen, 
die  zum  Teile  seiner  Klinik,  zum  Teile  seiner  privaten  Praxis  ent¬ 
stammten.  Alle  6  Fälle  wurden  durch  die  Operation  geheilt,  es 
handelte  sich  durchwegs  um  Tumoren,  doch  sind  bereits  4  an  Meta¬ 
stasen  erkrankt  oder  gestorben.  Es  lagen  in  nahezu  allen  Fällen 
mächtige,  von  den  Kranken  selbst  getastete  Tumoren  vor.  Schl,  be¬ 
spricht  die  Wichtigkeit  einer  frühen  Diagnose  von  Nierentumoren, 
insbesondere  einer  diagnostischen  Verwertung  jeder  aus  den  oberen 
Harnwegen  stammenden  Blutung  und  erörtert  die  differential¬ 
diagnostischen  Anhaltspunkte  gegenüber  Steinniere,  Tuberkulose  und 
Nephritis.  Bei  der  Operation  von  Tumoren  scheue  man  vor  aus¬ 
gedehntesten  Zugangsoperationen  nicht  zurück,  dafür  vermeide  man 
aber  auf  das  peinlichste  jedes  Drücken  und  derbe  Anfassen  der 
Geschwulst. 

Herr  R  u  b  r  i  t  i  u  s  berichtet  über  2  Fälle  von  Projektilextraktion 
aus  dem  retrobulbären  Raume. 

1.  Projektil  röntgenologisch  an  der  Spitze  der  rechten  Orbita 
und  nahe  der  medialen  Orbitalwand,  Aufklappung  der  Nase  nach 
Bruns.  Vordringen  wie  zur  Hypophvse  nach  S  c  h  1  o  f  f  e  r,  das 
Projektil  teilweise  im  Keilbeine,  Extraktion.  Sehvermögen  des 
rechten  Auges  durch  den  Eingriff  nicht  gebessert,  hingegen  ging 
die  vor  der  Operation  beobachtete  Gesichtsfeldeinschränkung  am 
linken  Auge  zurück.  2.  Projektil  in  der  medialen  Hälfte  der  Orbita 
und  knapp  unter  dem  Orbitaldach.  Temporale  Trepanation,  Durch  - 
meisselung  des  Orbitaldaches,  von  der  Schädelbasis  aus,  Extraktion. 
Starke  Stauung  im  Augenhintergrunde,  die  nach  der  Operation 
zurückgeht,  vollständig  normales  Sehen.  R  u  b  r  i  t  i  u  s  vertritt  den 
Standpunkt,  dass  für  die  Freilegung  des  retrobulbären  Raumes  nicht 
nach  einem  bestimmten  Schema  vorgegangen  werden  kann,  sondern 
dass  der  Operationsplan  sich  nur  nach  der  Lage  des  Projektils 
richten  muss. 

Herr  E 1  s  c  h  n  i  g  spricht  über  angeborene  Retraktionsbewegungen 
bei  Adduktion  des  Bulbus  infolge  Aplasie  des  Rectus  externus  und 
bindegewebiger  Schwiele  an  dessen  Stelle. 

E.  hat  unter  7  Fällen  angeborener  Abduzenslähmung  3  Fälle 
dieser  Art  gesehen.  Einer  der  demonstrierten  Fälle  zeigt  die  Er- 
kiankung  an  beiden  Augen  in  geringerem  Grade,  der  andere  ist  so 
hochgradig,  dass  bei  Adduktion  des  betreffenden  Auges  zufolge 
maximalem  Exophthalmus  mechanisch  die  Lidspalte  sich  vollständig 
schliesst  und  dabei  dann,  je  nachdem  das  linke  Auge  ein  wenig  nach 
unten  oder  nach  oben  links  blickt,  das  retrahierte  Auge  gleichzeitig 
maximal  nach  unten  bzw.  nach  oben  schnellt.  0.  Wiener. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

R.  Bauer  stellt  eine  Frau  mit  postluetischer  Nierenerkrankung 

vor.  Die  Tibiae  sind  beiderseits  infolge  Periostitis  luetica  verdickt, 
auch  die  Unterarme  zeigen  diese  Veränderung,  welche  seit  26  Jahren 
besteht.  Pat.  weiss  von  einer  luetischen  Infektion  nichts  anzugeben. 
Sie  zeigt  ferner  eine  geringe  Hypertrophie  des  rechten  Herzens  und 
minimale  Oedeme,  sonst  hat  sie  keinerlei  Beschwerden.  Dieses  Bild 
der  postluetischen  Nierenerkrankung  hat  Vortr.  bereits  in  mehreren 
Fällen  gesehen,  in  einem  Falle  verlief  sie  akut  mit  18 — 20  Prom. 
Eiweiss  im  Harne. 

In  allen  Fällen  fand  sich  eine  deutliche  Seroreaktion,  so  dass 
man  annehmen  muss,  dass  die  luetische  Infektion  weiter  besteht, 
wofür  auch  der  Umstand  spricht,  dass  sehr  häufig  Spätgumirrn  auf- 
treten.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  nicht  eine  einmalige  Infektion 
den  Anstoss  zur  Nephritis  gibt,  sondern  dass  es  sich  um  eine 
dauernde  toxische  Wirkung  auf  die  Niere  handelt.  Die  Seroreaktion 
ist  auch  im  Harn  zu  finden,  in  der  letzten  Zeit  sind  auch  Spirochäten 
im  Harne  nachgewiesen  worden.  Vielleicht  liegt  in  einem  Teile  der 
Fälle  wirklich  eine  spezifisch-luetische  Erkrankung  der  Niere  vor. 
Vortr.  hat  die  Fälle  von  postluetischer  Nierenerkrankung  antiluetisch 
behandelt,  einige  mit  Schmierkuren,  einige  auch  mit  Salvarsaninjek- 
tionen.  Die  vorgestellte  Patientin  fühlt  sich  nach  einer  intravenösen 
Salvarsaninjektion  bezüglich  ihres  Allgemeinbefindens  immer  besser, 
auf  den  Harnbefund  ist  letztere  ohne  Einfluss,  es  war  aber  auch 


keine  Schädigung  von  ihr  zu  sehen.  Pat.  hatte  früher  häufig  Ulzera 
an  den  Unterschenkeln,  diese  heilten  nach  der^  Salvarsaninjektion 
binnen  wenigen  Tagen  zu.  In  einem  anderen  Falle  verschwanden 
nach  der  Salvarsaninjektion  die  Oedeme,  ln  dem  akut  verlaufenen 
Falle  verloren  sich  diese  jedoch  schon  auf  Diuretin  und  Schwitzkuren 
und  der  Eiweissgehalt  ging  zurück,  die  Zeichen  von  Nephritis  waren 
schon  verschwunden,  als  die  Salvarsaninjektion  gemacht  wurde. 

Die  postluetische  Nierenerkrankung  zeigt  ziemlich  gleichartige 
Züge:  Eiweissausscheidung,  das  Fehlen  stärkerer  Veränderungen  am 
Zirkulationsapparat,  das  Zurücktreten  urämischer  Erscheinungen,  nor¬ 
males  Verhalten  der  Gesamtbilanz  des  Stickstoffes,  etwas  verzögerte 
Ausscheidung  des  Harnstoffes,  deutliche  Verlängerung  der  Milch¬ 
zuckerausscheidung,  was  auf  eine  Störung  der  Nierengefässe  hin¬ 
deutet,  gute  Wasserausscheidung,  keine  Oligurie.  Die  vorgestellte 
Patientin  zeigt  auch  eine  Verzögerung  der  Ausscheidung  der  Chloride 
und  des  Jods,  was  dafür  spricht,  dass  zur  Veränderung  der  Nieren¬ 
gefässe  sekundär  eine  Schädigung  des  Nierenparenchyms  hinzuge¬ 
treten  ist.  Die  postluetischen  Erkrankungen  der  Niere  stehen  gewiss 
mit  der  Lues  in  Zusammenhang,  indem  eine  besonders  hartnäckige 
Infektion  toxisch  auf  die  Niere  einwirkt.  Sie  können  jahrelang  un¬ 
bemerkt  verlaufen,  die  Gefässe  zeigen  eine  amyloide  Veränderung. 
In  dem  spärlichen  Sediment  findet  man  opake  und  granulierte  Zy¬ 
linder.  Die  Krankheit  hat  einen  sehr  schleppenden  Verlauf. 

An  der  Diskussion  beteiligten  sich  die  Herren  Fleck- 
seder,  H.  Pollitzer  und  der  Vortragende  selbst. 

Fr.  Tedesko  stellt  einen  52 jährigen  Mann  vor,  bei  welchem 
er  eine  gonorrhoische  Gelenkserkrankung  mit  Artigon  behandelt  hat. 

Pat.  bekam  nach  einer  Gonorrhöe  eine  Entzündung  des  linken  Ell¬ 
bogengelenkes,  welches  in  spitzwinkliger  Stellung  fixiert  wurde. 
Er  wurde  nur  mit  intraglutäalen  Injektionen  von  Artigon  behandelt, 
die  erste  Dosis  betrug  0,2,  die  weiteren  drei  Dosen,  welche  inner¬ 
halb  8  Tagen  angewendet  wurden,  waren  etwas  höher.  Nach  der 
ersten  Injektion  sank  das  Fieber  und  binnen  kurzer  Zeit  war  das 
Gelenk  geheilt.  Vortr.  hat  noch  andere  7  Fälle  auf  diese  Weise  be¬ 
handelt,  darunter  befand  sich  auch  eine  doppelseitige  Hiiftgelenks- 
affektion.  Die  Urethralgonorrhöe  wird  durch  das  Artigon  nicht  be¬ 
einflusst,  nach  Literaturangaben  soll  Epididymitis  auf  Artigon  ge¬ 
bessert  werden.  Hervorzuheben  ist  die  kurze  Behandlungsdauer, 
welche  bei  der  bisherigen  Therapie  sehr  lang  war. 

Rieh.  Steiner  stellt  aus  der-  Abteilung  Schlesinger  einen 
9  jähr.  Knaben  mit  Hirschsprung  scher  Affektion  vor. 

R.  Chiari  demonstriert  eine  Frau  mit  einer  kombinierten 
zentralen  und  peripheren  Lähmung  des  linken  Beines. 

0.  Weltmann  demonstriert  eine  Methode  zürn  Nachweis  von 
Cholesterin.  Diese  ist  eine  Modifikation  der  Methode  von  Neu¬ 
mann  und  Herrmann.  Sie  besteht  darin,  dass  die  zu  prüfende 
Flüssigkeit  mit  Schwefelsäure  und  Chloroform  geschüttelt  wird, 
worauf  das  Chloroform  bei  Anwesenheit  von  Cholesterin  nach 
y2  Stunde  eine  rötliche,  nach  24  Stunden  eine  hochrote  Färbung 
zeigt.  Die  Probe  fällt  nicht  immer  prompt  aus,  da  sie  nach  den 
Untersuchungen  des  Vortr.  gegen  Wärme,  Licht  und  Luft  empfindlich 
ist.  Er  lässt  daher  das  Gemisch  24  Stunden  im  Dunkeln  auf  Eis 
stehen.  Den  Farbenton  des  Chloroforms  vergleicht  dann  Vortr.  mit 
der  Färbung  des  Rubinglaskeils  des  F  1  e  i  s  c  h  1  sehen  Hämometers 
und  ist  damit  beschäftigt,  eine  prozentuelle  chromometrische  Skala 
auszuarbeiten. 

S  t  a  u  n  i  g  demonstriert  ein  anatomisches  Präparat  von  Aorten¬ 
ruptur. 

E.  F  e  1  b  e  r  zeigt  ein  anatomisches  Präparat  von  einer  sar- 
komatös  entarteten  dermoidalen  Zyste  des  Thymus. 

Es  wurde  ein  Mediastinaltumor  angenommen.  Pat.  starb  unter 
stetig  zunehmender  Dyspnoe.  Die  Obduktion  ergab,  dass  die  rechte 
Brusthöhle  von  einem  Tumor  ausgefiillt  war,  welcher  auch  das 
Zwerchfell  durchwucherte,  mit  dem  Perikard  und  dem  Thymus  ver¬ 
wachsen  war  und  in  dessen  Innerem  sich  eine  Höhle  mit  cholesterin- 
haltiger  Flüssigkeit  befand.  Die  Lunge  war  hochgradig  komprimiert. 
Die  histologische  Untersuchung  des  Tumors  ergab  sarkomatöses 
Gewebe  mit  Epithelstreifen,  eosinophilen  und  Mastzellen.  Der  Tumor 
ging  vom  Thymus  aus. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte. 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

Zu  Beginn  der  Sitzung  wies  der  Vorsitzende  B  e  r  g  e  a  t  darauf 
hin,  dass  nach  dem  Beschluss  des  oberbayerischen  Landrates  zu 
erwarten  steht,  dass  die  bakteriologischen  Untersuchungen  durch  die 
Kgl.  Untersuchungsanstalt  künftig  unentgeltlich  ausgeführt  werden. 
Sodann  berichtete  er  über  eine  vor  einiger  Zeit  stattgehabte  Be¬ 
sprechung  in  Sachen  der  neuen  Reichsversicherungsordnung,  zu 
welcher  mehrere  Vertreter  der  Aerzteschaft  in  das  Ministerium 
des  Innern  eingeladen  worden  waren,  und  welche  die  Aussicht 
auf  eine  friedliche  Entwicklung  dieser  Verhältnisse  in  Bayern 
verspreche. 

In  dem  Einlaufe  befand  sich  auch  eine  Aufforderung  des  Bezirks¬ 
vereins  München  an  den  Neuen  Standesverein,  zu  der  sich  auch  ui 
München  einschleichenden  Unsitte  der  „Dichotomie“  (Teilung  des 


8.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


389 


lonorars  bei  Operationen  zwischen  dem  Chirurgen  und  dem  zu- 
veisenden  Arzt)  Stellung  zu  nehmen. 

Diesem  Wunsche  wird  durch  Erstattung  eines  Referates  Rech- 
ung  getragen  werden. 

lieber  eine  von  Herrn  Lukas  überbrachte  Einladung  des 
ereins  für  freie  Arztwahl  zur  Beteiligung  des  Neuen  Standesvereins 
n  der  von  jenem  ins  Leben  gerufenen  „E  t  i  k  e  1 1  e  k  o  m  m  i  s  s  i  o  n“ 
ind  eine  lebhafte  Debatte  statt,  jedoch  war  die  Mehrzahl  der  An¬ 
wesenden,  da  über  die  Aufgaben  und  Kompetenzen  dieser  Kommission 
Jnklarheit  besteht,  nicht  für  eine  sofortige  Beschlussfassung. 

Allseitige  Zustimmung  fand  die  Anregung  des  Herrn  Becker, 
lass  bei  öffentlichen  Gelegenheiten  auch  der  Aerztestand  durch  die 
lerztekammern  eine  entsprechende  Vertretung  finden  solle;  er 
iezog  sich  dabei  auf  die  Feierlichkeiten  bei  der  Beisetzung  des  ver- 
torbenen  Regenten,  und  es  wurde  in  der  Diskussion  auch  auf  die 
estlichkeiten  beim  90.  Geburtsfest  des  Regenten  hingewiesen,  wo 
leichfalls  die  Vertretungen  anderer  Stände  (Anwaltskammer,  Han- 
lelskammer  usw.)  zugezogen  waren,  die  Aerztekammern  jedoch  nicht 
iervorgetreten  sind. 

Hierauf  referierte  Herr  C  r  ä  m  e  r  über  die  Frage  der  Hono- 
are  bei  Sektionen.  Die  Fachpathologen,  führte  er  aus,  haben 
iir  ihre  Privatsektionen,  wie  man  hört,  einen  Satz  von  50  bis 
00  M.  festgesetzt.  Reiche  Leute  könnten  wohl  solch  hohe  Sätze  be¬ 
fahlen,  für  den  Mittelstand,  welcher  ja  den  weitaus  grössten 
Teil  unserer  Klientel  ausmache,  seien  dieselben  aber  zu  hoch.  Die 
Jolge  davon  sei,  dass  es  beinahe  unmöglich  sei,  die  Bewilligung  zur 
v'ornahme  einer  Sektion  von  den  Angehörigen  zu  erreichen,  wenn 
licht  der  Arzt  die  Kosten  derselben  ganz  oder  teilweise  übernehmen 
volle.  Dieser  habe  aber  das  Hauptinteresse  daran,  im  einzelnen 
-alle  eine  Sektion  vornehmen  zu  lassen,  und  leide  sehr  unter  den. 
mtgegenstehenden  Schwierigkeiten.  Es  müssten  daher  Mittel  und 
vVege  gefunden  werden,  diese  zu  beseitigen.  Nicht  angängig  sei  es, 
.len  Fachpathologen  eine  Herabsetzung  ihrer  Sätze  zuzumuten,  da¬ 
gegen  könnten  recht  wohl  junge,  in  der  pathologischen  Anatomie  be¬ 
wanderte  Aerzte,  welche  sich  bereit  erklärten,  für  ein  angemessenes 
ionorar  Sektionen  auszuführen,  die  häufigere  Vornahme  von  Privat- 
vektionen  ermöglichen  und  sich  dabei  eine  Nebeneinnahme  ver¬ 
schaffen. 

In  der  sich  anschliessenden  Diskussion,  an  welcher  sich  die 
Herr  Hoferer,  Lukas,  Grassmann,  Becker,  Neger, 
3ergeat  und  Crämer  beteiligten,  wurde  besonders  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  der  frühere  Vorstand  des  pathologischen  Institutes 
iarauf  bedacht  war,  möglichst  viele  Privatsektionen  zu  erlangen,  und 
solche  durch  die  Assistenten  des  Institutes  ausführen  liess,  dass 
mderseits  jetzt  in  den  Friedhöfen  beinahe  ausschliesslich  poliklinische 
und  gerichtliche  Sektionen  gemacht  würden;  ferner  wurde  zur 
Sprache  gebracht,  dass  auch  der  Satz  von  15  Mark  für  eine 
mikroskopische  Untersuchung  im  pathologischen  Institut 
entschieden  zu  hoch  sei.  Die  Versammlung  beauftragte  sodann  den 
Vorsitzenden,  mit  dem  Vorstande  des  pathologischen 
Institutes  die  Angelegenheit  zu  besprechen  und 
event.  eine  Erhebung  zu  veranstalten,  welche  Kollegen  ihre  Bereit¬ 
willigkeit  zur  Vornahme  von  Sektionen  erklären. 

Eine  kurze  Besprechung  fand  sodann  noch  die  z.  Z.  mehrfach 
erörterte  Ueberlassung  von  Räumen  eines  staatlichen  medizinischen 
Institutes  an  einen  Arzt  zur  Abhaltung  seiner  Sprechstunden.  Von 
einer  Beschlussfassung  wurde  Abstand  genommen. 

Nachdem  Herr  Sieb  er  t  seinen  in  der  Sitzung  vom  4.  VII.  12 
(siehe  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  29)  gehaltenen  Vortrag 
über  „Die  öffentliche  Ankündigung  der  Verhütungs¬ 
mittel“  nochmals  kurz  skizziert  hatte,  trat  man  nun  in  die  Dis¬ 
kussion  desselben  ein.  Es  beteiligten  sich  an  derselben  lebhaft 
die  Herren  v.  Notthafft,  Becker,  Höflmayr  und  Grass- 
mann.  Von  allen  wurde  anerkannt,  dass  die  Verringerung  der  Ge¬ 
burtenzahl  in  Deutschland  lebhafte  Beachtung  verdiene,  doch  wurde 
der  Nutzen  des  vollständigen  Verbotes  der  öffentlichen  Ankündigung 
und  der  Erschwerung  der  Beschaffung  von  Verhütungsmitteln  mehr 
oder  weniger  stark  in  Zweifel  gezogen;  auch  wurde  u.  a.  die  Be¬ 
fürchtung  ausgesprochen,  dass  die  Zahl  der  Abtreibungen  dann 
zunehmen  würde.  Der  Grund  der  Beschränkung  der  Kinderzahl,  wie 
ferner  bemerkt  wurde,  kann  durchaus  nicht  vorwiegend  als  ein  un¬ 
moralischer  bezeichnet  werden;  jedenfalls  werde  oft  genug  die  Ver¬ 
hütung  der  Schwangerschaft  durch  vernünftige  Ueber- 
I  e  g  ungen  veranlasst:  schwierige  Lebensverhältnisse,  Kränklich¬ 
keit,  verhältnismässig  hohes  Alter  der  Eltern  kämen  hier  in  Betracht; 
auch  sei  es  besser  kein  Kind  zu  zeugen,  als  ein  aussereheliches, 
oder,  wie  es  sicher  häufig  geschehe,  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  nachher  herbeizuführen,  letzteres  sei  ganz  besonders 
zu  bekämpfen.  Auch  auf  die  zunehmende  Unmöglichkeit,  dass  Männer 
in  jungen  Jahren  sich  einen  Hausstand  gründen,  wurde  als  Ur¬ 
sache  des  Sinkens  der  Geburtenzahl  hingewiesen. 

In  dem  nun  folgenden  Berichte  des  Kassiers  konnte 
dieser  über  einen  günstigen  Stand  der  Finanzen  Mitteilung  machen. 
Nach  Revision  der  Rechnung  wurde  ihm  Entlastung  erteilt  und  der 
Jahresbeitrag  in  der  bisherigen  Höhe  festgesetzt.  Die  Wahl  der 
Vorstandschaft  und  des  Ehrengerichtes  ergab  so¬ 
dann  die  Wiederwahl  der  bisherigen  Mitglieder.  Mit  der  Aufnahme 
eines  neuen  Mitgliedes  schloss  die  Sitzung  um  \2'A  Uhr. 

Dr.  K.  G  o  e  r  t  z. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Preussisches  Abgeordnetenhaus. 

Bei  der  zweiten  Lesung  des  Medizinaletats  wurde  über 
eine  grosse  Anzahl  von  einschlägigen  Fragen  gesprochen,  bei  vielen 
allerdings  nur  wiederholt,  was  schon  oft  gesagt  wurde.  So  wurde 
allgemein  die  trostlose  Lage  der  Krankenpflegerinnen  be¬ 
dauert,  es  wurde  an  mehrfachen  Beispielen  gezeigt,  dass  ihre  Kräfte 
über  Gebühr  in  Anspruch  genommen  werden,  und  dass  sie  anderseits 
eine  allzu  geringe  Erholungszeit  haben.  Eine  gesetzliche  Regelung 
der  Dienstverhältnisse  erklärte  der  Minister  jedoch  für  schwierig;  er 
meinte,  nicht  ohne  Widerspruch  zu  finden,  dass  man  nur  auf  die 
Innehaltung  gewisser  Grundlinien  würde  hinwirken  können.  In  der 
Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  sind  zwar  Erfolge 
nicht  zu  verkennen,  die  (vielleicht  etwas  einseitig)  der  Tätigkeit  des 
Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses  zugeschrieben  wurden.  Die  Sterb¬ 
lichkeit  ist  in  den  letzten  Jahren  von  20  Proz.  auf  16  Proz.  herunter¬ 
gegangen,  aber  alle  Redner  waren  sich  darin  einig,  dass  nach  dieser 
Richtung  noch  mehr  geschehen  müsse.  Der  sozialdemokratische  Red¬ 
ner  verlangte,  dass  die  Krankenkassen  von  ihren  fast  400  Millionen 
Mark  betragenden  Einnahmen  mehr  als  jetzt  (nur  6,7  Millionen)  für 
Mutter-  und  Säuglingsschutz  sowie  für  Schwangere  und  Wöch¬ 
nerinnen  ausgeben;  und  Herr  Mugdan  forderte  die  Regierung  auf, 
bei  ihren  zahlreichen  Betriebskrankenkassen  mit  gutem  Beispiel 
voranzugehen,  indem  sie  bei  diesen  die  fakultativen  Bestimmungen 
der  Reichsversicherungsordnung,  die  dem  Mutterschutz  dienen,  zu 
obligatorischen  mache.  Mehrfach  wurde  betont,  dass  ein  Mittel  zur 
Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  die  Besserung  des  Heb¬ 
amme  n  w  e  s  e  n  s  ist,  das  trotz  aller  Reformversuche  noch  viel  zu 
wünschen  übrig  lässt.  Ein  Fortschritt  ist  es,  dass  an  den  Hebammen¬ 
lehranstalten  die  Lehrkurse  von  6  auf  9  Monate  ausgedehnt  sind, 
sonderbarerweise  macht  hiervon  gerade  die  staatliche  Anstalt  an  der 
Charitee  wegen  räumlicher  Schwierigkeiten  eine  Ausnahme.  Einen 
breiten  Raum  in  den  Verhandlungen  nahm  die  Frage  des  Ge¬ 
burtenrückganges  ein.  Die  Erscheinung  selbst  besteht  un¬ 
zweifelhaft,  aber  sie  ist  nicht  gerade  beunruhigend.  Wie  aus  den 
Mitteilungen  des  Herrn  Ministerialdirektors  Kirchner  zu  ent¬ 
nehmen  ist,  betrug  der  Geburtenüberschuss  im  Jahre  1876  noch  15,3 
auf  1000  Lebende,  er  ist  im  Jahre  1911  auf  12,2  heruntergegangen; 
das  ist  aber  noch  immer  eine  stattliche  Zahl.  Allerdings  spricht  sich 
in  ihr  auch  der  Rückgang  der  Sterblichkeit  aus,  während  die  Ab¬ 
nahme  der  Geburtsziffer  von  Jahr  zu  Jahr  steigt,  und  nicht  nur  in 
Preussen,  sondern  mehr  noch  im  übrigen  Deutschland  und  auch  in  den 
anderen  Ländern;  ganz  besonders  stark  ist  sie  in  Berlin.  Ueber  die 
Ursachen  dieser  Erscheinungen  wurden,  wie  auch  sonst  in  der  öffent¬ 
lichen  Erörterung  dieser  Frage,  die  verschiedensten  Ansichten  ge- 
äussert.  Allgemeine  Unterernährung,  Hang  zum  Luxus,  Schwierigkeit 
der  Lebensführung  und  Kostspieligkeit  der  angemessenen  Kinder¬ 
erziehung,  Krankheiten,  das  unfreiwillige  Zölibat  der  Beamtinnen  u.  a., 
vor  allem  die  Abnahme  des  Willens  zum  Kinde,  die  Konzeptions¬ 
verhinderung  und  die  kriminellen  Aborte.  Die  Bewertung  des 
einen  oder  anderen  Momentes  war  bei  den  verschiedenen  Red¬ 
nern  nicht  frei  von  ihrer  politischen  Stellung  und  selbstverständlich 
konnte  diese  Frage  durch  parlamentarische  Reden,  von  denen  be¬ 
sonders  die  des  Ministerialdirektors  Kirchner  und  unserer  Kollegen 
A  r  n  i  n  g  und  Mugdan  wegen  ihrer  Sachlichkeit  hervorzuheben 
sind,  nicht  gelöst  werden.  Alle  Redner  waren  sich  auch  darin  einig, 
dass  man  mit  neuen  gesetzgeberischen  Massnahmen  oder  mit  einer 
Verschärfung  der  bestehenden  nicht  viel  ausrichten  werde,  und  dass 
man  sich  noch  am  meisten  Erfolg  von  der  Belehrung  der  Bevölkerung 
versprechen  könne.  Besonderes  Augenmerk  wird,  wie  Herr  Kirch¬ 
ner  erwähnte,  auf  das  verderbliche  Treiben  der  Kolporteure  zu 
richten  sein,  die  den  Männern  und  Frauen  auf  dem  Wege  von  und  zu 
den  Arbeitsstätten  Anpreisungen  von  Abtreibungsmitteln  in  die  Hand 
stecken;  und  es  soll  erwogen  werden,  ob  Leute,  die  in  öffentlichen 
Volksversammlungen  den  jungen  Frauen  gefährliche  Lehren  zuteil 
werden  lassen,  nicht  schärfer  beaufsichtigt,  und  Geschäfte,  in  denen 
konzeptionsverhütende  und  Abtreibungsmittel  vertrieben  werden, 
nicht  strenger  überwacht  werden  können.  Welchen  Umfang  dieses 
Treiben  angenommen  hat,  zeigt  u.  a.  eine  Bemerkung  Kirchners, 
dass  ihm  hervorragende  Gynäkologen  erzählt  haben,  sie  hätten  früher 
niemals  so  viele  junge  Frauen  in  Behandlung  bekommen,  welche  einen 
Abort  durchgemacht  haben,  und  noch  niemals  so  viele  kräftige  junge 
Frauen  an  den  Folgen  künstlicher  Aborte  verloren  wie  gegenwärtig. 
Im  Laufe  der  Debatte  wurde  auch  die  aus  ärztlichen  Gründen  indi¬ 
zierte  Schwangerschaftsverhütung  und  die  Tätigkeit  der  Aerzte  auf 
diesem  Gebiete  erwähnt.  Gegenüber  Vorwürfen,  die  in  einer  Bro¬ 
schüre  gegen  sie  erhoben  wurden,  nahm  der  Abgeordnete  Wagner- 
Breslau  sie  in  Schutz,  indem  er  hervorhob,  dass  es  für  die  Aerzte 
als  Regel  gilt,  nur  auf  Grund  strengster  wissenschaftlicher  Erwägung 
und  nur  nach  Beratung  mit  einem  sachverständigen  Kollegen  sich  zur 
Einleitung  eines  künstlichen  Abortes  zu  entschlossen. 

Wie  alljährlich  beim  Medizinaletat  kam  auch  die  Impffrage 
zur  Sprache,  aber  in  viel  milderer  Form  als  wir  das  aus  früheren 
Jahren  gewöhnt  sind.  Es  scheint,  wie  auch  der  Abgeordnete  Dr. 
Wagner  hervorhob,  die  Erkrankung  des  Impfgegners  Dr.  Spohr 
in  Frankfurt  a.  M.  abkiihlend  auf  die  Impfgegner  gewirkt  zu  haben. 
Herr  Dr.  Fassbender  führte  darüber  Klage,  dass  an  zwei  Orten 
die  Impfbefreiungsatteste  der  Hausärzte  nicht  beachtet  worden  seien, 


390 


MlJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCflRlET. _  No.  1. 


und  das  habe  zu  einer  grossen  Menge  von  Zeitungsartikeln,  zu  er¬ 
regten  Volksversammlungen  und  zu  Petitionen  Anlass  gegeben.  Der 
Fall  ist  für  manche  ähnliche  charakteristisch.  Der  Minister  konnte 
sofort  mitteilen,  dass  Impfbefreiungsatteste  an  den  kleinen  Orten  in 
ungewöhnlich  grosser  Zahl,  nämlich  53,  ausgestellt  waren  und 
grösstenteils  von  notorisch  impfgegnerischen  Aerzten.  Nachdem  die 
Eltern  über  die  Zweckmässigkeit  der  Impfung  aufgeklärt  waren,  haben 
alle  bis  auf  4  die  Kinder  impfen  lassen.  Im  Verlaufe  der  Debatten 
wurde  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  des  Alkoholismus,  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten,  die  Erforschung  und  Bekämpfung  der  Krebs¬ 
krankheit  und  der  Geisteskrankheiten  berührt,  ohne  dass  auf  diese 
Dinge  näher  eingegangen  oder  neue  Gesichtspunkte  erwähnt  wurden. 
Beachtung  verdient  die  Warnung  des  Herrn  Dr.  A  r  n  i  n  g  vor  dem 
Studium  der  Medizin;  die  Zahl  der  Medizinstudierenden  hat 
sich  in  beängstigender  Weise  vermehrt,  sie  ist  in  den  letzten 
5  Jahren  um  60  Proz.  gestiegen  und  hat  für  das  Reich  die  Höhe 
von  14  000  erreicht.  Diese  Ueberfiille  wird  im  Laufe  der  nächsten 
Jahre  sehr  deutlich  in  der  Zahl  der  Prüfungskandidaten  zum  Ausdruck 
kommen.  Bezüglich  des  praktischen  Jahres  wurde  wiederum 
darüber  Klage  geführt,  dass  es  nicht  genügend  ausgenutzt,  und  dass 
die  jungen  Mediziner  teils  unzureichend,  teils  zu  einseitig  beschäftigt 
werden,  so  dass  sie  nicht  die  erwartete  Vorbereitung  für  die  spätere 
selbständige  Praxis  erhalten.  Es  wurde  die  Ueberweisung  an  kleinere 
Krankenhäuser  und  an  erfahrene  Praktiker  vorgeschlagen,  vom  Re¬ 
gierungsvertreter  jedoch  als  unzweckmässig  bezeichnet.  Dagegen 
schweben  Verhandlungen  mit  dem  Reichsamt  des  Innern  über  die 
fruchtbarere  Gestaltung  des  praktischen  Jahres  und  über  die  Aus¬ 
bildung  der  Medizinalpraktikanten  in  der  sozialen  Medizin.  Herr 
Dr.  Arning  brachte  auch  noch  den  Erlass  des  Ministers  betr.  die 
Rechtsfähigkeit  der  Vereine  zur  Sprache  und  bedauerte, 
dass  die  eigentlichen  Gründe  nicht  zugleich  mit  dem  Erlass  bekannt 
gegeben  wurden;  dann  hätte  die  Erregung,  die  er  hervorgerufen  hat, 
vermieden  werden  können.  Diese  Gründe  sind,  wie  der  Minister  aus¬ 
führte,  von  juristischer  Natur.  Es  lagen  gleichzeitig  Anträge  auf 
Eintragung  in  das  Vereinsregister  und  auf  Verleihung  der  Rechts¬ 
fähigkeit  vor.  Ehe  weitere  Eintragungen  erfolgten,  sollte  auf  richter¬ 
lichem  Wege  entschieden  werden,  auf  welchem  Wege  die  Rechts¬ 
fähigkeit  der  Vereine  erworben  werden  kann  und  auf  welchem  nicht. 
Die  Klärung  dieser  Frage  sei  dem  Minister  im  Interesse  aller  Be¬ 
teiligten  als  zwingende  Notwendigkeit  erschienen. 

Sehr  eingehend  wurde  das  aktuelle  Thema  des  Verhält¬ 
nisses  der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen  behandelt. 
Der  Redner  der  konservativen  Partei  und  der  Redner  der  sozial¬ 
demokratischen  Partei,  also  die  beiden  sonst  so  feindlichen  Brüder, 
fanden  sich  hier  wieder  in  wunderbarer  Eintracht  zusammen.  Zwar 
unterliessen  sie  nicht,  ihre  Achtung  und  ihr  Wohlwollen  für  den 
Aerztestand  zu  versichern,  brachten  aber  doch  alle  längst  wider¬ 
legten  Vorwürfe  gegen  die  Kassenärzte  im  allgemeinen  und  den 
Leipziger  Verband  im  besonderen  wieder  vor.  Herr  v.  d.  Osten 
erwähnte  wieder  die  angebliche  Aeusserung  Lennhoffs,  allerdings 
mit  dem  Zusatz,  dass  sie  bestritten  werde,  und  malte  das  Gespenst 
des  vom  Leipziger  Verband  angeblich  angedrohten  Generalstreiks 
an  die  Wand.  Unter  Zitierung  einzelner  Sätze  aus  dem  „Aerztlichen 
Vereinsblatt“  versuchte  er  die  Kampfesweise  des  L.V.  als  eine  allzu 
scharfe  hinzustellen  und  wurde  darin  von  Herrn  Strobel  kräftig 
unterstützt.  Nur  für  das  von  diesem  empfohlene  Rezept  der  Ver¬ 
staatlichung  der  Aerzte  konnte  Herr  v.  der  Osten  sich  nicht  er¬ 
wärmen.  Aber  er  regte  sich  gewaltig  darüber  auf,  dass,  wie  er  meinte, 
Aerzte  durch  Ehrenwort  gegen  ihre  eigenen  Interessen  oder  gar 
gegen  die  Interessen  der  Bevölkerung  zu  handeln  gezwungen  werden, 
das  sei  ein  „Vergessen  der  sozialen  Pflichten,  die  unsern  Aerzten  ob¬ 
liegen".  Als  ein  Beispiel,  wie  sehr  der  Bogen  überspannt  werde, 
führte  er  die  Sperrung  der  Arztstelle  in  Eberswalde  an,  wo  gar  „die 
Interessen  der  Wohltätigkeitsanstalten  und  weiter  Kreise  der  Be¬ 
völkerung  geschädigt  würden“.  Auch  der  freikonservative  Abge¬ 
ordnete  Herr  V  o  r  s  t  e  r  beteiligte  sich  an  der  Stimmungsmacherei 
gegen  die  Aerzte  und  brachte  wieder  die  Verhältnisse  in  Köln  zur 
Sprache  und  die  Weigerung  der  dortigen  Aerzte,  mit  den  von  den 
Kassen  herbeigezogeuen  Aerzten  zusammen  die  Vorträge  der  Aka¬ 
demie  zu  besuchen.  Da  Herr  M  u  g  d  a  n  über  alle  vorgebrachten 
Fragen  sehr  gut  orientiert  ist,  wurde  es  ihm  nicht  schwer,  den  Vor¬ 
würfen  zu  begegnen.  Herrn  V  o  r  s  t  e  r  erwiderte  er,  dass  die  Cölner 
Aerzte  sehr  gegen  ihren  Willen  auf  Bestreben  des  Verbandes,  dem 
Herr  V  o  r  s  t  e  r  angehört,  aus  ihren  Stellen  verdrängt  und  durch 
eine  Anzahl  zum  Teil  sehr  minderwertiger  Kollegen  ersetzt  wurden, 
mit  denen  zusammenzusitzen  man  ihnen  nicht  zumuten  könne.  Auf 
die  Eberswalder  Angelegenheit  wollte  er  nicht  näher  eingehen,  weil 
Angehörige  von  Parteigenossen  des  Herrn  v.  d  e  r  O  s  t  e  n  mit  diesem 
Fall  eng  verknüpft  sind  und  die  Angelegenheit  zurzeit  noch  die  Ge¬ 
richte  beschäftigt;  er  stellte  aber  fest,  dass  eine  der  Personen,  die 
den  früheren  Arzt  des  dortigen  Krankenhauses  so  heftig  angegriffen 
hatte,  wegen  Beleidigung  dieses  Arztes  zu  300  M.  Geldstrafe  ver¬ 
urteilt  ist,  und  dass  der  Arzt  aus  allen  bisherigen  Verhandlungen 
vollständig  makellos  hervorgegangen  ist.  Mit  feiner  Ironie  unterstellte 
Herr  M  u  g  d  a  n,  dass  diese  Tatsachen  Herrn  v.  der  Osten  nicht 
bekannt  seien,  da  er  doch  sonst  die  Angelegenheit  nicht  zur  Sprache 
gebracht  hätte.  Was  den  vielzitierten  Generalstreik  betrifft,  so 
konstatierte  Herr  Mugdan,  dass  dieses  Wort  nicht  etwa  von  den 
Aerzten,  sondern  von  ihren  Gegnern  geprägt  ist,  und  dass  die  Aerzte 


niemals  daran  gedacht  haben.  Kranken  ihre  Hilfe  zu  versagen.  Sie 
wollten  jeden  behandeln,  der  ihrer  Hilfe  bedarf;  aber  wenn  alle  Be¬ 
dingungen,  die  sie  im  Interesse  ihres  Standes  und  der  Volkshygiene 
zu  stellen  für  richtig  finden,  von  den  Kassen  verworfen  werden,  so 
wollten  sie  nicht  als  Kassenärzte  tätig  sein,  und  das  ist  natürlich  ihr 
gutes  Recht.  Schliesslich  erntete  der  Redner  allgemeine  Heiterkeit, 
als  er  dartat,  dass  der  Leipziger  Verband  genau  dasselbe  tut  wie 
eine  Organisation,  der  auch  Herr  v.  der  Osten  angehört,  nämlich 
der  Bund  der  Landwärts,  und  dass  dieser  Bund  überhaupt  das  Vor¬ 
bild  und  der  Lehrmeister  des  Leipziger  Verbandes  ist.  Von  allen 
Seiten  des  Hauses  wurde  der  Wunsch  ausgesprochen,  dass  die  schwe¬ 
benden  Differenzen  friedlich  beigelegt  werden:  aber  wir  müssen 
Herrn  Mugdan  auch  darin  beistimmen,  dass  die  Reden  der  Herren 
v.  der  Osten  und  V  o  r  s  t  e  r  nicht  gerade  dazu  beitragen,  dieses 
Ziel  zu  erreichen.  M.  K. 

Bericht  über  das  Neurologische  Institut  in  Frankfurt  a.  M.  für  1912. 

Das  Institut  hat  ein  Jahr  erfreulicher  Arbeit  hinter  sich. 

Für  den  25.  Mai  hatte  der  Vorsitzende  der  interakademischen 
Hirnkommission  deren  Mitglieder  nach  Frankfurt  berufen.  Nach  der. 
Versammlungen  fand  in  der  Sammlung  des  Instituts,  zum  erstenmal 
im  Anschluss  an  eine  Hirnkommissiorsversammlung,  eine  Demonstra¬ 
tionssitzung  statt,  in  welcher  viele  und  interessante  Präparate  gezeigt 
wurden.  Ausserdem  war  eine  Anzahl  der  selteneren  Sammlungs¬ 
gegenstände  (Manatusgehirn,  Elephantenserie)  zur  Ausstellung  ge¬ 
bracht. 

Anfang  November  wurde  das  Institut  von  den  in  Frankfurt  ver¬ 
sammelten  Direktoren  der  zoologischen  Gärten  besucht,  bei  welcher 
Gelegenheit  Prof.  E  ding  er  eitlen  Uebersichtsvortrag  über  die  Ziel.1 
der  vergleichenden  Hirnanatomie  hielt. 

Herr  Dr.  D  r  e  y  f  u  s,  der  Leiter  der  neurologischen  Abteilung 
der  inneren  Klinik,  wurde  am  29.  XI.  zum  Mitglied  des  Instituts  er¬ 
nannt,  damit  ist  der  Konnex  mit  der  Klinik  ein  innigerer  geworden. 

Bei  den  Verhandlungen  zur  Gründung  der  Universität  Frankfurt 
wurde  von  allen  Seiten  eine  Erweiterung  des  Instituts,  gerade  nach 
der  klinischen  Seite  hin,  in  Aussicht  genommen,  und  zur  Bedingung 
gemacht,  dass  dem  Institut  Betten  angegliedert  werden,  und  dass  der 
Konnex  mit  der  Poliklinik  für  Nervenkrankheiten,  der  bisher  schon 
durch  Personalunion  bestanden  hat,  auch  in  Zukunft  gewährt  bleibt. 

Von  Prof.  Edinger  wurde  ein  grösserer  Demonstrationskn’-s 
mit  Projektionen  gehalten,  an  dem  66  Aerzte  teilnahmen. 

Das  ganze  Personal  des  Instituts  beteiligte  sich  an  den  all¬ 
wöchentlich  stattfindenden  Demonstrationen  interessanter  Fälle  der 
inneren  Klinik. 

Die  psychologischen  Abende,  welche  gemeinsam  mit  dem  psycho¬ 
logischen  Institut,  dem  Senckenberg  ischen  Museum,  dem  zoo¬ 
logischen  Garten  und  der  Irrenanstalt  gehalten  werden,  wurden  fort¬ 
gesetzt. 

Zweimal  im  Jahre  fand  ein  neurologischer  Demonstrationsabend 
für  die  Nervenärzte  von  Frankfurt  und  Umgebung  statt. 

Das  Institut  hat  eine  Reihe  sehr  wertvoller  Geschenke  erhalten, 
darunter  von  Prof.  D  e  x  1  e  r  -  Prag  die  überaus  wertvolle  Schnitt¬ 
serie  vom  Rückenmark  bis  zu  den  Vierhügeln;  vom  zoologischen  Gar¬ 
ten  hier  das  überaus  wertvolle  Gehirn  eines  Dromedars;  sehr  reiche 
Geschenke  von  der  Firma  Hagenbeck;  von  Prof.  v.  S  t  i  e  d  a  -  Königs¬ 
berg  eine  grosse  Anzahl  mit  Karmin  durchgefärbter,  und  dadurch 
historisch  interessanter  Gehirne  und  Rückenmarksstücke,  auch  kom¬ 
plette  Fische-  und  Amphibiengehirne;  vom  S  e  n  c  k  e  n  b  e  r  g  ischen 
Museum  die  Schädelausgüsse  von  Bison  priscus  und  Triceratops; 
von  Herrn  Dr.  Jakob  die  wertvollen  Schädelausgüsse  von  Toxo- 
don,  Mylodon  und  Scelidotherium. 

Gearbeitet  haben  im  Institut  24  Aerzte,  darunter  9  Deutsche. 
15  Ausländer 

Die  Sammlung  makroskopischer  Hirn  Präparate 
besteht  aus  638  Arten  ungeschnitten  und  232  Arten  geschnitten  in 
641  Serien. 

Der  pathologischen  Abtheilung  gingen  92  Präparate 
zu,  darunter  besonders  wertvolle  aus  den  Krankenhäusern  von  Frank¬ 
furt,  aus  Worms,  aus  den  Irren-  und  Pflegeanstalten  in  Frankfurt, 
Weilmiinster,  Eberstadt  und  dem  Landeshospital  Haina,  dem  Frank¬ 
furter  hygienischen  Institut  und  dem  Georg-Speyer-Haus,  von  ein¬ 
zelnen  Aerzten,  von  der  Entbindungsanstalt  u.  a.  Der  Ausbau  der 
Demonstrationssammlung  wurde  fortgesetzt. 

In  der  Abteilung  wurden  eine  Anzahl  experimenteller  Unter¬ 
suchungen  ausgeführt,  welche  sich  mit  dem  Verhalten  des  normalen 
und  erkrankten  Nervensystems  gegenüber  vital  färbenden  Stoffen 
beschäftigen  (Dr.  Doini-kow,  Dr.  Rachmanow).  Dr.  S  h  i  m  a  - 
z  o  n  o  nahm  eine  grosse  Experimentalreihe  über  Blei-  und  Pyrodin- 
vergiftungen  an  Vögeln  vor. 

Dr.  Doinikow  ist  jetzt  mit  der  Untersuchung  von  25  Kanin¬ 
chen  beschäftigt,  welche,  mit  hohen  Salvarsandosen  behandelt,  durch 
Exz.  Ehrlich  dem  Institut  überwiesen  worden  sind. 

Aus  dem  Institut  gingen  33  Arbeiten  hervor. 

Therapeutische  Notizen. 

Ueber  einen  traurigen  Fall  von  Vergiftung  mit  Extrac- 
t  u  m  f  i  1  i  c  i  s  in  a  r  i  s  berichtet  C  o  r  n  e  1  i  s  in  der  Geneesk. 
Tjidschr.  v.  Ned.-Indie  (Bd.  52,  S.  402,  1912).  Bei  einem  jungen, 
erwachsenen  Arbeiter  erfolgte  nach  7  g  Extr.  fil.  mar.  innerhalb 


j  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


»Stunden  völlige  Erblindung,  obwohl  kein  Rizinusöl  ge- 
r  en  worden  war.  Fr.  L. 

R.  Noethe,  Halle  a.  S„  veröffentlicht  im  Reichsmed.-Anzeiger 
v  3,  1913  eine  zusammenfassende  Ueb  ersieht  über  den 
■  r  t  des  Luminal  für  den  Praktiker.  Die  Dosierung 
.  guten  Hypnotikums  Luminal  sowohl  bei  peroraler  Darreichung 
des  Luminalnatriums  bei  subkutaner  Injektion  soll  im  An- 
säj  vorsichtig  sein,  bis  die  individuelle  Reaktion  bekannt  ist.  Bei 
perlich  heruntergekommenen  Kranken,  z.  B.  Tabikern,  Phthisikern 
inne  man  mit  0,1.  Solche  Patienten  sind  gefährdet,  wenn  sie  an 
mchitis  mit  reichlichem  Auswurf  leiden.  Mit  mehrfachen  kleinen 
Gen  von  0,1 — 0,2  erreicht  man  nicht  selten  auch  bei  Erregten 
uhigung.  Das  Auftreten  eines  Exanthems  ist  als  Zeichen  von 
>xikation  schwerer  Art  zu  betrachten  und  soll  vor  weiteren  Gaben 
.  men.  Neben  der  hypnotischen  besitzt  Luminal  eine  sedative 
\  rkung,  welche  besonders  nützlich  ist  für  die  Behandlung  von 
oholdelirien,  arteriosklerotischen  Erregungszuständen,  epileptischen 
-  rungen  aller  Art,  motorischer  Unruhe  bei  Chorea  und  Paralysis 
lians,  für  Behandlung  von  Angstzuständen.  Das  Luminal  wirkt 
merzlindernd  bei  Arteriosklerose,  Tabes,  spinalen  Schmerzen.  Die 
'iibination  von  sedativer  und  schmerzstillender  Wirkung  verleiht 
n  Luminal  eine  Aehnlichkeit  mit  den  Alkaloiden  und  erlaubt. 
.  gelegentlich  an  Stelle  von  Morphium  zu  benutzen.  Aus  diesem 
inde  ist  es  geeignet,  die  Durchführung  von  Morphiumentziehungs- 
cen  zu  erleichtern.  Fr.  L. 

Richard  B  a  n  d  o  r  f  hat  Untersuchungen  angestellt  über  den 
>.ert  des  Droserin  in  der  Keuchhusten  therapie  (Diss. 
äugen  1912,  30  Seiten).  Das  Präparat  wird  von  der  Firma  Dr.  R. 

:  1  0.  Weil  in  Frankfurt  a.  M.  in  2  Formen  in  den  Handel  ge¬ 
weht:  trocken  als  Tabletten  und  flüssig  als  Liniment  eine  Suspension 
Oel.  Von  der  trockenen  Form  unterscheiden  die  Darsteller  eine 
'rmalstärke  (Stärke  1)  und  eine  Stärke  2,  die  bei  besonders 
tnäckigen  Fällen  kräftiger  wirken  soll.  Die  Medikation  lautet 
!  3  Tabletten  zweistündlich  gelöst  in  Wasser,  je  nach  der  Heftigkeit 
Erkrankung  Normalstärke  oder  Stärke  2.  Das  Liniment  dient  zur 
■  reibung  von  Brust  und  Rücken;  das  soll  2—3  mal  täglich  geschehen. 
■i  Untersuchungen  des  Verfassers  liegen  30  Fälle  zugrunde.  Be- 
lich  der  Anwendung  hat  sich  als  vorteilhaft  erwiesen  zweistündlich 
l'ablette,  daneben  früh  und  abends  Einreibung  mit  dem  Liniment, 
-f  Grund  seiner  Beobachtungen  bezeichnet  Verf.  das  Droserin 
i  einen  Fortschritt  in  der  Keuchhustentherapie, 
-s  Präparat  verdiene  versucht  zu  werden.  Fr.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  15.  Februar  1913. *) 

—  Der  preussische  Aerztekammerausschuss  hat 
-h  in  seiner  Sitzung  vom  1.  Februar  d.  J.  mit  dem  bekannten  Erlass 
;  Ministers  des  Innern,  betr.  die  Erlangung  der  Rechtsfähigkeit 

kassenärztliche  Vereine  beschäftigt.  Da  der  Minister  anheim- 
;tellt  hatte,  die  Frage  von  der  Tagesordnung  abzusetzen,  da  zurzeit 
:h  Verhandlungen  darüber  zwischen  den  beteiligten  Ressorts 
•iweben,  wurde  auf  die  Erstattung  eines  Gutachtens  verzichtet,  der 
sschuss  hielt  sich  aber  doch  für  verpflichtet,  seine  Meinung  wenig¬ 
es  kurz  zu  präzisieren.  Das  geschah  durch  folgende  Erklärung 
o  Vorsitzenden  (S  t  o  e  t  e  r),  die  von  den  Delegierten  einstimmig 
billigt  wurde:  „Nach  den  dem  Sinne  nach  übereinstimmenden 
■schreiben  der  Vertreter  aller  preussischen  Aerztekammern  hält 
Kammerausschuss  die  Eintragung  der  kassenärztlichen  Vereine 
:h  §  21  B.ü.B.  für  wünschenswert,  aber  nicht  für  unbedingt  nötig, 
r  wünschenswert,  weil  sie  einer  Vereinbarung  zwischen  Aerzten 
J  Krankenkasen  sehr  förderlich  sein  und  die  Durchführung  der 
'  Präge  besonders  von  seiten  der  Aerzte  erleichtern  würde.  Er 
erlässt  die  Eintragung  lediglich  nach  §  21  B.G.B.  der  Be¬ 
eilung  der  zuständigen  Gerichte.“ 

—  Der  ärztliche  Bezirksverein  Dresden-Stadt  hat  einem  Kollegen 
Bezeichnung  als  „Spezialarzt  für  L  ungenkran  k  - 

iten"  und  einem  anderen  Kollegen  die  Bezeichnung  als 
pezialarzt  für  Magen-  und  Stoffwechselkrank- 
iten“  genehmigt,  dagegen  einem  dritten  Kollegen  die  Bezeichnung 
„Spezialarzt  für  Gallensteinleide  n“  abgelehnt. 

—  Der  Preis  der  Möbiusstiftung  kommt  Anfang  des 
■  res  1914  abermals  zur  Verteilung.  Als  Aufgabe  ist  gestellt:  Die 
’olge  der  operativen  Behandlung  des  Morbus  Basedow.  Die  Preis- 
’eiten  sind  bis  zum  1.  Oktober  1913  in  Begleitung  eines  versiegelten 
ttels  mit  dem  Namen  des  Verfassers  und  einem  auf  das  Kuvert 
whriebenen  Motto,  demjenigen  entsprechend,  welches  die  Arbeit 
Ist  trägt,  an  Herrn  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  v.  Strümpell* 
ipzig  eingeschrieben  einzusenden.  Der  Preis  besteht  aus  ungefähr 
1  M.  und  einer  Bronceplaquette  nach  einem  von  Bildhauer  Professor 
ix  Lange  gefertigten  Entwurf.  Den  ersten  Preis,  1912,  haben  die 
!  Ten  Prof.  Alzheimer  -  Breslau  und  Dr.  E.  R  e  i  s  s  -  Frank¬ 
st  a.  M.  erhalten. 

*)  Wegen  des  Buss-  und  Bettages  in  Sachsen  musste  diese 
mmer.  mit  Rücksicht  auf  die  über  Leipzig  gehende  Auflage,  früher 

1  tiggesteHt  werden. 


391 


I'1  hem  von  der  „Umschau"  veranstalteten  Preisausschreiben : 
„W  as  kosten  die  schlechten  Rasseelemente  den 
Staat  und  die  Gesellschaft“  wurde  der  Preis  von  M.  1209 
Herrn  Ludwig  Jens,  Beamter  der  allg.  Armenanstalt  in  Hamburg, 
zuerkannt.  Preisrichter  waren  die  Herren  B  e  c  h  t  h  o  1  d  -  Frank¬ 
furt  a.  M.,  Gottstein  -  Charlottenburg  und  v.  G  ruber-  München. 

—  In  Berlin,  wo  ein  Aerzteorchester  bereits  erfolgreich  tätig 
ist,  hat  sich  nun  auch  eine  „C hör  Vereinigung  Berliner 
Aerzte“  gebildet,  zu  der  sich  bisher  34  Kollegen  und  37  Damen 
gemeldet  haben. 

—  Dr.  Julius  üoldschmidt,  früher  in  Madeira,  jetzt  in  Paris 
lebend,  bekannt  durch  zahlreiche  klimatologischc  Arbeiten,  feierte  am 
12.  ds.  seinen  70.  Geburtstag. 

—  Prof.  Dr.  Hermann  Kümmell,  erster  Oberarzt  der  chirur¬ 
gischen  Abteilung  des  allgemeinen  Krankenhauses  in  Hamburg-Eppen¬ 
dorf,  Prof.  Dr.  Gustav  S  p  i  e  s  s,  Direktor  der  städtischen  Hals-  und 
Nasenklinik  in  Frankfurt  a.  M.  und  Dr.  Friedrich  Wilhelm  F  a  b  r  i  - 
c  i  u  s,  Direktor  der  Provinzial-Heil-  und  Pflegeanstalt  in  Düren  sind 
zu  Geheimen  Sanitätsräten  ernannt  worden,  (hk.) 

—  In  der  Kg  1.  Universität  s -  Frau  enklinikMünchen 
werden  in  der  Zeit  vom  10.  März  bis  4.  April  unter  Leitung  von  Prof. 
Dr.  B  a  i  s  c  h  und  Privatdozent  Dr.  Weber  Kurse  über  Ge¬ 
burtshilfe  und  Gynäkologie  abgehalten.  Nähere  Auskunft 
erteilen  die  Leiter  der  Kurse. 

—  An  der  med.  Klinik  des  Hotel-Dieu  in  Paris  werden  vom 
17. — 31.  März  1.  J.  Fortbildungskurse  über  „Les  notioiis 
recentes  sur  les  maladies  du  foie,  du  pancreas  et  de  la  rate“  ab¬ 
gehalten.  Den  einleitenden  Vortrag  hält  Prof.  A.  Gilbert. 

—  Die  38.  Wanderversammlung  der  südwest¬ 
deutschen  Neurologen  und  Irrenärzte  wird  in  diesem 
Jahre  am  24.  und  25.  Mai  in  Baden-Baden  im  Konversationshause 
abgehalten  werden.  Vorträge  sind  bis  spätestens  14.  Mai  anzumelden 
bei  Geh.  Rat  Schnitze-  Bonn  oder  Dr.  Laquer  -  Frankfurt  a.  M. 

—  Der  neunte  Kongress  der  Deutschen  Röntgen- 
Gesellschaft  findet  am  30.  März  1913  in  Berlin  im  Langenbeck- 
hause  statt.  Demselben  wird  am  29.  März  ein  Demonstrationsabend 
voraufgehen. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  dem  amtlichen  Ausweis  No.  11 
sind  in  Konstantinopel  vom  21.  bis  27.  Januar  4  Erkrankungen  und 
2  Todesfälle  festgestellt  worden.  In  den  Gesundheitspass  der  Schiffe, 
welche  Konstantinopel  verlassen,  wird  seit  dem  29.  Januar  folgender 
Vermerk  eingetragen :  Einige  sporadische  Cholerafälle  zeigen  sich 
fortdauernd  in  Konstantinopel.  Zufolge  Mitteilung  vom  21.  Januar 
soll  in  Tiberias  seit  dem  25.  Dezember  v.  J.  kein  neuer  Cholerafall 
aufgetreten  sein.  Im  ganzen  wurden  dort  während  des  vierwöchigen 
Herrschens  der  Seuche  129  Erkrankungen  und  68  Todesfälle  ge¬ 
meldet.  In  Haiffa  sind  ausser  dem  früher  mitgeteilten,  angeblich  nur 
choleraverdächtigen  Todesfall  Erkrankungen  an  Cholera  nicht  be¬ 
kannt  geworden.  —  Zanzibar.  Durch  Bekanntmachung  vom  7.  Januar 
ist  die  Insel  wieder  für  cholerafrei  erklärt  worden.  Die  Beschrän¬ 
kungen  des  Verkehrs  nach  der  zum  Sultanate  Zanzibar  gehörigen 
Nachbarinsel  Pemba  sind  aufgehoben. 

—  Pest.  Russland.  Laut  einer  am  18.  Januar  veröffentlichten 
Bekanntmachung  gilt  die  Meierei  Popowski  nicht  mehr  für  pest¬ 
verseucht;  dagegen  wird  das  Gebiet  des  Donischen  Heeres  auch 
noch  weiterhin  als  pestbedroht  angesehen.  —  Aegypten.  Vom  11.  bis 
17.  Januar  erkrankte  nur  in  Tantah  1  Person;  es  starben  daselbst  2. 
Vom  18.  bis  24.  Januar  erkrankten  in  Aegypten  9  (und  starben  5) 
Personen.  —  Britisch  Ostindien.  In  der  Woche  vom  5.  bis  11.  Januar 
erkrankten  3959  und  starben  3218  Personen  an  der  Pest.  —  China. 
Zufolge  Mitteilung  vom  9.  Januar  sind  in  der  Gegend  von  Swatau 
zahlreiche,  fast  stets  tödlich  verlaufene  Pestfälle  aufgetreten.  - 
Britisch  Ostafrika.  Seit  dem  10.  Januar  gelten  Stadt  und  Insel  Mom- 
bassa  als  pestfrei,  da  seit  dem  27.  Dezember  keine  neuen  Erkran¬ 
kungen  dort  vorgekommen  sind;  dagegen  waren  bis  zum  13.  Januar 
aus  Nairobi  2  neue  Pestfälle  gemeldet.  —  Ecuador.  Im  November 
v.  J.  insgesamt  in  Duran  3  Erkrankungen  (und  1  Todesfall)  und  in 
Guayaquil  138  (52). 

—  In  der  5.  Jahreswoche,  vom  26.  Januar  bis  1.  Februar  1913, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die.  grösste 
Sterblichkeit  Rostock  mit  26,1,  die  geringste  Recklinghausen  mit 
5,3  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Graudenz,  Rostock,  an 
Masern  und  Röteln  in  Gladbeck,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Erfurt, 
Hamborn,  Mülheim  a.  Rh.,  Remscheid.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Bonn.  Der  Direktor  der  Hautklinik,  Prof.  E.  Hoff  mann, 
wurde  von  der  Dermatologischen  Sektion  der  American  Medical 
Association  als  Ehrengast  zu  der  diesjährigen  Tagung  vom  17.  bis 
20.  Juni  in  Minneapolis  geladen  und  gebeten,  einen  Vortrag  zu  halten. 

Berlin.  Dem  Vorsteher  der  Abteilung  für  Tropenhygiene  am 
Hygienischen  Institut  der  Berliner  tierärztlichen  Hochschule,  Hilfs¬ 
lehrer  für  Tropenkrankheiten,  Protozoenkunde  und  Tropenhygiene. 
Dr.  phil.  Paul  Knut  h,  ist  der  Professortitel  verliehen  worden,  (hk.) 

Halle  a.  d.  S.  Dank  des  Kaisers  an  Prof.  v.  B  r  a  - 
mann.  Der  Direktor  der  Hallenser  chirurgischen  Klinik,  Geh. -Rat 
v.  Bramann,  hat  vom  Kaiser  in  Erinnerung  an  die  25 jähr.  Wieder¬ 
kehr  des  9.  Februars  1S88  folgendes  Telegramm  erhalten:  „Heute  vor 
25  Jahren  haben  Sie  durch  Ihre  ärztliche  Kunst  meinem  verewigten 
Herrn  Vater  in  schwerer  Leidenszeit  einen  verantwortungsvollen 


392 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  grossen  Dienst  geleistet.  Dankbar  gedenke  ich  dieses  Ihres  Ver¬ 
dienstes  um  mein  Königliches  Haus.  Wilhelm,  R.“ 

Heidelberg.  Zum  Prorektor  der  Universität  wurde  für  das 
Studienjahr  von  Ostern  1913  bis  1914  der  Qeh.  Hofrat  Prof.  Dr.  med. 
Rudolf  Qottlieb,  Direktor  des  pharmakologischen  Institutes,  ge¬ 
wählt.  (hk.) 

Leipzig.  Zu  Professoren  wurden  ernannt  der  Direktor  der 
chirurgischen  Abteilung  des  Neuen  städt.  Krankenhauses  Leipzig- 
St.  Georg.  Herr  Dr.  L  ä  w  e  n,  und  der  Direktor  der  inneren  Abteilung 
des  städt.  Krankenhauses  zu  Plauen  i.  Vo.,  Herr  Dr.  Stadler,  beide 
bisher  Privatdozenten  an  der  Universität  Leipzig. 

Marburg.  Der  a.  o.  Prof.  Römer,  Abteilungsvorsteher  am 
hygienischen  Institut  der  hiesigen  Universität,  wurde  vom  Kultus¬ 
ministerium  für  die  Dauer  eines  Jahres  zu  einem  Studienaufenthalt 
an  die  Hygienischen  Institute  der  Universitäten  Bonn  und  Berlin  be¬ 
urlaubt. 

Rostock.  Dr.  med.  Hans  Hauser,  Oberarzt  der  Univer¬ 
sitätsfrauenklinik  hat  sich  für  das  Fach  der  Gynäkologie  und  Geburts¬ 
hilfe  mit  einer  Antrittsvorlesung  über  „Die  Wechselbeziehung  zwi¬ 
schen  Schwangerschaft  und  Tuberkulose“  habilitiert.  Der  Titel  seiner 
Habilitationsschrift  lautet:  „Die  differentialdiagnostische  und  thera¬ 
peutische  Bedeutung  der  Gonokokkenvakzine  in  der  Gynäkologie“. 

Wiirzburg.  Dem  Priv.-Doz.  für  Pharmakologie,  Dr.  Fer¬ 
dinand  Flury  wurde  der  Arbeitsplatz  des  Staates  Hamburg  an  der 
Zoologischen  Station  Neapel  überlassen. 

(Todesfälle.) 

In  St.  Moritz  starb  der  Generaldirektor  der  Farbwerke  vorm. 
Meister  Lucius  &  Brüning,  Dr.  Gustav  v.  Brüning.  Der 
Verstorbene  gehörte  dem  Vorstand  des  grossen  chemischen  Unter¬ 
nehmens  an  und  hat  sich  um  dessen  Aufblühen  die  grössten  Verdienste 
erworben. 

ln  Petersburg  starb  der  Direktor  des  Instituts  für  experimentelle 
Medizin,  Professor  Dr.  Wladimir  Podwyssotzki. 


Korrespondenz. 

Ein  neuer  Amerikanismus  in  der  Medizin 

Bemerkungen  zu  dem  Artikel  des  Herrn  Hofrates  Crämer: 

(Münch  med.  Wochenschr.,  1913,  No.  5). 

Von  Priv.-Doz.  Dr.  A.  Brosch  und  Dr.  O.  v.  Aufschnaiter, 
Direktor  und  Chefarzt  der  „Sanatorium  und  Kuranstalten  Baden  bei 

Wien  A.-G.“ 

Richtig  ist,  dass  wir  der  Enterocleaner-Ges.  gegenüber  dem 
Wunsche  Ausdruck  gaben,  sie  möge  die  Patente  in  einer  Weise  ver¬ 
werten,  welche  dem  gesamten  Aerztestand  einen  wirtschaft¬ 
lichen  Vorteil  sichert  und  zugleich  den  Forderungen  der  Hu¬ 
manität  Rechnung  trägt.  In  einer  Zeit,  wo  die  ärztlichen  Organi¬ 
sationen  die  Wahrnehmung  wirtschaftlicher  Vorteile  auf  ihre  Fahne 
geschrieben  haben,  ist  ein  solcher  Schritt  nur  eine  logische  Wei¬ 
terentwicklung  des  Wirtschaftsprinzipes.  Auf 
unsere  Anregung  wurde  von  der  Enterocleaner-Ges.  der  jetzt  in  Ver¬ 
wendung  stehende  Modus  vorgeschlagen  und  eingeführt.  Es  stellte 
sich  schon  nach  kurzer  Zeit  heraus,  dass  auf  diese  Weise  tatsächlich 
auch  das  wirtschaftliche  Interesse  des  Aerztestandes  in  einem 
Masse  gewahrt  wird,  wie  dies  auf  eine  andere  Art  kaum  möglich 
sein  dürfte. 

Wir  betonen  nochmals,  dass  die  Einführung  des  Lizenzsystemes 
nur  eine  Probe  ist,  weil  sich  nur  auf  Grund  praktischer 
Erfahrungen  ein  richtiges  Urteil  über  den  wirklichen  Wert 
eines  bestimmten  Wirtschaftssystemes  gewinnen  lässt  und  weil  rein 
theoretische  Deduktionen  den  praktischen  Ergebnissen  auf 
wirtschaftlichem  Gebiete  oft  genug  geradezu  diametral  gegenüber- 
steheu.  Wir  werden  nach  Ablauf  der  Versuchsperiode  mit  den  ge¬ 
wonnenen  Daten  nicht  zurückhalten,  weil  wir  der  Aerztewelt  ein 
unseres  Erachtens  für  sie  sehr  nützliches  wirtschaftliches 
Experiment  vordemonstrieren  wollen.  Das  Resultat  dieses  unter 
lebhafter  Zustimmung  und  Beteiligung  zahlreicher  Kollegen  einge¬ 
leiteten  Versuches  wird  auf  Grund  der  gewonnenen  Daten  von  selbst 
für  sich  sprechen. 

Unaufgeklärt  hingegen  bleibt  das  Motiv,  warum  Herr 
Hofrat  Crämer  den  sehr  wichtigen  Umstand :  dass  Kliniken 
und  öffentliche  Krankenhäuser  den  Enterocleaner  für  Zwecke  der  un¬ 
entgeltlichen  Krankenbehandlung  zum  einfachen  Kostenpreis  erhalten, 
in  einem  so  vehementen  Angriffsartikel  einfach  —  verschwie¬ 
gen  hat. 

Wir  haben  Beweise  dafür  in  Händen,  dass  diese  Konzes¬ 
sion  an  die  Humanität  Herrn  Hofrat  Crämer  bekannt 
war.  Es  ist  doch  klar,  dass  die  Situation  durch  diesen  Umstand  (auch 
vom  Gesichtspunkt  des  „allgemeinen  Wohles“  aus)  ein  wesent¬ 
lich  anderes  Relief  erhält. 

Weitere  Schritte  gegen  den  von  Herrn  Hofrat  C  r  ä'm  e  r  ange¬ 
schlagenen  Ton  behalten  wir  uns  vor. 

Antwort  auf  obige  Erklärung  von  Hofrat  Dr.  Friedr.  Crämer. 

Auf  vorstehende  Erklärung  erwidere  ich,  dass  es  mir  gar  nicht 
eingefallen  ist,  etwas  Wichtiges  zu  verschweigen.  Die  „Konzession 
an  die  Humanität“  war  mir  selbstverständlich  bekannt,  konnte  aber 


No.  7 


an  meiner  ganzen  Auffassung  nichts  ändern.  Der  Kern  der  Sache 
nämlich:  die  Einführung  des  amerikanischen  Leihsystems  in  die  medi 
zinische  Praxis,  wird  damit  in  keiner  Weise  berührt  und  gegen  diesi 
Einführung  allein  habe  ich  Stellung  genommen. 

Das  mir  zum  Vorwurf  gemachte  Verschweigen  von  wichtige; 
Tatsachen  trifft  nicht  mich,  sondern  eher  meine  Gegner,  weil  sk 
nun  ganz  plötzlich  von  einer  erst  probeweisen  Einführung 
sprechen.  Diese  Tatsache  allein  hätte  vielleicht  meinen  Stand 
Punkt  etwas  ändern  können. 


Generalkrankenrapport  Ober  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  Dezember  1912. 


Iststärke  des  Heeres: 

70  447  Mann,  135  Kadetten,  162  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unteroffa..| 

vorschüler 

1.  Bestand  waren 

am  30.  November  1912: 

1326 

6 

5 

im  Lazarett: 

1148 

15 

9 

2.  Zugang: 

im  Revier: 

963 

— 

— 

in  Summa: 

2111 

15 

9 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

3437 

21 

14 

°/oo  der  Iststärke: 

48,8 

155,6 

86,4 

dienstfähig: 

231t 

14 

12 

°l oo der  Erkrankten: 

672,4 

666,7 

857,1 

gestorben : 

7 

— 

•/oo der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 

2,0 

— 

mit  Versorgung: 

14 

— 

— 

3.  Abgang:  < 

ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 

5 

— 

— 

Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

74 

anderweitig: 

93 

7 

— 

in  Summa: 

2504 

21 

12 

4.  Bestand 
bleiben  am 
31.  Dez.  1912: 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 
davon  im  Lazarett : 
davon  im  Revier: 

933 

13,2 

778 

155 

1  1  1  1 

2 

12,3 

2 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an 
Blutvergiftung  2,  Lungenentzündung  2,  Darmtuberkulose  1.  ep 
demischer  Genickstarre  1  und  Blinddarmentzündung  1. 

Ausserhalb  der  militärärztlichen  Behandlung  starb  1  Mann  in 
folge  Schrumpfniere. 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  ii 
Monat  Dezember  8  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  5.  Jahreswoche  vom  26.  Januar  bis  1.  Februar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung 
fehler  13  (11 M,  Altersschw.  (über  60  Jahre)  4  (7),  Kindbettfieber  2  ( 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  —  (- 
Masern  u.  Röteln  3  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (1),  Keuchhusten  —  i 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  ( — 1,  akut.  Gelenkrheumatismus  —  (-' 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswi 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (— ),  Starrkrampf  —  (- 
Blutvergiftung  3  (3),  Tuberkul.  der  Lungen  21  (22t,  Tuberkul.  and.  0i 
(auch  Skroiulose)  3  <.5%  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ).  Lunge 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  14(15),  Influenza  2  (4),  vene 
sehe  Krankh.  —  (2),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieb« 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  W echst 
fieber  usw.  — ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (2),  Alkohol 
mus  —  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  8  (3),  sonst.  Kran! 
d.  Atmungsorgane  6  (7),  organ.  Herzleiden  22  <  18),  Herzschlag,  Hei 
lähmung  lohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  3  (2 »,  Arterienverkaiku 
6  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  1  i7t,  Gehirnschlag  9  ' 
Geisteskrankh.  2  (1),  Krämpfe  der  Kinder  2  (4),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve 
Systems  2  (7),  Atrophie  der  Kinder  5  2.,  Brechdurchfall  — (1),  Mage 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  8  (2),  Blinddar 
entzünd.  1  (2),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  6  (4),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  1  (4),  Nierenentzünd.  5  (. 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg  4  (3),  Krebs  16  (17),  sor 
Neubildungen  2  (6i,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (— ),  Krankh.  c 
Bewegungsorgane  —  < — ),  Selbstmord  7  (1),  Mord,  Totschlag,  au 
Hinricht.  — ( — >,  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  4  ( 
and.  benannte  Todesursachen  2  (1),  Todesursache  nicht  (genau)  £ 
gegeben  ^ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (2). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  192  (189). 

1)  Die  eingfeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwocl 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


It  Mtinchener  Medizinische  Wochenschrift  erschein!  wtfcfiehWärl  **  .  .  ^  .  Zusendungen  sind  zu  adr*Wiyf«?d 

i  Umfang  von  durchschnittlich  ?  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen  IV  l\  T 1  K 1  l’  O  17  N I  Ü7  D  für  die  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  81/,— 1  ifhr. 
ummer  80  J.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich  I VI  I  I  I  \1  I  I- 1  p  |  \  P  1»  Für  Abonnement  an  |.  F.  Lehtnann's  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
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Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


3.  8.  25.  Februar  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Gegen  die  Wasserätiologie  des  Kropfes  und  des 
Kretinismus*). 

:ni  Dr.  Adolf  Kutscher  a,  Ritter  von  Aichbergen, 
k.  Statthaltereirat  und  Landes-Sanitäts-Referent  in  Inns¬ 
bruck. 

!  \ 

Es  gibt  kaum  eine  Störung,  welche  die  Wehrmacht  eines 
:aates  so  zu  schwächen  vermag,  als  der  Kropf  und  die  kreti¬ 
sche  Degeneration. 

Wenn  B  i  r  c  h  e  r  [20]  berechnet,  dass  die  Schweiz  da- 
irch  eine  Division  an  wehrfähiger  Mannschaft  verliert  und 
e  Armee  um  V«  ihres  Bestandes  geschwächt  wird,  lässt  sich 
:r  Verlust  anderer  Staaten  mit  grösserer  Wehrmacht  leicht 
^schätzen. 

Daraus  geht  aber  auch  das  grosse  Interesse  hervor, 
elches  jeder  Staat  an  der  Erforschung  der  Ursachen  des 
ebels  und  der  Mittel  zu  seiner  Beseitigung  haben  muss,  ein 
teresse,  welches  zu  vielseitiger  Bearbeitung  der  Frage  ge¬ 
hrt  hat,  ohne  sie  zu  lösen. 

Seit  altersher  ist  man  gewohnt  gewesen,  das  Wasser 
s  die  Ursache  von  Kropf  und  Kretinismus  zu  beschuldigen. 

Diese  Gewohnheit  mag  das  zähe  Festhalten  an  einer 
heorie  erklären,  für  welche  ein  einwandfreier  Beweis  bisher 
cht  erbracht  worden  ist. 

Schon  Hippokrates  hat  behauptet,  dass  kaltes  Wasser 
ropf  erzeuge;  seither  haben  unzählige  Autoren  daran  fest- 
ihalten,  dass  das  Wasser  die  Ursache  des  endemischen 
ropfes  sein  müsse.  Scholz  [18]  führt  nicht  weniger  als 
H  Autoren  an,  welche  die  Ursache  des  Kropfes  im  Wasser 
ichen.  In  früheren  Zeiten  beschuldigte  man  die  verschieden¬ 
en  chemischen  Bestandteile,  die  moderne  Zeit  spricht  von 
ifektion,  hält  aber  mit  einer  merkwürdigen  Beharrlichkeit 
:iran  fest,  dass  nur  das  Wasser  der  Träger  des  Infektions- 
■regers  sein  kann. 

Ich  beschäftige  mich  seit  Jahren  mit  dem  Studium  des 
retinismus,  mit  welchem  das  Studium  des  Kropfes  unlösbar 
erblinden  ist,  und  zwar  habe  ich  auf  Anregung  Wagner- 
.  J  a  u  r  e  g  g  s  zuerst  in  Steiermark  [27]  die  Schilddrüsen- 
ehandlung  bei  mehr  als  1400  kretinischen  Kindern  im  Auf- 
age  der  staatlichen  Sanitätsverwaltung  durchgefiihrt,  seit 
em  Jahre  1909  habe  ich  diese  Aktion  in  meinem  neuen  Wir- 
ungskreise  in  Tirol  und  Vorarlberg  fortgesetzt. 

Diese  Behandlung  war  mir  ein  erwünschtes  Mittel  zu  dem 
weck,  die  Kretinen  in  ihren  Häusern  und  Wohnungen  zu 
titersuchen  und  mich  mit  der  Frage  der  Ursachen  der  Störung 
i  beschäftigen. 

Bevor  ich  aber  auf  die  Aetiologie  eingehe,  muss  ich 
e  f  i  n  i  e  r  e  n,  was  ich  als  Kretinismus  ansehe. 

Ich  beurteile  die  kretinische  Degeneration  nicht  nach  dem 
linischen  Bilde,  weil  dies  keine  befriedigenden  Resultate  er- 
eben  hat,  und  weil  es  mir  bei  den  wechselnden  Symptomen- 
omplexen  des  Kretinismus  ganz  aussichtslos  erscheint,  auf 
iesem  Wege  unter  den  Forschern  eine  Einigung  über  die 
»efinition  des  Kretinismus  zu  erzielen. 

Ich  beurteile  den  Kretinismus  vielmehr  nach  der  Aetiologie. 

Für  mich  ist  alles  kretinische  Degeneration,  was  im 
ndemiegebiete  an  körperlicher  und  geistiger  Entwicklungs- 
emmung  durch  die  kretinogene  Schädlichkeit  verursacht  wird. 

Es  ist  dies  ein  bunt  zusammengewürfeltes  Bild  der  ver- 
-hiedensten  Störungen,  welche  zwischen  der  Norm  einer- 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztlicheu  Vereine  in  München. 

No.  8. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

seits  und  den  schwersten  Zuständen  der  Hypothyreose,  der 
Idiotie  und  Taubstummheit  andererseits  schwanken. 

Dass  in  Endemiegegenden  alle  diese  Störungen  auf  die¬ 
selbe  Ursache  zurückzuführen  sind,  ergibt  sich  aus  der  Er¬ 
fahrung,  dass  sie  sehr  häufig  nebeneinander  bei  verschiedenen 
Geschwistern  derselben  Familie  gefunden  werden. 

Zu  diesen  Störungen  gehört  noch  der  Kropf,  der  damit 
einen  eigentümlichen  Zusammenhang  hat;  jedenfalls  ist  sein 
Verbreitungsbezirk  weit  grösser  als  der  des  Kretinismus, 
aber  es  gibt  keinen  Kretinismus  ohne  Kropf,  Kretinismus 
kommt  nur  dort  vor,  wo  sich  in  der  Umgebung  auch  Kropf 
findet. 

Das  ist  wohl  der  einzige  Punkt,  über  welchen  heute  alle 
Forscher  einig  sind. 

Besonders  häufig,  ja  fast  konstant  ist  der  Kropf  bei  den 
Müttern  kretinischcr  Kinder;  in  den  äusserst  seltenen  Fällen, 
in  welchen  er  dort  fehlt,  ist  er  sicher  in  der  anderweitigen 
Umgebung,  beim  Vater  oder  anderen  Hausgenossen  zu  finden. 

Der  gemeinsame  rote  Faden,  der  sich  durch  alle 
von  der  endemischen  Schädlichkeit  verursachten  Störungen 
zieht,  ist  aber  nicht  der  Kropf,  der  in  vielen  Fällen  fehlt, 
sondern  die  Schädigung  des  Nervensystems, 
welche  sich  in  allen  Fällen  findet. 

Die  endemische  Schädlichkeit  scheint  eben  in  erster 
Linie  auf  das  Nervensystem  zu  wirken,  wo  sie  bei  gleicher 
Intensität  desto  schwerere  Störungen  erzeugt,  je  weniger 
widerstandsfähig  der  Nervenapparat  ist. 

Je  jünger  das  Kind  ist,  desto  leichter  kommt  es  deshalb 
zu  den  schweren  Störungen  der  endemischen  Idiotie  und 
Taubstummheit,  bei  grösseren  Kindern  und  bei  Erwachsenen 
dagegen  bewirkt  die  endemische  Schädlichkeit  nur  Symptome 
von  allgemeiner  Neuropathie,  wie  sie  von  Bauer  [34]  als 
ständige  Begleiterscheinungen  des  endemischen  Kropfes  be¬ 
schrieben  worden  sind.  Wenn  auch  manche  dieser  Nerven¬ 
störungen  Folge  des  Kropfes  sein  mögen,  der  den  Mittelpunkt 
eines  Circulus  vitiosus  bildet,  so  ist  doch  ein  guter  Teil  davon 
nach  meiner  Ansicht  primär  entstanden,  als  Endeffekt  der¬ 
selben  Schädigung,  welche  bei  grösserer  Intensität  und  ge¬ 
ringerer  Widerstandsfähigkeit  Idiotie  erzeugt. 

Da  die  Schilddrüse  nervösem  Einflüsse  in  hohem  Grade 
unterliegt,  —  ich  brauche  nur  an  den  Basedow  zu  erinnern  — , 
kommt  es  nach  meiner  Ansicht  erst  im  Wege  der  Beeinflus¬ 
sung  durch  das  Nervensystem  zur  Hypoplasie  des  Schild¬ 
drüsengewebes,  welche  entweder  zu  vollständiger  Atrophie 
der  Drüse  und  damit  im  Kindesalter  zum  klassischen  Bilde 
des  Kretinismus  führt,  oder  welche  eine  sekundäre  Hyper¬ 
trophie  der  Drüse,  den  Kropf  zur  Folge  hat. 

Das  strumigene  Agens  wirkt  also  auf  dem  Umwege  über 
das  Nervensystem  auf  die  Schilddrüse;  es  wird  zum  kretino- 
genen  Agens,  wenn  es  Gelegenheit  hat,  auf  die  Frucht  oder 
auf  das  Kind  im  frühesten  Lebensalter  einzuwirken. 

Ich  habe  dies  vorausgeschickt,  um  es  verständlich  zu 
machen,  auf  welchem  Boden  ich  meine  späteren  Ausführungen 
über  die  gemeinsame  Aetiologie  dieser  Störungen  aufbaue  und 
komme  nun  zu  meinem  eigentlichen  Thema  zurück. 

Dabei  bemerke  ich,  dass  ich  bei  der  Fülle  des  Stoffes  un¬ 
möglich  auch  nur  die  wichtigsten  Literaturangaben  anführen 
kann,  weshalb  ich  stets  nur  einzelne  Vertreter  der  wichtigsten 
Richtungen  nennen  werde. 

Die  Hauptgesichtspunkte,  auf  welche  von 
den  Autoren  die  Wassertheorie  gestützt 
wird,  sind  folgende: 

1.  Kropf  und  Kretinismus  kommen  in  gewissen 
Gegenden  in  scheinbar  gleichbleibender  Ausbreitung 

l 


MUENcHENER  MEblZINlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


394 


No.  ft. 


und  Intensität  vor,  während  andere  Gegenden  davon  ver-  j 
schont  sind. 

Leute,  die  aus  immunen  Gegenden  in  Kropf-  oder  Kre- 
tinenorte  einwandern,  bekommen  dort  Kropf,  ihre  Kinder 
können  kretinisch  degenerieren.  Umgekehrt  wurde  schon  seit 
altersher  beobachtet,  dass  Leute,  welche  aus  Kropf-  und 
Kretinengegenden  in  kropffreie  Orte  ausgewandert  sind,  dort 
ihren  Kropf  ganz  oder  teilweise  verloren  haben,  und  dass  die 
an  den  kropffreien  Orten  geborenen  Kinder  sich  normal  ent¬ 
wickelt  haben,  wenn  auch  alle  ihre  in  der  Kretinengegend  j 
geborenen  älteren  Geschwister  Kretinen  gewesen  sind. 

Bei  der  scheinbaren  Zähigkeit' des  Festhaltens  der  Störung  i 
an  einer  bestimmten  Oertlichkeit  vermutete  man  zuerst  einen 
Einfluss  des  Bodens;  es  entstand  eine  Legion  von  Theorien, 
von  welchen  die  bekannteste  die  von  H.  Bircher  [11]  ist, 
die  von  E.  Bircher  [20]  neuerdings  bearbeitet  wurde. 

Nach  dieser  Theorie  ist  die  Meeresmolasse  am  stärksten 
von  der  Endemie  befallen,  während  die  Juraformation  und  das 
Urgebirge  frei  davon  sind. 

Die  Schädlichkeit  wird  nach  der  Ansicht  dieser  Forscher 
durch  Auslaugung  der  schädlichen  Gesteinsarten  durch  das 
Wasser  hervorgerufen. 

Andere  Autoren  suchten  nur  im  Wasser  den  Urgrund  des 
Kropfes,  welchen  sie  schliesslich  einer  Infektiosität  des 
Wassers  zugeschrieben  haben. 

Einzelne  wie  K  1  e  b  s  [10],  Carle  [12]  und  Lustig  [14] 
glaubten  schon  den  Infektionserreger  gefunden  zu  haben. 

2,  Seit  uralten  Zeiten  wurde  schon  viel  über  die  sogen. 
Kropfbrunnen  geredet,  Brunnen,  deren  Wasser  beim  Ge-  | 
nusse  mit  Sicherheit  Kropf  erzeugen  sollte;  schon  im  Mittel-  j 
alter  sind  solche  Brunnen  beschrieben  worden. 

In  neuerer  Zeit  wurde  an  mehreren  Orten  von  Quellen 
berichtet,  von  denen  Militärpflichtige  trinken,  um  durch  den 
schnell  entstehenden  Kropf  vom  Militärdienste  befreit  zu 
werden,  so  in  Cavacurta  (Lombroso),  Antignano,  in  Villard 
Clement,  St.  Chaffrey  bei  Briancon  u.  a. 

Hierher  sind  auch  die  Angaben  zu  rechnen,  dass  die  Ge¬ 
meinden  Rupperswil  und  Asp  im  Kanton  Aarau  (Bircher)  eine 
Verminderung  ihrer  Kropfendemie  erfahren  haben,  nachdem 
eine  neue  Wasserleitung  errichtet  worden  war,  welche  das 
Wasser  aus  kropffreiem  Gestein  entnommen  hat. 

B  r  e  i  t  n  e  r  [29]  hat  beobachtet,  dass  eine  Familie  in 
einem  Bahnwächterhause  an  Kropf  erkrankt  ist,  weil  sie  das 
Wasser  eines  sogen.  Kropfbrunnens  getrunken  hat. 

Die  Kröpfe  nahmen  ab,  als  das  Wasser  eines  anderen 
Brunnens  getrunken  wurde,  ohne  aber  zu  verschwinden. 

3.  Auch  die  Kropfepidemien,  von  welchen  nament¬ 
lich  in  Frankreich  eine  grosse  Zahl  beschrieben  worden  ist, 
werden  von  den  Anhängern  der  Wassertheorie  als  Beweis 
für  die  Schädlichkeit  des  Wassers  geführt. 

Ewald  [21]  führt  eine  Reihe  solcher  Epidemien  an. 

Eine  Epidemie  in  Nancy,  welche  Ende  des  18.  Jahr¬ 
hunderts  aufgetreten  ist,  hat  1006  Soldaten  eines  Regiments 
ergriffen;  damals  wurden  nur  die  Gemeinen  befallen,  während 
die  Offiziere,  Sergeanten  und  Korporäle,  welche  dasselbe 
Wasser  tranken,  verschont  geblieben  sind. 

Augieras  sah  1889  in  Clermont  Ferrand  18  Fälle  in 
einem  Flügel  eines  Pavillons  und  einen  anderen  Herd  im 
dritten  Stockwerke  einer  Kaserne,  die  mit  einem  Bataillon 
Infanterie  belegt  war. 

In  Deutschland  ist  am  bekanntesten  die  Epidemie  in  der 
Garnison  Silberberg  im  Jahre  1820,  bei  welcher  im  Laufe 
eines  Jahres  von  380  neu  eingerückten  Mann  310  kropfkrank 
wurden.  Eine  weitere  Epidemie  wurde  von  Lebert  im 
Jahre  1861  eingehend  beschrieben.  Ein  grösseres  Auftreten 
von  Kropf  in  der  Stadt  fand  nicht  statt. 

R  e  u  s  s  berichtet  über  eine  akute  Kropfepidemie  in  einem 
Seminar  in  Stuttgart  1854. 

Ewald  sagt:  die  Epidemien  traten  in  der  Mehrzahl  in 
Kasernen,  Internaten  und  Seminarien  auf,  waren  also  an  ein¬ 
zelne  Lokalitäten  gebunden. 

Sie  wurden  meistens  an  Orten,  wo  Kropf  endemisch  ist, 
beobachtet  und  betrafen  nur  zugezogene  Individuen  resp. 
Truppenverbände. 

Epidemien  der  gesamten  Bevölkerung  werden  nicht  be¬ 
richtet. 


4.  Experimentelle  Erfahrungen. 

Die  ersten,  welche  bei  Tieren  mit  angeblichem  Kropi- 
wasser  positive  Tränkversuche  aufzuweisen  hatten,  waren 
Carle  und  Lustig  [12  u.  14]. 

In  neuerer  Zeit  sind  solche  Versuche  mit  sehr  verschie¬ 
denen  Resultaten  wiederholt  worden. 

Die  meisten  positiven  Erfolge  weist  Eugen  Bircher 
[30  u.  31]  nach. 

B  r  e  i  t  n  e  r  [29]  meldet  auch  einen  positiven  Tränkver¬ 
such,  welcher  dadurch  an  Bedeutung  gewinnt,  dass  die  Kon- 
trollversuche  negativ  ausgefallen  sind. 

Diese  Erwägungen  haben  bisher  die  Hauptstützen  für  die 
Wassertheorie  des  Kretinismus  gebildet. 

Ewald  [21]  kommt  auf  Grund  seiner  Betrachtungen  per 
exclusionem  zu  dem  Schlüsse,  dass,  wenn  das  Wasser  von 
Einfluss  auf  die  Entstehung  des  Kropfes  ist  —  wobei  er  hinzu¬ 
fügt:  „und  das  ist  zweifellos“  — ,  der  Grund  nur  in  der  An 
Wesenheit  eines  Contagium  vivum,  eines  organischen  Krank¬ 
heitserregers,  gesucht  werden  kann. 

Der  Anschauung,  dass  das  Wasser  die  alleinige  oder  auch 
nur  die  wichtigste  Ursache  des  Kropfes  bildet,  ist  vor  allem 
entgegenzuhalten,  dass  es  dafür  in  der  medizini¬ 
schen  Erfahrung  kein  Analogon  gibt. 

Bei  allen  Erkrankungen,  deren  Verbreitung  eine  Zeitlang 
ausschliesslich  oder  vorwiegend  dem  Wasser  zugeschrieben 
wurde,  hat  es  sich  herausgestellt,  dass  das  Wasser  entweder 
gar  keine  oder  nur  in  der  Minderzahl  der  Fälle  eine  Rolle 
bei  der  Verbreitung  spielt. 

Dagegen  sind  die  Analogien  sehr  zahlreich,  in  welchen  sich 
bei  Erkrankungen,  welche  früher  ausschliesslich  dem  Wasser 
zugeschrieben  worden  waren,  die  Uebertragung  durch  Kon¬ 
takt,  wie  bei  Typhus,  Ruhr  und  Cholera,  als  der  hauptsäch¬ 
lichste  Weg  der  Verbreitung  hat  erweisen  lassen. 

Auf  Grund  meiner  Erfahrungen  glaube  ich,  dass  es  beim 
Kropfe  und  Kretinismus  ebenso  gehen  wird,  wie  bei  diesen 
Erkrankungen  und  ich  werde  versuchen,  dies  zu  begründen. 

1.  Die  Meinung,  dass  Kropf  und  Kretinismus  an  gewisse 
Gegenden  gebunden  sind,  hat  sich  als  unrichtig  erwiesen. 

Diese  Annahme  wurde  dadurch  begünstigt,  dass  es  sich 
um  exquisit  chronische  Erkrankungen  handelt,  welche  ein 
ganzes  Menschenalter  dauern,  deren  Schwankungen  sich 
daher  nicht  wie  bei  den  akuten  Infektionskrankheiten  auf 
Wochen  und  Monate,  sondern  auf  Jahrzehnte  und  Jahr¬ 
hunderte  erstrecken. 

Nach  Cavatorti  (1907)  ist  der  Kropf  in  Italien  aus  den 
Provinzen  Ferrara,  Bari  und  einigen  Distrikten  Siziliens 
vollkommen  verschwunden. 

In  Spanien  (Granada)  wird  von  Tälern  berichtet,  in  die 
der  Kropf  erst  anfangs  des  vorigen  Jahrhunderts,  dann  aber 
in  sehr  ausgedehnter  Weise,  seinen  Einzug  gehalten  hat. 

In  Württemberg  hat  man  nach  Rösch  [2]  zu  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts  noch  gegen  5000  Kretinen  gezählt;  jetzt 
ist  der  Kretinismus  dort  fast  verschwunden. 

Verschwunden  ist  der  Kretinismus  auch  am  Rhein,  wo 
die  Insel  Niederwörth  bei  Koblenz  ein  berüchtigtes  Kretinen¬ 
nest  gebildet  hat. 

Aber  noch  weit  wichtiger  als  die  zweifellosen  Schwan¬ 
kungen  der  Endemie  nach  Ort  und  Zeit  ist  die  Tatsache,  dass 
Kropf  und  Kretinismus  auch  im  Endemie¬ 
gebiete  unter  der  Bevölkerung  durchaus  nicht 
gleichmässig  verbreitet  sind,  wie  anzunehmen 
wäre,  wenn  das  Wasser  die  alleinige  Ursache  der  Störung 
bilden  würde. 

Es  müsste  denn  doch  eine  gewisse  Gleichmässigkeit  der 
Ausbreitung  dieser  Störungen  im  Anschluss  an  gemeinsame 
Wasserversorgungen  zu  finden  sein.  Wenn  man  aber  ir 
Häuserkomplexen,  welche  eine  gemeinsame  Wasserver¬ 
sorgung  haben,  sämtliche  Bewohner  auf  solche  Störunger 
untersucht,  dann  kommt  man  zu  dem  Ergebnis,  dass  Krop 
und  Kretinismus  niemals  an  Wassergemein 
schäften  gebunden  sind,  dagegen  ganz  klar  und  deut 
lieh  an  gewisse  Häuser  und  in  grösseren  Häusern  an  be 
stimmte  Wohnungen. 

Es  handelt  sich  da  um  eine  Wohnungskrankheit 
welche  in  dieser  Hinsicht  manche  Aehnlichkeit  mit  der  Tuber 
kulose  hat. 


Februar  1913. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Eine  Beobachtung,  welche  jedem  Forscher  zunächst  auf- 
:1t,  der  sich  viel  mit  dem  Gegenstände  beschäftigt,  ist  die, 
ss  der  Kretinismus  eine  ausgesprochene  F a - 
ilienkrankheit  ist;  ich  führe  nur  Rösch  [2],  Maf- 
i  [3],  Knapp  [5],  K  ö  s  1 1  [7],  C  e  r  1  e  1 1  i  und  Peru- 
ni  [19]  und  I  aussig  [36]  an,  welche  von  zahlreichen 
etinenfamilien  berichten. 

Ich  selbst  habe  in  Steiermark  [27]  unter  1466  kretinischen 
ndern,  die  in  Schilddrüsenbehandlung  gestanden  sind,  611 
41,7  Proz.  Geschwister  gefunden,  welche  auf  232  Familien 

rteilt  gewesen  sind. 

In  Tirol  und  Vorarlberg  sind  unter  426  Kretinen  232,  also 
er  50  Proz.  Geschwister  gewesen. 

Natürlich  habe  ich  zuerst  an  Heredität  gedacht,  diese  lässt 
er  bei  genauer  Untersuchung  gänzlich  im  Stiche,  weil  die 
tern  der  Kretinen  gewöhnlich  normal  sind,  nur  die  Mutter 
der  Regel  einen  Kropf  hat,  von  dem  man  aber  auch  meist 
rt,  dass  er  erst  während  der  Schwangerschaft  oder  im 
ochenbett  entstanden  ist. 

Ganz  ausschliessen  lässt  sich  die  Heredität  aber  durch 
i3  zahlreichen  von  mir  und  Anderen  beobachteten  Fälle,  in 
dchen  sich  die  Kinder  kretinischer  Mütter  vollkommen  nor- 
id  entwickelt  haben. 

Es  ist  dies  sogar  die  Regel,  weil  die  Kinder  solchen  Miit- 
•n,  welche  zur  Erziehung  nicht  fähig  sind,  gewöhnlich  nicht 
i  lassen  werden  können.  Die  Kinder  kommen  in  ein  anderes 
lius  zu  einer  anderen  Familie  und  das  genügt,  um  sie  mit 
::herheit  vor  dem  Kretinismus  zu  bewahren.  Sie  brau¬ 
nen  gar  nicht  in  eine  kröpf  -  oder  kretinen- 
:  e  i  e  Gegend  versetzt  zu  werden,  sondern  körn¬ 
en  gewöhnlich  nur  in  ein  Nachbarhaus,  welches  aber  kropf- 
d  kretinenfrei  ist. 

Dieselbe  Beobachtung  habe  ich  wiederholt  bei  Kindern 
:s  Kretinenfamilien  gemacht,  welche  absichtlich  oder  unab- 
htlich,  z.  B.  nach  dem  1  ode  der  Mutter,  in  eine  andere 
milie  zur  Erziehung  gebracht  wurden  und  sich  im  Gegen- 
tze  zu  ihren  älteren  kretinischen  Geschwistern  normal  ent- 
ckelt  haben. 

Umgekehrt  habe  ich,  wenn  auch  sehr  selten,  Kinder  ge- 
iden,  welche  aus  normalen  Familien  stammen,  und  bald  nach 
er  Geburt  zu  kretinischen  Familien  auf  die  Kost  gekommen 
d  dort  kretinisch  degeneriert  sind. 

Damit  stehen  ältere  Beobachtungen  im  Einklänge,,  über 
Gehe  K  ö  s  1 1  berichtet  [7]. 

Die  Walliser  Edelleute  haben  häufig  nur  ihre  Erst- 
borenen  im  Hause  aufgezogen;  die  später  geborenen  Kinder 
irden  den  kretinischen  Dienstboten  überlassen  und  dadurch 
her  zu  Kretinen  gemacht,  wodurch  verhütet  wurde,  dass 
s  Vermögen  geteilt  werden  musste. 

Zur  direkten  Uebertragung  des  Kretinismus  gehört  auch 
von  mir  veröffentlichte  Beobachtung  über  kretinische 
nde,  welche  in  dem  Bett  eines  Kretins  aufgezogen  wur- 
n  [23]. 

Durch  diese  Beobachtungen  war  also  die  Heredität  aus¬ 
schaltet,  es  musste  daher  wie  bei  der  Tuberkulose  dem 
ntakte,  welcher  in  der  Familie  und  in  der  Wohnung  ein 
iz  besonders  enger  ist,  eine  Beachtung  geschenkt  werden. 

Bei  den  darauf  gerichteten  Untersuchungen  hat  sich  er- 
">en,  dass  Kretinismus  im  Endemiegebiete  auf  gewisse 
user  und  noch  mehr  auf  bestimmte  Wohnungen  be- 
lränkt  ist. 

Auch  dies  ist  schon  älteren  Autoren  aufgefallen. 
Kocher  [13]  erzählt  folgendes:  Dr.  Kummer  fiel  es 
.  dass  ab  und  zu  Kinder  aus  vereinzelten  Häuseren  als 
’pflos  und  aus  anderen  als  sehr  stark  kropfig  gefunden 
rden,  ohne  dass  der  Untersuchende  vorher  eine  Ahnung 
•en  konnte,  dass  sie  zusammen  gehörten. 
Meyer-Ahrens  [6]  zitiert  die  Bemerkung  eines 
E  b  1  i  n  in  Chur,  welcher  ganz  in  der  Nähe  von  Orten, 
denen  sich  Kretinen  befanden,  in  jeder  Hinsicht  gesunde,  oft 
entlieh  schöne  Menschen  getroffen  hat  und  deshalb  den  Ur- 
ind  des  Kretinismus  in  der  engeren  Atmosphäre  der  un- 
telbaren  Berührungswelt  sucht. 

Bef  meinen  Erhebungen,  welche  sich  jetzt  schon  auf 
lezu  200  Ortschaften  erstrecken,  habe  ich  überall  dasselbe 


Bild  gefunden,  von  welchem  ich  hier  ein  typisches  Beispiel 
dargestellt  habe. 


Vandans  in  Vorarlberg.  Ich  habe  dort  im  Vereine  mit  dem 
Amtsärzte  für  jedes  einzelne  Haus  die  Anamnese  über  die 
früheren  Bewohner  hinsichtlich  des  Vorkommens  von  Kropf 
und  Kretinismus  aufgenommen,  soweit  als  dies  möglich  war; 
ausserdem  wurden  sämtliche  gegenwärtigen  Bewohner  auf 
das  Vorkommen  dieser  Gebrechen  untersucht. 

Die  Kretinenhäuser,  welche  auf  der  Karte  ersichtlich  ge¬ 
macht  wurden,  liegen  fast  alle  in  kleinen  Gruppen  neben¬ 
einander,  nirgends  lässt  sich  eine  Beziehung  zu  einer  gemein¬ 
samen  Wasserversorgung  erkennen,  im  Gegenteil  sieht  man 
überall,  dass  die  einzelnen  Wasserleitungen  neben  Kretinen- 
häusern  auch  eine  Reihe  kretinenfreier  Häuser  versorgen, 
welche  zum  grossen  Teile  auch  vollkommen  kropffrei  gefunden 
worden  sind. 

Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  sich  in  den  meisten  Kretinen- 
häusern  mehrere  Kretinen  gefunden  haben  und  häufig  auch 
die  Anamnese  Anhaltspunkte  ergeben  hat,  dass  diese  Häuser 
schon  früher  von  Kretinen  bewohnt  gewesen  sind. 

Dieses  Beispiel  ist  aber  nicht  etwa  vereinzelt,  sondern 
wiederholt  sich  an  allen  Endemieorten  in  derselben  Weise, 
weshalb  ich  ein  grosses  Gewicht  darauf  legen  möchte,  dass 
gerade  diese  Verhältnisse  in  anderen  Kretinengegenden  nach 
derselben  Methode  nachgeprüft  werden. 

Vor  fast  100  Jahren  hat  v.  Fradenek  [4]  die  Tosten- 
huben  in  der  Gemeinde  Sirnitz  in  Kärnten  beschrieben,  in 
welchen  seit  Menschengedenken  alle  Kinder  und  auch  Er¬ 
wachsene  kretinisch  degeneriert  sind. 

Ich  habe  diese  Tostenhuben.  welche  grösstenteils  noch 
heute  bestehen,  vor  wenigen  Monaten  nachuntersucht  [37], 
konnte  aber  in  keiner  mehr  Kropf  oder  Kretinismus  nach- 
weisen. 

Zwei  von  den  Tostenhuben  sind  abgebrannt  und  dann 
wieder  neu  aufgebaut  worden. 

Eine  ist  durch  40  Jahre  leer  gestanden  und  dann  neu  ein¬ 
gerichtet  worden  und  seit  dieser  Zeit  sind  Kropf  und  Kre¬ 
tinismus  verschwunden. 

In  einer  der  Huben,  welche  im  Jahre  1847  abgebrannt 
ist,  konnte  festgestellt  werden,  dass  ein  vor  dem  Brande  ge¬ 
borenes  Kind  noch  kretinisch  war,  während  alle  nach  dem 
Brande  geborenen  Kinder  derselben  Familie,  von  welchen 
eines  der  gegenwärtige  Besitzer  des  Hauses  ist,  sich  normal 
entwickelt  haben. 

Die  Wasserversorgung  ist  überall  dieselbe  geblieben. 

Da  kann  doch  nicht  das  Wasser  die  Ursache  von  Kropf 
und  Kretinismus  gewesen  sein;  viel  näher  liegt  die  Annahme, 
dass  es  die  Hausgeräte,  die  Betten,  Kleider,  Wäsche  waren, 
an  welchen  die  Schädlichkeit  gehaftet  hat. 

Noch  wichtiger  für  die  Beurteilung  scheinen  mir  aber  die 
Erhebungen  über  das  Vorkommen  von  Kropf  und  Kretinismus 
in  endemiefreien  Gebieten.  Für  solche  Untersuchungen  eignet 
sich  Tirol  vortrefflich,  weil  in  mehreren  Bezirken  Kropf  und 

1* 


396 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Kretinismus  ausserordentlich  selten  sind.  Kürzlich  fand  ich 
im  Bezirke  Brixen.  in  welchem  Kropf  selten,  Kretinismus  aber 
fast  gar  nicht  vorkommt,  in  einer  Ortschaft  einen  ausser¬ 
ordentlich  typischen  20  jährigen  Kretin.  Die  Untersuchung  in 
seinem  Wohnhause  ergab,  dass  seine  sämtlichen  Wohnungs¬ 
genossen,  bestehend  aus  Mutter,  Schwester  und  zwei  Kost¬ 
kindern,  von  welchen  ein  10  jähriges  seit  1 XA  Jahren,  ein 
5  jähriges  seit  Vt  Jahre  im  Hause  ist,  mit  Kropf  behaftet  sind. 
Die  Umgebung  ist  jetzt  kröpf-  und  kretinenfrei,  in  einem 
Nachbarhause  ist  vor  6  Jahren  ein  Kretin  gestorben. 

Ferner  habe  ich  in  dem  sonst  vollkommen  klopffreien 
Bezirke  St.  Leonhard  in  Passeier  zwei  Kropffamilien  gefunden. 

In  einer  Familie  haben  eine  82  jährige  Frau,  deren  Bruder 
und  dessen  Tochter  Kröpfe;  die  Mutter  der  beiden  ersteren 
war  von  auswärts  aus  einer  Kropfgegend  eingewandert  und 
hatte  den  Kropf  mitgebracht. 

In  einer  anderen  Familie  waren  drei  Brüder  wegen  i 
grossen  Kropfes  frei  vom  Militär,  obwohl  sie  an  einem  kropf¬ 
freien  Orte  geboren  und  aufgezogen  sind.  Aber  die  Mutter 
der  Brüder  stammte  aus  dem  stark  kropfverseuchten  Oetztale  | 
und  hatte  einen  grossen  Kropf  in  die  Ehe  mitgebracht. 

Der  Güte  des  Prof.  Grassi  in  Rom  verdanke  ich  fol¬ 
gende  Beobachtung:  Eine  mit  Kropf  behaftete  Tochter  eines 
deutschen  Universitätsprofessors  heiratete  einen  Professor  in 
Rom;  sämtliche  Kinder  dieser  Frau  sind  im  kropffreien  Rom 
geboren  und  erzogen,  aber  alle  mit  Kropf  behaftet. 

Damit  scheint  mir  das  Vorkommen  von  Kropf  und  Kre¬ 
tinismus  in  bestimmten  Familien  oder  vielmehr  Wohnungs-  | 
gemeinschafteti  zur  Genüge  beleuchtet  zu  sein  und  es  erübrigt 
nur  noch  darauf  hinzuweisen,  dass  diese  Wahrnehmung  das  j 
zähe  Festhalten  beider  Störungen  an  gewissen  Gegenden  weit 
besser  zu  erklären  vermag  als  die  Wassertheorie.  Diese  Ge¬ 
genden  sind  erfahrungsgemäss  zumeist  entlegene  Gebirgstäler 
oder  mitunter  auch  ebene  Flussinseln  (Insel  Niederwörth, 
Schütt)  und  haben  eines  gemeinsam,  dass  die  Bevölkerung 
dort  ungemein  sesshaft  ist,  an  alten  Sitten  und  Gebräuchen  , 
hängt  und  Neuerungen  wenig  zugänglich  ist.  Es  handelt  sich 
meist  um  Gegenden  mit  Einfamilienhäusern,  daher  das  auf¬ 
fallende  familiäre  Vorkommen  der  Störung. 

Der  alte  Hausrat  wird  von  Generation  zu  Generation  ver-  | 
erbt,  die  Kinder  kommen  nie  ausser  Haus,  Wohnungswechsel 
kommen  ausserordentlich  selten  vor,  wodurch  die  Schädlich-  i 
keit  an  Intensität  gewinnt. 

Das  Gebundensein  des  Kropfes  und  des  Kretinismus  an  j 
Wohnungsgemeinschaften  und  der  Ausschluss  jedweder  Be¬ 
ziehungen  zu  Wassergemeinschaften  wird  endlich  noch  durch 
die  Beobachtung  beleuchtet,  dass  unter  Umständen  nur  be¬ 
stimmte  Teile  der  Bevölkerung,  welche  von 
den  übrigen  besonders  abgeschlossen  leben, 
von  den  Störungen  befallen  oder  aber  frei 
davon  befunden  werden. 

John  M’Clelland  [l]  hat  eine  Kropfendemie  in  Deoba 
in  Indien  beschrieben,  von  welcher  die  niederste  Kaste  der 
Bevölkerung  fast  vollständig  befallen  war,  die  mittlere  Kaste 
zu  zwei  Drittel,  während  die  Brahminen  vollkommen  kropf¬ 
frei  geblieben  sind. 

Der  Autor  erklärte  dies  durch  den  Genuss  verschiedenen 
Wassers;  es  liegt  aber  doch  viel  näher,  die  absolute  Ab¬ 
geschlossenheit  der  verschiedenen  Kasten  von  einander  zui 
Erklärung  heranzuziehen,  was  auch  durch  die  folgenden  Be¬ 
obachtungen  erläutert  wird. 

Oberstabsarzt  T  a  u  s  s  i  g  [36]  hat  in  den  Endemiegebieten 
in  Bosnien  beobachtet,  dass  dort  Kropf  und  Kretinismus  unter 
den  Mohammedanern  ausserordentlich  stark  verbreitet  sind; 
unter  den  Serben,  welche  die  gleiche  Bevölkerungsziffer  wie 
die  Mohammedaner  haben,  kommen  diese  Gebrechen  in  den 
Städten  auch  vor,  aber  weit  weniger  als  bei  den  Moham¬ 
medanern,  während  die  Serben  in  den  Landgemeinden  davon 
fast  frei  sind.  Die  Oesterreicher,  welche  seit  34  Jahren  im 
•  Lande  sind,  sind  vollkommen  verschont  geblieben.  Alle  ge¬ 
messen  dasselbe  Wasser,  aber  die  Mohammedaner  halten  sich 
so  abgeschlossen  von  der  übrigen  Bevölkerung,  dass  die  Ge¬ 
legenheit  zur  Uebertragung,  welche  eine  ständige  und  enge 
Berührung  voraussetzt,  fehlt. 

Selbst  dort,  wo  ein  Verkehr  Andersgläubiger  mit  den 
Mohammedanern  besteht,  ist  er  dadurch  eingeschränkt,  dass 


es  jedem  Andersgläubigen  unmöglich  ist,  das  Haus  eines 
Mohammedaners  zu  betreten.  Dadurch  werden  die  Anders¬ 
gläubigen  am  sichersten  vor  Kropf  und  Kretinismus  bewahrt, 
welche  so  zähe  am  Hause  haften! 

T  a  u  s  s  i  g,  dessen  wertvolle  Monographie  vor  wenigen 
Tagen  erschienen  ist  [36],  hat  als  der  erste  die  Behauptungen 
über  die  Koritaktiibertragung  hinsichtlich  des  Kropfes  bestätigt. 

Ueber  die  Genese  des  Kretinismus  steht  er  insoferne  aui 
einem  anderen  Standpunkte,  als  er  diese  Störung  ausschliess¬ 
lich  für  angeboren  hält. 

2.  Die  Kropfquellen.  Wagner  v.  Jauregg  [33 
sagt  über  die  Kropfquellen:  „Ich  habe  mich  bei  meinen  Ex¬ 
peditionen  zur  Aufsuchung  von  Kretinen  eifrig  nach  solcher 
Kropfbrunnen  erkundigt.  So  oft  ich  aber  danach  forschte 
wussten  nur  die  entfernt  Wohnenden  von  dem  Kropfbrunner, 
zu  berichten,  während  die  an  Ort  und  Stelle  Wohnenden  nicht- 
davon  wussten  oder  etwa  gar  selbst  kropffrei  waren. 

Mir  ist  es  ganz  ähnlich  ergangen.  Ich  habe  nicht  einer 
einzigen  Kropfbrunnen  finden  können,  stets  wenn  von  einen 
solchen  die  Rede  war,  hat  sich  die  Sache  bei  näherer  Nach 
forschung  als  ein  Irrtum  erwiesen. 

Grassi  und  Munaron  [15]  haben  den  berühmterj 
Kropfbrunnen  von  Lombroso  in  Cavacurta  untersucht,  welche 
von  den  Stellungspflichtigen  benützt  worden  sein  soll,  un 
militärfrei  zu  werden,  und  haben  festgestellt,  dass^  im  Ort< 
selbst  niemand  etwas  davon  weiss  und  dass  in  Cavacurt; 
Kropf  nie  endemisch  gewesen  ist. 

Von  denselben  Forschern  wurde  die  Unwahrheit  der  An 
gaben  über  die  Kropfbrunnen  von  Antignano  nachgewiesen 

Wichtiger  sind  schon  die  Orte,  in  welchen  nach  Ein 
führung  einer  neuen  Wasserleitung  die  Kropfendemie  starl 
abgenommen  hat.  Ich  kann  dem  ein  Beispiel  aus  meine 
eigenen  Erfahrung  zur  Seite  stellen. 

Die  Stadt  Leoben  in  Steiermark,  welche  früher  viel  Kroß 
und  Kretinismus  hatte,  wird  seit  einigen  Jahrzehnten  imipe 
freier  von  diesen  Gebrechen.  In  diese  Zeit  fallen  eine  gross 
Zahl  von  grosszügigen  Assanierungen,  darunter  die  Einführun 
einer  neuen  Wasserleitung.  Man  könnte  deshalb  auch  doi 
leicht  geneigt  sein,  dieser  Wasserleitung  dieselbe  Wirkun 
zuzuschreiben  wie  in  Rupperswil  und  in  Asp.  Es  waren  abe 
dort  sicher  auch  die  anderen  wesentlichen  Verbesserungen  ai 
dem  Gebiete  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  die  Schxvemn 
kanalisation,  die  Durchführung  einer  strengen  und  vei, 
nünftigen  Bau-  und  Wohnungspolizei,  die  Lebensmittelkoi 
trolle  und  nicht  zuletzt  die  Förderung  der  persönlichen  ind 
viduellen  Hygiene  durch  Beispiel  und  Belehrung,  welche  di 
beiden  Gebrechen,  die  durch  Schmutz  ausserordentlich  bt 
günstigt  werden,  vermindert  haben. 

Aehnlich  dürfte  es  auch  in  Rupperswil  und  Asp  gewest, 
sein,  in  welchen  ein  gesundheitlicher  Aufschwung  in  de 
letzten  Jahrzehnten,  seitdem  die  Abnahme  des  Kropfes  datici 
sicher  in  verschiedenen  Beziehungen  zu  verzeichnen  g« 
wesen  ist. 

Die  Beobachtungen  an  diesen  beiden  Orten  sprechen  zw; 
deutlich  dafür,  dass  neue  Wasserleitungen,  vielleicht  im  Ve 
1  eine  mit  anderen  Assanierungen  Kropf  vermindern  könne 
sie  gestatten  aber  keinen  Rückschluss, 
der  Kropf  früher  durch  das  Wasser  verui 
sacht  worden  ist.  Dazu  fehlt  es  vor  allem  an  ein 
sorgfältigen  häuserweisen  vorherigen  Feststellung  des  Kropt 
und  des  Nachweises  der  Sanierung  der  Kropfnester. 

Allgemeine  Ziffern,  besonders  aber  die  Zählung  d 
Kropfes  unter  den  Schulkindern  geben  hiefür  keine  genüge 
den  Anhaltspunkte,  weil  solche  Kropfzahlen  nicht  nur  von  d 
subjektiven  Genauigkeit  bei  der  Untersuchung,  sondern  aul 
von  epidemischen  Schwankungen  abhängig  sind  und  des  na 
binnen  wenigen  Monaten  ein  anderes  Bild  geben  konm 
Endlich  ist  zu  bemerken,  dass  B  i  r  c  h  e  r  s  Bodentheorie  U 
nirgends  bestätigt  worden  ist,  nicht  einmal  in  der  Schwei 

Für  Sachsen  hat  Hesse  [25],  für  Bayern  hau 
S  c  h  i  1 1  e  n  h  e  1  m  und  W  e  i  c  h  a  r  d  t  [35]  nachgewiesu 
dass  sie  nicht  überall  stimmt,  in  Bosnien  hat  Taussig  L 
ganz  entgegengesetzte  Verhältnisse  gefunden. 

Am  wenigsten  geht  es  aber  an,  das  Wasser  eines  Brunne 
als  Kropfwasser  zu  beschuldigen,  wenn  dieser  Brunnen,  v; 
I  in  dem  Wächterhause  B  r  e  i  t  n  e  r  s  [29]  nur  ein  einziges  ru> 


.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  397 


t  Wasser  versorgt,  weil  hier  die  Schädigung  durch  den 
intakt  im  Hause  und  durch  das  Wasser  nicht  auseinander- 
halten  sind.  Es  muss  deshalb  für  einen  Kropfbrunnen,  wenn  ein 
lcher  überhaupt  je  ausfindig  gemacht  wird,  vor  allem  ge- 
dert  werden,  dass  dieser  Brunnen  mehrere  Häuser  versorgt 
d  dass  der  Kropf  in.  allen  diesen  Häusern  verbreitet  ist. 
esen  Nachweis  kann  man  aber,  wie  ich  schon  früher  aus- 
irlich  dargelegt  habe,  nicht  erbringen. 

Die  Erzählung  von  den  Militärpflichtigen,  welche  in  ein 
opftal  gekommen  sind  und  das  Wasser  einer  Kropfquelle 
trunken  haben,  lässt  sich  auch  dadurch  erklären,  dass  diese 
ute  in  Kropfhäusern  wohnen  mussten  und  dort  reichlich 
degenheit  hatten,  den  Kropf  durch  Kontakt  zu  erwerben. 

3.  Die  Kropfepidemien  sind  nach  meiner  Ansicht 

■  intlich  ohne  weiteres  als  Beweis  gegen  die  Wassertheorie 
.  führen,  denn  sie  betreffen  nie  eine  Wasser- 

meinschaft,  sondern  immer  nur  eine  Woh- 
ingsgemeinschaft. 

Sie  sind  ausschliesslich  in  Internaten,  Gefängnissen,  Semi- 
rien,  Kasernen  und  Irrenanstalten  beobachtet  worden  und 
konnte  nie  festgestellt  werden,  dass  die  ganze  Bevölkerung 
des  Ortes  davon  befallen  wurde. 

Am  schlagendsten  sprechen  gegen  die  Wasserätiologie 
iie  Kropfepidemien,  welche  nur  in  einem  Flügel  einer 
1  sernc  oder  nur  in  einem  Stockwerke  beobachtet  wurden, 
(er  welche  nur  die  Gemeinen  betroffen  haben,  während  die 
1  fiziere  und  Unteroffiziere  verschont  geblieben  sind.  Be- 
!nnt  ist,  dass  der  Schulkropf  in  den  höheren  Klassen  häufiger 
'  rkommt. 

Ich  habe  in  Volksschulen  bei  der  Untersuchung  der 
Klasse  den  Kropf  bei  den  Mädchen  weit  häufiger  gefunden 
bei  den  Knaben.  Der  Lehrer  erklärte  dies  damit,  dass  die 
jidchen  viel  bei  einander  stecken,  sich  häufig  küssen,  was 
ii  den  Knaben  nicht  vorkommt. 

Die  Kropfepidemien  treten  gerade  so  wie  die  Kretinismus- 
idemien  häuserweise  und  familiär  auf. 

Die  akuten  Epidemien  betreffen  ausschliesslich  Wohnungs- 
-ineinschaften,  während  die  chronischen  Endemien  aus  den- 
i  ben  Gründen,  welche  für  den  Kretinismus  erörtert  wurden, 

!  uptsächlich  auf  Familien  beschränkt  sind,  was  besonders 
v  t  in  sonst  kropffreien  Gegenden  beobachtet  werden  kann. 

Das  Auftreten  akuter  Epidemien  wird  mit  Ausnahme  von 
!  ernaten  nur  selten  beobachtet,  wenn  man  nicht  gerade 
(.mach  sucht,  weil  die  Leute  kleinen  Vergrösserungen  der 
:  hilddrüse  gar  keine  Beachtung  schenken  und  deshalb 
isserst  selten  den  Arzt  konsultieren. 

Es  bestehen  aber  dessenungeachtet  eine  Reihe  von 
s  heren  Beobachtungen  über  solche  Hausepidemien,  von 
lchen  ich  nur  eine  mir  sehr  bezeichnend  erscheinende  Er- 
nrung  hier  anführen  möchte. 

Auf  der  Höhe  des  Arlberges  in  Tirol  steht  in  St.  Christof  ein  ein¬ 
ies  Hospiz,  dessen  Bewohner  schon  viele  Jahre  dort  wohnen  und 
’  ts  kropffrei  gewesen  sind. 

Sie  haben  ein  Neufundländerpaar,  dessen  Junge  zu  einem  ziem- 
it  hohen  Preise  (80  Kronen  im  Alter  von  6  Wochen)  verkauft  wur- 
h,  daher  sicher  immer  gesund  gewesen  sind. 

Anfang  Jänner  1912,  als  in  der  Umgebung  des  Hospizes  3  m 
1  ier  Schnee  lag,  hatte  das  Weibchen  abermals  Junge  geworfen,  von 
ben  mehrere  sofort  zugrunde  gingen  und  nur  2  überlebten. 

Im  Alter  von  5  Wochen  habe  ich  diese  Hunde  untersucht,  weil 

■  -r  davon  schwere  Erstickungsanfälle  hatte,  und  habe  gefunden, 

'■  s  beide  einen  grossen  Kropf  hatten.  Die  beiden  alten  Hunde 
1  ten  einen  kleinen  Kropf,  der  scheinbar  erst  kurze  Zeit  bestand, 

1  h  die  Tochter  des  Wirtes,  welche  die  Pflege  der  Hunde  besorgte, 

1  te  einen  kleinen  Kropf,  den  sie  früher  nie  bemerkt  hatte. 

Die  Hunde  hatten,  seit  sie  auf  der  Welt  waren,  nie  Wasser  ge- 
nken. 

Ich  sprach  sofort  die  Vermutung  aus,  dass  eine  kropfige  Person 
r  Hause  sein  müsse.  i 

Die  Untersuchung  aller  Anwesenden  ergab  auch,  dass  das  seit 
-le  November  für  die  Wintersaison  aufgenommene  Stubenmädchen 
Ulm  einen  grossen  Kropf  hatte. 

Im  Mai  wurde  das  Stubenmädchen  entlassen.  Ende  September 
[  e  ich  neuerdings  Gelegenheit  gehabt,  die  beiden  alten  Hunde  und 
;  ganze  Familie  zu  untersuchen  und  habe  sie  vollkommen  kropf- 
r  gefunden.  Vor  etwa  14  Tagen  hat  die  Hündin  wieder  Junge  ge¬ 
lten,  welche  kropffrei  sind.  Haus  und  Wasser  sind  unverändert, 
r  das  kropfige  Stubenmädchen  fehlt. 

Eine  sehr  wichtige  Kropfepidemie  unter  Salmoniden  wird  von 
*  Hanne  Plehn  [32J  zitiert. 


G  a  y  1  o  r  d  hat  in  Buffalo  diese  Epidemie  in  mehreren  Teichen 
beobachtet,  welche  hintereinander  geschaltet  sind,  so  dass  jeder  fol¬ 
gende^  leich  vom  Wasser  des  vorhergehenden  gespeist  wird. 

Es  wurde  dort  mehrfach  beobachtet,  dass  die  Zahl  der  kropfi¬ 
gen  Fische  vom  ersten  Teich  der  Reihe  nach  bis  zum  letzten  gleich- 
massig  zunahm. 

Es  fanden  sich  z.  B.  einmal  im  1.  Teiche  3  Proz.,  im  2.  8  Proz., 
im  3.  45  Proz.  und  im  4.  84  Proz.  Kropfkranke. 

Im  Zuflusswasser  oberhalb  des  ersten  Teiches  eingesetzte  Fische 
blieben  gesund. 

Dies  scheint  mir  mit  Klarheit  zu  bestätigen,  dass  das 
krankmachende  Agens  nicht  durch  das  Wasser  zugeführt, 
sondern  durch  Kontakt  im  Wasser  übertragen  wird. 

4.  Experimentelle  Erfahrungen. 

Eine  der  bedenklichsten  Schwächen  der  experimentellen 
Beweisführung  für  die  Wassertheorie  ist  der  Umstand,  dass 
positive  Tränkungsversuche  in  immunen  Gegenden  nicht  ge¬ 
lingen.  Die  Erklärung,  dass  das  Kropfwasser  nicht  den  Trans¬ 
port  und  nicht  einmal  das  längere  Stehenlassen  vertrage,  ist 
unbefriedigend  und  besitzt  in  der  naturwissenschaftlichen  Er¬ 
fahrung  keine  Analogie.  Weit  näher  liegt  die  Erklärung,  dass 
die  Versuchstiere  in  Endemiegegenden  dem  Kontakte  in  den 
Stallungen  ausgesetzt  waren  und  deshalb  einen  Kropf  be¬ 
kommen  haben. 

In  endemiefreien  Gegenden  fällt  dieses  Moment  weg  und 
deshalb  wirkt  dort  das  Kropfwasser  nicht  mehr. 

Den  positiven  Experimenten  steht  aber  eine  viel  grössere 
Reihe  von  negativen  Versuchsergebnissen  entgegen. 

Ich  weise  hier  nur  auf  die  Versuche  von  Grassi  und 
Munaron  [15,  16,  17]  hin,  welche  nach  meiner  Ansicht  be¬ 
sonders  bedeutsam  sind,  weil  sie  mit  den  allergrössten 
Kautelen  angestellt  worden  sind. 

Die  beiden  Forscher  haben  Hunde,  welche  aus  kropffreien 
Gegenden  stammten,  in  Kropfgegenden  und  zwar  im  Val 
Aosta  und  Veltlin  untergebracht  und  sie  mit  Streu  versehen, 
mit  Nahrungsmitteln  gefüttert  und  mit  Wasser  getränkt,  welche 
entweder  gekocht  waren  oder  aus  kropffreien  Gegenden  da¬ 
hin  geschickt  wurden. 

Umgekehrt  wurden  Kontrollversuche  mit  Hunden  in  Rom 
mit  Materialien  aus  den  Kropfgegenden  angestellt;  sämtliche 
Versuchsreihen  sind  so  ausgefallen,  dass  die  Hunde  in  den 
Kropfgegenden  kropfig  geworden,  in  den  kropffreien  Gegenden 
dagegen  kropfverschont  geblieben  sind. 

Grassi  hat  mich  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Tier¬ 
experimente  in  gewisser  Beziehung  unverlässlich  sind,  weil 
man  die  Tiere  mit  ziemlicher  Sicherheit  kropfig  machen  kann, 
wenn  man  sie  nur  länger  in  Gefangenschaft  hält,  während  frei 
herumlaufende  Tiere  nur  sehr  schwer  kropfig  werden. 

Ich  kann  nicht  schliessen  ohne  eine  Entdeckung  zu  er¬ 
wähnen,  welche  mir  für  die  Aetiologie  des  Kropfes  und  des 
Kretinismus  von  allergrösster  Tragweite  erscheint. 

Es  ist  die  Chagaskrankheit,  welche  in  Brasilien 
von  Carlos  Chagas  [26]  beschrieben  worden  ist. 

Es  handelt  sich  um  eine  Schilddrüsenkrankheit,  welche 
besonders  bei  den  chronischen  Formen  in  mancher  Beziehung 
dem  Kretinismus  ungemein  ähnlich  sieht. 

Die  Erkrankung  wird  verursacht  durch  den  Stich  einer 
Baumwanze,  welche  eine  Trypanosomenart  überträgt. 

Bei  der  grossen  Bedeutung,  welche  die  Analogie  in  medi¬ 
zinischen  Dingen  hat,  muss  jedenfalls  der  Möglichkeit  Be¬ 
achtung  geschenkt  werden,  dass  auch  unser  endemischer 
Kropf  und  Kretinismus  durch  Zwischenwirte  übertragen 
werden  kann,  umsomehr,  als  dies  mit  verschiedenen  beob¬ 
achteten  Erscheinungen  übereinstimmen  würde. 

Vor  allem  weist  der  Umstand,  dass  die  Uebertragung  von 
Kropf  und  Kretinismus  an  längeres  enges  Zusammenleben  ge¬ 
bunden  ist  und  durch  Schmutz  ausserordentlich  begünstigt 
wird,  direkt  auf  gewisse  Insektenarten  hin. 

Das  Schwanken  der  Kropfhäufigkeit  nach  der  Jahreszeit 
würde  damit  auch  leicht  zu  erklären  sein. 

Endlich  würde  damit  auch  das  schubweise  Auftreten  der 
Erkrankung,  welches  gelegentlich  beim  Kretinismus  deutlich 
zu  beobachten  ist  und  welches  stark  an  die  Nachschübe  der 
Malaria  erinnert,  volle  Erklärung  finden. 

Ich  glaube  damit  alle  Gründe  angeführt  zu  haben,  welche 
mich  bewegen,  direkt  gegen  die  Wasscrätiologie  von  Kropf 
und  Kretinismus  aufzutreten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


398 


Es  war  dies  in  dem  Bestreben  begründet,  die  wissen¬ 
schaftlichen  Untersuchungen,  welche  sich  gegenwärtig  aus¬ 
schliesslich  auf  die  Wasseruntersuchungen  gerichtet  haben, 
auf  ein  anderes  Feld  der  Tätigkeit  zu  lenken,  welches  sich 
nach  meiner  Meinung  fruchtbarer  erweisen  wird. 

Ich  fasse  meine  Gegengründe  gegen  die  Wasserätiologie 
des  Kropfes  und  des  Kretinismus  in  folgenden  Sätzen  kurz 
zusammen: 

1.  Die  Kropfquellen  halten  einer  Ueber- 
prüfung  nicht  stand. 

2.  Kropf  -  und  Kretinismusepidemien  wer¬ 
den  nur  in  Wohnungsgemeinschaften,  niemals 
aber  in  Wassergemeinschaften  beobachtet. 

3.  Die  Tierexperimente  beweisen  zum 
grössten  Teile,  dass  Kropf  und  Kretinismus 
zum  mindesten  auch  ohne  Wasser  entstehen 
können. 

4.  Die  epidemiologischen  Erfahrungen  über 
das  Auftreten  und  Verschwinden  von  Kropf  und  Kretinismus 
in  Familien  und  Häusern  weisen  darauf  hin,  dass  die  Ur¬ 
sache  beider  Störungen  im  Hause  und  in  der 
Wohnung  in  der  nächsten  Umgebung  der 
Kranken  oder  in  diesen  selbst  zu  suchen  ist. 

Die  Uebertragung  der  Schädlichkeit  durch 
einen  Zwischenwirt  hat  eine  grosse  Wahr¬ 
scheinlichkeit  für  sich. 

L  i  t  e  r  a  t  u  r. 

1.  John  M’Clelland:  Kropfendemien  in  Deoba.  1837. 

2.  Rösch:  Neue  Untersuchungen  über  den  Kretinismus.  1844.  — 

3.  Mal  fei:  Der  Kretinismus  in  den  norischen  Alpen.  1844.  - 

4.  Fradenek  v.  Konstantin:  Ueber  die  Kropfquellen  und  Tosten- 
huben  Kärntens.  Zeitschrift  d.  Gesellsch.  d.  Aerzte,  Wien  1844 
und  1846.  —  5.  Knapp:  Untersuchungen  über  Kretinismus  in  einigen 
Tälern  Steiermarks.  —  6.  Meyer-Ahrens:  Einige  allgemeine  Be¬ 
merkungen  über  die  Aetiologie  des  Kretinismus.  Frag  1854.  — 
7.  Köstl:  Der  endemische  Kretinismus.  1855.  —  8.  1.  Saint 
Lager:  Etudes  sur  les  causes  du  cretinisme.  Paris  1867.  —  9.  En¬ 
quete  sur  le  goitre  et  le  cretinisme.  Rapport  par  B  a  i  1 1  a  r  g  e  r. 
Paris  1873.  —  10.  Klebs:  Studien  über  die  Verbreitung  des  Kre¬ 
tinismus  in  Oesterreich.  1877.  — -  11.  H.  Bircher:  Der  endemische 
Kropf  und  seine  Beziehungen  zur  Taubstummheit  und  zum  Kretinis¬ 
mus.  Basel  1883.  —  12.  Carle:  La  Riforma  medica.  1888.  - 
13.  Th.  Kocher:  Vorkommen  und  Verbreitung  des  Kropfes  im 
Kanton  Bern.  Bern  1889.  —  14.  Lustig:  Ueber  die  Aetiologie  des 
endemischen  Kropfes.  Verhandl.  d.  X.  internat.  Kongr.  in  Berlin 
1890.  —  15.  Qrassi  e  M  unaron:  Ricerche  preliminari  dirette  a 
precisare  la  causa  del  gozzo  e  del  cretinismo  endemici.  Rendiconti 
delle  r.  accademia  dei  lincei  1903.  —  16.  Ebenda  1904.  —  17.  Ebenda 
1905.  —  18.  Scholz:  Klinische  und  anatomische  Untersuchungen 
über  den  Kretinismus.  Berlin  1906.  —  19.  C  e  r  1  €  1 1  i  e  P  e  r  u  s  i  n  i : 
L’endemia  gozzo-cretinica  nelle  famiglie.  Rom  1907.  —  20.  E.  Bir¬ 
cher:  Zur  Pathogenese  der  kretinischen  Degeneration.  Beiheft  zur 
Med.  Klinik  1908,  6.  Heft.  —  21.  Ewald:  Die  Erkrankungen  der 
Schilddrüse,  Myxödem  und  Kretinismus.  Wien  und  Leipzig  1909.  — 
22.  v.  Kutsche  ra:  Zur  Epidemiologie  des  Kretinismus.  Natur¬ 
forscherversammlung  Salzburg  1909  und  Oesterr.  Sanitätswesen 
1909,  Beilage  zu  No.  4L  —  23.  v.  Kutschera:  Die  Uebertragung 
des  Kretinismus  vom  Menschen  auf  das  Tier.  Wiener  klin.  Wochen¬ 
schrift  1910,  No.  45.  - —  24.  Schlagenhaufer  und  Wagner 
v.  Jauregg:  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Pathologie  des  endemi¬ 
schen  Kretinismus.  Wien  1910.  —  25.  E.  Hesse:  Die  Verbreitung 
des  Kropfes  im  Königreich  Sachsen  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  geologischen  Verhältnisse.  Archiv  f.  klin.  Med.  1911.  —  26.  Car¬ 
los  Chagas:  Ein  neu  entdeckter  Krankheitsprozess  des  Menschen. 
Memorias  do  Instituto  Oswaldo  Cruz.  Rio  de  Janeiro  1911.  — 
27.  v.  Kutschera:  Der  endemische  Kretinismus,  seine  Ursachen 
und  seine  Behandlung.  Oesterr.  Sanitätswesen  1911,  Beil,  zu  No.  7. 
—  28.  v.  Kutschera:  Die  Aetiologie  des  Kropfes  und  des  Kretinis¬ 
mus.  Der  Amtsarzt  1911,  No.  12.  —  29.  B  reit  ne  r:  Ueber  die  Ur¬ 
sache  und  das  Wesen  des  Kropfes.  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912, 
p.  82.  —  30.  E.  Bircher:  Zur  experimentellen  Erzeugung  der 
Struma.  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  103.  —  31.  Derselbe:  Weitere 
histologische  Befunde  bei  durch  Wasser  erzeugten  Rattenstrumen 
und  Kropfherzen.  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  112,  1911.  —  32.  M.  Plehn: 
Ueber  Geschwülste  bei  Kaltblütern.  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912, 
No.  19.  —  33.  Wagner  v.  Jauregg:  Myxödem  und  Kretinismus. 
Handbuch  der  Psychiatrie  von  Aschaffen  bürg.  1912.  — 
34.  Julius  Baue  r:  Klinische  Untersuchungen  über  endemischen  Kropf 
in  Tirol.  D.  Kongr.  f.  innere  Med.  1912.  —  35.  Schittenhelm 
und  Weichardt:  Der  endemische  Kropf  in  Bayern.  Berlin  1912. 

-  36.  Sigmund  Taussig:  Kropf  und  Kretinismus.  Jena  1912.  — - 
37.  v.  Kutschera:  Die  Tostenhuben  in  der  Gemeinde  Sirnitz  in 
Kärnten.  Wiener  klin.  Wochenschi.  1912,  No.  48, 


Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.  (Direktor:  Wirkl.  Geh.  Rat.  Prof.  Dr.  P.  Ehrlich). 

Beobachtungen  bei  der  Chemo-Serotherapie  der  Pneumo¬ 
kokkeninfektion. 

Von  Stabsarzt  Dr.  K.  E.  Boehnck  e,  Mitglied  des  Instituts. 

Den  Untersuchungen  Morgenroths  und  L  e  v  y  s  ver¬ 
danken  wir  die  Kenntnis  der  spezifischen  Wirkung  eines 
Derivats  aus  der  Chininreihe,  des  Aethylhydrocupreins  gegen¬ 
über  der  Pneumokokkeninfektion.  Weitere  Untersuchungen 
Morgenroths  in  Verbindung  mit  Halberstädter 
bezw.  Kaufmann  zeigten  ferner,  dass  die  Lösung  der  freien 
Base  des  Alkaloids  in  Olivenöl  weit  sicherer  wirkt,  als  die 
Lösung  der  Alkaloidsalze  in  Wasser.  Gutmann  ergänzte 
diese  Untersuchungen  dahin,  dass  das  Aethylhydrocuprein 
nicht  nur  gegen  den  einen  Versuchsstamm  der  vorher  ge¬ 
nannten  Autoren  seine  spezifische  Wirkung  ausübt,  sondern 
fand  dieselbe  auch  bei  weiteren  12  echten  Pneumokokken¬ 
stämmen  bestätigt.  Bei  zwei  angeblichen  Pneumokokken¬ 
stämmen,  wo  das  Mittel  versagte,  zeigten  differentialdiagno¬ 
stische  Untersuchungen,  dass  dieselben  nicht  als  Pneumo¬ 
kokken  anzusprechen  waren. 

Nun  besassen  wir  im  Pneumokokkenserum  zur  spezi- 
rischen  Bekämpfung  der  Pneumokokkeninfektion  im  Tierver¬ 
such  bereits  vorher  ein  recht  brauchbares  Mittel,  das  sich 
nach  neueren  Untersuchungen  [Lindenstein1 2),  Winkel- 
mann1'),  B  e  1 1  z  3),  W  e  i  t  z  4),  Gerönne5 *)]  anscheinend 
auch  bei  der  Behandlung  der  menschlichen  Pneumonie  mit 
Vorteil  verwenden  Hess.  Es  erschien  daher  von  Interesse  zu: 
untersuchen,  ob  sich  vielleicht  bei  kombinierter  Anwendung 
des  spezifischen  Serums  und  des  spezifischen  Chemikale  die; 
Resultate  in  therapeutischer  Hinsicht  noch  verbessern  Hessen, 
besonders  nachdem  sich  B  i  e  r  b  a  u  m  bei  der  Therapie  der 
Milzbra'ndinfektion  die  Kombination  des  Milzbrandserums  mit 
Salvarsan  besonders  wertvoll  gezeigt  hatte.  Weiter  waren 
Untersuchungen  geboten,  ob  wir  im  Aethylhydrocuprein  auch 
ein  wirksames  Mittel  besitzen,  gegen  die  Infektion  mit  so¬ 
genannten  atypischen  Pneumokokken.  Als  solche  bezeichnen 
bekanntlich  N  e  u  f  e  1  d  und  H  a  e  n  d  e  1  Pneumokokken¬ 
stämme,  die  sich  mit  allen  differentialdiagnostischen  Methoden 
als  echte  Pneumokokken  erweisen,  sich  aber  trotzdem  dem 
Einfluss  eines  hochwertigen  spezifischen  Pneumokokken¬ 
serums  gegenüber  ganz  refraktär  verhalten.  Da  sich  aus 
der  Tatsache  des  Vorkommens  solcher  atypischer  Stämme 
vielleicht  das  relativ  häufige  Versagen  des  Pneumokokken¬ 
serums  auch  bei  grossen  Dosen  nach  dem  Postulat  der  zu¬ 
letzt  genannten  Autoren  in  Fällen  menschlicher  Pneumonie1 
und  der  selteneren  Pneumokokkensepsis  [Ridder"), 
Dorendorf 7)],  erklären  lässt,  während  andere  Autoren 
|L  i  n  d  e  n  s  t  e  i  n8),  Winckelman  n9),  B  e  1 1  z10).  Weit  z:1), 
GGonne 12),  Rodenwald 13)]  über  relativ  günstige  Er¬ 
folge  berichten  konnten,  so  musste  diese  Feststellung  ein  be¬ 
sonders  praktisches  Interesse  haben,  denn  günstigenfalls 
müsste  die  Kombination  von  Sero-  und  Chemotherapie,  wenig¬ 
stens  bei  Mischinfektionen  mit  typischen  und  atypischen 
Pneumokokken,  imstande  sein,  einen  therapeutischen  Effekt 
zu  erzielen,  wo,  wie  gesagt,  die  Serotherapie  allein,  nicht  zun 
Ziele  führen  könnte. 

Endlich  war  es  wichtig  zu  erfahren,  ob  vielleicht  unter 
dem  Einfluss  des  gleichzeitig  gegebenen  Chemikales  eine' 
Aenderung  des  Schwellenwertes  des  Pneumokokkenserums  it 
der  Richtung  einer  Erhöhung  oder  Erniedrigung  desselber 
eintritt,  nachdem  N  e  u  f  e  1  d  und  H  a  e  n  d  e  1  auf  die  praktische 
Bedeutung  der  Erreichung  einer  solchen  Schwellenwertkon 
zentration  des  Serums  für  die  Wirksamkeit  des  Pneumo 
kokkenserums,  sowohl  im  Tierversuch,  wie  in  der  Therapie 
der  menschlichen  Pneumonie  hingewiesen  haben. 


U  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  39. 

2)  Ebenda  1906,  S.  26. 

3)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  1. 

4)  Med.  Klinik  1912,  No.  26. 

5)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  36. 

B)  Charite-Annalen,  XXXVI.  Jahrgang. 

7)  Med.  Klinik  1912,  No.  39. 

sj  bis  ,2)  1.  c. 

13)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1909,  No.  50. 


?5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


399 


Die  Versuche  wurden  angestellt  an  weissen  Mäusen.  Die 
lfektion  erfolgte  stets  intraperitoneal,  mit  der  10— 100  fach 
;.  u.)  tödlichen  Dosis  24  ständiger  Pneumokokken-Bouillon- 
ulturen,  deren  gleichmässige  Virulenz  sich  aus  Kontrollver- 
ichen  stets  sicher  ergab.  Die  nachstehend  angegebenen 
lengenverhältnisse  des  Chemikale  bezw.  des  Serums  be- 
ehen  sich  stets  auf  das  Gewicht  von  20  g  Maus.  Vom 
ethylhydrocuprein  wurde  eine  2  proz.  Lösung  in  sterilem 
livenöl  benutzt,  die  also  0,02  g  der  wirksamen  Substanz  in 
ccm  enthielt.  Zur  Serotherapie  wurde  in  allen  Versuchen 
n  von  der  chemischen  Fabrik  E.  Merck  in  Darmstadt 
eundlichst  zur  Verfügung  gestelltes  hochwertiges  (20  faches) 
ntipneumokokkenserum  verwendet. 

Abgesehen  von  einigen  Vorversuchen,  in  denen  wir  bei 
nwendung  des  Aethylhydrocupreins  in  wässeriger  Lösung 
■n  grösseren  Prozentsatz  unserer  Versuchstiere  infolge 
oxizität  des  Mittels  verloren,  haben  wir  durchweg  gleich- 
ässig  gute  Resultate  erzielt.  Von  grösster  Wichtigkeit 
>igte  sich  hierbei  das  Einhalten  einer  bestimmten  Temperatur; 
s  optimale  Temperatur  zeigte  sich  20—22°  C.  Wie  näm- 
;h  schon  Morgen  roth  betont  und  auch  uns  aus  anderen 
lemotherapeutischen  Versuchen  bekannt  war,  sind  die 
xischen  Erscheinungen  bei  Kälte  viel  ausgeprägter  und  die 
lerverluste  ungleich  höher14).  Dass  aber  auch  ein  Verweilen 
■r  Versuchstiere  bei  stärker  erhöhter  Aussentemperatur  für 
ese  recht  schädlich  sein  kann,  zeigten  uns  Parallelversuche, 
;i  denen  je  eine  Reihe  bei  20—22 0  C,  die  andere  Reihe  bei 
1—30°  C  gehalten  wurde  und  deren  untenzusammengestellte 
esultate  für  sich  sprechen. 


Aussentemperatur 
20—22°  C 

28—30°  C 

Aethylhy- 
drocupein  0,7 

60  Proz.  geheilt 

40  „  toxisch  f 

20  Proz.  geheilt 

80  „  toxisch  t 

do.  0,65 

60  Proz.  geheilt 

30  „  toxisch  f 

10  „  an  Infektion  + 

30  Proz.  geheilt 

60  „  toxisch  f 

10  „  an  Infektion  f 

do.  0,6 
pro  20  g 

80  Proz.  geheilt 

20  „  toxisch  f 

50  Proz.  geheilt 

40  ,.  toxisch  f 

10  „  an  Infektion  t 

Diese  enorme  Toxizitätserhöhung  lässt  sich  vielleicht  du¬ 
rch  erklären,  dass  bei  stark  erhöhter  Temperatur  die 
Sorption  des  Mittels  eine  sehr  beschleunigte  ist  und  infolge- 
ssen  in  unverhältnismässig  stärkerem  Masse  toxische  Wir- 

ng  zeigt. 

Bei  den  therapeutischen  Versuchen  mit  Kombination  der 
lemo-  und  Serotherapie  legten  wir  von  Anfang  an  beson- 
ren  Wert  auf  die  Feststellung,  ob  sich  trotz  Anwendung 
irkungsloser  Einzeldosen  des  Chemikale  bezw.  des  Pneumo- 
i  kkenserums  bei  Kombination  der  beiden  heterogenen  Thera- 
utika  trotzdem  eine  Besserung  oder  gar  Heilerfolge  er- 
:den  lassen.  In  Vorversuchen  wurde  zunächst  der  thera- 
lutische  und  toxische  Effekt  des  Chemikale  bezw.  der  Heil- 
'ekt  des  Serums  festgestellt.  Es  ergab  die  einmalige  sub- 
tane  Injektion  des  Aethylhydrocuprein  in  Olivenöl  2  proz. 
i  der  Menge  von 


0.7 

0,65 

0,6 


cc  pro  20  g  (s.  o.) 
»  »  20  w  „ 

n  J>  2  0  „  „ 


60  Proz.  geh.,  40  Proz.  t  tox. 

60  bzw.  70  „  „  30  „  f  „ 

80  „  „  20  „  t  , 


Zur  Kombinationstherapie  wurde  daher  eine  kleinere 
'»sis  des  Aethylhydrocupreins  (0,5  bezw.  später  stets 
!  ^cm)  gewählt,  bei  deren  Anwendung  Verluste  infolge 
xizität  nicht  mehr  zu  befürchten  waren,  die  aber  anderer- 
' tS  auch  allein  einen  Heileffekt  nicht  mehr  auszulösen  ver¬ 
achte.  Vom  Pneumokokkenserum  genügte  bei  intravenöser 
ektion  und  gleichzeitiger  Infektion  die  geringe  Dosis  von 
01  ccm  ziemlich  sicher  zur  Kapierung  der  Infektion.  Es 
ordc  daher  als  Kombinationsdosis  für  die  Versuche  mit 
•ichzeitiger  Infektion  0,75  bezw.  0,7  ccm  der  Serumver- 
nming  1  ;  1QQQ  (gleich  0,00075  bezw.  0,0007)  gewählt.  Bei 

.  "■  j.n  e‘ner  nach  Abschluss  dieser  Untersuchungen  erschienenen 
'eit  führt  Eng  wer  seine  durchaus  unbefriedigenden  Resultate 
’  der  Chemotherapie  der  Pneumokokkeninfektion  mit  Aethylhydro- 
' 'rein  an  weissen  Mäusen  zum  Teil  wohl  aucii  darauf  zurück, 
tschr.  f.  Hyg.  und  Inf.-Krankh.  1912,  Bd.  73. 


späterem  Einsetzen  der  Therapie  verringerte  sich  aber  die 
Heilwirkung  des  Serums  in  starker  Progression,  so  dass  auch 
ei  lieblich  erhöhte  $erumdosen  für  sich  allein  nur  schwache 
Wirkung  zeigten  (s.  u.). 

A.  Schutz-  und  Heilversuche  gegenüber  In¬ 
fektionen  mit  typischen  Pneumokokken. 


1.  und  2.  Versuch. 

Infektion  und  Therapie  gleichzeitig. 


Infektion 

Versuch  1 

Versuch  2 

Therapie 

1. 

Tag 
2.  3. 

4.  5. 

Therapie 

Tag 
1.  |2.  3. 

4.  5. 

0,5 

1/10000 
i.  p- 
von 

Stamm 

H. 

(24stünd. 

Boullon- 

kultur) 

— 

ag  + 

K 

+1 

— 

ag 

K 

K 

t 

+ 

Aethylhydro- 

cuar.0,5subkut. 

' 

? 

Ö 

0 

i 

p 

ö 

0 

? 

K 

K 

0 

0 

K 

f 

0 

0 

0 

Aethylhydro- 
eupr.  0,45  s.  c 

0 

0 

0 

9 

k 

0 

K 

t 

+ 

0 

0 

Serum 
0,00075 
i.  v. 

0 

0 

0 

Serum 
0,0007 
i.  v. 

0 

0 

0 

4- 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0,5 

Aethylhydro- 
cupr.  subkutan 
+ 

0,00075 
Serum  i.  v. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0,45 

Aethylhydro- 
cupr.  subkutan 
+ 

0,0007 
Serum  i.  v. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

TT 

0 

0 

0 

0 

0 

Anm. :  ag  =  agonal,  K  =  krank. 

Aus  diesen  wohl  mehr  als  Schutzversuche  anzusprechen¬ 
den  Reihen  ergibt  sich  als  Resultat: 

Bei  Chemotherapie  Heilung  in  33  Proz. 

Bei  Serotherapie  Heilung  in  66  Proz. 

Bei  Kombinationstherapie  Heilung  in  100  Proz. 


3. — 5.  Versuch. 

Therapie:  bei  A.  nach  1  Stunde,  bei  B.  nach  2  Stunden  und  bei  C 

nach  3  Stunden. 


Infektion 

Therapie 

Versuch  A 

Versuch  B 

Versuch  C 

1. 

I  2. 

3. 

1  4. 

5. 

1. 

1  2. 

3. 

4 

5. 

1 

1  2. 

3. 

1  4. 

5. 

_ 

K 

+ 

4- 

4- 

— 

+ 

4- 

K 

+ 

— 

+ 

K 

+ 

K 

4- 

0,5 

Aethylhydro- 

0 

K 

t 

0 

9 

4- 

0 

+ 

1/10000 

cupr.  0,45 

0 

0 

? 

? 

0 

0 

+ 

? 

4- 

subkutan 

0 

+ 

0 

+ 

Ö 

4- 

i.  p. 

Serum 

? 

K 

“I“ 

0 

-1- 

von 

0,0007 

ö 

0 

? 

K 

+ 

0 

+ 

K 

+ 

Stamm 

intravenös 

0 

0 

0 

0 

0 

K 

4- 

K 

4- 

H. 

0,45 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

24  stiind 

Aethylhydro- 

0 

0 

0 

0 

0 

K 

4- 

0 

0 

4- 

cupr. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

~r 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0,0007 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

Serum 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

o 

0 

0 

In  diesen  ausgesprochenen  Heilversuchen  ergibt  sich  als 
Resultat: 

Bei  Chemotherapie  Heilung  in  11  Proz. 

Bei  Serotherapie  Heilung  in  11  Proz. 

Bei  Kombinationstherapie  Heilung  in  83  Proz. 

Unter  Zurechnung  auch  der  beiden  ersten  Versuche  er¬ 
gibt  sich  als  Gesamtresultat: 

Bei  Chemotherapie  Heilung  in  20  Proz. 

Bei  Serotherapie  Heilung  in  33  Proz. 

Bei  Kombinationstherapie  Heilung  in  90  Proz. 
der  Fälle. 

Wir  möchten  noch  einmal  ausdrücklich  darauf  hinweisen, 
dass  sowohl  vom  Chemikale,  wie  vom  spezifischen  Serum 
absichtlich  stets  nur  unterheilende  Dosen 15)  Anwendung 

15)  Eng  w  e  r,  der  mit  der  Kombination  von  Chemo-  und  Sero¬ 
therapie  bei  der  Pneumokokkeninfektior:  am  Meerschweinchen  eben¬ 
falls  bessere  Resultate  erzielte,  als  mit  jeder  Methode  für  sicli  allein, 
verwendete  das  Aethylhydrocuprein  dabei  in  ganzer  Dosis  und  ver¬ 
ringerte  nur  die  Serumdosen  (1.  c,  s.  o.). 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


-100 


No.  8. 


fanden,  um  die  event.  besseren  Erfolge  bei  der  Kombinations¬ 
therapie,  wie  sic  sich  tatsächlich  in  überraschender  Weise 
zeigten,  deutlicher  zur  Beobachtung  kommen  zu  lassen. 


B.Schutz-und  Heilversuchegegenüber  Misch¬ 
in  f  e  k  t  i  o  n  e  n  mit  typischen  und  atypischen 
Pneumokokken. 


Es  musste  zunächst  geprüft  werden,  ob  das  Aethylhydro- 
kuprein  gegenüber  den  atypischen  Pneumokokkenstämmen 
dieselbe  Wirksamkeit  zeigt,  wie  es  nach  den  bisherigen  Ver¬ 
suchen  (s.  o.)  gegenüber  echten  Pneumokokken  der  Fall  zu 
sein  scheint. 

Zur  Infektion  diente  ein  von  Herrn  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Haendel  uns  liebenswürdigst  zur  Verfügung  gestellter 
Pneumokokkenstamm,  von  dem  0,5  ccm  einer  Verdünnung 
1:5000  bzw.  1:  10  000  die  Kontrahiere  regelmässig  in  \Ä  bis 
2%  Tagen  tötete.  Durch  verschiedene  Pneumokokkensera  (aus 
dem  Sächsischen  Serumwerk,  aus  den  Höchster  Farbwerken, 
von  E.  Merck)  wurde  dieser  Stamm  bei  Anwendung  grosser 
Dosen  (bis  0,2  pro  Maus)  absolut  nicht  beeinflusst  (s.  Pro¬ 
tokoll). 


Serum  subkutan,  Kultur  4  Stunden  später  i.  p. : 


1  ccm  der 
Serum¬ 
verdünnung 


1 :  10  =  0,1 


1:20  =  0,05 


Infektion 


0,5 

1/10000 
24stünd. 
Bouillon¬ 
kultur 
i.  p. 


Pneumokokken-Serum 


Merck 


Tag 

2.1  3.  4.  5. 


0  + 

?  + 

K4- 


0 
? 

K 

K  1  + 
0  1  ? 

?  + 


+1 


+ 


Dresden 


Tag 

1.12J3.  4.  5. 


0  I  0 

?j  + 

K'  + 


'+! 


Hoechst 


1.12. 


ag 

3.!  4.’  5. 


kJ 


0 1 0 
K  + 
01K1  + 
0  I K  j+ 
0  K  + 
K  + 


+: 


Dass  dem  Aethylhydrocuprein  auch  auf  solche  atypische, 
durch  Pneumokokkenserum  nicht  beeinflussbare  Stämme  eine 
ausgezeichnet  spezifische  Wirkung  zukommt,  zeigt  —  trotz  er¬ 
schwerter  Versuchsbedingungen  —  der  folgende  Versuch.  Die 
Infektionsdosis  (0,5  ccm  Vsooo  i.  p.)  ist  hier  doppelt  so  stark 
wie  oben,  die  Therapie  erfolgt  erst  nach  der  Infektion: 

1.  10  weisse  Mäuse  erhalten  0,65  der  Base  in  Oel. 

2.  10  weisse  Mäuse  erhalten  0,6  der  Base  in  Oel. 

Nach  10  Tagen  leben  von  der  1.  Reihe  9  Tiere  (1  Maus  toxisch 
nach  wenigen  Stunden  eingegangen). 

Nach  10  Tagen  leben  von  der  2.  Reihe  9  Tiere  (1  Maus  +3, 
keine  Pneumokokken,  massenhaft  B.  subtilis). 

Kontrollen  +  1  Yi  —  +2. 


Damit  erschien  die  Möglichkeit  der  wirksamen  Kom- 
binationsbehandlung  einer  Mischinfektion  aus  typischen  und 
atypischen  Pneumokokken  gegeben,  bei  der  die  Serumtherapie 
allein  infolge  ihrer  Wirkungslosigkeit  gegenüber  dem  atypi¬ 
schen  Stamm  versagen  musste  und  die  Chemotherapie  gegen¬ 
über  der  Gesamtinfektionsdosis  einen  Heilerfolg  nur  bei  An¬ 
wendung  heroischer  Dosen  haben  konnte,  wobei  prozentual 
starke  Verluste  infolge  Toxizität  wohl  unvermeidlich  wären. 


Behandlung  von  Mischinfektionen  durch 
typische  und  atypische  Pneumokokken  mit 
Serum  +  Aethylhydrocuprein: 

Injektion  i.  p.  mit  je  0,5  ccm  1/10000  24  ständiger  Bouillon¬ 
kultur. 

Serum  i.  v.:  Bei  Versuch  a)  und  b)  je  0,7  FlOOO,  bei  Ver¬ 
such  c)  0,7  1/100. 

Aethylhydrocuprein  subkutan:  je  0,45  ccm  der  2proz.  Lösung 
in  Olivenöl. 

Bei  der  Wahrscheinlichkeit,  die  therapeutischen  Erfolge  durch 
eine  Wiederholung  der  Therapie  zu  verbessern,  wurde  in  Versuch  d) 
die  nach  2  Stunden  post  infektionem  eingeleitete  Therapie  (Serum  i.  v. 
0,7  1/500,  Aethylhydrocuprein  0,45  ccm  subkutan)  nach  24  Stunden 
noch  einmal  wiederholt,  ln  Versuch  e)  endlich  wurde  die,  5  Stunden 
nach  der  Infektion,  eingeleitete  Therapie  (Serum  0,7  1/100  i.  v.. 
Aethylhydrocuprein  0,45  ccm  subkutan)  nach  24  und  48  Stunden  mit 
der  gleichen  Serumdosis  aber  schwächeren  Mengen  des  Chemikale 
(je  0,25  ccm)  wiederholt. 


Bemerkt  wird  zu  obigem  Protokoll,  dass  darin  die  Re¬ 
sultate  für  die  4  ersten  Tage  und  in  der  5.  Spalte  für  den  1 
10.  Versuchstag  angegeben  sind.  Wie  die  Protokolle  zeigen, 
sind  die  Kontrollen  meist  bereits  nach  24  Stunden,  die  allein 
mit  Serum  oder  Aethylhydrocuprein  behandelten  Tiere  —  mit 
einer  Ausnahme  in  Versuch  a  —  längstens  bis  zum  4.  Tagei 
gestorben  und  nur  bei  der  Kombinationstherapie  zeigen  sieh 
darüber  hinaus  noch  Veränderungen  Die  Mehrleistung  der  kom¬ 
binierten  Serum-  und  Chemotherapie  geht  aus  den  Ver¬ 
suchsergebnissen  ohne  weiteres  hervor.  Während  die  Chemo¬ 
therapie  oder  Serumtherapie  für  sich  allein  angewendet  kein 
Tier  zu  retten  vermochte,  Heilung  also  gleich  0  Proz.  war, 
wurden  bei  der  Kombination  beider  Mittel  Heilungen  immer¬ 
hin  in  58  Proz.  erzielt.  Die  Resultate  dürften  sich  bei  öfterer) 
Wiederholung  der  Therapie  bzw.  mit  —  wenn  auch  nur  ge¬ 
ringer  —  Erhöhung  der  Aethylhydrocupreindosis 1B)  unschwer 
noch  verbessern  lassen. 

Gerade  wegen  der  therapeutischen  Wirksamkeit  schon! 
kleiner  Dosen  des  Chemikales,  die  weit  entfernt  sind  von  der 
toxischen  Grenze  des  Mittels,  in  Verbindung  mit  der  Serum- 
therapie  dürfte  sich  vielleicht  die  Uebertragung  dieser  Kom¬ 
binationstherapie  auf  die  Verhältnisse  beim  Menschen  am 
meisten  eignen,  da  hierdurch  wohl  die  sehr  störenden  Neben¬ 
wirkungen  des  Aethylhydrocupreins  in  grossen  Dosen  [Am¬ 
blyopie:  Fränkel17),  W  right18)]  am  ehesten  vermieden 
werden  dürften. 

Ganz  besonders  aber  dürfte  sich  diese  Kombinations¬ 
therapie  auch  aus  dem  weiteren  Grunde  sehr  empfehlen,  dass 
nämlich  das  Aethylhydrocuprein  —  wenigstens  im  Tierver¬ 
such  —  zu  einer  ganz  bedeutenden  Erhöhung  des  Schwellen¬ 
wertes  des  Pneumokokkenserums  beizutragen  scheint,  wie  es: 
diesbezügliche  Versuche  zeigten. 

C.  Einwirkung  des  Aethylhydrocupreins  auf 
die  Schwellenwertkonzentration  des  Pneumo¬ 
kokkenserums. 

(Versuchsprotokoll  siehe  nächstfolgende  Tabelle.) 

Während  also,  wie  das  Versuchsprotokoll  zeigt,  die  allen 
nige  Anwendung  von  Serum  bzw.  Aethylhydrocuprein  nur 
die  10  000  bzw.  2000  fache  tödliche  Infektionsdosis  zu  paraly-. 
sieren  vermag,  steigert  die  kombinierte  Anwendung  beider 
Mittel  dieses  Vermögen  derart,  dass  noch  die  20  bzw.  100  fad 
grössere  Infektionsdosis  vernichtet  wird.  Es  dürfte  also  auch 
unter  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  der  Mitverwendune 
geeigneter  chemotherapeutischer  Präparate  bei  der  Serum¬ 
behandlung  der  Pneumonie  bzw.  Pneumokokkeninfektion  de: 
Menschen  das  Wort  zu  reden  sein. 

Die  bisher  vorliegenden  Untersuchungen  (Morgenrot! 
und  Levy,  Morgenroth  und  Kaufmann,  Gut m  a  11  n 
einschliesslich  der  vorberichteten  machten  es  wahrscheinlich 
dass  wir  im  Aethylhydrocuprein  ein  solches  spezifisches  Prä 
parat  gegen  alle  Pneumokokkeninfektionen  besitzen, 
musste  daher  die  Feststellung  von  grossem  Interesse  sein 
dass  es  anscheinend  auch  Pneumokokkenstämme  gibt,  welch1 


10)  Eine  weitere  Erhöhung  der  Serumdosen  dürfte  eben  wegei 
der  Wirkungslosigkeit  des  Pneumokokkenserums  auf  die  atypische' 
Pneumokokken  der  Mischinfektion  für  den  therapeutischen  Schluss 
effekt  weniger  von  Belang  sein. 

17)  Berliner  klinische  Wochenschrift  1912,  S.  664. 

,8)  Lancet  1912,  No.  4659  und  4660. 


Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


-401 


Therapie  unmittelbar  nach  erfolgter  Infektion: 


.ultur  0,5 

Serum 

Chemikale 

1. 

2. 

Tag 

3.  4. 

5. 

10. 

1:5 

0,1 

pro  20  g 
i.  v. 

0,45 

Aethylhydro- 

0 

0 

0 

0 

§ 

0 

0 

ö 

0 

0 

0 

1 : 10 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

1  : 100 

cuprein 
s.  c. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

1:500 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

1 : 5 

Se.  0,1 

0,45  Aethylc. 

0 

? 

t 

1:10 

Se.  0,1 

0,45  Aethylc. 

0 

K 

4- 

+ 

1:100 

Se.  0,1 

0,45  Aethylc. 

0 

K 

? 

+ 

0 

0 

0 

0 

1:500 

Se.  0,1 

0,45  Aethylc. 

0 

? 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

[ : 10000 

— 

— 

+ 

+ 

: 1000000 

— 

— 

■? 

k 

+ 

+ 

2  spezifische  Wirkling  des  Aethylhydrocupreins  nicht  so 
utlich  in  Erscheinung  treten  lassen.  Als  solcher  erwies  sich 
i  von  Herrn  Dr.  Marks-  Frankfurt  überlassener,  diffe- 
ntialdiagnostisch  als  echter  kapselbildender  Pneumokokkus 
^sprechender  Stamm.  Bei  Infektionen  mit  diesem  Stamm 
igte  das  zur  Therapie  verwendete  Aethylhydrocuprein  in 
n  gebräuchlichen  Dosen  regelmässig  eine  erhebliche  Steige¬ 
ng  seiner  Toxizität,  weshalb  man  zunächst  an  eine  völlige 
twirksamkeit  des  Präparats  ihm  gegenüber  hätte  denken 
mnen.  Während,  wie  oben  gezeigt,  bei  Injektion  von  0,6 
s  Aethylhydrocuprein  pro  20  g  Maus  durchschnittlich  nur 
Proz.  Verluste  infolge  Toxizität  zu  verzeichnen  sind,  er- 
•hte  sich  die  Verlustziffer  bei  Infektion  mit  dem  Stamm 
arks  derart,  dass  bei  0,6 Aethylhydrocuprein  noch  70  Proz., 
i  0,5  noch  60  Proz.,  ja  selbst  bei  0,45  bzw.  0,4  (beides 
3sen,  mit  denen  sonst  —  allein  oder  bei  gleichzeitiger  In- 
Ktion  gegeben  —  toxische  Erscheinungen  überhaupt  nicht 
ehr  ausgelöst  wurden),  noch  30  bzw.  20  Proz.  der  Versuchs¬ 
ire,  innerhalb  8  bis  16  Stunden  toxisch  eingingen.  Erst  0,35 
s  Aethylhydrocuprein  erwies  sich  bei  Infektion  mit  diesem 
amm  als  sicher  nicht  mehr  toxisch  wirkende  Dosis.  Bei 
iwendung  fraktionierter  kleinerer  Dosen  gelang  es  dann 
ich  hier  einen  immerhin  deutlichen  therapeutischen  Effekt 
erzielen. 


ektion:  Stamm  Marks,  24  ständig,  0,5  1/10  000  intraperitoneal, 
erapie  gleich  darauf:  Aethylhydrocuprein  subkutan  0,35  pro  20g. 


g 

Therapie 

Versuchstiere 

Kontrolliere 

a 

b 

c 

d 

e 

f 

g 

h 

. 

1 

k 

I 

II 

III 

IV 

0,3  Aethylhydrocupr. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

K 

0 

0 

+ 

+ 

+ 

K 

do. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

— 

0 

•? 

0 

0 

0 

0 

? 

0 

0 

0 

. 

0,3  Aethylhydrocupr. 

0 

4- 

+ 

+ 

0 

0 

? 

0 

0 

0 

subkutan 

— 

0 

0 

0 

T 

? 

0 

0 

• 

/  - 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

Verschiedene  Pneumokokkensera  (Höchster  Farbwerke, 
Merck,  Sächsisches  Serum  werk)  übten  auch  in  grossen 
isen  keinerlei  Wirkung  auf  den  Stamm  aus,  ebensowenig 
i  eptokokkensera  (Höchst,  A  r  o  n  s  o  n),  die  ebenfalls  ver- 
cht  wurden,  da  die  Diplokokken  bisweilen  in  2  und  3  Paaren 
angeordnet  sich  fanden,  dass  ganz  kurze  Ketten  vor¬ 
täuscht  erschienen.  Es  war  danach  zu  erwarten,  dass  auch 
e  Verbindung  von  Aethylhydrocuprein  mit  Serum  keine  Ver- 
sserung  der  Heilerfolge  herbeiführen  würde,  wie  es  tat- 
chlich  der  Fall  war.  Bei  Anwendung  derselben  Dosen 
thylhydrocuprein  +  4  mal  0,01  Pneumokokkenserum  erlagen 
>n  10  Mäusen  7  der  Infektion,  3  wurden  dauernd  geheilt.  Bei 
iem  weiteren  Versuch,  wo  ausser  dem  Aethylhydrocuprein 
No.  8. 


(wie  oben)  noch  Pneumokokkenserum  +  Streptokokkenserum 
(4  mal  0,01  i.  v.)  injiziert  wurde,  überlebten  von  10  Mäusen  6, 
d.  h.  ebensoviele  wie  bei  der  alleinigen  Anwendung  der  Cherni- 
kales.  Es  musste  demnach  angenommen  werden,  dass  dieser 
Pneumokokkenstamm  ein  Toxin  bildet,  das  die  Toxizität  des 
Aethylhydrocuprein  erheblich  zu  steigern  vermochte.  Mehr¬ 
fach  angestellte  Untersuchungen  des  aus  48  ständigen  Bouillon¬ 
kulturen  hergestellten  Toxins  schienen  tatsächlich  diese  An¬ 
nahme  zu  bestätigen.  Es  wirkten  nämlich  je  0,3  ccm  des  To¬ 
xins  dös  Pneumokokkenstammes  Marks  in  Verbindung  mit 
0,35  Aethylhydrocuprein  schon  derartig  toxisch,  dass  die 
Mäuse  fast  ausnahmslos  nach  wenigen  Stunden  schwer  krank, 
nach  24  Stunden  agonal  waren  und  danach  der  Intoxikation 
erlagen,  während  bei  Verwendung  von  0,3  ccm  eines  Toxins 
von  dem  zu  dei)  früheren  Versuchen  benutzten  Stamm  H  mit 
der  gleichen  Dosis  Aethylhydrocuprein  eine  toxische  Wirkung 
entweder  gar  nicht  oder  ganz  selten  und  dann  viel  weniger 
ausgeprägt  (Mäuse  nach  24  Stunden  fraglich  bis  krank)  sich 
zeigte.  Kontrollen  mit  0,3  ccm  Toxin  Marks  oder  H. 
sowie  andere  mit  0,35  Aethylhydrocuprein  injiziert  blieben 
gesund.  Bei  erhöhten  Dosen  wirkte  0,5  ccm  des  Toxins 
Marks  allein  schon  toxisch  (Tod  meist  bereits  nach  wenigen 
Stunden),  das  Toxin  H.  dagegen  nicht. 

Weitere  Untersuchungen  würden  zu  prüfen  haben,  ob  sich 
derartige  Stämme,  was  nach  den  bisherigen  Feststellungen 
allerdings  nicht  der  Fall  zu  sein  scheint,  häufiger  finden. 


Aus  der  III.  med.  Abteilung  des  allgemeinen  Krankenhauses 
Hamburg-Eppendorf  (Oberarzt:  Dr.  Reiche). 

Ueber  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen  im  strömenden 

Blut*). 

Von  Dr.  Erich  Q  u  e  r  n  e  r,  Assistenzarzt. 

Eine  der  wichtigsten  Fragen  in  der  Pathologie  der  mensch¬ 
lichen  Tuberkulose  ist  in  den  letzten  Jahren  die  Frage  nach 
dem  regelmässigen  Vorhandensein  der  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  Blute  der  Tuberkulosekranken  geworden.  Dass 
auch  bei  chronischer  (Lungen-)  Tuberkulose  gelegentlich  ver¬ 
einzelte  virulente  Bazillen  ins  Blut  gelangen  können  und  dass 
dies  bei  progressen  Fällen  sogar  die  Regel  ist,  zeigen  —  ganz 
abgesehen  davon,  dass  die  Propagation  der  sogen,  chirur¬ 
gischen  Tuberkulose  der  Knochen  und  Gelenke  auf  diese 
Weise  erklärt  werden  muss  —  die  bei  der  Sektion  solcher 
Fälle  fast  stets  in  den  übrigen  Organen  (besonders  Leber, 
Milz,  Nieren)  gefundenen  vereinzelten  Tuberkel. 

Weichselbaum  [  1 J  weist  gelegentlich  seiner  Bazillen¬ 
befunde  im  Blute  bei  Miliartuberkulose  auf  diese  Tatsache  hin,  spricht 
aber  die  Ansicht  aus,  dass  in  diesen  Fällen,  im  Gegensatz  zur 
Miliartuberkulose,  die  Bazillen  in  so  geringer  Menge  ins  Blut  ge¬ 
langen,  dass  ein  Finden  derselben  als  ganz  ausserordentlicher  Zufall 
erklärt  werden  müsste.  Auch  Weigert  [2]  betont,  dass,  im  prin¬ 
zipiellen  Gegensatz  zur  Miliartuberkulose,  die  gewöhnliche  Tuberku¬ 
lose  nicht  als  Allgemeininfektion  aufzufassen  sei,  eine  Auffassung,  die 
bis  jetzt  grundlegend  in  der  Pathologie  der  Tuberkulose  war. 

In  den  letzten  Jahren  sind  nun  zahlreiche  Autoren  auf  Grund 
ihrer  Untersuchungen  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass  auch  bei  der 
chronisch  verlaufenden  Tuberkulose  das  Vorkommen  der  Tuberkel¬ 
bazillen  im  strömenden  Blute  in  nachweisbarer  Menge  sehr  häufig 
sei;  einige  halten  es  sogar  für  die  Regel,  auch  bei  ganz  leichten 
Fällen  und  sprechen  demzufolge  der  Blutuntersuchung  auf  Tuberkel¬ 
bazillen  eine  grosse  diagnostische  Bedeutung  zu,  z.  B.  Rosen¬ 
berger  [3],  Kennerkne  c  h  t  [4],  Jessen  und  R  a  b  i  n  o  - 
witsch  [5],  Kurashige  [6];  manche  berichten  ausserdem  auch 
von  Bazillenbefunden  im  Blute  klinisch  völlig  gesunder  Menschen 
und  kommen  somit  zu  einer  wesentlich  anderen,  als  der  bisher 
gültigen  Auffassung  von  der  Pathogenese  der  menschlichen  Tuber¬ 
kulose. 

So  nehmen  z.  B.  Kurashige  und  Kennerknecht  das 
Bestehen  einer  primären  Bazillämie  bei  der  Tuberkuloseinfektion  an, 
und  Liebermeister  [7]  stellt,  in  Parallele  mit  der  Syphilis,  den 
Begriff  der  „sekundären  Tuberkulose“  auf,  wie  er  das  Bestehen  einer 
Bazillämie  ohne  Lokalerkrankung  im  Gegensatz  zur  „tertiären  Tuber¬ 
kulose“  mit  Lokalerkrankung  nennt. 

Folgende  Autoren  berichten  über  positive  Resultate  der  Unter¬ 
suchung  des  Blutes  auf  Tuberkelbazillen: 

Lieb  mann  [8]  fand  unter  35  mit  Tuberkulin  behandelten 
Tuberkulösen  in  30  Fällen  Tuberkelbazillen  im  einfachen  Blutaus¬ 
strich,  niemals  dagegen  bei  nicht  mit  Tuberkulin  behandelten  Fällen. 


*')  Der  Redaktion  eingesandt  am  28.  November  1912. 

2 


402 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Seine  Befunde  wurden  von  Ewald  [9],  K  o  s  s  e  1  [10],  Outtmann 
und  Ehrlich  [11],  Prior  [12]  nicht  bestätigt,  wurden  durch 
Kossels  Untersuchungen  ausserdem  mit  grosser  Wahrscheinlich¬ 
keit  als  das  Resultat  von  Verunreinigungen  erwiesen. 

Alle  übrigen  Untersuchungen  lassen  keine  Beziehungen  zur 
Tuberkulinbehandlung  erkennen. 

Courmont  [13]  fand  unter  30  Fällen  von  Lungentuberkulose 
in  5  Fällen  Bazillen  im  Blut,  Berger  on  1 1 4  [  unter  36  in  2  Fällen 
im  Tierversuch;  ebenfalls  im  Tierversuch  Gary  |15j  unter  35  in 
5  Fällen.  Jousset  |16|  unter  35  schweren  Fällen  in  11  Fällen 
mittels  seiner  Methode  der  Inoskopie  (teilweise  auch  Tierversuch). 
Lesieur  1 1 7 1  unter  30  in  6  Fällen.  Liidke  [18]  hatte  unter 

17  Fällen  in  5  Fällen  positiven  Tierversuch  (injizierte  5 — 10  ccm  Blut 
intraperitoneal,  fand  in  den  positiven  Fällen  ausgedehnte  Tuber¬ 
kulose  der  Tiere),  2  seiner  Fälle  waren  jedoch  Fälle  von  Miliar¬ 
tuberkulose. 

Hildebrandt  [19]  hatte  bei  einem  Falle  von  Lungentuber¬ 
kulose  mit  Erythema  nodosum  positiven  Tierversuch.  Rosen¬ 
berger  (1.  c.y  fand  bei  125  Tuberkulösen  aller  Stadien  in  100  Proz. 
im  Sedimente  von  5  ccm  mit  der  gleichen  Menge  Natriumzitratlösung 
versetzten  Blut  Tuberkelbazillen;  Bond  Stow  [20]  im  einfachen 
Blutausstrich  unter  18  vorgeschrittenen  Fällen  in  6,  unter  10  beginnen¬ 
den  Fällen  in  keinem  Falle  Bazillen.  Forsyth  [21]  hatte  positives 
Resultat  in  10  von  12  Fällen  nach  Rosenbergers  Technik,  nach 
derselben  Methode  in  8  von  20  Fällen  Mendenhall  und 
Petty  [22].  Lafforgue  [23]  hatte  bei  2  von  4  Fällen  positiven 
Tierversuch.  Schnitter  [ 24 1  kombinierte  das  Stäublische 
Essigsäureverfahren  mit  der  Antiforminmethode,  untersuchte  mikro¬ 
skopisch  das  erhaltene  Sediment;  er  hatte  bei  Lungentuberkulose 
unter  17  Fällen  111.  Stadiums  in  47  Proz.,  9  Fällen  II.  Stadiums  in 

22  Proz.,  8  Fällen  1.  Stadiums  in  0  Proz.,  bei  4  Fällen  von  Tuber¬ 
kulose  anderer  Organe  in  2  Fällen  positives  Resultat. 

B  r  o  1 1  1 25]  fand  nach  Schnitters  Verfahren  bei  2  Kühen 
mit  offener  Tuberkulose  im  Blut  Bazillen. 

L  i  p  p  m  a  n  n  [  26 1  fand  nach  demselben  Verfahren  unter  25  Fällen 
bei  1 1  Bazillen. 

Sabrazes  [27]  fand  Bazillen  im  Blute  eines  Falles,  den  er 
beschreibt  als  Septicopyohemie  tuberculeuse  mit  verkäsenden  „locali- 
sations  exterieures“. 

K  o  s  1  o  w  [28]  fand  nach  modifiziertem  Schnitter  schem  Ver¬ 
fahren  bei  Tuberkulose  stets,  bei  Tuberkulose  verdacht  zuweilen,  bei 
Lupus  nicht  selten  säurefeste,  Gram-positive  Bazillen  im  Blute. 

Acs-Nagy  [29]  hatte  nach  dem  Schnitter  sehen  Verfahren 
bei  2  Fällen  Stadium  II  negative,  bei  17  Fällen  Stadium  III  6  positive 
Resultate;  Jessen  und  Rabino  witsch  (1.  c.)  nach  demselben 
etwas  modifizierten  Verfahren  (Färbung  nach  Z  i  e  h  1  und  Much) 
unter  36  Fällen  9  positive.  Sturm  1 30 ]  hatte  nach  derselben  Me¬ 
thode  (Färbung  nach  Z  i  e  h  1  und  Much)  übereinstimmend  mit  Tier¬ 
versuchen  (5—6  ccm  Blut  Meerschweinchen  intraperitoneal  injiziert) 
unter  56  Fällen  21  positive  Resultate,  und  zwar  in  Stadium  I  in 
50  Proz.,  in  Stadium  II  in  38  Proz.,  in  Stadium  III  in  50  Proz.; 
Mommen  [31]  von  15  Fällen,  auch  ganz  leichter  Tuberkulose, 
11  positive  nach  der  kombinierten  Antiformin-Ligroinmethode. 

Kurashige  (1.  c.)  fand  nach  einem  kombinierten  Essigsäure- 
Antiforminverfahren  von  155  Fällen  aller  Stadien  der  Lungentuber¬ 
kulose  in  100  Proz.  und  in  59  Proz.  von  34  Fällen  klinisch  Ge¬ 
sunder  bei  Färbung  des  Sedimentes  nach  Ziehl  reichlich  Tuberkel¬ 
bazillen;  in  4  Fällen  wurde  das  Sediment  ausserdem  mit  positivem 
Resultat  auf  Meerschweinchen  verimpft;  später  fand  er  bei  20  wäh¬ 
rend  längerer  Zeit  wiederholt  untersuchten  Fällen  dauerndes  Vor¬ 
handensein  der  Bazillen.  Krause  1 321  fand  bei  mikroskopischer 
Untersuchung  mit  Antiforminverfahren  unter  132  Fällen  33  positive, 
die  dem  II.  und  III.  Stadium  angehörten.  Liebermeister  (1.  c.) 
hatte  bei  100  Fällen  von  Lungentuberkulose  im  Tierversuch  (3—6  ccm 
Blut  Meerschweinchen  intraperitoneal  oder  subkutan  injiziert)  40  posi¬ 
tive  Resultate;  bei  klinisch  nicht  an  Tuberkulose  Leidenden  6  positive 
Resultate  im  Tierversuch;  bei  mikroskopischer  Untersuchung  nach 
dem  Schnitter  sehen  Verfahren  bei  15  Fällen  offener  Lungentuber¬ 
kulose  15,  bei  13  Fällen  geschlossener  Lungentuberkulose  11  positive 
Resultate;  auf  dieselbe  Weise  hate  er  bei  70  Patienten,  bei  denen 
klinisch  eine  Tuberkulose  nicht  nachweisbar  war  (z.  B.  Fälle  von 
Streptokokkensepsis.  Erysipel,  rheumatischen  Erkrankungen,  Skrofu¬ 
löse,  Anämien  u.  a.)  positive  Resultate. 

Duchinoff  1 33]  fand  nach  einem  modifizierten  Schnitter- 
schen  Verfahren  bei  mikroskopischer  Untersuchung  unter  50  Fällen 
chirurgischer  Tuberkulose  in  78  Proz.  positive  Resultate;  davon  in 

23  Fällen  Tierversuch  angestellt  (Blut  oder  Antiforminsediment 
Meerschweinchen  intraperitoneal  injiziert)  mit  positivem  Resultat. 

Kennerknecht  (1.  c.)  fand  bei  Kindern  mikroskopisch  (Fär¬ 
bung  nach  Ziehl  und  Much)  nach  Kurashiges  Verfahren  bei 
69  an  Tuberkulose  (besonders  der  Knochen,  Gelenke  und  Drüsen) 
Leidenden  in  68  Fällen,  bei  20  auf  Tuberkulose  Verdächtigen  in 

18  Fällen,  bei  31  an  anderen  Erkrankungen  leidenden  (Asthma,  An¬ 
ämie,  Rachitisfolgen,  Hysterie  u.  a.)  in  23  Fällen  Tuberkelbazillen; 
in  13  Fällen  davon  Tierversuch  angestellt,  stets  positiv.  Rumpf  [34] 
fand  mikroskopisch  (Färbung  nach  Much)  nach  einer  Kurashiges 
ähnlichen  Methode  bei  meist  ganz  leichten  Fällen  von  Lungentuber¬ 
kulose  in  100  Proz.,  ferner  bei  klinisch  Geheilten  und  bei  Gesunden 
in  100  Proz.  Tuberkelbazillen  (meist  Much  sehe  Form,  auch  Splitter). 


Dagegen  konnte  unter  35  Meerschweinchen,  denen  das  Blut  von 
mikroskopisch  positiven  Fällen  intraperitoneal  injiziert  war,  nur  in 
3  Fällen  Tuberkulose  bei  der  Sektion  gefunden  werden. 

Hilgermann  und  Lossen  [35]  fanden  mikroskopisch  nacn 
einem  modifizierten  Schnitter  sehen  Verfahren  unter  64  in 

17  Fällen,  Ranström  [36]  nach  derselben  Methode_  unter  36  in 
9  Fällen  Tuberkelbazillen.  Suzuki  und  Takaki  [37]  fanden  bei 
einer  grösseren  Untersuchungsreihe  fast  stets  Parallelismus  zwischen 
positiver  P  i  r  q  u  e  t  scher  Reaktion  und  Bazillenbefund  im  Blut: 
darunter  bei  28  klinisch  Gesunden.  Fränken  l3S|  hatte  mittels 
Tierversuch  (5  ccm  Blut  intraperitoneal  Meerschweinchen  injiziert) 
bei  Untersuchung  von  mehr  als  50  Fällen  des  II.  und  111.  Stadiums 
positive  Resultate  in  7  Fällen.  Bang  1 39]  fand  bei  68  Tuberkulösen 

18  mal  Bazillen  im  Blute  (im  Meerschweinchenversuch  und  mikro¬ 
skopisch). 

Die  Befunde  Rumpfs,  der  wie  oben  angeführt,  in  100 Proz. 
seiner  Fälle,  darunter  klinisch  völlig  gesunde  Menschen, 
mikroskopisch  Tuberkelbazillen  fand,  während  seine  Tierver¬ 
suche  fast  sämtlich  negativ  waren,  zeigen  die  Notwendigkeit.! 
die  Untersuchungen,  welche  sich  auf  die  mikroskopische  Me¬ 
thode  beschränken,  zu  trennen  von  denen,  bei  welchen  der 
Tierversuch  verwertet  ist,  denn  für  die  vorliegende  Frage  ist 
es  natürlich  von  grosser  Bedeutung,  ob  sich  die  im  Blute  ge-l 
fundenen  säurefesten  Stäbchen  durch  den  Tierversuch  als: 
virulente  Tuberkelbazillen  erweisen. 

Hinsichtlich  der  rein  mikroskopischen  Untersuchungs¬ 
methoden  zum  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im  Blute  liegen! 
Veröffentlichungen  vor,  die  zu  grösster  Vorsicht  und  Zurück¬ 
haltung  in  der  Beurteilung  und  Deutung  der  Resultate  veran¬ 
lassen  müssen. 

So  untersuchte  Holmes  [40 1  destilliertes,  filtriertes  und  ge¬ 
wöhnliches  Brunnenwasser  verschiedenster  Herkunft  und  fand  in  fast 
allen  Proben,  die  längere  Zeit  unter  Luftzutritt  gestanden  hatten, 
zahlreiche  säurefeste  Stäbchen;  ferner  untersuchte  Holmes  das 
Blut  von  56  Patienten,  fand  mikroskopisch  in  51  Fällen  keine 
Tuberkelbazillen,  wie  auch  die  in  37  Fällen  ausgeführte  Meer¬ 
schweinchenimpf  ung  negatives  Resultat  hatte,  ln  den  5  übrigen 
Fällen  fand  er  säurefeste  Stäbchen  (davon  war  1  Fall  Miliar¬ 
tuberkulose,  2  Fälle  von  epidemischer  Genickstarre,  1  Fall  von 
seniler  Pneumonie),  in  4  Fällen  davon  fand  er  im  benützten! 
destillierten  Wasser  säurefeste  Stäbchen. 

Ebenso  wies  Brem  [41]  im  destillierten  Wasser  der  Labora-; 
torien  häufig  säurefeste  Stäbchen  nach.  Wenn  auch  manche: 
Autoren,  z.  B.  Liebermeister,  mit  den  zur  Verwendung 
kommenden  Reagentien,  Wasser  usw.,  von  Zeit  zu  Zeit  Leer¬ 
versuche  gemacht  haben,  um  sich  von  der  Bazillenfreiheit  zu 
überzeugen,  und  andere  Autoren,  z.  B.  C 1  i  f  f  o  r  d  [42]  und 
Rosenberger  keine  solche  Stäbchen  im  Wasser  nachweisen, 
konnten,  so  bleibt  doch  nach  den  erwähnten  Untersuchungen  die1 
Möglichkeit  dieser  Fehlerquelle  für  manche  Fälle  offen,  wobei  be¬ 
sonders  betont  werden  muss,  was  auch  Liebermeister  (1,  c.) 
hervorhebt,  dass  durch  einfache  Sterilisation  eventuell  vorhandene 
säurefeste  Stäbchen  morphologisch  nicht  zum  Verschwinden  gebracht 
werden  können,  wie  es  z.  B.  Hilgermann  und  Lossen  (1.  c.) 
anzunehmen  scheinen.  Besonders  naheliegend  sind  Fehlerquellen 
und  Täuschungsmöglichkeit  aller  Art,  wenn  bei  den  vorliegenden 
Untersuchungen,  wie  z.  B.  Rumpf  es  tat,  nicht  nur  Stäbchen  und 
in  Stäbchenform  angeordnete  Granula,  sondern  auch  isolierte  Granula 
und  Splitter  berücksichtigt  werden. 

Jedenfalls  ergibt  sich  aus  Vorstehendem  die  Notwendig¬ 
keit  grosser  Zurückhaltung  in  der  Deutung  der  positiven  Re¬ 
sultate  der  mikroskopischen  Untersuchung  des  Blutes.  Wenn 
nun  auch  nicht  angenommen  werden  kann,  dass  sämtliche 
positiven  Befunde  auf  von  aussen  hineingelangten  Verunreini¬ 
gungen  beruhen,  so  bleibt,  wie  schon  erwähnt,  doch  die  Not¬ 
wendigkeit  bestehen,  die  gefundenen  säurefesten  Stäbchen  ah 
Tuberkelbazillen  zu  erweisen. 

Auch  gegen  einen  Teil  der  veröffentlichten  Tierversuche 
lassen  sich  Bedenken  nicht  verhehlen. 

So  berichtet  Sturm,  dass  er  in  allen  den  Fällen,  in  denen  er 
keine  ausgebreitete  sichere  Tuberkulose  bei  den  mit  Blut  intraperi 
ton'eal  geimpften  Meerschweinchen  fand,  die  erkrankten  Organe  zer¬ 
malmte,  mit  Antiformin  behandelte  und  so  mikroskopisch  die  Tu- 
berkelbazillen  nachwies.  Dadurch  ist  aber  meines  Erachtens  ü 
diesen  Fällen  der  Wert  des  Tierversuches  beträchtlich  herabgesetzt: 
denn  indem  damit  die  Diagnose  auf  mikroskopischen  Bazillennach¬ 
weis  begründet  wird,  treten  auch  die  oben  erwähnten  Fehlerquellen 
wieder  ins  Bereich  der  Möglichkeit. 

Dieselben  Bedenken  sind  geltend  zu  machen  gegen  fast  aile  Tier 
versuche  Duchinoffs  (1.  c.).  Duchinoff  hat  bei  seinen  23  ah 
positiv  bezeichneten  Tierversuchen,  bei  denen  er  meist  einige  Kubik 
Zentimeter  reines  Blut,  einigemale  auch  das  Antiforminsediment  dee 
Blutes  von  Fällen  chirurgischer  Tuberkulose,  teils  mit,  teils  ohm 
klinisch  nachweisbare  Lungenaffektion,  Meerschweinchen  intraperi 
toneal  injizierte,  den  Sektionsbefund  der  Tiere  angegeben. 


5.  Februar  1913, _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


403 


Trotzdem  nun  die  Sektion  der  Tiere  64—169  Tage  post  injec- 
iiiem  erfolgte,  findet  er  nur  bei  einem  Falle  makroskopisch  und 
.Kroskopisch  sichere  tuberkulöse  Veränderungen,  in  einem  Falle  nur 
le  verkäste  Mesenterialdrüse,  einigemale  makroskopisch  unsichere 
nscheinend  wenig  charakteristische)  Befunde,  auch  ohne  histologisch 
chv\ eisbare  Tuberkulose;  bei  allen  übrigen  Fällen  bemerkt  er  stets, 
ss  keine  tuberkulösen  Veränderungen  makroskopisch  nachweisbar 
iren;  ebensowenig  histologisch:  seine  Diagnose  der  positiven  Tier- 
rsuche  stützt  sich  also  fast  stets  allein  auf  den  mikroskopischen 
izillennachweis  in  den  Organen,  während  man  doch  bei  Vorhanden¬ 
in  virulenter  Tuberkelbazillen  unter  den  gegebenen  Verhältnissen 
icrkulöse  Gewebsveränderungen  mit  Sicherheit  erwarten  müsste 
ich  zwei  unter  einigen  von  Kennerknecht  ausführlicher  mit¬ 
teilten  Meerschweinchensektionsbefunden  sind  hier  zu  erwähnen: 
dem  einen  Falle  fanden  sich  nach  intraperitonealer  Injektion  kleine 
eumonische  Herde  und  grosse  bläulich  gefärbte  Bronchialdrüsen, 
nst  keine  histologischen  Veränderungen,  doch  Bazillenbefund  an 
rschiedenen  Stellen;  in  dem  anderen  Falle  fanden  sich  ausser 
onchialdriisen  von  mässiger  Grösse  keine  makroskopisch  sicht- 
! ren  Veränderungen,  mikroskopisch  kleine  desquamativpneumonische 
,  rde;  Bazillenbefund  in  den  Bronchialdrüsen. 

Zu  negativen  Resultaten  der  Blutuntersuchung  auf  Tuberkel- 
i zillen,  mikroskopisch  oder  durch  Tierversuch  oder  nach  beiden 
I .'thoden,  kommen,  ausser  dem  schon  erwähnten  Holmes)  folgende 
toren :  He  wat-Sut  herland  [43]  untersuchten  nach  einer 
;)difikation  der  Technik  Rosenbergers  20  Fälle  und  fanden 
<  mal  vereinzelte  säurefeste  Stäbchen,  die  sie  für  akzidentell  halten, 
i  seither  g  [44]  untersuchte  nach  Rosenbergers  Technik 
G  durch  Meerschweinchenversuch  20  Fälle  von  Tuberkulose  mit 
; rativem  Resultat;  in  einem  Falle  fand  er  mikroskopisch  Stäbchen 

I  negativem  Tierversuche,  in  einem  anderen  Falle  akuter  Tuber- 
■  ose  mit  Stäbchenbefund  wurde  kein  Tierversuch  angestellt.  Mikro- 
episch  und  im  Tierversuch  hatten  ebenfalls  negative  Resultate 
i  rnstein  und  Fried  [45]  in  10  Fällen.  Dailey  [46]  hatte  in 
!  Tuberkulosefällen  im  Meerschweinchenversuch  negative  Resultate, 

•  nso  Schroeder  und  Cotton  [47]  bei  42  Fällen  von  Rinder- 
erkulose  aller  Stadien. 

Es  folgt  jetzt  die  Beschreibung  meiner  eigenen  Unter- 

•  .'hungen,  welche  die  Frage  beantworten  sollten,  ob  virulente 
iberkelbazillen  im  strömenden  Blut  der  Tuber- 

' lösen  nachweisbar  sind;  ich  bediente  mich  daher  des  Tier- 
>rsuches,  während  ich  auf  mikroskopische  Untersuchungen 
dieser  Fragestellung  verzichtete. 

Es  wurde  untersucht  das  Blut  von  37  an  chronischer 
ngentuberkulose  leidenden  Patienten  (7  Frauen,  30  Männer). 

Es  gehörten  an  dem  I.  Stadium  (Gerhardt-Turban) 
'lern  II.  Stadium  4,  dem  III.  Stadium  25.  3  Fälle  des  III.  Sta¬ 
lins  wurden  2  mal  untersucht,  so  dass  28  Untersuchungen 
h  III.  Stadiums  vorliegen. 

Es  waren  klinisch  sichere  Fälle  von  Lungentuberkulose, 

!  in  einem,  hier  dem  Stadium  I  zugerechneten  Falle  fanden 
i  bei  akuter  Bronchitis  nur  röntgenologisch  alte  Herde  im 
us,  1  Fall  vom  Stadium  I  war  mit  Lupus,  1  Fall  vom  Sta- 
m  II  mit  Wirbelkaries  und  Senkungsabszess  kompliziert; 
hrere  Fälle  vom  Stadium  III  zeigten  Beteiligung  vom 
ynx  und  Darm.  Am  Tage  der  Blutentnahme  waren  fieber¬ 
sämtliche  Fälle  des  Stadiums  I,  3  Fälle  des  Stadiums  II, 
Fälle  des  Stadiums  III,  vom  letzteren  jedoch  mehrere  nur 
iz  vorübergehend;  die  übrigen  hatten  Fieber.  Von  den 
len  des  III.  Stadiums  kamen  13  zur  Sektion,  davon  findet 

II  bei  9  Fällen  in  der  pathologisch-anatomischen  Diagnose 
1  ser  schwerer  Lungentuberkulose  Tuberkulose  des  Larynx, 

Trachea,  des  Darmes,  der  Zunge,  des  Pharynx,  der 
nphdriisen  erwähnt. 

In  keinem  der  untersuchten  Fälle  war  im 
erversuch  das  Vorhandensein  von  T  u  - 
rkelbazillen  in  der  Blutbahn  nachweisbar. 

Die  Methode  war  folgende:  10 ccm  Blut  wurden  aus  der  Vena 
iana  mittels  L  u  e  r  scher  Spritze  entnommen;  das  Blut  wurde 
1  in  sog.  Schottmüller  sehe  Fläschchen,  welche  40  ccm 
Essigsäurelösung  enthielten,  gebracht  und  blieb  nach  Um- 
tteln  20  Minuten  stehen;  dann  wurde  es  zentrifugiert  30—45  Mi- 
n  (3000  Umdrehungen  pro  Minute),  dann  die  überstehende  Flüs- 
eit  abgegossen,  Bodensatz  mit  etwas  destilliertem  sterilem 
ser  aufgeschüttelt,  dann  40  ccm  15  proz.  Antiforminlösung  zu- 
tzt,o  gründlich  durchgeschüttelt  und  45  Minuten  im  Brutschrank 
37  gehalten.  Nachdem  so  vollständige  Auflösung  des  Boden- 
-s Tingetreten  war,  wurde  45  Minuten  (bei  3000  Umdrehungen 
Minute)  zentrifugiert,  das  spärliche  Sediment  dann  zweimal  mit 
ler  physiologischer  Kochsalzlösung  ausgewaschen,  wobei  jedes- 
mindestens  30  Minuten  zentrifugiert  wurde.  Zum  Schluss  wurde 
Verstehende  Kochsalzlösung  bis  auf  ca.  3  ccm  abgegossen,  das 
ment  dann  aufgeschüttelt  und  einem  Meerschweinchen  intraperi¬ 


toneal  injiziert.  Die  Injektion  erfolgte  sofort,  nur  in  3  Fällen  erst 
nach  24  Stunden. 

Alle  zur  Verwendung  kommenden  Gerätschaften  und  Lösungen, 
die  o  c  li  ottmu  11  er  sehen  Fläschchen,  Zentrifugenröhrchen,  Spritzen, 
das  destillierte  Wasser,  die  Kochsalzlösung,  die  Essigsäure,  die  Anti- 
iorminlosung  waren  sterilisiert. 


ine  z.eit  zwischen  der  Injektion  und  Sektion  der  Meerschwein- 
chen  betrug  bei  je  1  Tier  27,  31,  31,  35,  36,  37  und  39Tage,  bei  14  Tieren 
40-66  Tage,  bei  19  Tieren  über  77  Tage  (davon  über  100  bis  zu 
143  lagen  bei  9  Tieren). 


Die  Sektion  der  Meerschweinchen  ergab  in  keinem  Falle 
Tuberkulose.  Teile,  die  makroskopisch  nicht  völlig  normal  aus¬ 
sahen,  wurden  jedesmal  histologisch  untersucht  (Herr  Prof. 
E.  F  r  ä  n  k  e  1  hatte  die  Güte,  die  ihm  vorgelegten  Präparate 

durchzusehen).  Einige  Male  fanden  sich  im  Netz  2 _ 3  kleine 

zirkumskripte,  knötchenartige  Verdickungen,  oder  etwas 
gi  össei  e  im  Mesenterium  in  der  Gegend  des  Zoekum;  wie 
diese  Gebilde  schon  makroskopisch  nicht  wie  Tuberkulose 
aussahen,  erweisen  sie  sich  auch  histologisch  als  nicht  tuber¬ 
kulös;  in  einem  Falle  wurde  solcher  Gewebsteil  mit  Antiformin 
behandelt  und  das  mit  Kochsalz  ausgewaschene  Sediment 
einem  anderen  Meerschweinchen  intraperitoneal  injiziert; 
nach  46  Tagen  ergab  die  Sektion  bei  diesem  völlig  normale 
Organe.  In  einem  Falle  fanden  sich  multiple  Abszesse  in  der 
Bauchhöhle  des  Meerschweinchens;  anscheinend  handelte  es 
sich  um  eine  akzidentelle  Infektion  mit  Eitererregern,  in  einem 
anderen  Falle  fanden  sich  dicke  fibrinöse  Auflagerungen  einer 
Lunge,  die  Lunge  selbst  war  atelektatisch;  im  übrigen  keine 
Veränderungen;  auch  in  beiden  letzteren  Fällen  histologisch 
keine  tuberkulösen  Veränderungen;  in  allen  diesen  Fällen 
wurde  auch  ein  Schnittpräparat  auf  Tuberkelbazillen  durch¬ 
gesehen  mit  negativem  Resultat. 

Um  auszuschliessen,  dass  die  Tuberkelbazillen  durch  die 
angewandte  Methode  der  Behandlung  des  Blutes  in  ihrer 
Virulenz  geschädigt  werden  konnten,  wurde  nach  derselben 
Methode  2  ccm  bazillenhaltiges  Sputum  behandelt,  nur  mit 
dem  Unterschied,  dass  das  Antiformin  anstatt  45  Minuten 
mehrere  Stunden  einwirken  musste,  bis  die  Auflösung  voll¬ 
ständig  war;  die  Sedimentaufschwemmung  wurde  einem 
Meerschweinchen  intraperitoneal  injiziert.  Nach  43  Tagen 
fand  sich  ausser  einem  Abszess  an  der  Injektionsstelle  eine 
ausgedehnte  Tuberkulose  besonders  des  Netzes,  der  Milz, 
der  Leber  und  Inguinaldrüsen.  Auch  aus  den  Untersuchungen 
Uhlenhuths  [48]  und  Seemanns  [49]  geht  hervor,  dass 
Tuberkelbazillen  durch  die  angewandte  Antiforminkonzen¬ 
tration  in  der  gegebenen  Zeit  nicht  für  den  Meerschweinchen¬ 
versuch  avirulent  werden. 

Meine  auf  den  Tierversuch  gestützten  Untersuchungen 
ergeben  somit  das  Resultat,  dass  bei  meinen  Fällen  von 
chronischer  Lungentuberkulose  virulente  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  Blute  nicht  nachgewiesen  werden  konnten,  was 
mich  bei  der  Zahl  der  Fälle  zu  dem  Schluss  berechtigt,  dass 
jener  Befund  unmöglich  die  Regel  oder  auch  nur  eine  be¬ 
sonders  grosse  Häufigkeit  darstellen  kann. 

Wenn  nun  Rumpf  (1.  c.)  und  L  i  e  b  e  r  m  e  i  s  t  e  r  (1.  c.) 
zur  Erklärung  eines  negativen  Ausfalles  des  Tierversuches 
trotz  Vorhandensein  von  mikroskopisch  nachweisbaren  Ba¬ 
zillen  im  Blut  die  Möglichkeit  erwägen,  dass  das  injizierte 
Blut  gleichzeitig  immunisierend  auf  das  Meerschweinchen 
wirken  könnte,  so  fällt  dieser  Grund  jedenfalls  bei  der  von 
mir  angewandten  Methode  fort,  wobei  ja  etwaige  Immunstoffe 
des  Blutes  durch  das  Antiformin  vernichtet  würden.  Lieber¬ 
meisters  Annahme  einer  Schädigung  der  Bazillen  durch 
das  angewandte  Antifonninverfahren  scheint  mir  nach  den 
erwähnten  diesbezüglichen  Untersuchungen  ebenfalls  nicht 
stichhaltig.  Wenn  ferner  Liebermeister  die  geringe 
Anzahl  der  im  Blut  kreisenden  Bazillen  als  Grund  für  negative 
Tierversuche  anführt,  so  ist  dazu  zu  bemerken,  dass  zwar  im 
Sinne  der  oben  erwähnten  Weichselbaum  sehen  Auf¬ 
fassung  die  geringe  Zahl  im  Verein  mit  dem  nur  gelegentlichen 
Uebertritt  der  Bazillen  in  den  Kreislauf  der  Grund  für  ihre 
Nichtnachweisbarkeit  ist,  dass  aber,  wenn  man  die  erwähnten 
mikroskopischen  Befunde  der  Anschauung  von  dem  Gehalt  des 
Blutes  an  virulenten  Bazillen  zugrunde  legt  (z.  B.  findet 
Kurashige  bei  Verarbeitung  von  1  ccm  Blut  im  Gesichts¬ 
feld  sehr  oft  mehrere  bis  über  30  Stäbchen),  die  Zahl  der  Ba¬ 
zillen  gar  nicht  so  gering  sein  kann  und  bei  Verwendung 


2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


404 


mehrerer  Kubikzentimeter  Blut  eine  Infektion  des  betr. 
Meerschweinchens  hervorrufen  müsste;  berechnet  doch 
R  ömer  [50],  dass  ein  virulenter  Rindertuberkelbazillus  für 
die  Infektion  eines  Meerschweinchens  genügt.  Handelt  es  sich 
aber  bei  den  mikroskopisch  gefundenen  Stäbchen  um  nicht 
lebensfähige,  abgetötete  Bazillen,  so  ist  zwar  noch  die  Frage 
offen,  wie  dieselben  in  so  reichlicher  Zahl  in  den  Kreislauf  ge¬ 
langen  können  und  besonders,  wie  die  Befunde  bei  klinisch 
nicht  tuberkulösen  Individuen  zu  erklären  sind,  aber  für  die 
prinzipielle  Auffassung  der  Tuberkulosepathologie  ist  der  Be-' 
fund  dann  nicht  von  so  einschneidender  Bedeutung. 

Für  alle  vorliegenden  Untersuchungen  der  verschiedenen 
Autoren  in  irgend  einer  Richtung  eine  einheitliche  Erklärung 
zu  finden  und  in  der  vorliegenden  Frage  zu  einem  abschliessen¬ 
den  Urteil  zu  kommen,  ist  bei  dem  jetzigen  Stand  der  Dinge 
unmöglich,  besonders  in  Anbetracht  der  Verschiedenartigkeit 
der  Resultate,  und  da  durch  diese  Untersuchungen  zweifel¬ 
los  manche  neue  Fragen  angeregt  sind,  die  der  Klärung 
bedürfen. 

Jedenfalls  aber  scheint  mir  in  Anbetracht  dessen,  dass  die 
mikroskopischen  Untersuchungen  nicht  eindeutig  und  auch 
vielerlei  Fehlerquellen  ausgesetzt  sind,  dass  auch  ein  Teil  der 
ausführlicher  mitgeteilten  Tierversuche  nicht  einwandfrei  ge¬ 
klärt  erscheint,  dass  zum  Teil  erhebliche  Unstimmigkeiten 
zwischen  mikroskopischem  Bazillenbefund  und  Tierversuchen 
vorliegen,  dass  auch  unter  den  von  positiven  Resultaten  be¬ 
richtenden  Untersuchungen,  mikroskopisch  oder  im  Tierver¬ 
such,  grosse,  teilweise  grundlegende  Differenzen  sich  finden, 
und  dass  andererseits  auch  Untersuchungen  vorliegen,  die  bei 
einwandfreier  Methode  negative  Resultate  der  Blutunter¬ 
suchung  auf  Tuberkelbazillen  ergeben,  das  bislang  ver¬ 
öffentlichte  Material  nicht  ausreichend  zu  sein,  dass  es  eine 
Aenderung  in  der  bisherigen  Auffassung  der  Pathogenese  der 
menschlichen  Tuberkulose  begründen  könnte. 

Nachtrag  bei  der  Korrektur:  Nachdem  vorstehende 
Arbeit  der  Redaktion  schon  eingereicht  war,  veröffentlichen  Bac- 
meister  und  Rüben  in  der  Deutschen  med.  Wochenschr.  1912, 
No.  50  eine  Arbeit  über  denselben  Gegenstand,  in  welcher  sie  in  vieler 
Beziehung,  besonders  auch  in  der  kritischen  Würdigung  gewisser,  als 
positiv  angegebener  Tierversuche,  zu  ganz  ähnlichen  Ansichten 
kommen,  wie  ich  sie  oben  ausgesprochen  habe. 

Literatur. 

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Bruns’  Beiträge  1912,  XXIX,  H.  1.  —  34.  Rumpf:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1912,  No.  36.  —  35.  Hilgermann  und  Lossen: 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  19.  —  36.  Ranström: 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  33.  —  37.  Suzuki  und 
Takaki:  Ref.,  Int.  Zentralbl.  f.  Tub.,  Bd.  VI,  No.  12.  —  38.  F  rütt¬ 
le  en:  Ref.,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  43.  —  39.  Bang: 
Ref.,  Int.  Zentralbl.  f.  Tub.,  Bd.  VI,  No.  12.  —  40.  Bon  will- 
Holmes:  Ref.,  Int.  Zentralbl.  f.  Tub.  1910,  April.  —  41.  Brem:  zit. 
bei  Bond  Stow.  —  42.  Clifford:  Ref.,  Int.  Zentralbl.  f.  Tub., 


Bd  4,  No.  1 1.  —  43.  H  e  w  a  t  und  Sutherland:  Brit.  med.  Journ. 
1909,  Oktober.  —  44.  Rosenberg:  Medic.  Record  1909,  Nov.  — 
45  Bernstein  und  Fried:  zit.  bei  H  e  w  a  t  und  Sutherland. 
—  46.  Dailey:  Ref.,  Int.  Zentralbl.  f.  Tub.,  Bd.  IV,  No.  5.  — 
47  Schroeder  und  Cotton:  zit.  bei  Hewat  und  Suther¬ 
land  _  48.  U  h  1  e  n  h  u  t  h :  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  1909.  —  49.  S  e  e  - 
in  ann:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1909,  No.  14.  —  50.  Römer:  Brauers 
Beiträge,  Bd.  XVII. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Allgemeinen  Krankenhauses 

Hagen  i.  W.  (Oberarzt:  Prof.  Dr.  O.  Baumgarten). 

Ueber  das  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  Blut. 

Von  Erich  Rosenberg,  Medizinalpraktikant. 

Die  Literatur  über  die  Frage  des  Vorkommens  von  Tuber¬ 
kelbazillen  in  den  Körpersäften  (Blut,  Milch  etc.)  und  den  1 
Exkreten  des  tierischen  Organismus  ist  in  den  letzten  Jahren 
zu  einer  ansehnlichen  Menge  angewachsen.  Besonders  das 
Blut  war  der  Gegenstand  der  zahlreichsten  Untersuchungen. 
Ich  halte  es  nicht  für  nötig,  die  Literatur  noch  einmal  ein¬ 
gehender  aufzuzählen,  da  sie  auch  an  dieser  Stelle  bereits 
in  mehreren  Artikeln  genau  behandelt  worden  ist.  Hervor¬ 
heben  möchte  ich  nur,  dass  die  Resultate,  die  die  einzelnen 
Untersucher  erzielten,  die  widersprechendsten  waren.  Wäh¬ 
rend  anfangs  überhaupt  nur  die  Miliartuberkulose  berück¬ 
sichtigt  wurde,  war  der  Prozentsatz  der  Fälle,  in  dem  bei  der 
chronischen  Tuberkulose  Bazillen  im  Blut  gefunden  wurden, 
bei  den  ersten  Untersuchern  nur  ein  äusserst  geringer.  Syste¬ 
matischer  konnten  die  Untersuchungen  erst  geführt  werden, 
als  die  Homogenisierung  des  Blutes  mit  Essigsäure  und  die 
Anreicherung  mit  Antiformin  angewandt  wurde.  Diese  Me¬ 
thoden  kombinierte  Schnitter  miteinander.  Seitdem  wurde 
die  Zahl  der  positiven  Resultate  immer  grösser,  bis  die  Ba¬ 
zillen  schliesslich  von  mehreren  Untersuchern  bei  tuberkulös 
Infizierten  in  100  Proz.  der  Fälle  gefunden  wurden.  Dann 
traten  allerdings  mehrere  skeptische  Untersucher  auf,  die  be¬ 
haupteten,  die  Gebilde,  die  für  Tuberkelbazillen  gehaUen 
wären,  wären  keine  Tuberkelbazillen.  Sie  stützten  ihre  Ver¬ 
mutung  darauf,  dass  die  mit  diesem  Blute  geimpften  Kanin¬ 
chen  nur  in  einem  geringen  Prozentsatz  der  Fälle  tuberkulös 
erkrankten.  Andere  Untersucher  fanden  die  Bazillen  nicht  nur 
bei  tuberkulös  erkrankten  Individuen,  sondern  auch  bei  völlig 
Gesunden. 

Ich  selbst  machte  mich  an  die  Nachprüfung  der  Resultate, 
untersuchte  jedoch,  was  bisher  nur  wenig  geschehen  ist,  ausser 
den  Lungenphthisen  auch  eine  grössere  Anzahl  Fälle  von 
chirurgischer  Tuberkulose,  um  zu  sehen,  ob  die  Resultate  bei 
diesen  gleich  oder  ähnlich  denen  wie  bei  der  Lungentubei- 
kulose  seien.  Ich  wandte  bei  meinen  Untersuchungen  die 
Stäubli -Schnitt  er  sehe  Methode  an,  wie  sie  G.  Klem- 
per  er  in  der  Therapie  der  Gegenwart  1912,  Heft  10  genauei 
beschrieben  hat. 

Untersucht  habe  ich  im  ganzen  40  Fälle  und  zwar  8  Ge¬ 
sunde,  19  Fälle  von  Lungentuberkulose,  3  verdächtige  Falk 
und  10  chirurgische,  die  zum  Teil  ebenfalls  verdächtig  waren 
Ich  habe  es  allerdings  unterlassen,  durch  Tierversuche  mich  zt 
überzeugen,  ob  die  Gebilde,  die  ich  fand,  wirklich  Tuberkel¬ 
bazillen  waren.  Morphologisch  glichen  sie  jedoch  absolu 
Tuberkelbazillen,  sowohl  was  Form  und  Gestalt  als  auch  wa: 
Färbbarkeit  betrifft. 

Wenn  ich  die  Resultate  meiner  Untersuchungen  zu 
sammenfasse,  so  kann  ich  mit  Sicherheit  sagen,  dass  bei  fas 
allen  Fällen  einer  tuberkulösen  Infektion  sich  Tuberkelbazillei 
in  der  Blutbahn  befinden.  Dass  bei  schwerer  Tuberkulös* 
Bazillen  ins  Blut  übertreten  können,  ist  nichts  Neues.  Be 
Sektionen  von  an  schwerer  Tuberkulose  Gestorbenen  finde 
man  sehr  häufig  auch  in  anderen  Organen  Veränderungen,  di* 
nur  auf  dem  Blutwege  entstanden  sein  können.  Ich  fand  si 
dagegen  bei  sämtlichen  sicheren  Lungentuberkulösen  mit  Aus 
nähme  eines  Falles,  der  allerdings  zur  Zeit  der  Blutunter 
suchung  noch  keine  sicheren  tuberkulösen  Erscheinungen  ho 
bei  dem  aber  später  sich  eine  schwere  Phthise  entwickelte 
Die  Ansicht  früherer  Autoren,  die  glaubten,  dass  das  Vor 
kommen  von  Tuberkelbazillen  im  Blut  ein  ungünstiges  Pr® 
gnostikum  wäre,  ist  damit  also  auch  widerlegt.  Auch  di 


5.  Februar  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


405 


ahl  der  Bazillen,  die  sich  im  Sediment  befinden,  ist  für  die 
’rognose  völlig  gleichgültig.  Die  Zahl  der  Bazillen,  die  ich 
berhaupt  im  ganzen  Sediment  fand,  überstieg  niemals  5 — 6; 
ifolgcdessen  war,  um  ein  negatives  Resultat  mit  Zuverlässig- 
eit  aussprechen  zu  können,  stets  eine  mindestens  4 — 5  stün- 
ige  Untersuchung  des  Sediments  nötig.  Bei  einer  schweren 
hthise,  die  ich  untersuchte,  fand  ich  im  ganzen  Sediment  nur 
Bazillen,  während  ich  bei  leichten  Fällen,  z.  B.  bei  einer 
ungentubcrkulose,  bei  der  eine  tuberkulöse  Infektion  nur 
urch  das  Röntgenbild  wahrscheinlich  gemacht  wurde,  mit 
eichtigkeit  5 — 6  Bazillen  nachweisen  konnte.  Da  ich  die 
azillen  bei  sämtlichen  Phthisikern  fand,  ergibt  sich  ferner 
on  selbst,  dass  ein  Zusammenhang  von  Temperatursteigerung 
üt  dem  Vorkommen  von  Bazillen  im  Blut  nicht  besteht, 
llerdings  ist  mir  in  einem  Falle,  in  dem  häufig  fieberfreie 
erioden  mit  Perioden  stark  erhöhter  Temperatur  ab- 
echselten,  und  bei  dem  ich  das  Blut  in  beiden  Perioden  unter- 
ichte,  aufgefallen,  dass  die  Bazillenzahl  während  des  Fiebers 
rösser  war.  Ob  dies  nur  Zufall  oder  die  Regel  ist,  müssen 
eitere  Untersuchungen  ergeben. 

Was  den  praktischen  Wert  der  Untersuchungen  betrifft, 
3  kann  ich  der  Ansicht  der  meisten  Voruntersucher  nicht 
eistinmien.  Besonders  Hilgermann  und  Lossen  sind 
er  Ansicht,  dass  der  Methode  wegen  der  Inkonstanz  des  Vor- 
ommens  und  der  zeitraubenden  Technik  kein  diagnostischer 
Vert  beizumessen  sei.  Der  erste  Grund  fällt  fort,  nachdem 
;hon  mehrere  Untersucher  bewiesen  haben,  dass  von  einer 
ikonstanz  des  Vorkommens  bei  sicherem  Bestehen  einer 
iiberkulose  nicht  die  Rede  sein  kann.  Der  zweite  Grund  ist 
her  ebenfalls,  wenigstens  für  den  Krankenhausbetrieb,  hin- 
illig.  Denn  wenn  streng  sterile  Instrumente  und  Reagentien 
nd  eine  gut  funktionierende  Zentrifuge  vorhanden  sind,  kann 
mn  selbst  einem  gut  geschulten  Laboratoriumsdiener  die 
anze  Untersuchung  überlassen.  Nur  insofern  ist  die  dia- 
nostische  Bedeutung  des  Bazillennachweises  beschränkt,  als 
lieh  höchstwahrscheinlich  bei  inaktiver  Tuberkulose  sich  Tu- 
erkelbazillen  nachweisen  lassen.  Damit  wäre  der  positive 
efuiid  von  Bazillen  also  gleichbedeutend  mit  einer  positiven 
i  r  q  u  e  t  sehen  Reaktion.  Es  ist  aber,  wie  G.  Klemperer 
ervorhebt,  insofern  diagnostisch  wichtiger,  als  sich  nicht  in 
llen  Fällen  von  positiver  Pirquet  scher  Reaktion  Bazillen 
n  Blut  finden.  Sicherlich  genügt  aber  die  Tatsache,  dass  sich 
uch  bei  inaktiver  Tuberkulose  Bazillen  im  Blut  nachweisen 
issen,  um  aus  dem  Vorkommen  von  Bazillen  im  Blut  allein 
icht  die  Diagnose  Lungentuberkulose  stellen  zu  dürfen. 

Bei  den  drei  verdächtigen  Fällen,  die  ich  untersuchte,  fand 
h  bei  zweien  Tuberkelbazillen  im  Blut.  Beide  Fälle  stellten 
ch  später  als  sichere  Lungentuberkulosen  heraus.  Der 
ritte  wurde  vor  einiger  Zeit  geheilt  aus  dem  Krankenhause 
ntlassen. 

Aehnlich  wie  bei  der  Lungentuberkulose  fielen  meine 
ntersuchungen  bei  Fällen  von  chirurgischer  Tuberkulose  aus. 
amtliche  10  Fälle,  die  mir  zur  Untersuchung  in  liebens- 
iirdiger  Weise  von  Herrn  Oberarzt  Dr.  Haver  zur  Ver- 
igung  gestellt  wurden,  waren  klinisch  frei  von  irgend  welchen 
rscheinungen  einer  Lungenerkrankung.  Man  konnte  also  an- 
ehmen,  dass  die  Ausschwemmung  von  Bazillen  ins  Blut  von 
ein  betreffenden  Herde  ausging.  Auch  hier  wieder  stand  die 
ahl  der  Bazillen,  die  ich  fand,  nicht  im  geringsten  im  Ver- 
ältnis  zur  Schwere  des  tuberkulösen  Prozesses.  Mehr  als 
—6  Bazillen  fand  ich  in  keinem  Falle  mit  Ausnahme  eines 
alles,  bei  dem  ich  nach  gründlicher  Durchmusterung  des  Sedi- 
tentes  ca.  10  Bazillen  nachweisen  konnte.  (Der  einzige  Fall, 
d  dem  ich  mehr  als  6  Bazillen  fand.)  Dieser  Fall  bot  keines- 
'egs  schwere  tuberkulöse  Erscheinungen  dar,  sondern  eine 
cherlich  wohl  noch  im  Anfang  stehende  Erkrankung  der 
andwurzelknochen,  während  gerade  in  diesem  Falle  auch 
arch  das  Röntgenbild  eine  Infektion  der  Lungen  aus- 
aschlossen  werden  konnte. 

Dass  die  Ausschwemmung  der  Tuberkelbazilleu  ins  Blut  von 
nein  einzelnen  Herde  ausgeht,  konnte  ich  in  idealer  Weise  bei  einem 
alle  nachweisen,  bei  dem  es  sich  klinisch  und  pathologisch-ana- 
misch  um  eine  Tuberkulose  des  Nebenhodens  mit  Uebergreifen  auf 
n  Hoden  handelte.  Zugleich  war  anamnestisch  eine  syphilitische  Fi¬ 
ktion  zu  erheben.  Die  später  ausgeführte  Wassermann  sehe 
eaktion  war  positiv.  Ich  untersuchte  das  Blut  zunächst  bei  der  Auf¬ 
ihme  des  Patienten  im  Krankenhaus  und  fand  Tuberkelbazillen  im 


Blut.  Um  zu  sehen,  ob  mit  Entfernung  des  kranken  Herdes  die 
Bazillen  auch  aus  dem  Blute  verschwinden,  untersuchte  ich  das  Blut 
zum  zweiten  Male  ca.  14  Tage  nach  Exstirpation  des  Nebenhodens 
und  Hodens,  und  trotzdem  ich  zweimal  Blut  entnahm  und  das  ganze 
Sediment  eitrigst  durchmusterte,  konnte  ich  diesmal  keine  Tuberkel¬ 
bazillen  nachweisen. 

Daraus  lassen  sich  nun  verschiedene  Schlüsse  ziehen.  Zu¬ 
nächst  findet  von  einem  tuberkulösen  Herde  aus  andauernd 
eine  Ausschwemmung  von  Bazillen  ins  Blut  statt.  Die  Ba¬ 
zillen  verschwinden,  wenn  der  tuberkulöse  Herd  entfernt  wird. 
Eine  bestehende  Lues  oder  vielmehr  eine  positive  Wasser¬ 
mann  sehe  Reaktion  schliesscn  nicht  die  Existenz  von  Tu¬ 
berkelbazillen  im  Blute  aus.  Es  muss  allerdings  hervor¬ 
gehoben  werden,  dass  gleich  nach  der  Exstirpation  des  Hoden 
eine  kräftige  antiluetische  Kur  (Schmierkur  und  Salvarsan- 
injektion)  eingeleitet  wurde  und  es  wäre  immerhin  möglich, 
dass  die  dadurch  zugeführten  Gifte  die  Tuberkelbazillen  zum 
Absterben  und  Verschwinden  gebracht  hätten.  Vor  2  Jahren 
haben  Herxheim  er  und  A  1 1  m  a  n  n  (D.  med.  Wochen- 
schr.  1911,  No.  10,  p.  441)  nachgewiesen,  dass  die  theoretische 
Möglichkeit  der  Beeinflussung  tuberkulöser  Prozesse  durch 
Salvarsan  besteht.  Ob  auch  die  Tuberkelbazillen  nach  einer 
Salvarsaninjektion  aus  dem  Blute  verschwinden,  kann  man 
leicht  nachweisen,  indem  man  bei  einem  Phthisiker,  bei  dem 
Bazillen  im  Blute  nachgewiesen  sind,  eine  antiluetische  Kur 
einleitet.  Bei  einem  Fall,  wie  dem  beschriebenen,  kann  man 
mit  Leichtigkeit  durch  systematische  Blutuntersuchungen  die 
Dauer  der  Lebensfähigkeit  der  Tuberkelbazillen  im  Blut  fest¬ 
stellen.  Es  steht  allerdings  noch  die  Frage  offen,  wie  die 
Infektion  im  Hoden  stattgefunden  hat.  Denn  wenn  man  an¬ 
nehmen  wollte,  dass  das  Vorhandensein  von  Bazillen  im 
Blut  das  Primäre  wäre,  so  könnte  man  sich  noch  nicht  er¬ 
klären,  warum  durch  die  Entfernung  des  durch  die  Bazillen 
infizierten  Herdes  die  Bazillen  aus  dem  Blute  verschwinden 
sollten.  Vielleicht  wäre  es  möglich,  dass  irgendwo  im  Körper, 
etwa  in  der  Lunge,  ein  vielleicht  abgeheilter  Herd  existiert, 
der  die  Bazillen  ins  Blut  geliefert  hat  und  von  dem  aus  die 
sekundäre  Infektion  des  Hodbns  stattgefunden  hat. 

Von  den  10  chirurgischen  Fällen,  die  ich  untersuchte,  er¬ 
zielte  ich  bei  8  Fällen  positive  Resultate.  Die  beiden  nega¬ 
tiven  waren  keine  sicheren,  aber  immerhin  wahrscheinliche 
Tuberkulosen.  Ob  sich  bei  den  beiden  Fällen  wirklich  keine 
Bazillen  im  Blut  fanden,  oder  ob  das  negative  Resultat  auf 
die  Untersuchungstechnik  zurückzuführen  ist,  vermag  ich  nicht 
zu  entscheiden.  Jedenfalls  kann  ich  aber  mit  Sicherheit  sagen, 
dass* gerade  bei  den  Fällen  vor  chirurgischer  Tuberkulose  der 
Blutbefund  von  allerhöchster  diagnostischer  Bedeutung  ist. 
Wir  hatten  an  unserem  Krankenhause  schliesslich  sogar  ein 
solches  Vertrauen  zu  der  Blutuntersuchung,  dass  wir  uns  in 
unklaren  Fällen  völlig  darauf  stützten. 

Alle  diese  Untersuchungen  hätten  jedoch  nicht  die  ge¬ 
ringste  praktische  Bedeutung,  wenn  die  Behauptung  mehrerer 
Autoren,  dass  auch  im  Blut  Gesunder  Tuberkelbazillen  vor¬ 
kämen,  zuträfe.  Um  die  Frage  zu  prüfen,  untersuchte  ich  das 
Blut  solcher,  die  weder  hereditär  belastet  waren,  noch  klinisch 
irgendwelche  Symptome  einer  tuberkulösen  Infektion  boten. 
Ich  legte  bei  der  Auswahl  dieser  Personen  vor  allem  auch 
Wert  darauf,  dass  der  Habitis  phthisicus  fehlte,  und  dass  sie 
nicht  in  Gemeinschaft  lebten  mit  mit  Tuberkulose  behafteten 
Menschen.  Am  besten  wäre  es,  man  nähme  nur  solche  Per¬ 
sonen,  bei  denen  die  Pirquet  sehe  Reaktion  negativ  ist.  Wie 
wichtig  es  ist,  dass  man  in  der  Auswahl  der  Gesunden  vor¬ 
sichtig  ist,  ersieht  man  daraus,  dass  z.  B.  Kurashige  von 
seinen  20  anscheinend  Gesunden  sagt,  dass  im  Laufe  von 
8  Monaten  3  an  tuberkulöser  Brustfellentzündung  und  2  an 
Initialhämoptoe  gelitten  hätten.  Ich  habe  die  Pirquet  sebe 
Reaktion  zwar  nicht  ausgeführt,  habe  aber  von  sämtlichen 
Gesunden  ein  Röntgenbild  angefertigt,  so  dass  ich  bei  ihnen, 
soweit  es  eben  möglich  ist,  die  tuberkulöse  Infektion  aus- 
schliessen  kann.  Ich  fand  nun  bei  keinem  dieser  Gesunden 
Bazillen  im  Blut;  damit  kann  ich  also  annehmen,  dass  das 
Vorkommen  von  Bazillen  im  Blut  spezifisch  ist  für  tuberkulös 
Erkrankte. 


•406 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  _  No.  8. 


Ans  der  chirurgischen  Klinik  Marburg  (Direktor:  Prof. 

Dr.  Koni  g). 

Wundbehandlung  mit  Zucker. 

Von  Dr.  Georg  Magnus,  Assistent  der  Klinik. 

Die  Tatsache,  dass  der  Zucker  imstande  ist,  die  Fäulnis 
zu  verhindern  oder  aufzuhalten,  war  schon  den  Alten  bekannt. 
Das  „Einmachen“  der  Leichen  zum  Zwecke  der  Konservierung 
mit  Honig  und  Zucker  zeugt  von  dieser  Kenntnis;  auch  Galen 
erwähnt  die  fäulniswidrige  Eigenschaft  des  Zuckers 
(Fischer)  [5].  Im  Haushalt  wird  von  dieser  Erfahrung  sehr 
stark  Gebrauch  gemacht.  Die  Hausfrau  füllt,  sofern  sie  sich 
nicht  des  Weck  sehen  Apparates  bedient,  noch  heute  ihre 
eingekochten  Früchte  in  unsterile  Gefässe  und  erklärt  ein 
späteres  Verderben  damit,  dass  sie  „nicht  süss  genug  ge¬ 
wesen  seien.  Die  Möglichkeit,  Fleisch  in  roher  Milch  zu  kon¬ 
servieren,  beruht  auf  der  Anwesenheit  des  Milchzuckers,  der 
sauer  vergärt  und  eine  alkalische  Fäulnis  nicht  aufkommen 
lässt,  eine  Erklärung,  die  allerdings  auf  Widerspruch  stösst. 
Fischer  [5]  stellte  bereits  1885  fest,  dass  Hydrozelenflüssig- 
keit  mit  einem  Zusatz  von  25  Proz.  Zucker  sich  18  Tage  lang 
hielt,  ohne  in  Fäulnis  überzugehen.  Die  saure  Reaktion  des 
Gemisches  blieb  dabei  erhalten.  H  i  r  s  c  h  1  e  r  fand  1886,  dass 
die  Bildung  aromatischer  Faulkörper  bei  Anwesenheit  von 
Zucker  ausbleibt.  Kuhn  [9]  beobachtete  bei  seinen  Unter¬ 
suchungen  über  die  Leichenfäulnis  im  Jahre  1891,  dass  Proteus 
bei  Anwesenheit  von  Zucker  im  Nährboden  zuerst  diesen  unter 
Säurebildung  vergärt,  ohne  dass  aromatische  Fäulnisprodukte 
entstehen.  Auch  Milch  wird  durch  Proteus  nicht  zur  Fäulnis 
gebracht,  wohl  aber  wird  sie  unter  Milchsäurebildung  sauer. 
Der  Bazillus  stirbt  schliesslich  auf  dem  sauren  Nährboden  ab. 
Bei  Anwesenheit  von  Kohlehydraten  im  Nährboden:  saure 
Vergärung  derselben  mit  Verhinderung  alkalischer  Eiweiss¬ 
zersetzung,  das  ist  auch  kurz  das  Resultat  späterer  Unter¬ 
suchungen.  (Boehncke,  Fischer  [6],  Kuhn  [10]). 

Diese  Erfahrungstatsache  führte  frühzeitig  zu  therapeutischen 
Versuchen.  Fischer[5l  zitiert  Arbeiten  aus  dem  17.  und ^  18.  Jahi- 
hundert.  die  den  Zucker  besonders  für  jauchende  und  ..faule“  Wunden 
empfehlen;  später  hat  ihn  besonders  Billroth  beim  Hospitalbrand 
verwende.  Fischer  [4,  5l  selbst  gebraucht  ihn.  um  nach  giünd- 
licher  Sublimatdesinfektion  der  Wunde,  speziell  der  Naht,  dieselne 
„vor  Infektion  von  aussen  her  zu  schützen  und  die  Wundsekrete 
unzersetzt  zu  erhalten“.  Er  empfiehlt  zu  d'es°m  Zwecke  die  An¬ 
fertigung  eines  ..Zuckersackes“,  der  6 — 10  Tage  auf  der  genahten 
Wunde  liegen  bleibt.  Bei  Substanzdefekten  hat  er  den  Zucker  auch 
unmittelbar  auf  die  Wundfläche  gestreut.  Fischer  widerrät  i^doch 
s°ine  Anwendung  bei  ausgedehnter  Eiterung,  ..da  sich  der  Zucker 
bei  reichlicher  Sekretion  der  Wunde  löst  und  dadurch  Unbeouemlich- 
keiten  bereitet“.  Neuerdings  empfiehlt  Herz  die  Verwendung  des 
Rohrzuckers  bei  grossen  Substanzverlusten  der  Weichteile,  „wo  es 
sich  darum  handelt,  eine  starke  Sekretion  hintan  zu  halten  und 
gleichzeitig  die  Qranulationsbildung  anzuregen“.  Herz  geht  dabei 
von  dpm  Gedanken  aus,  dass  der  Zucker  „bei  seiner  chemischen 
Affinität  mit  Alkohol“  so  wirke,  dass  er  ..dem  Gewebe  Wasser  ent¬ 
zieht  und  so  den  Bakterien  ihr  Lebenselement  nimmt. 

Kürzlich  hat  Kuhn  HO,  Ul  die  Znckerbehandlung  der  Bauchfell¬ 
entzündung  warm  empfohl°n.  Ptomain-  und  1  oxinbildungen  werden 
bei  Anwesenheit  von  Kohlehydrat  verhindert  oder  verzögert,  die  Se¬ 
kretion  wird  angeregt,  die  Fibrinausscheidung  und  damit  die  Ver¬ 
klebung  der  Darmschlingen  wird  gehemmt.  Kuhn  sniilt  mit  4  proz., 
d.  h.  physiologischer,  Traubenzuckerlösung  und  will  gegen  Ende 
der  Spülung  den  Versuch  machen,  eine  10 — 20  proz.  Lösung  in  die 
Bauchhöhle  einzubringen. 

Lennander  erwähnt  ganz  kurz,  dass  man  den  ramnon  bei 
der  Nachbehandlung  der  Peritonitis  durch  Aufträufebmg  von  Oberin 
oder  Traubenzucker  hydrophil  machen  kann.  Er  selber  hat  bei  Fällen 
langwieriger  Peritonitis  schon  bei  der  Operation  sterilen  Trauben¬ 
zucker  an  die  kranken  Serosoflächen  eingebracht,  „um  eine  reich¬ 
liche  Sekretion  durch  d°n  Verband  nach  aussen  zu  erzielen“ 

Dass  Zucker  in  der  inneren  Medizin  gegen  pathologische 
Darmfäulnis  gegeben  wird,  dass  man  ihn  als  Korrigens  und 
Vehikel  für  andere  Medikamente  gebraucht,  dass  schliesslich 
die  Augenärzte  Zuckerspülungen  bei  Kalkverätzungen  an 
Kornea  und  Koniunktiva  verwenden,  mag  hier  nur  erwähnt 
sein.  An  der  Marburger  chirurgischen  Klinik  sind  in  den 
letzten  3  Monaten  Versuche  einer  Wundbehandlung  mit  Zucker 
gemacht  worden,  über  die  ich  kurz  berichten  möchte. 

Es  wurde  zu  therapeutischen  Zwecken  nur  der  Zucker  in 
Substanz  angewendet.  Nachdem  eine  grössere  Reihe  von 
Parallelversuchen  mit  Rohrzucker  und  Traubenzucker  ange¬ 


stellt  worden  war,  ohne  dass  sich  wesentliche  Unterschiede 
dabei  ergeben,  hatten,  wurde  nur  noch  ersterei  verwendet. 
Die  Schwierigkeit  der  Sterilisation  führte  zu  Untersuchungen 
über  den  Keimgehalt  des  käuflichen  Zuckers,  die  teils  hier  in 
der  Klinik,  teils  im  hiesigen  Institut  für  Infektionskrankheiten 
angestellt  wurden.  Die  Proben  stammten  aus  drei  ver¬ 
schiedenen  Geschäften.  Zur  Untersuchung  wurde  ohne  jede 
Vorbereitung  der  Zucker  in  ein  Glasgefäss  geschüttet,  aus 
diesem  dann  kleine  Quantitäten  mit  der  Platinöse  entnommen 
und  auf  verschiedenen  Nährböden  ausgesät.  Das  Resultat  war 
folgendes: 


Zahl 

Nährboden 

Resultat 
-  1  + 

Gewachsene  Keime 

18 

Agar . 

15 

3 

( 1  x  Heubazillus 
\2  x  Kartoffelbazillus 

11 

Bouillon . 

9 

2 

2  X  Heubazillus 

3 

Bouillon  mit  Luftabschl. 

3 

— 

— 

2 

Gelatine . 

2 

— 

— 

2 

Peptonwasser  .... 

2 

— 

— 

2 

Serum-Agar  .  . 

2 

— 

— 

2 

Kartoffel . 

2 

— 

— 

1 

Lackmus-Molken  .  .  . 

1 

— 

— 

1 

Neutralrot-Agar  .  .  . 

1 

— 

— 

1 

Traubenzucker-Agar  . 

1 

— 

— 

1 

Milch . 

1 

— 

44 

39 

5 

Es  hatten  sich  also  im  käuflichen  Rübenzucker  in  keinem 
einzigen  Falle  pathogene  Bakterien  nachweisen  lassen.  Von 
sämtlichen  Kulturen  waren  89  Proz.  überhaupt  steril  geblieben; 
auf  dem  Rest  waren  harmlose  Saprophyten  gewachsen.  Auf 
Grund  dieses  Resultates  wurde  der  käufliche  Rübenzucker 
ohne  jede  Vorbereitung  zur  Wundbehandlung  verwendet. 
Irgendwelche  üblen  Folgen  dieses  Verfahrens  wurden  nicht 
beobachtet. 

Die  Toleranz  des  Körpers  gegenüber  Zuckerlösungen  ist 
erwiesen  (Alter,  Berendes,  Friedrich,  Kausch  [7]). 
Letzterer  infundierte  1000  ccm  und  mehr  einer  5  proz.  Trauben¬ 
zuckerlösung  subkutan,  einer  10  proz.  intravenös,  stets  mit 
gutem  Erfolg.  Ich  habe  mir  selber  10  proz.  Rohrzuckerlösung 
subkutan  injiziert,  zugleich  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
am  andern  Arm.  Weder  subjektiv  noch  in  der  Dauer  der 
Resorption  waren  Unterschiede  festzustellen.  Ein  gleicher 
Versuch  an  einem  unbefangenen  Menschen  verlief  ebenso.  Es 
wurden  ferner  Kaninchen  Zuckerlösungen  injiziert  —  sub¬ 
kutan,  intraperitoneal  und  intraartikulär  —  in  Konzentrationen 
bis  zu  30  Proz.  und  in  Mengen  von  20  ccm.  Sämtliche  In¬ 
jektionen  wurden  gut  vertragen  und  waren  am  nächsten  Tage 
resorbiert.  In  keinem  Falle  wurden  Nekrosen  beobachtet. 
Schliesslich  wurde  einem  grossen  v/eissen  Albino  ein  5  g 
schweres  Stück  Zucker  unter  die  Bauchhaut  versenkt,  die 
Wunde  v/asserdicht  darüber  geschlossen.  Nach  35  Minuten 
war  das  Stück  Zucker  völlig  gelöst,  während  gleichzeitig  in 
handtellergrosser  Ausdehnung  ein  schwappendes  Oedem  auf¬ 
getreten  war.  Dieses  war  nach  60  Minuten  fast  ganz  wieder 
resorbiert.  Die  Wunde  wurde  am  übernächsten  Tage  geöffnet 
und  zeigte  keinerlei  Nekrosen,  sondern  ein  ganz  intaktes  Ge¬ 
webe.  Eine  Schädigung  des  Körpers  hatte  sich  also  trotz  der 
sicherlich  recht  stürmischen  osmotischen  Vorgänge  nirgends 
gezeigt. 

Diese  Osmose  und  die  direkt  bakterizide  Wirkung  der 
Wasserentziehung  steht  im  Vordergründe  —  vor  der  Beein¬ 
flussung  des  Gärungs-  und  Fäulnisprozesses  — ,  sobald  man 
hochkonzentrierte  Lösungen  oder  sogar  Zucker  in  Substanz 
verwendet.  Sie  ist  es  wohl  auch,  welche  die  Selbstreinigung 
des  Zuckers  besorgt.  Wenn  Heu-  und  Kartoffelbazillus  resn. 
ihre  Sporen  ständige  Bewohner  des  Zuckers  sind,  so  würde 
diese  Tatsache  damit  in  Einklang  stehen.  Dass  dann  auch 
Tetanus-  und  Anthraxsporen  nicht  abgetötet  werden,  ist  sehr 
wahrscheinlich,  und  diese  Gefahr  müsste  Berücksichtigung 
finden.  Auch  dürften  genauere  Untersuchungen  über  das  Ver¬ 
halten  der  Anaerobier  in  dieser  Hinsicht  am  Platze  sein. 

Fischer  [6]  teilt  die  Bakterien  ein  in  solche,  die  durch 
Wasserentziehung  geschädigt,  und  die  nicht  geschädigt 
werden.  Zu  ersteren  gehört  von  den  pathogenen  Keimen  der 


!;.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


407 


/ozyaneus,  zu  letzteren  der  Staphylokokkus.  Bei  den  Kultur- 
rsuchcn  wurde  ausser  den  beiden  genannten  noch  der 
reptokokkus  berücksichtigt.  Aus  Reinkulturen  in  Bouillon 
urde  auf  Bouillon  geimpft,  die  mit  Zuckerzusatz  versehen 
ir,  um  immer  10  Proz.  steigend  bis  auf  70  Proz.,  schliesslich 
ersättigt.  Das  Resultat  der  Versuche  war  bei  Pyozyaneus 
d  Streptokokkus  das  gleiche:  am  nächsten  Tage  war  die 
proz.  Zuckerbouillon  trübe,  am  2.  auch  die  20  proz.,  die 
irigen  blieben  steril.  Dass  der  Pyozyaneus  dabei  seine 
ihigkeit  Farbstoff  zu  bilden  eingebiisst  hatte,  ist  nach  den 
sichen  Erfahrungen  bei  Staphylococcus  aureus  nichts  Auf- 
lendes. 

Der  Staphylokokkus  verhielt  sich,  wie  zu  erwarten  stand, 
i  diesen  Versuchen  etwas  anders.  Er  wuchs  in  drei  ver- 
hiedenen  Reihen  noch  auf  40  proz.  Zuckerbouillon,  auf 
.  proz.  nicht  mehr.  Die  Trübung  der  Kulturen  erfolgte  dabei 
:ht  gleichmässig,  sondern  bei  10  Proz.  am  1.  oder  2.  Tage, 
i  20—40  Proz.  am  2.  oder  3.  Tage. 

Neben  diesen  Versuchen  über  Wachstunisbehinderung  bei 
ückerzusatz  zum  Nährboden  liess  sich  feststellen,  dass  auch 

i  Abtöten  entwickelter  Keime  durch  Uebersättigung  mit 
cker  erfolgen  kann.  Virulenter  Streptokokkeneiter  wurde 
ils  mit  Zucker  übersättigt,  teils  ohne  irgendwelche  Vor- 
1  Handlungen  in  den  Brutschrank  gebracht.  Bei  täglicher  Ab- 
ipfung  auf  Bouillon  blieben  die  Kulturen  aus  dem  mit  Zucker 

ersättigten  Eiter  steril,  während  die  aus  dem  nicht  ver¬ 
handelten  bis  zum  4.  Tage  angingen.  Dieser  Versuch  wurde 

ii  zweites  Mal  bei  Zimmertemperatur  angestellt  und  verlief 
i  enfalls  einwandfrei. 

Diese  selben  Verhältnisse  —  bakterienhaltiges  Material 
i  t  Zuckerzusatz  im  Ueberschuss  —  treten  ein,  wenn  man 
i  cker  in  Substanz  in  eine  infizierte  Wunde  schüttet.  Werden 
e  Bakterien  auch  nicht  durchweg  abgetötet,  z.  B.  die 
laphylokokken,  so  werden  doch  ihre  Lebensbedingungen 

■  esentlich  verschlechtert,  solange  sich  hochkonzentrierte 
Äsungen  in  der  Wunde  befinden.  Allmählich  gleicht  sich 
i  rch  osmotische  Vorgänge  diese  Konzentration  aus,  es  wird 
un  Gewebe  energisch  Wasser  entzogen,  eine  sehr  heftige 

kretion  tritt  ein.  So  wurde  eine  tiefe  Wunde  von  3  X  12  cm 
isdehnung  und  1  cm  Tiefe  trocken  ausgetupft  und  mit  Zucker 
:  sgefiillt ;  ein  Verband  blieb  fort,  um  die  Beobachtung  zu 
möglichen.  Bereits  nach  10  Minuten  war  die  ganze  Zucker¬ 
usse  durchfeuchtet,  nach  15  Minuten  begann  ein  vollkommen 
Irres,  dickflüssiges  Sekret  über  den  Rand  der  Wunde  zu 
I  ifen. 

Sehr  wesentlich  scheint  mir  die  von  Kuhn  beobachtete 
i  rinlösende  Wirkung  des  Zuckers  zu  sein.  Fast  immer  ver¬ 
banden  die  schmierigen  Beläge  der  Wunden  ganz  auf- 
i  lend  rasch,  auch  wenn  sie  bereits  lange  Zeit  jeder  anderen 
lerapie  —  Verbände  mit  essigsaurer  Tonerde,  mit  Arg.  nitr.- 
lbe  etc.  —  getrotzt  hatten.  Häufig  konnte  man  eine  völlige 
Einigung  der  Wunde  bereits  nach  2 — 3  maliger  Applikation 
s  Zuckers  beobachten,  so  dass  die  Patienten,  besonders 

■  Iche  mit  einem  alten  Ulcus  cruris,  sich  verschiedentlich  über 
is  „neue  Medikament“  spontan  anerkennend  äusserten.  Ich 
ichte  bei  der  Gelegenheit  bemerken,  dass  es  sich  ratsam 
uGes,  täglichen  Verbandwechsel  vorzunehmen.  Sehr  an¬ 
nehm  macht  sich  dabei  die  starke  Sekretion  bemerkbar, 
lern  die  Verbandstoffe  niemals  an  der  Wunde  festkleben, 
'•m  Zucker  ist  in  den  meisten  Fällen  nichts  mehr  zu  sehen, 
•le  Verbandstoffe  sind  mit  stark  zuckerhaltigem  Sekret  durch- 
inkt  und  absolut  geruchlos.  Diese  Desodorierung  war  in 
mchen  Fällen  sehr  auffallend. 

Ferner  liess  sich  feststellen,  dass  unter  Zuckerbehandlung 

■  Granulationsbildung  eine  günstige  war:  die  Wundflächen 
hen  frisch  aus,  ohne  dass  die  Neigung  zu  übermässiger 
anulationsbildung  vorhanden  war.  Dass  man  hier  und  da 
m  Lapisstift  greifen  musste,  bedarf  wohl  kaum  der  Er- 
ihnung;  es  geschah  jedoch  verhältnismässig  sehr  selten. 
ie  sehr  schnelle  und  glatte  Epithelisierung,  die  sich  häufig 
Machten  liess,  besonders  bei  Ulcus  cruris,  dürfte  wohl  als 
Ige  der  allgemeinen  günstigen  Wundverhältnisse  auf- 
lassen  sein. 


Sehr  charakteristisch  war  das  Verhalten  tuberkulöser 
Prozesse:  sie  blieben  vollkommen  refraktär.  Allerdings  trat 
auch  hier  eine  gewisse  Reinigung  der  Wundflächen  ein,  sowohl 
bei  ulzerösem  Lupus  als  auch  auf  tuberkulösen  Granulationen 
nach  Knochenoperationen,  dann  aber  blieb  der  Prozess  selber 
unbeeinflusst,  so  dass  weitere  Versuche  nach  dieser  Richtung 
nicht  empfohlen  werden  können. 

Im  ganzen  wurden  ungefähr  1(30  Fälle  mit  Zucker  be¬ 
handelt.  Im  Vordergründe  des  Interesses  standen  die  grossen, 
septischen  Wunden  akuter  und  chronischer  Osteomyelitis  und 
die  Unterschenkelgeschwüre,  deren  6  auf  diese  Weise  be¬ 
handelt  wurden.  Das  Wesentliche  über  den  Heilungsverlauf 
ist  bereits  gesagt,  so  dass  ich  auf  genaue  Wiedergabe  der 
Krankengeschichten  verzichte,  und  mich  auf  einige  besonders 
augenfällige  Daten  beschränken  möchte. 

Bei  einem  18  jährigen  Manne  mit  schwerer  Gonitis  wurde  am 
6.  VIII.  das  Gelenk  durch  breite  Inzisionen  eröffnet:  da  der  Prozess 
nicht  zum  Stehen  kam,  wurde  am  27.  VIII.  die  quere  Durchsägung 
der  Patella  vorgenommen.  Am  2.  X.  begann  die  Behandlung  mit 
Zucker.  Es  bestand  eine  Wunde  über  die  ganze  Breite  des  Knies,  die 
60  mm  weit  klaffte,  und  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  mit  schmierigem 
Eiter  belegt  war.  Bereits  am  nächsten  Tage  sah  die  Wundfläche  er¬ 
heblich  frischer  aus,  sie  war  am  6.  fast,  am  10.  X.  vollkommen 
rein,  und  blieb  es  auch.  Die  Breite  betrug  am  14.  nur  noch  52  mm, 
am  19.  noch  44  mm,  am  23.  X.  38  mm,  am  26.  schliesslich  34  mm. 
Dann  wurde  allerdings  das  Tempo  der  Epithelisierung  langsamer, 
wohl  durch  Gewöhnung  an  das  Mittel,  so  dass  heute,  7  Wochen 
später,  noch  immer  ein  8  mm  breiter  Streifen  nicht  überhäutet  ist. 

Ein  46  jähriger  Mann  mit  ausgebreiteten  Varizen  am  linken  Unter¬ 
schenkel  hatte  sich  am  15.  IX.  gestossen.  Es  war  ein  Unterschenkel¬ 
geschwür  entstanden,  d^s  schnell  wuchs,  da  der  Kranke  4  Wochen 
lang  ohne  Behandlung  und  ohne  Verband  damit  arbeitete.  Am  16.  X. 
kam  er  zur  Behandlung  mit  einem  Ulcus  von  50  X  69  mm  Aus¬ 
dehnung,  das  sehr  übel  aussah.  Die  Zuckerbehandlung  wurde  von 
vornherein  angewendet.  Das  Geschwür  reinigte  sich  überraschend 
schnell  und  verkleinerte  sich  rasch.  Am  24.  X.  betrugen  die  Masse 
60  X  45  mm,  am  20.  XI.  war  das  Ulcus  vollkommen  verheilt  und 
glatt  epithelisiert,  so  dass  am  12.  XII.  die  Exstirpation  der  Varizen 
aseptisch  vorgenommen  werden  .konnte. 

Weiter  wurde  ein  Ulcus  cruris  bei  einem  52jähr.  Manne  be¬ 
handelt,  das  seit  19  Jahren  bestand.  Er  war  bereits  8  Tage  in  der 
Klinik  mit  Bettruhe  und  feuchten  Verbänden  behandelt  worden,  ohne 
dass  sich  an  dem  sehr  schmierigen  Aussehen  des  Geschwürsgrundes 
irgend  etwas  geändert  hätte.  Beim  Beginn  der  Zuckerbehandlung 
am  29.  IX.  betrugen  die  Masse  12  X  25  mm.  Drei  Tage  später  war 
der  Grund  sauber,  und  es  schossen  kräftige  Granulationen  auf.  Am 
6.  X.  war  der  Defekt  auf  %  verkleinert,  am  14.  X.  vollkommen 
geschlossen  und  glatt  iiberhäutet.  Misserfolge  wurden  beim  Ulcus 
cruris  nicht  beobachtet,  wenn  auch  nicht  alle  Fälle  gleich  schnell 
abheilten. 

Sehr  angenehm  machte  sich  die  Wirkung  der  Zucker¬ 
behandlung  bemerkbar  bei  Wunden,  die  in  einem  Winkel 
drainiert  oder  tamponiert  worden  waren.  Diese  kleinen  Sub¬ 
stanzdefekte,  die  häufig  so  sehr  hartnäckig  jeder  Behandlung 
Trotz  bieten,  reinigten  und  schlossen  sich  unter  Zucker  durch¬ 
weg  in  erfreulich  kurzer  Zeit.  Besonders  eindrucksvoll  war 
diese  Wirkung  bei  einer  Fistel  nach  Gelenkresektion,  die 
14  Tage  lang  ohne  jeden  Erfolg  behandelt  worden  war,  und 
die  sich  unter  Zucker  in  3  Tagen  schloss.  Aehnliche  günstige 
Resultate  Hessen  sich  erzielen  bei  drainierten  Operations¬ 
wunden  nach  eitriger  Appendizitis,  Cholezystitis,  auch  nach 
Strumektomien. 

Irgendwelche  Nebenerscheinungen  bei  der  Zuckerbehand¬ 
lung  Hessen  sich  nicht  feststellen.  Besonders  dort,  wo  grosse 
Mengen  auf  ausgedehnten  Wundflächen  appliziert  wurden,  er¬ 
folgten  häufige  Untersuchungen  des  Urins  auf  pathologische 
Bestandteile:  stets  mit  negativem  Erfolg. 

Ich  fasse  zusammen: 

Die  Resultate  der  Wundbehandlungen  mit  Zucker  er¬ 
mutigen  zu  weiteren  Versuchen. 

Seine  desinfizierende  und  fäulniswidrige  Wirkung,  die 
Fibrinlösung,  die  Anregung  der  Sekretion  durch  heftige  osmo¬ 
tische  Vorgänge  —  gleichsam  eine  Serumspülung  der 
Wunde  von  innen  nach  aussen  — ,  alle  diese  Vorgänge  schaffen 
günstige  Heilungsverhältnisse,  die  sich  in  schneller  Reinigung, 
Desodorierung,  gesunder  Granulationsbildung  und  rascher 
Ueberhäutung  manifestieren. 

Der  Zucker  stellt  ein  ungefährliches,  billiges  und  allem 
Anschein  nach  für  praktische  Zwecke  selbst  steriles 
Medikament  dar. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


408 


Literatur. 

l.ßerendes:  Zentralbl.  f.  Chir.,  1910,  No.  37.  —  2.  B  o  e  h  n  c  k  e : 
Arch  f.  Hvg.,  1911,  H.  2.  —  3.  Herz:  Med.  Zentralztg.,  1912,  No.  45. 
—  4.  Fischer:  Zentralbl.  f.  Chir.,  1883,  No.  34.  —  5.  D  e  r  s  e  1  b  e : 
Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  1885,  S.  225.  —  6.  Fischer:  Vorl. 
über  Bakterien.  Jena  1903.  —  7.  Kausch:  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schrift.  191 1,  No.  1.  —  8.  D  e  r  s  e  1  b  e :  Deutsche  med.  Wochenschrift, 
1911,  No.  14.  —  9.  Kuhn:  Arch.  f.  Hyg.,  1891.  —  10.  Derselbe: 
Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd.  96,  1911.  —  11.  Derselbe:  Münch,  med. 
Wochenschrift  191 1.  No.  38.  —  12.  L  e  n  n  a  n  d  e  r :  Deutsche  Zeitschr. 
für  Chirurgie,  1906. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena  (Direktor:  üeh.  Rat 
Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Ein  Beitrag  zur  Aderlasstherapie  bei  Polyzythämie. 

Von  Dr.  A  Ihr  echt  Wagner,  früherem  Medizinalpraktikanten 

der  Klinik. 

Dem  Krankheitsbilde  der  Polyzythämie  ist  in  letzter  Zeit 
ein  erhöhtes  Interesse  zugewandt  worden.  Man  wusste,  dass 
es  krankhafte  Zustände  gibt,  in  denen  eine  Vermehrung  der 
roten  Blutkörperchen  auf  7 — 10000000  zustande  kommt,  man 
bestritt  jedoch,  dass  es  eine  wahre  Plethora  gebe.  Das  Vor¬ 
kommen  eines  derartigen  Zustandes  kann  aber  heutzutage 
nicht  mehr  geleugnet  werden.  Im  wesentlichen  beschäftigen 
sich  die  zahlreichen  neuen  Arbeiten  mit  der  Klärung  der  noch 
immer  dunklen  Aetiologie  der  Polyzythämie.  Was  darüber 
in  jüngster  Zeit  bekannt  geworden  ist,  habe  ich  auf  Ver¬ 
anlassung  von  Herrn  Prof.  Stintzing  in  meiner  Disser¬ 
tation  *)  an  der  Hand  von  drei  selbst  beobachteten  Fällen  zu¬ 
sammengestellt.  Es  handelte  sich  in  der  Arbeit  ausserdem 
um  einen  Beitrag  zu  der  Frage,  in  welcher  Weise  eine 
systematisch  durchgeführte  Aderlasstherapie  das  Krankheits¬ 
bild  beeinflusst.  Die  Ergebnisse  der  an  den  drei  beobachteten 
Fällen  gemachten  Beobachtungen  waren  kurz  folgende: 

Der  Aderlass  hat  in  der  Therapie  der  Polyzythämie, 
systematisch  angewandt,  gute  Erfolge,  insofern  er  einen 
Teil  der  sehr  lästigen  subjektiven  Beschwerden  vermindert 
und  bei  den  Patienten  schon  nach  verhältnismässig  ge¬ 
ringen  Mengen  ein  Gefühl  wesentlicher  Erleichterung  zu¬ 
stande  bringt.  Eine  regelmässige  Aderlasstherapie  ist 
systematisch  indiziert  bei  sekundärer  Hyperglobulie,  wenn 
das  primäre  Leiden  nicht  zu  beeinflussen  ist.  Der  Erfolg 
liegt  vermutlich  in  der  Steigerung  der  Sauerstoffkapazität 
des  Blutes,  wodurch  ein  Teil  der  als  Kompensation  gegen 
verminderte  Sauerstoffkapazität  dienenden  roten  Blut¬ 
körperchen  überflüssig  wird;  da  die  ohnehin  schon  hohe 
Sauerstoffkapazität  des  Blutes  und  der  ohnehin  schon  ge¬ 
steigerte  Gaswechsel  bei  primärer  Polyzythämie 
nicht  noch  gesteigert  werden  dürfen,  so  ist  in  d  i  e  s  e  n 
Fällen  von  regelmässig  wiederholter  Blut¬ 
entziehung  kaum  ein  Erfolg  zu  erwarten,  ja 
dieselbe  ist  hier  kontraindiziert. 

Es  ergibt  sich  also  hieraus  die  Notwendigkeit,  die  ver¬ 
schiedenen  Formen  der  Polyzythämie  auseinanderzuhalten, 
um  in  der  Indikation  der  Aderlasstherapie  nicht  fehlzugehen. 
Die  Kenntnis  dieser  verschiedenen  Formen  ist  dadurch  er¬ 
schwert,  dass  unter  dem  Namen  Polyzythämie  klinisch  durch¬ 
aus  verschiedene  Krankheitsbilder  zusammengefasst  werden 
und  zwar  auf  Grund  eines,  allerdings  des  wichtigsten  und  dia¬ 
gnostisch  bedeutungsvollsten,  den  verschiedenen  Gruppen  ge¬ 
meinsamen  Symptoms,  nämlich  der  Vermehrung  der  roten 
Blutkörperchen  im  Blute. 

Da  nun  die  drei  in  meiner  Dissertation  beschriebenen 
Fälle  Repräsentanten  der  drei  wichtigsten  Gruppen  darstellen, 
sei  es  mir  gestattet,  dieslben  im  Auszuge  hier  kurz  mit¬ 
zuteilen: 

1.  Fall  von  Erythrozytose  unter  dem  Bilde  der 
Polyzythämie,  verursacht  durch  chronische  Bron¬ 
chitis  und  Emphysem. 

Anamnese:  39 jähr.  landwirtschaftlicher  Arbeiter,  Familien- 
anamnese  gibt  keine  Anhaltspunkte  für  hereditäre  Krankheiten.  Er 
ist  früher  nie  krank  gewesen. 

Die  Krankheit  begann  ziemlich  plötzlich  mit  Magenbeschwerden 
drückender  Art.  Keine  Neigung  zu  Aufstossen  und  Erbrechen. 

*)  Ueber  pathologische  Vermehrung  der  Erythrozyten.  Inaug.- 
Dissertation,  Jena  1912. 


Starke,  namentlich  auf  die  Stirn  lokalisierte  Kopfschmerzen,  Ohren¬ 
sausen,  allgemeine  Schlaffheit,  leicht  eintretende  Ermüdbarkeit,  Kurz¬ 
atmigkeit  während  der  Arbeit.  Stuhl  und  Urinentleerung  o.  B. 

Status:  Kräftiger  Mann,  Gesicht  und  Hände  stark  zyanotisch, 
ebenso  die  sichtbaren  Schleimhäute.  Starke  Füllung  der  ober¬ 
flächlichen  Venen  des  Körpers. 

Die  Lungen  sind  emphysematisch,  die  Grenzen  stehen  tief,  sind 
schlecht  verschieblich.  Ausserdem  bestehen  Zeichen  diffuser  Bron¬ 
chitis.  Das  Herz  ist  nach  rechts  und  links  etwas  verbreitert;  die 
Töne  sind  rein,  stets  regelmässig,  90;  Blutdruck  128  mm  Hg.  Bauch 
etwas  aufgetrieben.  Leber  nicht,  Milz  etwas  vergrössert  (Masse 
18:11).  Linksseitige,  reponible  Leistenhernie.  Im  Urin  Spuren  von 
Albuinen,  einzelne  hyaline  Zylinder.  Zahl  der  Erythrozyten  6  604  000. 
Ausserdem  besteht  die  von  Behr  beschriebene  (Klin.  Monatsblätter 
für  Augenheilkunde,  Mai — Juni  1911)  charakteristische  Veränderung 
des  Fundus  bulbi. 

Bei  dem  Kranken  wurden  im  ganzen  4  Blutentnahmen  durch 
Venaepunktion  von  300 — 350  ccm  gemacht.  Jedesmal  trat  danach’ 
eine  ganz  wesentliche  Erleichterung  ein;  die  blaurote  Farbe  des 
Gesichts  wurde  geringer;  die  ausserordentlich  starken  und  den  Pa¬ 
tienten  sehr  belästigenden  Schweisse  traten  wesentlich  seltener  au: 
Die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  fiel  im  Laufe  der  Zeit  von  fast 
7  000  000  auf  fast  5  000  000,  sie  nahm  also  etwa  um  1  700  000  Zellen 
ab  und  der  Kranke  konnte  gebessert  und  arbeitsfähig  entlassen 
weiden,  obgleich  die  Bronchitis  zeitweise  wieder  aufflackerte. 

2.  Fall  von  Polycythaemia  megalosplenica. 
übergehend  in  Polycythaemia  hypertonica. 

49  jähriger  Handarbeiter  in  einer  Maschinenfabrik.  Familien¬ 
anamnese  gibt  keine  Anhaltspunkte  für  erblich  belastende  Krank¬ 
heiten.  Als  Kind  hatte  er  Scharlach,  sonst  war  er  nie  ernstlich  krank 
Die  jetzige  Erkrankung  begann  mit  Mattigkeit  und  Uebelkeit;  kein, 
Erbrechen.  Oft  Schwindel  und  Kopfschmerzen.  Starke  Schweisse: 
nie  Husten.  Im  Krankenhause  zu  A.  wurde  die  stark  vergrösserte 
Milz  mit  Röntgenstrahlen  behandelt,  wodurch  der  Milztumor  zurück- 
ging  und  das  Allgemeinbefinden  wesentlich  gebessert  wurde. 

Status:  Mittelgrosser,  in  der  Ernährung  reduzierter  Mann 
Starke  Rötung  der  Haut  und  der  sichtbaren  Schleimhäute. 

Lungen  o.  B.,  abgesehen  von  geringer  Schallverkürzung  übei 
der  rechten  Spitze.  Herzdämpfung  nach  rechts  verbreitert.  Tom 
rein,  Puls  voll,  regelmässig.  84.  Blutdruck  150  mm  Hg."  Leberram 
2  Querfinger  unterhalb  des  Rippenbogens.  Milz  reicht  bis  zur  Line; 
alba:  Masse  33:14.  Im  Urin  0,5  Prom.  Albumen,  einzelne  Zylinder 
Erythrozyten  7  936  000. 

Auch  bei  diesem  Patienten  hatten  die  Aderlässe  subjekti' 
günstigen  Erfolg.  Allerdings  traten  schon  1 — 2  Tage  nach  den 
Aderlass  die  Beschwerden  wieder  erneut  hervor.  Die  Zahl  der  rotei 
Blutkörperchen  schwankte  zwischen  fast  8000000  und  fast  900009 
und  ging  nach  den  Aderlässen  bis  auf  fast  6  000  000  zurück,  um  iedoc! 
schon  nach  wenigen  Tagen  wieder  die  alten  Werte  zu  erreichen 
Auch  dieser  Patient  empfand  es  als  eine  grosse  Erleichterung,  das 
nach  den  Aderlässen  die  höchst  lästigen  Schweisse  bis  auf  gering 
Spuren  zurückgingen.  Bei  seiner  Entlassung  hielt  er  sich  selber  fii 
gebessert.  Die  übrigen  Symptome  wie  Milzvergrösserung  usv 
Blutdrucksteigerung,  wurden  nicht  beeinflusst. 

3.  Fall  von  Polycythaemia  megalosplenica. 

35  jähriger  Bahnarbeiter.  Ein  Kind  starb  11  Monate  alt  an  Ent 
ziindung  der  Halsdrüsen.  Die  ersten  Beschwerden  waren  allnüihlic 
an  Stärke  zunehmende  Schmerzen  in  der  linken  Oberbauchgegem 
Appetit  leidlich,  zeitweise  starke  Schweisse. 

Status:  Gesichtsfarbe  und  Lippen  rot;  starke  Hyperämie  dt 
Schleimhäute.  Zunge  leicht  belegt,  Zahnfleisch  lebhaft  gerötet  un 
gewulstet,  blutet  leicht. 

Die  Lungen  weisen  geringe  Bronchitis  auf.  Herz  o.  B.  Pu! 
regelmässig,  64;  Blutdruck  110  mm  Hg. 

Leber  überragt  den  Rippenbogen  um  7  cm,  die  Milz  um  4  ci 
(Masse  30:11).  Im  Urin  kein  Albumen.  Erythrozyten  7  942  000. 

Bei  diesem  Kranken  wurden  7  Aderlässe  zwischen  300—350  cci 
vorgenommen;  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  ging  dadurch  vo 
fast  9  auf  etwa  6  000  000  zurück.  Die  anfänglich  vorhandene 
Schweisse  sistierten  vollkommen,  und  vorübergehend  fühlte  sich  de 
Kranke  wohler,  ohne  dass  jedoch  eine  über  mehr  als  3 — 4  Tag 
sich  erstreckende  Besserung  eintrat. 

Leber  und  Milz  wurden  nicht  durch  die  Aderlässe  beeinfluss 

Aus  alledem  ergibt  sich,  dass  bei  dem  die  Kranken  sei 
belästigenden  Leiden  die  Aderlasstherapie  versucht  werde 
sollte. 


Dauererfolge  der  Salvarsanabortivkuren  der  Jahre 

1910—1911. 

Von  Dr.  Hugo  Müller,  Hautarzt  in  Mainz. 

Trotz  der  unvermeidlichen  Monotonie  jeder  Statistik  i 
es  Pflicht  eines  jeden  über  grösseres  Material  vertilgende 
Fachmannes  seine  Dauererfolge  bei  Salvarsanabortivkuren  ; 
veröffentlichen.  Allein  auf  diesem  Wege  lässt  sich  ja  fes 
stellen,  dass  wir  unter  Anwendung  von  Salvarsan  wirklk 
etwas  nie  geahntes,  ja  kaum  erhofftes  erreicht  haben. 


Februar  Mt. _ MUENCffENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Schon  früher  betonte  ich  die  glückliche  Lage  des  Prak- 
i:rs  der  Mittelstadt,  sowie  der  Militärlazarettabteilungen 
i  eniiber  dem  Konsiliarius  der  Qrossstadt  bezw.  den  Zivil- 
.  nkenhäusern,  deren  Material  zu  schnell  zersplittern  dürfte, 
nach  1—2  Jahren  wieder  kontrolliert  werden  zu  können. 
Hier  erfolgt  Bericht  über  die  bei  primärer  Syphilis  der 
i  Jemen  Abortivkur  unterzogenen  Privatpatienten  von  Be- 
n  der  Salvarsanära  bis  einschliesslich  Dezember  1911. 
Nachdem  die  Gefahr  des  Wassermann-positiven  Früh- 
Jiums  erkannt  war,  wurden  ausschliesslich  die  negativ 
gierenden  Sklerosenfälle  abortiv  behandelt.  Seitdem 
ben  die  früher  beobachteten  zum  Teil  schweren  Kompli- 
:  ionen  aus  (vergl.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  1). 

Bis  Mitte  1911  erfolgten  in  der  Regel  2,  später  3  intra- 
'  löse  Salvarsaninfusionen  (ä  0,4— 0,5).  Die  zugleich  in  An- 
mdung  gebrachte  Quecksilberkur  wurde  in  den  meisten 
Men  mit  Zielers  40  proz.  Kalomelöl  (5  mal  0,05—0,07)  und 
i  chliessend  mit  40  proz.  Mercinol  (5  mal  0,1—0.14)  durch- 
:  iihrt. 

Sämtliche  hier  mitgeteilten  Fälle  sind  in  zwei-  bis  sechs- 
i  natlichen  Zwischenräumen  bis  Ende  1912  im  B  r  e  n  d  el¬ 
vi  II  er  sehen  Laboratorium  serologisch  geprüft. 

Bis  Ende  Dezember  1911  wurden  39  Wassermann- 
ative  Primäraffekte  behandelt.  Hiervon  entzogen  sich  der 
Handlung  9,  während  die  übrigen  30  Fälle  dauernd  kon- 
:  liert  wurden.  Die  Patienten  gehörten  vorwiegend  gebil- 
I  en  Kreisen  an.  Daher  traten  sie  zum  sehr  grossen  Teil 
.serordentlich  früh  in  Behandlung.  Oft  bestanden  klinisch 
Erosionen,  ohne  schon  deutlich  gewordene  Induration,  so 
s  erst  die  Spirochätendiagnose  im  Dunkelfeld  den  Tat- 
tand  ergab.  Aber  auch  bei  den  typischen  Sklerosen  wurde 
$ '  der  mikroskopische  Pallidabefund  erhoben.  War  die 
ersuchung  verdächtiger  Fälle  im  Dunkelfeld  ergebnislos, 

■  rde  exzidiert  und  nach  Levaditi  im  Krankenhaus  ge¬ 
il  Trotz  der  bekanntlich  oft  erfolglosen  Levaditiunter- 
ihung  gelang  es  gelegentlich  bei  einem  Dunkelfeldversager 
diesem  Wege  die  Pallida  zu  finden  und  den  Fall  für 
l  irtivkur  zu  retten.  Denn  bei  zweifelhafter  Diagnose, 
neuerdings  empfohlen  wird,  sich  zu  der  immerhin  ein- 
ifenden  Therapie  zu  entschliessen,  wird  nur  in  besonderen 
Men  angängig  sein. 

Bei  der  Salvarsanbehandlung  wurde  selbstverständlich, 
in  möglich,  die  übliche  Exzision  des  Primäraffektes  im  ge- 
!  den  Gewebe  beibehalten;  andernfalls  erfolgte  gründliche 
’  iterisation. 

Das  Resultat  der  Abortivkur  konnte  unter  obengenannten 
stigen  Bedingungen  besser  werden,  als  bei  der  oft  zu  spät 
Behandlung  tretenden  Kassenklientel. 

Das  Ergebnis  übersteigt  aber  die  Erwartungen :  30  Fälle 
h  Proz.)  sind  bis  Ende  1912  klinisch  symptom- 
:i  und  serologisch  negativ  geblieben, 
lieber  die  Serie  1912,  welche  vornehmlich  Neosalvarsan- 
h  umfasst,  wird  naturgemäss  erst  später  Bericht  erfolgen 
nen.  Die  Resultate  scheinen  bis  jetzt  im  ganzen  ebenfalls 
’  stig.  Nur  bei  einem  sehr  progredienten  Primäraffekt,  5  bis 
Wochen  post  infectionem,  der  auffallenderweise  noch 
Wsermann-negativ  war,  trat  ohne  Aenderung  der  Blutreak- 
1  Keratitis  parenchym  atosa  annularis  und 
enkaffektion  auf.  Durch  dieses  Vorkommnis  veranlasst,  wie 
Mi  durch  die  naheliegende  Erwägung  der  Kombinations- 
apie  wurden  seitdem  die  Abortivfälle  mit  mindestens 
ier  Altsalvarsandosis  neben  zwei  Neosalvarsaninjektionen 
n  dos.  IV  bis  dos.  VI)  behandelt. 

Eine  besondere  Besprechung  erfordert  die  intramus- 
läre  Salvarsanmethode.  Sie  wurde  im  letzten 
;re  11  mal  bei  5  Fällen  in  Anwendung  gebracht,  wo  aus 
sonderen  Gründen  die  Veneninfusion  unterbleiben  musste, 
r  ist  es  Pflicht,  immer  wieder  auf  die  bei  richtiger  Technik 
ivandfreien  Johainjektionen  zu  verweisen.  Es  ist 
1  der  unausbleiblichen  Routine  vielleicht  leichter,  eine  intra- 
öse  Injektion  zu  machen,  als  eine  wirklich  schmerzlos 
bende  Johaeinspritzung  vorzunehmen.  Aber  die  beigefügte 
irauchsanweisung  ist  so  eingehend,  dass  jeder  Praktiker 
-r  Anwendung  des  Schindler  sehen  Instrumentariums 
kt  danach  arbeiten  kann. 

No.  8. 


Dei  Autor  verspricht  nicht  zu  viel:  Technisch  einwandfrei 
gemacht,  ist  die  Johainjektion  schmerzlos  und  hinterlässt  keine 
dauernden  Infiltrate.  Auch  bei  Frauen  mit  dickem  Fettpolster 
wurde  sie  leicht  ertragen.  Während  ich  jedoch  bei  Venen- 
infusionen  nur  20—24  Stunden  Bettruhe  verlange,  blieben  die 
Patienten  mit  Johainjektionen  mindestens2  Tage  in  voller 
Bettruhe,  um  jede  Senkung  des  Depots  zu  vermeiden;  und 
dieser  Faktor  ist  wohl  für  den  absolut  günstigen  Verlauf  von 
besonderer  Bedeutung. 

In  einer  Zeit,  wo  N  e  i  s  s  e  r  die  Luesbehandlung  aus  einer 
chronisch  intermittierenden  in  eine  chronisch  „permanente“, 
natürlich  nicht  im  strengen  Sinne  des  Wortes,  umzuwandeln 
bemüht  ist,  wird  die  Frage  der  Abortivkur  besonders  aktuell. 
Wenn  N  e  i  s  s  e  r  s  Massnahmen  bei  schon  Wassermann¬ 
positiv  gewordener  Lues  prinzipiell  sich  als  notwendig 
erweisen  sollten,  dann  muss  mit  ganz  besonderem  Eifer  die 
Abortivbekämpfung  im  serologisch  noch  negativ  gebliebenen 
Frühstadium  durchgeführt  werden.  Unsere  bisherigen  Erfolge 
geben  wohl  das  Recht,  zunächst  es  bei  dem  hier  gestellten 
Masse  der  Therapie  bewenden  zu  lassen.  Würden  weitere 
Kuren  auch  bei  serologisch  negativem  Primärstadium  benötigt, 
dann  müsste  ja  die  Bezeichnung  Abortivbehandlung 
aufgegeben  werden.  Bei  schon  positiv  reagierender  Lues 
muss  naturgemäss  die  ganze  Wucht  der  modernen  Behand¬ 
lungsmethoden  einsetzen.  Und  das  —  trotzdem  nicht  ge¬ 
leugnet  werden  kann,  dass  eine  Reihe  von  Fällen  mit  weit 
weniger  Kuren,  als  neuerdings  üblich,  geheilt  werden.  Aber, 
da  niemand  ante  mortem  beatus,  lieber  zu  viel  als  zu  wenig! 
Wer  jedoch  oft  genug  gesehen  hat,  dass  bei  der  10.  Kalomel- 
spritze  frische  Plaques  auftreten,  die  auf  weiteres  Hg  absolut 
nicht  reagieren,  aber  auf  Salvarsan  sofort  verschwinden,  und 
umgekehrt,  der  wird  sein  therapeutisches  Heil  nicht  suchen 
in  übergrossen,  zur  Gewöhnung  führenden  Kuren,  sondern 
durch  geschicktes  Manövrieren  mit  unseren  verschiedenen 
Remedien  in  den  „geeigneten“  Dosen  zum  Ziel  zu  gelangen 
suchen. 

Ueber  die  Höhe  dieser  „geeigneten“  Dosen  ist  ja  leider 
zurzeit  noch  keine  Einigung  erreicht.  Darum  möge  auch  hier 
jeder  ältere  Fachmann,  wie  Jadassohn  gelegentlich  der 
Salvarsantherapie  betonte,  zunächst  seine  eigene  Er¬ 
fahrung  als  Basis  benutzen. 


Röstweizen  als  Diätetikum. 

Beitrag  für  den  Diätzettel  bei  Obstipation,  Neurasthenie,  Herz¬ 
leiden  etc. 

Von  Dr.  Hirschkowitz  in  Bad  Kissingen. 

Weizenkörner,  hell  geröstet  und  zu  einem  grobkörnigen  Pulver 
zermahlen,  geben  ein  in  der  Diätetik  gut  brauchbares  Nährpräparat, 
das  sich  durch  seinen  angenehm  würzigen  Geschmack  und  die  viel¬ 
seitige  Verwendbarkeit  auszeichnet. 

Die  Zubereitung  ist  folgende: 

Man  röstet  Weizenkörner  auf  gelindem  Feuer  (mittels  Brat¬ 
pfanne  oder  Kaffeerösters)  unter  fortwährendem  Um- 
rühren,  bis  sie  ganz  trocken  und  spröde  geworden  sind  und  ihre 
ursprünglich  blassgelbe  Farbe  hellbraune  Tönung  angenommen  hat. 

Zerbeisst  man  zur  Probe  ein  Paar  Körner,  so  zerspringen  sie 
bei  gutgelungener  Röstung  wie  sprödes  hartes  Material,  ähnlich  ge¬ 
rösteten  Kaffeebohnen. 

Der  Duft  ist  würzig,  angenehm. 

Dann  werden  die  Körner  in  gewöhnlicher  Kaffeemühle  grob 
gemahlen  und  mit  Wasser,  Milch,  Apfelmost  oder  verdünntem  Kognak 
oder  Wein  gegeben;  zu  Wasser  und  Milch  Zuckerzusatz  nach  Be¬ 
lieben. 

Wir  haben  dann  ein  wohlschmeckendes  Kohle¬ 
hydrat  in  wenig  aufgeschlossenem  Zustande  und 
mit  reichem  Zellulosegehalt,  das  infolgedessen  ein 
Darm  massagemittel  par  excellence  ist. 

Diese  Eigenschaft  kann  durch  die  mehr  oder  weniger  grobe  Art 
der  Zerkleinerung  abgestuft  werden;  gleichzeitig  wird  hierdurch  und 
durch  die  Wahl  der  Flüssigkeit  (Wasser  oder  Milch  z.  B.),  schliesslich 
durch  die  zugesetzte  Zuckermenge  der  Nähr-  und  Nutzwert  des 
Präparates  variiert. 

Wertvoll  ist  noch  die  absolute  Reizlosigkeit  für  das 
Nervensystem,  da  dieser  Röstweizen  —  mit  Milch  —  gut  anstatt 
Kaffees  gegeben  werden  kann. 

Trocken  aufbewahrt,  ist  das  Präparat  lange  haltbar  und  kann, 
wenn  es  Feuchtigkeit  angenommen  hat,  wieder  trocken  geröstet 
werden. 


3 


■410 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Auf  Reisen  bildet  es  ein  immer  gebrauchsfertiges 
wertvolles  Nährmittel. 

Zu  beachten  ist  bei  der  Zubereitung,  dass  der  Weizen  nur  hell 
geröstet  werden  darf,  weil  er  bei  dunkler  Röstung  leicht  anbrennt 
(Rühren!)  und  scharfbitteren  Geschmack  annimmt,  und  dass  er 
nicht  zu  fein  gemahlen  werden  darf,  weil  sonst  der  Ge¬ 
schmack  pappig  wird. 

Vermeidet  man  diese  kleinen  Fehler,  so  erhält  man  ein  gut 
brauchbares  Nährpräparat,  das  sich  im  Diätzettel  von  Obsti- 
p  i  e  r  t  e  n  (namentlich  bei  A  t  o  n  i  e),  von  Neurasthenikern 
und  Herzkranken  vorzüglich  verwenden  lässt. 

Da  es  sich  mir  bei  den  genannten  Krankheiten  u.  a.  m.  stets  gut 
bewährt  hat,  stehe  ich  nicht  an,  seine  Anwendung  als  Nährmittel 
und  Diätetikum  zu  empfehlen. 

Ich  habe  diesen  Röstweizen  in  Chile  kennen  gelernt,  wo  er 
unter  der  Bezeichnung  „h  a  r  i  n  a“  ein  volkstümliches  Nähr-  und 
Genussmittel  bildet. 


Aus  dem  Lungensanatorium  Braunwald. 

Erstickungsanfall  infolge  Durchbruchs  einer  tuberkulösen 
Drüse  in  den  Bronchus. 

Von  Dr.  Felix  0  e  r  i,  Sanatoriumarzt. 

Die  Publikation  des  im  folgenden  beschriebenen  Falles 
von  Durchbruch  einer  Bronchialdrüse  in  den  Bronchus  scheint 
mir  berechtigt,  einmal  wegen  der  relativen  Seltenheit  des 
Ereignisses  an  und  für  sich,  und  dann  wegen  des  noch  sel¬ 
teneren  glücklichen  Auganges. 

Krankengeschichte:  Der  Knabe  I).  0.,  I6V2  jährig,  ist 
das  10.  von  10  Kindern  einer  in  ärmlichen  aber  ordentlichen  Verhält¬ 
nissen  lebenden  Fabrikarbeiterfamilie.  Tuberkulöse  Belastung  ist 
nicht  nachweisbar,  dagegen  sind  7  Geschwister  in  frühen  Jahren  im 
Anschluss  an  Kinderkrankheiten  (besonders  Pertussis)  gestorben. 
Patient  hat  im  3.-5.  Lebensjahre  rasch  hintereinander  Pertussis, 
Masern  und  Scharlach  durchgemacht  und  soll  im  Anschluss  an  die 
Pertussis  lange  schwerkrank  gewesen  sein.  Später  blieb  er  immer 
etwas  schwächlich,  konnte  aber  seine  8  Schuljahre  ohne  grössere 
Unterbrechung  erledigen  und  arbeitete  zuletzt  2  Jahre  als  Handlanger 
im  Magazin  einer  Möbelfabrik. 

Ende  Januar  1912  begann  mit  einmaligem  Schüttelfrost  eine 
Fieberperiode,  bei  der  die  Temperatur  innerhalb  6  Wochen  von 
anfänglich  39—40°  auf  37—38°  herunterging;  Nachtschweisse,  kein 
Husten.  Während  dieser  Krankheit  und  auch  bei  einem  anschlies¬ 
senden  kurzen  Spitalaufenthalt  konnte  keine  bestimmte  Diagnose 
gestellt  werden,  der  Patient  wurde  aber  als  tuberkuloseverdächtig 
unserem  Lungensanatorium  überwiesen. 

Beim  Eintritt  in  unsere  Anstalt  (April  1912)  bewegte  sich  die 
Temperatur  (oral)  immer  unter  37“.  Kein  Husten,  kein  Auswurf; 
dagegen  bestand  etwas  Kurzatmigkeit  und  ein  Anflug  von  Zyanose. 
Herzdämpfung  und  -töne  0.  B.  Puls  100 — 110.  Lungenbefund :  .Rechts 
vorwe  oben  und  rechts  hinten  oben  (besonders  in  der  Höhe  des 
Hilus)  eine  leichte  Schallverkürzjing.  I11  der  rechten  Hilusgegend 
verschärft  vesikuläres  Inspirium  mit  verlängertem  Exspirium,  einzelne 
feine  Knacken  und  Giemen.  Hinten  unten  beiderseits  einzelne 
Knacken.  Die  Diagnose  wurde  auf  Bronchialdrüsentuberkulose 
(Hilustuberkulose?)  gestellt;  daran  änderte  auch  ein  rechtsseitiges 
pleuritisches  Exsudat  nichts,  das  Mitte  Mai  unter  leichter  Temperatur¬ 
steigerung  auftrat  und  nach  ca.  einem  Monat  wieder  resorbiert  war. 
In  der  Folge  schien  nun  alles  gut  zu  gehen;  die  Temperaturen  waren 
normal,  das  Körpergewicht  nahm  in  2  Monaten  um  6  kg  zu.  Das 
Atemgeräusch  wurde  rechts  in  der  Hilusgegend  leiser  als  früher  und 
leiser  als  links,  Knacken  war  nur  noch  rechts  hinten  unten  nachweis¬ 
bar  und  wurde  auf  die  durchgemachte  Kompression  bezogen. 

Am  5.  August  stellte  sich  nun  im  Anschluss  an  einen  grösseren 
Spaziergang  (vielleicht  auch  im  Zusammenhang  mit  einer  gründ¬ 
lichen  Lungenuntersuchung)  etwas  Fieber  ein  (bis  37,8°)  und  ein 
trockener  Husten,  der  sich  durch  Bettruhe,  Wickel  und  auch  Narkotika 
nicht  beeinflussen  liess,  sondern  an  Stärke  zunahm.  Am  7.  August 
abends  kam  es  zu  einem  so  langdauernden  quälenden  Hustenanfall, 
dass  ich  an  das  Bett  des  Knaben  gerufen  wurde.  Ich  fand  ihn  in 
bedrohlichem  Zustande;  ständiger  Husten,  hochgradige  Engigkeit  mit 
exspiratorischem  Stridor,  hochgradige  Zyanose.  Der  Puls  war 
frequent,  aber  ziemlich  kräftig,  der  Kehlkopf  schien  frei.  Eine  kurze 
Untersuchung  der  Lungen  ergab  links  auf  der  ganzen  Seite  nur  sehr 
leises  Atemgeräusch,  rechts  war  überhaupt  kein  Atemgeräusch  zu 
hören,  die  rechte  Lunge  war  stark  gebläht  (Grenze  2  Finger  tiefer 
als  links,  Herz  nach  links  verschoben).  Ich  dachte  an  einen  rechts¬ 
seitigen  Pneumothorax,  der  durch  Ventilmechanismus  zu  hoch¬ 
gradiger  Blähung  des  rechten  Pleuraraumes  und  dadurch  zu  starker 
Kompression  der  linken  Lunge  geführt  habe,  und  punktierte,  aber  die 
Punktionsnadel  traf  in  (respiratorisch  fast  unbewegliches)  Lungen¬ 
gewebe.  Inzwischen  w'ar  trotz  Exzitantien  und  Aderlass  über  ein 
kurzes  Exzitationsstadium,  in  dem  der  Knabe  wild  fluchte  und  um 
sich  schlug  (COa-Vergiftung),  Bewusstlosigkeit  eingetreten.  Die 
Atmung  war  (20  Minuten  nach  Beginn  des  Anfalles)  agonal  geworden 
und  hörte  schliesslich  vollständig  auf,  der  Puls,  der  sich  lange 


No.  8. 


ordentlich  gehalten  hatte,  war  nicht  mehr  fühlbar,  kurz  es  schien 
ad  exitum  zu  kommen,  ln  dieser  peinlichen  Situation  versuchte  ich 
noch,  allerdings  ohne  grosse  Hoffnung  auf  Erfolg,  die  künstliche 
Atmung  und  hatte  die  grosse  Freude,  dass  schon  bei  einem  der 
ersten  ruckweisen  Kompressionsstösse  unter  hörbarem  Knall  ein 
derber  Gewebsfetzen  von  der  Grösse  und  Dicke  eines  Finger¬ 
endgliedes  expektoriert  wurde,  dem  alsbald  2  kleinere  Stücke  je  von 
der  Grösse  einer  halbierten  Kirsche  nachfolgten.  Die  Atmung  wurde 
sofort  frei  und  setzte  kräftig  ein,  die  Zyanose  verschwand  in  wenigen 
Minuten,  das  Bewusstsein  kehrte  zurück  und  der  Knabe  war  in  einer 
Viertelstunde  wieder  wohl  und  vergnügt. 

Die  3  expektorierten  Stücke  Hessen  sich  ziemlich  lückenlos  zu 
einem  Körper  von  der  Grösse  und  Form  einer  Pflaume  zusammen¬ 
setzen,  der  aussen  teihveise  noch  mit  einer  Kapsel  überzogen  w'ar 
Sie  bestanden  aus  derben,  grauen,  nicht  leicht  zerbröckelnden  Massen, 
die  mit  schwärzlichen  Adern  durchzogen  waren.  Es  handelte  sich 
also  offenbar  um  eine  verkäste  tuberkulöse  Lymphdrüse.  Nach  5 
und  12  Tagen  wurde  je  noch  ein  linsengrosses  Stück  ausgehustet, , 
so  dass  die  Drüse  ziemlich  vollständig  nach  aussen  expektoriert' 
worden  zu  sein  scheint.  Die  histologische  Untersuchung  der  Fetzen 
(pathologisches  Institut  in  Basel,  Herr  Prof.  Hedinger)  ergab; 
„Verkästes  Gewebe,  in  der  Peripherie  stellenweise  Lympho-  und 
Leukozyten  und  anthrakotisches  Pigment.  Nirgends  Knötchen.  Es 
handelt  sich  wahrscheinlich  um  tuberkulöses,  verkästes  Gewebe, 
doch  bestehen  dafür  keine  sicheren  histologischen  Anhaltspunkte1 
Der  histologische  Befund  ist  also  nicht  eindeutig;  auch  die  Färbung 
von  Tuberkelbazillen  misslang.  Trotzdem  kommt  wohl  praktisch] 
keine  andere  Deutung  in  Betracht  als  die  der  tuberkulösen  Drüse. 

Es  wäre  noch  beizufügen,  dass  die  Temperatur  8  Tage  nach 
dem  Anfalle  wieder  normal  war  und  seither  normal  geblieben  ist.  In 
den  ersten  Tagen  bestanden  leichte  stechende  Schmerzen  in  deij 
rechten  Hilusgegend,  sie  sind  aber  schon  lange  vollständig  ver 
schwunden.  Seit  dem  Anfall  bestehen  weder  Husten  noch  Auswur: 
(mit  Ausnahme  der  zwei  oben  beschriebenen  nachfolgenden  Brockel) 
Dagegen  ist  das  Knacken  auf  beiden  Unterlappen,  das  beim  Eintrit 
bestanden  hatte,  wieder  zu  konstatieren.  Die  Atmung  ist  voll 
ständig  frei;  es  besteht  aber  immer  noch  etwas  Zyanose.  Patieir 
fühlt  sich  vollständig  wohl  und  hat  noch  weitere  5  kg  zugenomm  n; 

Die  Prognose  ist  natürlich  noch  ganz  unsicher  und  hängt  iir 
wesentlichen  davon  ab,  ob  die  Käsemassen  wirklich  vollständig  aus 
gehustet  worden  sind,  oder  ob  es  zu  Aspiration  kleinerer  Partikel  de: 
infektiösen  Materials  gekommen  ist.  Auch  darf  man  nicht  vergessen 
dass  irt  der  Nähe  der  einen  Drüse  noch  andere  liegen  können,  die 
wieder  zu  neuen  Komplikationen  führen  dürften. 

Wir  haben  also  einen  Fall  von  Bronchialdrüsentuber 
kulose,  bei  dem  eine  verkäste  Drüse  in  wenigen  grossen  Frag 
menten  in  den  rechten  Bronchus  durchbrach.  Das  Hauptstiid 
verlegte  zuerst  den  rechten  Bronchus  vollständig  und  der 
linken  (resp.  die  Trachea)  wenigstens  teilweise;  durch  dii 
angestrengte  Atmung  kam  es  offenbar  ganz  in  die  Trache; 
zu  liegen  und  führte  durch  Verschluss  derselben  zur  Fr 
stickung,  bis  es  im  Augenblicke  der  höchsten  Not  die  künst 
liehe  Atmung  tracheaaufwärts  und  durch  die  Glottis  trieb. 

Bei  einer  kurzen  Durchsicht  der  Literatur,  die  auf  Voll 
ständigkeit  keinen  Anspruch  machen  kann,  fand  ich  ungefäh 
20  ähnliche  Erstickungsfälle  beschrieben  oder  referiert.  Di: 
Diagnose  wurde  meist  erst  auf  dem  Sektionstische  gestellt 
nur  dreimal  (Hubert,  N  a  c  h  0  d,  F  r  0  n  z)  gelang  durcl 
Tracheotomie  und  geeignete  Manipulationen  mit  Katheten 
und  Haken  die  Rettung  des  Patienten;  künstliche  Atmun; 
als  rettenden  Faktor  finde  ich  nirgends  beschrieben,  sie  so! 
auch  durchaus  nicht  als  Mittel  der  Wahl  empfohlen  werde 
trotz  ihrer  guten  Dienste  in  unserem  Falle.  Weitere,  vielleich 
gerade  günstig  abgelaufene  Fälle,  kommen  gewiss  nicht  S‘ 
selten  vor,  gehen  aber  mit  der  ganzen,  grossen  Erfahrun: 
der  praktischen  Aerzte  verloren.  Es  ist  dies  im  Interesse  de 
Patienten  jedenfalls  zu  bedauern,  denn  bei  den  meisten  publi 
zierten  Todesfällen  ist  eine  geeignete  Therapie  nur  deshal 
unterblieben,  weil  man  gar  nicht  an  die  Möglichkeit  eine 
solchen  Zufalles  dachte.  Auch  ich  habe  die  Diagnose  er; 
nachträglich  gestellt,  so  merkwürdig  es  mir  jetzt  beim  Uebei 
blicken  der  doch  ziemlich  eindeutigen  Krankengeschichte  er 
scheint;  ich  werde  in  Zukunft  jedenfalls  mit  der  Möglichke 
rechnen  und  gegebenen  Falles  ohne  Zeitverlust  die  einzi 
sichere  Therapie,  die  Tracheotomie  etc.  anwenden. 

Und  eine  weitere,  mehr  theoretische  Frucht  zeitigt  uns  di 
Beschäftigung  mit  diesen  Vorkommnissen.  Bei  den  Fällen,  v 
Erstickung  eintritt,  handelt  es  sich  um  die  relativ  selten 
Variation,  dass  sich  eine  Drüse  in  toto  oder  in  wenigen  grosse 
Stücken  loslöst;  viel  häufiger  sind  aber  die  Fälle,  wo  ein 
zentrale  Erweichung  der  verkästen  Drüse  und  dann  erst  de 
Durchbruch  in  einen  Bronchus  eintritt.  Es  fehlen  dann  di 


! 25.  Februar  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


stürmischen  Symptome  der  Erstickung,  die  kleinen  Krümmel 
des  infektiösen  Materials  aber  werden  in  die  Bronchien  der 
mteren  Lungenabschnitte  aspiriert  und  führen  dort  zu  Lokali¬ 
sation  der  Tuberkulose  in  der  Lunge.  Dass  dies  recht  häufig 
st,  zeigen  Publikationen  über  Sektionsmaterial,  bei  dem  be¬ 
sonders  auf  diese  Verhältnisse  geachtet  wurde  (Horst, 
A  i  c  h  a  e  1).  Auch  der  Umstand,  dass  einerseits  die  Bronchial- 
Jriisentuberkulose  im  kindlichen  Alter  mehr  im  Vordergründe 
'teilt,  dass  anderseits  gerade  die  kindliche  Tuberkulose  mit 
Vorliebe  den  Hilus  oder  die  Unterlappen  befällt,  drängt  uns 
lie  Wichtigkeit  der  Bronchialdrüsen  in  der  Aetiologie  der 
Lungentuberkulose  direkt  auf.  Es  ist  keine  Frage,  dass 
lamentlich  bei  Kindern  die  verkästen  Bronchialdrüsen  sehr  oft 
ler  direkte  Anstoss  zur  Lungentuberkulose  werden,  sei  es, 
lass  sie  direkt  in  das  Lungengewebe  durchbrechen,  sei  es, 
lass  sie  sich  in  die  Bronchien  entleeren  und  auf  diesem  Um- 
vege  das  Lungengewebe  infizieren.  Diese  Einsicht  ist  durch- 
tus  nicht  neu,  sie  kann  aber  nicht  genug  unterstrichen  werden, 
ia  meines  Erachtens  die  Theorie  von  der  direkten  Inhalations- 
nfektion  der  Lungen  noch  immer  allzusehr  im  Vorder¬ 
gründe  steht. 

Hubert:  Ein  Fall  von  Tracheostenose  durch  eine  verkäste, 
erkaite  und  gelöste  Bronchialdrüse.  Diss.,  Kiel  1885.  —  Nachod 
ind  Fronz  referiert  in  Löh  rer:  Ein  Fall  von  vollkommener  Aus- 
topfung  der  Trachea  etc.  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  No.  27.  — 
lorst:  Beitrag  zur  pathol.  Anat.  der  Bronchialdrüsen.  Diss., 
viel  1886.  —  Michael:  Ueber  die  Eigentümlichkeiten  der  Lungen- 
uberkulose  im  Kindesalter.  Jahrb.  für  Kinderheilk.,  1855,  Bd.  22. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Beuthen  O.Schl. 

Allgemeine  eiterige  Peritonitis  durch  Bandwurm. 

Von  Wilhelm  Danielsen. 

Neuerdings  ist  wieder  von  R  h  e  i  n  d  o  r  f  auf  die  Be¬ 
deutung  der  Oxyuren  bei  der  Wurmfortsatzentzündung  des 
vindes  hingewiesen  worden.  Wenn  auch  wohl  fast  jeder 
Chirurg  Appendices  mit  Oxyuren  exstirpiert  hat,  so  war  doch 
ie  Zusammenstellung  der  einzelnen  Publikationen  mit  eigenen 
Erfahrungen  von  grossem  Interesse.  Wurde  doch  überzeugend 
achgewiesen,  dass  die  sekundären  Schädigungen  durch  diese 
Parasiten  zahlreicher  und  grösser  sind,  als  man  sie  sich  ge- 
aeiniglich  vorstellt.  Meist  sind  ja  die  Schädigungen  dieser 
’arasiten  auf  Teile  der  Darmwand  beschränkt,  indessen 
ommen  doch  auch,  wie  bekannt,  Perforationen  mit  Abszess 
nd  Peritonitis  zur  Beobachtung  und  zwar  nicht  nur  bei  den 
Ixyuren,  sondern  auch  bei  den  anderen  Darmparasiten,  dem 
richocephalus  und  dem  Ascaris  lumbricoides.  Dass  aber 
uch  bei  dem  Bandwurm  sekundäre  Folgeerscheinungen  dieser 
irt  Vorkommen  können,  ist  ganz  unbekannt,  so  dass  die  Mit¬ 
tung  einer  solchen  Beobachtung  gerechtfertigt  ist: 

Frau  K.  erkrankte  1909  an  einer  rechtsseitigen  Eierstocks- 
ntziindung  (Pyosalpinx).  Die  Beschwerden  gingen  unter  kon- 
-rvativer  Behandlung  zurück,  verschwanden  aber  nie  ganz.  Als 
leines  Mädel  hatte  sie  einen  Bandwurm  gehabt,  später  wieder  als 
rau.  Sie  hatte  jahrelang  Schmerzen  beim  Wasserlassen  und  beim 
oitus.  Verschiedene  Untersuchungen  hatten  weder  Aufschluss  noch 
nfe  gebracht. 

Am  4.  Oktober  1911  nachts  1  Uhr  erkrankte  sie  plötzlich  unter 
hr  starken  Leibschmerzen.  Am  5.  Oktober  stellte  der  behandelnde 
rzt  eine  Bauchfellentzündung  fest  und  verordnete  Bettruhe  und 
tuhlzäpfchen.  Als  der  Zustand  sich  bis  zum  6.  Oktober  morgens 
erschlimmerte,  wurde  der  Transport  in  meine  Klinik  angeordnet. 

Status:  Grosse  starke  Frau  mit  verfallenem  Gesichts- 
Jsdruck.  Zunge  trocken.  Temperatur  in  der  Achsel  37,8.  Puls  140, 
,ein,  regelmässig.  Abdomen  überall  ghichmässig  aufgetrieben  und 
ark  druckempfindlich.  Leberdämpfung  verschwunden.  Keinerlei 
cristaltik.  Bei  rektaler  Untersuchung  wölbt  sich  der  hintere 
onglas  vor,  vaginal  besteht  rechts  eine  Druckempfindlichkeit. 

■  i-e  Diagnose  lautete  auf:  Peritonitis,  ausgehend  wahr- 
heinlich  vom  Wurmfortsatz  (siehe  Anamnese  und  Befund). 

Operation:  in  leichter  Aethernarkose. 

Während  der  Operation  subkutan  iVz  Liter  Kochsalzlösung  + 

1  Tropfen  Adrenalin. 

Längsschnitt  am  rechten  Rand  des  M.  rectus.  Nach  Eröffnung 
-Jr  Bauchhöhle  entleert  sich  zwischen  den  Darmschlingen  hervor- 
Jcllend  massenhafter  Eiter.  Auffallend  ist,  dass  der  typische  Geruch 
iS  appendizitischen  Eiters  fehlt.  Der  Wurmfortsatz  wird  auf- 
isucht,  er  weist  keine  wesentlichen  Veränderungen  auf.  Beim  Aus- 
Pien  des  Eiters  im  kleinen  Becken  bleiben  am  Tupfer  einige  Band- 
urmglieder  haften,  und  als  mit  der  Hohlhand  der  Eiter  aus- 


geschopft  wird,  folgt  die  Hauptmasse  dieses  Parasiten.  Da  es  sich 
demnach  um  eine  Darmperforation  handeln  muss,  wird  der  Dünn¬ 
darm  vorgezogen  und  etwa  Vz  m  oberhalb  der  Valvula  Bauhini  eine 
I  ei forationsstelle  gefunden.  Um  die  Perforationsstelle,  welche  die 
Grosse  einer  6  mm-Kugel  hat,  ist  die  Serosa  im  Bezirk  eines  Fünf¬ 
pfennigstuckes  eitrig  belegt.  Die  Fläche  blutet  nicht.  Diese  ganze 
1  artie  vvird  exzidiert,  dann  das  Loch  durch  Schichtennaht  zugenäht. 
Jetzt  wird  der  Rest  des  Bandwurmes  wieder  verfolgt,  wobei  sich 
zeigt,  dass  das  Kopfende  zwischen  den  Fimbrien  der  rechten  Tube 
eingedrungen  ist.  Neben  der  I  ubc  ist  das  Ovarium  kl. 'inapfelgross 
veigrössert.  Es  besteht  deutliche  Fluktuation.  An  einer  zirkum¬ 
skripten  Stelle  ist  die  Oberfläche  mit  Granulationen  und  Eiter  be¬ 
deckt.  Beim  Drücken  entleerte  sich  kein  Inhalt.  Darauf  resezierte 
ich  Ovarium  und  Tube  und  finde,  dass  der  Kopf  noch  in  dem  Tuben- 
rest  steckt.  Da  der  Puls  sehr  schlecht  wird,  begnüge  ich  mich  mit 
der  Reinigung  der  Bauchhöhle  mit  grossen  Tüchern.  Zum  Schluss 
Gegeninzision  auf  der  linken  Bauchseite.  Beiderseits  Drainage  und 
TamponacTe.  Wenige  die  ganze  Bauchdecke  durchgreifende  Seiden¬ 
nähte. 

Unter  der  in  solchen  Fällen  üblichen  Nachbehandlung  erholte 
sich  die  Kranke  ganz  allmählich  und  konnte  am  12.  November  als 
geheilt  entlassen  werden. 

Bei  einer  Nachuntersuchung  im  Juni  1912  erklärte  sie,  keinerlei 
Beschwerden  mehr  zu  haben. 

Das  in  Kaiserling  konservierte  Präparat  zeigt  die  dunkel¬ 
roten  stark  verdickten  und  veränderten  Fimbrien  mit  dem  in  die 
Jube  eingedrungenen  gelben  Bandwurmende.  Die  Ovarialzyste  ist 
bis  auf  Walnussgrösse  geschrumpft. 

Das  resezierte  Darmstück  wies  bei  mikroskopischer  Unter¬ 
suchung  der  Innenseite  in  der  Umgebung  der  Perforationsöffnung 
keinerlei  Geschwürsbildung  oder  anderweitige  Veränderung  auf. 

Demnach  handelte  es  sich  um  eine  Peritonitis  nach  Darm¬ 
perforation  mit  einem  in  der  freien  Bauchhöhle  befindlichen 
Bandwurm,  dessen  Kopf  in  die  rechte  Tube,  neben  welcher 
eine  Ovarialzyste  bestand,  eingedrungen  war. 

Das  ist  ein  höchst  auffallender  Befund,  denn  nach  unseren 
Kenntnissen  ist  es  unmöglich,  dass  ein  Bandwurm  die  Darm¬ 
wand  durchbohren  oder  gar  durchfressen  kann.  Die  Erklärung 
für  den  Befund  gibt  uns  Anamnese  und  Befund.  Die  Frau  hat 
vor  2  Jahren  eine  eitrige  Oophoritis  und  Salpingitis  gehabt. 
Dabei  ist  es  zu  einer  Verklebung  zwischen  Fimbrien  und 
Darm  mit  Perforation  des  Eiters  in  den  Darm  gekommen. 
Durch  diese  Perforationsstelle  ist  der  Bandwurm  in  die  Tube 
hineingekrochen.  Da  die  Salpingitis  infolge  des  guten  Ab¬ 
flusses  ausheilte,  lockerte  sich  die  Verklebung  zwischen 
Fimbrie  und  Darm  und  löste  sich  unter  der  Einwirkung  der 
Bandwurmbewegung.  Der  Rest  des  Bandwurmes  trat  aus 
der  Darmperforation  in  die  frei  Bauchhöhle  und  bewirkte 
dort  zugleich  mit  dem  ausgetretenen  Darminhalt  eine  allge¬ 
meine  eitrige  diffuse  Peritonitis. 

Diese  Erklärung  scheint  mir  für  diesen  Fall  richtig  zu 
sein.  Ich  kann  mir  nach  dem  Bau  des  Bandwurmkopfes  nicht 
gut  vorstellen,  dass  der  Bandwurm  die  Darmwand  durchbohrt. 
Zwar  nimmt  S  t  i  e  d  a  einen  solchen  Mechanismus  an,  als  er 
von  einer  „Durchbohrung“  des  Duodenums  durch  Taenia  be¬ 
richtet.  Soviel  ich  weiss,  kann  aber  die  Taenia  beim  Menschen 
gar  nicht  bohren,  sie  hat  ja  gar  keine  Fresswerkzeuge.  Auch 
der  bekannte  Helminthologe,  Herr  Medizinalrat  Dr.  Huber 
in  Memmingen,  glaubt  nicht  an  diese  Fähigkeit  des  Band¬ 
wurmes,  indessen  kann,  wie  er  mir  mitteilte,  die  Taenia  des 
Huhnes  sich  bis  zur  Serosa  einsenken. 


Ueber  Serumfermentwirkung  bei  Schwangeren  und 

Tumorkranken. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Paul  L  i  n  d  i  g  in  No.  6 
dieser  Wochenschrift. 

Von  Emil  Abderhalden. 

Paul  Findig  hatte  Gelegenheit  in  meinem  Institute  während 
eines  14  tägigen  Aufenthaltes  das  Dialysierverfahren  kennen  zu 
lernen.  Er  glaubt  sich,  trotzdem  er  an  zahlreichen  Beispielen  in 
meinem  Institute  selbst  feststellen  konnte,  dass  die  nach  meinen  An¬ 
gaben  dargestellten  Organe  sehr  lange  haltbar  sind  —  ich  verwende  ein 
Plazentapräparat,  das  18  Monate  alt  ist  —  berufen,  Kritik  an  meiner 
Methode  zu  üben  und  ein  „neues“  Verfahren  einzuführen.  Ich 
schreibe  vor,  dass  die  absolut  blutfreie  Phzenta  durch  Aus¬ 
kochen  mit  Wasser  vollständig  von  in  diesem  löslichen  Sub¬ 
stanzen  zu  befreien  ist,  die  mit  Ninhydrin  reigieren.  Das 
gelingt,  wie  eine  reiche  Erfahrung  zeigt,  meist  schon  nach 
5  bis  lOfachem  Auskochen.  Bis  jetzt  haben  über  50  Herren 
in  meinem  Institute  sich  auf  diese  Weise  Organe  mit  Er- 

3* 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


foig  bereitet.  Sind  die  Organe  einmal  absolut  frei  von  mit  Nin- 
hydrin  reagierenden  Stoffen,  dann  hält  sich  das  Gewebe  sehr  lange, 
vorausgesetzt,  dass  man  genügend  Toluol  und  Chloroform  zufügt  und 
jede  Verunreinigung  vermeidet.  Nur  in  Ausnahmefällen  beobachtet 
man,  dass  das  Gewebe  nach  längerer  Zeit  wieder  Spuren  von  Sub¬ 
stanzen  enthält,  die  mit  Ninhydrin  reagieren  und  auskochbar  sind. 

Ich  habe1),  um  auch  diesen  Fällen  zu  genügen,  vorgeschlagen, 
vor  jeder  Anstellung  von  Dialysierversuchen  das  Organ  gründlich  aus¬ 
zukochen.  Man  nimmt  aus  dem  Aufbewahrungsgefäss  soviel  von 
dem  Gewebe,  als  man  zu  den  Versuchen  verwenden  will.  Dazu  gibt 
man  im  Reagenzglas  die  5  fache  Menge  Wasser  und  kocht  5  Minuten. 
Nun  filtriert  man  durch  ein  gehärtetes  Filter  und  gibt  zu  5  ccm  des 
Filtrates  1  ccm  einer  1  proz.  wässerigen  Ninhydrinlösung  und  kocht 
genau  eine  Minute.  Nur  dann,  wenn  nach  einer  halben  Stunde  die 
Probe  noch  farblos  ist,  d.  h.  aüch  nicht  einen  Schimmer  von  Violett¬ 
blaufärbung  zeigt,  darf  man  das  Organ  verwenden.  1  ritt  eine  Reaktion 
ein,  dann  kocht  man  mit  Wasser  aus,  bis  die  Gru  n  d  bedingung 
für  das  ganze  Arbeiten  erfüllt  ist,  nämlich  a*b  s  o  1  u  t  e 
Freiheit  des  Organes  an  Stoff  en,  die  sich  in  Wasser 
lösen  und  mit  N  i  n  h  3'  drin  reagieren. 

Ein  Zahlenbeispiel  möge  zeigen,  wie  scharf  man  bei  dieser  Be¬ 
dingung  sein  muss.  Ninhydrin  reagiert  mit  einer  bestimmten  Menge 
von  Stoffen  unter  Farbstoffbildung,  die  in  a-Stellung  zum  Karboxyl  eine 
Aminogruppe  tragen.  Wir  wollen  annehmen,  dass  dazu  z.  B.  O.OUOOl  g 
Substanzen  notwendig  seien.  Es  musste  nun  jene  Menge  Serum  aus¬ 
findig  gemacht  werden,  die  beim  Dialysieren  im  allgemeinen  an 
20  ccm  Aussenfliissigkeit  weniger  als  die  genannte  Menge  reagie¬ 
render  Stoffe  abgibt.  Hierüber  orientiert  der  Versuch  mit  Serum 
allein.  Fs  ist  nun  möglich,  dass  das  Serum  0,0000099  g  der  genannten 
Stoffe  an  das  Serum  abgibt,  in  einem  anderen  Falle  sind  es  nur 
0,000008  g,  oder  es  werden  nur  0,000005  g  abgegeben,  ln  allen  Riesen 
Fällen  ergibt  das  Dialysat  unter  den  von  mir  angegebenen  Be¬ 
dingungen  keine  Farbreaktion  beim  Kochen  mit  Ninhydrin.  Wenn 
nun,  nach  meiner  Vorschrift  behandelt,  das  Organ  absolut  frei  von 
Substanzen  ist,  die  dialysieren  und  mit  Ninh3rdrin  reagieren,  dann 
kommt  zum  Dialysat  nur  dann  etwas,  das  reagiert,  hinzu,  wenn  ein 
Abbau  stattfindet.  Sobald  aber  das  Organ  in  bezug  auf 
Stoffe,  die  mit  Ninhydrin  reagieren,  nicht  absolut 
gleich  Null  zu  setzen  ist,  so  ist  eine  Fehlerquelle 
vorhanden,  die  zu  unübersehbaren  Irrtümern 
führenmuss.  Nehmen  wir  z.  B.  an,  dass  das  Organ  nur  0,000001  g 
reagierende  Stoffe  enthält,  dann  genügt  diese  minimale  Menge  um 
mit  Serum,  das  kein  Dialysat  liefert,  das  eine  positive  Reaktion  gibt, 
eine  solche  zu  erzeugen,  ohne  dass  ein  Abbau  erfolgt  ist. 

Die  Erfahrung  hat  gezeigt,  dass  an  dieser  Klippe  manche  Unter¬ 
sucher  scheitern.  Ich  habe  deshalb  die  Prüfung  der  „Reinheit  des 
Organs  in  der  oben  angegebenen  Weise  noch  verschärft,  um  diese 
Fehlerquelle  zu  beseitigen.  Fortwährend  erhalte  ich  Organe,  die 
sehr  gute  Resultate  ergaben  und  dann  doch  ab  und  zu  versagten, 
zugesandt.  Immer  zeigt  es  sich,  dass  die  Organe  nicht  genügend 
ausgekocht  waren. 

L  i  n  d  i  g  hat  es  leider  versäumt,  mir  vor  der  Veröffentlichung  der 
erwähnten  Arbeit  seine  Organe  und  besonders  seine  Trockenpräparate 
zur  Prüfung  zu  übersenden.  Ich  konnte  diese  kürzlich  in  L  i  n  d  i  g  s 
Gegenwart  prüfen.  Das  Resultat  war  das  folgende:  Alle  von 
Herrn  Lindig  zu  seinen  Versuchen  verwendeten 
Organe  waren  ungenügend  ausgekocht  und  mussten 
notgedrungen  zu  ganz  falschen  Resultaten  führen. 

Die  gepulverte  Plazenta,  die  ohne  jede  Vorsicht  in  einer  mit 
einem  Kork  verschlossenen  Flasche  enthalten  war,  ergab  mit  der 
50  fachen  Menge  Wasser  ausgekocht  eine  so  starke  Reaktion  mit 
Ninhydrin,  wie  ich  sie  noch  niemals  gesehen  habe,  selbst  nicht  bei 
der  Prüfung  des  ersten  Kochwassers  einer  frischen  Plazenta.  Das 
Kochwasser  wurde  durch  ein  gehärtetes  Filter  filtriert  und  vom  Filtrat 
10  ccm  mit  nur  0,1  ccm  Ninhydrinlösung  gekocht.  Ebenso  verhielten 
sich  Myom  und  Karzinom  und  ferner  die  Plazenta.  Diese  drei  Organe 
waren  in  feuchtem  Zustand  aufbewahrt  worden.  Kein  einziges 
Resultat  von  Lindig  kann  Anspruch  auf  Richtig¬ 
keit  erheben,  weil  er  die  elementarste  Grundregel 
meiner  Vorschriften  ausser  acht  gelassen  hat.  Er 
hat  seine  Organe  nicht  genügend  vorbereitet.  Ich 
halte  es  für  ganz  ausgeschlossen,  Organ  pulver  für 
die  Zwecke  des  Dialysierverfahrens  einwandfrei 
aufzubewahren.  Sie  müssen  ja  Bakterien  beherbergen  und 
sind  gewiss  schwer  abbaubar! 

Selbstverständlich  fallen  alle  v  o  n  Lindig  ge¬ 
zogenen  Schlüsse  in  sich  zusammen.  So  musste  er  mit 
dem  Organpulver  eine  stärkere  Reaktion  erhalten,  als  mit  der  feuchten 
Plazenta,  weil  sein  Organpulver  an  und  für  sich  schon  so  ausser¬ 
ordentlich  viele  Stoffe  enthielt,  die  dialysierten  und  mit  Ninhydrin 
reagierten. 

1)  Emil  Abderhalden:  Der  Nachweis  blutfremder  Stoffe 
mittels  des  Dialysierverfahrens  und  der  optischen  Methode  und  die 
Verwendung  dieser  Methoden  mit  den  ihnen  zugrunde  liegenden  An¬ 
schauungen  auf  dem  Gebiete  der  Pathologie.  Beiträge  zur  Klinik  der 
Infektionskrankheiten  und  zur  Immunitätsforschung,  Bd.  2,  1913.  — 
Vergl.  die  ganze  Entwicklungsgeschichte  des  ganzen  Forschungs¬ 
gebietes  in :  Emil  Abderhalden:  Die  Schutzfermente  des  tierischen 
Organismus.  J.  Springer,  Berlin  1912. 


Ich  habe  mit  den  Lindig  sehen  Organen  zahlreiche  —  über 
100  Versuche  —  angestellt.  Ich  habe  das  Organpulver  allein,  ohne 
Serum  dialysiert  und  damit  allein  schon  eine  positive  Reaktion  im 
Dialysat  erhalten!  Ferner  prüfte  ich  Myom  und  Karzinom  mit 
Ochsenserum  und  erhielt  positive  Reaktionen.  Niemals  tra' 
eine  positive  Reaktion  ein,  wenn  ich  die  Lindig  sehen  Or¬ 
gane  nach  meiner  Vorschrift  von  Stoffen  frei  kochte,  die  sich 
in  Wasser  lösen  und  mit  Ninhydrinlösung  reagieren.  Ich  habe 
Serum  von  Schwangeren  mit  Myom,  Karzinom  und  Plazenta 
angesetzt.  Alle  drei  Versuche  ergaben  tiefe  Blauviolettfärbung  des 
Dialvsates  beim  Kochen  mit  Ninhydrinlösung,  wenn  ich  die  Organe 
von  Lindig  benutzte.  Die  ausgekochten  Organe  verhielten  sich, 
wie  folgt:  Mvom  und  Karzinom  wurden  nicht  abgebaut,  wohl  aber 
die  Plazenta.  Ich  hatte  erwartet,  dass  das  Myom  angegriffen  würde, 
weil  schliesslich  Gewebe  vorliegt,  das  dem  Uterus  angehört. 

Es  liegt  sehr  viel  Unverstandenes  in  der 
Arbeit  von  Lindig.  So  schreibt  —  um  nur  ein  Beispiel 
anzuführen  —  Lindig,  bei  einer  gegen  Frank  und  He i- 
mann  und  Franz  und  Jarisch  gerichteten  Bemerkung:  So 
ist  auf  der  einen  Seite  allein  die  Biuretprobe  angestellt  wor¬ 
den,  die  zum  Nachweis  kleinster  Eiweissmengen  absolut  nicht 
ausreicht,  infolgedessen  ist  z.  B.  die  nicht  unwichtige  Tatsache 
vollständig  entgangen,  dass  schon  das  Dialysat.  vom  Serum  Abbau¬ 
produkte  des  Eiweisses  enthalten  kann!  Lindig  übersah,  dass 
das  Serum  niemals  —  oder  doch  nur  unter  ganz  besonderen 
Umständen  —  Peptone  enthält.  Um  diese  handelt  es  sich  und 
weder  um  Eiweiss  noch  um  alte  mit  Ninhydrin  reagierenden  Stoffe. 

Lindig  war  bekannt,  dass  die  optische  Methode  ein 
sehr  geeignetes  Mittel  ist,  um  die  Resultate  des  Dialysierverfahrens 
zu  kontrollieren.  Er  hätte  unbedingt  seine  Resultate,  die  den 
bisherigen  Erfahrungen  und  besonders  denen  von  F  a  u  s  e  r  [2]  ganz 
widersprechen,  sorgfältig  mittels  der  optischen  Methode  prüfen  sollen. 
Er  hätte  dann  entdeckt,  dass  diese  andere  Resultate  ergeben  hätte, 
als  das  von  ihm  ganz  unrichtig  angewandte  Dialysierverfahren. 

Ich  will  mit  dieser  Feststellung  der  Fehler  in  Lindigs 
Versuchsanordnung  nicht  zum  Ausdruck  bringen,  dass  eine  streng 
spezifische  Wirkung  von  Fermenten  im  Blute  erwiesen  sei1).  Ich 
kann  selbst  nur  mitteilen,  dass  in  15  Fällen  von  Karzinom  nur  Krebs¬ 
gewebe  nicht  aber  Plazenta  abgebaut  wurde.  Umgekehrt  ist  es  mir 
bis  jetzt  nie  geglückt,  einen  Abbau  von  Plazentagewebe  mit  Serum 
von  Karzinomträgern  zu  erhalten.  Wie  vorsichtig  man  gerade  bei  der¬ 
artigen  Untersuchungen  vorgehen  muss,  um  Fehlerquellen  zu  ver¬ 
meiden,  habe  ich  an  anderer  Stelle  geschildert1).  Es  ist  wünschens¬ 
wert,  dass  die  mit  so  viel  Mühe  und  Sorgfalt  herausgearbeitete 
Methodik  zunächst  in  peinlich  exakter  Weise  innegehalten  wird. 
Die  Methode  hat  sich  bis  jetzt  durchaus  bewährt. 

Als  Zeugen  dafür,  dass  die  von  mir  angegebene  Methode 
ausgezeichnete  Resultate  liefert,  führe  ich  in  erster  Linie 
M.  Henkel'2 3)  an.  Er  teilt  mit,  dass  er  noch  keinen  Ver¬ 
sager  hatte!  Er  schreibt:  „Wir  haben,  wie  Abderhalden, 
Frank  und  H  e  i  m  a  n  n  und  die  Grazer  Frauenklinik  bislang  noch 
keine  Versager  mit  dieser  Methode  gehabt,  und  ich  würde  auf  Grund 
unserer  eigenen  Erfahrungen  auch  zunächst  immer  einen  technischen 
Fehler  annehmen,  ehe  ich  einen  Zweifel  in  das  biologische  Verfahren 
der  Schwangerschaftserkennung  setzen  würde.“ 

Zusammenfassung: 

Die  von  Lindig  empfohlene  Modifikation  meiner  Methode 
ist  zu  verwerfen,  weil  mit  ihr  eine  grosse  Fehlerquelle  in  das 
ganze  Verfahren  eingeführt  wird.  Aus  diesem  Grunde  sind  alle 
von  Lindig  aus  seinen  Resultaten  gezogenen  Schlüsse  hinfällig. 
Es  ist  dringend  erwünscht,  dass  unter  strengster  Innehaltung  der 
von  mir  gegebenen  Vorschriften  geprüft  wird,  ob  eine  streng 
spezifische  Wirkung  der  Abwehrfermente  vorliegt  oder  aber,  ob 
diese  nur  für  Gruppen  von  Stoffen  spezifisch  sind.  Diese  Frage¬ 
stellung  ist  so  alt,  wie  die  Untersuchungen  über  Schutzfermente 
überhaupt.  Nur  der  Kliniker  kann  hier  eine  Entscheidung  bringen. 
Ich  ging  selbst  von  der  Ansicht  aus,  dass  die  Schutzfermente  nui 
auf  bestimmte  Gruppen  von  Stoffen  eingestellt  seien  und  keine 
streng  spezifische  Wirkung  besitzen.  Erst  die  weiteren  Untei- 
suchungen  lehrten,  dass  doch  eine  solche  —  wenigstens  in  den 
bisher  untersuchten  Fällen  —  vorliegen  kann.  Eine  klare  Ent¬ 
scheidung  des  gestellten  Problems  wird  nur  durch  Kombination 
von  Dialysierverfahren  und  optischer  Methode  möglich  sein. 
Ferner  wird  nur  ein  grosses  Material  als  einwandfrei  anzuer- 
kennen  sein,  und  endlich  wird  man  beweisen  müssen,  dass  nur 
ein  bestimmtes  Organ  und  nicht  mehrere  blutfremdes  Material 
abgeben,  denn  versagen  mehrere  Organe,  dann  muss  a  priori  ein 
„polyvalentes“1  Serum  erwartet  werden  *).  Schliesslich  sind  Ke- 


2)  A.  Fauser:  Einige  Untersuchungsergebnisse  und  klinische 
Ausblicke  auf  Grund  der  Abderhalden  sehen  Anschauungen  und 
Methodik.  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  52,  1912. 

3)  M.  Henkel:  Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwanger¬ 
schaft.  Archiv  f.  Gynäkologie,  Bd.  99,  Heft  1,  1913. 

*)  Dieser  Tage  beobachtete  ich  eine  Gravidität  kombiniert  mn 
Nephritis,  bei  der  ein  Abbau  von  Plazenta  nur  in  Spuren  nach¬ 
weisbar  war.  Ferner  fand  ich  bei  Eklampsie  —  bis  jetzt  in  3  Fallen 
von  6  __  dass  ausser  Plazenta  Lebergewebe  abgebaut  wurde. 


25.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sultate,  die  ohne  Sicherstellung  der  vollständigen  Befreiung  des 
verwendeten  Organes  von  Substanzen,  die  auskochbar  sind  und 
mit  Ninhydrin  reagieren,  erhalten  worden  sind,  als  zweifelhafte 
zu  bewerten. 


Die  Resultate,  die  wir  mit  dem  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Dia- 
lysierverfahren  bezüglich  der  Diagnose  der  Schwangerschaft  ge¬ 
wonnen  haben,  und  über  die  i  c  h  in  meinem  Aufsatz  „Zur  biologischen 
Diagnose  der  Schwangerschaft“  (Archiv  f.  Qynäkol.  u.  Geburtsh , 
Bd.  99,  1)  berichtete,  sind  bei  strikter  Befolgung  der  Original- 
vorschriften  von  Abderhalden  erreicht  worden.  Bei  den 
weiteren  Versuchen,  die  Herr  Lindig  angestellt  hat,  hat  er  die 
Ueberzeugung  gewonnen,  wie  er  sie  in  dieser  Wochenschrift  No.  (5 
dargestellt  hat.  Er  hat  sich  später  durch  das  liebenswürdige  Ent¬ 
gegenkommen  von  Herrn  Abderhalden  davon  überzeugen  lassen, 
dass  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  nicht  richtig  sind,  weil  die 
Versuchsanordnungen  selbst  falsch  waren,  speziell  die  mit  Trocken¬ 
plazenta.  Unmittelbar  nach  dieser  Erkenntnis  benachrichtigte  Herr 
Dr.  L  i  n  d  i  g  die  Redaktion  der  Münch,  med.  Wochenschr.,  doch  kam 
sein  Telegramm  dort  zu  spät  an,  als  dass  noch  eine  Aenderung  oder 
Aufhebung  des  Artikels  hätte  eintreten  können.  M  Henkel 


Bewegungsvorgänge  am  pathologischen  Magen  auf  Grund 
röntgenkinematographischer  Untersuchung. 

Bemerkung  zu  dem  Artikel  von  Carl  Bruegel  in  No.  4 
dieser  Wochenschrift. 

Von  Dozenten  Dr.  Q.  Holzknecht  und  Dr.  M.  Haudek. 

Bruegel  bezeichnet  in  dem  genannten  Artikel  auf  Grund  von 
vier  von  ihm  beobachteten  und  von  anderer  Seite  operierten  Fällen 
miv  entzündlichen  Veränderungen  des  präpylorischen  Magenteiles 
eine  von  ihm  hiebei  jedesmal  gesehene  horizontale  Ab¬ 
schlusslinie  des  wismutgefüllten  Antrum  pylori 
als  den  Austdruck  einer  Behinderung  des  Ablaufes  der 
Kontraktionswellen  am  präpylorischen  Anteile 
JesMagens  durch  Wandinfiltrat  oder  Narbe,  wahr¬ 
scheinlich  verbunden  mit  Verwachsungen. 

Wir  fühlen  uns  verpflichtet,  um  verhängnisvollen  Missdeutungen 
les  von  Bruegel  erhobenen  Befundes  vorzubeugen,  hier  mit- 
'uteilen,  das  wir  diesen  Befund  häufig  erheben  und  wissen,  dass  die 
3ruegelsche  Deutung  meistens  nicht  zu  Recht  besteht.  In  den 
Tieisten  Fällen  ist  dabei  der  Magen  normal  und  dieser  eigenartige 
"üllungsdefekt  durch  Hineindrängen  des  sichtbaren  Mageninhaltes 
gänzlich  zu  beseitigen.  Wir  haben  daher  für  denselben  die  Be¬ 
zeichnung  Pseudofüllungsdefekt  gewählt  und  folgende  Ur¬ 
sachen  des  Zustandekommens  desselben  ermittelt: 

a)  mangelhafte  Füllung  des  Magens  —  in  beiden  Schenkeln  fast 
deich  hoch  —  bei  herabgesetztem  Tonus, 

b)  Sedimentierung  des  Kontrastmittels  oder  der  ganzen  Sus¬ 
pension  aus  dem  Sekret  oder  stagnierenden  Mageninhalt  —  hierher 
gehört  auch  das  typische  Bild  der  Stenosendilatation, 

c)  starker  Druck  von  aussen,  z.  B.  durch  die  gespannten  Bauch¬ 
lecken,  bei  genau  median  (also  vor  der  Wirbelsäule)  liegender  Pars 
Jylorica  und  geringer  Tiefe  des  Abdomens, 

d  *)  gewisse  Lagerungsverhältnisse  der  Bauchorgane  bei  Pto- 
ikern  und  hohe  Lage  des  Pylorus. 

3  Ausnahmsweise  kann  dieses  typische  Bild  durch  ein  vor  dem 
3ylorus  sitzendes  Karzinom  der  kleinen  Kurvatur  hervorgerufen 
verden;  gelegentlich  mag  es  immerhin  auch  durch  ein  kallöses  Ulcus, 
'ine  Narbe,  oder  gar  durch  Adhäsionen  entstehen;  keinesfalls  kann 
:s  als  pathognomonisch  für  die  letztere  Gruppe  von  Veränderungen 
>ezeichnet  werden.  In  den  meisten  Fällen  ist  es  als  bedeutungslos  zu 
^kennen,  weil  es  beim  Versuche,  das  Kontrastmittel  gegen  den 
ylorus  zu  drängen,  auch  bei  entsprechende  Lagerung  d°s  Patienten, 
lamentlich  bei  rechter  Seitenlage,  verschwindet.  Die  Konstanz  des 
Befundes  trotz  der  genannten  Manöver  müste  aber  in  erster  Linie 
m  einen  raumbeengenden  Tumor  denken  lassen. 

Zur  Erhebung  des  Befundes  ist  die  Durchleuchtung  nicht  nur 
öllig  ausreichend,  sondern  vorzuziehen,  weil  sie  erlaubt,  auch  gleich 
einen  Charakter  durch  den  Versuch  seiner  manuellen  Beseitigung  zu 
rkennen.  Soll  aber  schon  die  Aufnahme  herangezogen  werden,  so 
mpfiehlt  sich  ausser  der  Aufnahme  im  Stehen,  die  den  Befund  zeigt, 
iueh  eine  solche  im  Liegen,  bei  der  er  meistens  verschwindet. 


*)  Auf  die  Details  der  angeführten  Punkte  kann  hier  nicht  ein¬ 
egangen  werden;  sie  sind  in  dem  einschlägigen  Kapitel  des  im  Er- 
cheinen  begriffenen  Atlas  der  Magenradiologie  von  Holzknecht 
nd  Haudek  (Verlag  von  Lucas,  Gräfe  &  Sille  m,  Hamburg) 

nthalten. 


j  Aus  dem  pathologisch-anatomischen  Institut  und  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  zu  Freiburg  i.  Br. 

Zur  Frage  der  Beeinflussbarkeit  tiefliegender  Krebse 
durch  strahlende  Energie. 

Anatomische  und  klinische  Mitteilungen  von  A  s  c  h  o  f  f, 

K  r  ö  n  i  g  und  Q  a  u  s  s. 

(Mit  einer  Tafel.) 

(Schluss.) 

Ausser  diesen  3  Sektionsfällen  kamen  noch  weitere 
5  Fälle  von  Karzinom  zu  einer  fortlaufenden  histologischen 
Untersuchung,  deren  Trägerinnen  sich  noch  in  klinischer  Be¬ 
obachtung  befinden.  Da  auch  aus  diesen  Berichten  eine  Be¬ 
einflussung  des  Krebsgewebes  durch  die  Röntgentherapie 
deutlich  hervorgeht,  so  mögen  sie  im  folgenden  kurz  mit¬ 
geteilt  sein. 

1.  Frau  Me.,  61  Jahre  alt. 

Klinische  Diagnose:  Inoperables  Portiokarzinom. 

2.  V.  12.  J.-No.  587.  Exzision  vor  der  Bestrahlung:  Es  handelt 
sich  um  einen  reinen,  aus  relativ  breiten  Zapfen  bestehenden,  nicht 
verhornenden,  weichen  Plattenepithelkrebs. 

•  2.  VI.  12.  J.-No.  842.  2.  Probeexzision:  Es  zeigen  sich  in  un¬ 

serem  Präparate  so  gut  wie  gar  keine  Veränderungen;  höchstens  eine 
Verminderung  der  Kernteilungsfiguren. 

26.  VI.  12.  J.-No.  877.  3.  Exzision:  Breite,  vielfach  anastomo- 
sierende  Zapfen  von  weichem  Plattenepithelkrebs.  In  einzelnen  Par¬ 
tien  sind  die  Krebszapfen  sehr  stark  durch  Narbengewebe  durch- 
schnürt,  der  Charakter  des  Karzinoms  hat  sich  geändert,  die  Bildung 
von  Hornperlen  deutlich  im  Fluss.  Die  Zellkernformen  variieren  hier 
weit  stärker  als  in  dem  breitzapfigen  Karzinomgewebe.  An  einer 
dritten  Stelle  ausgedehnte  Nekrosen  mit  Untergang  der  Krebszapfen 
und  der  dazwischen  liegenden  Gerüstsubstanz;  auch  hier  eine  ge¬ 
wisse  Rückbildung. 

16.  VII.  12.  J.-No.  1006.  5.  Probeexzision:  Die  Krebszapfen  sind 
breit  und  kräftig  entwickelt;  hier  und  da  Neigung  zur  Perlbildung, 
aber  ohne  ausgesprochene  Verhornung.  Kernteilungsfiguren  spärlich 
vorhanden;  viel  Kernzertrümmerung  und  Vakuolenbildung  an  ein¬ 
zelnen  Krebszellen,  so  dass  auch  hier  eine  gewisse  Abschwächung 
der  Wachstumsintensität  gegenüber  der  letzten  Exzision  anzu¬ 
nehmen  ist. 

27.  VII.  12.  J.-No.  1107.  6.  Probeexzision :  Mikroskopisch  finden 
sich  in  einem  mässig  zellreichen  Bindegewebe  sehr  breite  Zapfen  eines 
nicht  verhornenden  PlattenepitheUrebses.  Kernteilungsfiguren  sind 
reichlich.  Die  Durchwanderung  von  Leukozyten  zum  Teil  abnorm 
stark.  Andeutung  von  Kankroidperlenbildung  ist  vorhanden. 

Gegenüber  dem  letzten  Mal  ist  keine  Besserung,  eher  eine  Ver¬ 
schlechterung  zu  konstatieren. 

22.  VIII.  12.  J.-No.  1240.  7.  Exzision:  In  der  Exzision  finden 

sich  reichliche  Züge  von  Krebszellen  in  zellreiches  Bindegewebe  ein¬ 
geschlossen.  Die  Neigung  parakeratotischer  Bildungen  vielleicht 
etwas  ausgesprochener,  das  Krebsgewebe  selbst  von  Leukozyten 
durchsetzt.  Kernteilungsfiguren  nicht  sehr  reichlich,  jedoch  besteht 
dem  ganzen  Bilde  nach  kaum  eine  wesentliche  Besserung. 

10.  IX.  12.  J.-No.  1304.  8.  Exzision:  Im  mikroskopischen  Bilde 
finden  sich  hochgradige  Nekrosen  in  einem  stark  leukozytär  infil¬ 
trierten  Narbengewebe.  Von  Krebsbildungen  selbst  ist  nichts  zu 
finden. 

2.  Frau  Bo.,  62  jährig. 

Klinische  Diagnose:  Inoperables  Portiokarzinom. 

2.  V.  12.  J.-No.  589.  Probeexzision  vor  der  Bestrahlung:  Es 
handelt  sich  um  einen  weichen,  nicht  verhornenden  Plattenepithel¬ 
krebs. 

12.  VI.  12.  J.-No.  801.  1.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Die  Masse  der  Krebswucherungen  tritt  gegenüber  dem  ersten 
Präparat  deutlich  zurück.  Auch  hat  sich  der  Charakter  des  Kar¬ 
zinoms  insofern  verändert,  als  die  Zellkerne  sehr  viel  grösser  ge¬ 
worden  sind  und  auffallend  wechselnde  Form  aufweisen.  Das  Proto¬ 
plasma  ist  vielfach  stark  vakuolisiert.  Die  Kerne  neigen  zu  riesen¬ 
haftem  Wachstum.  Die  Kernkörperchen  zeigen  auffallend  wechselnde 
Grösse.  Im  ganzen  tritt  vielfach  eine  Neigung  zur  Faserbildung  deut¬ 
lich  hervor.  Ueberall  zwischen  den  Krebszellen  reichlich  Leukozyten. 
Das  umgebende  Bindegewebe  sehr  zellreich  und  ebenfalls  von  Leuko¬ 
zyten,  besonders  eosinophilen,  stark  durchsetzt.  So  gut  wie  gar  keine 
Kernteilungsfiguren. 

20.  VI.  12.  J.-No.  840.  2.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Mikroskopisch  bietet  die  neue  Exzision  ganz  ähnliche  Bilder 
wie  die  vorige. 

26.  VI.  12.  J.-No.  880.  3.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
In  dem  sehr  leukozytenreichen,  von  einer  breiten  nekrotischen  Zone 
überdeckten  Granulationsgewebe  sind  keine  sicheren  Reste  von  Krebs¬ 
gewebe  zu  finden.  In  dem  nekrotischen  Gewebe  sind  Unmengen 
von  Bakterien  eingelagert. 

4.  VII.  12.  J.-No.  936.  4.  Exzision  während  der  Bestrahlung:  In 
dem  vorwiegend  aus  Blutmassen  bestehenden  Material  werden  noch 
einzelne  locker  liegende  Krebsepithelnester  ohne  Kernteilungsfiguren 
mit  starken  Leukozyteneinwanderungen  bemerkt. 


414  MUENCHENER 


3.  VIII.  12.  J.-No.  1155.  5.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Zellreiches  Narbengewebe  ohne  deutliche  Reste  von  Krebsgewebe. 

3.  Frau  Ot.,  53  Jahre  alt.  Der  Pat.  war  anfangs  1911  wegen 
Portiokarzinoms  der  Uterus  exstirpiert  worden.  Ein  Jahr  später  kam 
sie  mit  einem  1  Vi  faustgrossen  Rezidivtumor  in  der  Bauchnarbe,  dem 
die  Exzisionen  entnommen  worden  sind. 

Die  Probeexzision  ergab  ein  charakteristisches  Zervixkarzinom 
(siehe  Figur  7).  Die  weiteren  Berichte  folgen  hier: 

19.  III.  12.  J.-No.  423.  1.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 

lung  (Fig.  8):  Das  jetzige  Bild  der  Probeexzision  zeigt  einen  völlig 
anderen  Charakter  der  Karzinomwucherung,  indem  ein  grosszeiliger 
Typus  mit  starker  Entwicklung  der  Fasersubstanz  vorliegt,  wie  er 
für  langsam  wachsende  Kankroide  charakteristisch  ist.  Trotz  des 
vielfachen  Kernzerfalles  sind  andere  Zellkerne  noch  gut  erhalten, 
auffallend  gross  und  hyperchromatisch.  Auch  finden  sich  noch  reich¬ 
lich  Kernteilungsfiguren,  z.  T.  pluripolar,  z.  T.  mit  allen  Zeichen  des 
Kernzerfalles.  Die  ganzen  Krebsmassen  sind  in  ein  jugendliches  Nar¬ 
bengewebe  eingebettet,  ohne  dass  man  an  dem  Narbengewebe  Re¬ 
sorptionsvorgänge  gegenüber  dem  Karzinom  nachweisen  könnte.  Ein 
Stillstand  der  Krebswucherung  ist  demnach  noch  nicht  anzunehmen. 

11.  IV.  12.  J.-No.  507.  2.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung  (Fig.  9) :  Beide  übersandten  Stückchen  zeigen  das  Bild  eines 
faserreichen  Narbengewebes  ohne  Karzinom.  Nur  an  einer  Stelle  wird 
noch  eine  kleine  Plattenepithelkugel  in  zellreicheres  Narbengewebe 
eingehüllt  gefunden.  An  den  Qefässen  des  Narbengewebes  ausge¬ 
dehnte  Wanddegeneration,  die  wohl  die  Ursache  der  oberflächlichen, 
ziemlich  breiten  Nekrosen  des  Narbengewebes  sind. 

15.  V.  12.  J.-No.  661.  3.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Auch  jetzt  findet  sich  wiederum  nur  ein  faserreiches  Narben¬ 
gewebe  mit  ausgedehnten  oberflächlichen  Nekrosen  ohne  nachweis¬ 
bare  Reste  von  Krebsgewebe. 

26.  VI.  12.  J.-No.  874.  4.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Mikroskopisch  findet  sich  ein  ausgesprochenes  Rezidiv  mit  breiten  Kar¬ 
zinomzapfen  vom  Typus  des  weichen  Plattenepithelkrebses.  Ziemlich 
reichlich  Kernteilungsfiguren. 

12.  VII.  12.  J.-No.  1000.  5.  Probeexzision  während  der  Bestrah¬ 
lung:  Mikroskopisch  sehr  kräftige,  breite  Krebszellenzapfen  mit  ziem¬ 
lich  reichlichen  Kernteilungsfiguren;  gegenüber  der  letzten  Probe¬ 
exzision  hat  sich  das  Bild  wieder  verschlechtert. 

27.  VII.  12.  J.-No.  1111.  6.  Probeexzision  während  der  Be¬ 

strahlung:  Mikroskopisch  ergeben  sich  die  Bilder  eines  in  breiten 
Zapfen  wachsenden,  weichen  Plattenepithelkarzinoms,  ohne  Neigung 
zur  Verhornung,  mit  zahlreichen  Kernteilungsfiguren. 

Das  Bild  hat  sich  gegenüber  der  letzten  Exzision  nicht  wesent¬ 
lich  verändert. 

22.  VIII.  12.  J.-No.  1238.  7.  Probeexzision  während  der  Be¬ 

strahlung:  Gegenüber  der  letzten  Exzision  hat  sich  das  Bild  wesent¬ 
lich  verändert.  Es  finden  sich  noch  isolierte  Gruppen  von  Krebszellen, 
ln  der  Hauptsache  jedoch  sieht  man  im  zerfallenden  Gewebe  massen¬ 
haft  Leukozyten,  hauptsächlich  eosinophile,  Plasmazellen  und  Rund¬ 
zellen.  Nach  diesem  Präparate  wäre  also  eine  deutliche  Besserung 
zu  verzeichnen. 

23.  IX.  12.  J.-No.  1351.  8.  Probeexzision  während  der  Be¬ 

strahlung:  I.  Auch  diesmal  in  dem  jungen,  stark  von  Leukozyten 
durchsetzten  Granulationsgewebe  vereinzelte  Reste  von  Krebszellen. 
Dieselben  sind  jedoch  nur  spärlich. 

II.  Dasselbe  Bild  wie  in  I,  nur  tritt  hier  der  Charakter  des 
Narbengewebes  stärker  hervor. 

5.  XII.  12.  J.-No.  1713.  9.  Exzision  aus  Bauchdeckenmetastase 
während  der  Bestrahlung:  Mikroskopisch  finden  sich  in  zapfen¬ 
förmiger  Anordnung,  einem  unregelmässig  geformten  Papillarkörper 
entsprechend,  Bindegewebsziige  mit  intermittierenden  Plattenepithel¬ 
strängen.  Diese  sind  von  nahezu  regelmässigem  Aufbau  und  stellen 
somit  atypische  Epithelwucherungen,  aber  kein  Karzinom  dar. 

4.  Frau  Gu.,  48  Jahre  alt. 

Klinische  Diagnose:  Inoperables  Mammakarzinom. 

8.  VI.  12.  J.-No.  787.  Probeexzision  vor  der  Bestrahlung: 
Mikroskopisch  handelt  es  sich  um  ein  medulläres,  aus  polymorphen, 
ziemlich  gleich  grossen,  mit  schönen  bläschenförmigen  Kernen  ver¬ 
sehenen  Elementen  aufgebautem  Karzinom.  Kernteilungsfiguren  sehr 
reichlich,  darunter  auch  viele  pluripolare. 

26.  VI.  12.  J.-No.  879.  1.  Exzision:  1.  Narbengewebe  aus  der 

Muskulatur  ohne  Zeichen  von  Karzinom.  In  dem  Narbengewebe 
zahlreiche  Riesenzellen  in  der  Umgebung  von  fadenartigen  Gebilden, 
anscheinend  Tupferresten. 

2.  Natbengewebe  auf  quergestreifter  Muskulatur  aufliegend. 
Keine  Zeichen  von  Karzinom.  Auch  hier  Fremdkörperriesenzellen 
mit  Fremdkörpern. 

22.  VII.  12.  J.-No.  1070.  2.  Exzision:  Während  der  Bestrahlung 
au«  4  verschiedenen  Stellen. 

1.  Haut  der  Achselhöhle.  Mikroskopisch  finden  sich  sehr  inten¬ 
sive  Veränderungen,  besonders  am  Papillarkörper.  Das  Epithel  ist 
in  seiner  Schichtung  vollständig  zerstört.  Die  Stachelzellen  sind 
eigentümlich  gebläht  und  vakuolisiert.  Die  Zylinderepithelien  ent¬ 
weder  aufgelöst  oder  durch  eingewanderte  Rundzellen  ganz  aus¬ 
einandergedrängt,  oder  endlich  in  eigentümliche  atypische  Epithelien 
umgewandelt,  wie  sie  bei  krebsigen  Degenerationen  beobachtet  wer¬ 
den.  Besonders  fällt  die  Hyperchromatose  vieler  Kerne,  sowie  die 
eigentümlich  dunkle  Färbung  des  Protoplasmas  auf.  Sehr  reichlich 
sind  die  Bilder  der  Karyorhexis.  Daneben  finden  sich  auch  abnorme 


WOCHENSCHRIFT.  No.  8. 


Verhornungsprozesse  in  den  tiefergelegenen  Epithelzellen.  Der  Pa¬ 
pillarkörper  selbst  ist  ungemein  reich  an  Rundzellen.  Die  Gefässe 
sind  förmlich  eingehüllt  von  zeitigen  Mänteln,  die  aus  grösseren  Zellen, 
vielleicht  Fibroblasten,  grossen  und  kleinen  Lymphozyten  und  eosino¬ 
phil  gekörnten  Leukozyten  bestehen.  Die  Zellenreaktionen  gehen  tief 
hinab  bis  zu  den  Körpern  der  Schweissdriisen.  An  den  Ausiührungs- 
gängen  der  Schweissdriisen  ebenfalls  epitheliale  Veränderungen. 

2)  Lymphknoten  aus  der  Achselhöhle,  ln  den  Lymphknoten 
findet  sich  ausgedehnte  Karzinoinatose.  Das  Bild  des  weichen  alveo¬ 
lären  Mammakarzinoms. 

Kernteilungsfiguren  vorhanden,  aber  spärlich. 

3.  Haut  der  Brust:  An  der  Haut  der  Brust  fehlt  das  Epithel  völlig. 
Der  Papillarkörper  ist  durch  ein  oberflächlich  nekrotisiertes  Ganu- 
lationsgewebe  ersetzt.  Die  zellreichen  Wucherungen  erstrecken  sich 
an  den  Schweissdrüsen  bis  tief  in  die  Kutis.  Auffallend  gut  sind  noch 
die  Arrectores  pilorum  erhalten.  Von  den  Haarbälgen  ist  in  den 
Schnitten  nichts  zu  finden.  An  ihrer  Stelle  scheint  ein  Granulations¬ 
gewebe  getreten  zu  sein. 

4.  Granulationsgewebe  aus  der  Brust:  Im  Granulationsgewebe 
der  Brust  finden  sich  reichlich  Fremdkörperriesenzellen  und  Reste  von 
Seidenfäden.  Das  ganze  Gewebe  ist  sehr  lebhaft  entzündet,  zum  Teil 
etwas  narbig  verändert. 

3.  VIII.  12.  J.-No.  1152.  3.  Exzision  während  der  Bestrahlung: 
Es  bestehen  ausgedehnte  Nekrosen  und  entzündliche  Reaktion.  Kein 
Krebsgewebe  mehr. 

1153:  Oberer  Pol:  Neben  reichlichen  Nekrosen  ausgedehnte 
Granulationsgewebsbildung,  das  frei  ist  von  Krebsresten. 

1154:  Unterer  Pol:  Hochgradige  leukozytäre  und  lympho- 
zytäre  Infiltration  des  Fettgewebes  mit  einzelnen  spärlichen,  nicht 
sicher  als  Karzinom  zu  deutenden  Plattenepithelresten. 

30.  VIII.  12.  J.-No.  1273.  4.  Probeexzision  während  der  Be¬ 
strahlung: 

1.  Axilla:  Zellreiches,  stark  von  Leukozyten  durchsetztes 
Granulationsgewebe,  zum  Teil  auch  Narbengewebe.  An  einzelnen 
Stellen  finden  sich  noch  stark  von  Leukozyten  durchsetzte  Zellen,  die 
wohl  als  Reste  von  Krebsgewebe  angesehen  werden  müssen. 

2.  Oberer  Pol:  Es  handelt  sich  um  ein  leukozyten-  und 
lymphozytenreiches  Granulations-  und  Narbengewebe,  stark  durch¬ 
blutet,  ohne  sichere  Reste  von  Karzinomgewebe.  Auch  hier  finden 
sich  die  schon  in  der  Exzision  vom  26.  VI.  12  erwähnten  Fremd- 
körperriesenzellen  mit  eingeschlossenen  Fäden  in  reichlicher  Meng:. 
Der  Rand  der  Exzision  ist  nekrotisch,  stark  von  Leukozyten  durch¬ 
setzt.  In  einem  2.  Stückchen  dasselbe  Bild. 

3.  UntererPol:  Auch  hier  Wandnekrosen  mit  starker  Leuko¬ 
zytendurchsetzung,  sonst  Granulationsgewebe,  ebenfalls  sehr  reich¬ 
lich  leukozytär  infiltriert.  Es  finden  sich  auch  hier  die  schon  in  der 
letzten  Exzision  genannten,  vereinzelt  liegenden  Plattenepithelien, 
deren  krebsige  Natur  nicht  erwiesen  werden  kann. 

5.  Frau  Be.,  46  Jahre  alt. 

Klinische  Diagnose:  Inoperables  Mammakarzinom. 

28.  IX.  12.  J.-No.  1377.  Probeexzision:  Mikroskopisch  handelt 
es  sich  um  Karzinom. 

18.  X.  12.  J.-No.  1462.  1.  Probeexzision  nach  der  Bestrah¬ 

lung:  Es  findet  sich  ein  von  Karzinomzellen  freies,  von  reichlichen 
eosinophilen  Zellen  durchsetztes,  mehr  oder  weniger  zellreiches, 
kollagenes  Bindegewebe,  welches  zum  Teil  dem  alten  Stroma  des 
Karzinoms,  zum  Teil  neugebildetem  Narbengewebe  entspricht. 

21.  X.  12.  J.-No.  1470.  2.  Exzision  nach  der  Bestrahlung.  Auf 
der  rechten  Hälfte  reichlich  durchsetztes,  aber  keine  Krebszellen 
mehr  enthaltendes  Narbengeweb.e. 

Die  Exzision  aus  der  linken  Seite  lässt  ebenfalls  keine  als  solche 
sicher  zu  erkennende  Krebszellen  auffinden,  doch  sieht  man  an  einer 
Stelle  zusammengesinterte  Haufen  von  protoplasmareichen  Zellen  mit 
starker  Vakuolisierung,  die  wohl  als  Karzinomzellen  aufgefasst  wer¬ 
den  müssen. 

4.  XII.  12,  J.-No.  1702.  3.  Exzision  nach  der  Bestrahlung:  ln 

den  mikroskopischen  Schnitten  der  beiden  entfernten  Stückchen  findet 
sich  nur  ein  leukozyten-  und  plasmazellenreiches  Granulationsge¬ 
webe,  mit  oberflächlicher  Nekrose.  Die  Fibroplasten  sind  zum  Teil 
auffallend  gross  und  kräftig  entwickelt,  mit  dunkel  färbbarem  Proto¬ 
plasma  und  riesenhaften  Kernen,  so  dass  fast  sarkomatös  aussehende 
Bilder  entstehen,  doch  macht  das  Gewebe  nicht  den  Eindruck  des 
schnellen  Wachstums,  da  Kernteilungsfiguren  ganz  zurücktreten. 

An  diese  trockene  Aufzählung  der  Befunde  möchte  ich 
noch  einige  Bemerkungen  knüpfen  und  die  oben  aufgeworfenen 
Fragen  zu  beantworten  versuchen. 

Was  zunächst  die  spezifische  Beeinflussung 
des  Krebsgewebes  in  der  Tiefe  betrifft,  so  kommen 
hier  vor  allem  der  Fall  von  Magenkrebs  und  die  Fälle  von 
Portiokarzinom  in  Betracht.  Es  unterliegt  nach  den  histo¬ 
logischen  Bildern  keinem  Zweifel,  dass  im  Bereich  der  Be¬ 
strahlung  eine  ganz  ausgesprochene  Beeinflussung  im  Sinne 
einer  Rückbildung  stattgefunden  hat.  Bei  dem  Magenkrebs 
haben  die  Operateure  bei  der  Probelaparotomie  aus  der 
serösen  Umhüllung  ein  Stückchen  exstirpiert.  Hier  war 
Karzinom  festgestellt  worden.  Nach  allen  unseren  Erfahrungen 
müssen  wir  annehmen,  dass  dann  der  Krebs  auch  alle  anderen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


415 


.  Februar  1913. 


andschichten  bis  zur  Mukosa  hin  durchsetzt  hatte.  Bei  der 
:äteren  Probeexzision  aus  den  äusseren  Magenwand- 
hichten  wie  auch  bei  der  Untersuchung  des  durch  die  Ob- 
ktion  gewonnenen  Objektes  fanden  sich  nur  innerhalb  der 
agenwand  und  zwar  gerade  in  den  innersten  Schichten 
ch  vereinzelte  Krebsnester.  Aber  diese  liessen  nichts  mehr 
n  dem  Bau  des  lebhaft  wuchernden  Adenokarzinoms  wie 
i  der  I.  Probeexzision  erkennen,  sondern  zeigten  nur  ge- 
hiossene  Haufen  zusammengesinterter  Krebszellen,  bczw. 
jj  Bilder  hochgradiger  schleimiger  Entartung.  Jedenfalls  war 
ben  der  Rückbildung  des  Krebses  in  toto  auch  noch  eine 
:ränderung  des  Typus  im  Sinne  einer  grösseren  Neigung  zur 
isreifung  d.  h.  zur  Schleimbildung  eingetreten. 

Was  die  4  Portiokarzinome  anbetrifft,  so  sind  ebenfalls 
i  allen  vieren  Rückbildungen  zum  Teil  bis  zum  völligen 
hwund  in  den  der  Probeexzision  zugänglichen  Teilen  ein- 
treten.  Aber  in  einem  Fall  hat  schliesslich  die  Röntgen¬ 
strahlung  versagt  und  der  Krebs  hat  sich  in  der  Scheiden- 
and  mächtig  ausgebreitet.  Allerdings  zeigte  die  Obduktion, 
ss  die  gradausliegenden  eigentlichen  Zervixpartien,  auf 
eiche  allein  die  Strahlen  bei  den  technischen  Anordnungen 
t  einwirken  konnten,  in  der  Rückbildung  des  Krebses  ver- 
rrt  waren,  während  an  den  seitlichen  Wandungen  die 
•ebswucherungen  vorwärts  gegangen  waren.  In  dem 
igenblick  des  Beginnes  der  Radiumbestrahlung,  die  alle  diese 
ucherungen  mittraf,  zeigte  sich  wieder,  wie  vor  allem  die 
ikroskopische  Untersuchung  des  bei  der  Obduktion  ge- 
onnenen  Präparates  zeigte,  eine  merkbare  Rückbildung 
zw.  Aenderung  des  Typus. 

Bei  einem  zweiten  Fall,  der  längere  Zeit  nicht  mehr  be- 
ralilt  wurde,  trat  ein  Rezidiv  auf.  In  den  anderen  Fällen  war 
is  Resultat  der  bisherigen  Probeexzision  positiv  im  giin- 
igen  Sinn. 

Die  Brustdrüsenkrebse  scheiden  hier  eigentlich  aus,  da  es 
:h  um  leicht  zugängliche,  mehr  oberflächliche  Krebse  handelt, 
e  auch  sonst  schon  mit  Erfolg  bestrahlt  worden  sind.  Aber 
e  an  den  Krebssträngen  wie  auch  an  der  bei  der  Obduktion 
■wonnenen  Mamma  selbst  gefundenen  Bilder  lassen  hier  kurz 
e  Frage  berühren,  wie  eigentlich  die  Röntgen- 
Gahlen  wirken.  Dass  es  sich  dabei  um  eine  direkte 
nwirkung  auf  Protoplasma-  und  Kernsubstanz  der  Krebs- 
Jlen  selbst  handelt,  ist  wiederholt  bewiesen,  oder  doch 
ahrscheinlich  gemacht  worden.  Jedenfalls  fanden  sich  auch 
unserem  Präparate  die  schon  von  den  meisten  Autoren 
;nauer  beschriebenen  Quellungen  und  Vakuolenbildungen 
.'s  Protoplasmas,  die  synzytialen  Verschmelzungen,  die 
ernveränderungen  etc.  Unleugbar  ist  die  hemmende  Wir- 
mg  auf  die  Vorbereitungen  und  den  Ablauf  der  Karyo- 
nese.  Sehr  charakteristisch  ist  die  infolge  der  mangelnden 
srnteilung  auftretende  Riesenkernbildung.  Aber  neben 
liehen  groben  Schädigungen  finden  doch  auch  feinere 
mstimmungen  statt,  die  sich  in  einer  zunehmenden 
usreifung  der  Krebszellen  oder  richtigen  Metaplasien  offen- 
iren.  So  sei  hier  nur  auf  die  Umwandlung  der  weichen 
cht  verhornenden  Portiokarzinome  in  typische  verhornende 
lattenepithelkrebse,  auf  die  Umwandlung  der  Adenokar- 
nome  des  Magens  in  einen  Schleimkrebs  und  diejenigen  der 
Lammakrebse  in  Plattenepithelkrebs  hingewiesen.  Kommen 
rttirlich  solche  Variationen  auch  schon  von  selbst  vor,  so 
ssen  hier  doch  die  fortlaufenden  Bilder  der  Exzisionen  keinen 
weifel,  dass  die  Umstimmung  durch  die  Röntgenstrahlen  er- 
■lgt  ist,  eine  Umstimmung,  die  im  Sinne  einer  verringerten 
ösartigkeit  gedeutet  werden  darf.  Besonders  bemerkenswert 
t  der  Befund  an  dem  normalen  Mammagewebe.  Auch  hier 
itte  sich  unter  dem  Einfluss  der  Röntgenstrahlen  eine  voll- 
ändige  Metaplasie  des  Drüsenepithels  in  teilweise  verhornen- 
;s  Plattenepithel  vollzogen,  wobei  ich  die  Frage,  ob  hier  eine 
rekte  oder  indirekte  Metaplasie  im  Sinne  Schriddes 
prliegt,  nicht  weiter  erörtern  will,  da  diese  Befunde  mit  Be- 
icksichtigung  der  Literatur  noch  genauer  publiziert  werden 
)llen. 

Dass  in  den  nicht  bestrahlten  Gebieten  noch  ausgiebige 
isch  aussehende  metastatische  Wucherungen  gefunden 
urden,  kann  nicht  überraschen.  Allerdings  ist  damit  auch 
e  Hoffnung,  etwa  durch  Fernwirkung  die  Krebse  beeinflussen 
i  können,  begraben,  wenn  nicht  neue  Wege  gefunden  werden. 


Etwas  anderes  ist  es  mit  der  Frage,  ob  diese  Metastasen  wohl 
erst  während  der  Bestrahlung  entstanden  sind  und  ob  sie  trotz 
der  Bestrahlung  schnell  gewachsen  sind  oder  nicht.  Darauf 
lässt  sich  leider  keine  entscheidende  Antwort  geben.  Die 
Metastasen  in  der  Leber  bei  dem  Magenkrebs  waren  schon 
zurzeit  der  Probelaparotomie  beobachtet.  Ob  sie  gleich 
zahlreich  und  gleich  gross  waren,  liess  sich  nicht  feststellen. 
Man  kann  nur  das  eine  sagen:  nach  den  mikroskopischen 
Bildern  war  ein  intensives  Wachstum  der  Metastasen  unwahr¬ 
scheinlich.  Dazu  war  die  Zahl  der  Kernteilungsfiguren  zu  ge¬ 
ring.  Auch  die  ganze  histologische  Struktur  sprach  mehr  für 
langsame  Vermehrung.  Vielleicht  liegt  doch  nach  dieser 
Richtung  eine  hemmende  Fernwirkung  vor. 

Endlich  die  letzte  Frage.  Kann  der  Organismus 
und  können  die  einzelnen  den  Krebs  beher¬ 
bergenden  Gewebe,  die  überaus  starke  Be¬ 
strahlung  ohne  eigene  Schädigung  ertragen? 
Ich  muss  hier  von  den  oberflächlichen  Nekrosen  bei  ulzerieren- 
den  oder  aufgedeckten  Krebsen  absehen.  Ich  kann  nur  her¬ 
vorheben,  dass  die  Muskulatur  des  Magens  im  Gebiete  des 
bestrahlt  gewesenen  und  rückgebildeten  Krebses  keine  grö¬ 
beren  Veränderungen  aufwies,  dass  in  der  bestrahlten  Mamma 
freilich  eine  Art  Umstimmung  des  Epithels  der  Drüsen¬ 
kanälchen  aber  keine  Zerstörung  festzustellen  war,  dass  in  der 
Milz,  in  der  Niere,  in  der  Leber,  am  Herzmuskel,  in  den 
N.  vagi,  am  Magendarmkanal,  z.  B.  bei  dem  Fall  3,  trotz  inten¬ 
siver  Bauchbestrahlung  keine  Schädigungen  nachzuweisen 
waren.  Der  Tod  ist  in  allen  drei  zur  Obduktion  gelangten 
Fällen  auf  besondere  Komplikationen  (Erschöpfung  in  direktem 
Anschluss  an  eine  Gastroenterostomie,  beginnende  Lungen¬ 
gangrän  bei  septischer  Embolie,  von  Beckenthrombosen  beim 
Scheidenkrebs,  auf  Embolien  der  Lungenarterien  etc.)  zurück¬ 
zuführen. 

Auf  folgende  Ausnahmen  muss  aber  die  Aufmerksamkeit 
gelenkt  werden.  In  dem  Fall  von  Brustdrüsenkrebs  fand  sich 
auf  der  Seite,  wo  die  Bestrahlung  sehr  intensiv  war,  nicht 
nur  eine  Nekrose  der  Interkostalmuskulatur  und  der  ober¬ 
flächlichen  Lungenschicht,  sondern  auch  eine  umschriebene 
Atrophie  des  Lebergewebes  im  Strahlungsbezirk.  Doch  unter¬ 
liegt  es  keinem  Zweifel,  dass  hier  die  Grenzen  des  Nötigen 
überschritten  waren.  Ferner  sind  ganz  kleine  nekrotische 
Herde  in  der  Leber  bei  dem  Fall  von  Scheidenkrebs  gefunden 
worden.  Ob  sie  mit  Sicherheit  auf  die  Bestrahlung  zurück¬ 
zuführen  sind,  wie  man  sich  ihre  Entstehung  deuten  soll,  muss 
noch  unbeantwortet  bleiben.  Jedenfalls  muss  man  in  Zukunft 
gerade  auf  die  Leber  achten.  Ob  die  sehr  kleinen  Herd¬ 
bildungen  für  einen  Ausfall  an  Leberfunktion  ernstlich  in  Be¬ 
tracht  kommen,  muss  freilich  bezweifelt  werden.  Doch  müsste 
man  in  Analogie  zu  den  Tierversuchen  in  zukünftigen  Fällen 
mehr  auf  etwaige  quantitative  Störungen  des  Glykogen¬ 
gehaltes  etc.  achten. 

Schliesslich  die  Magenschleimhaut.  Sie  war  in  dem  Falle 
von  Magenkrebs  im  Sinne  einer  starken  Atrophie  verändert, 
was  nach  sonstiger  Erfahrung  beim  Magenkrebs  kein  Wunder 
ist.  Dagegen  fanden  sich  auch  in  dem  Fall  von  Brustdrüsen¬ 
krebs  eigenartige  Veränderungen  im  Sinne  einer  atrophischen 
Umbildung  (fehlende  Differenzierung  der  Drüsenepithelien, 
synzytiale  Umwandlung  der  Drüsenhalszellen  etc.).  Man 
könnte  geneigt  sein,  hier  an  eine  Fernwirkung  der  Röntgen¬ 
bestrahlung  zu  denken,  wenn  nicht  gerade  im  Falle  3,  wo  auch 
die  Bauchgegend  stark  bestrahlt  wurde,  die  Magenschleimhaut 
bis  in  ihre  feinen  Drüsenstrukturen  gut  erhalten  war. 

So  kommt  der  pathologische  Anatom  zu  dem  Schluss: 

1.  Die  spezifische  Einwirkung  der  Röntgenstrahlen  ist 
auch  auf  tiefliegendes  Krebsgewebe  im  Sinne  einer 
Rückbildung  oder  Umbildung  zu  weniger  bösartigen 
Typen  nachweisbar. 

2.  Diese  spezifische  Wirkung  ist  nur  eine  lokale,  auf  das 
Bestrahlungsgebiet  beschränkte.  Eine  Fernwirkung 
ist,  wenn  überhaupt,  nur  in  beschränktem  Masse  an¬ 
zunehmen. 

3.  Die  bisherigen  Obdüktionsbefunde  zeigen,  dass  der 
Organismus  eine  solche  intensive  Durchstrahlung  ohne 
nachweisbare  Schädigung  lebenswichtiger  Organe 

■  ertragen  kann.  Ob  das  auch  für  noch  länger  dauernde 


416 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Bestrahlungen  gilt,  können  erst  die  zukünftigen  Beob¬ 
achtungen  zeigen. 

4.  In  den  bisher  obduzierten  Fällen  ist  keine  völlige  Ver¬ 
nichtung  des  Krebsgewebes  erreicht  worden. 

Diese  letzte  Konstatierung  könnte  entmutigen,  wenn  man 
nicht  der  Frage  nach  der  Ursache  dieses  vorläufigen  Miss- 
lingens  nähertreten  könnte.  Da  zeigt  nun  die  Ueberlegung  auf 
Qrund  der  mikroskopischen  Befunde,  dass  die  Röntgenbe¬ 
strahlung  mit  bestimmten  Strahlen  bei  der  relativen  Dicke  der 
krebsig  durchsetzten  Schicht  nur  an  einem  bestimmten  Quer¬ 
schnitt  die  für  die  Abtötung  der  Krebszellen  nötige  Intensität 
aufweisen  wird,  im  übrigen  die  Krebszellen  nur  umstimmt 
oder  ganz  unbeeinflusst  lässt.  Von  nun  ab  müssen  neue 
Strahlengemische  angewandt  werden,  die  auch  den  um¬ 
gestimmten  Krebszellen  neben  den  etwa  noch  vorhandenen 
ihren  ursprünglichen  Charakter  aufweisenden  angepasst  ^  sind. 
Die  zunehmende  „Immunisierung“  oder  das  „Ausweichen“  des 
Krebsgewebes  ist  es,  welche  immer  neue  Arten  von  strahlen¬ 
der  Energie  für  ihre  Beseitigung  fordert.  Indem  sich  nun  das 
Krebsgewebe  unter  dem  Einfluss  der  Röntgenstrahlen  in 
seinem  Charakter  den  normalen  Parenchymzellen  nähern 
kann,  erhöht  sich  wieder  die  Gefahr,  auch  diese  bei  Aenderung 
der  strahlenden  Energie  zu  schädigen.  Hier  vorsichtig  abzu¬ 
wägen  und  die  etwaigen  Lücken  des  technischen  Könnens 
durch  Ausnutzung  anderer  Energiequellen  auszufüllen,  wird 
Aufgabe  der  Zukunft  sein,  falls  die  Behandlung  mit  strahlender 
Energie  auf  einen  wirklichen  Sieg  gegen  die  bösartigen 
Wucherungen  rechnen  will. 

Wir  können  den  Untersuchungen  Aschoffs  nur  einige 
kurze  klinische  Betrachtungen  hinzufügen. 

Zunächst  möchten  wir  nicht  unterlassen  zu  erwähnen, 
dass  in  den  3  obduzierten  Fällen  die  Bestrahlung  noch  nicht 
abgeschlossen  war,  als  der  Tod  erfolgte,  der,  wie  bereits  oben 
erwähnt,  durch  besondere  Komplikationen  bedingt  war. 

HinsichtlichdesMaterialssei  kurz  rekapituliert, 
dass  es  sich  bei  den  von  uns  bestrahlten  Fällen  um  maligne 
Tumoren  der  verschiedensten  Organe  handelte.  Im  Speziellen 
waren  es  Karzinome  des  Uterus,  der  Ovarien,  der  Vulva,  der 
Mamma,  des  Magens  und  der  Gallenblase.  Die  Patienten  waren 
zum  Teil  bereits  erfolglos  operiert,  zum  Teil  auch  wegen  des 
vorgeschrittenen  Krankheitsprozesses  rein  palliativ  behandelt. 
Bei  allen  Fällen  wurde  vor  Einleitung  der  Behandlung,  event. 
durch  Probelaparotomie  der  maligne  Charakter  der  Ge¬ 
schwulst  festgestellt  und  wenn  möglich  während  der  Behand¬ 
lung  der  Erfolg  durch  weitere  Exzisionen  kontrolliert.  Die 
Patientinnen  wurden  von  uns  fast  durchweg  klinisch  be¬ 
handelt,  so  dass  wir  genaue  Beobachtungen  über  die  Ver¬ 
änderungen  des  lokalen  und  des  allgemeinen  Befundes  machen 
konnten. 

Objektiv  wurde  in  den  meisten  der  Fälle  eine  schon 
relativ  früh  nachweisbare  Verkleinerung  des  Tumors  als  Folge 
der  Bestrahlung  festgestellt.  Soweit  die  Tumoren  gegen 
die  Oberfläche  exulzeriert  waren,  liess  sich  in  der  Regel 
ein  von  den  Seiten  her  fortschreitende  Ueberhäutung  des  Sub¬ 
stanzverlustes  beobachten. 

In  wenigen  Fällen  haben  auch  wir  im  Verlaufe  der  Be¬ 
handlung  Gelegenheit  gehabt,  eine  falsche  Reaktion  (im  Sinne 
Werners)  zu  sehen;  anscheinend  lag  eine  für  die  appli¬ 
zierte  Dosis  ungenügende  Filterung  der  Strahlen  vor,  so  dass 
eine  Exulzeration  an  die  Stelle  des  Tumors  trat. 

Das  Blutbild  wurde  nicht  regelmässig,  sondern  im  allge¬ 
meinen  nur  da  kontrolliert,  wo  wir  Grund  zu  der  Annahme  zu 
haben  glaubten,  die  Grösse  der  inkorporierten  Strahlendosis 
könnte  die  blutbildenden  Organe  ungünstig  beeinflusst  haben. 
Trotz  grösster  Dosen  haben  wir  aber  nur  einmal  ein  Sinken 
der  Leukozytenzahl  auf  3000  feststellen  können;  in  diesem  Fall 
bestand  gleichzeitig  eine  allgemeine  Abgeschlagenheit  mit 
schlechtem  Aussehen.  Das  Blutbild  regelte  sich  jedoch  nach 
einer  eingeschalteten  Bestrahlungspause  binnen  kurzem 
wieder  bis  zu  6000  Leukozyten. 

Was  die  T  e  c  h  n  i  k*)  der  Bestrahlung  anbetrifft,  so  können 

*)  Wir  haben  in  der  letzten  Zeit  nur  noch  Wasserkühlröhren  von 
M  ü  1 1  e  r  -  Hamburg  benützt,  nachdem  wir  zu  der  Ueberzeugung  ge¬ 
kommen  sind,  dass  ihre  Leistungskraft  und  Lebensdauer  gerade  bei 
den  therapeutischen  Dauerbestrahlungen  allen  anderen  von  uns  be¬ 
nützten  Röhren  überlegen  ist. 


wir  hier  nur  kurz  sagen,  dass  im  allgemeinen  die  Prinzipien 
der  Röntgentiefentherapie  auch  bei  der  Bestrahlung  der  ma¬ 
lignen  Tumoren  befolgt  wurden. 

Während  aber  bei  den  gutartigen  Geschwülsten,  z.  B 
den  Myomen  des  Uterus,  die  Beobachtung  gelehrt  hat,  dass 
die  Resultate  unter  Einhaltung  eines  gewissen  Schemas  bei 
gleichbleibendem  Filter  so  gut  wie  stets  günstige  zu  nennen 
sind,  lässt  sich  für  die  Behandlung  maligner  Tumoren  eins 
derartig  einfache  Behandlungsmethode  nicht  durchführen 
Es  scheint,  wie  schon  oben  erwähnt,  eine  Anpassung  des 
Karzinoms  an  die  Strahlenqualität  im  Verlaufe  der  Behandlung! 
einzutreten,  und  es  muss  daher  zwecks  erneuter  Wirkung  mit 
der  Strahlenqualität  gewechselt  werden.  Es  ist  Sache  der 
Erfahrung,  zum  Teil  gewonnen  unter  der  Kontrolle  der  Ver¬ 
änderungen  im  pathologisch-anatomischen  Bilde  des  be¬ 
strahlten  Krebses,  in  den  verschiedenen  Zeiten  der  Behandlung 
die  verschiedenen  Filter  richtig  zu  wählen.  Eventuell  müsser 
zu  den  Röntgenstrahlen  noch  die  qualitativ  verschiedener1, 
Radiumstrahlen  mit  wechselnder  Filterung  hinzugefügt  werden 
Hier  eine  bestimmte  Gesetzmässigkeit  aufzustellen,  ist  uns  bis 
her  unmöglich  gewesen. 

Für  die  kritische  Bewertung  unserer  Versuche 
die  Beeinflussbarkeit  tiefliegender  Krebse  durch  Röntgen 
strahlen  zu  studieren,  glaubten  wir  unter  allen  unseren  in 
Laufe  von  7  Jahren  bestrahlten  Krebsen  gerade  nur  dii 
wenigen,  oben  erwähnten  Fälle  heranziehen  zu  sollen,  wei 
hier  Gelegenheit  gegeben  war,  die  therapeutischen  Leistungei 
des  Klinikers  durch  den  pathologischen  Anatomen  einwandfrei 
zu  kontrollieren. 

Auf  Grund  der  Untersuchungen  Aschoffs  scheint  mv 
für  den  Röntgentherapeuten  nun  folgendes  erwiesen.  Die  schon 
früher  bekannte  nachhaltige  Beeinflussung  maligner  Tumorei 
an  der  Körperoberfläche  lässt  sich  auch  auf  die  im  Innern  de: 
Körpers  liegenden  Karzinome  übertragen.  Durch  den  Ausbai 
der  Bestrahlungstechnik  zu  einer  besonderen  Röntgentiefen 
therapie  ist  es  möglich,  ohne  Hautschädigungen  so  gross' 
Lichtdosen  in  das  Innere  des  Organismus  zu  bringen,  das 
ganz  ähnlich  wie  an  der  Körperoberfläche,  auch  in  der  Tief 
histologische  Veränderungen  des  Karzinoms  zu  erkennen  sine 
Auch  im  Innern  des  Körpers  sehen  wir  unter  Einwirkuii; 
der  Tiefenbestrahlung  die  Umwandlung  massiger  Kar 
zinomzapfen  in  spärliche,  stark  veränderte  Krebszellen,  un 
den  Ersatz  der  krebsig  erkrankten  Gewebe  durch  narbige 
Bindegewebe.  Ebenso  wie  an  der  Oberfläche  können  wi 
auch  in  der  Tiefe  eine  Umstimmung  des  Krebsgewebes  beob 
achten,  auch  in  der  Tiefe  verändert  sich  histologisch  de 
Charakter  der  Krebszellen  in  dem  Sinne,  dass  wir  aus  einer 
schnellwachsenden  Karzinom  ein  langsam  wachsendes  bezw 
eine  Verringerung  der  Bösartigkeit  herbeiführen  können. 

Weitere  Schlussfolgerungen  als  die  einer  energischen  Bi 
einflussung  des  malignen  Tumors  möchten  wir  zunächst  at 
lehnen  und  vielmehr  ausdrücklich  darauf  hinweisen,  dass  allei 
der  weitere  Verlauf  der  Fälle  zeigen  kann,  wie  weit  sich  di 
Hoffnungen  auf  eine  definitive  Heilung  des  Karzinoms  durc. 
Tiefenbestrahlung  erfüllen  werden. 

Vor  allem  trifft  das  für  die  Metastasenfrage  zu.  Den 
wenn  wir  auch  in  den  direkt  der  Bestrahlung  ausgesetzte 
Gebieten  jene  intensive  Beeinflussung  des  Karzinoms  in  de 
Tiefe  beobachteten,  so  bleibt  uns  natürlich  noch  die  Frage  ofiei 
wie  weit  einer  Metastasenbildung  etwa  durch  F  e  r  n  w  i  r 
k  u  n  g  der  Röntgenstrahlen  vorgebeugt  wird.  Trotzdei 
nach  unseren  Erfahrungen  auch  bei  fehlender  örtlicher  Appl 
kation  der  Röntgenstrahlen  eine  nachhaltige  Beeinflussung  dt 
Ovarialfunktion  im  Sinne  der  Fernwirkung  zu  beobachten  is 
so  erscheint  es  doch  sehr  fraglich,  ja  nach  den  oben  skizzierte 
Beobachtungen  Aschoffs  direkt  als  unwahrscheinlich,  da; 
eine  solche  Fernwirkung  sich  auch  auf  das  karzinomatöse  G< 
webe  erstreckt.  Wollen  wir  daher  einer  Metastasenbildul 
Vorbeugen,  so  müssen  wir,  ähnlich  wie  bei  der  chirurgische 
Behandlung  der  Karzinome,  nicht  nur  den  primären  Herd  b 
strahlen,  sondern  gleichzeitig  auch  möglichst  das  zugehörig 
Drüsengebiet  röntgen-  oder  radiumtherapeutisch  in  Angr 
nehmen. 

Die  besten  Erfolge  wird  man  infolgedessen,  ähnlich  w 
bei  den  chirurgisch  noch  angreifbaren  Krebsen,  dann  e 
zielen,  wenn  man  nicht,  wie  bei  den  obigen  zur  Obduktk 


.  Februar  1013. 


MUKNcHENKR  Mt:l  HZINISl'I II:  \\  ( )L'I  IFNSCI 1RIFT. 


■langten  Fällen,  nur  diejenigen  Karzinome  bestrahlt,  die  schon 
eitgehende  Metastasen  haben,  sondern  wenn  man  auch  die 
ille  einer  kombinierten  Röntgen-Radiumbehandlung  unter- 
irft,  die  noch  keine  nachweisbaren  Metastasen  zeigen. 

Wenn  wir  zum  Schluss  noch  ganz  kurz  über  solche,  von 
s  in  Angriff  genommmene  Fälle  berichten  dürfen,  so  wäre  schon 
tzt  eine  wichtige  Tatsache  zu  erwähnen:  Verschiedene  dieser 
ille  sind  durch  die  kombinierte  Röntgen-Radiumbestrahlung 
>  intensiv  beeinflusst  worden,  dass  sie,  schon  seit  Monaten 
■i  völligem  Wohlbefinden,  in  wiederholten  Probeexzisionen 
:zw.  Probekürettagen  ein  Karzinom  nicht  mehr  aufweisen. 
;  sind  dieses  hauptsächlich  Fälle  von  Karzinom  des  Corpus 
ld  Collum  uteri  sowie  von  Karzinom  der  Mamma. 


Hygienisches  aus  Nordamerika. 

Von  Prof.  Dr.  Reiner  Müller  in  Kiel. 

Der  Hygienekongress  in  Washington  und  die  deutsche  ärztliche 
udienreise  durch  die  Vereinigten  Staaten  und  Kanada  haben  die 
ifmerksamkeit  der  Hygieniker  auf  Amerika  gerichtet.  Manches  auf 
m  Gebiete  der  Gesundheitspflege  ist  dort  anders  als  bei  uns,  denn 
nd,  Klima,  Menschen,  Regierung,  Geschichte  sind  auch  anders, 
ne  lückenlose  Darstellung  der  Gesimdheitsverhältnisse  Nord- 
lerikas  würde  ein  dickes  Buch  füllen.  Leider  wurde  den  Teil- 
hmern  des  Hygienekongresses  nicht  ein  solches  Buch  geboten,  wie 
»as  Deutsche  Reich  in  gesundheitlicher  und  demographischer  Be- 
diung“  zum  vorigen  Kongress  in  Berlin  1907. 

Gesundheitsbehörden. 

Die  Verwaltung  des  Gesundheitswesens  der  Vereinigten  Staaten 
:  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  des  Deutschen  Reiches.  Jeder 
r  48  Bundesstaaten  hat  sein  State  Board  of  Health  als  Ge- 
ndheitsbehörde.  Diese  Aemter  geben  wöchentlich,  vierteljährlich 
d  jährlich  Bulletins  und  Reporte  über  ihre  Tätigkeit  heraus.  Auch 
:  Städte  haben  Departments  und  Bureaus  of  Health.  Jeder  Staat 
'lässt  Gesetze  und  Vorschriften  und  ist  darauf  bedacht,  dass  ihm 
■;s  Recht  nicht  von  Washington  aus  verkümmert  werde.  Ausser- 
m  aber  gibt  es  für  alle  Staaten  Bundesgesetze,  z.  B.  über 
ihrungsmittel  und  Quarantäne,  die  also  den  deutschen  Reichs¬ 
setzen  über  Impfung  oder  über  gemeingefährliche  Krankheiten  ent- 
rechen.  Einige  der  Staats-  und  der  Bundesgesetze  werden  im  fol¬ 
gen  noch  berücksichtigt.  Wie  Berlin  für  Deutschland  der  Sitz 
s  Reichsgesundheitsrates  und  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes 
,  so  ist  auch  Washington  als  Bundeshauptstadt  Sitz  der  Zentral¬ 
hörden.  Dort  ist  das  United  States  Public  Health  and 
arine  Hospital  Service,  welches  Bulletins  of  the  U.  S. 
iblic  Health  and  Marine  Hospital  Service  herausgibt.  Ein  Bun- 
isgesundheitsamt,  entsprechend  dem  kaiserlichen  in  Berlin, 
nt  noch;  jedoch  hat  die  American  Medical  Association  auf  der  dies- 
lrigen  Tagung  ein  solches  gefordert,  und  Präsident  Taft  befiir- 
’rtete  diesen  Wunsch  in  seiner  Begriissungsrede  beim  Hvgienekon- 
ess  in  Washington. 

Vereine,  Zeitschriften. 

.e.  genannte  American  Medical  Association  ist  mit 

■  WO  Mitgliedern  die  grösste  ärztliche  Gemeinschaft  der  Welt.  Sie 
blt  1912  in  Atlantic  City,  dem  grössten  Seebade,  ihre  63.  Jahres- 

r Sammlung  ab.  Das  Journal  of  the  American  Medical 
ss  °uC-ta  0  n  *s*  e*ne  der  bedeutendsten  der  vielen  medizinischen 
uschriften  des  Landes,  neben  der  besonders  das  alte  Boston 
edical  and  Surgical  Journal  und  das  New  York 
i  f  d,\c„a  1  J  0  u  r  n  a  1  zu  nennen  wären.  Die  AmericanPublic 

th  Association,  also  dem  Titel  nach  etwa  dem  Deutschen 
rein  für  öffentliche  Gesundheitspflege  entsprechend,  ist  ebenso  alt 
e  dieser.  Sie  besteht  nicht  nur  aus  Angehörigen  der  Vereinigten 
aaten,  sondern  ist  panamerikanisch.  Ihre  39.  Jahresversammlung 
Tte  1911  in  Habana.  Das  American  Journal  of  Public 
-  g  i  e  n  e  ist  ihr  Organ.  Die  Society  of  American  Bac- 
nologists  hat  1910  in  Verbindung  mit  dem  Naturhistorischen 
iseum  am  Zentralpark  in  New  York  ein  bakteriologisches  Museum 
|d  eine  Austauschstelle  für  Bakterienkulturen  eingerichtet.  Ferner 
steht  eine  American  Association  of  Pathologists 
"u  Bacteriologists.  Das  angesehene  Journal  of  Ex- 
|  nmental  Medicine,  seit  1896  erscheinend,  ist  seit  1905  vom 
CKeteller  Institut  für  sich  übernommen  worden.  Das  Journal 
infectious  Diseases  erscheint  seit  1904  in  Chicago.  Die 
oceedings  of  the  Society  for  Experimental  Bio- 
sy  and  Medicine  in  New  York  bringen  seit  1903,  unter  rück- 
ntsioser  Stremhung  alles  Nebensächlichen,  nur  knappe,  aber  doch 
reichende  Berichte.  Die  Public  Health  Reports  bringen 
amtlichen  Gesundheitsberichte  des  Staatenbundes;  1912  bildet  den 

■  anJ‘  i»le  s^it  1904  bestehende  American  Society  of 
i°a  uCa.  Medicine  gibt  jährlich  „Papers“  über  ihre  Sitzungen 

Arbeiten  heraus.  Es  gibt  natürlich  noch  manche  Gesellschaften 
1  schritten  mr  Sondergebiete  der  Hygiene,  wie  Alkoholismus, 
No.  8. 


Tubei kulose,  Geschlechtskrankheiten;  auf  einige  davon  kommen  wir 
noch  zurück. 

Forschmigs-  und  Arbeitsstätten. 

.?“näch^  d'e  Universitäten.  Unter  hunderten  sogen.  Uni- 
veisitaten  sind  kaum  ein  Dutzend,  die  den  deutschen  an  die  Seite 
gestellt  werden  könnten.  Von  diesen  ist  die  Medical  School  der  H  a  r- 
v  a  i  d  -  U  ri  i  v  e  i  s  i  t  ä  t  in  Boston  au  erster  Stelle  zu  nennen.  In 
ihren,  von  Milliardären  gestifteten  Marmorpalästen  wird  wirklich 
gearbeitet.  Theobald  Smith,  der  Bakteriologe,  ist  dort  Professor 
der  vergleichenden  Pathologie.  Er  und  K  i  1  b  o  r  n  e  fanden  1893  die 
Uebertragung  des  Texasfiebers  durch  Zecken,  und  haben  damit  zu¬ 
erst  die  Rolle  eines  Arthropoden  als  Wirt  bei  einer  Protozoen- 
krankheit  festgestellt.  Und  auch  seine  grundlegenden  Forschungen 
über  die  Verschiedenheit  der  Tuberkelbazillentypen  und  über  An¬ 
aphylaxie  stellen  den  bescheidenen  Forscher  unter  die  Grossen  un¬ 
serer  Zeit.  Nicht,  dass  es  sonst  an  tüchtigen  Männern  der  Wissen¬ 
schaft  in  Boston  und  an  den  Universitäten  in  NewYork,  Baltimore, 
Philadelphia,  Chicago,  Ann  Arbor,  Cleveland,  San  Francisco  und 
den  kanadischen  zu  Montreal  und  Toronto  gebräche;  aber  ihre  Auf¬ 
zählung  und  Würdigung  würde  zu  weit  führen. 

Das  R  o  ckefellerinstitut  in  NewYork  ist  ein  reines  For¬ 
schungsinstitut,  wie  wir  es  uns  nur  wünschen  können.  Der  Petroleum- 
könig  hat  von  1901 — 1912  8/4  Millionen  Dollar  dafür  hergegeben; 
also  Geldsorgen  fallen  fort.  Nur  ein  Teil  des  Institutes  beschäftigt 
sich  mit  mikrobiologisch-hygienischen  Fragen,  wie  mit  Poliomyelitis, 
Syphilis,  Scharlach,  Pneumonie.  Flexner  und  Noguchi  sind 
weltbekannte  Namen.  Das  Rockefellerinstitut  besorgt  auch  die 
wissenschaftliche  Leitung  des  1911  von  Mrs.  Harr  im  an  für 
50  000  Dollar  in  San  Francisco  gestifteten  Pathological 
and  Bacteriological  Labor  atory  Ein  Institute  for 
Infectious  Diseases  wird  jetzt  in  Chicago  errichtet,  vom  Ver¬ 
mächtnis  der  Mrs.  Durand. 

Die  Gesundheitsbehörden  der  einzelnen  Staaten  unterhalten  meist 
eigene  Untersuchungsämter.  Als  erstes  in  den  Vereinigten 
Staaten  wurde  das  Public  Health  Laboratory  des  Staates  Rhode  Island 
in  Providence  1888  von  G.  T.  Swarts  begründet.  Grössere  Städte 
gehen  selbständig  vor,  so  Boston.  Und  die  Stadt  NewYork  rühmt 
sich,  „the  first  municipal  bacteriological  laboratorv  in  the  world“ 
eingerichtet  zu  haben.  Es  war  1892,  im  Anschluss  an  die  von  Ham¬ 
burg  her  drohende  Choleragefahr.  Ausserdem  hat  der  Staat  New¬ 
York  in  seiner  Regierungshauptstadt  Albany  sein  State  Hygienic 
Laboratory,  wo  unter  anderem'  Kurse  für  Amtsärzte  abgehalten 
werden.  Sehr  beachtenswert  ist  auch  das  unter  W.  T.  Sedgwick 
stehende  Sanitary  Research  Laboratory  des  Massachussetts  Institute 
of  Technology  zu  Boston.  Wie  schon  gesagt,  ist  beabsichtigt,  in 
Washington  für  den  ganzen  Bund  ein  Amt  zu  errichten. 

Heer  und  .Flotte  haben  in  Washington  die  Army  Medical 
School  und  die  vor  2  Jahren  eingerichtete  Navy  Medical 
School,  mit  Laboratorien,  dem  schönen  Army  Medical  Museum 
und  der  Library  of  the  Surgeon-General  Office,  der  grössten  medizini¬ 
schen  Bibliothek  der  Welt.  An  der  Navy  Medical  School  wird  auch 
Schiffs-  und  Tropenhygiene  gelehrt.  Eine  besondere  Schule  für 
Schiffs-  und  Tropenhygiene  besteht  seit  1911  unter  Cr. 
Well  mann  an  der  Tulane-Universität  zu  NewOrleans.  Sein 
Assistant-Professor  Charles  C.  Bass  ist  neuerdings  bekannt  geworden 
durch  die  gelungene  Züchtung  der  Malariaplasmodien  ausserhalb  des 
menschlichen  Körpers  in  traubenzuckerhaltigem  Menschenblut.  Zur 
Ausarbeitung  seiner  Methode  ging  er  im  April  1912  nach  Ancon  am 
Panamakanal. 

Der  Gewerbehygieniker  findet  mancherlei  Neues  im  „Ameri¬ 
can  Museum  of  S  a  f  e  t  y“  (Museum  für  Unfallverhütung,  ähnlich 
dem  Charlottenburger)  in  NewYork,  das  in  letzter  Zeit  unter  W.  H. 
T  o  1  m  a  n  s  Leitung  recht  vollkommen  geworden  ist.  Es  nahm  seinen 
Ausgang  von  einer  Ausstellung  für  Unfallverhütung  in  NewYork  1908 
Ein  ähnliches  Institut  besteht  in  Montreal  in  Kanada. 

Quarantäne. 

Die  Quarantänevorschriften  der  Union  von  1893  wurden  1910 
verbessert.  Die  „quarantinable  diseases“  sind  Cholera 
Gelbfieber,  Pocken,  Flecktyphus,  Pest  und  Lepra,  ausserdem  andere 
nach  Ermessen  des  betreffenden  Hafenarztes,  z.  B.  in  NewYork  noch 
Genickstarre,  Scharlach,  Masern,  Diphtherie  und  Erysipel.  Die  Ver¬ 
waltung  der  einzelnen  Quarantäneanstalten  haben  die  be¬ 
treffenden  Einzelstaaten.  Eine  der  wichtigsten,  vielleicht  der  ganzen 
Welt,  ist  die  des  NewYorker  Hafens,  die  unter  Leitung  des  mit 
grossen  Machtvollkommenheiten  ausgestatteten  Health  Officer  of 
the  Port  of  NewYork  steht.  Das  ist  seit  1905  Dr.  A.  H.  D  o  t  y,  gegen 
den  1911,  mehr  aus  innerpolitischen  Gründen,  allerhand  Klagen  er¬ 
hoben  wurden,  wogegen  ihn  die  Aerzteschaft  in  Schutz  nahm  Er  ist 
Verfasser  eines  Werkes  „Prevention  of  Infectious  Diseases“.  Seine 
Station  liegt  auf  S  t  a  t  e  n  Island,  an  den  Narrows,  dem  äusseren 
Eingang  des  Hafens,  wo  alle  Schiffe  halten  müssen  und  die  Reisenden 
besichtigt  werden.  Leute  mit  einer  der  genannten  Krankheiten  wer- 
den  in  das  Hospital  auf  der  kleinen  Swinburne  Insel  gebracht. 
Verdächtige,  also  alle  die  sich  angesteckt  haben  können,  kommen  in 
die  Beobachtungsbaracken  auf  H  o  f  f  m  a  n  n  Island,  z.  B.  die 
Choleraverdächtigen  neuerdings  10  Tage  lang.  Seit  Juli  1911  wird  bei 
allen  Choleraverdächtigen  der  Kot  bakteriologisch  untersucht,  ob 
Vibrionenträger  dabei  sind:  im  ersten  Jahre  waren  das  etwa  1500 


m 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


Ho.  i. 


Untersuchungen.  Die  Cholera  ist  im  Mai  1832  zum  ersten  Male  in 
Amerika  eingeschleppt  worden. 

Für  den  Land  verkehr  von  Kanada  und  Mexiko  her  bestehen 
besondere  Bestimmungen.  Kanada  hat  neue  Canadian  Quarantine 
Regulations  vom  12.  VI.  1907.  7  Quarantänestationen  bestehen  ,  im 

Osten,  3  im  Westen,  jede  unter  einem  Medical  Quarantine  Officer. 
Die  Handhabung  geschieht  ähnlich  wie  in  den  Vereinigten  Staaten. 

Rassenhygiene. 

Die  Rassenhygiene  hat  als  Ziel  Vollkommenheit  der  Nach¬ 
kommenschaft;  also  möglichst  gesunde,  verständige,  kräftige,  schöne 
Menschen.  Tuberkulose,  Syphilis  und  Alkohol,  die  Hauptfeinde  der 
kommenden  Geschlechter,  will  ich  nachher  besonders  besprechen. 
Ausser  diesen  gibt  es  drüben  allerhand  anderes,  was  zum  Teil  vom 
europäischen  abweicht: 

Geburtenrückgang.  Die  im  Lande  geborenen  Bleichge¬ 
sichter,  die  Yankees,  vermehren  sich  wenig;  also  gerade 
der  führende  Teil  des  Volkes,  der  seine  sonstige  Tüchtig¬ 
keit  durch  Erfolge  bewiesen  hat.  Und  darin  liegt  ja  die 
hygienische  Bedeutung  des  Geburtenrückganges;  denn 
Uebervölkerung  des  Erdballs  ist  kein  Ziel  der  Hygiene.  Wir 
wissen,  dass  nicht  die  Herabsetzung  der  Zeugungsfähigkeit  die  Ur¬ 
sache  ist.  Der  Neomalthusianismus  herrscht  fast  mehr  als  in  Frank¬ 
reich.  Die  Reichen,  die  Beamten,  die  Gebildeten  sind  dort  ebenso¬ 
wenig  erpicht  aufs  Kinderkriegen  und  Steuernzahlen,  wie  die  Hurrah- 
patrioten  der  alten  Welt.  Trotzdem  wächst  ja  die  Einwohnerzahl 
schnell;  denn  etwa  800  000  Einwanderer,  früher  noch  mehr,  kommen 
jährlich  ins  Land  und  vermehren  sich  zunächst  noch  in  gewohnter 
Weise.  Aber  diese  Einwanderer  sind  in  den  letzten  Jahren  zum 
grossen  Teil  wenig  begehrenswerte  Menschen;  und  so  entstand  die 

Einwandereriiberwachung.  Sie  ist  nicht  zu  verwechseln 
mit  der  Quarantäne,  wenn  sie  auch  ähnlich  jener  sich  mit 
Krankheiten  befasst.  Die  meisten  Einwanderer  landen  in  New- 
York.  Bis  1890  wurden  hier  die  Zwischendecker  an  der 
Battery  ausgeschifft;  sie  wurden  dann  sehr  oft  in  der  Stadt  von 
Gaunern  ausgebeutet.  Jetzt  werden  sie,  und  auch  verdächtige  Ka¬ 
jütenreisende,  auf  dem  kleinen  Ellis  Island  davor  bewahrt,  aber 
in  den  letzten  Jahren  auch  immer  schärfer  gesichtet.  Südosteuropäer 
und  Asiaten,  moderne  Hunnen,  stehen  oft  auf  recht  niedriger  Kultur¬ 
stufe;  Süditaliener  drücken  die  Löhne,  wohnen  in  geschlossenen  Vier¬ 
teln  wie  ein  Fremdkörper  in  den  amerikanischen  Städten  und  ver¬ 
lassen  später  mit  dem  Geld  das  Land  wieder.  Es  gelten  also  hier 
nicht  nur  rassenhygienische  Gründe.  Von  der  Landung  aus¬ 
geschlossen  werden  besonders  Geisteskranke,  Schwachsinnige, 
Epileptiker,  Tuberkulöse,  Trachomkranke,  Krüppel,  alle  die  wahr¬ 
scheinlich  der  Oeffentlichkeit  zur  Last  fallen,  Verbrecher,  Poly- 
gamisten,  Anarchisten,  Dirnen,  Zuhälter,  Mädchenhändler,  Kontrakt¬ 
arbeiter  (besonders  chinesische),  und  Kinder  unter  16  Jahren  ohne 
Begleitung.  Und  von  den  „Tyrannen  von  Ellis  Island“  wird  streng 
gesichtet!  Schon  die  Furcht  davor  hält  viele  in  Europa  zurück;  und 
die  Schiffsgesellschaften  müssen  für  manche  Kranke,  z.  B.  Trachom, 
hohe  Strafen  zahlen,  wenn  sie  solche  mitbringen.  Im  Jahre  1910/11 
wurden  in  den  etwa  20  Einwandererhäfen  von  über  einer  Million 
Ankömmlingen  24  270  zurückgewiesen,  „deportiert“;  davon  allein 
14  771  auf  der  NewYorker  „Träneninsel“,  also  täglich  40.  Darunter 
waren  580  Verbrecher,  316  Prostituierte,  179  Zuhälter.  Niemand  kann 
den  Vereinigten  Staaten  verbieten,  unliebsame  Gäste  abzuweisen; 
auch  Deutschland  schiebt  fremdes  Zigeunergelichter  ab.  Aber  es 
scheint  doch,  trotz  aller  Uebertreibung  amerikanischer  Blätter,  sicher, 
dass,  zum  Teil  durch  engherzige  Auslegung  des  Einwanderergesetzes 
von  1907,  manche  Leute  unnötig  hart  behandelt  wurden  im  Ange¬ 
sichte  der  Statue  der  Freiheit.  Stammen  nicht  fast  alle  Amerikaner 
von  Einwanderern  ab?  Jetzt  wirds  dort  besser  sein.  Die  neuen 
Bauten  sind  schön  und  geräumig.  Ein  eigenartiges  Gefühl  beschleicht 
den  Besucher  der  Insel,  wo  die  Menschenscharen  voll  Hoffen  und 
Bangen  anklopfen  an  den  Toren  der  neuen  Welt. 

Die  Negerfrage  kann  nur  dann  eine  rassenhygienische 
sein,  wenn  die  Schwarzen  minderwertig  sind.  Und  dass 
die  mehr  als  10  Millionen  Coloured  men  der  Vereinigten 
Staaten  Untermenschen  sind,  das  steht  für  den  Yankee  um 
so  fester,  je  südlicher  er  wohnt.  Gesunde,  kräftige  Neger  und 
Mischlinge  sieht  man  zwar  allenthalben;  als  Arbeiter  sind  sie  unent¬ 
behrlich.  Und  wahrhaft  schöne,  ja  wundervoll  ebenmässige  Ge¬ 
stalten  zeigen  viele  Mulatten;  manche  Vollblutneger  allerdings  fast 
tierische  Gesichtsknochenbildung.  Aber  das  Gehirn  scheint  nicht 
vollwertig  zu  sein,  es  soll  mehr  einer  kindlichen  und  wenig  ent¬ 
wicklungsfähigen  Stufe  entsprechen.  Man  vergleiche  die  schnelle 
Kulturaneignung  der  Gelben  in  Japan  mit  dem  Zurückbleiben  der 
Farbigen  in  Nordamerika  inmitten  der  Weissen,  und  der  Unfähigkeit 
der  mittelamerikanischen  Mischlingsstaaten,  wo  auch  die  Hygiene  so 
tief  steht.  Nun  gäbe  es  zwei  Wege :  die  möglichste  Vermischung 
mit  den  90  Millionen  Weissen,  so  dass  die  Schwarzen  verschwänden, 
wie  die  venetianischen  Mohrensklaven  des  Mittelalters  unter  den 
Italienern.  Aber  umgekehrt  geht  es!  Immer  schärfere  Rassen  treu- 
n  u  n  g!  Die  Unzahl  der  vorhandenen  Mulatten  aller  Farbenab¬ 
stufungen  bis  zum  „color  cafe  con  leche“  beweist,  dass  zur  Sklaven¬ 
zeit  dieses  Bedürfnis  nach  reinlicher  Scheidung  weniger  vorhanden 
war.  >n  Massachussetts,  Michigan  und  den  meisten  Südstaaten  ist 
jetzt  die  Ehe  zwischen  Farbigen  jeden  Grades  und 


Weissen  gesetzlich  verboten,  und  wird  auch  wirklich 
mit  Gefängnis  bestraft.  Die  Farbigen  haben,  wenigstens  im  Süden, 
alles  für  sich,  Kirchen,  Gefängnisse.  Krankenhäuser,  Blindenasyle, 
Strassenbahnabteile,  Wirtshäuser,  Theater,  Bordelle,  Bedürfnisan¬ 
stalten.  Und  manche  der  führenden  Farbigen  erstreben  auch  wirt¬ 
schaftliche  Unabhängigkeit;  so  der  Mulatte'  B.  T.  W a - 
shington  im  Tuskegee-Institute  in  Alabama.  Versucht  wird  auch 
die  Hebung  der  Bildung:  In  Raleigh  in  North  Carolina  haben 
die  Farbigen  ihre  Shaw-Universität,  in  Georgia  die  Atlanta-  und  die 
Clark-Universität.  Die  Schwarzen  vermehren  sich  im  Ver¬ 
hältnis  schneller  als  die  Weissen,  denen  aber  die  Einwanderung  nach¬ 
hilft.  So  hatten  1910  im  Distrikt  Columbia  die  Farbigen  die  Geburten¬ 
ziffer  26,7  Prom.,  die  Weissen  20,1  Prom.  Bei  den  Farbigen  waren 
22,1  Proz.  unehelich,  bei  den  Weissen  1,9  Proz.  Die  Farbigen  hatten 
28  Prom.  Sterb  lichkeit,  die  Weissen  15  Prom.  In  Mississippi  und 
South-Carolina  ist  mehr  als  die  Hälfte  farbig.  Das  Ende  der  Neger- 
irage  ist  nicht  abzusehen.  Die  Indianer  und  die  Chinesen  spielen 
in  diesen  Fragen  keine  Rolle;  denn  die  266  000  Indianer  der  Union 
werden  in  ihren  Reservationen  sozusagen  in  Reinkultur  gehalten,  und 
die  Chinesen,  soweit  sie  überhaupt  ins  Land  gelassen  wurden,  halten 
sich  für  sich. 

Sterilisationsgesetze  und  Aehnliches.  Wenn  man  Menschen 

wie  Haustiere  züchten  könnte!  In  den  letzten  Jahrzehnten 
ist  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  das  krüppelhaft  schlechte 
Rindvieh  durch  vernünftige  Zuchtwahl  zu  einer  prächtigen 
Rasse  geworden,  die  sich  in  mehrfacher  Hinsicht,  uie 
durch  Gewicht,  Schönheit,  Farbe,  Güte  des  Fleisches,  auszeichnet. 
Schon  vor  2 X>  Tausend  Jahren  beklagt  der  Grieche  Theognis, 
dass  man  zwar  bei  Pferden,  Eseln,  Schafen  auf  Vervollkommnung 
sieht,  den  Menschen  aber  durch  Geldheiraten  verkümmern  lässt.  Beim 
Menschen  ist  die  Vererbungsbiologie  an  die  gleichen  Gesetze  ge¬ 
bunden.  Und  jede  Mutter,  jeder  Vater  und  gar  die  Grosseltern  be¬ 
ziehen  ja  alle  guten  Eigenschaften  des  Sprösslings  ausgerechnet 
jeder  auf  sich.  Der  Gedanke  ist  ja  auch  schon  aufgetaucht.  Men¬ 
schengestüte  des  Fürsten  Pii  ekler!  Mittgart-Bewegung!  Ich 
glaube  zwar,  dass  manche  Männer  im  mormonischen  Vollgefühl  ihrer 
Rassetüchtigkeit  und  aus  Mitleid  für  ihre  minderwertigen  Erden¬ 
genossen  bereit  wären,  in  Mittgartdörfern  die  Rolle  zu  spielen,  von 
der  Wilhelm  Busch  sagt,  dass  sie  nicht  schwer  sei.  Aber  ich  be¬ 
zweifle,  dass  wirklich  edle  Zuchtkavaliere  ihre  Mütter,  Schwestern 
und  Töchter  in  solcher  Siedelung  tätig  wissen  wollten.  Vernünftiger 
als  solches  sind  die  amerikanischen  Sterilisationsge¬ 
setze  sicher.  Die  Ausschaltung  der  Schlechtesten  ist  hier  die  Lo¬ 
sung.  Zuerst  war  es  der  Staat  Indian  a,  der  durch  das  Gesetz  vom 
9.  III.  07  die  Sterilisation  bei  bestimmten  rückfälligen  Verbrechern 
auch  gegen  deren  Willen  nach  den  Gutachten  einer  Gruppe  von 
Sachverständigen  ermöglichte.  Dr.  Harry  O.  S  h  a  r  p  s,  Arzt  am 
Gefängnis  für  jüngere  männliche  Sträflinge  in  Jeffersonville  (Ind.) 
hat  die  „Asexualisation“  ausgebildet;  bis  Juli  1911  wurden  im  Staate 
Indiana  873  Männer  und  2  Frauen  so  für  die  Nachwelt  unschädlich 
gemacht.  Der  Eingriff  ist,  wenigstens  beim  Manne,  ungefährlich,  ein¬ 
fach,  und  sogar  mit  Lokalanästhesie  ambulatorisch  ausführbar.  Das 
Vas  deferens  wird  beiderseits  durchschnitten  und  der  abführende  Teil 
abgebunden.  Männlicher  Habitus  und  Potentia  coeundi  bleiben  be¬ 
stehen,  nur  die  Libido  wird  oft  etwas  herabgesetzt.  Also  keine 
Kastraten!  Bei  Weibern  wird  die  Salpingektomie  oder  auch  Oophor¬ 
ektomie  gemacht.  Die  Röntgenstrahlen  wird  man  vielleicht  auch  an¬ 
wenden,  wenn  sie  sich  als  zuverlässig  und  ungefährlich  erweisen. 
Dem  Beispiele  Indianas  sind  1909  die  Staaten  Washington,  California 
und  Connecticut,  1911  Nevada,  Iowa  und  New  Jersey,  1912  NewYork 
gefolgt;  und  andere  beabsichtigen  es.  Die  Gesetze  sind  nicht  bei 
allen  gleich.  So  gestattet  der  Staat  Connecticut  auch 
Schwachsinnige  zu  sterilisieren,  und  er  hat  ausserdem  schon 
seit  1895  die  Bestimmung:  „Jeder  Mann  und  jede  Frau,  die  heiraten 
oder  wie  Ehegatten  leben  wollen,  sollen,  wenn  ein  Teil  epilep¬ 
tisch  oder  schwachsinnig  ist,  mit  Gefängnis  bis  zu  3  Jahren 
bestraft  werden,  wenn  die  Frau  jünger  ist  als  45  Jahre.“  Michigan 
hat  das  Gesetz,  dass  Geisteskranke,  Idioten  und  Personen,  die  an 
nicht  geheilter  Syphilis  oder  Gonorrhöe  leiden,  nicht  heiraten  dürfen. 

Sicherlich  werden  schon  durch  diese  bestehenden  Gesetze  viele 
schlechte  Rassenelemente  ausgeschaltet,  Die  wissenschaftliche 
Grundlage  dafür  sind  die  in  den  letzten  Jahren  von  den  Rassen¬ 
hygienikern  mit  aller  Sorgfalt  ausgearbeiteten  Stammbäuine,  die  deut¬ 
lich  zeigen,  wieviel  unsagbares  Elend  ein  einziger  Entarteter  unter 
seinen  Nachkommen  verursachen  kann.  Die  Wahrscheinlichkeit,  dass 
er  es  tun  wird,  genügt  zur  Rechtfertigung  der  Gesetze;  denn  es  gibt 
genug  nicht  Entartete  zur  Vermehrung  der  Menschheit.  Wenn  solche 
Gesetze  in  allen  Ländern  durchgeführt  und  auch  auf  nicht  ver¬ 
brecherische  Idioten,  Verrückte,  Säufer  und  vielleicht  auf  manche 
Luetiker  und  Tuberkulöse  ausgedehnt  würden,  dann  wäre  das  ohne 
Zweifel  von  Nutzen.  Aber  man  darf  es  nicht  überschätzen.  Durch 
Sterilisieren  allein  wird .  die  Menschheit  nicht  zur  Vollkommenheit 
gelangen.  Wichtiger  wäre  es,  wenn  es  gelänge,  dem  Volke  soviel 
hygienisches  Gefühl  beizubringen,  dass  bei  der  Gattenwahl  die  be¬ 
vorzugt  würden,  die  möglichst  w7enig  körperliche  und  geistige  Mangel 
aufweisen.  Was-  jetzt  die  Ausnahme  ist,  der  gesunde  und  kraftvoll 
schöne  und  kluge  Mensch,  das  muss  die  Regel  werden;  das  ist  das 
nächste  Ziel  der  Rassenhygiene.  Darnach  mag  ein  zaräthustrischer 
Biologe,  nicht  Philosoph,  die  verborgenen  Wege  zum  Uebermenschen 
weisen.  Die  Höherzüchtung  der  Menschheit  kann  mir  langsam 


i.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


419 


iranschreiten.  Aber  Jahrtausende  und  Jahrhunderttausende  sind  ja 
r  wie  Minuten  und  Stunden  im  Leben  unserer  alten  Mutter  Erde. 

Noch  etwas  fällt  dem  Beobachter  in  Nordamerika  auf.  Man 
:ht  dort,  wie  der  deutsche  Dichter  in  Dollarika,  E.  v.  Wolzogen 
st:  weniger  „Speckwampen,  Bierbäuche,  Kahlköpfe.  X-  und  Säbel¬ 
ine,  verpustelte,  ver.pickelte,  grämlich  graue,  brutale  oder  schwäch- 
he  Gesichter,  die  mit  den  in  ihrem  schwappenden  Fett  schwankend 
herwatschelnden,  geschmacklos  aufgedonnerten  Madams  und  den 
sbleichen,  blassäugig  blöden,  stumpfnasigen,  schiefzähnigen  und 
;kbeinigen  Jungfrauen  ihren  Nachwuchs  bereits  erzeugt  hatten  oder 
fürderhin  zu  tun  gedachten“.  Aber  drüben  vermisst  man  vielfach 
»tz  allen  Sports  auch  die  strammen  Kerle,  die  unsere  allgemeine 
ehrpflicht  hervorbringt. 

Alkohol, 

In  Amerika  hat  das  Feuerwasser  zur  Ausrottung  der  Indianer 
igetragen.  Die  Geschichte  der  Vereinigten  Staaten  weiss  von 
’.em  Whisky  kriege  zu  erzählen.  Jetzt  unterscheidet  man 
üben  feuchte  und  trockene  Staaten.  In  den  9  Prohibitions- 
aaten  ist  jeder  Alkoholverbrauch  gesetzlich  verboten;  selbst  in 
n  durchfahrenden  Speisewagen  wird  innerhalb  solcher  Landesgren- 
n  keiner  abgegeben.  Ferner  kann  in  allen  Staaten  der  Union  auch 
le  G  e  me  i  n  d  e  durch  Abstimmung  (Local  Option)  den  Alkohol  ver- 
;ten.  Die  Prohibitionisten  spielen  sogar  eine  wichtige  politische 
>lle  in  und  neben  den  beiden  Hauptparteien,  den  Demokraten  und 
•publikanern.  Trotzdem  steigt  der  Alkoholverbrauch  der  Ver- 
ligten  Staaten. 

Der  Staat  Maine  z.  B.  ist  ein  trockener  Staat.  Unter  der  Führung 
les  Eingeweihten  kann  man  in  dessen  grösster  Stadt  Portland  dar- 
er  allerhand  eigentümliche  Beobachtungen  machen.  Schleichwege 
s  Alkoholschmuggels;  Bestechung  der  Polizei;  und  der  Schnaps, 
r  doch  getrunken  wird,  ist  vielfach  die  schlechteste  Sorte.  Auch 
iren  ja  die  Apotheken  ihn  als  Arznei.  Oder  man  fordert  im  Gast- 
us  mit  einem  Augenzwinkern  ein  Glas  Milch  und  bekommt  in  un- 
rchsichtigem  Gefäss  sein  Bier,  a  drink  with  a  wink  nennt’s  der  Kun¬ 
de.  Für  den  Hausgebrauch  kann  man  die  Getränke  aus  den  Nach- 
rstaaten  beziehen.  Der  Staat  Kentucky  hat  die  bedeutendsten 
hiskybrennereien. 

Andere  Staaten  sind  weniger  streng.  So  ist  in  New  York,  wo 
.'ion  seit  1855  ein  Erlass  gegen  den  Alkohol  besteht,  der  Verkauf 
ich  Mitternacht  verboten,  wenn  nicht  zugleich  Speisen  verabfolgt 
■rden;  aber  eine  Scheibe  Weissbrot  genügt  schon. 

Die  Bundesregierung  erhebt  von  jedem  Wirtshaus  der  Union  eine 
:  euer.  Da  nun  die  Bundesgesetze  nicht  so  leicht  durch  Be¬ 
gehung  zu  umgehen  sind,  kommt  es  vor,  dass  selbst  die  Besitzer 
n  Kneipen  in  trockenen  Staaten  ihre  Steuer  nach  Washington 

■  licken.  Natürlich  gibt  es  eine  Reihe  Alkaholgeg.ner  vereine, 
iner  die  American  Association  for  the  Study  and  Cure  of  Inebriety. 

I  New  York  besteht  durch  ein  Gesetz  von  1910  ein  Board  of 
lebriety,  ein  Trunkenheitsrat;  wegen  Trunkenheit  Festgenom- 
>:ne  kommen  dorthin,  Gewohnheitssäufer  werden  Krankenhäusern 

■  er  Besserungsanstalten  überwiesen.  In  Washington  besteht  ein 
koholheim,  das  Washingtonian  Home,  unter  der  Leitung 

!.  Ellsworths,  der  auch  der  Vertreter  Amerikas  auf  dem  Inter¬ 
zonalen  Alkoholkongress  im  Haag  1911  war.  Das  Rote  Kreuz- 
f  spital  in  New  York  bekam  1907  einen  Neubau,  zu  dem  War  de  11 

■  i  Baugrund  unter  der  Bedingung  völliger  Alkoholfreiheit  stiftete. 

Einfuhr  von  Absinth  in  die  U.S.A.  ist  vom  1.  X.  1912  ab  ver- 
ten,  ähnlich  wie  auch  seit  1.  IV.  1909  die  0  p  i  u  m  einfuhr  nur  noch 
Arzneizwecke  gestattet  ist.  In  Kanada  verbietet  das  Gesetz 
>m  19.  V.  1911  Einfuhr,  Herstellung  und  Verkauf  von  Rauchopium 
t  500  Dollar  Strafe  oder  1  Jahr  Gefängnis  oder  beidem.  Der 
iumraucher  bekommt  50  Dollar  Strafe  oder  3  Monate  Gefängnis. 

Trink-  und  Abwasser. 

Eine  der  ersten  hygienischen  Fragen  für  den  Reisenden  in  die 
te  Welt  ist  das  Trinkwasser.  Denn  auf  jedem  gedeckten  Tisch 
Jet  er  die  gefüllten  Wassergläser  mit  Eisklumpen  darin.  Es  ist 
st  immer  Fluss-  oder  sonstiges  Oberflächen¬ 
asser,  selten  Grundwasser.  So  trinkt  Chicago  das  un- 
einigte  Wasser  des  vor  der  Stadt  liegenden  Michigansees;  in  den 
;  sind  5 — 10  km  vom  Lande  6  Wassertürme  gebaut,  an  denen  in 
hr  als  4  m  Tiefe  die  Saugröhren  das  Wasser  aufnehmen,  durch- 
inittlich  1  650  000  cbm  täglich  für  die  2Yi  Millionen  Menschen, 
erdings  geht  von  den  Abwässern  nur  noch  wenig  in  'den  See  hinein, 
in  seit  1900  besteht  ein  Drainagekanal  von  7,3  m  Tiefe,  48  m  Breite 
152  km  Länge,  dessen  Kosten  66  000  000  Dollar  betrugen.  Er  geht  in 
i  Desplaines  River  und  so  in  den  Illinois  und  dann  in  den  Missis- 
Pi.  aus  dem  weit  unterhalb  nach  vollendeter  Selbstreinigung 
Louis  und  andere  Städte  ihr  Trinkwasser  entnehmen.  In 
!eren  Städten  wird  das  Flusswasser,  ähnlich  wie  in  Hamburg 
1  Bremen,  der  langsamen  Sandfiltration  oder  auch  der  „amerikani- 
ien  Schnellfiltration  mit  Jewellfiltern  unterworfen.  Die  Stadt 
wrence  (Mass.)  war  die  erste  in  Amerika,  die  die  langsame  Sand¬ 
ration  einführte  (1893).  Aber  schon  in  weit  über  100  Städten 
rdamerikas  ward  die  Desinfektion  des  Trinkwassers 
t  Chlorkalk  oder  Hypochloriten  angewandt;  auch  in  Kanada, 

L  das  Wasser  des  St.  Lawrence-Stromes  für  Quebeck.  Die  ersten 
ssenschaftlichen  Versuche  sind  allerdings  schon  1893  von 
T  r  a  u  b  e  in  Deutschland  gemacht  worden,  aber  ihre  Durchführung 
grossen  ist  rein  amerikanisch.  Hier  war  der  Anfang  etwas  eigen-  I 


tumheh :  von  den  Viehhöfen  des  Fleischtrustes  in  Chicago  führt  ein 
Abzugskanal  „Bubbly  Creek“  entsetzlich  schmutziges  Wasser,  wel¬ 
ches  a — lYi  Millionen  Bakterien  im  Kubikzentimeter  hat.  Dies 
Wasser  reinigte  George  A.  J  o  h  n  s  o  n,  Ingenieur  und  Mitglied  der 
Wasserleitungsfirma  Hering  &  Füller  in  NewYork,  für  4,13  Dol¬ 
lar  auf  1000  cbm  soweit,  dass  die  Keimzahl  nur  noch  1—55  betrug, 
u,1(l  c?as  Wasser  zum  Viehtränken  benutzt  w'erden  konnte. 
Natürlich  kann  man  für  menschliches  Trinkwasser  keine  solche  ge¬ 
reinigte  Kanaljauche  nehmen.  Aber  bald  wurde  versucht,  Fluss¬ 
wasser  mit  Chlorkalk  zu  behandeln,  oder  mit  reinen  Hypochloriteu, 
wie  Ca(C10)2  oder  NaClO;  letzteres  steigert  nicht  die  Härte.  Die 
Wirkung  der  Hypochlorite  ist  ja  besonders  durch  das  Autiform  n 
bekannt  geworden.  Milzbrandsporen,  Tuberkelbazillen  u.  dergl.  wer¬ 
den  nicht  dadurch  abgetötet.  Für  die  Wasserdesinfektion  sind  nur 
geringe  Mengen  nötig,  die  mit  dem  Gehalt  an  organischen  Stoffen 
etwas  schwanken.  So  braucht  die  private  Wasserversorgungsgesell¬ 
schaft  in  Jersey-City,  gegenüber  NewYork,  0,2  bis  1,4  g  freien 
Chlors  auf  1  cbm  Wasser  des  Rockaway-Flusses;  was  für  1000  cbm 
nur  einige  Cents  kostet,  da  für  die  elektrolytische  Herstellung  des 
Hypochlorits  billige  Wasserkraft  zur  Verfügung  steht.  Das  Wasser 
wird  bei  gewissenhafter  Behandlung  fast  keimfrei  und  ein  Bei¬ 
geschmack  tritt  kaum  auf,  obwohl  der  Zusatz  nicht  entfernt  wird; 
und  auch  sonstige  Nachteile  sind,  wie  es  scheint,  bis  jetzt  nicht  be¬ 
obachtet  worden.  Auch  Wasser  von  Hallenbädern  hat  man  so 
desinfiziert.  Auch  in  Deutschland  beginnt  man  jetzt  Chlorkalk  zum 
Desinfizieren  von  Fluss-  und  Talsperrenwasser  einzuführen. 

Der  Wasserverbrauch  ist  in  Amerikas  Städten  auf¬ 
fallend  gross;  bei  uns  etwa  70  bis  höchstens  350  Liter  tätlich  für 
jeden  Einwohner,  dort  bis  zu  1200  Liter.  Die  Stadt  New  York 
baut  augenblicklich  das  grösste  Wasserwerk  der  Welt; 
denn  der  jetzige.  1891  fertiggestellte  Croton-Aquädukt  wird  bald  nicht 
mehr  genügen,  denn  er  bringt  täglich  nur  eine  Million  Kubikmeter. 
Die  neue  Leitung  soll  1915  fertig  sein.  Sie  soll  täglich  2XA  Millionen 
Kubikmeter  liefern.  Sie  kommt  180  km  weit  von  den  herrlichen 
Catskillbergen  her  und  geht  in  300  m  Tiefe  im  Felstunnel  unter  dein 
Hudsonflusse  durch.  Die  Kosten  werden  etwa  800  Millionen  Mark 
betragen.  Die  dazu  nötige  Ashokan-Talsperre  wird  ungefähr  500  Mil¬ 
lionen  Kubikmeter,  also  ein  halbes  Kubikkilometer  Wasser  fassen, 
während  die  F.dertaisperi  e,  demnächst  die  grösste  Deutschlands,  nur 
202  Millionen  Kubikmeter  fassen  wird.  Das  Wasser  soll  der  Sandfil¬ 
tration  unterworfen  werden.  Das  natürliche  Gefälle  der  Leitung, 
ohne  Pumpen  und  Maschinen,  genügt  bis  in  die  zwanzigsten  Stock¬ 
werke  der  Wolkenkratzer;  während  bis  jetzt  in  NewYork  auf  den 
Dächern  von  12  000  Häusern  eigene,  oft  schlechte  und  hässliche 
Wasserbehälter  stehen.  So  ist  dies  Werk  kostspieliger  und  gewalti¬ 
ger  als  der  Apulische  Aquädukt  für  125  Millionen  Lire,  der  3  siicl- 
italische  Provinzen  versorgen  soll,  dessen  Hauptleitung  allerdings 
212  km  messen  wird;  und  grösser,  als  die  mittelenglischen  Dervent 
Valley  Water  Works  (für  7  Millionen  Pfund  Sterling),  die  für  4  grosse 
Städte  auf  einmal  bestimmt  sind.  Boston  besitzt  seit  1908  das 
Wasser  der  Wachussetts-Talsperre,  die  246  Millionen  Kubikmeter 
fasst. 

Die  Abwässer  gehen  meist  unmittelbar  in  die  Vorfluter;  und 
da  dies  oft  gewaltige  Ströme  oder  Seen  sind,  treten  Belästigungen 
nicht  allzu  häufig  auf.  Doch  beginnt  in  NewYork  die  Verunreinigung 
j  des  Hudson-Flusses  und  des  Hafens  durch  die  7  Millionen  Menschen 
:  Bedenken  zu  erregen.  Eine  staatliche  Versuchsanstalt  für 
Abwässerbeseitigung  mit  Kläranlagen  sah  ich  in  Lawrence  im  Staate 
Massachussetts.  Sie  besteht  seit  1887  und  arbeitet  zusammen  mit 
dem  Bostoner  Institute  of  Technology.  Biologische  Reini¬ 
gung  mit  Faulkammern  und  Sprinklern  hat  Columbus  in  Ohio.  In 
Santa  Monika  in  Kalifornien  werden  die  Abwässer  elektro¬ 
lytisch  zwischen  10  Elektroden  in  Holzbassins  gereinigt. 

(Schluss  folgt.) 


Zur  Hamburger  Universitätsfrage. 

Von  Prof.  Dr.  J.  Sobotta  in  Wiirzburg. 

Am  20.  Dezember  1912  richtete  der  Hamburger  Senat  an  die 
dortige  Bürgerschaft  einen  „Antrag,  betreffend  den  Aus¬ 
bau  des  Kolonialinstituts  und  des  allgemeinen 
Vorlesungswesens  zu  einer  Universitä t“.  Mit  Stau¬ 
nen  hat  man  in  medizinischen  Kreisen  aus  diesem  Antrag  entnommen, 
dass  ausser  der  Theologie  gerade  diejenige  Fakultät  der  geplanten 
Universität  fehlen  solle,  für  deren  Errichtung  durch  die  muster¬ 
gültigen  Hamburger  Krankenanstalten,  das  tropenhygienische  In¬ 
stitut  etc.  bereits  am  meisten  vorgesorgt  war,  die  medizinische. 
Nahm  man  doch  in  unseren  Kreisen  allgemein  an,  dass  der  Gedanke 
der  Universitätsgründung  in  Hamburg  in  allererster  Linie  auf  der 
Tatsache  fusse,  dass  für  eine  medizinische  Fakultät  fast  alle  not¬ 
wendigen  Einrichtungen  bereits  vorhanden  seien.  Und  nun  soll  das 
Ungeheuerliche  geschehen,  wenn  die  Hamburger  Bürgerschaft  dem 
Senatsantrag  entsprechend  beschliesst,  es  soll  Hamburg  eine  Uni¬ 
versität  ohne  medizinische  Fakultät  werden. 

In  der  umfangreichen  Denkschrift,  die  der  Hamburger  Senats¬ 
antrag  darstellt,  wird  die  erwähnte  Absicht  des  Senats,  keine  medi¬ 
zinische  Fakultät  zu  schaffen,  sehr  kurz  (wenige  Zeilen)  begründet. 
Die  Kürze  wäre  an  sich  kein  Fehler,  wenn  wirklich  triftige  Gründe 

4* 


420 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


gegen  die  Errichtung  der  genannten  Fakultät  vorgebracht  würden. 
Das  ist  aber  keineswegs  der  Fall.  Es  wird  auf  das  Beispiel  von 
Münster  verwiesen,  wo  auch  eine  medizinische  Fakultät  fehle.  Dem  ist 
aber  nur  scheinbar  so.  Münster  besitzt  schon  heute  den  Teil  der 
medizinischen  Fakultät,  der  für  diese  Hochschule  in  erster  Linie  in 
Frage  kommt,  die  propädeutischen  Fächer.  Erfahrungsgemäss  spielen 
die  vorklinischen  Semester  an  den  kleineren  Universitäten  die  Haupt¬ 
rolle.  ln  der  Tat  studieren  bereits  in  Münster  über  zweihundert 
Mediziner,  die  dort  auch  ihr  Physikum  machen  können.  Mit  dieser 
Einrichtung,  wenn  sie  auch  zurzeit  den  Namen  einer  medizinischen  Fa¬ 
kultät  noch  nicht  führt,  ist  Münster  überhaupt  erst  von  einer  Akademie 
zur  Universität  geworden.  Gründet  Hamburg  also  eine 
Universität  ohne  Medizin,  so  ist  diese  die  einzige 
ihrer  Art  in  Deutschland! 

Ferner  führt  der  Hamburger  Senatsantrag  gegenüber  der  Er¬ 
richtung  einer  medizinischen  Fakultät  die  Kostenfrage  ins  Feld.  Diese 
Auffassung  des  Senats,  dass  gerade  für  die  medizinische  Fakultät 
besonders  hohe  Kosten  erforderlich  wären,  muss  besonders  über¬ 
raschen,  wenn  man  bedenkt,  dass  es  sich  eigentlich  bloss  um  zwei 
neue  Institute  handelt,  die  zu  schaffen  sind  (Anatomie  und  Physio¬ 
logie)  und  die  entsprechenden  Lehrstühle.  Alles  andere  ist  dort  be¬ 
reits  vorhanden,  während  z.  B.  die  juristische  Fakultät  bisher  so 
gut  wie  vollkommen  fehlte.  Warum  soll  bei  der  beabsichtigten 
Universitätsgründung  gerade  die  Fakultät  fortbleiben,  für  die  bereits 
am  meisten  an  Instituten  (Kliniken)  und  Lehrstühlen  vorhanden  ist? 

Am  wenigsten  stichhaltig  aber  ist  wohl  die  dritte  Begründung 
des  Senatsantrages,  dass  erhöhte  Beanspruchung  der  Räume,  Do¬ 
zenten  und  Lehrmittel  der  (vorhandenen)  naturwissenschaftlichen 
Institute  durch  die  Studierenden  der  Medizin  sehr  erhebliche  Kosten 
verursachen  würde.  In  Münster  in  doch  der  gleiche  Fall  eingetreten, 
als  die  propädeutisch-medizinische  Abteilung  —  denn  diese  kommt 
dabei  ja  allein  in  Frage  —  gegründet  wurde,  ohne  dass  man  von  den 
hohen  Kosten  etwas  gehört  hätte,  die  durch  Benutzung  der  natur¬ 
wissenschaftlichen  Institute  seitens  der  Medizinstudierenden  entstanden 
seien.  Uebrigens  käme  bei  den  Lehrmitteln  fast  ausschliesslich  die 
Chemie  in  Betracht,  wo  die  Studierenden  die  Kosten  für  verbrauchte 
Materialien  meist  selbst  zu  tragen  haben;  in  den  anderen  naturwissen¬ 
schaftlichen  Instituten  sind  die  Mediziner  doch  meist  nur  als  Hörer 
tätig.  Vor  allem  aber  widerlegt  der  Hamburger  Senatsantrag  selbst 
an  anderer  Stelle  (p.  132)  die  oben  angeführte  Begründung.  Es 
werden  nämlich  bei  Gelegenheit  der  Kostenberechnung  für  die  philo¬ 
sophisch-naturwissenschaftliche  Fakultät  die  Gutachten  der  Direk¬ 
toren  der  naturwissenschaftlichen  Institute  angeführt,  nach  denen  die 
Hamburger  Anstalten  denen  einer  Reihe  mittelgrosser  Städte  in  keiner 
Beziehung  nachstehen,  obwohl  die  letzteren  auch  von  den  Stu¬ 
dierenden  der  Medizin  in  den  vorklinischen  Semestern  benutzt  wer¬ 
den  *)•  Wenn  also  der  Hamburger  Senat  durch  die  Direktoren  der 
naturwissenschaftlichen  Staatsinstitute  feststellen  lässt,  dass  diese 
ohne  Kostenaufwand  als  Universitätsinstitute  zu  verwenden  sind, 
und  dass  sie  in  nichts  den  von  Medizinern  benutzten  Anstalten  anderer 
Universitäten  nachstehen,  woher  sollen  dann  die  Mehrkosten  kommen, 
wenn  in  Hamburg  ebenfalls  Mediziner  diese  Institute  frequentieren? 

Den  Uneingeweihten  mögen  also  die  Gründe,  die  der  Antrag 
des  Hamburger  Senats  gegen  die  Errichtung  einer  medizinischen 
Fäkultät  vorbringt,  täuschen  können;  tritt  man  ihnen  aber  näher,  so 
bleibt  nichts  Tatsächliches  übrig.  Es  sind  in  Wirklichkeit  hinter 
Scheingründen  versteckte  rein  subjektive  Anschauungen. 

Von  seiten  der  Hamburger  Aerzteschaft  sind  bereits  verschiedene 
Male  Stimmen  zur  Vorlage  des  Senates  laut  geworden;  in  den  mass¬ 
gebenden  medizinischen  Kreisen  Hamburgs  überwiegt  jedenfalls  die 
Ansicht,  dass  Hamburg  nie  eine  Universität  ohne  medi¬ 
zinische  Fakultät  erhalten  dürfe.  Der  Ausspruch: 
„Lieber  gar  keine  Universität  als  eine  ohne  medi¬ 
zinische  Fakultät!“  wird  auch  in  weiten  Kreisen  ausserhalb 
Hamburg  Zustimmung  finden.  Eine  Universität  ohne  medizinische  Fa¬ 
kultät  ist  eben  ein  Unikum  in  Deutschland,  denn  Münster  kann  —  wie 
oben  ausgeführt  —  nicht  zum  Vergleich  herangezogen  werden.  Grün¬ 
det  Hamburg  tatsächlich  die  im  Senatsantrag  geplante  medizinlose 
Hochschule,  so  wird  diese  nicht  nur  in  medizinischen  sondern  auch  in 
den  weitesten  wissenschaftlichen  Kreisen  nie  das  Ansehen  einer  Voll¬ 
universität  geniessen.  Der  Charakter  der  Halbheit  wird  und  muss  ihr 
anhaften  bleiben. 

Aber  abgesehen  von  dieser  allgemeinen  Auffassung  der  Sachlage 
lassen  sich  zahlreiche  spezielle  Gründe  anführen,  die  gegen  die  Be¬ 
rechtigung  der  Auffassung  des  Senatsantrages  in  der  Universitäts¬ 
frage  sprechen.  Unsere  medizinischen  Fakultäten  nehmen  schon  seit 
langer  Zeit  keine  isolierten  Stellungen  mehr  in  der  Gesamtheit  der 
Universität  ein,  wie  das  früher  in  vieler  Hinsicht  der  Fall  war.  In 
erster  Linie  sind  die  Beziehungen  zwischen  Naturwissenschaften  und 
Medizin  so  enge  geworden,  dass  sie  sich  gegenseitig  unentbehrlich 
sind.  Es  würde  zu  weit  gehen,  das  im  einzelnen  auszuführen,  man 
denke  z.  B.  nur  an  die  Chemie  und  physiologische  Chemie.  Letztere 
wird  aber  stets  durch  den  Physiologen  vom  Fach,  der  in  Hamburg 
nach  dem  Senatsantrag  fehlen  soll,  vertreten  werden  müssen.  Der 
organische  Chemiker  wird  den  Physiologen  oft  genug  vermissen, 
selbst  den  Anatomen  (Histologen).  Zwischen  Zoologie  und  ver¬ 
gleichender  Anatomie  besteht  überhaupt  keine  scharfe  Grenze;  bei  der 

’)  Im  Senatsantrag  ausdrücklich  bemerkt. 


vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere  aber  braucht  der  Zoologe  den 
normalen  Anatomen.  Wird  doch  mit  Recht  von  seiten  vieler  Zoologen 
das  grösste  Gewicht  darauf  gelegt,  dass  die  Studierenden  ihres  Faches 
zuerst  die  normale  menschliche  Anatomie  vollständig  durcharbeiten, 
um  die  Anatomie  dieser  gründlich  durchforschten  Spezies  kennen  zu 
lernen.  Verlangen  doch  viele  Zoologen  von  ihren  Praktikanten  direki 
den  Besuch  der  Präparierübungen.  Wo  soll  das  an  der  zu  gründenden 
Hamburger  Universität  geschehen,  wenn  eine  Anatomie  fehlt?  Was 
für  die  grobe  menschliche  Anatomie  gilt,  trifft  noch  mehr  für  die 
Histologie  zu.  Dass  histologische  und  auch  embryologische  Vor¬ 
lesungen  und  Laboratorien  nicht  nur  von  Medizinstudierenden  frequen¬ 
tiert  werden,  sondern  von  den  verschiedensten  Naturwissenschaftlern, 
muss  jedem  bekannt  sein,  dem  unser  heutiges  Universitätswesen  nicht 
vollkommen  fremd  ist.  Viele  Studierende  der  Naturwissenschaften 
besuchen  auch  rein  theoretische  Vorlesungen  über  Anatomie  und 
Physiologie.  Und  wie  will  man  ihnen  in  Hamburg  die  Gelegenheit 
geben,  wenn  die  medizinische  Fakultät  fortfällt?  Die  Folge  wird 
sein,  dass  die  Studierenden  solche  Hochschulen  vorziehen,  die  ihren 
Bedürfnissen  auch  in  dieser  Hinsicht  gerecht  werden.  Oder  mit 
anderen  Worten,  das  Fehlen  der  medizinischen  Fakul¬ 
tät  schädigt  die  Frequenz  und  Bedeutung  der 
philosophisch-naturwissenschaftlichen,  denn  nicht 
nur  die  Naturwissenschaftler  brauchen  Anatomie,  Physiologie,  selbst 
Pathologie,  auch  die  Psychologie  kann  ohne  den  Anatomen,  nament¬ 
lich  aber  Physiologen  und  Psychiater  gar  nicht  auskommen.  Wer 
nicht  selbst  Universitätslehrer  ist,  hat  gar  keine  Vorstellung  davon, 
von  welchen  und  wie  vielen  Seiten  gerade  ein  medizinischer  Theo¬ 
retiker  um  Rat  gefragt  wird.  Da  kommen  Altphilologen  mit  Doktor¬ 
arbeiten  über  medizinische  Schriftsteller  des  Altertums  und  verlangen 
Auskunft,  Aegyptologen  wollen  einen  medizinischen  Papyrus  ent¬ 
ziffern  etc.  Man  ist  eben  gewohnt,  dass  eine  Uni¬ 
versität  eine  medizinische  Fakultät  hat! 

Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  der  Frage  näher  zu  treten,  ob  siel 
überhaupt  die  Gründung  neuer  Universitäten  im  Deutschen  Reiche 
empfiehlt  oder  ob  sich  Hamburg  besonders  für  die  Errichtung  einei 
Universität  eignet  oder  nicht.  Dass  sich  aber  die  Zahl  der  Universi 
täten  seit  der  Gründung  des  Reiches  kaum  vermehrt  hat,  obwoh 
die  Bevölkerung  sich  fast  verdoppelt  hat,  ist  eine  bekannte  Tatsache 
auch  dass  die  geplanten  Universitätsgründungen  in  Frankfurt  um 
Hamburg  bisher  die  einzigen  Fortschritte  in  der  Vermehrung  der  Zah 
der  deutschen  Universitäten  bedeuten2).  Dagegen  verdient  eint 
andere  Frage  an  dieser  Stelle  Beachtung,  nämlich  die,  dass  dit 
beiden  genannten  Grossstädte  schon  jetzt  über  hervorragende  medi 
zinische  Fachinstitute  verfügen,  die  ein  ausserordentlich  günstige 
medizinisches  Lehrmaterial  enthalten,  ein  Material,  wie  es  eine  medi 
zinische  Fakultät  nur  selten  zur  Verfügung  hat.  Frankfurt  zieht  aucl 
die  Konsequenzen  und  errichtet  eine  wahrscheinlich  schnell  aut 
blühende  medizinische  Fakultät,  Hamburgs  Senat  dagegen  glaubt  mi 
dem  geplanten  Ausbau  seines  bisherigen  Vorlesungswesens  zur  Halb 
Universität  eine  nationale  Tat  zu  vollbringen,  anstatt  dass  es  der  Al! 
gemeinheit  durch  Verwendung  seiner  grossen  Krankenanstalten  iii 
den  medizinischen  Unterricht  eine  viel  grössere  nationale  und  inter 
nationale  Wohltat  erweisen  würde.  Es  wäre  im  Interesse  de 
medizinischen  Wissenschaft,  vor  allem  aber  im  Inter 
esse  des  medizinischen  Unterrichts  in  Deutschland  ge 
legen,  wenn  sich  Hamburg  in  letzter  Stunde  noch  zur  Er  rieh 
tung  einer  medizinischen  Fakultät  oder  zum  Ausba 
seiner  staatlichen  Krankenanstalten  zu  einer  solchen  entschliess  • 
würde. 

Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  die  medizinischen  Faku 
täten  vieler  deutschen  Universitäten,  nicht  bloss  die  von  Berli 
und  München  z.  T.  so  überfüllt  sind,  dass  der  medizinische  Unterricl 
darunter  gewaltig  leidet.  Vielfach  kann  von  einer  geordneten  Lehi 
tätigkeit  kaum  mehr  gesprochen  werden.  In  verschiedenen  Kurse 
und  Praktiken  drohen  die  betr.  Professoren  bereits  mit  der  Einführuu 
eines  Numerus  clausus.  Wenn  auch  einige  kleinere  Fakultäten  nicl 
gerade  über  zu  grosse  Frequenz  klagen,  so  sind  diese  doch  nicht  in 
stände  den  grossen  Fakultäten  den  Ueberiluss  an  Studenten  abzi 
nehmen,  weil  bei  ihnen  namentlich  das  klinische  Kranken-  und  d; 
Sektionsmaterial  kaum  für  ihre  kleinen  Bedürfnisse  ausreicht.  Vc 
den  20  deutschen  Universitäten  haben  eben  nur  6  ihren  Sitz  in  Gros 
Städten  und  nur  3  in  solchen  mit  mehr  als  500  000  Einwohner.  In  dt 
klinischen  Semestern  drängen  aber  die  Studierenden  besonders  nat 
den  Grossstädten,  und  Hamburg  wäre  in  jeder  Beziehung  geeigrn 
die  drei  anderen  grossen  Grosstadtfakultäten  zu  entlasten.  Welcl 
Unmenge  an  wertvollem  Sektions-  und  Krankenmaterial  liegt 
Hamburg  zurzeit  unbeniitzt!  Wieviel  könnte  davon  der  mediziniscl 
Unterricht  für  die  Ausbildung  des  deutschen  Arztes  nutzbringend  i 
die  Allgemeinheit  des  deutschen  Volkes  verwenden!  Will  also  Har 
bürg  in  die  Reihe  der  deutschen  Bundesstaaten  treten,  die  an  d 
Pflichten  und  Opfern  zur  Ausbildung  der  gelehrten  Berufe  aktiv  te 
nehmen,  so  hat  es  in  erster  Linie  die  Verpflichtung,  seine  medizii 
sehen  Anstalten  in  den  Dienst  des  Gemeinwohles  zu  stellen  und  d 
kann  nur  durch  die  Errichtung  einer  medizinischen  Fakultät  g 

2)  Münster  bestand  als  Akademie  schon  früher,  Strassburg  wur 
zwar  von  Frankreich  übernommen,  ist  aber  so  gut  wie  neugegrüni 
worden.  Es  ist  aber  die  Hochschule  der  gleichzeitig  neuerworben 
Provinzen. 


?5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


421 


ichehen.  Der  medizinische  Unterricht  in  Deutsch- 
and,  der  wegen  Mangel  an  Material,  totem  wie  lebendem,  vielfach 
lurchaus  nicht  auf  der  Höhe  steht,  auf  der  er  früher  stand  und  auf 
ler  er  der  .allgemeinen  Kulturentwicklung  unseres  Volkes  ent¬ 
sprechend  unbedingt  stehen  sollte,  namentlich  wenn  er  seine  zurzeit 
loch  unzweifelhafte  Suprematie  gegenüber  anderen  Völkern  und  Staa- 
en  aufrecht  erhalten  will,  der  verlangt  geradezu  nach 
iner  medizinischen  Fakultät  in  Hamburg. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Vorteile,  die 
luch  die  Hamburger  Bürgerschaft  gerade  von  einer  medizinischen 
H'akultät  hat.  Der  Medizinstudierende  bleibt  länger  auf  der  Universi¬ 
tät  als  jeder  andere  Studierende,  meist  erheblich  länger.  Er  ver¬ 
raucht  schon  der  teuereren  Lehrmittel  (Bücher  etc.)  wegen  viel  mehr 
jeld  als  der  Studierende  jeder  anderen  Fakultät.  Er  lässt  also  auch 
ja,  wo  er  studiert,  mehr  Geld,  durchschnittlich  viel  mehr  als  der 
lurist,  Philologe,  auch  Naturwissenschaftler.  Also  auch  von  diesem 
Standpunkte  aus  betrachtet,  ist  die  medizinische  Fakultät  die  vor¬ 
teilhafteste.  Einen  weiteren  Nutzen  würden  viele  Kreise  der  Ham¬ 
burger  Bürgerschaft  gerade  von  dieser  Fakultät  ziehen,  der  bei  allen 
anderen  gänzlich  fortfällt,  die  hohe  Anziehungskraft,  welche  die  kli¬ 
nischen  Fächer  der  Fakultät  auf  ausländische  (für  Hamburg  nament- 
ich  überseeische)  Patienten  ausüben,  die,  anstatt  binnenländische  Uni¬ 
versitäten  und  Spezialisten  aufzusuchen,  solche  der  Hamburger  Fa¬ 
kultät  konsultieren  werden.  Auf  diese  Weise  bleibt  viel  Geld  in  Ham¬ 
burg  und  speziell  in  Hamburger  Biirgerkreisen,  das  jetzt  nach  anderen 
Plätzen,  namentlich  nach  Berlin  abwandert.  Die  medizinische  Fakul¬ 
tät  wird  also  die  einzige  sein,  die  in  nennenswerter  Weise  für  Ham¬ 
burg  auch  etwas  einbringt.  Die  Hamburger  Bürgerschaft  wird  an 
ihrer  Errichtung  ein  viel  grösseres  Interesse  haben  als  an  der  der 
anderen  Fakultäten. 

Es  kann  also  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  Hamburg  sein 
eigenes  Universitätsprojekt  in  der  empfindlich¬ 
sten  Weise  schädigt,  wenn  die  medizinische  Fakul¬ 
tät  fortbleibt.  Ganz  abgesehen  davon,  dass  die  Neugründung 
das  Ansehen  einer  Volluniversität  weder  in  den  Kreisen  der  Lehrer 
noch  auch  in  denen  der  Studierenden  erlangen  wird,  der  Unterricht  in 
den  philosophisch-naturwissenschaftlichen  Fächern  wird  dem  auf 
anderen  Universitäten  nicht  ebenbürtig  sein  können,  weil  den  Stu¬ 
dierenden,  namentlich  der  Naturwissenschaften,  die  Möglichkeit  ge¬ 
nommen  wird,  diejenigen  medizinischen  Vorlesungen  und  Praktiken 
zu  hören,  die  sie  zu  ihrem  Studium  brauchen. 

Aus  diesem  Grunde  wird  es  sich  auch  empfehlen,  dass  sich  der 
Hamburger  Staat,  wenn  er  sich  doch  noch  zum  Ausbau  der  medizini¬ 
schen  Fakultät  entschliessen  sollte,  wie  es  zu  hoffen  ist,  rechtzeitig  an 
die  Errichtung  eines  anatomischen  Instituts  macht,  etwa 
nach  Art  der  zurzeit  bestehenden  Staatsinstitute.  Denn  ein  Anatomie¬ 
gebäude  lässt  sich  wohl  bauen,  das  Instrumentarium  kaufen,  aber  eine 
anatomische  Sammlung  ist  nicht  käuflich.  Sie  muss  in  jahrelanger 
sorgfältiger  Arbeit  vom  Personal  des  Instituts  geschaffen  werden. 
Eine  Anatomie  hat  aber  auch  jetzt  schon  in  Hamburg  ihre  Berechti¬ 
gung.  Sie  kann  Lehrmaterial  an  die  höheren  Schulen  liefern,  für  die 
Krankenpflegekurse,  kann  die  naturwissenschaftlichen  Fächer  in  der 
oben  ausgeführten  Weise  ergänzen.  Frankfurt  a.  M.  hatte  früher 
eine  selbständige  Anatomie,  auch  Hannover  bis  1866  (die  Sammlung 
ist  heute  noch  dort). 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Aus  dem  Sanatorium  Dr.  Graul  in  Neuenahr. 

Ueber  neuere  Anschauungen  in  der  Ernährungstherapie 
des  Diabetes  mellitus"). 

Von  G.  Graul  in  Bad  Neuenahr. 

Es  ist  begreiflich,  dass  die  eingehende  experimentelle  wie  kli¬ 
nische  Forschung  im  Bereich  des  Diabetes  mellitus  Umwälzungen 
auf  dem  Gebiete  der  Therapie  nach  sich  ziehen  musste.  Und  da 
heute  immer  noch  die  Diät  in  ihrem  Mittelpunkte  steht,  so  wurde 
diese  in  allererster  Linie  davon  berührt.  Alte  Prinzipien  der  Er¬ 
nährung,  an  denen  wohl  im  Laufe  der  Zeit  zuweilen  gerüttelt  worden 
war,  die  aber  trotzdem  für  unanfechtbar  galten,  werden  zum  Teile 
verlassen  und  müssen  sich  Modifikationen  gefallen  lassen.  Scheint  es 
doch,  als  ob  gerade  das  Gegenteil  des  bisherigen  Modus  als  das 
Rationelle  empfohlen  wird,  der  alten  eingebürgten  kohlehydratarmen 
Diät  treten  beim  Diabetes  mellitus  „Kohlehydratkuren“  gegenüber, 
die  von  Rollo  einst  begründete,  von  Cantani  popularisierte 
Fleisch-Fettdiät  des  Zuckerkranken  wird  heute  für  einen  grossen  Teil 
der  Fälle  abgelehnt,  für  viele  Kranke  im  Gegenteil  eine  fast  aus¬ 
schliessliche  Kohlehydraternährung  als  rationell  verlangt.  Es  entsteht 
so  der  Schein,  als  ob  die  Medizin  hier  in  ihrer  Entwicklung  einen 
Kreis  beschrieben  habe,  indem  sie  mit  der  Inaugurierung  der  mo¬ 
dernen  Kohlehydratkuren  auf  den  alten  Vorschlag  Piorrys  zurück¬ 
käme.  der  seinerzeit  seinen  Diabetikern  eine  Ernährung  mit  Zucker 
anempfohlen  hatte.  Aber  die  wissenschaftlichen  Gründe,  die  uns 


*)  Nach  einem  Vortrag. 


heute  dazu  veranlassen,  sind  erstens  ganz  andere  als  diejenigen, 
welche  Piorrys  Handeln  leiteten  und  dann  stützen  sie  sich  auf 
die  Resultate  der  klinischen  Beobachtung.  Piorry  hoffte  durch  ein 
Plus  an  Zuckereinfuhr  den  durch  die  Glykosurie  bedingten  Zucker¬ 
verlust  ausgleichen  zu  können. 

Auf  alle  Fälle  hat  das  Eindringen  neuer  Anschauungen  für  die 
Therapie  des  Diabetes  mellitus  das  wertvolle  Ergebnis,  dass  mit 
dem  Schematismus  in  der  Diätetik  gründlich  auf¬ 
geräumt  wird  und  dass  die  Einsicht  feste  Wurzel  fasst,  dass  es 
ein  allgemeines  Diätschema  für  den  Zuckerkranken  nicht  gibt  und 
überhaupt  nicht  geben  kann.  Dieses  schon  aus  dem  Grunde, 
weil  der  manigfache  Symptomenkomplex,  den  wir,  infolge  der  ge¬ 
meinsamem  "hronischen  Glykosurie  „Diabetes  mellitus“  benennen, 
nicht  einer  genetisch  einheitlichen  Krankheit  entspricht.  Welchen 
Ursprunges  aber  im  einzelnen  Falle  der  vorliegende  Diabetes  ist,  lässt 
sich  nur  in  den  allerwenigsten  Fällen  richtig  erkennen;  in  den  meisten 
Fällen  ist  somit  leider  eine  kausale  Therapie  überhaupt  ausge¬ 
schlossen  und,  wo  wir  ätiologisch  die  Genese  der  diabetischen 
Glykosurie  richtig  deuten  könnten,  versagt  sie  meist  oder  ist  un¬ 
möglich.  weil  uns  ein  sicheres,  spezifisches  Heilmittel  zur  Zeit  noch 
fehlt.  Trotzdem  wäre  es  ein  grober  Fehler,  jede  kausale  Therapie 
beim  Diabetes  von  der  Hand  zu  weisen.  Soweit  als  möglich  muss 
auch  die  Ernährung  vom  Gesichtspunkte  der  kau¬ 
salen  Therapie  eingerichtet  werden.  Denn  es  ist  sicher,  dass 
zweckmässige  Ernährung  manche  für  die  Genese  des  Diabetes  in 
Betracht  kommende  Anomalien  günstig  beeinflussen  kann,  ich  denke 
an  Arteriosklerose,  Adipositas,  Darmkatarrhe  etc. 

Die  Aetiologie  des  Diabetes  soll  also  nach  Möglichkeit  auch 
unsere  Diät  regeln  und  zweckmässig  modifizieren.  Modifikationen 
derselben  fordern  aber  auch  manche  lebenswichtige  Kompli¬ 
kationen  (Nephritis,  Gicht,  Adipositas,  Arteriosklerose,  Ab¬ 
magerung  etc.). 

Die  rationelle  Diabetestherapie  kann  nur  im 
Sinne  prinzipieller  Individualisierung  ihren 
mannigfachen  Aufgaben  gerecht  werden. 

Bei  aller  Individualisierung  muss  aber  Klarheit  bestehen,  welches 
Ziel  unsere  Therapie  in  erster  Linie  anzustreben  hat.  Hinsichtlich 
der  neuen  Kohlehydratkuren,  über  deren  sichere  Indikation,  Form  und 
Dauer  der  Anwendung,  Uebereinstimung  noch  nicht  besteht,  muss 
der  zu  erlangende  Nutzen  mit  dem  eventuellen  Schaden  kritisch  abge¬ 
wogen  werden.  Denn  auch  heute  steht  die  Erkenntnis  zu  Recht,  dass 
ein  schrankenloser  Genuss  von  Kohlehydraten  den 
Diabetiker  in  fast  alle-n  Fällen  sicher  verschlech¬ 
tert.  Prinzipiell  ist  beim  wirklichen  Diabetes,  gleichgültig  welcher 
Provenienz  er  ist,  zuerst  die  Glykämie,  die  Ueberzuckerung  des 
Blutes  zu  bekämpfen.  Die  Glykämie  ist  ein  Gradmesser  für  die 
Schwere  der  Erkrankung,  sie  hat  prognostisch  vitale  Bedeutung.  E  s 
gilt  der  Satz,  dass  mit  ihrem  Sinken  die  Kohle- 
hyratver  brenn  u-ng  steigt,  dass  ihr  Sinken  also 
eine  Besserung  des  Leidens  anzeigt.  Sie  muss  demnach 
nach  Kräften  reduziert  werden,  wenn  nicht  ihre  gänzliche  Beseitigung 
gelingt,  allerdings  unter  Beobachtung  des  Allgemeinzustandes,  da  Zu¬ 
stände  eintreten  können,  die  eine  weitere  antiglykämische  Ernährung 
modifizieren  heischen.  Freilich  ist  zu  bedenken,  dass  die  Glykosurie 
nicht  stets  einen  Gradmesser  für  die  Intensität  der  Glykämie  abgibt. 
Bei  komplizierender  Nephritis  kann  die  Glykosurie  bis  auf  Spuren 
verschwinden,  ohne  dass  die  Glykämie  wesentlich  sinkt,  indem  hier 
durch  den  nephritischen  Prozess  die  Nieren  insuffizienter  für  die 
Zuckerausscheidung  werden.  Aber  in  der  Regel  ist  uns  doch  die  Gly¬ 
kosurie  ein  sicheres  Zeichen  für  das  Bestehen  einer  Zuckeranhäufung 
im  Blut. 

Wie  soll  nun  im  Einzelfall  die  Aglykurie  erstrebt  werden?  Die 
Beantwortung  dieser  Frage  ist  abhängig  vom  Intensitätsgrad  der 
Krankheit.  Anders  ist  das  Vorgehen  beim  sog.  schweren,  anders 
beim  leichten  Diabetes.  In  allen  Fällen  mit  grosser  Toleranz  für 
Kohlehydrate  besteht  grösste  Freiheit  in  der  Wahl  der  Ernährungs¬ 
form,  im  ausgiebigen  Gebrauch  von  Kohlehydraten,  d.  h.  im  Umfang 
der  jeweilig  geltenden  Toleranz.  Aber  natürlich  muss  stets  ent¬ 
schieden  werden,  welche  der  verschiedenen  Diätformen  für  den  Kran¬ 
ken  schon  vom  ätiologischen  Gesichtspunkte,  vom  Standpunkt 
der  vorliegenden  Komplikationen  aus  am  zweckmässigsten  ist. 
Liegen  keine  besonderen  vor,  etwa  Nephritis,  stärkere  Sklerose, 
Obesitas,  Gicht,  Digestionsanomalicn  etc.,  so  handelt  es  sich  um  den 
Entscheid,  ob  im  wesentlichen  in  den  Bahnen  der  vorwiegenden 
Fleischfettdiät  gewandelt  werden  soll,  oder  ob  eine  kohlehydrat¬ 
reichere  oder  ausschliesslich  vegetabile  Ernährungsform  gereicht 
wird.  Diese  Frage  wird  eine  aktuellere,  wenn  die  Kohlehydrat¬ 
toleranz  eine  geringe  ist  (etwa  unter  50  g  Weissbrödchen  pro  Mahl¬ 
zeit  sinkt  oder  ganz  fehlt),  wenn  ein  sog.  paradoxer  Diabetes  vor¬ 
liegt  oder  direkt  eine  schwere  Form.  Aus  mehrfachen  Gründen  ist 
hier  meiner  Erfahrung  nach  vor  einer  vorwiegenden  animalischen 
Diät  energisch  abzuraten  und  die  vegetabilische  Ernährung  in 
zweckmässiger  Anpassung  an  den  Einzelfall  warm  zu  befürworten. 
In  allen  schweren  Fällen  erscheint  mir  eine  fortgesetzte  animalische 
Ernährung  häufig  deshalb  schädlich,  weil  durch  sie  allmählich 
die  Glykosurie  steigen  kann,  weil  die  Reizung  der  Niere  unter  Um¬ 
ständen  üble  Folgen  zeigt,  das  Nervensystem,  die  Appetenz  geschä¬ 
digt  wird  und  häufig  plötzlich  eine  schnelle  Abmagerung  einsetzt, 
wenn  nicht  Fett  ausgiebig  gereicht  wird.  Ein  wesentlicher  Einspruch 


422 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


ist  aber  durch  die  Gefahr  der  A  z  i  d  o  s  i  s  begründet,  da  bei  Kohle¬ 
hydratmangel  Eiweiss  und  Fett  zur  Anhäufung  der  Oxybuttersäure, 
der  Ketonkörper  führen. 

So  empfiehlt  sich  durchaus  eine  vorwiegend  vegeta¬ 
bilische  Diät,  d.  h.  eine  Diät,  die  die  Schädlichkeiten  einer  über¬ 
reichen  Fleischernährung  vermeidet,  die  aber  gleichzeitig  keine  Gly- 
kosurie  provoziert,  den  Eiweissbestand  des  Körpers  nicht  gefährdet 
und  dem  nötigen  Energieumsatz  gerecht  wird. 

Wie  soll  die  Auswahl  unter  den  Vegetabilien  getroffen  werden, 
die  doch  in  ihrem  Kohlehydratgehalt  die  grössten  Unterschiede 
zeigen?  Während  Reis,  Gries  durchschnittlich  75  Proz.  Kohlehydrat 
enthalten,  Hafer  ca.  65  Proz.,  die  Kartoffel  20  Proz.,  der  Winterkohl 
11  Proz.,  weisen  Blumenkohl,  Spinat,  Tomaten  rund  4  Proz.  auf,  und 
die  Salate  halten  sich  zwischen  2  und  3  Proz.  Es  galten  daher  im 
bisherigen  Schematismus  die  sog  Amylaceen  als  „verbotene“  Speisen, 
wenn  auch  Stimmen  hin  und  wiQder  laut  wurden,  die  d"n  G°brauch 
befürworteten  (Düh  rings  Reiskur;  Mosses  Kartoffelkur).  Da 
ist  es  der  Gewinn  der  letzten  Jahre,  dass  die  Verträglichkeit,  ja 
der  direkte  Nutzen  bestimmter  Mehle  und  Amylaceen,  in  erster  Linie 
des  Hafers  (v.  N  o  o  r  d  e  n).  für  ge°igmte  Fälle  einwandfrei  fest¬ 
gestellt  wurde.  Im  vegetabilen  Regime  stehen  jetzt  nicht  nur  die 
grünen  Blattgemüse,  die  Salate,  die  grünen  Schnittbohnen  etc.  etc. 
zur  Verfügung,  sondern  in  Auswahl,  individuell  dosiert,  die  Amyla¬ 
ceen.  Natürlich  könn°n  die  kohlehydratr°ichen  Amylaceen  nicht  in 
gleicher  Weise  wie  die  grünen  Blattgemüse  gebraucht  werden.  Der 
grosse  Nutzen  der  letzteren  zeigt  sich  in  fast  allen  den  Fällen,  wo 
es  gilt  die  Glykämie  energisch  zu  bekämpfen.  Es  ist  wohl 
allgemein  bekannt,  dass  oft  1 — 2  strenge  „G  e  m  ü  s  e  t  a  g  e“  Zuck^r- 
freiheit  bringen,  zumal  natürlich  in  all  den  Fällen,  bei  denen  eine 
besondere  Eiweissempfindlichkeit  besteht.  Bouchardat  hatte 
seinerzeit  nachdrticklichst  auf  den  reichlichen  Gebrauch  der  grünen 
Gemüse,  der  Salate  hingewiesen,  und  ihr  vorwiegender  Gebrauch  bei 
Fleischreduktion  wird  neuerdings  unter  anderem  von  Kolisch 
warm  empfohlen  und  meiner  Erfahrung  nach  mit  grösstem  Recht. 

Ich  möchte  mich  im  wesentlichen  seinen  Argumenten  anschliessen. 
Die  Vegetabilien  üben  auf  das  Protoplasmamolekül  nach  Kolisch 
den  geringsten  NahrungsrGz  aus,  ein  Reiz  der  zu  einer  vermehrten 
Zuckerspaltnng  aus  dem  Protoplasma  führt.  Gerade  die  leicht  zer- 
setzlichen  Eiweissstoffe  fördern  die  Zuckerabspaltung  und  können 
dadurch  zu  einer  Steigerung  der  Glykosurie  führen.  Das  Hauptbe¬ 
denken,  das  mit  gegen  die  vorwiegende  vegetabile  Ernährungsform 
besteht,  ist  wohl  die  Furcht,  das  Kalorienbedürfnis  nur  schwer  be¬ 
friedigen  zu  können,  dass  unter  ihrem  Gebrauch  eine  Abmagerung 
eintreten  kann.  Hier  ist  aber  nachdrücklichst  darauf  hinzuweisen, 
dass  gerade  der  Diabetiker  mit  einem  geringeren  Kalorienbedar? 
haushält  als  der  Gesunde  und  dass  sogar  bei  anscheinend  unzu¬ 
reichender  Kost  Stickstoffgleichgewicht  herrschen  kann,  ja  sogar  N-Re- 
tention.  Das  ist  eine  durchaus  gesicherte  Tatsache,  die  aus  den 
Arbeiten  von  Weintrau  d,  d’Amato.  Falta  hervorgeht. 

Also  das  übliche  Mass  an  Eiweiss  ist  für  die  Mehrzahl  der 
Diabetiker  in  keiner  Weise  nötig,  zumal  nicht  in  den  schweren 
Fällen.  Die  Furcht  ist  durchaus  unberechtigt,  dass  Fleischreduzierung 
Schaden  bringen  muss.  Im  übrigen  bedenke  man.  dass  sich  allein 
durch  Blattgemüse  50  g  Eiweiss  pro  Tag  leicht  einführen  lassen. 
Auch  ist  es  ganz  unbegründet,  jede  Muskelerschlaffung,  Abmagerung 
—  abgesehen  von  dem  Defizit  durch  die  Intensität  der  Glykosurie  —  ■ 
auf  einen  Stickstoffverlust  zu  schieben.  Interessante  Untersuchungen 
F  a  1 1  a  s,  früher  von  Weintrau  d,  zeigen,  dass  Abmagerung  in 
unerklärlicher  Weise  eintreten  kann,  obwohl  die  zugeführte  Kalorien¬ 
menge  das  Bedürfnis  zahlenmässig  deckt,  obwohl  N  Gleichgewicht 
herrscht.  Die  Praxis  zeigt  nicht  selten,  dass,  speziell  in  schweren 
Fällen,  plötzlich,  bei  gleichen  Ernährungsbedingungen,  oft  auffallend 
starke  Gewichtsschwankungen  einsetzen.  dass  plötzlich  sowohl  Ver¬ 
schlimmerungen  wie  auffällige  —  allerdings  nur  vorübergehende  — 
Besserungen  im  Körperzustand  der  Diabetiker  eintreten  können.  Ich 
beobachte  solche  plötzliche  Verschlechterungen  nach  gemütlichen  Er¬ 
regungen.  Abnorme  nervöse  Regulation  in  den  den  Zuckerstoff- 
wechsel  regulierenden  Zentren,  vermögen,  wie  man  experimentell 
feststellen  konnte  (E  1 1  i  o  t),  Hyperglykämie  zu  erregen.  Periodische 
Besserungen  sind  ferner,  um  dies  hier  zu  erwähnen,  sicher  abhängig 
von  regenerativen  Vorgängen  in  dem  primär  erkrankten,  zur  chro¬ 
nischen  Glykosurie  führenden  Organ. 

Weichselbaum  fand  regenerative  Vorgänge  in  den  patho¬ 
logisch  veränderen  Langerhans  sehen  Inseln  des  Pankreas 
(Wiener  klin.  Wochenschr.  1911,  5). 

Ob  nun  im  Einzelfall  eine  rein  vegetarische  Diät  durchgeführt 
wird,  ob  eine  Fleisch-  (ca.  100 — 150  g  pro  die),,  eine  Eierzulage 
zweckmässig  und  geboten  ist,  darüber  lassen  sich  strenge  Allgemein¬ 
vorschriften  nicht  geben,  zumal  gerade  bei  einer  so  chronischen  Er¬ 
krankung  auf  die  Appetenz  des  Kranken  weitgehendst  Rücksicht 
genommen  werden  muss.  Es  ist  nicht  schwer  auch  bei  strenger 
vegetarischer  Diät  die  genügende  Kalorienmenge  unterzubringen 
mit  genügender  Menge  von  Eiweiss  —  etwa  60 — 75  g  pro  die. 

Zur  vegetarischen  Diät  gehört  auch  die  schon  erwähnte 
Haferkur. 

Es  ist  bekannt,  dass  seit  ihrer  Einführung  zahlreiche  Veröffent¬ 
lichungen  darüber  erfolgt  sind,  dass  jedoch  im  wesentlichen  das  Urteil 
über  ihre  Anwendung  ein  günstiges  ist;  nur  lauten  die  von  den 
verschiedenen  Autoren  aufgestellten  Indikationen  noch  recht  ver¬ 
schieden. 


Erstens  finden  sich  leichte  Diabetiker,  die  von  vornherein 
eine  ganz  ausgesprochene  Toleranz  dafür  haben.  So  konnte  ich 
einen  Fall  beobachten,  der  kaum  pro  die  100  g  Brödchen  vertrug, 
dagegen  anstandslos  160g  Hafer;  in  der  Mehrzahl  der  leichten  Fälle 
jedoch  fand  ich  keinen  Unterschied  in  der  Toleranz  von  Brot  bezw. 
Weizenmehl  und  Hafer  im  Verhältnis  zu  ihrem  Kohlehydratgehalt. 
Einigkeit  unter  den  Autoren  herrscht  wohl  darin,  dass  ihr  Hauptgebiet 
in  der  Behandlung  der  schwere  azidotischen  Fälle  liegt  und  dass 
ihre  Anwendung  nur  eine  periodische  sein  soll. 

In  der  Regel  gibt  das  Verhalten  der  Gly^- 
kosurie  einen  prognostischen  Wink  für  den  Er¬ 
folg  der  Haferkur.  Sinkt  unter  ihrem  Gebrauch  die  Gly¬ 
kosurie  oder  bleibt  sie  in  geringer  Grösse  konstant,  so  besteht 
in  der  Regel  ein  Erfolg  in  Hinblick  auf  die  Bekämpfung  der  Ketonurie. 

Unsicher  ist  der  Erfolg  mithin  bei  all  den  Fällen,  wo  sie  eine 
grössere  Zunahme  der  Glykosurie  nach  sich  zieht,  obwohl  —  wie  ich 
aus  eigener  Erfahrung  mittGlen  kann  —  Fälle  begegnen,  bei  denen 
die  Glykosurie  mässig  steigt,  trotzdem  die  Ketonurie  schwindet. 
Jede  anhaltende  intensivere  Steigerung  der  Glykosurie  lässt  die 
Haferkur  als  ni  c  h  t  indiziert  erscheinen.  Die  Zunahme  der 
Glykosurie  muss  ja  die  Azetonkörperbildung  schliesslich  steigern, 
denn  es  zeigt  doch  die  Zunahme  des  Blutzuckers  an,  dass  die  Glyko- 
genie  der  Leber,  bezw.  die  Verwertung  des  Dextrosemoleküls  an 
den  Stätten  der  Verbrennung  insuffizienter  geworden  ist.  Wir  wissen 
aber,  dass  die  Azetonkörperbildung  irgendwie  abhängig  ist  von  der 
Glykogenbildung  in  der  Leber  und  der  Kohlehydratverwertung  i'm 
Organismus.  Das  Anwachsen  der  Glykosurie  wird  also  in  der  Regel 
die  K  o  n  t  ra  indikation  für  die  Fortsetzung  der  Haferkur  abgeben. 

Ich  möchte  dies  ganz  besonders  betonen,  weil  oft  allzu  kritiklos 
und  voreilig  Kohlehydrat  bei  jeder  Azetonurie  gegeben  wird.  Denn 
steigere  ich  durch  übermässige  KohDhydratzufuhr  die  Glykämie,  so 
verschlechtere  ich  nur  die  Verhältnisse  für  das  Verschwindet 
der  Ketonkörper.  Nur  wo  Kohlehydrattoleranz  be¬ 
steht,  kann  Kohlehydrat  antiketonisch  wirken.  Bei 
jeder  stärkeren  Glykosurie  muss  die  Bekämpfung  der  Ketonurie  zu¬ 
erst  durch  eine  Methode  erstrebt  werden,  die  antiglykurisch  wirkt. 
Die  Praxis  ergibt,  dass  in  überaus  zahlreichen  Fällen  schon  durch 
eine  kohlehydrntarme  antiglykurische  Diät  ein  Nachlass,  bezw.  ein 
vollständiges  Verschwinden  der  Azetonurie  erzielt  wird.  Also  es 
gilt  hier  prinzipiell  die  Kohlehydrate  energisch  zu  entziehen  und  nicht 
aus  unberechtigter  Furcht  vor  den  Gefahren  der  Glykosurie  die  Kohle¬ 
hydratzufuhr  in  schädlicher  Weise  zu  steigern.  Diesen  Standpunkt 
habe  ich  schon  früher  vertreten  (cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1910, 
No.  46)  und  sehe,  dass  er  jetzt  vielseitig  geteilt  wird.  Speziell  möchte 
ich  auf  eine  sehr  instruktive  Arbeit  aus  der  Talmaschen  Klinik 
in  Utrecht  von  Harte  lust  hinweisen  (Therapie  der  Gegenwart 
1912,  Heft  3).  Es  heisst  darin:  „Die  Diabetiker,  die  während  der 
zwei  letzten  Kurse  in  unserer  Klinik  behandelt  worden  sind,  haben 
alle  (18  Personen)  auf  Kohlehydratentziehung  reagiert  mit  Verminde¬ 
rung  der  Glykosurie  und  der  Azidose,  und  auch  früher  ist  nie  hei 
Diabetikern  beobachtet,  dass  Kohlehydratentziehung  Steigerung  de'- 
Säurebildung  und  der  Zuckerausscheidung  herbeiführt.'“ 

Die  beste  Methode,  die  Glykosurie  zu  mindern,  ist  die  Verord¬ 
nung  mehrerer  strenger  Gemüsetage.  Gleichzeitig  achte  man  auf 
den  Einfluss  der  Fette  auf  Azetonurie.  Häufig  ist  ihre  Persistenz 
nur  durch  allzugrosse  Fettzufuhr  (speziell  Rahm,  Butter)  bedingt. 
Speziell  bei  Kindern  fand  ich  eine  ausgesprochene  Empfindlichkeit 
dagegen.  Leider  besteht  im  Publikum  allzu  hartnäckig  die  Ansicht, 
dass  jeder  Diabetiker  unverhältnismässig  viel  Fett  geniessen  muss. 
Und  es  gibt  m.  E.  Fälle,  die  unbedingt  eine  Fetteinschränkung  fordern. 
Ich  teile  die  Ansicht  von  Kisch,  dass  Fettleibigkeit  ätiologisch  mit 
dem  Diabetes  in  Beziehung  steht.  Eine  übermässige  Fettansainmlung 
kann,  wie  die  Pathologen  gefunden  haben,  zu  einer  Lipomatosis  des 
Pankreas  führen  und  somit  einen  Diabetes  erzeugen.  Hier  scheint 
mir  eine  Fettbeschränkung  bei  hochgradig  Adipösen  durchaus  not¬ 
wendig. 

In  einzelnen  schweren  Fällen  vermag  das  Fett  direkt  die  Gly¬ 
kosurie  zu  steigern,  auch  dafür  bringt  Hartelust  in  der  erwähnten 
Arbeit  einen  Fall. 

Merkwürdigerweise  sind  mir  Fälle  begegnet,  bei  denen  die  Gly¬ 
kosurie  verschwand,  eine  beträchtliche  Kohlehydrattoleranz  bestand 
(1  mal  vertrug  der  Diabetiker  über  100  g  Brot  pro  Mahlzeit),  die 
Azetonurie  dagegen  hartnäckig  bestehen  blieb.  Dieses  befremdliche 
Verhalten  sah  ich  bei  zwei  stark  adipösen  Menschen  und  glaube,  dass 
die  durch  die  Adipositas  bedingte  Insuffizienz  der  Fettverbrennung 
die  Bedingungen  zum  Weiterbestehen  der  Azetonurie  trotz  Kohle¬ 
hydratzufuhr,  abgab. 

Gelang  es  nun  durch  Gemüsetage  die  Glykosurie  zu  mindern, 
so  werden  zur  Bekämpfung  der  Azetonurie  3 — 4 — 5  Hafertage  einge¬ 
schoben.  Es  sei  daran  erinnert,  dass  —  wie  v.  N  o  o  r  d  e  n  gleich 
angab  —  gleichzeitiger  Fleischgenuss  den  antiketonischen  Effekt  des 
Hafers  herabsetzt.  £1 

Zu  den  vegetabilen  Kuren  zählt  auch  die  Mossesche  Kartoffel¬ 
kur,  die  in  Deutschland  anscheinend  noch  wenig  studiert  ist  und 
über  die  ich  keine  Erfahrung  habe,  ferner  der  Gebrauch  des  Inu¬ 
lins,  eines  Polysaccharides  der  Lävulose,  das  nach  den  neuen  Unter¬ 
suchungen  von  S  t  r  a  u  s  s  gut  verwertet  wird,  und  vorzugsweise  im 
Topinambur,  Helianthus,  Stachys  vorkommt.  Die  Untersuchungen 
von  Klotz  in  Strassburg  einerseits,  von  Rosenfeld  in  Breslau 


&  Februar  1913. 


MUFNCHENEfc  MEDIZINISCHE  WOCHENSCI I k> I FT. 


ndererseits  haben  das  Verständnis  für  das  Zustandekommen  der 
og.  Kohlehydratkuren,  also  auch  der  vegetabilen  Kuren  eröffnet. 

Klotz  fand,  dass  eine  kräftige,  zuckerspaltende  und  ver¬ 
ehrende  Bakterienflora  des  Darmes  nötig  sei.  Das  Stärkemolekül 
Grd  dann  über  die  Dextrose  hinaus  im  Darme  vergährt,  so  dass 
:ohlehydratsäuren  entstehen,  die  resorbiert,  verbrannt  werden.  Denn 
ie  werden  oxydiert,  ohne  vorher  in  der  Leber  in  Glykogen  umge- 
armt  zu  werden,  sie  gehen  —  ebenso  wie  infundierte  Dextrose  —  den 
nhepa  tischen  Weg  (Rosenfeld).  Die  ungünstige  Wir- 
ung,  welche  ein  Fleischzusatz  bei  allen  vegetabilischen  Kuren  aus- 
bt,  ist  darin  zu  suchen,  dass  das  Fleisch  die  saccharolytische  Darm- 
lora  vermindert  und  nach  Rosenfeld  die  Kohlehydrate  direkt 
uf  den  glykogenen,  hepatischen  Weg  drängt,  da  es  die  Glykogenie 
urch  seine  Zerfallsprodukte,  speziell  durch  den  kohlensauren  Am- 
loniak  (Röhman  n)  steigert.  Dann  aber  vermehrt  iedes  Fleisch- 
uantum  beträchtlich  den  in  den  Stoffwechsel  tretenden  Zucker,  indem 
iie  Menge  des  aus  Fleischeiweiss  sich  bildenden  Zuckers  rund 
0  Proz.  beträgt.  Dieses  Plus  an  Zucker  muss  natürlich  die 
Lxydationsverhältnisse  verschlechtern. 

Zum  Schlüsse  will  ich  noch  hinweisen  auf  Veröffentlichungen  von 
;  1  e  m  p  e  r  e  r  (Therapie  der  Gegenwart  1911),  der  den  Gebrauch  von 
'raubenzucker  in  Mengen  von  100— 150  g  in  Lösung  in  schweren 
»iabetesfällen  sowohl  gegen  Azetonurie,  wie  Glykosurie  emp- 
ehlt.  Es  zeigte  sich  auch  da,  wie  jede  grössere  Fleischmenge  die 
ilykosurie  steigerte,  so  dass,  wie  bei  der  Haferkur,  die  Dextrose  nur 
ach  Gemüsetagen  und  in  Verbindung  mit  Gemüse  verabreicht  wer- 
en  soll. 

Die  Bedingungen  für  die  Verwertung  der  Dextrose  sucht  Kle  in¬ 
nrer  in  den  Verhältnissen  der  bakteriellen  Darmgärungen,  die  dis 
nhepatische  Verwertung  des  Zuckers  ermöglichen.  Eine  solche 
;t  die  Ursache,  dass  Dextrose  im  Klistier,  also  per  rectum,  ge- 
eben,  wesentlich  besser  vom  Diabetiker  vertragen  wird  als  Glykose 
er  os  gegeben. 

Rosenfeld  berichtet  über  günstige  Ernährungsversuche  mit 
tnem  Körper  der  Cr-Reihe,  dem  a-Glykoheptonsäurelakton  (CrHi-Ov), 
as  den  Handelsnamen  H  e  d  i  o  s  i  t  führt.  Es  hat  die  Glykosurie  nie 
ermehrt,  manchmal  deutlich  vermindert,  es  ist  für  den  Diabetiker 
xydabel,  doch  scheint  es  keinen  Einfluss  auf  die  Azetonurie  zu  haben, 
oraus  zu  schliessen  ist,  dass  es  kein  Glykogenbildner  ist. 

Der  kurze  Ueberblick  über  die  neueren  therapeutischen  An- 
chten  hinsichtlich  der  Diätetik  des  Diabetes  zeigt,  wie  tatsächlich  die 
Ite,  meist  verwandte  Diät  eine  vollständige  Umkehrung  zum  Teil 
rfährt.  Der  alten  Fleisch-Fettdiät  treten  die  verschiedenen  Kohle- 
ydratkuren  entgegen.  Ein  Gewinn  darf,  wenn  auch  natürlich  ein 
ndgiiltiges  Urteil  über  die  Neuerungen  noch  nicht  erlaubt  ist,  als  ge- 
chert  angesehen  werden,  dass  von  einem  diätetischen  Schematismus 
eim  Diabetes  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann  und  darf,  dass  in  aus- 
edehntem  Masse,  nämlich  bei  fast  allen  mittelschweren  wie  schweren 
ormen  die  Fleischbeschränkung  von  grösstem  Nutzen  ist.  Die  Er- 
ährungstherapie  der  Zuckerkranken  hat  aufgehört  eine  einfache 
ache  zu  sein,  sondern  erfordert  eingehendste  Forschung  nach  den 
erschiedensten  Richtungen  hin,  so  dass  eine  klinische  Behandlung 
ets  angezeigt  erscheint,  wenn  das  Regime  genauer  bestimmt  und 
ontrolliert  werden  soll.  Welches  Regime  nun  aber  auch  stets  der 
inzelfall  erheischen  wird,  die  Herabdriickung  bezw.  Beseitigung  der 
lykämie  steht  im  Mittelpunkt  der  Therapie.  Dies  muss  deshalb 
reng.  betont  werden,  weil  gerade  in  unkontrollierten  Kohlehydrat- 
jren,  deren  Anwendung  ja  bald  in  das  Publikum  dringt,  grosse 
efahr  durch  Verschlechterung  der  Glykämie  liegen  wird.  Die  Dia- 
;testherapie  steht  aber  im  Zeichen  einer  Schonungstherapie. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

E.  H.  S  t  a  r  1  i  n  g  -  London :  Principles  of  human  physiology. 
-3  Seiten  mit  564  Textfiguren.  Verlag  von  J.  und  A.  Churchill, 
mdon  1912.  Preis  21  sh. 

Der  Physiologe  des  Londoner  University  College,  E.  H.  S  t  a  r  - 
f  g,  der  in  Deutschland  nicht  nur  durch  seine  Arbeiten,  sondern 
,c"  Persönlich  bekannt  ist  —  hat  er  doch  vor  wenigen  Jahren  auf 
r  Naturforscher-  und  Aerzteversammlung  in  Stuttgart  das  Referat 
er  innere  Sekretion  erstattet  — ,  ist  mit  einem  an  Umfang  und  Inhalt 
ichen  Lehrbuch  der  Physiolgie  vor  die  Oeffentlichkeit  getreten. 

ersten  Buche,  das  der  allgemeinen  Physiologie  gewidmet  ist, 
j-rden  die  morphologischen,  chemischen  und  physikalischen  Eigen- 
haften  der  lebenden  Substanz  behandelt.  Im  zweiten  Buche,  betitelt 
ne  mechanisms  of  movement  and  Sensation“  geht  der  Verfasser 

die  Bewegung,  auf  die  Vorgänge  im  peripheren  und  zentralen 
:rvensystem  und  auf  die  Empfindungen  ein.  Das  dritte  Buch,  über- 
hrieben  „The  mechanisms  of  nutrition“,  befasst  sich  mit  der  in 
n  Körper  eingeführten  Nahrung  und  ihrem  Energieinhalt,  der  Ver¬ 
eng,  dem  Blute  und  seiner  Zirkulation,  der  Lymphe,  mit  den 
'Wehrvorrichtungen  des  Organismus  gegen  Infektion,  der  Exkretion 
ren  die  Niere,  der  Haut  und  ihren  Drüsen,  den  Temperaturver- 
itmssen  im  Körper  und  mit  der  inneren  Sekretion.  Themata  des 
-rten  Buches  sind  die  sexuellen  Vorgänge  und  die  Entwicklung. 

Das  Buch,  bei  dessen  Bearbeitung  sich  der  Verfasser,  sofern  ihm 
gene  Erfahrungen  nicht  zu  Gebote  standen,  auf  englische  und 
utsche  Lehr-  und  Handbücher  gestützt  hat,  ist  sehr  anregend  ge- 


schrieben.  Es  berücksichtigt  in  gleichem  Masse  die  chemische  und 
Physikalische  Seite  der  Lebensvorgänge  und  ist  mit  zahlreichen  an- 
schau  hohen  Abbildungen,  welche  die  Histologie  der  Organe,  Chemi- 
kalien,  Appaiate,  mit  diesen  erhaltene  Kurven  und  Schemata  betreffen, 
ausgestattet.  Der  Praktiker,  der  sich  mit  dem  gegenwärtigen  Stande 
er  hvsiologie m  England  vertraut  machen  will,  sei  ganz  besonders 
auf  dieses  Buch  hingewiesen.  K.  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen. 


Grundriss  der  spezinschen  Diagnostik  und  Therapie  der  Tuber¬ 
kulose  für  Aerzte  und  Studierende.  Von  Prof.  Dr.  J.  Petruschkv 
Danzig.  139  Seiten. 

Bei  dem  Erscheinen  dieses  Grundrisses  hat  sich  vielleicht 
mancher  die  Frage  vorgelegt,  wozu  es  nötig  war,  neben  dem  um¬ 
fassenden  und  alles  wesentliche  enthaltenden  Lehrbuch  von  Ban¬ 
delier  und  Roepke  noch  einen  dasselbe  Thema  behandelnden 
Grundriss  herauszugeben  und  vielen  mag  ein  solches  Unternehmen 
geradezu  als  ein  Wagnis  erschienen  sein.  Dieses  Wagnis,  wenn  es 
übeihaupt  so  genannt  werden  darf,  wird  aber  bei  eingehender  Wür- 
digung  der  neuen  Erscheinung  glänzend  gerechtfertigt.  Jeder,  der 
das  sehr  anregend  geschriebene  Buch  liest,  wird  sich  mit  dem 
Referenten  zu  der  Ueberzeugung  bekehren,  dass  das  Werk  eine  sehr 
wertvolle  Ergänzung  zu  dem  vorhandenen  Lehrbuch  darstellt. 

ln  sehr  anschaulicher  Weise  und  in  anregender  Form  ist  die 
lechnik  der  Anwendung  der  verschiedenen  Tuberkulinpräparate  zu 
diagnostischen  und  therapeutischen  Zwecken  geschildert.  Es  mag 
dies  um  so  mehr  hervorgehoben  werden,  als  gerade  diese  muster¬ 
hafte  Behandlung  eines  derartigen  spröden  Stoffes  vielen  das  Ein¬ 
arbeiten  in  die  Technik  der  Tuberkulindiagnostik  und  Therapie  sehr 
erleichtern  wird. 

Auch  die  kritische  Verwertung  der  verschiedenen  diagnostischen 
Methoden  wird  dem  Leser  so  klar  vor  Augen  geführt  und  gleich¬ 
zeitig  durch  gute  Abbildungen  illustriert,  dass  es  selbst  dem  Un¬ 
eingeweihten  gelingen  wird,  sich  danach  ein  eigenes  Urteil  zu  bilden. 

P.  ist  ein  überzeugter  Anhänger  der  Tuberkulintherapie  und 
seine  Ueberzeugung  ist  das  Resultat  einer  langjährigen  Erfahrung 
und,  wie  dem  Ref.  scheinen  will,  vor  allen  Dingen  seiner  richtigen 
Indikationsstellung  für  die  therapeutische  Anwendung  des  Tuber¬ 
kulins.  Er  verlangt  eben  nichts  Unmögliches  von  dem  Tuberkulin, 
sondern  will  es  reserviert  wissen  für  an  sich  heilbare  Fälle.  Bei 
der  chronischen  Verlaufsweise  der  Tuberkulose  verspricht  nur  eine 
angdauernde  Behandlung  Erfolg,  die  P.  in  Form  seiner  sog.  Etappen¬ 
kur  über  Jahre  hinaus  durchführt. 

Einen  sehr  grossen  Wert  vindiziert  P.  dem  Tuberkulin  als 
I  rophylaktikum  und  hält  es  für  ein  wichtiges  und  von  ihm  in  der 
Praxis  erprobtes  Mittel  in  der  Bekämpfung  der  Kinderskrofulose  und 
-tuberkulöse.  Diese  Erfahrung  hat  er  gewonnen  auf  Grund  seiner 
Anschauung  über  die  Pathogenese  der  Tuberkulose,  nach  der  die 
Tuberkulose,  meist  im  Kindesalter  erworben,  nach  einem  langen 
Inkubationsstadium  in  einem  sehr  viel  späteren  Alter  zum  Ausbruch 
kommt.  Diese  Anschauung,  die  jetzt  als  Allgemeingut  gelten  kann, 
ist  in  dieser  Form  zuerst  von  P.  ausgesprochen  worden.  Interessant 
ist  ferner  das  Kapitel  über  die  Begleitkrankheiten  der  Tuberkulose, 
ihre  Ursachen  und  ihre  Bekämpfung,  das  manchen  praktischen  Wink 
enthält  und  vor  allen  Dingen  eine  erfolgreiche  sog.  Entkeimungs¬ 
therapie  der  mischinfizierten  Fälle  zu  versprechen  scheint.  Am 
Schluss  des  Buches  sind  eine  Reihe  krankengeschichtlicher  Beispiele 
angeführt,  die  die  Ausführungen  in  bester  Weise  illustrieren. 

Carl  Hammer-  Heidelberg. 


Dr.  R.  B  r  u  n  o  n  und  Prof.  Rouen:  La  Tuberculose  Pulmonaire 
Maladie  evitable  —  tnaladie  curable.  Paris,  S  t  e  i  n  h  e  i  1  1913. 
549  Seiten.  Preis  10  Frs. 

Ein  umfassendes  und  manchmal  fast  in  behaglicher  Breite  ge¬ 
schriebenes  Handbuch  der  Tuberkulose.  Es  beginnt  mit  einer  ge¬ 
schichtlichen  Einleitung  in  der  mit  berechtigtem  Stolze  auf  den 
Landsmann  Vi  Ile  min  hingewiesen  wird;  die  Entwicklung  von 
dessen  Vortrag  am  5.  XII.  1865  bis  zu  dem  Kochs  am  24.  III.  1882 
wird  namentlich  in  Frankreich  ausführlich  behandelt.  Der  zweite  Ab¬ 
schnitt  umfasst  Uebertragung  und  Vererbung.  Nach  ebenfalls 
historischer  Einleitung  findet  der  Bazillus  ausführliche  Besprechung. 
Der  Verf.  steht  auf  dem  vom  Ref.  völlig  gebilligten  Grundsätze,  dass 
m  der  überwiegenden  Mehrheit  der  Fälle  die'  Ansteckung  sich  in  der 
frühesten  Kindheit  vollzieht,  dass  alle  Kinder  ihr  ausgesetzt  sind  und 
dass  sie  somit  unvermeidbar  ist  (S.  80  und  81).  Die  Eintrittsstelle 
ist  gewöhnlich  der  Pharynx.  In  Bezug  auf  die  Erblichkeit,  die  sich 
natürlich  vor  allem  auf  das  „Terrain“  erstreckt,  bestehen  noch  reich¬ 
lich  Probleme.  Unter  dem  Titel  „La  tuberculose  maladie  evitable“ 
behandelt  der  3.  Abschnitt  die  Prophylaxe  und  stellt  den  sehr  ver¬ 
nünftigen  Satz  an  die  Spitze  (den  man  wohl  auch  am  besten  fran¬ 
zösisch  anführt):  „si  nous  voulons  opposer  une  digue  ä  la  tuber¬ 
culose,  il  faut  faire  une  revolution  dans  nos  moeurs“.  Die  Tuberkulose 
ist  eine  Krankheit,  durch  eingeschlossene,  schlechte  Luft  erzeugt; 
dieser  Gedanke  wird  ausführlich  behandelt.  Die  Rolle,  die  die  Woh¬ 
nung,  die  Arbeitsstätte  und  die  Arbeitsbedingungen  spielen,  bilden 
den  Inhalt  des  nächsten  Kapitels.  Die  deutsche  Arbeiterversicherung, 
die  englischen  Gartenstädte  werden  erwähnt  (die  deutschen  nicht, 
deutsche  Verhältnisse  finden  überhaupt  wenig  Berücksichtigung;  eben¬ 
so  die  deutsche  Literatur).  Eine  erfreulich  grosse  Beachtung  wird  dem 
Alkohol  als  tuberkuloseförderndes  Moment  geschenkt.  Man  hat  das 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


in  Frankreich  schon  Jahrzehnte  vor  Deutschland  gewusst  und  ausge-  | 
sprochen  und  ist  dort  trotz  unserer  ganz  hervorragenden  Fortschritte  I 
hierin  auch  heute  klarer  und  wesentlich  besser  überzeugt.  Der  Verf. 
spricht  naturgeniäss  ausführlich  über  das  bekannte  Hand-in-Hand- 
Gehen  von  Alkoholverbrauch  und  Tuberkulose  in  seinem  ^Wohnorte 
Rouen.  Endlich  folgt  noch  die  Besprechung  des  kindlichen  und 
jugendlichen  Alters  mit  sehr  interessanten  Mitteilungen  über  fran¬ 
zösisches  Schulwesen.  Von  Verlauf  und  Prognose  lesen  wir  im 
nächsten  Abschnitte.  Es  ist  sehr  fein  geschildert,  wie  allmählich  die 
ganze  Aerzteschaft  von  ihrem  Skeptizismus  befreit  und  von  der  Heil¬ 
barkeit  der  Tuberkulose  überzeugt  wurde.  Ein  Wort  wollen  wir  uns 
doch  für  unsere  Heilstätten  und  Sprechzimmer  abschreiben:  „Tant 
mieux  pour  le  malade,  homme  de  bonne  volonte,  qui  subit  1  action  de 
presence  du  medecin.  Tant  pis  pour  celui  dont  le  jugement  est  diminue 
par  l’ignorance  et  les  prejuges.  Le  premier  a  des  chances  de  guerir. 
Le  second  mourra“.  Auf  weiteren  30  Seiten  wird  die  Diagnose  "be¬ 
handelt;  ein  letzter  kurzer  Abschnitt  bespricht  auch  die  Tuberkulose 
der  Tiere,  während  der  grosse  vorletzte  sich  mit  der  Therapie  be¬ 
schäftigt:  Ruhekur,  Aufhören  mit  der  Arbeit,  Bettliegen,  Liegestuhl, 
allmähliches  Gehen;  alles  mit  guten,  brauchbaren  Einzelvorschriften 
(Hustendisziplin,  Schweigekur,  Beschäftigungskur);  Luftkur  (günstiger 
Einfluss  von  Kälte  und  Licht);  Ernährung  (an  die  Spitze  gestellt  die 
Gefahr  der  Ueberernährung:  beaucorp  de  tuberculeux  sont  victimes 
de  l’alimentation  carnee,  alcoolique  et  lactee).  Eine  grosse  Zahl 
einzelner  Nahrungsmittel  wird  durchgesprochen  (auch  der  Alkohol 
findet  hier  nochmals  seine  Verurteilung).  Sanatorium  oder  Freikur. 
Asepsis  d.  h.  „proprete“,  Desinfektion,  Reinlichkeit  überall,  Bäder. 
Zuletzt  lesen  wir  noch  wertvolle  Ausführungen  des  Praktikers  über 
Fieber,  Blutungen  und  revulsive  Mittel:  Hydrotherapie,  Jod,  Sinapis- 
men  usw. 

Wenn  das  umfangreiche  Buch  auch  nicht  gerade  zur  Verbreitung 
unter  den  deutschen  Aerzten  gelangen  wird,  so  ist  es  doch  eine 
zweifellos  beachtenswerte  Erscheinung  der  französischen  Literatur 
und  lässt  in  die  dortige  fleissige  Tuberkulosebewegung  einen  guten 
und  interessanten  Einblick  tun.  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Marcinowski:  Der  Mut  zu  sich  selbst.  Das  Seelenleben  des 
Nervösen  und  seine  Heilung.  Berlin  1912.  Salle.  400  Seiten.  Preis 
6  Mark. 

In  einem  zwar  recht  lebendigen,  aber  für  mein  Gefühl  doch  zu 
weitläufigen  Stil  gibt  Verfasser,  gestützt  auf  eigene  Erfahrung  zu¬ 
erst  in  physikalischer,  dann  in  psychoanalytischer  Behandlung,  seine 
Anschauungen  über  die  Psychoneurosen,  deren  Genese  und  deren 
Heilung  und  Verhütung,  in  allem  Wesentlichen  sich  an  F  r  e  u  d  an¬ 
schliessend.  Eigentliche  Beweise  für  seine  Ansichten  bringt  er 
wenige,  aber  eine  grosse  Anzahl  recht  guter  Beispiele.  Meines  Er¬ 
achtens  bleibt  er  dabei  etwas  einseitig:  manche  Einzelheiten  möchte 
ich  überhaupt  nicht  annehmen;  das  manisch-depressive  Irresein  und 
die  Dementia  praecox  in  ihrer  Gesamtheit  können  nicht  als  funk¬ 
tionelle  Krankheiten  neben  die  Hysterie  gestellt  werden;  aber  im 
ganzen  ist  so  viel  Wahres  darin,  dass  die  Lektüre  des  Buches  auch 
manchem  Arzt  gut  täte.  Ausserdem  aber  findet  sich  ein  Abschnitt, 
wo  ich  umgekehrt  sagen  möchte,  trotz  sehr  vielem  Richtigen  geht 
Verf.  auf  recht  gefährlichen  Bahnen.  Er  möchte  unsere  Sexualmoral 
über  den  Haufen  werfen.  Gewiss  ist  es  nicht  schade  darum;  aber 
Marcinowski  hat  keine  neue  in  einer  für  die  Allgemeinheit 
brauchbaren  Form  statt  ihrer  aufzustellen.  Für  die  Gesamtheit  aller¬ 
dings  könnte  es  ja  nach  einem  vollbrachten  Umsturz  kaum  schlechter 
werden  als  jetzt.  Aber  man  darf  sich  nicht  den  Anschein  geben, 
als  wenn  man  den  Einzelnen  zum  praktischen  Abfall  veranlassen 
wollte,  so  lange  diese  Zwingburg  noch  so  fest  steht.  Es  ist  ja  möglich 
und  in  gewissem  Masse  auch  richtig,  dass  der  Mangel  der  Fähigkeit, 
sich  den  Vorurteilen  anzupassen,  neurotische  Symptome  und  viel 
anderes  Unglück  hervorbringt.  Aber  die  Hilfe  besteht  nicht  darin, 
dass  man  den  Einzelnen,  dem  der  Zwang  unerträglich  wird,  den  Rat 
gibt,  mit  dem  Schädel  dagegen  zu  rennen,  sondern  man  muss  sich 
Zeit  nehmen,  die  Mauern  nach  und  nach  niederzureissen  und  in 
neuer  Form  aufzubauen,  und  in  der  Zwischenzeit  den  ein¬ 
zelnen  Kranken  zu  helfen  suchen,  so  gut  es  geht.  In  der  Praxis 
handelt  Marcinowski  allerdings,  wie  aus  seinen  Beispielen  her¬ 
vorgeht,  in  diesem  Sinne.  Seine  Theorie  und  sein  gedruckter  Rat¬ 
geber  aber  dürften  vorsichtiger  sein.  Bleuler-  Burghölzli. 

Das  Inzestmotiv  in  Dichtung  und  Sage  (Grundzüge  einer  Psycho¬ 
logie  des  dichterischen  Schaffens.).  Von  Otto  Rank.  Franz  Deu- 
t  i  k  e,  Leipzig  und  Wien,  1912.  685  S.  Preis  15  M. 

Zwei  Kennzeichen  geben  dieser  Arbeit  ihr  Gepräge.  Der  Verf. 
widmet  sein  Buch  Prof.  Freud,  und  als  Demonstrationsobjekt  hat 
er  sich  den  Dichter  ausersehen;  den  Dichter  als  Repräsentanten,  als 
feinstes  Reagens.  Rank  hielt  seine  Arbeit,  nachdem  er  sie  schon 
vor  6  Jahren  der  „Wiener  psycho-analyt.  Vereinigung“  zur  Kenntnis 
gab,  bis  jetzt  zurück.  Die  inzwischen  erschienenen  Monographien 
und  Vorarbeiten  waren  noch  zu  leisten  und  er  selbst  war  sich  der 
eigenen  Verantwortung  bewusst. 

Die  Freud  sehe  Analyse  besagt,  dass  alle  späteren  Ab¬ 
weichungen  von  der  Norm  sich  auf  eine  noch  nicht  differenzierte 
ursprüngliche  Norm  zurückführen  lassen.  Dieser  gewissermassen 
noimative  Urzustand  ist  uns  in  der  eigenen  Kindheit  noch  zugänglich. 
In  der  Kindheit  sind  alle  später  entfalteten  Strebungen  im  Keim 
schon  vorgebildet;  sämmtliche!  Das  eigentliche  Agens  aber,  welches 


unserer  Entwicklung  den  Ausschlag  gibt,  ist  das  sexuelle  Erlebnis. 
Dies  meist  unterbewusste  Erlebnis  lässt  sich  für  eine  Zeit  vielleicht 
ablenken,  verdrängen,  nie  aber  völlig  unterdrücken.  Es  gelangt  in 
irgend  einer  Form  wieder  zum  Vorschein. 

An  Hand  eines  einzelnen  Berufes  werden  nun  die  Wahr¬ 
nehmungen  der  ganzen  Menschheit  offenbar  gemacht.  Die  spezielle 
Wahl  des  Dichters  ist  deshalb  eine  besonders  glückliche,  weil  dieser 
uns  durch  die  Art  seines  Kunstmittels  selber  eine  unzweideutige  Aus¬ 
sprache  gewährt  und  doch  die  menschliche  Passion  in  ihrer  Totalität 
umspannt.  Der  Dichter  ist  die  Menschheit  in  nuce. 

Es  gelingt  dem  Verfasser  an  mannigfachen  literarischen  und  bio¬ 
graphischen  Nachweisen  den  Kontakt  zu  schlagen  zwischen  Dichter¬ 
persönlichkeit  und  dem  Kunstwerk.  Seine  Belesenheit,  der  Aufwand 
der  seltensten  und  kaum  zugänglichen  Quellen  ist  bewundernswert. 
Gerade  an  den  ersten  Entwürfen  und  Fragmenten  des  Don  Carlos 
wird  das  Thema  in  einer  geraden,  strengen  Linie  zu  Ende  geführt. 
Die  Oedipussage,  die  Weltelternmythe  und  das_  Tantalidenschema  — 
völkerpsycholgisch  wie  biologisch  verfolgt  — eröffnen  mit  einem  Schlage 
eine  ungeahnte  Perspektive.  Kapit.l  wie  „Zur  Psychologie  der  schau¬ 
spielerischen  Leistung“  und  „Zur  Psychologie  der  Jugenddichtungen-' 
sind  analytisch  behandelt,  voll  delikater  Feinheiten;  der  Nachweis, 
wie  sich  vom  „Hippolytos“  des  Euripides  bis  zum  Hippolytos  ir. 
Racines  Phädra  die  Wandlung  der  äusseren  in  die  inneren  Hem¬ 
mungen  vollzieht,  kann  als  Muster  für  die  ganze  Methode  gelten.  Im 
ganzen  verfolgt  der  Verfasser  unbeirrbar  die  Fährte  vom  infantil 
Lustvollen  des  wirklichen  Erlebnisses  bis  zum  tragisch  Schuldvollen 
im  Kunstwerk.  Es  gelingt  ihm,  die  Bahn  dieser  typisch  wieder¬ 
kehrenden  Gestaltung  freizulegen. 

Soweit  der  Verfasser  rein  analytisch  vorgeht,  kann  man  seinen 
Auflösungen  mit  Genugtuung  folgen.  Er  vergreift  sich  jedoch,  wenn 
er  in  den  zusammenfassenden  Teilen  stets  eine  kritische  Würdigung 
oder  Entwürdigung  der  Spezies;  Dichter  für  nötig  hält.  Er  fühlt 
sich  berufen,  „der  allgemein  verbreiteten  Ansicht  von  der  Erhaben¬ 
heit  der  menschlichen  Natur  und  der  Göttlichkeit  des  Künstlers“  mit 
medico-psychologischen  Argumenten  entgegenzutreten,  will  die  dich¬ 
terische  Leistung  auf  erotische  und  egoistische  Triebkräfte  schlecht¬ 
hin  reduzieren,  das  Kunstwerk  als  einen  Akt  der  Notwehr  ansehen, 
als  den  Befreiungskampf  der  verdrängten  inzestuösen  Regungen. 
Ihm  scheint'  die  eine  Formel  für  alle  Kunstwerke  zu  genügen,  dass 
zu  ihrem  „speziellen  Inhalt  regelmässig  der  infantile  Oedipus- 
komplex  gehört“.  Er  nimmt  rückläufig  Fühlung  mit  den  extremsten 
der  französischen  Materialisten.  Tai  ne  könnte  seine  helle  Freude 
daran  haben  (Tugend  und  Laster  sind  Produkte  wie  Vitriol  und 
Zucker).  So  schwer  dies  Geschütz  auch  zu  sein  scheint,  es  hält  nicht 
stand.  Das  Kunstwerk  —  ein  Notausgang  —  ist  eine  Contra- 
dictio  in  adjecto.  Es  ist  dem  Verfasser  unbekannt,  dass  eine 
künstlerische  Zeugung  nie  aus  einem  Mangel,  einem  Nichthaben  ent¬ 
stehen  kann,  dass  sie  vielmehr  „ein  Regenstrom  aus  Felsenrissen'' 
einem  Uebermass,  einer  Fülle,  einer  höchsten  Aktivität  entspringt. 
Vollends  seltsam  muten  die  therapeutischen  Wegweiser  an,  die  hier 
und  da  zur  Weiterzüchtung  der  Spezies:  Dichter  aufgeführt  sind. 
Rank  denkt  sich,  entsprechend  der  Heilung  des  Neurotikers  und  der 
kulturellen  Weiterentwicklung  des  Normalen,  die  er  „Bewusstseins¬ 
erweiterung“  nennt,  dass  auch  beim  Künstler  diese  Bewusstseins¬ 
erweiterung  immer  mehr  die  gefühlsmässige  Zone  verdränge.  Er 
verspricht  sich  — -  wie  zahlreiche  „unter  dem  Einfluss  der  psycho¬ 
analytischen  Ergebnisse“  stehende  Dichtungen  schon  bewiesen  — 
eine  ganz  neue  Kunst,  die  er  harmloserweise  mit  dem  sehr  treffenden 
Prädikat  einer  wissenschaftlichen  Kunst  belegt.  W ohin 
aber  solch  ein  theoretisches  Monstrum  einer  wissenschaftlichen  Kunst 
führt,  das  zeigt  uns  der  Kubismus  in  der  Malerei  zur  Genüge.  Der 
Gedanke  allein  grenzt  an  Alchemie. 

Verfasser  wundert  sich  am  Schluss  dennoch,  dass  „unsere  heutige 
Dichtkunst  mit  erstaunlichem  Konservatismus  an  den  tragischen  Kon¬ 
flikten  und  Lösungen  des  sophokleischen  Athens  festhält“.  Ich  wun¬ 
dere  mich  nicht.  Es  gibt  unveräusserliche  Gesetze,  und  zumal  in 
der  Kunst.  Die  Verhältnisse  des  Gefühls-  und  Verstandesgemässen 
im  künstlerischen  Schaffen  gelten  heute  wie  zur  Zeit  des  Sophokles. 
Diese  Bezirke  lassen  sich  nicht  nach  medico-psychologischem  Gut¬ 
dünken  beschränken.  Sie  abzuschreiten,  sie  freizulegen,  ist  die  Ab¬ 
gabe  einer  gewissenhaft  analytischen  Methode;  und  damit:  Halt! 

Fr.  W  o  1  f  -  Dresden. 

K.  Singer:  Die  Ulnarislähmung.  Mit  einem  Vorwort  von 
Prof.  Ziehen.  Berlin  1912.  S.  Karger.  130  S.  Preis  4  M. 

Der  Untertitel  klärt  darüber  auf,  was  man  in  dem  Büchlein 
findet:  „Monographische  Studie  als  Beitrag  zur  Klinik  der  peri¬ 
pherischen  Nervenerkrankungen“.  Dem  Verfasser  ist  es  gelungen, 
die  Klinik  der  Ulnarislähmung  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  in 
der  Nervenklinik  der  Charitee  und  auf  Grund  der  Literatur  voll¬ 
kommen  zu  bearbeiten  und  darzustellen.  Rossbach  -  München. 

A.  Beythien,  C.  Hartwich  und  M.  Klimmer:  Handbuch 
der  Nahrungsmitteluntersuchung.  In  3  Bänden.  Mit  mehreren  Tatern 

und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text.  Verlag  von  Chr.  Herrn. 
Tauchnitz.  Leipzig  1912.  Vollständig  in  ca.  30  Lieferungen 
ä  2.50  M.  I.  Lieferung. 

Mir  der  vorliegenden  1.  Lieferung  beginnt  ein  Werk  zu  er- 
scheinen,  welches  nach  dem  Wortlaut  des  Prospektes  und  des  Titels 
eine  systematisch-kritische  Zusammenstellung  bringen  wird  über  die 


25.  Februar  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  Nahrungsmittel  im  weitesten  Sinne, 
so  dass  neben  den^  eigentlichen  Nahrungsmitteln  auch  die  Gewürze, 
die  alkoholischen  Getränke  und  narkotischen  Genussmittel  behandelt 
werden.  Ausserdem  soll  sich  die  Bearbeitung  auch  auf  die  Unter¬ 
suchung  des  Wassers  und  der  Luft,  der  Ess-,  Trink-  und  Koch- 
;e$chirre,  der  Gewebe,  kosmetischen  Mittel,  überhaupt  der  Ge- 
irauchsgegenstände  in  ausgedehnterem  Masse  erstrecken.  Endlich 
wird  auch,  soweit  es  sich  mit  den  Zwecken  des  Buches  vereinigen 
risst,  der  Untersuchung  des  Harns,  Sputums,  der  tierischen  und 
nenschlichen  Sekrete  und  Exkrete  breiter  Raum  gewährt  werden, 
den  Schluss  bildet  ein  Anhang  über  die  Beurteilung  der  Nahrungs¬ 
ind  Genussmittel  nebst  den  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen 
n  Deutschland  und  dem  Auslande. 

Aus  praktischen  Gründen  soll  das  Werk  in  3  Teile  zerfallen, 
lessen  ersten,  den  chemisch-physikalischen  Teil  A.  B  e  y- 
h  i  e  n,  dessen  zweiten,  den  botanisch-mikroskopischen 
Teil  C.  Hart  wich  und  dessen  dritten  Teil,  den  bakterio- 
ogischen  und  biologischen  Teil  M.  Klimm  er  über- 
lommen  hat.  Ferner  werden  bei  der  Mitwirkung  noch  eine  Reihe 
jekannter  Namen  vertreten  sein. 

Die  erste  Lieferung  beginnt  mit  der  chemischen  Unter¬ 
suchung  des  Fleisches  (eine  Einführung  oder  Einleitung  in 
las  ganze  Werk  steht  wohl  noch  zu  erwarten),  deren  Methodik  in 
sehr  übersichtlicher,  kritischer  und  mit  grosser  Sachkenntnis  ge¬ 
schriebener  Weise  abgehandelt  wird.  Die  zurzeit  anerkannten  besten 
Verfahren  sind  ausführlich  beschrieben,  die  anderen  jedoch  auch 
licht  vernachlässigt  und  in  allen  zweifelhaften  und  schwierigen  Fällen 
wird  sachkundiger  Rat  erteilt.  In  grosser  Anzahl  haben  Literatur- 
mgaben  Aufnahme  gefunden,  so  dass  hierdurch  auch  der  Charakter 
hnes  Handbuches  gewahrt  wird.  Wenn  die  Fortsetzung  des  ersten 
Bandes  und  der  weiteren  Bände  —  wie  wohl  zu  erwarten  steht  — 
n  so  vorzüglicher  Weise  weitergeführt  wird,  so  darf  auf  eine  sehr 
reundliche  Aufnahme  des  ganzen  Werkes  gerechnet  werden,  zumal 
la  ja  der  Kreis  derer,  die  sich  wissenschaftlich  oder  amtlich  mit  der 
-rage  der  Nahrungsmittel  befassen  müssen,  bekanntlich  ein  sehr 
grosser  ist. 

Wir  werden,  sobald  die  einzelnen  Bände  fertig  vorliegen,  noch 
.veiter  darauf  zurückkommen.  R.  0.  Neumann  -  Giessen. 

Krankheit  und  soziale  Lage.  Herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
M.  M  o  s  s  e  und  Dr.  med.  G.  Tugendreich.  3.  Lieferung. 

I.  F.  Lehmanns  Verlag,  München  1913.  Preis  M.  4. 

Das  Erscheinen  des  verdienstvollen  Werkes  schreitet  rüstig  vor¬ 
wärts.  Der  ursprüngliche  Plan,  mit  der  3.  Lieferung  das  Werk  abzu- 
ichliessen,  musste  fallen  gelassen  werden.  Erst  mit  der  4.  Lieferung, 
die  im  Frühjahr  d.  J.  erscheinen  soll,  wird  das  Buch  vollständig  vor- 
iegen.  Die  soeben  ausgegebene  dritte  Lieferung  behandelt  den  Ein- 
luss  der  sozialen  Lage  auf  die  Geschlechtskrankheiten  von 
V.  Blaschko  und  W.  Fischer,  auf  die  Infektionskrankheiten  von 
'.Reiche,  auf  die  Tuberkulose  von  M.  M  o  s  s  e,  auf  die  Entstehung 
on  Geschwülsten  von  Ad.  Theilhaber  und  auf  die  Zahnkrank- 
leiten  von  F.  W  i  1 1  i  n  g  e  r. 

Wir  stehen  nicht  an,  von  den  bisher  erschienenen  Lieferungen 
ler  vorliegenden  die  Palme  zuzuerkennen.  Besonders  die  beiden  Ar- 
ikel  von  Mosse  und  Blaschko  können  in  ihrer  Art  als  muster¬ 
gültig  bezeichnet  werden.  Aus  den  zahlreichen  statistischen  Ta¬ 
illen,  die  Blaschko  und  Fischer  in  ihrer  Arbeit  verwendet 
laben,  ersehen  wir,  welchen  weitgehenden  Einfluss  die  soziale  Lage 
mf  die  Verbreitung  der  Geschlechtskrankheiten  hat.  Die  verschieden¬ 
sten  Faktoren  spielen  dabei  mit.  Die  Arbeiterbevölkerung  verhält 
•ich  anders  als  die  besitzenden  Klassen,  die  Grossstädter  anders  als 
lie  Landbevölkerung  usf.  Der  Verlauf  der  Geschlechtskrankheiten 
längt  neben  der  Konstitution  vor  allem  von  einer  genügenden  ärzt- 
ichen  Behandlung  ab.  Und  hier  wirken  wieder  zwei  soziale  Mo¬ 
mente  besonders  hemmend,  einmal  die  Vorliebe,  sich  von  Kur- 
ifuschern  behandeln  zu  lassen  und  zweitens  die  Indolenz  gegenüber 
chronischen  Krankheiten,  die  ohne  besondere  Schmerzen  auftreten. 
>ie  I  uberkulosearbeit  von  Mosse  gibt  zunächst  einen  Ueberblick 
iber  die  Häufigkeit  der  Krankheit,  dann  über  deren  Beeinflussung 
lurch  die  soziale  Lage.  M.  bespricht  die  Beziehungen  zwischen 
uberkulose  und  dem  Begriffskomplex  „soziale  Lage“,  spez.  den  Ein- 
iuss  des  Berufes,  der  Wohnung,  der  Ernährung.  Endlich  wird  der 
Nachweis  geführt,  dass  solche  Beziehungen  auch  durch  andere  Um- 
tände,  die  z.  T.  ausserhalb  der  sozialen  Lage  liegen,  verdeckt  werden 
onnen.  wie  klimatische  Verhältnisse.  Rasseeigentümlichkeiten  und 
'lkoholmissbrauch.  Für  M.  ist  die  Tuberkulose  eine  Magen-  und 
\  ohnungsfrage,  und  darin  wird  ihm  jeder  zustimmen  können. 

Die  vierte  Schlusslieferung  soll  die  soziale  Therapie  der  Kränk¬ 
elten  behandeln.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Pharmazeutische  Vierteljahresrundschau. 

Von  Dr.  Max  Winckel  in  München. 

Im  Herbst  des  vergangenen  Jahres  tagte  im  Haag  die  Gründungs- 
ersammlung  des  internationalen  Apothekerbundes', 
ie  von  fast  sämtlichen  Nationen  beschickt  worden  war  und  der 
eutscherseits  Professor  Dr.  T  h  o  m  s  beiwohnte  als  Vorsitzender 
er  „Deutschen  pharmazeutischen  Gesellschaft“  und  als  Vertreter  des 
Deutschen  Apothervereins“;  im  wesentlichen  wurden  die  Satzungen 
es  neuen  Bundes  beraten.  Die  pharmazeutische  Sektion  des  Kon¬ 


gresses  für  angewandte  Chemie,  der  diesmal  in  Chicago 
tagte,  hat  in  Betreff  einer  schon  lange  ersehnten  internationalen 
pharmazeutischen  Nomenklatur  folgende  Beschlüsse  ge¬ 
fasst: 

„In  Anbetracht,  dass  in  der  von  den  verschiedenen  Arznei¬ 
büchern  der  Welt  angewandten  Nomenklatur  ein  bemerkenswerter 
Mangel  an  Eindeutigkeit  besteht,  die  Vervielfältigung  der  Benennung 
von  Arzneistoffen  ausserhalb  der  Arzneibücher  reissende  Fortschritte 
macht,  viele  dieser  Benennungen  in  Rechtschreibung  oder  Klang  den 
Benennungen  ganz  unähnlicher  Stoffe  ähneln,  und  diese  Aehnlichkeit 
eine  ständige  Bedrohung  der  Sicherheit  des  Publikums  bildet,  da  sic 
Irrtiimer  bei  der  Dispensation  zu  verursachen  geeignet  ist, 

beschliesst  der  Internationale  Apothekerbund,  dass 
Schritte  getan  werden  sollen,  um  die  Einsetzung  eines  internationalen 
Ausschusses  für  pharmazeutische  Nomenklatur  herbeizuführen,  zum 
Zwecke,  die  Annahme  einer  gleichförmigen  Nomenklatur  in  den 
Arzneibüchern  der  ganzen  Welt  durchzusetzen  und  die  Benutzung  von 
Benennungen  ähnlichen  Klanges  oder  ähnlicher  Rechtschreibung  für 
Arzneistoffe  —  seien  sie  Spezialitäten  oder  nicht  —  zu  verhindern, 

ferner  den  Vorsitzenden  des  Internationalen  Apothekerbundes 
mit  der  Bildung  eines  Ausschusses  von  5  Mitgliedern  zu  beauftragen, 
dessen  Aufgabe  es  sein  soll,  diese  Bestimmungen  den  verschiedenen 
nationalen  pharmazeutischen  Organisationen  der  ganzen  Welt  vor¬ 
zulegen  und  diese  Körperschaften  zu  veranlassen,  ihrerseits  ähnliche 
Ausschüsse  einzusetzen,  die  mit  dem  Ausschüsse  des  Bundes  sich 
zwecks  Ausarbeitung  eines  neuen  Planes  für  die  Schaffung  eines 
ständigen  internationalen  Ausschusses  für  pharmazeutische  Nomen¬ 
klatur  in  Verbindung  zu  setzen  hätten.“ 

Schon  jetzt  möchte  ich  aufmerksam  machen  auf  die  ausser¬ 
ordentlich  reichhaltige  Tagesordnung  des  IX.  internationalen 
Kongresses  für  Pharmazie  (am  17.  September  1913  im  Haag),  die 
bereits  versendet  wird. 

Ein  deutsches  Unternehmen,  das  Chemische  Institut  der 
Kaiser-Wilhelm-Stiftung,  wird  in  ganz  hervorragender 
Weise  dazu  berufen  sein,  auch  auf  die  wissenschaftliche  Pharmazie 
und  Medizin  fruktifizierend  einzuwirken.  Das  Institut  wurde  im 
Beisein  des  Kaisers  im  Oktober  in  Dahlem  bei  Berlin  eröffnet.  Die 
Professoren  Beckmann,  Haber,  Willst  ätter  und  Hahn 
wurden  zu  Abteilungsvorständen  dorthin  berufen.  Prof.  Will¬ 
st  ätter  arbeitet  auf  dem  Gebiete  der  organischen  Chemie,  Prof. 
Hahn  auf  dem  Gebiete  der  Radiumforschung. 

In  Nürnberg  fand  im  Oktober  des  vergangenen  Jahres  eine 
Konferenz  der  Krankenhausapotheker  statt,  die  im 
wesentlichen  Standesfragen  zur' Aussprache  brachte,  damit  aber  auch 
wohl  manche  Anregung  für  die  wissenschaftliche  Tätigkeit  der  Apo¬ 
theker.  Jedenfalls  ist  in  letzter  Zeit  eine  wiederholte  Aussprache  in 
der  Fachliteratur  über  Untersuchungsergebnisse  in  den  Apotheken, 
speziell  den  Krankenhausapotheken  erfolgt,  so  z.  B.  über  Argentum 
proteinicum,  Extr.  Secalis,  Salvarsanlösung,  Perubalsam,  Chinin¬ 
bestimmung,  Wertbestimmung  nach  dem  deutschen  Arzneibuch,  In¬ 
sektenpulverprüfung  etc. 

In  der  pharmazeutischen  Gesellschaft  in  Berlin  wurde  eine  Reihe 
von  Vorträgen  gehalten,  von  denen  hervorzuheben  ist:  Prof.  Hin- 
r  i  c  h  s  e  n:  „Ueber  den  künstlichen  Kautschuk.“ 

Einen  Vortrag,  der  eine  kurze  Einführung  in  die  P  h  y  s  i  o  1  o  g  i  e 
des  Nuklein  stoff  Wechsels  darstellt,  hielt  Apotheker  Dr. 
Stephan  im  Verein  der  Aerzte  Wiesbadens  (Apoth.-Ztg.  1912, 
No.  83). 

J.  Abelin  (Pharm.  Ztg.  1912,  No.  79)  fasst  die  Resultate  eines 
Ueberblicks  über  die  Wirkung  von  Arzneigemi¬ 
schen  unter  Zugrundelegung  der  Arbeiten  von  E.  Bürgi  (Deutsch, 
med.  Wochenschr.  1910  (No.  14.  2)  kurz  folgendermassen  zusammen: 

Eine  Addition  der  Wirkung  tritt  ein: 

1.  wenn  die  beiden  Mittel  zu  zwei  pharmakologisch-chemisch 
verschiedenen  Gruppen  gehören; 

2.  wenn  zu  der  an  und  für  sich  unwirksamen  Dosis  eines  Medi¬ 
kamentes  eine  ganz  kleine  Menge  eines  entsprechenden  anderen 
Medikamentes  zugesetzt  wird; 

3.  wenn  die  gleiche  wirksame  Dosis  (z.  B.  1  g)  bestimmter  Medi¬ 
kamente  nicht  auf  einmal,  sondern  kurz  nacheinander  in  Teildosen 
gegeben  wird  (2  mal  0,5  =  1  g). 

Diese  Punkte  modifiziert  Kochmann  (D.  med.  Wochenschr. 
1912,  No.  34)  wie  folgt: 

Die  Bür  gische  Ansicht,  dass  Substanzen,  die  gleichen  Reihen 
angehören,  bei  ihrer  Kombination  eine  Addition  ihrer  Wirkungen 
zeigen,  und  solche,  die  aus  verschiedenen  Gruppen  stammen,  sich 
in  ihrer  Wirkung  potenzieren,  lässt  sich  als  allgemein  gültiges  Gesetz 
nicht  aufrecht  erhalten. 

2.  Die  von  Bürgi  für  seine  Versuche  am  wahrscheinlichsten 
angenommene  Erklärung  kann  mit  unseren  experimentellen  Versuchs¬ 
ergebnissen  nicht  in  Einklang  gebracht  werden. 

3.  Eine  einheitliche  Erklärung  für  potenziertes  Zusammenwirken 
ist  auf  Grund  unserer  heutigen  Kenntnisse  nicht  möglich,  wird  sich 
aber  wahrscheinlich  überhaupt  nicht  geben  lassen,  da  die  verschieden¬ 
sten  Mechanismen  in  Frage  kommen  können. 

4.  Es  muss  deshalb  von  Fall  zu  Fall  untersucht  werden,  welche 
Substanzen  sich  addieren  und  welche  sich  in  ihrer  Wirkung  über 
das  arithmetische  Mittel  hinaus  verstärken. 

5.  Eine  kombinierte  Anwendung  von  Arzneimitteln  am  Kranken¬ 
bett  hat  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  entweder  die  zu  kombinierenden 


426 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Körper  bei  gleicher  Hauptwirkung  verschiedene  Nebenwirkungen 
entfalten;  oder  wenn  die  in  Betracht  kommende  therapeutische  Haupt¬ 
wirkung  durch  die  Kombination  potenziert  wird,  ohne  dass  jedoch 
die  toxischen  Nebenwirkungen  ebenfalls  eine  gleich  grosse  Ver¬ 
stärkung  erfahren. 

Mit  der  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen 
Arzneibestandes  befasst  sich  ein  interessanter  Vortrag  von 
L.  Taub  (Apothekerztg.  1912,  No.  88),  in  dem  die  Entwicklung  der 
Materia  medica  seit  den  Zeiten  des  Paracelsus  bis  zur  Gegen¬ 
wart  geschildert  wird.  Das  Resultat  der  Untersuciiung  ist:  die  Ge¬ 
samtzahl  der  Arzneimittel  verändert  sich  nur  wenig,  es  steigt  erheb¬ 
lich  die  Zahl  der  käuflichen  Chemikalien  und  insbesondere  der  syn¬ 
thetischen  Präparate,  während  die  Zahl  der  galenischen  Zubereitungen 
sinkt.  —  Und  auch  diese  wenigen  Zubereitungen  scheinen  noch  immer 
mehr  aus  der  Arbeitstätigkeit  des  Apothekers  verschwinden  zu 
sollen,  denn  trotz  wiederholter  Warnungen  scheinen  immer  wieder 
Surrogate  schlimmster  Art  zur  Herstellung  einfachster  Arzneizuberei¬ 
tungen  ex  tempore  im  Handel  aufzutauchen.  So  machen  z.  B. 
interessante  Mitteilungen  A.  Heiduschka  und  J.  Schmidt  (Zen- 
tralbl.  f.  Pharmak.  1912,  364)  über  Kontrollversuche,  die  sie  ange¬ 
stellt  haben  mit  frischen  Infusen  und  sogen,  konzentrierten  (Extractum 
digitalis  resp.  Ipecac.  pro  infusum  bezeichneten  und  im  Handel  auf¬ 
gegriffenen)  Infusen.  Die  Untersuchungsergebnisse  zeigen  von 
neuem,  dass  es  als  eine  Gewissenlosigkeit  bezeichnet  werden  müsste, 
wenn  in  einer  deutschen  Apotheke  derartige  Produkte  zur  Her¬ 
stellung  ärztlicher  Verordnungen  verwendet  würden.  Beiträge 
zur  Ueberwachung  des  Verkehrs  mit  Yoghurt  und 
Yoghurtpräparaten  liefert  C.  Griebel- Berlin  (Zeitschr. 
f.  Nähr,  und  Gen.  nach  Apothekerztg.  1912,  No.  89).  Mehrfache  Klagen 
von  Aerzten,  wie  auch  von  seiten  des  Publikums  über  die  Un¬ 
zuverlässigkeit  der  im  Handel  befindlichen  Yoghurtpräparate  ver- 
anlassten  den  Autor,  eine  Anzahl  solcher  Produkte  eingehend  zu 
untersuchen.  Nach  den  Ergebnissen,  die  der  Verfasser  ausführlich 
beschreibt,  kann  man  sich  der  Erkenntnis  nicht  verschliessen,  dass 
die  Haltbarkeit  der  Trockenpräparate  im  allgemeinen  noch  viel  zu 
wünschen  übrig  lässt  und  dass  Trockenpräparate,  solange  dieser 
Mangel  besteht,  wegen  ihrer  Unzuverlässigkeit  als  vollwertiger  Ersatz 
für  einwandfreien  frischen  Yoghurt  nicht  in  Frage  kommen  können, 
wenngleich  zuzugeben  ist,  dass  sich  auch  brauchbare  Produkte  im 
deutschen  Handel  befinden.  Trotzdem  wird  der  Arzt  vielleicht  in 
besonderen  Fällen  die  Trockenpräparate  dem  frischen  Yoghurt  vor¬ 
ziehen.  Was  speziell  die  Trockenfermente  betrifft,  so  sind  sie  zur 
Herstellung  von  einwandfreiem  Yoghurt  weit  weniger  geeignet,  als 
die  im  Handel  befindlichen  flüssigen  Reinkulturen,  vorausgesetzt,  dass 
sie  überhaupt  lebende  Yoghurtbakterien  enthalten. 

Ueber  Ichthyol  und  seine  Ersatzpräparate  werden 
von  H.  Beckurts  und  H.  Frerichs  bemerkenswerte  Mitteilungen 
gemacht  (Arch.  d.  Pharm.  1912,  H.  6  u.  7).  Zuerst  hat  Unna  sich 
mit  dem  Studium  des  Ichthyols  als  eines  wasserlöslichen  organischen 
Schwefelpräparates  beschäftigt  und  bei  Einführung  des  Ichthyols  in 
die  Therapie  betont,  dass  dieses  Präparat  eine  ganz  besondere 
Schwefelwirkung  zeige  und  diese  darauf  zurückgeführt  werden 
müsse,  dass  in  dem  Ausgangsmaterial  des  Ichthyols,  dem  Seefelder 
Rohöl,  grosse  Mengen  festgebundenen  Schwefels  enthalten  sind,  und 
dass  dieser  Schwefel  sulfidisch  gebunden  sich  in  dem  fertigen  Prä¬ 
parat  wieder  finde.  Ob  auch  die  Fabrikationsmethode  einen  Einfluss 
hat,  ist  weniger  leicht  zu  beantworten.  Die  Untersuchungen  der 
Ichthyolpräprate  stossen  jedenfalls  auf  mancherlei  Schwierigkeiten, 
zeigen  aber  doch  eine  wesentliche  Abweichung  der  einzelnen  Ersatz¬ 
präparate  voneinander  und  vom  Originalichthyol,  so  dass  jene  Ersatz¬ 
präparate  nicht  ohne  weiteres  an  Stelle  des  Originalpräparates  gesetzt 
werden  dürfen. 


Neue  Arzneimittel*). 

Ahmlings  Gichtfluid  soll  Extr.  Apii  graveolentis  comp, 
und  Extr.  Arktostaphyli  alpin,  comp,  enthalten. 

A  r  g  a  1  d  i  n  ist  ein  mit  abgebautem  Eiweiss  hergestelltes 
Formaldehyd  Silberpräparat,  das  auf  Schleimhäuten  gebracht  Formal¬ 
dehyd  abspaltet. 

Asthmolysin  kommt  in  Ampullen  ä  1,1  ccm  mit  je  O.OOOS 
Nebennierenextrakt  und  0,04  Hypophysenextrakt  gegen  Asthma  in 
Handel. 

Bomin  tabletten  werden  gegen  Seekrankheit  angepriesen  und 
enthalten  Enzian,  Galium  und  Herb.  Cardui  benedicti. 

Ceolat,  Cersalze  von  Fettsäuren,  die  zur  Wundbehandlung 
dienen  sollen.  Sie  kommen  in  Lösung,  sowohl  wie  in  Form  von 
Streupulver  und  Salbe  in  Handel. 

Brophenin  ist  seiner  chemischen  Konstitution  nach  ein 
BromisoValerylaminoazetat  —  p  —  phenetidin,  ein  weisses,  ge- 
schmack-  und  geruchloses  Pulver  mit  ausgesprochener  sedativer  und 
antineuralgischer  Wirkung. 

Elarson  ist  ein  neues  Arsenpräparat  in  Tablettenform;  es 
ist  das  Strontiumsalz  einer  Chlor  und  Arsen  in  eigenartiger  Bindung 
am  Kohlenstoff  enthaltenden  Fettsäure,  der  Behenolsäure. 

Fun  dal,  ein  Präparat  der  Concordia  medica,  ist  nichts  anderes 
als  ein  Gemisch  aus  Wollfett,  Vaselin  und  Wasser! 

Hexal  ist  die  Verbindung  von  Sulfosalizylsäure  mit  Hexa- 
metylentetrarnin,  geruchlose  Kristalle  mit  angenehmem  Geschmack. 
In  Dosen  ä  0,05  (Tablettenform),  von  denen  3 — 4  mal  täglich  ie 
2  Stück  verabfolgt  werden  als  Blasenantiseptikum. 


Maltyl-Mate  ist  eine  Kombination  von  Maltyl  (Malz¬ 
extrakt)  Gehe  <3c  Co.  mit  Mate,  welch  letzteres  neben  Bitterstoff, 
Gerbstoff  und  äth.  Ol.  Alkaloid  enthält.  Maltyl-Mate  kommt  in 
Tabletten,  von  denen  jede  0,02  Alkaloid  enthält,  in  den  Handel  und 
soll  als  Anregungs-  und  Kräftigungsmittel,  speziell  für  Sportsleute 
dienen. 

Maticolysatum  ist  das  Dialysat  aüs  Maticoblättern. 

Ninhydrin,  Triketohydrindenhydrat  Reagens  auf  Eiweiss. 
Peptone,  Polypeptide,  Aminosäuren  und  als  Diagnostikum  auf  Schutz¬ 
fermente  und  als  Schwangerschaftsdiagnostikum  nach  Abder¬ 
halden.  Zwecks  biologischen  Nachweises  von  Schwangerschaft 
(nach  E.  Abderhalden)  wird  ca.  1  g  koaguliertes  Plazenta¬ 
gewebe,  das  beim  Kochen  mit  Wasser  an  dieses  keine  mit  Ninhydrin 
reagierenden  Verbindungen  abgibt,  in  einer  Diffusionshülse  mit 
2 — 3  ccm  Blutserum  tibergossen,  und  das  Gemisch  gegen  destilliertes 
Wasser  (20  ccm)  dialysiert.  Hülseninhalt  und  Aussenfliissigkeit 
werden  mit  Toluol  überschichtet.  Die  Dialyse  wird  12 — 16  Stunden 
lang  bei  37°  (im  Brutschrank)  vorgenommen. 

Zu  10  ccm  des  Dialysates  fügt  man  0,2  ccm  einer  1  proz. 
wässerigen  Lösung  des  Ninhydrins.  Nun  erhitzt  man  und  hält  die  ; 
Lösung  genau  eine  Minute  im  Sieden.  Stammt  das  Serum  von  einer 
Schwangeren,  dann  tritt  Blaufärbung  des  Dialysates  ein.  Diese ,! 
Färbung  bleibt  aus,  wenn  das  Blutserum  von  einer  nicht  schwangeren  - 
Person  stammt. 

Das  Reagens  ist  bei  gleicher  Versuchsanordnung  ganz  allgemein  | 
zum  Nachweis  von  proteolytischen  und  peptolytischen  Fermenten 
verwendbar.  Die  Ausführung  der  Probe  ist  immer  dieselbe.  Bei 
Prüfung  auf  Karzinom  wäre  koaguliertes  Karzinomgewebe,  bei  Fest¬ 
stellung  von  Tuberkulose  Eiweiss  aus  Tuberkelbazillen  zu  ver¬ 
wenden  etc. 

Das  Reagens  eignet  sich  auch  zum  Nachweis  von  abiuretenj 
Abbaustufen  aus  Eiweiss,  weil  es  mit  allen  Verbindungen,  die  in 
a-Stellung  zum  Karboxyl  eine  Aminogruppe  tragen,  eine  Blau¬ 
färbung  gibt. 

Endlich  ist  das  Reagens  zum  mikrochemischen  Nachweis  von 
Substanzen  der  genannten  Art  und  zur  Erkennung  solcher  in  mikro-! 
skopischen  Präparaten  verwendbar. 

„O  r  t  i  z  o  n“  ist  eine  chemische  Verbindung  von  24  Gewichts¬ 
teilen  chemisch  reinem  Wasserstoffsuperoxyd  mit  64  Teilen  Kar-I 
bamid.  Unter  der  Bezeichnung  „Ortizon-Mundwasserkugeln“  werden 
aus  diesem  Präparat  gepresste  kleine  Kügelchen  in  einer  originellen! 
Flaschenpackung  in  den  Handel  gebracht  für  Zwecke  der  Mundpflege. 
Die  Ortizonkugeln  sind  hinsichtlich  ihres  Gewichtes  (jede  Kugel! 
wiegt  0,34  g)  so  eingestellt,  dass  1 — 2  Stück,  entsprechend  je  0,1  gj 
H2O2,  in  einem  kleinen  Glase  Wasser  gelöst,  eine  für  die  Mundpflege; 
hinreichend  starke  Wasserstoffsuperoxydlösung  abgibt. 

P  e  1 1  i  d  o  1,  Diacetylamidoazotoluol,  sowie  dessen  Jodeiweiss-j 
Verbindungen,  das  A  z  o  d  o  1  e  n,  werden  in  2 — 4  Proz.  Salbe  von 
K  a  1 1  e  &  C  o.  zur  Behandlung  von  Ekzemen  bei  exsudativer  Diathese 
in  Handel  gebracht. 

Pharmozonpräparate  enthalten  sämtlich  Magnesium¬ 
peroxyd,  daneben  teils  Karlsbadersalz,  Bikarbonat,  Milchzucker 
Saccharin,  Vegetabilien  etc. 

Phylacogene  sind  Vakzinen,  die  von  Parke,  D  a  v  i  s 
&  C  o.  vertrieben  werden. 

S  e  m  o  r  i  ist  zwar  kein  neues  Präparat,  es  wurde  jedoch 
kürzlich  erneut  von  Mann  ich  untersucht. 

Nach  dieser  Analyse  besteht  Semori  aus  Tabletten  von  1,05  g 
Gewicht,  die  im  Wasser  von  40°  binnen  J/4  Stunde  unter  Gasentwick¬ 
lung  und  Bildung  von  Schaum  zerfallen.  Um  die  Schaumbildung  zu 
I  begünstigen,  ist  anscheinend  ein  eiweissartiger  Stoff  zugesetzt.  Dk 
weiteren  Bestandteile  sind  eine  Aluminiumverbindung  in  eine: 
4,1  Proz.  AI2O3  entsprechenden  Menge  (Argilla  oder  Aluminium 
tartrat?),  Weinsäure  im  gebundenen  Zustand,  24,8  Proz.  Borsäure 
Alkalien  in  einer  41,3  Proz.  Natriumbikarbonat  entsprechender 
Menge  und  13  Proz.  Stärke.  Ferner  enthält  Semori  Spuren  eine: 

I  Stoffes,  der  der  Farbreaktion  mit  Eisenchlorid  nach  Chinosol  seit 
könnte,  das  in  der  Literatur  als  Bestandteil  der  Semoritabletten  an 
gegeben  wird. 

Sanosklerose,  die  gegen  Arteriosklerose,  Lues,  Asthma 
Bronchitis  verwendet  wird,  hat  folgende  Zusamm°nsetzung:  3.0  Kal, 
jodat.,  Sal  Physiologie,  nutr.  ää  1,0.  Kompr.  Tablett,  ä  0.5  „Sa 
physiolog.  nutrit.“  besteht  aus:  Kal.  sulf.  7,5,  Magnes.  peroxydat 
(30  proz.)  250,0,  Acid.  silicic.,  Natr.  citric.,  Tart.  natronat.  all  20,( 
Natr.  phosphoric.  100,0,  Ferr.  sulfur.  40,0,  Natr.  bicarbon.,  Natr.  sulfm 
äa  160,0.  Jede  Tablette  enthält  somit  ca.  0,1  g  Kal.  jodat. 

S  i  n  e  c  a  i  n  ist  eine  3  proz.  Lösung  von  Chinin,  muriatic 
32  Antipepsin  und  0,005  Proz.  Adrenalin,  die  in  Veloxampullen  al 
Lokalanästhetikum  in  Handel  kommt. 

Uriozongichtsalz  setzt  sich  zusammen  aus  Magnes 
peroxyd,  Piperazin,  Rad.  Apii  und  Cortex  Aurantii. 

Der  englische  Kurpfuscher  Gerald  Joseph  Macaura,  de 
seinen  „Pulsoconnapparat“  mit  marktschreierischer  Reklam 
anpries,  und  dessen  Helfershelfer  sind  wegen  unlauteren  Wettbewerb 
und  Betrugsversuchs  aus  dem  preussischen  Staatsgebiet  au' 
gewiesen  worden.  Der  Vibrationsmassageapparat,  den  Macaur 
für  50  M.  anbot,  ist  seit  langem  bekannt  und  in  jedem  einschlägige 
Geschäft  für  12 — 15  M.  zu  kaufen.  Bevor  Macaura  in  Berlin  sc 
Treiben  begann,  ist  er  in  Paris  wegen  Betruges  und  unbefugter  Au: 

I  Libung  der  Heilkunde  verhaftet  gewesen,  aber  nach  Hinterlegung  vc 
50  000  Fr.  vorläufig  wieder  in  Freiheit  gesetzt  worden,  die  er  daz 


*)  Vergl.  1912,  No.  49,  S.  2688. 


5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


427 


mützte,  in  München  in  einem  der  angesehensten  Hotels  einen  Pro- 
agandavortrag  zu  halten!  — ! 

Eine  en  gros-Schwindeliinternehmung  ist  das  Nerven- 
a  n  a  t  o  r  i  u  m  Silvana  oder  S  a  n  i  t  a  s  in  Genf,  die  nach  Mit- 
;ilung  der  Schweiz.  Wochenschrift  f.  Chem.  u.  Pharm,  einen  Jähr¬ 
chen  Umsatz  von  500  000  Fr.  hat;  von  hier  werden  täglich  etwa 
I  Arzneiverordnungen  und  100 — 1 20  Briefe  auf  die  leidende  Mensch¬ 
eit  losgelassen.  Der  Vorstand,  Dr.  Kaplan,  ist  ein  in  Frankreich 
aturalisierter  Russe,  der  aus  dem  Aerzteverband  —  selbstredend  — 
usgeschieden  wurde,  der  Herr  „Apotheker“  ist  ein  früherer  Barbier- 
ehilfe. 

O  ich  tosint  ist  bekanntlich  eine  Mischung  einiger  indiffe- 
nter  Salze.  Das  „Gichtosintbrunnenkontor“  empfiehlt  diese  mit 

ügendem  Brief: 

„Gestern  besuchte  uns  eine  63  jährige  Frau  und  zeigte  uns 
hre  Hände;  die  Finger  waren  in  den  Gelenken  ganz  steif  und 
icke  Geschwülste  befanden  sich  daran,  einige  Finger  waren  seitlich 
erkrünimt.  Trotzdem  war  die  Frau  von  Dank  erfüllt  für  unser 
iichtosint,  denn  bis  vor  3  Wochen  lag  sie  fest  und  konnte  vor 
ehmerzen  kein  Glied  rühren,  jetzt  war  sie  3  Treppen  hoch  zu  uns 
-,s  Privatkontor  geklettert.  Ohne  Krücken,  nur  mit  einem  Stock 
ersehen. 

Wenn  Sie  diese  Frau  gehört  hätten  von  ihrem  Leiden  erzählen, 
nnen  wären  gleich  uns  die  Tränen  in  die  Augen  gestiegen  etc.  etc.!“ 

Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  Immunitätsforschung  und  experimentelle 
Therapie.  XV.  Band,  4.  und  5.  Heft.  (Auswahl.) 

E.  Friedberger  und  Tetsuda  Ito:  Beiträge  zur  Patho- 
:enese  des  Fiebers.  3.  Mitteilung.  Die  Beeinflussung  der  Körper- 
emperatur  durch  Salze  nach  Untersuchungen  am  Meerschweinchen. 

Das  durch  Kochsalzlösung  hervorzurufende  Fieber  hat  besonders 
lurch  die  Untersuchungen  von  Finkeistein  grosses  Interesse 
ewonnen.  Die  Verf.  haben  nun  bei  Meerschweinchen  eine  Reihe  von 
balzen  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Temperatur  geprüft.  Die  Zufuhr  ge- 
chah  immer  auf  peritonealem  Wege.  Zur  Kontrolle  wurde  art- 
.leiches  Serum  und  destilliertes  Wasser  injiziert.  Das  erste  wurde 
n  der  Menge  bis  zu  3  ccm  unbeanstandet  vertragen,  destilliertes 
Vasser  erregte  in  Mengen  von  0,5 — 3  ccm  Fieber.  Ausser  dem  Koch- 
alz  bewirkte  noch  eine  Reihe  von  untersuchten  Salzen  in  grösseren 
)osen  akuten  Tod  resp.  Temperatursturz,  in  mittleren  Dosen  Tem- 
leratursturz  mit  sekundärem  Fieber,  in  kleineren  Dosen  nur  Fieber. 

W.  B  a  r  i  k  i  n  e :  Etudes  sur  la  reaction  entre  la  toxine  et  l’anti- 
oxine  diphtheriques. 

Der  Heilwert  des  Diphtherieserums  ist  unabhängig  von  seinem 
tntitoxingehalt,  bestimmt  nach  Ehrlich.  Wichtiger  ist  die  Avidität 
ier  Serumantitoxine,  durch  die  mit  grösserer  oder  geringerer  Energie 
Toxin  aus  seiner  Verbindung  mit  der  vergifteten  Zelle  herausge- 
ogen  wird.  Die  möglichst  schnelle  Bindung  von  Diphtherietoxin  und 
Antitoxin  liegt  in  den  Grenzen  einer  bestimmten  Konzentration  der 
leiden  Komponenten.  Ein  Ueberschuss  an  Antitoxin  kann  bisweilen 
lie  Reaktion  hemmen.  Die  Bindung  zwischen  Toxin  und  Antitoxin 
st  reversibel.  Diese  Eigenschaft  kann  die  Ursache  von  postdiphthe- 
itischen  Lähmungen  sein. 

D.  Cesa-Bianchi  und  C.  Vallar  di:  Maisernährung  und 
eberempfindlichkeit  gegen  Maisextrakte. 

Alle  Maisextrakte  sind  bei  intravenöser  Injektion  bis  zu  einem 
,rewissen  Grade  giftig.  Die  Giftigkeit  wechselt  aber  nach  der  Art 
icr  Behandlung,  auch  durch  Hitze,  Filtrieren  und  Licht  beträchtlich, 
he  Extrakte  aus  verdorbenem  Mais  sind  im  allgemeinen  bedeutend 
riftiger  als  die  aus  gutem.  Ausschliessliche  Maisernährung  führt  bei 
Meerschweinchen  zum  Tode,  teilweise  zu  Krankheiten.  Nach  einer 
gewissen  Zeit  zeigen  alle  Tiere  eine  ausgesprochene  Ueberempfind- 
ichkeit  gegen  Maisextrakte,  die  mit  dem  Bilde  der  gewöhnlichen 
Terumanaphylaxie  nahezu  identisch  ist. 

Jakob  F  e  1 1  ä  n  d  e  r  und  Karl  Kling:  Untersuchungen  über  die 
Bildungsstätten  des  anaphylaktischen  Reaktionskörpers. 

Die  Ansichten  darüber  gehen  noch  sehr  auseinander.  Sie  werden 
on  den  verschiedenen  Autoren  teils  im  Gehirn,  teils  im  Knochenmark, 
fiils  in  den  Leukozyten  gesucht.  Am  weitesten  gehen  Fried- 
lerger  und  Girgolaff,  die  der  Ansicht  sind,  dass  sich  der 
Antikörper  in  jedem  beliebigen  Organ  bilden  kann.  Die  Verf.  konnten 
len  anaphylaktischen  Reaktionskörper  im  Blutserum,  in  den  poly- 
norphkernigen  Exsudatleukozyten  und  ferner  im  roten  Rückenmark 
lachweisen,  dagegen  nicht  in  Gehirn,  Rückenmark,  Milz,  Leber.  Niere 
>der  Nebenniere,  ln  Organen  von  überempfindlichen  Kaninchen  und 
Meerschweinchen  lassen  sich  Antigenreste  noch  7 — 16  Tage  nach  der 
njektion  nachweisen,  auch  wenn  das  Blut  der  Tiere  abgezapft  und 
hr  Blutgefässsystem  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  durchge- 
'Pült  worden  ist.  L.  S  a  a  t  h  o  f  f  -  Oberstdorf. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  No.  51/52,  1912  und 

ho.  1—4,  1913. 

1912,  No.  51  und  52  ohne  Originalartikel.  ' 

1913,  No.  1.  1)  J.  A  r  n  o  1  d :  Ueber  den  Diastasegehalt  der  Fäzes 
oei  Gärungsdyspepsie.  (Med.  Klinik  Halle.) 

Den  Grund  für  das  Zustandekommen  der  Gärungsdyspepsie  sieht 
'chmidt  in  einer  Herabsetzung  des  Zelluloseverdauungsvermögens 


des  Darmes.  Arnold  untersuchte  die  Fäzes  nach  dem  Wohl¬ 
gemut  h  sehen  Verfahren  auf  Diastase.  Es  ergaben  sich  normale 
Werte.  Mit  einer  Herabsetzung  der  Diastasesekretion  des  Darmes 
oder  Pankreas  lässt  sich  die  üärungsdyspepsie  demnach  nicht  in 
Verbindung  bringen.  Das  Ergebnis  spricht  für  die  genannte  An¬ 
schauung  Schmidts,  dass  der  Darm  des  Gärungsdyspeptikers  zum 
Teil  die  Fähigkeit  verloren  hat,  die  die  Stärke  umkleidende  Zellulose 
zu  verdauen,  so  dass  eine  Wirkung  der  tatsächlich  vorhandenen 
Diastase  auf  die  Stärke  nur  unvollkommen  zustande  kommen  kann. 

2)  Ilgersheimer:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  Augen¬ 
heilkunde.  (II.  Vierteljahr  1912.) 

No.  2  ohne  Originalartikel. 

No.  3.  1)  Käthe:  Sammelreierat  über  die  bakteriologische 

Literatur.  (II.  und  III.  Vierteljahr  1912.) 

2)  Stenzei:  Bemerkung  zu  Overlachs  Artikel  „Trivalin“. 

Dass  Apomorphin  oder  Chloromorphid  in  irgend  einer  Weise  bei 
der  Morphineinwirkung  eine  Rolle  spielen,  wie  O  verlach  und 
andere  annehmen,  ist  ein  Irrtum. 

No.  4.  1)  Bachem:  Nekrolog  auf  Carl  Binz. 

2)  A.  Bittorf:  Ueber  Elektroangiogramm  bei  Menschen  und 
Tieren.  (Vorläufige  Mitteilung.)  (Med.  Klinik  Breslau.) 

Aus  den  beigegebenen  Kurven  geht  hervor,  dass  pulsatorisc'n 
Aenderungen  des  Kontraktionszustandes  der  Arterienmuskeln  ein- 
treten.  Als  Ursache  für  diese  Aenderung  des  Kontraktionszustandes 
kommen  zwei  Möglichkeiten  in  Frage:  1.  die  depressorischen(Aorten-A 
Nerven,  die  pulsatorisch  erregt  werden,  erzeugen  auf  nervösem  Wege 
eine  Erregung  der  Muskeln  der  peripheren  Arterien  bei  jedem  Pulse, 
oder  2.  durch  die  pulsatorische  Dehnung  und  Erweiterung  der  peri¬ 
pheren  Arterien  wird  direkt  die  Wand  zur  Kontraktion  angeregt. 

3)  II.  Arzneimittelliste  des  Deutschen  Kongresses  für  innere 
Medizin.  Dezember  1912. 

4)  H.  K  a  t  h  e:  Sammelreferat  über  die  bakteriologische  Literatur. 
(II.  und  III.  Vierteljahr  1912.)  Fortsetzung.  W.  Zinn -Berlin. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  6,  1913. 

Hj.  Forssner  -  Stockholm :  Neuer  Beitrag  zur  Pathogenese  der 
angeborenen  Darmatresien. 

Verf.  begründet  in  einer  eingehenden  kritischen  Darlegung,  dass 
die  angeborenen  Darmatresien  nicht  Hemmungen  im  Stadium  der 
Epithelverschliessungen  sind,  sondern  durch  eine  hyperplastische 
Entwicklung  der  Mesenchymzapfen,  der  Vorstadien  der  Zottenbil¬ 
dung,  entstehen.  Diese  Epithelverschliessungen  kommen  nach  den 
Untersuchungen  des  Verfassers  nur  in  den  kranialsten  Teilen  des 
Darmes  vor.  3  Abbildungen  sind  der  Arbeit  beigegeben,  die  sich 
für  ein  kurzes  Referat  nicht  gut  eignet.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  XXXI.  1/2.  Heft. 

1)  R.  D  o  e  r  r  -  München:  Beitrag  zur  statischen  Skoliosenfrage. 

Unter  220  Skoliosen  fand  D.  in  7  Proz.  eine  statische  Ursache. 
Die  Messung  des  Beckenschiefstandes  erfolgte  mit  einem  besonderen 
Instrument. 

2)  A.  M  o  s  e  n  t  h  a  1  -  Berlin :  Fixation  von  Oberschenkel  und 
Hüfte  im  Kniependelapparat. 

Patient  liegt  mit  gestreckten  Hüftgelenken,  Becken  und  Ober¬ 
schenkel  wurden  noch  besonders  fixiert. 

3)  M.  Schönenberg  -  Bonn :  Beitrag  zur  Arthrodese  des 
Fussgelenks. 

Sch.  empfiehlt,  der  üblichen  Anfrischung  des  Sprunggelenkes  eine 
Knochenplastik  hinzuzufügen.  Ein  aus  der  Tibia  entnommener 
Periostknochenlappen  wird  (nach  C  r  a  m  e  r)  über  das  Sprunggelenk 
hinübergelegt. 

4)  B.  B  a  i  s  c  h  -  Heidelberg:  Die  kongenitale  radio-ulnare 
Synostose. 

Bericht  über  einen  länger  beobachteten  Fall.  B.  erblickt  die 
Ursache  lieber  in  äusserem  Druck  als  in  einem  Atavismus,  weil  der 
Muskelbefund  normal  ist. 

5)  V.  C  h  1  u  m  s  k  y  -  Krakau:  Therapeutische  Mitteilungen. 

1.  Operation  oder  Bruchband? 

Bis  zum  3.  Lebensjahr  unbedingt  Bruchband,  bis  zum  20.  ver¬ 
suchsweise,  von  da  bis  zum  50.  aber  Operation,  später  eher  wieder 
Bandage. 

2.  Zur  Behandlung  der  Hammerzehe. 

Einschiebsohle  mit  korrigierendem  Bändchenzug. 

3.  Praktische  Vorrichtung  zur  Kopfsuspension. 

Besonders  zugeschnitterie  Kopfschlinge. 

4.  Extension  bei  älteren  kongenitalen  Hüft¬ 
gelenksluxationen. 

Empfehlung  derselben  als  Vorbehandlung  der  Reposition,  einige 
Wochen  lang. 

6) P.  Möhring  -  Kassel :  Zur  Technik  des  Klumpfussverbandes. 

Das  schwierige  Halten  des  redressierten  Klumpfusses  während 

des  Eingipsens  erleichtert  sich  M.  durch  einen  über  den  Fuss  ge¬ 
zogenen  Trikotschlauch,  dessen  die  Zehen  überragendes  Ende  als 
Leitzügel  dient. 

7)  F.  T  r  i  1 1  m  i  c  h  -  Kassel :  Beitrag  zur  Madelung  scheu  De¬ 
formität. 

Die  echte  Madelung  sehe  Deformität  beruht  auf  mecha¬ 
nischen  Ursachen.  In  einem  von  Tr.  beschriebenen  Fall  war  der 
ätiologische  Zusammenhang  mit  Cubitus  valgus  naheliegend.  Eine 


428 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Osteotomie  am  distalen  Radiusende  besserte  Stellung  und  besonders 
Supination  der  Hand.  Auf  Cubitus  valgus  ist  künftig  mehr  zu  achten. 

8)  F.  Kauffmann  -  Greifswald:  Zur  Kasuistik  der  kongenitalen 
Skoliose. 

3  neue  Beobachtungen  mit  Halbwirbeln  bzw.  Halsrippen:  Er¬ 
örterungen  über  die  Aetiologie. 

9)  W.  B  e  c  k  e  r  -  Bremen :  Der  neue  Myomotor. 

B.  berichtet  über  die  neueren  Aenderungen  an  seinem  Myo¬ 
motor,  den  er  neben  Massage  und  Gymnastik  bei  der  Behandlung  er¬ 
krankter  Muskeln  anwendet,  in  seiner  Wirkung  aber  wesentlich  über 
die  beiden  anderen  Methoden  stellt. 

10)  W  o  h  1  a  u  e  r  -  Berlin :  Zur  Frage  der  Köhl  er  sehen  Er¬ 
krankung  des  Os  naviculare  pedis. 

3  Fälle  aus  der  Joachimsthal  sehen  Poliklinik  bei  Kindern 
von  4 — 5  Jahren.  W.  glaubt,  dass  es  sich  um  primäre  Störung  zu 
Beginn  der  Ossifikation  handelt  und  dass  sekundär  ein  Trauma  hinzu¬ 
kommt. 

11)  B.  K  ii  n  n  e  -  Berlin :  Die  Kombination  der  angeborenen  Luxa¬ 
tion  des  Radiusköpfchens  mit  der  L  i  1 1 1  e  sehen  Krankheit. 

Die  beiden  Fälle  wurden  als  „spastische  Luxationen“  aufgefasst, 
in  Analogie  mit  der  Hüftluxation  bei  Spastikern. 

12)  H.  R  e  i  n  e  r  -  Berlin:  Beiträge  zur  Architektur  des  Kalkaneus. 

Röntgenuntersuchungen  der  inneren  Kalkaneusarchitektur  bei 

Fussdeformitäten  und  nach  Talusexstirpation  führen  zu  dem  Ergebnis, 
dass  die  Aenderung  von  Grösse  und  Richtung  der  Belastung  auch  eine 
Veränderung  von  Form  und  Architektur  des  Fersenbeines  zur 
Folge  hat. 

13)  S.  H  a  d  d  a  -  Breslau :  Der  totale  angeborene  Rippendefekt. 

3  Fälle  von  totalem  Defekt  einzelner  Rippen.  Derselbe  ist  als 
Teilerscheinung  einer  ausgedehnten  Missbildung  zu  betrachten. 

14)  R.  G  a  1  e  a  z  z  i  -  Mailand:  Ueber  die  unblutige  Behandlung 
der  kongenitalen  Hüftgelenksverrenkung. 

G.  legt  bei  der  Reposition  den  Hauptwert  auf  starke,  der  Ante- 
version  entsprechend  dosierte  Innenrotation.  Die  Fixation  erfolgt  in 
leichter  Flexion  und  geringer  Abduktion  sowie  bei  gebeugtem  Knie. 
Bei  gutem  oberen  Pfannenrand  scheinen  die  Erfolge  nach  ca.  2  Mo¬ 
nate  dauernder  Verbandperiode  und  weiterer  Liegekur  in  der  Tat 
sehr  günstig  auszufallen. 

15)  R.  G  a  1  e  a  z  z  i  -  Mailand:  Neuer  Arthrogoniometer. 

Der  Winkelmesser  besitzt  ein  unserem  Hiiftschenkelscharnier 
analoges  Gelenk.  Nach  erfolgter  Messung  wird  der  Winkelmesser 
auf  ein  zweites  Messinstrument  gebracht,  an  welchem  die  Winkel¬ 
masse  abzulesen  sind. 

16)  B.  B  a  i  s  c  h  -  Heidelberg:  Bau  und  Mechanik  des  normalen 
Fusses  und  des  Plattfusses. 

Exakte  Röntgenuntersuchungen  haben  gezeigt,  dass  beim  nor¬ 
malen  Fuss  die  Belastung  einen  Zusammenschluss  des  Fusses,  also 
eine  Sicherung  der  Wölbung  erzeugt,  dass  dagegen  beim  Pes  valgus 
ein  Auseinanderweichen  des  Skeletts  mit  charakteristischen  Lage¬ 
veränderungen  auf  die  Belastung  folgt.  Pes  valgus  und  Pes  planus 
sind  röntgenologisch  genau  auseinanderzuhalten. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  5  u.  6.  1913. 

Krönig  und  G  a  u  s  s  -  Freiburg:  Die  Strahlentherapie  in  der 
Gynäkologie:  Röntgen-  oder  Radiumtherapie. 

Verfasser  haben  die  von  den  Franzosen  zuerst  geübte  Radium¬ 
tiefentherapie  nachgeprüft.  Sie  verwandten  hierzu  Mesothorium  und 
zwar  bei  gutartigen  Uterustumoren  und  klimakterischen  Blutungen. 
Eine  Erfahrung  an  56  Fällen  bestätigte  die  hämostatische  Wirkung  bei  I 
Myomen  und  Metropathien.  Bei  grösseren  Myomen  und  schwierigen 
Fällen  ist  die  Röntgentiefentherapie  der  Radiumtherapie  überlegen. 
Sehr  günstig  wirkte  eine  kombinierte  Anwendung  beider  Methoden. 
Am  besten  erwies  sich  die  vaginale  Applikation. 

G.  L  i  n  z  e  n  m  e  i  e  r  -  Kiel:  Die  Bedeutung  der  Hypophysen¬ 
präparate  für  die  Hebosteotomie. 

Die  Gefahren  der  Hebosteotomie  beruhen  hauptsächlich  auf  der 
an  die  Operation  sich  anschliessenden  künstlichen  Entbindung.  Durch 
die  Hypophysenpräparate  kann  man  diesen  Gefahren  entgehen,  da 
dabei  die  spontane  Geburt  abgewartet  werden  kann,  ln  2  Fällen 
bewährte  sich  dieses  Verfahren  vorzüglich;  die  Spontangeburt  er¬ 
folgte  einmal  nach  wenigen,  einmal  nach  35  Minuten.  In  der  Wirkung 
stehen  sich  Pituitrin,  Pituglandol  und  Zerephysin  gleich. 

L.  Stolper-  Wien :  Hypophysenextrakt  und  Spätgeburt. 

St.  empfiehlt  nach  Hägers  Vorgang  Pituitrin  in  Fällen  von 
Uebertragung.  In  2  Fällen  erfolgte  die  Geburt  nach  3  resp.  4  In¬ 
jektionen  von  1  ccm  Hypophysenextrakt  ohne  Schaden  für  Mutter 
und  Kind. 

F.  S  p  a  e  t  h  -  Hamburg:  Hat  das  Pituitrin  einen  nachteiligen 
Einfluss  auf  das  Kind? 

Sp.  erlebte  bei  einer  normal  und  glatt  verlaufenen  Geburt  bei 
Steisslage  Tod  des  Kindes  Vt  Stunde  nach  der  Geburt.  Die  Herztöne 
waren  sehr  verlangsamt  gewesen.  Es  waren  nur  2  Injektionen  von 
0,5  ccm  Pituitrin  gemacht  worden.  Der  Fall  mahnt  jedenfalls  zur 
Vorsicht. 

A.  G  i  s  e  1  -  Wilchingen:  Ueber  die  Wirkung  von  Pantopon  und 
Pituglandol  in  der  Geburtshilfe. 

G.  empfiehlt  die  kombinierte  Anwendung  von  Pantopon  mit  Pitu¬ 
glandol,  aber  nur  in  der  Austreibungsperiode.  Die  Wirkung  bei 


Wehenschwäche  besteht  darin,  dass  die  Wehenpausen  kürzer  wer¬ 
den.  Die  beobachteten  Nebenwirkungen,  als  Sturmwehen,  Tetanus 
uteri  und  Atonie,  lassen  sich  bei  richtiger  Anwendung  vermeiden. 
Gefahren  für  das  Kind  fürchtet  G.  nicht. 

M.  Stolz- Graz:  Eine  neue  Methode  der  intraperitonealen 
Verkürzung  der  Ligamenta  rotunda.  (Zu  Dr.  Langes  Mitteilung 
im  Zentralbl.  f.  Gyn.  1913,  No.  1.) 

St.  hat  die  Langesche  Methode  schon  1909  in  der  Monatsschr. 
f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  XXIX,  H.  4  beschrieben,  ausgeiühri 
allerdings  nur  an  der  Leiche. 

J.  Schottländer- Wien:  Ueber  die  Bestimmung  der 
Schwangerschaftsdauer  auf  Grund  histologischer  Plazentarbefunde 
und  über  etwaige  praktische  Verwertbarkeit  dieser  Befunde. 

Sch.  unterscheidet  3  Gruppen:  die  erste  umfasst  Eier  aus  dem 
1.  bis  inkl.  3.  Monat,  die  zweite  Plazenta  aus  dem  4.  und  5.,  die 
dritte  solche  aus  dem  6.— 10.  Monat.  Für  jede  Gruppe  lassen  sich 
histologische  Plazentarbefunde  feststellen,  welche  eine  Bestimmung 
der  Schwangerschaftsdauer  ermöglichen.  Die  Einzelheiten  müssen, 
im  Original  nachgesehen  werden. 

R  i  s  s  m  a  n  n  -  Osnabrück:  Ist  die  Eklampsie  durch  Einspritz¬ 
ungen  in  den  Rückenmarkskanal  heilbar? 

Angeregt  durch  Meitzers  Empfehlung,  bei  Tetanus  das  Zen¬ 
tralnervensystem  mit  Magnesiumsulfat  zu  behandeln,  hat  R.  in  einem1 
Falle  von  Eklampsie  5  ccm  einer  sterilen  15  proz.  Magnesiumsulfat- 
lösung  intradural  injiziert  und  danach  Heilung  eintreten  sehen.  Mit 
der  Dosierung  des  Mittels  ist  Vorsicht  zu  empfehlen,  da  nach  Ein 
spritzung  einer  25  proz.  Lösung  schwere  Vergiftungserscheinunger 
seitens  des  Atemzentrums  beobachtet  worden  sind. 

E.  Eichmann  -  Osnabrück :  Nierenfunktionsprüfung  durch  die 
Phenolsulfonphthaleinprobe. 

E.  hat  bei  24  Schwangeren  und  Wöchnerinnen  die  genannt 
Probe  gemacht.  Er  empfiehlt  nur  intravenöse,  keine  intramuskuläre 
Injektionen  zu  machen.  Es  gelingt  durch  die  Probe,  einfache  Zystitis 
und  Pyelitis  von  einer  Nephritis  zu  unterscheiden.  Die  Ausscheidune 
des  Farbstoffes  durch  die  Nieren  erfolgt  bei  gestörter  Nierenfunktior 
langsamer  als  sonst.  Doch  warnt  E.  selbst  vor  allzu  optimistischei 
Beurteilung  der  Phenolsulfonphthaleinreaktion. 

R.  Lutz-  Berlin :  Zur  Eklampsiebehandlung. 

L.  stellt  das  Ergebnis  von  45  Eklampsiefällen  aus  dem  Wöch¬ 
nerinnenheim  am  Urban  zusammen.  Die  mütterliche  Mortalität  be¬ 
trug  im  ganzen  6,7  Proz.,  die  kindliche  32,7  Proz.  Die  Behandlum. 
bestand  in  baldmöglicher  Entbindung. 

R.  S  c  h  a  e  f  f  e  r  -  Berlin:  Der  Handschuhsaft. 

Eine  Entgegnung  auf  die  Arbeit  von  Hellendall  und 
Fromme  in  No.  48,  1912  des  Zentralbl.  f.  Gyn. 

H.  H.  Schmid-Prag:  Nochmals  zum  Kampf  gegen  die  krimi 
neile  Fruchtabtreibung. 

Erwiderung  auf  die  Ausführungen  von  Max  Hirsch  in  No.  50 
1912  d.  Zentralbl.  f.  Gyn.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Frankfurter  Zeitschrift  für  Pathologie.  Begründet  voi 
Eugen  A  1  b  r  e  c  h  t.  Herausgegeben  von  Bernhard  Fischer 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  Wiesbaden  1913.  XII.  Bane 
1.  Heft. 

1)  Takeyoshi  Mori:  Ueber  das  Auftreten  thyreotoxische 
Symptome  bei  Geschwulstmetastasen  in  der  Schilddrüse.  (Patho 
logisches  Institut  Braunschweig.  Dr.  W.  H.  S  c  h  u  1 1  z  e.) 

Mitteilung  von  drei  in  die  Schilddrüse  metastasierenden  Tumoref 
(Mammakarzinom,  Beckensarkom,  Bulbusmelanosarkom),  die  thyreo 
toxische  Symptome  auslösten.  Als  Ursache  sieht  M.  die  Resorptioi 
von  Schilddrüsenfollikelinhalt  durch  Kompression  des  Schilddrüsen 
gewebes  von  seiten  der  Geschwulstmetastasen  an. 

2)  S.  E 1  p  e  r  i  n :  Ein  Fall  von  angeborenem  Defekt  des  Ductu 
choledochus  aus  mechanischer  Ursache.  (Pathologisches  lnstitu 
Halle  a.  S.  Prof.  B  e  n  e  k  e.) 

14  Tage  altes  Kind  mit  Hypoplasie  der  Gallenblase  und  ias 
totalem  Defekt  des  Ductus  choledochus,  von  dem  nur  ein  rudimen 
tärer  Anfang  im  Bindegewebe  des  Duodenum  nachzuweisen  war.  D 
die  Leber  schwere  Deformierung  ihrer  basalen  Lappen  aufwies  (de 
Lobus  quadratus  bildete  z.  B.  einen  scharfkantigen  Keil  mit  ce 
Basis  nach  oben)  nimmt  E.  als  Ursache  der  Missbildung  passiv 
Dehnung  des  Gallenganges  durch  Druck  der  Lappen  an,  der  schliess 
lieh  zur  Atresie  führte.  I 

3)  K.  Martius:  Ein  Fall  von  persistierender  wahrer  Kloak 
mit  bandförmigem  Ovarium  und  anderen  seltenen  Missbildungen  ii 
Urogenitalsystem.  (Senckenberg  isches  pathologisches  Institi 
Frankfurt  a.  M.  Prof.  B.  Fischer.) 

Die  beschriebene  Missbildung  stellte  ein  Geburtshindernis  da 
da  der  durch  die  prall  gefüllte,  dickwandige  Kloake  aufgetrieben 
Leib  der  Frucht  eine  Einkeilung  im  Uterus  bedingte.  Die  Gebtu 
gelang  erst  nach  intrauteriner  Oeffnung  der  Kloake.  Genaue  Bi 
Schreibung  der  Missbildung.  I 

4)  K.  Kris  che:  Kombination  von  Krebs  und  Tuberkulose  i 

metastatisch  erkrankten  Drüsen.  (Pathologisches  Institut  Bremei 
Prof.  Borrmann.)  * 

Karzinom  des  Vorderarmes,  das  sich  auf  dem  Boden  eines  Lupu 
entwickelt  hatte;  terminal  traten  enorme  Metastasen  im  ganzen  Körpe 
auf.  In  den  axillaren  Lymphdrüsen  fand  sich  neben  dem  Karzinoi 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


429 


5.  Februar  1913. 


uch  tuberkulöses  Granulationsgewebe,  das  ebenfalls  metastatisch 
om  Lupus  her  entstanden  war. 

'5)  Toyoo  Yatsushiro:  Experimentelle  Studie  für  die  Emi- 
ration  von  Leukozyten  bei  der  Entzündung.  (Pathologisches  In- 
titut  Bonn.  Prof.  R  i  b  b  e  r  t.) 

Die  Versuche  (Aleuronataufstreuung  auf  grössere  Venenstämme) 
eweisen,  dass  Blutstromverlangsamung,  Gefässwandschädigung, 
■lutdruckstcigerung  für  die  Emigration  und  Anhäufung  von  Leuko- 
yten  nicht  erforderlich  sind,  dass  die  Auswanderung  der  weissen 
tlutkörperchen  ein  ausschliesslich  chemotaktischer  Prozess  ist. 

6)  H.  Hensen:  Ueber  einen  Fall  von  Aneurysma  der  Aorta 
scendens  mit  Erzeugung  von  Puimonalstenose  und  Perforation  in 
ie  Pulmonalarterie.  (Pathologisches  Institut  Rostock.  Professor 
chwalbe.)  Der  Titel  gibt  das  Wesentliche. 

7)  Oskar  Meyer:  Thyreoiditis  chronica  maligna.  (Eigen- 
rtiges,  aus  eosinophilen  und  Plasmazellen  zusammengesetztes,  vom 
echten  Schilddrüsenlappen  ausgehendes  Granulom.)  (Sencken- 
ergisches  pathol.  Institut,  Frankfurt  a.  M.  Prof.  B.  Fischer.) 

Der  Tumor  unterscheidet  sich  vom  malignen  Granulom  durch 
as  Fehlen  der  typischen  Riesenzellen,  das  Fehlen  antiforminfester 
(uch  scher  Granula,  durch  das  Fehlen  von  Fieber  während  des 
anzen  Verlaufes.  Klinisch  bot  der  Fall  das  Bild  der  „eisenharten" 
•truma. 

8)  G.  K  r  e  g  1  i  n  g  e  r :  Ueber  ein  primäres  Bronchialkarzinom. 
Pathologisches  Institut  Bonn.  Prof.  R  i  b  b  e  r  t.) 

Die  Sektion  eines  an  Bronchiektasien  verstorbenen,  32  jährigen 
-lannes  ergab  als  Ursache  einen,  der  Wand  des  linken  Bronchus 
ahe  seiner  Teilungsstelle  aufsitzenden,  polypösen  Tumor,  der  mikro- 
kopisch  sich  als  Adenokarzinom  mit  Uebergang  in  Zylinderzell- 
arzinom  erwies.  Da  das  Karzinom  von  intakter  Schleimhaut  überall 
berzogen  war,  auch  dem  histologischen  Bilde  nach  von  den  bron- 
hialen  Schleimdrüsen  nicht  ausgegangen  sein  konnte,  nimmt  Verf. 
ls  Ausgangspunkt  embryonal  versprengte  Epithelkeime  an. 

9)  Martha  Plaut:  Ueber  zwei  weitere  Fälle  von  Defekt  des 
lerzbeutels.  (Pathologisches  Institut  München.  Prof.  Borst.) 

Genaue  anatomische  Beschreibung:  die  teratogenetische  Ter- 
ninationsperiode  der  Missbildung  ist  in  die  Zeit  der  5.  embryonalen 
Voche  zu  verlegen.  Klinische  Erscheinungen  boten  die  bisher 
leobachteten  Fälle  nicht. 

19)  Sigmund  Schönhof:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  lokalen 
umorförmigen  Amyloids.  (Pathologisches  Institut  Brünn.  Prof. 
Ge  r  n  b  e  r  g.) 

An  der  Zunge  eines  an  chronischer  Tuberkulose  verstorbenen 
ndividuums  fanden  sich  mehrere  knotige,  derbe  Geschwülste  von 
reisslichgelber  Farbe.  Eine  ähnliche  Geschwulst  sass  dem  rechten 
faschenbande  bezw.  der  Kehlkopfwand  innig  auf  und  verdrängte 
las  wahre  Stimmband  nach  abwärts.  Mikroskopisch  bestanden  die 
fumoren  aus  amyloiden  Massen,  denen  teilweise  zahlreiche  viel- 
;ernige  Riesenzellen  auflagen.  Es  ist  fraglich,  ob  die  chronische 
.ungentuberkulose  Ursache  der  Tumoren  war.  Sch.  denkt  an  lokale 
Schädigungen,  wobei  die  Tuberkulose  vielleicht  eine  vorbereitende 
Rolle  gespielt  hat. 

11)  W.  Kniaskoff:  Ein  Fall  von  endotheliomähnlichein  Lym- 
ihöm.  (Städt.  Krankenhaus  Jausa,  Moskau.) 

Beschreibung  eines  Lymphoma  malignum,  bei  dem  ausschliess- 
ich  die  bindegewebigen  Zellen  in  Wucherung  geraten  sind.  Die 
teilen  waren  gross,  färbten  sich  ähnlich  wie  die  Plasmazellen.  Der 
'all  steht  an  der  Grenze  von  Hodgkin  und  echter  Tumorbildung. 

Oberndorfer  München. 

Archiv  für  Hygiene.  78.  Band.  1.,  2.  und  3.  Heft,  1913. 

Victor  Gegenbauer  und  Heinrich  R  e  i  c  h  e  1  -  Wien:  Die 

leslnfektion  milzbrandiger  Häute  und  Felle  in  Salzsäure-Kochsalz- 
temischen. 

Die  ausführlichen  Untersuchungen  über  die  Frage  der  Des- 
niektion  von  Tierhäuten  in  S  a  1  z  s  ä  u  r  e-K  ochsalzgemischen 
vurden  veranlasst  durch  zwei  Erkrankungen,  die  sich  Arbeiter  bei 
ler  Behandlung  von  aus  Italien  beschafften  rohen  Schaffellen  zuge- 
:ogen  hatten.  Die  bakteriologische  Untersuchung  ergab  in  vielen 
Stichproben  Milzbrandsporen  und  es  sollte  eigentlich  die  ganze  be¬ 
leihende  Sendung  vernichtet  werden.  Nach  hinreichendem  Experi- 
nenheren  mit  einem  Verfahren,  welches  dem  sogen.  „Pickel  n“ 
ler  Felle  nachgeahmt  ist  und  in  Frankreich  zur  Konservierung  oder 
■  orbehandlung  der  Felle  verwendet  wird,  gelang  es,  eine  vollständige 
Desinfektion  zu  erzielen.  Das  „Pickeln“  besteht  in  einer  ein-  bis 
nehrtägigen  Einwirkung  von  Säure  in  Gegenwart  von  grossem 
Salzüberschuss.  Die  Verfasser  benutzten  Salzsäure 
ind  Chlornatrium  und  arbeiteten,  nach  eingehenden  bakterio- 
cgischen,  chemischen,  physikalischen  und  mechanischen  Prüfungen 
■in  Verfahren  aus,  mittels  dessen  eine  über  Erwarten  gute  Des- 
nfektion  erreicht  wurde  bei  verhältnismässig  wenig  einschneidenden 
dassnahmen  und  ohne  Beeinträchtigung  der  Gerbfähigkeit  und  der 
ürschnermässigen  Beiz-  und  Färbbarkeit  Nach  der  Vorschrift  muss 
üe  Desinfektionsflüssigkeit  enthalten:  10  Volumprozente  Chlor- 
latrium  und  0,5 — 2,0  Volumprozente  plus  5  Proz.  des  Trockenfell- 
icwichtes  an  HCl.  Die  trockenen  Felle  werden  in  die  Desinfektions- 
lüssigkeit  eingebracht  und  durch  energisches  Rühren  damit  gründlich 
’enetzt.  Die  Mindestmenge  der  Flüssigkeit  beträgt  10  Liter  pro 
Clogramm  Fell.  Die  Felle  verbleiben  in  der  Flüssigkeit  bei  einer 


Temperatur  zwischen  20  und  40°  C  eine  gewisse  Zeit,  die  aus  ange¬ 
gebenen  Tabellen  zu  ersehen  ist.  Nach  dem  Herausnehmen  kommen 
die  Felle  Va  Stunde  in  eine  ca.  2 — 3  proz.  Kristallsodalösung,  wo  sie 
bewegt  werden,  dann  werden  sie  ausgewässert,  ausgeschleudert,  ent¬ 
weder  direkt  weiter  verarbeitet  oder  eingesalzen  und  getrocknet. 
Das  Verhältnis  von  Fell  und  Neutralisationsflüssigkeit  ist  so  zu 
wählen,  dass  sicher  alle  imbibierte  freie  und  gebundene  HCl  neutrali¬ 
siert  werden  kann.  Höhere  Temperaturen  sind  bei  dem  Verfahren 
vorzuziehen,  auch  muss  dafür  gesorgt  werden,  dass  alle  Luft  mög¬ 
lichst  aus  den  Fellen  entfernt  wird.  Die  Ergebnisse  stellen  zweifellos 
einen  bedeutenden  Fortschritt  auf  dem  Gebiete  der  Desinfektion  der 
milzbrandigen  Felle  und  Häute  dar.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  6  u.  7,  1913. 

1)  L.  Rehn:  Die  Chirurgie  des  Herzens  und  des  Herzbeutels. 

Kurzer  Ueberblick  über  den  derzeitigen  Stand  der  Herz-  und 

Herzbeutelchirurgie.  Obwohl  die  Hoffnungen  Mikulicz’  betreffs 
der  chirurgischen  Behandlung  der  Herzklappenfehler  sich  nicht  ver¬ 
wirklicht  haben,  sind  doch  die  Erfolge  bei  Verletzungen  des  Herzens, 
bei  entzündlichen  Prozessen  des  Perikards,  bei  Lungenarterienembolie 
und  bei  der  Herzsynkope  sehr  ermutigend. 

2)  Otto  K  1  i  e  n  e  b  e  r  g  e  r  -  Königsberg:  Ueber  Narkolepsie. 
(Nach  einem  Vortrag  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  am 
9.  Dezember  1912.) 

Kurzdauernde  und  unvermittelt  einsetzende  Hemmung  der  Herr¬ 
schaft  über  die  Sprache  und  die  Glieder  bei  einem  20  jährigen  jungen 
Manne. 

3)  B  e  h  r  e  n  d  -  Stettin:  Ein  Fall  von  isolierter  traumatischer 
Lähmung  des  Nervus  suprascapularis. 

Isolierte  Lähmung  des  Nervus  suprascapularis,  verursacht  durch 
den  Schlag  einer  umfallenden  Eisenstange.  Von  einem  komplizierten 
chirurgischen  Eingriff  wurde  in  Anbetracht  der  relativ  geringen 
Funktionsstörungen  abgesehen. 

4)  Waldemar  Löwenthal  und  Erich  S  e  1  i  g  m  a  n  n  -  Berlin: 
Ein  Paratyphusbazillus  ohne  Gasbildung.  (Vorgetragen  am  12.  De¬ 
zember  1912  in  der  Berliner  mikrobiologischen  Gesellschaft.) 

Es  handelt  sich  um  einen  Stamm,  der  sich  durch  den  Mangel 
der  Gasbildung  kulturell  wesentlich  vom  Paratyphus  B  unterscheidet, 
in  seinen  agglutininbindenden  und  -bildenden  Eigenschaften  aber  voll¬ 
kommen  mit  ihm  übereinstimmt.  Berücksichtigt  man  dazu  die  Her¬ 
kunft  des  Stammes  —  er  wurde  im  Jahre  1908  als  Erreger  einer 
grösseren  Fleischvergiftungsepidemie  gefunden  — ,  so  wird  ein  Zweifel 
an  der  Diagnose  „Paratyphus -B-Bazillus  ohne  Gasbildung“  kaum 
noch  möglich  sein.  Es  ist  hier  vielleicht,  ausgelöst  durch  häufiges 
Ueberimpfen,  ein  neuer  Typus  entstanden,  der  sich  bisher  konstant 
gehalten  hat. 

5)  Marcus  Rabinowitsch  -  Charkow :  Leprabazillen  im  krei¬ 
senden  Blute  der  Leprakranken  und  im  Herzblute  eines  Leprafötus. 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  des  Verfassers  lassen  den 
Schluss  ziehen,  dass  die  Leprabazillen  im  Krankenblute  kreisen  und 
auf  hämatogenem  Wege  von  der  Mutter  auf  das  Kind  intrauterin 
übertragen  werden  können. 

6)  Hans  A  r  o  n  s  o  n  -  Berlin :  Ueber  die  Giftwirkung  normaler 
Organ-  und  Muskelextrakte.  (Nach  einem  am  12.  Dezember  1912  in 
der  Berliner  mikrobiologischen  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage.) 

Versuche  an  Meerschweinchen  und  Kaninchen  über  die  Gift¬ 
wirkung  normaler  Organ-  und  Muskelextrakte. 

7)  Mario  S  e  g  ä  1  e  -  Genua :  Ueber  die  biochemische  Diiferential- 
diagnose  bei  Toxipeptiden-  und  Methylalkoholvergiftungen. 

Bei  akuter  Vergiftung  mit  Toxipeptiden  nimmt  der  osmotische 
Druck,  die  Konzentrationen  der  Ionen  und  der  Refraktionsindex  zu, 
die  elektrische  Leitfähigkeit  verändert  sich  wenig;  bei  akuter  Ver¬ 
giftung  mit  Methylalkohol  erreicht  der  osmotische  Druck  äusserst 
hohe  Werte,  die  Konzentration  der  Ionen  verändert  sich  nicht,  der 
Refraktionsindex  verringert  sich  und  die  Leitfähigkeit  verändert  sich 
wenig. 

8)  Leonard  W.  E  1  y  -  Denver  (Colorado) :  Gelenktuberkulose. 

Reine  primäre  Gelenktuberkulose  tritt  nur  auf  in  der  Synovia 

und  dem  lymphoiden  Mark.  Das  Vorhandensein  dieser  zwei  Gewebe 
steht  in  Wechselbeziehung  mit  der  Funktion  des  Gelenkes:  hört  diese 
auf,  verschwinden  beide  Gewebe.  Damit  erstirbt  auch  die  Erkran¬ 
kung.  Daher  ist  die  Hauptsache  in  der  Therapie  der  Gelenktuberkulose, 
die  Funktion  des  Gelenkes  aufzuheben.  Bei  Kindern  genügt  konser¬ 
vative  Behandlung.  Bei  Erwachsenen  ist  die  Gelenkfunktion  durch 
Radikaloperation  vollständig  aufzuheben.  Gesellt  sich  zur  Tuber¬ 
kulose  eine  sekundäre  Infektion,  werden  auch  die  sonst  immunen 
Gewebe  ergriffen,  dann  tritt  an  die  Stelle  einer  rein  lokalen  und 
verhältnismässig  harmlosen  Erkrankung  eine  sich  ausbreitende  und 
gefährliche.  Daher  gilt  als  zweiter  Grundsatz:  Vermeide  sekundäre 
Infektion. 

9)  Traugott  P  i  1  f  -  Wiesbaden :  Ueber  die  Ursachen  des  Ge¬ 
burtenrückganges  in  Deutschland.  (Vortrag,  gehalten  im  Verein  der 
Aerzte  Wiesbadens  am  16.  Oktober  1912.) 

Sozialwissenschaftlicher  Beitrag. 

No.  7. 

1)  Johannes  F  i  b  i  g  e  r  -  Kopenhagen :  Ueber  eine  durch  Nema¬ 
toden  (Spiroptera  sp.  n.)  hervorgerufene  papillomatöse  und  karzinoma- 
töse  Geschwulst  im  Magen  der  Ratte.  (Vortrag  in  der  Sitzung  der 
Med.  Gesellschaft  zu  Kopenhagen  am  7.  Januar  1913.) 


430 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8 


Durch  eine  bisher  nicht  beschriebene  Nematode  wird  eine  en¬ 
demisch  auftretende,  bisher  unbekannte  Krankheit  im  Vormagen  und 
in  der  Speiseröhre  der  Ratte  hervorgerufen.  Der  Zwischenwirt  bei 
der  Entwicklung  der  Nematode  ist  die  Schabe.  Die  Krankheit  wurde 
sowohl  beobachtet  als  endemische  bei  wilden  Ratten,  als  auch  liess 
sie  sich  experimentell  hervorrufen,  indem  man  die  Nematoden  durch 
Fütterung  mit  dem  Zwischenwirt  auf  Ratten  übertrug.  Die  Krankheit 
besteht  im  Anfangsstadium  aus  Epithelhyperplasie  und  Entzündung, 
in  ausgesprochenen  Fallen  schliesst  sich  hieran  Papillombildung,  die 
eine  kolossale  Entwicklung  erlangen  kann.  Die  Papillomatose  kann 
das  Vorstadium  maligner  Epitheliome  mit  infiltrativem  heterotopen 
Wachstum  des  Epithels  sein.  Es  ist  somit  zum  ersten  Male  gelungen, 
experimentell  bei  gesunden  Tieren  metastasierendes  Karzinom  her¬ 
vorzurufen.  Die  von  Borrel  und  Haaland  auigestellte  Hypo¬ 
these,  dass  Nematoden  Entwicklung  von  malignen  Geschwülsten  bei 
Mäusen  und  Ratten  hervorrufen  können,  muss  durch  diese  Unter¬ 
suchungen  als  bewiesen  erachtet  werden,  ln  den  Metastasen  wurden 
weder  Parasiten  noch  Parasiteneier  gefunden. 

2)  A  x  h  a  u  s  e  n  -  Berlin :  Ueber  das  Wesen  der  Arthritis  defor- 
mans.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am 
8.  Januar  1913;  cf.  pag.  106  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913.) 

3)  F.  W  o  1  f  f  -  Gelsenkirchen:  Beitrag  zur  Fäzesuntersuchung  auf 
Pä  rasiteneier 

Verf.  kann  das  Verfahren  von  Y  a  o  i  t  a,  welches  Antiformin  als 
Auflösungsmittel  verwendet,  besonders  für  die  Klinik  und  die  Praxis 
empfehlen,  denn  es  erleichtert  die  Auffindung  der  Parasiteneier;  die 
Präparate  sind  klar,  die  Besichtigung  ist  mühelos  und  die  Anreiche¬ 
rung  recht  gut. 

4)  Arthur  Münzer-  Berlin-Schlachtensee:  Innere  Sekretion  und 
Nervensystem.  (Fortsetzung  folgt.) 

5)  E.  Aron-Berlin:  Zur  Pneumothoraxtherapie. 

Die  Pneumothoraxtherapie  soll  nur  Verwendung  finden  bei  ein¬ 
seitigen,  progredienten  Fällen  von  Lungentuberkulose,  welche  jeder 
anderen  Therapie  getrotzt  haben.  Mit  den  N-lnsufflationen  darf  nur 
begonnen  werden,  wenn  man  sicher  ist,  wirklich  in  der  Pleurahöhle 
mit  der  Nadel  zu  sein.  Man  darf  die  Einblasungen  nie  forcieren  und 
soll  stets  ein  Manometer  verwenden.  Sobald  der  Pleuradruck  sich 
der  Nullinie  nähert,  ist  besondere  Vorsicht  erforderlich. 

6)  E.  M  a  n  o  i  1  o  f  f  -  St.  Petersburg:  Ueber  die  Magensaftana- 
phylaxie. 

Die  Angabe  von  Spiro  Levierti,  dass  die  Magenanaphylaxie 
bei  Magenkarzinomkranken  eine  streng  spezifische  ist,  ist  richtig. 
Aus  den  an  11  Personen,  von  denen  8  Karzinomkranke  waren,  an- 
gestellten  Versuchen  geht  hervor,  dass  man  mittels  Magensaftes  der 
Karzinomkranken  bei  den  mit  Krebssaft  vorbehandelten  Tieren  ana¬ 
phylaktische  Erscheinungen  hervorrufen  kann,  dass  aber  keine  ana¬ 
phylaktischen  Erscheinungen  bei  Reinjektion  mit  Magensaft  der  extra- 
stomachalen  Krebskranken  entstehen. 

7)  A.  Rosenstein  - Posen :  Ein  dritter  Weg  zur  totalen  Rhino¬ 
plastik.  (Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  E.  Holländer  in  No.  3 
der  Berl.  med.  Wochenschr.  1913.) 

Die  vom  Verf.  und  anderen  bereits  vor  12  Jahren  geübte  Methode 
der  Wanderlappenbildung  gestattet  die  Brusthaut  zu  benutzen  ohne 
besondere  Belästigung  des  Patienten  durch  Kopffixierung.  Es  wird 
dabei  der  umgeklappte  Lappen  aus  der  Brustbeingegend  in  einen 
Querschnitt  der  Submentalgegend  eingepflanzt  und  von  dort  in  einer 
2.  Sitzung  an  die  Stelle  des  Defektes  geführt. 

8)  Eduard  W  e  i  s  z  -  Bad  Pistyan:  Beitrag  zur  Behandlung  ver¬ 
steifter  Fussgelenke. 

Eine  einfache  Vorrichtung,  bestehend  aus  einer  Schiene  mit 
2  Bügeln,  die  in  entsprechendem  Abstande  zueinander  den  Fuss 
zwischen  sich  aufnehmen  und  gestatten,  auf  ihn  durch  eine  Gummi¬ 
binde  einen  dorsalwärts  oder  plantarwärts  wirkenden  Zug  auszuüben. 

9)  E. Klaussner  - Prag:  Ueber  einen  haltbaren  Gram-Farbstoff 
für  Gonokokken-,  Pilz-  und  Spirochätenfärbung. 

Nach  den  Erfahrungen  des  Verf.  kann  das  von  Grübler  unter 
dem  Namen  „Haltbarer  Gram-Farbstoff“  in  den  Handel  gebrachte  Ani- 
linwasser-Gentianaviolett  als  dauerhafter  und  mannigfach  verwend¬ 
barer  Laboratoriumsfarbstoff  empfohlen  werden. 

10)  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r  -  Berlin :  Zur  Vakzinationstherapie. 

Verf.  fordert  eine  erheblich  geringere  Anfangsdosis  als  gewöhn¬ 
lich  Brauch  ist  (A — 14  Millionen  Keime,  statt  5  Millionen)  und  eine 
Fortsetzung  der  Vakzinationsbehandlung  über  1 14 — 2  Jahre,  um  die 
Entstehung  eines  Rezidives  zu  verhindern. 

Dr.  Grass  mann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  7,  1913. 

1)  Hans  1  s  e  1  i  n  -  Basel:  Entgiftung  des  tuberkulösen  Herdes 
durch  Röntgenbestrahlung. 

Schluss  folgt. 

2)  M.  L  a  n  d  a  u  -  Freiburg  i.  B. :  Zur  Entwicklung  der  Neben¬ 
nierenrinde. 

Aehnlich  wie  das  Gehirn  zeigt  auch  die  Nebenniere  beim  Men¬ 
schen  einen  ganz  erheblich  grösseren  Windungsreichtum,  als  er  bei 
Tieren  gefunden  wird;  es  ist  dies  die  Folge  eines  stärkeren  Wachs¬ 
tums  in  der  ersten  Hälfte,  einer  tieferen  Furchung  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Fötallebens.  Merkwürdig  ist,  dass  bei  Hem¬ 
mungsmissbildungen  des  Hirns  auch  eine  Hypoplasie  der  Neben¬ 
nierenrinde  beobachtet  wird. 


3)  A.  Fauser  -  Stuttgart:  Weitere  Untersuchungen  (3.  Liste)  au 
Grund  des  Abderhalden  sehen  Dialysierverfahrens. 

Die  Untersuchungsresultate  waren  derart,  dass  für  die  Mehr 
zahl  der  Fälle  von  Dementia  praecox  (besonders  hebephrenischci 
Form)  auf  eine  Dysfunktion  der  Geschlechtsdrüsen  geschlossen  wer 
den  musste,  während  bei  katatonischen  Erregungszuständen  ehe; 
die  Annahme  einer  Dysfunktion  der  Thyreoidea  vorlag.  Endlicl 
scheint  bei  luetischen  und  inetalnetischen  Psychosen  ein  Eindringei 
blutfremden  üehirnmateriales  in  die  Blutbahn  gegeben  zu  sein.  Unter 
suchungen  bei  manisch-depressivem  Irresein  Hessen  Schutzfermenn. 
weder  gegen  Hirn  noch  gegen  Geschlechts-  oder  Schilddrüse  er 
kennen. 

4)  Walter  D  r  ü  g  g  -  Düsseldorf :  Untersuchungen  mit  dei 
v.  Düngern  sehen  Vereinfachung  der  WaR. 

Die  v.  Düngern  sehe  Modifikation  ist  bei  genauer  Einhaltung 
der  gegebenen  Technik  zuverlässig,  wenn  man  sich  an  die  sicher  posi 
tiven  und  sicher  negativen  Resultate  hält. 

5)  Sigismund  W  a  c  h  t  e  1  -  Krakau:  Zur  Frage  der  Benzol 
therapie  der  Leukämie. 

Benzol  bewirkt  in  den  Fällen,  wo  es  vertragen  wird,  einen  ge¬ 
waltigen  Rückgang  der  Leukozytenzahl,  bei  einem  hier  näher  be! 
schriebenen  Kranken  von  182  000  auf  8000;  gleichzeitig  wird  die  Mil: 
erheblich  kleiner,  die  Temperatur  normal,  der  Allgemeinzustam 
besser.  Von  einer  Heilung  der  Leukämie  durch  Benzol  kann  gleich; 
wohl  nicht  die  Rede  sein. 

6)  Erich  H  a  r  t  u  n g  -  Bernburg:  Ueber  die  Wirkung  de: 
Luminals. 

Bei  gewöhnlicher  Schlaflosigkeit  in  Dosen  von  0,1 — 0,3,  bei  Er 
regungszuständen  der  Manischen  und  Schizophrenen  in  Dosen  bis  za 
0,7  leistet  das  Luminal  gute  Dienste.  Da  es  nur  in  starken  Dosen  ge 
legentlich  einmal  Somnolenz  bewirkt,  sonst  frei  von  schädlichen 
Nebenwirkungen  ist,  kann  es  als  vorteilhafter  Ersatz  des  Verona! 
Sulfonal  und  Skopolamin  angesehen  werden. 

7)  S  c  h  u  s  t  e  r  -  Chemnitz:  Ueber  Melubrm. 

Vortrag,  gehalten  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  zu  Chemnit: 
"am  13.  November  1912,  refer.  in  No.  3  (1913)  der  Münch,  med, 
Wochenschr. 

8)  Ketil  M  o  t  z  f  e  1  d  t  -  Christiania:  Ueber  Eventratio  diaphrag 
matica. 

Die  Eventratio  diaphragmatica,  d.  h.  die  Verlagerung  von  Bauch 
eingeweiden  in  den  Thoraxraum  infolge  von  Erschlaffung  des  im  übri 
gen  intakten  Zwerchfells,  fand  sich  bei  der  Autopsie  einer  41jährige 
Frau,  die  klinisch  einen  auffallenden  Hochstand  der  linken  Zwerch 
fellhälfte  gezeigt  hatte.  Mikroskopisch  erwies  sich  diese  als  binde 
gewebig  und  fettig  degeneriert.  Ob  die  gleichzeitig  gefundene  voll 
kommene  Atrophie  des  linken  Nervus  phrenicus  in  ätiologischen  Zu 
sammenhange  mit  der  Eventration  steht,  oder  diese  als  angeboren 
Missbildung  aufzufassen  ist,  lässt  sich  kaum  entscheiden.  Ueber 
sicht  der  in  der  Literatur  bekannt  gewordenen  Fälle. 

9)  Hans  S  c  h  r  i  c  k  e  r  -  Mühlheim  a.  Rh.:  Zwei  Beiträge  zu  de 
Schussverletzungen  des  Bauches. 

a)  Schussverletzung  des  oberen  Jejunums.  Revolverschuss  au 
1  m  Entfernung;  Operation  12  Stunden  nachher;  lediglich  Einschuss  i 
die  erste  Jejunumschlinge;  Projektil  bereits  im  Lumen  des  Zoekums 
Naht;  Heilung. 

b)  Bauchschuss  mit  Perforation  des  Zwerchfells,  der  Speiseröhr 
und  Verletzung  der  Brustschlagader.  Tod  trotz  der  AortenverLtzun 
erst  1814  Sunden  nach  dem  Schuss. 

10)  Cäsar  H  i  r  s  c  h  -  Frankfurt  a.  M.:  Sympathischer  Nystaginu 
bei  Erysipel. 

Der  meist  horizontal-rotatorische  Spontannystagmus  bei  seit 
licher  Blickabduktion  oder  Blick  nach  oben  oder  unten  ist  ein  fa? 
regelmässiges  Symptom  des  Gesichts-  und  Kopferysipels  und  dahe 
differential-diagnostisch  zu  verwerten. 

11)  Ernst  S  e  h  r  w  a  1  d  -  Strassburg  i.  E. :  Verätzungen  durc 
Benzin. 

Die  bei  der  modernen  Hautdesinfektion  geübte  Benzinabwaschun 
hatte,  wenn  das  Benzin  nicht  schnell  genug  verdunsten  konnte,  scho; 
mehrfach  unangenehme  Verätzungen  zur  Folge;  solche  Verätzung: 
wurden  auch  gesehen,  wenn  ein  benzingetränkter  Tupfer  mit  Heft 
Pflaster  aufgeklebt  wurde,  oder  wenn  Benzin  in  den  äusseren  Gehör 
gang  gelangte.  Es  wird  die  Möglichkeit  einer  therapeutischen  Ver 
Wertung  dieser  Aetzwirkung  des  Benzins,  die  sich  bis  zur  Nekrot 
sierung  steigern  kann,  erwogen. 

12)  W.  Brandenburg  -  Kassel :  Eine  exzessive  knorpelig 
Schiefnase. 

Die  Entstellung,  der  eine  mehrfache  Knickung  des  Septums  zt 
gründe  lag  und  die  operativ  beseitigt  werden  konnte  (4  photd 
graphische  Abbildungen),  war  durch  Fall  auf  die  Nase  im  Kindesaltc 
entstanden. 

13)  Eduard  W  e  i  s  z  -  Bad  Pistyan;  Eine  einfache  Schiene  zi 
Streckung  und  Beugung  des  Kniegelenkes. 

Aus  zwei  rechtwinkelig  zusammengesetzten  Bügeln  bestehende 
Schienenapparat,  bei  dem  der  Widerstand  durch  eine  entsprechen 
angebrachte  Gummibinde  besorgt  wird. 

14)  E.  K  i  n  d  b  o  r  g  -  Bonn:  Zur  Prophylaxe  und  Therapie  dt 
Hämorrhoiden  durch  Anikure. 

Zur  bequemen  Durchführung  der  von  Lenhossek  alle 
Hämorrhoidariern  empfohlenen  Anikure  ist  von  B.  B.  Cassel  i 


25.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Frankfurt  a.  M.  ein  eigenes,  aucli  auf  der  Reise  unauffällig  mitiühr- 
bares  Besteck  zusammengestellt  worden. 

15)  H  e  r  s  i  ti  g  -  Kreuznach :  Eine  Kinnstiitze  zur  Verhinderung 

des  Schnarchens. 

Die  Kinnstiitze  ist  nach  Art  eines  Stehkragens  gebaut,  der  an 
das  Nachthemd  angeknöpft  wird  und  vermittels  eines  besonderen 
Kinnlagers  im  Schlaf  den  Unterkiefer  fest  an  den  Oberkiefer  andrückt. 

Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  4. 

Kocher:  Weitere  Beobachtungen  über  die  Heilung  des  Tetanus 
mit  Magnesiumsulfat. 

Ausführliche  Mitteilung  von  3  neuen  Fällen,  von  denen  2  geheilt 
wurden,  der  dritte,  ein  514  jähriges  Kind  mit  schwerer  Quetschwunde 
der  Hand,  nur  vorübergehend  gebessert,  starb.  Auch  bei  diesen 
Fällen  konnte  durch  die  entsprechende  Lagerung  der  Kranken  die 
Ausbreitung  des  Sulfates  im  Duralsack  und  damit  der  Lähmung  be¬ 
herrscht  werden.  Wenn  Kopf  und  Brustmuskeln  mit  ergriffen  sind, 
soll  man  von  vornherein  die  anästhesierende  Wirkung  auf  das  Zere- 
brum  ausdehnen.  Durch  die  künstliche  Atmung  kann  man  den  Atem¬ 
stillstand  verhindern.  Vielleicht  ist  es  besser,  statt  Sauerstoff  zu  in- 
sufflieren,  nach  Meitzers  Vorgang  kontinuierlich  reine  Luft  unter 
Druck  in  die  Lungen  zu  treiben.  Das  Magnesium  wirkt  nur  so  lange, 
als  es  mit  der  Marksubstanz  und  dem  Nervengewebe  direkt  in  Be¬ 
rührung  ist.  Bei  der  Autopsie  des  einen  Falles  wurde  von  B  ii  r  g  i 
im  Lumbal-  und  Halsmark  Magnesiumsulfat  nachgewiesen. 

C.  Arnd-Bern:  Die  Magnesiumbehandlung  des  Tetanus. 

Ausführliche  Beschreibung  eines  geheilten  Falles  (3  jähriges  Kind 
mit  Kopfverletzung),  bei  dem  ausser  5  Magnesiumsulfatinjektionen 
(2—3  ccm  15proz.  Lösung)  noch  Karbol  subkutan  gegeben  wurde 
(14  mal  0,015  Phenol);  Tetanusserum  erhielt  es  2  mal  (je  10  ccm), 
5  mal  wurde  es  chloroformiert.  Bemerkenswert  ist,  dass  einmal  nach 
Mg-Injektion  die  Atmung  bis  auf  7  in  1  Minute  herabging,  dann  nach 
Auswaschung  des  Lumbalkanals  mit  Kochsalzlösung  wieder  normal 
wurde.  In  der  Spülflüssigkeit  wurde  Mg-Sulfat  nachgewiesen. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  7.  R.  Kraus:  Ueber  Massnahmen  zur  Bekämpfung  der 
Cholera  auf  dem  bulgarischen  Kriegsschauplatz. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am 
7.  Februar  1913. 

H.  Koch -Wien:  Entstehungsbedingungen  der  Meningitis  tuber- 
culosa. 

Die  Bearbeitung  von  355  Fällen  bestätigt  das  vorwiegende  An¬ 
steigen  der  Erkrankungszahlen  in  der  Zeit  vom  Dezember  bis  April. 
Am  meisten  belastet  sind  das  erste  und  zw  e  i  t  e  Lebensjahr  ent¬ 
sprechend  der  geringeren  Resistenz  gegen  tuberkulöse  Infektion  über¬ 
haupt.  Vom  2.  Jahre  ab  wird  auch  die  Meningitis  die  Haupttodes¬ 
ursache  bei  1  uberkulose.  Hereditäre  Belastung,  meist  als  Lungen¬ 
tuberkulose,  war  nur  in  23  Proz.  vorhanden;  eine  spezielle  Familien¬ 
disposition  für  die  Meningitis  lässt  sich  kaum  annehmen.  Das  Ge¬ 
schlecht  bildet  anscheinend  keine  besondere  Disposition.  Die  ganz 
überwiegende  Zahl  der  Erkrankten  befand  sich  in  einem  mangel¬ 
haften  Ernährungszustand,  die  Brusternährung  scheint  keinen  Schutz 
zu  bieten.  Besonders  eingehend  wird  der  Einfluss  früherer  Erkran¬ 
kungen  erörtert,  von  denen  vor  allem  die  Masern  und  der  Keuch¬ 
husten  in  130  bezw.  67  Fällen  ausfindig  zu  machen  waren,  auch 
unter  den  unmittelbar  (bis  4  Monate)  vorausgegangenen  Erkran¬ 
kungen  finden  sich  Masern  29,  Keuchhusten  6  mal.  Beide  Erkran¬ 
kungen,  besonders  aber  die  Masern,  wirken  wohl  in  dem  Sinne,  dass 
sie  eine  miliare  Neuaussaat  der  Tuberkulose  begünstigen.  Dafür 
ergeben  auch  sorgfältige  Obduktionsbefunde  wesentliche  Anhalts¬ 
punkte.  Ein  Trauma  ist  bei  kritischer  Beurteilung  nur  in  einzelnen 
Fällen  als  auslösendes  Moment  einer  Meningitis  tuberculosa  nach¬ 
weisbar.  Eingehend  besprochen  werden  auf  Grund  genauer  (246) 
Obduktionsprotokolle  von  G  h  o  n  die  Beziehungen  zu  sonstigen  tuber¬ 
kulösen  Prozessen.  Meist  handelt  es  sich  um  mehrfache,  oft  klinisch 
nicht  nachweisbare  Lokalisationen,  unter  denen  die  Baucheingeweide, 
das  Gehirn,  die  Pleura,  die  Lungen  vorwiegen.  Die  zur  Meningitis 
rührende  Aussaat  geht  mindestens  in  45  Proz.  der  Fälle  von  den  Ver¬ 
änderungen  des  Primäraffektes  und  der  zugehörigen  Lymphdriisen 
aus.  Es  besteht  also  ein  überwiegender  Einfluss  der  Erstinfektion.  Die 
alten  tuberkulösen  Prozesse  fanden  sich  fast  ausnahmslos  noch  im 
Radium  voller  Aktivität.  Diese  Aktivität  bildet  eine  Hauptbedingung 
für  die  Entstehung  der  Meningitis. 

E.  Sluka-Wien:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Hilustuberkulose 
des  Kindes  im  Röntgenbilde. 

Verf.  hat  nunmehr  38  Fälle  untersucht,  von  denen  er  2  Kranken¬ 
geschichten  mit  instruktiven  Röntgenbildern  wiedergibt.  Im  Gegen¬ 
satz  zu  Eisler  (Münch,  tned.  Wochenschr.  1912.  No.  35)  hält  er  mit 
Hinblick  auf  die  typische  Lokalisation,  aber  nicht  konstante  Aus¬ 
dehnung  des  Schattens  im  Lungenfelde  —  wenigstens  für  seine 
hülle  —  daran  fest,  dass  derselbe  einem  Lungeninfiltrat  um  die  Hilus- 
urüsen,  aber  nicht  einem  primären  Lungenherd  und  der  diesen  beglei¬ 
tenden  Schwartenbildung  entspreche.  Weiter  betont  er,  dass  in  den 


eisten  2  Lebensjahren,  wo  der  primäre  Lungenherd  am  meisten  her- 
voi  tritt,  das  Röntgenbild  der  Hilustuberkulose  nie  zu  finden  war, 
dieses  vielmehr  erst  vom  3.  Jahr  an  erscheint  und  am  häufigsten  im 
festzustellen  ist.  Als  auslösende  Momente  für  diese 
Hilusdi  üsentuberkulose,  wodurch  die  latente  Tuberkulose  wieder 
aktiv  wild,  haben  in  erster  Linie  Masern  und  Keuchhusten  zu  gelten, 
seltener  Varizellen  und  Mumps.  Bei  G.s  Fällen  hat  sich  die  Tuber¬ 
kulose  1 1  mal  an  Masern,  5  mal  an  Keuchhusten  angeschlossen, 
Krankheiten,  welche  am  häufigsten  das  2.  Lebensjahr  betreffen,  aber 
erst  in  den  späteien  Jahren  häufig  tuberkulös  erkrankte  Lungen- 
drüsen  vorfinden.  Nähere  Angaben  über  die  physikalische  Diagnose 
der  etwa  in  2/3  der  Fälle  rechts  beobachteten  Hilustuberkulose  (es 
kommt  fast  nur  die  Perkussion  auf  der  Vorderfläche  des  Thorax  in 
Betracht)  sind  im  Original  einzusehen.  Aus  den  weiteren  Mitteilungen 
sei  nur  hervorgehoben,  dass  von  31  beobachteten  Fällen  3  gestorben, 
7  (auch  röntgenologisch)  geheilt  sind.  Der  frühzeitige  Nachweis  der 
Hilustuberkulose  ist  für  eine  erfolgreiche  Behandlung  von  grösster 
Bedeutung. 

K.  Die  tl- Wien:  Zur  Pathologie  der  lordotischen  Albuminurie. 

Da  es,  wie  D.  an  Krankengeschichten  dartut,  gelingt,  bei  gleicher 
Lordose  eine  quantitativ  mitunter  beträchtlich  verschiedene  Albu¬ 
minurie  zu  erzielen,  ist  zu  schliessen,  dass  das  mechanische  Moment 
der  Lordose  nicht  allein  ausschlaggebend  für  die  lordotische  Albu¬ 
minurie  ist.  Es  ist  anzunehmen,  dass  ein  energisch  funktionierendes 
Vasomotorensystem  in  höherem  oder  geringerem  Grade,  die  durch 
die  Lordose  verursachten  Zirkulationsstörungen  auszugleichen  ver¬ 
mag,  was  bei  einem  labilen  Zustand  der  Vasomotoren  nicht  gelingt. 
Mit  einer  Besserung  des  Allgemeinzustandes  (z.  B.  durch  Arsen)  kann 
auch  die  Albuminurie  günstig  beeinflusst  werden;  umgekehrt  kann 
eine  Verschlechterung  des  Allgemeinbefindens  (z.  B.  Fieber)  die  lor¬ 
dotische  Albuminurie  steigern. 

J.  Schiff  mann  und  A.  V  y  s  t  a  v  e  1  -  Wien :  Versuche  zur 
Frage  einer  inneren  Sekretion  der  Mamma. 

Die  subkutane  Injektion  von  Mammin  Pöhl  und  von  Kochsalz¬ 
extrakten  aus  Kuheuter  führten  bei  Meerschweinchen  prompt  den 
Abortus  herbei.  Die  Behandlung  nichtschwangerer  Tiere  mit  Mamma¬ 
extrakt  ergab,  wie  gleichfalls  schon  anderseits  beobachtet  wurde, 
Vergrösserung  der  Nebennieren,  Kleinheit  des  Uterus  und  mikro¬ 
skopische  Veränderungen  an  den  Hypophysen.  Ausserdem  fand  sich 
auch  Verkleinerung  der  Ovarien.  Dies  wurde  besonders  auch  durch 
Versuche  an  in  der  Entwicklung  begriffenen  Tieren  bestätigt,  und 
zwar  auch  an  den  Hoden,  die  eine  verzögerte  Spermatogenese  zeig¬ 
ten.  Die  Hypophysen  der  injizierten  Tiere  hatten  Veränderungen 
analog  den 'bei  kastrierten  Tieren  gefundenen.  Die  gleichen  Resultate 
wurden  durch  die  (artgleichen)  Extrakte  der  Brustdrüsen  des  Meer¬ 
schweinchens  erzielt. 

A.  Luge  r- Wien:  Zur  Kenntnis  der  radiologischen  Befunde  am 
Dickdarm  bei  Tumoren  der  Nierengegend. 

Auf  Grund  eigener,  durch  eine  Krankengeschichte  belegter  Be¬ 
obachtungen  hebt  Verf  gegenüber  S  t  i  e  r  1  i  n  (s.  Refer.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1912,  S.  1826)  hervor,  dass  bei  Nierentumoren  die  Rönt¬ 
genuntersuchung  häufig  keine  wesentliche  seitliche  Verlagerung  des 
Kolons  zeigt,  sondern  eine  Lagerung  auf  dem  Tumor,  und  deshalb  eine 
solche  Verschiebung  schwerlich  von  differentialdiagnostischer  Bedeu¬ 
tung  ist.  Bergeat  -  München. 

Inauguraldissertationen.1) 

Aus  der  2.  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses  Moabit,  Berlin, 
Prof.  Zinn,  liefert  Wilhelm  Martin  Beiträge  zur  Behand¬ 
lung  der  Lungenschwindsucht  mittels  des  künst¬ 
lichen  Pneumothorax.  Er  teilt  ausführlich  1 1  musterhafte 
Krankengeschichten  mit.  Der  künstliche  Pneumothorax  bei  vor¬ 
wiegend  einseitiger,  schwerer  Lungentuberkulose  verspricht  in  einer 
bemerkenswerten  Anzahl  von  Fällen  Besserung  oder  Stillstand  der 
Erkrankung,  in  manchen  Fällen  Heilung.  Die  Methode  verdient  unter 
Wahrung  strenger  Indikation  weiter  ausgebaut  zu  werden.  (Berlin 
1912.  63  Seiten.  Emil  Ebering.)  Fritz  L  o  e  b. 

Aus  der  Univ. -Frauenklinik  zu  Jena  liefert  Sergius  Kowler 
einen  praktisch  sehr  beachtenswerten  Beitrag  zur  Behandlung 
von  hochgradiger  sekundärer  Anämie  durch  intra¬ 
muskuläre  Injektionen  von  defibriniertem  Blut 
und  Eisenammoniumzitrat,  (Jena  1912,  14  S.,  G.  Neuen- 
h  a  h  n).  Er  beschreibt  zunächst  die  sehr  einfache  Technik  der  Blut¬ 
entnahme  und  der  Injektion.  Ein  brauchbarer  Bericht  liegt  über  4  mit 
Blutinjektionen  behandelte  gynäkologisch  kranke,  schwer  anämische 
Frauen  vor.  Leider  entzieht  sich  das  rein  Kasuistische  einer 
referierenden  Wiedergabe.  Es  sei  nur  gesagt,  dass  die  Verbesserung 
des  Blutstatus  eine  überraschende  war.  Neben  diesen  Versuchen 
mit  defibriniertem  Blut  hat  Verf.  auch  bei  einigen  Frauen,  die  sich 
im  gleichen  anämischen  Zustand  befanden,  Injektionen  mit  Eisenarsen¬ 
ammoniumzitrat  auf  Anregung  von  Prof.  Henkel  vorgenommen 
(Merck  sches  Präparat).  Der  Inhalt  der  Röhre,  V*  ccm,  wurde  in 
1Ü  ccm  sterilem  Wasser  gelöst  und  zweimal  wöchentlich  subkutan 
in  den  Oberschenkel  injiziert.  (Je  1  Spritze.)  Auch  in  diesen  Fällen 


*)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


432 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wurde  das  Blutbild  auf  das  günstigste  beeinflusst.  Frauen  im  gleichen 
Zustand,  wie  die  mit  Bluteinspritzungen  und  Eisenarsenammonium¬ 
zitrat  behandelten,  deren  Anämie  nicht  besonders  behandelt  wurde, 
zeigten  ..keineswegs  eine  Veränderung  hinsichtlich  der  Erythrozyten¬ 
zahl  und  des  Hb‘‘.  Verfasser  schliesst  seine  kleine,  aber  sehr  schöne 
Arbeit  mit  der  Meinung,  dass  das  Ferroarsencitricum 
ammoniatum  M  e  r  c  k  s  für  den  praktischen  Arzt  von  nicht  zu 
unterschätzender  Bedeutung  sein  dürfte.  Ref.  möchte  zur  klinischen 
Nachprüfung  der  Injektion  mit  defibriniertem  Blut  an  einem  recht 
reichen  Material  anregen.  Es  ist  schade,  dass  diese  Therapie  dem 
Privatarzt  verschlossen  ist.  Fritz  Loeb. 

Willi  Chraplewski  hat  an  der  Lungenheilstätte  Beelitz  der 
Landesversicherung  Berlin  Erfahrungen  mit  der  per  ku¬ 
tanen  Tuberkulinreaktion  Salbenreaktion  nach 
Moro)  bei  der  Lungentuberkulose  Erwachsener  ge¬ 
sammelt,  über  die  er  zusammenfassend  sagt:  Die  Salbenreaktion  nach 
Moro  stellt  ein  absolut  harmloses  Verfahren  dar,  das  unbedenklich 
überall  angewendet  werden  kann.  Die  Reaktion  ist  spezifisch;  sie 
tritt  nur  bei  Tuberkulose  auf.  Ihr  klinischer  Wert  bei  Erwachsenen 
wird  eingermassen  beschränkt  dadurch,  dass  sie  auch  ausgeheilte 
und  latente  Tuberkulose  anzeigt.  Bei  Patienten,  die.  schon  einmal 
eine  tuberkulöse  Affektion  durchgemacht  haben,  ist  der  Ausfall  der 
Reaktion  nicht  beweisend,  wogegen  er  bei  anderen  fast  stets  zuver¬ 
lässig  ist.  Die  Reaktion  kann  die  physikalische  Untersuchung  der 
Lungen  nie  ersetzen,  sondern  stets  nur  als  ein  Hilfsmittel  bei  der 
Diagnosestellung  gelten.  (Berlin  1912.  16  Seiten.  Th.  B  a  r  u  c  h.) 

Fritz  Loeb. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Bonn.  Januar  1913. 

Fillie  Hans:  Studien  über  die  Erstickung  und  Erholung  des  Nerven 
in  Flüssigkeiten. 

C  o  e  n  e  n  Christian :  Ueber  Endokardschwielen. 

Th  oll  Karl:  Ueber  Veronalvergiftung. 

Spartz  Heinrich:  Vergleichende  Untersuchungen  über  Aufnahme 
von  Radiumemanation  ins  Blut  durch  Trinken  und  Inhalieren. 
Berger  Vincenz:  Zur  Mechanik  der  Aneurysmabildung  bei  der  kon¬ 
genitalen  Isthmusstenose  der  Aorta. 

Reuter  Clemens  Emil:  Ein  Beitrag  zur  Dacryocystorhinostomia  von 
T  o  t  i. 

Ebbert  Josef:  De  suicidio.  (Mit  kasuistischen  Beiträgen.) 

Universität  Freiburg  i.  Br.  Januar  1913. 

Caesar  Heinrich:  Quantitative  Untersuchung  der  Toxizitäts¬ 
änderung  des  Morphins  bei  Kombination  mit  anderen  Opium¬ 
alkaloiden. 

Hof  man  n  Walther:  Beitrag  zur  Klinik  der  Knochenzysten. 
Merckens  Albert:  Die  geographische  Verbreitung  des  Kropfes  in 
Baden  und  die  Beziehungen  der  Struma  graviditatis  zur  Eklampsie. 
Reinhart  Karl:  Ein  Beitrag  zur  Behandlung  von  Pseudarthrosen 
durch  plastische  Operationen. 

Wildberger  Emil:  Ueber  einen  Fall  von  Ponsblutung.  Beitrag 
zur  Lokalisation  pontobulbärer  Herderkrankungen. 

Universität  Giessen.  Januar  1913. 

Le  uff  en  Franz:  Ueber  Massage  und  ihre  Wirkung  auf  die  Mägen 
der  Wiederkäuer.  *)  (S.  A.  aus  Monatshefte  f.  prakt.  Tierheil¬ 

kunde,  Bd.  24.) 

Nikols  ky  Sergius:  Ueber  den  spontanen  Pneumothorax. 

Hölting  Heinrich:  Ueber  den  mikroskopischen  Bau  der  Speichel¬ 
drüsen  einiger  Vögel.  (Gallus  domesticus,  Perdix  cinerea,  Anser 
domesticus,  Anas,  Picus  viridis,  Garrulus  glandularis,  Lanius 
excubitor,  Corvus  frugilegus,  Fringilla  coelebs.)  *) 

Buchmiller  Julius:  Untersuchungen  über  die  Hauttemperatur 
beim  Haushuhn.  *) 

Bennighof  Friedrich:  Ueber  ein  neues  Diuretikum  „Theoform“. 
Adler  Walther:  Behandlung  der  Pleuritis  exsudativa  mit  Auto¬ 
transfusion. 

Piskator  Otto:  Ueber  den  Erfolg  der  Haferkur  bei  Diabetes 
mellitus. 

Pothmann  Josef:  Ueber  die  Tuberkulose  des  Bauchfells. 

Hahn  Hans:  Ueber  ein  Chorionepitheliom  beim  Manne. 

Baur  Karl:  Ueber  die  Genesis  der  Mineralquellen  in  Bad  Steben.  **) 
*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 

**)  Dissertation  der  philosophischen  Fakultät. 

Universität  Göttingen.  Januar — Februar  1913. 
Carstensen  Th.:  Beitrag  zur  Klinik  der  senilen  Seelenstörungen. 
Eichel  F.:  Septumdeviationen;  Statistik  und  Operationserfolge. 
Heusser  E.:  Ueber  das  Vorkommen  von  Geruchsstörungen  bei 
Mittelohrentzündungen,  ohne  dass  otitischer  Hirnabszess  vorliegt. 
Lach  witz  F. :  Zur  Kasuistik  der  traumatischen  Herzfehler. 

Mori  T. :  Experimentelle  Untersuchung  über  die  Genese  der 
atypischen  Epithelwucherungen. 

Rumberg  P. :  Ueber  die  Kopfblutgeschwulst  bei  Neugeborenen. 
Schwalb  H.:  Vergleichende  Untersuchungen  zur  Pharmakologie 
der  Terpenreihe. 


No.  g. 


Universität  Heidelberg.  Januar  1913. 

Ellern  Heinrich:  Beitrag  zum  ätiologischen  Studium  des  Diabetes 
insipidus. 

Schönthaler  Friedrich:  Bericht  über  die  in  den  letzten  4  Jahren 
an  der  Heidelberger  Med.  Klinik  beobachteten  Hypertonien. 

Meyer  Friedrich  Hermann:  Zur  Kenntnis  der  Meningitis  serosa 
externa. 

Heckner  Fritz:  Beiträge  zur  Anatomie  des  Gefässverschlusses 
post  partum. 

Universität  Leipzig.  Januar  1913. 

F  r  o  n  z  i  g  Hans :  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Schmidt  sehen 
Kernprobe  zur  Pankreasfunktionsprüfung. 

Oppermann  Franz:  Beitrag  zur  Kenntnis  des  physiologischen 
Verhaltens  des  menschlichen  Blutzuckers. 

Ruppert  Bruno:  Ueber  Perforation  der  Harnblase  in  die  freie 
Bauchhöhle. 

Schultze  Walter:  Die  heutige  Bewertung  der  Blutuntersuchungen 
bei  der  Appendizitis  bezw.  freien  fortschreitenden  appendizitischeu 
Peritonitis. 

Thalacker  Kurt:  Klinische  Erscheinungen  und  Komplikationen 
des  akuten  Gelenkrheumatismus  nach  den  Krankengeschichten  der 
Leipziger  medizinischen  Klinik  aus  den  Jahren  1906 — 1908. 

U  h  1  i  g  Walther :  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Holzkur  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

Universität  Strassburg.  Januar  1913. 

Marlinger  Bernhard:  Zur  Frage  der  Hypertrophie. 

Löffelmann  Heinrich :  Ueber  Befunde  bei  Morbus  Hodgkin  mittels 
der  Antiforminmethode. 

Huber  Jakob:  Die  Erfahrungen  der  Strassburger  Frauenklinik  mit 
Geburten  im  sogen.  Dämmerschlaf. 

Perlmutter  Sarah:  Ueber  eine  kleine  Puerperalfieberepidemie 
der  Strassburger  Frauenklinik. 

Manevitsch  Mussa:  Ueber  die  Dauererfolge  der  operativen  Be¬ 
handlung  des  Angioma  arteriale  racemosum. 

Bennighaus  H.  A.  G.:  Zur  Bedeutung  der  endogenen  Infektion  in 
der  Gynäkologie. 

Philippi  Ferdinand:  Blennorrhoea  neonatorum. 

Weitere  bemerkenswerte  Universitätsschriften  von  1911/12. 

Berlin. 

Brutzer  Gustav:  Die  Verteuerung  der  Lebensmittel  in  Berlin  im 
Laufe  der  letzten  30  Jahre  und  ihre  Bedeutung  für  den  Berliner 
Arbeiterhaushalt. 

Heilig  Karl:  Zur  Kenntnis  der  Seitenorgane  von  Fischen  und 
Amphibien. 

Jacobsohn  Albert :  Die  Nesselzellen. 

Ihde  Kurt:  Ueber  angebliche  Zahnanlagen  bei  Vögeln. 

Lange  Edgar:  Die  Versorgung  der  grossstädtischen  Bevölkerung 
mit  frischen  Nahrungsmitteln  unter  besonderer  Berücksichtigung 
des  Marktwesens  der  Stadt  Berlin. 

Ou  Ching-Ko:  Synthese  von  Dipeptiden  der  *-amino-n-capronsäure 
und  der  di-a-amino-n-capronsäure. 

Protze  Johannes:  Ueber  den  Einfluss  des  Lösungsmittels  auf  die 
Reaktionsgeschwindigkeit. 

Sonnenberg  Georg:  Sozialpolitische  Ausgaben  im  Budget  des 
Reiches  dreier  Einzelstaaten  (Preussen,  Bayern,  Baden)  und 
dreier  grosser  Städte  (Berlin,  Breslau,  Köln). 

Stamm  Erich:  Ueber  Cholesterin. 

Villaret  Oscar:  Hippocratis  De  natura  hominis  liber  ad  codicum 
fidem  recensitus.  Accedunt  prolegomena  et  de  dialecto  huius 
libri  et  Adnotationes. 

Zach  Karl:  Aminoderivate  und  Anhydrite  der  Glukoside. 

Kraus  Friedrich:  Ueber  Tod  und  Sterben.  (Rede  zur  Gedächtnis¬ 
feier  Friedrich  Wilhelms  III.) 

Bonn. 

Hochgiirtel  Hans:  Die  Krankenhilfe  ausserhalb  des  Kassen¬ 
bezirks  (§§  219  bis  222  RVG.,  §  57  aKVG.). 

Breslau. 

Alberts  Max:  Der  Hausarztvertrag. 

Her  ding  Leo:  Die  Armengesetzgebung  im  Deutschen  Reich,  spe¬ 
ziell  in  Preussen. 

Aron  W. :  Goethes  Stellung  zum  Aberglauben. 

Pescheck  Ernst:  Studien  über  Einwirkung  einiger  nicht-eiweiss- 
artiger  Stickstoffverbindungen  auf  den  Stickstoff-Stoffwechsel  des 
Fleischfressers  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Ammon- 
azetats. 

Popp  Walther:  Studien  zur  Psychologie  des  Denkens.  I.  Kritische 
Bemerkungen  zur  Assoziationstheorie.  T.  1.  Kritische  Entwick¬ 
lung  des  Assoziationsproblems.  Mit  einer  Einleitung:  Die  Psycho¬ 
logie  des  Denkens. 

Regenstein  Hans:  Studien  über  die  Anpassung  von  Bakterien  an 
Desinfektionsmittel.  Ein  Beitrag  zu  den  Beziehungen  zwischen 
chemischer  Konstitution  und  physiologischer  Wirkung. 

Strufe  Karl:  Untersuchungen  über  das  Theophyllin. 


25.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


433 


Heinrichsdorff  Paul:  Die  anatomischen  Veränderungen  der 
Leber  in  der  Schwangerschaft.  (Hab.-Schr.) 

Prausnitz  Carl:  Heufiebergift  und  Heufieberserum.  (Hab.-Schr.) 

Erlangen. 

Aufhauser  Georg:  Die  Leichenverbrennung  und  das  in  Bayern 
geltende  öffentliche  staatliche  und  kirchliche  Recht. 

ßaeuchle  Alfred:  Untauglicher  Versuch  und  Wahnverbrechen. 

tlder  Friedrich:  Die  Jugendlichen  in  einem  Vorentwurf  zu  einem 
deutschen  Strafgesetzbuch. 

Fraenkel  Siegfried:  Die  Stellung  des  Hausarztes  im  Rechte  des 
Bürgerlichen  Gesetzbuches. 

Hegemann  Heinrich:  Der  Leichnam  im  Rechtssystem  unter  kurzer 
Berücksichtigung  der  geschichtlichen  Entwicklung  dieses  Rechts¬ 
gebiets. 

Kerst  Max:  Das  Aufsichtsrecht  des  Staates  nach  der  Reichsver¬ 
sicherungsordnung. 

Opfer  mann  Rudolf:  Beiträge  zur  Lehre  vom  Lebensversiche¬ 
rungsvertrag. 

Schilling  Albrecht:  Ueber  die  rechtliche  Natur  der  Vereinsgrün¬ 
dung,  des  Ein-  und  Austrittes  der  Mitglieder. 

Schmidt  Willy:  Die  Verjährung  im  öffentlichen  Rechte  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  bayerischen  Verhältnisse. 

Schneider  Hans:  Die  Genfer  Konvention  vom  6.  Juli  1906. 

Völckers  H.  H. :  Die  Haftpflicht  des  Automobilhalters. 

Dietz  Ludwig:  Statistik  des  Wärmebedarfes  in  neueren  Kranken¬ 
anstalten. 

Oeorgieff  Boris:  Beitrag  zur  Theorie  und  Kritik  der  Arbeiter¬ 
wohlfahrtseinrichtungen. 

Kriegbaum  Adolf:  Studien  am  Pharynx. 

Krug  Wilhelm:  Ueber  die  Stellung  der  Naturwissenschaft  zum  Leib- 
Seele-Problem. 

Engelhorn  Ernst:  Schilddrüse  und'  weibliche  Geschlechtsorgane. 

(Hab.-Schr.) 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  Br. 

Budge  Siegfried:  Das  Malthussche  Bevölkerungsgesetz  und  die 
theoretische  Nationalökonomie  der  letzten  Jahrzehnte. 

Morgenstern  Max:  Auslese  und  Anpassung  der  industriellen 
Arbeiterschaft,  betrachtet  bei  den  Öffenbacher  Lederwaren¬ 
arbeitern. 

Miilhaupt  Engelbert:  Der  Milchring.  Ein  Beitrag  zur  Kartell-  und 
Milchpreisfrage. 

Platz  Wilhelm:  Die  reichsgesetzliche  Mutterschaftsversicherung. 

Wiest  Heinrich:  Die  Fleischsteuer  im  Grossherzogtum  Baden. 

Qautier  Friedrich:  Interdiurne  Wärmeänderungen  an  den  badi¬ 
schen  meteorologischen  Stationen  Karlsruhe,  Villingen,  Höchen¬ 
schwand. 

Trendelenburg  Paul:  Physiologische  und  pharmakologische 
Untersuchungen  an  der  isolierten  Bronchialmuskulatur.  (Hab.- 
Schr.) 

Giessen. 

Walther  Adolf  Richard:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Vererbung  der 
Pferdefarben. 

Stepp  Wilhelm:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Bedeu¬ 
tung  der  Lipoide  für  die  Ernährung.  (Hab.-Schr.) 

Koffka  Kurt:  Ueber  Vorstellungen. 

Göttingen. 

H e  u  ii  Walther:  Impfzwang  und  Impfgegnerschait.  Nach  dem  gel¬ 
tenden  Strafrecht  und  preussischen  Verwaltungsrecht. 

v.  Caron  Hans:  Untersuchungen  über  die  Physiologie  denitrifizieren- 
der  Bakterien. 

Dreher  Edgar:  Methodische  Untersuchung  der  Farbentonänderung 
homogener  Lichter  bei  zunehmend  indirektem  Sehen  und  veränder¬ 
ter  Intensität. 

Fred  E.  Br:  Ueber  die  Beschleunigung  der  Lebenstätigkeit  höherer 
und  niederer  Pflanzen  durch  kleine  Giftmengen. 

Hodgson  B. :  Selbstevakuation  in  Geissleröhren. 

Mulert  Otto:  Ueber  die  Thermochemie  der  Kieselsäure  und  der 
Silikate. 

Kaufmann  Eduard:  Probleme  der  Schilddrüsenpathologie.  (Kaiser¬ 
geburtstagrede.) 

Greifswald. 

Baumbach  Philipp:  Geisteskrankheit  als  Ehescheidungsgrund. 

Brandts  A.:  Die  Haftpflicht  nach  dem  Gesetz  über  den  Verkehr 
mit  Kraftfahrzeugen. 

Faust  Bernhardus:  De  machinamentis  ab  antiquis  medicis  ad  re- 
positionem  articulorum  luxatorum  adhibitis.  Commentarius  in 
Oribasi  librum  XLIX. 

Friedenberger  Afdred:  Die  Schwermut  in  Le’naus  Leben. 

Langerstein  Julius:  Die  Entvölkerung  des  platten  Landes  in 
Pommern  von  1890  bis  1905  und  ihre  Ursachen. 

Schl  unke  Otto:  Die  Lehre  vom  Bewusstsein  bei  Heinrich 

R  i  c  k  e  r  t. 

Schuhmann  H. :  Wundts  Lehre  vom  Willen. 

Halle. 

Baxmann  Alfred:  Absorption  und  Geschwindigkeitsverlust  der 
^-Strahlen  des  Radiums. 


E  v  e  r  1  i  n  g  Emil :  Geschwindigkeit  von  Elektronen,  die  durch  weiche 
Röntgenstrahlen  erzeugt  werden. 

Griepentrog  Ewald:  Untersuchung  über  den  Einfluss  von 
Lebensstellung  und  Beruf  auf  die  Todesursache. 

Lindrum  Willi:  Die  Beziehungen  zwischen  Oberflächen-  und 
Tiefenwirkung  harter  Röntgenstrahlen  ohne  und  mit  Benutzung 
von  Filtern. 

Thienemann  Martin:  Untersuchungen  über  die  Kriminalität  in 
der  Provinz  Ostpreussen. 

Jantzen  Hans:  Farbenwahl  und  Farbengebung  in  der  holländischen 
Malerei  des  17.  Jahrhunderts.  (Hab.-Schr.) 

Heidelberg. 

Busse  Arthur:  Die  gewerbs-  und  gewohnheitsmässigen  Verbrecher 
und  ihre  Behandlung.  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  sichernden  Mass¬ 
nahmen. 

Capelle  Franz:  Der  Verkauf  der  Praxis. 

David  Ludwig:  Die  Ehescheidung  bei  Geisteskrankheit. 

Johnsen  Karl :  Die  Leiche  im  Privatrecht.  Zugleich  ein  Beitrag  zur 
Lehre  vom  Recht  am  eigenen  Körper. 

Mannheimer  Fritz:  Die  Einwilligung  in  eine  Körperverletzung. 

Müller  Franz  Arthur:  Die  sog.  widernatürliche  Unzucht. 

Neuberger  Eugen:  Die  strafrechtliche  Haftung  des  verantwort¬ 
lichen  Redakteurs  nach  §  20  Abs.  2  des  Reichspressgesetzes. 

Petters  Walter:  Der  Mädchenhandel  und  seine  Bekämpfung  nach 
geltendem  und  künftigem  Reichsstrafrecht. 

Sauer  Alfred:  Frauenkriminalität  im  Amtsbezirk  Mannheim. 

Schräder  Hans  W. :  Manuskript  und  Druckschrift  und  ihre  Stel¬ 
lung  im  literarischen  Urheberrecht. 

Schuchart  Erich:  Die  Strafsatzungen  des  deutschen  Nahrungs¬ 
mittelrechtes. 

Tomforde  Hans:  Das  postalische  Zeitungsabonnement  in  seiner 
rechtlichen  Bedeutung. 

Auer  Wilhelm:  Die  Wohlfahrtseinrichtungen  der  Kgl.  wiirttem- 
bergischen  Verkehrsanstalten  unter  Einbeziehung  der  Pension. 

Schmitt  Fritz:  Die  Bevölkerungsbewegung  der  badischen  Amts¬ 
bezirke  Adelsheim  und  Buchen  in  den  Jahren  1895 — 1905  und  ihre 
Ursachen. 

Steuer  Philipp:  Kosten  und  Preisstellung  der  kommunalen  Wasser¬ 
versorgung. 

Fellner  Maria:  Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen. 

Gross  Walter:  Experimentelle  Untersuchungen  über  den  Zusammen¬ 
hang  zwischen  histologischen  Veränderungen  und  Funktionsstö¬ 
rungen  der  Nieren.  (Hab.-Schr.) 

Jena. 

Barthel  Waldemar :  Die  Psychologie  in  der  Religionsphilisophie. 

S  c  h  e  r  t  e  1  Ernst :  S  c  h  e  1 1  i  n  g  s  Metaphysik  der  Persönlichkeit. 

Mense  Rudolf:  Moral  und  menschliche  Grösse. 

Metzner  Max:  Die  soziale  Fürsorge  im  Bergbau  unter  besonderer 
Berücksichtigung  Preussens,  Sachsens,  Bayerns  und  Oetserreichs. 

Tremöhlen  Ernst:  Wohnungsfrage  für  Industriearbeiter  in  der 
Provinz  Westfalen  unter  besonderer  Berücksichtigung  des  Klein¬ 
wohnungsbaues. 

Hegner  Karl  August:  Zur  Verteilung  der  überwindbaren  Höhen¬ 
fehler  im  Blickfelde.  (Hab.-Schr.) 

Schaxel  Julius:  Versuch  einer  zytologischen  Analysis  der  Ent¬ 
wicklungsvorgänge.  T.  i.  die  Geschlechtszellenbildung  und  die 
normale  Entwicklung  von  Aricia  foetida  Clap.  (Hab.-Schr.) 

Kiel. 

Birk  Walter:  Untersuchungen  über  den  Stoffwechsel  des  neuge¬ 
borenen  Kindes.  (Hab.-Schr.) 

Bitter  Ludwig:  Ueber  das  Absterben  von  Bakterien  auf  den  wich¬ 
tigeren  Metallen  und  Baumaterialien.  (Hab.-Schr.) 

Schlecht  Heinrich :  Ueber  experimentelle  Eosinophilie  nach  par¬ 
enteraler  Zufuhr  artfremden  Eiweisses  und  über  die  Beziehungen 
der  Eosinophilie  zur  Anaphylaxie.  (Hab.-Schr.) 

Zoeppritz  Heinrich:  Der  Nachweis  von  okkultem  Blut  im  Stuhl 
und  Mageninhalt  und  seine  Beziehungen  zur  Diagnose  chirur¬ 
gischer  Magenkrankheiten,  insbesondere  zur  Frühdiagnose  des 
Magenkarzinoms.  (Hab.-Schr.) 

Königsberg. 

Abernetty  Gualterus:  De  Plutarchi  qui  fertur  de  superstitione 
libello. 

Grossgerge  Gualtharius:  De  Senecae  et  Theophrasti  libris  de 
matrimonio. 

Küster  Bruno:  De  tribus  carminibus  papyri  Parisinae  magicae. 

Leipzig. 

Echte  Karl:  Die  Fürsorgeerziehung  nach  sächsischem  Rechte  und 
ihre  Einwirkung  auf  die  elterliche  Gewalt. 

Hahnemann  Arno:  Die  Fürsorgeerziehung  nach  dem  sächsischen 
Gesetze  vom  1.  Februar  1909  unter  Ber.  der  Novelle  vom  1.  Juni 
1912. 

Hartwig  Alfredo:  Die  Körperverletzung  eines  Einwilligenden  nach 
dem  Reichsstrafgesetzbuch.  Fritz  Loeb. 


434 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Februar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Casper  einen  Patien¬ 
ten,  dem  er  vor  längerer  Zeit  wegen  Tuberkulose  eine  Niere  exstir- 
piert  hatte.  Die  Blasentuberkulose  heilte  erst  aus,  nachdem  er  den 
Ureter  der  anderen  Niere  lumbal  eingenäht  hatte.  Eine  Infektion  der 
anderen  Niere  trat  nicht  ein. 


Tagesordnung: 

Herr  E.  A  r  o  n:  Zur  Aetiologie  der  Gefässerkrankungen  beim  Dia¬ 
betes.  (Kurzer  Vortrag.) 

Atheromatose  ist  beim  Diabetes  häufig.  Die  Ursache  ist  un¬ 
bekannt,  es  wird  die  Erkrankung  der  Leber,  ferner  Syphilis  ange¬ 
schuldigt.  Eine  grosse  Rolle  spielt  die  chronische  Ueberlastung  des 
Blutgefässsystems,  besonders  bei  Biertrinkern  etc.,  ebenso  durch 
grosse  Mengen  fester  Nahrung.  Beide  Faktoren  tragen  beim  Diabetes 
zur  Erkrankung  des  Gefässsystems  bei.  Der  Blutdruck  ist  bei  Dia¬ 
betes  oft  erhöht;  dies  muss  zur  Hypertrophie  des  linken  Ventrikels 
führen,  die  sich  in  etwa  13  Proz.  bei  der  Sektion  vorfindet.  Doch 
wurde  der  Befund  meist  auf  daneben  bestehende  Nierenaffektionen 
bezogen. 

Diskussion:  Herr  Muskat  demonstriert  ein  Röntgenbild 
eines  Diabetikers  mit  arteriosklerotischen  Veränderungen  am  Fusse. 

Herr  Felix  Hirschfeld:  Grosse  Mengen  von  5 — 10  Litern 
Getränk  werden  nur  von  schwersten  Fällen,  besonders  im  Kindesalter, 
zugeführt.  Auch  bei  Gicht  tritt  Arteriosklerose  auf,  ohne  dass  viel 
Flüssigkeit  einverleibt  wurde.  Bei  leichten  und  mittleren  Fällen  von 
Diabetes  ist  der  Blutdruck  meist  eher  erniedrigt. 

Herr  J.  Israel:  Viele  Fälle  der  diabetischen  Gangrän  beruhen 
auf  Arteriosklerose  und  für  diese  Fälle  trifft  die  Erklärung  des  -Vor¬ 
tragenden  nicht  zu. 

Herr  Aron:  Schlusswort. 


Herr  Orth:  Ueber  die  Bedeutung  der  Rinderbazillen  für  den 
Menschen. 

Ueber  wichtige  Fragen  der  Pathologie  herrschen  noch  Unklar¬ 
heiten:  über  den  Heilwert  oder  Nichtheilwert  des  Tuberkulins,  und 
über  die  Bedeutung  der  Rindertuberkelbazillen  für  den  Menschen, 
die  Kirchner  (in  der  „Woche“)  und  Klemperer  (in  der  Berl. 
med.  Gesellsch.)  für  fast  belanglos  erklärt  haben. 

Zur  Klärung  der  Frage  versagt  die  Morphologie.  Jedoch  erlaubt 
die  experimentelle  Bakteriologie,  den  Typus  humanus  und  bovinus  zu 
trennen  durch  Beobachtung  der  Wuchsformen  auf  verschiedenen 
Nährböden,  durch  den  Tierversuch  am  Kaninchen,  das  nur  durch 
bovine  Bakterien  schwer  erkrankt. 

Zwischen  Tuberkulose  der  Kinder  und  der  Erwachsenen  be¬ 
stehen  tiefgreifende  Unterschiede.  Nach  D  e  1  e  p  i  n  e  spielt  die  Lun¬ 
gentuberkulose  im  Kindesalter  eine  geringe  Rolle,  umgekehrt  bilden 
im  erwachsenen  Alter  wieder  die  nichtphthisischen  Veränderungen, 
die  das  Kindesalter  beherrschen,  eine  kleine  Ziffer  der  englischen 
Millionenstatistik. 

Nach  Vortr.  werden  etwa  10  Proz.  aller  Kindertuberkulosen  durch 
den  Typus  bovinus  bedingt,  in  New  York  hat  man  gleiche  Zahlen  er¬ 
halten.  Kossel  kommt  zu  folgenden  Zahlen: 


Zahl 

der  Fälle: 

Typus 

Knochentuberkulose 

69 

4,3 

Meningitis  tuberc. 

28 

10,7 

Generalisierte  Tuberkulose 

134 

23,8 

Tuberkulose  der  Halsdrüsen 

106 

40,0 

Abdominaltuberkulose 

47 

49,0 

Fraser  in  Edinburgh  hat  in  67  Fällen  von  Knochen-  und  Ge¬ 
lenktuberkulose  42  mal  den  Typus  bovinus;  in  den  ersten  5  Lebens¬ 
jahren  von  47  Fällen  32  mal  den  Typus  bovinus,  im  ersten  Jahr  unter 
4  Fällen  4  mal  den  Typus  bovinus,  im  zweiten  Jahr  unter  12  Fällen 
9  mal  den  Typus  bovinus. 

War  in  der  Familie  der  \  fand  er 

Kinder  Tuberkulose  f  den  Typus  humanus  den  Typus  bovinus 

in  71  Proz.  in  29  Proz. 


War  keine  Tuberkulose  \  so  fand  er 

in  der  Familie  /  den  Typus  humanus 

in  17  Proz. 


den  Typus  bovinus 
in  83  Proz. 


Ebenso  fand  sich  bei  Brustkindern  der  Typus  bovinus  nur  in  7 
von  26  Tuberkulosefällen,  gegenüber  35  von  41  mit  Kuhmilch  er¬ 
nährten.  Aehnlich  sind  die  Befunde  im  Babies  Hospital  in  New  York. 

Neufeld  hat  über  131  Kinder,  die  Milch  von  kranken  Kühen 
genossen,  berichtet,  bei  keinem  konnte  Perlsucht  als  Krankheits¬ 
erreger  nachgewiesen  werden,  aber  in  8,3  Proz.  hatten  die  Kinder 
immerhin  fragliche  Erscheinungen  aufgewiesen,  die  event.  auf  Rin¬ 
derbazillen  zu  beziehen  sind. 

Dass  nicht  alle  Kinder,  die  Milch  von  tuberkulösen  Rindern  trin¬ 
ken,  erkranken,  liegt  am  Fehlen  der  Disposition.  Darum  ist  auch  der 
Selbstversuch  von  Klemperer  nicht  beweisend. 

Die  Rindertuberkelbazillen  sind  daher  für  den  Menschen  nicht 
indifferent.  Vortr.  führt  die  Verhandlungen  des  Reichsgesundheits¬ 


amts,  den  Internationalen  Tuberkulosekongress  in  Rom  u.  a.  an,  die 
zu  gleichen  oder  ähnlichen  Resultaten  gelangt  sind. 

Mit  der  Feststellung  der  Typen  ist  die  Frage  nach  der  Rolle  der 
Rindertuberkelbazillen  nicht  erschöpft;  es  gibt  sicher  Uebergangs- 
formen  (Mutationen),  in  denen  sich  die  Typenfeststellung  nicht  er¬ 
möglichen  lässt.  Zweifelsohne  besteht  allerdings  oft  eine  Konstanz 
der  Typen,  und  Mischinfektionen  mit  2  reinen  Formen  werden  oft 
festgestellt.  Demgegenüber  stehen  aber  die  atypischen  Formen.  Be¬ 
weisend  für  die  Mutationen  sind  die  Versuche  von  Eber,  der  bei 
17  Kindern  6  mal  Typus  bovinus,  bei  14  Erwachsenen  1  mal  Typus 
bovinus  fand;  3  mal  bei  den  Kindern  und  4  mal  bei  den  Erwachsenen 
jedoch  Bazillen,  welche  erst  nach  mehreren  Passagen  die  Eigen¬ 
schaften  von  Rindertuberkelbazillen  annehmen. 

Die  erworbene  Immunität  verhinderte  nicht  endogene  oder  exo¬ 
gene  Reinfektionen,  nicht  nur  bei  massigen  Infektionen.  Bei  Meer¬ 
schweinchen  bewirkt  eine  mitigierte  Verimpfung  bei  Reinfektion  das' 
Zustandekommen  einer  Phthise,  die  sonst  bei  Meerschweinchen  nicht 
beobachtet  wird.  Aehnlich  ist  es,  wenn  man  ein  Kaninchen  mit 
humaner  Tuberkulose  verimpft  und  mit  Rindertuberkulose  nachimpft. 
Es  ist  so  die  Möglichkeit  gegeben,  dass  auch  beim  Menschen  die  Lun¬ 
gentuberkulose  auf  dem  Boden  einer  Rindertuberkulose  erwächst. 
Im  Gegensatz  zu  Behring-Römer  ist  er  aber  der  Ansicht,  dass 
es  sich  hier  um  exogene  Reinfektion  handeln  kann  (Anführung  eines 
beweisenden  Falles).  Doch  hat  nicht  jede  Lungentuberkulose  diese 
Genese.  Dass  gerade  die  Lunge  erkrankt,  erklärt  Vortr.  durch  die 
logisch  zu  fordernde  örtliche  Disposition. 

Der  Kampf  gegen  die  Bazillen  des  Typus  bovinus  ist  daher  eben¬ 
so  wie  der  gegen  den  Typus  humanus  aufzunehmen. 

Wolff-Eisner. 

Berichtigung. 

Zu  dem  in  No.  3  (S.  163)  dieser  Wochenschrift  erschienenen  Be¬ 
richt  über  den  in  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  (Sitzung 
vom  15.  I.  13)  gehaltenen  Vortrag  über  „Hornhautanästhesie 
durch  China-Alkaloide“  möchten  wir  ergänzend  und  be¬ 
richtigend  noch  folgendes  hinzufügen. 

Die  untersuchten,  hervorragend  anästhetisch  wirkenden  Verbin¬ 
dungen  sind  Derivate  des  Hydrochinins,  und  zwar  dessen  höhere 
Homologen  (Isopropyl  hydro  cuprein,  Isobutylhydro- 
cuprein  und  Isoamylhy  drocuprein). 

Die  erwähnte  mehrtägige  Anästhesie  der  Cornea  wird  durch  rela¬ 
tiv  höhere  Konzentrationen  hervorgerufen,  während  geringere  Kon¬ 
zentrationen  (0,08  proz.  bis  0,125  proz.  Lösungen  der  Chlorhydrate: 
der  Alkoloide  in  Wasser)  regelmässig  eine  nur  30 — 90  Minuten 
währende  vollständige  Anästhesie  der  Cornea  erzeugen.  Die  Ver¬ 
bindungen  erweisen  sich  in  dieser  Versuchsanord¬ 
nung  20 — 25  m  a  1  wirksamer  als  das  Kokain.  Am  stärk¬ 
sten  wirkt  das  Isoamylhydrocuprein,  dessen  Lösung 
auch  bei  den  in  der  Diskussion  erwähnten  Versuchen  Dr.  U  n  k  e  r  ,i 
zur  Infiltrationsanästhesie  benutzt  wurde. 

Die  in  dem  Bericht  abgebildete  Konstitutionsformel  gibt  natür¬ 
lich  nur  den  Teil  des  kompliziert  gebauten  Moleküls  wieder,  der  dem 
Chinolinanteil  des  Hydrochinin  entspricht.  Indem  die  Metii- 
oxygruppe  des  Hydrochinin  durch  die  höheren  Alkoxygruppen  er¬ 
setzt  wird,  gelangt  man  zu  den  von  uns  geprüften  und  besonders 
wirksam  befundenen  höheren  Homologen. 

J.  Morgenroth  und  S.  Ginsberg. 

- : — 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Februar  1913. 

Herr  B  a  g  i  n  s  k  y  widmet  dem  scheidenden  Prof.  Heubne 
einige  Abschiedsworte. 

Herr  Kraus  weist  auf  die  nahe  Beziehung  der  inneren  Medi 
zin  zur  Kinderheilkunde  hin  und  dankt  Herrn  Heubner  dafür,  das: 
er  die  Verbindung  mit  dem  Verein  für  innere  Medizin  hergestellt  hat 
Er  rühmt  die  klare  Sachlichkeit  des  Scheidenden,  der  in  der  Fakultii 
nicht  der  Führer  der  Fraktion  Heubner  war,  sondern  oft  die  ganz- 
Fakultät  geführt  hat. 

Herr  Heubner  dankt  für  die  ihm  übertragene  Ehrenmitglied 
Schaft  des  Vereins  für  innere  Medizin. 

Herr  Bagin  sky  hält  einen  Nachruf  auf  seinen  Schüler  Na 
t  h  a  n,  ferner  auf  den  Pädiater  von  Neapel  Francesco  F  e  d  e,  der  sic! 
in  Italien  um  die  Entwicklung  der  Medizin  grosse  Verdienste  erworben 
hat  und  als  Vater  der  italienischen  Pädiatrie  zu  gelten  hat.  Er  wa 
ein  intimer  Freund  Baccellis. 

Tagesordnung: 

Herr  Biesalski:  Die  spastischen  Lähmungen  der  Kinder  uw 
ihre  Behandlung. 

Vortr.  beschränkt  sein  Gebiet  auf  die  Hemiplegien  und  Para: 
plegien  (Diplegien). 

Der  Sitz  der  spastischen  Lähmungen  liegt  im  Gehirn;  sie  gehe 
meist  von  den  Gefässen  aus  (Embolien  und  Hämorrhagien).  Aetio 
logisch  spielen  angeborene  Veränderungen.  Vorgänge  intra  partim 
und  Infektionskrankheiten  eine  Rolle. 


5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


435 


Die  spastischen  Krankheitsbilder  setzen  sich  meist  aus  3  Faktoren 

usammen : 

1.  die  Lähmung, 

2.  die  Spasmen, 

3.  die  unwillkürlichen  Bewegungen  (Athetosen,  ataktische  Be¬ 
wegungen). 

Die  Athetose  ist  operativ  nicht  zu  beseitigen  (höchstens  durch 
enotomien  in  Fällen,  wo  die  Athetose  nur  bei  intendierten  Be- 
egungen  eintritt),  die  ataktischen  Bewegungen  sind  durch  Uebungs- 
lerapie  zu  beeinflussen. 

Nach  Förster  kommen  die  Erscheinungen  dadurch  zustande, 
ass  die  Hemmungsfasern  in  den  Pyramidenbahnen  besonders  stark 
Iteriert  sind.  Die  peripheren  Reize  werden  dann  ebenfalls  nicht  ge- 
ämpft  und  hierdurch  wird  die  Tätigkeit  der  Vorderhörner  des 
iickenmarks  stark  gesteigert. 

Die  Behandlung  der  spastischen  Lähmungen  im  Kindesalter  steht 
nd  fällt  mit  der  Uebungstherapie.  Alle  operativen  Eingriffe  können 
ur  die  Vorbedingungen  bessern. 

Fast  stets  befallen  die  Kontraktionen  die  Beuge  (phylogene- 
sches  Moment,  Wirkung  der  Bettdecke).  Spastische  Luxationen 
vVeber)  treten  oft  infolge  der  dauernden  Wirkung  der  Muskel- 
ontraktionen  ein  (Luxation  des  Femurkopfes,  der  Patella,  des 

adius). 

Die  einfachste  Beseitigung  der  Kontraktur  ist  das  Redressement, 
vent.  in  Verbindung  mit  Tenotomie.  Die  Kinder  werden  überkorri- 
iert  eingegipst.  Der  Verband  darf  nur  kurze  Zeit  liegen;  Sehnen- 
erpflanzungen  können  im  allgemeinen  nur  selten  angewandt  werden, 
esonders  am  Fuss. 

Das  Resultat  wird  durch  Schienenhülsenapparate  festgehalten, 
chwachsinn  ist  keine  Kontraindikation.  Die  Möglichkeit  der  freien 
ortbewegung  ruft  oft  die  Intelligenz  hervor. 

Die  Beseitigung'  des  nervösen  Faktors  geschieht  durch  Ex- 
tirpation  erkrankter  Hirnrindenteile.  Förster  unterbricht  den 
eflexbogen,  indem  er  intradural  die  hintere  Wurzel  durchschneidet, 
'er  Eingriff  bedingt  stets  schwere  Komplikationen,  schafft  jedoch  in 
:h\veren  Fällen,  die  hier  allein  in  Betracht  kommen,  Besserungs- 
löglichkeiten. 

Stoffel  operiert  auch  im  Reflexbogen,  aber  im  motorischen 
nteil,  indem  die  Nerven  bis  in  den  Muskel  präpariert  und  z.  T. 
urchschnitten  werden.  Durch  Einengung  der  Leitungsbahn  werden 
le  Impulse  vermindert  und  der  augenblickliche  Erfolg  ist  ein 
hänomenaler,  muss  jedoch  durch  sofort  einsetzende  Uebung  fest- 
Hialten  werden.  S  p  i  t  z  y  versuchte  durch  Nerventransplantationen 
men  Teil  der  überschüssigen  Impulse  auf  Antagonisten  zu  ver- 
rlanzen,  wobei  die  neu  studierten  Verhältnisse  der  topographischen 
erteilung  der  Nervenstränge  berücksichtigt  werden  müssen. 

Die  Uebungen  an  spastischen  Muskeln  sollten  jeden  Tag  zirka 
echs  Stunden  durchgeführt  werden,  ohne  Unterbrechung  am 
onntag.  Für  Qehiibungen  ist  am  zweckmässigsten  der  preussische 
arademarsch. 

Die  operativen  Eingriffe  ergänzen  sich  und  können  nacheinander 
nwendung  finden. 

Unbekannt  ist  bisher,  ob  bei  spastischen  Lähmungen  Selbst¬ 
eilungen  zustande  kommen. 

Diskussion:  Herr  Rothmann  verweist  auf  die  Befunde, 
ach  denen  man  am  Tier  Hirnzentren  oder  Pyramidenbahnen  weg- 
ehmen  kann,  ohne  dass  Spasmen  auftreten,  wenn  die  Tiere  sich 
ewegen.  Dass  beim  Menschen  so  leicht  Spasmen  Vorkommen,  liegt 
i  der  Vernachlässigung  vieler  Muskelgruppen  infolge  des  aufrechten 
anges.  Die  bevorzugten  Muskeln  restituieren  sich  früher  und  gehen 
ann  in  Kontraktur.  Durch  baldige  Uebung  der  Antagonisten  kann 
ian  die  Selbstheilung  der  Spasmen  sehr  befördern,  besonders  durch 
chuttelbewcgungen.  Bei  der  Förster  sehen  Operation  werden 
ie  Impulse  auch  für  die  Antagonisten  geschädigt.  Die  S  t  o  f  f  e  1  sehe 
peration  ist  daher  die  physiologisch  bessere. 

Herr  B  i  e  s  a  1  s  k  i  (Schlusswort) :  Die  Förster  sehe  Operation 
at  an  der  oberen  Extremität  nie  zu  einem  Erfolg  geführt,  hier  kommt 
IJr  Stoffel  sehe  Operation  in  Betracht.  Wolff-Eisner 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

IX.  Sitzung  vom  30.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Schmaltz. 

Tagesordnung. 

Herr  Prof.  Dr.  Brandes  (als  Gast) :  Aus  der  Lebensgeschichte 

lenschlicher  Parasiten. 

Der  am  weitesten  verbreitete  menschliche  Eingeweidewurm  ist 
Wuris  vermicularis.  Er  ist  nicht  so  harmlos,  wie  man  meistens 
jemt,  da  ei  durch  seine  nächtlichen  Wanderungen  in  die  Vulva 
einer  Mädchen  zu  frühen  Onanien  und  damit  zu  schweren  nervösen 
torungen  Veranlassung  gibt.  Die  gewöhnlichen  ärztlichen  Ver- 
runungen  (Klistiere  und  Wurmmittel)  bleiben  meist  wirkungslos, 
eil  die  kleinen  Springschwänze  in  ihren  Schlupfwinkeln  den  Mitteln 
lelfach  Irotz  bieten,  besonders  aber  weil  der  Patient  sich  während 
er  'yir  fortwährend  von  neuem  infiziert.  Die  Aufgabe  des  be- 
anaelnden  Arztes  muss  also  in  erster  Linie  die  Ausschaltung  der 
euinfektion  sein,  in  zweiter  Linie  kann  damit  auch  eine  direkte 


Behandlung  Hand  in  Hand  gehen,  die  zur  Beschleunigung  der  Be¬ 
freiung  von  den  Peinigern  dienen  mag,  jedenfalls  haben  die  Würmer 
nri  Darm  eine  beschränkte  Lebensdauer  und  aus  ihren  Eiern  können 
sich  nicht  an  Ort  und  Stelle  neue  Würmer  entwickeln.  Es  ergibt 
sich  also  die  Notwendigkeit,  zu  verhindern,  dass  der  Patient  Eier 
des  Wuimes  in  den  Mund  bringt.  Die  Eier  enthalten  bereits  im 
Muttertier  beim  Verlassen  des  menschlichen  Körpers  den  voll  ent¬ 
wickelten  Embryo,  und  da  das  Hervorkriechen  der  Würmer  ein 
lebhaftes  Jucken  am  After  verursacht,  kratzt  sich  der  Schlafende, 
zerdrückt  auf  diese  Weise  die  Würmer  und  bekommt  Eier  unter  die 
Nagel  oder  an  die  Finger.  Unter  solchen  Umständen  ist  leicht  eine 
Neuinfektion  möglich.  Der  Patient  muss  sich  daher  nicht  nur  grösster 
Sauberkeit  befleissigen,  sondern  vor  allem  nachts  eine  Art  Badehose 
aus  dichtem  Stoff  tragen,  die  ihm  die  Berührung  des  Afters  unmöglich 
macht. 

Ausserdem  behandelt  Vortr.  den  Grubenwurm  (Dochmius  duo- 
denalis),  den  Spulwurm  (Ascaris  lumbricoides),  die  Fadenwürmer 
(Filaria  immitis,  Bankrofti,  medinensis,  loa)  und  berücksichtigt 
dabei  besonders  die  Verschiedenartigkeit  der  Entwicklung  und  der 
Infektionsmöglichkeiten,  die  bei  der  letzten  Gruppe  bald  durch 
Trinken  von  unreinem  Wasser,  bald  durch  Stiche  blutsaugender 
Insekten  geboten  werden  können.  Von  den  Trematoden  werden 
besonders  die  neueren  Untersuchungen  über  Bilharzia  haematobia 
und  von  den  Cestoden  die  über  den  Zwergbandwurm,  Taenia  nana, 
besprochen. 

Diskussion:  Herr  Crede:  Vor  2  Jahren  hat  Schümann 
in  der  Gesellschaft  über  die  Häufigkeit  von  Fremdkörpern  im  Wurm¬ 
fortsatz  berichtet.  Auf  Grund  der  an  sehr  umfangreichem  Material 
angestellten  Untersuchungen  —  sie  betrafen  grossenteils  Kranke  der 
Crede  sehen  Abteilung  —  ergab  sich  damals,  dass  in  etwa  1  Proz. 
der  Fälle  Fremdkörper  nachzuweisen  waren.  Seit  Beginn  dieses 
Jahres  hat  nun  Crede  alle  operativ  entfernten  Wurmfortsätze  — 
bis  jetzt  168  —  mit  besonderer  Sorgfalt  untersuchen  lassen;  dabei 
stellte  sich  heraus,  dass  in  10  Proz.  der  Fälle  der  Oxyuris  vermi¬ 
cularis  vorhanden  war.  ln  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  zeigten 
sich  an  der  Stelle,  wo  die  Oxyurennester  sich  befanden,  bereits 
deutliche  Erosionen.  Diese  können  sich  leicht  zu  Geschwüren  ent¬ 
wickeln  und  im  weiteren  Verlaufe  zu  Gangrän  und  Perforation  des 
Wurmfortsatzes  führen. 

Herr  Kyaw  bemerkt,  dass  er  sich  früher  mit  Untersuchungen 
über  die  Parasiten  des  Tick-fever  beschäftigt  habe;  dabei  habe  er 
mehrfach  beobachtet,  dass  die  Parasiten  zu  Zeiten  ganz  aus  dem 
Blut  verschwanden  und  später  von  neuem  darin  auftraten.  Er 
fragt  den  Vortragenden,  wie  diese  Erscheinung  zu  erklären  sei. 

Herr  Brandes:  Beim  Tick-fever  oder  Texasfieber  handelt  es 
sich  um  eine  Pirosomenart.  Wie  es  bei  diesen  Parasiten  mit  der 
Verteilung  im  Blute  steht,  ist  nicht  bekannt.  Bei  der  Filarienkrank¬ 
heit  sind  die  Parasiten  in  den  Gefässen  der  Hautpartien  nicht  jeder¬ 
zeit  nachzuweisen,  sondern  nur  in  der  Zeit  von  etwa  6  Uhr  abends 
bis  6  Uhr  morgens.  Das  hängt  jedenfalls  mit  einer  gewissen  Er¬ 
schlaffung  der  Kapillaren  in  der  Haut  zusammen. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1636.  ordentliche  Sitzung  vom  20.  Januar  1913  im 
Sitzungssaal,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Demonstrationen: 

Herr  Fischer:  Pathologisch-anatomische  Präparate. 

Diskussion  zu  dem  Vortrag  des  Herrn  Boehncke:  Be¬ 
obachtungen  bei  der  Chemo-Serotheraoie  der  Pneumokokkeninfek- 
tion.  Vergl.  diese  Nummer  S.  398. 

Herr  Weisbecker  erwähnt  unter  Bezugnahme  auf  seine 
früheren  Arbeiten  über  Rekonvaleszentenserum  bei  Pneumonie  und 
anderen  akuten  Infektionskrankheiten,  dass  er  für  die  Pneumonie  den 
experimentellen  Beiweis  erbracht  habe,  dass  das  menschliche 
Pneumonierekonvaleszentenserum  äusserst  wirksam 
sei;  es  seien  diese  Versuche  vor  10  Jahren  hier  am  Seruminstitut 
ausgeführt  worden,  und  es  habe  sich  gezeigt,  dass  ein  von  W.  dar¬ 
gestelltes  Pneumonierekonvaleszentenserum  schon  in  Dosen  von  0,01 
—  in  einem  Falle  sogar  0,004  —  Tiere  gegen  die  tödliche  Pneumo¬ 
kokkeninfektion  zu  schützen  vermochte.  Die  Versuche  mit  Rekon¬ 
valeszentenserum  hätten  bessere  Resultate  ergeben,  als  gleichzeitig 
angestellte  Parallelversuche  mit  Pneumokokkenserum,  das  von 
Tieren  gewonnen  war.  Es  hätte  also  das  Rekonvalezentenserum  das¬ 
selbe  geleistet,  wie  die  von  Herrn  Boehnke  angewandten  beiden 
Mittel  —  Tierpnenmokokkenserum  zusammen  mit  Chemikale  — ,  das 
spräche  für  die  Ueberlegenheit  des  Rekonvaleszentenserums.  W. 
glaubt,  dass  durch  das  Rekonvalezentenserum  sofort  die  Krankheits¬ 
erreger  abgetötet  würden,  so  dass  wir  es  mit  einer  Therapia 
sterilisans  im  Sinne  Ehrlichs  zu  tun  hätten.  W.  hat  darauf  be¬ 
reits  in  einer  Arbeit,  die  im  Jahre  1903  erschien,  aufmerksam  gemacht. 
W.  hat  seine  Versuche  mit  Rekonvaleszentenserum  auch  bei  anderen 
Krankheiten  (Masern,  Scharlach,  Typhus,  Diphtherie)  angestellt  und 
auch  da  gute  Erfolge  erzielt.  Die  Versuche  seien  auch  von  anderer 
Seite  mit  Erfolg  ausgefiihrt  worden,  neuerdings  auch  im  hiesigen 


No.  8. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Stadtkrankenliaus  hei  Scharlach  von  R  e  i  s  s.  W.  glaubt,  dass  nach 
diesen  experimentellen  Untersuchungen  und  den  bereits  vorliegenden 
klinischen  Beobachtungen  dem  Rekonvaleszentenserum  eine  bedeut¬ 
same  Heilkraft  innewohnt  und  gibt  der  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die 
Versuche  mit  demselben  weiter  fortgesetzt  werden  möchten. 

Herr  Boehnke:  Schlusswort. 

Vortrag: 

Herr  Alt  mann  und  Herr  Georges  Dreyfus:  Salvarsan  und 
Liquor  cerebrospinalis  bei  Friihsyphilis.  (Erscheint  ausführlich  in 
dieser  Wochenschrift.) 

1638.  ausserordentliche  Sitzung  vom  10.  Februar  1913 
siehe  Seite  443  dieser  Nummer. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Kümmell. 

Herr  Max  Fraenkel  demonstriert  Mikrophotogramme  eines 
Falles  von  akuter  multipler  Sklerose,  der  einen  27  jährigen  Maurer 
betraf  und  in  2 Ya  Monaten  zum  Tode  führte.  Die  Diagnose  konnte 
schon  in  vivo  gestellt  werden,  indem  fast  alle  Symptome  der  mul¬ 
tiplen  Sklerose  sich  in  rascher  Aufeinanderfolge  entwickelten.  Bei 
der  Sektion  war  makroskopisch  nichts  zu  erkennen.  Das  gehärtete 
und  gefärbte  Bild  liess  die  sklerotischen  Herde,  besonders  in  ihrer  An¬ 
ordnung  um  die  Gefässe  herum,  gut  erkennen. 

Herr  Plate:  1.  48  jähriger  Arbeiter,  fiel  von  5  m  Höhe  auf  den 
Nacken;  nach  kurzer  Bewusstseinsstörung  fähig,  weiter  zu  arbeiten. 
Nach  mehreren  Wochen  Krankenhausaufnahme  wegen  Nackenschmer¬ 
zen;  Hals  wird  steif  gehalten,  Drehung  und  Beugung  möglich.  Ex¬ 
quisiter  Stauchungsschmerz.  Im  Liegen  beschwerdefrei.  Diagnose: 
Wirbelfraktur,  im  Röntgenbilde  bei  einer  Aufnahme  von  vorne  nach 
hinten  bei  geöffnetem  Munde  als  Fraktur  des  Bogens  des  4.  Hals¬ 
wirbels  festgestellt.  Kein  Kallus  bisher,  keine  Dislokation. 

2.  Fall  von  Hüftgelenkserkrankung  auf  gonorrhoischer  Basis. 

3.  Verbesserter  Vibrator  (Reiniger,  Q  e  b  b  e  r  t  &  Schall), 
der  18  240  Erschütterungen  pro  Minute  machen  kann. 

Herr  Seeligmann:  24jährige  Patientin,  August  1911  Exstir¬ 
pation  eines  10  Pfund  schweren,  intraligamentär  entwickelten  Ovarial- 
sarkoms,  das  mit  dem  Uterus  verwachsen  war.  Mai  1912  Rezidiv, 
das  rapid  wächst,  so  dass  Pat.  nicht  gehen  und  sitzen  konnte.  No¬ 
vember  1912  Probelaparotomie,  welche  erkennen  lässt,  dass  der 
Tumor  retroperitoneal  von  den  Lymphdriisen  ausgeht.  Behand¬ 
lung  mit  Arsazetin  und  Röntgen  führte  zu  völliger 
Heilung! 

Herr  B  ö  1 1  i  g  e  r  demonstriert  einen  29  jährigen  Mann,  bei  dem 
eine  Quecksilberinjektion  eine  Lähmung  des  N.  ischiadikus,  vornehm¬ 
lich  im  Peroneusgebiet,  veranlasst  hat. 

Herr  Kotzenberg:  a)  Blutzyste  in  der  linken  Niere  einer 
34  jähr.  Dame.  Seit  etwa  10  Jahren  konstante  Schmerzen  in  der 
rechten  Nierengegend  mit  zeitweise  heftigen  Koliken,  Blutungen 
und  zeitweise  hohen  Temperaturen,  partielle  Nierenresektion.  Heilung. 

b)  Pyonephrosis  calculosa.  Der  Stein  verschliesst  zapfenförmig 
den  Ureter.  Das  Gewebe  der  Niere  ist  in  Fett  umgewandelt. 
Nephrektomie.  Heilung. 

Herr  H  e  g  1  e  r  demonstriert  Photographien  und  Sektionspräpa¬ 
rate  eines  Falles  von  weiblichem  Bartwuchs:  Die  32jährige  Kranke 
ging  nach  mehrwöchentlicher  genauer  klinischer  Beobachtung  an  einer 
Phthise  und  Amyloid  zugrunde.  Die  exquisite  Bartentwicklung  war 
seit  dem  Einsetzen  der  Menses  im  18.  Lebensjahr  derart  in  die  Er¬ 
scheinung  getreten,  dass  Pat.  sich  auf  Jahrmärkten  sehen  liess.  Bei 
der  Sektion  fand  sich  ein  stark  entwickeltes  Epoophoron.  Die 
Bedeutung  eines  derartigen  lokalen  Hermaphroditismus  gibt  Ver¬ 
anlassung,  in  ähnlichen  Fällen  mehr,  als  bisher  geschehen,  auf  die 
rudimentären  Organe  zu  achten. 

Herr  Eugen  Fraenkel  zeigt  die  Knochen  dieses  Individuums, 
die  einen  ganz  besonderen,  seltenen  Befund  darbieten.  Sie  zeichnen 
sich  durch  eine  kastanien-  oder  schokoladebraune  Färbung  aus,  eine 
Färbung,  die  sich  auf  die  Knochen  allein  und  das  Dentin  der  Zähne 
beschränkt,  Knorpel  und  Periost  frei  lässt.  Aehnliche  Befunde  kennt 
man  in  der  Tierpathologie.  „Die  Ochronose  der  Tiere“  nennen  die 
Tierärzte  dieses  Bild.  Mit  der  Virchow sehen  Ochronose  hat  das 
Bild  nichts  gemein,  indem  die  Ochronose  eine  schwärzliche  Ver- 
fäibung  der  Knorpel  macht,  während  der  Knochen  gänzlich  frei  bleibt. 
Bedingt  ist  die  Färbung  durch  ein  Blutpigment  und  zwar  handelt  es 
sich  um  Hä  matoporphyrin.  Fraenkel  bespricht  die  bis¬ 
herigen  Ar  beiten  über  diesen  Gegenstand  (S  c  h  m  o  r  1,  Pick,  G  ii  n  - 
t  h  e  r).  Die  Hämatoporphyrie  mit  Hämatoporphyro- 
s  i  s  o  s  s  e  u  m  ist  ein  in  der  menschlichen  Pathologie  völlig  neues 
Bild.  Klinisch  war  eine  Braunfärbung  des  Gesichtes,  der  Hände  und 
der  Vorderarme  aufgefallen.  Diese  Pigmentablagerung  in  den  unbe¬ 
deckten  Organen  beruht  auf  photodynamischen  Vorgängen  (Hydroa 
aestivalis)  In  der  letzten  Zeit  der  Beobachtung  war  der  Urin  frei 
von  Hämatoporphyrin.  Gleichwohl  ist  eine  Störung  in  den  hämato- 
poetischen  Organen  anzunehmen;  Milz,  Leber,  Knochenmark  und 
Lymphdriisen  zeigten  eisenhaltiges  und  eisenfreies  Pigment,  was  auf 
einen  ausgiebigen  Zerfall  von  roten  Blutkörperchen  schliessen  lässt. 


Herr  Schümm  bespricht  den  spektroskopischen  Nachweis  des 
Hämatoporphyrins  in  den  Knochen  und  in  den  Eingeweiden.  In  den 
Knochen  gelang  es,  durch  direkte  Spektroskopie  eines 
dünnen  Knochenschliffes  die  charakteristischen  Absorp 
tionsstreifen  zu  erkennen. 

Herr  Jacobsthal:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der  W a s- 
s  e  r  m  a  n  n  sehen  Reaktion. 

Wird  in  der  nächsten  Sitzung  beendet.  Werner. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  10.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Haenisch. 

Schriftführer:  Herr  Kehl. 

Demonstrationen: 

Herr  O.  Sc  hu  mm:  Ueber  den  Nachweis  von  Alkohol  in  der 
Spinalflüssigkeit. 

Vor  einiger  Zeit  hat  Herr  Dr.  Schottmüller  hier  über  Unter¬ 
suchungen  berichtet,  die  den  Nachweis  von  Alkohol  in  der  Spinal 
fliissigkeit  von  Säufern  zum  Gegenstand  hatten.  Es  handelte  sich  uni 
eine  kleinere  Zahl  von  Analysen,  die  in  der  Mehrzahl  von  mir  ausgej 
führt  worden  sind.  Ich  benutzte  hauptsächlich  die  Liebenschi 
Probe,  die  man,  je  nachdem  es  sich  um  den  Nachweis  von  Azetoi 
oder  Alkohol  handelt,  in  etwas  verschiedener  Weise  ausführt.  Wi! 
man  auf  Azeton  prüfen,  so  ist  eine  Erwärmung  des  Reagensge. 
misches  überflüssig,  denn  das  Azeton  reagiert  auch  in  stärksten  Ver 
diimnmgen  mit  dem  Jod  recht  schnell.  Das  Erhitzen  kann  bei  An 
Wesenheit  geringster  Mengen  Azeton  sogar  eher  nachteilig 
wirken,  da  die  winzigen  Mengen  des  sich  bildenden  Jodoforms  zun 
Teil  verdampfen  können.  Wässerige  Alkohollosungen  mit  ge 
ringem  Alkoholgehalt  verhalten  sich  insofern  abweichend,  als  sin 
mit  dem  Jod  bei  gewöhnlicher  Temperatur  sehr  langsam  reagieret 
Will  man  solche  Lösungen  auf  Alkohol  prüfen,  so  erwärmt  man  da 
Reagensgemisch  vorsichtig  auf  50  —60°,  fügt  bei  eingetreteuer  Ent 
färbung  noch  tropfenweise  Jodjodkaliumlösung  bis  zur  Gelbfärbuii: 
hinzu,  die  auch  nach  mehreren  Minuten  noch  bestehen  soll,  und  lass 
das  verschlossene  Glas  eine  Reihe  von  Stunden,  eventuell  bis  zun 
nächsten  Tage,  stehen.  —  Auf  Grund  dieses  verschiedenen  Ver; 
haltens  kann  man  mit  Hilfe  der  „kalten“  und  „heissen“  Jodoform 
probe  bei  vorsichtiger  Handhabung  unter  Umständen  beide  Stoff 
nebeneinander  nachweisen,  wobei  auf  Anwesenheit  von  Alkohol  nu 
dann  geschlossen  werden  darf,  wenn  ein  augenfälliger  Unterschiej 
in  der  Menge  des  bei  der  kalten  und  bei  der  heissen  Probe  gebildete 
Jodoforms  (und  zwar  zugunsten  der  letzteren)  besteht,  ln  dieser 
Sinne  positive  Befunde  sind  damals  mitgeteilt  worden.  Da  meine  Ver 
suche  über  das  Verhalten  sehr  dünner  Lösungen  von  Azetaldehv 
gegenüber  der  kalten  und  heissen  Jodoformprobe  derzeit  noch  nid 
abgeschlossen  waren,  habe  ich  damals  die  einschränkende  Bemerkunl 
gemacht,  dass  für  den  positiven  Ausfall  der  Reaktion  vielleicht  auc 
der  Azetaldehyd  verantwortlich  gemacht  werden  könne.  Niclij 
flüchtige  „jodoformbildende“  Substanzen  waren  ja  durch  di 
Destillation  ausgeschaltet  worden.  —  Selbstverständlich  bestand  dtj 
Wunsch,  die  damaligen  Beobachtungen  in  rein  chemischer  Hinsict 
zu  erweitern.  Da  die  an  Dr.  Schottmüllers  Material  sehe 
früher  angestellten  Versuche  zur  Abscheidung  des  Alkohols  in  Sul 
stanz  fehlgeschlagen  waren  und  demnach  Mengen  ii  her  1  Bro 
jedenfalls  nicht  erwartet  werden  konnten,  so  stellte  ich  weitei 
Versuche  mit  der  Platin -  Oxydationsprobe  an,  die  id 
schon  in  einem  der  früheren  Fälle,  freilich  mit  negativem  Erfolge,  ai 
gewandt  hatte.  Diese  von  G  a  d  a  m  e  r  in  seinem  vortrefflichen  Werf 
über  toxikologische  Chemie  als  einzige  für  Ae  thy  laikohl 
spezifische  Reaktion  gekennzeichnete  Probe,  erwies  sich 
der  ursprünglichen  Ausführungsform  nach  Taylor-Buchhei 
als  zu  unempfindlich.  Empfindlicher  ist  die  von  Gadamer  ang' 
gebene  Ausführungsform.  .  -  , 

Für  die  Untersuchung  der  Spinalflüssigkeit  fand  ich  rolgem 
Ausführungsform  geeignet. 

Etwa  10  ccm  Spinalflüssigkeit  werden  aus  einem  Kolben  dest 
liert,  bis  etwa  3— 4  ccm  übergegangen  sind.  Dieses  Destillat  unte 
wirft  man  in  einem  besonderen  kleinen  Apparat,  der  vom  Vorbagc 
den  demonstriert  wird,  der  Oxydationsprobe.  Der  Apparat  beste 
aus  einem  Fraktionskölbchen  von  ca.  20  ccm  Inhalt,  einem  mit  sor 
fähig  gereinigten  Platinmohr  beschickten  Oxydationsrohr  und  ein 
eigenartig  gestalteten  Vorlage.  Die  3  Teile  lassen  sich  vermöge  u 
Schliffstellen  luftdicht  mit  einander  verbinden.  Eine  sehr  klei 
Menge  des  Destillats  prüft  man  auf  Azetaldehyd.  Die  Hauptmen 
füllt  man  in  das  Fraktionierkölbchen,  fügt  das  Oxydationsrohr  an.  t 
hitzt  über  freier  Flamme  bis  nahe  zum  Sieden  und  erhält  die  Flussi 
keit  kurze  Zeit  in  ganz  gelindem  Sieden.  Sobald  die  Flüssigkeit  zier 
lieh  heiss  geworden  ist,  beginnt  man  darauf  zu  achten,  ob  am  öfter 
Ende  des  Oxydationsrohrs  der  sehr  charakteristische  Geruch  na 
Azetaldehyd  auftritt,  der  die  Anwesenheit  von  Alkohol  beweis- 

"iir<Ich  konnte  so  noch  1mg  Alkohol  in  10  ccm  Flüssigkeit  deutln 
nachweisen.  die  Empfindlichkeitsgrenze  hängt  von  der  Wirksamkeit .  in 
Platins  ab.  Freilich  tritt  der  Aldehydgeruch  bei  den  stärksten  Vermi¬ 
nungen  nur  noch  vorübergehend  auf.  Ist  man  sich  über  den  Ausfall  er 


5.  Februar  1913 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


337 


eruchprobe  im  klaren,  dann  fügt  man  die  Vorlage  an,  die  durch 
is  gekühlt  wird,  und  erhitzt  vorsichtig  weiter,  bis  eine  kleine  Menge 
estiliat  (1 — 2  ccm)  gewonnen  ist.  Den  Platinschwamm  nimmt  man 
js  dem  Oxydationsrohre  heraus,  übergiesst  ihn  mit  dem  Inhalt  der 
orlage,  filtriert  und  prüft  das  Filtrat  auf  Aldehyd  (mit  N  e  s  s  1  e  r  s 
eagens  und  anderen  Proben),  eventuell  auch  auf  Essigsäure.  In 
tier,  mir  von  Herrn  Oberarzt  Dr.  Nonne  freundlichst  zur  Ver¬ 
gnüg  gestellten  Spinalflüssigkeit  eines  im  Zustande  der  Trunken¬ 
st  befindlichen  Säufers  konnte  ich  mit  dieser  Probe  die  Anwesen- 
.it  von  Alkohol  siche^stellen.  Demnach  unterliegt  es  keinem  Zweifel, 
ass  ein  Uebertritt  von  Alkohol  in  die  Spinalflüssigkeit  erfolgen 
an  n. 

Für  klinische  Zwecke  kombiniere  ich  diese  Probe  mit  der 
hromsäure-Oxydationsprobe,  in  einer  Form,  die  an  anderer  Stelle 
ngehender  beschrieben  werden  soll. 

Unter  welchen  näheren  Umständen  ein  Uebertritt  von  Alkohol 
.  die  Spinalflüssigkeit  erfolgt,  muss  durch  weitere  Untersuchungen 
•stgesteilt  werden.  Bei  der  Beurteilung  der  Geruchprobe  ist  mit  der 
ißglichkeit  zu  rechnen,  dass  bei  etwaiger  Anwesenheit  von  Azeton 
ieses  den  Aldehydgeruch  beeinträchtigen  oder  verdecken  kan  n. 
i  solchen  Fällen  ist  der  Ausfall  der  anderen  chemischen  Reaktionen 
uf  Aldehyd  bezw.  Essigsäure  massgebend.  —  Beiläufig  sei  erwähnt, 
ass  man  auch  mit  der  Möglichkeit  des  Auftretens  von  Aethylestern 
i  Spinalflüssigkeit  rechnen  muss. 

Herr  Simmonds:  Hypophysis  und  Diabetes  insipidus. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  der  Münch,  med.  Wochen- 
;hrift.) 

Diskussion:  Herr  Unna,  Herr  T  r  ö  m  n  e  r. 

Herr  Simmonds:  Blutdruckuntersuchungen  sind  in  diesem 
alle  nicht  ausgeführt  worden  Dass  erhöhter  Blutdruck  allein  solch 
norme  Polyurie  bewirken  könnte,  ist  wohl  ausgeschlossen.  Die 
eizwirkung  des  Karzinoms  der  Neurohypophyse  auf  die  Pars  inter- 
ledia  habe  er  als  eine  rein  mechanische  aufgefasst  nach  Analogie 
er  von  Schäfer  in  seinen  Tierexperimenten  ausgeführten  Insulte 
es  Hirnanhanges. 

Herr  Brauer:  Beobachtungen  bei  extrapleuraler  Thorako- 

lastik.  (Mit  Krankendemonstrationen.) 

Herr  Brauer  demonstriert  an  fünf  von  ihm  operierten  Pa- 
enten  den  guten  Erfolg  seiner  in  jedem  Falle  scharf  an  die  gegebenen 
edingungen  angepassten  extrapleuralen  Thorakoplastik.  (Ausfiihr- 
cher  Bericht  erscheint  an  anderer  Stelle.) 

Diskusion:  Herren  Ringel,  Rotfuchs  und  Brauer 
Schlusswort). 


Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  14.  Januar  1913. 

Herr  Bett  mann  und  Herr  Zade:  Demonstration  eines  Falles 
on  Allgemeinerkrankung  nach  Urethritis  gonorrhoica. 

Septisches  Fieber,  Monarthritis  des  rechten  Handgelenks, 
ndogene  doppelseitige  Konjunktivitis. 

Herr  Lesser:  Zur  Mobilisierung  des  Glykogens. 

Herr  Fi  sc  hl  er:  Zur  Funktion  der  Leber. 

Vortr.  bespricht  im  Zusammenhang  die  Ergebnisse,  die  sich  ihm 
ei  der  Portalausschaltung  der  Leber  (Eck  sehe  Fistel)  ergeben 
aben.  Er  wendet  sich  zunächst  gegen  die  Auffassung,  dass  die 
'ortalausschaltung  einer  völligen  Ausschaltung  der  Leber  und  somit 
Her  ihrer  Funktionen  gleichkomme.  Weder  er  selbst  noch  frühere 
■utoren  haben  das  geglaubt  oder  ausgesprochen,  so  dass  eine  der- 
rtige  Deutung  seiner  Ergebnisse  eine  irrtümliche  Auffassung  ist. 
>ie  Ausschaltung  ist  eine  partielle,  als  solche  aber  nicht  zu  ver- 
achlässigen.  Da  wie  bei  anderen  Organen  anzunehmen  ist,  dass  die 
eher  funktionell  nie  völlig  in  Anspruch  genommen  wird,  so  wird 
araus  verständlich,  dass  auch  nach  der  völligen  Ableitung  des 
Hutes  der  Porta  noch  nicht  ein  völliges  Versagen  der  Leberfunktionen 
intreten  muss.  Man  wird  nach  diesen  Ueberlegungen  auch  ver¬ 
teilen.  dass  es  nötig  ist  an  das  Organ  Ansprüche  zu  machen,  wenn 
tan  ein  Versagen  der  einen  oder  anderen  Funktion  hervorrufen  will. 

Die  älteste  bekannte  Funktionsstörung,  die  Fleischintoxikation, 
itt  ein,  wenn  die  Tiere  mit  einer  grossen  Menge  Fleisch  gefüttert 
erden.  Es  kommt  vor,  dass  die  Tiere  zu  wenig  aufnehmen  und  dann 
uch  bei  Fleischnahrung  lange  Zeit  gesund  bleiben.  Daraus  zu 
ehliessen,  dass  es  die  Fleischintoxikation  nicht  gäbe,  ist  natürlich 
in  grosser  Irrtum.  Weiter  wendet  sich  der  Vortragende  gegen  die 
Erstellung,  dass  die  Fleischintoxikation  eine  anaphylaktische  Er- 
cheinung  sei.  Es  fehlen  dabei  alle  typischen  Symptome  des 
naphylaktischen  Schocks.  Der  Beginn  ist  meistens  ein  langsamer, 
s  fehlt  die  Inkubationszeit,  es  fehlt  der  Temperatursturz,  die  Leuko- 
rnie,  die  blutigen  Durchfälle,  oder  Enteritis  überhaupt.  Endlich  tritt 
vine  Antianaphylaxie  ein.  Bei  der  Schwere  der  Erscheinungen 
Hisste  mit  diesen  Dingen  gerechnet  werden.  Vor  allem  ist  das 
bnische  Bild  eben  anders  als  bei  der  Anaphylaxie.  Die  Ataxie,  die 
niaurose,  die  Sensibilitätsstörungen,  endlich  das  Koma  weisen  dem 
Lide  eine  andere  klinische  Dignität  an  als  den  Erscheinungen  der 
itiaphylaxie.  Es  wird  auf  die  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Urämie 
ingewiesen.  Ob  der  Eckhund  überhaupt  anaphylaktisch  wird,  er- 
cheint  nach  bisherigen  Untersuchungen  des  Vortragenden  zweifelhaft. 


Eine  weitere  Ansicht,  die  in  der  Fleischintoxikation  nur  eine 
Vergiftung  durch  abnorme  Spaltprodukte  des  Darmes  sieht,  ist  ab¬ 
zulehnen,  weil  wirkliche  Vergiftungen  vom  Darme  aus  bei  Eck  scher 
Fistel  ganz  anders  verlaufen;  als  Paradigma  dient  hier  die  Lysol¬ 
vergiftung.  Es  ist  auch  zu  fragen  was  dies  für  Gifte  sein  sollen,  sie 
sind  bis  jetzt  nicht  aus  dem  Darminhalt  Eck  scher  Tiere  ermittelt, 
weiter  wäre,  wenn  es  sich  um  normale  im  Darminhalt  befindliche 
Gifte  handelt,  nicht  verständlich,  warum  die  Intoxikation  nicht  regel¬ 
mässig  eintritt.  Nach  allem  bleibt  immer  noch  am  nächsten  die  An¬ 
sicht,  dass  es  sich  um  eine  durch  die  Ausschaltung  der  Leber  ver¬ 
ursachte  abnorme  Mischung  des  Portalblutes  handelt,  im  Sinne  einer 
Gleichgewichtsstörung  des  Säure-Basenhaushaltes,  eine  Ansicht,  die 
mit  der  der  Entdecker  der  Fleischintoxikation  in  vieler  Hinsicht 
harmoniert. 

Die  Gründe  warum  die  Fleischintoxikation  nicht  eintritt,  liegen 
gelegentlich  auch  an  der  Ausführung  der  Fistel.  Die  Erfahrung  hat 
gezeigt,  dass  nur  bei  grosser  Fistel  die  Intoxikation  eintritt,  bei 
schlechten  Fisteln  aber  nicht.  Das  stimmt  mit  der  Ansicht,  dass 
quantitative  Verhältnisse  in  der  Zufuhr  der  Spaltprodukte  des  Darmes 
massgebend  sind.  Weiterhin  tritt  die  Fleischintoxikation  auf  bei 
Tieren,  an  deren  Lebern  schon  andere  stark  in  Anspruch  nehmende 
Anforderungen  gestellt  wurden  (Phlorrhizinversuche). 

Die  Portalausschaltung  der  Leber  bewirkt  eine  besondere 
Empfindlichkeit  des  Organismus  gegen  gewisse  Schädlichkeiten,  die 
auf  ihn  einwirken.  Wird  der  Eck  sehe  Hund  im  Hunger  phlorrhizi- 
niert,  so  tritt  sehr  rasch  die  von  v.  M  e  r  i  n  g  zuerst  gesehene  Ver¬ 
giftung  ein,  die  er  als  Säurewirkung  auffasste.  Dabei  leidet  aber  die 
Leber.  Sie  degeneriert  im  Zentrum  ganz  regelmässig  unter  Auftreten 
von  Fettsäure  in  diesen  zentralen  Bezirken.  Die  Tiere  bekommen 
ausgesprochen  epileptiforme  Krämpfe,  dann  Koma,  blutige  Stühle 
und  sterben  bald,  wenn  man  nicht  interveniert. 

Diese  Dinge  sind  deshalb  wichtig,  weil  nach  anderen  Schä¬ 
digungen  der  Leber,  z.  B.  durch  die  Fettgewebsnekrose,  genau  die 
gleichen  Erscheinungen  beobachtet  werden.  Man  hat  versucht  diese 
Schädigungen  dem  Chloroform  allein  zur  Last  zu  legen;  dies  ist  nicht 
angängig,  da  auch  nach  Aethernarkose  die  zentrale  Läppchennekrose 
auftreten  kann.  Im  Chloroform  ist  nur  eine  Hilfsursache  des  Eintritts 
der  zentralen  Nekrose  zu  sehen,  da  es  die  Leber  tatsächlich  schädigt. 
Es  ist  nach  diesen  Erfahrungen  klar,  dass  eine  durch  die  verschie¬ 
densten  Ursachen  geschädigte  Leber  einem  gemeinsamen  Mechanis¬ 
mus  der  Degeneration  unterliegen  muss,  der  den  Abbau  des  Leber¬ 
gewebes  bewirkt,  und  man  muss  hier  vor  allen  Dingen  an  tryptische 
Einflüsse  denken.  Nun  lässt  sich  diese  Vorstellung  insofern  experi¬ 
mentell  prüfen,  als  mehr  oder  weniger  die  Leber  allein  schädigende 
Einflüsse  durch  die  Einverleibung  von  Trypsin  bedeutend  vermehrt 
werden.  Subletale  Dosen  von  Phosphor,  welche  die  Leber  nicht 
wesentlich  zu  schädigen  imstande  sind,  werden  zu  schweren  Schä¬ 
digungen,  wenn  Trypsin  später  nachinjiziert  wird.  In  der  Peripherie 
des  Acinus  sieht  man  dann  die  stärksten  Degenerationen  mit  ganz 
akutem  Kernzerfall,  ein  Bild  wie  es  sonst  nur  nach  länger  dauernder 
Anwendung  von  Phosphor  zustande  kommt.  Es  gelingt  auf  dieselbe 
Weise  eine  zentral  sitzende  Nekrose  hervorzubringen,  wenn  man  mit 
subletalen  Dosen  von  Hydrazinsulfat  und  nachherigen  Trypsin¬ 
injektionen  arbeitet.  Hiermit  wird  zur  Genüge  dargetan,  dass  eine 
Leberschädigung  durch  Trypsin  jederzeit  stark  vermehrt  werden  kann. 

Hieraus  ergibt  sich  eine  antitryptische  Fähigkeit  der  normalen 
Leber,  da  sie  durch  Trypsininjektoinen  in  diesen  Dosen  allein  nicht 
geschädigt  wird.  Falls  diese  Fähigkeit  aber  irgendwie  versagt  oder 
gehemmt  wird,  so  tritt  ein  Zerfall  der  Lebersubstanz  ein  und  damit 
die  Krankheitserscheinung  der  Abbauintoxikation.  Es  kann  nicht 
wundernehmen,  dass  sie  Aehnlichkeiten  mit  der  Anaphylaxie  hat, 
da  auch  diese  eiweissabbautoxischer  Art  ist.  Es  erklärt  sich  so  das 
Vorkommen  hämorrhagischer  Enteritiden,  die  Plötzlichkeit  der  Krank¬ 
heitserscheinungen,  Kollaps  und  Temperatursturz,  Vorgänge  die  dabei 
die  Regel  sind.  Es  sei  hier  nochmals  besonders  hervorgehoben,  dass 
bei  der  Fleischintoxikation  diese  Erscheinungen  vollkommen  fehlen. 
Die  Verschiedenheit  der  Prozesse  leuchtet  unmittelbar  daraus  her¬ 
vor.  Es  scheint  nach  diesen  Erfahrungen  die  Leber  der  Zentralort 
gewisser  fermentativer  Umsetzungen  zu  sein. 

Dies  geht  des  weiteren  aus  dem  Verhalten  der  Harnsäure  hervor. 
Ihre  Ausscheidung  ist  nach  Anlegung  der  Eck  sehen  Fistel  bei  dem¬ 
selben  Tier  um  50  und  mehr  Prozent  vermehrt,  natürlich  bei  der¬ 
selben  Ernährung.  Geringeren  Schwankungen  ist  die  Ausscheidung 
des  Harnstoffes  ausgesetzt. 

Wichtig  ist  das  Verhalten  der  Kohlehydrate.  Dextrose  und 
Lävulose  werden  auch  nach  Anlegung  der  Eck  sehen  Fistei  fast 
normal  ausgeniitzt.  Laktose  dagegen  erscheint  öfter  zu  einem  erheb¬ 
lichen  Teil  wieder,  bis  20  Proz.  Galaktose  aber  wird  sehr  schlecht 
nach  Anlegung  der  Fistel  ausgeniitzt,  sie  kann  bis  zu  70  Proz.  im 
Harn  wiedererscheinen.  Der  Blutzuckergehalt  ist  beim  Eck  sehen 
Tier  häufig  vermindert.  Es  gelingt  durch  Phlorrhizininjektionen  den 
Blutzuckergehalt  beim  Hungerecktier  auf  0  Proz.  herabzudrücken. 

Grosses  Interesse  beansprucht  auch  das  Verhalten  der  Gallen¬ 
sekretion.  Zweifellos  ist  keine  wesentliche  Veränderung  nach  An¬ 
legung  der  Fistel  zu  konstatieren  und  auch  das  Blut  zeigt  keine 
abnorme  Zusammensetzung  der  Formelemente  und  des  Hämoglobin- 
gehaltes.  Dass  aber  gleichsam  latent  doch  eine  Störung  besteht, 
geht  aus  dem  Verhalten  der  Tiere  ikteruserzeugenden  Mitteln  gegen¬ 
über  hervor.  Sie  werden  viel  schwerer  ikterisch,  als  normale,  was 
sich  leicht  an  Phosphorvergiftungen  demonstrieren  hisst. 


438 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  8. 


Noch  eine  interessante  Tatsache  über  die  Funktion  der  Leber 
lässt  sich  bei  Verfolgung  der  Aetherschwefelsäureausscheidung  fest¬ 
stellen,  nämlich  ihre  völlige  Unabhängigkeit  von  der  partiellen  Leber¬ 
ausschaltung. 

Besonderes  Interesse  beansprucht  die  Ausscheidung  der  Azeton¬ 
körper  beim  Hungerecktier  unter  Phlorrhizinwirkung.  Sowohl  die 
Azeton-  wie  Azetessigsäure-  und  /J-Oxybuttersäureausscheidung  ist 
beim  Kcktier  beträchtlich  vermindert.  Die  Werte  gehen  unter  50  Proz. 
herunter.  Es  geht  daraus  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  Leber  der 
Ort  der  Azetonkörperbildung  ist.  Um  vor  individuellen  Schwankungen 
sicher  zu  sein  wurde  auch  hier  am  gleichen  Tier  der  Versuch  vor 
und  nach  Anlegung  der  Fistel  gemacht. 

Aus  den  angeführten  Tatsachen  scheint  dem  Vortragenden  her¬ 
vorzugehen,  dass  das  Studium  der  partiell  ausgeschalteten  Leber 
geeignet  erscheint,  wichtige  Vorstellungen  über  die  Physiologie  und 
Pathologie  des  Organes  abzuleiten. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  5.  Dezember  1912  im  Hygienischen  Institut. 

Herr  Käppis  berichtet  über  seine  Methode  der  Leitungs¬ 
anästhesie  bei  Nierenoperationen,  die  im  letzten  Jahr  in  25  Fällen 
der  chirurgischen  Klinik,  d.  h.  bei  allen  dort  vorgenommenen  Nieren¬ 
operationen  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen  angewandt  wurde.  Die 
Kieler  Klinik  ist  mit  der  Methode  völlig  zufrieden,  und  sie  gilt,  da 
sie  alle  Anforderungen  an  Zuverlässigkeit  und  Ungefährlichkeit  erfüllt, 
bei  Nierenoperationen  als  das  mit  geringen  Ausnahmen  allein  in  Be¬ 
tracht  kommende  Anästhesierungsverfahren.  Verwandt  wird  nur 
noch  D» — 1Lü  proz.  Lösung  (von  Novokain-Adrenalin;  eingespritzt 
mit  je  10  ccm. 

Diskussion:  Herren  Bauereisen.  An  schütz, 

Stoeckel,  Käppis. 

Herr  E.  Langes:  Eine  neue  Methode  der  intraperltonealen  Ver¬ 
kürzung  der  Ligamenta  rotunda. 

Dreiteilung  des  Ligamentum  rotundum  durch  Anlegen  von  zwei 
stumpfen  Klemmen.  Die  dem  Uterus  näher  liegende  Klemme  wird 
in  die  Gegend  des  inneren  Leistenringes  geführt  und  die  Ligament¬ 
schleife  hier  zur  Vermeidung  etwaiger  Gefässverletzungen  etwas 
oben  und  lateralwärts  von  dem  durch  den  Leistenring  austretenden 
Bande  an  der  tiefen  Bauchdeckenfaszie  durch  Seidenknopfnaht  fixiert. 
Die  andere  Klemme  wird  mit  ihrer  Ligamentschleife  auf  die  Vorder¬ 
fläche  des  Uterus  gebracht  und  das  Band  hier  an  der  Abgangsstelle 
des  Ligamentum  rotundum  vom  Uterus  angenäht.  Dadurch  werden 
aus  dem  einfachen  Bande  3  parallel  nebeneinander  verlaufende 
Schenkel  gebildet,  die  zum  Schluss  durch  einen  fortlaufenden  Katgut- 
faden  vereinigt  werden. 

Die  Vorteile  der  neuen  Methode  sind  die  Einfachheit  der 
Technik,  Verstärkung  (Verdreifachung)  der  Bänder  in  ihrem  ganzen 
intraabdominalen  Verlauf  und  feste  Fixation  an  der  Bauchfaszie  und 
an  physiologischer  Stelle. 

Bisher  sind  7  Fälle  wegen  fixierter  Retroflexio  nach  dieser  Me¬ 
thode  operiert  worden  und  in  zwei  Fällen  mit  einseitigen  Ovario- 
tomien  wurde  auf  der  gesunden  Seite  als  Gegengewicht  gegen  den 
Narbenzug  des  Adnexstumpfes  auf  diese  Weise  das  Band  verkürzt. 
Die  Resultate  sind  bisher  gut. 

Diskussion:  Herr  Stoeckel. 

Herr  H.  Höher:  Der  Zustand  der  Salze  im  Innern  der  Zellen. 

(Demonstration.) 

Mit  Hilfe  einer  Poulsenschen  Lampe,  Kapazität  und  Selbst¬ 
induktion  werden  elektrische  Schwingungen  erzeugt  und  diese  auf 
einen  mit  dem  Primärkreis  gekoppelten  Sekundärkreis  induktiv  über¬ 
tragen.  Der  Sekundärkreis  wird  auf  Resonanz  abgestimmt  und  dann 
gezeigt,  dass  Blutkörperchen,  welche  einen  konstanten  Strom  fast 
gar  nicht  leiten,  die  Schwingungen  des  Sekundärkreises  ebenso 
dämpfen,  wie  eine  Elektrolytlösung.  Die  Grösse  der  Dämpfung  ist 
ein  Mass  der  „inneren  Leitfähigkeit“  der  Blutkörperchen. 

Der  Vortragende  erörtert,  auf  welche  Weise  Bestimmungen  der 
inneren  Leitfähigkeit  kleiner  Zellmengen  ausgeführt  werden  können, 
und  zeigt,  dass  mit  dem  von  ihm  ausgearbeiteten  Verfahren  ver¬ 
schiedene  Probleme  der  Physiologie  und  Pathologie  der  Unter¬ 
suchung  zugänglich  werden. 

Diskussion:  Herren  Boehme,  Schlecht,  Bauer¬ 
eisen,  Höber. 

Herr  Wagner  spricht  über  Paratyphusbakterien  im  Lumbal- 
punktat  von  einem  Kranken  mit  meningitischen  Erscheinungen. 

Sitzung  vom  19.  Dezember  1912  im  Heinrich-Kinderhospital. 

Herr  v.  S  t  a  r  c  k  demonstriert  Blutpräparate  von  akuter  lympha¬ 
tischer  Leukämie. 

Herr  v.  S  t  a  r  c  k  spricht  über  die  als  Still  sehe  Krankheit  be- 
zeichnete  Form  des  chronischen  Gelenkrheumatismus  im  Kindesalter, 
berichtet  dann  über  einen  zur  Heilung  gekommenen  Fall,  der  1903/04 
von  ihm  behandelt  wurde,  und  stellt  einen  zweiten  in  der  Kinderklinik 
in  Behandlung  stehenden  Fall  vor  (ausführliche  Mitteilung  an  anderer 
Stelle). 

Diskussion:  Herren  Hoppe-Seyler,  Hanssen,  An¬ 
se  h  ii  t  z,  Lüthje,  Brandes,  v.  S  t  a  r  c  k. 


Herr  Lüthje:  Ueber  Hyperazidität.  (Erscheint  in  der  Therapie 

der  Gegenwart.) 

Herr  Birk:  Ernährungsstörungen  bei  Säuglingen  infolge  par¬ 
enteraler  Infektion. 

Bakterielle  Infektionen  können  bei  Säuglingen  auf  verschiedene 
Art  und  Weise  zu  Ernährungsstörungen  führen.  Meist  geschieht  da> 
dadurch,  dass  die  Nahrung  vor  der  Verabreichung  an  das 
Kind  bakteriellen  Zersetzungen  anheimfällt,  ferner  dadurch,  dass  im 
Magen  darmkanal  selbst  unter  dem  Einfluss  verschiedener 
Begleitumstände  (Ueberfütterung  etc.)  sich  derartige  Zersetzungen 
bilden.  Das  bekannteste  Beispiel  für  diese  Art  Ernährungsstörungen 
sind  die  akuten  Brechdurchfälle  des  Sommers  bei  Kindern  des  erstem 
Lebensjahres. 

Der  Einfluss  der  Bakterien  kann  sich  aber  noch  in  anderer 
Weise  äussern:  Wenn  nämlich  irgendwo  im  Körper  der  Kinder  — 
fern  vom  Verdauungstraktus,  also  parenteral  —  sich  eine  Infektioni 
schwererer  Art  etabliert,  z.  B.  eine  Pneumonie  oder  dergl.,  so  kann  es 
unter  dem  Einfluss  dieser  Infektion,  wie  auch  durch  eine  Art  rern-1 
Wirkung,  auch  im  Magendarmkanal  zu  akuten  Erscheinungen  kommen, 
die  man  nach  dem  Vorgang  von  Czerny  und  Keller  als  Er¬ 
nährungsstörungen  aus  parenteraler  Infektion 
bezeichnet. 

Der  Vortragende  demonstriert  eine  Anzahl  Kinder  mit  derartiger 
Ernährungsstörungen : 

I.  ein  11  Monate  altes  Kind,  das  aus  voller  Gesundheit  heraus; 
mit  hohem  Fieber,  im  übrigen  aber  ganz  unsicheren  Krankheits¬ 
symptomen  erkrankte.  2  Tage  später  traten  Erbrechen  und  Durch¬ 
fälle  auf,  deren  Behandlung  erfolglos  blieb.  Nach  weiteren  3  Tagen 
erfolgte  die  Aufnahme  in  die  Kinderklinik,  wo  eine  eitrige; 
Nierenbeckenentzündung  festgestellt  wurde.  —  Offenbar 
war  letztere  die  primäre  Erkrankung,  die  den  Gesamtorganismus  desj 
Kindes  so  sehr  in  Mitleidenschaft  gezogen  hatte,  dass  er  seine 
Toleranz  gegen  normale  Nahrung,  bei  der  das  Kind  bisher  gut  ge-! 
diehen  war,  verloren  hatte,  so  dass  es  nun  sekundär  zur  Ernährungs-i 
Störung  kam. 

II.  Säugling  mit  Bronchopneumonie,  mit  Frauen¬ 
milch  ernährt.  Um  dieselbe  Zeit,  wo  die  Pneumonie  in  Besserung 
überging,  kam  es  zur  schweren  parenteralen  Ernährungsstörung. 

III.  Säugling  mit  akuter  Enzephalitis.  Derselbe; 
wurde  mit  hohem  Fieber,  Konvulsionen,  Erbrechen  und  Durchfäller! 
eingeliefert.  Zunächst  wurde  die  Diagnose  „akute  alimentäre  In¬ 
toxikation“  gestellt,  die  weitere  klinische  Beobachtung  dagegen  er¬ 
gab,  dass  es  sich  um  eine  parenterale  Ernährungstörung  handelte,  die 
im  Verlauf  einer  akuten  Enzephalitis  entstanden  war. 

IV.  Säugling,  der  unter  dem  Einfluss  der  M  a  ser  n  infektior 
mit  schweren  Durchfällen  erkrankt  war. 

Diskussion  vertagt. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  5.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Weinbrenner  bespricht  1.  die  Behandlung  der  Lage 
Veränderungen  der  Gebärmutter  und  demonstriert  an  einer  Patientii 
die  von  ihm  bevorzugte  operative  Korrektur  der  Lage  bei  fixiertet 
Retroflexio,  wie  sie  ähnlich  von  Edebohls  angegeben  und  vot 
Küstner  empfohlen  wird.  Von  einem  bogenförmigen  Schnitt  über 
der  Symphyse  von  Tuberculum  pubicum  der  einen  Seite  zur  anderer 
lässt  sich  die  intraabdominale  Operation  (Eröffnung  nach  Pfannen 
stiel  mit  .kurzem  Faszienschnitt,  Lösung  der  Verwachsungen,  ev, 
Adnexoperation)  sehr  leicht  mit  der  A  le x a  n  d  e  r  -  A  da m  s  sehen 
Verkürzung  der  Ligamenta  rotunda  im  Leistenkanal  vereinigen 
W.  hat  diese  Operation  wiederholt  mit  gutem  Resultat  ausgeführ 
und  gibt  der  Alexander-Adams  sehen  Verkürzung  der  Liga 
menta  rotunda  nicht  nur  beim  mobilen  retroflektierten  Uterus,  sondert 
auch  beim  mobil  gemachten  Uterus  den  Vorzug  gegenüber  dei 
anderen  Fixationsmethoden. 

2.  demonstriert  ein  primäres  Scheidenkarzinom,  das  sich  diffiu 
hinter  dem  Scheideneingang  entwickelt  hatte  und  ringförmig  die 
Scheide  bis  zur  Harnröhrenmündung  umgriff.  Die  Exstirpation  de: 
gesamten  Genitales  wurde  vaginal  vorgenommen:  Querschnitt  arr 
Damm,  Lösung  der  Scheide  vom  Darm  bis  zum  Douglas,  Umschnei| 
düng  der  Vulva,  Ablösung  der  seitlichen  Scheidenverbindungen  uni 
dann  erst  Freilegung  der  Urethra,  was  durch  Einführen  eines  dickei 
Katheters  erleichtert  wurde.  Zuletzt  Ablösung  der  Blase  und  Ex; 
stirpation  des  Uterus.  Die  diffuse  Wundflächenblutung  stand  promp; 
nach  Einführung  eines  mit  Serum  getränkten  Tampons. 

Herr  Reichard  demonstriert  1.  das  Röntgenbild  eines  Falle 
von  doppelseitiger  rhachitischer  Coxa  vara  bei  einem  7  jährige; 
Mädchen.  Wenn  man  solche  Patienten  sieht,  denkt  man  zunächs, 
an  doppelseitige  kongenitale  Hüftgelenksluxation  wegen  d^ 
watschelnden  Ganges,  auch  stehen  ja  die  Trochanteren  hoch 
Differentialdiagnostisch  wichtig  ist  die  bei  Coxa  vara  besonder 
hervortretende  Abduktionshemmung,  die  auch  hier  sehr  ausgesproche 
war.  Die  Sicherung  der  Diagnose  gibt  dann  eben  das  Röntgenbilc 
Das  Kind  ist  längere  Zeit  mit  Streckverbänden  bei  immer  stärkere 
Belastung  und  Abduktionsstellung  behandelt  worden,  ein  deutliche 
Erfolg  hat  sich  dadurch  nicht  erreichen  lassen.  Es  kommt  deshaH 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


25.  Februar  1913. 


jperatives  Vorgehen  (Tenotomien,  subtrochantere  Osteotomie  oder 
Osteotomie  innerhalb  des  Schenkelhalses)  in  Frage. 

2.  eine  jetzt  19  jährige  Patientin,  bei  der  durch  Muskel- 
terpflanzung  an  beiden  Oberschenkeln  (Quadrizepsersatz)  eine  gute 
iehfahigkeit  erzielt  worden  ist.  Infolge  spinaler  Kinderlähmung  im 
1.  Lebensjahre  war  die  Muskulatur  des  Rumpfes  und  der  Beine  ge¬ 
ahmt  geblieben.  Zur  Stütze  des  Rumpfes  trägt  sie  ein  kräftiges 
tessingkorsett.  Bis  vor  4  Jahren  bewegte  sie  sich  mühsam  fort  mit 
ülfe  von  Schienenapparaten  an  beiden  Beinen.  Es  war  der  dringende 
A  misch  der  Eltern  und  der  Patientin,  von  den  Beinapparaten  los- 
aikommen.  Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich  vollständige  Atrophie 
ind  Degeneration  des  Ouadrizeps  beiderseits,  die  Oberschenkel  waren 
iberhaupt  sehr  atrophisch,  nur  der  Bizeps  beiderseits  zeigte  elek¬ 
tische  Erregbarkeit,  Qehen  und  Stehen  ohne  Apparate  war  aus¬ 
geschlossen.  Es  wurde  beschlossen,  zunächst  den  Versuch  der 
'Chnenverpflanzung  zu  machen,  bei  deren  eventuellem  Misslingen 
vrthrodese  vorgenommen  werden  sollte.  Die  Operationen,  vor  4  bzw. 

’  Jahren  ausgeführt,  verliefen  so,  dass  beiderseits  aussen  der  Bizeps, 
nnen  Semitendinosus  bzw.  Semimembranosus  und  Grazilis  frei- 
irapariert  und  subkutan  mit  ihren  Sehnen  nach  vorn  geführt,  links 
u  das  Periost  der  Patella,  rechts  durch  Vermittlung  einer  künstlichen 
>eidensehne  in  die  Tuberositas  tibiae  eingenäht  wurden.  Diese 
ui  ns  t  liehe  Sehne  hat  sich  nach  4  Wochen  ausgestossen,  im  übrigen 
tat  aber  die  Muskelübertragung  vollen  Erfolg  gehabt,  indem  die 
^atientin  allmählich  wieder  selbständige  Qehfähigkeit  erlangte.  Die 
Iberschenkel  haben  ganz  erheblich  an  Umfang  zugenommen,  man 
ieht  die  überpflanzten  Muskeln  sich  deutlich  bei  der  Aufforderung 
ur  Streckbewegung  der  Unterschenkel  zusammenziehen.  Rechts 
st  eine  deutliche  aktive  Streckmöglichkeit  nicht  eingetreten,  links 
st  sie  dagegen  in  beträchtlichem  Grade  vorhanden.  Die  Patientin 
:ann  ohne  Stütze  längere  Wege  machen  und  ist  durch  die  freiere 
Beweglichkeit  in  ihrem  Allgemeinzustande  ausserordentlich  günstig 
leeinflusst  worden.  Noch  besser  würde  der  Erfolg  zweifellos  sein, 
renn  sie  nicht  die  Lähmung  der  Rumpfmuskulatur  hätte. 

R.  berichtet  3.  über  einen  Fall  von  Handlähnuing,  den  er  vor 
Jahren  mit  günstigem  Erfolge  operiert  hat.  Es  handelte  sich  um 
inen  37  jährigen  Kaufmann,  dessen  rechte  Hand  durch  die  Folgen 
eiebraler  Kinderlähmung  völlig  unbrauchbar  war.  Die  Hand  stand 
extremster  ulnarer  Abduktion  bis  über  den  rechten  Winkel  hinaus, 
ügleich  stark  in  Beugekontraktur,  die  Finger  eingeschlagen.  Durch 
usgleichende  Sehnenplastik  (starke  Verlängerung  der  Sehnen  des 
:xtensor  und  Flexor  carpi  ulnaris,  kräftige  Verkürzung  des  Extensor 
arpi  radialis  longus  und  previs)  wurde  eine  normale  Stellung  der 
fand  erzielt  und  diese  durch  langes  Tragen  einer  Hülse  gesichert.  Von 
ieser  Stellung  der  Hand  aus  konnten  dann  die  Finger  allmählich 
nmer  besser  bewegt  und  bei  leichten  Verrichtungen  in  bescheidenen 
irenzen  mit  verwendet  werden.  Besonders  angenehm  für  den 
’atienten  war  auch  die  kosmetische  Verbesserung.  Nach  6/i  Jahr 
ar  ein  guter  Befund  noch  vorhanden. 

Vortrag: 

Herr  Tourneau:  Ueber  die  Behandlung  der  Eklampsie. 

Diskussion:  Herren  Weinbrenner,  Siedentopf 

nd  Kluge. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  Loening  (vor  der  Tagesordnung):  Demonstration  eines 
alles  von  eiworbener  Serratuslähmung  mit  gleichzeitiger  Trapezius- 
ihrnung.  Hinweis  auf  die  traumatische  Entstehungs- 
Ulglichkeit  derartiger  isolierter  Muskellähmungen,  die  Berech¬ 
nung  ihrer  Deutung  als  Unfallfolge. 

Diskussion:  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Herr  König:  Beobachtungen  und  experimentelle  Studien  über 
rakturheilung. 

Im  Verfolg  früherer  Arbeiten  hat  K.  an  der  Hand  sehr  zahl- 
-icher,  z.  T.  in  aufeinanderfolgender  Reihe  beim  Menschen,  z.  T. 
om  Kaninchen  gewonnener  Röntgenbilder  Beobachtungen  gemacht, 
Ie  >msere  bisherigen  Kenntnisse  teils  bestätigen  teils  erweitern  oder 
ornS'eren-  Die  Hauptarbeit  geschieht  durch  den  periostalen  Kallus, 
Richer  naturgemäss  nur  da  entsteht,  wo  Periost  liegt,  und  da  aus- 
leibt,  wo  das  Periost  abgestreift,  verschoben  etc.  ist.  Es  erklären 
cn  so  örtliche  Mängel  der  Kallusbildung  (Verzögerung  der  Kon- 
mdation),  aber  auch  anscheinend  übermässige  Kalluswucherungen, 
ie  man  leicht  auf  sog.  parostalen  Kallus  zurückzuführen  geneigt  ist. 
v ahrend  dieser,  d.  h.  die  Kallusbildung  aus  parostalem  Binde- 
>:webe  etc.  seltener,  als  bisher  angenommen,  ist,  finden  sich  grosse 
alluswucherungen  durch  Verschiebung  des  Periostes  häufig:  man 
ann  sagen  aus  der  Lokalisation  der  Kallusentwicklung  kann  man 
uckschlüsse  auf  die  Lage  des  bei  der  Fraktur  versprengten  Periostes 
'achen,  wie  durch  Röntgenbilder  bewiesen  wird. 

Der  Periostkallus  kann  Frakturen  als  fest  erscheinen  lassen, 
ahrend  die  Bruchlinien  noch  nicht  vereinigt  sind.  Dieses  Fehlen 
es  inneren  Kallus  ist  für  die  Begutachtung  wichtig. 

.  Der  innere  Kallus  tritt  an  Bedeutung  und  Wachstumsgeschwindig- 
-at  zurück.  Der  Knochenrand-  (intermediärer)  Kallus  kittet  Sprünge 


im  Knochen  von  wenigen  Millimetern  Diastase  erst  in  Monaten  zu¬ 
sammen. 

Der  enostale  (Mark-)  Kallus  braucht  gar  nicht  zur  Entwicklung 
zu  kommen,  und  es  bleibt  beim  Erwachsenen  meist  die  von  ihm  ge¬ 
bildete  Markhöhlenquerleiste  undurchgängig.  Bei  Kindern  dagegen 
und  auch  im  Tierexperiment  beim  wachsenden  Kaninchen  vereinigt 
sich  die  Markhöhle  des  einen  Bruchstücks  mit  der  des  anderen  unter 
Resoiption  der  verschobenen  Frakturspitzen,  eventuell  sogar  der 
alten  Kortikalis.  Markkallus  scheint  sich  besonders  bei  stark  ver¬ 
schobenen  Bruchenden  zu  entwickeln,  wo  er  die  Markhöhle  platten¬ 
artig  abschliesst.  Vielleicht  reizen  hier  die  Bewegungen  der  Weich¬ 
teile  zur  Kallusbildung,  die  Reibung,  ähnlich  wie  bei  Amputations¬ 
stümpfen. 

Noch  im  Bereich  des  normalen  Heilungsverlaufs  liegen  jene 
hervorragenden  Veränderungen,  welche  die  schwer  deformierten 
Bruchstellen  erfahren  bei  Individuen  innerhalb  des  Wachstumsalters. 
Seine  früher  auf  diesem  Gebiete  bekanntgegebenen  Beobachtungen 
ergänzt  K.  durch  Mitteilungen  über  experimentelle  Untersuchungen 
an  Kaninchen.  Durch  Röntgenogramme  und  Abbildungen  wird  ge¬ 
zeigt,  wde  sich  schwere  Verschiebungen  in  einer  für  den  Gebrauch 
der  Extremität  zweckmässigen  Weise  im  Laufe  eines  Jahres  am 
Kaninchen  und  mehrerer  Jahre  beim  Kinde  in  hohem  Grade  aus- 
gleichen. 

Herr  Eduard  Müller:  1.  Zur  Pathogenese  der  myeloiden 
Leukämie. 

Die  chronische  myeloide  Leukämie  des  Menschen  konnte  durch 
Verimpfung  von  Blutproben  (5—10  ccm)  auch  unter  optimalen  Be¬ 
dingungen  nicht  auf  Affen  übertragen  werden.  Es  misslangen  so¬ 
wohl  subkutane,  intravenöse  und  intraperitoneale  Uebertragungs- 
versuche  als  auch  die  Verimpfung  von  menschlichem  Leukämieblut 
in  Milz  und  Knochenmark  des  Affen.  Nach  intraperitonealer  Ueber- 
tragurig  von  menschlichem  Leukämieblut  auf  Affen  kam  es  zwar  zu 
starker,  aber  nur  flüchtiger  Leukozytose.  Nach  intraperitonealer 
Injektion  von  menschlichem  Normalblut  entstanden  viel  geringere 
Schwankungen  der  Leukozytenzahlen  mit  relativer  Lymphozytose. 

Die  geographische  Anordnung  der  während  der  letzten  Jahr¬ 
zehnte  in  der  Marburger  Klinik  und  Poliklinik  beobachteten  Leukämie¬ 
fälle  ergab  keine  sicheren  Anhaltspunkte  für  ein  von  der  Dichtigkeit 
der  Bevölkerung  unabhängiges  herdförmiges  Auftreten  der  Erkran¬ 
kung.  Wesentliche  äussere  Krankheitsursachen  fehlten  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Leukämiefälle;  bei  den  meisten  Patienten  entstand  das 
Leiden  ohne  besondere  Veranlassung  aus  bestem  Wohlbefinden 
heraus.  Die  chronische  myeloide  Leukämie  rechnet  wohl  zu  den 
sog.  endogenen  Krankheiten. 

Bei  den  Tierexperimenten  ergab  sich  als  Nebenbefund  die  Tat¬ 
sache,  dass  einfache  Aenderungen  der  Diät,  vor  allem  vermehrte 
Zufuhr  von  Obst  und  Gemüsen  ohne  jede  Darreichung  von  Medi¬ 
kamenten,  insbesondere  von  Eisenpräparaten,  imstande  sind,  bei 
anämischen,  mageren  und  einseitig  ernährten  Affen  auch  sinnfällige 
Besserungen  des  objektiven  Blutbefundes  zu  bewirken. 

Die  Blutuntersuchungen  wnirden  grösstenteils  von  der  früheren 
Medizinalpraktikantin  der  Poliklinik,  Fräulein  v.  Seht,  vorgenommen 
(vgl.  ihre  Dissertation:  daselbst  auch  detaillierte  Beschreibung  des 
normalen  Blutbildes  beim  Affen). 

2.  Ein  therapeutischer  Vorschlag  bei  schwerer  Migräne. 

Die  wahren  Ursachen  der  migränösen  Veranlagung  sind  uns 
vollkommen  unbekannt.  Das  wichtigste  auslösende  Moment  sind 
aber  gewisse  Vorgänge  des  sexuellen  Lebens,  vor  allem  Menstruation 
und  Ovulation.  Die  Beweise  hierfür  sind:  1.  die  Prädilektion  des 
weiblichen  Geschlechts  für  die  echte  Migräne:  sie  ist  hier  sicherlich 
2 — 3  mal  häufiger  als  bei  Männern;  2.  die  ganz  gewöhnliche  Ent¬ 
wicklung  der  Migräne  zur  Pubertätszeit;  3.  die  fast  regelmässige 
Bindung  von  Attacken  an  die  Menses  (bald  gleichzeitig,  bald  einige 
Tage  früher  oder  später,  jedenfalls  ein  ungefähr  4  wöchentlicher 
Rhythmus,  von  den  interkurrenten  Anfällen  abgesehen);  4.  die  Ab¬ 
schwächung,  ja  völliges  Sistieren  der  Anfälle  nach  der  Menopause: 
sie  werden  jedenfalls  auch  beim  weiteren  Persistieren  weniger 
intensiv  und  seltener;  5.  die  bisher  nicht  gebührend  beachtete  Tat¬ 
sache  der  fast  regelmässigen  Modifikation  der  Anfälle  während  der 
Gravidität  und  Laktation  (abgesehen  von  den  ersten  2 — 3  Schwanger¬ 
schaftsmonaten,  meist  Verschwinden,  mindestens  aber  sinnfällige 
Minderung  der  Beschwerden  bis  zum  Wiederbeginn  der  Menses). 

Diese  eigenartigen  Wechselbeziehungen  zwischen  migränösen 
Attacken  und  sexuellen  Vorgängen,  vor  allem  aber  die  sinnfällige 
günstige  Beeinflussung  durch  Gravidität  und  Laktation  legen  den 
Gedanken  nahe,  schwere  und  hartnäckige  Fälle  von 
echter  Migräne,  die  sich  gegen  die  üblichen  thera¬ 
peutischen  Massnahmen  refraktär  verhalten, 
namentlich  bei  Frauen,  die  schon  wiederholt  ge¬ 
boren  und  während  der  Gravidität  und  Laktation 
eine  auffallend  günstige  Beeinflussung  ihrer  An¬ 
fälle  an  sich  beobachtet  haben,  durch  eine  un¬ 
blutige  und  möglichst  ungefährliche  Ausschaltung 
der  ovariellen  Funktion,  also  durch  Röntgen¬ 
bestrahlungen  der  Eierstöcke  —  wenn  auch  nur 
für  längere  Zeit  —  zu  beseitigen  oder  wenigstens 
erheblich  zu  mildern.  Für  diese  Röntgentherapie  der 
Migräne  ist  also  eine  scharf  umrissene  Indikations¬ 
stellung  unerlässlich;  sie  traf  bisher  in  3  Fällen  meiner 
Beobachtung  zu,  die  nach  diesem  Verfahren  —  anscheinend  mit 


440 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  S. 


Erfolg  behandelt  wurden.  Ein  abschliessendes  Urteil  lassen  die 
fälle  bei  der  Kürze  der  Beobachtungsdauer  noch  nicht  zu.  Dass  sich 
jedoch  der  Erfolg  schon  nach  wenigen  Monaten  wiederum  ab¬ 
schwächen  kann,  lehrt  der  iolgende  Fall  (vielleicht  lässt  sich  durch 
verbesserte  Bestrahlungstechnik  eine  grössere  Nachhaltigkeit  der 
Wirkung  erzielen!): 

Es  handelt  sich  zunächst  um  eine  29  jährige  Dame,  deren  später 
lungenkranke  Mutter  gleichfalls  an  Migräne  litt.  Die  Anfälle,  die  zu¬ 
erst  im  12.  Lebensjahre  einsetzten,  traten  zuletzt  fast  alle  8 — 14  Tage 
mit  grosser  Heftigkeit  auf,  vor  allem  aber  während  der  Menses 
(stets  rechtseitige  Kephalalgie,  etwa  24 — 36  Stunden  Dauer;  fast  alle 
üblichen  Mittel  ohne  Erfolg).  Die  Patientin  litt  sowohl  psychisch 
wie  körperlich  unter  den  gehäuften  schweren  Anfällen  ausserordent¬ 
lich.  Sie  erklärte  jedoch  auf  das  bestimmteste,  dass  sie  während 
beider  früherer  Graviditäten  (2  gesunde  Kinder),  abgesehen  von  den 
beiden  ersten  Schwangerschaftsmonaten,  und  während  der  ganzen 
Laktation  bis  zum  Wiedereintreten  der  Menses  von  Anfällen  voll¬ 
kommen  frei  gewesen  sei.  Durch  Professor  Zangemeister  wurde 
die  Lage  der  Ovarien  bestimmt  und  möglichst  genau  auf  dem  Ab¬ 
domen  aufgezeichnet.  Vom  6. — 12.  VI.  1912  sowie  vom  9.  bis 
28.  VII.  12  wurden  beide  Ovarien  (jedes  16  mal)  vorsichtig  bestrahlt 
(Tubus,  harte  Röhre,  Filter).  Nach  den  Bestrahlungen  wurden  die 
Menses  kürzer  und  der  Blutverlust  viel  geringer.  Die  Anfälle,  die 
früher  einen  8 — 14  tägigen  Typus  hatten,  traten  nur  noch  während 
der  Menses,  aber  mit  viel  geringerer  Heftigkeit  auf.  Das  Körper¬ 
gewicht  nahm  erheblich  zu,  die  allgemeine  Nervosität  besserte  sich 
sehr.  Die  letzten  Menses  jedoch  wiederum  stärker  und  im  letzten 
Monat  wiederum  2  Anfälle,  wenn  auch  von  geringer  Intensität. 

Der  Zweck  dieser  Mitteilung  liegt  nicht  in  einer  erst  durch  zahl¬ 
reichere  und  •langbeobachtete  Fälle  berechtigten  Empfehlung  dieser 
Behandlungsmethode,  sondern  nur  in  dem  Hinweis  auf  eine  solche 
therapeutische  Möglichkeit.  Die  psychotherapeutische  Begleit¬ 
wirkung  solcher  Röntgentherapie  ist  selbstverständlich  zu  berück¬ 
sichtigen. 

Vortr.  skizziert  noch  kurz  folgenden  Fall  von  ophthalmo¬ 
plegischer  Migräne  bezw.  periodischer  Okulo¬ 
motoriuslähmung. 

Es  handelt  sich  um  eine  von  Geheimrat  Bach  überwiesene, 
23  Jahre  alte,  hinsichtlich  Migräne  familiär  belastete  Dame.  Typische 
Anfälle  mit  linksseitigen  Kopfschmerzen  und  Magensymptomen  schon 
vom  3.  Lebensjahre  ab;  fast  alle  10  Tage,  auch  später  ohne  strengere 
Bindung  an  die  Menses.  Im  Jahre  1908  entwickelte  sich  im  Anschluss 
an  einen  Anfall  unter  Verschonung  der  äusseren  Okulomotoriusäste, 
insbesondere  des  Levator  palpebrae  superioris  eine  linksseitige,  also 
der  Seite  der  Kopfschmerzen  entsprechende  Sphinkterlähmung. 
2  Jahre  später  traten  im  Anschluss  an  neue  migränöse  Attacken  eine 
unvollständige  Lähmung  des  Rectus  internus,  des  Rectus  superior 
und  des  Obliquus  inferior  auf.  Nach  vorübergehender  wesentlicher 
Besserung  entwickelte  sich  im  März  1911  im  Anschluss  an  einen 
weiteren  migränösen  Anfall  eine  linksseitige  Lähmung  sämtlicher 
äusseren  und  inneren  Okulomotoriusäste;  sie  verschwand  allmählich 
fast  ganz  und  zwar  zuerst  die  Lähmung  des  Levator  palpebrae 
superioris.  Abgesehen  von  allgemeiner  Nervosität  und  geringer 
Struma  keine  sonstige  Organerkrankung,  vor  allem  keine  weiteren 
organisch-nervösen  Störungen.  Beachtenswert  in  diesem  Fall  von 
ophthalmoplegischer  Migräne  bezw.  periodischer  Okulomotorius¬ 
lähmung  das  späte  Ergriffenwerden  und  die  relativ  geringe  Lähmungs¬ 
intensität  des  Levator  palpebrae  superioris. 

3.  Zur  Pathologie  und  Therapie  der  akuten  Vergiftungen,  vor 
allem  über  Frühoperationen  bei  schweren  Säuren-  und  Laugen¬ 
verätzungen, 

Kurzer  Bericht  über  38  bemerkenswerte  Fälle  akuter 
Vergiftungen,  die  Vortr.  noch  während  seiner  Tätigkeit  an  der 
Breslauer  Klinik  beobachtet  hat  (Krankengeschichten  mit  ausführ¬ 
lichen  Epikrisen  in  der  Dissertation  von  Uffelmann,  früherem 
Assistenten  der  Poliklinik). 

1.  Sublimatvergiftungen  (6  Fälle);  relativ  häufig  bei 
weiblichen  Angestellten  von  Kliniken  und  Krankenhäusern.  Alle 
Patientinnen  nahmen  weit  mehr  Sublimat  zu  sich,  als  der  sogen, 
letalen  Dosis  entspricht;  trotzdem  nur  50  Proz.  Mortalität.  Gewöhn¬ 
lich  gelangt  gar  nicht  die  ganze  Dosis  in  den  Magen  (Zurückbleiben 
gröberer,  nicht  gelöster  Partikel  in  dem  Glase  usw.).  Diejenige 
Menge  Sublimat,  die  tatsächlich  in  den  Magen  kommt,  gelangt  keines¬ 
wegs  restlos  zur  örtlichen  Wirkung  und  Resorption  (Selbstspülung 
durch  stürmisches  Erbrechen  sofort  nach  dem  Trinken,  Sublimat¬ 
verankerung  an  schon  zuvor  vorhandenen  Mageninhalt,  vor  allem  an 
die  Eiweisskörper  usw.).  Die  Veränderungen  in  Mund-  und  Rachen¬ 
höhle  stehen  im  Frühstadium  der  Vergiftung  oft  im  Missverhältnis 
zur  Schwere  der  Intoxikation;  sie  sind  im  Frühstadium  nur  die  Folge 
der  örtlichen  Sublimatwirkung.  Erst  in  den  nächsten  Tagen 
kommt  es  zu  sekundärer  schwerer  Stomatitis  infolge  der  intestinalen 
Resorption  und  der  reaktiven  Entzündungserscheinungen  an  Mund- 
und  Rachenhöhle.  Beachtenswert  ist  die  Druckempfindlichkeit  des 
Kolon  und  der  starke  Tenesmus  bei  beginnender  geschwliriger  Dick¬ 
darmerkrankung  (in  einem  Fall,  wo  7  g  Sublimat  genommen  wurden, 
die  ersten  Diarrhöen  schon  7V2  Stunden  nach  der  Vergiftung!).  Für 
die  Prognose  ist  bekanntlich  das  Verhalten  der  Nieren  entscheidend. 

Auf  die  kommende  Nephritis  können  spontane  und  auch  palpa- 
torisch  nachweisbare  Nierenschmerzen  hinweisen.  Interessant  sind 
die  Rückwirkungen  schwerster  Nierenaffektionen  auf  Herz  und  Ge¬ 


samtkörper.  Eine  konstante  Erhöhung  des  Blutdruckes  tritt 
nicht  ein  und  trotz  fast  völliger  einwöchentlicher  Anurie  entwickelten 
sich  keine  Oedeme.  Sekundäre  Herzhypertrophien  bestanden 
hierbei  weder  klinisch  noch  anatomisch  und_  trotz  akuter,  ja  völliger 
Nierenausschaltung  kam  es  in  tödlichen  Fällen  nicht  zu  aus¬ 
gesprochen  urämischen  Erscheinungen.  Hervor¬ 
zuheben  sind  noch  die  toxischen  Leukozytosen, ‘sowie  das  gelegentliche 
Versiegen  der  Tränen-  und  Speichelsekretion. 

2.  Salzsäure  Vergiftungen  sind  auch  infolge  der 
leichten  Zugänglichkeit  des  Giftes  relativ  häufig  (9  Fälle;  teils 
Selbstmord,  besonders  bei  Dienstmädchen,  teils  Verwechslungen,  vor 
allem  bei  Säufern).  Schwere  Oesophagus-  und  Pylorusstenosen  sollen 
nach  v.  J  a  k  s  c  h  hier  relativ  selten  sein.  Diese  relative  Selten¬ 
heit  trifft  jedoch  nur  für  die  Oesophagus-  nicht  für  die  Pylorusstenosen 
zu  (letztere  in  mindestens  der  nicht  tödlichen  Fälle).  Die  relative 
Seltenheit  schwerer  Oesophagusstenosen  im  Gegensatz  zur  relativen 
Häufigkeit  der  Pylorusverengerungen  hängt  wohl  damit  zusammen, 
dass  auch  konzentrierte  Salzsäuren  nur  bei  längerem  Kontakt  mit 
Haut  und  Schleimhaut  tiefere  Aetzwirkungen  entfalten  (viel  zu1 
rasches  Passieren  des  Oesophagus!). 

3.  Die  selteneren  Schwefelsäure  Vergiftungen  (5  Fälle) 

kommen  vor  allem  durch  sogen.  Vitriolöl  zustande.  Die  Gestaltung 
des  klinischen  Bildes  hängt  auch  hier  im  wesentlichen  von  Konzen¬ 
tration,  von  Menge  und  Verweildauer  des  Giftes  am  Orte  der  Aetz 
Wirkung  ab,  nicht  zuletzt  aber  auch  vom  zuvor  vorhandenen! 
Fällungszustand  des  Magens.  Das  reaktive  Erbrechen  bedingt  eine 
günstige  Selbstspülung  auch  der  Speiseröhre.  Die  Aetzstellen  ar 
Kinn  und  Wange  entstehen  nicht  immer  beim  Trinken  der  Säure 
sondern  gelegentlich  infolge  des  reaktiven  Erbrechens  durch  die  nocl 
stark  sauren  und  ätzenden  Massen.  Trotz  schwerer  Säureintoxi¬ 
kation  kann  das  Erbrochene  nur  noch  schwach  sauer  oder  gar  alka 
lisch  und  seine  Menge  auffällig  gross  sein  (starke  reaktive,  auci 
blutig-seröse  Exsudation  in  den  Magen,  verschluckte  alkalische 
Sekrete).  i 

4.  Oxalsäurevergiftungen  (1  Fall).  Patientin  wollt* 
wegen  Magenschmerzen  „Natron“  schlucken,  nahm  aber  infolge  eine: 
Verwechslung  einen  halben  Theelöffel  „Kleesalz“.  Bemerkenswer 
war  die  ausgesprochene  Leukozytose  und  ein  fast  zweitägiger  Zu 
stand  delirienfreier  Schläfrigkeit. 

5.  Die  grosse  praktische  Bedeutung  der  Laugenvergif 
t  ungen  (5  Fälle)  liegt  in  ihrer  relativen  Häufigkeit  und  in  de 
Schwere  der  Folgeerscheinungen.  Sie  zeichnen  sich  durch  Inten 
sität  und  Schmerzhaftigkeit  ihrer  Aetzwirkungen  aus  (manch. 
Patienten  sofort  nach  Giftaufnahme  vor  Schmerzen  ohnmächtig!) 
Oft  ein  ausgesprochenes  Missverhältnis  (ebenso  wie  bei  Säurever 
giftungen)  zwischen  der  Schwere  der  Aetzwirkung  in  Mundhöhl 
und  Rachen  und  derjenigen  in  Oesophagus  und  Magen). 

6.  Lysolvergiftungen  (4  Fälle).  Ihre  Häufigkeit  hat  seh 

abgenommen.  Das  klinische  Bild  ist  erschöpfend  bekannt  und  di 
Diagnose  gewöhnlich  leicht  (Geruch  des  Erbrochenen,  der  Spül 
fliissigkeit,  der  beim  Selbstmord  getragenen  Kleidungsstücke,  ins 
besondere  des  Taschentuches,  charakteristische  Verfärbung  un> 
Phenolreaktion  des  Urins).  /'f  j 

7.  Ammoniakvergiftungen  (3  Fälle  durch  sog.  Salmiak 
geist).  Charakteristischer  Gasgeruch  des  Erbrochenen  und  der  Spül 
flüssigkeit;  Entwicklung  weisser  Dämpfe  beim  Vorhalten  eines  mi 
Salzsäure  befeuchteten  Glasstabes! 

8.  Sog.  Kohlendunstvergiftungen  (3  Fälle;  davo 
2  tödlich).  Von  differentialdiagnostischer  Bedeutung  sind  hier  eigen 
artige  Spontanbewegungen  der  Bulbi  während  der  Bewusstseins 
triibung.  Die  gewöhnlich  nach  oben  gedrehten  Augäpfel  mache 
fortgesetzt  unwillkürliche,  sehr  langsame  aber  ausgesprochen  rhyth 
mische  assoziierte  Pendelbewegungen  nach  beiden  Endstellunge 
hin.  Sehr  interessant  war  das  Verhalten  der  Psyche  bei  dem  ge 
retteten  Patienten  (Auftreten  einer  ausgesprochenen  Moria  nach  Am 
hellung  des  Bewusstseins),  sowie  die  vorübergehende  Entwicklun 
des  Symptnmenkomplexes  der  akuten  zerebralen  Ataxie.  Uebei 
bleibsel  der  schweren  Kohlendunstvergiftung  waren  u.  a.  migräne 
artige  einseitige  Kopfschmerzen,  sowie  eine  linksseitige  nervös 
Schwerhörigkeit.  Bei  der  Autopsie  eines  letalen  Falles  fand  sich  u.  ; 
die  bei  Kohlendunstvergiftungen  schon  früher  beschrieben 
symmetrische  Erweichung  im  Bereich  der  beiden  Stammganglien. 

9.  Akute  Phosphorvergiftungen  (Selbstmord  vo 
Braut  und  Bräutigam;  von  15  Päckchen  Phosphorzündhölzern  --  du 
Päckchen  zu  70  Stück  —  die  Köpfchen  abgebrochen,  aufgeweicht  im 
die  so  hergestellte  Emulsion  je  zur  Hälfte  getrunken;  Bräutigai 
gestorben,  Braut  nach  langem  Krankenlager  genesen). 

Bemerkenswert  waren  u.  a.  die  anfängliche  ausgesprochen 
Leukopenie,  der  Pulsus  rarus,  sowie  die  hysterieformen  psychische 
Störungen  und  späteren,  mit  reissenden  Leibschmerzen  verbundene 
gelegentlichen  Darmsteifungen  bei  der  geretteten  Patientin. 

Hinsichtlich  der  Therapie  akuter  schwerer  Säur  e  n 
und  Laugen  Vergiftungen  vertritt  Vortr.  einen  von  de 
üblichen  Vorschriften  der  Lehr-  und  Handbücher  wesentlich  al 
weichenden  Standpunkt:  man  muss  von  vorneherein  die  Früh 
Operation  in  Gestalt  einer  Gastrostomie  bzw.  Jejuno 
s  t  om  i  e  erwägen.  Beim  eiligen  energischen  Spülen  mit  der  Mage* 
sonde  liegt  namentlich  bei  Patienten,  die  schwere  Aetzwirkunge 
haben  und  sich  wegen  starker  Schmerzen  oder  aus  Suizidabsichtc 
gegen  die  Magensonde  wehren,  die  Möglichkeit  eine 


' 5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


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;  h  w  e  r  e  n  Schädigung  der  ver ätzten  Oesophagus- 
chleimhaut  durch  die  Sonde  sehr  nahe.  Durch  Friih- 
jerationen  in  Gestalt  der  Laparotomie  mit  nachfolgender  Jejuno- 
omie  oder  (iastrostomie  gelingt  es  zunächst  durch  Freilegung  und 
.‘Mchtigung  des  eventuell  schwer  verätzten  Magens  etwaigen 
pontanperforationen  vorzubeugen. 

Fs  kann  sich  ausserdem  empfehlen,  von  einer  Gastro- 
omie  wunde  a  u  s  nochmals  sorgfältig  den  Magen  zu  spüle  n. 
e  frühzeitige  Jejunostomie  hat  weiterhin  den  Vorzug,  dass  sie  die 
•i ätzten  Zufuhrwege  der  Nahrungsmittel,  vor  allem  Speise- 
hre  und  Magen  ruhig  stellt,  und  gleichzeitig  von  vorneherein 
ne  ausreichende  Ernährung  der  Patienten  garantiert, 
er  Patient  wird  natürlich  bei  groben  Verätzungen  in  Rachen  und 
reiseröhre  schon  durch  die  sekundären  peristaltischen  Kontraktionen 
i  Gefolge  der  Nahrungsaufnahme  erheblich  gefährdet.  Solche  oft 
hwer  und  tiefgreifend  veränderten  Organe  bedürfen  möglichst  der 
ltiestellung.  Diese  gelingt  am  besten  durch  die  Jejunostomie  event. 
i  ganz  vorherrschender  Beteiligung  des  Oesophagus  auch  durch  die 
isirostoinie.  Auch  die  subjektiven  Beschwerden  in  Rachen  und 
reiseröhre  werden  im  Frühstadium  der  Vergiftung  dadurch  ge¬ 
ädert.  Eine  Gastrostomie  kann  auch  im  Hinblick  auf  die  spätere 
latierende  Sondierung  der  Speiseröhre  von  der  Magenwunde  aus 
ertvoll  sein. 

Bei  Schwefelsäure-  und  Laugenvergiftungen  ist  die  verätzte 
dileimhaut  vielfach  derart  morsch,  dass  man  durch  eilige  Sonden- 
liilungen  gelegentlich  mehr  schaden  als  nützen  kann. 

Daher  die  bekannte  Regel;  bei  allen  akuten  Vergiftungen  sofort 
Essig  den  Magen  spülen  mit  Ausnahme  der  Schwefelsäure-  und 
mgenvergiftungen.  Ein  generelles  Verbot  von  Sondenspülungen  bei 
aiten  Schwefelsäurevergiftungen  ist  jedoch  nicht  angängig.  Die 
Jileimhautnekrosen  hängen  ja  auch  hier  von  der  Konzentration,  von 
:r  Menge  und  Verweildauer  der  Flüssigkeit  am  Orte  der  Aetz- 
irkung  ab.  Werden  nachweisbar  verdünnte  Lösungen  getrunken, 
i  sind  rasche  und  ausgiebige  Sondenspülungen  unter  allen  Urn- 
änden  am  Platze.  Ein  Beispiel:  Ein  54  Jahre  alter  Potator  trank 
der  Klinik  und  zwar  vor  den  Augen  der  Wärterin  etwa  20  ccm 
iizineller  Schwefelsäure.  Sofort  wurde  sorgfältigst  der  Magen 
:spiilt,  in  üblicher  Weise  Magnesia  usta  angewandt;  Magen-  und 
esophagusbeschwerden  blieben  tatsächlich  vollkommen  aus.  Die 
sehe  Entscheidung,  ob  verdünnte  oder  konzentrierte  Lösungen  von 
:hwefelsäuren  oder  Laugen  getrunken  wurden,  kann  im  Einzelfall 
hr  schwierig  sein.  Auf  konzentriertere  Lösungen  muss  man  jedoch 
Messen,  wenn  sich  an  Lippen,  Kinn  und  Wangen,  auch  in  Mund- 
jhle  und  Rachen  stärkere  Verschorfungen  finden  und  wenn  intensive 
;hmerzen  im  Verlauf  der  Speiseröhre  und  in  der  Magengegend  mit 
osser  Druckempfindlichkeit  des  Abdomens  vorhanden  sind.  Hier 
»nn  es  in  der  Tat,  wenigstens  nach  unseren  Erfahrungen  am  besten 
“in,  so  rasch  als  möglich  die  Frühoperation  ausführen  zu  lassen. 

Die  Möglichkeit  einer  raschen  Frühoperation  ist  natürlich  sehr 
an  den  örtlichen  Verhältnissen  abhängig;  man  muss  die  letzteren 
.i  der  Therapie  unter  allen  Umständen  in  Rechnung  ziehen.  Wo 
hirurg  und  Krankenhaus  nicht  zur  Verfügung  stehen,  wird  man  trotz 
:r  gelegentlichen  Möglichkeit  der  Perforation  in  der  Praxis  immer 
ieder  auf  eine  vorsichtige  Sondenspülung,  auch  nach  dem  Trinken 
an  konzentrierter  Schwefelsäure  zurückgreifen.  Schliesslich  lae- 
njtet  der  Vorschlag  einer  Frühoperation  bei  akuten  Schwefelsäure- 
id  Laugenvergiftungen  noch  keinen  Verzicht  auf  sofortige  genügende 
agenspiilung.  Man  reicht  z.  B.  dem  Kranken  schleunigst  Milch, 
iweiss  oder  Seifenwasser  und  verdünnte  Sodalösungen,  bis  man 
is  am  meisten  zu  empfehlende  Arzneimittel,  die  Magnesia  usta  zur 
and  hat. 

Auf  keinen  Fall  darf  man  hierbei  auf  Sonde  und  Medikamente 
arten!  Die  einfache  mechanische  Spülung  und  Säureverdünnung 
ü  Flüssigkeiten  ist  viel  wichtiger  als  die  chemische  Abstumpfung 
id  Neutralisation  der  Säure.  Hat  man  keine  Sonde,  so  lässt  man 
-ii  Patienten  diese  Flüssigkeiten  reichlich  trinken;  dadurch  werden 
Endliche  Säurereste  aus  dem  Oesophagus  in  den  Magen  weiter 
.'schwemmt  und  die  Säure  selbst  im  Magen  abgeschwächt.  Bei  der 
rechneigung  der  Patienten  wird  reichlich  getrunkene  Flüssigkeit 
ald  wieder  spontan  nach  aussen  befördert  und  durch  die  rück- 
lömende  Flüssigkeit  kommt  es  zu  einer  günstigen  Spülung  auch  der 
peiseröhre.  Bei  der  Sondierung  spült  man  nämlich  genau  genommen 
ir  den  Magen  aus,  während  man  die  Säurereste  in  Speiseröhre  und 
achen  kaum  berücksichtigt.  Die  Frühoperation  kann  also  nach 
ergiftungen  mit  hochprozentigen  Säuren  und  Laugen  in  Fällen  m  i  t 
id  ohne  vorangehende  Sondenspülung  und  andere  therapeutische 
lassnahmen  am  Platze  sein. 

Ein  energisches  operatives  Eingreifen  wurde  auch  einmal  bei 
kuter  schwerer  Sublimatvergiftung  versucht 
■3  jähriges  Mädchen,  in  selbstmörderischer  Absicht  4  Sublimat- 
•istillen  in  einem  Viertelliter  Wasser  gelöst,  anscheinend  restlos 
tftrunken).  Im  Hinblick  auf  die  voraussichtlich  ganz  infauste 
rognose  dieses  Falles  sollte  der  Versuch  gemacht  werden,  die 
atientin  möglichst  noch  operativ  zu  retten.  Auf  unseren  Vorschlag 
in  wurde  in  der  Breslauer  chirurgischen  Klinik  die  Gegend  der 
tozoekalklappe  freigelegt  und  ein  Drainrohr  in  das  Ileum  eingenäht, 
,n  den  Kot  nach  aussen  fortzuleiten.  Ein  zweites  Drainrohr  kam 
!  das  Kolon,  um  von  hier  aus  eine  Dauerspülung  vorzunehmen  und 
omöglich  die  zu  erwartende  schwere  dysenterische  Ausscheidungs- 
alitis  zu  mildern.  Gleichzeitig  wurde  der  Magen  freigelegt,  eröffnet 


und  sorgfältig  von  der  Magenwunde  aus  nochmal  gespült.  Trotz 
alledem  ging  die  Patientin  an  den  Folgen  schwerster  Nierenverände¬ 
rungen  zugrunde  (vielleicht  könnte  man  hier  noch  die  Entkapselung 
in  Erwägung  ziehen?).  Es  war  jedoch  anscheinend  gelungen,  eine 
schwere  frühzeitige  Dickdarmerkrankung  zu  verhindern. 

Diskussion:  Herr  Bielschowsky  hat  die  von  Herrn 
Müller  erwähnte  „Migraine  ophthalmoplegique“  (Charcot)  in 
8  Fällen  gesehen,  so  dass  etwa  auf  je  100  Augenmuskellähmungen 
seines  Materials  ein  Fall  von  „rezidivierender  Okulomotorius¬ 
lähmung“  käme.  Trotzdem  dieses  Leiden  stets  von  migräneähnlichen 
Symptomen  begleitet  bzw.  eingeleitet  ist,  stehen  doch  heute  wohl  die 
meisten  Autoren  auf  dem  Standpunkte,  dass  es  sich  in  solchen  Fällen 
für  gewöhnlich  nicht  um  echte  Migräne  handle.  Denn  die  Lähmung 
bildet  sich  zwar  nach  den  ersten  Anfällen  in  der  Regel  wieder  zurück, 
nach  häufiger  Wiederkehr  derselben  wird  jedoch  eine  mehr  oder 
minder  erhebliche  Parese  des  N.  oculomot.  stationär.  Man  hat  auch 
in  den  wenigen  Fällen,  die  bisher  zur  Autopsie  gelangt  sind,  ver¬ 
schiedenartige  basale  Affektionen  des  Okulomotoriusstammes  ge¬ 
funden  (Exsudat,  Tumoren  etc.),  was  im  Widerspruch  zu  dem  Wesen 
der  echten  Migräne  steht. 

Herr  Zangemeister,  Herr  Hildebrand,  Herr  König. 

Herr  M  a  1 1  h  e  s  weist  kurz  auf  einige  weniger  bekannte 
Aequivalente  für  den  Migräneanfall  hin.  Er  beobachtete  z.  B.  das 
anfallsweise  Auftreten  von  Urina  spastica  als  typisches  Migräne¬ 
äquivalent  und  in  einem  anderen  Fall  das  Auftreten  von  Gastroxynsis. 

Herr  Eduard  Müller:  Die  bei  periodischer  Okulomotorius¬ 
lähmung  bisher  erhobenen  Sektionsbefunde  ergeben  kein  einheitliches 
Bild.  Die  Abgrenzung  der  ophthalmoplegischen  Migräne  von  der 
üblichen  Form  .macht  grosse  Schwierigkeiten,  zumal  bei  der  letzteren 
auch  andersartige  Lähmungen  Vorkommen.  Die  nach  Kastration  auf¬ 
tretenden  migräneartigen  Kopfschmerzen  sind  von  echter  Migräne 
zu  trennen.  Ein  Versagen  der  Röntgentherapie  ist  durchaus  möglich, 
zumal  es  noch  andere'äuslösende  Ursachen  für  den  migränösen  Anfall 
gibt  als  sexuelle  Vorgänge.  Man  muss  sich  möglichst  streng  an  die 
oben  gegebene  Indikationsstellung  halten.  Der  Gastroxynsis  ähnliche 
Magensiörungen  kommen  bei  Migräne  vor,  jedoch  wohl  immer  in 
Vetbindung  mit  Kopfschmerzen.  Gewöhnlich  liegt  bei  der  Gastro¬ 
xynsis  eine  beginnende  Tabes  vor.  Tiefgreifende  Magenverätzungen 
sind  auch  nach  konzentrierten  Säuren  und  Laugen  meist  merkwürdig 
umschrieben;  sie  pflegen  jedenfalls  kaum  den  operativen  Eingriff 
(Anlegung  von  Nähten  usw.)  zu  stören. 

Herr  E.  Frey:  Ueber  Blutdruckwirkung  von  Uzara. 

Die  Stopfwirkung  von  Morphin  resp.  Opium  und  von  Uzara  sind 
klinisch  verschieden:  Die  subjektiven  Beschwerden,  Kolik,  Tenesmus, 
lassen  auf  Uzara  nach,  ohne  dass  eine  intensive  Stopfwirkung  be¬ 
steht,  auch  kommt  es  nicht  zu  einer  stopfenden  Nachwirkung  wie  bei 
Morphin.  Es  fragt  sich,  worauf  diese  klinischen  Verschiedenheiten 
in  der  Wirkung  der  beiden  Stoffe  beruhen.  —  Morphin  stellt  den 
kiankhaft  erregten  Darm  ruhig  und  macht  eine  Dauerkontraktion  des 
Pylorus.  Die  Stopfwirkung  kommt  auch  nach  Ausschaltung  des 
sympathischen  Hemmungsnerven  des  Darmes,  des  Splanchnikus, 
zustande  (Magnus)  und  beruht  auf  einer  Tonuszunahme  im 
autonomen  Nerven,  dem  Vagus,  wie  auch  der  autonome  Nerv  des 
Verengerers  der  Pupille  in  erhöhten  Tonus  nach  Morphin  gerät.  — 
Uzara  stellt  den  Darm  ruhig,  hat  aber  noch  andere  Wirkungen,  z.  B. 
auf  den  Blutdruck,  die  in  Parallele  zur  Darmwirkung  gesetzt  werden 
können;  denn  auch  Herz  und  Gefässe  unterstehen  dem  sympathischen 
und  autonomen  Nervensystem.  Der  Blutdruck  steigt  nach  Uzara 
erheblich,  und  zwar  durch  periphere  Gefässverengerung,  sie  tritt 
auch  nach  Rückenmarksdurchtrennung  auf.  Gleichzeitig  kommt  es 
zu  Vagusreizung  zentraler  Natur,  wie  bei  jeder  Blutdrucksteigerung; 
die  Vaguspulse  schwinden  nach  Vagotomie  oder  nach  Atropin. 
Dabei  zeigte  sich,  dass  die  Atropinlähmung  des  Vagus  durch  Uzara 
wieder  aufgehoben  wird;  reizt  man  dann  den  wieder  erregbar  ge¬ 
wordenen  Vagus,  so  bleibt  eine  Nachwirkung  des  Reizes  längere  Zeit 
bestehen.  Ferner  beeinflusst  Uzara  die  Kurarelähmung  antagonistisch. 
Vielleicht  kann  Uzara  an  diesen  Stellen  gespeichert  werden,  ohne 
dass  es  selbst  dort  wirkt,  und  andere  Stoffe  daraus  vertreiben,  ln 
grossen  Dosen  macht  es  Krämpfe.  Wie  die  sympathischen  Endigungen 
der  Gefässe,  so  erregt  Uzara  auch  die  sympathischen  Endigungen  im 
Dilatator  pupillae  und  so  kann  man  schliessen,  dass  auch  die  Stopf¬ 
wirkung  von  Uzara  auf  Reizung  der  sympathischen  Hemmungsrierven 
des  Darmes  beruht,  also  in  anderer  Weise  zustande  kommt  als  die 
Wirkung  des  Morphins.  Morphin  vermehrt  den  Tonus  im  autonomen 
Nerven  des  Darmes,  im  Vagus,  wie  im  autonomen  Nerven  an  der 
Pupille,  wodurch  Pylorus  und  Pupille  eng  werden;  Uzara  reizt  die 
sympathischen  Hemmungsnerven  des  Darmes,  wodurch  der  Darm 
ruhig  wird,  wie  die  sympathischen  Nerven  im  Dilatator  pupillae, 
wodurch  die  Pupille  weit  wird.  Die  klinischen  Unterschiede  der 
Wirkung  erklären  sich  also  durch  den  verschiedenen  Mechanismus 
der  Wirkung  beider  Stoffe. 

Diskussion:  Herr  Loening  erwähnt,  dass  die  an  aus¬ 
geschnittenen  Rinderkranzarterien  zu  beobachtende  Ein- 
wiikung  der  Droge  Uzara  nicht  im  Sinne  einer  Reizung  der 
dortigen  Sympathikusendigungen  gedeutet  werden  kann.  Wäre  dies 
der  Fall,  so  müsste  Uzara  in  ganz  analoger  Weise  wie  das  Adrenalin 
auf  sie  wirken,  also  ausnahmslos  und  bei  jeder  Konzentration  v  a  s  o  - 
dilatierend.  Dieser  von  Lange  ndorff  zuerst  festgestellten 
und  seitdem  mehrfach  bestätigten  gefässer  weiternden  Ein¬ 
wirkung  des  Adrenalins  auf  isolierte  Kranzgefässe  entsprach  jedoch 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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das  Verhalten  von  Uzara  durchaus  nicht,  vielmehr  konnte  von  L. 
bei  der  Prüfung  des  Einflusses  einer  Uzaronringerlösung  auf 
Rinderkranzgefässstreifen  *)  immer  nur  die  gleiche  gefäss- 
verengernde  (vasokonstriktorische)  Wirkung  beobachtet  werden, 
die  Uzara  auch  auf  andersartige  isolierte  Qefässe  (Karotis  etc.)  stets 
auszuüben  vermag.  Es  traf  dieses  dem  Adrenalin  also  gerade  ent¬ 
gegengesetzte  Verhalten  von  Uzara  auch  bei  Versuchen  mit  ver¬ 
schieden  konzentrierten  Lösungen  stets  zu,  so  dass  L.  an  die  Be¬ 
deutung  der  Konzentrationsverhältnisse  für  die  Erklärung  jenes  unter¬ 
schiedlichen  Verhaltens  nicht  recht  zu  glauben  vermag. 

Herr  Ed.  Müller. 

Herr  E.  Frey:  Der  Befund,  dass  Uzara  und  Adrenalin  an  den 
Koronararterien  verschieden  wirken,  kann  gegen  die  Ansicht  von  der 
Beeinflussung  der  sympathischen  Nerven  durch  Uzara  nicht  allzusehr 
ins  Gewicht  fallen,  da  ja  auch  Adrenalin  verschieden  wirkt,  nicht  nur 
an  den  Koronararterien,  sondern  auch  sonst  an  den  peripheren 
Arterien.  Wenn  es  auch  hauptsächlich  die  Gefässe  zur  Kontraktion 
bringt,  so  erweitert  es  sie  auch,  z.  B.  in  ganz  kleinen  Dosen,  oder 
als  Nachwirkung  grösserer.  Trotzdem  greift  Adrenalin  an  den 
sympathischen  Nerven  an,  die  sich  in  ganz  ähnlicher  Weise  dem 
elektrischen  Reiz  gegenüber  verhalten,  denn  der  sympathische  Nerv 
enthält  auch  erweiternde  Fasern,  es  überwiegen  nur  die  gefäss- 
verengernden,  und  beide  Sorten  reagieren  auf  verschiedene  Dosen. 
Es  kann  sich  also  dabei  um  nur  quantitative  Unterschiede  handeln. 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  23.  Januar  1913. 

Herr  D  ö  d  e  r  I  e  i  n:  Demonstration  eines  durch  Röntgenstrahlen 
merkwürdig  gebesserten  Falles  von  inoperablem  Karzinom. 

Verf.  gibt  zuerst  einen  Ueberblick  über  den  heutigen  Stand  der 
Röntgentherapie  in  der  Gynäkologie,  und  erklärt  sich  als  bedingungs¬ 
losen  Anhänger  von  Krönig-Gauss.  Zu  den  Röntgenstrahlen 
ist  in  letzterer  Zeit  auch  noch  das  Radium  und  Mesothorium  ge¬ 
kommen.  Das  Mesothorium  sendet  dreierlei  Strahlen  aus:  a-,  ß- 
und  y-Strahlen.  Die  a-Strahlen  entsprechen  am  ehesten  den  ganz 
weichen  Röntgenstrahlen,  müssen  also,  um  Hautschädigungen  zu  ver¬ 
meiden,  durch  ein  feines  Aluminiuprfilter  abgefangen  werden,  die 
/»-Strahlen  sind  spezifisch  für  Mesothorium  und  die  y-Strahlen  ent¬ 
sprechen  harten  Röntgenstrahlen.  Demonstration  einer  von  der  Auer- 
Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellten  Mesothoriumkapsel,  zum  ein¬ 
gesetzten  Werte  von  10  000  M.  Mit  Röntgenstrahlen,  kombiniert  mit 
Mesothorium,  wurde  eine  47  jährige  Frau  mit  inoperablem  Zervix- 
kaizinom  behandelt.  Obwohl  mit  der  Behandlung  erst  am  10.  XII. 
begonnen  wurde,  ist  der  Erfolg  doch  schon  ein  überraschender.  Es 
wurden  verabfolgt:  804  Lichtminuten  mit  718  X  (Röntgenscheiden¬ 
bestrahlung)  und  3  mal  40  mg  je  14  Stunden  und  2  mal  50  mg  je 
10  Stunden.  Mesothoriumeinlagen  in  die  Vagina  =  3280  mg  Stunden. 

Der  grosse  Krater  in  der  Zervix  reinigte  und  schloss  sich  sehr 
rasch,  so  dass  man  jetzt  eine  fast  normale  Portio  tastet:  Probe¬ 
exzisionen  aus  der  Portio  ergeben  kein  karzinomatöses  Gewebe  mehr. 
Das  karzinomatöse  Infiltrat  in  den  Parametrien  ist  rechts  kleiner  ge¬ 
worden  und  auf  der  linken  Seite  ganz  geschwunden,  so  dass  der 
Uterus  wieder  beweglich  geworden  ist.  Die  Behandlung  soll  fort¬ 
gesetzt  werden.  Demonstration  der  Patientin,  die  von  einzelnen 
Herren  nachuntersucht  wird. 

Diskussion  die  Herren:  Kästle,  Sielmann,  Theil- 
h  a  b  e  r,  A 1  b  r  e c h  t,  Klein,  Hengge,  G  r  a s h  e y,  D  ö  d  e  r  1  e  i  n. 

Herr  Bai  sch:  Demonstration  zur  Behandlung  des  bei  Tuben- 
ruptur  in  die  Bauchhöhle  ergossenen  Blutes. 

Demonstration  einer  Patientin,  die  wegen  Tubenruptur  mit 
enormer  Blutung  ins  Abdomen  vom  Vortr.  operiert  worden  ist.  Ab¬ 
weichend  von  dem  von  ihm  gewöhnlich  geübten  Verfahren  hat  der 
Vortr.  das  Blut  aus  dem  Abdomen  nicht  ausgespült,  sondern  es,  um 
die  Operation  möglichst  abzukürzen, , im  Abdomen  gelassen.  Trotz¬ 
dem  war  die  Rekonvaleszenz  vollkommen  ungestört. 

Diskussion  die  Herren :  Wiener.  Theilhaber,  Petri, 
Aman  n,  Hengge.  G.  Wiener- München. 


Naturwissenschaft!.- medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  November  1912. 

Herr  Berg:  Zur  Histologie  der  Leberfunktionen. 

Diskussion:  Herren  Erich  Meyer,  Ber  g. 

Sitzung  vom  29.  November  1912. 

Herr  Loos:  Ueber  ein  zentrales  Unterkieferkarzinom,  die  Her¬ 
kunft  und  Klassifizierung  dieser  Geschwülste. 

Demonstration  einer  bei  einem  22  jährigen  Mann  nach  einem 
Stoss  gegen  den  Unterkiefer  entstandenen  Geschwulst.  Bei  der  von 


*)  siehe  die  diesbezüglichen  Mitteilungen  in  der  Münch,  med. 
Wcchenschr.  No.  5,  1912  unter  „Sitzung  des  Aerztlichen  Vereines 
Marburg1--. 


No.  8 

Prof.  Stolz-  Strassburg  vorgenommenen  beiderseitigen  Exarti 
kulation  befand  sich  links  ein  hühnereigrosses,  weissliches,  wabige 
Neoplasma,  welches  den  Knochen  von  der  Prämolarengegend  bis  zu 
Mitte  des  aufsteigenden  Astes  total  zerstört  hatte.  Auch  rechts  wäre 
die  Zähne  vom  Eckzahn  an  in  einen  solchen  Tumor  von  Taubenei 
grosse  eingemauert.  Haut,  Schleimhaut,  Zahnfleisch  und  regionär 
Lymphdrüsen  frei.  Mikroskopisch  erwies  sich  die  Geschwulst  al 
Karzinom.  In  einem  bindegewebigen  Stroma  Ballen  von  Platten 
epithel,  deren  Zentrum  meist  herausgefallen  ist,  besonders  wenn  di< 
Erweichungsnester  gross  sind,  so  dass  Hahlräume  entstehen.  Kein 
Perlkugelbildung. 

Erinnerte  schon  der  histologische  Bau  —  solide  Zellstränge  mi 
mehreren  Schichten  von  aussen  mehr  kubischen,  nach  innen  zu  meh 
platten  Epithelzellen  und  Zysten  mit  einer  verschieden  starken  Wand 
aus  nach  innen  platter  werdenden,  sich  Zerfallsformen  mehr  um 
mehr  nähernden  Epithelzellen  und  mit  einem  teils  mehr  teils  wenige 
verflüssigten  Kern  —  in  gewisser  Hinsicht  an  den  Bau  der  vo 
Kruse  zuerst  genau  histologisch  beschriebenen  und  unterschiedene 
Adamantinomformen,  und  erinnerte  die  Zellform  in  der  äusserste. 
Wandschicht  an  die  des  äusseren  Schmelzscheidenepithels,  so  hätt! 
nach  dem  Vorgang  von  Malassez,  welcher  alle  derartigen  Kiefer! 
geschwülste,  bzw.  der  Zahnwurzel  anhängenden  epithelhaltigen  Gel 
schwülstchen  auf  die  von  ihm  zuerst  histologisch  abgesonderte: 
und  histogenetisch  zusammengefassten  „Debris  epitheliaux“  zurück 
führte,  auch  dieser  Tumor  als  unterste  Stufe  der  Schmelzleisten 
geschwülste  angesehen  werden  können.  Er  ist  jedoch,  da  ein  Zu 
sammenhang  mit  dem  Epithel  der  Umschlagsfalte  nachgewiese 
werden  konnte,  ein  Epithelkarzinom  mit  der  dem  Zahnleistenepithc 
eigentümlichen  Wachstumsrichtung.  (Selbstbericht.) 

(Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  der  Deutschen  Monats 
schrift  für  Zahnheilkunde.) 

Herr  Steiner:  Zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Links 
händigkeit. 

Diskussion:  Herren  Chiari,  Ewald,  Ledderhos tj 
Steiner. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Perthes. 

Schriftführer:  Herr  A.  Mayer. 

Herr  Dibbelt:  Beiträge  zur  Pathogenese  der  Infektion* 
krankheiten. 

M.  H.l  Ich  wollte  Ihnen  kurz  über  experimentelle  Untei 
suchungen  berichten,  deren  ausführliche  Mitteilung  in  den  Arbeite 
aus  dem  pathologischen  Institut  Tübingen,  Bd.  VIII,  Heft  2.  191 
erfolgen  wird.  Die  Untersuchungen  beschäftigen  sich  mit  der  Genes 
allgemeiner  und  lokaler  Infektionskrankheiten.  Von  dem  Grüne! 
gedanken  ausgehend,  dass  das  Wesen  der  Infektion  in  einer  Wechse 
Wirkung  zwischen  den  Bakterien  und  den  Zellen  des  befallenen  Orgr 
nismus  zu  suchen  ist,  wurde  versucht,  die  Zustandsänderunge' 
welche  in  den  Zellen  als  Reaktion  auf  die  Wirkung  des  Krankheit: 
virus  auftreten,  aufzudecken.  Die  angewandte  Methode  war  die  de 
vitalen  Färbung  mit  einem  leicht  reduzierbaren  Farbstoff,  dei 
Methylenblau.  Dabei  sind  folgende  Ueberlegungen  zugrunde  gelegt 
die  gesunden  Zellen  vermögen  in  einer  bestimmten  Zeiteinheit  ein 
bestimmte  Menge  von  Farbstoff  zu  reduzieren,  diese  Reduktion  i: 
nach  Ehrlich  als  der  Ausdruck  des  Sauerstoffbedürfnisses  dt 
Zellen  zu  betrachten,  zeigt  also  gleichsam  die  Zellatmung  an.  Gel 
dabei  die  Reduktion  in  der  üblichen  Stärke  vor  sich,  so  ist  darai 
auf  eine  intakte  Zellatmung  zu  schliessen,  ist  sie  gehemmt,  so  wir 
die  Zellatmung  und  damit  überhaupt  die  Zellfunktion  geschädigt  sei 
Es  Lässt  sich  nun  sowohl  bei  septikämischen  Prozessen  (exper 
menteller  Hühnercholera),  wie  bei  lokaler  Infektionskrankheit  (exper 
menteller  Tuberkulose)  an  dem  Ausbleiben  der  Reduktion  eine  Zel 
Schädigung  nachweisen,  die  im  ersteren  Falle  am  zum  Teil  blos; 
gelegten  Gehirn,  im  zweiten  in  der  Umgebung  des  infektiösen  Pr< 
zesses  zu  bemerken  war.  Hier  blieb  sie  in  Bezirken  aus,  die  mn 
phologisch  völlig  normal  erschienen  oder  sich  im  Zustande  erhöht* 
proliferativer  Tätigkeit  befanden.  — -  Wenn  man,  wie  von  mir  vo 
geschlagen,  die  Krankheitsursachen  in  einen  pathokinetischen  ui 
pathogenetischen  Faktor  zerlegt  und  unter  ersterem  die  Wirkung* 
der  Bakterien  auf  die  Zellen,  unter  letzterem  die  Reaktionen,  welcl 
in  den  Zellen  als  Antwort  auftreten,  zusammenfasst,  so  wird  m: 
sagen  können,  dass  die  pathogenetische  Ursache  der  Infektionskranl 
heiten  in  einer  funktionellen  Störung  der  Körperzellen  zu  suchen  i: 
In  ihrem  Verlauf  lassen  sich  2  Stadien  unterscheiden,  die  positiv 
Phase  oder  das  Stadium  der  erhöhten  Reizbarkeit  und  die  negativ 
Phase  oder  das  Stadium  der  funktionellen  Lähmung.  Das  1.  Siadiu 
findet  bei  den  lokalen  Infektionskrankheiten  seinen  Ausdruck  in  e 
höhter  formativer  Tätigkeit  der  Zellen;  bei  Allgemeinerkrankungt 
in  dem  Auftreten  von  Temperaturerhöhung  und  anderen  Zustände 
erhöhter  Reizbarkeit  von  Organen  oder  Organgruppen.  D; 
2.  Stadium  führt  unter  langsamerem  oder  schnellerem  Aufhören  d' 
Zellfunktionen  zum  lokalen  oder  allgemeinen  Tode. 

Diskussion:  die  Herren  v.  Baumgarten,  Holzbac 
Perthes. 


.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


443 


Herr  J.  W.  Miller:  Corpus  luteum  und  Schwangerschalt. 

it  Demonstration  des  jüngsten  menschlichen  Eies.) 

Zwischen  Ovulation  und  Menstruation  besteht  ein  festes  Ab- 
ngigkeitsverhältnis,  und  zwar  geht  der  Follikelsprung  der  Blutung 
rchschnittlich  9  Tage  voraus.  Während  das  Ei  die  Tube  durch- 
mdert.  erfolgt  die  Umbildung  der  Membrana  granulosa  des  Follikels 
;n  Corpus  luteum,  dessen  epitheliale  Natur  durch  die  vergleichende 
twicklungsgeschichte,  durch  das  Auffinden  von  Kolloid  innerhalb 
r  Luteinzellen  und  den  Nachweis  direkter  Uebergänge  erwiesen  ist. 

Das  frische  Corpus  luteum  gibt  keine  Fettreaktion:  erst  nach 
ginn  seiner  Rückbildung  gelingt  der  Fettnachweis.  Das  Corpus 
eum  graviditatis  gibt  während  der  ganzen  Dauer  der  Schwanger- 
laft  so  gut  wie  keine  Fettreaktion.  Das  Corpus  albicans  entsteht 
rch  Zugrundegehen  der  verfetteten  Luteinzellen  allein  durch 
aline  Hypertrophie  des  bindegewebigen  Retikulums.  Eine  histo- 
;ische  Differentialdiagnose  des  Corpus  luteum  graviditatis  wird 
rch  den  Nachweis  von  Kolloidtropfen  und  Kalkkonkrementen  bei 
gativem  Ausfall  der  Fettreaktion  ermöglicht. 

Der  gelbe  Körper  ist  eine  periodisch  sich  bildende  Drüse  mit 
lerer  Sekretion;  sie  veranlasst  die  zyklische  Umbildung  des  Endo- 
itriums  zur  Dezidua  —  das  Ei  ist  hierzu  nicht  nötig  —  und  er- 
iglicht  so  die  Implantation  des  Ovulum;  sie  bewirkt  —  als 
iphisches  Zentrum  für  den  Uterus  —  ganz  allgemein  den  in  den 
■nerationsjahren  erhöhten  Turgor  des  Organs  und  protegiert  so 
;  junge  Schwangerschaft;  sie  verhindert  eine  neue  Eireifung 
ihrend  ihrer  Funktionsdauer.  Die  sogen.  Laktationsatrophie  des 
erus  ist  keine  reflektorische  Trophoneurose,  sondern  nur  die  Folge 
r  fehlenden  Corpus-luteum-Neubildung. 

Der  Nachweis  eines  inneren  Sekrets  des  Corpus  luteum  im 
agenzglasversuch  durch  die  Komplementbindungsmethode  miss- 
gt,  da  Hormone  niemals  zur  Antikörperbildung  Veranlassung  geben, 
rsuche,  ein  Sekret  des  gelben  Körpers  durch  vitale  Färbung  nach- 
vveisen,  haben  noch  zu  keinem  Ergebnis  geführt. 

Die  Schwangerschaftstoxikosen  entstehen  möglicherweise  durch 
le  Unterfunktion  des  Organs. 

Die  Menstruation  stellt  —  ein  Indikator  t'rustraner  Ovulation  — 
r  eine  Entlastung  des  hyperämischen  Uterus  vor;  für  das  Zustande¬ 
mmen  der  Konzeption  hat  sie  keine  Bedeutung.  Im  Menstrualblut 
vielleicht  die  Nährflüssigkeit  für  das  Ei,  die  beim  Abbau  des  Nestes 
fliesst,  zu  sehen.  Brunst  und  Menstruation  sind  entwicklungs- 
schichtlich  und  physiologisch  prinzipiell  verschiedene  Erschei¬ 
ngen. 

Als  geeignetster  Termin  für  die  natürliche  wie  die  künstliche 
iruchtung  ergibt  sich  der  10.  Tag  vor  dem  berechneten  Eintritt 
r  neuen  Periode. 

Zur  Implantation  gelangt  stets  das  Ovulum  der  zuerst  aus¬ 
übenden  Regel;  eine  postmenstruelle  Einbettung  gibt  es  nicht.  Die 
hwangerschaftsdauer  ist  daher  um  19  Tage  zu  reduzieren.  Die 
Jation  erfolgt  durch  aktives  Eindringen  des  Lichens  zwischen  zwei 
iisenmiindungen.  Der  Trophoblast  ist  fetaler  Natur. 


’hysikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  23.  Januar  1913. 

Herr  Polano:  Demonstration  zur  biologischen  Schwanger- 
haftsdiagnose  nach  Abderhalden. 

Vortr.  demonstriert  nach  Besprechung  des  von  Abderhalden 
gegebenen  Dialysierverfahrens,  der  zugrunde  liegenden  theoreti- 
lien  Vorstellung  sowie  der  Technik  die  Methode,  die  meistens 
iwandfreie  Resultate  liefert,  bisweilen  aber  auch  bei  Nicht- 
iwangeren  positive,  bei  Schwangeren  negative  Resultate  zu  zeitigen 
rmag.  Inwieweit  diese  Misserfolge  in  der  Schwierigkeit  der 
chnik  oder  in  der  Unsicherheit  des  Verfahrens  selber  be¬ 
endet  sind,  ist  vorderhand  schwer  entscheidbar.  Auf  jeden  Fall 
rd  der  praktische  Wert  der  Methode  durch  die  vom  Autor  selber 
rvorgehobenen  technischen  Schwierigkeiten  wesentlich  beein- 
ichtigt.  Wie  zahlreiche  Versuche  ergeben  haben,  kann  man  diese 
aktion  nicht,  wie  bisher  angenommen,  als  eine  ausgesprochen 
lazentare“  bezeichnen,  da  alle  fötalen  Organe  drüsiger  und  nicht¬ 
iger  Natur  (Leber,  Milz,  Niere,  Nebenniere,  Thymus,  Thyreoidea, 
nge,  Herz,  ein  in  toto  verarbeiteter  Embryo)  ebenso  wie  Frucht- 
tsser  und  fötales  Serum  mit  Schwangerenserum  kombiniert,  diese 
aktion  geben.  Dieser  Umstand  ist  wichtig,  da  alle  theoretischen 
ekulationen,  die  verschleppte  Plazentarelemente  als  Quelle  dieser 
rumreaktion  ansprechen,  unsicher  werden.  Ebensogut  könnten 
^geschiedene  Stoffwechselprodukte  des  Fötus,  die  durch  die  Pla¬ 
nta  hindurchgehen,  als  Quelle  der  mütterlichen  Serumveränderung 
gesprochen  werden.  Vortr.  hat  dann  im  Anschluss  an  frühere  Unter- 
- liungen,  in  denen  er  den  Nachweis  der  quantitativen  und  qualita- 
en  Verschiedenheit  von  fötalem  und  mütterlichem  Blut  erbrachte, 
aloge  Unterschiede  in  dem  Hämolysierungsvermögen  von 
hwangeren-  und  Nichtschwangerenserum  verschiedenem  Tierblut 
geniiber  feststellen  können.  Das  Schwangerenblut  ist  reicher  an 
molysin  (als  Hammelblut  z.  B.).  '  Zum  Schlüsse  bespricht  Vortr. 

blutauflösende  Fähigkeit  gekochter  Plazenta,  einzelner  fötaler 
kane,  z.  B.  vor  allem  der  Lunge,  menschlichen  roten  Blutkörper¬ 
en  gegenüber  (Lipoidwirkung?),  die  ebenfalls  Erythrozyten 
nwangerer  gegenüber,  schon  vom  zweiten  Monat  an,  weit  inten¬ 


siver  aufzutreten  pflegt,  als  bei  Nichtschwangeren,  wo  das  Phä¬ 
nomen  völlig  fehlt  (Agglutination)  oder  viel  schwächer  zu  sein  pflegt. 

Herr  E.  Schmidt:  Ueber  Dünndarmstenosen.  (Mit  Demon¬ 
stration.) 

Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  der  Münchener  medizini¬ 
schen  Wochenschrift. 

Herr  D.  Ackermann:  Ueber  Zystinurie. 

Vortr.  berichtet  über  einen  Fall  von  Zystinurie  bei  einem  jungen 
Manne,  der  schon  seit  seiner  Kindheit  Steinbeschwerden  hatte  und 
dem  bereits  ein  48  g  schwerer  Zystinstein  operativ  aus  dem  Becken 
der  einen  Niere  entfernt  wurde;  auch  der  Vater  des  Patienten  war 
steinleidend.  In  der  Erwartung,  dass  man  im  Harne  derartiger  Pa¬ 
tienten  neben  den  öfters  darin  aufgefundenen  Diaminen  Kadaverin 
und  Putresein  (sog.  Diaminurie),  noch  andere  Eiweissfäulnisbasen, 
wie  man  deren  durch  die  Untersuchungen  Ackermanns  jetzt 
mehrere  kennen  gelernt  hat,  werde  finden  können,  wurden  80  Liter 
des  Zystinharnes  untersucht.  Zur  Anwendung  kam  die  bekannte 
Harnuntersuchungsmethode  von  F.  Kutscher,  die  schon  zur  Auf¬ 
findung  mehrerer  bisher  unbekannter  Harnbasen,  höchst  interessanter 
Konstitution,  geführt  hatte.  Es  fanden  sich  nun  zwar  keine  neuen 
Fäulnisbasen  (auch  Aporrhegmen  genannt),  aber  dafür  die  a-e-Dia- 
minocapronsäure,  das  sog.  Lysin.  Damit  ist  neben  den  im  Harne  der 
Zystinuriker  bereits  früher  gefundenen  Aminosäuren,  dem  Zystin, 
Tyrosin  und  Leukin,  nun  eine  vierte  Aminosäure  gefunden,  die  in¬ 
sofern  eine  Sonderstellung  einnimmt,  als  sie  eine  der  drei  Heseon- 
basen  des  Eiweissmoleküls  ist.  Die  Auffindung  des  Lysins  im  Zvstin- 
harn  ist  ferner  deswegen  von  Bedeutung,  weil  wir  in  diesem  Körper 
sicher  die  Muttersubstanz  des  einen  Diamins  der  Diaminurie,  nämlich 
des  Kadaverins,  vor  uns  haben,  das  sich  nach  Ellinger  auf  dem 
Wege  des  bakteriellen  Abbaues  durch  einfache  Kohlensäureabspaltung 
aus  dem  Lysin  zu  bilden  vermag.  Genau  wie  die  Bakterien  verfährt 
nun  auch  der  Warmblüter  und  man  wird  mit  Bestimmtheit  annehmen 
dürfen,  dass  dieser  Weg  des  Aminosäureabbaues  nicht  nur  bei 
Zystinurie,  sondern,  wenn  vielleicht  auch  in  beschränktem  Masse, 
normaliter  eingeschlagen  wird,  denn  die  pathologischen  Vorgänge 
sind  nach  Claude  Bernard  nur  eine  Steigerung  physiologischer, 
so  dass  dieser  Befund  auch  physiologische  Bedeutung  hat.  Das 
Nähere  siehe  bei  D.  Ackermann  und  F.  Kutscher:  Ueber  das 
Vorkommen  von  Lvsin  im  Harn  bei  Zystinurie.  Zeitschrift  für  Bio¬ 
logie,  Bd.  57,  S.  355. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1638.  ausserordentliche  Sitzung  vom  10.  Februar  1913, 
abends  7  Uhr  im  Hörsaal  der  Senckenbergischen 

Anatomie. 

Vorsitzender:  Herr  F  1  e  s  c  h. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Klinischer  Demonstrationsabend. 

Als  Gäste :  Herr  Dr.  Tirnauer  -  Wien,  Herr  Prof.  Schleich' 
und  Herr  Dr.  Friedmann  -  Berlin. 

Tagesordnung: 

Herr  Ehrlich:  Demonstration  eines  Präparates  mit  Spiro¬ 
chäten  im  Gehirn  eines  Falles  von  Paralysis  progressiva.  (Original¬ 
präparat  von  N  o  g  u  c  h  i  -  NewYork.) 

Herr  Ehrlich:  Ich  wollte  Ihnen  heute  nur  ein  Präparat  demon¬ 
strieren,  das  anzusehen  Sie  vielleicht  interessieren  wird.  Es  handelt 
sich  um  einen  Schnitt  aus  dem  Hirn  eines  Paralytikers,  der  mir  von 
einem  unserer  ersten  Spirillenforscher,  N  o  g  u  c  h  i,  am  Rockefeller 
Institut  in  NewYork  zugeschickt  worden  ist  und  in  dem  man,  wie 
Sie  sehen  werden,  die  Spirochäten  in  der  schönsten  Weise  erkennen 
kann. 

Erwähnen  wollte  ich  noch,  dass  mir  Herr  N  o  g  u  c  h  i  ge¬ 
schrieben  hat,  er  habe  unter  71  Paralytikern,  die  er  untersucht,  bei 
14,  also  in  20  Proz.  der  Fälle,  Spirochätenbefund  erhoben. 

Ich  glaube,  dass  dieser  Nachweis  von  der  allergrössten  Wichtig¬ 
keit  ist.  Die  Idee,  im  Paralytikerhirn  nach  Spirochäten  zu  suchen, 
war  ja  sehr  naheliegend  und  ist  von  verschiedenen  Seiten,  bisher 
aber  immer  mit  negativem  Erfolge,  versucht  worden  und  hiermit 
schien  die  Anschauung  derer,  die  die  Paralyse  als  eine  metasyphi¬ 
litische  Erkrankung  auffassen,  als  eine  Erkrankung,  die  mit  Spiro¬ 
chäten  direkt  nichts  zu  tun  habe,  eine  Bestätigung  erfahren  zu  haben. 
Nach  den  Befunden  N  o  g  u  c  h  i  s  werden  wir  aber  auch  diese  An¬ 
schauung  zu  revidieren  haben. 

Ich  darf  mir  vielleicht  gestatten,  auf  die  Anschauungen,  die  sich 
mir  als  Experimentator  aus  Anlass  dieses  Präparates  aufgedrängt 
haben,  hier  mit  einigen  Worten  einzugehen. 

Wenn  die  Paralyse  als  solche  eine  Spirochätenerkrankung  des 
Gehirns  ist,  so  müssen  die  Remissionen,  die  im  Bilde  derselben  eine 
so  grosse  Rolle  spielen,  sehr  auffällig  sein,  und  doch  bieten  sie  durch¬ 
aus  nichts  neues  in  der  Geschichte  der  chronisch  rekurrierenden 
Erkrankungen,  als  deren  Typus  man  die  Trypanosomenerkrankungen 
bezeichnen  kann.  Wenn  man  trypanosomenkranke  Tiere,  z.  B.  Pferde, 
beobachtet,  so  kann  man  sehen,  dass  an  einem  Tage  das  Tier  schwei- 
krank  ist  und  das  Blut  zahlreiche  Trypanosomen  beherbergt;  am 
nächsten  Tage  ist  die  Temperatur  zur  Norm  gesunken,  die  Para¬ 
siten  sind  verschwunden  und  das  Tier  ist  anscheinend  gesund,  um 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WQCHENSCHRIET. _  _ NoJ!. 


nach  wechselnder  Zeit  wieder  von  neuem  zu  erkranken.  Ich  habe 
hier  eine  Tafel  zeichnen  lassen,  auf  der  Sie  sehen  können,  dass  sich 
die  Trypanosomenerkrankungen  des  Pferdes  aus  einer  grossen  Zahl 
von  Fieberattacken  und  fieberfreien  Intervallen  zusammensetzt.  In 
den  Fieberattacken  sind  Trypanosomen  oft  in  grossen  Mengen  vor¬ 
handen,  in  den  fieberfreien  Intervallen  dagegen  fehlen  sie. 

Die  Erklärung  dieser  Tatsache  ist  eine  sehr  einfache.  Von  den 
im  Blute  kreisenden  Trypanosomen  geht  durch  die  Behandlung  ein 
Teil  zugrunde:  es  werden  Antikörper  gebildet,  die,  wenn  sie  ge¬ 
nügend  angehäuft  sind,  die  Hauptmenge  der  Trypanosomen  auflösen 
und  so  die  Entfieberung  bedingen.  Es  ist  dieses  die  trypanolytische 
Krise.  Einzelne  Trypanosomen  entziehen  sich  der  Abtötung,  können 
aber  zunächst  wegen  der  vorhandenen  Antikörper  nicht  auskeimen. 
Im  Laufe  der  Zeit  werden  sie  jedoch  gegen  die  Antikörper  fest 
und  dann  kommt  der  zweite  Anfall,  der  beendet  wird,  sobald  sich  ein 
zweiter  Antikörper  in  genügenden  Mengen  gebildet  hat.  In  dem 
Tiere  sind  also  jetzt  zwei  verschiedene  Antikörper  vorhanden  und 
der  zweite  Antikörper  schützt  nur  so  lange,  bis  die  Trypanosomen 
wieder  gegen  ihn  fest  geworden  sind.  Dann  entsteht  ein  dritter 
Anfall,  der  beendet  wird,  wenn  sich  ein  dritter  Antikörper  gebildet 
hat  und  so  geht  es,  man  möchte  sagen  ad  infinitum,  weiter.  So 
entsteht  schliesslich  eine  grosse  Menge  von  Antikörpern,  und  jedei 
folgende  Rückfall  ist  immer  ein  Zeichen  dafür,  dass  ein  neuer  Rezidiv¬ 
stamm  zur  Entwicklung  gekommen  ist. 

So  kann  man  es  sich  sehr  leicht  vorstellen,  dass  die  im  Gehirn 
vorhandenen  Spirochäten,  wenn  sie  eine  gewisse  Wucherungsinten¬ 
sität  erreicht  haben,  schliesslich  einen  potenten  Antikörper  auslösen, 
der  mehr  oder  weniger  die  im  Gehirn  vorhandenen  Spirochäten 
abtötet  und  so  eine  scheinbare  Heilung,  die  Remissionen,  einleitet. 
Eine  Neuerkrankung  folgt  dann,  wenn  die  vereinzelten  zurückbleiben¬ 
den  Spirochäten  sich  dem  Antikörper  angepasst  haben  und  so  eine 
neue  Propagation  gewinnen. 

Auf  diese  Weise  kann  man  sich  das  Wesen  der  Remissionen 
klar  machen  und  wird  auch  verstehen,  warum  man  in  einem  grossen 
Teil  der  Fälle  von  Paralyse  keine  Spirochäten  findet:  man  hat  eben 
dann  die  Untersuchung  in  dem  spirillolytischen  Intervall  ausgeführt. 

Zum  Schlüsse  wollte  ich  noch  einen  theoretischen  Gesichts¬ 
punkt  erwähnen.  Es  ist  anzunehmen,  dass  sich  bei  der  Paralyse,  die 
ja  so  lange  nach  der  Infektion  aufzutreten  pflegt,  offenbar  ein  Rezidiv¬ 
stamm  vorfinden  muss,  der  in  seinen  biologischen  Eigenschaften  von 
den  die  frischen  Infektionen  bedingenden  Spirochäten  weitgehend 
verschieden  sein  kann,  und  ich  vermute,  dass  diese  Verschiedenheit 
auch  in  einer  Resistenz  gegen  die  therapeutischen  Agentien  zutage 
tritt.  Dass  mit  Quecksilber  bei  der  Paralyse  kaum  etwas  genutzt 
wird,  ist  ja  allgemein  bekannt;  auch  das  Salvarsan  scheint  bei  lange 
fortgesetzten  Injektionen  zwar  eine  erhebliche  Besserung  in  klinischer 
Hinsicht  auszuüben.  d.  h.  Remissionen  künstlich  hervorzurufen;  aber 
ob  eine  definitive  Heilung,  d.  h.  eine  vollkommene  Elimination  aller 
Parasiten  sich  ermöglichen  lässt,  ist  zweifelhaft.  Wir  werden  daher 
versuchen  müssen,  die  Wirkungsweise  der  Arsenikalien  zu  ver¬ 
schärfen  und  uns  nicht  auf  ein  einziges  Arsenikale  zu  beschränken, 
sondern  verschiedene  Typen  mit  differenten  Angriffspunkten  für  die 
Kombinationsbehandlung  heranzuziehen.  Auf  jeden  Fall  glaube  ich 
aber,  wird  dieser  positive  Befund  Veranlassung  geben  müssen,  noch 
einmal  die  Behandlung  der  Paralyse  mit  aller  Energie  in  die  Hand  zu 
nehmen.  Es  ist  keine  Nachkrankheit,  sondern  ein  aktiver  Infektions¬ 
prozess. 

Diskussion:  Herr  S.  Auerbach:  Die  Remissionen  sind 
nicht  nur  im  Krankheitsbilde  der  Paralyse,  sondern  auch  in  dem 
der  Lues  cerebri  resp.  cerebrospinalis  charakteristisch,  so  zwar,  dass 
sie  oft  differentialdiagnostisch  von  grosser  Bedeutung  werden.  —  Es 
wäre  sehr  wünschenswert,  zu  erfahren,  ob  die  Fälle  von  Paralyse, 
von  denen  die  demonstrierten  Spirochätenpräparate  stammen,  reine 
Paralysen  waren  oder  ob  sie,  wie  das  ja  gar  nicht  so  selten  ist, 
Kombinationen  von  Paralysen  mit  Lues  cerebri  waren  und  ferner,  wie 
lange  der  Zeitraum  zwischen  Infektion  und  Ausbruch  der  Para¬ 
lyse  war. 

Herr  A.  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  -  Hohe  Mark:  Die  Befunde  des  japani¬ 
schen  Forschers,  welche  uns  Herr  Ehrlich  heute  mitgeteilt  und 
demonstriert  hat,  sind  nach  mehr  als  einer  Richtung  hin  bedeutungs¬ 
voll.  Wie  Herr  Ehrlich  bereits  hervorgehoben  hat,  lassen  es 
diese  kaum  mehr  zu,  bezüglich  der  progressiven  Paralyse  als  von 
einer  metaluetischen  Erkrankung  zu  sprechen.  Ich  möchte  dies¬ 
bezüglich  auf  ein  anderes,  wie  mir  scheint  sehr  wichtiges  Moment 
hinweisen.  Wie  Sie  wissen,  haben  die  an  verschiedenen  Stellen  aus¬ 
gebildeten  und  durchgeführten  Behandlungsmethoden,  welche  die  Er¬ 
regung  von  Fieber,  vor  allem  auch  bei  der  Tabes  dorsalis,  zum  Inhalt 
haben,  zu  bemerkenswerten  Resultaten  geführt  und  ich  selbst,  der 
diese  Frage  seit  mehr  als  einem  Jahrzehnt  studiert  habe,  bin  der 
Ansicht,  dass  diese  Methode  noch  grössere  Beachtung  verdient,  als  sie 
bisher  gefunden  hat,  wenngleich  dieselbe  erfreulicherweise  seit  dem 
Jahre  1897,  in  welchem  ich  hierüber  den  ersten  Vortrag  hielt,  mehr 
und  mehr  zur  Diskussion  gestellt  wurde.  Bezüglich  der  Erfolge, 
welche  ich  selbst  erzielt  habe,  möchte  ich  nur  auf  die  überraschende 
Tatsache  hinweisen,  dass  ich,  wenn  auch  vorläufig  erst  in  wenigen 
Fällen,  nach  der  „Fieberbehandlung“,  an  welche  sich  eine  spezifische 
anschloss,  eine  Wiederherstellung  der  völlig  verschwundenen  Pu¬ 
pillenreaktion  und  ein  Wiederauftreten  der  abhanden  gekommenen 
Sehnenreflexe  feststelte.  Berücksichtigen  wir  dieses  Moment  und 


halten  es  zusammen  mit  den  heute  mitgeteilten  Beobachtungen  von 
E  h  r  1  i  c  h,  so  hat  es  den  Anschein,  als  ob  wir  unsere  Anschauungen 
über  die  progressive  Paralyse,  über  die  Tabes  usw.  einer  Revision 
unterziehen  müssen,  speziell  was  die  obenerwähnten  Symptome  be¬ 
trifft.  Dieselben  können  nicht  gut  (jedenfalls  nicht  immer)  der  Aus¬ 
druck  einer  Zerstörung  von  Bahnen  sein,  da  sonst  durch  die 
Fieberbehandlung  mit  nachfolgender  spezifischer,  eine,  wenn  auch 
nur  vorübergehende  Wiederherstellung  derselben  unerklärlich  wäre. 
Dagegen  wird  sie  sofort  erklärt,  wenn  wir  uns  mit  jener  Anschauung 
befreunden,  die  ich  seit  jeher  (als  eine  rein  hypothetische)  ver¬ 
trat,  nämlich,  dass  es  sich  bei  den  erwähnten  Krankheiten  um 
Unterbrechungen  der  Leitung  (vielleicht  durch  gequollene  nervöse 
Elemente)  handelt,  welche  durch  die  Revolutionierung  des  Stoff¬ 
wechsels,  wie  ein  solcher  bei  fieberhaften  Krankheiten  auftritt,  derart 
beeinflusst  werden,  dass  eine  nachfolgende  spezifische  Behandlung 
noch  Erfolg  bringen  kann,  die  ohne  die  Vorbehandlung  durch  das 
auf  künstlichem  Wege  erzeugte  Fieber  wirkungslos  geblieben  ist 
Mag  man  über  die  Richtigkeit  dieser  Hypothese  und  über  die  bisher 
veröffentlichten  Erfolge  der  kombinierten  Behandlung  denken  wie  mar; 
will,  so  ist  jedenfalls  die  Tatsache,  welche  zu  einer  kombinierter 
Behandlung  geführt  hat,  allgemein  anerkannt,  dass  schwere,  für  u.i- 
heilbar  gehaltene,  Geisteskrankheiten  durch  interkurrente  fieberhaft' 
Erkrankungen,  wie  besonders  durch  I  yphus,  Influenza,  fieberhafttj 
Eiterungen.  Erysipel  usw.  deutlich  beeinflusst  worden  sind.  Und  au j 
der  Nachahmung  dieser  Naturerfolge  ruhen  die  Bestrebungen  det 
Fieberbehandlung. 

Herr  Raecke  weist  auf  die  Arbeiten  S  t  a  r  g  a  r  d  t  s  aus  detf 
Kieler  Nervenklinik  hin,  durch  welche  die  luetische  Natur  der  tau¬ 
schen  Optikusatrophie  erwiesen  sei.  Die  regelmässigen  stark  ent 
zündlichen  Veränderungen  an  den  Meningen  und  in  den  Hirngefässei! 
bei  der  Paralyse  hätten  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  den  durch 
Trypanosomen  bedingten  Bildern  bei  der  Schlafkrankheit  un 
sprächen  gleichfalls  für  das  Vorhandensein  spezifischer  Erreger.  R 
hat  daher  bereits  seit  Jahren  auf  den  Nachweis  von  Spirochäten  auch 
bei  den  sogenannten  metaluetischen  Krankheitsformen  gehofft  um 
freut  sich,  diese  Erwartung  jetzt  bestätigt  zu  sehen. 

Auffallend  sei,  dass  in  den  demonstrierten  Präparaten  sich  mr 
gends  Fibrillen  mitgefärbt  hätten.  Vermutlich  habe  Noguchi  du 
Levaditifärbung  in  irgendwelcher  Weise  modifiziert. 

Herr  Ehrlich:  Schlusswort. 

Herr  Benario  demonstriert  einige  Diapositive,  die  aus  ver 
schiedenen  Stellen  des  Präparates  aufgenommen  worden  sind.  Du 
Pia  ist  verdickt  und  infiltriert,  in  ihr  finden  sich  jedoch  keine  Spiro 
chäten.  Es  findet  sich  der  für  Paralyse  charakteristische  Randfilz  i 
der  Rinde  und  unterhalb  dieses  durch  Gliawucherung  verdickten  Sau 
mes  finden  sich  in  einer  bestimmten  Zone  in  der  Rinde  die  Spiro 
chäten.  Diese  liegen  nicht  um  die  Gefässwände  oder  in  denselbei 
sondern  verstreut  in  dem  Gewebe.  In  der  Nähe  eines  grösseren  Ge 
fässes  ist  eine  besonders  starke  Aussaat  zu  konstati°ren.  In  ue 
Markschicht  konnten  Spirochäten  nicht  gefunden  werden. 

Herr  Schwenkenbecher:  Fall  von  Eunuchoidismus. 

34  jähr.  junger  Arbeiter,  1,68  m  gross,  schmal,  mager,  von  det 
Aussehen  eines  17-Jährigen.  Aeussere  Geschlechtsteile  wie  bei  einer 
3  jährigen  Kinde.  Testes  im  Hodensacke  nicht  nachweisbar,  Prostat 
sehr  klein,  Scham-,  Achsel-  und  Barthaare  fehlen  vollkommen.  Di 
Stimme  ist  leise,  aber  nicht  ausgesprochen  hoch;  die  Schilddrus 
ist  nicht  durch  Palpation  festzustellen,  also  sicherlich  ebenfalls  hyp< 
plastisch.  Die  Sella  turcica  ist  im  Röntgenbilde  eher  klein.  A: 
Knochensystem  deutlich  vermehrtes  Längenwachstum  der  Untei 
arme  und  Hände,  der  Unterschenkel  und  Füsse.  Röntgenologisc 
Epiphysenschluss  noch  nicht  vollendet,  deutliche  Spalten;  Knochei 
kerne  normal  entwickelt.  #1 

Massiger  Grad  von  Imbezillität,  gutmütig,  wenig  erregbar,  doc 
arbeitswillig  und  sauber.  Libido  fehlt  vollständig,  ebenso  Erektioni 
und  andere  Aeusserungen  der  normalen  Genitalfunktion.  i; 

Diskussion:  Herr  Siegel  erwähnt,  dass  er  zurzeit  ebei 
falls  einen  Fall  von  Eunuchoidismus  in  Behandlung  habe,  weicht 
einen  femininen  Typus  mit  starker  Adipositas  darstelle.  Der  link 
Hoden  sei  linsengross  und  derb,  der  rechte  fehle. 

Herr  Georges  L.  Dreyfus  demonstriert  mehrere  Kranke  ni 
isolierten  Pupillenstörungen  auf  syphilitischer  Basis  und  bespiicht  d 
diametral  entgegengesetzte  Beurteilung  der  vorliegenden  Erkrankui 
auf  Grund  der  Untersuchung  des  Liquor  cerebrospinalis.  Dies* 
gibt  allein  die  Möglichkeit  der  Entscheidung,  ob  es  sich  um  aktiv 
oder  abgelaufene  Prozesse  am  Nervensystem  handelt.  Sämtliche  btj 
dien  der  Pupillenstörung  (Lichtträgheit,  reflektorische  und  absolu 
Starre)  kommen  bei  ausgeheilter  Lues  cerebri  zur  Beobachtun 
Isolierte  Pupillenstörungen  werden  auffallend  oft  bei  Syphilitikern  n 
obachtet.  I  n  35—40  Proz.  der  Fälle  handelt  es  sich  di 
bei  nicht  um  ein  besorgniserweckendes  Symptoi 
sondern  nur  um  das  Zeichen  einer  früheren  sypn 
litischen  Durchseuchung  des  Nervensystems,  d  i 
zur  Ausheilung  gelangt  ist. 

Herr  Reiss  stellt  vor: 

1.  Einen  Fall  von  Digitalismus.  Alle  per  os  dargereichten  Du 
talispräparate  sowie  Tinctura  Strophantin  riefen  toxische  Erseht 
nungen  hervor,  während  intravenöse  Strophanthininjektionen  gut  vt 
tragen  wurden. 


5.  Februar  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


445 


2.  Einen  fall  von  kurzdauerndem  Ikterus  im  Sekundärstadium 
r  Lues.  Der  Ikterus  verlief  unter  dem  Bilde  des  katarrhalischen, 
letische  Symptome  waren  ausser  der  Wassermann  sehen  Re- 
tion  z.  Z.  nicht  vorhanden.  Der  Ausfall  der  Qalaktoseprobe  (nach 
chterner  Aufnahme  von  40  g  wurden  über  7  g  wieder  ausgeschieden) 
rach  im  Sinne  eines  katarrhalischen  Ikterus.  Die  Möglichkeit  einer 
trenchymschädigung  der  Leber  durch  die  Lues  kann  jedoch  nicht 
isgeschlossen  werden. 

Diskussion:  Herr  B  e  n  a  r  i  o  erwähnt  eine  Notiz  aus  der 
tzten  Nummer  des  British  Med.  Journal  von  R  a  w  -  Edinburg,  nach 
elcher  dieser  Autor  7  Fälle  von  akuter  gelber  Leber- 
trophie  beobachtet  hat,  die  alle  auf  syphilitischer  Basis  be¬ 
sten.  Es  handelte  sich  um  4  männliche  und  3  weibliche  Individuen, 
iter  den  letzteren  war  eine  Gravida. 

Bei  allen  wurde  Leucin  und  Tyrosin  nachgewiesen.  Diese 
onstatierung  ist  insofern  von  Wichtigkeit,  als  häufig  ikterische  Er- 
tieinuugen,  die  mehr  oder  mindere  Zeit  nach  Salvarsaninjektionen 
mbachtet  worden  sind,  als  toxische  Wirkungen  aufgefasst  worden 
nd.  Bei  Ikterus  in  der  Sekundärperiode  muss  man  immer  an  eine 
■philitische  Aetiologie  denken. 

Herr  Alwens:  Röntgenbilder. 

1.  Diapositive  des  Muskelkünstlers  Bohner,  welche  von  Herrn 
r.  Sielmann  - München  zur  Verfügung  gestellt  sind. 

2.  Demonstrationsvortrag  über  die  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
er  Röntgenkinematographie. 

Es  werden  Serienaufnahmen  der  buccopharyngealen  und  der 
sophagealen  Periode  des  Schluckaktes,  des  gesunden  und  des 
ranken  Magens  und  des  gesunden  und  kranken  Herzens  demon- 
triert,  welche  mit  den  von  Dessauer  konstruierten  Apparaten 
31itzapparat  und  Plattenwechselmaschine  der  Veifa-Werke)  aufge- 
ommen  sind.  Zum  Schlüsse  Vorführung  von  Röntgenfilms  eines 
ormalen  Herzens  und  einer  karzinomatösen  Oesophagusstenose. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  13.  Dezember  1912. 

Herr  Steiner  spricht  über  Schleimhautpemphigus  der  oberen 

.uftwege  und  stellt  eine  Frau  mit  einer  solchen  auf  die  Luftwege 
ikalisierten  Affektion  vor. 

Herr  Kalmus:  Zur  Prophylaxe  der  Geisteskrankheiten. 

Der  Vortragende  erörtert  zuerst  den  Einfluss  des  Alkohols,  der 
yphilis  und  erblichen  Belastung  auf  das  Entstehen  der  Geisteskrank- 
eiten,  Er  bespricht  die  Antialkoholbewegung  und  ihre  Erfolge,  und 
ie  Wichtigkeit  der  Aufklärung  des  Volkes  über  Geschlechtskrank- 
eiten,  insbesondere  durch  die  praktischen  Aerzte.  Er  erwähnt  die 
merikanischen  Gesetze  über  Kastration  und  Sterilisation,  die  dies- 
leziiglichen  Versuche  in  der  Schweiz,  geht  auf  die  Frage  des  kiinst- 
ichen  Abortus  wegen  Psychose  der  Mutter  ein,  weiter  auf  die  Ehe- 
erbotsfrage  bei  Psychotikern.  Er  empfiehlt  die  Bewilligung  der 
akultativen  Sterilisation  jener  Kranken,  die  sich  aus  begriindeter 
•'urcht  vor  degenerierter  Nachkommenschaft  derselben  unterziehen 
vollen  und  redet  auch  der  vollständigen  Trennbarkeit  der  Ehe  bei 
lestehender  unheilbarer  Geisteskrankheit  das  Wort.  Zur  Prophylaxe 
'ei  schon  bestehender  erblicher  Belastung  sollen  Hilfsschulen  und 
lilfskassen  gegründet  werden  und  weist  der  Vortragende  zum 
Schlüsse  auf  die  Wichtigkeit  der  Hilfsvereine  für  Geisteskranke  und 
lie  Nervenheilstätten  hin.  Unerlässlich  für  die  Prophylaxe  der 
leisteskrankheiten  ist  aber  eine  gute  psychiatrische  Schulung  der 
Schulärzte,  ebenso  aber  auch  der  Militärärzte.  0.  Wiener. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  13.  Februar  1913. 

Herr  H.  Eppinger  stellt  eine  Frau  mit  Aortenstenose  und  offenem 
Ductus  Botalli  vor  und  demonstriert  die  Hervorrufung  von  Urtikaria 

durch  Ergamin.  Wenn  man  mit  einer  Nadel  über  die  Haut  der 
Versuchsperson  fährt,  ohne  sie  zu  verwunden,  und  sie  mit  Ergamin 
■  :  1000  bepinselt,  so  tritt  an  der  gekratzten  Stelle  ein  urtikariaähn¬ 
liches  Exanthem  auf,  welches  ca.  %  Stunden  stehen  bleibt  und 
dann  verschwindet.  Das  Ergamin  oder  Histamin  entsteht  durch  Ab¬ 
spaltung  von  COa  aus  dem  Histidin,  einem  Abbauprodukt  des  Ei- 
weisses,  welches  bei  der  Verdauung  entsteht.  Das  Ergamin  scheint 
■>ich  auch  bei  der  Eiweissverdauung  zu  bilden;  es  ist  daran  zu  denken, 
dass  Basen,  welche  bei  der  Verdauung  entstehen,  die  Urtikaria  her- 
vorrufen  In  einem  Falle  konnte  Vortr.  durch  Ergamin  allgemeine 
Urtikaria  erzeugen.  Diese  Beobachtung  mahnt  zur  Vorsicht  in  der 
Anwendung  des  Ergamins  in  der  Gynäkologie. 

Herr  Herrn.  Schlesinger  führt  einen  47 jährigen  Mann  mit 
gebessertem  intermittierendem  Hinken  aller  Extremitäten  vor,  ferner 
einen  Mann,  bei  welchem  er  Natrium  nitrosum  gegen  die  Schmerzen 
oei  intermittierendem  Hinken  angewendet  hat.  Pat.  hat  diese  Affek- 
tion  seit  7  Jahren;  diese  erfuhr  eine  Verschlechterung  durch  eine 
Pistyaner  Kur  und  es  stellte  sich  am  linken  Fuss  eine  Gangrän  ein. 
Jetzt  hat  Pat.  eine  gangränöse  Stelle  am  rechten  Fuss.  Dass  bei 


intermittierendem  Hinken  durch  heisse  Bäder  Gangrän  hervorgerufen 
werden  kann,  wurde  wiederholt  beobachtet.  Wegen  der  Schmerzen 
hat  Vortr.  bei  dem  Pat.  Natrium  nitrosum  subkutan  injiziert,  sie 
Hessen  sofort  nach  und  seither  konnte  das  Morphium  weggelassen 
werden,  welches  Pat.  früher  wegen  Schmerzen  anwenden  musste. 

Herr  A.  v.  Müller  demonstriert  die  Temperaturkurve  einer 
Patientin,  welche  wegen  akuten  Gelenkrheumatismus  Atophan  erhielt, 
das  eine  eigentümliche  Nebenwirkung  entfaltete.  Der  Gelenk¬ 
rheumatismus  wurde  günstig  beeinflusst,  es  stellte  sich  aber  eine 
bemerkenswerte  Nebenwirkung  ein,  indem  nach  den  intermittierenden 
Gaben  jedesmal  die  Temperatur  bis  39°  anstieg  und  die  Pat.  zuerst 
Hautjucken  und  dann  ein  scharlachartiges  Erythem  bekam,  während 
das  Allgemeinbefinden  fast  gar  nicht  gestört  war.  Sobald  das 
Atophan  weggelassen  wurde,  verschwand  das  Fieber  und  erschien 
wieder  nach  einer  neuen  Atophangabe. 

Herr  P.  L  ö  w  y  demonstriert  anatomische  Präparate  eines  Falles 
von  foudroyanter  Poliomyelitis,  welche  unter  dem  Bilde  einer  aszen- 
dierenden  La  ndry  sehen  Paralyse  verlief.  Die  Obduktion  ergab 
Schwellung  und  Hyperämie  der  Vorder-  und  Hinterhörner  des 
Rückenmarkes  und  Oedem  des  Gehirns.  Die  histologische  Unter¬ 
suchung  zeigte  kleine  kleinzellige  Infiltrate  in  den  Meningen  und 
in  der  Substanz  des  Rückenmarkes,  am  meisten  um  die  Lymphspalten 
und  die  Gefässe,  ferner  fanden  sich  primäre  Ganglienzellenschädi¬ 
gungen.  Bemerkenswert  ist  in  diesem  Falle,  dass  die  Infiltration 
nicht  nur  auf  die  Vorderhörner  beschränkt  war  und  dass  der  Prozess 
infiltrativer  Natur  ist,  ferner  dass  die  Lähmung  einen  aussteigenden 
Typus  hatte.  Die  Veränderungen  des  Rückenmarkes  reichten  vom 
Conus  terminalis  bis  zur  Medulla  oblongata. 

Herr  Karl  Siess  und  Erich  Stoerk:  Das  Blutbild  bei  lym¬ 
phatischer  Konstitution.  Die  hämatologischen  Untersuchungen  an 
fieberfreien,  gesunden  Lymphatikern  ergaben,  dass  die  vielfach  postu¬ 
lierte  Lymphozytose  der  Lymphatiker  tatsächlich  nicht  exi¬ 
stiert.  Ebensowenig  lässt  sich  angesichts  der  eindeutigen  Befunde 
der  beiden  Autoren  an  der  mehrfach  behaupteten  Eosinophilie 
beim  Status  lymphaticus  festhalten,  auch  ist  die  Zahl  der  Neutro¬ 
philen  nicht  stets  und  nicht  nennenswert  gegenüber  der  Norm  er¬ 
niedrigt.  Manche  der  irrigen  Angaben  der  bisherigen  Literatur  be¬ 
ruhen  auf  theoretischen  Vorurteilen  und  der  Verquickung  des  (heute 
noch  nicht  voll  gewürdigten)  Konstitutionsproblems  mit  gewissen 
Fragen  über  Blutdrüsenerkrankungen,  resp.  der  mit  dem  Lymphatis¬ 
mus  (=  Status  thymico-lymphaticus)  nicht  die  Rede  sein.  Die  oft 
teristisch  für  das  Blut  von  Lymphatikern  ist:  1.  die  oft  enorme  Ver¬ 
mehrung  der  Blutplättchen,  2.  die  deutliche  Verminderung  der  Eosino¬ 
philen.  Die  übrigen  Formen  den  Blutkörperchen  finden  sich  in  durch¬ 
aus  normalen  Mengenverhältnissen.  Von  einer  Leukopenie  oder 
Lymphozytose  kann  bei  reinen,  unkomplizierten  Fällen  von  Lyphatis- 
mus  (=  Status  thymico  lymphaticus)  nicht  die  Rede  sein.  Die  oft 
behauptete  relative  Lymphozytose  tritt  freilich  gelegentlich 
in  Erscheinung,  wenn  bei  etwas  niedrigeren  Neutrophilenzahlen  das 
Prozentverhältnis  unter  den  einzelnen  Formen  ein  wenig  zu  Gunsten 
der  —  stabileren  —  Lymphozyten  verschoben  ist.  Der  Befund  ist 
jedoch  durchaus  unspezifisch  und  es  sollte  der  Ausdruck  überhaupt  als 
sinnlos  endlich  eliminiert  werden.  Nur  die  absoluten  Zahlen¬ 
angaben  über  die  polymorphkernigen  Neutrophilen  etc.  einerseits  und 
die  Lymphozyten  andererseits  geben  ein  wirkliches  Bild  von  dem 
funktionellen  Zustand  ihrer  Bildungsstätten:  dem  Knochenmark  und 
dem  lymphadenoiden  System.  Die  beiden  Autoren  bedienten  sich  zur 
Funktionsprüfung  des  Knochenmarks  der  Lymphatiker  (bekanntlich 
zeigen  diese  oft  rotes  Mark)  der  bewährten  Gelatineinjektion.  Bei 
diesen  Versuchen  zeigte  es  sich,  dass  sowohl  der  Granulozyten¬ 
apparat  (im  Sinne  einer  Vermehrung  der  Neutrophilen)  als  auch  das 
lymphatische  System  (im  Sinne  einer  Verminderung  der  Lympho¬ 
zyten)  bei  Lymphatikern  träger,  reagieren  als  bei  normalen  Menschen. 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  7.  Februar  1913. 

Privatdozent  Dr.  Bäräny  stellt  einen  Mann  vor,  bei  dem 
nach  einem  Fall  auf  den  Hinterkopf  das  von  ihm  erurierte  Symptom 
des  Vorbeizeigens  beider  oberen  Extremitäten  und  des  Kopfes  nach 
oben  aufgetreten  ist.  Er  hat  diese  Erscheinung  auch  noch  in  6—7 
anderen  Fällen  von  Schädelverletzungen  beobachtet  und  führt  sie  auf 
eine  Läsion  (Erschütterung)  des  in  den  Hemisphären  des  Kleinhirns 
gelegenen  Zentrums  für  die  Abwärtsbewegung  der  oberen  Extremi¬ 
täten  zurück. 

Privatdozent  Dr.  L.  J  e  h  1  e  zeigt  einen  mit  orthostatischer 
Albuminurie  behafteten  Jungen,  der  eine  starke  bogenförmige  Lenden¬ 
lordose  aufweist.  Lässt  er  den  Knaben  ein  Bein  auf  einen  Stuhl 
stellen,  so  verschwindet  nach  Ablauf  von  etwa  10  Minuten  das  Ei- 
weiss  aus  dem  Harne,  um  sodann,  wenn  der  Junge  das  Bein  wieder 
auf  die  Erde  stellt,  nach  einigen  Minuten  wiederzukehren.  Beim 
Hochheben  des  Beines  wird  eben  die  Lordose  ausgeglichen  und  sprich* 
somit  auch  dieser  Fall  für  die  Richtigkeit  seiner  Theorie. 

Privatdozent  Dr.  V.  Blum  demonstriert  einen  Manu  mit  aus¬ 
gedehnter  Argyrose  der  Blase.  Der  Kranke  hatte  seine  Blase  wegen 
Zystitis  lange  Zeit  hindurch  3 — 4  mal  täglich  mit  einer  1  prom.  Ars’-. 
nitiicum-Lösung  gespült.  Die  Prostata  war  atrophisch,  woher  auc 
eine  dauernde  Harnverhaltung  stammte.  Nach  einer  Prostatektomie, 
Resektion  eines  Plattenepithelkarzinoms  der  Blase  und  Entfernung 
eines  silberhaltigen  Blasensteines  ist  der  Mann  vollkommen  gehen  , 


446 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Privatdozent  Dr.  H.  H,  L  a  u  b  e  r  stellt  einen  Fall  von  zyklischer 
Okulomotoriuslähmung  vor.  Der  Knabe  hat  schon  im  6.  Lebens¬ 
monate  eine  rechtsseitige  Ptosis.  Der  Bulbus  steht,  wenn  der  Knabe 
wach  ist,  in  Abduktionsstellung,  er  kann  nicht  erhoben  und  nicht 
adduziert  werden;  die  bestehende  Ptosis  wird  dabei  geringer. 
Interessant  ist  folgende  Erscheinung:  In  Intervallen  von  15  bis 
45  Stunden  erweitern  sich  langsam  die  Pupillen  bis  auf  7  mm,  um 
sich  sodann  durch  ruckweise  erfolgende  Zuckungen  bis  auf  2  mm  zu 
verengern.  Dieses  Spiel  geht  fortwährend  vor  sich.  Im  Schlafe  hebt 
sich  zeitweilig  und  plötzlich  das  paretische  Augenlid,  der  Bulbus 
wird  dabei  in  die  Mitte  adduziert.  Nach  Verlauf  von  etwa  30  Se¬ 
kunden  senkt  sich  wieder  das  Lid  und  der  Bulbus  geht  wieder  nach 
rechts.  Die  Wassermann  sehe  Reaktion  fiel  negativ  aus. 

Prof.  Dr.  R.  Kraus:  Leber  Massnahmen  zur  Bekämpfung  der 
Cholera  auf  dem  bulgarischen  Kriegsschauplatz.  (In  unserem  letzten 
Wiener  Briefe  schon  besprochen.) 

Regimentsarzt  Dr.  Heinz:  Kriegschirurgische  Erfahrungen. 

Sitzung  vom  14.  Februar  1913. 

Die  Herren  Oberstabsarzt  Dr.  Johann  Steiner,  Reg.-Arzt  Dr. 

T  i  n  t  n  e  r  und  Dr.  Denk  berichten  über  ihre  Erfahrungen  und  Er¬ 
lebnisse  im  Balkankriege. 


Verschiedenes. 

Spirochaete  pallida  bei  Paralyse. 

N  o  g  u  c  h  i  und  Moore  berichten  in  Journal  of  Experimental 
Medicine,  No.  2,  Februar  1913  über  ihre  Befunde  von  Treponema  pal¬ 
lidum  im  Gehirn  von  Fällen  von  Paralysis  progressiva.  (Aus  dem 
Laboratorium  des  Rockefeller  Institut  in  New  York.) 

Die  Autoren  haben  70  Fälle  von  progressiver  Paralyse  unter¬ 
sucht  und  12 mal  die  Spirochaete  pallida  gefunden.  Die  Fär¬ 
bung  der  mikroskopischen  Schnitte  erfolgte  nach  der  Levaditimethode 
mit  einer  leichten  Modifikation,  die  aber  nicht  angegeben  wird. 

Die  Autoren  streifen  kurz  die  nosologische  Stellung  der  Para¬ 
lyse,  deren  Kausalzusammenhang  mit  der  Lues  heute  von  niemandem 
wohl  mehr  in  Abrede  gestellt  wird,  die  aber  von  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Autoren  als  metaluetische  Erkrankung  betrachtet  wird, 
hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil  eben  Spirochäten  bisher  nicht 
gefunden  worden  sind.  Von  einigen  Autoren  wurde  die  Paralyse  zwar 
als  eine  besondere  Form  der  tertiären  Syphilis  auf  gefasst;  S  t  r  ä  u  s  s  - 
le  r  hat  2  Fälle  beschrieben,  in  denen  Lues  cerebri  mit  Paralyse  kom¬ 
biniert  war. 

Spirochäten  wurden  bisher  nur  in  Gehirnen  kongenital-syphi¬ 
litischer  Kinder  gefunden,  D  u  n  1  a  p  hat  sie  in  einem  einzigen  Fall 
zerebraler  Lues  gesehen. 

N  o  g  u  c  h  i  hat  nun  —  wie  erwähnt  —  in  12  Fällen  klinisch 
sichergestellter  Paralyse  Spirochäten  gefunden;  die  Autopsie  be¬ 
stätigte  die  klinische  Diagnose.  Untersucht  wurden  Stückchen  aus 
der  rechten  ersten  Frontalwindung,  in  einigen  Fällen  solche  der  lin¬ 
ken  Hemisphäre  oder  des  Gyrus  rectus. 

Unter  den  Patienten  waren  10  Männer  und  2  Frauen;  7  boten  den 
ausgesprochenen  zerebralen  Typus  dar,  die  übrigen  den  der  Tabo- 
paralyse.  Die  durchschnittliche  Dauer  der  Erkrankung  belief  sich  bei 
7  Patienten,  bei  denen  der  Ausbruch  ermittelt  werden  konnte,  auf 
17  Monate,  die  längste  auf  30,  die  kürzeste  auf  5  Monate.  Bei  der 
grösseren  Mehrzahl  war  die  Krankheitsdauer  eine  kürzere  als  die 
durchschnittliche  Dauer,  die  von  verschiedenen  Autoren  als  zwischen 
24  und  32  Monaten  angegeben  wird.  Möglicherweise  werden  Spiro¬ 
chäten  nur  in  den  rasch  verlaufenden  Fällen  gefunden,  wie  die 
Autoren  meinen. 

An  Hand  der  Krankengeschichten,  die  kurz  wiedergegeben  wer¬ 
den,  weisen  nun  die  Autoren  zunächst  den  Einwand  zurück,  dass  es 
sich  in  den  beschriebenen  Fällen  um  Lues  cerebri  gehandelt  habe;  der 
Verlauf  war  ein  für  Paralyse  absolut  typischer.  Der  pathologisch¬ 
anatomische  Befund  zeigte  die  gewöhnliche  Verdickung  der  Pia, 
besonders  an  der  Konvexität  des  Frontallappens,  in  2  Fällen  auch  über 
dem  Gyrus  rectus,  dem  Zerebellum  und  der  Zisterna,  sie  erreichte  hier 
aber  nicht  den  Grad,  wie  man  ihn  sonst  bei  Syphilis  an  der  Basis 
findet.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  in  allen  Fällen  einen 
diffusen  meningealen  Prozess,  besonders  in  der  Frontalregion,  Gefäss- 
infiltration  in  den  Meningen  der  Rinde  und  dem  Mark.  Plasmazellen 
waren  in  grosser  Menge  in  allen  Fällen  vorhanden,  die  Lymphozyten 
an  Zahl  übertreffend.  In  einigen  Fällen  waren  endarteritische  Ver¬ 
änderungen  vorhanden,  in  keinem  jedoch  Obliteration.  Gummöse 
Prozesse  wurden  in  keinem  Fall  gefunden. 

Die  Spirochäten  waren  in  allen  Schichten  der  Rinde  nachzu¬ 
weisen  mit  Ausnahme  der  äussersten,  der  Neurogliaschicht,  einige 
wenige  subkortikal,  keine  jedoch  trotz  eifrigsten  Suchens  in  der  Pia. 
Ebensowenig  wurden  sie  in  den  Gefässscheiden  gefunden,  selten  in  der 
nächsten  Nähe  grösserer  Gefässe. 

Eine  Korrelation  zwischen  der  Zahl  der  Spirochäten  und  der 
Schwere  des  klinischen  Prozesses  bestand  nicht,  doch  zeigten  die 
Fälle  mit  den  meisten  Spirochäten  besonders  starke  anatomische  Ver¬ 
änderungen.  B  e  n  a  r  i  o. 


Therapeutische  Notizen. 

Zur  Behandlung  frischer  Qonorr  h  ö  e.  Ref.  hat  bt 
einem  frischen  Fall  von  Gonorrhöe  bei  einem  30  jährigen  Manne,  \m 
seit  2  Tagen  eitriger  Ausfluss  bestand,  durch  eine  Abortivkur  rrn 
1  proz.  Hegononlösung  und  Insufflation  von  Ozon  eine  definitive  Hei 
lung  in  2  Tagen  beobachtet  und  schlägt  vor,  geeigneten  Falles  Nach 
Prüfungen  anzustellen.  Zur  Ozonentwicklung  diente  ein  grosser  Ozon 
apparat  der  Firma  Siemens  &  Halske  und  der  in  Bomben  erhältlich: 
Sauerstoff.  Dr.  Adrian  Schücking  jr.,  Pyrmont. 

Zur  Behandlung  des  Pylorospasmus  empfiehlt  1' 
Putzig- Berlin  die  Pylorussondierung  (Ther.  Mon.-Heft 
13,  1)  mittelst  der  Hessschen  Duodenalsonde.  Die  Einführung  dei 
4Vs  mm  im  Durchmesser  haltenden  Sonde  bereitet  keine  Schwierig 
keiten.  Dass  die  Sonde  im  Duodenum  liegt,  lässt  sich  durch  da 
Gefühl,  durch  den  aspirierten  Inhalt  und  durch  das  Röntgenveriahre 
erkennen.  Der  Erfolg  war  in  einem  Falle  ein  ausgezeichneter.  Ki 

Nach  Vincent  vermag  aktive  Immunisierung  m  i  j 
einem  polyvalenten  Typhusvakzin  bei  Epidemien  selbe 
seit  24 — 48  Stunden  infizierte  Personen  vor  dem  Ausbruch  des  Typhu 
zu  schützen.  Bei  länger  zurückliegender  Infektion  kann  durch  suhl 
kutane  Injektion  der  Verlauf  günstig  beeinflusst  werden.  (Cpt. 
hebd.  acad.  d.  Sciences,  Bd.  155,  S.  784,  1912.)  Fr.  L. 

Eine  Mitteilung  von  Watte  rs  über  die  Scharlach 
Prophylaxe  mittels  Streptokokken  vakzine  (an 
getötete  polyvalente  Bouillonkulturen)  ist  praktisch  beachtenswert 
Neueintretende  Pflegerinnen  einer  starkbelegten  Scharlachstatio! 
wurden  vakziniert.  (3  Wochen  vor  dem  Eintritt  50  Mill.,  eine  Woch 
später  100  Mill.,  nach  einer  weiteren  Woche  200  Mill.  Streptokokken 
vakzine.)  Von  21  so  Behandelten  erkrankte  eine,  von  14  nicht  Gc 
impften  erkrankten  5.  (Journ.  amer.  med.  assoc.,  Bd.  58,  S.  54( 
1912.)  Fr.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  24.  Februar  1913. 

—  Im  Aerztlichen  Verein  Frankfurt  a.  M.  demoi 
strierte  Exz.  E  h  r  1  i  c  h  am  13.  ds.  einen  von  N  o  g  u  c  h  i  -  New  Vor 
hergestellten  Schnitt  eines  P  a  r  a  1  y  t  i  k  e  r  g  e  h  i  r  n  s,  in  de: 
Spirochäten  in  schönster  Weise  erkennbar  waren.  Durch  diese 
Nachweis  des  Lueserregers  im  Gehirn  bei  Paralyse,  der  Noguchi 
in  12  von  71  untersuchten  Fällen  glückte,  ist  bewiesen,  dass  die  Par; 
lyse  nicht,  wie  man  meistens  annimmt,  ein  metaluetischer  Prozes 
eine  Nachkrankheit,  sondern  ein  aktiver  Infektionsprozess  ist.  A 
die  Demonstration  schloss  Ehrlich  interessante  Bemerkungen  übt 
eine  neue,  aus  dem  Befund  Noguchis  sich  ergebende  Auffassun 
des  Wesens  der  Remissionen  der  Paralytiker.  Wir  berichten  über  di 
bemerkenswerte  Sitzung  auf  S.  443  dieser  Nummer,  ebenso  auf  S.  AA 
über  die  Arbeit  Noguchis,  in  der  er  über  seine  Entdeckung  di 
erste  Mitteilung  macht. 

—  Der  Landrat  des  Kreises  Mettmann  hatte  an  das  Amt.1 
gericht  Elberfeld  das  Ersuchen  gerichtet,  den  dortigen  Aerzte, 
verein  im  Vereinsregister  zu  löschen,  weil  derselbe  eine 
wirtschaftlichen  Zweck  verfolge  und  somit  nicht  nach  §  21  BGB.  eii 
tragungsfähig  sei.  Das  Amtsgericht  Elberfeld  hat  dieses  Ersuche 
abgelehnt,  1.  weil  es  dem  Landrat  das  Recht  absprach,  einen  solche 
Antrag  überhaupt  zu  stellen,  und  2.  aus  sachlichen  Gründen.  D 
Voraussetzung  des  §  21  BGB.  sei  nicht  dann  schon  gegeben,  wenn  e; 
Verein  einen  wirtschaftlichen  Zweck  verfolge,  sondern  es  sei  daz 
notwendig,  dass  der  Zweck  des  Vereines  einen  besonderen  eigene! 
Geschäftsbetrieb  mit  wirtschaftlichem  Charakter  erfordere.  Dt 
Verein  sei  also  zu  Recht  eingetragen.  —  Auch  das  Landgeric! 
Stettin  hat  eine  Beschwerde  des  Landrates  gegen  einen  Beschluss  du 
Amtsgerichts,  der  ebenfalls  den  Verein  der  Kassenärzte  für  Stett 
und  Umgegend  für  eintragungsfähig  erklärt  hatte,  abgelehnt,  mde 
er  sowohl  die  Berechtigung  des  Landrates  zu  der  Beschwerde  ve 
neinte,  als  auch  erklärte,  dass  Berufsvereine,  gerichtet  auf  Wah 
nehmung  gemeinsamer  Interessen  der  Berufsgenossen,  eintragung 
fähig  sind,  soweit  sie  nicht  den  Charakter  von  Produktivgenosse 
schäften  oder  Versicherungsgesellschaften  auf  Gegenseitigkeit  an  sic 
tragen.  —  Man  sieht,  Herr  v.  D  al  1  w  i  t  z  hat  wenig  Glück  mit  seine 
berühmt  gewordenen  Erlass,  und  je  früher  dieser  auf  irgend  eit 
Art  wieder  aus  der  Welt  geschafft  wird,  um  so  besser  wird  es  i 
Interesse  der  Staatsautorität  sein.  In  der  Erinnerung  der  Aerzte  wij 
der  Erlass  freilich  fortleben  als  ein  Dokument  des  Regierungswof 
wollens  für  den  ärztlichen  Stand. 

—  Die  endgültige  Genehmigung  zur  Errichtung  der  U  n  i  v  e  r  s 
t  ä  t  Frankfurt  ist  am  22.  ds.  in  Frankfurt  eingetroffen.  Die  0 
Öffnung  der  Universität  findet  anfangs  Oktober  1914  statt. 

—  Aus  Wien  schreibt  man  uns :  Die  sanitäre  Krieg; 
bereitschaft  der  österreichischen  Monarchi e  stai 
in  der  am  19.  Februar  1.  J.  stattgefundenen  ausserordentlichen  Sitzui 
der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  zur  Diskussion:  Profess 
Hochenegg,  über  dessen  Anregung  die  Sitzung  abgehalten  wurc 
hielt  auch  den  einleitenden  Vortrag.  Als  die  wichtigsten  sanitär» 
Vorbereitungen  für  einen  Krieg  bezeichnete  Hochenegg  die  Vn 
sorge  für  entsprechende  und  genügende  ärztliche  Hilfe,  für  die  Au 


.  Februar  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I  lung  und  Bereitstellung  von  tüchtigen  Pflegerinnen  und  Vorberei- 
i  g  genügender  Mengen  von  Sanitätsmaterial.  Wenn  unser  Vater- 
I  d  in  einen  grossen  Krieg  eintreten  sollte,  würde  es  nach  Berech- 
i  ig  eines  hohen  Militärarztes  und  nach  den  Erfahrungen  im  letzten 
Ikankrieg  — -  wenig  gerechnet  —  mindestens  100  000  Verletzte 
!  ien,  von  welchen  Oesterreich  60  000,  Ungarn  40  000  zu  versorgen 
ten.  Für  diese  60  000  Verwundete  stünden  in  erster  Linie  die  Spi- 
’r  des  Roten  Kreuzes  zur  Verfügung,  welche  aber  nur  etwa 
100  Verletzte,  nachdem  sie  in  Feldspitälern  transportfähig  gemacht 
rden,  aufnehmen  könnten.  Für  die  Unterbringung  der  restlichen 
100  Verwundeten  müsste  also  auch  schon  in  Friedenszeiten  Vor- 
ge  getroffen  werden.  Für  sie  wären  etwa  250  chirurgische  Sta- 
len,  jede  zu  200  Betten  in  10  Zimmern  erforderlich.  An  jeder  Sta- 
!  i  wären  mindestens  e  i  n  Hauptchirurg  und  zwei  andere  chirurgisch 
•gebildete  Aerzte  als  dessen  Assistenten  zu  bestellen.  Nachahmens- 
rt  wäre  das  Beispiel  Deutschlands,  woselbst  jeder  bedeutende  Chi- 
g  eo  ipso  auch  Militärarzt  sei  und  in  Friedenszeiten  mit  der  mili- 
ischen  Behörde  die  Vorkehrungen  für  den  Krieg  berät.  Wiin- 
lenswert  wäre  es,  wenn  die  den  Militärspitälern  zugewiesenen 
irurgen  gruppenweise  so  beschäftigt  würden,  wie  sie  in  ihrer 
ilen  Tätigkeit  mit  ihren  Assistenten  in  den  Spitälern  resp.  Kliniken 
arbeiten  gewohnt  seien.  Die  Vorsorge  für  qualifizierte  Pflege- 
nen  ist  ebenfalls  eine  ernste.  Rechnet  man  für  jede  Station  nur 
chirurgisch  vollkommen  vorgebildete  Pflegerinnen,  so  macht  das 
jion  500,  zu  welchen  etwa  7500  „Schwestern“  kommen  würden, 
nn  man  für  je  20  Kranke  drei  solche  Schwestern  bestimmt. 
i>tere  müssten  in  allen  Spitälern,  Sanatorien  etc.  Oesterreichs  schon 
Friedenszeiten  sichergestellt  werden;  wo  es  an  „Schwestern“ 
lt,  müssten  freiwillige  Helferinnen  herangezogen  werden.  Zieht 
n  die  Marodenhäuser,  die  Infektionsspitäler  und  die  im  Kriegs- 
:  e  der  „Schwestern“  beraubten  Zivilspitäler  auch  in  Betracht,  so 
in  man  den  Bedarf  an  Pflegerinnen  im  Kriegsfälle  auf  ca.  25  000 
'ätzen.  Der  Vortr.  besprach  sodann  die  Vorsorge  für  das  Verband- 
terial,  das  in  kolossalen  Massen  und  ständig  erneuert  für  den 
egfall  zur  Verfügung  stehen  müsste.  Um  nur  eines  zu  erwähnen, 
luchte  Primarius  Dr.  v.  Frisch  in  Sofia  in  einem  Spitale  von 
i  Betten  während  60  Tage  trotz  aller  Sparsamkeit  42  000  m  Kalikot, 
s  für  die  obgenannte  Zahl  der  Verwundeten  in  Oesterreich 
10'A  Millionen  Meter  Kalikot  ausmachen  würde.  Infolge  des 
»ssen  Bedarfes  an  Verbandmaterial  im  Balkankriege  gab  es  in  den 
iten  Monaten  in  Wien  Zeiten,  an  welchen  die  österreichischen  Fir- 
n  ihren  Vorrat  „ausverkauft“  hatten.  Wie  würde  sich  dieser  Zu- 
nd  erst  gestalten,  wenn  Oesterreich  selbst  im  Kriege  sich  befände, 
sere  sanitäre  Vorsorge  muss  sich  also  auch  auf  die  Vorsorge  ge¬ 
bender  Mengen  von  Verbandzeug  aller  Art  erstrecken.  —  An  den 
rtrag  schloss  sich  eine  lebhafte  Diskussion.  Hofrat  Dr.  K  o  b  1  e  r 
te  die  Massnahmen  mit,  welche  die  Landesregierung  von  Bosnien 
i  Herzegowina  gegen  die  Einschleppung  von  Seuchen,  insbesondere 
Cholera,  getroffen  habe.  Prof.  Dr.  R.  Kraus  entwickelte  in  kurzen 
?en  seine  Idee  der  internationalen  Bekämpfung  der  Kriegsseuchen 
i  teilte  bei  diesem  Anlasse  mit,  dass  ihm  ein  Wiener  Arzt,  Dr.  Josef 
inte r,  50  000  K  zur  Verfügung  gestellt  habe,  womit  die  Kosten  zur 
Schaffung  der  für  die  Institute  notwendigen  transportablen 
i  b  o  r  a  t  o  r  i  e  n  gedeckt  seien.  Ein  Epidemiefonds  sei 
enfalls  als  Spende  gestiftet  worden,  um  die  Auslagen  zur  Ausbildung 
;  Pflegepersonals  zu  bestreiten.  Dann  sprach  Fürst  Schönburg, 

'  Bundespräsident  des  österr.  Roten  Kreuzes.  Er  wisse  wohl,  dass 
vom  Roten  Kreuze  ausgebildeten  freiwilligen  Krankenpflegerinnen 
der  an  Zahl  noch  an  Qualität  entsprechen,  er  wolle  aber  nicht  auf 
ganz  verzichten,  da  sie  die  Aktion  des  Roten  Kreuzes  auch  sonst 
•erstiitzen.  Unser  Rotes  Kreuz  weist  jetzt  60  000  Mitglieder  auf, 
5  Kreuz  in  Deutschland  dagegen  600  000,  in  Japan  gar 
Millionen  unterstützende  Mitglieder.  Prof.  A.  Frankel  besprach 
gehend  die  ebenso  wichtigen  Vorkehrungen  für  den  Transport  der 
rwundeten  vom  Schlachtfelde  in  die  hintere  Linie  und  skizzierte 
künftige  Art  der  Ausbildung  von  brauchbaren  Pflegerinnen.  Es 
ach  noch  Oberstabsarzt  Dr.  Steiner,  der  unter  anderem  auch 
'sicherte,  dass  in  den  stabilen  Reservespitälern  die  Zahl  der  von 
’chenegg  geforderten  Betten  sicherlich  um  das  Doppelte  iiber- 
iritten  wird.  Im  Schlussworte  teilte  Prof.  Höchen  egg  mit.  dass 
e  Krosszügige  Aktion  für  den  Ausbau  des  Pflegerinnenwesens  schon 
geleitet  sei. 

Der  Qauverband  Prag  der  deutschen  Aerzte  Böhmens  zur 
uirung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen  schreibt:  Die  Zahl  der 
:rAte^?es^erre'c^s  beträgt  nach  einer  Zusammenstellung 
n  U.  K  1  a  u  b  e  r  -  Prag  in  der  Wiener  klinischen  Wochenschrift 
zeit  13  599,  d.  i.  4,68  auf  je  '10  000  Einwohner.  Sie  hat  gegen 
^  »orjahr  um  2,5  Proz.  zugenommen  (die  Bevölkerung  um  etwa 
1  roz.),  wird  aber  in  den  nächsten  Jahren  noch  ganz  bedeutend 
:gen,  weil  die  Zahl  der  Medizinstudierenden  in  den  letzten  8  Jahren 
tor  J^r0Z-  gewachsen  ist,  und  weil  infolge  der  letzten  Aerzteflut 
i  1890— 1910  (damalige  Steigerung  um  76  Proz.)  die  Aerzte  Oester- 
chs  zumeist  erst  30 — 45  Jahre  alt  sind.  Während  in  den  Haupt- 
,en  die  Aerztezahl  im  letzten  Jahre  um  3 — 11  Proz.  zunahm 
Innsbruck  sind  bereits  26,8  Aerzte  auf  je  10  000  Einwohner),  ist 
auf  dem  flachen  Lande  in  den  meisten  Provinzen  von  Jahr  zu  Jahr 
»unken;  Ende  1912  waren  in  Oesterreich  schon  190  landärztliche 
sten  unbesetzt,  viele  davon  bereits  mehrere  Jahre.  Die  Spezial 
te  nehmen  andauernd  zu  (jährlich  um  10 — 20  Proz.),  Aerztinnen 
1  es  in  Oesterreich  nunmehr  125,  sie  leben  zumeist  in  Wien  und 


!  c*-?*alizien;  Verschiedene  Versuche,  den  Aerzteiiberfluss  in  den 
j  v  tadten  auf  das  ärztearme  Land  abzulenken,  zeigten  bisher  noch 
keinen  Erfolg. 

„  Zürn  Direktor,  des  Allgemeinen  Krankenhauses  in  Lübeck  und 
Oberarzt  der  inneren  Abteilung  ist  Prof.  Dr.  Georg  Deycke,  Ober- 
ai  zt  am  Allgemeinen  Krankenhause  zu  Hamburg-Eppendorf,  vom 

1.  April  1913  ab  berufen  worden,  (hk.) 

.  —  Der  Vorstand  der  Hufelandischen  Gesellschaft 
zu  Berlin  hat  folgende  Aufgabe  für  den  Alvarengapreis  1914  ge- 
stellt:  „Ueber  die  Rolle  der  Fermente  im  tierischen  Stoffwechsel“. 
Näheres  in  dem  Inserat  in  dieser  Nummer. 

—  Der  nächste  Deutsche  Aerztetag  wird  sich  ausser 
mit  wirtschaftlichen  Angelegenheiten  mit  folgenden  zwei  Fragen  be¬ 
schäftigen:  1.  Der  Arzt  als  Gutachter,  mit  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  des  in  der  allgemeinen  Praxis  stehenden  (behandelnden)  Arztes; 

2.  Antrag  des  Aerztl.  Bezirksvereins  Leipzig-Land,  betr.  die  Bezahlung 
der  ärztlichen  Tätigkeit  im  Rahmen  der  verschiedensten  gemein¬ 
nützigen,  humanitären  und  nationalen  Bestrebungen. 

—  Vom  13.  bis  15.  Mai  1913  wird  der  Deutsche  Verein 
für  Schulgesundheitspflege  in  Verbindung  mit  der  Ver¬ 
einigung  der  Schulärzte  Deutschlands  seine  13.  Jahres¬ 
versammlung  in  Breslau  abhalten. 

—  Am  8.  September  d.  J.  und  folgenden  Tagen  wird  auf  Ein¬ 
ladung  der  Kgl.  Niederländischen  Regierung  und  der  Haager  Ge¬ 
meindeverwaltung  im  Kurhause  zu  Scheveningen  der  X.  Inter¬ 
nationale  Wohnungskongress  stattfinden.  Die  zur  Ver¬ 
handlung  gelangenden  Gegenstände  sind:  1.  Verbesserung  der  Woh¬ 
nungsverhältnisse  auf  dem  Lande;  2.  Verbesserung  und  Beseitigung 
schlechtei  Wohnungen;  3.  Wohnungsüberfüllung;  4.  Stadterweiterung. 
Ferner  wird  den  Kongressteilnehmern  durch  Ausflüge  Gelegenheit  ge¬ 
boten  werden,  von  dem,  was  in  den  letzten  Jahren  in  verschiedenen 
Teilen  Hollands  auf  dem  Gebiete  der  Wohnungsreform  und  des  Städte¬ 
baues  geleistet  ist,  Kenntnis  zu  nehmen.  Mit  dem  Kongresse  wird 
eine  Ausstellung  verbunden  sein,  durch  die  die  bedeutendsten  in  Hol¬ 
land  auf  dem  Gebiete  der  Wohnungsreform  erzielten  Ergebnisse  zur 
Veranschaulichung  gelangen  werden.  Programme  sind  zu  beziehen 
durch  die  Zentrale  für  Volkswohlfahrt,  Berlin  W„  Augsburgerstr.  61. 

—  Das  Deutsche  Zentralkomitee  für  ärztliche 
Studienreisen  veranstaltet  eine  Studienreise  nach  England, 
Schottland,  Irland,  den  Kanalinseln  (Jersey,  Guernsey),  Rotterdam, 
Scheveningen,  sowie  für  den  Besuch  des  Internationalen 
medizinischen  Kongresses  in  London  —  6.  bis 
12.  August.  Die  Reise  beginnt  am  3.  August  in  Hamburg  und  dauert 
ungefähr  25  Tage.  Der  Preis  der  gesamten  Reies  (Seefahrt,  Unter¬ 
kunft  und  Verpflegung  während  des  Aufenthaltes  in  London,  sowie  die 
gemeinschaftlichen  Landausflüge  eingeschlossen  (Getränke  und  Trink¬ 
gelder  ausgeschlossen)  wird  875—1400  M„  je  nach  Lage  der  Kabine, 
betragen.  Für  die  Anmeldung  ist  eine  Anzahlung  von  100  M.  er¬ 
forderlich.  Näheres  durch  den  Generalsekretär  Dr.  Oliven,  Ber¬ 
lin,  W  9,  Potsdamerstr.  134  b. 

—  Eine  Fachausstellung  für  Desinfektion  und 
Ungeziefervernichtung  veranstaltet  der  Deutsche  Des¬ 
infektorenbund  vom  13.— 16.  Juli  d.  J.  in  Berlin  in  den  „Marinehaus- 
Festsälen“,1  Brandenburger  Ufer  1. 

—  Die  nächste  Jahresversammlung  des  Deutschen 
Vereins  für  Psychiatrie  wird  am  15.  und  16.  Mai  1913  in 
Breslau  stattfinden.  Es  sind  zwei  Referate  vorgesehen :  1.  B  1  e  u  1  e  r  - 
Zürich  und  H  o  c  h  e  -  Freiburg :  Der  W'ert  der  Psychoanalyse. 
2.  Stier-  Berlin  und  Mönkem  oller  -  Hildesheim :  Psychiatrie 
und  Fürsorgeerziehung.  Anmeldungen  von  Vorträgen  werden  erbeten 
an  Sanitätsrat  Dr.  Hans  La  eh  r  in  Zehlendorf-Wannseebahn,  Schwei¬ 
zerhof. 

—  Am  Dienstag,  den  25.  März  1913,  mittags  1  Uhr  findet  unter 
dem  Vorsitz  des  Herrn  Geh.  Obermedizinalrates  Dr.  Abel  im  Hörsaal 
des  pathologischen  Instituts  der  Kgl.  Charitee  zu  Berlin  die  erste 
Jahresversammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Meeresheilkunde  statt.  Referate  haben  übernommen  die 
Herren  Prof.  Dr.  Franz  M  ii  1 1  e  r  -  Berlin,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr. 
E  w  a  1  d  -  Berlin,  Generaloberarzt  Dr.  S  c  h  u  1 1  z  e  n  -  Berlin. 

—  Cholera.  In  Odessa  sind  vom  8.  bis  21.  Januar  5  Cholera¬ 
erkrankungen  mit  2  Todesfällen  festgestellt  worden,  dagegen  kein 
neuer  Fall  mehr  bis  zum  28.  Januar.  —  Türkei.  Nach  dem  amtlichen 
Ausweis  No.  12  ist  in  Konstantinopel  in  der  Zeit  vom  28.  Januar  bis 
1.  Februar  1  Erkrankung,  und  zwar  am  28.  Januar,  festgestellt  wor¬ 
den;  die  Gesamtzahl  der  Erkrankungen  (und  Todesfälle)  seit  dem 
5.  November  v.  J.  betrug  daselbst  2515  (1245). 

-  Pest.  Aegypten.  Vom  25.  bis  31.  Januar  erkrankten  3 
(und  starben  5)  Personen.  —  Britisch  Ostindien.  Vom  12.  bis 
18.  Januar  erkrankten  3814  und  starben  3121  Personen  an  der  Pest. 

—  Niederländisch  Indien.  Vom  15.  bis  18.  Januar  wurden  auf  Java 
222  Erkrankungen  (und  158  Todesfälle)  gemeldet.  Für  die  Zeit  vorn 
1.  bis  14.  Januar  sind  nachträglich  2  Erkrankungen  mitgeteilt  worden. 

—  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  vom  8.  Dezember  bis  2.  Januar  2  Er¬ 
krankungen  und  1  Todesfall. 

—  In  der  6.  Jahreswoche,  vom  2.  bis  8.  Februar  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Berlin- Weissensee  mit  28,4,  die  geringste  Hof  mit  6,2  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestor¬ 
benen  starb  an  Scharlach  in  Graudenz,  an  Keuchhusten  in  Fürth, 
Offenbach.  \  .  d.  K.  G.-A. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


448 


(Hochschulnachrichten.) 

Bonn.  Der  Abteilungsvorsteher  der  physiologisch-chemischen 
Abteilung  am  physiologischen  Institut  der  Universität  Bonn,  Privat- 
dozent  Prof.  Dr.  med.  Bernhard  S  c  h  ö  n  d  o  r.f  f,  ist  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  ernannt  worden,  (hk.) 

Breslau.  Dr.  Friedrich  Henke,  ordentlicher  Professor  der 
allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen  Anatomie  der  Universität 
Königsberg  ist  zum  Nachfolger  des  von  seinem  Lehramt  zurück¬ 
tretenden  Direktors  des  pathologisch-anatomischen  Instituts  an  der 
hiesigen  Universität,  Geh.  Med.-Rats  Prof.  Dr.  P  o  n  f  i  c  k,  berufen 
worden.  —  Prof.  Dr.  Georg  W  e  t  z  e  1,  Privatdozent  und  II.  Pro¬ 
sektor  am  anatomischen  Institut  der  Universität  Breslau  wurde  vom 
Kultusminister  mit  Vorlesungen  für  die  Studierenden  der  Zahnheil¬ 
kunde  beauftragt,  (hk.) 

Dresden.  Dem  Direktor  des  pathologisch-anatomischen  und 
bakteriologischen  Institutes  am  Stadtkrankenhaus  Dresden-Friedrich¬ 
stadt,  Geheimrat  Prof.  Dr.  Schmorl  wurde  das  Ritterkreuz  1.  Kl. 
des  Verdienstordens  verliehen. 

Düsseldorf.  Prof.  Dr.  Otto  Lubarsch,  Mitglied  der 
Akademie  für  praktische  Medizin  und  Direktor  der  allgemeinen  städti¬ 
schen  Krankenanstalten  in  Düsseldorf  erhielt  einen  Ruf  an  Stelle  des 
verstorbenen  Geheimrats  Prof.  Heller  als  Ordinarius  und  Direktor 
des  Pathologischen  Instituts  an  der  Kieler  Universität.  L.  hat  den 
Ruf  angenommen  und  wird  sein  neues  Lehramt  im  kommenden 
Sommersemester  übernehmen. 

Freiburg  i.  Br.  Den  Privatdozenten  Dr.  Franz  Samuely 
(Innere  Medizin)  und  Dr.  Hermann  Fühner  (Pharmakologie)  ist  der 
Titel  ausserordentlicher  Professor  verliehen  worden,  (hk.) 

Giessen..  Die  von  der  Grossherzoglichen  Zentrale  für  Mutter- 
und  Säuglingsfürsorge  in  Hessen  erbaute  und  seit  I.  Oktober  1912  in 
Betrieb  genommene  Kinderklinik  wurde  von  der  Gr.  Zentrale  der 
Landesuniversität  zu  Unterrichtszwecken  zur  Verfügung  gestellt  und 
ist  von  dem  Grossh.  Ministerium  des  Innern  als  Universitäts- 
Kinderklinik  den  übrigen  medizinischen  Unterrichtsinstituten 
angegliedert  worden. 

Halle  a.  S.  Dr.  Friedrich  Lehnerd  t,  I.  Assistent  von  Prof. 

S  t  o  e  1 1  z  n  e  r,  hat  sich  für  Kinderheilkunde  habilitiert.  Habilitations¬ 
schrift:  Der  Einfluss  des  Strontiums  auf  die  Entwicklung  des  Knochen¬ 
gewebes  wachsender  Tiere  bei  verschiedenem  Kalkgehalt  der  Nahrung. 
—  Der  Assistent  am  anatomischen  Institut,  Dr.  Otto  A  i  c  h  e  1,  ausser¬ 
ordentlicher  Professor  an  der  Universität  Santiago  in  Chile,  hat  sich 
mit  einer  Antrittsvorlesung  über  „Anthropologie  und  Entwicklungs¬ 
mechanik“  als  Privatdozent  für  Anatomie  und  Anthropologie  habi¬ 
litiert. 

Köln.  Prof.  Dr.  Leonhard  J  o  r  e  s,  ordentliches  Mitglied  der 
Akademie  für  praktische  Medizin  und  Direktor  des  pathologischen 
Instituts  der  städtischen  Krankenanstalten  hat  einen  Ruf  an  die  Uni¬ 
versität  Marburg  als  Nachfolger  von  Prof.  Dr.  Martin  B.  Schmidt 
erhalten,  (hk.) 

Königsberg.  Der  Geheime  Medizinalrat  Prof.  Dr.  med.  et 
jur.  h.  c.  Ludimar  Hermann,  Direktor  des  physiologischen  Instituts, 
ist  von  der  philosophischen  Fakultät  zum  Ehrendoktor  ernannt 
worden,  (hk.) 

Leipzig.  Prof.  T  h  i  e  m  i  c  h,  städtischer  Kinderarzt  und 
Oberarzt  an  der  Krankenanstalt  Altstadt  zu  Magdeburg  wurde  als 
Nachfolger  Soltmanns  zum  Professor  der  Kinderheilkunde  und 
Direktor  des  Kinderkrankenhauses  ernannt.  —  Die  Privatdozenten 
Dr.  Eduard  Stadler  (Innere  Medizin)  und  Dr.  Arthur  Läwen 
(Chirurgie)  sind  zu  ausseretatsmässigen  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessoren  ernannt  worden,  (hk.) 

W  ii  r  z  b  u  r  g.  Für  innere  Medizin  habilitierte  sich  der  Assistent 
der  med.  Klinik  Dr.  Ludwig  Jacob.  Die  Habilitationsschrift  führt 
den  Titel:  „Ueber  das  spezifische  Gewicht  des  Harns  bei  Krankheiten, 
seine  Abhängigkeit  vom  Gesamttrockenrückstand  und  von  einzelnen 
Bestandteilen  des  Harns“.  —  Vom  1.  April  an  wurde  dem  ordentlichen 
Professor  an  der  Universität  Wiirzburg  Dr.  Richard  Kretz  die  er¬ 
betene  Enthebung  von  seiner  Stelle  unter  Anerkennung  seiner  vor¬ 
züglichen  Dienstleistung  bewilligt  und  ihm  die  Weiterführung  des 
Titels  eines  ordentlichen  Universitätsprofessors  und  das  Weitertragen 
seiner  bisherigen  Dienstabzeichen  gestattet;  der  ordentliche  Professor 
an  der  Universität  Marburg  Dr.  Martin  Benno  Schmidt  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen  Ana¬ 
tomie  in  der  medizinischen  Fakultät  der  Universität  Wiirzburg  er¬ 
nannt  und  zum  Vorstand  des  pathologischen  Instituts  bestellt. 

C  a  g  1  i  a  r  i.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Neurologie  und 
Psychiatrie  Dr.  C.  C  e  n  i  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Catania.  Dr.  P.  S  t  a  n  c  a  n  e  1 1  i,  bisher  Privatdozent  in 
Neapel,  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Dermatologie  und  Syphilis. 

Florenz.  Dr.  ü.  P  a  s  e  1 1  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Augenheilkunde. 

Graz.  Der  Privatdozent  für  innere  Medizin  Dr.  E.  P  e  t  e  y 
erhielt  den  Titel  eines  ausserordentlichen  Professors. 

Padua.  Dr.  M.  F  o  n  t  a  n  a,  bisher  Privatdozent  in  Rom,  habili¬ 
tierte  sich  als  Privatdozent  für  Physiotherapie. 

Palermo.  Prof.  Dr.  E.  Scimeni  in  Messina  wurde  zum 
Professor  der  ophthalmologischen  Klinik  ernannt. 

Prag.  Prof.  Dr.  Franz  Hof  mann,  Ordinarius  und  Direktor 
des  physiologischen  Instituts  an  der  deutschen  Universität,  hat  einen 
Ruf  nach  Königsberg  i.  Pr.  als  Nachfolger  des  Geh.  Medizinalrates 


Ko.  $! 


Prof.  L.  Hermann  erhalten,  (hk.)  —  Der  ordentliche  Professor  a 
der  deutschen  Universität  in  Prag  Dr.  Eugen  Steinach  ist  al 
Vorstand  des  neu  errichteten  „Physiologischen  Instituts“  der  bi; 
logischen  Versuchsanstalt  nach  Wien  berufen.  Das  Unterricht; 
miriisterium  hat  Prof.  Steinach  die  Uebernahme  dieses  Forschung 
institutes  durch  Beurlaubung  ermöglicht. 

Utrecht.  Dr.  W.  E.  Ringer  habilitierte  sich  als  Priva 
dozent  für  physiologische  Chemie. 

Wien.  Prof.  Dr.  Karl  v.  Noorden,  Vorstand  der  1.  me< 
Universitätsklinik,  hat,  wie  allseits  bestätigt  wird,  den  festen  En 
Schluss  geäussert,  mit  Ablauf  des  Sommersemesters  1913  Wien  z 
verlassen  und  in  sein  früheres  Domizil  nach  Frankfurt  a.  M.  zuriicl 
zukehren.  Die  Gründe  für  diesen  Entschluss  sollen  rein  privati 
Natur  sein.  Für  die  Wiener  medizinische  Fakultät  ist  der  droheni 
Verlust  ein  schwerer,  da  v.  Noorden  hier  bereits  Schule  gemac! 
hat  und  die  hohe  Autorität  seines  Namens  Kranke  aus  allen  Well 
gegenden  nach  Wien  brachte.  —  Der  ordentliche  Professor  Dr.  Norbej 
O  r  t  n  e  r,  Vorstand  der  III.  med.  Universitätsklinik  für  innere  Mcdiz; 
hat  den  Titel  und  Charakter  eines  Hofrates  erhalten. 

(Todesfälle.) 

In  Danzig  ist  am  13.  d.  M.  der  Chefarzt  der  chirurgische 
Abteilung  am  St.  Marien-Krankenhause  daselbst,  Dr.  med.  Paul  Robe 
Schröter,  im  6(J.  Lebensjahre  gestorben. 

In  Wien  verschied  Prof.  Dr.  Rudolf  Frank,  Primararzt  d 
II.  Chirurg.  Abteilung  im  allgemeinen  Krankenhause,  im  51.  Leben 
jahre.  Er  war  wegen  seiner  Tüchtigkeit  und  Gewandtheit  als  cl 
rurgischer  Primararzt  sehr  beliebt  und  hat  einige  neue  Operation 
methoden  angegeben. 

Dr.  Henry  H  e  r  v  i  e  u  x,  Professor  der  internen  Pathologie 
Montreal. 

Dr.  James  P.  T  u  1 1 1  e,  Professor  für  Erkrankungen  des  Rektm 
am  New  York  Policlinic  Medical  School  and  Hospital. 


Korrespondenz. 

Das  neue  russische  Arbeiterversicherungsgesetz. 

Ergänzung  zu  dem  Aufsatz  in  No.  6  dieser  Wochenschrift. 

Gelegentlich  der  Besprechung  der  Leistungen  zur  Bestreitung  er 
russischen  Unfallversicherung  hob  ich  hervor,  dass  dieselben  na» 
dem  neuer.  Gesetz  allein  der  Arbeitgeber  zu  tragen  hat.  Ich  zog  daa 
weiter  zum  Vergleich  die  entsprechenden  Bestimmungen  d 
deutschen  RVO.  heran  und  sprach  mich  dahin  aus,  dass  das  deutsc) 
Gesetz  darin  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  dem  russischen  ste. 
ein  Hinweis,  der  in  dieser  Form,  wie  wohl  als  bekannt  vorausgeset 
werden  konnte,  natürlich  nur  beschränkte  Gültigkeit  hat.  Es  sei  d<- 
halb,  um  nicht  missverstanden  zu  werden,  noch  einmal  betont.  d$ 
auch  in  Deutschland  die  Lasten  der  Versicherung  direkt  nur  du 
Arbeitgeber  zufallen.  Indirekt  trägt  indessen,  in  Deutschlai 
noch  mehr  als  in  Russland,  der  Arbeiter  selbst  sein  Teil  dazu  1 . 
indem  die  Vollrente  nur  2U  seines  Verdienstes  ausmacht,  er  dah. 
von  einigen  Ausnahmen  abgesehen  (Hilflosenrente),  mit  'A  Selbst¬ 
sicherer  bleibt.  Dr.  Erwin  Frank 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  6.  Jahreswoche  vom  2.  bis  8.  Februar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildurs 
fehler  17  (131),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  3  (4),  Kindbettfieber 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  2  (— ),  Scharlach  1  (•) 
Masern  u.  Röteln  1  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (1),  Keuchhusten  3  ( ’ 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  —  H 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundsnl 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  Starrkrampf  —  R 
Blutvergiftung  —  (3t,  Tuberkul.  der  Lungen  24  (21),  Tuberkul.  and.  <  g 
(auch  Skrofulöse)  3  (3),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ),  Lun)n 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  12  (14),  Influenza.  1  (2),  ven 
sehe  Krankh.  1  (— ),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieu 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  WecLi 
fieber  usw.  — ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (1),  Alkohs 
mus  — (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  3  (8),  sonst.  Kral 
d.  Atmungsorgane  6  (6t,  organ.  Herzleiden  14  (22),  Herzschlag,  Hz 
lähmung  iohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  7  (3),  Arterienverkallii 
2  (6),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  1  (1),  Gehirnschlag  129 
Geisteskrankh.  2  (2),  Krämpfe  d.  Kinder  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Ner  r 
Systems  1  (2),  Atrophie  der  Kinder  —  t5),  Brechdurchfall  1  (— ),  Ma  r 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  11  (8),  BIindd:rr 
entzünd.  —  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  1  (6),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5(1),  Nierenentzünd.  -iS 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (4),  Krebs  19  (16),  s  s 
Neubildungen  —  (2t,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  G>,  Krankhi« 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  6  (7),  Mord,  Totschlag,  ■ 
Hinricht.  1  (— t,  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  G 
and.  benannte  Todesursachen  4  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  ( 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (1). 

Gesamtzahl  dbr  Sterbefälle:  177  (192). 


')  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwon 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


i|t  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
n  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
ummer  80  -d.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
i  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiere«  i 
FÜrdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8‘/,-l  tfhr. 
För  Abonnement  an  |.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


o.  9.  4.  März  1913. 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

eiche  Formen  der  thorakoplastischen  Pfeilerresektion 
nd  je  nach  Ausdehnung  und  Schwere  der  Lungen¬ 
erkrankung  zu  empfehlen? 

Von  Prof.  W  i  I  m  s  in  Heidelberg. 

Die  Frage,  ob  sich  die  Chirurgie  bei  der  Behandlung  der 
iiugentuberkulose  erfolgreich  betätigen  kann,  dürfte  auf 
rund  bisher  vorliegender  Ergebnisse  mit  ja  zu  beantworten 
in.  In  Fluss  ist  bisher  noch  die  Diskussion  darüber,  in 
elcher  Weise  und  mit  welchen  Methoden  und  in  welchen 
iilen  ist  die  Wirkung  günstig  oder  weniger  erfolgreich.  Auf 
e  Entwicklung  dieser  Frage  gehe  ich  hier  nur  kurz  ein  und 
her  Nennung  der  bisher  auf  diesem  Gebiete  führenden 
utoren  wie  Bloch,  R  u  g  g  i,  R  e  c  1  u  s,  T  u  f  f  i  e  r, 
uincke  und  C.  und  L.  Spengler,  Turban,  Bier, 
anderer,  Mikulicz  verweise  ich  diesbezüglich  auf 
e  jüngst  erschienenen  Arbeiten  von  Sauerbruch  (Schweiz. 
irresp.-Bl.  12,  No.  7  und  Ergebnisse  der  inneren  Medizin  1913, 
d.  X).  Wesentliche  Fortschritte  in  der  chirurgischen  Be- 
mdlung  der  Lungentuberkulose  wurden  angeregt  durch  die 
instliche  Anlegung  des  Pneumothorax,  der  von  F  o  r  1  a  n  i  n  i 
id  Murphy  gleichzeitig  empfohlen  wurde.  Brauer  und 
p  e  n  g  1  e  r,  v.  M  u  r  a  1 1,  Langmann  u.  a.  brachten  durch 
naue  Studien  Aufklärung  über  die  Wirkungen  des  Pneumo- 
orax;  sie  wiesen  darauf  hin,  dass  durch  die  Ruhigstellung 
id  den  Kollaps  der  Lunge  die  Lymphzirkulation  verringert 
id  die  Toxinresorption  verlangsamt  und  die  Bindegewebs- 
Idung  vermehrt  wird.  Brauer  war  es  weiterhin,  der 
r  i  e  d  r  i  c  h  zur  Thorakoplastik  anregte,  die  zunächst  von 
r  i  e  d  r  i  c  h  im  Sinne  der  alten  Schede  sehen  Empyem- 
icration  durchgeführt  wurde.  Die  Gefahren  dieses  Eingriffes 
iben  sich  als  nicht  gering  herausgestellt,  bedingt  1.  durch 
:n  relativ  grossen  Eingriff  der,  wenn  auch  mit  Lokal- 
lästhesie  durchgeführt,  doch  einen  schweren  Schock  ver- 
saclit  und  eine  grosse  Wundhöhle  schafft,  2.  die  mit  der 
’itknochung  eines  Teiles  des  Thorax  einhergehende  Verschie- 
mg  des  Mediastinum,  wodurch,  wie  bekannt,  nicht  nur  für 
is  Herz  grosse  Gefahren  verbunden  sind,  sondern  auch  ein 
in-  tmd  Herpendeln  der  Luft  innerhalb  der  Lunge  erzeugt 
ird  (Pendelluft,  Brauer). 

Um  die  grosse  Gefahr  des  einmaligen  Eingriffes  zu 
irringern,  versuchten  sowohl  Friedrich  wie  Sauer- 
ruch,  die  Thorakoplastik  in  mehreren  Sitzungen  durcli- 
iführen.  Von  diesen  Versuchen  erwähne  ich  nur,  dass  hierbei 
Tangs  dasselbe  Ziel  verfolgt  wurde,  wie  bei  der  alten 
c  h  e  d  e  sehen  Operation,  nur  dass  zunächst  die  4  oder  5 
iteren  Rippen  und  dann  3  oder  4  höhere  in  grosser  Aus- 
-hnung  entfernt  wurden  und  den  Gedanken  von  Sauer- 
r  u  c  h,  durch  eine  Resektion  im  axillaren  Gebiet  der  Rippen 
ne  Verengerung  zu  erzielen.  Während  Friedrich,  wie  es 
lieint,  noch  an  seiner  von  ihm  zuerst  vorgenommenen 
ossen  Plastik  festhält,  durch  die  er  den  Anstoss  gegeben 
,r.  Entwicklung  der  ganzen  Frage,  hat  sich  Sauerbruch 
einen  Vorschlägen  genähert  und  in  der  letzten  Zeit  im 
esentlichen  auch  die  Pfeilerresektion  durchgeführt, 
e  darin  besteht,  dass  entweder  paravertebral  oder 
ara vertebral  und  parasternal  mehr  oder  weniger 
°sse  Rippenstücke  entfernt  werden.  Die  in  den  Ergebnissen 
-aerdings  mitgeteilte  Abänderung  der  Pfeilerresektion,  wie 
®  Sauerbruch  als  seine  Methode  dort  schildert  und  die 
irin  besteht,  dass  im  Gebiete  der  unteren  7 — 10  Rippen  nicht 
Ir  4 — 5  cm  lange  Rippenstücke  entfernt  werden,  sondern  bis 

No.  9. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

10,  ja  20  cm  Grösse,  ist  eine  zweckmässige  und  im  Effekt  er¬ 
folgreiche  Modifikation  der  Pfeilerresektion,  die  ich 
in  gleicher  Weise  wie  Sauerbruch  und  unabhängig  von 
ihm  schon  im  Juni  1912  ausgeführt  habe,  in  dem  Sinne,  als  ich 
diese  grössere  Re¬ 
sektion  im  Bereich 
der  unteren  Rippen 
als  zweiten  Eingriff 
vorgenommen  habe 
nach  erstmaliger  Re¬ 
sektion  der  7  oberen 
Rippen. 

E.  D.,  Kranken¬ 
schwester,  28  Jahre. 

Kavernös  schrump¬ 
fende  Phthise  im  lin¬ 
ken  Oberlappen.  40  bis 
50  ccm  Auswurf,  viel 
Bazillen;  zeitweiliges 
Fieber.  13.  V.  12  Pfei¬ 
lerresektion,  1.  bis  7. 

Rippe  paravertebral. 

23.  VI.  wird  mit  einer 
winklig  vom  unteren 
Ende  des  ersten  Schnit¬ 
tes  nach  aussen  laufen¬ 
den  Inzision  8.  und  9. 

Rippe  freigelegt  und 
12  cm  davon  entfernt. 

(Eig.  1  gibt  die  Schnitt¬ 
richtung  an.)  Eindel¬ 
lung  danach  wesentlich 
zugenommen.  Befinden 
zurzeit  sehr  gut, 

Husten  nicht  mehr, 

Auswurf  2  bis  3  ccm, 
starke  Gewichts¬ 
zunahme.  Es  ist  also 
derselbe  Eingriff  aus¬ 
geführt,  den  Sauer- 
bruch  als  seine  Me¬ 
thode  bezeichnet. 

Wenn  ich  heute  an  Hand  der  ausführlichen  Arbeit  von 
Sanerbruch  und  E  1  v  i  n  g  und  meiner  jetzt  auf  34  Patien¬ 
ten  sich  erstreckenden  Erfahrungen  einen  Vergleich  ziehe  zwi¬ 
schen  der  heute  von  Sanerbruch  und  von  mir  ausgeführten 
Thorakoplastik,  so  unterscheiden  wir  uns  nur,  was  die  Technik 
angeht,  in  einzelnen  Punkten.  Sauerbruch  ist  der  Mei¬ 
nung,  dass  vor  der  Pfeilerresektion  an  den  oberen  Rippen  i  n 
der  Regel  zuerst  eine  Eindellung  des  Unterlappens  durch 
ausgedehntere  Resektion  der  7.-9.  oder  10.  Rippe  vorher¬ 
gehen  soll,  um  die  Gefahr  der  Aspirationspneumonie  im  Unter¬ 
lappen  zu  verringern.  Mein  Standpunkt  dagegen  ist  der,  dass 
ich  diese  primäre  Unterlappeneindellung  nur  für  den  klei¬ 
neren  Prozentsatz  der  Fälle  empfehlen  möchte.  Ich 
bin  gleicher  Meinung  mit  Sanerbruch  nach  der  Richtung 
hin,  dass  auch  ich  Fälle,  bei  denen  der  Unterlappen  mit 
Sicherheit  tuberkulös  erkrankt  ist,  vielleicht  sogar  Kavernen 
im  Unterlappen'  vorhanden  sind,  in  der  Weise  einzudellen  rate, 
dass  man  zuerst  den  Unterlappen  komprimiert  mit  grösserer 
Resektion  der  7.,  8.,  9.  (selten  10.)  Rippe.  Auch  bei  den  Fällen 
kann  diese  Operation  als  erste  angebracht  sein,  wo  der  Aus¬ 
wurf  sehr  reichlich  ist,  pro  Tag  120  oder  150  ccm  über¬ 
schreitet.  Ich  betone  aber,  dass  nach  unseren  Erfahrungen 
derartig  reichliche  Expektoration  durchaus  nicht  immer  mit 
tuberkulöser  Erkrankung  des  Unterlappens  sich  kombinieren 
muss,  selbst  wenn  reichliche  Rasselgeräusche  über  dem 
ganzen  Unterlappcn  nachweisbar  sind.  Wir  dürfen  nicht  ver- 

1 


Fig.  1.  Hakenschnitt  zur  Entfernung  grösserer 
Rippenstücke  von  8,  9  eventuell  10  Rippen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


gessen.  dass  solche  bronchitische  Rasselgeräusche  und  reich¬ 
licher  Auswurf  auch  auf  katarrhalischer  Affektion  des  Bron¬ 
chialbaumes  beruhen  können,  die  durch  das  Einfliessen  der 
Sekrete  des  Oberlappens  unterhalten  werden  und  dass  wir  bei 


Ruhigstellung  des  Oberlappens  dann  auch  spontane  Besserung 
im  Ünterlappcn  sich  entwickeln  sehen. 

Da  wir  nun  klinisch  häufig  kaum  imstande  sind,  zu  er 
kennen,  ob  eine  beginnende  Unterlappentuberkulose  vorlies 


Fig.  2.  Pfeilerresektion  IA. 


Fig.  3.  Pfeilerresektion  I  B. 


Fig.  4.  Pfeilerresektion  II  A. 


oder  nicht,  und  wir  von  der  Thorakoplastik  verlangen,  da 
sie  nicht  gesunde  Lungenteile  ausschaltet,  so  ziel 
ich  in  solchen  zweifelhaften  Fällen  vor,  nicht  mit  der  Unte 
lappeneindellung  zu  beginnen,  sondern  erst  den  Effekt  d 
Kompression  des  Oberlappens  abzuwarten.  Meine  Erfahrung! 
sprechen  für  diese  vorsichtige  Form  der  Pfeilerresektion. 

In  gleichem  Sinne  liegen 
die  Bedenken,  die  ich  gegen  die 
Ansicht  von  Sauerbruch 
äussern  muss,  dass  er  die  Ge¬ 
fahr  der  Aspirationspneumonie 
im  Unterlappen  für  weniger 
gross  hält,  wenn  der  Unter¬ 
lappen  eingedellt  ist,  als  wenn 
er  noch  nicht  komprimiert  ist. 

Die  Erfahrung  zeigt,  dass  bei 
den  Fällen,  wo  reichlicher  Aus¬ 
wurf  vorhanden  ist  und  man 
den  Unterlappen  allein  zunächst 
komprimiert,  auch  häufig  meh¬ 
rere  Tage  höhere  Tempera¬ 
turen  dem  Eingriff  folgen,  mei¬ 
ner  Ansicht  nach  auch  in  den 
Fällen,  wo  im  Unterlappen 
noch  keine  Tuberkulose  vor¬ 
handen  ist.  Die  erschwerte 
Expektoration  als  Folge 
der  Schmerzhaftigkeit  der  resezierten  Rippenteile  £ 
die  Ursache  dieser  wohl  mit  lobulär  pneumonischen  Herd' 
einhergehenden  Entzündungen.  Dellen  wir  den  Oberlapp1 
zuerst  ein  durch  Pfeiler resektion  bis  etwa  zur  7.  Rippe.  1 
kommen  solche  vorübergehende  Störungen  in  derselben  We? 
vor,  weil  auch  hier  das  Auswerfen  wegen  der  Schmerzen  t- 
schwerden  macht. 

Die  Bedenken,  die  Sauerbruch  äussert,  dass  nur  1 
wenige  Fälle  die  Oberlappeneindellung  allein  genügt  und  zu' 
nur  für  leichte  Fälle  von  Tuberkulose,  sind  meiner  Ansicht  no' 
nicht  berechtigt.  Unsere  verschiedene  Auffassung  beruht  ab' 


Fig.  5a. 


.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


45  i 


iclit  darauf,  wie  Saue  r  b  r  u  c  h  meint,  dass  mir  leichtere 
älle  zugegangen  sind,  als  ihm,  was  ja  a  priori  unwahrschein- 
ch  ist,  sondern  ich  glaube,  dass  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h,  wenn  er 
ie  primäre  Kompression  des  Unterlappens  häufig  macht,  und 
ann  erst  die  Pfeilerresektion  oben,  er  doch  öfter  Lungenteile 
usschaltet,  die  noch  gesund  und  funktionsfähig  sind. 


Fig.  5b.  ' 

Eine  dritte  geringwertige  Differenz  besteht  darin,  dass 
auerbruch  öfter  die  erste  Rippe  nicht  angreift,  während 
;h  sie  in  der  Regel  durchtrenne.  Sauerb  r  u  c  h  hat  Recht 
l  der  Richtung,  dass  man  nach  Entfernung  der  zweiten  Rippe 
ie  obere  Spitze  der  Lunge,  weil  tiefer  gestellt  als  in  der  Norm, 
btasten  kann,  wenn  man  aber  wegen  des  Tiefertretens  der 
•pitze  die  erste  Rippe  intakt  lässt,  so  begibt  man  sich  damit 
es  Vorteils,  der  darin  besteht,  dass  die  hintere  nach  Rippen¬ 


resektion  gelöste  I'horaxwand  durch  ihre  Schwere  die  erste 
Rippe  mit  herunterzieht,  so  dass  gerade  durch  den  Druck  der 
ersten  Rippe  von  oben  die  Spitze  komprimiert  wird.  Ich  halte 
die  Entfernung  der  ersten  Rippe  bei  jeder  Obcrlappcntubcr- 


Fig.  6.  Pfeilerresektionill  B. 


ig  5.  5  Rippen  vorne  u.  Klavikularresekt.  z.  Verstärkung  d.  Oberlappenkompression  IC. 


Fig.  7.  Pfeilerresektion  II C. 


452 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


kulose  für  notwendig  und  würde  nur  dann  davon  abstehen, 
wenn  man  die  Spitze  der  Lunge  durch  extrapleurale 
A  b  1  ö  s  u  n  g  he  r  u  n  t  e  r  d  r  ii  c  k  t  und  den  dann  gesetzten 
Hohl  r  a  u  m  vielleicht  mit  Knochenstücken,  die  aus 
den  resezierten  Rippen  stammen,  ausfüllt.  . 

Nach  Erörterung  dieser  Punkte  möchte  ich  im  folgenden 
auf  ürund  meiner  Erfahrungen  und  zugleich  mich  stützend  auf 
die  Mitteilung  Sauerbruchs  versuchen,  die  verschiedenen 
Formen  und  Ausdehnungen,  die  eine  Thorakoplastik  an- 
nehmen  muss,  je  nach  Art  und  Ausdehnung  der  Erkrankung 
zu  fixieren. 

Handelt  es  sich  um  eine  zirkumskripte  Affek¬ 
tion  im  oberen  Teil  des  Oberlappens  (ich  sage  absicht¬ 
lich  nicht  Spitze,  weil  ja  gewöhnlich  tiefer  wie  die  Spitze  die 
kavernösen  Prozesse  liegen),  so  kommt  in  Frage  Pfeiler¬ 
resektion  neben  der  Wirbelsäule  als  erster  Eingriff  und 
zwar  reichend  von  der  1.  bis  Minimum  5.,  besser  aber  bis 

7.  Rippe  (Fig.  2),  weil  erst  durch  die  grössere  Ausdehnung 
der  Resektion  ein  ausgesprochener  Effekt  erzielt  wird.  Sind 
kavernöse  Prozesse  von  Kirschgrösse  im  überlappen  voi- 
handen,  so  lässt  sich  die  Kaverne  meist  durch  die  paraverte¬ 
brale  Resektion  allein  nicht  zudrücken,  sondern  nur  ver¬ 
kleinern.  Wir  haben  aber  gesehen,  dass  die  klinischen  Er¬ 
scheinungen  auch  trotz  Offenbleiben  der  Kavernen,  wie 
Husten,  Sputum,  Fieber  völlig  verschwinden.  Will  man  die 
Kavernen  stärker  komprimieren,  so  muss  in  zweiter 
Sitzung  vorn  die  1.— 4.  oder  5.  Rippe  (Fig.  3)  in 
nicht  zu  schmalem  Umfange  reseziert  werden.  Um  den  Effekt 
zu  verstärken,  ist  es  angebracht,  bei  diesen  leichteren  Fällen 
der  Tuberkulose  zwischen  den  zwei  Eingriffen  nur  2  bis 
3  Wochen  zu  warten,  weil  späterhin  die  Narbe  neben  der 
Wirbelsäule  fester  geworden  und  auf  das  Einsinken  der 
Rippen  nach  dem  zweiten  Eingriff  einen  weniger  günstigen 
Einfluss  hat.  Soll  durchaus  aus  äusseren  Gründen  eine  Narbe 
vorne  vermieden  werden,  so  kann  die  Kompression  des  Obei- 
lappens  erhöht  werden,  wenn  man  hinten  auch  noch  von 

8.  oder  9.  Rippe  ein  Stück  entfernt  (Fig.  4). 

Bei  vorderer  und  hinterer  Resektion  ist  dem  Heranrücken 
der  mittleren  Rippenstücke  nach  dem  Mediastinum  zu  eine 
Schranke  gesetzt  durch  die  bindegewebige  und  muskuläre 
Fixation  mit  dem  Schultergürtel,  so  dass  eine  Ver¬ 
stärkung  der  Eindellung  in  diesem  Gebiete  nur  bis  zu  einem 
gewissen  Mass  möglich  ist.  Will  man  weiter  eindellen,  so 
bleibt  nur  übrig,  die  Klavikula  anzugreifen. 

Entschliesst  man  sich  dazu,  so  rate  ich,  nicht  i  n  d  e  i 
Mitte  oder  an  der  Grenze  von  mittlerem  und  innerem  Drittel 
zu  operieren,  sondern  die  Klavikula  so  zu  rese¬ 
zieren,  als  wenn  sie  eine  Rippe  wäre,  also 
parasternal  sie  soweit  zu  entfernen,  dass  das  äussere 
Ende  sich  h  e  r  a  n  1  e  g  t  an  oder  in  die  Incisura  claviculans 
sterni  (Fig.  5).  Wenn  man  in  dieser  Weise  operiert,  so 
/braucht  man  nicht  die  resezierte  Klavikula,  die  sich  bei 
Resektion  in  der  Mitte  stark  senkt,  durch  Naht  zu  fixieren, 
sondern  es  wird  die  Klavikula  in  ihrem  äusseren  Ende  duich 
die  dort  ansetzenden  Muskeln  des  Sternokleido  in  normalei 
Höhe  gehalten.  Der  Erfolg  dieser  Resektion  ist  ein  beträcht¬ 
licher,  wie  Fig.  5  b  zeigt  (Röntgenplatte).  Gefahren  für  die 
Kompression  der  Arterien,  Venen  und  Nerven  sind 
wohl  deshalb  gering,  weil  die  gelöste  Brustwand  die  oberste 
Rippe  so  stark  nach  abwärts  zieht,  dass  ein  Druck  durch  die 

Klavikula  nicht  erfolgen  kann.  . 

Für  die  eben  erwähnte  Form  des  Eingriffes  eignen  sich 
schwielige,  kavernöse  Formen  dei  Obe  i  - 
lappen  tuberkulöse.  Der  Eingriff  an  der  Klavikula 
kann  entweder  mit  vorderer  Rippenresektion  gleichzeitig  ge¬ 
macht  werden  oder  er  wird  als  dritter  Eingriff  ausgefuhrt, 
wenn  die  Pfeilerresektion  in  ihrem  Effekt  auf  die  Kavernen 
nicht  genügt. 

Eine  noch  stärkere  Kompression  des  lhorax 
wird  erreicht  durch  paravertebrale  Pfeilerresektion, 
welche  die  8.  und  9.  selten  auch  10.  Rippe  mitnimmt.  Hier 
kommen  Modifikationen  des  Eingriffes  in  folgender  Weise  in 
Betracht.  Entweder  einmaliger  Eingriff  mit  Resektion 
v  o  n  8.  oder  9.,  selten  10.  Rippe  paravertebral  (Fig.  4)  und 
in  zweiter  Sitzung  vorn  parasternal  5.  oder 
<j  Rippe  (Fig.  6)  oder  aber  T  r  e  n  n  u  n  g  des  Eingriffes  an  der 


Rückseite  in  zwei  Sitzungen  in  der  Form,  dass  über 
dem  Oberlappen  6  Rippen  reseziert  werden  und  7..  8., 

9.  in  grösserer  Ausdehnung,  10 — 12 — 15  cm  (Fig.  7).  Die 
beiden  Eingriffe  können  auch  in  umgekehrter  Reihen¬ 
folge  vor  sich  gehen,  erst  Eindellung  des  Unterlappens  durch 
Resektion  im  Gebiete  der  6.,  7.,  8.,  9.  selten  10.  Rippe  mit 
späterer  Entfernung  der  oberen  Rippenstücke  1—5.  Geht  mail 
in  letzterer  Form  vor,  so  rate  ich  nicht  etwa  9,  8,  7,  6  in 
immer  kleiner  werdenden  Stücken  zu  nehmen  und  eventuell 
noch  von  der  5  oder  4  dann  2  oder  3  cm  mit  zu  entfernen, 
sondern  man  gehe  an  die  Rippen,  die  man  beim  zweiten  Mal 
nehmen  will,  beim  ersten  Eingriff  nicht  heran.  Man  er¬ 
schwert  sich  sonst  durch  die  eintretende  Kallusbrücke 
zwischen  den  Rippenenden  von  5.  oder  4.  Rippe  den  zweiten 
Eingriff.  Man  operiere  also  so,  dass  man  von  9.  und  8.  12  bis 
15  cm  entfernt,  von  7.  etwa  8,  von  6.  5 — 6  cm,  eventuell  gleich¬ 
viel  von  der  5.,  und  lasse  die  oberen  vier  intakt  für  die 
2.  Sitzung. 

Die  reine  paravertebrale  ausgedehnte  Pfeiler¬ 
resektion  ist  besonders  wirksam  auf  der  linken  Seite,  wo 
das  Herz  an  sich  schon,  zumal  wenn  es  durch  Retraktion 
nach  links  noch  mehr  herübergezogen  ist,  das  Thorax¬ 
volumen  verkleinert. 

Interessant  ist  nun,  dass  in  weitaus  den  meisten 
Fällen  die  für  unseren  Eingriff  in  Betracht  kommenden  Fälle 
von  chronischer  Tuberkulose  linksseitige  Erkran¬ 
kungen  sind  und  zwar  kommt  die  linksseitige  Affektion  so 
häufig  vor  (unter  meinen  34  Fällen  waren  25  auf  linker  Seite 
lokalisiert),  dass  man  nicht  an  Zufälligkeiten,  sondern  an  eine 
Abhängigkeit  des  Verlaufes  der  Erkrankung 
von  der  Thoraxseite  denken  muss. 

Ein  solcher  Einfluss  könnte  abhängig  sein  von  einer  stärkeren 
Schrumpfungstendenz  der  linken  Lunge,  die  mit  einem  leichteren 
Heranholen  des  Herzens  und  des  Mediastinum  in  Zusammenhang 
steht  und  könnte  auch  beeinflusst  sein  von  der  Rechtshändigkeit  der 
meisten  Individuen,  die  in  dem  Sinne  einen  Einfluss  ausiiben  könnte, 
als  die  linke  obere  Thoraxpartie  durchschnittlich  ruhiger  gestellt  ist 
als  die  rechte. 

Die  zuletzt  angeführte  stärkere  Eindellung  des  Brust¬ 
korbes  an  der  Rückseite  verschmälert  schon  um  ein  beträcht¬ 
liches  das  Volumen  der  linken  Lunge  sowohl  im  Ober-  wie  im 
Unterlappen  und  genügt  für  manche  Fälle  als  alleiniger  Ein¬ 
griff;  doch  gelingt  es  durch  parasternale  Rippenresektion  am 
besten  bis  zur  6.  Rippe,  wie  schon  erwähnt,  die  Kompression 
noch  wesentlich  zu  vervollkommnen  (Fig.  6).  Dieser  vordere 
Eingriff  soll  nicht  zu  schnell  auf  die  übrigen  folgen;  am  besten 
ist  ein  Zwischenraum  von  6 — 8  Wochen  oder  mehr 
zu  empfehlen.  Fügt  man  zu  der  vorderen  Pfeilerresektion 
noch  die  Resektion  der  K  1  a  v  i  k  u  1  a  an  ihrem  sternalen  Ende 
hinzu  in  gleicher  Weise  wie  oben  schon  geschildert  (Fig.  5). 
so  erreicht  die  Eindellung  eine  Grösse,  dass  man  sie  fast  dem 
Pneumothorax  gleichstellen  könnte. 

Entschliesst  man  sich  zur  Pfeilerresektion  bei  einem 
Patienten,  der  über  dem  Unterlappen  noch  eine  nicht 
adhärente  Pleura  hat,  so  liegt  es  nahe,  um  Aspirations¬ 
pneumonien  des  Unterlappens  zu  vermeiden,  vor  der  Ein¬ 
dellung  des  Oberlappens  einen  Pneumothorax  anzulügen, 
der  nach  unseren  Erfahrungen  von  günstigem  Einfluss  auf  den 
Eingriff  ist.  Auch  Sauerbruch  und  Turban  empfehlen 
die  Form  der  Eingriffe.  Selbstverständlich  muss  die  Stickstoff¬ 
menge,  die  eingelassen  ist,  verringert  werden,  wenn  der: 
Thorax  nach  der  Pfeilerresektion  sich  verengert. 

Ich  habe  oben  schon  angeführt,  dass  eine  Kompres¬ 
sion  der  Spitze  auch  möglich  ist  nach  Ablösung  ^ der. 
Pleura  costalis  im  Zusammenhang  mit  der  Lunge  und  Füllung 
des  Hohlraumes  mit  Knochenstücken,  die  von  den  Rippen  ge-;, 
nommen  werden  können  und  muss  im  Anschluss  daran  aut  die 
experimentellen  Arbeiten  von  B  ä  r  kurz  hinweisen,  die  tur; 
die  Frage  des  Lungenkollaps  bei  Tuberkulose  mir  von  Be-j 
deutung  zu  sein  scheinen.  -? 

Bär  kommt  in  seiner  Arbeit  (Wiener  klinische  Wochen¬ 
schrift  1913,  No.  3)  zu  folgendem  Vorschlag.  Er  empfiehlt  irt 
ähnlicher  Weise  wie  das  Schlange  schon  1907  in  einem 
Fall  von  schwerer  Kavernenblutung  versucht  hat,  den  kranken 
Teil  der  Lunge  mit  der  Pleura  von  der  Thorax- 
wand  abzulösen  und  zwar  am  besten  nach  Resektioi 


4.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


453 


von  2.  und  3.  Rippe  vorn  in  einer  Ausdehnung  von  4 — 5  cm. 
Zur  Füllung  der  dadurch  entstandenen  Höhle  soll  Paraffin  mit 
einem  Zusatz  von  Bism.  carb.  und  Vioform  und  zwar  2  :  0,5 
auf  100  Paraffin  verwendet  werden.  Tierversuche  ergaben  in 
Uebereinstimmung  mit  den  Versuchen  von  Bacmeister, 
der  beim  Pneumothorax  Paraffin  intrapleural  anwandte,  gute 
Resultate.  Am  Menschen  sollte  diese  Methode  versucht 
werden,  doch  machte  die  spontane  Eröffnung  der  grossen 
Kaverne,  die  mit  der  Pleura  von  der  Brustwand  abgelöst 
war,  die  Ausführung  der  Methode  unmöglich. 

Dass  technisch  in  dieser  Form  eine  Kompression  der 
Lunge  relativ  leichter  möglich  ist  wie  durch  die  Thorako- 
plastik  und  die  Pfeilerresektion  scheint  mir  wahrscheinlich. 
Auch  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  eine  solche 
Plombe  in  gleichem  Sinne  wie  sie  im  Knochen  einheilt,  auch 
innerhalb  des  Thorax  ohne  grosse  Schwierigkeit  dauernd  ein¬ 
gebracht  werden  kann.  Die  Schwierigkeit,  die  bei  dem  Falle 
von  Bär,  den  ich  früher  selbst  mit  Pfeilerresektion  zu  ope¬ 
rieren  Gelegenheit  hatte,  vorlag,  wird  uns  warnen,  gerade  bei 
solchen  grossen  Kavernen,  die  fast  einen  Lappen  ausfüllen  und 
nur  eine  dünne  Wand  besitzen,  die  Plombierung  zu  versuchen. 
Es  ist  in  solchen  Fällen  wohl  immer  mit  einer  spontanen 
Perforation  zu  rechnen,  weil  bei  diesen  grossen  Kavernen 
eine  Nekrose  der  äusseren  Wand  nach  Lösung  der  Pleura  ein- 
treten  muss,  denn  die  Zirkulation  in  dieser  dünnen  Wand  der 
Höhle  geht  durch  die  Pleura  costalis  vor  sich,  da  die  Gefäss- 
versorgung  im  Lappen  selbst  mehr  oder  weniger  zerstört  ist. 
Löst  man  diese  ab,  so  nekrotisiert  die  Wand. 

Geeignet  hingegen  erscheinen  mir  Fälle  von  tuber¬ 
kulöser  Oberlappenaffektion,  die  kleinere  Kavernen 
haben  und  eventuell  auch  solche,  bei  denen  die  Thorakoplastik 
weniger  angebracht  ist,  da  es  sich  nicht  um  schrumpfende 
Formen  von  fibröser,  schwieliger  Tuberkulose  handelt,  son¬ 
dern  um  frischere  Prozesse,  bei  denen  die  Kompression  eine 
intensivere  Ausdehnung  haben  sollte  als  es  bei  der  Pfeiler¬ 
resektion  möglich  ist. 

Das  Thema  der  chirurgischen  Behandlung  der  Lungen¬ 
tuberkulose  ist  nicht  vollständig,  wenn  wir  nicht  noch  kurz 
die  Frage  der  Kavernentherapie  nach  der  Richtung 
hin  erörtern,  ob  nicht  in  einzelnen  Fällen  eine  Eröffnung  der 
Kavernen  vorgenommen  werden  sollte.  Gerade  der  Fall,  den 
Bär  in  seiner  Arbeit  erwähnt,  bei  dem  schliesslich  der  ganze 
Oberlappen  eine  einzige  Kaverne  bildete,  war  auch  für  mich 
die  Veranlassung,  mir  die  Frage  vorzulegen:  Können  über¬ 
haupt  solche  grosse  Kavernen  allein  durch  die  Pfeilerresektion 
zur  Heilung  gebracht  werden,  oder  ist  es  nicht  besser,  solche 
grosse  Kaverne  zu  eröffnen  entweder  vor  oder  nach  einer 
Thorakoplastik?  Wie  ich  oben  schon  angeführt, hat  die  Thorako¬ 
plastik  allein  bei  solchen  Fällen  keinen  ausgesprochenen  Erfolg 
und  kann,  da  sie  das  Volumen  der  Lunge  nicht  in  gleicher 
Weise  zusammendrückt  wie  der  Pneumothorax,  mit  diesem 
nicht  konkurrieren.  Dagegen  beweist  der  relativ  günstige 
Verlauf,  den  der  oben  erwähnte  Fall  von  Bär  nach  der  Spon- 
taneröffnung  der  Kavernen  genommen,  meiner  Ansicht  nach, 
dass  die  These,  man  soll  überhaupt  keine  Lungenkavernen 
eröffnen,  nicht  richtig  ist,  sondern  die  Frage  kann  nur  lauten: 
Welche  Formen  von  tuberkulösen  Kavernen 
sind  durch  die  Eröffnung  günstig  zu  beeinflussen?  Auf  diese 
Frage  scheint  mir  nur  die  Antwort  möglich,  dass  grosse, 
schnell  fortschreitende  Kavernen  und  speziell 
solche,  bei  denen  man  nachweisen  kann,  dass  durch  die 
Kavernen  selbst  infolge  von  Mischinfektion  Fieber  unterhalten 
wird,  nach  aussen  eröffnet  werden  sollten.  Ich  glaube,  dass 
wir  gerade  wie  bei  der  chirurgischen  Tuberkulose 
den  allgemeinen  Grundsatz,  ein  tuberkulöser  Herd  oder  Abszess 
darf  nicht  eröffnet  werden  wegen  der  danach  drohenden 
Mischinfektion,  durchbrechen  müssen  für  die  Fälle,  wo  es  sich 
schon  um  Mischinfektionen  handelt,  wie  das  z.  B. 
häufig  bei  der  Spondylitis  und  Koxitis  der  Fall  ist.  Heute,  wo 
wir  durch  Anwendung  der  Röntgentherapie  und  Behandlung 
mit  Jodoform  und  anderen  Mitteln  imstande  sind,  die  frei¬ 
liegende  Tuberkulose  auch  noch  günstig  zu  beeinflussen,  wird 
man  auch  in  seltenen  Fällen  Lungenherde  durch  Inzision  f rei¬ 
legen  dürfen.  Handelt  es  sich  nicht  um  Mischinfektionen,  so 
sollte  die  Eröffnung  der  Kavernen  unterbleiben  oder  höchstens 
auf  grössere  Unterlappenkavernen  ausgedehnt  werden.  Wenn 


ich  demnach  für  grosse  Kavernen,  sobald  sie  mischinfiziert 
sind,  eine  chirurgische  Behandlung  befürworten  möchte,  so 
betone  ich  nochmals,  dass  gerade  bei  diesen  die  extrapleurale 
Ablösung  von  Bär  wegen  der  schlechten  Zirkulation  der 
Wand  nicht  als  normale  Methode  aufgestellt  werden  darf,  denn 
wenn  wir  bei  solchen  Fällen  die  Plombe  in  den  Thorax  hinein¬ 
bringen  zur  Kompression  der  Kavernen  und  später  eine 
Nekrose  der  Wand  eintritt,  so  wird  die  ganze  Plombe  ver¬ 
eitern  und  sie  müsste  wieder  entfernt  werden.  Hier  kann  also 
mit  der  Eröffnung  der  Höhle  nur  die  Pfeilerresektion  als  unter¬ 
stützender  Eingriff  in  Frage  kommen,  der  eine  Schrumpfung 
der  eröffneten  Höhle  ermöglicht. 


Aus  der  Professor  Dr.  V  u  1  p  i  u  s  sehen  orthopädisch-chirur¬ 
gischen  Klinik  in  Heidelberg. 

Zur  Behandlung  der  inneren  Verletzungen  des  Knie¬ 
gelenks. 

Von  Professor  Dr.  Oskar  V  ulpius. 

Die  unbestimmte  frühere  Diagnose  „Derangement  interne“ 
des  Kniegelenkes  kann  heute  durch  exaktere  Bezeichnungen 
ersetzt  werden.  Wir  kennen  heute  Abreissungen  der  Liga¬ 
menta  cruciata,  eventuell  mit  Ausreissung  von  Knochenstücken 
im  Bereich  ihrer  Insertion  kombiniert,  wir  kennen  die  ver¬ 
schiedenartigen  Verletzungen  der  Bandscheiben.  Wir  wissen, 
dass  letztere  sehr  viel  häufiger  Vorkommen,  als  man  früher 
annahm,  wir  können  den  Mechanismus  ihres  Zustandekommens 
verstehen  und  haben  über  die  Art  der  Meniskusverletzungen 
durch  die  bei  Operationen  erhobenen  Befunde  mancherlei  ge¬ 
lernt.  Völlig  geklärt  ist  hier  aber  noch  keineswegs  alles,  und 
wenn  wir  die  Aeusserungen  verschiedener  auf  diesem  Gebiet 
bewanderter  Autoren  nebeneinander  stellen,  so  stossen  wir 
auf  Widersprüche,  namentlich  hinsichtlich  des  Ortes,  an 
welchem  die  Meniskusabreissung  zu  erfolgen  pflegt. 

So  sagt  Wilms:  „Am  häufigsten  scheint  der  Einriss  in  der 
Mitte  des  inneren  Meniskus  vorzukommen.  Der  Abriss  kann  vorne, 
hinten  und  in  der  mittleren  Zone  erfolgen,  ln  letzterem  Falle  ver¬ 
schiebt  sich  der  partiell  gelöste  Meniskus  znweiPn  so,  dass  er 
innen  vom  Kondylus  quer  durch  das  Gelenk  läuft.“  Thiem  äussert 
sich  folgendermassen :  „Zumeist  ist  der  innere  Meniskus  betroffen. 
Eine  Verschiebung  der  ganzen  Bandscheibe  kommt  anscheinend  nur 
selten  vor.  Der  Knorp?l  wird  teilweise  abgerissen  oder  an  seiner 
vorderen  oder  hinteren  Anheftungsstelle  losgelöst.  Nach  Ver¬ 
stauchungen  bleiben  zuweilen  umschriebene  Verdickungen  des 
Zwischenknorpels  zurück,  besonders  häufig  am  inneren  Gelenkspalt 
vorne.  welchp  gelegentlich  mit  Erscheinungen  von  Einklemmuneen 
verbunden  sein  können,  ohne  dass  sich  eine  Verschiebung'  des  Me¬ 
niskus  feststellen  lässt.“  Diese  Störung  ist  von  Roux  als  Menis- 
citis  traumatica  bezeichnet  worden.  Nach  Reichel  (Handbuch  der 
prakt.  Chir.)  reisst  seltener  nur  der  Knorpel  an  seiner  Basis  von  der 
Kapsel  ab  und  verschiebt  sich  nach  dem  Gelenkinnern,  während  das 
vordere  und  hintere  Ende  fixiert  bleiben.  A  1 1  i  n  g  h  a  m  nahm  eine 
Lockerung  des  Meniskus  durch  Dehnung  der  Gelenkkapsel  infolge 
eines  entzündlichen  Prozesses  an.  Nach  Reichels  Ansicht  ist 
letzterer  aber  als  Folge  einer  früheren  Verletzung,  nicht  als  Ur¬ 
sache  dm  Meniskusverschiebung  aufzufassmi. 

Auf  Grund  der  recht  zahlreichen  Beobachtungen,  die  ich 
im  Laufe  der  Jahre  gemacht  habe,  glaube  ich,  dass  diejenigen 
recht  haben,  welche  einen  partiellen  Meniskusabriss  auf  der 
Höhe  seiner  Konvexität  für  häufiger  halten,  als  den  Abriss  an 
der  vorderen  und  hinteren  Anheftung  der  Knorpclschcibe. 
Hierfür  scheint  mir  einmal  zu  sprechen  die  Lokalisation  der 
Druckempfindlichkeit,  welche  nach  derartigen  Verletzungen  oft 
noch  sehr  lange  Zeit  auf  der  Höhe  des  Kniegelenkspaltes,  oder 
etwas  weiter  nach  vorne  von  diesem  Punkt  gefunden  wird, 
und  ferner  der  günstige  Erfolg  der  von  mir  geübten  Therapie, 
die  im  folgenden  beschrieben  werden  soll. 

Für  die  Behandlung  der  Meniskusverletzung  gelten  im  all¬ 
gemeinen  folgende  Regeln:  Unmittelbar  nach  dem  Trauma 
muss  der  Meniskus,  falls  er  als  verschoben  erkannt  wird,  durch 
geeignete  Manipulationen  reponiert  werden.  Während  einer 
Ruhigstellung  von  5 — 6  Wochen  kann  er  wieder  anheilen.  Ich 
habe  auf  diese  Weise  einige  sehr  gute  Resultate  erzielt,  so 
z.  B.  bei  einem  viel  beschäftigten  praktischen  Arzt,  der  wenige 
Tage  nach  dem  Unfall  einen  abnehmbaren  leichten  Verband 
erhielt  und  dauernd  geheilt  wurde,  obwohl  er  von  Anfang  an 
seinem  Beruf  nachging  mit  steifgestelltem  Knie,  wie  gesagt. 


454 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


Nicht  selten  aber  ist  der  Verlauf  weniger  günstig,  es 
bleiben  dauernde  Beschwerden  zurück,  es  stellen  sich  ge¬ 
legentlich  leichte  Einklemmungserscheinungen  und  Kniegelenk¬ 
ergüsse  ein.  Dann  kann  radikale  Hilfe  nur  durch  eine  Ope¬ 
ration  gebracht  werden.  Das  Gelenk  wird  eröffnet  und  der 
verletzte  Meniskus  je  nach  dem  Befund,  nach  Art  und  Lokali¬ 
sation  des  Abrisses,  an  der  normalen  Anheftungsstelle  befestigt 
oder  exstirpiert.  Ich  habe  bei  einer  Reihe  von  Exstirpationen 
gute  Erfolge  erzielt,  sogar  bei  Unfallverletzten.  Bei  anderen 
Patienten  aber  blieben  chronische  Beschwerden  zurück,  ein 
Insuffizienzgefühl,  das  nur  zum  Teil  durch  die  Abmagerung 
der  Muskulatur  zu  erklären  war,  oder  es  stellten  sich  im  Laufe 
der  Zeit  Anzeichen  arthritischer  Reizung  ein.  Auf  Grund 
dieser  Erfahrungen  habe  ich  es  mir  zur  Regel  gemacht,  bei 
Fällen,  welche  nicht  mit  erheblicher  Dislokation  des  Meniskus 
einhergehen,  zunächst  ein  einfacheres  Verfahren  anzuwenden, 
ehe  ich  zur  Eröffnung  des  Kniegelenkes  schreite. 

Diese  Methode  beruht  auf  der  Annahme,  dass  es  sich  um 
eine  Meniskuslockerung  etwa  auf  der  Höhe  der  Konvexität 
entsprechend  der  eng  umschriebenen  Druckempfindlichkeits¬ 
stelle  handelt.  Und  die  Methode  bezweckt,  an  der  Lockerungs¬ 
stelle  einen  entzündlichen  Reiz  zu  erzeugen,  welcher  durch 
Verklebung  und  Narbenzug  den  Meniskus  in  seinem  ursprüng¬ 
lichen  Bett  wieder  fixiert.  Eine  feine  Injektionsnadel  wird  in 
schräger  Richtung  eingestochen  und  vorsichtig  zwischen 
Meniskus  und  Tibia  an  die  Stelle  geführt,  wo  die  Druck¬ 
empfindlichkeit  am  grössten  ist.  Hier  werden  einige  Tropfen 
absoluten  Alkohols  injiziert  und  zwar  möglichst  so,  dass  ein 
Teil  der  Flüssigkeit  in  den  Meniskus  und  in  das  Gewebe  der 
Gelenkkapsel  deponiert  wird.  Bei  einiger  Uebung  kann  man 
mit  der  Nadel  sehr  deutlich  fühlen,  ob  man  sich  an  der  richtigen 
Stelle  befindet.  Unmittelbar  nach  dieser  Injektion,  die  nur 
geringe  Schmerzen  verursacht,  wird  das  Gelenk  stark  mit 
Sauerstoff  aufgebläht.  Ich  benütze  zu  dem  Zweck  den  be¬ 
kannten  Wollen  b  erg  sehen  Apparat  und  steche  die  Nadel 
von  der  Aussenseite  der  Bursa  subcruralis  unter  die  Patella 
ein.  Ein  leichter  Stärkebindenverband,  mit  Zinkstreifen  ver¬ 
stärkt,  fixiert  das  Gelenk  für  6—8  Tage.  Zumeist  habe  ich 
nach  Ablauf  dieser  Zeit  die  Einspritzungen  nochmals  wiederholt. 

Ich  denke  mir  die  Wirkung  der  Sauerstoffaufblähung  so, 
dass  der  Meniskus  aus  dem  Gelenkinnern  hinausgedrängt  und 
an  seine  Insertionsstelle  angepresst  wird.  Da  der  Sauerstoff 
immerhin  mehrere  Tage  im  Gelenk  bleibt,  so  kann  während 
dieser  Zeit  die  Verklebung  des  Meniskus  mit  der  Kapsel  be¬ 
ginnen.  Am  Tage  nach  der  Injektion  kann  man  gewöhnlich 
leichtes  Plätschergeräusch  im  Gelenk  nachweisen.  Die  ent¬ 
zündliche  Reizung  des  Meniskus  erzeugt  einen  geringfügigen 
und  belanglosen  Erguss.  Das  Gelenk  bleibt  im  ganzen 
3  Wochen  ruhig  gestellt.  Während  dieser  Zeit  wird  der 
Quadrizeps  regelmässig  vom  Patienten  geübt  und  elektrisch 
gereizt,  um  seiner  Atrophie  entgegen  zu  arbeiten.  Dann  setzt 
Massage  und  Gymnastik  ein,  eine  elastische  Kniekappe  lasse 
ich  für  mehrere  Monate  tragen. 

Bei  richtiger  Auswahl  der  Fälle  habe  ich  mit  diesem  ein¬ 
fachen  und  harmlosen  Verfahren  so  überraschende  Erfolge 
erzielt,  dass  ich  jedenfalls  einen  Versuch  mit  demselben 
empfehlen  möchte,  ehe  man  sich  zur  operativen  Eröffnung  des 
Gelenkes  entschliesst. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Kiel 
(Direktor:  Professor  Dr.  L  ii  t  h  j  e). 

Der  Einfluss  von  Thorium  X  auf  keimende  Pflanzen. 

Von  Friedei  Kahn,  Assistent  der  Klinik. 

Die  Therapie  mit  radioaktiven  Substanzen  hat  neuerdings 
durch  die  Einführung  des  Thorium  X  in  die  Medizin  einen 
bedeutenden  Zuwachs  erfahren.  Von  dem  Radium  und  seiner 
Emanation  unterscheidet  sich  Thorium  X  —  neben  seiner 
leichteren  Gewinnbarkeit  und  geringeren  Anschaffungskosten 
—  im  wesentlichen  durch  seinen  rascheren  Zerfall  und  der 
damit  verbundenen  gesteigerten  Entwicklung  von  Energie. 
Das  wechselvolle  Schicksal  der  Radiumemanationstherapie 
mahnt  uns  eindringlich,  vor  der  allgemeinen  Anwendung  des 
Thorium  X  seine  biologischen  und  klinischen  Eigenschaften  ein¬ 
gehend  zu  studieren.  Es  liegen  bereits  eine  Reihe  von  Mit¬ 


teilungen  in  dieser  Richtung  vor;  doch  sind  wir  noch  keines¬ 
wegs  in  der  Lage,  uns  ein  irgendwie  bestimmteres  Urteil  zu 
bilden.  Als  ein  sicheres  Ergebnis  der  bisherigen  Forschung 
dürfen  wir  den  Einfluss  von  Thorium  X  auf  den  hämatopoeti- 
schen  Apparat  bezeichnen.  Grosse  Dosen  zerstören  die 
weissen  Blutkörperchen,  kleine  dagegen  scheinen  einen  ge¬ 
steigerten  Reiz  auf  die  Bildung  der  roten  auszuüben. 

Im  folgenden  will  ich  über  Versuche  berichten,  die  eben¬ 
falls  den  gegensätzlichen  Einfluss  kleiner  und  grosser  Dosen 
von  Thorium  X  zeigen  und  zwar  an  keimenden  Pflanzen. 
Die  Untersuchungen *  *)  wurden  an  zwei  Arten  von  Samen  aus¬ 
geführt. 

ln  der  ersten  Versuchsreihe  wurden  Haferkörner  benutzt, 
die  ja  bereits  früher  zum  Studium  der  biologischen  Strahlen¬ 
wirkung  (Röntgen-  und  Radiumstrahlen)  herangezogen  wurden. 
Die  Versuchsanordnung  war  folgende;  In  flachen  Schalen 
wurden  je  70  Haferkeime  in  frischer  Gartenerde  ausgesät  und 
dann  wurden  in  gleichen  Flüssigkeitsmengen  neben  einer  Kon¬ 
trolle  ohne  Thorium  X-Zusatz  bestimmte  Aktivitätsmengen 
von  Thorium  X  zugesetzt.  Die  Schalen  kamen  unter  gleich¬ 
grosse  Glasglocken,  die  luftdicht  auf  geschliffenen  Glasplatten 
aufsassen,  um  so  einerseits  die  gesamte  Strahlenwirkung  zur 
Anwendung  zu  bringen  und  andererseits  bei  allen  Versuchen 
unter  denselben  äusseren  Bedingungen  von  Feuchtigkeits-  und 
Luftgehalt  zu  arbeiten.  Die  Glocken  standen  bei  gleich- 
mässiger  Zimmertemperatur  an  einem  Milchglasfenster. 

In  der  ersten  Versuchsreihe  war  das  Ergebnis,  dass  nach 
14  Tagen  in  der  Kontrolle  unter  Glocke  I  die  meisten  Pflanzen 
gewachsen  waren.  Unter  der  Glocke  II  mit  3  mal  100  elektro¬ 
statischen  Einheiten  Thorium  X,  die  innerhalb  8  Tagen  zu¬ 
gesetzt  waren,  waren  nur  halb  so  viel  Pflanzen  wie  bei  I. 
Auch  waren  die  Pflanzen  bei  II  schon  deutlich  kleiner  als 
bei  I.  In  der  Glocke  III,  wo  hohe  Dosen  von  Thorium  X 
(3  mal  1000  elektrostatische  Einheiten)  zur  Wirkung  kamen, 
war  jedoch  die  Wachstumshemmung  am  stärksten  ausge¬ 
sprochen.  Hier  gingen  von  70  Samen  nur  9  auf.  Dieses 
Ergebnis  stimmt  mit  dem  Befund  von  Bickel  und  King’) 
überein.  Diese  Autoren  studierten  unter  anderen  Versuchs¬ 
bedingungen  den  Einfluss  grosser  Thorium  X-Dosen  auf  Hafer¬ 
keime  und  fanden  gleichfalls  eine  Hemmung  in  der  Entwicklung. 

Als  nun  diese  Versuche  mit  Variationen  der  Dosierung 
wiederholt  wurden,  fiel  das  Resultat  gerade  entgegengesetzt 
aus.  Mit  derselben  Erde  und  denselben  Samen  und  bei  genau 
derselben  Versuchsatiordnung  waren  in  der  Kontrolle  die 
wenigsten  Keime  entwickelt,  bei  mässigen  Aktivitätsmengen 
wuchsen  mehr  Pflanzen  und  bei  hohen  Dosen  waren  in  der 
gleichen  Zeit  die  meisten  Samen  aufgegangen.  Als  Beispiel 
diene  folgendes  Versuchsprotokoll:  Der  Versuch  wurde  nach 
11  Tagen  abgebrochen. 


Dosierung 

Von 

70  Haferkeimen 

Gesamtlänge 

Glocke  I  . 

Kontrolle 

35  Pflanzen 

133,6  cm 

„  11  .  .  • 

+1  X  150  El.  E. 

53 

253,2  „ 

„  III  ..  . 

+  IX  1500  El.  E. 

62  „ 

336,2  „ 

Die  Deutung  dieser  Differenzen  in  den  einzelnen  Ver¬ 
suchen  stiess  auf  grosse  Schwierigkeiten.  Zuerst  wurde  die; 
Möglichkeit  erwogen,  ob  vielleicht  das  Aufbewahren  von  Erde, 
und  Samen  in  schlechter  Laboratoriumsluft  (Säuredämpfe!) 
einen  schädlichen  Einfluss  ausgeübt  habe,  und  ob  damit  die 
konträre  Thorium  X-wirkung  zu  erklären  sei.  Doch  fielen 
Versuche  mit  neuem  Hafer  und  neuer  Erde  wenige  Wochen; 
später  prinzipiell  gleich  wie  die  zuletzt  geschilderten  aus;  nur 
war  in  allen  Schalen  die  Entwicklungstendenz  noch  geringer. 
Dies  war  um  so  auffallender,  als  jetzt  die  Dosen  sowohl  nach 
oben  wie  nach  unten  in  noch  grösserem  Abstand  (60  und 
4000  elektrostatische  Einheiten)  gewählt  wurden.  Es  musste 
also  nicht  in  der  eigentlichen  Versuchsanordnung,  sondern  in 
einem  davon  unabhängigen  Faktor  die  Ursache  für  das  wider¬ 
sprechende  Resultat  gesucht  werden.  Ich  glaube  daher  nicht 


T  Zu  allen  Versuchen  wurde  das  Thorium  X-Präparat  „Dora- 
mad“  angewandt,  das  uns  in  dankenswerter  Weise  von  der  Deutscher 
Glasgliihlichtges.  (Auerges.)  Berlin  zur  Verfügung  gestellt  wurde 

*)  A.  Bickel  und  John  King:  Berliner  klin.  Wochenschr 
1912,  No.  35. 


.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


455 


.'hl  zu  Rehen,  wenn  ich  annehme,  dass  mit  dem  Fortschreiten 
es  Winters  die  Keimungstendenz  des  Hafers  bis  zu  einem 
ewissen  Funkte  mehr  und  mehr  abnimmt,  und  dass  Thorium  X 
j  nach  Dosierung  mehr  oder  weniger  energisch  die  Hafersaat 
us  ihrem  Winterschlaf  zu  wecken  vermag.  Ein  interessantes 


Fie.  1.  Gabelung  Fig.  2.  Gabelung  bei  Fig.  3.  Gabelung  bei 

ohne  Thorium  X.  geringen  Dosen.  hohen  Dosen. 


malogon  stellte  der  Wiener  Botaniker  M  o  1  i  s  c  h  3)  bei 
einen  Untersuchungen  mit  Radiumstrahlen  und  Radium- 
manation  fest.  Er  fand,  dass  diese  radioaktiven  Stoffe  die 
Vinterknospen  verschiedener  Bäume  und  Sträucher  in  einem 
estimmten  Zeitpunkt  ihrer  Ruhe 
um  Austreiben  bringen  können, 
ur  völligen  Klärung  dieser  Frage 
erden  die  Versuche  an  Hafer 
irtgesetzt. 

In  der  2.  Versuchsserie  wur- 
en  Samen  von  feiner  Garten¬ 
resse  verwendet.  Für  die  Wahl 
ieser  Samen  war  die  Ueberlegung 
lassgebend,  dass  bei  empfind- 
cheren  und  rascher  wachsenden 
'flanzen  event.  eine  deutlichere 
nd  vielseitigere  Einwirkung  des 
horium  X  zu  erwarten  war.  Die  F,g- 4-  (G*ocke°i)Pflanzen 
ersuchsanordnung  war  genau  die 

leiche  wie  beim  Hafer,  nur  wurden  die  Kressesamen  nicht  in 
rde,  sondern  auf  mit  Wasser  getränkte  Gazelappen  gelegt. 

Die  tägliche  Beobachtung  des  Wachstums  der  Kresse  bot 
un  ein  interessantes,  wechselndes  Bild.  Am  2.  Tage  nach 
em  Säen  beginnt  bereits  unter  allen  Versuchsglocken  die 
’eimung.  Am  3.  bis  4.  Tage  sind  die  mit  hohen  Thorium  X- 
losen  behandelten  Samen  deutlich  die  grössten.  Die  Pflanzen, 
ie  unter  der  Einwirkung  geringer  Dosen  stehen,  sind  kleiner 
ls  die  Kontrollpflanzen.  Ungefähr  vom  5.  bis  6.  Tage  an  wird 
as  Bild  gänzlich  anders.  Die  Kresse  unter  grossen  Dosen 
ächst  nur  noch  wenig,  ist  viel  chlorophyllarmer  als  die 
ergleichspflanzung;  sie  bleibt  bald  in  der  Entwicklung  ganz 
tehen  und  beginnt  bereits  am  9.  bis  10.  Tage  abzusterben, 
'ie  Blattspitzen  werden  gelb  und  am  14.  Versuchstage  sind 
ie  meisten  Pflanzen  zum  grössten  Teile  an  Blättern  und 
dengeln  vergilbt.  Die  Pflanzen  sind  jetzt  wesentlich  kleiner 
ls  in  allen  anderen  Parallelversuchen  (Fig.  6).  Die  Kontroll- 
dlanzen  sind  dagegen  hochaufgeschossen,  zeigen  eine  gute 
Vurzelbidung  und  kräftige  Chlorophyllfärbung.  Die  Pflanzen¬ 
tengel  sind  schlank  und  weich.  Sie  vermögen  oft  nicht  mehr 
!ie  Pflanze  zu  tragen,  biegen  sich  daher  ab  und  fallen  auf  die 
Unterlage  (Fig.  4).  Die  schönsten  Kresseexemplare  sehen  wir 
mter  der  Glocke  mit  geringen  oder  mässigen  Thorium  X- 
dengen.  Hier  sind  alle  Pflanzen  einigermassen  gleich  ent¬ 
wickelt.  Kräftige,  stämmige  Individuen  stehen  gerade  neben- 
inander  und  nur  wenige  sind  umgefallen  (Fig.  5).  Die 


3)  Molisch:  Sitzungsbericht  der  K.  Akademie  der  Wissen- 

ctiaften  in  Wien,  mathematisch-naturwissenschaftliche  Klasse,  1912, 
hi.  CXXI,  Abt.  2. 


Blätter  sind  gut  gefärbt,  ja  scheinen  in  einigen  Exemplaren 
chlorophyljgeicher  als  bei  der  Kontrolle. 

Ausserdem  unterscheiden  sich  die  Thorium  X-Pflanzen 
noch  in  ihrem  äusseren  Habitus  wesentlich  von  den  Kontroll¬ 
pflanzen.  Bei  diesen  sitzt  nämlich  die  Zweiteilung  der  Blatt¬ 
krone  direkt  unter  dem  Ursprung  der  Blätter.  Dagegen  zeigen 
alle  Thorium  X-Pflanzen  deutlich  eine  Gabelung  bereits  an  dem 
oberen  Ende  des  Stengels,  und  zwar  ist  diese  Gabelung  umso¬ 
mehr  ausgesprochen,  je  grösser  die  Thorium  X-Dosis  in  den 
Versuchen  war.  Bei  hohen  Dosen  beginnt  die  Zweiteilung  des 
Stengels  bereits  kurz  nach  seiner  Mitte,  in  einigen  wenigen 
Exemplaren  sogar  direkt  über  der  Wurzel.  Die  beiden  Aeste 
sind  viel  weiter  voneinander  gespreizt  als  bei  mittleren  Dosen 
(s.  Fig.  3). 

Die  Blattbildung  selbst  ist  bei  allen  Pflanzen  dieselbe. 
Dagegen  sind  alle  Thorium  X-Pflanzen  an  sich  kräftiger  und 
stämmiger  entwickelt  als  in  der  Kontrolle.  Auch  bei  hohen 
Dosen  ist  das  der  Fall.  Obwohl  die  Pflanzen  selbst  und  ihre 
Wurzeln  bedeutend  kleiner  sind,  ist  ihr  Gesamtgewicht  höher 
als  in  der  Kontrolle.  Die  absoluten  Werte  am  Ende  eines 
Versuches  sind  z.  B.: 


Der  Versuch  wurde  nach  14  Tagen  abgebrochen. 


Dosierung 

Von  100  f 
Kresse¬ 
samen 

Ges.  Länge 

Ges. 

Gewicht 

Zahl  d.  um¬ 
gefallenen 
Pflanzen 

Glocke  I  . 

",  II 
r  „  in 

f„  IV 

Kontrolle 
+  25  El.  E. 

+  75  „  „ 

+  750  „  „ 

98  Pflanzen 

99  „ 

100  „ 

100  „ 

483,9  cm 
525,5  „ 
472,1  „ 
370,0  „ 

1,5  gr 

2,3  „ 

2,1  „ 

L8  „ 

28  Stück 
12  „ 

3  „ 

2  „ 

Fig.  5.  Pflanzen  unter  mässigen  Fig.  6.  Pflanzen  unter  hohen 

Dosen  (Glocke  III).  Dosen  (Glocke  IV). 

Wir  sehen  also  aus  den  Versuchen  an  Kresse,  dass 
Thorium  X  hierbei  einem  allgemein  gültigen  toxikologischen 
Gesetz  folgt.  Kleine  Dosen  wirken  reizend,  fördernd,  grosse 
zerstörend,  hemmend.  Doch  ist  das  nicht  die  einzige  Wirkung. 
Der  definitiven  Wachstumsförderung  geht  ein  Stadium  lang¬ 
samer  Entwicklung  voraus,  und  umgekehrt  sehen  wir  vor 
der  Wachstumshemmung  ein  beschleunigtes  Wachstum.  Alle 
Thorium  X-Pflanzen  'zeigen  gegenüber  den  Kontrollpflanzen 
mehr  oder  weniger  den  beschriebenen  Unterschied  in  dem 
Blattansatz;  ferner  sind  sie  durchweg  stämmiger  gebaut,  auch 
bei  grossen  Dosen,  wo  ja  die  Wurzel  selbst  schlechter  ent¬ 
wickelt  ist.  Das  Thorium  X  muss  daher  direkt  im  Vegetations- 
pimkt  eine  Veränderung  bewirken,  wie  es  auch  für  ähnliche 
Effekte  der  Radiumemanation  Molisch  annimmt.  Ueber- 
haupt  besteht  zwischen  den  Wirkungen  von  Thorium  X  und 
denen  der  Radiumstrahlen  und  der  Radiumemanation  kein 
prinzipieller  Unterschied.  Auch  hiermit  konnte  je  nach  Do¬ 
sierung  eine  Förderung  oder  Hemmung  des  Wachstums  erzielt 
werden.  Auch  die  Veränderungen  im  Chlorophyllhaushalt 
decken  sich  mit  den  Erfahrungen  bei  Radium.  Es  muss  nur 
sehr  auffallen,  dass  in  meinen  Versuchen  mit  der  einmaligen 
Applikation  relativ  geringer  Dosen  so  eklatante  Wirkungen 
erzielt  werden  konnten.  Von  den  vielen  Reflexionen,  zu  denen 
das  Ergebnis  der  Versuche  Anlass  gibt,  möchte  ich  deshalb 
diesen  graduellen  Unterschied  besonders  hervorheben,  da  er 
bei  der  therapeutischen  Anwendung  differente  Einwirkungen 
von  Thorium  X  event.  auf  bestimmte  Zellkomplexe  oder  Fer¬ 
mente  vermuten  lässt,  die  uns  vielleicht  heute  noch  wenig 
oder  gar  nicht  bekannt  sind. 


456 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  < 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  (Direktor:  Prof.  Dr.  M.  W  i  1  m  s) 
und  dem  hygienischen  Institut  (Direktor:  Prof.  Dr.  H.  K  o  s  s  e  1) 

zu  Heidelberg. 

Zur  Beurteilung  der  prophylaktischen  Serumtherapie 

des  Tetanus. 

Von  Dr.  K.  K  o  1  b  und  Privatdozent  Dr.  K.Laube  n  h  e  i  in  e  r. 

Man  muss  sich  wundern,  dass  bei  der  ausserordentlich 
grossen  Verbreitung  der  Tetanusbazillen  und  ihrer  resistenten 
Sporen  der  Wundstarrkrampf  verhältnismässig  so  wenig  auf- 
tritt.  Wenn  er  aber  aufgetreten  ist,  so  sind  unsere  Mass¬ 
nahmen  meist  so  wenig  von  Erfolg  gekrönt,  dass  wir  im  all¬ 
gemeinen  mit  einer  Mortalität  von  80 — 90  Proz.  (v.  B  e  h  r  i  n  g) 
rechnen  müssen.  Es  ist  daher  erklärlich,  dass  alle  Hebel  zur 
Bekämpfung  des  Tetanus  bei  Wunden  einsetzen  müssen,  die 
der  Infektion  verdächtig  sind. 

Ueber  den  Wert  des  Tetanusantitoxins  gehen  die  An¬ 
sichten  noch  weit  auseinander.  Festzustehen  scheint  bisher, 
dass  eine  Heilung  durch  Antitoxin  nur  selten  möglich  ist, 
wenn  die  Krankheitssymptome  erst  einmal  manifest  geworden 
sind.  Eine  weit  günstigere  Beurteilung  findet  die  prophy¬ 
laktische  Verabfolgung  von  Antitoxin  bei  Verletzungen, 
die  der  Infektion  mit  Tetanus  verdächtig  sind. 

Aus  der  Tatsache,  dass  die  Mehrzahl  solcher  Ver¬ 
letzungen,  die  erfahrungsgemäss  leicht  einen  Tetanus  im  Ge¬ 
folge  haben,  ohne  einen  solchen  zur  Heilung  kommen,  wenn 
sofort  Tetanusantitoxin  eingespritzt  wird,  schliesst  man,  und 
wohl  mit  Recht,  auf  eine  Schutzwirkung  des  spezifischen 
Serums. 

Allerdings  bleibt  dabei  der  Einwand  möglich,  dass  in 
solchen  Fällen  die  Wirkung  des  Serums  nicht  erwiesen  ist,  da 
eben  der  Nachweis  fehlt,  dass  die  Wunde  wirklich  mit  Teta¬ 
nuskeimen  infiziert  war. 

Aus  diesem  Grunde  halten  wir  nachstehend  beschriebenen 
Fall  für  mitteilenswert,  da  hier  der  Nachweis  der  Tetanus¬ 
erreger  in  der  Wunde  geführt  wurde,  ohne  dass  es  zum  Aus¬ 
bruch  der  Krankheitserscheinungen  kam.  Der  Fall  gehört  zu 
4  Fällen  von  Dreschmaschinenverletzungen,  die  im  Juli  1912 
innerhalb  5  Tagen  in  Behandlung  kamen.  In  allen  4  Fällen 
handelte  es  sich  um  schwere  Handverletzungen,  bei  denen  die 
Wunden  mit  Schmutz  und  Getreideteilchen  bedeckt  und 
die  Wundränder  meist  sehr  stark  zerquetscht  waren.  Das 
Tetanusantitoxin  (Schutzdosis)  wurde  in  allen  Fällen  sofort 
nach  der  Aufnahme  in  die  verletzte  Extremität  subkutan 
injiziert.  Bei  keinem  der  Verletzten  trat  Tetanus  auf.  Bei 
folgendem  ausführlich  wiedergegebenen  Falle  glauben  wir  der 
prophylaktischen  Serumanordnung  die  Verhütung  des  Tetanus 
zuschreiben  zu  dürfen. 

Der  60jährige  Landwirt  Georg  L.  geriet  am  18.  Juli  1912  mit 
der  rechten  Hand  in  eine  Dreschmaschine.  Er  wurde  sofort  in  die 
chirurgische  Klinik  eingeliefert,  wo  sich  folgender  Befund  ergab : 

Der  sonst  gesunde  Mann  hatte  an  seiner  rechten  Hand  eine 
grosse  Risswunde.  Auf  der  Beugeseife  ging  der  Riss  von  dem 
Interspatium  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  über  die  ganze  Hand 
nach  dem  Handgelenk  zu  und  griff  noch  etwas  auf  das  Dorsuin  der 
Hand  über.  Die  Haut  war  bis  fast  an  die  Metakarpophalangeal- 
gelenke  von  der  Unterfläche  abgelöst,  so  dass  Sehnen,  Nerven  und 
Gefässe  unverletzt  freilagen.  Die  Wundränder  waren  sehr  zackig 
und  gequetscht.  Der  durch  die  von  der  Unterlage  losgelösten  Haut 
gebildete  Lappen  stand  von  der  Hand  ab.  Die  offen  daliegende  Wund¬ 
fläche  war  mit  kleinen  Erdpartikelchen  und  Strohstückchen  be¬ 
schmutzt.  Die  Blutung  aus  der  Wunde  war  minimal. 

Sofortige  Operation:  Die  ganze  Hand  und  ein  Teil  des 
Vorderarms  wurde  gejodet.  Direkt  oberhalb  des  Handgelenks  wurde 
der  Stamm  des  Nervus  radialis,  medianus  und  ulnaris  mit  Novokain 
anästhesiert.  Die  Anästhesie  trat  nach  etwa  10  Minuten  ein  und  war 
gut.  Die  Wundränder  wurden  Umschnitten,  die  Wundfläche  von 
dem  gröberen  Schmutz  befreit  und  ein  Teil  der  Wundfläche  mit  dem 
Messer  entfernt.  Nach  Auswaschen  der  Wünde  mit  Wasserstoff¬ 
superoxyd  sah  die  Wunde  sauber  aus.  In  sie  wurde  nun  Perubalsam 
hineingegossen  und  in  alle  Winkel  verteilt.  Auf  die  Wundfläche  wurde 
der  Hautlappen  aufgelegt  und  die  Wundränder  durch  Silkworm  ver¬ 
einigt.  An  drei  Stellen  der  Hautnaht  wurde  Jodoformgaze  unter  den 
Hautlappen  geschoben.  Steriler  Verband. 

Nach  der  Operation  wurde  wegen  der  Möglichkeit  der  Infektion 
mit  Tetanusbazillen  subkutan  unter  die  Haut  des  rechten  Vorder¬ 
arms  Tetanusantitoxin  „Höchst“  (20  Antitoxineinheiten)  injiziert. 

Als  am  19.  VII.  bei  Temperatur  38,8  und  Puls  SO  der  Verband¬ 
wechsel  vorgenommen  wurde  und  ein  unter  die  Haut  gelegter  Jodo¬ 
formgazestreifen  entfernt  wurde,  fiel  ein  leises,  zischendes  Geräusch 


auf.  Aus  der  Oeffnung,  in  der  die  Jodoformgaze  lag,  drang  etwa 
Eiter  hervor,  der  sich  von  Gasbläschen  durchsetzt  erwies.  Du 
Verdacht  der  Infektion  mit  einem  gasbildenden  Keim  und  wege 
des  nicht  seltenen  gemeinsamen  Vorkommens  mit  Tetanusbazille. 
auch  der  Verdacht  der  Tetanusinfektion  veranlasste  uns,  de 
Wundeiter  dem  hygienischen  Institut  zur  Untersuchung  zu  über 
senden. 

Am  folgenden  Tage  erlangten  wir  durch  das  Ergebnis  der  bal 
teriologischen  Untersuchung  die  Gewissheit,  dass  neben  der  Infektio 
mit  einem  Gasbildner  auch  eine  Tetanusinfektion  vorlag.  Der  Patiei 
fühlte  sich  ganz  wohl,  zeigte  auch  keinerlei  Symptome  einer  bt 
ginnenden  Tetanuserkrankung;  es  wurde  nochmals  aus  Vorsicl 
Tetanusantitoxin  „Höchst“  (100  Antitoxineinheiten)  in  den  rechte! 
Vorderarm  subkutan  eingespritzt.  Die  Wunde  eiterte  etwas.  Dt 
Eiter  enthielt  noch  reichlich  kleine  Bläschen.  Die  Hautnaht  wurd 
wieder  geöffnet  und  unter  den  Hautlappen  mit  Jodoformgaze  leid 
tamponiert. 

ln  der  Folgezeit  stellte  sich  kein  Tetanus  ein.  Patient  wurd 
am  8.  VIII.  in  ambulante  Behandlung  entlassen.  Als  er  sich  uns  ai 
4.  IX.  vorstellte,  bestand  noch  eine  kleine  granulierende  Wunde  jj 
der  Hohlhand.  Patient  fühlt  sich  dauernd  wohl. 

In  der  Literatur  finden  wir  bisher  nur  einen  Fall  T  bt‘ 
schrieben,  in  dem  nach  einer  Schrotsehussverletzung  de 
Orbita  ebenfalls  Tetanuskeime  in  der  Wunde  nachgewiese! 
wurden,  ohne  dass  es  bei  lokaler  und  serumproph y 
taktischer  Behandlung  zum  Ausbruch  tetanischer  Ersehe 
nungen  gekommen  wäre. 

Da  der  von  uns  beobachtete  Fall  auch  von  bakteritj 
logischem  Standpunkt  aus  Interesse  bietet,  sei  der  Gang  dij 
Untersuchung  kurz  mitgeteilt. 

In  Abstrichpräparaten  von  der  Gaze,  mit  der  die  Wunde  tan 
poniert  war,  fanden  sich  Staphylokokken,  Gram-negative  BazilL 
und  Gram-positive  plumpe  Stäbchen  vom  Aussehen  der  Gasphle: 
moneerreger.  Ausserdem  wurden,  allerdings  ganz  vereinze 
schlanke  Bazillen  beobachtet,  die  sich  ebenfalls  nach  Gram  färbte 
in  Grösse  und  Gestalt  wohl  an  Tetanusbazillen  erinnerten,  aber  keii 
Sporen  zeigten. 

Zur  Reinzüchtung  der  mikroskopisch  gefundenen  Mikroorganij 
men  wurden  folgende  Kulturen  angelegt: 

Gewöhnliche  Agarplatten,  Agarplatten  in  O-freier  Atmosphäi 
(Ham  me  rische  Dosen  mit  alkalischer  Pyrogallussüure),  Agarröh 
chen  in  hoher  Schicht.  Ferner  kamen  Stückchen  Gaze  aus  der  Wune 
in  Bouillonkölbchen,  durch  die  Wasserstoff  geleitet  wurde. 

Ausserdem  wurden  4  Mäusen  Gazestückchen  unter  die  Ha 
eines  Hinterschenkels  verimpft. 

Auf  den  aerob  gehaltenen  Platten  kamen  zur  Entwicklung  St, 
phylococcus  pyogenes  aureus  und  Bact.  coli. 

In  den  anaeroben  Kulturen  zeigten  sich  nach  48  Stunden  1 
37°  fein  verästelte  Kolonien,  und  zwar  solche  von  kompakterem  G; 
füge  und  andere,  die  einen  feineren  Aufbau  aufwiesen. 

Die  Bouillonkulturen  wraren  nach  der  genannten  Zeit  stark  g 
trübt  bei  lebhafter  Gasentwicklung. 

Gleichzeitig  begannen  bei  zweien  der  mit  Gaze  geimpften  Mäu 
sich  Symptome  von  Tetanus  an  den  geimpften  Extremitäten  einz 
stellen,  die  bald  zum  Tode  führten. 

Auch  in  den  unter  anaeroben  Verhältnissen  gehaltenen  Kultur' 
fanden  sich  nunmehr  typische  Tetanusbazillen  mit  gut  ausgebildet' 
entständigen  Sporen.  Mäuse,  die  mit  diesen  Kulturen  geimpft  wurde 
gingen  innerhalb  48  Stunden  an  Starrkrampf  ein. 

Aber  auch  die  zweite  Art  der  anaerob  zur  Entwicklung  gelam 
ten  Kolonien  envies  sich  als  pathogen,  und  zwar  erzeugten  diese  Ba 
terien,  auf  Meerschweinchen  subkutan  verimpft,  das  typische  Bi 
der  Gasphlegmone.  Es  handelte  sich  also  offenbar  um  dieselb 
Keime,  die  in  der  Wunde  die  Gasbildung  verursacht  hatten  und  tj 
auch  schon  in  den  Ausstrichpräparaten  gesehen  worden  waren. 

Zusammenfassend  ist  über  den  vorstehend  mitgeteilt 
Fall  folgendes  zu  sagen: 

In  einer  schweren  Wunde,  in  der  sich  Gasentwicklung  b- 
merkbar  macht,  werden  die  Erreger  der  Gasphlegmone  naq- 
gewiesen.  Ausserdem  finden  sich  aber  in  dem  Wundsekb 
auch  Tetanusbazillen,  ohne  dass  es  in  dem  weiteren  Verlai 
der  Erkrankung  zum  Ausbruch  tetanischer  Erscheinung) 
kommt. 

Da  sofort,  nachdem  der  Kranke  in  ärztliche  Behandln', 
kam,  Tetanusantitoxin  eingespritzt  wurde,  so  erhebt  sich  c 
Frage,  ob  das  Ausbleiben  des  Tetanus  auf  eine  Schutzwirku; 
des  Serums  zurückzuführen  ist. 

Wir  sind  geneigt,  das  Ausbleiben  von  Krankheitsersch  - 
nungen  trotz  der  stattgefundenen  Infektion  auf  Rechnung  tl‘ 
ausgiebigen  prophylaktischen  Serumbehandlung  zu  setzt, 


4)  Jess:  Infektion  einer  Schrotschussverletzung  der  Orbita  d 
Tetanusbazillen  ohne  Ausbruch  des  Tetanus.  Archiv  f.  Augenlitj- 
künde,  Bd.  70,  1911,  S.  42. 


Marz  1 91 J. 


Muenchenkr  medizinische  Wochenschrif' 


hne  zu  verkennen,  dass  es  noch  eine  zweite  Möglichkeit  für 
as  Ausbleiben  des  Tetanus  gibt. 

Wie  es  von  vielen  Infektionserregern  bekannt  ist,  dass 
ire  Anwesenheit  auf  oder  in  einem  empfänglichen  Gewebe 
llein  noch  nicht  genügt,  um  Krankheitserscheinungen  hervor- 
urufen,  so  kann  das  gleiche  auch  von  den  Tetanusbazillen 
ngenommen  werden,  selbst  wenn,  wie  in  unserem  Falle,  die 
.rt  der  Verletzung  für  das  Zustandekommen  eines  Tetanus 
mistige  Bedingungen  bietet. 

Nur  dann  kann  die  Frage  der  vorbeugenden  Wirkung  des 
'etanusimmunserums  mit  Sicherheit  entschieden  werden, 
/enn  in  jedem  Falle,  der  prophylaktisch  mit  Tetanusserum 
ehandelt  wird,  die  Bakterienflora  der  Wunde  unter  beson- 
erer  Berücksichtigung  der  anaeroben  Keime  festgestellt  wird. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Kiel 
Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Professor  Dr.  B.  Fischer). 

ifahrungen  mit  der  Conrad  i -Tr  och  sehen  Tellur¬ 
platte  zum  Diphtherienachweis. 

on  Dr.  Gerhard  Wagner,  Assistenten  am  Untersuchungs¬ 
amte  für  ansteckende  Krankheiten. 

Am  23.  Juli  1912  veröffentlichten  C  o  n  r  a  d  i  und  T  r  o  c  h 
n  der  Münch,  med.  Wochenschrift  ein  neues  Verfahren  zum 
vachweis  der  Diphtheriebakterien.  Es  besteht  einmal  in  der 
uiwendung  eines  neuen  Nährbodens,  dessen  Herstellung 
olgende  ist: 

Zu  1000  ccm  Wasser  fügt  man  10  g  Fleischextrakt,  5  g  Kochsalz. 
0  g  Peptonum  siccum  Witte  und  6  g  saures  apfelsaures  Kalzium, 
’as  Gemenge  wird  eine  halbe  Stunde  im  kochenden  Dampftopf  ge- 
alten,  dann  wird  filtriert.  Zu  dem  schwach  sauer  reagierenden  Filtrat 
ibt  man  1  Proz.  Traubenzucker.  Von  diesem  Gemisch  wird  1  Teil 
u  3  Teilen  ganz  frischen,  möglichst  steril  erhaltenen  Rinderserum 
egeben.  Zu  100  ccm  dieser  Mischung  setzt  man  noch  2  ccm  einer 
proz.  Lösung  von  Kalium  tellurosum  hinzu.  Schliesslich  wird  die 
eschiittelte,  aber  schaumfreie  Flüssigkeit  auf  Petrischalen  verteilt, 
eren  Glasdeckel  innen  mit  saugfähigem  Papier  belegt  sind.  Dann 
isst  man  das  Serum  auf  einer  eigens  konstruierten,  auf  85 — 90°  ein- 
estellten  „Erstarrungsplatte“  fest  gerinnen,  indem  die  Petrischalen 
ben  darauf  K  Stunde  lang  verweilen.  Im  Sommer  empfiehlt  sich 
brigens  eine  mehrmalige  Erhitzung. 

Der  neue  Nährboden  ist  also,  wie  der  bekannte  Löffler- 
’Che  eine  Serumplatte;  neben  der  Verwendung  von  Rinder- 
tatt  Hammelserum  und  dem  Zusatz  von  0,015  proz.  saurem 
ipfelsauren  Kalzium  als  Hemmun’gsmittel  anderen  Mikro- 
irganismen  gegenüber  erscheint  als  neuer  und  wesentlicher 
testandteil  das  tellurigsaure  Kali  (KsTeOa). 

Die  Diphtheriebakterien  reduzieren  nach  Angabe  der 
Uitoren  das  Tellurdioxyd  zu  metallischem  Tellur,  so  dass  ihre 
(olonien  kohlschwarz  werden.  Das  von  Scheurlen  und 
Clett  im  Jahre  1900  eingeführte  Prinzip,  die  reduzierenden 
:igenschaften  von  Bakterien  durch  Reduktion  von  selenig- 
ind  teilurigsauren  Salzen  sichtbar  zu  machen,  ist  hier  also  in 
lie  Praxis  der  Diphtherieuntersuchung  übertragen  worden. 

Ausserdem  aber  wenden  C  o  n  r  a  d  i  und  Troch,  bevor 
-ie  diese  Platte  beschicken,  eine  „Anreicherung“  an,  indem 
ler  Rachenabstrich  zunächst  auf  eine  gewöhnliche  Löffler- 
erumplatte  gebracht,  3  Stunden  bei  35  0  gehalten  und  dann 
'um  Teil  mit  einem  angefeuchteten  Wattespatel  auf  ein  bis 
:wei  Tellurplatten  übertragen  wird.  Die  Löfflerplatte  wird 
iann  nach  weiteren  8,  die  Tellurplatte  aber  nach  20  Stunden 
-  und  auch  nur,  falls  das  Ergebnis  der  Löfflerplatte  ein 
legatives  ist  —  untersucht.  C  o  n  r  a  d  i  und  Troch  geben 
m,  dass  sich  „mit  Hilfe  der  Tellurplatten  die  Befunde  der 
'iphtheriebazillen  verdoppelt  hätten“. 

Herr  Geheimrat  Fischer  beauftragte  mich  mit  einer 
Nachprüfung  dieses  Verfahrens. 

I.  Zur  Herstellung  der  Tellurplatte. 

Das  C  o  n  r  a  d  i  -  T  r  o  c  h  sehe  Rezept  wurde  von  mir  natürlich 
.enau  befolgt;  besonders  unterstreichen  möchte  ich  aber  die  Vor- 
cbrift,  „ganz  frisches“  Rinderserum  zu  verwenden.  Nach  Chloro- 
ormzusatz  aufbewahrtes  Serum  gibt  weniger  gute  Resultate.  Da¬ 
ngen  :st  es  mir  nicht  gelungen,  den  Nährboden  in  15  Minuten  zum 
-rstarren  zu  bringen.  Die  von  den  Autoren  eigens  konstruierte  „Er- 
arrungsplatte"  konnte  ich  nicht  erhalten.  Darum  begnügte  ich  mich 
n|t  dem  üblichen,  mit  einem  Wassermantel  umgebenen  Erstarrungs- 

No.  9. 


45 7 

schranke.  In  diesem  brauchten  die  Platten  eine  ganze  Stunde  — 
vom  Kochen  des  Wassers  an  gerechnet  —  zum  Erstarren. 

Auch  die  ebenfalls  empfohlenen  „Plattentrockner“,  d.  h.  Papier- 
emlagen,  von  einer  Metallfeder  au  die  Innenseite  des  Deckels  an¬ 
gepresst,  zwecks  Aufnahme  des  Kondenswassers  ersetzte  ich  auf 
einfache  Weise  dadurch,  dass  ich  in  den  Deckel  nicht  allzu  flacher 
Petrischalen  ein  kreisrundes  Stück  Filtrierpapier  mit  Hilfe  des  Boden¬ 
teils  einpresste.  Bei  den  etwa  250  Platten,  die  bisher  hergestellt 
wurden,  hat  sich  dieses  Verfahren  durchaus  bewährt.  Vielleicht 
wären  hier  die  jetzt  in  Amerika  gebräuchlichen  porösen  Tondeckel 
am  Platze. 

II.  Die  Untersuchung  mit  Anreicherung.  , 

Conradi  und  1  roch  verfuhren  folgendermassen: 

1.  3 ständige  Anreicherung  auf  der  Löfflerplatte, 

2.  Uebertragung  auf  die  Tellurplatte, 

3  a.  8  Stunden  Bebrütung  der  3b.  20  Stunden  Bebrütung  der 

Löfflerplatte,  danach  Unter-  Tellurplatte  und  Untersuch- 

suchung,  ung,  falls  3  a  negativ. 

Diese  Methode  erweckte  in  mir  von  vornherein  folgende 
Bedenken: 

1.  Der  Verbrauch  an  Nährböden  wird  gegen  das  bisher 
übliche  Verfahren  mindestens  aufs  doppelte  gesteigert.  Da 
die  Herstellung  der  Löffler-  wie  der  Tellurplatte  zeitraubend, 
umständlich  und  nicht  ganz  billig  ist,  und  man  z.  B.  in  Kiel  mit 
etwa  5000  Diphtherieuntersuchungen  im  Jahre  zu  rechnen  hat, 
ist  diese  Tatsache  nicht  gleichgültig.  Sie  würde  allerdings 
nicht  ausschlaggebend  sein  dürfen,  wenn  die  Ergebnisse  damit 
um  50  Proz.  gebessert  würden. 

2.  Wenn,  wie  in  Kiel,  ein  nicht  unbeträchtlicher  Teil  des 
Diphtheriematerials  mit  den  beiden  letzten  Briefgängen  gegen 
6  und  8  Uhr  eintrifft,  wäre  eine  Durchführung  des  Verfahrens 
nur  möglich,  wenn  die  Nacht  zu  Hilfe  genommen  würde. 
Wenn  man  aber  die  in  Frage  kommende  Zeit  mit  8  Uhr 
morgens  und  8  Uhr  abends  begrenzt,  so  würden  nur  die  bis 
etwa  8'Ä  Uhr  morgens  eintreffenden  Proben  also  der  Eingang 
der  1.  Post,  mithin  ein  recht  kleiner  Teil  der  Tagesarbeit  so 
behandelt  werden  können.  Eine  Aenderung  des  Verfahrens 
war  also  schon  aus  praktischen  Gesichtspunkten  geboten. 

3.  Conradi  und  Troch  prüfen  die  Löfflerplatte  nach 
3  +  8=11  Stunden  und,  falls  das  Ergebnis  negativ  ist,  die 
lellurplatte  nach  3  +  20  =  23  Stunden.  Sie  gewähren  also 
der  letzteren  eine  um  12  oder  doch  mindestens  —  wenn  man 
die  3  ständige  Anreicherung  nicht  zugunsten  der  Tellurplatte 
rechnet  — ,  um  9  Stunden  längere  Frist  zur  Entwicklung  der 
Diphtheriekeime! 

Da  aber  die  Wachstumsmöglichkeiten  für  die  Löfflerplatte 
nach  11  Stunden  durchaus  noch  nicht  sicher  abgeschlossen, 
jedenfalls  aber  die  einzelnen  Kolonien  auch  hier  nach 
23  Stunden  besser  entwickelt  sind  wie  nach  11,  so  ist  ein  Ver¬ 
gleich  der  Leistungen  beider  Nährböden  eigentlich  nur  dann 
zulässig,  wenn  man  beide  gleichzeitig  prüft.  Die  Ver¬ 
doppelung  der  Diphtheriebefunde  würden  Conradi  und 
T  roch  aber  nach  meinen  weiter  unten  angeführten  Resul¬ 
taten  dann  wahrscheinlich  nicht  erreicht  haben;  das  praktisch 
kaum  durchführbare  Anreicherungsverfahren  würde  aber  bei 
gleicher  Leistungsfähigkeit  als  entbehrlich  in  Fortfall  kommen 
können. 

Ich  habe  im  Laufe  des  Tages  bis  spätestens  4  Uhr  nach¬ 
mittags  eintreffende  Proben  nach  Conradi-Troch  auf 
Löfflerplatten  angereichert,  nach  3  Stunden  die  Hälfte  der 
Aussaat  auf  eine  Tellurplatte  übertragen  und  am  nächsten 
Morgen  beide  Platten  gleichzeitig  untersucht.  Die  Be- 
briitungszeit  schwankte  also  zwischen  22  und  17  Stunden, 
betrug  aber  stets  für  beide  Platten  die  gleiche  Zeit. 

Das  Ergebnis  war  folgendes: 

Es  wurden  untersucht . 114  Fälle 

Uebereinstimmende  Resultate  hatten  .  108  „ 

(darunter  39  positive). 

Von  den  übrigen  6  Fällen  waren  4  nur  auf  Löfflerserum, 
2  dagegen  nur  auf  der  Tellurplatte  positiv. 

Die  Zahl  der  nicht  übereinstimmenden  Befunde  ist  also 
verhältnismässig  so  niedrig,  dass  sie  vernachlässigt  werden 
kann.  Es  ist  auch  sehr  wohl  möglich,  dass  in  diesen  Fällen 
die  Diphtheriebakterien  zufällig  gerade  in  der  Hälfte  der 
Löfilerplatte  enthalten  waren,  die  beim  Uebertrageu  auf  die 

2 


458 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  ( 


Tellurplatte  bzw.  beim  Abstechen  für  die  mikroskopische 
Prüfung  ausser  Betracht  blieb. 

Durch  das  Conradi-T rochsche  Verfahren 
verdoppeln  sich  also  die  positiven  Diph¬ 
theriebefunde  nicht.  Löfflerserum  und  Tel- 
lurplatte  erwiesen  sich  als  annähernd  gleich¬ 
wertig. 

Ferner  darf  auch  nicht  verschwiegen  werden,  dass  nach 
20  stiindiger  Bebrütung  die  Schwarzfärbung  der  Dipththerie- 
kolonien  nicht  immer  bereits  stark  ausgesprochen  ist;  aber 
auch  nach  der  anderen  Richtung  sind  Täuschungen  nicht  aus¬ 
geschlossen,  insofern  auf  den  ersten  Blick  tiefschwarz  er¬ 
scheinende  Kolonien  sich  als  Staphylokokken  erwiesen. 
Conradi  und  T  r  o  c  h  sagen,  dass  ein  Uebersehen  auch 
spärlicher  Diphtheriekolonien  unmöglich  sei,  „wenn  man  nur 
sehen  gelernt  hätte“,  ln  der  Tat  glaube  ich,  dass  man  zwar 
hier  und  da  bei  der  mikroskopischen  Prüfung  eine  makro¬ 
skopisch  für  Diphtherie  gehaltene  Kolonie  als  harmlos  er¬ 
kennen  wird,  dass  aber  andererseits  in  der  dunklen  Färbung 
namentlich  für  den  weniger  geübten  Untersucher  ein  deut¬ 
licherer  Hinweis  enthalten  ist,  als  ihn  die  nicht  sehr  scharf 
umrissenen  Wachstumsmerkmale  auf  der  Löfflerplatte  bieten. 

111.  I>i  rekte  Aussaat  auf  Tellurplatten. 

Das  neue  Prinzip,  die  Diphtheriekolonien  durch  eine 
Earbenreaktion  anderen  gegenüber  herauszuheben,  ist  zwei¬ 
felsohne  namentlich  für  den  Betrieb  eines  grossen  Unter¬ 
suchungsamtes  sehr  schätzenswert.  Es  schien  mir  daher  ge¬ 
boten,  zur  Umgehung  der  angedeuteten  Schwierigkeiten  die 
Tellurplatte  neben  der  Löfflerplatte  ohne  das  umständliche 
Anreicherungsverfahren  zu  verwenden. 

Demzufolge  wurde  bei  72  Diphtherieproben  mit  demselben 
Tupfer  sowohl  eine  Löffler-  wie  eine  Tellurplatte  bestrichen. 
Die  Untersuchung  erfolgte  bei  beiden  gleichzeitig  am  nächsten 
Morgen,  also  nach  längstens  22  mindestens  aber  13  Stunden. 
Von  den  72  Fällen  hatten  gleiche  Ergebnisse  61  Fälle  (darunter 
27  positive).  Von  den  übrigbleibenden  9  Fällen  ergaben  3  auf 
Löffler-,  6  dagegen  auf  Tellurserum  positiven  Befund.  Die 
nicht  unbeträchtliche  Zahl  verschiedener  Befunde  möchte  ich 
damit  erklären,  dass  bei  Beschickung  mehrerer  Platten  mit 
einem  Tupfer  die  Diphtheriekeime  enthaltenden  Teile  durch 
Zufall  nur  mit  einem  der  Nährböden  in  Berührung  kommen 
können.  Immerhin  scheint  hiernach  die  Tellurplatte  für  sich 
allein  nicht  weniger  positive  Befunde  zu  liefern,  als  die 
Löfflerplatte. 

Zugunsten  des  neuen  Nährbodens  würde  aber  der  in  der 
Schwarzfärbung  liegende  makroskopische  Hinweis  auf  mikro¬ 
skopisch  weiter  zu  prüfende  Kolonien  sprechen;  namentlich 
für  den  eiligen  Grossbetrieb  der  Untersuchungsämter  dürfte 
dieser  Vorzug  ausschlaggebend  sein. 

Es  fragt  sich  weiter,  von  welchem  Zeitpunkt  ab  auf  eine 
deutliche  Färbung  der  Diphtheriekolonien  zu  rechnen  ist.  Ab¬ 
gesehen  von  besonders  dringenden  Fällen,  in  denen  man  durch 
direkten  Ausstrich  oder  ein  Klatschpräparat  von  der  etwa 
6 — 8  stündigen  Kultur  die  Diagnose  zu  stellen  suchen  wird,  ist 
wohl  als  Norm  eine  mindestens  12  ständige  Bebrütung  an- 
Zusehen. 

Die  beigegebenen  Photogramme  zeigen  die  Hälfte  einer 
solchen  Tellurplatte  nach  17-,  22-  und  40  stiindiger  Bebrütung 
in  natürlicher  Grösse.  Bei  der  ersten  Aufnahme  sind  die 
Diphtheriekolonien  zwar  noch  klein,  aber  sie  fallen  doch  schon 
mehr  ins  Auge,  wie  die  gleichalterigen  auf  Löfflerserum. 

Nach  22  Stunden  treten  die  gesuchten  Kolonien  ganz  klar 
und  deutlich  hervor.  Da  eine  Diffusion  des  Farbstoffes  in  die 
Umgebung  nicht  stattfindet,  der  Nährboden  also  auch  in  der 
Nähe  der  Diphtheriekolonien  seine  ursprüngliche  Elfenbein¬ 
färbung  behält,  ist  der  Gegensatz  hier  viel  schärfer  wie  zum 
Beispiel  zwischen  Säure-  und  Alkalibildnern  auf  einer  Dri- 
galski-  oder  Endoplatte.  Nach  44  Stunden  ist  die  Schwärze 
und  Grösse  der  Kolonien  noch  mehr  gesteigert;  die  anderen 
Keime  treten  ganz  in  den  Hintergrund. 

Die  mikroskopische  Nachprüfung  ist  indessen  stets  uner¬ 
lässlich,  da  die  Uebergänge  vom  Grauschwarz  der  Staphylo¬ 
kokken  zum  Tiefschwarz  der  Diphtheriekolonien  makro¬ 
skopische  Irrtümer  zur  Folge  haben  können. 

Bei  negativem  Ausfall  der  üblicherweise  zwischen  13  und 


2ü  Stunden  stattfindenden  Untersuchung  dürfte  es  siel 
namentlich  wenn  es  sich  nicht  um  frische  Fälle,  sondern  ur 
Feststellung  von  Dauerausscheidern  handelt,  empfehlen,  di 
Platten  nochmals  24  Stunden  zu  bebrüten.  Sehr  vereinzelt 
oder  in  ihrer  Lebenskraft  geschwächte  Keime  werden  dan 
sicher  nicht  übersehen  werden.  Der  Zeitverlust  dürfte  i 
solchen  Fällen  in  der  Regel  keine  Rolle  spielen. 


Alles  in  allem  bietet  die  Tellurplatte,  wie  auch  Conrai 
und  Troch  betonen,  einen  Gewinn  nicht  an  Schnelligke 
wohl  aber  an  Zuverlässigkeit  —  allerdings  nur  in  dem  Sinn 
dass  vorhandene  Diphtheriekolonien  nicht  leicht  übersehe 
werden  können. 

Zusammenfassung: 

1 .  Die  Conradi  - Troch  sehe  Tellurplatte  bedeut 

wegen  der  durch  sie  gewährleisteten  grösseren  Leichtigkt 
und  Sicherheit  der  Auffindung  der  Diphtheriekolonien  ein«: 
Fortschritt  gegenüber  der  Löfflerplatte,  ohne  indessen  de 
geübten  Untersucher  wesentlich  mehr  positive  Befunde 
liefern.  I 

2.  Die  von  Conradi  und  Troch  empfohlene  Anreicli- 
rung  auf  Löfflerserum  macht  das  Verfahren  umständlich,  zef 
raubend  und  kostspielig. 

3.  Vermieden  werden  diese  Nachteile  durch  ausschlie߬ 
liche  Verwendung  der  Tellurplatte,  wobei  die  erzielten  Ergeb¬ 
nisse  hinter  denen  mit  vorheriger  Anreicherung  auf  Löffli 
serum  jedenfalls  nicht  zurückstehen. 


Aus  der  Universitätsklinik  für  Hautkrankheiten  in  Würzbur 
(Vorstand:  Prof.  Dr.  K.  Zieler). 

Lieber  orthotische  Albuminurie  und  ihre  Beziehung i 
zur  Tuberkulose  nach  Untersuchungen  bei  Hautkranku 
insbesondere  bei  Hauttuberkulose  und  Syphilis. 

Von  Medizinalpraktikant  Walter  Arnold. 

Stirling1)  beobachtete  und  beurteilte  als  erster  e 
orthotische  Albuminurie  richtig.  Er  benützte  zu  seinen  Unt«- 
suchungen  hauptsächlich  jugendliche  Individuen,  bei  dein 
diese  Art  der  Albuminurie  relativ  häufig  vorkam.  Er  sah  i 
dem  Aufgerichtetsein  nach  horizontaler  Lage  das  ursächlicc 
Moment  für  das  Auftreten  der  orthotischen  Albuminurie.  Ui 
früheren  Autoren  2),  die  das  wahre  Wesen  dieser  AlbuminiK 
noch  nicht  erkannt  hatten,  war  sie  als  „zyklische“  bezeich  I 
worden,  da  sie  nach  ihrer  Ansicht  nur  zu  bestimmten  Iag- 
zeiten  vorkam.  So  war  beobachtet  worden,  dass  von  In- 
viduen,  deren  Urin  am  Mittag  eiweisshaltig  war,  am  Mors* 
unmittelbar  nach  dem  Aufstehen  ein  eiweissfreier  Urin  a  - 
geschieden  wurde.  Erst  Stirling  erkannte  als  Ursache  i 
das  Auftreten  dieser  Albuminurie  den  Uebergang  von  der  h( 
zontalen  Körperhaltung  in  die  aufrechte.  Von  den  meisi 
Autoren  wird  die  orthotische  Albuminurie  der  „phyp- 
logischen“  zugezählt  und  W.  v.  L  e  u  b  e  3),  der  diese  Fräs1 


1)  Stirling:  Lancet  1887.  t 

2)  P  a  v  y :  Lancet  1885,  zitiert  nach  L  ü  d  k  e  und  Sturm  (s.  » 

3)  W.  v.  Leube:  Spezielle  Diagnose  der  inneren  Krankheitel 


4.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


459 


besonders  eingehend  bearbeitet  hat,  führt  ihr  Zustandekommen 
auf  ein  relativ  undichtes  Nierenfilter  zurück,  das  nach  einer 
Anstrengung,  wie  es  die  aufrechte  Körperhaltung  der  liegen¬ 
den  gegenüber  ist,  dem  Eiweiss  den  Durchtritt  gestattet.  Da 
diese  Albuminurie  am  häufigsten  bei  Individuen  im  Puber¬ 
tätsalter  vorkommt,  bezeichnet  sie  Leube  auch  als  „Puber¬ 
tätsalbuminurie,“. 

Ob  man  von  dieser  reinen  orthotischen  Albuminurie  eine 
durch  „toxische“  (infektiöse)  Stoffe  hervorgerufene  unter¬ 
scheiden  kann,  bei  der  es  sich  um  eine  Reizung  oder  eine  vor¬ 
übergehende  Schädigung  der  Nierenepithelien  handelt,  er¬ 
scheint  fraglich. 

Die  ersten  Beobachtungen  über  die  „toxische“  Form  der  ortho¬ 
tischen  Albuminurie  verdanken  wir  französischen  Autoren,  die  sie  be¬ 
sonders  auf  bestehende,  und  zwar  beginnende  Tuberkulose  bezogen 
haben.  Wir  können  von  der  hierüber  vorhandenen  Literatur  ab- 
sehen,  da  diese  ziemlich  genau  in  einer  neueren  Arbeit  von  Lüdke 
und  Sturm4)  besprochen  ist.  Diese  untersuchten  140  Fälle  von 
Lungentuberkulose  auf  das  Symptom  der  orthotischen  Albuminurie 
und  wiesen  auf  die  Verwertbarkeit  der  gefundenen  Resultate  für  die 
Frühdiagnose  der  Tuberkulose  hin.  Ihre  Untersuchungen  waren  auf 
alle  drei  Stadien  der  Tuberkulose  verteilt;  den  weitaus  grössten 
Prozentsatz  des  positiven  Ausfalles  der  Reaktion  wies  das  erste  Sta¬ 
dium  mit  88  Proz.  auf,  dem  dann  das  zweite  mit  64  Proz.  und 
zuletzt  das  dritte  mit  57  Proz.  an  Häufigkeit  folgten.  Sie  erhielten 
bei  102  von  den  140  untersuchten  Tuberkulösen  aller  drei  Stadien 
einen  positiven  Ausfall,  was  ungefähr  einem  Verhältnis  von  72  Proz. 
entspricht.  Ausserdem  hatte  L  ü  d  k  e  bei  10  Tuberkulösen,  die  nach 
einstündigem  Stehen  kein  Eiweiss  im  Urin  hatten,  Injektionen  von 
kleinen,  nicht  fiebererregenden  Dosen  von  Alttuberkulin  gemacht 
und  am  Tage  danach  bei  vieren,  also  fast  der  Hälfte,  einen  positiven 
Ausfall  der  Reaktion  nach  dem  Stehen  zu  verzeichnen! 

Aehnliche  Untersuchungen  habe  ich  auf  Veranlassung  von 
Herrn  Prof.  Dr.  Zieler  zunächst  bei  Lupösen  angestellt,  dann 
aber  auch  bei  möglichst  vielen  klinisch  nicht  tuberkulösen 
Kranken,  insbesondere  bei  solchen,  die  an  frischer  sekundärer 
Syphilis  litten.  Nach  Möglichkeit  wurden  auch  nicht  an 
Tuberkulose  leidende  Patienten  der  Klinik  (z.  B.  Kranke  mit 
Gonorrhöe,  Ekzem,  Dermatitis  herpetiformis,  Ulcus  cruris, 
Verbrühung,  Skabies  usw.)  —  im  ganzen  37  Fälle  —  zur 
Untersuchung  mitherangezogen.  8  weitere  Fälle  von  Pso¬ 
riasis  wurden  aus  später  zu  erörternden  Gründen  besonders 
behandelt. 

Es  handelte  sich  für  uns  dabei  um  folgende  Fragen; 

I.  Findet  sich  eine  orthotische  Albumin¬ 
urie  nicht  nur  in  einem  hohen  Prozentsatz 
beginnender  Lungentuberkulose,  sondern 
auch  bei  der  chronischen  Hauttuberkulose 
(Lupus,  Skrofuloderm  usw.)? 

II.  Ist  diese  orthotische  Albuminurie  cha¬ 
rakteristisch  für  Tuberkulose  oder  ist  sie 
nur  das  Zeichen  einer  chronischen  Infektion 
bezw.  Intoxikation  und  insofern  für  die 
„Frühdiagnose“  der  Tuberkulose  nur  bei 
Ausschluss  anderweitiger  Momente  ver¬ 
wertbar?  Ist  sie  z.  B.  für  eine  Differentialdiagnose 
zwischen  Lupus  und  tertiärer  Syphilis  mitheranzuziehen? 
Ls  war  hierbei  auch  festzustellen,  ob  eine  orthotische  Al¬ 
buminurie  bei  Syphilis  etwa  nur  auf  gleichzeitig  vorhandene 
(latente)  Tuberkulose  zurückzuführen  war.  Aus  diesem 
Grunde  wurden  die  Syphilitischen,  die  einen  positiven  Aus¬ 
fall  der  Reaktion  zeigten,  mit  Alttuberkulin  subkutan  bis  5  mg 
geprüft. 

III.  Kommt  eine  orthotische  Albuminurie 
auch  bei  Hautkranken,  die  frei  von  Tuber¬ 
kulosesind,  vor,  und  wird  sie  bei  diesen  etwa 
durch  medikamentöse  Einwirkungen  hervor¬ 
gerufen?  Diese  Frage  war  auch  für  I.  und  II.  zu  berück¬ 
sichtigen  (Einfluss  der  Pyrogallussäure  bei  Lupösen,  des  Hg 
und  Salvarsans  bei  Syphilitischen  etc.).  Aus  letzterem  Grunde 
erhielt  auch  ein  grosser  Teil  der  Lupösen  und  besonders  die¬ 
jenigen,  die  einen  negativen  Eiweissbefund  nach  ein¬ 
stündigem  Stehen  hatten,  Alttuberkulin  subkutan  bis  zu  fieber¬ 
erregenden  Mengen  und  wurde  dann  am  ersten  und  zweiten 
läge  nach  der  Injektion  auf  das  Symptom  der  orthotischen 
Albuminurie  geprüft.  Besondere  Aufmerksamkeit  wurde  auch 


')  L  ü  d  k  e  und  Sturm:  Die  orthotische  Albuminurie  bei  T uber- 
Gilose.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  19. 


den  Fällen  von  Psoriasis  gewidmet,  die  ja  neuerdings 
Menzer,  wie  schon  früher  Poncet,  unseres  Erachtens 
allerdings  mit  unzureichenden  Gründen,  als  eine  tuberkulöse 
Dermatose  hinstellen  will. 

Da  die  Hauttuberkulosen,  insbesondere  der  Lupus,  in  einer 
Reihe  biologischer,  allerdings  nicht  ganz  spezifischer  Reak¬ 
tionen  sich  anders  verhalten  als  die  Lungentuberkulose,  so 
war  von  vornherein  nicht  zu  erwarten,  dass  hier  die  gleichen 
Verhältnisse  bezüglich  der  orthotischen  Albuminurie  vor¬ 
liegen  würden.  Diese  Frage  ist  allerdings  eine  sehr  schwie¬ 
rige,  da  wegen  der  verschiedenen  Entstehungsweise  des 
Lupus  die  einzelnen  Fälle  wesentliche  Verschiedenheiten 
zeigen  können.  Für  die  auf  äusserer  Infektion  beruhenden 
Lupusfälle  liegt  ein  von  dem  bei  Lungentuberkulose  ab¬ 
weichendes  Verhalten  ja  auf  der  Hand.  Andererseits  be¬ 
ruhen  aber  eine  ganze  Anzahl  von  Lupusfällen  zweifellos  auf 
hämatogener  Infektion  oder  sind  mit  einer  tuberkulösen  All¬ 
gemeininfektion  vergesellschaftet  (multiple  hämatogene  Herde, 
gleichzeitiger  Lichen  scrophulosorum  usw.).  Allerdings  sind 
das  Fälle,  die  über  einen  hohen  Grad  relativer  Immunität  ver¬ 
fügen  5)  und  die  deshalb  sich  vielleicht  anders  verhalten 
könnten.  Diese  relative  Immunität  haben  wir  aber  auch,  wenn 
auch  vielleicht  nicht  in  so  hohem  Grade,  bei  jeder  Lungen¬ 
tuberkulose.  Wir  könnten  einen  wesentlichen  Unterschied 
also  nur  darin  sehen,  dass  eine  beginnende  Lungentuberkulose 
den  Körper  schon  sehr  stark  beeinflusst  und  dadurch  verhält¬ 
nismässig  leicht  eine  gewisse,  unter  bestimmten  Umständen 
sich  zeigende  Intoxikation  (orthotische  Albuminurie)  hervor¬ 
ruft,  gegen  die  der  Körper  sich  noch  nicht  recht  schützen 
kann.  Wir  hätten  dann  bei  der  Hauttuberkulose  vielleicht 
ähnliche  Verhältnisse  wie  im  späteren  Stadium  der  Lungen¬ 
tuberkulose,  in  dem  Lüdke  und  Sturm  nur  in  57  Proz. 
orthotische  Albuminurie  gefunden  haben.  Bei  früheren  Sta¬ 
dien  des  Lupus  würden  wir  ein  ähnliches  Verhalten  erwarten 
können  wie  bei  Frühstadien  der  Lungentuberkulose. . 

Ueber  das  verschiedene  Verhalten  von  Lungen-  und  Hauttuber¬ 
kulose  gegenüber  bestimmten  Reaktionen  machen  auch  E  i  t  n  e  r  und 
Stoerk6)  interessante  Mitteilungen.  Sie  berichten  über  eine  Re¬ 
aktion,  die  bei  etwa  75  Proz.  aller  Phthisiker  positiv  ausfiel  (Sera  von 
Phthisikern  mit  Phenol,  Resorzin  oder  aus  Bakterien  gewonnenem 
Lipoid  versetzt  zeigten  eine  charakteristische  Ausflockung).  Sie  er¬ 
hielten  aber  nur  in  2  von  54  untersuchten  Fällen  von  Hauttuberkulose 
ein  positives  Resultat!  Und  auch  diese  2  Fälle  sind  nach  ihrer  An¬ 
sicht  vielleicht  einer  klinisch  noch  nicht  manifesten  Lungentuberkulose 
zuzuschreiben.  Die  Verfasser  kommen  zu  dem  Schlüsse,  dass  die 
Lokalisation  der  Tuberkulose  in  der  Lunge  schwerere  Veränderungen 
hervorruft  als  die  Lokalisation  in  der  Haut.  Den  Hauptgrund  für 
die  Verschiedenheit  der  Schädigung  sehen  sie  in  der  verschiedenen 
Qualität  der  betroffenen  Parenchyme  als  Nährboden  für  den  Tuberkel¬ 
bazillus.  Dass  die  Haut  einen  schlechten  Nährboden  darstellt,  ist  ja 
bekannt  und  bedingt  die  verhältnismässige  Gutartigkeit  des  Lupus, 
aus  dem  aber  vollvirulente  TB-Kulturen  gezüchtet  werden  können. 

Um  zu  entscheiden,  ob  die  Behandlung  auf  die  orthotische 
Albuminurie  einen  Einfluss  hat,  erschien  es  von  Wichtigkeit, 
dass  möglichst  viele  Fälle  erst  einmal  vor  und  dann  während 
der  Behandlung  des  öfteren  untersucht  wurden,  und  zwar  in 
gleicher  Weise  wie  bei  der  ersten  Untersuchung. 

Dabei  musste  der  Patient,  dessen  Urin  vor  dem  Stehen  geprüft 
war,  eine  Stunde  lang  unter  Aufsicht  stehen,  worauf  der  Harn  wieder 
untersucht  wurde.  In  zahlreichen  Fällen  wurde  der  Urin  5  Stunden 
nach  dem  Stehen  und  am  Morgen  des  nächsten  Tages  nochmals  unter¬ 
sucht.  Ausserdem  wurde  der  Urin  sämtlicher  Patienten,  die  Alttuber¬ 
kulin  zu  diagnostischen  Zwecken  subkutan  erhalten  hatten,  am  näch¬ 
sten  und  übernächsten  Tage  vor  und  nach  einstündigem  Stehen  ge¬ 
prüft.  Die  Untersuchung  auf  Albumen  war  eine  dreifache,  nämlich  die 
Kochprobe  mit  folgendem  Essigsäurezusatz,  die  Salpetersäure-Ring¬ 
probe  und  die  Essigsäure-Ferrozyankaliumprobe.  Bei  positivem  Aus¬ 
fall  wurde  der  Harn  sedimentiert  und  mikroskopisch  untersucht. 

Wir  haben  also  nicht  auf  das  Vorhandensein  einer  ortho¬ 
tischen  Albuminurie  im  engeren  Sinne  gefahndet,  bedingt 
durch  Uebergang  aus  der  horizontalen  Lage  in  die  aufrechte 
Haltung,  sondern  darauf,  ob  bei  nichtbettlägerigen  Kranken, 
die  auch  während  des  Tages  unter  gewöhnlichen  Umständen 


5)  Vergl.  Zieler:  Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen 
zur  Frage  der  „toxischen“  Tuberkulosen  der  Haut.  Archiv  für  Der¬ 
matologie  und  Syphilis  1910,  No.  102. 

a)  E.  E  i  t  n  e  r  und  E.  Stoerk:  Serologische  Untersuchungen  bei 
Tuberkulose  der  Lungen  und  der  Haut.  Wien.  klin.  Wochenschr. 
1909,  No.  23. 


2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


46f) 


No.  0. 


Eiweiss  nicht  ausscheiden,  dieses  auftrat,  wenn  sie  eine  Stunde 
lang  hatten  ruhig  stehen  müssen. 

Nach  den  eben  besprochenen  Grundsätzen  wurden  untersucht 
44  Fälle  von  Hauttuberkulose  (33  Lupus,  3  Skrofuloderme,  5  Ibc. 
cutis  verrucosa,  1  Tbc.  cutis  fungosa,  1  Tbc.  mucosa  oris,  1  Er.\  - 
thema  induratum),  8  Fälle  von  Psoriasis  und  33  Fälle  von  Syphilis, 
darunter  22  Fälle  von  florider  Frühsyphilis,  von  denen  17  noch  nicht 
behandelt  worden  waren.  Ausserdem  wurden  noch  37  an  anderen 
Krankheiten  leidende  Patienten  untersucht  (Kranke  mit  Gonorrhöe, 
Fkzem,  Dermatitis  herpetiformis,  Ulcus  cruris,  Verbrühung,  Sca¬ 
bies  usw.),  von  denen  nur  ein  Fall  von  Scabies  ein  positives  Er¬ 
gebnis  hatte.  Klinische  Zeichen  einer  Frühtuberkulose  lagen  hier 
nicht  vor.  Eine  genauere  Prüfung  mit  Tuberkulininjektionen  war 
leider  aus  äusseren  Gründen  nicht  möglich,  so  dass  wir  diesen  Fall 
nicht  weiter  verwerten  können. 

I.  Hauttuberkulose. 

Von  den  44  Fällen  von  Hauttuberkulose 
zeigten  nur  5  das  Symptom  der  orthotischen 
Albuminurie,  was  ungefähr  einem  Verhältnis 
von  11  Ys  Proz.  entspräche.  Das  wäre  ein  ausser¬ 
ordentlich  niedriger  Prozentsatz  gegenüber  den  Resultaten, 
die  L  ii  d  k  e  und  Stur  m  bei  Lungentuberkulose  gefunden 
haben  (72  Proz.  aller  untersuchten  Fälle).  Erwähnenswert  ist, 
dass  alle  von  mir  untersuchten  Fälle,  die  ein 
positives  Resultat  ergeben  haben,  auf  relativ 
geringe  Dosen  Alttuberkulin  neben  einer 
örtlichen  Reaktion  auch  eine  Allgemein - 
reaktion  gezeigt  haben.  Man  kann  also  wohl  mit 
Recht  annehmen,  dass  neben  dem  tuberkulösen  Herd  in  der 
Haut  noch  solche  in  inneren  Organen  vorhanden  waren,  die 
vielleicht  für  den  positiven  Ausfall  der  orthotischen  Albumin¬ 
urie  verantwortlich  zu  machen  sind.  Allerdings  ist  das  nur 
eine  reine  Vermutung,  für  die  wir  vollgültige  Beweise  nicht 
beibringen  können,  denn  es  haben  von  8  weiteren 
Fällen  auf  ebenso  geringe  Dosen  Alttuber¬ 
kulin  5  deutlich  allgemein  reagiert,  und  auch 
darnach  keine  orthotische  Albuminurie  ge¬ 
zeigt.  Eine  grosse  Reihe  von  poliklinischen  Fällen  konnte 
nicht  mit  Tuberkulin  geprüft  werden. 

Auf  das  günstige  Resultat  hat  vielleicht  auch  Einfluss,  dass 
von  den  poliklinischen  Fällen  5  klinisch  geheilt  (2  Fälle  von 
Lupus,  1  Fall  von  Skrophuloderm  eines  Ellbogens  und  2  Fälle 
von  Tuberculosis  cutis  verrucosa),  eine  Reihe  anderer  wesent¬ 
lich  gebessert  waren. 

Bei  einem  44  jährigen  Patienten  mit  Tuberkulosis  cutis  verrucosa 
des  rechten  Handrückens  trat  die  orthotische  Albuminurie,  die  bei  der 
Aufnahme  fehlte,  erst  am  ersten  und  zweiten  Tage  nach  der  Injektion 
von  2  mg  Alttuberkulin  auf,  bei  mässiger  Allgemeinreaktion,  um  am 
dritten  Tage  wieder  zu  verschwinden.  Bei  einem  25  jährigen  Kranken, 
der  seit  15  Jahren  an  Lupus  beider  Wangen,  des  Kinns  und  des  Halses 
litt,  verschwand  die  orthotische  Albuminurie  des  ersten  Tages  wäh¬ 
rend  der  Behandlung  im  Spital,  um  auch  später  nicht  wieder  zu  er¬ 
scheinen.  Es  erscheint  nun  fraglich,  ob  hierfür  die  Kräftigung  durch 
die  bessere  Kost  und  die  Ruhe  in  der  Klinik  oder  die  spezifische 
Behandlung  mit  Pyrogallussäure  zur  Verantwortung  zu  ziehen  ist. 
Einesteils  sollte  man  ja  annehmen,  dass  nach  Zerstörung  des  lupösen 
Gewebes  durch  Pyrogallol  das  ursächliche  Moment  für  das  Zu¬ 
standekommen  einer  orthotischen  Albuminurie  wegfällt,  denn  es 
können  eben  nach  Zerstörung  der  Krankheitsherde  weniger  Giftstoffe 
oder  Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn  übertreten  bezw.  die  Nieren 
schädigen.  Andernteils  sollte  man  nach  einer  längeren  Pyrogallol- 
behandlung  aber  erst  recht  eine  Eiweissausscheidung  erwarten,  denn 
die  die  Nieren  schädigende  Wirkung  der  Pyrogallussäure  ist  ja  hin¬ 
länglich  bekannt.  Freilich  haben  wir  bei  unserer  vorsichtigen  Art  der 
Behandlung,  immer  nur  kleine  Bezirke  von  höchstens  1 — 2  Hand¬ 
flächengrössen  mit  Pyrogallussäure  zu  behandeln,  in  keinem  einzigen 
[•'alle  eine  Eiweissausscheidung  konstatieren  können,  die  auf  Pyro¬ 
gallol  hätte  zurückgeführt  werden  müssen. 

Beachtenswert  erscheint  folgender  Fall: 

Ein  21  j  ä  h  r  i  g  e  s  Mädchen  mit  multiplem  L  u  p  u  s  des 
linken  Armes  und  des  linken  Oberschenkels  und  einem  tuberkulösen 
Abszess  des  rechten  Oberschenkels,  die  nach  einer  sieben- 
wöch  entliehen  Pyrogallolbehandlung  keine  or¬ 
thotische  Albuminurie  darbot,  zeigte  bei  einer  Un¬ 
tersuchung  4  Wochenspäter  eine  E  iw  eissaus  Schei¬ 
dung  nacheinstündigem  Stehen.  Für  deren  Erscheinen 
ist  jedoch  sicher  nur  das  Auftreten  eines  neuen,  zweifel¬ 
los  hämatogen  entstandenen  lupösen  Herdes  an  der 
Nase,  das  kurze  Zeit  vorher  bemerkt  wurde,  bezw.  eine  Ueber- 
schwemmung  der  Blutbahn  mit  infektiösem  Material  als  Ursache  an¬ 
zunehmen. 


Eigentümlich  erschien  es,  dass  diese  orthotische  Albuminurie  am 
nächsten  Tage  ganz  plötzlich  verschwunden  war,  nachdem  Patientin 
0,3  Salvarsan  intravenös  bekommen  hatte.  Man  darf  wohl  annehmen, 
dass  es  sich  hierbei  um  ein  rein  zufälliges  Zusammentreffen  handelt, 
denn  bei  den  weiteren  mit  Salvarsan  behandelten  Lupusfällen  zeigte 
sich,  dass  die  Iniektion  von  Salvarsan  ohne  jeden  Einfluss  auf  das 
Zustandekommen  oder  Verschwinden  der  orthotischen  Albuminurie  ist. 
Es  wäre  höchstens  denkbar,  dass  die  orthotische  Albuminurie  infolge 
einer  frischen  Tuberkuloseausbreitung  wie  hier  durch  Salvarsan  be¬ 
einflusst  wird,  während  eine  derartige  Wirkung  bei  lange  bestehendem 
Lupus  ohne  besondere  Neigung  zur  Ausbreitung  nicht  auftritt.  Oh 
es  sich  bei  diesen  um  hämatogen  entstandene  Lupusformen  handelt, 
ist  nicht  sicher  zu  entscheiden.  Sicher  ist  nur,  dass  wir  den  durch 
Salvarsan  günstig  beeinflussten  Fall  als  einen  hämatogen  entstandenen 
multiplen  Lupus  auffassen  müssen.  Alle  ferneren  Unter¬ 
suchungen  auf  orthotische  Albuminurie  ergaben 
bei  dieser  Patientin  ein  negatives  Resultat. 

Dass  auch  die  Behandlung  auf  Zustande¬ 
kommen  oder  Verschwinden  der  orthotischen 
Albuminurie  wenig  Einfluss  hat,  ergibt  sich  daraus, 
dass  sich  die  positiven  Resultate  über  zum  Teil  sehr  lange 
und  gründlich  behandelte  wie  unbehandelte  Fälle  erstrecken. 
Das  ersieht  man  auch  klar  aus  dem  Falle  eines  17  jährigen 
Mädchens  mit  einem  schon  seit  15  Jahren  bestehenden  Ge¬ 
sichtslupus  ohne  besondere  Neigung  zur  Ausbreitung,  das 
schon  das  8.  Mal  zur  Behandlung  in  der  Klinik  war  und  jetzt 
seit  %  Jahren  ununterbrochen  behandelt  wurde  und  trotzdem 
ein  positives  Resultat  ergab.  Bei  ihm  ist  wahrscheinlich  wie 
bei  einem  anderen  Falle  von  ausgedehntem  Skrophuloderm 
(im  Anschluss  an  Tuberkulose  der  Hals-,  Submaxillar-,  Zer¬ 
vikal-,  Nuchal-  und  Postaurikulardriisen)  die  Ursache  in  einer 
inneren  Tuberkulose  zu  suchen,  nicht  in  dem  verhältnismässig- 
beschränkten  Lupusherd.  Beide  Fälle  hatten  ja  auch  schon 
auf  2  mg  Alttuberkulin  ziemlich  stark  allgemein  reagiert. 

Auch  bezüglich  der  Dauer  der  Krankheit  haben  wir  bei 
den  Fällen  mit  positivem  Resultat  nichts  Verwertbares  fest¬ 
stellen  können.  Bei  dem  einem  1  eil  der  Fälle  bestand  die 
Krankheit  angeblich  erst  seit  einigen  Monaten,  bei  dem  anderen 
schon  seit  15  und  mehr  Jahren.  Ebenso  bestand  der  Lupus 
bei  den  Fällen,  die  ein  negatives  Resultat  ergaben,  seit  einer 
Zeit,  die  zwischen  %  und  60  Jahren  schwankte. 

Wenn  nun  L  ii  d  k  e  bei  10  von  ihm  untersuchten  Fällen, 
die  vorher  keine  orthotische  Albuminurie  zeigten,  nach  In¬ 
jektion  von  nicht  fiebererregenden  Dosen  von  Alttuberkulin 
am  nächsten  Tage  bei  4  Fällen,  also  fast  der  Hälfte,  zu  einem 
positiven  Resultat  kam7),  so  waren  auch  hier  unsere  Re¬ 
sultate  bei  der  Hauttuberkulose  abweichende.  Wir  haben  bei 
10  an  Hauttuberkulose  leidenden  Kranken  mit 
vorher  negativer  orthotischer  Albuminurie 
Alttuberkulin  bis  2  mg,  in  einem  Falle  bis  10  mg  sub¬ 
kutan  injiziert.  Bei  allen  gab  es  eine  örtliche,  teilweise  auch 
eine  Allgemeinreaktion.  Nur  bei  einem  einzigen, 
einem  44  jährigen  Patienten  mit  J  uberculosis  cutis  verrucosa 
der  rechten  Hand  (s.  o.)  war  eine  Eiweissausschei¬ 
dung  am  nächsten  und  übernächsten  Tage 
nach  einst  findigem  Stehen  nachweisbar.  Die 
Niere  braucht  also  auf  diesen  „toxischen“  Reiz  nicht  zu 
reagieren,  sei  es,  dass  bei  den  von  mir  untersuchten  Fällen 
dieser  Reiz  ein  zu  geringer  war  (was  nicht  wahrscheinlich  ist: 
Dosis,  Allgemeinreaktion!),  oder  sei  es,  dass  wir  auch  hier  die 
geringere  Beeinflussung  des  Körpers  durch  eine  Hauttuber¬ 
kulose  verantwortlich  machen  müssen. 

Um  festzustellen,  wie  weit  bei  unserem  Krankenmaterial 
eine  Allgemeintuberkulose  (ohne  klinische  Zeichen)  etwa  von 
Bedeutung  ist,  wurde  in  25  Fällen  von  Syphilis  und  anderer 
Hautkrankheiten  Alttuberkulin  meist  bis  5  mg,  teilweise  bis 
10  mg  zu  diagnostischen  Zwecken  gegeben.  Darunter  warei: 
12  Fälle  von  orthotischer  Albuminurie  bei  frischer  Syphilis 
deren  orthotische  Albuminurie  aber  inzwischen  unter  einei 
spezifischen  Behandlung  verschwunden  war  (s.  u.),  währcnc 
die  übrigen  13  Fälle  zunächst  keine  orthotische  Albuminurk 
gezeigt  hatten. 


7)  Dass  es  sich  bei  seinen  Untersuchungen  nicht  um  eine  febrile 
sondern  um  eine  „toxische“,  durch  die  Infektion  bedingte  Alburninurn 
handeln  muss,  die  sehr  wahrscheinlich  mit  einer  örtlichen  Reaktion  dei 
tuberkulösen  Herde  in  Zusammenhang  steht,  geht  aus  seinen  Aus¬ 
führungen  klar  hervor. 


4.  März  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  461 


Bei  der  Untersuchung  am  ersten  und  zweiten  Tag  nach 
der  Tuberkulininjektion  wurde  nur  bei  dreien  ein  positives 
Resultat  gefunden. 

Es  handelte  sich  dabei  einmal  um  ein  22jähriges  syphilitisches 
Mädchen,  die  einen  typischen  phthisischen  Habitus  zeigte  und  auf 
3  mg  Alttuberkulin  stark  allgemein  reagiert  hatte.  Der  zweite  Fall 
war  ein  27  jähriger  Syphilitiker,  der  gleichzeitig  eine  Psoriasis  hatte 
und  schon  auf  1  mg  Alttuberkulin  allgemein  reagierte.  Bei  diesen 
beiden  dürfte  also  sicher  eine  innere  Tuberkulose  an  dem  Zustande¬ 
kommen  die  Schuld  haben.  Nicht  so  bei  einem  dritten  Fall  von  ca. 
fünfmarkstückgrossem  isoliertem  chronischem  Ekzem  des  rechten 
Vorderarmes  (von  tuberkuloseähnlichem  Aussehen)  bei  einem  21  jähr. 
Mädchen,  das  schon  auf  1  mg  Alttuberkulin  eine  orthotische  Albumin¬ 
urie  zeigte,  aber  erst  auf  10  mg  stark  allgemein  reagierte. 

II.  Psoriasis. 

Von  den  8  untersuchten  Psoriasisfällen  zeigte  einer  das 
Symptom  der  orthotischen  Albuminurie  (18  jährige  Kranke  mit 
sicherer  klinischer  Lungenspitzentuberkulose).  Bei  einem 
anderen  kam  es  (s.  o.)  erst  am  Tage  nach  1  mg  Alttuberkulin 
zu  einer  vorübergehenden  Eiweissausscheidung  nach  ein- 
stündigern  Stehen.  Ebenso  zeigte  keiner  dieser  Fälle  wie  eine 
Reihe  anderer  früher  geprüfter  eine  örtliche  Reaktion  nach 
subkutaner  Tuberkulinzufuhr  (teilweise  bis  15  mg).  Aus  diesen 
wenigen  Fällen  lässt  sich  jedenfalls  nichts  schliessen,  was  im 
Sinne  Poncets  bzw.  M  e  n  z  e  r  s  für  eine  Beziehung  der 
Psoriasis  zur  Tuberkulose  zu  verwerten  wäre. 

III.  Syphilis. 

Nächst  der  Hauttuberkulose  war  es  die  Syphilis,  deren 
Einfluss  auf  das  Zustandekommen  der  orthotischen  Albu¬ 
minurie  genauer  untersucht  wurde.  Im  ganzen  kamen  33  Fälle 
zur  Untersuchung,  20  unbehandelte  und  13  schon  behandelte. 
Von  den  20  unbehandelten  zeigten  11  das  Symptom  der 
orthotischen  Albuminurie;  von  den  13  schon  behandelten  da¬ 
gegen  nur  ein  einziger.  Und  auch  diesen  einen  Fall  kann  man 
eigentlich  kaum  als  schon  behandelt  ansehen,  denn  er  hatte 
vor  der  Untersuchung  nur  1  ccm  Joha  =  0,4  Salvarsan  intra¬ 
muskulär  erhalten  und  war  schon  ca.  18  Stunden  nach  der 
Injektion  auf  orthotische  Albuminurie  untersucht  worden.  In 
dieser  kurzen  Zeit  wird  ja  aber  kaum  so  viel  von  dem  intra¬ 
muskulär  injizierten  Salvarsan  resorbiert  worden  sein  wie  bei 
intravenöser  Zuführung. 

Interessant  ist  nun,  dass  bei  sämtlichen  Fällen 
mit  einem  positiven  Ausfall  der  Reaktion  die 
Infektion  erst  kürzere  Zeit  zurücklag.  Von 
den  17  untersuchten,  noch  unbehandelten  Fällen 
des  1.  und  2.  Stadiums  hatten  12,  also  70  Proz., 
eine  positive  Reaktion,  während  bei  den  4 
noch  unbehandelten  Fällen  tertiären  Syphi¬ 
lis  kein  einziger  nach  einstündigem  Stehen 
eine  Eiweissausscheidung  zeigte.  Die  Was¬ 
sermann  sehe  Reaktion  war  bei  fast  allen  Fällen  aller 
3  Stadien  positiv.  Die  Verhältnisse  scheinen  also  bei  frischer 
Syphilis  ähnlich  zu  liegen,  wie  sie  Lüdke  und  Sturm  für 
die  Tuberkulose  der  Lungen  gefunden  hatten.  Man  kann  ja 
wohl  annehmen,  dass  es  sich  bei  ^yphilis  ähnlich  wie  bei 
Tuberkulose  um  eine  vorübergehende  Schädigung  der  Nieren 
durch  im  Körper  zirkulierende  Giftstoffe  (der  Spirochäten) 
handelt.  Dafür  spräche  das  relativ  häufige  Vorkommen  in 
den  Frühstadien  und  das  Fehlen  in  späteren  Stadien,  wo  sich 
der  Körper  an  die  in  ihm  zirkulierenden  Giftstoffe  gewöhnt  hat 
oder  deren  Menge  zu  gering  ist,  um  die  Nieren  zu  beein¬ 
flussen.  Es  handelt  sich  wohl  aber  auch  bei  dieser  Form  der 
orthotischen  Albuminurie  um  eine  spezifische,  durch 
die  Infektion  bedingte  Nierenschädigung, 
die  unter  gewöhnlichen  Umständen  wegen  ihrer  Geringfügig¬ 
keit  nicht  nachweisbar  ist.  Für  diese  Annahme  scheint  mir 
besonders  zu  sprechen,  dass  sie  bei  Syphilitikern 
in  allen  Fällen  schon  im  Anfang  einer  spezi¬ 
fischen  Behandlung  verschwand.  Das  Fehlen 
der  orthotischen  Albuminurie  bei  Spätformen  Hesse  sich  ja 
hiermit  in  Einklang  bringen.  Denn  einmal  handelt  es  sich 
hierbei  (wenigstens  in  unseren  Fällen)  um  isolierte  Herde,  die 
an  sich  wohl  wie  der  Lupus  den  Gesamtkörper  weniger  beein¬ 
flussen,  und  zweifellos  spielt  hier  die  in  Spätstadien  eintretende 


Umstimmung  der  Gewebe  („Immunität“)  ähnlich  wie  bei  der 
Hauttuberkulose  eine  Rolle. 

8  Fälle  mit  positivem  Ausfall  der  Reaktion 
wurden  zunächst  nur  mit  Salvarsan  behandelt. 
Dabei  ergab  sich,  dass  die  am  Tage  vorher  festgestellte  ortho¬ 
tische  Albuminurie  unmittelbar  nach  der  ersten 
intravenösen  Salvarsan  injektion  nicht  mehr 
nach  gewiesen  werden  konnte.  Bei  3  Fällen  wurde 
sogar  direkt  vor  der  intravenösen  Salvarsaninjektion  eine 
orthotische  Albuminurie  gefunden,  die  sofort  nach  der  In¬ 
jektion  nicht  mehr  festgestellt  werden  konnte! 

Bei  2  Fällen,  die  nur  geringe  Dosen  (0,15  und  0,2)  erhalten 
hatten,  war  nach  der  ersten  Injektion  nur  eine  Verringerung  der 
Eiweissausscheidung  nach  einstündigem  Stehen  zu  beobachten;  nach 
der  zweiten  Injektion  war  sie  verschwunden,  um  während  der  ganzen 
weiteren  mehrwöchentlichen  Beobachtungsdauer  nicht  wieder  auf¬ 
zutreten. 

Es  war  nun  die  Frage  zu  beantworten,  ob  es  sich  beim 
Verschwinden  der  orthotischen  Albuminurie  nach  Salvarsan 
um  eine  Wirkung  handelt,  die  nur  dem  Salvarsan  zukommt, 
oder  ob  eine  Hg-Kur  ebenso  wirkt,  dieses  Verhalten  also 
überhaupt  nur  eine  Wirkung  der  spezifischen  Therapie  dar¬ 
stellt.  Um  dies  zu  erproben,  wurde  eine  Reihe  von  Syphilis- 
fällen  (4),  die  eine  orthotische  Albuminurie  zeigten,  zunächst 
nur  mit  Hg  behandelt.  Wir  injizierten  deshalb  in  zweitägigen 
Intervallen  von  0,5  beginnend  und  bis  2  ccm  steigend  eine 
5  proz.  Asurollösung.  Hierbei  zeigte  es  sich,  dass  auch  schon 
in  den  ersten  Tagen  nach  der  ersten  Injektion  teilweise  eine 
Verringerung,  teilweise  ein  vollständiges  Verschwinden  des 
Albumens  nach  einstündigem  Stehen  zu  konstatieren  war. 
Bei  sämtlichen  Fällen  aber  war  die  Eiweiss¬ 
ausscheidung  am  Tage  nach  der  zweiten  Hg- 
lnjektion  verschwunden.  Dieses  etwas  abwei¬ 
chende  Ergebnis  entspricht  der  bekannten  schnelleren  Wir¬ 
kung  des  Salvarsans  auf  Syphilisprodukte. 

Um  nun  festzustellen,  wie  weit  eine  Allgemeintuberkulose 
für  das  Zustandekommen  .einer  orthotischen  Albuminurie  bei 
Syphilis  von  Bedeutung  ist,  wurden  sämtliche  positiven  Fälle 
mit  Alttuberkulin  bis  5  mg  subkutan  geprüft.  Der  berichtete 
Einfluss  des  Salvarsans  und  des  Hg  würde  natürlich  schon 
unbedingt  gegen  eine  (latente)  Tuberkulose  als  Hauptursache 
sprechen  und  die  ätiologische  Bedeutung  der  Syphilis  be¬ 
weisen. 

Von  den  12  Fällen  reagierte  nur  ein  einziger  auf  Alttuberkulin 
allgemein,  und  zwar  auf  3  mg.  Bei  ihm  dürfte  also  vielleicht  auch  der 
positive  Ausfall  teilweise  auf  Rechnung  der  Tuberkulose  kommen, 
denn  die  nach  Asurol  0,5  (einer  5  proz.  Lösung)  verschwundene  ortho¬ 
tische  Albuminurie  trat  später  nach  1  mg  Alttuberkulin  wieder  auf. 
um  nach  Salvarsan  0,3  intravenös  wieder  zu  verschwinden. 

Das  Auftreten  einer  orthotischen  Albuminurie  nach 
Injektion  von  Salvarsan  in  Fällen,  die  vorher  ein 
negatives  Resultat  gezeigt  hatten,  war  in  keinem 
einzigen  Falle  nachzuweisen,  trotzdem  wir  manchmal  in 
relativ  kurzer  Zeit  ziemlich  grosse  Dosen  gegeben  hatten  (z.  B.  inner¬ 
halb  14  Tagen  2,2  intravenös).  Es  waren  im  ganzen  30  Syphilis¬ 
fälle  mit  66  Salvarsaninjektionen,  8  Lupusfälle  mit  10  Injektionen  und 
21  Fälle  von  anderen  Hautkrankheiten  mit  21  Injektionen  behandelt 
worden.  Eine  wesentliche,  die  Nieren  schädigende  Wirkung  kann 
nach  diesen  Beobachtungen  dem  Salvarsan  nicht  zugeschrieben 
werden. 

Die  die  Nieren  schädigende  Wirkung  des  Hg  ist  ja  schon  hinläng¬ 
lich  bekannt.  So  trat  denn  auch  bei  einem  Falle,  der  vorher  keine 
orthotische  Albuminurie  zeigte,  nach  zweimaliger  intramuskulärer 
Injektion  von  0,05  Kalomel  nach  einstündigem  Stehen  eine  Eiweiss¬ 
ausscheidung  auf,  die  aber  nach  Aussetzen  der  Hg-Behandlung  wieder 
verschwand.  In  einem  weiteren  Falle,  ebenfalls  mit  einer  vorher 
negativen  orthotischen  Albuminurie,  trat  nach  der  7.  intramuskulären 
Injektion  von  0,05  Kalomel  nach  einstündigem  Stehen  eine  Eiweiss¬ 
ausscheidung  auf.  Dann  wurde  die  Hg-Kur  mit  Einreibungen  (täglich 
4,0  Ung.  einer.)  fortgesetzt.  Am  10.  Tage  zeigte  sich  eine  Eiweiss¬ 
ausscheidung  schon  ohne  vorheriges  Stehen.  Nach  einstündigem 
Stehen  war  in  diesem  Falle  eine  starke  Vermehrung  des  Albumens 
zu  konstatieren.  Hier  handelt  es  ich  wohl  um  eine  starke  Hg-Empfind- 
lichkeit  der  Nieren,  die  vielleicht  auf  einer  verminderten  Ausschei¬ 
dung  (kompensierte  Mitralinsuffizienz!)  beruht:  Patientin  bekam  stets 
bald  eine  Stomatitis.  Bei  den  übrigen  10  Fällen,  die  kombiniert  mit 
Hg  und  Salvarsan  behandelt  worden  waren,  konnten  wir  keine  Nieren¬ 
schädigung  nachweisen,  die  ja  meist  erst  am  Ende  einer  energischen 
Hg-Behandlung  sich  zeigt  und  bekanntlich  nach  dem  Aussetzen  des 
Hg  wieder  verschwindet. 

Bei  sämtlichen  Fällen  mit  orthotischer  Albuminurie  war 
die  Eiweissausscheidung  am  nächsten  Morgen,  nachdem  die 


462 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


Patienten  wieder  längere  Zeit  geruht  hatten,  verschwunden, 
dagegen  noch  nicht  bei  der  Untersuchung  5  Stunden  nach  dem 
Stehen.  Unsere  Beobachtungen  stimmen  hierin  mit  denen 
L  ii  d  k  e  s  überein.  In  keinem  eifizigen  Falle  aber  konnte 
=  Stunden  nach  dem  Stehen  oder  am  nächsten  Morgen  Eiweiss 
im  Urin  nachgewiesen  werden,  wenn  die  Untersuchung  direkt 
nach  dem  Stehen  ein  negatives  Resultat  ergeben  hatte. 

Unsere  Untersuchungen  haben  also  ergeben: 

I.  Bei  Hautkrankheiten  der  verschieden¬ 
sten  Art  (einschliesslich  Psoriasis)  ist  eine 
orthotische  Albuminurie  im  allgemeinen 
nicht  nachzuweisen. 

II.  Bei  Hauttuberkulose  findet  sie  sich  nur 
verhältnismässig  selten,  und  zwar  ohne  dass 
sich  eine  Beziehung  zur  Dauer  und  Aus¬ 
dehnung  der  Erkrankung  oder  zu  ihrer  Ent¬ 
stehung  (hämatogen  oder  exogen)  nach  weisen  liess. 
Es  zeigt  sich  also  auch  hier,  dass  biologische  und  andere  Re¬ 
aktionen,  die  man  als  verwertbar  für  die  Diagnose  einer  All¬ 
gemeintuberkulose,  besonders  in  deren  Frühstadium  an¬ 
gegeben  hat,  bei  Hauttuberkulose  verhältnismässig  häufig 
negativ  ausfallen. 

III.  Bei  frischer,  noch  unbehandelterSyphi- 
lis  im  Stadium  der  allgemeinen  Durchseu- 
c  h  u  n  g  (primäre  und  sekundäre  Syphilis  mit  Erscheinungen) 
wurde  eine  orthotische  Albuminurie  bei  Aus¬ 
schluss  einer  Allgemeintuberkulose  fast 
ebenso  häufig  wie  von  Lüdke  und  Sturm  im 
F.rühstadium  der  T  u  b  e  r  k  u  1  o  s  e  gefunden.  Bei 
Spätsyphilis  und  im  Latenzstadium  haben 
wir  einen  positiven  Ausfall  nicht  nachweisen 
können.  Differentialdiagnostisch  ist  also  das  Auftreten  oder 
Fehlen  einer  orthostatischen  Albuminurie  nicht  zu  ver¬ 
werten. 

Bei  unseren  positiven  Resultaten  kann  es  sich  nicht  um 
eine  sogenannte  Pubertäts-  oder  •  physiologische  Albuminurie 
handeln.  Wir  haben  sie  in  den  verschiedensten  Lebensaltern 
gefunden  (z.  B.  bei  Syphilis);  ausserdem  geht  das  ja  auch  aus 
dem  berichteten  Verlauf  der  Untersuchungen  hervor. 

Aus  diesen  Ergebnissen  schliessen  wir  folgendes: 

Das  Vorhandensein  einer  orthotischen 
Albuminurie  ist  für  die  Frühdiagnose  einer 
Tuberkulose  im  Sinne  von  Lüdke  und  Sturm 
nur  bedingt  verwertbar.  Es  müssen  andere 
Allgemeininfektionen  wie  Syphilis  (was  ja 
leicht  ist)  dabei  ausgeschlossen  werden.  Wahr¬ 
scheinlich  führen  auch  noch  andere  Allge¬ 
meininfektionen  mit  subakutem  oder  chro¬ 
nischem  Verlauf  ebenfalls  dazu.  Wir  selbst 
haben  darüber  allerdings  keine  weiteren  Untersuchungen 
anstellen  können 8).  Jedenfalls  können  wir  die 
orthotische  Albuminurie  nach  unseren  Er¬ 
gebnissen  nicht  als  charakteristisch  allein 
für  Tuberkulose  ansehe  n,  wie  dies  Tänago 
und  P  e  d  r  a  j  a  annehmen9).  Wir  glauben  viel¬ 
mehr,  dass  sie  nur  ein  Zeichen  einer  chro¬ 
nischen  Infektion  bezw.  Intoxikation  ist. 
Aehnlich  äussert  sich  hierüber  auch  Pollitzer  10),  von  ganz 
anderen  Gesichtspunkten  ausgehend,  in  einer  erst  nach  Ab¬ 
schluss  meiner  Untersuchungen  erschienenen  Arbeit. 


8)  Lüdke  und  Sturm  weisen  daraut  hin,  dass  kurz  nach  dem 
üeberstehen  akuter  Infektionen  (Angina,  Diphtherie,  akute  Exan¬ 
theme  usw.)  eine  orthotische  Albuminurie  als  deren  Folge  vorhanden 
sein  kann. 

8)  Gonzalez  Tänago  und  Jose  P  e  d  r  a  j  a :  Behandlungsresul¬ 
tate  der  orthotischen  Albuminurie  und  der  Urininkontinenz  im  Kindes¬ 
alter  auf  gefasst  als  Tuberkelbazillenerkrankung.  Rev.  Klin.  Madrid 
1911,  No.  23. 

10)  Hanns  P  o  1 1  i  t  z  e  r :  Chondroiturie  und  fakultative  Albumin¬ 
urie.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  33. 


Zur  Frage  der  Spezifizität  der  Schutzfermente. 

Von  Emil  Abderhalden  in  Halle  a.  S. 

Bei  der  Prüfung  der  Frage,  was  geschieht,  wenn  dem 
tierischen  Organismus  art-  und  vor  allem  auch  blutfremde 
Stoffe  zugeführt  werden,  wurde  festgestellt,  dass  diese  Pro¬ 
dukte,  falls  sie  hydrolysierbar  und  nicht  gar  zu  fremdartig  sind, 
durch  in  das  Blutplasma  sezernierte  Fermente  abgebaut 
werden.  Der  Organismus  nimmt  durch  Abbau  den  fremd¬ 
artigen  Stoffen  ihre  Eigenheit  und  ermöglicht  den  Zellen  eine 
Verwertung  der  indifferenten  Bausteine.  Es  ist  dies  die  eine 
Seite  der  Abwehrvorrichtungen  des  tierischen  Organismus 
gegen  ihm  fremdartige  Stoffe.  Gleichzeitig  können  auch  Aus¬ 
scheidungsorgane  und  speziell  die  Nieren  eingreifen  und  die 
fremden  Stoffe  oder  auch  die  entstehenden  Abbaustufen  ent¬ 
fernen  1). 

Die  erwähnten  Versuche  führten  zum  Resultate,  dass  die 
nach  der  Zufuhr  bestimmter  blutfremder  Stoffe  auftretenden 
Fermente  nicht  streng  spezifisch  sind,  d.  h.  nicht  nur 
den  zugeführten  Stoff  abbauen,  sondern  auch  andere  Ver¬ 
bindungen,  die  der  gleichen  Klasse  zugehören,  wie  das 
parenteral  zugeführte  Produkt.  So  wurde  nach  Zufuhr  von 
Stärke  auch  Rohrzucker  gespalten,  niemals  wurden  aber  auch 
Eiweissstoffe  abgebaut.  Diese  wurden  nur  dann  angegriffen, 
wenn  parenteral  Proteine  zugeführt  wurden. 

Der  Ausfall  dieser  Versuche  ergab  die  Fragestellung,  oh 
sich  während  der  Schwangerschaft  proteolytische  Fer¬ 
mente  im  Blute  finden.  Sie  wurde  angeregt  durch  die  Ar¬ 
beiten  von  Schmor  1,  Veit  und  W  e  i  c  h  a  r  d  t.  Von  diesen 
Autoren  war  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Eindringen  von 
Ühorionzottenepithelien  in  das  mütterliche  Blut  gelenkt 
worden.  Wir  hatten  somit  die  Möglichkeit  vor  uns,  das  Ver¬ 
halten  des  Organismus  gegen  sicher  arteigenes  aber  durchaus 
blutfremdes  Material  zu  studieren.  A  priori  war  nach  unseren 
Erfahrungen  nicht  anzunehmen,  dass  spezifische  Fer¬ 
mente  vorhanden  waren.  Aus  diesem  Grunde  wurde 
mittels  der  optischen  Methode  mit  allen  möglichen  Substraten 
—  Seidenpepton,  Gelatinepepton,  Edestinpepton,  Eiereiweiss¬ 
pepton  usw.  —  auf  proteolytische  Fermente  während  der 
Schwangerschaft  gefahndet.  Die  Versuche  fielen  alle  voll¬ 
ständig  negativ  aus.  Es  konnten  verschiedene  Möglichkeiten 
die  Ursache  dieses  Ausfalles  der  Versuche  sein.  Einmal  war 
es  denkbar,  dass  der  Organismus  gegen  zwar  blutfremde,  aber 
arteigene  Stoffe  keine  Schutzfermente  bildet.  Ferner  kommt 
es  sicher  nicht  immer  zur  Ablösung  von  Chorionzottenzellen. 
Ein  glücklicher  Zufall  hätte  event.  zur  Entdeckung  von 
während  der  Schwangerschaft  kreisender  Fermente  führen 
können.  Endlich  musste  daran  gedacht  werden,  dass  es  viel¬ 
leicht  doch  Fermente  gibt,  die  spezifisch  auf  bestimmte  Pro¬ 
teinarten  eingestellt  sind.  Es  liess  sich  diese  Möglichkeit 
leicht  prüfen.  Zunächst  wurde  mit  aus  Plazenta  bereitetem 
Pepton  gearbeitet  und  später  auch  mit  koaguliertem  Plazenta¬ 
gewebe  (Dialysierverfahren).  Eine  sehr  grosse  Anzahl  von 
Kotitrollversuchen  ergab,  dass  Serum  von  normalen  Nicht¬ 
schwangeren  weder  Plazentapepton  noch  Plazentaeiweiss  ab¬ 
baut,  dagegen  fand  regelmässig  ein  Abbau  statt,  wenn  das: 
Serum  von  Schwangeren  stammte. 

Selbstverständlich  wurde  immer  wieder 
geprüft,  ob  nicht  auch  andere  Gewebe  an 
Stelle  von  Plazenta  abgebaut  werden.  Diese 
Fragestellung  tauchte  deshalb  immer  wieder  auf,  weil  die  ur- 
sprünglichenVersuche  bei  parenteraler  Zufuhr  von  blutfrernder 
Stoffen  keinen  streng  spezifischen  Fermenten  gerufen  hatte. 
Ferner  ergab  die  Untersuchung  des  Serums  von  Schwangerer 
der  verschiedensten  Monate,  dass  die  Fermente  immer  anzu¬ 
treffen  sind,  jedoch  ca.  14  Tage  nach  der  Entbindung  ver 
schwinden.  Es  war  nach  diesen  Beobachtungei 
wohl  ganz  ausgeschlossen,  dass  das  Los- 
reissenvon  Chorionzottenzellen  die  Urs  acht 
oder  wenigstens  die  einzige  Ursache  der  Fer 
m  e  n  t  s  e  k  retion  in  das  Blut  hinein  sein  konnte 
Es  mussten  sicher  noch  andere  Momente  hinzukommen.  Icl 
stellte  mir  vor,  dass  das  Eingraben  der  fötalen  Plazenta  ii 

*)  Vgl.  zu  den  ganzen  Problemen :  Emil  Abderhalden 
Schutzfermente  des  tierischen  Organismus.  J.  Springer,  Berlii 
1912. 


März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


463 


lütterliches  Gewebe  —  speziell  die  Bildung  der  intervillösen 
jäume  —  und  ferner  auch  Störungen  im  Stoffwechsel  der  ver- 
chiedensten  Zellen  der  mütterlichen  Plazenta  und  der  Nach- 
argewebc  die  Bildung  der  Schutzfermente  veranlasse.  Von 
iesem  Gesichtspunkte  aus  war  an  eine 
treng  spezifische  Wirkung  der  Schütz¬ 
er  m  e  n  t  e  kaum  zu  denken,  denn  ich  stelle  mir 
or.dassjedeZelle,  die  besondere  Funktionen 
a t,  auch  einen  besonderen  Bau  der  einzelnen 
Komponenten  des  Zelleibes  aufweist.  Diese 
’eberlegungen  sind  auch  der  Grund,  weshalb  ich  vorschlug, 
a.  1  g  des  koagulierten  Plazentagewebes  zur  Anstellung  des 
lialysierversuches  zu  nehmen.  Es  sollte  durch  diese  \or- 
ohrift  garantiert  werden,  dass  jeder  Untersucher  die  gleichen 
lewebe  zur  Anwendung  bringt  und  nicht  etwa  das  eine  Mal 
liese  Zellarten  und  ein  anderes  Mal  wieder  ganz  andere. 

Nun  ist  die  Schwangerschaft  oft  mit  Stö- 
ungen  aller  Art  verknüpft.  Auch  diese  können  zur 
Bildung  von  Schutzfermenten  führen.  Jede  Zellart,  die  nicht 
genügend  oder  unrichtig  abgebautes  Material  dem  Blute  über¬ 
gibt,  wird  Schutzfermente  veranlassen  können.  Es  ist  wohl 
lenkbar,  dass  während  der  Schwangerschaft  manches  Organ 
n  Mitleidenschaft  gezogen  wird  und  vorübergehend  oder  auch 
lauernd  zu  einer  Dysfunktion  kommt.  So  konnte 
c h  in  vier  Fällen2)  von  Eklampsie  einen  anf¬ 
allend  starken  Abbau  von  Lebergewebe  und 
n  einem  Falle  auch  von  Schilddrüsengewebe 
teobachten3).  Man  wird  in  jedem  Falle,  wenn  einwand- 
rei  bewiesen  wird,  dass  in  bestimmten  Fällen  von  Gravidität 
-ermente  vorhanden  sind,  die  verschiedenartige  Gewebe  un¬ 
reifen,  genau  analysieren  müssen,  ob  nicht  bestimmte  Organ- 
-törungen  vorliegen. 

Es  ist  selbstverständlich  a  priori  mög- 
ich,  ja  ganz  sicher  zu  erwarten,  dass  auch 
mdere  Prozesse  als  die  Schwangerschaft  zu 
Jen  gleichen  Schutzfermenten  führen.  Es  muss 
Jies  dann  der  Fall  sein,  wenn  Prozesse  vorliegen,  die  die 
deichen  Zellarten  in  ihrem  Stoffwechsel  stören.  Ein  Uterus- 
Karzinom  könnte  z.  B.  den  gleichen  Effekt  haben,  wie  eine 
Schwangerschaft. 

Bis  jetzt  ist  von  mir  auf  Grund  von  ca.  200 
Einzeluntersuchungen  nur  die  Tatsache  fest-  1 
gestellt  worden,  dass  die  Diagnose  Schwan¬ 
gerschaft  durch  Prüfung  des  Verhaltens  des 
Blutserums  gegenüber  Plazentagewebe  mög¬ 
lich  ist.  Unter  den  untersuchten  Fällen  findet  sich  eine 
sehr  grosse  Zahl  von  normalen  Graviditäten.  Es  sind  jedoch 
auch  ca.  30  Differentialdiagnosen  zwischen  Extrauterin¬ 
gravidität  und  Adnextumor  ausgeführt  worden.  Bis  auf 
einen  einzigen,  noch  unaufgeklärten  Fall  ist 
keine  einzige  Fehldiagnose  gestellt  worden. 
Diese  Ausnahme  gab  deutlich  positive  Reaktion  im  Dialysier- 
verfahren.  Die  Untersuchung  wurde  vor  und  nach  der  Ope¬ 
ration  ausgefiihrt.  Die  Operation  ergab  Salpingitis.  Auffallen¬ 
der  Weise  blieb  die  Menstruation  aus.  Es  trat  Kolostrum 
auf.  Der  Uterus  erwies  sich  vergrössert.  Mit  grösster  Wahr¬ 
scheinlichkeit  wurde  nun  auch  klinisch  die  Diagnose  in-  j 
trauterine  Gravidität  gestellt.  Bei  einer  späteren  Vorstellung 
der  Patientin  ergab  sich  ein  kleiner  Uterus,  somit  keine  Gravi¬ 
dität.  Da  in  diesem  Falle  der  Uterus  ganz  sicher  vergrössert 
war  und  auch  sonst  sich  alle  Erscheinungen  einer  beginnen¬ 
den  Gravidität  zeigten,  so  wäre  es  denkbar,  dass  —  falls  man 
einen  während  der  Zeit,  in  der  die  Patientin  sich  ausserhalb 
der  Beobachtung  fand,  erfolgten  Abort  ausschliessen  will  — 
die  Zellen  des  Uterus  in  einem  Zustand  der  Störung  sich  be- 
ianden  und  Stoffe  an  das  Blut  abgaben,  die  diesem  fremd 
waren. 

Ich  habe  in  der  richtigen  Erkenntnis,  dass 
die  Frage  nach  der  streng  spezifischen  Wir¬ 
kung  der  Schutzfermente  nur  vom  Kliniker 
mit  seiner  reichen  Erfahrung  und  seinem 

s)  In  allen  bis  jetzt  daraufhin  untersuchten  Fällen. 

:l)  Ich  beabsichtige,  in  Zukunft  vor  allem  auch  Tubengewebe  und 
Ovarien  zu  prüfen.  Es  wäre  denkbar,  dass  besonders  die  letzteren 
während  der  Schwangerschaft  immer  und  nach  irgendeiner  Richtung 
in  Mitleidenschaft  gezogen  sind. 


grossen  Materiale  entschieden  werden  kann, 
mich  in  der  Hauptsache  darauf  beschränkt, 
meine  Methoden  möglichst  allgemein  zu¬ 
gänglich  zu  machen  und  sie  vor  allem  persön¬ 
lich  zu  lehren.  Es  ist  für  die  weitere  Forschung  nur 
vorteilhaft,  wenn  festgestellt  wird,  ob  es  Fälle  gibt,  bei  denen 
auf  Plazentagewebe  eingestellte  Schutzfermente  Vorkommen, 
ohne  dass  Schwangerschaft  vorliegt.  Eine  solche  Feststellung 
würde  selbstverständlich  meine  Forschungen  und  ihre  Resul¬ 
tate  nicht  in  ihrem  Werte  einschränken,  wohl  aber  würde  die 
praktische  Verwertung  der  Methoden  begrenzt  werden. 

Eine  sehr  r.e  i  c  h  e  Erfahrung  hat  nun  ge¬ 
zeigt,  dassdievon  mir  angegebenen  Methoden 
nicht  Emmer  exakt  angewandt  werden.  Es 
wird  sehr  oft  verkannt,  dass  jede  Einzelheit  der  Vor¬ 
schriften  von  Bedeutung  ist.  Vor  allem  wird  über¬ 
sehen,  dass  von  der  Beschaffenheit  der  an¬ 
gewandten  Organe  alles  abhängt.  In  letzter  Zeit 
hatte  ich  Gelegenheit  festzustellen,  dass  das  Serum  bei  Karzi¬ 
nom,  bei  fieberhaften  Erkrankungen  aller  Art,  bei  Exsudaten 
usw.  auffallend  viele  tiefe  Eiweissabbaustufen  enthält.  Diese 
Fälle  bilden  eine  Klippe,  an  der  wohl  die 
meisten  Untersucher  scheitern.  Es  ist  klar,  dass, 
wenn  das  Serum  allein  schon  fast  soviele  Stoffe  enthält,  die 
dialysieren  und  mit  Ninhydrin  reagieren,  dass  es  dann  sehr 
leicht  zu  einer  Fehldiagnose  kommen  muss,  wenn  das  ver¬ 
wendete  Organ  auch  nur  eine  Spur  von  Stoffen  dem  Dialysat 
übergibt,  die  die  Ninhydrinreaktion  geben.  Eine  Kontroll- 
probe  mit  dem  Organ  allein  kann  natürlich  nicht  vor  einem 
Irrtum  schützen! 4)  Nur  Versuche,  die  unter  der  folgenden,  ver¬ 
schärften  Bedingung  ausgeführt  sind,  führen  zu  eindeutigen 
Resultaten.  Vom  zu  verwendenden  absolut  blut¬ 
freien,  vollständig  ausgekochten  Organe 
kochtman  vor  jedem  Versuche  soviel,  als  man 
anwenden  will,  mit  der  fünffachen  Menge 
Wasser  5  Minuten  lang.  Nun  wird  durch  ein 
gehärtetes  Filter  filtriert.  Zu  5  ccm  des  Fil¬ 
trates  gibt  man  1  ccm  einer  lproz.  wässerigen 
Ninhydrinlösnng  und  kocht  genau  1  Minute. 
Nur  dann,  wenn  jede  Reaktion  ausbleibt,  darf 
das  Organ  benutzt  werden.  Man  bewahre  die 
gekochten  Organe  zwischen  viel  Chloroform 
und  Toluol  in  sterilisiertem  Wasser  auf. 
Wiederholt  sei  auch  darauf  hingewiesen, 
dass  jede  Spur  von  Hämolyse  das  Serum  un¬ 
verwertbar  macht. 

Ich  würde  gegenüber  der  Behauptung,  dass  das  Serum 
von  Schwangeren  auch  ab  und  zu  andere  Gewebe  ausser 
Plazenta  angreift  und  ferner  auch  das  Serum  Nichtschwan¬ 
gerer  —  speziell  von  Karzinomträgern  —  Plazentagewebe  ab¬ 
baut,  nicht  so  skeptisch  sein,  wenn  ich  nicht  fast  Tag  für  Tag 
Gelegenheit  hätte,  solche  Behauptungen  nachzuprüfen. 
Immer  zeigt  es  sich,  dass  die  Organe  unge¬ 
nügend  vorbereitet  sind.  So  ergab  z.  B.  ein  nicht 
genügend  ausgekochtes  Karzinom  eine  positive  Reaktion  mit 
Serum  von  Schwangeren,  von  Karzinomatösen  und  auch  mit 
Kuhserum  (tragendes  Tier).  Ferner  wurde  ein  Myom  von 
Rinderserum  „abgebaut“. 

Sobald  die  Organe  nach  meiner  Vorschrift  vorbereitet 
waren,  blieben  die  auffallenden  Reaktionen  gänzlich  aus.  Ich 
verfüge  über  mehrere  Hunderte  von  solchen  Versuchen. 
Serum  von  Personen,  die  ein  Karzinom  hatten,  ergab  mit 
Plazenta,  die  noch  Spuren  von  auskochbaren,  löslichen,  mit 
Ninhydrin  reagierenden  Stoffen  enthielt,  sehr  oft  positive 
Reaktionen.  Der  Parallelversuch  mit  einwandfreier  Plazenta 
fiel  immer  negativ  aus. 

Diese  sich  ständig  wiederholenden  Er¬ 
fahrungen  zwingen  mich,  mit  allem  Nach¬ 
druck  zu  verlangen,  dass  meine  Vorschriften 
auf  das  exakteste  befolgt  werden.  Ergeben  sich 
besondere  Befunde,  dann  ist  die  Untersuchung  zu  wiederholen 
und  auch  mittels  der  optischen  Methode  zu  kontrollieren. 
Bleibt  das  Resultat  unverändert,  dann  muss  unbedingt  der 


4)  Vgl.  hierzu  das  Rechenbeispiel  in  dieser  Wochenschrift.  No.  8. 

1913. 


4M  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _  _  No.  9. 


Fall  genau  analysiert  und  geprüft  werden,  ob  der  Ausfall  des  ] 
Versuches  nicht  durch  eine  besondere  Störung  eines  oder 
mehrerer  Organe  zu  erklären  ist.  Man  wird  auf  diesem  Wege 
gewiss  weiter  kommen,  als  wenn  in  aller  Eile  durch  Massen¬ 
versuche  —  dazu  ist  die  äusserst  subtile  Methode  sowieso  gar 
nicht  geeignet  —  festgestellt  wird,  dass  in  so  und  so  viel 
Fällen  Versager  aufgetreten  sind.  Vor  allen  Dingen  muss  ge¬ 
fordert  werden,  dass  bei  der  Mitteilung  der  Versuche  immer 
genau  angegeben  wird,  ob  die  Organe  nach  der  neuen  Vor¬ 
schrift  geprüft,  wirklich  absolut  frei  von  reagierenden  Stoffen 
waren. 

Bis  jetzt  ist  in  der  Literatur  nur  über  sehr 
günstige  Resultate  berichtet  worden.  Ich 
verweise  auf  die  Mitteilungen  von  Frank  und 
Heinemann,  Franz,  Pfeiffer,  Piorkowski, 
Henkel  und  Fauser.  Letzterer,  der,  wie  ich  mich 
überzeugen  konnte,  die  Methodik  in  ausgezeichneter  Weise 
beherrscht,  hat  eine  grosse  Fülle  von  Material  beigebracht, 
das  zeigt,  dass  die  Schutzfermente  jedenfalls  spezifisch 
sein  können.  Ich  selbst  habe  in  diesen  Tagen  drei 
interessante  Fälle  zur  Untersuchung  erhalten.  Bei  dem 
einen  war  ein  Abbau  von  Plazentagewebe  nicht  sicher 
feststellbar,  wohl  aber  wurde  Lebergewebe  und  Nieren¬ 
gewebe  stark  abgebaut.  Es  lag  eine  Schwangerschaft  mit 
Nephritis  vor.  Sollte  da  nicht  das  Primäre  der  mangelhafte 
resp.  gar  nicht  erfolgte  Abbau  des  blutfremden  Materials  ge¬ 
wesen  sein?  Auffallend  war  bei  diesem  Falle  das  sehr  hohe 
Drehungsvermögen  des  Blutserums.  Sein  Eiweissgehalt  war 
abnorm  hoch.  Der  zweite  Fall  war  verdächtig  auf  Gravidität. 
Die  Untersuchung  ergab  ein  negatives  Resultat  mit  Plazenta 
und  Lebergewebe,  dagegen  wurde  Schilddrüsengewebe  sein- 
stark  abgebaut.  Die  Patientin  leidet  an  Myxödem.  Ein  Fall 
von  Basedow  scher  Krankheit  ergab  Abbau  von  Schild¬ 
drüse  und  Ovarien.  Leber  und  Hoden  wurden  nicht 
abgebaut. 

Zusammenfassung.  Die  Prüfung,  ob  eine  sero¬ 
logische  Diagnose  der  Schwangerschaft  mittels  der  optischen 
Methode  und  dem  Dialysierverfahren  möglich  ist,  wurde  unter 
der  Vorstellung  aufgenommen,  dass  streng  spezifisch  einge¬ 
stellte  Fermente  nicht  zu  erwarten  seien.  Die  Erfahrung  hat 
dann  gezeigt,  dass  sehr  vieles  dafür  spricht,  dass  eine  ziem¬ 
lich  eng  —  auf  die  mannigfaltigen  Proteine  der  Plazenta  — 
begrenzte  spezifische  Wirkung  vorhanden  ist.  Die  Mög¬ 
lichkeit,  dass  eine  gründliche  Untersuchung 
aller  möglichen  klinischen  Fälle  die  Anwend¬ 
barkeit  der  Methoden  beschränkt,  ist  durch¬ 
aus  gegeben,  doch  wird  man  erst  dann  ein 
definitives  Urteil  fällen  können,  wenn  Unter¬ 
suchungen  vorliegen,  die  unter  genauer  Inne¬ 
haltung  der  Vorschriften  der  äusserst  sub¬ 
tilen  Methoden  durch  geführt  sind.  Es  wird  ein 
Fall  von  Salpingitis  mitgeteilt,  der  ein  positives  Resultat  er¬ 
gab,  bei  dem  es  zweifelhaft  geblieben  ist,  ob  gleichzeitig  eine 
intrauterine  Gravidität  bestand.  Ferner  war  in  einem  Falle 
von  Schwangerschaftsnephritis  die  Reaktion  äusserst  schwach. 
Unter  ca.  200  Fällen  kam  nur  die  eine,  eben  erwähnte,  nicht 
ganz  aufgeklärte  Fehldiagnose  vor.  Nur  eine  genaue  Ana¬ 
lyse  der  Fälle  unter  peinlichster  Innehaltung  der  Vorschriften 
kann  zu  Resultaten  führen,  die  eindeutig  sind  und  vielleicht 
trotz  abweichenden  Resultaten  oder  vielleicht  gerade  deshalb 
weitere  interessante  Fragestellungen  zeitigen. 

Bis  jetzt  lautete  die  Fragestellung:  Gelingt  es, 
normale  Nichtschwangere  und  normale 
Schwangere  am  Verhalten  des  Blutserums 
gegenüber  Plazentagewebe  zu  unterscheiden? 
Diese  Fragestellung  muss  auf  Grund  der  Erfahrungen  der  oben 
erwähnten  Autoren  und  meiner  eigenen  bejaht  werden.  Nun 
ist  die  praktisch  sehr  wichtige  Frage  hinzugekommen:  Wie 
verhalten  sich  Nichtschwangere,  die  sich 
unter  pathologischen  Verhältnissen  be¬ 
finden?  Ich  selbst  konnte,  wie  schon  erwähnt,  bis  jetzt  nur 
in  zwei  Fällen  (Salpingitis,  Schwangerschaftsnephritis) 
Abweichungen  feststellen.  20  Fälle  von  Karzinom  Hessen 
sich  scharf  von  Schwangerschaft  unterscheiden  und  ebenso 
Fälle  von  Adnextumoren  aller  Art.  Die  zweite  Frage¬ 
stellung  kann  nur  vom  Kliniker  entschieden  werden.  Es 


ist  im  Interesse  der  Forschung  von  grösster  Bedeutung 
wenn  die  Untersuchungen  so  eindeutig  als  möglich  gestalte! 
werden.  Jede  Mitteilung  von  Resultaten,  die  nicht  aui 
ganz  einwandfrei  durchgeführten  Resultaten  beruht,  wira 
das  ganze  Forschungsgebiet  auf  eine  unrichtige  Bahn  bringen 
Wäre  die  Biuretreaktion  leichter  erkennbar,  dann  würden  die 
Versuche  nicht  so  leicht  mit  Fehlern  behaftet  werden,  wei 
bei  dieser  Reaktion  die  Gefahr  einer  Addition  von  aus  den 
Serum  und  dem  Organ  --  natürlich  aus  diesem  nur  bei  unge¬ 
nügender  Vorbereitung  —  stammenden  dialysierbaren,  mi 
Natronlauge  und  Kupfersulfat  reagierenden  Stoffen  fortfällt 
Mit  der  Einführung  der  Ninhydrinreaktion  ist  das  Dialysier 
verfahren  allgemein  verwendbar  geworden,  jedoch  ist  gleich 
zeitig  die  Gefahr  stark  vergrössert  worden,  dass  Fehlerquelle! 
übersehen  werden. 


Aus  der  dermatologischen  Klinik  (Direktor:  Prof.  Herx 
he  im  er)  und  der  medizinischen  Klinik  (Direktor:  Prof 
Schwenkenbecher)  des  städtischen  Krankenhauses  zi 

Frankfurt  a.  M. 

Salvarsan  und  Liquor  cerebrospinalis  bei  Frühsyphilis 
nebst  ergänzenden  Liquoruntersuchungen  in  der  Latenzzeit 

[Erfahrungen  mit  Salvarsan  III  *)]. 

Von  Dr.  KarlAltmann  und  Dr.  Georges  L.  D  r  e  y  f  u  s 

Seit  der  Anwendung  des  Salvarsans  ist  die  Aufmerksam 
keit  der  Syphilidologen  auf  bisher  stark  vernachlässigte  Ge 
biete  frühsyphilitischer  Erkrankungen  gelenkt  worden.  S 
ist  besonders  durch  das  anfänglich  gehäufte  Auftreten  de1 
lediglich  im  Frühstadium  beobachteten  Neurorezidive  di 
Kenntnis  der  luetischen  Erkrankungen  des  Nervensystems  i 
jener  Periode  ausserordentlich  vertieft  worden,  so  dass  ma 
gewissermassen  von  einer  neuen  Epoche  in  der  Pathologie  dt 
Lues  sprechen  kann. 

In  jüngster  Zeit  beanspruchen  weitgehendes  Interesse  di 
durch  die  Frühsyphilis  bedingten  Veränderungen  der  Lumba 
fliissigkeit  ohne  sonstige  klinische  Erscheinungen  von  seite 
des  Nervensystems,  nachdem  sich  die  Ueberzeugung  Bali 
gebrochen  hatte,  dass  die  Liquorveränderungen  der  feinsj 
Gradmesser  aktiver  syphilitischer  Veränderungen  am  Nervei 
System  sind. 

Während  in  dem  Streit  der  Meinungen  um  die  Neun 
rezidive  die  Rolle  des  Salvarsans  im  wesentlichen  geklärt  e 
scheinen  muss,  ist  dies  bezüglich  der  Wirkung  dieses  Mitte; 
auf  den  Liquor  cerebrospinalis  durchaus  noch  nicht  der  Fa 

Ravaut1)  und  nach  ihm  L  e  v  y  -  B  i  n  g,  Duroeu 
und  D  o  g  n  y  -)  waren  die  ersten,  die  den  Einfluss  des  Sa 
varsans  auf  den  Liquor  cerebrospinalis  bei  frischer  Lues  st 
dierten.  Sie  kamen  zu  ungemein  überraschenden  Schlüsse 
die  darin  gipfeln,  dass  bei  der  frischen  Lues  dem  Salvars; 
eine  starke  provokatorische  Komponente  innewohne,  in  de 
Sinne,  dass  der  normal  oder  mässig  veränderte  Liquor  sh 
nach  Salvarsan  verschlechtere.  Die  Schlüsse,  die  Ravai 
aus  seinen  Untersuchungen  zog,  fanden  lebhaften  Wide- 
spruch,  u.  a.  in  Arbeiten  von  Wechselmann3),  Drey 
f  u  s  4),  S  p  i  e  t  h  o  f  f 5),  Z  a  1  o  z  i  e  c  k  i  °)  und  Marcus7). 

Die  Befunde  der  französischen  Autoren  sind  so  wichtig  (' 
die  Frage  der  Salvarsantherapie  bei  der  frischen  Lues,  inj- 
besondere  bei  der  Lues  secundaria,  dass  sie  eine  Nachprüfu; 


*)  I  und  II:  diese  Wochenschrift  1912,  No.  33/34,  40/42. 

*)  P.  Ravaut:  Les  reactions  nerveuses  tardives  observes  cP 
certains  syphilitiques  traites  par  le  Salvarsan.  Presse  medic;' 
1912,  No.  18. 

2)  Levy-Bing,  Duroeux  et  Dogny:  Etüde  du  liqub 
cephalo-rachidien  chez  les  syphilitiques,  traites  par  le  Salvars.- 
Annales  des  malad,  vener.  1912,  Heft  2. 

3)  Wechsel  mann:  Ueber  die  Wirkung  des  Salvarsans  d 
die  Zerebrospinalflüssigkeit.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  ■ 

4)  G.  L.  Dreyfus:  Nervöse  Spätreaktionen  Syphilitischer  nsi 
Salvarsan?  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  19. 

’)  B.  Spie  th  off:  Salvarsan  und  Nervensystem.  Münch,  m  • 
Wochenschr.  1912,  No.  20/21. 

8)  A.  Zaloziecki:  Liquor  cerebrospinalis  und  Salvars- 
Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  36. 

7)  K.  Marcus:  Die  Bedeutung  der  Lumbalpunktion  bei  Sypln 
Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.,  Bd.  114,  1912. 


Marz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


465 


i  einem  ausgedehnteren  Material,  als  es  diesen  Autoren  zur 
erfiigung  stand,  dringend  wünschenswert  erscheinen  Hessen, 
isbesondere  war  es  wichtig,  festzustellen,  ob  analog  dem 
ntstehungsmechanismus  der  Neurorezidive  auch  bei  den  von 
anzösischer  Seite  beobachteten  Verschlechterungen  der 
umbalflüssigkeit  der  Unterdosierung  des  S  a  1  - 
a  r  s  a  n  s  die  gleiche  ausschlaggebende  Bedeutung  zukomme. 

Wir  untersuchten  an  170  Fällen  der  verschiedensten 
tadien  der  Lues  das  Verhalten  des  Liquor  cerebrospinalis 
id  haben  diese  Untersuchungen  unter  folgenden  Gesichts- 
inkten  ausgeführt: 

Bei  der  frischen  Lues  wollten  wir  mit  allen  modernen 
ntersuchungsmethoden  eventuelle  Veränderungen  der  Lum- 
ilflüssigkeit  vor  irgend  welcher  Behandlung  eruieren,  und 
isserdem  untersuchen,  in  welcher  Weise  der  Liquor  durch 
ie  Salvarsantherapie  beeinflusst  wird.  Wir  begannen  die 
ehandlung  ausschliesslich  mit  Salvarsan  und  Hessen  in  all 
jn  Fällen,  in  denen  es  die  äusseren  Umstände  gestatteten, 
ewöhnlich  nach  der  3.  oder  4.  Salvarsaninjektion  (Gesamt- 
osis  bis  dahin  1,3— 1,8  g)  die  2.  Lumbalpunktion  folgen, 
iese  musste  uns  natürlich  den  unmittelbaren  Einfluss  des 
littels  auf  die  Lumbalflüssigkeit  dartun.  Nach  der  2.  Punktion 
urde  dann  im  Interesse  der  Patienten  zu  einer  kombinierten 
ehandlung  (Salvarsan  und  Hg.  sal.)  übergegangen.  Wo  es 
ch  ermöglichen  Hess,  erfolgte  dann  die  3.  Punktion  nach  ab- 
eschlossener  Salvarsanbehandlung,  aber  meist  vor  Beendi- 
ung  der  Quecksilbertherapie.  So  haben  wir  auch  in  dem 
urch  die  3.  Punktion  erhaltenen  Liquor  im  wesentlichen  den 
influss  des  Salvarsans  vor  uns,  da  die  bis  dahin  injizierten 
luecksilbermengen  ausserordentlich  gering  sind.  So  wün- 
:henswert  natürlich  auch  weitere  Punktionen  gewesen  wären, 
d  ist  es  uns  doch  nur  in  wenigen  Fällen  möglich  gewesen, 
mgere  Zeit  nach  Abschluss  der  Therapie  eine  4.  Punktion 
)lgen  zu  lassen. 

Ausserdem  haben  wir  im  ganzen  104  Fälle  —  meist  nur 
inmal  —  punktiert,  die  sicher  in  früheren  Jahren  eine  luetische 
lfektion  durchgemacht  hatten  und  mit  Quecksilber  —  durch¬ 
weg  ganz  ungenügend  und  rein  symptomatisch  —  behandelt 
orden  waren.  Diese  Kranken  kamen  nicht  wegen  Lues, 
andern  wegen  irgendwelcher  inneren  Erkrankung  in  die  Klinik 
nd  hatten  objektiv  keine  Erscheinungen  am 
entralnervensystem.  Wir  wollten  an  diesen  Patien- 
m  feststellen,  ob  und  welche  Veränderungen  der  Lumbal- 
üssigkeit  nach  kürzer  oder  länger  zurückliegender  Infektion 
1—43  Jahre)  gefunden  werden. 

Die  von  uns  angewandte  Methodik  der  Untersuchung  der 
umbalflüssigkeit  ist  bereits  von  Dreyfus8)  ausführlich  er- 
iutert  worden,  so  dass  wir  darauf  verweisen  können. 

Was  die  Beurteilung  der  chemisch-zytologischen  Liquor- 
eränderungen  anlangt,  so  bezeichnen  wir  im  folgenden,  ohne 
ies  immer  zu  wiederholen  als: 

1.  Massige  Veränderungen:  Eiweiss:  normal  (bis 
eilsti  ich  3),  Phase  I :  negativ,  bis  Opaleszenz,  Zellen:  im  Kubik- 
lillinieter  resp.  Sediment)  bis  15. 

2.  Mittlere  Veränderungen:  Eiweiss:  vermehrt  oder 
armal,  Phase  I:  mehr  als  Opaleszenz,  Zellen:  16 — 30. 

3.  SchwereVeränderungen:  Eiweiss:  vermehrt  oder 
:>i mal,  Phase  1 :  mehr  als  Opaleszenz,  Zellen:  mehr  als  30  (meist 
ier  50). 

Bei  Ausführung  der  Wassermann  sehen  Reaktion 
urde  der  Liquor  bei  den  frischen  Luesfällen  durchgehend 
ach  der  von  Hauptmann9)  zuerst  angegebenen  Methode 
is  1,0  ausgewertet.  Irgendwelche  Selbsthemmungsvorgänge, 
ie  zu  irreführenden  Schlüssen  führen  könnten,  beobachteten 
ir  nicht.  Sollten  übrigens  dergleichen  Erscheinungen  in 
öheren  Konzentrationen  einmal  auftreten,  so  würde  ja  die 
enaue  Beobachtung  der  Kontrollen  vor  Irrtiimern  schützen. 
Vichtig  ist  es,  hervorzuheben,  dass  wir  bei  einer  Anzahl  nor- 
'  a  1  e  r  Fälle  feststellen  konnten,  dass  bei  ihnen  im  Liquor 
uch  bei  höheren  Konzentrationen  durch  die  bei  der  Wasser- 
1  an n sehen  Reaktion  üblichen  Versuchsbedingungen  Hem- 
lungerscheinungen  nie  beobachtet  wurden. 

8)  G.  L.  D  r  e  y  f  u  s :  Die  Untersuchungsmethoden  des  Liquor  cere- 
rospinalis  bei  Syphilis.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  47. 

*)  A.  Ha  up  tmann:  Die  Vorteile  der  Verwendung  grösserer 
iquormengeri,  „Auswertungsmethode“.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nerven- 

dlkuride,  Bd.  42. 

No.  9. 


Zur  W  a  s  s  e  r  m  a  u  n  sehen  Reaktion  möchten  wir  noch 
bemerken,  dass  wir  diese  sowohl  im  Blut  als  auch  im  Liquor 
ausser  nach  der  bisher  üblichen  Methode  (Ablauf  der  Bin¬ 
dungsphase  im  Brutschrank)  auch  in  einer  von  Jacobs¬ 
thal  10)  angegebenen  Modifikation  (Ablauf  der  Bindungs¬ 
phase  im  Eisschrank)  ausgeführt  haben,  über  deren  Zweck¬ 
mässigkeit  bereits  ausführlich  A  1 1  m  a  n  n  und  Zimmern11) 
berichtet  haben. 


Verhalten  der  Lumbalfliissigkeit  bei  Lues  I.  (Tabelle  1.) 


Zahl  der 

Fälle 

Wassermann 
im  Blut 

Wassermann 
im  Liquor 

Liquordruck 

Liquor 

chemisch-zytolog. 

Kälte 
schw.  + 
Wärme  — 

+ 

-1,0 

normal 

ge¬ 

steigert 

normal 

mässige 

Ver¬ 

änderungen 

5 

5 

5 

l 

4 

5 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

2 

1 

1 

1 

2 

8 

5 

1 

2 

7 

2 

6 

6 

2 

Die  Tabelle  zeigt,  dass  unter  den  8  Fällen  primärer  Lues 
6  ausser  Drucksteigerung  (200 — 300  mm)  normale  Liquorver¬ 
hältnisse  aufweisen. 

Der  7.  und  8.  Fall  bieten  mit  13  resp.  7  Zellen  im  Kubik¬ 
millimeter  und  positiver  Phase  I  (Opaleszenz)  mässige  patho¬ 
logische  Veränderungen  dar,  und  es  ist  wohl,  wie  wir  später 
sehen  werden,  vielleicht  nicht  ganz  zufällig,  dass  diese  Fälle 
im  Gegensatz  zu  den  anderen  bereits  positive  Serumreaktion 
aufweisen. 

Was  die  Drucksteigerung  anlangt,  so  ist  immerhin  auf¬ 
fällig,  dass  wir  ihr  unter  den  8  untersuchten  Fällen  6  mal  be¬ 
gegnen.  Wenn  wir  ihr  auch  im  Gegensatz  zu  anderen  Autoren 
eine  übermässig  pathognomonische  Bedeutung  nicht  zu¬ 
schreiben  können,  so  legt  ihr  überwiegendes  Vorkommen  im 
Primärstadium  der  Lues,  das  in  einem  deutlichen  Gegensatz 
zu  den  Verhältnissen  der  späteren  Stadien  steht,  den  Gedanken 
nahe,  dass  es  sich  hier  bereits  um  ein  prämonitorisches  Sym¬ 
ptom  handelt,  das  eventuellen  Liquorveränderungen  voran¬ 
gehen  könnte. 


Verhalten  der  Lumbalflüssigkeit  bei  Lues  I  +  II.  (Tabelle  2.) 


Zahl  der  1 
Fälle 

Wasser¬ 
mann 
Blut  + 

Wasser¬ 
mann 
Liquor  — 
bis  1,0 

Liquordruck 

Liquor 

chemisch-zytologisch 

normal 

mässige 

mitt¬ 

lere 

starke 

normal 

ge¬ 

steigert 

Veränderungen 

3 

3 

3 

3 

3 

4 

4 

4 

4 

4 

9 

9 

9 

7 

2 

9 

2 

2 

2 

1 

1 

2 

— 

3 

3 

3 

3 

3 

21 

21  . 

21 

11 

10 

7 

9 

2 

3 

Ganz  andere  Verhältnisse  finden  wir  bei  den  Frühfällen, 
bei  denen  es  neben  dem  Primäraffekt  bereits  zum  Auftreten 
sekundärer  Erscheinungen  gekommen  ist.  Der  Druck  ist  weit 
weniger  oft  gesteigert,  denn  während  im  Primärstadium  das 
Verhältnis  der  Fälle  mit  Drucksteigerung  zu  den  normalen  6:  2 
ist,  ist  es  hier  10:  11.  Dagegen  treten  aber  hier,  entsprechend 
der  Dissemination  der  Spirochäten  im  ganzen  Körper  che- 
misch-zytologische  Veränderungen  des  Liquors  in  den  Vorder¬ 
grund. 

Hauptsächlich  finden  wir  mässige  Veränderungen 
(unter  21  Fällen  9  mal),  während  mittlere  und  starke  Ver¬ 
änderungen  in  der  Minderzahl  sind  (5  mal  unter  21  Fällen). 
Wir  begegnen  hier  nur  3  völlig  normalen  Fällen,  und  wenn 
wir  von  der  Drucksteigerung  absehen  7,  die  sonst  normale 
Verhältnisse  aufweisen.  Die  Wassermann  sehe  Reaktion 
im  Liquor  ist  in  diesem  Stadium  der  Lues  noch  bis  1,0  negativ. 


10)  E.  Jacobsthal:  Notiz  zur  Theorie  und  Praxis  der 
Wassermann  sehen  Reaktion.  Münch,  med.  Wochenschr.  1910, 
No.  13. 

u)  A  1 1  m  a  n  n  und  Zimmern:  Ueber  den  Einfluss  der  I  em- 
peratur  auf  die  Komplementbindung  bei  Syphilis.  Arch.  f.  Derma t. 
u.  Syph.,  Bd.  111,  1912. 


3 


466 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  9. 


Verhalten  der  Lumbalfliissigkeit  bei  Lues  II.  (Tabelle  3.) 


T 

3 

10 

0 

12 


35 


Wasser¬ 
mann 
Blut  + 


7 

3 

3 

10 


12 


Wassermann 

Liquor 


bis  1,0 


+  bei 
Auswertung 


Liquordruck 


nicht 
normal !  be- 
I  stimmt 


ge¬ 

steigert 


7 

3 

3 

9 


1  (+1,0) 
/  1X0,2  \ 

WixM, 

\  3X1,0 y 


35 


24 


11 


6 

6 

3 


1 

3 


3 

4 


15 


16 


Liquor 

chemisch-zytolo  g. 


to 

B's  1  a- 


Veränderungen 


13 


10 


12 


10  0  I  12 


Mit  der  weiteren  Ausbreitung  des  syphilitischen  Prozesses 
findet  sich  auch  eine  weitere  Steigerung  der  pathologischen 
Veränderungen  des  Liquors. 

Was  zunächst  die  Drucksteigerung  anlangt,  so  findet  sie 
sich  bei  unseren  Fällen  nicht  häufiger  als  bei  Lues  I  +  II. 
Auch  die  (inkl.  der  Drucksteigerung)  normalen  Befunde  sind  in 
diesem  Stadium  ungefähr  die  gleichen  wie  vorher  (15:35). 

Dagegen  findet  sich  bei  der  annähernd  gleichen  Zahl  von 
Fällen  eine  deutliche  Zunahme  der  schweren  Verände¬ 
rungen  im  Liquor. 

Während  bei  Lues  1  +  II  die  Zellzahl  nur  in  einem  Fall 
bis  76  im  Kubikmillimeter  stieg,  und  Eiweiss  nur  in  2  Fällen 
bei  stark  positiver  Phase  I  (Trübung)  4  resp.  4%  betrug, 
fanden  wir  in  diesem  Stadium  der  Lues  6  mal  eine  ebensolche 
starke  Eiweiss-  und  Globulinvermehrung  und  Zellzahlen,  die 
von  175 — 500  im  Kubikmillimeter  schwankten.  Bei  Lues  II 
begegnen  wir  zuerst  der  positiven  Wassermann  sehen 
Reaktion  im  Liquor  bei  der  Auswertung  (gewöhnlich  erst  bei 
0,8  und  1,0,  einmal  schon  bei  0,2).  Wenn  auch  die  positive 
Reaktion  nicht  Hand  in  Hand  geht  mit  der  Schwere  der 
sonstigen  Liquorveränderungen  (5  mal  bewegte  sich  bei  posi¬ 
tiver  Wassermannreaktion  im  Liquor  die  Zellzahl  in  relativ 
mässigen  Grenzen  [14 — 37  im  Kubikmillimeter],  ebenso  auch 
die  Eiweiss-  und  Globulinvermehrung),  so  sind  wir  ihr  doch 
bei  den  ganz  schweren  Liquorveränderungen  mit  hoher 
Zellzahl  (über  100)  regelmässig  begegnet.  Nur  ein  ein¬ 
ziges  Mal  fanden  wir  sie  bei  ganz  geringen  Liquorverände¬ 
rungen. 


Verhalten  der  Lumbalfliissigkeit  bei  Lues  III.  (Tabelle  4.) 


Zahl  der 
Fälle 

Wasser¬ 
mann 
Blut  + 

Wasser¬ 
mann 
Liquor  — 
bis  1,0 

Liquordruck 

Liquor 

chemisch-zytologisch 

normal 

gesteigert 

normal 

mässige 

Veränderungen 

2 

2 

2 

1 

1 

1 

1 

Die  Zahl  dieser  Fälle  ist  zu  gering,  um  sich  ein  Urteil  zu 
bilden.  Immerhin  mag  erwähnt  werden,  dass  der  eine  Fall 
mit  Gummen  am  weichen  Gaumen  und  normalem  Liquor  mit 
Quecksilber  einige  Jahre  zuvor  mehrfach  behandelt  worden 
war,  während  der  andere  Kranke  mit  mässigen  Liquorverände¬ 
rungen  (Druck  300,  Zellen  im  Kubikmillimeter  13,  sonst  nor¬ 
mal),  der  tuberöse  Syphilide  an  den  Armen  aufwies,  noch  keine 
Behandlung  durchgemacht  hatte. 


Uebersichtstabelle.  (Tabelle  5.) 


Stadium 

der 

Lues 

Zahl  der  Fälle 

Wassermann 

Blut 

Wassermann 

Liquor 

Liquor¬ 

druck 

Liquor  ehern. - 
zytologisch 

Von  d.  Gesamth. 
d.  Fälle  Liquor 
völlig  normal 
(betr.  Wasserm., 
Druck,  ehern. -zyt. 
Verh.) 

1 

schwach  -|- 

+ 

-1,0 

(!) 

<  e 

3 

<D 

43  <U 
+  * 

normal 

nicht  bestimmt 

gesteigert 

normal 

..  .  1 

massige 

mittlere 

starke  Ver¬ 
änderungen 

Lues  1 

8 

5  1 

2 

8 

2 

6 

6 

2 

1 

Lues  1  +  11 

21 

21 

21 

11 

10 

7 

9 

2 

3 

3 

Lues  II 

35 

35 

24 

11 

15  4 

16 

13 

10 

0 

12 

6  (resp.  10*) 

64 

5  (  1 

58 

63 

11 

28|  4 

32 

26 

21 

2 

15 

10  (resp.  14*) 

•  inklusive  der  Fälle  bei  denen  der  Druck  nicht  bestimmt  werden  konnte. 


Zur  besseren  Orientierung  fassen  wir  in  obenstehende 
Tabelle  die  bisher  besprochenen  Liquorverhältnisse  der  ein 
zelnen  Stadien  der  F  r  ii  h  1  u  e  s  zusammen.  Es  ergib 
sich,  wie  die  letzte  Spalte  zeigt,  dass  wir  bei  der  un 
behandelten  Lues  im  Frühstadium  nach  Aus 
Schluss  der  Fälle,  bei  denen  der  Druck  nich 
bestimmt  wurde,  nur  16  Proz.,  bei  deren  Ein 
rechnung  22  Proz.  völlig  normale  Liquore 
fanden.  Dies  ist  der  zahlenmässige  Beweis  für  die  voi 
Ravaut  zuerst  vertretene  Anschauung,  dass  die  Lues  schoi 
sehr  früh  in  der  übergrossen  Mehrzahl  der  Fälle  das  Nerven 
System  befällt,  dessen  Ergriffensein  sich  beim  Fehlen  jegliche 
sonstigen  klinischen  Symptome  lediglich  durch  die  Unter 
suchung  der  Lumbalflüssigkeit  nachweisen  lässt. 


Der  Einfluss  des  Salvarsans  auf  den  Liquo 
bei  der  Frühlues. 

Wir  besprechen  zunächst  an  Hand  unseres  Materials  det 
Einfluss  des  Salvarsans  auf  den  Druck.  Mehrere  Autoren  (u.  d 
Spiethoff,  Ravaut,  Levy-Bing)  berichten  über  ein 
fast  regelmässige  Steigerung  des  Liquordrucks  kürzere  ode 
längere  Zeit  nach  Abschluss  der  Salvarsanbehandlung.  Dies 
Vermehrung  des  Drucks  wäre  natürlich  eine  unerwünscht 
Nebenwirkung  des  neuen  Mittels. 


Einfluss  des  Salvarsans  auf  den  Druck  bei  wiederholten  Punktioner 

(Tabelle  6.) 


Stadium 

der 

Anzahl 

der 

Anzahl 

der 

Druck 

unverändert 
geblieben, 
meist  normal 

nicht 

bestimmt 

geringer 

höher 

Lues 

Fälle 

Punktionen 

vor-  oder 
nachher 

geworden 

Lues  I 

2 

3 

1 

1 

Lues  I  -f-  II  / 

10 

2 

1 

1 

6 

2 

Lues  I  -j-  11  \ 

4 

3 

1 

1 

2 

Lues  II  1 

2 

2 

1 

1 

Lues  II  \ 

16 

3 

7 

7 

2 

Lues  III 

1 

2 

1 

35 

9 

4 

17 

5 

Wie  Tabelle  6  aufs  deutlichste  zeigt,  können  wir  a 
unserem  Material,  das  immer  unter  den  gleichen  Bedingunge 
von  demselben  Untersucher  punktiert  wurde,  diese  Angabe! 
nicht  bestätigen.  Unsere  Erfahrungen  lehren  vielmehr,  das 
beiderLuesIin  zwei  Fällen  der  Druck  bei  den  folgende 
Punktionen  einmal  höher,  das  andere  Mal  niedriger  gefunde 
wurde  als  vor  der  Behandlung.  Und  zwar  stieg  in  dem  eine 
Falle  der  vorher  normale  Druck  (160  mm)  nach  1,4  g  Sa 
varsan  auf  400  mm,  um  nach  weiteren  1,5  g  Salvarsan  at 
210  mm  abzusinken. 

Bei  dem  anderen  Kranken  sank  der  vorher  pathologisch 
Druck  von  230  mm  nach  1,0  g  Salvarsan  auf  100  mm,  ui 
nach  insgesamt  3,2  g  Salvarsan  auf  180  mm  zu  steigen. 

Bei  der  Lues  1  +  II  finden  wir  bei  10  zweirn; 
punktierten  Fällen  den  Druck  bei  der  2.  Punktion  (meist  nac 
1,5  g  Salvarsan)  zweimal  unverändert,  6  mal  geringer  un 
1  mal  höher  als  im  Anfang.  Einmal  konnte  er  bei  der  2.  Punl 
tion  nicht  bestimmt  werden. 

Mit  Ausnahme  der  zwei  unveränderten  Fälle,  sowie  de 
einen  Kranken,  bei  dem  der  Druck  bei  der  2.  Punktion  nicl 
bestimmt  wurde,  war  in  allen  Fällen  schon  vor  der  Behanef 
hing  eine  mässige  Drucksteigerung  vorhanden. 

Bei  den  3  mal  und  öfters  punktierten  4  Kranken  diese 
Gruppe  war  das  Schlussresultat  einmal  unverändert,  3  m. 
hatte  der  Druck  abgenommen.  Auch  bei  diesen  war  vor  dt 
Behandlung  der  Druck  erhöht. 

Bei  der  Lues  II  konnte  unter  zwei  2 mal  punktierte 
Fällen  der  Druck  einmal  bei  der  ersten  Untersuchung  nid 
bestimmt  werden,  einmal  erwies  er  sich  niedriger  als  vor  dt 
Therapie.  Dieser  Fall  hatte  zu  Anfang  eine  deutliche  Drucl 
Steigerung. 

Bei  16  3  mal  punktierten  Fällen  blieb  der  Druck  7  m 
unverändert.  Bei  den  übrigen  9  Kranken,  bei  denen  sämtlk 
eine  Senkung  des  Druckes  nach  der  Salvarsandarreichm 
auftrat,  ergaben  sich  die  gleichen  Verhältnisse  wie  bei  di 
vorher  besprochenen  Fällen,  dass  nämlich  alle  bis  auf  eint 


4.  Mär/.  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


bei  der  ersten  Punktion  pathologische  Drucksteigernng  auf¬ 
wiesen.  Diejenigen  Kranken,  bei  denen  der  Druck  unverändert 
geblieben  war,  hatten  fast  durchweg  vor-  und  nachher  nor¬ 
male  Werte.  Die  Gesamtmenge  des  verabreichten  Salvarsans 
betrug  durchschnittlich  3  g. 

Wenn  wir  das  gesamte  Material  überblicken,  so  ergibt 
sich  die  immerhin  recht  interessante  Tat¬ 
sache,  dass  diejenigen  Patienten,  die  vor  der 
Behandlung  eine  mehr  o  d  er  minder  starke 
Steigerung  des  Drucks  gezeigt  hatten,  unter 
Salvarsan  in  der  überwiegenden  Mehrzahl 
zu  normalen  Druckwerten  gelangten  ( 17 : 5), 
während  bei  dem  Rest,  soweit  der  Druck  be¬ 
stimmt  werden  konnte,  der  vorher  normale 
Druck  normal  blieb.  Allerdings  befinden  sich  unter 
diesen  Kranken  einige,  bei  welchen  dies  nur  für  den  Vergleich 
des  ersten  und  dritten  Punktionsresultates  zutrifft. 


Einfluss  des  Salvarsans  auf  die  chemisch-zytogischen  Liquor¬ 
verhältnisse.  (Tabelle  7.) 


Liquor 

Zahl 

An- 

bleibt 

unver¬ 

ändert 

normal 

vorher  patholog. 

Vorher 
normal 
2  Punk¬ 
tion 
pathol. 
3.  oder 
später 
normal 

Stadium 
der  Lues 

der 

Punk¬ 

tionen 

zahl 

der 

Fälle 

wird 

normal 

sehr  ge¬ 
bessert 
noch 
paihol. 

unver¬ 

ändert 

patho¬ 

log. 

normal 

wird 

pathol 

patho¬ 

logisch, 

wird 

schlech¬ 

ter 

Lues  I 

3 

2 

1 

1 

Lues  I+lIl 
LuesI+ID 

2 

3 

u.mehr 

10 

4 

1 

4 

2 

erst 

1 

1 

1 

1 

bei  der 
3. Punkt. 

1 

2 

Lues  11 
Lues  11 

Lues  III 

2 

3 

u.mehr 

2 

2 

16 

2 

3 

1 

nach 
der  3. 
Punkt. 

1 

8 

1 

2 

1 

2 

1 

35 

5 

16 

3 

3 

4 

3 

2 

Wesentlich  wichtiger  als  das  eben  besprochene  Verhalten 
des  Druckes  ist  der  Einfluss  der  Salvarsanbehandlung  auf  die 
chemisch-zytologische  Beschaffenheit  der  Lumbalflüssigkeit. 
Wir  geben  in  obenstehender  Tabelle  (No.  7)  die  Residtate 
von  über  100  Lumbalpunktionen  wieder,  die  einer  ausführ¬ 
lichen  Besprechung  bedürfen. 

Lues  I. 

Von  dem  Primärstadium  der  Lues  stehen  uns  leider  nur 
2  Fälle  zur  Verfügung,  die  mehr  als  einmal  punktiert  werden 

konnten. 

D  e  r  erste  Fall  hatte  einen  Primäraffekt  an  der  hinteren 
Kommissur  und  Scleradenitis  inguinalis  indolens  duplex.  Er  zeigte 
bei  der  ersten  Punktion  normalen  Liquorbefund  und  negative  Serum¬ 
reaktion,  die  im  weiteren  Verlauf  keine  positive  Schwankung  zeigte, 
bei  der  zweiten  Punktion,  16  Tage  später,  nach  1,4  g  Salvarsan  war 
eine  erhebliche  Drucksteigerung  (400  mm)  bei  sonst  normalem 
Liquorbefund  zu  konstatieren.  2  Monate  später,  nach  weiteren  1,5  g 
Salvarsan  und  0,2  g  Hg  salic.  - —  die  Behandlung  musste  wegen  eines 
sehr  hartnäckigen  toxischen  Exanthems  1  Monat  vor  der  dritten 
Funktion  ausgesetzt  werden  — -  zeigte  der  Liquor  einen  Rückgang 
des  Druckes  auf  210  mm,  dagegen  war  jetzt  eine  massige  Lympho¬ 
zytose  (11  Zellen  im  Kubikmillimeter,  12  Zellen  durchschnittlich  im 
Zentrifugat)  aufgetreten. 

Man  könnte  in  diesem  Fall  daran  denken,  dass  die  in 
dem  langdauernden,  hochfieberhaften  toxischen  Exanthem 
zum  Ausdruck  kommende  Schädigung  auch  das  Zentral¬ 
nervensystem  getroffen  hat,  und  dadurch  den  Spirochäten  die 
Möglichkeit  gab,  in  diesem  entzündliche  Veränderungen  her¬ 
vorzurufen.  Nicht  von  der  Hand  zu  weisen  ist  auch  die  Mög¬ 
lichkeit,  dass  es  sich  hier  einfach  um  das  Fortschreiten  eines 
luetischen  Prozesses  am  Nervensystem  handelt,  trotz  Sal¬ 
varsan.  Vielleicht  hat  die  bei  der  2.  Punktion  gefundene 
Drucksteigerung  die  gleiche  Bedeutung  eines  prämonitorischen 
Symptoms,  welches  das  Ergriffensein  des  Nervensystems  an¬ 
deutet,  wie  wir  dies  für  die  Drucksteigernng  bei  der  unbe¬ 
handelten  Lues  I  angenommen  haben. 

Der  zweite  Fall  litt  an  einem  Primäraffekt  der  Wange. 
'Or  der  Behandlung  bestand  lediglich  eine  geringe  Drucksteigerung 


4()7 


(230mm).  Die  Serumreaktion  war  auch  hier  dauernd  negativ. 
16  Tage  später  fanden  wir  nach  1,0  Salvarsan  massige  Liquor¬ 
veränderungen  (Phase  1:  Opal.,  Zellen:  15  (im  Kubikmillimeter)  bei 
niedrigerem  Druck  (100  mm).  Im  folgenden  Monat  bekam  Patient 
3,3  g  Neosalvarsan  und  0,45  Hg.  salic.  Danach  war  der  l  iquor 
wieder  normal. 

H  i  e  r  k  o  n  nte  lediglich  durch  die  2.  Punktion 
eine  vorübergehende  Liquorveränderung 
nach  geringer  Sal  varsandosis  festgestellt 
werden.  Nach  unserer  Anschauung  kam  es  durch  die 
geringe  anfängliche  Dosierung  zu  einer  Provokation  eines  in 
nuce  bestehenden  syphilitischen  Prozesses  am  Zentralnerven¬ 
system,  der  bei  genügender  Weiterbehandlung 
zur  Ausheilung  kam.  (Schluss  folgt.)  " 

Die  Verletzungen  und  traumatischen  Erkrankungen  der 
Zehen  und  ihre  Begutachtung  in  Unfallsachen. 

Von  Med. -Rat  Dr.  Carl  Waibel  in  Kempten. 

Während  meiner  langjährigen  Gutachtertätigkeit  im  Un¬ 
fallwesen  habe  ich  öfters  Gelegenheit  zur  Begutachtung  von 
Zehenverletzungen  gehabt  und  dabei  wahrgenommen,  dass 
dieses  Kapitel  in  den  Hand-  und  Lehrbüchern  der  Unfall¬ 
erkrankungen  und  -Verletzungen  ziemlich  kurz  behandelt  wird. 
So  habe  ich  mich  denn  an  der  Hand  der  älteren  und  neueren 
diesbezüglichen  Literatur  und  auf  Grund  meiner  eigenen  Be¬ 
obachtungen  entschlossen,  die  Zehenverletzungen  und  deren 
Begutachtung  etwas  ausführlicher  zu  besprechen.  Vielleicht 
interessiert  sich  der  eine  oder  andere  Leser  dieses  Blattes  für 
meine,  durchaus  nicht  den  Anspruch  auf  erschöpfende  Behand¬ 
lung  des  Themas  machenden  Bemerkungen. 

Um  die  Unfallgutachten  bei  oder  nach  Zehenverletzungen 
richtig  abfassen  zu  können,  müssen  wir  neben  den  anatomi¬ 
schen,  funktionellen,  statischen  und  mechanischen  Verhält¬ 
nissen  des  menschlichen  Fusses  auch  die  Ursachen,  Arten  und 
Folgen  der  Zehenverletzungen,  sowie  die  Bewertung  und  Ab¬ 
schätzung  dieser  Verletzungsformen  kennen. 

I. 

Die  Zehen,  deren  Namen  von  ihrer  Zahl  stammt,  sind  verjüngte 
Finger  und  bestehen,  wie  diese  aus  2  bezw.  3  kurzen,  dünnen,  säulen¬ 
förmigen  Achsenknochen,  einem  Beuge-  und  Streckapparat,  und  einem 
Hautüberzug,  welcher  au  der  unteren  Zehenfläche,  ebenso  wie  an 
den  Fingerbeeren,  weit  mehr  mit  Fett  gepolstert  ist  als  an  der 
oberen.  Die  Zehenglieder  liegen,  mit  Ausnahme  der  grossen  Zehe, 
nicht  in  einer  geraden  Linie,  sondern  sind  von  der  2. — 5.  Zehe  nach 
oben  konvex  gekrümmt  und  erscheinen  etwas  hacken-  oder  krallen¬ 
förmig  umgebogen. 

Das  Grundglied  der  Zehen  ist  etwas  schief  nach  oben,  das 
Mittelglied  fast  horizontal,  das  Nagelglied  schief  nach  unten  und 
vorne  gerichtet,  so  dass  dieses  mit  seiner  Beere  allein  den  Boden 
berührt.  Hyrtl  fand  sowohl  bei  Erwachsenen  als  bei  Neu¬ 
geborenen  die  grosse  Zehe  im  allgemeinen  länger  als  die  zweite. 
Oefters  sind  aber,  wie  vielfach  zu  konstatieren  ist,  die  grosse  und  zweite 
Zehe  gleichlang,  in  vollkommener  Streckung  gemessen  ist  die  zweite 
wirklich  länger  als  die  grosse,  welche  oft  nur  länger  erscheint,  da  sie 
weniger  als  jene  oder  gar  nicht  hackenartig  gekrümmt  ist.  Bei  den 
meisten  Europäern  ist  die  grosse  Zehe  nach  der  zweiten  zu  ver¬ 
schoben,  wodurch  eine  Knickung  an  ihrem  Grundgelenk  entsteht, 
das  einen  Vorsprung  bildet.  Die  übrigen  Zehen  sind  mehr  nach  innen 
zu  gedrückt.  Die  beiden  lateralen  Zehen  zeigen  besonders  in  ihren 
distalen  Gliedern  nicht  selten  infolge  ungeeigneter  Fussbekleidung 
unregelmässige  Beschaffenheit  (Verkrümmung,  Verwachsung  etc.) 
und  deshalb  auch  häufig  unregelmässige  Funktion.  Bezüglich  der  gan¬ 
zen  Fusslänge  betragen  die  Zehen  nur  1U  derselben,  treten  also  den 
beiden  anderen  Fussabteilungen,  dem  Mittelfuss  und  der  Fusswurzel 
gegenüber,  erheblich  zurück  in  der  Fusslänge. 

Die  Zehen  sind  in  ihrem  Normalzustände  beweglich  und  es 
kommt  bei  der  Zehenbewegung  hauptsächlich  die  Zehenbeugung 
(Dorsalbeugung)  und  die  Zehenstreckung  (Plantarbeugung)  in  Be¬ 
tracht.  Die  Dorsalbeugung  ist  bei  den  Zehen  immer  grösser  und 
fast  bis  zur  rechtwinkligen  Stellung  der  Grundglieder  zum  Mittelfuss 
ausführbar.  Nur  in  der  Dorsalbeugung  gestatten  die  hierbei  er¬ 
schlafften  Seitenbänder  der  Zehen  auch  geringe  Seitenbewegung,  d.  h. 
An-  und  Abziehung  der  Zehen,  besonders  der  Grosszehe.  Nach  der 
Fussohle  zu  lässt  sich  das  Nagelglied  der  Zehe  über  die  gerade 
Richtung  hinaus  gewöhnlich  kaum  weiterbeugen. 

Bei  Neugeborenen  und  bei  Personen  aller  Rassen, .  welche  ge- 
wohnheitsmässig  mit  nacktem  Fusse  gehen,  ist  die  Beweglichkeit 
der  Zehen  stets  eine  viel  grössere  als  bei  den  meisten  von  uns,  bei 
denen  von  Jugend  auf  der  Fuss  durch  Druck  des  steifen  und  engen 
Schuhwerks  sowie  enger  Strümpfe  mehr  oder  weniger  verstüm¬ 
melt  ist. 


3 


MLJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  9. 


-16S 


Der  menschliche  Euss  hat  bekanntlich  eine  Doppelauigabe, 
nämlich  eine  statische,  insoferne  er  als  Körperstütze  und 
Gleichgewichtsorgan  beim  Stehen  dient  und  eine  1  o  k  o  m  o  to¬ 
rische,  insoferne  er  durch  Hebung  und  Abstossen  vom  Boden  das 
Gehen  und  damit  die  Ortsveränderung  vermitteln  hilft. 

Dass  er  gelegentlich,  besonders  mit  seiner  Grosszehe  und 
zweiten  Zehe,  als  Greif-  oder  Tastapparat  zu  dienen  hat,  ist  von 
so  untergeordneter  Bedeutung,  dass  diese  Funktion  gegen  diejenige, 
welche  ihm  als  Stütz-  und  Bewegungsapparat  zukommt,  nahezu 
verschwindet. 

In  statischer  Beziehung  kann  der  Fuss  sowohl  im  Sohlen¬ 
stand  mit  flach  aufgesetztem  Fusse  als  im  Zehenstand  mit 
Erhebung  des  Fussgewölbes  auf  die  Köpfchen  der  Mittelfussknochen 
und  auf  die  Sohlenfläche  der  ausgestreckten  Zehen  funktionieren. 
Beim  Zehenstand  kann  man  noch  unterscheiden  den  Grosszehen¬ 
stand  mit  Erhebung  des  Fussgewölbes  auf  die  medialen  Köpfchen 
der  Metatarsusknochen  bzw.  auf  das  Köpfchen  des  Metatarsus  1  und 
den  Kleinzehenstand  mit  Erhebung  des  Fussgewölbes  auf 
die  lateralen  Köpfchen  der  Metatarsusknochen,  insbesondere  auf  das 
Köpfchen  des  Metatarsus  111. 

Von  diesen  Gebrauchsformen  des  Fusses  zum  Stehen  ist  wohl 
der  Sohlenstand  die  wichtigere,  weil  er  die  gewöhnliche  Art 
der  Benützung  des  Fusses  zum  Stehen  darstellt,  während  der 
Zehenstand  zwar  auch  statische  Bedeutung  gewinnen  kann, 
indem  er  manchmal  für  kürzere  oder  längere  Zeit  eingehalten  wird, 
aber  seine  Hauptbedeutung  doch  als  einen  Teil  der  Gehbewegung 
besitzt. 

Als  ungewöhnliche  Gebrauchsformen  des  Fusses  lassen  sich  in 
statischer  Beziehung  betrachten  der  Fersen-  oder  Hacken¬ 
stand  mit  Erhebung  des  Fussgewölbes  auf  den  Tuber  calcanei; 
dann  der  Stand  auf  den  lateralen  Fussrand,  ferner  der  Stand 
auf  den  vorspringenden  Teilen  des  medialen  Fussrandes. 

In  loko motorischer  Beziehung  kann  der  Fuss  ebenso  wie 
in  statischer  Beziehung  auf  zweierlei  Arten  funktionieren,  nämlich 
sowohl  im  Sohlengang  als  im  Zehengang  bzw.  im  Gross- 
zehengang  oder  im  Kleinzehengang,  je  nachdem  der  Fuss 
im  Sohlenstand  oder  im  Zehenstand  bzw.  im  Grosszehenstand  oder 
Kleinzehenstand  gehalten,  zur  Ortsveränderung  resp.  zum  Gehen 
benützt  wird. 

Von  diesen  Gebrauchsformen  des  Fusses  zum  Gehen  ist  wohl 
der  Sohlengang  die  wichtigere,  weil  er  ungleich  viel  häufiger 
zum  Gehen  benützt  wird  als  der  Zehengang. 

Seltenere  und  ungewöhnliche  Gebrauchsformen  des  Fusses  sind 
der  Fersen  gang,  bei  welchem  die  Zehen  den  Boden  gar  nicht 
berühren,  dann  der  Gang  auf  dem  lateralen  Fussrand,  ferner 
der  Gang  auf  dem  medialen  Fussrand. 

Bei  allen  statischen  und  mechanischen  Leistungen  des  Fusses 
kommt  zunächst  das  aus  den  beiden  festgefügten,  proximalen  Ab¬ 
schnitten  des  Fusses  (Fusswurzel  und  Mittelfuss)  bestehende  Fuss- 
g  e  w  ö  1  b  e  in  Betracht,  welches  den  Boden  beim  Stehen  und  Gehen 
hauptsächlich  an  3  Punkten,  den  sogen.  Stütz-  oder.  Fusspunkten 
berührt. 

Es  würde  mich  zu  weit  führen,  näher  auf  die  hinsichtlich  der 
Bestimmung  dieser  Stütz-  oder  Fusspunkte  divergierenden  Ansichten 
der  einzelnen  Autoren  einzugehen. 

Im  allgemeinen  ist  wohl  das  Bestreben  zu  erkennen,  als 
hinteren  Stützpunkt  des  Fusses  die  Ferse  resp.  den  Fersenhöcker 
(Tuber  calcanei)  mit  den  beiden  nach  unten  sehenden  und  auf  dem 
Boden  ruhenden  Vorsprüngen  (Tuberculum  mediale  et  laterale),  als 
vordere  Stützpunkte  die  Köpfchen  der  Mittelfussknochen  mit 
Bevorzugung  des  1.,  3.  und  5.  Mittelfussknochens  oder  auch  noch 
des  Höckerchens  des  5.  Mittelfussknochens  anzunehmen. 

Wenn  auch  die  Ansichten  der  verschiedenen  Autoren  über  die 
Stützpunkte  und  besonders  über  die  vorderen  Stützpunkte  des  Fusses 
teilweise  etwas  auseinandergehen,  soviel  ist  sicher,  dass  die  Zehen 
weder  an  der  Bildung  des  Fussgewölbes  beteiligt  sind,  noch  als 
Stütz-  oder  Fusspunkte  in  Frage  kommen. 

Die  Zehen  berühren  auch,  wie  bereits  oben  erwähnt,  in  ihrer 
Mehrzahl  nur  mit  den  kolbigen  Spitzen  (den  sogen.  Tastballen)  den 
Boden,  liegen  also  der  Standfläche  des  Fusses  eigentlich  nicht  oder 
nur  in  geringem  Masse  an. 

Ueberdies  erscheinen  die  Zehen  schon  wegen  ihrer  Kürze, 
Schwäche  und  Beweglichkeit,  kurz  wegen  ihrer  geringen  Festigkeit 
nicht  dazu  geeignet,  als  Körperstützen  zu  dienen,  die  gegliederte 
und  schwache  Knochensäule  der  Zehen  würde  unter  dem  Drucke 
der  Körperlast  unfehlbar  zusammenschnappen. 

Selbst  geschickte  Ballettänzer,  welche  den  Schein  erwecken, 
als  wenn  sie  auf  der  grossen  Zehe  zu  balancieren  resp.  auf  der 
Zehenspitze  zu  stehen  und  zu  gehen  vermöchten,  können  dies  niemals 
auf  der  Endspitze  der  Grosszehe,  sondern  nur  auf  dem  vorderen 
Ende  des  Grundgliedes  und  dann  nur  in  der  Regel  nach  jahrelanger 
mühevoller  Uebung  und  meistens  nur  mittels  eigens  zubereitetem 
Schuhwerk. 

Wenn  man  sagt,  dass  man  auf  der  Zehenspitze  gehe  oder  stehe, 
so  ist  dies  überhaupt  ein  ganz  unzutreffender  Ausdruck.  Man  kann 
sich  nur  auf  die  Köpfe  der  Mittelfussknochen  (die 
sogen.  Fuss-  oder  Zehenballen),  nicht  aber  auf  die  Zehen¬ 
spitzen  erheben. 

Im  allgemeinen  wird  den  Zehen  eine  funktionelle  Wichtigkeit 
zugeschrieben,  die  sie  sicher  nicht  haben. 


Nach  H  y  r  1 1  bestellt  die  Bestimmung  der  Zehen  darin,  beim 
Stehen  und  Schreiten  sich  wie  elastische  Druckfedern  an  den  Boden 
anzudrücken,  dem  Stehen  dadurch  mehr  Festigkeit  und  dem  Gehen 
jene  Sicherheit  zu  geben,  die  auf  der  Elastizität  des  Schrittes  beruht. 
Es  sind  somit  nur  ziemlich  untergeordnete  Hilfsfunktionen,  welche 
den  Zehen  zugesprochen  werden. 

An  anderer  Stelle  kennzeichnet  Hyrtl  den  Wert  der  Zehen 
am  besten  mit  der  Bemerkung,  dass  die  Zehen  viel  unwichtiger  für 
den  Fuss  sind  als  z.  B.  die  Finger  für  die  Hand.  Ein  Fuss,  der  aus 
irgend  einem  Grunde  (z.  B.  durch  Gangrän)  alle  Zehen  verlor,  hat 
nur  seinen  unwesentlichsten  Bestandteil  verloren,  während  der 
Verlust  aller  Finger  oder  auch  nur  jener  des  Daumens  allein  die 
Hand  ihrer  notwendigsten  Gebrauchsmittel  beraubt. 

Ist  durch  dieses  Urteil  des  grossen  Anatomen  und  Physiologen 
die  funktionelle  Bedeutung  der  Zehen  beim  Menschen  schon  stark 
erschüttert,  so  wird  dieselbe  noch  weiter  abgeschwächt  durch  die 
Tatsache,  dass  die  Beweglichkeit  der  Zehen  in  dem  dicken  und  un¬ 
nachgiebigen  Lederwerk  der  gewöhnlichen  Schuhe  und  Stiefel,  wie 
sie  heutzutage  von  den  meisten  Menschen  getragen  werden,  in  hohem 
Grade  beeinträchtigt,  wenn  nicht  gar  aufgehoben  ist.  Je  weniger 
beweglich  aber  die  Zehen  sind,  desto  weniger  können  sie  sich  an 
den  Boden  andriieken,  festhalten  oder  anklammern  und  einwühlen, 
was  zu  zweckmässiger  Verrichtung  ihrer  Funktion  unbedingt  not¬ 
wendig  ist. 

Ueberschätzt  man  schon  die  funktionelle  Bedeutung  der 
Zehen  im  allgemeinen,  so  ist  dies  besonders  bei  der  Grosszehe 
der  Fall. 

So  wird  unter  anderem  auch  angenommen,  dass  durch  den 
Mangel  der  Grosszehe  die  Abwicklung  des  Fusses  wesentlich  ge¬ 
schädigt  werde.  Es  ist  diese  Annahme  nicht  so  fernliegend,  wenn 
man  erwägt,  dass  die  Abwicklung  des  Fusses  beim  Gehen  bekannt¬ 
lich  von  der  Ferse,  längs  des  äusseren  Fussrandes  zur  Fussspitze 
resp.  zur  Grosszehenspitze  geschieht  und  von  hier  aus  auch  die 
Abstossung  des  Fusses  vom  Boden  erfolgt. 

Die  Erfahrung  lehrt  aber,  dass  die  Abwicklung  und  Abstossung 
resp.  die  Gebrauchsfähigkeit  des  Fusses  beim  Fehlen  der  Grosszehe  j 
keine  wesentliche  Schädigung  erleidet,  solange  der  Mittelfussknochen 
der  Grosszehe  und  besonders  solange  das  Köpfchen  dieses  Mittel¬ 
fussknochens  erhalten  und  sobald  nach  dem  Verluste  der  Grosszehc, 
die  erforderliche  Anpassung  und  Angewöhnung  eingetreten  ist. 
Nicht  die  Grosszehe  gehört  zu  den  physiologischen! 
Stützpunkten  des  Fusses,  sondern  das  Köpfchen 
des  Mittelfussknochens  derselben.  Der  Mensch  hat 
auch  ohne  die  Grosszehe  bei  Erhaltung  des  Mittelfussknochens  einen 
genügend  festen  und  sichern  Stand  und  Tritt. 

Wie  wenig  der  glatte  Verlust  der  Grosszshe  eine  Arbeits-  und 
Erwerbsbeschränkung  bedingt,  geht  überzeugend  aus  einer  Mit¬ 
teilung  des  Dr.  Görtz-Mainz  hervor,  welche  weiter  unten  folgt. 

Haben  die  Zehen  also  für  die  gewöhnliche  Gebrauchsform  des| 
Fusses  d.  i.  für  den  Sohlenstand  und  Sohlengang  nur  unter  bestimmten 
Voraussetzungen  einigen  Wert,  so  kommt  ihre  funktionelle  Bedeutung] 
etwas  mehr  zur  Geltung  beim  sogen.  Zehenstand  und  Zehen- 
g  a  n  g.  • 

Beim  Zehenstand  d.  h.  bei  Erhebung  des  Körpers  auf  die 
Zehen  und  Zehenballen  stützt  sich,  wie  bereits  oben  erwähnt,  die' 
Körperlast  gewöhnlich  mehr  auf  die  Köpfchen  der  Mittelfussknochen' 
als  auf  die  Zehenspitzen,  während  die  federnd  und  elastisch  aui- 
ruhenden,  an  den  Boden  im  Maximum  der  Dorsalflexion  sich  an¬ 
stemmenden  Zehen  einerseits  die  Reibung  und  Festigkeit  des  Fussesj 
etwas  vermehren,  andererseits  Körperschwankungen  und  besonders! 
das  Vornüberfallen  des  Körpers  zu  verhindern  suchen,  wodurch  das; 
Balancieren  des  Körpers  ermöglicht  bzw.  erleichtert  wird. 

Ohne  Zehen,  nur  auf  den  Zehenballen  stehend, 
wären  wir  nicht  imstande,  uns  in  ruhigem  Gleichgewicht  zu  erhalte^ 
und  könnten,  weil  eben  der  Fuss  auf  dem  Boden  nicht  genügend 
festgehalten  würde,  uns  nur  durch  stetes  Trippeln,  wie  beim  Gehen 
auf  Stelzen  iortbewegen. 

Beim  Zehen  gang  erreicht  der  Fuss  nur  mit  dem  Zehen-  und 
Zehenballenabschnitt  den  Boden  und  es  bleibt  das  aufgesetzte  Stützt 
bein  im  Zehenstand,  ohne  dass  die  Ferse  auf  den  Boden  aufgesetzt 
wird;  der  Körper  bewegt  sich  auf  den  Zehenballen  und  den  in 
Maximum  der  Dorsalflexion  befindlichen  Zehen  weiter. 

Gegenüber  dem  Sohlengang  erscheint  der  Zehengang  stets 
etwas  weniger  ausgiebig,  daher  kleinschrittig,  auch  ist  und  bleib 
der  Zehengang  wegen  der  Schwierigkeit  der  Gleichgewichtserhaltum 
immer  ein  etwas  unsicherer  und  bald  ermüdender,  da  die  Bein, 
immer  gestreckt  bleiben  müssen  etc.  etc. 

Es  ist  daher  leicht  begreiflich,  dass  sowohl  der  Zehenstand 
als  Zehengang  nicht  sehr  häufig  zur  Anwendung  und  zum  Glück  fü 
die  Bedürfnisse  des  gewöhnlichen  Lebens  nicht  oder  nur  höclis 
selten  und  ausnahmsweise  in  Frage  kommt,  so  dass  diese  Gebrauchs1: 
form  des  Fusses  für  die  gewöhnliche  Tätigkeit  de 
meisten  Arbeiter  und  Erwerbsstände  fast  mehr  al 
Luxusfunktion  anzusehen  ist  und  hauptsächlich  nur  beim  Tanzen,  Lau 
fen,  insbesondere  beim  Sprung-  und  Eillauf,  ferner  beim  Klettern  um 
bei  erheblicheren  Steilanstiegen,  endlich  bei  sehr  erheblichen  Ver 
kiirzungen  eines  Beines  zur  Anwendung  gelangt.  Ausserdem  wirr 
der  Zehenstand  und  Zehengang  höchstens  noch  angewendet,  wem 
es  gilt,  die  gewöhnliche  Körpergrösse  etwas  zu  erhöhen,  um  z.  B 
über  eine  Planke  zu  sehen  oder  wenn  man  behutsam  und  möglichs 


4.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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lautlos  und  ungehört  sich  irgend  wohin  bewegen  oder  sich  heimlich 

davonschleichen  will  etc. 

II. 

Die  Ursachen  und  Arten  der  durch  Unfälle  hervor- 
gerufenen  Verletzungen  und  traumatischen  Erkrankungen  der  Zehen 
mit  anatomischen  und  funktionellen  Störungen  verschiedener  Art  be¬ 
stehen  meistens  in  direkten  mechanischen  Schädigungen  in  der 
Form  von  Quetschungen  der  Weichteile,  Knochen  und  Gelenke  mit  und 
ohne  Komplikation  durch  offene  und  subkutane  Wunden,  oder  durch 
Geschwüre  und  Geschwülste  oder  durch  Verstauchungen,  Ver¬ 
renkungen,  Knochenbrüche  etc.,  seltener  in  t  h  e  r  m  i  s.c  h  e  n 
Schädigungen  in  der  Form  von  Erfrierung,  Verbrennung,  Verbrühung, 
noch  seltener  in  chemischen  Schädigungen  in  der  Form  von 
Verätzungen  und  Vergiftungen. 

Die  Schädigungen  der  Zehen  mit  anatomischen  und  funktionellen 
Störungen  in  der  Form  von  Versteifungen,  Lähmungen,  Streck-  und 
Beugekontraktliren,  falschen  Stellungen  etc.  können  nicht  nur  durch 
direkte  Verletzungen  und  traumatische  Erkrankungen  der  Zehen  ein- 
treten,  sondern  auch  durch  Verletzungen  und  traumatische  Erkran¬ 
kungen  der  Weichteile,  Knochen  und  Gelenke  der  benachbarten 
beiden  anderen  Fussabschnitte  (Mittelfuss  und  Fusswurzel),  sowie 
des  Unterschenkels. 

In  vielen  Fällen  wird  sich  zur  Feststellung  der  Art  der  Ver¬ 
letzung  oder  traumatischen  Erkrankung  der  Zehen  die  Röntgen¬ 
untersuchung  nicht  umgehen  lassen. 

III. 

Die  Folgen  der  Zehenverletzuugen  und  der  traumatischen 
Erkrankungen  der  Zehen  können  bestehen: 

1.  In  länger  andauernder  oder  öfters  wiederkehrender  schmerz¬ 
hafter  entzündlicher  Schwellung  und  Verdickung 
von  Weichteilen,  Beinhaut,  Knochen  und  Gelenken  der  Zehen  und 
der  benachbarten  Fussabschnitte  mit  Stauungserscheinungen  niedern 
oder  höheren  Grades.  Differentialdiagnostisch  können  hier  die  an 
den  Zehen  besonders  an  den  Grosszehen  relativ  häufig  vorkommen¬ 
den  chronisch-rheumatischen  und  arthritischen  Veränderungen  in 
Betracht^  kommen.  Auch  trophische  Störungen  mit  schmerzhaften 
Geschwürsbildungen  —  ohne  zentrale  Ursachen  —  können  nach 
traumatischen  Schädigungen  der  Zehen  entstehen. 

2.  In  Abmagerung  (Atrophie)  der  Zehenballen-  und  Unter¬ 
schenkelmuskulatur,  dann  in  verschiedenartiger  Beschwielung 
der  Zelienballen  und  der  Ferse,  ferner  in  Störungen  d  e  s  Tem¬ 
peratursinns  und  der  Sensibilität,  sowie  der  Reflexe. 

3.  In  Alters  br  and  der  Zehen. 

Dieser  kann,  wie  von  verschiedenen  Autoren  angenommen  wird, 
im  Anschluss  an  eine  Zehenverletzung  eintreten,  besonders  gerne  bei 
Leuten,  welche  an  vorgeschrittener  Arterienverkalkung  leiden. 

Man  muss  sorgfältig  prüfen,  ob  der  Brand  nicht  durch  Stiefel¬ 
druck,  unvorsichtiges  Beschneiden  von  Hühneraugen  und  Zehen¬ 
nägeln  verursacht  ist. 

4.  In  krankhaften  Veränderungen  der  Zehen¬ 
nägel  durch  Nagelbettentzündung.  Nagelabstossung,  Nagelverküm¬ 
merung,  Nagelwucherung,  Nagelrissigkeit  und  Nagelbrüchigkeit, 
Nagelmissbildungen  und  Nageleinwachsungen. 

Alle  diese  Nagelveränderungen  können  unter  Umständen  kurz- 
oder  längerdauernde  schmerzhafte  Reizzustände  an  den  betreffenden 
Zehen  und  dadurch  Arbeits-  oder  Erwerbsbeschränkung  sowie 
vorübergehende  Rentengewährungen  zur  Folge  haben.  Differential¬ 
diagnostisch  könnte  hier  unter  Umständen  die  Dupuytren  sehe 
Subungualexostose  in  Betracht  kommen. 

5.  In  den  nach  Wundheilung  zurückbleibenden 
ungünstig  beschaffenen  oder  ungünstig  ge¬ 
legenen  Narben  der  Zehen. 

Als  ungünstig  beschaffene  Narben  gelten  stark  ge¬ 
rötete  bezw.  mit  Glanzhaut  versehene,  zarte,  dünne  und  schlecht 
gepolsterte,  druckempfindliche,  mit  der  Unterlage  ganz  oder  teil¬ 
weise  verwachsene,  ferner  zum  Wiederaufbrechen  geneigte,  stark 
geschrumpfte  oder  kontrahierte  oder  stark  gespannte  und  gewulstete 
Narben  (Keloidnarben),  endlich  zikulationshemmende  oder  die  Ge¬ 
lenkbeweglichkeit  störende  Narben. 

Als  ungünstig  gelegene  Narben  gelten  besonders  die 
das  Auftreten  des  Fusses  erschwerenden  und  deshalb  zu  verän¬ 
dertem  Auftreten  mit  dem  Fusse  Anlass  gebenden  Narben  an  der 
Beugeseite  und  Auftrittsfläche  der  Zehen  und  des  Fusses,  ferner  die 
dem  Schuhdruck  stark  ausgesetzten  Narben. 

Alle  diese  Narben  können  nicht  nur  häufig  schmerzhafte  Reiz¬ 
zustände  und  Beschwerden  verursachen  durch  Empfindlichkeit  gegen 
Druck  und  Kälte,  sondern  auch  das  Tragen  eigenen  Schuhwerks 
notwendig  machen  und  die  Gebrauchsfähigkeit  des  verletzten  Fusses 
mehr  oder  weniger  bezw.  kürzer  oder  länger  alterieren. 

Man  hat  deshalb  allen  Grund,  gute  Narbenbildung  anzustreben 
und  bei  vorhandener  Empfindlichkeit  der  Narben  soweit  als  möglich 
durch  ein  geeignetes  Verfahren  diese  Empfindlichkeit  zu  beseitigen 
oder  zu  vermindern,  sei  es  durch  genau  angepasste,  genügend  weite 
Schuhe,  sei  es  durch  Polsterung  mit  Fibrolysinpflaster  (Fibrolysin- 
guttaplast),  Cerusapflaster,  Emplastrum  sapon.  salicyl.,  dünnen 
Sattelfilz  oder  durch  passive  Bewegungen,  lang  fortgesetzte  Massage, 
Friktionen  etc. 


Im  allgemeinen  werden  die  durch  Narben  bedingten  Arbeits¬ 
und  Erwerbsstörungen  nur  vorübergehender  Natur  sein,  sie  können 
jedoch  auch  1—3  Jahre  andauern,  bis  entsprechende  Dehnung  und 
Festigung  sowie  Widerstandsfähigkeit  und  Reaktionslosigkeit  der 
Narben  eingetreten  ist.  Je  ungünstiger  die  Narben  gelegen  und  je 
ungünstiger  sie  beschaffen  sind,  desto  länger  wird  die  Gewöhnungs- 
zeit  dauern  können. 

6.  In  Entzündung  von  Hühneraugen  oder  Leich- 
d  o  r  n  e  n  (Clavi). 

Als  Unfallfolgen  können  hier  nur  Entzifndungserscheinungen 
in  Betracht  kommen,  welche  im  Anschluss  an  Quetschungen  dieser 
Gebilde  oder  der  darunterliegenden  kleinen  Schleimbeutel  auftreten. 
Diese  Schleimbeutel  stehen  zuweilen  mit  einer  Sehnenscheide  in 
Kommunikation,  sie  können,  wenn  sie  entzündet  -sind,  nach  aussen 
perforieren  und  zu  Schleimbeutelfisteln  führen.  Auch  in  die  kleinen 
Zehengelenke,  in  die  Sehnenscheiden  überhaupt,  kann  sich  unter 
Umständen  die  Entzündung  verbreiten  und  dann  ernsteren  Charakter 
annehmen. 

Im  allgemeinen  aber  werden  die  Hühneraugentraumen  nur  vor¬ 
übergehender  Natur  sein  und  nur  eine  sehr  untergeordnete  und  be¬ 
schränkte  Bedeutung  in  der  Unfallfolgenbegutachtung  haben. 

7.  In  teil  weiser  oder  völliger  Versteifung  ein¬ 
zelner  oder  sämtlicher  Zehen. 

Sind  die  Zehenbewegungen  schon  an  und  für  sich  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  relativ  ungeschickt  und  wenig  ausgiebig  und 
wird  diese  bescheidene  Bewegungsfähigkeit  der  Zehen  durch  unser 
gewöhnliches  Schuhwerk  noch  weiter  vermindert  und  gehemmt,  so 
leuchtet  sofort  ein,  dass  eine  Versteifung  der  Zehen  im  allgemeinen, 
solange  die  Zehen  in  günstiger  bezw.  normaler 
Stellung  versteift  sind,  bei  unseren,  meistens  Schuhe  oder 
Stiefel  tragenden  Arbeitern,  keine  wesentliche  Bedeutung  für  die 
Steh-  und  Gehfähigkeit  resp.  für  die  Gebrauchsfähigkeit  des  Fusses, 
besonders  im  Sohlenbestand  und  Sohlengang  zur  Folge  haben  kann. 
Sind  die  Zehen  aber  in  starker  Beuge-  oder  Seiten¬ 
stellung  versteift,  so  können  daraus  allerdings  kürzer-  oder 
längerdauernde  Beschwerden  mit  Störungen  im  Auftreten  und  Gehen 
entstehen.  Wenig  oder  keine  Bedeutung  wird  in  der  Regel  die  teil¬ 
weise  Versteifung  einzelner  Zehengelenke  für  die  Gebrauchs¬ 
fähigkeit  des  Fusses  haben. 

Die  Steifheit  der  Zehen  kann  wohl  Unbequemlichkeit  nach  sich 
ziehen,  hat  jedoch  auf  keinen  Fall  für  die  Arbeits-  und  Erwerbs¬ 
fähigkeit  des  Verletzten  d  i  e  schlimmen  Folgen,  wie  die  Versteifung 
der  Finger.  Das  Reichsversicherungsamt  hat  durch  Entscheidung 
vom  7.  XI.  08  bei  Steifheit  sämtlicher  Zehen  mit  Abflachung  des 
Fusses  nach  Mittelfussbruch  die  schiedsgerichtliche  Aufhebung  der 
Rente  bestätigt  (siehe  weiter  unten). 

8.  In  Verkrüppelung  der  Zehen  durch  Verkrümmungen 
und  Missbildungen  mit  starker  Verlagerung  (dauernder  Hochstand, 
dauernde  Senkung,  Abduktions-  und  Adduktionsstellung,  Reiten, 
Kontrakturen  der  Zehen,  Hallux  valgus-Bildung,  Hammerzehen¬ 
bildung  usw.). 

Die  Verbiegungen  nach  der  Seite  machen  in  der  Regel  weniger 
Beschwerden  als  die  Verbiegungen  nach  oben  und  unten.  Beschwer¬ 
lich  und  hinderlich  können  dauernde  Luxationsstellungen  nach  oben 
und  unten  werden,  wie  sie  z.  B.  bei  übersehenen  und  unreponierten 
Luxationen  Vorkommen.  Zum  Glück  sind  diese  Verletzungen  selten. 

Verkrüppelte  Zehen  sind  im  allgemeinen  jedenfalls  weit  eher 
hinderlich  und  störend  als  verunstaltete  oder  verkrümmte  Finger, 
indem  sie  zu  fast  unerträglichen  Druck-  und  Gehbeschwerden  An¬ 
lass  geben  können.  Man  sollte  daher  stark  verkrüppelte  Zehen 
lieber  wegnehmen,  da  exartikulierte  Zehen  bei  günstiger  Lage  und 
Heilung  der  Absetzungsnarben  die  Funktion  des  Fusses  viel  weniger 
beeinträchtigen  als  stark  verkrümmte  und  verkrüppelte  Zehen. 

Wie  oft.  kann  man  übrigens  bei  Rekrutenbesichtigunven  die  Er¬ 
fahrung  machen,  dass  Leute  mit  ganz  plumper  Fussbildung  und  stark 
übereinander  gelagerten  und  verschobenen  Zehen  in  ihrer  Arbeits¬ 
und  Erwerbsfähigkeit  durchaus  nicht  gestört  werden. 

9.  In  teilweisem  oder  totalem  Verlust  einzelner 
Zehen. 

Der  glatte  teilweise  Verlust  einzelner  Zehen  oder  Zehen¬ 
glieder  wird,  soferne  der  dazu  gehörige  Mittelfussknochen  bezw.  das 
Mittelfussknochenköpfchen  erhalten  ist,  die  Gebrauchsfähigkeit  des 
Fusses  nach  eingetretener  Gewöhnung  wenig  oder  gar  nicht  alte¬ 
rieren,  weshalb  auch  nach  zahlreichen  Entscheidungen  des  Reichs¬ 
versicherungsamtes  der  Verlust  einzelner  Zehenglieder  und  Zehen 
oder  zweier  nebeneinanderliegender  Zehen  nach  entsprechender  An- 
passungs-  und  Angewöhnungszeit  —  in  der  Regel  1 — 2  Jahre  — 
nicht  mehr  dauernd  entschädigt  wird. 

Dass  der  Verlust  der  grossen  Zehe  früher  höher  als  die  übrigen 
Zehen  und  häufig  dauernd  entschädigt  wurde,  mag  wohl  davon  her¬ 
rühren,  dass  ihr,  wie  bereits  oben  bemerkt,  bei  den  Aufgaben  uer 
Fusstätigkeit  von  Laien  und  Aerzten  eine  hervorragende  Bedeutung 
zugemessen  wurde,  die  ihr  nicht  zukommt.  Die  Grosszehe 
bildet  k  e'i  nen  physiologischen  Stützpunkt  des 
Fusses,  sondern  nur  ihr  M  i  1 1  e  lf-u  s  s  k  ö  p  f  che  n. 

Ueberzeugende  Beweise  dafür,  dass  Arbeiter  und  speziell  Balm¬ 
bedienstete,  durch  den  einfachen  Verlust  der  Grosszehe  nicht  im  ge¬ 
ringsten  erwerbsbeschränkt  bleiben,  sondern  selbst  solche  Tätig¬ 
keiten,  die  eine  ganz  besonders  hohe  und  vollkommen  sichere  Ge- 


-170 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


brauchsfähigkeit  des  Fusses  erfordern,  noch  immer  auszuüben  im¬ 
stande  sind,  liefert  Dr.  Q  ö  r  t  z  -  Mainz  durch  Mitteilung  von  zwei 
Beobachtungen  aus  seiner  Outachtertätigkeit.  Im  ersten  Falle  ver¬ 
suchte  der  Verletzte  beim  Eintritt  ins  Untersuchungszimmer  einen 
noch  etwas  hinkenden  Gang  vorzutäuschen.  Darauf  verzichtete  er 
aber  sogleich  und  zwar  endgültig,  als  Dr.  Q.  ihm  die  ganz  vorzüg¬ 
lichen  Verhältnisse  feines  Verletzungsbefundes  demonstrierte  und  ihm 
gleichzeitig  aus  den  Akten  nachwies,  1.  dass  er  vor  dem  Unfall 
3.50  M.,  nach  dem  Unfall  aber  5  M.  Durchschnittslohn  erzielte  und 
2.  dass  von  seiner  Firma  ausdrücklich  bekundet  wurde,  dass  nach 
Angabe  sowohl  der  Werkführer  wie  seiner  Mitarbeiter  dem  Ver¬ 
letzten  auch  nicht  das  geringste  von  einer  Verletzung  oder  Schädi¬ 
gung  anzumerken  sei.“  Nach  Erkenntnis  dieser  Sachlage  bewerk¬ 
stelligte  er  seinen  Austritt  aus  dem  Untersuchungszimmer  —  im 
Gegensatz  zu  seinem  Eintritt  —  flotten,  elastischen  Schrittes 
und  sprang  in  geradezu  eleganten  Sätzen  die  Treppe 
hinunter. 

Noch  viel  drastischer  beweisend  war  der  zweite  Fall,  in  welchem 
der  Verletzte  mit  grösster  Bereitwilligkeit  und  mit  gewissem  Stolz 
folgende  Erklärung  abgab:  „Hiermit  erkläre  ich  ausdrücklich,  dass 
ich  durch  den  Verlust  meiner  rechten  Grosszehe  weder  im  Gehen, 
Laufen  und  Springen  verhindert  bin,  noch  die  geringste  Einbusse 
an  Erwerbsfähigkeit  erfahren  habe.  Nach  wie  vor  kann  ich  die 
schwersten  Arbeiten  verrichten  und  habe  sogar  2Vz  Jahre  nach 
meiner  Verletzung  den  ersten  Preisim  Stabhochspringen 
davongetragen  und  gelte  auch  sonst  für  einen  sehr  guten  Tur- 
n  e  r.“  Diesen  zwei  Schulfällen  kann  wohl  jeder  erfahrene  Unfall¬ 
gutachter  ähnlich  gelagerte  Fälle  anfügen. 

10.  In  dem  teil  weisen  oder  totalen  Verlust 
sämtlicher  Zehen, 

Während  der  teilweise  glatte  Verlust  sämtlicher  Zehen,  also 
z.  B.  der  Nagelglieder  sämtlicher  Zehen  mit  Erhaltung  der  Mittel¬ 
und  Grundglieder  oder  der  Nagelglieder  für  die  gewöhnliche  statische 
oder  lokomotorische  Fusstätigkeit  der  meisten  Arbeiter  beim  Sohlen¬ 
gang  und  Sohlenstand  nicht  wesentlich  in  Betracht  kommen  dürfte, 
wird  sich  nicht  in  Abrede  stellen  lassen,  dass  der  totale  Verlust 
sämtlicher  Zehen  nicht  nur  den  anatomischen  Defekt  eines 
Fussabschnittes  und  somit  eine  teilweise  Schädigung  der  Körper¬ 
vollkommenheit  bedeutet,  sondern  auch  unter  Umständen,  insbeson¬ 
dere  beim  Zehnstand  und  Zehengang,  eine  ausgiebigere  bzw. 
ganz  vollkommene  Gebrauchsfähigkeit  des  Fusses  beeinträch¬ 
tigt,  welche  allerdings,  wie  T  h  i  e  m  mit  Recht  hervorhebt,  früher 
häufig  zu  hoch  bewertet  und  entschädigt  wurde. 

IV. 

Was  nun  die  Abschätzung  der  durch  die  Unfallfolgen  nach 
Zehenverletzung  bedingten  Erwerbsunfähigkeit  bzw.  Erwerbs¬ 
beschränktheit  anbelangt,  so  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  wie  die 
Entwickelung  und  Funktionsleistung  des  rechten  und  linken  Beines 
in  der  Regel  gleich  ist,  auch  die  Schädigungen  der  Beine  in  der 
Regel  beiderseits  gleich  bewertet  werden  und  es  deshalb 
gleich  ist.  an  welchem  Beine  die  Verletzung  er¬ 
folgt  ist. 

Es  werden  dann  festzustellen  sein: 

1.  die  Funktionsfähigkeit  bzw.  Funktionsstörung  am  verletzten 
Beine, 

2.  die  noch  vorhandene  Arbeitsfähigkeit  und 

3.  die  Lohnverhältnisse  des  Verletzten. 

ad  1.  Hier  ist  zu  untersuchen,  ob  und  inwieweit  das  Auftreten, 
Stehen  und  Gehen  des  Verletzten  mit  und  ohne  Belastung  oder  mit 
anderen  Worten,  ob  und  inwieweit  die  Stütz-  und  T  ragfähig- 
k  e  i  t  und  Marschfähigkeit  beeinträchtigt  ist,  insbesondere  ob 
das  Auftreten  mit  und  ohne  Schmerzen,  auf  der  ganzen  Sohlenfläche, 
oder  in  veränderter  Weise,  z.  B.  mehr  auf  dem  Fussrande,  erfolgt, 
ob  Schwellung,  Verdickung,  entzündlicher  Reizzustand,  Schwielen¬ 
bildung  an  der  Fussohle,  Muskelatrophie,  Narben,  Schwielen¬ 
bildung  in  der  Umgebung  der  Narben,  Veränderungen 
der  Zehennägel,  Versteifung  oder  Verkrüppelung  oder  Verluste  an 
Zehengliedern  und  Zehen  vorhanden  sind,  ob  der  Gang  normal  oder 
hinkend,  ob.  die  grobe  Kraft  des  Beines  vermindert  ist,  ob  das  Gehen 
behindert  oder  erschwert  ist  und  zwar  nur  auf  unebenem  und  hartem 
Boden  oder  auch  auf  ebenem  und  weichem  Boden,  ob  das  Treppen- 
und  Leitern-  sowie  Gerüststeigen  möglich  ist,  ob  das  Gehen  ohne 
Stock  oder  nur  mit  Stock  und  wie  lange  und  wie  weit  dies  mög¬ 
lich  ist. 

ad  2.  Hier  ist  festzustellen,  welche  Arbeiten  noch  geleistet 
werden  können,  insbesondere  ob  Arbeiten  im  Stehen  oder  nur  im 
Sitzen  bzw.  vorwiegend  in  sitzender  Stellung  verrichtet  werden 
können,  ob  nach  dem  Unfälle  etwa  die  gleichen  oder  den  früheren 
Berufsarbeiten  nahestehende  Arbeit  geleistet  werden  könne,  ob  nur 
Arbeiten  im  Hause  oder  auch  Arbeiten  in  ausserhalb  des  Hauses 
gelegenen  Arbeitsstätten  ausgeführt  werden  können,  ob  im  allge¬ 
meinen  nur  leichte,  mittelschwere  oder  auch  einzelne  schwerere 
Arbeiten  verrichtet  werden  können  etc. 

ad  3.  Neben  der  Funktionsfähigkeit  des  verletzten  Beines  und 
der  Arbeitsfähigkeit  des  Verletzten  wird  bei  der  Bewertung  der 
Unfallfolgen  unter  Umständen  auch  die  Ermittelung  der  Lohnver¬ 
hältnisse,  insbesondere  eventuelle  Arbeitsunterbrechung  mit  vorüber¬ 
gehendem  oder  andauerndem  Lohnausfall  von  nicht  zu  unter¬ 


schätzendem  Werte  sein,  obwohl  die  Lohnverhältnisse  an  sich  keinen 
unbedingten  Massstab  für  die  Beurteilung  der  Erwerbsfähigkeit 
bieten,  da  dieselben  von  den  verschiedensten  Einflüssen  abhängig 
sein  können  und  nicht  immer  dem  eigentlichen  Werte  der  geleisteten 
Arbeit  entsprechen.  1 

Bekanntlich  hat  auch  das  Reichsversicherungsamt  den  Grund¬ 
satz  ausgesprochen,  dass  der  tatsächliche  Arbeitsverdienst  wohl 
ins  Gewicht  fallen,  aber  nicht  ohne  weiteres  für 
sich  ausschlaggebend  sein  kann. 

Die  Mehrzahl  der  Berufgenossenschaften  begnügt  sich  nicht  mit 
der  Beschreibung  des  Körperzustandes  und  der  Verrichtung  des 
betreffenden  Gliedes  seitens  des  untersuchenden  Arztes,  sondern  sie 
verlangt  vom  Arzte  eine  Abschätzung  in  Prozenten  und  zwar  in  der 
Regel  eine  bestimmte  Zahl  über  den  Grad  der  verminderten  Erwerbs¬ 
fähigkeit.  Es  dürfte  sich  aber  doch  aus  verschiedenen  Gründen  emp¬ 
fehlen,  dass  der  Arzt  überall,  wo  das  tunlich  ist,  wie  z.  B.  bei  den 
Gliedmassen,  nicht  bloss  eine  beliebige  willkürliche  Zahl  in  Pro¬ 
zenten  angibt,  sondern  auch  noch  —  besonders  in  schwierig  ge¬ 
lagerten  Fällen  —  den  Grad  der  Gebrauchsfähigkeit  oder  Gebrauchs¬ 
unfähigkeit  des  verletzten  Gliedes  beisetzt,  etwa  mit  der  Aeusserung: 
der  Finger,  die  Hand,  der  Arm,  das  Bein  ist  3U,  V2,  V«,  2U,  Vs  ge¬ 
brauchsfähig,  bzw.  gebrauchsunfähig. 

Als  ein  ungefährer  Anhalt  für  die  Bemessung  der  Ein- 
busse  von  Arbeitsfähigkeit  durch  Behinderung  des  Gehens  und 
Stehens  in  Prozenten  mag  nach  Becker  die  allgemeine  Massgabe 
dienen,  dass  ein  Schaden  des  Beines  vom  Oberschenkel  abwärts, 
welcher  noch  ein  halbstündiges  Gehen  ohne  Stock  erlaubt,  kaum 
über  30  Proz.  und  ein  solcher  Schaden,  welcher  alles  Gehen  ohne 
Stock  überhaupt  verbietet,  bis  zu  60  Proz.  Einbusse  an  Arbeits¬ 
fähigkeit  zu  schätzen  sein  dürfte 

Muss  ein  Verletzter,  weil  er  unfähig  ist,  andauernd  zu  stehen  1 
oder  zu  gehen,  auf  jede  Arbeit  im  Gehen  und  Stehen  verzichten, 
ist  er  also  lediglich  auf  Arbeiten  im  Sitzen  angewiesen,  so  wird, 
in  der  Regel  eine  60 — 70  proz.  Erwerbsbeschränktheit  anzunehmen 
sein.  Denn  der  Kreis  der  im  Sitzen  ausführbaren  Arbeiten  ist  mei¬ 
stens  ein  sehr  enger,  um  so  mehr  als  ein  grosser  Teil  derselben: 
so  beschaffen  ist,  dass  zu  ihrer  ordnungsgemässen  Erledigung  eine 
gewerbliche  Vorbildung,  mindestens  aber  eine  manuelle  Ue,bung  des 
Arbeiters  erforderlich  ist,  die  besonders  im  vorgerückten  Alter  des 
Verletzten  oft  schwer  oder  für  ständigen  und  sicheren  Verdienst 
ungenügend  zu  gewinnen  ist.  t 

Im  allgemeinen  wird  die  Abschätzung  der  Unfallfolgen  nach 
Zehenverletzungen  unter  Berücksichtigung  der  oben  aufgeführten 
allgemeinen  Gesichtspunkte  keine  besonderen  Schwierigkeiten 
machen.  In  der  Regel  sind  auch  die  wirklichen  Unfallfolgen  der  Zehen- 
verletzungen  nach  der  13.  Woche  so  geringe,  dass  meistens  nur  kiei-i 
nere  Renten  in  Betracht  kommen  und  diese  nur  vorübergehend,  etwa 
1  bis  2,  oder  höchstens  3  Jahre  resp.  so  lange,  bis  vollkommene  An¬ 
passung  und  Angewöhnung  angenommen  werden  kann. 

Hierüber  sind  Entscheidungen  des  Reichsversicherungsamtes  in 
grösserer  Zahl  vorhanden,  von  denen  einige  als  typische  Beispiele! 
kurz  angeführt  sein  mögen. 

So  wird  der  Verlust  der  Grosszehe  oder  einer 
anderen  Zehe  ursprünglich  mit  10,  15  und  20  Proz.  entschädigt, 
eine  Dauerrente  jedoch  nach  Eintritt  der  Gewöhnung  nicht  gewährt. 

Für  den  Verlust  der  Endglieder  der  grossen  und 
zweiten  Zehe  erhält  der  Verletzte  ursprünglich  15  Proz.,  später 
0  Proz. 

Verlust  der  3.,  4.  und  5.  Zehe  und  Steifheit  der 
2.  Zehe  in  den  beiden  ersten  Gelenken  wird  ursprüng¬ 
lich  mit  20  Proz.  entschädigt,  eine  Dauerrente  wird  jedoch  nicht  ge¬ 
währt. 

Steifheit  sämtlicher  Zehen  und  Abflachung: 
des  Fusses  nach  Mittelfussbruch  wird  ursprünglich  mit  20  Proz.1 
entschädigt,  eine  Dauerrente  wird  nicht  gewährt. 

Verlust  der  Grosszehe  und  zweiten  Zehe  wird 
ursprünglich  mit  10  Proz.  entschädigt,  später  0  Proz. 

Verlust  der  grossen  und  zweiten  Zehe  und 
Verlust  der  3.  bis  5.  Zehe  bis  auf  die  Grundglieder  wird  ur¬ 
sprünglich  mit  33L1  Proz.,  später  mit  10  Proz.  entschädigt. 

Verlust  der  halben  Grosszehe  und  der  drei 
mittleren  Zehen  wird  ursprünglich  mit  20  Proz.,  später  mit 
10  Proz.  entschädigt. 

Verlust  der  2.  Zehe,  Hervorstehen  der  Gross¬ 
zehe  beim  Auftreten  nach  der  Streckseite  wird  ur¬ 
sprünglich  mit  15  Proz.  entschädigt,  später  0  Proz. 

Verlust  der  2.,  3.,  4.  und  5.  Zehe,  in  der  Fussohle 
hornartig  verhärtete,  stark  druckempfindliche! 
Narbe  wird  bei  einem  landwirtschaftlichen  Arbeiter  später  mit 
30  Proz.  entschädigt. 

Leichte  Versteifung,  Verdickung  und  Ver¬ 
kürzung  der  rechten  Grosszehe  wird  bei  einem  Tag¬ 
löhner  gar  nicht  entschädigt. 

Bei  Versteifung  sämtlicher  Zehen  in  günsti¬ 
ger  Stellung  derselben  wird  eine  Dauerrente  nicht  gewährt. 

Bei  mässiger  Verdickung  des  Grosszehen¬ 
grundgliedes,  Versteifung  des  Grundgelenkes  in 
S  t  r  e  c  k  s  t  c  1 1  ung  und  mässiger  Beweglichkeits¬ 
beschränkung  des  Nagelgliedes  wird  eine  Entschädigung 
nicht  gewährt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


•471 


.  März  1913. 


Der  Verlust  sämtlicher  Zehen  würde  nach  T  h  i  e  m 
iit  15,  höchstens  20  Proz.  dauernd  zu  entschädigen  sein.  Die  früher 
bliche  Entschädigung  mit  33  V3  Proz.  war  viel  zu  hoch. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ist  die  Schlussfolgerung  zu 
iehen,  dass  in  der  Regel 

1.  der  glatte  Verlust  einzelner  Zehen,  einschliesslich  der 
ürosszehe,  ferner  der  glatte  Verlust  auch  von  zwei  oder  drei 
und  vier  Zehen  nicht  dauernd  entschädigt  werden; 

2.  in  günstiger  Stellung  (Streckstellung)  versteifte  Zehen, 
selbst  bei  glatter  Versteifung  sämtlicher  Zehen,  nicht 
dauernd  entschädigt  werden; 

3.  der  glatte  Verlust  sämtlicher  Zehen  eines  Fusses  nicht 
höher  als  mit  15  bis  20  Proz.  dauernd  entschädigt  wird. 

4.  durch  Narben,  krankhafte  Nagelveränderungen.  Zehenver- 
kriippelungen  etc.  hervorgerufene  entzündliche,  schmerzhafte 
Reizzustände  nur  für  die  Dauer  des  Reizzustandes  entschädigt 
werden,  der  in  der  Regel  nur  vorübergehender  Natur  ist. 

V. 

Schliesslich  möchte  ich  noch  kurz  auf  ein  paar  kleine  Broschüren 
ufmerksam  machen,  welche  neben  dem  Meisterwerke  von  Thiems 
landbuch  für  Unfallkrankheitcn  für  die  Bewertung  und  Abschätzung 
er  Unfallfolgen  nach  Verletzungen  der  Gliedmassen  bzw.  der  Zehen 
anz  vorzügliche  Dienste  leisten,  besonders  durch  die  in  diesen 
Verkchen  gesammelten  instruktiven  Reichsversicherungsamts-  und 
chiedsgerichtsentscheidungen : 

1.  Gewöhnung  an  Unfallfolgen  als  Besserung  von  L.  Claus, 
Verlag  von  Göhnemanns  Buchdruckerei  (Fr.  Diers)  in  Han¬ 
nover  (mit  sehr  übersichtlichen  Abbildungen); 

2.  Begutachtung  der  Finger-,  Arm-  und  Beinverletzungen  von 
Landesmedizinalrat  Prof.  Liniger  (Verlag  von  Schwann 
in  Düsseldorf). 

Ausser  diesen  beiden  Sammlungen  wurden  literarisch  noch 
aintsächlich  benützt: 

Hyrtl:  Anatomie  des  Menschen  und  topographische  Anatomie. 

Rauher:  Anatomie  des  Menschen.  —  Schmid:  Unser  Körper, 
laudbuch  der  Anatomie,  Physiologie  und  Hygiene  der  Leibesübungen. 

-  Duchenne:  Physiologie  der  Bewegungen.  —  Ranke:  Der 
lensch.  —  Statik  und  Mechanik  des  menschlichen  Fusses  von  Herrn. 
.  Meyer.  —  Koenig:  Lehrbuch  der  Chirurgie.  —  Thiem: 
landbuch  der  Unfallerkrankungen  (2.  Auflage).  —  Becker:  Lehr- 
uch  der  ärztlichen  Sachverständigentätigkeit  für  die  Unfall-  und 
ivaliditätsvcrsicherungs-Gesetzgebung.  —  Golebiewski:  Un- 
dlheilkunde.  —  Kaufmann:  Handbuch  der  Unfallverletzungen. 

-  Waibel:  Leitfaden  für  Unfallgutachten.  —  Goertz:  Bedingt 
er  Verlust  der  Grosszehe  eine  dauernde  Erwerbsbeschränkung? 
'lonatsschr.  f.  Unfallheilk.  1900,  No.  8.  • —  Lange:  Plattfuss- 
eschwerden.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  6. 


uis  der  inneren  Klinik  des  Hospitals  zum  Heiligen  Geist  in 
Frankfurt  a.  M.  (Direktor:  Prof.  Treupel). 

’ierjährige  Erfahrungen  mit  unterbrecherlosen  (Gleich- 
ichter)  Röntgenapparaten  und  einige  wichtige  Neue¬ 
ungen  an  denselben.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage 
der  Apparatbeurteilung  durch  den  Arzt. 

Von  Dr.  Franz  M.  Groedel, 

•  orstand  der  Röntgenabteilung  des  Hospitals,  Arzt  in  Bad 

Nauheim. 

Jeder  mit  der  Röntgentechnik  vertraute  Arzt  kennt  den 
.Unterbrecher“  als  den  heikelsten  Teil  des  eigentlichen  Rönt- 
leninstrumentariums.  Es  ist  dies  diejenige  Stelle,  die  der 
;rössten  Abnutzung  und  Veränderung  ausgesetzt  ist,  die 
lauernd  nachreguliert  werden  muss,  von  deren  vorsichtigen 
Behandlung  und  individuellsten  Anpassung  an  den  jeweiligen 
rewollten  Effekt  in  letzter  Linie  die  Leistung  des  Röntgen- 
ipparates  abhängt.  Ein  unterbrecherloser  Röntgenapparat 
)edeutet  daher  in  der  Hand  des  technisch  wenig  erfahrenen 
(rztes  oder  seiner  Assistenz  eine  so  wesentliche  Vereiti- 
achung  und  Betriebserleichterung,  dass  der  Ausbau  derartiger 
\pparatsysteme  schon  im  Interesse  einer  noch  schnelleren 
Einführung  der  Röntgenologie  in  weiteste  Aerztekreise  mir 
kingend  erwünscht  schien. 

Unterbrecherlose  Röntgenapparate  können  auf  verschie- 
lene  Weise  konstruiert  werden.  Am  aussichtsreichsten  ist 
edoch  die  Benutzung  oder  Erzeugung  eines  Wechselstromes, 
■ier  durch  geeignete  Vorrichtungen  auf  hohe  Spannung  trans- 
ormiert  und  durch  sekundäre  Gleichrichtung  in  pulsierenden 
Gleichstrom  umgewandelt  wird.  Neben  dem  genannten 
grossen,  aber  mehr  äusserlichen  Vorteil  des  Fortfalles  jeder 
Unterbrechervorrichtung  stellt  ein  solcher  Apparat  insofern 


einen  grossen  technischen  Gewinn  dar,  als  bei  ihm  auch  ein 
direkter  Anschluss  an  Wechselstrom  möglich  ist  —  alle 
anderen  diesem  Zweck  dienenden  Systeme  haben  seither  ver¬ 
sagt,  so  dass  wir  genötigt  waren,  uns  für  Röntgenzwecke 
stets  Gleichstrom  zu  erzeugen  —  und  dass  kein  Schliessungs¬ 
strom  auf  tritt.  Auf  Ursache,  Wesen  und  unerwünschte  Wir¬ 
kung  des  Schliessungsstromes  kann  und  brauche  ich  hier  nicht 
einzugehen.  Endlich  ist  noch  zu  sagen,  dass  bei  diesem 
Apparatsystem  die  Messung  der  sekundären  Energie  exakter 
zu  bewerkstelligen  ist  als  bei  den  Unterbrecherapparaten. 

Schon  1897  ist  —  wie  es  scheint  nur  im  Prinzip  —  durch  den 
Amerikaner  Le  mp  eine  derartige  Maschine  für  Röntgenzwecke 
konstruiert  worden.  Wie  aus  der  Patentschrift  zu  ersehen  ist.  er¬ 
zeugt  der  Apparat  einen  hochgespannten  Wechselstrom,  dessen  gleich¬ 
gerichtete  Impulse  durch  eine  von  einem  Synchronmotor  angetriebene 
Vorrichtung  sozusagen  herausgefangen  werden.  Erst  1903  wurde 
von  deutscher  Seite  eine  ähnliche  Konstruktion  erdacht.  F.  I.  Koch1) 
beschrieb  eine  Vorrichtung,  die  —  ähnlich  dem  Lemp  sehen  Vor¬ 
schlag  und  ähnlich  den  in  der  elektrotechnischen  Messtechnik  für 
niedere  Spannung  schon  lange  gebräuchlichen  mechanischen  Gleich¬ 
richtern  (Janus)  —  den  zunächst  erzeugten  hochgespannten  Wechsel¬ 
strom  in  pulsierenden  Gleichstrom  umwandelte.  Die  Gründe,  warum  die 
durch  die  Koch  sehe  Erfindung  im  Prinzip  gelöste  und  durch  die 
Koch  sehen  Publikationen  allgemein  bekannte  Angelegenheit  nicht 
weiter  verfolgt  wurde,  interessieren  uns  hier  nicht.  Tatsache  ist, 
dass  5  Jahre  lang  weder  in  der  Literatur  noch  in  der  Praxis  ein 
derartiges  Apparatsystem  Beachtung  resp.  Anwendung  fand. 

Da  ich  den  von  Koch  beschrittenen  Weg  für  besonders 
aussichtsreich  hielt,  veranlasste  ich  die  Firma  Reiniger, 
Gebbert  &  Schall  in  Erlangen,  ihr  Interesse  der  Frage 
zuzuwenden.  Es  zeigte  sich  in  der  Tat,  dass  in  einem  der¬ 
artigen  Apparat  ein  technisch  guter  Effekt  erzielt  werden  kann. 
Bezüglich  der  Konstruktionsdetails  verweise  ich  auf  die  aus¬ 
führliche  Veröffentlichung  von  Fr.  Janus2 *).  Meine  prak¬ 
tischen  Erfahrungen  und  meine  ersten  mit  dem  Apparat  er¬ 
haltenen  Resultate  demonstrierte  ich  1908  auf  dem  vierten 
internationalen  Kongress  in  Amsterdam  :1),  woselbst  ich  auch 
einen  kleinen,  nur  einige  Kilo  schweren  Modellapparat  vor¬ 
führte,  der  im  Verhältnis  zu  seinen  geringen  Abmessungen 
ganz  erstaunliches  leistete.  An  gleicher  Stelle  beschrieb  auch 
der  Amerikaner  H.  C.  S  n  0  o  k 4)  einen  neuen  „Röntgen¬ 
generator“,  der  ebenfalls  auf  den  von  Lemp  und  Koc  h 
bereits  fixierten  und  erprobten  Grundlagen  aufgebaut  war. 

Obgleich  der  unterbrecherlose  Röntgenapparat  anfangs 
gerade  aus  den  Reihen  der  Fabrikanten  am  heftigsten  be¬ 
kämpft  wurde,  sahen  sich  doch  fast  alle  grösseren  in-  und  aus¬ 
ländischen  Fabriken  bald  veranlasst,  nach  gleichem  Prinzip 
Apparate  zu  bauen.  Die  Aerzte  erkannten  nämlich  sehr  bald, 
dass  es  sich  bei  dem  neuen  System,  wie  Janus  sagt,  nicht 
mehr  um  einen  „Apparat“,  sondern  um  eine  „Maschine“  han¬ 
delt,  die  im  Gegensatz  zu  den  bisher  üblichen  Apparaten 
—  den  Produkten  der  Feinmechanik  —  gegen  Abnutzung, 
schlechte  Behandlung  und  unzweckmässige  Bedienung  ebenso 
widerstandsfähig  ist,  wie  jeder  Industrieelektromotor. 

Der  unterbrecherlose  Röntgenapparat  ist  zurzeit  wohl 
der  verbreitetste  und  die  Erfahrung  der  meisten  Aerzte  scheint 
mit  der  meinigen  übereinzustimmen,  dass  mit  keinem  anderen 
Apparatsystem  ein  gleich  sicheres  und  bequem  abstufbares 
Arbeiten  möglich  ist. 

Nur  zwei  Nachteile  machten  sich  mir  sehr  bald  bemerk¬ 
bar,  deren  Beseitigung  ich  seither  erstrebte. 

Bekanntlich  wird  durch  die  Erwärmung  der  Röhre  resp.  ihrer 
Antikathode  eine  Arbeitsgrenze  gezogen,  deren  Beachtung  aus 
schwerwiegenden  ökonomischen  Gründen  jedem  Röntgenologen  mit 
den  Anfangsgründen  eingeimpft  wird.  Für  die  Röntgenographie  ist 
die  Frage  heute  nicht  mehr  so  wichtig,  weil  wir  gelernt  haben, 
unseren  Röntgenröhren  in  kürzester  Zeit  so  viel  Energie  zuzuführen, 
dass  jedes  Photogramm  im  Verlaufe  weniger  Sekunden  oder  in 
Bruchteilen  einer  Sekunde  hergestellt  werden  kann.  Die  aufge¬ 
speicherte  Röhrenwärme  kann  dann  in  beliebig  langer  Zeit  nach 
aussen  abgegeben  werden.  Anders  bei  der  Röntgendurchleuchtung 
und  der  Röntgentherapie.  Hier  handelt  es  sich  um  eine  mehr  oder 
weniger  lange  durchgefiihrte  Dauerbelastung,  die  der  Röhre  nur  wenig 
Zeit  zur  Wärmeabfuhr  gibt  und  so  schliesslich  zu  einer  gefährlichen 


1)  Annalen  der  Physik.  Vierte  Folge,  Bd.  4,  S.  547.  1904  und 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Bd.  VIII.  1903. 

2)  Zeitsehr.  f.  med.  Elektrol.  u.  Röntgenkunde,  Bd.  XI. 

:1)  Siehe  auch  Deutsche  med.  Wochenschr.  1908,  No.  49. 

4)  IV.  internationaler  Kongress  f.  med.  Elektrol.  u.  Radiol., 
Amsterdam  1908. 


472 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9 


Wärmestauung  führen  muss.  Da  das  Funktionieren  der  Röhre  durch 
Fnergiestösse  verursacht  wird  (geliefert  vom  Röntgenappaiat),  5 
müssen  wir  also  sehen,  dass  bei  Dauerbetrieb  die  Pausen  zwischen  j 
diesen  Energiestössen  möglichst  gross  sind  und  so  eine  genügende  j 
Wärmeausstrahlung  bzw.  Wärmeabfuhr  auch  während  des  Rohren-  ^ 
betriebes  ermöglicht  wird.  Nun  wissen  wir,  dass  die  Deuthchkei 
resp  Helligkeit  des  Durchleuchtungsbildes  mehr  von  der  Art  der 
einzelnen  Energieimpulse  der  Röntgenröhre,  nicht  von  ihrer  Zahl  ab¬ 
hängig  ist.  Sobald  deren  Zahl  30  pro  Sekunde  erreicht,  sieht  unser 
Auge  ein  vollkommen  ruhiges  nicht  flackerndes  Bild.  Von  diesen 
Ueberlegungen  ausgehend  sagte  ich  mir,  dass  beim  unterbrecher- 
losen  Apparat,  der  beispielsweise  bei  50  Perioden  100  Impulse  pro 
Sekunde  liefert,  die  Röhre  bei  der  Röntgendurchleuchtung  mindestens 
50  Proz.  zwecklos  vergeudete  Energie  erhält  und  dass  durch  Aus¬ 
schaltung  dieser  Energiemenge  die  Röhre  bei  absolut  gleicher  Prak¬ 
tischer  Leistung  nur  die  halbe  Erwärmung  erfahren  müsse.  Ich 
führte  daher  jeden  zweiten  Impuls  des  Röntgenapparates  —  es  lasst 
sich  bei  der  AH  der  unterbrecherlosen  Apparate  mit  Leichtigkeit  die 
negative  und  die  positive  Stromphase  gesondert  abfangen  —  in  eine 
verdeckt  untergebrachte  zweite  Röntgenröhre  und  erzielte  so  eine 
ganz  bedeutende  Röhrenentlastung,  so  dass  also  nun  das  unter- 
hrecherlose  Apparatsystem  auch  für  Durchleuchtungs-  und  Therapie¬ 
zwecke  keinen  höheren  Röhrenverbrauch  aufweist,  wie  sonstige 
Apparate.  An  Stelle  der  Röntgenröhre  brachte  ich  spater  eine  ventil¬ 
röhre  an,  um  die  unnötige  Röntgenstrahlenbildung  zu  vei  meiden. 
Und  schliesslich  gelang  es  mir.  die  überflüssige  Stromphase  111  ein..n 
besonders  gebauten  Widerstand  abzuleiten,  der  durch  einen  einfachen 
Handgriff  leicht  ein-  und  ausgeschaltet  werden  kann,  je  nachdem 
man  den  Apparat  gerade  für  Durchleuchtungs-  oder  Aufnahmezwecke 
benutzen  will.  Ueber  diese  Vorrichtung  berichtete  ich  zum  erstenmal 
1910  auf  dem  IV.  Röntgenkongress.  Seither  hat  sie  allerorts,  mit 
bestem  Erfolg  Anwendung  gefunden.  Für  die  moderne  forcierte 
Tiefentherapie  hat  sich  ausserdem  die  Verwendung  eines  sogen. 
„Rhythmeurs“  gut  bewährt,  eines  Apparates,  der  automatisch,  den 
Primärstrom  nur  für  kurze  Zeiträume  einschaltet  und  an  jedes 
Röntgeninstrumentarium  angeschlossen  werden  kann. 

Der  zweite  für  die  Praxis  weniger  wichtige  Nachteil  schien 
mir  der  zu  sein,  dass  die  Grenze  der  Leistungsfähigkeit  der  unter¬ 
brecherlosen  Apparate  dann  gegeben  ist,  wenn  wir  den  Appaiat  mit 
der  zur  Verfügung  stehenden  Strommenge  maximal  belasten.  Bei 
den  mit  Unterbrechern  arbeitenden  Apparaten  lässt  sich  dagegen 
durch  die  Art  der  Stromunterbrechung  noch  eine  weitere  Ettekt- 
steigerung  erzielen.  Diese  von  mir  schon  anfangs  geäusserten  e- 
denken  haben  sich  in  der  Folge  bestätigt.  Während  Induktor  und 
Gleichrichterapparat  zunächst  vollkommen  gleiche  maximale 
Leistungsfähigkeit  aufwiesen,  hat  der  Induktor  m  der  Zwischenzeit 
durch  Einführung  der  von  A  lb  e  r  s- S  ch  ö  nbe  r  g  und  Waltei, 
von  Eijkmann,  Koch,  D  e  s  s  a  u  e  r  und  vielen  anderen  schon 
lange  inaugurierten  Einschlagunterbrecher  einen  Vorsprung  erhalten, 
wenigstens  für  die  Zwecke,  wo  kürzeste  Expositionszeiten  —  also 
von  1U 0  Sekunde  und  weniger  --  notwendig  werden. 

Es  galt  also  nun  den  unterbrecherlosen  Gleichrichterapparat  so 
auszubauen,  dass  auch  mit  ihm  Aufnahmen  mit  einem  einzigen  In¬ 
duktionsschlag  möglich  werden.  Als  idealste  Vervollkommnung 
schwebte  mir  hierbei  der  Gedanke  vor,  nur  einen  der  100  pro  be¬ 
kunde  erzeugten  Stromimpulse  des  Apparates  zu  benutzen.  Al.e 
seither  in  dieser  Richtung  unternommenen  Versuche  —  Kuppelung 
mehrerer  Transformatoren  usw.  —  haben  noch  keine  befriedigenden 
Resultate  gezeitigt.  Ich  schlug  daher  vor,  den  Apparat  so  zu  modi¬ 
fizieren,  dass  eine  der  seither  beim  Induktor  für  Einschlagaufnahmen 
benützten  Vorrichtung  auch  bei  ihm  Verwendung  finden  konnte  v,  ic 
dies  durch  eine  im  Laboratorium  der  R  e  in  1  g  e  r,  ü  e.b  b  e  r  t 
&  Schall  A,G.  erprobte  Konstruktion  möglich  geworden  ist,  will 


ich  in  folgendem  kurz  erläutern.  ,  , 

Die  Grösse  der  Sekundärspannung  hängt  wie  bekannt  neben 
anderen  Momenten  von  der  Zeitdauer  ab,  während  der  das  durch 
den  Stromschluss  hervorgerufene  Magnetfeld  wieder  zum  ver¬ 
schwinden  kommt.  Hierfür  ist  in  erster  Linie  die  Geschwindigkeit 
massgebend,  mit  der  die  Unterbrechung  des  Primärstromes  eriolgt. 
Nun  ist  weiter  allgemein  bekannt,  dass  in  einem  eisengeschlossenen 
Transformator  (Gleichrichterapparat)  die  Entmagnetisierung  viel 
langsamer  erfolgt,  wie  in  einem  eisenoffenen  Transformator  (Induktoi.) 

Um  daher  die  für  eine  Einschlagaufnahme  notwendige  Spannung 
auch  beim  Gleichrichterapparat  zu  erreichen,  muss  diesem  ein  bereits 
rapid  erfolgender  primärer  Stromstoss  zugeführt  werden.  Die  Frage 
ist  in  folgender  höchst  ingeniöser  Form  gelöst  worden:  Wir  lassen 
den  Strom  zunächst  durch  eine  Vorrichtung  laufen,  die  im  wesent¬ 
lichen  einem  kleinen  aber  neuartig  dimensionierten  und  gebauten 
Transformator  mit  offenem  Eisenkern  entspricht.  In  diesem  kleinen 
Zusatzapparat  wird  durch  den,  in  bekannter  Weise  rapid  unter¬ 
brochenen,  Primärstrom  ein  sehr  kurzer  Sekundärstrom  erzeugt,  der 
in  den  grossen  Transformator  weitergeleitet,  nun  in  diesem  einen 
ebenfalls  rapid  ablaufenden  aber  gleichzeitig  sehr  hochgespannten 


Sekundärstromstoss  hervorruft. 

Die  benötigte  primäre  Stromstärke  ist  daher  nicht  höher,  wie 
beim  Unipulsinduktor.  Sie  beträgt  etwa  50  Ampere.  Die  Handhabung 
des  Apparates  wird  durchaus  nicht  komplizierter  wie  früher.  Ein 
Hebelschalter  dient  zur  Umschaltung  vom  gewöhnlichen  auf  Ein¬ 
schlagbetrieb.  Die  Bedienung  des  Einschlagunterbrechers  selbst  ist, 
wie  ja  bekannt,  äusserst  einfach. 


Es  muss  nun  zum  Schluss  noch  die  Frage  erledigt  werden 
wie  sich  die  Leistungen  des  Qieichrichterapparates  zu  dene, 
anderer  Apparatsysteme,  also  besonders  der  Induktorien,  ver 
halten.  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  einige  Worte  ein 
flechten  über  die  Gesichtspunkte,  nach  denen  die  Leistungs 
fähigkeit  eines  Röntgenapparates  vom  Standpunkt  des  Arzte 
ganz  allgemein  zu  beurteilen  ist. 

Hergenhahn5)  hat  z.  B.  kürzlich  an  dieser  Stell 
7  Punkte  fixiert,  nach  denen  Vergleichsversuche  an  verschic 
denen  Apparaten  vorgenommen  werden  sollen.  Die  Frage 
Hergen hahns  lassen  sich  kurz  zusammenfassen:  1.  welche 
Apparat  ist  leichter  zu  bedienen,  2.  welcher  gibt  auch  bei  nicl 
ausgesprochen  fachmännischer  Bedienung  bessere  Resultat« 
3  welcher  liefert  kürzeste  Expositionszeiten,  4.  welcher  vei 
braucht  mehr  Röhren,  5.  welcher  ist  den  einzelnen  röntger! 
diagnostischen  Zwecken,  6.  welcher  den  verschiedenen  rön 
gentherapeutischen  Bedürfnissen  besser  anpassbar,  7.  welch« 
Apparat  liefert  die  besten  Bilder? 

Auf  Grund  meiner  Erfahrungen  mit  den  verschiedenste 
Apparatsystemen,  speziell  mit  kleinen,  grossen  und  sei 
grossen  Induktorien,  mit  Quecksilber-,  Wehnelt-  und  Eil 
schlagunterbrechern,  mit  den  früheren  Gleichrichterapparat« 
und  dem  neuen  Einzelschlag-Gleichrichterapparat,  darf  ich  m 
ohne  weiteres  ein  Urteil  über  meine  Fragen  1 — 6  erlaube 
um  so  mehr  als  ich  auch  die  Erfahrungen,  die  ich  bei  d« 
röntgenologischen  Ausbildung  zahlreicher  Kollegen  gesamrm, 
habe,  mit  verwerten  kann. 

ad  1.  Am  leichtesten  ist  derjenige  Apparat  zu  bedienen,  der  11 
der  geringsten  Zahl  von  Schaltern,  Hebeln  usw.  arbeitet,  also 
erster  Stelle  ein  Gleichrichterapparat. 

ad  2.  Ganz  besonders  gilt  dies  für  technisch  weniger  gut  ai 
gebildete  Bedienung.  Hier  ist  der  Gleichrichterapparat  der  ideals. 

ad  3.  Die  Kürze  der  Expositionszeiten  hängt  ab:  a)  von  der  Höl 
der  zur  Verfügung  stehenden  primären  Stromintensität.  Ist  al» 
Anschluss  an  220  Volt  und  dickes  Zuführungskabel  vorhanden,  1 
erhalte  ich  kürzere  Expositionszeiten,  als  wenn  ich  nur  110  Volt  1- 
nutzen  kann  und  nur  wenige  Ampere  aus  einem  dünnen  Zufiihruns- 
kabel  herauszuholen  vermag;  b)  von  den  Abmessungen  des  Apparat 
resp.  den  Umsetzungsverhältnissen.  Ein  kleiner  Apparat  lieft 
naturgemäss  weniger  wie  ein  grosser,  gleich  einer  kleinen  und  grosn 
Pumpe.  Aber  die  grösste  Pumpe  kann  nicht  mehr  Wasser  liefe, 
als  ihr  unterirdischer  Sekundenzufluss  gestattet.  Mit  anderen  Wort , 
es  gibt  eine  oberen  Grenze  für  Röntgenapparate,  über  die  hina- 
zugehen  zwecklose  Materialvergeudung  ist.  Im  übrigen  ist  heute  «s 
optimale  Umsetzungsverhältnis  allen  Fabrikanten  bekannt,  so  d;S 
hierin  von  jedem  soliden  Apparat  eine  fehlerfreie  Anlage  erwai  t 
werden  darf.  Endlich  ist  c)  die  Art  der  Unterbrechung  zu  erwähm 
Ein  elektrolytischer  Unterbrecher  leistet  immer  noch  mehr  wie  R 
Quecksilberunterbrecher,  ein  Einschlagunterbrecher  mehr  wie  d 
erstere.  Der  Gleichrichterapparat  ist  dem  Wehnelt  unbedingt  ebenbur:, 
Hieraus  ergibt  sich,  dass  mit  jedem  Apparatsystem  bei  genügen  «1 
Stiomzufuhr,  bei  genügender  Apparatdimensionierung  und  wisst- 
schaftlich  erprobtem  Umsetzungsverhältnis  gleich  kurze  Exposition 
Zeiten  erhalten  werden  müssen. 

ad  4.  Nach  meiner  langjährigen  Erfahrung  ist  der  Röhrenv 
brauch  für  gleiche  Anforderungen  bei  allen  Apparatsystemen  vl 
kommen  gleich.  In  der  Hand  eines  erfahrenen  Röntgenologen  mii 
heute  eine  Röntgenröhre  bis  zum  Eintritt  der  unvermeidlichen  Alt«s 
erscheinungen  funktionstüchtig  bleiben  —  Voraussetzung  ist 
wissenschaftlich  exakter  Aufbau  des  benutzten  Röntgenapparates  i' 
eine  dem  benutzten  System  angepasste  Röhre. 

ad  5  und  6.  Es  gibt  kein  System,  das  sich  nicht  für  alle 
gnostischen  und  therapeutischen  Zwecke  benutzen  Hesse.  Allein  i 
Dimensionierung  der  Apparate  bedingt  die  obere  Grenze  £ 
Leistungsfähigkeit.  (Spezialinstrumentarien  machen  natürlich  fl1 
Ausnahme.) 

Es  wäre  zu  diesen  Punkten  noch  vielerlei  zu  sagen.  - 
dürfte  aber  hier  nicht  der  Ort  sein,  auf  Einzelheiten  n 
zugehen.  Ich  wende  mich  nun  noch  zu  der  allzuhäufig  0 
falschem  Gesichtspunkte  aus  diskutierten  7.  Frage:  Weke 
Apparatsystem  gibt  die  besten  Bilder?  Hier  sind  zwei  Uni 
fragen  zu  beantworten. 

Wonach  schätze  ich  die  Güte  eines  Röntgenbildes?  Nach  ü 
Schärfe  seiner  Zeichnung  und  seinem  Kontrastreichtum  —  hkft 
ist  die  Röhre,  die  Platte,  der  eventuell  benutzte  Verstärkungsscir 
und  die  Art  des  Entwicklungsprozesses  in  allererster  Linie  ns: 
gebend.  Ferner  nach  dem  deutlichen  Hervortreten  des  darzustelleif 
Organes  und  seiner  Teile.  Hierfür  ist  wieder  die  richtige  Wählt 
Röhre  massgebend.  Die  Lungenzeichnung  bedarf  einer  weichen  1 
plastische  Darstellung  des  Herzens  einer  mittelweichen,  die  1» 
Magens  einer  harten  Röhre  usw.  Ueberhaupt  wird  die  Güte  d« 


5)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  34. 


.  März  1913. 


MUENCHENfcfc  MEblZlNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


473 


'öntgenbildes  nicht  anders  wie  die  einer  Lichtphotographie  individuell 
ehr  verschieden  beurteilt,  je  nach  den  Neigungen  und  Ansichten  der 
inzelnen  Röntgenologen. 

Bleibt  die  zweite  Frage  zu  beanworten:  wenn  die  Bildqualität 
i  der  Hauptsache  von  der  Röhre  bedingt  wird,  wovon  hängt  die 
(öhrenqualität  ab?  Die  Röhre  muss  nicht  nur  wissenschaftlich 
urchgebildet  sein  und  allen  bekannten  Forderungen  —  z.  B.  scharfer 
Srennpunkt  usw.  —  entsprechen,  sie  muss  vor  allem  dem  benutzten 
vpparatsystem  angepasst  werden.  Und  nicht  nur  der  Fabrikant  muss 
Liese  Tatsache  beherzigen,  auch  der  Röntgenologe.  Eine  Röhre,  die 
ur  Induktorbetrieb  gebaut  ist,  darf  nicht  gleichzeitig  mit  Gleich- 
ichterapparaten  belastet  werden;  eine  Röhre,  die  für  Einschlagauf- 
lahmen  vorgesehen  ist,  kann  mit  Quecksilberunterbrecher  keine 
iptimale  Leistung  zeigen.  Durch  wahllose  Verwendung  der  Röhren 
verden  sie  für  den  ihnen  ursprünglich  bestimmten  Verwendungs- 
lezirk  stets  weniger  leistungsfähig,  oft  vollkommen  unbrauchbar, 
ch  kann  diesen  Satz  durch  meine  neuesten  Erfahrungen  bekräftigen. 
Selbst  bei  Einschlagaufnahmen  zeigten  meine  Röhren,  wenn  sie  an 
lern  Idealapparat  (Gleichrichter)  angeschlossen  waren,  um  2  WE. 
■reicheres  Licht,  als  beim  Unipulsbetrieb  (Induktor).  Mit  gleichen 
Röhren  wurde  z.  B.  eine  Lungenaufnahme  mit  dem  Ideal  erstklassig 
.reich  und  scharf,  mit  dem  Unipuls  hart  und  unscharf;  eine  Magen- 
lufnahme  mit  dem  Ideal  verschwommen,  mit  Unipuls  sehr  scharf  und 
dastisch.  Röhren,  die  mit  einem  der  beiden  Apparate  eingearbeitet 
, raren  und  gute  Bilder  lieferten,  Hessen  in  der  Bildqualität  viel  zu 
wünschen  übrig,  wenn  sie  längere  Zeit  auch  mit  dem  anderen  Ap¬ 
parat  betrieben  waren. 

Wonach,  so  wird  der  vor  der  Anschaffungsfrage  stehende  Arzt 
ragen,  soll  ich  dann  die  Leistungsfähigkeit  eines  Apparates  beur- 
eilen?  Vor  allem  nicht  nach  dem  Ausschlag  des  Milliamperemeters. 
Dieses  so  viel  missbrauchte  Beweisobjekt  der  Fabrikanten  sagt  gar 
lichts.  Erstens  sind  diese  Messapparate  verschieden  konstruiert  und 
ergeben  je  nach  Konstruktion  völlig  voneinander  abweichende  Werte. 
Weiterhin  findet  man  in  jedem  physikalischen  Werk  den  Beweis 
.rbracht,  dass  der  Ausschlag  dieses  Instrumentes  von  dem  Apparat- 
System  (Kurvenform)  abhängt  —  beim  Gleichrichterapparat  z.  B. 
ranz  andere  Werte  zeigt,  wie  beim  Induktor.  (Auf  die  eigentliche 
Bedeutung  des  Milliarnperemeters  gehe  ich  hier  nicht  ein.)  Auch 
nicht  nach  der  Schärfe  einiger  Demonstrationsbilder  können  wir 
gehen;  ebensowenig  nach  der  Mitteilung  einiger  Rekordzeiten.  So 
ange  wir  keine  unabhängige  „staatliche  Prüfungsstelle  für  Röntgen- 
ipparate  und  Zubehör“  besitzen,  bleibt  uns  nur  ein  Mittel:  uns  selbst 
möglichst  gut  vor-  und  auszubilden  und  dann  den  ins  Auge  gefassten 
Apparat  einige  Zeit  praktisch  auszuprobieren,  eventuell  in  einem 
anderen  Laboratorium  den  Betrieb  des  Apparates  zu  verfolgen. 

Die  vorstehenden  Ausführungen  werden  es  begreiflich 
machen,  warum  ich  auf  eine  detaillierte  Vergleichsbewertung 
der  beiden  Apparatsysteme  nicht  näher  eingehe.  Ich  habe 
früher  schon  lange  Zeit  hindurch  exakte  Vergleiche  zwischen 
dem  Cileichrichterapparat  und  dem  Induktor  angestellt,  ohne 
den  geringsten  Unterschied  in  ihrer  Leistung  finden  zu  können. 
Den  Vorsprung,  den  der  Induktor  durch  die  Einschlagauf- 
nahmen  vor  dem  Gleichrichter  kurze  Zeit  besass,  hat  letzterer 
jetzt  eingeholt,  nachdem  es  uns  möglich  geworden  ist,  auch 
mit  ihm  Aufnahmen  in  weniger  als  11 50  Sekunde  herzustellen. 
Ich  habe  neuerdings  Vergleichsaufnahmen  mit  meinem  für  alle 
Zwecke  ausgebauten  Unipulsinduktor  und  dem  neuen  Ein¬ 
schlag-Gleichrichterapparat  hergestellt  und  finde  meine  alte 
Erfahrung  bestätigt.  Im  einzelnen  Falle  werden  sonach  nur 
äussere  Momente  den  Ausschlag  geben,  welchem  von  diesen 
beiden  im  Effekt  gleichwertigen  Systemen  der  Vorzug  zu 
geben  ist. 


Aus  der  bakteriologischen  Abteilung  des  Krankenhauses  Fried¬ 
richshain  (Vorsteher:  Dr.  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r). 

Experimentelle  Untersuchungen  über  die  von  Aborten, 
ausgehende  Infektionsgefahr  und  ihre  Verhütung. 

Von  A.  Wolff-Eisner  in  Berlin. 

Für  die  Deutsche  Clofector-Compagnie  habe  ich  einen  von  der 
Gesellschaft  konstruierten  Apparat  einer  Prüfung  unterworfen  und 
habe  hierbei  interessante  experimentelle  Resultate  erhalten,  welche 
mir  einer  Mitteilung  wert  erscheinen. 

Bekanntlich  ist  die  Reinigung  der  Klosette  eine  schwierige  Frage 
Im  allgemeinen  ist  aber  von  ärztlicher  Seite  dieser  hygienischen 
Frage  bisher  keine  sehr  grosse  Bedeutung  zugeschrieben  worden. 

Es  ist  jedem  praktischen  Arzte  bekannt,  dass  häufiger  von  Pa¬ 
tienten  die  Angabe  gemacht  wird,  dass  sie  sich  irgend  eine  Ge¬ 
schlechtskrankheit  durch  Benutzung  eines  Abortes  zugezogen  hätten. 
Meist  wurde  ärztlicherseits  diese  Mitteilung  mehr  von  der  komischen 
Seite  aufgefasst,  und  es  zirkulieren  in  Kollegenkreisen  eine  ganze  An¬ 
zahl  von  Scherzworten,  mit  denen  derartige  Angaben  oder  Anfragen 
beantwortet  wurden.  Trotzdem  hat,  wie  die  nachher  anzuführenden, 
experimentellen  Resultate  ergeben  haben,  diese  Angelegenheit  ihre 
durchaus  ernste  Seite;  denn  es  hat  sich  gezeigt,  dass  Gonokokken- 
N».  9. 


eiter,  der  auf  eine  Abtrittplatte  gebracht  wurde,  noch  nach  zwei 
Stunden  Eintrocknung  vollkommen  gut  und  reichlich  anwachsende 
Gonokokkenkolonien  ergab.  Damit  dürfte  erwiesen  sein,  dass  eine 
Gonokokkeninfektion  auf  einem  infizierten  Abtritt  durchaus  erworben 
werden  kann,  und  dass  dies  ganz  besonders  nach  Lage  der  Sache  für 
Frauen  zutreffen  muss,  da  deren  Schleimhäute  nach  ihrer  Beschaffen¬ 
heit  und  Lagerung  für  eine  solche  Infektion  leichtere  Möglichkeiten 
bieten. 

Bei  vielen  Menschen  bestand,  schon  bevor  diese  Beobachtung 
experimentell  gesichert  war,  eine  berechtigte  Scheu  vor  der  Be¬ 
nutzung  fremder  Abtritte,  und  man  muss  zugeben,  dass  an  Stellen,  an 
denen  viele  Personen  solche  Einrichtungen  benutzen,  wie  in  Hotels, 
Restaurants,  Eisenbahnen,  bei  Behörden,  beim  Militär  etc.,  jederzeit 
eine  Verunreinigung  des  Abortes  mit  infektiösem  Material  durch  Be¬ 
schmutzung  der  Abtrittplatte  mit  Urin,  Stuhl  und  Eiter  möglich  ist; 
nur  in  sehr  wenigen  Fällen  sind  Personen  mit  der  dauernden  Rein¬ 
haltung  der  Aborte  betraut,  und  noch  seltener  ist  die  Reinhaltung 
eine  andere  als  eine  mechanische,  da  fast  immer  nur  mit  einem  feuch¬ 
ten  Lappen  die  Abortplatte  abgewischt  wird.  Es  braucht  nur  auf 
diese  übliche  Art  der  Reinigung  der  Abortplatte  hingewiesen  zu  wer¬ 
den,  um  gleichzeitig  zu  erweisen,  dass  auf  diese  Weise  eine  Un¬ 
schädlichmachung  der  auf  die  Abortplatte  gelangten  Bakterien  nicht 
erzielt  wird. 

Im  allgemeinen  wurde,  wie  schon  erwähnt,  die  Gefahr,  die  durch 
die  Benutzung  derartiger  Aborte  entsteht,  nicht  für  sehr  gross  ge¬ 
halten.  Allein  es  genügte  der  Gedanke,  dass  eine  solche  Infektion 
möglich  ist,  schon,  um  sehr  vielen  Menschen  die  Benutzung  der  frem¬ 
den  Aborte  zu  etwas  höchst  unappetitlichem  zu  machen.  Die  oben¬ 
erwähnten  Versuche  zeigen,  dass  die  Gefahr  —  die  darum  nicht  über¬ 
trieben  werden  soll  —  jedenfalls  grösser  ist,  als  man  beim  Fehlen  sol¬ 
cher  Versuche  bisher  annehmen  konnte.  Da  aber  die  Benutzung  frem¬ 
der  Aborte  nicht  unter  allen  Umständen  zu  vermeiden  ist,  und  es 
selbst  in  der  eigenen  Häuslichkeit  nicht  immer  möglich  ist,  andere 
Personen,  wie  Gäste,  Bedienung,  von  der  Benutzung  des  Klosetts 
auszuschliessen,  so  gewinnt  damit  die  Frage,  wie  solcher  Gefahr  ent¬ 
gegengewirkt  werden  kann,  ein  bedeutendes  hygienisches  und  wirt¬ 
schaftliches  Interesse. 

Wenn  wir  nun  die  Infektionen,  die  bei  der  Benutzung  eines  Klo¬ 
setts  im  wesentlichen  in  Betracht  kommen  könnten,  in  Rücksicht 
ziehen,  so  handelt  es  sich  wohl  vor  allem  um  Infektionen  durch  Gono¬ 
kokken,  Typhusbazillen  und  um  die  Syphilis.  Es  ist  klar,  dass  mau 
durch  die  Benutzung  der  gewöhnlichen  Desinfizientien:  Sublimat,  Kar¬ 
bol,  Lysol  etc.  dieser  Gefahr  entgegentreten  könnte.  Der  Anwendung 
dieser  Desinfizientien  stehen  'jedoch  verschiedene  Schwierigkeiten 
im  Wege:  1.  erfordert  die  Anwendung  derartiger  Desinfizientien  die 
Anwesenheit  von  dauernd  mit  der  Reinhaltung  des  Abortes  betrautem 
Bedienungspersonal,  2.  wird  auf  diese  Weise  die  Abortplatte  feucht 
und  dadurch  für  den  Gebrauch  unangenehm,  und  3.  vertragen  die  für 
elegante  Aborte  fast  stets  verwendeten  polierten  Hölzer  auf  die  Dauer 
die  Anwendung  dieser  flüssigen  Desinfizientien  nicht. 

Eine  zweckmässige  hygienische  Desinfektion  von  Klosettanlagen 
muss  daher  die  Bedingung  erfüllen,  dass  die  Desinfektion  ohne  Zutun 
von  Personal  erfolgt,  und  dass  zweitens  eine  Beschädigung  der  Abort¬ 
platte  bei  der  Desinfektion 
nicht  eintritt.  Es  muss  sich 
daher  um  eine  Desinfek¬ 
tionseinrichtung  handeln, 
welche  durch  ein  gas¬ 
förmiges  Desinfiziens  vom 
Klosettdeckel  auf  die  Abort¬ 
platte  wirkt.  Nach  Lage 
der  Dinge  kommen  im  we¬ 
sentlichen  Formalinpräpa¬ 
rate  in  Betracht,  Die  hohe 
Desinfektionskraft  dieser 
Gase  ist  bekannt.  Der  An¬ 
wendung  von  Formalin  steht 
jedoch  der  starke,  stechende 
Geruch  entgegen. 

Der  von  mir  geprüfte 
Apparat  zur  Desinfektion 
der  Abortplatte,  „Clofektor“, 
bewirkt  in  einer,  nach 
meiner  Ansicht  zweckmäs¬ 
sigen  Konstruktion  die  auto¬ 
matische  Desinfektion.  Auch 
hier  handelt  es  sich  um  ein 
Formalinpräparat,  bei  dem 
der  Geruch  jedoch  durch 
eine  mir  nicht  bekannte  Kombination  mit  ätherischen  Oelen  so  über¬ 
deckt  ist,  dass  ein  10  Minuten  langer  Aufenthalt  in  einem  ab¬ 
geschlossenen  Raum  keine  unangenehmen  Nebenwirkungen  ausiibt; 
gegenüber  dem  Fäzesgeruch  kommt  dem  Präparat  eine  grosse  des¬ 
odorisierende  Kraft  zu,  was  für  unzweckmässig  angelegte  Aborte  von 
Bedeutung  ist.  Die  betreffende  Flüssigkeit  hat  in  wässrigen  Lö¬ 
sungen  eine  relativ  geringe  Desinfektionskraft,  die  erst  in  5 — lOproz. 
Lösungen  in  Erscheinung  tritt,  während  die  Wirkung  der  aus  dem 
Präparat  ausströmenden  Clofectorgase  eine  hohe  ist.  Die  Versuche 
wurden  in  verschiedenster  Weise  variiert.  Es  wurden  z.  B.  bei  den 

4 


m 


MUEHcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _ _ _ _ JNo.9. 


Versuchen  Typhus-,  Milzbrand-  und  Staphylokokkenbazillen,  welche 
an  Fäden  angetrocknet  waren,  benutzt.  Diese  wurden  auf  die  Ab¬ 
trittplatte  gebracht  und,  wie  die  bakteriologischen  Versuche  ergaben, 
in  einer  Stunde  abgetötet.  Man  darf  wohl  schliessen,  dass,  wenn  die 
Abtötung  von  Milzbrandsporen  schon  nach  einer  Stunde  erfolgt,  eine 
Abtötung  von  Syphiliserregern  und  Gonokokken  schon  in  kürzerer 
Zeit  herbeigeführt  wird.  Bei  Anwendung  derartiger  Apparate  wird 
also  die  von  einem  Abort  ausgehende  Gefahr,  wenn  auch  nicht  abso¬ 
lut  beseitigt,  so  doch  auf  ein  Minimum  herabgemindert.  Bei  den  in 
der  Praxis  bestehenden  Verhältnissen  gelangen  nun  nicht  an  Fäden 
angetrocknete  Keime,  sondern  mit  Urintropfen  oder  mit  den  Fäzes 
verteilte  feine  Partikelchen  auf  die  Abortplatte.  Um  diese  Verhältnisse 
nachzuahmen,  wurden  Tropfen  von  Bouillonkultur  (Typhus,  Staphylo¬ 
kokken,  Milzbrand)  in  dünner  Schicht  auf  Papier  angetrocknet  und 
der  Wirkung  der  Clofectordämpfe  ausgesetzt;  und  hierbei  wurden 
Typhusbazillen  schon  nach  10  Minuten,  Milzbrandsporen  schon  nach 
5  Minuten  abgetötet;  es  gelang,  diese  Desinfektionswirkung  auch  noch 
mit  Apparaten,  in  denen  die  Einfüllung  der  Desinfektionsmasse  schon 
vor  8  Tagen  erfolgt  war,  hervorzubringen. 

Schliesslich  wurde  noch,  um  die  Verhältnisse  in  der  Praxis  voll¬ 
kommen  nachzuahmen,  Gonokokkeneiter  auf  die  Klosettplatte  ange¬ 
trocknet  und  dieses  Material  der  Einwirkung  der  Clofectordämpfe 
ausgesetzt.  Es  wurden  auf  diese  Weise  vollständig  die  Verhältnisse 
nachgeahmt,  die  sich  bei  Benutzung  eines  Abortes  durch  Geschlechts¬ 
kranke  ergeben.  Nach  der  Einwirkung  der  Clofectordämpfe  wurde 
der  angetrocknete  Eiter  dann  auf  Aszitesbouillon  überimpft.  Bei 
frischer  Füllung  des  Apparates  wurde  nach  einer  Einwirkung  von 
Vi  Stunde  Sterilität  erzielt,  während  bei  einer  8  Tage  alten  Füllung 
die  Sterilität  erst  nach  zweistündiger  Einwirkung  eintrat.  War  die 
Füllung  mit  Desinfektionsmasse  erst  2  Tage  alt,  so  war  das  Resultat 
im  wesentlichen  dasselbe,  wie  bei  frischer  Füllung.  Es  empfiehlt  sich 
daher,  die  Füllung  der  Apparate  bei  Klosetts,  welche  vielfach  von 
fremden  Personen  benutzt  werden,  alle  2 — 3  Tage  vo'rzunehmen. 

Es  geht  aus  den  mitgeteilten  Versuchen  hervor,  dass  durch 
zweckmässige  Anwendung  der  Clofectordesinfektion  auf  Abortplatten 
Typhusbazillen,  Gonokokken,  Staphylokokken,  ja  sogar  Milzbrand- 
bazillen  in  10  Minuten  bis  K  Stunde  abgetötet  werden.  Wenn  auch 
das  Suchen  nach  einer  noch  besser  wirkenden  Masse  berechtigt  er¬ 
scheint,  so  ergibt  sich  durch  die  Anwendung  derartiger  Apparate 
eine  so  wesentliche  Herabminderung  des  Infektionsgefahr,  die  von 
öffentlichen  Aborten  ausgeht,  dass  dieselbe  als  eine  minimale  ange¬ 
sehen  werden  muss.  Es  empfiehlt  sich  daher  die  Anwendung  dieser 
oder  ähnlicher  Apparate  für  alle  zu  öffentlicher  Benutzung  stehenden 
Aborte. 

Es  wurden  weitere  Versuche  angestellt,  ob  ein  Torfmull¬ 
klosett,  wie  es  häufig  auf  dem  Lande  in  Villen  zur  Verwendung  ge¬ 
langt,  ebenfalls  durch  eine  am  Abortdeckel  angebrachte  Clofector- 
einrichtung  desinfiziert  werden  könnte.  Die  in  dieser  Richtung  aus¬ 
geführten  Versuche  haben  ein  befriedigendes  Resultat  bisher  nicht 
ergeben. 

Aus  meinen  Versuchen  ergeben  sich  die  folgenden  Schlussfolge¬ 
rungen:  Die  von  der  Benutzung  öffentlicher  Aborte  ausgehenden 
Infektionsgefahren  sind  bisher  von  ärztlich-hygienischer  Seite  sehr 
wesentlich  unterschätzt  worden.  Nach  den  angestellten  Versuchen, 
nach  denen  nicht  nur  Typhusbazillen,  sondern  auch  die  gegen  Aus¬ 
trocknung  als  hochempfindlich  angesehenen  Gonokokken  noch  nach 
2  Stunden  nach  Antrocknung  von  gonorrhoischem  Eiter  sich  als  voll¬ 
kommen  wachstumsfähig  erwiesen,  ergab  sich,  dass  von  Aborten 
durchaus  die  Verbreitung  von  gonorrhoischen  Infektionen  ausgehen 
kann,  wenn  solche  angetrocknete  Gonokokken  bei  der  Benutzung  von 
Klosetts  mit  Schleimhäuten  in  direkte  Berührung  kommen.  Es  ist  also 
viel  mehr  als  bisher  auf  die  von  solchen  Klosetts  ausgehende  Gefahr 
Rücksicht  zu  nehmen. 

Die  Desinfektion  mit  dem  Formalinpräparat  „Clofector“  ergibt 
eine  Abtötung  der  hier  in  Betracht  kommenden  Bakterien,  Typhus¬ 
bazillen  und  Gonokokken  aus  Kulturen  oder  aus  Eiter  und  Stuhl  in 
der  Zeit  von  10  Minuten  bis  34  Stunde,  so  dass  bei  der  Anwendung 
dieser  Apparate  die  Infektionsgefahr  als  sehr  wesentlich  herabgesetzt 
gelten  muss. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  in  Stralsund  (Leiter:  Dr.  B  e  r  n  d  t). 

Ein  einfacher  Verband  zur  Behandlung  des  Schlüssel¬ 
beinbruches. 

Von  Dr.  Jansen,  Assistenzarzt. 

Ohne  in  eine  Kritik  der  ca.  80  für  die  Behandlung  der 
Klavikulafraktur  angegebenen  Verbände  mich  einzulassen, 
möchte  ich  im  folgenden  einen  Verband  beschreiben,  der  von 
Bernd  t  angegeben  und  seit  ca.  10  Jahren  am  hiesigen 
Krankenhaus  im  Gebrauch  ist  (demonstriert  in  der  Sitzung  der 
Pommerschen  Aerztevereine  im  Juni  1909  in  Stralsund).  Er 
zeichnet  sich  durch  seine  Einfachheit  aus  und  erfordert  nur 
einen  ca.  1  m  langen,  5  cm  breiten  Heftpflasterstreifen,  eine 
breite  Mullbinde  und  ein  Stück  Watte,  also  Materialien,  die 


jeder  praktische  Arzt  in  seiner  Verbandtasche  mit  sich 
führt. 

Der  Verband  wird  in  folgender  Weise  angelegt: 

Phase  I.  Ein  Stück  breiter  Mullbinde,  60 — 70  cm  lang,  wird 
ausgebreitet,  in  der  Längsrichtung  ein  30 — 40  cm  langes  Wattestück 
hineingelegt  und  durch  Aufrollen  in  der  Querrichtung  eine  „Wurst” 
gebildet.  Diese  Wurst  zieht  man  durch  die  Achsel  der  kranken 
Schulter  und  knüpft  die  Enden  hinten  oben  zweimal  so,  dass  zwischen 
je  zwei  Knoten  eine  Oese  entsteht  (siehe  Fig.  1). 


Phasell.  In  der  Mitte  des  Heftpflasterstreifens  macht  mau  mit 
einem  Stück  Mullbinde  eine  Oese.  Den  Heftpflasterstreifen  legt  mau 
über  die  gesunde  Schulter,  so  dass  das  eine  Ende  der  vorderen,  das 
andere  der  hinteren  Brustwand  anliegt.  Die  in  der  Mitte  befestigte 
Bindenöse  kommt  auf  den  Kukullarisrand  der  gesunden  Seite  zu 
liegen  (siehe  Fig.  2). 


Phase  III.  Beide  Oesen 
werden  durch  ein  Stück  Mullbinde 
über  einem  dicken  Wattepolster, 
das  den  Nacken  vor  Druck  schützt, 
so  zusammengeholt,  dass  die  Frak¬ 
tur  gut  steht.  Zweckmässig  dabei 
ist  es,  wenn  ein  Assistent  den 
kranken,  im  Ellbogen  gebeugten 
Arm  etwas  anhebt  und  damit  die 
Schulter  nach  hinten  oben  schiebt, 
um  dem  Patienten  möglichst 
Schmerzen  zu  ersparen  (siehe 
Fig.  3). 

Die  Vorzüge  dieses  Ver¬ 
bandes  liegen  auf  der  Hand: 


1.  Die  kranke  Schulter  wird  zurückgeholt  und  nach  oben 
gezogen,  die  Fraktur  in  möglichst  korrigierter  Stellung  ge¬ 
halten. 

2.  Der  Verband  belästigt  den  Patienten  kaum,  da  er  den 
Thorax  nicht  einschnürt  und  den  gesunden  Arm  frei  lässt. 

3.  Auch  der  Arm  der  kranken  Seite  kann  von  vornherein 
in  mässigem  Grade  gebraucht  werden,  da  Hand  und  Ellbogen 
völlig  frei  sind.  Nach  wenigen  Tagen  können  sogar  im 
Schultergelenk  leichte  Bewegungen  ausgeführt  werden. 

4.  Der  Verband  erlaubt  eine  einfache  Kontrolle  und 
eventuelle  Korrektur  durch  Nachlassen  oder  Anziehen  des  zu¬ 
letzt  genannten  Bindenstücks. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Freiburger  Diakonissenhauses1 
(Chefarzt  Prof.  Dr.  S  c  h  ü  1  e). 

Klinische  Erfahrungen  mit  Codeonal. 

Von  Theodor  Mann,  Medizinalpraktikant. 

Unter  den  durch  Kombination  von  verschiedenen  Nar- 
koticis  hergestellten  Schlafmitteln  hat  sich  das  Codeonal  heute 
seinen  Platz  in  der  ersten  Reihe  der  gebräuchlichen  Be- 
ruhigungs-  und  Schlafmittel  zu  behaupten  gewusst.  Mass¬ 
gebend  hierfür  war  seine  bei  einer  geringen  narkotischen 
Dosis  verhältnismässig  hohe  Wirksamkeit  neben  dem  fast 
völligen  Fehlen  von  unangenehmen  Nebenerscheinungen. 
Ausserdem  bietet  es  den  grossen  Vorteil,  dass  es  längere  Zeit 
gegeben  werden  kann,  ohne  eine  Angewöhnung  hervorzurufer 
resp.  die  Dosis  erhöhen  zu  müssen. 

Wir  haben  das  Codeonal  bei  97  Patienten  und  zwar  aus¬ 
schliesslich  als  Schlafmittel  angewendet.  Abgesehen  vor 
5  Fällen,  die  jedoch  nur  durch  hohe  Dosen  von  anderen  Nar- 
koticis  zu  beeinflussen  waren,  konnten  wir  im  allgemeiner 
eine  durchaus  befriedigende  Wirkung  konstatieren. 


.  Mürz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


475 


Anfangs  wurde  gewöhnlich  nur  eine  Tablette,  enthaltend 
,17  Codeonal,  gegeben,  bei  welcher  Dosis  in  vielen  leichteren 
allen  schon  eine  ausreichende  Wirkung  erzielt  werden 
onnte.  Meistens  waren  zur  Erzeugung  eines  guten  Schlafes 
wei  Tabletten  nötig  und  brauchte  über  die  Dosis  von  drei 
abletten  nie  hinausgegangen  werden. 

Die  schlafmachende  Wirkung  trat  gewöhnlich  V*  Stunden 
ach  der  Einnahme  auf  und  erzeugte  einen  guten  Schlaf  von 
twa  7  Stunden. 

Sehr  gut  bewährte  es  sich  bei  den  verschiedenen  Er- 
rankungen  der  Atmungsorgane,  wo  es  besonders  den  lästigen 
lustenrciz  milderte  und  die  Atmung  tiefer  und  regelmässiger 

lachte. 

Von  Herzkranken  wurde  es  durchweg  gut  vertragen  und 
/ar  ein  nachteiliger  Einfluss  auf  Puls  und  Blutdruck  nicht  zu 
onstatieren. 

Bei  Erkrankungen  des  Nervensystems  war  nur  in  den 
achteren  Fällen  eine  sichere  Wirkung  zu  erzielen,  während 
ei  schweren  Aufregungszuständen  ein  Erfolg  nicht  immer  zu 
erzeichnen  war.  In  einem  Falle  war  eine  Kombination  mit 
iromural  von  guter  Wirkung. 

Auf  Grund  unserer  Beobachtungen  scheint  das  Codeonal 
eeignet  zu  sein,  bei  allen  nicht  zu  schweren  Fällen  von 
Schlaflosigkeit  Gutes  zu  leisten,  besonders  auch  da  wo  man 
ich  gezwungen  sieht,  dauernd  Schlafmittel  anzuwenden,  und 
ann  es  hier  recht  gut  allein  oder  auch  abwechselnd  mit 
nderen  Schlafmitteln  gegeben  werden. 


Eine  Präzisionswage  für  die  Säuglingsernährung. 

Von  Dr.  J.  P  e  i  s  e  r. 


Mit  der  steigenden  Sorgfalt  bei  der  künstlichen  Ernährung  des 
üuglings  wurde  die  genaue  Zumessung  der  Nahrung  zur  Notwendig¬ 
en.  Insbesondere  bei  der  diätetischen  Behandlung  kranker  Säug- 
nge  wurde  die  exakte  Dosierung  der  einzelnen  Nahrungs- 
omponenten  zur  Voraussetzung  erfolgreicher  Therapie.  Nähr- 
emische  wie  Malzsuppe  und  Buttermilchsuppe  sind  ohne  exakte 
»osierung  der  Kohlehydratzusätze  nicht  zweckentsprechend  her- 
ustellen  und  zu  verwenden. 


Jedoch  eine  solche  genaue  Dosierung  bietet  nicht  selten  tech- 
ischc  Schwierigkeiten,  namentlich  ■  wenn  es  sich  um  geringe  Ge¬ 
wichtseinheiten,  unter  5  g,  handelt. 
Am  schwierigsten  gestaltet  sich  die 
Abwägung  des  zähflüssigen  Malz¬ 
extraktes.  * 

Ich  habe  deswegen  eine  Prä¬ 
zisionswage  hersteilen  lassen,  welche 
die  Forderungen  der  Säuglingsdiätetik 
zu  erfüllen  imstande  ist  *).  Die 
Wage  beruht  auf  dem  Prinzip  der 
Hebelbriefwage,  vergl.  die  Abbildung. 

An  Stelle  der  Plattform,  welche 
die  Briefe  zu  tragen  hätte,  befindet 
sich  ein  leichtes  Gestell,  welches  eine 
mit  Henkel  und  Schnabel  versehene 
Porzellanschale  trägt.  Die  Schale  ist 
im  Gestell  nicht  befestigt  und  kann 

am  Henkel  leicht  abgehoben  werden. 

Die  Gewichtsskala  der  Wage  reicht 
von  0 — 100  g  und  lässt  die  Gewichts- 

nterschiede  von  Gramm  zu  Gramm  an  100  Teilstrichen  deutlich 

rkennen.  In  der  Ruhe  ist  die  Wage  mit  Schale  auf  0  äquilibriert, 

idem  die  Schale  leicht  gereinigt  werden  kann,  entspricht  sie  auch 

en  Geboten  der  Asepsis. 

In  der  Milchküche  der  Berliner  Säugllngsklinik  habe  ich  die  Wage 
eit  langem  in  Anwendung  gebracht.  Sie  hat  sich  bewährt  und  ist  der 
'ilchkiichenschwester  unentbehrlich  geworden. 


Doch  nicht  nur  für  die  Diätetik  des  Säuglings  dürfte  die  Wage 
ich  nützlich  erweisen,  sondern  in  weiterem  Felde  überall  da,  wo  es 
uf  sorgfältige  Dosierung  kleiner  Mengen  differenter  Nahrungsmittel 
nkommt,  z.  B.  beim  Diabetes. 


*)  Zu  beziehen  durch  die  Firma  M.  Pech,  G.  m.  b.  H.,  Berlin  W  35, 

vn  Karlsbad  15. 


Hygienisches  aus  Nordamerika. 

Von  Prof.  Dr.  Reiner  Müller  in  Kiel. 

(Schluss.) 

Nahrungsmittel. 

Amerika  hat  der  alten  Welt  die  Kartoffeln,  den  Mais,  die  Schoko¬ 
lade  und  den  Tabak  verschafft! 

Das  Bundesgesetz  betreffend  den  Verkehr  mit  Lebens-  und 
Arzneimitteln  vom  30.  VI.  1906  und  einige  besondere  Gesetze  richten 
sich  gegen  die  früher  sehr  häufigen  Verfälschungen  u.  dergl.  Einige 
Beispiele :  Mit  Stickstoffdioxyd  gebleichtes  Me  h  1  wird  im  In- 
lande  als  verfälscht  angesehen,  während  das  Bleichen  für  Ausfuhr¬ 
mehl  nicht  verboten  ist,  wenn  dies  im  Bestimmungslande  gestattet 
ist.  Das  Einfuhrverbot  für  gekupferte  Gemüsekonserven 
von  1.  I.  09  ist  vom  Ackerbaudepartement  im  Dezember  1909  wieder 
aufgehoben  worden,  jedoch  müssen  sie  die  Aufschrift  „Coloured  with 
sulphate  of  copper“  tragen.  Benzoesaures  Natrium  ist  als 
Konservierungsmittel  gestattet,  aber  die  Menge  des  Benzoats  muss 
auf  der  Packung  angegeben  sein.  Ueber  Kunstbutter,  „reno- 
vated  butter“,  „process  butter“,  Margarinekäse  (filled  cheese)  gibt 
es  Vorschriften  von  1886,  1896  und  1902.  Kaffeesurrogate 
müssen  als  „Imitation  Coffee“  deklariert  sein. 

Ausserdem  haben  im  vergangenen  Jahrzehnt  die  meisten  Einzel¬ 
staaten  eigene  Gesetze  zur  Nahrungsmittelüberwachung  erlassen. 

Die  früheren  Rules  and  Regulations  for  the  Inspection  of  Live 
Stock  and  their  Products  wurden  1906  durch  neue  Bundesvorschriiten 
über  Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau  ersetzt,  die  den  preussischen 
ziemlich  gleichen.  Die  Ausführungsbestimmungen  von  1908  sehen  als 
verantwortliche  Beschauer  vor:  Inspectors  in  Charge,  Veterinary 
inspectors,  Travelling  veterinary  inspectors,  Laboratory  inspec- 
tors,  Meat  inspectors  und  Travelling  Meat  inspectors.  Aber 
dadurch,  dass  es  drüben  kaum  städtische  Schlachthäuser 
gibt,  und  durch  die  grosse  Macht  des  Fleischtrustes  dürfte 
die  Ausführung  etwas  anders  sein.  Bekannt  sind  ja  Chi¬ 
cagos  Viehhöfe,  die  Union  Stockyards  der  Firmen  A  r  - 
mour,  Swift  usw.,  die  jährlich  3  Millionen  Rinder,  9  Millionen 
Schweine  und  4  Millionen  Schafe  verarbeiten.  U  p  t  o  n  S  i  n  c  1  a  i  r  s 
Buch  „The  Jungle“  (Der  Sumpf)  brachte  ja  1906  gruselige  „Ent¬ 
hüllungen“  aus  diesen  Schlachthöfen,  und  Mrs.  H  a  r  e  aus  Chicago 
hat  kürzlich  Aehnliches  geschrieben  über  mitgekochte  Arbeiterleichen, 
Rattenkadaver  und  Auswurf  Schwindsüchtiger.  Beim  Besuch  dieser 
Schlächtereien  hatte  ich  den  Eindruck,  dass  im  grossen  und  ganzen 
doch  ein  geordneter  Betrieb  herrscht;  nicht  dass  mein  Urteil  durch 
die  Renommierinanicure  für  die  Konserv^nbiichsenmädchen  beeinflusst 
worden  wäre!  Gewiss  können  in  solchen  Riesenbetrieben  ab  und  zu 
einmal  hässliche  Sachen  Vorkommen.  Aber  das  wird  dann  zu  leicht 
verallgemeinert  und  übertrieben.  Allerdings  glaube  ich  nicht,  dass 
die  Fleischbeschau  hier  mit  ebenso  grosser  Sorgfalt  betrieben  wird, 
wie  bei  uns:  Die  grossen  Schweinereihen,  die  an  den  Arbeitern  ent¬ 
lang  gleiten,  werden  in  diesen  Privatschlächtereien  mit  solcher  Fixig¬ 
keit  ihrer  Eingeweide  beraubt  und  bearbeitet,  dass  doch  leicht  etwas 
übersehen  werden  kann. 

Der  Milchversorgung  wird  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt. 
1911  bestand  schon  in  72  Städten  eine  „Medical  Milk  Commission“, 
unter  deren  Aufsicht  die  „C  e  r  t  i  f  i  e  d  Milk“  für  kleine  Kinder 
gewonnen  wird.  Ein  Quart  (0,95  Liter)  kostet  10 — 15  Cents.  Chi¬ 
cago  hat  sich  mit  der  Durchführung  der  Pasteurisierung  Verdienste 
erworben.  In  Boston  unterhält  die  Boston  Milk  and  Baby  Hygiene 
Association  9  Milchstationen,  in  denen  auch  Vorträge  zur  Belehrung 
der  Eltern  gehalten  werden;  milchliefernde  Farmen  werden  genau 
überwacht.  In  New  York  begann  1892  Nathan  S  t  r  a  u  s  s  mit  der 
Versorgung  guter  Milch  in  einer  Weise,  die  auch  für  europäische 
Städte  vorbildlich  gewesen  ist.  Dadurch,  dass  der  Milchverkauf 
einer  städtischen  Genehmigung  bedarf,  hat  das  Gesundheitsamt  die 
44  000  Farmen,  die  täglich  2  Millionen  Quart  Milch  hereinschaffen,  in 
der  Hand.  Die  „Milk  inspection“  überwacht  die  Versendung,  Kühlung. 
Pasteurisierung,  und  achtet  auf  Fälschungen.  Die  Bevölkerung  wird 
vor  schlechten  Meiereien  gewarnt.  Die  Milch  wird  in  dreierlei  Güte 
verkauft,  Grade  A:  Säuglingsmilch,  Grade  B:  gewöhnliche  Trink¬ 
milch,  Grade  C:  Bäckermilch.  Aus  Chicago  wurde  im  vorigen  Jahre 
über  eine  merkwürdige  Anginaepidemie  berichtet,  bei  der 
über  10  000  Leute  angeblich  durch  Genuss  einer  Milch  erkrankten,  die 
v'on  an  Mastitis  leidenden  Kühen  stammte. 

Der  Kaugummi  ist  eine  Errungenschaft  Amerikas,  die  nicht 
gerade  schön  wirkt.  Es  erinnert  ans  Wiederkäuen.  Die  Gesichts¬ 
muskeln  sollen  sich  besser  entwickeln;  der  Speichelfluss  soll  die 
Verdauung  fördern  und  die  Zähne  sollen  gesunder  bleiben.  Dann 
muss  wohl  das  viele  Gold  im  Munde  der  Amerikaner  durch  ihr  Ice- 
crearn -Essen  und  durch  grössere  Wertschätzung  der  Zahnpflege 
erklärt  werden.  Der  Chewing  Gum,  der  an  jeder  Strasseneeke  für 
5  Cents  das  Paket  zu  kaufen  ist,  besteht  aus  mit  Benzol  gereinigtem 
Rohgummi  mit  Zucker,  Pepsin  und  sonstigen  Zusätzen.  Wenn  er 
die  Wirkung  hat,  dass  weniger  Schnaps  getrunken  wird,  so  kann  man 
ja  ein  Auge  zudrücken.  Denn  es  kommt  davon  wenigstens  nichts 
in  Nase  und  Lunge  der  Mitmenschen,  wie  beim  Rauchen  brennen¬ 
der  Pflanzenblätter;  dem  Indianerbrauch,  den  Raleigh  1578  in 
Europa  einführte.  Das  Ausspucken  der  Raucher  und  Kauer,  früher 
schlimm  wie  in  Italien,  ist  jetzt  im  freien  Amerika  fast  überall  mit 
Strafen  bedroht,  das  Rauchen  viel  mehr  verboten  als  bei  uns. 

4* 


476 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


Kinder-  und  Schulhygiene. 

Die  Beschaffung  der  Kindermilch  wurde  schon  besprochen.  Die 
Hit  zwei  len,  die  jährlich  meist  einigemal  das  Land  überfluten, 
die  südliche  Lage  (New  York  40/4°  =  Neapel,  Washington  39° 
=  Sizilien),  die  feuchtheissen  Winde  vom  Ozean  her  und  die  geringe 
Abkühlung  in  den  Sommernächten  verursachen  dort  eine  beängsti¬ 
gende  Kindersterblichkeit,  ln  den  schwülen  Nächten  schlafen  in 
New  York  die  Menschen  mit  ihren  Kindern  draussen  auf  der  Strasse, 
in  den  Parks  und  auf  den  Hudson-Landungsbrücken,  die  die  Stadt 
neuerdings  sogar  mit  besonderen  Einrichtungen  dafür  versehen  hat. 
Leider  ist  es  ja  noch  nicht  gelungen,  die  Zentralheizung  des  Winters 
in  nicht  zu  kostspieliger  Weise  für  eine  Zentralkühlung  im  Sommer 
zu  benutzen. 

In  New  York  hat  man  ein  schwimmendes  Säuglings¬ 
heim  eingerichtet.  Das  Floating  Hospital  of  St.  Johns  Guild  fährt 
mit  etwa  1000  Kindern  und  Müttern  in  die  New  Yorker  Bucht  hinaus, 
wo  die  Fahrt  selbst  bei  Windesstille  einen  frischen  Luftzug  erzeugt. 
Die  Säuglinge,  meist  kranke,  liegen  auf  dem  Hauptdeck,  wo  auch  eine 
Badestube,  ein  Arztraum  und  eine  Absonderungseinrichtung  sich  fin¬ 
den.  Grössere  Kinder  sind  auf  dem  Oberdeck.  1911  wurden  vom 
5.  Juli  bis  2.  September  45  solche  „Trips“  ausgeführt,  an  denen 
47  658  Mütter  und  Kinder  teilnahmen.  Die  Fahrt  kostet  für  jedes  Kind 
35  Cents.  Auch  in  Boston  gibts  jetzt  ein  Floating  Hospital.  Der 
verstorbene  F.  W.  Reil  ly  verfasste  1895  ein  Flugblatt  „Hot 
Weather  Care  of  Infants  and  Young  Children“,  das  in  9  Sprachen 
weite  Verbreitung  fand. 

Das  New  Yorker  Gesundheitsamt  hat  seit  1908  eine  besondere 
Division  o  f  Child  Hygiene,  die  auch  die  Schulhygiene,  die 
Schulzahnpflege,  die  Hebammenüberwachung  (Augenblennorrhöe, 
Kindbettfieber)  und  ähnliches  einschliesst.  Manche  amerikanischen 
Städte  haben  eine  recht  günstige  Statistik  der  Kindersterblich¬ 
keit  und  der  Gesamtsterblichkeit.  Jedoch  werden  in  Amerika  die 
Meldungen  der  Geburten  recht  ungenau  ausgeführt.  So  sagt  E.  H. 
Porter,  dass  1912  im  Staate  New  York  nur  ungefähr  6  Proz.  der 
Geburten  der  Registrierung  entgingen  gegen  schätzungsweise 
20  Proz.  im  Jahre  1900.  Wenn  man  aber  nicht  genau  weiss,  wie  viele 
Kinder  geboren  werden,  müssen  auch  die  Angaben  über  Verhältnis¬ 
zahlen  der  davon  sterbenden  ungenau  sein. 

Schulhygiene  wird  in  Amerika  gut  gepflegt.  1896  beschloss 
die  New  Yorker  Stadtverwaltung  alle  Schulkinder  ärztlich  unter¬ 
suchen  zu  lassen;  150  Schulärzte  wurden  damit  beauftragt.  Seit 
1902  werden  dort  wöchentlich  alle  Schulkinder  besichtigt  und  krank¬ 
heitsverdächtige  kommen  täglich  zum  Schularzt.  Fast  alle  neuen 
Schulbauten,  und  auch  alte,  werden  jetzt  mit  Freiluftklassen 
(fresh  air  rooms)  versehen.  Bekannt  sind  ja  auch  die  amerikanischen 
übergitterten  Dachspielplätze  (roof  play  grounds).  Der  erste 
wurde  vor  etwa  30  Jahren  auf  einer  New  Yorker  Missionsschule  ein¬ 
gerichtet.  Wer  sich  über  schulhygienische  Einzelheiten  in  Amerika, 
wie  Schulbänke,  Koedukation  usw.,  unterrichten  will,  findet  viele  An¬ 
gaben  in  der  diesjährigen  Auflage  des  trefflichen  Handbuches  der 
Schulygiene  von  Leo  Burgerstein.  In  Boston  gibt  es  Schul- 
fürsorgeschwestern,  und  1908  wurde  ein.„day  camp  for 
tuberculous  children“  eröffnet,  an  dessen  Stelle  1911  ein  schönes 
Gebäude  als  Hospital  School  for  tuberculous  children 
eröffnet  wurde.  Als  Schulzahnklinik  besteht  seit  1910  in 
Boston  The  Forsyth  Dental  Infirmary  for  Children. 

Das  National  Child  Labor  Committee,  begründet  am 
15.  IV.  1904,  mit  dem  Sitz  in  New  York,  überwacht  die  gewerbliche 
Kinderarbeit.  Es  steht  an  der  Spitze  der  State  Labor  Committees  der 
einzelnen  Staaten. 

Wohnungshygiene. 

Die  Wohnungsverhältnisse  bieten  in  Nordamerika  die  ver¬ 
schiedensten  Zustände.  In  New  York  arbeitet  man  jetzt  schon 
nicht  nur^  tagsüber  in  den  Wolkenkratzern  der  City  (höchster  255  m 
mit  55  Stockwerken),  sondern  auch  weit  draussen  erheben  sich 
20  stockige  Wohn  häuser  in  denen  das  Familienleben  im  Boarding- 
House-Betriebe  aufgeht.  Boston  dagegen  erinnert  sehr  an  euro¬ 
päische  Grossstädte.  Philadelphia  ist  stolz  darauf,  als  „City  of 
homes“  besonders  viele  Einfamilienhäuser  zu  haben.  Auf  dem  Lande 
gibt  es  fast  nirgends  ein  Dorf,  alles  zerstreute  Farmen.  Und  im 
Süden  hausen  viele  Farbige  wie  Halbwilde  in  Schmutzlöchern. 

In  New  York  betrug  vor  2  Jahren  die  Zahl  der  Familien,  die  sich 
mit  einem  einzigen  Wohn  raum  begnügen  mussten,  200  000, 
in  Berlin  mit  halb  soviel  Einwohnern  40  000.  New  York,  Chicago, 
San  Francisco  weisen  eine  Art  Ghetto  auf,  wie  man  es  in 
deutschen  Städten  vergeblich  suchen  wird.  Die  Strasse  nreini- 
gung  ist  oft  sehr  mangelhaft,  obwohl  z.  B.  in  New  York  ein  eigenes 
Departement  of  Street  Cleaning  besteht  mit  einer  Jahresausgabe  von 
7 Yi  Milionen  Dollar. 

Aber  beneidenswerte  Parkanlage  n  haben  die  meisten  Gross¬ 
städte.  Am  besten  hat  mir  da  Chicago  gefallen.  Dort  sind  wohl 
die  besten  der  Welt.  Grosse  und  kleine  Parks  sind  möglichst  über 
die  Stadt  verteilt,  in  „Kinderwagenentfernung“,  und  sind  durch 
baumbepflanzte  Boulevards  verbunden.  Auf  den  Spielplätzen  sind 
städtische  Aufseher  eigens  für  die  Kinder,  so  dass  die  Mütter  ohne 
Sorge  ihrem  Berufe  nachgehen  können.  1899  begann  die  Park¬ 
kommission  ihre  Tätigkeit,  und  gab  in  10  Jahren  mehr  als  25  Millionen 
Dollar  für  Parks  und  Spielplätze  aus.  Noch  sind  die  Anlagen  nicht 
abgeschlossen,  durch  Aufschüttung  des  Michiganufers  wird  noch  ein 


mehrere  Hundert  Meter  breiter  Strandpark  geschaffen.  Und  diese 
Stadt  bestand  noch  1837  aus  150  Holzhäusern! 

Boston  hat  zwar  nicht  so  schöne  Park  Verteilung  durch 
die  Stadt,  hat  aber  im  Umkreis,  im  Verein  mit  39  Vororten,  60  qkm 
Wald  und  Park,  wofür  seit  1893  35  Millionen  Dollar  ausgegeben  wur¬ 
den.  Philadelphias  Stolz  ist  der  herrliche,  wette  Fairmount 
Park.  Baltimore  hat  den  275  ha  grossen  Druid  Hill  Park;  San 
Francisco  den  berühmten  Golden  Gate  Park.  New  York  hat 
früh  (1853 — 63)  sich  mitten  in  der  Stadt  den  Zentralpark  von  310  ha 
Grösse  gerettet  und  gibt  jährlich  %  Million  Dollar  für  seine 
Pflege  aus. 

Die  herrlichen  Nationalparke,  Yellowstone,  Sequoia,  Yosemite, 
Mount  Rainier,  Crater  Lake,  Mesa  Verde  und  die  kleineren,  jetzt 
fast  nur  Naturschutzparke,  werden  allmählich  wohl  auch  mehr  zur 
Erholung  des  Volkes  benützt  werden. 

Kurpfuschertum  und  Verwandtes. 

Ueber  die  Bedeutung  dieser  Dinge  für  die  Volksgesundheit 
braucht  man  keine  Worte  mehr  zu  verlieren.  Ein  Blick  in  die  Zei¬ 
tungsanzeigen  führt  den  Fremdling  schnell  in  diese  Sphäre  ein. 
Recht  spassig  sehen  hier  die  Preisverzeichnisse  aus,  wo 
in  Dollar  angegeben  steht,  wie  viel  die  Behandlung  bis  zur  Heilung 
kostet  und  wie  lange  sie  dauern  wird.  Die  Homöopathen  und 
Osteopathen  haben  eigene  Medizinschulen,  wie  das  Hahnemann 
Medical  College  in  Chicago,  und  Krankenhäuser. 

Die  Vereinigten  Staaten  versteuern  die  Ausfuhr  von  Patent¬ 
medizinen.  So  erfahren  wir,  dass  1900  bis  1910  für  50  Millionen 
Dollar  ins  Ausland  verkauft  wurden,  und  zwar  1900  für  3  Millionen, 
1910  für  7  Millionen.  In  Kanada  hat  jeder,  der  Patentmedizinen 
herstellt  oder  einführt,  jährlich  einen  Erlaubnisschein  für  1  Dollar 
zu  lösen. 

Die  Gesundbeterei  ist  auch  eine  Errungenschaft,  der  man 
auch  die  drüben  beliebte  Bezeichnung  „the  greatest  in  the  world“  in 
einem  gewissen  Sinne  beilegen  kann.  Der  äussere  Erfolg  berückt  den 
Amerikaner.  Mrs.  Eddy,  die  „Päpstin“  dieser  „Christian  Science“ 
trat  1866  an  die  Oeffentlichkeit  mit  ihrer  Religion  für  die  Reichen. 
1894  wurde  in  Boston,  dem  Herd  dieser  „Wissenschaft“  die  First 
Christian  Science  Church  gebaut.  Jetzt  bestehen  weit  über  1000 
solcher  Kirchen  im  Lande.  In  meinem  Chicagoer  Hotel  waren 
in  der  Lobby  auf  dem  Gottesdienstzettel  8  Kirchen  der  Christian 
Science  genannt.  In  New  York  steher  am  Zentralpark  2  ihrer  Pracht¬ 
kirchen  nahe  beieinander.  1906  wurde  die  Hauptkathedrale 
in  Boston  für  2  Millionen  Dollar  fertig.  Wir  in  Deutschland  sind 
ja  auch  nicht  ganz  von  dieser  „christlichen  Wissenschaft“  verschont 
geblieben.  Was  will  sie?  Suggestion  und  Autosuggestion!  „Wahr¬ 
heit  ist  das  einzige  Heilmittel  gegen  Irrtum;  Krankheit  ist  auch  ein 
Irrtum,  eine  Folge  der  Sünde.  Bekämpfe  also  Sünde  und  Irrtum,  so 
bekämpfst  du  Krankheit  und  Tod.“  1910  beging  die  Päpstin  den  „Irr¬ 
tum“  zu  sterben. 

Uebertragbare  Krankheiten. 

Typhus  ist  in  amerikanischen  Städten  häufiger  als  in 
deutschen.  Das  wird  vielfach  auf  schlechtes  Trinkwasser  zurück¬ 
geführt.  1910  betrug  in  50  Grossstädten  der  Union  die  durchschnitt¬ 
liche  Typhussterblichkeit  25  auf  100  000  Einwohner;  Mil¬ 
waukee  hatte  45,7,  Minneapolis  58,7,  München  dagegen  1,4.  In  Balti¬ 
more  erkrankten  1910  von  585  000  Einwohnern  1890  an  Typhus.  235 
starben,  ln  Pennsylvanien  starben  1906,  1907  und  1908  von  je 
100  000  Einwohnern  56,5,  34,4  und  23,9  an  Typhus.  Hiram  F.  Mills 
und  Allen  H  a  z  e  n  haben  eingehende  Untersuchungen  über  den 
Rückgang  der  Sterblichkeit  nach  Verbesserung  des  Trinkwassers  ge¬ 
macht.  In  Pittsburg  starben  1910  in  den  Stadtteilen  mit  filtriertem 
Wasser  von  je  100  000  Einwohnern  13,4,  in  den  anderen  46,9. 

Das  Ackerbaudepartement  der  Bundesregierung  hat  1910  ver¬ 
boten,  Austern,  Speisemuscheln  und  andere  Schalen¬ 
tiere,  die  aus  verunreinigtem  See  wasser  stammen, 
einzuführen  oder  zu  verkaufen,  da  sie  als  verfälscht  im  Sinne  des 
Nahrungsmittelgesetzes  von  1906  anzusehen  seien. 

Schutzimpfungen  gegen  Typhus  sind  besonders  in  der 
Armee  ausgeführt  worden;  seit  März  1909  weit  über  100  000.  Und 
die  Erfolge  sollen  sehr  gut  sein.  Seit  1909  werden  im  Massachussetts 
General  Hospital  zu  Boston  Krankenschwestern  so  geimpft. 

Wie  in  England,  so  wird  auch  in  Amerika  stellenweise  viel  Wert 
auf  die  Bekämpfung  der  Fliegen  als  Typhusverschleppern 
gelegt.  Der  bedeutende  Entomologe  L.  D.  Howard  hat  1911  in 
seinem  Buche  „The  House  Fly,  Disease  Carrier“  zur  Ausrottung  de' 
Fliegen  aufgefordert,  ln  San  Antonio  in  Texas  wurden  vor  2  Jahren 
sogar  Preise  ausgeschrieben  für  Fliegenfänger. 
Den  ersten  Preis  erhielt  ein  Boy,  der  484  320  Fliegen,  ausgerechnet, 
vorweisen  konnte.  Wenn  auch  nicht  berichtet  wird,  ob  es  jetzt  dort 
weniger  Fliegen  gibt,  so  zeigt  dieses  Beispiel  immerhin,  wie  man 
drüben  die  Aufmerksamkeit  des  Volkes  auf  hygienische  Fragen  zu 
lenken  weiss. 

Tuberkulose.  Die  Sterblichkeit  an  Tuberkulose  in  45  grösseren 
Städten  ist  angeblich  seit  1880  von  3,25  Prom.  auf  1,7  Prom.  im  Jahre 
1907  gefallen.  Um  1902  begann  die  Volksbelehrung  mit  Merk¬ 
blättern,  und  in  vielen  Staaten  wurden  Spuckverbote  er¬ 
lassen.  In  NewYork  wurden  1902  Fürsorgestellen  (Dispen¬ 
saries)  nach  der  in  Frankreich  üblichen  Art  eingerichtet.  Maurice 
Tischberg  glaubt  festgestellt  zu  haben,  dass  in  dem  Juden- 


I.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


477 


i  e  r  t  p.  1  N  e  \v  Y  o  r  k  s  dreimal  weniger  Tuberkulose  herrsche  als 
onst,  und  er  denkt  an  eine  Gewöhnung  dieses  Volkes  an  ghettoartige 
Zustände  seit  dem  Mittelalter;  in  NewYork  wohnen  1  026  000  Juden. 
;s  gibt  übrigens  seit  1901  ein  National  Jew-ish  Hospital  for 
lonsumption  mit  150  Betten  in  Denver  in  Colorado;  zwei  Drittel 
er  Insassen  sind  russische  Juden. 

Die  National  Association  for  the  Study  and  Pre- 
ention  of  Tuberculosis  beginnt  neuerdings  an  allen  Bahn¬ 
öfen  und  Anschlagsäulen  künstlerisch  ausgeführte  Riesenpla- 
ate  mit  Belehrungen  über  Tuberkulose  anzubringen; 
’apier.  Druck  und  Platz,  alles  ist  ihr  geschenkt  worden. 

Manche  Staaten  unterhalten  Staatssanatorien  für 
Schwindsüchtige,  NewHampshire  in  Glencliff,  NewYork  in  Raybrook, 
rlassachussetts  in  Rutland  usw.  Die  Michigan  Association  for  Pre- 
ention  of  Tuberculosis  scheint  mir  sehr  optimistisch  zu  sein  mit 
hrem  Motto:  „No  tuberculosis  in  Michigan  1920“!  Unter  den  Far- 
ligen  fordert  schnell  verlaufende  Tuberkulose  viele  Opfer;  so  war 
910  unter  den  farbigen  Arbeitern  am  Panamakanal  dies  die  Haupt¬ 
odesursache. 

Das  von  H.  P  h  i  p  p  s  gegründete  und  unterhaltene  Henry 
5  h  i  p  p  s  Institute  for  the  study,  treatment  and  pre- 
/ention  of  tuberculosis  in  Philadelphia  wurde  von  L.  F. 
'lick  eingerichtet  und  5  Jahre  geleitet;  jetzt  ist  H.  R.  M.  La  n  dis 
Jirektor,  untersteht  aber  der  University  of  Pennsylvania. 

Die  Gefahr  der  Uebertragung  der  Tuberkulose  und  anderer  Er- 
crankungen  durch  Küssen  hatte  im  vergangenen  Jahrzehnt  einen  Arzt 
eranlasst,  die  Regierungen  zum  Kriege  gegen  das  Küssen 
lufzurufen.  Zwar  wurden  keine  gesetzlichen  Kiissverbote  erlassen, 
iber  besonders  im  Staate  Jowa  bildete  sich  ein  grosser  Verein  da¬ 
gegen.  Kindern  wurden  Schilder  um  den  Hals  gehängt;  „Küss  mich 
licht.“  Aber  die  Bewegung  schlief  ein.  Vielleicht  blüht  uns  noch 
ler  keimfreie  Kuss! 

Aussatz.  Es  ist  fast  sicher,  dass  die  Lepra  erst  nach  der 
Entdeckung  nach  Amerika  gekommen  ist.  Sie  war  damals  in 
Europa  häufig.  In  der  Geschichte  der  jetzigen  Vereinigten  Staaten 
,vird  sie  zuerst  1775  als  in  Florida  unter  den  Schwarzen  vorkommend 
rwähnt.  1902  wurden  in  der  Union  278  Fälle  gezählt,  davon  über 
iieHälfte  in  Louisiana.  Pollitzer,  der  NewYorker  Lepra- 
orscher,  aber  schätzt  die  wirkliche  Anzahl  allein  in  Louisiana  auf 
100 — 500.  Im  dortigen  State  Home  of  Lepers  wurden  seit  1894 
100  Kranke  untergebracht;  jetzt  sind  dort  etwa  70.  In  Texas  und 
Mississippi  kommt  sicher  viel  Lepra  vor,  aber  es  fehlt  staatliche 
\ufsicht.  Auch  in  Florida,  Carolina  und  California  sind 
ierde  bekannt.  In  Minnesota  wurde  sie  in  der  Mitte  des  vorigen 
(ahrhunderts  aus  Norwegen  eingeschleppt;  etwa  170  Fälle  wurden 
rekannt,  die  unmittelbar  daher  kamen,  und  30  unter  deren  Nach¬ 
kommen:  1912  sind  noch  17  davon  übrig.  Sie  werden  dort  wenig 
Von  der  Behörde  belästigt,  ln  San  Francisco  leiden  manche 
Ehinesen  daran.  Das  angestrebte  Nationale  Lepraheim  ist 
/om  Bunde  noch  nicht  bewilligt  worden.  Auf  den  Philippinen 
ind  den  Hawaiinseln  haben  die  Amerikaner  viel  Lepra  zu  be¬ 
kämpfen.  Auf  den  Hawaiis  waren  1911  etwa  600  Kranke.  M.  T.  C  1  e  g  g 
iat  von  dort  über  Züchtung  des  Erregers  berichtet. 

Kanada  hat  ein  Gesetz  vom  26.  VI.  1906:  „Every  person  in 
Eanada,  found  to  be  afflicted  with  leprosy  may  be  confined  in  a 
azaretto  for  lepers“.  1815  wurde  der  erste  Fall  eingeschleppt  in 
Tracadie  in  NewBrunswik  durch  eine  Frau  aus  der  Normandie. 
1910  waren  in  diesem  Orte  20  Fälle.  Ferner  wurden  in  Cape  Bre- 
o  n  einige  Fälle  entdeckt;  und  auch  im  fernen  Westen,  auf  D  ’  A  r  c  y  - 
sland  ist  jetzt  ein  Asyl  eingerichtet. 

Pocken.  Wie  der  Schnaps  und  der  Aussatz  sind  auch  die  Pocken 
irst  nach  der  Entdeckung  nach  Amerika  gekommen.  Die  Geschichte 
-rzählt  von  den  „Gemütsmenschen“  Pizarro,  Cortes  und  deren 
Scharen,  die  die  Kleider  von  Pockenkranken  an  die  harmlosen  I  n  - 
lianer  als  Danaergeschenke  verteilten  und  so,  ohne  Pulverver- 
ichwendung,  an  3  Millionen  Menschen  umbrachten. 

Zum  Kampf  gegen  die  Blattern  rief  in  Amerika  zuerst  Z  a  b  d  i  e  1 
Joylston  in  Boston  auf;  ungefähr  zur  gleichen  Zeit  als  1721  die 
-ady  Montague  in  London  von  Konstantinopel  her  die  Variolation 
’uerst  in  Europa  bekannt  machte,  tat  Boy  Ist  on  dies  trotz  heftigen 
vViderstandes  in  „Neuengland“;  und  er  soll  grossen  Erfolg  gehabt 
iahen.  Natürlich  wurde  nach  Jenner  die  Variolation  auch  in 
Amerika  durch  die  Vakzination  ersetzt.  Diese  wird  augen- 
üicklich  in  den  einzelnen  Staaten  sehr  verschieden  streng  und, 
ibgesehen  von  den  Quarantäne-  und  Einwandererbehörden,  nirgends 
>o  genau  wie  in  Deutschland  durchgeführt.  1909  wurden  rund  20  000 
'lalternfälle  in  der  Union  bekannt,  die  meisten  in:  Kansas  2197, 
llinois  2135,  Utah  1854  und  North  Carolina  1733.  Dagegen  wurden 
\uba  und  die  Kanalzone  nach  der  Uebernahme  durch  die  Union  in 
kurzer  Zeit  sozusagen  befreit  von  den  Pocken. 

Geschlechtskrankheiten.  Die  Frage  nach  dem  amerikani¬ 
schen  Ursprung  der  Syphilis  scheint  ja  heute  noch  nicht 
rledigt  zu  sein,  trotz  des  von  Sudhoff  entdeckten  Kopenhagener 
Manuskriptes  über  „Mal  franzoso“  im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts. 

Ueber  die  Verbreitung  der  Geschlechtskrankheiten  gibt  es 
inigermassen  zuverlässige  Angaben  fast  nur  beim  Heer,  bei  der 
^riegs-  und  bei  der  Handelsflotte.  So  wird  von  der  Marine  (U.  S. 
N'avy)  berichtet,  dass  nach  vierjähriger  Dienstzeit  sich  die  Hälfte  der 
Mannschaft  infiziert  habe.  1912  wurde  für  den  Staat  NewYork  die 


Anzeigepflicht  für  die  in  Krankenhäusern  behandelten  veneri¬ 
schen  Leiden  beschlossen;  ihre  Ausführung  bleibt  abzuwarten.  In  der 
Stadt  NewYork  werden  seit  1912  die  Untersuchungen  auf 
Syphilis  und  Gonorrhöe  kostenlos  ausgeführt,  wenn  die  Proben  von 
Aerzten  eingesandt  werden. 

Prostitution,  die  Urquelle  dieser  Infektionen,  gibt  es  amtlich 
nicht  in  der  Union,  also  weder  Konzession  noch  Ueberwachung.  Nur 
in  San  Francisco  werden  neuerdings  in  der  Municipal-Clinic  Unter¬ 
suchungen  der  Prostitutierten  ausgeführt.  Dass  aber  die  Prostitution 
da  ist,  vielleicht  schlimmer  als  in  Europa,  daran  zweifelt  kaum 
jemand.  Vor  1865  waren  in  den  Südstaaten  die  wirklichen 
Sklavinnen  jeder  Willkür  preisgegeben.  Von  NewYork  berichtet 
W.  P.  Sänger  1860  über  378  bekannte  Bordelle  (Houses  of 
Prostitution),  sowie  240  diesen  gleichwertige  „Houses  of  Assignation“, 
Tanzsäle,  Weinhäuser  usw.;  und  er  schätzte  8000  öffentliche  und 
12  000  geheime  Dirnen  in  dieser  Stadt.  J.  J.  Rossbach  berichtet 
für  1875,  dass  NewYork  ganze  Strassenzüge  aufweise,  wo  sich  ein 
solches  Haus  ans  andere  reihe.  Jetzt  müssen  solche  Häuser  die 
politischen  „Bosse“  und  die  Polizei  mit  schwerem  Geld  bestechen,  um 
unter  ihrem  Schutze  zu  gedeihen.  Vor  einiger  Zeit  erschien  ein  Buch 
von  Reginald  Wright  Kaufmann  „The  House  of  Bondage“ 
(Sklavenhaus),  das  in  diese  freisslichen  Abgründe  der  Menschheit 
hineinleuchtet;  der  Sohn  des  Petroleumkönigs  Rockefeller  hat  es  zur 
Aufklärung  über  den  Mädchenhandel  in  die  Sprachen  der  Ein¬ 
wanderer  zu  deren  Warnung  übersetzen  lassen.  Denn  hier 
schleichen  die  Mädchenhändler  sich  an,  wenn  es  den  Neulingen  im 
Lande  der  heissersehnten  Freiheit  schlecht  geht.  Die  Einwanderungs¬ 
behörde  sieht  allerdings  ja  den  Dirnen  und  Mädchenhändlern  scharf 
auf  die  Finger,  so  dass  die  Hauptausfuhr  Europas  sich  in  Südamerika 
entlädt.  Rockefeller  stiftete  kürzlich  10 000 000  Dollar  für 
Mädchenheime. 

Seit  1910  ist  im  Staate  Massachussetts  die  gonorrhoische 
Augenentzündung  der  Neugeborenen  anzeigepflichtig. 
1911  wurden  1343  solcher  Fälle  gemeldet,  und  kein  Fall  von  Er¬ 
blindung  wurde  bekannt. 

Der  Staat  Michigan  betrachtet  jede  Person,  die  eine  nichtgeheilte 
Syphilis  oder  Gonorrhöe  hat  und  heiraten  will,  als  Ver¬ 
brecher,  und  bestraft  mit  500 — 1000  Dollar  oder  mit  Gefängnis  bis  zu 
5  Jahren,  oder  mit  beidem. 

Malaria  ist  weit  verbreitet,  ist  in  der  Umgebung  von  Philadelphia, 
Baltimore,  NewYork  und  Boston  gar  nicht  selten,  und  kommt  bis 
hinauf  nach  Kanada  vor.  Das  Hauptgebiet  ist  natürlich  der  Süden, 
die  Küste  des  mexikanischen  Golfes,  und  am  Panamakanal  ist 
es  die  häufigste  Krankheit.  Sie  ging  dort  erst  seit  1906  zurück, 
seitdem  durch  unterirdische  Drainröhren  dieses  regenreiche  Gebiet 
(620  cm  Regenhöhe  in  Colon  1911)  entwässert  wurde.  1906  wurden 
dort  82  Proz.  der  Arbeiter,  das  waren  21  938,  wegen  Malaria  be¬ 
handelt,  1908  nur  28  Proz.  Tertiana  und  Tropica  sind  dort  ungefähr 
gleich  häufig,  Quartana  fehlt  fast  ganz.  Unter  den  11  dort  bekannten 
Anophelesarten  ist  An.  albimanus  am  häufigsten. 

Gelbfieber  ist  heimisch  in  Mittelamerika,  und  die  Gefahr  der 
Verschleppung  nach  Norden  ist  in  der  warmen  Jahreszeit  recht 
gross.  Die  Quarantänevorschriften  für  Schiffe  aus  Gelbfieber¬ 
häfen  treten  jährlich  am  15.  März  in  Kraft.  1905  kam  in  New- 
Qrleans  eine  schwere  Epidemie  zum  Ausbruch.  Es  besteht  zwar 
seit  1905  eine  panamerikanische  Gelbfieberkonvention;  aber  durch 
internationale  Abmachungen  ist  bis  jetzt  überhaupt  noch  nicht 
viel  gegen  Seuchen  ausgerichtet  worden. 

Grosse  Verdienste  haben  sich  amerikanische  Aerzte  erworben 
durch  die  Ausrottung  des  gelben  Fiebers  auf  Kuba  seit  1901  und  in 
der  Kanalzone  seit  1904.  Im  Juni  1900  begannen  vor  den  Toren 
Habanas  Reed,  Caroll,  Lazear  und  Agram  onte  ihre  welt¬ 
berühmten  Forschungen,  und  sie  bewiesen  am  eigenen  Leibe,  dass 
Stegomyia  die  Ueberträgerin  des  Erregers  ist.  Im  Februar  1901 
begann  dann  W.  C.  G  o  r  g  a  s  mit  bestem  Erfolge  den  Kampf  gegen 
die  Stegomyia;  und  jetzt  kommen  auf  Kuba  nur  noch  dann  und 
wann  ein  paar  eingeschleppte  Fälle  vor;  z.  B.  im  Juni  1908  nochmal 
32  Erkrankungen  mit  8  Todesfällen,  wahrscheinlich  vom  Orinoko  her 
ins  Land  gebracht. 

1904  begann  Gorgas  als  Chief  Sanitary  Officer  die  Gesundung 
des  Panamagebietes.  Früher  unter  der  französischen 
Leitung,  18S1 — 1897,  war  es  dort  fürchterlich.  Etwa  40  000  Menschen 
gingen  zugrunde  und  in  9  Baujahren  allein  im  Hospital  zu  Ancon  1041 
Gelbfieberkranke;  von  24  Schwestern  dieses  Hospitals  starben  20 
daran,  von  17  Ingenieuren,  die  mit  einem  Dampfer  aus  Europa  kamen, 
16.  Als  die  Amerikaner  1904  begannen,  rechneten  sie  mit  diesen  Ge¬ 
fahren,  und  sie  schickten  nicht  Gesundbeter  hin,  die  Kanalzone 
gesund  zu  beten,  sondern  veranschlagten  etwa  20  Millionen  Dollar 
für  die  Gesundung,  das  sind  6  Hundertstel  der  Bausumme.  Der 
eiserne  Wille  hat  sich  hier  rücksichtslos  durchgesetzt.  Das  gelbe 
Fieber  ist  verschwunden  und  andere  Krankheiten  sind  eingedämmt, 
obwohl  die  Mehrzahl  der  Arbeiter,  Farbige  und  Mischlinge,  auf 
tiefer  Kulturstufe  steht.  1904  war  die  Sterblichkeitsziffer  noch 
52  Prom.,  1910  nur  22  Prom.  und  von  den  weissen  Angestellten  starben 
1909  nur  6,4  Prom.  an  Krankheiten  und  3,4  Prom.  an  Unglücks¬ 
fällen. 

Wir  wollen  hoffen,  dass  nach  Fertigstellung  des  Kanals  die  Ge¬ 
sundheitspflege  nicht  schlechter  wird,  und  dass  die  Befürchtung 
Mansons  nicht  wahr  werde,  dass  dieser  Schiffahrtsweg  Süd- 


478 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


asien  mit  Gelbfieber  verseuche.  Eine  „gelbe  Gefahr“  für  die  gelbe 
Rasse!  In  Südchina  kommen  Stegomyiaarten  vor.  Schon  wurde  am 
29.  X.  11  eine  Gelbfiebererkrankung  auf  einem  japanischen  Dampfer 
in  Honolulu  gemeldet. 

Pest.  Im  Westen  hatte  sie  sich  im  vergangenen  Jahrzehnt  einge¬ 
nistet.  1900  wurden  die  ersten  Fälle  in  San  Francisco  festgestellt. 
Hier  und  in  Seattle  kamen  die  meisten  Erkrankungen  vor.  1903  fand 
man,  dass  ausser  den  Ratten  die  kalifornischen  Erdeichhörnchen  (Ci- 
tellus  Beecheyi)  die  Pest  verbreiteten.  Man  fand  unter  150  604 
dieser  Ground-Squirrels  402  pestinfizierte.  12  Menschenpestfälle  wur¬ 
den  auf  Infektionen  von  diesen  Tieren  her  bezogen.  Es  begann,  unter 
der  Leitung  des  U.  S.  Plague  Laboratory  in  Frisco,  ein  allgemeiner 
Kampf  gegen  diese  schädlichen  Nagetiere.  Jetzt  ist  die  Pest  ver¬ 
schwunden.  Wie  bei  den  Ratten,  so  kommen  auch  bei  den  Erdeich¬ 
hörnchen  Flöhe  als  Pestüberträger  in  Betracht;  meist  fand  man 
Ceratophyllus  acutus,  seltener  Hoplopsyllus  anomalus. 

Kinderlähmung.  Sie  hat  in  den  letzten  Jahren  in  Amerika 
wohl  noch  ärger  gehaust  als  in  Europa.  1910  wurden  in 
der  Union  5093  Fälle  bekannt,  mit  13%  Proz.  Sterblich¬ 
keit.  In  der  Stadt  Buffallo  erkrankten  im  Juli  und  August 
1912  119  Personen  daran.  Im  Rockefeller  Institut  widmet 
sich  Flexner  der  Erforschung  der  Poliomyelitis;  und  beim  Hy¬ 
gieniker  der  Harvard-Universität,  Milton  J.  Rosenau,  sah  ich  in 
Boston  erfolgreiche  Versuche  mit  der  Uebertragung  durch  die  Stall¬ 
fliege  Stomoxys  calcitrans  bei  Rhesusaffen. 

Rocky  Mountain  Spotted  Fever  und  Flecktyphus.  Der 

Hauptherd  des  Spotted  Fever  liegt  nördlich  von  dem  welt¬ 
berühmten  Yellowstone  Park,  in  Montana  und  Idaho.  Im  Bitter 
Root  Valley,  an  der  Grenze  dieser  beiden  Staaten,  sterben  jährlich 
etwa  15  Leute  daran.  Idaho  hat  durchschnittlich  etwa  35  Todesfälle 
und  zehnmal  so  viele  Erkrankungen.  Seltener  ist  dieses  Fleckfieber 
in  Washington  (Staat),  Myoming,  Colorado,  Oregon,  Utah,  Nevada, 
California  und  NewMexico.  Wilson  und  Clowing  beobachteten 
es  zuerst,  Ricke  tts  und  Gomez  setzten  die  Untersuchungen  fort 
und  sprachen  diplokokkenartige  oder  piroplasmenartige  Gebilde  als 
Erreger  an.  Als  Ueber  träger  vermutet  man  die  Holzzecke  Der¬ 
ma  c  e  n  t  o  r  venustu  s,  die  auf  Haustieren  und  Erdeichhörnchen 
lebt.  Die  Verbreitung  der  Krankheit  nimmt  anscheinend  zu.  Manche 
glauben,  dass  dieses  Fleckfieber  der  Felsengebirge  Flecktyphus  sei. 

1897  wurde  in  NewYork  von  Brill  eine  flecktyphusartige,  ziem¬ 
lich  leicht  verlaufende  Krankheit  gefunden.  1912  zeigten  dann  An¬ 
derson  und  Goldberger  an  immunisierten  Affen,  dass  die  Brill- 
sche  Krankheit,  die  besonders  unter  eingewanderten  Russen  auftritt, 
Flecktyphus  ist.  Auch  die  Tarbadillo  -  Krankheit,  die  unter  dem 
sehr  schmutzigen  mexikanischen  Proletariat  viele  Opfer  fordert,  hat 
sich  als  Flecktyphus  herausgestellt  und  kann  wie  dieser  durch  Klei¬ 
der-  und  Kopfläuse  auf  Affen  übertragen  werden.  Der  genannte 
H.  T.  Ricke  tts  infizierte  sich  in  Mexico-Ciudad  bei  seinen  Ver¬ 
suchen  mit  Tarbadillo  und  starb  daran  am  3. ‘Mai  1910. 

Denguefieber.  Maltafieber.  Ch.  A.  H  a  1 1  i  d  a  v  hält  das  in  South 
Carolina  vorkomniende  „Low  country  fever“  für  Dengue;  es  werde 
auch  durch  Moskitos  übertragen.  —  Maltafieber  wurde  1911 
von  Gentry  und  Ferenbough  in  Südwesttexas  bei  Menschen 
und  Ziegen  gefunden. 

Tollwut  soll  im  letzten  Jahrzehnt  häufiger  Vorkommen;  wahr¬ 
scheinlich  aber  wird  sie  jetzt  nur  besser  beobachtet.  Sie  kommt  wohl 
in  allen  Staaten  vor,  vielleicht  mit  Ausnahme  von  Idaho.  Utah,  Ne¬ 
vada  und  Oregon.  Am  meisten  anscheinend  in  Texas.  1911  bestan¬ 
den  20  Tollwut-Pasteurinstitute,  in  denen  4625  Leute 
behandelt  wurden.  98  Lyssatodesfälle  wurden  bekannt.  —  In 
Kanada  enthalten  die  Ausführungsbestimmungen  zum  Animal  Con- 
tagious  Diseases  Act  von  1905  Verordnungen  über  Tollwut  und  Rotz. 

Pellagra.  Von  ihr  weiss  man  ja  noch  nicht  sicher,  ob  sie 
eine  Ernährungskrankheit  oder  eine  durch  Sandfliegen  übertragbare 
Infektionskrankheit  sei.  Besonders  in  Kentucky  und  in  South 
Carolina  kommt  sie  vor.  1911  waren  in  Kentucky  etwa  100  Fälle 
bekannt.  Wäre  die  Maistheorie  richtig,  dann  wäre  die  Krankheit 
in  Europa  eine  Folge  der  Entdeckung  Amerikas,  da  die  Maispflanze 
vorher  unbekannt  war. 

Hookworm.  So  werden  drüben  Ankylostomum  duodenale  und 
Necator  americanus  benannt.  Die  Wurmkrankheit  ist  sehr  ver¬ 
breitet.  Bis  1911  hatte  die  Rockefeiler  Hookworm  Commission,  der 
gleich  am  Beginne  ihrer  Tätigkeit  Rockefeller  1  Million  Dollar 
zur  Verfügung  stellte,  festgestellt,  dass  die  Krankheit  vorkommt  in 
Alabama,  Arkansas,  California,  Florida,  Georgia,  Kentuky,  Louisiana, 
Mississippi,  Nevada,  North  Carolina,  Oklahoma,  South  Carolina,  Ten¬ 
nessee,  Texas  und  Virginia;  besonders  häufig  in  den  beiden  Carolinas. 
In  Wilmington  in  North  Carolina  wurde  1911  das  Marine  Hospital 
in  ein  Zooparasitic  Hospital  umgewandelt,  dessen  Labora¬ 
torium  dem  Zoologen  Ch.  W.  Stiles  unterstellt  ist,  der  1902  den 
Necator  americanus  als  eine  von  Ankylostomum  verschiedene  Art  be¬ 
schrieb.  In  Florida  zahlt  der  Staat  den  armen  Wurmkranken  2  Dol¬ 
lar  für  die  überstandene  Kur!  In  Georgia  wurden  40 — 80  Proz.  der 
Schulkinder  behaftet  gefunden. 

Eine  besondere  Commission  for  the  Study  and  Treatment  of 
Anaemia  in  Portorico  arbeitet  seit  1905.  B.  K.  Ashford,  der 
1899  zuerst  über  die  dortige  „Anämie“  berichtete,  steht  an  der  Spitze. 
Seit  1904  sind  dort  über  300  000  Fälle  beobachtet  und  etwa  75  000  be¬ 


handelt  worden;  besonders  in  dem  Wurmhospital  zu  Bayamon,  das 
später  nach  Utuado  verlegt  wurde.  —  Auch  die  Bilharzia- 
Krankheit  ist  auf  Portorico,  sowie  in  der  Kanalzone  gefunden 
worden. 

Meine  Uebersicht  ist  natürlich  nicht  vollständig;  wichtige  Gebiete 
der  Gesundheitspflege  habe  ich  ganz  unterschlagen.  Aber  sonst 
würde  ja  auch  ein  Buch  entstehen,  das  zu  schreiben  eher  einem 
Amerikaner  als  einem  Deutschen  zukäme.  Aber  meine  Zusammen¬ 
stellung  gestattet  wohl  doch  einen  Einblick  in  die  Hygiene 
dieser  Länder;  und  die  Hygiene  ist  der  beste  Massstab 
der  Kultur. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Zur  bayerischen  Standesorganisation. 

Von  Dr.  Gustav  Ortenau  in  Bad  Reichenhall-Nervi. 

Die  vorjährigen  Verhandlungen  der  bayerischen  Aerztekammern 
standen  im  Zeichen  ihres  vierzigjährigen  Jubiläums.  Gehobene  Ju¬ 
biläumsstimmung  kam  in  ihnen  nicht  zum  Ausdruck,  weit  eher  kann 
man  von  einer  gewissen  Müdigkeit  sprechen,  die  sie  durchzog.  Wenn 
die  Kammer  von  Mittelfranken  davon  eine  Ausnahme  machte  und  mit  ‘ 
Stolz  von  dem  sprach,  was  in  den  verflossenen  vier  Jahrzehnten  er¬ 
reicht  wurde,  so  ist  das  durch  die  Person  ihres  Vorsitzenden  ge¬ 
nügend  erklärt.  Denn  das  meiste,  was  in  den  letzten  20  Jahren  durch¬ 
gesetzt  wurde,  ist  gerade  Herrn  Hofrat  Mayer  zu  danken.  Und 
es  ist  gewriss  kein  Zufall,  dass  der  Bezirk  des  Kreises  Mittelfranken 
der  einzige  in  Bayern  ist,  in  dem  100  Proz.  der  Aerzte  der  frei¬ 
willigen  staatlichen  Organisation  angehören.  In  anderen  Kreisen 
sieht  es  damit  wesentlich  anders  aus.  Namentlich  verdient  die  auf¬ 
fallende  Tatsache  unterstrichen  zu  werden,  dass  sowohl  im  ärzte¬ 
reichsten  als  im  ärzteärmsten  Kreise,  in  Oberbayern  und  in  der 
Oberpfalz  nur  64,71  Proz.  (825  von  1275)  bzw.  69,73  Proz.  (111:160) 
aller  Tätigkeit  ausübenden  Aerzte  den  Bezirksvereinen  angehören. 
Also  über  ein  Drittel  der  Aerzte  Oberbayerns  stehen  den  offiziellen 
Vereinen  ferne;  in  München  selbst  (Stadt  und  Bezirksamt  als  Eines 
genommen,  weil  jeder  der  beiden  Vereine  Kollegen  aus  Stadt  und 
Land  zu  seinen  Mitgliedern  zählt)  sind  es  32,88  Proz.,  die  sich  ab¬ 
seits  von  den  Vereinen  halten. 

Fragt  man  aber  danach,  wie  viele  von  den  eingeschriebenen 
Mitgliedern  sich  am  Vereinsleben  beteiligen,  so  erhält  man  vom 
grösseren  Vereine  München,  der  502  Mitglieder  aufweist,  die  über¬ 
raschende  Antwort,  dass  einmal  nur  der  7.  Teil  (63),  ein  zweites 
Mal  der  13.  Teil  (37),  ein  drittes  Mal  gar  nur  der  14.  Teil  (34)  der 
Mitglieder  die  Hauptversammlungen  besucht  hat.  Auf  die  Gesamt¬ 
zahl  der  Münchener  Aerzte  berechnet  sind  es  also  ungefähr  nur 
zwischen  5  bis  8  Proz.,  die  sich  an  der  Wahl  der  Vertreter  zur 
Aerztekammer  und  an  der  Fassung  wichtiger  Beschlüsse  beteiligen. 
Dass  der  Verein  den  schwachen  Besuch  seiner  Versammlungen  aus¬ 
drücklich  erwähnt,  wird  seine  guten  Gründe  haben. 

Draussen  im  Lande  wird  es  ja  nicht  viel  besser  damit  besteht 
sein.  Dass  6  Vereine  es  für  notwendig  halten,  den  guten  Besuch 
besonders  hervorzuheben,  deutet  nicht  daraui  hin,  dass  das  zu  den 
gewohnten  Dingen  gehört.  2  Vereine  verzeichnen  es  schon  mit 
einem  Anflug  von  Genugtuung,  dass  die  Hälfte  der  Mitglieder  zu 
den  Sitzungen  erschienen  war.  Wie  stark  der  Besuch  der  Zusammen¬ 
künfte  bei  den  Miniaturvereinen  (d.  i.  mit  weniger  als  10  Mitgliedern) 
ist,  deren  Zahl  sich  im  vorigen  Jahr  sogar  noch  um  einen  vermehrt 
hat,  wird  nicht  berichtet.  R 

Es  ist  also  gewiss  nicht  übertrieben,  von  einer  gewissen  Be¬ 
zirksvereinsmüdigkeit  der  bayerischen  Aerzte  zu  sprechen.  Sollte 
das  nur  davon  herrühren,  dass  Bezirksvereine  und  Aerztekammern 
es  bisher  mit  ihrer  Aufgabe  nicht  recht  vereinbar  gehalten  haben, 
sich  mit  wirtschaftlichen  Fragen  zu  befassen?  Ich  glaube  nicht. 

Man  wird  die  Gründe  dafür  tiefer  suchen  müssen.  In  zwei 
Dingen :  in  der  Unvollkommenheit  der  Organisation 
und  in  ihrer  Einflusslosigkeit. 

Ueber  die  Einflusslosigkeit  der  Bezirksvereine  und  Aerzte¬ 
kammern  hat  R  e  h  m  vergangenes  Jahr  in  dieser  Wochenschrift  sich 
ausgesprochen.  Eine  grelle  Beleuchtung  hat  die  ganze  Sachlage 
aber  durch  die.  neue  Verordnung  über  die  Aenderung  in  Zusammen¬ 
setzung  und  Aufgabe  des  Obermedizinalausschusses  erfahren.  Die 
Kammern  wurden  über  diesen  Gegenstand,  der  für  die  Aerzte  doch 
wichtig  genug  und  für  den  ihr  Urteil  gewiss  zuständig  war,  gar  nicht 
befragt,  geschweige  gehört.  I 

Was  die  Unvollkommenheit  der  Organisation  anlangt,  so  habe 
ich  mir  in  No.  8  des  Jahrgangs  1912  dieser  Wochenschrift  erlaubt, 
einige  bedeutsame  Punkte  hervorzuheben.  Auf  die  Einwände,  die 
daraufhin  von  den  Herren  Kollegen  Bergeat  und  Mayer  gemacht 
wurden,  würde  ich  gerne  erwidert  haben,  wenn  es  der  in  dieser 
Wochenschrift  dafür  verfügbare  Raum  erlaubt  hätte.  Seitdem  ist 
mehr  als  ein  Jahr  verflossen,  die  letzten  Kammerverhandlungen 
haben  ausser  dem  rein  platonischen  Wunsche,  dass  die  7  über  die 
Ehrengerichtsordnung  einigen  Kammern  eine  einzige  Fassung  finden 
möchten,  die  Angelegenheit  in  nichts  gefördert.  Von  einer  Um¬ 
formung  der  ganzen  Organisation  ist  wohl  gesprochen  worden,  aber 
in  so  unbestimmter  Weise,  dass  der  Fernerstehende  daraus  nicht  klug 


t 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


470 


.  März  1913. 


erden  kann.  Ja  es  scheint  die  Absicht  zu  bestehen,  die  Sache  im 
leinen  Kreise  abzumachen  und  die  Oeffentlichkeit  mit  einer  Vollende¬ 
rn  Tatsache  zu  überraschen  (s.  Verb,  der  Kammer  von  Mittel¬ 
anken). 

Gegen  diese  Art  des  Vorgehens  mag  wohl  ein  Widerspruch  er- 
ubt  sein.  Nicht  einzelne,  sondern  alle  bayerischen  Kollegen  ins- 
esamt  sollten  sich  mit  der  Lösung  dieser  hochwichtigen  Frage  be- 

.häftigen. 

Rehm  hat  in  seinem  obenangeführten  Aufsatze  bekanntlich  die 
lee  ausgesprochen,  dass  es  viel  erspriesslicher  sein  würde,  eine 
erztevereinigung  zu  schaffen,  die  keine  staatlichen  Rechte  habe, 
her  auch  nicht  mit  staatlichen  Pflichten  belastet  sei.  Als  ständige 
inrichtung  scheint  mir  dieses  freie  Aerzteparlament  um  so  weniger 
iinschenswert  zu  sein,  als  m.  F.  gerade  in  einer  Zwangsorgani- 
ation  das  Heil  erblickt  werden  muss.  Nur  eine  offizielle  Organi- 
ition,  der  sämtliche  bayerischen  Aerzte  angehören  müssen, 
ann  das  ehrengerichtliche  Verfahren  so  handhaben,  dass  es  ge- 
iigende  Rechtssicherheit  gewährt. 

Aber  als  vorübergehende  Veranstaltung  für  den  Zweck,  eine 
undgebung  dessen  zu  veranstalten,  was  die  bayerischen  Aerzte 
ollen,  scheint  mir  der  Reh  m  sehe  Vorschlag  ausserordentlich  be- 
chtenswert.  Mit  anderen  Worten,  ich  denke  an  die  Gründung  eines 
ayerischen  Aerztetages,  der  sich  mit  nichts  anderem  als  der  Frage 
er  Organisation  im  weitesten  Sinne  zu  befassen  hätte.  Dieser 
erztetag  müsste  natürlich  wohl  vorbereitet  werden  und  eine  solche 
erbende  Kraft  auf  alle  Kollegen  ausüben,  dass  sie  in  achtung- 
ebietender  Zahl  auf  ihm  erschienen. 

Eine  solche  Tagung  wird  imstande  sein,  den  Forderungen  d:r 
ierzteschaft  genügenden  Nachdruck  zu  verleihen.  Einen  ganz 
nderen  Nachdruck  als  die  zersplitterten  Beschlüsse  der  Bezirks- 
ereine  und  die  zaghaft  ausgesprochenen  Wünsche  der  Aerzte- 
ammern,  die  vielleicht  nicht  einmal  die  Mehrheit  der  Aerzte  ver- 
•eten.  Erweist  sich  eine  einmalige  Versammlung  nicht  wirkungsvoll 
enug,  so  müssten  eben  andere  folgen.  Einem  einmütigen  Be- 
chlusse,  wiederholt  ausgesprochen,  wird  die  Regierung  Beachtung 
icht  versagen  können.  Und  den  gesetzgebenden  Körperschaften  zur 
esetzlichen  Regelung  der  Organisation  eine  Vorlage  unterbreiten.  Es 
,t  nicht  anzunehmen,  dass  sie  das  Schicksal  ihrer  Vorgängerin  vom 
ahre  1900  haben  werde.  Die  Zeiten  haben  sich  geändert.  Damals 
ollte  Bayern  einer  der  ersten  deutschen  Staaten  mit  staatlich  ein- 
esetzten  Ehrengerichten  usw.  sein.  Heute  sind  die  anderen  Bundes¬ 
taaten  darin  längst  vorausgegangen.  Auch  der  Landtag,  er  sei  zu- 
ammengesetzt  wie  er  wolle,  wird  sich  der  Erkenntnis  nicht  ver- 
chliessen  können,  dass  Bayern  allein  im  Deutschen  Reiche  einer 
Ile  umfassenden  Organisation  nicht  entbehren  kann.  Aus  nahe¬ 
egenden  Gründen.  Dauert  die  Freiheit  zu  sündigen,  die  heute  im 
ande  herrscht,  noch  lange  fort,  so  wird  unsere  Heimat  allmählich 
in  Dorado  für  alle  diejenigen  Aerzte  werden,  denen  anderswo  durch 
ie  herrschende  schärfere  Disziplin  der  Boden  zu  heiss  geworden  ist. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Ph.  Stöhr:  Lehrbuch  der  Histologie  und  der  mikroskopischen 
natomie  des  Menschen,  mit  Einschluss  der  mikroskopischen  Technik. 
5.  Auflage,  bearbeitet  von  Oskar  Schultz e.  G.  Fischer,  Jena 
912.  499  S.  396  Abb.  Preis  8  M. 

Die  von  O.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Wiirzburg  bearbeitete  15.  Auflage  des 
ekannten  und  bewährten  Lehrbuches  weist  gegen  die  vorige  Auf- 
ige  manche  bedeutende  Ergänzungen  auf.  Hauptsächlich  der  allge- 
leine  Teil  ist  durch  Aufnahme  der  neueren  Ergebnisse  der  Zell- 
xschung  erheblich  bereichert  worden  (s.  besonders  in  der  Zellenlehre 
nd  in  den  Kapiteln  über  Nerven-  und  Muskelfasern),  ln  den  übrigen 
'eilen  des  Buches  wurden  unter  sorgfältiger  Beibehaltung  des  alten 
’extes  nur  geringfügige  Ergänzungen  gemacht.  Es  sei  besonders  auf 
ie  Vermehrung  der  Abbildungen  hingewiesen,  vor  allem  auf  die  vor- 
ügliche  Ausführung  der  26  neu  hinzugekommenen  Bilder.  Die  ein- 
irbige  Kolorierung  früher  nicht  farbiger  Abbildungen  erscheint  nicht 
ls  wesentlich.  Es  wäre  erfreulich,  wenn  dem  sonst  so  vorzüglich 
urchgearbeiteten  Buche  ein  in  allen  Stücken  gleichmässig  gutes 
Sildermaterial  beigegeben  würde.  Es  liessen  sich  in  dieser  Hinsicht, 
esonders  durch  grössere  Beachtung  der  Naturtreue  und  etwas  mehr 
•etaillierung  in  den  Bildern,  manche  Verbesserungen  anbringen.  Im 
anzen  ist  das  Buch  zu  verbreitet  und  bekannt,  um  einer  neuen  Emp- 
-hlung  zu  bedürfen.  v.  M  ö  1 1  e  n  d  o  r  f  f  -  Greifswald. 

Handbuch  der  pathogenen  Mikroorganismen.  Herausgegeben  von 
Tot.  Dr.  W.  K  o  1 1  e  und  Prof.  Dr.  A.  v.  Wassermann.  Zweite 
ermehrte  Auflage.  Jena  1911.  Verlag  von  Gustav  F  i  s  c  h  e  r.  Preis 
i  7  Bänden  M.  200. 

Von  der  zweiten  Auflage  des  grossen  Werkes,  dessen  erste  Liefe¬ 
rnden  in  1912,  S.  431  dieser  Wochenschrift  besprochen  waren,  er- 
cheinen  in  rascher  Folge  die  weiteren  Lieferungen,  so  dass  jetzt  schon 
Lind  1  und  4  vollständig  vorliegen  und  Band  2,  5,  6  und  7  neben- 
inander  fast  zur  Hälfte  erschienen  sind.  Es  hat  den  Anschein,  als 
>b  schon  in  einigen  Monaten  das  grosse  Werk  in  sorgfältig  durchge- 
:esehener  und  nach  vielen  Richtungen  ergänzter  und  erweiterter 
Auflage  wieder  gebrauchsfertig  vorliegen  werde  als  unentbehrliches 
■Jachscb lagebuch  für  jeden,  der  sich  mit  irgend  einer  Frage  der  patho- 


*• - 

logischen  Mykologie  im  weitesten  Sinne  zu  beschäftigen  hat.  Das 
Ideal,  das  den  Verfassern  vorschwebte,  das  ganze  grosse  Gebiet  an 
lauter  Spezialisten  für  die  Sondergebiete  auszuteilen  und  jeden  Ab¬ 
schnitt  von  dem  berufensten  ausarbeiten  zu  lassen,  ist  in  hohem  Masse 
verwirklicht  und  damit  gesichert,  dass  dem  Werk  auch  in  Zukunft 
seine  grosse  Bedeutung  erhalten  bleibt. 

Prof.  Dr.  K.  B.  L  e  h  m  a  n  n. 

Die  Indikanurie.  Eine  klinische  Studie  ihrer  Pathologie  und 
differentialdiagnostischen  Bedeutung.  Von  Dr.  Gustav  B  a  a  r.  Ur¬ 
ban  &  Schwarzenberg,  1912.  Preis  brosch.  12.50  M.,  geb. 
14.50  M. 

Verfasser  bespricht  in  seiner  umfangreichen  Arbeit  die  Ge¬ 
schichte,  den  Nachweis,  die  Aetiologie  und  klinische  Bedeutung  der 
Indikanurie  auf  Grund  der  vorliegenden  umfangreichen  Literatur, 
sowie  eigener  Beobachtungen.  Diese  stützen  sich  im  wesentlichen 
auf  ein  Material  von  2092  teils  klinisch,  teils  ambulant  untersuchten 
Kranken  aus  den  verschiedensten  Krankheitsgruppen.  Der  Indikan- 
nachweis  geschah  qualitativ  mit  Obermeyers  Reagens.  Der  Be¬ 
sprechung  sind  eine  Anzahl  Kurven,  101  ausführliche  Kranken¬ 
geschichten  und  eine  tabellarische  Uebersicht  über  die  Unter¬ 
suchungen  des  gesamten  Materials  beigegeben. 

Meyer-Betz  -  Königsberg. 

M.  Auvray  et  Alb.  Mouchut:  Maladies  du  rachis  et  de  la 
moelle.  Nouveau  traite  de  Chirurgie  de  A.  I  e  D  e  n  t  u  et  P.  D  e  1  b  e  t, 
Bd.  XIV.  Paris  1913.  J.  B.  Bailiiere  et  fils.  1913.  Br.  12. 

Im  vorliegenden  Werke  hat  M.  Auvray  die  Verletzungen 
(Kommotion,  Frakturen  und  Luxationen  der  Wirbel,  Wunden  etc.  des 
Rückenmarks)  und  die  Tumoren  des  Spinalkanals,  Alb.  Mouchut 
die  angeborenen  Missbildungen  und  Erkrankungen  der  Wirbelsäule 
(Osteomyelitis,  Tuberkulose,  Aktinomykose)  sowie  die  Verkrüm¬ 
mungen  bearbeitet.  Zu  Beginn  gibt  A.  eine  kurze  Darstellung  der 
chirurgischen  Anatomie,  der  normalen  und  pathologischen  Physiologie 
des  betreffenden  Gebietes,  sowie  der  allgemeinen  Diagnostik  spez.  der 
Höhenlokalisation  der  Läsionen.  Die  operative  Technik  (Lumbal¬ 
punktion,  Laminektomie,  osteoplastische  Resektion  etc.)  wird 
eingehend  unter  Schilderung  der  speziellen  Instrumente  und  der  ver¬ 
schiedenen  Methoden  des  Eingreifens  besprochen.  Die  Autoren  geben 
in  allen  Abschnitten  eine  klare  und  abgerundete  Darstellung  und  ist 
ihr  Standpunkt  in  den  wichtigen  Fragen  nicht  wesentlich  von  dem 
der  deutschen  Chirurgie  abweichend,  überall  erkennt  man  die  um¬ 
fassende  Berücksichtigung  der  Literatur,  alle  Neuerungen  ( —  es  seien 
hier  z.  B.  nur  die  K  ii  m  m  e  1 1  sehe  traumatische  Spondylitis,  die  leicht 
zu  übersehenden  Rissfrakturen  der  Wirbelquerfortsätze,  die  För¬ 
ster  sehe  Operation  etc.  genannt  — )  finden  sich  ausführlich  erörtert. 
Die  zahlreichen  Abbildungen  sind  grösstenteils  sehr  gut  und  finden 
sich  Präparate,  Instrumente  und  Operationsmethoden,  Röntgenogramme 
und  pathologische  Befunde  sehr  gut  wiedergegeben,  bei  der  Dar¬ 
stellung  der  Reposition  der  Wirbelluxationen  ist  in  praktischer  Weise 
neben  den  betr.  Handgriffen  auch  die  in  den  verschiedenen  Momenten 
des  Repositionsmanövers  wechselnde  Zugrichtung  schematisch  ange¬ 
geben.  Bei  der  verwerteten  reichen  Kasuistik  kommen  eine  Reihe 
seltener  Befunde  zur  Sprache.  Bei  der  Behandlung  finden  sich  nicht 
nur  das  Technische,  sondern  auch  die  Indikationen,  die  Erfolge  und 
Resultate  mit  berücksichtigt.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Arbeit 
Auvrays  und  Mouchuts  viele  Freunde  finden  wird.  Die  ein¬ 
zelnen  Faszikel  der  Chirurgie  von  Le  Den  tu  und  D  eibet  sind 
auch  separat  käuflich.  Schreiber. 

Bela  Alexander:  Die  Untersuchung  der  Nieren  und  der 
Harnwege  mit  X-Strahlen.  59  Druckseiten  nebst  38  Tafeln  mit  zahl¬ 
reichen  Konturzeichnungen  und  Nachbildungen  von  Röntgenogrammen, 
sowie  mehreren  Zeichnungen  nach  der  Natur.  Otto  Nemnich-  Leip¬ 
zig  1912.  Preis:  gebunden  16  M. 

Die  obige  Abhandlung  betrifft  ein  Gebiet,  welches  den  Inter¬ 
nisten  und  Chirurgen  sowie  den  Urologen  und  Gynäkologen  in  glei¬ 
cher  Weise  interessiert  und  deshalb  grosse  diagnostische  Bedeutung 
beanspruchen  darf.  Sie  beginnt  mit  einer  Besprechung  der  nor¬ 
malen  topographischen  Verhältnisse,  welche  sich  durch 
Röntgenaufnahme  von  Niere  und  Nebenniere  und  deren  Beziehungen 
zu  ihrer  Umgebung  (Psoas,  untere  Brust-  und  obere  Lendenwirbel, 
unterste  Rippen)  ergeben.  Wenngleich  die  normalen  Nieren  auf 
Röntgenbildern  gewöhnlich  gleichgross  und  in  gleichen  Ebenen  liegend 
gefunden  werden,  so  beobachtet  man  doch  zuweilen  einen  etwas 
tieferen  Stand  der  rechten  Niere. 

Bei  Besprechung  der  pathologischen  Verhältnisse 
tritt  Verf.  mit  Recht  dafür  ein,  dass  nach  Möglichkeit  beide 
Nieren  der  Röntgenuntersuchung  unterworfen  werden  sollen,  weil 
solche  Vergleichsbilder  der  Diagnose  und  Prognose  wesentlich  zu¬ 
statten  kommen  können. 

Er  legt  ferner  besonderen  Wert  auf  eine  detailreiche  Dar¬ 
stellung  der  Nierengegend  und  fordert  aus  klinischen  und  operativen 
Rücksichten  nicht  bloss  den  Nachweis  vom  Steinen,  sondern 
auch  das  Bild  der  Niere  selbst. 

Es  folgt  eine  Darstellung  des  kollargolgefüllt  e  n 
Nierenbeckens  und  der  Nierenkelche.  Dann  wird  die 
Bewegung  der  Nieren  beim  Ein-  und  Ausatmen,  die  tiefe  Lage  dieses 


480 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


Organes  bei  Asthenie,  die  abnorme  Form  der  Niere  bei  entzündlichen 
und  degenerativen  Prozessen  illustriert  und  besprochen.  Daran 
reihen  sich  folgende  Abnormitäten:  Achsendrehung  eines  Steines  im 
Nierenbecken,  vergrösserte  und  verkleinerte  Nieren  sowie  Vereiterung 
derselben.  Auch  die  Lagerung  kleinerer  und  grösserer  Nieren¬ 
steine  in  ihrer  Beziehung  zum  Nierenbecken  und  zu  den  Nieren¬ 
kelchen  findet  Erwähnung.  Neu  und  originell  ist  der  röntgenologische 
Nachweis  der  Nebennieren,  welcher  dem  Verf.  in  vereinzelten 
Fällen  geglückt  ist. 

An  die  Erörterungen  über  die  pathologischen  Veränderungen  der 
Niere  schliessen  sich  solche  über  die  Ureterensteine  und  ihre 
Wirkung  auf  das  Lumen  der  Harnleiter  sowie  über  die  derartige 
Steine  vortäuschenden  Beckenverkalkungen.  Die  Kenntnis 
der  letztgenannten  Gebilde  ist  wichtig,  weil  sie  schon  zu  schwer¬ 
wiegenden  diagnostischen  Irrtiimern  Veranlassung  gegeben  haben. 

Dann  werden  Blasensteine,  und  zwar  sowohl  freie  als  auch 
in  Schleimhautnischen  der  Blase  liegende,  abgebildet,  ferner  ge¬ 
schichtete  Steine  und  solche,  die  sich  an  Fremdkörper  der  Blase  an¬ 
gesetzt  haben.  Auch  der  Nachweis  des  Stein  Wachstums 
in  der  Blase  ist  dem  Verfasser  gelungen. 

Zum  Schlüsse  werden  eine  mit  Kollargol  gefüllte  Harn¬ 
blase  sowie  Prostatasteine  abgebildet  und  besprochen. 

Dass  Verfasser  oft  und  eindringlich  auf  die  plastische  Dar¬ 
stellung  der  Röntgenbilder  und  das  körperliche  Sehen  hinweist,  ist 
bei  seiner  bekannten  Stellungnahme  zur  Erklärung  der  Schatten¬ 
bildung  durch  Röntgenstrahlen  und  der  Entstehung  der  Röntgenbilder 
fast  selbstverständlich. 

Trotz  aller  Vorzüge  des  Buches  in  bezug  auf  Illustration  und 
textlichen  Inhalt  wirkt  auf  den  Leser  die  Bezeichnung  „positives 
X-Strahlenbild“  statt  des  allgemein  gebräuchlichen  Ausdruckes  „Ori¬ 
ginal“  bzw.  „Röntgenogramm“  und  die  Bezeichnung  „negatives  Bild“ 
statt  des  landläufigen  Ausdruckes  „Kopie“  entschieden  störend. 

Auch  die  Technik  ist,  wie  Ref.  glaubt,  in  dem  der  Unter¬ 
suchung  der  Nieren  und  der  Harnwege  gewidmeten  Buche  etwas 
zu  kurz  gekommen.  So  wäre  der  Leser  sicherlich  für  mehrere  dies¬ 
bezügliche  Hinweise  dankbar,  beispielsweise  für  eine  kurze  Mitteilung 
über  die  Füllung  der  Harnblase  mit  Sauerstoff  oder  die  Luftaufblähung 
des  Rektums  —  Methoden,  welche  vielfach  zur  Erleichterung  des 
Nachweises  von  Blasensteinen  geübt  werden.  Immerhin  darf  der  In¬ 
halt  des  Buches  als  höchst  instruktiv  und  lehrreich  bezeichnet  wer¬ 
den.  Die  vom  Autor  eigenhändig  angefertigten  zahlreichen  Kon¬ 
turpausen  von  Röntgenogrammen,  welche  zur  Ueber- 
sichtlichkeit  und  raschen  Orientierung  wesentlich  beitragen,  geben 
Zeugnis  von  seiner  feinen  Beobachtungsgabe  und  seinem  hervorragen¬ 
den  Zeichentalent. 

In  einem  Nachwort  wird  resümierend  auf  den  grossen  prak¬ 
tischen  Wert  der  Röntgenuntersuchung  von  Niere  und  Harnwegen 
hingewiesen  sowie  auf  die  Wichtigkeit  einer  richtigen 
Beobachtung  und  Deutung  der  verfertigten  Bilder,  während 
so  viele  Aerzte  glauben,  mit  der  einfachen  Anfertigung  eines  Rönt¬ 
genbildes  sei  es  schon  getan.  H.  Rieder. 

Ph.  Chaslin:  Elements  de  Semiologie  et  Clinique  mentales. 

Paris,  Asselin  &  Houzeau,  1912.  956  Seiten.  Gebunden  18  Fr. 

Das  Werk  will  dem  nicht  spezialistisch  gebildeten  Arzte  das 
praktisch  wichtige  Tatsachenmaterial  aus  dem  Gebiete  der  all¬ 
gemeinen  und  speziellen  Psychiatrie  leicht  zugänglich  machen.  Es 
wird  dies  erreicht,  indem  über  350,  meist  eigene,  Einzelbeobachtungen 
und  Krankengeschichten  in  trefflicher  kurzer  Weise  wiedergegeben 
werden;  daran  schliessen  sich  für  jedes  Kapitel  gesonderte  klare  theo¬ 
retische  Umschreibungen  der  einzelnen  Krankheitserscheinungen.  Zi¬ 
tate  und  Darstellung  von  Streitfragen  sind  in  einer  für  den  verfolgten 
Zweck  durchaus  berechtigten  Weise  fast  ganz  fortgelassen.  Die  Dar¬ 
stellung  verrät  aber  eine  gründliche  Kenntnis  der  Literatur,  auch  der 
deutschen.  Für  die  Einteilung  der  Psychosen  schliesst  sich  der 
Verfasser  keinem  der  zurzeit  gebräuchlichen  Systeme  an,  sondern 
nimmt  von  verschiedenen  Seiten  das,  was  ihm  praktisch  am  rich¬ 
tigsten  erscheint;  dadurch  kommt  er  bei  einzelnen  Krankheitsformen 
zu  einer  symptomatologischen  Auffassung,  die  die  didaktische  Klar¬ 
heit  des  Buches  gelegentlich  stört.  Die  Therapie  ist  recht  kurz  be¬ 
handelt;  insbesondere  wundert  man  sich,  gerade  bei  einem  französi¬ 
schen  Autor,  über  eine  gewisse  Geringschätzung  ihrer  psychischen 
Seite,  vor  allem  bei  der  Darstellung  der  psychogenen  Störungen. 
Im  ganzen  stellt  das  Buch  eine  treffliche  Einführung  in  die  psych¬ 
iatrische  Praxis  dar.  Hans  W.  Maier-  Burghölzli-Ziirich. 

F.  S  c  h  1  a  g  i  n  t  w  e  i  t:  Technik  der  Diagnose,  Operation  und 
Harnleiterbehandlung  bei  Nierentuberkulose.  Mit  5  Figuren  im  Text. 
J.  F.  Lehmanns  Verlag.  München  1912.  143  Seiten.  Preis 

4.  M. 

Das  Buch  bringt  an  der  Hand  von  32  sehr  ausführlich  be¬ 
schriebenen  Fällen  eine  Fülle  des  Interessanten  über  das  Thema  der 
Nierentuberkulose.  Weitaus  am  besten  scheint  mir  das  Kapitel  über 
Technik  der  Diagnose  zu  sein;  es  ist  für  jeden  angehenden  Urologen 
ein  Vorbild  präzisen  technischen  Arbeitens.  Nicht  ganz  so  einver¬ 
standen  kann  man  mit  den  Ausführungen  über  die  Technik  der  Opera¬ 
tion  sein.  Neues  bringt  der  Verf.  in  dem  Abschnitt  über  Therapie 
des  tuberkulösen  Harnleiters;  er  schlägt  die  Behandlung  des  er¬ 
krankten,  im  Körper  zurückgebliebenen  Ureters  durch  elektrolytische 


Zerstörung  der  Schleimhaut  vor.  Ein  definitives  Urteil  über  die 
Gefahrlosigkeit  dieses  Verfahrens  wird  erst  die  Nachprüfung  an  einem 
grösseren  Material  ergeben.  Die  innige  Nachbarschaft  des  Harnleiters 
und  der  Darmschlingen  lässt  jedenfalls  theoretische  Bedenken  zu. 

Das  Buch  wird  besonders  für  den  Urologen,  der  die  nicht  selten 
auftretenden  Schwierigkeiten  der  Diagnose  und  Therapie  zu  würdigen 
weiss,  höchst  lesenswert  sein.  Schon  deshalb,  weil  der  Verf.  ganz 
subjektiv  über  das  Thema  spricht  und  das  ist  bei  den  heute  so  häufig 
erscheinenden  bloss  objektiven  Darstellungen  ein  grosser  Vorzug. 

Kielleuthner  -  München. 

Fürste  nberg  -  Berlin :  Physiologische  und  therapeutische 
Wirkungen  des  Radium  und  Thorium.  Sammlung  zwangloser  Abhand¬ 
lungen  aus  dem  Gebiete  der  Verdauungs-  und  Stoffwechselkrank¬ 
heiten,  Bd.  IV,  H.  4.  Einzelpreis  M.  1.80. 

Zusammenfassende  Darstellung  der  physikalischen  und  biologi¬ 
schen  Eigenschaften  dieser  Körper.  Von  der  Emanationstherapie  hat 
Verf.  bei  dem  mehrere  Hundert  Fälle  umfassenden  Material  der  hydro¬ 
therapeutischen  Anstalt  der  Universität  Berlin  in  einer  ganzen  Reihe 
recht  günstige,  mitunter  sehr  gute  Erfolge  bei  rheumatischen  und 
gichtischen  Erkrankungen  gesehen,  vor  allem  bei  der  chronisch  pro¬ 
gressiven  Polyarthritis  der  Finger-  und  Zehengelenke.  F.  P  e  r  u  t  z. 

E.  Stromer  v.  Reichenbach:  Lehrbuch  der  Palaeozoo- 
logie.  II.  Wirbeltiere.  8°.  Leipzig  und  Berlin,  B.  G.  Teubner 
325  Seiten.  234  Abb.  1912.  Preis  geb.  M.  10.—. 

Der  zweite  Band  der  Stromer  sehen  Palaeozoologie  behandelt 
in  knapper  aber  übersichtlicher  Form  die  Wirbeltiere.  Zahlreiche, 
durchweg  sehr  gute  und  äusserst  sauber  gedruckte  Abbildungen  tra¬ 
gen  zum  Verständnis  des  dargestellten  Stoffes  wesentlich  bei. 

In  den  Schlussbetrachtungen  des  Werkes  werden  eine  Reihe  all¬ 
gemeiner  Fragen  besprochen,  so  Faunenfolge,  Tiergeographie  und 
Oekologie  in  der  geologischen  Vergangenheit,  die  Beziehungen  zwi¬ 
schen  Palaeozoologie  und  Entwicklungstheorie,  Tod  und  Aussterben 
der  Tierformen. 

Bei  den  Primaten  wird  der  Palaeontologie  des  Menschen  nur  sehr 
kurz  gedacht.  Dass  der  Unterkiefer  von  Mauer  der  diluvialen  Nean- 
dertalrasse  angehört,  ist  irrig.  S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

Sven  Hedin:  Transhimaiaya.  Entdeckungen  und  Abenteuer  in 
Tibet.  Mit  169  Abbildungen  nach  photographischen  Aufnahmen, 
Aquarellen  und  Zeichnungen  des  Verfassers  und  mit  4  Karten. 
3.  Band.  Leipzig,  F.  A.  Brock  haus,  1912.  390  S. 

Der  3.  Band  des  an  dieser  Stelle  früher  schon  gewürdigten  hoch¬ 
interessanten  Werkes  bringt  zunächst  Geschichtliches  über  die  Ent¬ 
deckungsreisen,  welche  früher  bis  an  die  Ränder  der  zentralen  Ket¬ 
ten  des  Transhimaiaya  gemacht  worden  sind.  Diese  Gebiete,  beson¬ 
ders  aber  die  Quellen  des  Indus  und  Satledsch  sind  aber  erst  durch 
S.  Hedin  europäischem  Auge  erschlossen  worden.  Dass  der  kühne 
Reisende  sich  auch  hier  als  glänzender  Schilderer  seiner  Erlebnisse 
zeigt,  bedarf  keines  Hinweises.  Hedin  zählt  wohl  heute  zu  den 
bedeutendsten  Schriftstellern  des  Nordens.  Gr.-Miinchen. 


Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  76.  Band,  5.  u.  6.  Heft. 

20)  G.  W.  Schiele:  Ueber  die  Neigung  der  oberen  Thorax¬ 
apertur. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

21)  St.  Mutermilch  und  R.  Hertz:  Untersuchungen  über 
den  Gehalt  an  Komplement  in  normalen  und  pathologischen  Flüssig¬ 
keiten  des  Körpers.  (Aus  dem  ehern.  Laboratorium  von  St.  Muter¬ 
milch  in  Warschau.) 

Die  Untersuchungen  ergaben,  dass  Oedemflüssigkeiten  kein 
Komplement  enthalten,  Transsudate  entweder  ebenfalls  keines  oder 
nur  Spuren  davon.  Seröse  Exsudate  haben  hämolytisches  und  bak¬ 
terizides  Komplement.  Eitrige  oder  serös  eitrige  Exsudate  enthalten 
kein  Komplement;  ebenso  verhalten  sich  normale  und  pathologische 
Zerebrospinalflüssigkeiten.  Offenbar  kann  das  Komplement  normale 
Endothelien  nicht  passieren;  die  geringen  Mengen  in  einigen  Transsu¬ 
daten  sind  wohl  durch  geringe  sekundäre  entzündliche  Prozesse  be¬ 
dingt,  dafür  spricht  auch  der  schwach  positive  Ausfall  der  R  i  v  a  1 1  a  - 
sehen  Probe  in  denselben  Transudaten.  In  eitrigen  und  serös  eitrigen 
Exsudaten  ist  das  Fehlen  des  Komplements  auf  seine  Absorption  durch 
die  Eiterkörperchen  zurückzuführen.  Besonders  wenig  durchlässig 
sind  die  Kapillarendothelien  des  Wirbelkanals.  Die  Annahme  einer 
Absorption  des  Komplements  durch  das  benachbarte  Gewebe  oder 
durch  die  in  den  Oedem-  und  Transsudatflüssigkeiten  suspendierten 
morphologischen  Elemente  als  Ursache  des  Komplementsmangels 
ist  abzulehnen,  da  sie  ja  auch  bei  entzündlichen  Exsudaten  statt¬ 
finden  müsste.  Die  diagnostische  Bedeutung  für  die  Praxis  ist  nicht 
sehr  gross,  da  dieselben  Schlüsse  auf  Grund  der  weit  einfacheren 
R i v  a  1 1  a  sehen  Probe  gezogen  werden  können. 

22)  K.  v.  Noorden:  Ueber  ernsthafte  Folgezustände  der  chro¬ 
nischen  spastischen  Obstipation.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Wien.) 

Der  vom  Verfasser  beschriebene  Fall  betraf  eine  35  jährige  Frau, 
die  seit  15  Jahren  an  chronischer  Obstipation  mit  zeitweisem  Durch¬ 
fall  und  heftigen  kolikartigen  Schmerzen  litt.  Die  Untersuchung  wäh¬ 
rend  eines  solchen  Anfalles  ergab  ein  peritoneales  Bild,  nämlich  inten- 


).  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


481 


ive  Schmerzen  im  ganzen  Abdomen,  kleinen  frequenten  Puls,  enormen 
Äeteorismus  rechts  und  in  der  Mitte;  Dämpfung  über  der  Milzgegend 
md  dem  Colon  descendens;  2  Tage  Stuhlverhaltung,  am  3.  Tage 
Erbrechen,  dann  profuse  wässrige  Diarrhöen  mjt  einzelnen  härteren 
(lumpen.  Der  anfängliche  Verdacht  auf  eine  von  den  Genitalien 
iusgehende  Pelveoperitonitis  wurde  durch  die  Röntgendurchleuch- 
ung  und  den  weiteren  Verlauf  als  unbegründet  erwiesen.  Bei  der 
Durchleuchtung  zeigten  sich  die  von  den  Bi-ingestis  gebildeten 
loppelten  rosenkranzartigen  Ketten  an  der  Flexura  lienalis  und  die  für 
Kolitis  ulcerosa  charakteristische  Marmorierung.  Mit  dem  Aufhören 
ler  Okklusionssymptome  infolge  der  Diarrhöen  hörten  auch  die  rasen- 
len  Kolikschmerzen  auf.  Durch  nun  einsetzende  Atropinbehandlung 
nit  einer  kurzen  Periode  schonender,  sehr  kalorienreicher  Kost, 
reicher  allmählich  eine  gröbere,  schlackenreichere  Obstipations-  und 
vlastdiät  folgte,  wurde  dauernde  Besserung  erzielt.  .Die  Darreichung 
on  Grobkost  ist  in  solchen  Fällen  ein  Experimentum  crucis.  Stellen 
;ich  danach  neue  Attacken  ein,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  die  sekun- 
lären  Veränderungen,  die  Adhäsionen  und  Strikturen  schon  zu  weit 
;ediehen  sind,  so  dass  nur  eine  Operation  helfen  kann,  während  Fest¬ 
sten  an  massiger  Kost  nur  neue  schlimmere  Okklusionskrisen  ver¬ 
anlassen  würde. 

23)  A.  A  u  s  t  r  e  g  e  s  i  1  o :  Pneumonia  in  Rio  de  Janeiro  und 
Pneumococciae  bastardae. 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

24)  N.  D.  Straschesko;  Zur  Frage  des  diastolischen  Herz- 
stosses,  des  diastolischen,  akzidentellen  Tones  und  des  Dikrotismus 
Jes  Pulses  bei  Insuffizienz  der  Aortenklappen.  (Aus  der  therapeut. 
Fakultätsklinik  der  Wladimir-Universität.) 

Im  Anschluss  an  2  Krankengeschichten  führt  der  Verfasser  aus, 
dass  der  diastolische  Herzstoss,  der  bei  dekompensierter  Aorten¬ 
insuffizienz  öfters  zu  beobachten  ist,  durch  Nachlass  des  Tonus  der 
Herzmuskulatur  entsteht,  weil  bei  der  schnellen  Erweiterung  des 
Herzens  im  Beginn  der  Diastole  die  Herzspitze  durch  das  ein¬ 
strömende  Blut  gegen  die  vordere  Herzwand  gedrängt  wird,  diese 
schnelle  Erweiterung  ist  von  einem  dumpfen,  akzidentellen  Ton  be¬ 
gleitet  (es  besteht  protodiastolischer  Galopprhythmus);  derselbe  fällt 
mit  dem  diastolischen  Geräusch  zusammen,  ist  meist  nur  bei  Aus¬ 
kultation  mit  dem  blossen  Ohr  zu  hören.  Dieser  protodiastolische 
Ton  ist  häufiger  als  der  diastolische  Stoss,  welcher  erst  bei  stärkeren 
Muskelveränderungen  auftritt  und  daher  eine  ernstere  Prognose  gibt. 
Ist  gleichzeitig  eine  Verdoppelung  des  systolischen  Tones  vorhanden, 
so  hört  man  4  Töne  und  2  Geräusche.  Der  diastolische  Stoss  wird 
sehr  bedeutend,  wenn  er  bei  Tachykardie  mit  der  der  darauffolgen¬ 
den  Herzrevolution  angehörigen  Vorhofskontraktion  zusammenfällt. 
Manchmal  tritt  auch  noch  ein  5.  Ton  auf,  ein  präsystolischer  Ton  mit 
einem  präsystolischen  Stoss,  herrührend  von  der  Kontraktion  der 
Vorhöfe  bei  gleichzeitiger  Spannung  der  Ventrikelwände  infolge  von 
myokarditischen  Veränderungen.  Die  gleichzeitig  mit  dem  diasto¬ 
lischen  Stoss  häufig  zu  beobachtende  Dikrotie  des  Pulses  kann  viel¬ 
leicht  so  erklärt  werden,  dass  bei  Verminderung  des  Tonus  der  Ven- 
trikclwand  in  der  Diastole  eine  grössere  Blutmenge  mit  grösserer 
Vehemenz  zurückströmt  und  dadurch  an  der  Ventrikelwand  zu  stär¬ 
kerer  Wellenreflexion  führt.  Die  Ausmessung  der  Kurven  ergibt  auch, 
dass  die  dikrotische  Welle  bei  Aorteninsuffizienz  weiter  vom  Anstieg 
der  Pulswelle  entfernt  ist  als  beim  normalen  Puls. 

25)  W.  Orlowski:  Zum  klinischen  Studium  der  Trypsinab¬ 
sonderungsfähigkeit  des  Pankreas.  (Aus  dem  Laboratorium  der  ärzt¬ 
lichen  Diagnostik  in  Kasan.) 

Der  Verfasser  kommt  zu  folgenden  Schlüssen.  Zur  Bestimmung 
des  Trypsins  ist  die  Grosssche  Methode  am  meisten  zu  emp¬ 
fehlen,  welche  bei  Verlängerung  der  Verdaungszeit  auf  24  Stunden 
bedeutend  empfindlicher  wird.  Die  Wirkung  des  Trypsins  folgt  nicht 
dem  Schütz -Borissow  sehen  Gesetz,  sondern  ist  einfach  pro¬ 
portional  der  Zeit  und  der  Menge  des  Ferments.  Trypsin  ist  im 
Mageninhalt  und  im  Stuhl  nachzuweisen,  in  letzterem  häufiger.  Für 
den  Nachweis  im  Mageninhalt  ist  das  Oelfrühstück  vorzuziehen. 
Subazide  Säfte  enthalten  viel  öfter  Trypsin  als  normale  und  super- 
azide.  Galle  enthaltende  Säfte  weisen  öfters  Trypsin  auf  als  farblose 
und  in  grösserer  Quantität.  Die  niedrige  Gesamtazidität  des  Magen¬ 
saftes  nach  Oelfrühstück  und  sein  Gallegehalt  sind  der  Grund  für  das 
häufigere  Vorkommen  des  Trypsins  in  demselben.  Die  Neutrali¬ 
sation  des  Mageninhaltes  vor  und  nach  dem  Oelfrühstück  erhöht  die 
Zahl  der  Trypsinbefunde,  besonders  wenn  hohe  Azidität  vorliegt, 
doch  ist  dies  nicht  von  entscheidender  Bedeutung.  Zwischen  den 
Pepsin-  und  Trypsinmengen  in  den  Magensäften  ist  meist  eine  be¬ 
stimmte  Gesetzmässigkeit  zu  beobachten.  Bei  Magenachylie  ent¬ 
halten  sowohl  Stuhl  wie  Mageninhalt  grosse  Trypsinmengen.  Bei 
Ulcus  ventriculi  ist  Trypsin  im  Mageninhalt  seltener,  seine  Quantität 
geringer  sowohl  im  Mageninhalt  wie  im  Stuhl.  Bei  Gastroptose  resp. 
Pyloroptose  sind  grosse  Trypsinmengen  zu  beobachten;  bei  Gastrek- 
tasie  und  nervöser  Dyspepsie  geringe.  Bei  Darmatonie  ist  der 
Trypsingehalt  des  Stuhles  meist  gering.  Bei  negativem  Trypsin- 
beiund  im  Mageninhalt  ist  der  Stuhl  auf  Trypsin  zu  untersuchen  und 
umgekehrt.  Einmaliger  negativer  Ausfall  der  Untersuchung  auf 
Trypsin  im  Mageninhalt  und  Stuhl  gibt  noch  kein  Recht,  eine  be¬ 
deutende  Affektion  des  Pankreas  anzunehmen;  dies  kann  ausser  durch 
reinen  Zufall  auch  durch  zeitweilige  funktionelle  Insuffizienz  des  Pan¬ 
kreas  verursacht  werden.  Die  Anwesenheit  von  Trypsin  im  Magen¬ 
inhalt  schliesst  eine  Stenose  des  Pylorus  nicht  aus,  im  Gegenteil, 


manchmal  ist  bei  gleichzeitiger  Rigidität  der  Rückfluss  des  Darm¬ 
saftes  viel  leichter  möglich.  Die  quantitative  Bestimmung  des  Magen¬ 
inhaltes  aus  dem  Grade  der  Azidität  vor  und  nach  der  Verdünnung 
durch  eingegossenes  Wasser  wird  durch  Rückfluss  alkalischen  Darm¬ 
saftes  ungenau.  Die  Bestimmung  des  Trypsins  ist  hauptsächlich  von 
Wert  zur  Beurteilung  des  Grades  des  Rückflusses  von  alkalischem 
Darminhalt  in  den  Magen. 

26)  B.  M.  Dolgopol:  Zur  Kasuistik  der  Erkrankung  des  N. 
ulnaris  nach  Unterleibstyphus.  (Aus  dem  israel.  Krankenhaus  in 
Odessa.) 

Bei  einem  22  jährigen  Mann  entwickelte  sich  in  der  Rekon¬ 
valeszenz  von  einem  schweren  Typhus  eine  Lähmung  des  rechten 
Ulnaris  mit  typischen  Sensibilitätsstörungen  und  Störungen  der 
elektrischen  Erregbarkeit,  welche  nach  mehreren  Monaten  wieder 
vollständig  zurückging.  Als  Ursache  der  Lähmung  sind  wahrschein¬ 
lich  Toxine  anzusprechen.  * 

27)  R.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  München;  Lumbale  Hypophysisinjektionen. 

Die  Durchtrennung  des  Hypophysenstieles  allein  führt  ebenso 

rasch  zum  Tod  wie  die  völlige  Exstirpation  der  Hypophyse,  wahr¬ 
scheinlich  deswegen,  weil  dadurch  der  Uebertritt  des  kolloiden  Hypo¬ 
physensekretes  in  den  Liquor  cerebrospinalis  unmöglich  gemacht 
wird.  Das  Kolloid  der  Hypophyse  könnte  die  Viskosität  des  Liquors 
und  damit  seine  Zu-  und  Abflussverhältnisse  beeinflussen,  ausserdem 
aber  auch  direkt  auf  die  den  Liquor  liefernden  Gefässe  bezüglich  ihrer 
Kalibrierung  einwirken  und  den  Stoffwechsel  des  Zentralnerven¬ 
systems  beeinflussen.  Es  ist  daher  naheliegend,  lumbal  den  Extrakt 
des  epithelialen  Anteils  der  Hypophyse  zu  injizieren.  An  der  Blase 
von  Kaninchen,  welche  intralumbal  Hypophysenextrakt  erhalten 
hatten,  war  deutliche  Kontraktion  zu  beobachten. 

28)  Kleinere  Mitteilungen.  Der  IX.  Internationale  Physiologen¬ 
kongress  zu  Groningen  findet  vom  2. — 6.  September  1913  unter 
11.  J.  Hamburgers  Präsidium  satt. 

Lindemann  -  München. 

Zeitschrift  für  Immunitätsforschung  und  experimentelle 
Therapie.  15.  BcL  6.  Heft  (Auswahl). 

Otto  R  o  o  s  -  Heidelberg:  Ueber  die  Einwirkung  von  Salvarsan 
auf  Milzbrandbazillen. 

Verf.  hat  auf  Grund  der  bisher  beim  Milzbrand  des  Menschen 
beobachteten  Heilwirkung  durch  Salvarsan  die  Frage  experimentell 
am  Meerschweinchen  nachgeprüft,  ob  das  Salvarsan  direkt  bakterizid 
wirkt,  oder,  wie  verschiedene  Autoren  behaupten,  indirekt  durch 
eine  Beeinflussung  der  normalerweise  schon  vorhandenen  bakteri¬ 
ziden  Stoffe  des  Serums.  Das  Meerschweinchen  wählte  er  deshalb, 
weil  bei  ihm  das  Blutserum  keine  bakteriziden  Stoffe  gegen  Milz¬ 
brand  besitzt.  Die  Versuchsanordnung  gestaltete  er  so,  dass  Meer¬ 
schweinchen  mit  Salvarsan  vorbehandelt  wurden.  Nach  24  Stunden 
wurde  ihnen  dann  Blut  entnommen  und  das  gewonnene  Serum  mit 
bestimmten  Mengen  von  Milzbrandbazillen  versetzt.  Nach  ver¬ 
schiedenen  Zeiten  der  Einwirkung  wurde  dann  die  Mischung  mit 
Agar  zu  Platten  ausgegossen,  und  es  zeigte  sich,  dass  unter  be¬ 
stimmten  Mengenverhältnissen  die  Milzbrandbazillen  abgetötet 
waren.  Dieselbe  Wirkung  zeigte  das  Salvarsan  auch  auf  Milzbrand¬ 
kulturen  in  Bouillon  allein.  Der  Verf.  schliesst  daraus,  dass  das  Sal¬ 
varsan  direkt  im  Sinne  eines  Desinfektionsmittels  wirkt,  und  dass 
es  ein  Spezifikum  gegen  Milzbrand  ist. 

G.  Kapsenberg  -  Berlin ;  Die  Anaphylaxie  mit  Linsen¬ 
substanz. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Linsensubstanzen  der  verschiedenen 
Tiere  eine  weitgehende  Organspezifizität  zeigen.  Ob  auch  eine 
Anaphylaxie  durch  die  artgleiche  Linsensubstanz  hervorzurufen  ist, 
darüber  ist  noch  keine  völlige  Einigung  erzielt.  Verf.  hat  nun  mit 
einer  sorgfältigen  Versuchsanordnung  festgestellt,  dass  es  zwar  sehr 
schwer  ist,  Meerschweinchen  mit  Meerschweinchenlinse  zu  sensibili¬ 
sieren.  Nimmt  man  aber  sehr  grosse  Reinjektionsdosen,  so  sterben 
die  Tiere  doch  im  anaphylaktischen  Schock.  Da  es  mit  artfremder 
Linsensubstanz  sehr  leicht  gelingt,  die  Tiere  zu  sensibilisieren,  so 
geht  daraus  hervor,  dass  die  Linsensubstanz  immerhin  eine  gewisse 
Artspezifität  hat. 

E.  Friedberger  und  Hans  L  a  n  g  e  r  -  Berlin :  Ueber 
Anaphylaxie.  31.  Mitteilung. 

Aronson  hat  angegeben,  dass  er  aus  dem  Histidin  durch 
Digerieren  mit  Meerschweinchenserum  ein  für  Meerschweinchen  akut 
tödliches  Gift  gewinnen  konnte.  Verfasser  konnten  seine  Versuche 
nicht  bestätigen. 

E.  Friedberger  und  Hans  Langer:  Ueber  Anaphylaxie. 
32.  Mitteilung. 

Friedberger  und  Hartoch  haben  früher  gezeigt,  dass 
man  bei  präparierten  Meerschweinchen  durch  intravenöse  Zufuhr 
hoher  Kochsalzdosen  den  anaphylaktischen  Tod  verhüten  kann  und 
haben  diese  Tatsache  darauf  zurückgeführt,  dass  dadurch  das  Kom¬ 
plement  an  seiner  Verankerung  verhindert  wird.  In  neuerer  Zeit 
sind  mehrfach  Einwände  gegen  diese  Ansicht  erhoben  worden,  so 
vor  allem  der,  dass  durch  die  Einfuhr  des  Kochsalzes  ins  Blut  eine 
Anreicherung  mit  Wasser  erzielt  und  dadurch  das  Gift  einfach  ver¬ 
dünnt  wird.  Diesem  Einwande  begegnen  die  Verfasser  jetzt  dadurch, 
dass  sie  die  konzentrierte  Kochsalzlösung  in  den  Magen  eingespritzt 
haben,  wodurch  höchstens  eine  Eindickung  des  Blutes  erreicht  würde. 
Trotzdem  zeigten  die  so  behandelten  und  reinjizierten  Meer- 


482  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  9. 


schweinchen  keine  anaphylaktischen  Symptome,  wenn  sie  zum  Teil 
auch  später  an  der  Kochsalzvergiftung  starben. 

S.  Miyaji-Graz:  Versuche  über  die  Anaphylatoxinempfind- 
lichkeit  der  normalen  und  sensibilisierten  Tiere. 

Es  ist  neuerdings  gezeigt  worden,  dass  mit  Eiweiss  vorbehan¬ 
delte  Tiere  nicht  nur  gegen  die  Reinjektion  dieses  Eiweisses  eine 
erhöhte  Empfindlichkeit  zeigen,  sondern  dass  sie  auch  schon  auf 
geringfügige  andere  Einflüsse  verhältnismässig  stärker  reagieren,  als 
normale  Tiere,  so  z.  B.  auf  Injektionen  von  Kochsalzlösungen.  Verf. 
hat  nun  untersucht,  ob  die  überempfindlich  gemachten  Tiere  auch 
vielleicht  auf  Anaphylatoxin  stärker  reagieren  als  normale.  Er 
konnte  aber  nach  Vorbehandlung  mit  kleinen  Dosen  keinen  deutlichen 
Unterschied  feststellen. 

J.  Morgenrot  h  und  M.  K  a  u  f  m  a  n  n  -  Berlin:  Arzneifestig¬ 
keit  bei  Pneumokokken. 

Vor  einem  Jahre  haben  Morgenroth  und  Levy  in  die 
experimentelle  Chemotherapie  der  Pneumokokkeninfektion  ein 
Dei  ivat  aus  der  Gruppe  der  Chinaalkaloide,  das  Aethylhydrocuprein 
eingeführt.  Später  wurde  statt  der  wässerigen  Lösung  dieses  Mittels 
eine  ölige  Lösung  der  freien  Base  des  Aethylhydrocuprein  gewählt, 
das  noch  wesentlich  bessere  Resultate  gab.  Die  infizierten  Mäuse 
wurden  bis  zu  90  resp.  100  Proz.  geheilt.  In  der  vorliegenden  Arbeit 
haben  die  Verfasser  nun  untersucht,  ob  die  Bakterien  gegen  dieses 
Mittel  fest  werden  können,  ähnlich  wie  die  Trypanosomen  gegen  das 
Arsen.  Diese  Festigung  der  Pneumokokken  gelang  in  der  Tat  schon 
nach  wenigen  Passagen  erfolglos  behandelter  Mäuse. 

L.  G  u  t  m  a  n  n  -  Berlin:  Zur  experimentellen  Chemotherapie  der 
Pneumokokkeninfektion. 

Ergänzung  zur  vorstehenden  Arbeit.  Verf.  hat  die  Versuche,  die 
bis  jetzt  nur  an  einem  Pneumokokkenstamm  vorgenommen  waren, 
auf  12  andere  ausgedehnt,  um  zu  untersuchen,  ob  die  verschiedenen 
Stämme  vielleicht  verschieden  beeinflussbar  sind,  eine  Frage,  die 
unbedingt  gelöst  werden  muss,  ehe  das  Mittel  in  die  Klinik  eingeführt 
wird.  Es  ergab  sich,  dass  im  prophylaktischen  Versuch  an  der  Maus 
das  Mittel  fast  in  allen  Fällen  und  bei  allen  Stämmen  eine  sichere 
Wirkung  hatte.  Unter  diesen  Umständen  wird  wahrscheinlich  bei 
der  praktischen  Anwendung  am  Menschen  die  oben  erwähnte 
Festigung  der  Bakterien  gegen  das  Mittel  gar  nicht  erst  eintreten 
können.  L.  S  a  a  t  h  o  f  f  -  Oberstdorf. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  7. 

O.  Uffreduzzi  und  G.  G  i  o  r  d  a  n  o  -  Turin:  Abänderungen 
an  der  Roux  sehen  Gastro-Jejuno-Oesophagostomie. 

Beide  Verfasser  schildern  ihre  2  Methoden,  die  in  manchen 
Punkten  eine  Vereinfachung  der  ursprünglichen  Roux  sehen  bringen. 
Die  eine  Methode  erreicht  das  Ziel,  indem  sie  ausserhalb  der  Brust 
ihren  Weg  nimmt;  bei  der  anderen  Methode  wird  die  Pleura  eröffnet. 
Nähere  Details  sind  in  der  Arbeit  selbst  nachzulesen. 

P.  B  a  b  i  t  z  k  i  -  Kiew:  Die  Anästhesie  des  N.  ischiadicus. 

Um  ganz  sicher  den  N.  ischiad.  zu  treffen,  sticht  Verf.  die  Nadel 
unter  der  Kontrolle  des  im  Rektum  befindlichen  Fingers  tief  durch 
die  Mm.  glutaei  in  den  Kanal  ein,  dessen  Inhalt  der  N.  ischiad.  bildet; 
so  trifft  Verf.  unter  ständiger  Kontrolle  des  Fingers  jeden  beliebigen 
Abschnitt  des  dicken  N.  ischiad.  Er  benützt  2 — 3  proz.  Novokain¬ 
lösung,  mit  der  sich  nach  dieser  Injektionsmethode  bereits  nach 
3 — 5  Minuten  volle  Anästhesie  erzielen  lässt.  Diese  Methode  basiert 
auf  genauen  anatomischen  Verhältnissen  und  verlangt  keine  speziellen 
Vorrichtungen.  In  15  Fällen  hat  Verf.  völlig  ausreichende  Anästhesie 
für  Operationen  oder  Repositionen  von  Knochenbrüchen  erzielt. 

G.  F  r  a  1 1  i  n  -  Modena :  Eine  neue  Anwendung  der  freien  Osteo¬ 
plastik  in  der  Fixation  des  paralytischen  Fusses. 

Verf.  beschreibt  genau  sein  Verfahren,  bei  dem  er  zur  Fixation 
des  paralytischen  Fusses  nicht  (wie  L  e  x  e  r)  frisches  Amputations¬ 
material  benützte  oder  ein  Knochenstück  der  Fibula  entnahm,  sondern 
er  löste  mit  dem  Meissei  vom  unteren  Teil  der  Fibula  eine  Knochen- 
pei  iostlamelle  von  %  cm  Dicke  ab,  brachte  sie  zwischen  die  an¬ 
gefrischten  Flächen  des  Malleolus  ext.  und  des  Kalkaneus  und  be¬ 
festigte  sie  an  beiden  Enden  durch  einige  Seidenstiche:  zuletzt  schloss 
er  die  Arthrodese  des  erschlafften  Gelenkes  zwischen  Talus  und 
Navikulare  an.  Heute,  7  Monate  nach  der  Operation,  ist  das  Resultat 
hinsichtlich  Plastik  und  Funktion  ausgezeichnet. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  7. 

M.  T  r  a  u  g  o  1 1  und  M.  G  o  1  d  s  t  r  o  m  -  Frankfurt  a.  M. ;  Ueber 
die  bakteriologische  Untersuchung  des  Vaginalsekretes  Kreissender 
und  seine  prognostische  Bedeutung  für  den  Verlauf  des  Wochenbetts. 

Bei  einer  Untersuchung  von  902  Kreissenden,  die  nicht  fiebernd 
in  die  Klinik  kamen,  hatten  514  keine  und  388  hatten  Streptokokken 
in  der  Vagina.  Von  ersteren  zeigten  12,45  Proz.,  von  letzteren 
10,5  Proz.  Fieber  im  Wochenbett.  Für  die  Prognose  des  Wochenbetts 
nichtfiebernder  Kreissender  bei  ausschliesslich  rektaler  Untersuchung 
ist  es  daher  gleichgültig,  ob  Streptokokken  im  Vaginalsekret  ante 
partum  vorhanden  sind  oder  nicht. 

F.  K  u  h  u  -  Schönberg :  Das  biologische  Moment  bei  der  Be¬ 
handlung  der  Vagina. 

K.  macht  auf  die  Selbstreinigung  der  Vagina  unter  normalen  und 
pathologischen  Verhältnissen  aufmerksam,  die  auf  die  saure  Reaktion 
des  Vaginalinhalts  zurückzuführen  ist.  Das  Erhaltenwerden  der 


sauren  Reaktion  ist  der  Kernpunkt  in  den  Schutzeinrichtungen  der 
Vagina  und  unter  pathologischen  Verhältnissen  das  Endziel  unserer 
klinischen  Wünsche.  Hierzu  ist  besonders  der  Zucker  geeignet.  Die 
übliche  Behandlung  mit  Hefe  und  Glyzerin  bei  Vaginitis  und  Fluor 
albus  erklärt  ihre  Erfolge  durch  die  Säurebildung. 

Th.  Pe  t  r  i  -  München:  Biologische  Diagnose  der  Schwanger¬ 
schaft. 

Die  Methode  stammt  von  Abderhalden.  Durch  ein  neues, 
sehr  feines  Eiweissreagens  (Ninhydrin)  konnte  festgestellt  werden, 
dass  vom  1.  Monat  bis  zum  Schluss  der  Schwangerschaft  Fermente 
im  Blute  kreisen,  die  im  normalen  Blute  nicht  vorhanden  sind.  Die 
Reaktion  bleibt  etwa  noch  14  Tage  post  partum  bestehen.  Näheres 
siehe  im  Original. 

A.  Hörrmann-  München :  Seltene  klinische  Erscheinungen 
einer  Beckenbindegewebszyste  (Epidermoidzyste). 

Die  Zyste  entleerte  Eiter  aus  der  Vagina,  herrührend  von  einem 
Pyokolpos.  Entfernung  durch  Exstirpation.  Heilung. 

J  a  f  f  c  -  Hamburg. 

Archiv  für  Hygiene.  48.  Band.  4.  und  5.  Heft.  1913. 

1)  M.  K  a  i  s  e  r  -  Triest:  Ueber  ein  einfaches  Verfahren,  infektiöse 
Stühle  zu  desinfizieren. 

Verf.  arbeitete  ein  Verfahren  aus,  um  infektiöse  Stühle  zu  des¬ 
infizieren,  welches  darin  besteht,  dass  Aetzkalk  mit  hochtemperiertem 
Wasser  gelöscht  wird  und  2  Stunden  lang  auf  die  Fäkalien  resp. 
Bakterien  einwirken  muss.  F.s  kommt  dabei  weniger  auf  die  che¬ 
mische  Wirkung  des  Kalkes  an,  als  vielmehr  auf  eine  Dauerwirkung 
der  hohen  Temperatur  des  Wassers.  Es  gelang  sowohl  die  Des¬ 
infektion  breiiger  weicher  Stühle,  wie  weicher  geformter  Stühle 
und  zwar  ohne  jede  vorherige  Zerkleinerung.  Stuhldesinfektionen  im 
Stechbecken  und  in  Zimmerklosetts  hatten  denselben  Erfolg.  Auch 
grössere  Mengen  von  Harn  beeinflussen  den  Desinfektionsvorgang 
nicht.  Für  die  praktische  Verwendbarkeit  empfiehlt  Verf.,  dem  vorher 
geschätzten  Volumen  Fäkalmasse  und  Urin  etwa  den  4.  Teil  Aetzkalk 
in  Form  kleiner  kirsch-  bis  walnussgrosser  Stücke  zuzusetzen.  Man 
setzt  noch  soviel  50 — 70"  warmes  Wasser  zu,  bis  die  Fäkalmasse 
überdeckt  ist  und  lässt  2  Stunden  stehen.  Danach  kann  man  un¬ 
bedenklich  den  Stuhl  bei  Seite  giessen. 

2)  E.  Weil-Prag:  Ueber  die  Wirkungsweise  der  Kaninchen¬ 
leukozyten. 

Aus  den  Untersuchungen  schliesst  Weil,  dass  in  den  Kaninchcn- 
leukozyten  zwei  verschiedene  Stoffe  enthalten  sind  und  zwar 
bakterizide  und  antagonistische.  In  den  kurzdauernden 
Digesten  fehlen  die  letzteren,  weil  die  bakteriziden  leichter  löslich 
sind.  Verschiedene  Bakterien  verhalten  sich  auch  verschieden  gegen¬ 
über  beiden  Stoffen.  Staphylokokken  z.  B.  zeigen  ein  hohes  Mass 
von  Empfindlichkeit,  werden  dagegen  nicht  von  den  lebenden  Leuko¬ 
zyten  und  den  Gefrierextrakten  beeinflusst.  Typhusbazillen  gehen 
dafür  in  den  letzteren  zugrunde,  während  sie  gegenüber  den  bak¬ 
teriziden  und  antagonistischen  Stoffen  resistent  sind.  Das  normale 
Serum  hat  die  Fähigkeit,  sowohl  den  antagonistischen  als  auch  den 
bakteriziden  Stoffen  entgegenzuwirken  und  zeigt  eine  grössere 
Avidität  zu  den  ersteren.  Bei  Meerschweinchenleukozyten  lassen 
sich  bakterizide,  aber  nicht  antagonistische  Stoffe  nachweisen. 

3)  Markus  R  a  b  i  n  o  w  i  t  s  c  h  -  Charkow:  Ueber  die  Empfäng¬ 
lichkeit  der  Ferkel  für  Flecktyphus. 

Es  wird  mitgeteilt,  dass  bei  Impfungen  mit  dem  angeblichen 
Erreger  des  Flecktyphus,  dem  „Diplobacillus  exanthema- 
t  i  c  u  s“,  2  junge  Ferkel  Ausschläge  bekamen,  die  durchaus  den  Typus 
der  menschlichen  Krankheit  zeigten.  Die  Inkubationszeit  betrug  im 
ersten  Falle  7  Tage  nach  der  Infektion  mit  einer  24  ständigen  Kultur, 
welche  auf  erstarrtem  Kalbsserum  mit  Zusatz  von  Menschenblut  und 
5  Proz.  Glyzerin  gewachsen  war.  Im  zweiten  erschienen  die 
Petechien  erst  am  15.  Tage,  im  Blut  der  Tiere  wurden  die  Orga¬ 
nismen  wiederum  aufgefunden. 

4)  M.  Hohenadel  -  Dresden :  Untersuchungen  über  Yoghurt 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Yoghurttrockenpräparate. 

Bei  der  Untersuchung  einer  Reihe  frischer  und  trockener 
Yoghurtpräparate  fanden  sich  als  Bestätigung  vieler  Prüfungen,  die 
auch  schon  von  anderer  Seite  gemacht  wurden,  im  wesentlichen  die 
zwei  für  Yoghurt  als  wirksames  Prinzip  in  Betracht  kommenden 
Organismen :  das  Bacterium  bulgaricuni  und  der  Strepto¬ 
coccus  lactis  acidi.  Ersterer  ist  Gram-positiv,  Stäbchen-  bis 
fadenförmig,  ohne  Eigenbewegung,  ohne  Sporen,  ohne  Gelatirie- 
verflüssigung,  ohne  Gasbildung;  auf  gewöhnlichem  Agar,  Bouillon. 
Kartoffel.  Gelatine,  Endoagar  wächst  er  nicht,  dagegen  auf  Milchagar 
bei  45"  C  sehr  gut,  auch  bei  37".  In  den  Yoghurttrockenpräparaten 
sind  die  Eakterien  in  das  Milchkasein  eingeschlossen  und  halten  sicii 
darin  offenbar,  ohne  an  Wirksamkeit  einzubiissen  erheblich  lange, 
jedenfalls  viele  Monate,  vielleicht  einige  Jahre.  Für  den  Nachweis 
der  Bakterien  in  den  Trockenpräparaten  genügt  die  Uebertragung 
auf  Milchagar  bei  45",  nachdem  die  Pastillen  zerrieben  wurden. 
Ebenso  kann  man  in  dem  zerriebenen  Material  die  Bakterien  gefärbt 
mikroskopisch  nachweisen.  Von  Vorteil  ist  es.  wenn  aus  Yoghurt 
das  Bact.  bulgaricum  isoliert  werden  soll,  auf  45°  erwärmte 
Milchröhrchen  abzuimpfen,  dieselben  24  Stunden  bei  45°  zu  halten 
und  von  da  aus  erst  ein  zweites  Milchröhrchen  zu  beschicken  pei 
der  Abimpfung  auf  Platten  sollen  dieselben  ebenfalls  auf  45"  var¬ 
gewärmt  werden.  Für  die  Bereitung  des  Yoghurt  ist  es  notwendig. 


März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


483 


Milch  aufzukoclien  und  auf  45—50°  C  abzukiihlen,  um  die  in  der 
Ich  vorhandenen  Keime  vorher  abzutöten. 

R.  O.  N  e  u  m  ann  -  Giessen. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1913. 
Band,  3.  Heft. 

1)  K.  S  a  i  s  a  w  a  -  Tokio :  Ueber  die  Pseudotuberkulose  beiin 

.■tischen. 

Es  handelt  sich  um  einen  der  nicht  sehr  häufigen  Fälle  von 
g.  Pseudotuberkulose  des  Menschen,  welche  bakterio- 
;isch  mit  den  Tuberkelbazillen  oder  einem  seiner  Verwandten  ab¬ 
lut  nichts  zu  tun  hat,  sondern  durch  einen  Vertreter  aus  der 
uppe  der  hämorrhagischen  Septikäniie  erzeugt  wird.  Bei  Tieren 

diese  „Pseudotuberkulose“,  welche  pathologisch-anatomisch  mit 
r  Tuberkulose  äusserlich  viele  Aehnlichkeiten  zeigt,  nicht  sehr 
iten.  Es  gelang  aus  dem  Blute  und  aus  der  Perikardialflüssigkeit 
s  Kranken  Bakterien  rein  zu  züchten,  die  in  morphologischer  und 
(logischer  Beziehung  dem  Pfeifferschen  Pseudotuber- 
tlosebazillus  der  Nagetiere  entsprachen.  Leider  ist  der 
ine  Pseudotuberkulosebazillen  in  bakteriologischer  Beziehung  sehr 
glücklich  gewählt,  so  dass  damit  vielfach  Verwirrung  gestiftet  wird, 
ef.) 

2) K.  Saisawa  -  Tokio :  Vergleichende  Untersuchungen  über 
n  Bazillus  der  Pseudotuberkulose. 

Verf.  verglich  seinen  Organismus  mit  drei  anderen  aus  Tieren 
d  einem  vom  Menschen  stammenden,  die  ähnliche  pathologisch- 
atomische  Veränderungen  verursacht  hatten.  Sie  alle  stimmten  mit 
r  von  Pfeiffer  gegebenen  Originalbeschreibung  —  der  Pfeif- 
r  sehe  Stamm  selbst  war  nicht  mehr  zu  bekommen  —  überein, 
ü  der  Identifizierung  der  Stämme  Hessen  die  Serumreaktionen, 
rglutination,  Präzipitation  und  Komplementbindung  ziemlich  im  Stich, 
dass  ausschlaggebend  das  morphologische  und  kulturelle  Verhalten, 
2  Veränderungen  im  Tierkörper  und  der  durch  aktive  Immunisierung 
zielte  Impfschutz  war. 

3)  H.  Liefmann- Berlin :  Ueber  Vibriolysin. 

4)  Karl  B  u  n  d  s  c  h  u  h  -  Darmstadt:  Kann  man  in  einem  ge- 
nden  Tier  Tuberkuloseantikörper  erzeugen? 

Es  konnte  festgestellt  werden,  dass  es  möglich  ist,  in  gesunden, 
berkulös  nicht  infizierten  Versuchstieren  mit  Tuberkulosegift,  das 
inerlei  körperliche  Elemente  enthält.  Antikörper  zu  erzeugen.  Als 
iberkulosegift  benützte  der  Verf.  das  LandmannscheTuber- 
u  1  o  1,  welches  eine  Vereinigung  aller  wasserlöslichen  Bestandteile 
s  Tuberkulosegiftes  in  möglichst  genuiner  Form,  ohne  Beimengung 
spezifischer  Stoffe,  wie  Witte-Pepton  oder  Fleischextrakt  darstellt. 

5)  K  o  n  r  i  c  h  -  Berlin:  Zur  Verwendung  des  Ozons  in  der 
iftung. 

Die  Versuche  wurden  mit  Ozonapparaten  und  zwar  mit  dem 
zon-Gitterapparat  der  Firma  Siemens  &  Halske  und  mit 
uem  kleinen  Zimmerozonisierungsapparat  der  Allge- 
einen  Elektrizitätsgesellschaft  ausgeführt.  Das  Resultat  der  ge¬ 
inten  Experimente  ist  nicht  besonders  günstig.  Im  Gegensatz  zu 
n  rein  wissenschaftlichen  Ergebnissen  stehen  die  Meinungen  des 
lblikums.  Das  letztere  ist  vielfach  überzeugt  von  der  bedeutenden 
•sinfizierenden  Kraft  des  Ozons  auf  die  Luft,  welche  im  Experiment 
(er  nur  dann  nachzuweisen  ist,  wenn  die  Dosen  so  hoch  sind,  dass 
ich  die  Giftwirkung  des  Ozons  zur  Geltung  kommt.  In  kleineren 
oseu  dagegen  wird  die  wirklich  schlechte  Luft  kaum  beeinflusst,  es 
itt  nur  noch  der  Ozongeruch  hinzu,  der,  wenn  er  stärker  ist,  eine 
.‘itlang  die  schlechte  Luft  auszuschalten  scheint,  indem  es  mehr 
ich  Ozon  riecht.  Im  anderen  Falle  aber  bleibt  der  vorherige  Geruch 
stehen,  höchstens  tritt  noch  ein  neuer  Geruch,  eine  Kombination  des 
zon-  und  des  Luftgeruches  auf.  Eine  wirkliche  Luftverbesserung 
uss  durch  frische  Luft  und  gute  Ventilation  erfolgen.  Vielen  Men¬ 
gen  ist  der  Ozongeruch  durchaus  nicht  sympathisch.  Die  von  der 
echnik  benützten  Konzentrationen  entsprechen  etwa  0,5 — 0,05  mg 
o  Raummeter  Luft. 

6)  S  c h  r  o  e  t  e  r  -  Berlin:  Die  praktische  Verwertbarkeit  von 
ausozonisierungsapparaten. 

Während  die  Sterilisation  von  Wasser  mittels  Ozon  in  grossen 
ulagen  vollkommen  gelingt,  scheint  es  bisher  mit  kleinen,  sog.  Haus- 
iparaten,  noch  nicht  möglich  gewesen  zu  sein.  Verf.  untersuchte 
vei  dieser  Apparate:  „Sterilisator  Otto“  und  „Zonhyd“,  kam  aber 
if  Grund  seiner  Prüfungen  zu  dem  Resultat,  dass  beide  Apparate 
ch  nicht  den  Anforderungen  entsprechen,  die  man  an  sie  stellen 
uss.  Auch  in  „reinem  Wasser“  wurden  die  Bakterien  nicht  alle 
getötet.  Die  schlechten  Leistungen  beruhen  auf  zu  geringer  Lie- 
rung  von  Ozon  (nur  Vio  der  verlangten  Menge)  und  in  der  kurzen 
eit,  in  der  das  Ozon  mit  dem  Wasser  in  Berührung  kommt. 

7)  J.  Kutsche  w  s  k  y  und  D.  Bierger  -  Moskau :  Zur  Frage 
rer  das  Verhältnis  des  Bacillus  leprae  Hansen  zu  einigen  bei  Lepra 
züchteten  Mikroorganismen. 

Der  von  Ktdrowsky  aus  Leprösen  gezüchtete  Organismus, 
Geher  sich  säurefest  zeigte,  ist  mit  dem  Hansen  sehen  Lepra- 
izillus  identisch,  denn  das  Serum  von  Leprösen  enthält  nach  den 
ntersuchungen  der  Verfasser  im  gleichen  Masse  spezifische,  durch 
e  Reaktion  Bordet-Gengou  nachweisbare  Antikörper  sowohl  gegen 
e  Kultur  von  Kedrowsk.v,  als  auch  gegen  die  Antigene  aus 
epromen,  in  denen  sich  Hansens  Leprastäbchen  fanden.  Der 


Duvalsche  Organismus  hat  mit  der  Aetiologie  der  Lepra  nichts 
zu  tun. 

Die  Redrowsky  sehe  Leprakultur  steht  dem  Tuberkelbazillus 
sehr  nahe. 

8)  R.  P.  Andersen:  Ein  tragbarer  Pettersson-Palmquist- 
Apparat. 

Der  P  e  1 1  e  r  s  s  o  n  -  P  a  1  m  q  u  is  t  sehe  Apparat  zur  Kohlen¬ 
säurebestimmung  der  Luft  auf  gasvolumetrischem  Wege,  bei  welcher 
das  CO2  durch  die  Volumkontraktion  einer  gemessenen  Luftmenge 
nach  Absorption  des  Kohlenoxyds  bestimmt  wird,  wurde  vom  Verf. 
in  entsprechender  Weise  zu  einem  kompendiösen  Modell  umgearbeitet, 
so  dass  es  leicht  mitführbar  ist.  Der  Apparat  wird  von  G  r  e  i  - 
11er  &  Friedrichs,  Stützerbach,  Thüringen  angefertigt  und  ver¬ 
trieben. 

9)  M.  T  a  u  t  e  -  Deutsch-Ost-Afrika :  Zur  Morphologie  des  Er¬ 
reger  der  Schlafkrankheit  am  Rovumafluss  (Deutsch-Ost-Afrika). 

In  Deutsch-Ost-Afrika,  im  Gebiete  des  Rovumaflusses,  des  Grenz¬ 
flusses  gegen  die  portugiesische  Kolonie  Mocambique  wurde  im 
vorigen  Jahre  ein  neuer  Schlafkrankheitsherd  entdeckt.  Die  dabei 
ermittelten  Trypanosomen  zeigen  im  Affenblut  die  Charakteristika, 
welche  für  das  Trypanosoma  rhodesiense  beschrieben  sind. 
Die  einzelnen  Formen  sind  beschrieben  und  mit  den  Formen  des 
Trypanosoma  gambiense  verglichen.  Der  Hauptunterschied 
zwischen  beiden  besteht  darin,  dass  bei  den  kurzen  gedrungenen 
Formen  des  Tryp.  rhodesiense  resp.  des  neugefundenen  der  Hauptkern 
sich  nahe  dem  Hinterende  des  Parasiten  befindet. 

R.  0.  Neumann-  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No  8,  1913.” 

1)  H.  Oppenheim  und  F.  Krause-  Berlin :  Partielle  Ent¬ 
fernung  des  Wurms  wegen  Geschwulstbildung  unter  breiter  Eröffnung 
des  vierten  Ventrikels.  (Vortrag  mit  Demonstration  der  Operierten  in 
der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  15.  Januar  1913.) 

Cf.  pag.  163  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

2)  Max  Rothmann-  Berlin :  Zur  Kleinhirnlokalisation.  (Nach 
einem  in  der  Physiologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  am  16.  Januar 
gehaltenen  Vortrag.) 

Es  ist  dem  Verfasser  geklingen,  durch  Versuche  an  Hunden  und 
Affen  die  Lehre  von  der  Lokalisation  in  der  Kleinhirnrinde  zu  be¬ 
festigen  und  erweitern. 

3)  J.  W  0  h  1  g  e  m  u  t  h  -  Berlin :  Pankreas,  Leber  und  Kohle¬ 
hydratstoffwechsel. 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergeben,  dass  Tiere,  bk 
denen  man  durch  Unterbindung  der  Pankreasgänge  für  einen  Ueber- 
tr itt  des  Pankreassekretes  in  das  Blut  und  damit  für  eine  Ueber- 
schwemmung  des  Blutes  mit  diastatischem  Ferment  sorgt,  in  ihrem 
Kohlehydratstoffwechsel  eine  beträchtliche  Umwälzung  erleiden.  Das 
Glykogen  aus  der  Leber  verschwindet  zum  grössten  Teile,  die 
Zuckertoleranz  ist  erheblich  gestört  und  die  Blutzuckermenge  ist 
gegenüber  der  Norm  wesentlich  gesteigert.  Das  Pankreas  steht 
ausser  zur  Leber,  zu  den  Nebennieren  und  zur  Schilddrüse  auch  zu 
den  Nieren  in  naher  Verbindung. 

4)  J.  Morgenroth  und  S.  G  i  n  s  b  e  r  g  -  Berlin  :  Hornhaut¬ 
anästhesie  durch  Chinaalkaloide.  2.  Mitteilung.  Ueber  die  Wirkung 
der  Chinaalkaloide  auf  die  Kornea.  (Nach  einem  Vortrag  in  der 
Berliner  med.  Gesellschaft  am  15.  Januar  1913.) 

cf.  pag.  163  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

5)  Sieskind,  R.  Wolffenstein,  J.  Zelt  11  er:  Ueber 
externe  Salizylpräparate. 

Die  Verfasser  haben  durch  die  Kombination  der  Salizylsäure  mit 
dem  tertiären  Trichlorbutylalkohol  einen  Ester,  „Perrheumal“  ge¬ 
nannt,  hergestellt,  welcher  äusserlich  appliziert  nicht  reizt  und  eine 
lokalanästhesierende  Wirkung  hervorruft.  Die  mit  dem  Präparate  er¬ 
zielten  Erfolge  bei  akuten  und  subakuten  Muskel-  und  Gelenkrheu¬ 
matismen  sind  sehr  ermutigend. 

6)  A.  B  i  c  k  e  1  -  Berlin :  Weitere  Beiträge  zur  Thorium  X- 
Therapie  bei  Anämie,  Leukämie  und  rheumatischen  Erkrankungen. 

(Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  der  Chariteegesellschaft  am  9.  Ja¬ 
nuar  1913.) 

Die  vom  Verfasser  mitgeteilten  Fälle  zeigen,  dass  wir  in  dem 
Thorium  X  ein  interessantes  und  in  vielen  Fällen  symptomatisch  vor¬ 
trefflich  wirkendes  Heilmittel  bei  gichtischen,  rheumatischen  Erkran¬ 
kungen,  bei  Leukämie  und  Anämie  besitzen. 

7)  A.  T  h  e  i  1  h  a  b  e  r  -  München:  Zur  Frage  von  der  opera¬ 
tionslosen  Behandlung  des  Karzinoms. 

Nach  Ansicht  des  Verfassers  ist  das  Karzinom  eine  Erkrankung 
des  Bindegewebes,  die  sich  äussert  in  Atrophie  des  subepithelialen 
Bindegewebes  bei  schlechter  Ernährung  desselben,  spärlichen  atrophi¬ 
schen  Bindegewebszellen  mit  verminderter  Proliferationsfähigkeit, 
engen  Blutgefässen.  Die  Therapie  solle  den  Naturheilungsprozess  der 
Karzinome  nachahmen,  also  für  lokale  Hyperämie  und  lokale  und 
allgemeine  Hyperleukozytose  Sorge  tragen.  Die  Krankenhäuser 
sollten  eigene  Krebsabteilungen  errichten  zur  weiteren  Erforschung 
der  Krankheit. 

8)  Arthur  Münzer-  Berlin  Schlachtensee:  Innere  Sekretion  und 
Nervensystem.  (Fortsetzung.) 

Schluss  folgt. 

9)  Bruno  Künne:  Die  angeborene  Hüftgelenkverrenkung. 

Kritisches  Uebersichtsreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  8,  1913. 

1)  H.  v.  Wy  ss -Zürich:  Die  pharmakologischen  Grundlagen  der 
Bromtherapie  bei  der  genuinen  Epilepsie. 

Der  Grund  der  Bromwirkung  beim  Epileptiker  liegt  allem  An¬ 
schein  nach  in  einer  Chlorverarmung  des  Organismus.  Die  kleinste, 
eben  zur  mehr  oder  weniger  vollständigen  Unterdrückung  der  An¬ 
fälle  erforderliche  Bromdosis  ist  die  richtige;  sie  beträgt  bei  sonst 
völlig  geregeltem  Leben  des  Epileptikers  und  insbesondere  bei  stren¬ 
ger  Regelung  der  Kochsalzzufuhr  zwischen  3  und  2  g  (Schwellenwert). 

Es  soll  eine  salzarme,  nicht  salzlose  Kost  gegeben  werden;  eine  grosse 
Kochsalzdosis  vermag  bei  einem  auf  den  Schwellenwert  eingestellten 
Individuum  geradezu  einen  epileptischen  Anfall  auszulösen. 

2)  Hans  I  s  e  1  i  n  -  Basel :  Entgiftung  des  tuberkulösen  Herdes 
durch  Röntgenbestrahlung. 

Das  Ansteigen  des  Körpergewichtes,  die  Besserung  des  allge¬ 
meinen  Befindens  und  des  lokalen  Krankheitsprozesses  bei  Behand¬ 
lung  tuberkulöser  Herde,  insonderheit  solcher  chirurgischer  Art,  mittels 
Röntgenstrahlen  deutet  auf  eine  entgiftende  Tätigkeit  hin.  Die  Frage, 
wie  diese  geartet  sein  mag,  ob  nun  ein  Abtöten  der  Tuberkel¬ 
bazillen  stattfindet  oder  die  von  ihnen  produzierten  Toxine  zerstört 
und  unwirksam  gemacht  werden,  ob  Antikörper  entstehen  oder  eine 
tuberkulinähnliche  Substanz,  das  harrt  noch  der  Entscheidung. 

3)  A.  P 1  e  h  n  -  Berlin:  Einige  seltenere  Fälle  von  Erkrankungen 
der  blutbereitenden  Organe. 

Nach  einem  Vortrage  vom  9.  Dezember  1912  im  Verein  für  innere 
Medizin  und  Kinderheilkunde  in  Berlin.  Ref.  in  No.  51,  1912,  der 
Münch,  nied.  Wochenschr. 

4)  Erich  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Bonn :  Ueber  akute  syphilitische  Nieren¬ 
entzündung  in  der  Friihperiode  (Nephritis  syphilitica  acuta  praecox). 

In  seltenen  Fällen  syphilitischer  Infektion  kann  gleichzeitig  mit 
dem  Auftreten  der  Roseola,  ja  sogar  schon  früher  das  Symptomen- 
bild  schwerster  Nephritis  gesehen  werden:  hochgradige  Albuminurie 
(bis  13  Prozent!)  und  ausgedehnte  Oedeme;  die  Erscheinungen  können 
sich  bald  schleichend,  bald  stürmisch  entwickeln.  Im  Katheterurin 
werden  Spirochäten  gefunden.  Die  Heilung  der  syphilitischen 
Nephritis,  die  auch  in  einer  schon  vorher  erkrankten  Niere  Platz 
greifen  kann,  und  auf  einer  spezifischen  Alteration  der  Glomeruli  be¬ 
ruht,  wird  am  besten  durch  eine  vorsichtige  kombinierte  Quecksilber- 
salvarsankur  erreicht. 

5)  Christian  S  c  h  ö  n  e  -  Greifswald:  Ueber  den  Nachweis  von 
Diphtherieantitoxin  im  Blutserum  der  damit  behandelten  Kranken  und 
über  die  Frage  der  Dosierung  des  Heilserums. 

Die  grösste  Menge  der  mit  der  Diphtherieseruminjektion  einge¬ 
führten  Antitoxinmenge  ist  noch  längere  Zeit  im  Blute  nachweisbar. 

Im  allgemeinen  wird  man  zu  Heilzwecken  mit  kleineren  Serummengen 
auskommen,  doch  werden  gelegentlich  schwere  Diphtherieinfektionen 
eine  grössere  Serumdosis  benötigen. 

6)  Hans  Schmidt-Kew  Surrey:  Kapillaranalytische  Bestim¬ 
mungen  der  freien  Salzsäure  jm  Magensaft. 

Die  kapillaranalytische  Methode  der  Salzsäurebestimmung  im 
Magensaft  nach  Holmgren  gibt  übereinstimmende  Resultate  mit 
der  Titration  und  der  C  i  t  r  o  n  sehen  Methode.  Das  nötige  Material 
zur  Anstellung  der  Kapillaranalyse  findet  sich  mit  Gebrauchsan¬ 
weisung  in  einer  von  der  A.-G.  Stille-Werner  in  Stockholm  gelieferten 
Schachtel  vereinigt. 

7)  Gertrud  P  i  e  t  r  u  1 1  a  -  Breslau :  Ueber  das  Azitrin. 

Wie  das  Atophan  (Phenylcinchoninsäure),  dessen  Ester  es  ist,  be¬ 
wirkt  das  Azitrin,  in  Tagesdosen  von  3  g  gegeben,  eine  erhebliche 
Steigerung  der  Harnsäureausscheidung,  ohne  schädigende  Neben¬ 
wirkungen. 

8)  Theodor  Hausmann-  Rostock :  Der  Urobilinnachweis 
mittels  Kupfersulfat. 

Zu  10—20  ccm  Harn  werden  20 — 40  Tropfen  einer  10  proz. 
Kupfersulfatlösung  zugesetzt,  die  Mischung  vorsichtig  umgeschwenkt; 
dann  werden  2 — 4  ccm  Chloroform  zugesetzt.  Das  nach  abermaligem 
vorsichtigem  Schütteln  sich  absetzende  Chloroform  ist  hellgelb  bis 
kupferrot,  je  nach  der  vorhandenen  Menge  des  Urobilins. 

9) 0.  Nordmann  - Berlin-Schöneberg :  Thoraxwandresektion 
mit  Meitzer  scher  Insufflation. 

Auszugsweise  in  der  Sitzung  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chi¬ 
rurgie  vorgetragen  am  11.  November  1912,  ref.  in  No.  48,  1912  der 
Münch,  med.  Wochenschr. 

10)  F.  S  c  h  a  n  z  -  Dresden:  Veränderungen  und  Schädigungen  des 
Auges  durch  Licht. 

In  der  Hauptsache  sind  es  die  kurzwelligen  Strahlen  und  infolge¬ 
dessen  das  an  diesen  Strahlen  besonders  reiche  künstliche  Licht, 
welche  geeignet  sind  Schädigungen  des  Auges  herbeizuführen.  Die 
kurzwelligen,  direkt  nicht  sichtbaren  Strahlen,  die  schon  subjektiv 
ausserordentlich  lästig  empfunden  werden,  werden  ohne  Beeinträch¬ 
tigung  der  sichtbaren  Strahlen  vom  Auge  ferngehalten  durch  das 
Euphosglas.  Dieses  Glas  ersetzt  ungleich  vorteilhafter  die  üblichen 
blauen  und  rauchgrauen  Brillen  und  gestattet  dem  Wanderer  in  den 
Regionen  des  ewigen  Schnees  einen  ungeschmälerten  Naturgenuss. 
Sollen  aus  besonderen  Gründen  nebenbei  auch  die  sichtbaren  Strahlen 
abgeschwächt  werden,  so  bedient  man  sich  des  Fieuzalglases. 

11)  R.  Schilling-Freiburg  i.  B. :  Ueber  die  Deckung  des 
Gesangstones. 

Die  Deckung  des  Tones  beim  Kunstgesang,  welche  sich  durch  I 


No.  9 


eine  Hebung  des  Kehldeckels  und  ein  Vor-  und  Abwärtsrücken  des 
Kehlkopfes  vollzieht,  ermöglicht,  die  Vokale  in  ihrem  reinen  Charakter 
auch  in  bedeutend  höheren  Stimmlagen  herauszubringen. 

12)  Ha  1 1  e  -  Charlottenburg:  Die  Tonsillenexstirpation,  ihre  Ge¬ 
fahren  und  deren  Bekämpfung. 

Weder  ist  die  Existenz  der  Tonsille  an  sich  eine  Krankheit  (Bos- 
worth)  noch  ist  die  Tonsille  ein  maligner  Tumor.  Ihre  Exstirpation 
hat  daher,  zumal  bei  Kindern,  nur  einer  strengen  Indikationsstellung 
zu  folgen,  also  bei  häufig  rezidivierenden  Anginen,  wenn  die  Tonsillo¬ 
tomie  der  hypertrophischen  Mandel  erfolglos  blieb,  wenn  die  ver¬ 
schiedenen,  auf  eine  Tonsillitis  zurückfiihrbaren  Allgemeinkrankheiter 
vorliegen  oder  zu  befürchten  sind.  Die  Operation  geschieht  am 
besten  in  Novokain-Lokalanästhesie  nach  der  Methode  von  Wesi 
oder  S  1  u  d  e  r.  Von  den  Gaumenbögen  darf  nichts  geopfert  werden 
Die  Blutung  ist  durch  exakte  Stillung  mittels  Gefässtorsion,  unter  Un¬ 
ständen  auch  mit  Tamponade  zu  bekämpfen.  Der  häufigen  Tem-I 
peratursteigerung  wird  am  besten  durch  Austupfen  der  Wunde  mir 
Perhydrol  und  Einstäuben  von  wenig  Jodoform  begegnet. 

13)  A.  Z  i  t  r  o  nb  1  a  1 1  -  Moskau :  Zur  Kasuistik  und  Histogenesi 
der  Nabeladenome. 

Beschreibung  eines  bei  einer  36  jährigen  Frau  exstirpierten  hasel¬ 
nussgrossen  Nabeladenoms,  das  zur  Zeit  der  Menstruation  anschwol] 
und  ein  serösblutiges  Sekret  entleerte.  Derartige  Tumoren  ent-t 
stehen,  wie  das  mikroskopische  Bild  lehrt,  aus  Resten  des  Dotter 
ganges  in  der  Nabelnarbe. 

14)  B  r  ü  c  k  n  e  r  -  Dresden:  Zur  Frage  der  praktischen  Bedeu 
tung  der  Blutdruckmessung  bei  Diphtherie. 

Ohne  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  nahetreten  zu  wollen 
hält  Verf.  entgegen  Schöne  an  seiner  Behauptung  fest,  dass  die 
Blutdruckmessung  bei  Diphtherie  für  den  Praktiker  entbehr 
lieh  ist. 

15)  Z  i  e  m  a  n  n  -  Charlottenburg:  Ueber  die  künstliche  Weiter 
entwicklung  (in  vitro)  des  Tertian-Malariaparasiten. 

Nachtrag  zu  dem  Aufsatz  in  No.  6  dieser  Wochenschrift. 

Bau  m  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  8.  F.  Hamburger  - Wien:  Ueber  psychische  Behandlum 
im  Kindesalter. 

Zusammenfassung:  Die  psychische  Behandlung  entspricht  ii 
manchen  Fällen  (psychogene  Neurasthenie)  vollkommen  der  ätiO| 
logischen  Indikation.  Schon  vom  2.  Lebensjahr  an  ist  die  Wach, 
Suggestion  mit  Erfolg  anzuwenden  und  hat  auch  auf  Störungen,  di< 
im  wachen  Zustand  auftreten,  Einfluss.  Die  Suggestivbehandlunr 
(event.  mit  harmlosen  Medikamenten,  Faradisation  u.  dgl.)  leistet  Aus 
gezeichnetes  bei  dem  „psychogenen  Rest“  organischer  (z.  B.  Keuch; 
husten,  Chorea)  oder  bei  psychogen  verstärkten  organischen  Leidei 
(z.  B.  Epilepsie).  Gerade  bei  letzteren  hat  die  psychische  Behandluu: 
öfters  einen  hohen  diagnostischen  Wert. 

R.  Lederer  -  Wien :  Ueber  ein  noch  nicht  beschriebenes  Krank 
heitsbild  der  spasmophilen  Diathese. 

Als  neues  Symptom  der  Spasmophilie  (unter  58  Fällen  6  mal  vo 
L.  beobachtet)  ist  eine  mitunter  recht  ausgedehnte  Lungenatelektasl 
zu  betrachten,  die  durch  Spasmen  der  kleinen  Bronchialmuskulatui 
Verschluss  der  Bronchiallumina  und  Absperrung  der  Alveolen  un 
Resorption  ihres  Luftinhaltes  zu  erklären  ist.  Ausserdem  erfolgt  de1 
Austritt  eines  Stauungsödems  in  das  freie  Lumen  der  Bronchien,  wcj 
durch  klinisch  Rasselgeräusche  nachweisbar  werden.  Selbständig  ode 
in  Verbindung  mit  anderen  Spasmen  kann  durch  diese  Lungenatelek 
tase  der  Tod  herbeigeführt  werden.  Eine  ausführlichere  Publikatio: 
folgt. 

O.  M.  C  h  i  a  r  i  -  Innsbruck :  Ein  Beitrag  zu  der  Kenntnis  de 
Verhaltens  frei  transplantierter  Faszie  im  menschlichen  Organismu: 

Ueberblick  über  die  bisherige  Verwendungsart  und  Erfolge  de, 
Faszientransplantation.  Histologischer  Befund  eines  nach  7  Woche: 
bei  einer  Karzinomrezidivoperation  exzidierten  transplantierten  Fas 
zienstückes.  In  Kürze  lässt  sich  sagen,  dass  nicht  eine  Einheiluii' 
nach  Art  eines  Fremdkörpers  stattfindet,  sondern  eine  Art  von  Un 
bau  und  histologischer  Anpassung,  indem  das  flächenhaft  über  dij 
Faszie  gelagerte  Granulationsgewebe  deren  Ernährung  vermittelt,  da 
junge  Bindegewebe  eine  faszienähnliche  sehnige  und  straffe  Struktii 
annimmt  und  mit  der  transplantierten  Faszie  zusammen  einen  widen 
standsfähigen  Abschluss  bildet. 

L.  Hess  und  B.  v.  Frisch -Wien:  Ueber  ein  Phosphatid  h 

menschlichen  Harn. 

Die  Untersuchungen,  deren  Technik  hier  zu  übergehen  ist,  ei 
gaben,  dass  der  Harn  des  lipämischen  Diabetikers  eine  relativ  erheb 
liehe  Menge  einer  rechtsdrehenden  phosphorhaltigen  Substanz  en 
hält,  die  der  Lezithinreihe  zuzuteilen  ist;  beim  Gesunden  und  de: 
nicht  lipämischen  Diabetiker  war  dieselbe  nicht  nachzuweisen.  Eber 
so  wurde  bei  8  gynäkologischen  Fällen  nach  langdauernder  Narko« 
ein  gleichfalls  in  Azeton  unlösliches,  ätherlösliches  phosphorhaltigr 
rechtsdrehendes  Lipoid  im  Harn  gefunden.  Desgleichen  in  einem  Fa 
von  Herniotomie  nach  einer  Narkose  von  50  Minuten.  Vielleicht  lies 
hier  eine  durch  die  Narkose  bewirkte  Lipoideinschmelzung  im  B’ 
reich  des  Nervensystems  vor. 


Marz  191.1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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St.  Za  r  z y  c  k  i  -  Wien:  Ueber  die  Verwertbarkeit  der  Azeton- 
,  trakte  bei  der  Meiostagminreaktion. 

Das  Azetonlezithinextrakt  kann  zwar  nicht  die  aus  Karzinom  und 
nkreas  gewonnenen  Extrakte  ganz  ersetzen,  seine  leichte  Her- 
llung  und  lange  Haltbarkeit  erleichtert  aber  die  praktische  Aus¬ 
rung  der  Reaktion.  Der  positive  Ausfall  derselben  spricht  fast  mit 
lliger  Sicherheit  für  Karzinom,  der  negative  Ausfall  ist  nicht  ver- 
rtbar.  Verdauungssera  sollen  zur  Untersuchung  nicht  heran- 
mgen  werden.  Fieber  scheint  die  Reaktion  nicht  zu  beeinflussen. 

R.  Köhler  und  A.  L  u  g  e  r :  Zur  Meiostagminreaktion. 

Bericht  über  weitere  Versuche  mit  dem  von  den  Verff.  un¬ 
ebenen  Azetonlezithinextrakt.  Kein  Normalserum  gab  mit  dem- 
ben  eine  positive  Reaktion,  desgleichen  kein  Serum  Nichtkarzi- 
inatöser  (29  Fälle),  kein  Serum  von  Herzkranken  (8  Fälle),  von 
berhaften  und  kachektischen  Kranken  verschiedener  Art.  Das  Ge- 
mtmaterial  der  Verff.  und  Zarzyckis  ergibt  bei  236  Fällen 
Proz.  positive  Reaktionen  bei  Karzinom,  1,7  Proz.  bei  Nichtkarzi- 
matösen.  Die  geringe  Zahl  der  Fehlreaktionen  und  die  Haltbarkeit 
s  Extraktes  sprechen  jedenfalls  wesentlich  für  die  Verwertbarkeit 
s  Verfahrens.  Da  bei  einer  grossen  Zahl  von  Schwangeren  das 
rum  positive  Reaktion  gibt,  so  ist  die  Bewertung  der  Meiostagmin- 
iktion  in  der  Gravidität  einzuschränken.  Zum  Schluss  wird  noch 
rz  auf  eine  anscheinend  charakteristische  Beeinflussung  der  Sapo- 
lhämolyse  durch  die  Reaktion  hingewiesen. 

L.  Hofbauer  -  Wien :  Entstehung  und  Bekämpfung  der  kon- 
kutiven  Störungen  bei  Pleuraschwarte. 

Schlusssätze:  Die  Atelektase  der  unteren  Lungenteile  wie  auch 
2  bei  Pleuraschwarte  auftretenden  Zirkulationsstörungen  sind  auf 
n  Tiefstand  und  die  damit  beeinträchtigte  Dynamik  des  Zwerch- 
ls  zurückzuführen.  Diese  Störungen  lassen  sich  nicht  durch  Lage- 
ng  auf  die  gesunde,  sondern  vielmehr  durch  Lagerung  auf  die 
anke  Seite  bekämpfen  und  späterhin  durch  aktive  Bauchatmung,  in- 
in  eine  Hochtreibung  des  Zwerchfells  und  vermehrte  Leistung  seiner 
uskulatur  angestrebt  wird.  Entsprechende  Atemübungen  fördern 
2  Funktion  des  Thorax  und  wirken  einer  Verbiegung  desselben  ent- 
gen.  So  lässt  sich  eine  dauernde  weitgehende  Wiederherstellung 
reichen. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  2.  G.  M  ay  e  r -München:  Die  Anforderungen  an  Fleisch- 
ichsenkonserven. 

Es  seien  nur  einige  Punkte  hervorgehoben:  Die  Sterilisation, 
ren  Technik  sorgfältig  zu. handhaben  ist,  gibt  nur  bei  einer  gewissen 
ngeren  Dauer  und  Temperaturhöhe  eine  verlässige  Haltbarkeit, 
enn  im  Interesse  des  Wohlgeschmackes  unter  120,5°  C  und  unter 
i—70  Minuten  sterilisiert  wurde,  sollen  die  Konserven  in  kürzerer 
2it  aufgebraucht  werden.  Daher  sollte  jede  solche  Büchse  einen 
2rmerk  über  die  Höhe  der  Temperatur  und  Dauer  der  Sterilisierung 
agen.  Da  alle  Fleischkonserven,  die  älter  als  2 — 3  Jahre  sind,  einen 
etallischen  Geschmack  annehmen,  sollte  auf  den  Büchsen  die  Jahres- 
ihl  ihrer  Herstellung  angezeigt  sein.  Auf  die  gute  Herstellung  der 
ichsen  aus  kräftigem  Blech,  auf  die  sorgfältige  Füllung  und  Nach- 
mtrolle  der  Büchsen,  welche  zudem  nicht  zu  gross  sein  sollen,  ist 
.sonderer  Wert  zu  legen.  Für  die  Fisch-  und  Seetierkonserven  ist 
e  Zubereitung  im  geregelten  Grossbetrieb,  die  Verwendung  von 
edendem,  besten  Olivenöl  zu  fordern.  Der  Zusatz  von  chemischen 
onservierungsmitteln  ist  nicht  unbedenklich  und  schützt  vielfach  nur 
e  Oberfläche  vor  Zersetzung.  Bei  sorgfältigem  Verfahren  ver- 
ögen  gut  geleitete  Fabriken  eine  in  jeder  Richtung  einwandfreie 
’are  herzustellen. 

No.  3.  A.  F.  Hecht -Wien:  Ueber  die  physiologischen  Herz- 
:hallverhältnisse  im  Kindesalter. 

Zahlreiche  Kurvenzeichnungen.  Mit  Hilfe  des  Edelmann  sehen 
aitengalvanometers  lassen  sich  die  Amplitiidenverhältnisse  des  1. 
im  2.  Herzton  an  der  Herzbasis  feststellen,  während  an  der  Herz- 
utze  Verzerrungen  des  Klangbildes  des  1.  Tones  das  Ergebnis 
ören,  bei  starker  Pulsation  in  der  ganzen  Herzgegend  besteht  die- 
:lbe  Fehlerquelle  auch  an  den  arteriellen  Ostien.  Im  Säuglings- 
id  frühen  Kindesalter  ist  die  Amplitüde  des  1.  Tones  viel  grösser  als 
e  des  2.,  späterhin  und  gegen  die  Pubertät  wird  der  Unterschied  ge- 
nger,  so  dass  der  2.  Ton  sogar  dem  1.  manchmal  gleich  wird  und  ihn 
cht  selten  sogar  übertrifft.  Somit  wird  Hochsingers  Behaup- 
mg,  dass  im  frühen  Kindesalter  an  der  Basis  des  Herzens  ein  tro- 
läischer  Rhythmus  besteht,  bestätigt;  abweichende  Beobachtungen 
.'ruhen  auf  der  Beeinflussung  der  subjektiven  Schallperzeption  durch 
ie  Tonhöhe. 

No.  3.  A.  P  u  1  a  w  s  k  i  -  Warschau :  B  r  i  g  h  t  sehe  Krankheit, 
weimalige  E  d  e  b  o  h  1  s  sehe  Operation.  Basedowsymptome  zum 
chlusse  des  Lebens. 

Der- Fall  gehört  zu  denen,  wo  die  Edebohlssche  Dekapsula- 
on  der  Niere,  und  zwar  beide  Male,  eine  wesentliche  Besserung,  ins- 
esondere  der  urämischen  Symptome  und  eine  Verlängerung  des 
ebens  im  Gefolge  hatte.  Das  Auftreten  Basedow  scher  Sym- 
tome  ist  anscheinend  bei  chronischer  Nierenentzündung  keineswegs 
eiten  und  steht  wohl  in  einem  gewissen  ätiologischen  Zusammenhang 
iit  derselben. 

No.  4.  M.  Hajek-Wien:  Behandlung  der  chronisch-eitrigen 

iebbeinentzündung.  Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 


Amerikanische  Literatur. 

I.  McCrae:  Tertiäre  Lebersyphilis.  (Am.  Journ.  Med.  Scien¬ 
ces,  Phila.  1912,  No.  5.) 

Die  Syphilis  der  Leber  bietet  ein  sehr  verschiedenartiges  kli¬ 
nisches  Bild  dar.  Die  Symptome  haben  in  vielen  Fällen  einen  aus¬ 
gesprochenen  Charakter;  das  wichtigste  darunter  ist  der  Gewichts¬ 
verlust.  Die  Symptome  können  sehr  lange  dauern  und  können  durch 
Perioden  zeitweiliger  Besserung  unterbrochen  werden.  Temperatur¬ 
steigerung  ist  eine  gewöhnliche  Erscheinung.  In  den  meisten  Fällen 
treten  Symptome  auf,  welche  deutlich  auf  eine  Erkrankung  der 
Leber  hindeuten.  Tumor  oder  Vergrösserung  der  Leber  ist  die  ge¬ 
wöhnlichste  Erscheinung.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  relativ- 
starke  Vergrösserung  des  linken  Leberlappens.  Die  Diagnose  kann 
durch  andere  Krankheiten  verdunkelt  werden  oder  die  Lebersym¬ 
ptome  werden  falsch  ausgelegt.  Der  Aszites  bietet  oft  Schwierig¬ 
keiten  dar.  Die  Behandlung  kann  den  syphilitischen  Prozess,  aber 
nicht  seine  Folgen  (Zirrhose,  Amyloidleber)  beeinflussen. 

H.  Noguchi:  Die  Luetinreaktion.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc., 
Chicago  1912,  No.  14.) 

Die  Haut  von  mit  Spirochaeta  pallida  wiederholt  inokulierten 
Tieren  und  die  Haut  von  Syphilitikern  reagieren  nicht  in  gleicher 
Weise.  Die  Haut  von  Syphilitikern  reagiert  durch  eine  Entzündung 
nach  Inokulation  mit  Luetin,  welches  von  getöteten  Reinkulturen  ge¬ 
wonnen  wird,  während  bei  Nichtsyphilitikern  keine  Entzündungs¬ 
erscheinungen  auftreten.  Die  bisherigen  Erfahrungen  mit  Luetin  be¬ 
stätigen  die  folgenden  Tatsachen:  Das  Luetin  bildet  für  Syphilis  ein 
spezifisches  Diagnostikum.  Man  erhält  diese  Reaktion  in  den  meisten 
Fällen  tertiärer,  latenter  und  hereditärer  Syphilis,  aber  mit  geringerer 
Beständigkeit  in  Fällen  nichtbehandelter  sekundärer  und  primärer 
Syphilis.  Bei  allgemeiner  Paralyse  und  Tabes  dorsalis  wurde  die 
Reaktion  etwa  in  60  Proz.  der  Fälle  beobachtet.  In  Fällen  primärer 
und  sekundärer  Syphilis  ist  die  W  a sse  r  m  a  n n  sehe  Reaktion 
beständiger  als  die  Luetinreaktion.  Aber  bei  tertiärer  und  latenter 
Syphilis  zeigt  die  Luetinreaktion  grössere  Beständigkeit  als  die 
Wassermann  sehe  Reaktion. 

L.  H.  Spooner:  Erfahrungen  mit  der  Antityphusimpfung  in 
den  Krankenwärterinnenschulen  in  Massachusetts.  (Journ.  Am.  Med. 
Assoc.,  Chicago  1912,  No.  15.) 

Statistische  Untersuchungen  zeigen,  dass  der  Typhus  abdominalis 
unter  den  Krankenwärterinnen  von  Massachusetts  8  mal  so  häufig 
vorkommt  als  unter  anderen  Personen.  Auf  Betreiben  des  Staats¬ 
gesundheitsamtes  wurde  im  Jahre  1909  die  Antityphusimpfung  in 
23  Hospitälern  eingeführt.  Während  der  letzten  2Vz  Jahre  wurden 
309  Krankenwärterinnen  mit  dem  Antityphusserum  behandelt  und 
soweit  trat  kein  einziger  Typhusfall  unter  denselben  auf. 

F.  F.  Russell:  Einige  Resultate  der  Antityphusimpfung. 
(Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago  1912,  No.  15.) 

Am  9.  Januar  1911  wurde  die  Antityphusimpfung  für  alle  Re¬ 
kruten  der  Armee  obligatorisch  eingeführt  und  am  30.  September 
desselben  Jahres  wurde  dieselbe  für  das  gesamte  Personal  unter 
45  Jahren  obligatorisch  erklärt.  Bei  Beginn  des  Jahres  1911  waren 
nur  etwa  1500,  am  Ende  des  Jahres  dagegen  55  000  Mann  mit  dem 
Serum  immunisiert.  Die  Resultate  sprechen  in  markanter  Weise  zu 
Gunsten  der  Antityphusimpfung.  Während  z.  B.  im  Jahre  1908 
239  Typhusfälle  vorkamen,  wurden  im  Jahre  1911  nur  68  Fälle  be¬ 
obachtet.  Besonders  charakteristisch  ist  es  aber,  dass  im  Jahre  1912 
nur  7  Fälle  vorkamen,  wovon  kein  einziger  mit  Tod  abging.  Verf. 
glaubt,  dass  die  Antityphusimpfung  auch  auf  Verhältnisse  ausgedehnt 
werden  sollte,  wo  das  Typhusfieber  besonders  häufig  vorkommt,  wie 
unter  dem  Personal  der  Hospitäler,  in  Bergwerken,  industriellen 
Zentren  usw. 

S.  F  1  e  x  n  e  r :  Der  Infektionsmodus  bei  der  epidemischen  Polio¬ 
myelitis.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago  1912,  No.  15.) 

Wenn  das  Affenhirn  mit  dem  Krankheitserreger  der  Polio¬ 
myelitis  infiziert  wird,  vermehrt  er  sich  und  verbreitet  sich  auf 
andere  Teile  des  Gehirns,  auf  das  Rückenmark  und  die  Meningen. 
Durch  den  Liquor  cerebrospinalis  gelangen  die  Keime  in  das  Blut, 
wo  sie  sich  jedoch  nicht  vermehren;  aber  ein  Teil  der  Krankheits¬ 
keime  wandert  durch  die  Lymphkanäle  den  kurzen  Geruchsnerven 
entlang,  welche  von  dem  Bulbus  olfactorius  zur  Nasenschleimhaut 
führen.  Von  da  treten  sie  in  die  Absonderungsflüssigkeit  der  Schleim¬ 
haut  über  und  werden  ausgeworfen  oder  gelangen  in  den  Magen- 
darmtraktus.  Nun  hat  die  Erfahrung  gezeigt,  dass  wie  der  Krank- 
heitsereger  seinen  Weg  aus  dem  Körper  durch  die  Nasenschleimhaut 
findet,  er  denselben  Weg  zu  seinem  Eintritt  in  den  Körper,  resp.  in 
das  Gehirn  und  Rückenmark  nimmt.  Es  ist  auch  sehr  wahrschein¬ 
lich,  dass  die  Krankheit  durch  Keimträger  auf  diese  Weise  ver¬ 
breitet  wird. 

J.  A.  Fordyce:  Zur  Salvarsanbehandlung  der  Syphilis. 
(Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago  1912,  No.  14.) 

Die  Wirkung  des  Salvarsan  steht  in  direktem  Verhältnis  zur 
Dauer  der  Infektion.  Im  Frühstadium  der  Krankheit  werden  viele 
Fälle  durch  3  oder  4  Injektionen  in  6  bis  12  Monaten  geheilt.  Das 
floride  Stadium  verlangt  eine  intensivere  Behandlung.  Hier  sind 
5  bis  6  Injektionen  notwendig,  sowie  eine  dieselben  begleitende  Queck¬ 
silberkur.  In  einigen  Formen  der  Syphilis  des  Nervensystems  ist 
das  Salvarsan  der  Quecksilberbehandlung  überlegen.  In  Fällen  ma¬ 
ligner  Syphilis,  in  welchen  die  Quecksilberkur  keine  merkliche  Besse¬ 
rung  herbeiführt,  verschwinden  oft  alle  Symptome  nach  ein. oder  zwei 


.  JMj 

•4S6  MUENCH^NEK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  N0.  $. 


Salvarsaninjektionen,  mit  anderen  Worten,  eine  kombinierte  Sal- 
varsan-  und  Ouecksilberbehandhmg  ist  viel  wirksamer  als  eine  der 
beiden  Heilmittel  allein. 

H.  F.  Swift:  Anaphylaxie  bei  Salvarsan.  (Journ.  Am.  Med. 
Assoc.,  Chicago  1912,  No.  14.) 

Nach  wiederholten  Salvarsaninjektionen  zeigen  einige  Patienten 
Symptome  respiratorischer  und  vasomotorischer  Störungen,  wie  sie 
bei  der  Anaphylaxie  Vorkommen.  In  einem  Falle  beobachtete  Verf. 
ein  toxisches  Erythem.  Meerschweinchen,  welche  durch  Injektionen 
einer  Mischung  von  Meerschweinchenserum  und  Salvarsan  sensibili¬ 
siert  und  bei  denen  die  Injektionen  derselben  Mischung  nach  einiger 
Zeit  wiederholt  wurde,  zeigten  Symptome,  welche  dem  anaphylak¬ 
tischen  Schock  ähnlich  sind.  Bei  Patienten,  welche  nach  wiederholten 
Salvarsaninjektionen  anaphylaktische  Symptome  aufweisen,  findet 
wahrscheinlich  eine  ähnliche  Reaktion  zwischen  dem  körpereigenen 
Serum  und  dem  Salvarsan  statt,  so  dass  das  homologe  Serum¬ 
phänomen  die  Folge  einer  Veränderung  des  körpereigenen  Serums 
und  des  Salvarsan  zu  sein  scheint. 

T.  P.  S  p  r  u  n  t  und  H.  S.  C  o  1  w  e  1 1 :  Pigmentbildung  in  der 
Leber  während  der  Autolyse  und  ihr  Verhältnis  zur  Pigmentierung 
der  Hämochromatosis.  (Journ.  Exper.  Med.,  New  York  1912,  No.  5.) 

Ohne  zu  behaupten,  dass  eine  genaue  Analogie  zwischen  auto¬ 
lytischen  Veränderungen  und  Pigmentbildung  in  pathologischen  Pro¬ 
zessen  bestehe,  zeigen  Verfasser,  dass  eisenhaltige  und  andere  Arten 
von  Pigmenten  durch  autolytische  Degeneration  der  Parenchymzellen 
unabhängig  vom  Hämoglobin  und  Blutstrom  sich  bilden  können  und 
daher  von  den  Proteidsubstanzen  der  Zellen  selbst  abzuleiten  sind. 

C.  W.  Howard  und  P.  F.  Clark:  Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  die  Uebertragung  des  Virus  der  Poliomyelitis  durch 
Insekten.  (Journ.  Exper.  Med.,  New  York  1912,  No.  6.) 

Durch  Experimente  wurde  festgestellt,  dass  die  gewöhnliche 
Stubenfliege  das  Virus  der  Poliomyelitis  in  aktivem  Zustande  wäh¬ 
rend  mehrerer  Tage  auf  der  Oberfläche  des  Körpers  und  während 
mehrerer  Stunden  im  Magendarmkanal  aufzubewahren  imstande  'ist. 
Dagegen  nehmen  Moskitos  das  Gift  vom  infizierten  Rückenmark  ge¬ 
töteter  Affen  nicht  auf.  Auch  Läuse  vermögen  das  Gift  nicht  zu 
übertragen.  Wanzen  entnehmen  das  Gift  dem  Blut  infizierter  Affen 
und  bewahren  dasselbe  in  aktivem  Zustande  während  mehrerer  Tage. 

B.  H.  Roark:  Ueber  einen  Fall  gonorrhoischer  Keratosis. 
(Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  1912,  No.  23.) 

Bei  einem  Patienten,  der  an  akuter  Gonorrhöe  litt,  trat  nach 
einigen  Tagen  eine  Verhornung  der  Haut  an  den  Fussohlen  auf,  was 
ausgedehnte  Exkoriationen  der  Epidermis  zur  Folge  hatte.  Die  Zehen¬ 
nägel  verdickten  sich  und  fielen  nach  drei  Wochen  ab.  Die  Ver¬ 
hornung  der  Haut  breitete  sich  auch  auf  andere  Teile  des  Körpers 
aus.  Bei  der  Behandlung  gebrauchte  Verf.  Injektionen  gemischter 
Gonorrhöevakzine.  Der  Kranke  erholte  sich  langsam  und  die  Haut¬ 
läsionen  verschwanden. 

A.  R.  Dochez:  Ueber  das  Vorkommen  von  Schutzstoffen  im 
menschlichen  Serum  bei  kruppöser  Pneumonie.  (Journ.  Exper.  Med., 
N.Y.,  1912,  No.  5.) 

Angestellte  Experimente  zeigen,  dass  in  der  Regel  Schutzstoffe 
im  Blute  von  Patiente'n  vorhanden  sind,  die  sich  von  kruppöser  Pneu¬ 
monie  erholen.  Gewöhnlich  fällt  das  Erscheinen  der  Schutzstoffe  im 
Blut  ziemlich  genau  mit  dem  kritischen  Fall  der  Temperatur  und 
dem  Verschwinden  der  Symptome  zusammen.  Diese  Substanzen  sind 
vor  dem  kritischen  Wendepunkt  nicht  in  merklicher  Menge  vor¬ 
handen.  Experimente,  bei  welchen  es  möglich  ist,  das  Blutserum 
auf  einen  homologen  Gonokokkenstamm  zu  prüfen,  weisen  in  den 
meisten  Fällen  Schutzstoffe  auf,  während  in  jenen  Fällen,  wo  Stamm¬ 
kulturen  gebraucht  werden,  das  Serum  gewöhnlich  keine  Schutzstoffe 
zeigt.  Die  Entwicklung  spezifischer  Schutzstoffe  im  Serum  von  an 
Lungenentzündung  erkrankten  Patienten  lässt  vermuten,  dass  diese 
Schutzstoffe  eine  Rolle  im  Mechanismus  der  Rekonvaleszenz  spielen. 

A.  R.  Dochez:  Vorkommen  und  Virulenz  von  Pneumokokken 
im  strömenden  Blut  bei  kruppöser  Pneumonie.  (Journ.  Exper.  Med., 
N.Y.,  1912,  No.  5.) 

Es  wurde  das  Blut  bei  37  Fällen  von  kruppöser  Pneumonie  unter¬ 
sucht.  Der  Pneumokokkus  wurde  in  etwa  der  Hälfte  dieser  Fälle 
vom  Blut  isoliert.  Der  Verlauf  der  Krankheit  in  diesen  Fällen  war 
schwererer  Natur  als  in  jenen  Fällen,  in  welchen  keine  Pneumo¬ 
kokkenkulturen  vom  Blut  gewonnen  werden  konnten.  77  Proz.  der 
Patienten  mit  postiven  Blutkulturen  gingen  mit  Tod  ab,  während 
79  Proz.  der  Patienten  mit  negativen  Blutkulturen  sich  erholten.  In 
den  tödlichen  Fällen,  in  welchen  der  Pneumokokkus  im  Blut  gefunden 
wurde,  war  die  Zahl  der  Organismen  im  Blut  im  letzten  Stadium 
der  Krankheit  sehr  gross.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Kollaps¬ 
symptome,  welche  am  5.  oder  6.  Tage  der  kruppösen  Pneumonie  auf- 
treten,  in  vielen  Fällen  anzeigen,  dass  die  Krankheitskeime  in  grosser 
Zahl  im  Blute  vorhanden  sind.  In  einigen  Fällen  deuten  sie  die  Aus¬ 
breitung  des  lokalen  Prozesses  in  der  Lunge  an. 

H.  J.  Schwarz  &  A.  McNeil:  Weitere  Erfahrungen  mit 
der  Komplementbindungsprobe  bei  der  Diagnose  der  Gonokokken¬ 
infektion  des  Urogenitaltraktes.  (Am.  Journ.  Med.  Sciences,  Phila.. 
1912,  No.  6.) 

Eine  positive  Reaktion  zeigt  das  Vorhandensein  oder  kürzliche 
Aktivität  eines  Herdes  lebender  Gonokokken  im  Körper  an.  Eine  nega¬ 
tive  Reaktion  schliesst  eine  Gonokokkeninfektion  nicht  aus,  ist  aber 
nicht  ohne  Wichtigkeit.  Eine  positive  Reaktion  kann  vor  der  vierten 
Woche  nicht  erwartet  werden,  und  dann  nur  in  sehr  akuten  Fällen. 


Man  erhält  keine  positive  Reaktion,  wenn  die  Krankheit  aui  den 
vorderen  Teil  der  Harnröhre  beschränkt  ist.  Eine  positive  Reaktio, 
verschwindet  erst  sieben  oder  acht  Wochen  nach  der  Heilung,  h 
chronischen  Fällen  bietet  die  Isolierung  des  Gonokokkus  durch  Ku! 
turen  die  einzige  sichere  bakteriologische  Diagnose  dar. 

W.  J.  Mayo:  Nephrektomie  ohne  Drainage  bei  tuberkulöse 
Niere.  (Surgery,  Gynecol.  and  Obstet.,  Chicago,  1912,  No.  5.) 

Bei  früheren  Operationen  dieser  Art  erfolgte  häufig  schwei 
heilende  Sinusbildung,  namentlich  wenn  tuberkulöser  Eiter  in  dir 
Wunde  gelangte.  In  vielen  Fällen  entstand  eine  Mischinfektion  um. 
machte  die  Heilung  erfolglos  .  Vor  zwei  Jahren  wurde  bei  einen;' 
Patienten  unter  diesen  Verhältnissen  die  Wundhöhle  so  gut  als 
möglich  gereinigt,  mit  einer  physiologischen  Salzlösung  (1  Liter)  ge¬ 
füllt  und  die  Wunde  ohne  Drainage  geschlossen.  Der  Kranke  erholte 
sich  unerwartet  schnell.  Seitdem  wendet  Verf.  dieses  Verfahre' 
immer  an,  wenn  die  Wunde  durch  tuberkulöses  Material  infiziere 
wurde.  Die  normale  Salzlösung  wird  in  der  Wunde  ebenso  schnei] 
absorbiert,  als  wenn  sie  subkutan  angewandt  wird.  In  Fällen  wo 
kein  tuberkulöses  Material  in  die  Wunde  gedrungen  ist,  ist  die  physio-Sl 
logische  Salzlösung,  aber  auch  Drainage,  nicht  notwendig.  Zu  er-l 
wähnen  ist  noch,  dass  der  Harnleiter  in  der  Weise  behandelt  wird,! 
dass  10 — 20  Tropfen  einer  95  proz.  Karbolsäurelösung  in  denselben  in¬ 
jiziert  werden. 

C.  H.  Frazier:  Intrakranielle  Durchtrennung  des  Gehörnen  ei 
wegen  hartnäckigem  M  e  n  i  e  r  e  schein  Schwindel.  (Surgery,  Gy-j 

necol.  and  Obstet.,  Chicago,  1912,  No.  5.) 

Die  Operation  wurde  an  einer  Patientin  ausgeführt,  die  naclj 
einem  Influenzaanfall  von  hartnäckigem  Schwindel  befallen  wurde 
Die  Patientin  wurde  in  die  umgekehrte  T  r  e  n  d e  le  nb  u  r  gschJ 
Lage  (45  o  Neigung)  gebracht  und  ein  Einschnitt  wie  bei  der  einseitigen 
subokzipitalen  Kraniektomie  gemacht  und  der  nruskulo-kutane  Lapperl 
umgelegt.  Der  Knochen  wurde  entfernt  und  die  linke  Kleinhirn-' 
hemisphäre  blossgelegt,  links  bis  zur  Vena  emissaria,  rechts  bis  zun 
Mittellinie  und  so  weit  nach  oben,  dass  der  Sinus  transversus  zum 
Vorschein  kam.  Der  durale  Lappen  wurde  umgelegt.  Dann  wurde 
in  der  Richtung  des  Felsenbeins  nach  dem  Gehörnerven  gesucht,  int 
dem  die  Kleinhirnhemisphäre  mit  einem  Theelöffelstiel  leicht  seit¬ 
wärts  geschoben  wurde.  Der  Meatus  aud.  intern,  wurde  erreicht,  de; 
N.  auditorius  vorsichtig  vom  N.  facialis  geschieden  und  durchtrennt 
Die  Operation  dauerte  etwa  anderthalb  Stunden.  Die  Kranke  erholte 
sich  schnell,  klagte  aber  am  folgenden  Tage  über  Schwierigkeiter 
beim  Schlucken,  die  aber  schnell  verschwanden.  Die  Operation  hatte; 
zwar  nur  teilweise  Heilung  zur  Folge,  aber  Verf.  glaubt,  dass  diesem 
Verfahren  bei  hartnäckigen  Fällen  von  Tinnitus  und  Vertigo  von 
Wert  sei. 

E.  R.  McGuire:  Ein  neues  Dekompressionsverfahren.  (New 

Yoik  Med.  Journ.,  1912,  No.  25.) 

Verf.  glaubt,  dass  bei  Kompression  des  Gehirns  nicht  sowohl  die 
lokalen  Druckverhältnisse  als  die  Beeinträchtigung  des  allgemeiner 
zerebralen  Blutkreislaufes  den  Tod  herbeiführe,  und  das  Problem  der 
Dekompression  finde  daher  seine  Lösung  durch  eine  Operation,  welche 
den  Rauminhalt  der  Schädelhöhle  als  Ganzes  vermehrt.  Verf.  hatte1 
vor  einiger  Zeit  Gelegenheit,  einen  Fall  von  Schädelfraktur  zu  oej 
obachten,  bei  welchem  die  ganze  hintere  Schädelpartie  so  lose  war 
dass  sie  leicht  auf  und  zu  bewegt  werden  konnte.  Es  war  ein  Fal 
von  schwerer  Gehirnverletzung,  dennoch  erholte  sich  der  Patient 
da  die  Bedingungen  der  Dekompression  im  vollsten  Masse  gegeben 
waren.  Verf,  ist  der  Meinung,  dass  wenn  Deplazierung  von  Gehirn¬ 
substanz  als  Druckfolge  stattfindet,  dies  in  einer  Richtung  geschehei 
sollte,  wo  Paralyse  unmöglich  ist,  und  dies  ist  die  Richtung  nach 
hinten.  Er  macht  daher  einen  grossen  hufeisenförmigen  Einschnitt 
der  auf  beiden  Seiten  in  der  Nähe  des  Warzenfortsatzes  beginnt  und 
sich  auf  dem  Scheitel  schliesst.  Auf  diese  Weise  wird  ein  grossem 
Knochenstück  gelöst.  Grosse  Vorsicht  ist  notwendig,  wenn  der  Sinus 
longitudinalis  erreicht  wird  und  der  Knochen  muss  vorsichtig  von  deij 
Dura  gelöst  werden,  um  eine  Verletzung  des  S.  longitudinalis  zu  ver¬ 
meiden. 

C.  L.  Scudder:  Ein  Fall  nichttraumatischer  Zwerchfellhernie 

(Surgery,  Gynecol.  and  Obstet.,  Chicago,  1912,  No.  3.) 

Der  Fall  wurde  vor  der  Operation  diagnostiziert.  Die  Operation 
hatte  vollständigen  Erfolg. 

W.  B.  W  e  i  d  1  e  r :  Fettimplantation  in  die  T  e  n  o  n  sehe  Kapse1 
nach  Enukleation  des  Auges.  (NewYork  Med.  Journ.,  1912,  No.  IV 
Die  Enukleation  wird  nach  dem  gewöhnlichen  Verfahren  ausgeführt 
mit  dem  Unterschied,,  dass  Katgutnähte  durch  die  Augenmuskel: 
gelegt  werden,  bevor  man  sie  durchschneidet.  Nach  Entfernung  des 
Augapfels  wird  eine  entsprechende  Masse  Fettgewebe,  das  deij 
Glutealgegend  des  Patienten  entnommen  wird,  in  die  T  e  n  o  n  scIk 
Kapsel  verpflanzt.  Hierauf  wird  der  M.  rectus  int.  mit  dem  M.  rectiu 
extern,  durch  die  Katgutnaht  zusammengebracht,  desgleichen  der- 
M.  rectus  infer.  mit  dem  M.  rectus  super.  Zuletzt  wird  die  Binde¬ 
haut  mit  der  T  e  n  o  n  sehen  Kapsel  durch  eine  Seidennaht  zusammen- 
genäht. 

G.  F.  Dick  und  A.  H.  C  u  r  t  i  s:  Ueber  die  Funktion  des  Corptn 
luteum  und  verwandte  Probleme.  (Surgery,  Gynecol.  and  Obstet. 

Chicago,  1912,  No.  5.) 

Tierexperimente  führten  Verfasser  zu  folgenden  Resultaten 
F  r  ä  n  k  e  1  s  Behauptung,  dass  das  Corpus  luteum  für  die  Entwicklung 
des  Fötus  während  des  Frühstadiums  der  Schwangerschaft  wesentlicl 
sei,  wird  bestätigt.  Autotransplantation  von  Ovarien  ist  nur  in  einer 


.  März  1913. 


MULNCHENLk  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


4M  7 


! iscliränktcu  Anzahl  von  Fällen,  und  Homotransplantation  viel  sei¬ 
ner  von  Erfolg  begleitet.  Entfernung  beider  Eierstöcke  verursacht 
Eine  Hypertrophie  der  Nebennieren  und  es  liegt  keine  mikroskopische 
videnz  einer  vermehrten  physiologischen  Tätigkeit  der  Nebcn- 
eren  vor.  A.  A  1 1  e  m  a  n  n. 

Italienische  Literatur. 

Erugoni  bringt  eine  umfangreiche  Studie  über  die  Bedeutung 
er  Lu  s  c  h  k  a  sehen  Karotidendriise.  (il  policlinico  Sez.  ined., 
ol.  XX,  1913.) 

Ueber  diese  zwischen  den  beiden  Karotiden  gelegene,  vielfach 
s  Lymphgebilde  oder  als  bedeutungslose  embryonale  Rudera  auf- 
.■fasste  Körperchen  sind  deutsche  Forschungen  bisher  nicht  bekannt. 

Pen  de  (Patologia  dell’  apparato  surrenale  e  organi  parasim- 
atici)  erwähnt  dieselben,  ohne  sich  für  ihre  Bedeutung  im  Stoff- 
echsel  auszusprechen. 

ln  jüngster  Zeit  war  es  der  auf  dem  Gebiete  der  Organtherapie 
■hr  rührige  Autor  Vassale,  welcher  fand,  dass  die  bilaterale  Zer- 
örung  dieser  Gebilde  bei  Katzen  zu  schnell  vorübergehender  erheb- 
cher  Glykosurie  und  auch  zu  einer  Art  tödlicher  Kachexie  führen 
ann,  dieselben  somit  für  den  Stoffwechsel  nicht  gleichgültig  sind, 
iir  letztere  Anschaung  würde  ausserdem  auch  sprechen  ihr  kon- 
antes  Vorkommen  bei  allen  Säugetieren,  ihre  Struktur,  welche  sie 
en  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  nahe  stellt  und  ihr  Nerven-  und 
lutreichtum. 

Frugoni  prüfte  die  Frage  experimentell  mit  dem  frischen 
usgepressten  Saft  der  Karotisdriisen  älterer  Milchkälber  und  junger 
inder,  welchen  er  Kaninchen  intravenös  injizierte.  Er  fand,  dass 
ccm  dieses  Saftes,  diesen  Tieren  intravenös  einverleibt,  sie  in 
in  oder  wenigen  Minuten  tötet,  oft  unter  Konvulsionen,  Lähmung 
er  Respiration,  Kollaps  des  Herzens.  Das  Blut  verliert  erheblich  an 
ierinnungsvermögen,  die  inneren  Organe  sind  stark  blutüberfüllt, 
•ie  letale  Wirkung  scheint  hauptsächlich  durch  Einfluss  auf  die  Zir- 
ulationsorgane  bedingt.  In  mässigen  Dosen  hat  das  Extrakt  eine 
ypotonische  Wirkung  auf  das  Gefässsystem  und  scheint  in  einem 
ewissen  Grade  antagonistisch  zum  Adrenalin  zu  wirken.  Diese 
asomotorische  Eigenschaft  veranschaulicht  der  Autor  durch  eine 
eihe  graphischer  Kurven  und  glaubt,  dass  sie  nicht  als  eine  Wirkung 
urch  das  vasomotorische  Zentrum  oder  durch  den  Vagus  oder  auf 
ein  Nervenwege  überhaupt  zustande  kommend,  aufzufassen  sei. 

Jedenfalls  scheinen  die  Resultate  F  r  u  g  o  n  i  s  dafür  zu  sprechen, 
ass  die  Luschka  sehen  Karotisdriisen  als  Drüsen  mit  innerer 
ekretion  aufzufassen  sind. 

B  a  r  t  o  1  o  1 1  i  empfiehlt  zur  Behandlung  schlecht  heilender 
nochenfrakturen  die  Injektion  1  proz.  Osmiumsäure  nach  dem  Vor- 
ange  Onoratos  zwischen  die  Bruchenden,  (il  policlinico,  19.  No- 
ember  1912.) 

Es  entsteht  eine  geringe  örtliche  und  allgemeine  Reaktion  mit 
jeher  von  kurzer  Dauer  und  B.  bemerkte  in  einem  von  ihm  be- 
ehriebenen  Falle,  in  welchem  keine  Infektionskrankheit  und  keinerlei 
hoxikation  als  Ursache  angezogen  werden  konnte,  sofortigen  Erfolg. 

Nach  den  Forschungen  O.s  soll  es  sich  bei  der  Osmiumsäure 
m  ein  die  Osteogenese  auf  chemischem  Wege  anregendes  Mittel 
andeln  und  er  will  es  bewährt  gefunden  haben,  wo  bei  hartnäckiger 
’seudarthrose  andere  chirurgische  und  chemische  Reizmittel  ver- 
agten. 

Lombardi  Comite:  Ueber  ein  neues  Heilmittel  gegen  Krebs. 
Jazzetta  degli  osped.  1912,  No.  134.) 

Ein  französischer  Arzt,  Gaube  du  Gers,  hat  der  med.  Gesell- 
chaft  von  Paris  eine  interessante  Kasuistik  von  Neoplasmen  mit- 
eteilt,  bei  welchen  er  Heilung  mit  einem  Bleikolloid  erzielt  haben 
rill,  und  zwar  mit  Bleioxydhydratkolloid,  im  Handel  „Cuprase“ 
enannt.  Er  will  festgestellt  haben,  dass  die  Bleisalze,  vorsichtig 
ingespritzt,  weniger  toxisch  sind  als  die  Salze  anderer  Metalle,  eine 
pezifische  Wirkung  auf  Neoplasmen  besitzen  und  er  spricht  von 
iner  Injektion  bis  zur  Dekanzerisierung,  i.  e.  bis  zum  Verschwinden 
-der  Krebsmanifestation. 

L.  C.  versuchte  das  Verfahren  in  einem  Falle  von  hiihnerei- 
rossem  Adenokarzinom  der  Brustdrüse  mit  ausgedehnten  Metastasen 
nd  unoperabler  Art.  Eine  Tube  mit  5  ccm  der  Lösung,  0,00121  reines 
hei  enthaltend,  wurde  alle  4  Tage  unter  aseptischen  Kautelen  in  die 
ilutäen  eingespritzt.  Da  die  Patientin  sich  in  der  Folge  sehr  empfind- 
ch  erwies,  wurde  später  alle  8  Tage  eine  Injektion  gemacht,  mit 
em  Erfolg,  dass  die  Geschwulst  mit  ihren  Metastasen  verschwand. 
Jeber  den  Dauererfolg  weiss  der  Autor,  wie  zu  erwarten,  noch  nichts 
u  sagen  (aber  er  hat  auch  nicht  die  Menge  des  einverleibten  Bleies 
ngegeben  und  die  Frage  der  Bleiintoxikation  und  ihres  Verhältnisses 
ur  Karzinose  überhaupt  nicht  berührt.  Ref.). 

T  e  n  a  n  i  erörtert  die  Pathogenese  der  Abduzenslähmung  bei 
'tovainanästhesie  des  Rückenmarks  anlässlich  eines  von  ihm  im 
rankenhaus  von  Ferrara  beobachteten  Falles:  dem  ersten  von 
00  Fällen  von  Stovainanästhesie.  (Gazzetta  degli  osped.  1913,  No.  9.) 

Er  bespricht  die  verschiedenen  bisher  aufgestellten  Theorien, 
o  die  von  Adam  und  Oppenheim  (s.  diese  Wochenschr.  No.  8, 
906)  und  ist  der  Ansicht,  dass  es  sich  nicht  um  Hämorrhagien  im 
'ukleus  oder  im  Zentralnervensystem  handeln  kann. 

Nach  T.s  Anschauung  erklärt  sich  das  nicht  so  ganz  selten  beob- 
ichtete  Phänomen  am  besten  durch  die  Annahme  einer  elektiven 
Virkung  des  Stovains  auf  das  Neuron  des  6.  Nervenpaars.  Wir 


kennen  ähnliche  elektive  Wirkungen  bei  einer  ganzen  Reihe  toxischer 
Substanzen,  so  beim  Blei,  beim  Strychnin,  beim  Sekale  und  neuer¬ 
dings  auch  beim  Salvarsan:  auch  infektiöse  Toxina  wie  z.  B.  das 
der  Poliomyelitis  befallen  mit  Vorliebe  bestimmte  Nervenelemente. 
T.  sucht  den  Ursprung  der  Abduzenslähmung  auch  bei  Lumbal¬ 
anästhesie  durch  Stovain,  nicht  im  zentralen  sondern  im  peripheren 
Nervensystem. 

Giani  berichtet  aus  dem  patholog.  Institut  zu  Pavia  und 

Sassari  über  den  Wert  der  Glyzyltryptophanprobe  zur  Diagnose  des 

Magenkarzinoms,  (s.  diese  Wochenschr.  1911,  No.  13.)  (il  poli¬ 
clinico,  Dezember  1912.) 

Das  Resultat  der  Prüfung  dieser  von  Neubauer  und 
Fischer  empfohlenen  diagnostischen  Methode  in  16  Fällen  von 
zweifellosem  Magenkarzinom  und  in  10  Fällen  der  verschiedensten 
anderen  Krankheiten  war  ein  negatives. 

In  allen  Fällen  wurde  der  Magensaft  und  der  Speichel  untersucht. 

Man  kann  bei  Magenkrebs  Fermente  im  Magen  finden,  welche 
das  Glyzyltryptophan  zu  spalten  vermögen,  andererseits  fehlen  sie 
aber  auch  bei  sicher  nachgewiesenem  Magenkrebs  und  finden  sich 
in  Fällen,  wo  es  sich  zweifellos  nicht  um  Magenkrebs  handelt. 

Zu  berücksichtigen  ist  dabei,  dass  bisweilen  normaler  Speichel 
fähig  ist,  das  Glyzyltryptophan  zu  spalten. 

Vielleicht  gelingt  es  noch  durch  weitere  Vervollkommnung  der 
Methode,  die  Fehlerquellen  zu  vermeiden. 

Ghilarducci  und  M  i  1  a  n  i  prüften  im  Institut  für  Radiologie 
und  Elektrotherapie  der  Universität  Rom  die  biologische  und  kurative 
Wirkung  fluoreszierender  Substanzen  vereinigt  mit  Röntgenstrahlen. 
(il  policlinico  sez.  med.,  November  und  Dezember  1912.) 

Als  fluoreszierende  Substanzen  wurden  Eosin  und  Methylen 
verwandt:  der  unmittelbare  Kontakt  dieser  Substanzen  mit  den  der 
Bestrahlung'zu  unterwerfenden  Objekten  ist  zur  Wirkung  notwendig. 
Alsdann  erfolgte  die  biologische  wie  die  kurative  Wirkung  in  viel 
energischerer  Weise  als  bei  der  X-Strahlenwirkung  allein. 

Sowohl  die  Tiefenwirkung  auf  Geschwulstelemente  als  auch  die 
bakterizide  Wirkung  auf  pathogene  Organismen  war  eine  erheblich 
gesteigerte  und  G.  konnte  Tuberkelbazillen  auch  in  vitro  durch  diese 
Kombination  der  Röntgenstrahlenwirkung  und  der  Wirkung  fluores¬ 
zierender  Substanzen  sehr  schnell  abtöten. 

Marcantoni  bringt  aus  der  Klinik  Pisas  einen  Beitrag  zur 
Wirkung  des  Codeonals.  (Gazzetta  degli  osped.  1913,  2.) 

Codeonal  (s.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  6)  von  Bachem 
als  Hypnotikum  und  Sedativum  empfohlen,  ist  eine  Mischung  von 
2  Teilen  Diäthylbarbiturat  von  Codein  mit  15  Teilen  Natron-Diäthyl- 
barbiturat  und  wird  in  Tabletten  bis  3  Stück  pro  Tag  gegeben. 
Biirgi  hat  über  das  Präparat  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1911, 
No.  1  u.  2)  berichtet. 

Marcantoni  fand  die  Wirkung  des  Codeonals  ganz  besonders 
bewährt  in  Fällen  von  Hysterie  und  Neurasthenie,  bei  denen  die 
funktionellen  Störungen  sich  an  Herz  und  Verdauungsorganen 
äusserten:  so  bei  hartnäckigem  Aufstossen,  Blähungen,  Gastralgien, 
Angstzuständen  und  bei  Schlaflosigkeit. 

Trevisanello:  Untersuchungen  über  das  Blutserum  und  den 
Liquor  cerebrospinalis  Epileptischer.  (Gazzetta  degli  osped.  1912, 
No.  150.) 

T.  will  in  der  med.  Klinik  zu  Genua  das  epileptogene  Prinzip 
im  Blut  von  Epileptikern  sowie  in  der  Lumbalflüssigkeit  durch 
anaphylaktische  Reaktion  nachgewiesen  haben. 

Er  injizierte  2  Meerschweinchen  subkutan  das  Blutserum  eines 
Epileptikers  und  10  Tage  darauf  subkutan  das  Lumbalserum  desselben 
Epileptikers.  Nach  5  Minuten  bekamen  beide  Tiere  einen  anaphylak¬ 
tischen  Anfall  in  Gestalt  von  Stössen,  allgemeinen  Konvulsionen, 
Muskelhüpfen,  Tremor,  Hypothermie.  Der  Anfall  dauerte  eine 
Stunde,  schwächte  sich  langsam  ab,  und  die  Tiere  erschienen  wieder 
gesund.  Das  eine  ging  am  4.  Tage  ein:  Befund  negativ;  das  andere 
blieb  dauernd  gesund. 

Darauf  injizierte  er  6  Meerschweinchen  hypodural  das  Serum 
eines  anderen  Epileptikers  und  nach  9  Tagen  denselben  Tieren 
hypodural  1U  ccm  Lumbalflüssigkeit  desselben  Epileptikers.  5  Minuten 
darauf  erfolgten  Anfälle  bei  den  Tieren  gleich  den  oben  beschriebenen. 
Darauf  Injektion  dreier  Meerschweinchen  hypodural  mit  anderem 
Epileptikerblut:  nach  9  Tagen  hypodural  mit  Blutserum  desselben 
Epileptikers.  Nach  4  Minuten  anaphylaktische  Anfälle. 

Weiter  wurden  dann  Meerschweinchen  mit  Blutserum  eines 
Epileptikers  hypodural  injiziert  und  darauf  9  Tage  später  wieder 
hypodural  mit  Lumbalserum  eines  Nichtepileptikers.  Es  erfolgte 
nichts. 

Das  gleiche  negative  Resultat  war  zu  beobachten,  wenn  die 
erste  hypodurale  Injektion  mit  der  Lumbalflüssigkeit  eines  Nicht¬ 
epileptikers  und  die  zweite  mit  der  eines  Epileptikers  gemacht  wurde: 
ebenso  wenn  beide  Flüssigkeiten  nicht  von  Epileptikern  stammten 
und  hypodural  injiziert  wurden. 

Die  anaphylaktische  Reaktion  trat  schneller  und  heftiger  auf 
bei  Gebrauch  des  Serums  und  der  Lumbalflüssigkeit  schwerer  Epi¬ 
leptiker  mit  heftigeren  und  längeren  Anfällen.  Indessen  schien  der 
Zeitpunkt  der  Entnahme  des  Serums  wie  der  Lumbalflüssigkeit,  ob 
unmittelbar  nach  einem  Anfalle  oder  längere  Zeit  nach  demselben, 
keinen  Einfluss  auf  das  Zustandekommen  und  die  Heftigkeit  des 
anaphylaktischen  Anfalls  zu  haben. 

S  i  v  o  r  i  prüfte  im  Maragliano  sehen  Tuberkuloseinstitut  in 
Genua  das  Antigenvermögen  der  Pulpa  bacillaris  Maragliano  bezug- 


488 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


licli  des  antitoxischeil  und  bakteriologischen  Serum  Maragliano  und 
auch  des  Serum  antituberculare  Marmorek.  (Annali  dell  istituto 
Maragliano,  Vol.  V!,  fascicolo  4.) 

Das  antitoxische  Tuberkuloseserum  Maragliano  und  das  bak- 
teriolytische  Serum  desselben  Autors  enthalten  ausser  Antikörpern, 
die  ihm  mit  dem  antituberkulösen  Serum  Marmorek  gemeinsam  sind, 
noch  andere,  die  ihre  entsprechende  Antigene  in  der  Pulpa  bacillaris 
Maragliano  finden:  ein  Umstand,  der  für  die  Ueberlegenheit  der 
spezifischen  Tuberkuloseheilmittel  der  Genueser  Schule  sprechen 
könnte. 

C  o  s  t  a  n  t  i  n  i  stellte  im  Institut  Maragliano  (Genua)  durch 
ein  besonders  von  ihm  erdachtes  Verfahren  Versuche  an  über  die 
Veränderungen,  welche  Tuberkelbazillen  im  strömenden  Blute  er¬ 
leiden,  (Gazzetta  degli  osped.  1913,  No.  3.) 

Es  wurden  Hunden  und  Kaninchen  wenige  Tropfen  einer  viru¬ 
lenten  Bazillenemulsion  (Typus  humanus,  1  mg  in  1  ccm)  injiziert  und 
die  Bazillen  herausgezogen  und  untersucht  in  bestimmten  Zwischen¬ 
räumen,  so  nach  30  Minuten,  1  Stunde,  24  Stunden  und  48  Stunden  usw. 
So  wurden  der  Reihe  nach  Veränderungen  an  den  Tuberkelbazillen 
festgestellt  von  der  Fragmentation  der  Bazillen  bis  zur  vollständigen 
Auflösung  und  bis  zum  Verlust  der  Säureresistenz. 

C  bediente  sich  der  Hunde,  weil  dieselben  in  verhältnismässig 
hohem  Grade  gegen  Tuberkulose  refraktär  sind,  und  der  Kaninchen, 
welche,  wenn  sie  auch  nicht  die  Rezeptivität  der  Meerschweinchen 
haben,  doch  für  Tuberkulose  ziemlich  empfänglich  sind.  Der  Unter¬ 
schied  in  den  Modifikationen,  welche  die  Bazillen  zeigten,  war  auch 
ein  diesem  Verhältnisse  entsprechender.  Je  länger  die  tuberkulösen 
Bazillen  ferner  dem  Verweilen  im  Blutstrom  ausgesetzt  waren,  um 
so  deutlicher  zeigten  sich  die  Veränderungen;  zuerst  in  folgender 
Form:  der  Pilz  wird  kürzer  und  dicker,  bleibt  aber  noch  säure¬ 
resistent  und  färbbar  nach  Ziehl;  dann  zeigt  sich  Vakuolenbildung, 
es  treten  bei  der  Ziehlfärbung  klare  Partien  auf,  nach  und  nach  dann 
Zerbröckelung  und  Verlust  der  Säurefestigkeit  zum  grössten  Teil. 
Die  Methode  nach  Much  (s.  diese  Wochenschr.  1909,  No  9)  zeigt 
dann  die  bei  Gramfärbung  resistenten  Granula:  meist  frei,  bisweilen 
auch  in  kleinen  Ketten,  die  das  Aussehen  von  Streptokokken  bieten. 

Was  besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdient,  ist,  dass  sich 
viele  dieser  Formen  im  Innern  von  Leukozyten  finden  und  zwar  nicht 
nur  die  säureresistenten  Formen,  sondern  auch  die  nach  Much 
färbbaren  Granulationen:  letztere  sind  zahlreicher  als  die  ersteren, 
namentlich  bei  Hunden.  Dies  könnte  darauf  hinzuweisen  scheinen, 
dass  die  Phagozytose  der  Terminalprozess  sei.  Ob  das  strömende 
Blut  der  einzige  Faktor  ist  bei  der  Zerstörung  der  Tuberkelbazillen, 
und  inwieweit  bei  der  Zerstörung  auch  das  Parenchym  und  der 
Paienchymsaft  einzelner  Organe  mitwirkt,  lässt  sich  nicht  sicher 
entscheiden;  C.  ist  der  Ansicht,  dass  beide  Faktoren  Zusammen¬ 
wirken. 

Bertarelli:  Ueber  die  Frage  des  Eindringens  von  Spiro- 
chaete  pallida  durch  die  unverletzte  Haut  und  Schleimhaut. 

(Gazzetta  degli  osped.  etc.  1912,  No.  135.) 

Der  Autor  geht  von  der  allgemeinen  Anschauung  aus,  welche 
auch  die  seine  ist,  dass  zur  Aufnahme  des  Infektionsträgers  der  Lues 
eine  gewisse  Läsion  des  Epithels  vorhanden  sein  muss,  indessen 
macht  er  auf  die  vielen  Tatsachen  aufmerksam,  welche  dafür  zu 
sprechen  scheinen,  dass  diese  Läsion  nur  in  Veränderungen  zu  be¬ 
stehen  braucht,  welche  fast  noch  in  den  Bereich  der  physiologischen 
Veränderungen  fallen. 

Hierfür  spricht  zunächst  eine  von  ihm  erst  kürzlich  und  früher 
schon  wiederholt  beobachtete  Tatsache,  dass  eine  einzige  Luetika 
imstande  ist,  kurz  nacheinander  grosse  Mengen  Männer  durch 
Koitus  zu  infizieren;  man  kann  nicht  annehmen,  dass  es  sich  bei  all 
diesen  Männern  um  Läsionen  an  den  Genitalorganen  gehandelt  habe. 

B.  führt  ferner  die  von  Scheuer  u.  a.  Autoren  entdeckte  ver¬ 
hältnismässig  lange,  sich  über  2  Stunden  erstreckende  Lebensfähig¬ 
keit  der  Spirochaete  pallida  in  wässerigen  Vehikeln  an.  Die  Kornea 
ist  ferner  imstande,  auch  bei  intaktem  Epithel  das  luetische  Virus 
aufzunehmen,  wie  experimentell  nachgewiesen  ist. 

Eine  der  pallida  nahe  verwandet  Spirochäte,  diejenige  der  Re¬ 
currens  europäa,  ist  experimentell  auf  Ratten  zu  übertragen,  nur  da¬ 
durch,  dass  Ratten  infiziertes  Blut  auf  die  Haut  aufgeschmiert  wird 
und  einige  Stunden  dort  liegen  bleibt.  Schellack  gelang  es,  Ka¬ 
ninchen  durch  Einreiben  mit  luetischem  Virus  an  den  Hoden  zu  in¬ 
fizieren,  ein  Beweis,  dass  jedenfalls  die  leichteste  Mazeration  auf  der 
äusseren  Haut  genügt,  Haftung  der  Spirochäte  zu  bewirken. 

Bezüglich  des  Durchdringens  anderer  pathogener  Keime  von  der 
gleichen  Zartheit  durch  unverletztes  Epithel  beim  Menschen  macht 
B.  auf  ein  interessantes  Faktum  aus  dem  Pestlaboratorium  Pol- 
v  e  r  i  n  i  s  aufmerksam.  Ein  Diener  hatte  das  Unglück,  sich  eine 
Bouillonkultur  von  Pestbazillen  auf  die  Hosen  zu  schütten,  in  der 
Gegend  des  Oberschenkels,  und  starb  an  unzweifelhaft  festgestelltem 
Durchtritt  von  Pestbazillen  durch  das  intakte  Epithel. 

Bei  der  praktischen  Schwierigkeit,  beim  Menschen  die  Frage 
des  Durchtritts  der  Luesspirochäte  durch  unversehrtes  Epithel  experi¬ 
mentell  zu  lösen,  empfiehlt  es  sich  aus  Gründen  der  Prophylaxis  eine 
solche  Möglichkeit  nicht  aus  den  Augen  zu  verlieren. 

T  rosarello:  Ueber  die  Einverleibung  von  Salvarsan  durch 
das  Rektum.  (Gazzetta  degli  osped.  1912,  No.  135.) 

Nachdem  Fournier,  Guenot  und  B  lasch  ko  die  Ein¬ 
führung  des  Salvarsans  per  os  in  Form  verdünnter  Lösungen  wie  in 
Pillenform  unwirksam  gefunden  hatten,  berichteten  Fischer  und 


Hoppe  über  Versuche,  das  Mittel  per  rectum  zur  Wirkung  zu 
bringen  (siehe  diese  Wochenschrift  1912,  No.  16).  Das  Resultat  war, 
dass  das  Mittel  gut  vertragen  wurde,  dass  aber  der  therapeutische 
Effekt  ein  unbefriedigender  war. 

Ermutigendere  Resultate  erhielten  anderen  Autoren:  Del  Por¬ 
ti  1 1  o,  G  e  1  e  y,  D  e  j  e  r  i  n  e,  B  o  g  r  o  w  mit  Enteroklysmen  und 
Suppositorien  (s.  Bogrow:  Berl.  klin.  Wochenschr.  J912,  No.  3). 

T.  prüfte  die  Frage  in  der  Klinik  für  Syphilis  in  Turin  und 
kam  bezüglich  der  Heilwirkung  zu  einem  negativen  Resultat.  Es 
konnte  eine  leichte  Besserung  des  Allgemeinbefindens  konstatiert 
werden,  aber  auch  nach  wiederholten  Anwendungen  kein  spezifischer 
Einfluss  auf  die  Spirochäten,  ln  einem  Falle  von  frischem  Syphilom 
zeigten  dieselben  unveränderte  Lebenskraft,  in  zwei  anderen  ver¬ 
mehrte  sich  die  Roseola  während  der  Behandlung;  alle  diese  Fälle 
kamen  dann  prompt  zur  Heilung  durch  Merkurial-  und  intravenöse 
Salvarsanbehandlung.  Einem  Kranken,  welchem  mittels  Suppositorien 
1,30  Salvarsan  eingeführt  war,  ohne  allen  spezifischen  Effekt,  brachten 
0,30  Salvarsan  in  die  Glutäen  in  wenigen  Stunden  intensive  Herx¬ 
heim  e  r  sehe  Reaktion  und  in  wenigen  Tagen  Heilung  von  Plaques 
und  Roseola. 

T.  hielt  sich  nicht  für  berechtigt,  diese  Versuche  fortzusetzen. 
Er  sieht  den  Grund  der  Wirkungslosigkeit  derselben  in  Verände¬ 
rungen,  welche  das  Salvarsan  durch  die  Darmfermentation  und  durch 
Fäkalreste  erfährt,  sowie  ferner  in  der  zu  geringen  Resorption  des 
Mittels  seitens  der  Schleimhaut  des  Rektums. 

Ghedini:  Ueber  ein  neues  Vorgehen  zur  diagnostischen  Fest¬ 
stellung  der  Leberfunktion,  (Gazzetta  degli  osped.  etc.  1913,  No.  5.) 

Von  den  bisherigen  Methoden  zur  Untersuchung  der  Funktion  der 
Leber  genügt,  wie  G.  im  Eingänge  seiner  Arbeit  ausführlich  aus¬ 
einandersetzt,  keine  dem  Zwecke  vollständig. 

G.  glaubt  in  der  Med.  Klinik  Genuas  ein  neues  und  besseres 
Verfahren  gefunden  zu  haben.  Er  geht  davon  aus,  dass  im  Blute 
von  Leberkranken  Verminderung  oder  Fehlen  eines  Leberfermentes 
zu  konstatieren  sein  muss,  d.  h.  eines  Fermentes,  welches  Glykogen 
in  Glykose  zu  verwandeln  vermag. 

Der  Grad,  in  welchem  dieses  Ferment  vorhanden  und  wirksam 
ist,  wird  auf  polarimetrischem  Wege  bestimmt. 

Die  Resultate,  welche  G.  in  der  Klinik  an  19  Leberkranken  fest¬ 
stellte,  sind  geeignet,  seine  Annahme  zu  bestätigen  und  ermuntert' 
zu  weiterer  Anwendung  dieser  Probe.  Hager-  Magdeburg. 

Inauguraldissertationen.1) 

Ueber  den  Erfolg  der  Hafer  kur  bei  Diabetes 
mellitus  weiss  Otto  P  i  s  k  a  t  o  r  Günstiges  aus  der  Giessener 
med.  Klinik  zu  berichten.  Er  teilt  eingehender  13  Fälle  mit,  aus  denen 
die  oft  überraschende  Wirkungsart  dieser  Therapie  hervorgeht.  Die 
Technik  dieser  Kur  ist  recht  einfach  und  deshalb  auch  für  den  Prak¬ 
tiker  geeignet.  Die  Kranken  wurden  zunächst  einige  Tage  bei  An¬ 
wendung  einer  gemischten  Kost  auf  den  Grad  ihrer  Zuckerausschei¬ 
dung  beobachtet,  dann  etwa  5—6  Tage  auf  strenge  Diät  gesetzt. 
Wurde  dabei  der  Zucker  nicht  zum  Schwinden  gebracht,  so  wurden 
zunächst  2—3  Gemüsetage  und  darauf  1—3  Hafertage  angeordnet. 
Bei  Anwendung  der  Haferkost  (bestehend  aus  250  g  Hohenlohe- 
scher  Haferflocken,  150  g  Butter  und  2500  g  Wasser,  in  5  Portionen 
am  Tage  verabreicht)  stieg  ohne  Ausnahme  die  Zuckerausscheidung 
nochmals  an,  sank  aber  bei  den  folgenden  1—2  Gemüsetagen  oft  schon 
auf  0  herab  oder  es  geschah  dies  bei  der  weiteren  Fortsetzung  der 
strengen  Diät.  Oftmals  wurde  bei  den  beschriebenen  Fällen  schon 
bei  der  ersten  Haferkur  völlige  Zuckerfreiheit  erzielt,  weshalb  dann 
keine  weitere  Kur  nachfolgte.  Trat  jedoch  Erfolg  bei  der  ersten 
Haferkur  nicht  ein,  so  wurde  nach  weiteren  10  Tagen  eine  zweite 
angeordnet,  welche  teils  ebenso  versagte,  wie  die  erste,  teils  jedoch 
günstige  Resultate  hatte.  Ebenso  wurde  diese  Haferkur  angewandt, 
wenn  mittels  der  strengen  Diät  der  Urin  zuckerfrei,  aber  nicht  azeton¬ 
frei  wurde.  Bezüglich  der  Azetonausscheidung  wurden  oft  recht 
günstige  Resultate  erzielt. 

In  einer  Arbeit  aus  der  Universitäts-Augenklinik  zu  Güttingen 
teilt  Otto  Dörr  weitere  Erfahrungen  über  das 
Deutschmannserum  mit.  Er  gibt  gleichzeitig  einen  Ueber- 
blick  über  die  bisher  vorliegende  Literatur.  An  genannter  Klinik 
wurden  die  angewandten  Dosen  gegen  früher  gesteigert  und  zwar 
von  2  auf  4  und  6  ccm.  Sie  wurden  anstandslos  gut  vertragen.  Die 
erzielten  Erfolge  bezeichnet  Verfasser  als  im  allgemeinen  ermutigende. 
(Göttingen  1912,  56  S.  Louis  Hofer.)  Fritz  Loeb. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Würzburg.  Februar  1913. 

Bür  mann  Wilhelm:  Es  gibt  keine  physiologische  Obliteration  des 
menschlichen  W urmf ortsatzes. 

O  e  r  t  e  1  Christian-  Hämatogene  Puerperalsepsis. 

Ru  pp  Ernst:  Klinischer  und  statistischer  Beitrag  zur  Aetiologie  der 
Hauttuberkulose,  insbesondere  des  Lupus  vulgaris. 

Scheib  er  Gustav:  Heilung  eines  postpneumonischen  Pleura¬ 
empyems  durch  spontanes  Aushusten. 


l)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

»rein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Februar  1913. 
emeinsam  mit  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie,  der  Gesell- 
haft  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten  und  der  Otologischen 

Gesellschaft.) 

Tagesordnung: 

Herr  E  d  i  n  g  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Kleinhirnfragen. 

Das  Kleinhirn  ist  ein  mächtiges  Organ,  das  durch  die  gewaltigen 
ückenarme  mit  den  anderen  Zentren  verbunden  ist,  und  wir  wissen 
rüber  so  wenig,  dass  man  das  Sichere  fast  auf  einen  Fingernagel 
hreiben  kann.  Es  sind  gewisserinassen  zufällig  gefundene  Sym- 
ome,  welche  auf  das  Kleinhirn  hinweisen,  wie  die  Adiodochiokinesis. 

Vortr.  und  seine  Schüler  haben  das  Kleinhirn  der  Taube  analy- 
ert.  Manche  Tierarten,  Myxinen,  Proteus  u.  a.  haben  gar  kein 
einhirn.  Die  Larve  des  Herings,  die  planktonisch  im  Wasser  herum- 
:\vorfen  wird,  hat  nur  ein  ganz  kleines  Kleinhirn,  während  der 
ering  selbst  ein  bedeutendes  Kleinhirn  hat.  Ebenso  liegt  es  beim 
chellfisch.  Der  Mormyrus  hat  ein  gewaltiges  Kleinhirn,  relativ 
össer,  wie  das  Grosshirn  des  Menschen.  Der  Hai  mit  seinem  ge- 
aitigen  Schwanzschlag  hat  ein  gewaltiges  Kleinhirn,  die  Forelle  ein 
Jativ  geringes. 

Der  Hauptteil  des  Kleinhirns  liegt  in  dem  konstant  vorhandenen 
.ittelstück.  Falls  Hemisphären  hinzukommen,  müssen  diesen  andere 
unktionen  anvertraut  werden. 

Aus  dem  Rückenmark  zum  Kleinhirn  führt  der  Tractus  spino- 
;rebellaris  mit  ventralem  und  dorsalem  Teil.  Die  teilweise  Unter- 
rechung  dieser  Bahn  beim  Tabiker  zeigt  sich  als  Ataxie  und  Ab¬ 
ihme  des  Muskeltonus.  Die  Wegnahme  der  Endigung  dieser  Bahn 
n  Kleinhirn  bewirkt  das  Gleiche,  wie  die  Unterbrechung  dieser 
ahn.  Die  Reizung  der  Kerne  hat  nach  Untersuchungen  von  H  o  r  s  - 
iy  Taumeln  zur  Folge.  Dies  ist  der  sog.  „Eigenapparat“  des 
leinhirns  und  es  gibt  Bahnen,  welche  die  verschiedenen  Teile  des 
leinhirns  sagittal  und  transversal  miteinander  verbinden.  Auf  die 
eripherie  geht  die  Leitung  von  der  Haube  über  die  Vierhügel  (roter 
ern)  und  Deiterssehen  Kern  zum  Rückenmark  abwärts.  Reizt 
tan  den  Deiters  sehen  Kern,  bekommt  man  schwere  Krämpfe  auf 
er  gleichen  Seite.  Damit  ist  die  Funktion  des  Apparates  nicht  er- 
chöpft :  ein  Abtrennen  des  Nucleus  motorius  tegmenti,  der  den 
tatotonischen  Apparat  bildet,  hebt  vollkommen  jede  Möglichkeit 
er  Statik  auf. 

Jede  Vestibularisfaser  gibt  auf  ihrem  Wege  zum  Kleinhirn  End¬ 
latten  zum  Deiterskern  ab,  der  seinerseits  unter  Kleinhirneinfluss 
teilt,  andere  Fasern  gehen  wieder  zum  Rückenmark  spez.  zum  Hals- 
rark.  Wieder  andere  Fasern  gehen  zu  den  Zentren  der  Augen¬ 
muskeln.  So  liegt  hier  ein  kompliziertes  Zentrum  der  Muskel- 
oordination.  Als  Arbeitshypothese  glaubt  Vortr.,  dass  Störung 
ieses  Zentrums  auf  dem  Wege  zu  den  Augenmuskeln  zu  Nystagmus 
lihrt.  Ob  Wegfall  der  Hemisphären  irgendwelche  Erscheinungen 
macht,  müssen  klinische  Beobachtungen,  die  feiner  als  die  physio- 
mgischen  sind,  lehren,  da  die  physiologischen  Versuche  versagt  haben 
ind  nur  die  Funktion  des  Mittelstückes  zu  klären  erlaubt  haben. 

Nach  Rothmanns  Versuchen  bewirkt  die  Wegnahme  von 
eilen  des  Kleinhirns  nicht  eine  Lähmung  von  Muskeln,  sondern  nur 
in  „Flatterigwerden“. 

In  den  Hintersträngen  geht  die  Leitung  für  den  Raumsinn  und 
duskelsinn.  Die  Bahn,  die  auch  bei  den  niedersten  Tieren  vor- 
landen  ist,  endet  im  Thalamus  opticus,  und  Schädigung  dieses  Zen¬ 
rums  führt  zu  gleichem  Ergebnis,  wie  die  Schädigung  des  Hinter- 
aranges.  Die  Hemisphären  des  Kleinhirns  haben  als  Muskelsinnes- 
tpparate  zu  gelten,  die  gleichzeitig  die  Verbindung  zum  Grosshirn 
mfrecht  erhalten. 

Die  Erkrankungen  des  Wurmes  führen  zu  Störungen  der  Statik, 
lie  der  Kleinhirnhemisphären  zu  Störungen  der  Synergie. 

Diskussion:  Herr  B  ä  r  ä  n  y :  Zur  Prüfung  der  Nystagmus- 
>ahn  empfiehlt  sich  am  meisten  der  kalorische  Reiz,  weil  bei  Dreh¬ 
ingen  beide  Vestibulartrakte  gereizt  werden.  Der  galvanische  Reiz 
:ignet  sich  nicht  für  klinische  Prüfungen.  Der  Reflex  spielt  sich  in 
3ons  und  Medulla  ab  und  hat  direkt  mit  dem  Kleinhirn  nichts  zu 
un.  Nach  Cajal  endet  jede  Vestibularisfaser  in  der  Rinde  und  den 
Zentren  des  Kleinhirns;  nach  klinischen  Erfahrungen  bestehen  tat¬ 
sächlich  derartige  Verbindungen.  Am  freiliegenden  Kleinhirn  kann 
nan  durch  Abkühlen  einer  bestimmten  Stelle  der  lateralen  Hemi¬ 
sphäre  eine  Lähmung  bewirken,  welche  das  sog.  Vorbeizeigen  der 
Finger  bewirkt.  (Schädigung  des  lokomotorischen  Zentrums  des 
Armes  im  Kleinhirn.)  Inzision  der  Kleinhirnrinde  bewirkt  das  gleiche 
Vorbeizeigen.  Durch  vestibuläre  Nystagmuserzeugung  kann  man  das 
Qegenzentrum  gleichzeitig  lähmen,  dann  tritt  während  des  Bestehens 
des  Nystagmus  richtiges  Zeigen  ein.  Vortr.  beschreibt  noch  weitere, 
von  ihm  entdeckte  Zentren  am  Kleinhirn  für  „nach  oben  und  unten“ 
Vorbeizeigen.  Schliesslich  beschreibt  er  einen  Symptomenkomplex, 
der  oft  mit  Mastoiditis  verwechselt  wird,  da  er  mit  starken  Kopf¬ 
schmerzen  in  der  hinteren  Schädelgrube  einhergeht  und  auf  Liquor¬ 
ansammlung  im  Kleinhirnbrückenwinkel  beruht.  Lumbalpunktion  be¬ 
wirkt  hier  Heilung. 


4S9 


Die  Tumordiagnose  im  Kleinhirn  ist  natürlich,  selbst  wenn  man 
alle  Lokalisationszentren  kennt,  schwieriger,  als  Diagnostik  von 
Einschnitten  in  die  Kleinhirnrinde.  Er  empfiehlt,  frühzeitig  die  Klein¬ 
hirntumorfälle  den  oben  beschriebenen  diagnostischen  Methoden  zu¬ 
zuführen. 

Herr  Rothmann  betont  die  Bedeutung  physiologischer  Ver¬ 
suche.  Verletzung  der  Kleinhirnrinde  im  Lobus  quadrangularis  führt 
zu  Lagestörungen  der  vorderen  Extremitäten,  bei  Zerstörung  des 
äusseren  Teiles  und  zu  Lageveränderungen  nach  aussen,  des  inneren 
Teiles  nach  innen  etc.  Es  liegt  hier  eine  grosse  Analogie  zu  den 
B  ä  r  ä  n  y  sehen  Befunden  vor.  Im  Wurm  liegen  die  Zentren  für  den 
Rumpf.  Zwangsbewegungen,  Taumeln  und  Fallen  bleiben  bei  Ent¬ 
fernung  von  Rindenteilen  des  Kleinhirns  aus. 

Herr  Hildebrandt  weist  auf  die  Bedeutung  der  besseren 
Diagnostik  der  Kleinhirntumoren  hin,  vor  allem  aus  dem  Grunde, 
weil  das  Kleinhirn  chirurgischen  Eingriffen  so  gut  zugänglich  ist. 

Herr  Oppenheim  bestätigt  zunächst  die  absolute  Exaktheit 
der  Bä  räny  sehen  Angaben.  Die  Ausfallserscheinungen  nach  opera¬ 
tiven  Eingriffen  am  Kleinhirn  sind  oft  auf  Schockwirkungen  zurück¬ 
zuführen.  Zum  Nachweis  von  Kleinhirnstörungen  müssen  erst  ganz 
besonders  künstliche  Bedingungen  geschaffen  werden,  wie  dies  eben 
B  ä  r  ä  n  y  getan  hat. 

Ein  Einfluss  der  Kleinhirnaffektionen  auf  die  Sehnenreflexe  ist 
nicht  zu  konstatieren.  Vortr.  glaubt  daher,  dass  durch  Ausfall  der 
Kleinhirnzentren  eine  Störung  der  „Innervationsbereitschaft“  herbei¬ 
geführt  wird. 

Herr  Brühl:  Bei  Akustikustumoren  fand  er  intrakranielle  Aus¬ 
lösung  des  Nystagmusphänomens,  ferner  einer  Uebererregbarkeit  des 
durch  Drehen  auslösbaren  Nystagmus. 

Herr  Grabower  bestreitet,  dass  nach  Exstirpation  eines  be¬ 
stimmten  Zentrums  (Gyrus  centr.  anterior)  Flattern  der  Stimmbänder 
eintritt.  Es  beruht  das  Phänomen  nur  auf  der  Narkose.  Der  Vagus 
ist  der  einzige  Nerv  des  Kehlkopfes  und  es  empfiehlt  sich,  für  die 
Gehirntumordiagnose  auf  das  Genaueste  die  Larynxmuskeln  zu  umer¬ 
suchen. 

Herr  Edinger:  Schlusswort.  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r. 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

X.  Sitzung  vom  7.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :•  Herr  Schmaltz. 

Herr  Kelling:  Neue  Versuche  zur  Erzeugung  von  Ge¬ 
schwülsten  mittels  arteigener  und  artfremder  Embryonalzellen.  (Mit 
Demonstrationen.) 

Zuerst  werden  die  Resultate  zusammengefasst,  welche  durch 
Einspritzung  von  Embryonen  in  artgleiche  Tiere  erzielt  worden  sind. 
Dieselben  hängen  ab  von  dem  Alter  des  Fötus,  von  der  Virulenz  der 
Zellen,  vom  Ort  der  Einspritzung,  von  der  individuellen  Disposition 
des  Impftieres;  ferner  bei  Hühnern  von  der  Brutzeit,  der  Mauserungs¬ 
periode,  und  bei  Säugetieren  von  Schwangerschafts-  und  Säugungs- 
periode.  Meist  entstehen  Chondrozystome  resp.  Polyzystome,  die 
später  wieder  verschwinden.  Einspritzungen  embryonaler  Zellen  in 
artfremde  Tiere  waren  meist  negativ.  Vortragender  erhielt  jedoch 
positive  Resultate  durch  Einspritzung  von  Hühnerembryonen  in  alte 
Hunde  (Münch,  med.  Wochenschr.  1904.) 

Die  neuen  Versuche  berücksichtigen  die  Gesichtspunkte,  welche 
Exz.  v.  Behring  so  freundlich  war  vor  einigen  Jahren  anzugeben, 
nämlich  bequemes  Material,  einfache,  eindeutige  Methode,  nicht 
zu  geringer  Prozentsatz  positiver  Resultate  bei  einem  bestimmt  zu 
erzielenden  Typus.  Vortragender  führt  im  Detail  aus,  welche  Schlüsse 
er  aus  den  Versuchen,  die  mit  Krebszellen  selbst  gemacht  worden 
sind,  zieht. 

Bei  der  neuen  Methode  wurden  Hühnerembryonen  in  Hühner  ein¬ 
geimpft,  wodurch  sich  Knorpelwucherungen  bildeten  und  entsprechen¬ 
des  Blut  oder  Serum  artfremder  Tiere  in  die  Hühner  wöchentlich  ein¬ 
gespritzt,  um  die  Zellen  daran  zu  gewöhnen.  Auf  diese  Weise  erhielt 
man  Knorpelgeschwülste,  welche  sich  zu  50  Proz.  auf  Tauben  weiter 
transplantieren  Hessen. 

Demonstration  solcher  Knorpelwucherungen. 

Das  Resultat  lässt  sich  besser  erreichen,  wenn  man  nach  der 
Implantation  des  Hühnerknorpels  in  Tauben  etwas  Hühnerserum 
nachspritzt,  es  lässt  sich  aber  auch  ohne  alle  Hilfsmittel  erreichen  - 
z.  B.  durch  direkte  Einspritzung  von  Hühnerembryonen  in  Tauben  — , 
aber  unvergleichlich  viel  schwerer. 

Demonstration  einer  so  erhaltenen  Knorpelwucherung  nach 
9  Monaten  (7.  Passage). 

Umgekehrt  gelingt  es  viel  schlechter,  embryonale  Taubenknorpel 
auf  Hühner  zu  transplantieren,  selbst  bei  sonst  gleicher  Technik.  Nur 
in  einem  Falle  gelang  es.  (Taubenembryonen  auf  Tauben  geimpft, 
Hühnerserum  wöchentlich  eingespritzt,  Uebertragung  des  Knorpels 
auf  Huhu,  subkutane  Einspritzung  von  Taubenserum  bei  der  Impfung.) 
Dieser  Knorpel  wurde  in  3  Passagen  gezüchtet  (97  Tage),  wuchs  sehr 
gut  und  zeigte  Wechsel  zwischen  undifferenzierten  Embryonalzellen 
und  ausgewachsenen  Knorpelzellen;  der  Wechsel  hängt  von  der  Im¬ 
munität  des  Versuchstieres  ab  —  wie  das  A  p  o  1  a  n  t  bei  Mäusekarzi¬ 
nom  ausgefiihrt  hat  (Uebergang  in  Adenom). 


490 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9. 


Es  gelangen  auch  Wucherungen  anderer  Zellen.  So  wucherten 
embryonale  Drüsenschläuche  des  Huhns  in  Taubenleber  (3.  Passage, 
75  Tage).  Das  Präparat  zeigt,  wie  die  fremden  Drüsen  bei  der 
Wucherung  sich  direkt  in  die  Leber  einbohren.  Von  einer  atrep- 
tischen  Immunität  kann  bei  diesen  Versuchen  keine  Rede  sein. 

Die  Uebertragung  von  Hühnerembryonen  auf  Hunde  gelingt 
ebenfalls,  wie  an  zwei  Präparaten  gezeigt  wird,  nur  muss  die  An¬ 
passung  langsam  geschehen.  Es  muss  sowohl  die  Eier-  als  auch  die 
Impfhenne  mit  Hundeblut  gespritzt,  und  bei  der  Transplantation  dem 
Hunde  etwas  Hühnerserum  eingespritzt  werden.  Der  eine  Tumor 
hatte  den  Charakter  eines  Sarkoms,  der  zweite  den  eines  Teratoms 
(Schilddrüsengewebe,  Plattenepithel,  Zylinderzellenwucherung).  Das 
Ausgangsmaterial  konnte  identifiziert  werden.  Aehnlich  wie  das 
Nachspritzen  mit  Serum  wirkt  beim  Menschen  forcierte  Eiweiss¬ 
ernährung,  weil  der  Darmkanal  für  solches  durchlässig  ist.  und  zwar 
besonders  leicht  bei  Magendarmkranken.  Die  Anpassung  der  Zellen 
erfolgt  in  natura  auf  chronischen  Geschwüren,  also  auf  anämischen 
Nährböden.  Die  Unterschiede  dieses  Gewebes  in  der  Zytolyse  gegen 
das  normale,  haben  neuerdings  Freund  und  K  a  m  i  n  e  r  nach¬ 
gewiesen. 

Vortragender  stellte  weiter  Versuche  an,  ob  embryonale  Zellen 
auch  im  artgleichen  Organismus  zu  geschwulstmässigem  Wachstum 
gebracht  werden  können,  und  zwar  durch  artfremdes  Eiweiss,  in  be¬ 
zug  auf  die  Cohnheim  sehe  Theorie.  Das  ist  der  Fall,  wenn  so¬ 
wohl  die  Eierhenne  als  auch  die  Impfhenne  mit  einem  sehr  art¬ 
fremden  Serum  gespritzt  wurden  —  z.  B.  Hundeserum,  nicht  aber 
Taubenserum  —  und  das  Eiweiss  nicht  schnell  in  beiden  Tieren  zer¬ 
stört  wurde. 

Demonstration  von  4  so  erzielten  Geschwülsten;  einmal  sarkom¬ 
artig,  einmal  Schilddrüsengewebe,  einmal  Myom  mit  karzinomartigen 
Drüsenwucherungen  und  einmal  stärkste  Drüsenwucherung  mit 
Aszites. 

Artfremdes  Eiweiss  ist  ein  Wuchsstoff  für  die  embryonale  Zelle, 
weil  Eiweissstoffe  die  wichtigsten  Nährstoffe  für  die  Protoplasma¬ 
vermehrung  sind  und  durch  ihre  chemische  Differenz  befähigt,  einen 
Wachstumsreiz  auszuiiben. 

Der  Faktor,  welcher  der  Geschwulstwucherung 
überhaupt  zugrunde  liegt,  ist  nach  Kellings  An¬ 
sicht  eine  bestimmte  Reaktionsfähigkeit  der  einer 
selbständigen  Verdauung  fähigen  embryonalen 
Zellen  gegenüber  gewissen  Nährstoffen,  in  erster 
Linie  wahrscheinlich  artfremden  Eiweissstoffen. 

Diese  Auffassung  schliesst  den  gewöhnlichen  Parasitismus  nicht 
unbedingt  aus,  da  es  doch  Granulationsgeschwülste  geben  kann, 
wenigstens  ist  dies  nach  den  Versuchen  von  Rous  und  Murphy 
zu  bedenken  Immerhin  besteht  noch  eine  andere  Möglichkeit.  Wenn 
nämlich  R  o  h  d  e  Recht  hat,  dass  sich  im  Embryo  in  bestimmten 
Bezirken  die  Kerne  und  Zellen  erst  sekundär  aus  gleichmässigen 
Massen  (Synzytien)  bilden,  dann  müssen  also  sehr  kleine  Zellkeime 
vorhanden  sein,  welche  die  Befunde  von  Rous  (Filtrierbarkeit  des 
Virus)  erklären  können. 

Gibt  es  nun  einen  Parasitismus  noch  kleinerer  Lebewesen,  die 
selbständiges  Wachstum,  Vermehrung  und  Assimilation  haben,  z.  B. 
der  Biophoren?  Das  lässt  sich  auch  mit  den  jetzigen  Mitteln  unter¬ 
suchen. 

Mit  der  Theorie,  betreffend  die  Konjugation  der  Zellkerne,  von 
Schleich,  Klebs,  Aichel  usw.  hat  Kelling  Versuche  ange¬ 
stellt  durch  Mischung  von  Taubenembryonen  mit  Hühnerembryonen, 
die  Tauben  und  Hühnern  eingespritzt  wurden  und  wurden  auch 
Taubenembryonen  in  Hühnereier  eingespritzt.  Die  Versuche  waren 
negativ. 

Das  Krebsproblem  lässt  sich  vom  morphologischen  Standpunkte 
aus  von  zwei  Seiten  anfassen;  erstens  an  der  Homöotopie,  dann 
kommt  man  zu  der  Tiersch-Waldeyer  sehen  resp.  der  R  i  b  - 
b  e  r  t  sehen  Theorie,  der  Hypothese  der  Metaplasie  und  den  unwahr¬ 
scheinlichen  Verwerfungen  nach  C  o  h  n  h  e  i  m. 

Durch  die  Histogenese  ist  die  Abstammung  der  Tumorzellen  vom 
Körpergewebe  nicht  zu  beweisen,  höchstens  für  einige  Fälle  durch 
Analogieschlüsse  wahrscheinlich  zu  machen.  Besser  ist  es,  das  Pro¬ 
blem  an  der  Heterotopie  anzufassen,  dann  kommt  man  dazu,  die 
Zellen  von  aussen  abzuleiten.  Damit  kann  man  die  Heterotopie  und 
die  Homöotopie  erklären,  das  Fremdartige  der  Zellen,  die  Reaktion 
des  Körpergewichtes,  die  Virulenzsteigerung  bei  der  Transplan¬ 
tation  usw.  Man  braucht  nur  eine  einzige  Hilfshypothese,  nämlich 
die  Anpassung  an  den  artfremden  Organismus,  und  diese  Annahme 
lässt  sich  durch  die  neuesten  Versuche  des  Vortragenden  als  be¬ 
stehend  beweisen.  Bei  der  chemischen  Analyse  der  Geschwulst¬ 
erklärung  muss  man  unterscheiden  zwischen  Untersuchen  zu  theore¬ 
tischen  Zwecken,  wo  einige  eindeutige  Analysen  genügen,  um  Auf¬ 
schluss  zu  geben,  und  den  Untersuchungen  zu  diagnostischen 
Zwecken.  Bei  letzteren  müssen  möglichst  viele  Fälle  in  das  Bereich 
der  Reaktion  fallen.  Die  Unterschiede  verwischen  sich  dann. 

Dass  in  den  Geweben  des  Huhnes  ein  brauchbares  Reagens  für 
das  Karzinom  des  Menschen  vorhanden  ist,  wurde  neuerdings  wie¬ 
derum  —  unbewusst  —  durch  die  Versuche  von  Köhler  und 
Luger  (Wien.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  29)  gezeigt.  Diese 
fanden  für  die  A  s  c  o  1  i  sehe  Reaktion  Extrakte  aus  Lezithin  geeignet. 
Die  verwendeten  Extrakte  (von  Merck.  Agfa  und  Gedeon  Rich¬ 
ter)  waren  aber  Extrakte  aus  Hühnereidotter.  Die  Unter¬ 


suchungen  von  Dr.  Paul  1 1 1  i  n  g  in  unserem  Institut  ergaben  die  Rich¬ 
tigkeit  dieser  Befunde;  aber  auch,  dass  man  mit  anderem  Lezithin, 
z.  B.  aus  Forelleneiern,  keinerlei  Ausschlag  erhält. 

Wir  haben  Aussicht  auf  erfolgreiches  Handeln  in  Bezug  auf  die 
Prophylaxe.  Nur  muss  man  nicht  allzusehr  am  alten  festhalten  und 
nicht  zu  skeptisch  gegen  das  neue  sein. 

Vortr.  schliesst  mit  Dank  an  Herrn  Geh. -Rat  E 1 1  e  n  b  e  r  ge.r. 
in  dessen  Institut  die  Versuche  ausgeführt  worden  sind. 

(Wird  anderweit  ausführlich  veröffentlicht.) 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  27.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer :  Herr  P  e  n  k  e  r  t. 

Herr  v.  Lippmann:  Krankendemonstration:  Neurorezidiv  nach 
Salvarsaninjektion. 

Herr  v.  Lippmann  stellt  einen  30jährigen  Mann  vor,  bei  dem! 
sich  im  Anschluss  an  kombinierte  Salvarsan-Quecksilber-Behandlunc 
eines  syphilitischen  Primäraffektes  (Spirochäten  nachgewiesen)! 
schwere  meningitische  Erscheinungen  eingestellt  hatten.  Im  Lumbal-j 
punktat  Eiweiss  vermehrt,  Phase  I  nach  Nonne-Apelt  positiv, j 
Lymphozytose.  Keine  Sekundärerscheinungen.  Wassermann 
negativ.  Durch  eine  Schmierkur  konnte  vollständiger  Rückgang  der) 
klinischen  Symptome  und  der  Veränderungen  des  Liquor  erzielt! 
werden.  (Ausführliche  Mitteilung  erfolgt  an  anderer  Stelle.) 

Herr  v.  Hippel:  Krankenvorstellung. 

1.  Tumor  der  Orbita  mit  starker  Verdrängung  des  Bulbus  nach 
unten  und  vorne.  Vor  4  Jahren  ist  auswärts  bereits  eine  Operation, 
ohne  nachhaltigen  Erfolge  gemacht  worden.  Die  Präparate,  die  sich, 
noch  auftreiben  Hessen,  zeigten  einen  Mischtumor,  der  von  der 
Tränendrüse  ausgegangen  war  (Myxo-Fibro-Chondro-Adenom).  Es 
war  also  anzunehmen,  dass  der  hintere  Teil  des  Tumors  nicht  ent¬ 
fernt  war.  Durch  Krönleinsche  Orbitalresektion  wurde  derselbe) 
zugänglich  gemacht  und  exstirpiert.  Die  Präparate  bestätigten  die 
gemachte  Annahme.  Von  dieser  Geschwulstform  sind  erst  6  Fälle 
veröffentlicht  (Katz,  de  Laper  sonne).  Primäre  Heilung,  der 
Exophthalmus  ist  in  Wochen  von  8  auf  3 lA  mm  zurückgegangenj 
die  Veränderung  nach  unten  ist  fast  verschwunden. 

2.  Polypoide  Geschwulst  auf  geschwüriger  Basis,  ausgehend  von1 
der  Conjunctiva  tarsi  des  oberen  Lides.  Multiple  kleinste  Knötchen. 
Diagnose:  Tuberkulose  der  Konjunktiva.  Durch  Exstirpation  des 
ganzen  Tarsus  mit  der  Conjunctiva  tarsi,  Lösung  der  Uebergangs-j 
falte  und  Conjunctiva  bulbi  bis  zum  Hornhautrand  und  Annähung  an 
den  Hautrand  wurde  in  8  Tagen  glatte  Heilung  ohne  jede  Stellungs- 
anomalie  und  mit  Erhaltung  des  normalen  Lidschlusses  erzielt. 

3.  Einen  Fall  von  doppelseitigem  Pemphigus  der  Konjunktiva  so¬ 
wie  der  Mundschleimhaut.  An  beiden  Augen  ist  der  untere  Konjunkti- 
valsack  fast  vollständig  verödet,  ebenso  ein  grosser  Teil  der  Con- 
junctiva  bulbi.  Die  oberen  Konjimktivalsäcke  sind  in  ihren  mittlere! 
Teilen  erhalten.  Die  Corneae  sind  bis  auf  zarte  Randtrübungen  nor¬ 
mal,  ebenso  der  Visus. 

Die  Erkrankung  soll  erst  im  Junii  1911  begonnen  haben,  sub¬ 
jektive  Beschwerden  fehlen  fast  vollkommen. 

Es  ist  beabsichtigt,  entsprechend  den  Erfahrungen  Grouvens 
zunächst  eine  Salvarsantherapie  einzuleiten  und  dann  eine  plastische 
Operation  nach  dem  Vorgang  Landolts  zu  versuchen. 

Herr  Emil  Schepelmann:  Einseitige  Lungenimmobilisierunt 
durch  Phrenikusresektion.*) 

Bei  der  chirurgischen  Behandlung  initialer  Lungenschwindsucht 
stehen  sich  2  Methoden  gegenüber,  die  auf  diametral  entgegengesetz 
ten  Anschauungen  basieren;  die  eine  ist  die  W.  A.  Freundscht 
Chondrotomiean  der  ersten  Rippe,  wie  sie  von  ihm  und  einiger 
anderen  Autoren  geübt  wird,  um  bei  Stenose  der  oberen  Brustapertui 
oder  vorgeschrittener  zentraler  oder  peripherer  Verknöcherung  de: 
Knorpels  der  ersten  Rippe  sowohl  bei  beginnender  Spitzentuberkulosi 
als  auch  prophylaktisch  bei  erblich  belasteten  und  suspekten  Personei 
eine  bessere  Durchlüftung  der  Lunge,  eine  Mobilisation  der 
selben,  zu  erreichen,  also  einen  Effekt,  der  dem  obersten  Grundsat 
in  der  Behandlung  von  chirurgischer  Tuberkulose:  „Immobil! 
sierung  und  Entlastung“,  direkt  widerspricht. 

Umgekehrt  will  man  durch  die  zweite  Methode,  den  künst 
liehen  Pneumothorax,  die  erkrankte  Lunge  gerade  von  de: 
Atmung  ausschalten,  sie  immobilisieren,  daneben  allerdings 
auch  einen  Kollaps  und  hiermit  einhergehend  Verlangsamung  de 
Blut-  und  Lymphstromes,  Sauerstoffverarmung  des  Blutes  sowie  be 
sonders  Bindegewebswucherung  erzeugen,  durch  welch  letzter 
tuberkulöse  käsige  Herde  fibrös  eingekapselt  werden.  Die  gleich, 
zeitige  Verminderung  der  Blutmenge  in  atelektatischen  Lungen  ist  i 
Anbetracht  der  günstigen  Erfolge  mit  Bier  scher  Stauungshyper 
ämie  an  den  Extremitäten  sowie  der  Erfahrung,  dass  die  Stauungs 
lunge  der  Herzfehlerkranken  eine  geringere  Disposition  für  Tuberku 
lose  schafft,  eine  Zugabe,  die  wohl  nicht  erwünscht  ist. 

Vortragender  legte  sich  nun  die  Frage  vor,  ob  es  nicht  auf  völli 
ungefährliche  Weise  möglich  sei,  eine  mit  leichter  Tuberkulose  be 


*)  Ausführliche  Mitteilung  im  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  100,  I 


4  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


491 


i  ete  Lunge  dem  Einfluss  der  Atmung  wenigstens  grossenteils  zu 
.  'iehen,  ohne  dass  die  Zirkulation  dadurch  nennenswert  beeinträch- 
■  würde,  und  glaubt  sie  in  der  Durchschneidung  des 
Jbichseitigen  Phrenikus  beantworten  zu  können.  Zwar 
jas  Zwerchfell  nicht  der  einzige  Atemmuskel,  über  den  wir  ver- 
■n;  benutzen  wir  doch  schon  bei  einfacher  Inspiration  die  Scaleni, 
intercostales  externi,  die  Levatores  costarum,  den  Serratus  posti- 
superior;  auch  beteiligen  sich  noch  der  7.  bis  12.  Interkostalnerv 
der  Innervation  des  Diaphragma,  doch  ist  ihr  Einfluss  nur  sehr 
ng.  Schon  bei  der  alleinigen  Durchschneidung  eines  Phrenikus 
das  Spiel  der  betreffenden  Zwerchfellhälfte  —  wie  Vortragender 

•  i  bei  zahlreichen  Tieren  überzeugte  und  wie  er  an  mehreren  leben- 

Kaninchen  der  Versammlung  vor  dem  Röntgenschirm  einwand- 
demonstrierte  —  so  gut  wie  aufgehoben;  nur  minimalste  Exkur- 
,  ten  machen  sich  als  Folge  der  Zerrung  von  der  gesunden  Zwerch- 
,  ,älfte  her  bemerkbar,  um  so  mehr,  da  letztere  jetzt  grössere  Aus¬ 
lage  zeigt  als  unter  normalen  Verhältnissen.  Auch  bei  der  Auto- 
?  l  in  vivo  konnte  er  sich  von  der  Zwerchfellähmung  nach  Phreniko- 
iie  vergewissern,  wenn  er  nämlich  den  Phrenikus  an  der  Stelle 

•  der  Brusthöhle  durchschnitt,  wo  er  in  Höhe  der  Atrioventrikular- 
^nze  vom  Herzbeutel  bogensehnenartig  auf  das  Zwechfell  Übertritt. 

Die  Technik  der  Phrenikusdurchschneidung  am  Halse  gestaltete 
<  i  beim  Kaninchen  so,  dass  Schepelmann  vom  medialen  Drittel 
Klavikula  einen  kurzen  Schnitt  nach  oben  führte  und  die  Vena 
;  ularis  communis  aufsuchte.  An  ihrer  lateralen  Seite  verläuft  der 
i  serst  feine,  eben  noch  mit  blossem  Auge  wahrnehmbare  Phrenikus, 
sich,  aus  dem  Gebiet  der  4.  Zervikalwurzel  kommend,  ihr  schräg 
u  aussen  nähert.  In  ca.  1cm  Ausdehnung  wird  er  möglichst  tief 
j  Halse,  um  etwaige  andere  zu  ihm  stossende  Wurzelfasern  nicht  zu 
•rsehen.  reseziert. 

Beim  Menschen  müsste  man  den  Phrenikus  auf  dem  M.  scalenus 
3  icus  suchen,  den  er  kreuzt,  um  dann  zwischen  A.  und  V.  subclavia 
t  durch  zur  A.  mammaria  interna  zu  gelangen. 

Abgesehen  vom  respiratorischen  Stillstand  des  Zwerchfells  er- 
i  [t  man  durch  Phrenikotomie  einen  Hochstand  desselben,  den  man 
besten  intra  vitam  vor  dem  Röntgenschirm  beobachtet 


Phrenikotomie  links.  Phrenikotomie  rechts. 


:i  dem  einen  der  demonstrierten  Kaninchen  stand  das  ge- 
imte  rechte  Zwerchfell  2  Querfinger  höher  als  das  linke). 

•  er  auch  in  nebenstehenden  Radiogrammen  erkennt.  Beides,  Hoch- 
nnd  und  Immobilisierung  des  Zwerchfelles,  scheinen  aus  theoreti- 
:  len  Gründen  geeignet,  einen  günstigen  Einfluss  auf  initiale  e  i  n  - 

■  i  t  i  g  e  Lungenphthise  auszuüben,  weshalb  es  sich  empfehlen  dürfte, 
i  geeigneten  Fällen  diese  gewiss  harmlose  Operation  versuchsweise 

■  i  Menschen  vorzunehmen. 

Diskussion;  Herr  David  weist  darauf  hin,  dass  S  t  u  e  r  t  z 
reits  zu  gleichem  Zwecke  die  Phrenikusdurchschneidung  vorge- 
alagen  habe;  auch  über  entsprechend  durchgeführte  Operationen 
Menschen  berichtet  hat.  Doch  wurde  die  Richtigkeit  der  theo- 
iischen  Erwägungen  von  H  e  1 1  i  n  auf  Grund  von  Tierexperimenten 
stritten. 

Herr  Ad.  Schmidt:  1.  Ueber  chronisch  diphtherische  Infektion 

r  Lungen. 

(In  dieser  Wochenschrift  1913,  S.  20  erschienen.) 

2.  Ueber  die  Behandlung  von  Darmkrankheiten  mit  Sauerstoff. 

Der  Vortragende  demonstriert  das  von  ihm  im  Zentralblatt  für 
lere  Medizin  1912,  No.  1  mitgeteilte  Verfahren  der  Sauerstoifeiri- 
isungen  in  das  Duodenum  und  berichtet  über  die  Erfahrungen 
mit.  Dieselben  lauten  insbesondere  bei  Gärungsdyspepsien  und 
atarrhen  und  bei  dyspeptischen  Störungen  anderen  Ursprungs 
astrogene  Diarrhöen)  sehr  günstig.  Auch  leichte  Katarrhe  und  die 
>rue  wurden  verschiedentlich  sehr  gut  beeinflusst.  Bei  Säuglingen 
it  Darmkatarrhen  und  Brechdurchfällen  hat  der  Vortragende  das 
erfahren  in  der  Weise  modifiziert,  dass  je  100 — 150  ccm  in  den  Magen 
id  das  Rektum  eingeblasen  wurden,  wodurch  sehr  oft  ganz  über¬ 


raschende  Wirkungen  erzielt  wurden.  Auch  bei  Erwachsenen  kann, 
wenn  die  Einblasung  ins  Duodenum  auf  Schwierigkeiten  stösst,  diese 
Modifikation  angewandt  werden.  Sehr  grosse  Dosen  können  unter 
Umständen  eine  vorübergehende  Reizwirkung  entfalten.  Es  empfiehlt 
sich  aber  nicht,  diese  Reizwirkung  gegen  die  habituelle  Obstipation 
auszunutzen,  wie  es  Skalier  empfohlen  hat. 

Herr  Schepelmann;  Vor  6  Jahren  beobachtete  ich  während 
meiner  damaligen  Tätigkeit  in  Leipzig  einen  jungen  Mann  mit  Schall 
Verkürzung,  leicht  bronchialem  Atmen  und  Rasseln  über  der  rechten 
Spitze  und  Unterschlüsselbeingegend  sowie  gewissen  Symptomen 
für  eine  kleine  Kaverne  unter  der  Klavikula.  Dieser  physikalische^ 
Befund  im  Verein  mit  dem  geballten  eitrigen  Auswurf,  den  abendlichen 
Temperatursteigerungen  und  den  Nachtschweissen  Hessen  mich  an 
Schwindsucht  denken,  doch  fanden  sich  bei  bakteriologischer  Unter¬ 
suchung  zu  meiner  grossen  Ueberraschung  keine  Tuberkelbazillen, 
sondern  eine  Reinkultur  von  Diphtheriebazillen.  Halserkratikungen 
waren  weder  vorhanden  noch  in  letzter  Zeit  durchgemacht. 

Leider  kam  mir  der  Patient  später  aus  den  Augen,  so  dass 
ich  über  den  Weiterverlauf  nicht  orientiert  bin. 

Herr  David:  Wirkungen  verschieden  zusammengesetzter  Re¬ 
spirationsluft. 

Der  Vortragende  gibt  einen  kurzen  historischen  Ueberblick  über 
die  seit  Priestley  bald  masslos  überschätzte,  bald  ungerechtfertigt 
verurteilte  Sauerstofftherapie.  Es  wird  näher  dargelegt,  wie  dank 
der  exakten  physiologischen  Forschung  allmählich  eine  gerechtere 
Beurteilung  sich  durchgerungen  hat.  Es  wurde  aber  zu  sehr  das 
Augenmerk  darauf  gerichtet,  ob  die  Endeffekte  geändert  wurden  und 
•acht  genügend  die  Kompensationseinrichtungen  gewertet,  infolge 
deren  die  Organismen  trotz  Aenderung  der  dargebotenen  Respirations¬ 
luft  ihre  Zellen  vollständig  sättigen.  Das  reizende  Moment  liegt  wahr¬ 
scheinlich  in  der  Sauerstoffverarmung,  die  ja  auch  sonst  die  Zell¬ 
tätigkeit  bedeutend  anregt.  Hierauf  zurückzuführen  ist  z.  B.  wahr¬ 
scheinlich  das  Wachstum  der  Anaerobier,  von  denen  neuere  For¬ 
schungen  gezeigt  haben  (C  h  u  d  i  a  k  o  w,  P  o  r  o  d  k  o  w),  dass  sie 
vielfach  nicht  echte  Anaerobier  sind,  sondern  nur  bei  einer  sehr  ge¬ 
ringen  Os-Spannung  ihr  Lebensoptimum  haben.  Dahin  gehört  auch 
die  künstliche  Züchtung  von  Zellgewebe,  bei  dem  der  Vortragende 
durch  gewisse  Sauerstoffherabsetzung  vielfach  eine  stärkere  Zell  - 
Proliferation  beobachtete.  Jedoch  sind  diese  Untersuchungen  noch 
nicht  spruchreif. 

Auch  die  im  Höhenklima  beobachteten  Blutveränderungen  sind 
als  Reaktion  auf  Os-Armut  aufzufassen.  Die  oft  umstrittene  Frage, 
ob  es  in  der  Höhe  eine  echte  Blutvermehrung  gibt,  ist  nach  dem 
gesamten  vorliegenden  Material  im  positiven  Sinne  zu  entscheiden, 
wenn  auch  durch  scheinbare  Vermehrung  der  Blutelemente  das  ob¬ 
jektive  Bild  oft  getrübt  wird.  Um  mancherlei  Fragen  zu  klären,  wurde 
im  Tierversuch  die  Einwirkung  herabgesetzten  Sauerstoffes  unter¬ 
sucht.  Die  Versuche  an  Menschen  und  Tieren  wurden  in  den  früher 
bereits  veröffentlichten  Apparaten  durchgeführt.  Es  zeigte  sich,  dass 
bei  Hunden  und  Kaninchen  eine  24  ständige  Atmung  Os-armer  Luft 
die  Blutelemente  vorübergehend  etwas  ansteigen  lässt,  dass 
aber  eine  mehrstündige  Applikation  ohne  Einfluss  ist.  Ganz  anders 
bei  experimentellen  Anämien  (durch  Aderlass,  Sapotoxin).  Hier 
gleichen  sich  künstlich  gesetzte  Schädigungen  bedeutend  schneller 
aus,  als  bei  nicht  behandelten  Tieren.  Ganz  analog  waren  die  Er¬ 
gebnisse  am  Menschen.  Das  normale  Blutbild  wurde  bei  ein-  bis 
zweistündiger  Behandlung  nicht  beeinflusst,  wogegen  bei  Anämien 
sich  deutliche  Differenzen  fanden.  Dabei  ergaben  sich  entsprechend 
den  vorliegenden  Krankheitsprozessen  markante  Unterschiede;  bei 
perniziösen  Anämien  erfolgte  die  Hämoglobinbildung  oft  besser  als 
die  Erythropoiese,  so  dass  der  Färbeindex  ziemlich  hoch  blieb. 
Entgegengesetzt  verhielten  sich  schwere  Chlorosen,  bei  denen  die 
Zahl  der  roten  Blutkörperchen  sehr  gut  anstieg,  aber  das  Hämoglobin 
sich  langsamer  bildete.  Bei  gewöhnlichen  Anämien  nicht  perniziösen 
Charakters  wuchs  die  Zahl  der  Blutkörperchen  und  die  Hämoglobin¬ 
menge  entsprechend.  An  mehreren  in  dieser  Weise  behandelten 
Kranken  werden  die  Erfolge  demonstriert. 

Auch  die  im  Höhenklima  beobachtete  N.-  und  P.-Retention.  die 
nach  den  Arbeiten  von  W  e  n  d  t  als  echte  Eiweissmast  aufzufassen  ist, 
wurde  im  Tierexperiment  beobachtet.  Das  steht  zwar  im  Gegensatz 
zu  früheren  Untersuchungen  in  der  pneumatischen  Kammer,  die 
negativ  ausgefallen  waren,  ist  aber  vielleicht  dadurch  bedingt, 
dass  im  vorliegenden  Falle  nur  der  Sauerstoffpartialdruck  ohne  eine 
Aenderung  des  Barometerdruckes  herabgesetzt  war  —  ein  Moment, 
auf  das  der  Vortragende  besonderes  Gewicht  legt. 

Auch  die  von  A  r  a  k  i  genauer  erforschte  Zuckerausscheidung 
bei  Dyspnoe  und  die  von  Magyar  y-Kossa  beobachtete  Ver¬ 
änderung  des  Phloridzindiabetes  nach  kohlensaurer  Inhalation  wurde 
zu  klären  gesucht.  Diese  Untersuchungen  wurden  nach  zwei  Rich¬ 
tungen  gefördert:  erstens  bedurfte  es  der  Feststellung,  ob  bei  den 
früheren  Dyspnoeversuchen  die  Kohlensäure  keine  Rolle  gespielt  habe 
und  die  Glykosurie  nur  als  Folge  hochgradiger  Sauerstoffarnlut  aufzu¬ 
fassen  ist  und  zweitens  war  die  Sauerstoffarmut  in  ihrer  Wirkung  auf 
experimentelle  Glykosurien  zu  erforschen.  Die  Einzelheiten  der  Er¬ 
gebnisse  werden  an  der  Hand  von  Tabellen  besprochen. 

Zum  Schlüsse  werden  sowohl  die  für  die  Tierversuche  benutzten 
Apparate  als  auch  die  zur  therapeutischen  Verwertung  beim  Men¬ 
schen  konstruierten  Einrichtungen  im  Betriebe  vorgeführt. 


492 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Bettmann. 

Schriftführer:  Herr  Fi  sch  ler. 

Zur  Frage  der  Erkennung  und  Behandlung  luetischer  Prozesse 
(Wassermann,  Salvarsan,  Quecksilber). 

Herr  Krehl:  Die  Wasse  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  hat  die 
Fürchterlichkeit  der  Lues  in  Beziehung  auf  ihre  Häufigkeit  und 
Resistenz  erst  klar  dargetan.  Sie  hat  in  manche  Fragen  entschieden 
Licht  gebracht,  insbesondere  hat  sie  die  Erb  sehen  Ansichten  über 
den  Zusammenhang  der  Tabes  und  der  Lues  bestätigt,  ferner  hat  sie 
dargetan,  dass  Herz-  und  Aortenlu°s  viel  häufiger  ist,  als  man  bisher 
annahm.  Ausserdem  hat  sie  besonders  die  Resistenz  der  Lues  gegen¬ 
über  durchgemachten  Kuren  gezeigt.  Gewiss  gibt  es  vereinzelte 
Fälle,  in  denpn  die  Komplementbindungsreaktion  positiv  ausfällt,  ohne 
dass  man  eine  Lues  annehmen  möchte.  Aber  das  sind  doch  ganz 
sicher  grosse  Ausnahmen.  Im  allgemeinen  darf  und  muss  man 
meines  Erachtens  damit  rechnen,  dass  wenn  die  Reaktion  von  kom¬ 
petenten  Untersuchern  sorgfältig  ausgeführt  und  wiederholt  positiv 
gefunden  wurde,  eine  Synhilis  im  Körner  ihre  Wirksamkeit  noch  ent¬ 
faltet,  es  sei  denn,  dass  Zustände  vorliegen,  die  bekanntermassen  die 
Reaktion  beeinflussen,  z.  B.  Scharlach,  Lepra,  Granulöse  u.  a. 
K.  stellt  drei  Fragen  zur  Diskussion: 

1.  Wie  soll  man  sich  in  den  verschiedenen  Stadien  bei  negativer 
W.R.  in  ßezug  auf  die  Therapie  verhalten  in  Fällen,  in  denen  Krank¬ 
heitszeichen  da  sind,  die  sehr  wohl  von  einer  Syphilis  abhängen 
können,  vielleicht  sogar  am  besten  von  ihr  abhängig  zu  machen  sind? 

2.  Soll  man  bei  Mangel  von  Krankheitserscheinungen  bei  posi¬ 
tiver  W.R.  eine  Therapie  einleiten? 

3.  Welche  Erfahrungen  haben  die  Kliniker  in  Bezug  auf  das 
Vorkommen  von  Verschlechterungen  der  Krankheitserscheinungen 
durch  antiluetische  Kuren  gemacht? 

K.  selbst  hat  solche  Fälle  bei  luetischen  Herzerkrankungen  mit 
Sicherheit  beobachten  können.  Er  brachte  diese  zuerst  ln  Zusammen¬ 
hang  mit  dem  psychischen  Einfluss,  den  die  Erkenntnis  der  Natur 
des  Leidens  auf  die  meist  in  ehrbaren  Verhältnissen  lebenden  Pat. 
ausiibte.  Doch  hat  er  sich  auch  im  Laufe  der  Zeit  davon  überzeugt, 
dass  neben  hervorragend  guten  Beeinflussungen  auch  sichere  Ver¬ 
schlechterungen  auftreten.  Dies  gilt  insbesondere  für  luetische 
Koronararterienerkrankungen.  K.  glaubt  diese  mit  Vorgängen  er¬ 
klären  zu  können,  die  der  Herxheimer  sehen  Reaktion  ähneln. 
Er  nimmt  an,  dass  durch  die  antiluetische  Behandlung  Reizerschei¬ 
nungen  an  den  sehr  empfindlichen  Koronargefässen  auftreten,  die 
sogar  zum  Exitus  führen  können,  und  er  rät  gerade  in  diesem  Punkte 
ausserordentlich  vorsichtig  zu  sein.  Auch  glaubt  er,  dass  sich  Vor¬ 
gänge  abspielen  können,  ähnlich  wie  bei  der  Entstehung  einer  Miliar¬ 
tuberkulose  bei  brüsker  Tuberkulinbehandlung.  K.  hält  die  Frage 
noch  nicht  für  beantwortet,  in  welchen  Fällen  man  eine  schwache 
und  in  welchen  Fällen  man  eine  strenge  Behandlung  einleiten  soll 
und  in  welchen  Fällen  man  von  einer  Behandlung  absehen  solle. 

Herr  N  i  s  s  1  und  Herr  0.  Ranke  sprachen  über  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  der  Wassermann  sehen  Reaktion  und  ihre 
Bewertung  bei  etwaigem  therapeutischem  Handeln  auf  Grund  der 
Erfahrungen  der  Blut-  und  Liquoruntersuchungen  an  der  psychia¬ 
trischen  Klinik  und  einer  Reihe  von  gleichzeitigen  Parallelunter¬ 
suchungen  gleicher  Blutseren  mittels  der  ursprünglichen  Wasser¬ 
mann  sehen  Methode  und  ihrer  Modifikation  nach  Landsteiner 
an  der  dermatologischen  und  psychiatrischen  Klinik. 

Ihre  Ausführungen  lassen  sich  folgendermassen  zusammenfassen: 

1.  Die  Wassermann  sehe  Reaktion  ist  bei  vorsichtiger  Be¬ 
wertung  eine  wichtige  Bereicherung  unserer  diagnostischen  Hilfs¬ 
mittel. 

2.  Bei  der  Wassermann  sehen  Reaktion  kommt  es  in  vielen 
Fällen  nicht  zu  einem  ohne  weiteres  evidenten  Ergebnis,  sondern 
das  Urteil:  ob  positiv  oder  negativ,  ist  ein  komplizierter  Schluss 
aus  sorgfältiger  Beobachtung  des  zeitlichen  Ablaufs  und  der 
quantitativen  Verhältnisse  des  hämolytischen  Vorganges,  sowie  aus 
dem  Vergleich  dieser  Verhältnisse  bei  der  zu  beurteilenden 
Flüssigkeit  mit  anderen. 

3.  Es  ist  deshalb  unbedingtes  Erfordernis,  dass  diese  Reaktion 
durch  einen  technisch  geschulten,  kritischen  und  seiner  Verant¬ 
wortung  bewussten  Arzt  —  nicht  durch  irgend  welche  Hilfs¬ 
personen  —  ausgeführt  wird. 

4.  Das  Wesen  der  Wasserma  n  n  sehen  Reaktion  ist  ebenso 
unbekannt  wie  das  Wesen  der  Stoffe,  mit  denen  sie  arbeitet  („Kom¬ 
plement“,  „Antigen“,  „Ambozeptor“). 

5.  Die  Reaktion  ist  nicht  spezifisch  für  luetische  und 
metaluetische  Krankheiten. 

6.  Ein  Grund,  der  Wassermann  sehen  Original- 
methode  vor  der  L  a  n  d  s  t  e  i  n  e  r  sehen  Modifikation  den 
Vorzug  zu  geben,  besteht  nicht;  es  ist  aber  zu  betonen,  dass  diese 
beiden  Verfahren  nicht  etwa  nur  quantitative,  sondern  auch  quali¬ 
tative  Unterschiede  in  der  Reaktion  ergeben,  indem  manche  Seren, 
deren  positive  Reaktion  nach  dem  klinischen  Bilde  und  den  Liquor¬ 
veränderungen  zu  erwarten  ist,  mit  der  einen  Methode  ein  positives. 


No^ 

mit  der  anderen  ein  negatives,  andere  umgekehrt  mit  der  einen  e 
negatives,  mit  der  anderen  ein  positives  Resultat  zeigen. 

7.  Ein  Schluss  auf  die  Wirksamkeit  therapeutische 
Handelns  aus  einer  Aenderung  der  Wassermann  sch 
Reaktion  im  Blute  ist  nicht  ohne  weiteres  gestattet,  da  nicht  ga 
selten  die  Reaktion  (ebenso  wie  der  Zell-  und  Eiweissgehalt,  t 
Goldsol-  und  Wassermannreaktion  im  Liquor)  auch  ohne  jede  E 
handlung  sich  ändert. 

8.  Die  Untersuchung  der  Wassermann  sehen  Reaktion  j 
Blute  allein  hat  —  speziell  auf  dem  Gebiete  des  Zentralnerve 
Systems  —  für  die  Beurteilung  luetischer  und  metaluetischer  Kran 
heiten  nicht  viel  Wert;  wichtigeren  Aufschluss  gibt  sie  zusamm 
mit  den  verschiedenen  Reaktionen  des  Liquors;  eine  diagnostisc 
Entscheidung  ist  aber  nur  bei  gleichzeitiger  Berücksichtigung  d 
klinischen  Bildes  —  und  auch  dann  nicht  immer  —  möglic 
Es  zeigt  nämlich  vielfache  Beobachtung,  dass  weitaus  die  meist 
klinisch  klaren  Fälle  eindeutige  Reaktionen  geben,  dagegen  zahireici 
der  klinischen  Beurteilung  Schwierigkeiten  bereitende  Fälle  auch  1 
Heranziehung  der  Blut-  und  Liquorreaktionen  sich  nicht  sicher  klär 
lassen. 

Herr  W.  Erb:  E.  ist  voller  Interesse  für  die  heutige  Verhau 
lung  und  in  der  Erwartung  hierher  gekommen,  allerlei  Neues  u: 
Entscheidendes  zu  hören  und  zu  lernen.  Nun  ist  das  Thema  „S; 
varsan“  eigentlich  bisher  nur  gestreift  worden,  die  Mitteilungen  d 
Herren  Redner  haben  sich,  was  ja  natürlich  auch  sehr  wichtig  i 
wesentlich  um  die  Wassermann  sehe  Reaktion,  ihre  Method! 
und  ihre  Ergebnisse  gedreht.  Wir  haben  eine  sehr  scharfe  Krh, 
und  sehr  viel  Skeptizismus  gegenüber  dieser  Reaktion  gehört,  eini 
sehr  merkwürdige  und  zum  Teil  etwas  unklare  Beobachtung! 
(wesentlich  bei  der  progressiven  Paralyse)  mitgeteilt  bekomme 
so  dass  man  eigentlich  an  den  bisherigen  Ergebnissen  für  die  E: 
deutung  und  praktische  Brauchbarkeit  der  W.R.  bei  den  sog.  met! 
syphilitischen  Nervenerkrankungen  fast  irre  werden  konnte. 

Das  hat  etwas  niederschlagend  gewirkt;  aber  diese  Stimmu: 
wurde  für  E.  glücklich  bekämpft  und  sozusagen  überkompensie: 
dadurch  dass  er  ganz  zufällig  heute  den  Bericht  über  die  gros 
und  inhaltsreiche  Diskussion  über  diese  Fragen,  die  im  September  19 
bei  der  5.  Jahresversammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Nerve 
ärzte  in  Frankfurt  stattgefunden  hat,  wieder  einmal  durchblätter 

An  der  Hand  eines  sehr  grossen,  kritisch  gesichteten  Materia 
das  Nonne  vorlegte,  wurde  von  P.  Ehrlich,  0  p  p  e  n  h  e  i 
Ed.  Schwarz,  Treupel,  0.  Förster  u.  a.  eine  sehr  ei 
gehende  und  inhaltsreiche  Diskussion  geführt.  Darnach  schien 
(was  schon  auf  der  2.  und  3.  Jahresversammlung  in  Heidelberg  u 
Wien  mit  Evidenz  hervortra,t),  dass  —  trotz  allerlei  Schwankung, 
in  der  Entwicklung  unserer  Anschauungen  —  doch  jetzt  bereits 
solches  Mass  von  Sicherheit  erreicht  sei,  dass  die  Pra. 
davon  grossen  Nutzen  ziehen  könnte. 

Ueber  das  eigentliche  Wesen  der  W.R.  ist  ja  leider  no; 
sehr  vieles  unbekannt;  die  Syphilotoxine  sind  noch  hypothetisi 
die  Syphilisantigene  und  Antikörper  etc.  sind  in  ihrer  chemisch 
und  biologischen  Beschaffenheit  noch  unbekannt;  die  Vorgänge  1 
der  Komplementbindung  harren  noch  der  Aufklärung  und  so  not 
manches  andere. 

Trotzdem  steht  als  das  Resultat  tausendfältiger  klinischer  L 
probung  der  W.R.  am  menschlichen  und  tierischen  Körper  jetzt  w<[ 
über  jeden  Zweifel  fest,  dass  ihr  positiver  Ausfall  nahe, 
spezifisch  und  pathognomonisch  für  Syphilis 
(mit  den  bekannten  wenigen  Ausnahmen!)  und  damit  ist  sie  au 
von  entscheidender  Bedeutung  für  die  sog.  metasyphilitischen  I 
krankungen  des  Zentralnervensystems,  besonders  für  die  Tabes  u 
Paralyse  geworden. 

Für  die  Paralyse  speziell  ist  der  positive  Ausfall  mit  zir 
100  Proz.  sowohl  im  Serum  wie  im  Liquor  geradezu  entscheiden 
sie  ist  zweifellos  eine  mit  der  Lues  im  engsten  Zusammenha: 
stehende  Affektion,  sie  ist,  wie  es  Wassermann  direkt  ai- 
spricht,  „eine  bestimmte  Form  der  syphilitischen  Infektion  im  Zentr- 
nervensystem“.  J  I 

Das  Gleiche  ist  ja  auch  schon  längst  für  die  Tabes  angegeb 
und  durch  die  Statistik  und  die  klinische  Beweisführung  eigentlu 
bereits  festgestellt  und  fast  allgemein  angenommen.  Es  war  für 
den  Vorkämpfer  dieser  Lehre  in  Deutschland,  deshalb  besondt 
wichtig,  dass  auch  die  W.R.  die  definitive  und  unumstössliche  L 
stätigung  für  diesen  Satz  bringen  würde.  —  Aber  die  ersten  Unk 
suchungen  am  Blutserum  brachten  eine  schwere  Enttäuschung  r 
nur  60 — 70  Proz.  positiver  Reaktion,  während  E.  in  seiner  Statis 
bereits  90  Proz.  Syphilis  gefunden  hatte.  (Von  Wichtigkeit  ist  al 
doch  der  Umstand,  dass  gelegentlich  in  manchen  Fällen,  bei  welch 
klinisch  die  Syphilis  absolut  nicht  nachweisbar  war,  trotzdem  i 
W.R.  positiv  ausfiel.)  Ao 

Noch  deprimierender  war  das  Ergebnis  der  ersten  Unt'- 
suchungsreihen  am  Liquor  der  Tabischen  —  kaum  50  Pro. 
Erst  als  man  lernte,  mit  der  „Auswertungsmethode“  zu  arbeite 
erhöhte  sich  dieser  Prozentsatz  rasch;  Hauptmann  fand  1911  h 
strengster  Kritik  bereits  87  Proz.  und  jetzt  gibt  Nonne  mit  al 
Bestimmtheit  an,  dass  er  nahezu  100  Proz.  oder  selbst  100  Pr< 
+  Wassermann  im  Liquor  bei  Tabikern  findet. 

Damit  wäre  also  auch  für  die  Tabes  die  Frage  jetzt  dahin  ei 
schieden,  dass  diese  ebenso  wie  die  Paralyse  „eine  bestimmte  Foi! 
der  syphilitischen  Infektion  des  Zentralnervensystems  ist“. 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


m 


i  v\ärz  19lT 


1;.  glaubt,  dass  wir  uns  vorläufig  mit  diesem  Resultat  zufrieden 
,  n  müssen.  Einzelne  Ausnahmen  und  Schwierigkeiten  werden  ja 
ner  noch  Vorkommen,  aber  das  ist  bei  den  unendlich  komplizierten 
Kiltnissen  der  biologischen  Vorgänge,  bei  den  zahllosen  Varietäten 
Komplikationen  der  Krankheitsbilder  in  praxi  gewiss  nicht  zu 
wundern. 

Die  Frage  von  Herrn  K  r  e  h  1,  ob  E.  nicht  bei  der  spezifischen 
'  andlung  der  Tabes  öfter  Verschlimmerung  beobachtet  habe,  be- 
vortet  dieser  dahin,  dass  dies  bei  sorgfältiger  Auswahl  der  Fälle 
;  vorsichtiger  Behandlung  so  gut  wie  niemals  vorkomme;  natür- 
.  dürfe  man  nicht  kritiklos  jeden  Fall  von  Tabes  antisyphilitisch 
landein!  Er  sah  recht  viele  Besserungen  und  Stillstände  des 
Jens,  hie  und  da  auch  wohl  an  Heilung  grenzende  Erfolge. 

Endlich  die  vorhin  aufgeworfene  Frage,  ob  bei  positivem 
ssermann  stets  eine  spezifische  Behanlung  erlaubt 
id  geboten  sei  und  die  Gegenfrage,  ob  bei  negativem 
ussermann  eine  solche  unnötig  und  zu  unter- 
isen  sei?  Darauf  ist  eine  kurze  und  präzise  Antwort  nicht 
rjlich!  Der  Ausfall  der  W.R.  darf  für  unser  therapeutisches 

-  ideln  nicht  ausschliesslich  massgebend  sein.  (Das  ist  ja  auch 

fast  allen  Seiten  festgestellt!)  —  Nur  die  sorgfältigste  Beur- 
:jng  des  Einzelfalles,  des  ganzen  klinischen  Bildes  und  seiner 
ulichen  Entwicklung,  der  persönlichen  und  sozialen  Verhältnisse 
vorstehende  Heirat  z.  B.)  kann  darüber  entscheiden,  ob  man  bei 
•nter  (oder  anscheinend  geheilter)  Syphilis  und  positivem 
vissermann  eine  spezifische  Behandlung  machen  darf  und  soll 
r  nicht;  —  und  ebenso  wird  bei  negativem  Wassermann 
nach  der  Lage  des  klinischen  Falles  trotzdem  eine  energische 
>  zifische  Behandlung  erlaubt  und  geboten  sein.  E.  belegt  das  mit 
Jällen  von  syphilitischer  Spinalparalyse,  die  er  zufällig  in  der 
Jen  Woche  sah,  und  die  über  die  Indikation  keinen  Zweifel 
i  sen. 

Wir  stehen  ja  erst  am  Anfang  unserer  wissenschaftlichen  Er- 
untnis  der  Wassermannreaktion  und  ihrer  klinischen  Bedeutung, 
.endliche  Arbeit  wird  noch  zu  leisten  sein  und  deshalb  begriisst  E. 
r;  Vorschlag  des  Herrn  Bettmann,  dass  die  hiesigen  Unter- 

-  hungsstellen  sich  eines  möglichsten  Zusammenarbeitens  be- 
isigen  sollten,  als  einen  vielversprechenden. 

Herr  Roemheld  -  Schloss  Hornegg  weist  darauf  hin,  dass  er 
!  eits  1912  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  eine  Reihe  von  Fällen 
\  öffentlicht  hat,  bei  denen  wiederholte  Blutuntersuchungen  nach  der 
Lginal-Wassermann-Methode,  in  verschiedenen  Instituten  ausge- 
i  rt,  diametral  entgegengesetze  Resultate  ergeben  haben.  Der 
!  iktiker  befindet  sich  demgegenüber  in  einer  sehr  schwierigen  Lage. 
Izu  kommt,  dass  bekanntlich  auch  der  negative  Wassermann  sehr 
1  ifig  nach  Salvarsanbehandlung  umschlägt  und  positiv  wird.  Eine 
psse  Gefahr  liegt  darin,  dass  das  Publikum  heutzutage  schon  auf 
t  ene  Faust  die  Wassermann  sehe  Blutprobe  anstellen  lässt, 
li  sicher  zu  gehen,  sollte  man  stets  mehrfache  Untersuchungen  vor- 
Mmen  und  nie  nach  dem  Ausfall  einer  Probe  urteilen. 

Der  negative  Wassermann  beweist  überhaupt  nichts.  Nur  in 
tn  einen  Fall  dass  jemand  früher  ein  Ulcus  gehabt  und  nie  spe- 
/  sch  behandelt  worden  ist,  lässt  wiederholt  negativer  Wassermann 
it  ziemlicher  Sicherheit  den  Schluss  zu,  dass  es  sich  nicht  um  ein 
Lus  durum  gehandelt  hat.  Die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Blutprobe 
i  nur  ein  Glied  in  der  Kette  der  Symptome,  auf  die  sich  unser 
1  rapeutisches  Handeln  aufbauen  muss,  nicht  mehr  und  nicht  weniger. 

Herr  v.  Düngern  hebt  hervor,  dass  er  mit  der  Wasser- 
lann  sehen  Reaktion  gute  Resultate  gehabt  hat.  Es  werden  in 
:nem  Laboratorium  alle  Sera,  die  überhaupt  geprüft  werden,  auch 
ich  Wassermann  untersucht,  nach  der  Originalmethode,  aber 
it  Meerschweinchenherzextrakt.  Es  wurden  fast  nie  positive  Re¬ 
gionen  beobachtet,  ohne  dass  klinisch  oder  anamnestisch  Lues  nach- 
■isbar  war.  Nur  einige  Uteruskarzinome  machten  eine  Ausnahme, 
lieh  kann  man  auch  hier  nicht  mit  Bestimmtheit  eine  Infektion  mit 
■philis  aussehliessen.  Die  Vorwürfe,  welche  die  Kliniker  der 
assermann  sehen  Reaktion  machen,  beruhen  teilweise  darauf, 
ss  die  Reaktion  auch  die  latente  Lues  anzeigt.  Wir  müssen  uns 
er  freuen,  dass  wir  eine  solche  Reaktion  besitzen.  Natürlich 
ire  es  für  die  klinische  Diagnostik  angenehm,  auch  eine  Reaktion 
haben,  welche  nur  die  floride  Lues  anzeigt.  Da  eine  solche  aber 
;ht  existiert,  muss  man  bestrebt  sein,  die  Serumreaktion  auch  für 
dere  Krankheiten  auszubilden.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  ist 
s  für  die  Tumoren  auch  schon  gelungen.  Es  gelingt,  viele  Fälle, 
mn  auch  nicht  alle,  gegen  andere  Krankheiten  abzugrenzen.  Be- 
chtigter  sind  die  Vorwürfe,  welche  sich  gegen  die  Technik  richten. 

■  ist  ein  grosser  Missstand,  dass  in  jedem  Laboratorium  anders 
riahren  wird  und  es  wäre  sehr  nützlich,  eine  einheitliche  Norm  fest¬ 
setzen.  Kleine  Abweichungen  können  schon  Unterschiede  ergeben. 
»  wurden  früher  im  Laboratorium  v.  Dünger  ns  mehr  Hem- 
ungen  bei  Karzinom  notiert  als  jetzt,  weil  die  Reaktion  etwas 
eniger  s"pezifisch  für  Lues  eingestellt  war.  Die  Abweichung  bestand 
ir  darin,  dass  weniger  physiologische  Kochsalzlösung  zugesetzt 
urde  und  auch  öfters  eingefrorenes  Komplementserum  benützt 
urde.  Meerschweinchenherzextrakt  ist  deshalb  vorzuziehen,  weil 
immer  konstant  hergestellt  werden  kann,  während  die  Extrakte 
is  syphilitischen  Lebern  verschieden  sind.  Eine  einwandfreie 
-chnik  muss  natürlich  immer  vorausgesetzt  werden,  wenn  die  Re- 
Jtate  diagnostisch  wertvoll  sein  sollen.  Die  Güte  der  Reaktion  darf 
ier  nicht  nach  den  unklaren  Fällen  beurteilt  werden.  Es  ist  natür¬ 


lich  nicht  ausgeschlossen,  dass  cs  noch  andere  unbekannte  Krank¬ 
heiten  gibt,  welche  das  Serum  im  Sinne  der  Syphilisreaktion  ab¬ 
ändern.  So  viel  steht  aber  fest,  dass  solche  Fälle  jedenfalls  sehr 
selten  Vorkommen.  Die  Differenzen  zwischen  den  Untersuchungen  in 
verschiedenen  Laboratorien  können  bei  genauer  Untersuchung  ihre 
Erklärung  finden.  Wenn  die  Eigenhemmung  verschieden  stark  war, 
an  verschiedenen  Tagen  und  in  verschiedenen  Laboratorien,  so  ist 
dies  wohl  auf  den  Bakteriengehalt  des  Serums  zurückzuführen.  Die 
Verschiedenheiten  erklären  sich  vor  allem  durch  die  Benützung  ver¬ 
schiedener  Extrakte,  v.  Düngern  hat  schon  letztes  Jahr  mitge¬ 
teilt,  dass  die  Paralytikersera  häufig  nur  mit  Meerschweinchenherz¬ 
extrakt,  nicht  mit  Tumorextrakt  reagieren,  während  Sera  von 
Luetikern  auch  mit  Tumorextrakten  starke  Komplementbindung 
aufweisen. 

Herr  Biermann  referiert  auf  Grund  einer  statistischen  Ueber- 
sicht  über  das  neurologische  Krankenmaterial  der  medizinischen 
Klinik  aus  den  letzten  2  Jahren,  zusammenfassend  über  das  Ergebnis 
der  serologischen  und  Liquoruntersuchungen  bei  tertiär-  und  meta¬ 
luetischen  Erkrankungen  des  Nervensystems.  Die  W.R.  im  Blut 


fand  sich 

bei  Tabes . 

„Paralyse  .  .  .  . 

„  Tabesparalyse  . 
„Luescerebri  .  . 

„  Meningitis  luetica 
„  Lues  cerebrospi¬ 
nalis  .... 


Proz. 

in  45  daraufhin  untersuchten  Fällen  ...  in  etwa  60 

„  15  „  „  „  ebenfalls  „  „  60 

„  1  „  »  . .  »  70 

*  9  »  »  •  •  •  *  40—50 

„  7  „  „  -  zirka  80 


70 


der  Fälle  positiv;  die  WR.  im  Liquor 

bei  Tabes  .  .  .  in  22  daraufhin  untersuchten  Fällen  in  50  Proz. 

„  Paralyse  .  .  „  10  „  „  „  >>  80  „ 

„Taboparalyse„3  „  „  „  „  100  „  der  Fälle 

positiv.  —  Die  übrige  Liquoruntersuchung  ergab  äusserst  wechsel¬ 
volle  Resultate.  Bei  Tabes  fand  sich  der  Liquor  ganz  normal  (alle 
Reaktionen  negativ)  5  mal;  alle  Reaktionen  positiv  wurden  bei  Tabes 
4  mal  gefunden.  —  Den  Beweis  für  einen  hohen  Grad  von  Spezifizität 
der  W.R.  für  Lues  sieht  B.  unter  anderem  daran,  dass  unter 
24  Tumoren  des  Gehirns  und  Rückenmarks  W.R.  im  Blut  nur  4  mal 
positiv  war  (darunter  bei  zwei  durch  Sektion  bezw.  Operation 
sichergestellten  Fällen  von  Tumor);  die  bei  6  Fällen  angestellte 
W.R.  im  Liquor  war  regelmässig  negativ.  Der  in  8  Fällen  chemisch 
und  zytologisch  untersuchte  Liquor  war  in  allen  Fällen  absolut 
normal.  —  Den  besten  Erfolg  glaubt  B.  auf  Grund  der  Kranken¬ 
geschichten  bei  Tabes  und  den  tertiärluetischen  Erkrankungen  (nicht 
bei  Paralyse!)  von  einer  kombinierten  Hg-  und  N  e  o  salvarsan¬ 
behandlung  erwarten  zu  dürfen.  Die  Besserungen  bestanden 
bei  Tabes  meist  in  Hebung  des  Allgemeinzustandes,  Abnahme  der 
Ataxie,  teilweisem  Verschwinden  der  Parästhesie  und  der  Kälte¬ 
hyperästhesie.  Magenkrisen  wurden  niemals  besonders  günstig 
beeinflusst.  —  Von  27  mit  Altsalvarsan  behandelten  Tabesfällen  be¬ 
kamen  10  Kranke  Fieber,  und  zwar  6  Kranke  unter  38°,  4  bis  39°. 
Von  22  mit  Neosalvarsan  behandelten  Tabesfällen  bekamen  nur 
2  Kranke  Fieber,  davon  1  Patientin  mit  schwerem  Kollaps,  der  aber 
noch  im  Laufe  dieses  Tages  völlig  behoben  wurde,  so  dass  sie  am 
nächsten  Tage  entlassen  werden  konnte.  Wirkliche  dauernde 
Schädigungen  nach  Salvarsanbehandlung  kamen  nicht  zur  Beob¬ 


achtung. 

Herr  Szecsi  erwähnt  einen  Fall  von  Dementia  paralytica. 
Der  Liquor  bot  den  typischen  paralytischen  Befund  (Pleozytose, 
Eiweissvermehrung),  auch  die  W.R.  war  mit  dem  Luesleberextrakt 
von  Lesser  positiv.  Der  Liquor  wurde  auch  im  serologischen 
Laboratorium  untersucht  und  dort  fiel  die  Reaktion  mit  Meer¬ 
schweinchenherzextrakt  zuerst  zweifelhaft  aus,  da  Naehlösung  ein¬ 
trat.  Es  wurde  dann  noch  einmal  mit  demselben  Extrakt  und  anderem 
Meerschweinchenserum  untersucht  und  jetzt  war  die  Reaktion  positiv. 
In  Bezug  auf  die  Wahl  des  Extraktes  kann  es  unter  Umständen 
nützlich  sein,  die  klinische  Diagnose  vorher  zu  kennen.  —  Ferner 
betont  Sz.,  dass  die  zytologische  Untersuchung  des  Liquors  nicht 
nur  quantitativ,  sondern  und  in  erster  Reihe  qualitativ  gemacht 
werden  muss,  da  eben  das  qualitative  Bild  der  Zellvermehrung  wich¬ 
tige  diagnostische  Schlüsse  geben  kann.  Er  weist  noch  auf  die 
Buttersäurereaktion  nach  Noguchi  hin,  welche  recht  brauchbare 
Resultate  gibt,  so  z.  B.  bei  Paralyse  etwa  98—100  Proz.  positive 
Fälle.  —  In  Bezug  auf  das  von  Ranke  erwähnte  abnorme  Verhalten 
der  Kaninchensera  erwähnt  Sz.  eigene  Versuche,  die  sich  auf  die 
W.R.  bei  allgemein  syphilitischen  Kaninchen  beziehen.  Es  ergab 
sich  dabei,  dass  aktive  Kaninchensera  normalerweise  eine  negative 
W.R.  geben,  während  die  aktiven  Sera  von  allgemein  syphilitischen 
Kaninchen  eine  positive  Reaktion  geben. 

Herr  Kronfeld:  Die  Salvarsanbehandlung  der  Para¬ 
lyse  war,  wie  sich  aus  statistischen  Vergleichen  ergibt,  weniger 
erfolgreich  als  andere  Therapien  (Tuberkulin,  Natr.  nucleinic.)  ge¬ 
wesen  sein  sollen. 

Freilich  sind  trotz  der  grossen  Literatur  brauchbare  Angaben 
über  die  Salvarsanwirkung  bei  Paralyse  nur  wenig  gemacht  worden. 
Fast  alle  Fälle  wurden  viel  zu  kurze  Zeit  beobachtet;  hieraus  resul¬ 
tiert  ein  Zuviel  an  Erfolgsfällen.  Ferner  verstehen  die  Autoren  oft 
unter  Begriffen  wie  „subjektive  Besserung“,  „Remission“  etc.  ganz 
verschiedene  Dinge.  Ebenso  ist  Alts  „Frühstadium  ‘  schwer  an- 
grenzbar  und  auf  den  Einzelfall  anwendbar. 


4Q4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


Vor  allem  aber  fehlt  oft  völlig  eine  genaue  statistische  Rechen¬ 
schaft  über  die  Aenderung  von  einzelnen  Symptomen,  insbesondere 
objektiven  neurologischen  oder  Liquorbefunden  vor  und  nach  der 
Therapie.  Es  ist  tabellarisch  nachzuweisen,  dass  die  Autoren  ohne 
solche  Statistik  eine  relativ  sehr  grosse  Zahl  von  Erfolgen  berichten 
gegenüber  denen,  die  ihre  Resultate  statistisch  belegen.  Ebenso  hat 
die  Kurve  der  Erfolgszahlen  seit  1910  stetig  abgenommen.  Auch 
örtlich  differieren  die  Resultate  in  merkwürdiger  Weise. 

Herr  S  t  a  r  c  k  -  Karlsruhe:  Vortr.  schätzt  den  Wert  der 
W  a  s  se  r  m  a  n  n  sehen  Reaktion  doch  wesentlich  höher  ein  als  die 
Herren  Vertreter  der  psychiatrischen  Klinik;  wenn'  es  sich  um  eine 
zuverlässige  Untersuchung  handelt,  dann  können  wir  uns  im  all¬ 
gemeinen  auf  den  Ausfall  der  Reaktion  verlassen.  Allerdings  werden 
wir  dieselbe  nur  als  ein  wichtiges  Symptom  im  Krankheitsbild  der 
Syphilis  ansehen  dürfen.  Handelt  es  sich  um  einen  positiven  Ausfall 
der  Reaktion,  ohne  dass  eine  sichere  Lues  vorangegangen  ist,  dann 
ist  in  der  Beurteilung  des  Falles  stets  Vorsicht  geboten.  Wir  sind 
aber  unter  Umständen  gezwungen,  lediglich  auf  Grund  des  positiven 
Ausfalles  der  W.R.  eine  antiluetische  Kur  einzuleiten.  Praktisch  treten 
an  den  Arzt  nicht  selten  diese  Ueberlegungen  heran,  z.  B.  bei  der 
Frage  des  Ehekonsenses.  Wir  sind  verpflichtet,  dem  Kranken  die 
antiluetische  Kur  anzuempfehlen,  wenn  nach  früherer  Lues  nur  noch 
W.R.  positiv  ist,  sonst  aber  keine  luetischen  Symptome  mehr  vor¬ 
handen  sind. 

Vortr.  hat  sich  seit  August  1910  fast  ausschliesslich  auf  die 
Salvarsanbehandlung  beschränkt  und  verfügt  bereits  über  2230  Sal- 
varsaninjektionen,  nur  in  7  Fällen  wandte  er  die  kombinierte  Kur 
mit  Hg  an.  Die  übrige  Kur  besteht  in  6  Injektionen  ä  0,9  g  Neo- 
salvarsan  innerhalb  3  Wochen  (wöchentlich  2  Injektionen).  Weder 
ein  Todesfall  noch  ein  Neurorezidiv  ereignete  sich  bei  dieser  Be¬ 
handlungsweise.  Allerdings  wird  die  W.R.  bei  lange  zurückliegender 
Lues  oft  nicht  negativ,  auch  in  Fällen  nicht,  in  denen  zahlreiche  Hg- 
Kuren  (bis  über  1000  g  Ung.  hydr.  einer.)  gemacht  waren.  Je  früher 
die  Salvarsankur  eingeleitet  wird,  um  so  eher  ist  der  Umschlag  der 
W.R.  zu  erwarten,  am  besten  sind  die  Resultate  in  dem  Stadium, 
in  welchem  die  W.R.  noch  gar  nicht  positiv  gewesen  ist. 

St.  weist  dann  noch  auf  den  heilsamen  Einfluss  von  W.R.  und 
Salvarsantherapie  auf  die  Assanierung  der  Prostitution  hin.  In  der 
kasernierten  Prostitution  geht  die  Lues  von  Jahr  zu  Jahr  auffallend 
zurück,  so  dass  im  vergangenen  Jahre  in  Karlsruhe  nur  noch  4  Lues¬ 
fälle  festzustellen  waren.  Die  Strassenprostitution  dagegen,  die  sich 
der  ärztlichen  Kontrolle  entzieht,  weist  immer  noch  sehr  erhebliche 
Zahlen  an  Lues  auf. 

Herr  Bettmann:  Die  an  rein  dermatologischem  Kranken¬ 
materiale  gewonnenen  Erfahrungen  über  die  Verwertung  der 
Wassermann  sehen  Reaktion  bei  der  Behandlung  der  Syphilis 
sind  nicht  ohne  weiteres  auf  das  Gebiet  des  inneren  Mediziners  und 
des  Neurologen  zu  übertragen.  Auf  keinen  Fall  kann  der  Ausfall  der 
W.R.  allein  in  Fragen  der  Syphilistherapie  entscheiden.  Die  Be¬ 
handlung  kann  gerade  bei  Späterkrankungen  oft  die  positive  W.R. 
nicht  mehr  umstimmen  und  wird  schliesslich  abzubrechen  sein,  wenn 
keine  weiteren  Symptome  der  Lues  bestehen.  Umgekehrt  ist  häufig 
eine  spezifische  Behandlung  trotz  negativen  Ausfalls  der  W.R.  nötig. 
B.  erwähnt  einen  Fall,  in  welchem  manifeste  Symptome  tertiärer 
Syphilis  an  der  Haut  zusammen  mit  Erscheinungen  von  Hirnsyphilis 
bestanden.  Der  Kranke  hatte  nie  eine  antisyphilitische  Kur  durch¬ 
gemacht.  Trotzdem  war  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  des 
Blutes  wie  des  Liquor  cerebrospinalis  negativ  und  auch  die  übrigen 
genauen  Liquoruntersuchungen  (Dr.  Ranke)  ergaben  keinen  posi¬ 
tiven  Befund. 

Die  Ergebnisse  der  Paralleluntersuchungen,  die  mittels  ver¬ 
schiedener  Modifikationen  der  Wassermann  sehen  Reaktion  an 
einer  grösseren  Anzahl  von  Seren  in  der  psychiatrischen  und  Haut¬ 
klinik  vorgenommen  wurden,  lassen  noch  weitere  interessante 
Resultate  erwarten.  B.  hält  es  für  wünschenswert,  dass  sich  an 
diesen  Untersuchungen  möglichst  viele  der  Heidelberger  Institute, 
die  sich  mit  der  W.R.  befassen,  gemeinsam  beteiligen  möchten. 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  16.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  L  e  x  e  r. 

Schriftführer :  Herr  Bennecke. 

Herr  Rehn:  Experimente  zur  Oesophaguschirurgie. 

Bekanntermassen  hat  der  Operateur  bei  der  Entfernung  von 
Oesophagustumoren  mit  den  allergrössten  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen.  Die  Statistik  lehrt,  dass  es  nur  2  mal  gelungen  ist,  dem 
kardialen  Speiseröhrenabschnitte  angehörende  Karzinome  mit  Erfolg 
zu  entfernen,  während  am  Brustabschnitt  der  erste  Erfolg  immer 
noch  aussteht.  Abgesehen  von  der  Tatsache,  dass  die  Patienten  meist 
zu  spät,  d.  h.  mit  grossen,  an  der  Grenze  der  Operabilität  stehenden, 
Tumoren  und  in  desolatem  Kräftezustand  zur  Operation  kommen, 
ist  es  nach  Ansicht  des  Vortragenden  in  erster  Linie  die  Lückenhaftig¬ 
keit  der  Technik,  auf  welche  die  vielen  Versager  zurückzuführen  sind. 
Bei  der  Operation  bereitet  die  Entfernung  des  Tumors  weniger 
Schwierigkeit,  als  die  Wiederherstellung  der  durch  die  Resektion 


unterbrochenen  Kontinuität.  Trotz  aller  möglicher  Versuche  und  Vo 
Schläge,  diese  direkte  Vereinigung  der  Resektionsstümpfe  sicher  ; 
gestalten,  scheiterten  an  diesem  Punkte  fast  ausnahmslos  säm 
liehe  bisherigen  Bemühungen.  In  der  Annahme,  dass  es  aussicht 
los  ist,  auf  diesem  Wege  weiter  zu  kommen,  hat  Vortragender 
unternommen,  auf  andere  Weise  zum  Ziele  zu  gelangen,  angere 
durch  die  von  L  e  x  e  r  geschaffene  und  mit  bestem  Erfolge  a 
Menschen  durchgeführte  Methode  der  Hautschlauchbildung  h 
Speiseröhrenverätzungen.  Ihre  Grundidee  ist,  von  operativen  Mas 
nahmen  an  dem  verätzten  Organ  völlig  abzustehen  und  den  Speise 
einen  neuen,  extrathorakalen  Weg  zu  weisen.  Dieser  Verzicht  a 
die  direkte  Vereinigung  der  Resektionsstümpfe  kann  erfahrungsgemii 
nicht  in  einem  blinden  Verschluss  derselben  seinen  Ausdruck  finde 
da  tödliche  Perforation  stets  die  Folge  zu  sein  pflegt.  Es  mu 
vielmehr  die  Speiseröhre  in  toto  entfernt  werden,  eine  Aufgabe,  den 
Lösung  wegen  der  anatomisch  begründeten,  lockeren  Fixation  de 
selben  keine  Schwierigkeiten  im  Wege  stehen.  Bereits  mit  ausgj 
dehnten  Versuchen  beschäftigt,  welche  teilweise  von  Erfolg  gekro 
waren,  erhielt  Vortragender  davon  Kenntnis,  dass  Levy  im  Jah i 
1897  ähnliches  versucht  und  erfolgreich  an  Hunden  durchgeiülr 
hatte,  ohne  jedoch  die  Ergebnisse  seiner  Versuche  klinisch  verwen 
bar  zu  gestalten.  Deshalb  gerieten  dieselben  in  Vergessend: 1 
Grundlegend  verschieden  sind  die  Experimente  des  Vortragenden  v< 
denen  Levys  einmal  dadurch,  dass  er  nur  den  Schleimhautschlair 
entfernt,  was  schonender  ist  und  den,  durch  anatomische  Eigej 
tiimlichkeiten  bedingten  Verhältnissen  beim  Menschen  besser  Rec 
nung  trägt.  Weiterhin  begnügte  sich  Vortragender  nicht  mit  de 
Bewusstsein,  den  Schleimhautschlauch  des  Oesophagus  erfolgreic 
d.  h.  ohne  die  geringste  Blutung  und  jegliche  anderweitige  Störui 
entfernt  zu  haben,  sondern  er  bemühte  sich,  in  einer  zweiten  Ve_ 
suchsreihe  in  der  Tieroperation  die  Verhältnisse  nachzuahmen,  w 
sie  bei  der  Entfernung  von  Speiseröhrentumoren  am  Menschen  g 
geben  sind.  Der  zur  Demonstration  kommende  Hund  stellt  di 
1.  greifbaren  Erfolg  in  dieser  letzteren,  noch  nicht  abgeschlossen!: 
Versuchsreihe  dar.  Angenommen  wurde  bei  dem  Hund,  dass  e 
Kardiakarzinom  vorläge;  zur  Entfernung  desselben  wurde  folgende; 
massen  vorgegangen: 

1.  Freilegen  des  Oesophagus  am  Halsteil,  zirkuläres  Isolier'1 
des  Schleimhautschlauches  aus  seiner  Muskelhülle. 

2.  Freilegung  der  Kardia  durch  einen  Bauchschnitt  nach  Ma 
wedel.  Beim  Isolieren  des  kardialen  Speiseröhrenabschnittes  w  i 
in  typischer  Weise  vorgegangen,  und  es  gelang  den  Pneumothor, 
zu  vermeiden. 

3.  Nach  Durchtrennung  des  Schleimhautschlauches  wird  mitte 
vom  Halsteil  eingeführter  Sonde,  welche  durch  eine  kleine  Inzision 
Öffnung  am  Magen  herausgeleitet  wird,  der  invaginierte  Schleii 
hautschlauch  vorgezogen,  bis  die  Kardia  in  der  Mageninzision  et 
scheint. 

4.  Durchtrennung  und  Verschluss  des  stark  heruntergezogene: 

seiner  Schleimhaut  beraubten  Oesophagusmuskelschlauches.  i 

5.  Nach  retrograder  Invagination  des  Schleimhautschlauch 
Verschluss  der  Mageninzision  und  Einnähen  der  Kardia  als  Magei 
fistel. 

6.  Anlegen  einer  Oesophagusfistel  am  Hals,  Verschluss  des  2 
Halsteil  eröffneten  Oesophagusmuskelschlauches. 

Der  Hund  hat  diesen  Eingriff  ausgezeichnet  überstanden  u 
ist  zur  Zeit,  14  Tage  nach  der  Operation,  vollkommen  munter.  Zi 
Schlüsse  erwähnt  Vortragender,  dass  Experimente  unter  Annahi 
der  Verhältnisse,  wie  sie  sich  bei  Tumoren  am  Brustteil  des  Oes 
phagus  zu  finden  pflegen,  zur  Zeit  im  Gange  sind. 

Diskussion:  Herr  Lexer  hat  bei  3  Operationen  sehr  ai 
gedehnter  Speiseröhrenkrebse,  von  denen  zwei  an  der  Bifurkati 
sassen,  trotz  des  schliesslich  ungünstigen  Ausganges  die  feste  Uebt 
zeugung  gewonnen,  dass  mit  Hilfe  der  Durchziehmethode  Reh  i 
jedes  nicht  allzu  grosse  Karzinom  radikal  zu  entfernen  ist.  f 
grosser  Zwischenrippenschnitt  links  oder  bei  starrem  Thorax  die  K 
Sektion  der  5.  oder  6.  Rippe  geben  in  diesen  Fällen  Raum  genug,  t 
die  Speiseröhre  zu  präparieren  und  das  Karzinom  aus  der  gesund 
Umgebung  zu  lösen,  ln  zwei  weiteren  Fällen  konnte  durch  dies 
Vorgehen  die  Inoperabilität  (Knoten  in  der  Lunge  bei  kleinem  Kard 
karzinom,  innige  Verwachsung  des  Krebses  mit  der  Aorta)  erkat 
werden.  Auf  jeden  Fall  bedeutet  das  R  e  h  n  sehe  Verfahren  ein 
Fortschritt.  Bei  frühzeitig  zur  Operation  gesandten,  noch  nicht  es 
kräfteten  Kranken  kann  der  ersehnte  Erfolg  nicht  ausbleibsn.  Na 
der  Heilung  ist  die  Bildung  einer  neuen  Speiseröhre  nach  der  Lex  er 
sehen,  bereits  in  einigen  Fällen  erprobten  Methode  möglich. 

Herr  Lexer:  Mammahypertrophie. 

Die  am  7.  November  1912  vorgestellte,  damals  auf  der  em 
Seite  operierte,  Patientin  wird  jetzt  geheilt  vorgestellt.  Die  Operatn 
der  zweiten  Brust  war  schwieriger  wegen  der  notwendigen  Gleit 
heit  der  Grössenverhältnisse.  Nach  der  Heilung  zeigte  sich  die  zule 
operierte  Mamma  noch  etwas  zu  gross,  so  dass  durch  entsprechen 
Exzision  nachgeholfen  werden  musste.  Aus  dem  Warzenhof  wurd 
2  Stücke  zur  Herstellung  von  mammillenähnlichen  Gebilden  beidersei 
zur  Transplantation  mit  Erfolg  benutzt. 

Herr  Hesse  zeigt  eine  modifizierte  Oberkieferresektionspi 
these  bei  einem  Pat.  mit  mittlerer  Kieferklemme.  Er  betont,  dass  < 
frühzeitige  Verhinderung  bzw.  Behandlung  der  Kieferklemme  für  • 
Anfertigung  einer  Resektionsprothese  eine  unerlässliche  Notwend- 
keit  darstellt. 


I 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1.  März  1913. 


Herr  Giese:  Zur  Difterentialdiagnose  zwischen  Tod  durch  Er¬ 
langen  und  Erdrosseln. 

G.  berichtet  über  eine  Schwurgerichtsverhandlung,  in  welcher 
-in  Fall  von  Mord  durch  Erdrosseln  zur  Aburteilung  stand,  während 
üe  Angeklagte,  deren  der  Mittäterschaft  beschuldigter  Bruder  sich 
lurch  Selbstmord  der  Verurteilung  entzogen  hatte,  Tod  durch  Er¬ 
langen  behauptete. 

Der  Obduktionsbefund  liess  einwandfrei  die  Diagnose 
l'od  durch  Erdrosseln  stellen :  es  bestand  zirkuläre  Strangmarke, 
iie  eine  Verwechslung  mit  einer  Erhängungsmarke  in  liegender  Stel¬ 
ling  ausgeschlossen  erscheinen  liess,  starke  Stauung  und  Ekchymosen 
u  Haut  und  Schleimhäuten  jenseits  der  Marke,  beträchtliche  Hyper- 
imie  des  Gehirns  und  seiner  Häute,  Blutungen  in  die  Weichteile  des 
ialses  bei  unversehrtem  Kehlkopfgerüst.  Zahlreiche  Hautabschiir- 
ungen  und  Sugillationen  am  ganzen  Körper  wiesen  auf  einen  voraus- 
begangenen  Kampf  hin. 

Nebenbefunde,  wie  z.  B.  die  Verteilung  des  von  Nasenbluten  her- 
rührenden  Blutes  auf  die  Kleidung,  gestatteten  die  Beantwortung  wei¬ 
terer  Fragen  über  den  vermutlichen  Hergang. 

Diskussion:  Herr  Gump  recht  erinnert  daran,  dass  beim 
Frhängungstode  nicht  nur  die  Abschneidung  der  Blutzufuhr  zum  Ge¬ 
hirn  in  Betracht  komme,  sondern  auch  eine  Kompressionswirkung  auf 
das  Halsmark  dicht  unter  dem  Hinterhauptloch;  darum  trete  die  Be¬ 
wusstlosigkeit  sowohl  wie  der  Tod  beim  Erhängten  rascher  ein,  als 
beim  Erdrosselten.  Ein  typischer  Erhängungsmechanismus  sei  aber 
beim  Erdrosselten  dann  möglich,  wenn  das  durch  einen  Schlag  be¬ 
täubte  Opfer  mit  dem  um  den  Hals  gelegten  Strick  fortgeschleift 
werde;  dann  könne  auch  die  Strangfurche  typisch  nach  aufwärts  ge¬ 
richtet  sein. 

Herr  Giese  bestreitet  nicht  die  Wichtigkeit  des  von  Herrn 
Gumprecht  geschilderten  Mechanismus  für  den  Erhängungstod 
(Druck  auf  die  Medulla  durch  den  Körper  des  Atlas),  betont  aber,  dass 
dieses  Moment  für  das  zur  Diskussion  stehende  Thema  nicht  in  Frage 
kommt,  da  es  einen  an  der  Leiche  nachweisbaren  pathologischen 
Folgezustand  nicht  hinterlässt. 

Herr  Giese:  Stumpfes  Bauchtrauma  —  Peritonitis. 

G.  berichtet  über  den  Obduktionsbefund  bei  einem  Manne,  der 
durch  niedergehende  gefrorene  Erdmassen  auf  der  linken  Körper¬ 
hälfte  getroffen  worden  und  binnen  24  Stunden  gestorben  war. 
Ausser  einer  Luxatio  iliaca  des  linken  Oberschenkels  und  mehreren 
Rippenbrüchen  fand  sich  als  Todesursache  eine  Perforationsperitonitis, 
die  ihren  Ausgang  von  einer  durchgequetschten  Schlinge  des  Jeju¬ 
nums  genommen  hatte.  Zwei  weitere  Darmschlingen  und  ein  Teil  des 
Mesenteriums  boten  ausgedehnte  Sugillationen  dar,  während  die 
Bauchdecken  nicht  die  geringste  Spur  einer  Gewalteinwirkung  er¬ 
kennen  liessen. 

Der  Fall  wurde  mitgeteilt  zur  Illustrierung  der  Erfahrung,  dass 
bei  Bauchtraumen  trotz  schwerer  Zerstörung  an  den  Bauchorganen 
die  Bauchdeken  selbst  keine  Spur  einer  Verletzung  zu  zeigen 

brauchen. 

Diskussion:  Herr  Lexer;  Es  ist  dem  Chirurgen  eine  be¬ 
kannte  Tatsache,  dass  bei  stumpfen  Bauchverletzungen  trotz  schwer¬ 
ster  Schädigung  der  Eingeweide  jede  äussere  Spur  von  Verletzung 
häufig  fehlt.  (Beispiele  aus  der  Klinik.) 

Herr  Gumprecht:  Die  Säuglingssterblichkeit  im  Grossherzog¬ 
tum  Sachsen-Weimar. 

Wie  in  den  meisten  vorwiegend  landwirtschaftlichen  Teilen 
Deutschlands  liegt  auch  in  Sachsen-Weimar  die  Säuglingssterblichkeit 
etwas  unter  dem  Durchschnitte  Deutschlands;  das  gilt  sowohl  für  die 
früheren  Jahrzehnte,  da  die  Ziffer  der  Säuglingssterblichkeit  noch 
hoch  lag,  als  für  das  letzte  Jahrzehnt,  in  dem  die  Ziffern  überall  ge¬ 
fallen  sind  und  in  dem  Weimar  ein  gleiches  Fallen  seiner  Zahlen  er¬ 
lebt  hat.  Von  den  anderen  thüringischen  Staaten  haben  Altenburg 
und  Reuss  höhere  Raten  der  Säuglingssterblichkeit  als  Deutschland, 
sowohl  jetzt  als  früher,  vermutlich  wegen  der  stärker  industriellen 
Bevölkerung.  —  Eine  spezifische  Erscheinung  für  ganz  Thüringen 
ist  die  hohe  Ziffer  der  unehelichen  Geburten;  während  aber  die  un¬ 
ehelichen  Säuglinge  in  den  meisten  anderen  Gegenden  eine  sehr  hohe 
Sterblichkeit  aufweisen,  ist  das  in  Thüringen  in  viel  geringerem 
Masse  der  Fall;  ja  in  dem  dritten  und  vierten  Lebensvierteljahr  ist 
die  Sterblichkeit  der  Unehelichen  sogar  vielfach  geringer  als  die  der 
Ehelichen;  es  liegt  das  vermutlich  an  der  günstigeren  sozialen  Stel¬ 
lung  der  unehelichen  Mutter  auf  dem  Lande  und  an  der  häufigen  nach¬ 
träglichen  Legalisierung  der  Kinder  durch  Heirat  der  Eltern.  Sehr 
merkwürdig,  wenn  auch  allgemein  beobachtet,  ist  die  stärkere  Be¬ 
teiligung  der  Knaben  sowohl  unter  den  Totgeburten  als  unter  den 
Todesfällen  des  ersten  Jahres.  —  Die  öffentlichen  Massnahmen,  die 
in  Sachsen-Weimar  gegen  die  Säuglingssterblichkeit  ergriffen  worden 
sind,  decken  sich  mit  den  überall  üblichen;  die  Fürsorgestellen  sind 
fast  ausschliesslich  von  den  Frauenvereinen  betrieben;  mit  den  Heb¬ 
ammenprämien  sind  trotz  ihrer  komplizierten  Verwaltung  sehr  gün¬ 
stige  Erfahrungen  gemacht  worden. 

Diskussion:  Herr  L  o  m  m  e  1. 

Herr  Gumprecht:  ln  Sachsen-Weimar  sind  ausgedehnte  Er¬ 
hebungen  über  die  Verbreitung  der  natürlichen  Ernährung  des  Säug¬ 
lings  gemacht  worden.  Sie  haben  ergeben,  dass,  wie  auch  in  anderen 
Ländern,  der  Einfluss  des  Selbststillens  auf  die  Ziffer  der  Säuglings¬ 
sterblichkeit  ein  absolut  dominierender  ist.  Selbst  in  den  wirtschaft¬ 
lich  ungünstigsten  Gebirgsorten,  wo  die  Leute  durch  schlechte  Woh¬ 
nung,  Heimarbeit,  meist  auch  durch  Alkohol,  schwer  leiden,  ist  die 


495 

Säuglingssterblichkeit  auffallend  gering,  während  sie  in  wohlhabenden 
Gegenden  mit  industrieller  Bevölkerung,  aber  viel  künstlicher  Er¬ 
nährung  hoch  liegt. 

Herr  Berger:  Messung  der  Reflexzeit. 

Vortr.  berichtet  über  die  Messung  der  Reflexzeit  des  Droh¬ 
reflexes  am  menschlichen  Auge.  Im  Gegensatz  zu  der  grossen  Be¬ 
deutung,  welche  die  einfache  Feststellung  des  Vorhandenseins  und  der 
Stärke  der  Sehnenreflexe  in  der  neurologischen  und  psychiatrischen 
Diagnostik  besitzt,  sind  bisher  die  praktischen  Ergebnisse  der  kom¬ 
plizierten  Messung  der  Reflcxzeit,  z.  B.  des  Patellarreflexes  äusserst 
dürftige  und  keinesfalls  der  aufgewandten  Mühe  entsprechende. 

Es  lag  der  Gedanke  nahe,  in  der  Psychiatrie  für  die  diagnostische 
Trennung  funktioneller  und  organischer  Grosshirnerkrankungen,  wie 
sie  eine  der  ersten  und  alltäglichen  Erfordernisse  der  Praxis  dar¬ 
stellt,  Rindenreflexe  zur  Untersuchung  zu  verwenden  und  fest¬ 
zustellen,  ob  die  Messung  ihrer  Reflexzeiten  vielleicht  sicherere  und 
in  einem  früheren  Stadium  der  Erkrankung  erkennbare  Anzeichen 
für  ein  organisches  Gehirnleiden  darbieten  als  die  bisher  ausschliess¬ 
lich  zu  solchen  Messungen  benutzten  Rückenmarksreflexe. 

Von  solchen  Erwägungen  ausgehend  hat  B.  zunächst  solche  Re¬ 
flexzeitmessungen  an  einem  unzweifelhaften  Rindenreflex,  dem  Droh¬ 
reflex,  welcher  bekanntlich  in  einer  Blinzelbewegung  bei  Annäherung 
eines  Gegenstandes  an  das  Auge  besteht,  vorgenommen.  Die  Ver¬ 
suchsanordnung  war  so,  dass  ein  Lidschlüssel  mit  elektrischem  Kon¬ 
takt  den  Beginn  der  Lidsenkung,  eine  Stimmgabel  von  250  Doppel¬ 
schwingungen  in  der  Sekunde  die  Zeit  und  ein  an  dem  Reizapparate 
angebrachter  Schleifkontakt  den  Augenblick  des  auslösenden  Reizes 
verzeichnete.  Der  Reizapparat  bestand  aus  einem  30  cm  langen 
scharzen  Pappflügel,  der  nach  Art  der  Windmühlenflügel  an  einer 
Achse  befestigt  war.  Während  die  Versuchsperson  mit  dem  Zu¬ 
sammenzählen  von  Punkten  beschäftigt  war,  tauchte  plötzlich  7  cm 
vor  ihrem  rechten  Auge  die  schwarze  Fläche  auf.  Am  linken  Auge 
war  der  Lidschlüssel  befestigt. 

Die  Messungen  an  10  gesunden  Personen  verschiedenen  Alters 
ergaben  Werte  von  0,052 — 0,108",  im  Mittel  von  0,0759". 

Mit  einem  anderen  Reizapparate,  einer  3  cm  vor  dem  rechten 
Auge  emporschnellenden  Feder,  die  an  ihrer  Spitze  ein  Quadrat  von 
schwarzem  Papier  trug,  wurden  bei  5  Versuchspersonen  der  ersten 
Versuchsreihe  Werte  Von  0,096 — 0,128",  im  Mittel  von  0,112'  fest¬ 
gestellt. 

Die  Intensität  des  zweiten  Reizes  ist  eine  geringere  und  wir 
fanden  dementsprechend  eine  deutliche  Verlängerung  der  Reflex¬ 
zeiten  des  Drohreflexes,  eine  Bestätigung  des  bekanten  Satzes,  dass 
die  Reflexzeit  mit  zunehmenden  Reizstärke  abnimmt. 

In  der  Literatur  liegen,  soweit  B.  bekannt,  Messungen  über  die 
Reflexzeit  des  Drohreflexes  beim  Menschen  nicht  vor,  obwohl  sonst 
der  Blinzelreflex  öfter  zum  Gegenstand  sehr  exakter  Messungen  ge¬ 
macht  worden  ist.  B.s  Werten  stehen  am  nächsten  die  Zahlen,  welche 
von  Garten  für  den  Blendungsreflex  ermittelt  worden  sind,  er  fand 
als  Grenzen  0,061 — 0,132  und  Zwaardemacker  und  Laus 
geben  als  Mittel  0,088"  an.  Die  Mehrzahl  der  Autoren  sieht  den  Blen¬ 
dungsreflex,  d.  h.  den  Augenreflex  bei  greller  Beleuchtung  nicht  für 
einen  Rindenreflex  an,  vielleicht  spricht  die  Uebereinstimmung  seiner 
Reflexzeit  mit  derjenigen  eines  unzweifelhaften  Rindenreflexes,  des 
von  B.  gemessenen  Drohreflexes,  doch  für  die  Ansicht  einiger  Autoren, 
dass  der  Blendungsreflex  in  seiner  vollkommenen  Form  den  Rinden¬ 
reflexen  zuzurechnen  sei. 

Bei  organischen  Erkrankungen  des  Grosshirns  könnte  man  so¬ 
wohl  eine  Verlängerung  als  auch  eine  Verkürzung  der  Reflexzeit  eines 
Rindenreflexes  erwarten,  indem  entweder  die  Leitungsgeschwindig¬ 
keit  in  den  mit  in  den  Krankheitsprossess  einbezogenen  —  aber  nicht 
zerstörten  —  Bahnen  und  Zentren  herabgesetzt  oder  aber  dadurch 
gesteigert  ist,  dass  deren  Bahnen  und  Zentren  zwar  selbst  normal, 
von  dem  hemmenden  Einfluss  anderer  erkrankter  Zentralgebiete  frei 
geworden  sind. 

B.  hat  an  2  Patienten  mit  Dementia  paralytica  Messungen  der 
Reflexzeit  des  Drohreflexes  angestellt,  die  Werte  lagen  innerhalb  der 
normalen  Variationsbreite,  obwohl  der  Krankheitsprozess  in  dem  einen 
Fall  schon  weiter  fortgeschritten  war. 

Eine  diagnostische  Bedeutung  kann  also  auch  den  Messungen  der 
Reflexzeit  dieses  Rindenreflexes  nicht  zukommen,  jedenfalls  ist  aber 
von  B.  zum  erstenmal  der  Versuch  gemacht,  die  Reflexzeit  eines  un¬ 
zweifelhaften  Rindenreflexes  beim  Menschen  zu  messen. 

Herr  Ahrens:  Ueber  einen  Fall  von  Hirnabszess. 

Vortr.  demonstriert  ein  Gehirn  mit  enzephalitischen  Herden  und 
beginnender  Abszedierung.  Der  Krankheitsherd  befand  sich  iin 
unteren  Teil  des  Claustrum  und  Putamen,  die  Hirnrinde  war  gesund. 
Patient  hatte  tonische  Krämpfe  im  Fazialis  und  Arm  der  gegenüber¬ 
liegenden  Seite  mit  daran  anschliessenden  klonischen  Krämpfen  der 
gesamten  Muskulatur. 

Bei  der  Operation  fand  sich  ein  sehr  starker  Hirndruck  mit 
Hyperämie  der  Piavenen. 

Vortr.  weist  darauf  hin,  dass  man  bei  Hirndruck  aus  der  Hyper¬ 
ämie  der  Piavene  nicht  auf  einen  entzündlichen  Prozess  schliessen 
darf,  da  er  dieselbe  in  mehreren  Fällen  beobachtete,  wo  bei  der  Sek¬ 
tion  keine  Entzündung  gefunden  wurde.  Die  venöse  Stauung  war  in 
jenen  Fällen  wohl  nur  durch  eine  Kompression  der  Gefässe  zwischen 
Hirn  und  Knochen  hervorgerufen. 


496 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  13.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Keller. 

Schriftführer:  Herr  Eugen  H  o  p  m  a  n  n. 

Herr  Goetjes  berichtet  über  die  allgemeinen  Erfahrungen,  die 
er  zusammen  mit  Herrn  Dr.  G  o  e  b  e  1  in  Belgrad  im  Dienste  des 
sei  bischen  Roten  Kreuzes  als  Leiter  eines  Reservelazarettes  machte. 

Herr  Goebe!  bespricht  zunächst  die  im  allgemeinen  an  dem 
Verwundetenmaterial  des  4.  Reservelazarettes  in  Belgrad,  das  der 
Leitung  der  Vortragenden  unterstand,  gemachten  Erfahrungen.  Unter 
306  Kranken  fanden  sich  252  Schussverletzun'gen,  von  denen  142  durch 
Hartmantelgeschosse,  102  durch  Schrapnellschüsse  und  8  durch 
Granatsplitter  verursacht  waren.  Im  ganzen  bestätigten  die  durch 
das  kleinkalibrige  Geschoss  hervorgerufenen  Verletzungen  die  in 
früheren  Kriegen  gemachten  Beobachtungen.  Die  Schrapnellschuss¬ 
verletzungen  glichen  den  durch  das  früher  gebräuchliche  Bleigeschoss 
erzeugten  Wunden.  Von  allen  Schussverletzungen  heilten  31  Proz. 
primär;  akute  Infektionen,  die  einen  sofortigen  Eingriff,  Amputation, 
breite  Spaltung  und  bei  Frakturen  Ausräumung  der  Fragmente  nötig 
machten,  zeigten  15  Proz.;  in  den  übrigen  54  Proz.  der  Fälle  handelte 
es  sich  um  grössere  oder  kleinere  Wunden,  die,  nicht  akut  infiziert, 
sich  erst  sekundär,  z.  T.  nach  operativer  Behandlung,  schlossen.  Zu 
ihnen  gehören  auch  die  Fälle,  an  denen  schon  in  den  Durchgangs¬ 
lazaretten  Eingriffe,  Entfernung  von  Kugeln,  Knochensplittern  u.  ä. 
vorgenommen  worden  waren.  Unter  Hervorhebung  besonderer  Fälle 
bespricht  Vortr.  dann  das  Material  im  einzelnen.  Es  enthielt,  ab¬ 
gesehen  von  der  genannten  Zahl  von  Schussverletzungen,  eine  Reihe 
von  Erdkontusionen  durch  Granatexplosionen,  eine  Anzahl  innerer 
Fälle,  funktionelle  Erkrankungen,  4  Fälle  von  Typhus  u.  a.  und  soll  j 
eingehend  an  anderer  Stelle  veröffentlicht  werden. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  3.  Oktober  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Thorei:  Demonstrationsvortrag  über  Endokarditis  und 
Klappenfehler. 

Sitzung  vom  17.  Oktober  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Thorei  demonstriert  anatomische  Präparate  von  Gallen¬ 
steinerkrankungen  als  Illustration  zu  dem  folgenden  Vortrag. 

Herr  Herbst:  Endformen  der  Cholelithiasis. 

Sitzung  vom  8.  November  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  J.  Müller  stellt  einen  Fall  von  primärer  Myopathie  vor. 

Herr  Hu  brich  stellt  einen  16  jährigen  jungen  Mann  vor:  Der¬ 
selbe  fuhr  letzten  Sonntag  auf  der  Strassenbahn,  vor  ihm  stand  eine 
Dame  mit  ungeschützter  Hutnadel;  als  der  Wagen  rasch  anfuhr,  tau¬ 
melte  die  Dame  zurück  und  die  Nadelspitze  drang  dem  Jungen  ins 
Auge;  er  spürte  etwas  Warmes  im  Gesicht,  ging  aber  dann  nach 
Hause  ohne  der  Sache  weitere  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Als 
er  am  nächsten  Tage  eine  bedeutende  Herabsetzung  des  Sehver¬ 
mögens  bemerkte,  ging  er  zum  Arzt.  Ausser  mässiger  perikornealer 
Injektion  fand  sich  im  äusseren  Hornhautquadranten  eine  schräge, 
leicht  infiltrierte,  kanalartige  Wunde,  ein  Riss  der  Linsenkapsel,  eine 
hintere  Synechie,  die  Linse  war  namentlich  in  den  vorderen  korti¬ 
kalen  Partien  getrübt,  die  Sehschärfe  herabgesetzt  auf  Finger  in  2  m. 
Ob  die  Linse  sich  ganz  trüben  wird  und  später  linear  extrahiert 
werden  muss,  lässt  sich  noch  nicht  sagen.  Jedenfalls  handelt  es  sich 
um  eine  schwere  Augenverletzung  mit  dauernder  Schädigung  des  Seh¬ 
vermögens,  welche  strengste  Handhabung  des  Verbots,  ungeschützte 
Hutnadeln  zu  tragen,  durch  die  Schaffner  der  Trambahn  gerecht¬ 
fertigt  erscheinen  lässt. 

Herr  Mainzer  stellt  eine  Patientin  vor  mit  myasthenischer 
Paralyse. 

Herr  Schwab:  1.  Resultate  der  häuslichen  Geburtshilfe. 

Die  Ergebnisse  einer  Serie  von  100  mit  Kunsthilfe  beendeten  Ge¬ 
burten  werden  erörtert.  Das  zugrunde  liegende  Material  setzt  sich 
zusammen  aus  63  Zangen,  17  Wendungen,  6  Extraktionen  bei  Steiss- 
lage,  7  künstlichen  Frühgeburten,  6  Perforationen,  3  Embryotomien 
und  1  Bossi.  Von  den  Müttern  starb  1  an  Eklampsie,  2  an  Sepsis, 
die  bereits  vorher  bestanden  hatte.  Der  Zangenextraktion  sind 
2  ernste  Fieberfälle  zur  Last  zu  legen.  Von  den  Kindern  gingen  zu¬ 
grunde:  eines  an  der  Eklampsie  der  Mutter  bei  künstlicher  Früh¬ 
geburt,  ein  Zwillingskind  durch  Wendung,  eines  wurde  bei  Placenta 
praevia  totalis  absichtlich  geopfert;  unter  und  nach  der  Zangen¬ 
extraktion  starben  3  Kinder.  Manuelle  Plazentarlösung  wurde  ein¬ 
mal  wegen  Eklampsie  vorgenommen.  D  ii  h  r  s  s  e  n  sehe  Tamponade 
und  Schnitze  sehe  Schwingungen  waren  nicht  nötig.  9  Dammrisse 
ersten,  6  zweiten  Grades,  sonst  keine  Verletzungen.  Bei  der  Be¬ 
schaffenheit  des  örtlichen  Materiales  lassen  sich  also  fast  alle  Ge, 
bürten  mit  den  einfachen  Hilfsmitteln  der  Geburtshilfe  in  zufrieden¬ 


No.  9. 


stellender  Weise  beendigen;  andererseits  ist  bei  Fieber  im  Wochen¬ 
bett  immer  eine  Infektion  von  aussen  her  anzunehmen,  die  sog.  endo¬ 
gene  Infektion  ist  mangels  bündiger  Beweise  und  im  Interesse  der 
Mütter  abzulehnen. 

Diskussion:  Herr  Simon:  Ich  bin  mit  dem  Vortragenden 
bezüglich  der  Infektionsfrage  vollkommen  einverstanden,  dass  man  für 
die  Praxis  an  dem  Grundsätze  festhaltet!  muss:  Die  Gefahr  kommt 
von  aussen;  die  Selbstinfektion  spielt  eine  verschwindend  geringe 
Rolle.  Im  Verfolge  dieser  Anschauung  huldige  ich  in  der  Geburtshilfe 
einem  äussersten  Konservativismus. 

Um  zu  prüfen,  wie  weit  die  innere  Untersuchung  Kreissender 
eingeschränkt  werden  kann,  wurde  an  dem  mir  unterstellten  Wöch¬ 
nerinnenheim  bei  1000  Entbindungen  nur  auf  strikte  Indikation  hin 
untersucht;  es  zeigte  sich,  dass  750  Geburten  ohne  jede  innere  Be¬ 
rührung  zu  Ende  geführt  werden  konnten.  Im  gleichen  Sinne  wurden 
die  geburtshilflichen  Operationen  auf  das  Notwendigste  beschränkt, 
so  dass  unter  den  letzten  500  Geburten  nur  6  Zangen  angelegt  wurden, 
was  zum  Teil  der  günstigen  Wirkung  des  Pituitrins  zu  danken  ist. 
Wenn  auch  ein  guter  Techniker  sich  einmal  öfters  eine  Zange  er¬ 
lauben  darf,  so  möge  'doch  für  den  Praktiker  im  allgemeinen  an  den 
erprobten  strikten  Indikationen  festgehalten  werden.  Denn  niemand 
weiss  bei  Beginn  der  Zangen'entbindung  den  weiteren  Verlauf  be¬ 
züglich  Zerreissbarkeit  der  Gewebe,  Dammrisse  etc.  Die  Folgen  einer 
Zangenentbindung  machen  sich  oft  erst  viel  später  durch  Senkung 
und  Vorfall  der  Scheide  bemerkbar. 

Herr  Schwab:  2.  Demonstrationen:  a)  Uterus  duplex  separatus 
(didelphys),  durch  Totalexstirpation  wegen  chronischer  Adnex¬ 
entzündung  und  starker  Beschwerden  gewonnen.  Zwei  gut  ausge¬ 
bildete  Corpora,  cervices  und  portiones,  durch  eine  breite  Binde- 
gewebswand  von  einander  getrennt. 

b)  4  nach  W  e  r  t  h  e  i  m  totalexstirpierte  Uteri  mit  Kollum- 
karzinom.  Fortgeschrittene  Fälle  (Einreissen  beim  Anheben  des 
Uterus,  karzinomatöse  Drüsen),  die  dem  Bestreben  nach  möglichster 
Ausdehnung  der  Operation  ein.  Hemmnis  sind. 

Herr  F.  Merkel:  Die  Amerikareise  deutscher  Aerzte. 


Naturwissenschaft!.- medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Dezember  1912. 

Herr  Baensch:  Das  Verhältnis  zwischen  Gehirn  und  Seele  in 
der  Auffassung  der  neuen  französischen  Philosophie  (Henri  Berg- 
s  o  n.) 

Der  Vortragende  gibt  zunächst  einen  Ueberblick  über  Berg- 
sons  wissenschaftliche  Entwicklung  und  charakterisiert  die  uns 
Deutsche  an  Kants  und  Hegels  Zeiten  gemahnende  universale 
Wirkung,  die  „die  neue  Philosophie“  heute  im  geistigen  Leben  Frank¬ 
reichs  ausiibt.  Er  wendet  sich  dann  zu  seinem  speziellen  Thema, 
nachdem  er  vorher  erklärt  hat,  dass  er  Bergsons  (in  dem  Buch 
„Matiere  et  Memoire“  aufgeführte)  Theorie  nur  in  ihren  allgemeinen 
Grundzügen  darlegen  werde,  ohne  auf  deren  vielfältige  empirische 
und  spekulative  Beweise  tiefer  einzugehen  und  ohne  selber  zu  ihr 
kiitisch  Stellung  zu  nehmen.  Hier  seien  die  Hauptpunkte  von  Berg¬ 
sons  Theorie  kurz  skizziert. 

Bergson  geht  von  der  Tatsache  aus,  dass  wir  die  Körperwelt 
in  zweierlei  Ordnungssystemen  auffassen:  in  dem  der  Wissenschaft 
und  in  dem  der  Wahrnehmung.  Nach  dem  einen  ist  die  Körperwelt 
ein  allgemeiner  gesetzlicher  Zusammenhang,  in  dem  jeder  einzelne 
Körper  sich  für  sich  verändert  nach  Massgabe  der  Wirkungen,  die 
er  empfängt  und  verursacht.  Nach  dem  andern  ist  die  Körperwelt 
auf  den  Leib  des  Wahrnehmenden  als  Zentrum  bezogen  und  in  erster 
Linie  von  diesem  und  seinen  Zuständen  abhängig.  Wird  der  Leib 
verletzt  oder  vernichtet,  so  ändert  sich  im  Ordnungssystem  der 
Wissenschaft  nichts  Wesentliches,  dagegen  aus  dem  Ordnungssystem 
der  Wahrnehmung  können  (wie  bei  durchschnittenen  Sehnerven) 
ganze  Partien  ausfallen  oder  es  hört  gänzlich  auf  zu  sein. 

Wie  ist  das  Verhältnis  beider  Ordnungssysteme  zueinander  zu 
denken?  Bergson  lehnt  hier  die  gewöhnliche  Auffassung  ab,  nach 
der  dies  Verhältnis  das  vom  Urbild  zum  (durch  Gehirnerregung  her¬ 
vorgerufenen)  Abbild  ist.  Seiner  Meinung  nach  — und  hierin  berührt 
er  sich  mit  Mach  und  Avenarius,  ohne  sie  gekannt  zu  haben  — 
ist  dies  Verhältnis  das  vom  Ganzen  zum  Teil.  Die  Wahrnehmungs¬ 
welt  des  Bewusstseins  ist  ein  Ausschnitt  aus  der  objektiv  realen 
Körperwelt  selbst,  das  Wahrnehmungsbild  von  einem  Körper  ist  kein 
psychisches  Abbild,  sondern  ein  physischer  Teil  von  ihm. 

Dann  aber  kann  das  Wahrnehmungsbild,  weil  neben  dem  Gehirr 
physisch  real,  nicht  durch  die  Gehirnerregung  erst  erzeugt  worden 
sein,  anlässlich  deren  allein  es  doch  andererseits  vor  dem  Bewusst¬ 
sein  erscheint.  Wie  also  bedingt  die  Gehirnerregung  das  Auftreten 
der  Wahrnehmung? 

Bergson  sieht  im  Nervensystem  lediglich  ein  Organ  zur  Auf¬ 
nahme  und  Weiterleitung  von  Bewegungen.  Je  höher  das  Zentrum 
liegt,  in  dem  der  Uebergang  stattfindet,  desto  mehr  verliert  die  aui 
den  Reiz  hin  eintretende  Reaktion  den  Charakter  der  Notwendigkeit 
desto  mehr  gewinnt  sie  den  Anschein  willkürlich  gewählt  zu  sein 
Da  unsere  Fähigkeit  zu  willkürlichen  Bewegungen  zu  oberst  von 
intakten  Zustande  des  Nervensystems  und  zumal  des  Gehirns  ab- 


März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


497 


ingt.  so  schliesst  Bergson,  dass  das  Gehirn  und  mit  ihm  der  Leib 
ir  allem  ein  Instrument  der  Aktivität,  des  willkürlichen  Handelns  sei. 

Die  vorn  Gehirn  aufgenommene  Reizerregung  setzt  sich  in  be- 
nnende  Reaktionen  fort.  Welche  Reaktionsbewegung  wirklich  aus- 
efiihrt  wird,  hängt  ab  von  der  Wahl,  die  unsere  Aktivität  trifft, 
ählen  können  wir  aber  nur,  wo  wir  wissen.  Und  dies  zur  Wahl 
itige  Wissen  liefert  uns  die  Wahrnehmung:  in  dem  Augenblick,  wo 
>r  Geist  vor  die  Frage  gestellt  wird,  ob  er  die  beginnende  Reaktion 
diese  oder  jene  Handlung  weiter  laufen  lassen  soll  oder  nicht, 
leuchtet  ihm  die  Wahrnehmung  das  Ding,  von  dem  der  Reiz  aus- 
ng,  und  klärt  ihm  die  Lage  auf.  So  begreift  sich  das  gemeinsame 
nf treten  von  Gehirnerregung  und  Wahrnehmung. 

Zugleich  begreift  sich  aus  der  Auffassung  des  Gehirns  als 
ktionszentrum  und  aus  der  Zuerteilung  einer  Aufklärungsfunktion 
un  Zwecke  der  Wahl  an  die  Wahrnehmung  der  Charakter  des 
rdnungssystems  der  Wahrnehmung:  wir  nehmen  nicht  alle  Dinge 
ahr  (sonst  wäre  es  mit  dem  Ordnungssystem  der  Wissenschaft 
lentisch),  sondern  nur  die,  über  die  unser  Leib  jeweils  Macht  hat, 
ad  von  diesen  nur  so  viel,  als  unsere  Interessen  verlangen;  und 
user  Leib  steht  im  Zentrum  der  Wahrnehmungswelt,  eben  weil 
aser  Gehirn  das  Aktionszentrum  ist.  Unsere  Wahrnehmung  zeigt 
ns  im  Wiederschein  die  Summe  unseres  möglichen  Einflusses  auf 
ie  Dinge. 

Die  Gehirnerregung  erzeugt  also  nicht  die  Wahrnehmung  als 
in  Abbild.  Wohl  aber  bedingt  die  Situation  unseres  Leibes  und  die 
veilige  motorische  Einstellung  des  Gehirns,  welcher  Teil  der 
lysischen  Objekte  unmittelbar  und  urbildlich  vor  unser  Bewusstsein 
itt,  und  welcher  für  uns  im  Dunkel  bleibt. 

Aber  die  Wahrnehmung  ist  nicht  bloss  Bewusstsein  äusserer 
nd  realer  Objekte,  in  sie  mischen  sich  vielmehr  einmal  Affektionen, 

.  h.  das  Bewusstsein  von  Zuständen  des  eigenen  Leibes,  die  durch 
ie  Reizerregung  verursacht  sind,  und  dann  Erinnerungen,  d.  h.  das 
Bewusstsein  vergangener  Objekte. 

Die  Affektionen  sind  selber  eine  Art  der  Wahrnehmung,  nämlich 
Wahrnehmungen  des  eigenen  Leibes  und  bieten  der  Theorie  nicht 
tue  Schwierigkeiten.  Um  so  schwieriger  sind  die  Erinnerungen  zu 
rklären. 

Gemeinhin  gilt  das  Gehirn  irgendwie  als  Stapelplatz  unserer 
edächtnisvorstellungen,  die  es,  vermöge  von  Erregungen,  aktiviere, 
»emgegenüber  behauptet  B  e  r  g  s  o  n,  dass  das  Gehirn  nie  etwas 
nderes  verrichte,  als  Bewegungen  weiterzuleiten,  und  keinesfalls 
orstellungen  einmagaziniere  oder  produziere;  ja  er  erblickt  in  der 
atsache  der  Erinnerung  den  Beweis  für  die  Existenz  eines  nicht- 
lateriellen  Prinzips.  Und  er  knüpft  seinen  Beweis  an  tiefsinnige 
Betrachtungen  über  die  Zeit,  die  den  innersten  Kern  seiner  Philo- 
:rphie  ausmachen. 

In  der  materiellen  Welt  ist  nur  der  jeweilige  punktuelle  Augen- 
lick  wirklich:  das  Jetzt  der  Materie  ist  Augenblicklichkeit,  ohne 
rinnerung  an  das  vorige  Jetzt. 

Dagegen  vermag  der  Geist  eine  längere  Zeitstrecke  gewisscr- 
lassen  gleichzeitig  zu  überschauen.  Eigentlich  jetzt  ist  zwar 
uch  hier  nur  deren  jeweilig  vorgeschobenster  Punkt,  aber  ein  un- 
estirnmter  Teil  der  vorangegangenen  Punkte  organisiert  sich  mit 
iesem  zu  einer  merkwürdigen  qualitativen  Einheit,  wie  wir  sie  etwa 
eim  Anhören  einer  Melodie  am  deutlichsten  erleben,  deren  jeweilig 
:tzter  Ton  alle  vorangegangenen  in  sich  auf  nimmt  und,  durch  sie 
ualitativ  bestimmt,  sie  von  sich  aus  wieder  finden  lässt.  Das 
sychische  Jetzt  ist  Dauer  und  Erinnerung. 

In  der  physischen  Welt  bildet  die  Reihe  der  Augenblicke 
in  einfaches  Nacheinander:  a,  b,  c,  d  usw.  bei  Veränderung;  a,  a, 
.  a  usw.  bei  Beharrung. 

In  der  psychischen  Welt  sind  die  Augenblicke  nicht 
usserlich  nacheinander,  sondern  zugleich  nacheinander  u  n  d  in- 
inander:  a,  a  in  b,  a  in  b  in  c,  a  in  b  in  c  in  d  usw.  bei  Veränderung; 
.  a  in  a,  a  in  a  in  a  usw.  bei  Beharrung  ■  (so  dass  demnach  im 
’sychischen  eigentliche  Beharrung  gar  nicht  möglich  ist:  Dauer 
chliesst  Beharrung  aus,  sie  ist  Veränderung,  die  entweder  Ver- 
chiedenes  oder  Gleiches  aufeinanderhäuft).  Freilich  auch  solche 
•  usdriieke  wie  Einheit  von  Nacheinander  und  Ineinander  sind  nur 
nzureichende  vom  Raum  hergenommene  Metaphern  für  das  eigen- 
rtige  Erlebnis  der  Dauer.  Und  alle  Ansichten,  die  Dauer  und  Er¬ 
uierung  aus  übereinandergeschichteten  und  ineinandergeschachtelten 
iehirnzuständen  erklären  wollen,  sind  nichts  weiter,  als  Umsetzungen 
Geher  unzureichender  räumlicher  Metaphern  in  schlechte  physio- 
igische  Theorien.  Dauer  und  Erinnerung  sind  ursprüngliche  Data 
les  psychischen  Seins  und  als  solche  nur  ^onstatierbar,  sie  sind 
icht  Aufgaben  für  die  Erklärung,  sondern  selbst  Erklärungsmittel. 

B  e  r  g  s  o  n  nimmt  nun  an,  dass  unser  rein  geistiges  Gedächtnis 
ii  der  Form  dieses  qualitativen  Einsammelns  alle  Ereignisse  unseres 
-ebens  ohne  Unterschied  registriere  und  bewahre:  wie  denn  unsere 
neisten  Erinnerungen  sich  auf  einmalige  Vorkommnisse  unseres 
ebens  beziehen. 

Aber  neben  diesem  rein  geistigen  Gedächtnis,  das  ..wiedersieht“, 
teht  ein  körperliches  Gedächtnis,  das  „wiederholt“.  Es  ist  die  auf 
-iniibung  beruhende  motorische  Gewohnheit,  eine  „Funktion  der 
'rgauischen  Materie“,  deren  eigentlicher  zentraler  Apparat  das 
Nervensystem  und  zumal  das  Gehirn  ist. 

i  Die  Tatsachen  des  Gedächtnisses  überhaupt  sind  aus  dem  Zu- 
ammenarbeiten  des  wiedersehenden  psychischen  und  des  wieder- 
lolenden  physischen  Gedächtnisses  zu  begreifen.  Es  ist  der  Irrtum 


der  rein  physiologischen  Gedächtnishypothesen,  dass  sie,  verführt 
durch  die  oft  staunenswerten  Leistungen  des  wiederholenden  Ge¬ 
dächtnisses,  mit  diesem  allein  auskommen  zu  können  glauben. 

B  e  r  g  s  o  n  hat  dieses  Zusammenarbeiten  am  Beispiel  des 
Wiedererkennens  näher  verdeutlicht. 

Jede  Wahrnehmung  hat  die  Tendenz,  sich  in  Handlungen  des 
Leibes  fortzusetzen:  die  Erregungen  des  Gehirns  sind  „entstehende 
Reaktionsbewegungen“.  Unter  diesen  heben  sich  hier  d  i  c  heraus, 
vermittelst  deren  wir  ein  wahrgenommenes  Objekt  irgendwie  nach¬ 
zuahmen  suchen,  wie  z.  B.  ein  gehörtes  Wort  durch  Sprech¬ 
bewegungen.  B  e  r  g  s  o  n  nennt  die  Gehirnerregungen,  die  derartige 
nachahmende  Reaktionsbewegungen  einleiten,  „motorische 
Schemata“.  Es  ist  eine  Hauptleistung  des  organischen  wieder¬ 
holenden  Gedächtnisses,  solche  Schemata  auszubilden  und  bereit  zu 
halten.  Knüpft  sich  nun  an  eine  Wahrnehmung  ein  wohleingeübtes 
motorisches  Schema,  so  empfinden  wir  zunächst,  was  man  als  Be¬ 
kanntheitsqualität  der  Wahrnehmung  bezeichnet  hat.  Hierdurch  erst 
wird  das  Wiederauftauchen  des  Erinnerungsbildes  selbst  veranlasst. 
Und  zwar  so: 

Das  geistige  Gedächtnis  bewahrt  alles,  dessen  wir  uns  jemals 
bewusst  waren,  in  den  unbewussten  Untergründen  der  Seele  auf 
(die  keinesfalls  physiologische  Realität  haben).  Bewusst  werden 
können  aus  dem  unbewussten  Schatze  unserer  Erinnerungen  immer 
nur  die,  die  jeweils  geeignet  sind,  die  Situation  unserer  Aktivität 
gegenüber  der  Umwelt  aufzuklären  und  zu  verbessern.  Wenn  wir 
also  wahrnehmen,  und  die  Wahrnehmung  sich  in  ein  motorisches 
Schema  fortsetzt,  so  wird  zugleich  unser  Unbewusstes  gemäss  der 
Aktionsrichtung  des  Schemas  d  i  e  Vorstellungen  ins  Bewusstsein 
treiben,  die  die  gegenwärtige  Wahrnehmung  weiter  aufklären  und 
in  ihrer  Bedeutung  erkennen  lassen.  Das  sind  aber  zunächst  ihr 
gleichartige  Erinnerungsbilder.  Und  so  entsteht  die  volle  bewusste 
Wiedererkenntnis,  indem  sich  an  das  Bekanntheitsgefühl,  auf  Grund 
der  motorischen  Einstellung  des  Gehirns,  die  es  rechtfertigende  Er¬ 
innerung  anschliesst. 

Aber  nicht  bloss  die  Wiedererkenntnis,  auch  die  aktive  Er¬ 
innerung  bedarf  stets  einer  materiellen  Vermittlung.  B  e  r  g  s  o  n  geht 
wieder  von  der  Tatsache  aus,  dass  ein  Erinnerungsbild  um  so  eher 
auftaucht,  und  weiter  auch  um  so  mehr  sinnlich  greifbar  wird,  ie 
mehr  die  motorischen  Funktionen  unseres  Leibes  in  Schwung  ge¬ 
raten,  die  es  nachahmen  und  ausdriieken.  Und  er  meint  nun,  dass, 
wie  das  Wahrnehmungsobjekt  aufs  Gehirn  wirkend  dort  die  moto¬ 
rischen  Schemata  aktiviert,  gleichermassen  auch  die  dunkeln  Ideen 
der  Seele  auf  dieselben  Gehirnpartien  zu  wirken  und  dort  die  moto¬ 
rischen  Schemata  zu  aktivieren  imstande  seien,  und  so  erst,  auf 
Grund  der  erregten  motorischen  Schemata  sich  zu  anschaulicher 
Fülle  entwickeln.  Die  vermittelnde  Rolle  aber,  die  gegenüber  dem. 
äusseren  Objekt  das  Sinnesorgan  spielt,  indem  es  die  Wirkungen 
des  Objekts  zu  einer  einheitlichen  Leistung  zusammenfasst,  spielt 
gegenüber  den  dunkeln  Ideen  unserer  Seele  die  Grosshirnrinde.  Diese 
ist  nicht  eine  Vorratskammer  aufgespeicherter  Erinnerungen,  sondern 
ein  den  äusseren  Sinnesorganen  symmetrischer  Komplex  geistiger 
Sinnesorgane,  mit  deren  Hilfe  die  Ideen  der  Seele  die  Mechanismen 
des  Gehirns  in  Erregung  versetzen:  in  unserem  Fall  also  die  moto¬ 
rischen  Schemata,  die  von  der  anderen  Seite  her  anfänglich  das 
realiter  gegenwärtige  Objekt  aktivierte. 

Hierdurch  werden  manche  Tatsachen  der  Psychopathologie  ver¬ 
ständlich.  Bei  cler  Seelenblindheit  und  Seelentaubheit  z.  B„  wo,  bei 
sicher  funktionierender  innerer  Reproduktion  eines  Objekts,  eben  das¬ 
selbe  Objekt  in  der  Wahrnehmung  unerkannt  bleibt,  ist  offenbar  die 
Fortsetzung  der  Wahrnehmungserregung  in  der  Richtung  auf  das 
motorische  Schema  unterbrochen,  während  dieses  selbst  von  der 
Seele  und  der  Grosshirnrinde  aus  immer  noch  aktiviert  werden  kann. 
Wo  dagegen  (wie  bei  Verletzung  der  unteren  linken,  Broca  sehen, 
Stirnwindung)  ein  geistiges  Sinnesorgan  angegriffen  ist,  hat  die  Seele 
den  entsprechenden  Einfluss  aufs  Gehirn  verloren  und  es  erlischt  in 
dem  Gebiet  alle  spontane  Erinnerungs-  und  Bewegungsfähigkeit  (wie 
bei  der  Aphasie  die  Fähigkeit  Worte  innerlich  zu  hören  und  sie  aus¬ 
zusprechen),  während  die  Wahrnehmungen  desselben  Gebiets  noch 
stattfinden  und  mitunter  sogar  noch  wiedererkannt  und  nachgeahmt 
werden,  weil  die  Erregung  der  motorischen  Schemata  vom  Objekt 
her  ungestört  geblieben  ist. 

In  Summa  ist  also  das  Gehirn  lediglich  ein  motorisches  Organ, 
ein  Apparat  zur  Aufnahme,  Weitergabe,  Umschaltung  und  Hemmung 
von  Bewegungen,  niemals  aber  ein  Erzeuger  psychischer  Vorgänge. 

Die  Seele  dagegen  ist  ein  lebendiger  geistiger  Prozess.  ein~ 
„dauernde“  geistige  Aktivität,  die  sich  wählend,  entscheidend  und 
handelnd  mit  Hilfe  des  Gehirns  und  des  Leibes  in  der  materiellen 
Welt  zur  Geltung  bringt.  Aktuelles  Bewusstsein  hat  sie  dabei  ihrer 
Funktion  gemäss  immer  nur  von  den  Teilen  der  Umwelt  und  ihres 
eigenen  Inhalts,  die  für  ihre  möglichen  Handlungen  wichtig  sind. 

Dabei  befindet  sich  denn  die  jeweilige  Bewusstseinslage  der 
Seele  in  einer  sehr  natürlichen,  umfassenden  und  engen  Wechsel¬ 
beziehung  mit  der  angeborenen  und  erworbenen  motorischen 
Leistungsfähigkeit  und  der  jeweiligen  motorischen  Disponiertheit  des 
Gehirns. 

Diskussion:  Die  Herren  S  t  ö  r  r  i  n  g,  R  o  s  e  n  f  e  1  d. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  9 


498 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Ordentliche  Generalversammlung  vom  26.  Fe¬ 
bruar  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Hammerschlag  demonstriert  eine  Patientin,  bei  der 
Ende  Oktober  die  letzte  Menstruation  aufgetreten  war.  Sie  zeigte 
die  Erscheinungen  der  Einklemmung  eines  retroflektierten  schwan¬ 
geren  Uterus  im  4. — 5.  Monat.  Manuelle  Aufrichtung  war  unmöglich. 
In  Narkose  fanden  sich  breite  Adhäsionen  an  der  hinteren  Becken¬ 
wand.  Vor  20  Tagen  sind  die  Adhäsionen  gelöst  worden.  Der  Uterus 
wurde  aufgerichtet,  die  Ligamenta  rotunda  verkürzt.  Eine  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft  wurde  vermieden. 

Inzwischen: 

Generalversammlung.  Aus  dem  Geschäftsbericht  ist  zu 
erwähnen,  dass  die  zum  Bau  des  Rudolf  Virchow-Krankenhauses 
angekauften  Häuser  im  letzten  Jahre  nicht  einmal  die  Hypotheken¬ 
zinsen  erbracht  haben.  Es  muss  daher  das  Ziel  der  Gesellschaft  sein, 
den  Bau  so  schnell  als  möglich  herbeizuführen.  Es  liegt  ein  ausge¬ 
zeichneter  Entwurf  von  Reg.-Baum.  Domburg  vor,  der  von  G.-R. 
March  begutachtet  worden  ist.  Der  Bau  soll  am  I.  X.  13  begonnen 
werden. 

Die  Bibliothek  ist  mit  den  Bibliotheken  sämtlicher  Berliner  medi¬ 
zinischen  Gesellschaften  verbunden;  sie  umfasst  jetzt  100  000  Bände. 

Herr  B  1  u  m  b  e  r  g:  Neue  Operation  zur  Sterilisierung  des  Weibes 
mit  Möglichkeit  der  späteren  Wiederherstellung  der  Fruchtbarkeit. 

Bei  jüngeren  Frauen  ist  die  Sterilisierung,  die  eine  spätere  Kon¬ 
zeption  nicht  erlaubt,  kontraindiziert.  Vortr.  lässt  die  Abbindung 
im  Lig.  latum  .vor  sich  gehen,  dadurch  bleibt  das  Ovariuin  unver¬ 
ändert  und  die  Möglichkeit  einer  späteren  Konzeption  besteht  durch 
Rückgängigmachen  der  Operation. 

Diskussion:  Herr  Gottschalk  befürchtet,  dass  trotzdem 
eine  kleinzystische  Degeneration  eintreten  wird. 

Herr  Blumberg  (Schlusswort)  sucht  den  Einwand  mit  dem 
Hinweis  auf  die  intraperitoneale  Lagerung  des  Ovariums  zu  ent¬ 
kräften. 

Herr  Jäger  demonstriert  einen  Hund,  bei  dem  die  Karotis 
breitgefaltet  in  die  Aorta  abdominalis  implantiert  worden  ist;  ebenso 
die  Aorta  eines  ebenso  behandelten  Hundes.  Es  besteht  die  Möglich¬ 
keit,  Defekte  in  Gefässen  und  ev.  sogar  später  unter  Umständen 
Aortenaneurysmen  chirurgisch  anzugreifen.  Wolff-Eisner. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  6.  Februar  1913. 

Herr  Wessely:  Die  Behandlung  des  Ulcus  serpens  mit  dem 
Dampfkauter,  sowie  neue  Versuche  in  der  Therapie  der  Dakryo¬ 
zystitis. 

Das  Verfahren  der  Behandlung  des  Ulcus  serpens  mit  dem 
Dampfkauter  hat  Vortr.  auf  dem  vorjährigen  Ophthalmologenkongress 
in  Heidelberg  kurz  mitgeteilt,  so  dass  von  seiner  Beschreibung  hier 
Abstand  genommen  werden  kann.  Die  weiteren  Erfahrungen  mit 
dieser  Methode,  die  sich  jetzt  auf  59  Fälle  erstrecken,  waren  mit 
wenigen  Ausnahmen  sehr  befriedigende.  Die  vorgelegte  Statistik 
wird  an  anderer  Stelle  ausführlicher  publiziert  werden;  es  mag  darum 
hier  nur  erwähnt  sein,  dass  in  80  Proz.  der  Fälle  eine  einmalige 
Kauterisation  genügte,  um  den  Prozess  zum  Stehen  zu  bringen. 

Das  im  Anschluss  daran  mitgeteilte  Verfahren  der  konservativen 
Behandlung  der  Dakryozystitis  besteht  in  der  Injektion  von  einigen 
Tropfen  Jodtinktur  in  den  Tränensack.  Sie  wird  mittels  einer  mit 
einem  Gummihütchen  versehenen  kleinen  Platinkaniile  ausgeführt, 
nachdem  vorher  24  Stunden  eine  Dauersonde  gelegen  hat.  Der 
momentane  Erfolg  ist  ein  auffälliger.  In  24  von  32  Fällen  hat  nach 
1 — 4  maliger  Injektion  die  Absonderung  völlig  aufgehört.  Um  Dauer¬ 
erfolge  zu  erzielen  ist  gleichzeitige  Behandlung  der  vorhandenen 
Nasenaffektion -erforderlich.  Rezidive  kamen  bisher  nur  3  mal  zur  Be¬ 
obachtung,  doch  ist,  um  nach  dieser  Richtung  ein  Urteil  zu  fällen, 
heute  die  Beobachtungszeit  noch  eine  zu  kurze. 


Wissenschaft!.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  31.  Januar  1913. 

Herr  Budek  (Deutsche  Augenklinik):  Demonstration  eines 
Falles  von  Nystagmus  oscillatorius  horizontalis. 

Herr  Kroupa  (Deutsche  Augenklinik):  Demonstration:  a)  Ein 
Fall  von  angeborener  Ptosis  des  rechten  Oberlides,  b)  Ein  Fall  von 
„perversem“  Bell  sehen  Phänomen. 

Herr  Münzer:  1.  Demonstration  eines  Etuis,  das  etwas  anders 
als  das  von  B  ü  r  k  e  r  zusammengestellte  ist;  Demonstration  einer 
automatischen,  vom  Verf.  konstruierten  Pipette  zur  Abmessung  von 
genau  4975  emm  (zur  Blutkörperchenzählung). 

2.  Zur  Differentialdiagnose  von  entzündlichen  und  Stauungspro¬ 
zessen  in  der  Leber  ist  die  Harnuntersuchung  sehr  geeignet.  Speziell 
bei  den  Lebervergrösserutigen  bei  Concretio  cordis  wird  Uro¬ 
bilin  o  g  e  n  im  Harne  vermisst,  während  bei  Entzündungen  der 


Leber  (besonders  bei  der  atrophischen  Leberzirrhose)  stets  starke 
Urobilinogenurie  vorhanden  ist.  Neben  der  Untersuchung  auf  Uro- 
bilinogen,  dessen  Prüfung  einen  gewissen  Einblick  in  das  funktionelk 
Verhalten  der  Leber  gewährt,  kann  auch  die  Prüfung  auf  aliment 
täre  Galaktosurie  in  dem  gleichen  Sinne  verwertet  werden 

Herren  Bardachzi  und  Wiechowski:  Röntgenphotogra 
phische  Aufnahmen  zu  pharmakognostischen  Studien-  und  Unter 
richtszwecken. 

Da  die  Resultate  der  Autographie  der  Blattdrogen  mangelhaü 
sind,  versuchten  die  Vortragenden  durch  verschiedene  Präparatio: 
der  Blätter  und  Anwendung  verschiedener  Strahlen  zu  einem  befrie 
digenden  Verfahren  zu  gelangen.  Die  besten  Resultate  erhielten  sii 
bei  Anwendung  von  Röntgenstrahlen  nach  bestimmter  Vorbereitung 
der  Objekte.  Für  den  Zweck  der  Darstellung  der  Blattstruktur  er 
wiesen  sich  die  Röntgenröhren  mit  einem  Fenster  aus  Linde- 
mannglas,  welches  die  weichsten  Strahlen  durchlässt,  als  sein 
geeignet.  Das  Vakuum  dieser  Röhren  wurde  so  eingestellt,  dass  die 
Lampe  nur  mehr  eine  Spur  von  grüner  Fluoreszenz  zeigte,  sons, 
durchaus  blaues  Licht  gab.  Eine  auf  die  Trockenplatte  gelegte  Weh 
n  eit  Skala  zeigte  bei  langer  Belichtung  nur  bei  Stufe  1  massige 
Schwärzung. 

Da  die  ersten  so  hergestellten  Blattaufnahmen  nur  sehr  geringe 
Struktur  zeigten,  wurden  Versuche  unternommen,  künstlich  Dichtig 
keitsdifferenzen  zu  erzeugen.  Es  gelingt  dies  durch  Tränken  de; 
Blätter  mit  Schwermetalllösungen.  Am  besten  bewährte  sich  folgen 
des  Verfahren:  Die  Blätter  werden  mit  siedender  10  proz.  Phosphor 
wolframsäure  übergossen;  diese  wird  nach  dem  Abkiihlen  verschiedet 
lange  (bis  zu  vielen  Stunden)  einwirken  gelassen.  Dann  werden  di; 
Blätter  auf  eine  Glasplatte  ausgebreitet  und  unter  dicken  Läget 
Filtrierpapier  getrocknet.  Bei  der  Aufnahme  wird  die  mit  dem  Blatt« 
bedeckte  Platte  durch  eine  rot  gefärbte  Gelatinefolie  vor  Nebettlichi 
geschützt.  Es  stellte  sich  als  vorteilhaft  heraus,  bei  schwachem 
Strome  lange  zu  exponieren  (Idealinstrumentarium,  1 — 2  M.-A.,  3  bi: 
8  Minuten  bei  meist  60  cm  Abstand).  Mit  dieser  Methode  wurden  aus 
gezeichnete  Resultate  erzielt.  Die  Nervatur  und  der  Blattrand  treteii 
mit  grosser  Schärfe  hervor  und  lassen  alle  dem  Objekte  zukommenj 
den  Details  genau  erkennen,  so  dass  diese  Methode  besser  als  du 
bisherige  Autophotographie  beim  Studium  und  dem  Unterrichte  gut< 
Dienste  zu  leisten  berufen  erscheint.  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Januar  1913. 

Herr  Fawatschek:  Demonstration. 

Herr  Rubritius:  Zur  Technik  der  Prostatektomie. 

In  den  letzten  Jahren  hat  man  sich  immer  mehr  für  die  Freyerl 
sehe  Operation  ausgesprochen,  welche  zwar  bei  einer  grössere! 
Mortalität  gegenüber  der  perinealen  die  Kranken  von  ihrem  schwere 
Leiden  dauernd  und  folgenlos  befreit. 

Es  muss  also  das  Streben  dahingehen,  die  Mortalität  herab 
zusetzen.  Dies  geschieht  durch  entsprechende  Wahl  der  Fälle  un 
durch  die  Technik  und  Nachbehandlung.  Vor  allem  ist  die  postj 
operative  Blutung  zu  vermeiden,  dann  schlägt  Herr  Rubritiu 
folgende  Technik  vor:  Lumbalanästhesie,  möglichst  kleiner  Blasen 
schnitt,  doch  so,  dass  man  sich  über  die  Verhältnisse  am  Orificiurn  in 
orientieren  kann,  Inzision  der  Schleimhaut  um  das  Orifiziuri 
Enukleation  entweder  bimanuell  oder  mit  Unterstützung  einei 
Assistenten,  der  die  Drüse  vom  Rektum  her  vordängt,  streifenförmig 
Tamponade  des  Prostatabettes,  Ableitung  des  Harnes  aus  der  Blas 
mittels  Rohres  mit  Heberdrainage.  Am  4.  Tage  werden  die  Tampon 
entfernt,  ein  neuer  Tampon  wird  eingeführt,  wenn  das  Prostatabe 
noch  blutet,  der  Verweilkatheter  wird  eingelegt,  wenn  die  Blasei 
wunde  sich  entsprechend  verkleinert.  Bei  der  Auswahl  der  Fäll 
muss  man  auf  die  Nierenfunktion  achten. 

Herr  Hock:  Demonstration. 

Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  2. — 9.  Dezember  1912. 

Versuche  einer  Serumtherapie  der  Blattern. 

P.  T  e  i  s  s  i  e  r  und  P.  L.  Marie  haben,  sich  auf  die  Eige: 
schäften  des  menschlichen  Variolaserums  stützend,  13  Fälle  schwere; 
Blattern  mit  subkutaner  oder  intravenöser  Injektion  von  Serum  ai 
dem  Wege  der  Heilung  begriffener  J’atienten,  dessen  Fixation: 
reaktion  zu  verschwinden  begann,  das  aber  noch  ausgesprochene  gif 
tötende  Wirkung  besass,  behandelt.  8  Kranke  kamen  zur  Heilun 
worunter  eine  vom  Beginn  an  sehr  schwere  hämorrhagische  Fori 
ein  nicht  geimpfter  Säugling  usw.  Frühzeitig  eingeimpft,  hat  d; 
Serum  eine  günstige  Wirkung  auf  die  Schwere  der  Krankheit:  sp; 
angewandt,  ist  der  Einfluss  ein  mittelmässiger.  Die  auffallendste  E 
scheinung  ist  die  Besserung  der  Allgemeinsymptome:  Temperatu 
abfall,  vermehrte  Urinabsonderung,  erhöhter  Blutdruck,  was  inne 
halb  24 — 48  Stunden  eintritt.  Sowohl  bei  der  hämorrhagischen  w 
konfluierenden  Variola  tritt  Rückbildung  und  Eintrocknung  ein,  ohi 
Narben  zu  hinterlassen.  Irgend  ein  besonderer  Zufall  war  dem  Seru 
nicht  zuzuschreiben. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


499 


:  Marz  1913. 

XVII.  Internationaler  Medizinischer  Kongress 

in  London  vom  6. — 12.  August  1913. 

*  ngress-Bureau:  London  13,  Hinde  Street,  W.  Bureau  der 
nanenten  Kommission  der  intern,  med.  Kongresse:  Haag  (Holland), 
Hugo  de  Qrootstraat,  10. 

Für  die  allgemeinen  Sitzungen,  die  täglich,  ausge  - 
imen  Samstag,  während  der  Dauer  des  Kongresses  um  5.30  nach- 
:ags  abgehalten  werden,  sind  als  Redner  bestimmt :  Prof.  C  h  a  u  f  - 
d- Paris  (Innere  Medizin);  Qeheimrat  Prof.  Paul  Eh  r  lieh  - 

-  nkfurt  a.  M.  (Pathologie);  Rt.  Hon.  John  B  u  r  n  s,  M.P.  (Staats- 
iene);  Prof.  Harvey  Cushing,  Harvard  University  (Chirurgie); 

-  r  W.  B  a  t  e  s  o  n,  F.R.S.  (Heredität). 

Sektionen: 

I.  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte.  1.  Das 
ende  und  verbindende  Muskelsystem  des  Herzens.  (Zusammen 

i  Sektion  111.)  Ref. :  Prof.  Dr.  Wilhelm  H  i  s  -  Berlin,  Dr.  Josue- 
is,  Dr.  Thomas  Lewis-  London,  Dr.  Ivy  Mackenzie  -  ülas- 
:»•.  2.  Die  ersten  Entwicklungsstadien  des  menschlichen  Eies.  Ref.: 
if.  Aug.  C.  E.  d  ’  E  t  e  r  n  o  d  -  Genf.  3.  Die  Morphologie  des  sem¬ 
itischen  Nervensystems.  Ref.:  Prof.  G.  Carl  H  u  b  e  r  -  Ann  Arbor. 

.  .  St.  A.  4.  Die  Morphologie  des  Schultergürtels.  Ref.:  Prof.  Raoul 
t  h  o  n  y  -  Paris.  5.  Die  zerebrale  Lokalisation  uind  die  genaue 
ieutung  der  Sulci.  Ref.:  Dr.  C.  U.  Ariens-Kappers-Am- 
>  dam. 

II.  Physiologie.  1.  Wechselbeziehungen  zwischen  Organen  mit 
lerer  Sekretion  und  deren  Störungen.  (Zusammen  mit  Sektion  VI.) 

- . :  Prof.  E.  G  1  e  y  -  Paris,  Prof.  Dr.  Alex.  v.  Koränyi  -  Pest,  Prof. 

Fredk.  K  r  a  u  s  -  Berlin.  2.  Gegenseitige  Innervation.  Ref. :  Prof. 

.  S.  Sherrington-  Liverpool.  3.  Endogener  Stoffwechsel  der 
; iteinkörper.  (Zusammen  mit  Uintersektion  III  fal.)  Ref.:  Prof. 

Ernil  Abderhalden  -  Halle  a.  S.,  Dr.  H.  D  a  k  i  n  -  Seal  Har- 
jir,  Ver.  St.  A. 

III.  Allgemeine  Pathologie  und  pathologische 
'atomie.  1.  Das  reizende  und  verbindende  Muskelsystem 

Herzens.  (Siehe  Sektion  I.)  2.  Die  Pathologie  der  Fett- 

;  per  und  der  Lipoide.  Referenten:  Professor  Dr.  Ivor  Chri- 
-in  Bang- Lund,  Dr.  Sigmund  F  r  ä n  k  e  1  -  Wien.  3.  Die 
:  üung  von  normalem  Gewebe  in  Beziehung  zur  zoologischen 
:1  individuellen  Verwandtschaft;  autoplastisch,  isoplastisch  und 
I  eroplastisch.  Ref.:  Prof.  Dr.  Max  B  o  r  s  t  -  München.  4.  Die 
i'hologie  vom  „Schock“.1  Ref.:  Dr.  George  W.  C  r  i  1  e  -  Cleveland, 
fr.  St.  A.,  Prof.  Yandell  H  e  n  d  e  r  s  o  n  -  New  Haven,  Ver.  St.  A. 
:Die  Wirkung  der  radioaktiven  Körper  und  der  Strahlungen  auf 
male  und  pathologische  Gewebe.  Ref. :  GMR.  Prof.  Oskar  He  rt- 
i?-  Berlin,  Dr.  W.  S.  L  a  z  a  r  u  s  -  B  a  r  1  o  w  -  London. 

III  (a).  P  a  t  h  o  1  o  g  i  s  c  h  e  Chemie.  1.  Pathologische  Zu- 
•nde  verursacht  durch  Diätfehler.  Ref.:  Dr.  F.  Gowland  Hop- 
<n  s  -  Cambridge,  Dr.  H.  S  c  h  a  u  m  a  n  n  -  Hamburg.  2.  Krebs.  (Zu¬ 
mmen  mit  Sektion  IV.)  Ref.  Dr.  E.  Freund- Wien,  Prof.  Dr. 

.  N  e  u  b  e  r  g  -  Berlin-Charlottenburg.  3.  Klinische  Anwendung  der 
:  hologischen  Chemie.  Ref. :  Prof.  Otto  F  o  1  i  n  -  Boston,  Ver.  St.  A„ 
I.  A.  E.  G  a  r  r  o  d  -  London.  4.  Die  pathologische  Chemie  des 
Lestionstraktus.  5.  Endogener  Stoffwechsel  der  Proteinkörper. 

.  Sekt.  II.) 

IV.  Bakteriologie  und  Immunität.  Krebs  (s.  lila), 
eorien  der  Immunität  und  der  Anaphylaxie.  Ref.:  Prof.  Dr. 

I  F  r  i  e  d  b  e  r  g  e  r  -  Berlin.  Die  Natur  der  Virulenz.  „Filter  Pas- 

■  s.“  Lepra-  und  verwandte  Bazillen. 

V.  Therapie  (Pharmakologie,  Physikalische 
lerapie,  Balneologie).  1.  Der  relative  Wert  der  Arznei- 
Ittel  für  Herzkrankheiten.  Ref.:  GHR.  Prof.  Dr.  R.  Gottlieb- 
I  idelberg,  Prof.  Theodore  C.  J  a  n  e  w  a  y  -  NewYork,  Ver.  St.  A. 

■  Die  Wirkungsart  und  der  Gebrauch  der  Arzneien  gegen  Schmerz 
G  Schlaflosigkeit  (anästhesierende  Mittel,  lokal  und  allgemein,  aus- 
ochlossen).  Ref.:  Prof.  Dr.  Hans  Meyer- Wien.  3.  Eine  Labora- 
i  iumssitzung.  4.  Chemische  Toxine  und  Antitoxine.  5.  Thermo- 

erapeutik  —  seine  Indikationen,  Beschränkungen  und  Gefahren. 

I  i. :  Prof.  Landouzy  -  Paris. 

VI.  I  n  n  e  r  e  M  e  d  i  z  i  n.  1.  Die  Pathologie  der  Herzschwäche. 

|  i. :  Prof.  H.  Vaquez  -  Paris,  Prof.  Dr.  K.  F.  v.  Wenckebach- 
'■assburg.  2.  Wechselbeziehungen  zwischen  Organen  mit  innerer 
■kretion  und  deren  Störungen,  (s.  Sekt.  II.)  3.  Klinisches  Bild  der 

molysis.  Ref. :  Prof.  G.  B  a  n  t  i  -  Florenz,  Prof.  F.  W  i  d  a  l  -  Paris. 
Diabetes.  Ref.:  Prof.  Geo  D  o  c  k  -  St.  Louis,  Ver.  St.  A„  Prof.  Dr. 
rlvanNoorden  -  Wien.  5.  Differenzierung  der  chronischen  Ge- 
'kentziindungen.  Ref. :  Prof.  L.  F.  Barker  -  Baltimore,  Ver.  St.  A„ 
of.  Dr.  Friedr.  v.  Müller-  München. 

VII.  Chirurgie.  1.  Die  operative  Behandlung  der  bösartigen 
ankheiten  des  Dickdarms,  mit  Ausnahme  des  Rektums.  Ref.:  Prof. 
Hfaele  Bastianelli  -  Rom,  GSR.  Prof.  Dr.  W.  Körte-  Berlin. 
Die  Behandlung  der  Nieren-  und  Blasentuberkulose  im  Anfangs- 
idium.  (Zusammen  mit  Sektion  XIV.)  Ref.:  Dr.  Felix  Legueu- 
iris,  Prof.  Victor  Röchet-  Lyorn,  Dr.  Hans  W  i  1  d  b  o  1  z  -  Bern. 
Die  Chirurgie  des  Arteriensystems.  Ref.:  Prof.  Rudolph  Matas- 


NewOrleans,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  V.  A.  O  p  p  e  1  -  St.  Petersburg. 

4.  Die  Behandlung  der  Gehirntumoren  und  die  Indikationen  für  deren 
Operation.  (Zusammen  mit  Sektion  XI.)  Ref.:  Prof.  Dr.  Bruns- 
Hannover,  Prof.  Harvey  Cushing-  Harvard  University,  Ver.  St.  A., 
Dr.  Freih.  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien,  Dr.  H.  H.  T  o  o  t  h  -  London. 

5.  Intrathorakale  Chirurgie.  Ref.:  Prof.  Dr.  F.  Sauerbruch- 
Zürich,  Prof.  Theodore  T  u  f  f  i  e  r  -  Paris. 

VII.  a)  Orthopädie.  1.  Die  spastische  Paraplegie.  Ref.: 
GMR.  Prof.  Dr.  H.  Küttner  -  Breslau,  E.  Muirhead  L  i  1 1 1  e. 
F.R.C.S.,  London,  Prof.  Dr.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg.  2.  Die  Behand¬ 
lung  der  Skoliose.  Ref.:  Dr.  R.  W.  L  o  v  e  1 1  -  Boston,  Ver.  St.  A., 
Prof.  Dr.  A.  S  c  h  a  n  z  -  Dresden.  3.  Die  Behandlung  der  Ankylose. 
Ref.:  Dr.  W.  S.  B  a  e  r  -  Baltimore,  Ver.  St.  A.,  Prof.  V.  Putti- 
Bologna.  4.  Die  Behandlung  der  tuberkulösen  Gelenke  im  Kindesalter. 
Ref.:  Prof.  Dr.  Julius  D  o  1 1  i  n  g  e  r  -  Pest,  Prof.  John  R  i  d  1  o  n, 
Chicago,  Ver.  St.  A.  5.  Die  Radiographie  der  Knochen  und  Gelenke 
und  ihr  Wert  für  die  orthopädische  Chirurgie.  (Zusammen  mit  Sek¬ 
tion  XXII.)  Ref.:  Dr.  Fedor  H  a  e  n  i  s  c  h  -  Hamburg,  Dr.  Nove- 
Josserand  -  Lyon,  Dr.  P.  Redard  -  Paris. 

VII.  b)  A  n  ä  s  t  h  e  s  i  e.  l.a)  Neue  Methoden  zur  Herbeiführung 
der  Analgesie:  aa)  Intraspinal,  bb)  Lokal  und  regional,  b)  Die  Ver¬ 
gleichung  der  unmittelbaren  und  Spätwirkungen  (mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  vom  Schock),  z.  B.  der  intraspinalen  und  der  lokalen 
Analgesie  mit  der  Inhalationsanästhesie  (ebenfalls  mit  Berücksichti¬ 
gung  vom  psychischen  Schock).  Ref.:  Prof.  Yandell  Henderson- 
New  Haven,  Ver.  St.  A.  2.  Neue  Methoden  zur  Anwendung 
der  allgemeinen  Anästhesie,  a)  Aether.  aa)  Offene  Methode, 
bb)  Intravenöse  Methode.  Ref. :  Prof.  Dr.  L.  Burkhardt  -  Nürn¬ 
berg.  cc)  Intratracheale  Methode.  Ref.:  Prof.  S.  J.  Meltzer- 
New  York,  Ver.  St.  A.  dd)  Nasale  Methode.  Ref. :  Dr.  G.  W.  C  r  i  1  e  - 
Cleveland,  Ver.  St.  A.  ee)  Rektale  Methode,  b)  Die  Anwendung  der 
Alkaloide  allein  oder  vor  der  Inhalationsanästhesie:  Skopolamin  und 
Skopomorphin.  c)  Inhalationsanästhesie  in  Verbindung  mit  Alka¬ 
loiden:  aa)  Stickstoffoxydul  in  der  grossen  Chirurgie,  bb)  Aether. 
cc)  Chloroform.  Ref.:  Dr.  G.  W.  C  r  i  1  e  -  Cleveland,  Ver.  St.  A. 
3.  Dosimetrische  Methode  der  Darreichung.  aa)  Chloroform, 
bb)  Aether:  a)  Regulateurs,  ß)  Mischungen.  4.  Postoperative  Wir¬ 
kungen  und  Toxämien  in  Verbindung  mit  anästhesierenden  Mitteln. 
5.  Die  Auswahl  der  passenden  anästhesierenden  Mittel  und  der  An¬ 
wendungsmethode  in  den  allgemeinen  Dyskrasien  (z.  B.  Diabetes, 
Urämie,  usw.),  welche  gewisse  Mittel  gefährlich  machen.  Ref.:  Prof. 
Dr.  Fritz  D  u  m  o  n  t  -  Bern.  6.  Behandlungsmethoden,  die  für  gewisse 
Kranken  und  Operationen  zweckmässig  sind.  Ref.:  Dr.  Dudley 
B  u  x  t  o  n  -  London. 

VIII.  Geburtshilfe  und  Frauenkrankheiten.  _  1.  Die 
Behandlung  der  Plazentarblutung  (Placenta  praevia  und  akzidentelle 
Blutung)  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft.  Ref.:  GMR. 
Prof.  Dr.  Döderlein  -  München,  Prof.  Dr.  G.  Essen  - Möller- 
Lund.  2.  Kindersterblichkeit  in  den  vier  ersten  Lebenswochen.  (Zu¬ 
sammen  mit  Sektionen  X  und  XVIII.)  Ref.:  Dr.  A.  K.  Chalmers- 
Glasgow,  Dr.  Henry  K  o  p  1  i  k  -  New  York  City,  Ver.  St.  A.,  Prof. 
P  i  n  a  r  d  -  Paris.  3.  Die  Röntgen-  und  Radiumtherapie  in  der  Gynäko¬ 
logie.  (Zusammen  mit  Sektion  XXII.)  Ref.:  Dr.  Foveau  de 
C  o  u  r  m  e  1 1  e  s  -  Paris,  Prof.  Dr.  Bernh.  K  r  ö  n  i  g  -  Freiburg  i.  Br., 
Prof.  Dr.  Albers-Schönberg  -  Hamburg.  4.  Gebärmutterkrebs 
(Körper  und  Hals);  Operationstechnik  und  Resultate.  Ref.:  Prof.  Dr. 
D.  d  e  0  1 1  -  St.  Petersburg,  Prof.  A.  P  o  1  o  s  s  o  n  -  Lyon,  Prof.  Dr. 
W  e  r  t  h  e  i  m  -  Wien. 

IX.  Augenkrankheiten.  1.  Die  Pathogenese  der  chro¬ 
nischen  Uveitis,  mit  Ausnahme  der  syphilitischen,  tuberkulösen  und 
sympathischen  Formen.  Ref.:  Prof.  Dr.  Ernst  Fuchs -Wien,  Prof, 
de  S  c h  w  e  i  n  i  t  z  -  Philadelphia,  Ver.  St.  A.  2.  Die  Glaukomopera¬ 
tionen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  vergleichenden  Resultate 
der  Iridektomie  und  deren  neueren  Substituierungen.  Ref.:  Prof. 
L  a  g  r  a  n  g  e  -  Bordeaux,  Prof.  Priestley  S  m  i  t  h  -  Birmingham. 
3.  Eine  Demonstrationssitzung  oder  eine  Diskussion  über  ein  «och 
nicht  festgestelltes  Thema.  4.  Augenkrankheiten,  verursacht  durch 
ungeeignete  Lichtwirkungen.  Ref.:  Prof.  Carl  v.  H  e  s  s  -  Würzburg, 
John  H.  Parsons,  F.R.C.S.,  London.  5.  Die  Anaphylaxie  in  ihren 
Beziehungen  zur  Ophthalmologie.  Ref.:  Dr.  V.  M  o  r  a  x  -  Paris, 
Dr.  Aurel  v.  S  z  i  1  y  -  Freiburg  i.  Br. 

X.  Kinderkrankheiten.  1.  Die  Behandlung  der  Tuber¬ 
kulose  im  Kindesalter  vom  chirurgischen  Standpunkt,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Knochen,  Gelenke  und  Drüsen.  Ref. :  Dr.  Mc- 
n  a  r  d  -  Berck  -  sur-Mer.  2.  Kindersterblichkeit  in  den  vier  ersten 
Lebenswochen.  (S.  Sekt.  VIII.)  3.  Einfluss  der  Drüsen  ohne  Aus¬ 
führungsgang  auf  die  Entwicklung.  Ref.:  Prof.  Dr.  Rudolf  Fisch  1- 
Prag,  Prof.  H  u  t  i  n  e  1  -  Paris.  4.  Infektion  des  Harntraktus  mit  Koli- 
bazillen.  Ref.:  Dr.  John  T  h  o  m  s  o  n  -  Edinburg,  Prof.  Francesco 
Valagussa  -  Rom.  5.  Polioenzephalitis  und  Poliomyelitis.  Ref. : 
Prof.  F  1  e  x  n  e  r,  New  York,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  Paul  H.  R  ö  m  e  r  - 
Marburg. 

XI.  Nervenkrankheiten.  1.  Die  Symptome  der  Klein¬ 
hirnerkrankungen  und  ihre  Bedeutung.  Ref.:  Dr.  J.  Babinski- 
Paris,  Prof.  Dr.  D.  R  o  t  h  m  a«  n  -  Berlin.  2.  Motorische  Aphasie, 
Anarthrie  und  Apraxie.  Ref.:  Prof.  D  e  j  e  r  i  n  e  -  Paris,  Prof.  Dr. 
L  i  e  p  m  ann-  Berlin.  3.  Die  Beziehungen  der  myopathischcn  Kran  - 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


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heiten.  Ref. :  Prof.  Dr.  D.  H.  Oppenheim-  Berlin.  Prof.  Spil- 
1  e  r  -  Philadelphia.  Ver.  St.  A.  4.  Die  Behandlung  der  Gehirntumoren 
und  die  Indikationen  für  deren  Operationen.  (S.  Sekt.  VII.)  5.  Die 
Natur  des  krankhaften  Zustandes  „Parasyphilis.  Ref.:  Dr.  F.  W. 
M  o  1 1  -  London,  Prof.  Dr.  N  o  n  n  e  -  Hamburg. 

XII.  Geisteskrankheiten.  1.  Die  psychiatrische  Klinik, 
ihr  pädagogischer  und  therapeutischer  Zweck  und  die  Resultate  mit 
Beziehung  zur  Genesungsförderung.  Ref.:  Dr.  Adolf  Meyer- Balti¬ 
more,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  Sommer-  Giessen.  2.  Psychoanalyse. 
Ref. :  Prof.  P.  Janet-  Paris,  Dr.  Karl  Jung-  Küssnach-Ziirich. 
3.  Die  Infektions-  und  Autointoxikationspsychosen.  Ref.:  GHR.  Prof. 
Dr.  K.  B  o  n  h  ö  f  f  e  r  -  Breslau.  4.  Die  syphilitischen  und  parasyphi¬ 
litischen  Geisteskrankheiten.  Ref. :  Prof.  Dr.  W.  v.  Bechterew- 
St.  Petersburg,  Dr.  A.  Marie-  Villejuif.  5.  Die  Psychologie  des  Ver¬ 
brechens.  (Zusammen  mit  Sektion  XIX.)  Ref.:  GMR.  Prof.  Dr. 
A.  Cramer  -  Göttingen,  Prof.  Comm.  E.  M  o  r  s  e  1 1  i  -  Genua. 

XIII.  Hautkrankheiten  und  Syphilis.  1.  Das  Epi¬ 
theliom  der  Haut,  gut-  und  bösartiges.  Ref.:  Dr.  J.  A.  Fordyce- 
New  York,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  Joseph  J  a  d  a  s  s  o  h  n  -  Bern,  Ori¬ 
ginalvortrag:  Dr.  Jean  D  a  r  i  e  r  -  Paris.  2.  Alopecia  areata  und  die 
verwandten  Krankheiten.  Ref. :  Dr.  R.  Sabouraud  - Paris.  Dr. 
P.  G.  U  n  n  a,  Emsbiittel-Hamburg.  3.  Die  Syphilis  als  Staatsgefahr 
und  die  Frage  der  Staatskontrolle.  (Zusammen  mit  Sektion  XIX.) 
Ref.:  Prof.  Dr.  Ernst  Finger -Wien,  Prof.  Dr.  Edmund  Lesser- 
Berlin.  4.  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Salvarsan  und  ver¬ 
wandten  Stoffen.  (Zusammen  mit  Sektion  XX.)  Ref.:  Prof.'  Dr.  Paul 
Ehrlich-  Frankfurt  a.  M„  Major  T.  W.  G  i  b  b  a  r  d,  R.A.M.C.,  zu¬ 
sammen  mit  Major  L.  W.  H  a  r  r  i  s  o  n,  R.A.M.C.,  Prof.  Dr.  L.  A. 
N  e  i  s  s  e  r  -  Breslau,  Prof.  V  e  n  n  i  n  -  Paris.  5.  Die  Vakzinotherapie 
der  Hautkrankheiten.  Ref.:  Prof.  Dr.  T.  C.  G  i  1  c  h  r  i  s  t  -  Baltimore, 
Ver.  St.  A.,  Prof.  Arthur  W  h  i  t  f  i  e  1  d  -  London. 

XIV.  Urologie.  1.  Die  Diagnose  und  Behandlung  der  bös¬ 
artigen  Prostataaffektionen  im  Anfangsstadium.  Ref.:  Prof.  Dr.  H. 
K  ii  m  m  e  1 1  -  Hamburg,  Dr.  Hough  Y  o  u  n  g  -  Baltimore,  Ver.  St.  A. 

2.  Die  Diagnose  und  Behandlung  der  Nieren-  und  Blasentuberkulose 
im  Anfangsstadium.  (S.  Sektion  VII.)  3.  Die  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  hämatogenen  Infektionen  des  Harntraktus.  Ref.:  Dr.  G.  E. 
Brewer-  New  York  City,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  Thorkild  Rovsing- 
Kopenhagen.  4.  Eine  projektoskopische  Demonstration.  5.  Eine  Aus¬ 
stellung  von  pathologischen  Präparaten  und  neuen  Instrumenten. 

XV.  H  a  1  s  -  und  Nasenkrankheiten.  1.  Die  neueren 
Fortschritte  der  endoskopischen  Methoden  in  der  Untersuchung  der 
Trachea,  der  Bronchien,  des  Oesophagus  und  des  Magens.  Ref.: 
Prof.  Chevalier  Jackson  - Pittsburg,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Dr.  G.  Kil- 
1  i  a  n  -  Berlin.  2.  Die  Methoden  und  Resultate  der  Behandlung  der 
Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheitem  mit  Salvarsan  und  anderen 
arsenikhaltigen  Mitteln.  (Zusammen  mit  Sektion  XVI.)  Ref.: 
Dr.  Andre  C  a  s  t  e  x  -  Paris,  Prof.  Dr.  P.  Gerber-  Königsberg  i.  Pr. 

3.  Die  Indikationen  für  die  Tonsillotomie  und  die  Tonsillektomie  und 
ihre  relativen  Werte.  Ref.:  Prof.  Dr.  H.  B  u  r  g  e r  -  Amsterdam, 
Dr.  J.  L.  G  o  o  d  a  1  e  -  Boston,  Ver.  St.  A.  4.  Die  spezielle  Behand¬ 
lung  des  Halses,  der  Nase  und  des  Ohr°s  während  der  aktiven 
Stadien  gewisser  infektiöser  fieberhafter  Erkrankungen,  namentlich 
Scharlach,  Masern,  Röteln,  Mumps.  Influenza,  Abdominaltyphus, 
Keuchhusten,  Pocken,  Genickstarre,  Poliomyelitis,  Meningitis  cerebro¬ 
spinalis,  Erysipel  (mit  Ausnahme  der  Diphtherie).  (Zusammen  mit 
Sektion  XVI.)  Ref. :  Dr.  Viktor  D  e  1  s  a  u  x  -  Brüssel,  Dr.  E.  W.  Goo- 
d  a  1 1  -  London.  5.  Die  Pathologie  und  die  Behandlung  bösartiger 
Geschwülste  der  Nase  und  des  Nasenrachenraumes  (Fibrome  ausge¬ 
schlossen).  Ref. :  Prof.  Cav.  G.  F  e  r  r  e  r  i  -  Rom,  Dr.  H.  Mar¬ 
se  h  i  k  -  Wien. 

XVI.  Ohrenkrankheiten.  1.  Die  Pathologie  der  Taub¬ 
stummheit.  Ref.:  Prof.  Dr.  Alfred  D  e  n  k  e  r  -  Halle  a.  S.,  Prof.  Dr. 
Holger  M  y  g  i  n  d- Kopenhagen.  2.  Die  Methoden  und  Resultate  der 
Behandlung  der  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten  mit  Salvarsan 
und  anderen  arsenikhaltigen  Mitteln,  (s.  Sekt.  XV.)  3.  Die  nicht¬ 
eitrigen  Labyrintherkrankungen.  Ref.:  Prof.  Dr.  Gustav  Alexan¬ 
der  -  Wien,  Dr.  Karl  v.  Eicken-  Giess°n.  4.  Die  spezielle  Be¬ 
handlung  des  Halses,  der  Nase  und  des  Ohres  etc.  (s.  Sekt.  XV.) 
5.  Klimatologische  und  Berufseinflüsse  bei  Ohrenkrankheiten.  Ref.: 
Dr.  Clarence  J.  B  1  a  k  e  -  Boston,  Ver.  St.  A.,  Prof.  Giuseppe  Gra¬ 
de  n  i  g  o  -  T urin. 

XVII.  Mundheilkunde.  1.  Die  Pathologie  und  Behandlung 
der  periodontischen  Affektionen  (Pyorrhoea  alveolaris).  Ref.:  E.  B. 
Dowsett,  M.R.C.S.,  L.D.S.,  London,  Dr.  N.  N.  Znamensky- 
Moskau.  2.  Die  Beziehungen  zwischen  Nasenobstruktion  und  Zahn¬ 
krankheiten.  Ref.:  Dr.  Jules  F  e  r  r  i  e  r  -  Paris,  J.  G.  Turner, 
F.R.C.S.,  L.D.S.,  London.  3.  Zahnkrankheiten  in  Beziehung  zur  öffent¬ 
lichen  Gesundheit.  Ref.:  Dr.  J.  Sim  W  a  1 1  a  c  e  -  London.  Dr.  Harold 
Williams-  Boston,  Ver.  St.  A.  4.  Die  Ueberwachung  der  Gesund¬ 
heit  der  Kinder  zwischen  den  ersten  Jahren  und  dem  Schulalter. 
(Zusammen  mit  Sektion  XVIII.)  Ref.:  W.  W.  James,  F.R.C.S., 
L.D.S.,  London,  Dr.  W.  Leslie  Mackenzie  - Edinburgh.  5.  Re¬ 
flektorische  und  funktionelle  Störungen  im  Zusammenhang  mit  den 
Zähnen.  Ref.:  Dr.  A.  W.  W.  B  a  k  e  r  -  Dublin,  Dr.  Rousseau- 
D  e  c  e  1 1  e  -  Paris. 


XVIII.  Hygiene  und  Prophylaxe.  1.  Der  Einfluss  de 
Staubes  als  Ursache  von  Lungenkrankheiten.  Ref.:  Dr.  E.  L.  Co! 

1  i  s  -  London.  2.  Kindersterblichkeit  in  den  vier  ersten  Leben 
Wochen,  (s.  Sekt.  VIII  und  X.)  3.  Die  bestimmenden  Faktoren  di 
Entwicklung,  Verbreitung  und  Virulenz  der  epidemischen  Krankheite 
Ref.:  Dr.  Major  GreenwoodTondon,  Prof.  Dr.  G.  Sticker 
Bonn  a.  Rh.  4.  Die  Ueberwachung  der  Gesundheit  der  Kindt 
zwischen  den  ersten  Jahren  und  dem  Schulalter,  (s.  Sekt.  XVII 
5.  Die  Ursachen,  Verhütung  und  Behandlung  der  Sehstörungen  h 
Schulkindern.  Ref.:  Dr.  James  K  e  r  r  -  London,  Prof.  Dr.  R.  Pos 
seck  -  Graz. 

XIX.  Gerichtliche  Medizin.  1.  Die  Ursache  und  Verhütung  dt 
Selbstmordes.  2.  Der  Unterricht  der  gerichtlichen  Medizin,  eii 
schliessend  die  Errichtung  und  Ausstattung  eines  Institutes.  Reij 
Prof.  Dr.  H.  Z  a  n  g  g  e  r  -  Zürich,  Prof.  L.  T  h  o  i  n  o  t  -  Paris.  3.  D) 
Syphilis  als  Staatsgefahr  und  die  Frage  „der  Staatskontrolle.  ( 
Sekt.  XIII.)  4.  Die  Psychologie  des  Verbrechens,  (s.  Sekt.  XII.) 

XX.  K  r  i  e  g  s  c  h  i  r  u  r  g  i  e.  1.  Transport  Verwundeter 
bergigem  Gelände.  Ref.:  Major  Jay  G  o  u  1  d,  I.M.S.,  zusammen  n| 
Capt.  C.  W.  Melville,  I.M.S.  2.  Spitalschiffe  und  Transport  vt 
Verwundeten.  Ref.:  Surg.-Gen.  C.  F.  Stokes,  Ver.  St. 

3.  Wasserversorgung  im  Felde.  Ref.:  M.  Kir.  Dr  Zoltän  d 
A  j  k  a  y,  Ungarn,  Lt.-Col.  E.  J  e  n  n  i  n  g  s,  I.M.S.  4.  Schutzimpfiu 
gegen  Abdominaltyphus.  Ref.:  Lt.-Col.  Sir  William  Lei  sh  mal 
R.A.M.C.,  Major  Fredk.  F.  Russell,  Ver.  St.  A.  5.  Sanitäre  0 
ganisation  im  Tropenklima.  (Zusammen  mit  Sektion  XXI.)  Rei 
Col.  W.  C.  Gorgan,  Ver.  St.  A„  Col.  P.  H  e  h  i  r,  I.M.S.,  Stabsari 
Dr.  H  i  n  t  z  e  -  Berlin,  Prof.  Sir  Ronald  Ross-  Liverpool.  6.  D 
Behandlung  der  Syphilis  mit  Salvarsan  und  verwandten  Substanze 
(s.  Sekt.  XIII.)  7.  Caissonkrankheit.  Ref. :  Prof.  P.  R.  M  o  u  1  i  n  i  e  i 
Bordeaux,  Staff.-Surg.  R.  W.  G.  S  t  e  w  a  r  t,  R.N.  8.  Die  Physiolog 
der  körperlichen  Uebung  und  des  Marschierens.  Ref.:  Marine-Stab 
arzt  Dr.  B  u  c  h  i  n  g  e  r  -  Wilhelmshaven,  Lt.-Col.  C.  H.  M  elvi  11 
R.A.M.C. 

XXI.  Tropenkrankheiten.  1.  Pest.  Ref.:  Prof.  Dr.  S.  K 
tasato  -  Tokio,  Major  W.  G.  L  i  s  t  o  n,  I.M.S.  2.  Beri-beri.  RU] 
Prof.  Dr.  C.  E  i  j  k  m  a  n  -  Utrecht,  Prof.  Dr.  B.  N  o  c  h  t  -  Hamburg 
3.  Sanitäre  Organisation  im  Tropenklima,  (s.  Sektion  XX.)  4.  Leis! 
maniasis.  Ref.:  Prof.  A.  L  a  v  e  r  a  n  -  Paris,  Dr.  C.  Nicolh 
Tunis.  5.  Rückfallfieber.  Ref.:  Dr.  C.  L  e  v  a  d  i  t  i  -  Paris,  PF 
F.  G.  N  o  v  y,  Ann  Arbor,  Ver.  St.  A. 

XXII.  Radiologie.  Die  Radiotherapie  der  bösartigen  Kran 
heiten.  Die  Röntgendiagnostik  der  Bauchorgane.  2.  Die  Röntge 
diagnostik  der  Brustorgane  Ref.:  Dr.  Hugh  W  a  1  s  h  a  m  -  Londn 
Prof.  Dr.  K.  F.  v.  Wenckebach  - Strassburg.  4.  Die  Röntge 
und  Radiumtherapie  in  der  Gynäkologie,  (s.  Sekt  VIII.)  5.  L 
Radiographie  der  Knochen  und  Gelenke  und  ihr  Wert  für  die  ortlij 
pädische  Chirurgie,  (s.  Sekt.  VII  Ta]-) 

XXIII.  G  e  s  c  h  i  c  h  t  e  der  Medizin.  (Das  Programm 
noch  nicht  festgestellt.) 

Aus  der  Geschäftsordnung:  Für  die  Dauer  des  Ko 
gresses  wird  ein  Central  Bureau  in  der  Royal  Albert  Hall,  Kensingt 
Gore,  S.W.,  eingerichtet  werden;  die  Mitglieder  werden  ersucht.  ; 
Dienstag,  den  5.  August  von  10  Uhr  morgens  an  ihre  Namen  du 
eintragen  zu  lassen.  Der  Beitrag  beträgt:  1  Pfund  Sterling  =  25  Krön! 
(Oesterreich)  =  25  Francs  =  20  Mark  =  15  Rupees  20  Krön1 
(Norwegen)  =  5  Dollars  (Vereinigte  Staaten  oder  Canada).  I) 
Damen  der  Kongressmitglieder,  welche  am  Kongresse  teilzunehm 
wünschen,  bezahlen  den  halben  Beitrag.  Die  Beiträge  sind  (in  Foil 
von  Postanweisung)  zahlbar  an:  The  Treasurers.  XVII.  Internatioi} 
Congress  of  Medicine.  Es  wird  ersucht,  bei  Einsendung  des  B| 
träges  anzugeben,  in  welche  Sektion  der  Name  des  Senders  ein? 
tragen  ist.  Gleichzeitig  mit  dem  Beitrag  ist  der  volle  Name,  Tit. 
ärztliche  Stellung  und  genaue  Adresse  zu  senden.  Auch  wird  i 
Mitteilung  etwaiger  Veränderungen  der  Adressen  gebeten.  Das  Ze- 
tralbureau  des  Kongresses  wird  die  Mitgliedskarten  innerhalb  ein 
Woche  nach  Eingang  des  Beitrages  aussenden. 

Aus  der  Geschäftsordnung  für  die  Sektion e;: 
Die  Sitzungen  beginnen  um  9.30  des  Morgens  und  3  Uhr  nachmittag 

Referate.  Die  Morgensitzung  der  Sektionen  bleibt  reservk 
für  die  Diskussion  wichtiger  Referate,  die  vorher  vom  Sektionsvfj 
stand  bestimmt  worden  sind.  Jedem  Referenten  stehen  15  Minul 
zur  Verfügung  zur  Einleitung  der  Diskussion  und  10  Minuten  für  se| 
Erwiderung  am  Schlüsse.  Den  anderen  Teilnehmern  an  der  Pr 
kussion  werden  je  10  Minuten  bewilligt. 

Originalvorträge.  Die  Nachmittagssitzungen  sind  für  U 
Vortrag  und  die  Diskussion  von  Originalarbeiten  bestimmt.  Die  ’L* 
dieser  Arbeiten  sind  dem  Zentralbureau  des  Kongresses  bis  z> 
30.  April  1913  einzusenden.  Die  Sektionsvorstände  haben  das  Reo- 
unter  diesen  Arbeiten  eine  Auswahl  zu  treffen  und  ungeeignete  zurii  - 
zuweisen.  Arbeiten,  welche  erst  nach  dem  30.  April  1913  angemeU 
werden,  können  erst  nach  Erledigung  der  rechtzeitig  eingegangei' 
auf  die  Tagesordnung  gesetzt  werden.  Keine  Arbeit  kann  zum  V* 
trag  gelangen,  wenn  nicht  der  Titel  vor  dem  1.  Juli  1913  in  P 
Händen  des  Sektionssekretärs  ist.  Der  Wortlaut  muss  mit 
Maschine  geschrieben  werden.  Für  jeden  Vortrag  können  höchst® 


(Aärz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


501 


-  limiteil  zur  Verfügung  gestellt  werden,  und  5  Minuten  für  jeden 
Vielnncr  an  der  Diskussion.  Dem  Verfasser  stehen  weitere  5  Mi- 
i  n  für  eine  Erwiderung  zur  Verfügung.  Der  Wortlaut  der  Referate 
i  der  Originalvorträge  darf  Englisch,  Französisch,  Deutsch  oder 
.misch  geschrieben  werden. 


Auswärtige  Briefe. 

Breslauer  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Ende  Februar  1913. 

Wirtschaftlicher  Zusammenschluss  der  Spezialärzte  Breslaus.  — 
i  Geburtenrückgang  und  die  Aerzte;  Rundfrage  der  Schlesischen 
.  itekammer. 

Angesichts  der  durch  das  ganze  ärztliche  Deutschland  gehenden 
i  tätigen  Stellungnahme  gegenüber  der  zum  1.  Januar  1914  be¬ 
stehenden  Reichsversicherungsordnung  dürfte  es  an  der  Zeit  sein, 
auch  der  Breslauer  Korrespondent  wieder  einmal  Bericht  er- 
c tet.  Seitensprünge,  wie  sie  Berlin  und  Hamburg  beliebten,  sind 
:  Breslau  ausgeschlossen.  In  der  Generalversammlung  des  Vereins 
llslauer  Aerzte  vom  16.  Januar  ds.  Js.  wurde  die  sofortige  Schaffung 
i  r  lokalen  kassenärztlichen  Organisation  nach  dem  Muster  der  ent¬ 
gehenden  im  Reich  fast  einstimmig  angenommen.  Die  Kassen¬ 
vereinigung  soll  auch  die  Verträge  der  einzelnen  Aerzte  ab- 
t  iessen,  gleichgültig  ob  solche  auf  Basis  der  freien  Arztwahl  oder 
i,h  dem  früheren  kassenärztlichen  System  bestehen.  Nach  ein¬ 
ender  Diskussion,  bei  welcher  die  erschwerte  Erwerbung  der 

*  htsfähigkeit  wesentlich  in  Betracht  gezogen  wurde,  entschied  man 
i .  keinen  neuen  Kassenverein  zu  gründen,  sondern  die  Organisation 

Anschluss  an  den  bestehenden  Aerzteverein  vor  sich  gehen  zu 
ä  en.  Verhältnismässig  spät  ist  dieser  wichtigste  Schritt  in  der 
senarztbewegung  in  Breslau  getan  worden,  aber  die  Breslauer 
en  schon  bei  Beginn  dieser  Bewegung,  als  es  sich  im  wesentlichen 
die  freie  Arztwahl  handelte,  vor  mehr  als  einem  Jahrzehnt  be- 
isen,  dass  sie  im  Interesse  der  Allgemeinheit  Opfer  zu  bringen  und 
i  räftig  vorzugehen  wissen.  Seinerzeit  waren  es  die  Breslauer 
;  zialärzte,  insbesondere  die  neugegründete  „Freie  Vereinigung 
i  slauer  Augenärzte“,  welche  den  Praktikern  mit  gutem  Beispiel 
•angingen.  Eine  grosse  Anzahl  fixierter  Augenkassenarztstellen 
rde  durch  geschlossenes  Vorgehen  der  freien  Augenarztwahl  zu- 
ihrt  und  z.  T.  recht  günstige  Bezahlung  der  Einzelleistung  erwirkt; 
i  ererseits  aber  hielten  sich  die  Augenärzte  überall  da  bescheiden 
.  ück,  wo  sie  durch  Eigenbrödelei  das  Zustandekommen  von  Ver¬ 
tuen  mit  freier  Arztwahl  für  die  praktischen  Aerzte  gefährdet  hätten. 

Augenärzte  machten  bei  den  anderen  Spezialisten  Schule;  sehr 
>J  schlossen  sich  auch  die  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenärzte,  die 

•  uenärzte,  die  Hautärzte,  die  Chirurgen  usw.  zu  wirtschaftlichen 
.  bänden  zusammen,  nicht  alle  mit  dem  gleichen  Erfolge.  Aber 
i  h  scheinbare  Misserfolge,  wie  solche  der  Chirurgischen  Gesell- 

aft  kürzlich  beschieden,  können  den  Keim  des  Guten  in  sich  tragen. 

:  einem  Breslauer  Krankenkassenverbande  wurde  Ende  1911  die 
i  dahin  fixierte  Chirurgenstelle  frei.  Ein  Ersatz  fand  sich  nicht  und 
;  rite  auch  den  ärztlichen  Reversen  gemäss  nicht  gefunden  werden: 
i  r  eine  Einigung  mit  der  Chirurgischen  Gesellschaft  kam  ebenfalls 
i  lt  zustande.  Diese  veranlasste  nunmehr,  dass  die  von  den  Aerzten 
i  die  Polikliniken  überwiesenen  Kassenpatienten  nicht  mehr  wie 
ner  unentgeltlich  behandelt  würden,  sondern  dass  die  Behandlung 
)  dann  erfolge,  wenn  die  betreffende  Kasse  sich  schriftlich  ver- 
)  chte,  das  Honorar  und  zwar  entsprechend  den  Mindestsätzen  der 
nihrenordnung  zu  tragen.  Dieses  Verfahren  hielt  der  Kassenvor- 
>nd  für  ungesetzlich  und  reichte  deshalb  Beschwerde  beim  zu- 
mdigen  Ministerium  ein.  Die  vom  Kurator  der  Universität  Breslau 
^gegangene  Antwort  besagt  zwar,  dass  ein  Honorar  nicht  liquidiert 
>rden  dürfe  (übrigens  abgesehen  von  den  Unkosten  an  ärztlichem 
rsonal,  Einrichtungen,  Bädern,  Medikamenten,  Verbänden  etc.), 
ihrerseits  aber  stellt  sie  fest,  dass  in  den  Universitätspolikliniken 
unbemittelte  Patienten  behandelt  werden  sollen  und  dass 
’  inkenkassenpatienten  grundsätzlich  nicht  als  unbemittelt  angesehen 
'  rden  dürften.  Hiernach  zu  verfahren  sind  die  Direktoren  sämt- 
ter  in  Betracht  kommender  klinischer  Anstalten  nun  angewiesen 
\  rden. 

Dass  es  unter  diesen  Umständen  —  Bezahlung  spezialistischer 
[isturig  meist  nach  dem  für  die  Praktiker  geltenden  kassenärztlichen 
’uimalsolde  von  50 — 60  Pf.,  Abschiebung  der  operativen  Fälle  in 
:  öffentlichen  Kliniken  —  seit  Jahren  unter  den  Spezialärzten,  wel- 
-  n  keine  Klinik  zur  Verfügung  stand,  gärte,  kann  nicht  wunder- 
nmen;  noch  weniger  zu  verwundern  ist  es,  dass  diese  Gärung 
Aesichts  der  mit  dem  Jahre  1914  bevorstehenden  endgültigen  Rege- 
lig  der  Kassenarztverhältnisse  sich  in  explosiver  Weise  Luft  macht. 
E  Thüringer  Spezialärzte  sind  uns  mit  gutem  Beispiele  vorange- 
Ggen.  Dieselben  haben  bekanntlich  am  21.  Oktober  1912  sich  auf 
'■wisse  Thesen,  den  Bedürftigkeitsnachweis  in  den  öffentlichen  Kliniken 
G  die  freie  Spezialarztwahl  betreffend,  festgelegt  und  Kommissionen 
; bildet,  welche  das  Interesse  der  Spezialärzte  im  allgemeinen  ärzt- 
jiien  Verein  von  Thüringungen  und  beim  L.  W.  V.  vertreten  sollen; 
■zterer  soll  sanft  daran  erinnert  werden,  den  Spezialärzten  etwas 


mehr  Beachtung  als  seither  (vgl.  die  Tarifverträge)  entgegenzubringen. 
Wir  sind  in  Breslau  etwas  radikaler  vorgegaiigcn.  Hier  ist  am 
18.  Februar  von  einer  zahlreich  besuchten  Versammlung  hiesiger 
Spezialärzte,  in  welcher  auch  die  Universitätskliniken  zum  Teil  durch 
ihre  Direktoren  vertreten  waren,  ein  „Zweckverband  der  Breslauer 
Spezialärzte“  gegründet  worden,  freilich  mit  besonderer  Betonung, 
dass  derselbe  sich  innerhalb  der  vom  L.  W.  V.  gegebenen  Direktiven 
und  im  engen  Anschluss  an  denselben  halten  solle.  Inwiefern  dies 
durchführbar,  wird  die  weitere  Entwicklung  der  spezialistischen  Sache 
ja  lehren.  Der  mit  der  Einladung  zu  der  konstituierenden  Versamm¬ 
lung  verschickte  „Aufruf“  ist  so  vielsagend,  dass  seine  wörtliche 
Wiedergabe  interessieren  dürfte.  Er  lautete;  „Bei  der  bevorstehen¬ 
den  Einführung  der  Reichsversicherungsordnung  ist  es  an  der  Zeit, 
dass  auch  die  Spezialärzte  zu  ihrem  bisher  wenig  oder  gar  nicht 
beachteten  Rechte  kommen.  Dies  erscheint  uns  nur  möglich,  wenn 
sämtliche  Spezialärzte  zusammentreten  und  eine  grosse  spezialärzt¬ 
liche  Interessenvereinigung  schaffen,  welche  schnell  und  prompt  ar¬ 
beitet  und  nötigenfalls  die  den  Spezialärzten  verweigerten  oder  er¬ 
schwerten  Erwerbsmöglichkeiten  erzwingt.  Es  wird  dringend  ge¬ 
beten,  der  beigefügten  Einladung  entweder  selbst  Folge  zu  leisten 
oder  wenn  Sie  einer  spezialärztlichen  Vereinigung  amgehören,  zu  ver¬ 
anlassen,  dass  mehrere  bevollmächtigte  Vertreter  Ihrer  Vereinigung 
erscheinen“.  Die  Versammlung  war  sehr  zahlreich  besucht  und  min¬ 
destens  die  Hälfte  aller  Breslauer  Spezialärzte  war  vertreten.  Aus  der 
Diskussion  ist  erwähnenswert,  dass  die  Kliniker  aus  dem  Gefühl 
heraus,  unlauteren  Wettbewerb  vermeiden  zu  müssen,  im  Interesse 
der  jüngeren  Spezialistengeneration  sich  der  Bewegung  anschlössen; 
die  Privatspezialisten  seien  den  Krankenkassen  gegenüber  gewisser- 
massen  vogelfrei;  die  R.V.O.  dürfe  nicht  verbieten,  dass  Patienten 
ein  selbst  gewähltes  Krankenhaus  aufsuchten,  insofern  die  Zahlungs¬ 
bedingungen  in  demselben  sich  in  nichts  von  dem  der  Krankenkasse 
erwünschten  unterschieden.  Die  Kassen  sollten  den  einzelner. 
Gruppen  der  Spezialärzte  ein  Pauschale  bewilligen,  in  welches  diese 
sich  dann  selbst  teilen  würden.  Gestreift  wurde  auch  die  Frage 
der  sog.  „U  n  d“  Spezialisten.  Die  chirurgische  Gesellschaft  hat,  um 
die  Aufnahme  derselben  zu  ermöglichen,  solche  als  ausserordentliche 
Mitglieder  neben  den  ordentlichen,  den  eigentlichen  Chirurgen,  be¬ 
zeichnet.  Man  liess  die  Frage  einstweilen  in  der  Schwebe,  um  mög¬ 
lichst  einmütig  zur  Gründung  des  Vereins  zu  gelangen.  Ein  Arbeits¬ 
ausschuss  von  3  Mitgliedern  wurde  gewählt  mit  dem  Rechte  der 
Kooptation.  Man  darf  füglich  gespannt  sein,  mit  welchem  Erfolge 
der  Arbeitsausschuss  arbeiten  wird;  der  Schwierigkeiten  gibt  es  viele 
und  schwer  iiberwindliche.  Andererseits  ist  der  Notstand  der  Privat¬ 
spezialisten  unverkennbar;  die  missliche  Lage  derselben,  insbesondere 
der  Augen-  und  auch  der- Ohrenärzte,  liegt  klar  zutage;  den  prak¬ 
tischen  Aerzten  gegenüber  sind  sie  auch  insofern  benachteiligt,  als 
letztere  alle  möglichen  lukrativen  Pfründen  haben  können,  die  diesen 
verschlossen  sind;  —  da  ist  der  eine  Versicherungsarzt,  der  andere 
Schularzt,  der  dritte  bei  der  Post,  der  vierte  bei  der  Berufsgenossen¬ 
schaft  — ,  auch  haben  sie  vielfach  irgend  eine  sonstige  beamten¬ 
ähnliche  Stellung,  während  die  Spezialärzte  leer  ausgehen;  die  paar 
Atteste  kommen  kaum  mehr  in  Frage  und  wenn  sie  schliesslich  auch 
noch  darauf  warten  sollen,  dass  ihnen  die  Kassenärzte  Patienten 
überweisen,  dann  bleibt  wohl  nur  ein  ganz  bescheidener  Kreis 
von  Patienten  noch  übrig,  der  ungehindert  zu  ihnen  kommen  kann. 
Alle  diese  Missstände  soll  der  Zusammenschluss  vom  18.  Februar  be¬ 
seitigen! 

Unsere  Tagespresse,  in  welcher  die  Krankenkassenbewegung 
naturgemäss  einen  stetig  wachsenden  Raum  einnimmt,  hat  in  letzter 
Zeit  mehrfach  Gelegenheit  gehabt,  ärztliche  Angelegenheiten  auch  aus 
dem  internen  Kreise  wissenschaftlicher  Sitzungen  heraus  vor  das 
Forum  der  Oeffentlichkeit  bringen  zu  müssen.  Am  22.  November 
vorigen  Jahres  fand  eine  gemeinsame  Sitzung  der  medizinischen  und 
staatswirtschaftlichen  Sektion  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vater¬ 
ländische  Kultur  statt,  in  welcher  der  Professor  der  Nationalökonomie, 
Geh.  Reg.-Rat  Julius  Wolf  einen  Vortrag  über  den  Geburtenrückgang 
hielt.  Der  Vortragende  gab  begreiflicherweise  im  Wesentlichen  einen 
Auszug  aus  seinem  jüngst  erschienenen  Buche  über  das  gleiche  Thema, 
beschränkte  sich  auf  kurze  Andeutungen  der  wirtschaftlichen  Ur¬ 
sachen  des  Geburtenrückganges,  verweilte  mit  besonderer  Ausführ¬ 
lichkeit  bei  den  religiösen  und  politischen  Gesinnungsmomenten,  denen 
er  eine  erhebliche  ursächliche  Bedeutung  zuschreibt  und  richtete 
schliesslich  einen  Appell  an  die  Aerzte,  in  den  Familien  wie  in  der 
Oeffentlichkeit  auch  der  gewollten  Geburtenbeschränkung  entgegen¬ 
zuwirken.  An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  sehr  lebhafte  Diskussion, 
die  2  Sitzungen  in  Anspruch  nahm  und  schliesslich  noch  eine  Fort¬ 
setzung  in  der  Tagespresse  fand.  Geheimrat  Prof.  K  ü  s  t  n  e  r  wies 
auf  gesundheitsschädliche  Abortiv-  und  Präventivmittel  hin,  Geh. 
Rat  Prof.  Part  sch  auf  die  Schäden  der  Kurpfuscherei,  deren  gesetz¬ 
liche  Bekämpfung  leider  nicht  ins  Leben  getreten  sei.  Von  kreis¬ 
ärztlicher  Seite  (Geh.  Rat  Dr.  Wolffberg)  wurde  auf  gewisse 
statistische  Fehlerquellen  hingewiesen;  die  öffentlichen  Zeitungsan- 
kündigungen  von  „Rat  und  Hilfe“,  die  Anpreisungen  und  öffentlichen 
Ausstellungen  von  Schutzmitteln,  „hygienischen  Artikeln“,  sowie  ge¬ 
wisse  literarische  Erzeugnisse  hätten  den  Geburtenrückgang  sehr  ge¬ 
fördert  durch  Verbreitung  des  Präventivverkehrs,  anscheinend  auch 
durch  Zunahme  der  verbrecherischen  Aborte,  ln  Breslau  macht  sich 
der  Geburtenrückgang  seit  Ende  des  vorigen,  besonders  aber  seit 
'  Beginn  dieses  Jahrhunderts  und  zwar  ausschliesslich  bei  den  ehe- 


502 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


liehen  Geburten,  bemerkbar.  Die  natürlichen  Ursachen  sind 
mannigfaltiger  Art;  zu  ihnen  sind  die  Verbreitung  der  Geschlechts¬ 
krankheiten,  die  zunehmende  Beteiligung  der  Frauen  an  der  Erwerbs¬ 
tätigkeit,  das  steigende  Heiratsalter  der  Männer  usw.  zu  rechnen. 
Die  Ursachen  der  gewollten  Beschränkung  sind  vorzüglich  die  wirt¬ 
schaftlichen  Schwierigkeiten,  vielleicht  auch  Vergnügungssucht  und 
Unbequemlichkeit.  Dr.  Oettinger  bemängelte  die  Richtigkeit 
einiger  vom  Vortragenden  angegebenen  Zahlen.  Oberlandesgerichts¬ 
präsident  V  i  e  r  h  a  u  s  erörterte  die  juristische  Möglichkeit  einer 
Unterdrückung  der  Abortiv-  und  Präventivmittel  und  bemerkte,  dass 
der  Vortragende  vor  einiger  Zeit  bei  der  Besprechung  der  Teuerung 
auf  die  Uebervölkerung  in  Deutschland  hingewiesen  habe.  Dr.  Ri¬ 
chard  Kayser  kritisierte  in  scharfer  Weise  die  tendenziösen  Zahlen¬ 
gruppierungen  des  Vortragenden  in  Bezug  auf  den  Einfluss  religiöser 
und  politischer  Gesinnung  für  die  Geburtenziffer  und  hielt  den  Appell 
an  die  Aerzte  für  undurchführbar.  Dr.  C  h  o  t  z  e  n  und  Dr.  Asch 
sprachen  vom  Standpunkte  des  Dermatologen  resp.  Gynäkologen,  in¬ 
dem  sie  es  ablehnten,  ärztlich  anders  als  in  hygienischer  Hinsicht 
zur  vorliegenden  Frage  Stellung  nehmen  zu  können.  Dr.  Asch  er¬ 
klärte  nun  in  der  Generalversammlung  der  schlesischen  Gruppe  des 
Deutschen  Bundes  für  Mutterschutz  (18.  Januar):  „Der  National¬ 
ökonom  Geheimrat  Wolf  hat  in  einem  Vortrage  die  Aerzte  zu  Vor¬ 
kämpfern  gegen  die  gewollte  Einschränkung  aufgerufen,  aber  hierbei 
mit  Recht  sofortigen  Widerspruch  gefunden.  Die  Aerzte  wollen  den 
Geburtenrückgang  nicht  fördern,  müssen  aber  denen,  die  aus  guten 
Gründen  einer  Geburt  Vorbeugen  wollen  und  den  Arzt  fragen,  mit 
ihrem  Rat  beistehen,  damit  wenigstens  keine  Unrechten  Mittel  ge¬ 
braucht  werden“.  Gegen  diese  Aeusserung  glaubte  Prof.  Wolf  sich 
in  der  Schlesischen  Zeitung  öffentlich  verwahren  zu  müssen,  da  sie 
den  Anschein  erwecke,  als  verlange  er  von  den  Aerzten,  auch  da  die 
Geburten  vor  sich  gehen  zu  lassen,  wo  die  Verhinderung  aus  ärzt¬ 
lichen  Gründen  geboten  sei.  Leider  kam  Prof.  Wolf  bei  dieser  Ab¬ 
wehr  auf  eine  Gruppe  zu  sprechen,  welche  „wohl  fortgesetzt  sich 
vermehrend,  zahlreich  aus  Frauenärzten  bestehend,  sich,  wie  es 
scheinen  will,  schon  für  berechtigt  hält,  auch  den  eigenen  Wünschen 
der  Klienten  in  gewisser  Weise  Rechnung  zu  tragen“  und  diese 
Wünsche  seien  häufig  genug  direkt  frivol;  eine  Badereise,  der  Wunsch, 
eine  gesellschaftliche  Saison  nicht  zu  versäumen  und  ähnliches. 
Dass  diese  vor  breitester  Oeffentlichkeit  vorgetragenen  Angriffe  ener¬ 
gisch  abgewehrt  werden  mussten,  liegt  auf  der  Hand  und  mit  Recht 
erwiderte  Asch  u.  a. :  „Die  hohe  Achtung,  die  der  deutsche  Arzt  aus 
der  Idealität  in  der  Auffassung  seines  Berufes  heraus  geniesst,  dürfte 
es  dem  Autor  wohl  nahelegen,  eine  Badereise,  den  Wunsch,  eine  ge¬ 
sellschaftliche  Saison  nicht  zu  versäumen  und  ähnliches,  nicht  als 
Gründe  hinzustellen,  aus  denen  sich  diese  Aerzte  berechtigt  glauben, 
den  eigenen  Wünschen  der  Klienten  in  gewisser  Weise  Rechnung  zu 
tragen.  Die  Aerzte  wollen  und  sollen  mit  der  Geburtenpolitik  nichts 
zu  schaffen  haben  und  kommen  in  ihrer  Tätigkeit  gar  nicht  in  die 
Lage,  M  a  1 1  h  u  s  sehe  Lehren  oder  neomalthusianische  Anschauungen 
in  die  Praxis  umzusetzen;  das  ergab  sich  auch  aus  dem  Resultat  der 
Umfrage,  die  seitens  der  schlesischen  Aerztekammer  bei  den  Aerzten 
Schlesiens  gehalten  wurde.  Diese  Umfrage  hat  übrigens  ein  inter¬ 
essantes  reichhaltiges  Ansichtenmaterial  zur  Geburtenrückgangsfrage 
geschaffen.  Es  gingen  114  Beantwortungen  des  Fragebogens  ein, 
welche  in  der  Sitzung  der  Aerztekammer  der  Provinz  Schlesien  vom 
27.  November  1912  vom  Kollegen  Magen  in  übersichtlicher,  zunächst 
nur  oberflächlich  informierender  Weise  besprochen  wurden.  Von  be¬ 
sonderem  Interesse  dürfte  sein,  dass  108  Aerzte  den  Geburtenrück¬ 
gang  auf  gewollte  Beschränkung  zurückführen.  Auf  die  Frage,  in  wel¬ 
cher  Weise  die  Beschränkung  hauptsächlich  erzielt  werde,  ob  a)  durch 
antikonzeptionelle  Mittel,  lautet  die  Antwort  99  mal  ja,  7  mal  nein: 
ob  b)  durch  künstlichen  Abort,  61  mal  ja,  19  mal  nein;  ob  c)  durch 
Coitus  reservatus,  89  mal  ja,  5  mal  nein.  Der  Einfluss  des  Alkoholis- 
mus  wird  seitens  der  Aerzte  verschieden  beurteilt.  Die  Frage,  ob 
der  chronische  Missbrauch  alkoholischer  Getränke  zugenommen  habe, 
kann  vielleicht  schon  jetzt  verneint  werden.  Es  scheint  festzustehen, 
dass  der  Verbrauch  an  Branntwein  und  wohl  auch  an  Bier  zuriiek- 
geht.  Einige  Aerzte  behaupten,  dass  Säufer  mehr  Kinder  haben  als 
andere.  Dann  wäre  der  Geburtenrückgang  freilich  eine  Wohltat  für 
die  Menschheit.  Eine  ausführliche  Bearbeitung  des  bezeichneten  Ma¬ 
terials  wird  uns  von  der  Aerztekammerkommission  noch  vorgelegt 
werden.  Einstweilen  dürfte  es  angebracht  sein,  die  Dinge  nicht  tra¬ 
gischer  zu  nehmen  als  sie  sind;  wir  stehen  vollständig  auf  dem  Stand¬ 
punkt,  welchen  der  Abgeordnete  Dr.  M  u  g  d  a  n  im  Preussischen  Ab¬ 
geordnetenhaus  bei  Beratung  des  letzten  Medizinaletats  vertrat,  als 
man  die  Frage  des  Geburtenrückgangs  ausgiebig  diskutierte;  „Partei- 
Politik  und  Religion  seien  ausser  Betracht  zu  lassen;  wenn  der 
Selbstwille  auch  nicht  zu  leugnen,  so  hege  noch  keine  Entsittlichung 
darin;  in  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  um  strengere' Auffassung 
der  elterlichen  Pflicht  den  Kindern  gegenüber,  die  man  habe;  man 
singe  so  häufig  das  hohe  Lied  der  Frau;  dann  solle  man  auch  daran 
denken,  dass  die  erwerbstätige  Frau,  wenn  sie  Mutter  werde,  grosse 
finanzielle  Einbusse  erleide;  die  Medizinalverwaltung  täte  besser,  ihre 
ganze  Kraft  auf  die  Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  zu  kon¬ 
zentrieren."  _ _ ff _ 


No.  < 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Deutscher  Reichstag. 

Die  Petition  der  Impfgegner  um  Einsetzung  einer  Sachverstand 
genkommission,  die  aus  Impfgegnern  und  Impffreunden  zusammen 
gesetzt  sein  soll,  hat  in  der  Petitionskommission  einen  vorläufige 
Erfolg  gehabt;  es  wurde  beschlossen,  die  Petition  der  Regierung  zu 
Berücksichtigung  zu  überweisen.  Interessant  sind  die  Gründe,  welch 
die  Vertreter  der  einzelnen  Parteien  zu  ihrer  Stellungnahme  ver 
anlassten.  Ein  Fortschrittler  stimmte  für  Berücksichtigung  de 
Petition,  jedoch  mit  dem  ausdrücklichen  Bemerken,  dass  er  ein  Impi 
freund  sei  und  von  der  Tätigkeit  der  Kommission  eine  Aufklärung  de 
Bevölkerung  und  damit  eine  Eindämmung  der  etwas  geräuschvolle 
Agitation  der  Impfgegner  erwarte.  Der  Regierungsvertreter  wies  au 
die  Schwierigkeit  hin,  eine  „paritätische“  Sachverständigenkommis 
sion  zusammenzubringen  und  die  bestehenden  Meinungsdifferenzen  z 
überbrücken.  Es  könne  auch  schwerlich  neues  Material  beigebrach 
wxrden,  das  imstande  wäre,  den  Standpunkt  der  Regierung,  die  vo 
der  Notwendigkeit  des  Impfzwanges  überzeugt  sei,  zu  erschüttert 
Ein  Zentrumsvertreter  sprach  unter  Zustimmung  der  Redner  andere! 
Parteien  sein  Bedauern  über  die  ablehnende  Stellungnahme  der  Rc 
gierung  aus  und  kündigte  eine  eingehende  Behandlung  der  Frage  ir 
Plenum  an.  Die  Erwartung,  dass  die  Erkrankungsfälle  in  Frankj 
furt  a.  M.  abkiihlend  auf  die  Agitation  der  Impfgegner  wirken  würde! 
scheint  sich  also  nicht  zu  bestätigen. 

Preussisches  Abgeordnetenhaus. 

In  der  Budgetkommission  wurde  bei  der  Beratung  des  Kultus; 
etats  die  Frage  der  Zulassung  der  Ausländer  an  den  Universitäte 
besprochen.  Es  wurde  über  die  mangelhafte  Vorbildung  vieler  Aus 
Linder  geklagt,  die  vielfach  der  deutschen  Sprache  nicht  genügen 
mächtig  seien  und  in  den  Kliniken  den  Inländern  die  besten  Platz 
wegnehmen.  Der  Minister  betonte,  dass  man  von  jeher  den  Aus 
ländern  ein  weitgehendes  Gastrecht  an  den  Universitäten  eingeräum; 
und  dadurch  wertvolle  Beziehungen  zwischen  Deutschland  und  der 
Auslande  angebabnt  habe;  dadurch  dürfe  allerdings  das  Studium  de: 
Inländer  nicht  beeinträchtigt  werden.  Der  Zudrang  der  Auslände 
sei  besonders  stark  in  Königsberg,  Breslau,  Berlin  und  Halle;  ur 
ihre  Zahl  zu  beschränken,  sei  die  Zulassungsgebühr  an  den  Institute 
für  die  Ausländer  verdoppelt,  und  an  die  Vorbildung  werden  rnög 
liehst  die  gleichen  Bedingungen  wie  für  die  Inländer  gestellt.  Die  Zu 
lassung  zu  den  Kliniken  soll  von  der  Ablegung  der  ärztlichen  Vor 
Prüfung  abhängig  gemacht  werden;  weitere  Massnahmen  zur  Bc 
Schränkung  der  Zahl  der  ausländischen  Studenten  werden  noch  erj 
wogen.  M.  K. 


Merkblatt  für  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  (W.R.) 

herausgegeben  vom  Verband  ärztlicher  Privatlaboratorien 
(Geschäftsstelle  Berlin,  Karlstrasse  19). 


Blutentnahme: 

Mindestens  5  ccm  Blut  sind  erforderlich.  Möglichst  steri 
Entnahme.  Schneller  Versand. 

Positive 

Reaktion: 

Beweist  Syphilis  bei  Ausschluss  von  Lepra,  Malaria,  R' 
kurrens,  Frambösie. 

Negative 

Reaktion: 

Nur  beweisend  bei  Verdacht  auf  Paralyse  und  zweifelhafte 
universellen  Exanthemen. 

Zweifelhafte 
Reaktion:  (+) 

Besonders  häufig  bei  Primäraffekt  und  behandelten  latente 
Fällen.  Mehrmalige  Untersuchung  erforderlich. 

Spezifische 

Behandlung: 

Beeinflusst  den  Ausfall  der  Reaktion.  Ziel  der  Behandlung 
dauernd  negative  Reaktion. 

Primäraffekt: 

Spirochätennachweis  ist  der  W.R.  überlegen.  W.R.  oft  -er 
nach  B — 4  wöchentlichem  Bestehen  des  Schankers  positiv. 

Universel.  Exan¬ 
them  (Roseola): 

Bei  unbehandeltem  universellen  Exanthem  W.R.  fast  ste 
positiv. 

Rezidive  der 
Frühperiode:*) 

W.R.  meist  positiv. 

Latente  Syphilis 
d.  Frühperiode:*) 

W.R.  abhängig  von  vorausgegangenen  Kuren.  Einmali'- 
negative  Reaktion  beweist  keine  Heilung. 

Rezidive  der 

Spätperiode : 

W.R.  meist  positiv.  Negativer  Ausfall  jedoch  häufiger  a 
im  Seknndärstadium. 

Latente  Syphilis 
der  Spätperiode: 

W.R.  abhängig  von  vorausgegangenen  Kuren.  Einmalige  n 
gative  Reaktion  beweist  keine  Heilung.  Umschlag  von  negativ' 
in  positive  Reaktion  seltener  als  im  Sekundärstadium. 

Tabes: 

W.R.  in  nur  50  Proz.  der  Fälle  positiv. 

Paralyse: 

W.R.  stets  positiv. 

Spinalflüssigkeit : 

W.R.  kann  positiv  sein  trotz  negativer  Reaktion  im  Bin 
und  umgekehrt.  Untersuchung  differentialdiagnostisch  wicl 
tig  bei  Verdacht  auf  Tabes  und  Paralyse. 

*)  Die  ersten  4  Jahre  nach  der  Infektion. 


iMärz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ouecksilber  in  der  die  Aerzte  umgebenden  Luit. 

Aus  der  Tatsaclie,  dass  Quecksilber  durch  Destillation  gewonnen 
f  J,  weil  es  sich  bei  höherer  Temperatur  verflüchtigt  und  abgekühlt 
nbar  flüssig  wird,  aus  der,  dass  an  der  Wende  des  XV.  Jahr- 
i  derts  Lues  in  der  Art  behandelt  wurde,  dass  man  mit  Queck- 
,  erverbindungen  räucherte  und  die  durchräucherten  Menschen  so 
i  speichelten,  dass  ihre  „Kiffel  wackelten“,  aus  der  weiteren,  dass 
mit  Quecksilber  arbeitenden  Vergolder  schon  zur  selben  Zeit  un- 
,  ihr  unter  der  Qewerbekrankheit  des  Speichelflusses  litten,  und 
i  s  über  das  Metall  gehängte  Kupfermünzen  durch  aufgelagertes 
.  ,'cksilber  „versilbert“  wurden,  war  ohne  weiteres  zu  folgern,  dass 
:  Räumen, in  denen  mit  Quecksilber  hantiert  wurde,  die  Luft  gas- 
nig  verteiltes  Quecksilber  enthielt.  Experimentell,  quantitativ  hat 
se  Tatsache,  die  unendlich  viele  Menschen,  unter  ihnen  alle 
I  ger  Aeskulaps,  in  erster* Reihe  Physiologen,  Dermatologen  und 
finärzte  wesentlich  interessiert,  vor  kurzer  Zeit  Arvid  Blom- 
i  s  t-  Stockholm  in  den  Berichten  der  Deutschen  Pharmazeutischen 
Seilschaft  1913,  S.  29  nachgewiesen. 

Aus  seinen  Untersuchungsergebnissen,  die  er  mitteilt,  sollen  fol- 
.  de  hier  angeführt  werden: 

Er  fand  in  je  4000  Liter  Luft  in  dem  physiologischen  Institut 
den  oberen  Räumen  0,1 — 0,3  mg  Quecksilber, 

len  unteren  Räumen,  den  Laboratorien  0,5 — 1,0  mg  „ 

medizinisch-chemischen  Institut  0,3 — 0,4  mg  „ 

Staub  ebenda  0,07  Proz.  „ 

Wie  anzunehmen  war,  fand  sich  im  Har  n  der  dort  verkehren- 
.  i  Personen  ebenfalls  Quecksilber,  und  zwar,  wie  Prof.  Q  ö  t  h  1  i  n 
.hgewiesen  hat,  ist  die  Resorption  für  einen  Tag  von  8  Arbeits- 

-  nden  auf  etwa  0,4 — 1,0  Quecksilber  anzuschlagen,  aus  welcher 
’  tige  ein  Schluss  auf  die  Vergiftungsgefahr  gezogen  werden  kann. 

:  geht  aus  der  Tatsache  des  hohen  Quecksilbergehalts  ausserdem 

vor,  dass  das  dampfförmig  verteilte  Quecksilber  geradezu  völlig 

■  orbiert  worden  sein  muss.  Q  ö  t  h  1  i  n  hat  schon  1909  als  Vergif- 
:  gssymptome  in  80  Proz.  der  Fälle  unbegründete  Müdigkeit,  in 

Proz.  Mundhöhlenaffektionen,  in  50  Proz.  verminderten  Appetit,  in 
•  Proz.  Darm-  und  Magensymptome  bei  solchen  nachgewiesen,  die 
gere  Zeit  in  den  Instituten  beschäftigt  waren.  In  anderen  Insti- 
:en  und  Krankenhäusern  zeigten  sich  ähnliche  Erscheinungen, 
eressant  war  das  Fehlen  des  Quecksilbers  im  Gasanalysierraum, 
:h  interessanter  fast  der  Grund  davon:  Decken,  Wände  und  Fuss- 
ien  bestanden  aus  Zinkplatten,  die  das  Quecksilber  aus  der  Luft 
.  sich  abgelagert  enthielten,  wie  eine  Untersuchung  dieser  Platten 
:ab.  Etwa  50  g  von  der  abgeschabten  Oberfläche  enthielten  0,1  bis 
.  Es  ist  ganz  klar,  dass  Zahnärzte  der  Gefahr  chronischer 
’  ecksilbervergiftungen  ganz  besonders  ausgesetzt  sind,  und  das 
i  so  mehr,  als  gar  nicht  selten  aus  Bequemlichkeit  der  Queck- 
•jeriiberschuss  aus  den  Amalgamfüllungen  auf  dem  Ballen  der  Hand 
:r  jedenfalls  mit  den  Fingern  ausgequetscht  wird.  Die  Folge  ist,  dass 
Herren  geradezu  in  einer  mit  Quecksilber  geschwängerten  Atmo- 
■läre  Tag  ein  Tag  aus  arbeiten.  Blomquist  konnte  bei  einem 
I  rrn  im  Liter  Urin  die  erhebliche  Menge  von  3 — 4  mg  Quecksilber 
i  tstellen.  Diese  Tatsachen  machen  eine  grössere  Vorsicht  und 
:  erlegtes  Arbeiten  zu  streng  zu  beobachtender  Pflicht. 

Schelenz. 

Therapeutische  Notizen. 

Die  Pneumothoraxtherapie  ist  von  H.  Königer- 
i'angen  bei  20  Fällen  angewendet  worden  (Ther.  Mon.-Hefte  12,  12). 

|  ter  diesen  Fällen  waren  28  Fälle  von  Lungentuberkulose.  Bei  dem 
‘  rgleich  der  Stich-  und  der  Schnittmethode  glaubt  K.  der  Stich- 

i  thode  die  geringsten  Nachteile  zuschreiben  zu  müssen.  Das 
hnittverfahren  ist  vielleicht  zu  beschränken  auf  die  Fälle,  bei  denen 
e  herdfreie  Stelle  auf  der  kranken  Seite  nicht  aufzufinden  ist  Der 

Luraspalt  lässt  sich  am  besten  mit  Hilfe  der  manometrischen  Be¬ 
achtung  erkennen:  beim  Eindringen  der  Nadel  in  den  Pleuraspalt 
tsteht  ein  ausgesprochen  negativer  Druck  mit  mehr  oder  weniger 
isser  Atemschwankung.  Der  zur  Ruhigstellung  der  Lunge  not- 
■ndige  Druck  ist  individuell.  Die  gewöhnlich  in  einer  Sitzung  ein- 

■  assende  Gasmenge  beträgt  500  ccm.  Der  operative  Eingriff  an  sich 

nicht  schwierig.  Die  Durchführung  der  ganzen  Behandlung  er- 
'  dert  eine  langdauernde  sorgfältige  klinische  Beobachtung.  Kr. 

Auf  die  Bedeutung  der  chronischen  Tonsillitis  weist 
P  ä  s  s  1  e  r  -  Dresden  hin  (Ther.  Mon.-Hefte  13,  1).  Die  chronische 
'usillitis  ist  nur  ausnahmsweise  eine  harmlose  Lokalerkrankung.  In 
r  Mehrzahl  der  Fälle  führt  sie  nach  einiger  Zeit  zu  erheblichen 
^gemeinen  Gesundheitsschädigungen.  Als  solche  sind  zu  bezeichnen: 
:  echte  rheumatische  Polyarthritis,  viele  Fälle  von  Ischias,  Ery- 
-•ma  nodosum,  Peliosis  rheumatica,  Chorea  minor,  von  der  sogen, 
vptogenetischen  Sepsis,  viele  Schädigungen  des  Herzens  und  des 
kulationsapparats  (sogen.  Herzneurosen),  Thrombophlebitis,  echte 
phritiden,  Dysurie,  Nephrolithiasis,  Appendizitis,  Dyspepsie,  Ob- 
pation,  Magengeschwüre,  Störungen  des  Gesamtorganismus, 
Uituelle  Kopfschmerzen,  allgemeine  neurasthenische  Zustände. 
Vorbedingung  für  die  Heilung  dieser  Krankheitszustände  ist  in 

ii  meisten  Fällen  die  Beseitigung  der  chronischen  Tonsillitis.  Bleibt 

-  Heilung  aus,  so  ist  nach  dem  Bestehen  anderer  chronischer  In- 
'tionszustände  (Nebenhöhlen,  Rachenmandel,  Zähne)  zu  forschen. 


503 


Eine  sichere  Heilung  der  chronischen  Tonsillitis  kann  nur  durch 
die  radikale  Tonsillektomie  erzielt  werden.  Die  konservativen  und 
die  verstümmelnden  operativen  Behandlungsmethoden  sind  unsicher. 

Die  Ausführung  der  Operation  ist  keine  schwierige.  Gefahren 
oder  ungünstige  Nachwirkungen  werden  durch  die  Operation  nicht 
bedingt.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ü  n  c.  h  e  n,  den  3.  März  1913. 

-  Zum  Rücktritt  des  Zentralimpfarztes  Medizinalrates  Dr.  L. 
Stumpf  erhalten  wir  folgende  Zuschrift  seines  Kollegen,  des  Ham¬ 
burger  Impfarztes  Prof.  Dr.  L.  Voigt: 

„Mit  Bedauern  lesen  wir,  dass  der  hochverdiente  Zentralimpfarzt 
Bayerns,  Herr  Medizinalrat  Dr.  Ludwig  Stumpf,  auf  seinen  Wunsch 
in  den  Ruhestand  versetzt  worden  ist. 

Seine  Spezialkollegen  im  Deutschen  Reiche  sehen  ihn  mit  grosser 
Betrübnis  scheiden,  als  einen  Mann  deutscher  Art  von  unermüdlicher 
Arbeitsfreudigkeit,  grosser  Gewissenhaftigkeit  und  von  weitem  Blick, 
deren  man  in  jetziger  Zeit  schwer  entraten  kann. 

Stumpf  darf  beim  Ausscheiden  aus  seinem  Amte  auf  glänzende 
Erfolge  zurückblicken,  die  seinen  Namen  über  Deutschlands  Grenzen 
hinaus  bekannt  gemacht  haben.  Während  seiner  26  jährigen  Amts¬ 
führung  ist  das  bayerische  Impfwesen  nicht  nur  auf  der  weltbekann¬ 
ten  Höhe  geblieben,  sondern  noch  vervollkommnet  worden.  Stumpf 
hat  den  von  seinem  Vorgänger,  dem  genialen  Dr.  Kranz,  schon  ein¬ 
geleiteten  Uebergang  zur  Benutzung  der  Tierlymphe  für  die  Impfung 
der  Menschen  innerhalb  weniger  Jahre  in  grosszügiger  Weise  durch¬ 
geführt  und  an  der  Verbesserung  der  Gewinnung  eines  schutzkräftigen 
Impfstoffes  ganz  wesentlich  mitgewirkt.  Von  ihm  persönlich,  als  dem 
Impfarzte  Münchens,  sind  wohl  über  400  000  Menschen  geimpft  wor¬ 
den.  Nach  seiner  Angabe  ist  die  mustergültige  Impfanstalt  in  Mün¬ 
chen  (Neudeck)  erbaut,  und  von  ihm  Bayern  alljährlich  mit  fast  einer 
halben  Million  von  Impfstoffportionen  (Retrovakzine)  versorgt  wor¬ 
den.  Die  Jahresberichte,  in  denen  er  die  mit  seinem  Impfstoffe 
in  ganz  Bayern  erzielten  glänzenden  Ergebnisse  zusammengefasst 
hat,  sind  von  bleibendem  Werte.  Sie  beweisen,  dass  das  bayerische 
Impfwesen  seinen  ersten  Platz  behauptet.  Möge  das  so  bleiben! 

Wir  leben  in  einer  Zeit  massloser  Angriffe  gegen  den  so  nötigen 
Impfschutz.  Auch  die  kernige  Natur  des  jetzt  aus  dem  Amte  schei¬ 
denden  Medizinalrat  Stumpf  ist  mancher  Anfeindung  ausgesetzt 
worden.  Bitternisse  werden  ihm' nicht  erspart  worden  sein.  Aber  in 
den  Frieden  seiner  Berge  nimmt  er  die  Anerkennung  und  die  Hoch¬ 
schätzung  vieler  mit  hinaus.  Die  Bevölkerung  Münchens  und  Bayerns 
wird  den  hochverdienten  Mann  in  dankbarer  Erinnerung  hochhalten.“ 

—  Die  Stadtgemeinde  München  hat  zur  Errichtung  von 
Spielplätzen  Grundstücke  in  der  Nähe  von  Harlaching,  4  km 
vom  Zentrum  der  Stadt  entfernt,  im  Ausmasse  von  10  Hektar  (30  Tag¬ 
werk)  zur  Verfügung  gestellt.  Davon  sind  12  Tagwerk  für  einen 
Universitäts  Spielplatz  bestimmt. 

—  Prof.  Dr.  Theodor  Kocher-  Bern  machte  anlässlich  seines 
40  jährigen  Jubiläums  als  Professor  der  Chirurgie  an  der  Berner 
Hochschule  dem  Kanton  Bern  eine  Schenkung  von  200  000  Franken. 
Alle  3  Jahre,  erstmals  1915  soll  ein  Betrag  von  3000  Fr.  aus  den  Zin¬ 
sen  verwertet  werden  zur  Belohnung  für  verdienstvolle  Arbeiten  oder 
zur  Förderung  wissenschaftlicher  Untersuchungen.  Die  Entscheidung 
über  die  Zuteilung  soll  abwechselnd  den  4  Hauptfakultäten  zukommen 
und  vom  Senat  bestätigt  werden.  Das  Kapital  sowie  die  Zinsen  und 
Zinseszinsen  sollen  sicher  angelegt  werden,  bis  die  Höhe  einer  halben 
Million  Franken  erreicht  ist.  Hernach  sollen  die  Zinsen  zum  Betrieb 
eines  Forschungsinstitutes  für  Biologie  gebraucht 
werden,  d.  h.  für  ein  Institut  zur  Erforschung  der  Lebensvorgänge 
im  weitesten  Sinne  des  Wortes,  und  zwar  soll  mur  die  direkte  Förde¬ 
rung  selbständiger  wissenschaftlicher  Forschungen  im  Auge  behalten 
werden,  nach  Muster  bereits  bestehender  Forschungsinstitute  in 
Amerika,  England,  Frankreich,  Russland  und  speziell  der  vom 
Deutschen  Kaiser  geschaffenen  deutschen  Forschungsinstitute,  (hk.) 

—  Die  Ausführung  des  Robert  Koch-Denkmals  ist  dem 
bekannten  Berliner  Bildhauer  Prof.  Louis  T  u  a  i  1 1  o  n  übertragen 
worden.  Das  Denkmal,  für  dessen  Aufstellung  die  Stadt  einen  Teil 
des  Luisenplatzes  überlassen  hat,  soll  in  Marmor  ausgeführt  werden. 

— -  Auf  dem  internationalen  med.  Kongress  in  London  werden 
drei,  von  früheren  Kongressen  gestiftete  Preise  zur  Verteilung 
kommen,  der  Preis  von  Moskau  (5000  Franken),  der  Preis  von  Paris 
(4000  Franken)  und  der  Preis  von  Pest  (3000  Kronen).  Das  perma¬ 
nente  Kongressbureau  (Haag,  Hugo  de  Grootstrasse  10)  ersucht  um 
Vorschläge  für  die  Zuerkennung  der  Preise.  Termin  1.  Juni. 

—  Während  des  internationalen  medizinischen  Kongresses  in 
London  wird  eine  von  Henry  S.  Wellcome  organisierte 
historisch-medizinische  Ausstellung  zu  sehen  sein, 
die  u.  a.  interessante  Gegenstände  zur  Geschichte  der  Narkose  und 
der  Vakzination  enthalten  wird.  Kollegen,  die  mit  der  Geschichte 
der  Medizin  und  deren  verwandten  Wissenschaften  zusammen¬ 
hängende  Gegenstände  ähnlicher  Art  besitzen  und  gewillt  sind,  sie 
leihweise  zu  überlassen,  wollen  sich  mit  „The  Secretary,  54  A  Wig- 
more  Street,  London  W.“  in  Verbindung  setzen,  der  gerne  einen  voll¬ 
ständigen,  illustrierten  Katalog  an  alle  Interessenten  senden  wird. 


504 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  O.i 


Wie  wir  mit  Bedauern  hören,  ist  Prof.  D  ii  h  r  s  s  e  n,  der 
ausgezeichnete  Berliner  Gynäkologe,  an  einer  Streptokokkeninfektion, 
die  er  sich  bei  Ausführung  einer  Operation  zuzog,  schwer  erkrankt. 

Dr.  Alexander  Nehrkorn,  Chefarzt  der  chirurgischen  Ab¬ 
teilung  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Elberfeld,  ist  der  Professor¬ 
titel  verliehen  worden,  (hk.) 

-  Hofrat  Dr.  D  a  p  p  e  r  in  Bad  Kissingen  wurde  vom  Prinz¬ 
regenten  unter  dem  Namen  v.  Dapper-Saalsfeld  in  den  erb¬ 
lichen  Adelsstand  versetzt. 

-  An  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Düsseldorf  findet 
vom  14.  bis  26.  April  ein  Sonderkursus  zur  Ausbildung  von 
Schulärzten  statt.  Als  Vortragende  in  diesem  Kursus  sind  ausser 
den  Dozenten  der  Akademie,  zahlreiche  hervorragende  Schulmänner 
und  Hygieniker  beteiligt,  darunter  Prof.  Dr.  Selter-  Bonn,  der  auf 
diesem  Gebiete  besondere  Erfahrungen  besitzt.  —  Ausserdem  findet 
vom  7.  bis  19.  Juli  ein  Kursus  für  „Soziale  Medizin“  statt,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Unfall-  und  Invalidenbegutachtung. 
Auch  an  diesem  Kursus  werden  ausser  den  Dozenten  der  Akademie 
hervorragende  Sozialpolitiker  Vorträge  halten.  Auskunft  erteilt  das 
Sekretariat  der  Akademie. 

-  Für  die  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für 
Schulgesjundheitspflege  (Pfingstwoche,  13.— 15.  Mai)  in 
Breslau  sind  folgende  Hauptreferate  aufgestellt:  1.  Welche  An¬ 
forderungen  müssen  vom  hygienischen  Standpunkte  an  die  Schul¬ 
anfänger  gestellt  werden?  (Referenten:  Stadtschulrat' Dr.  Stein¬ 
haus-Dortmund  und  Stadtschulrat  Dr.  W  e  h  r  h  a  h  n  -  Hannover.) 
2.  Die  Bedeutung  der  Landerziehungsheime  vom  hygienischen  und 
pädagogischen  Standpunkte.  (Referenten :  Dr.  L  i  e  t  z,  Direktor  der 
Landerziehungsheime '  Haubinda,  Ilsenburg  und  Schloss  Bieberstein, 
und  Schularzt  Dr.  Sexauer  - Godesberg.)  Anfragen  die  Versamm¬ 
lung  betreffend  sind  an  den  Geschäftsführer  des  Vereins,  Professor 
Dr.  S.e  1 1  e  r  -  Bonn,  Hygienisches  Institut,  zu  richten. 

—  Der  30.  Deutsche  Kongress  für  innere  M  e  d  i  - 
z  i  n  findet  vom  15.  bis  18.  April  in  Wiesbaden  statt.  Vortragsanmel¬ 
dungen  sind  an  den  Vorsitzenden  mit  kurzer  (leserlicher)  Inhalts¬ 
angabe  bis  17.  März  einzureichen.  Der  Preis  der  Eintrittskarte  be¬ 
trägt  15  M.  Es  wird  gebeten,  die  Beiträge  im  voraus  an  den  Kassen- 
fiihrer  des  Kongresses,  Herrn  Dr.  Julius  Wibel,  Wiesbaden,  Rhein¬ 
strasse  68  (Postscheckkonto  No.  6051  bei  dem  Postscheckamt  in 
Frankfurt  a.  M.),  einzusenden.  Das  Hauptthema  des  Kongresses 
lautet:  Wesen  und  Behandlung  des  Fiebers.  Referenten:  Herr  Hans 
H.  Meyer-  Wien  und  Herr  v.  K  r  e  h  1  -  Heidelberg.  Ausserdem  sind 
zahlreiche  Vorträge  bereits  angemeldet. 

ln  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Rassen¬ 
hygiene,  Ortsgruppe  München,  spricht  am  Freitag,  den 
7.  März,  abends  8'A  Uhr  im  Hörsaal  des  anatomischen  Institutes  bei 
freiem  Eintritt  Herr  o.  ö.  Professor  Dr.  Julius  Tandler,  Direktor 
des  ersten  anatomischen  Institutes  der  Universität  Wien  über  „K  o  n  - 
stitution  und  Rassen  hygien  e“. 

-  Der  Verband  ärztlicher  Privatlaboratorien  hat  ein  Merk¬ 
blatt  über  die  Wasser  mann  sehe  Reaktion  heraus¬ 
gegeben,  das  praktischen  Aerzten  die  Deutung  und  Wertigkeit  der 
Untersuchungsergebnisse  in  den  einzelnen  Stadien  der  Syphilis  er¬ 
leichtern  soll.  Das  Merkblatt  kann  von  Aerzten  aus  der  Geschäfts¬ 
stelle,  Berlin,  Karlstr.  14,  gegen  Einsendung  von  10  Pf.  (in  Marken) 
bezogen  worden.  (Das  Merkblatt  ist  auf  S.  502  d.  No.  abgedruckt.) 

Der  9.  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands 
findet  vom  25. — 27.  März  d.  J.  in  Bonn  statt. 

-  Die  Hauptversammlung  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Volksbäder  wird  am  30.  April  in  Breslau  abgehalten. 

-  Cholera.  Türkei.  Vom  5.  bis  12.  Februar  wurden  aus 
Kartal  29  neue  Erkrankungen  (mit  6  Todesfällen),  darunter  20  (6) 
unter  den  Truppen,  gemeldet,  ausserdem  aus  Kartal  3  und  aus 
Elvine  (Bez.  Karassi)  2  Todesfälle  vordem  erkrankter  Personen. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  1.  bis  7.  Februar  erkrankten  7  (und 
starben  6)  Personen.  —  Hongkong.  Vom  12.  bis  18.  Januar  1  tödlich 
verlaufener  Krankheitsfall. 

-  In  der  7.  Jahreswoche,  vom  9.  bis  15.  Februar  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Regensburg  mit  26,7,  die  geringste  Recklinghausen  Ld.  mit 
4,3  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Altenessen,  Kattowitz,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Beuthen,  Dortmund,  Heilbronn,  Wanne, 
an  Keuchhusten  in  Bromberg,  Fürth,  Rheydt.  (V.  d.  K.  G.-A.) 

(H  o'c  h  s  c  h  u  1  n  a  c  h  r  i  c  h  t  e  n.) 

Berlin.  Die  Abschiedsvorlesung  des  Geh.  R.  O.  Heubner 
gestaltete  sich  zu  einer  herzlichen  Kundgebung  für  den  beliebten 
Lehrer.  Seine  Schüler  überreichten  ihm  eine  Festschrift  und  eine 
Stiftungsurkunde  über  ein  Kapital  von  7000  M„  aus  dessen  Erträg¬ 
nissen  alle  3  Jahre  ein  Heubner  preis  verteilt  werden  soll. 

B  r  e  s  1  a  u.  Zu  Ehren  des,  wie  gemeldet,  aus  dem  Amte  als 
Universitätslehrer  scheidenden  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Ponfick 
veranstaltete  die  Breslauer  Studentenschaft  auf  Anregung  der  Bres¬ 
lauer  Klinikerschaft  am  Abend  des  24.  Februar  einen  feierlichen 
Fackelzug.  Die  Ansprache  hielt  Herr  cand.  med.  Ullrich. 

-  Prof.  Dr.  Henke  hat  den  Ruf  an  die  Universität  Breslau  als  Nach¬ 
folger  von  Geh.  Rat  Ponfick  angenommen  und  wird  sein  neues 
Lehramt  mit  Beginn  des  kommenden  Sommersemesters  über¬ 


nehmen.  (hk.)  —  Für  das  Jahr  1913  wurde  von  der  med.  Fakultät j 
folgende  Preisaufgabe  gestellt:  „Beziehungen  zwischen  Querscnnit; 
und  Wandstärke  der  Arterien  nebst  Schätzung  des  Anteils  der  ein¬ 
zelnen  Gewebe  am  Aufbau  der  Wand“,  (hk.) 

Göttingen.  Habilitiert  haben  sich:  für  Anatomie  Dr.  meu. 
et  phil.  Max  Hau  schild,  II.  Prosektor  am  anatomischen  Institut, 
und  für  Physiologie  Dr.  Rudolf  Ehrenberg,  Assistent  am  physio¬ 
logischen  Institut,  (hk.) 

Heidelberg.  Exz.  Czerny  wird  am  1.  Oktober  1914  die 
Leitung  des  von  ihm  begründeten  Instituts  für  Krebsforschung 
(Samariterhaus)  niederlegen.  —  Habilitiert  hat  sich  der  Assistent  der! 
Universitäts-Ohren-  und  Kehlkopfklinik,  Dr.  Karl  Beck.  Seine 
Probevorlesung  behandelte:  Die  Störungen  der  Motilität  und  Sensi¬ 
bilität  des  Larynx  und  ihre  Beziehungen  zu  Allgemeinerkrankungen. 
—  Habilitiert  hat  sich  Dr.  Hans  W.  G  r  u  h  1  e  mit  einer  Probevor-1 
lesurig  über  „Die  Bedeutung  des  Symptoms  in  der  Psychiatrie“. 

Kiel.  Die  Zahl  der  Studierenden  der  Medizin  betrug  im  Winter¬ 
semester  1912/13  519,  darunter  14  Frauen. 

K  ö  1  n.  Prof.  J  o  r  e  s  hat  den  Ruf  als  Professor  der  patholog.j 
Anatomie  und  Direktor  des  patholog.  Instituts  in  Marburg  an- 
genommen. 

München.  Für  das  Fach  der  medizinischen  Statistik  habili¬ 
tierte  sich  der  K.  Zentralimpfarzt  Dr.  Alfred  G  r  o  t  h  mit  einer  Arbeü . 
„über  den  Einfluss  der  beruflichen  Gliederung  des  bayerischen  Volkes 
auf  die  Entwicklung  der  Sterblichkeit  und  Fruchtbarkeit  der  letzten 
Jahrzehnte“.  —  Für  das  Fach  der  Zahnheilkunde  habilitierte  sich 
Dr.  Hans  A  h  r  e  n  s,  1.  Assistent  am  Kgl.  zahnärztlichen  Institut.  Die 
Habilitationsschrift  führt  den  Titel:  „Die  Entwicklung  der  mensch¬ 
lichen  Zähne“.  —  Der  Anthropologe  Geheimrat  Johannes  v.  Ranke 
feierte  sein  50 jähriges  Doktorjubiläum.  —  Habilitiert:  Dr.  Gottfried 
Böhm,  Assistent  der  II.  med.  Klinik,  mit  einer  Arbeit  über  den  Ein- 
fluss  des  Nervus  sympathicus  und  anderer  autonomer  Nerven  auf  die 
Bewegungen  des  Dickdarms. 

Rostock.  Für  das  Fach  der  Augenheilkunde  habilitierte  sich 
in  Rostock  Dr.  med.  Moritz  W  i  r  t  h  s,  erster  Assistent  bei  Prof 
J3eters  an  der  Augenklinik. 

Basel.  Die  Privatdozenten  in  der  medizinischen  Fakultät  dei 
Universität  Basel  Dr.  Adolf  Streckeisen  (gerichtliche  Medizin) 
Dr.  Emil  Villiger  (Anatomie)  und  Dr.  Bruno  Bloch  (Dermatol 
logie)  sind  zu  ausserordentlichen  Professoren  ernannt  worden,  (hk. 

Nancy.  Dr.  E  t  i  e  n  n  e  wurde  zum  Professor  der  allgemeineil 
und  internen  Pathologie  ernannt. 

Zürich.  Dr.  Max  Tieche  wurde  als  Privatdozent  f ii i 
Dermatologie  und  Venereologie  zugelassen,  (hk.) 

(Todesfälle.) 

Die  Witwe  Rudolf  Virchows  ist  am  21.  y.  Mts.  in  Berlin 
81  Jahre  alt,  gestorben. 

Dr.  J.  G.  P  a  t  o  i  r,  Professor  der  gerichtlichen  Medizin  in  Lille) 

Dr.  Fr.  F  e  d  e,  Professor  der  Kinderheilkunde  in  Neapel. 

Dr.  A.  B.  D  u  f  f  i  n,  früher  Professor  der  med  Klinik,  und 

Dr.  M.  McHardy,  früher  Professor  der  Augenheilkunde  ai 
Kings  College  zu  London. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  7.  Jahreswoche  vom  9.  bis  15.  Februar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs 
fehler  7  (171),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  6  (3),  Kindbettfieber  1  (— 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  2  (2),  Scharlach  —  (1 
Masern  u.  Röteln  2  (1),  Diphtherie  u.  Krupp  —  (1),  Keuchhusten  1  (3t 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  ( — ),  akut.  Gelenkrheumatismus  —  (— 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  — (— ),  Starrkrampf  — -  (- 
Blutvergiftung  2  ( — ),  Tuberkul.  der  Lungen  24  (24t,  Tuberkul.  and.  Orj 
(auch  Skrofulöse)  5  (3),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ),  Lunger 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  7  (12),  Influenza  —  (1),  veneri 
sehe  Krankh.  1  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel 
fieber  usw.  — ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  4  (1),  Alkoholü 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  7  (3),  sonst.  Krankl 
d.  Atmungsorgane  5  (6),  organ.  Herzleiden  22  (14),  Herzschlag,  Herz 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  3  (7),  Arterienverkalkun 
2  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  3  (1),  Gehirnschlag  10  (12: 
Geisteskrankh.  —  (2),  Krämpfe  d.  Kinder  6  ( — ),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve: 
Systems  8  (1),  Atrophie  der  Kinder  3  ( — ),  Brechdurchfall  —  (1),  Mager 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  6  (11),  Blinddarn 
entzünd.  1  ( — ),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  \ 
Milz  5  (1),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (5),  Nierenentzünd.  1  (3 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  2  (3),  Krebs  18  (19),  sons 
Neubildungen  4  (— ),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.de 
Bewegungsorgane  1  ( — ),  Selbstmord  1  (6),  Mord,  Totschlag,  auc 
Hinricht.  —  (1 ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  1  (4 
and.  benannte  Todesursachen  5  (4),  Todesursache  nicht  (genau)  ar 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  ( — ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  179  (177). 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoch 


- 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


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MÜNCHENER 


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Pürdtle  Redaktion  Arnulfstr.26  Bürozeit  der  Redaktion  8‘/i— I  Uhr. 
Für  Abonnement  an  ).  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theadnerstrassc  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE 


I  10.  11.  März  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


i.  dem  pathologischen  Institut  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  München-Schwabing. 

Die  syphilitische  Aortenerkrankung  *). 

Von  Professor  Oberndorfer. 

Es  ist  ausserhalb  Münchens  recht  oft  die  Anschauung  zu 
i  len,  dass  wir  in  unserem  Sektionsmaterial  das  Bierherz, 
i  auf  reichlichen  Biergenuss  zurückführbare  sogen,  idio- 
i  hische  Merzhypertrophie  und  -dilatation,  die  B  o  1 1  i  n  g  e  r 
1 1  Bauer  in  so  vortrefflicher  Weise  beschrieben  haben, 
ht  häufig  beobachten  können,  und  immer  wieder  verlangen 
uns  besuchenden  Fachkollegen  in  unseren  Sammlungen 
!  se  Münchener  Spezialität  zu  sehen.  Dieser  Wunsch  kann 
h  befriedigt  werden,  denn  über  einige  Paradeherzen  ver- 
it  jedes  unserer  Museen,  aber  einen  häufigen  Befund  am 
•ctionstisch  stellen  sie  nicht  dar.  Im  Gegenteil  muss  sich 
tem,  der  über  längere  Jahre  Sektionserfahrung  verfügt, 
i  Beobachtung  aufdrängen,  dass  die  Zahl  der  reinen  Fälle 
[fortdauernder  Abnahme  begriffen  ist.  Das  wäre  ein  gutes 
il  erfreuliches  Zeichen,  und  es  müsste  sich  dies  in  einer 
»duktion  der  Zahl  der  Herzkrankheiten  erlegenen  Personen 
^drücken,  würde  nicht  eine  andere  Herzerkrankung  ganz 
:  eifellos  immer  stärker  auftreten  und  in  ihrer  Häufigkeit 
:  adezu  erschreckende  Dimensionen  annehmen.  Diese  Herz- 
rankung  ist  die  luetische  Aortenerkrankung  mit  der  ihr 
<enden  Aorteninsuffizienz. 

Um  Ihnen  ein  Bild  der  Häufigkeit  dieser  Erkrankung  zu 
nen,  habe  ich  mein  Sektionsmaterial  aus  den  letzten 
i:  Jahren  zusammengestellt.  Es  fanden  sich  hier  unter 
36  Sektionen  99  Fälle  von  Aortenlues,  d.  i.  6,894  Proz.  des 
samten  Sektionsmaterials.  An  der  Erkrankung  waren  be- 
digt  55  Männer,  44  Frauen;  was  das  Alter  anlangt,  in  dem 
Erkrankung  am  häufigsten  gefunden  wird,  so  ersehen  Sie 


Todesalter  bei  Aortenlues  in  99  Fällen. 


)- 

-30 

31- 

-40 

41- 

-50 

51- 

-60 

61- 

-70 

71- 

-80 

81- 

-90 

w. 

m. 

w. 

m. 

w. 

m. 

w. 

m. 

w. 

m. 

w. 

m. 

w. 

32 

37 

41 

41 

51 

51 

61 

61 

73 

79 

85 

33 

39 

41 

41 

51 

51 

62 

61 

75 

36 

39 

42 

42 

52 

51 

62 

62 

75 

37 

39 

42 

42 

52 

51 

62 

65 

38 

39 

42 

43 

53 

52 

63 

67 

J38 

43 

44 

53 

52 

65 

69 

39 

44 

45 

53 

52 

68 

69 

44 

45 

54 

53 

68 

46 

48 

54 

54 

69 

48 

48 

54 

57 

70 

48 

49 

56 

58 

49 

49 

57 

58 

49 

50 

57 

58 

49 

57 

58 

49 

57 

59 

50 

58 

50 

58 

50 

59 

56 

7 

5 

18 

13 

19 

15 

10 

7 

3 

1 

1 

s  der  vorliegenden  Tabelle,  dass  gerade  im  kräftigsten 
ter  diese  Erkrankung  den  Tod  am  häufigsten  herbeiführt, 
e  Häufigkeit  der  luetischen  Aortenerkrankung  ist  eine  so 


“I  Nach  einem  Vortrag  im  Aerztl.  Verein  München  am  2D.  No- 

mher  1912. 

No.  lu. 


grosse,  dass  sie  in  unserem  Sektionsmaterial  nach  der  Tuber¬ 
kulose  und  den  malignen  Tumoren  zu  den  häufigeren  Todes¬ 
ursachen  gehört. 

Die  Bedeutung  dieser  Erkrankung  wird  anscheinend  noch 
immer  wesentlich  unterschätzt.  Ursache  dafür  mag  die 
Schwierigkeit  der  Diagnosenstellung  bei  den  Lebenden  sein, 
worauf  wir  unten  noch  eingehen  werden.  Aber  sie  ist  doch 
so  wichtig,  dass  es  sich  verlohnen  wird,  einmal  auf  sie  näher 
einzugehen,  um  die  Aufmerksamkeit  auf  sie  zu  schärfen,  denn 
eine  frühzeitige  Diagnose  kann  von  grösster  therapeutischer 
Wichtigkeit  sein  und  die  Erkrankung  heilen,  bzw.  stationär 
machen,  die  sonst  unrettbar  zum  Tode  führt. 

Ehe  ich  auf  die  pathologische  Beschreibung  der  Erkran¬ 
kung  eingehe,  gestatte  ich  mir  einen  kleinen  historischen 
Rückblick,  der  recht  interessant  ist,  weil  gerade  die  luetische 
Aortitis  eine  Erkrankung  ist,  die  lange  Zeit  als  selbständig 
nicht  erkannt  wurde,  im  Gegenteil  lange  mit  erbitterten 
Zweifeln  zu  kämpfen  hatte,  die  erst  in  den  letzten  Jahren  ver¬ 
stummten. 

Als  anfangs  der  80  er  Jahre  Hellers  Schüler  Döhle 
•einen  Fall  von  besonderer  Aortenerkrankung  beschrieb  und 
ihn  als  luetisch  ansprach,  da  begegneten  seine  Ausführungen 
grosser  Skepsis.  Und  selbst  noch  im  Jahre  1899,  als  Heller 
und  der  früh  verstorbene  Münchener  Psychiater  Straub, 
letzterer  an  einem  imposant  grossen  Paralytikermaterial, 
wiederum  die  Spezifität  der  luetischen  Aortitis  verkündeten, 
da  traten  noch  weitaus  die  meisten  Pathologen  diesen  Aus¬ 
führungen  entgegen  und  wollten  nicht  zugeben,  dass  hier  eine 
Manifestation  von  Lues  vorliege.  Erst  im  Jahre  1903,  als  in 
Cassel  auf  der  Tagung  der  Deutschen  pathologischen  Gesell¬ 
schaft  als  Referatthema  die  Frage  der  luetischen  Aortitis  ge¬ 
stellt  war,  trat  ein  Umschwung  der  Meinungen  zu  Gunsten 
der  luetischen  Aortitis  ein;  die  letzten  Zweifel  verstummten, 
als  es  gelang,  in  der  erkrankten  Gefässwand  Spirochäten 
nachzuweisen  und  auch  die  Wassermann  sehe  Reaktion 
gestattete,  sichere  Schlüsse  auf  das  Bestehen  der  Lues  zu 
ziehen. 

Wie  exakt  aber  auch  ohne  Serumuntersuchung  die  patho¬ 
logisch-anatomische  Diagnose  arbeitet,  das  können  Sie  aus 
einer  Zusammenstellung  unseres  Materials  aus  dem  Kranken¬ 
hause  München  r.  d.  Isar,  die  Herr  Dr.  Gruber  vorge¬ 
nommen  hat  und  deren  Resultat  in  der  Münchener  med. 
Wochenschrift  veröffentlicht  wurde,  entnehmen.  Unter  einer 
grossen  Anzahl  wahllos  zusammengestellter  Fälle  stellten  wir 
in  71  Fällen  die  Diagnose  luetische  Aortitis.  Von  diesen 
71  Fällen  ergaben  67  positive  Wassermann  sehe  Reaktion, 
was  einem  Prozentsatz  von  94  entspricht.  Wenn  Sie  be¬ 
denken,  dass  die  luetische  Aortitis,  wie  jede  andere  syphi¬ 
litische  Erkrankung,  was  die  Anwesenheit  der  Erreger  an¬ 
langt,  ausheilen  kann,  das  bewiesen  ja  auch  vor  der  Salvarsan- 
ära  die  wenn  auch  spärlich  beobachteten  Fälle  von  Re¬ 
infektion,  dass  dabei  aber  die  einmal  gesetzten  Verände¬ 
rungen  in  der  Aortenwand  stationär  bleiben  müssen,  kann  der 
geringen  Zahl  der  negativen  Fälle  kaum  ein  gegen  die  Dia¬ 
gnose  sprechendes  Gewicht  beigelegt  werden. 

Nun  zur  Anatomie  der  sogen.  Aortitis  luetica. 

Die  Erkrankung  beginnt  meistens  am  Anfangsteil  der 
Aorta,  direkt  oberhalb  der  Aortenklappen,  seltener  am  Arkus. 
Die  ersten  Stadien  stellen  weisse,  polsterartige  Verdickungen 
dar,  die  in  manchen  Fällen  schon  zu  Beginn  auf  die  Ansatz¬ 
linien  der  Aortenklappen  übergreifen.  Meist  sieht  man  in 
diesem  Stadium  bereits  eine  leichte  Rillenbildung  an  der  Ober¬ 
fläche  der  Verdickung.  Diese  Rillen  und  narbigen  Ein¬ 
ziehungen  nehmen  bei  der  Ausdehnung  des  Prozesses  an 

i 


506 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10.! 


Zahl  und  Grosse  zu.  Die  Rillen  verlaufen  meist  parallel, 
grossenteils  der  Achse  der  Aorta  entsprechend,  doch  strahlen 

sie  auch  in  nicht  sel¬ 
tenen  Fällen  radiär 
von  einem  Zentrum 
aus,  das  meistens  be¬ 
sonders  starke  Ein¬ 
ziehungen  aufweist, 
oft  ein  kleines  Grüb¬ 
chen  darstellt.  So 
nimmt  die  Aorta  mehr 
und  mehr  die  Be¬ 
schaffenheit  welker, 
runzeliger  Haut  an. 
Neben  den  von  Rillen 
durchzogenen  Ver¬ 
dickungen  kommen 
aber  auch  in  den 
Anfangsstadien  des 
Prozesses  häufig  Verdünnungen  bis  zum  Durchscheinend¬ 
werden  der  Aorta  vor,  über  denen  die  Innenhaut  des  Gefässes 


Form  aufweisen.  Aber  auch  diese  Fälle  zeigen,  wie  die  reinen 
Fälle  der  luetischen  Aortitis  fundamentale  Unterschiede  von 
der  gewöhnlichen  Atherosklerose. 

Neigt  bei  jener  der  Prozess  zu  einer  Steigerung  der  Ver¬ 
änderungen  distalwärts,  so  finden  wir  bei  der  luetischen  Er¬ 
krankung  in  weitaus  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle, 
dass  sie  sich  strenge  auf  die  Aorta  thoracica  beschränkt,  mit 
scharfer,  zackiger  Linie  gewöhnlich  oberhalb  der  Abgangs¬ 
stelle  der  Arteria  coeliaca  gegen  die  nun  vollständig  nor¬ 
male  Beschaffenheit  annehmende  Wand  der  Aorta  abdominalis 
abgrenzt.  Auch  die  Weite  des  Aortenrohres,  die  wie  er 
wähnt,  im  Bereiche  der  krankhaften  Partie  grösser  ist,  nimmt 
hier  normale  Dimensionen  an.  Diese  Grenzlinie  liegt  in  einer» 
Minderzahl  der  Fälle  auf  der  Höhe  der  Abgangsstellen  dci| 
Renalis  oder  des  Zwerchfelldurchtrittes  der  Aorta. 

Wir  haben  vorhin  schon  erwähnt,  dass  in  den  Anfangs, 
Stadien  der  Prozess  häufig  schon  auf  die  Aortenklapper 
übergreift,  was  in  den  späteren  Stadien  der  Erkrankung  dkf 
Regel  bildet.  Die  Aortenklappen  werden  dadurch  starr1 
schwielig.  Durch  ihre  Verdickung  selbst,  andererseits  abeil 
auch  durch  die  bei  der  Erkrankung  fast  stets  zu  beobachtend«) 
Erweiterung  der  Aorta  werden  die  Klappen  in  ihrer  Bewegung 


Bild  II.  S.  115/12.  W.,  48  J. 


Bild  III.  S.  70/09.  Mann,  48  J. 


Bild  IV.  S.  36/12.  Mann,  60  J. 


narbige,  blaugraue  Farbe  annimmt.  Diese  Narbenbildungen 
treten  häufiger  am  Arkus  als  am  Anfangsteil  der  Aorta  auf, 
kommen  aber  auch  an  dieser  Stelle  vor.  Sie  grenzen  sich 
scharf  von  dem  sie  umgebenden,  mehr  gelblich  gefärbten  Ge¬ 
webe  der  normalen  Aortenwand  ab.  Bei  hochgradigen  Er¬ 
krankungen  ist  die  Aorta  in  ein  schwieliges,  von  tiefen  Fur¬ 
chen  durchzogenes  Rohr  umgewandelt,  wobei  meistens 
das  Gefässrohr  starke  Erweiterungen  aufweist.  Die  Er¬ 
weiterungen  können  auch  mehr  zirkumskripter  Natur  sein, 
die  schliesslich  bis  zur  sackförmigen  Ausbuchtung  des 
Aortenrohres,  den  bekannten  sackartigen  Aneurysmen,  führen. 
Ist  das  Aneurysma  noch  klein,  so  weist  seine  Innen¬ 
fläche  den  narbigen  Charakter  der  kranken  Aorta  auf, 
während  in  späteren  Stadien  der  Sack  fast  nur  mehr  aus 
gedehntem  Bindegewebe,  dessen  Innenfläche  durch  fest  an¬ 
haftende  Blutgerinnsel  verdickt  wird,  besteht. 

Undeutlicher  kann  das  Bild  der  luetischen  Aorten¬ 
erkrankung  werden,  wenn  sich  zu  dem  luetischen  Prozess 
degenerative  Vorgänge  in  Form  der  kalkulösen  Athero¬ 
sklerose  hinzugesellen.  Und  es  scheint,  als  ob  die  Athero¬ 
sklerose,  tritt  sie  einmal  bei»  der  Lues  der  Aorta  auf,  gerade 
hier  ausserordentliche  Grade  der  Intensität  erreicht;  dann 
können  die  Kalkplatten  Rillenbildung  und  Narben  völlig  ver¬ 
decken.  In  anderen  Fällen  allerdings,  und  das  sind  die 
häufigeren,  trifft  man  mitten  unter  den  atherosklerotisch  ver¬ 
änderten  Partien  Bezirke  frei  von  Kalkeinlagerungen,  die  j 
dagegen  Narben-  und  Rillenbildungen  in  der  beschriebenen  1 


beeinträchtigt,  da  bei  der  Erweiterung  des  Aortenrohres  di 
Ansatzlinie  der  Klappen  auseinanderrücken  muss;  hierdurch  i: 
der  Schluss  der  Aortenklappen  unmöglich  gemacht.  Bei  dei 
Uebergreifen  des  Prozesses  auf  die  Aortenklappen,  nicht  Seite 
ihm  auch  vorausgehend,  verengern  sich  die  Abgangsstellt, 
der  Koronararterien,  die  schliesslich  vollständig  verlegt  oclc 
bis  auf  feinste  Oeffnung  verengert  sein  können.  Es  kommt 


Bild  V.  S.  70/09.  Mann,  48  J.  Fortsetzung  von  Bild  III. 

auch  Fälle  vor,  wo  die  Verdickung  der  Aortenwand  schirr 
artig  das  Koronarostium  überdacht,  so  dass  man  1 
Einführen  einer  Sonde  in  die  Koronargefässe  dies 
verdickten  Rand  wegschieben  muss.  Geradeso,  wie  c 
Abgangsstellen  der  Koronararterien,  werden  in  der  Aor 
descendens  thoracica  die  Abgangsstellen  der  Interkost, 
arterien  verengert  und  in  vielen  Fällen  vollständig  verlegt,  1 


Miirz  101.5. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


507 


lass  cs  nicht  mehr  gelingt,  diese  Gefässstcllen  nachzuweisen. 
»ie  grossen  Gefässe  des  Aortenbogens  werden  meist  nur  in 
liren  Anfangsteilen  in  den  Erkrankungsprozess  einbezogen, 
i  rosse  re  Veränderungen  in  ihnen  selbst  oder  grössere  Ver¬ 
kokungen  bis  zur  völligen  Obliteration  gehören  zu  den  grossen 
Ausnahmen. 


Wenn  ich  Ihnen  dagegen  mit  ein  paar  Worten  das  Bild 
ler  degenerativen  Gefässerkrankung  an  der  Aorta,  die 
\therosklerose,  schildern  darf,  so  werden  Sie  den 
Jnterschied  in  dem  Aussehen  und  der  Lokalisation  des  Pro- 
esses  ohne  weiteres  erkennen.  Bei  der  Atherosklerose  finden 
vir  als  Anfang  des  Prozesses  feinste,  gelbliche  Flecken  auf 
ler  Intima,  besonders  in  der  Aorta  ascendens  und  im  Arkus, 
fieser  gelblichen  Fleckenbildung  folgt  Verfettung  in  den 
ieferen  Partien  der  Intima,  die  wiederum  eine  reaktive 
Vucherung  des  Bindegewebes  auslöst,  die  zu  einer  Erhöhung 
ler  erkrankten  Partien,  zur  Plattenbildung,  führen.  Weiterhin 
vird  bei  dem  Fortschreiten  des  degenerativen  Prozesses  inner- 
lalb  dieser  Flecken  das  Gewebe  ausgedehnter  nekrotisch,  es 
»ildet  sich  eine  weissliche,  breiige  Zerfallsmasse,  die  griitze- 
»reiähnlich  ist,  die  wir  dann  finden,  wenn  die  oberfläch- 
ichsten  Deckschichten  der  Gefässwand  entfernt  werden, 
hese  Zerfallsmassen  können,  wenn  der  Zerfall  rascher  fort- 
chreitet  als  die  reaktive  Wucherung,  zur  Geschwürsbildung 
vtilass  geben.  Andererseits  wirken  sie  in  vielen  Fällen,  wie 
-des  nekrotische  Gewebe  einen  Reiz  auf  die  Kalk¬ 
blagerung  aus  dem  vorüberströmenden  Blute  aus.  Damit 
'aben  Sie  die  Genese  der  Geschwüre  und  der  Kalkablagerung 
»ei  der  Atherosklerose  erklärt.  Der  Prozess  ist  im  allge¬ 
meinen  ein  reiner  Intimaprozess,  wenigstens  in  der  Aorta, 
reift  nur  spät  und  dann  nur  auf  die  oberflächlichen  Schichten 
icr  Media  über,  ohne  diese  in  starker  Weise  zu  schädigen. 
)ie  Erkrankung  wird  distalwärts  meist  immer  stärker,  so  dass 
vir  die  stärksten  Veränderungen  in  der  Aorta  abdominalis 
eobachten.  Die  peripheren  Gefässe  beteiligen  sich  ebenfalls 
n  allgemeinen  an  der  Gefässerkrankung,  während  sie  bei  der 
.ues  sich  hauptsächlich  auf  die  Aorta  konzentriert. 

Von  wesentlicher  Bedeutung  zur  Unterstützung  der  Dia- 
nosestellung  kann  auch  die  Berüsksichtigung  des  Alters  der 
etreffenden  Individuen  sein.  Atherosklerose  im  frühen  Alter 

1  grosser  Ausdehnung,  z.  B.  bei  Individuen  zwischen  20  und 
0  Jahren  ist  extrem  selten;  ich  erinnere  mich  kaum  an 

2  Dutzend  von  Fällen  der  Art,  während  die  luetische  Er- 
rankung  gerade  im  frühen  Mannesalter  die  stärksten  Ver- 
nderungen  hervorrufen  kann.  Ist  man  über  die  Diagnose  im 
•nklaren,  so  sprechen  starke  Veränderungen  vor  dem 
0.  Jahre  in  der  Aorta  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  von 
orneherein  für  Lues. 

Das  mikroskopische  Bild  der  luetischen  Aortitis  erklärt 
oll  und  ganz  die  Genese  der  makroskopischen  Veränderungen. 
•Chon  vor  Heller  und  Döhle  fiel  es  manchem  Pathologen, 
o  z.  B.  Köster  auf,  dass  manche  Aortenveränderungen 
igentiimliche  mikroskopische  Bilder  geben,  die  von  denen  der 
ewöhnlichen  senilen  Erkrankung  stark  abwichen,  besonders 
/eil  die  Aussenschichten  des  Gefässes  starke  Veränderung 
eigten,  was  sonst  nicht  zu  beobachten  war.  Daraus  wurde 
er  Schluss  gezogen,  dass  am  Anfang  der  Atherosklerose 
nrner  in  den  äusseren  Gefässschichten  Veränderungen  vor- 
anden  sein  müssten,  und  damit  das  Bild  verwirrt.  Tatsäch- 
ch  sind  die  Veränderungen  rein  spezifische  und  kommen  in 
hnlicher  Weise  bei  der  Atherosklerose  nicht  vor.  ln  den 
nfangsstadien  sehen  wir  in  der  Umgebung  der  Vasa  vasorum, 
ie  hauptsächlich  in  der  Adventitia  verlaufen,  dichte  Rund- 
ellinfiltrate,  die  mantelartig  die  Gefässe  umgeben  können, 
üe  Rundzellen  gehören  zum  grössten  Teil  den  mononukleären, 
leinen  Lymphozyten  an,  daneben  kommen  schon  in  früheren 
Jadien  Plasmazellen  und  jugendliche  Granulationszellen  vor. 
iit  der  entzündlichen  Infiltration  tritt  frühzeitig  eine  Ver- 
lehrung  der  Kapillaren  durch  Endothelsprossung  auf.  Unter 
cm  Einfluss  der  Entzündung  leiden  die  Vasa  vasorum.  Wir 
ehen  ihre  Wand  teils  ebenfalls  rundzellig  infiltriert,  teils  von 
iranulationszellen  durchsetzt,  wodurch  die  elastischen  Fasern 
er  Media  zerstört  werden,  die  vordringende  Zellwucherung 
ihrt  dann  zur  völligen  Obliteration  des  Gefässes.  Neben  den 
iefässen  sind  es  auch  die  Nerven  der  Adventitia,  die  gerade 


in  det  Brustaorta  in  grosser  Anzahl  sieh  finden,  die  von  den 
Entzündungszellen  umgeben  werden.  Auch  in  sie  hinein 
dringen  nicht  selten  die  Zellen.  Es  mag  sein,  dass  ein  Feil 
der  Beschwerden  bei  der  luetischen  Aortitis  (wir  werden 
unten  darauf  noch  zu  sprechen  kommen)  auf  diese  Nerven- 
veränderungen  zurückzuführen  sind.  Bei  Fortschreiten  des 
Prozesses  bleibt  dieser  nicht  auf  die  Adventitia  beschränkt, 
sondern  dringt  mit  den  Vasa  vasorum  in  die  Media  vor.  Die 
Lücken  in  der  Media,  die  durch  normalen  Durchtritt  der  Vasa 
vasorum  gebildet  sind,  werden  dadurch  erweitert  und  es 
scheint,  als  ob  die  Entzündungszellen  einen  direkten  deletären 
Einfluss  auf  das  umgebende  Gewebe  ausüben  würden,  denn 
man  sieht,  wie  im  Bereiche  der  entzündlichen  Infiltration  die 
elastischen  Fasern  der  Media  sich  zusammenknäueln  und 
schliesslich  segmentären  Zerfall  erfahren.  Die  Brockel,  die 
längere  Zeit  noch  innerhalb  der  Zellherde  liegen,  verschwinden 
schliesslich  vollständig.  Ich  sagte  vorhin,  dass  es  schiene,  als 
ob  die  Entzündungszellen  die  elastischen  Elemente  zerstörten, 
wahrscheinlicher  ist,  dass  die  Noxe,  die  zur  Entzündung  führt! 
und  deren  Reaktion  die  Ansammlung  der  Zellen  ist,  die  Haupt¬ 
ursache  der  Zertrümmerung  der  Media  bildet,  denn  man  findet 
manchmal  auch  etwas  entfernt  von  den  Entzündungs-  und 
Granulationszellen  nekrotische  Trümmer  der  Media. 

Neben  den  Entzündungszellen  finden  sich  in  den  Media¬ 
herden  auch  nicht  selten  Austritte  roter  Blutkörperchen  oder 
Blutpigmentablagerungen  als  Folgen  früherer  Blutaustritte. 

Bei  der  Färbung  der  elastischen  Fasern  erkennen  Sie,  wie 
ausgedehnte  Lücken  diese  Entzündungsprozesse  in  die  ela¬ 
stischen  Elemente  der  Media  reissen,  wie  stark  an  diesen 
Stellen  die  Kontinuität  der  Media  unterbrochen  ist. 

Man  hat  nun  geglaubt,  in  diesen  Zellinfiltrationsherden, 
besonders  der  Media,  gummöse  Granulome  sehen  zu  müssen, 
zumal  da  neben  den  beschriebenen  Nekrosen  auch  Riesen¬ 
zellen  nicht  selten  zur  Beobachtung  gelangen,  die  vielfach  als 
charakteristisches  Zeichen  der  spezifischen  Granulations¬ 
geschwulst  aufgefasst  werden.  Ich  habe  daraufhin  eine  grosse 
Anzahl  von  Fällen  luetischer  Aortitis  nochmals  genau  unter¬ 
sucht  und  tatsächlich  auch  zahlreiche  Riesenzellen  gefunden. 
Diese  Riesenzellen  hatten  aber  immer  charakteristische 
Lagerung  um  nekrotische  Brockel  der  Media  und  kenn¬ 
zeichnen  sich  schon  dadurch  ausschliesslich  als  sogenannte 
Fremdkörperriesenzellen,  wie  sie  an  jeder  anderen  Stelle  des 
Körpers,  wo  fremdes  oder  nekrotisches  oder  der  Resorption 
verfallenes  Material  liegt,  auftreten.  Bilder  von  echtem  lue¬ 
tischen  Granulom,  wie  wir  sie  am  Hoden  oder  Leber  ab  und 
zu  zu  sehen  Gelegenheit  haben,  habe  ‘ich  nie  in  der  Aorten¬ 
wand  gesehen,  will  aber  nicht  bestreiten,  dass  sie  Vorkommen 
können.  Jedenfalls  gehören  sie  zu  den  grössten  Seltenheiten 
und  sind  für  den  ausgedehnten  destruierenden  Prozess  der 
Media,  der  das  Wesentliche  jeder  luetischen  Aortenerkrankung 
bildet,  nicht  verantwortlich  zu  machen. 

Auch  die  Media  bildet  keine  Grenze  für  den  entzündlichen 
Prozess.  Wir  sehen  ab  und  zu  auch  die  Intima  von  Entzün¬ 
dungsherden  durchsetzt,  auch  Gefässsprossen  können  hierher 
Vordringen,  die  dann  makroskopisch  als  feinste  Aederchen  auf 
den  Platten  oder  Rillen  in  Erscheinung  treten. 

Mit  dem  zunehmenden  Alter  des  Prozesses  ändert  sich 
das  Bild:  das  entzündliche  Infiltrat  wird  zellärmer,'' die  Binde¬ 
gewebszellen  bekommen  die  Ueberhand  und  wandeln  sich  all¬ 
mählich  in  Narbengewebe  um,  wobei  dann  die  Entzündungs¬ 
zellen  vollkommen  verschwinden  können.  Die  neugebildeten 
Gefässe  bleiben  meistens  bestehen,  heben  sich  in  dem  faser¬ 
reicheren  Gewebe  noch  stärker  ab,  als  vorher  und  bilden 
manchmal  fast  kavernomähnliche  Komplexe.  Dieses  Stadium 
der  derben  Bindegewebsbildung  drückt  sich  makroskopisch 
in  der  Verstärkung  der  Rillen  und  Narbenbildung  aus. 

Auch  das  mikroskopische  Bild  kann  durch  sekundäres 
Hinzutreten  atherosklerotischer  Prozesse  kompliziert  werden. 
Sie  finden  dann  die  vorher  erwähnten  Veränderungen  ober¬ 
halb  der  jetzt  genannten,  wobei  aber  immer  eine  scharfe  Ab¬ 
grenzung  beider  Prozesse  möglich  ist.  Zwar  kommt  auch  bei 
der  Atherosklerose  der  oberflächlichen  Schichten  manchmal 
leichte  Rundzellinfiltration  in  der  Umgebung  nekrotischer  Be¬ 
zirke,  manchmal  auch  Riesenzellbildung  neben  dem  wuchern¬ 
den  Bindegewebe,  das  zum  grossen  Teil  für  die  Verdickung 
der  atherosklerotischen  Gefässe  verantwortlich  ist,  vor,  aber 

i* 


n08 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


grössere  Infiltrationsmassen,  Plasmazellen,  Granulations¬ 
gewebe  in  grosser  Ausdehnung,  starke  Qefässsprossung  v  or 
allem  in  die  Schichten  der  Media  hinein  werden  bei  der 
Atherosklerose  nicht  zu  beobachten  sein.  So  kommt  es  bei 
der  Atherosklerose  nie  zur  Lückenbildung  in  der  Aorta  oder 
Obliteration  der  Vasa  vasoruin. 

Mit  der  zunehmenden  Zerstörung  der  Media  durch  das 
entzündliche  Gewebe  schwindet  die  Widerstandskraft  der 
Gefässwand  an  diesen  Stellen.  Es  ist  begreiflich,  dass  unter 
dem  Einfluss  des  Blutdruckes  eine  irreparable  Dehnung  dieser 
Narben  auftritt,  die  immer  stärker  und  stärker  wird:  damit 
ist  die  Genese  zirkumskripter  Erweiterung  der  Gefässwand, 
des  Aneurysma,  gegeben.  Auf  seinen  genauen  anatomischen 
und  histologischen  Aufbau  wollen  wir  heute  nicht  eingehen. 

Was  nun  die  klinischen  Erscheinungen  betrifft,  die  die 
luetische  Aortitis  verursachen,  so  sind  sie  häufig  äusserst  ge¬ 
ring,  treten  oft  erst  in  den  letzten  Stadien  der  Erkrankung  auf, 
wenn  nicht  das  frühzeitige  Uebergreifen  des  Prozesses  auf 
die  Aortenklappen  früher  die  charakteristischen  Erscheinungen 
der  Aorteninsuffizienz  auslöst.  Wir  finden  in  unseren  99 
Fällen  40,  bei  denen  die  luetische  Aortitis  Nebenbefund  war, 
die  sich  zufällig  bei  an  anderen  Krankheiten  Gestorbenen 
fand.  Die  Todesursachen  derartiger  Fälle  waren  Tuberkulose, 
Karzinome,  akute  Infektionskrankheiten  usw.  Die  subjektiven 
Beschwerden,  die  ich  bei  der  Durchsicht  der  Kranken¬ 
geschichten  unserer  Fälle  finden  konnte,  beruhten  giösstenteils 
auf  Atembeschwerden,  manchmal  geringster  Art.  Atemnot.  Herz¬ 
klopfen,  Schmerzen  in  der  Herzgegend,  Druckgefühl  in  der 
Brust,  Schmerzen  unter  dem  Brustbein  und  zwar  fanden  sich 
öfters  Klagen  über  Schmerzen  unter  dem  mittleren  Teil  des 
Sternums.  Ein  Patient  (58/12)  äusserte,  dass  er  seit  einem 
.Jahre  wechselnde  Schmerzen  in  der  Gegend  der  kurzen 
Rippen  empfinde,  die  nicht  gerade  heftig  waren,  sondern  mehr 
ein  .beunruhigendes  Gefühl  verursachten,  „es  war  mii  unheim¬ 
lich“,  äusserte  der  Patient.  Ein  anderer  klagte  ebenfalls  da¬ 
rüber,  „er  hätte  die  Empfindung,  dass  ihm  die  kurzen  Rippen 
der  linken  Seite  wehe  täten“.  Auffallend  ist  die  Klage  über 
starke  Ermüdbarkeit  in  den  letzten  Jahren,  die  mehrere 
Patienten  äusserten. 

Eine  35  Jahre  alte  Patientin,  die  lange  Zeit  in  privatärztlicher 
Behandlung  stand  und  deren  Krankengeschichte  ich  der  Oute  des 
Herrn  Dr.  Spanier  verdanke,  klagte  seit  134  Jahren  über  zen¬ 
weises  Auftreten  des  starken  Herzklopfens,  wobei  sie  blass  und 
ängstlich  wurde.  Bald  traten  auch  Schmerzen  in  den  Beinen,  in 
den  Armen,  in  der  Brust  auf.  Das  Allgemeinbefinden  war  dabei  nicht 
wesentlich  gestört,  nur  klagte  auch  diese  Patientin  über  leichte  Er¬ 
müdbarkeit,  so  dass  sie  weitere  Wege  mied.  Die  Extremitäten¬ 
schmerzen  wurden  in  der  letzten  Zeit  stärker.  Die  Extremitäten 
wurden  dabei  blau  und  kalt,  es  trat  Prickeln  und  Brennen  in  ihnen 
auf.  Auch  klagte  die  Patientin  über  Schmerzen  in  der  linken  Mamma 
und  den  Schulterblättern.  Ein  plötzlicher  Anfall  von  Schwäche  mit 
leichten  Krämpfen  verschlimmerte  plötzlich  den  Zustand,  es  trat  Er¬ 
brechen  auf,  Schmerzen  in  der  Magengegend  und  dann  plötzlich  ein¬ 
tretender  Exitus  14  Tage  nach  dem  Beginne  der  Verschlimmerung. 

Im  grossen  und  ganzen  haben  diese  Beschwerden  grosse 
Aehnlichkeit  mit  denen  der  Angina  pectoris,  wenn  auch  das 
häufigere  anfallsweise  Auftreten  derselben,  das  bei  Angina 
pectoris  besonders  charakteristisch  ist,  hier  gewöhnlich  zu 
fehlen  scheint. 

Es  ist  schwer,  eine  anatomische  Erklärung  für  diese  Be¬ 
schwerden  zu  finden,  wenn  ich  dabei  von  den  Fällen  mit 
stärkerer  Aorteninsuffizienz  absehe.  Ein  Teil  der  Beschwer¬ 
den  wird  zweifellos  durch  die  Verengerung  der  Koronar- 
arterienostien  bedingt.  Die  Koronararterien  selbst  in  ihrem 
weiteren  Verlaufe  sind  gerade  bei  der  luetischen  Aortitis 
meistens  ohne  Veränderungen  und  von  normaler  Weite.  Eine, 
meines  Erachtens  nicht  genug  gewürdigte  Rolle  spielt  die  in 
den  meisten  Fällen  sich  findende,  hochgradige  Verengerung 
der  Abgänge  der  Interkostalarterien,  die  nicht  selten  in  voll¬ 
ständiger  Verödung  der  Abgänge  endet.  Man  darf  wohl  an¬ 
nehmen,  dass  hier  Störungen  in  der  Ernährung  der  Interkostal¬ 
muskulatur,  vielleicht  auch  dieser  anliegenden  Partien  der 
Brustmuskulatur  auftreten,  und  kann  so  vielleicht  einen  Teil 
der  Atembeschwerden  erklären.  Auch  das  Uebergreifen  der 
Verdickungen  der  Gefässwand  auf  die  Anfangsstellen  der 
grossen  Gefässe  des  Aortenarkus,  die  eine  geringere  Blut¬ 
füllung  der  grossen  Gefässe  veranlassen  muss,  mag  hier  mit 
in  Betracht  kommen.  Von  Bedeutung  wird  zweifellos  auch 


No.  10. 


die  Umwandlung  des  elastischen  Rohres  der  Aorta  in  ein  mehr 
oder  minder  starres  durch  die  weitgehende  Zerstörung  und 
Kontinuitätsunterbrechung  der  elastischen  Lamellen  der  Media 
sein.  Es  ist  bekannt,  dass  die  ein  starres  Rohr  rhythmisch 
durchströmende  Flüssigkeitsmenge  auch  rhythmisch  aus¬ 
strömt  mit  geringerer  Schnelligkeit,  während  ein  elastisches 
grössere  Schnelligkeit  des  Ausströmens  bei  kontinuierlichem 
Strom  ermöglicht.  Die  vermehrten  Widerstände,  die  ein 
starres  Rohr  dem  Durchströmen  von  Flüssigkeit  entgegen¬ 
setzt,  wird  bei  der  luetischen  Aortitis  durch  die  Erweiterung 
des  Gefässrohres  zwar  etwas  kompensiert.  Allerdings  ist  es 
fraglich,  ob  diese  Umwandlung  der  Aorta  in  ein  mehr  oder 
minder  starres  Rohr  sich  auch  in  der  Zirkulation  in  den  peri¬ 
pheren  Gefässen  äussert,  die  im  Gegensatz  zur  Atherosklerose 
meist  völlig  intakt  und  vollkommen  elastisch  bleiben. 

Hingewiesen  mag  auch  werden  auf  die  entzündlichen  Ver¬ 
änderungen  der  in  der  Aortenwand  verlaufenden  Nerven,  die 
möglicherweise  ebenfalls  für  einen  1  eil  der  subjektiven  Be¬ 
schwerden  verantwortlich  zu  machen  sind,  wenn  wir  auch 
noch  nicht  mit  Bestimmtheit  wissen  können,  ob  diese  Nerven 
sensible  Fasern  besitzen.  Ein  Teil  der  Beschwerden  ist  auch 
sicher  Folge  der  Erweiterung  des  Aortenrohres  und  der 
dadurch  bedingten  veränderten  Druckverhältnisse  in  den  Or¬ 
ganen  der  Brusthöhle.  Sehen  wir  doch  nicht  selten  bei  dei 
Autopsie,  wie  die  erweiterte  Aorta  die  Vena  cava  Superior 
zusammenpresst,  so  dass  in  extremen  Fällen  diese  nur  mehr 
ein  spaltförmiges  Lumen  aufweist. 

Leichter  zur  richtigen  Diagnose  führen  schwere  sub¬ 
jektive  und  objektiv-wahrnehmbare  Erscheinungen,  wie  sie 
z.  B.  ein  47  jähriger  Mann,  bis  dahin  vollständig  gesund,  bot. 
der  plötzlich  eine  hühnereigrosse  pulsierende  Ausbuchtung  am 
Halse  beobachtete,  die  über  Nacht  wieder  schwand,  seit 
welcher  Zeit  zunehmender  Verfall  der  Kräfte  zu  beobachten 
war.  Die  Ursache  dieser  Erscheinung  war,  wie  die  Sektion 
bestätigte,  eine  Thrombose  des  Truncus  anonyms  bei  höehst- 
gradiger  Verengerung  des  Lumens  durch  luetische  Prozesse. 

In  manchen  Fällen,  und  die  sind  nicht  so  sehr  selten,  tritt 
der  Tod  plötzlich  ein,  ohne  dass  die  Umgebung  des  betreffen¬ 
den  Patienten  von  irgend  welchen  vorausgegangenen  Stö¬ 
rungen  weiss.  Einen  derartigen  sehr  charakteristischen  Fall, 
den  ich  zur  Autopsie  bekam,  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Fischer. 
Es  handelte  sich  um  einen  bis  dahin  völlig  gesunden  und  be¬ 
schwerdefreien  Patienten,  der  nur  in  den  letzten  1  agen  iibei 
eine  leichte  Erkältung  klagte  und  beim  Mittagessen  plötzlich 
verschied.  Die  Autopsie  zeigte  eine  beginnende  luetische 
Aortitis  mit  vollständiger  Verlegung  des  einen  Koronarostiums 
und  hochgradiger  Verengerung  des  anderen  Ostiums.  In  diesem 
2.  Ostium  war  ein  Thrombus  eingekeilt,  der  von  einer  ganz 
frischen  Endokarditis  verrucosa  der  Aorta  seinen  Ausgang 
genommen  hatte.  '  jl 

Objektiv  ist,  wenn  ich  auch  hier  wieder  von  den  Erschei¬ 
nungen  der  ausgesprochenen  Aorteninsuffizienz  beim  Ueber¬ 
greifen  des  luetischen  Prozesses  auf  die  Aortenklappen,  was  ja 
sehr  häufig  vorkommt,  absehe,  in  einem  grossen  Teil  der  Fälle' 
eine  Vergrösserung  des  Herzens  nach  links  zu  beobachten  bezw. 
muss  nach  dem  Autopsiebefunde  zu  beobachten  sein.  Diese 
Hypertrophie  kann  hohe  Grade  erreichen  und  es  ist  mir  nicht 
ganz  verständlich,  dass  Grau  in  einer  Arbeit  über  luetische 
Aortitis  die  Herzhypertrophie  als  selten  bezeichnet.  Die  Ur- 
•  Sache  dieser  Herzhypertrophie  ist  ohne  weiteres  auch  aus  der 
Erweiterung  der  Aorta  bei  der  luetischen  Aortitis  und  der 
Verminderung  der  Elastizität  des  Gefässrohres  zu  erklären. 

Objektiv  soll  weiterhin,  und  hier  folge  ich  den  Aus¬ 
führungen  Stadlers,  häufiger  eine  frühzeitige  Erweiterung 
der  Hautvenen  der  Brust  zu  beobachten  sein.  Verursach1 
wird  diese  sein  durch  die  vorhin  erwähnte  Kompression  dei 
Vena  cava  durch  das  erweiterte  Aortenrohr  und  die  diesu 
folgenden  kompensatorischen  Erweiterung  der  kollateraler 
Venen.  Objektiv  ist  ferner  sicher  häufig  eine  Verbreiterung  de« 
Gefässdämpfung  unter  dem  Sternum  zu  beobachten,  sowoh 
als  Folge  der  Erweiterung  des  Gefässes  als  auch  der  Annähe 
rung  des  Gefässes  an  das  Sternum  infolge  der  mit  der  Erwei 
terung  auch  verbundenen  Verlängerung  und  dadurch  bedingte! 
Krümmung  des  Gefässes.  Absehen  will  ich  von  den  Sym 
ptomen,  die  die  Aneurysmen  der  Aorta  verursachen.  Der  Pul 
soll  bei  der  Aortitis  luetica  auffallend  grosse  Amplituden  bilden 


11-  März  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


die  Pulswelle  rascher  ansteigen  als  normal,  in  ihrem  ab¬ 
steigenden  Schenkel  aber  eine  Veränderung  nicht  zeigen,  was 
eine  Folge  der  Umwandlung  der  Aorta  in  ein  starres  Rohr, 
andererseits  der  Erhaltung  der  elastischen  Eigenschaft  der 
peripheren  Arterien  sein  wird.  Der  Blutdruck  kann  völlig 
normal  sein,  was  ebenfalls  sicher  eine  Folge  der  normalen  Be¬ 
schaffenheit  der  peripheren  Gefässe  ist,  im  Gegensatz  zur 
Atherosklerose,  wo  gerade  die  peripheren  Gefässe  besondere 
Veränderungen  zeigen.  Objektiv  kann  dann  von  besonders 
grosser  Bedeutung  das  Röntgenbild  sein,  das  einesteils  die 
Verbreiterung  der  Aorta  deutlich  zeigen  kann,  andererseits 
andere  Erkrankungen  der  Brusthöhle,  die  in  Betracht  kämen, 
iVlediastinaltumoren  usw.,  Drüsen  ausschliessen  lässt.  Wohl 
kommt  auch  bei  der  gewöhnlichen  Atherosklerose  eine  Er¬ 
weiterung  des  Aortenrohres  vor,  aber  meist  nur  in  den  vor¬ 
geschritteneren  Fällen  und  besonders  bei  kachektischen  Indi¬ 
viduen,  bei  denen  die  elastischen  Bestandteile  der  Aorta  an¬ 
scheinend  ganz  insuffizient  werden.  Schwierigkeiten  der  Ab¬ 
grenzung  solcher  Fälle  von  der  luetischen  Aortitis  werden  sich 
kaum  ergeben. 

Von  fundamentalster  Bedeutung  und  ausschlaggebend  für 
die  Diagnose  der  luetischen  Aortitis  ist  die  Wasser  m  a  n  n  - 
sehe  Reaktion  und  wir  haben  in  unserem  Krankenhause,  seit¬ 
dem  wir  systematisch  bei  kardialen  Beschwerden  die  Reaktion 
ausführen,  nur  sehr  selten  die  luetische  Aortitis  als  Zufalls¬ 
befund  am  Sektionstische  zu  beobachten. 

Jeder  Fall  von  Herzbeschwerden  oder  unbestimmten  Be¬ 
schwerden,  wie  wir  sie  zum  Teil  vorher  angeführt  haben,  von 
Aorteninsuffizienz  sollte  der  Wassermann  sehen  Reaktion 
unterworfen  werden;  besonders  jene  Fälle,  bei  denen  eine 
Aorteninsuffizienz  zu  beobachten  ist,  ohne  dass  Gelenk¬ 
rheumatismus  und  andere  infektiöse  Erkrankungen,  die  mit 
Fieber  verbunden  waren,  vorhanden  gewesen  wären.  Es 
würde  dann  zweifellos  viel  häufiger  als  heute  die  Diagnose 
der  luetischen  Aortitis  in  einem  Stadium  gestellt  werden,  in 
dem  die  Aussicht  auf  Erfolg  einer  Behandlung  vorhanden  ist. 
Selbst  Fälle  von  Aorteninsuffizienz  bei  Gelenkrheumatismus, 
bei  denen  anscheinend  eine  andere  Ursache  für  die  Aorten¬ 
erkrankung  ganz  in  Wegfall  kommt,  geben  manchmal  Ueber- 
raschungen  am  Sektionstisch  ab.  So  sezierten  wir  vor  kurzer 
Zeit  die  Leiche  einer  Frau  von  37  Jahren,  die  einer  verrukösen 
Endokarditis  der  Aorta  erlegen  war.  Wir  fanden  auch  bei 
der  Sektion  schwerste  Zerstörungen  der  Aortenklappen  durch 
die  endokardialen  Effloreszenzen,  daneben  aber  eine  aus¬ 
gesprochene  luetische  Aortitis  der  ganzen  Brustaorta  mit 
Aneurysmenbildung  mit  absolut  charakteristischem  mikro¬ 
skopischen  Befund.  Die  Diagnose  Lues  wurde  noch  bestätigt, 
wenn  es  einer  Bestätigung  bedurft  hätte,  durch  den  stark 
positiven  Ausfall  der  Wassermann  sehen  Reaktion.  Also 
auch  solche  Fälle  sollen  nicht  von  vorneherein  als  unmöglich 
auf  Lues  beruhend  betrachtet  werden.  Auch  hier  ist  die  Ent¬ 
scheidung  nicht  irrelevant,  weil  die  Lues  zweifellos  ver¬ 
schlimmernd  auf  akute  entzündliche  Prozesse  wirken  muss. 

Die  Anamnese  nach  Lues  gibt  nach  unserem  Kranken¬ 
hausmaterial  ein  ganz  ungenügendes  Resultat.  Die  Mehrzahl 
der  Patienten  mit  ausgesprochener  Lues  verneinten  jede 
Infektion. 

Hier  noch  ein  paar  Worte  über  den  Zwischenraum  da¬ 
zwischen  Infektion  und  Auftreten  der  Krankheitserscheinungen 
in  den  Fällen,  in  denen  die  Anamnese  positive  Ergebnisse  hatte, 
liegt.  Wir  fanden  verschiedene  Fälle  von  20 — 30  Jahren 
Intervallen,  selten  2 — 3  jährigen,  so  dass  es  scheint,  dass  die 
Lues  der  Aorta  zu  den  spät  auftretenden  Manifestationen  der 
Krankheit  gehört;  wird  sie  doch  von  manchen,  mit  Unrecht 
allerdings,  den  metasyphilitischen  Prozessen  zugerechnet. 

Interessant  ist  auch,  dass  die  Mehrzahl  der  Patienten,  die 
von  ihrer  Syphilis  wussten,  entweder  nicht  oder  nur  ganz  un¬ 
genügend  für  kurze  Zeit  einer  antiluetischen  Behandlung 
unterworfen  waren. 

Die  Lues  der  Aorta  .scheint  so  viele  Aehnlichkeit  mit 
labes  und  Paralyse  zu  haben,  die  auch  vorwiegend  bei 
schlecht  behandelten  Individuen  nach  langem  Intervall  auf- 
treten,  und  eigentümlich  ist,  dass,  wie  jene,  auch  die  Lues  der 
Aorta  in  neuerer  Zeit  zuzunehmen  scheint,  während  die  ter¬ 
tiären  syphilitischen  Prozesse,  die  Gummen,  an  Häufigkeit 


509 


enoim  abnehmen.  Sie  gehören  heute  zu  den  grössten  Selten¬ 
heiten  am  Sektionstische. 

Ehe  ich  auf  die  Aussichten  einer  Behandlung  der  luetischen 
Aortitis  eingehe,  möchte  ich  noch  mit  ein  paar  Worten  die 
Fiage  des  Zusammenhanges  der  luetischen  Aortitis  und  des 
Aneurysmas  mit  dem  Trauma  erörtern. 

Zweifellos  ist,  dass  ein  Trauma  niemals  allein  Verän¬ 
derungen  in  der  Aorta  hervorrufen  kann,  die  Aehnlichkeit  mit 
dem  Bild  der  luetischen  Aortitis  haben.  Anders  steht  es  mit 
der  Frage,  ob  ein  Trauma,  das  eine  luetische  Aortitis  trifft,  die 
Entstehung  eines  Aneurysmas  begünstigen  kann.  Eine  Frage, 
die  uns  vor  kurzer  Zeit  an  der  Hand  folgenden  Falles  vor¬ 
gelegt  wurde. 

Ein  Mann  betrachtete  eine  Auslage,  als  ein  vollbepackter 
Wagen  vorbeifuhr,  von  dem  sich  eine  Kiste  löste  und  den 
Mann  auf  den  Rücken  traf  und  ihn  niederschlug.  Der  Mann 
erholte  sich  wieder,  konnte  längere  Zeit  noch  seine  Arbeit 
versehen,  kränkelte  später,  klagte  über  Brustschmerzen,  starb. 
Die  Sektion  ergab  ein  Aneurysma  der  Aorta  auf  luetischer 
Basis.  Zweifellos  besteht  die  Möglichkeit,  dass  hier  das 
Trauma  die  Entstehung  des  Aneurysmas  beschleunigt  hat,  in¬ 
dem  unter  seinem  Einfluss  die  Media  plötzlich  stärker  einriss, 
mit  Wahrscheinlichkeit  aber  kann  in  solchen  Fällen  mit  Rück¬ 
sicht  auf  das  häufige  Auftreten  des  Aneurysmas  bei  luetischer 
Aortitis  nur  dann  gesprochen  werden,  wenn  die  aneurysma¬ 
tischen  Beschwerden  in  direktem  Anschluss  an  das  Trauma 
oder  kurze  Zeit  nachher  auftreten. 

Nun  zum  Schluss  noch  die  Therapie  der  Erkrankung.  Ich 
begebe  mich  hier  auf  fremdes  Gebiet  und  kann  aus  eigener 
Erfahrung  über  Erfolge  am  Krankenbette  nicht  sprechen. 
Wohl  aber  sehen  wir  am  Sektionstisch,  dass  es  Fälle  gibt,  die, 
wenn  auch  nicht  in  anatomischem  Sinne,  so  doch  praktisch 
ausgeheilt  sind,  die  histologisch  keine  frischen  Entzündungs¬ 
prozesse  mehr  tragen,  die  keine  Wassermann  sehe  Reak¬ 
tion  mehr  geben,  die  aber  noch  die  charakteristische  Lokali¬ 
sation  der  Erkrankung,  das  scharfe  Aufhören  oberhalb  der 
Abgangsstelle  der  Zöliaka  zeigen,  Fälle,  in  denen  wir  durch 
die  Anamnese  wissen,  dass  schwere  syphilitische  Erkran¬ 
kungen  bestanden  haben,  deren  äussere  Erscheinungen  durch 
energische  antisyphilitische  Behandlung  zurückgegangen  sind. 
Diese  Möglichkeit  völliger  Heilung  der  syphilitischen  Aortitis 
muss  man  auch  aus  der  mikroskopischen  Betrachtung  unbe¬ 
dingt  zugeben,  denn  mit  der  Tötung  der  Spirochäten  müssen 
auch  die  sicher  durch  sie  veranlassten  Rundzellinfiltrationen, 
Granulationswucherungen  und  Vaskularisationen  der  Media 
mit  den  Nekrosen  der  elastischen  Lamellen  schwinden.  Es 
wird  an  ihre  Stelle  ein  Narbengewebe  treten  müssen,  das  sich 
wohl  noch  dehnen  kann,  sich  aber  nicht  mehr  in  der  Fläche 
ausbreiten  kann  und  damit  wäre  der  destruktive  Prozess 
erschöpft. 

So  sollte  man  meinen,  dass  die  luetische  Aortitis  gerade¬ 
so  wie  andere  tertiäre  Prozesse  prognostisch  günstig  sein 
müsste,  vorausgesetzt,  dass  die  Erkrankung  frühzeitig  genug 
diagnostiziert  wird  und  nicht  erst  im  Stadium  der  schweren 
Inkompensation  in  Behandlung  kommt.  Von  der  Möglichkeit, 
die  Krankheit  günstig  zu  beeinflussen,  sprechen  alle  Lehr¬ 
bücher.  Sichere  Beweise  dafür  hat  erst  die  Kontrolle  durch 
die  Wassermann  sehe  Reaktion  und  die  Salvarsanbehand- 
lung  gegeben.  Wohl  hat  Ehrlich  in  einer  der  ersten  Ver¬ 
öffentlichungen  über  die  neue  Therapie  davor  gewarnt,  Fälle 
mit  Herzerkrankungen  der  Behandlung  zu  unterziehen.  Diese 
Warnung  war  aber  mehr  eine  prophylaktische,  weil,  wie 
W  e  i  n  t  r  a  u  d  sich  ausdrückt.  Ehrlich  am  Anfang  der  An¬ 
wendung  des  Salvarsans  das  Mittel  einer  zu  grossen  Bela¬ 
stungsprobe  nicht  unterwerfen  lassen  wollte;  aber  Grass- 
mann  hat  schon  bald  darnach  betont,  dass  die  luetische 
Aortitis  eine  Kontraindikation  der  Salvarsananwendung  nicht 
zu  geben  brauche,  und  Wein  trau  d  veröffentlichte  voriges  Jahr 
Beobachtungen  an  26  mit  Salvarsan  behandelten  Fällen  von 
luetischer  Aortitis,  die  durchwegs  günstig  waren.  Selbst  in 
einigen  Fällen  von  Aorteninsuffizienz  mit  Erweiterung  des 
Aortenbogens,  also  sicher  in  schweren  Fällen,  in  denen 
schwerste  Fälle  von  Angina  pectoris,  Lungenödem  und  Kollaps 
vorher  beobachtet  wurden,  waren  die  Resultate  vorzüglich. 
Es  war  kein  Anfall  nach  der  Salvarsantherapie  mehr  auf¬ 
getreten,  auch  Todesfälle  stellten  sich  nicht  ein:  und  die  Be- 


510 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


obachtungen  wurden  monatelang  hindurch  fortgesetzt.  Wenn 
man  bedenkt,  dass  ein  Anfall  der  Art,  wie  sie  W  e  i  n  t  r  a  u  d 
beschreibt,  meist  den  Anfang  eines  nahen  Endes  bedeutet,  so 
muss  man  die  Wichtigkeit  dieser  Erfolge  beurteilen  können. 

M.  H.!  Ich  bin  am  Schlüsse  meiner  Ausführungen;  es 
war  mir  wahrscheinlich  nicht  vergönnt,  Ihnen  viel  neues  zu 
sagen,  denn  die  Erkrankung  ist  bekannt.  Neu  ist  Ihnen  aber 
vielleicht  gewesen,  dass  die  Erkrankung  erschreckend  häufig 
auftritt,  dass  sich  ihre  Ausbreitung  anscheinend  in  aufsteigen¬ 
der  Linie  bewegt.  Die  Erkrankung  ist  um  so  fürchterlicher, 
als  sie  gerade  aus  dem  kräftigsten  und  leistungsfähigsten  Alter 
ihre  meisten  Opfer  fordert. 

Doch  die  Erkrankung  ist,  wenigstens  im  klinischen  Sinne, 
heilbar,  wenn  sie  frühzeitig  genug  erkannt  w;ird  und  frühzeitig 
behandelt  wird;  die  Erkennung  der  Krankheit  ist  heute  be¬ 
sonders  bei  Heranziehung  der  serologischen  Methoden  leicht. 
Möge  bald  die  Zeit  kommen,  wo  der  Pathologe  auch  bei  der 
luetischen  Aortenerkrankung  ähnlich  wie  heute  beim  Bier¬ 
herz  von  einer  immer  seltener  werdenden  Erkrankung 
sprechen  kann. 

Literatur. 

Grassmann:  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  No.  42.  — 
Grau:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1911,  Bd.  72,  3  u.  4.  —  G  r  u  b  e  r  G.  B.: 
Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  25.  —  S  t  a  d  1  e  r  Ed.:  Die  Klinik 
der  syphilitischen  Aortenerkrankung.  1912.  Jena.  Gustav  Bischer. 
—  Weintraud:  Therapie  der  Gegenwart  1911,  H.  10. 


Funktionelle  Nierenprüfung  mittels  Phenolsulfonphthalein 
nach  Rowntree  und  Geraghty. 

Von  Dr.  med.  F.  Erne  in  Freiburg  i.  Br. 

Seit  langer  Zeit  habe  ich  Patienten  beobachtet,  die  über 
Kopfschmerzen,  Herzklopfen  oder  Druck  in  der  Nierengegend 
klagten,  bei  denen  aber  objektiv  häufig  nichts,  gelegentlich 
Pulsbeschleunigung  festzustellen  war.  Neben  diesen  Fällen 
fanden  sich  auch  solche,  die  ausser  diesen  Beschwerden  Ei- 
weiss  in  wechselnder  Menge,  also  Zeichen  einer  Nierenerkran¬ 
kung  ergaben,  so  dass  die  Vermutung  nahe  lag,  es  handle 
sich  auch  in  den  ersteren  Fällen  um  solche.  Bei  einer  ge¬ 
naueren  Untersuchung  konnten  in  einigen  Fällen  bei  wieder¬ 
holter  Harnuntersuchung  Spuren  von  Eiweiss  und  spärlich 
Zylinder  oder  auch  eine  Vermehrung  der  täglichen  Harnmenge 
auf  2000—2500  ccm  ohne  Eiweissausscheidung  nachgewiesen 
werden.  Auffallend  war  bei  einigen  Fällen  der  hohe  Blut¬ 
druck  bis  140  mm  ohne  sonstigen  Befund. 

Sehr  dankbar  war  ich  deshalb  meinem  hochverehrten 
früheren  Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  W.  Antenrieth,  als  er 
mich  mit  der  Methode  der  funktionellen  Nierendiagnostik  von 
Rowntree  und  Geraghty  bekannt  machte.  Ich  konnte 
damit  nicht  nur  Material  für  die  Brauchbarkeit  der  Methode 
liefern,  sondern  auch  ganz  besonders  die  Diagnostik  und 
Therapie  bei  meinen  Kranken  auf  eine  sichere  Grundlage 
stellen. 

Die  Methode  von  Rowntree  und  Geraghty  ist  jetzt 
schon  mehrfach  beschrieben,  so  in  den  Arbeiten  von  Sehrt1 2), 
von  Fromme  und  R  u  b  n  e  r  :),  von  Deutsch3)  und  von 
Autenrieth  und  Funk 4),  von  denen  ich  auf  die  letztere 
wegen  ihrer  Ausführlichkeit  ganz  besonders  hinweisen  möchte. 
Ich  bespreche  auch  deshalb  nur  den  klinischen  Teil  der  ge¬ 
meinsam  mit  den  letzteren  ausgeführten  Untersuchungen. 
Nur  einige  Bemerkungen  möchte  ich  noch  vorausschicken. 
Rowntree  und  Geraghty  haben  schon  hervorgehoben, 
dass  die  Harnmenge  auf  die  Menge  der  Ausscheidung  von 
Phenolsulfonphthalein  einen  Einfluss  nicht  ausübe.  Das 
Gleiche  habe  ich  auch  beobachtet.  Deshalb  lasse  ich  Flüssig¬ 
keit  ( lA — Vt  Liter)  vor  der  Untersuchung  nur  trinken,  wenn  zu 
erwarten  ist,  dass  die  Sekretion  spärlich  sein  wird,  z.  B.  wenn 
längere  Zeit  nichts  gegessen  und  getrunken  worden  ist. 

Sehr  wichtig  ist,  dass  bei  der  Einspritzung  von  der  Lösung 
nichts  verloren  geht,  denn  es  handelt  sich  hier  um  quanti¬ 
tative  Untersuchungen.  Spritzen  sind  oft  nicht 


T  Zentralbl.  f.  Chir.,  No.  33,  1912. 

2)  Berl.  klin.  Wochenschr.,  No.  40,  1912. 

3)  Wiener  klin.  Wochenschr.,  No.  32,  1912. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  49,  1912. 


dicht  und  nicht  genau  geeicht!  Wenn  zwei  Tropfen 
in  der  Spritze  bleiben  oder  sonst  nicht  zur  Einspritzung 
kommen,  kann  der  Fehler  schon  10  Proz.  betragen.  Die 
Lösung  0,006  Phenolsulfonphtalei'n  in  1  ccm  Wasser  ist  in  Am¬ 
pullen  vorrätig,  die  etwa  1,2— 1,5  ccm  enthalten.  Auch  wenn 
der  Vergleichskeil  des  Apparates  selbst  geeicht  wird,  muss 
quantitativ  gearbeitet  werden.  Die  Keile  können  geeicht 
bezogen  werden,  was  empfehlenswert  ist. 

Eine  Nierenreizung  oder  sonst  eine  schädliche  Wirkung 
des  Phenolsulfonphthalein  habe  ich  nie  feststellen  können,  ob¬ 
gleich  ich  jeden  Harn  auf  Ausscheidung  oder  Vermehrung  der 
geformten  Bestandteile,  besonders  rote  Blutkörperchen  unter¬ 
sucht  habe. 

Zur  Blasenentleerung  habe  ich  in  keinem  Falle  den  Ka¬ 
theter  verwenden  müssen. 

Die  Methode  ist  so  einfach  und  gibt  so  sichere  Resultate, 
dass  sie  so  recht  die  Methode  des  praktischen  Arztes  sein 
wird.  Sie  zeigt  uns  nicht  allein  den  Grad  der  krankhaften 
Nierenveränderung  an,  sondern  sie  lässt  uns  Besserungen 
oder  Verschlechterungen  zahlenmässig  erkennen,  vor  allem 
auch  den  Einfluss  unserer  therapeutischen  Massnahmen.  Wir 
können  erkennen,  ob  die  Nierenfunktion  nach  dem  Verschwin¬ 
den  des  Eiweisses  wieder  völlig  repariert  ist  oder  ob  dauernde 
Veränderungen  zurückgeblieben  sind,  ganz  abgesehen  von  der 
Feststellung  sonst  verborgener  Störungen  der  Nierenfunktion, 
bei  denen  uns  die  Eiweissreaktion  im  Stiche  lässt. 

Was  nun  die  spezielle  Ausführung  und' die  Bewertung  der 
erhaltenen  Resultate  betrifft,  so  kann  ich  die  Angaben  von 
Rowntree  und  Geraghty  voll  und  ganz  bestätigen. 

I.  Die  normalen  Fälle,  bei  denen  ich  die  Nierenfunktion 
prüfte,  habe  ich  auf  Eiweiss  mit  allen  Reagentien  (auch  Sulfo- 
salizylsäure,  „Spiegler“)  untersucht  und  nur  solche  als  ge¬ 
sund  erachtet,  die  absolut  eiweissfrei  waren  und  normale 
Temperatur,  normalen  Blutdruck,  normalen  Puls  und  normale 
Harnmenge  aufwiesen.  Diese  gaben  fast  genau  überein¬ 
stimmende  Zahlen  und  zwar  schwankten  sie  von  47—68  Proz. 
in  der  ersten  Stunde  und  74 — 85  Proz.  in  zwei  Stunden. 
Hieraus  geht  hervor,  wie  schon  Rowntree  und  Geraghty') 
mitgeteilt  und  Autenrieth  und  Funk  °)  bestätigt  haben, 
dass  bei  einer  Ausscheidung  von  Phenolsulfonphthalein  unter 
45  Proz.  in  der  ersten  Stunde  und  unter  70  Proz.  in  zwei 
Stunden  pathologische  Verhältnisse  vorliegen. 


Tabelle  1  a.  Nierengesunde.  Alle  Eiweissreaktioneil  negativ. 


No. 

Name 

Alter 

Puls 

Blut- 

Phenolsulfonphthalein¬ 

ausscheidung 

druck 

1.  Std 

2.  Std. 

1.  -f  2.  i 

Std. 

1. 

P.  A.  (w.) 

28  J. 

75 

115 

Proz. 

49 

Proz. 

26 

Proz. 

75 

2. 

H.  M.  (m.) 

36  J. 

72 

130 

56 

19 

75 

3. 

F.  E.  (m) 

43  J. 

72 

125 

49 

27 

76 

4. 

E.  S.  (w.) 

38  J. 

75 

105 

57 

17 

74 

5. 

A.  F.  (m.) 

25  J. 

80 

120 

68 

17 

85 

6. 

L.  B.  (w.) 

41  J. 

72 

120 

47 

27 

74 

7. 

M.  D.  (w.) 

27  J. 

80 

110 

53 

22 

75 

8. 

M.  E.  (w.) 

63  J. 

76 

120 

57 

28 

85 

9. 

A.  S.  (m.) 

26  J. 

70 

135 

60 

17 

77 

10. 

F.  L.  (m.) 

40  J. 

80 

125 

55 

26 

81 

Tabelle  lb.  Schwangere  Frauen. 


No. 

Name 

Alter 

Schwanger  im 

Phenolsulfonphthalein¬ 

ausscheidung 

1.  Std. 

2.  Std. 

1.  +  2.1 
Std. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

30. 

M.  St. 

23  .1. 

9.  Monat 

38 

32 

70 

10. 

48 

24 

72  j 

42. 

j.'k. 

32  J. 

9. 

23 

21 

44 

jy 

10. 

21  |  21 

Mit  Spieglers  Re 

42 

igens: 

Spur  Eiweiss 

44. 

Jos.  K- 

28  .1. 

8.  „ 

47 

23 

70 

38. 

S.  St. 

20  J. 

Eklampsie  vor 

36 

26 

62 

4  Monaten 

5)  Journ.  Pharm,  u.  exper.  Therapie,  Juli  1910. 
K)  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  49,  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


51 1 


.  Mürz  1913. 


Tabelle  2.  Nierenkranke. 


Name 

und 

Puls  u. 
Blut- 

Phenolsulfonphthalein- 

ausscheidung 

a)  Eiweiss 

Beschwerden 
oder  Diagnose 

Alter 

druck 

1.  Std. 

1  2. 

1  Std. 

1  2. 
Std. 

b)  Zylinder 

0  M.  33J.(m 

95-115 

Proz. 

1.  IX.  =  2£ 

Proz. 

20 

Proz 

48 

a)  Spiegler  Spui 

Nierenstörung  nach 

— 

— 

9.X  =48 

20 

68 

b)  0 

Durchnässung 

j.K.  33J.(w.) 

96-120 

14  XI  =  5C 
9.  IX.  =  3C 

i  23 
19 

73 

49 

a)  3  Prom. 

chron.  parenchym. 

— 

— 

14.  X.  =  41 

25 

66 

b)  hyaline  u  gra- 

Nephritis 

W.  55  J.  (Ml.) 

90-125 

30.VIII.  =  15 

13 

28 

nulierte  Z. 
a)  u.  b)  wie  2 

chron.  parenchym. 

H.V.2SJ.(m.) 

100-125 

30.VIII.  =  44 

27 

71 

a)  Spiegler  Spui 

N.  Retinitis  albu¬ 
minurica 

leichleNephritis  nach 

— 

80—115 

3.  XI.  =  60 

27 

87 

vereinz.roteBiut- 

Angina. 

A.M.45J.(m) 

100—145 

1.  IX.  =  35 

5 

40 

körperclien 
a)  0,5  Prom. 

chron.  parenchym. 

E  J.29J.  (w.) 

90-120 

2.  IX.  =  34 

30 

64 

b)  hyaline  u.  gra¬ 
nulierte  Z. 
vor  1  |ahr  0,5—1 

Nephritis 

z.Z.  Atemnot,  Nieren- 

A.B.42J  (m.) 

75-125 

4.  IX.  =  46 

17 

63 

Proz. 

0 

schmerz 

8  Wochen  nach  Ang., 

F.  D.20J.  (w ) 

116-135 

6.  IX.  =  45 

15 

60 

a)  Spiegler  Spur 

vielleichtOichtniere 
vor  3  Monat  schwerer 

— 

S4-120 

13.  XI.  =  47 

30 

77 

u.  Ferrozyankal 
a)  nur  Spiegler 
Spur 

a)  Ferrozyankal. 

Katarrh 

VI  N  32J.(m.i 

SO- 140 

7.  IX.  =  35 

15 

50 

Uveitis,  Verdacht  auf 

J.K.49  J.(m.) 

100-125 

11.  IX.  =  29 

1  19 

48 

4- 

mit  Eiweiss 

Tuberkulose 
Nierenstörung  nach 

84  —  120 

5.  XI.  =  36 

18 

54 

vor  der  Bell. 

Durchnässung,  Op- 

— 

— 

ö.  XI.  =  34 

27 

61 

nach  der  Bell. 

pressionsgefühl 

H.E.33Jaw.) 

76-115 

17.  IX.  =  45 

18 

63 

0 

1  Jahr  nach  schwerer 

M.T.  13J.(w.) 

88-135 

19.  X.  =  23 

30 

58 

a)  Spiegler  Sour 

Diphtherie 

6  Monat  nach  scliwe- 

M.S.7I  J.(in.) 

100-140 

18.  IX.  =  24 

12 

36 

a)  1  Prom. 

rer  Influenza 
chron.  interstitielle 

W.  30  J  (w.) 

100  -135 

21.  IX.  =  - 

_ 

52 

b)  hyaline  Z. 
a)  1  Prom. 

Nephritis 

während  d.  asthmat. 

_ 

SO  T 1 20 

16  X.  =  31 

22 

53 

b)  hyaline  Z. 
a)  Spiegler  Spur 

Anfalls 

X.B.40  1.  (m.  i 

100-115 

25.  IX.  =  43 

20 

63 

b)  0 

a)  Kochprobe  -f 

nach  Influenza  und 

— 

72—115 

13.  XI.  =  - 

— 

70 

b)  einzelne  hy- 

Zahnabszess 

F.Z.49J.  (w.) 

100—115 

1.  X  =35 

5 

40 

aline  Z. 

0 

a)  Spiegler  -f- 

Arterioskl. Schrumpf- 

A.K6SJ  (m.) 

96-150 

2.  X.  =  43 

19 

62 

b)  hyaline  Z. 
a)  0  5  Prom. 

niere 

do. 

W.St  54J.(m ) 

96-145 

3.  X.  =  37 

21 

58 

b)  "hyaline  Z. 
a)  Ferrozyankal. 

do. 

— 

— 

21.  XI.  =  38 

25 

63 

b)  hyaline  Z. 

vorrübergeh.  Zucker 

BG.38J  (w) 

90—135 

3.  X.  =  42 

17 

59 

0 

14  Tage  nach  Angina 

A.H.65J  ( w .) 

85-165 

4.  X.  =  40 

13 

53 

a)  5  Prom. 

Schrumpfniere  und 

O.F.  33J.(m  ) 

SO- 100 

5.  X.  =  24 

26 

50 

b)hyal.  u.gran  Z. 
a)  Ferrozyankal. 
+ 

a)  4  Prom. 

Stauungsniere 
nach  Angina 

H.B.33J.(m.) 

60-120 

20.  X.  =  31 

30 

61 

Amyloidniere 

L.  L.  60  J  iw. 

96-125 

20.  X.  =  40 

14 

54 

b)  hyaline  Z 
a)  Ferrozyankal 

rheumat  Beschwerd. 

KT.42J.(m.) 

62-140 

24.  X.  =  45 

14 

59 

Spur 

a)  1  Prom. 

in  beiden  Armen 
Schrumpfniere 

H  K.I8J  (w.J 

80-115 

6.  XI.  =  40 

27 

67 

b)  hyaline  Z. 

0 

Pyelitis(Nierentuber- 

E.R.36J  (w.) 

72-110 

13.  XI  =  36 

26 

62 

0 

kulose  ?) 

Pyelitis 

F.B  49J.(m.) 

86—125 

15.  XI.  =  40 

26 

66 

a)  Spiegler  Spur 

Diabetes  mellitus 

S.  25  J.  (w.) 

84-120 

22.  XI.  =  46! 

21 

67 

Zucker  0,5  Proz. 
0 

Pyelitis(Nierentuber- 

H.  56  J.  (w.) 

82-145 

22.  XI.  =  36 

22 

58 

a)  Spiegler  Spur 

kulose?) 

Arteriosklerose 

I-J.  33  J.  (m.) 

75-13U 

26.  XI.  =  35 

26 

61 

a)  Spiegler  Spur 

Asthma,  chronisch. 

D.  14  J.  (w.) 

100-S5 

17.  XII.  =  39 

22 

61 

a)  Nacht  0 

Bronchitis 

Orthostatische  Albu- 

1 

Tag  bis  2  Prom. 
b;  einzelne  Z. 

minurie  ? 

Es  sind  dies  10  Fälle  von  Gesunden.  Ich  habe  mich  mit 

-  ser  Zahl  begnügt,  da  sich  irgend  eine  Abweichung  von  den 
den  Autoren,  die  mehrere  Hundert  untersucht  haben,  nicht 

•geben  hat. 

Im  Anschlüsse  an  die  normalen  Fälle  will  ich  auf  die  Fälle 
30,  42  und  44  hinweisen.  Es  handelt  sich  hier  um  gravide,  an- 

■  einend  gesunde  Frauen  im  9.  und  10.  Monate  der  Gravidität,  die 
veichungen  zeigen.  Ich  vermute,  dass  sobald  und  solange  der 

-  rus  auf  die  Nieren  drückt,  eine  Störung  in  der  Sekretion  besteht, 
s  geht  deutlich  aus  Fall  30  hervor.  Bei  dieser  Form  fand  sich  im 

Monate  eine  Herabsetzung  in  der  ersten  Stunde  und  eine  Ver- 
>aung  in  der  zweiten  Stunde  (38  Proz.  und  32  Proz.).  Eine  Unter- 
•  ung  am  Ende  des  10.  Monats  ergab  wieder  normale  Sekretions- 
i ältnisse  (48  Proz.  und  24  Proz.).  Die  Frau  42  aber  hat  eine  be¬ 
tende  Herabsetzung  der  Ausscheidung  und  weist  im  Harn  mit 
"egler  eine  Spur  Eiweiss  auf.  Mithin  besteht  eine  Nierenerkran- 
s,  worauf  vielleicht  das  stark  aufgetretane  und  bis  über  die  Hälfte 

■  Gravidität  anhaltende  Erbrechen  zurückzuführen  ist.  Für  diese 
Palmie  spricht  die  Behandlung  der  Hyperemesis  gravidarum  mit 

teticis,  Strophanthus  und  Digitalis  nach  H  i  1  f  e  r  d  i  n  g  -  König 
’g.)  oder  wie  ich  auf  Grund  der  Phenolsulfonphthaleinprüfung 
n»Hs  mit  vollem  Erfolge  Diuretin  in  2  Fällen  angewendet  habe, 
alle  Schwangerschaftstoxikosen  von  den  leichten  bis  zur  Eklam- 
1 :  auI  mangelhafte  Nierentätigkeit  zurückzuführen  sind,  wird  mit 

')  Wien.  ined.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 


dieser  Untersuchungsprobe  noch  zu  prüfen  sein.  Ich  kann  bis  jetzt 
nur  über  einen  Fall  (38)  berichten,  wo  bei  der  vor  4  Monaten  er¬ 
folgten  Niederkunft  Eklampsie  aufgetreten  war  und  jetzt  noch  eine 
Herabsetzung  der  Nierenfunktion  für  Phenolsulfonphthalein  ohne  jede 
Eiweissausscheidung  besteht.  Subjektiv  klagt  Patientin  über  Druck 
in  der  Nierengegend  und  über  Durst,  objektiv  findet  sich  nur  Puls¬ 
beschleunigung. 

II.  PathologischeFälle.  1.  Von  den  pathologischen  Fällen 
will  ich  zuerst  die  schweren  aufzählen.  Es  sind  dies  No.  2,  3,  5,  16, 
17,  21,  22,  25,  35,  die  alle  eine  starke  ein-  und  zweistündige  Herab¬ 
setzung  der  Bhenolsulfonphthaleinausscheidung  aufweisen.  No.  31  ist 
ein  Patient  mit  Amyloidniere,  die  sich  im  Anschluss  an  Bronchiektasien 
mit  reichlichem  eitrigen  Auswurf  entwickelt  hat. 

2.  Die  Fälle  8,  9,  23,  26,  33  ergaben  nur  Spuren  von  Eiweiss 
(Kochprobe,  Essigsäure-Ferrozyankalium,  Heller  sehe  Schicht¬ 
probe),  also  sogen.  Albuminuria  minima.  Auch  geformte  Elemente 
fanden  sich  und  dabei  eine  starke  Herabsetzung  der  Phenolsulfon- 
phthalei'nausscheidung.  Subjektive  Beschwerden  waren  teils  stark, 
teils  überhaupt  nicht  vorhanden.  So  erkrankte  Patient  No.  9  an  einer 
Uveitis  und  erst  dadurch  kam  es  zur  Untersuchung  auf  eine  Allgemein- 
krankung,  bei  der  auch  eine  Funktionsprüfung  der  Niere  gemacht 
wurde,  nachdem  eine  Vermehrung  der  täglichen  Harnmenge  fest- 
gestellt  war. 

3  Stets  eiweissfrei  mit  den  sogen,  klassischen  Reagentien  er, 
wiesen  sich  die  Fälle  1,  4,  6,  7,  11,  14,  15,  18,  24,  37,  39.  Einige  jedoch 
ergaben  Spuren  mit  Spiegle  rs  Reagens  und  Sulfosalizyisäure, 
Reaktionen,  die  bis  jetzt  zu  den  physiologischen  gerechnet  wurden3). 
Ein  Teil  der  Patienten  zeigte  aber  Veränderungen  am  Kreislauf,  meist 
Pulsbeschleunigung,  während  ein  anderer  Teil  (6,  7,  11,  14,  37)  ob¬ 
jektiv  nichts  ergab,  subjektiv  Oppressionsgefühl  (6,  7,  11,  14)  und 
Harndrang  (37). 

Bei  6,  7,  14  handelt  es  sich  um  abgelaufene  Nierenschädigungen, 
die  im  Anschluss  an  schwere  Infektionskrankheiten  entstanden  sind 
und  die  zu  einer  vollkommenen  Reparation  nicht  geführt  haben.  Bei 
11  sind  die  krankhaften  Erscheinungen  nach  einer  starken  Durch- 
nässung  aufgetreten  und  bei  37  besteht  der  Verdacht  auf  Nierentuber¬ 
kulose. 

4.  Von  den  behandelten  Fällen  besserten  sich  15,  *17  im  Verlaufe  der 
Behandlung  kaum,  während  bei  1,2.4  11,  18  subjektiv  wie  objektiv  eine 
deutliche  Besserung  besonders  der  Sekretion  für  Phenolsulfonphthalein 
erkennbar  ist.  Bemerkenswert  ist  der  Fall  17.  Die  Patientin  be¬ 
kam  am  20.  IX.  12  wie  schon  öfters  einen  Asthmaanfall  (Atemnnot, 
starkes  Pfeifen  und  Giemen).  Die  Untersuchung  am  21.  IX.  ergab 
1  Proz.  Eiweiss  und  eine  funktionelle  Herabsetzung  der  Nierentätig¬ 
keit  auf  52  Proz.  in  2  Stunden.  Das  Eiweiss  war  nach  4  Wochen 
bis  auf  eine  Spur  mit  S  p  i  e  v  1  e  r  s  Reagens  verschwunden  und  nach 
weiteren  4  Wochen  fand  sich  keine  Spur  mehr  vor,  aber  die  Funk¬ 
tionsstörung  wies  etwa  denselben  Wert  auf.  Auch  der  Fall  47  ist 
zur  Zeit  eines  schon  länger  bestehenden  asthmatischen  Zustandes 
untersucht  und  ergibt  eine  Herabsetzung  der  Sekretion  auf  61  Proz. 

Die  sehr  kleine  Zahl  der  untersuchten  Fälle  erlaubt  nun 
den  Schluss  noch  nicht,  dass  der  asthmatische  Anfall  durch 
zurückgehaltene  harnfähige  Stoffe  verursacht  wird.  Wenn 
man  aber  berücksichtigt,  dass  nach  van  den  Velden, 
Meyer  und  Cahn  durch  Diuretin  nicht  nur  das  kardiale, 
sondern  auch  das  bronchiale  Asthma,  sogar  prophylaktisch 
beeinflusst  wird 8  9),  so  liegt  jener  Gedanke  sehr  nahe. 

Bei  Fall  1  ist  ein  Anstieg  der  Phenolsulfonphthaleinaus¬ 
scheidung  von  48  Proz.  auf  68  Proz.  und  73  Proz.,  bei  Fall  2 
von  49  Proz.  auf  66  Proz.,  bei  Fall  4  von  71  Proz.  auf  87  Proz. 
und  bei  Fall  18  von  63  Proz.  auf  64  Proz.  und  70  Proz.  zu  be¬ 
merken.  Die  Patienten,  bei  denen  die  Ausscheidung  normal 
geworden  ist,  sind  wieder  völlig  arbeitsfähig. 

Da  auch  bei  der  orthostatischen  Albuminurie  eine  Funktions¬ 
störung  zu  konstatieren  ist.  darf  sie  nicht  als  harmlos  aufgefasst 
werden.  Das  1 4  jährige  Mädchen  (Fall  48)  mit  61  Proz.  Phenol¬ 
sulfonphthalein  liefert  am  Morgen  einen  eiweissfreien  Harn,  während 
im  Laufe  des  Tages  der  EiweissgAialt  bis  2  Prom.  ansteigt. 

8  Uhr  spez.  Gewicht  1019,  Eiweiss  0  (S  p  i  e  g  1  e  r). 


M  „ 

99 

„  1018, 

,  o, 

12  „ 

99 

„  1023. 

,  1,5  Prom.  (Esbach), 

2  „ 

99 

1012, 

,  Spur  (Spiegler), 

6  „ 

99 

„  1025, 

,  2,0  Prom.  (Esbach). 

Und  zwar  beobachtete  man  einen  Parallelismus  mit  dem  spez. 
Gewicht.  Wenn  nach  dem  Mittagessen  ein  spezifisch  leichterer  Harn 
ausgeschieden  wird,  verschwindet  das  Eiweiss  fast  ganz  trotz  des 
Aufseins. 

Wir  sehen  nun,  an  den  hier  aufgeführten  Fällen,  dass  die  Ei- 
weissausscheidung  der  Ausscheidung  des  Phenolsulfonphthalein 
nicht  parallel  geht,  dass  die  Störung  dieser  Ausscheidung  ganz 

8)  Veröffentlichungen  aus  dem  Gebiete  des  Militärsanitätswesens, 
Heft  48,  1911,  Kraus,  pag.  13. 

9)  Emil  Meyer:  Zur  Behandlung  des  Asthma  bronchiale. 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  38. 


512 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


bedeutend  und  die  Eiweissausscheidung  ganz  gering  sein  oder 
fehlen  kann.  Parallel  mit  der  Phenolsulfonphthaleinausscheidung 
aber  sind  die  subjektiven  und  objektiven  Befunde  bei  diesen 
Patienten.  Deshalb  kann  ich  auch  mit  der  Ansicht  von 
Kraus10),  der  sich  auf  die  Untersuchung  von  Mörner 
stützt,  nicht  übereinstimmen,  dass  Eiweissspuren,  die  mit 
„Spiegler“  oder  Sulfosalizylsäure  nachgewiesen  werden,  „er- 
fahrungsgemäss  sicher  von  nur  geringfügiger  Bedeutung“ 
seien.  Man  darf  sich  beim  Nachweis  dieser  Eiweissspuren  ; 
nicht  ohne  weiteres  auf  den  Standpunkt  stellen,  dass  es  sich 
um  eine  bedeutungslose  Reaktion  handle.  Ich  stehe  jetzt  auf 
dem  Standpunkt,  dass  kein  Eiweissreagens  zu  fein  ist.  Denn  j 
wird  bei  einem  Patienten  Eiweiss  mit  irgend  einem  Reagenz  j 
nachgewiesen,  so  ist  jetzt  erforderlich,  die  leicht  ausführbare 
Funktionsprüfung  mit  Phenolsulfonphthalein  anzustellen.  Erst 
wenn  sich  eine  Herabsetzung  der  Ausscheidung  bei  Eiweiss¬ 
gehalt  nicht  ergäbe,  könnte  man  diese  für  bedeutungslos  halten. 

Die  Eiweissausscheidung  ist  für  den  Arzt  ja  nur  e  i  n  Sym¬ 
ptom  der  Nierenschädigung,  nämlich,  dass  die  Niere  für  Ei¬ 
weiss  durchlässig  ist.  Sie  zeigt  uns  aber  nicht  an,  dass  bei 
dieser  Schädigung  auch  Stoffe  zurückgehalten  werden.  Dies 
ist  jedoch  für  den  Organismus  die  Hauptsache,  denn  durch 
den  geringen  Eiweissverlust  wird  er  nicht  geschädigt,  wohl 
aber  durch  die  Retention  von  sonst  durch  den  Harn  aus¬ 
geschiedenen  Stoffen.  Vorläufig  möchte  ich  hier  erwähnen, 
dass,  wie  ich  zusammen  mit  Herrn  Funk  festgestellt  habe, 
die  bei  Nierenerkrankungen  vorkommende  Verminderung  der 
Aetherschwefelsäure  parallel  mit  der  Ausscheidung  von 
Phenolsulfonphthalein  geht,  worüber  wir  uns  weitere  Mit¬ 
teilungen  Vorbehalten.  Es  erscheint  mir  die  Funktionsprüfung 
deshalb  viel  wichtiger  als  die  Eiweissreaktion,  der  ich  nur  den 
Wert  einer  Vorprüfung  beimessen  möchte.  Auch  Deutsch11), 
der  die  Angaben  von  Rowntree  und  Qeraghty  im 
grossen  ganzen  bestätigt,  stellt  sich  auf  diesen  Standpunkt, 
wenn  er  schreibt,  dass  die  Methode  sich  besonders  eigne,  um 
Ueber-  und  Unterschätzungen  des  Harnbefundes  hintanzu¬ 
halten. 

Die  Funktionsprüfung  nach  Rowntree  und  Qe¬ 
raghty  haben  auch  Fromme  und  Rubner 12)  nach¬ 
geprüft  und  sind  dabei  zu  ganz  abweichenden  Resultaten  ge¬ 
kommen.  Da  nur  der  Ausfall  der  Funktionsprüfung  mitgeteilt 
ist,  aber  kein  Befund  über  Temperatur,  Puls,  Blutdruck,  Harn¬ 
menge  und  Eiweissreaktion,  so  ist  auch  nicht  nachgewiesen, 
dass  alle  Untersuchten  nierengesund  waren. 

Ich  möchte  dies  bezweifeln  bei  den  Fällen  28,  43,  45  und 
49.  Die  Fälle  28  und  43  litten  an  Adnextumoren,  ob  sie  ent¬ 
zündlicher  Natur  waren,  ist  nicht  angegeben.  No.  45  hat  eine 
Retroflexio  fixata,  hat  also  eine  Entzündung  im  Douglas  durch- 
gemacht.  Jede  Entzündung  kann  aber  auch  eine  Nieren¬ 
schädigung  zurücklassen.  No.  49  leidet  an  Pyosalpinx,  also 
an  einer  frischen  Entzündung.  Von  ihr  gilt  das  Gleiche,  was 
von  den  vorhergehenden  Fällen.  Sollten  sich  unter  den 
Untersuchten  gar  gravide  Frauen  befunden  haben,  was  bei 
in  einer  Frauenklinik  angestellten  Untersuchungen  anzunehmen 
naheliegt,  so  möchte  ich  auf  die  von  mir  untersuchten  gra¬ 
viden  Frauen  hinweisen,  die  in  ihrer  Sekretion  nicht  als  nor¬ 
mal  betrachtet  werden  dürfen.  Aber  es  muss  auch  noch  ein 
Fehler  von  15—18  Proz.  bei  der  Bestimmung  vorliegen,  der  j 
entweder  auf  unrichtiger  Eichung  des  Keils  oder  Verlust  bei 
der  Einspritzung  zurückzuführen  ist.  Beides  sind  Fehler,  die 
leicht  Vorkommen  können.  Deshalb  ist  es  empfehlenswert, 
einen  geeichten  Keil  zu  beziehen. 

Deutsch  und  Fromme  und  Rubner  haben  die  Me¬ 
thode  von  Rowntree  und  Qeraghty  dadurch  kompli¬ 
ziert,  dass  sie  von  der  angegebenen  Zeit  für  die  Bestimmung 
abgewichen  sind  und  teils  subkutan,  teils  intravenös  injizierten. 
Ich  halte  die  intraglutäale  Injektion  für  einfach  und  schmerzlos 
und  die  Bestimmung  nach  einer  und  nach  zwei  Stunden  für 
vollauf  genügend  und  vor  allem  für  übersichtlich. 

Nach  diesen  Darlegungen  kann  ich  die  Methode  von 
Rowntree  und  Qeraghty  ganz  besonders  empfehlen. 


10)  Veröffentlichungen  auf  dem  Gebiete  des  Militärsanitätswesens, 
Heft  48,  1911,  Kraus,  pag.  9—11. 

u)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1912.  XXV.  Jahrg.,  No.  32, 

12)  Berl.  klin.  Wochenschr,  1912,  No,  40, 


No.  10 


1.  Sie  ist  leicht  ausführbar  auch  vom  praktischen  Arzte, 
sogar  in  der  Sprechstunde  und  sie  ist  ungefährlich. 

2.  Die  Bestimmung  mit  dem  Autenrieth-Königs- 
b  e  r  g  e  r  sehen  Kolorimeter 13)  ist  sehr  einfach,  genau  und  in 
kaum  10  Minuten  zu  bewerkstelligen. 

3.  Die  Resultate  sind  zahlenmässig  mit  anderen  vergleich¬ 
bar  und  dadurch  lassen  sich  Aenderungen  im  Funktions¬ 
zustande  leicht  feststellen,  was  keine  andere  Methode  leistet 

4.  Sie  zeigt  Funktionsstörungen  an,  wo  die  Eiweissreaktior 
im  Stiche  lässt. 

5.  Die  Qrenze  der  Ausscheidung  bei  intraglutäaler  Injek¬ 
tion  bei  gesunder  Niere  liegt  bei  45  Proz.  nach  einer  Stundt 
und  bei  70  Proz.  nach  zwei  Stunden. 

Nachtrag  bei  der  Korrektur. 

Funktionsprüfungen  in  grösserer  Zahl  vor  und  nach  der  (Jebur 
haben  ergeben,  dass  die  Niere  in  dieser  Zeit  nicht  normal  sezernier 
und  dass  diese  Störung  längere  Zeit  hindurch  andauern  kann.  Da; 
gleiche  scheint  auch  für  die  Leber,  wenn  auch  in  geringerem  Gradi 
zuzutreffen,  da  in  dieser  Zeit  sehr  oft  eine  vermehrte  Ausscheidun; 
von  Urobilin  vorhanden  und,  wie  mir  scheint,  auch  der  Cholesterin] 
Stoffwechsel  verändert  ist. 

Die  Mitteilungen  von  E  i  c  h  m  a  n  n 14)  sind  deshalb  auch  für  di- 
Beurteilung  des  Wertes  der  Nierenfunktionspriifung  nicht  verwendbai 
da  sie  nur  bei  anormalen  Fällen  (Frauen  vor  und  nach  der  Geburt! 
teils  mit  teils  ohne  Eiweiss  im  Harn  die  Methode  angewendet  un 
deshalb  auch  stets  sowohl  bei  intramuskulärer  als  auch  bei  intra 
venöser  Anwendung  zu  niedrige  Werte  erhalten  hat.  Dagegen  spre 
chen  ihre  Resultate  für  meine  Auffassung,  dass  vor  und  nach  der  Ge 
hurt  die  Nierenfunktion  gestört  ist. 


Aus  der  Kinderklinik  der  Akademie  für  praktische  Medizi 
zu  Köln  (Direktor:  Prof.  Dr.  Siegert). 

Ueber  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  im  Nasen 
und  Rachensekret  ernährungsgestörter  Säuglinge. 

Von  Dr.  med.  Erich  Conrad  i. 

Seitdem  wir  Kenntnis  besitzen  von  dem  Vorkommen  dt 
Diphtheriebazillen  im  Nasen-  und  Rachenraum  gesunde 
Menschen  und  der  Möglichkeit  der  Krankheitsverbreitun 
durch  diese  Bazillenträger,  entstanden  eine  ganze  Reihe  vc 
Arbeiten,  die  sich  mit  diesem  Gegenstand  beschäftigen.  Si 
wohl  Infektionen  in  Familien  wurden  so  verständlich,  als  aut 
i  Uebertragung  auf  ganze  Krankenstationen  durch  bazillei 
beherbergende  Personen  des  Warte-  und  Pflegepersonal 
Sehr  erschwerend  für  die  Kritik  einer  grossen  Anzahl  solch' 
Befunde  ist  allerdings  der  Umstand,  dass  sich  häufig  keine  g 
nauen  Angaben  darüber  finden,  mit  welchen  Hilfsmitteln  d 
mikroskopisch-bakteriologischen  Technik  die  Diagnose  in  di 
betreffenden  Fällen  gestellt  wurde.  Ferner  wird  auch  vc 
bakteriologischer  Seite,  von  Kober  z.  B.,  darüber  Klage  g 
führt,  dass  die  meisten  Befunde  gar  nicht  sicher  unterscheid' 
zwischen  echten  und  Pseudodiphtheriebazillen,  weshalb 
auffordert,  die  veröffentlichten  Zahlen  nur  mit  Vorsicht  all 
zunehmen.  Ueber  diesen  Punkt  gehen  ja  nun  sogar  die  A 
sichten  der  Bakteriologen  noch  weit  auseinander,  und  währe 
die  einen  die  Pseudodiphtheriebazillen  für  eine  wohlchara- 
terisierte,  von  avirulenten  echten  Diphtheriebazillen  gut  a 
trennbare  Form  halten,  betrachten  sie  die  anderen  nur  :• 
eine  zur  selben  Familie  gehörige  Varietät  mit  ganz  nebc 
sächlichen  Unterscheidungsmerkmalen,  deren  Umzüchtung  * 
echte  Diphtheriebazillen  allerdings  Escherich  nicht  gelar 
Für  eine  klinische  Beurteilung  aber  ist  dieser  Streit  von  .«• 
ringer  Bedeutung,  und  man  kann  sich  dabei  wohl  H  e  u  b  n 
anschliessen,  welcher  sagt:  ..Für  die  Auffassung  der  ganz» 
Diphtherieätiologie  erscheint  es  zunächst  ziemlich  gleichgiih, 
ob  man  in  einem  beliebigen  Falle  einen  avirulenten  1* 
phtheriebazillus  oder  einen  Pseudodiphtheriebazillus  vor  st 
hat.  Von  grosser  Bedeutung  ist  dagegen  die  Tatsache,  da 
die  Virulenz  keine  obligatorische  Eigenschaft  des  Diphther- 


13)  Das  Authenrieth-Königsberger  sehe  Kolorimei > 

sowie  fertige  geeichte  Keile  und  Injektionsflüssigkeit  in  Ampullen  w- 
den  von  der  Werkstätte  F.  Heilige  &  Co.,  Freiburg  i.  Br. 
liefert.'  ..Jt  1 

14)  Nierenfunktionsprüfung  durch  die  Phenolsulfonphthaleinpn  • 
i  Vorläufige  Mitteilung  von  Dr.  Elise  Eich  mann.  Aus  der  n* 

1  ammenschule  in  Osnabrück. 


II.  Mäfz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


513 


bazillus  ist,  dass  sie  vielmehr  örtlich  und  zeitlich  wechseln 
kann,  und  dass,  im  grosesn  und  ganzen  wenigstens,  die 
Schwere  der  Erkrankung  der  Virulenz  der  Bazillen  parallel 

geht.“ 

Wir  hatten  nun  im  Frühjahr  1911  auf  einer  Abteilung 
unerer  Säuglingsstation  Gelegenheit,  das  gehäufte  Auftreten 
von  Diphtheriebazillen  im  Nasen-  und  Rachensekret  der  Kinder 
zu  beobachten,  über  das  ich  im  folgenden  berichten  möchte. 

Die  Veranlassung  zu  diesen  Untersuchungen  gab  einer  der 
Säuglinge  (Krankengeschichte  No.  1),  dessen  eigenartig 
schniefende  Atmung  bei  mit  trockenen  Krusten  verlegten 
Nasengängen  immerhin  den  Verdacht  erwecken  konnte,  zumal 
das  oftmals  vorhandene  Fieber  sich  nicht  immer  durch 
Furunkel  und  Abszesse  erklären  liess.  Die  Untersuchungen 
waren  stets  negativ  gewesen,  bis  sich  plötzlich  am  11.  März, 
2  Tage  vor  dem  Exitus,  im  Nasensekret  reichlich  Diphthcrie- 
bazillen  kulturell  nachweisen  Hessen.  Das  Kind  wurde  isoliert, 
mit  Serum  injiziert  und  darauf  die  übrigen  Kinder,  die  in  den 
zwei,  durch  eine  offene  Türe  verbundenen  Zimmern  derselben 
Station  lagen,  ebenfalls  untersucht.  Es  handelte  sich  um 
14  Betten,  die  allerdings  im  Laufe  der  bis  in  den  Juli  dauernden 
Beobachtungen,  mehrfach  ihre  Inhaber  wechselten. 

Die  bakteriologischen  Untersuchungen  wurden  in  unserem 
Laboratorium  vorgenommen.  Ausserdem  hatte  Herr  Dr. 
Schmitz  im  städtischen  bakteriologischen  Laboratorium 
(Direktor  Prof.  Dr.  Czaplewski)  die  Liebenswürdigkeit, 
eine  grosse  Anzahl  der  verdächtigen  Sekrete  nachzuprüfen, 
wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  noch  bestens  danken 
möchte.  Fernerhin  bin  ich  noch  Herrn  Prof.  Ficker  zu 
grossem  Danke  verpflichtet,  der  eine  Reihe  von  Kulturen  im 
hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin  untersuchen  liess 
and  mir  die  Resultate  in  liebenswürdigster  Weise  mitteilte. 
Es  wurde  auch  da  bei  den  Kindern  4,  5,  7  und  10  ein  echter 
Diphtheriebazillenstamm  gefunden,  und  dies  durch  Reinziich- 
tung,  Säuretitration  und  den  Tierversuch  erhärtet. 

Bevor  ich  auf  die  weiteren  Ergebnisse  eingehe,  möchte 
ich  erst  kurz  die  Krankengeschichten  mitteilen. 

Krankengeschichten. 

1.  Gertrud  H.,  geboren  5.  Juli  1910,  eingetreten  30.  Dezember 

1910. 

Anamnese:  3.  Kind.  Erhielt  die  beiden  ersten  Monate  die 
Tust.  Dann,  weil  es  dabei  nie  voran  ging  und  die  Mutter  angeblich 
lurcli  Blutverlust  zu  sehr  geschwächt  war,  wurde  es  abwechselnd 
renährt  mit  Ramogen-Zuckerlösungen,  teils  mit  Zusatz  von  Somatose, 
Schweizermilch  in  Wasser  oder  Grütze  oder  v.  Dungernmilch. 

'lach  jeder  Nahrung  erbrach  das  Kind,  hatte  häufig  Verstopfung,  seit 
inigen  Tagen  Durchfall. 

Status:  Extrem  abgemagertes  Kind,  greisenhaftes  Aussehen, 
veite  faltige  Haut,  eingesunkenes  matsches  Abdomen,  auf  dem  sich 
lie  Därme  abzeichnen,  klares  Sensorium.  Gewicht  3200  g.  Pirquet 
md  Wassermann  negativ. 

Versuch  mit  Eiweissmilch,  worauf  Besserung  der  Stühle,  aber 
rotz  rasch  gesteigerten  Kohlehydratzusatzes  langsame  Gewichts- 
ibnahme  auf  3000  g.  Spucken  nach  jeder  Mahlzeit.  Von  nun  ab  bis 
:u  Ende  Frauenmilch  mit  Beigabe  von  Mager-  und  Buttermilch. 

Von  Mitte  Januar  1911  ab  ständige  Eruptionen  von  Furunkeln 
in  allen  möglichen  Körperstellen  mit  Fieber  bis  zu  40°. 

25.  Januar:  Mehrere  Tage  dauernde  Bronchopneumonie.  Koffein, 
(ampfer. 

4.  Februar:  Bubo  axillaris  inzidiert. 

22.  Februar:  Dekubitus  am  Hinterkopf,  der  rasch  den  Knochen 

rreicht. 

8.  März:  Otitis  media. 

Wegen  beständig  schnarchender  Atmung,  ohne  dass  jemals  Se¬ 
ktion  aus  der  Nase  vorhanden  war,  wurde  mehrmals  der  Nasen- 
bstrich  bakteriologisch  untersucht:  stets  mit  negativem  Resultate. 

11.  März:  Im  Nasenabstrich  auf  Löfflerserum  reichlich  Diphtherie- 

lazillen. 

12.  März:  Nasenabstrich:  Diphtheriebazillen,  Neisser  +  (bakterio- 
ogisches  Institut). 

13.  März:  Exitus  mit  3000  g.  Sektion  verweigert. 

Epikrise:  Hochgradig  atrophisches  Kind  von  ca.  3  kg,  statt 

ier  seinem  Alter  entsprechenden  7  kg;  schwerste  Furunkulose,  Drü- 
envereiterung,  Mittelohrentzündung.  Reparation  auch  bei  Frauen¬ 
milch  nicht  möglich.  Tod  nach  etwa  234  Monaten. 

Ohne  klinische  Erscheinungen  finden  sich  kurz  ante  exitum  im 
'asensekret  reichliche  Diphtheriebazillen. 

2.  Friedrich  L.,  geboren  8.  März  1910,  eingetreten  am  18.  Dezem- 

•er  1910. 

Anamnese:  Kind  soll  seit  4  Tagen  krank  sein,  jede  Nahrung 
erweigern,  einmal  erbrochen  haben,  beim  Anfassen  stets  schreien. 

No.  10. 


Status:  Kind  in  ziemlich  gutem  Ernährungszustand  (5640  g), 
macht  einen  schwer  kranken  Eindruck.  Matte  Augen,  sehr  kleiner, 
frequenter  Puls,  kalte  zyanotische  Extremitäten.  Mässige  Rhachitis. 
Etwas  seröse  Sekretion  aus  der  Nase,  mässige  Rötung  der  Rachen¬ 
gebilde.  Fast  kirschgross  geschwollene  Zervikaldrüsen.  Lungen  und 
Ohren  ohne  Befund.  Stuhlgang  gut.  Temperatur  39,4°.  4  mal  täg¬ 
lich  Kampfer,  Senfwickel.  Halbmilch  mit  Soxhlet. 

20.  Dezember:  Unter  allmählichem  Fieberabfall  Besserung  der 
Angina  und  des  Allgemeinbefindens. 

25.  Dezember.  Wieder  stärkere  katarrhalische  Rachenrötung. 
Unter  allmählichem  Gewichtsabfall  einsetzende  Dyspepsie,  die  unter 
Milchreduktion  sich  nicht  bessert. 

6.  Januar.  Gewicht  4960.  Nach  Einführung  von  Buttermilch 
gute  Stühle  und  langsame  Gewichtszunahme.  Die  Buttermilch  wird 
langsam  durch  Drittel-  und  Halbmilch  ersetzt,  später  Zwiebacksbrei 
und  Griessuppe  beigegeben.  Ueber  34  Liter  Vollmilch  wurde  nie 
gegeben,  da  das  ausgesprochen  lymphatische  Kind  weitere  Fett¬ 
zugaben  stets  mit  Gewichtsstillstand  quittierte. 

28.  Januar:  Seit  gestern  etwas  Husten,  leichte  Rhinitis,  Rachen¬ 
rötung.  Kulturen  aus  der  Nase:  vorwiegend  Staphylokokken,  einige 
diphtherieverdächtig  scheinende,  etwas  kurze  Stäbchen,  aber'  Gram¬ 
negativ  und  ohne  Polfärbung. 

30.  Januar:  Starke  Angina  catarrhalis  mit  einigen  stecknadel¬ 
kopfgrossen  Fleckchen  auf  den  Tonsillen,  die  sich  leicht  abwischen 
lassen.  Temperatur  38,1°.  Löfflerkultur:  Pilzmyzelien  (Soor?), 
keine  Diphtheriebazillen. 

15.  März.  Wieder  starke,  dünnschleimige,  aber  absolut  nicht 
als  spezifisch  verdächtige  Sekretion  aus  der  Nase.  Kein  Fieber.  Kul¬ 
turen  auf  Löfflerserum:  massenhaft  Gram-positive  Diplokokken, 
wenige,  aber  typische,  schlanke  Diphtheriebazillen  mit  Polfärbung. 
Injektion  von  1000  I.-E.  Isolierung. 

19.  April:  Angina  mit  massigem  Fieber  (38,1°).  Weissliche  Be¬ 
läge,  die  kulturell  nur  Staphylokokken  und  Gram-negative  Kokken, 
aber  keine  Diphtheriebazillen  enthalten.  Kulturen  aus  der  Nase  eben¬ 
falls  negativ,  wie  auch  in  den  folgenden  Untersuchungen. 

29.  April:  Wiederum  mehrtägige,  leicht  fieberhafte  Angina. 

18.  Mai:  In  gutem  Allgemeinzustand  bazillenfrei  entlassen. 

Epikrise:  Ausgesprochen  lymphatisches  und  leicht  rhachiti- 

sches  Kind  mit  ständig  rezidivierender  Angina,  Pharyngitis  und  Rhi¬ 
nitis.  Niemals  lassen  sich  im  Rachen  selbst  Diphtheriebazillen  nach¬ 
weisen,  während  sie  in  der  Nase  als  zufälliger  Befund  entdeckt 
werden.  Auch  während  der  Maserninfektion  keine  klinische  Diph¬ 
therie  als  Komplikation. 

3.  Gerda  H„  geboren  13.  April  1910,  eingetreten  am  16.  Juni  1910. 
Ohne  nähere  Anamnese  vom  Waisenhaus  eingeliefert. 

Status:  Sehr  kleines,  zurückgebliebenes  Kind  (2700g).  Blass; 
starke  Intertrigo,  eben  tastbare  Milz,  leichte  Nackendrüsenschwellung. 
Ausgedehnter  Soor.  Schleimige,  sauere  Stühle. 

Nach  Einschaltung  eines  Theetages  unter  Drittelmilch  mit  Mal¬ 
tose  Besserung  der  Stühle  und  Gewichtszunahme  auf  2960  g  (27.  Juni). 
Von  da  an  erst  10  tägiger  Gewichtsstillstand  und  nach  versuchter 
Buttermilchbeigabe  schwerste  Dekomposition  mit  steilem  Gewichts¬ 
absturz  auf  2360  g  unter  Untertemperaturen.  Dreistündlich  Kampfer, 
Kochsalzeinläufe.  Unter  Frauenmilch  in  vorsichtiger  Dosierung  ziem¬ 
lich  rasche  Reparation.  Nach  4  Wochen  Beigabe  von  Buttermilch. 

5.  September:  Gewicht  3500  g. 

12.  Oktober:  Frauenmilch  allmählich  durch  Halbmilch  ersetzt. 

15.  November:  4350g.  Massiger  Hydrozephalus.  Ausgesprochene 
Schädelrhachitis.  Multiple  Drüsenschwellung. 

1.  Dezember:  Plötzlicher  Glottiskrampf,  nachdem  das  Kind  schon 
in  den  letzten  Tagen  mitunter  „gekräht“  hatte. 

12.  Januar  1911:  KSZ  =  0,6  MA.  Noch  mitunter  Andeutung 
von  Glottiskrampf. 

5.  Februar:  KSZ  /=  1,5  MA.  Grosse,  den  ganzen  Nasenrachen¬ 
raum  ausfüllende  Adenoide.  Starke  multiple  Nackendrüsenschwellung. 

14.  März:  Tonsillen  stark  gerötet;  rechts  ein  lakunäres,  gelbes 
Pfröpfchen.  37,8  °. 

16.  März:  Tonsillen  noch  unverändert.  Kein  Fieber  mehr.  In 
den  Kulturen  vom  Nasenabstrich  ausser  Staphylokokken  reichlich 
Diphtheriebazillen.  Injektion  von  1000  I.-E.  Isolierung. 

24.  März:  Bisher  kein  Fieber  mehr.  Rachen  reaktionslos,  Kind 
sehr  munter.  In  den  Kulturen  neben  Staphylokokken  massenhaft 
Diphtheriebazillen.  Züchtung  einer  Reinkultur;  davon  1  Oese  in 
Bouillon  aufgeschwemmt,  einem  420  g  schweren  Meerschweinchen 
subkutan  injiziert.  Starkes  Oedem  an  der  Einstichstelle,  das  Tier 
bleibt  aber  am  Leben. 

4.  April:  Ein  im  bakteriologischen  Laboratorium  mit  einer 
Bouillonreinkultur  geimpftes  Meerschweinchen  ist  nach  noch  nicht 
24  Stunden  gestorben  und  zeigte  die  typischen  Veränderungen:  starkes 
Oedem  an  der  Impfstelle  und  starke  Schwellung  und  Rötung  der 
Nebennieren. 

5.  April:  Ein  mit  1  ccm  einer  24  Stunden  alten  Bouillon¬ 
kultur  subkutan  geimpftes  Meerscheinchen  (von  375  g)  bleibt  leben. 

16.  April:  Nur  wenige  Diphtheriebazillen  in  neu  angelegter  Kultur. 

18.  April:  Rachenabstrich:  Diphtheriebazillen  (bakteriologisches 
Laboratorium). 

5.  Mai:  Aus  dem  Rachen  fast  Reinkultur  von  Staphylokokken, 
keine  Diphtheriebazillen. 


2 


514 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  10. 


4.  Juli:  In  Kulturen  von  Nase  und  Rachen  Staphylo-  und  Strepto¬ 
kokken,  keine  Diphtheriebazillen.  Kind  munter;  in  gutem  Zustand 
(5100  g)  wieder  entlassen. 

Epikrise:  Schwer  dekomponiertes  Kind,  bei  dem  sich  im 
weiteren  Verlauf  eine  Rhachitis  mit  laryngospastischen  Anfällen 
herausbildet  und  dessen  lymphatische  Konstitution  immer  deutlicher 
zutage  tritt.  Gelegentlich  einer  geringgradigen  lakunären  Angina 
finden  sich  im  Rachen  reichliche  Diphtheriebazillen,  die  sich  etwa 
4  Wochen  lang  konstant  nachweisen  lassen. 

4.  Friedrich  Sch.,  geh.  17.  Dezember  1910,  eingewiesen  31.  De¬ 
zember  1910. 

Anamnese:  9.  Kind;  wegen  angeblichen  Spitzenkatarrhs  der 
Mutter  nicht  gestillt,  sondern  mit  städtischer  Eindrittelmilch  F  Hafer¬ 
schleim  ernährt.  Seit  5  Tagen  angeblich  Erbrechen  und  starke  Ge¬ 
wichtsabnahme. 

Status:  stark  abgemagertes  Kind  (3080g)  mit  weiter,  faltiger 
Haut,  ohne  sonstigen  positiven  Organbefund.  Das  Kind  repariert 
sich  nur  sehr  langsam  trotz  vorsichtiger  Ernährung  mit  Frauenmilch. 
Dabei  stets  tadellose  Monothermie,  nie  Infektionen. 

20.  März:  lm  Nasenabstrich  reichliche  Diphtheriebazillen  mit 
schöner  Polfärbung,  auch  nach  Bericht  des  bakteriologischen  In¬ 
stitutes. 

20.  Mai.  Neben  Staphylokokken  im  Nasenabstrich  reichlich 
Diphtheriebazillen.  Gleichzeitig  wurden  im  Hygienischen  Institut  der 
Universität  Berlin  kulturell  Diphtheriebazillen  im  Nasensekret  nach- 
gewiesen. 

10.  Juli:  Kulturen  vom  Tonsillarabstrich  negativ,  vom  Nasen¬ 
abstrich  neben  Kokken  noch  einige  wenige  Diphtheriebazillen  ent¬ 
haltend. 

13.  Juli:  Kulturen  aus  der  Nase  negativ  (bakteriologisches  In¬ 
stitut). 

18.  September:  lm  Nasenabstrich  nur  Staphylokokken.  Das  Kind 
wurde  allmählich  abgestillt  und  am  18.  September  in  gutem  Zustande 
mit  5  kg  Gewicht  entlassen. 

E  p  i  k  r  i  s  e :  Dekomponiertes  Kind  von  14  Tagen,  das  sich  lang¬ 
sam,  aber  ohne  wesentliche  Zwischenfälle  an  der  Brust  repariert. 
Ohne  die  geringsten  klinischen  Erscheinungen  finden  sich  in  der  Nase 
reichlich  Diphtheriebazillen,  die  sich  während  4  Monaten  dauernd 
erhalten.  Keine  Seruminjektion,  nie  klinische  Erscheinungen  von 
spezifischer  Diphtherie. 

5.  Lina  Sch.,  geboren  9.  Januar  1911,  vom  Waisenhaus  einge¬ 
wiesen  am  27.  Januar  1911.  \ 

Status:  Hochgradig  dekomponiertes  Kind  von  2540g.  Au: 
Drittelmilch  mit  Wasser  rapider  Absturz  um  200  g,  deshalb  vor¬ 
sichtigste  Ernährung  mit  abgedrückter  und  noch  etwas  abgerahmter 
Frauenmilch. 

20.  Februar :  leichte  Angina  catarrhalis  mit  37,8  ,  2  I  age 
dauernd. 

13.  März:  Prophylaktische  Diphtherieseruminjektion. 

20.  März:  Ganz  geringe  Eitersekretion  aus  der  Nase,  ohne  Blut, 
ohne  Erosion  des  Naseneingangs.  Im  Sekret  reichliche  Diphtherie¬ 
bazillen,  auch  nach  Mitteilung  des  bakteriologischen  Institutes. 

8.  April:  Verdächtige  Soorfleckchen  am  harten  Gaumen  und 
Wangenschleimhaut,  aber  mikroskopisch  keine  Soorpilze  auffindbar. 

9.  April:  Dickeitrige  Sekretion  aus  der  Nase;  kulturell  fast  Rein¬ 
kultur  von  Diphtheriebazillen.  • 

10.  April:  Deutlicher  Koplik  und  abends  beginnendes  Masern¬ 
exanthem. 

15.  April:  Exanthem  abgeblasst.  Löfflerkultur  vom  Nasensekret: 
fast  Reinkultur  von  Diphtheriebazillen.  Auf  Serumagar  sehr  spär¬ 
liches  Wachstum. 

24.  April:  Eine  aus  den  letzten  Kulturen  hergestellte  48  ständige 
Bouillonkultur,  die  allerdings  nur  geringe  Polfärbung  zeigt  und  auch 
sehr  kurze  Wachstumsformen,  wird  einem  Meerschweinchen  von 
220  g  subkutan  injiziert  (2  ccm).  Das  Tier  bleibt  gesund,  auch  kein 
Infiltrat.  Von  derselben  Bouillonkultur  wieder  hergestellte  Löffler¬ 
kulturen  zeigen  schlanke  Bazillen  mit  schöner  Polfärbung.  Dieser 
Stamm  wurde  Anfang  Mai  im  Hygienischen  Institut  der  Universität 
Berlin  als  echte  Diphtheriebazillen  identifiziert  (auch  durch  Säure¬ 
titration).  Das  Kind  erlag  einer  an  die  Maserninfektion  anschliessen¬ 
den  akuten  Dekomposition  am  27.  April. 

Epikrise:  Kaum  3  Wochen  altes  Kind  im  Zustand  schwerster 
Dekorrjposition.  Nur  langsame  Reparation  an  der  Brust.  Gelegentlich 
eines  geringen,  für  Diphtherie  absolut  uncharakteristischen  Schnupfens, 
finden  sich  reichlich  Diphtheriebazillen  in  der  Nase.  Im  Initialstadium 
einer  Maserninfektion,  an  der  das  Kind  zugrunde  geht,  wiederum 
sehr  heftige  Rhinitis,  in  deren  Sekret  sich  Diphtheriebazillen  fast  in 
Reinkultur  finden. 

6..  Antonie  W„  geboren  24.  April  1910,  eingewiesen  vom  Waisen¬ 
haus  am  13.  Juli  1910. 

Status:  Sehr  dürftiges  Kind  von  3650g.  Starker  rezenter 
Wasserverlust.  Muskulatur  sehr  rigide;  Abdomen  etwas  aufge- 
trieben.  Innere  Organe  o.  B.  Skabies.  Versuch  künstlicher  Er¬ 
nährung  mit  Halbmilch  scheint  anfangs  zu  glücken,  nach  10  Tagen 
jedoch  akute  Dekomposition;  Heilung  mit  Buttermilch  gelingt  auch 
nicht,  deshalb  Ernährung  an  der  Brust.  Langsame  Reparation,  nach 
Verlauf  von  2  Monaten  Uebergang  zu  Liebigsuppe. 

Dezember  4600  g. 


11.  Februar  1911:  5000g.  Plötzlicher  Fieberanstieg  auf  40°. 
Starke  Rachenrötung  ohne  Belag.  Heiserkeit.  Isolierung  und  pro¬ 
phylaktische  Injektion  von  Diphtherieserum. 

12.  Februar:  Kulturen  vom  Rachenabstrich  ergeben  nur  Sta- 
phvlo-  und  Pneumokokken.  Das  Fieber  erklärt  sich  aus  einer  nun¬ 
mehr  manifesten  rechten  Oberlappenpneumonie,  die  auch  den  Mittel¬ 
und  Unterlappen  ergreift. 

20.  Februar.  Kritischer  Fieberabfall. 

16. /17.  März.  Zweitägiges  Fieber  bis  39,2".  Objektiv  nur  ganz 
geringe  Rhinitis  (Nasenlöcher  verklebt  mit  dickem  eingetrocknetem 
Schleim.  Rachen  o.  B.  Löfflerkulturen  aus  dem  Nasensekret:  ausser 
massenhaften  Staphylokokken  einige  typische  Diphtheriebazillen. 
Nochmalige  Seruminjektion. 

4.  April:  Kulturell  keine  Diphtheriebazillen  mehr  nachweisbar. 
Kind  wird  in  gutem  Allgemeinzustand  entlassen. 

Epikrise:  Atrophisches  Kind  von  etwa  314g  statt  der  ihm 
zukommenden  5  kg.  Künstliche  Ernährung  nicht  möglich,  langsame 
Heilung  an  der  Brust.  Gelegentlich  eines  2  tägigen  Schnupfens  nur 
hohem  Fieber  finden  sich  in  der  Nase  typische  Diphtheriebazillen.  die 
sich  14  Tage  später  nicht  mehr  nachweisen  lassen. 

7.  Elise  R.,  geboren  14.  August  1910,  vom  Waisenhaus  über¬ 
wiesen  am  29.  September  1910.  Gewicht  3150  g.  Bei  künstlicher 
Ernährung  in  den  ersten  8  Tagen  nach  der  Aufnahme  allmähliche 
Dekomposition  bei  Untertemperaturen,  weshalb  Brustnahrung  verab¬ 
folgt  wird.  Das  Kind  erholt  sich  langsam. 

17.  Dezember.  Gewicht  3600  g.  Allmählich  treten  die  Symptome 
einer  schweren  exsudativen  Diathese  zutage. 

19.  März.  Nasensekret:  vorwiegend  Staphylokokken. 

30.  März:  lm  Rachenabstrich  vereinzelte  Gram-positive  Bazillen 
mit  sehr  spärlicher  Polfärbung. 

Von  denselben  Kulturen  wurde  am  4.  April  eine  Probe  im 
bakteriologischen  Institut  untersucht,  keine  Polfärbung  gefunden  und 
hieraus,  sowie  dem  negativen  Tierversuch  zufolge,  die  Diagnose  auf 
Pseudodiphtherie  gestellt. 

14.  April:  Im  Rachenabstrich  vorwiegend  Gram-positive,  für 
Diphtheriebazillen  etw'as  kurze  Stäbchen  mit  geringer  Polfärbung. 

18.  April.  In  einem  Rachenabstrich  wurden  im  bakteriologischen 
Institut  Diphtheriebazillen  (Neisser  positiv)  gefunden. 

10.  Mai:  Im  Rachenabstrich  reichlich  Diphtheriebazillen.  Dieser 
Befund  wurde  etwa  zur  gleichen  Zeit  auch  im  Hygienischen  Institut 
der  Universität  Berlin  erhoben. 

10.  Juli.  In  Rachen  und  Mund  keine  Diphtheriebazillen  mehr  auf¬ 
findbar. 

Kind  wird  im  September  wdeder  entlassen. 

Epikrise:  Atrophisches  Kind  von  134  Monaten.  Beim  Ver¬ 
such  künstlicher  Ernährung  allmähliche  Dekomposition  und  dann  lang¬ 
same  Heilung  bei  Brusternährung.  Allmählich  machen  sich  schwere 
Erscheinungen  lymphatischer  Konstitution  bemerkbar  mit  häufigen 
kleinen  vorübergehenden  Temperatursteigerungen.  Ir.  der  Nase  nie¬ 
mals  Diphtheriebazillen,  im  Rachen  dagegen  während  dreier  Monate 
konstant  nachweisbar. 

8.  Karl  A.,  geboren  18.  Oktober  1910,  eingetreten  14.  April  1911. 

Das  vorher  sehr  kräftige,  3  Wochen  vorher  akut  mit  schwersten 

Durchfällen  und  Erbrechen  erkrankte  Kind,  kam  in  völlig  desolatem 
Zufstand  herein,  nachdem  es  die  ganze  Zeit  draussen  mit  Schleim 
ohne  Zucker  ernährt  worden  war.  5  Tage  nach  der  Aufnahme  Exitus. 
Die  Sektion  ergab  als  letzte  Todesursache  Bronchopneumonien,  fer¬ 
ner  schwerste  parenchymatöse  Degenerationen  der  inneren  Organe 
und  ausgedehnte  Dünndarmgeschwüre.  In  Kulturen  aus  der  Milz, 
w-uchsen  Bakterien  der  Enterokokkengruppe  (bakteriologisches  La¬ 
boratorium). 

Am  Tage  vor  dem  Tode  zeigte  sich  aus  der  Nase  geringe  bräun¬ 
liche,  anscheinend  sanguinolente  Sekretion.  Kulturell  fanden  sich  da¬ 
rin  neben  Gram-negativen  Kokkenhaufen  sehr  reichliche  Diphtherie¬ 
bazillen. 

E  p  i  k  r  i  s  e:  Das  5  Tage  nach  der  Aufnahme  einem  schweren  in¬ 
fektiösen  Darmkatarrh  erliegende  Kind  zeigt  am  Tage  vor  dem  Tode 
etwas  blutige  Sekretion  aus  der  Nase,  worin  sich  reichliche  Diph¬ 
theriebazillen  finden. 

9.  Gerda  Sch.,  geboren  27.  Januar  1911,  eingetreten  am  20.  März 

1911. 

Status:  Illegitimes  Pflegekind  in  seihr  vernachlässigtem  Zu¬ 
stand.  Ganz  enorme  Intertrigo.  Bronchopneumonie.  Hochgradige 
Laryngitis.  Gewicht  2950  g.  ln  Rachen  und  Nase  keine  Diphtherie¬ 
bazillen  nachweisbar. 

Das  Kind  erholt  sich  langsam  bei  Frauenmilch,  die  pneu¬ 
monischen  Erscheinungen  verschwinden.  Die  Heiserkeit  dagegen 
bleibt  noch  lange,  wenn  auch  gebessert,  bestehen.  Diphtheriebazillen 
Hessen  sich  niemals  nachweisen. 

24.  April:  Im  Nasensekret  zum  ersten  Male  neben  reichlichen 
Staphylokokken  typisch  gelagerte,  schlanke  Diphtheriebazillen  mit 
schöner  Polfärbung. 

10.  Juli.  Löfflerkulturen  vom  Rachenabstrich:  Gram-negative 
Kokken,  von  der  Nase:  Diphtheriebazillen  fast  in  Reinkultur. 

Niemals  die  geringsten  Zeichen  von  Rhinitis. 

13.  Juli:  Nach  Mitteilungen  des  bakteriologischen  Instituts  Diph¬ 
therie-  und  Pseudodiphtheriebazillen  nebeneinander. 


I  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


20.  Juli.  Kind  wird  auf  Verlangen  der  Mutter  nach  Hause  ent- 
a  an  und  soll  dort  bald  gestorben  sein. 

Epikrise:  Schwer  atrophisches  Kind  mit  Bronchopneumonie 
:  hartnäckiger  Heiserkeit.  Im  Sekret  aus  dem  Nasenrachenraum 
:  vom  Kehlkopfeingang  lassen  sich  niemals  Diphtheriebazillen  auf- 
ii:n.  Nach  4  wöchentlichem  Spitalsaufenthalt,  während  dessen  sich 
Kind  sehr  langsam  repariert,  finden  sich  im  Nasenabstrich  Diph- 
iebazillen  fast  in  Reinkultur,  die  sich  auch  bis  3  Monate  später 
iweisen  lassen.  Niemals  klinische  Erscheinungen. 

10.  Anna  B..  geboren  am  4.  Oktober  1910,  eingetreten  am 

,c\pjil  1911. 

Anamnese:  Kind  war  2  Monate  gestillt  und  dann  mit  Halb- 
n  li  ernährt  worden,  dabei  gut  gediehen.  Seit  4  Wochen  soll  es 
i  blich  alle  8  Tage  einmal  einen  Anfall  von  Krämpfen  gehabt  haben 
wird  vom  Arzt  wegen  Meningitis  eingewiesen. 

Status:  Kräftiges  Kind  von  6  kg,  kein  Fieber.  Kein  menin- 
i3S  Aussehen,  nicht  benommen.  Ganz  leichter  Opisthotonus,  der 
unter  Schmerzen  zu  überwinden  ist;  lebhaft  gesteigerte  Sehnen- 
Periostreflexe,  mässiger  Dermographismus. 

27.  April:  Kulturen  vom  Nasensekret  zeigen  fast  in  Reinkultur 
un-positive  kurze,  sehr  diphtheriebazillenähnliche  Stäbchen  mit  nur 
c  iger  Polfärbung  und  vorwiegend  paralleler  Lagerung. 

30.  April:  Nach  Mitteilung  des  bakteriologischen  Instituts  im 
nabstrich  Staphylokokken  und  Pseudodiphtheriebazillen. 

3.  Mai:  Plötzlich  hoher  Fieberanstieg.  Oefters  meningeales  Auf- 
^eien,  starke  Fontanellenspannung,  beim  Ohrenspiegeln  plötzlich 
ischer  Krampfanfall. 

Aus  dem  Lumbalpunktat  lassen  sich  in  Bouillon  und  auf  Löff ler- 
;m  feinste  Gram-negative  Diplokokken  züchten,  die  auch  im  bak- 
u  logischen  Institut  als  Meningokokken  identifiziert  wurden. 

9.  Mai:  Im  Nasenabstrich  typische  Diphtheriebazillen,  die  auch 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin  gefunden  wurden. 

Die  Meningitis  verläuft  in  grossen  Remissionen,  das  Lumbal- 
J  tat  ist  seit  Mitte  Juni  steril.  Jedoch  entwickelt  sich  nunmehr  ein 
:  ndärer  Hydrozephalus. 

Das  Nasensekret  zeigt  in  noch  mehrfachen  Untersuchungen  posi- 
Diphtheriebazillenbefund;  erst  vom  10.  Juli  ab  lassen  sich  keine 
f  nachweisen. 

Am  1.  September  plötzlicher  Exitus. 

Epikrise:  Fall  von  Meningokokkenmeningitis  mit  sekundärem 
vozephalus  und  tödlichem  Ausgang.  2  Tage  nach  der  Aufnahme 
l  n  sich  in  der  Nase  Gram-positive,  als  Pseudodiphtheriebazillen 
i  sprechende  Stäbchen.  14  Tage  später  zeigen  sich  daselbst 
i  che  Diphtheriebazillen  ohne  jede  klinische  Erscheinung.  Dieser 
e nd  lässt  sich  bei  wiederholter  Untersuchung  während  der  näch- 
e  2  Monate  erheben. 

Ausser  diesen  eben  beschriebenen  10  Fällen  wurden  natiir- 
:  auch  sämtliche  anderen  Kinder  dieser  Station  beständig 
leist  14  tägigen  Intervallen  auf  das  Vorhandensein  von 
ntheriebazillen  untersucht:  stets  mit  negativem  Resultat, 
waren  dies  ernährungsgestörte  Säuglinge,  die  sich  schon 
ter  auf  dem  Wege  der  Besserung  befanden,  und  die  Kinder 
Ammen.  Unter  beiden  Kategorien  fanden  sich,  wie  stets 
i  r  unserem  Material,  recht  viele  mit  ausgesprochener  lym- 
i  ischer  Konstitution.  Aber  trotzdem  diese  doch  bei  ihrer 
i  hten  Neigung  zu  Schleimhautkatarrhen  überreichlich  Ge- 
>  lheit  gehabt  hätten  zu  klinisch  manifester  Diphtherie- 
r  tion,  ereignete  sich  kein  einziger  Fall  dieser  Art.  Dabei 
Ln  nur  die  am  11.  März  —  gelegentlich  des  ersten  Bazillen- 
rcs  —  stationären  Kinder  immunisiert  worden,  und  zwar 
i  einmal,  die  später  eingetretenen  überhaupt  nicht  mehr. 
Ueberblickt  man  nunmehr  die  eben  angeführten  Beob- 
Hngen,  so  lässt  sich  daraus  eine  Reihe  recht  bemerkens- 
wr  Schlüsse  ziehen.  Erstens:  wir  haben  bei  10  Säug- 
1  n  während  einer  verschieden  langen  Beobachtungszeit 
deriologisch  das  Vorkommen  von  echten  Diphtheriebazillen 
'gewiesen,  8  mal  im  Nasensekret  und  2  mal  im  Rachen,  und 
!  einziges  dieser  Kinder  zeigte  jemals  Symptome  einer  kli- 
S1  manifesten  Diphtherie.  Auch  der  bei  diesem  oder  jenem 
w  im  Laufe  der  Monate  mitunter  beobachteten  Schnupfen 
1  nur  als  zufällige  Begleiterscheinung  aufgefasst  werden 
|:kann  auch  bei  der  lymphatischen  Konstitution  der  meisten 
!er  absolut  nicht  wundernehmen.  Die  Bazillen  waren  ja 
'g  genug  schon  vorher  gefunden  worden,  und  die 
:  upfensekretion  kam  und  verschwand  in  kurzer  Zeit.  Zu 
1  diphtherischen  Rhinitis  gehört  eben,  und  das  sei  heut- 
Re.  wo  so  oft  die  Diagnose  einseitig  aus  dem  bakterio- 
?chen  Befund  gestellt  wird,  auch  hier  nachdrücklichst  be- 
1  ein  wohl  charakterisiertes  Krankheitsbild,  wie  es  so 
-rnd  Heubner  schildert:  „Die  Nasenatmung  wird-er- 
*  ert,  aus  der  einen  oder  beiden  Nasenöffnungen  ergiesst 
■'eine  meist  etwas  jauchig  riechende  Flüssigkeit,  die  Nasen- 


515 

Öffnungen  und  die  Oberlippe  exkoriierend.  Auf  diesen  Wund¬ 
flächen  erscheinen  dann  unter  Umständen  noch  membranöse 
Beläge,  während  die  dünne  Sekretion  allmählich  in  eine  mehr 
dickeitrige  übergeht.  Aber  nichts  davon  auch  nur  in  einem 
einzigen  Falle.  Ja,  nicht  einmal  bei  den  häufigen  Anginen 
und  Rachenentzündungen  der  Lymphatiker  vermochten  die 
Bazillen  eine  für  sie  spezifische  Erscheinung  hervorzurufen. 
Und  dass  durch  derartige  Noxen  die  Disposition  erhöht  wird, 
ist  ja  zur  Genüge  bekannt  und  auch  vor  einigen  Jahren  durch 
eine  sehr  interessante  Beobachtung  von  Scheller  und 
S  t  e  n  g  e  r  fast  experimentell  erwiesen  worden.  Die  beiden 
fanden  bei  einem  zur  Operation  aufgenommenen  Patienten 
14  Tage  lang  konstant  Reinkulturen  von  Diphtheriebazillen  in 
der  Nase,  dagegen  niemals  im  Rachen.  Am  Tage  nach  der 
Entfernung  einer  Nasenmuschel  waren  bereits  Bazillen  auf  den 
Tonsillen  zu  finden  und  3  Tage  später  eine  typische  Rachen¬ 
diphtherie,  während  die  Nase  —  offenbar  als  die  Eintritts¬ 
pforte  —  auch  dann  frei  blieb  von  klinischen  Erscheinungen. 
Auch  in  den  hier  beobachteten  Fällen  mit  Lokalisation  in  der 
Nase,  fand  niemals  eine  Ausbreitung  der  Bazillen  auf  die 
Rachenorgane  statt. 

In  zweiter  Linie  interessant  ist  die  Auslese,  die  die  Ba¬ 
zillen  unter  den  Säuglingen  gehalten  haben.  Betroffen  wurden 
ausnahmslos  die  elendesten  Kinder  der  Station:  stark  unter¬ 
gewichtige,  chronisch  ernährungsgestörte,  die  im  Stadium  der 
Reparation  nach  akuter  Dekomposition  sich  befanden  und  bei 
denen  sich  meist  zahlreiche  Symptome  von  exsudativer  Dia- 
these  zeigten.  Verschont  blieben  hingegen  die  dazwischen 
liegenden,  in  ihrem  Allgemeinzustand  schon  gebesserten  Kin¬ 
der,  sowie  diejenigen  der  Ammen.  Das  ist  um  so  merk¬ 
würdiger,  als  doch  die  Möglichkeiten  einer  Uebertragung  ganz 
enorm  zahlreich  waren:  durch  die  direkte  Berührung  mit  dem¬ 
selben  Pflegepersonal,  Anlegen  an  dieselbe  Amme,  durch  Spiel¬ 
zeug  usw.  Ein  —  allerdings  nur  cum  grano  salis  aufzufassen¬ 
des  —  analoges  Verhalten  fanden  T  e  i  s  i  e  r  und  G  u  i  n  a  r  d 
im  Tierversuch.  Sie  konnten  in  einer  grösseren  Versuchsreihe 
feststellen,  dass  Tiere  durch  Aushungern  oder  längere  Nah¬ 
rungsentziehung  gegen  Bakterientoxine  einen  grösseren  Wider¬ 
stand  zeigten  als  unter  normalen  Ernährungsverhältnissen  ge¬ 
haltene  Kontrolltiere.  Sie  experimentierten  dabei  mit  Pneu¬ 
monie-  und  Diphtheriebazillen  an  Hunden  und  fanden  dabei  an 
den  durch  Nahrungsentziehung  geschädigten  Tieren  die  patho¬ 
logischen  Veränderungen  von  viel  leichterer  Art. 

Nach  Feststellung  der  ersten  positiven  Bazillenbefunde 
suchten  wir  natürlich  die  Quelle  resp.  den  Infektionsträger  zu 
eruieren.  Zuerst  fiel  der  Verdacht  auf  eine  am  17.  Februar 
1911  an  klinischer  Rachendiphtherie  erkrankte  Amme,  in  deren 
Begleitung  ein  Säugling  —  zur  Erhaltung  der  Milchsekretion  — 
mit  zur  Diphtheriebaracke  verlegt  worden  war.  Die  Amme 
wurde  am  3.  März  wieder  auf  die  Abteilung  genommen,  natür¬ 
lich  bazillenfrei,  und  weder  bei  ihr,  noch  bei  dem  betreffenden 
Kinde,  wurden  in  der  Folgezeit  jemals  Bazillen  gefunden. 
Natürlich  bleibt  hier  die  Möglichkeit,  dass  doch  an  Haaren, 
Kleidern  oder  Schuhwerk  Bazillen  mit  importiert  worden 
wären.  Sodann  wurden  sämtliche  Ammen  und  Dienstmäd¬ 
chen,  sowie  auch  Schwestern  der  Stationen  auf  das  Vor¬ 
handensein  von  Bazillen  untersucht.  Bei  allen  wurde  ein 
negativer  Befund  erhoben,  mit  Ausnahme  von  zwei  Schwe¬ 
stern.  Hier  fand  sich  im  Rachenabstrich  der  einen  fast  eine 
Reinkultur  von  typischen  Diphtheriebazillen,  in  dem  der  anderen 
neben  Kokken  auch  reichliche  Stäbchen,  teils  deutlich  Gram¬ 
negativ,  teils  Gram-unbestimmt.  Bei  der  Wichtigkeit  dieses 
Befundes  wurden  auch  Proben  dieser  beiden  Kulturen  an  das 
Hygienische  Institut  der  Berliner  Universität  eingeschickt,  und 
Herr  Prof.  Ficker  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  fol¬ 
gendes  mitteilen  zu  lassen:  In  der  ersterwähnten  Kultur  fand 
sich  ein  echter  Diphtheriestamm,  in  der  zweiten  aber  nur  di¬ 
phtherieähnliche  Stäbchen,  teils  kürzere,  plumpere,  teils 
längere,  schlankere,  aber  alle  Gram-negativ.  Diese  Gram¬ 
negativen  Bazillen  wurden  übrigens  nebenher  auch  in  den 
Kulturen  der  vier  Säuglinge  aufgefunden. 

Noch  eine  andere  Infektionsquelle  wäre  übrigens  noch 
denkbar,  nämlich  die  der  direkten  Einschleppung  durch  einen 
der  betreffenden  Säuglinge  selbst.  Dies  ist  umso  eher  denkbar, 
als  zwei  der  Kinder  (8  und  10)  ja  offenbar  auch  die  Bazillen 
mitgebracht  haben,  allerdings  aus  zeitlichen  Verhältnissen 

2* 


516 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  l 


nicht  für  die  ersten  Befunde  verantwortlich  gemacht  werden  j 
können. 

Was  die  Virulenz  der  in  einigen  Fällen  isolierten  Rein-  j 
kulturen  anlangt,  die  im  Tierversuch  geprüft  wurden,  so  sind 
die  in  2  Fällen  (3  und  5)  erzielten  negativen  Resultate  wohl 
auf  Rechnung  der  Grösse  der  Meerschweinchen  zu  setzen, 
deren  Gewicht  ja  nicht  über  200 — 250  g  betragen  soll.  Der 
Tierversuch  von  No.  3  war  im  bakteriologischen  Institut 
positiv,  der  von  No.  7  negativ  ausgefallen,  allerdings  zu  der 
Zeit,  als  die  aufgefundenen  Bazillen  auch  morphologisch  den 
Typus  der  Pseudodiphtheriebazillen  zeigten.  Als  sich  bei  dem¬ 
selben  Kind  aber  im  weiteren  Verlauf  typische,  echte  Diph¬ 
theriebazillen  fanden,  und  dieser  Stamm  auch  in  Berlin  rein¬ 
gezüchtet  wurde,  wurden  dort  zwei  Meerschweinchen  mit 
derselben  Bazillenmenge  infiziert.  Von  diesen  zeigte  das  eine, 
das  die  Oese  der  Kultur  direkt  in  eine  Bauchtasche  geimpft 
bekam,  den  typischen  Sektionsbefund,  während  das  andere, 
mit  derselben  Menge  in  Bouillon  aufgeschwemmt  subkutan 
injiziert,  am  Leben  blieb,  eine  Beobachtung,  die,  wie  mir  Herr 
Prof.  Ficker  mitteilte,  dort  schon  mehrmals  gemacht  wurde. 

Eine  Beschleunigung  des  Verschwindens  der  Bazillen 
durch  Injektion  von  Serum  konnte  in  keinem  einzigen  Falle 
festgestellt  werden,  wie  denn  überhaupt  die  später  entdeckten 
Fälle  mangels  jeder  klinischen  Erscheinung  gar  nicht  mehr 
immunisiert  wurden.  Ja,  es  liessen  sich  mehrfach  die  Bazillen 
über  ganz  ungewöhnlich  lange  Zeiträume  hin  feststellen,  be¬ 
sonders  bei  No.  10,  9  und  4,  wo  2,  3  und  4  Monate  lang 
positive  Befunde  erhoben  wurden.  Auch  dies  Verhalten  steht 
im  Gegensatz  zum  Verschwinden  der  Bazillen  nach  klinisch 
manifester  Infektion.  So  fand  z.  B.  Gabriel  bei  Nachunter¬ 
suchungen  im  Stettiner  Krankenhaus  die  Bazillen 
nach  2  Wochen  in  22,7  Proz. 

„  3  „  „  51,5  Proz. 

„  4  „  „  82,5  Proz. 

und  „  5  „  „  96,2  Proz.  schon 

geschwunden. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  die  erhobenen  Resultate  sich  in 
Parallele  setzen  lassen  mit  Befunden  früherer  Untersucher. 
1894  schrieb  Heubner  seinen  Artikel  über  die  „larvierte 
Diphtherie“  und  verstand  darunter  einen  latenten  Verlauf  der 
diphtherischen  Erkrankungen  bei  schwächlichen  Kindern 
(Skrofulöse,  Rachitis),  also  eine  abgeschwächte  Reaktion  bei 
geschwächten  Individuen.  Er  beschreibt  da  3  Fälle;  bei 
zweien  blieb  die  Erklärung  des  geringen  Fiebers  und  leichten  ■ 
Unwohlbefindens  längere  Zeit  verborgen,  bei  dem  dritten 
wurde  die  richtige  Diagnose  erst  bei  der  Sektion  gestellt. 
Dieser  Begriff  der  latenten  oder  larvierten  Diphtherie  ist  seit¬ 
her  mehrfach  in  offenbar  nicht  richtigem  Sinne  gebraucht 
worden,  so  von  P.  W.  Williams,  der  darunter  auch  Fälle 
von  lokalen  Diphtherieerscheinungen  ohne  allgemeine  Krank¬ 
heitssymptome  einbezieht.  Auch  die  von  Blochmann  zu¬ 
sammengestellten  Fälle  zeigen  doch  recht  deutliche  klinische 
Symptome  (Schnupfen,  teils  sogar  blutiger,  und  mit  blutigen 
Schorfen  einhergehend,  diphtherische  Konjunktivitis,  heiserer 
Husten).  Auch  unsere  Fälle  sind  offenbar  nicht  unter  dieser 
Rubrik  unterzubringen,  denn  niemals  machte  doch  ein  alar¬ 
mierendes  Symptom  auf  das  Vorhandensein  der  Bazillen  auf¬ 
merksam.  Und  gerade  in  dieser  Tatsache  sehe  ich  auch  das 
praktisch  wichtigste  dieser  ganzen  Untersuchungen:  es 
können  im  Nasen-  und  Rachensekret  schwer 
geschädigter  Säuglinge  während  verschie¬ 
den  langer  Zeit  echte  und  auch  virulente 
Diphtheriebazillen  Vorkommen,  ohne  kli¬ 
nische  Erscheinungen  hervor  zu  rufen,  sind 
also  offenbar  nur  als  nebensächliche  Schma¬ 
rotzer  anzu  sehen.  Ob  sie  allerdings  stets  harm¬ 
lose  Schmarotzer  bleiben,  möchte  ich  damit  noch  nicht  be¬ 
haupten  und  auch  nicht  auffordern,  bei  ähnlichen  Er¬ 
hebungen,  speziell  in  geschlossenen  Anstalten,  sich  in  zu 
grosse  Sicherheit  zu  wiegen.  Ein  plötzliches  Manifestwerden 
bei  irgend  einem  Kinde  dürfte  doch  sehr  im  Bereich  der  Mög¬ 
lichkeit  liegen,  wie  dies  z.  B.  bei  B  a  1 1  i  n  im  Kinderasyl  der 
Stadt  Berlin  der  Fall  war.  Auch  Ball  in  bezeichnet  das 
Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  beim  gewöhnlichen 
Schnupfen  der  Säuglinge  als  etwas  ungewöhnliches,  musste 


aber  doch  erleben,  dass  bei  einigen  Kindern  Nascndiphtherk 
mit  blutiger  Sekretion  und  Exkoriationen  auftraten,  ja  sog; 
dass  2  davon  starben  (absteigende  Diphtherie  im  einen  Fa 
und  Spuren  von  Belägen  im  Kehlkopfe  des  anderen  zum  Exiti 
gekommenen  Falles).  Recht  hat  er  aber,  wenn  er  sich  gegi 
N  e  u  m  a  n  n  und  S  t  o  o  s  s  wendet,  die  meinen,  dass  d 
positive  Bazillenbefund  im  Sekret  eines  einfachen  Schnupfei 
ohne  Membranbildung  dazu  berechtigt,  die  Bazillen  auch  a 
deren  Urheber  anzusehen.  Diese  positiven  Befunde  sind  ab 
offenbar  ziemlich  häufig  (S  c  h  a  p  s,  Erich  Müller)  und  d 
Virulenz  der  Bazillen  in  diesen  Fällen  wahrscheinlich  hej 
abgesetzt. 

Literatur. 

Heubner:  Lehrbuch  der  Kinderkrankheiten.  —  Derselb 
Ueber  larvierte  Diphtherie.  D.  med.  Wochenschr.  1894.  —  Bec 
Diphtherie  (Kolle-Wassermann).  —  Scheller  und  S t e 
ger:  Ein  Beitrag  zur  Pathogenese  der  Diphtherie.  Berl.  kl 
Wochenschr.  1905,  No.  42.  —  Kober:  Die  Verbreitung  der  Dip 
theriebazillen  auf  der  Mundschleimhaut  gesunder  Menschen.  Zeitsclj 
f  Hygiene,  XXXI,  433.  —  Teisier  et  Quinard:  Influence  de 
diete  et  de  l’inanition  sur  les  effets  de  certaines  toxines  microbienm 
La  semaine  med.  1897,  pag.  67,  ref.  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  21,  S.  7i 
—  Gabriel:  Nachuntersuchungen  über  das  zeitliche  Verschwindl 
der  Diphtheriebazillen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1908,  No.  23. 
Patrik  Watsoii  Williams:  Latente  Diphtheriemfektionen.  TI 
Journ.  of  Laryng.,  XXV,  ref.  Arch.  f.  Kinderheilk.,  54,  S.  183. 
Bloch  mann:  Zur  Diagnose  der  larvierten  Diphtherie  im  jünger! 
Kindesalter.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1911,  No.  38.  —  Ballin:  Uelr 
das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  beim  gewöhnlichen  Schnup:i 
der  Säuglinge.  Jahrbuch  f.  Kinderheilk.,  58.  -  R.  Neumann:  Vio¬ 
lente  Diphtheriebazillen  bei  einfacher  Rhinitis.  Zentralbl.  f.  Bakteri . 
31  No.  2.  —  Stooss:  Das  regelmässige  Vorkommen  von  Diphtheri- 
od’er  Pseudodiphtheriebazillen  in  dem  gewöhnlichen  Schnupfen  ifc 
Kindes  31  Bericht  des  Jenner  sehen  Kinderhospitals  in  Beriin.  i. 
Arch.  f.  Kinderheilk.,  32,  S.  401.  —  Schaps:  Welchen  Wert  hat 
Diphtheriebazillennachweis  für  die  Diagnose  der  Diphtherie  im  Siii- 
lingsalter.  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  10.  —  E.  M  ü  1 1  e  r:  Untersuchung 
über  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  in  der  Mundhöhle  u 
nicht  diphtheriekranken  Kindern  innerhalb  eines  grossen  Saa., 
Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  43. 


Allgemeines  über  Bruchbehandlung  und  Besonderes  ütr 
den  Riesenbruch  (Hernia  permagna).*) 

Von  Prof.  O.  Witzei,  Geh.  Med.-Rat,  in  Düsseldorf. 

Die  Indikationen  bei  Bruchleiden  haben  erst  im  letz ! 
Jahrzehnt  allgemein  die  berechtigten  Wandlungen  erfahren.1 
Solange  die  blutige  Befreiung  des  eingeklemmten  Brite : 
nur  als  letztes  Hilfsmittel  angesehen  wurde,  konnte  weder  « 
Antiseptik,  noch  später  die  Aseptik  eine  wesentliche  Besr 
rung  für  die  Ergebnisse  der  Herniotomie  herbeiführen,  t 
gleich  darzulegenden  Gründen.  Für  die  Radikaloperation  : 
nicht  inkarzerierten  Hernie  ist  äusserste  Schonung  der  * 
webe,  Fernhaltung  jedes  grösseren  chemischen  und  mect 
nischen  Insultes  in  solchem  Masse  Vorbedingung,  dass  u 
Gewebeätzung  der  antiseptischen  Wundbehandlung  J 
zusammen  mit  der  grösseren  mechanischen  Störung  bei  p 
anfänglich  mehr  komplizierten  Methoden  des  Eingriffes  J 
mässige  Resultate  geben,  und  erst  die  gewebeschone 
Aseptik  bei  tunlichst  vereinfachten  operativen  Verfahren  1  p 

seres  bringen  konnte.  j 

Der  Wandel  der  Anschauungen,  welcher  zum  rji 
unserer  Bruchkranken  Allgemeingut  der  ärztlichen  Pp 
tiker  werden  muss,  fasst  sich  zusammen  in  zwei  Sätze: 
fort  mit  der  Taxis  —  fort  mit  dem  Bruchbain 

Vor  etwas  über  10  Jahren  wurde  nach  G  a  r  r  e,  besorujr 
von  Lanz  (in  dieser  Wochenschrift  1902,  5)  auf  die  hohe  te 
fährlichkeit  der  allgemein  geübten,  von  Patienten  und  AerJ 
gleich  bevorzugten  Taxis  hingewiesen.  Ihm  schloss  ich  i~ 
in  einer  mit  Wenzel  gemeinsamen  Arbeit  an,  zugleich  i 
praktischen  Arzt  eine  neue,  ebenso  einfache  ais  ungetänrl n 
Art  des  Bruchschnittes  gebend. 

Für  die  Abmessung  der  Gefährlichkeit  und  die  daraus  - 
ergebende  Anzeige  des  ärztlichen  Handelns  muss  nicht  j 
Taxis  als  der  jedesmal  und  oft  mehr  als  ergiebig  zu  ' 
suchende  Eingriff  der  späten  Herniotomie  gegenüber  gcsi 

*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  in  der  Medizinischen  GU 
schaft  zu  Düsseldorf  am  22.  Dezember  1912. 


i.  Marz  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


i-den.  wie  das  früher  geschah.  Erschöpfte  Patienten  (und 
rzte),  übel  behandelte  Brüche  kamen  zum  Bruchschnitt,  für 
,n  dann  zunächst  auffallenderweise  die  neue  Wundbehand- 
ig  nicht  die  grosse  Ergebnisbesserung  brachte,  wie  bei  den 
deren  alten  typischen  Operationen.  Es  blieben  viel  Bruch- 
itphlegmonen  als  üble  Ausgänge  und  die  Zahl  der  Todes- 
le  an  Peritonitis  wurde  kaum  wesentlich  kleiner.  —  Die 
Sachen  wurden  geklärt:  Die  Wandung  des  eingeklemmten 
aches  wird  sehr  schnell  für  Bakterien  durchgängig,  das 
uchwasser  infektiös.  Lässt  sich  das  Eingeklemmte  —  was 
:  er  nie  mit  Sicherheit  zu  sagen  ist  —  wenn  auch  mit  einiger 
1  walt.  so  doch  ohne  Serosaläsion  zurückbringen,  dann  wird 
i  s  infizierte  Bruchwasser  im  gesunden  Peritoneum  selbst, 
»n  diesem  resorbiert,  in  der  Säftemasse  unschädlich  gemacht. 

1  r  Kranke  heilt,  behält  aber  seinen  Bruch.  —  Mechanisch  im 
1  uche  insultiertes  Peritoneum  wird  Ausgangsort  für  eine 
Iritonitis  verschiedenster  Art  und  Ausdehnung,  innen  sowohl 
aussen  im  Serosasack.  Der  Kranke  stirbt  oder  heilt,  dann 
:r  nicht  ohne  Verschlechterung  seines  Bruchleidens  (Ver- 
i  chsungen,  Knickungen,  Darmfisteln  nach  örtlicher  Phleg¬ 
ma).  Das  sind  früher  wenig  gewürdigte  Gefahren,  die  aber 
gen  ihrer  Häufigkeit  gegen  die  Taxis  mehr  in  das  Gewicht 
en  müssen,  als  die  längst  bekannten,  zu  jähem  Verfall  und 
ml  Tode  führenden  kompletten  Rupturen  gesunden  Darmes, 
Kotüberschwemmung  des  Bauchraumes  bei  der  forcierten 
\is  und  die  Reduction  en  masse,  welche  die  Einklemmung 
:  assend  einen  grossen  gefährlichen  Eingriff  an  zumeist 
i;serst  erschöpften  Patienten  nötig  macht.  Ueberraschend 
il  oft  die  beschlossene,  in  Vorbereitung  begriffene  Hernio- 
lie  erübrigend,  erfolgt  ferner  Kollaps  und  Exitus  in  Fällen, 
die  Taxis  „nicht  ganz  ohne  Erfolg“  war,  der  Bruch  weicher 
’  rde :  der  brandige  Einschnürring  innen  vertrug  den  for¬ 
mten  Druck  von  aussen  nicht  und  kam  zum  Bersten. 

Unserm  „Fort  mit  der  Taxis“  darf  bei  dieser  Er- 
mtnis  in  Zukunft  nicht  mehr  eine  Andersmeinung  des  Arztes 
gegenstehen  und  auch  der  messerscheue  Kranke  wird  sich 
’on  überzeugen  lassen,  dass  die  Taxis,  die  unbeschädigt  zu 
■rstehen  er  vielleicht  früher  das  Glück  hatte,  nur  versucht 
rden  darf,  wenn  alles  bereit  ist,  dem  schonenden  Versuche 
Herniotomie  folgen  zu  lassen,  die  (und  das  ist  ein  nicht  ge¬ 
ltet  Anstoss  zur  Einwilligung)  der  Regel  nach  von  der 
likaloperation  gefolgt  werden  kann.  _ —  Unser  Bruch- 
hnittistabervon  den  drei  grossen  Gefahren 
freit,  die  dem  alten  klassischen  Verfahren 
haften:  der  Blutung  aus  grossen,  in  der  Tiefe  verletzten 
Assen,  dem  Anschneiden  des  Darmes,  der  Infektion  des 
ichraumes.  Eine  Summe  der  Erfahrungen  von  Hernio- 
üen  und  Laparotomien  zur  Ausbildung  einer  sicheren,  ein- 
ien  Methode  verwendend,  konnten  wir  für  die  allgemeine 
furgische  Praxis  die  „L  a  p  a  r  o  h  e  r  n  i  o  t  o  m  i  e“1)  geben, 
schichtweise,  stets  in  offener  übersichtlicher  Wunde  von 
er  kleinen  Oeffnung  des  Peritoneums  oberhalb  der  Ein- 
Inmung  den  Bauchraum  sicher  schützen  und  dann  vom  Ge- 
den  zum  Kranken,  vom  Nichtinfizierten  zum  Infizierten  hin- 
! eiten  lässt,  jede  Ueberraschung  ausschliessend. 

„Fort  mit  dem  Bruchband  e.“  —  Bequem  für  den 
agten  Arzt  und  gern  befolgt  vom  Patienten  ist  der  Rat, 

i ))  Das  Verfahren  der  Laparoherniotomie  ist  beschrieben 
illustriert  in  der  leicht  zugängigen  Zeitschrift  für  ärztliche  Eort- 
eig  (1904,  No.  8).  —  Die  alte  Herniotomie  ist  eine  Herniolaparo- 
e.  ein  Schnitt  mit  Eröffnung  des  Bauchraumes,  aber  mit  einer 
ien  ins  Dunkle  hinein,  bei  der  das  Knopfmesser,  infektiösen 
-hsackinhalt  nach  oben  tragend,  nicht  selten  schon  beim  Vor- 
-ben,  einfach  durch  seine  Masse,  den  brandigen  Ring  am  Darme  | 
ngt.  Die  Namenbezeichnung  darf  nicht  die  Meinung  grösserer 
Gierigkeit  der  Operation  veranlassen.  —  Unter  allen  Umständen 
erst  das  gesunde  Bauchfell  eröffnet  oberhalb  der  Einklemmung. 
Schnitt  hierzu  ist  um  so  kleiner,  je  weniger  die  Folgezustände 
letzteren  vorgeschritten,  um  so  grösser,  je  weiter  die  Verände- 
en  des  abgeklemmten  Darmes  im  Sinne  der  Gangrän  gediehen 
Die  einzelnen  Akte  sind:  Freilegung  der  Bruchpforte  und 
erung  der  Bruchgeschwulst.  Inzision  der  Decken  des  Bruch¬ 
halses:  Eröffnung  des  Peritoneums  oberhalb  der  Abschnürung; 
chiebung  eines  Schutztampons  nach  dem  Bauchraum  hin;  Spai- 
der  Bruchhüllen  vom  Laparotomieschnitte  aus;  Versorgung  des 
hinhaltes  mit  Reposition  des  zweifellos  lebensfähigen  Darmes, 
rmig  des  verdächtigen,  in  Sacktampon  gehüllten  Darmes  innen 
der  Oeffnung,  Primärresektior  des  gangränösen  Darmes  und 
sung  eines  Anus  praeternaturalis. 


für  einen  reponiblen  Bruch  sich  ein  „gutsitzendes“  Band,  für 
den  irreponiblen  einen  Tragbeutel  anfertigen  zu  lassen.  Wie 
müssen  wir  den  unermüdlichen  Fleiss,  die  technische  Intelli¬ 
genz  anerkennen,  die  im  allgemeinen  und  für  die  Sonderfällc 
auf  die  Bandagenbehandlung  verwendet  werden.  Sie  hat  aber 
eine  Berechtigung  nur  noch  in  den  seltenen  Ausnahmefällen, 
in  denen  nicht  in  Sonderheiten  des  örtlichen  Leidens,  sondern 
in  solchen  des  übrigen  Körpers  die  Gegenanzeige  für  die 
Radikaloperation  gegeben  ist.  —  Wir  haben  gelernt,  die 
grosse  Trias  des  chirurgischen  Handelns:  Aseptik,  operative 
Technik,  Schmerzverhütung  für  die  Radikaloperation  so  zu 
bilanzieren,  dass  wir  diesen  Eingriff  empfehlen  dürfen  und 
müssen  für  Bruchkranke  von  den  ersten  Lebenswochen  an  bis 
zum  Greisenalter,  für  die  Bruchanfänge,  die  eben  erst  erkenn¬ 
bar  werden,  bis  zum  Riesenbruche.  Einen  kaum  mehr  nennens¬ 
werten  Eingriff  bei  beginnender  Bruchbildung  darstellend  —  in 
romanischen  Ländern  mit  Rekrutenmangel  ist  operative  Be¬ 
seitigung  von  Brüchen  bei  Gestellungspflichtigen  Gesetz,  zum 
Heile  der  jungen  Krieger  — ,  bei  zunehmender  Grösse  des 
Bruches  und  bei  höherem  Alter  nur  gewöhnliche  Anforde¬ 
rungen  bringend  —  beim  Riesenbruch  ein  Meistern  des  ge¬ 
samten  chirurgischen  Könnens  bedingend,  muss  und  wird  die 
Radikaloperation  der  Hernie  vollkommen  an  Stelle  der  Bruch- 
bandagenbehandlung  treten.  Der  aus  Ueberzeugung  ge¬ 
wonnene  Entschluss  des  Kranken,  einige  Wochen  zu  opfern, 
bringt  für  das  Leben  dauernd  Gesundheit  und  volle  Arbeits¬ 
fähigkeit,  befreit  von  der  Aussicht  einer  nie  aussetzenden,  mit 
dem  Alter  steigenden  Beseitigung  und  einer  Minderung  des 
Lebensgenusses.  Die  Gefahr  aber  des  mit  Bandagen  be¬ 
handelten  Bruches  ist  in  summa  grösser  als  die  des  radikal 
operierten. 

Diese  Sätze  bedürfen  wohl  der  Begründung.  Sie  werde 
gegeben  auf  Grund  eigener  und  fremder  Erfahrung. 

Der  kleine  Bruch,  —  oft  gerade  dieser  durch  eine  enge 
Oeffnung  ein-  und  austretend,  in  engem  Kanal  sich  hin-  und 
herschiebend,  in  hohem  Masse,  —  belästigt  durch  anhalten¬ 
den  mehr  ziehenden,  durch  anfallsweise  kneifenden  Schmerz; 
und  selbst  eine  gut  gewählte  und  gut  angefertigte  Bandage 
hält  nur  das  Vortretende  zurück,  hindert  nicht  kleine  Ab¬ 
klemmung  im  Ring,  im  Kanal.  Oft  bringt  das  Bruch¬ 
band  gar  keinen  Nutzen,  es  wird  überhaupt  nicht 
vertragen,  auch  nicht  bei  kleinsten  Hernien.  So  ist  für  die 
Hernia  epigastrica,  die  ich  vor  20  Jahren  einer  fast  hundert¬ 
jährigen  Vergessenheit  entzog,  mit  ihren  oft  enormen 
„gastrischen“  Beschwerden  die  grosse  Schwierigkeit  der 
Auffindung  in  vielen  Fällen  einerseits  und  die  Unmöglichkeit 
der  Schmerzbeseitigung  durch  eine  Bandage  andererseits 
geradezu  charakteristisch.  Jedenfalls  im  Lebensgenuss  stark 
gestört  (hochgradig  „nervös“  werdend),  sind  Träger  von 
ßauchbriichen  —  auch  solche  ohne  Entschädigungsansprüche 
—  nicht  selten  zu  jeder  anstrengenden  Arbeit  unfähig.  Bei 
vielen  anderen  freilich,  das  sei  besonders  bemerkt,  entdeckt 
man  den  beschv/erdefreien  Bruch,  selbst  mehrere,  nur  zufällig. 
Auch  der  kleinste  sicher  erwiesene  Bruch,  gleichviel  an 
welcher  Stelle,  wird  von  der  Reichsversicherung  anerkannt 
als  eine  Minderung  der  Erwerbsfähigkeit  bedingend  und  eine 
Minderung  der  Arbeitsgelegenheit  herbeiführend;  Mit  Grösser¬ 
werden  des  nicht  zurückgehaltenen  Bruches  wachsen  die  Be¬ 
schwerden,  besonders  die  durch  Störung  der  Darminhalts¬ 
bewegung  veranlassten. 

Zweifellos  kann  nun  in  vielen  Fällen  —  vollständige 
Reponibilität  vorausgesetzt!  —  ein  gutes  Bruchband  nützlich 
sein.  Wir  alle  haben  aber  erfahren,  wie  selten  ein  Band 
gut  ist,  vor  allem,  wie  selten  es  gut  bleibt.  Mit 
solchen  Dingen  wird  selbst  der  für  seinen  Körper  ganz  ängst¬ 
lich  Besorgte  nachlässig.  Nur  mehr  dekorativ,  selbst  zweifel¬ 
los  schädlich  wirkende  Bruchbänder  sehen  wir  auch  da,  wo 
Mangel  der  Mittel  für  Bandagist  und  Arzt  gewiss  nicht  Ur¬ 
sache  ist.  Dem  arbeitenden  Manne,  mehr  noch  der  arbeiten¬ 
den  —  ohnehin  bei  ihrem  Geschlecht  durch  das  Bruchband 
an  sich  mehr  belästigten  —  Frau,  müssen  in  der  Not  des 
Lebens  Sauberkeit  des  Bandes,  der  Haut,  Revisionen,  Repa¬ 
ratur  und  Ersatz  des  Bandes  schöne  Wünsche  bleiben. 
Furunkel,  Ekzeme,  Erosionen  und  Ulzerationen  führen  zu 
vorübergehendem  Weglassen  oder  dauerndem  Verzicht  auf 
das  ursprünglich  gut  wirkende  Band.  Dass  aber  schlecht- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


518 

sitzende  Bänder  geradezu  ein  Unheil  sind, 
wissen  wir  Chirurgen  alle  aus  Erfahrungen  traurigster  Art. 

Es  gleitet  unvermerkt  das  Netz  unter  der  Pelotte  durch  in 
den  Bruchsack  hinein,  wird  durch  das  Scheuern  adhärent  und 
schmerzhaft;  innen  droht  Ileus  durch  den  fixierten  Strang. 
Das  Band  wird  lockerer  getragen,  auch  Darm  bleibt  vorüber¬ 
gehend,  nach  Verwachsung  dauernd  unter  dem  angelegten 
Bande  im  Bruchsack.  Zu  der  Gefahr  der  Einklemmung  oben 
an  der  Bruchpforte  kommt  die  —  wegen  der  Diagnosen¬ 
schwierigkeit  noch  grössere  —  der  Einklemmungen  unten  in 
dem  Bruche  selbst.  Zunächst  leicht  zu  beheben  werden  die¬ 
selben  als  nichts  Besonderes  angesehen  und  dann,  auch  vom 
Arzte,  bis  zum  Brandigwerden  des  Abgeklemmten  verkannt. 

Ist  doch  der  Bruch,  freilich  nur  zum  Teil,  reponibel.  I  n 
Sitz  und  Wirkung  schlecht  gewordene  Bruch¬ 
bänder  sind  eine  der  häufigsten  Ursachen 
gerade  der  schlimmsten  Inkarzerationen.  -— 
So  muss  uns  das  Bruchband  doch  als  auf  die 
Dauer  hinreichend  belästigend  und  gefähr¬ 
lich  erscheinen.  —  Wie  ist  es  mit  der  Heil¬ 
wirkung?  Eine  solche  ist  nicht  vorhanden,  wenn  wir  da¬ 
runter  nicht  nur  eine  vorübergehende  Verklebung  und  Ver¬ 
ödung,  des  Bruchsackes  verstehen.  Ein  so  veränderter  Sack 
bedingt  eine  „Bruchanlage“,  zumal  bei  unverändert  weitem 
Ring  oder  Kanal  der  Bauchwand.  Es  „heilen“  wohl  Leisten- 
brüche  unter  einer  durch  jahrelange  Sorgfalt  lag  und  Nacht 
gesicherten  Druckwirkung.  Das  Band  wird  weggelassen.  Es 
kommt  die  Pubertät  mit  ihrem  Formwandel  der  Teile  mit 
stärkeren  Arbeits-  oder  Sportanstrengungen.  Plötzlich  — 
dann  oft  mit  sofortiger  Einklemmung  —  ist  das  Rezidiv  da, 
oder  es  bildet  sich  allmählich.  So  heilen  und  rezidivieren  auch 
die  anderen  Brüche,  nur  einer  nicht,  der  Nabelbruch  des 
Säuglings.  Der  heilt  aber  auch  ohne  aufgelegte  Schutzplatte 

_ eine  konvexe  Pelotte  erweitert  seine  Pforte!  — ,  wenn  man 

dafür  sorgt,  dass  die  natürliche  Schliessungstendenz  durch  die 
Bauchpresse  nicht  gestört  wird  (Beseitigen  von  Husten,  Darm¬ 
verstopfung,  Operation  der  koinzidierenden  Phimose  u.  dgl.). 

Was  bietet  demgegenüber  unseren  Bruchkranken  die 
Radikaloperation?  Sie  hat  ihre  Schwierigkeit,  aber  jetzt  nur 
noch  bei  solchen  Brüchen,  die  in  Bandagebehandlung  längst 
höchst  beschwerlich,  arbeitsstörend  und  nur  bei  grösster  Auf¬ 
merksamkeit  mit  immer  wieder  nötigen  Reparaturen  zurück¬ 
zuhalten  sind.  Sie  hat,  wie  eine  jede  Operation  (wie  alles 
menschliche  Tun),  ihre  Gefahr.  —  Aber  wir  fahren  mit  der 
Strassenbahn,  wir  setzen  uns  in  Automobile,  der  Sicherheit 
der  Einrichtung,  der  Umsicht  des  Führenden  vertrauend.  So 
auch  darf  sich  der  Bruchkranke  einem  gewissenhaft  erwägen¬ 
den  Chirurgen  anvertrauen.  Die  Entwicklung  der  Radikal¬ 
operation  der  Hernie,  wie  sie  in  den  beiden  letzten  Dezennien 
geschah,  ist  eine  Ruhmesleistung  der  Chirurgie,  sie  zeigt,  was 
überlegte  operative  Technik  und  gewebsschonende  aseptische 
Sauberkeit  in  Verbindung  mit  richtig  gewählter  Schmerzver¬ 
hütung,  in  erfolgsicherndem  Zusammenwirken  vermag. 

Die  Zahl  der  technischen  Methoden,  welche  für 
die  Radikaloperation  im  allgemeinen,  für  die  einzelnen  Bruch¬ 
arten  im  besonderen  angegeben  wurden  und  noch  werden, 
ist  eine  ungemein  grosse.  Sie  alle  zu  verfolgen,  wird 
selbst  dem  Fachchirurgen  allmählich  unmöglich.  —  Zweifellos 
ist,  um  den  Dauererfolg  zu  sichern,  zuviel  gekünstelt  worden, 
zumal  für  den  Verschluss  der  Pforte  mit  Lappenbildungen, 
Einpflanzung  von  Material,  das  dem  Körper  selbst  entnommen 
wurde,  oder  von  fremdem  lebenden  und  toten  Material.  —  Die 
Jetztzeit  geht  immer  mehr  auf  Einfachheiten  hinaus.  Es  wird 
erstrebt,  nach  Exstirpation  des  Bruchsackes  das  Bauchfell 
innen  ohne  Trichterbelassung  glatt  zu  vernähen.  Der  mit 
äusserster  Schonung  gut  blossgelegte  Ring  oder  Kanal  der 
Bruchpforte  wird  geschlossen  oder  auf  das  physiologische 
Mass  verengt  durch  eine  dem  primären  Einschneiden  oder 
Einreissen  nicht  ausgesetzte  Naht,  nach  entspannender  Heran¬ 
ziehung  der  weiteren  Bauchwandteile.  Nicht  Wiederher¬ 
stellung  der  Muskellagen,  sondern  Schluss  des  Fasziensystems, 
dem  für  den  mechanischen  Halt  am  Bauche  die  Hauptaufgabe 
zufällt,  muss  dabei  erreicht  werden.  Faszienlappen  in  loco  ge¬ 
bildet  oder  freitransplantiert  haben  für  schwierige  Fälle  be¬ 
sondere  Bedeutung.  Simplex  sigillum  veri  (B  o  e  r  h  a  v  e)  be¬ 
währt  sich  auch  hier  bei  der  Unzahl  der  empfohlenen  Metho¬ 


den.  —  Jedenfalls  muss  gleich  nach  der  Wundheilung  der  Ve 
Schluss  so  fest,  von  Anfang  an  so  sicher  sein,  dass  keine  Ba 
dage  irgend  welcher  Art  nötig  ist. 

Wie  keine  andere,  bildet  die  Operation  des  Bruches  eine 
Prüfstein  für  das  aseptische  Können,  für  die  Sauberki 
im  allgemeinen,  besonders  aber  für  die  Aseptik,  die  wir  ; 
„mechanische“  bezeichnen.  Die  „mechanische“  Aseptik  vt 
bietet  das  Quetschen  der  Gewebe,  das  Zerren  an  denseltx 
Auch  in  dieser  Hinsicht  muss  fein  säuberlich  umgegang 
werden;  sonst  gibt  es  Depots  von  nekrotischem  Gewebe.  S 
verbietet,  zumal  bei  plastischen  Operationen,  und  hier  handi 
es  sich  exquisit  um  solche,  die  Anlegung  von  Nähten,  den 
beim  Schluss  die  Aufgaben  der  Entspannung  zukommt;  au 
dann  gäbe  es  Nekrosen,  es  entstehen  Defekte  durch  dieselb 
und  durch  das  Einschneiden  an  sich,  und  somit  Lücken  für  d, 
Rezidiv.  —  Massnahmen  im  Sinne  der  mechanischen  Asep 
haben  Nachblutungen  in  der  Tiefe  der  geschlossenen  Wune;, 
Hämatombildung  sicher  zu  verhüten.  Sonst  wird  das  1. 
einanderheilen  gestört,  wenn  es  nicht  (nach  unbemerktu 
Durchbruch  aussenhin  von  der  Haut  her,  oder  von  der  Bli. 
bahn  her)  gar  zur  Wundinfektion  kommt.  Wir  unterbind i 
deshalb  sorgfältig  mit  feinster  Seide,  wir  verhindern  durch  v| 
senkte  Nähte  die  Bildung  toter  Räume,  legen  einen  komp- 
mierenden  Wundverband  mit  festangezogenem  Heftpflasr 
an,  komprimieren  wohl  auch  einen  J  ag  mit  Bindentoun. 
Bei  sehr  grosser  buchtiger  Wunde  legen  wir  für  einige  Ta; 
durch  ein  Knopfloch  ein  kurzes  Glasdrain  zum  Austritt  i> 
Blutes  an.  In  der  Regel  aber  wird  die  Wunde  ganz  tj- 
schlossen,  die  Haut  mit  den  nicht  in  die  Wundhöhle  pei- 
trierenden  M  i  c  h  e  1  sehen  Klammern  vereinigt.  Bei  Kinde, 
die  sich  noch  beschmutzen,  muss  der  Schluss  ein  sehr  dich  r 
sein.  Hier  wird  mit  feinem  Silberdraht  alles  zugenäht  ul 
nur  ein  schmaler  Gazestreifen  mit  weithin  wasserdicht  decki- 
dem  Heftpflaster  befestigt. 

Wie  bei  allen  Operationen,  so  bewerten  wir  für  die  Brtm 
operation  in  der  Trias  unseres  Handelns  relativ  immer  nur 
die  Art  der  Schmerzverhütung.  —  Da  scheint  sich  nun  für  e 
kleineren  Brüche  als  besonders  günstig  zu  bieten  die  V- 
meidung  jeder  Reizung  der  Luftwege  durch  Wahl  der  <- 
liehen  Betäubung. 

Auch  nach  den  Operationen  kleinster  Brüche  beobachten 
wir  —  und  andere  befragte  Kollegen  ebenfalls  —  häufig  n 
folgenden  Tage  eine  Temperaturzacke,  ohne  dass  ein  Clnd 
an  der  Wunde,  an  den  Lungen  zu  finden  war.  Bei  me- 
tägiger  Zacke  fand  sich,  jedoch  nicht  immer,  eine  vorher  nin 
vorhandene  bronchitische  Reizung  leichter  Art.  Die  Schnic- 
Verhütung  war  mit  unserer  Morphium- Aethertropfmethjj 
geschehen.  Wir.  vermuteten  in  dem  diffusen  chemisch 
Trauma  der  Inhalationsnarkose  die  Ursache,  betäubten  lea 
nach  Hackenbruch:  dieselbe  Störung.  Sie  ist  rätselh 
geblieben  trotz  unserer  schärfsten  Forschung  nach  der  r 
Sache.  Nur  glaubte  eine  lebhaft  mit  interessierte  Schwer 
feststellen  zu  können,  dass  die  Betroffenen  sämtlich  Raue  r 
die  nicht  Betroffenen  Nichtraucher  waren.  —  Handelt  es  d 
um  Vorgänge  der  von  uns  aufgestellten  „Embolia  inse  i 
bilis“?  2)  Trifft  diese  bei  Rauchern  einen  locus  minoris  r.i 
stentiae  in  der  Bronchialschleimhaut?  —  Jedenfalls  halten  i 
vor  dem  Entschlüsse,  eine  Hernie  radikal  zu  operieren,  strtg 
stens  auf  saubere  Luftwege  und  Lungen  und  sehen  wesentlicn 
chronisch  entzündlichen  Prozessen  derselben  die  zu  beheb cJ 
und  dauernde  Kontraindikation  für  den  Eingriff,  denn:  der  i 
reits  infektiöse  Zustand  der  Schleimhaut,  das  chemb' 
Trauma  der  Inhalationsnarkose,  die  Embolia  insensibilis  vone 
Wunde  her  in  Kombination  müssen  doch  in  hohem  Masse  e 
eignet  erscheinen  zur  Veranlassung  einer  postoperat* 
Pneumonie. 

Für  kleinere  Brüche  kann  die  Wahl  zwischen  allgeme* 
und  örtlicher  Betäubung  fast  Geschmackssache  sein.  *> 
grosse  Brüche  genügt  letztere  nicht,  hier  muss  die  Allgen  11 
narkose  der  unruhigen,  dort  die  Aseptik  störenden  Bewegung 
besonders  der  Spannung  gegen  die  Reduktion  dienen.  Die  ® 
sage  derselben  lässt  oft  überhaupt  erst  den  Patienten  fiu  ' 
Operation  einwilligen.  Mit  der  Grösse  des  Bruches  und 

-)  Die  postoperative  Thromboembolie.  Deutsche  Zeitschrii  i1 
Chirurgie,  Bd.  S5. 


11.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


519 


Dauer  des  Eingriffes  wächst  aber  die  Bedeutung  der  Schmerz- 
verhütung  in  der  gesamten  prognostischen  Rechnung  schnell; 
wird  schliesslich  fast  allein  ausschlaggebend  für  den  Erfolg. 
Die  Vorbereitung  des  zu  Operierenden,  zumal  seiner  Luftwege 
durch  methodische  Atemgymnastik,  durch  Beseitigung  katar¬ 
rhalischer  Stöungen,  muss  dann  eine  extrem  sorgsame  und 
umsichtige  sein  3).  Operieren  wir  aber  auch  erst  dann,  wenn 
die  Luftwege  sauber  sind,  die  Atemgymnastik  durchaus  sicher 
geübt  ist  und  wenn  auch  sonstiges  Operieren  kontraindi¬ 
zierende  Störungen  der  Kreislauforgane,  des  Stoffwechsels 
(Diabetes!),  der  Nieren  nicht  bestehen,  dann  geben  die  Erfolge 
uns  das  Recht  zu  dem  seit  Jahren  ausgesprochenen  Satze: 
..Fort  mit  dem  Bruchband!“ 

Viel  häufiger  als  gewöhnlich  angenommen  wird,  nicht  nur 
bei  dekrepiden  alten  Leuten,  sondern  bei  Männern  und  Frauen 
in  den  Jahren  für  beste  Lebensarbeit,  wächst  ein  Bruch  ganz 
übermässig  an,  er  gewinnt  übermässige,  riesige  Dimensionen 
als  Hernia  permagna,  als  Riesenbruch.  Made¬ 
lung,  dem  wir  eine  vortreffliche  Arbeit  über  das  Leiden 
danken  (Chirurgenkongress  1904),  bezeichnet  als  „übergrosse 
Hernien“  solche  Unterleibsbrüche,  deren  Inhalt  mit  keinem  zur 
Verfügung  stehenden  Verfahren,  auch  nicht  mittels 
Operation,  in  die  Bauchhöhle  reponiert  werden  kann.  Im 
Abdomen  ist  das  droit  de  domicile,  wie  französische  Autoren 
treffend  sagen,  für  die  ausgetretenen  Eingeweide  verloren.  — 
Ein  monströs  grosser  Sack  hängt  vorn  median  von  der  Ober¬ 
bauchgegend,  seitlich  von  der  Leistengegend  bis  zu  den  Knien, 
über  dieselben  hinaus  herab.  An  der  Höhe  der  groben  Buckel 
zeigt  die  fast  durchscheinende  Haut  Narben,  oberflächliche 
Ulzerationen.  Peristaltisch  bewegt  sich  hie  und  da  der  Darm. 
Knollige  dicke  Verhärtungen  sind  neben  weichen  Darmschlingen 
zu  fühlen.  —  Der  Bruch  wuchs  in  einem  Jahrzehnt  oder  in 
längerem  Zeitraum  von  kleinem  Anfänge  (Nabelbruch,  Bauch¬ 
narbenbruch,  Schenkelbruch,  Skrotalbruch),  besonders  aber 
auch  als  Rezidiv  nach  versuchter  Radikaloperation  und 
wuchs  und  wächst  weiter  unter  einer  zunehmenden  Er¬ 
schwerung  der  Darmpassage,  die  zuweilen  den  Charakter  des 
chronischen  Ileus  annimmt.  Dazu  kommen  Entzündungen  der 
Bruchdecken  und  des  Inhaltes,  die  durch  ihre  Schmerzhaftig¬ 
keit  wochen-,  monatelange  Arbeitsunfähigkeit  bedingen.  Die 
Zerrungen  der  verwachsenen  Teile  werden  zu  ständiger  Qual; 
immer  unbeholfener  und  leider  dann  auch  meist  umfangreicher 
wird  der  Patient,  sein  Schicksal  in  einem  Sacke  oder  frei 
tragend  und  selbst  auf  Einholung  ärztlichen  Rates  verzichtend, 
bis  dann  auf  die  Dauer  fast  unausbleiblich  die  Einklemmung 
eines  Darmstückes  in  einer  der  ausgebuchteten  Nischen  des 
Bruchsackes,  zwischen  Netzklumpen  erfolgt.  Da  haben  wir 
sie  fast  stets  bereits  brandig  gefunden  und  befreit;  selbstredend 
nicht  etwa  gleich  den  Bruch  als  Ganzes  angreifend  behufs 
Radikaloperation.  Nur  einzelne  der  Kranken  kamen  mit  und 
ohne  Kotfisteln  davon. 

Man  braucht  nur  einige  Male  an  derartigen  partiell  in- 
karzerierten  mannkopfgrossen  Hernien  operiert  zu  haben,  um 
die  Warnung  vor  ihrer  Radikaloperation  zu  würdigen.  Denn 
trostlos  klingen  die  Berichte  über  nicht  genügend  vorbedachte 
Angriffe  auf  die  Hernia  permagna.  Glücklich  die  Chirurgen, 
die  noch  rechtzeitig  den  Entschluss  fanden,  wieder  zuzunähen. 
Sie  behielten  noch  einige  Kranke  am  Leben.  Andere  ver¬ 
suchten,  den  Inhalt  des  eröffneten  Bruchsackes  zu  reponiereti 
und  kamen  mit  allen  Mitteln  nicht  zu  Rande.  —  Man  hat  selbst 
an  die  Anlegung  eines  grossen  Zwerchfelloches  und  Inzi- 
sierung  der  linken  Pleurahöhle  gedacht.  —  Die  Operierten 
starben  fast  alle  während  oder  gleich  nach  der  Operation. 

So  kam  man  wieder  zur  Entsagung  und  Hess  den  Riesen¬ 
bruch  im  Suspensorium  tragen,  für  die  zwingende  Not  des 
-hronischen  Ileus  die  Anlegung  eines  Anus  praeternaturalis, 
Jie  Anastomosenbildung  vorbehaltend.  Das  war  zur  Zeit  der 
Mitteilung  Madelungs  vor  8  Jahren,  durchaus  das  Richtige 
lach  anderer  Chirurgen  und  auch  nach  unserer  Meinung.  — 


'*)  Die  tiefen  Atmungen  (tiefste  schlürfende  Einatmung,  zischende 
xtieme  Ausatmung,  laut  zur  Selbstkontrolle!)  werden  bei  uns  so 
>icher  vorgeübt,  dass  die  meisten  Kranken  schon  beim  Erwachen 
tus  der  Narkose  noch  im  Halbschlafe  automatisch  damit  beginnen, 
vegelmässig  jede  halbe  Stunde  wird  20  mal  tief  ein-  und  ausgeatmet 
kleine  Dosen  Morphium  gegen  Schmerz),  auf  Lagewechsel  usw.  re¬ 
ichtet. 


Langsam,  schrittweise,  aber  doch  sicher  sind  wir  indes  seitdem 
von  den  grossen  zu  den  übergrossen,  dann  zu  den  Riesen¬ 
hernien  radikal  operierend  herangegangen,  und  die  Frau,  die 
ich  heute  an  ihrem  49.  Geburtstage  nur  mit  leichtem  Hänge¬ 
bauch  (den  wagte  ich  denn  doch  nicht  gleich  durch  Fett¬ 
exzision  aus  den  Bauchdecken  mit  in  Angriff  zu  nehmen)  ge¬ 
heilt,  wieder  lebensfroh  und  arbeitsfreudig  vorstelle,  zeigt, 
dass  ein  Mensch  auch  von  einem  „Riesenbruche“  —  so  be¬ 
zeichnet  ihn  der  Assistent  im  Journal  — ,  der  in  vierfacher 
Kopfgrösse  beiderseits  bis  unter  die  Knie  herabreichte,  opera¬ 
tiv  befreit  werden  kann.  —  Eine  vollkommene  Beherrschung 
des  Bauchschnittes  in  seiner  Vorbereitung,  Ausführung  und 
Nachbehandlung  dürfte  allerdings  Vorbedingung  sein  für  solche 
„übergrosse  Operation.  Und  dennoch  war  dieselbe  in  ihren 
Einzelheiten  recht  einfach;  sie  bot  zu  keiner  Zeit  eine  Ueber- 
raschung. 

Bei  der  im  Juli  vorgestellten  operierten  Frau  (sie  hat 
15  mal  geboren),  entwickelte  sich  der  Riesenbruch,  —  der 
grösste,  den  ich  überhaupt  bisher  sah  — ,  aus  einer  kleinen 
^upraumbilikalen  Hernie  im  Laufe  von  14  Jahren  unter  den 
Beschwerden,  die  der  vorstehenden  allgemeinen  Schilderung 
zugrunde  gelegt  sind.  Auch  leichtere  Einklemmungen  sind 
wohl  vorgekommen  und  von  der  Frau  selber  glücklich  gelöst 
worden.  Selbst  kaum  noch  etwas  hoffend,  kam  sie  auf  Rat 
anderer,  bei  uns  von  übergrossen  Brüchen  befreiten  Frauen. 
Bei  meinen  Assistenten  hatte  zunächst  die  sichere  Meinung 
sich  gebildet,  dass  bei  der  reichlich  korpulenten  Frau  nicht 
operiert  würde,  da  der  Bruch  wohl  doppelt  so  gross  war 
als  die  bisher  operierte  grösste  Hernie.  Er  hing  bei  auf¬ 
rechter  Stellung  viermal  so  gross  als  der 
Kopf  der  Frau  symmetrisch  bis  unter  die 
K  n  i  e  h  e  r  a  b.  Aber  die  Frau  war  für  ihre  Jahre  auffallend 
.iugendfrisch,  absolut  gesund,  besonders  auch  am  Herzen,  und 
an  den  Lungen. 

Mehrere  Wochen  dauerte  die  sorgfältige  Vorbeobachtung 
und  die  Vorbereitung.  Die  für  letztere  im  Laufe  der 
Jahre  bei  anderen  ähnlichen  Aufgaben  gewonnenen  Er¬ 
fahrungen,  Befunde  und  daraus  hergeleiteten  Grundsätze  sind 
nun  folgende: 

Die  Brüche  enthalten  in  dem  buchtigen,  weithin  auf  der 
Konvexität  mit  der  Haut  fest  verbundenen  Sacke  stets  ver¬ 
wachsen  das  klumpig  umgewandelte  Netz,  in  dessen  Dupli- 
katuren  gewöhnlich  den  Umfang  mehrend,  Zystenräume  sich 
bilden.  Mit  dem  Netze  hineingezogen  ist  der  Dickdarm,  so¬ 
weit  er  beweglich  ist,  bezw.  durch  Zug  beweglich  wurde; 
mehr  indirekt  durch  das  Netz  aber  auch  direkt  selbst  mit 
Winkelungen  und  Verdrehungen  fixiert,  zeigt  er  hyper¬ 
trophisch  dicke  Wandungen,  ein  Glück  für  die  Auslösung,  die 
gewöhnlich  nicht  ohne  einige  Serosaablösungen  möglich  ist. 
Am  ausgezogenen  langen  Mesenterium,  das  dick  und  breit 
durch  die  Pforte  geht,  zieht  der  gleichfalls  meist  arbeits¬ 
hypertrophische  Dünndarm  mit  seinem  mittleren  Teile  in  den 
grossen  Sack  hinein,  selbst  zumeist  weniger  verwachsen,  als 
irreponibel  neben  dem  dicken  Netz  und  Mesenterium,  welche 
die  Pforte  verlegen. 

Dass  in  solcher  Verlagerung  die  Passage  des  Darmin¬ 
haltes  Not  leidet,  ist  begreiflich.  Wir  entleeren  den  im  Be¬ 
reiche  des  Bruches  sich  stauenden  Inhalt  durch  Rizinus,  durch 
Klysmen,  besonders  durch  heisse  Einläufe,  die  in  dem  ge¬ 
füllten  Dickdarm  und  in  seiner  Nachbarschaft  Peristaltik 
anregen,  durch  heisse  Umschläge,  aber  auch  durch 
Streichungen  und  Knetungen,  die  für  eine  sehr  wichtige  mobili¬ 
sierende  Vorbereitung  der  künftigen  Reduktion  sind.  Die 
Grösse  des  Bruches  mindert  sich  dadurch  nicht,  da  gasige 
Auftreibung  an  Stelle  der  festen  Füllung  erfolgt.  Wesentlich 
ist  daher  die  Volumenverringerung,  die  durch  Ableitung  der 
Darmgase  durch  ein  eingelegtes  Mastdarmrohr  während  der 
Operation  durch  Druck  auf  den  noch  geschlossenen  Bruchsack 
erzielt  wird,  sie  erleichtert  besonders  die  Dickdarmreduktion. 
Durchaus  zu  verwerfen  ist  die  vielleicht  geratene  Abführkur 
zum  Zwecke  einer  allgemeinen  und  örtlichen  Entfettung.  Die 
Kur  nimmt  dem  zu  Operierenden  nur  die  sehr  nötigen  Kräfte, 
schwächt  seine  Widerstandskraft,  ohne  eine  merkbare  Fett¬ 
fortschaffung  zu  bewirken.  Ein  Ueberbehandeln  des  Darmes 
durch  übertriebenes  Abführen  ist  zu  vermeiden. 


520 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  10. 


Weiterhin  soll  man  eine  Verkleinerung  des  Bruches  durch 
elastische  Einwicklung  erstreben.  Diese  gleitet,  uin  den  Bruch 
selber  ausgeführt,  gewöhnlich  kuppenwärts  ab,  oder  sie  wird, 
irgendwie  fixiert,  durch  Schmerz  am  Pfortenteil  rasch  uner¬ 
träglich.  Um  den  ganzen  Leib  gelegt  aber  drückt  die  Binde 
nichts  durch-den  Stiel  des  Champignons  in  das  Abdomen  hinein, 
sondern  plattet  den  Kopf  desselben  nur  ab,  und  die  ohnehin 
nach  hinten  konvexen  Bauchdecken  werden  gegen  die  Wirbel¬ 
säule  gedrückt. 

Wohl  haben  wir  die  elastische  Ein  Wicklung 
des  ganzen  Patienten  mit  zunehmend  stärkerem  Zug 
geübt,  aber  zu  ganz  anderem  Zwecke:  zur  gymnasti¬ 
schen  Vorgewöhnung  an  eine  thorakale  At¬ 
mung  unter  starkem  Druck  vom  Unterleibe 
h  e  r,  wie  sie  ja  nach  der  Operation  zunächst  nur  möglich  ist. 
Das  ist  das  allerwichtigste  für  den  glücklichen 
Ausgang  für  die  Abwendung  des  seitens  der  Atmung  und 
der  Zirkulationsstörung  in  den  ersten  Tagen  drohenden  Todes, 
gegen  den  sonst  Sauerstoff,  Digitalis  und  Strophanthin  nichts 
nützen.  Bei  sorgfältiger  Vorpflege  der  Haut  heilten  die  Ober¬ 
flächengeschwüre  bis  auf  kleine  Reste,  die  vor  Beginn  der 
Schlussdesinfektion  mit  dem  Paquelin  betupft  wurden.  Die 
Aseptik  bot  nichts  vom  oben  Gesagten  abweichendes.  Die 
Schmerzverhütung  musste  selbstredend  durch  Allgemein- 
narkose  geschehen.  Sie  wurde  nach  unserer  kombinieiten 
Morphium-Aethertropfmethode  in  ausgezeichnet  umsichtiger 
Weise  durchgeführt,  den  Erfordernissen  der  einzelnen  Ope¬ 
rationsakte  angepasst. 

Zwei  besondere  Aufgaben  hatte  unsere  operative 
Technik  hier  unter  denkbar  schwierigem  Verhältnis  sicher 
zu  erfüllen:  die  Reduktion  der  gewaltigen  In¬ 
haltsmasse  aus  einem  Raum,  der  gewiss  drei¬ 
mal  so  gross  war  als  das  verengte,  von 
geschrumpften  Bauchdecken  umschlossene 
Cavum  abdominis  und  einem  Pforten  Schluss, 
welcher  dem  gewaltigen  Druck  der  repo- 
nierten  Därme,  dem  Zug  bei  der  Ausdehnung 
der  Bauchdecken  durch  die  Atmungsarbeit 
widerstehen  konnte.  —  Die  Aufgaben  wurden  gelöst 
in  folgender  Weise,  die  wohl  zur  Nachahmung  empfohlen 
werden  darf. 

Bei  Beckensteillagerung  wurde  mit  mehreren 
kräftigen  Hakenzangen  eine  Hautfalte  an  der  Kuppe  der  auf¬ 
gerichteten  Bruchgeschwulst  gefasst  und  diese  durch 
einen  die  Patientin  vom  Tische  etwas  abhebenden  Zug  zur 
Form  eines  enormen  Zuckerhutes  angezogen. 
Bei  stets  kräftigstem  hebenden  Anzug  wurde  an  der  Grenze 
des  oberen  und  mittleren  Drittels  ringsum  eine  Reihe  von 
Klauenschiebern  angelegt  und  das  Spitzendrittel  mit  einer 
elastischen  Binde  eingewickelt.  Turbanähnlich  bauchten  sich 
die  beiden  unteren  Drittel  über  der  angehobenen,  noch  von  der 
Pforte  konkav  nach  hinten  verlaufenden  vorderen  Bauchwand 
aus.  Der  Vorzeichnung  eines  querovalen  grossen  Schnittes 
entsprechend,  welcher  von  den  Bruchdecken  hautersparend 
ungefähr  an  der  Grenze  des  mittleren  und  unteren  Drittels 
verlief,  wurde  durch  die  Haut,  die  subkutane  Fettmasse  auf 
dem  Bruchsack  —  mit  sorgfältigster  Vermeidung  einer  Er¬ 
öffnung  —  zunächst  nur  an  der  oberen  Seite  des  Bruches  vor¬ 
gedrungen,  der  Sack  bis  zur  Umrandung  der  Pforte  freiprä¬ 
pariert.  Letztere  beiderseits  ca.  5  cm  weit  quer  eingekerbt 
ohne  Bauchfelleröffnung.  Mit  kräftigstem  breiten,  scharfen 
Haken  wurde  die  Umrandung  nach  beiden  Seiten,  kopfwärts 
und  von  der  Wirbelsäule  abgezogen,  der  obere  Teil  der 
Bruchgeschwulst  aber  an  sämtlichen  fassenden  Instrumenten 
vertikal  zum  Rumpfe  angezogen.  Bei  der  nun  folgenden 
elastischen  Einwickelung  des  Spitzenteils  mit  zweiter  elasti¬ 
scher  Bindenlage,  dann  des  übrigen  gazeüberdeckten  unteren 
Teiles  verschwand  der  grösste  Teil  des  Inhalts,  offenbar  wurde 
wohl  die  Hauptmasse  des  Dünndarmes  mit  seinem  Mesen¬ 
terium  durch  das  erwähnte  Loch  unter  die  immer  mehr  an¬ 
gehobenen  Bauchdecken  gestreift.  —  Die  Auslösung  des  noch 
durch  Verwachsungen  am  Bruchsackhalse  und  am  klumpigen 
Netz  gehaltenen  Kolonrahmens  und  des  noch  im  Bruche  befind¬ 
lichen  Dünndarmes  bot  gar  keine  Schwierigkeit:  Es  wurde  zu 
dem  Zwecke  erstjetzt  der  Bruchsack  eröffnet  — 
vorher  wäre  es  ein  Fehler  gewesen  —  der  sich  durch  kaum  zu 


bewältigenden  Prolaps  gerächt  hätte  — ,  durch  einen  _L-Schnitt 
an  der  Kopfseite  seiner  Basis.  Vorsichtig  wurde  der  Dickdarm 
hier  umgangen  und  angezogen,  um  oben  das  Netz  abbinden 
zu  können.  Dies  verblieb  im  Sacke.  Nach  Anlegung  einiger 
Uebernähungen  am  Dickdarm  wurde  derselbe  zurückgebracht, 
mit  einer  breiten  Kompresse  zurückgehalten,  deren  Ränder 
oben  und  seitlich  weit  vorgeschoben  wurden,  und  deren  freie 
untere  Partie  dann  für  den  leicht  entwickelten  Rest  des  Dünn¬ 
darmes  einen  Aufnahmesack  abgab,  mit  dem  der  Darm  bei 
kräftiger  Anhebung  auch  des  unteren  Pfortenrandes  durch 
einen  eingesetzten  Haken  unschwer  in  den  Bauchraum  ge¬ 
schoben  wurde.  Eine  grosse  Zahl  rings  um  Peritoneum  und 
Gazesack  fussender  Klauenschieber  sicherte  die  Retention  für 
die  Pause.  Es  war  eine  Pause  nötig,  um  die  mittlerweile  recht 
hochgradige  Erstickungsnot  der  Kranken  zu  bekämpfen  mit 
einer  die  Bauchdecken  freier  gebenden  Umlagerung,  hori¬ 
zontaler  und  vorderer  Rumpfkonkavität,  bei  Zufuhr  von  Sauer¬ 
stoff. 

Für  den  Verschluss  der  Bruchpforte,  die  quer¬ 
oval  gestellt  mit  meiner  Handfläche  allseitig  nicht  völlig  zu 
decken  war,  durfte  an  eine  Plastik  mit  örtlich  gebildeten  oder 
transplantierten  Faszienlappen  nicht  gedacht  werden.  Da 
hätte  keine  Naht  gehalten;  denn  sehr  gross  war  die  Kraft,  die  , 
anzuwenden  war,  um  mit  allseitig  weitfassenden  Hakenzangen 
die  Ränder  aneinander  zu  nähern.  Sie  ganz  aneinander  zu 
bringen  und  ihre  Ränder  —  eher  beginnen  wir  ihre  Naht  über¬ 
haupt  nicht  —  auch  etwas  übereinander  zu  ziehen,  gelang 
erst  nach  eine  ganze  Zeitlang  immer  wieder¬ 
holten  Dehnungen.  —  Schliesslich  lagen  die  Ränder 
des  Querovales  aber  doch  schon  bei  mässigem  Zangenzug 
der  eingesetzten  Zangen  und  dann  beim  Anziehen  des  die 
Deckkompresse  fixierenden  Schiebers  aneinander.  Auch  von 
dem  vorgezeichneten  unteren  Querschnitt  aus  wurde  die 
Bruchbasis  nunmehr  durchtrennt,  die  Bruchgeschwulst  mit 
dem  erhaltenen  Netze  abgetragen. 

Von  der  einst  empfohlenen  Filigranarbeit  für  den  Bruch¬ 
pfortenverschluss  ist  uns  nur  für  solche  Fälle  eine  allseitig 
mehrfach  geschlängelte  Durch  flechtung  der 
UmrandungmitSilberdraht  geblieben,  die  S  i  e  h  e  r- 
heit  gegen  das  Durchschneiden  selbst  stark 
angezogener  Schlussnähte  gibt.  Vielfach  und  erfolgreich 
bei  Narbenbrüchen  nach  grossen  phlegmonösen  Defekten,  kam 
sie  auch  hier  bei  dem  Verschlüsse  des  Loches  zur  Verwendung. 
Ihre  technische  Durchführung  ergibt  sich  von  selbst.  -  Die 
weitere  Wundversorgung  geschah  nach  den  oben  geschilder¬ 
ten  allgemeinen  Grundsätzen. 

Am  Tag  der  Operation  bis  zum  Abend  des  folgenden  litt 
die  Kranke  an  der  erwarteten  Atemnot  und  Herzschwäche. 
Aber  schon  eben  aus  der  Narkose  erwachend,  setzte  sie  ge¬ 
horsam  mit  den  erlernten  tiefen  Atmungen  ein.  So  oft  die 
Zyanose  stärker  wurde,  gaben  wir  Sauerstoff  —  aber  nur  in 
schwachem  Strome,  grössere  Dosen  reizen  die  Luftwege.  ,  ( 
durch  einen  offenen  Glastrichter  über  Mund  und  Nase  geleitet. 
Häufige  kleine  Kampferdosen,  Alkoholklysmen  hoben  allmäh¬ 
lich,  aber  stetig  die  Herztätigkeit,  so  dass  wir  angesichts  der 
gleichmässig  zunehmenden  Besserung  der  Funktion  der  be¬ 
drängten  Brustorgane  eigentlich  nie  in  Sorge  über  den  Aus¬ 
gang  waren.  —  Nur  durch  kleine  umschriebene  Nekrosen  in 
der  Fläche  des  unteren  Hautlappens  gestört,  verlief  die  Hei¬ 
lung  sonst  durchaus  glatt. 

Wir  haben  das  Verfahren  ausführlich  durch  „Uebergrösse 
gegeben  beschrieben,  um  auch  den  nichtoperierenden  Arzt 
davon  zu  überzeugen,  dass  auch  die  letzte  Einschränkung  lür 
die  radikale  Operabilität  der  Brüche  zu  fallen  hat;  denn 
grössere  Dimensionen  sind  wohl  nicht  gut  denkbar.  Zu  den 
beiden  obigen  Sätzen  darf  also  mit  Recht  hinzu  kommen  für 
die  Hernia  permagna :  „Fort  mit  dem  Tragbeutel!  , 

Aus  dem  Vorstehenden  wird  sich  für  den  über  ein  Bruch¬ 
leiden  befragten  Arzt  ergeben  müssen: 

Es  ist  ein  Fehler,  bei  Einklemmung  eine 
„schwierige“  oder  gar  eine  „forcierte“  Taxis 
zu  unternehmen  und  durchführen  zu  wollen. 
Ein  schonender  kunstgemäss  er  Repositions¬ 
versuch  darf,  wenn  die  Einwilligung  zur  so¬ 
fortigen  Herniotomie  nicht  zu  erlangen  wai 


1 1.  Marz  191.1 


52  i 


Mt  FNl'HFNFR  MEt HZINISCHk  WOCHFNSCHRIFT. 


nur  dann  gemacht  werden,  wenn  für  letztere 
alles  bereit  ist.  — 

Es  ist  ein  Fehler,  bei  nicht  eingeklemmten 
Brüchen  —  von  den  kleinsten  bis  zu  den 
grössten  —  die  höchst  belästigende  und 
durchaus  nicht  ungefährliche  Bandagenbe¬ 
handlung  e  i  n  z  u  1  e  i  t  e  n.  —  Die  Brüche  können 
sämrntlich  radikal  operativ  beseitigt  werden. 
Dabei  entsteht  eine  durchaus  zu  beherr¬ 
schende  grössere  Gefahr  nur  bei  den  Riesen- 
h r ü c h e n,  mit  denen  zu  leben  ohnehin  kein 
Leben  ist.  —  Nicht  das  Alter,  nicht  Sonder¬ 
heiten  des  Bruches  an  sich  können  Gegen¬ 
anzeige  geben,  sondern  nur  Störungen  des 
übrigen  Körpers,  die  ein  Operieren  bis  zu  ihrer 
Beseitigung  oder  überhaupt  nicht  zu  lassen. 


Aus  der  Hautabteilung  Jena. 

Zur  therapeutischen  Verwendung  des  Eigenserums. 

Von  Prof.  B.  Spiet  hoff. 

Während  Mayer  und  L  i  n  s  e  r  bei  der  Behandlung  von 
Dermatotoxikosen  noch  eine  Art  spezifischer  Wirkung  an- 
nahinen  und  deshalb  Wert  auf  arteigenes  Serum  legten  und  in 
gewissen  Fällen  auf  ein  solches  von  bestimmter  Herkunft, 
zeigten  die  Erfolge  Freunds  mit  Pferdeserum  bei  Schwan¬ 
gerschaftstoxikosen  und  die  Versuche  Hofbauers  mit 
Pituitrinsubstanzen,  dass  es  sich  bei  den  Heilungsvorgängen 
gewisser  Dermatosen  nicht  um  spezifische  Vorgänge  handelt, 
sondern  um  Prozesse,  die  durch  verschiedene  Körpersäfte  und 
Organsubstanzen  ausgelöst  werden.  Freund,  Abder¬ 
halden,  Pinkussohn  denken  hierbei  an  fermentative 
Wirkungen. 

ln  Erweiterung  der  bisher  mit  arteigenem  und  artfremdem 
Serum  und  mit  Organsäften  vorgenommenen  Untersuchungen 
möchte  ich  über  meine  Erfahrungen  berichten,  die  ich  bei  ver¬ 
schiedenen  Dermatosen  mit  dem  eigenen,  wiederein¬ 
gespritzten  Serum  der  Kranken  machen 
konnte.  Zwecks  Serumgewinnung  wurden  bei  jugendlichen 
Personen  50  ccm,  bei  Erwachsenen  100  ccm  Blut  aus  einer 
Kubitalvene  in  sterile  elektrische  Zentrifugengläser  von 
50  ccm  Fassungsvermögen,  in  denen  sich  eine  Spirale  befindet, 
aufgefangen,  3  Minuten  geschüttelt,  zentrifugiert  und  ab¬ 
gesogen.  Die  Mehrzahl  der  Versuche  machte  ich  mit  inak¬ 
tiviertem  Eigenserum,  d.  h.  K  Stunde  lang  auf  55—56°  er¬ 
wärmtem.  Ob  ein  Unterschied  im  Ablauf  der  Reaktionen  bei 
inaktiviertem  und  aktivem  Serum  besteht,  kann  ich  heute  bei 
der  beschränkten  Zahl  von  Untersuchungen,  die  ich  mit  letz¬ 
terem  anstellte,  noch  nicht  sagen.  Nach  der  Inaktivierung 
wurde  das  Serum  möglichst  bald  demselben  Patienten  wieder 
venös  eingespritzt,  und  zwar  je  nach  der  entnommenen  Blut¬ 
menge  10 — 25  ccm.  Wiederholt  wurde  dieser  Eingriff  im 
Bedarfsfälle  2—3  mal  wöchentlich,  im  ganzen  bis  zu  6  mal. 

Wie  aus  den  unten  mitgeteilten  Auszügen  aus  den 
Krankengeschichten  hervorgeht,  findet  man  all  die  Reak¬ 
tionen,  die  man  bei  Verwendung  von  arteigenem  Serum  beob¬ 
achtet,  auch  bei  Gebrauch  des  Eigenserums  wieder.  Die 
gelegentlich  bei  beiden  Methoden  auftretenden  heftigen  All¬ 
gemein-  und  Herdreaktionen  kann  ich  nicht  in  jedem  Fall  als 
etwas  Unerwünschtes  ansehen,  da  oft  erst  nach  ihnen  eine 
Wendung  zum  Besseren  eintritt.  Deshalb  bin  ich  in  den 
Fällen,  bei  denen  mit  der  einen  oder  anderen  Methode  bei 
reaktionslosem  Verlauf  kein  Erfolg  zu  erzielen  war,  zu  anderen 
Verfahren  übergegangen,  die  dann  manchmal  unter  stärkeren 
Reaktionen  eine  Besserung  des  Zustandes  noch  auszulösen 
vermochten.  Aber  auch  umgekehrt  kann  sich  dieser  Wechsel 
selbst  ohne  Auftreten  von  Reaktionen  erfolgreich  erweisen, 
wenn  trotz  Reaktion  bei  dem  einen  Verfahren  irgend  eine 
günstige  Wendung  ausbleibt.  Bei  dem  Wechsel  der  Methoden 
hin  ich  so  vorgegangen,  dass  ich  einmal  das  Eigenserum 
durch  das  arteigene  Serum  oder  umgekehrt  ersetzte,  dann  das 
inaktivierte  Eigenserum  vermischte  mit  aktivem  artfremdem 
Serum,  und  zwar  im  Verhältnis  von  3  Teilen  Eigenserum  und 
1  Teil  artfremden  Serums,  bei  Erwachsenen  in  der  Gesamt¬ 
menge  von  20 — 25  ccm.  Neben  reaktionslos  verlaufenden 

No.  10. 


Fällen  und  therapeutischen  Versagern  kommen  bei  Verwen¬ 
dung  des  Mischserums  auch  Reaktionen  allgemeiner  wie  ört¬ 
licher  Natur  mit  nachträglichen  therapeutischen  Erfolgen  wie 
auch  solche  ohne  vorausgegangene  Reaktionen  zur  Be¬ 
obachtung. 

In  einem  Falle  von  Prurigo  Hebrae  bei  einem  12jährigen 
Knaben  war  schon  24  Stunden  nach  einer  Einspritzung  von  10  ccm 
inaktiviertem  Eigenserum  ein  Erfolg  zu  verzeichnen;  sowohl  das 
Exanthem  wie  auch  das  Jucken  hatten  sich  gebessert.  Nach  2  wei¬ 
teren  Injektionen  von  8  und  13  ccm  inaktiviertem  Eigenserum  in  Ab¬ 
ständen  von  3  und  6  lagen  war  das  vorher  schwere  Exanthem  und 
das  heftige  Jucken  bis  auf  Reste  zurückgegangen,  die  dann  nach 
weiteren  Einspritzungen  von  15  und  12  ccm  in  Pausen  von  5  und 
3  Tagen  auch  verschwanden.  Die  Behandlung  verlief  ohne  jede 
Reaktion,  die  anfangs  bestehende  Leukozytose  mit  Eosinophilie  be¬ 
gann  schon  24  Stunden  nach  der  ersten  Injektion  zurückzugehen. 
Aber  schon  5  Wochen  nach  Beendigung  dieser  Kur  trat  ein  Rückfall 
ein,  der  auf  Eigenserum  wieder  in  derselben  Weise  schnell  zurückging 
wie  vorher.  Der  Verlauf  war  nur  dadurch  unterschieden,  dass  die 
auch  beim  Rückfall  wieder  vorhandene  Leukozytose  im  Gegensatz 
zur  ersten  Kur  eine  weitere  kurze  reaktive  Steigerung  erfuhr,  um 
dann  wieder  abzuklingen. 

Ein  Fall  von  Dermatitis  herpetifor  m  i  s  D  u  h  r  i  n  g, 
der  schon  durch  vorausgegangene  wiederholte  venöse  Salvarsaninjek- 
tionen  eine  ganz  erhebliche  Besserung  erfahren  hatte,  "konnte  gegen¬ 
über  dem  Zustande  beim  Abbruch  der  Salvarsankur  durch  etliche 
Seruminjektionen  nach  verschiedenen  Methoden  weiter  gebessert 
werden.  Die  Eruptionen  wurden  immer  spärlicher  und  seltener,  aber 
ganz  konnten  sie  trotz  alledem  nicht  unterdrückt  werden.  Zur  An¬ 
wendung  kamen  zuerst  Einspritzungen  von  arteigenem  Serum,  nach 
denen,  wie  schon  vorher  nach  einer  Salvarsanspritze,  heftige  Allge¬ 
mein-  und  Hautreaktion  in  dem  Typus  der  Effloreszenzen  der  Der¬ 
matose  auftraten  in  Verbindung  mit  langanhaltender  Leukozytose. 
Diese  wurde  erst  durch  eine  Eigenseruminjektion  heruntergedrückt 
und  erfuhr  noch  weiteren  Abfall,  besonders  der  Eosinophilen,  nach 
einigen  Mischseruminjektionen  von  inaktiviertem  Eigenserum  (20  bis 
25  ccm)  und  aktivem  Hammelserum  (5 — 6  ccm).  Nach  der  2.  Misch¬ 
seruminjektion  stellte  sich  4  Tage  später  Urtikaria  auf  einen  Tag  ein, 
ohne  dass  sich  diese  bei  den  bald  folgenden  weiteren  Mischserum¬ 
injektionen  mit  Hammelserum  wiederholte.  Reaktive  Erscheinungen 
der  Dermatose  traten  nach  Mischserum  und  Eigenserum  auf,  ohne  von 
Allgemeinreaktionen  begleitet  zu  sein,  die  sich  in  diesem  Falle  in 
Form  von  Fieber  und  Kopfschmerzen  nur  nach  arteigenem  Serum  ein¬ 
stellten. 

Eine  schwere  chronische  Urtikaria  bei  einem  jungen 
Manne,  dessen  genaue  Untersuchung  vor  der  Behandlung  keinen  ätio¬ 
logischen  Anhaltspunkt  gab,  wurde  zunächst  mit  Eigenserum  be¬ 
handelt.  Die  Urtikariaeffloreszenzen  traten  nicht  mehr  als  vorher 
auf,  ebensowenig  erlitt  das  Allgemeinbefinden  eine  Störung.  Aber  im 
Blute  stellte  sich  eine  interessante  Erscheinung  ein,  die  ich  bisher 
nur  in  diesem  Falle  bei  Eigenserum  beobachtete.  Das  Blutbild  zeigte 
abnorm  geringe  Werte  an  neutrophilen  Leukozyten  bei  hoher  Eosino¬ 
philie;  nach  einer  Spritze  von  18  ccm  inaktivierten  Eigenserums  trat 
eine  deutliche  Verschlimmerung  im  Sinne  der  bestehenden  Anomalie 
ein,  indem  innerhalb  der  nächsten  4  Tage  die  Werte  der  neutrophilen 
Leukozyten  beharrlich  weiter  sanken  und  umgekehrt  die  Eosinophilen 
stiegen,  so  dass  diese  fast  die  Höhe  jener  erreichten.  Eine  4  Tage 
nach  der  ersten  erfolgte  zweite  Injektion  von  15  ccm  inaktivierten 
Eigeserums  liess  die  neutrophilen  Leukozyten  sich  wieder  etwas  er¬ 
holen,  während  die  Eosinophilen  im  wesentlichen  unbeeinflusst  wur¬ 
den,  so  dass  sie  jetzt  noch  absolut  wie  prozentual  etwa  das  Doppelte 
gegenüber  den  Ausgangswerten  ausmachten.  Injizierte  man  dagegen 
inaktiviertes  Eigenserum  zusammen  mit  aktiviertem  Hammelserum, 
trat  eine  offensichtliche  Erholung  des  Blutbildes  unter  weiterem  An¬ 
stieg  der  neutrophilen  Leukozyten  und  Abfallen  der  Eosinophilen  auf 
die  Höhe  der  Ausgangswerte  ein.  Klinisch  wurde  in  diesem  Falle 
durch  Eigenserum  und  Mischserum  nichts  erreicht,  dagegen  trat  eine 
Besserung  ein,  nachdem  durch  20  ccm  arteigenes  Serum  unter  mas¬ 
sigem  Fieberanstieg  ein  äusserst  heftiger  Urtikariaausbruch  unter 
Schwellung  des  Gesichtes  eingetreten  war.  Die  heftige  Reaktion 
hielt  9  Tage  an  und  war  begleitet  von  einer  vollständigen  Aphonie. 
Laryngologisch  liess  sich  nicht  das  geringste  feststellen,  so  dass  an 
Hysterie  gedacht  wurde,  für  die  allerdings  vor  dem  reaktiven  Aus¬ 
bruch  nicht  der  leiseste  Anhaltspunkt  vorlag  und  deren  Annahme 
nachher  nur  noch  durch  eine  geringe  Herabsetzung  der  Sensibilität  an 
einer  Körperseite  unterstützt  wurde.  Bei  dem  Fehlen  jeglicher  an¬ 
deren  Erklärungen  der  Aphonie  möchte  ich  für  diese  immer  noch  eine 
Hysterie  annehmen.  Erst  nach  Abklingen  der  Reaktion  trat  eine  Bes¬ 
serung  der  Urtikaria  gegen  früher  ein.  Wie  lange  diese  angehalten 
hat,  konnte  ich  nicht  beobachten.  Der  zunächst  plötzlich  eintretende 
Sturz  der  Eosinophilen  hielt  nicht  lange  an. 

Günstig  sind  meine  Erfahrungen  mit  Eigenserum  bei  P  r  u  r  i  tu  s: 
auch  hier  ist  gelegentlich  eine  Reaktion  in  Form  von  kurzem  An¬ 
schwellen  des  Juckreizes  bald  auf  die  Einspritzung  zu  bemerken. 

Bei  Psoriasis  konnte  ich  bei  Eigenserumbehandlung  neben 
Versagern  auch  zweimal  einen  bemerkenswerten  Erfolg  feststellen. 
In  dem  einen  Falle  handelte  es  sich  um  längere  Zeit  bestehende 
ausgedehnte  Herde  an  Unterarmen  und  Unterschenkeln.  Die  Rück¬ 
bildung  an  den  Unterarmen  trat  schon  nach  der  ersten  Einspritzung 


No.  10. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


von  13  ccm  inaktivierten  Eigenserums  ein  und  war  nach  der  5.  Spritze 
vollendet;  an  den  Unterschenkeln  zeigte  sich  zwar  auch  eine  deutliche 
Neigung  zur  Involution,  sie  ging  aber  langsamer  vor  sich,  so  dass 
an  diesen  Stellen  nach  der  5.  Spritze  Salben  zur  Anwendung  kamen, 
unter  denen  die  Abheilung  auffallend  schnell  stattfand.  Der  andere 
Fall  betraf  eine  ausgebreitete  Schuppenflechte  in  Form  der  Psoriasis 
geographica.  Nach  der  3.  Spritze  war  ein  Abblassen  und  Flachei- 
werden  der  Herde  festzustellen. 

Der  praktische  Wert  dieser  Beobachtungen  liegt  darin,  in 
der  Serumbehandlung  bei  gewissen  Fällen  einen  die  äussere 
Behandlung  unterstützenden  Faktor  zu  besitzen,  der  in  sehr 
hartnäckigen,  den  äusseren  Mitteln  gegenüber  resistenten 
Fällen  wohl  versuchsweise  zur  Anwendung  zu  kommen 
verdient. 

Meine  Erfahrungen  mit  dem  Eigenserum  beim  Ekzem 
decken  sich  mit  denen  anderer  Autoren  bezüglich  des  art¬ 
eigenen  Serums.  Neben  Erfolgen,  die  sich  in  erster  Linie  auf 
den  Juckreiz,  erst  in  zweiter  auf  die  Hauterscheinungen  selbst 
beziehen,  sind  Misserfolge  zu  verzeichnen.  Man  beobachtet 
Besserungen  ohne  vorausgegangene  reaktive  Erscheinungen 
wie  Allgemeinsymptome,  Herdäusserungen  oder  Blutverän¬ 
derungen,  dann  aber  auch  Fälle,  in  denen  diese  Wendung  erst 
nach  Reaktionen,  meist  lokalen  und  allgemeinen,  eintritt.  Die 
Hautreaktionen  hielten  sich  stets  im  Typus  der  Grundkrank¬ 
heit.  Gerade  in  Anbetracht  der  Tatsache,  dass  sich  manchmal 
erst  nach  Reaktionen  ein  günstiger  Einfluss  bemerkbar  macht, 
ist  es  zweckmässig,  mit  den  Methoden  in  den  Fällen  zu 
wechseln,  bei  denen  ohne  Reaktion  die  eine  Art  nichts  er¬ 
reicht.  Mit  welcher  Methode  etwas  Positives  zu  erzielen  ist, 
lässt  sich  im  voraus  nicht  bestimmen;  es  kommt  aufs  Probieren 
hinaus.  Der  Wert  der  Serumbehandlung  von  Ekzemen  liegt 
darin,  in  chronischen,  namentlich  sehr  ausgebreiteten  Fällen 
mit  starkem  Juckreiz  ein  Mittel  zu  besitzen,  das  neben  anderen 
angewendet  den  Heilvorgang  beschleunigen  oder  bei  Er¬ 
schöpfung  anderer  Behandlungsarten  noch  eine  Linderung  her¬ 
beiführen  kann.  Auch  bei  akuten  Ekzemen  wird  der  mit  der 
Methode  vertraute  Therapeut  oft  Vorzügliches  erreichen;  ich 
sah  z.  B.  ein  akutes  vesikulöses  Rezidivekzem  ohne  jede 
äussere  Behandlung,  selbst  ohne  Schutzverband  24  Stunden 
nach  einer  Eigenseruminjektion  glatt  verschwinden.  In  Zu¬ 
kunft  wird  man  sich  vernünftigerweise  im  gegebenen  Falle 
ebensowenig  wie  beim  Ekzem  auch  bei  anderen  Dermatosen 
nie  auf  die  Serumbehandlung  allein  beschränken,  sondern 
gleichzeitig  alle  erprobten  sonstigen  Verfahren  heranziehen. 
Besonders  wird  man  sich  gerade  bei  der  Gruppe  von  Krank¬ 
heiten,  welche  das  Hauptgebiet  der  Serumbehandlung  sind, 
erinnern  müssen,  wie  oft  innere  Störungen  zugrunde  liegen, 
und  wie  wichtig  es  ist,  diese  durch  breit  angelegte  Unter¬ 
suchung  aufzudecken  und  zu  berücksichtigen  zu  versuchen.  Ich 
verweise  in  dieser  Beziehng  auf  meine  ausführlichen  Unter¬ 
suchungen,  die  z.  B.  bei  Ekzem,  Pruritus,  Urtikaria  in  einem 
hohen  Prozentsatz  Störungen  des  Verdauungschemismus 
feststellen. 

Da  der  Gewinnung  des  Eigenserums  ein  Aderlass  voraus¬ 
geht,  muss  auf  den  Einwand  eingegangen  werden,  dass  die  mit 
dem  Eigenserum  erzielten  Erfolge  nicht  dem  Serum,  sondern 
dem  Aderlass  zuzuschreiben  sind.  Zur  Klarstellung  dieser 
Frage  habe  ich  Fälle  zunächst  allein  mit  Aderlass  in  der  Menge 
und  Anzahl  behandelt,  die  bei  der  Eigenserummethode  in  Be¬ 
tracht  kommen.  Durch  einen  Aderlass  von  100  ccm  bei  einem 
Erwachsenen  können  bei  pathologisch  zusammengesetztem 
Blut  reaktive  Veränderungen  verschiedener  Art  vor  sich 
gehen.  Ein  geringer  Temperaturanstieg  ist  ebenfalls  gelegent¬ 
lich  festzustellen.  Auch  klinisch  ist  gewiss  in  manchen  Fällen 
selbst  durch  einen  kleinen  Aderlass  etwas  zu  erreichen,  wie 
meine  Beobachtung  bei  einem  kraftstrotzenden,  vollblütigen 
Mann  zeigt,  der  an  äusserst  schwerer,  inveterierter  Psoriasis 
mit  starkem  Juckreiz  litt;  das  Jucken  wurde  durch  einen 
kleinen  Aderlass  von  100  ccm  schnell  wesentlich  gemildert. 
Der  Unterschied  zwischen  dem  kleinen  Aderlass  und  der 
Eigenserumbehandlung  liegt  aber  darin,  dass  nach  jenem  allein 
nie  Herdreaktionen  auftreten  wie  bei  Eigenserum,  arteigenem 
und  Mischserum,  dass  in  Fällen,  die  anfänglich  ausschliesslich 
mit  kleinen  Aderlässen  oder  selbst  nach  der  Methode  Bruck 
mit  wiederholten  grossen  Aderlässen  und  nachfolgender  Koch¬ 
salzinfusion  behandelt  waren,  nicht  eher  eine  Besserung  ein¬ 
trat,  als  Eigenserum  hinzukam. 


Wie  eingangs  schon  erwähnt,  möchte  ich  auch  die  Erfolge 
des  Eigenserums  als  Stütze  für  die  Ansicht  Freunds, 
Abderhaldens  u.  a.  heranziehen,  dass  es  sich  bei  der 
Serumbehandlung  nicht  um  die  Wirkung  spezifischer  Stoffe 
handele.  Das  wirksame  Prinzip  muss  in  einer  Substanz  liegen, 
die  u.  a.  in  jedem  Serum,  auch  in  dem  der  Kranken  vorhanden 
ist.  Es  kann  sich  bei  der  Behandlung  mit  arteigenem  und  art¬ 
fremdem  Serum  auch  nicht  um  eine  Substanz  handeln,  die  im 
Blute  des  Kranken  vermindert  ist  oder  gar  fehlt  und  nun  zu- 
geführt  wird.  Dass  die  Wirkung  nicht  an  eine  Leukozytose 
gebunden  ist,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  Heilungsvor¬ 
gänge  ohne  jede  Leukozytose,  auch  ohne  jede  Vermehrung 
der  neutrophilen  Leukozyten  Vorkommen,  dass  Heilungsvor¬ 
gänge  in  Fällen  beobachtet  werden,  bei  denen  bei  bestehender 
Leukozytose  nach  Serumbehandlung  verschiedener  Art  die 
weissen  Blutkörperchen  und  mit  ihnen  auch  die  Leukozyten 
fallen.  In  der  nach  Serumbehandlung  gelegentlich  einsetzen¬ 
den  Leukozytose,  an  der  die  verschiedenen  Blutelemente  teil¬ 
nehmen  können,  möchte  ich  nach  meinen  bisherigen  Er¬ 
fahrungen  eher  einen  sekundärreaktiven  Vorgang  sehen,  als 
einen  Heilfaktor  selbst.  Dass  neben  den  nicht  spezifischen 
Heilvorgängen  bei  der  Eigenserumbehandlung  auch  spezifische 
Einflüsse,  gelegentlich  oder  vielleicht  auch  nur  bei  bestimmten 
Krankheiten  zur  Geltung  kommen,  legt  die  oben  mitgeteilte 
Beobachtung  der  Blutveränderung  in  spezifischer  Richtung  in 
einem  Falle  von  Urtikaria  nahe.  Die  Besonderheiten  des  Blut¬ 
bildes  bildeten  die  starke  Verminderung  der  neutrophilen 
Leukozyten  nud  die  erhebliche  Vermehrung  der  Eosinophilen. 
Wenn  ich  von  einer  Veränderung  des  Blutbildes  in  spezifischer 
Weise  spreche,  so  geschieht  es,  weil  nach  der  Eigenserum- 
behandlung  beide  Blutelemente  in  der  eingeschlagenen  Rich¬ 
tung  sich  weiter  bewegen.  Von  einer  spezifischen  Aenderung 
würde  ich  nicht  reden,  wenn  z.  B.  nur  die  Eosinophilen  eine 
weitere  Steigerung  erfahren  hätten,  ein  Vorgang,  der  nach 
jeglicher  Art  Serumbehandlung,  auch  nach  kleinen  Aderlässen, 
mitunter  eintritt.  Das  eigenartige  besteht  in  diesem  Falle 
darin,  dass  eine  aus  dem  Blut  des  Patienten  gewonnene  Sub¬ 
stanz,  in  seine  Blutbahn  wieder  eingebracht,  toxisch  wirkt. 
Umgekehrt  könnte  man  sich  auch  einmal  das  Uebergehen  und 
Ueberwiegen  von  antitoxischen  Stoffen  vorstellen.  Anhangs¬ 
weise  sei  mitgeteilt,  dass  sich  unter  der  Einwirkung  des  Eigen¬ 
serums  auch  syphilitische  Hauterscheinungen  zurückbilden. 
Diese  Beobachtung  erinnert  an  die  Mitteilungen  von  S  c  h  o  1 1  z, 
Plaut,  Meirowsky  und  H  a  r  t  m  a  n  n  über  den  Einfluss 
des  Serums  von  mit  Salvarsan  vorbehandelten  Luetikern. 
Stern  verglich  im  Gegensatz  zu  anderen  Erklärungsver¬ 
suchen  die  Erfolge  nach  den  Seruminjektionen  mit  den  nach 
Nukleineinspritzungen  von  ihm  beobachteten  und  wollte  in  den 
grösseren  Eiweissmengen  des  Serums  die  wirksame  Sub- 
stcinz  erblicken 

Ferner  wurden  drei  auf  der  Hautklinik  interkurrent  vor¬ 
kommende  Fälle  von  katarrhalischer,  fieberhafter  Angina  mit 
Eigenserum  behandelt.  In  2  Fällen  hatte  man  den  Eindruck, 
dass  durch  mehrere  Eigenseruminjektionen  die  Fieberkurve 
günstig  beeinflusst  wird,  im  3.  Falle  trat  nach  den  erster 
beiden  Injektionen  keine  Veränderung  ein,  nach  der  3.  Injek¬ 
tion  ein  kurzer  reaktiver  Fieberanstieg,  nach  dessen  Ab¬ 
klingen  die  Temperatur  auf  der  ursprünglichen  Höhe  blieb.  Ir 
einem  Falle  von  Erythema  nodosum  konnte  kein  Einfluss  fest¬ 
gestellt  werden.  Zum  Schluss  verweise  ich  hinsichtlich  dei 
Ergebnisse  der  Blutuntersuchungen,  die  in  eingehender  Weise 
sich  auf  die  Dauer  der  Serumbehandlung  erstrecken,  auf  meine 
demnächst  in  der  Dermatologischen  Zeitschrift  erscheinende 
Arbeit. 

Ueber  hustenstillende  Mittel  und  über  ein  neues  Kodein 

präparat. 

Von  Dr.  Albert  F  r  a  e  n  k  e  1  in  Badenweiler-Heidelberg. 

Die  Pharmakologie  und  die  chemische  Industrie  haben  dei 
Opiumalkaloiden  neuerdings  erhöhtes  Interesse  zugewendei 
Wir  verdanken  diesen  Bestrebungen  in  rascher  Folge  einig1 
neue  Präparate,  die  auf  eine  Kombinationswirkung  ausgehen 
Von  diesem  Gesichtspunkt  aus  hat  Sahli1)  zunächst  da 

J)  Therap.  Monatshefte  1909,  Januar. 


.  März  1913. 


MUENC HENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


523 


antopon  empfohlen,  welches  die  Gesamtheit  aller  Opium- 
kaloide  in  quantitativ  unveränderter  Zusammensetzung,  aber 
wasserlöslicher  und  daher  zu  subkutanen  Injektionen  ver¬ 
endbarer  Form  enthält.  Die  zuerst  von  Gott  lieb  und 
c  k  h  o  u  t s)  nachgewiesene  Verstärkung  der  Morphiumwir- 
mg  durch  die  Gegenwart  der  Nebenalkaloide  sucht  das 
Mieste  Präparat,  das  Laudanon  I  und  II  von  Faust3)  für  die 
üerapie  auszunützen,  indem  es  die  Mehrzahl  der  Beständ¬ 
ig  des  Opiums  als  Gemisch  chemisch  reiner  Körper  und  in 
nem  von  der  Muttersubstanz  abweichenden  und  variierten 
ischungsverhältnis  zur  Anwendung  bringt.  Etwas  früher  schon 
t  S  t  r  a  u  b  4)  das  Narkophin  —  Morphin  und  Narkotin  durch 
econsäure  verkuppelt  —  empfohlen;  durch  den  experimen- 
llen  Nachweis  der  Rolle,  die  speziell  das  Narkotin  als  Ver- 
ärkungsmittel  der  charakteristischen  Grosshirnwirkung  des 
orphiums  spielt,  besitzt  es  eine  exakte  Grundlage.  Diese 
'ststellung  über  den  Synergismus  der  Opiumalkaloide  be¬ 
ultet  jedenfalls  einen  wissenschaftlichen  Fortschritt  und  lässt 
aktische  Erfolge  erhoffen. 

Allen  diesen  neuen  Präparaten  mögen  innerhalb  der  bisher 
■läufigen  Opium-  und  Morphiumindikationen  bestimmte, 
ich  näher  zu  ergründende  Vorzüge  innewohnen.  Was 
rüber  an  klinischen  Beobachtungen  mitgeteilt  ist,  führt 
mentlich  für  das  Narkophin  zur  Annahme,  dass  es  die  them¬ 
atisch  verwertbare  narkotische  Wirkung  des  Morphins  ver- 
ft,  ohne  seine  gefährlichen  Wirkungen  zu  steigern. 

Keines  der  neueren  Präparate  kann  man  aber  als 
1  u  s  t  e  n  m  i  1 1  e  1“  in  engerem  Sinne  bezeichnen,  denn  von 
nem  solchen  muss  man  verlangen,  dass  es  den  Husten  zu 
dien  vermag,  ohne  schädliche  Nebenwirkungen  im  Gefolge 
haben. 

Wenn  wir  das  Symptom  Husten  als  eine  Begleiterschei- 
ng  chronischer  oder  mindestens  über  Wochen  dauernder 
Tränkungen  zu  bekämpfen  haben,  so  ist  es  selbstverständ- 
he  Forderung,  dass  zu  einer  solch  wiederholten  Medikation 
in  Mittel  angewendet  werden  soll,  das  die  Gefahr  einer  die 
ychische  Persönlichkeit  und  den  Allgemeinzustand  des 
anken  schädigenden  Gewöhnung  in  sich  birgt.  Sonst  ist  der 
!  igliche  Nutzen  kleiner  als  der  Schaden,  den  eine  Vernach- 
isigung  dieser  symptomatischen  Therapie  zur  Folge  haben 
>nnte.  Die  immer  noch  übliche  Bekämpfung  des  Hustens 
rch  Morphin,  welches  durch  Verwendung  von  Bittermandel- 
asser  als  Vehik,el  weder  wohlschmeckender  noch  unschäd- 
her  wird,  sollte  als  veraltet  gelten,  Morphin  als  Hustenmittel 
s  der  Therapie  gestrichen  werden.  Ebensowenig  darf  aber 
ch  das  Morphin  in  dieser  Indikation  durch  wesensgleiche 
uere  Präparate  ersetzt  werden.  Durch  die  Anwendung  von 
mtopon  etc.  gegen  den  Husten  wird  ebenso  leicht  Morphi- 
>mus  erzeugt  als  durch  Morphin  allein.  Von  allen  Morphin 
thaltenden  Präparaten  muss  dasselbe  gelten. 

Aus  der  Reihe  der  Morphinderivate,  welche  wertvolle 
arapeutische  Eigenschaften  mit  dem  Morphin  gemeinsam 
ben,  mit  ihm  aber  nicht  wesensgleich  sind,  ist  das  Kodein, 
r  Methylester  des  Morphin,  das  Hustenmittel  „katexochen“, 
ist  in  geeigneten  Dosen  von  rascher  und  sicherer  Wirkung 
d  kann  jahrelang  gebraucht  werden,  ohne  dass  das  Be- 
rfnis  sich  einstellt,  die  Dosen  zu  steigern  und  ohne  dass 
i  Aussetzen  der  Medikation  Abstinenzerscheinungen  zur 
Ige  hat.  Wohl  ist  mir  bekannt,  dass  auch  von  Kodein 
sagt  wurde,  es  mache  Angewöhnung.  Dieser  vereinzelten 
hauptung  steht  die  übereinstimmende  Beobachtung  der 
ychiater,  der  Phthiseotherapeuten  und  zuverlässiger  Leiter 
n  Morphiumentziehungsanstalten  gegenüber,  dass  es  einen 
nen  Kodeinismus  nicht  gibt  und  dass  es  nicht  gelingt,  in 
nphinentziehungskuren  die  Abstinenzerscheinungen  durch 
»dein  zu  beseitigen.  Ich  selbst  habe,  obwohl  ich  strenge 
rauf  achtete  und  trotzdem  ich  die  grosse,  vielfach  übliche 
!se,  nämlich  die  von  0,05  g  als  Einzeldose  zu  geben  gewohnt 
'r  und  zu  geben  empfohlen  habe  5),  bei  vielfach  über  Jahre 
h  erstreckenden  Ordinationen  niemals  auch  nur  eine  An- 
utung  von  Gewöhnung  gesehen.  Kodein  macht  auch  keine 


Euphorie,  in  der  sicherlich  der  Anreiz  zum  Missbrauch  zu 
suchen  ist. 

Im  Tierexperiment  erweist  sich  die  Kodeinwirkung  nicht 
etwa  nur  als  eine  milde  Morphinwirkung,  sondern  sie  ist  ihrem 
Wesen  nach  von  der  Morphinwirkung  verschieden.  Die  Ver¬ 
schiedenheit  lässt  sich  dahin  charakterisieren,  dass  bei  Kodein 
die  narkotische  Wirkung  auf  die  höhern  Gehirnzentren  gegen¬ 
über  dem  Morphin  sehr  stark  zurücktritt,  dass  die  reflex¬ 
steigernde  Wirkung  auf  das  Rückenmark  verstärkt  wird,  die 
beruhigende  Wirkung  des  Morphin  auf  das  Atemzentrum  aber 
bestehen  bleibt  [M  e  y  e  r  -  G  o  1 1 1  i  e  b  *)]. 

Da  nun  die  reflexsteigernde  Morphinwirkung  beim 
Menschen  so  wenig  ausgeprägt  ist,  dass  sie  bei  therapeutischen 
Gaben  gar  nicht  in  Frage  kommt,  so  ist  das  Kodein  anzusehen 
als  ein  Morphin,  dem  die  narkotischen  Eigenschaften  und  auch 
die  Euphorie  genommen  sind,  während  die  beruhigende  Wir¬ 
kung  auf  das  Atemzentrum  und  die  damit  Hand  in  Hand 
gehende  hustenstillende  Wirkung  fortbestehen. 

Dazu  kommen  noch  Unterschiede  im  Verhalten  des  Mor¬ 
phins  und  Kodeins  im  Organismus.  Während  Morphin  in  dem 
Magen  und  durch  den  Darm  ausgeschieden  wird,  nimmt 
Kodein  seinen  Weg  durch  die  Nieren  und  ist  quantitativ  im 
Hain  nachweisbar,  und  ebenso  different  ist  das  Verhalten  der 
Tiere  gegenüber  Gewöhnungsversuchen.  Faust7)  konnte 
an  Hunden  sich  steigernde  Gewöhnung  und  Abnahme  der  Aus¬ 
scheidung  an  Morphin  zeigen,  sein  Schüler  Bouma®)  aber 
hat  bei  solchen  Versuchen  mit  Kodein  weder  Gewöhnung  noch 
Verminderung  der  Ausscheidung  feststellen  können. 

Will  man  somit  nach  Mitteln  ausschauen,  die  das  Kodein 
ersetzen  können  oder  sogar  noch  Vorteile  vor  ihm  haben, 
so  darf  man  nicht  unter  Morphinpräparaten  oder  dem  Mor¬ 
phin  nahestehenden  Mitteln  suchen,  sondern  in  der  „Kodein¬ 
gruppe“.  In  der  Tat  teilen  das  Dionin  und  Peronin,  die  dieser 
Gruppe  angehören  (das  erstere  ist  der  Aethyl-,  das  letztere 
der  Benzoylester  des  Kodein),  die  narkotische  Wirkung  auf 
das  Atemzentrum.  Zwar  ist  diese  Atemwirkung,  wie  ich  nach¬ 
gewiesen  habe  9),  dem  Morphin  selbst  in  kleinsten  Gaben  eigen, 
isoliert  aber,  ohne  die  anderen  Wirkungen  des  Morphin,  lässt 
sie  sich  nur  mit  der  Kodeingruppe  erreichen. 

Diese  kurze  Zusammenstellung  tierexperimenteller  Beob¬ 
achtung  zeigt,  dass  die  Pharmakologie  gegenüber  neu  auf¬ 
tauchenden  Hustenmitteln  uns  vor  Anwendung  am  Menschen 
die  Möglichkeit  einer  prognostischen  Beurteilung  ihres  Wertes 
und  ihrer  Gefahr  gibt. 

Vor  etwa  Jahresfrist  wurde  mir  von  Herrn  Prof.  S  k  i  t  a  - 
Karlsruhe  ein  von  ihm  hergestelltes  hydriertes  Kodein 
zu  Versuchszwecken  übergeben.  Dasselbe  wird  demnächst 
von  der  Firma  Knoll  &  Co.,  Ludwigshafen  (Rhein)  unter  dem 
Namen  „Paracodin“  in  Pulver  und  Tabletten  in  Handel 
gebracht  werden.  Ich  habe  mich  der  Aufgabe  seiner  Unter¬ 
suchung  deshalb  gern  unterzogen,  weil  bei  voller  Würdigung 
des  Kodeins  als  Hustenmittel  ein  vollwertiger  Ersatz  erwünscht 
scheint,  schon  um  in  den  Fällen  chronischer  Lungenerkran¬ 
kungen  Gelegenheit  zu  einem  die  Wirkung  erhaltenden 
Wechsel  der  Mittel  zu  haben;  denn  von  den  anderen  bisher 
dargestellten  Mitteln  aus  dieser  Gruppe  hat  sich  als  Husten¬ 
mittel  nur  noch  das  Dionin  bewährt,  das  dem  Kodein  ähnlich, 
aber  in  gleich  grossen  Dosen  eher  weniger  wirksam  als  dieses 
zu  sein  scheint.  Ueber  Peronin  fehlen  mir  eigene  Erfahrungen. 
Das  Heroin,  das  pharmakologisch  zwischen  Morphin  und 
Kodein  steht  und  von  dem  eben  erst  Lange  r 10)  auch 
experimentell  die  Gewöhnung  festgestellt  hat,  ist  nach  den 
oben  aufgestellten  Grundsätzen  von  der  Liste  der  Hustenmittel 
abzusetzen,  nicht  etwa  wegen  seiner  durch  jene  Unter¬ 
suchungen  festgestellten  narkotischen  Eigenschaften,  sondern 
wegen  des  leider  schon  früher  durch  das  Massenexperiment 
erbrachten  Nachweises  einer  bestehenden  Heroingewöhnbar- 
keit.  Der  Heroinismus  ist  heutzutage  nichts  seltenes  mehr. 

Prof.  S  k  i  t  a  machte  mir  folgende  Angaben  über  das  von  ihm 
dargestellte  Präparat: 


)  Archiv  f.  exper.  Path.  u.  Pharm.,  Suppl.  1908. 

')  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 

;)  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  28. 

)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  24. 


°)  Experimentelle  Pharmakologie,  II.  Aufl.,  pag.  37  und  305. 

7)  Arch.  f.  exp.  Path.  und  Pharm.  1900,  Bd.  44. 

8)  Arch.  f.  exp.  Path.  und  Pharm.  1903,  Bd.  50. 

°)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  46. 

10)  Biochem.  Zeitschr.  1912,  Bd.  45. 


3* 


Mo.  in. 


^4 


}V\UEN  CHEN  ER  MEDIZI  N I SCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Das  Diliydro-Codein  wurde  von  mir  im  Vorjahre  in  den  Berichten 
der  Deutschen  chemischen  Gesellschaft11)  beschrieben.  Seine  Her¬ 
stellung  erfolgt  am  besten  in  der  dort  angegebenen  Weise,  welche  die 

technischeDarstellung  der 
ch.  .  *" 


Codein: 


N- 


CH, 


Dihydrocodein: 


■CH, 

CH, 


H.  H  /' 

H  , 

✓c=s  H/cr^H 

>■ 

C— cf  C— CHOH 

OCH,  () 


H,  H  / 


:h, 


H  /  C'  H  PHl 
/=<  H 

f~C  /  xCH* 

■C  c — CHOH 

ÖCH, 


meisterRhydrierten  Alka¬ 
loide  leicht  ermöglicht. 

Das  Dihydro-Codein 
unterscheidet  sich  vom 
Codein  durch  die  bei  der 
Hydrierung  eintretende 
I  Acimcr  dpr  hvdrozvk- 


lischen  Doppelbindung  des  Morphins12),  so  dass  wir  unter  Annahme 
der  K  n  o  r  r  sehen  Morphinformel13)  zu  folgendem  Ausdruck  für  die 
Konstitution  des  Dihydro-Codeins  gelangen: 

Wie  die  pharmakologische  Untersuchung  verschiedener  hy¬ 
drierter  Alkaloide  ergeben  hat,  wird  die  Wirkung  der  Muttersub¬ 
stanzen  durch  die  Wasserstoffsättigung  oft  nicht  unwesentlich  modi¬ 


fiziert.  Dies  gilt  auch  vom  Dihydro-Codein. 

Es  ist  eine  Base,  die  aus  Weingeist  in  Nadeln  vom  Schmelz¬ 
punkt  bei  65°  kristallisiert,  es  ist  in  Wasser  löslich,  fällt  jedoch  leicht 
beim  Aussalzen  mit  Salz  oder  Alkalien  aus  der  Lösung.  Von  seinen 
Salzen  dürfte  sich  das  Sulfat  seiner  hygroskopischen  Eigenschaften 
wegen  weniger  für  die  Praxis  eignen  wie  das  sehr  leicht  wasser¬ 
lösliche  salzsaure  und  weinsaure  Salz,  welche  als  Paracodinum  hydro- 
chloricum  bezw.  Paracodinum  tartaricum  in  den  Handel  kommen.  Es 
soll  auch  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden,  dass  die  Hydrierung  des 
Morphins  schon  kurze  Zeit  vor  meinen  Untersuchungen  von  L.  O  1  - 
denberg12)  vorgenommen  wurde.  Derselbe  arbeitete  unter  Be¬ 
nützung  des  seit  längerer  Zeit  bekannten  Paal  sehen  Reduktionsver¬ 
fahrens  unter  Anwendung  von  protalbin-  oder  lysalbinsaureni  Na¬ 
trium  als  Schutzkolloid  und  von  Palladiummetall  als  Katalysator  in 
kolloider  Lösung.  Ich  selbst  und  meine  Mitarbeiter  benützen  das  ein¬ 
fachere  Verfahren,  nach  welchem  die  Reduktion  des  Alkaloids  und  des 
Palladiumchloriirs  in  einer  einzigen  Operation  bei  Gegenwart  von 
Gummi  arabicum  als  Schutzkolloid  vorgenommen  wird14)  oder  nach 
welchem  der  Wasserstoff  auf  die  saure  Lösung  des  Alkaloids  in 
Gegenwart  von  Palladiumchloriir  ohne  jedes  Schutzkolloid  ein¬ 
wirkt  15)  “ 


Meine  Versuche  am  Menschen  fussen  auf  der  pharma¬ 
kologischen  Prüfung  des  Hydrokodeins  durch  Prof.  Gott- 


lieb  in  Heidelberg. 

Wie  S  k  i  t  a  bereits  in  seiner  Monographie  „Katalytische 
Reduktionen  organischer  Verbindungen“  (Enke,  Stuttgart 
1912,  Seite  24)  berichtet,  fand  G  o  1 1 1  i  e  b,  „dass  das  Dihydro- 
Codein  zwar  demWirkungstypus  des  Kodeins  folgt,  aber  etwas 
stärkere  narkotische  Eigenschaften  besitzt  und  in  den  gleichen 
Gaben  energischer  auf  das  Atemzentrum  einwirkt,  als  das 
Kodein.“ 

Da  über  die  pharmakologischen  Eigenschaften  des  Mittels 
voraussichtlich  von  anderer  Seite  ausführlichere  Mitteilungen  zu  er¬ 
warten  seien,  hat  Herr  Prof.  G  o  1 1 1  i  e  b  sich  damit  beschieden,  mir 
folgende  Notizen  zur  Charakterisierung  des  Dihydrocodeins  zur  Ver¬ 
fügung  zu  stellen: 

„Die  Wirkung  auf  die  Atmung  wurde  am  Kaninchen  näher  ge¬ 
prüft.  Kleine  Gaben,  10—25  mg  p.  K.  beruhigen  das  Atmungs^ntrum 
erheblich  stärker  als  die  entsprechenden  Gaben  der  Codeinsalze. 
10  mg  p.  K.  des  Dihydrocodeins  setzen  die  Frequenz  der  Atmung 
etwa  so  stark  herab,  wie  25  mg  p.  K.  Codein.  Dabei  sinkt  aber  die 
Erregbarkeit  des  Zentrums  gegen  den  Kohlensäurereiz.  (Einatmung 
von  10  proz.  COa)  nach  Dihydro-Codein  nicht  stärker  als  Codein.“ 

Grössere  Gaben,  z.  B.  0,1,  Dihydro-Codein  rufen  wie  grössere 
Gaben  von  Codein  beschleunigte  Atmung  und  Steigerung  der  Reflex¬ 
erregbarkeit  hervor.  Doch  macht  sich  nach  solchen  Gaben  von  Di¬ 
hydro-Codein  zunächst  auch  ein  narkotisches  Stadium  geltend,  und 
zwar  entschieden  deutlicher  als  nach  Codein,  das  bei  Kaninchen  be¬ 
kanntlich  kaum  narkotische  Wirkungen  entfaltet.  Die  narkotische 
Komponente  der  Wirkung  ist  demnach  beim  Dhiydro-Codein  stärker, 
die  tetanische  ist  schwächer  ausgeprägt  als  bei  dem  Codein.  Das 
Dihydro-Codein  gehört  aber  im  übrigen  nach  seinem  Wirkungstypus 
noch  zur  Codeingruppe.“ 


Nachdem  ich  anlässlich  eines  Katarrhs  im  Selbstversuche 
mich  von  der  Wirksamkeit  und  Ungefährlichkeit  einer  halb  so 
grossen  als  der  von  uns  gewöhnlich  verwendeten  Kodeindosis 
überzeugt  hatte,  haben  wir  unsere  Versuche  begonnen  und 
rasch  festgestellt,  dass  wir  die  richtige  Dosierung  getroffen 


hatten. 


u)  Berichte  der  Deutschen  ehern.  Gesellschaft.  Bd.  44,  S.  2865, 

1911. 

12)  Berichte  der  Deutschen  ehern.  Gesellschaft,  Bd.  44,  S.  1829, 

1911. 

13)  Berichte  der  Deutschen  ehern.  Gesellschaft,  Bd.  40,  S.  3347, 

1907. 

“)  Berichte  der  Deutsch,  ehern.  Gesellschaft,  Bd.  41,  S.  2938, 

1908.  D.R.P.  No.  230  724,  1909. 

-5)  Berichte  der  Deutschen  ehern.  Gesellsch.,  Bd.  44,  S.  2865,  1911. 


Die  Beobachtungen  habe  ich  zum  Teil  an  Kranken  meiner 
Privatpraxis,  zum  grossen  Teil  aber  mit  der  Unterstützung 
meines  Mitarbeiters  Dr.  Steffen  in  dem  meiner  ärztlichen 
Leitung  unterstehenden  Sanatorium  für  Lungenkranke  „Haus 
Waldeck“  angestellt.  Sie  erstreckten  sich  über  eine  längere 
Periode  und  sind  an  einer  relativ  kleinen  Patientenzahl  aus¬ 
geführt,  im  ganzen  an  40  Kranken.  Diese  Beschränkung  hat 
ihren  berechtigten  Grund  darin,  dass  wir  Hustenmittel  nur  in 
strenger  und  enger  Indikation  geben  und  dass  überhaupt  nur 
eine  kleine  Anzahl  Kranker  für  das  Ausprobieren  solcher  Mittel 
geeignet  ist. 

Hustenmittel  erscheinen  uns  im  Verlauf  einer  tuber¬ 
kulösen  Erkrankung  nur  angezeigt  zur  Kupierung  eines 
exogenen  absteigenden  Katarrhs,  zur  Ruhigstellung  der  Lunge 
bei  Blutungen  und  Pleuritis  und  in  allen  den  Fällen  bronchialer 
und  pulmonaler  Eiterungen,  in  denen  über  das  Expektorations¬ 
bedürfnis  hinaus  schmerzhafter  und  die  Ruhe  des  Kranken 
störender  Hustenreiz  vorhanden  ist.  Speziell  bei  der  letzt¬ 
genannten  häufigsten  Indikation  ist  der  Arzt  allein  nicht  im¬ 
stande,  den  Wert  eines  Hustenmittels  festzustellen,  ist  viel¬ 
mehr  auf  die  Meinungen  und  Aussagen  der  Kranken  an¬ 
gewiesen. 

Ist  es  aber  bei  den  meisten  Kranken  schon  schwer,  eine 
klare  Auskunft  über  den  produktiven  und  unproduktiven 
Husten  zu  erhalten,  so  wird  die  sichere  Feststellung  erst  recht 
eine  Analyse  der  reizstillenden  Wirkung  eines  Mittels  und 
seiner  etwaigenNebenwirkungen  durch  den  weniger  geschulten 
Kranken  fast  zur  Unmöglichkeit,  und  nur  ein  geringer  Pro¬ 
zentsatz  der  intellektuell  hochstehenden  Menschen  verfügt 
über  die  angeborene  und  durch  Uebung  geschärfte  Selbst¬ 
beobachtungsgabe,  ohne  deren  Mitwirkung  das  Studium  des 
Wertes  eines  Hustenmittels  uns  als  Unmöglichkeit  erscheint 

Einen  objektiven  Massstab  für  die  Wirkung  der  Husten¬ 
mittel  haben  wir  nicht.  Aus  dem  Rückgang  der  Auswurfs¬ 
menge  kann  sie  nur  insoweit  geschlossen  werden,  als  bei  Weg¬ 
fall  des  Reizhustens  das  Sputum  sich  um  die  bronchitischt 
Oberschicht  vermindert.  Die  aus  den  tieferen  Lungenpartiei 
stammende  Sekretion  kann  durch  ein  Hustenmittel  zeitlich  ver 
schoben,  aber  nicht  quantitativ  verändert  werden.  Es  sine 
daher  auch  die  sonst  diagnostisch  so  wertvollen  Sputum¬ 
messungen  für  die  Beurteilung  von  Hustenmitteln  ohne  Belang 

Die  wichtigsten  Aufschlüsse  erhielten  wir  durch  zwe 
Internisten,  welche  sich  in  dankenwerter  Weise  freiwillig  zi 
Versuchen  angeboten  hatten.  Die  beiden  Kranken,  von  denei 
der  eine  seither  an  kavernöser  Phthise  gestorben  ist  uiu 
der  andere  an  mediastinalen  Tumoren  leidet  und  die  beidi 
nicht  an  Morphin  gewöhnt  waren,  wohl  aber  des  fort 
gesetzten  Gebrauches  von  Kodein  in  grossen  Dosen  be 
durften,  machten  so  übereinstimmende  Angaben  über  die  Wirk 
samkeit  und  über  die  Art  der  Wirkung  des  Mittels,  dass  mai 
an  gegenseitige  Beeinflussung  hätte  denken  können,  wem 
nicht  feststände,  dass  beide  einander  persönlich  nicht  kannter 
Es  wurde  von  beiden  ausgesagt: 

1.  dass  das  Mittel  rascher  hustenstillend  wirke  al 
Kodein,  oft  schon  nach  wenigen  Minuten; 

2.  dass  die  Wirkung  länger  anhielte,  als  die  Wirkun 
doppelt  so  grossen  Kodeindosen, 

3.  dass  es  aber  auch  in  kleinen  Dosen  im  Gegensatz  z 
Kodein  eine  leichte  narkotische  Wirkung  habe. 

Durch  diese  wertvollen  Orientierungen  von  den  zu  solche 
Beobachtungen  berufensten  Kranken  glaubten  wir  uns.  dan 
zu  weiteren  Versuchen  berechtigt.  Wir  haben  uns  bei  dei 
selben  unter  kritischer  Abwägung  der  Angaben  der  Lungert 
kranken  davon  überzeugen  können,  dass  die  beiden  Aerzj 
das  Wesen  der  Wirkungsart  des  neuen  Mittels  und  sein 
Differenzierung  von  Kodein  richtig  beschrieben  hatten.  Ali 
Kranken  hatten  vorher  mit  Erfolg  Kodein  genommen  un 
waren  auch  mit  dem  neuen  Mittel  zufrieden.  Es  verstop 
nicht,  und  die  leichte  Schläfrigkeit,  welche  vorübergeherj 
darnach  auftritt,  wurde  von  den  Kranken  nicht  als  Störer 
empfunden.  Auch  bei  längerem  Gebrauch  sahen  wir  uns  nie 
gezwungen,  die  Dosen  zu  steigern.  Man  konnte  den  Gebraut 
des  Mittels  jederzeit  abbrechen  oder  denselben  durch  Kode 
ersetzen,  ohne  dass  auch  nur  Andeutungen  von  Abstinenze 
scheinungen  auftraten.  Trotzdem  wage  ich  nach  der  kurze 


I 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


5  25 


1.  März  1913. 


xfahrung  dem  neuen  Mittel  noch  nicht  nachzurühmen,  dass 
>  von  der  Eigenschaft,  Gewöhnung  hervorzurufen,  völlig  frei 
ei.  Darauf  wird  bei  weiteren  Versuchen  zu  achten  sein.  Es 
;t  aber  nicht  wahrscheinlich,  dass  das  neue  Präparat  Ange- 
öhnung  verursacht  und  sich  darin  anders  verhält,  als  das 
odein,  da  es  ja  auch  keine  Euphorie  hervorruft. 

Ich  kann  demnach  das  Paracodin  auf  Grund  unserer  Er- 
ihrungen  als  Hustenmittel  empfehlen.  Wie  oben  auseinander 
csetzt,  stützt  sich  diese  Empfehlung  in  erster  Linie  auf  die 
»gaben  intelligenter  und  sich  selbst  gut  beobachtender 
atienten  und  auf  den  Gesamteindruck,  den  wir  von  der  Wirk- 
irnkeit  des  Mittels  empfangen  haben.  Das  Paracodin  wird 
ein  Kodein  in  vielen  Fällen  überlegen  sein,  in  anderen  das 
odein  zu  vorteilhafter  Abwechslung  ersetzen  können.  Die 
onnaldosis  wird  für  die  meisten  Fälle  etwa  3  Mal  täglich 
025  g  des  weinsauren  Salzes.  Doch  ist  es  möglich,  dass  man 
uitig  auch  mit  kleineren  Gaben  auskommen  wird.  Anderer¬ 
es  kann  man  auch  ohne  Bedenken  0,05  g  pro  Dose  geben, 
as  Paracodin  ist  also  doppelt  so  wirksam  als  das  Kodein 
ld  wirkt  in  der  halben  Dosis  rascher  und  nachhaltiger  als 
eses.  Störende  Nebenwirkungen  haben  wir  nach  Paracodein 
ienso  selten  gesehen  als  nach  Kodein. 


Herr  Dr.  G.  S  c  h  w  a  r  t  z,  Direktor  des  Krankenhauses  in 
olinar  i.  Eis.,  der  gleichzeitig,  aber  unabhängig  von  mir 
aracodin  in  seiner  Verwendbarkeit  als  Hustenmittel  geprüft 
it,  kam  zu  gleichlautenden  Resultaten  und  machte  mir,  mit 
,‘r  Erlaubnis  sie  zu  verwenden,  hierüber  folgende  Mit- 
ilungen: 

„Das  Präparat  wurde  in  mehreren  Fällen  von  vorge¬ 
schrittener  Lungentuberkulose  längere  Zeit  hindurch  in  An¬ 
wendung  gebracht.  Die  Einzeldosen  betrugen  0,02—0,0-4. 
Eine  Einwirkung  auf  die  tägliche  Sputummenge  wurde  nicht 
beobachtet.  Die  Zahl  der  stärkeren  Hustenanfälle  blieb  an¬ 
nähernd  die  gleiche  als  bei  der  gewohnten  Indikation  mit 
0,04  Kodein. 

Doch  wurde  das  neue  Präparat  von  der  Mehrzahl  der 
Patienten  als  rascher  und  intensiver  wirkend  bezeichnet,  ein 
intelligenter  Kranker  gab  schon  nach  8—10  Minuten  Ein¬ 
setzen  der  beruhigenden  Wirkung  auf  den  Hustenreiz  an. 

Nach  meinen,  allerdings  nur  geringen  Erhebungen  halte 
ich  0,03  als  die  in  den  meisten  Fällen  geeignete  Dosis.  Doch 
kann  0,04  als  Einzeldosis  mehrmals  täglich  ohne  Schaden 
gegeben  werden.  Kleinere  Dosen  von  0,02  wurden  wieder¬ 
holt  als  zu  wenig  wirksam  bezeichnet.  Ueble  Nebenerschei¬ 
nungen  oder  Angewöhnung  wurden  nicht  beobachtet.“ 


ber  ein  neues  Entfettungsmittel:  kolloidales  Palladium¬ 
hydroxydul  („Leptynol“). 

1  n  Privatdozent  Dr.  med.  et  phil.  M.  Kauffmann  in  Halle. 

Die  physiologische  und  therapeutische  Wirkung  der 
lloidalen  Metalle  wird  in  der  neueren  Zeit  immer  mehr  ge- 
■  irdigt.  Am  besten  und  längsten  erprobt  ist  das  Kollargol, 
t  dem,  intravenös  und  rektal  angewendet,  teilweise  sehr 
0e  Erfolge  erzielt  wurden,  besonders  bei  Sepsis1).  Bezüg- 
i  der  Literatur  verweise  ich  auf  das  Sammelreferat  von 
a  r  -). 

Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  die  Metalle  der 
ttingruppe  und  ganz  besonders  das  Palladium  als  hervor- 
;ende  Katalysatoren  z.  B.  als  Sauerstoffüberträger,  bei 
1  »chen  Erkrankungen  günstig  wirken  könnten  (es  sind  z.  B. 
ige  durch  kolloidale  Metalle  mit  Erfolg  behandelte  Fälle 
i  Gicht  in  der  Literatur  angeführt),  habe  ich  besonders  an 

Anwendung  der  genannten  Metallgruppe  bei  der  „all- 
neinen  Oxydationsstörung“,  der  Fettsucht,  gedacht. 

Dafür  geeignet  erschienen  die  von  C.  P  a  a  1  und  C.  A  m  - 
rger  dargestellten  kolloidalen  Metalle  der  Platingruppe  *), 
loidales  Palladium,  Platin,  Iridium  und  Osmium.  Diese 


)  Vergl.  Ed.  Aronsohn:  Ueber  die  medikamentöse  Therapie 
ernder  Kranker.  Therapie  der  Gegenwart,  Märzheft  1908. 
äi  Lzar:  Therapie  der  Gegenwart.  Märzheft  1909. 

)  Berichte  der  Deutschen  chemischen  Gesellschaft  37,  124;  38, 

’S;  40,  1392. 


nach  dem  Paal  sehen  Verfahren  unter  Anwendung  von  pro- 
talbinsaurem  oder  lysalbinsaurem  Natrium  als  Schutzkolloiden 
gewonnenen  kolloidalen  Platinmetalle  zeichnen  sich  durch  ihre 
grosse  Beständigkeit  aus,  so  dass  sie  auch  in  fester  Form  ge¬ 
wonnen  werden  können  und  in  diesem  Zustande  jahrelang  die 
Eigenschaft  bewahren,  sich  in  Wasser  kolloidal  zu  lösen. 

Ich  habe  mich  mit  Prof.  Paal  ins  Einvernehmen  gesetzt 
und  auf  seinen  Rat  eine  Lösung  angewendet: 

Colloid.  Palladium  l.o 

Natr.  carb. 

Natr.  chlorat.  ää  0  4 

Aqua  dest.  ad  100; 

davon  habe  ich  zunächst  bei  mir  selbst  in  die  Bauchgegend  2, 
später  5  mg  Metall  injiziert.  Ich  beobachtete  danach  Fieber,’ 
das  auch  schon  nach  der  Anwendung  von  anderen  kolloidalen 
Metallen  beschrieben  worden  ist  (vgl.  das  Referat  von  Izar); 
dagegen  trat  die  von  anderen  Autoren  nach  der  Anwendung 
von  kolloidalen  Metallen  berichtete  Mattigkeit  und  Zer¬ 
schlagenheit  nicht  auf,  im  Gegenteil,  ich  fühlte  mich  ausser¬ 
ordentlich  frisch  nach  den  Injektionen.  Ein  mässig  starker 
Fettansatz  am  Abdomen  verringerte  sich,  und  es  erfolgte 
binnen  10  Tagen  eine  Gewichtsabnahme  von  4  kg,  Fieber 
wurde  nur  bis  38,8 u  i.  R.  beobachtet.  An  der  Stelle  der  Ein¬ 
spritzung  trat  lebhafte  Schwarz-  und  Blaufärbung  der  Haut 
auf,  die  zwar  etwas  verblasste,  aber  bis  heute  nach  Verlauf 
von  2V%  Jahren  noch  sichtbar  ist.  Der  Urin  war  frei  von  Ei- 
v^eiss  und  Zucker. 

Um  nun  festzustellen,  ob  bei  längerer  Anwendung  dieses 
Präparates  Störungen  auftreten,  wurden  bei  2  Kaninchen, 
2,5  und  2,8  kg  schwer,  2  Monate  lang  täglich  je  5  mg  der 
genannten  Palladiumlösung  injiziert.  Die  Tiere  erfreuten  sich 
•  des  besten  Wohlbefindens.  Der  Urin  war  frei  von  Eiweiss, 
Zucker  und  Blut,  die  Temperaturmessung  ergab  keine  deut¬ 
lichen  Ausschläge.  Bei  der  Sektion  zeigte  sich,  dass  ein 
grosser  Teil  des  Metalles  unter  der  Haut  liegen  geblieben 
war.  Bei  einem  Tier  war  das  Epikard  metallisch  gefärbt. 

Es  bot  sich  mir  alsbald  Gelegenheit,  bei  einem  jüngeren 
Kollegen,  Herrn  cand.  ehern.  D.,  die  Wirkung  des  Präparates 
zu  versuchen.  Bei  einer  Grösse  von  1,66  m  wog  er  108,5  kg. 
Er  hatte  schon  alles  mögliche  probiert:  Diätkuren,  Schild¬ 
drüsentabletten  etc.  Die  Kuren  halfen  nur  vorübergehend. 
Besonders  hatte  er  unter  Herzbeschwerden  zu  leiden.  Ich 
injizierte  bei  ihm  täglich  5  bis  höchstens  7  mg.  Der  Patient 
bemerkte  bei  sich  in  der  Folgezeit  eine  ausserordentliche 
Arbeitskraft  und  Arbeitsfreudigkeit,  eine  Steigerung  der  Po¬ 
tenz  und  ein  vollständiges  Verschwinden  der  Herzbeschwerden. 
Trotzdem  Fettherz  unzweifelhaft  bestanden  hatte,  war  nur 
einmal  bei  Verabreichung  von  8  mg  etwas  Herzklopfen  auf¬ 
getreten.  Er  nahm  im  ganzen  in  3  Monaten  19  kg  ab. 

Bei  einem  anderen  Falle  von  Fettherz  mit  drohenden  Kom¬ 
pensationsstörungen  wurde  nrit  20  Palladiuminjektionen  ä  5  bis 
10  mg  Palladium  eine  Gewichtsabnahme  von  9  kg  erzielt,  ohne 
dass  sich  schädliche  Nebenwirkungen  eingestellt  haben. 

Das  Mittel  wurde  weiterhin  bei  verschiedenartigen  Krank¬ 
heiten  angewendet.  Bei  organischen  Nervenleiden  zeigte  sich 
kein  wesentlicher  Erfolg,  dagegen  bei  3  Fällen  von  Neu¬ 
rasthenie.  Bei  einem  Fall  von  Diabetes  ging  die  aus¬ 
geschiedene  Zuckermenge  etwas  zurück,  leider  war  die  Be¬ 
obachtungszeit  nur  eine  kurze.  Dagegen  war  bei  ver¬ 
schiedenen  Fällen  von  Adipositas  eine  zum  Teil  beträchtliche 
Gewichtsabnahme  mit  und  ohne  Einhaltung  einer 
entsprechenden  Diät  zu  konstatieren. 

Da  das  Mittel  infolge  der  Blaufärbung  der  Haut  nicht  zur 
praktischen  Anwendung  geeignet  schien,  stellte  mir  Paal 
Palladoazetat  her.  Die  Injektionen  hinterliessen  zwar  keine 
Färbungen,  waren  aber  ausserordentlich  schmerzhaft. 

Weitere  Versuche  wurden  mit  den  von  C.  Paal  kürz¬ 
lich  unter  Anwendung  von  protalbinsaurem  Natrium  als 
Schutzkolloid  dargestellten  kolloidalen  Hydroxyden  der  sechs 
Platinmetalle:  Palladium,  Platin,  Rhodium,  Iridium,  Ruthenium 
und  Osmium  ‘)  ausgeführt  und  zwar  kam  zuerst  das  kolloidale 
Palladiumhydroxydul  Pd  (OH)a  zur  Anwendung.  Verfärbungen 
der  Injektionsstellen  traten  hierbei  zwar  nicht  auf,  aber  die 
wässerige  Lösung  des  Kolloids  erwies  sich  als  stark  reizend. 


*)  D.R.P.  No.  248525. 


No.  10. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


So  erzeugte  die  Injektion  von  5  mg  Lösung  faustdicke  Infil¬ 
trationen  mit  nachfolgender  Nekrose  der  Haut.  Auch  Ver¬ 
mengung  der  wässerigen  Palladohydroxydlösung  mit  Gummi 
arabicum  oder  mit  50—60  proz.  Glyzerin  schwächte  die 
reizende  Wirkung  des  Präparates  nur  wenig  ab.  Indessen 
wurde  trotzdem  eine  Reihe  von  Fällen  von  Adipositas  mit 
diesem  Präparat  mit  Erfolg  behandelt. 

Da  man  bei  Anwendung  der  anderen  Metalle  der  Platin¬ 
gruppe  bezw.  ihrer  Hydroxyde  für  sich  oder  in  der  Kombi¬ 
nation  eines  derselben  mit  kolloidalem  Palladohydroxyd  mög¬ 
licherweise  ebenfalls  günstige  Resultate  erzielen  konnte, 
machte  ich  bei  mir  Injektionen  mit  kolloidalen  wässerigen 
Lösungen  von  Platinhydroxydul  Pt  (OHL,  mit  kolloidalem 
Rhodiummetall,  dann  kolloidalem  Rhodiumhydroxyd  Rh  (OHL, 
mit  kolloidalem  Iridiumhydroxyd  Ir  (OH)«,  mit  kolloidalem 
Osmiumhydroxyd  Os  (OH)i,  und  mit  kolloidalem  Ruthenium¬ 
hydroxyd  Ru  (OHL.  Nur  nach  der  Injektion  von  kolloidalem 
Iridium  wurden  zuweilen  etwas  höhere  Temperaturen  (einmal 
38,8°)  beobachtet,  während  die  Injektion  mit  anderen  Metallen 
nur  einen  geringen  Temperaturanstieg  erzielte. 

Die  genannten  kolloidalen  Metallhydroxydlösungen  wurden 
auf  ihre  hämolytische  Wirkung  geprüft. 

Es  wirkten  hämolytisch: 

Palladiumhydroxydul  in  Verdünnung  von  1:25  000, 
Platinhydroxydul  in  Verdünnung  von  1 :  4  000. 

Iridiumhydroxyd  in  Verdünnung  von  1 :  2  000, 

während  die  Hydroxyde  des  Osmiums,  Rhodiums  und  Ruthe¬ 
niums  nur  in  einer  Verdünnung  1  auf  750 — 1000  hämolytisch 
wirkten. 

Man  wäre  versucht,  die  Temperatursteigerungen  und  die 
starke  örtliche  Reizung  auf  die  hämolytische  Wirkung  zu  be¬ 
ziehen.  Gegen  diese  Auffassung  spricht  aber  die  Beobachtung, 
dass  in  Ruhelage  nach  der  Injektion  nur  Temperatursteige¬ 
rungen  von  wenigen  Zehntelgraden  auftraten.  Zur  Erzielung 
höherer  Temperatursteigerungen  war  immerhin  eine  nicht  un¬ 
erhebliche  Muskelarbeit  nötig. 

Diese  Temperatursteigerungen  begannen  2  Stunden  nach 
der  Injektion  und  hielten  sich  auf  der  Höhe  bis  7  Stunden 
nach  derselben.  Als  höchste  Temperatur  wurden  40,2°  rectal 
gemessen.  Bei  diesen  Temperatursteigerungen  traten  —  wie 
schon  erwähnt  —  keine  Beschwerden  auf;  im  Gegen¬ 
teil,  es  bestand  ein  ausgesprochenes  Wohlbefinden. 

Versagt  hat  das  Palladium  bei  3  Fällen  von  Der  cum  - 
scher  Krankheit,  doch  gelang  es  bei  2  derselben,  wenigstens 
die  schmerzhaften  Reizerscheinungen  in  hohem  Masse  herab¬ 
zusetzen. 

Da  Gewichtsabnahmen  ausblieben,  wenn  kein  Fieber  auf¬ 
trat,  so  möchte  ich  erstere  durch  letzteres  erklären.  Ver¬ 
mutlich  regen  die  Platinmetall-Kolloide  die  Verbrennungs- 
vorgänge  an,  und  infolge  von  erhöhten  Oxydationsvorgängen 
erfolgt  dann  Zerfall  von  Körpersubstanz.  Eigentümlich  war 
die  Beobachtung,  dass  eine  magere  Person  nach  der  Injektion 
von  Palladium  bezw.  Palladiumhydroxydul  trotz  starker 
Muskelarbeit  weder  Temperatursteigerung  noch  Abnahme  des 
Körpergewichtes  zeigte. 

Injektionen  mit  kolloidalem  Palladiumoleat  und  Palladium¬ 
resinat  in  öliger  Lösung  erregten  ebenfalls  starke  örtliche 
Reaktion.  Die  ausserordentliche  Reizwirkung  des  wässerigen 
Präparates  wurde  zu  vermeiden  gesucht  durch  Suspension  des 
feingepulverten  Pd  (OHL  in  Olivenöl  oder  flüssigem  Paraffin. 
Es  gelang  durch  diese  Massnahme  zweierlei  zu  erzielen:  Zu¬ 
nächst  wurde  die  Löslichkeit  des  Mittels  in  den  Körpersäften 
eine  langsamere,  und  es  wurde  dadurch  auch  eine  längere 
Wirkung  des  Mittels  erzielt.  Da  aber  die  Injektion  von  sus¬ 
pendierten  Stoffen  die  Dosierung  immerhin  etwas  ungenau 
macht,  so  sollte  versucht  werden,  die  Hydroxyde  des  zwei¬ 
wertigen  Palladiums  und  des  Platins  Pd  (OH):  und  Pt  (OHL 
als  O  r  g  a  n  o  s  o  1  e,  d.  h.  als  in  organischen  Flüssig¬ 
keiten  lösliche  Kolloide  darzustellen.  Dies  gelang 
dann  auch  C.  Paal  und  C.  Amberger  nach  einem  von 
letzterem  in  Anlehnung  an  die  Paal  sehe  Methode  gefun¬ 
denen  Verfahren 5)  unter  Anwendung  von  Wollfett  als 
Schutzkolloid.  Die  so  erhaltenen  Präparate  von  kolloi¬ 
dalem  Palladiumhydroxyd  bzw.  Platinhydroxydul  in  Kom¬ 
bination  mit  Wollfett  zeigen  die  interessante  Eigenschaft,  sich 


in  allen  Wollfett  lösenden  organischen  Flüssigkeiten,  z.  B. 
Aether,  Chloroform,  Petroläther,  flüssigem  Paraffin  etc. 
kolloidal  in  Form  sehr  haltbarer  Organosole 
zu  lösen. 

Für  meine  Versuche  wurden  die  vorerwähnten  Präparate 
in  flüssigem  Paraffin  gelöst.  Die  so  erhaltenen  „Paraffin 
osole“  des  Palladiumhydroxy  d  u  1  s  Pd  (OHL  und 
des  Platinhydroxyduls  Pt  (OHL  bilden  schwarz¬ 
braune,  im  reflektierten  Licht  undurchsichtige  Flüssigkeiten 
denen  ein  bestimmter  Gehalt  des  wirksamen,  kolloidalen  Pia- 
tinmetallhydroxyduls  gegeben  wurde  und  zwar  verwendete 
ich  Sole,  die  im  Kubikzentimeter  25  bzw.  50  mg  Palladium  ir 
Form  des  kolloidalen  Hydroxyduls  enthielten.  Mit  dieser 
Flüssigkeiten  wurde  eine  Reihe  von  Fällen  behandelt. 

Ais  zweckmässig  stellte  sich  in  der  Folge  heraus,  grossen 
Mengen  des  Präparates  auf  einmal  zu  verwenden,  50  mg  ja 
sogar  100  mg  Palladium  in  Form  des  kolloidalen  Pd(OHL. 

Die  Temperatursteigerungen  traten  bei  Verwendung  de 
Pd  (OH):  =  Organosole  nicht  mehr  so  plötzlich  auf,  aber  si. 
hielten  um  so  länger  an.  An  der  Injektionsstelle  trat  nur  ein. 
mässige,  nicht  schmerzhafte  Infiltration  aui 
welche  nach  einigen  Wochen  wieder  zurückging.  F  ä  r  b  u  n 
der  Injektionsstelle  war  nicht  zu  bemerke r 
Vergleichende  Versuche  über  die  Resorption  des  kolloidale' 
Pd  (OH)»  einerseits  als  Hydrosol,  andererseits  als  Paraffinosc 
ergaben  folgende  Resultate:  25  mg  Pd  (OHL  als  Hydroso 
einem  Hunde  injiziert,  wurden  von  Paal  fast  quantitati' 
(21,5  mg)  im  Harn  wiedergefunden.  Von  0,21  g  Palladium 
hydroxydul  als  festes  Hydrosol  per  os  gegeben,  konnte  ir 
Harn  überhaupt  nichts  nachgewiesen  werden,  in  den  Fäzel 
wurden  von  Paal  0,2095  g  gefunden.  In  den  Harn  eine 
Hundes,  der  0,0915  g  Palladium  als  kolloidales  Pd  (OH)»  i 
Wollfett  (in  Paraffin  liquid,  gelöst)  injiziert  erhielt,  wurden  ir 
Verlauf  von  7  Tagen  nur  6  mg  Palladium  ausgeschieden.  Di 
Resorption  und  Ausscheidung  des  Palladiumhydroxyduls  ai 
Paraffinosol  ist  also  im  Gegensatz  zu  der  seines  Hydrosol 
eine  ausserordentlich  langsame,  wie  dies  ja  auch  die  klinisch 
Erfahrung  vermuten  liess. 

Zur  definitiven  Anwendung  erwies  sich  eine  kolloidal 
Lösung  von  Wollfett-Palladium hydroxydu 
in  flüssigem  Paraffin,  welche  2,5  proz.  Palladium  a 
Pd  (OH):  =  Organosol,  demnach  in  1  ccm  25  mg  Palladim 
enthält,  am  geeignetsten.  Da  das  Präparat  etwas  dickflüssi 
ist,  so  wird  es  am  zweckmässigsten  vor  dem  Gebrauch  etwa 
erwärmt.  Man  kann  es  mit  einer  mittelstarken  Kanüle  eint 
Luerspritze  bequem  injizieren.  Es  werden  jedesmal  2  ccl 
des  Präparates  tief  in  das  Bauchfett  injiziert;  die  Patientc 
sollen  dann  an  den  folgenden  Tagen  sich  reichlich  Bewegunge 
machen.  Die  besten  Resultate  erzielt  man  —  wie  schon  ej 
wähnt  —  durch  eine  Kombination  der  Metallbc 
handlung  mit  einer  Marienbader  Diätku 
Letztere  wird  also  nicht  etwa  durch  das  Mittel  überflüssi 
sondern  sie  wird  nur  in  manchen  Fällen  noch  erfolgt 
reicher  ausfallen. 

Von  besonderer  Bedeutung  scheint  mir  die  Tatsache  ; 
sein,  dass  Personen,  die  auch  nach  erfolgreicher  Palladiuij 
kur  wieder  späterhin  an  Gewicht  zugenommen  haben,  doch 
keinem  der  von  mir  beobachteten  Fälle  ihr  früheres  Gewic 
erreicht  haben.  Es  ist  ja  leider  wahr,  dass  Patienten,  wei. 
sie  aus  Marienbad  zurückkehren,  dann  sozusagen  als  Reaktic, 
gegen  die  wochenlang  auferlegten  Entbehrungen  nur  alb 
reichlich  essen  und  trinken;  ich  habe  übrigens  mit  dies 
Eigentümlichkeit  auch  bei  Patienten  während  meiner  Behau 
lung  zu  rechnen  gehabt,  denn  bei  einigen  wäre  die  Kur  vj 
erfolgreicher  gewesen,  wenn  sie  nicht,  vertrauend  auf  t 
Wirkung  des  Mittels,  nun  ungehemmt  „ihren  Gefühlen  frei? 

.  Lauf  gelassen  hätten“. 

Mit  verschiedenen  Patienten  habe  ich  dann  auch  wiedc. 
holungskuren  vorgenommen  —  aber  solche  sind  ja  auch  1 
anderen  Erkrankungen  häufig  notwendig. 

Das  Präparat  wird  von  der  Chem.  Fabrik  Kalle  &  L 
A.-G.,  Biebrich  a.  Rhein  nach  der  Amberger-Paal sch 
zum  Patent  angemeldeten  Vorschrift  hergestellt,  und  ka 
unter  dem  Namen  „Leptynol“,  (von  Ae7r zog  dünn,  mager),  1 
zogen  werden.  (Originalpackung  von  10  ccm  =  5  In jektionc- 
Apothekenpreis  Mk.  15.—.) 


5)  Zeitschrift  für  Colloid-Chemie  XI,  97,  100;  D.R.P.  No.  229306. 


II.  Marx  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


527 


Einige  an  Patienten  festgestellte  Gewichtsabnahmen 
mögen  hier  die  Wirkung  des  Mittels  illustrieren  : 


z. 

Keine  Diät. 

L. 

Keine  Diät. 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

15.  VI. 

50  mg 

84,6 

18.  VII. 

50  mg 

93,2 

22.  VI. 

50  „ 

83,2 

22.  VII. 

50  „ 

92,9 

29.  VI. 

50  „ 

82,3 

31.  VII. 

50  „ 

92,1 

6.  VII. 

50  „ 

81,5 

15.  VIII. 

50  „ 

90,6 

13.  VII. 

50  . 

80,8 

24.  VIII. 

50  „ 

90,2 

20.  VIII. 

50  „ 

80,0 

30.  IX. 

50  „ 

88,6 

28.  VIII. 

50  „ 

79,6 

9.  X. 

50  „ 

88,5 

2.  IX. 

50  , 

79,3 

16.  X. 

88,0 

14.  IX. 

78,4 

Q. 

Keine  Diät. 

H. 

Keine  Diät. 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

1.  II. 

50  mg 

141,3 

1.  V. 

50  mg 

111,5 

5.  II. 

50  „ 

140,5 

8.  V. 

50  „ 

110,1 

S.  11. 

50  „ 

139,9 

15.  V. 

50  „ 

108,9 

11.  11. 

50  , 

139,3 

22.  V. 

50  „ 

107,6 

18.  II. 

50  „ 

138,7 

29.  V. 

106,7 

25.  11. 

50  , 

137,8 

2.  III. 

137,4 

S. 

Geringe  Beschränkung 

S. 

Geringe  Beschränkung 

der  Nahrungszutuhr. 

der  Nahrungszufuhr. 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

Datum 

Palladium 

Gewicht 

11.  XI. 

50  mg 

98,9 

3.  IV. 

50  mg 

94,8 

15.  XI. 

50  . 

98,05 

10.  IV. 

50  „ 

92,9 

18.  XI. 

50  „ 

97,6 

17.  IV. 

50  „ 

91,8 

22.  XI. 

50  „ 

96,6 

24.  IV. 

50  „ 

90,6 

29.  XI. 

50  „ 

95,4 

30.  IV. 

50  „ 

89,2 

5.  XII. 

94,6 

6.  V. 

50  „ 

88,1 

13.  V. 

50  „ 

86,8 

20.  V. 

84,5 

Bemerkenswert 

erscheint, 

dass 

bei  allen 

Patienten 

während  der  Behandlung  eine  deutliche  Euphorie  eintrat. 

Je  nach  der  zur  Verfügung  stehenden  Zeit  wird  alle 
14  Tage  bis  zweimal  wöchentlich  injiziert. 

Wegen  des  hohen  Preises  des  Palladiums  wurden  auch 
\ ersuche  mit  dem  von  Paal  und  Amberger  auf  analogem 
Wege  dargestellten  Paraffinosol  des  Platinhydroxyduls 
Pt  (OH)2  für  sich  und  mit  Palladiumhydroxydul-Organosol 
kombiniert,  angestellt.  Die  Resultate  waren  günstige,  indessen 
ist  dieses  kombinierte  Präparat  noch  nicht  genügend  lange 
erprobt,  um  es  schon  jetzt  in  die  Therapie  einführen  zu  können. 

Da  das  kolloidale  Palladiumhydroxydul  Pd  (OHR  in 
36  Fällen  und  zum  Teil  wiederholt  in  dem  Zeitraum  von 
2R  Jahren  erprobt  worden  ist,  so  kann  heute  schon  ein  Urteil 
über  seine  Wirksamkeit  bei  Fettsucht  abgegeben  werden:  In 
vielen  Fällen  vermag  es  bei  der  Behandlung  der  Adipositas 
—  insbesondere  bei  ausgesprochenen  Formen  derselben  — 
eine  günstige  Wirkung  zu  entfalten. 


Chloroformnarkose  und  Leberkrankheiten*). 

\ on  Dr.  Wilhelm  Hildebrandt,  Privatdozent  in  Frei¬ 
burg  i.  B. 

M.  H.!  Im  Anschluss  an  Operationen,  welche  in  Chloro¬ 
formnarkose  vorgenommen  werden,  kommen  Todesfälle  vor, 
welche  weder  durch  den  Eingriff  an  sich  oder  den  Blutverlust, 
noch  auch  durch  septische  Vorgänge  erklärt  werden  können. 
Es  handelt  sich  dabei  um  Fälle  von  sog  „später  Chloro¬ 
form  v  e  r  g  i  f  t  u  n  g“.  Klinisch  bieten  diese  Fälle  ein  durch¬ 
aus  charakteristisches  Krankheitsbild,  welches  von  Mus¬ 
chs  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  und  eingehenden 
Literaturstudiums  in  folgender  Weise  geschildert  wird: 

„Nachdem  wenige  Stunden  nach  der  Narkose  das  übliche 
postnarkotische  Erbrechen  aufgehört  hat,  liegt  der  Patient 
uhig  im  Bett;  etwaige  Klagen  betreffen  Schmerzen  in  der 
Umgegend  des  Operationsgebietes  oder  Durst.  Ungefähr 
*2—34  Stunden  nach  der  Narkose  wiederholt  sich  das  Er¬ 
brechen  (21  von  den  26  Fällen — meist  kaffeesatzähnliche  Masse), 
Jie  Pulsfrequenz  nimmt  zu,  der  Patient  wird  unruhig  und  zu¬ 
gleich  apathisch;  der  Urin,  der  in  geringen  Quantitäten  abgeht, 
-‘nthält  Albuinen  (10  von  den  15  Fällen)  und  Azeton  (3  von  den 
1  Fällen).  Dann  werden  die  Erscheinungen  progredient;  nach 
1—5  lagen  verfällt  der  Patient  in  Koma,  um  nach  wenigen 

.  *)  Vortrag,  gehalten  auf  dem  Oberrheinischen  Aerztetag  zu 

reilmrg  i.  B. 


Stunden  ohne  in  die  Augen  fallende  Erscheinungen  zu 
sterben.  Weniger  häufig  vorkommende  Begleiterscheinungen 
sind:  hohe  Temperatur  (7  von  den  15  Fällen)  ohne  bestimmten 
Kurventypus,  Ikterus  (9  von  den  23  Fällen),  Delirium.“ 

Schon  lange  hatte  man  erkannt,  dass  das  Chloroform  zu 
diesen  im  Anschluss  an  Operationen  auftretenden  Erkran¬ 
kungen  und  Todesfällen  in  Beziehung  stehen  müsste,  und  hatte 
versucht,  durch  pathologisch-anatomische  Untersuchungen  die 
Frage  zu  klären.  Nachdem  man  vorübergehend  das  Haupt¬ 
gewicht  auf  die  fettigen  Degenerationen  in  Herz  und  Niere 
gelegt  hatte,  gelangte  man  endlich  zu  der  heute  allgemein 
anerkannten  Anschauung,  dass  die  Veränderungen  der  Leber 
als  wesentlichster  Faktor  der  „späten  Chloroformvergiftung“ 
anzusehen  sind.  Man  fand  —  und  es  sind  diese  Befunde  in 
letzter  Zeit  von  M  u  s  k  e  n  s,  B  0  c  k,  O  p  i  e  u.a.m.  bestätigt  — , 
dass  ^  bei  Todesfällen  infolge  von  „später  Chloroformvergif¬ 
tung“  in  der  Leber  Veränderungen  auftreten,  welche  an  das 
Krankheitsbild  der  akuten  gelben  Leberatrophie  erinnern. 

Zur  weiteren  Klärung  der  Frage  dienen  die  Tierversuche, 
welche  von  den  verschiedensten  Autoren  vorgenommen  sind, 
und,  soweit  überhaupt  die  Leber  genauer  untersucht  wurde, 
stets  in  übereinstimmender  Weise  darauf  hindeuten,  dass 
Chloroform,  ohne  Mitwirkung  irgend  welcher  anderer  Fak¬ 
toren,  sehr  wohl  in  der  Lage  ist,  schwere  degenerative  Zu¬ 
stände  in  der  Leber  hervorzurufen.  Diese  sind  dadurch  ge¬ 
kennzeichnet,  dass  zunächst  eine  mehr  oder  minder  ausge¬ 
dehnte  Verfettung  der  Leber  auftritt,  auf  welche  bei  weiter¬ 
gehender  Wirkung  des  Chloroforms  eine  zentrale  Läppchen¬ 
nekrose  folgt,  welche  unter  Umständen  zum  Untergange  des 
grössten  Teiles  der  Leberazini  führen  kann.  Nur  eine  schmale 
Randzone  der  Azini  »pflegt  in  der  Umgebung  der  Glisson- 
schen  Kapsel  erhalten  zu  bleiben.  Des  Genaueren  will  ich  auf 
diese  Fragen,  welche  seitens  der  oben  genannten  Autoren  aus¬ 
gezeichnete  Schilderungen  erfahren  haben,  nicht  eingehen, 
muss  aber  im  Hinblick  auf  die  Arbeit  von  O  p  i  e  betonen,  dass 
Chloroform  in  VerbindungmitBakterienweit 
zerstörenderwirkt,  als  ohne  dieselben;  ja,  dass  weder 
Chloroform  allein,  noch  Bakterien  allein  in  der  Lage  zu  sein 
scheinen,  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  im 
Sinne  von  akuter  gelber  Leberatrohpie  hervorzurufen,  wie  sie 
übrigens  durch  Bakterien  in  Gemeinschaft  mit  Chloroform 
erzielt  werden  können. 

Die  Tierversuche  lehren  zusammen  mit  der  klinischen  Be¬ 
obachtung,  dass  das  Chloroform  für  sich  allein  in  der  Lage 
ist,  schwerste  Degenerationszustände  selbst  der  gesunden 
Leber  zu  bewirken,  dass  es  im  Verein  mit  bakteriellen  Ein¬ 
flüssen  zu  akuter  gelber  Leberatrophie  führen  kann,  und  end¬ 
lich,  dass  Todesfälle,  welche  einige  Zeit  nach  einer  Chloro¬ 
formnarkose  im  Verlaufe  eines  typischen  Krankheitsbildes  auf¬ 
treten  und  einen  entsprechenden  pathologisch-anatomischen 
Befund  aufweisen,  mit  Bestimmtheit  auf  Chloro¬ 
form  Vergiftung  zurückgeführt  werden  müssen. 

Nicht  ganz  geklärt  scheint  mir  die  Frage,  ob  das  Krank¬ 
heitsbild  der  akuten  gelben  Leberatrophie  durch  Chloro¬ 
form  allein  ohne  Mitwirkung  von  anderen  Faktoren  her¬ 
bei  geführt  werden  kann.  Höchst  wahrscheinlich  ist  neben 
dem  Chloroform  noch  ein  zweiter  Faktor  erforderlich  und  ich 
glaube,  dass  es  sich  dabei  entweder  um  Allgemeininfektionen 
handelt,  welche  auch  die  Leber  in  Mitleidenschaft  gezogen 
haben  (Hepatitis  parenchymatosa  bei  Scharlach,  Erysipel, 
Sepsis  etc.),  oder  um  Leberkrankheiten  anderer  Art,  wie  das 
auch  A  u  b  e  r  t  i  n  (1909)  annimmt.  Als  solche  kommen  z.  B. 
Stauungsleber,  Leberzirrhose,  Leberveränderungen  im  An¬ 
schluss  an  Alkoholismus  u.  a.  m.  in  Betracht.  Endlich  ist  noch 
zu  beachten,  dass  die  verschiedensten  Allgemeinstörungen, 
welche  die  Widerstandskraft  des  Körpers  untergraben,  mög¬ 
licherweise  auch  dem  Auftreten  schwerer  Chloroform¬ 
nekrosen  der  Leber  Vorschub  leisten  (Stoffwechselstörungen, 
Blutverluste  usw.). 

Sicherlich  ist  eine  kranke  Leber  weit  mehr  der  Gefahr 
ausgesetzt,  bei  der  Chloroformnarkose  Schaden  zu  erleiden, 
als  eine  vorher  gesunde. 

Eine  zweckmässige  Prophylaxe  gegen¬ 
über  etwaigen  Schädigungen  der  Chloro¬ 
formnarkose  kann  infolgedessen  nur  dadurch  geübt 
werden,  dass  man  sich  bemüht,  vor  jeder  Narkose  eine 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  in. 


528 


peinlich  exakte  Gesamtuntersuchung  vorzunehmen,  welche 
vor  allem  auch  dem  Zustande  der  Leber  die  weitgehendste 
Beachtung  schenkt.  Dabei  genügt  es  nicht,  dass  schwer¬ 
wiegende  Leberkrankheiten  wie  vorgeschrittene  Zirrhose, 
Amyloid,  fühlbare  Tumormetastasen  in  der  Leber  erkannt 
werden,  sondern  es  ist  notwendig,  auch  beginnende  Leber¬ 
erkrankungen,  welche  physikalisch  noch  gar  keine 
Erscheinungen  machen,  mit  einiger  Sicherheit  zu  er¬ 
kennen,  um  bei  der  Indikationsstellung  zu  einer  Operation 
und  zu  einer  Narkose  auf  sie  Rücksicht  nehmen  zu 
können. 

Selbstverständlich  sind  die  verschiedenen  Leberkrank¬ 
heiten  in  dieser  Hinsicht  ganz  verschieden  zu  beurteilen  und 
ich  glaube,  dass  man  beispielsweise  eine  infektiöse  Hepatitis 
parenchymatosa  oder  eine  Stauungsleber  bei  schwerem  Herz¬ 
fehler  ganz  anders  zu  bewerten  hat,  wie  etwa  einen  nur  kurze 
Zeit  bestehenden  sogen,  katarrhalischen  Ikterus  oder  auch  das 
weite  Gebiet  der  Gallensteinerkrankungen,  soweit  diese  das 
Leberparenchym  nicht  wesentlich  in  Mitleidenschaft  ziehen. 

Die  physikalischen  Untersuchungsmethoden  reichen  bei 
weitem  nicht  aus,  um  den  Bedürfnissen  zu  genügen,  die  wir  für 
die  Beurteilung  des  Verhaltens  der  Leber  an  sie  stellen 
müssen,  wir  haben  vielmehr  zu  den  feineren  chemischen  Prü¬ 
fungen  der  Leber  unsere  Zuflucht  zu  nehmen,  denn  auch  der 
Ikterus  und  die  Ausscheidung  von  Bilirubin  im  Harn  sind  in 
diagnostischer  Hinsicht  durchaus  unzureichend.  Wirklich 
brauchbaren  Aufschluss  bekommen  wir  nur  durch  die  Be¬ 
obachtung  des  Harn  urobilins  und  durch  die  anderweitige 
funktionelle  Prüfung  der  Leber  mittels  Lävulose  und 
Galaktase. 

Im  Gegensätze  zu  den  beiden  letztgenannten  Methoden, 
welche  immerhin  mit  einigen  Umständlichkeiten  verbunden 
sind  und  auch  aus  Mangel  an  Zeit  vor  vielen  dringlichen  Ope¬ 
rationen  nicht  ausgeführt  werden  können,  gibt  uns  der  Uro¬ 
bilinbefund  des  Harns  ohne  weiteres  ein  Bild  vom  jeweiligen 
Zustande  der  Leber,  ein  Bild  freilich,  das  nur  bei  genauer 
Kenntnis  der  Urobilinfrage  diagnostisch  zu  verwerten  ist. 

Stauungsleber,  Gallenstauung,  Tumormetastasen  in  der 
Leber,  Leberabszesse,  Leberzirrhose  u.  a.  m.  können  oft  schon 
durch  die  einmalige  Untersuchung  des  Harns  auf  Urolilin  mit 
einer  grossen  Wahrscheinlichkeit  erkannt  werden,  vor 
allem  aber  setzt  uns  die  Beachtung  der  Uro¬ 
bilin  u  r  i  e  in  den  Stand,  die  akute  parenchyma¬ 
töse  Hepatitis  zu  erkennen,  welche  eine  so 
überaus  häufige  Begleiterscheinung  akuter 
Infektionskrankheiten  ist.  Ich  nenne  die  Hepa¬ 
titis  bei  Erysipel  und  Scharlach,  bei  Peri¬ 
typhlitis  und  anderen  entzündlichen  Ver¬ 
änderungen  in  der  Bauchhöhle,  auch  bei  Tu¬ 
berkulose. 

Die  Chloroformnekrosen  der  Leber  sind, 
wie  wir  das  von  vornherein  erwarten  müssen,  durch  Uro¬ 
bilin  u  r  i  e  (zuweilen  auch  durch  Ikterus)  gekenn¬ 
zeichnet. 

Bei  bestehender  Hepatitis  Chloroform  an- 
zuwenden,  ist  und  bleibt  ein  Kunstfehler! 
selbst  "wenn  man  sich  bemüht,  auf  diätetischem  Wege  die  Ge¬ 
fahren  der  Chloroformdarreichung  zu  vermindern.  Nur  die 
F  r  ii  h  diagnose  aller  Erkrankungen  der  Leber  gewährt  uns 
einen  weitgehenden  Schutz  vor  „später  Chloroformvergiftung“, 
wenn  wir  es  uns  zur  Regel  machen,  in  allen  Fällen  von 
Parenchymschädigung  der  Leber  an  Stelle  von 
Chloroform  uns  des  Aethers,  der  lokalen  oder  der  Leitungs¬ 
anästhesie  bedienen. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Vereinskrankenhauses 
zum  Roten  Kreuz  in  Bremen  (Chirurg:  Dr.  G.  M  e  r  t  e  n  s). 

Exstirpation  eines  kleinfaustgrossen  Hirnhauttumors  in 

Lokalanästhesie. 

Von  Dr.  Hans  And  ree. 

Am  6.  Dezember  1912  wurde  uns  von  der  internen  Station 
(dirg.  Arzt:  Dr.  Strub  e)  der  36  jährige  Handlungsgehilfe 
H.  M.  mit  der  Diagnose  „Tumor  cerebri“  zur  Operation  über¬ 
wiesen. 


Auszug  aus  der  Krankengeschichte:  Im  8.  Lebensjahre  hatte 
Pat.  Gelenkrheumatismus,  von  dem  ein  Herzfehler  zurückgeblieben 
sein  soll,  welcher  aber  keine  Beschwerden  verursacht.  Vor  10  Jahren 
in  der  Lungenheilstätte  Altenbrak.  Sexuelle  Infektion  wird  in  Ab¬ 
rede  gestellt. 

Das  jetzige  Leiden  des  Pat.  begann  im  Juni  1912  mit  krampf¬ 
artigen  Zuckungen  in  der  rechten  Hand,  nachdem  sich  schon  Anfang 
des  Jahres  manchmal  stumpfes  Gefühl  und  Ameisenlaufen,  auch  im 
rechten  Bein,  eingestellt  hatten.  Dann  trat  plötzlich  am  10.  September 
ein  epileptischer  Anfall  ein  mit  zweistündigem  Bewusstseinsverlust 
und  Aura  im  rechten  Arm  und  Bein.  Hinterher  bestand  noch  eine 
sich  erst  nach  2  Tagen  bessernde  schlaffe  Armlähmung.  Seitdem  ist 
eine  Schwäche  in  den  befallenen  Extremitäten  zurückgeblieben.  Die 
Anfälle  (aber  ohne  Bewusstseinsverlust)  wiederholten  sich  in  ver¬ 
schiedenen  Zeiträumen;  häufig  stellte  sich  überhaupt  nur  ein  Zucken, 
vor  allem  im  rechten  Arm,  ein.  Ueber  Kopfschmerzen  hatte  Pat. 
weniger  zu  klagen.  Im  Oktober  begann  die  Sehkraft  merklich  ab¬ 
zunehmen;  das  Gedächtnis  wurde  schwächer;  auch  beobachtete  Pat.. 
dass  er  seine  rechte  Gesichtshälfte  weniger  gut  bewegen  konnte  ais 
die  linke.  Was  den  Kranken  aber  am  meisten  belästigte  und  schliess¬ 
lich  den  Ausschlag  zur  Operationserlaubnis  gab,  war  eine  konstante  | 
Enuresis  nocturna. 

Die  Untersuchung  ergibt,  dass  wir  es  mit  einem  auffallend 
grossen,  in  gutem  Ernährungszustände  befindlichen  Manne  zu  tun 
haben.  Keine  Temperaturerhöhung;  die  Pulsfrequenz  schwankt  i 
zwischen  80  und  90  Schlägen  in  der  Minute.  Der  Lungenbefund  zeigt 
ausser  einer  leichten  Schallverkürzung  über  der  rechten  Spitze  nichts 
Abnormes.  Am  Herzen  finden  sich  die  Zeichen  einer  kompensierten 
Mitralinsuffizienz.  Die  abdominellen  Organe  weisen  normale  Ver¬ 
hältnisse  auf.  Wassermann  sehe  Reaktion  negativ. 

Nervenstatus:  Rechtsseitige  Abduzensparese,  Pupillen  reagieren 
prompt  auf  Lichteinfall  und  Konvergenz.  Doppelseitige  Stauungs¬ 
papille.  Rechtsseitige  Fazialisparese,  vor  allem  des  unteren  Astes. 
Die  Zunge  weicht  beim  Herausstrecken  nach  rechts  ab.  Die  Sprache 
ist  etwas  schwerfällig.  Parese  in  den  rechten  Extremitäten,  ein¬ 
schliesslich  Schulter-  und  Beckenmuskulatur,  mit  Erhöhung  der 
Sehnenreflexe,  Babinski  und  Fussklonus  bei  erhaltenen  Bauchdecken- 
reflexen;  positives  R  o  m  b  e  r  g  sches  Phänomen;  hemiplegischer 
Gang.  Enuresis  nocturna.  An  einigen  Stellen  der  rechten  Körper¬ 
hälfte  besteht  taktile  Anästhesie  und  falsche  Lokalisation.  Psychisch 
zeigt  Pat.  eine  deutliche  Reizbarkeit;  im  übrigen  scheinen  sich  aber 
die  geistigen  Funktionen  in  normaler  Weise  abzuwickeln. 

Auf  Grund  dieses  Befundes  lautete  die  Diagnose  auf  Tumor 
cerebri  in  der  Gegend  der  linken  Roland  sehen  Furche. 

Am  7.  Dezember  10  Uhr  a.  m.  wurde  die  Operation  von  Herrn: 
Dr.  Mertens  vorgenommen.  Patient  hatte  %  Stunden  vorher 
0,01  Morphium  subkutan  erhalten.  Nach  Jodtinkturanstrich  wurde 
das  Operationsfeld  mit  1  proz.  Novokain-Suprareninlösung  umspritzt; 
dabei  wurde  ein  grösseres  Depot  an  die  Nn.  auriculotemporalis  und 
occipitalis  gelegt.  Die  Anästhesie  war  nach  wenigen  Minuten  voll¬ 
kommen. 

Nun  wurde  mit  dem  Meissei  ein  Wagner  scher  Hautknochen¬ 
lappen  von  11  cm  Durchmesser  über  der  Zentralfurche  mit  breiter 
Basis  nach  der  Schläfe  zu  gebildet;  hierbei  zeigte  sich,  dass  der 
Knochen  teilweise  nur  eine  Dicke  von  1  mm  besass.  Während  die 
Blutung  beim  Schnitt  durch  die  Haut  und  Galea  nicht  bedeutend  ge¬ 
wesen  war,  setzte  jetzt  aus  den  Gefässen  der  Diploe  eine  heftige 
Blutung  ein,  welche  durch  Kompression  und  Einschlagen  von  sterilen 
Streichholzstücken  mühsam  bekämpft  wurde.  Nach  Inzision  der  sich 
stark  vorwölbenden,  gespannten  Dura  mater,  die  keine  Pulsation 
zeigte,  erblickte  man  in  der  vorderen  Hälfte  der  Schädelöfinung 
normale,  nur  etwas  abgeplattete  Hirnwindungen,  während  die  hintere 
Hälfte  von  etwas  konsistenterer,  unregelmässig  gestalteter  Tumor¬ 
masse  ausgefüllt  war.  Da  der  Pat.  infolge  der  immer  noch  nicht 
ganz  zum  Stehen  gebrachten  Blutung  zu  kollabieren  drohte,  wurde 
lediglich  ein  kleines  Tumorstück  zur  mikroskopischen  Untersuchung 
exzidiert  und  nach  Zurückklappen  des  osteoplastischen  Lappens  nur 
eine  allerdings  sehr  exakte  Hautnaht  angelegt. 

Der  Pat.  erholte  sich  schnell  wieder.  Es  zeigte  sich  aber,  dass 
er  eine  vollkommene  motorische  Aphasie  und  schlaffe  Lähmung  de; 
rechten  Armes  davongetragen  hatte. 

Die  pathologisch-anatomische  Diagnose,  welche  uns  Herr  Pro! 
Borrmann  zukommen  Hess,  lautete;  Psammom  der  Dura  matei 
mit  typischen  Schichtungskugeln,  ohne  Verkalkung. 

Am  17.  Dezember  wurde  die  zweite  Operation  ebenfalls  unte 
Lokalanästhesie  vorgenommen.  Der  bereits  per  primam  intentionen 
angeheilte,  durch  den  Tumor  emporgehobene  Hautknochenlapoe1 
wurde  in  derselben  Schnittlinie  wieder  losgelöst  und  zuriickgeklappi 
Die  gespaltene  Dura  mater  hatte  sich  zurückgezogen.  Infolge  de: 
hochgradigen  Hirndruckes  wölbte  sich  die  Tumormasse  stark  vor 
Hierdurch  war  die  Abgrenzung  zwischen  gesundem  und  kranket 
Gewebe  eine  schärfere  geworden  als  bei  der  ersten  Operation 
ausserdem  hatte  das  aus  der  Knochenöffnung  hervordrängendc  Ge 
schwulststück  durch  Imbibition  mit  Blutfarbstoff  einen  dunklere. 
Farbton  angenommen  als  die  eigentliche  Hirnsubstanz.  j 

Während  nun  die  Hirnwindungen  mit  warmen  Kochsalz 
kompressen  zurückgehalten  wurden,  konnte  der  J  umor,  welcher  seh 
weit  nach  hinten  und  in  die  Tiefe  reichte,  mit  dem  guinmibehano 
schuhten  Finger  stumpf  ausgeschält  werden,  wobei  ein  zur  Fal 
cerebri  hinziehender  Stiel  durchriss.  Infolge  der  plötzlichen  Druck 


i.  März  1913.  _ MUENCBENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  539 


ntlastung  strömte  das  Blut  von  allen  Seiten  in  die  entstandene 
lölile.  Es  wurde  deshalb  ohne  genauere  Inspektion  der  topo- 
raphischen  etc.  Verhältnisse  der  Ilautknochetilappen  zurückgeklappt 
nd  nach  exakter  Mautnaht  ein  Kompressionsverband  angelegt.  Der 
.ranke  Überstand  die  Operation  gut. 


!ib.  1.  Ansicht  des  Tumors  von  der  Abb.  2.  Ansicht  des  Tumors  von  der 
lateralen  Fläche.  medialen  Fläche. 

•r  linke  dunklere  Pol  entspricht  der  im  Die  Orientierung  ist  dieselbe.  Man  erkennt 
ixt  erwähnten  vorderen,  mit  Blutfarbstoff  in  der  oberen  abgeplatteten  Partie  den  der 
imbibierten  Partie.  Oeschwulstbasis  entsprechenden  Defekt, 

eide  Abbildungen  sind  aufgenommen,  nachdem  der  Tumor  4  Wochen  in  Kaiserling  1 

fixiert  war.) 

Die  exstirpierte  Geschwulst  (s.  Abb.)  ist  kleinfaustgross  und 
üsst  im  sagittalen  Durchmesser  9,  im  vertikalen  6,  im  frontalen  7  cm. 
>as  Gewicht  beträgt  141  g,  mit  einem  Rauminhalt  von  131  ccm.  Die 
Iberfläche  hat  ein  höckerig-gelapptes  Aussehen  und  ist  von  einer 
er  Hirnsubstanz  ähnelnden  Farbe,  bis  auf  die  obenerwähnte  dunklere 
’artie.  Die  Konsistenz  ist  ein  wenig  fester  als  die  der  Hirnsubstanz, 
•er  Tumor  ist  gut  abgekapselt;  nur  in  der  Mitte  der  abgeplatteten 
ledialen  Seite  zeigt  sich  ein  etwa  bohnengrosser  Defekt  mit  unregel- 
lässig  gestalteter,  von  Kapsel  entblösster  Wandung,  welche  Stelle 
ohl  als  Basis  der  Geschwulst  angesehen  ist  und  seinen  Sitz  an  der 
al>:  cerebri  gehabt  haben  muss.  (Ein  Durchschnitt  wurde  nicht 
imacht,  um  das  Präparat  nicht  zu  zerstören.)  (Abb.  2.) 

Die  Heilung  erfolgte  glatt  und  reaktionslos.  Anfangs  wurde  der 
lautknochenlappen  durch  den  Bluterguss  stark  emporgehoben  und 
eigte  deutliche  Hirnpulsation;  auch  war  am  ersten  Tage  nach  der 
•peration  die  rechte  Gesichtshälfte,  besonders  die  Augenlider,  stark 
eschwollen.  Die  Hirndruckerscheinungen  gingen  aber  alsbald 
uriiek,  so  dass  jetzt  der  osteoplastische  Lappen  im  Niveau  der  urn- 
ebenden  Schädelteile  gelegen  ist.  Die  Enuresis  nocturna  schwand 
ach  einigen  Tagen.  Allmählich  begann  sich  auch  das  Sprach- 
erniügen  vollständig  wieder  einzustellen.  Auf  dem  linken  Auge 
at  Pat.  seine  volle  frühere  Sehkraft  wiedererlangt,  während  sich 
-’chts  noch  eine  geringe  Abnahme  der  Sehschärfe  feststellen  lässt, 
litte  Januar  ergab  auch  die  ophthalmoskopische  Untersuchung  dieses 
uges,  dass  neben  geringer  Stauungspapille  eine  beginnende  Optikus- 
trophie  besteht. 

Die  hemiplegischen  Erscheinungen  der  rechten  Körperhälfte 
eigten  bislang  die  geringste  Tendenz  zur  Heilung.  Besonders 
eprimierend  auf  den  Kranken  wirkte  die  Schlaffheit  des  rechten 
rmes.  Auch  hier  sind  in  letzter  Zeit  unter  täglicher  Massage  und 
lektrisierung  deutlich  zunehmende  Besserungen,  vor  allem  in  der 
fugemuskulatur  zu  verzeichnen,  während  eine  Aktion  der  Exten- 
)ien  weder  an  der  Hand  noch  am  Arm  beobachtet  werden  konnte; 
benso  ist  der  Gang  noch  ausgesprochen  hemiplegisch.  Im,  übrigen 
her  befindet  sich  der  Pat.  vollkommen  wohl  und  beschwerdefrei. 

Was  uns  zur  Veröffentlichung  dieses  Falles  bewogen  hat, 
;t  zunächst  die  Grosse  des  Tumors.  Wir  haben  in  der 
iteratur  nur  bei  T  i  1  p  [l]  grössere  Masse  gefunden,  nämlich 
1:9: 9,5  cm  (gegen  9:6:7  cm)  für  ein  Endotheliom  der 
•ura  mater.  Dort  handelte  es  sich  aber  um  ein  Sektions- 
bjekt.  Was  die  operativ  entfernten  Geschwülste  betrifft,  so 
/iirde  das  „kleinfaustgrosse“  Duraendotheliom  von  T  ren- 
e  1  e  n  b  u  r  g  [2]  etwa  dem  unsrigen  entsprechen;  die  meisten 
nderen  kommen  über  Hühnereigrösse  nicht  hinaus,  auch  wenn 
lan  die  Hirngeschwülste  ganz  im  allgemeinen,  ohne  Rück- 
icht  auf  die  pathologisch-anatomische  Diagnose  überblickt. 

Berichte  über  exstirpierte  Tumoren  der  Dura  mater  sind 
on  mehreren  Seiten  publiziert  worden.  So  erwähnt  bereits 
•  Bergmann  [3]  die  Operation  einer  derartigen  Ge- 
ehwulst.  Ferner  seien  die  Arbeiten  von  Sick  [4l, 
Füller  [5],  Wie  Singer  [6],  Oppenheim  [7],  Küm- 
i  e  1 1  [8],  K  ii  1 1  n  e  r  [9],  C  a  h  e  n  [10],  Hildebrand  [11], 
Eiseisberg  [12]  und  Krause  [13]  angeführt,  in  deren 
allen  es  sich  um  Fibrosarkome,  Endo-  oder  Peritheliome  der 
hira  handelt.  Herz  [14]  beschreibt  ein  exstirpiertes, 
astaniengrosses  Gumma,  welches  seinen  Ausgangspunkt  von 
er  Dura  genommen  hatte.  Als  Psammom  bezeichnet  nur 
riedrich  [15]  seine  operativ  gewonnene,  nach  414  Jahren 
icht  rezidivierte,  125  ccm  grosse  Hirnhautgeschwulst.  Aetio- 
>gisch  haben  wir  im  Gegensätze  zu  diesem  letzten  Falle, 

No.  10. 


in  welchem  ein  10  Jahre  vor  dem  Auftreten  der  ersten  Er¬ 
scheinungen  erlittenes,  heftiges  Kopftrauma  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit  als  Ursache  angesehen  werden  musste, 
nichts  eruieren  können,  was  die  Entstehung  der  Geschwulst 
erklären  könnte. 

Zur  Operationstechnik  sei  erwähnt,  dass  wir,  obgleich  im 
allgemeinen  Anhänger  einzeitiger  Operationen,  wegen  der 
drohenden  Kollapsgefahr  zu  der  von  H  o  r  s  1  e  y  inaugurierten, 
zweizeitigen  Methode  gezwungen  wurden.  Dieses  Verfahren 
verschaffte  uns  aber  einen  überraschenden  und,  soweit  uns 
bekannt  ist,  bislang  nicht  beobachteten  Vorteil,  dass  sich  näm¬ 
lich  die  in  der  Trepanationsöffnung  liegende  Geschwulstmasse 
im  Gegensatz  zur  umgebenden  Hirnsubstanz  mit  Blutfarbstoff 
imbibierte  und  dadurch  eine  dunklere  Farbe  annahm,  so  dass 
sich  beim  zweiten  Eingriff  der  Tumor  bedeutend  schärfer  mar¬ 
kierte.  Ausserdem  war  auch  die  Geschwulstmasse  durch  den 
Hirndruck  stärker  emporgedrängt  worden. 

Wie  wir  in  den  letzten  Jahren  immer  mehr  Operationen 
in  Lokal-  bzw.  Leitungsanästhesie  ausgeführt  haben,  so  hat 
uns  auch  bei  beiden  Teilen  dieser  Operation  die  zirkuläre,  sub¬ 
kutane  Ausspritzung  der  Schnittlinie  mit  1  proz.  Novokain- 
Suprareninlösung  ausgezeichnete  Dienste  geleistet;  ob  ohne 
sie  diese  eingreifende  Manipulation  bei  dem  mit  einem  Vitium 
cordis  behafteten  Patienten  so  glatt  verlaufen  wäre,  möchten 
wir  nicht  entscheiden.  Auch  andere  Autoren  rühmen  ihre  Vor¬ 
züge.  Sie  wurde  von  Braun  [16]  angegeben;  kurz  darauf 
auch  von  Heidenhain  [17]  angewendet,  welcher  ausser¬ 
dem  zur  kutanen  Blutstillung  die  vorherige  Anlegung  seiner 
bekannten  Umstechungsnaht  empfahl.  Es  hat  sich  aber  heraus¬ 
gestellt,  dass  die  Wirkung  des  Adrenalins  genügend  intensiv 
ist,  um  die  Blutung  aus  den  Hautgefässen  in  zuverlässigen 
Grenzen  zu  halten.  Deshalb  ist  auch  die  Umstechungsnaht 
bei  Anwendung  der  Lokalanästhesie  wieder  verlassen  worden. 
Demnach  bestehen,  wie  auch  Bier  [18]  hervorhebt,  die  Vor¬ 
teile  der  Lokalanästhesie  bei  Trepanationen  in  Verminderung 
der  Kollapsgefahr  und  Verringerung  der  Blutung.  Ausserdem 
fallen  die  Nachwirkungen  einer  zweimaligen,  länger  dauernden 
Narkose  vollständig  fort,  was  bei  einem  so  schweren  Leiden 
sicher  nicht  zu  unterschätzen  ist.  Nur  die  Blutung  aus  der 
knöchernen  Wandung  lässt  sich  auch  durch  sie  nicht  beein¬ 
flussen. 

Unser  Patient  hat  während  der  ganzen  Operation  keine 
Schmerzen  verspürt.  Das  Manipulieren  an  der  Gehirnsub¬ 
stanz  wird  allgemein  als  schmerzlos  angegeben.  Auffällig  ist 
aber,  dass  auch  die  Duraspaltung  keine  Empfindungen  aus¬ 
gelöst  hat.  Wird  doch  von  E  ding  er  [19]  u.  a.  angegeben, 
dass  an  der  harten  Hirnhaut  infolge  ihrer  reichlichen  nervösen 
Versorgung  (Nn.  tentorii,  meningeus,  spinosus)  bereits  „nur 
ein  Druck,  den  sie  auszuhalten  hat,  oft  mit  sehr  lebhaften 
Schmerzen  einhergeht“.  Bier  meint,  dass  das  Anästhetikum 
durch  den  Knochen  hindurch  seine  Wirkung  ausiibe  auf  die 
Dura  und  das  Gehirn  selbst,  wodurch  auch  die  Krampferreg¬ 
barkeit  herabgesetzt  würde,  was  bei  Trepanationen  wegen 
Jackson  scher  Epilepsie  von  Nachteil  sei.  Dagegen  vertritt 
Krause  die  Ansicht,  dass  die  harte  Hirnhaut  an  sich  schon 
empfindungslos  sei.  Dies  können  wir  für  unseren  Fall  be¬ 
stätigen;  denn  der  Tumor  musste  unter  dem  Knochen  her 
weit  hinter  der  Umspritzungszone,  wo  sicher  keine  Novokain¬ 
wirkung  mehr  möglich  war,  von  der  anliegenden  Dura  mater 
losgelöst  werden,  ohne  dass  der  Kranke  dabei  einen  Schmerz 
empfunden  hat.  Wir  müssen  allerdings  der  Möglichkeit  Raum 
geben,  dass  wir  es  nicht  mit  normaler,  sondern  auch  in 
weiterem  Umkreise,  als  der  schmalen  Geschwulstbasis  ent¬ 
sprach,  pathologisch  veränderter  Hirnhaut  zu  tun  gehabt 
haben. 

Wir  halten  die  Prognose  unseres  Falles,  gestützt  auf  die 
Erfahrung  von  Friedrich,  für  relativ  günstig,  wenn  uns 
auch  anders  lautende  Statistiken  nicht  unbekannt  geblieben 
sind,  wie  z.  B.  die  von  Taylor  [20]  und  Bonhoeffer  [21]. 

Leider  geht  häufig  aus  den  Arbeiten  nicht  hervor,  ob  sich 
die  Autoren  die  Fortschritte  der  örtlichen  Schmerzbetäubung 
zu  Nutzen  gemacht  haben.  Eine  Anzahl  ungünstig  ver¬ 
laufener  Operationen  ist  sicher  durch  die  Blutdrucksenkung, 
welche  mit  jeder  Allgemeinreaktion  verbunden  ist,  beeinflusst 
worden.  Eine  wie  grosse  Druckschwankung  das  Zentral¬ 
nervensystem  aber  ohne  wesentliche  Schädigung  auszuhalten 


530 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


imstande  ist,  wenn  der  Blutdruck  auf  annähernd  normaler 
Höhe  gehalten  wird,  das  beweist  in  fast  experimenteller  Weise 
unsere  Exstirpation  des  grössten,  bislang  operativ  entfernten 
Hirntumors. 

Literaturübersicht. 

1.  Tilp  und  Rosenfeld:  Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr. 
1910,  No.  19,  S.  920.  Seltener  Hirntumor.  —  2.  Trendelenburg: 
Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr.  1904,  No.  30,  S.  1119.  Tumor  der 
Dura  mater.  —  3.  v.  Bergmann:  Klin.  Vorträge,  neue  Folge, 
No.  200.  Dez.  1897.  Die  chirurgische  Behandlung  der  Hirn¬ 
geschwülste.  —  4.  S  i  c  k:  Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr.  1904,  No.  47, 

5.  1737.  Peritheliom  der  Dura  mater.  —  5.  Müller:  Vereinsb. 
D.  med.  Wochenschr.  1904,  No.  37,  S.  1361.  Ueber  Duralsarkome.  — 

6.  Wiesinger:  Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  7,  S.  283. 
Operiertes  Sarkom  der  Dura.  —  7.  Oppenheim  und  Krause: 
Berl.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  51.  Operativ  geheilter  Tumor  des 
Okzipitallappens  des  Gehirns.  —  8.  Kümmell:  Vereinsb.  D.  med. 
Wochenschr.  1907,  No.  25,  S.  1028.  Hirntumor.  —  9.  Küttner: 
Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr.  1909,  No.  11,  S.  510.  Demonstrationen 
zur  Hirnchirurgie. — 10.  Cahen:  Vereinsb.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1912,  No.  9,  S.  503.  Peritheliom  der  Dura  mater.  —  11.  Hilde¬ 
brand:  D.  med.  Wochenschr.  1910,  No.  49,  S.  2273.  Beitrag  zur 
Hirnchirurgie.  —  12.  v.  Eiseisberg:  Wiener  klin.  Wochenschr. 

1912,  No.  1.  Meine  Operationsresultate  bei  Hirntumoren.  —  13. 
Krause:  Deutsche  Klinik,  Bd.  VIII,  1905.  Hirnchirurgie.  —  14. 
Herz:  D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  22,  S.  1045.  Beiträge  zur 
Chirurgie  der  Hirnhäute.  —  15.  Friedrich:  Verh.  d.  D.  Ges.  i. 
Chir.  1905,  I,  S.  88.  Demonstration  eines  seit  4Vz  Jahren  geheilten 
Falles  von  Stirntumor.  —  16.  Braun:  1907,  2.  Aufl.,  Lehrbuch.  Die 
Lokalanästhesie.  —  17.  Heidenhain:  Zentralbl.  f.  Chir.  1904, 
No.  9.  Trepanation  unter  Lokalanästhesie  und  Trennung  der  Galea 
ohne  Blutung.  —  18.  Bier:  Vereinsb.  D.  med.  Wochenschr.  1912, 
No.  33,  S.  1572.  Lokalanästhesie  bei  Trepanationen.  —  19.  E  d  ing  e  r: 
Deutsche  Klinik,  Bd.  VI,  1,  1906.  Von  den  Kopfschmerzen  und  der 
Migräne.  —  20.  Taylor:  Ann.  of  surg.,  Juli  1912.  Endresultate  in 
63  Fällen  von  Hirntumor.  —  21.  Bonhoeffer:  Ther.  d.  Gegenw. 

1913,  No.  1,  S.  13.  Zur  operativen  Therapie  der  Hirntumoren. 


Ein  seltener  Fremdkörper  in  der  männlichen  Harnröhre. 

Von  Dr.  Häuer  in  Hohenstein  (Ostpr.). 

Fremdkörper  in  der  männlichen  Harnröhre  werden  im  all¬ 
gemeinen  gar  nicht  so  sehr  selten  gefunden.  Jeder  Arzt  kann 
aus  seiner  Praxis  von  derartigen  Fällen  berichten;  und  wohl 
jede  Klinik  hat  in  ihrer  Sammlung  eine  mehr  minder  grosse 
Anzahl  von  Fremdkörpern,  die  operativ  aus  der  Harnröhre 
beseitigt  sind,  von  Streichhölzern,  Strohhalmen,  Bleifedern, 
Griffeln  usw.  angefangen,  bis  zu  abgebrochenen  Kathetern, 
Holzstücken  und  ähnlichen  Gegenständen. 

Wenn  ich  nun  zu  diesen  vielen  Fällen  noch  einen  neuen 
hinzufügen  will,  so  geschieht  dieses  nur  deshalb,  weil  der  von 
mir  aus  der  Harnröhre  eines  über  70  Jahre  alten  Mannes  ent¬ 
fernte  Fremdkörper  in  gewisser  Hinsicht  verdient,  als  Rarität 
angesprochen  zu  werden. 

Wie  schon  erwähnt,  handelte  es  sich  um  einen  über  70  Jahre 
alten  Mann,  den  Arbeiter  M.  W.  aus  L.  Pat.  kam  am  13.  XII.  1909 
in  meine  Behandlung  und  gab  mir  an,  bisher  nie  ernstlich  krank 
gewesen  zu  sein.  Seit  dem  Morgen  des  vorigen  Tages  habe  er 
plötzlich  den  Urin  nicht  mehr  lassen  könne;  da  er  grosse  Schmerzen 
hatte  und  keinen  anderen  Rät  wusste,  habe  er  sich  eine  Hutnadel  in 
die  Harnröhre  gesteckt,  in  der  Annahme,  dass  „das  ja  wieder  mit 
dem  Urin  mitkommen  würde“. 

Die  Untersuchung  ergab  folgendes:  Der  an  und  für  sich  kräftige 
Penis  befindet  sich  in  halb  erigiertem  Zustande,  ist  namentlich  an 
seiner  Unterseite  stark  ödematös  geschwollen.  An  seiner  Unter¬ 
seite,  etwa  7  cm  von  der  Harnröhrenmündung  entfernt,  besteht  eine 
zehnpfennigstückgrosse,  blau  verfärbte  Hautstelle.  Die  vordersten 
7  cm  sind  auf  Druck  nicht  schmerzhaft,  umsomehr  aber  der  ganze 
übrige  Penis;  als  ganz  besonders  schmerzhaft  wird  selbst  ganz  ge¬ 
ringer  Druck  auf  den  Damm  angegeben;  wobei  die  grössten  Schmerzen 
vorn  unten  an  der  blau  verfärbten  Stelle  bestehen  sollten.  Die 
Blase  war  prall  gespannt,  ihre  Grenzen  Hessen  sich  bei  dem  sonst 
ziemlich  mageren  Manne  deutlich  feststellen. 

Da  bei  vorsichtiger  Palpation  des  Penis  die  Spitze  des  Fremd¬ 
körpers  dicht  unter  der  Haut  des  Penis  zu  fühlen  war  und  bereits 
ganz  sicher  extraurethral  liegen  musste,  so  wurde  von  einem  Ver¬ 
suche,  den  Fremdkörper  per  vias  naturales  zu  entfernen,  von  vorn¬ 
herein  Abstand  genommen. 

Die  in  die  Harnröhre  eingeführte  Sonde  stösst  auch  ganz  deut¬ 
lich  bei  7cm  Vordringen  auf  Widerstand;  man  hat  beim  Sondieren 
das  Gefühl,  auf  etwas  Metallisches  zu  stossen. 

Da  Pat.  bereits  hochgradig  erschöpft  war  und  sofortige  Hilfe 
dringend  not  tat,  führte  ich  die  Urethrotomia  externa  aus  und  ent¬ 
fernte  zu  meiner  grossen  Verwunderung  eine  18  cm  lange,  bereits 


etwas  verrostete  Hutnadel,  die  mit  einem  7  mm  im  Durchmesser 
betragenden  Perlmutterknopf  armiert  war.  Die  Nadel  war  mit  dem 
Knopf  voran  in  die  Harnröhre  eingeführt  und  hatte  diese  natürlich 
vollständig  verschlossen.  Sofort  nach  der  Extraktion  des  Fremd¬ 
körpers  entleerte  sich  aus  der  Operationswunde  eine  grosse  Menge 
zum  Teil  trüben  Urins;  der  Penis  schrumpfte  von  seiner  anfangs  statt 
liehen  Grösse  zusammen.  Die  Wunde  wurde  etagenförmig  .ge¬ 
schlossen  und  Pat.,  da  ich  ihn  in  das  hiesige  kleine  Krankenhaus 
nicht  aufnehmen  konnte,  weil  dasselbe  mit  Typhuspatienten  voll  be¬ 
legt  war,  zur  weiteren  Behandlung  dem  Alleristeiner  Krankenhause 
überwiesen. 

Wie  mir  der  leitende  Arzt  des  dortigen  Krankenhauses  mit¬ 
zuteilen  die  Liebenswürdigkeit  hatte,  heilte  die  Wunde  per  primam, 
so  dass  Pat.  nach  einigen  Tagen  von  dort  bereits  geheilt  entlassen 
werden  konnte. 

Ich  habe  den  Pat.  inzwischen  noch  öfter  gesehen;  es  geht  ihm 
gut.  Er  hat  mir  später  übrigens  mitgeteilt,  dass  er  einen  Bekannte:) 
hatte,  dem  der  Arzt  eines  Blasenleidens  wegen  einen  Katheter  ge-; 
geben  hatte,  damit  er  mit  diesem  nötigenfalls  den  Urin  selbst  ab- 
lassen  könnte.  Wahrscheinlich  hat  mein  Pat.  in  Ermangelung  von 
etwas  Besserem  den  Katheter  durch  die  Hutnadel  ersetzen  wollen. 

Als  Grund  für  seine  damalige  plötzliche  Harnverhaltung  habe  iclr 
eine  mässige  Prostatahypertrophie  gefunden,  die  ihm  allerdings  bisher 
nie  wieder  Beschwerden  verursacht  hat. 


Ueber  zwei  Fälle  von  schwerer  Bleivergiftung  in  dei 

Messingindustrie. 

Von  Dr.  Althoff  in  Attendorn  i.  W. 

Die  chronische  Bleivergiftung  wird  bekanntlich  hervorgeruio 
infolge  fortgesetzter  Aufnahme  von  Blei  durch  den  Magen,  z.  B.  bei 
Malern  und  Schriftsetzern,  die  während  der  Arbeit,  ohne  sich  die 
Hände  zu  waschen,  essen.  Im  folgenden  möchte  ich  2  Fälle  vor; 
Colica  saturnina  mitteilen,  entstanden  durch  jahrelange  Einatmung 
von  ganz  winzigen  Mengen  Blei,  die  in  einem  Gemisch  von  Schmerge 
und  durch  1  Proz.  Blei  verunreinigtem  Messing  enthalten  waren1 

1.  F  a  1 1.  R.  B„  28  Jahre,  seit  14  Jahren  Schleifer  von  Fenster 
riegeln  und  Türdrückern  aus  Messing,  erkrankte  am  14.  XII.  191 
mit  kneifenden  Schmerzen  im  Oberleib;  in  den  nächsten  3  Tagei! 
hatte  er  andauernd  sehr  heftige,  zeitweise  unerträgliche  Koliken 
gleichzeitig  bestanden  Kopfschmerzen,  Erbrechen,  Stuhl-  und  Winde1 
verhaltung. 

Die  Magengegend  war  eingezogen;  das  Erbrochene  sah  griinlicl 
aus;  die  Zunge  war  leicht  belegt;  ein  besonderer  Druckschmerz  be, 
stand  nicht;  Fieber  nicht  vorhanden,  kein  Bleisaum. 

Patient  gibt  an,  er  arbeite  in  einer  Gelbgiesserei  und  habe  mi 
Blei  nichts  zu  tun.  Im  Essen  habe  er  sich  auch  nicht  vertan,  eii 
leichter  Druck  in  Magengegend  habe  schon  einige  Tage  vor  dei 
Koliken  bestanden.  Die  Therapie  bestand  in  feuchten,  warmen  Um 
Schlägen  auf  Magengegend,  hohen  Einläufen  mit  Zusatz  von  Opium 
tinktur,  abends  wegen  enormer  Schmerzen  0,02  Morphiuminjektior 
Am  5.  Tage  erfolgte  Abgang  von  Stuhl  und  Winden,  danach  tra 
Besserung  ein.  Patient  hat  etwa  3  Wochen  nicht  gearbeitet;  wunl 
dann  noch  wegen  bestehender  Blutarmut  nachbehandelt. 

2.  F  a  1 1.  W.  B.,  23  Jahre,  ein  Bruder  des  ersten  Patienten,  sei 

8  Jahren  Schleifer  in  derselben  Messinggiesserei,  hat  November  191 
an  Magenschmerzen  und  Verstopfung  14  Tage  lang  gelitten.  An 
25.  VIII.  1912  erkrankte  er  mit  heftigem  Magen-  und  Kopfschmerz  an 
Erbrechen.  In  den  nächsten  2  Tagen  bestanden  ziehende,  krampt 
artige  Schmerzen  im  Oberleib,  wobei  er  sich  tourenweise  wie  ei 
Wurm  zusammenkrümmen  musste.  Stuhl  und  Winde  waren  am 
gehalten.  I 

Oberbauchgegend  war  eingezogen,  Druck  nicht  schmerzhaft,  in 
Gegenteil  eher  angenehm,  Gesamtaussehen  blass.  Die  Zähne  dei 
Ober-  und  Unterkiefers  zeigen  einen  deutlich  „grünen“  Saum  an 
Zahnfleischrande.  Seit  längerer  Zeit  soll  nach  Angabe  der  Mutte1 
grünes  Schwitzen  bestehen,  was  nach  Meinung  des  Patienten  durc 
Zusammenkommen  von  Schweiss  und  Messingstaub  entsteht;  Bett 
Wäsche  und  Hemden  seien  oft  grünlich  schimmernd  verfärbt. 

Die  Behandlung  bestand  in  Verabreichung  von  Rizinusöl  i 
Milch  und  gegen  die  Schmerzen  abends  1  Zäpfchen  von  Morphiui 
0,02  +  Opium  0,04.  Hiernach  trat  keine  Besserung  ein.  Am  3.  Krank 
heitstage  erfolgte  prompt  4  Stunden  nach  Verabreichung  eines  Stuh’ 
Zäpfchens  von  0,0005  g  Atropin  2  mal  dünner  übelriechender  Stuh 
gang.  Darauf  Hessen  die  Schmerzen  wesentlich  nach  und  waren  i 
den  3  folgenden  Tagen  nur  noch  in  geringem  Masse  vorhanden.  Da 
Erbrechen  hörte  sofort  auf,  Patient  konnte  leichte  Kost  nehmet: 
Am  4.  Krankheitstage  erfolgte  nach  Einführung  eines  weitere 
Atropinzäpfchens  4  mal  dünner  Stuhlgang.  Patient  hat  ca.  4  Woche 
nicht  gearbeitet  und  sah  noch  längere  Zeit  anämisch  aus. 

In  dem  ersten  der  genannten  Fälle  habe  ich  ernstlich  an  Heu 
gedacht;  eine  sichere  Diagnose  habe  ich  damals  nicht  stellen  könne) 
Bleikolik  glaubte  ich  ausschliessen  zu  müssen,  da  Patient  irgend  ein 
Arbeit  mit  Blei  ableugnete.  Im  2.  Falle  dachte  ich  namentlich  m 
Rücksicht  auf  den  grünen  Zahnfleischsaum  an  eine  Messingvergiftun 
und  fragte  Herrn  Landesgewerbearzt  Dr.  Koelsch  in  München  ui 
sein  fachmännisches  Urteil,  welches  dahin  lautete,  es  müsse  sich  doc 


II.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


531 


Wohl  um  eine  Bleivergiftung:  handeln;  Messing  sei  oft  mit  Blei  ver¬ 
unreinigt.  Als  ich  nun  genauere  Erkundigungen  bei  dem  Fabrikherrn 
austeilen  liess,  erhielt  ich  die  Mitteilung,  dass  Messing  bei  der 
(iiesserei  aus  technischen  Gründen  mit  1  Proz.  Blei  vermengt  werde. 
Es  kann  also  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  es  sich  in  den 
beiden  mitgeteilten  Fällen  um  Bleivergiftung  gehandelt  hat.  Zur  Er¬ 
klärung  diene  folgendes:  Die  Arbeiter  schleifen  auf  einer  Schmergel- 
scheibc  die  Gegenstände;  ihr  Gesicht  befindet  sich  hierbei  natur- 
gemäss  nahe  bei  dieser  rotierenden  Scheibe,  und  es  ist  trotz 
Exhaustoren  unvermeidlich,  dass  von  dem  entstehenden  Staub  ge¬ 
ringe  Mengen  eingeatmet  werden.  Zwei  Staubarten  kommen  hierbei 
in  Betracht;  beim  Vorschleifen  bildet  sich  Staub  von  der  Grösse  eines 
Schmergelkornes,  beim  Nachschleifen  ganz  feiner  Staub,  wie  Mehl. 
Dieser  letzte  scheint  mir,  der  gefährlichste  zu  sein,  weil  er  infolge 
seiner  Leichtigkeit  am  meisten  herumfliegt  und  zur  Aufnahme  in  den 
Körper  gelangt.  Wenn  wir  aber  bedenken,  dass  dieser  Staub  etwa 
zu  gleichen  Teilen  aus  Schmergel  und  Messing  besteht,  welch 
letzterem  nur  1  Proz.  Blei  beigemengt  ist,  so  ist  die  in  diesem  Ge¬ 
misch  enthaltene  Bleimenge  doch  eine  äusserst  geringe.  Eine  Blei¬ 
vergiftung  mit  heftig  auftretenden  Koliken  wird  wohl  nur,  wie  in  den 
beiden  vorliegenden  Fällen,  durch  jahrelange  Einwirkung  eines 
solchen  Staubgemisches,  wovon  immerhin  nur  wenig  in  den  Körper 
gelangt,  möglich  sein.  Leichtere  Symptome  einer  Bleikolik,  wie 
mässige  Magen-  und  Kopfschmerzen  mit  Verstopfung,  werden  schon 
eher  Vorkommen  und  bei  der  event.  Unkenntnis  der  Verunreinigung 
des  Messings  mit  Blei  als  gewöhnliche  Magenverstimmungen  durch¬ 
gehen.  Ist  man  imstande,  schon  hierbei  die  richtige  Diagnose  zu 
stellen,  so  wird  man  einer  schweren  Bleikolik  Vorbeugen  können. 
Ich  habe  den  Arbeitern  empfohlen,  ausser  dem  ständigen  Gebrauch 
der  Exhaustoren  zur  Absaugung  des  Staubes  sich  noch  Masken  iiber 
Muud-  und  Nasenöffnung  bei  der  Arbeit  anzulegen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  auf  die  bei  Fall  2  erfolgte  prompte 
Wirkung  des  Stuhlzäpfchens  von  0,0005  g  Atropin,  sulfur.  hinweisen 
und  eine  1 — 2  malige  Verabreichung  eines  solchen  Zäpfchens  bei  der 
Bleikolik  zeitig  empfehlen. 


Aus  der  dermatologischen  Klinik  (Direktor:  Prof.  Herx¬ 
heim  e  r)  und  der  medizinischen  Klinik  (Direktor:  Prof. 
Schwenkenbecher)  des  städtischen  Krankenhauses  zu 

Frankfurt  a.  M. 

Salvarsan  und  Liquor  cerebrospinalis  bei  Frühsyphilis, 
nebst  ergänzenden  Liquoruntersuchungen  in  der  Latenzzeit. 

Von  Dr.  Karl  Altmann  und  Dr.  Georges  L.  Dreyfus. 

(Schluss.) 

Lues  I  +  II. 

Aus  diesem  Stadium  möchten  wir  zunächst  10  Fälle  be¬ 
sprechen,  die  nur  zweimal  punktiert  werden  konnten,  nach 
Dosen,  die  für  die  endgültige  Beurteilung  natürlich  völlig 
unzureichend  sind.  Immerhin  ergeben  doch  auch  diese  Resul¬ 
tate  wichtige  Fingerzeige,  insbesondere  für  die  Dosierung. 

Von  dieser  Gruppe  bedürfen  7  Fälle  keiner  ausführlichen 
Besprechung.  Sie  alle  bekamen  innerhalb  2 — 3  Wochen 
ca.  1,5  g  Salvarsan  und  wurden  wenige  Tage  nach  der  letzten 
Injektion  wieder  punktiert. 

Bei  einem  Fall  änderte  sich  der  normale  Liquor  nicht,  bei 
-1  Fällen  genügte  schon  diese  kleine  Dosis,  um  mässige  Veränderungen 
zürn  Verschwinden  zu  bringen,  bei  dem  6.  Kranken,  der  mittlere  Ver¬ 
änderungen  zeigte,  war  eine  erhebliche  Besserung  zu  konstatieren. 
Ein  weiterer  Fall  mit  mässigen  Veränderungen  blieb  unbeeinflusst. 
Bemerkt  sei  noch,  dass  die  angegebenen  Salvarsandosen  nicht  ge¬ 
nügten,  um  die  Serumreaktion  innerhalb  der  kurzen  Beobachtungszeit 
negativ  werden  zu  lassen. 

Besonderes  Interesse  beanspruchen  die  restlichen  3  Fälle, 
die  sich  unter  der  Therapie  verschlechterten  und  nicht  un¬ 
mittelbar  mit  den  vorhergehenden  verglichen  werden  können. 
Sie  haben  alle  das  Gemeinsame  völlig  unge¬ 
nügender  Behandlung. 

Bei  dem  ersten  Kranken,  der.  da  er  nicht  wiederkam,  nur 
eine  Salvarsaninjektion  von  0,4  g  erhielt,  war  anfänglich  der  Liquor 
und  das  aufs  genaueste  geprüfte  Nervensystem  völlig  normal.  Der 
Patient  kam  7  V/ochen  nach  der  Injektion  mit  einer  ausgebildeten 
Fazialis-  und  Kochlearisparese  wieder  und  bot  jetzt  schwere  Liquor¬ 
veränderungen  (180  Zellen  im  Kubikmillimeter,  positive  Wassermann- 
reaktion  bei  0,2).  Es  handelte  sich  hier  um  ein  typi¬ 
sches  Neurorezidiv. 

Wichtig  ist  an  diesem  Fall,  dass  wir  hier  — 
im  Gegensatz  zu  zahlreichen  anderen  N  euro¬ 
rezidiven  —  vor  der  Therapie  vollkommen 
normale  Verhältnisse  angetroffen  haben.  Diese 
Tatsache  zeigt,  dass  —  wenn  man  der  Ehrlich  sehen  An¬ 


schauung  von  der  Entstehungsweise  der  Neurorezidive  folgt, — 
die  im  Zentralnervensystem  in  der  Frühperiode  zu  suppo- 
nierenden  Spirochätenherde,  die  bei  der  Sterilisatio  fere  com- 
pleta  der  Einwirkung  des  Salvarsans  entgangen  sind,  unter 
Umständen  mit  keiner  klinischen  Untersuchungsmethode  nach¬ 
zuweisen  sind! 

Wjr  glauben,  dass  dieser  Umstand  durchaus  nicht  gegen 
die  Ehrlich  sehe  Auffassung  spricht,  dass  ein  Neurorezidiv 
nur  da  entstehen  kann,  wo  sich  schon  vor  der  Behandlung 
Spirochäten  im  Zentralnervensystem  befunden  haben,  da  wir 
einerseits  in  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  diese  Tatsache 
auch  mit  Hilfe  der  klinischen  Untersuchungsmethoden  fest¬ 
stellen  konnten,  andererseits  aber  auch  in  den  vorher  be¬ 
schriebenen  Provokationen  einen  Fingerzeig  dafür  haben,  dass 
auch  klinisch  latente  Spirochätenherde  nur  eines  äusseren  An¬ 
reizes  bedürfen,  um  nachweisbare  Liquorveränderungen  zu 
erzeugen. 

Bei  dem  folgenden  Fall,  dem  die  ebenfalls  unzu¬ 
reichende  Menge  von  1,0  g  Salvarsan  in  3 Vs  Wochen  verabreicht 
wurde,  bildeten  sich  aus  ganz  geringfügigen  schwere  Liquorver- 
änderungen  aus.  Die  Punktion  wurde  unmittelbar  nach  der  letzten 
Salvarsaninjektion  gemacht. 

Hier  handelt  es  sich  offenbar  um  eine  den  früher  be¬ 
schriebenen  analoge  Provokation,  nur  dass  hier  die  oben  an¬ 
genommenen  krankhaften  Prozesse  am  Nervensystem  auch 
klinisch  schon  bei  der  ersten  Punktion  festgestellt  werden 
konnten. 

Der  letzte  Fall  war  der  einzige  mit  schweren  Liquor¬ 
veränderungen  vor  der  Behandlung.  Nach  1,0  g  Salvarsan  inner¬ 
halb  3Vs  Wochen  hatten  sich  Zellzahl  und  Eiweiss  verdoppelt. 

Entweder  handelt  es  sich  hier  um  ein  Fortschreiten  der 
schweren  Erkrankung  trotz  der  Therapie  oder  es  liegt  auch 
hier  eine  provokatorische  Steigerung  der  krankhaften  Ver¬ 
änderungen  vor.  Auffallend  ist  bei  diesem  Falle,  dass  die 
Serumreaktion  trotz  zunehmender  Liquorveränderungen 
negativ  wurde,  ein  Umstand,  der  vielleicht  dafür  spricht,  dass 
die  syphilitischen  Prozesse  an  den  verschiedenen  Organ¬ 
systemen  ungleich  therapeutisch  beeinflusst  werden,  insofern 
man  die  Wassermann  sehe  Reaktion  als  den  Ausdruck 
dieser  Veränderungen  aufzufassen  geneigt  ist.  Der  Fall  be¬ 
weist  übrigens  auch  die  Wichtigkeit  kontrollierender  Liquor¬ 
untersuchungen,  die  ein  wesentlich  anderes  Bild  der  Sachlage 
als  die  Blutreaktion  aufrollen  können. 

Mehr  als  zweimal  punktiert  wurden  4  Fälle 
des  frühen  Sekundärstadiums,  in  dem  der  Primär¬ 
affekt  noch  vorhanden  ist.  Von  den  ersten  2  Fällen,  bei  denen 
der  vorher  pathologische  Liquor  normal  wurde,  beansprucht 
besonders  der  eine  eingehenderes  Interesse. 

Dieser  Kranke  hatte  vor  der  Therapie  mässige  Liquorverände¬ 
rungen  bei  bereits  bestehender  Fazialis-  und  Akustikusstörung.  Nach 
1,4  g  Salvarsan  blieb  der  Patient  6  Wochen  aus  der  Behandlung  fort, 
um  mit  einem  schweren  Neurorezidiv  und  sehr  erheblichen  Liquor¬ 
veränderungen  wieder  zu  kommen.  Nach  4  monatlicher  kontinuier¬ 
lich  fortgeführter  kombinierter  Behandlung  wurde  der  Liquor  normal. 
Klinisch  war  der  Kranke  unter  Zurückbleiben  massiger  irreparabler 
Akustikusstörungen  geheilt.  3%  Monate  nach  Abschluss 
der  Behandlung  fand  sich  Liquor  und  Serum¬ 
reaktion  — -  wie  wir  nach  unseren  Anschauungen  vermuten 
konnten  —  normal! 

Auch  dieser  Fall  bietet  den  interessanten  Befund,  dass  die 
Serumreaktion  rasch  negativ  wurde  und  trotz  Auftreten  des 
Neurorezidivs  mit  seinen  schweren  Liquorveränderungen 
negativ  blieb.  Man  konnte  im  Verlauf  der  Therapie  zunächst 
eine  deutliche  Provokation  durch  zu  kleine  Salvarsandosen 
(1,4  g)  und  dann  ein  allmähliches  Zurückgehen  der  Liquor¬ 
veränderungen  bis  zur  Norm  bei  systematischer  Fortführung 
der  Therapie  feststellen. 

Der  aridere  Fall  mit  anfänglich  schweren  Liquorverände¬ 
rungen  wurde  nach  2,6  g  Salvarsan  und  0,95  Hg.  sal.  bezüglich 
Liquor-  und  Serumreaktion  normal. 

In  dem  dritten  Falle,  bei  dem  wegen  schwerer  Lungen- 
und  Herzveränderungen  nur  äusserst  vorsichtig  mit  geringen  Sal¬ 
varsandosen  vorgegangen  werden  konnte  (2,3  Salvarsan  und  0,7  Hg. 
sal.  innerhalb  3  Monate),  blieb  der  Liquor  dauernd  mässig  verändert, 
die  Serumreaktion  wurde,  nachdem  sie  vorübergehend  negativ  ge¬ 
worden  war,  sehr  bald  wieder  positiv. 

Der  letzte  Fall  dieser  Gruppe  zeigte  nach  6,0  Neosal- 
varsan  und  0,6  Hg.  sal.  mässige  Veränderungen  bei  vorher  nor¬ 
malem  Liquor.  Auf  weitere  1,5  g  Neosalvarsan  und  0,4  Hg.  sal.  wird 
Liquor-  und  Serumreaktion  normal. 


4* 


532 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


Auch  dieser  Fall  beweist  den  günstigen 
Einfluss  konsequenter  Weiterbehandlung. 
Er  bestätigt  ausserdem  die  auch  sonst  von  uns  gemachte  Be¬ 
obachtung,  dass  das  Neosalvarsan  dem  Altsalvarsan  an  Inten¬ 
sität  der  Wirkung  nachsteht.  Nach  4  g  Salvarsan  haben  wir 
bisher  eine  provokatorische  Verschlechterung  der  Lumbal¬ 
flüssigkeit  nie  beobachtet. 

Lues  II. 

Zweimal  punktiert  wurden  2  Fälle,  von  denen  einer 
mit  massigen  Liquorveränderungen  schon  nach  1,2  Salvarsan  normale 
Verhältnisse  aufwies.  Der  andere  hatte  vorher  normalen  Liquor¬ 
befund  und  wurde  nach  der  völlig  unzureichenden  Dosis  von  0,9  g 
Salvarsan  wiederum  punktiert,  wobei  mässige  Verände¬ 
rungen  gefundenwurden. 

Auch  dieser  Fall  zeigt  in  völliger  Uebereinstimmung  mit 
analog  behandelten  Kranken  etwas  früherer  Stadien  die  auf¬ 
fallende  Tatsache,  dass  unter  vorläufig  noch  nicht  zu  über¬ 
sehenden  Umständen  nach  geringen  Dosen  Liquorverschlech¬ 
terungen  auftreten  können.  Das  von  uns  wiederholt  beob¬ 
achtete  Phänomen  ist  unseres  Erachtens  für  die  Frage  der 
üesamtdosierung  von  grosser  Wichtigkeit.  Sobald  man  näm¬ 
lich  weiterbehandelt,  bekommt  man  wesentlich  günstigere 
Resultate. 

Das  kommt  in  überzeugender  Weise  zum  Ausdruck  bei 
der  Betrachtung  der  nach  fortgeführter  Behandlung  zum 
3.  Mal  punktierten  (insgesamt  16  Fälle).  Allein 
diese  Kranken  lassen  eine  definitive  Beur¬ 
teilung  zu. 

Sie  alle  bekamen  durchschnittlich  2,3 — 3,9  Salvarsan'  und  in  den 
letzten  Wochen  noch  Hg.  salic.  (0,3 — 1,2  g).  Dreimal  blieb  der  vor¬ 
her  chemisch-zytologisch  normale  Liquor  normal,  ein  Resultat,  das 
bei  zwei  Kranken  nach  J4  Jahr  bestätigt  werden  konnte.  Bei  zwei 
von  diesen  Kranken  war  auch  die  Serumreaktion  bei  Abschluss  der 
Behandlung  negativ  geworden. 

Diesen  Patienten  reihen  sich  8  Fälle  an,  von  denen  5  mässige, 

3  schwere  Liquorveränderungen  vor  der  Behandlung  hatten  und  j 
unter  einer  intensiven,  zum  Schluss  kombinierten  Therapie  normalen 
Liquor  bekamen.  5  von  diesen  Kranken  zeigten  bei  Abschluss  der 
Behandlung  negative  Serumreaktion.  Einer  von  diesen,  bei  dem  der 
schwer  veränderte  Liquor  unter  der  Therapie  normal  ge¬ 
worden  war,  wurde  4  Monate  später  wieder  punktiert.  Liquor 
und  Serumreaktion  waren  noch  normal. 

Bei  2  Kranken  besserten  sich  unter  den  oben  genannten  Dosen 
die  Lumbalflüssigkeitsveränderungen,  ohne  dass  sie  normal  wurden, 
trotzdem  die  Wassermannsche  Reaktion  im  Blut  negativ i wurde. 

Eine  Kranke  mit  massigen  Veränderungen  blieb  unbeeinflusst 
bezüglich  des  Liquors,  während  die  Serumreaktion  negativ  wurde. 
Sie  bekam  allerdings  nur  2,3  Salvarsan  und  0,75  Hg.  sal. 

Bei  den  letzten  2  Kranken  dieser  Gruppe  sahen  wir  nach  0,9  g 
Salvarsan  resp.  2,5  g  Neosalvarsan  einen  normalen  Liquor  massig 
verändert.  Nach  Fortführung  der  Behandlung  verschwanden  Lympho¬ 
zytose  und  positive  Serumreaktion,  bei  dem  einen  blieb  lediglich 
eine  schwach  positive  Phase  I,  während  der  andere  Liquor  völlig 
normal  geworden  war. 

Lues  III  und  Lues  laten  s. 

6  derartige  Kranke  wurden  zweimal  in  Abständen  von  mehreren 
Wochen  punktiert.  Nur  der  eine  (Lues  III)  war  inzwischen  anti¬ 
luetisch  behandelt  worden.  Bei  allen  diesen  Fällen  lag  die  Infektion 
mehrere  Jahre  zurück,  ihr  Liquor  war  und  blieb  normal. 


Zur  Ergänzung  der  Liquoruntersuchungen  bei  der  unbe¬ 
handelten  Frühsyphilis  ohne  Erscheinungen  von  seiten  des 
Nervensystems  erschien  es  uns  nötig,  mit  den  gleichen  Unter¬ 
suchungsmethoden  die  Liquorverhältnisse  bei  solchen  Kranken 
kennen  zu  lernen,  die  sicher  in  früheren  Jahren  syphilitisch 
infiziert  waren,  aber  zurzeit  der  Untersuchung  keinerlei 
Zeichen  von  Lues,  auch  am  Nervensystem,  darboten. 
Es  handelt  sich  hier  um  104  Patienten,  die  wegen  anderer  Er¬ 
krankungen  die  medizinische  Klinik  aufsuchten.  Sie  alle 
waren  früher  lediglich  mit  Hg  und  zwar,  wie  eingangs  er¬ 
wähnt,  gänzlich  ungenügend  (meist  rein  symptomatisch)  be¬ 
handelt  worden. 

Bei  diesen  Patienten  haben  wir  es  unterlassen,  den  Druck 
gesondert  zu  registrieren.  Wir  möchten  an  dieser  Stelle  nur 
erwähnen,  dass  unter  37  Fällen,  die  chemisch-zytologisch  nor¬ 
mal  waren,  der  Druck  in  22  Proz.  über  200  cmm  betrug.  Wir 
messen  dem  um  so  weniger  Bedeutung  zu,  als  wir  unter  einer 
Anzahl  von  normalen  Liquores  bei  Nichtsyphilitikern  14  Proz. 
Druckerhöhung  fanden. 


An  anderer  Stelle  ist  bereits  von  dem  einen  von  uns  *) 
auseinander  gesetzt  worden,  aus  welchen  Gründen  wir  iso¬ 
lierter  Drucksteigerung  keine  übermässig  grosse  Bedeutung 
beimessen. 


Verhalten  des  Drucks  bei  normalem  Liquor.  (Tabelle  8.) 


Diagnose 

Zahl  der 
Fälle 

Druck:  1 
bis  150  mm 

150-200 

200—300 

über  300 

Keine  Erkrankung  des 

Zentralnervensystems 
Früher  Lues  (W.B  teils 

29 

14 

11' 

3 

1 

negativ,  teils  — p), 
Liquor  völlig  normal 

37 

17 

12 

5 

3 

66 

31 

23 

8 

4 

Hier  möchten  wir  nur  noch  ergänzend  hinzufügen,  dass, 
wie  Tabelle  No.  8  zeigt,  ein  Druck  von  150—200  mm  so 
häufig  auch  bei  normalen  Fällen  vorkommt,  dass  nach  unserer 
Anschauung  erst  jenseits  von  200  mm  von  pathologischer 
Drucksteigerung  gesprochen  werden  kann. 

Was  die  chemisch-zytologischen  Veränderungen  bei 
diesen  Fällen  anlangt,  so  gibt  Tabelle  No.  9  hierüber  Auskunft. 


Der  Liquor  cerebrospinalis  in  der  Latenzzeit.  (Tabelle  9.) 


Zahl 

der 

Fälle 

Wassermann 

Blut 

Wassermann  Liquor 

Liquor 

chemisch-zytologisch 

— 

+ 

davon  |  positiv 

ausSeT  bei  0,2 
wertet 

positiv 

bei 

höherer 

Concent 

keine 

mässige 

mittlere 

schwere 

Veränderungen 

34 

34 

34 

(21) 

34 

46 

46 

46 

(35)  | 

46  | 

5 

5 

5 

(3) 

1  5 

9 

9 

7 

(2)  1 

1  (+0,4) 

9 

2 

2 

1 

1  (4-0,4) 

2 

8 

8 

2 

(1)  1  5 

1  (4-0,4' 

8 

104 

39 

65 

94 

(62)  1  7 

3 

v-H 

o 

oo 

2 

8 

Einleitend  sei  folgendes  bemerkt: 

Wir  müssen  nach  unseren  Erfahrungen  bei  der  frischen 
Lues  annehmen,  dass  auch  in  den  vorliegenden  104  Fällen  ur¬ 
sprünglich  im  Frühstadium  ca.  80  Proz.  Liquorveränderungen 
vorhanden  gewesen  sind.  Jetzt  finden  wir  aber  bei 
80  von  diesen  104  Kranken  normalen  Liquor,  d. h. 
in  77  Proz.!  Hier  haben  sich  also  die  Verhältnisse  völlig 
verschoben.  Es  muss  daher  in  einem  grossen  Teil  dieser 
Fälle  zur  Rückbildung  der  Liquoranomalien  gekommen  sein. 
Wie  der  eine  von  uns  (D.)  in  den  vorhergehenden  in  dieser 
Wochenschrift  erschienenen  Arbeiten  (1912,  No.  30,  33/34, 
40/42)  eingehend  auseinandersetzte,  sind  nach  unserer  An¬ 
schauung  Liquorveränderungen  bei  Syphilis  das  Zeichen  einer 
spezifischen  Erkrankung  des  Nervensystems,  sofern  andere 
mit  Lumbalflüssigkeitsanomalien  einhergehende  Affektionen 
nicht  in  Betracht  kommen.  Sind  aber  früher  vorhandene  Ver¬ 
änderungen  verschwunden,  so  ist  mit  grosser  Wahrscheinlich¬ 
keit  anzunehmen,  dass  die  Lues  des  Nervensystems  vorläufig 
zur  Ausheilung  gekommen  ist,  ganz  einerlei,  wie  die  Serum¬ 
reaktion  ist.  Je  länger  der  Zeitpunkt  der  Infektion  zurück¬ 
liegt,  um  so  unwahrscheinlicher  erscheint  es,  dass  von 
irgend  einer  Stelle  des  Körpers  aus  noch  einmal  eine  Infektion 
des  Zentralnervensystems  erfolgen  könnte. 

Man  braucht  zur  Erläuterung  dieser  Auffassung  nur 
daran  zu  denken,  dass  die  Syphilis  im  Frühstadium  einer 
Septikämie  gleicht,  bei  der  die  Infektionskeime  im  ganzen 
Körper  verstreut  und  in  den  verschiedensten  Organen  depo¬ 
niert  werden.  Hier  können  die  Spirochäten  durch  Immun¬ 
vorgänge  im  Verein  mit  der  medikamentösen  Therapie  ver¬ 
nichtet,  oder,  falls  dies  nicht  geschieht,  auf  ein  mehr  oder 
minder  latentes  Dasein  zurückgedrängt  werden.  Solche  Dis¬ 
persionen  finden  natürlich  im  Sekundärstadium  der  Lues  in 
mehr  oder  minder  grosser  Zahl  statt.  Je  älter  aber  die 
Syphilis  wird,  um  so  mehr  verliert  sie  ihren  septischen  Cha¬ 
rakter  und  wird  zu  einer  lokalen  Erkrankung.  Infolgedessen 
werden  wir  bei  einmal  erreichter  Sterilisation  des  Nerven- 


*)  G.  L.  D  r  e  y  f  u  s:  1.  c. 


11.  März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


533 


Systems  um  so  grössere  Chancen  haben,  dass  diese  Sterili¬ 
sierung  eine  dauernde  ist,  je  weiter  wir  von  dem  Zeitpunkt  der 
Infektion  entfernt  sind.  Dabei  ist  noch  zu  bedenken,  dass  wir 
bei  solchen  Kuren,  wie  wir  sie  zur  Sterilisierung  des  für  das 
chemische  Mittel  so  schwer  zugänglichen  Nervensystems 
brauchen,  sicherlich  einen  sehr  grossen  Teil  der  im  Körper 
vorhandenen  Spirochäten  vernichtet  haben,  so  dass  hierdurch 
auch  im  Friihstadium  die  Gefahr  einer  erneuten  Dispersion 
wesentlich  vermindert  wird.  Selbstverständlich  wird  zur  Er¬ 
härtung  dieser  Anschauung  eine  über  Jahre  fortgesetzte  Beob¬ 
achtung  notwendig  sein. 

Bei  den  restlichen  24  Fällen  (mit  Liquorveränderungen) 
haben  wir  zu  unterscheiden  zwischen  14  Kranken,  bei  denen 
sich  mässige  Veränderungen  im  Liquor  fanden  und  10  mit 
mittleren,  resp.  schweren  Anomalien  der  Lumbalflüssigkeit. 
Bei  den  erstgenannten  kann  man  daran  denken,  dass  es  sich 
entweder  um  Residuärzustände  früherer  luetischer  Verän¬ 
derungen  am  Zentralnervensystem  handelt,  die  in  ein  pro¬ 
gnostisch  unsicheres  Latenzstadium  gekommen  sind.  Sie 
können  ausheilen  oder  fortschreiten.  Oder  es  handelt  sich 
doch  schon  um  beginnende  aktive  Prozesse.  Beide  Möglich¬ 
keiten  können  wohl  Vorkommen. 

Ganz  anders  liegen  unseres  Erachtens  die  Verhältnisse 
bei  den  10  Fällen,  wo  wir  mittlere  (2  Fälle)  resp.  schwere 
(8  Fälle)  Veränderungen  des  Liquors  fanden.  Hier  müssen 
wir  annehmen,  dass  wir  bereits  die  Vorläufer  schwerer  syphi¬ 
litischer  Prozesse  am  Zentralnervensystem  vor  uns  haben,  die 
über  kurz  oder  lang  auch  andere  sinnfällige  Erscheinungen 
zeitigen  werden. 

Für  diese  Auffassung  spricht: 

1.  Die  Tatsache,  dass  die  grosse  Mehrzahl  dieser  Fälle 
auch  klinisch  suspekt  waren.  Manche  dieser  Kranken  klagten 
über  häufige  Kopfschmerzen,  andere  über  „rheumatische“  Be¬ 
schwerden,  wieder  andere  erschienen  psychisch  nicht  ganz 
einwandfrei. 

2.  Das  Verhalten  dieses  Liquors  gegenüber  intensiver 
Therapie,  das  sich  ganz  mit  unseren  Erfahrungen  bei  der  Lues 
cerebrospinalis  (mit  klinischen  Symptomen)  deckte.  Sie 
zeigten  sich  nämlich  genau  so  resistent  wie  diese,  indem  sie 
selbst  nach  mehrfachen  kombinierten  Salvarsan-Hg-Kuren 
nicht  normal  wurden. 

3.  Der  Umstand,  dass  mit  Ausnahme  von  2  Fällen,  von 
denen  der  eine  nicht  unbedingt  verwertet  werden  kann,  da 
dieser  Liquor  nicht  ausgewertet  wurde,  sämtliche  anderen 
positive  Wassermann  sehe  Reaktion  im  Liquor  zeigten, 
zum  grossen  Teil  sogar  schon  bei  der  niedrigsten  Konzen¬ 
tration  (0,2  ccm). 

4.  Beobachtungen  von  R  a  v  a  u  t 12)  und  Vincent 13), 
die  einige  Fälle  mit  schweren  Liquoranomalien  ohne  klinische 
Symptome  jahrelang  verfolgen  konnten.  Bei  diesen  sahen  sie 
später  schwere  organische  Veränderungen  des  Zentralnerven¬ 
systems  auftreten.  Einige  dieser  Kranken  gingen  an  Paralyse 
zugrunde. 

Alle  diese  Fälle  lassen  natürlich  nur  dann  eine  Deutung 
in  obigem  Sinne  zu,  wenn  sie  keinerlei  spezifische  Ver¬ 
änderungen  an  den  Hirnnerven  aufweisen.  Insbesondere 
möchten  wir  hier  auf  isolierte  luetische  Akustikusverän- 
derungen  aufmerksam  machen,  die  für  sich  allein  ohne  sub¬ 
jektive  Beschwerden  bestehen  und  schwere  Lumbalflüssig¬ 
keitsveränderungen  hervorrufen  können. 

Interessant  ist  vielleicht  die  Uebersicht  über  das  zeitliche 
Zurückliegen  der  Infektion  bei  den  soeben  besprochenen 
Fällen,  über  welche  die  folgende  Tabelle  10  Auskunft  gibt. 

Wenn  wir  unser  gesamtes  Material  zusammenfassend 
überblicken,  so  ergeben  sich  uns  folgende  Befunde: 

Beim  Primäraffekt  mit  negativer  Serumreaktion  ist  der 
Liquorbefund,  abgesehen  von  einer  fast  konstanten  und  ziem¬ 
lich  erheblichen  Drucksteigerung  normal.  Wird  die  Serum- 
reaktion  positiv,  so  können  bereits  Liquoranomalien  auftreten. 
Diese  erfahren  eine  ganz  erhebliche  Zunahme,  sobald  die 


12)  P.  Ravaut:  I.es  indications  cliniques  et  therapeutiques 
fournies  par  la  ponction  lombaire  au  cours  de  la  syphilis  acquise  et 
hereditaire.  Le  monde  medical,  1911,  Oktoberheft  (No.  428). 

13)  CI.  Vincent:  Des  meningites  chroniques  syphilitiques. 
Paris,  (1.  S  t  e  i  n  h  e  i  1,  1910. 


Zeit  der  Infektion  bei  den  punktierten  Kranken  der  Latenzzeit. 

 (Tabelle  10.) 


Infektion 

vor 

wie  viel 
Jahren 

Zahl  der  Fälle 

Wassermann 

Blut  negativ 

Liquor  normal 

W.  Blut  + 

Liquor  normal 

W.  Blut  neg. 

Liquor  massige 

Veränderungen 

W.  Blut  + 

Liquor  massig 

verändert 

®  — 

®  O 

+2  |° 
läs 

rq  ^  "E 
•  2 
§L  2 

u 3 

W.  Blut  + 
Liquor  schwere 
Veränderungen 

unbekannt 

22 

16 

2 

2 

2 

1—  5 

38 

14 

16 

2 

2 

4 

6-10 

24 

10 

7 

1 

4 

2 

11-15 

11 

5 

4 

2 

20—30 

3 

2 

1 

31—35 

5 

3 

1 

1 

36—45 

1 

1 

104 

34 

46 

5 

9 

2 

8 

Syphilis  in  das  sekundäre  Stadium  tritt,  so  dass  wir  bei  Lues  I 
und  II  bereits  66  Proz.  chemisch-zytologisch  veränderte  Li¬ 
quores  vorfinden.  Im  etwas  späteren  Sekundärstadium  (bei 
bereits  abgeheiltem  Primäraffekt)  findet  sich  zwar  noch  der 
gleiche  Prozentsatz  pathologischer  Liquorbefunde,  doch  tritt 
das  Fortschreiten  der  krankhaften  Veränderungen  im  Nerven¬ 
system  in  einer  Zunahme  der  schwereren  Liquorverände- 
rungen  deutlich  zutage.  Auch  treffen  wir  hier  zuerst  die  posi¬ 
tive  Wassermann  sehe  Reaktion  im  Liquor  an. 

In  dem  Spätstadium  sowie  in  der  Spätlatenz  der  Syphilis 
ist  eine  ganz  erhebliche  Abnahme  der  Liquorveränderungen 
festzustellen.  Die  Prozentzahl  des  krankhaft  veränderten  Li¬ 
quors  beträgt  hier  nur  noch  23,  darunter  12  Proz.  schwere 
Veränderungen. 

Ist  schon  das  ausserordentlich  frühzeitige  Auftreten  krank¬ 
hafter  Veränderungen  am  Zentralnervensystem  auffallend,  so 
ist  für  die  Deutung  dieser  Veränderungen  das  kontinuierliche 
Anschwellen  bei  fortschreitender  Erkrankung  im  Frühstadium 
und  das  Abschwellen  im  Spätstadium  der  Syphilis  von  Wichtig¬ 
keit.  Wir  können  diese  Befunde  nicht  anders  deuten,  als  dass 
mit  der  Dispersion  des  syphilitischen  Virus,  die  offenbar  schon 
im  Stadium  des  Primäraffektes,  also  wesentlich  früher,  als 
man  bisher  anzunehmen  geneigt  war,  stattfindet,  auch  das 
Nervensystem  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Die  Aus¬ 
breitung  des  syphilitischen  Prozesses  drückt  sich  geradezu 
zahlenmässig  auch  in  der  Lumbalflüssigkeit  aus,  selbst  wenn 
sich  sonst  keinerlei  klinische  Symptome  nachweisen  lassen. 

Wie  überraschend  gross  die  Mitbeteiligung  des  Nerven¬ 
systems  —  meist  lediglich  erkennbar  in  Liquorveränderungen 
—  bereits  im  Frühstadium  ist,  beweisen  unsere  Prozentzahlen. 

So  erschreckend  diese  Zahlen  zunächst  auch  sind,  so  zeigt 
sich  doch  aus  den  für  die  Spätstadien  der  Syphilis  gewonnenen 
Befunden;  dass  offensichtlich  ein  grosser  Teil  der  Lumbal¬ 
flüssigkeitsveränderungen  zurückgeht  —  auch  bei  unzuläng¬ 
licher  Behandlung. 

Es  ist  sehr  wohl  denkbar,  dass  gerade  die  Kranken  mit 
schweren  Veränderungen  im  Frühstadium  die  Kandidaten  für 
syphilitische  Späterkrankungen  des  Nervensystems  werden, 
wenn  nicht  eine  energische  Therapie  einsetzt.  Auffallend  ist 
nämlich,  dass  die  Zahl  der  schweren  Veränderungen  bei  der 
Lues  II  (33  Proz.)  mit  der  Zahl  der  im  Latenzstadium  vor¬ 
handenen  Liquorveränderungen  (23  Proz.)  eine  gewisse  Ueber- 
einstimmung  zeigte. 

Aus  diesen  Befunden  ergibt  sich  nach 
unserer  Meinung  die  dringende  Forderung 
bei  Syphilitikern  jegliche  Liquorverände¬ 
rung,  einerlei  welches  Stadium  der  Lues  vor¬ 
liegt,  als  aktives  syphilitisches  Symptom 
aufzufassen  und  bis  zur  Erreichung  nor¬ 
maler  Werte  zu  behandeln. 

Ebenso  wichtig  wie  die  eben  mitgeteilten  Ergebnisse 
waren  unsere  Befunde  bezüglich  des  Einflusses  des 
Salvarsans  auf  den  Liquor  bei  Frühsyphilis. 

Wir  können  vorwegnehmen,  dass  wir  zu  wesentlich 
anderen  Befunden  und  Schlüssen  gelangt  sind,  als  die  eingangs 
erwähnten  französischen  Autoren.  Dies  zeigt  sich  schon  bei 
der  Betrachtung  der  Druckverhältnisse  des  Liquors. 

Um  zunächst  eine  Reihe  von  Untersuchungen  bei  nor¬ 
malen  Patienten  zu  erwähnen,  so  fanden  wir  bei  der  Hälfte 


534 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


dieser  Fälle  Druckwerte  über  150  mm  und  bei  14  Proz.  Stei¬ 
gerung  über  200  mm.  Ausserdem  war  sehr  häufig  eine  so 
erhebliche  Beeinflussung  des  Druckes  durch  psychische  Fak¬ 
toren  (Angst  vor  der  Punktion)  festzustellen,  dass  wir  auf  iso¬ 
lierte  Drucksteigerung  kein  allzugrosses  Gewicht  legen. 
Jedenfalls  aber  betrachten  wir  Werte  bis  zu  200  mm  als 
normal. 

Während  nun  die  erwähnten  französischen  Autoren  und 
auch  Spiethoff  die  Drucksteigerung  des  Liquors  nach  Sal- 
varsan  für  fast  konstant  halten,  zeigt  unser  Material  ein 
anderes  Bild,  indem  nämlich,  wie  erwähnt,  die  Mehrzahl  der 
Fälle,  die  bei  der  ersten  Punktion  gesteigerten  Druck  hatte, 
nach  Salvarsan  normale  Werte  aufwies.  Nur  eine  geringe 
Zahl  von  Kranken  zeigte  bei  vorher  normalem  Druck  nach 
Salvarsan  eine  Steigerung.  Alle  diese  Befunde  beziehen  sich 
nicht  auf  den  Einfluss  einer  oder  weniger,  sondern  gehäufter 
Salvarsaninjektionen. 

Der  Einfluss  auf  das  chemisch-zytologische  Verhalten  war 
folgender: 

In  allen  von  uns  untersuchten  Stadien  der 
Frühsyphilis  wurden  bei  intensiverer  Sal¬ 
varsanbehandlung  sämtliche  Fälle  (mit  Aus¬ 
nahme  eines  Falles  von  Lues  I.  der,  wie  bereits  besprochen, 
besondere  Verhältnisse  bietet)  günstig  beeinflusst,  in¬ 
dem  die  vorher  krankhaft  veränderten  Liquores  entweder  (in 
der  weitaus  grösseren  Zahl  der  Fälle)  zu  normalen  Werten 
gelangten,  oder  erheblich  gebessert  wurden. 

In  wenigen  Fällen  kam  es  zu  diesem  Resultat  erst  nach 
vorübergehender  Verschlechterung  des  chemisch-zytologi- 
schen  Befundes,  eine  Tatsache,  die  uns  den  Schlüssel  für  die 
Beobachtungen  der  französischen  Autoren  gibt:  Diese  Ver¬ 
schlechterung  trat  nämlich  lediglich  im  Ge¬ 
folge  kleiner  Salvarsandosen  (0,9 — 1 ,5  g)  a  u  f, 
um  bei  fortgeführter  Behandlung  zu  ver¬ 
schwinden.  Es  handelt  sich  also  bei  diesen  „M  e  n  i  n  gö¬ 
re  z  i  d  i  v  e  n“  wie  R  a  v  a  u  t  sie  nennt,  im  wesentlichen  um 
denselben  Entstehungsmechanismus  wie  bei  den  Neurorezi- 
diven,  nämlich  um  die  Folgen  zu  geringer  Salvarsangesamt- 
dosierung.  Tatsächlich  haben  auch  Ravaut  und  Levy- 
B  i  n  g  nach  unseren  jetzigen  Anschauungen  viel  zu  geringe 
Dosen  gegeben  (%—  lK  g). 

Derartige  Verschlechterungen  sind  nun,  ebenso  wie  die 
Neurorezidive  keineswegs  häufige  Folgeerscheinungen  ge¬ 
ringer  Salvarsandosen,  doch  ist  mit  ihrer  Möglichkeit  zu 
rechnen,  so  dass  unseres  Erachtens  bei  der  Salvarsantherapie 
die  Frage  der  Gesamtdosierung  von  wesentlicher  Bedeu¬ 
tung  ist. 

Wir  fassen  diese  Verschlechterungen  als  Provokationen 
latenter  syphilitischer  Prozesse  am  Zentralnervensystem  auf, 
die  im  Frühstadium  vorhanden  sein  können,  unter  Umständen 
auch  ohne  irgendwelche  Liquorveränderungen  hervorzurufen. 
Dafür  spricht  die  Tatsache,  dass  wir  derartige  „Provoka¬ 
tionen“  nur  in  Fällen  gefunden  haben,  die  entweder  gering¬ 
gradig  veränderte  oder  gelegentlich  auch  normale  Liquores 
hatten,  niemals  aber  beobachteten  wir  sie  bei  schweren  Ver¬ 
änderungen,  bei  denen  der  pathologische  Prozess,  wenn  man 
so  sagen  darf,  bereits  zu  voller  Entwicklung  gekommen  war, 
ebensowenig  im  Spätstadium. 

Damit  ergibt  sich  der  Unterschied  zwischen  Provokation 
und  der  Herxheimer sehen  Reaktion  am  Zentralnerven¬ 
system.  Letztere  tritt  lediglich  am  schwer  erkrankten 
Nervensystem  mit  erheblichen  Liquorveränderungen  und  zwar 
unmittelbar  nach  der  Salvarsandarreichung  auf. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  müssen  wir  die  unab- 
weisliche  Forderung  erheben,  zur  Erzielung  guter  Resultate 
die  Syphilis  intensiv  mit  Salvarsan  zu  behandeln.  Dabei 
ist  es  durchaus  nicht  gleichgültig,  in  welchen 
Zwischenräumen  Salvarsan  gegeben  wird. 
Wir  erachten  6 — 8  Injektionen  (3 — 4  g)  in  4 — 6  Wochen,  in 
Kombination  mit  Quecksilber  (ca.  1,2  g  Hg.  sal.  oder  besser 
0,8  Kalomel)  als  eine  zweckmässige  Behandlungsweise  und 
warnen  nachdrücklich  vor  verzettelter  Therapie.  Selbstver¬ 
ständlich  müssen  bei  diesen  Dosen  alle  diejenigen  Momente 
berücksichtigt  werden,  die  zu  den  unerlässlichen  Voraus¬ 
setzungen  rationeller  Salvarsanbehandlung  gehören.  (Wohl¬ 
befinden,  Fieberlosigkeit  etc.) 


Die  Notwendigkeit  ausreichender  Behandlung  im  Früh¬ 
stadium  ist  um  so  dringender  zu  fordern,  als  sich  uns  bei 
unseren  Untersuchungen  ergeben  hat,  wie  unendlich  viel 
leichter  die  Rückkehr  des  Liquors  zur  Norm  im  Frühstadium 
zu  erreichen  ist,  als  im  Spätstadium,  selbst  wenn  in  diesem 
sonstige  klinische  Symptome  fehlen. 

Bei  der  Frühsyphilis  sind  durch  eine  oder  mehrere  inten¬ 
sive  zielbewusste  Kuren  so  gut  wie  immer  normale  Liquor- 
verhältnisse  und  damit  wohl  auch  die  Sterilisation  des  Nerven¬ 
systems  zu  erreichen.  Dass  diese  nach  grossen  Dosen  erzielten 
günstigen  Resultate  dauernde  bleiben,  ist,  soweit  unsere  aller¬ 
dings  nicht  sehr  reichlichen  Nachuntersuchungen  des  Liquors 
zeigen,  zu  hoffen,  insbesondere  wenn  der  ersten  Kur  mit  kur¬ 
zem  Intervall  weitere  Kuren  folgen. 

Es  ist  deshalb  erforderlich,  zur  Kontrolle  des  erzielten 
therapeutischen  Erfolgs  Liquoruntersuchungen  vorzunehmen 
und  sich  nicht,  wie  es  bisher  fast  ausschliesslich  der  Fall  war, 
mit  einer  Untersuchung  der  Wassermann  sehen  Reaktion 
im  Blut  zu  begnügen.  Wie  unser  Material  nämlich  lehrt, 
stimmen  beide  keineswegs  überein.  Es  zeigt  sich  vielmehr, 
dass  das  eine  Mal  die  Serumreaktion  positiv  bleibt,  wenn  der 
Liquor  normal  wird,  andererseits  die  Serumreaktion  schon 
lange  negativ  sein  kann,  während  der  Liquor  noch  erhebliche 
pathologische  Befunde  aufweist. 

Welche  Konsequenzen  ergeben  sich  aus  unseren  Unter¬ 
suchungen  für  die  Praxis  bezüglich  der  Liquoruntersuchung? 
Es  ist  selbstverständlich,  dass  Lumbalpunktionen  in  der  Häufig¬ 
keit,  wie  sic  zur  wissenschaftlichen  Klärung  der  in  Betracht 
kommenden  Fragen  notwendig  erscheinen,  in  der  Praxis  un¬ 
durchführbar  sind.  Man  muss  ihre  Zahl  auf  das  unbedingt 
Notwendige  beschränken. 

Nicht  erforderlich  in  der  Praxis  sind  Liquoruntersuchungen 
bei  der  Lues  I,  da  sich  hier  keine  oder  nur  relativ  gering¬ 
gradige  Veränderungen  finden.  Wichtiger  können  sie  im 
Sekundärstadium  sein,  wo  uns  die  Untersuchung  des  Liquors 
ein  Bild  von  der  Intensität  der  Erkrankung  des  Zentralnerven¬ 
systems  gibt.  Hier  kann  uns  die  Kenntnis  von  der  Schwere 
des  Prozesses  vor  den  Folgen  allzugrosser  Anfangsdosen 
schützen.  Bei  abundanter  Lymphozytose  kann  es  nämlich  in 
diesem  Stadium  schon  durch  0,2  Salvarsan  zu  einer  recht  un¬ 
angenehmen  Herxheimer  sehen  Reaktion  an  den  Meningen 
kommen.  Deshalb  ist  es  ratsamer,  im  Sekundärstadium  prin¬ 
zipiell  mit  Quecksilber  vorzubehandeln  und  erst  nach  zirka 
2  Wochen  zu  kleinen  Salvarsananfangsdosen  überzugehen, 
wenn  man  über  den  Liquorbefund  nicht  unter¬ 
richtet  ist.  Dies  bedeutet  allerdings  eine  gewisse  Ver¬ 
zettelung  der  Therapie,  die  durch  die  Lumbalpunktion  ver¬ 
mieden  werden  kann. 

Notwendig  ist  die  Lumbalpunktion  in  jedem  Fall  nach 
Abschluss  der  Therapie:  Ist  nämlich  durch  planmässige  inten¬ 
sive  ein-  oder  mehrmalige  kombinierte  Kuren  die  Wasser- 
m  a  n  n  sehe  Reaktion  im  Blut  über  einige  Monate  hin  negativ 
geworden,  so  gibt  die  Lumbalflüssigkeit  Auskunft  über  die 
Heilerfolge  am  Nervensystem. 

Ist  die  Lumbalpunktion  in  das  diagnostische  Rüstzeug  der 
Syphilidologen  aufgenommen,  und  ist  die  von  uns  vertretene 
Forderung,  im  Frühstadium  der  Syphilis  so  lange  zu  behandeln 
(einmal  resp.  chronisch  intermittiernd),  bis  Ser umreaktion 
und  Liquor  dauernd  normale  Verhältnisse  ergeben,  so 
ist  vielleicht  die  Hoffnung  berechtigt,  dass  die  bei  der  bisher 
üblichen  Behandlungsweise  im  Latenzstadium  übriggebliebcnen 
Liquorveränderungen  (bei  unserem  Material  23  Proz.)  zum 
Verschwinden  gebracht  werden  können.  Damit  würden  wir 
dem  so  sehr  zu  erstrebenden  Ziele,  die  luetischen  und  meta- 
luetischen  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems  hint¬ 
anzuhalten,  die  unserer  Ansicht  nach  im  Frühstadium  angelegt 
werden,  näher  kommen. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  in  unserer  Arbeit 
mehrfach  erwähnten  Verschlechterungen  des  Liquors  nach  unzu¬ 
reichender  Salvarsanbehandlung  treten,  wie  unsere  fortgeführten 
Untersuchungen  zeigen,  in  völlig  gleicher  Weise  nach  Quecksilber 
auf.  Diese  von  uns  als  „Provokationen“  bezeichneten  Verände¬ 
rungen  sind  also  keine  Eigentümlichkeit  des  Salvarsans! 


1.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


535 


Hugo  Salus. 

Er  heisst  wirklich  Salus  und  der  Name  ist  kein  Pseudonym, 
em  von  uns  ist  nicht  sein  Name  schon  aufgefallen  unter  irgend 
nein  formschönen  Gedicht  oder  einer  feinzugeschliffenen  Novelle? 
r  ist  Dichter  und  Frauenarzt  in  Prag,  47  Jahre  alt  und  vor  mir 
>gen  15  bis  jetzt  erschienene  Bänder  schöner  Literatur  *).  Pie  Pra- 
?r  sind  stolz  auf  ihren  Dichter  und  sie  kennen  ihn  alle  persönlich. 
,'enn  man  mit  dem  Kollegen  durch  die  Stadt  Prag  wandelt,  er  in 
•iner  überschmalen,  grossen  Gestalt,  das  feine  Gesicht  überschattet 
an  einer  langen  Haarmähne,  die  unter  dem  grossen  Schlapphut  vom 
>pf  herniederwallt,  da  dürfte  man  seinen  eigenen  Hut  stets  in  der 
and  halten,  um  die  Grüsse  der  Prager  zu  erwidern.  Besonders  sind 
j  die  Deutschen  in  Prag,  die  in  den  unbehaglichen  Zeitläuften  mit 
isonderer  Verehrung  an  ihrem  Dichter  hängen.  Wenn  man  daher 
,it  Salus  im  berühmten  „Deutschen  Haus“  zu  Prag  sitzt,  dem  Boll- 
erk  des  Deutschtums  der  stark  bedrängten  Prager  Deutschen, 
rscheint  Salus  wie  ein  kleiner  König  unter  ihnen.  Aber  mitten  im 
cspräch  über  Literatur,  das  wir  mit  ihm  auf  der  Strasse  führen,  oder 
uch  mitten  in  einer  Blödelei  —  Salus  kann  so  lustig  „blödeln“  — 
rgt  er  plötzlich:  „Warte  ein  wenig;  ich  muss  schnell  nach  einer 
/öchnerin  sehen.“  Denn  es  lieben  die  Frauen  von  Prag,  den  Dichter 
alus  an  ihrem  Geburtsbette  zu  sehen,  vielleicht,  dass  das  Neu- 


eborene  seine  besondere  Weihe  durch  die  Hilfe  des  Dichters  er- 
alte  .  .  aber  es  kann  seinem  Dichtergemüt  einfallen,  wenn  er  von 
llzu  sensitiver  Seite  unnötig  festgehalten  wird,  dass  sein  Genius  ihn 
lötzlich  seinen  grossen  Schlapphut  und  auch  die  Flucht  ergreifen 
isst,  und  er  rennt  nach  Hause  zu  seinem  Schreibtische  und  gestaltet 
in  Gedicht  und  kehrt  dann  beruhigt  und  befreit  zu  seinem  ärztlichen 
henst  zurück. 


*)  Ehefrühling.  Trost  büch  lein  für  Kinderlose, 
iedichte.  Verlag  Eugen  Diederichs,  Jena. 

Gedichte.  NeueGedichte.  Reigen.  Ernte.  Neue 
iarben.  Die  Blumenschale.  Glockenklang.  Ge¬ 
heilte.  Verlag  Albert  Langen,  München. 

Das  blaue  Fenster.  Novellen  des  Lyrikers, 
eh  wache  Helden.  Novellen.  Verlag  Egon  Fleischei,  Berlin. 

Susanna  im  Bade.  Römische  Komödie.  Schau- 
piele.  Verlag  Albert  Langen,  München. 

Christa,  ein  Evangelium  der  Schönheit.  Xenienverlag. 

Seelen  und  Sinne.  Novellen.  Erscheint  1913  im  Xenien- 
erlag. 


Einmal  auch  in  den  Dolomiten,  wo  wir  mit  ihm  und  seiner  geist¬ 
sprühenden  Frau  Olga  beisammen  waren,  sahen  wir  ihn  ständig  um¬ 
geben  von  allen  möglichen  schönen,  und  weniger  schönen  Oester¬ 
reicherinnen,  die  ihn  umdrängten  und  mit  ihm  plaudern  wollten,  um 
schliesslich  verschämt  —  auch  weniger  verschämt  —  ihm  ihre  Ge¬ 
dichte  zu  unterbreiten,  damit  er  sie  prüfe. 

Das  nimmt  er  nun  sehr  genau.  Genau  wie  sich  selbst. 

Wenn  man  sein’Notizbuch  sieht,  in  dem  er  an  einem  kleinen  Ge¬ 
dichte  wohl  ein  paar  Dutzend  Seiten  füllt  und  immer  wieder  korrigiert 
und  an  einem  einzelnen  Worte  feilt,  dann  bewundert  man  den  Ernst 
und  die  Gewissenhaftigkeit,  mit  der  er  an  seinem  künstlerischen  Ge¬ 
stalten  arbeitet.  So  konnte  er  auch  in  einem  Gedichte  sagen: 

Und  eh’  ich  die  Zeile  hinschreiben  könnt’: 

„Durch  den  blühenden  Kirschbaum  flimmert  der  Mond“  — 

da  musst’  ich  erst  tausend  Kirschbäume  seh’n 

in  weissen  leuchtenden  Blüten  steh’n, 

und  tausend  Bäume  in  Schnee  und  Eis, 

und  mich  sehnen  nach  Blüten,  rot  und  weiss, 

und  musste  durch  tausend  Mondnächte  schreiten, 

wenn  durch  die  Blätter  die  Strahlen  gleiten, 

und  tausend  Bilder  in  meine  Augen 

und  tief,  tief  in  die  Seele  saugen, 

und  musste  dem  Klange  der  Worte  lauschen, 

ob  sie  von  Mond  und  Blüten  rauschen, 

eh’  dass  ich  die  Zeile  hinschreiben  könnt’: 

„Durch  den  blühenden  Kirschbaum  flimmert  der  Mond“. 

Salus’  Lyrik  ist  modern  im  besten  Sinne.  Denn  sie  vermeidet 
die  saloppe  Art,  die  sich  —  wie  auch  in  der  übermodernen  Malerei  — 
über  Form  und  Kultur  hinwegsetzt.  Trotz  tiefer  Gedanken  ist  die 
Form  stets  ausgefeilt  und  künstlerisch  gestaltet.  Vielleicht  deshalb 
bisweilen  etwas  zu  glatt.  Das  aber  weiss  er  selber  und  einmal  klagte 
er  mir:  „Das  ist  das  Verhängnis  des  Lyrikers,  dass  mir  bei  jedem 
Erlebnis  zwangsweise  der  Gedanke  kommt:  Das  musst  du  dichten! 
So  läuft  man  Gefahr,  ein  Könner  zu  werden.“  Wir  meinen,  wer  diese 
Gefahr  erkennt,  unterliegt  ihr  nicht. 

Mit  dem  Band  Gedichte  „E  h  e  f  r  ü  h  1  i  n  g“,  das  in  mehr  denn 
7000  Exemplaren  vorliegt,  hat  Salus  den  ersten  und  besten  Wurf 
getan.  Wir  entnehmen  ihm  zur  Probe  das  folgende  Gedicht: 

Erinnerung. 

Zünd’  festlich  im  Salon  die  Kerzen  an, 
zieh'  aneinander  fest  des  Vorhangs  Spitzen, 
ich  schiebe  zum  Kamin  die  Sessel  dann, 
dort  lass  uns,  uns  umarmend,  niedersitzen. 

Denn  sieh’,  an  solchem  Winterabend  oft 

bin  als  Student  ich  durch  die  Stadt  gegangen. 

Mein  Auge,  das  Erfüllung  nie  gehofft, 
ist  oft  an  solchen  Lichtes  Schein  gehangen. 

An  Lampenschein,  der  mild  ins  Dunkel  bricht, 
an  Fenstern,  d’raus  ich  frohe  Stimmen  hörte, 
an  Schatten  hinterm  Vorhang,  eng  und  dicht, 
indes  die  Sehnsucht  drunten  mich  verzehrte. 

Heut  ist  ein  solcher  Abend,  kalt  und  rauh, 

Das  Glück  vertieft  sich  mir  in  diesen  Räumen: 

Lehn’  fest  dein  Haupt  an  mich,  geliebte  Frau, 

recht  fest  an  mich  —  und  lass’  mich  träumen,  träumen! 

Wem  kommen  da  nicht  aus  glühendster  Vergangenheit  die 
tiefsten  Studentenerinnerungen? 

Und  nun  lese  man  aus  einem  anderen  Bande: 

S  t  i  1 1  e  b  e  n. 

Auf  meinem  Schreibtisch  kunterbunt 
liegt  Wissenschaft  und  Dichtung. 

Der  letzte  mikroskopische  Fund, 

Gedichte  jüngster  Richtung. 

Aus  diesem  Chaos  stimmungsvoll 
ragt,  ihm  die  Weihe  gebend, 
empor  ein  schöner  Bronzeapoll, 

Apoll,  die  Leier  hebend. 

Ein  Zigarettlein  auf  seinem  Fuss, 
noch  warm  von  meinem  Hauche, 
schickt  ihm  empor  den  Opfergruss 
mit  feinem  blauen  Rauche. 

Auf  Kunst  und  Wissen,  schräg  herein, 
mit  Gold  es  zu  umsäumen, 
fällt  heller  Sommersonnenschein  — 
und  auf  dies  Blatt  mit  Reimen. 

So  mag  man  ihn  sich  vorstellen,  wenn  er  in  seinem  Studier¬ 
zimmer  sitzt,  dessen  einer  Teil,  durch  eine  spanische  Wand  abgeteilt, 
den  ominösen  Untersuchungsstuhl,  nebst  Schalen  von  Instrumenten 


536  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  10. 


enthält,  indessen  der  andere  Teil  einen  schriftenbeschwerten  Schreib¬ 
tisch  aufweist  und  —  nun  darf  man  ein  klein  wenig  lächeln  —  an  den 
Wänden  eine  Menge  von  seidenen  Bändern,  entnommen  den  zahllosen 
Lorbeerkränzen,  die  die  unmoderne  Welt  der  Lyrikschwärmerinnen 
dem  modernen  Lyriker  gereicht  hat. 

Aus  demselben  Bande  noch  folgendes: 

Kammermusik. 

Der  Apotheker,  der  Kaufmann,  der  Arzt  und  der  Richter, 
es  sind  immer  wieder  dieselben  Gesichter; 
so  eine  Kleinstadt,  es  ist  ein  Graus, 

Gott  gebe,  ich  wäre  schon  wieder  heraus. 

Aber  am  Sonntag  lädt  der  Herr  Richter 
„Auf  einen  Löffel  Suppe  den  Grossstadtdichter“, 
der  Apotheker,  der  Kaufmann,  der  Arzt,  die  drei 
sind  natürlich  auch  dabei. 

Das  Essen  ist  gut,  da  ist  nichts  zu  sagen, 
ihr  Minister  des  Innern  ist  eben  der  Magen, 
und  der  Wein  nicht  übel;  nun  ja  man  spürt, 

„Man“  hat  eben  in  der  Hauptstadt  studiert. 

Dann  spricht  man  und  raucht;  es  geschieht  auch  zuweilen, 
dass  Minuten  ohne  Gespräch  enteilen. 

Dann  spricht  man  wieder  und  dann  auf  Ehr, 

Bringt  die  Hausfrau  Notenständer  her. 

Und  dann,  da  ich  seufze:  „Es  ist  nicht  zu  ändern", 

Sitzen  die  Alten  schon  vor  ihren  Ständern, 

ein  jeder  den  Fiedelbogen  nimmt, 

zwei  Geigen,  Viola  und  Cello.  „Es  stimmt“. 

.  Und  sie  spielen,  Beethoven.  Erst  etwas  befangen; 
dann  steigen  Flämmchen  in  ihre  Wangen 
und  herrlich  durch  das  Zimmer  ziehn 
die  unendlichen,  mächtigen  Melodien. 

Ich  sitze  und  lausche,  aufs  tiefste  erschüttert; 
mein  Herz  wird  mild  und  die  Seele  erzittert 
Der  Flügelschlag  der  Kunst  durchrauscht 
die  Luft,  der  fromm  die  Seele  lauscht. 

Mir  wird,  versunken  im  Anblick  der  Alten, 
als  müsst  zum  Gebet  ich  die  Hände  falten: 

O  Himmel,  im  Alter  bewahre  auch  mir 
die  Freude  am  Schönen,  wie  diesen  hier! 

Ist  die  Verinnerlichung  des  geplagten  Landkollegen  je  schöner 
geschildert  worden?  Es  wäre  zu  verlockend,  aus  den  vielen  Gedicht¬ 
büchern,  die  vor  mir  liegen,  wieder  und  wieder  eines  hervorzu¬ 
nehmen,  das  uns  Aerzte  besonders  anspricht.  Es  kann  nur  darauf 
hingewiesen  werden  und  wer  sich  Salus’  Bücher  anschafft,  wird  zu 
seiner  Freude  immer  wieder  etwas  neues  und  schönes  finden. 

Aber  der  Kollege  Salus  hat  der  Münchener  medizinischen 
Wochenschrift  und  damit  seinen  ärztlichen  Kollegen  noch  ein  be¬ 
sonderes  Geschenk  gemacht,  indem  er  ihr  durch  mich  das  folgende, 
bisher  noch  ungedruckte  Gedicht  überlässt: 

Die  Ballade  des  Arztes. 

Mir  ist,  als  hätt’  ich  all  dies  nur  gelesen 
Und  nicht  erlebt;  und  ist  doch  nicht  so  lang. 

Dass  ich  ein  fleissiger  Student  gewesen, 

Der  mit  den  Brüdern  Hoffnungslieder  sang, 

Und  der  in  unstillbarem  Wissensdrang 
Den  hohen  Lehren  klarer  Forschung  lauschte 
Und  sich  an  dem  Erkenntnisborn  berauschte! 

Nun  sitz’  ich  zwanzig  Jahre  in  dem  letzten 
Und  ärmsten  Dorf,  der  Wissenschaft  ein  Spott, 

Das  Elend  jagt  mich  elenden,  gehetzten 
Landbader  durchs  Gebirg  in  müdem  Trott, 

Mir  selbst  zur  Schande  und  ein  Hohn  für  Gott, 

Pfusch’  ich  ihm  in  das  Handwerk  bei  den  Bauern, 

Nur  drauf  bedacht,  auf  mein  Entgelt  zu  lauern. 

Die  in  der  Stadt  bemühn  sich  um  das  Wissen; 

Ich  lern’  nichts  mehr,  mir  fehlt  dazu  die  Zeit. 

Ich  sinke  abends  müde  auf  mein  Kissen. 

Mein  armes  Weib,  das  ich  ganz  jung  gefreit, 

Ward  mit  mir  alt  und  welk  in  Not  und  Leid. 

Ich  war  zu  müd,  um  andere  zu  lieben, 

So  bin  ich  ihr  aus  Trägheit  treu  geblieben. 

Nun  ist  sie  sterbenskrank.  In  meiner  Stumpfheit 
Forscht’  ich  nicht  nach  des  Leidens  wahren  Grund, 

Ich  pfuschte  nur  in  meiner  faulen  Dumpfheit 
Und  sprach  ihr  zu  mit  salbungsvollem  Mund: 

„Nimm  dies  und  dies!  Ich  mach’  dich  bald  gesund!“ 

Nun  ist’s  zu  spät.  Wär’  ich  ein  Arzt  gewesen. 

Kein  Held  der  Mittelchen,  sie  wär’  genesen! 


Sie  hat  sich  wie  ein  wundes  Tier  verkrochen, 

Ihr  heis’res  Schrei’n  und  Stöhnen  klagt  mich  an. 

Was  ich,  ein  Stümperarzt,  an  ihr  verbrochen, 

Was  ich  in  meinem  dünkelhaften  Wahn 
Die  Jahre  her  den  Duldenden  gethan, 

Dass  ich  ein  Mörder  bin  und  ein  Verbrecher! 

An  ihrem  Lager  steht  der  Tod  als  Rächer. 

Heut  Hess  ich  ihr,  des  Vorwurfs  Fluch  zu  mindern, 

Der  mich  aus  ihren  leeren  Augen  trifft, 

Ein  Egoist  auch  jetzt,  mein  Leid  zu  lindern, 

Zurück  das  tödliche,  das  sich’re  Gift  .  .  . 

Ihr  dürren  Finger,  o,  ich  weiss,  ihr  grifft 
Jetzt  nach  dem  einzigen  Trost,  den  ich  gegeben, 

Ihr  krümmt  euch,  ihr  erschlafft. 

Und  ich  muss  leben  .... 

Wer  kann  den  Schauer  dieser  Ballade  mehr  verstehen,  als  wir 
Aerzte?  Denn  nur  wir  kennen  die  Tragik  unseres  ärztlichen  Berufe:, 

Wenn  es  S  a  1  u  s  in  dem  sturmdurchtobten  Prag,  dessen  nationale 
Zustände  ständige  Kämpfe  entflammen  und  der  sanften  Lyrik  keine:; 
Boden  geben,  zu  nüchtern  wird,  dann  kommt  er  —  jedes  Jahr  ein¬ 
mal  —  zu  uns  nach  München,  in  die  Kunstausstellungen,  zu  literari¬ 
schen  Freunden  und  Künstlern  und  holt  sich  neue  Anregung. 
Vor  vier  Jahren  brachte  er  neben  seiner  Ehegefährtin,  mit  der  er 
13  Jahre  lang  kinderlos  verheiratet  war,  sein  neuestes  Kind  der 
Muse  mit: 

Trostbüchlein  für  Kinderlose. 

Es  ist  dies  eine  seiner  zartesten  Prosadichtungen,  geboren  aus 
der  Sehnsucht  nach  einem  Kinde.  Daraus  sei  folgendes  einleitende 
Gedicht  entnommen. 

Kinderhändchen. 

Uns  hat  kein  Gott  ein  Kindchen  zuerkannt, 
und  kann  doch  nichts  mein  Trübsein  so  verringern. 

„  als  eine  dicke,  weiche  Kinderhand 

mit  Amorgrübchen  und  mit  drolligen  Fingern, 

Die  noch  ganz  dumm  nach  allen  Dingen  langt, 
dreist,  ohne  Angst  und  voller  Weltvertrauen, 
ein  mutig  Händchen,  dem  vor  gar  nichts  bangt, 
weil  alle  Dinge  so  vertraulich  schauen. 

Drum,  wenn  mein  Glücksbedürfnis  Träume  spann, 
sah  ich  ein  Kind  an  Vaters  Knie  sich  schmiegen, 
und  meines  Kindes  Händchen  fühlt’  ich  dann 
tröstend  und  warm  in  meinen  Händen  liegen. 

Traum!  Traum!  Du  liebes  Händchen  du, 
versagst  du  dich  mir  jetzt,  um  einstens  drüben 
der  Seele  mein  am  Tor  zur  ewigen  Ruh 
den  schweren  Riegel  hilfreich  wegzuschieben? 

Und  siehe  da,  als  das  Trostbüchlein  in  die  Presse  kain, 
da  ward  Salus  —  er  war  ein  schlechter  Prognostiker  —  ein 
Sohn  Wolfgang  geboren  und  mit  ihm  wälzt  er  sich  nun  auf  dem 
Boden  herum  und  ist  glücklich. 

Man  soll  in  die  Werkstatt  bedeutender  Menschen  sehen.  Sie  ‘ 
gibt  einen  tiefen  Einblick  in  den  Menschen  selbst  und  auch  in 
sein  Werk.  In  der  jetzigen,  für  uns  Aerzte  sturmdurchzitterteu 
Zeit,  die  uns  zwingt,  die  nicht  vom  Berufe  erfüllten  Stunden  durch 
heisse  Kämpfe  um  unser  Ansehen  im  Staate  und  unsere  wirtschaft¬ 
liche  Stellung  auszufüllen,  ist  es  ein  Segen,  Kollegen  zu  haben,  die. 
uns  durch  ihr  Leben  und  Schaffen  noch  auf  schöne  und  ideell: 
Bahnen  geleiten.  Danken  wir  ihnen  dadurch,  dass  wir  uns 
aus  stürmischen  Stunden  heraus  zu  ihnen  und  zu  ihren  Werken 
flüchten  und  uns  daran  erbauen  und  erquicken.  Sie  sind  die  Zierden 
unseres  Standes. 

Nun  lese  man  noch  zum  Schluss,  was  nur  ein  Arzt  und  Dichter 
schreiben  kann: 

Bahnfahrt. 

Endlose  Eisenbahnfahrt,  trüber  Tag, 

Trostlose  Landschaft.  Und  im  Wagen  drinnen 
ich  und  fünf  Weiber,  deren  Reden  rinnen. 

Hilf  Himmel,  dass  ich  diese  Fahrt  ertrag’! 

Und  wieder  hält  der  Zug!  Verfluchte  Plag! 

Tür  auf.  Tür  zu!  Und  zu  den  Schwätzerinnen 
noch  eine  mehr!  Und  hält  in  weissen  Linnen, 

Herrgott!  ein  Kind  im  Arm!  Der  Teufel  mag  .  .  . 

Und  Weiterfahrt.  Das  Kind  erwacht,  erschrickt 
und  schreit  und  schreit!  Sie  neigt  sich  zu  ihm  nieder 
und  nestelt  an  der  Brust:  „Gleich,  gleich!  Sei  gut!“ 

Die  Weiber,  still,  schaun  zu,  erregt,  beglückt. 

Zehn  Brüste  sehnen  sich  aus  Hemd  und  Mieder. 

Und  mir  wird  fromm  und  andachtsvoll  zu  Mut  .  .  . 

Max  Nassauer  -  München. 


II.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


537 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Die  Psychoneurosen  und  ihre  Behandlung*). 

Von  Dr.  Robert  Neu  per  t,  Kgl.  Oberarzt  a.  D.  in  Nürnberg. 

M.  H.!  Ich  habe  als  Thema  für  meinen  Vortrag  im  ärztlichen 
Fortbildungskurs :  „Die  Psychoneurosen  und  ihre  Behandlung“  ge¬ 
wühlt.  Verschiedene  Motive  waren  hierbei  für  mich  massgebend. 
Einmal  die  überaus  grosse  Bedeutung,  welche  den  Psychoneurosen 
als  Krankheitsform  überhaupt  zukommt.  Schon  quantitativ  stellen  sie 
einen  sehr  erheblichen  Bruchteil  in  der  Morbiditätsstatistik  dar  und 
es  kann  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  dass  noch  eine  weit 
höhere  Ziffer  herauskäme,  wenn  die  Statistik  nach  dieser  Richtung  hin 
genauer  geführt  und  die  Diagnose  der  Psychoneurosen  überhaupt 
exakter  gestellt  würde.  Diese  Häufigkeit  der  Psychoneurosen  ist 
naturgemäss  für  die  Praxis  von  eminenter  Bedeutung.  Sie  sind,  mar, 
kann  wohl  sagen,  mit  das  tägliche  Brot  des  Arztes,  denen  er  auf 
Schritt^  und  Tritt  begegnet.  Durch  die  intensive  Forschung,  die  auf 
dem  Gebiete  der  Psychoneurosen  in  den  letzten  Jahrzehnten  ein-, 
setzte,  haben  dieselben  aber  auch  theoretisch  ein  ausserordentliches 
Interesse  gewonnen,  das  sich  nicht  bloss  innerhalb  der  ärztlichen 
Kreise  bewegt,  sondern  die  Schranken  unserer  medizinischen  Wissen¬ 
schaft.  fast  möchte  ich  sagen  mit  elementarer  Gewalt  durchbrach  und 
auch  die  gebildeten  Massen  überhaupt  in  hohem  Masse  fesselte.  So 
wird  es  wohl  kaum  einen  Kollegen  unter  uns  geben,  der  in  der 
Privatpraxis  nicht  schon  über  den  Wert  oder  den  Unwert  der 
Theorien  Freuds  und  seine  therapeutischen  Encheiresen  ein  Urteil 
hätte  abgeben  müssen. 

Bei  der  gewaltigen  Fülle  des  vorliegenden  Stoffes  werden  Sie 
nicht  von  mir  erwarten,  dass  ich  das  gewählte  Thema  in  der  zu 
Gebote  stehenden  kurzen  Spanne  Zeit  einigermassen  erschöpfend  be¬ 
handle.  Dazu  wäre  ein  Dutzend  und  mehr  Stunden  notwendig.  Ich 
werde  deswegen,  um  einigermassen  vollständig  zu  bleiben,  die 
Materie  soweit  es  nur  immer  geht,  zusammenpressen.  Viele  Fragen 
auf  dem  Gebiete  der  Neurosen  sind  noch  strittig  und  ein  erbitterter 
Kampf  wird  hüben  und  drüben  auf  der  ganzen  Linie  geführt,  der 
manchmal  die  wünschenswerte  Objektivität  vermissen  lässt.  Ich 
werde  bestrebt  sein,  soweit  dies  einem  Subjekt  überhaupt  möglich 
ist,  in  der  Kritik  eine  möglichst  objektive  Stellung  einzunehmen  und 
mit  meinen  eigenen  Theorien  tunlichst  zurückhalten. 

Nach  diesen  einleitenden  Worten  möchte  ich  mich  zunächst  dem 
Begriff  der  Psychoneurosen  zuwenden.  Der  Begriff  der  Psycho¬ 
neurosen  ist  kein  ganz  feststehender  und  klarer.  Er  ist  mehr  aus 
klinisch-didaktischen  Gesichtspunkten  heraus  geboren,  denn  aus 
innerer  Notwendigkeit.  Im  wesentlichen  versteht  man  unter  Psycho¬ 
neurosen  den  neurasthenischen  und  hysterischen  Symptomenkomplex. 
zu  dem  sich  noch  die  Zwangserscheinungen  und  gewisse  Entartungs¬ 
zustände  gesellen.  Aber  schon  jetzt  möchte  ich  betonen,  dass  die 
W  irkliclikeit  bei  den  Neurosen  eine  reinliche  Scheidung  in  dem  eben 
angegebenen  Sinne  nicht  kennt,  dass  diese  Krankheitsbilder  mehr 
oder  weniger  das  Produktion  der  Konstruktion,  aber  nicht  der 
Natur  sind  und  dass  sie  keine  Krankheitseinheiten  darstellen.  Es 
findet  in  jedem  einzelnen  Falle  eine  Mischung  der  unendlich  vielen 
und  wechselnden  Symptome  statt  und  so  entsteht  ein  Reichtum  von 
Krankheitsbildern,  den  wir  auf  den  übrigen  Gebieten  der  Pathologie 
vergeblich  suchen. 

Vielfach  hat  man  auch  die  Begriffe  „funktionell“  und  „organisch“ 
als  leitende  Gesichtspunkte  bei  der  Abgrenzung  der  Neurosen  von 
anderen  Krankheitszuständen  benützt.  Das  Wort  funktionell  stellt 
dann  das  Synonymum  von  Neurose  dar.  Aber  auch  diese  Bestimmung 
der  Neurose  ist  eine  wenig  befriedigende,  denn  es  ist  klar,  dass  der 
Begriff  „funktionell“  im  Gegensatz  zu  „organisch“  nur  ein  asylum 
iguorantiae  bedeutet  und  dass  auch  bei  funktionellen  Störungen 
organische  Veränderungen  vorhanden  sind  und  vorhanden  sein 
müssen  und  dass  es  nur  an  der  Unzulänglichkeit  unserer  Unter¬ 
suchungsmittel  liegt,  wenn  wir  keine  organischen,  d.  h.  grob  anato¬ 
mischen  Veränderungen  nachweisen  können.  Es  wird  niemand  be¬ 
zweifeln.  dass  auch  die  neurotischen  Zustände  ihren  Ausdruck  in 
körperlichen  Störungen,  ich  drücke  mich  absichtlich  so  allgemein  aus, 
miden.  Aber  angesichts  der  Unmöglichkeit,  die,  wenn  nicht  für  immer. 
s°  doch  noch  jetzt  und  für  lange  Zeit  hinaus  besteht,  mit  chemischen 
und  physikalischen  Hilfsmitteln  das  körperliche  Substrat  der  Neurose 
einznfangen,  werden  wir  jene  weit  aussichtsreichere  Methode  bevor¬ 
zugen,  die  von  der  anderen  Seite  dem  Problem  nahezukommen  sucht: 
>lie  Psychologie.  Und  auf  Grund  der  feststehenden  Psychologen 
Tatsachen  will  ich  das  Resultat  unserer  späteren  Ausführungen  einst¬ 
weilen  vorausnehmen  und  als  die  wesenhafte  Eigenschaft  der  Neurose 
ihre  psychische  Bedingtheit  auffassen. 

Um  nun  die  Diagnose  der  Psychoneurose  zu  gewinnen  ist  es 
uuiehaus  notwendig,  in  jedem  einzelnen  Falle  eine  genaue  Unter¬ 
suchung  vorzunehmen  und  zwar  müssen  wir  die  Diagnose  per 
exclusionem  stellen.  Wir  werden  bei  der  Untersuchung  einm  il  orga¬ 
nische  Erkrankungen,  weiterhin  solche  des  Nervensystems  und  end¬ 
lich  ausgesprochene  psychotische  Zustände  mit  Sicherheit  aus¬ 
schliessen  müssen.  Erst  wenn  diese  Forderungen  erfüllt  sind,  können 


)  Aerztlicher  Fortbildungsvortrag. 


vor  mit  gutem  Gewissen  die  Diagnose  Psychoneurose  stellen.  Wer 
nicht  so  verfährt  oder  etwa  auf  eine  gewisse  intuitive  Erkenntnis 
pochend  ohne  vorausgegangene  nach  den  angegebenen  drei  Rich¬ 
tungen  hin  sich  erstreckende  genaue  Untersuchung  eine  Psycho- 
neurose  annimmt,  der  setzt  sich  unter  Umständen  den  schwersten 
Irrturnern  aus,  die  sich  nicht  bloss  prognostisch  rächen,  sondern  auch 
nach  der  therapeutischen  Seite  hin  den  grössten  Schaden  anzurichten 
imstande  sind.  Nun  kann  man  wohl  behaupten,  dass  in  den  letzten 
Jahrzehnten  die  diagnostischen  Hilfsmittel  namentlich  auch  auf  neuro¬ 
logischem  Gebiete  so  vermehrt  sind,  dass  nur  in  ganz  wenigen  Fällen 
bei  sachverständiger  und  gründlicher  Untersuchung  differential- 
diagnostische  Irrtümer  Vorkommen.  So  wird  immer  seltener  der  Fall 
eintreten,  dass  man  eine  Hysterie  mit  einem  körperlichen  Leiden  oder 
einer  organischen  Erkrankung  des  Nervensystems  verwechselt  und 
umgekehrt. 

Wir  werden  also  bei  der  Diagnose  in  erster  Linie  körperliche 
Krankheiten  auszuscheiden  haben.  Hier  ist  unter  Umständen  eine 
mit  peinlicher  Akribie  ausgeführte  spezialärztliche  Untersuchung  not¬ 
wendig.  Nur  darf  die  spezialärztliche  Untersuchung  nicht  in  Spitz¬ 
findigkeiten  und  Haarspaltereien  ausarten,  es  muss  stets  ein 
Symptomenkomplex  als  positiver  Befund  vorhanden  sein,  auf 
Grund  dessen  eine  echte  rechte  Diagnose  zu  stellen  ist.  Damit  dass 
man  eine  leichte  Hyper-  oder  Hypazidität  des  Magensaftes  kon¬ 
statiert,  oder  einen  geringen  Tiefstand  des  Magens  feststellt,  von 
der  Wanderniere  ganz  zu  schweigen  —  damit  ist  dem  Neurologen 
wie  gesagt  wenig  gedient.  Vielfach  kommen  Kranke  mit  neur¬ 
asthenischen  Klagen  und  bei  der  Untersuchung  zeigt  es  sich,  dass 
ein  Diabetes,  eine  Nephritis,  eine  Tuberkulose  oder  ein  Karzinom 
vorliegt,  oder  eine  Erkrankung  des  Magens  oder  der  Gallenblase. 

Vielfach  kann  weiterhin  der  neurotische  Zustand  seine  Ursache 
in  organischen  Erkrankungen  des  Nervensystems  haben.  Wir  müssen 
demnach  bei  der  Diagnose  auch  diese  Zustände  ausschliessen  können. 
Doch  ist  bei  den  organischen  Erkrankungen  des  Nervensystems  zu 
beachten,  dass  dieselben  sehr  wohl  mit  einer  Reihe  von  neurotischen 
Symptomen  einhergehen  können,  ohne  dass  deswegen  die  organische 
Erkrankung  zur  Neurose  gestempelt  werden  darf.  Von  denjenigen 
Erkrankungen,  die  in  differentialdiagnostischer  Hinsicht  besonders  in 
Betracht  kommen,  wären  zu  nennen  einmal  die  progressive  Paralyse 
und  dann  die  Arteriosklerose  des  Gehirns.  Beide  Krankheiten  bieten 
oft  in  den  Anfangsstadien  ein  ausgesprochenes  Bild  neurotischer  Er¬ 
scheinungen,  während  durch  eine  genaue  Untersuchung  bereits  mit 
Sicherheit  die  organische  Erkrankung  festgestellt  werden  kann. 
Auch  die  multiple  Sklerose  wird  vielfach  mit  Hysterie  verwechselt. 
So  kann  ein  an  multipler  Sklerose  leidender  Kranker  beim  Arzt 
lediglich  über  Kopfschmerzen  und  Schwindel  klagen  und  die  objektive 
Untersuchung  ergibt  beispielsweise  das  Fehlen  der  Bauchdecken¬ 
reflexe  oder  einen  positiven  Babinski.  Weiterhin  werden  wir  auch 
noch  die  Lues  des  Nervensystems  ausschliessen  müssen.  In  allen 
zweifelhaften  Fällen  ist  es  unbedingt  notwendig,  festzustellen  ob 
Lues  vorliegt  oder  nicht.  Auch  hier  geben  uns  die  vorhandenen 
Untersuchungsmittel  eine  sichere  Handhabe,  um  eine  Diagnose  zu 
ermöglichen.  Ich  will  in  erster  Linie  jenes  altbekannten  Symptomes 
gedenken,  das  fast  allen  Nervenerkrankungen  auf  syphilitischer  Basis 
gemeinsam  ist,  der  reflektorischen  Pupillenstarre  oder  des  Argyll- 
Robertson  sehen  Phänomens.  Dasselbe  ist  nicht  nur  ein 
sicheres  Zeichen  einer  organischen  Erkrankung  des  Nervensystems, 
sondern  ermöglicht  uns  fast  immer  gleichzeitig  noch  einen  Schluss 
auf  die  Aetiologie  der  Erkrankung:  auf  die  Lues.  Die  reflektorische 
Pupillenstarre  ist  in  vielen  Fällen  das  erste  Zeichen,  in  sehr  vielen 
Fällen  ein  Frühsymptom  und  findet  sich  fast  in  der  Hälfte  aller  Er¬ 
krankungen  des  Nervensystems,  die  ihre  Ursache  in  Syphilis  haben. 
Weiterhin  ermöglicht  uns  noch  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion 
eine  ätiologische  Diagnose.  Man  soll  sie  in  allen  zweifelhaften  Fällen 
ausführen  bzw.  ausführen  lassen,  sie  muss  nur  sorgfältig  vor¬ 
genommen  werden  und  nicht  etwa  von  unerfahrenen  Neulingen. 

Von  den  Neurosen  im  engeren  Sinn  müssen  natürlich  auch  noch 
die  vasomotorisch-trophischen Neurosen  ausgeschlossen  werden.  Denn 
es  handelt  sich  hier  nicht  um  psychisch  bedingte  Krankheiten,  sondern 
um  solche,  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  den  peripheren  vaso¬ 
motorischen  Nervenfasern  oder  in  der  Muskulatur  der  Gefässe  selbst 
sich  abspielen.  Selbstverständlich  sind  endlich  auch  von  den  Neu¬ 
rosen  jene  neurasthenischen  Zustände  abzutrennen,  die  ihren  Ursprung 
in  einer  akuten  Erschöpfung  des  Nervensystems  haben.  Das  Nerven¬ 
system  wird  ja  vielfach  bei  körperlichen  Erkrankungen  in  Mitleiden¬ 
schaft  gezogen.  Wir  sehen  psychische  Erschöpfungszustände  im 
Verlaufe  von  fieberhaften  Erkrankungen,  in  der  Rekonvaleszenz,  nach 
schweren  Operationen  usw.  Die  Erschöpfung  zeigt  sich  im  wesent¬ 
lichen  in  einer  leichten  psychischen  Schwäche.  Die  Kranken  fühlen 
sich  matt,  jede  körperliche  oder  geistige  Tätigkeit  ermüdet  sie  auf¬ 
fallend  rasch,  sie  bekommen  Kopfschmerzen,  Flimmern  vor  den 
Augen,  sie  sind  in  einer  weinerlichen  Gemütsstimmung  und  dabei 
reizbar.  Derartige  Zustände  gehen  aber  bekanntlich  vorüber,  wenn 
die  auslösende  Ursache  beseitigt  ist. 

Nicht  minder  wichtig  erscheint  endlich  die  Unterscheidung  der 
Psychosen  von  den  Neurosen,  die  vielfach  keine  leichte  ist.  Grosse 
Schwierigkeiten  können  sich  oft  auftürmen  bei  der  Unterscheidung 
der  Neurose  vom  manisch-depressiven  Irresein,  und  zwar  am 
häufigsten  von  der  melancholischen  Phase  desselben.  Selbstverständ¬ 
lich  kann  es  sich  nur  um  die  leichteren  Formen  hiebei  handeln.  Haben 
wir  es  mit  einem  Fall  zu  tun.  wo  jegliche  Krankheitseinsicht  fehlt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  10. 


53b 

wo  ein  starker,  kontinuierlicher  depressiver  Affekt  mit  diesbezüg¬ 
lichen  Wahnideen  die  Szene  beherrscht,  wo  schwere  Angstzustände 
auftreten  und  starke  psychomotorische  Hemmungen  oder  Entladungen 
vorhanden  sind  —  in  einem  solchen  Fall  werden  wir  wohl  nicht  im 
Zweifel  sein,  dass  wir  es  mit  einem  psychotischen  Zustand  zu  tun 
haben.  Aber  mildere  Verlaufweisen  von  der  Neurose  abzutrennen,  ist 
unter  Umständen  sehr  schwierig.  Hier  kann  oft  nur  eine  lange  Zeit 
fortgesetzte  Beobachtung  und  eine  genaue  Anamnese  die  Entschei¬ 
dungen  ermöglichen.  Die  von  manchen  Autoren  betonte  Abhängigkeit 
resp.  Unabhängigkeit  der  pathologischen  Stimmung  von  der  Aussen- 
weit  kann  als  ein  zuverlässiges  Kriterium  nicht  erachtet  werden. 
Manche  Autoren  sind  ja  geneigt,  das  manisch-depressive  Irresein 
überhaupt  als  den  Neurosen  zugehörig  zu  betrachten.  Ich  kann  einer 
derartigen  Auffassung  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  beipflichten. 
Auch  ich  bin  zwar  der  Meinung,  dass  ein  Teil  der  Formen  des 
manisch-depressiven  Irreseins  wohl  der  Neurose  zugerechnet  werden 
muss  und  zwar  sind  es  die  leichten  und  allerleichtesten  Fälle,  die 
man  von  den  Psychosen  abtrennen  muss,  die  man  auch  als  Zyklo¬ 
thymie  zu  bezeichnen  pflegt.  Aber  die  schweren  und  schwersten 
Formen  des  manisch-depressiven  Zustandes  können  meines  Erachtens 
nur  als  Psychose  aufgefasst  werden.  Es  würde  also  bei  einer  der¬ 
artigen  Auffassung  unter  Umständen  der  gleichen  Schale  ein  ver¬ 
schiedener  Kern  entsprechen  können.  Man  möchte  nun  vielleicht  die 
Frage  aufwerfen,  was  ist  mit  einer  solchen  Unterscheidung  in  Wirk¬ 
lichkeit  bezw  eckt,  das  ist  ein  Streit  um  des  Kaisers  Bart,  der  an  der 
Sache  selbst  nichts  ändert.  Dem  ist  aber  doch  nicht  so.  Bei  der 
Beurteilung  des  Wesens  der  beiden  Erscheinungsweisen  wären  eben 
prinzipielle  Unterschiede  gegeben,  die  hauptsächlich  auf  der  ver¬ 
schiedenen  affektiven  Grundlage  beruhen.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort, 
die  Gründe  für  diese  Auffassung  näher  darzulegen,  ich  werde  dies 
an  einer  anderen  Stelle  tun.  Sehr  schwierig  kann  sich  auch  manch¬ 
mal  die  Unterscheidung  der  Neurose  von  der  Dementia  praecox  ge¬ 
stalten.  Hier  ist  eine  richtige  Erkenntnis  der  Krankheit  auch  für  die 
Therapie  von  weittragender  Bedeutung.  Zu  diagnostischen  Irrtümern 
geben  jene  Fälle  von  Dementia  praecox  Anlass,  die  entweder  im 
Anfangsstadium  sich  befinden  oder  durch  eine  geringe  Intensität  der 
Krankheitserscheinungen  sich  auszeichnen  und  wo  ein  stärkerer 
lntelligenzdefekt  nicht  zu  konstatieren  ist.  Vielfach  wird  bei  der¬ 
artigen  Fällen  überhaupt  nicht  an  krankhafte  Zustände  gedacht  und 
solche  Kranke  kommen  in  gar  keine  ärztliche  Behandlung.  Die  ganze 
Umwälzung  und  Veränderung  der  Persönlichkeit  ist  teils  eine  so  un¬ 
merkliche  und  vollzieht  sich  unter  solch  verwaschenen  und  vagen 
Symptomen,  dass  die  Umgebung  des  Kranken  häufig  eine^  schlechte 
Entwicklung  oder  irgend  eine  persönliche  Schuld  durch  Charakter¬ 
fehler  u.  dgl.  annimmt.  Solche  Kranke  werden  zerstreut,  gleichgültig 
gegen  Familie  und  Freunde,  sie  brüten  und  träumen  vor  sich  hin, 
beschäftigen  sich  mit  den  heterogensten,  ihrem  Interessenkreis  völlig 
fernliegenden  Problemen,  zeigen  ein  verschrobenes,  gespreiztes 
Wesen.  Auch  die  katatonen  Zustände  können  mit  Neurosen  ver¬ 
wechselt  werden.  Gewisse  Zustandsbilder  beider  Krankheitsformen 
können  einander  zuweilen  völlig  gleichen  und  eine  momentane  Ent¬ 
scheidung  unmöglich  machen.  Doch  wird  es  hier  vielfach  durch  die 
Anamnese  möglich  sein,  Aufschluss  über  das  Wesen  der  Krankheit 
zu  erhalten.  Monatelang  dauernde  katatone  Zustände,  die  mit 
Schnauzkrampf,  ausgesprochenem  Negativismus,  Unreinlichkeit 
u.  dgl.  verbunden  sind,  erscheinen  jedenfalls  auf  eine  echte  Katatonie 
sehr  verdächtig.  Es  kommt  wohl  fast  niemals  vor,  dass  die  Katatonie 
mit  einem  Stupor  einsetzt.  Die  Psychose  beginnt  gewöhnlich  mit 
dem  Zeichen  einer  Depression.  Vielfach  gehen  lange  Zeit  nervöse 
Störungen  voraus.  Die  Kranken  werden  stille,  bedrückt,  teilnahmslos, 
ängstlich,  dabei  reizbar  und  widerspenstig.  Sie  klagen  über  Kopf¬ 
schmerzen,  Ziehen  im  Rücken  und  Kreuz,  Erschwerung  des  Denkens, 
verringerten  Appetit  und  Schlaf,  bleiben  im  Bett  liegen  und  ziehen 
sich  von  ihrer  Umgebung  zurück. 

Das  wären  im  grossen  Ganzen  die  Ueberlegungen,  die  in  diffe¬ 
rentialdiagnostischer  Hinsicht  bei  den  Psychoneurosen  in  Frage 
kommen.  Nocheinmal  will  ich  wiederholen,  dass  eine  richtige  Dia¬ 
gnosestellung  von  der  grössten  Wichtigkeit  ist.  Denn  von  ihr  hängt 
auch  die  ganze  Therapie  ab.  Wer  sich  im  Unklaren  ist,  ob  irgend 
eine  körperliche  Erkrankung  oder  eine  solche  des  Nervensystems 
vorliegt  oder  eine  Psychose,  der  ist  ausserstande,  dem  Kranken 
zu  helfen. 

Treten  wir  nun  den  klinischen  Erscheinungen,  welcne  die  Neu¬ 
rose  macht,  etwas  näher.  Es  ist  allgemein  üblich,  drei  Krankheits¬ 
formen  zu  unterscheiden,  den  neurasthenischen,  den  hysterischen 
Symptomenkomplex,  die  Zwangserscheinungen  und  gewisse  Ent¬ 
artungszustände.  Indessen  müssen  wir  uns,  wie  schon  oben  erwähnt, 
immer  vergegenwärtigen,  dass  die  Grenzen  zwischen  diesen  Krank¬ 
heitsformen  durchaus  fliessende  sind  und  die  mannigfachsten  Ueber- 
gänge  und  Mischungen  aufweisen.  Aus  diesem  Grunde  dürfte  es 
vielleicht  zweckmässig  sein,  nur  von  einer  neurotischen  Disposition 
zu  sprechen,  die  sich  aus  einem  dauernd  vorhandenen  Zustand  zu¬ 
sammensetzt  und  aus  Symptomen,  die  kürzere  oder  längere  Zeit  be¬ 
stehen,  dann  verschwinden,  um  event.  anderen  Krankheitserschei¬ 
nungen  Platz  zu  machen,  mit  anderen  Worten  könnten  wir  auch 
sagen :  wir  unterscheiden  einen  neurotischen  Charakter  und  Syndrome. 
Ich  will  zunächst  von  den  letzteren  handeln  und  mit  denjenigen 
Störungen  beginnen,  die  sich  an  körperliche  und  auffallenderweise 
mit  Vorliebe  an  die  individuell  von  Haus  aus  weniger  widerstands¬ 
fähigen  und  minderv'ertigen  Organe  heften.  Hier  ist  es  einmal  die 


allgemeine  Decke  der  Haut,  die  psychische  Prozesse  widerspiegeln 
kann.  Ich  will  hier  nur  an  das  plötzliche  Erröten  oder  Erblassen, 
die  Schweissausbrüche  und  die  Dermographie  erinnern.  Vielfach 
finden  die  psychogenen  Störungen  beim  Herzen  ihren  Ausdruck, 
wrobei  war  uns  aber  vor  Augen  halten  müssen,  dass  gerade  beim 
Herzen  oft  die  Entscheidung,  ob  organisch  oder  psychogen  recht 
schwierig  sein  kann.  Dass  das  Herz  in  inniger  Beziehung  zu  den 
seelischen  Vorgängen  steht,  ist  ja  eine  allbekannte  und  uralte  Er¬ 
fahrung,  wurde  ja  doch  von  den  Alten  der  Sitz  der  Seele  direkt  in 
das  Herz  verlegt.  So  ist  es  begreiflich,  dass  bei  neurotischen  Zu¬ 
ständen  das  Herz  sehr  häufig  Störungen  ausweist.  Wir  beobachten 
nun  als  neurotisches  Symptom  eine  entweder  vorübergehende  oder 
dauernd  bestehende  Erhöhung  der  Pulsfrequenz,  seltener  das  Gegen¬ 
teil.  Diese  Tachykardie  kann  sich  zu  einer  paroxysmalen  steigern, 
sicherlich  auf  rein  nervöser  Basis,  obwohl  einzelne  Autoren  gerade 
hinsichtlich  des  psychogenen  Charakters  der  paroxysmalen  Tachy¬ 
kardie  etwas  skeptisch  und  diese  Störung  auf  einen  intrakardialen 
Ursprung  zurückzuführen  geneigt  sind.  Auch  Extrasystolen  mit 
kompensatorischer  Pause  werden  vielfach  bei  Neurosen  beobachtet. 
Daneben  können  die  mannigfaltigsten  subjektiven  Beschwerden  be¬ 
stehen.  Als  hauptsächlichstes  differentialdiagnostisches  Moment 
•kommt  wohl  bei  den  nervösen  Herzstörungen  die  Arteriosklerose  in 
Frage.  Selbstverständlich  kann  jeder  Nervöse  im  Laufe  seiner 
Krankheit  auch  an  Arteriosklerose  erkranken.  Aber  es  ist  sicherlich 
nicht  richtig,  wenn  man  behauptet,  dass  Neurastheniker  hiezu  be¬ 
sonders  disponiert  seien.  Warnen  möchte  ich,  die  geschlängelten 
Temporalarterien  für  eine  diesbezügliche  Diagnose  heranzuziehen. 
Dieses  Symptom,  das  C  r  a  m  e  r  als  ein  Entartungszeichen  ansieht, 
findet  sich  sehr  häufig  bei  einem  Neurastheniker,  der  noch  in  einem 
ganz  jugendlichen  Alter  steht.  Auch  bei  sonst  sicherlich  ganz  ge¬ 
sunden  Personen  im  Alter  von  15 — 16  Jahren  habe  ich  geschlängelte 
Temporalarterien  in  ausgesprochener  Weise  angetroffen.  Aber  die 
differentialdiagnostischen  Schwierigkeiten  bleiben  dabei  natürlich  be¬ 
stehen.  So  wird  es  manchmal  sehr  schwer  sein,  eine  echte  Angina 
pectoris  von  einer  nervösen  zu  unterscheiden,  namentlich  wenn  der 
Kranke  jenseits  der  Vierziger  steht.  Bekanntlich  werden  sexuelle 
Schädlichkeiten  im  besonderen  Masse  für  die  Entstehung  von  Herz¬ 
neurosen  verantwortlich  gemacht.  So  soll  namentlich  der  Coitus 
interruptus,  aber  auch  der  Coitus  condomatus,  wie  er  geschmackvoll 
genannt  wird,  imstande  sein,  für  sich  allein  eine  Herzneurose  zu 
erzeugen.  Wäre  dem  so,  dann  müsste  die  Neurose  besonders  unter 
den  Ehemännern  wie  eine  Seuche  wüten.  Wenn  es  in  der  Tat  zu 
nervösen  Herzstörungen  kommt,  so  sind  die  obenangegebenen 
Schädlichkeiten  sicherlich  nicht  die  Ursache  hievon.  Sie  können 
höchstenfalls  als  Causa  occasionalis,  aber  nicht  als  die  Causa 
efficiens  angesprochen  werden.  Diese  aber  liegt  in  psychischen 
Ursachen.  Es  ist  meine  feste  Ueberzeugung,  dass  ein  nicht  zur  Neu¬ 
rose  disponierter  Mensch  durch  die  obenangeführten  Schädlichkeiten 
niemals  eine  Herzneurose  akquiriert.  Von  Max  Herz  wurde  eine 
sexuelle  psychogene  Herzneurose  beschrieben,  der  er  den  Namen 
Phrenokardie  gab,  und  die  er  auf  eine  gesteigerte  oder  abnorme 
Erotik  zurückführen  will.  Eine  Eigenstellung  kann  derselben  wohl 
kaum  zugesprochen  werden,  sie  ist  vielmehr  nach  den  gleichen  Ge¬ 
sichtspunkten  wie  alle  übrigen  Herzstörungen  zu  beurteilen. 

Sehr  häufig  findet  die  Neurose  in  Magenstörungen  ihren  Aus¬ 
druck.  Der  Magen  steht  ähnlich  wie  das  Herz  in  sehr  inniger  Be¬ 
ziehung  zu  den  seelischen  Vorgängen  und  so  ist  es  sehr  begreiflich, 
w'enn  auch  er  bei  neurotischen  Zuständen  mit  Vorliebe  in  Mitleiden¬ 
schaft  gezogen  wird.  Sie  kennen  alle  die  nervöse  oder  psychische 
Dyspepsie  in  ihren  schier  unerschöpflichen  Varianten.  Als  sehr 
häufige  psychogene  Störungen  des  Darmes  beobachten  wir  die 
habituelle  Obstipation  und  das  Gegenteil:  die  nervöse  Diarrhöe, 
weiterhin  den  Meteorismus.  Von  nervösen  Anomalien  der  Blasen¬ 
tätigkeit  will  ich  das  Unvermögen  anführen  in  Gegenwart  dritter 
Personen  Urin  zu  entleeren,  ein  Symptom,  das  zwar  auch  noch 
innerhalb  der  Breite  der  Gesundheit  vorkommt,  aber  bei  Neurasthe¬ 
nikern  viel  häufiger  angetroffen  wird.  Sehr  wichtig  für  die  Beur¬ 
teilung  eines  neuropathischen  Zustandes  ist  die  Enuresis  nocturna 
und  diurna. 

In  der  Geschlechtssphäre  tritt  uns  der  psychogene  Charakter 
der  auftretenden  Störungen  noch  stärker  in  die  Augen.  Hier  wäre 
in  erster  Linie  der  männlichen  Impotenz  zu  gedenken.  Gerade  bei 
der  männlichen  Impotenz  ist  oft  die  psychische  Ursache  klar  zu  er¬ 
kennen.  Es  handelt  sich  hier  meist  um  eine  psychische  Hemmung, 
die  in  der  Furcht  vor  Ansteckung  oder  auch  in  der  Abneigung  vor 
Prostituierten  ihren  Grund  hat  lind  ein  Misslingen  des  Koitus  ht- 
dingt.  Nun  nimmt  der  Gedanke  an  die  Impotenz  im  Bewusstsein  eine 
dominierende  Stellung  ein,  so  dass  dieselbe  auch  unter  günstigen 
Verhältnissen  in  Erscheinung  tritt.  Die  Impotenz  wirkt  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Fälle  äusserst  deprimierend  auf  die  Stimmung  und 
mancher  Selbstmord  eines  anscheinend  glücklichen  Bräutigams  kurz 
vor  der  Verheiratung,  der  an  sich  durchaus  rätselhaft  erscheint,  fir.aet 
darin  seine  Erklärung.  Die  psychische  Impotenz  kann  auch  unter 
dem  Bilde  der  Ejaculatio  praecox  in  die  Erscheinung  treten.  Zweitel- 
haft  ist  es,  ob  die  sogen.  Miktions-  und  Defäkationsspermatorrhoe 
psychisch  bedingt  ist.  Hier  handelt  es  sich  meist  um  eine  alte 
Gonorrhöe.  Doch  treten  hier  bei  neurotischer  Veranlagung  oft  eben¬ 
falls  ungünstige  Wirkungen  auf  die  Psyche  ein.  Dagegen  sind  die 
Pollutionen,  namentlich  wenn  sie  am  Tag  und  in  gehäufter  Zahl  sich 
zeigen,  entschieden  psychischen  Ursprungs.  Meist  ist  die  Ursache  m 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


539 


März  1913. 


lpochondrischen  Befürchtungen  zu  suchen  auf  Qrund  einer  früher 
>  ibten  Masturbation.  Noch  möchte  ich  hervorheben,  dass  wir  auch 
Dh  von  einer  bis  zu  einem  gewissen  ürade  psychologischen  oder 
i  rsiologischcn  Impotenz  reden  können,  die  mit  der  neurotischen 
lits  zu  tun  hat.  Es  handelt  sich  hier  meist  um  mangelhafte  oder 
kurz  dauernde  Erektionen.  Der  Qrund  hiefiir  kann  einmal  in  einer 
genügenden  L.ibido  liegen,  z.  B.  wenn  die  Frau  keine  genügenden 
ize  mehr  ausiibt  oder  durch  gleichgültiges  Verhalten  beim  Koitus 
h  auszeichnet.  Aber  auch  körperliche  Zustände,  wie  Müdigkeit 
r  angestrengte  Berufstätigkeit,  starker  Alkoholgenuss,  oder 
■  chische:  wie  Verdriesslichkeiten,  Unglück  können  diese  relative 
l Potenz  bedingen.  Einen  ausgesprochen  neurotischen  Charakter 
:  gen  oft  beim  Weibe  die  dvsmenorrhoischen  Beschwerden,  zu  denen 
:h  weitere  exquisit  psychische  Symptome  gesellen  können:  Reiz- 
I  keit,  depressive  Stimmung,  ängstliche  Erregung  u.  dgl.  Der 
lootenz  des  Mannes  steht  die  Frigidität  der  Frau  gegenüber. 

nche  stellen  dieselbe  al  snormal  hin,  sicher  mit  Unrecht,  ln  vielen 
Ulen  handelt  es  sich  wohl  um  rein  psychische  Gründe.  Doch  sind 
i  nchmal  auch  die  sogen,  erogenen  Zonen  anders  als  es  dem  eigent- 
I  en  Zweck  entspricht  lokalisiert,  die  beim  Koitus  ungenügend  ge- 
ft'en  werden.  Es  wird  dann  wohl  eine  sexuelle  Erregung,  aber 
i  ht  der  vollständige  Orgasmus  ausgelöst.  Der  Vaginismus  ist  eben- 
s  häufig  psychogenes  Symptom.  Er  kann  durch  Affekte  der  Furcht 
"•  dem  Koitus  oder  vor  der  Gravidität  oder  vor  Schmerzen  aus- 
öst  werden.  Vielfach  ist  er  auch  durch  Abneigung  bedingt. 

Auf  Seite  des  motorischen  Systems  begegnen  wir  mannigfachen 
:  innigen.  Sie  können  als  Lähmungen  auftreten  und  zwar  in  der 
schiedensten  Form,  als  Paraplegie,  Hemiplegie  und  Monoplegie. 
Ich  fehlt  die  eigentümliche  Verteilung,  die  wir  meist  bei  den 
'anischen  Lähmungen  konstatieren  können.  So  sind  bekanntlich 
i  Lähmungen  der  Hand  die  Beuger  der  Finger  weniger  betroffen 
ihre  Antagonisten.  Bei  psychogenen  Lähmungen  finden  wir  die 
i  nd  als  eine  psychische  Einheit  vollständig  gelähmt.  Hier  wäre 
:h  noch  der  Aphonie  und  der  Stummheit  zu  gedenken.  Weiterhin 
nifestiert  sich  die  Neurose  vielfach  in  Krämpfen.  Doch  möchte 
bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hinweisen,  dass  der  grosse  hyste- 
:he  Anfall  mit  seinen  vier  Stadien  ein  Produkt  der  Dressur  von 
•ten  der  Schule  der  Salpetriere  ist.  Nicht  unwitzig  spricht  Du- 

i  s  von  den  alten  Zirkusgäulen  der  Salpetriere,  die  getreulich 
e  Volte  machen  und  wo  die  Vorstellungen  sich  stets  nach  dern- 

-ben  Programm  abwickeln.  Eine  besondere  Art  von  Krämpfen 
'len  die  Beschäftigungskrämpfe  dar,  die  zum  grossen  Teil 
chogen  sind.  Weiterhin  möchte  ich  die  Astasie-Abasie,  die  Un- 

■  igkeit  zu  gehen  und  zu  stehen,  hervorheben  und  die  verschie- 
.  len  Gängstörungen,  die  im  Taumeln,  Zittern,  Springen  u.  dergl. 

en  Ausdruck  finden.  Dann  kommen  die  Kontrakturen.  Auch  ein 
il  der  Tiks  ist  neurotischen  Ursprungs.  Weiterhin  erleidet  die 

■  isibilität  vielfache  Störungen,  die  meist  oder  wenigstens  häufig 
ftenüber  den  durch  organische  Erkrankungen  bedingten  Zuständen 

visss  Unterschiede  aufweisen.  Während  bei  organischen  Er- 
nkungen  die  Sensibilität  nur  sehr  selten  völlig  erloschen  ist,  zeigt 
jh  dies  meist  bei  den  hysterischen  Affektionen.  Auch  schneiden 
letzteren  die  Sensibilitätsstörungen  an  den  Gliedern  scharf  und 
'kulär,  ähnlich  wie  ein  Strumpf  oder  Handschuh  ab.  Bei  halb- 
■tiger  hysterischer  Anästhesie  bildet  die  Mittellinie  eine  scharfe 
mze.  Sehr  viel  klagen  die  Neurotiker  über  Schmerzen.  Unter  den 

■  unerzen  nimmt  eine  besondere  Stelle  der  Kopfschmerz  ein,  der 
1  Ifach  in  der  Form  der  Migräne  auftritt.  Diese  Schmerzen  sind 

ifig  von  ausserordentlicher  Dauer  und  Hartnäckigkeit  und  be¬ 
igen  sich  oft  in  ganz  bestimmten  Bahnen,  die  mit  dem  anatomischen 
'  'lauf  eines  Nerven  nicht  übereinstimmen.  Vielfach  beschränken 
■h  aber  auch  die  hysterischen  Schmerzen  als  Neuralgie  auf  be- 
■nmte  Nerven,  ln  letzterem  Falle  ist  es  oft  sehr  schwer,  die 
chische  Aetiologie  zu  beurteilen.  Wir  werden  eine  solche  an- 
lmen,  wenn  wir  eine  gewisse  Abhängigkeit  der  Neuralgie  von 
miUsbewegungen  u.  dergl.  konstatieren  können. 

Endlich  treten  auch  noch  Störungen  auf  Seite  der  Sinnesorgane 
]■  Wir  beobachten  Sehstörungen,  die  bis  zur  Blindheit  sich  stei- 
!i  n  können.  In  den  meisten  Fällen  sind  sie  einseitig.  Häufig  besteht 
uverhörigkeit  und  Taubheit.  Geruchs-  und  Geschmacksstörungen 
'd  ebenfalls  vielfach  zu  konstatieren. 

VV ährend  bisher  alle  angeführten  Symptome  an  die  körperlichen 
gane  gebunden  waren,  will  ich  nunmehr  auf  die  spezifisch  psychi- 
•ien  Erscheinungen  der  Neurosen  zu  sprechen  kommen.  Als  ver- 
tnismässig  gröbere  Zeichen  will  ich  zunächst  die  leichte  Erschöpf- 
keit  und  die  Schlafstörungen  erwähnen.  Namentlich  über  letztere 
gen  die  Neurotiker  unendlich  oft.  Die  Kranken  schlafen  entweder 
brhaupt  nicht  oder  zu  wenig,  und  wenn  sie  schlafen,  dann  ist  der 
’  uat  unruhig,  von  schweren  Träumen  durchbrochen.  Die  dadurch 
knete  depressive  Stimmung  nehmen  sie  in  den  Tag  hinüber,  was 
einen  äusserst  qualvollen  Zustand  darstellt.  Eine  wesentliche 
eration  erfährt  stets  das  Gemütsleben.  Meist  besteht  grosse 
izbarkeit.  Weiterhin  stossen  wir  oft  auf  eine  depressive  Stim- 
ag,  die  sich  von  leichten  hypochondrischen  Befürchtungen  an  in 

ii  möglichen  Arten  und  Schattierungen  bis  zur  tiefsten  mit  dem 
zid  nicht  bloss  spielenden  Schwermut  sich  bewegen  kann.  Auch 
che  Schwankungen  der  Gemütslage  treten  auffallend  oft  in  die 
>cheinung.  Eine  besondere  Form  des  depressiven  Affektes  ist 

Angst,  die  in  vielfältigem  Gewände  einherschreitet,  als  echte 
ikordialangst,  die  mit  mehr  oder  weniger  klaren  Befürchtungen  ver¬ 


bunden  ist,  dann  aber  auch  als  jene  Angst,  die  als  Reaktion  bei  den 
Zwangserscheinungen  auftritt.  Damit  bin  ich  zu  einem  weiteren  Sym¬ 
ptom  der  Neurose  gekommen.  Die  Zwangserscheinungen  können  in  den 
vei  schiedensten  Arten  sich  zeigen.  Wir  finden  sie  in  leichter  Form 
auch  noch  bei  den  Gesunden  angedeutet,  z.  B.  in  dem  Zwang,  in 
irgend  einem  Lexikon  einen  Namen  zu  suchen  oder  bei  einem  jäh 
abgebrochenen  Musikstück  die  Auflösung  des  Akkordes  vorzu¬ 
nehmen.  Oder  es  besteht  der  Zwang,  nachzusehen,  ob  der  Brief  auch 
im  richtigen  Kuvert  steckt  oder  das  Rezept  richtig  geschrieben  ist. 
Von  diesen  relativ  noch  in  der  Breite  der  Gesundheit  liegenden  Zu¬ 
ständen  findet  ein  allmählicher  Uebcrgang  zu  schwereren  Formen  statt, 
welche  die  Kranken  in  ihrer  Bewegungs-  und  Arbeitsfähigkeit  aufs 
äusserste  beeinträchtigen.  Sucht  der  Kranke  die  Zwangsvorstellung 
oder  Zwangshandlung  zu  unterdrücken,  so  tritt  Angst  auf,  die  sehr 
hohe  Grade  erreichen  und  sich  mit  körperlichen  Symptomen  wie 
Herzklopfen,  Zittern,  Schweissausbrüchen  verbinden  kann.  Von 
diesen  Phobieen  möchte  ich  als  eine  der  bekanntesten  und  häufigsten 
nennen,  die  Agoraphobie,  die  Unfähigkeit  über  einen  freien  Platz  zu 
gehen,  weiterhin  die  Angst  vor  Räumen  oder  Eisenbahnzügen,  die  mit 
Menschen  überfüllt  sind,  die  Angst  beim  Blick  in  die  Tiefe,  die  Furcht 
vor  dem  Wasser,  die  Errötungsangst,  die  Furcht  vor  Krankheit  über¬ 
haupt  und  vor  einzelnen.  Krankheiten.  Unter  letzteren  spielt  namentlich 
die  Syphilis  eine  bedeutende  Rolle.  Nahe  verwandt  mit  diesen  Zu¬ 
ständen  ist  die  Hypochondrie  in  ihren  schier  unendlichen  Variationen. 
Besonders  hinweisen  möchte  ich  noch  auf  diejenigen  hypochon¬ 
drischen  Zustände,  die  auf  eine  früher  geübte  Onanie  zurückgeführt 
werden  und  für  dunkle  Ehrenmänner  bekanntlich  die  nie  versiegende 
Quelle  lukrativer  Ausbeutung  seelischer  Not  bedeuten. 

Aeusserst  interessant  und  relativ  wenig  geklärt  sind  die  Dämmer¬ 
zustände,  worunter  wir  eigentümliche  Einengungen  des  Oberbewusst¬ 
seins  verstehen.  Von  den  Wachträumen,  die  eine  stundenlange  Welt¬ 
entrücktheit  bedingen,  geht  es  stufenweise  herunter  zur  traumhaften 
halluzinatorischen  Verwirrtheit,  zum  Somnambulismus  und  katalepti- 
schen  Zuständen. 

Weiterhin  wären  die  sexuellen  Abnormitäten  anzuführen. 
Als  sexuelle  Abnormität  kann  nicht  die  Masturbation  gelten. 
Sie  ist  lediglich  als  ein  Surrogat  des  Koitus  aufzufassen.  Etwaige 
Nachteile  können  nur  aus  einer  im  Uebermass  betriebenen  Mastur¬ 
bation  erwachsen  und  ist  dann  meist  schon  das  Symptom  einer 
neurotischen  Veranlagung.  Der  Geschlechtstrieb  ist  bei  vielen 
Neurotikern  krankhaft  gesteigert  oder  auch  verringert.  Man  braucht 
bei  der  freiwilligen  Ehelosigkeit  nicht  immer  gleich  eine  Perversion 
anzunehmen.  Viele  schätzen  das  andere  Geschlecht  hoch,  nur  fehlt 
ihm  gegenüber  das  eigentliche  Verlangen  und  Begehren  nach  sexueller 
Betätigung.  Handelt  es  sich  in  all  diesen  Fällen  nur  um  quantitative 
Störungen  im  Geschlechtstrieb,  so  kommen  aber  auch  qualitative  Ver¬ 
änderungen  oder  Perversionen  desselben  vielfach  vor.  Als  leichteste 
Form  will  ich  einen  gewissen  Symbolismus  erwähnen:  an  Stelle  des 
normalen  Sexualreizes  treten  sonderbare  Ersatzobjekte,  die  mit  den 
sexuellen  Vorgängen  und  Betätigungein  scheinbar  nichts  zu  tun 
haben.  So  sind  es  bei  dem  von  Krafft-Ebing  geprägten 
Fetischismus  der  weibliche  Fuss,  das  weibliche  Haar  oder  auch  Stücke 
der  weiblichen  Garderobe,  deren  Anblick  sexuelle  Befriedigung 
schafft.  Auch  die  Zopfabschneider  sind  psychopathologisch  als  Haar- 
fetischisten  aufzufassen.  Als  weitere  symbolische  Geschlechts¬ 
befriedigung  kann  man  jene  Neigung  auffassen,  die  sich  an  gewissen 
Exkreten  des  weiblichen  Körpers,  wie  Menstrualblut,  Fäzes,  Harn 
sexuell  zu  befriedigen  sucht.  Sehr  wichtig  ist  der  Exhibitionismus. 
Hiebei  besteht  die  sexuelle  Befriedigung  darin,  sich  vor  Personen 
des  anderen  Geschlechts  zu  entblössen.  Doch  gibt  es  auch  noch  eine 
Art  von  verbalem  Exhibitionismus,  der  durch  das  Bedürfnis 
charakterisiert  ist,  dem  anderen  Geschlechte  schmutzige  Worte  zu 
sagen  oder  umgekehrt  von  ihm  zu  hören.  Noch  wären  auch  die  so¬ 
genannten  Voyeurs  zu  erwähnen,  die  eine  sexuelle  Befriedigung 
erreichen,  wenn  sie  den  Koitus  eines  fremden  Paares  beobachten. 
In  Museen  kann  man  nicht  selten  beobachten,  wie  Männer,  ich  sah 
es  einmal  bei  einem  Studenten  in  München,  sich  an  Gemälden  und 
Statuen  masturbatorisch  befriedigen.  Gehen  wir  noch  einen  Schritt 
weiter,  so  kommen  wir  zum  Pygmalionismus  oder  der  Statuenschän¬ 
dung,  so  benannt  nach  Pygmalion,  der  besonders  bekannt  ist  aus 
Schillers  Gedicht,  die  Ideale:  „Wie  einst  mit  flehendem  Verlangen 
Pygmalion  den  Stein  umschloss,  bis  in  des  Marmors  kalte  Wangen 
Empfindung  glühend  sich  ergoss“.  Aber  die  Perversion  kann  sich 
noch  weiter  steigern  und  zur  Nekromanie,  zur  Schändung  wirklicher 
toter  oder  auch  nur  fingierter  weiblicher  Körper  führen.  Als  weiteres 
perverses  Symptom  ist  der  Sadismus  und  Masochismus  zu  nennen,  von 
dem  Eulenburg  sagt,  dass  er  zu  den  ernstesten  und  traurigsten 
Kapiteln  in  der  Lehre  von  den  sexuellen  Neuropathieen  gehöre,  zu 
einem  Kapitel,  das  hie  und  da  mit  Blut  geschrieben  zu  sein  scheint, 
wie  gewisse  andere  mit  Kot.  Im  Sadismus,  der  Name  rührt  bekannt¬ 
lich  von  Marquis  de  Sade  her,  der  durch  seinen  pervers-erotischen 
Roman  Juliette  und  Justine  berühmt  oder  wenn  man  will  auch  be¬ 
rüchtigt  wurde  und  geisteskrank  gestorben  ist,  findet  die  sexuelle 
Befriedigung  in  grausamen  Handlungen  gegenüber  dem  anderen  Ge¬ 
schlecht  statt,  während  im  Masochismus,  benannt  nach  dem 
Schriftsteller  v.  Sacher-Masoch  und  seinem  Roman  „Venus  im 
Pelz“  die  wollüstige  Erregung  in  passiv  durch  das  andere  Geschlecht 
erlittenen  Misshandlungen  erreicht  wird.  Doch  können  beim  näm¬ 
lichen  Individuum  die  beiden  Zustände  abwechselnd  Vorkommen.  Es 
gibt  sogar  eine  Art  von  ideellem  Sadismus  und  Masochismus.  Die 


540 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  IC 


gefährlichste  und  schwerste  Form  erreicht  der  Sadismus  im  Lust¬ 
morde.  Es  sind  dies  die  Fälle,  wo  die  Zerfleischung  und  Tötung  des 
Opfers  die  wollüstige  Erregung  hervorruft.  Um  einige  Stufen  niedriger 
steht  der  erotische  Flagellantismus,  der  sowohl  aktiv  als  passiv  aus¬ 
geübt  aber  auch  wie  bei  den  anderen  Formen  der  Algolagnie  rein 
ideell  durch  den  blossen  Anblick  oder  die  Vorstellung  von  Flagel- 
lationszsenen  ausgelöst  wird.  Nachdem  wir  diesen  flüchtigen  Blick 
in  die  tiefsten  Abgründe  des  menschlichen  Seelenlebens  geworfen 
haben,  wollen  wir  nun  jene  dauernde  beim  Neurotiker  zu  konsta¬ 
tierende  Veränderung  besprechen,  die  man  als  neurotischen  Cha¬ 
rakter  bezeichnen  kann. 

Das  Ideal  des  Menschen  als  Persönlichkeit  hat  zur  Voraus¬ 
setzung,  dass  alle  Seelenkräfte  von  edlen,  ebenmässigen  Proportionen 
sind  und  sämtlich  in  einem  harmonischen  Gleichgewicht  sich  befinden. 
Die  Griechen  hatten  dafür  ein  Wort,  das  im  Deutschen  nur  schwer 
wieder  zu  geben  ist  am<p(foatv>j. 

Gomperz  der  Aeltere  hat  es  nicht  eben  schlecht,  aber  auch  nicht 
besonders  glücklich  mit  „Hellsinnigkeit“  übersetzt.  Früher  sah  man 
in  der  Intelligenz  das  auszeichnende  Merkmal  der  Persönlichkeit. 
Die  Aufklärung  brachte  eine  präzisere  psychologische  Fassung. 
Persönlichkeit  ist  bei  Kant  nicht  bloss  Intelligenz,  in  ihr  erscheint 
eine  wesentlich  höhere,  in  Freiheit  gegründete  Ordnung.  Es  ist  das 
allen  einzelnen  Handlungen  überlegene,  sich  Lebenszwecke  setzende 
Subjekt,  das  man  als  Persönlichkeit  bezeichnet.  Nun  existiert  freilich 
ein  solches  Persönlichkeitsideal  nur  in  der  Idee;  in  der  Welt  der  Er¬ 
scheinung  gibt  es  wenigMenschen,  die  dem  Ideal  nahekommen.  „Leucht- 
tiirme  der  Menschheit“  kann  man  mit  H  e  g  e  1  sie  nennen.  Die  meisten 
Menschen  sind  mehr  oder  weniger  weit  davon  entfernt.  Und  je 
weiter  die  Entfernung  wird,  die  uns  von  jenem  Ideal  trennt,  je  mehr 
der  Massstab  schwindet,  dem  man  als  normalen  für  die  Beurteilung 
einer  Persönlichkeit  anwenden  kann,  umsomehr  nähern  wir  uns  jenem 
Grenzgebiet,  das  zwischen  geistiger  Gesundheit  und  Krankheit  liegt 
und  in  dem  der  neurotische  Charakter  aufgehoben  ist.  ,  Es  finden  sich 
bei  dem  neurotischen  Charakter  keine  vollkommen  neuen  Züge,  keine 
einzige  Eigenschaft,  die  nicht  auch  beim  normalen,  wenigstens  an¬ 
gedeutet,  vorkäme.  Den  neurotischen  Charakter  zu  studieren  ist 
von  ausserordentlichem  Interesse  und  die  moderne  Literatur  stellt 
eine  schier  unerschöpfliche  Quelle  und  Fundgrube  hiefür  dar.  Ich 
nenne  hier  nur  Namen,  wie  Dostojewsky,  Ibsen,  Gabriele  d’Annunzio. 
So  enthält  z.  B.  d’Annunzios  Roman:  der  Triumph  des  Todes  neuro¬ 
tische  Charaktere,  die  von  ausserordentlich  feiner  Beobachtung 
zeugen.  Es  sind  Krankengeschichten,  die  vor  den  meisten  von 
Aerzten  geschriebenen  den  Vorzug  haben,  dass  sie  auch  noch  eine 
glänzende  stilistische  Leistung  darstellen.  Der  neurotische  Cha¬ 
rakter  tritt  selbstverständlich  nicht  immer  und  überall  in  der  gleichen 
Stärke  und  im  gleichen  Umfange  auf.  Wie  die  bisher  aufgeführten 
neurotischen  Syndrome  in  ihrer  Intensität  wechseln  und  einander 
kaleidoskopisch  ablösen,  so  bietet  auch  der  nervöse  Charakter  ein 
Bild  von  proteusartiger  Verschiedenheit  dar.  Wir  können  ihn  in  seiner 
stärksten  Ausprägung  beobachten,  dass  uns  Grausen  und  Entsetzen 
erfasst  und  jede  soziale  Möglichkeit  für  einen  derartigen  Menschen 
ausgeschlossen  ist.  Wir  finden  ihn  aber  auch  nur  leise  und  in  wenig 
Zügen  angedeutet,  dass  er  das  Geheimnis  des  Einzelnen  bleibt,  welches 
er  still  im  Busen  trägt  und  kaum  seine  nächste  Umgebung  gewahr 
wird.  Die  wesenhafte  Eigenschaft  des  neurotischen  Charakters  stellt 
die  Disharmonie  dar.  Uebermässig  entwickelte  seelische  Erschei¬ 
nungen  stehen  solchen  gegenüber,  die  mehr  oder  weniger  verkümmert 
oder  unterdrückt  werden.  Häufig  zeigt  der  Neurotiker  eine  weit 
über  den  Durchschnitt  reichende  Intelligenz.  Viele  sind  Genies,  aber 
meist  ist  ihre  Begabung  einseitig  und  auf  anderen  Gebieten  weisen 
sie  auffallende  Lücken  auf.  Aber  auch  eine  Intelligenzverminderung 
ist  nicht  selten.  Dieselbe  kann  in  allen  Graden  Vorkommen,  von  den 
leichtesten  Fällen  der  Debilität  an  bis  zum  ausgesprochenen  Schwach¬ 
sinn.  Empfindlichkeit,  Reizbarkeit  und  gesteigerte  Suggestibilität  ist 
fast  stets  zu  finden.  Schon  in  der  Kindheit  zeichnen  sich  die  Neu¬ 
rotiker  oft  durch  grausame  Charakterzüge  aus,  Züge  von  Eigensinn, 
Trotz  und  Jähzorn.  Auch  eine  sexuelle  Frühreife  lässt  sich  häufig 
konstatieren.  Neid,  Bosheit  und  Schadenfreude,  schwere  Erzieh- 
barkeit  bilden  die  weiteren  Eigenschaften  des  neurotischen  Kindes. 
Im  Spiel  und  Verkehr  mit  der  Familie  tritt  ein  herrschsüchtiges  Ver¬ 
halten  an  den  Tag,  nicht  selten  besteht  ein  krankhaftes  Verschuldungs¬ 
gefühl,  dass  sie  ständig  auf  die  harmlosesten  Anlässe  reagieren  lässt. 
Der  Hang  zur  Grausamkeit  dringt  oft  verschleiert  durch  in  der 
kindischen  Berufswahl.  Sie  wollen  Henker  werden,  Totengräber, 
Kutscher,  weil  sie  die  Pferde,  Lehrer,  weil  sie  die  Kinder  schlagen 
können.  Es  werden  grössere  und  kleinere  Tiere  gequält.  Sadistische 
Neigungen  nehmen  ihren  Anfang.  Die  erwachsenen  Neurotiker  bieten 
die  verschiedensten  einander  diametral  gegenüberstehenden  Eigen¬ 
schaften  dar.  Sie  huldigen  dem  Vegetarismus,  sind  Gegner  der  Vivi¬ 
sektion,  sie  können,  wie  Adler  mit  Schiller  sagt,  keine  Gans  bluten 
sehen,  klatschen  aber  in  die  Hände,  wenn  ihr  Gegn°r  bankerott  von  der 
Börse  geht.  Der  Verlogenheit  steht  ein  Wahrheitsfanatismus  gegen¬ 
über,  der  Bescheidenheit  masslose  Selbstüberhebung,  die  jede  fremde 
Geltung  negiert.  Betrug  wechselt  mit  Ehrlichkeit,  Roheit  mit  Weich¬ 
heit,  Herrschsucht  mit  Demut,  Mut  mit  Feigheit.  Männlichkeit  mit 
Feminismus,  die  vielfach  dauernd  an  einer  Homosexualität  sich 
äussert.  In  anderen  Fällen  zeigt  sich  eine  Schwärmerei  auf  poli¬ 
tischem,  religiösem,  philosophischem  und  jedem  anderen  Gebiet,  ein 
rücksichtsloses  und  fanatisches  Sektierertum,  ein  Hang  zum  Phan¬ 
tastischen.  Eine  auszeichnende  Eigenschaft  des  Neurotikers  ist  sein 


Geiz  und  sein  Egoismus,  der  vielfach  mit  einem  feindseligen  anti 
sozialen  Zug  gepaart  ist.  Eifersucht  und  Untreue  zeigen  siel 
Kriminalität  und  Prostitution  verbinden  sich  mit  asketischen  Buss 
Übungen,  die  bis  zur  Geisselung  sich  steigern.  So  sind  gute  und  bös 
Eigenschaften  bis  zur  Unerträglichkeit  beim  Neurotiker  gesteiger 
Das  wären  im  grossen  und  ganzen  die  Erscheinungen,  unte 
denen  die  Neurose  zutage  tritt.  (Schluss  folgt.) 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Fedor  Krause  und  Emil  Hey  mann:  Lehrbuch  der  chirur 
gischen  Operationen  an  der  Hand  klinischer  Beobachtungen  iü 
Aerzte  und  Studierende.  1.  Abteilung  mit  233  zwei-  und  mehrfarbige 
Abbildungen  auf  55  Tafeln  sowie  57  Figuren  im  Text.  Urba 
&  Schwarzenberg,  Berlin-Wien,  1912. 

Erst  kürzlich  erschien  die  Chirurgie  des  Gehirns  und  Riickerj 
marks  von  Krause  und  schon  liegt  von  ihm  und  seinem  langjähr' 
gen  Oberarzt  Heymann  der  1.  Abschnitt  eines  neuen  Lehrbuch 
vor,  das  „eine  Darstellung  der  chirurgischen  Operationen  an  der  Hari 
ihres  klinischen  Verlaufs“  geben  soll. 

Der  allgemeine  Teil  umfasst  die  Vorbereitungen  zur  Operation 
die  Schmerzbetäubung  mit  sehr  guter  Darstellung  der  verschiedene] 
Methoden  der  Lokalanästhesie,  die  Asepsis  und  Antiseptik  (Verfassd 
bevorzugen  die  Händedesinfektion  mit  Hydrargyr.  oxycyanatum.  Des; 
infektion  des  Operationsfeldes  nach  Grossich),  Verband  und  Nach 
behandlung.  Die  spezielle  Chirurgie  beginnt  mit  der  Chirurgie  de 
Kopfes;  eine  gute  Darstellung  erfahren  die  Methoden  der  Plastik. 

Als  Feinde  jeder  Spezialisierung  in  der  Chirurgie  bringe 
Krause  und  H  e  y  m  a  n  n  auch  die  Chirurgie  des  Ohres  un 
einige  operative  Eingriffe  an  den  Augen,  wie  die  Enucleatio  bulbi,  d> 
Exenteratio  orbitae,  ferner  die  Chirurgie  der  Nase  und  ihrer  Nebei 
höhlen. 

Den  Abschluss  des  1.  Bandes  bildet  eine  klassische  Besprechur; 
der  Chirurgie  des  Trigeminus,  der  man  überall  die  reiche  Erfahrur 
Krauses  auf  diesem  Gebiete  anmerkt. 

Bei  der  Methode  Krauses,  stets  anzuknüpfen  an  eigene  Fäll 
ist  natürlich  eine  umfassende  Darstellung  aller  Operationsmethodc 
nicht  möglich,  wir  halten  das  für  keinen  Nachteil,  besonders  wei 
man  den  hohen  Wert  dieser  Darstellungsweise  für  Unterrichtszwecl 
berücksichtigt.  Der  Studierende  liest  sich  fast  mühelos  in  ein  Ve 
fahren  ein. 

Die  von  dem  Illustrator  der  Gehirn-  und  Rückenmarkschirurgi 
dem  Maler  Max  Landsberg,  ausgeführten  Abbildungen  sind  z 
meist  sehr  instruktiv.  Bei  einigen  Bildern  wäre  allerdings  eine  me! 
schematische  Darstellung  vorzuziehen  (Freilegung  der  Keilbeinhöh 
und  nasaler  Weg  zur  Hypophyse  nach  S  c  h  1  o  f  f  e  r,  Hasenscharte 

Das  Buch  kann  besonders  den  Kollegen,  die  für  einen  Eingr 
Rat  'suchen,  den  sie  seltener  ausführen,  warm  empfohlen  werde 
ebenso  den  Studierenden;  es  verschafft  zugleich  einen  Einblick  in  d 
schöne  Material  des  Augusta-Hospitals.  F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Paderbor 

Dr.  Mathieu  Pierre  Weil -Paris;  Les  Hemoptysies  tube 
culeuses.  Paris,  S  t  e  i  n  h  e  i  1,  1912.  192  S. 

Der  Verfasser  unterscheidet  2  Arten  von  Lungenblutungc 
solche,  die  durch  einen  mit  dem  Fortschreiten  der  Tuberkulose  zi 
sammenhängenden  Vorstoss  der  Krankheit  (poussee  evolutive)  ej 
zeugt  werden,  und  solche  ohne  diese  Ursache.  Der  ersten  Art  ge 
eine  Reihe  von  Symptomen  voraus,  die  aufgezählt  werden,  die  ah 
eigentlich  die  Symptome  jeder  schweren  Lungenerkrankung  sind.  3 
dauern  2—3  Wochen,  können  sich  aber  auch  monatelang  hinzieh 
oder  auf  Tage,  ja,  auf  so  kurze  Zeit  beschränken,  dass  sie  zu  fehl 
scheinen.  Das  Aussehen  des  Blutes,  die  Fieberkurve  (die  erste  k 
ist  meist  mit  Fieber  verbunden),  der  Bazilbnbefund  (bei  der  erst i 
Art  finden  sich  in  90  Proz.  Bazillen),  die  Wichtigkeit  der  meist  v<r 
kommenden  und  wohl  mit  die  Ursache  bildenden  Pneumokokki 
wird  besprochen.  Eine  genaue  Beschreibung  des  Sputums  und  sei!" 
Zellen  wird  ebenso  gegeben,  wie  eine  solche  des  Blutes  und  sein 
einzelnen  Bestandteile:  es  geht  auch  daraus  hervor,  dass  das  Bin 
die  Tuberkulose  weit  über  seinen  Titel  hinaus  behandelt.  Dassel; 
gilt  auch  für  die  Kapitel,  die  über  Gewicht,  Urinbefund  und  Be¬ 
druck  handeln.  Auskultatorisch  findet  man  während  der  Blutu: 
meist  mehr  als  vorher,  besonders  bronchitische  Geräusche.  N 
einer  Schilderung  der  einzelnen  Formen  der  Blutung  an  der  Hai 
von  Krankengeschichten  schliesst  der  erste  Teil.  Die  zweite  Art  i 
prognostisch  günstig,  kommt  plötzlich  ohne  Vorboten  durch  A 
strengung,  Husten,  Wettersturz  usw.  Sie  wird  nach  demselU 
Plane,  wie  oben  geschildert,  besprochen:  es  fehlt  meist  das  Fiebi. 
es  fehlen  die  Bazillen,  und  trotz  der  Tendenz  zur  Wiederholung  t 
die  Prognose  eben  nicht  schlecht.  Den  Schluss  bildet  eine  patlf- 
logische  Ausführung  mit  mehreren  mikroskopischen  Bildern  uJ 
Krankengeschichten.  L  i  e  b  e  -  Waldhof  Elgershausen 

Louis  Morel-Paris:  Les  Parathyroides.  Paris,  Herma' 

&  Sohn,  1912.  Preis  10  Fr. 

In  einer  ungemein  fleissigen  und  umfangreichen  Arbeit  hat  • 
unser  gesamtes  Wissen  über  die  Bedeutung  der  Epithelkörpercl  i 
zusammengestellt.  Er  beginnt  mi(  der  grundlegenden  Arbeit  'n 
Sandstroem  aus  dem  Jahre  1880,  die  er  in  wortgetreuer  Ueb- 


II.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


541 


;etzung  abdruckt.  Es  folgt  dann  ein  ausführlicher  Abschnitt  über 
lie  Anatomie  der  Epithelkörperchen  beim  Menschen  und  bei  den 
•erschiedensten  Tieren.  Besonderes  Interesse  beanspruchen  die 
(apitel  über  den  experimentell  bewirkten  Ausfall  der  Epithel- 
airperchen  und  über  die  Beziehungen  der  Epithelkörperchen  zu  den 
tnderen  Drüsen  mit  innerer  Sektretion.  Es  ist  erstaunlich,  wie  weit 
n  uer  kurzen  Zeit  die  Forschung  schon  gedrungen  ist.  Die  wertvolle 
Asche  Zusammenstellung  wird  jedem  Forscher  auf  diesem  Gebiete 
inentbehrlich  sein. 

Den  Schluss  der  Arbeit  bildet  ein  Abschnitt  über  den  Ausfall 
ler  Epithelkörperchenfunktion  beim  Menschen,  in  dem  besonders  die 
Kooperative  Tetanie  berücksichtigt  ist.  Die  bisher  erzielten  thera- 
leutischen  Erfolge  zumal  mit  der  Epithelkörperchentransplantation 
verden  zusammengestellt.  Krecke. 

Paul  Römer,  o.  ö.  Professor  der  Augenheilkunde,  Direktor  der 
niversitäts-Augenklinik  Greifswald:  Lehrbuch  der  Augenheilkunde 
n  der  Form  klinischer  Besprechungen.  Urban  &  Schwarzen- 
>erg.  Preis  16  M.,  geb.  18  M. 

Das  in  Diktion  und  Form  der  Darstellung  ebenso  wie  in  Auswahl 
ind  übersichtlicher  Gruppierung  des  Stoffes  so  glänzende  Lehrbuch 
Römers  liegt  in  zweiter  Auflage  vor.  Es  hat  dabei  an  Handlichkeit 
ladurch,  dass  es  in  zwei  getrennten  Abteilungen  erschienen  ist,  ge¬ 
ronnen,  an  Anschaulichkeit  durch  Vermehrung  der  Tafeln,  Text- 
iguren  und  durch  eine  knappere  Darstellung  an  manchen  Stellen,  die 
vohl  dem  mündlichen  Vortrag  gemäss,  für  die  schriftliche  Aufzeich- 
lung  jedoch  zu  breit  erscheinen  mochten. 

Prof.  Dr.  Lohmann  -  München. 

G.  Rosenfeld:  Kohlenhydratkuren  bei  Diabetes.  Sammlung 
wangloser  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Verdauungs-  und 
Toffwechselkrankheiten,  Bd.  IV,  H.  3.  Preis  M.  1.80. 

ln  ausgezeichneter  Weise  unterrichtet  uns  Verf.  über  die  experi- 
nentellen  und  praktischen  Ergebnisse  der  Kohlehydratdarreichung 
ieim  Diabetes.  Besonderes  Interesse  bieten  die  auch  auf  eigene  Er- 
ahrung  sich  stützenden  Ausführungen  über  die  Milch-,  Kartoffel-, 
egetarische  und  Haferkur,  von  denen  die  letzte  eine  eingehende 
Jarstellung  auch  nach  der  theoretischen  Seite  gefunden  hat. 

F.  P  e  r  u  t  z. 

Eduard  Valenta:  Die  Photographie  in  natürlichen  Farben, 
ait  besonderer  Berücksichtigung  des  L  i  p  p  m  a  n  n  sehen  Verfahrens 
owie  jener  Methoden,  welche  bei  einmaliger  Belichtung  ein  Bild  in 

arben  liefern.  II.  Auflage,  1912.  Enzyklopädie  der  Photographie, 
left  2.  Verlag:  Wilhelm  Knapp.  Halle  1912. 

Dem  L  i  p  p  m  a  n  n  sehen  Verfahren  der  farbigen  Photographie, 
ler  Interferenzfarbenphotographie,  dem  die  erste  Auflage  des  vor¬ 
liegenden  Werkchens  galt,  ist  in  den  letzten  Jahren  eine  mächtige 
Konkurrenz  in  der  Farbrasterplatte,  deren  bekanntester  Vertreter  die 
vutochromplatte  der  Gebrüder  Lumiere  ist,  entstanden.  V  a  - 
enta  hat  in  der  vor  kurzer  Zeit  erschienenen  zweiten  Auflage  seines 
orzüglichen  Lehrbuches  sämtliche  Farbenphotographiemethoden  ein- 
ehend  berücksichtigt,  wobei  insbesondere  die  Theorie  der  Farben- 
iiotographie  eingehende  Würdigung  erfahren  hat. 

Das  Buch  ist  allen  Farbenphotographen  wärmstens  zu  empfehlen, 
a  es  die  nicht  so  ganz  einfache  Theorie  leichtfasslich  erklärt  und  in 
.'.veifelsfällen  auch  bei  der  praktischen  Anwendung  der  Farben- 
’hotographie  gute  und  erschöpfende  Auskunft  gibt. 

Oberndorfer  -  München. 

Dr.  Gustav  Hegi:  Illustrierte  Flora  von  Mitteleuropa.  Bd.  III. 
erlag  von  J.  F.  Lehmann,  München  1913.  Preis  geb.  23. — . 

Der  III.  Band  von  Hegis  prächtig  illustrierter  Flora  von  Mittel¬ 
europa  ist,  wenn  auch  etwas  langsam,  endlich  in  vollkommener  Ge- 
talt  fertig  geworden.  Er  bringt  den  ersten  Teil  der  Dikotyledonan, 

•  h.  die  Apetalen  und  von  den  Eleuteropetalen  im  wesentlichen  die 
lelkengewächse,  Seerosen,  und  Hahnenfussgewächse.  Eine  Mit- 
eilung  des  Verlegers  kündigt  an,  dass  von  nun  an  Band  4  und  6 
nabhangig  von  einander  erscheinen  werden,  so  dass  eine  wesentliche 
ieschleunigung  eintritt.  Es  wird  dies  dazu  beitragen,  dem  stets 
Lichmässig  sorgsam  verfassten,  äusserst  reichhaltigen  und  hervor- 
agend  illustrierten  Werke  weitere  Freunde  zu  verschaffen. 

Ich  kann  im  übrigen  nur  auf  die  lobenden  Besprechungen  ver¬ 
reisen,  die  an  früherer  Stelle  in  dieser  Zeitschrift  erschienen  sind. 

K.  B.  Lehmann  -  Wiirzburg. 

Adolf  Friedrich,  Herzog  zu  Mecklenburg:  Vom  Kongo  zum 
oger  und  Nil.  Berichte  der  deutschen  Zentralafrika-Expedition 
9 1 0;  1911.  Mit  512  bunten  und  einfarbigen  Abbildungen  nach  Photo- 
raphien  und  Zeichnungen,  sowie  mit  6  Karten.  Leipzig,  F.  A.  B  r  o  c  k  - 
aus,  1912.  Erster  Band  324,  zweiter  Band  398  Seiten. 

,  An  der  Abfassung  der  26  Kapitel  des  Werkes  und  schliesslich  der 
'ebersicht  über  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  Expedition 
uid  ausser  dem  Herzog  beteiligt:  Hauptmann  v.  Wiese  u.  Kai- 
ers Waldau,  E.  M,  Heims,  Dr.  Schubotz,  Dr.  A.  Schultze. 
h.  J.  M  i  1  d  b  r  a  e  d,  Dr.  G.  T  h  i  1  e  n  i  u  s.  Eine  grosse  Zahl  Repro¬ 
duktionen  von  zum  grossen  Teil  wundervollen  Photographien  gibt 
lern  Leser  die  kräftigste  und  lebendigste  Vorstellung  von  Land  und 
euten,  dazu  kommen  feingestimmte  Aquarelle.  Die  geographischen 
oid  ethnographischen,  die  botanischen,  zoologischen  und  sonstigen 


Ergebnisse  der  Expedition,  die  an  der  Hand  eines  schlicht  geschrie¬ 
benen,  höchst  Interessantes  bietenden  Textes  dem  Leser  übermittelt 
werden,  scheinen  die  Expedition  zu  einem  höchst  wertvollen  Unter¬ 
nehmen  deutscher  Forscher  und  Reisenden  zu  stempeln.  Die  Lektüre 
des  Werkes  bietet  hohen  Genuss.  Gr. -München. 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  nervösen  Sexualstörungen. 

I  V.  ^  dern  Q?biete  der  nervösen  Sexualstörungen  brachte  das 
Jahr  1912  einige  interessante  Arbeiten.  R.  L.  Müller  hielt  auf  dem 
Kongress  für  mneie  Medizin  in  Wiesbaden  einen  Vortrag,  in  welchem 
er  nachwies,  dass  es  ein  zerebrales  Zentrum  für  die  Libido  nicht  gibt, 
dass  vielmehr  die  niedrigen  Genitalzentren  von  der  ganzen  Rinde  aus 
stimuliert  werden.  Auf  nach  Nissl  gefärbten  Schnitten  gelang  es  im 
obeien  Lumbal-  und  unteren  Sakralmark  Anhäufungen  von  Ganglien- 
zellen  nachzuweisen,  deren  Struktur  und  Anordnung  vegetative  Funk¬ 
tionen  vei  muten  lässt.  Prostata  und  Samenblasen  werden  sowohl 
vom  Lumbalmark  (Rami  communicantes,  Nn.  hypogastrici)  als  auch 
vom  Sakralmark  (Nn.  erigentes)  versorgt.  Erstere  bringen  vaso- 
konstriktorische,  letztere  vasodilatatorische  Impulse  [1]. 

Im  physiologischen  Sexualmechanismus  spielen  die  L  e  y  d  i  g  - 
sehen  Zwischenzellen  eine  bedeutende  Rolle;  es  sind  dies  eigenartige 
interstitiell  gelegene  Formelemente,  die  mit  der  Spermaproduktion 
nichts  zu  tun  haben,  deren  Aufgabe  vielmehr  die  Produktion  eines 
spezifisch  chemischen  Körpers  ist,  eines  Hormons,  das  für  die  Aus¬ 
lösung  der  Libido  und  zur  normalen  Entwicklung  des  Centrum 
genitospinale  von  ausschlaggebender  Bedeutung  ist.  Denn  mit  der 
senilen  Abnahme  der  Libido  verringert  sich  auch  die  Zahl  und 
Grösse  der  L  e  y  d  i  g  sehen  Zellen,  wie  auch  die  Kastration  ante 
pubertatem  Fehlen  der  Libido  zur  Folge  hat;  dagegen  schädigt  elek- 
tive  Röntgenzerstörung  der  spermaproduzierenden  Zellen  die  Libido 
nicht.  Die  Impotenzformen  werden  *  auf  nerventopographischer 
Grundlage  in  drei  Hauptklassen  eingeteilt,  wobei  bei  der  ersten 
Gruppe  das  Verhalten  der  Libido  eines  perversen  Wüstlings  eine 
relative  oder  eine  Hemmungsimpotenz  erzeugt.  Interessanter  dürfte 
die  Einteilung  der  zweiten  Gruppe  sein,  die  sich  allerdings  auch  nur 
auf  hypothetischen,  aber  recht  einleuchtenden  Voraussetzungen  auf¬ 
baut.  Das  Erektionszentrum  soll  nämlich  in  doppelter  Weise  funktio¬ 
nieren.  1.  hat  es  die  empfangenen  Impulse  vor  Abgabe  an  das  Ejaku¬ 
lationszentrum  eine  Zeitlang  aufzuspeichern,  um  sie  dann  2.  an  die 
Nn.  dilatatores  weiter  zu  geben.  Das  Erektionszentrum  kann  nun  in 
diesen  beiden  Funktionen  durch  zu  rasch  wiederholten  Koitus  akut 
oder  chronisch  übermüdet  werden,  wobei  im  letzteren  Falle  die 
beiden  Funktionen  einzeln  oder  zusammen  geschädigt  sein  können; 
je  nachdem  kommt  es  zu  gehäuften  Erektionen  mit  normaler  oder 
präzipitierter  Ejakulation;  ein  Terminalstadium  stellt  die  gehäufte 
Ejakulation  ohne  Erektion  dar.  Die  dritte  Gruppe  umfasst  die  durch 
Stoffwechselstörungen  (Diabetes,  Nephritis)  hervorgerufenen  Impotenz¬ 
formen.  Therapeutisch  wird  bei  allen  Formen  Abstinenz,  Vermeidung 
von  Obstipation  und  tröstender  ärztlicher  Zuspruch  verlangt.  Die 
mechanischen  Hilfsapparate  zur  Ermöglichung  der  Immissio  penis 
sind  abzulehnen,  da  ihre  Konstruktion  auf  falschen  Voraussetzungen 
(venöse  Stauung)  beruht.  Strenge  muss  bei  der  Behandlung  die 
primäre  Erektionsschwäche  von  der  Ejaculatio  praecox  (Pollutionen) 
getrennt  werden,  erstere  fordert  erregende  Prozeduren,  also  Yohimbin, 
Faradisation,  Kühlsonde  und  kurzes,  kaltes  Sitzbad,  letztere  Herab¬ 
setzung  der  Reflexerregbarkeit  durch  Sedativa,  Brom,  Codein,  Gal¬ 
vanisation  des  Rückenmarks,  kalte  Hinterhaupts-Nacken-  und  Rücken 
Schläuche,  hochtemperierte  Halbbäder  und  feuchte  Einpackung  [2|. 

Einen  neuen  Weg  zur  Behandlung  der  Impotenz  bzw.  einer  be¬ 
stimmten  Form  derselben  hat  L  i  s  s  m  a  n  n  (Referent)  angegeben. 
Bei  Kranken,  bei  denen  trotz  Berücksichtigung  der  physiologischen 
Schwankungsbreite  der  normalen  Potenz,  trotz  des  Fehlens  aller 
organischen  und  psychischen  Aetiologie  unter  Ausschluss  mono¬ 
symptomatischer  Sexualneurasthenie  als  alleiniges  Krankheits¬ 
symptom  Erektionsschwäche  oder  -Unfähigkeit  besteht,  handelt  es  sich 
um  pathologische  Erschöpfung  der  Erektionszentren.  Ausgehend  von 
der  Wirkung  des  „Traumatismus“  der  C  a  t  h  e  1  i  n  sehen  Epidural¬ 
injektionen  und  den  Erfolgen  des  Yohimbins  in  der  Tiermedizin  wurden 
diesen  Kranken  30  ccm  physiologischer  NaCl-Lösung  +  10  bis 
15  Tropfen  2proz.  Yohimbin-  (Riedel)  Lösung  epidural  injiziert. 
Die  nach  einiger  technischer  Uebung  leicht  ambulant  auszuführenden 
Injektionen  wurden  nach  einigen  Tagen  wiederholt  und  führten  unter 
10  Patienten  bei  7  zu  vollem  Erfolg,  darunter  Fälle,  die  allen  anderen 
Behandlungsmethoden  gegenüber  refraktär  gewesen  waren.  Seit  der 
Veröffentlichung  der  Arbeit  hat  Referent  zahlreiche  andere  Kranke 
mit  Erfolg  injiziert,  worüber  noch  berichtet  werden  wird  [3l. 

Einen  ähnlichen  Gedankengang  verfolgte  Enriqüe  Perez 
Grande,  der  zur  Heilung  sexueller  Impotenz  und  Spermatorrhöe 
präkokzygeale  Injektionen  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
empfiehlt.  Dem  auf  die  Seite  gelagerten  Patienten  wird  unter  Kon¬ 
trolle  des  rektal  eingeführten  Fingers  die  Nadel  an  der  Steissbein- 
spitze  vorbei  in  die  Konkavität  des  Os  sacrum  2 — 3  mal  wöchentlich 
15  ccm  NaCl-Lösung  injiziert  [4j. 

Weitere  therapeutische  Vorschläge  für  sexuell  nervöse 
Störungen  wurden  von  Swinbrune  [5],  Lydston  f6l  und 
E.  Frank  [7]  gemacht.  Ersterer  bekämpft  sexuelle  Hyperästhesie 
verbunden  mit  Ejaculatio  praecox  bzw.  gehäuften  Pollutionen  durch 
Aetzungen  und  Pinselungen  mit  5 — 2proz.  Arg.  nitr.  und  Jodtinktur. 
Instillationen  von  Silbersalzen  mittels  des  Endoskops  und  Resektion 


542 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  ir 


der  Vena  dorsalis  penis  empfiehlt  L  y  d  s  t  o  n  gegen  Impotenz, 
Frank  sah  hei  Anwendung  von  Adamontabletten  Herabsetzung  der 
Pollutionen,  Erektionen  und  des  gesteigerten  Sexualtriebes. 

H  ii  b  n  e  r  [8]  warnt  vor  Anwendung  des  Yohimbins  ohne  häufige 
Urinkontrolle;  er  sah  bei  yohimbinisierten  Kaninchen  Schädigungen 
der  sezernierenden  Nierenepithelien  auftreten.  Nach  Parisot  1 9 1 
schädigt  Zucker  ebenfalls  die  Qenitalorgane.  Er  sah  bei  10  glyko- 
surisch  gemachten  Kaninchen  mikroskopisch  eindeutige  Ver¬ 
änderungen  der  •  Qenitalorgane. 

Eine  sehr  interessante,  wenn  auch  von  den  Antifreudianern 
nicht  anerkannte  Arbeit  über  Onanie  L 10 1  erschien  von  der 
psychoanalytischen  Vereinigung.  Onanie  ist  ein  Sammelbegriff 
für  jeden  sexuellen  Akt,  der  ausserhalb  des  normalen  Koitus 
vollzogen  wird,  gleichgültig  ob  ihn  mehr  körperliche  oder  geistige 
Betätigungen  begleiten.  Sein  Ziel  ist  Lustgewinnung  durch  Ent¬ 
spannung  der  sexuellen  Erregungen;  die  Masturbation  stellt  also 
ein  autoerotisches  Aequivalent  für  den  Koitus  dar.  Zeitlich  hat  man 
zwischen  der  Säuglings-,  der  aus  ihr  hervorgehenden  Kinderonanie 
und  der  durch  eine  Latenzzeit  davon  getrennten  Pubertätsonanie  zu 
unterscheiden.  Die  Masturbationsformen  sind  überhaupt  und  je  nach 
der  Periode,  in  der  masturbiert  wird,  verschieden.  Manuelle  Be¬ 
rührungen  der  Genitalien  und  erfahrungsgemäss  erogenen  Zonen, 
Druck  auf  den  Damm  bei  Klettern,  Schaukeln,  Zusammenpressen  der 
Schenkel  mit  oder  ohne  Phantasiebegleitung,  aber  auch  rein  psy¬ 
chische  ohne  somatische  Onanie  sind  häufig.  Die  Masturbations- 
wurzel  ist  in  den  mit  der  Reinlichkeitspflege  des  Säuglings  ver¬ 
bundenen  Manipulationen  zu  suchen.  Das  Waschen  durch  das  Dienst¬ 
mädchen  vermittelt  dem  Kinde  die  Kenntnis  derjenigen  Körperstellen, 
deren  Berührung  Lustempfindung  erweckt,  die  es  sich  nach  und  nach 
selbst  zu  verschaffen  sucht.  Es  lernt  die  erogenen  Zonen  kennen. 
Diese  Qenese  wird  allerdings  auch  bestritten  mit  dem  Hinweis,  dass 
auch  Hunde  und  Affen  onanieren.  Die  Anschauungen  über  die 
somatischen  und  psychischen  Folgen  der  Onanie  bilden  den  Kern¬ 
punkt  der  Arbeit,  bewegen  sich  aber  in  den  weitgehendsten  Ex¬ 
tremen:  von  der  absoluten  Unschädlichkeit  bis  zu  Körper  und  Geist 
umfassendem  Determinismus.  Besonders  der  Anschauung  von  der 
Unschädlichkeit  der  Onanie  stehen  zahlreiche  Ansichten  über  weit¬ 
gehende  Schädigung  durch  die  Masturbation  gegenüber.  Die  Onanie 
setzt  durch  die  häufige  und  leichte  Betätigungsmöglichkeit  und  durch 
die  bequeme  Erreichbarkeit  des  Sexualzieles  die  Energiespannung 
für  den  gesamten  Lebenskampf  herab.  Sie  bringt  sexuelle  Anästhesie 
der  Frau  durch  Abwendung  der  Sexualität  von  der  Scheide  auf  die 
Klitoris  und  durch  den  Gegensatz  zwischen  dem  realen  Gatten  und 
dem  Phantasiegatten  während  der  Selbstbefriedigung. 

Die  mit  der  Onanie  verbundenen  Selbstvorwürfe  und  Schuld¬ 
gefühle  haben  auf  den  Charakter  des  Masturbanten  einen  bestim¬ 
menden  Einfluss.  Genetisch  sind  sie  als  Folgen  stets  inzestuöser 
Vorstellungen  der  primären  Onanie  aufzufassen,  sie  sind  also  stets 
endogen  vorhanden,  wenn  sie  auch  später  nur  als  Folgen  exogen 
durch  die  Umgebung  kommender  Verbote  und  Angstmachereien  ent¬ 
standen  zu  sein  scheinen.  Eine  andere  Anschauung  führt  die  Schuld-' 
gefiihle  auf  nicht  restlos  verarbeitete  Sexualanregungen  im  Kindes¬ 
alter  zurück. 

Der  Abwehrkampf  gegen  Masturbanten  kann  übrigens  markante 
Charaktereigentümlichkeiten  zur  Folge  haben.  Es  bildet  sich  ein 
pathologischer  Zwang  zur  Lügenhaftigkeit  aus,  dessen  Genese  man 
sich  als  Antwort  der  ins  Unbewusstsein  verdrängten  Selbstvorwurfe 
für  den  missglückten  Kampf  gegen  den  stärkeren  Irieb  zu  denken  hat. 
So  stellt  man  sich  auch  die  Kleptomanie,  die  sich  stets  auf  sexual¬ 
symbolische  Dinge  (?  Ref.)  erstreckt  und  auch  „etwas  Verbotenes 
heimlich  tut“,  als  Ersatz  der  im  Abwehrkampf  zurückgedrängten 
Masturbation  dar. 

Auch  zwei  Vorteile  der  Onanie  werden  angeführt:  Die  Herab¬ 
setzung  der  sexuellen  Kriminalität  und  die  Erleichterung  der  von  den 
Kulturmenschen  geforderten  sexuellen  Mässigung. 

Indirekt  hierhergehörig  ist  die  sehr  interessante  Arbeit  von 
B.  Asch  ne  r  [11]  über  Beziehungen  zu  Hypophysis  und  Genitale. 
Bei  jungen  Hunden  ergibt  die  totale  Hypophysenexstirpation  starke 
makro-  und  mikroskopisch  nachweisbare  regressive  Veränderungen 
am  Uterus,  Ovarium,  Hoden,  Penis  und  Prostata,  sowie  Herabsetzung 
des  Sexualtriebes  und  Unmöglichkeit  zur  Gravidität;  bei  erwachsenen 
Tieren  dagegen  sind  die  genitalen  Rückbildungen  nur  geringe.  Wird 
aber  nur  der  Hinterlappen  der  Hypophyse  entfernt,  so  bleiben  bei 
männlichen  und  weiblichen  Tieren  sämtliche  Veränderungen  aus. 
Dieser  hat  also  mit  dem  Auftreten  der  Genitalstörungen  nichts  zu 
tun.  Bei  Durchsicht  der  in  der  Literatur  niedergelegten  Anschauungen 
und  Erfahrungen  kommt  man  schliesslich  zu  der  Gewissheit,  „dass 
die  Genitaldystrophie  sehr  wohl  durch  Hypopituitarismus  entstehen 
kann“,  dass  aber  auch  Schädigungen  des  Hirnbodens,  sowie  der  auf 
das  ganze  Gehirn  und  Rückenmark  verteilten  genitaltrophischen 
Zentren  anatomische  und  funktionelle  Genitalstörungen  verursachen 
könne. 

Einschlägige  Fälle  berichtet  Jaksch  [12]. 

Literatur. 

1.  R.  L.  M  ü  1 1  e  r :  Ueber  die  Beteiligung  des  vegetativen  Nerven¬ 
system  an  der  Innervation  der  männlichen  Geschlechtsorgane.  Kongr. 
f.  innere  Medizin,  Wiesbaden  1912.  —  2.  P.  Grosz:  Ueber  nervöse 
Funktionsstörungen  der  männlichen  Sexualorgane.  Zeitschr.  f.  physik. 
u.  diät.  Therapie,  Bd.  XVI,  1912.  —  3.  Lissmann:  Zur  Behandlung 


der  sexuellen  Impotenz.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  24,  1912.  - 
4.  E.  Perez  G  rande:  Die  präkokzygeale  Injektion  bei  der  Sperma 
toirhöe  und  der  sexuellen  Impotenz.  Revist.  espagn.  dermatol 
syphiliogr.,  Bd.  1,  1912.  —  5.  Swinbrune:  American  Journal  < 
Dermat.,  XVI,  1912.  —  6.  Lydston:  Sex.  Neurast,  and  the  prostan 
Medic.  Record,  p.  218,  1912.  —  7.  F.  Frank:  Klinische  Erfahrunge 
über  die  Wirkungen  des  Adamons.  Deutsche  med.  Wochenscln 
No.  49,  1912.  —  8.  Hübner:  Ueber  eine  bisher  unbekannte  Neben 
Wirkung  des  Yohimbins.  Dermatol.  Zeitschr.,  Oktober  1912.  - 
9.  Parisot:  Lesions  des  glandes  genit.  chez  les  diabetiques  et  ehe 
les  animaux.  Semaine  med.,  9.  VIII.  1911.  —  10.  Onanie.  Verlag  vo 
Bergmann.  —  11.  B.  Asch  ne  r:  Ueber  Beziehungen  zur  Hype1 
physis  und  Geniale.  Archiv,  f.  Gynäkol.,  Bd.  97,  H.  II.  —  12.  J  ak  sc  hi 
Adiposit.  cerebral,  u.  cerebrogenit.  Med.  Klinik  No.  48,  1912. 

P.  L  i  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  Imiiiunitätsforschung  und  experimenteil 

Therapie.  16.  Band.  1.  Heft  (Auswahl). 

S  zyma  n  o  w  sk  i  -  Krakau:  Anaphylaktische  Studien.  Könne 
eiweissfällende  Mittel  anaphylaxieähnliche  Erscheinungen  erzeugen 

Doerr  hat  eine  neue  Theorie  der  Anaphylaxie  aufgestell 
Nach  ihm  sind  die  Träger  der  giftigen  Wirkung  nicht  die  injizierte 
Substanzen,  sondern  das  Blut  des  Organismus  selbst,  das  durch  eiü 
Reihe  der  verschiedensten  adsorbierenden  Substanzen  derartig  ve> 
ändert  wird,  dass  die  Symptome  der  Anaphylaxie  resultieren.  Verl,  h 
nun  eine  Reihe  von  eiweissfällenden  Chemikalien  darauf  untersuch  j 
ob  sie  dieselbe  Wirkung  bei  intravenöser  Injektion  in  den  Tierkörpt  i 
haben.  Solche  Chemikalien  sind  Kupfernitrat  und  -sulfat,  .Zinksulfa 
Sublimat,  Bleiazetat,  Tannin  und  Pikrinsäure.  Einige  von  diese 
Mitteln,  wie  Sublimat  und  Tanniij,  zeigen  in  ihrer  Wirkung  eir 
grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  anaphylaktischen  Schock  (typische 
Schock,  Lungenblähung  etc.),  fast  alle  üben  eine  typische  Temperatu 
Steigerung  und  eine  Verlangsamung  der  Blutgerinnung  aus. 

C.  Kling,  W.  W  e  r  n  s  t  e  d  t  und  A.  Pettersson:  Ueber  d 
Art  der  Verbreitung  der  epidemischen  Kinderlähmung. 

Lhiter  9  Rekonvaleszenten  konnte  bei  8  das  Virus  der  Po'.ii 
myelitis  mehrere  Wochen  bis  Monate  nach  dem  Ablauf  des  akutt 
Stadiums  in  den  Sekreten  durch  Tierversuche  nachgewiesen  werde 
Es  zeigte  aber  veränderte  Wirkung,  die  auf  eine  Abschwächui 
schliessen  Hess. 

H.  Pfeiffer  und  A.  J  a  r  i  s  c  h :  Zur  Kenntnis  der  Eiweissze 

fallstoxikosen.  j 

Verf.  ist  von  jeher  dafür  eingetreten,  dass  die  Ueberempfindlicl 
keitserscheinungen  auf  einem  parenteralen  Abbau  von  Eiweiss  durc 
ein  spezielles  eiweissspaltendes  Ferment  beruhen.  Mit  dem  Dialysie 
verfahren  von  Abderhalden  hat  er  jetzt  diese  Anschauur 
wieder  bestätigen  können.  Im  Serum  von  aktiv  und  passiv  ans 
phylaktisierten  Meerschweinchen  Hess  sich  das  proteolytische  Fe 
ment  nachweisen,  es  verschwand  im  Zustande  der  Antianaphylaxi 
Die  Wirkung  dieses  Fermentes  wird  durch  einen  Ueberschuss  dt 
Antigens  oder  durch  Anwesenheit  von  viel  artfremdem  Serum  au 
gehoben,  wahrscheinlich  infolge  der  antiproteolytischen  Wirkui 
normaler  Sera.  —  Eine  Schwierigkeit  stellte  sich  der  Anschauung  vi 
dem  akuten  Eiweisszerfall  im  anaphylaktischen  Schock  entgegen,  a 
Loening  und  H  e  i  1  n  e  r  auf  verschiedenen  Wegen  zu  dem  Rest 
täte  kamen,  dass  bei  der  Anaphylaxie  der  Eiweisszerfall  im  Gegend 
herabgesetzt  ist.  Verf.  konnte  aber  durch  eine  genaue  Verfolgiu 
des  antitryptischen  Serumtiters  diesen  Widerspruch  aufklären,  l 
stellte  sich  heraus,  dass  es  am  Anfänge  der  Vergiftung  zu  ein: 
Steigerung  des  Eiweisszerfalles  kam,  der  dann  aber  durch  das  et 
stehende  Gift  derart  stark  gebremst  wird,  dass  im  Gesarntresult 
sogar  eine  verminderte  Umsetzung  des  Eiweisses  erscheint.  Dur 
genaue  Verfolgung  der  antitryptischen  Serumkurve  können  prima 
und  sekundäre  Eiweisszerfallstoxikosen  unterschieden  werden.  L 
den  ersten  wird  das  Zerfallsgift  direkt  zugeführt,  z.  B.  bei  der  Injektn 
von  Pepton,  bei  den  letzten  wird  das  Gift  erst  im  Körper  seih 
durch  vermehrten  Eiweisszerfall  gebildet.  1 

L.  S  a  a  t  h  o  f  f  -  Oberstdorf. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose.  Band  19,  Heft  5. 

F.  Kraus:  Korrelative  Vegetationsstörungen  und  Tuberkulös 

Der  mit  wenigen  referierenden  Worten  nicht  Wiederzugeben 
Aufsatz  schildert  die  Wichtigkeit  der  lymphatischen  (skrofulöse 
skrofulo-tuberkulösen,  lymphogranulomatösen  usw.)  Konstitution. 

J.  P  i  n  t  b  o  r  g  -  Kopenhagen :  Untersuchungen  über  das  Vc 
handensein  von  Eiweisskörpern  im  Auswurf  bei  Lungentuberkulo 

ln  jedem  Falle  aktiver  Lungentuberkulose  ist  Albumin  im  Ai 
würfe  vorhanden.  Die  relative  Menge  steht  in  einem  bestimmt 
Verhältnisse  zum  Grade  der  Krankheit  und  lässt  sich  prognostis 
verwerten.  Man  kann  sogar  durch  systematische  Untersuchung 
den  Verlauf  der  Krankheit  verfolgen.  Die  Untersuchung  (na; 
Roge  r)  ist  einfach.  Tabellen  und  Krankengeschichten  werden  z 
Erläuterung  beigefügt. 

A.  Prorog-Bad  Soden  a.  T.:  Die  Bewertung  des  Phosptio 
Kalk-  und  Magnesiagehaltes  im  Sputum.  «  j 

Ebenfalls  durch  eine  Tabelle  belegt  wird  gezeigt,  dass  un  Ar 
würfe  sich  grosse  Mengen  Phosphorverbindungen  finden.  Esemptie- 


11.  März  1913. 


Ml  IENCHENER  MEl  )tZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


543 


sich  deshalb,  Lungenkiankc,  die  Auswurf  haben,  reichlich  mit  Lezithin 

zu  ernähren. 

.1.  Kahn-Magdeburg:  lieber  Dioradin. 

Die  Ergebnisse  bestätigen  das  von  den  Heilstättenärzten  schon 
in  Hamburg  ausgesprochene  Urteil;  sie  können  den  Verfasser  „nicht 
ermutigen,  das  Dioradin  im  weiteren  Umfange  in  Anwendung  zu 
bringen“.  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 


Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 

Chirurgie.  Bd.  25,  Heft  5,  Jena  1913,  Gustav  Fischer. 

4-)  Joseph  S  e  v  e  r  i  n:  Ueber  Pneumokokkensepsis  und  Pneunio- 
kokkenmeningitis  im  Anschluss  an  kalkulöse  purulente  Cholezystitis 
und  abszedierende  Cholangitis.  (Med.  Klinik  Breslau.) 

Verf.  berichtet  über  zwei  einander  sehr  ähnliche  einschlägige 
halle:  Zwei  f rauen  in  vorgerückteren  Jahren,  welche  in  den  letzten 
Jahien  wiederholt  an  Gallensteinkolik  mit  Fieber  und  Ikterus  ge- 
litten  hatten,  erkrankten  an  intermittierendem  Fieber  mit  Leber- 
und  Milzscli wellung,  Ikterus;  4  bzw.  §  Tage  vor  dem  Tode  wurden 
aus  dem  Blut  Pneumokokken  gezüchtet,  3  Tage  vor  dem  Tode  traten 
meningitische  Symptome  auf,  2  läge  vor  dem  Tod  war  in  einem  Fall 
Endokarditis  nachweisbar.  In  beiden  Fällen  war  der  Liquor  cerebro¬ 
spinalis  stark  getrübt,  stark  eiweisshaltig,  enthielt  auch  Pneumo¬ 
kokken.  Beide  Gallenblasen  enthielten  Steine,  in  den  Lebern  waren 
Abszesse  vorhanden.  Aus  dem  Gallenblaseneiter  der  einen  Leiche 
wurden  Streptokokken,  Staphylokokken  und  Pneumokokken  ge¬ 
züchtet. 


43)  B.  B  r  e  i  t  n  e  r :  Kritische  und  experimentelle  Untersuchungen 
über  die  kropfigen  Erkrankungen  der  Schilddrüse.  (I.  chirurgische 
Klinik  Wien.) 

i  hatte  Verminderung  wirksamer  Schilddrüsen¬ 

substanz  (Resektion)  eine  Abnahme  des  Kolloidgehalts  zur  Folge 
welches  offenbar  eine  aufgespeicherte  Zwischenstufe  wirksamen  Se- 
krets  darstellt,  und  zwar  war  diese  Abnahme  sowohl  bei  normaler 
als  bei  kropfig  entarteter  Drüse  festzustellen.  Andere  Versuche  mit 
Kropfwasser  an  Hunden  sprachen  dafür,  dass  beim  Kropf  die  Sekret¬ 
abfuhr  aus  der  Schilddrüse  behindert  ist;  doch  können  andere  Fak- 
toren  dieselbe  W  irkung  ausüben  wie  gerade  der  Qenuss  von  Kropf- 
wasser.  Bei  abnormer  Aufspeicherung  von  Kolloid,  das  nicht  jodiert 
wird,  wird  dem  Organismus  zu  wenig  fertiges  Sekret  geliefert:  Unter¬ 
sekretion,  Hypothyreose;  wurde  diese  schon  in  utero  eingeleitet  so 
fuhrt  sie  zu  Kretinismus.  Wird  nicht  nur  alles  frische  Sekret  sofort  ab- 
gehihrt,  sondern  auch  alles  Reservematerial  aktiviert  und  in  den 
Kreislaur  übergeführt,  so  entsteht  ein  Reizzustand  aller  koordinierten 
Blutdrusen. 

44)  Alfred  Brüggemann:  Beitrag  zur  Serumdiagnose  ma¬ 
ligner  Tumoren.  (Chirurgische  Klinik  Kiel.) 

Die  K  e  1 1  i  m  g  sehe  Reaktion  scheint  nicht  durch  die  Tumorbildung 
an  sich  hervorgerufen  zu  werden,  sondern  teils  durch  einen  auch  bei 
ormalseren  beobachteten  stärkeren  Gehalt  der  Sera  an  natürlichen 
Hämolysinen,  teils  durch  Zerfallsprodukte  der  Tumoren;  besonders 
bei  stark  zerfallenen  Kolon-  und  Rektumkarzinomen  wurde  positive 
Reaktion  erhalten,  offenbar  weil  gerade  solcheTumoren  sehr  oft  starke 
Hämolyse  zeigen.  Auch  14  von  16  Graviden  (in  den  letzten  Monaten) 
zeigten  stärkere  Hämolyse  als  Normalsera.  Die  technisch  schwierige 
A sc o  1  i sehe  Meiostagminreaktion  war  bei  52—70  Proz 
maligner  Tumoren  positiv,  das  Organ  spielte  keine  Rolle,  nur  bei 
nauttumoren  versagte  sie  öfter.  Unter  40  malignen  Tumoren  war 
Ascoh  positiv,  Kelling  negativ  bei  9  Fällen,  umgekehrt  bei  8  Fällen, 
oeide  positiv  bei  12  Fällen;  unter  29  anderen  Erkrankungen  waren  A. 
und  K.  je  einmal  positiv.  Die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  fiel 
bei  malignen  I  umoren,  wenn  nicht  Lues  mitspielte,  negativ  aus 

TDi.tt.1?r  (Pliysiol.  Institut  Leipzig)  und  Rieh.  Mohr 
tmed.  Klinik  Leipzig) :  Neue  Untersuchungen  über  das  Hormonal. 

Das  neue,  verbesserte  Präparat  erwies  sich  als  weniger  gefähr¬ 
lich  als  das  frühere,  es  setzte  aber  bei  Katzen  den  Blutdruck  herab, 
ervvies  sich  auch  noch  als  albumosehaltig.  Bei  sehr  langsamer  In- 
jektion  bleibt  die  Wirkung  auf  den  Kreislauf  aus,  dafür  tritt  aber 
auch  die  peristaltikerregende  Wirkung  weniger  prompt  ein.  Bei 
iruheren  Versuchen  scheint  die  Peristaltik  hauptsächlich  durch 
wnioralhydrat  bedingt  gewesen  zu  sein,  das  auch  den  Blutdruck  stark 
herabsetzt. 

46)  Murk  J  a  n  s  e  n  -  Leiden  (Holland):  Die  mechanische  Be¬ 
deutung  der  Bronchien. 


Sowohl  beim  Erstickungversuch  als  bei  der  normalen  Inspiration 
werden  die  peripheren,  kaudalen  und  lateralen  Lungenbläschen  mehr 
erweitert  als  die  zentralen,  kranialen  und  vertebralen.  Die  Ursache 
dieser  Dehnungsbeschränkung  ist  im  Bronchialbaum  nebst  Trachea 
zu  sehen.  Die  Bronchien  mit  den  sie  begleitenden  Gefässen  und 
thndegewebssepten  beherrschen  als  inneres  Skelett  der  Lunge  die 
veiteilung  der  Kräfte,  welche  an  der  Oberfläche  angreifen,  schützen 
die  genannten  Abschnitte  vor  Ueberdehnung;  auch  beim  Emphysem 
zmgt  sich  diese  Schutzwirkung  noch  erhalten.  Der  Antagonismus 
der  willkürlichen  äusseren  und  der  unwillkürlichen  inneren  Muskeln 
spielt  ebenfalls  eine  wichtige  Rolle. 

47)  William  G.  MacCallum:  Ueber  die  Uebererregbarkeit  der 
iNerven  bei  Tetanie.  (Aus  der  pathol.  Abteilung  der  Columbia¬ 
universität  in  New  York.) 

Das  Hinterbein  eines  normalen  Hundes  wurde  amputiert  mit 
Ausnahme  der  Femoralgefässe  und  des  Knochens;  dann  wurden  die 


Halsgefasse  eines^  tctanischen  1  icres  mit  dem  peripheren  Teil  der 
unterbrochenen  Femoralgefässe  verbunden;  das  „tetanische“  Blut 
umspiilte  also  den  gesunden  Hüftncrven;  das  gesunde  Bein  zeigte 
alsbald  I  etanus;  nach  Herstellung  des  alten  Kreislaufs  ging  die  Ueber¬ 
erregbarkeit  wieder  zurück.  Ebenso  nahm  bei  Umkehrung  des 
Versuchs  die  Uebererregbarkeit  im  kranken  Bein  für  die  Dauer  der 
Versorgung  mit  normalem  Blut  ab.  Wenn  also  auch  die  Ganglien¬ 
zellen  abnorm  starke  Impulse  während  der  Tetanie  aussenden,  so  tritt 
doch  noch  eine  Uebererregbarkeit  der  peripheren  Nerven  hinzu,  welche 
durch  das  Blut  vermittelt  wird;  es  kann  ein  Toxin  wirken,  und  dieses 
kann  durch  Entziehung  von  Kalzium  wirken,  da  Durchströmung 
mit  oxalisiertem  Blut  ebenso  wirkt  wie  Durchströmung  mit  tetani- 
schem  Blut.  Weitere  Versuche  ergaben,  dass  tatsächlich  die  Nerven¬ 
endigungen  und  nicht  etwa  die  Muskeln  selbst  übererregbar  sind. 

R.  Grashey  -  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  120.  Band,  5.-6.  Heft. 

August  Linde  mann:  Zur  Pathogenese  und  Klinik  der  Nieren¬ 
beckenentzündungen.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  der  Huyssen- 
stiftung  in  Essen/Ruhr.) 

™  Erfahrungen  an  48  Pyelitisfällen  (31-  weibliche,  17  männliche). 
39  mal  fand  sich  Bacterium  coli,  2  mal  Staphylococcus  aureus,  1  mal 
Streptokokken,  1  mal  Proteus,  1  mal  Koli  und  Staphylokokken,  1  mal 
Koli  und  Streptokokken,  3  mal  wurden  kurze  plumpe  Stäbchen  im 
Blasenurin  gefunden,  während  die  Kultur  steril  blieb. 

Zunächst  bringt  Lin  de  mann,  zum  Teil  erläutert  durch  eigene 
Beispiele,  eine  Uebersicht  der  Aetiologie  der  Pyelitis:  Veränderungen 
der  Harnweges  selbst,  Ovulation,  Schwangerschaft,  Tumoren, 
Niei  enveränderungen,  Infektionskrankheiten.  Beziehungen  zwischen 
akuter  oder  chronischer  Affektion  des  Magendarmkanals  und  Pyelitis 
fand  Lindemann  17  mal.  Beobachtung  verdienen  die  von  Carl 
Franke  festgestellten  Beziehungen  zwischen  den  Lymphgefässen  des 
Colon  ascendens  und  der  rechten  Niere.  Das  wechselvolle  klinische 
Bild  der  Pyelitis  führt  vielfach  zu  Fehldiagnosen.  Das  Bild  des 
akuten  pyelitischen  Anfalls  mit  Schüttelfrost.  Fieber,  Erbrechen, 
Schmerzen  im  Leibe  wurde  6  mal  beobachtet,  Entleerung  von  Blut 
wurde  im  Gegensatz  zu  Rowsing  6  mal  gefunden,  eine  begleitende 
leichte  Zystitis  4  mal,  eine  gleichzeitige  Affektion  des  Nieren¬ 
parenchyms  wurde  nur  einmal  gefunden  (Prüfung  mit  Phloridzin- 
Indigkarmin  und  Phenolsulfophthaleinprobe  nach  Rowntree  und 
Geraghty).  Am  Ureterostium  der  kranken  Seite  findet  sich  ge¬ 
wöhnlich  ein  hyperämischer  Hof.  Ulzera  fand  Lindemann  nicht. 

Bei  der  einfachen  unkomplizierten  Pyelitis  wurde  reichliche 
rlüssigkeitsauf nähme  (Lindenblütentee,  Milch,  Brunnen)  erfolgreich 
verordnet.  Bei  Zunahme  der  Infektion  oder  Verlegungen  der  Lich¬ 
tung  oder  Abknickungen  des  Ureters  wurde  der  Ureterenkatheter  ein- 
gefiihrt  und  eventuell  mit  Wasserstoffsuperoxyd  die  Durchgängigkeit 
wieder  hergestellt.  Mit  der  Spülung  des  Nierenbeckens  (5  proz. 
Protargollösung)  wurden  nicht  dieselben  günstigen  Resultate  erzielt, 
wie  von  anderen  Autoren.  Lindemann  führt  das  auf  seine  längere 
Beobachtungzeit  zurück.  Nephrotomie  wurde  2  mal  ausgeführt, 
Nephrektomie  6  mal  (3  Pyonephrosen,  je  eine  Steinniere,  Hydro- 
nephrose,  kongenitale  Zystenniere). 

A.  Wagner:  Ueber  das  akut  in  die  freie  Bauchhöhle  per¬ 
forierende  Magengeschwür.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des 
allgemeinen  Krankenhauses  in  Lübeck.) 

Bericht  über  15  operierte  Fälle  von  Geschwürsperforationen 
(9  Frauen,  6  Männer).  Gestorben  sind  6  Fälle  (4  Frauen,  2  Männer), 
die  bis  auf  einen  Fall  alle  erst  nach  12  Stunden  zur  Operation 
kamen  (Schock,  Peritonitis,  Sepsis,  Embolie).  Die  Diagnose  ist  in 
2h  der  Fälle  möglich;  zumeist  wurde  übernäht  mit  oder  ohne  Netz¬ 
plastik,  die  Gastroenterostomie  will  Verfasser  für  Fälle  mit  Pylorus¬ 
stenose  oder  Sanduhrmagen  reserviert  wissen.  Spülung  der  Bauch¬ 
höhle  mit  Kochsalzlösung  oder  Eventration  ist  das  beste  Verfahren 
zur  Reinigung  des  Peritoneums. 

Paul  W  o  1  f  f :  Zur  Katgutfrage.  (Aus  der  2.  chirurgischen  Ab¬ 
teilung  des  Rud.  Virchow-Krankenhauses  Berlin.) 

Die  subtil  ausgeführten  Untersuchungen  beweisen,  dass  es  auch 
am  fertigen  Faden  gelingt,  eine  sichere  Sterilisation  des  Katguts  zu 
erzielen,  Sterilisation  vor  dem  Drehen  am  Rohdarm  ist  unnötig. 
Unter  den  verschiedenen  Sterilisationsverfahren  ist  die  Methode  nach 
Claudius  die  einfachste  und  sicherste. 

Kr  oh:  Experimentelle  Studien  zur  Lehre  von  der  ischämischen 
Muskellähmung  und  Muskelkontraktur.  2.  Teil.  (Mitteilungen  aus 
der  Akademie  für  praktische  Medizin  Köln.) 

Nur  einige  wesentliche  Punkte  seien  aus  der  umfassenden  Arbeit 
hervorgehoben: 

Weder  die  vorübergehende  totale  oder  langdauernde  partielle 
Entziehung  von  0  und  Nährstoffen,  noch  die  toxische  Wirkung  stär¬ 
kerer  C02-Ueberladung  bewirken  ausschliesslich  die  ischämische 
Muskelkontraktur:  die  Inaktivierung  des  Muskels  spielt  eine  grosse 
Rolle  bei  der  Degeneration,  die  durch  die  Zirkulationsveränderungen 
eingeleitet  wird. 

Unter  den  mannigfaltigen  Ursachen,  die  zu  Zirkulations¬ 
störungen  führen,  verdient  grosse  Beachtung  die  Druckwirkung 
grösserer  interstitieller  Ergüsse,  die  einmal  kleinere  oder  grössere 
arterielle  Zufuhrwege  ausschalten,  ausbaufähige  Kollateralbalmen 
unterdrücken,  besonders  aber  die  Venen  komprimieren. 


544 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  lö. 


Durch  Inaktivierung  des  so  geschädigten  Muskels  wird  die  in 
der  Muskelbewegung  liegende  transformierende  Kraft  eliminiert,  die 
die  weitere  Entwicklung  der  regenerationskräftigen  Muskelfaserkerne 
zu  spezifischem  Gewebe  gestaltet.  Durch  die  Zirkulationsverän- 
derungen  werden  natürlich  auch  die  Nerven  alteriert,  dieser  Alteration 
kommt  aber  keine  ätiologische  Bedeutung  für  die  Entstehung  der 
ischämischen  Muskellähmung  zu. 

Y.  Ozaki:  Ueber  die  Alkoholdesinfektion.  (Aus  der  Kaiser¬ 
lichen  chirurgischen  Universitätsklinik  Kyoto,  Japan.) 

Verfasser  stellte  durch  neue  Untersuchungen  fest,  dass  die  reine 
Alkoholdesinfektion  ohne  vorherige  Waschung  ziemlich  ungünstig 
ausfällt,  dass  aber  nach  kurzer  vorheriger  Seifenwaschung  das 
Resultat  sehr  günstig  wird.  Die  Ahlfeldsche  Vorschrift:  Mehrere 
Minuten  lang  auszuführende  Heisswasserwaschung  mit  Bürste  kann 
ersetzt  werden  durch  kurze  Seifenwaschung  ohne  Bürste.  Die  Wirk¬ 
samkeit  des  Alkohols  beruht  auf  seiner  bakteriziden  und  härtenden 
Eigenschaft,  Penetration  und  mechanische  Reinigung  tragen  noch 
dazu  bei. 

Emil  Schepelmann:  Herzklappenchirurgie.  (Aus  Professor 
W  u  1 1  s  t  e  i  n  s  chirurgischer  Klinik,  Halle  a.  S.) 

Nachdem  Schepelmann  früher  experimentell  die  Erfahrung 
gemacht  hatte,  dass  Versuche,  die  Stenosen  der  Atrioventrikular¬ 
klappen  durch  Zerstörung  der  Chordae  tend.  in  die  weniger  gefährliche 
Insuffizienz  zu  verwandeln,  wegen  ihrer  Gefahren  auf  die  mensch¬ 
liche  Chirurgie  nicht  anwendbar  seien,  berichtet  er  nunmehr  über 
Versuche,  die  durch  Herstellung  von  Kommunikationen  zwischen  den 
beiden  Vorhöfen  und  zwischen  den  beiden  Kammern  einen  Druck¬ 
ausgleich  erstreben  und  der  Stenose  ihre  Gefahren  nehmen.  Die  Ver¬ 
bindung  zwischen  den  Ventrikeln  (Kaninchen)  wurde  hergestellt  da¬ 
durch,  dass  nach  Abklemmung  dpr  Herzspitze  der  linke  Ventrikel 
eröffnet  und  das  Septum  mit  einer  modifizierten  Polypenzange  partiell 
reseziert  wurde;  dreifache  Uebernähung  der  Ventrikelwunde.  Die 
Verbindung  zwischen  den  Vorhöfen  wurde  hergestellt  durch  Ein¬ 
nähen  eines  frischen  Stückchens  Kaninchenaorta  in  rechtes  und  linkes 
Herzrohr.  Technische  Einzelheiten  im  Original. 

Silvio  Porta:  Neues  Verfahren  zur  Gefässvereinigung.  (Aus 
der  chirurgischen  Klinik  der  Kgl.  Universität  Siena.) 

An  jedem  der  zu  vereinigenden  Gefässstümpfe  werden  durch 
4  einander  entsprechende  vertikale  Einschnitte  4  gleiche,  einige 
Millimeter  hohe  Läppchen  hergestellt.  Von  der  Mitte  der  Basis  eines 
derselben  wird  von  aussen  nach  innen  eine  Nadel  mit  Seiden¬ 
schlinge  durchgestochen  und  in  der  Mitte  der  Basis  des  entsprechen¬ 
den  Lappens  des  anderen  Stumpfes  von  innen  nach  aussen  heraus¬ 
geführt.  Nach  Durchschneidung  der  Schlinge  werden  die  Fäden  an 
den  Seiten  der  Lappen,  die  aneinander  geschlossen  werden,  verknotet; 
ebenso  wird  mit  den  übrigen  Lappen  verfahren.  Dem  Verfahren  wird 
leichte  Technik,  Vermeidung  jeder  Stenose  nachgerühmt.  Es  kann 
aber  bei  kleineren  Gefässen  nicht  angewandt  werden  und  verkürzt 
dje  Stümpfe  (vergl.  die  Methoden  nach  Dobrowolskaja,  die¬ 
selbe  Zeitschrift  119,  Band  1,  2.  Heft.  Ref.). 

Carl  Ritter:  Kritische  Bemerkungen  zu  den  kritischen  und 
experimentellen  Untersuchungen  über  das  Entstehen  und  Verschwinden 
von  Lyinphdriisen.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen 
Krankenhauses  zu  Posen.) 

Die  zahlreichen  Arbeiten  Ritters  über  Lymphdrüsenneubil- 
dungen  werden  von  d  e  G  r  o  o  t  (ref.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  4, 
1913)  nicht  genügend  berücksichtigt.  Die  makroskopischen  Lymph- 
driisenblidungen  im  Fettgewebe  bei  Karzinom  sind  zuerst  von 
Ritter  beobachtet  und  eingehend  beschrieben. 

Des  weiteren  wendet  sich  Ritter  dagegen,  dass  de  Groot 
neugebildetes  Lymphdriisengewebe  und  lymphoides  Gewebe  iden¬ 
tifiziert.  Für  die  Neubildung  von  richtigem  Lymphdrtisengewebe 
kommen  vorläufig  als  Ursache  nur  infektiöse  Prozesse  in  Betracht: 
einwandfreie  Beweise  für  eine  Neubildung  von  Lymphdrüsengewebe 
unter  normalen  Verhältnissen  und  bei  anderen  Prozessen  sind  nicht 
vorhanden.  Nach  Ritters  Untersuchungen  kommen  die  erwähnten 
eigentümlichen  makroskopischen  Lymphdrüsenneubildung:en  nur  bei 
Karzinom  und  Sarkom  vor  und  geben  event.  wichtige  diagnostische 
Hinweise  bei  der  Operation. 

Denis  G.  Zesas:  Paul  Nie  ha  ns. 

Ein  Nachruf  auf  den  am  28.  November  1912  verstorbenen  Berner 
Chirurgen. 

Kurze  Mitteilungen. 

G.  R  i  c  k  e  r :  Zur  Lehre  von  der  Diäresis-  und  Diapedesis- 
blutung.  (Aus  der  pathologisch-anatomischen  Anstalt  der  Stadt 
Magdeburg.) 

R  i  c  k  e  r  tritt  der  Anschauung  L  ä  w  e  n  s  entgegen,  der  die 
Massenblutungen  ins  Nierenlager  als  Diäresisblutungen  auffasst.  Die 
Diäresisblutung  wird  in  den  meisten  neuen  Darstellungen  der  patho¬ 
logischen  Anatomie  abgelehnt,  dagegen  kann  es  nach  Tierexperi¬ 
menten  und  anderen  Beobachtungen  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  durch 
Diapedesisblutung  beliebig  grosse  Blutungen  ins  Gewebe,  ins  Darm¬ 
lumen  und  in  andere  Hohlorgane  gelangen  können.  Wichtig  ist  der 
Zusammenhang  der  Stase  und  Diapedesisblutung  mit  dem  Gefäss- 
nervensystem.  Flörcken  -  Paderborn. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  8,  1913. 

J.  G  a  1  p  e  r  n  -  Twer:  Oesophagusplastik  aus  der  Magenwand. 

Verfasser  schildert  sein  Verfahren,  aus  der  grossen  Kurvatur 
des  Magens  einen  genügend  langen  und  ernährungsfähigen  Lappen 


zubilden,  das  in  der  Hauptsache  dem  von  J  i  a  n  u  gleicht,  obgleich 
es  Verf.  schon  vor  und  unabhängig  von  ihm  ausgeärbeitet  hat;  bei 
kleinem  Magen  hilft  man  sich  durch  Resektion  des  letzten  Rippen¬ 
knorpels,  um  einen  Schlauch  von  22  cm  Länge  zu  bekommen. 

Willy  M  e  y  e  r  -  New  York:  Ein  Vorschlag  bezüglich  der  Ga¬ 
strostomie  und  Oesophagoplastik  nach  Jianu-Roepke. 

Verf.  ist  zurzeit  mit  Versuchen  beschäftigt,  die  von  Jianu- 
Roepke  angegebene  Oesophagoplastik  nicht  nur  extrathorakal,  son¬ 
dern  auch  intrathorakal  anzuwenden,  indem  nach  Resektion  der  Oeso- 
phagusgeschwulst  im  Gesunden  das  J  i  a  n  u  sehe  Rohr  durch  das 
Foramen  oesophageum  gezogen  und  mit  dem  proximalen  Oesophagus- 
ende  durch  direkte  Naht  oder  durch  Knopf  (nach  Tiegel)  vereinigt 
wird.  Diese  intrathorakale  Methode  ist  kurz  skizziert. 

S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  Die  Rekonstruktion  der  Bauchdecken. 

Verfassers  Methode  besteht  darin,  jede  Wunde  mit  Rosa¬ 
schen  Klauenschiebern  zu  verschliessen  und  dann  zu  nähen.  Die 
Klauenschieber  sollen  die  Wundränder  exakt  adaptieren,  während  durch 
2  in  der  oberen  und  unteren  Hälfte  der  Wunde  zwischen  Haut  und 
Faszie  eingehakte  Muzeuxzangen  das  mobilisierte  Material  herbeigcholt 
wird.  Das  Verfahren  ist  an  2  Abbildungen  veranschaulicht  und  die 
Technik  genau  angegeben.  Diese  Methode  ermöglicht  bei  kleinen  und 
grossen  Diastasen  einen  sicheren  Verschluss  der  Wunde. 

Friede  mann -Langendreer:  Zur  Frage  der  freien  Transplan¬ 
tation  des  Peritoneums.  , 

Verf.  zeigt  kurz  an  einem  Beispiel,  dass  der  Wundverlauf  auch 
ohne  dass  Serosadefekte  übernäht  werden,  reaktionslos  sein  kann. 
Damit  ist  also  dargetan,  dass  H  o  f  m  a  n  n  s  (No.  4)  Behauptung,  dass 
seine  freie  Peritoneumtransplantation  erfolgreich  war,  klinisch  nicht 
bewiesen  ist. 

Franz  Derganc  -  Laibach :  Appendectomia  subserosa. 

Diese  Operationsmethode  besteht  darin,  dass  die  Serosa  der  ver¬ 
wachsenen  Appendix  an  der  Basis  oder  Spitze  zirkulär  odei  longi¬ 
tudinal  gespalten  und  die  Appendix  langsam  mit  einem  Tupfer  unter 
Zurückstreifung  der  Serosa  herausgezogen  wird.  Die  von  Kof  manu 
(No.  50)  angegebene  „Ausschaltung  der  Appendix“  weist  auch  Verf. 
entschieden  zurück.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VII,  Heft  3. 

Lucius  Stolper- Wien:  Ueber  den  Einfluss  der  weiblichen 
Keimdrüse  auf  den  Zuckerstoffwechsel.  (Aus  der  I.  Universitäts- 
Frauenklinik  in  Wien.)  . 

Zunächst  Uebersicht  über  die  Literatur  betreffend  die  Ausschei¬ 
dung  von  Zucker  in  der  Schwangerschaft;  aus  den  vorliegenden  Ar¬ 
beiten  geht  hervor,  dass  das  Auftreten  der  Glykosurie  e  nutrimentis, 
e  saccharo  et  ex  amylo  für  einen  gewissen  Prozentsatz  der 
Schwangeren  nahezu  allgemein  anerkannt  wird.  Verfasser  unter¬ 
suchte  im  ganzen  32  Gravidae  vom  2. — 9.  Monat  bei  gewöhnliche! 
Ernährung  und  konnte  schon  in  6  Fällen  eine  deutliche,  wenn  auch 
geringe  Zuckerausscheidung  feststellen;  bei  Zuckerdarreichung  fand 
er  unter  30  Graviden  21  mal  Zucker  positiv.  Gravidae  mit 
Hyperemesis  zeigten  eine  vermehrte  Zuckerausscheidung.  Verf. 
glaubt  diese  Herabsetzung  der  Assimilationsgrenze  für  Zucker  auf 
Veränderungen  in  den  Ovarien  zurückführen  zu  müssen,  vielleicht  am 
eine  Beeinträchtigung  der  Funktion  des  Ovarium. 

Auch  bei  Genitaltumoren  ist,  wie  aus  der  Literatur  hervorgeht, 
öfters  Zuckerausscheidung  beobachtet  worden  Nach  Ansicht  des 
Verf.  sind  es  besonders  die  Ovarialkystome,  welche  die  Assimilations¬ 
grenze  für  Zucker  herabsetzen,  diese  Befunde  waren  so  konstant,  dass 
er  sie  einigemale  differentialdiagnostisch  zwischen  Myom  und  Kystom 
mit  Nutzen  verwerten  konnte,  und  zwar  derart,  dass  Herabsetzung 
der  Assimilationsgrenze  für  Kystome,  Erhöhung  für  Myom  sprach. 

Weiter  untersuchte  Verf.  Frauen  mit  den  verschiedensten  Er¬ 
krankungen  vor  und  nach  der  Operation,  und  zwar  sowohl  in  Fällen, 
in  denen  die  Ovarien  entfernt  wurden,  als  auch  in  solchen,  in  denen  nur 
ein  Ovar  oder  nur  der  Uterus  exstirpiert  wurde,  bezüglich  der  Assimila¬ 
tionsgrenze  für  Zucker.  Die  Versuche  sind  in  einer  Tabelle  iihci- 
sichtlich  zusammengestellt,  aus  ihr  geht  hervor,  dass  bei  Frauen  nach 
Entfernung  der  Ovarien  die  Assimilationsgrenze  herabgesetzt  ist,  das¬ 
selbe  liess  sich  auch  in  17  Fällen  an  Frauen  in  der  Menopause  be- 
obachen.  Verf.  glaubt,  dass  diese  Erscheinung  durch  Einwirkung  aut 
das  Pankreas  und  das  Adrenalsystem.  wobei  die  Mitwirkung  anderer 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion  wahrscheinlich  ist,  hervorgerufen  wird. 

Von  praktischer  Bedeutung  kann  die  Feststellung  der  Toleranz 
für  Zucker  sein  bei  der  obenerwähnten  Differentialdiagnose  zwischen 
Myom  und  Kystom  und  bei  der  Feststellung  des  beginnenden  Klimak¬ 
teriums  bezw. .  des  Ausfalles  der  Ovarialfunktion. 

Heinrich  Rotter-Pest:  Eugenik  und  Geburtshilfe. 

Fortsetzung  folgt.  A.  R  i  e  1  ä  n  d  e  r  -  Marburg. 

Archiv  der  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 
Stoffwechselpathologie  und  der  Diätetik,  red.  von  Prof.  J. 

Boas-  Berlin.  Band  XVIII,  Heft  6. 

36)  Kemp-  Kopenhagen :  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie 
des  Magengeschwürs.  I.  Die  Hypersekretion  nach  der  Probemahlzeit. 

(Aus  der  med.  Universitätsklinik  in  Kopenhagen  —  Prof,  knuti 

F  a  b  e  r.)  ... 

Ausgehend  von  R  u  b  o  ws  Arbeit  „Die  Hyperazidität  des  Magen- 
■  saftes  und  ihre  Bestimmung  mittels  der  Sahli  sehen  Probemahl- 


11.  März  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zeit“,  Bd.  XII,  H.  1  dieses  Archivs,  verfolgt  Verf.  den  Zweck,  einen 
der  bisher  noch  viel  zu  wenig  gewürdigten  Gesichtspunkte  dieser 
Arbeit,  nämlich  die  Bedeutung  der  Hypersekretion  für  die  Ulcus- 
diagnose,  an  einem  grösseren  Material  nachzuprüfen  und  kommt  zu 
nachstehendem  Resultate.  Die  Form  der  „digestiven  Hypersekretion“, 
die  ausschliesslich  auf  den  Nachweis  eines  Schichtungsquotienten  von 
30  Proz.  oder  darunter  basiert  ist,  kommt  relativ  häufiger  bei  Ulcus 
ventriculi  als  bei  anderen  Magenkrankheiten  vor,  jedoch  ohne  dass 
hieraus  allein  ein  zwingender  Schluss  für  die  Ulcusdiagnose  gezogen 
werden  darf.  Der  niedrige  Wert  des  Schichtungsquotienten  braucht 
nicht  einzig  und  allein  auf  einer  erhöhten  MagensaftseKretion  zu  be¬ 
ruhen,  dies  gilt  nur  für  die  Fälle  gleichzeitig  abnorm  hoher  Säure¬ 
zahlen.  Annähernde  Sicherheit  für  das  Vorhandensein  einer  echten 
digestiven  Hypersekretion  haben  wir  nur  in  solchen  Fällen,  in  denen 
sich  entweder  ein  gleichzeitig  sehr  grosser  und  stark  saurer  Magen¬ 
inhalt  findet  oder  wo  die  absolute  HCl-Menge  85  ccm  norm./lO  HCl 
1  Stunde  nach  einem  Probefriihstiick  von  35  g  Zwieback  übersteigt. 

37)  E  i  n  h  o  r  n  -  New  York  :  Indikationen  für  Operationen  bei  Er¬ 
krankungen  des  Verdauungstraktes. 

Vorstehende  Ausführungen  über  die  chirurgischen  Indikationen 
bei  Verdauungskrankheiten  verdanken  ihre  Entstehung  der  auch  bei 
uns  in  Deutschland  beobachteten  Tatsache  von  der  Ueberhandnahme 
nicht  absolut  notwendiger  Operationen.  Hierfür  macht  Einhorn 
zwei  Ursachen  verantwortlich.  Einerseits  den  Standpunkt  mancher 
Chirurgen,  mit  Untersuchungen  zwecks  Diagnose  keine  Zeit  zu  ver¬ 
lieren,  sondern  kurzerhand  aufzumachen  und  nachzusehen,  anderer¬ 
seits  die  Anschauung,  speziell  hinsichtlich  des  Magengeschwürs,  dass 
es  zu  Karzinom  inkliniere,  und  dass  demzufolge  möglichst  rasch  ein¬ 
begriffen  werden  müsse,  um  die  Entwicklung  eines  Krebses  zu  ver¬ 
hüten.  Nach  E.s  schon  früher  geäusserter  Ansicht  müssen  maligne 
Prozesse  so  früh  wie  möglich,  d.  h.  sobald  eben  die  Diagnose  ge¬ 
sichert  ist,  operiert  werden,  gutartige  Prozesse  jedoch  erst  dann, 
wenn  alle  anderen  internen  Hilfsmittel  erschöpft  sind.  Folgt  eine 
Besprechung  der  einzelnen  Indikationen  für  chirurgische  Eingriffe. 

38)  H  o  f  i  u  s  -  Duisburg:  Vergleichende  Untersuchungen  über  die 
Röntgenphotographie  des  Magens  und  die  Gastrodiaphanie.  (Aus  der 
inneren  Abteilung  des  Bethesdakrankenhauses.  Oberarzt  Dr.  M  e  1 1  - 
z  i  n  g.) 

Nachdem  in  manchen  der  neueren  Lehrbüchern  der  Gastro¬ 
diaphanie  eigentlich  fast  nur  mehr  der  Kuriosität  halber  Erwähnung 
getan  wird,  ist  es  um  so  interessanter,  aus  vorliegenden  vergleichen¬ 
den  Untersuchungen  von  Hofius  zu  ersehen,  dass  die  Gastrodia¬ 
phanie  im  wesentlichen  die  gleichen  Resultate  ergibt  wie  die  Röntgen¬ 
photographie,  dass  beide  Verfahren  sich  jedenfalls  ebenbürtig  sind 
und  dass  sich  ergebende  Abweichungen  sich  nicht  widersprechen, 
sondern  meist  sogar  in  wertvoller  Weise  ergänzen.  Einen  Vorzug 
sogar  hat  die  Gastrodiaphanie  vor  der  Röntgendurchleuchtung,  dass 
sie  erheblich  billiger  und  bei  weitem  einfacher  ist  und  demzufolge 
für  die  allgemeine  Praxis  geeigneter.  Ausserdem  gestattet  die  Gastro¬ 
diaphanie  auch  in  der  bequemsten  Weise  die  chemische  Untersuchung 
des  Magens  mit  der  Durchleuchtung  zu  vereinigen.  Die  Frühdiagnose 
des  Magenkarzinoms  anlangend,  so  haben  beide  Untersuchungen  doch 
nur  einen  sehr  beschränkten  Wert,  immerhin  aber  verdient  die 
Röhtgenphotographie  hier  insofern  den  Vorzug,  als  sie  auch  Tu¬ 
moren  der  hinteren  Magenwand  uns  sichtbar  zu  machen  imstande  ist. 

39)  Jonas: -Wien:  Ueber  das  Verhältnis  zwischen  Stuhlbild 
und  Darmmotilität  und  die  wechselnden  Stuhlbilder  der  Hyperazidität 
und  der  Achylie. 

Der  Hauptmotor  des  Darmes  ist  der  Magen,  indem  seine  Hyper- 
motilität  auch  eine  Disposition  zu  beschleunigter  Darmpassage  und 
seine  Hypomotilität  eine  solche  zu  deren  Verlangsamung  schafft, 
(ileichwohl  ist  für  die  Gestaltung  des  Stuhlbildes  nicht  so  sehr  die 
Motilität  des  Darmtraktes  überhaupt,  als  die  Motilität  der  unteren 
Dickdarmabschnitte  massgebend,  so  dass  aus  den  Stuhlbildern  der 
Obstipation  bezw.  Diarrhöe  durchaus  nicht  auf  eine  verlangsamte 
Passage  bezw.  Hypermotilität  des  ganzen  Darmes  geschlossen  werden 
darf.  Wenn  nun  auch  das  Hauptstuhlbild  der  Achylie  die  Diarrhöe 
ist,  so  können  eben  auf  Grund  obigen  Befundes  gleichwohl  normale 
bis  harte  Stühle  erfolgen,  d.  h.  Obstipation  schliesst  eine  Achylie  nicht 
aus.  In  Gleichem  kann  trotz  des  gewöhnlichen  Zusammenhanges 
zwischen  Hyperazidität  und  Obstipation  aus  dem  Bilde  der  Diarrhöe, 
selbst  bei  Anwesenheit  von  Bindegewebe,  nicht  bedingungslos  auf 
Achylie  geschlossen  werden. 

40)  Z  a  d  e  k  -  Berlin :  Ueber  hämorrhagische  Erosionen  und 
Magengeschwüre  und  ihre  Beziehungen  zu  Melaena  neonatorum  im 
Anschluss  an  4  Fälle  bei  Säuglingen. 

Den  von  Z  a  d  e  k  mit  wahrem  Bienenfleiss  unter  Berücksich¬ 
tigung  aller  nur  irgendwie  einschlägigen  Literatur  zusammen¬ 
gestellten  Ausführungen,  die  sich  unmöglich  im  knappen  Rahmen  eines 
Referates  alle  wiedergeben  lassen,  ist  zu  entnehmen,  dass  wir  jeden¬ 
falls  nicht  berechtigt  sind,  eine  einheitliche  Genese  für  die  Erosionen 
und  Ulzera  anzunehmen,  ganz  besonders  nicht  bei  den  geschwürigen 
Magen-Darmprozessen  bei  Melaena  neonatorum.  Inwiefern  allerdings 
im  einzelnen  Falle  das  eine  Mal  spastische  Nekrosen,  das  andere  Mal 
primäre  Blutungen  in  die  Schleimhaut  mit  nachfolgender  Andauung  im 
Nnne  der  A  s  c  h  o  f  f  sehen  mechanischen  Theorie  die  Entstehungs- 
Möglichkeit  abgeben,  das  zu  entscheiden  wird  die  Aufgabe  zu¬ 
künftiger  Untersuchungen  und  Versuche  bilden  müssen. 


...  S  c  h  i  1 1  i  n  g  -  Leipzig:  Erbrochener  Duodenalschleim  im 
Migräneanfall. 

Die  Form  des  während  eines  heftigen  Migräneanfalles  er¬ 
brochenen  Schleimes  liess  sofort  den  Abguss  der  spastisch  kon¬ 
trahierten,  von  Falten  durchbrochenen  Duodenalschleimhaut  erkennen 
und  zeigten  einzelne  Zacken  sogar  die  1  eilungen  der  K  e  r  k  r  i  iwr  sehen 
Faltenvertiefungen.  Nach  des  Autors  Anschauung  war  ein  vorausge¬ 
gangener  Unfall  mit  später  nachfolgender  Amputation  des  Unter¬ 
armes  und  damit  später  einsetzender  Neuropathie  die  Ursache  des 
beobachteten  Leidens,  denn  um  Gastroxynsis  oder  paroxysmenartig 
auftretende  Hypersekretion  mit  Erbrechen  konnte  es  sich  nicht 
handeln,  da  der  Magensaft  sonst  stets  subazid  war. 

A.  Jordan-  München. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  9,  1913. 

1)  Alfred  P  o  u  s  s  o  n  -  Bordeaux:  Beitrag  zur  Chirurgie  der 
Nephritiden. 

Verfasser  liefert  einen  durch  persönliche  grosse  Erfahrung  be¬ 
sonders  interessanten  und  wertvollen  Beitrag  zur  Chirurgie  der 
akuten  und  chronischen  Nephritiden,  und  zwar  redet  er  der  Nephro¬ 
tomie  besonders  das  Wort. 

2)  A.  Z  i  n  s  s  e  r  -  Berlin :  Ueber  die  Schädigung  der  Niere  bei  der 
Eklampsie.  (Vorgetragen  in  der  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie  zu  Berlin.) 

Der  Verfasser  vertritt  die  Ansicht,  dass  bei  echter  Eklampsie 
die  einseitige  Behandlung  der  Niere  vollkommen  zwecklos  ist,  da  die 
Schädigung  der  Niere  eben  nur  eine  Episode  im  Drama  der  Eklampsie 
ist,  und  wenn  sie  eine  so  weitgehende  wird,  dass  der  Organismus  ihr 
allein  erliegen  würde,  so  sind  auch  in  anderen  Organen  die  Zerstö¬ 
rungsprozesse  so  weit  vorgeschritten,  dass  von  der  Niere  allein  aus 
nichts  mehr  zu  retten  ist. 

3)  S.  W  e  i  1  -  Breslau  :  Beitrag  zur  Statistik  der  Magenresektion. 

(Auf  Grund  von  157  in  den  letzten  5A  Jahren  ausgeführten  Resek¬ 
tionen.) 

Von  der  Gesamtzahl  der  Kranken,  die  1907—1909  mit  Magen¬ 
karzinom  in  Behandlung  der  Breslauer  chirurgischen  Universitäts¬ 
klinik  kamen,  konnten  nur  2 — 3  Proz.  von  ihrem  Leiden  dauernd  ge¬ 
heilt  werden.  Dies  Resultat  wäre  sehr  betrüblich,  wenn  man  nicht  in 
Erwägung  ziehen  müsste,  dass  die  Resektion  des  Magens  als  Pallia¬ 
tivoperation  den  Zustand  der  Patienten  für  längere  Zeit  recht  günstig 
beeinflusst,  viel  besser  als  die  Gastroenterostomie.  Eine  Besserung 
dieser  Statistik  ist  nur  zu  erwarten,  wenn  viel  häufiger  als  bisher 
das  Magenkarzinom  im  frühesten  Stadium  dem  Operateur  zugeführt 
wird. 

4)  C.  S.  E  n  g  e  1  -  Berlin  :  Demonstration  der  Wirkung  der  Venen¬ 
stauung  auf  die  Pulskurven  Herzkranker.  (Nach  einem  am  22.  Januar 
1913  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage.) 

Cf.  pag.  217  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

5)  Abel- Berlin:  Die  Elektrokoagulation  bei  der  chirurgischen 
Behandlung  des  Krebses,  speziell  des  Gebärmutterkrebses.  (Vortrag, 
gehalten  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  29.  Jan.  1913.) 

Cf.  pag.  275  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913 

6)  W.  F  a  1 1  a  und  L.  Zehner-  Wien :  Ueber  chemische  Ein¬ 
wirkungen  des  Thorium  X  auf  organische  Substanzen,  besonders  auf 
die  Harnsäure. 

Die  Verfasser  weisen  die  Einwände  von  J.  Plesch  gegen  die 
von  ihnen  in  No.  12,  1912  unter  dem  gleichen  Titel  publizierten  Ver¬ 
suche  zurück. 

7)  Gottwald  Schwarz  -  Wien :  Zur  Frage  des  wirksamen  Prin¬ 
zips  biochemischer  Strahlenreaktionen. 

Thorium-X-Lösung,  die  keine  mittels  Jodkaliumstärkepapier 
nachweisbaren  Mengen  O3  oder  H2O2  enthält,  bewirkt  nach  24  Stunden 
energische  Lutein-  und  Lezithinspaltung  im  Dotter;  selbst  hochkon¬ 
zentrierte  H2O2  Lösungen  bewirken  dies  nicht,  daraus  folgt,  dassCL 
oder  H2O2  bei  dieser  Strahlungsreaktion  keine  ursächliche  Rolle  spielt. 

8)  Arthur  M  ü  n  z  e  r  -  Berlin-Schlachtensee  :  Innere  Sekretion  und 
Nervensystem.  (Schluss.) 

Nach  den  Erfahrungen  der  Physiologie  und  Pathologie  sind  die 
Funktionen  der  Blutdriise  innig  mit  der  Tätigkeit  des  Nervensystems 
verknüpft.  Alle  durch  die  Blutdrüsen  hervorgebrachten  Reaktionen 
werden  nur  durch  das  Nervensystem  vermittelt.  Es  werden  nur  be¬ 
stimmte  Nervengebiete,  und  zwar  Gehirn  und  vielleicht  Rückenmark 
einerseits,  vegetatives  Nervensystem  andererseits  beeinflusst.  Das 
Wesen  der  zwischen  polyglandulärem  und  Nervensystem  bestehenden 
Wechselbeziehungen  lässt  sich  mit  der  Annahme  erklären,  dass  die 
Sekrete  der  Blutdrüsen  dazu  dienen,  den  Tonus  der  beeinflussten 
Nervengebiete  zu  regulieren.  Die  einzelnen  Blutdrüsen  beeinflussen 
vermöge  einer  spezifischen  Affinität  nur  einen  bestimmten  Bezirk  des 
Nervensystems,  nicht  etwa  das  gesamte  in  ihren  Machtbereich  ge¬ 
hörende  Nervengebiet.  Die  spezifischen  Affinitäten  der  Blutdrüsen  zu 
den  verschiedenen  Abschnitten  des  Nervensystems  können  als  Ein¬ 
teilungsprinzip  für  das  polyglanduläre  System  benutzt  werden.  Die 
Annahme  einer  Tonusregulation  bestimmter  Nervenabschnitte  von 
seiten  der  Blutdrüsen  lässt  sich  vielleicht  in  therapeutischer  Hinsicht 
verwerten. 

9)  C.  H  0  1  s  t  e  -  Stettin :  Vorschläge  zur  Verbesserung  des  neuen 
preussischen  Hebammenlehrbuchs. 

Besprechung  der  Vorzüge  und  Nachteile  des  preussischen  Heb¬ 
ammenlehrbuchs,  sowie  Vorschläge  zur  Verbesserung. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  io. 


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1Ü)  Scharfe:  Der  Scheidentrockner. 

Der  alte  Kehlkopfpulverbläser  wurde  aus  starkem  Glas  her¬ 
gestellt  und  mit  einer  Vorrichtung  versehen,  um  den  Weichgummi- 
konus  des  Scheidenspülers  „Frauenwohl“  zu  halten. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

§ 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  9,  1913. 

1)  P.  U  h  1  e  n  h  u  t  h,  P.  M  u  1  z  e  r  und  G.  Hügel-  Strassburg : 
Die  chemotherapeutische  Wirkung  von  organischen  Antimonpräpa- 
raten  bei  Spirochäten-  und  Trypanosomenkrankheiten. 

Als  Endresultat  einer  grossen  Reihe  von  experimentellen  Unter¬ 
suchungen  ergab  sich,  dass  dem  benzolsulfon-p-aminophenylstibin- 
sauren  Natrium  und  anscheinend  noch  mehr  dem  p-urethanophenyl- 
stibinsauren  Natrium  eine  Schutz-  und  Heilwirkung  gegen  Hühner- 
spii  illose  zukommt.  Auch  Versuche  mit  den  genannten  Mitteln  bei 
Rekurrens,  Dourine,  Schlafkrankheit  und  Syphilis  der  Tiere  Hessen 
einigen  Erfolg  erkennen. 

2)  J.  Pal- Wien:  Die  Wirkung  des  Opiums,  seiner  Komponenten 
und  Ersatzpräparate. 

Nach  einem  Vortrag  in  der  Sitzung  der  k.  k.  Gesellschaft  der 
Aerzte  in  Wien  am  22.  November  1912,  ref.  in  No.  49  (1912)  der 
Münch.  med.  Wochenschr. 

3)  C.  A.  Ewald-  Berlin :  Milzvenenthrombose  mit  tödlicher 
Magenblutung. 

Vortrag,  gehalten  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheil¬ 
kunde  in  Berlin  am  13.  Januar  1913,  ref.  in  No.  3  (1913)  der  Münch, 
med.  Wochenschr. 

4)  G.  D  o  r  n  e  r  -  Berlin:  Bronchoösophagealfistel  bei  Aorten¬ 
aneurysma. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde 
in  Berlin  am  13.  Januar  1913  gehaltenen  Vortrage,  ref.  in  No.  3  (1913) 
der  Münch,  med.  Wochenschr. 

5)  Paul  S  a  c  k  u  r  -  Breslau:  Experimentelle  und  klinische  Bei¬ 
träge  zur  Kenntnis  der  Hormonalwirkung. 

Das  neue  albumosefreie  Z  u  e  1  z  e  r  sehe  Hormonal  (Kontroll- 
ni'mmer  von  51  an  aufwärts)  scheint  in  der  Tat  frei  von  einer  den 
Blutdruck  herabsetzenden  Wirkung  zu  sein,  vorausgesetzt,  dass  die 
intravenöse  Injektion  ganz  langsam  erfolgt,  die  20  ccm  des  Original¬ 
fläschchens  innerhalb  von  mindestens  15  Minuten  eingespritzt  werden. 
Die  peristaltikanregende  Wirkung  des  Hormonais,  welche  beim 
Kaninchen  sehr  deutlich,  bei  Hund  und  Katze  kaum  vorhanden  ist,  hat 
sich  beim  Menschen  in  vielen  Fällen  von  paralytischem  Ileus,  post¬ 
operativer  Darmlähmung  und  einfach  atonischer  Obstipation  ausge¬ 
zeichnet  bewährt.  Ungeeignet  für  die  Anwendung  des  Hormonais 
sind  naturgemäss  die  Kranken,  bei  welchen  ein  mechanischer  Ver¬ 
schluss  des  Darmes  vorliegt.  Wurde  in  solchen  Fällen  doch  Hor¬ 
monal  gegeben,  so  traten  nach  etwaiger  operativer  Beseitigung  des 
Hindernisses  schon  wiederholt  starke  Diarrhöen  als  nachträgliche 
Folgen  der  Hormonalwirkung  ein. 

6)  David  Rothschild-  Soden  a.  T. :  Der  Einfluss  der  Jod- 
medikation  auf  die  Sputumphagozytose  der  Tuberkelbazillen. 

Die  nach  Verabreichung  von  Jodkali  an  Tuberkulöse  auftreten¬ 
den  Jodkalikatarrhe  lassen  öfters  dort,  wo  vorher  keine  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Sputum  gefunden  wurden,  die  Bazillen  erst  erscheinen: 
sie  pflegen  dann  häufig  intrazellulär  gelagert  zu  sein.  Die  demnach 
anscheinend  vermehrte  Phagozytose,  sei  sie  nun  Jodwirkung  oder 
nicht,  tritt  vornehmlich  bei  klinisch  günstig  verlaufenden  Fällen  auf. 
Besonders  gute  Erfolge  in  der  Tuberkulosetherapie  dürften  einer 
Kombination  von  Jod  mit  Tuberkulin  zukommen. 

7)  Carl  S  t  e  r  n  -  Düsseldorf :  Ueber  „eigenlösende“  Eigenschaften 
des  Meerschweinchenserums  und  dadurch  bedingte  Fehlerquellen 
der  WaR. 

Sera  der  Meerschweinchen,  zumal  jüngerer  Tiere,  können  nach 
ein-  oder  mehrmaliger  Blutentziehung  die  Fähigkeit  annehmen, 
Hammelblutkörperchen  auch  bei  fehlendem  Ambozeptor  aufzulösen. 
Auf  diese  Weise  kann  es  zu  Fehlern  in  der  WaR.  kommen. 

8)  Gustav  Stiimpke  -  Hannover-Linden :  Kombinierte  (Sal- 
varsan-Quecksilber-)  Behandlung  der  Lues. 

Die  Ueberlegenheit  der  Kombination  von  Salvarsan  mit  Queck¬ 
silber  zeigt  sich  immer  von  neuem.  Ausserdem  scheint  auch  die 
intravenöse  u  n  d  intramuskuläre  Einverleibung  des  Salvarsans  bei 
demselben  Individuum  vorteilhafter  zu  sein  als  die  einzelne  Methode 
für  sich.  Bei  35  unter  51  Fällen  von  Primäraffekt  und  noch  nicht 
eingetretener  Generalisation  (negative  WaR.)  konnte  das  Auftreten 
sekundärer  Erscheinungen  wenigstens  für  die  Zeit  der  klinischen 
Beobachtung  (bis  zu  3  Monaten)  hintangehalten  werden.  Auch  bei 
der  Behandlung  der  Syphilis  Tuberkulöser  hat  sich  die  Kombination 
Salvarsan-Quecksilber  gut  bewährt. 

9)  Johann  Lang-Prag:  Zur  Salvarsanfrage  in  der  Otiatrie. 

Kasuistische  Mitteilungen.  Zweimal  Verschlimmerung  des  Ge¬ 
hörs  nach  Salvarsan. 

10)  Alfred  F.  H  e  s  s  -  New  York:  Untersuchungen  über  Pyloro- 
spasmus  und  Pankreasfermente  beim  Säugling  vermittels  eines  ein¬ 
fachen  Duodenalkatheters. 

Mit  Hilfe  eines  Weichgummikatheters  kann  man  beim  Säugling 
ohne  erheblichere  Schwierigkeit  durch  den  Magen  ins  Duodenum  ge¬ 
langen;  die  Entfernung  des  Pylorus  vom  Kieferrande  beträgt  im 
ersten  Lebensmonat  20  cm  und  wächst  bis  zum  Ende  des  ersten 


Jahres  auf  25  cm.  Auf  dem  angegebenen  Wege  ist  es  möglich,  den 
Pylorospasmus  von  einer  organischen  Pylorusstenose  zu  unter- 
scheiden.  Ferner  erhielt  man  Aufschluss  darüber,  dass  eine 
Hypersekretion  von  Pankreassaft,  der  beim  Neugeborenen  bereits 
alle  drei  Fermente  enthält,  mit  oder  ohne  Hypersekretion  des  JVIagem 
einhergehen  kann,  dass  der  Ikterus  neonatorum  früher  auftritt  als 
die  Gallenabsonderung  usw.  Auch  Untersuchungen  übar  die  Bak 
terienflora  des  Duodenums  waren  ausführbar. 

11)  Oswald  M  e y  e  r  -  Berlin:  Beitrag  zur  Entstehung  und  Ver¬ 
hütung  der  Hirschsprung  sehen  Krankheit. 

Nach  einer  Demonstration  im  Verein  für  innere  Medizin  und 
Kinderheilkunde  in  Berlin  am  25.  November  1912,  ref.  in  No.  49  (1912) 
der  Münch,  med.  Wochenschr. 

12)  E.  Dschunkowsky  -  Surnabad :  Das  RückfalKieber  in 

Persien. 

Eine  persische  Zeckenart  (Ornithodoros)  vermag  durch  ihren 
Biss  Krankheitserscheinungen  verursachen,  die  gelegentlich  den  Tot 
herbeiführen.  Als  eigentliche  Krankheitserreger  sind  Rekurrens- 
spirochäten  entdeckt  worden;  es  handelt  sich  also  in  den  gedachterj 
Fällen  um  Rückfallfieber;  dieses  ist  vermutlich  von  Negern  aus 
Afrika  nach  Persien  eingeschleppt  worden;  dementsprechend  gleicht 
die  Spirochaeta  „persica“  am  meisten  der  afrikanischen  Spirochaetal 
Duttoni. 

13)  Zernik  -  Wilmersdorf :  Neue  Arzneimittel),  Spezialitäten  und 

Geheimmittel.  XXXIV.  Baum-  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

L.  Hess  und  J.  Wiesel- Wien:  Ueber  die  Wirkung  vor 
Adrenalin  bei  akuten  experimentellen  Nephropathien. 

Die  Verfasser  haben  gefunden,  dass  Kaninchen  mit  schwere: 
Uranvergiftung  trotz  fortgesetzter  sonst  tödlicher  Urangaben  an 
Leben  zu  erhalten  sind,  wenn  gleichzeitig  Adrenalininjektionen  ge 
geben  werden.  Die  Adrenalindarreichung  versagt  jedoch  ihre  Wir¬ 
kung,  wenn  es  bereits  zur  Anurie  gekommen  ist.  Das  Absinken  de: 
Eiweissmengen  und  die  Steigerung  der  Diurese  spricht  für  eine 
funktionelle  Besserung,  anatomisch  erfährt  anscheinend  die  Uran 
nephropathie  durch  Adrenalin  keine  Besserung. 

R.  Kraus,  H.  Hof  er- Wien  und  I  s  h  i  w  a  r  a  -  Tokio:  Uebet 
Differenzierung  von  Leprabazillen  mittels  Bakteriologie. 

Ergebnisse:  Das  Serum  der  mit  sogen.  Leprabazillen  vor 
behandelten  Kaninchen  nimmt  spezifisch  bakteriolytische  Eigen, 
schäften  an  und  löst  die  zugehörigen  Bazillen  im  Peritoneum  ge 
sunder  Meerschweinchen  auf.  Die  kulturell  leicht  differenzierbarei 
sogen.  Leprastämme  nach  D  u  v  a  1  und  Kedrowski  erweiset 
ihre  Verschiedenheit  auch  im  Peritonealversuch.  Ob  sie  wirklicl 
Lepraerreger  sind,  steht  noch  dahin.  Allergische  Versuche  im  Landes 
spital  Sarajevo  hatten  ein  negatives  Ergebnis.  Die  Untersuchungei 
beweisen,  dass  auf  diese  Weise  eine  Differenzierung  säurefeste 
Bakterien  möglich  ist. 

J.  Steiner-  Wien :  Feldärztliche  Erfahrungen  in  der  vor 
dersten  Hilfszone. 

Erfahrungen  aus  dem  Balkankriege  (auf  montenegrinischer  Seite); 

L.  J  e  h  1  e  -  Wien:  Ueber  die  Wirkung  neuer  Korrektionsversuchi 
der  Wirbelsäule  bei  der  orthotischen  Albuminurie. 

Das  Wesentliche  ist  in  dem  Bericht  auf  S.  445  enthalten. 

L.  Jehle-Wien:  Beitrag  zur  sogen.  „Marschhämoglobinurie" 

2  Krankengeschichten.  Die  durch  Lordose  bewirkte  Hämo 
globinurie  ist  in  diesen  Fällen  so  zu  beurteilen,  dass  die  an 
fallsweise  zeitlich  begrenzte  Hämoglobinurie  neben  einer  lordo 
tischen  Albuminurie  auftreten  kann.  Es  müssen  daher  auch  fii 
beide  verschiedene  Ursachen  vorliegen,  wohl  in  der  Weise 
dass  die  Lordose  nur  zur  Zeit  eines  Anfalles  von  Hämoglobin 
urie  ein  provozierendes  Moment  darstellt. 

S.  N  a  g  y  -  Klausenburg:  Beiträge  zur  Diagnose  der  akuten  Ent 
zündung  des  Pankreas. 

Krankengeschichte  eines  sicheren  Falles  von  akuter  Pankrea 
titis  mit  Fettnekrose  im  Netz  und  Mesenterium.  Operation.  Heilunr 
Untersuchungen  des  Stoffwechsels  zeigten  in  dem  gegenseitigen  Ver 
hältnisse  der  stickstoffhaltigen  Spaltungsprodukte  im  Harn  kein  Ab 
weichen  von  der  Norm.  Bestätigt  wurde  Katzs  Angabe,  dass  ein 
Funktionsstörung  des  Pankreas  anzunehmen  sei,  wenn  die  Fett 
Spaltung  unter  70  Proz.  herabgeht.  Die  Untersuchung  der  tryptische 
und  amylolytischen  Fermente  gibt  keine  genügend  sicheren  Anhalts 
punkte  für  eine  Entscheidung  in  zweifelhaften  Fällen. 

E.  Langer  -  Wien:  Die  Cammidgereaktion  und  ihre  Bedeutum 
für  die  Diagnostik  der  Pankreaserkrankungen. 

Nach  L.s  Untersuchungen  ist  die  Cammidgesche  Reaktio 
keine  für  Pankreaserkrankungen  spezifische.  Sie  ist  auch  nicht  blos 
durch  Traubenzucker  bedingt,  denn  auch  nach  Kochen  des  Harns  m. 
20  proz.  Kalilauge,  welches  die  einfachen  und  zusammengesetzte 
reduzierenden  Zucker  zerstört,  findet  sich  die  Reaktion;  ebenso  bt 
gesundem  Pankreas  nach  Genuss  von  100  g  Dextrose,  in  der  Rage 
wenn  keine  Dextrosurie  erfolgt.  Dagegen  ist,  wo  von  vornherei 
Glykosurie  besteht,  bei  krankem  Pankreas  ohne  Genuss  von  Dextros 
nach  dem  Kochen  mit  Kalilauge  die  Reaktion  negativ.  Gibt  man  i 
solchen  Fällen  100  g  Dextrose,  so  wird  die  negative  Canimidge 
sehe  Reaktion  positiv,  während  bei  gesundem  Pankreas  nach  Genus 


11.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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von  100  g  Dextrose  und  Auftreten  der  Dextrosurie  die  Reaktion 
negativ  ist.  Die  C  a  m  m  i  d  g  e  sehe  Reaktion  scheint  durch  die 
beim  Auf-  und  Abbau  des  Glykogens  gebildeten  zusammengesetzten 
Zuckerarten  bedingt  zu  sein.  Bei  der  Adrenalinglykosurie  ist  die 
Reaktion  positiv,  bei  den  anderen  künstlich  erzeugten  Glykosurien 
negativ,  was  darauf  hinweist,  dass  nicht  nur  der  erhöhte  Blutzucker¬ 
gehalt,  sondern  ein  Ueberwiegen  des  sympathischen  bzw.  des 
chromaffinen  Systems  —  mit  oder  ohne  Pankreaserkrankung  —  für 
die  Reaktion  bedeutungsvoll  ist;  unter  Umständen  können  auch 
Zerfallsprodukte  des  Pankreas  selbst  die  Reaktion  bedingen. 

E.  II  o  f  m  o  k  1  -  Wien ;  Zur  Frage  der  Samariterinnenbereitscliaft. 

A.  F  r  ä  n  k  e  1  -  Wien:  Einige  Bemerkungen  zur  Frage  unserer 
sanitären  Kriegsbereitschaft. 

Diese  beiden  Aufsätze  beziehen  sich  auf  die  in  der  Sitzung  der 
k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am  19.  II.  13  stattgehabte 
Debatte  (vergl.  Münch,  med.  Wochenschr.  S.  446/447). 

Wiener  klinisch-therapeutische  Wochenschrift. 

No.  49,  1912.  K  o  h  1  h  a  a  s  -  Stuttgart :  Die  Pneumothorax- 
behandlung  der  Lungentuberkulose. 

Die  Erfahrungen  an  41  Fällen  waren  im  allgemeinen  recht  zu¬ 
friedenstellend,  indem  mit  geringen  Ausnahmen  wenigstens  sehr  er¬ 
hebliche  Besserungen  erzielt  wurden.  Die  Indikation  erstreckt  sich 
vorzugsweise  auf  einseitige  vorgeschrittene,  bis  dahin  erfolglos  be¬ 
handelte  Fälle;  doch  schliesst  eine  leichtere  Erkrankung  der  zweiten 
Lunge  die  Behandlung  nicht  vollständig  aus,  dieselbe  wird  sogar  mit¬ 
unter  selbst  günstig  beeinflusst.  Unstillbare  Hämoptoe  auf  einer, 
sicher  festgestellten,  Seite  kann  gleichfalls  eine  sehr  dankbare  In¬ 
dikation  bilden.  Im  übrigen  sollte  die  Indikationsstellung  nicht, 
namentlich  nicht  auf  leichtere  Anfangsfälle  ausgedehnt  werden. 

Zur  sicheren  Vermeidung  der  Gasembolie  dient  als  Grundregel 
für  die  Stich-  wie  Schnittmethode,  nie  Gas  einströmen  zu  lassen  ohne 
den  vorherigen  Nachweis  sicherer  Manometerschwankung.  Dann 
sind  beide  Methoden  gleich  wenig  gefährlich.  Ausserdem  emp¬ 
fiehlt  K.,  die  erste  Punktion  nicht  rasch,  sondern  nur  mit  langsam 
drehender  Nadel  auszuführen.  Nur  dann  ist  der  Eintritt  der  letz¬ 
teren  in  den  Pleuraspalt  sofort  zu  erkennen  und  eine  Verletzung  der 
Lunge  zu  vermeiden.  Ebenso  hat  das  langsame  Herausziehen  der 
Nadel  den  Vorteil,  ein  Emphysem  leichter  zu  vermeiden.  Weitere  Be¬ 
merkungen  zur  Pathologie  und  Technik  sind  im  Original  einzusehen. 

No.  51.  O.  Geymayer-Graz:  Ueber  die  Wirkungsweise  des 
Luminal  im  allgemeinen  und  bei  Epilepsie  im  besonderen. 

Das  Luminal  ist  ein  von  besonderen  Nebenwirkungen  freies 
brauchbares  Mittel  gegen  nervöse  Schlaflosigkeit  bereits  in  Dosen 
von  0,1 — 0,2  g;  gute  Wirkungen  sah  Verfasser  auch  bei  der  genuinen 
Epilepsie  bezüglich  der  Verhinderung  und  Verminderung  der  Anfälle 
(0,3,  später  0,1 — 0,15  g).  Das  Luminalnatrium  eignet  sich  auch  zur 
subkutanen  Injektion  (in  20  proz.  Lösung).  Wenig  wirksam  war  das 
Mittel  bei  Schlaflosigkeit  in  Fällen  von  Paralysis  agitans,  bei  Maras¬ 
mus  und  chronischem  Alkoholismus,  bei  arteriosklerotischen  Er¬ 
regungszuständen,  Herz-  und  Atmungsbeschwerden.  Dieselben  wur¬ 
den  anscheinend  eher  verstärkt. 

No.  52.  M.  B  i  r  n  b  a  u  m  -  Berlin ;  War  Goethe  kurzsichtig? 

Die  Würdigung  der  verschiedenen  vorliegenden  Anhaltspunkte 
führt  B.  zu  dem  Schluss,  dass  wenigstens  eine  hochgradige  Kurz¬ 
sichtigkeit  bei  Goethe  nicht  bestanden  habe. 

No.  1,  1913.  E.  Z  a  b  e  1  -  Rostock;  „Brennen  auf  der  Zunge“  als 
Frühsymptom  perniziöser  Anämie. 

Das  Auftreten  oft  sehr  starker  brennender  Schmerzen  an  der 
Zunge  ist  ein  namentlich  bei  perniziöser  Anämie  frühzeitig  auftreten¬ 
des  Symptom,  das  mehr  gewürdigt  werden  und  zu  sorgfältiger  Blut¬ 
untersuchung  Anlass  geben  sollte.  Dasselbe  ist  vom  Verf.  auch  bei 
sonstigen  schweren  Anämien,  aber  bisher  nicht  bei  Leukämie  be¬ 
obachtet  worden. 

No.  1.  R.  Eiselt;  Erfolge  der  Aniontotherapie  und  Stoff¬ 
wechseluntersuchungen  während  derselben. 

Schlusssätze:  Die  Aniontotherapie  beeinflusst  günstig  Rheu¬ 
matismen  jeder  Art  und  Gelenkerkrankungen,  zumal  die  mit  Harn- 
saureretention  verbundenen.  Die  Harnsäure  im  Harn  nimmt  zu,  nicht 
durch  erhöhte  Bildung,  sondern  durch  erleichterte  Ausscheidung. 
Vielleicht  beruht  der  günstige  Erfolg  bei  Neurasthenie  auf  erhöhter 
Harnsäureausscheidung.  Bei  Diabetes  wird  weder  die  Glykosurie 
noch  die  Azidose  beeinflusst,  aber  eine  beruhigende  und  heilsame  Wir¬ 
kung  auf  die  komplizierenden  Neuralgien  und  Neuritiden  ausgeübt. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Französische  Literatur. 

Henri  Labbe:  Untersuchungen  über  die  Pankreasausschaltung, 
Veränderungen  der  Allgemeinernährung  bei  teilweiser  und  kompletter 

Entfernung  des  Pankreas.  (Revue  de  medecine,  April  u.  Mai  1912.) 

Die  eingehenden  Stoffwechseluntersuchungen  L.s  an  einem 
Hunde,  welchem  °/ 7  des  Pankreas  entfernt  worden  sind,  führten  zu 
folgenden  Schlussfolgerungen.  Regelmässig  mit  Fleisch  ernährt,  hat 
das  Tier  mehrere  Monate  noch  gelebt  und  allmählich  an  Gewicht 
(50  Proz.  des  ursprünglichen)  verloren.  Die  Stickstoffaufnahme  von 
seiten  des  Darmes  ist  eine  geringere  wie  bei  einem  normalen  Hund 
gleichen  Gewichts  und  gleicher  Ernährung.  Die  Harnstoffausschei¬ 
dung  war  durch  die  Pankreasverletzung  nicht  verändert,  hingegen 


wurde  eine  5 — 6  mal  grössere  Menge  Stickstoffamine  als  von  einem 
normalen  Hunde  gleichen  Gewichts  und  gleichen  Ernährungsbedin¬ 
gungen  ausgeschieden.  Der  intermediäre  Stoffwechsel  zeigte  eine  ge¬ 
wisse  Veränderung,  indem  er  zur  Produktion  und  Elimination  von 
Azetonkörpern,  z.  B.  regelmässig  kleinen  Mengen  von  Azet-Azetyl- 
säure  führte.  Der  teilweise  seines  Pankreas  beraubte  Hund  war  von 
einem  anhaltenden  experimentellen  „Pankreas“-Diabetes  befallen,  die 
täglich  ausgeschiedene  Zuckermenge  stand  im  Verhältnisse  zu  der 
Menge  der  mit  der  Nahrung  eingeführten  Proteine,  das  Tier  hat  aber 
weder  Polyphagie  noch  Polydipsie  noch  Polyurie  gezeigt.  Das 
makroskopische  Aussehen  der  Fäzes  und  deren  chemische  Analyse 
haben  einen  beträchlichen  Mangel  der  Fettresorption  erwiesen.  Das 
Stickstoffgleichgewicht,  das  einige  Tage  anhielt,  ebenso  wie  die  Zer¬ 
setzung  der  Fettsubstanzen,  lassen  annehmen,  dass  Mangel  oder  Verr 
minderung  der  Pankreasabsonderung  durch  ergänzende  Funktionen 
anderweitig  ausgeglichen  wird.  Die  relative  Unversehrtheit  der  Le¬ 
ber  bei  der  Autopsie  spricht  nicht  gegen  diese  Hypothese.  Die  bei 
dem  Tiere  konstatierten  Stoffwechselstörungen  der  Amine  stimmen 
in  gewissem  Grade  mit  der  Meinung  der  Autoren  überein,  welche  in 
der  Azidose  eher  eine  Intoxikation  durch  die  saueren  Stickstoffsub¬ 
stanzen  der  Proteolyse  als  durch  die  Fettsäuren  oder  Azetonkörper 
sehen.  Das  „Diabetes“-Tier  verteidigte  sich  mittels  einer  Ueber- 
produktion  ammoniakalischer  Körper  gegen  die  doppelte  Säurevergif¬ 
tung  (Diazeturie  und  Aminsäuren),  wodurch  die  Säuren  neutralisiert 
wurden.  Diese  antagonistische  Funktion  (der  Neutralisierung)  scheint 
die  Schwere  der  Intoxikation  vermindert  zu  haben,  ohne  dieselbe 
ganz  zu  unterdrücken;  denn  die  Abmagerung  (mangelhafter  Stoff¬ 
wechsel)  hält  an  oder  nimmt  sogar  ständig  zu. 

E.  Jeanselme  und  Paul  C  h  e  v  a  1 1  i  e  r :  Untersuchungen  über 
die  sekundären  syphilitischen,  klinisch  latenten  Affektionen  der  Hirn¬ 
häute.  (Revue  de  medecine,  Mai-August  1912.) 

Verfasser  setzen  im  I.  Kapitel  ihrer  umfangreichen  Arbeit  zuerst 
die  Technik  auseinander,  welche  sie  zur  zytologischen  Untersuchung 
des  Liquor  cerebrospinalis  angewandt  haben.  Es  hat  sich  ihnen  hie¬ 
bei  besonders  die  Nageottesche  Zelle  bewährt;  sie  erfordert 
3—4  mal  weniger  Zeit  wie  die  klassische  Methode  (nach  V  i  d  a  1, 
S  i  c  a  r  d  und  R  a  v  a  u  t)  und  ermöglicht,  nicht  nur  die  im  Liquor 
cerebrospinalis  enthaltenen  figürlichen  Elemente  zu  zählen,  sondern 
auch  deren  morphologische  Charaktere  mit  hinreichender  Genauigkeit 
festzustellen,  so  dass  man  mittels  dieser  Methode  die  leukozytäre 
Formel  des  Liquor  cerebrospinalis  genau  bestimmen  kann.  Im  II.  Ka¬ 
pitel  werden  die  verschiedenen,  mit  der  Lymphozytose  des  Liquor 
cerebrospinalis  bei  Syphilis  in  Zusammenhang  stehenden  Fragen,  ihre 
Seltenheit  im  Tertiär-,  ihr  gänzliches  Fehlen  im  Primärstadium  usw. 
behandelt.  Das  III.  Kapitel  ist  völlig  dem  histologischen  Studium  der 
sekundären,  latenten  oder  sublatenten,  Meningitis  gewidmet  und  das 
IV.  Kapitel  den  Untersuchungen  über  die  Behandlungsergebnisse  mit 
Quecksilber  oder  Arsenik  und  damit  zusammenhängend  den  so  kom¬ 
plizierten  Fragen  der  Meningo-  oder  Neurorezidive,  der  Herx- 
heimer  sehen  meningealen  Reaktion  usw.  Nur  die  wichtigsten 
Punkte  seien  noch  aus  diesen  3  Kapiteln  hervorgehoben.  Während 
der  Sekundärperiode  ist  die  reaktive  Entzündung  der  Hirnhäute  sehr 
häufig  und  kann  die  Lumbalpunktion  in  zweifelhaften  Fällen  von 
Syphilis  von  sehr  grosem  Werte  sein,  da  sich  diese  Hirnhautentzün¬ 
dungen  oft  durch  gar  kein  Symptom  kundgeben  und  nur  beträchtliche 
Lymphozytose  vorhanden  ist.  Bei  den  sublatenten  Formen  sind  fol¬ 
gende  Symptome  hervorzuheben:  spezielle  Art  sehr  hartnäckiger 
Kopfschmerzen,  die  im  allgemeinen  durch  Rückenlage,  Lumbalpunk¬ 
tion  und  besonders  Jodkali  gebessert  werden,  eine  gewisse  psychische 
Schwäche,  Rachialgie  des  Nackens  oder  Halses  mit  anfallsweisen  Kon¬ 
trakturen  oder  auch  Rücken-,  Kreuzschmerzen  mit  Ausstrahlungen  um 
Brustkorb  oder  Bauch,  vorübergehende  Parästhesien,  Ohrensausen, 
aufgehobener  Patellarreflex,  Lähmung  der  Augenreflexe.  Ohne  es 
mit  Sicherheit  behaupten  zu  können,  ist  anzunehmen,  dass  die  latente 
Meningitis  der  Sekundärperiode,  je  nachdem  sie  zirkumskript  oder 
diffus  ist,  die  Ursache  für  die  sklero-gummösen  Plaques  des  Tertiär¬ 
stadiums,  der  Tabes  oder  der  allgemeinen  Paralyse  bildet.  Irgend¬ 
eine  bestimmte  Art  des  Zusammenhanges  oder  der  Abhängigkeit  der 
sekundären  Haut-  und  Schleimhauterscheinungen  mit  der  Hirnhaut¬ 
reizung  ist  nicht  vorhanden,  so  dass  nur  die  Lumbalpunktion  letztere 
feststellen  kann.  Je  nach  der  Zahl  der  vorhandenen  Zellelemente 
möchten  Verfasser  eine  gewisse  Einteilung  der  meningealen  Zustände 
vornehmen:  schwache,  mittlere,  starke,  sehr  hohe  Lymphozytose. 
Dieselbe  ist  gegen  Quecksilber  unvergleichlich  resistenter  wie  die 
Haut-  oder  Schleimhauterscheinungen  und  erfordert  die  stärksten 
Quecksilberpräparate.  Salvarsan  wurde  beschuldigt,  sekundere,  la¬ 
tente  Hirnhautreizungen  zu  verursachen,  Verfasser  weisen  dies  aber 
energisch  zurück,  da  mit  Salvarsan  behandelte  Individuen  auch 
weiterhin  keine  Lymphozytose  zeigten  oder  dieselbe  auch,  wenn 
sie  vorher  vorhanden  war,  zur  Heilung  kam  oder  wenigstens  nicht 
vermehrt  wurde.  Allerdings  hat  man  beobachtet,  dass  Fälle  von 
Meningitis,  die  vor  der  Salvarsanbehandlung  latent  waren,  durch  die 
sogen.  Herxheimer  sehe  Reaktion  offenkundig  geworden  sind. 
Diese  Reaktion  bekundet  sich  durch  die  Vermehrung  der  Zahl  der 
im  Liquor  cerebrospinalis  enthaltenen  Elemente  und  durch  die  An¬ 
wesenheit  von  roten  Blutkörperchen.  Salvarsan  k  a  n  n  schwere 
Formen  syphilitischer  Meningitis  heilen,  wenn  nur  die  Behandlung 
mit  Ausdauer  fortgesetzt  wird.  Intravenöse  Injektionen  von  0,2  bis 
0,3  und  sogar  0,4  bis  0,5  g,  in  kurzen  Pausen  \\  icderholt.  scheinen 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


J.  und  Ch.  empfehlenswert,  heftige  Kopfschmerzen  keine  Indikation 
zur  Unterbrechung  der  Arsenikbehandlung  zu  bilden.  Die  Verbindung 
von  Salvarsan  mit  Quecksilber  und  Jod  ist  niemals  schädlich.  Eine 
Anzahl  ausgewählter  Fälle  dienen  zur  Illustration  der  aufgestellten 
Thesen. 

C  e  s  a  -  B  i  a  n  c  h  i  -  Mailand:  Toxische  Wirkung  der  Organ¬ 
extrakte  und  Tachyphylaxie.  (Revue  de  medecine,  Juni  1912.) 

Nach  dem  gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntnisse  hält  es  B. 
für  erwiesen,  dass  die  wässerigen  Extrakte  von  Lungen,  lympha¬ 
tischen  Organen  und  den  hauptsächlichen  Drüsen  mit  innerer  Sekre¬ 
tion  eine  hochgradige  Toxizität  besitzen,  d.  h.  rasch  den  Tod  herbei- 
fiihren  können,  wenn  sie,  selbst  in  kleinen  Dosen,  Tieren  gleicher  oder 
verschiedener  Art  in  die  Venen  injiziert  werden.  Die  Extrakte 
anderer  Organe  oder  Qewebe  haben  gar  keine  oder  nur  schwache 
Qiftwirkung.  Welches  die  feinere  Natur  dieses  nicht  spezifischen 
Giftes,  das  man  leicht  aus  den  Organen  der  Säugetiere  mittelst  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  extrahieren  kann,  ist  noch  nicht  genau  fest¬ 
gestellt;  selbst  die  zahlreichen  Versuche,  im  Reagenzglase  die 
Giftwirkung  der  wässerigen  Extrakte  zu  neutralisieren,  sind  unfrucht¬ 
bar  geblieben.  Am  Lebenden  ermöglicht  die  Methode  der  In¬ 
jektionen  progressiv  zunehmender  Dosen  in  allen  Fällen  und  für  alle 
Extrakte  die  Resistenz  der  Tiere  gegenüber  der  toxischen  Wirkung 
desselben  Extrakts  wie  auch  der  Extrakte  anderer  Organe  von  hoher 
Giftwirkung  beträchtlich  zu  erhöhen,  wenn  auch  nicht  ins  Un¬ 
gemessene  und  nur  auf  eine  kurze  Spanne  Zeit. 

J.  J.  M  a  n  o  u  k  h  i  n  e,  Noel  Fiessinger  und  ü.  A.  Krolu- 
nitzky:  Die  Wirkung  der  metallischen  Fermente  auf  die  quanti¬ 
tativen  Veränderungen  der  weissen  Blutkörperchen  und  die  Leuko- 
zytolysine  des  Blutes.  (Revue  de  medecine,  Juli  1912.) 

Verfasser  stellten  die  Blutuntersuchungen  an  (8)  Gesunden  und 
Patienten,  die  an  verschiedenartigen  Krankheiten  litten,  nach  10  intra¬ 
venösen  Injektionen  metallischer  Fermente  an  und  kamen  nach  ein¬ 
gehenden  Studien  zu  dem  Ergebnisse,  dass  diesen  Injektionen  bei  ge¬ 
sunden  Individuen  eine  leichte  Verminderung,  dann  Vermehrung  der 
Leukozyten  ohne  eine  Produktion  von  Leukozytolysinen  folgt.  Bei 
Pneumonie  und  akutem  Gelenkrheumatismus  rufen  die  gleichen  In¬ 
jektionen  eine  viel  ausgesprochenere  Verminderung  der  weissen  Blut¬ 
körperchen  als  bei  gesunden  Individuen  und  im  Blute  geringe' Men¬ 
gen  von  Leukozytolysinen  hervor.  Bei  langsamem  Verlaufe  der 
Krankheit  tritt  4 — 6  Stunden  nach  der  ursprünglichen  Verminderung 
eine  Vermehrung  der  Leukozyten  ein,  die  aber  nicht  von  Blut¬ 
körperchen  auflösenden  Eigenschaften  des  Blutes  begleitet  ist.  1  bis 
3  Tage  später  stellt  sich  eine  neue  Verminderung,  die  in  den  meisten 
Fällen  mit  Auftreten  von  Leukozytolysinen  im  Blute  begleitet  ist,  ein. 
In  den  günstig  verlaufenden  Fällen  tritt  die  Hyperleukozytose  nicht 
am  Tage  der  Injektion  ein  und  wenn  sie  auftritt,  erst  nach  dem  Tem- 
peraturabfalle.  Tabellarische  Uebersicht  der  Fälle  mit  genauem 
Leukozytenbefund,  Art,  Zahl  der  Injektionen  usw. 

Pierre  Delbet,  A.  Herrenschmidt  und  A.  Beauvy: 
Chloroformnarkose  und  Nebennierenkapseln.  (Revue  de  Chirurgie, 
April  1912.) 

Verfasser  stellten  seit  über  2  Jahren  experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  1.  die  Fixation  des  Chloroforms  durch  die  Neben¬ 
nierenkapseln,  2.  die  Wirkung  desselben  auf  die  Fette  der  Neben¬ 
nieren  und  3.  auf  die  chromaffine  Substanz  und  das  Adrenalin  an. 
Klinisch  wurde  an  mehr  als  1000  Fällen  festgestellt,  dass  die  infolge 
der  Chloroformnarkose  eintretende  Nebenniereninsuffizienz  erfolgreich 
durch  Adrenalininjektionen  bekämpft  wird.  Dieselben  haben  den  Vor¬ 
teil,  die  Narkose  zu  regulieren,  den  Operationsschock  zu  vermindern 
und  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  sogar  ganz  zu  verhüten.  Verfasser 
haben  auch  die  Ueberzeugung  bekommen,  dass  die  Adrenalininjektion 
—  was  allerdings  nicht  genau  zu  beweisen  ist  —  ermöglicht,  gewisse 
plötzliche  postoperative  Todesfälle,  die  auf  Insuffizienz  der  Neben¬ 
nieren  zurückzuführen  sind,  zu  verhüten. 

A.  Vignard  und  L.  Arnaud:  Die  intraperitoneale  Injektion 
von  1  proz.  Kampferöl  bei  der  Behandlung  der  akuten  diffusen  Peri¬ 
tonitis.  (Revue  de  Chirurgie,  Mai  1912.) 

Das  Kampferöl  erwies  sich  bei  der  diffusen  Peritonitis  als  ein  ge¬ 
fahrloses  und  wirksames  Mittel,  das  in  der  Menge  von  200 — 300  ccm 
ohne  Bedenken  injiziert  werden  kann.  Selbstverständlich  muss  es  ge¬ 
reinigt  (mit  95°  Alkohol)  und  sorgfältig  sterilisiert  werden,  worüber 
Verfasser  ganz  genaue  Angaben  machen;  sie  wenden  nur  mehr  das 
1  proz.  Kampferöl  an. 

Pierre  Mocquot  und  Jack  Mock:  Zur  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  Metritis  mittels  Chlorzinkinjektionen.  (Ibidem.) 

Dieselben  bestehen  darin,  mittels  der  Braun  sehen  Spritze 
1 — 2 — 3  ccm  einer  30  proz.,  in  besonderen  Fällen  (Hämorrhagien) 
40  proz.  Chlorzinklösung  nach  vorheriger  Anästhesierung  mit  5  proz. 
Kokain-  oder  Novokainlösung  (2 — 3  ccm)  in  die  Gebärmutter  zu  in¬ 
jizieren.  Nach  der  Injektion  muss  Patientin  12—24  Stunden  ruhen, 
nach  2 — 12 — 14  Tagen  wird  die  Injektion  je  nach  dem  Falle  wiederholt. 
Die  Chlorzinkinjektionen  bilden  nicht  nur  ein  vortreffliches  Behand¬ 
lungsmittel  der  chronischen  Metritis,  sondern  sie  sind  nach  Verfasser 
fester  Ueberzeugung  den  anderen  Methoden  und  besonders  der  oft 
als  die  wirksamste  angesprochenen  Curettage  bedeutend  überlegen. 
Zudem  haben  die  Injektionen  noch  den  doppelten  Vorteil,  ein  be¬ 
deutend  einfacherer  Eingriff  zu  sein  als  die  Ausschabung  und  die  Ad¬ 
nexe  zuweilen  günstig  zu  beeinflussen,  jedenfalls  nicht  zu  schädigen, 
was  bei  der  Curettage  eine  Hauptgefahr  sei.  Von  70  mittels  der  In¬ 


jektionen  behandelten  Kranken  konnten  51  weiter  beobachtet  werden: 

37  =  70  Proz.  derselben  wurden  völlig  geheilt  und  12  =  24  Proz. 
bedeutend  gebessert,  während  die  Statistik  von  Busse  über  die 
Curettage  nur  10  Proz.  Heilung  und  26  Proz.  Besserung,  wovon 
7  Proz.  ganz  vorübergehender  Art,  aufwies. 

Rene  T  oupet:  Die  Chirurgie  der  Hypophysis.  (Revue  de  chi 
rurgie,  Juni  1912.) 

Zusammenfassende,  auf  56  Fällen  der  gesamten  Literatur  be¬ 
ruhende  Studie  über  pathologische  Anatomie  der  Hypophysisneu¬ 
bildungen,  den  Zugangswegen  zu  denselben  (meist  extra-,  selten  intra¬ 
kraniell),  den  Resultaten  der  Hypophysektomie  und  den  Operations¬ 
indikationen.  Die  Mortalität  der  Operierten  (extrakraniell)  betrug 

38  Proz.,  ein  in  Anbetracht  der  Schwere  des  Eingriffes  nicht  sehr 
hoher  Satz,  die  beiden  intrakraniell  Operierten  endeten  tödlich,  der 
eine  unmittelbar,  der  zweite  1  Jahre  nach  der  Operation.  Die 
Technik  der  Hypophysektomie  von  der  Nase  aus  ist  genau  in  all 
ihren  Phasen  beschrieben  und  mit  trefflichen  Abbildungen  versehen, 
ebenso  wie  die  Anzeichen  zur  Operation,  welche  nur  die  Radiographie 
einigermassen  kundgeben  kann.  Die  56  Fälle  sind  kurz  nebst  Literatur 
angefügt. 

M.  Baculescu:  Statistische  Studie  zur  Extrauterinschwanger¬ 
schaft.  (Ibidem.) 

Die  auf  56  Fälle  eigener  Beobachtung  gestützte  Arbeit  kommt  zu 
dem  Ergebnisse,  dass  jeder  Fall  von  Extrauteringravidität  operiert 
werden  muss  und  zwar  je  nach  den  Umständen  mit  Laparo-  oder 
Kolpotomie.  Symptome,  Verlauf,  Diagnose  der  Extrauteringravidität 
und  der  Ruptur  derselben,  Behandlung  und  deren  Resultate  werden, 
auch  unter  Berücksichtigung  der  Literatur,  eingehend  besprochen. 

Prof.  Stroganoff-St.  Petersburg:  Behandlung  der  Eklampsie 
mittelst  der  prophylaktischen  Methode  in  den  geburtshilflichen  Kli¬ 
niken  von  Berlin.  (Annales  de  gynecologie  et  d’obstetrique, 
Juli  1912.) 

Diese  prophylaktische  Methode,  die  sich  immer  mehr  in  Russ¬ 
land  ebenso  wie  in  Deutschland  einbürgert,  besteht  darin:  1.  die 
Patientin  in  dunklem  und  möglichst  ruhigem  Zimmer  zu  isolieren, 
möglichst  wenig  zu  berühren  und  alle  Untersuchungen  unter  Chloro¬ 
formnarkose  zu  machen;  2.  die  Anfälle  mit  narkotischen  Mitteln  zu 
coupieren  (Morphium,  Chloral,  Chloroform  nach  einem  bestimmten 
Schema),  3.  die  Entbindung  zu  beschleunigen,  aber  nicht  mit  Gewalt¬ 
mitteln,  wie  Zange,  Wendung,  Extraktion,  Oeffnung  der  Eihäute,  und 
4.  auf  die  regelmässige  Funktion  der  lebenswichtigen  Organe  wie 
Lungen,  Herz,  Nieren  und  Haut  zu  achten  (geeignete  Lage,  reine 
Zimmerluft,  Milch,  Herzexzitantien,  wenn  nötig,  warme  Umschläge 
auf  die  Nierengegend).  Unter  Anführung  von  2  nach  dieser  Methode 
behandelten  Fällen,  wovon  einer  sehr  schwerer  Art  war,  und  Be¬ 
rücksichtigung  der  einschlägigen  Literatur  kann  Str.  diese  prophy¬ 
laktische  Methode,  die  nach  den  neuesten  Zusammenstellungen  nur 
eine  Mortalität  von  2  Proz.  ergibt,  als  die  beste  Behandlungsart  der 
Eklampsie  der  Schwangerschaft  empfehlen. 

Arnoldo  Quinetella  - Rio  de  Janeiro :  Die  Serumdiagnose  der 
Schwangerschaft.  (Ibidem.) 

Die  grosse  Schwierigkeit,  ja  zuweilen  Unmöglichkeit,  welche  sich 
in  der  Praxis  ergibt,  die  Schwangerschaft  in  den  ersten  3  Monaten 
mit  Sicherheit  zu  erkennen,  scheine  vor  den  modernen  biologischen 
Untersuchungsmethoden  weichen  zu  wollen.  Nach  dem  Vorgänge 
von  Fieux  und  Maurice,  welche  (1910)  die  Möglichkeit  einer 
„Zottentoxämie“  und  einer  spezifischen  Komplementablenkung  in  den 
ersten  Monaten  der  Schwangerschaft  feststellten,  unternahm  Verf. 
Untersuchungen  an  dem  Material  der  gynäkologischen  Klinik  von 
Rio  de  Janeiro.  6  Frauen,  die  nicht  schwanger,  sondern  zum  Teil  mit 
anderen  gynäkologischen  Affektionen  behaftet  wraren,  zeigten  sämtlich 
negative  Reaktion,  eine  ungefähr  seit  20  Tagen  schwangere  Frau  eben¬ 
falls  negative  und  8,  im  2. — 3.  Monat  der  Schwangerschaft  befindliche, 
Frauen  sämtlich  ein  positives  Resultat.  Qu.  kommt  daher  zu  dem 
Schlüsse,  dass  das  Blut  schwangerer  Frauen  zwischen  dem  2.  und 
4.  Monat  der  Schwangerschaft  stets  positive  Bordet-Gengou- 
sche  Reaktion  ergibt.  Diese  Reaktion  ist  spezifisch  für  eine  von 
den  Zotten  ausgehende  Vergiftung  des  Blutes,  die  entweder  mit  der 
physiologischen  Bildung  der  Plazenta  (nach  den  Arbeiten  von  Fieux 
und  Maurice)  oder  mit  der  übermässigen  Bildung  von  Synzytium- 
elementen,  wie  dies  (nach  Veit)  bei  Eklampsie  —  wo  ebenfalls 
stets  positive  Reaktion  vorhanden  ist  —  der  Fall  ist,  zusammenhängt. 
Mit  dieser  Theorie  bestimmter  Antikörper  würde  auch  die  aktuelle 
Frage  über  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Eklampsie  einer  Klärung 
entgegengehen. 

Maurice  Patel-Lyon:  Zur  Behandlung  der  Genitaltuberkulose 
der  Frau.  (Annales  de  gynecologie  et  d’obstetrique,  Juni  und  Juli 
1912.) 

Genaue  Beschreibung  der  therapeutischen  Indikationen  für  die 
einzelnen  Abschnitte  der  weiblichen  Genitalien:  Tuberkulose  der  Vulva 
und  Vagina,  der  Zervix,  des  Uterus  und  der  Adnexe.  Während  bei 
ersteren,  zuweilen  auch  bei  der  Zervix  konservative  Eingriffe,  wie 
Kürettage  und  Kauterisation,  genügen,  kommen  bei  letzteren  beiden 
fast  nur  radikale  chirurgische  Operationen  und  zwar  meist  auf  abdomi¬ 
nalem  Wege,  in  Betracht.  Literaturzusammenstellung,  geordnet  nach 
den  einzelnen  Organen  und  den  Komplikationen. 

Louis  Men  eifere  -  Reims :  Chirurgische  Behandlung  der  spasti¬ 
schen  Lähmung  der  Oberextremität.  (Archives  provinciales  de  Chi¬ 
rurgie,  Juni  1912.) 


11.  März  191.1. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


549 


Die  verschiedenen,  zur  Heilung  dieses  meist  nur  im  Kindesaiter 
vorkommenden  Leidens  bestimmten  Eingriffe  werden  hier  unter  An¬ 
führung  von  8  Fällen  und  Beigabe  zahlreicher  (58)  Abbildungen  in 
allen  Einzelheiten  beschrieben;  ein  Verständnis  dieser  komplizierten 
chirurgischen  Technik  ist  nur  mittelst  der  Abbildungen  möglich. 

A.  Veilion  und  G.  Repaci:  Die  sekundären  Infektionen  bei 
der  ulzerösen  Lungentuberkulose.  (Annales  de  l’institut  Pasteur, 
April  1912.) 

In  gewissen,  sehr  seltenen  Fällen  enthalten  die  tuberkulösen 
Kavernen  nur  den  Koch  sehen  Bazillus,  ohne  Sekundärinfektion, 
meist  aber  sind  die  Kavernen  sekundär  von  den  verschiedensten 
Bakterien  befallen.  Für  gewöhnlich  bilden  aerobe  oder  fakultative 
Mikroorganismen  diese  Sekundärinfektion  und  prägen  der  primären 
Krankheit  keinen  speziellen  Charakter  auf.  Die  streng  anäroben 
Bakterien  können  aber  auch  die  tuberkulösen  Kavernen  befallen  und 
bilden  eine  interessante  Sekundärinfektion,  weil  sie  der  Krankheit 
spezielle  Charaktere  geben,  wie  übelriechenden  Auswurf,  gangränöse 
Prozesse  der  Kavernenwände,  oder  sogar  die  Ursache  wichtiger 
Komplikationen  sind,  wie  Lungengangrän,  eitriger  Pleuritis,  Verschlim¬ 
merung  des  Allgemeinbefindens.  Von  diesen  Anärobien  unterziehen 
Verf.  zwei  Arten,  Spirillum  crassum  und  Vibrio  tenuis,  die  bisher 
nicht  beschrieben  worden  sind,  einer  besonderen  Betrachtung.  Sie 
kommen  zu  dem  Schlussergebnisse,  dass  der  Eiterungs-  und  gan¬ 
gränöse  Prozess,  der  bei  Tuberkulösen  im  Stadium  der  Kavernen¬ 
bildung  vorkommt,  immer  von  einer  starken  Vermehrung  streng  an- 
ärober  Mikroorganismen  abhängt. 

Charles  N  i  c  o  1 1  e  und  E.  Conseil:  Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  den  Typhus  exanthematicus,  ausgeführt  am  Institut 
Pasteur  zu  Tunis  während  des  Jahres  1911.  III.  Arbeit.  (Annales  de 
l’institut  Pasteur,  April  und  Mai  1912.) 

In  Fortsetzung  früherer  Versuche  brachten  auch  die  vorliegen¬ 
den  eine  Reihe  neuer  Tatsachen.  Das  Meerschweinchen  ist  für  das 
Gift  des  Typhus  exanthematicus  empfänglich:  die  peritoneale  Ein¬ 
impfung  von  2 — 4  ccm  Blutes  kranker  Menschen  oder  Affen  genügt 
zur  Infektion,  deren  Inkubation  eine  von  7 — 16  Tagen  wechselnde  ist. 
Das  Blut  des  infizierten  Meerschweinchens  ist  von  Beginn  bis  zum 
Ende  des  Fieberstadiums  virulent.  Einimpfung  des  wirksamen  Giftes, 
welches  auch  sein  Ursprung  sei  (Flohstiche,  Blut,  Plasma  usw.)  Über¬ 
trag  den  infizierten  Tieren  rasch  eine  anhaltende  Immunität,  ein  nicht 
genügend  wirksames  Gift  hingegen  (erhitztes  Blut  oder  solches  von 
zu  schwacher  Dosis)  ruft  keine  Immunität  hervor.  Schaf,  Ziege, 
Esel,  Hund,  Kaninchen,  Huhn  sind  von  Natur  aus  gegen  die  expen- 
mentelle  Einimpfung  des  Giftes  refraktär.  Das  Serum  von  Rekon¬ 
valeszenten,  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Entfieberung  gesammelt, 
d.  h.  zu  der  Zeit,  wo  seine  Präventiveigenschaften  am  meisten  ent¬ 
wickelt  sind,  gibt  kein  greifbares  Resultat.  Das  Salvarsan  ist  un¬ 
wirksam  und  sogar  gefährlich,  das  Adrenalin  scheint  von  massiger 
Wirkung  auf  den  Verlauf  des  Typhus  exanthematicus  zu  sein  (ohne 
Wirkung  auf  das  Fieber  und  die  Dauer  der  Infektion),  die  Fixations¬ 
abszesse  (nach  Morsly)  vermindern  nach  den  zahlreichen  in  den 
letzten  2  Jahren  behandelten  Fällen  vielleicht  die  Häufigkeit  der 
Sekundärkomplikationen  und  damit  die  Mortalität. 

Romanowitch:  Untersuchungen  über  die  Trichinose. 
(Ibidem.) 

Obwohl  die  Literatur  sehr  reich  an  Arbeiten  über  Trichinose  ist, 
entbehren  doch  manche  wichtige  Punkte,  wie  die  Rolle  der  Mikro¬ 
organismen  in  den  verschiedenen  Stadien  der  Krankheit,  toxische  Wir¬ 
kung  der  Larven  auf  den  ergriffenen  Organismus,  Schicksal  derselben 
in  den  parenchymatösen  Organen,  Frühdiagnose  und  -behandlung, 
noch  der  genügenden  experimentellen  Unterlage.  Mit  Untersuchungen 
an  Ratten  und  Meerschweinchen  versuchte  R.  diese  Lücken  auszu¬ 
füllen.  Die  weibliche  Trichine  dringt  in  die  Darmwand  ein,  verbleibt 
für  gewöhnlich  im  Korium  der  Mukosa  und  geht  nicht  über  die 
Muscularis  mucosae  hinaus.  Das  Weibchen  legt  seine  Eier  in  die 
Lymphgefässe  oder  deren  Umgebung  und  von  diesen  aus  gelangen  sie 
in  den  Blutstrom.  Es  wäre  daher  zweckmässig,  bei  Verdacht  auf 
Trichinose  täglich  das  Blut  zu  untersuchen,  man  könnte  sie  damit 
am  Anfang  ihrer  Entwicklung  entdecken.  Die  Larven  können  in 
seröse  Höhlen  (Peritoneum,  Pleura,  Perikard)  gelangen,  gehen  aber 
dort  sehr  rasch  zugrunde.  Die  Larve  dringt  in  die  primäre  Muskel¬ 
faser  (Muskelzelle)  ein,  weil  sie  dort  die  zu  ihrer  Entwicklung  not¬ 
wendigen  Nährstoffe  besser  wie  anderswo  findet.  Beim  Durchgang 
durch  die  Darmschleimhaut  verbreitet  die  ganz  von  Mikroorganismen 
beschmutzte  Trichine  dieselben  weiter  und  es  ist  schwierig,  zu  ver¬ 
neinen,  dass  Fieber,  Abszesse  und  tödliche  Septikämie,  die  man  zu¬ 
weilen  beim  Menschen  beobachtet,  die  Folge  der  durch  die  Trichine 
verursachten  Mikrobeneinimpfung  sei.  Das  Serum  von  Tieren 
(Ratten,  Meerschweinchen)  die  mit  Trichinen  infiziert  sind,  nimmt 
toxische  Eigenschaften  an.  Die  Tiere,  welche  die  Injektion  von 
toxischem  Serum  überleben,  zeigen  nach  einigen  Tagen  hochgradige 
Magerkeit.  Spezifische  Antikörper  konnten  im  Serum  trichinöser 
Here  weder  durch  die  Methode  der  Präzipitine,  noch  die  Komplement¬ 
bindung  nachgewiesen  werden.  Die  Fälle  von  spontaner  Re¬ 
infektion,  die  R.  beobachtete,  bestätigen  die  Untersuchungen  von 
Rupprecht,  Askanazy  u.  a„  welche  die  Unmöglichkeit  gezeigt 
haben,  Tiere  gegen  eine  Neuansteckung  zu  immunisieren.  Eine  Prä¬ 
ventiv-  oder  Abortivbehandlung  der  Trichinose  gibt  es  nicht;  Sal¬ 
varsan  scheint  keine  Wirkung  auf  die  Larven  auszuüben,  die  Injektion 
von  Emetin  deren  Entwicklung  manchmal  zu  hemmen. 


Henri  V  i  o  1  le:  Die  Gallenblase,  als  Inokulationsstelle  betrachtet. 
Beitrag  zum  Studium  der  Immunität  und  der  allgemeinen  Physiologie. 

(Annales  de  l’institut  Pasteur.  Mai  und  Juni  1912.) 

Von  dem  Standpunkte  ausgehend,  dass  die  beste  lmpfinethode 
jene  ist,  welche  eine  möglichst  geringe  Reaktion  hervorruft  und 
dabei  doch  rasch  und  intensiv  immunisiert,  wählte  V.  nun  die  Gallen¬ 
blase  als  Stelle,  die  allen  diesen  Anforderungen  gerecht  sei.  Die 
Einimpfung  verschiedener  Antigene  (des  Cholera-,  Tuberkel-,  Typhus- 
Jbazillus)  in  die  Gallenblase  des  Kaninchens,  die  vorher  in  einen  ge¬ 
schlossenen  Hohlraum  umgewandelt  ist,  ruft  bei  diesem  Tiere  die 
Bildung  entsprechender  spezifischer  Antikörper  hervor.  Diese  Art 
Einimpfung  ist  leicht  auszufiihren  und  bewirkt  niemals  heftige  Re¬ 
aktionen.  Die  Immunisierung  vollzieht  sich  meist  sehr  rasch  und 
scheint  sehr  lange  anzuhalten.  Wo  sie  zu  gering  zu  sein 
scheint,  ermöglichen  nachfolgende  intravenöse  Injektionen  des  gleichen 
Antigens  das  Tier  ohne  Reaktion  in  den  Zustand  der  Hyperimmuni- 
sation  zu  versetzen.  Das  Serum  der  geimpften  Tiere  besitzt  im 
allgemeinen  immunisierende  und  antitoxische  Eigenschaften  (passive 
Immunisierung),  daneben  sind  aber  auch  immunisierende  Antikörper 
(aktive  Immunisierung)  vorhanden.  Die  letzteren  scheinen  haupt¬ 
sächlich  auf  Kosten  der  Leukozyten,  die,  vom  Antigen  angezogen,  in 
die  Gallenblase  dank  der  Gefässverbindungen  derselben  mit  der 
Leber  gelangen,  zu  entstehen;  die  Leber  würde  wie  eine  Reservestätte 
des  Blutes,  also  auch  der  weissen  Blutkörperchen,  wirken. 

A.  Calmette:  Untersuchung  zur  Epidemiologie  der  Tuber¬ 
kulose  in  den  französischen  Kolonien.  (Annales  de  Pinstltut  Pasteur, 
Juli  1912.) 

Die  in  Senegambien,  Französisch-Guinea,  Elfenbeinküste,  auf 
Madagaskar,  in  Algier,  auf  den  Antillen,  Tonkin,  Anam,  Neu-Cale- 
donien  und  Haiti  gesammelten  Erfahrungen  ergaben,  dass  die  Tuber¬ 
kulose  vom  Klima  nur  wenig  beeinflusst  wird,  sondern  ihre  Häufigkeit 
in  direktem  Verhältnisse  zur  Kultur  steht.  Sie  ist  ausserordentlich 
selten  bei  der  eingeborenen  Bevölkerung  der  schwarzen  Rasse,  in 
jenen  Ländern,  wohin  die  Europäer  erst  seit  wenigen  Jahren  gelangt 
sind,  aber  die  Zahl  der  befallenen  Individuen  wächst  mit  der  Menge 
des  Warenaustausches  und  der  fremden  Einwanderung.  Keine  der 
Rassen,  welche  die  Kolonien  bevölkern,  zeigt  Immunität  gegen  die 
tuberkulöse  Infektion.  Die  zuletzt  der  Zivilisation  zugeführten  Ko¬ 
lonien  (Polynesien,  Neger  des  afrikanischen  Hinterlandes)  erwiesen 
sich  als  die  empfänglichsten  und  die  Träger  der  schwersten,  rasch 
zum  Tode  führenden  Formen,  während  in  den  alten  Kolonien  (la  Reu¬ 
nion  und  Antillen)  die  Tuberkulose  ungefähr  die  gleiche  Intensität 
zeigt,  wie  in  den  grossen  europäischen  Städten.  Hier,  wo  die  In¬ 
fektion  seit  langem  verbreitet  ist,  ist  die  Zahl  der  Individuen,  bei 
welchen  die  lokalen  Tuberkulinreaktionen  (nach  v.  Pirquet)  das 
Vorhandensein  latenter  Affektionen  offenbaren,  eine  ausserordentlich 
grosse  und  die  Formen  der  Tuberkulosefälle  sind  fast  immer  chronisch 
mit  Neigung  zu  Knochen-,  Gelenks-  oder  Tuberkulose  innerer  Organe. 
In  keinem  Falle,  wenigstens  in  Westafrika,  auf  den  Antillen,  in  Indo¬ 
china  und  in  Ozeanien,  kann  der  bovine  Ursprung  der  Tuberkulose  an¬ 
genommen  werden,  da  die  kleinen  Kinder  niemals  Kuhmilch  be¬ 
kommen  und  die  einheimischen  Rinder  noch  völlig  von  Tuberkulose 
verschont  sind.  Nur  auf  Madagaskar  und  la  Reunion,  ebenso  für  das 
Rind  wie  für  den  Menschen  von  Europa  eingeschleppt,  beginnt  sich 
die  Rindertuberkulose  auszubreiten  und  ist  es  möglich,  dass  sie  hier 
zum  kleinen  Teil  als  Faktor  der  Uebertragung  auf  den  Menschen  mit¬ 
wirkt.  Auf  den  polynesischen  Inseln  z.  B.,  wo  die  Tuberkulose  so 
ausserordentlich  häufig  und  mörderisch  auftritt,  oder  in  Annam,  wo  in 
gewissen  Zentren  (höhere  Mandarinen-Schulen,  Gefängnisse  usw.)  die 
Zahl  der  Infizierten  80  Proz.  erreicht  oder  übersteigt,  ebenso  wie 
bei  der  Arbeiterbevölkerung  der  grossen  Städte  Nordfrankreichs,  kann 
keinesfalls  die  Ansteckung  bovinen  Ursprungs  in  Betracht  kommen. 
In  diesen  Ländern  ist  es  also  die  Uebertragung  von  Mensch 
zu  Mensch,  wie  auch  verschiedene  Beispiele  der  Lebensgewohn¬ 
heiten  lehren,  welche  die  einzige  Rolle  spielt  und  zwar  mit 
gleicher  oder  grösserer  Intensität  wie  in  Mitte  unserer  europäischen 
Massenbevölkerung.  Die  Theorie  von  Behring,  wonach  die 
Lungentuberkulose  des  Erwachsenen  nur  die  Späterscheinung  einer 
meist  in  den  ersten  Lebensmonaten  durch  Kuhmilch  akquirierten  In¬ 
fektion  sei,  ist  nach  C.s  überzeugenden  Ausführungen  nicht  mehr 
haltbar.  Stern. 

Dänische  Literatur. 

C.  H.  Würtzen:  Ueber  den  Einfluss  der  Zeit  auf  rotes  Glas. 

(Aus  der  medizinischen  Abteilung  des  Oeresundhospitals.)  (Hospitals- 
tidende  1912,  No.  39.) 

Verf.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  rotes  Glas  nach  und  nach 
sein  Vermögen,  die  chemischen  Strahlen  des  Lichtes  zurückzuhalten, 
verliert.  Es  ist  deshalb  notwendig,  bei  der  Anwendung  des  F  i  n  - 
s  e  n  sehen  roten  Zimmers  für  die  Behandlung  von  Blattern  jedesmal 
durch  spektroskopische  Untersuchung  die  Leistungsfähigkeit  der 
roten  Glasscheiben  zu  bestimmen. 

Oluf  Thomseti  und  Harald  Boas:  Untersuchungen  über  Aus¬ 
flockungsreaktionen  bei  Syphilis  mit  spezieller  Berücksichtigung  der 
von  H  e  r  m  a  n  und  P  e  r  u  t  z  ausgearbeiteten  Modifikation  der  Me¬ 
thode  von  Elias-Neubauer-Porges  und  Salomon.  (Aus 
dem  staatlichen  Seruminstitut  und  dem  Rudolph  Bergschen  Hospi¬ 
tal.)  (Ibidem  No.  4L) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


550 


Resümee:  Die  Reaktion  von  Herrn  a  n  und  Perutz  muss  als 
die  beste  der  bisher  angegebenen  Ausflockungsreaktionen  angesehen 
werden.  Sie  steht  der  Reaktion  von  Wassermann  nach,  sowohl 
was  die  Bedeutung  von  positiver  als  fehlender  („negativer“)  Reaktion 
angeht.  Positive  Reaktion  spricht  wohl  mit  entscheidender  Wahr¬ 
scheinlichkeit  für  Syphilis,  wenn  man  ihr  auch  nicht  ganz  so  grosses 
Qewicht  wie  der  positiven  Wassermannreaktion  beilegen  kann. 
Fehlende  („negative“)  Reaktion  ist  ein  Zeichen  von  geringem  Wert, 
viel  geringer  als  negative  Wassermannreaktion.  Da  doch  einzelne 
Fälle  von  Syphilis  (namentlich  Indurationen  vor  dem  sekundären  Aus¬ 
bruch,  ferner  latente  behandelte  Syphilis  und  manifeste  Syphilis 
während  der  Behandlung)  Vorkommen,  wo  die  Wassermannreaktion 
fehlt,  während  die  H.-P.sche  Reaktion  positiv  ist,  kann  die  Reaktion 
hier  ihre  supplierende  Bedeutung  haben.  Voraussetzung  für  die  Ver¬ 
wendbarkeit  des  Ausfalles  der  Reaktion  ist  erstens  eine  passende  Ein¬ 
stellung  der  Stärke  der  angewandten  Lösung  des  glykocholsauren 
Natron.  Für  die  von  dem  Verf.  untersuchten  Präparate  aus  den 
Merckschen  Fabriken  (mit  „purissimum“  bezeichnet)  war  die  von 
H.-P.  angegebene  Konzentration,  2  Proz.,  passend.  Von  anderen  Prä¬ 
paraten  musste  eine  bedeutend  kleinere  Konzentration  benutzt  wer¬ 
den.  Die  am  meisten  geeignete  Konzentration  von  verschiedenen 
Präparaten  kann  bequem  durch  die  Untersuchung  der  Tropfenzahl  für 
verschieden  konzentrierte  Lösungen  des  glykocholsauren  Natrons  ge¬ 
funden  werden.  Als  passende  Konzentration  fanden  die  Verf.  eine  Lö¬ 
sung,  deren  Tropfenzahl  im  Verhältnis  zu  destilliertem  Wasser  88:55 
war.  Dem  entsprach  eine  2  proz.  Lösung  des  Merck  sehen  Prä¬ 
parats  „purissimum“.  In  dieser  Weise  eingestellte  Lösungen  ergaben 
übereinstimmende  Resultate. 

J.  Pindborg:  Untersuchungen  über  das  Vorkommen  von  Ei¬ 
weissstoff  in  tuberkulösem  Auswurf.  (Aus  dem  Boserup  Sanatorium; 
Direktor:  Dr.  N.  J.  Strandgaard.) 

Als  Resultat  eigener  und  anderweitiger  Untersuchungen  fand 
Verf.,  dass  in  jedem  Fall  von  aktiver  Lungentuberkulose  Eiweiss  im 
Auswurf  gefunden  wird,  dass  die  relative  Eiweissmenge  in  einem  be¬ 
stimmten  Verhältnis  zum  Grad  der  Krankheit  steht,  dass  die  Bestim¬ 
mung  derselben  eine  wertvolle  Hilfe  bei  der  Prognose  in  den  ein¬ 
zelnen  Fällen  bieten  kann,  und  dass  man  durch  systematische  Unter¬ 
suchungen  der  Eiweissmenge  des  Auswurfes  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  dem  Krankheitsverlauf  folgen  kann,  endlich  dass  diese  Unter¬ 
suchung  die  Differentialdiagnose  unterstützen  kann. 

Leopold  Meyer  und  E.  Hauch:  Ueber  Zerreissungen  der 
Dura  mater,  bei  Neugeborenen  während  der  Entbindung  entstanden. 
(Ibidem  No.  45.) 

Nachdem  Beneke  in  der  Versammlung  der  Deutschen  pathol. 
Gesellsch.  1910  Tentoriumzerreissungen  und  ihre  Bedeutung  für  die 
intrakraniellen  Blutungen  bei  Neugeborenen  nachgewiesen  hatte, 
hatten  die  Verf.  dieses  Verhältnis  in  den  Entbindungsabteilungen  des 
Reichshospitals  untersucht.  Sie  fanden  gewöhnlich  die  Zerreissungen 
im  Verlauf  der  von  Beneke  erörterten  Fasern  (s.  diese  Wochen- 
schr.  1910,  S.  2125),  aber  nicht  allein  durch  das  obere  Blatt  des  Ten- 
torium  (unvollständige  Zerreissung),  wie  es  Beneke  beschrieb,  son¬ 
dern  auch  durch  beide  Blätter  (vollständige  Zerreissung),  und  nament¬ 
lich  dem  dreieckigen  Teil  des  Tentorium  bei  der  Basis  der  Falx 
entsprechend;  ausserdem  fanden  sie  Falxzerreissungen  ganz  auf¬ 
wärts  bis  zu  ihrer  Anheftung,  so  dass  der  Sinus  longitudinalis  ge¬ 
öffnet  wird,  und  endlich  Zerreissungen  in  dem  vorderen  Teil  der 
Falx  in  der  Nähe  der  Crista  galli.  Zum  Studium  dieser  Zerreissungen 
wendeten  die  Verff.  eine  spezielle  Sektionstechnik  an,  um  sicher  zu 
sein,  dass  die  Zerreissungen  nicht  künstlich  durch  die  Sektion  her¬ 
vorgebracht  wurden.  Von  Oktober  1910  bis  April  1911  wurden  alle 
totgeborenen  und  kurz  nach  der  Entbindung  gestorbenen  Kinder  nach 
der  näher  beschriebenen  Technik  seziert.  Im  ganzen  wurden 
64  Köpfe  untersucht  (unter  1200  Geburten),  in  28  Fällen  wurden  Zer¬ 
reissungen  gefunden,  ln  15  von  diesen  waren  die  Zerreissungen  ohne 
Bedeutung  als  Todesursache;  unter  den  13,  wo  die  Zerreissung  und 
Blutung  als  Todesursache  angesehen  werden  musste,  waren  6  tot¬ 
geboren  (1  wurde  in  Sitzlage,  die  anderen  5  in  Scheitellage  durch 
schwierige  Zangenentbindung  extrahiert);  in  allen  diesen  Fällen  war 
die  Zerreissung  vollständig  mit  bedeutender  Blutung;  in  einem  Falle 
war  auch  die  Falx  zerrissen.  Unter  den  7,  die  lebend  geboren  wur¬ 
den,  starben  4  gleich  nach  der  Geburt  (1  wurde  spontan  ca.  8  Wochen 
zu  früh  in  I.  Scheitellage  geboren;  man  fand  eine  doppelte,  teilweise 
vollständige  Tentorium-  und  Falxzerreissung  mit  bedeutender  Blu¬ 
tung;  die  anderen  wurden  in  Unterkörperlage  geboren,  eine  war 
syphilitisch,  die  Zerreissung  doppelseitig  unvollständig  mit  starker 
Blutung,  der  Prager  Handgriff  wurde  bei  einem  angewandt,  und  man 
fand  eine  enorme  Zerreissung  der  rechten  Seite  von  Tentorium  und 
Falx).  Ein  Kind,  das  2150  g  wog  und  ca.  1  Monat  zu  früh  spontan 
geboren  war,  starb  14  Stunden  alt  und  zeigte  eine  Zerreissung  des 
Sinus  longitudinalis  mit  enormer  Blutung  und  Blutdruckimbibierung 
der  umgebenden  Gewebe,  aber  ohne  andere  Durazerreissungen.  Ein 
Kind,  extrahiert  in  Unterkörperlage,  starb  4  Tage  später,  ein  anderes 
wurde  spontan  in  I.  Scheitellage  mit  dem  Rücken  rückwärts  geboren; 
diese  beiden  Kinder  bekamen  Hämatemese;  bei  ihnen  fand  man  mul¬ 
tiple  ganz  kleine  Magengeschwüre  und  doppelte  vollständige  Ten- 
toriumzerreissung  mit  reichlicher  Blutung.  (Einen  ähnlichen  Fall  hat 
Beneke  mitgeteilt  Ts.  diese  Wochenschrift  1910,  S.  1226].)  Falx¬ 
zerreissungen  wurden  in  8  Fällen,  immer  mit  Tentoriumzerreissungen 
kombiniert,  gefunden;  die  Falxzerreissungen  wurden  häufiger  bei 
grossen  Kindern  als  bei  kleinen,  spontan  geborenen,  gefunden,  die 


durch  schwierige  Eingriffe  zur  Welt  gebracht  waren.  Die  Falx¬ 
zerreissungen  verursachen  gewöhnlich  keine  bedeutenden  Blutungen. 
Nach  dem  Material  der  Verfasser  scheint  es,  dass  durch  Zangenent¬ 
bindungen  namentlich  der  Druck  von  vorne  nach  hinten  die  Spannung 
und  Zerreissung  der  Dura  hervorruft  (unter  20  Zangenentbindungen 
mit  schlechtem  Griff  entstanden  8  ernstliche  Zerreissungen,  unter 
46  mit  gutem  Griff  keine).  Die  Zerreissungen  waren  häufiger  bei  Ex¬ 
traktion  in  Unterkörperlage  als  bei  Zangenentbindungen,  vielleicht 
weil  der  Kopf  bei  Unterkörperlage  mehr  Platz  hat,  sich  aufwärts 
auszudehnen  und  die  Spannung  des  Tentorium  dadurch  stärker  wer¬ 
den  kann.  Bei  Zerreissungen  nach  spontaner  Geburt  handelte  es  sich 
immer  um  kleine  Kinder,  das  heisst,  dass  die  Köpfe  kleiner  Kinder 
nicht  einmal  die  leichte  Kompression  der  normalen  Geburt  vertragen. 

J.  Ostenfeld  und  G.  E.  Permin:  Vergleichende  Unter¬ 
suchungen  über  den  diagnostischen  Wert  der  subkutanen  Tuberkulin¬ 
injektionen  und  der  quantitativen  Kutanreaktionen.  (Ibidem  No.  46.) 

Auf  eine  Reihe  Untersuchungen  bei  56  Patienten  im  Faxinge 
Sanatorium  und  der  Tuberkuloseabteilung  des  Frederiksberg  Hospi¬ 
tals  gestützt,  schliessen  die  Verfasser,  dass  die  kutane  Reaktion  bei 
Erwachsenen  keine  zuverlässigen  Aufklärungen  hinsichtlich  der  Art 
und  Aktivität  des  Krankheitsprozesses  gibt;  die  subkutane  Tuber¬ 
kulinreaktion  scheint  dagegen  in  einem  gewissen  Verhältnis  zu  der 
Aktivität  des  Prozesses  zu  stehen. 

C.  F.  Heerfordt:  Ueber  Glaukom.  II.  Weitere  Unter¬ 
suchungen  über  die  Pathogenese  des  hämostatischen  Glaukoms. 
Ueber  eine  Klappenwirkung  der  Sinoskleralplatte  als  Ursache  des 
hämostatischen  Glaukoms.  (Ibidem  No.  47.) 

Gleichzeitig  im  v.  Gräfe  sehen  Archiv  f.  Ophthalmologie  ver¬ 
öffentlicht. 

Jörgen  Jensen:  Beckenbrüche.  (Ibidem  No.  48.) 

Gleichzeitig  im  Archiv  f.  klin.  Chir.  veröffentlicht. 

Otto  Lassen:  Ein  Fall  von  positiver  Wassermannreaktion  bei 
Sarkom.  (Aus  der  med.  Abt.  des  St.  Josephs-Krankenhauses  in  Aar- 
hus;  Oberarzt:  Dr.  A.  Rahlff.)  (Ibidem  No.  49.) 

Es  handelte  sich  um  einen  Fall  von  Lymphosarkom  des  Halses 
bei  einem  17  jährigen  Mann;  in  der  Anamnese  kein  Anhaltspunkt  für 
Syphilis.  Die  Wassermannreaktion  war  positiv  (0,2  ccm  Serum  gab 
Hämolyse  0,  0,1  ccm  30,  0,05  ccm  90,  0,025  ccm  100). 

J.  P.  Gregersen:  Untersuchungen  über  die  Schmidtsche 
Bindegewebeprobe.  (Aus  der  med.  Klinik  der  Abt.  B.  des  Reichs¬ 
hospitals:  Prof.  Kn.  Fab  er.)  (Ugeskrift  for  Läger  1912,  No.  40.) 

Die  Untersuchungen  zeigten,  dass  man  durch  die  Schmidt  sehe 
Bindegewebeprobe  imstande  ist,  mangelhafte  Pepsinverdauung  im 
Magen  nachzuweisen,  sei  es,  dass  dieselbe  auf  mangelhafter  Säure¬ 
oder  Pepsinsekretion  oder  vielleicht  auf  Hypermotilität  beruht.  Die 
Probe  scheint  sehr  empfindlich  zu  sein,  so  dass  man  durch  sie 
niedrigere  Grade  von  Hypochylie  wird  nachweisen  können.  Wenn 
die  Probe  bei  einigen  Untersuchungen  negativ  ausfällt,  wird  man  mit 
Sicherheit  das  Vorhandensein  von  Achylie  und  wahrscheinlicherweise 
auch  selbst  kleinere  Grade  von  Hypochylie  ausschliessen  können. 
Untersuchungen  mit  Darreichung  von  Salzsäure  und  Pepsin  bei  Pa¬ 
tienten  mit  Achylie  zeigten,  dass  die  üblichen  Dosen  gar  zu  klein  sind, 
um  den  Ausfall  der  Bindegewebsprobe  zu  beeinflussen. 

V.  Ellermann:  Quantitative  Ausflockungsreaktionen  bei 
Syphilis.  (Aus  dem  gerichtsärztlichen  Institut  der  Universität.) 
(Ibidem  No.  49.) 

Durch  Veränderung  der  Mengenverhältnisse  der  Herman- 
Perutz  sehen  Reagenze  und  Zusatz  von  Chlornatrium  gelingt  es, 
Gemische  herzustellen,  die  je  nach  der  Zusammensetzung  mehr  oder 
weniger  fein  und  mehr  oder  weniger  spezifisch  mit  syphilitischen 
Sera  reagieren.  Von  den  geprüften  Formeln  entsprach  die  als  Me¬ 
thode  14  bezeichnete  in  Feinheit  und  Spezifität  beinahe  der  Was¬ 
sermann  sehen  Reaktion.  Die  Methoden  erlauben  eine  quanti¬ 
tative  Untersuchung  mit  Serumverdünnungen  auf  gewöhnliche  Weise. 
Die  Inaktivierungszeit  kann  bis  5  Minuten  verkürzt  werden. 

K.  Nörregaard:  Die  G  I  e  e  r  u  p  sehe  ambulatorische  Be¬ 
handlung  des  Ulcus  cruris.  (Ibidem  No.  51.) 

Der  Verf.  hat  560  Patienten  mit  Ulcus  cruris  behandelt  und  emp¬ 
fiehlt  folgende  Methode  für  ambulatorische  Behandlung:  Nach  Be¬ 
seitigung  aller  Schorfe,  Detritusschichten  und  kritiklos  aufgeschmier¬ 
ten  Salben-  und  Pulvermassen  auf  und  um  das  Geschwür,  Waschung 
mit  Borsäurewasser  und  Aetzung  mit  Lapislösungen  (4 — 20  proz.). 
Dann  wird  ein  Stück  angefeuchtetes  Guttaperchapapier,  ein  wenig 
grösser  als  das  Geschwür,  direkt  auf  dasselbe  gelegt,  dann  ein  Stück 
reiner  Leinwand  und  endlich  eine  mit  Baumwolle  übersponnene 
elastische  Binde.  Des  Nachts  wird  die  Binde  abgenommen  und  Um¬ 
schläge  von  Chlorkalkwasser  oder  Borsäurewasser  gemacht,  bei 
Neigung  zu  nässendem  Ekzem  um  das  Geschwür  Umschläge  von 
Bleiwasser  und  Haferschleim  gemischt  (ohne  Wachstuch).  Jeden 
Morgen  lauwarmes  Bad  des  Fusses  und  des  Crus,  ehe  die  Binde  an¬ 
gelegt  wird.  Wenn  das  Geschwür  geheilt  ist,  wird  das  Guttapercha¬ 
papier  weggelassen,  aber  der  Gebrauch  der  Bänder  und  der  Lein¬ 
wand  fortgesetzt.  Adolph  H.  Meyer-  Kopenhagen. 

Norwegische  Literatur. 

Kr.  Brandt:  Puerperalfieber  und  Fieber  im  Puerperium. 

(Norsk  Magazin  for  Lägevidenskaben  1912,  No.  10.) 

Der  Verfasser  zeigt  durch  eine  Reihe  von  Beispielen,  dass 
Fieber  im  Puerperium  nicht  immer  identisch  mit  Puerperalfieber  ist. 


II.  Marz  191.1 


Mt  IfiNCHENER  MEI  )1ZIN1SCHE  WOCHENSCHRIFT. 


da  es  von  perforierenden  Magen-  und  Duodenalgeschwüren,  Appen¬ 
dizitis,  Ruptur  von  alten  Eiterherden  (Pyosalpinx),  Miliartuberkulose, 
osteomyelitischen  Herden  usw.  herrühren  oder  hämatogenen  Ur¬ 
sprung  haben  kann,  besonders  von  den  Tonsillen,  einer  Mastitis  oder 
Otitis  media  mit  folgender  sekundärer  Infektion  der  Geschlechts¬ 
organe  ausgehend.  Endlich  kann  wirkliches  Wochenbettfieber  durch  j 
Selbstinfektion  entstehen. 

S.  A.  Hey  er  dalli:  Ueber  den  normalen  und  pathologischen 
Magen  in  Röntgenbildern.  (Ibidem.) 

Auf  ca.  200  Röntgenuntersuchungen  normaler  und  kranker  Magen 
gestützt,  gibt  der  Verfasser  eine  Uebersicht  der  diagnostischen  Be¬ 
deutung  der  Röntgenuntersuchungen  bei  Magenleiden. 

Harald  Gjessing:  Ein  Fall  von  einseitiger  Amaurose  unter 
dem  Bilde  einer  Embolia  art.  centralis  retinae  im  Anschluss  an  einen 
kriminellen  Abort  mit  auffallend  guter  Restitution  von  Gesichtsstärke 
und  Gesichtsfeld.  (Ibidem  No.  11.) 

Beobachtung  eines  20  jährigen  Mädchens,  das  früher  immer  ge¬ 
sund  war,  speziell  ohne  tuberkulöse  Belastung;  nach  einem  krimi¬ 
nellen  Abort  bekam  sie  eine  unilaterale  Amaurosis.  V  war  an- 

rangs  —  0;  nach  3  Wochen  war  V  =  -jg-  die  peripherischen 

Grenzen  des  Gesichtsfeldes,  die  anfangs  sehr  vermindert  waren,  wur¬ 
den  nach  und  nach  beinahe  normal,  und  es  blieb  nur  ein  relatives 
zentrales  Skotom  für  weiss  und  Farben.  Das  ophthalmoskopische 
Bild  war  dasselbe  wie  bei  Embolia  art.  centralis  retinae.  Später  trat 

eine  vollständige  papilläre  Atrophie  auf,  trotzdem  dass  V  blieb. 

Von  Interesse  war  der  Nachweis  eines  ausgesprochenen  Systems 
von  zilio-retinalon  Gefässen,  die  wahrscheinlicherweise  eine  grosse 
Rolle  für  die  Rückbildung  der  Gesichtsfähigkeit  gespielt  hatten;  auch 
das  einseitige  Auftreten  des  Leidens  war  von  Interesse. 

Kr.  F.  And  vor  d:  Die  Stadien  und  Immunitätsverhältnisse  der 
Tuberkulose.  (Ibidem.) 

Nach  der  Meinung  des  Verfassers  scheint  das  Auftreten  der 
Lungentuberkulose  bei  Erwachsenen  unter  unseren  jetzigen  zivili¬ 
sierten  Verhältnissen  verhältnismässig  selten  durch  Ansteckung  von 
Individuum  zu  Individuum  verursacht  zu  werden;  die  meisten 
Phthisiker  haben  schon  im  Kindesalter  ihre  erste  tuberkulöse  In¬ 
fektion  durchgemacht.  Die  Anzahl  von  Kindern,  die  jährlich  in  tuber¬ 
kulöser  Umgebung  von  schwererer  Natur  geboren  werden,  scheint 
in  einem  bestimmten  Verhältnis  zu  der  Zahl  von  Tuberkulose¬ 
patienten,  die  jährlich  an  dieser  Krankheit  sterben,  zu  stehen.  Es 
gilt  deshalb  in  allererster  Linie  die  Kinder  in  den  ersten  drei  vier 
Jahren  gegen  die  schwereren  Infektionen  zu  schützen;  demnächst  ist 
ein  genaueres  Studium  der  immunisierenden  Drüseninfektion,  speziell 
ihrer  Verhältnisse  zur  Rindertuberkulose  und  den  mehr  gutartigen 
Formen  von  Lungentuberkulose  notwendig;  ferner  findet  der  Verf. 
es  nötig,  noch  grössere  Klarheit  über  die  Vorläuferstadien  der 
Lungentuberkulose  zu  gewinnen,  speziell  im  späteren  Kindesalter  und 
in  dem  Pubertätsalter.  Endlich  gilt  es,  den  Phthisiker  zur  grössten 
Vorsicht  mit  seinem  Expektorat,  speziell  gegenüber  Säuglingen,  an¬ 
zuleiten. 

Ketil  Motzfeldt:  Ueber  Hernia  und  Eventratio  diaphrag- 
matica.  (Aus  dem  pathologisch-anatomischen  Institut  des  Reichs¬ 
hospitals.  Abh.  No.  XLII.)  (Ibidem  No.  12.) 

.  Auf  Grund  von  7  Fällen  von  Diaphragmabrüchen  und  1  Fall  von 
Eventratio  diaphragmatica  beschreibt  Verf.  die  anatomischen  und 
klinische»  Symptome  der  Leiden. 

V.  Öülow-Hansen:  Operative  Behandlung  des  angeborenen 
Klumpfusses.  (Ibidem.) 

In  den  letzten  drei  Jahren  operierte  der  bekannte  norwegische 
Orthopäd  28  Patienten  mit  angeborenem  Klumpfuss,  davon  16  mit 
doppelseitigem  (paralytischer  Klumpfuss  ist  nicht  miteinberechnet), 
in  folgender  Weise:  keilförmige  Tarsektomie,  Transplantation  der 
halben  Achillessehne  zum  M.  peroneus  longus  oder  brevis  nebst 
Verlängerung  der  zweiten  Hälfte  der  Achillessehne. 

In  9  der  28  Fälle  zeigte  es  sich,  dass  Mm.  peronei,  speziell 
M.  brevis  mehr  oder  v*niger  gelähmt  war;  man  versteht  dann,  dass 
der  Klumpfuss  selbst  bei  dem  bestens  ausgeführten  Redressement 
rezidivieren  muss.  Die  Behandlung  nach  der  Operation  dauerte 
6  Wochen  (bei  doppelseitigem  Leiden  8  Wochen,  indem  mit  einem 
/.wischenraum  von  14  Tagen  operiert  wurde).  Der  erste  Verband 
blieb  5  Wochen  liegen;  die  Nähte  wurden  dann  beseitigt  und  der 
Schuhmacher  nahm  Mass  zu  Stiefeln.  Der  Stiefel  wurde  in  der 
Sohle  und  der  Ferse  an  der  äusseren  Seite  um  %  cm  erhöht  und 
das  Fersenleder  wurde  bis  zum  Metatarsalsgelenk  der  grossen  Zehe 
geführt.  In  den  ersten  2  Monaten  trägt  der  Patient  den  Stiefel 
auch  nachts.  Nachbehandlung  nicht  notwendig,  Massage  der  Waden¬ 
muskeln  die  erste  Zeit  zu  empfehlen.  Rezidive  traten  nicht  ein.  Die 
Funktion  wird  besser  als  bei  anderer  Behandlung,  gewöhnlich  wird 
sie  vollstäHjijig  normal,  sowohl  was  Abduktion,  Pronation  als  Dorsal- 
tlexion  betrifft.  Das  Talokruralgelenk  schien  funktionell  in  Ordnung 
zu  sein. 

Ctprg  R.  Krogh:  Einiges  über  Vergiftungen  mit  Natriumnitrit, 
NaNO?,.  (Ibidem.) 

Als  Arzt  bei  Notodden  Salpeterfabriken  beobachtete  der  Verf. 
im  Veflaufe  von  4  Jahren  unter  einer  Arbeiterschaft  von  120  Mann 
-5  Fälle  von  Natriumnitritvergiftung.  Die  Patienten  klagten  über 
Mattigkeit,  Müdsein,  Appetitlosigkeit,  Herzklopfen,  Kurzatmigkeit, 
nusten.  Sie  husteten  „schwarze“  Blutklumpen  aus.  Der  Puls  war 


55 1 

i egelmässig,  aber  beschleunigt.  Die  Patienten  machten  einen  ner¬ 
vösen,  oft  ängstlichen  Eindruck.  Sie  gaben  an,  dass  die  kleinste 
Wunde,  die  sie  an  den  Fingern  bekämen,  nicht  geheilt  werden 
könne,  und  dass  das  Blut  von  den  Risswunden  „schwarz  wie  Teer“ 
sei.  Die  Krankheit  dauerte  eine  Woche  bis  mehrere  Monate.  Die 
Behandlung  war:  Entfernung  von  der  Arbeit,  Aufenthalt  im  Nadelwald 
bei  jedem  Wettei,  sowohl  Sommer  als  Winter,  roborierende  Diät 
Eisen  und  Arsenikpräparate. 

Georg  Benestad:  Epityphlitis  traumatica.  (Aus  dem  Kri¬ 
stiania  militären  Krankenhaus.)  (Ibidem.) 

Im  Anschluss  an  einen  Fall  von  unzweifelhafter  traumatischer 
Appendizitis  gibt  der  Verf.  eine  Uebersicht  über  die  Frage.  Als 
chai akteristisch  bezeichnet  er  den  Umstand,  dass  der  erste  Schmerz 
nach  dem  Trauma  ein  wenig  abnimmt,  so  dass  der  Patient  ihn  als 
eine  Empfindlichkeit  auffasst,  und  dass  diese  Empfindlichkeit  mehrere 
Stunden,  ja  sogar  Tage  später  von  einem  heftigeren  Schmerz,  oft  mit 
Erbrechen  verbunden,  abgelöst  wird.  Die  Diagnose  wird  verhältnis¬ 
mässig  spät  gestellt,  da  die  Schmerzen  als  einfache  Folge  der  Kon¬ 
tusion  angenommen  werden  und  erst  die  zunehmenden  Symptome 
den  Gedanken  auf  eine  Blinddarmentzündung  Innleiten. 

Adolph  H.  M  e  y  e  r  -  Kopenhagen. 

Inauguraldissertationen.1) 

Die  geographische  Verbreitung  des  Kropfes  in 
Baden  und  die  Beziehungen  der  Struma  gravi¬ 
ditatis  zur  Eklampsie  hat  Albert  Merckens  zum  Gegen- 
I  stand  einer  Arbeit  aus  der  Freiburger  Frauenklinik  gemacht.  An 
dieser  Klinik  wurden  1904  mit  1911  6533  Fälle  klinisch  behandelt,  von 
denen  3380  =  51,74  Proz.  Trägerinnen  von  Kröpfen  waren.  Bei 
|  2939  strumösen  Müttern  hatten  die  Neugeborenen  keine  nachweisbare 
Vergrösserung  der  Schilddrüse,  die  Kinder  von  441  kropfkranken 
Müttern  zeigten  ebenfalls  palpable  Schilddrüsenhypertrophien. 
Dreimal  hatten  sie  Riesenstrumen,  welche  sie  zwangen,  den  Kopf 
nach  rückwärts  zu  halten.  Verf.  gibt  die  Krankengeschichten  der 
1904 — 1911  an  der  obigen  Klinik  vorgekommenen  Eklampsien.  Es 
sind  deren  40  =  0,61  Proz.  Diese  Zahl,  verglichen  mit  dem  Material 
anderer  Autoren,  spricht  dafür,  dass  für  Südbaden  eine  relative 
Immunität  gegen  Eklampsie  besteht.  Die  Statistik  lehrt,  dass  die 
Frauen  Süddeutschlands,  die  in  manchen  Gegenden  eine  starke  Ver¬ 
grösserung  ihrer  Schilddrüse  erkennen  lassen,  von  der  Eklampsie 
relativ  verschont  bleiben,  im  Gegensatz  zu  den  Frauen  in  Nord¬ 
deutschland,  die  in  bedeutend  höherem  Grade  durch  diese  Schwanger¬ 
schaftsintoxikation  gefährdet  sind.  Von  den  40  eklamptischen  Frauen 
hatten  18  =45  Proz.  eine  Vergrösserung  der  Schilddrüse,  während 
22  =  55  Proz.  nicht  die  geringste  Hypertrophie  erkennen  Hessen. 
Von  den  18  eklamptischen  Frauen  m  i  t  Vergrösserung  der  Thyreoidea 
starb  1  =  5,05  Proz.;  dagegen  von  den  22  anderen  6  =  27,27  Proz. 
Verf.  stellt  fest,  dass  der  in  Baden  endemische  Kropf  ebenso  aui 
kristallinischem  Urgestein,  Moränen  und  vulkanischen  Formationen 
vorkommt,  wie  auf  marinen  Ablagerungen.  (Freiburg  i.  Br.  1912. 
50  S.-,  3  Karten.  Köln  bei  G  r  e  v  e  n  &  B  e  c  h  t  o  1  d.)  Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Erlangen.  Januar — Februar  1913. 
Brühschwein  Arthur:  Ueber  Komplikation  der  Schwangerschaft 
mit  Herzkrankheiten. 

Kröner  Max:  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Echinokokkenkrankheit. 
Mager  Bartholomäus:  Ueber  den  Negativismus. 

Bakmann  Mendel:  Ein  Fall  von  Dermoidzyste  des  Mundbodens. 
Hammel  Andreas:  Ein  Beitrag  über  Krebsentwicklung  nach  Schuss¬ 
verletzung. 

Lang  Nikolaus:  Akuter  Gelenkrheumatismus  und  Geistesstörung. 
Stempel  L. :  Beitrag  zur  Frage  des  Ulcuskarzinoms. 

Kuhlhoff  Carl:  Ein  Fall  von  Fibrosarkoma  ovarii  mucocellulare 
(carcinomatodes)  nach  Krukenberg. 

Universität  Greifswald.  Februar  1913. 

Kal  us  Georg:  Ueber  maligne  Tumoren  der  Klavikula. 

Leist  Karl:  Behandlung  und  Prognose  verjauchter  Myome. 
Ziemendorff  Friedrich:  Ueber  traumatische  Tuberkulose  mit 
besonderer  Berücksichtigung  neuerer  Obergutachten  und  Entschei¬ 
dungen  des  Reichsversicherungsamtes. 

Reeder  Hermann :  Osteochondritis  dissecans. 

Schlegel  Oswald:  Ein  Fall  von  Quecksilbervergiftung  unter  dem 
klinischen  Bilde  einer  Rachendiphtherie  und  akuten  Gastroenteritis. 
Molle  ring  Josef  Heinrich:  Ueber  Cholelithiasis  als  Ursache  der 
Pankreasfettnekrose. 

Sieber  Dietmar:  Ist  es  möglich,  arsenvergiftete  Tiere  durch  sub¬ 
kutan  verabreichtes  Magnesium  sulfuricum  zu  retten? 

Universität  Rostock.  Februar  1913. 

Klopfer  Arno:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  W.  H. 

S  c  h  u  1 1  z  e  sehe  Oxydasereaktion. 

Riedel  Franz:  Bakteriologische  Blutuntersuchungen  bei  akuter 
Appendizitis. 


U  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


mueNcheNer  medizinische  Wochenschrift. 


No’.  10. 


552 

Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Italien. 

(Eigener  Bericht.) 

B  o  r  d  i  g  h  e  r  a,  10.  Februar  1913. 

Euthanasie.  —  Private  Unterstützung  der  Krankenhäuser  etc.  — 
IV.  Nationaler  Kongress  fiir  die  Arbeitskrankheiten. 

Seit  einiger  Zeit  beschäftigen  sich  auch  bei  uns  die  Zeitungen 
mit  einer  Frage,  die  jenseits  des  Ozeans  schon  lebhafte  Diskussionen 
hervorgerufen  hat,  ja  nach  dortigem  Landesbrauch  auch  schon  ins 
Praktische  übertragen  wurde.  Auch  in  Deutschland  kam  die  Frage 
wiederholt  zur  Erörterung  und  ich  entsinne  mich,  dass  besonders  die 
interessante,  in  belletristischer  Form  abgefasste  Veröffentlichung  eines 
Münchener  Kollegen  grossen  Eindruck  auf  mich  gemacht  hat.  In 
ausserordentlich  anschaulicher,  lebendiger  Weise  schildert  der  als 
Literat  kaum  weniger  denn  als  Arzt  geschätzte  Verfasser  *)  in  seiner 
Erzählung:  „Sterben  ...  ich  bitte  darum“,  den  schweren  Kampf 
zwischen  dem  Kranken,  der  ein  Ende  machen  möchte  und  dem  Arzt, 
der  ihm,  obwohl  gegen  das  eigene  Mitgefühl  ankämpfend,  Widerstand 
leistet. 

Ein  Referendum  über  dieses  Argument  ergab  bei  uns  die  Tat¬ 
sache,  dass  sich  der  weitaus  grösste  Teil  der  antwortenden  Aerzte 
als  Gegner  der  Tötung  aus  Mitleid  erwies;  einige  zeigten  sich  un¬ 
sicher  über  die  Entscheidung  und  nur  wenige  waren  unbedingt  für  die 
Euthanasie.  Unter  diesen  Anhängern  des  befreienden  Todes  verdient 
besonders  der  Prof.  U  g  h  e  1 1  i  aus  Catania  genannt  zu  werden,  der 
abgesehen  von  seinen  wissenschaftlichen  Abhandlungen  besonders 
auch  durch  seine  belletristischen  Publikationen  den  Kollegen 
jenseits  der  Alpen  bekannt  ist.  Ich  verweise  nur  auf  das  Büchlein: 
„Zwischen  Aerzten  und  Klienten“. 

Ughetti  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Tötung  aus  Mit¬ 
leid  durchaus  nichts  Neues  sei.  „Schon  die  Alten“  sagt  er,  „kannten 
und  übten  sie,  denn  sie  töteten  die  eigenen  Verwundeten,  um  ihnen 
die  Sklaverei  oder  die  Torturen  zu  ersparen,  denen  sie  der  siegende 
Feind  unterworfen  hätte.  Das  Gleiche  tun  noch  heute  die  halb-  oder 
ganz  wilden  Völker  und  nur  wenig  über  ein  Jahrhundert  liegt  die 
Zeit  zurück,  in  der  es  auch  bei  uns  als  ein  Akt  der  Grossmut  an¬ 
gesehen  wurde,  die  Verurteilten  aufzuhängen,  bevor  die  grässlichen 
Urteilsprüche  jener  Zeit  an  ihnen  zur  Ausführung  kamen  oder  ihre 
Martern  durch  den  „Gnadenstoss“  abzukürzen. 

Dem  Wesen  nach  ist  also  der  Mord  aus  Barmherzigkeit  auch  bei 
uns  nichts  Neues  und  noch  weniger  amerikanisch. 

Der  Unterschied  ist  nur  der,  dass  es  sich  heute  wirklich  nur 
um  eine  Tat  der  Barmherzigkeit  handelt,  während  bei  den  alten 
Völkern  und  bei  den  heutigen  Wilden  diese  Tötung  auch  noch  andere 
Gründe  hatte  und  hat.  Man  schritt  zur  Beseitigung  des  Verwundeten 
oder  Kranken  auch  deshalb,  weil  er  für  die  Gemeinschaft  nutzlos,  ja 
störend  und  verderblich  war  und  man  es  für  besser  hielt,  ihn  zu 
töten  und  selbst  zu  verzehren,  statt  ihn  vom  Feinde  oder  den  Wilden 
Tieren  auffressen  zu  lassen.  Bei  einigen  australischen  Stämmen 
sehen  die  Greise  ihr  natürliches  Ende  darin,  geräuchert,  gebraten  und 
von  ihren  Nachkommen  verzehrt  zu  werden. 

Im  Grunde  entspricht  das  der  Sozialmoral  der  Spartaner,  die  ohne 
weiteres  alle  schwächlichen  oder  missgestalteten  Kinder  beseitigten 
und  jener  der  alten  Juden,  bei  welcher  die  ersten,  die  von  einer 
epidemischen  oder  ansteckenden  Krankheit  befallen  wurden,  sofort, 
ohne  Gnade  getötet  wurden.  Durch  die  Entwicklung  der  religiösen 
Doktrinen  sind  wir  dann  allmählich  zu  Anschauungen  gekommen,  die 
jenen  der  Alten  diametral  gegenüberstehen. 

Im  Orient  durch  den  Buddhismus,  und  dann  einige  Jahrhunderte 
später  auch  im  Okzident  durch  das  Christentum,  wurden  Ideen  von 
Mitleid  und  Barmherzigkeit  verbreitet,  von  denen  das  heidnische 
Rom  kaum  die  allerdunkelste,  nebelhafte  Vorstellung  hatte.  Der 
Egoismus  der  Alten  wurde  durch  diese  Religionen  umgewandelt  und 
für  ihre  Zwecke  benützt.  Der  Schwächliche,  Kranke,  Missgestaltete 
wurde  nicht  mehr  als  Gefahr  oder  Last  betrachtet,  denn  man  ver¬ 
schloss  sich  auch  nicht  mehr  länger  der  Ansicht,  dass  jeder  einzelne 
alt  oder  verstümmelt  oder  aus  sonstigen  Ursachen  arbeits-  oder 
kampfunfähig  werden  konnte  und  dass  also  die  Gesunden,  wenn  sie 
heute  für  die  Schwachen  und  Kranken  sorgten,  nur  taten,  was  dem¬ 
nächst  die  anderen  für  sie  tun  mussten. 

Das  ist  die  wahre  Grundursache  der  buddhistischen  und  christ¬ 
lichen  Barmherzigkeit,  wenn  auch  der  Einzelne  dazu  durch  die  Vor¬ 
stellung  angespornt  wurde,  dass  er  sich  durch  kleine  Barmherzigkeits¬ 
und  Opfertaten  in  diesem  Leben  die  ewige  Seligkeit  im  anderen 
erkaufen  könne.  Diese  religiösen  Vorstellungen  haben  dann  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  die  Gefühle  und  Anschauungen  so  verändert,  dass 
heutzutage  Mitleid  und  Barmherzigkeit  auch  zum  Gefühlsschatz  der 
nichtreligiösen  Personen  gehören,  ja  vielleicht  gerade  bei  diesen  am 
häufigsten  und  reinsten  zu  finden  sind,  weil  sie  sich  nicht  von  der 
Hoffnung  leiten  lassen,  ihre  guten  Werke  zum  Prozentsatz  von 
Hundert  für  eins  anzulegen. 

Diese  Gefühle  des  Mitleids  und  der  Barmherzigkeit  haben  in 
unseren  Tagen  solche  Stärke  und  Ausdehnung  angenommen,  dass  sie 


*)  Unser  Dr.  Max  Nassauer.  Red. 


zur  Abschaffung  der  körperlichen  Strafen,  zu  Tierschutzvereineu,  zur 
möglichsten  Abschwächung  oder  völligen  Unterdrückung  aller 
Schmerzen  durch  Betäubungsmittel  etc.  und  schliesslich  zur  Euthanasie 
geführt  haben.  Das  Leben  zusammen  mit  dem  Schmerz  erlöschen 
lassen,  wenn  es  doch  unwiederbringlich  verloren  ist  und  die  Schmer¬ 
zen  sich  durch  nichts  mehr  lindern  und  besänftigen  lassen,  das  ist 
ein  Werk  der  Barmherzigkeit,  das  aus  barbarischen  Zeiten  stammend, 
durch  unsere  Beweggründe  veredelt,  heute  die  Sanktionierung  der 
Moral,  der  Wissenschaft  und  des  Gesetzes  fordert.“ 

Nach  diesem  kurzen  historischen  Rückblick,  den  Ughetti  ge- 
wissermassen  als  allgemeine  Rechtfertigung  seines  Standpunktes  gibt, 
bringt  er  die  Frage  nach  der  Berechtigung  der  Euthanasie  in  ganz 
bestimmte  Form  und  fährt  fort: 

„Gesetzt  den  Fall,  wir  haben  einen  Kranken,  absolut  unheilbar, 
gequält  von  fürchterlichen  Schmerzen,  die  keines  unserer  Mittel  zu 
unterdrücken  vermag,  und  der  uns  bittet,  ihm  die  Mittel  zu  geben,1 
um  seinem  Leben  und  damit  seinen  Leiden  ein  Ende  zu  machen. 
Dürfen  wir  das  tun?“ 

„Wie  man  schon  aus  der  Fragestellung  ersieht“,  fährt  Prof! 
Ughetti  fort,  habe  ich  das  Wort  „Arzt“  ausgeschlossen,  denn  es  ist; 
durchaus  nicht  gesagt,  dass  es  gerade  der  Arzt  sein  muss,  der  die 
Mittel  verabfolgt;  auch  ein  Apotheker,  ein  Familienmitglied,  ein 
Freund,  kann  sie  dem  Kranken  zukommen  lassen!  Die  still-; 
schweigende  Annahme,  dass  in  solchen  Fällen  immer  der  Arzt  im  Spie! 
sein  müsse,  hat,  wie  ich  fürchte,  das  Urteil  vieler  Aerzte  beeinflusst, 
die  darum  gebeten  wurden,  ihre  Meinung  in  dieser  Frage  auszu-i 
sprechen. 

Die  Aerzte  und  die  Medizin  sind  zu  allen  Zeiten  so  sehr  der 
kritischen  Beleuchtung  ausgesetzt  gewesen,  dass  man  meinen  sollte, 
es  sei  kein  unbekannter  Faden  mehr  an  ihnen  zu  entdecken  und  nur 
zeigt  sich  da  eine  ganz  neue  Seite,  und  sofort  stürzt  sich  die 
moralische  und  satirische  und  schliesslich  sogar  die  Selbstkritik' 
darüber  her,  um  die  Sache  nach  Möglichkeit  auszunützen. 

Und  dies  ist  es,  was  die  Aerzte  vermeiden  wollen  und  weshalb 
sie  der  Diskussion  zu  entfliehen  suchen,  so  lange  sie  in  der  Frage 
die  Hauptrolle  spielen.  Es  gibt  viele,  die  dafür  sind,  dass  die  Todes¬ 
strafe  im  Strafgesetz  beibehalten  wird,  aber  gewiss  würde  keine» 
von  den  Betreffenden  den  Henker  machen  wollen,  um  sie  zur  An¬ 
wendung  zu  bringen. 

Ebenso  wahrscheinlich  ist  es  in  unserem  Falle,  dass  viele  Aerzte 
in  pectore  die  Frage  bejahen,  aber  gebeten,  sich  deutlich  darüber 
auszusprechen,  drücken  sie  eine  andere  Ansicht  aus,  aus  Furcht,  sons 
gezwungen  zu  sein,  im  besonderen  Falle  ihr  allgemeines  Prinzip  aucl 
zur  Ausführung  bringen  zu  müssen.“ 

Ughetti  sucht  dann  die  Haupteinwürfe  gegen  die  Euthanasie, 
die  er  in  drei  Punkten  zusammenfasst,  zu  entkräften.  Er  beginn 
mit  dem  schwerwiegendsten  Einwand,  nämlich  jenem,  dass  di: 
Diagnose,  laut  welcher  der  Kranke  als  absolut  unheilbar  bezeichne 
wird,  eine  irrige  sein  könne  und  folglich  durch  die  Euthanasie  un 
nötige  Opfer  gemacht  werden  könnten. 

„Diagnostische  Irrtümer?“  fragt  er.  „Aber  die  sind  viel  seltener 
als  man  im  allgemeinen  annimmt,  jedenfalls  seltener,  als  Justiz 
irrtümer.  Und  anderseits  habe  ich  die  Frage  so  gestellt,  dass  vor 
Euthanasie  nur  die  Rede  sein  kann,  wenn  der  Kranke  selbst  de: 
Tod  erfleht,  der  doch  über  sein  eigenes  Leben  der  erste  Richter  ist 
Das  diagnostische  Urteil  soll  nur  als  Rechtfertigung  dieses  Wunsche; 
des  Kranken  gelten  und,  das  wiederhole  ich,  bei  jenen  Krankheiten 
in  denen  die  Kranken  selbst  den  Tod  als  höchsten  Befreier  voii 
aller  Qual  rufen,  sind  diagnostische  Irrtümer  ausgeschlossen.“ 

Meiner  Ansicht  nach  sind  U  g  h  e  1 1  i  s  Worte  nicht  imstande 
den  genannten  Einwand  völlig  zu  widerlegen,  denn  von  irrtümliche 
Diagnose  .ganz  abgesehen,  trifft  man  doch  sehr  häufig  Krankheiten 
die  fürchterliche  Schmerzen  mit  sich  bringen  und  als  unheilbar'  er 
klärt  werden  und  die  dann  doch  noch  durch  irgendwelche  Ursache; 
zur  Heilung  kommen.  Jeder  Arzt  macht  ausserdem  oft  genug  di; 
Erfahrung,  dass  ein  Kranker,  seinen  Qualen  uiid  der  scheinbaren  Horf 
nungslosigkeit  seines  Falles  erliegend,  sich  nach  dem  Tod  als  Er 
loser  sehnt  und  alles  aufbietet,  um  sich  das  erlösende  Mittel  zu  ver 
schaffen,  dass  aber  derselbe  Kranke  nach  einiger  Zeit,  wenn  de 
ärgste  Sturm  vorüber  und  Aussicht  auf  Heilung  eingetreten  ist,  dies 
seine  Wünsche  als  Willensschwäche  und  Feigheit  verurteilt.  Un 
gewiss  würde  meiner  Ansicht  nach  durch  eine  allgemeine  Sanktio 
nierung  der  Euthanasie  die  Willenskraft  und  Standhaftigkeit  in  Er 
tragung  der  Schmerzen  noch  mehr  geschwächt,  als  sie  in  unsere 
Zeiten  leider  ohnehin  schon  ist,  und  noch  viel  öfter  als  heute  würd 
der  Arzt  oder  Freund  die  Bitte  um  den  erlösenden  Tod  höre 
müssen. 

Dem  zweiten  Einwand,  dass  eine  Anerkennung  der  Euthanasi 
zu  grossen  Missbräuchen  bezw.  zu  Begünstigung  von  Verbreche 
führen  würde,  begegnet  Ughetti  folgendermassen : 

„Die  Missbräuche  würden  darin  bestehen,  dass  eine  Familie  ode 
Institut  oder  einzelne  Persönlichkeit  sich  unter  dem  Vorwand  de 
Euthanasie  eines  unbequemen  oder  reichen  Mitgliedes  entledige 
könnte.  Aber  das  wäre  ein  richtiges  und  ausgesprochenes  Ver 
brechen,  das  auch  ohne  irgendwelche  anerkannte  Euthanasie  Goi 
weiss  wie  oft  Vorkommen  kann  oder  vorgekommen  ist.  Wer  weis 
und  kann  es  wissen,  wie  oft  schon  ungeduldige  Erben  das  Schicks: 
des  Erblassers  ohne  Zustimmung  des  Arztes  und  der  Gesetze  be 


I.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


553 


äileunigt  haben!  Aber,  wirft  man  ein,  der  Arzt  könnte  auch  in 
interlistiger  Weise  dazu  gebracht  werden,  sich  zum  Werkzeug  solch 
erbrecherischer  Absichten  herzugeben.  Ich  antworte  darauf,  auch 
ier  kämen  entweder  verbrecherische  Aerzte  in  Betracht  und  solche, 
esetzt  den  Fall,  dass  sie  existieren,  würden  auch  ohne  Autorisation 
andeln,  oder  leichtgläubige  Dummköpfe,  die  auch  zu  weiss  welch 
aderen  Missetaten  zu  bringen  wären,  ohne  sich  deren  bewusst  zu 
erden.“ 

Soweit  bei  Ausübung  der  Euthanasie  zu  verbrecherischen 
wecken  der  Arzt  in  Betracht  •  kommt,  würde  es  sich  also,  wie 
ghetti  sehr  richtig  bemerkt,  stets  nur  um  Aerzte  handeln,  wie 
alche  nicht  sein  sollen  und  hoffentlich  auch  nicht  sind.  Auf  den 
inwand  endlich,  dass  die  Euthanasie  eine  unmoralische  Tat  sei,  ent- 
egnet  U  g  h  e  1 1  i : 

„Warum  unmoralisch?  Und  vor  allem,  wer  kann  eine  bestimmte 
iefinition  der  Moral  geben?  Einen  Menschen,  auch  einen  Unbe- 
annten,  töten  ist  eine  höchst  unmoralische  Tat,  aber  denselben  Men¬ 
gen  töten,  wenn  er  eine  Uniform  trägt  und  dem  feindlichen  Heere 
ugehört,  das  ist  verdienstvoll  und  alles  Lobes  wert,  selbst  dann, 
enn  man  ihn  umbringt,  während  er  meinetwegen  ruhig  sein  Pfeif- 
lien  raucht  und  sein  Gewehr  neben  ihm  liegt.  Einen  Reisenden  zu 
erauben  ist  auch  unmoralisch,  allerdings  viel  weniger,  als  ihn  zu 
jten.  Einen  feindlichen  Soldaten  umbringen  ist  eine  hochmoralische 
äi,  aber  ihn  zu  berauben  wäre  gemein  und  verwerflich,  obwohl  der 
eind  selbst  sicher  damit  zufrieden  gewesen  wäre,  wenn  man  ihn  nur 
eraubt  und  nicht  getötet  hätte.  Wie  soll  man  sich  in  diesem  Misch- 
lasch  zurechtfinden?  Mit  dem  Herzen  und  dem  gesunden  Menschen- 
erstand,  und  um  mit  Enrico  Ferris  Worten  zu  schliessen:  „Wenn 
erjenige,  der  tötet,  es  nicht  nur  mit  Zustimmung,  ja  auf  Bitten  des 
Ipfers.  sondern  auch  aus  humanitären  Beweggründen,  wie  Mitleid, 
reundschaft,  Liebe  tut,  -dann  treffen  das  Recht  zu  sterben  und  sich 
>ten  zu  lassen  mit  der  hilfsbereiten  Absicht  des  Handelnden  zu- 
ammen  und  das  moralische  und  gesetzliche  Urteil  über  diese  Tat 
mss  dann  trotz  entgegengesetzten  traditionellen  und  konventionellen 
loialbegriffen  ein  zustimmendes  und  freisprechendes  sein.“ 

Nach  weiteren  interessanten  Ausführungen  kommt  der  hervor- 
agende  Patholog  von  Catania  zu  folgendem  Schlüsse: 

„Der  Arzt  hat  zweifelsohne  die  Aufgabe,  das  Leben  zu  bewahren, 
.enn  möglich  zu  verlängern,  nicht  aber  es  auszulöschen.  Aber  dies 
d  nicht  seine  ganze  Aufgabe,  ja  es  ist  nicht  einmal  diese,  die  er 
m  häufigsten  erfüllen  kann.  In  vielen  Fällen  muss  er  sich  darauf 
eschränken,  die  Neuralgien  zu  bekämpfen,  die  Aufregung  zu  be- 
chwichtigen,  die  Schmerzen  und  Qualen  aller  Art  zu  lindern  und 
iie  Hoffnung  lebendig  zu  erhalten,  daneben  allerdings  kein  Mittel 
nversucht  lassen,  das  Heilung  bringen  könnte. 

Aber  wenn  er  erkannt  hat,  dass  die  Rettung  des  Lebens  un¬ 
möglich  ist,  wenn  die  Schmerzen  sich  mit  keinem  Mittel  mehr  be- 
änftigen  lassen  und  das  Leben  für  den  Kranken  nur  noch  eine  fort¬ 
esetzte  Qual  bedeutet,  dann  kann  kein  Mensch,  der  Herz  und  Gemüt 
at,  dem  Leidenden  das  Recht  absprechen,  seinen  Qualen  ein  Ende 
u  bereiten  und  die  Hilfe  der  Wissenschaft  in  Anspruch  zu  nehmen,  um 
lieses  Ziel  auf  die  beste  Art  zu  erreichen.“ 

Ich  bin  ein  grosser  Verehrer  Ughettis  und  habe  seine  Aus- 
ü’nrungen  mit  lebhaftem  Interesse  gelesen,  aber  ich  glaube,  dass  es 
nm  trotz  seiner  dialektischen  Gewandtheit  kaum  gelingen  wird,  viele 
merzte  zu  seiner  Meinung  zu  bekehren.  Die  Möglichkeit,  dass  durch 
liagnostische  Irrtümer  unnötige  Opfer  entstehen  würden,  ist  eben 
>is  jetzt  leider  noch  immer  nicht  völlig  auszuschliessen  und  das 
st  meiner  Ansicht  nach  ein  entscheidender  Faktor  gegen  die 
'.uthanasie. 

Jedenfalls  wäre  es  aber  interessant,  zu  wissen,  wie  jene  Richter 
n  Fluida  geurteilt  haben,  die  vor  kurzem  über  zwei  Mitglieder  der 
eligiösen  Sekte  der  „Schüttler“  zu  Gericht  sitzen  mussten, 
reiche  eine  Glaubensschwester,  die  im  letzten  Stadium  der  Tuber¬ 
ose  von  qualvollen  Schmerzen  gepeinigt  wurde,  auf  deren  Ver- 
angen  mit  Chloroform  getötet  hatten  *). 


)  Gerade  während  ich  diese  Zeilen  schreibe,  kommt  mir  eine 
-eitungsnotiz  in  die  Hände,  die  sehr  gegen  eine  Sanktionierung  der 
-Uthanasie  spricht.  Auch  die  deutschen  Leser  werden  sich  des 
ührenden  Berichtes  entsinnen,  der  im  November  vergangenen  Jahres 
ltirch  alle  Blätter  ging.  Ein  ehemaliger  Staatsanwalt  der  frän¬ 
kischen  Republik  hatte  seine  Frau  mit  3  Revolverschüssen  getötet, 
■'eil  er  ihre  fürchterlichen  Leiden,  die  ihr  ein  inoperabler  Krebs  ver¬ 
ursachte,  nicht  mehr  mit  ansehen  und  ihren  Bitten  um  Befreiung  von 
hren  Qualen  nicht  widerstehen  konnte.  Alle  Welt  hatte  Mitleid  mit 
itm  bedauernswerten  Ehemann  und  sah  in  seiner  Tat  den  höchsten 
Jeweis  seiner  Liebe  zu  der  armen  Frau. 

Aber  dann  kam  die  Autopsie  und  zerstörte  die  schöne  Legende, 
lenn  man  fand  keine  Spur  von  Krebs  und  auch  die  Untersuchung 
<nd  Zeugenvernehmung  konnte  nur  feststellen,  dass  die  Getötete 
ui  Neurasthenie  gelitten  hatte.  Nun  schritt  man  zur  ärztlichen  Unter¬ 
suchung  des  Ehemanns  und  das  Ergebnis  war,  dass  der  Unter¬ 
suchungsrichter  den  Exstaatsanwalt  in  das  Irrenhaus  bringen  liess. 
her  verblieb  er  2  Monate  und  da  ihm  nach  dieser  Zeit  der  Direktor 
ier  Anstalt  das  Zeugnis  ausstellte,  dass  er  geistig  vollkommen  gesund 
■>ei,  wurde  er  wieder  entlassen.  Sein  Verbrechen  aber,  (er  nannte  es 


Uebrigens  denken  die  Menschen  Gottlob  doch  nur  in  Ausnahtnc- 
fällen  an  Euthanasie  und  bleibt  es  immer  noch  das  wichtigere  und 
edlere  Problem,  das  Leben  erträglicher  und  weniger  hart  zu  ge¬ 
stalten.  Und  darin  wird  gerade  in  Italien  in  letzter  Zeit  sehr  viel  ge¬ 
tan,  denn  die  wohltätigen  Stiftungen  häufen  sich  in  sehr  erfreulicher 
Weise.  Ausser  den  schon  in  meinem  letzten  Brief  erwähnten  Schen¬ 
kungen  hat  unser  verehrter  Herrscher  noch  10  000  Lire  für  das  Institut 
Bassini  in  Mailand  geschenkt,  damit  dieses  Institut,  in  welchem  arme 
Bruchleidende  Aufnahme  finden,  in  seinem  kürzlich  bezogenen  neuen 
Heim  einige  Betten  mehr  aufstellen  kann. 

Besonders  reiche  Schenkungen  hat  auch  wieder  das  grosse  Kran¬ 
kenhaus  in  Mailand  (Ospedale  Maggiore)  empfangen,  nämlich  300  000 
Lire,  welche  vom  verstorbenen  Advokaten  Allesandro  B  i  a  n  c  h  i 
hinterlassen  wurden,  der  noch  die  gleiche  Summe  für  verschiedene 
andere  wohltätige  Einrichtungen  bestimmte.  Auch  ein  ehemaliger 
Mailänder  Publizist,  Felice  Cameroni,  hat  dem  gleichen  Kranken¬ 
haus  sein  gesamtes  Vermögen  von  ungefähr  70  000  Lire  hinter¬ 
lassen. 

Ein  anderer  Mailänder,  der  schon  zu  Lebzeiten  dem  Verein  für 
Thalassotherapie  der  armen  Skrofulösen  grosse  Zuwendungen  ge¬ 
macht  hat,  hat  letztwillig  der  genannten  Institution  200  000  Lire  ver¬ 
macht,  und  für  die  armen  Skrofulösen  und  Blinden  der  Provinz  Como 
sorgte  eine  dort  verstorbene  Dame  mit  einem  Legat  von  100  000  Lire. 
Das  Krankenhaus  Vittorio  Emanuele  in  Catania  wurde  von  Senator 
Bruno  zum  Universalerben  seines  ca.  1  Million  betragenden  Ver¬ 
mögens  ernannt. 

Der  Dermatologe  an  der  Universität  Rom,  Prof.  C  a  m  p  a  n  a,  be¬ 
stimmte  sein  gesamtes,  über  300  000  Lire  betragendes  Vermögen  schon 
bei  Lebzeiten  zur  Errichtung  eines  Krankenhauses  für  Tuberkulöse, 
und  dem  gleichen  Zweck  widmete  der  bekannte  Industrielle  Borsa- 
lino  in  Alessandria  (dessen  Hüte  Weltruf  gemessen)  die  Summe  von 
einer  Million.  Diese  wirklich  grossherzige  Spende  ermöglicht  nicht 
nur  die  Errichtung  eines  besonderen  Pavillons  für  Tuberkulöse,  son¬ 
dern  auch  die  sonstigen,  dem  Krankenhaus  zu  Alessandria  sehr  nöti¬ 
gen  Verbesserungen  und  moderne  Vervollkommnung. 

Uebrigens  steht  auch  in  den  kleineren  Städten  die  Privatwohl¬ 
tätigkeit  nicht  zurück;  so  erhielt  der  entzückende  Rivieraort  Arenzano 
von  dem  bekannten  Obersten  des  italienischen  Roten  Kreuzes  ein 
vollständiges  Krankenhaus  zum  Geschenk,  das  in  bezug  auf  Konstruk¬ 
tion  und  Einrichtung  musterhaft  genannt  werden  kann;  in  Parma 
sandte  ein  Unbekannter  dem  Krankenhaus  10  000  Lire,  ein  Bürger  von 
Varese  hinterliess  für  das  dortige  Krankenhaus  25  000  Lire  und  eine 
Dame  in  Langasco  vermachte  dem  Ort  130  000  Lire  zur  Errichtung 
eines  Altenheimes.  Natürlich  kann  diese  Liste  noch  lange  keinen  An¬ 
spruch  auf  Vollzähligkeit  machen,  aber  auch  so  zeigt  sie,  wie  sehr 
sich  der  soziale  Hilfsgedanke  ausbreitet. 

Eien  weitere,  erfreuliche  Aeusserung  dieses  Hilfsgedankens  ist 
das  wachsende  Interesse  der  wissenschaftlichen  Welt  für  die  Ge¬ 
werbekrankheiten.  Vor  mir  liegt  das  Programm  des  nationalen  Kon¬ 
gresses,  der  vom  8.  bis  11.  Juni  in  Rom  tagen  wird  und  das  durch 
die  Zahl  und  Bedeutung  der  Namen  und  Abhandlungen  wahrhaft  über¬ 
rascht.  Es  sollen  5  Themen  zur  Behandlung  kommen,  nämlich  Ankylo- 
stomiasis,  Blutkrankheiten  auf  beruflicher  Basis,  Kindersterblichkeit 
im  Zusammenhang  mit  dem  Beruf  und  den  sozialen  Verhältnissen  der 
Eltern,  auf  professionelle  Ursachen  zurückzuführende  Dermatitis,  pro¬ 
fessionelle  Pathologie  der  Eisenbahner. 

Der  Kongress  hat  übrigens,  wie  aus  dem  Programm  hervorgeht, 
seine  Ziele  und  Grenzen  sehr  weit  gesteckt;  man  will  offenbar  ver¬ 
suchen,  mit  seiner  Hilfe  das  Interesse  für  die  Erforschung  und  Be¬ 
kämpfung  der  Arbeitskrankheiten  in  die  weitesten  Kreise  zu  tragen, 
denn  auch  Nichtärzte  werden  eingeladen  und  sind  als  tätige  Mit¬ 
glieder  willkommen,  so  Chemiker,  die  über  die  Gefahren  der  chemi¬ 
schen  Industrie  und  die  Mittel,  sie  zu  verhüten,  Ingenieure,  die  über 
die  Technik  der  Apparate  und  Einrichtungen  zur  Verhütung  der 
Arbeitskrankheiten  berichten  sollen,  die  Industriellen  und  Fabrik¬ 
direktoren  zum  Bericht  über  alles  was  sie  über  die  Gesundheit  ihrer 
Arbeiter  im  Zusammenhang  mit  der  Industrie  in  Ermittlung  brachten, 
die  Arbeiter,  bzw.  Arbeitsämter,  zum  Bericht  über  die  direkten  und 
praktischen  Beobachtungen  über  die  Schädlichkeit  der  eigenen  Be¬ 
schäftigungen,  die  Soziologen  und  alle,  die  sich  für  die  verschiedenen 
hygienisch-sozialen  Probleme  der  Arbeit  interessieren,  sei  es  vom 
wissenschaftlichen,  technischen  oder  legislativen  Standpunkt  aus.  Sie 
alle  werden  gebeten,  den  Beitrag  ihrer  Beobachtungen  und  Er¬ 
fahrungen  dem  Kongress  in  Rom  zu  bringen,  damit  dieser  sich  nicht 
nur  zu  einer  imposanten  Kundgebung  auf  dem  Gebiet  der  politischen 
Medizin  gestaltet,  sondern  auch  die  Vorbereitungsschule  der  Italiener 
für  den  3.  internationalen  Kongress  für  Gewerbekrankheiten  wird,  der 
im  Herbst  des  Jahres  1914  in  Wien  stattfinden  soll  und  für  welchen 
schon  seit  langem  überall  eine  ausserordentliche  Vorbereitungstätig¬ 
keit  herrscht.  Prof.  G  a  1 1  i. 


Euthanasie)  scheint  mit  dem  armen  Opfer  begraben  worden 
zu  sein. 

Nun  ist  gewiss  richtig,  was  U  g  h  e  1 1  i  sagt,  dass  Verbrechen 
auch  ohne  Euthanasie  Vorkommen,  aber  man  sollte  doch  wenigstens 
verhindern,  dass  dem  verbrecherischen  Treiben  gewissermassen  von 
Gesetzes  wegen  Vorschub  geleistet  und  ein  bequemes  Deckmüntel- 
'  chen  bereitet  wird. 


554 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XI.  Sitzung  vom  14.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Vor  der  Tagesordnung. 

Herr  Gotthold  Ehrlich  stellt  einen  32  jährigen  Holzschäler  vor, 
der  seit  8  Jahren  an  einer  Acrodermatitis  atrophicans  mit  sklero¬ 
dermieartigen  Veränderungen  leidet.  Er  betont  die  Aehnlichkeit  des 
Falles  mit  dem  von  Heuck  aus  der  L  e  s  s  e  r  sehen  Klinik  in  der 
Iconographia  dermatologica  veröffentlichten.  Der  Beginn  an  den 
Knien  sowie  die  Aetiologie  (Beschäftigung  im  Freien  und  im  Wasser) 
sind  in  beiden  Fällen  gleich. 

Tagesordnung. 

Herr  Brückner:  Zur  Prophylaxe  der  Diphtherie. 

Nach  der  Entdeckung  des  Diphtheriebazillus,  den  man  bei  den 
Kranken  und  an  ihren  Gebrauchsgegenständen  fand,  erschien  die 
Prophylaxe  der  Diphtherie  einfach.  Man  brauchte  nur  den  Kranken 
abzusperren  und  nach  seiner  Heilung  das  Krankenzimmer  zu  des¬ 
infizieren.  Der  Erfolg  blieb  aus,  da  man  die  Dauerausscheider  erst 
allmählich  kennen  lernte  und  zu  berücksichtigen  versuchte.  Die  fort¬ 
gesetzten  Forschungen  der  Klinik  und  der  in  immer  grösserer  Zahl 
entstehenden  bakteriologischen  Untersuchungsstationen  förderten  viele 
Tatsachen  zutage,  welche  die  Diphtheriefrage  zunächst  zu  verwirren 
schienen.  Man  kam  schliesslich  mit  v.  Behring  vielfach  zu  der 
Ansicht,  dass  der  Diphtheriebazillus  ein  ubiquitärer  Keim  sei,  der  nur 
unter  bestimmten  Verhältnissen  die  Krankheit  erzeuge. 

Die  Tätigkeit  der  bakteriologischen  Zentralstellen,  welche  dem 
praktischen  Bedürfnis  der  Aerzte  mehr  entsprechen,  als  v.  Beh¬ 
rings  Vorschläge,  ist  mit  Dank  anzuerkennen.  Sie  haben  auch  den 
Aerzten  ausserhalb  der  Klinik  gezeigt,  dass  1.  die  Diphtherie  sehr 
häufig  nicht  unter  dem  klassischen  Bilde  Breton neaus,  sondern 
vielmehr  atypisch  verläuft:  2.  dass  die  Rekonvaleszenten  oft  sehr 
lange  Bazillen  beherbergen  (Dauerausscheider)  und  3.  dass 
gesunde  Menschen  auch  ohne  eine  vorhergegangene  Diphtherie  Ba¬ 
zillen  in  den  oberen  Luftwegen  haben  und  zwar  häufiger,  wenn  sie 
mit  Diphtheriekranken  in  Berührung  kamen  als  sonst  (Bazillen- 
träge  r). 

Dass  die  Dauerausscheider  oder  gar  die  Bazillenträger  nicht 
immer  für  ihre  Umgebung  gefährlich  sein  können,  liegt  auf  der  Hand. 
Bei  ihrer  grossen  Häufigkeit  müsste  sonst  die  Diphtherie  eine  viel 
grössere  Ausbreitung  besitzen.  Aber  dass  sie  es  sein  können,  lehrt 
der  Ausfall  von  Virulenzbestimmungen  und  vor  allem  die  praktische 
Erfahrung.  Zahlreiche  Endemien  wurden  in  Schulen  Internaten,  Ka¬ 
sernen  erst  nach  Ausschaltung  der  Zwischenträger  zum  Erlöschen 
gebracht,  während  die  sonstigen  prophylaktischen  Massregelti  allein 
versagten. 

Die  Häufigkeit  der  Bazillenträger  wird  sehr  verschieden  ange¬ 
geben.  Ich  habe,  da  mir  in  der  Kinderheilanstalt  Isolierräume  nur 
in  ungenügender  Zahl  zur  Verfügung  stehen,  seit  Jahren  jedes  neu 
eintretende  Kind  auf  Bazillen  in  Nase  und  Rachen  untersuchen  lassen, 
aus  äusseren  Gründen  bei  fehlendem  klinischen  Befund  nur  einmal. 
Unter  1200  Kindern  aus  den  letzten  2  Jahren  ohne  vorausgegangene 
oder  manifeste  Diphtherie  hatten  4,1  Proz.  Bazillen,  von  den  Säug¬ 
lingen  (190)  15,25  Proz.,  von  den  älteren  Kindern  (1010)  1,98  Proz., 
von  den  Scharlachkranken  (84)  7  Proz.  Bei  1,5  Proz.  der  990  über 
ein  Jahr  alten  Kinder  trat  eine  klinische  Diphtherie  während  des  Auf¬ 
enthaltes  im  Hospital  auf,  3,4  Proz.  der  Kinder  wurden  Bazillen¬ 
träger  ohne  zu  erkranken.  Eigenartige  Verhältnisse  boten  die  Säug¬ 
linge  dar.  Sie  hatten  häufiger  Bazillen  in  der  Nase  als  im  Rachen, 
besonders  durch  Ernährungsstörungen  stark  Herabgekommene  und 
Luetiker.  Die  Bazillen  fanden  sich  teils  ohne  jeden  klinischen  Befund, 
teils  bei  katarrhalischem  Schnupfen,  teils  bei  typischer  Nasendiph¬ 
therie.  Im  Anschluss  an  die  Aufnahme  von  Bazillenträgern  stellten 
sich  Bazillen  ein  bei  26  Säuglingen.  7  mal  ohne  klinischen  Befund, 
9  mal  unter  den  Erscheinungen  des  Schnupfens,  10  mal  unter  den 
Symptomen  der  Nasendiphtherie.  Auch  die  Säuglinge  sind  als  Ba¬ 
zillenträger  nicht  immer  ungefährlich,  wie  von  manchen  Seiten  be¬ 
hauptet  wurde.  Meine  Zahlen  stellen,  da  nur  1  Entnahme  gemacht 
wurde,  das  Minimum  der  Bazillenträger  unter  den  Proletarierkindern 
dar.  Sie  besitzen  einen  gewissen  Wert,  da  sie  nicht  ad  hoc  während 
einer  Epidemie,  sondern  während  eines  langen  Zeitraumes  gewonnen 
wurden. 

Die  gesunden  Bazillenträger  sind  häufiger  während  einer  Epi¬ 
demie  als  in  epidemiefreien  Zeiten;  aber  ubiquitär  ist  der  Diphtherie- 
bazillus  nicht.  Das  geht  aus  Untersuchungsreihen  von  Ustvedt, 
Peters.  Hase  n  knöpf,  Rothe  und  anderer  hervor.  Die  Ba¬ 
zillen,  welche  sie  bergen,  können  virulent  sein  (E.  Müller, 
Buchanan  und  andere)  oder  nicht.  Ihre  Virulenz  kann  wechseln, 
es  kann  ein  Bazillenträger  noch  an  klinischer  Diphtherie  erkranken 
(Ustvedt).  Nach  Wassermann.  Hahn  u.  a.  erkranken  die 
gesunden  I  räger  nicht,  weil  ihr  Blut  Schutzstoffe  enthält.  Die  Be¬ 
funde  von  Hahn  erklären  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  Alters¬ 
disposition. 

Als  Niederschlag  all  dieser  Forschungen  ist  die  Erkenntnis  anzu¬ 
sehen,  dass  im  Wesentlichen  der  Mensch  die  Quelle  der  Verbreitung 


der  Diphtherie  ist.  Es  muss  jedoch  hinzugefügt  werden,  dass  aus  d 
einfachen  An-  und  Abwesenheit  der  Bazillen  allein  das  epidemisc 
An-  und  Abschwellen  der  Diphtherie  nicht  erklärt  werden  kann. 

Die  prophylaktischen  Massregeln  bewegen  sich  seit  längerer  L 
innerhalb  des  Rahmens  der  von  C.  F  r  ä  n  k  e  1  1896  aufgestellt 
Thesen.  Diese  können  jedoch  als  massgebend  nicht  mehr  anerkan 
werden,  da  dort  weder  das  Heilserum  noch  Mundspülungen  i 
Bazillen  zum  Schwinden  bringen,  und  die  Bazillenträger  nicht  h 
riicksichtigt  sind,  während  die  Absonderung  der  Dauerausscheider 
Prinzip  bereits  gefordert  wird.  Die  unbedingte  Durctiführung  d 
letzten  Forderung  stösst  auf  grosse  Schwierigkeiten.  Ich  habe  d 
Prinzip  irn  Hospital  nur  durch  Gewährung  von  Freistellen  durchiiiiir 
können.  Die  Isolierung  aller  Bazillenträger  ist  gleich  gar  nicht  mö 
lieh,  da  wir  sie  meist  gar  nicht  kennen.  Die  gesetzliche  Berechtigur 
die  Dauerausscheider  aus  dem  Verkehr  auszuschalteu,  wird  v 
Kirchner  bejaht.  Für  die  Bazillenträger  dürfte  sich  kaum  eil 
gesetzliche  Handhabe  bieten.  Die  Meisten  kommen  in  Bezug  a| 
die  Freigabe  der  Dauerausscheider  und  Bazillenträger  zu  einem  Koi 
promiss  (P  r  i  p,  Schulz).  H  e  u  b  n  e  r  fordert  seit  Jahren  verge 
lieh  die  Schaffung  von  Rekonvaleszentenheimen.  Für  die  Schule 
von  manchen  (Hüls)  die  Ausschaltung  der  Bazillenträger  als  zwec 
los  erklärt  worden,  da  sich  die  Kinder  häufiger  ausserhalb  der  Sehr, 
infizieren.  Doch  zeigen  die  Beobachtungen  von  Schulz,  SelL 
mann  und  Schloss  und  zum  Teil  auch  von  Gottstein,  da 
dies  nicht  in  vollem  Umfange  stimmt.  Der  Einfluss  der  Schule  a 
die  Ausbreitung  der  Diphtherie  ist  nicht  zu  leugnen. 

Die  bisherigen  prophylaktischen  Massnahmen  haben  ei 
dauernde  Abnahme  der  Morbidität  nicht  erzielt  (wird  au  d 
Morbiditätskurven  von  Dresden,  Leipzig,  Berlin,  Hamburg  denn 
striert),  mag  man  die  Desinfektion  obligatorisch  gemacht  haben  od 
nicht,  mag  man  den  Nachweis  der  Bazillenfreiheit  der  Rekonvak 
zenten  gefordert  haben  oder  nicht.  In  den  meisten  Teilen  Deutsc- 
lands  zeigt  sich  eine  Abnahme  der  Diphtherie  am  Ende  des  19.  ul 
Anfang  des  20.  Jahrhunderts  und  eine  Zunahme  in  der  zweit 
Hälfte  des  verflossenen  Jahrzehnts. 

Man  zog  daraus  den  Schluss,  dass  die  bisherigen  Massregq 
zu  Gunsten  der  allgemeinen  prophylaktischen  Schutzimpfung  eing 
schränkt  werden  könnten  (v.  B  e  h  r  i  n  g),  oder  dass  sie  erweitj 
werden  müssten  (Petruschky,  Drigalsky,  Sobernhei. 
D  i  1 1  r  i  c  h  und  viele  andere)  in  Bezug  auf  die  Isolierung  der  Daut 
ausscheider  und  Bazillenträger.  Die  Behringsche  Forderung 
nur  in  geschlossenen  Anstalten  durchführbar.  Die  zweite  Fordern, 
ist  allgemein  ebenfalls  undurchführbar,  in  vollem  Umfange  auch  nie: 
nötig.  Aber  da,  wo  uns  das  praktische  Leben  selbst  zeigt, 
die  Bazillenträger  gefährlich  werden  können,  dann  nämlich,  wei 
die  Diphtherie  sich  epidemisch  auszubreiten  droht,  soll  man  sich  ihr 
erinnern  und  versichern,  wenigstens  dort,  wo  man  sie  ausfinc; 
machen  kann,  wo  man  eine  Disziplinargewalt  über  sie  besitzt  ul 
wo  sie  praktisch  wohl  auch  mit  am  Wichtigsten  sind,  nämlich  i 
der  Schule.  Wie  weit  das  einen  Erfolg  haben  wird,  steht  noi 
dahin.  Die  Erfahrungen  Drigalskys  nach  dieser  Richtung  l> 
weisen  nichts  Sicheres  wegen  der  Kürze  der  Beobachtungszi. 
Steilabfälle  der  Morbidität,  wie  sie  Drigalsky  mitgeteilt  hat,  sic 
man  auch  spontan  auftreten  (Dresden,  Leipzig). 

Das  epidemische  Auftreten  der  Diphtherie  kann  nicht  lediglu 
aus  der  Anwesenheit  der  Bazillen  erklärt  werden.  Dagegen  spric 
die  gesetzmässige  Jahresschwankung  der  Diphtherie,  die  entgegt 
der  Behauptung  von  Flügge  nicht  lediglich  aus  den  verändert! 
Lebensgewohnheiten  im  Winter  abgeleitet  werden  kann.  Das  ze: 
die  Jahreskurve  des  Scharlach,  welche  in  Dresden  eine  gesetzmässk 
Jahresschwankung  vermissen  lässt.  (Wird  an  Kurven  demonstrier 
Dagegen  spricht  auch  das  Verhalten  der  Kehlkopfdiphtherie,  der 
prozentualer  Anteil  an  der  Gesamtsumme  der  Diphtherien  nach  du 
kombinierten  Material  der  Dresdener  Kinderheilanstalt  und  der  Le- 
ziger  Kinderklinik  (zusammen  4636  Diphtherien  aus  den  letzt' 
10  Jahren)  im  Sommer  um  12  Proz.  niedriger  ist,  als  im  Winter.  B 
spricht  alles  für  einen  disponierenden  Einfluss  der  Witterung,  v 
Erkältungskrankheiten.  Auch  andere  Erfahrungen  machen  die  Ei¬ 
stenz  einer  Disposition  wahrscheinlich  (Familiendisposition,  iru- 
struelle  Disposition,  Befallenwerden  nach  langer  Zeit  bei  dauerne 
Infektionsmöglichkeit). 

Aus  diesen  Gründen  ist  die  Jagd  nach  den  Bazillenträgern  sein 
in  epidemiefreien  Zeiten,  wie  sie  gefordert  wurde,  abzulehnen.  Rh- 
rose  Massregeln,  die  nicht  mit  Sicherheit  als  nützlich,  notwendig  ul 
durchführbar  angesehen  werden  können,  sind  gefährlich.  Auch 
Desinfektion  könnte  in  mancher  Hinsicht  etwas  milder  gehandh;' 
werden.  Die  laufende  Desinfektion  ist  mindestens  ebenso  wichtig  < 
die  Schlussdesinfektion.  Die  teuere  obligatorische  Raumdesinfekt  i 
mit  Formaldehyd  ist  nicht  überall  nötig.  Denn  die  Bazillen  halten  si 
nicht  an  den  Zimmerdecken  und  in  geschlossenen  Schränken 
(Schlichter,  W  e  i  c  h  a  r  d  t).  Hier  könnte  von  Fall  zu  Fall  e  ■ 
schieden  werden.  Allzu  rigorose  Massnahmen  auch  in  dieser  1- 
Ziehung  führen  leicht  zu  einer  Verheimlichung  der  Krankheit  oö 
Durchkreuzung  der  Schlussdesinfektion.  Die  freiwerdenden  Mit' 
könnten  zum  Versuch  einer  bakteriologischen  Kontrolle  der  Sch 
kinder  in  gefährdeten  Klassen  verwendet  werden.  Möchten  die  Sch 
ärzte  dieser  Anregung  folgen.  Gleichgültigkeit  kann  nicht  gebilh 
werden.  Denn  die  Diphtherie  ist  auch  heute  noch  eine  gefährlk- 
Krankheit.  Vielerorts  nimmt  ihre  Mortalität  wieder  bedenklich  ■ 


11.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


555 


In  Sachsen  ist  die  Zahl  der  Todesfälle  berechnet  auf  100  000  Ein¬ 
wohner  gestiegen  von  2,0  im  Jahre  1902  auf  2,7  im  Jahre  1908. 

Man  muss  nach  Mitteln  suchen,  welche  die  Entkeimung  der 
Dauerausscheider  und  Bazillenträger  beschleunigen.  Die  chemischen 
Mittel  einschliesslich  der  Pyozyanase  haben  sich  mir  nicht  bewährt. 
Vielleicht  ist  durch  eine  Vakzinebehandlung  etwas  zu  erreichen. 

Herr  Richard  Flachs:  Man  hätte  meinen  sollen,  dass  eine 
Krankheit  wie  die  Diphtherie,  für  deren  Bekämpfung  so  ausgezeich¬ 
nete  Mittel  zur  Verfügung  stehen,  verschwinden  müsste,  zumal  da 
mit  allen  Mitteln  auf  die  Vernichtung  des  Bazillus  ausserhalb  des  Men¬ 
schen  hingearbeitet  wurde. 

Dem  ist  aber  nicht  so. 

Es  wäre  überflüssig,  den  Wert  einer  gut  geleiteten  Desinfektion 
anzweifeln  zu  wollen.  Die  Reinigung  von  Räumen,  die  sonst  mit 
Wasser  sehr  wenig  in  Berührung  kommen,  das  gründliche  Waschen 
beschmutzter  Kleidungsstücke,  besonders  der  Taschentücher,  ist 
ebenso  unerlässlich  wie  die  Vernichtung  der  ausgehusteten  Mem¬ 
branen.  Es  ist  selbstverständlich  wünschenswert,  dass  der  Kranke 
und  alles,  was  mit  ihm  in  Berührung  kommt,  möglichst  isoliert  und 
abgesperrt  von  der  Umgebung  bleibt,  bleiben  soll  wollen  wir  lieber 
sagen,  denn  in  den  meisten  Fällen  sind  eben  derartige  Wünsche  nur 
im  Krankenhaus  oder  in  sehr  verständigen  Familien  durchführbar 
und  werden  in  den  meisten  Fällen,  vor  allem  aber  beim  Proletariat 
nicht  erfüllt.  Eine  Verbindung  des  Kranken  mit  dem  übrigen  Haus 
bleibt  aber  bis  zu  einem  gewissen  Grade  bestehen,  ja  dann,  wenn  das 
akute  Stadium  der  Krankheit  vorüber  ist  und  das  Kind  sich  auf  dem 
Wege  der  Besserung  befindet,  werden  leicht  Absperrungsmassregeln 
ganz  ausser  acht  gelassen.  Das  Dienstmädchen  versorgt  das  Kran¬ 
kenzimmer,  die  Wäschestücke  werden  nicht  gesondert  behandelt, 
ebensowenig  das  Ess-  und  Trinkgeschirr.  Nachdem  dieser  Zustand 
ungefähr  14  Tage  bis  3  Wochen  gedauert  hat,  kommt  plötzlich  die 
Desinfektionskolonne,  nimmt  alles,  was  nicht  niet-  und  nagelfest  ist, 
mit,  versetzt  das  ganze  Haus  in  eine  Art  Belagerungszustand,  um  es 
dann  zum  Schluss  gegen  Abend  wieder  zu  verlassen.  Geblieben  ist 
aber  in  den  meisten  Fällen  der  die  Schleimhaut  ausserordentlich  rei¬ 
zende  Formaldehydgeruch  und  die  Versicherung,  dass  man  noch  an 
demselben  Abend  in  dem  desinfizierten  Zimmer  schlafen  könne.  Dies 
ist  an  diesem  Abend  ebenso  unausführbar  wie  an  dem  folgenden.  Die 
Kritik  der  Eltern  übergehe  ich  hier.  Auch  bin  ich  mir  wohl  bewusst, 
dass  in  manchen  Fällen  eine  bessere  Lösung  vorderhand  nicht  zu 
finden  ist.  Immerhin  aber  habe  ich  den  Eindruck,  als  wenn  auch 
die  noch  so  rigoros  durchgeführte  Desinfektion  der  Wohnräume  bei 
weitem  nicht  imstande  ist,  alle  Keime  zu  vernichten.  —  Und  dennoch 
ist  die  Infektionsgefahr  vorüber,  genau  so  wie  andere  Epidemien  auch 
ohne  Zutun  der  Menschen  schliesslich  erlöschen. 

Ist  die  Infektiosität  des  Diphtheriebazillus  nun  wirklich  so  gross, 
wie  manche  meinen?  Könnte  es  dann  gesunde  Aerzte  geben,  und  vor 
allem  gesunde  Arztkinder?  Hängt  die  Ursache  einer  Erkrankung  nur 
an  diesem  gefährlichen  Keim?  Warum  erkranken  in  einer  Familie  die 
einen  Kinder,  und  warum  erkranken  andere  wieder  nicht,  obwohl  sie 
ganz  genau  denselben  Bedingungen  ausgesetzt  gewesen  waren? 

Als  erlösendes  Wort  erscheint  hier  die  Disposition,  ein 
anderes  Fragezeichen  für  das,  welches  wir  eben  gesetzt  haben.  Und 
so  erwachsen  bei  dieser  Frage  nach  der  Ursache  und  dem  Wesen 
der  Infektionskrankheiten  immer  neue  Rätsel  und  harren  der  Lösung. 
Es  ist  ausserordentlich  schwierig,  dem  gebildeten  Laien,  der  hier 
beim  Arzte  Antwort  heischt,  eine  genügende  Auskunft  zu  geben. 

Von  weittragender  Bedeutung  ist  der  Kampf  gegen  den  Diph¬ 
theriebazillus  in  der  Schule.  Bricht  in  einer  Klasse  Diphtherie  aus 
und  mehren  sich  die  Fälle,  hat  vielleicht  ein  diphtheriekrankes  Kind 
in  das  Klassenzimmer  gebrochen,  so  wird  die  Klasse  geschlossen  und 
der  Schulraum  desinfiziert.  Manchmal  ist  die  Sache  damit  abgetan. 
Nicht  selten  aber,  vielleicht  8  oder  14  Tage  nachdem  die  Schüler  sich 
wieder  versammelt  haben,  bricht  ein  neuer  Diphtheriefall  aus  und 
beweist  die  Unzulänglichkeit  der  Massnahmen,  beweist  aber  auch  vor 
allem,  dass  weit  weniger  die  ausserhalb  des  Menschen  befindlichen 
Keime  die  Hauptsache  bei  der  Infektion  sind,  als  vielmehr  die  Men¬ 
schen,  die  mit  solchen  Keimen  behaftet  sind. 

Ueber  die  Infektiosität  der  Kranken  ist  nicht  zu  diskutieren. 
Aber:  Sind  die  gesunden  Keimträger  infektiös?  Ist  ihre  Nähe  beson¬ 
ders  zu  fürchten?  Wie  kann  man  Stellung  zu  ihnen  nehmen? 

Im  allgemeinen  entziehen  sich  diese  Keimträger  jeglicher  Kon¬ 
trolle.  Die  Schule  ist  der  einzige  Ort,  wo  wir  ihre  Wirksamkeit  ver¬ 
folgen  und  wo  wir  überhaupt  die  Möglichkeit  haben,  auf  sie  ein¬ 
wirken  zu  können.  Es  existiert  die  Bestimmung:  „So  lange  sich  noch 
Diphtheriebazillen  vorfinden,  nicht  nur  bei  den  Genesenen,  sondern 
auch  bei  den  schulpflichtigen  Geschwistern,  ist  der  Besuch  der  Schule 
verboten.“  Das  System,  das  jetzt  bei  uns  ebenfalls  angenommen 
worden  ist,  hat  bereits  in  Halle  durch  D  r  i  g  a  1  s  k  y  eine  straffe  Form 
gefunden : 

„Niemand  darf  nach  einer  ansteckenden  Krankheit  oder  bei 
Verdacht  auf  Infektion  die  Schule  wieder  besuchen,  bevor  er  das 
schulärztliche  Zeugnis  erhalten  hat,  dass  er  nicht  mehr  ansteckend 
ist.  Das  subjektive  Wohlbefinden  ist  ganz  gleichgültig  dabei.“ 

Es  existiert  dort  eine  grosse  schulärztliche  Abteilung,  wohin  die 
Genesenen  vom  Lehrer  mit  einem  Krankheitsbogen  geschickt  werden, 
wenn  sie  zum  erstenmal  die  Schule  wieder  besuchen.  Die  Abteilung 
hat  verschiedene  Wartezimmer,  in  denen  die  Rekonvaleszenten  nach 
den  einzelnen  Krankheiten  getrennt  bleiben,  ein  Meldezimmer,  ein 


j  Sprechzimmer  für  die  Aerzte  und  ein  Untersuchungszimmer.  Diesen 
Untersuchungen  unterliegen,  wo  nötig,  auch  die  gesunden  Geschwi¬ 
ster,  Eltern  und  Hausgenossen.  Die  Ermittelung  jeder  einzelnen  Er- 
krankung  geschieht  durch  die  polizeilichen  Krankheitsmeldungen,  die 
der  schulärztlichen  Abteilung  zugehen,  und  ausserdem  durch  Mit¬ 
teilungen,  die  der  Klassenlehrer  über  jede  ansteckende  Erkrankung 
;  oder  auch  nur  Verdacht  auf  solche  bei  Schülern,  deren  Angehörigen 
und  Lehrern  oder  in  Lehrerfamilien  dem  Schularzt  zu  machen  ver¬ 
pflichtet  ist.  Es  wird  behauptet,  dass  das  radikale  Verfahren  sich 
glänzend  durchführen  liess  und  zu  irgendwelchen  Unzuträglichkeiten 
nicht  führte.  Die  Resultate,  die  in  den  letzten  4  Jahren  publiziert 
wurden,  sind  gut  und  harren  nur  noch  der  Bestätigung,  dass  in  den 
nächsten  10  Jahren  dieselben  absteigenden  Linien  verfolgt  w'erdeu. 
Ob  es  angebracht  ist,  derartige  drakonische  Massregeln  auf  die  Dauer 
durchzuführen,  lasse  ich  dahingestellt.  Man  kann  die  Vermutung  nicht 
unterdrücken,  dass  allzu  scharf  angezogene  Bestimmungen  das  Publi¬ 
kum  leicht  in  die  Hände  der  Kurpfuscher  treibt  und  zu  Verheim¬ 
lichungen  und  wissentlichen  Entstellungen  Anlass  gibt.  So  kann  man 
verstehen,  wenn  gegen  die  allzulange  Fernhaltung  der  sog.  „Dauer¬ 
ausscheider“  von  manchen  Seiten  ein  energischer  Einspruch  erhoben 
wdrd.  Eine  noch  viel  grössere  Reaktion  würde  sich  geltend  machen, 
wenn  man  eine  obligatorische  Impfung  aller  in  der  Klasse  befindlichen 
Schüler  befürwortete.  Ja  es  sind  sogar  Stimmen  laut  geworden, 
die  Gesetze  fordern,  genau  so  wie  das  Impfgesetz,  für  eine  rigorose 
Durchführung  präventiver  Einspritzungen  mit  Heilserum.  Ganz  ab¬ 
gesehen  davon,  dass  eine  Einspritzung  mit  Heilserum  wohl  auf  Zeit 
einen  Schutz  vor  Erkrankungen,  aber  bei  weitem  keine  Immunisierung 
des  Individuums  gewährleistet,  dass  bei  wiederholten  Einspritzungen 
eine  Ueberempfindlichkeit  des  Individuums  eiutreten  kann,  Ihnen 
wmhlbekannt  unter  dem  Namen  „Anaphylaxie“,  die  bisweilen  recht 
unangenehme  Reaktionen  hervorrufen  kann;  so  ist  vor  allem  der  hohe 
Preise  des  Heilserums  in  erster  Linie  dazu  angetan,  diesen  im  grossen 
und  auch  im  kleinen  durchgeführten  Behandlungen  mit  Heilserum  eine 
Schranke  zu  setzen.  Man  kann  wohl  verstehen,  dass  in  manchen 
Familien,  vor  allem  bei  Mitgliedern  einer  Kasse,  welche  das  Heil¬ 
serum  zu  zahlen  nicht  gewillt  ist.  ein  sehr  berechtigter  Widerstand 
seitens  des  Haushaltungsvorstandes  derartigen,  wie  es  scheint,  „un¬ 
nötigen“  Ausgaben  entgegengesetzt  wdrd. 

M.  H.!  Die  allzu  grosse  Bewertung  der  Dauerausscheider,  wenn 
sie  sich  vollständig  wmhl  und  gesund  fühlen,  scheint  mir  zu  Kon¬ 
sequenzen  zu  führen,  die  mit  unseren  sonstigen  pathologischen  An¬ 
schauungen  nicht  in  Einklang  zu  bringen  sind  und  die  schliesslich 
an  die  Grenze  der  Unausführbarkeit  kommen.  Vernunft  wird  Unsinn, 
Wohltat  Plage.  Selbst  w^epn  theoretische  Bedenken  entgegenstehen, 
müssen  wrir  aus  praktischen  Rücksichten  den  gesunden  Bazillenträger 
für  unschädlich  halten.  In  erster  Linie  steht  für  die  Beurteilung  der 
Diphtherie  doch  das  klinische  Bild.  Hier  glaube  ich,  muss  auch  bei 
der  Prophylaxe  in  der  Schule  —  und  nur  von  dieser  spreche  ich  hier 
—  darauf  Rücksicht  genommen  werden.  Und  deshalb  ist  eine  per¬ 
sönliche  Ueberwachung  des  einzelnen  Schülers  in  einer  Klasse,  in 
welcher  Diphtherie  vorkommt,  unerlässlich.  Ich  w'iirde  es  für  aus¬ 
reichend  halten,  wenn  diejenigen  Schüler,  die  in  der  Nähe  des  diph¬ 
theriekranken  Kindes  gesessen,  vom  Arzt  untersucht  würden.  Es 
genügt  eine  Inspektion  des  Rachens.  Fidet  sich  eine  Entzündung, 
so  soll  der  bakteriologische  Befund  entscheiden.  Häufen  sich  die 
Fälle  in  der  Klasse,  so  muss  die  ganze  Klasse  durchgesehen  werden, 
und  nur  diejenigen  sollen  bakteriologisch  untersucht  werden,  bei 
denen  man  Verdacht  auf  eine  wirkliche  diphtheritische  Erkrankung 
hegt.  Dass  natürlich  zur  praktischen  Durchführung  einer  wirksamen 
Diphtherieprophylaxe  alles  das  gehört,  wms  eine  vernünftige  Hygiene 
1  fordert,  ist  selbstverständlich. 

Für  die  Schule  kämen  in  Betracht:  Betonung  hygienischer  Fra¬ 
gen,  Heraushebung  anatomischer  und  biologischer  Gesichtspunkte. 
Zahnpflege  und  vor  allem  persönliche  Ueberwachung  von  seiten  des 
Schularztes  in  den  obenerwähnten  Fällen. 

Es  mag  als  Traumwunsch  erscheinen,  ohne  Infektionsstoff  auf 
der  Erde  zu  leben.  Ich  gebe  auch  die  Möglichkeit  zu,  ein  solches  Ziel 
einmal  zu  erreichen.  Es  fragt  sich  nur  mit  welchen  Opfern  es  er¬ 
kauft  wird.  Ich  möchte  warnen,  den  Behörden  gegenüber  Massregeln 
als  unumgänglich  notw  endig  hinzustellen,  die  sich  in  der  Praxis  dann 
nicht  ausführen  lassen  und  deshalb  zurückgenommen  werden  müssen. 
Durch  nichts  wird  der  Wert  einer  wisenschaftlichen  Forschung  mehr 
diskreditiert  als  durch  einen  derartigen  Widerruf. 

Herr  Teuf  fei  berichtet  über  eine  Reihe  von  Untersuchungen 
auf  Diphtheriebazillen,  w'elche  er  in  Gemeinschaft  mit  Herrn 
Dr.  Flachs  an  den  Besuchern  der  Kinderpoliklinik  in  der  Johann¬ 
stadt  angestellt  hat.  Die  Zahl  der  untersuchten  Kinder  betrug  97. 
bei  einem  Teil  derselben  wmrde  ein  einmaliger,  bei  einem  anderen 
ein  zweimaliger  Abstrich  aus  Rachen  und  Nase  gemacht.  Die 
bakteriellen  Untersuchungen  wurden  im  Krankenhaus  Friedrichstadt 
bei  Herrn  Geheimrat  Sch  m  o  r  1  ausgeführt  mit  Benützung  des 
Tellurverfahrens.  Die  Kontrolle  durch  Tierversuche  musste  untcr- 
!  bleiben. 

Das  Ergebnis  der  Untersuchungen  war  folgendes:  In  46,4  Proz. 
überhaupt  wurden  Diphtheriebazillen  gefunden,  also  fast  in  der  Hälfte 
der  Fälle.  Von  den  Säuglingen  t  (die  Hälfte  der  Kinder)  waren 
41,7  Proz.  mit  Bazillen  behaftet.  In  der  Nase  der  Kinder  wurden 
ungleich  häufiger  Bazillen  gefunden  als  im  Rachen,  bei  den  nur 
einmal  abgestrichenen  Kindern  im  Verhältnis  14:1,  bei  den  zweimal 
untersuchten  in  dem  von  1014:1.  In  den  positiven  Fällen  waren  in 


556 


No.  in. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Nase  allein  zu  82,2  Proz.,  im  Rachen  zu  17,8  Proz.  Bazillen  fest¬ 
zustellen.  Beide  waren  positiv  nur  in  2  Fällen;  die  Nasenuntersuchung 
allein  ergab  bei  zweimal  abgestrichenen  Kindern  7  mal  beide  Male 
positiven  Befund.  Schon  daraus  geht  die  Notwendigkeit  hervor,  bei 
allen  Kindern  stets  Nase  und  Rachen  zu  untersuchen  und  der  Nase 
bei  der  Prophylaxe  grössere  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Ein 
sicherer  Zusammenhang  zwischen  bestehenden  katarrhalischen  Er¬ 
krankungen  und  dem  positiven  Ausfall  der  Untersuchungen  Hess  sich 
nie  nachweisen. 

Von  9  Impflingen  unter  den  Untersuchten  hatten  2  Diphtherie- 
bazillen  in  der  Nase. 

Die  Diskussion  wird  infolge  der  vorgerückten  Stunde  ver¬ 
schoben. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1637.  ordentliche  Sitzung  vom  3.  Februar  1913, 
im  Sitzungssaal  des  Vereins,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a.: 

1.  Embolie  sämtlicher  Hauptäste  der  Pulmonalarterie  bei  Becken¬ 
venenthrombose  und  chronischen  Blutungen  des  Uterus. 

2.  Verblutung  infolge  Perforation  ausgedehnter  kongenitaler 
Oesophagusvarizen,  4  Jahre  alter  Knabe. 

Herr  D  r  e  y  f  u  s:  Salvarsan  und  Liquor  cerebrospinalis  bei  Fruh- 
syphilis.  (Fortsetzung  <}es  Vortrags  des  Herrn  Alt  mann  vom 
20.  I.  1913.)  Erschienen  in  No.  9  und  10  d.  W. 

Diskussion:  Herr  B  e  n  a  r  i  o  betont  die  Wichtigkeit  der 
Untersuchungen  der  Herren  A 1 1  m  a  n  n  und  D  r  e  y  f  u  s  für  die  noso¬ 
logische  Auffassung  der  Syphilis,  die,  wie  die  Untersuchungsresultate 
auch  anderer  Forscher  ergeben,  in  einem  sehr  hohen  Prozentsatz 
schon  sehr  frühzeitig,  d.  h.  in  der  Zeit  des  ersten  Exanthems  das  Zen¬ 
tralnervensystem  befällt  und  sich  in  ihm  lokalisiert,  ohne  zunächst 
klinische  Erscheinungen  hervorzurufen.  Das  Lumbalpunktat  zeigt 
dann  deutlich,  dass  eine  „Meningite  histologique“  besteht.  B.  hat 
schon  früher  einmal  betont,  dass  das  Schicksal  der  Hirnsyphilitiker 
in  der  Hand  der  Dermatologen  liege.  Zum  Beweis,  wie  genau  fast 
die  einzelnen  Resultate  der  Autoren  übereinstimmen,  gibt  B.  die 
Zahlen  von  Jeanselme  und  C  h  e  v  a  1 1  i  e  r  (Revue  de  medecine) 
bekannt. 

Im  Namen  von  Geh.  Rat  Ehrlich,  der  am  Erscheinen  ver¬ 
hindert  ist,  macht  B.  Mitteilung  über  Spirochätenbefunde  in 
Gehirnen  bei  Paralysis  progressiva.  Noguchi  hat  in 
71  Fällen  von  Paralyse  14  mal  Spirochäten  gefunden.  Ein  an  Geh.  Rat 
Ehrlich  eingeschicktes  Originalpräparat  wird  in  der  nächsten 
Sitzung  demonstriert  werden. 

Herr  Schwenkenbecher:  Nicht  nur  bei  der  Syphilis  des 
Zentralnervensystems  wird  oft  das  Fundament  der  Erkrankung  schon 
in  den  frühesten  Zeiten  der  Infektion  gelegt,  sondern  allem  Anschein 
nach  auch  bei  anderen  syphilitischen  Organkrankheiten.  So  be¬ 
obachteten  wir  kürzlich  in  2  Fällen,  einmal  6  Wochen  und  einmal 
8  Wochen  nach  dem  Primäraffekt  Herzstörungen,  die  sich  bei  ein¬ 
gehender  Untersuchung  als  akute,  therapeutisch  beeinflussbare  Aor¬ 
titis  (Erweiterung  der  aufsteigenden  Aorta  im  Röntgenbilde)  erwiesen. 

Herr  K.  Reicher  -  Bad  Mergentheim :  Ueber  die  Bedeutung  der 
Blutzuckerbestimmungen  für  die  Diagnose  und  Therapie  des  Diabetes 
mellitus. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer :  Herr  S  t  i  e  d  a. 

Herr  Grouven  demonstriert  einen  Fall  von  Skleroderniia 
diffusa,  bemerkenswert  durch  die  scharf  begrenzte  Lokalisation  der 
Erkrankung  auf  die  unbedeckten  Körperstellen,  Gesicht  und  Hals  bei 
einem  Kranken,  der  den  südwestafrikanischen  Krieg  als  Fahnen- 
schrnied  mitmachte  und  unmittelbar  danach  erkrankte. 

Durch  Fibrolysininjektionen  in  Verbindung  mit  Quarzlampen¬ 
bestrahlungen  wurde  eine  nicht  unerhebliche  Besserung  erzielt. 

Herr  Lindemann  (a.  G.) :  Demonstration  eines  neuen  an¬ 
aeroben  Kulturverfahrens  für  Blutuntersuchungen.  (Erscheint  aus¬ 
führlich  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  K.  Reicher- Bad  Mergentheim  -  Sanatorium  Schwarzeck, 
Blankenburg  (a.  G.) :  Ueber  Blutzucker-  und  Blutlipoidbestimmungen 
bei  Diabetes  mellitus. 

Die  Methode  der  Blutzuckerbestimmung  von  Reicher  und 
Stein  beruht  auf  der  Bildung  von  Oxymethylfurfurol  beim  Zu¬ 
sammentreffen  von  Kohlehydraten,  konz.  H2SO1  und  a-Naphthol.  Die 
Bestimmung  erfolgt  kolorimetrisch  mittels  des  Universal-Chromo- 
skops  von  E.  H.  Stein. 

Die  Nüchternwerte  des  Gesunden  schwanken  zwischen  0,09  bis 
0,15  Proz.,  die  des  Diabetikers  zwischen  0,2  bis  0,3  Proz.  Bei  Be¬ 
lastungsproben  mit  Traubenzucker  erreicht  der  Gesunde  nach  1,  der 


Diabetiker  erst  nach  2 — 3  Stunden  die  Akme  der  Blutzuckerwerte, 
und  zwar  liegen  auch  diese  beim  Diabetiker  in  der  Regel  viel  höher 
als  in  der  Norm.  Gleichzeitig  vorgenommene  Gasanalysen  zeigen 
eine  Verlangsamung  der  Zuckerverbrennung  beim  Zuckerkranken,  bei 
dem  auch  der  Schwellenwert  für  den  Anreiz  zur  Verbrennung  viel 
höher  liegt  als  beim  Gesunden.  Der  Erfolg  oder  Misserfolg  von  Diät¬ 
kuren  ist  nicht  nach  dem  Urinzucker,  sondern  nach  dem  Blutzucker 
zu  beurteilen.  Bleibt  letzterer  hoch,  so  ist  die  Prognose  ungünstiger 
zu  stellen  und  mit  Kohlehydraten  äusserst  vorsichtig  zu  verfahren. 
Es  gibt  einen  latenten  Diabetes,  mit  hohen  Blutzuckerwerten 
bei  fehlendem  Urinzucker,  die  diabetischen  Beschwerden  dieser  Pa¬ 
tienten,  w-ie  Furunkulose.  Zahnausfall,  Alveolarpyorrhöe,  Gewichts¬ 
schwankungen,  Erysipele,  Hautjucken,  Neuralgien  etc.  bilden  sich 
nach  kohlehydratfreier  Kost  und  Sinken  des  Blutdruckerysipels 
prompt  zurück,  ln  dieser  Hinsicht  leistet  auch  die  Mergent¬ 
heim  e  r  Karlsquelle  vorzügliche  Dienste,  welche  die  Blut¬ 
zuckerwerte  selbst  bei  gleichbleibendem  Kohlehydratgehalt  der 
Nahrung  auf  die  Hälfte,  ja  in  manchen  Fällen  bis  auf  ein  Drittel  herab¬ 
zudrücken  vermag.  Bei  herannahendem  Koma  steigen  die  Blut¬ 
zuckermengen  ebenso  wie  in  der  Narkose,  die  Urinzuckerwerte  sin¬ 
ken  dagegen. 

Diskussion:  Herr  Mohr. 

Herr  Lindemann:  Ich  möchte  darauf  hinweisen,  dass  auch 
in  der  Schwangerschaft  gegen  Ende  derselben  eine  beträchtliche 
Vermehrung  der  Cholesterinester  im  Blute  stattfindet.  Das  haben 
N  e  u  m  a  n  n  und  Herrmann  auch  quantitativ  bewiesen.  Ich 
konnte  die  Resultate  mit  Petrolätherextraktbestimmungen  bestätigen, 
Versuche,  die  demnächst  veröffentlicht  werden  sollen.  Was  das 
Verhältnis  des  Blutzuckers  zu  den  Cholesterinestern  und  anderen 
Fettkörpern  anlangt,  so  müssen  die  Verhältnisse  hier  anders  liegen 
als  beim  Diabetes,  es  wäre  jedenfalls  eine  Untersuchung  dieser  Frage 
recht  interessant.  Bei  verschiedenen  Fällen  von  Amenonhöe  fand 
ich  ebenfalls  eine  beträchtliche  Vermehrung  der  Fettstoffe  (14 — 15  g 
pro  Liter),  jedoch  nicht  bei  allen.  In  einem  Falle  von  Eklampsie  war 
eine  starke  Verminderung  vorhanden. 

Herr  Heynemann:  In  der  hiesigen  Frauenklinik  wurden  auch 
B 1  u  t  z  u  c  k  e  r  bestimmungen  während  der  Schwangerschaft 
vorgenommen  (E.  B  e  r  g  s  m  a).  Bestimmt  wurde  der  Zuckergehalt 
des  Plasmas  nach  der  Methode  von  Möckel-Frank.  Hierbei 
liess  sich  aber  ein  Bestreben  des  Körpers,  den  Zuckergehalt  des  Blu¬ 
tes  zu  erhöhen,  nicht  feststellen.  Der  Blutzuckergehalt  hielt  sich  in 
normalen  Grenzen.  Nach  Darreichung  von  100  g  Traubenzucker 
wurde  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  keine  Erhöhung  des  glykämischen 
Koeffizienten  gegenüber  der  Norm  gefunden.  Aus  der  hierbei  häufig 
auftretenden  alimentären  Glykosurie  Hesse  sich  sogar  eher  folgern, 
dass  dem  Körper,  und  zwar  speziell  den  Nieren  während  der  Schwan¬ 
gerschaft  in  erhöhtem  Masse  das  Bestreben  zukäme,  eine  Ver¬ 
mehrung  des  Blutzuckergehaltes  möglichst  zu  verhindern  bzw.  zu  be¬ 
seitigen. 

Herr  Mohr.  —  Herr  Reicher  (Schlusswort). 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmilinsky. 

Schriftführer:  Herr  Kehl. 

Herr  Sa  enger  und  Herr  Bornstein:  Ueber  den  Tremor 
und  dessen  Untersuchung  mittels  des  Saitengalvanometers. 

Nach  einer  Einleitung  über  die  verschiedenen  Tremorarten:  bei 
der  multiplen  Sklerose,  der  Paralysis  agitans,  beim  Hirntumor,  bei 
dem  M.  Basedow,  bei  den  Intoxikationen  (Alkohol,  Quecksilber, 
Morphium),  bei  der  Paralyse  und  bei  der  Hysterie  wurden  die  Re¬ 
sultate  der  neuen  Untersuchungsmethode  mittels  des  Saitengalvano¬ 
meters  mitgeteilt  und  die  entsprechenden  Kurven  mittels  Projektions¬ 
apparats  demonstriert. 

Bei  einer  Anzahl  von  Kranken  ergab  die  Analyse  der  Zitter¬ 
bewegung  mittels  dieser  neuen  Untersuchungsmethode,  dass  jeder 
Zitterbewegung  3 — 6  negative  elektrische  Schwankungen  entsprachen. 
Jede  einzelne  Zitterbewegung  war  also  ein  Tetanus;  die  einzelnen 
Elektrizitätswellen  hatten  eine  normale  Fortpflanzungsgeschwindig¬ 
keit  in  der  Muskelsubstanz  und  eine  normale  zeitliche  Aufeinander¬ 
folge  (Paralysis  agitans,  Chorea  electrica).  In  anderen  Fällen  war 
die  tetanische  Konstitution  der  einzelnen  Zitterbewegung  zwar  regel¬ 
mässig  gewahrt,  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  die  zeitliche 
Aufeinanderfolge  der  Wellen  war  jedoch  verringert  (Intentionstremor 
bei  der  multiplen  Sklerose).  In  einer  dritten  Kategorie  der  Fälle 
(alkoholischer  Tremor,  Chorea  hysterica)  kamen  neben  den  deutlich 
tetanischen  Zitterbewegungen  gelegentlich  auch  solche  vor,  in  denen 
jeder  Bewegung  nur  1 — 2  Elektrizitätswellen  entsprachen. 

Während  bei  normalen  Sehnenreflexen  (Patelhrreflex  etc.)  einer 
Reflexbewegung  eine  einzige  Elektrizitätswelle  entspricht,  setzt  sich 
der  Fussklonus  aus  2 — 4  solchen  Wellen  zusammen. 

Beim  Muskelspasmus  nimmt  in  leichten  Fällen  die  Anzahl  und  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  einzelnen  Wellen  ab;  bei  schweren 
Spasmen,  bei  denen  die  willkürliche  Bewegung  des  Muskels  getrennt 
ist,  kommt  es  zu  keinen  oder  höchstens  sehr  geringen  elektrischen 
I  Erscheinungen.  (Autoreferat.) 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


II.  März  1913. 


Diskussion:  Herr  E.  Fraenkel. 

Herr  Weygandt  erinnert  daran,  dass  der  bisher  voll¬ 
kommenste  Apparat  zum  Studium  des  Tremors  für  dreidimensionale 
Analyse  der  Zitterbewegungen,  nach  S  o  m  m  e  r,  sich  einer  rein 
mechanischen  Uebertragung  bedient  und  bereits  wertvolle  Resultate 
gebracht  hat,  vor  allem  hinsichtlich  der  Aufdeckung  epileptischer 
Eigentümlichkeiten.  Die  von  dem  Saitengalvanometer  noch  zu  er¬ 
wartenden  Untersuchungen  lassen  vor  allem  auch  in  dieser  Richtung, 
weiterhin  besonders  auch  hinsichtlich  des  simulierten  Tremors,  wich¬ 
tige  Aufschlüsse  erhoffen. 

Herr  S'aenger:  Schlusswort. 

Herr  Simmonds:  Ueber  Carcinoma  sarcomatodes  der  Schild¬ 
drüse. 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  eines  faustgrossen  Tumors 
der  Schilddrüse,  der  bei  einer  70  jährigen  Frau  exstirpiert  worden 
war  und  in  welchem  sich  karzinomatöses  und  sarkomatöses  Gewebe 
innig  vermischt  fand,  bespricht  Vortr.  die  Genese  des  Carcinoma 
sarcomatodes.  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  es  sich  nicht  um 
eine  sekundäre  sarkomatöse  Degeneration  des  Stroma  eines  primären 
Karzinoms  handelt,  wie  meist  vorausgesetzt  wird,  sondern  um  eine 
Kombinationsgeschwulst,  in  der  von  vornherein  beide  Tumorelemente 
vertreten  sind.  (Ausführliche  Publikation  in  der  Zeitschr.  f.  Krebs¬ 
forschung.) 

Herr  Schmilinsky:  Doppelte  Gastroenterostomie  bei  Sand¬ 
uhrmagen. 

63  jährige  Kranke.  Seit  30  Jahren  periodisch  auftretende  Magen¬ 
geschwürssymptome.  Mehrere  Male  Blutbrechen  und  Meläna.  Seit 
Frühjahr  1912  neue  Schmerzperiode.  Innere  Behandlung  ohne  Er¬ 
folg.  Tumor  im  Epigastrium.  Fehlen  freier  HCl  im  Probefrühstück. 
Magenschlauch  stösst  bei  53  cm  von  den  Zähnen  auf  Widerstand. 
Eingegossenes  Wasser  lässt  sich  nicht  Zurückhebern  Verdacht  auf 
kallöses  Ulcus  der  kleinen  Kurvatur  mit  Sanduhrmagen.  Röntgen¬ 
durchleuchtung  brachte  die  Bestätigung:  Sanduhr-  und  Nischensym- 
ptom  des  in  die  Umgebung  perforierten  Geschwürs  deutlich.  Der 
Nische  entspricht  palpatorisch  der  epigastrische  Tumor.  Es  wird 
angenommen,  dass  derselbe,  wie  meist,  einem  Teil  der  dem  Ulcus  wie 
ein  Deckel  aufsitzenden  Leber  entspricht,  *  in  die  das  Ulcus  ein¬ 
gebrochen  ist.  Der  Kanal  zwischen  beiden  Magenhälften  nicht  sehr 
eng:  ohne  Hemmung  fliesst  der  Baryumbrei  aus  dem  oberen  in  den 
unteren  Magen.  Pylorus  durch  Schrumpfung  der  kleinen  Kurvatur 
nahe  an  das  Geschwür  herangezogen.  Pylorischer  Magen  daher 
schneckenförmig  aufgerollt.  Starke  Wellen  ziehen  zum  Pylorus  und 
fluten  zurück.  Keine  Duodenumfüllung.  Also:  Pylorusstenose.  Noch 
nach  8  Tagen  lagern  Baryumreste  auf  dem  Grunde  des  pylorischen 
Magens.  Letzteren  mit  dem  Schlauch  zu  entleeren,  war  unmöglich. 
Der  Schlauch  blieb  im  oberen  Magen  hängen.  Nur  eine  Operation 
konnte  helfen.  Wenn  möglich  muss  in  solchen  Fällen  die  Resektion 
gemacht  werden  (am  besten  die  quere),  die  meist  überraschend  gut 
vertragen  wird.  Die  untere  Resektionslinie  hätte  hier  ins  Duodenum 
fallen  müssen.  Gegen  die  Resektion  sprach  1.  das  Alter,  2.  die 
fehlende  freie  HCl,  3.  die  Unmöglichkeit,  den  Schlauch  zwecks  Ent¬ 
leerung  der  stagnierenden  Massen  in  den  unteren  Magen  einzu- 
fiihren.  Nähere  Begründung:  Bei  der  Resektion  ist  eine  Eröffnung  des 
Magens  an  der  Stelle,  wo  das  Ulcus  in  die  Umgebung  durchgebrochen 
ist.  trotz  aller  Vorsicht  (z.  B.  gleichzeitige  Resektion  des  Leberrand¬ 
teiles,  der  das  Ulcus  deckt  und  verschliesst)  nicht  immer  zu  ver¬ 
meiden.  Das  konnte  in  diesem  Falle  um  so  verhängnisvoller  werden, 
als  der  untere  Magen  nicht  zu  entleeren  war  und  einen  angestauten, 
HCl-freien,  also  sehr  infektiösen  Inhalt  enthielt.  Die  Herzen  alter 
Leute  sind  aber  gegen  Infektion  sehr  empfindlich.  Was  die  Möglich¬ 
keit  einer  bereits  vorhandenen  malignen  Entartung  des  Ulcus  anlangt 
(Anazidität!),  so  durfte  man,  da  sonst  nichts  für  Karzinom  sprach, 
und  Anazidität  auch  bei  gutartigen  alten  kallösen  Geschwüren  vor¬ 
kommt,  auf  das  eine  Symptom  hin  die  Kranke  nicht  den  beschrie¬ 
benen  Gefahren  aussetzen.  Die  Möglichkeit  einer  radikalen  Ent¬ 
fernung  eines  krebsig  entarteten  kallösen  Ulcus  war  zudem  sehr 
zweifelhaft.  Aus  diesen  Gründen  wurde  auf  die  Resektion  verzichtet 
und  Anfang  August  1912  nicht  nur  am  pylorischen  Magen,  sondern 
auch  am  kardialen  Magen  eine  (vordere)  Gastroenterostomie  angelegt. 
Die  letztere  schien  zwar  zurzeit  noch  nicht  nötig.  Man  musste  aber 
mit  einer  weiteren  Zusammenschnürung  des  Magens  an  der  Sand¬ 
uhrenge  rechnen.  Die  zur  oberen  Gastroenterostomie  zuführende 
und  die  von  der  unteren  Gastroenterostomie  abführende  Darm¬ 
schlinge  wurden  durch  Enteroanastomose  verbunden.  Der  Patien¬ 
tin  geht  es  seitdem  gut.  Auf  dem  Röntgenschirm  sieht  man.  dass 
beide  Anastomösen  arbeiten. 

Diskussion:  Herr  Haenisch  ist  nach  seiner  Erfahrung  auf 
Grund  röntgenologischer  wie  operativer  Beobachtungen  der  Ansicht, 
dass  das  penetrierende  Magenulcus  weit  häufiger  in  das  Pankreas 
eindringt,  als  in  die  Leber,  wie  aus  den  Worten  des  Herrn  Schmi¬ 
linsky  hervorging.  H.  fragt  ferner  den  Redner,  ob  er  bei  der 
Operation  feststellen  konnte,  wieviel  von  der  röntgenographisch  nach¬ 
gewiesenen  Sanduhrenge  auf  anatomischer  Ursache  und  wieviel  auf 
Spasmus  beruhte. 

Herr  Fraenkel:  Die  Bezeichnung  Ulcus  perforans  ist  durch 
die  des  Ulcus  penetrans  oder  Ulcus  progress  in  pancreas  zu  er¬ 
setzen,  da  eine  Perforation  de  facto  nicht  Vorgelegen  hat.  Ich  möchte 
die  Gelegenheit  benützen,  um  zu  erklären,  dass  die,  insbesondere  von 
Dayr  vertretene,  Ansicht,  wonach  das  Gros  der  Fälle  von  Ulcus 


557 


callosum  ventriculi  krebsiger  Natur  ist,  nach  meinen  Erfahrungen 
nicht  zutrifft.  Man  beobachtet  derartige  Ulcera,  die  makroskopisch 
den  Eindruck  des  krebsigen  machep  und  histologisch  benigne  er¬ 
scheinen,  wie  auch  das  umgekehrte  Verhalten.  Eine  sichere  Ent¬ 
scheidung  ist  also  nur  durch  das  Mikroskop  herbeizuführen. 
Spastische  Zustände  am  Magen  brauchen  in  der  Narkose  nicht  vor¬ 
überzugehen,  ja  man  trifft  sie  noch  an  der  Leiche  an;  sie  können 
vollkommen  den  Eindruck  des  echten  Sanduhrmagens  machen,  es  ge¬ 
lingt  aber,  durch  Zug  die  Einschnürung  auszugleichen  und  damit 
schon  vor  der  Eröffnung  des  Organs  den  Beweis  zu  erbringen,  dass 
keine  organische  Erkrankung  (Narbenbildung)  vorliegt. 

Herr  Simmonds:  Ich  schliesse  mich  völlig  dem  an,  was  Herr 
Fraenkel  über  die  Beziehung  zwischen  Ulcus  callosum  und  Kar¬ 
zinom  gesagt  hat.  Payr  will  in  26  Proz.,  K  ii  1 1  n  e  r  gar  in  40  Proz. 
der  kallösen  Ulcera  Krebs  gefunden  haben.  Bei  meinem  sorgfältig 
mikroskopisch  geprüften  Material  findet  sich  ein  wesentlich  ge¬ 
ringerer  Prozentsatz.  Vielleicht  liegt  die  Differenz  daran,  dass  der 
Chirurg  manches  als  Ulcus  callosum  mit  karzinomatöser  Umwand¬ 
lung  bezeichnet,  was  wir  von  vornherein  als  primären  Krebs  auf¬ 
fassen. 

Herr  Schmilinsky  (Schlusswort) :  Dass  kallöse  Geschwüre 
häufiger  in  das  Pankreas  als  in  die  Leber  einbrechen,  ist  zuzugeben. 
Aber  wenn  infolge  des  Einbruchs  ein  Tumor  palpabe!  wird,  dann  ist 
es  am  häufigsten  ein  Teil  der  Leber.  Ueber  die  Neigung  kallöser 
Ulcera,  maligne  zu  entarten,  gehen  die  Meinungen  noch  auseinander. 
Die  Entscheidung  wird  dadurch  erschwert,  dass  von  mehreren  Seiten 
(v.  Eiseisberg,  Kocher,  Vortragender)  Fälle  beobachtet 
sind,  wo  an  resezierten  Geschwüren  mikroskopisch  kein  Karzinom 
nachweisbar  war.  die  betr.  Kranken  aber  später  an  lokalen  Re¬ 
zidiven  oder  an  Metastasen  zugrunde  gingen.  Negative  Ausfälle  der 
mikroskopischen  Untersuchung  müssen  daher  mit  einiger  Vorsicht 
aufgenommen  werden.  Was  die  Form  des  Sanduhrmagens  an¬ 
betrifft,  so  erwies  sie  sich  bei  der  Autopsie  in  vivo  als  organisch 
bedingt. 

Sitzung  vom  21.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Schmilinsky. 

Schriftführer :  Herr  Schaedel. 

Herr  Unna  sen. :  Die  praktische  Anwendung  der  Sauerstofi- 
reagentien.  (Erscheint  ausführlich  in  der  Berl.  klin.  Wochenschr.) 

Herr  Reicher  (a.  G.) :  Die  Bedeutung  der  Blutzuckerbestim- 
mungen  für  die  Diagnose  und  Therapie  des  Diabetes  mellitus. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  16.  Januar  1913  in  der  Medizinischen  Klinik. 

Herr  Lüthje  spricht  zur  klinischen  Diagnostik  des  Typhus 

abdominalis,  wobei  er  besonders  auf  die  relative  Pulsverlangsamung, 
die  positive  Diazoreaktion  und  die  Leukopenie  Gewicht  legt. 

Derselbe  stellt  einen  Fall  von  Dermatitis  exfoliativa  und 
Nephritis  nach  Salvarsan-  und  Kalomelinjektionen  vor. 

Diskussion:  Herr  Schlecht  konnte  bei  dem  von  Lüthje 
demonstrierten  Fall  von  Salvarsaninjektion  ähnlich  wie  bei  dem  von  ihm 
früher  beschriebenen  tödlich  verlaufenen  Fall  von  Arsenophenylglyzin- 
überempfindlichkeit  (s.  bei  N  e  i  s  s  e  r :  Beiträge  zur  Pathologie  und 
Therapie  der  Syphilis,  Berlin  1911)  eine  periphere  Eosinophilie  von 
20 — 25  Proz.  feststellen.  Ausserdem  waren  in  den  Hautblasen  LS  aller 
Zellen  eosinophile  Leukozyten.  Ein  exzidiertes  Hautstückchen  zeigte 
bei  Giemsafärbung  eine  sehr  starke  lokale  Eosinophilie  in  dem  sub¬ 
kutanen  Gewebe.  Das  mikroskopische  Bild  ähnelt  der  lokalen  Eosino¬ 
philie  in  der  Haut  beim  Arthus  sehen  Phänomen.  (Erscheint  aus¬ 
führlich.) 

Herr  Bering. 

Herr  Weiland:  Ueberleitungsstörungen  bei  Diphtherie. 

9  jähriger  Knabe  erkrankte  Mitte  Juli  1912  mit  einer  Rachen¬ 
diphtherie,  von  der  er  sich  bald  erholte,  so  dass  er  14  Tage  nach 
Beginn  der  Erkrankung  das  Bett  verlassen  konnte.  Am  Tage  des 
ersten  Aufseins  Anfälle  von  Krämpfen  mit  Bewusstseinsstörungen; 
deshalb  Einlieferung  in  die  Klinik. 

Aufnahmebefund:  Keine  lokalen  Veränderungen  im  Rachen,  nur 
einmal  im  Abstrich  Diphtheriebazillen.  An  den  Organen  und  am 
Nervensystem  keine  nachweisbaren  Veränderungen,  insbesondere 
keine  Verbreiterung  der  Herzdämpfung  und  keine  palpatorisch  auf¬ 
findbaren  Rhythmusstörungen  des  kleinen,  weichen  Pulses;  Puls¬ 
frequenz  90  in  der  Minute.  In  den  ersten  6  Tagen  klinischer  Beob¬ 
achtung  gehäufte  Anfälle,  bei  denen  der  Knabe  blass,  dann  zyanotisch 
wurde,  nicht  auf  Anrufen  reagierte,  krampfartige  Zuckungen  der  Ex¬ 
tremitäten  bekam  und  von  denen  er  sich  nach  1 — 3  Minuten  erholte. 
Beim  Einsetzen  der  Anfälle  hörte  der  Radialispuls  auf,  fühlbar  zu 
werden,  im  Anfall  war  eine  Frequenz  34 — 40  pro  Minute,  nach  den 
Anfällen  ging  sie  auf  ca.  90  hinauf.  Die  Beobachtung  der  Jugular- 
venenpulsation  während  der  Anfälle  ergab  eine  um  90  schwankende 
Frequenz  in  der  Minute.  Auskultatorisch  war  an  der  Spitze  der 
Herzrhythmus  entsprechend  dem  Radialpuls  hörbar,  an  der  Basis 
rhythmisch  in  viel  schnellerer  Frequenz  als  dieser,  ein  leises  Ge¬ 
räusch  (H  i  s). 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  in. 


558 


Bei  subkutaner  Kampfer-,  Koffein-  und  Atropininjektion  ver¬ 
schwanden  die  Anfälle  und  im  späteren  Verlauf  der  Erkrankung  waren 
abgesehen  von  einer  temporären  Tachykardie  keine  Herzrhythmus¬ 
störungen  mehr  zu  finden,  wohl  aber  bekam  der  Knabe  nacheinander 
eine  Nephritis.  Akkommodations-,  Abduzens-,  (iaumensegellähmung 
und  eine  neuritische  Parese  beider  Beine. 

Nach  8  Wochen  konnte  er  die  Klinik  als  Rekonvaleszent  ver¬ 
lassen  und  bei  mehrfachen  Nachuntersuchungen  erwies  sich,  dass 
alle  Störungen  verschwunden  waren,  bis  auf  eine  orthodiagraphisch 
und  perkutorisch  nachweisbare  Verbreiterung  des  Herzens  und  ein 
leises  systolisches  Geräusch  an  der  Mitralis;  elektrokardiographisch 
fanden  sich  keine  Ueberleitungsstörungen  mehr. 

Es  wird  hingewiesen  auf  die  Schwere  der  Infektion,  bei  der 
mit  Ausnahme  der  Hautdiphtherie  fast  sämtliche  Nachkrankheiten  auf¬ 
traten,  die  es  bei  Diphtherie  gibt,  und  ein  zweiter  ähnlicher  Fall  ohne 
Ueberleitungsstörungen  besprochen;  der  Zusammenhang  dieser 
relativ  seltenen  klinischen  Bilder  mit  den  periodisch  an  Intensität 
der  Krankheitsformen  wechselnden  Diphtherieepidemien  wird  ange¬ 
nommen  (cf.  die  Diphtherieepidemien  1911/12  in  Berlin,  Hamburg). 
Vielleicht  ist  auch  die  Menge  des  injizierten  Diphtherieserums  von 
Bedeutung  (der  Knabe  hatte  nur  600  I.-E.  bekommen);  Empfehlung 
grosser  Serumdosen,  entsprechend  den  Erfahrungen  der  Klinik  (cf. 
Ehrhardt:  Inaug.-Diss.  1912). 

Demonstration  der  von  dem  Patienten  aufgenommenen  Kurven 
ausserhalb  der  Anfälle,  die  am  Venenpuls  zeitweise  nodalen  Rhythmus 
und  S- Wellen  erkennen  lassen;  im  Anfall  waren  Aufnahmen  wegen 
der  Unruhe  des  Patienten  nicht  möglich.  Ferner  wurden  Kurven 
eines  Falles  von  dauernder  querer  Dissoziation  demonstriert  und  die 
Elektrokardiogramme  nach  der  Genesung  des  Diphtheriepatienten, 
die  eine  gut  ausgesprochene  T-Zacke  zeigen.  An  der  Hand  der 
Literatur  über  die  Ueberleitungsstörungen  bei  Diphtherie  und  ihre 
histologischen  Befunde  wird  die  Pathogenese  des  im  vorliegenden 
Falle  temporär  vorhandenen  Herzblocks,  erwiesen  aus  dem  klinischen 
Krankheitsbilde,  als  einer  funktionellen  Schädigung  des  Reizleitungs¬ 
systems  ohne  pathologisch-anatomische,  gröbere  und  ausgedehnte  Er¬ 
krankung  des  Bündels  gedeutet.  Besonders  gestützt  scheint  diese 
Ansicht  durch  die  vollkommene  Wiederherstellung  der  Funktion  und 
durch  analoge  Beobachtungen  von  R  o  h  m  e  r,  der  bei  klinisch  und 
elektrokardiographisch  sicher  erwiesenem  Herzblock  Diphtherie- 
kranker  ausgedehntere  histologische  Veränderungen  nicht  fand.  Eine 
Entstehung  des  Symptomenkomplexes  der  Querdissoziation  durch 
Digitalis  oder  Vaguswirkung  wird  abgelehnt.  Dass  daneben  myo-  | 
karditische  Prozesse  ausserhalb  des  Bündels  bestanden  haben,  muss 
zugegeben  werden  mit  Rücksicht  auf  die  noch  vorhandene  Herz¬ 
verbreiterung  und  das  systolische  Geräusch. 

Diskussion:  Herren  v.  S  t  a  r  c  k,  B  e  t  h  e,  Weiland. 

Herr  Ha  den  fei  dt:  Zur  Therapie  des  Keuchhustens. 

An  die  Behandlung  des  Keuchhustens  geht  der  Arzt  mit  einer 
gewissen  Resignation  heran,  da  es  bisher  nur  Linderungsmittel  gibt 
und  keine  kausalen  Heilmittel.  Dieses  wird  sich  wahrscheinlich  erst 
ändern,  wenn  der  eigentliche  Keuchhustenerreger  (Bordet- 
G  e  n  g  o  u  sehe  Bazillus?)  unbestritten  feststeht. 

Anlässlich  der  Erkrankung  der  eigenen  Kinder  hat  H.  das  von 
Lenzmann  in  Duisburg  (Med.  Klinik  No.  44)  kürzlich  empfohlene, 
„T  u  s  s  a  1  v  i  n“  benannte  Hydrochininum  hydrochloricum,  welches 
intramuskulär  und  intravenös  injiziert  wird,  bisher  in  12  Fällen  an¬ 
gewendet  und  in  seiner  Wirkung  beobachtet.  Die  Versuche  werden 
noch  weiter  fortgesetzt.  H.  ist  nicht  ganz  so  enthusiasmiert  wie 
Lenzmann,  hat  aber  den  Eindruck  gewonnen,  dass  wir  in  dem 
Präparat  in  seiner  neuen  Applikationsweise  ein  Mittel  haben,  welches 
den  bisherigen  Keuchhustenmitteln  weit  überlegen  ist. 

Ob  dieser  chemotherapeutische  Weg  der  allein  richtige  ist  und 
noch  weiter  ausgebaut  werden  kann,  und  ob  nicht  noch  die  Sero¬ 
therapie  späterhin  uns  ein  direktes  Spezifikum  gegen  den  Keuchhusten 
liefern  wird,  bleibt  der  Zukunft  überlassen.  H.  hat  die  Ansicht,  in 
gegebenen  Fällen  auch  durch  Blutseruminjektion  von  Keuchhusten- 
rekonvaleszenten  einen  Heilversuch  zu  machen:  ein  Weg,  welcher 
inzwischen  von  Sierra  angeblich  erfolgreich  beschritten  worden  ist. 

Diskussion:  Herren  v.  Stare  k,  Wulf,  Hadenfeldt. 

Herr  Kahn:  Ueber  hämolytischen  Ikterus. 

Bei  dem  19  jährigen  Patienten  W.  besteht  seit  6  Jahren  ein  chro¬ 
nischer,  an  Intensität  wechselnder  Ikterus  mit  leichter  Anämie  ohne 
sonstige  ernsthafte  Krankheitserscheinungen.  Zwei  Brüder  des 
Patienten  und  eine  Schwester  der  Mutter  sind  ebenfalls  gelbsüchtig, 
die  Mutter  (gestorben  mit  42  Jahren  an  einem  Herzleiden)  und  die 
Grossmutter  des  Patienten  (gestorben  an  Altersschwäche  mit 
72  Jahren)  waren  ebenfalls  chronisch  ikterisch.  Wir  finden  bei  dem 
Patienten  einen  grossen  Milztumor,  geringe  Leberschwellung,  Uro¬ 
bilin,  Urobilinogen  im  Harn,  Bilirubin  im  Serum,  im  Blute  die  Zeichen 
leichter  Anämie  (Hämoglobin  65  Proz.)  mit  Anisozytose  und  Mikro- 
zytose  (keine  kernhaltigen  Elemente,  keine  Einschlüsse  in  den  Ery¬ 
throzyten). 

Es  handelt  sich  um  einen  typischen  Fall  von  familiärem,  hämo¬ 
lytischen  Ikterus.  Auch  das  Kardinalsymptom  dieser  Krankheit, 
nämlich  die  Herabsetzung  der  osmotischen  Resistenz  der  roten  Blut¬ 
körperchen  gegen  hypotonische  Kochsalzlösungen,  war  in  charak¬ 
teristischer  Weise  ausgeprägt.  Die  Hämolyse  begann  in  wieder¬ 
holten  Untersuchungen  bei  0,54 — 0,64  Proz.  (normal  bei  0,42—0,48  Proz.) 
Kochsalzlösung  und  war  bei  0.40 — 0,46  Proz.  vollendet  (normal  bei 
0,28—0,32  Proz.). 


Ob  für  die  Pathogenese  dieser  Krankheit  primär  eine  gesteigerte 
hämolytische  Tätigkeit  der  Milz  in  Frage  kommt  oder  ob  eine  an¬ 
geborene  Minderwertigkeit  der  Erythrozyten  die  primäre  Ursache 
darstellt,  ist  noch  fraglich.  Vielleicht  liegt  die  Ursache  des  Leidens 
noch  in  einer  allgemeineren  Konstitutionsanomalie.  Denn  in  meiner 
Beobachtung  konnte  ich  Störungen  des  Kohlehydratstoffwechsels 
nachweisen  (hoher  Blutzuckerspiegel  von  0,2  Proz.,  alimentäre 
Glykosurie  bei  100  g  D.).  Im  selben  Sinne  spricht  auch  die  ausser¬ 
ordentlich  stürmische  Reaktion  auf  1  mg  Adrenalin  subkutan.  (Auto¬ 
referat.) 

Diskussion:  Herr  Schlecht:  Ueber  das  zur  Diskussion 
stehende  Krankheitsbild  ist  zwar  gerade  in  der  letzten  Zeit  kasuistisch, 
namentlich  von  französischen  Autoren,  viel  veröffentlicht  worden, 
doch  dürfte  trotzdem  bei  der  Unklarheit  über  die  Pathogenese  des¬ 
selben,  die  Bekanntgabe  weiterer  Fälle  gerechtfertigt  erscheinen. 
Die  folgenden  3  Fälle  eines  familiären  hämolytischen  Ikterus  konmen 
zw  ar  nicht  klinisch,  sondern  nur  ambulant  beobachtet  werden, 
verdienen  aber  deshalb  Beachtung,  weil  sie  relativ  frühzeitig  in  ärzt¬ 
liche  Beobachtung  kamen. 

1.  Frau  X.,  34  Jahre  alt.  Familienanamnese  belanglos,  keine 
Anämie,  kein  Milztumor  beobachtet  in  der  Aszendens.  Als  Kind  gute 
Entwicklung.  Mit  12  Jahren  Gelbfärbung  der  Haut  ärztlich  beob¬ 
achtet,  die  seitdem  konstant  vorhanden  war.  Von  den  20  er  Jahren 
an  wiederholt  Anfälle  stärkeren  Ikterus,  zuweilen  unter  hohem  Fieber 
und  starker  Beeinträchtigung  des  Allgemeinbefindens  bis  zu  4  Wochen 
Dauer.  Auch  nach  der  Verheiratung  öfter  Anfälle.  2  Graviditäten 
wurden  gut  überstanden,  jedesmal  am  Ende  der  Gravidität  starke 
Zunahme  des  Ikterus.  Intensität  der  Gelbfärbung  auffallend  abhängig 
von  psychischen  Momenten.  Im  Anschluss  an  eine  schwere  Blutung 
schwand  der  Ikterus  für  einige  Wochen  vollständig.  Interkurrente 
Untersuchungen  durch  den  Vortragenden  November  1911  ergaben: 
mässig  grosser,  derber  Milztumor,  leichter  Ikterus,  Leber  eben  zu 
fühlen.  Blut  Hg  =  42  Proz.  (in  einem  Anfall  früher  30  Proz.  beob¬ 
achtet),  E  =  3  000  000.  Im  Harn  Urobilin  +  im  Serum  Gallenfarb¬ 
stoff  schwach  positiv.  Blut  morphologisch:  leichte  Polychromasie 
und  Poikilozytose,  Mikrozytose,  Reduktion  der  Lymphozyten. 
Serumeiweiss  (reftraktrometrisch)  7,78  Proz. 

2.  Die  10jährige  Tochter  der  Patientin:  Normaler  Partus  und 
noimale  Entwicklung  des  Kindes.  Im  Alter  von  lYa  Jahren  Milz¬ 
tu  m  o  r  ärztlich  festgestellt,  schon  sehr  gross  und  hart,  disloziert 
nach  der  Mittellinie  zu  und  über  dieser  nach  rechts  beweglich.  Mit 
4 — 5  Jahren  zunehmende  Gelbsucht,  die  bis  dahin  gefehlt  hatte.  Da¬ 
mals  Hgl.  =  70  Proz.  Gelegentlich  Fieber  ohne  besondere  Ursache 
(als  Verdauungsstörungen  gedeutet).  Sonst  bei  ständigem  Ikterus 
Wohlbefinden.  November  1911  schwerer  akuter  Anfall,  der  vom 
Vortr.  beobachtet  wurde.  Kopfschmerzen,  Erbrechen,  hohes  Fieber, 
grosser  Milztumor,  Leber  palpabel.  Hämoglobinsturz  von  80  au? 
20  Proz.,  mit  Leukopenie,  in  den  ersten  Tagen  aber  auffallend  hohe 
Mononukleärenwerten  (20  Proz.),  E.  =  1  310  000.  starke  Mikro¬ 
zytose,  Anisozytose,  Polychromasie.  Dann  relativ  rasche  Erholung 
(unter  Injektionen  von  Natr.  cacodyl.).  Enorm  starke  Regeneration 
(8 — io  Proz.  kernhaltige  Rote  mit  ca.  1,8  Proz.  Megaloblasten)  des 
roten  Blutbildes  und  hohe  neutrophile  Leukozytose  (25  000),  Hg-An- 
stieg  auf  50—60  Proz.  Im  Blut  keine  Hämolyse  nachweisbar,  Serum: 
Gallenfarbstoff  0.  Urin:  Urobilin  positiv.  Serumeiweiss  i  in 
Anfall  nur  6,25  Proz. 

3.  Der  7jährige  Sohn  der  Patientin:  Ebenfalls  anfangs  normale 
Entwicklung.  Milztumor  im  Alter  von  3 — 4  Jahren  festgestellt  ohne 
Ikterus.  Fast  zur  selben  Zeit  mit  der  Schwester  (4  läge  später!) 
durchaus  ähnlicher  Anfall  mit  Fieber,  Kopfschmerzen  und  Schluck¬ 
beschwerden.  Tonsillen  zunächst  o.  B.,  in  den  nächsten  Tagen  ärzt¬ 
lich  einige  verdächtge  Stippchen  ohne  Rötung  gesehen.  Auch  hier 
enormer  Hgl.-  und  Erythrozytensturz  und  rasche  intensive  Regene¬ 
ration,  aber  ohne  jede  Medikation.  Blutbild  ebenfalls  ähnlich. 

Die  Diagnose  auf  familiären  hämolytischen  Ikterus  konnte  schon 
im  November  1911  auf  Grund  des  klinischen  Bildes  gestellt  werden. 
Seitdem  bis  heute  keine  Anfälle  mehr  aufgetreten.  Am  14.  Januar  1913 
ergibt  die  Resistenzprüfung  bei  den  Kindern  starke  Herabsetzung  der 
maximalen  und  minimalen  Resistenz.  Bei  allen  drei  Patienten  findet 
sich  am  Cor  ein  sehr  lautes  systolisches  Geräusch. 

Bemerkenswert  an  den  Fällen  ist  (ähnliche  Angaben  auch  sonst 
in  der  Literatur!): 

1.  dass  bei  den  Kindern  der  Milztumor  ohne  sonstige  Erschei¬ 
nungen  jahrelang  vorher  bestand; 

2.  die  Abhängigkeit  von  äusseren  Momenten  bei  der  Zunahme 
des  Ikterus  (psychische  Erregung  bei  der  Mutter); 

3.  das  gleichzeitige  Auftreten  des  ersten  Anfalls  bei  Schwester 
und  Bruder  ohne  sicher  erkennbare  äussere  Ursache  (vielleicht 
Angina?); 

4.  meist  auffallend  reichliches,  eosinfarbenes  Urinsediment; 

5.  starke  Remission  des  Ikterus  bei  der  Mutter  nach  schwerem 
Blutverlust  und  einmal  bei  Klimawechsel  und  Zunahme  des  Ikterus 
in  der  Gravidität. 

Die  Präexistenz  des  Milztumors  dürfte  trotzdem  nur  mit  Vor¬ 
sicht  für  die  Theorie  der  primären  Milzerkrankung  herangezogen 
werden,  da  Blutuntersuchungen  aus  dieser  Zeit  fehlen.  In  erster 
Linie  dürfte  es  sich  um  die  Produktion  abnormer  Erythrozyten 
handeln,  daher  auch  von  einer  genaueren  physikalisch-chemischen 
Untersuchung  der  E.  am  ehesten  weiterer  Aufschluss  zu  erwarten  sein. 


Mäfz  191.3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


559 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  21.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer :  Herr  Schickendant  z. 

Herr  G  old  her  g:  Zur  Prognose  der  Nephritis. 

ü.  erörtert  an  der  Hand  zahlreicher  Beispiele  aus  der  Praxis  den 
zeit,  welchen  die  Voraussage  der  Nephritis  aus  der  Verwertung 
iunktionellen  Priifungsmcthoden  ziehen  kann.  Während  sich  beim 
'  gleich  des  Wertes  der  beiden  Nieren  die  extrarenalen  Ein- 
kungen  ausschalten  lassen,  da  ja  beiden  Nieren  das  gleiche  Blut 
,  iesst,  und  Unterschiede  in  den  Einzelharnen  demnach  nur  aui 

■  linung  der  betr.  Niere  kommen,  muss  der  Gesamtharn  als  Ergebnis 

Nierenarbeit  +  Stoffwechsel  !  Zirkulation  bewertet  werden: 
gnostische  Schlüsse  aus  einzelnen  günstigen  oder  ungünstigen 

■  eitsleistungen  sind  niemals  möglich.  Wenn  man  aber  unter  Rück- 

■  1 1  auf  die  Anamnese,  nach  erschöpfender  oft  wiederholter  che- 
cher  und  mikroskopischer  Urinanalyse,  bei  dauernder  Kontrolle 
Blutdrucks  und  des  Herzens  die  Funktionsprüfung  als  Ergänzung 

^achtet,  so  wird  man  auch  heute  schon  den  mancherlei  koal¬ 
ierten  Fragestellungen  der  Nephritisprognose  etwas  besser  ge¬ 
het  gegenüberstehen,  als  noch  vor  einem  Jahrzehnt  etwa. 

Die  Kryoskopie  des  Blutes  wird  von  den  Internisten  wenig  ver- 
tet.  Die  Bestimmung  des  Reststickstoffs  im  Blutserum  gestattet, 
s  sie  über  Ws — 2  Prom.  ergibt,  die  Prognose  einer  nur  noch  kurzen 
ensdauer.  Der  Vergleich  des  Blutharnstoffs  mit  dem  Harnharnstoff 
Zeit  der  Blutentnahme  gestattet  nach  A  m  b  a  r  d  eine  Konstante 
:  berechnen,  die  um  so  grösser  ist,  je  schwerer  die  Harnstoff¬ 
ition  der  Niere  geschädigt  ist.  Im  Gegensatz  zu  diesen  für  die 
l  emeine  Praxis  noch  zu  schwierigen  hämatologischen  Methoden 
.  en  sich  die  Methoden  einer  provozierten  maximalen  Elimination 
i  Urin  für  die  Praxis  nutzbar  machen.  G.  bespricht  die  renale 
nination  körperfremder  Stoffe  (Jodkali,  Milchzucker,  Methylen- 
u,  Indigkarmin,  Phenolsulfonphthalein)  mit  Rücksicht  auf  ihre 
i  «nostische  Verwertbarkeit,  endlich  die  Methoden  zur  Prüfung  der 
:nination  der  körpereigenen  Stoffe;  von  diesen  hat  er  den  Koch¬ 
versuch  und  den  Verdünnungsversuch  als  praktisch  wichtig 
ätzen  gelernt.  (Vgl.  Zentralbl.  f.  innere  Medizin  1912,  No.  19.) 
Herr  ^Czaplewski  berichtet  über  die  Ergebnisse  seiner 
ersuchungen  über  Trachom,  welche  er  in  Verfolgung  seiner 
neren  Trachomuntersuchungen  in  Königsberg  (Verein  für  wissen- 
sftliche  Heilkunde,  12.  April  189-7,  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1,  No.  30,  Vereinbeilage  S.  216),  in  Köln  1909  und  jetzt  1912/13 
seiner  neuen  Methode  (Vitalfärbung  mit  Boraxmethylenblau)  aus- 
ihrt  hat.  Bakterien  wurden  nicht  in  nennenswerter  Zahl  gefunden, 
fach  war  das  Material  bakterienfrei.  Blastomyzeten  wurden  ver- 
st.  Dagegen  wurden  zahlreiche  eigentümliche  zeitige  Gebilde 
hgewiesen,  welche  Vortr.  nicht  als  Körperzellen  anzusprechen 
mag,  die  dann  also  als  körperfremde  Zellen  aufzufassen  wären, 
i  liegt  natürlich  am  nächsten  in  diesen  Gebilden,  welche  eine  z.  T. 
z  auffallende  Aehnlichkeit  mit  gewissen  Formen  von  Protozoen 
tzen,  den  Erreger  des  Trachoms  zu  suchen.  Zum  besseren  Ver- 
idnis  der  folgenden  Demonstration  seiner  Befunde  führte  der  Vortr. 
ächst  die  Zeugungskreise  verschiedener  anerkannter  Protozoen 
(Amoeba  coli,  Coccidium,  Proteosoma,  Malariaparasiten),  um 
Reichtum  und  Wechsel  in  den  Formerscheinungen  der  para- 
ehen  Protozoen  zu  demonstrieren.  Sodann  wurden  die  Befunde 
st  durch  über  100  Projektionsbilder  und  über  50  aufgestellte  Dia- 
tive  und  verschiedene  Mikroskope  mit  Präparaten  von  Trachom, 
igarinenzysten,  Hefe  und  Blastomyzes  vorgeführt.  Dieselben  be¬ 
ten  Amöboidformen,  grosse  Plasmodien  (Leber  sehe  Zellen,  zum 
gleich  verschiedene  Myxosporide),  Flagellatenformen,  Gameten¬ 
nen  (?),  Kopulationsformen,  Enzystierungsformen,  fertige  und 
latzte  Zysten,  leere  Zystenhüllen  (Vergleich :  Bertramia),  Dauer¬ 
ten,  Sichelsporenzysten,  gequollene  Zysten  und  kleine  bewegliche 
men  (Vergleich:  Planonten  bei  Nosema),  Initialformen.  ln 
nitten  gelang  ebenfalls  mit  einer  besonderen  Methode  der  Nach- 
s  sehr  zahlreicher  zystischer  Gebilde  mit  Sichelkeimen  (Vor- 
ung  zahlreicher  Lichtbilder  der  einzelnen  Stadien).  Ausserdem 
den  sich  im  Schnitt  einige  sehr  grosse  orange  gefärbte  zackige 
ilde,  welche  an  die  Sporangien  und  Dauerfrüchte  bei  Gregarinen 
Chytidriazeen  erinnern. 

Als  Parallelen  zu  den  vorgeführten  Befunden  wurden  Ab- 
tmgen  von  Zvklospora,  Nosema,  Glugea  und  Gregarinen  vor- 

shrt. 

Mit  diesem  Vortrage,  welcher  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für 
enheilkunde  erscheint,  sollte  zunächst  eine  möglichst  grosse  Zahl 
verschiedenen,  mit  der  neuen  Methode  gesehenen,  durch  die 
rophotographie  festgelegten  Formen  vorgeführt  und  ihre  Un- 
lichkeit  mit  Körperzellen,  ihre  Aehnlichkeit  mit  Protozoenformen 
hgt  werden,  um  damit  eine  Weiterarbeit  anzubahnen. 

Vortr.  betont,  dass  manche  der  von  ihm  geschilderten  Befunde 
m  von  anderen  Autoren,  wie  Raehlmann,  Addario,  Pick, 
i  i  u  s  u.  a.  gesehen  und  auch  abgebildet,  aber  anders  gedeutet 
n,  -wobei  in  Rechnung  zu  setzen  sei,  dass  diese  vitale  Färbung 
ertere  und  deutlichere  Bilder  liefert. 

Diskussion:  Herr  Stiel:  St.  hat  bereits  am  6.  Nov.  1911 
Allgemeinen  Aerztlichen  Verein  über  seine  Untersuchungen  bei 


I  rachom,  die  mehrere  Jahre  fortgesetzt  wurden,  berichtet.  Er  hält 
Czaplewski  gegenüber  daran  fest,  dass  höchstwahrscheinlich 
Blastomyzeten  als  die  Ursache  des  Trachoms  zu  betrachten  sind. 
\\  enn  man,  worauf  auch  .1  u  niu  s  Wert  legt,  bei  der  Beurteilung  des 
Trachomerregers  auf  das  klinische  Krankheitsbild  und  die  patho¬ 
logische  Anatomie  Rücksicht  nimmt,  so  können  Blastomyzeten  sehr 
wohl  für  die  Aetiologie  in  Betracht  kommen.  Denn  das  klinische 
Krankheitsbild  besteht  in  der  Hauptsache  aus  den  Granula  und  einer 
diffusen  Infiltration  der  Konjunktiva;  die  Krankheit  ist  eine  rein  ört¬ 
liche  ohne  Allgemeinerscheinungen  und  Fieber,  sogar  ohne  Be¬ 
teiligung  der  zugehörigen  Lymphdriisen.  Alle  übrigen  Symptome, 
wie  Pannus,  Hornhautentzündung,  Verwachsungen  der  Lider  etc. 
sind  sekundärer  Art.  Was  ferner  die  pathologische  Anatomie  beim 
Trachom  betrifft,  so  besteht  das  pathologisch-anatomische  Substrat 
in  einer  chronischen  produktiven  Entzündung.  Es  finden  sich  alle 
diejenigen  Zellgebilde,  welche  auch  sonst  bei  derartigen  Entzündungen 
Vorkommen  und  die  meist  aus  dem  Bindegewebe  abstammen,  also 
vor  allem  Lymphozyten,  Leukozyten.  Mastzellen,  Riesenzellen  und 
im  besonderen  die  sogen.  Leber  sehen  Einschlusszellen.  Während 
aber  bisher  die  Einschlüsse  in  letzteren  für  rote  Blutkörperchen  oder 
Kernfragmente  von  Leukozyten  gehalten  wurden,  hält  Stiel  die 
Einschlüsse  für  Blastomyzeten.  weil  sie  in  Form  und  Färbung  mit 
ihnen  die  grösste  Aehnlichkeit  haben. 

Bei  der  Rückbildung  des  neugebildeten  Trachomgewebes  kommt 
es  schliesslich  zur  Narbenbildung.  Bereits  von  Busse  wurde  fest- 
gestellt,  dass  pathogene  Hefen  im  Körper  hauptsächlich  chronische 
Entzündung  mit  folgender  Narbenbildung  veranlassen,  so  dass  die 
Uebereinstimmung  beim  Trachom  gegeben  ist. 

Es  hat  sich  ferner  bei  Blastomyzeten  auch  eine  geschlechtliche 
Fortpflanzung  gefunden,  worauf  Prof.  P.  Lindner  (Kosmos  1913, 
No.  I)  hinweist,  so  dass  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  die  von 
Czaplewski  gezeigten  Zellgebilde  und  Zysten  als  Formelemente 
zu  betrachten  sind,  die  von  Blastomyzeten  abstammen.  Lindner 
betont,  dass  bereits  500  verschiedene  Arten  von  Hefen  bekannt  sind, 
und  Lydia  Rabino  witsch  hat  im  Koch  sehen  Institut  nach¬ 
gewiesen,  dass  unter  50  verschiedenen  Hefearten  7  für  Versuchstiere 
pathogene  sich  fanden.  Es  würde  also  heute  schon  mit  ca.  70  patho¬ 
genen  Arten  zu  rechnen  sein,  so  dass  es  wohl  angebracht  ist,  ihnen 
mehr  Aufmerksamkeit  als  bisher  zu  schenken. 

Stiel  demonstriert  schliesslich  die  von  ihm  gefundenen 
Blastomyzeten  im  Bilde  und  in  Zeichnungen,  welche  nach  Ausstrich¬ 
präparaten  bei  ca.  lOOOfacher  Vergrösserung  angefertigt  waren.  Der 
Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Pröbsting  hatte  er  es  zu  ver¬ 
danken,  dass  er  Patienten  aus  der  letzten  Kölner  Trachomepidemie 
Material  entnehmen  konnte,  und  es  genügte  ein  einmaliger  Abstrich 
von  der  oberen  Uebergangsfalte,  um  mit  der  Tuberkelbazillenfärbung 
Blastomyzeten  in  zahlreichen  Verbänden  im  subepithelialen  Gewebe 
auffinden  zu  lassen. 

Herr  Guillery:  Herr  Prof.  Czaplewski  hat  mir  schon 
seit  längerer  Zeit  diese  Präparate  vorgelegt,  insbesondere  um  sich 
zu  vergewissern,  ob  es  in  der  normalen  oder  erkrankten  Konjunktiva 
irgendwelche  Gebilde  gibt,  die  damit  verwechselt  werden  könnten. 
Nach  eingehendem  Studium  glaubte  ich  diese  Frage  verneinen  zu 
können.  Am  nächsten  lag  mir  jene  Verwechslung  mit  den  sogen. 
Becherzellen  des  Konjunktivalepithels,  weil  diese  schon  einmal  in 
der  Trachomforschung  eine  verhängnisvolle  Rolle  gespielt  haben. 
Die  Gründe,  die  mich  veranlassten,  dies  auszuschliessen,  will  ich  nicht 
im  einzelnen  anführen. 

Massgebend  war  schon,  dass  diese  Gebilde  ja  nicht  nur  im 
Epithel,  sondern  auch  massenhaft  im  Granulum  sitzen  und  zwar  nicht 
nur  im  ausgequetschten,  wo  sie  vielleicht  von  der  Oberfläche  hinein¬ 
gelangen  könnten,  sondern  im  Schnitt.  Dann  mussten  wir  an  Kern¬ 
teilungsfiguren  denken,  womit  beim  ersten  Anblick  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  besteht.  Bei  näherer  Betrachtung  sieht  man  aber,  dass 
es  sich  um  etwas  ganz  anderes  handelt.  So  kommen  wir  teils  durch 
fortgesetzte  Beobachtung,  teils  per  exclusionem  zu  der  Ueber- 
zeugung,  dass  diese  Gebilde  parasitärer  Natur  sein  müssten. 

Die  Hefebefunde  von  Stiel  kann  ich  bestätigen,  da  der  Herr 
Kollege  die  Liebenswürdigkeit  hatte,  sie  mir  zu  zeigen.  Eine  Auf¬ 
klärung  dafür  kann  ich  leider  nicht  geben. 

Herr  Junius:  In  Anbetracht  der  sehr  vorgerückten  Zeit  nur 
einige  Worte.  Der  Herr  Vortragende  hat  auf  meine  Untersuchungen 
zur  Trachomfrage  Bezug  genommen.  Ich  möchte  in  aller  Kürze  nur 
feststellcn,  dass  ich  in  keinem  Punkte  mit  dem  Herrn  Vortragenden 
einer  Meinung  bin  und  dass,  wenn  ich  in  der  Form  gleichartige  Ge¬ 
bilde  beschrieben  habe,  ich  sie  anders  zu  deuten  Anlass  hatte.  Be¬ 
züglich  des  näheren  verweise  ich  auf  meine  Veröffentlichungen. 

Herr  Guillery:  Trachom  ist  auf  Affen  übertragen  worden. 
Es  entsteht  aber  mehr  eine  akute  Form,  ohne  den  chronischen  Verlauf 
und  die  Narbenbildung. 

Man  kennt,  wie  ich  schon  bemerkte,  diese  Gebilde  nur  bei 
Trachom.  Hier  sind  sie  unter  den  verschiedensten  Namen,  wie 
Körperchenzellen,  Wimmelzellen,  Leber  sehe  Zellen,  Phago¬ 
zyten  etc.  beschrieben.  Das  sind  alles  nur  verschiedene  Entwick¬ 
lungsphasen  desselben  Parasiten,  was  die  Autoren  unter  diesen 
Namen  beschreiben  und  abbilden,  die  von  C  z  a  p  l  e  w  s  k  i  ange¬ 
wandte  vitale  Färbung  hat  es  ermöglicht,  die  richtige  Deutung  zu 
finden. 

Herr  Czaplewski  (Schlusswort)  hält  es  in  Rücksicht  auf  die 
Mitteilungen  Stiels  für  sehr  wohl  möglich,  dass  es  auch  durch 


560 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No;  i 


Blastomyzeten  erzeugte  Konjunktivitiden  bzw.  Konjunktivitiden  mit 
Blastomyzetenbefunden  gibt.  In  den  von  ihm  untersuchten  Trachom¬ 
fällen  sind  aber  Blastomyzeten  sowohl  von  ihm  als  auch  von  seinen 
Mitarbeitern  vermisst  worden.  Sein  jetziges  Trachommaterial  ver¬ 
dankt  er  der  Liebenswürdigkeit  von  Herrn  Prof.  Dr.  Pröbsting 
und  dessen  Assistenten  Herrn  Dr.  H  u  s  s  e  1  e  r,  denen  er  für  ihre 
stets  bereitwillige  Hilfe  zu  grossem  Danke  verpflichtet  ist. 

Er  gibt  ausserdem  eine  Reihe  von  Diapositiven  herum,  welche 
Befunde  von  Raehlmann,  Addario  und  Pick  wiedergeben 
und  offenbar  seinen  bis  jetzt  mitgeteilten  Befunden  entsprechen,  aber 
von  den  Autoren  anders  gedeutet  sind. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  14.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Bahr  dt. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  H  e  i  n  e  k  e  demonstriert  1.  einen  Kranken  mit  Spontan¬ 
ruptur  der  Sehne  des  langen  Daumenstreckers,  die  4  Wochen  nach 
einer  ganz  einfachen,  ohne  Verschiebung  bestehenden  und  voll¬ 
kommen  glatt  geheilten  typischen  Radiusfraktur  eingetreten 
war.  Vortr.  erwähnt  noch  einen  zweiten  ganz  gleichen  Fall,  den  er 
einige  Zeit  vorher  beobachtet  hatte.  Die  bei  dem  einen  Kranken 
ausgeführte  Operation  ergab,  dass  die  Sehne  am  vorderen  Rand  des 
Ligamentum  carpi  durchgerissen  war.  Die  beiden  Enden  waren 
kolbig  verdickt,  ein  Strecke  weit  gelb  verfärbt  und  pinselförmig 
aufgefasert.  Die  Enden  wurden  angefrischt  und  direkt  vernäht.  Hei¬ 
lung  mit  Wiederherstellung  normaler  Funktion. 

Spontanzerreissungen  der  Strecksehne  des  Daumens  sind  nach 
Fall  auf  die  Hand  mit  und  ohne  Radiusfraktur  bisher  nur  in  wenigen 
Fällen  beobachtet  worden  (Lindner,  Schiatter,  zur  Verth). 
Die  Entstehung  der  Sehnenzerreissung  ist  bei  diesen  Fällen  wohl  so 
zu  erklären,  dass  die  Sehne  im  Moment  des  Fallens,  bei  dem  der 
Daumen  zur  Abwehr  stark  gespreizt  wird,  durch  ein  starkes  An¬ 
pressen  an  den  vorderen  scharfen  Rand  des  Handgelenkbandes  eine 
starke  Quetschung  und  Zerrung  erfährt  und  dass  das  gequetschte 
Sehnengewebe  dann  allmählich  nekrotisch  wird,  sich  auffasert  und 
schliesslich  bei  irgend  einer  Bewegung  durchreisst. 

Weit  häufiger  als  nach  einmaligen  Traumen  sind  derartige  ne¬ 
krotisierende  Sehnenerkrankungen  mit  Spontanrupturen  bei  wieder¬ 
holten  kleinen  (professionellen)  Schädigungen  der  Sehne.  Das  beste 
Beispiel  dafür  ist  die  bisher  in  50—60  Fällen  beobachtete  sogen. 
Trommlerlähmung,  bei  der  der  anatomische  Befund  an  der 
zerrissenen  Sehne  ganz  derselbe  ist,  wie  bei  dem  oben  erwähnten 
Falle. 

2.  einen  Blasentumor.  Die  Geschwulst  stammt  von  einem 
56  jährigen  Mann,  der  einige  Wochen  vor  der  Aufnahme  der  Behand¬ 
lung  leichte  Schmerzen  in  der  linken  Bauchseite  gehabt  hatte  und 
zuletzt  den  Abgang  von  gallertigen  Massen  mit  dem 
Urin  bemerkt  hatte.  Die  Untersuchung  des  sehr  fettleibigen  Mannes 
ergab  einen  runden,  scharf  abgegrenzten  beweglichen  zweifaust¬ 
grossen  Tumor  in  der  linken  Unterbauchgegend,  der  von  der  Blasen¬ 
gegend  ausging,  während  die  zystoskopische  Untersuchung  fest¬ 
stellen  liess,  dass  links  vom  Blasenscheitel  eine  zottige  gallertige 
Geschwulstmasse  in  die  Blase  hereinhing.  Die  Diagnose  wurde 
daraufhin  auf  ein  angeborenes  Blasendivertikel  mit  Ent¬ 
wicklung  eines  Gallertkarzinoms  im  Divertikel  gestellt.  Bei  der 
in  Lokalanästhesie  ausgeführten  Operation  liess  sich  das  zweifaust¬ 
grosse  intraperitoneal  gelegene,  links  vom  Blasenscheitel  auf¬ 
sitzende  Divertikel  ohne  Schwierigkeiten  entfernen.  Heilung  ohne 
Zwischenfall. 

Die  anatomische  Untersuchung  des  Präparates  ergab  statt  des 
erwarteten  Divertikels  ein  der  Blase  aufsitzendes  multiloku- 
läres  Kystom  mit  gallertigem  Inhalt,  aus  einem  System  von 
Zysten  der  verschiedensten  Grösse  bestehend,  die  histologisch  mit 
einem  einschichtigen,  sehr  regelmässig  gestalteten  Zylinderepithel 
bzw.  Schleimzellenepithel  ausgekleidet  waren.  An  der  Stelle,  wo  die 
gallertigen  Inhaltsmassen  in  die  Blase  hereinragten,  ging  das  zylin¬ 
drische  Zystenepithel  mit  scharfer  Grenze  in  das  Blasenepithel  über. 

Ueber  die  Herkunft  des  wohl  nur  durch  die  Annahme  einer  Ent¬ 
wicklungsstörung  zu  erklärenden  Tumors  lassen  sich  nur  Ver¬ 
mutungen  äussern. 

Herr  Knick:  Ueber  Bronchoskopie. 

K.  spricht  über  die  Entwicklung  der  bronchoskopischen  Methoden 
und  demonstriert  das  Brünings  sehe  Instrumentar  als  das  zurzeit 
vollkommenste  und  für  alle  Zwecke  brauchbarste.  Im  Anschluss 
daran  berichtet  er  über  folgende  an  der  Leipziger  Universitätsklinik 
für  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrankheiten  beobachteten  und  bron- 
choskopisch  behandelten  4  Fälle  von  Bronchialfremd¬ 
körper: 

1.  1908.  16  jähriger  junger  Mann,  der  als  Kind  wegen  diph¬ 

therischer  Stenose  tracheotomiert  war  und  dauernd  Kanüle  trug.  Die 
stark  oxydierte  Kanüle,  die  Pat.  sich  aus  Nachlässigkeit  nicjit  hatte 
erneuern  lassen,  brach  eines  Tages  entzwei.  Einzelne  Stücke  wurden 
aspiriert.  Nach  Aufnahme  in  der  Klinik  wurden  ein  grösseres  und 
mehrere  kleine  Stückchen  der  Kanüle  aus  dem  rechten  und  linken, 
Haupt-  bezw.  Unterlappenbronchus  durch  untere  Broncho¬ 


skopie  entfernt.  Es  gelang  nicht  sämtliche  Stückchen  zu  en 
fernen,  da  einzelne  beim  Fassen  sofort  zerbröckelten.  Pat.  hat 
noch  lange  Zeit  eine  Unterlappenbronchitis  und  viel  eitrigen  Auswi: 
mit  grünlichen  Beimengungen  der  oxydierten  Metallreste.  Jetzt  i 
die  Tracheotomieöffnung  geschlossen,  Pat.  fühlt  sich  wohl. 

2.  38  jährige  Frau,  1909  wegen  doppelseitiger  Postikuslähmu, 
infolge  Struma  bei  Morbus  Basedowii  auswärts  tracheotomiert.  A 
23.  IV.  10  drehte  sich  ein  Wattetupfer  beim  Kokainisieren  des  Laryi 
(von  der  Tracheotomiewunde  aus)  vom  Watteträger  ab  und  wur 
aspiriert.  Bei  der  sofort  vorgenommenen  unteren  Bronchi 
skopie  fand  man  den  Tupfer  im  linken  Hauptbronchus  und  konr 
ihn  leicht  mit  der  Krallenzange  entfernen. 

3.  4 Vs  jähriger  Knabe,  Sohn  eines  Universitätsprofessors,  dr 
früher  häufig  an  „Krupphusten“  und  Heiserkeit  mit  Stridor  gelitten  hat 
aspirierte  beim  Spielen  den  abgebrochenen  Endknopf  eint 
metallenen  Scheibengardinenstange  am  13.  VII.  : 
Nachmittags  gegen  4  Uhr,  danach  5  Minuten  dauernder  Hustenanfc) 
Druckgefühl  über  der  Brust.  Stellen  des  Knaben  auf  den  Kopf  u 
Klopfen  auf  den  Rücken  erfolglos.  Bei  der  Aufnahme  in  die  Klip 
um  5  Uhr  leichter  inspiratorischer  Stridor  besonders  beim  Laufe 
kein  Husten,  keine  Schmerzen.  Ueber  dem  rechten  Unterlapp 
etwas  Giemen,  Atemgeräusch  nicht  abgeschwächt,  kein  Zuriickbleim 
einer  Seite  beim  Atmen,  keine  Dämpfung.  Im  Röntgenbild  Schattli 
des  Fremdkörpers  zwischen  4.  und  5.  Brustwirbel  etwas  neben  f 
Mediana  der  Form  nach  deutlich  erkennbar.  In  Chloroformnarkp 
obere  Bronchoskopie  mit  dem  Willi  an  sehen  7  mj- 
Kinderrohr.  Die  starke  glänzende  Messingkugel  ist  am  Eingang  cfc 
rechten  Hauptbronchus  deutlich  zu  sehen.  Nach  einem  vergeblich 
Versuch  gelingt  es,  den  harten  und  glatten  Knopf  an  einem  vij- 
springenden  Rande  mit  der  Krallenzange  zu  fassen.  Da  er  mit  diü 
Rohr  zusammen  herausgezogen  werden  muss,  wird  er  an  der  Glotk 
abgestreift,  jedoch  sofort  wieder  gefasst  und  durch  den  Larynx  1- 
fördert.  Durch  Anstossen  an  die  hintere  Pharynxwand  wird  er 
der  Zange  herausgehebelt  und  fällt  in  die  Hypopharynx.  AbsucHi 
des  Pharynx  und  Oesophagus  erfolglos.  Die  Röntgendurchleuchtuk 
ergibt,  dass  sich  der  Fremdkörper  schon  im  Magen  befindet,  r 
wird  nach  36  Stunden  per  rectum  entleert.  Nach  der  Bronchoskos 
ca.  24  Stunden  lang  Heiserkeit,  bellender  Husten,  leichter  Strid. 
zeitweise  geringe  Einziehungen.  Nach  2  Tagen  beschwerdefi 
entlassen. 

4.  38  jähriger  Oberpostbote  wurde  uns  am  8.  X.  12. ton  Hei: 
Dr.  Bach -Leipzig  zugeschickt,  weil  er  am  6.  X.  12  beim  Suppi- 
essen  angeblich  ein  Knochen  Stückchen  aspiriert  habe,  r 
habe  sich  „verschluckt“,  habe  plötzlich  mehrere  Minuten  lang  hush 
müssen,  verspüre  seitdem  einen  Druck  in  Höhe  des  Brustbeins  vp 
habe  seitdem  etwas  Atemnot.  Leichter  Stridor,  keine  Zyanose,  \1 
Husten  ohne  Auswurf.  Lungen:  Leichte  Dämpfung  über  der  rechn 
Spitze  (alte  Spitzenaffektion).  Ueber  beiden  Lungen  diffus  laus 
Giemen  und  Brummen,  rechts  stärker,  kein  Zurückbleiben  is 
Thorax  bei  der  Inspiration.  Im  Röntgenbild  kein  verdächtig 
Schatten  in  Trachea  und  Hauptbronchien  zu  erkennen.  Laryn  - 
skopisch  nichts  besonderes.  Nach  Kokainisierung  obere  Bro- 
choskopie  im  Sitzen  mit  Brüningsrohr  No.  2.  1 — 2  cm  unter  r 
Bifurkation  sieht  man  im  rechten  Hauptbronchus  einen  weis:n 
rauhen  Knochen.  Beim  ersten  Fassversuch  reisst  die  Krallenzaite 
aus.  Beim  zweiten  gelingt  es,  den  ziemlich  festgekeilten  Knochenju 
lockern  und  aus  dem  Bronchus  zu  ziehen.  Da  der  Fremdkörper  grös  r 
ist  als  der  Rohrdurchmesser,  muss  er  mit  dem  Bronchoskoprohr  - 
sammen  extrahiert  werden.  Die  Passage  durch  den  Larynx  geli;:l 
leicht.  Beim  Passieren  des  Pharynx  reisst  die  Zange  aus,  der  Freri- 
körper  wird  vom  Pat.  ausgespuckt.  Es  ist  ein  1,6  cm  langer.  1,3  n 
breiter,  0,7  cm  dicker  Knochen,  der  aus  Spongiosa  und  etwas  Knorpl 
besteht.  Nach  der  Bronchoskopie  Stridor  sofort  verschwunden,  elu- 
so  die  bronchitischen  Geräusche,  geringer  Schluckschmerz.  Dau 
der  Bronchoskopie  5  Minuten.  Nach  einem  Tage  ohne  Beschwere 
entlassen 

Zusammenfassung.  Die  Bronchoskopie  soll  in  jedem  Falle  jt 
Verdacht  auf  Bronchialfremdkörper  angewendet  werden,  auch  wji 
der  klinische  und  Röntgenbefund  negativ  ist,  da  die  Methode. heu 
ohne  nennenswerte  Gefahr  ausführbar  ist.  Als  Hauptmethode  ist  u 
den  endoskopiegeübten  Laryngologen  die  obere  Bronchoskopie  |i- 
Zusehen,  die  untere  sollte  nur  für  die  besonderen  schwierigen  F;< 
(quellbare  Fremdkörper,  kleinste  Kinder,  Bronchialstenosen)  re.y- 
viert  bleiben. 

Diskussion:  Herr  Sick  berichtet  aus  seinem  Diakonisäj 
krankenhaus  über  einen  Fall  von  Lungengangrän  und  Totalcmpyr 
der  rechten  Pleura.  Als  Ausgangspunkt  gab  die  40  jährige  Frau  it 
3  Jahre  früher  verschlucktes  Knochenstückchen  an.  Die  brono 
skopische  Untersuchung  ergab  keinen  Fremdkörper  bis  tief  in  1 
rechten  Bronchus  hinein.  Es  wurden  ausgedehnte  Rippenresektiofn 
später  wegen  foudroyanter  Eiterung  aus  der  Lunge  die  Resekw 
des  Unterlappens  gemacht.  Letzteren  Eingriff  überlebte  die  difl 
jahrelange  Eiterung  und  hohes  Fieber  erschöpfte  Frau  nur  einen  Tc 
Die  Sektion  wies  ein  stark  mazeriertes,  spongiöses,  bohnengro.?: 
Knochenstück  in  einem  Bronchus  3.  Ordnung  nach.  Dorthin  war  - 
Fremdkörper  erst  allmählich  unter  Ulzeration  seiner  Umgebung 
wandert.  Ein  rechtzeitiger  bronchoskopischer  Eingriff  hätte  den  u 
liehen  Ausgang  sicher  verhindert. 

In  Kiel  hatten  wir  bis  1905  bronchoskopische  Untersuchung 
und  Extraktionen  öfter  gemacht.  Bei  Kindern  von  der  unteren  Traie 


561 


11.  März  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


otomie  aus.  Das  schwierigste  mir  erinnerliche  Objekt  war  eine 
Bleistiftschutzhülse,  die  vorn  stumpf  zugespitzt,  hinten  mit  etwas  auf¬ 
geworfenem,  scharfem  und  geschlitztem  Rand  versehen  ist.  Letzterer 
bildete  ein  sehr  ernstes  Repositionshindernis  bei  dem  3 — 4  jährigen 
Kind  und  wäre  durch  den  Kehlkopf  nicht  ohne  böse  Verletzung 
gegangen.  Der  Fall  heilte  glatt. 

Herr  Heller  berichtet  über  die  Gefahren  von  Lungenatelektase 
bei  Fremdkörpern,  die  in  den  Bronchus  gelangen.  Er  erwähnt  seine 
Versuche,  die  durch  Bronchusverschluss  komplette  Atelektase  inner¬ 
halb  bestimmter  Zeit  hervorriefen.  Lieber  das  Erschlossen  der  Atem¬ 
tätigkeit  einer  atelektatisch  gewordenen  Lunge  hat  H.  ebenfalls  Ver¬ 
suche  angestellt.  Die  Dauer  der  Atelektase  ist  dabei  von  Wichtigkeit. 
Bei  forcierter  Atmung  geht  die  Atelektase  ziemlich  plötzlich  zurück. 

Herr  Gregor  und  Schilder  sprechen  über  Muskelinnervation 
bei  Normalen  und  Nervenkranken  (mit  Projektionen). 

Ausführliche  Mitteilung  erfolgt  in  der  Zeitschrift  für  die  ge¬ 
samte  Neurologie  und  Psychiatrie. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  21.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Port. 

Herr  Mainzer  stellt  einen  Fall  von  strumipriver  Tetanie  vor, 
entstanden  als  Folge  wiederholter  Kropfoperation. 

Herr  Hagen:  lieber  Strumitis  und  Thyreoiditis. 

Hinweis  auf  die  Seltenheit  hämatogener  Infektionen  der  Schild¬ 
drüse.  Letztere  ist  nach  de  Quervain  ausserordentlich  wenig 
zur  Aufnahme  von  Metastasen,  gleichviel  ob  bakterieller  oder  neo¬ 
plastischer  Natur,  geeignet.  Strumen  scheinen  häufiger  befallen  zu 
werden  als  normale  Drüsen,  vielleicht  infolge  der  durch  degenerative 
Prozesse  geschaffenen  vermehrten  Disposition.  Aus  diesem  Grunde 
herrscht  auch  bei  Strumitis  der  Ausgang  in  eitrige  Einschmelzung  vor, 
während  die  Entzündungen  der  normalen  Drüse  gewöhnlich  blande 
bleiben:  Thyreoiditis  acuta  Simplex  (non  purulenta).  Besprechung  der 
Aetiologie :  infektiöse  und  toxische  Thyreoiditis;  unter  den  toxischen 
Formen  beansprucht  vor  allem  die  Jodthyreoiditis  besondere  Auf¬ 
merksamkeit.  Kasuistische  Beiträge,  insbesondere  Mitteilung  von 
eigenen  Beobachtungen,  wo  nach  Verwendung  kleinster  Jodmengen 
(Bepinselung  der  Rachenschleimhaut)  typische  Jodthyreoiditis  sich 
einstellte.  In  einem  Falle  schloss  sich  an  eine  infektiöse  Thyreoiditis 
simplex  eine  echte  Hyperthyreoiditis  an,  die  sich  nur  langsam  wieder 
zurückbildete.  Besprechung  des  Zusammenhanges  zwischen  der 
Hyperthyreose  und  vorausgegangenen  entzündlichen  Vorgängen  in 
der  Schilddrüse.  Auch  nach  der  toxischen  Jodthyreoiditis  wurde  der 
Uebergang  zu  hyperthyreotischen  Bildern  beobachtet.  Die  Jod¬ 
thyreoiditis  dürfte  vielleicht  auch  das  Bindeglied  darstellen  zwischen 
an  sich  indifferenten  Kröpfen  und  den  unter  Jodbehandlung  sich  daraus 
entwickelnden  Fällen  von  Jodbasedow.  Warnung  vor  der  kritiklosen 
Anwendung  der  Jodmedikation. 

(Ausführlichere  Abhandlung  des  Vortr.  über  Thyreoiditis  acuta 
simplex  im  Zentralbl.  f.  d.  Grenzgeb.  d.  Chirurgie  u.  Medizin.  Bd.  XV, 

Heft  2.) 

Herr  Hagen:  Kasuistische  Mitteilungen  mit  Demonstration  von 

Röntgenbildern. 

Herr  Butters:  Geber  die  Heliotherapie  von  Ro  liier  in 
Leysin. 

Sitzung  vom  5.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Port. 

Herr  Goldenberg:  1.  Demonstrationen:  a)  Karzinom  der 
Blase,  b)  Nierentuberkulose. 

2)  Ueber  Faszientransplantation  mit  Vorstellung  eines  Patienten, 
bei  welchem  eine  Ptosis  des  linken  Auges  durch  Einpflanzung  eines 
Faszienstückes  geheilt  wurde. 

Herr  M.  Strauss  berichtet  unter  gleichzeitiger  Demonstration 
über  2  Fälle  von  totaler  Osteomyelitis  des  Unterkiefers.  In  beiden 
Fällen  handelte  es  sich  um  5jähr.  Knaben,  bei  denen  die  Osteomyelitis 
im  Anschluss  an  eine  Parulis  im  Bereiche  des  linken  Dens  caninus  in 
die  Erscheinung  trat  und  nach  Spontanfraktur  entsprechend  der  pri¬ 
mären  Erkrankungsstelle  zur  totalen  Sequestration  des  Unterkiefers 
führte.  Der  Unterkiefer  konnte  mitsamt  dem  Gelenkfortsatze  extra¬ 
hiert  werden.  Die  nachfolgende  Kallusbildung  hielt  sich  in  recht  be¬ 
schränkten  Grenzen,  so  dass  eine  erhebliche  Deformierung  des  Ge¬ 
sichtes  resultierte.  Noch  bedeutsamer  erscheint  das  Fehlen  der  Zahn- 
rcihenartikulation,  das  die  Kautätigkeit  unmöglich  macht  und  sich 
bei  dem  jugendlichen  Alter  der  Patienten  auch  nicht  durch  eine  Pro¬ 
these  beheben  lässt. 

Die  Prognose  ercheint  demgemäss  recht  ungünstig,  weshalb  mög¬ 
lichst  frühzeitige  Behandlung  der  Parulis  anzustreben  ist,  um  eine 
Ausdehnung  des  Prozesses  zu  vermeiden. 

Herr  Alexander:  Kontusionsverletzungen  des  Auges  durch 

Kinderspielzeug. 

a)  Traumatische  Mydriasisi,  4'A  jähr.  Knabe,  vor  mehreren 
Wochen  links  mit  Kinderpistole  geschossen.  Die  linke  Pupille  ist 
weit  und  reagiert  kaum.  Keine  Sphinkterrisse  zu  erkennen. 

b)  Traumatische  Myopie.  28  jähr.  Mann  wurde  von  einem 
Kindergewehr  am  linken  Auge  getroffen,  Zahlreiche  Kontusions¬ 


erscheinungen,  z.  B.  Xyphaema,  Comotio  retinae.  —  Interessant  ist 
eine  durch  den  Unfall  bedingte  Myopie  von  7  Dioptrien,  die  nach 
11  Tagen  völlig  verschwunden  ist. 

Herr  Leonhard  Rosenfeld:  Ueber  Schulterhlatthochstand. 

Vortr.  gibt  an  der  Hand  einer  Reihe  eigener  Beobachtungen 
eine  Uebersicht  über  pathologische  Anatomie,  Aetiologie  und  The¬ 
rapie  des  angeborenen  und  erworbenen  Hochstandes  der  Schulter,  er 
demonstriert  hiebei  die  Bilder  eines  bemerkenswerten  Falles  ange¬ 
borenen  doppelseitigen  Hochstandes  mit  Asymetrie  der  Rippen,  der 
17.  bisher  in  der  Literatur  erwähnte  Fall. 

(Ausführliche  Veröffentlichung  an  anderer  Stelle.) 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  14.  November  1912. 

i  Vorsitzender:  Herr  Kraus. 

Schriftführer:  Herr  Wilh.  V  o  i  t. 

Frau  Rodler-Zipkin:  Demonstration  (makro-  und  mikro¬ 
skopischer  Präparate): 

1.  Kirschgrosser  Hypophysistumor  (bösartiges  Adenom)  bei 
einem  46  jährigen  Mann  mit  Akromegalie;  Sella  turcica  und  pneuma¬ 
tische  Höhlen  des  Schädels  stark  erweitert. 

2.  Doppelseitige  maligne  Hypernephrome  bei  einem  59  jährigen 
Mann  (links  apfelgross,  links  faustgross,  an  Stelle  der  Nebennieren 
mit  Freilassung  der  Nieren  und  Metastasenbildung  in  fast  sämtlichen 
abdominalen  Drüsen  (faustgrosse  Drüsenpakete)  und  Darm.  Vater- 
sche  Papille  im  Duodenum  durchsetzt  von  Gummazellen. 

3.  Lymphomatosis  granulomatosa  (Hodgkin)  bei  4  jährigem 
Knaben,  mit  enormer  Schwellung  sämtlicher  äusseren  und  inneren 
Drüsen,  Porphyrmilz,  keine  Tuberkulose. 

4.  Mikroskopische  Blutpräparate: 

a)  Anaemia  pseudoleucaemica  Jaksch-Hayem  bei  1  jähr. 
Kinde  mit  5U  proz.  kernhaltigem  roten  Blut,  meist  Normoblasten: 
Mitosen  mit  basophiler  Körnung  des  Zelleibes. 

b)  2  Fälle  von  hochgradiger  posthämorrhagischer  Anämie  mit 
12  und  9  proz.  Hämoglobin,  1  Million  und  580  000  roten  Blutkörperchen 
bei  rezidivierender  Uterus-  und  Nasenblutung  (fast  ausschliesslich 
Ring-  und  Pessarformen). 

Frau  Rodler-Zipkin:  Ueber  Pseudoleukämie : 

Vortr.  definiert  die  reine  Pseudoleukämie  im  Sinne  Cohn¬ 
heim-Wunderlich  als  Hyperplasie  des  lymphatischen 
Apparates  mit  relativer  Lymphozytose  (P  i  n  c  u  s  -  E  h  r  1  i  c  h), 
d.  h.  als  eine  Systemerkrankung  des  lymphatischen  Gewebes 
im  gesamten  Organismus.  Davon  werden  alle  diejenigen  Affektionen 
abgetrennnt,  die  nur  eine  rein  äusserliche  Aehnlichkeit  mit  der 
Pseudoleukämie  haben  und  mit  Milz-  und  Lymphdrüsenschwellungen 
einhergehen;  nämlich  a)  Lymphomatosis  granulomatosa  als  Stern¬ 
berg  sehe  und  als  H  o  d  g  k  i  n  sehe  Krankheit;  b)  Lymphosarko- 
matosis  Kundrat-Paltauf;  c)  Status  lymphaticus;  d)  multiples 
plasmozelluläres  Lymphogranulom  (multiples  Plasmozytom  Ma¬ 
re  sch);  e)  grosszeilige  Splenomegalie  (Typus  Gaucher);  f)  mul¬ 
tiple  Myelome  (Kahler  sehe  Krankheit);  g)  Mikulicz  sehe  Krank¬ 
heit  (symmetrische  Erkrankung  der  Speichel-  und  Tränendrüsen); 
h)  syphilitische  Lymphdriisen  mit  und  ohne  Miiztumor;  i)  universelle 
Lymphdriisentuberkulose  mit  derben  Tumoren;  k)  lympboide  und 
myelogene  Leukämie.  Alle  diese  Affektionen  werden  ausführlich 
besprochen  und  auf  die  klinischen  und  histologischen  Unterschiede 
von  der  reinen  Pseudoleukämie  hingewiesen. 

Sitzung  vom  12.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Kraus. 

Schriftführer:  Herr  Wilhelm  V  o  i  t. 

Herr  Griinbaum  spricht  über:  Die  Fehldiagnose  der  ex¬ 
trauterinen  Gravidität.  (Erscheint  in  extenso.) 

Herr  Kraus:  Die  Störungen  des  Pupillarreflexes  und  deren 
Nachweis.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

Herr  Steinhardt  demonstriert  ein  Kind  mit  intrauterin  ge¬ 
heilter  Hasenscharte  und  noch  bestehendem  Wolfsrachen. 


Naturwissenschaft!.- medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  13.  Dezember  1912. 

Herr  Sc  hi  ekele:  Das  Wachstum  der  Milchdrüsen  und  die 
Milchsekretion  (Beitrag  zur  Lehre  der  inneren  Sekretion). 

Vortragender  spricht  über  das  Wachstum  der  Brustdrüsen  und 
die  Milchsekretion  an  der  Hand  der  experimentellen  Untersuchungen 
der  letzten  Jahre.  Die  Beobachtungen  an  Tieren  und  die  mit  In¬ 
jektionen  verschiedener  Organextrakte  erzielten  Erfolge  lassen  die 
immerhin  noch  schwebende  Frage  in  anderem  Lichte  erscheinen,  als 
dies  nach  S  t  a  r  1  i  n  g  sehen  Versuchen  der  Fall  war.  F'iir  manche 
Tiere  dürfte  das  Corpus  luteum  die  entscheidende  Rolle  spielen.  Dies 
lässt  sich  jedoch  nicht  ohne  weiteres  verallgemeinern  und  kann 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  lü. 


562 


keinesfalls  vollständig  befriedigen.  Vielmehr  erscheint  es  richtig, 
die  Gesamtheit  der  innersekretorischen  Drüsen  ins  Auge  zu  fassen 
in  der  offenbar  richtigen  Ueberlegung,  dass  diese  Organe,  wenn 
auch  event.  in  verschiedener  Gruppierung,  gemeinsam  arbeiten. 

Diskussion:  Herren  K  r  o  e  1 1,  Breslau,  C  h  i  a  r  i, 

S  c  h  i  c  k  e  1  e. 

Sitzung  vom  10.  Januar  1913. 

Herr  Wieland:  Neuere  Untersuchungen  über  die  Pathogenese 
der  Beriberi-Erkrankung. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herren  Uhlenhut  h,  Hofmeister, 

Chiari.  Wieland. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  16.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Linser. 

Schriftführer:  Herr  Dibbelt. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  J.  W.  Miller 
vom  18.  XI.  1912.  Herr  Holzbach. 

Klinische  Demonstrationen: 

a)  Herr  Commerell  demonstriert  die  Organe  eines  zur 
Sektion  gekommenen  Falles  von  Niercnkarzinom  mit  Metastasen  in 
der  Wirbelsäule  und  Kaudaläsion. 

b)  Herr  Weitz  demonstriert  Fälle  von  Lungentuberkulose,  die 
mit  Pneumothorax  behandelt  sind  und  zeigt  den  D  e  n  e  k  e  sehen 
Apparat. 

c)  Herr  O.  Müller:  Demonstrationen. 

Sitzung  vom  20.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Linser. 

Schriftführer:  Herr  Dibbelt. 

Herr  B.  Veit:  Nebennieren  bei  Hemizephalen. 

Die  Beobachtung  älterer  Forscher  (Bergmann,  Weigert, 
Lomer,  Zander  und  Alexander),  dass  bei  Grosshirndefekten 
die  Nebennieren  apiastisch  seien,  wurde  in  neuerer  Zeit  mehrfach 
bestätigt.  Während  jedoch  die  genannten  ausser  Weigert,  der 
von  der  Nebenniere  der  Hemizephalen  als  einer  normalen  Neben¬ 
niere  „en  miniature“  spricht,  nur  allgemein  von  einer  Aplasie  dieses 
Organs  berichten,  gehen  die  neueren  Forscher  auf  die  Frage  ein, 
welche  Teile  der  Nebenniere  betroffen  sind.  So  fanden  Armour- 
Elliot  und  Kern  bei  einer  gut  entwickelten  Marksubstanz  eine 
mangelhaft  entwickelte  Rinde,  Vera  Hirschfeld  dagegen  eine 
gleichmässige  Aplasie  von  Mark  und  Rinde,  also  eine  Bestätigung 
des  W£  i  ge  r  t  sehen  Befundes,  Wiesel  wiederum  eine  besonders 
schwache  Entwicklung  der  Marksubstanz  und  des  übrigen  chrom¬ 
affinen  Systems.  Die  Untersuchung  von  3  Hemizephalen  aus  dem 
Material  des  pathologischen  Instituts  in  Freiburg  bestätigt  nun  die 
Beobachtung  von  Armour-Elliot  und  Kern,  aber  im  Gegen¬ 
satz  zu  Wiesel  konnte  nicht  nur  eine  gute  Entwicklung  der  Mark¬ 
substanz,  sondern  auch  des  übrigen  chromaffinen  Systems  fest¬ 
gestellt  werden. 

Die  Frage,  ob  die  Nebennierenveränderungen  mit  den  Gehirn¬ 
defekten  in  ursächlichem  Zusammenhang  stehen,  ist  zu  bejahen, 
denn  berücksichtigt  man  die  gleichfalls  gemachte  Beobachtung  von 
Thomas,  Armour-Elliot  und  Kern,  dass  die  Nebenniere 
Neugeborener  fast  ausschliesslich  aus  Rindensubstanz  besteht,  die  im 
Laufe  des  ersten  Lebensjahres  allmählich  vor  der  sich  entwickelnden 
Marksubstanz  zurücktritt,  während  wie  oben  erwähnt,  die  Neben¬ 
nierenrinde  der  Hemizephalen  mangelhaft  entwickelt  ist  und  berück¬ 
sichtigt  man  ferner  die  Biedl  und  Alb  recht  sehe  Feststellung, 
dass  die  Nebennierenrinde  ein  Reservoir  für  Lipoidstoffe  ist,  so 
kann  man  sagen:  beim  normalen  Neugeborenen  erfolgt  während  der 
Embryonalzeit  eine  Aufspeicherung  von  Lipoiden  in  der  Rinde  und 
nach  der  Geburt  entsprechend  der  Entwicklung  des  Gehirns  ein  Ab¬ 
bau  derselben,  beim  Hemizephalen  besteht  ein  Lipoidmangel. 
Dieser  Lipoidmangel  ist  zweifellos  für  den  Zusammenhang  zwischen 
Gehirn-  und  Nebennierenmissbildung  das  wesentliche  trotz  der  schein¬ 
bar  entgegengesetzten  Beobachtung  Robert  Meyers,  denn  die 
Rindensubstanz  als  Ganzes  ist  zu  berücksichtigen,  nicht  nur  der  Um¬ 
stand,  dass  sich  in  der  unterentwickelten  Nebennierenrinde  der 
Hemizephalen  auch  Lipoide  vorfinden.  Der  Mangel  an  Lipoiden  bei 
Hemizephalen  beruht  vielleicht  auf  pathologischen  Veränderungen  der 
Lipoidreservoire  des  mütterlichen  Organismus:  hat  man  doch 
während  der  Schwangerschaft  Zellteilungen  in  der  Nebennierenrinde 
beobachtet  und  steht  doch  das  gleichfalls  Lipoide  enthaltende 
Corpus  luteum  mit  dieser  in  Beziehung. 

Diskussion:  Die  Herren  Dibbelt,  Miller. 

Herr  Ol  pp:  Kinematographische  Demonstrationen  mit  Er¬ 
läuterungen  über: 

a)  Präparation  eines  Anophelesmagens  mit  Malariasporoblasten. 

b)  Infektionsweg  bei  Ankylostomiasis. 

c)  Die  Schlangenvertilgerin  Rhachidelus  brasili. 

Die  beiden  unter  a)  und  b)  genannten  Kinofilms  wurden  zuerst 
von  Fülleborn  -  Hamburg  auf  der  Tagung  der  Deutschen  Tropen¬ 


medizinischen  Gesellschaft  (3. — 6.  April  1912),  dann  auf  dem 
XV.  Internationalen  Hygienekongress  in  Washington  (23. — 28.  Sep¬ 
tember  1912)  demonstriert. 

ad  a)  Der  Moskitofilm  ist  gerade  jetzt,  wo  die  Reinkulturen  der 
asexuellen  Malariaform  (Schizogonie)  durch  die  Amerikaner  entdeckt 
und  bereits  von  den  Engländern  bestätigt  worden  sind,  von  aktuellem 
Interesse.  Er  zeigt  lebende  Anopheles  claviger  in  Bewegung  und  in 
Ruhestellung,  den  Fang  derselben  und  die  Sektion  des  Moskitomagens 
mit  zahlreichen  Malariasporoblasten  (Sporogonie),  endlich  einen 
Sporoblasten  mit  ungeheuer  zahlreichen  Sichelkeimen.  Eine  einzige 
Zyste  kann  bis  zu  10  000  Sporozoiten  enthalten.  Ferner  demonstriert 
der  Film  die  Sektion  der  Speicheldrüse  des  Moskito  und  den  Saug¬ 
akt  des  blutgierigen  Insektes,  der  auf  der  Fingerkuppe  des  Menschen 
vor  sich  geht,  bis  der  edle  Zecher  nicht  mehr  auf  den  eigenen  Beinen  I 
stehen  kann  und  sein  zum  Platzen  voller  Wanst  am  Boden  schleift. 

ad  b)  Dieser  Film  zeigt  zunächst  an  der  dem  Ankylostoma  nahe 
verwandten  Angillula  intestinalis,  dass  die  Uebertragung  dieser  j 
Nematoden  durch  Berührung  mit  einem  in  feuchter  Luft  hängenden  ; 
„Zöpfchen“,  das  aus  Tausenden  von  Larven  besteht,  durch  die  Haut 
vor  sich  geht  (am  Meerschweinchen  demonstriert),  nicht  wie  man  i 
früher  annahm,  durch  das  Trinkwasser.  Geschlechtsreife  Ankylo-  , 
stomen  bilden  derj  Schluss  des  Bildes. 

ad  c)  Ein  brasilianischer  Film,  der  den  Fang  der  Schlangen  mit 
dem  brasilianischen  Schlangenlasso  (ein  in  Tübingen  angefertigtes  : 
Modell  wird  vorgezeigt)  demonstriert  und  dann  den  faszinierenden 
Kampf  einer  erst  1909  entdeckten,  für  den  Menschen  nicht  giftigen 
Schlange,  der  Rhachidelus  brasili  mit  einer  äusserst  giftigen  Lachesis 
lanceolatus  (Buschmeister)  und  die  völlige  Vernichtung  des! 
Gegners  zeigt. 

Aus  dem  von  Vital  B  r  a  z  i  1  *)  veröffentlichten  französischen  I 
Werk  über  diesen  Gegenstand  sei  der  Ablauf  des  Schlangenkampfes, 
wie  er  im  Kino  vor  sich  geht,  nach  Professor  B  e  r  t  a  r  e  1 1  i  wegen  | 
seiner  mit  südländischer  Phantasie  geschilderten  Darstellung  hier 
wiedergegeben. 

„Brasilien  besitzt  heute  seinen  „Nimmersatt“,  eine  Schlange  von 
ebenso  romantischem  als  nützlichem  Charakter:  die  Mussurana  (zu 
deutsch  Seil),  wissenschaftlich  Rhachidelus  brasili  genannt,  welche  i 
noch  vor  kurzer  Zeit  von  der  Naturwissenschaft  mit  Gleichgültigkeit: 
betrachtet,  heute  aber  zu  der  Rolle  einer  Mitarbeiterin  des  Menschen 
in  seinen  Kulturbestrebungen  erhoben  worden  ist. 

Die  Mussurana  liegt,  ihre  Beute  erwartend,  ausgestreckt  auf  der 
Erde.  Der  schöne,  bleifarbene  Körper  mit  glänzenden,  gleichförmigen 
Schuppen  windet  sich  nur  selten;  man  könnte  sagen,  sie  ist  eine  vor¬ 
nehme  Schlange,  stolz  auf  ihre  Würde,  ihr  Werk  und  ihren  Wert.  — 
Eine  Jararaca  (Lachesis  lanceolatus)  erscheint  an  ihrer  Seite.  Auf , 
einmal  kommt  Leben  in  die  beiden  Schlangenkörper.  Sie  beginnen 
ihre  biegsamen,  langsamen,  wellenförmigen  Bewegungen,  in  weiten  I 
Spiraltouren,  zittern,  als  ob  sie  irgend  einen  heftigen  Schock,  irgend' 
eine  unnütze  Erregung  unterdrücken  wollten. 

Ich  habe  niemals  eine  Tragödie  in  solch  eleganter  und  har¬ 
monischer  Weise  sich  abwickeln  sehen  wie  diese.  Der  Vorgang  spielt1 
sich  folgendermassen  ab: 

Die  giftige  Jararaca  wittert  den  Feind,  sie  fühlt,  wie  er  ihren  [ 
Körper  streift,  wie  ihre  kleine,  gespaltene  Zunge  vor  Erregung  zittert 
und  bereitet  sich  auf  den  Angriff  vor.  Die  Mussurana  bemerkt  ihren 
Feind  auch,  aber  ihre  Augen,  die  gewohnt  sind  im  Finstern  zu  sehen, 
dienen  ihr  schlecht  beim  Tageslicht.  Sie  muss  sich  mit  der  schnell 
beweglichen  Zunge  orientieren,  wenn  sie  ihren  Angriff  plant. 

Die  Giftschlange  schreitet  zum  Angriff  und  öffnet  plötzlich  gierig 
ihren  Mund,  stürzt  sich  auf  den  Feind,  gräbt  ihre  Giftzähne  tief  in 
seinen  Leib  und  .  .  .  wartet. 

Die  Erfahrung  von  Jahrhunderten  hat  in  ihrem  Gehirn  die  Ge¬ 
schichte  vieler  Siege  unauslöschlich  eingegraben,  die  durch  die  ge-^ 
ringe  Anstrengung  eines  kleinen  Stiches  gewonnen  wurden.  Ihre! 
Hirnzellen  erinnern  sich  der  Kämpfe  gegen  den  Jaguar  und  Ameisen¬ 
bär  und  des  schnellen  Todes  anderer  ziemlich  grosser  Tiere,  die  durch 
einige  Tropfen  ihres  Giftes  nach  wenig  Augenblicken  verendet  vor 
ihr  lagen. 

Und  die  kleinen  Augen  der  Giftschlange  fixieren  die  Mussurana. 
Diese  dagegen  sucht  mit  ihren  kräftigsten  Spiralwindungen  den 
Körper  der  Giftschlange  zusammen  zu  schnüren  und  scheint  beinahe 
•  dem  Gegner,  der  Betrügerei  gewohnt  ist  und  nur  wartet,  bis  die 
Lähmung  eintreten  wird,  Grimassen  zu  schneiden.  Ja,  die  Mussurana 
hält  sich  nicht  für  besiegt.  Im  Gegenteil.  Schon  hat  sie  zweimal  den 
Leib  der  Giftschlange  unlösbar  umschlungen,  schon  umklammert  sie 
ihn  wie  mit  einem  eisernen  Knoten,  während  ihr  Kopf  sich  langsam 
dem  Kopfe  des  Gegners  nähert,  um  den  letzten  Schlag  zu  führen. 
Sie  wird  dabei  durchaus  nicht  ungeduldig;  es  ist  der  Kampf  des, 
Stärkeren,  der  seine  Kraft  zu  sparen  weiss.  Wozu  sich  aufregen, 
wenn  der  Sieg  gewiss? 

Die  Giftschlange  erbebt!  Also  sind  sie  falsch,  die  Beteuerungen 
der  Eltern,  die  ihr  in  den  langen  Stunden  der  Mittagsruhe  die 
märchenhaften  Geschichten  ihrer  Siege  erzählt  haben,  die  nicht  müde 
wurden,  sie  von  der  unfehlbaren  Wirkung  ihres  Giftes  auf  alle  Lebe¬ 
wesen  des  ganzen  Erdenrundes  zu  überreden?  —  Warum  gibt  der 
Gegner  nicht  nach,  warum  werden  die  festen  Umschlingungen  so 
unbequem,  so  angsterregend?  Schon  gleitet  der  starke  Kopf  der 
Mussurana  an  den  schlanken  Körperlinien  der  Jararaca  entlang,  sie 


*)  Dr.  Vital  B  r  a  z  i  1 :  La  Dcfonde  contre  Tophidisme.  St.  Paul  191 1 


.  Mürz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


563 


t  ihrer  Zunge  kitzelnd,  um  ihre  Kehle  zu  finden.  Nach  mehreren 
rgeblichen  Versuchen  reisst  sie  schon  ihr  grosses  Maul  auf.  Aller 
iderstand  ist  vergeblich.  Die  Windungen  der  Mussurana  urn- 
ilingen  fast  den  ganzen  Körper  der  Giftschlange,  deren  Kopf  ver¬ 
blich  dem  Todeskusse  zu  entfliehen  sucht,  aufs  innigste.  Nur  noch 
iiige  Millimeter,  und  das  Ziel  ist  erreicht. 

Die  Mussurana  ist  vollkommen  Herr  der  Situation.  Unmässig 
■it  öffnet  sie  ihr  wundervoll  bewegliches  Maul  und,  obwohl  sie 
hts  mehr  sieht,  rollt  sie  sich  schnell,  sicher  und  energisch  um  den 
pf  des  Gegners,  den  sie  aus  den  Fugen  bringt  und  vollständig 
malmt. 

Dann  beginnt  sie  ihr  wohlverdientes  Mahl  und  verschlingt  lang- 
n  nach  und  nach,  zuerst  den  zermalmten  Kopf,  dann  den  ganzen 
rper  des  Gegners,  bis  sie  endlich  kraftlos  auf  dem  Boden  aus¬ 
streckt  ihren  gaumenkitzelnden  Festschmaus  verdaut. 

Die  Mussurana  oder  Rhachidelus  ist  heute  ein  Gegenstand  der 
ugierde,  morgen  wird  sie  populär  wie  ein  Wohltäter  der  Mensch- 
it  sein,  und  die  Bauern  werden  sie  im  Kampf  ums  Dasein  um  ihre 
ige  Hilfe  bitten. 

Diskussion:  Die  Herren  A  b  e  g  g,  v.  Grützner,  L  i  n  s  e  r, 
i  p  p  und  W  a  1  b  a  u  m. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  5.  März  1913. 

Tagesordnung: 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Orth:  lieber  die 
deutung  der  Rinderbazillen  für  den  Menschen.  (Vergl.  S.  434.) 

Herr  Westenhoeffer:  In  Chile  ist  die  chronisch  verlaufende 
ngenschwindsucht  relativ  selten;  häufiger  ist  die  akute  Tuberku- 
e.'  Die  Mortalität  an  Tuberkulose  ist  etwa  ebenso  gross  wie  bei 
s  (ca.  20  Proz.  der  sezierten  Fälle),  während  die  Morbidität  nur 
7  Proz.  der  Fälle  beträgt.  Diese  Zahlen  sprechen  sehr  zugunsten 
r  Behringschen  Anschauung,  wonach  die  Tuberkulose  im  Kin- 
salter  erworben  wird  und  im  Falle  eines  latenten  Verlaufs  für  spä- 
immunisierend  wirkt.  Aus  W.s  Zusammenstellung  von  175  Kinder- 
vtionen  geht  hervor,  dass  in  Chile  die  Kindersterblichkeit  an 
1  berkulose  weit  grösser  ist  als  bei  uns.  Hierin  wäre  also  die  haupt- 
.hliche  Ursache  der  Mortalitäts-  und  Morbiditätsstatistik  zu  suchen. 

Herr  Weber:  Der  Typus  bovinus  ist  für  den  Menschen  nicht 
■eil  harmlos,  aber  seine  Gefahr  darf  nicht  überschätzt  werden.  Eine 
olksseuche“  kann  er  wohl  nicht  hervorrufen.  Statistische  Er¬ 
bungen  in  den  verschiedensten  Ländern  und  unter  verschiedenen 
nährungsbedingungen  haben  keine  Anhaltspunkte  für  die  Abhängig- 
it  der  menschlichen  Tuberkulose  vom  Typus  bovinus  ergeben, 
gibt  sodann  eine  historische  Uebersicht  über  die  bisherige  Tätig- 
it  des  Deutschen  Tuberkulosekomitees.  Man  hat  den  Typus  bo- 
ms  wohl  durchaus  anerkannt  und  ist  weit  davon  entfernt,  ihn  als 
bedenklich  anzusehen.  Dieser  Anschauung  wird  auch  durch  die 
ophylaktischen  und  hygienischen  Massnahmein  Rechnung  getragen, 
ch  die  Ergebnisse  der  englichen  und  amerikanischen  Komitees 
:  inmen  damit  im  grossen  und  ganzen  überein.  Aber  überschätzen 
rf  man  die  Gefahr  doch  nicht.  An  der  Hand  einer  Sammelforschung 
n  687  Personen,  darunter  280  Kindern,  konnte  gezeigt  werden, 
-S  die  reine  bovine  Infektion  ausserordentlich  selten  ist.  Zudem 
von  den  mit  bovinen  Bazillen  infizierten  Kindern  (Halsdrüsen) 
:h  nunmehr  7  jähriger  Beobachtung  nicht  ein  einziges  an  Tuber- 
Hose  gestorben  oder  an  offener  Tuberkulose  erkrankt.  Die  Statistik 
n  Heese,  wonach  ca.  40  Proz.  der  chirurgischen  Tuberkulosen 
viner  Herkunft  sein  sollen,  ist  nicht  beweisend,  weil  zu  summarisch. 
Eine  Umwandlung  der  beiden  Typen  ineinander  hält  W.  wohl 
möglich,  wenn  auch  noch  nicht  strikt  bewiesen.  Die  englische 
mmission  hat  früher  Misch-  und  Uebergangskulturen  anerkannt; 
zt  hält  sie  nur  noch  die  Gattung  der  Mischkulturen  aufrecht. 
ierts  Versuche  der  Mutation  konnten  im  Gesundheitsamt  zu- 
:hst  nicht  bestätigt  werden;  die  Versuche  werden  jedoch  fort- 
>etzt.  In  einem  Falle  von  chirurgischer  Tuberkulose  konnte  W. 
Jahre  hindurch  den  bovinen  Typus  unverändert  nachweisen.  Die 
üationsversuche  mit  Kaltblüterbazillen  sprechen  eher  für  eine 
enming  als  für  Identität.  Vielleicht  sind  im  kindlichen  Alter  aviru- 
te  Bazillen  vorhanden,  welche  für  später  Immunität  erzeugen. 

Herr  Sticker:  Hunde  sind  bei  intraperitonealer  Impfung  emp- 
'glicher  gegen  den  Typus  humanus,  als  gegen  den  bovinus.  Die 
)  d  g  k  i  n  sehe  Drüsenschwellung  erwies  sich  in  derartigen  Ver¬ 
dien  öfter  als  bovine  Infektion. 

Herr  F.  K  1  e  m  p  e  r  e  r :  Es  ist  wichtig,  2  Fragen  zu  beantworten : 
die  bovine  Infektion  beim  Menschen  häufig?  Und  welche  Bedeu- 
’g  hat  sie  für  den  Menschen?  Wenn  L.  Rabinowitsch  in  der 
Ile  luberkulöser  6  mal  Tnberkelbazillen  fand,  wovon  2  mal  den 
Pus  bovinus,  so  ist  das  für  die  Bedeutung  des  Bovinus  noch  keines- 
gs  beweisend.  Auch  eine  Umwandlung  des  Bovinus  in  den  Hu¬ 
mus  erscheint  K.  bisher  nicht  erwiesen.  Die  klinische  Statistik 
icht  nicht  eben  für  eine  Bedeutung  des  Bovinus.  Vielleicht  kann 
ii  sogar  von  einer  günstigen  Beeinflussung  reden,  insofern  als  eine 
idhche  bovine  Infektion  möglicherweise  einen  gewissen  Immunitäts- 
»d  gegenüber  dem  Humanus  erzeugt. 

Herr  Max  W  o  1  f  f  demonstriert  die  Präparate  einer  primären 
rmtubei  kulose  beim  Menschen.  Die  Milch  dieses  Falles  erzeugte 


nach  Meerschweinchenpassage  in  einem  Kalbe  eine  typische  Perl¬ 
sucht.  Die  bovine  Infektion  ist  demnach  durchaus  nicht  belanglos. 

Herr  Ebert:  Die  von  Weber  schon  zitierten  Mutationsver¬ 
suche  wurden  im  Kaiserlichen  Gesundheitsamt  nachgeprüft;  aber  erst 
die  jetzige  Versuchsanordnung  entspricht  den  E  b  e  r  t  sehen  Am- 
weisungen.  Es  gibt  sicherlich  Stämme,  die  sich  keinem  der  beiden 
lypen  ohne  weiteres  einreihen  lassen.  In  20  Lupusfällen  fand  E. 
u  crartige  Stamme:  8  mal  war  der  Bovinus  vorhanden,  aber 
ohne  Rindervirulenz,  9  mal  der  Humanus,  aber  ohne  humane  Virulenz. 
Vielleicht  gibt  es  demnach  Stämme,  welche  als  humane  wuchern, 
dabei  aber  nur  bovine  Virulenz  aufweisen.  Jedenfalls  ist  den  bovinen 
Typen  eine  gewisse  Bedeutung  nicht  abzusprechen.  Ws. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  März  1913. 

Demonstrationen  vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Bönniger:  Zur  Genese  des  Ulcus  ventriculi. 

Nach  B  e  r  g  m  a  n  n  entsteht  das  Ulcus  ventriculi  durch  Spasmen 
der  Magenmusknlatur;  es  kommt  zunächst  zu  Ischämie  der  Schleim¬ 
haut  mit  darauffolgender  Selbstverdauung.  An  einem  Sanduhrmagen 
bei  perniziöser  Anämie  konnte  Vortr.  spastische  Kontrakturen  der 
Schleimhaut  beobachten,  auf  deren  Falten  Blutungen  vorhanden  sind. 
(Demonstration.)  Wegen  des  Fehlens  der  Salzsäure  bei  der  perni¬ 
ziösen  Anämie  ist  cs  hier  nicht  zur  Ulcusbildung  durch  Selbst¬ 
verdauung  gekommen.  Die  Theorie  der  Ulcusentstehung  darf  aber 
nicht  verallgemeinert  werden. 

Herr  Katzenstein:  Eine  neue  Methode  zur  direkten  Be¬ 
sichtigung  des  Kehlkopfes, 

Mit  dem  Apparat  ist  direkte  Besichtigung  des  Kehlkopfes  und 
auch  die  Bronchoskopie  möglich. 

Tagesordnung: 

Diskussion  zu  dem  Vortrag  des  Herrn  Tachau:  Unter¬ 
suchungen  über  den  Zuckergehalt  des  Blutes  und  deren  klinische 
Bedeutung. 

Herr  Reicher  bespricht  seine  Methode,  kolorimetrisch  mit 
Hilfe  der  Oxylmethylfurolreaktion  den  Kohlehydratgehalt  des  Blutes 
zu  bestimmen.  Die  übrigen  Methoden  geben  nur  den  Sucre  immediat, 
nicht  aber  den  Sucre  virtuel  von  Lepine  an,  während  hier  beide 
Zuckerfraktionen  quantitativ  gefunden  werden. 

Hartnäckige  Fälle  von  Ischias,  Furunkulose,  Sklerodermie 
konnten  so  als  Diabetiker  erkannt  werden;  eine  entsprechende  Diät 
führte  dann  auch  zur  Besserung. 

Herr  Bönniger  weist  auf  eine  Fehlerquelle  der  Reaktion  hin, 
dass  starkes  Licht  die  Farbe  sehr  schnell  ändert.  Ueberall  dort,  wo 
eine  ungleiche  Verteilung  des  Zuckers  anzunehmen  ist,  müssen  Blut¬ 
körperchen  und  Serum  getrennt  untersucht  werden. 

Herr  Reicher  hat  diese  Fehlerquelle  nie  beobachtet. 

Herr  Ohm:  Ueber  die  Bedeutung  des  Venenpulses  bei  neuer 
kombinierter  photographischer  Methodik. 

Bei  der  Methode  des  Vortragenden  (photographische  Registrier¬ 
methode)  werden  gleichzeitig  Kurven  vom  Arterienpuls,  Venenpuls 
und  den  Herztönen  aufgenommen.  Vortragender  demonstriert  zahl¬ 
reiche  von  normalen  Fällen  und  pathologischen  Veränderungen  her¬ 
stammende  Kurven.  W.-E. 


Wissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Februar  1913. 

Herr  Epstein:  Besprechung  der  Krankengeschichte  eines 
6  Woche  alten  Kindes,  das  folgende  Symptome  darbot:  Anfänglich 
bestand  neben  den  Erscheinungen  chronischen  Hungerzustandes  an 
Intensität  zunehmender  Ikterus,  der  schliesslich  in  eine  matt  oliv¬ 
grüne  Färbung  überging.  Die  Leber  war  stark  vergrössert,  auf¬ 
fallend  hart,  von  glatter  Oberfläche.  Die  Milz  war  nicht  tastbar. 
Im  Harne  war  stets  Gallenfarbstoff  nachweisbar.  Der  Stuhl  war 
acholisch,  grauweiss,  kugelig  oder  zylindrisch  geformt.  Ueber  dem 
Körper  verstreut  fanden  sich  zahlreiche  Hautabszesse,  zu  denen  sich 
später  an  verschiedenen  Stellen  Phlegmonen  hinzugesellten.  Unter 
Fieber,  Aszites  und  Bauchvenenektasie  erfolgte  der  Exitus.  Die 
Diagnose  wurde  auf  angeborenen  Defekt  der  Gallenausführungsgänge 
gestellt  und  bei  der  Sektion  bestätigt. 

Herr  Luc  k  sch  demonstriert  die  Leber  dieses  Kindes.  Der 
Choledochus  ist  in  eine  taubeneigrosse  Zyste  umgewandelt,  mit 
dunkelgrüner  Flüssigkeit  gefüllt.  Die  Papilla  Vateri  hat  kein  Lumen. 

Herr  Frankl:  Die  direkte  Besichtigung  des  Magenimieren 
(Gastroskopie)  und  ihre  klinische  Anwendung. 

Trotz  jahrelanger  Bemühungen  hervorragender  Autoren  wie 
Mikulicz,  R  o  s  e  n  h  e  i  m,  K  e  1 1  i  n  g,  K  ü  1 1  n  e  r  u.  a.  konnte  das 
Problem  der  Gastroskopie  nicht  gelöst  werden.  Es  wurden  zahl¬ 
reiche  Gastroskope  konstruiert,  teils  starren,  teils  beweglichen 
Systems,  doch  konnte  keines  dieser  Instrumente  Eingang  in  die  Klinik 
finden.  Der  Grund  war  vor  allem  die  Gefährlichkeit  der  Methode 
und  ferner  die  technischen  Schwierigkeiten  bei  der  Anwendung  der 


5CA 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


Ciastroskope.  Ein  Instrument,  das  praktischen  Zwecken  dienen  soll, 
muss  vor  allem  ungefährlich  sein,  es  muss  ferner  technisch  so  be¬ 
schaffen  sein,  dass  es  in  den  meisten  Fällen  eingeführt  werden  kann. 
Nach  gleichzeitiger  Einführung  des  optischen  Apparates  muss  die 
sofortige  Besichtigung  der  Magenhöhle  ermöglicht  sein,  die  nur  ganz 
kurze  Zeit  dauern  darf,  um  den  Patienten  nicht  unnütz  zu  belästigen. 
Sämtliche  diese  Bedingungen  erfüllt  das  öastroskop  von  Elsner, 
das  an  Einfachheit  und  Ungefährlichkeit  sämtliche  bisher  konstruierte 
Gastroskope  weit  übertrifft.  Was  die  Technik  betrifft,  so  ist  die 
Hauptbedingung  die  richtige  Lagerung  des  Patienten,  das  ist  die  linke 
Seitenlage  mit  nach  rückwärts  gebeugtem  Kopfe,  genaue  lokale 
Anästhesierung  des  Rachens  und  des  Einganges  in  die  Speiseröhre, 
eventuell  Morphininiektion  Vi  Stunde  vor  der  Untersuchung,  Ver¬ 
meidung  jeglichen  Druckes.  Unter  diesen  Bedingungen  gleitet  das 
Instrument  anstandslos  in  den  Magen  hinein.  Was  die  Indikationen 
zur  Vornahme  der  Gastroskopie  anbelangt,  wird  man  allgemein 
gültige  Gesetze  erst  nach  Untersuchungen  an  einem  grossen  Materiale 
aufstelkn  können.  Immerhin  kann  man  schon  heute  eine  dreifache 
Indikation  zur  Vornahme  der  Gastroskopie  aufstellen: 

1.  Früh-  bzw.  Differentialdiagnose  des  Magenkarzinoms. 

2.  Bei  sicheren  Fällen  von  Magenkarzinom,  um  ihre  Ausbreitung 
festzustellen. 

3.  Bei  ulzerösen  Prozessen  des  Magens,  deren  Sitz  durch  keine 

bisherige  Untersuchungsmethode,  auch  nicht  annähernd  und  auch 
durch  die  Probelaparotomie  nicht  gegeben  ist.  Rotky. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Januar  1913. 

Herr  S  e  I  i  g  -  Franzensbad:  Zur  Therapie  der  Herzschwäche. 

Herr  Hock:  Demonstrationen. 

Sitzung  vom  7.  Februar  1913. 

Herr  Eckstein:  Demonstration. 

Herr  Hecht:  Darf  der  Arzt  zum  ausserehelichen  Geschlechts¬ 
verkehr  raten? 

Der  Arzt  wird  oft  von  Kranken  mit  nervösen  Beschwerden,  mit 
Hang  zum  Onanieren  u.  dgl.  konsultiert.  Diese  Erkrankungen  werden 
sehr  häufig  auf  sexuelle  Abstinenz  zuriickgefülirt.  Bevor  der  Arzt 
den  Rat  zum  ausserehelichen  Beischlaf  erteilt,  muss  er  alle  anderen 
Ursachen  der  Erkrankung  ausschliessen,  wobei  sich  gewöhnlich 
ergibt,  dass  die  von  den  Kranken  selbst  vermutete  Ursache  tat¬ 
sächlich  nicht  vorhanden  ist,  sondern,  dass  die  Erkrankung  auf  einen 
anderen  Grund  zurückzuführen  ist.  Junge  Individuen  können  bei 
geeigneter  Lebensweise  (Vermeidung  von  Alkohol,  durch  Sport  und 
durch  ernste  Arbeit)  bis  in  die  Mitte  der  20  er  Jahre  sexuell  abstinent 
leben.  In  diesem  Sinne  soll  der  Arzt  wirken,  denn  die  meisten 
jungen  Leute  wollen  vom  Arzte  nur  die  Bestätigung  ihrer  Wünsche 
nach  sexueller  Betätigung  hören:  der  Wunsch  wird -zur  Ursache. 
Bei  älteren  Leuten  muss  als  Ursache  der  Erkrankung  erst  die; 
sexuelle  Abstinenz  ausschliesslich  nachgewiesen  werden,  ehe  der 
Arzt  den  Kranken  auf  die  in  diesem  Falle  beste  Therapie  hinweist. 

O.  Wiener. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Pädiatrische  Sektion. 

Sitzung  vom  20.  Februar  1913. 

M.  Zar  fl  berichtet  über  2  Fälle  von  nekrotisierender  Zahnkeim¬ 
entzündung.  Die  Erkrankung  betraf  Kinder  der  ersten  Lebenswochen 
und  bestand  in  einer  nekrotisierenden  Entzündung  zirkumskripter 
Stellen  der  Kiefer.  Hiebei  wurden  einige  Zahnkeime  als  Sequester 
ausgestossen.  Die  Krankheit  ging  in  einem  Falle  mir  Fieber  einher, 
die  Kieferentzündung  war  in  einem  Falle  von  ausgedehnter  Phleg¬ 
monenbildung  begleitet.  Ein  Kind  starb  an  eitriger  Meningitis,  welche 
sich  durch  die  Augenhöhle  nach  der  Schädelbasis  fortgepflanzt  hatte, 
das  andere  an  Darmkatarrh.  Vortr.  hat  4  Fälle  dieser  seltenen  Er¬ 
krankung  gesehen. 

Edm.  Nobel  zeigt  ein  15  Monate  altes  Kind  mit  Anfällen  von 
tonischen  Krämpfen,  welche  seit  4'A  Monaten  bestehen,  auf  der  lin¬ 
ken  Körperhälfte  beginnen  und  dann  auf  die  rechte  Seite  übergehen; 
die  Augen  weichen  manchmal  nach  links  ab.  Diese  Anfälle  treten  im 
Anschluss  an  einen  Schreck  oder  auf  akustische  Reize  oder  infolge 
einer  Erschütterung  auf.  Der  tonische  Krampf  löst  sich  nach  einigen 
Sekunden.  Das  Kind  kann  noch  nicht  sitzen  und  stehen,  es  hat  erst 
2  Zähne,  es  schielt  und  die  Papillen  sind  an  der  temporalen  Seite  ab¬ 
geblasst.  Die  Wassermann  sehe  Reaktion  ist  negativ.  Es  han¬ 
delt  sich  vielleicht  um  eine  organische  Veränderung  im  Gehirn  (en- 
zephalitische  Narbe  oder  Zystizerkus). 

v.  P  1  r  q  u  e  t  demonstriert  ein  2A  Monate  altes  Kind  mit  lokalem 
andauerndem  Sklerem.  Am  linken  Oberschenkel  und  in  der  Genital¬ 
gegend  ist  die  Haut  bretthart  infiltriert,  eine  Ursache  lässt  sich  für 
diese  Affektion  nicht  finden.  Das  Kind  war  eine  Frühgeburt  und 
nimmt  sehr  gut  zu,  (Diskussion.) 


v.  Pirquet  zeigt  ein  Kind  mit  einem  erythrodermieartigt 
luetischen  Exanthem.  Es  hatte  eine  intensive  Rötung  am  Gesäss  ui 
an  den  Fusssohlen,  am  Körper  sah  das  Exanthem  wie  ein  akut' 
Ausschlag  aus,  im  Gesichte  war  die  Haut  erythrodermieartig  ve 
ändert.  Dann  blasste  die  Rötung  ab  und  im  Gesicht  trat  ein  luetisch' 
Ausschlag  auf. 

v.  Pirquet  demonstriert  ein  Kind,  welches  auf  Ghlorom  ve 
diiehtig  ist.  Es  bekam  vor  2'A  Monaten  eine  rechtsseitige  Faziali 
lähmung,  nach  Besserung  derselben  wurde  der  linke  Fazialis  gelähn: 
seit  14  Tagen  sind  die  Augen  vorgetrieben.  Der  harte  Gaumen  ur 
die  beiden  Zahnleisten  sind  stark  infiltriert.  Das  Blut  enthält  vie 
grosse  weisse  Blutkörperchen  mit  einem  blassen  Kern,  der  Häm 
globingehalt  ist  40  Proz. 

H.  Januschke  demonstrierte  einen  geheilten  epileptisch! 
Knaben  und  besprach  die  Bromwirkung  bei  der  Epilepsie.  Der  Knai; 

bekam  3  mal  täglich  1  g  Brom  und  VA  g  Kochsalz.  Ueber  die  W  i 
kung  des  Broms  im  Körper  herrschen  2  Auffassungen:  1.  Das  Bro 
verdrängt  das  Chlor,  2.  das  Brom  entfaltet  eine  spezifische  Wirkun 
Bei  kochsalzarmer  Diät  werden  Chloride  im  Körper  zuriickgehalü; 
und  im  Harne  verschwunden  die  Chloride.  Bei  der  Bromkur  \vi 
ein  Teil  der  Chloride  im  Blute  durch  Bromide  ersetzt.  Vortr.  h 
Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  Broms  vorgenommen.  H 
grossen  Dosen  von  Bromiden  zeigen  die  Versuchstiere  Erscheinungt 
wie  wenn  ihnen  das  Grosshirn  ausgeschaltet  wäre,  sie  verfallen  na-1 
einigen  Stunden  in  eine  tiefe  Narkose.  Durch  chronische  Behandln; 
mit  Brom  wird  eine  aufsteigende  Lähmung  erzeugt.  In  dem  vc 
gestellten  Falle  ist  die  Heilwirkung  nicht  durch  Chloridverdrängur 
sondern  durch  die  spezifische  Wirkung  der  Bromionen  herbeigefiih 
worden;  letztere  wird  durch  Kochsalzzugabe  unterstützt. 

Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  Oktober  1912. 

Herr  Prof.  v.  Noorden  aus  Wien  wird  als  Gast  von  du 
Vorsitzenden  Carl  Beck  begrüsst  und  ergreift  das  Wort.  Er  spriu 
zuerst  über  die  Eindrücke,  die  er  in  Amerika  erhalten  und  hält  sodai 
einen  Vortrag:  „Ueber  enterogene  Intoxikation“. 

Er  gibt  eine  Skizze  der  historischen  Phasen  des  viel  mi:- 
brauchten  Begriffes  der  Autointoxikation.  Zuerst  wurde  der  Begi 
bei  schwerem  Diabetes,  bei  Urämie,  Cholämie  etc.  gebraucL 
Spätere  Arbeiten  von  Bouchard  verallgemeinerten  den  Begriff  duri 
Ausdehnung  desselben  auf  Krankheiten,  die  nicht  von  Mikroben  vf 
ursacht  werden.  Diese  Idee  ist  fallen  gelassen  worden,  doch  wurd 
die  Grundanschauungen  B.s  später  völlig  gerechtfertigt.  Eine  weite 
Ausdehnung  erfuhr  der  Begriff  durch  die  Lehre  von  der  innen 
Sekretion.  Das  Gebiet,  auf  dem  der  Ausdruck  besonders  in  Mi- 
kredit  kam,  ist  das  Gebiet  der  enterogenen  Intoxikation. 

Ueber  diese  will  der  Vortragende  reden. 

Von  Autointoxikation  soll  man  nur  dann  sprechen,  wenn  e 
Gifte  von  den  Geweben  des  Körpers  selbst  gebildet  werden.  Yi 
enterogenen  Giften,  welche  in  diesem  Sinne  von  der  Magen-  d 
Darmschleimhaut  erzeugt  werden,  wissen  wir  nichts.  Darum  bezi  t 
sich  der  Ausdruck  enterogene  Intoxikation  nur  auf  die  Gifte,  weite 
durch  die  im  Darme  vor  sich  gehenden  Zersetzungsprozesse  gebil : 
werden.  Es  ist  auffallend,  dass  in  so  dichter  Nachbarschaft  ei  r 
lebenden  Membran  durch  Fäulnisprozesse  so  viele  Gifte  gebil  t 
werden  können,  ohne  dass  die  Gesundheit  geschädigt  wird.  Es  t 
ein  interessantes  Problem,  was  diese  Gifte  entgiftet.  Metschi- 
k  o  f  f  geht  offenbar  vom  Enthusiasmus  getrieben  zu  weit  mit  seini 
Ideen;  denn  sonst  müssten  Milchtrinker,  Kartoffelesser  und  Ve> 
tarianer  die  Gesündesten  sein:  auch  haben  sich  gerade  die  fleis- 
essenden  Völker  die  Weltherrschaft  errungen,  trotzdem  Fleisch  i 
stärkste  Giftbildner  ist.  Metschnikoffs  Ideen  sind  bloss  ii 
Laboratoriumsversuche  basiert. 

Offenbar  hat  der  Mensch  gleich  den  fleischfressenden  Tieren  l- 
mählich  die  Fähigkeit  erworben,  die  normalen  Gifte  im  Darme  '■ 
schädlich  zu  machen.  Hier  handelt  es  sich  aber  um  exogene  GL 
nicht  um  eine  wirkliche  Autointoxikation.  Es  unterliegt  keim 
Zweifel,  dass  geringe  Abweichungen  von  den  normalen  Dar 
Prozessen  zur  Aufnahme  von  Giften  ins  Blut  führen  können.  Dir 
kann  es  notwendig  werden,  gewisse  Nährstoffe  fernzuhalten;  scK 
lange  ist  es  üblich,  solchen  Verhältnissen  durch  einfache  Kost,  it 
Milch,  Rechnung  zu  tragen.  Wir  stehen  hier  auf  dem  Boden  *' 
Empirie  und  sind  erst  am  Anfang  der  Forschung. 

Combe  in  Lausanne  hat  versucht,  diese  Frage  in  ein  gewiss 
System  zu  bringen,  ist  aber  noch  nicht  tief  eingedrungen  und  hat  b 
Frage  zu  einseitig  behandelt. 

Immer  finden  wir  bei  ihm  die  Bevorzugung  einfacher  Nährst«*- 
Dies  mag  für  gewisse  Fälle  das  beste  sein,  es  ist  aber  unrichtig,  r;! 
Prinzip  zu  verallgemeinern.  Beim  „Combeismus“  ist  es  nicht  n  u 
der  Patient,  sondern  die  Methode,  welche  die  Situation  be'nerrst 
Es  ist  dies  eine  Einförmigkeit  der  Auffassung,  die  an  den  militärisch 
Drill  erinnert,  v.  Noorden  wendet  sich  in  weiteren  Ausführung 
gegen  den  „Combeismus“,  der  eine  Diät  für  den  Erwachsenen  '■ 
führt,  welche  beim  Kinde  üblich  ist.  Die  Patienten  befinden  H 
dabei  nur  so  lange  wohl,  als  sie  bei  dieser  leichten  Kost  verbleiD 
haben  aber  sofort  wieder  ihre  alten  Beschwerden,  wenn  sie  zur  - 
mischten  Kost  zurückkehren. 


März  10  Kl 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


Nach  v.  N.s  Erfahrungen  gibt  eine  Abhärtung  des  Magendarmes 
;  ch  Uebungstherapie  bessere  und  dauernde  Resultate.  Nur  im 
[  ;inn  der  Behandlung  ist  die  Schonung  indiziert;  das  gilt  auch  für 
Enteritis  membranacea. 

v.  N  o  o  r  d  e  n  spricht  über  das  Krankheitsbild  der  enterogenen 
!  ixikation.  Die  Verdauung  ist  unregelmässig,  meist  besteht  Ver¬ 
dung.  doch  erfolgen  in  manchen  Fällen  tägliche  Stuhlentleerungen, 
ün,  es  finden  sich  nach  der  Stuhlentleei'ung  noch  harte  Massen 
Jer  Flexur,  als  ob  dieselben  hier  festgehalten  würden.  Dadurch 
stehen  Beschwerden  nach  dem  Essen,  wie  Gefühl  der  Völle  und 
nagerung.  Die  Patienten  glauben,  dass  der  Magen  erkrankt  sei. 
sächlich  liegt  oft  eine  Verlangsamung  der  Magenentleerung  und 
i  perazidität  vor,  die  letztere  abhängig  von  der  Obstipation.  Es 
teht  Druckschmerzhaftigkeit  der  Flexur  (Sigmapunkt).  Manchmal 
d  die  Verstopfung  durch  Diarrhöe  infolge  Reizung  des  kot- 
;  iillten  Darmes  ersetzt.  Schliesslich  kann  es  zu  Schleim¬ 
onderung,  Schmerzen,  kurz  zum  Bilde  der  Enteritis  membranacea 
inmen.  Doch  findet  sich  nur  eine  leichte  Hyperämie,  keine 
:iwellung  und  wenig  Schleim;  bloss  in  schweren  Fällen  liegen 
,  issere  Veränderungen  vor.  Das  Röntgenbild  zeigt,  dass  die  Kot- 
i  ssen  lange  durch  Spasmen  in  der  Flexur  festgehalten  werden. 

diesen  Beschwerden  gesellen  sich  nun  entferntere  in  den  ver¬ 
miedenen  Gebieten  des  Körpers,  wie  Neuralgien  im  Okzipital- 
,  )iet,  im  Trigeminus,  Kruralis,  Kopf-  und  Riickenschinerzen,  Inter- 
i  üalneuralgien  vom  Charakter  der  Dolores  vagi.  Dabei  können 
I  ickpunkte  bestehen.  In  anderen  Fällen  treten  Muskel-  und  Gelenk- 
:  imerzen  bei  Bewegungen  afif,  besonders  in  den  Morgenstunden, 
handelt  sich  hier  um  eine  elektive  Neuritis,  die  hie  und  da  auch 
Veränderungen  in  der  Tastempfindung  einhergeht.  Die  Herz¬ 
igkeit  zeigt  Anomalien,  wie  Verlangsamung,  Irregularität,  Extra- 
-tolie  bei  Ruhe  und  Erschöpfung.  Bei  Erregungen  verschwinden 
:  se  Erscheinungen.  Andere  Symptome  sind  gegeben  durch  vaso- 
;  torische  Störungen  wie  Dermographie,  Urtikaria,  Wechsel  von 
!  lte-  und  Hitzegefühl.  Die  Tagesmenge  des  Urins  ist  durch  eine 
steigerte  Perspiratio  insensibilis  vermindert,  es  kommt  darum  zu 
fimentbildung  im  Urin,  ohne  dass  aber  die  Harnsäure  vermehrt  ist. 
Iss  diese  Erscheinungen  einer  Polyneuritis  und  Vagusaffektion  von 
Resorption  von  Fäulnisprodukten  herrühren,  geht  daraus  hervor, 
ss  die  Aetherschwefelsäuren  und  die  Glykuronsäure  sowie  das 
likan  vermehrt  sind.  Eppinger  konnte  aus  den  Fäzes  einen 
tstoff  erzeugen,  der  sich  bei  Tieren  als  ein  starkes  Vagusreizmittel 
ivies  und  beim  Menschen,  auf  die  Haut  appliziert,  Urtikaria 
zeugte. 

Ein  weiteres  Symptom,  das  manchmal  vorhanden  ist,  ist  die 
mperatursteigerung  bis  zum  Maximum  der  physiologischen  Breite; 
Spannweite  zwischen  Maximum  und  Minimum  ist  abnorm  gross, 
sonders  bei  Kindern  und  jungen  Leuten.  In  den  meisten  dieser 
Ile  wird  die  Diagnose  auf  Tuberkulose,  Arthritis,  Rheumatismus, 
cht,  harnsaure  Diathese  etc.  gemacht.  Die  Erfolge  der  unter 
chen  Voraussetzungen  durchgeführten  Therapie,  wie  heisse  Bäder 
d  nur  mässige.  Die  Heilung  erfolgt  erst,  wenn  eine  gegen  die 
rmstörung  gerichtete  Therapie  durchgeführt  wird.  Drogen, 
nentlich  Abführmittel,  und  Klysmen  sind  zu  vermeiden.  Die  Diät 
iiss  geregelt  werden.  Doch  lassen  sich  vorläufig  keine  allgemeinen 
inzipien,  keine  schematischen  Regeln  aufstellen.  Bald  ist  Milch 
;sgezeichnet,  bald  sehr  schlecht;  in  manchen  Fällen  ist  für  einige 
ge  bloss  Zuckerlösung  zu  geben,  in  anderen  Fällen  hingegen  eine 
irk  animalische  Kost  zu  verabfolgen.  Das  Endziel  aber  ist,  die 
mischte  Kost  wieder  herzustellen.  Für  die  Behandlung  genügen 
3  Wochen,  um  das  Schwinden  der  Hauptsymptome  zu  erreichen; 
türlich  ist  eine  längere  Zeit  nötig,  alle  Folgeerscheinungen  zu  be- 
tigen,  wie  ja  auch  bei  anderen  Vergiftungen,  z.  B.  der  Tabak- 
rgiftung. 

Herr  J.  Holinger  dankt  im  Namen  der  Gesellschaft  Herrn 
of.  v.  N  o  o  r  d  e  n  für  den  Vortrag. 


tos  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Acad£mie  de  medecine. 

Sitzung  vom  19.  November  1912. 

Ueber  Paratyphusappendizitis. 

Walther  berichtete  über  einen  Fall,  wo  schon  lange  eine 
ronische  Appendizitis  bestanden  hatte  und  sich  eine  Infektion  mit 
m  Paratyphusbazillus  B  entwickelte;  klinisch  waren  die  Zeichen 
>er  leichten  Wurmfortsatzerkrankung  vorhanden.  Die  Operation 
’Ste  gesundes  Peritoneum,  ein  verdicktes,  ödematöses  Zoekum 
d  eine  vergrösserte  parazoekale  Drüse,  welche  den  Bacillus  coli 
üolge  der  Sekundärinfektion)  enthielt.  Die  Operation  hatte  von 
iten  des  Peritoneums  keine  Reaktion  zur  Folge;  die  Temperatur 
eb  mehrere  Tage  lang  eine  sehr  hohe  und  fiel  dann  allmählich.  Die 
inkultur  des  Blutes  ergab  einen  Paratyphusbazillus  B,  die  Serum- 
iktion  war  sehr  positiv  mit  diesem  Bazillus.  Aus  den  histologischen 
ststellungen  scheint  hervorzugehen,  dass  es  sich  um  eine  alte 
leröse  Appendizitis  handelte,  auf  welcher  eine  neue  akute  Folliku- 
s  sich  entwickelt  hat.  Die  Tatsache  einer  Allgemein(Paratyphus)- 
ektion  bildet  keine  Gegenindikation  der  Operation.  Die  durch  den 
stand  des  Wurmfortsatzes  bedingten  Indikationen  behalten  ihre 
He  Bedeutung,  und  frühzeitige  Operation  allein  kann  vor  den  Kom¬ 


565 

plikationen,  die  mit  diesen  Formen  akuter  Lymphaugitis  verbunden 
sind  und  fast  immer  zu  tödlichem  Ende  führen,  schützen. 

Acad6mie  des  Sciences. 

Sitzung  v  o  m  2.  bis  9.  Deze  iji  b  e  r  1912. 

Zur  Vakzinetherapie  des  Typhus  abdominalis. 

•  Ardin  D  e  1 1  e  i  1,  L.  Negre  nud  Maurice  R  e  y  n  a  u  d  be¬ 
richten  über  37  Fälle  von  Typhus,  deren  Diagnose  durch  W  i  d  a  1  sehe 
Reaktion  bestätigt  war  (und  bei  zweifelhaftem  Ausfallen  derselben 
durch  die  positive  Reinkultur  des  Blutes)  und  welche  durch  Anti¬ 
typhuslymphe  und  speziell  die  sensibilisierte  lebende  von  Besredka 
behandelt  worden  sind.  Ohne  zu  verkennen,  dass  eine  Statistik  von 
37  Fällen  noch  ungenügend  sei,  möchten  sie  doch  vorläufig  folgende 
Schlussfolgerungen  aussprechen:  1.  Die  Vakzinebehandlung  scheint 
die  Schwere  der  Krankheit  bedeutend  herabzusetzen;  unter  den 
37  Fällen  gab  es  keinen  Todesfall,  während  die  nicht  Geimpften 
8,38  Proz.  Mortalität  boten.  2.  Sie  verringert  die  Zahl  der  Rückfälle: 
5,4  anstatt  9,75  Proz.  3.  Sie  kann  die  Dauer  der  Krankheit  abkürzen 
und  zwar  um  so  mehr,  je  näher  dem  Beginne  der  Krankheit  die 
Lymphe  injiziert  wird. 

Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Nürnberg. 

Sitzung  vom  12.  Februar  1913. 

Nach  Verlesung  des  Protokolls  der  letzten  Sitzung  kommt  Herr 
Bez.-A.  Wetzel  auf  die  damalige  Debatte  und  speziell  auf  die  Tat¬ 
sache  zurück,  dass  von  ärztlicher  Seite  Erkrankungen  an  Blennorrhoea 
neonatorum  nicht  angezeigt  worden  waren,  weil  durch  das  Erscheinen 
des  Desinfektionsbeamten  etc.  starke  Unannehmlichkeiten  für  die 
Familie  beim  engen  Zusammenwohnen  der  Familien  und  vielleicht 
Differenzen  in  der  Ehe  selbst  befürchtet  werden  mussten.  Herr 
W.  weist  darauf  hin,  dass  unter  der  für  solche  Fälle  geforderten 
„fortlaufenden  Desinfektion“  keine  Wohnungsdesinfektion  verstanden 
sei,  nur  die  persönliche  Desinfektion  des  Pflegers  und  die  Desinfektion 
von  Wäsche  und  allen  anderen  Gegenständen,  durch  die  Krankheits¬ 
verbreitung  ermöglicht  werde;  bei  genauer  Anweisung  und  Ucber- 
wachung  durch  den  Arzt  könne  nach  den  Vorschriften  die  Des¬ 
infektion  durch  städtisches  Personal  unterbleiben;  Schwierigkeiten 
könnten  auch  bei  Einhaltung  der  Vorschriften  auf  diese  Weise  ver¬ 
mieden  werden.  Die  Medizinalbehörden  seien  nur  mit  Hilfe  der 
praktizierenden  Aerzte  imstande,  ihre  hygienischen  Ziele  zu  erreichen, 
die  Vorschriften  nehmen  tunlichst  auf  die  Verhältnisse  der  Praxis 
Rücksicht,  es  sei  dringend  zu  wünschen,  dass  die  Aerzte  den  Vor¬ 
schriften  vollkommen  nachkommen. 

Eine  längere  Debatte  betrifft  die  ärztlichen  Reklameschilder;  sie 
wird  angeregt  durch  zwei  Verfügungen  des  Magistrats;  der  Magistrat 
macht  das  Belassen  einer  die  Wohnungsänderung  des  Arztes  an¬ 
zeigenden  Schildes  von  einem  mit  Kosten  verbundenen  Beschlüsse 
abhängig,  dann  hat  er  die  Entfernung  der  ärztlichen  Reklameschilder 
von  einigen  Eckhäusern  —  die  Aerzte  hatten  im  Hause  nebenan 
ihre  Behandlungsräume  —  verlangt,  weil  durch  die  Schilder  das 
Strasenbild  leide;  das  Vorgehen  des  Magistrats  wurde  auf  Be¬ 
schwerde  der  Kollegen  von  der  Regierung  bestätigt,  da  der  Magistrat 
dazu  berechtigt  sei;  es  gelte  auch  im  allgemeinen  nicht  den  Standes- 
ansichten  entsprechend,  an  anderen  als  dem  Wohnhaus  des  Arztes 
selbst  Schilder  anzubringen.  Auf  eine  Eingabe  des  Vorstandes  an 
den  Magistrat  mit  dem  Wunsche,  es  erstens  bei  dem  bisherigen 
Usus  bei  Wohnungsänderung  (Verabredung  mit  dem  Hausbesitzer)  zu 
belassen,  dann  keine  festen  Normen  festsetzen  zu  wollen,  ohne  mit 
dem  Bezirksverein  sich  ins  Benehmen  gesetzt  zu  haben,  dann  dem 
Bezirksverein  die  Bestimmungen  bekannt  zu  geben,  auf  die  der 
Magistrat  sich  stütze,  ist  z.  Z.  eine  Antwort  noch  nicht  eingetroffen. 
In  der  Aussprache  werden  bestehende  Missstände  anerkannt:  auf¬ 
fällige  Schilder  am  Konsultations-  und  am  Wohnhaus;  Schilder  an 
fremden  Häusern  bei  leicht  zu  findenden  Praxisräumen,  Schilder  mit 
Anzeige  der  Ausübung  allgemeiner  Praxis  und  spezialistischer  Tätig¬ 
keit.  Von  anderen  Seiten  werden  Schilder  auch  an  der  Wohnstelle. 
eventuell  sogar  an  Eckhäusern,  wenn  der  Arzt  schwer  zu  finden  ist, 
nicht  beanstandet,  man  zwingt  sonst  die  Aerzte  zum  Wohnen  in  der 
besten  Verkehrslage  und  teuren  Mieten.  Allgemein  wird  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  dieselbe  Regierung,  die  so  fürsorglich  der  Standesehre 
sich  annimmt,  ein  die  Wohnung  eines  Bezirksarztes  anzeigendes 
Schild  zwei  Strassen  weit  von  seinen  Praxisräumen  gefordert  hat. 
Alle  diese  Fragen  werden  zur  Weiterbehandlung  einer  Kommission 
überwiesen. 

Es  folgen  die  Wahlen  der  Kommissionen  der  neuen  wirtschaft¬ 
lichen  Abteilung  (Krankenkontrollkommissiori,  Rezeptkontrollkommis¬ 
sion,  Honorarkommission,  Kontrollkommission  für  Familienkranken¬ 
kassen).  Es  wird  angeregt,  Kollegen,  die  sich  sonst  vom  Standes¬ 
leben  fernhalten,  weniger  heranzuziehen,  dagegen  neue  Mitglieder 
zuzuziehen,  um  ihnen  auch  in  diese  Dinge  Einblick  zu  gewähren. 

Der  Geschäftsausschuss  setzt  sich  nach  vollzogenen  Wahlen  zu 
sammen  aus  den  Herren  Schuh,  St  au  der,  Steinheim  er, 
Mohr,  B  e  r  n  e  1 1,  B  u  1 1  e  r  s,  F  ii  r  n  r  o  h  r,  Seiler,  V  o  i  t  sen., 
G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t,  Mainzer,  Alexander.  Mainzer. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  l : 


566 


Verschiedenes. 

Bewegung  der  bayerischen  Bevölkerung  1912. 

Nach  den  vorläufigen  Zusammenstellungen  des  Kgl.  Statistischen 
Landesamts  über  die  Bevölkerungsvorgänge  im  Jahre  1912  betrug  die 
Zahl  der  Eheschliessungen  im  verflossenen  Jahre  50 855  gegen¬ 
über  50  339  im  Jahre  1911  und  49  464  im  Jahre  1910. 

Die  Zahl  der  Geburten  (einschliesslich  der  Totgeborenen) 
belief  sich  auf  214  549  gegenüber  215  203  im  Jahre  1911  und  221  528 
im  Jahre  1910.  Diese  Zahlen  gliedern  sich  in  folgender  Weise: 

Unmittelbare  Städte  Bezirksämter 


eheliche 

uneheliche 

eheliche 

uneheliche 

Geburten 

Geburten 

1912 

35  962 

10  332 

151  463 

16  792 

1911 

36  592 

10016 

152  146 

16  449 

1910 

37  548 

9  896 

157  059 

17  025 

Der  Geburtenrückgang  war  darnach  in  Stadt  und  Land  wieder¬ 
um  geringer  als  im  vorausgegangenen  Jahr.  Wie  bisher  beschränkte 
er  sich  hier  und  dort  auf  die  ehelichen  Geburten. 

Weit  stärker  als  die  Geburtenziffer  ist  die  Sterbeziffer  ge¬ 
sunken.  Sie  betrug  (einschliesslich  der  Totgeburten)  129  035  gegen¬ 
über  141  547  im  Jahre  1911  und  136  846  im  Jahre  1910.  Ohne  die  Tot¬ 
geborenen  betrug  sie  1912:  123  262,  1911:  135  787,  1910:  130  858.  Zu 
einem  erheblichen  Teil  beruht  dieser  erfreuliche  Rückgang  auf  der 
starken  Minderung  der  Säuglingssterblichkeit,  die  gerade 
das  letzte  Jahr  wieder  aufweist.  An  Kindern  unter  1  Jahr  sind  ge¬ 
storben:  1912:  37  013,  1911:  46  665,  1910:  43  438.  Das  macht  auf 
100  Lebendgeborene  1912:  17,7,  1911:  22,3,  1910:  20,2.  Stadt  und 
Land  sind  an  diesem  Rückgang  ziemlich  in  gleicher  Weise  beteiligt, 
wenn  auch  die  Säuglingssterblichkeit  auf  dem  Lande  verhältnismässig 
immer  noch  höher  ist  als  in  den  Städten,  denn  es  betrug  die  Zahl  der 
unter  1  Jahr  gestorbenen  Kinder  t 

in  den  unmittelbaren  Städten  in  den  Bezirksämtern 


absolut 

auf  100  Lebendgeb. 

absolut 

auf  100  Lebendgeb 

1912 

6  934 

15,5 

30  079 

18.3 

1911 

9014 

20,0 

37  651 

22,9 

1910 

8  209 

17,9 

35  229 

20,8 

Infolge  des  verhältnismässig  geringen  Rückganges  der  Geburten 
und  des  viel  stärkeren  Rückganges  der  Sterbefälle  schliesst  die  Be¬ 
völkerungsbilanz  des  Jahres  1912  mit  einem  Geburtenüber¬ 
schuss  ab,  der  den  der  beiden  Vorjahre  übertrifft.  Er  beträgt 
85  514  gegenüber  73  656  im  Jahre  1911  und  84  682  im  Jahre  1910. 

Merkblätter. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  gibt  das  Kaiserl.  Gesundheitsamt 
in  Berlin  sogenannte  Merkblätter  heraus,  welche  in  allgemeinverständ¬ 
licher  Weise'  abgefasst  in  kurzer,  prägnanter  Form  dem  Laien  das 
Erkennen,  besonders  aber  die  Verhütung  der  gemeingefährlichsten 
Erkrankungen  ermöglichen  sollen.  Diese  Merkblätter  erstrecken  sich 
nicht  nur  auf  ansteckende  Krankheiten  der  Menschen,  sie  betreffen 
ebenso  Schmarotzer  bei  Menschen  und  Tieren  und  auf  Menschen 
übertragbare  Krankheiten  der  Haustiere;  auch  sogenannte  Berufs¬ 
krankheiten,  wie  sie  in  einzelnen  technischen  Betrieben  regelmässig 
auftreten,  sind  berücksichtigt. 

So  sind  nacheinander  erschienen: 

Das  Alkoholmerkblatt,  Choleramerkblatt,  Diphtheriemerkblatt, 
Ruhrmerkblatt,  Tuberkulosemerkblatt,  Typhusmerkblatt,  Bandwurm- 
und  Trichinenmerkblatt,  Bleimerkblatt,  Dasselfliegenmerkblatt,  Merk¬ 
blatt  für  Feilenhauer,  Schleifermerkblatt  und  Merkblatt  für  das  an¬ 
steckende  Verkalben  der  Kühe;  ferner  das  Pilzmerkblatt,  Milch¬ 
merkblatt  und  Haustierschmarotzermerkblatt;  letztere  drei  in  etwas 
grösserem  Umfange.  Sie  sind  zu  billigem  Preise  einzeln  und  in 
grösseren  Mengen,  eventuell  auch  ganz  kostenfrei  vom  Kaiserl. 
Gesundheitsamte  in  Berlin  oder  von  der  Verlagsbuchhandlung  Julius 
Springer  in  Berlin  N.  zu  beziehen.  Seit  kurzem  haben  sich  auch 
zwei  grosse  Vereinigungen  privater  Natur  diesem  Verfahren  ange¬ 
schlossen.  Die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten,  Berlin  S.  14,  Inselstr.  13a  gibt  drei  Merkblätter 
heraus,  ein  allgemein  gehaltenes,  eines  für  Eltern  und  eines  für  Frauen 
und  Mädchen,  welche  ebenfalls  leichtfasslich  der  Allgemeinheit  die 
Gefahren  und  Schäden  und  die  Verhütung  der  Geschlechtskrankheiten 
vor  Augen  führen.  Degleichen  gibt  das  Deutsche  Zentralkomitee  zur 
Erforschung  und  Bekämpfung  der  Krebskrankheit  E.V.,  Berlin  W.  35, 
Magdeburgerstr.  14,  billig  ein  Krebsmerkblatt  zur  Aufklärung  des 
Volkes  über  die  Krebskrankheit  heraus. 

Der  immense  Nutzen  dieser  Einrichtung  liegt  auf  der  Hand,  und 
je  mehr  man  diese  Merkblätter,  soweit  sie  von  allgemeiner  Bedeutung 
sind,  jedermann  zugänglich  macht,  um  so  mehr  wird  der  Zweck,  die 
Volkswohlfahrt  durch  praktische  Ausnützung  der  Fortschritte  in  der 
Hygiene  zu  erhöhen,  erreicht  werden. 

In  einigen  Apotheken  findet  man  diese  Merkblätter  bereits  zum 
Mitnehmen  für  das  Publikum  bereitgelegt;  auch  in  den  Wartezimmern 
der  Aerzfe  sollten  diese  Blätter  nicht  fehlen,  ebenso  in  Wartezimmern 
von  Krankenanstalten,  Sanatorien  und  ähnlichen  Einrichtungen.  Es 
würden  sich  bei  einigem  guten  Willen  sicherlich  noch  manche  ge¬ 
eignete  Stellen  finden,  so  z.  B.  in  Kurorten,  wo  dieselben  mit  Erfolg 
der  Oeffentlichkeit  zugängig  gemacht  werden  könnten.  Jeder,  der 
in  der  Lage  ist  für  sein  Teil  die  gute  Absicht  zu  fördern,  sollte  un¬ 
gesäumt  an  die  obengenannten  Adressen  schreiben  und  sich  durch 
öffentliche  Auslage  der  geeigneten  Merkblätter  ein  billiges  Verdienst 


um  die  Allgemeinheit  erwerben.  Die  Kosten  sind  so  minimal,  da: 
sie  keine  Rolle  spielen;  das  Bewusstsein  der  guten  Tat  belob: 
dieselben  reichlich.  E.  O. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  besseren  Ausnützung  der  Gemüse  im  Darm  hat  Frieder 
t  h  a  1  Gemüsepulver  hersteilen  lassen.  Nach  den  Untersuchung' 
von  G.  v.  Bergmann  und  F.  W.  Strauch-  Altona  (Ther.  Mot 
Hefte  13,  1)  sind  diese  Gemüsepulver  durchaus  unschädlich  ui 
werden  ohne  Widerstreben  genommen.  Spastische  Beschwerde 
wie  sie  oft  bei  frischen  Gemüsen  beobachtet  werden,  treten  bei  de 
Gemüsepulvern  nicht  auf.  Typhuskranke,  Kranke  mit  Colit  ■ 
ulcerosa  vertragen  die  Gemüsepulver  ohne  Schaden.  Die  Blähung 
beschwerden,  wie  sie  nach  frischen  Gemüsen  häufig  beobacht 
werden,  blieben  bei  den  Gemüsepulvern  aus,  selbst  in  Fällen  vc 
Darmstenose  und  Gärungsdyspepsie.  In  lange  fortgesetzten  Stoi 
wechselreihen  ergab  sich  bei  Bohnenpulver  eine  doppelt  so  gute  Au 
nutzung  wie  bei  frischem  Bohnengemüse.  Selbst  bei  17Ü  g  Bohne | 
pulver  (=  1800  g  frischen  Gemüses)  kam  nur  eine  geringe  Steigernd 
in  den  kalorischen  und  Stickstoffwerten  des  Kotes  zustande.  Duri 
Zulage  von  Bohnenpulver  zeigte  sich  die  Möglichkeit  ausgiebigij 
Stickstoffansatzes.  Kr.  I 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  10.  März  1913.; 

—  Das  häufigere  Auftreten  von  Fällen  spinaler  Kinderlähmung  i 
verschiedenen  Teilen  Bayerns,  das  im  vergangenen  Jahre  beobacht 
wurde  und  das  die  Befürchtung  nahelegt,  es  könnte  sich  auch 
Bayern  ein  epidemischer  Ausbruch  dieser  bösartigen  Krankheit  vo 
bereiten,  hat  die  Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde  ve 
anlasst,  eine  Sammelforschung  über  das  Vorkomme 
der  Kinderlähmung  in  Bayern  zu  veranstalten.  Sie  ve 
sendet  einen  Fragebogen  an  alle  bayerischen  Aerzte,  in  dem  an  Hai 
von  9  Fragen  Aufschluss  über  alle  wichtigeren  Punkte  (Zahl  d 
Fälle,  Zeit  des  Auftretens,  Sterblichkeit,  von  der  Norm  abweichem 
und  rudimentäre  Fälle,  Art  der  Uebertragimg,  gleichzeitiges  Au 
treten  anderer  Infektionen  etc.)  erbeten  wird.  Bei  der  Wichtigkt 
des  Unternehmens  darf  erwartet  werden,  dass  alle  Kollegen  d 
Rundfrage  beantworten  (event.  ist  Fehlanzeige  zu  senden). 

—  Ueber  eine  bedauerliche  Durchbrechung  der  vo; 
Stuttgarter  Aerztetag  gefassten  Beschlüsse  b 
richtet  die  Rheinische  Aerztekorrespondenz  aus  Essen:  „Dort  ist 
zuerst  —  bald,  nachdem  die  zeitliche  und  zweckliche  Einheitlich^ 
des  Vorgehens  der  deutschen  Aerzteschaft  proklamiert  war  —  dü 
zielbewussten  und  tatkräftigen  Anstrengungen  der  Herren  von  dj 
Kruppschen  Betriebskrankenkasse  gelungen  mit  ihren  Kassenarzt 
einen  langjährigen  Vertrag  —  eine  geringe  Honorarerhöhung  ist  b! 
reitwilligst  zugestanden  —  abzuschliessen.  den  die  Vertragskommä 
sion  genehmigt  hat.  Die  kassenärztliche  Lokalorganisation  hat  diel 
Verträge  nicht  geschlossen,  sondern  die  einzelnen  Aerzte,  und  da 
obgleich  auch  die  Lokalorganisation  zweifellos  an  sich  das  Req 
hat,  auch  andere  Verträge,  als  solche  mit  freier  Arztwahl,  falls  die 
nicht  ein-  oder  durchführbar  ist,  zu  schliessen.  Dem  Vorgang  d 
Krupp  sehen  Aerzte  entsprechend,  wurden  denn  auch  bald  nachh 
ebensolche  Verträge  mit  dem  Knappschaftsverein  und  mit  der  alla 
meinen  Ortskrankenkasse  abgeschlossen.  Es  hat  also  —  für  Eingi 
weihte  nicht  überraschend  —  sich  ergeben,  dass  im  Kohlen-  uij 
Eisenrevier  die  gepriesene  Organisation  der  deutschen  Aerztesch;,; 
ein  Loch  hat,  das  unsere  Gegner  selbstverständlich  zu  erweite 
keine  Mühe  und  Arbeit  scheuen.  Der  Vertrag  mit  der  Ortskranke: 
kasse  wandert  von  Bezirk  zu  Bezirk.  Er  wird  auch  den  stranir 
organisierten  Aerzteschaften  der  Provinz  vorgelegt  zum  Zeichen,  daj 
es  mit  der  Einigkeit  der  Aerzte  doch  nicht  weit  her  ist.“  —  Es 
kein  Zweifel,  dass  die  sich  mehrenden  Fälle  von  Emanzipation  v 
den  Stuttgarter  Beschlüssen  eine  bedenkliche  Gefahr  für  die  ü 
schlossenheit  der  ärztlichen  Organisation  bedeuten.  Es  ist  dah 
der  ernste  Appell  an  die  Kollegen  am  Platze,  keine  Sondern1 
machungen  mit  Kassen  zu  treffen,  sondern  die  Bekanntgabe  der  v| 
der  Krankenkassenkommission  des  Aerztevereinsbundes  entworfen^ 
Musterverträge  abzuwarten,  um  dann  ein  geschlossenes,  gleiq 
zeitiges  Vorgehen  aller  Lokalorganisationen  zu  ermöglichen. 

—  Eine  Enquete  über  Schulärzte.  Die  Wiener  Aerzj 
kammer  beabsichtigt,  mit  dem  ärztlichen  Stande  angehörigen  Fad 
männern  eine  Enquete  in  der  schulärztlichen  Frage  durchzuiührl 
und  hat  aus  diesem  Anlasse  bereits  an  eine  grössere  Anzahl  v> 
sachverständigen  Aerzten  Fragebögen  verschickt.  Die  Enque, 
welche  bereits  'für  Anfang  dieses  Monats  geplant  war,  musste  : 
folge  der  notwendigen  Vorarbeiten  verschoben  werden  und  wird  :* 
31.  d.  M.  oder  spätestens  anfangs  April  1.  J.  beginnen. 

—  In  Düsseldorf  ist  ein  Ausschuss  zur  Erfor  schui 
und  Bekämpfung  der  Krebskrankheit  begründet  word<- 
ln  der  konstituierenden  Sitzung  hielten  Vorträge  Geheimrat  Pr 
Lubarsch  über  das  Weser,  und  die  Ursachen  des  Krebses  ut 
Prof.  Pankow  über  Erfolge  und  Ziele  der  Krebsbehandlung  in  C 
Gynäkologie.  Zum  Vorsitzenden  wurde  der  Regierungspräsident  ( 
heimrat  Krause,  zum  Vorsitzenden  des  Ausschusses  Geheim'- 
Lubarsch  gewählt. 

—  Die  im  Jahre  1904  begründete  D  e  1 1  w  e  i  1  e  r  -  S  t  i  1 1  u  n< 
deren  Zweck  es  ist,  Heilstättenärzten  und  deren  Angehörigen  in  N>- 


I.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


■teil  helfend  beizustehen,  hielt  am  14.  Januar  d.  J.  unter  dem  Vor- 
ze  des  Ministerialdirektors  Dr.  Kirchner  eine  Vorstaudssitzung 

Das  Vermögen  beträgt  30  500  M.  Wie  der  Schriftführer.  Prof. 
.  Nietner  berichtete,  blieb  die  Stiftung  bisher  von  erheblicheren 
ispriichen  verschont,  vornehmlich,  weil  z.  Z.  noch  die  meisten  Heil- 
ittenärzte  Männer  in  der  allerbesten  Rüstigkeit  sind.  Trotzdem 
er  bestehen  schon  Beweise  ihrer  Notwendigkeit,  und  da  infolge- 
ssen  jederzeit  damit  gerechnet  werden  muss,  dass  berechtigte  An- 
rüche  an  die  Stiftung  gestellt  werden,  tut  es  not,  möglichst  bald 
'e  Mittel  auf  eine  ausreichende  Höhe  zu  bringen.  Deshalb  bittet  der 
irstand  um  Zuwendungen,  besonders  aber  um  möglichst  zahlreiche 
Werbung  der  Mitgliedschaft.  Zuschriften  an  Herrn  Prof.  Dr. 
ietner,  Berlin  W.  9,  Linkstrasse  29,  Geldsendungen  an  Herrn 
mimerzienrät  Gohrs,  Berlin  W.  9,  Lennestrasse  4. 

—  Infolge  des  Rücktrittes  des  bisherigen  Obmannes  der 
ersiehe rungskasse  für  die  Aerzte  Deutsch- 
n  d  s  a.  G.  zu  Berlin,  Herrn  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Bensch, 
urde  in  der  Direktoriumssitzung  vom  4.  Februar  1913  der  bisherige 
ülvertretende  Obmann,  Dr.  med.  Oskar  Salomo  n,  Berlin  W.  30, 
otzstr.  14,  zum  Obmann,  und  zum  stellvertretenden  Obmann  Hen¬ 
dl.  Sanitätsrat  Dr.  Stadthagen,  Berlin  W,  Magdeburgerstr.  20, 
wählt.  Die  Geschäftsstelle  befindet  sich  seit  dem  11.  Februar  1913 
-Hin  W  35,  Lützowstr.  55.  —  An  anderer  Stelle  dieser  Nummer  wid- 
en  Aufsichtsrat  und  Direktorium  der  Kasse  dem  scheidenden  Ob- 
ann  für  seine  18  jährige  aufopfernde  und  höchst  erspriessliche  Tätig¬ 
et  warme  Dankesworte.  Diesem  Dank  wird  sich  jeder  gerne  an- 
hliessen,  der  verfolgen  konnte,  wie  Geh.  R.  Bensch  die  Kasse, 
ren  Leitung  er  unter  schwierigen  Verhältnissen  übernahm,  zu  einem 
■rtrauenswürdigen  und  leistungsfähigen  ärztlichen  Wohlfahrts- 
stitut  gemacht  hat. 

- —  Die  Wahl  des  Berliner  Stadtmedizinalrates  ist 
mmehr  auf  den  13.  ds.  Mts.  angesetzt  worden.  In  engerer  Wahl 
ehen  Regierungsmedizinalrat  Dr.  Solbrig  in  Königsberg  i.  Pr. 
ld  Geh.  Med. -Rat  Dr.  Weber,  Direktor  der  bakteriologisch-bio- 
gischen  Abteilung  im  Kais.  Gesundheitsamt. 

—  Auf  der  Naturforscherversammlung  zu  Münster  i.  W„ 
erbst  |912,  hat  sich  eine  „Vereinigung  der  Kranke  nhaus- 
rzte“  gebildet,  zum  Zweck,  die  deutschen  Krankenhausärzte  zu 
jenseitiger  Anregung  und  gemeinsamer  Betätigung  auf  dem  Ge- 
ete  des  Krankenhauswesens  zu  vereinigen;  ihre  ethischen  und 
zialen  Interessen,  sowie  die  der  Krankenhäuser  zu  fördern  und  die- 
lben  sowohl  nach  aussen  wie  innerhalb  der  Aerzteschaft  zu  ver- 
eten.  Die  lebhafte  Zustimmung,  welcher  sie  in  den  beteiligten 
eisen  begegnet,  zeigt,  dass  das  Bedürfnis  dazu  allerseits  empfunden 
ird.  Die  erste  Hauptversammlung  findet  am  Dienstag,  den 
’•  März,  in  Berlin,  Restaurant  zum  Heidelberger,  Friedrich¬ 
rasse,  abends  6  Uhr  statt.  Auf  derselben  wird  nähere  Mitteilung 
>er  die  bisherigen  Absichten  und  Schritte  erstattet  werden.  Prof, 
p  r  e  n  g  e  1  -  Braunschweig  wird  über  „Assistenten-  und  Prak- 
-cantenfrage“  referieren;  Dr.  K  ü  h  1  e  r  -  Kreuznach  über  „Kranken- 
msärzte  und  Versicherungsgesetze“.  Bei  der  ausserordentlichen 
edeutung  dieser  Fragen  für  die  Krankenhausärzte  sowohl  wie  für 
e  Krankenhäuser  selbst  werden  alle  Aerzte,  welche  ein  Kranken- 
ius  oder  eine  einzelne  Abteilung  leiten,  zur  Beteiligung  eingeladen, 
er  vorläufige  Vorstand  besteht  aus:  Prof.  D  r  ee  sm  a  n  n  -  Köln, 
orsitzender,  San. -Rat  Dr.  E.  P  a  g  e  n  s  t  e  c  h  e  r  -  Wiesbaden, 
ehrif tfiihrer,  Dr.  E.  Kühler-  Kreuznach,  Kassenführer. 

-  —  In  der  Osterwoche,  26.  bis  28.  März,  wird  der  erste 
eutsche  Kongress  für  alkoholfreie  Jugend- 
rziehiing  in  Berlin  tagen.  Ehrenvorsitzeinder  ist  der  Reichs- 
inzler  v.  Bethmann  Hollweg,  Vorsitzender  des  Arbeitsaus- 
husses  Senatspräsident  Dr.  v.  Strauss  und  Torney.  U.  a. 
ird  Prof.  W  e  y  g  a  n  d  t  -  Hamburg  ein  Referat  erstatten  über  den 
Ikoholgenuss  bei  Kindern  und  der  heranwachsenden  Jugend  und 
ine  Gefahren.  —  Dem  Kongress  gehen  am  25.  ds.  „Wissenschaft- 
:he  Vorlesungen  zum  Studium  des  Alkoholismus“  voraus.  Hier  wird 
rof.  A  s  c  h  aff  e  n  b.u  r  g  -  Köln  über  die  psychologische  Wirkung 
‘s  Alkohols  sprechen. 

—  Vom  8. — 11.  Juni  findet  in  R  o  m  ein  N  a  t  i  o  n  a  1  e  r  Italieni- 
-her  Kongress  für  Gewerbekrankheiten  statt.  Als 
liemen  wurden  bisher  aufgestellt:  1.  Anchylostomiasis. 
eierenten:  Prof.  Camillo  B  o  z  z  o  1  o,  Vorstand  der  medizinischen 
linik  in  Turin  und  Senator  des  Königreichs,  und  Prof.  Trambusti, 
d.  Professor  der  allgemeinen  Pathologie  in  Palermo.  2.  Blut- 
rankheiten  gewerblichen  Ursprungs.  Referenten : 
roi.  C.  B  i  o  n  d  i,  ord.  Professor  für  gerichtliche  Medizin  in  Siena, 
id  L.  Ferrannini,  Professor  für  gewerbliche  Krankheiten  in 
iapel.  3.  Kindersterblichkeit  in  Bezug  auf  Beschäftigung 
ul  soziale  Lage  der  Eltern.  Referenten:  Dozent  Dr.  Luigi  Ca- 
’zzi,  Oberarzt  an  der  Klinik  für  Gewerbekrankheiten  in  Mailand, 
’d  Dr.  F  i  n  i  z  i  o,  Dozent  für  Pädiatrie  in  Bologna.  4.  Derma¬ 
len  professionellen  Ursprungs.  Referent:  Prof.  Dr. 

■  M  o  n  t  e  s  a  n  o,  Rom.  5.  Gewerbliche  Pathologie  der 
i  s  e  n  b  a  h  n  e  r.  Referenten :  Dr.  F  a  b  b  r  i,  Chefarzt  der  Kgl. 
'Seilbahnen,  und  Dr.  T  o  g  n  e  1 1  i,  Rom.  6.  Die  gewerbliche 
athologie  der  Schauspieler  und  ihrer  Kinder.  Re- 
rent:  Dr.  P  e  r  i,  Genua. 

—  Zur  Gründung  einer  Wirtschaftlichen  Organi- 
ation  der  reichsdeutsc'hen  Badeärzte  hat  sich  ein 


567 

Ausschuss  gebildet,  der  zu  einer  Versammlung  bei  Gelegenheit  des 
Balneologenkongreses  in  Berlin  auf  Freitag,  den  28.  März,  5 '/>  Uhr 
pünktlich  in  der  Kgl.  Charitee  einlädt.  Den  einleitenden  Vortrag  hält 
Kollege  Lach  mann- Landeck  i.  Schl. 

—  Der  Verein  zur  Erbauung  eines  Aerztekur- 
n  a  u  s  e  s  in  F  r  a  11  z  e  n  s  b  a  d  eröffnet  für  den  Monat  Mai  d.  J. 
viedei  10  Freiplätze  für  kurbedürftige  Kollegen  und  deren  Gattinnen. 
Dieselben  umfassen  folgende  Benefizien:  Freie  Wohnung  in  Privat¬ 
hausern,  unentgeltliche  ärztliche  Behandlung,  unentgeltliche  Kurmittel. 
Befreiung  von  Kur-  und  Musiktaxen,  freien  Eintritt  in  die  Lesesäle 
und  zu  allen  kurörtlichen  Veranstaltungen,  ferner  seitens  der  Theater¬ 
direktion  ein  50  proz.  Nachlass  der  Eintrittspreise.  Bewerber  um 
einen  Freiplatz  mögen  sich  bis  längstens  20.  April  beim  Präsidium  des 
obgenannten  Vereines  melden. 

—  In  der  allgemeinen  Sitzung  des  VIII.  internationalen  Kon¬ 
gresses  für  angewandte  Chemie  am  9.  September  1912  in  New  York 
hat  Geheimrat  C.  Duisberg  einen  Vortrag  über  „Fortschritte 
und  Probleme  der  chemischen  Industrie“  gehalten 
Dieser  Vortrag  ist  jetzt  im  Buchhandel  erschienen  (Verlag  von 
O.  Soamer  in  Leipzig)  und  gibt  bei  aller  Kürze  doch  ein  über¬ 
raschendes  Bild  von  der  enormen  Bedeutung,  welche  die  angewandte 
Chemie  bezw.  die  chemische  Industrie  für  alle  Zweige  des  täglichen 
Lebens  gewonnen  hat.  Dem  Vortrag  lag  ein  grosses  Demonstrations¬ 
material  zugrunde,  das  jetzt  in  der  chemischen  Abteilung  des 
Deutschen  Museums  in  München  zu  sehen  ist.  Dem  Deutschen 
Museum  ist  auch  der  Vortrag  „in  Bewunderung“  gewidmet. 

—  Cholera.  Straits  Settlements.  In  Singapore  wurden  vom 

14.  Dezember  bis  17.  Januar  2  Cholerafälle  gemeldet. 

- —  Pest.  Aegypten.  Vom  8.  bis  14.  Februar  1  Erkrankung 
und  1  Todesfall  in  Fayum,  1  Erkrankung  in  Port  Said;  ferner  vom 

15.  bis  21.  Februar  10  Erkrankungen  (und  8  Todesfälle).  —  Britisch 
Ostindien.  In  den  beiden  Wochen  vom  19.  Januar  bis  1.  Februar 
erkrankten  3949  +  4364  un4  starben  3227  4~  3578  Personen  an  der 
Pest.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  29.  Januar  bis  11.  Februar 
wurden  auf  Java  gemeldet  264  Erkrankungen  (und  271  Todesfälle). 
Für  die  Zeit  vom  15.  bis  28.  Januar  sind  nachträglich  aus  Paree  noch 
15  Erkrankungen  und  11  Todesfälle,  sowie  aus  Soerabaja  1  Todesfall 
mitgeteilt  worden.  —  Mauritius.  Vom  6.  Dezember  bis  2.  Januar 
97  Erkrankungen  und  64  Todesfälle.  —  Brasilien.  In  Pernambuco 
vom  1.  bis  16.  Dezember  v.  J.  3  Todesfälle,  in  Rio  de  Janeiro  vom 
29.  Dezember  bis  4.  Januar  1  Erkrankung  und  1  Todesfall.  —  Chile. 
In  Iquique  am  8.  Januar  3  Erkrankungen  und  2  Todesfälle.  —  Peru. 
Vom  2.  bis  22.  Dezember  v.  J.  72  Erkrankungen.  —  Ecuador.  Im 
Dezember  v.  J.  10  Erkrankungen  und  1  Todesfall.  — -  Hawaii.  In 
Kukuihaele  am  11.  Januar  1  Erkrankung  und  1  Todesfall. 

—  In  der  8.  Jahreswoche,  vom  16.  bis  22.  Februar  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Rostock  mit  26,9,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit  4,8  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Berlin-Lichtenberg,  Mül¬ 
heim  a.  Rh.,  Oberhausen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Gladbeck, 
Osnabrück,  Potsdam,  Schwerin,  Ulm,  an  Keuchhusten  in  Hof,  Wanne. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  In  einer  sehr  zahlreich  besuchten  Versammlung  von 
Vorklinikern  ist  am  27.  Februar  die  Gründung  der  ersten  reichs- 
deutschen  Vorklinikerschaft  erfolgt.  Die  Beteiligten  erwarten,  dass 
die  vorklinischen  Semester  aller  anderen  Universitäten  diesem  Bei¬ 
spiele  folgen  und  sich  zu  einem  gemeinsamen  Verbände,  ähnlich  dem 
der  Klinikerschaften,  zusammenschliessen  werden. 

Erlangen.  Der  II.  Assistent  der  chirurgischen  Klinik  Dr.  Wilh. 
Lobenhoffer  hat  zur  Erlangung  der  Venia  legendi  in  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  eine  Arbeit  „Funktionsprüfungen  an  transplantier¬ 
ten  Nieren“  eingereicht  und  eine  Probevorlesung  über  die  „Kyphose“ 
gehalten. 

Giessen.  Für  das  Fach  der  Physiologie  habilitierte  sich  in 
Giessen  Dr.  Walter  Sülze,  Assistent  am  physiologischen  Institut, 
mit  einer  Probevorlesung:  „Ueber  die  Regulierung  des  osmotischen 
Druckes  im  Tierkörper“,  (hk.) 

Göttingen.  Habilitiert:  Für  das  Fach  der  Physiologie 
Dr.  Ulrich  E  b  b  e  c  k  e,  Assistent  am  physiologischen  Institut,  und  für 
das  Fach  der  inneren  Medizin  Dr.  Curt  Oehm  e,  Assistent  an  der 
medizinischen  Klinik,  (hk.) 

Kiel.  Die  Vorschlagsliste  für  die  durch  die  Berufung  Lü¬ 
bars  c  h  s  jetzt  besetzte  Professur  für  pathologische  Anatomie 
lautete:  1.  H  e  d  i  n  g  e  r  -  Basel  und  H  e  n  k  e  -  Königsberg,  2.  Lü¬ 
bars  c  h  -  Düsseldorf  und  B  e  n  e  k  e  -  Halle,  3.  Kaufmann-  Göt¬ 
tingen  und  D  o  e  h  1  e  -  Kiel. 

Köln.  Dem  Dozenten  für  soziale  Medizin  an  der  Akademie  für 
praktische  Medizin  in  Köln,  Kgl.  Kreisarzt  Dr.  Edward  Meder,  ist 
das  Prädikat  Professor  verliehen  worden,  (hk.) 

Marburg.  Dr.  Friedrich  Kirstein,  Assistenzarzt  an  der 
Kgl.  Universitäts-Frauenklinik,  erhielt  auf  Grund  seiner  Habilitations¬ 
schrift  „Die  Röntgentherapie  in  der  Gynäkologie“  die  Venia  legendi 
für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Das  Thema  der  Antrittsvorlesung 
lautete:  „Die  Beziehungen  der  geburtshilflichen  Wissenschaft  zu  den 
Fragen  des  Hebammenstandes“.  Weiter  habilitierte  sich  Dr.  Hans 
Klein  Schmidt,  Assistenzarzt  an  der  Medizinischen  Klinik,  für 
das  Fach  der  Kinderheilkunde  mit  einer  Schrift  „Ueber  Milch- 


568 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  ]i). 


anapliylaxie“.  Das  Thema  seiner  Antrittsvorlesung  lautete:  „Die  Be¬ 
deutung  der  Konstitution  für  die  Erkrankungen  des  Kindesalters“. 

München.  Für  Chirurgie  habilitierte  sich  der  1.  Assistent  der 
chirurgischen  Klinik,  Dr.  Alwin  A  c  h,  mit  einer  Probevorlesung  über 
»  Therapie  des  Mastdarmprolapses“. 

Rostock.  Prof.  Dr.  Körner,  Direktor  der  Klinik  für  Ohren- 
und  Kehlkopfkranke,  wurde  für  das  Amtsjahr  1913/14  zum  Rektor  der 
Universität  gewählt.  Es  ist  das  erste  Mal,  dass  ein  Vertreter  des  ge¬ 
nannten  Faches  dieses  akademische  Ehrenamt  bekleidet. 

Basel.  Dr.  Emil  Vi  lliger  (Anatomie  des  Zentralnerven¬ 
systems)  wurde  zum  a.  o.  Professor  ernannt,  (ln  voriger  Nummer 
war  V.  fälschlich  als  Anatom  bezeichnet.) 

Bern.  Vom  Bundesrat  wurden  auf  den  diesjährigen  Inter¬ 
nationalen  medizinischen  Kongress  in  London  als  Vertreter  der 
Schweiz  abgeordnet:  Prof.  Dr.  Hermann  Sahli,  Direktor  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  an  der  Universität  Bern,  und  Prof.  August  Elter- 
n  o  d,  Ordinarius  für  Histologie  und  Embryologie  in  Genf,  (hk.) 

C  h  r  i  s  t  i  a  n  i  a.  Dr.  Nikolai  Bull  wurde  zum  Professor  der 
propädeutischen  Chirurgie  ernannt. 

Neapel.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  DDr.  N.  Monte- 
risi  (Ophthalmologie)  und  Q.  De  Lu  ca  (Oto-Rhino-Laryngologie). 

Pisa.  Dr.  A.  B  o  s  s  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
medizinische  Pathologie. 

Prag.  Der  ord.  Professor  und  derzeitige  Dekan  der  deutschen 
medizinischen  Fakultät  Dr.  Franz  Hofmann,  Vorstand  des  physio¬ 
logischen  Institutes,  hat  einen  Ruf  nach  Königsberg  erhalten  und 
wird  demselben  schon  im  laufenden  Sommersemester  Folge  leisten.  — 
Der  a.  o.  Professor  der  Histologie  und  Embryologie  an  der  tschechi¬ 
schen  med.  Fakultät  Dr.  O.  S  r  d  i  n  k  o  wurde  zum  ordentlichen  Pro¬ 
fessor  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Zu  Wien  verschied  im  60.  Lebensjahre  der  a.  o.  Professor 
Dr.  Eduard  Schiff,  der  sich  um  die  Einführung  der  Röntgen-  und 
Radiumtherapie  in  Wien  ein  Verdienst  erworben  und  sein  Spezial¬ 
fach,  die  Dermatologie  und  Syphilis,  durch  mehrere  wissenschaftliche 
Beiträge  gefördert  hat. 


Korrespondenz. 

Der  Leipziger  Verband  im  preussischen  Abgeordnetenhaus. 

Herr  v.  d.  Osten,  Mitglied  des  preussischen  Abgeordneten¬ 
hauses,  ersucht  uns  um  Aufnahme  der  nachstehenden  Berichtigung: 

„Es  ist  unwahr,  wenn  mir  die  Behauptung  untergeschoben  wird, 
„Die  Kampfesweise  des  Leipziger  Verbandes  überireffe  alle  sozial¬ 
demokratischen  Hetzereien  bei  weitem,  er  übe  einen  Koalitionszwang 
aus  nach  dem  Vorbilde  der  Gewerkschaften,  er  verletze  die  sozialen 
Pflichten,  die  dem  Aerztestande  obliegen“. 

Richtig  ist  vielmehr,  dass  ich  nach  dem  amtlichen  Stenogramm 
die  Bildung  des  Leipziger  Verbandes  als  Notwendigkeit  anerkannt 
habe  mit  Rücksicht  auf  die  zum  Teil  unwürdige  Behandlung,  welcher 
die  Aerzte  von  den  Krankenkassen  ausgesetzt  waren.  Von  den  an¬ 
geblichen  Vorwürfen  gegen  den  Leipziger  Verband  ist  kein  Wort 
gefallen.“ 

Wir  bemerken  dazu,  dass  die  Herrn  v.  d.  Osten  zugeschrie¬ 
benen  Aeusserungen  gegen  den  L.  V.  als  sonst  zuverlässig  bekannten 
Berichten  der  Tagespresse  entnommen  waren.  Wir  nehmen  mit 
Genugtuung  davon  Kenntnis,  dass  Herr  v.  d.  Osten  die  schweren 
Vorwürfe  gegen  den  L.  V.  nicht  erhoben  hat,  dass  er  im  Gegenteil 
die  Notwendigkeit  der  ärztlichen  Organisation  und  die  Tatsache  der 
unwürdigen  Behandlung  der  Aerzte  durch  die  Krankenkassen  aus¬ 
drücklich  anerkannt  hat.  Red. 


Ein  Beitrag  zur  Aderlasstherapie  bei  Polyzythämie. 

Bemerkung  zu  dem  Artikel  von  Dr.  A  1  b  r  e  c  h  t  Wagner  in  No.  8 

dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  Alexander  Hörder  in  Bonn. 

ln  Ergänzung  des  oben  erwähnten  Artikels  von  Wagner  teile 
ich  mit,  dass  es  auch  mir  seinerzeit  an  der  inneren  Abteilung  des 
Stadtkrankenhauses  zu  Görlitz  (leitender  Arzt:  Dr.  Schulz)  gelang, 
bei  einem  Fall  von  Polyzythämie  die  vermehrte  Zahl  von  roten 
Blutkörperchen  durch  „systematisch  vorgenommene  Aderlässe“ 
vorübergehend  herabzudrücken.  „Es  genügte  dabei  nicht,  nur  geringe 
Mengen,  wie  etwa  160  oder  200  ccm  abzulassen“,  sondern  ich  empfahl 
dringend,  mindestens  500  ccm  zu  entnehmen.  —  Meine  Beobachtungen, 
den  Gang  der  eingeschlagenen  Therapie,  sowie  die  Ergebnisse  wurden 
von  mir  unter  dem  Titel  „Ueber  Polyzythämie  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  grösserer  Aderlässe“ 
in  der  Medizinischen  Klinik  1911,  No.  8  veröffentlicht.  Ich  kam 
damals  zu  dem  dort  unter  2  aufgeführten  Schlusssatz:  „Durch 
systematisch  vorgenommene  grosse  Aderlässe  ist  es  bei  der  Polyzyth¬ 
ämie  möglich,  die  Erythrozytenzahl  um  3 — 4  Millionen  vorübergehend 
herabzusetzen,  die  übrigen  durch  die  abnorme  Blutzusammensetzung 
gesetzten  Schädigungen  zu  bekämpfen  und  auf  diese  Weise  dem 
Kranken  Erleichterung  zu  verschaffen.“ 


Notiz  zu  der  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Ci.  Magnus:  Wundbehandlung 
mit  Zucker.  (Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  8,  S.  406.) 

Viele  Chirurgen  und  praktische  Aerzte  werden  den  Ausführungen 
des  Herrn  G.  Magnus  über  therapeutische  Verwendung,  Wirkungs¬ 
weise  und  Wert  des  Zuckers  gegenüber  Wunden  durchaus  zustimmen. 
Ist  es  doch  eine  schon  manche  Jahre  bekannte  Tatsache,  dass  Zucke, 
besonders  auf  nässende,  eiternde  und  reichlich  sezernierende  Wun¬ 
den  einen  sehr  vorteilhaften  Einfluss  ausübt.  Besonders  ist  es  die 
Kombination  des  Zuckers  mit  Naphthalin,  die  für  diese  Zwecke  sehr 
beliebt  ist:  „Naphthalin,  Zucker  all,  als  Streupulver“.  Die  aus¬ 
trocknende  Wirkung  des  Zuckers  vereinigt  sich  mit  der  desodori¬ 
sierenden  und  antiseptischen  des  Naphthalins  besonders  angenehm  un  i 
günstig  bei  der  Behandlung  grosser  nässender  und  eiternder  Wund¬ 
flächen  von  ausgedehnten  Verbrennungen  oder  vernachlässigten 
Beingeschwüren;  ferner  bei  jauchenden  karzinomatösen  Wundflächen, 
sowie  bei  den  schmierig  belegten,  in  Nekrose  begriffenen  Wundrän¬ 
dern  und  Bauchdeckenschichten  d  r  eitrigen  Peritonitiden  oder  um¬ 
fangreichen  phlegmonösen  Prozesse.  Dr.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Dresden. 


Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands. 

Wir  werden  um  Aufnahme  nachstehender  Zuschrift  ersucht :| 

Mit  schmerzlichem  Bedauern  sehen  sich  Aufsichtsrat  und  Direk¬ 
torium  der  Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  a.  Gj 
zu  Berlin  gezwungen,  dem  dringenden  Wunsche  unseres  Kollegen 
Bensch  nach  Entlastung  von  dem  verantwortungsvollen  Amte  als 
Obmann  unserer  Kasse  aus  Gründen  seiner  angegriffenen  Gesundheit 
Folge  zu  geben.  Wir  alle,  die  mit  Freuden  beobachten  konnten,  wid 
er  in  achtzehnjähriger  rastloser  Tätigkeit  mit  Hintansetzung  seiner, 
Person,  seiner  Praxis,  ja  oft  seiner  Familie  sein  Lieblingswerk,  unsere 
Versicherungskasse,  gefördert  hat,  müssen  jetzt  seinen  Austritt  au> 
unserer  Verwaltung  als  einen  schweren  Verlust  empfinden.  Aber  ge¬ 
rade  als  Kollegen  können  wir  uns  diesem  wichtigen  Grunde  und  deir 
Rate  seiner  Aerzte,  die  ihm  Schonung  und  Entlastung  im  Interesse) 
seiner  Gesundheit  und  seiner  ärztlichen  Tätigkeit  dringend  anrateu 
nicht  verschliessen.  Was  Kollege  Bensch  unserer  Kasse  gewesen 
wie  er  sie  von  kleinen  Anfängen  dank  seiner  versicherungstech¬ 
nischen  Begabung  und  aus  seinem  von  reinster  Kollegialität  ge 
tragenen  Fürsorgegefühl  für  die  im  Daseinskampf  hart  ringenden  Be 
rufsgenossen  zu  einem  geachteten  Standesinstitut  erhoben  hat,  das 
ist  allgemein  bekannt  und  gewürdigt. 

Mit  grosser  Befriedigung  sprechen  wir  an  dieser  Stelle  unseren 
Kollegen  Bensch  unseren  wärmsten  Dank  und  Anerkennung  fiii 
seine  bisherige  treue  Mitarbeit  aus  und  hegen  die  feste  Hoffnung,  das: 
er  recht  bald  seine  frühere  Gesundheit  und  Frische  wiederfindei 
möge. 

Berlin,  den  22.  Februar  1913. 

Aufsichtsrat  und  Direktorium 

der  Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  a.  G.  zu  *  Berlin 
Hesselbarth.  Oskar  S  a  1  o  m  o  n. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  8.  Jahreswoche  vom  16.  bis  22.  Februar  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung: 
fehler  13  (71),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  10  (6).  Kindbettfieber  —  (1 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (2),  Scharlach  —  (— 
Masern  u.  Röteln  1  (2),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (-),  Keuchhusten  —  (1 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  akut.  Gelenkrheumatismus —(— 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand.  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (— ),  Starrkrampf  -  (- 
Blutvergiftung  1  (2t,  Tuberkul.  der  Lungen  27  (24t,  Tuberkul.  and.  Or 
(auch  Skrofulöse)  2  i5  ,  akute  allgem.  Miliartuberkulose  1  (— ),  Lungei 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  11  (7),  Influenza  2  (—),  vener 
sehe  Krankh.  1  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechse 
fieber  usw.  — ( — ),  Zuckerkrankh.  i  ausschl.  Diab.  insip.)3  (4),  Alkoholi 
mus  — (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  1  (7),  sonst.  Krank 
d.  Atmungsorgane  5  (5),  organ.  Herzleiden  14  (22),  Herzschlag,  Her 
lähmung  »ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  7  (3),  Arterienverkalkur 
2  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  —  (3),  Gehirnschlag  8  (1< 
Geisteskrankh.  —  (— ),  Krämpfe  d.  Kinder  4  (6),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve 
Systems  3  (8),  Atrophie  der  Kinder  2  (3),  Brechdurchfall  1  (— ),  Mage 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  4  (6),  Blinddarr 
entzünd.  1  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase.  Bauchspeicheldrüse 
Milz  6  (5),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (3),  Nierenentzünd.  8  ( 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (2),  Krebs  18  (18),  son: 
Neubildungen  2  (4  ,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (— ),  Krankh.  d 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  4  (1),  Mord,  Totschlag,  an 
Hinricht.  —  (— ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  ( 
and.  benannte  Todesursachen  1  (5),  Todesursache  nicht  (genau)  a 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  173  (179). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwocli 

Verlag  von  )  F  t  eh  mann  in  München.  —  Druck  von  E.  Miililthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Münchener  Medizinische  WoCliensclirilt  erscheint  wöchentlich' 
im  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

jK  6.—.  *  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  ! 

Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Biirozeit  der  Redaktion  S'/j  —  1  Uhr. 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  11.  18.  März  1913.  Rcdäktion .  Dr«  B*  Sßätz«  Arnulfsträssc  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Heidelberg. 

Die  Stellung  des  Eiweisses  im  Stoffwechsel  des  fiebernden 
Menschen  und  ihre  theoretische  und  praktische  Bedeutung. 

Von  Privatdozent  Dr.  E.  Grafe. 

Seit  der  wichtigen  Entdeckung  Vogels1),  dass  im  Fieber 
mehr  Stickstoff  im  Harn  ausgeschieden  wird  als  in  der  Norm, 
steht  die  Eiweissverbrennung  im  Mittelpunkte  des  Interesses 
am  Stoffwechsel  im  Fieber  des  Menschen,  und  in  einer  Ver¬ 
mehrung  der  Eiweisseinschmelzung 2)  wird  ganz  allgemein 
eines  der  wichtigsten,  wenn  nicht  das  wichtigste  Charakteristi¬ 
kum  des  Fieberstoffwechsels  erblickt.  Wegen  Mangel  an 
geeigneten  Apparaten  wurde  verhältnismässig  erst  spät  die 
Stellung  der  Eiweissverbrennung  im  Gesamtwärmehaushalt 
des  Menschen  systematisch  einer  Untersuchung  unterzogen. 
Zuerst  mussten  derartige  Versuche  beim  Tiere  diese  Lücke 
ausfüllen,  erwähnt  seien  nur  die  wichtigen  Versuchsreihen  von 
Senator,  May  u.  a.3). 

Als  allgemeines  Ergebnis  dieser  Versuche  liess  sich  fest¬ 
stellen,  dass  beim  fiebernden  Tier  die  Kalorienproduktion  in 
den  meisten  Fällen  gesteigert  ist,  und  dass  diese  Steigerung 
entweder  ganz  oder  wenigstens  zum  grössten  Teil  durch 
Steigerung  der  Eiweissverbrennung  bestritten  wird.  Eine 
Steigerung  der  Eiweissverbrennung  wurde  auch  von  einzelnen 
Autoren  (Senator)  dann  gefunden,  wenn  keine  deutliche 
Steigerung  der  Oxydationen  (beurteilt  nach  der  Kohlensäure), 
nachgewiesen  wurde.  Im  Gegensatz  zu  diesen  Untersuchungen 
stand  das  wichtige  Resultat  von  S  t  ä  h  e  1  i  n 4),  der  an  einem 
mit  Surra  infizierten,  lange  fiebernden  Hunde  in  R  u  b  n  e  r  s 
Laboratorium  feststellen  konnte,  dass  auch  die  Fettverbren- 
nung  im  Fieber  erheblich  gegenüber  der  Norm  gesteigert  sein 
kann,  während  bei  der  verabreichten  Kost  die  prozentuale  Be¬ 
teiligung  des  Eiweisses  nur  unbedeutend  stieg. 

Das  Verdienst,  zuerst  beim  menschlichen  Fieber  Gas¬ 
wechseluntersuchungen  angestellt  zu  haben,  gebührt  Lieber¬ 
meister.  Nach  ihm  sind  dann  von  den  verschiedensten 
Autoren,  vor  allem  Klinikern  [z.  B.  v.  Leyden,  Kraus, 
Löwy  u.  a. 5)],  ähnliche  Untersuchungen  mit  der  verschieden¬ 
sten  Apparatur  (besonders  mit  der  Methodik  von  Zuntz- 
Geppert)  veröffentlicht  worden,  als  deren  Ergebnis  trotz 
mancher  Abweichungen  im  einzelnen  doch  die  Tatsache  an¬ 
gesehen  werden  muss,  dass  das  Fieber  zu  einer  Steigerung  des 
Stoffwechsels  führt. 

Alle  diese  Respirationsversuche  waren  von  kurzer  Dauer, 
so  dass  es  nicht  möglich  war,  die  Verhältnisse  des  respira¬ 
torischen  Gaswechsels  mit  denen  der  Stickstoffausscheidung  in 
exakte  Beziehungen  zu  bringen. 

Nur  auf  diesem  Wege  aber  gelingt  es,  die  Rolle  des 
Eiweisses  im  menschlichen  Fieber  kennen  zu  lernen.  D  i  e 
Leistungen  des  Eiweisses  im  tierischen  Or- 


H  Zeitschr.  f.  ration.  Mediz.,  N.  F.,  II,  18,  54.  Klin.  Untersuchungen 
übenden  Typhus,  Erlangen  1860. 

2)  Bezüglich  genauerer  Literaturangaben  sei  auf  die  zusammen¬ 
lassenden  Darstellungen  über  das  Fieber  von  F.  M  ü  1 1  e  r  in  v.  L  e  y  - 
de  ns  Handbuch  der  Ernährungstherapie,  Bd.  I;  von  F.  Kraus  in 
v.  Noordens  Handbuch  der  Pathologie  des  Stoffwechsels,  2.  Aufl.. 
Bd.  I,  S.  598;  von  L.  K  r  e  h  1,  Pathologische  Physiologie,  7.  Aufl.,  S.  524, 
1912  und  v.  Richter  in  Oppenheimers  Handbuch  der  Bio¬ 
chemie,  Bd.  IV,  2,  S.  104  u.  ff.,  1910  verwiesen. 

3)  Eingehende  Literaturangaben  über  die  Arbeiten  bis  1894  bei 
May,  Zeitschr.  f.  Biol.,  Pd.  XXX,  S.  8  u.  ff..  1894. 

D  Archiv  f.  Hygiene.  Bd.  49,  S.  77. 

■’)  Literatur  vgl.  in  den  zitierten  Zusammenfassungen. 

No.  11. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

ganismus  sind,  was  die  quantitative  Seite  an¬ 
geht,  in  allererster  Linie  energetische,  wie 
vor  allem  Rubner  stets  betont  hat,  und  sind 
daher  nur  im  Rahmen  der  Gesamtwärmepro¬ 
duktion  einwandfrei  zu  beurteilen.  Von  diesen 
Erwägungen  ausgehend,  stellte  ich  vor  ca.  2  Jahren  zahl¬ 
reiche  Untersuchungen  bei  Fiebernden  in  der  Weise  an, 
dass  im  Hungerzustaiid  auf  Grund  6 — 10  ständiger  Respi¬ 
rationsversuche  (39)  und  der  gleichzeitig  ausgeschiedenen 
Stickstoffmenge  im  Harn  die  Gesamtkalorienproduktion 
und  die  Beteiligung  des  Eiweisses  an  dieser  berechnet 
wurde 6).  Es  zeigte  sich,  dass  bei  den  akuten  Infektionskrank¬ 
heiten  (vor  allem  Typhus)  die  Beteiligung  des  Eiweisses  an  der 
Wärmebildung  im  Durchschnitt  20  Proz.  beträgt,  nur  in  den 
Fällen,  in  welchen  besonders  hohe,  um  40°  sich  bewegende 
Temperaturen  vorhanden  waren,  fanden  sich  manchmal  Zahlen 
über  20  0  (bis  maximal  30  Proz.).  Mit  18—20  Proz.  beteiligt  sich 
aber  auch  in  den  ersten  Hungertagen,  ohne  dass  Fieber  vor¬ 
handen  ist,  das  Eiweiss  an  der  Gesamtkalorienproduktion 7). 
Es  charakterisierte  sich  daher  in  meinen  Versuchen  der  Fieber¬ 
stoffwechsel  als  ein  quantitativ  gesteigerter  Hungerstoff¬ 
wechsel.  Da  entgegen  den  zahlreichen  Ergebnissen  kurz¬ 
fristiger  Versuche  auch  qualitativ  keinerlei  Anomalien  des 
Gaswechsels  vorhanden  waren,  so  durfte  ich  folgern,  dass, 
abgesehen  von  den  quantitativen  Verhältnissen,  der  Fieber¬ 
stoffwechsel  in  den  untersuchten  Fällen  prinzipiell  nach  den 
gleichen  Gesetzen  abläuft,  wie  der  des  normalen  Menschen. 
Auch  der  Eiweissstoffwechsel  machte  hier  keine  Ausnahme. 

Gegen  die  Anordnung  der  Versuche  wurde  von 
Senator8)  der  Einwand  geltend  gemacht,  dass  in  dem  in 
kurzen  (6 — 12  ständigen)  Versuchsperioden  aufgefangenen  Urin 
nicht  immer  die  tatsächlich  während  des  Versuches  zersetzte 
Menge  Stickstoff  ausgeschieden  wurde.  Bei  eventuell  ein¬ 
tretenden  Stickstoffretentionen  würde  dann  natürlich  auch  die 
berechnete  prozentuale  Beteiligung  des  Eiweisses  an  der  Ge¬ 
samtwärmeproduktion  zu  niedrig  ausfallen. 

Von  vorneherein  war  es  allerdings  sehr  unwahrschein¬ 
lich,  dass  für  den  Durchschnittswert  aus  einem  grossen  Ver¬ 
suchsmaterial  derartige  Retentionen  im  Einzelfall  von  Be¬ 
deutung  sein  konnten,  vielmehr  war  anzunehmen,  dass  in 
anderen  Fällen  etwas  mehr  Stickstoff  ausgeschieden  wurde, 
als  der  Versuchsperiode  entsprach  und  so  die  Abweichungen 
sich  kompensierten. 

Immerhin  schien  es  aber  im  Hinblick  auf  die  grosse  theo¬ 
retische  und  praktische  Wichtigkeit,  die  die  Stellung  des  Ei¬ 
weisses  im  Fieberstoffwechsel  zukommt,  wünschenswert,  die 
Versuche  unter  Berücksichtigung  des  obigen,  wie  ich  glaube, 
unberechtigten  Einwandes  bei  geeigneter  Gelegenheit  zu 
wiederholen.  Diese  bot  sicli  dadurch,  dass  im  Sommer  1912 
eine  grössere  Anzahl  von  Typhusfällen  in  der  Klinik  behandelt 
wurden,  unter  denen  sich  einzelne  für  die  vorliegende  Unter¬ 
suchung  geeignete  Kranke  fanden. 

Da  es  sich  bei  den  Versuchen  um  die  Einschaltung  eines 
Hungertages  handelte,  konnte  die  Wahl  nur  mit  einiger  Vor¬ 
sicht  getroffen  werden. 

Die  Anordnung  der  Untersuchungen  war  im  Prinzip 
folgende.  Gewählt  wurden  Kranke,  die  möglichst  kurz  erst 
erkrankt  waren.  Sie  bekamen  2  Tage  vor  der  Untersuchung 
möglichst  viel  Flüssigkeit,  um  etwa  früher  bei  schlechter 
Diurese  retinierten  Stickstoff  auszuspülen.  Desgleichen  wurden 
am  Untersuchungstage  selbst  sehr  grosse  Mengen  von  Flüssig- 


")  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  101,  S.  209  u.  ff.,  1910. 
r)  Vgl.  meine  frühere  Arbeit  p.  233. 

8)  D.  Archiv  f.  klin.  Med.  Bd.  103,  S.  195,  1911. 

J 


570 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


keit  (Fachinger,  Zitronenlimonaden  mit  Saccharin  etc.)  dar¬ 
gereicht,  um  eine  N-Retention  zu  verhindern. 

Am  Morgen  des  Untersuchungstages  kamen  die  Kranken 
nach  vorherigem  Urinlassen,  Wägen,  Messen  etc.  für  eine 
Gaswechseluntersuchung  von  6 — 10  stiindiger  Dauer  in  die 
Respirationskammer  der  Klinik  und  bekamen  während  der 
24  Stunden  nur  reichliche  Flüssigkeitsmengen  ohne  kalorischen 
Gehalt.  Auf  diese  Weise  war  die  Stickstoffausscheidung  in 
24  Stunden  und  die  Wärmeproduktion  von  6 — 12  Stunden  be¬ 
kannt  und  somit  liess  sich  der  Anteil  des  Eiweisses  am  Gesamt¬ 
stoffwechsel  leicht  berechnen.  Noch  idealer  wäre  es  natürlich, 
wenn  cs  möglich  gewesen  wäre,  auch  die  Respirationsversuche 
bis  auf  24  Stunden  auszudehnen.  Das  gelang  jedoch  in  keinem 
Fall,  da  bei  stark  benommenen  Patienten  eine  Kontrolle  der 
Temperatur  sowie  die  dauernde  Aufnahme  von  Flüssigkeit 
nicht  durchführbar  waren,  bei  weniger  sonmolenten  Kranken 
aber  ein  Aufenthalt  über  10—12  Stunden  auf  Hindernisse  stiess, 
deren  Ueberwindung  abgesehen  von  anderem  auch  die  Beob¬ 
achtungen  gefährden  musste.  Ebensowenig  war  es  aus  Rück¬ 
sicht  auf  die  Kranken  möglich,  derartige  Versuche  mehrere 
Tage  hintereinander  durchzuführen  9). 

Bezüglich  der  Technik  der  Respirationsuntersuchungen 
sowie  der  Berechnung  im  einzelnen  sei  auf  meine  früheren 
Mitteilungen  hingewiesen  10). 

(Siehe  nebenstehende  Tabelle.) 

Die  Resultate  der  Untersuchungen  nebst  den  zu  ihrer  Be¬ 
urteilung  nötigen  Daten  sind  in  Tabellenform  zusammengestellt. 
Aus  Stab  6  geht  hervor,  dass  hauptsächlich  Typhuskranke 
untersucht  wurden.  Dies  geschah  einmal  darum,  weil  wir  hier 
eine  besonders  schwere  Form  von  infektiösem  Fieber  vor  uns 
haben  und  ferner  weil  bei  den  geringen  täglichen  Temperatur¬ 
schwankungen  zur  Zeit  der  Febris  continua  eine  Berechnung 
der  Wärmeproduktion  pro  24  Stunden  auf  Grund  nur  6  bis 
10  ständiger  Respirationsversuche  am  ehesten  möglich  war. 
Ausser  Typhus  abdominalis  wurden  5  mal  Fälle  von  Pneu¬ 
monie  und  je  1  Kranker  mit  Sepsis  und  Erysipelas  faciei  unter¬ 
sucht.  Die  genaue  Bestimmung  des  Krankheitstages  ist  oft 
recht  schwierig,  manchmal  unmöglich;  die  in  Stab  7  an¬ 
gegebenen  Zahlen  sind  auf  Grund  der  Anamnese  des  Kranken 
selbst,  der  Angaben  seiner  Angehörigen  und  event.  des  früher 
behandelnden  Arztes  berechnet.  Da,  wo  eine  einigermassen  zu¬ 
verlässige  Feststellung  nicht  möglich  war,  ist  hinter  die  be¬ 
rechnete  Zahl  ein  Fragezeichen  gefügt. 

Fast  alle  Fälle  stammen  aus  der  1. — 2.  Krankheitswoche. 
Leider  gelang  es  niemals,  die  Kranken  schon  in  den  ersten 
3  Tagen  zur  Untersuchung  zu  bekommen,  da  sie  gewöhnlich 
nicht  gleich  nach  Ausbruch  der  Krankheit  in  die  Klinik  kommen 
und  dort  auch  nicht  sofort  in  Untersuchung  genommen  werden 
können. 

Die  Dauer  der  Versuche  richtete  sich  nach  dem  Zustand 
der  Kranken,  die  meisten  dauerten  7 XA — 10/4  Stunden,  nur 
2  mal  waren  sie  kürzer. 

Stab  11  verzeichnet  die  Mengen  Luft,  die,  reduziert  auf 
0  °,  760  mm  Quecksilber  und  absolute  Trockenheit,  während 
eines  Versuches  den  Respirationsapparat  passierten,  Stab  12 
die  Temperaturen  der  Kammer  zu  Anfang  und  Ende  der 
Versuche. 

Die  folgenden  3  Stäbe  (13 — 15)  bringen  die  auf  Grund 
der  Respirationsversuche  pro  24  Stunden  berechneten  Mengen 
Kohlensäure  und  Sauerstoff,  sowie  das  Verhältnis  dieser  Gase 
zu  einander  (RQ). 

Die  Werte  für  den  respiratorischen  Quotienten  bewegen 
sich  im  allgemeinen  in  ziemlich  engen  Grenzen,  zwischen  0,75 
und  0,82,  nur  einmal  findet  sich  ein  etwas  tieferer  Wert,  0,73. 


9)  Derartige  Versuche  sollen  demnächst  bei  Hunden  durch¬ 
geführt  werden. 

10)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  65,  S.  1  u.  ff.,  1910.  —  D.  Arch. 
f.  klin.  Med.,  Bd.  101,  S.  209  u.  ff.,  1910.  —  Bezüglich  der  Berechnung 
der  Kalorienproduktion  vgl.  vor  allem  N.  Zuntz  in  Lehrbuch  der 
Physiol.  des  Menschen  von  N.  Zuntz  und  A.  L  o  e  w  y,  S.  660.  — 
Nach  R  u  b  n  e  r  wurde  pro  1  g  N,  welches  im  Harn  erscheint,  ein 
Kalorienwert  von  24,98  Kalorien  berechnet.  Die  in  der  früheren 
Arbeit  (D.  Archiv  i.  klin.  Med.,  101)  zugrunde  gelegte  Zahl 
6,25  X  4,4423  (Magnus-Levy  in  v.  N  o  o  r  d  e  n,  Handb.  d.  Pathol. 
d.  Stoffwechsels,  II.  Aufl.,  1.  Bd.,  S.  205,  1906)  ist  wohl  etwas  zu 
hoch. 


In  allen  Fällen  sind  in  Uebereinstimmung  mit  früheren 
eigenen  10)  und  kurz  darauf  auch  von  R  o  1 1  y  u)  und  später 
von  Colemann12)  mitgeteilten  Versuchen  die  Werte  voll¬ 
kommen  normal.  Qualitative  Ae  ir  der  ungen  des 
respiratorischen  Gaswechsels  im  Fieber,  für 
die  so  viele  kurz  dauernde  Versuche  sprachen,  lassen  sich 
also  mit  voller  Sicherheit  ausschliesscn. 
Kraus13)  hat  diese  Ansicht  immer  vertreten.  Ueber  die 
Grösse  der  Gesamtkalorienproduktion  gibt  Stab  18  Auskunft. 
Sieht  man  von  dem  9  jährigen  Knaben,  der  natürlich  eine 
dem  Wachstum  entsprechende,  erheblich  grössere  Kalorien¬ 
produktion  hat  (57  pro  1  kg)  ab,  so  liegen  die  Werte 
zwischen  31  und  46 14)  Kal.  pro  1  kg,  5  mal  lagen  sie  zwischen 
34  und  36.  Der  Durchschnittswert  ist  38.  Es  stimmt  das 
mit  dem  Mittel  meiner  früheren  Untersuchungen  (35)  und 
den  Zahlen,  die  später  Colemann  fand,  gut  überein. 

Dass  in  Einzelfällen  die  Werte  etwas  höher  waren  wie 
früher,  hängt  wohl  damit  zusammen,  dass  diesmal  fast  immer 
die  Infektionen  erst  kürzer  bestanden  und  meist  mit  höheren 
Temperaturen  einhergingen. 

Die  in  den  24  Versuchstunden  entleerten  Harnmengen 
(Stab  16)  sind  sehr  verschieden.  Wenn  man  von  der  niedrigen 
Zahl  im  Falle  No.  8,  in  dem  es  sich  um  einen  9  jährigen  Jungen 
handelte,  absieht,  bewegen  sich  die  Zahlen  zwischen  530 
bis  5600. 

Die  Unterschiede  sind  im  wesentlichen  bedingt  durch  die 
verschieden  grossen  Flüssigkeitsmengen,  die  den  Kranken 
beizubringen  waren.  Diese  schwankten  zwischen  1  und 
6  Litern.  In  einzelnen  Fällen  war  die  Schweissabsonderung 
auch  vermehrt  (No.  4,  No.  10),  in  anderen  (No.  4.  No.  11)  lagen 
wohl  Wasserretentionen  vor. 

Besonderes  Interesse  beanspruchen  die  Stickstoffwerte 
(Stab  16).  In  11  von  den  untersuchten  14  Fällen  lagen  die 
Werte  zwischen  13  und  20,6  g  N  pro  die,  3  mal  zwischen  6 
und  10  g;  bei  dem  niedrigsten  Wert  (in  No.  8)  handelte  es  sich 
um  einen  9  jährigen  Jungen  von  nur  19,2  kg  Gewicht,  in  den 
beiden  anderen  Fällen  liegt  die  Möglichkeit  vor,  dass  ent¬ 
sprechend  der  geringen  Diurese  etwas  Stickstoff  retiniert 
wurde. 

Die  höchste  Zahl  (20,55  g  N)  entspricht  ungefähr  den  höch¬ 
sten  Werten  der  Harnstoffausscheidung  im  Fieber,  die  Sena¬ 
tor  in  seinem  bekannten  Buch  über  den  fieberhaften  Pro¬ 
zess  10)  aus  der  Literatur  und  eigenen  Beobachtungen  zu¬ 
sammengestellt  hat.  Er  glaubt,  dass  diese  Kranken  im  Fieber 
mindestens  doppelt  so  viel  Harnstoff  ausgeschieden  haben, 
als  unter  gleichen  Ernährungsbedingungen  ohne  Fieber.  Aus 
den  in  der  Literatur  vorliegenden  Beobachtungen  von  Leh¬ 
mann,  Müller,  Munk,  Senator,  Zuntz,  T i g er¬ 
st  e  d  t,  Benedict  und  Grafe10)  über  die  Beteiligung  des 
Eiweisses  am  Hungerstoffwechsel  in  der  ersten  Hungerwoche 
geht,  wie  oben  erwähnt,  hervor,  dass  die  Werte  bei  weit¬ 
gehender  Muskelruhe,  wie  meine  Kranken  sie  zeigten,  zwi¬ 
schen  18—20  Proz.  liegen. 

In  diesen  Grenzen  würde  sich  daher  auch  die  Beteiligung 
des  F.iweiss  bei  dem  Kranken  Ph.  L„  der  sich  am  5.  Fiebertag 
befand  und  die  Tage  vorher  wenig  Nahrung  zu  sich  ge¬ 
nommen  hatte  und  am  Untersuchungstag  hungerte,  ohne 
Fieber  bewegt  haben. 

Wie  Stab  20  zeigt,  beträgt  die  Beteiligung  im  Fieber 
19,6  Proz.,  d.  h.  sie  ist  annähernd  die  gleiche  wie  im  Hunger- 
zustand  ohne  Fieber.  Ganz  analog  liegen  wohl  die  Verhältnisse 
im  Falle  No.  15,  jedoch  ist  hier  eine  ganz  exakte  Berechnung 
darum  nicht  möglich,  weil  vom  Kranken  einige  Kubik¬ 
zentimeter  Urin  durch  eine  ungeschickte  Bewegung  ver- 


10)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chein.,  Bd.  65,  S.  46,  1909  und  Deutsches 
Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  101,  1.  c.,  1910. 

X1)  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  105,  S.  93,  1911. 

12)  The  Journal  of  the  Americ.  Medic.  Association,  Vol.  IX,  pl  363, 

“)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  18,  p.  160  u.  v.  Noordens  Hand¬ 
buch  der  Stoffwechselpathol.,  1912.  Bd.  I,  p.  630. 

14)  Da  bei  dem  Kranken  G.  Sch.  eine  Bestimmung  des  Harn¬ 
stickstoffes  nicht  möglich  war,  wurde  die  Gesamtkalorienproduktion 
in  diesem  Falle  auf  Grund  der  Tabelle  von  Magnus-Levy  in 
v.  Noordens  Handbuch  der  Pathologie  des  Stoffwechsels,  Bd.  I,  S.  207, 
II.  Aufl.,  1906  festgestellt. 

15)  pag.  97. 

18)  Literaturangaben  in  der  zitierten  Arbeit. 


März  1913, 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


571 


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Motilität  während  des 

Respirations- 

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9.  IX. 

:  1912 

Pli.  F. 
36  jähr. 
Manu 

kg 

61,5 

Typhus 
abdominalis 
(Casus  gra- 
vissimus) 

11. 

Tag 

39,0",  39,6", 

40,0°,  39,4°, 
39,3° 

P:  96  R:  26 
liegt  sehr  ruhig, 
schläft  7  Stunden 
des  Veisuchs 

Std. 

IOV2 

Liter 

12899 

19,4  bis 
20,2® 

Liter 

367,8 

j  Liter 

!  467,7 

0,786 

ccm 

650 

g 

16,738 

2208,1 
(=  36  Kal. 
pro  kg) 

Kal. 

418 

Proz. 

18,9 

M. 

223 

25.  IX. 
1912 

Ph.  F. 
36  jähr 
Mann 

58,9 

do. 

27. 

Tag 

39,7",  39,9°, 

39,6",  39,4°, 
38,8° 

P:  108  R:  31 
liegt  sehr  ruhig, 
meist  schlafend 

9 

i  12906 

17,7  bis 
1.8,4° 

329,1 

419,5 

0,784 

1015 

17,917 

1969,6 
(=  34  Kal. 
pro  kg) 

447,6 

22,7 

M. 

219 

13.  IX. 
1912 

G.  Sch. 
26  jalir. 
Mann 

55,0 

do. 

(t  am 
20.  IX.) 

19. 

Tag 

38.9°,  39,1°, 

39,1°,  38,8°, 
38,9°,  39,1" 

P:  108  R:  30 
schläft  2  Stunden, 
im  übrigen  ganz 
mhig 

9 

13673 

18,0  bis 
20,3° 

410,2 

524,7 

0,782 

Urin 
leider 
z.  T.  ins 
Bett 
entleert 

ca.  2534 
(=  46  Kal. 
pro  kg) 

j 

M. 

220 

17.  IX. 
1912 

M.Dol. 

33  jähr. 
Frau 

64,9 

Typhus 

abdominalis 

12. 

Tag 

38,4°,  39, 08, 

38,5°,  38,9°, 
■38,2° 

P:  102  R:  24 
sehr  ruhig,  schläft 
nur  wenig 

8 

11281 

18,8  bis 
20,6" 

312,7 

407,0 

0,768 

570 

8,839 

1936,8 
(=  30  Kal. 
pro  kg) 

220,8 

11,4 

M. 

226 

2.  X. 
1912 

Ph.  L. 
20  jähr. 
Mann 

58,6 

Pneumonia 

crouposa 

5. 

Tag 

40,4°,  40,1°, 

40,0",  38,8®, 
39,8°,  39,4® 

P:  100  R:  35 
liegt  sehr  ruhig, 
schläft  aber  nur 
ganz  kurz 

VU 

11940 

21,0  bis 
22,0° 

443,6 

556,7 

0,797 

1365 

CO, 546 

2619,3 
(=  45  Kal. 
pro  kg) 

513,3 

1976 

3675 

M. 

227 

10.  X. 
1912 

(1.  Ke. 
49  jähr. 
Mann 

63,7 

Erysip.  fac. 
(später 
schwere 
Delirien) 

8. 

Tag 

37,9°,  39,6°, 

38,8®,  39,1®, 
39,2® 

P:  84  R:  28 

liegt  bewegungslos 
ruhig,  ohne  zu 
schlafen 

572 

9125 

19,0  bis 
19,4° 

385,1 

476,6 

0,808 

810 

14,918 

2268,5 
(=  36  Kal. 
pro  kg) 

373,5 

M. 

228 

16.  X. 
1912 

Al.  VV. 
18  jähr. 
Mann 

59,4 

Pleuro¬ 

pneumonie 

8. 

Tag 

38,2®,  38,3°, 

37,8®,  38,8°, 
37,3® 

P;  108  R:  28 
ziemlich  ruhig, 
schläft  nicht 

972 

12854 

19,0  bis 
21,7° 

345,1 

448,4 

0,770 

720 

13,262 

2121,3 
(=  36  Kal. 
pro  kg) 

331,3 

15,6 

M. 

229 

19.  X 
1912 

J.  Sch.1; 
9  jähr. 
Junge 

19,2 

Sepsis 

7.? 

Tag 

38,0",  38,8®, 

39,1°,  38,5", 
37,8® 

P:  108  R:  36 
zeitweise  etwas 
unruhig,  nicht 
schlafend 

772 

8434 

18,6  bis 
19,0® 

178,3 

230 

0,775 

330 

6,071 

1092,1 
(=  57  Kal. 
pro  kg) 

151,7 

13,9 

M. 

231 

25.  X. 
1912 

E.Ma. 
14  jähr. 
Mädch. 

48,2 

Typhus 

abdominalis 

9. 

Tag 

38,4°,  38,9", 

39,4®,  39,6®, 
38,7® 

P:  121  R:  24 
sehr  ruhig, 
nicht  schlafend 

107a 

11679 

19,0  bis 
22,1® 

262,1 

317,8 

0,825 

1135 

13,048 

1497,8 
(=  31  Kal. 
pro  kg) 

325,9 

21,8 

M. 

233 

6.  XI. 
1912 

M.  Z.2) 
30  jähr. 
Frau 

49,0 

do. 

5.? 

Tag 

38,9®,  38,8°, 

38,9®,  38,3°, 
37,6° 

P:  98  R:  28 
schläft  den  grössten 
Teil  der  Zeit 

10 

12146 

18,7  bis 
19,6« 

298,9 

372,6 

0,802 

550 

12,973 

1765,8 
(=  36  Kal. 
pro  kg) 

324,8 

18,4 

M. 

236 

27.  XI. 
1912 

W.  Ko.2) 
15  jähr. 
Junge 

41,5 

do. 

10. 

Tag 

38,9®,  38,7", 

39,4®,  38,9°, 
38,2® 

P:  92  R:  24 
sehr  ruhig 

10 

11825 

18,6  bis 
19,7« 

264,6 

364.8 

0,726 

530 

9,851 

1716 

(=41,5  Kal. 
pro  kg) 

246,0 

Ti73 

M. 

239 

13. 1. 
1913 

M.  BIA) 

16  jähr. 
Junge 

53,2 

do. 

12. 

Tag 

38,9®,  38,6®, 

38,5°,  39,3®, 
38,5® 

P:  96  R:  26 
sehr  ruhig  und 
matt 

Vk 

11792 

20,8  bis 
20,0° 

422,6 

525,9 

0,8035 

5600 

16,511 

2499,5 
(=  45  Kal. 
pro  kg) 

412,5 

16,5 

s:  es 

CT*  • 

12.  11. 
1913 

E.  ff  ei. 
29  jähr. 
Mann 

62,3 

Pneumonia 

crouposa 

10. 

Tag 

38,1°,  38,4®, 

3S,0°.  Nachts 
Krise  mit  star¬ 
kem  Schweiss. 
Temp.  bis  36,9° 

P:  80  R:  16 
sehr  ruhig,  jedoch 
nur  wenig 
geschlafen 

93/4 

11691 

20,7  bis 
23® 

340,3 

425,0 

0,801 

1760 

17,959 

2006,7 
(=  33  Kal. 
pro  kg) 

447,7 

2273 

M. 

>48 

19.  11. 
1913 

A.  Woi. 
23  jähr. 
Mädch. 

1 

64,6 

do.  (Oasns 
grayissim., 
spät,  schwe¬ 
re  Delirien)) 

4. 

Tag) 

39,4®,  40.6°, 

40,6®,  40,4®, 
40,3« 

P:  120  R:  38 
schlief  4  Stunden, 
auch  die  übrige 
Zeit  sehr  ruhig 

97a 

13484 

20,1  bis 
22,5® 

424,9 

570,3 

0,745 

1060 

15,83 
tm  Urin 
-1-0,2819 
N  im 
Sputum 

2689,3 
(=  42  Kal. 
pro  kg) 

402,5 

15 

M. 

249 

20.  11. 
1913 

N.  Mi. 

23  jähr. 
Mann 

57,7 

Pneumo¬ 

kokken¬ 

sepsis 

8.  I 
TagV 

39,4®,  39,6«, 

39,9°,  38,6«, 
38,4° 

P:  96  R:  80 
L‘/s  St.  geschlafen, 
m  den  letzten  Stun¬ 
den  etwas  unruhig 

972 

13221 

18,8  bis 
22,6° 

426,2 

563,1 

0,757 

1615°) 

(?) 

20,629 

(?) 

ca.  2624,1 
(=  46  Kal. 
pro  kg) 

551,1 

(?) 

19,5 

(?) 

ruckten  Zahlen  geben  die  Temperaturen  zu  Anfang  und  zu  Ende  des  Respirationsversuchs  an.  —  0  Flüssigkeitsaufnahme  sehr  gering.  —  -)  Trinkt  sehr  wenig.  —  s)  Sehr 
■es  Uurstgefuhl,  sehr  grosse  Flüssigkeitsaufnahme.  —  J;  Pneumonie  am  4.  Tag.  —  6)  Beim  Fortsetzen  des  Uringlases  im  Respirationsapparat  wurden  einige  Tropfen  Urin  verschüttet. 


üttet  wurden.  Der  gewaltigen  Ausscheidung  von  20,6  g  N 
spräche  nur  eine  Beteiligung  des  Eiweisses  von  19,5  Proz. 
che  Zahlen  wie  im  Falle  No.  5  und  15  beweisen  ausser- 
cntlich  schlagend,  wie  wenig  sich  aus  dem  Harnstickstoff 
in  schliessen  lässt  und  wie  erst  die  Untersuchung  des  Ge- 
itstoffwechsels  die  Rolle  des  Eiweisses  im  Fieber  aufzu- 
'en  vermag. 

Sieht  man  im  übrigen  die  Zahlen  in  Stab  20  durch,  welche 

prozentualen  Anteil  des  Eiweisses  an  der  Gesamtwärme¬ 
duktion  in  den  einzelnen  Versuchen  angeben,  so  liegen  die 
rte  nur  3  mal  etwas  über  20  Proz.  (22,7  Proz.  bei  No.  2, 
j  Proz.  bei  No.  9  und  22,3  bei  No.  3).  In  den  beiden  ersten 
Rn  lagen  die  Temperaturen  während  des  grössten  Teils  der 
Suchszeit  erheblich  über  39  °,  bei  No.  9  stiegen  sie  erst  nach 


Beendigung  des  Respirationsversuches  so  hoch  hinauf.  Im 
Falle  No.  13  trat  während  der  2.  Hälfte  des  Versuches  die 
Krise  ein,  so  dass  dieser  Fall  wegen  der  Komplikation  mit 
einer  wahrscheinlich  epikritischen  N-Ausscheidung  hier  nicht 
in  Betracht  gezogen  werden  kann. 

In  einer  früheren  Arbeit  hatte  ich  in  den  Fällen,  in  welchen 
bei  sehr  hohen  Temperaturen  die  Beteiligung  des  Eiweisses 
über  20  Proz.  hinausging,  in  Anlehnung  an  die  bekannten  Ver¬ 
suche  von  L  i  n  s  e  r  und  Schmidt17)  eine  Wirkung  der 
hohen  Temperatur  an  sich  angenommen. 

Inzwischen  ist  die  Beweiskraft  dieser  Untersuchungen 
durch  die  wichtigen  Selbstversuche  von  G.  Graham  und 


17)  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  79,  p.  514,  1904. 

1* 


0/2 


E  P.  P  o  u  1 1  o  n  1S)  aus  der  Müller  sehen  Klinik  erschüttert  1 
worden,  denn  diese  Autoren  konnten  bei  Nahrungsaufnahme 
in  Ueberhitzungsversuchen  (mehrstündige  Dampfbäder)  keine 
nennenswerte  Steigerung  der  Eiweissverbrennung  feststellen. 
Worauf  diese  Differenzen  der  Resultate  beruhen,  bedarf  noch 

der  Aufklärung.  . 

Meine  Untersuchungen,  sowohl  die  früheren  wie  die  : 
jetzigen,  wurden  im  Zustande  vollkommener  Inanition  an-  t 
gestellt,  also  unter  Bedingungen,  für  welche  ähnlich  exakte  j 
Versuche  wie  die  von  G.  Graham  und  E.  P  o  u  1 1  o  n  oeim 
Menschen  bisher  noch  fehlen. 

Es  muss  daher  diese  Frage  zunächst  noch  offen  bleiben 
und  den  Gegenstand  weiterer  Untersuchungen  bilden.  Aber 
ganz  abgesehen  hiervon  fragt  sich,  ob  man  gezwungen  ist,  bei 
den  beiden  Werten  von  21,8  Proz.  und  22,7  Proz.  ein  prin¬ 
zipiell  anderes  Verhalten  wie  in  allen  anderen  Versuchen  an¬ 
zunehmen.  Tatsächlich  ist  sehr  wohl  möglich,  dass,  ähnlich  wie 
in  den  Versuchen  No.  4  und  No.  8  wahrscheinlich  eine  N-Rc- 
tention  vorlag,  in  den  Versuchen  No.  2  und  No.  9  vorher  reti- 
nierter  Stickstoff  mit  ausgeschieden  wurde.  So  lassen  sich 
m.  E.  die  etwas  höheren  Werte  in  diesen  Fällen  ungezwungen 
auch  ohne  Annahme  einer  Steigerung  des  Eiweisszerfalles 
durch  die  hohe  Temperatur  als  solche  erklären. 

Die  beste  Beantwortung  der  Frage  über  die  Beteiligung 
des  Eiweisses  am  Fieberstoffwechsel  erhält  man  zweifellos, 
wenn  man  den  Durchschnittswert  aller  Versuche  berechnet, 
da  in  dieser  Zahl  alle  kleinen  möglichen  Abweichungen  in  dem 
einen  oder  anderen  Einzelfalle,  bedingt  durch  Retention  oder 
sekundäre  Ausschwemmung,  sich  ausgleichen.  Die  Durch¬ 
schnittszahl  für  die  Beteiligung  des  Eiweisses  an  der  Wärme¬ 
produktion  beträgt  in  den  mitgeteilten  Versuchen  17,6  Proz., 
oder  wenn  man  die  Fälle  fortlässt,  in  denen  eine  N-Retention 
sehr  wahrscheinlich  war,  18,4  Proz.;  der  Durchschnittswert 
bei  den  früher  mitgeteilten,  methodisch  etwas  anders  an¬ 
gelegten  Versuchen  war  19,6  Proz. 

Diese  Zahlen  stimmen  so  gut  mit  einander  überein,  dass 
es  nicht  notwendig  erschien,  die  Versuche  noch  zu  vermehren. 

So  zeigen  die  jetzigen  Versuche  wie  die 
früheren  ganz  eindeutig,  dass  die  Beteiligung 
des  Eiweisses  im  Fieberstoffwechsel  beim 
Hunger  im  Durchschnitt  die  gleiche  ist,  wie 
im  Hungerzustand  ohne  Fieber. 

Da  wir  durch  die  berühmten  R  u  b  n  e  r  sehen  Unter¬ 
suchungen  1B)  über  die  chemische  Wärmeregulation  wissen, 
dass  hier  in  der  Regel  die  Eiweissverbrennung  in  gleicher 
Weise  steigt  und  fällt  wie  die  Gesamtwärmeproduktion,  so  ist 
durch  die  vorliegenden  Untersuchungen  bewiesen,  dass  auch 
der  Stoffwechsel,  sowie  insbesondere  die 
E  i  w  e  i  s  s  v  e  r  b  r  e  n  n  u  n  g  im  Fieber,  keinen  an¬ 
deren  Gesetzen  folgt,  als  sie  von  den  Regu¬ 
lationsvorgängen  im  normalen  Organismus 
her  bekannt  sind. 

Dies  Ergebnis  bildet  eine  sehr  starke  Stütze  der  zuerst 
von  Liebermeister20)  aufgestellten  und  später  vor  allem 
von  F  i  1  e  h  n  e  21)  und  G  o  1 1 1  i  e  b  ")  vertretenen  Anschauung, 
dass  im  Fieber  die  Wärmeregulation  auf  einen  höheren  Grad 
eingestellt  ist  und  beseitigt  die  grosse  Schwierigkeit,  die  dieser 
Theorie  in  dem  früher  angenommenen  abnormen  Verhalten 
der  Eiweissverbrennung  entgegenstand. 

Das  Problem  der  Stellung  des  Eiweisses  im  Fieberstoff¬ 
wechsel  hat  neben  dem  theoretischen  Interesse  auch  eine 
erheblich  praktische  Seite. 

Wenn  der  Fieberstoffwechsel  sowie  die  Eiweissverbren¬ 
nung  von  den  gleichen  Gesetzen  beherrscht  wird,  wie  der  nor¬ 
male  Stoffwechsel,  so  muss  es  einer  rationellen  Er¬ 
nährung  gelingen,  jeden  Verlust  an  Eiweiss 
und  Körpergewicht  selbst  bei  schwerster 
Infektion  zu  verhindern. 


18)  Quarterl.  Journ.  of  medicin  6,  S.  82,  1912. 

1B)  Zusammenfassende  Besprechung  in  den  Gesetzen  des  Energie¬ 
verbrauchs. 

20)  Pathologie  des  Fiebers.  Leipzig  1875. 

21 )  Berl.  klin.  Wochenschr.  1882,  No.  45  und  1883,  No.  6  und 
Kongr.  f.  innere  Med.  v.  1885. 

22)  H.  Meyer  und  R.  G  o  1 1 1  i  e  b:  Die  experimentelle  Pharma¬ 
kologie,  S.  387. 


No. 

In  dieser  Richtung  liegen  ausserordentlich  umfassen: 
Untersuchungen  an  vielen  Hunderten  von  Fällen,  vor  all  i 
von  Shaffer  und  Co  le  mann23)  vor,  die  ganz  eindem 
zeigen,  dass  bei  einer  reichlichen  Ueberernährung  vor  alh 
mit  Kohlehydraten  jeder  Gewebszerfall  im  Fieber  vollstän  g 
hintangehalten  werden  kann.  Dass  es  auch  gelingt,  Ho 
fiebernde  mit  einer  dem  Nahrungsbedarf  entsprechenden,  v] 
Kohlehydrate  und  wenig  Eiweiss  enthaltenden  Kost  annäheid 
im  N-Gleichgewicht  zu  halten,  konnte  kürzlich  Rolland; 
an  unserer  Klinik  zeigen.  Es  gelingt  dies  durch  eine  rfr 
flüssige  Kost.  Dabei  haben  sich  mir  eisgekühlte  Zitron , 
limonaden  mit  viel  Zucker  (auch  Milchzucker)  und  v 
Zitronensaft  sehr  bewährt.  Es  gelingt  so  oft  leicht,  mehr  \ 
die  Hälfte  des  Kalorienbedarfes  in  einfacher  und  für  <;r 
Kranken  angenehmer  Weise  zu  decken. 

Durch  alle  diese  Untersuchungen  ist  festgestellt,  dassli 
der  Regel  ein  toxisches  Moment  beim  Eiweissstoffwechse!  i 
infektiösen  Fieber  des  Menschen  entweder  gar  keine  o: 
nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielt.  Ja,  es  darf  ri|j 
behauptet  werden,  dass  der  sichere  Beweis  für  die  Existi: 
eines  sogen,  toxogenen  Eiweisszerfalles  bisher  noch  ausstii 
v/enn  seine  Existenz  a  priori  natürlich  nicht  geleugnet  wert] 
kann.  Denkbar  wäre,  dass  ein  solcher  in  den  allerer^ 
Tagen  schwerster  Infektionen  Vorkommen  kann,  jedoch  feie 
hier  noch  Untersuchungen,  die  den  Gesamtstoffwechsel  ’n 
fassen.  Von  einem  toxischen  Einfluss  auf  d 
Ei weissstoffwechsel  kann  nach  dem  bist: 
Ausgeführten  nur  dann  gesprochen  werdi 
wenn  bei  genauer  Berücksichtigung  der  h 
lorischen  Verhältnisse  die  Eiweiss v  ' 
brenn  ung  einen  erheblich  grösseren  Anti 
an  der  Gesamtwärmeproduktion  hat  wiei 
der  Norm  bei  gleichem  Ernährungszustand 

Drei  Wege  sind  hier  zur  Entscheidung  möglich:  entwee 
man  geht  vom  Hungerzustand  aus  und  vergleicht,  wie  e  i 
den  mitgeteilten  Versuchen  .geschah,  die  Beteiligung  des: 
weisses  an  der  Gesamtwärmeproduktion  im  fieberfreien  :i 
fieberhaften  Zustande  miteinander,  oder  der  zu  um 
suchende  Organismus  befindet  sich  im  Stoffwechselglal 
gewicht,  d.  h.  er  enthält  eine  Nahrung,  die  möglichst  gia 
seinem  Nahrungsbedarf  entspricht  (Untersuchungen  c 
Rolland),  und  es  wird  dann  das  Verhalten  der  N-Biu 
bestimmt.  J 

In  beiden  Fällen  muss  die  Grösse  des  Gesamtstoffwech 
auf  Grund  möglichst  langdauernder  Respirationsversuche)] 
kannt  sein. 

Die  3.  Untersuchungsmöglichkeit  besteht  dalrin,  das: 
weiss  kalorisch  ganz  auszuschalten,  indem  man  den  Op 
nismus  durch  eine  starke  Ueberernährung  mit  Kohlehydrt 
auf  das  Stickstoffminimum  einstellt  und  das  Verhalten!] 
Abnutzungsquote  (R  ubne  r)  im  Fieber  verfolgt. 

Ueber  Tierversuche,  in  denen  der  letztere  Weg  eik 
schlagen  ist,  soll  demnächst  berichtet  werden. 


Ueber  chronische  Appendizitis. 

Von  A.  K  r  e  c  k  e  in  München. 

Ist  über  Wesen,  Diagnose  und  Behandlung  der  aP1 
Appendizitis,  soweit  die  praktische  Seite  dieser  Erkranu 
in  Betracht  kommt,  im  wesentlichen  jetzt  eine  Einigung  ere 
so  besteht  in  Betreff  der  chronischen  Appendizitis  noch  i 
recht  erhebliche  Meinungsverschiedenheit.  Während  e?a 
der  einen  Seite  Aerzte  und  nicht  nur  Chirurgen,  sondern  i 
Interne  und  Frauenärzte  gibt,  die  für  jeden  sonst  nicht  era 
baren  Schmerz  im  Bauche  eine  chronische  Appendizitis 
antwortlich  machen  möchten,  gibt  es  andererseits  viele  e 
erfahrene  Kollegen,  welche  diese  grosse  Häufigkeit  der  Ap 

23)  Shaffer  and  Colemann:  Arch.  f.  intern.  Medic.,  >' 
1909,  ref.  Journal  of  Americ.  Medic.  Assoc.,  S.  321,  1910^  CI 
mann:  Journ.  of  Americ.  Medic.  Associat.  1909,  S.  1145,  ein 
Vol.  LIX,  p.  363,  1912;  Americ.  Journ.  of  the  Medic.  Scienc.  N 
Vol.  CXIV,  p.  659,  1912. 

21)  Grafe:  Vortrag  auf  der  Karlsruher  Naturforscherversa 
lung  September  1911  (Verhandl.  der  Tagung  Abteil,  f.  Innere  v 
und  Balneologie,  p.  67).  Rolland:  D.  Archiv,  f.  klin.  Med.,  BcJ 
S.  440,  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  573 


i  itls  wenigstens  für  einen  sehr  grossen  Teil  der  Fälle  leugnen 
id  die  vorliegenden  Krankheitserscheinungen  je  nach  Er- 
•irung  und  individueller  Auffassung  als  durch  Obstipation, 
rmatonie,  Kolitis,  Splanchnoptose,  Coecum  mobile,  Ty- 
I  latonie,  Neurasthenie,  Hysterie  bedingt  auffassen,  von  den 
hlöiagnosen  bei  Cholelithiasis,  Wanderniere,  Nierensteinen, 
:us  ventriculi,  Oophoritis,  Perimetritis  ganz  zu  schweigen. 

Auch  dem  Erfahrenen  wird  es  manchmal  ganz  schwind- 
vor  der  Unsumme  von  Anschauungen,  die  die  immer  mehr 
d  mehr  anwachsende  Literatur  ihm  täglich  ins  Haus  bringt, 
iss  es  schon  ihm  schwer  werden,  den  ruhenden  Pol  in  der 
scheinungen  Flucht  nicht  aus  dem  Auge  zu  verlieren,  um 
e  viel  schwerer  muss  es  für  den  Anfänger  sein,  sich  in  der 
mge  von  Ansichten  zurechtzufinden  und  dem  ängstlich 
gen  den  Patienten  die  erforderliche  bestimmte  Antwort 
geben. 

Eine  ausgezeichnete  Uebersicht  über  alle  in  Betracht 
mmenden  Fragen  haben  vor  kurzem  Melchior  und 
jser1)  gegeben  und  an  der  Hand  des  Breslauer  Materials 
■  Lehre  von  der  anfallsfreien  Appendizitis  einer  kritischen 
iifung  unterzogen.  Die  einschlägige  Literatur  findet  sich 
der  genannten  Arbeit  in  erschöpfender  Weise  zusammen¬ 
stellt. 

Darüber  kann  ein  Zweifel  nicht  bestehen:  Die  Zahl  der- 
ligen  Menschen,  die  an  mehr  oder  weniger  heftigen  dauern¬ 
in  oder  gelegentlichen  Schmerzen  im  Bauch  im  allgemeinen 
d  in  der  Blinddarmgegend  besonders  leiden,  wird  täglich 
össer.  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  sollen  hier  zunächst 
:ht  näher  untersucht  werden.  Sicherlich  hängen  sie  teil- 
use  zusammen  mit  einer  im  Publikum  mehr  und  mehr  um 
h  greifenden  Blinddarmfurcht.  Man  kann  das  be- 
iders  dann  beobachten,  wenn  eine  bekanntere  Persönlich- 
it  an  akuter  Appendizitis  schwer  erkrankt  oder  gar  ge- 
trben  ist.  In  den  Tagen  nach  einem  solchen  Ereignis  melden 
h  beim  Arzte  fast  regelmässig  einige  Personen  aus  dem 
!  kanntenkreise  und  bitten  ihren  Blinddarm  zu  untersuchen, 
it  der  Angabe,  dass  sie  seit  mehr  oder  weniger  kurzer  Zeit 
Bauchschmerzen  leiden.  Es  handelt  sich  dabei  zweifellos 
m  Teil  um  Suggestion,  wie  wir  sie  ja  bei  gewissen  Krank- 
iten  (Krebs,  Tuberkulose)  nicht  selten  beobachten.  Der 
iterschied  ist  nur  der,  dass  wir  gegenüber  dem  Krebs  und 
rTuberkulose  auf  einer  viel  sichererenBasis  stehen,  während 
r  gegenüber  der  Appendizitis  häufig  im  Dunkeln  herum- 
jpen  und  oft  nicht  einmal  von  einem  exstirpierten  Wurm- 
tsatz  angeben  können:  war  dies  Organ  früher  einmal  krank 
er  nicht. 

Dem  Publikum  ist  diese  Autosuggestion  zum  Teil  wohl 
kannt.  Der  Patient,  der  sich  bei  leichtem  Bauchweh  für 
tiddarmkrank  hält,  verfällt  oft  dem  Spott  seiner  Mit- 
mschen.  Auch  die  Laien  kennen  die  Mania  operatoria 
ssiva.  In  manchen  Familien  bekommen,  wenn  ein  Kind  an 
»pendizitis  operiert  ist,  auch  mehrere  von  den  Geschwistern 
s  verdächtige  Bauchweh,  und  es  tritt  nicht  eher  eine  Be¬ 
rgung  ein,  als  bis  auch  die  Wurmfortsätze  dieser  Kinder 
m  Chirurgen  überliefert  sind.  Die  sogen,  familiäre  Appen- 
:itis  dürfte  wohl  oft  eine  suggestiv-epidemische  sein. 

Wir  erleben  so  das  merkwürdige  Schauspiel,  dass  die- 
be  Erkrankung,  die  so  oft  Schrecken  und  Trauer  verbreitet 
d  viele  Menschen  mit  Furcht  und  Entsetzen  erfüllt,  bei 
deren  Gelegenheiten  als  etwas  ganz  Harmloses,  als  eine 
t  Spielerei  behandelt  wird.  „Ach,  nur  ein  leichter  Blind- 
rm“.  „Er  will  natürlich  auch  seinen  Blinddarm  heraus 
ben.“  Solche  und  ähnliche  Redensarten  werden  nicht  selten 
mommen. 

Gibt  es  keine  Möglichkeit,  die  B  1  i  n  d  d  a  r  m  n  e  u  - 
stheniker  von  den  wirklichen  Blinddarm¬ 
anken  zu  unterscheiden?  In  vielen  Fällen  gewiss, 
d  die  Anhaltspunkte  dazu  werden  weiter  unten  erörtert 
rden.  In  vielen  Fällen  ist  eine  solche  Unterscheidung  ganz 
möglich.  Selbst  dem  Erfahrensten.  Auch  die  A  e  r  z  t  e 
den  zweifellos  unter  einer  Blinddarmsuggestion, 
tss  die  ärztliche  Diagnose  nicht  selten  auf  eine  Appen- 
•itis  lautet,  wenn  eine  solche  bestimmt  nicht  vorhanden  ist, 


')  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  79.  Bei.,  3.  H. 


kann  nicht  geleugnet  werden.  Hat  man  aber  ein  einziges  Mal 
sich  bezüglich  des  Vorhandenseins  einer  Appendizitis  im  nega¬ 
tiven  Sinne  ausgesprochen  und  erlebt  es  nach  kurzer  Zeit, 
dass  der  Kranke  an  schweren  akuten  Erscheinungen  erkrankt, 
die  ihn  dem  Tode  bedenklich  nahe  bringen,  so  wird  man  ge¬ 
wiss  vorsichtig.  Wer  will  es  dem  Chirurgen  verdenken,  wenn 
er  unter  solchen  Umständen  sich  sagt:  im  Zweifelsfalle  werde 
ich  lieber  einmal  eine  überflüssige  Operation  machen,  als  dass 
ich  eine  wirklich  kranke  Appendix  im  Bauche  zurücklasse, 
umsomehr,  als  eine  Gefahr  bei  einem  sonst  gesunden  Indi¬ 
viduum  mit  der  Operation  nicht  verbunden  ist. 

Diese  Ueberlegung  soll  uns  natürlich  keine  Veranlassung 
sein,  die  Diagnose  der  chronischen  Appendizitis  etwas  weniger 
sorgfältig  zu  betreiben  2). 

Im  Gegenteil,  es  muss  ein  jeder  seinen  Stolz  darin  setzen, 
die  Zahl  der  Appendizektomien,  die  überflüssigerweise  unter¬ 
nommen  worden  sind,  immer  mehr  herabzumindern.  Hilfs¬ 
mittel  dafür  stehen  uns  auch  heute  schon  in  grosser  Menge 
zur  Verfügung. 

Bei  der  Lehre  von  der  chronischen  Appendizitis  haben 
wir  zunächst  davon  auszugehen,  dass  wir  zum  mindesten 
klinisch  zwei  Arten  der  chronischen  Appen¬ 
dizitis  zu  unterscheiden  haben. 

Als  erste  Form  bezeichnen  wir  diejenige,  welche  von 
Anfang  an  chronisch  verläuft,  bisher  nie  zu  einem  akuten  An¬ 
fall  geführt,  nie  ausgesprochene  Fiebererscheinungen  gemacht 
hat  und  zu  den  verschiedensten  Beschwerden  in  der  rechten 
Seite  wie  auch  in  anderen  Teilen  der  Bauchhöhle  führt:  die 
anfallsfreie  Appendizitis. 

Als  zweite  Form  der  chronischen  Appendizitis  ist  die¬ 
jenige  aufzustellen,  welche  mit  einem  ausgesprochenen  akuten 
Anfall  begonnen  hat,  sei  es,  dass  es  im  weiteren  Verlauf  zu 
mehreren  gleichen  akuten  Anfällen  oder  dass  es  zu  unbe¬ 
stimmten  Beschwerden  ähnlich  wie  bei  der  ersten  Form  ge¬ 
kommen  ist. 

Wir  sehen  bei  dieser  Einteilung  davon  ab,  dass  mehrere 
pathologische  Anatomen,  besonders  A  s  c  h  o  f  f,  behaupten, 
dass  eine  chronische  Appendizitis  sensu  strictiori  nicht  exi¬ 
stiert,  sondern  dass  jede  Appendizitis  mit  einem  akuten  Anfall 
beginnt. 

Die  Richtigkeit  dieser  Tatsache  wollen  wir  gewiss  nicht 
leugnen.  Klinisch  steht  es  aber  durchaus  fest,  dass  in  so  und 
so  vielen  Fällen  von  chronischer  Appendizitis  sich  ein  akuter 
Anfall  aus  der  Anamnese  bei  aller  Sorgfalt  nicht  nach- 
weisen  lässt. 

In  vielen  Fällen  der  sogen,  chronischen  Appendizitis,  bei 
denen  wir  klinisch  einen  akuten  Anfall  nicht  ermitteln  können, 
lehrt  uns  die  anatomische  Untersuchung  des  Wurmfortsatzes, 
dass  bestimmt  einmal  ein  akuter  Anfall  bestanden  haben  muss. 
Finden  wir  z.  B.  eine  Zweiteilung  des  Organs  oder  eine  ganz 
in  Verwachsungen  eingebettete  Appendix,  so  können  wir  mit 
Sicherheit  behaupten,  dass  früher  einmal  eine  ganz  schwere 
akute  Appendizitis  den  Kranken  befallen  haben  muss.  Manch¬ 
mal  wird  dieser  akute  Anfall  in  einer  so  frühen  Lebenszeit 
stattgefunden  haben,  dass  der  Kranke  die  Erinnerung  daran 
verloren  hat.  In  anderen  Fällen  ist  der  akute  Anfall  als  ein 
anderes  Leiden,  Unterleibsentzündung,  Darmkatarrh,  Ruhr  und 
ähnliches  angesehen  worden. 

Vor  kurzem  operierte  ich  eine  Bauernfrau  mit  den  deut¬ 
lichen  Zeichen  der  chronischen  Appendizitis,  bei  der  die  Anam¬ 
nese  nichts  von  einem  akuten  Anfall  ergab.  Bei  der  Operation 
fanden  sich  sehr  schwere  Veränderungen,  die  mit  Bestimmt¬ 
heit  auf  eine  frühere  Perforation  hindeuteten.  Die  daraufhin 
noch  einmal  sorgfältig  aufgenomene  Anamnese  ergab,  dass 
ein  von  der  Kranken  vor  Jahren  angeblich  durchgemachter 
Typhus  nach  der  Art  des  Beginnes  und  des  Verlaufes  mit 
ziemlicher  Sicherheit  als  eine  schwere  akute  Appendizitis  an¬ 
zusehen  war. 

_  :  !  .  i  «iPIi 

2)  Es  dürfte  überflüssig  sein,  auf  die  verschiedenen  Witze,  die 
oft  über  die  „Finanzoperationen“  und  die  „Appendizitis  lucrativa“  ge¬ 
macht  werden,  näher  einzugehen.  Dass  es  Aerzte  genug  gibt,  die 
ohne  besondere  Ueberlegung  mit  der  Diagnose  Appendizitis  und  der 
Appendizektomie  schnell  bei  der  Hand  sind,  ist  leider  nicht  zu  leugnen. 
Jeder  muss  das  mit  seinem  Gewissen  ausmachen.  Der  sich  seiner 
Verantwortung  bewusste  Chirurg  wird  jeden  Fall  sorgfältig  prüfen 
und  darnach  entscheiden. 


574 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  H 


Werden  wir  so  bei  scheinbar  leichten  klinischen  Erschei¬ 
nungen  durch  die  schweren  Veränderungen,  die  auf  eine 
früher  durchgemachte  Appendizitis  hinweisen,  überrascht,  so 
müssen  wir  andererseits  oft  mit  Erstaunen  feststellen,  dass 
nach  einem  von  uns  selbst  beobachteten  mittelschweren  An¬ 
fall  wir  bei  der  Operation  im  freien  Intervall  auch  nicht  die 
Spur  einer  anatomischen  Veränderung  weder  makroskopisch 
noch  mikroskopisch  nachweisen  können.  Wir  folgern  daraus 
die  wichtige  Tatsache,  auf  die  Aschoff  hingewiesen  hat, 
dass  die  akut  entzündlich  veränderte  Appendix 
sich  wieder  vollkommen  zur  Norm  zurück¬ 
bilden  kann. 

Dieses  Missverhältnis  zwischen  klinischen 
und  anatomischen  Veränderungen  besteht  in 
noch  auffälligerer  Weise  bei  der  chronischen  anfallsfreien 
Appendizitis. 

Ich  habe  diesen  Verhältnissen  in  den  letzten  Jahren  meine 
besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet  und  habe  nahezu 
sämtliche  wegen  chronischer  Appendizitis  exstirpierten  Wurm¬ 
fortsätze  neben  der  makroskopischen  einer  sorgfältigen  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  unterzogen.  Zusammenfassend 
möchte  ich  folgende  Punkte  als  die  wichtigsten  hervorheben. 

1.  Bei  der  Operation  der  chronisch-rezidivie¬ 
renden  Appendizitis  im  freien  Intervall  können 
anatomische  und  zwar  sowohl  makroskopische  wie 
mikroskopische  Veränderungen  völlig  fehlen,  trotz¬ 
dem  die  klinischen  Erscheinungen  bei  einem  oder  bei  mehreren 
Anfällen  sehr  ausgesprochene  waren. 

2.  Bei  der  chronischen  anfallsfreien  Appen¬ 
dizitis  sind  oft  im  Gegensatz  zu  den  nicht  sehr  cha¬ 
rakteristischen  und  nicht  sehr  schweren 
klinischen  Erscheinungen  sehr  beträcht¬ 
liche  anatomische  Veränderungen  nachweisbar. 

3.  Eine  makroskopisch  vollkommen  normal 
aussehende  Appendix  kann  mikroskopisch  die 
schwersten  Veränderungen  aufweisen. 

4.  Bei  ausgesprochenen  periappendiziti- 
sehen  Veränderungen  lässt  die  genaue  Unter¬ 
suchung  der  Appendix  selbst  oft  jede  Ver¬ 
änderung  vermissen. 

5.  Die  wegen  vermeintlicher  chronischer  Appendizitis  vor¬ 
genommene  Appendizektomie  führt  auch  bei  durch¬ 
aus  negativem  Befund  der  Appendix  in  einem  grossen 
Prozentsatz  der  Fälle,  zum  völligen  Verschwinden  der 
Beschwerden. 

Ueber  das  Verhältnis  der  anatomischen  Ver¬ 
änderungen  zu  den  klinischen  Erscheinungen 
bei  der  chronisch  rezidivierenden  Appen¬ 
dizitis  ist  oben  schon  das  wichtigste  kurz  mitgeteilt  worden. 
Es  sei  nur  hier  im  Zusammenhänge  noch  einmal  hervor¬ 
gehoben,  dass  auch  nach  verhältnismässig  schweren  Anfällen, 
bei  denen  ein  deutliches  Exsudat  beobachtet  wurde,  sich  die 
anatomischen  Veränderungen  so  sehr  zurückbilden  können, 
dass  man  an  der  Appendix  weder  makroskopisch  noch  mikro¬ 
skopisch  etwas  krankhaftes  erkennt:  Keine  Verwachsungen, 
keine  Verdickungen,  keine  Schleimhautdefekte,  keine  Rund¬ 
zelleninfiltrate.  Man  muss  diese  Tatsache  kennen,  um  sich 
durch  einen  solchen  Befund  nicht  verblüffen  und  in  seiner 
Diagnose  nicht  irre  machen  zu  lassen.  Wie  schnell  auch 
starke  Veränderungen  sich  zurückbilden  können,  sieht  man  ge¬ 
legentlich,  wenn  man  eine  mit  Abszessbildung  einhergehende 
Appendizitis  8 — 14  Tage  nach  Beginn  der  Erkrankung  operiert. 
Die  Appendix  sieht  dann  oft  so  unscheinbar  und  harmlos  aus. 
dass  dabeistehende  Kollegen  mich  oft  gefragt  haben,  ob  denn 
dieser  reizlos  aussehende  Wurmfortsatz  wirklich  die  Ursache 
des  grossen  Abszesses  sei.  Bei  der  genaueren  makro-  und 
mikroskopischen  Unteruchung  findet  man  in  solchen  Fällen 
natürlich  schon  die  bekannten  Veränderungen:  Perforation, 
Wandabszesse.  Der  unbedeutende  grob  anatomische  Befund 
ist  uns  aber  ein  Beweis  dafür,  wie  ausserordentlich  schnell 
sich  in  solchen  Fällen  die  Veränderungen,  die  sicher  ganz  be¬ 
trächtliche  gewesen  sein  müssen,  nach  Entleerung  des  Appen¬ 
dixinhaltes  zurückbilden. 

Genau  das  umgekehrte  Verhalten  sehen  wir  manch¬ 
mal  bei  der  chronischen  anfallsfreien  Appen¬ 
dizitis:  bei  sehr  unbedeutenden  klinischen 


I  Erscheinungen  sehr  beträchtliche  makro 
oder  mikroskopische  anatomische  Verän 
der  un  gen.  Die  klinischen  Erscheinungen  sind  sehr  wech 
selnder  Natur.  Meistens  handelt  es  sich  um  Kranke,  die  se 
längerer  Zeit  unbestimmte  Beschwerden  in  der  rechten  Leit 
Seite  haben,  ohne  dass  es  jemals  zu  einem  ausgesprochene 
Anfall  gekommen  ist,  ohne  dass  vor  allen  Dingen  ein  akute 
Beginn  nachweisbar  ist.  Die  Schmerzen  setzen  zeitweise  au: 
um  dann  ohne  besondere  Veranlassung  von  neuem  aufzutretei 
Sehr  oft  besteht  hartnäckige  Stuhlverstopfung.  Bei  der  ol 
jektiven  Untersuchung  findet  man  fast  immer  nur  eine  mef 
oder  weniger  beträchtliche  Druckempfindlichkeit  in  der  Gegen 
des  McBurney  sehen  Punktes.  Diese  Kranken  sind  vie 
fach  schon  Jahre  lang  unter  der  Diagnose  Atonia  coli,  Nein) 
asthenie,  Wanderniere,  Magenkatarrh,  Oophoritis  behände 
worden. 

Die  Untersuchung  der  Appendix  ergibt  die  mannigfaltig 
sten  Veränderungen:  periappendizitische  Spangen  oft  in  sei 
beträchtlicher  Zahl,  Abschnürungen  und  Knickungen  dt 
Appendix,  chronisches  Empyem,  völlige  oder  teilweise  Ol 
literation.  Einige  Beispiele  werden  die  Sache  am  besten  c 
läutern. 

Bei  einer  30  jährigen  Kranken  (Angelika  Sp.),  operiert  a 
14.  VII.  09,  bestand  seit  dem  15.  Lebensjahre  Stuhlverstopfung.  Sq 
2  Jahren  zeigten  sich  regelmässig  einige  Tage  vor  der  Perioci 
Schmerzen  in  der  rechten  Bauchseite.  Ein  akuter  Anfall  war  n 
aufgetreten. 

Die  Untersuchung  ergab  eine  massige  Druckempfindlichkeit 
der  rechten  Darmbeingrube. 

Bei  der  Operation  fand  sich  die  Appendix  durch  einige  Spangi 
fixiert.  Das  erweiterte  Lumen  war  völlig  mit  Eiter  gefüllt. 

Es  handelte  sich  also  klinisch  um  seit  15  Jahren  b< 
stehende  sehr  wenig  charakteristische  Ei 
scheinungen,  und  dabei  fand  sich  neben  mehrfache 
peritonealen  Spangen  ein  Empyem  der  Appendix. 

In  einem  anderen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  Kranke  (Vi 
toria  R„  operiert  am  27.  VII.  09),  bei  der  seit  8  Jahren  unbestimm 
Schmerzen  in  der  rechten  Seite  bestanden,  daneben  Verstopfung  a 
wechselnd  mit  Durchfall.  Die  Kranke  war  wiederholt  als  Hysteril 
behandelt  worden.  Bei  der  Untersuchung  ergab  sich  eine  ständij 
Druckempfindlichkeit  in  der  rechten  Darmbeingrube. 

Bei  der  Operation  zeigte  sich  die  Appendix  im  ganzen  in  b  i  n  d  i 
gewebige  Spangen  eingebettet  und  im  distalen  Ende  ej 
Empyem.  In  der  Submukosa  fand  sich  eine  beträchtliche  Run 
Zelleninfiltration. 

Also  auch  hier  bei  geringem  klinischen  Befund  au 
gesprochene  anatomische  makro-  und  mikroskopische  Ve 
änderungen.  — 

Sehr  bemerkenswert  wird  das  Verhältnis  der  klinisch' 
Erscheinungen  zu  den  anatomischen  Veränderungen  in  de 
jenigen  Fällen,  wo  bei  sehr  wenig  typischen  klinischen  E- 
scheinungen  makroskopische  Veränderungen  völlig  fehlt, 
dafür  aber  mikroskopische  Veränderungen  sehr  deutln 
sind.  • 

Frau  K.,  26  Jahre  alt,  aufgenommen  am  5.  V.  09. 

Seit  jeher  hartnäckige  Verstopfung,  seit  einem  halben  Jahre  vi 
Zeit  zu  Zeit  auftretende  Schmerzen  in  der  rechten  Unterleibshäli 
Die  Schmerzen  verschwinden  bei  Ruhelage  völlig  und  treten  nur  1 
Anstrengungen  immer  wieder  auf. 

Mässige  Druckempfindlichkeit  am  McBurney  sehen  Pun 
ohne  sonstigen  Befund. 

Am  26.  V.  09  Appendizektomie.  Appendix  vollkommen  frei,  kle¬ 
bleistiftdick. 

Mikroskopisch:  Appendix  völlig  verödet.  Weder  Epithel  not 
Follikel  zu  entdecken.  Muskularis  atrophisch,  die  äusseren  Schicht', 
stark  segmentiert. 

Bericht  vom  März  1912:  Die  Schmerzen  sind  seit  dem  Momd 
der  Operation  völlig  verschwunden.  Der  Stuhl  ist  regelmässig. 

Aehnliche  Fälle  lassen  sich  in  grösserer  Anzahl  b- 
bringen. 

Es  ergibt  sich  aus  diesen  Beobachtungen,  wie  wichtig  i 
ist,  in  jedem  Falle  eine  sorgfältige  mikr- 
skopische  Untersuchung  der  Appendix  von,- 
nehmen.  In  mehreren  ähnlichen  Fällen  habe  ich  bei  der  Oi- 
ration  mich  auf  Grund  des  normalen  makroskopischen  I  - 
fundes  sehr  unbefriedigt  gefühlt  und  die  Anschauung  gehe- 
dass  ich  eine  falsche  Diagnose  gestellt  und  eine  Überflüsse 
Operation  gemacht  habe.  Die  mikroskopische  Untersuche 
hat  dann  näheren  Aufschluss  erbracht  und  die  Berechtigte 
der  Operation  erwiesen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


18.  März  1913. 


Aehnliche  Erfahrungen  kann  man  auch  bei  der  chronisch 
rezidivierenden  Form  machen.  Aus  der  Anamnese  ergeben 
sich  mit  aller  Sicherheit  typische  appendizitische  Anfälle.  Bei 
der  Exstirpation  der  Appendix  findet  sich  ein  makroskopisch 
völlig  intaktes  Organ,  dem  keinerlei  entzündliche  Verände¬ 
rungen  anzusehen  sind.  Erst  die  mikroskopische  Untersuchung 
erbringt  uns  die  Zeichen  der  früheren  schweren  Entzündung: 
völlige  oder  teilweise  Obliteration,  Deformierung  der  Schich¬ 
ten,  Muskelwandnarben. 

Ein  sehr  bezeichnender  derartiger  Fall  ist  der  folgende: 

Therese  D.,  56  Jahre  alt,  aufgenommen  am  16.  II.  09. 

Vor  15  Jahren  schwere  Entzündung  in  der  rechten  Leibseite,  vom 
Arzt  als  Blinddarmentzündung  erklärt.  Seitdem  häufige  leichte  An¬ 
fälle. 

17.  II.  09.  Appendizektomie.  Appendix  äusserlich  vollkommen 
unverändert,  nicht  verwachsen.  Mikroskopisch  zeigt  das  mittlere 
Drittel  der  Appendix  hochgradige  Veränderungen:  Submukosa  und 
beide  Muskelschichten  fehlen  in  der  Hälfte  des  Umfanges  bis  auf  ganz 
spärliche  Reste.  In  der  anderen  Hälfte  finden  sich  reichliche  Rund¬ 
zellenanhäufungen  und  Segmentierungen  der  Muskulatur. 

Aehnliche  Fälle  mit  schweren  mikroskopischen  Verände¬ 
rungen  bei  völlig  normalem  makroskopischen  Befund  könnte 
ich  in  grösserer  Zahl  anführen.  Sie  beweisen  uns,  dass  wir 
eine  Appendix  nicht  ausschliesslich  nach  dem 
makroskopischen  Aussehen  beurteilen  dür¬ 
fen. 

Das  umgekehrte  Verhalten  der  Appendix  bei  der  chro¬ 
nischen  rezidivierenden  Entzündung:  deutliche  makro¬ 
skopische  Veränderungen  bei  völlig  intaktem 
mikroskopischen  Be  f  u  n  d  scheint  uns  nach  den  schon 
oben  gemachten  Bemerkungen  über  den  Rückgang  der  appen- 
dizitischen  Veränderungen  etwas  weniger  auffällig.  Es  sei  nur 
hier  im  Zusammenhänge  noch  einmal  darauf  hingewiesen  und 
betont,  dass  vor  allen  Dingen  häufig  periappendizitische  Ver¬ 
änderungen,  Verwachsungen  und  Spangenbildungen  Vor¬ 
kommen,  ohne  dass  die  Wand  der  Appendix  eine  Veränderung 
aufweist.  Man  muss  für  diese  Fälle  annehmen,  dass  einerseits 
ein  periappendizitisches  Exsudat  vorhanden  war  und  die  Ver¬ 
wachsungen  zurückgelassen  hat,  und  dass  anderseits  in  der 
Appendix  selbst  nur  solche  Veränderungen  bestanden  haben, 
die  einer  vollkommenen  Rückbildung  fähig  waren. 

Die  grössten  Schwierigkeiten  bereiten  der  Beurteilung  die¬ 
jenigen  Fälle,  die  weder  klinisch,  noch  makroskopisch,  noch 
mikroskopisch  die  sicheren  Beweise  der  chronischen  Appen¬ 
dizitis  erkennen  lassen.  Darauf  werden  wir  später  noch 
ausführlich  zurückzukommen  haben.  Hier  genügt  es  fest¬ 
zustellen,  dass  wir  uns  auf  Grund  von  unbestimmten  Be¬ 
schwerden  im  Leib  in  vielen  Fällen  zur  Exstirpation  der 
Appendix  entschliessen,  wo  wir  von  dem  Vorliegen  einer  chro¬ 
nischen  Entzündung  nicht  sicher  überzeugt  sind.  Wir  ent¬ 
schliessen  uns  zu  der  Operation,  weil  ein  Unterlassen  der¬ 
selben  uns  eine  zu  grosse  Verantwortung  auferlegt.  In  vielen 
hüllen  finden  wir  ja  dann  auch  die  sicheren,  oft  sogar  recht 
schweren  Zeichen  der  chronischen  Entzündung,  wie  wir  oben 
ausführlich  dargelegt  haben,  und  freuen  uns,  die  Beseitigung 
des  kranken  Organs  vorgenommen  zu  haben.  In  vielen  Fällen 
finden  wir  aber  anatomisch  gar  nichts,  weder  makro-  noch 
mikroskopisch,  und  der  Gedanke,  dass  wir  eine  völlig  über¬ 
flüssige  Operation  gemacht  haben,  hat  für  uns  etwas  sehr 
Drückendes. 

Es  war  mir  nun  sehr  daran  gelegen,  dem  weiteren  Schick¬ 
sale  derjenigen  Kranken,  denen  auf  Grund  von  nicht  ganz 
klaren  Beschwerden  eine  völlig  normale  Appendix  ex- 
stirpiert  worden  war,  nachzugehen.  Ich  habe  an  einer  Reihe 
derartiger  Kranker,  bei  denen  schon  mindestens  ein  Jahr  nach 
der  Operation  verflossen  war,  Fragebogen  ausgesandt  und 
von  20  Nachrichten  über  ihr  jetziges  Befinden  erhalten.  Unter 
diesen  20  handelt  es  sich,  was  ja  auch  bemerkenswert  ist, 
um  15  weibliche  und  5  männliche  Kranke.  Von  den  20  Kranken 
gaben  17  an,  dass  sie  seit  der  Operation  ihre  Beschwerden 
ganz  oder  nahezu  ganz  verloren  hätten.  Manche  sprechen  sich 
geradezu  begeistert  über  den  Erfolg  der  Operation  aus  und 
geben  an,  dass  sie  erst  vom  Moment  der  Operation  ab  sich 
als  normale  Menschen  fühlten. 

Was  viele  Kranke  als  eine  besondere  Wirkung  der  Ope¬ 
ration  hinstellen,  ist  die  Besserung  des  Stuhlganges. 
Hatten  sie  vor  der  Operation  ausser  mit  den  Leibschmerzen 


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mit  hartnäckiger  Verstopfung  zu  tun,  gegen  die  stets  Abführ¬ 
mittel  genommen  werden  mussten,  so  ist  nach  der  Operation 
der  Stuhl  durchaus  regelmässig  geworden,  und  Abführmittel 
sind  entweder  gar  nicht  mehr  oder  nur  sehr  selten  noch  er¬ 
forderlich  gewesen. 

Drei  von  den  20  Kranken  sind  mit  dem  Erfolg  der  Ope¬ 
ration  unzufrieden  gewesen.  Bei  einer  Frau  ist  nur  eine 
unwesentliche  Besserung  der  Beschwerden  eingetreten,  und 
bei  zwei  weiteren  Kranken,  einer  Frau  und  einem  Mann,  be¬ 
stehen  die  früheren  Beschwerden  in  gleicher  Weise  fort. 

Wir  haben  also  die  auffallende  Tatsache,  dass  von 
20  Kranken  mit  Erscheinungen,  die  auf  eine  chronische  an¬ 
fallsfreie  Appendizitis  hinweisen,  und  bei  denen  die  sorgfältige 
Untersuchung  des  Wurmfortsatzes  nichts  Krankhaftes  ergab, 
17  =  85  Proz.  durch  die  Appendizektomie  vollkommen  oder 
nahezu  vollkommen  von  ihren  Beschwerden  befreit  wurden. 

Die  Erklärung  für  diesen  merkwürdigen  Erfolg  kann  wohl 
nur  in  einer  suggestiven  Wirkung  der  Operation 
gesucht  werden.  Es  erscheint  mir  ganz  ausgeschlossen,  dass 
bei  diesen  Kranken  ein  anderes  Leiden  bestanden  habe,  das 
zufällig  mit  dem  Augenblicke  der  Operation  sein  Ende  ge¬ 
funden  habe.  Wenn  man  bedenkt,  wie  häufig  bei  den  unter 
der  Diagnose  der  chronischen  Appendizitis  geführten  Kranken 
ein  neurasthenisch-hysterischer  Einschlag  ist,  so  wird  die  An¬ 
nahme  einer  suggestiven  Wirkung  in  unserer  operations¬ 
lustigen  Zeit  nichts  besonderes  haben.  Auch  die  Tatsache, 
dass  unter  den  20  Kranken  15  Frauen  waren,  lässt  unsere  An¬ 
nahme  wahrscheinlich  erscheinen. 

An  dem  grossen  Breslauer  Material  haben  in  neuerer  Zeit 
Melchior  und  L  o  e  s  e  r  das  Endresultat  der  Operation  bei 
der  chronischen  Appendizitis  ermittelt.  Von  216  rein  chro¬ 
nischen  Appendizitiden  wurden  130  durch  die  Appendizektomie 
völlig  beschwerdefrei  (darunter  5  mit  einer  ganz  normalen 
Appendix),  während  86  noch  ganz  dieselben  Beschwerden 
aufwiesen.  Bei  39  dieser  86  Ungeheilten  ergab  sich  ein 
anderes  Leiden.  Von  den  übrigen  47  Nichtgeheilten  wiesen 
25  eine  völlig  normale  Appendix  auf. 

Melchior  und  L  o  e  s  e  r  haben  also  im  ganzen  30  Ap- 
pendizektomien  bei  völlig  normaler  Appendix  und  auf  diese 
30  Kranken  5  Heilungen  und  25  Misserfolge.  Diese  Zahlen  sind 
gegenüber  den  unsrigen  (3  Misserfolge  auf  20  Operationen) 
weit  ungünstiger.  Das  mag  an  der  Verschiedenheit  des  Ma¬ 
terials  liegen.  Die  „Heilung“  in  den  5  Fällen  glauben  auch 
Melchior  und  L  o  e  s  e  r  auf  rein  psychogenem  Wege  zu¬ 
stande  gekommen. 

Bei  der  Beurteilung  der  makroskopischen 
und  mikroskopischen  Veränderungen  einer  an¬ 
geblich  chronisch  entzündeten  Appendix  ist  stets  zu  bedenken, 
dass  hier  der  individuellen  Auffassung  ein  grosser  Spielraum 
gelassen  ist.  Ich  erinnere  nur  an  die  verschiedene  Deutung 
der  Gefässinjektion,  der  submukösen  Blutungen  und  der  ent¬ 
zündlichen  Infiltration.  Auch  darf  man  nicht  übersehen,  dass 
nach  Orth  die  Entwicklung  des  Lymphapparates  solche  Ver¬ 
schiedenheiten  aufweist,  dass  eine  gleichtnässige  Beurteilung 
kaum  möglich  ist.  So  wird  auch  manch  erfahrener  Beob¬ 
achter  chronisch  appendizitische  Veränderungen  da  sehen,  wo 
der  andere  nichts  entdecken  kann.  Auf  diese  Weise  müssen 
auch  die  klinischen  Ergebnisse  der  einzelnen  Autoren  starke 
Abweichungen  zeigen.  Inwieweit  das  Suchen  nach  unbe¬ 
deutenden  mikroskopischen  Veränderungen  den  Spott  er¬ 
fahrener  Aerzte  hervorrufen  muss,  zeigt  der  von  D  i  e  u  1  a  f  o  y 
gebrauchte  Ausdruck  „Appendicite  microscopique“. 

Der  Merkwürdigkeit  halber  sei  hier  erwähnt,  dass 
Walter  und  S  i  1  h  o  1  die  Bedeutung  der  anatomischen  Ver¬ 
änderungen  bei  der  Appendizitis  vollkommen  verwerfen.  Sie 
suchen  das  Wesentliche  der  chronischen  Appendizitis  mehr  in 
den  Adhäsionen  des  Colon  ascendens  und  des  Netzes.  Mit 
einer  solchen  Auffassung  der  Erkrankung  werden  wir  uns  nie 
befreunden  können. 

Auch  bei  deutlich  nachweisbaren  anatomi¬ 
schen  Veränderungen  sind  die  Erfolge  der  Appen¬ 
dizektomie  bei  der  rein  chronischen  anfallsfreien  Appendizitis 
nicht  immer  ganz  tadellos.  Die  Angaben  hierüber  schwanken 
sehr  stark.  Während  Sonnenburg  unter  etwa  2000  Appen- 
dizektomien  nur  wenig  Misserfolge  sah,  und  Begouin  stets, 
Moschcowitz  in  99  Proz.  Heilung  eintreten  sah,  hatten 


576 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


Walther  und  F  o  r  g  u  e  etwas  ungünstigere  Resultate.  Die 
sehr  sorgfältige  oben  erwähnte  Statistik  von  Melchior  und 
L  o  e  s  e  r  ergab  in  40  Proz.  Misserfolge. 

Ich  selbst  bin  den  Erfolgen  in  70  Fällen  nachgegangen, 
bei  denen  allen  makroskopisch  oder  mikroskopisch  das  Vor¬ 
handensein  chronisch  entzündlicher  Veränderungen  nachge¬ 
wiesen  war  und  habe  in  49  Fällen  Heilung,  in  21  Fällen  einen 
Misserfolg  feststellen  können.  Das  sind  70  Proz.  Erfolge  und 
30  Proz.  Misserfolge.  Die  Zahlen  sind  etwas  günstiger  wie  die 
von  Melchior  und  L  o  e  s  e  r. 

Wenn  auch  die  Ergebnisse  nicht  völlig  übereinstimmen 
und  der  anatomische  Nachweis  der  pathologischen  Verände¬ 
rungen  in  allen  Statistiken  nicht  sicher  erbracht  scheint,  so 
darf  man  als  feststehend  annehmen:  Die  Appendizektomie 
wegen  chronischer  anfallsfreier  Appendizitis  führt  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  zur  vollkommenen  Heilung. 

In  einer  nicht  unbedeutenden  Minderzahl  der  Fälle  von 
anfallsfreier  Appendizitis  mit  sicheren  pathologischen  Ver¬ 
änderungen  bleibt  jedoch  ein  Erfolg  der  Operation 
a  u  s. 

Die  Ursachen  dieser  Misserfolge  sind  ohne  allen  Zweifel 
darin  zu  suchen,  dass  die  vorliegende  Erkrankung  nicht  auf 
den  Wurmfortsatz  allein  beschränkt  ist,  son¬ 
dern  in  dem  ganzen  D  i  c  k  d  a  r  m  ihren  Sitz  hat. 
Es  gibt  sicherlich  ausserordentlich  viele  Menschen,  die  an 
Schmerzen  in  der  ganzen  Bauchhöhle,  zumal  aber  in  der  rech¬ 
ten  Darmbeingrube  leiden  und  bei  denen  als  Ursache  für  die 
Schmerzen  eine  Erkrankung  des  ganzen  Kolons  angenommen 
werden  muss.  Es  ist  natürlich,  dass  viele  von  diesen  Patienten 
als  Appendizitiskranke  angesehen  werden.  In  der  Tat  ist  auch 
ihre  Appendix  krank;  diese  Appendizitis  ist  aber  nur  eine  Teil¬ 
erscheinung  der  allgemeinen  Dickdarmerkrankung. 

Die  Symptome,  die  diese  Patienten  aufweisen,  sind  im 
wesentlichen  folgende: 

1.  Verschiedenartige,  in  der  Regel  nicht  sehr  heftige 
Schmerzen  in  der  rechten  Darmbeingrube,  die  von  da  oft  nach 
anderen  Teilen  des  Leibes  ausstrahlen, 

2.  Störungen  der  Stuhlentleerung  und  Stuhlbeschaffenheit, 

3.  eine  mehr  oder  weniger  heftige  Druckempfindlichkeit 
der  rechten  Darmbeingrube, 

4.  eine  strangartige  oder  kissenartige  Resistenz  in  der 
rechten  Darmbeingrube, 

5.  eine  röntgenologisch  nachweisbare  Verzögerung  der 
Zoekumverdauung. 

Die  Deutung  des  eben  kurz  skizzierten  Krankheitsbildes 
ist  unter  den  Aerzten  noch  keine  einheitliche.  Im  wesent¬ 
lichen  kann  man  zwei  Auffassungen  unterscheiden, 
von  denen  die  eine  einen  Katarrh  des  Kolons  annimmt 
(F  i  s  c  h  1  e  r,  F.  C  r  ä  m  e  r),  während  die  andere  eine 
mechanische  Störung  des  Zoekums  für  wahrscheinlich 
hält  (Hausmann,  Klose,  W  i  1  m  s).  Die  mechanische  Auf¬ 
fassung  der  in  Rede  stehenden  Störungen  geht  davon  aus, 
dass  das  Zoekum  in  sehr  vielen  Fällen  ein  sehr  langes 
Mesenterium  hat  und  infolgedessen  eine  erhebliche  Beweglich¬ 
keit  aufweist.  Die  Angaben  über  die  Häufigkeit  dieses  als 
C  o  e  c  u  m  mobile  bezeichneten  Zustandes  schwanken  sehr 
bedeutend.  Wandel  und  W  i  1  in  s  rechnen  mit  der  Häufig¬ 
keit  von  10  Proz.,  andere  Autoren  von  90  Proz. 

Schon  aus  diesen  Zahlen  folgt,  dass  der  Begriff  des  Coe- 
cum  mobile  keineswegs  als  ein  absolut  sicherer  angesehen 
werden  kann.  Auch  ist  es  die  Frage,  ob  wir  das  lange  Mesen¬ 
terium  des  Zoekums  als  etwas  pathologisches  auffassen  dürfen. 
Wir  müssten  sonst,  wie  F.  Crämer  richtig  hervorhebt, 
gelegentlich  auch  ein  langes  Mesokolon  des  Querkolons  oder 
der  S-förmigen  Flexur  als  eine  pathologische  Veränderung  an- 
sehen.  Auch  W  i  1  in  s  betont,  dass  das  Coecum  mobile  allein 
zur  Erklärung  des  Krankheitsbildes  nicht  genügt,  sondern  dass 
dabei  die  Lagerung  des  Zoekums,  seine  Länge,  seine  Breite, 
seine  Schlaffheit,  seine  Füllung  mit  in  Betracht  kommen. 

Es  sind  also  auch  bei  der  mechanischen  Auffassung  des  in 
Rede  stehenden  Krankheitsbildes  zweifellos  noch  andere  Mo¬ 
mente  mit  zu  berücksichtigen.  Im  wesentlichen  werden  die 
Beschwerden  durch  eine  muskuläre  Schwäche  des  Dickdarms 
bedingt  sein.  Und  die  Ursache  dieser  muskulären  Schwäche 
dürfte  in  der  Hauptsache  ein  K  a  t  a  r  r  h  sein,  der  zu  einer 


Stauung  des  Darminhaltes  führt  und  so  die  Beschwerden  der 
betreffenden  Kranken  hervorruft. 

Dass  bei  dieser  Sachlage  Verwechslungen  zwi¬ 
schen  chronischer  anfallsfreier  Appendizitis 
und  chronischer  Kolitis  (Darmatonie)  häufig  Vor¬ 
kommen,  ist  ohne  weiteres  klar.  Die  Schwierigkeit  wird  noch 
dadurch  erhöht,  dass  zwischen  den  beiden  Erkrankungen  sehr 
viele  Uebergänge  bestehen,  indem  sowohl  die  Erkrankung  der 
Appendix  auf  das  Kolon  übergreifen  kann,  wie  umgekehrt. 
Vielfach  wird  daher  eine  exakte  Diagnose  nur  ein  frommer 
Wunsch  bleiben.  Andererseits  gibt  es  aber  doch  bestimmte 
Anhaltspunkte,  die  als  brauchbare  Hilfsmittel  der  Dia¬ 
gnose  bezeichnet  werden  müssen: 

1 .  Der  Charakter  der  Schmerzen  ist  bei  der 
Appendizitis  in  der  Regel  ein  bohrender  oder  stechender,  wäh¬ 
rend  es  sich  bei  der  Kolitis  mehr  um  ein  Gefühl  des  Druckes 
oder  des  Unbehagens  handelt.  Ein  einfaches  Unbehagen  im 
Bauch  soll  man  ohne  zwingenden  Grund  nicht  auf  eine  Appen¬ 
dizitis  beziehen. 

2.  Der  Sitz  der  Beschwerden  ist  bei  der  Appendizitis 
vornehmlich  die  rechte  Darmbeingrube,  bei  der  Kolitis  strahlen 
die  Schmerzen  in  den  ganzen  Leib  aus. 

3.  Ein  anfallsweises  Auftreten  der  Schmerzen 
spricht  mehr  für  Appendizitis. 

4.  Die  Abhängigkeit  der  Beschwerden  von  körperlichen 
Anstrengungen,  von  der  Menstruation  spricht  mehr  für  Kolitis. 
Die  appendizitischen  Schmerzen  sind  von  äusseren  Einflüssen 
in  der  Regel  unabhängig. 

5.  Der  bei  wiederholten  Untersuchungen  stets  genau  auf 
den  McBurney  sehen  Punkt  lokalisierte  Druck¬ 
schmerz  spricht  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  für  eine 
chronische  Appendizitis.  Besteht  ein  solcher  Druckschmerz 
auch  an  anderen  Punkten  der  Bauchhöhle,  besonders  an  der 
Flexura  sigmoidea,  so  liegt  mit  Wahrscheinlichkeit  eine  Er¬ 
krankung  des  Kolons  vor. 

Zu  bedenken  ist,  dass  bei  der  chronischen  Appendizitis  und  be¬ 
sonders  bei  der  rezidivierenden  Form  ein  Druckschmerz  völlig  fehl:u 
kann. 

6.  Ein  strangartige  oder  kissenartige  Resistenz  der 
Ileozoekalgegend  spricht  fast  immer  für  eine  Erkran¬ 
kung  oder  mindestens  für  eine  Beteiligung  des  Kolons. 

7.  Veränderungen  des  Stuhles,  Verstopfung,  Gärung, 
Schleimbeimischung  sprechen  fast  immer  für  eine  Erkrankung 
des  Kolons.  Diese  Kolitis  kann  die  Folge  oder  die  Ursache 
einer  chronischen  Appendizitis  sein. 

8.  Die  Besserung  der  Beschwerden  unter  einer  physi¬ 
kalisch-diätetischen  Behandlung  spricht  gegen 
Appendizitis. 

9.  Allgemeine  nervöse  Beschwerden  sprechen  gegen  eine 
Appendizitis. 

Diese  Anhaltspunkte  werden  in  vielen  Fällen  sicherlich 
zu  einer  richtigen  Diagnose  führen.  Ihr  Wert  kann  natürlich 
nur  ein  mässiger  sein,  wie  schon  ihre  vorsichtige  Abfassung 
beweist.  Hat  man  sich  auch  wirklich  von  dem  Vorliegen  einer 
Kolitis  überzeugt,  so  ist  damit  noch  immer  nicht  bewiesen, 
dass  sie  nicht  durch  eine  versteckte  Appendizitis  hervor¬ 
gerufen  ist.  In  vielen  Fällen  muss  man  also  die  Diagnose 
unentschieden  lassen. 

Für  solche  Fälle  merke  man  sich  noch  zweierlei: 

Erstens  stelle  man  nie  die  Diagnose  nach  einer 
einmaligen  Untersuchung.  Man  lasse  den  Kranken 
öfter  wiederkommen  und  untersuche  ihn  wiederholt.  Ein 
ständig  umschriebener  Druckschmerz  an  dem  McBurney- 
schen  Punkte  ist  für  solche  Fälle  vor  allen  Dingen  von  Be¬ 
deutung. 

Zweitens  berücksichtige  man  das  allgemeine,  besonders 
das  psychische  Verhalten  des  Kranken.  Bei 
einem  Kranken,  der  auch  sonst  hysterische  oder  neurasthe- 
nische  Symptome  aufweist,  sei  man  mit  der  Diagnose  „Appen¬ 
dizitis“  sehr  vorsichtig.  Hört  man  von  ihm  noch,  dass  er  von 
einer  grossen  Blinddarmfurcht  beherrscht  wird,  und  dass  er 
seine  Schmerzen  im  Anschluss  an  einen  Fall  von  Blinddarm¬ 
entzündung  in  seinem  Bekanntenkreise  bekommen  hat,  so  sei 
man  mit  der  Diagnose  noch  vorsichtiger. 

Kann  man  auch  nach  Anwendung  aller  Hilfsmittel  zu  einer 
richtigen  Diagnose  nicht  kommen,  so  sage  man  dem  Kranken: 


MUENCHENER  MeWziNISCHe  WOCHENSCHRIFT. 


IS.  Marz  löl.L 


.Ich  finde  jetzt  nichts  für  Appendizitis  Verdächtiges.  Ich  rate 
hnen  aber,  sofort  zu  mir  zu  kommen  oder  mich  holen  zu  lassen, 
,obald  Sie  heftigere  Schmerzen  wahrnehmen.“  Damit  dürfte 
lanu  allen  Forderungen  der  Vorsicht  Genüge  getan  sein. 


\us  der  chirurgisch-orthopädischen  Abteilung  der  Kinderklinik 

in  Graz. 

Zur  Ausnützung  der  respiratorischen  Kräfte  in  der 
Skoliosenbehandlung. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Von  Prof.  H.  S  p  i  t  z  y. 

Schon  seit  Hippokrates  Tagen  wird  der  Kampf  gegen  die 
Skoliose  mit  allen  erdenklichen  Mitteln  und  auf  allen  Linien 
geführt.  Die  ausserordentliche  Verbreitung  des  „Skoliosen¬ 
elends“  erklärt  sich  aus  der  geringen  Anpassung  des  mensch¬ 
lichen  Skelettes  an  den  aufrechten  Gang  und  Stand,  aus  der 
Labilität  dieser  verhältnismässig  spät  erworbenen  Eigenschaft 
des  Menschen  und  der  Leichtigkeit,  mit  der  sich  infolgedessen 
abnorme  Haltungen  einstellen  und  fixieren.  Die  rasche  An¬ 
passung  des  Körpers  an  die  geänderten  statischen  Verhält¬ 
nisse,  die  immerwirkende  Schwere,  der  grosse 
Einfluss  der  respiratorischen  Kräfte  geben  den 
Grund  für  die  ausserordentliche  Hartnäckigkeit,  mit  der  das 
Leiden  unseren  therapeutischen  Einwirkungen  widerstrebt. 
Und  dazu  noch  die  Schwierigkeit,  eine  dauernde  Gewaltein¬ 
wirkung  auf  einen  Körperabschnitt  hervorzurufen,  der  unsere 
lebenswichtigsten  Organe  birgt.  Gegen  diese  schwer  über¬ 
windbaren  Gewalten  kämpfen  wir  mit  allerdings  sehr  unzu¬ 
länglichen  Mitteln. 

Bis  jetzt  suchte  man  immer  die  Deformität  durch  von 
aussen  wirkende  Kräfte  auszugleichen.  Dieselben 
bestanden  hauptsächlich  in  Druckwirkungen,  die  teils  dauernd 
von  einem  am  Körper  getragenen  Apparat  ausgeübt  wurden 
(Portative  Apparate),  oder  aber  während  einer  meist  kurz 
bemessenen  Behandlungszeit  der  Körperkraft  des  behandeln¬ 
den  Arztes  oder  Masseurs,  sowie  Apparaten  entstammten, 
in  die  der  Patient  zum  Zweck  des  Redressements  eingespannt 
oder  gelagert  wurde.  Abgesehen  davon,  dass  nach  Frei¬ 
lassung  des  Körpers  aus  diesen  Apparaten  das  alte  Spiel 
der  Skoliosierung  von  neuem  anfing,  konnten  auch  die 
dauernd  getragenen  Apparate  im  günstigsten  Falle 
nur  das  fortschreitende  Leiden  hemmen,  ja  sie  fügten  dem 
Körper  durch  die  Ruhigstellung  des  Rumpfes  und  den  da¬ 
durch  bedingten  Wegfall  der  Funktionen  der  Rumpfmuskulatur 
einen  erheblichen  Schaden  zu. 

Man  erinnerte  sich  bald,  dass  das  einzige  Korsett, 
das  den  Körper  aufrecht  zu  erhalten  imstande  ist,  das  Mus¬ 
kelkorsett  des  Rumpfes  sei  und  begann  mit  der 

funktionellen  Behandlung  der  Skoliose,  die  hauptsächlich 
in  der  Uebung  der  konvexseitigen  Muskulatur,  in  der  aktiven 
oder  maschinellen  Dehnung  der  eingefallenen  Konkavseite  be¬ 
steht.  Bei  leichten  Skoliosen,  besonders  bei  be¬ 
ginnenden  Haltungsanomalien  besitzen  wir  in  der  gut 

ausgearbeiteten  individuell  angepassten  Gymnastik  sowie  in 
den  Apparaten  zur  aktiven  und  passiven  Ueberkorrektur  aus¬ 
gezeichnete  und  sicherwirkende  Mittel,  der  Skoliosierung  eut- 
gegenzutreten  (Schulthess,  Lange,  Klapp).  Anders 
steht  es  mit  der  fixierten  Skoliose,  bei  der  die 

Erfolge  bis  jetzt  sehr  bescheidene  waren.  Ist  die  Wirbel¬ 
säule  einmal  von  der  geraden  Haltung  abgewichen,  hat 

sich  der  skoliotische  Bogen,  z.  B.  bei  einem  rhachitischen 
Individuum,  schon  in  früher  Jugend  versteift,  so  wird 
das  ganze  weitere  Wachstum  des  Rumpfes  im  skolioti- 
schen  Sinne  erfolgen.  Die  Belastung  der  Wirbelsäule  durch 
die  Schwere  des  Rumpfes  stellt  eine  im  aufrechten  Stand 
immer  wirkende  deformierende  Kraft  vor,  die 
sich  schwer  oder  gar  nicht  ausschalten  lässt. 

Man  versuchte  es,  durch  gewaltsame  Streckungen,  durch 
Spannung  der  Wirbelsäule  in  einen  Gipsverband,  in  dem  der 
Rumpf  zwischen  dem  eingemauerten  Kopf  und  Becken  ge¬ 
streckt  erhalten  wurde  (Wu listein).  Die  Streckung  gelang 
auch,  wenn  auch  ausserordentliche  grosse  Zugwirkungen  zur 
Ueberwindung  der  fixierten  Teile  notwendig  war.  Doch  waren 

No.  11. 


577 


die  Patienten  kaum  zu  bewegen,  diese  Verbände  oder  ähnliche 
am  Kopf  angreifende  Apparate  durch  lange  Zeit,  Monate,  Jahre 
hindurch  zu  tragen.  Auch  die  völlige  Ausschaltung  der  Schwere¬ 
wirkung  in  Horizontallage  (französische  Methode)  birgt 
Unannehmlichkeiten  und  Schädigungen  in  sich,  trotzdem  zu¬ 
gegeben  werden  muss,  dass  man  durch  lange  eingchaltene 
Ruhelage  bei  Skoliosen  dieselben  Erfolge  erzielen  kann  wie 
bei  der  Behandlung  des  alten  spondylitischen  Buckels  (F  i  n  k, 
R  o  1 1  i  e  r). 

Noch  ein  zweiter  Faktor  spielt  hier  mit,  der  bis  jetzt  noch 
wenig  beachtet  wurde,  die  respiratorischen  Kräfte. 
Sie  wirken  noch  unablässiger  als  die  Schwere, 
ihr  Spiel  geht  fort  die  ganzen  24  Stunden  des  Tages. 
Jansen  hat  in  einer  ausführlichen  Arbeit  auf  den  respi¬ 
ratorischen  Zug  hingewiesen,  der  bei  der  Bauchatmung  und 
insbesondere  bei  der  Brustatmung  auf  die  Wirbelsäule  aus- 
geiibt  wird,  er  führt  auf  den  ungleichen  Zug  zwischen  links 
und  rechts  die  Häufigkeit  der  rechtsseitigen  Skoliose  zurück. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  auf  Typen  des  Rundrückens  hinzu¬ 
weisen,  die  direkt  in  mangelhafter  Brustatmung 
ihren  Grund  haben  (respiratorischer  Rundrücken). 
Andererseits  sehen  wir  auch  bei  behinderter  Atmung,  grossem 
Lufthunger  und  mangelhaft  entwickelter,  sonstiger  Körper¬ 
muskulatur,  insbesondere  der  Körperstrecker,  z.  B.  bei  hoch¬ 
gradig  Tuberkulösen,  eine  ganz  eigentümliche  Form  der  vor¬ 
gebeugten  rundrückigen  Haltung  erstehen.  Atmung  u  n  d 
Haltung  stehen  eben  in  engstem  Zusammen¬ 
hang;  für  die  sagittalen  Haltungsanomalien  ist  es  dem  Arzt 
ohne  weiteres  verständlich,  es  gilt  jedoch  nicht  min¬ 
der  für  die  seitlichen  Verkrümmungen. 

Am  deutlichsten  tritt  ihr  Einfluss  bei  der  empyematischen 
Skoliose  zutage,  wenn  nach  abgelaufener  Pleuritis  die  Arbeit 
der  einen  Lunge  ausgeschaltet  oder  eingeschränkt  ist,  und 
die  andere  Lungenhälfte  die  Respirationsarbeit  allein  be¬ 
sorgen  muss.  Die  Lunge  und  der  Thorax  dehnen  sich 
ausserordentlich  aus,  in  allen  drei  Dimensionen  tritt  eine 
Vergrösserung  des  Thoräxraumes  ein  und  wenn  auch 
ein  grosser  Teil  der  Wirbelsäulenkrümmung  der  narbigen 
Einziehung  der  ausgeschalteten  Thoraxhälfte  zur  Last 
fällt,  so  wird  doch  die  immermehr  fortschreitende  Skolio¬ 
sierung  durch  die  einseitig  wirkende  Atmung  erhalten  und 
unterstützt.  Die  im  weitesten  Ausmass  durch¬ 
geführte  Hebung  der  Rippen,  der  Schulter  auf 
der  geblähten  Seite  wirken  in  skoliosieren- 
dem  Sinne.  Aehnliche  Verhältnisse  finden 
wir  bei  der  gewöhnlichen  Skoliose.  Die  Brust¬ 
atmung  auf  der  Konkavseite  ist  in  hohem  Masse  eingeschränkt, 
die  Rippen  liegen  knapp  übereinander,  eine  Hebung  derselben 
ist  ausserordentlich  erschwert.  Die  Brustatmung  geht  nahezu 
ausschliesslich  an  der  Konvexseite  vor  sich  und  vermehrt  bei 
ihrer  stetigen  Wirkung  durch  stärkere  Hebung  der  Rippen 
voneinander,  Schrägstellung  der  beiden  Schultergürtel  die 
Skoliosierung,  wobei  sie  dann  in  der  Schwere  bei  der  am 
Tage  eingenommenen  aufrechten  Haltung  wirksame  Hilfe 
findet. 

Wenn  wir  diese  zwei  ständig  wirkenden 
Faktoren  für  die  therapeutische  Einwirkung  zu  Bundes¬ 
genossen  gewinnen  könnten,  müssten  die  Aussichten  auf  Be¬ 
handlungserfolg  ausserordentlich  viel  bessere  sein.  Auch  in  den 
anderen  Disziplinen  ist  man  von  den  rein  äusseren  Gewalt¬ 
einwirkungen  bei  unserem  therapeutischen  Handeln  immer 
mehr  abgekommen  und  hat  sich  bestrebt,  die  im  Körper 
selbst  wirkenden  Kräfte  für  die  Therapie  auszunützen 
(Antitoxinbildung,  Ueberschwemmung  mit  Blut  bei  der 
Stauung). 

Um  die  Schwere  für  unsere  Zwecke  auszunützen,  ist 
es  jedoch  vor  allem  notwendig,  die  Deformität  aufzuheben, 
oder  doch  den  Körper  in  entgegengesetztem  Sinne  umzu- 
krümmen.  Wenn  er  dann  aufrecht  steht,  so  muss  die  Schwere 
im  deskoliosierenden  Sinne  wirken. 

Um  die  Respirationskräfte  auszunützen,  ist  es 
notwendig,  die  Atmung  auf  jenen  Thoraxbezirk  einzustellen, 
der  gehoben,  geweitet  werden  soll,  kurz  wir  müssen  dem 
Beispiele,  das  die  Natur  bei  der  empyematischen  Skoliose 
gibt,  folgen. 


2 


578 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  11. 


Bei  der  U  m  k  r  ü  m  m  u  n  g  stossen  wir  auf  grosse  Schwie¬ 
rigkeiten  in  jenem  Bogenteil,  der  die  primäre  Skoliose 
darstellt. 

Die  sekundären,  kompensatorischen  Krümmungen  sind 
gewöhnlich  viel  nachgiebiger  und  einem  Ausgleich  zugäng¬ 
licher.  Ursprünglich  suchte  man  bei  der  gewaltsamen 
Streckung  seitliche  Züge  anzubringen  und  so  die  seitliche 
Korrektur  mit  der  Streckung  zu  verbinden.  Doch  hat 
schon  L  o  v  e  1 1  darauf  hingewiesen,  dass  dies  aus  demselben 
Grunde  unzweckmässig  sei,  aus  welchem  man  eine  straff 
gespannte  Seite  schwerer  nach  der  Seite  biegen  kann  als  eine 
schlaffe.  Lovett  riet  daher,  derlei  korrigierende  Gips¬ 
verbände  in  vorgebeugter  Haltung  anzulegen. 

Diese  Erfahrung  stimmt  auch  mit  den  Ent¬ 
wicklungsgesetzen. 

Die  Wirbelsäule  ist  ursprünglich  in  einem  kyphotischen 
Bogen  angelegt  und  diese  Stellung  bedeutet  für  sie  die 
Mittelstellung.  In  ihr  sind  Gelenkkapseln,  Bänder  am 
wenigsten  gespannt,  aus  ihr  sind  Bewegungen  im  weitesten 
Ausmass  möglich.  Die  im  aufrechten  Stande  eingenommene 
Haltung  ist  schon  eine  Extremstellung,  so  wie  die 
Streckung  des  Hüftgelenkes  im  aufrechten  Stande  eine  Ex¬ 
tremstellung  für  das  in  halber  Beugung  angelegte  und  bei 
allen  Vierfüsslern,  sowie  beim  Kinde  bei  der  ersten  Körper¬ 
aufrichtung  in  dieser  Stellung  gebrauchte  Gelenk  bedeutet. 
Bei  jeder  Schwächung  der  Muskulatur,  die  durch  fort¬ 
gesetzte  Arbeit  den  Rumpf  auszubalanzieren  hat,  kehrt 
die  Wirbelsäule  in  diese  ihre  Lieblingsstellung  zurück,  die  sie 
auch  bei  mangelhafter  Ausbildung  der  Haltung,  bei  körperlich 
und  geistig  Minderwertigen  bevorzugt  (degenerativer,  kreti- 
noider  Rundrücken,  schlaffer  Rundrücken  schwächlicher  Kinder, 
vorgebeugte  Haltung  der  Greise).  Bei  Streckung  der  Wirbel¬ 
säule,  noch  mehr  aber  bei  deren  Lordosierung,  wird  die  Seit¬ 
beugung  in  immer  geringerem  Masse  möglich,  ja  auch  bei  den 
freien  Teilen  der  Wirbelsäule,  z.  B.  bei  der  sonst  sehr  beweg¬ 
lichen  Lendenwirbelsäule  ist  eine  Seitbeugung  in 
starker  Lordose  nahezu  ausgeschlossen.  Die  Dorn¬ 
fortsätze  und  die  Gelenkfortsätze  verzahnen  sich,  knöcherne 
und  bänderige  Hemmungen  vermindern  die  seitliche  Ex¬ 
kursion. 

Deshalb  finden  wir  bei  Lendenskoliosen  immer  zugleich  eine  Ver¬ 
minderung  der  Lordose,  nur  dann  ist  die  Seitbeugung  und  die  damit 
verbundene  Torsion  möglich.  Andererseits  neigen  auch  Kinder  mit  j 
flachrückigem  Habitus,  nicht  angebildeter  Lendenlordose  eher  zur 
Skoliosierung  als  solche  mit  schön  entwickelten  physiologischen 
Krümmungen. 

Darin  liegt  auch  die  Gefahr  der  vorgeneigten  schlaffen  Haltung. 
Kinder  mit  kyphotischer  schlaffer  Einstellung 
der  Wirbelsäule  sind  der  Skoliosierungsgefahr 
mehr  ausgesetzt,  worauf  schon  Lovett  hin¬ 
gewiesen  hat.  Bei  Schuluntersuchungen  fand  ich  in  den  unteren 
Klassen  einen  grossen  Prozentsatz  von  schlaffen  vorgeneigten  Hal¬ 
tungen,  in  den  oberen  Klassen  dafür  mehr  Skoliosen,  die  augenschein¬ 
lich  aus  diesen  schlechten  Haltungen  hervorzugehen  pflegen. 

Wenn  wir  also  ausführliche  Seitbeugungen  im  korri¬ 
gierenden  Sinne  ausführen  wollen,  müssen  wir  die 
Wirbelsäule  wieder  in  ihre  kyphotische  Mittelstellung 
bringen;  aus  der  heraus  wird  die  seitliche  Korrektur  am 
leichtesten  gelingen.  E.  G.  Abbott  hat  bei  seiner  neuen 
Verbandtechnik  diesen  letzten  Schluss  gezogen  und  die 
Patienten  mit  vorgebeugter  Rückenlage  und  hochelevierten 
Beinen  auf  einem  eigens  dazu  konstruierten  Tische  eingegipst, 
unter  Anbringung  der  nötigen  seitlichen  Korrekturen,  die  durch 
seitlich  wirkende  Züge  und  Gewichte  ausgeführt  wurde.  Wenn 
es  auch  nicht  gelingt,  den  versteiften  primär  skoliotischen  Ab¬ 
schnitt  sofort  umzubiegen,  so  gelingt  es  doch,  ihn  ganz  nach  der 
anderen  Körperseite  zu  verschieben  (was  bei  jeder  früheren 
Verbandtechnik,  die  von  einer  gleichzeitigen  Streckung  oder 
Lordosierung  der  Wirbelsäule  begleitet  war,  unmöglich  war). 
Jetzt  kann  die  Schwere  im  deskoliosier enden  Sinne  wirken, 
die  Belastung  der  Wirbelsäule  mit  dem  Rumpf  wird  den  pri¬ 
mären  Bogen  aufzurollen  suchen.  Die  sekundären  Krüm¬ 
mungen  werden,  wenn  sie  beweglich  und  leicht  korrigierbar 
sind,  unberücksichtigt  gelassen,  ihre  Korrektur  gelingt  nachher 
ebenso  leicht,  als  man  sich  ja  bis  jetzt  oft  damit  begnügt  hat, 
bei  starren  Skoliosen  wenigstens  die  sekundären  Krümmungen 
auszugleichen.  Ist  die  Gefahr  einer  Vermehrung  dieser  sekun¬ 


dären  Krümmungen  eine  grosse,  so  sind  wir  durch  üegenziige 
doch  in  der  Lage,  dies  zum  grössten  Teile  zu  verhüten. 

Als  der  wichtigste  Teil  dieser  neuen  Verbandbehandlung 
erscheint  mir  die  Aenderung  der  Atmung,  die  wir  in  diesem 
Verbände  nach  Belieben  einstellen,  ja  nahezu  lokalisieren 
können. 

Wenn  der  Verband  in  kyphotischer  Einstellung  des 
Rumpfes  und  maximaler  Beugung  der  Beine  gegen  das  Becken 
angelegt  wird,  so  wird  schon  durch  diese  Kauerstellung 
die  Bauchatmung  eingeengt.  Wenn  der  Gipsverband  in  der 
Stellung  den  Bauch  so  weit  als  möglich  mit  einschliesst  und 
an  die  Beckenschaufel  gut  anmodelliert  ist,  rückwärts  bis  zur 
Analfalte  reicht,  ist  auch  nach  der  Aufrichtung  sowohl  eine 
Wiederkehr  der  Beckenneigung  noch  eine  Entfaltung  des  Ab¬ 
domens  möglich,  die  Bauchatmung  bleibt  ein¬ 
geschränkt.  Wenn  wir  nun  an  der  eingefallenen  Kon¬ 
kavseite,  die  jetzt  so  weit  als  möglich  umgekrümmt  ist, 
rückwärts  ein  grosses  Fenster  ausschneiden,  so  geben 
wir  damit  dem  hier  sonst  eingeschränkten  Atemspiel  Raum 
zur  Entfaltung  der  Thoraxwand.  Durch  eingelegte  Kissen, 
die  man  durch  schiessschartenähnliche  .Fenster  in  den  Gips¬ 
verband  einschiebt,  können  wir  sowohl  einen  seitlichen  Druck 
gegen  das  offene  Fenster  ausüben  als  auch  die  Atemexkur¬ 
sionen  an  anderen  Stellen  in  beliebiger  Weise  eindämmen. 
Die  Aenderung  des  Respirationstypus  dari 
natürlich  nicht  plötzlich  geschehen,  sondern 
nur  allmählich  wird  die  Atmung  immer  mehr  nach  der  ge¬ 
wünschten  Seite  hin  lokalisiert. 

Die  Aenderung  der  Atmung  ist  messbar. 

Ein  kleiner  Hebelapparat,  der  immer  auf  dieselbe  Seite 
im  ausgeschnittenen  Fenster  aufgesetzt  wird,  zeigt  deutlich 
sowohl  die  grosse  Aenderung  der  Rippenexkursion  vor  und 
nach  der  Verbandanlegung,  sowie  insbesondere  das  immer 
weiter  gehende  Vortreten  der  Brustwand,  Vorgänge,  die  vom 
Apparat  abgelesen  und  graphisch  fixiert  werden  können  (Er¬ 
lach  e  r).  Durch  diese  Einstellung  und  Lokalisierung  der 
Atmung  ist  es  möglich,  an  der  eingesunkenen  Stelle,  die  vorher 
nahezu  keine  Rippenhebung  gezeigt,  ausgiebige  Rippen¬ 
exkursionen  zu  erreichen.  Die  eingefallene  Brustseite  wird 
immer  mehr  herausgehoben,  die  Rippen  immer  mehr  von 
einander  entfernt  und  schliesslich  gerade  jenes  Uebel,  dem 
man  früher  gar  nicht  beikommen  konnte,  behoben:  die 
grosse  Differenz  zwischen  der  vorgebuckel¬ 
ten  und  eingesunkenen  Seite,  die  im  Rippen- 
buckel  ihren  unangenehmsten  Ausdruck  fand. 
Der  Rotation  und  Torsion  der  Wirbel  wird 
durch  diese  einseitige  Atmung  aufs  wirk¬ 
samste  entgegengearbeitet. 

Abbott  hat  uns  gezeigt,  wie  man  diesbezüglich  direkt 
Ueberkorrekturen  erreichen  kann. 

Wenn  nötig,  kann  diese  Vordrängung  der  einge¬ 
fallenen  Seite  noch  durch  Einschieben  von  Kissen  und  Filz¬ 
streifen  auf  dem  der  Einbuchtung  entsprechenden,  auf  der¬ 
selben  Seite  liegenden  vorderen  Rippenbuckel  beschleunigt 
und  vermehrt  werden.  Die  Verbanddauer  erreicht  durch¬ 
schnittlich  12  Wochen,  besonders  bei  einigermassen  vorge¬ 
schrittenen  Fällen. 

Diese  von  Abbott  vorgeschlagene  Methode  wurde 
an  unserer  Klinik  durch  6  Monate  an  14  Patienten  erprobt 
und  kann  ich  die  Erfolge  damit,  auch  ohne  in  der  Skoliosen¬ 
behandlung  zu  den  Sanguinikern  zu  zählen,  als  hervor¬ 
ragende  bezeichnen.  Jedenfalls  sind  sie  viel,  viel 
besser,  als  sie  mit  irgend  einer  anderen  der  von  mir  im 
Laufe  der  Jahre  durchprobierten  Methoden  erreicht  werden 
konnten.  Immer  gelang  es,  die  Rotation  entweder  aui- 
zuheben,  oder  mindestens  die  eingesunkene  Stelle  auf  Kosten 
der  vorgebuckelten  so  zu  heben,  dass  die  Niveaudifferenz  eine 
geringe  war,  ja  in  leichteren  Fällen  war  sogar  eine  Ueber- 
korrektur  erreichbar.  Immer  konnte  der  fixierte  rhachitischc 
Primärbogen  (wir  nahmen  zur  Erprobung  der  Methode  fasi 
ausschliesslich  starre  rhachitische  Skoliosen)  auf  die  Gegen¬ 
seite  verschoben  werden  und  konnten  wir  am  Röntgenbilc 
zwischen  den  einzelnen  Verbänden  und  nach  dem  Schluss 
verbände  wenn  nicht  eine  völlige  Streckung,  so  doch  eine 
ausserordenlich  weitgehende  Abflachung  der  starren  Krüm- 


3.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


579 


mng  nachweisen,  die  allen  sonstigen  Einwir- 
ungen  und  oft  jahrelangen  Behandlungen  in 
nseren  Ambulatorien  getrotzt' haben. 

Die  Methode,  die  wir  anwenden,  war  im  Prinzip  die 
on  Abbott  vorgeschlagene,  die  wir  nur  unseren  Anschau- 
ngen  von  den  Einwirkungen  von  der  Respiration  ent- 
irechend  in  kleinen  Einzelheiten  modifizierten. 

Unserem  amerikanischen  Kollegen  Abbott  aber  ge¬ 
ährt  das  grosse  Verdienst,  zuerst  auf  diese  mir  wirklich 
i  hohem  Masse  rationell  erscheinende  Behänd- 
ungsmethode  hingewiesen  zu  haben,  die  mit  allen 
nseren  Kenntnissen  und  Erfahrungen  über  die  Entwicklung 
er  Wirbelsäule,  den  Einfluss  der  Schwere  und  Respiration  so 
bereinstimmen,  dass  ich  glaube,  dass  wir  jetzt  der  Lösung 
er  Skoliosenfrage  um  ein  grosses  Stück  nähergekommen  sind. 

Es  gereicht  mir  zur  freudigen  Genugtuung,  dass  der 
enialc  Entdecker  dieser  Methode,  Abbott,  auf  meine  Ein- 
idung  hin  den  weiten  Weg  nicht  scheut,  am  diesjährigen 
Irthopädenkongress  seine  Methode  vorzuführen. 

Obige  Zeilen  haben  den  Zweck,  das  Interesse  der  Fach- 
rzte,  sowie  der  weiteren  ärztlichen  Kreise  auf  diese  Behand- 
ingsmethode,  auf  ihre  Demonstration  am  bevorstehenden  Kon- 
resse  und  die  anschliessende  Diskussion  hinzulenken,  um  so 
nöglichst  weiten  Kreisen  Gelegenheit  zu  geben,  diese  Behand- 
ungsart  und  ihre  bisherigen  Erfolge  zu  erfahren.  Die  ge- 
laueren  Einzelheiten,  sowie  die  Ergebnisse  der  Diskussion 
ollen  einer  späteren  Veröffentlichung  in  dieser  Wochenschrift 
orbehalten  sein. 


Aus  der  Kgl.  Chirurgischen  Universitäts-Klinik  in  Berlin 
(Direktor:  Geh.  Rat  Bier). 

Die  Entstehungsweise  übermässiger  Beckenneigung. 

on  Privatdozent  Dr.  JamesFränkel,  Assistent  der  Klinik. 

Die  Ursache  der  Neigungsvermehrung  des  Beckens  über 
len  von  N  a  e  g  e  1  e  und  den  Gebr.  Weber1)  ermittelten 
furchschnittswert  hinaus  ist  eine  viel  umstrittene  Frage.  Die 
Vidersprüche  reichen  bis  in  die  Zeit  Deventers,  und  man 
rhält  den  Eindruck,  als  wäre  es  Kühnheit,  sie  aufklären  zu 
vollen.  Dennoch  ist  der  Versuch  geboten,  da  die  Folgen,  die 
lie  veränderte  Beckenstellung  nach  sich  zieht,  nicht  gleich¬ 
gültig  sind. 

Die  Schwierigkeit  liegt  hauptsächlich  darin,  die  Neigung 
ler  Beckeneingangsebene,  der  wichtigsten  Beckenebene,  am 
.ebenden  genau  zu  bestimmen,  was  bisher  noch  nicht  ge¬ 
lingen  ist. 

Die  für  die  Beckenmessung  zur  Verfügung  stehenden 
nstrumente,  der  Tasterzirkel  Baudelocques  mit  Grad- 
>ogen  und  Senkel  und  der  Nivellierzirkel  können  nur  Nähe- 
ungswerte  liefern,  auch  wenn  nach  dem  Vorschlag  von 
Rudolf  Fick2)  oder  S  c  h  u  1 1  h  e  s  s  3)  die  Darmbeinneigung 
izw.  die  Neigung  der  Cristae  gemessen  wird.  Denn  es  ist 
licht  zu  vergessen,  dass  die  notwendigen  Umrechnungen  an 
inem  pathologischen  Becken  zu  erfolgen  haben. 

Dass  weder  Skelettbecken,  wenn  sie  nicht  nach  der  Gips- 
ormmethode  (H.  V  i  r  c  h  o  w)  zusammengesetzt  sind,  noch  gar 
ius  dem  Zusammenhang  gelöste  Präparate  zur  Beurteilung 
ler  Beckenneigung  dienen  können,  bedarf  keiner  Begründung. 

Fernerhin  ist  bei  den  Untersuchungen  die  Lehre  G.  H. 
Vleyers4)  zu  berücksichtigen,  nach  welcher  Divergenz 
ind  Rotation  der  Oberschenkel  die  Beckenneigung  abändern. 

Um  endlich  über  diese  Verhältnisse  Klarheit  zu  bekommen, 
labe  ich  seitliche  Röntgenaufnahmen  vom  Becken  und  ganzen 
'emur,  möglichst  im  Zusammenhang,  herzustellen  versucht, 

Die  röntgenologische  Beckenmessung,  an  welcher  die  Ge¬ 
burtshelfer  jetzt  grosses  Interesse  nehmen,  namentlich  das 
verfahren  von  Manges,  scheint  eine  Zukunft  zu  haben, 
ür  unsern  Zweck  reichten  aber  Stereoskopaufnahmen  in 
Rückenlage  nicht  aus. 

T  Vergl.  Waldeyer:  Das  Becken.  1899. 

s)  R.  Fick:  Handbuch  der  Anatomie  und  Mechanik  der  Gelenke. 

lena  1912. 

3)  Vergl.  A.  Henggeier:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Becken- 
uellung.  Zeitschr.  f.  orth.  Chir.,  Bd.  5. 

4)  G.  H.  Meyer:  Die  Statik  und  Mechanik  des  menschlichen 
<nochengerüstes.  Leipzig  1873. 


Zur  Technik  der  Profilaufnahmen  ist  zu  bemerken,  dass 
stets  eine  Verstärkungsfolie  benutzt  wurde  und  dass  uns  der 
von  Di  eck5 *)  für  Zahnaufnahmen  angegebene  Einstellbügel 
gute  Dienste  leistete.  Der  Röhrenabstand  wurde  möglichst 
klein  gewählt,  wodurch  ein  dem  sagittalen  Medianschnitt  ver¬ 
gleichbares  Beckenbild  gewonnen  wird.  Da  die  Aufnahmen 
vom  Lebenden  schlecht  zu  reproduzieren  sind,  möge  die  Pro¬ 
filaufnahme  eines  Bänderbeckens  (13  jähriger  Knabe),  dessen 
Ueberlassung  ich  der  Güte  des  Herrn  Geh.  Rat  Prof.  Dr. 
Waldeyer  verdanke,  zur  Orientierung  dienen  (Fig.  1).  Man 


Fig.  1.  Profilaufnahme  eines  Bänderbeckens  (13 jähr.  Knabe).  Die  Richtung  der  Femora 
im'Stande  ist  entgegengesetzt  schräg  nach  vorn. 


kann  sich  leicht  über  Becken-  und  Kreuzbeinneigung  und  über 
die  Drehungsrichtung  des  Schenkelhalses  unterrichten.  (Die 
Konturen  von  der  der  Platte  abgewandten  Beckenhälfte  stören 
die  Betrachtung  nicht.)  Auf  diese  Weise  lassen  sich  jetzt  auch 
die  nahen  Beziehungen,  die  zwischen  der  Neigungszunahme 
des  Beckens  und  den  sagittalen  Verkrümmungen  des  Schenkel¬ 
halses  und  -Schaftes  bestehen,  erkennen  (vergl.  Fig.  2). 

Untere  Extremität,  Becken  und  Wirbelsäule  stehen 
in  engem  statischen  Konnex. 

Die  gegenseitige  Beeinflussung  der  Beckenneigung  und 
der  sagittalen  Wirbelsäulenverkrümmüngen  hat  zuerst 
Parow0)  betont.  Der  von  B  r  e  i  s  k  y  7)  aufgedeckte  Mecha¬ 
nismus  des  kyphotischen  Beckens,  sowie  die  infantile  Becken¬ 
form  W.  A.  Freunds8)  vertreten  den  Typus  der  vermin¬ 
derten  Neigung.  Die  vermehrte  Beckenneigung  ist  als  Folge 


ß)  Dieck:  Anatomie  und  Pathologie  der  Zähne  und  Kiefer  im 

Röntgenbild.  Hamburg  1911. 

«)  Parow:  Studien  über  die  Bedingungen  der  aufrechten  Stel¬ 

lung  und  der  normalen  Krümmung  der  Wirbelsäule.  Virchows  Archiv, 

Bd.  31. 

7)  Breisky:  Ueber  den  Einfluss  der  Kyphose  auf  dje  Becken¬ 
gestalt.  Zeitschr.'  d.  Ges.  d.  Wiener  Aerzte  1865. 

8)  W.  A.  Freund:  Ueber  das  sog.  kyphotische  Becken  nebst 
Untersuchungen  über  Statik  und  Mechanik  des  Beckens.  Gynäkol. 
Klinik  I,  1885. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  ll 


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des  liehen  Sitzes  der  Kyphoskoliose  und  des  Pott  scheu 
Buckels  bekannt. 

I in  Gegensatz  hierzu  ist  die  statische  Abhängigkeit  der 
sagittalen  Beckenneigung  von  der  unteren  Extremität  noch 

nicht  untersucht 
worden.  Und 
doch  ist  der  Zu¬ 
sammenhang 
ebenso  wichtig, 
wie  etwa  bei  der 
statischen  Sko¬ 
liose.  Hier  wie 
dort  empfängt 
das  Becken  von 
unten  her  stati- 
scheEinflüsse,  urn 
sie.alsBindeglied, 
nach  oben  an  die 
Wirbelsäule  wei¬ 
terzugeben. 

Der  Zusam¬ 
menhang  ist  ein¬ 
leuchtend,  wenn 
den  sagittalen  De¬ 
formationen  des 
Femur  bei  der 
Rachitis ,  den 
Uebertreibungen 
der  dorsoventra- 
len  Verbiegung 
des  Schaftes  und 
der  Retrotorsion 
des  Schenkelhal- 
sesBeachtung  ge¬ 
schenkt  wird.  Das 
ist  bisher  nur  in 
geringem  Masse 
geschehen.  Man 
vertraute  dem  spontanen  Ausgleich  dieser  Deformationen  durch 
das  Wachstum,  im  übrigen  wurde  das  Interesse  von  den 
Varus-  und  Valgusverkriimmungen  in  Anspruch  genommen. 

Die  physiologische  Ausbiegung  des  Femur  nach  vorn  ent¬ 
steht  nach  Grunewald9)  extrauterin.  Eingeleitet  durch 
den  überlegenen  Zug  der  Beugemuskeln  kommt  sie  erst  durch 
orthogenetische  Einflüsse 10)  zur  vollen  Geltung.  Dieselben 
Gründe  führen  an  den  durch  Rachitis  erweichten  Knochen  die 
nicht  selten  beträchtliche  Vergrösserung  der  Krümmung  her¬ 
bei.  Der  Scheitel  der  Kurve  sitzt  bekanntlich  meist  an  der 
Grenze  des  mittleren  und  oberen  Drittels,  rückt  aber  bei 
jüngeren  Kindern  auch  in  die  Mitte  oder  in  die  untere  Meta- 
physe  herab.  Dann  pflegen  Femur  und  Tibia  zusammen  mit 
dem  gebeugt  gehaltenen  Knie  einen  gemeinsamen  Bogen  zu 
bilden;  ein  bekanntes  Bild  bei  kleinen  rachitischen  Kindern, 
das  durch  die  damit  verbundene  vorgebeugte  Rumpfhaltung 
noch  vervollständigt  wird:  Fig.  3  a  und  3  b,  von  einem  3  jähr. 
Kinde  stammend.  Ein  etwas  älteres,  4  jähr.  Kind  desselben 
Typus  (Fig.  4)  zeigt  bereits  den  Uebergang  zum  Hohlrücken 
angedeutet. 

Die  meist  gleichzeitig  vorhandenen  seitlichen  Deviationen 
des  Femur  nach  aus‘sen  können  räumlich  auch  etwas  getrennt 
liegen. 

Alle  Verkrümmungen  an  der  unteren  Extremität  und  an 
der  Wirbelsäule,  die  lateralen  wie  die  dorsoventralen,  ver¬ 
langen  einen  statischen  Ausgleich  durch  Gegenkrümmungen. 

Dieses  Gesetz  muss  sich  auch  hier  erfüllen. 

Unten  antwortet  das  Genu  recurvatum  und  auf  dieses 
wieder  die  nach  vorn  konvexe  Biegung  der  Tibia.  (Fig.  5.) 


fl)  Grunewald:  Ueber  den  Einfluss  der  Muskelarbeit  auf  die 
Formen  des  menschlichen  Femur.  Zeitschr.  f.  orth.  Chir.,  Bd.  30. 

10)  Das  Femur  is  auch  in  vergleichend  anatomischer  Hinsicht 
ein  wertvolles  Untersuchungsobjekt,  s.  H.  Klaatsch:  Ueber  die 
Variationen  am  Skelett  der  jetzigen  Menschheit  in  ihrer  Bedeutung 
fiir  die  Probleme  der  Abstammung  und  Rassengliederung.  Korr. -Blatt 
der  Anthrop.  Ges.  1902.. 


Fig.  2. 


Oben  greift  die  kompensatorische  Beckenneigung  regu 
lierend  ein. 

Die  Detorsion  des  rachitischen  Schenkelhalses  begünstig 
dieses  Bestreben.  Sie  wird  offenbar  unter  dem  Druck  de 
senkrechten  Belastung  durch  die  starke  Spannung  der  spiralij 
verdrehten  Gelenkkapsel  und  ihrer  Bänder  erzeugt,  ähnlicl 
wie  es  Kocher11)  seinerzeit  für  die  Coxa  vara  ver 
mutet  hatte. 

Der  Grund,  warum  bei  stark  nach  vorn  ausladenden 
Schaft  und  gar  wenn  dieser  sich  in  einen  retrotorquiertei 
Schenkelhals  fortsetzt,  das  Becken  nach  vorn  umkippen  muss 
ergibt  sich  aus  der  Statik  des  stehenden  Körpers. 

Nach  Braune  und  Fischer12)  liegt  das  Kniegelenl 
1  cm  hinter  dem  Hüftgelenk.  Hierauf  beruht  die  schrägt: 
Neigung  der  Oberschenkel  nach  vorn.  „Der  Oberschenke, 
hängt  nach  vorn  über“  [vergl.  R.  du  Bois-Reymond13)] 
wodurch  verhindert  wird,  dass  die  Last  des  Oberkörpers  da 
Becken  um  die  Hüftgelenkachse  zu  weit  nach  hinten  dreht 

Die  Rumpflast  wird  also  bei  den  geschilderten  Ver 
biegungen  des  Femur  unter  einem  der  gewöhnlichen  Richtum 
entgegengesetzten  Winkel  von  den  Schenkelköpfen  auf 
gefangen. 

Es  ist  zweckmässig,  für  diese  Ueberlegung  an  das  Schenk 
G.  H.  Meyers  über  die  Hebelfunktion  des  Beckens  zu  er 
innern.  An  dem  hinteren  Arm  des  festgestellten  Hebels,  dei 
das  Becken  nach  Meyer  bildet,  zieht  die  Rumpfschwere,  aj 
dem  vorderen  Hebelarm  wirkt  der  Zug  des  Ligamentum  ileo 
femorale.  Unter  dem  Gegenspiel  der  Schwere  und  de 
Bänderwiderstandes  kommt  durch  regulierende  Wirkung  de 
Hiiftbeuger  und  Strecker,  die  den  Rumpf  auf  den  Schenkel 
köpfen  balancieren,  die  Beckenneigung  zustande. 

Es  wäre  einseitig  und  verkehrt  anzunehmen,  dass  hiermi 
die  Entstehung  der  übermässigen  Beckenneigung  erschöpfen! 
erklärt  sei. 

Wagner-Hohenlobbese14)  schuldigt  eine  mangel 
hafte  Aufrichtung  des  Beckens  an,  die  er  als  Atavismus  deutet 
was  für  manche  Fälle  berechtigt  sein  dürfte. 

Ferner  kommen  sexuelle  und  Rassenunterschiede  und  di 
Schwankungen  der  Beckenneigung  im  Entwicklungsalter  ii 
Betracht.  Bei  zahlreichen  Erkrankungen  des  Hüftgelenke: 
(Flexionskontraktur  bei  Coxitis,  Retroversion  bei  Coxa  vara 
Zurückverlagerung  der  Schenkelköpfe  bei  angeborener  Hilft 
Verrenkung),  bei  Rückenmuskellähmung,  bei  hochsitzende: 
Spondylitis  ist  die  vermehrte  Beckenneigung  ein  begleitende 
Symptom. 

Eingehendere  Besprechung  beansprucht  die  Beckenrachitiü 
Am  Becken,  das  die  Rachitis  auf  ihrer  Wanderung  vom  Kop 
durch  den  Rumpf  zu  den  Beinen  LE  1  s  ä  s  s  e  r  15)]  meist  nich 
verschont  lässt,  ruft  Belastungsdruck,  Muskelzug  und  nac’ 
J.  Engel10)  namentlich  das  ungleiche  Wachstum  seiner  ein 
zelnen  Abschnitte,  vielgestaltige  und  mannigfach  abgestuft 
Veränderungen  hervor. 

Die  stärkere  Neigung  des  Kreuzbeins,  durch  die  de 
Terminal-  (sacropelviale)  Winkel  vergrössert  wird,  ein  häufige; 
Befund  beim  Rachitisbecken,  hat  indessen  mit  vermehrte; 
Beckeneingang  nichts  zu  tun.  Nach  B  r  e  u  s  und  K  o  1  i  s  k  o '' 
vertragen  sich  beide  aus  kompensatorischen  Gründen  soga! 
nicht.  Doch  werden  diese  Begriffe  noch  häufig  miteinandej 
verwech§elt. 

Dagegen  kann  mit  Recht  die  anormale  frontale  Pfannen 
Stellung  für  die  Neigungszunahme  verantwortlich  gemach 
werden.  Die  Erklärung  P  r  e  i  s  e  r  s  18),  dass  das  Becken  sic 


3I)  Kocher:  Ueber  Coxa  vara.  Zeitschr.  f.  orth.  Chir.,  Bd.  3r 

'")  W.  Braune  und  O.  Fischer:  Ueber  den  Schwerpunk 
etc.  Abhandl.  d.  math.-physikal.  Kl.  d.  Kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  XV,  VI! 

13)  Handbuch  der  Physiologie  des  Menschen  von  W.  Nage 
Spezielle  Bewegungslehre. 

14)  Wagner-Hohenlobbese:  Die  wissenschaftliche 
Grundlagen  der  Leibesübungen  in  Schule  und  Heer.  Ges.  f.  Natur 
und  Heilkunde  zu  Dresden,  10.  II.  12.  Nach  Referat  in  der  Münch 
med.  Wochenschr.  1912,  No.  14. 

15)  Elsässer:  Der  weiche  Hinterkopf.  1843. 

10)  Jakob  Engel:  Das  rachitische  Becken.  Wien.  med.  Wo 
chenschrift  1872,  No.  40. 

17)  Breus  und  K  o  1  i  s  k  o :  Die  pathologischen  Beckenforme; 
1900—1904. 

1S)  Pr  eise  r:  Statische  Gelenkerkrankungen.  1911. 


18.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


581 


n  diesen  Fällen  neigt,  damit  die  ventral  gerichtete  Pfanne 
auch  mit  dein  vorderen  und  oberen  Kopfteil  artikulieren  kann, 
erscheint  mir  zutreffend. 

Andrerseits  darf  die  Variation  der  Pfannenstellung  in 
dieser  Rolle  nicht  überschätzt  werden. 

Denn  trotz  Verschiebung  der  Pfannen  vor  die  Roser- 
N  e  1  a  t  o  n  sehe  Linie  wird  die  Neigung  der  Conjugata  vera 
als  gering  befunden  (vgl.  Breus  und  K  o  1  i  s  k  o,  Bd.  1,  Text 
tu  Eig.  147)  und  umgekehrt  waren  die  Pfannenverschiebungen 
gerade  bei  den  höheren  Graden  von  Beckenneigung  von  80  bis 
50 #  und  darüber,  wo  die  geschilderte  Verbiegung  des  Femur 


Fig.  3  b. 

den  Ausschlag  gab,  nach  unseren  Feststellungen  zu  vermissen. 
Pas  gleiche  gilt  auch  für  die  einschlägigen  Präparate  des 
hiesigen  pathologischen  Museums. 

Dass  dem  so  ist,  kann  übrigens  bei  der  Inkonstanz  aller 
Rachitiszeichen  nicht  überraschen.  Sodann  liegt  es  nahe,  für 
manche  Fälle  auch  an  ein  Zusammentreffen  verschiedener  Ur¬ 
sachen  (pathologische  Dorsalkyphose,  Beckenrachitis,  Femur¬ 
verkrümmung)  zu  denken. 

Ferner  ist  nicht  zu  vergessen,  wie  schnell  und  vollständig 
nach  Schaffung  von  Kompensationen  das  Wachstum  auch 
schwere  Verkrümmungen  wieder  ausgleicht,  an  der  unteren 
Extremität  sogar  der  Schwere  entgegen,  analog  der  physio¬ 
logischen  Streckung  des  Schenkelhalses  (H  u  e  t  e  r). 

So  können  die  Spuren,  die  zur  Entdeckung 
der  Ursache  hinführen,  schliesslich  ganz  ver- 
ischt  werden. 

Die  starke  Beckenneigung  aber  bleibt  bestehen,  durch 
Länder  und  Muskelschrumpfung  fixiert,  trotzdem  die  Strecker 
des  Hüftgelenkes  von  Hause  aus  um  etwa  A  kräftiger  sind  als 
die  gemeinsamen  Beugemuskeln.  Denn  viel  leichter  als  die 
Aufrichtung  des  Beckens  ist  die  von  der  Wirbelsäule  über¬ 
nommene  und  leicht  von  ihr  zu  erfüllende  Regulierung:  Die 
holge  ist  der  von  Staffel  beschriebene  hohlrunde  Rücken,  jene 
Uebertreibung  der  Schlangenform  der  menschlichen  Wirbel¬ 


säule.  Durch  das  hartnäckige  Fortbestehen  der  starken  Becken¬ 
neigung  erklärt  sich  zugleich  auch  die  Sprödigkeit  dieser 
Haltungsanomalie. 

Es  ist  lohnend,  die  Wirkung  derselben  Ursache  noch  etwas 
weiter  zu  verfolgen. 

Die  Windungen  des  Rückgrats  bestimmen  nicht  nur  die 
äussere  Körperform,  sondern  greifen  auch  tief  in  die  Funktion 
lebenswichtiger  innerer  Organe  ein.  Das  gilt  in  erster  Linie  von 
den  elastischen  Gefässen,  die  sich  der  veränderten  Rumpfform, 
ungeachtet  des  grösseren  Widerstandes  im  Blutkreislauf,  an¬ 
passen  müssen,  und  von  der  Herzaktion,  die  durch  die  Enge 


Fig.  3  a. 


Fig.  4. 


Fig.  5. j 

und  Versteifung  des  kyphotischen  Brustkorbes  in  Mitleiden¬ 
schaft  gezogen  wird. 

Die  wohltuende  Aufrichtung  der  Wirbelsäule  wirkt  der 
Schädigung  lange  und  erfolgreich  entgegen. 

Erst  wenn  die  Spannkraft  nachlässt,  wenn  der  Streck¬ 
muskel  des  Rückens  die  durch  den  schwerfälligen  Knochenbau 
dauernd  in  erhöhtem  Masse  geforderte  Anstrengung  nicht 
mehr  leistet,  wird  der  Zusammenhang  zwischen  Ursache  und 
Fernwirkung,  der  örtlich  und  zeitlich  zu  verstehen  ist,  deutlich. 

Die  Annahme  liegt  nicht  allzu  fern,  dass  dieser  physi¬ 
kalische  Faktor,  neben  chemischen  Einflüssen,  zum  apoplek- 
tischen  Habitus  in  Beziehung  zu  setzen  ist. 

Für  die  Behandlung  sind  die  Aufgaben  klar  vorgezeichnet: 
Verhütung  der  Schädigungen  der  aufrechten  Körperhaltung 
erst  recht  beim  rachitischen  Skelett,  Kräftigung  der  Bauch¬ 
muskeln,  unablässige  Uebung  des  steifen  Thorax  durch  rich¬ 
tiges  Rumpfturnen  auf  physiologischer  Basis.  Die  Aussichten 
sind  um  so  günstiger,  als  nach  S  u  m  i  t  a  s  1B)  histologischen 

19)  S  u  m  i  t  a :  Zur  Lehre  von  den  sog.  Freund  sehen  primären 
Thoraxanomalien.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  113. 


582 

Befunden  normalerweise  das  Rippenwachstum  länger  als  bei 
den  andern  Röhrenknochen,  bis  zum  Anfang  des  4.  Dezen¬ 
niums,  sich  verfolgen  lässt. 


Aus  der  IV.  med.  Klinik  (Vorstand:  Prof.  Chvostek)  und 
dem  Röntgeninstitut  der  allgem.  Poliklinik  (Vorstand:  Dozent 
Kienböck)  in  Wien. 

Ueber  den  Pylorospasmus. 

Von  Privatdozent  Dr.  K  a  r  1  G 1  a  e  s  s  n  e  r  und  Dr.  S  i  g  m  u  n  d 

Kreuzfuchs. 

Mit  dem  Studium  des  Verhaltens  des  Duodenalreflexes  bei 
verschiedenen  Erkrankungen  beschäftigt,  haben  wir  unser 
Augenmerk  besonders  dem  Pylorospasmus  zugewendet  und 
möchten  schon  jetzt  kurz  über  die  wichtigsten  gefundenen 
Tatsachen  berichten,  da,  wie  aus  der  jüngst  erschienenen  Ar¬ 
beit  von  v.  Bergmann1)  hervorgeht,  dieser  Autor  in  ähn¬ 
licher  Richtung  wie  wir  seine  Versuche  angestellt  hat.  Wir 
und  namentlich  der  eine  von  uns  (Kreuzfuchs)  stehen  seit 
langem  auf  dem  Standpunkte,  dass  die  Magenbewegungen 
nicht  nur  vom  Magen  selbst,  sondern  von  jenseits  des  Magens 
gelegenen  Partien  des  Verdauungskanales,  namentlich  des 
Duodenums  beeinflusst  werden.  Es  spielen  nach  unserem  Da¬ 
fürhalten  nicht  nur  die  Sekretion  des  Magens,  sondern  nament¬ 
lich  die  Sekrektionsverhältnisse  der  jenseits  desselben  ge¬ 
legenen  Partien  eine  wichtige  Rolle.  Bei  unseren  Unter¬ 
suchungen,  die  sich  auf  folgende  Gruppen  von  Krankheitsfällen: 
Ulcus  ventriculi,  Achylia  gastrica,  Ulcus  duodeni,  Gallen-  und 
Pankreasaffektionen  bezogen,  haben  wir  einige  interessante 
Beobachtungen  gemacht,  die  sich  auf  den  von  P  a  w  1  o  w  ent¬ 
deckten  Chemoreflex  beziehen.  Wir  sind  dabei  zu  folgenden 
Ergebnissen  gelangt: 

1.  Bei  normalen  oder  erhöhten  Aziditätswerten  und 
intaktem  Duodenum  bezw.  Anhangdrüsen  desselben  kommt  es 
nach  Uebertritt  der  Ingesta  ins  Duodenum  zu  einem  reflek¬ 
torischen  Pylorusverschluss,  der  sich  nicht  nur  in  dem  Auf¬ 
treten  einer  bismutfreien  Grenze  zwischen  Antrum  pylori  und 
Bulbus  duodeni  äussert,  sondern  —  und  das  halten  wir  für 
das  wesentlichste  —  in  einem  Nachlassen  des  1  onus  des 
Corpus  ventriculi  und  sofortigem  oder  fast  unmittelbarem 
Sistieren  der  Bewegungserscheinungen  im  Magen  kundgibt. 
Dieser  Verschluss  hält  offenbar  so  lange  an,  als  die  Säure  im 
alaklischen  Medium  des  Duodenums  neutralisiert  wird,  worauf 
sich  der  Magen  neuerlich  kontrahiert  und  neuerlich  Wellen  ! 
auftreten,  die  einen  sichtbaren  Uebertritt  ins  Duodenum  be¬ 
wirken. 

Dass  dieser  Umstand  früheren  Beobachtern  nicht  so  auf¬ 
gefallen  ist,  liegt  wahrscheinlich  daran,  dass  bei  vielen  Fällen 
nach  starker  Füllung  des  Magens  die  Pars  superior  duodeni, 
wie  es  schon  H  i  s  in  seiner  Arbeit  nachgewiesen  hat,  in 
die  Richtung  von  vorn  nach  hinten  zu  liegen  kommt,  mithin 
vom  Antrumschatten  verdeckt  wird.  In  diesen  Fällen  kann 
man  gelegentlich  durch  das  Manöver  des  Einziehenlassens  des 
Bauches,  bei  welchem  eine  Lageveränderung  des  Magens  zu¬ 
standekommt,  doch  noch  das  Duodenum  sichtbar  machen. 

2.  Beim  Ulcus  ventriculi  tritt  bald  nach  Auffüllung  des 
Magens  ein  reflektorischer  Pylorusverschluss  ein,  welcher 
entweder  mit  unangenehmen  Sensationen  oder  direkt  mit 
Schmerzen  verbunden  ist.  Die  letzteren  kann  man  als  Aus¬ 
druck  eines  Pyloruskrampfes  (Pylorospasmus)  ansehen.  Wir 
verstehen  also  unter  diesem  Ausdruck  den  mit  Schmerzen  ein¬ 
hergehenden  krampfartigen  Verschluss  des  Pylorus.  Da 
dieser  Pylorusverschluss  bald  nach  der  Aufnahme  der  Mahl¬ 
zeit  auftritt,  so  wollen  wir  ihn  als  Immediatpyloro- 
spasmusim  Gegensatz  zu  dem  spät  auftretenden  T  a  r  d  i  v  - 
pylorospasmus  bezeichnen.  Diesem  (Immediatpyloro- 
spasmus)  kommt  eine  grosse  diagnostische  Bedeutung  zu. 
Nicht  zu  verwechseln  mit  Pylorospasmus,  der  nach  kurzer  Zeit 
sich  lösen  kann  und  durchaus  nicht  mit  einer  Verlängerung  der 
Aufenthaltszeit  der  Ingesta  im  Magen  einhergehen  muss,  ist 
der  durch  blosse  Hyperazidität  bedingte  prolongierte  Pylorus¬ 
verschluss,  welcher  oft  Anlass  zu  5  und  6  Stundenresten  im 


No.  11. 


Magen  gibt,  ohne  dass  ulzerative  Prozesse  vorhanden  sind. 
Aus  der  blossen  Verzögerung  der  Entleerung  können  wir  also 
nicht  auf  Pylorospasmus  schliessen,  wir  können  denselben  nur 
aus  den  subjektiven  Schmerzäusserungen  des  Kranken  und 
dem  objektiven  Bilde  des  Pylorusverschlusses  diagnostizieren. 
Der  organische  Pylorusverschluss  gibt  ein  ganz  anderes  Bild, 
als  der  für  Ulcus  ventriculi  charakteristische  Pylorospasmus.! 
doch  wollen  wir  diese  Verhältnisse  in  einer  ausführlichen 
Publikation  des  näheren  erörtern. 

3.  Für  derartige  Untersuchungen  ist  die  Doppelmahlzeit, 
wie  sie  jetzt  häufig  gebraucht  wird,  nicht  recht  geeignet. 
Unsere  Untersuchungen  wurden  vielmehr  am  völlig  nüch¬ 
ternen  Magen  ausgeführt,  denn  nur  so  können  wir  ent¬ 
scheiden,  ob  der  früher  gekennzeichnete  Immediat 
pylorospasmus  auftritt.  Bei  ganz  leerem,  auch  vor 
Flüssigkeit  befreiten  Magen,  den  man  am  Fehlen  einer  Magen¬ 
blase  oder  am  Vorhandensein  einer  ganz  kleinen  rundeij 
Magenblase  leicht  erkennen  kann,  haben  wir  nie  Schmerzen 
feststellen  können.  Bei  der  reinen  A  n  a  z  i  d  i  t  ä  t  oder 
A  c  h  y  1  i  e  scheinen  ebenfalls  Schmerzen  nach  unseren  Er 
fahr ungen  zu  den  grössten  Seltenheiten  zu  gehören;  wi 
konnten  nie  Pylorospasmus  beobachten.  Bei  diesen  Zuständer 
findet  sich  eine  durch  Reflexe  nicht  gehemmte  Entleerung  de; 
Magens,  wir  konnten  bei  solchen  Affektionen  auch  nie 
Sechsstundenreste  zum  Unterschied  vom  Ulcus  duodeni  be 
obachten. 

4.  Bei  duodenalen  (Duodenum-,  Gallenwege-,  Pan 
kreas-)  Affektionen  kommt  zu  Beginn  der  Verdauung 
ein  Duodenalreflex  nicht  oder  nur  in  grossen  Intervallen  zu 
stände,  so  dass  der  Magen  stark  kontrahiert  ist  bei  tiefe 
Korpus-  und  Antrumperistaltik  und  sichtbarer  Duodenal-  uni 
Jejunalfüllung.  In  diesem  Stadium  fühlen  sich  die  Patientei 
erleichtert  und  klagen  wenigstens  bei  umkomplizierten  Fället 
nicht  über  Schmerzen.  Untersucht  man  dagegen  diese  Pati 
enten  im  weiteren  Verlaufe  der  Verdauung  zur  Zeit,  wo  di' 
Schmerzen  sich  eingestellt  haben,  so  findet  man  Reste  in 
Magen  und  das  Bild  des  reflektorischen  Pylorus 
Verschlusses.  Es  ist  dies  der  sogenannte  T  a  r  d  i  v 
pylorospasmus,  der  jetzt  die  Szene  beherrscht.  Das 
der  Schmerz  bei  Ulcus  ventriculi  und  bei  Ulcus  duodeni  bezu 
Affektionen  jenseits  des  Pylorus  durch  dieselbe  Ursache  mini 
lieh  durch  den  Pylorospasmus  bedingt  ist,  geht  auch  aus  de 
Lage  des  spontanen  Schmerzpunktes  —  nicht  z 
verwechseln  mit  Druckschmerz,  der  gar  nichts  mit  spon 
tanem  Schmerz  zu  tun  hat  —  hervor.  Dieser  findet  sich  näm 
lieh  sowohl  bei  Ulcus  ventriculi  als  bei  Ulcus  duodeni  in  de; 
Mittellinie  zwischen  Processus  xiphoideus  und  Nabel.  Nehme 
nun  solche  Patienten,  die  das  Bild  des  Tardivpylorospasmu 
darbieten,  wieder  Nahrung  zu  sich,  so  verschwinden  die  Er 
scheinungen  des  Pylorospasmus,  es  treten  wieder  Zeichen  de 
duodenalen  Motilität  auf. 

5.  Dass  die  Schmerzen  mit  dem  Ulcus  ventriculi  ode 
duodeni  als  solchen  nichts  zu  tun  haben,  wofern  nicht  lokal 
Spasmen  auftreten,  geht  aus  folgendem  hervor:  bei  Ulcus  vei 
triculi  tritt  der  Schmerz  auf  zu  einer  Zeit,  wo  der  Magen  durc 
den  Duodenalreflex  absolut  ruhiggestellt  ist  und  verschwinde 
dann,  wenn  sich  der  Magen  in  vollster  Tätigkeit  befindet,  ab 
gewiss  Ursachen  zu  einer  mechanischen  Inanspruchnahme  dt 
Organs  gegeben  sind.  Ebenso  verhält  es  sich  beim  Ulci 
duodeni.  Hier  bestehen,  solange  die  Speisen  ungehinde 
durch  das  Duodenum  hindurchtreten  können,  keine  Schmerze) 
mithin  zu  einer  Zeit,  wo  das  Organ  sicherlich  mechanisch  un 
chemisch  irritiert  wird.  Hingegen  treten  die  Schmerzen  sc 
fort  auf,  wenn  das  Duodenum  durch  den  Pylorospasmus  ruhü 
gestellt  wird.  Diese  unsere  Annahme  wird  in  ausgezeichnete 
Weise  durch  Beobachtungen  gestützt,  wie  sie  v.  Eiselsber 
schon  vor  längerer  Zeit,  Haberer  in  der  letzten  Zeit  g< 
macht  hat.  Diese  Autoren  konnten  feststellen,  dass  durch  d 
blosse  unilaterale  Pylorusausschaltung  sofort  und  dauernd  d 
Schmerzen  sistieren,  selbst  bei  solchen  Fällen,  bei  welchen  J 
vorhandenen  Adhäsionen  nicht  gelöst  worden  waren. 

6.  Bisher  wurde  immer  angenommen,  dass  Zufuhr  v  o 
Salzsäure  einen  reflektorischen  Pylorusverschluss  e 
zeuge;  wie  wir  aber  nachweisen  konnten,  trifft  das  in  diesi 
Fassung  nicht  zu.  Bei  normalem  Magen  tritt  nach  HL 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


T  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  4. 


8.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


583 


'ufuhr  gar  keine  Aenderung  im  radiologischen  Bilde 
■in;  bei  ulzerösen  Prozessen  des  Magens  entsteht 
in  reflektorischer,  häufig  schmerzhafter  Pylorus- 
er Schluss;  bei  Duodenalaffektionen  dagegen 
ritt  die  ganz  verblüffende  Erscheinung  ein,  dass  die  Peri- 
taltik  verstärkt  und  die  Entleerung  des  Magens 
geradezu  beschleunigt  wird.  Ohne  für  alle  Fälle  ein 
Gradigma  aufstellen  zu  wollen,  möchten  wir  die  Wichtigkeit 
lieses  Phänomens  hervorheben,  zumal  es  wirklich  ausser- 
irdentlich  typisch  ist,  wie  wir  und  Kollegen,  die  diese  Er- 
cheinung  mit  uns  beobachten  konnten,  bestätigen  können. 
:s  hat  den  Anschein,  als  ob  durch  Zufuhr  von  HCl  eine  Hyper- 
ckretion  des  Duodenums  und  Pankreas  hervorgerufen  würde, 
.velche,  wofern  ein  Pylorusverschluss  bestanden  hat,  den¬ 
selben  fast  momentan  aufhebt.  Diese  Versuche  haben  uns 
üne  Beobachtung  von  C  h  v  o  s  t  e  k  sen.  in  Erinnerung  ge¬ 
bracht,  der  bei  einem  Fall  von  Ulcus  duodeni  schon  im  Jahre 
1883  feststellen  konnte,  dass  Zufuhr  von  Wein  die  Schmerzen 
momentan  kupierte.  Chvostek  erklärte  sich  dieses  inter¬ 
essante  Verhalten  bei  seinem  auch  durch  Autopsie  sicher- 
bestellten  Falle  so,  dass  er  annahm,  es  käme  durch  den  Alko- 
10I  ein  Pylorusverschluss  zustande,  der  die  Irritation  des 
Duodenums  verhindere.  Wie  wir  jetzt  wissen,  ist  der  Vor¬ 
hang  der  umgekehrte;  der  Pylorusverschluss  wird  durch  Zu¬ 
fuhr  von  azider  Flüssigkeit  aufgehoben,  wodurch  sich  die 
Schmerzen  sofort  beheben  lassen.  Die  richtige  Beobachtung 
von  Chvostek  kommt  also  wieder  zu  Ehren,  wenn  auch 
Jie  Argumentation  der  damaligen  Vorstellung  entsprechend 
nicht  mehr  zutreffend  sein  kann.  Aus  unseren  Versuchen  und 
der  genanten  Beobachtung  geht  somit  hervor,  dass 
Säure  an  und  für  sich  nicht  imstande  ist,  den 
Pylorus  zu  verschliessen,  dass  man  aus  dem  Säure¬ 
gehalt  des  Magens  einen  Schluss  weder  auf  den  physio¬ 
logischen  Pylorusreflex  noch  auf  den  Pylorospasmus  ziehen 
kann.  Worauf  es  ankommt,  ist  das  Verhältnis 
zwischen  Magenazidität  und  Alkaleszenz  des 
Duodenums.  Daraus  geht  hervor,  dass  man  bei  allen 
Magenerkrankungen  künftighin  auch  auf  die  Sekretionsvor¬ 
gänge  im  Duodenum  bezw.  im  Pankreas  und  in  den  gallen¬ 
bereitenden  Organen  das  grösste  Gewicht  legen  muss.  Die 
folgende  Formel,  welche  physiologischen  und  klinischen  Er¬ 
wägungen  ihren  Ursprung  verdankt,  wird  die  beschriebenen 
Verhältnisse  am  besten  illustrieren:  HCl  grösser  als  Alkales¬ 
zenz  =  Pylorusverschluss  resp.  Pylorospasmus.  HCl  =  oder 
kleiner  als  Alkaleszenz  =  offener  Pylorus  und  Magen- 
automatismus. 

Aus  der  Diskussion  dieser  Formel  ergibt  sich,  dass  man 
aus  der  Azidität  allein  gar  keinen  Schluss  auf  den  Pylorus¬ 
verschluss  ziehen  kann,  der  schlagendste  Beweis  dafür  ist 
die  Hyperazidität  bei  Ulcus  duodeni,  welche  mit  Fehlen  des 
reflektorischen  Pylorusverschlusses  einhergeht  (nicht  „Insuffi¬ 
zienz  des  Pylorus“),  weshalb  der  eine  von  uns  (Kreuzfuchs) 
eine  Hyperalkaleszenz  des  Duodenums  postuliert  hat.  Es 
stimmt  das  auch  mit  der  überaus  feinen  Einstellung  von  Azi¬ 
dität  des  Magens  und  Alkaleszenz  des  Pankreas  überein,  wie 
der  eine  von  uns  (G 1  a  e  s  s  n  e  r)  zeigen  konnte.  Beim 
Menschen  entspricht  der  Säurewert  des  Magens  jederzeit  und 
unter  allen  Umständen  physiologischerweise  dem  Alkaliwerte 
des  Pankreassaftes.  Weitere  Erwägungen  führen  auch  dazu, 
dass  auch  herabgesetzte  Azidität  mit  prolongiertem  Pylorus¬ 
verschluss  einhergehen  kann,  nämlich  wenn  die  Alkaleszenz 
des  Dünndarms  herabgesetzt  ist.  Solche  Vorgänge  vermuten 
wir  bei  der  Atonia  ventriculi,  doch  sind  unsere  Versuche  dar¬ 
über  nicht  abgeschlossen.  Wir  glauben  Grund  zur  Annahme 
zu  haben,  dass  dort,  wo  weder  eine  Ulzeration  des  Magens 
r»der  Duodenums  vorhanden  ist,  es  sich  um  eine  Störung  des 
Verhältnisses  der  oben  angegebenen  Formel  handelt.  Jedenfalls 
ücgt  hier  ein  ganz  unbebautes  Feld  der  klinischen  Forschung 
offen,  dessen  weitere  Bearbeitung  uns  für  die  Erforschung  der 
Pathologie  des  Darmkanals  äusserst  aussichtsreich  zu  sein 
scheint. 


Aus  der  II.  gynäkologischen  Klinik  in  Wien  (Vorstand:  Prof. 

E.  W  e  r  t  h  e  i  m). 

Ueber  die  Beeinflussung  der  Opsonie  durch  Elektrargol. 

Von  Dr.  P.  Werne  r,  Assistent  der  Klinik  und  Dr.  J.  v.  Z  u  - 
b  r  z  y  c  k  i,  Internarzt  der  Klinik. 

Die  Untersuchungen  französischer  Autoren  (P  a  s  t  i  a. 
Bo  ss  an,  Marcel  et)  haben  ergeben,  dass  Kolloidmetalle 
die  opsonische  Kraft  des  Serums  gegen  verschiedene  Bak¬ 
terien  beeinflussen.  Nach  der  Ansicht  von  Bossa  n  und 
Marcelet  beruht  diese  Erscheinung  nicht  auf  der  Kolloid¬ 
natur  der  genannten  Körper,  sondern  ist  direkt  von  den 
Metallen  abhängig.  Der  Grad  der  Erhöhung  ist  sowohl  von 
der  Art  des  Metalles  als  von  den  verwendeten  Keimen 
abhängig. 

Zweck  unserer  Versuche  war  es,  festzustellen,  ob  und 
in  welcher  Weise  das  Verhalten  der  Leukozyten  den  Strepto¬ 
kokken  gegenüber  durch  Elektrargol  beeinflusst  wird.  Das 
von  uns  verwendete  Präparat  stammt  aus  dem  Laboratorium 
der  Firma  Clin  &  Cie.,  C  o  m  a  r  &  Cie.,  Paris,  und  ist 
durch  Pulverisierung  von  chemisch  reinem  metallischem 
Silber  in  destilliertem  Wasser  mittels  des  elektrischen  Bogens 
hergestellt.  Die  Versuche  wurden  in  drei  Gruppen  ausgeführt: 
1.  Tierversuche,  2.  Menschenversuche,  3.  Reagenzglasversuche. 

Tierversuche. 

Benutzt  wurden  Kaninchen,  denen  wir  pro  Kilogramm  Gewicht 
0,15  g  isotonischer  Elektrargollösung  in  die  Ohrvene  einspritzten. 
Das  Serum  wurde  knapp  vor  der  Injektion,  1  Stunde  und  24  Stunden 
nach  derselben,  entnommen  und  sofort  in  folgender  Weise  verarbeitet. 

In  Uhrglasschälchen  wurden  die  zum  Versuche  zu  verwendenden 
Reagentien  zusammengestellt  und  zwar: 

a)  die  erwähnten  3  Serumproben, 

b)  eine  im  Verhältnis  1 : 3  verdünnte  24  ständige  Streptokokken¬ 
bouillonkultur, 

c)  dreimal  in  physiologischer  Kochsalzlösung  gewaschene  weisse 
Blutkörperchen,  die  immer  von  demselben  menschlichen  Individuum 

»  durch  Auffangen  des  Blutes  in  \lA  proz.  Natriumzitratlösung  genommen 
waren  und  schliesslich 

d)  physiolgische  Kochsalzlösung  zum  Ersätze  des  Serums  bei 
den  Kontrolluntersuchungen. 

Dann  wurden  in  einer  Pasteur  scnen  Pipette  bis  zu  einer  be¬ 
stimmten  Marke  die  verschiedenen  Lösungen  in  gleichen  Teilen  genau 
aufgesaugt,  gut  gemischt  und  15  Minuten  im  30  gradigen  Brutofen  ge¬ 
halten.  Jedes  Röhrchen  enthielt  weisse  Blutkörperchen,  Bakterien¬ 
aufschwemmung  und  Kochsalzlösung  resp.  das  entsprechende  Serum. 
Sofort  nach  der  Entnahme  aus  dem  Thermostaten  wurden  Objekt¬ 
träger  in  gleichmässig  dünner  Lage  beschickt,  getrocknet,  in  3  proz. 
Sublimatlösung  fixiert  und  mit  Karbolthyonin  gefärbt.  Aus  jeder 
Versuchsreihe  wurden  von  jedem  von  uns  die  in  100  mehrkernigen 
Leukozyten  enthaltenen  Kokken  gezählt.  Die  Durchschnittsresultate 
sind  weiter  unten  angeführt.  Von  den  mit  den  verschiedenen  Seris 
gewonnenen  Zahlen  wurden  immer  die  mit  Kochsalz  erzielten  Kontroll- 
werte  abgezogen,  um  eine  eventuelle  Beeinflussung  der  Phagozytose 
durch  die  in  der  Bakterienaufschwemmung  enthaltene  Bouillon  aus- 
zuschliessen. 

I.  Kaninchen.  Gewicht  1800  g,  Elektrargol  0,3,  vor  der  Injek¬ 
tion  0,9S,  1  Stunde  nach  der  Injektion  0.94,  24  Stunden  nach  der  In¬ 
jektion  1,40. 

II.  Kaninchen.  Gewicht  1500  g,  Elektrargol  0,2,  vor  der  Injek¬ 
tion  0,70.  1  Stunde  nach  der  Injektion  0,70,  24  Stunden  nach  der  In¬ 
jektion  1,45. 

III.  Kaninchen.  Gewicht  2200  g,  Elektrargol  0,33,  vor  der  Injek¬ 
tion  1,20,  1  Stunde  nach  der  Injektion  1.26,  24  Stunden  nach  der  In¬ 
jektion  1 ,88. 

IV.  Kaninchen.  Gewicht  1600  g,  Elektrargol  0,2.  vor  der  Injek¬ 
tion  1,20,.  1  Stunde  nach  der  Injektion  1,24,  24  Stunden  nach  der  In- 
'ektion  1,60. 

V.  Kaninchen.  Gewicht  2100  g,  Elektrargol  0,3,  vor  der  Injek¬ 
tion  1,16,  1  Stunde  nach  der  Injektion  1,12,  24  Stunden  nach  der  In¬ 
jektion  1,50. 

Wie  aus  diesen  Tabellen  ersichtlich,  hat  die  Injektion  von 
Elektrargol  in  jedem  Falle  nach  24  Stunden  eine  deutliche  Erhöhung 
der  Phagozytose  hervorgerufen,  während  nach  1  Stunde  noch  kein 
Ausschlag  zu  beobachten  war. 

Menschenversuche. 

Die  Untersuchungen  wurden  ganz  analog  wie  beim  Tier¬ 
versuche  angestellt,  nur  dass  das  Elektrargol  in  die  Vena 
mediana  cubiti  injiziert  wurde. 

1 .  Schwangere. 

a)  A.  H.,  25  Jahre,  Pr.-No.  2264/1912.  Graviditas  X  mensium. 
Gewicht  62  kg,  Elektrargol  10  ccm,  vor  der  Injektion  1,64,  1  Stunde 
nach  der  Injektion  1,76,  24  Stunden  nach  der  Injektion  1,90. 


584 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  11. 


b)  M.  W.,  21  Jahre.  Pr.-No.  2243/1912.  Graviditas  VIII  mensium. 
Gewicht  59  kg,  Elektrargol  10  ccm,  vor  der  Injektion  0,93.  1  Stunde 
nach  der  Injektion  0,88,  24  Stunden  nach  der  Injektion  2,12. 

2.  W  öchnerinne  n. 

A.  Nichtfiebernde. 

a)  L.  E.,  35  Jahre,  Pr.-No.  247/1912.  5  Tage  nach  der  Ent¬ 

bindung.  Gewicht  58  kg,  Eleklrargol  10  ccm,  vor  der  Injektion  0,51, 

1  Stunde  nach  der  Injektion  0,48,  24  Stunden  nach  der  Injektion  1,30. 

b)  M.  A„  30  Jahre,  Pr.-No.  2242/1912.  4  Tage  nach  der  Ent¬ 

bindung.  Gewicht  68  kg,  Elektrargol  lOccin,  vor  der  Injektion  0,70, 

1  Stunde  nach  der  Injektion  0,68,  24  Stunden  nach  der  Injektion  1,24. 

B.  Fiebernde. 

a)  A.  K..  23  Jahre.  Pr.-No.  2392/1912.  6  Tage  nach  der  Ent¬ 

bindung.  Fiebert  seit  3  Tagen  bis  39,5"  C.  Genitalbefund 
negatv.  Zervixsekret:  Streptococcus  haemolyticus.  Blut: 
steril.  Gewicht  55  kg,  Elektrargol  10  ccm,  vor  der  Injektion  1,32, 

1  Stunde  nach  der  Injektion  1,30,  24  Stunden  nach  der  Injektion  2,14. 

b)  L.  N„  27  Jahre,  Pr.-No.  1943/1912.  4  Tage  nach  der  Ent¬ 

bindung.  Fiebert  seit  2  Tagen  bis  40,5°  C.  Genitalbefund  negativ. 
Zervixsekret:  Streptococcus  anhaemoly ticus.  Blut:  steril. 
Vor  der  Injektion  1,25,  1  Stunde  nach  der  Injektion  1,26,  24  Stunden 
nach  der  Injektion  2,04. 

Die  Ergebnisse  dieser  Gruppe  decken  sich  vollständig  mit 
den  durch  die  Tierversuche  gewonnenen.  Zwischen  den  Re¬ 
sultaten  bei  Schwangeren  und  Entbundenen,  Fiebernden  und 
Nichtfiebernden  konnten  wir  keinen  Unterschied  nachweisen. 

Wohl  aber  hatten  wir  Gelegenheit,  zu  beobachten,  dass 
Nichtfiebernde  —  Schwangere  sowohl  wie  Wöchnerinnen  • 
klinisch  anders  auf  die  Injektion  von  Elektrargol  reagierten  als 
Fiebernde.  Während  die  letzteren  gar  keine  subjektiven  oder 
objektiven  Erscheinungen  zeigten,  rief  bei  den  ersteren  die 
Elektrargolinjektion  sofort  Beängstigungsgefühle,  Blutwal¬ 
lungen,  in  einigen  Fällen  Hustenreiz  und  Schmerzen  in  der 
linken  Bauchseite  hervor.  Dabei  bestand  Zyanose,  der  Puls 
wurde  kleiner  und  frequenter.  Nach  5 — 10  Minuten  waren 
alle  Erscheinungen  spurlos  verschwunden.  Diese  uns  bisher 
ganz  unbekannten  Symptome  wurden,  wie  uns  nachträgliches^ 
Studium  der  Literatur  lehrte,  vorher  schon  von  Cohn  bei'  ] 
Wöchnerinnen  in  fast  allen  mit  K  o  1 1  a  r  g  o  1  behandelten 
Fällen  beobachtet.  K  a  u  s  c  h  machte  ähnliche  Erfahrung  an¬ 
lässlich  der  Behandlung  maligner  Tumoren  mit  Heyden- 
schem  Kollargol.  Ein  gewisses  Licht  auf  diese  Vorgänge 
werfen  die  physiologischen  Untersuchungen  von  Proczanski 
am  isolierten  Froschherzen,  der  folgendes  beobachtete.  Das 
Kollargol  in  den  Dosen  über  0,03  g  pro  kg  Versuchstier  er¬ 
höht  die  Intensität  und  die  Amplitude  der  Herzkontraktionen. 
Auf  das  Koronarsystem  des  Herzens  wirkt  Kollargol  gefäss- 
verengend.  5  proz.  Lösungen,  unmittelbar  auf  das  Herz  ein¬ 
wirkend,  erzeugen  zuweilen  tetanische  Kontraktionen  der  Ge- 
tässe  und  sogar  Herzstillstand.  Kleine  Dosen  von  Kollargol 
haben  fast  keine  Wirkung  auf  das  Herz  und  auf  den  Blutdruck. 

Die  von  uns  beobachteten  und  oben  erwähnten  Erschei¬ 
nungen  erinnern  sehr  an  das  Bild  der  Angina  pectoris,  die  be¬ 
kanntlich  auf  sklerotische  Verengerungsprozesse  der  Koronar- 
gefässe  zurückgeführt  wird.  Die  Aehnlichkeit  des  klinischen 
Bildes  lässt  vermuten,  dass  die  Wirkung  des  Elektrargols  im 
menschlichen  Körper  eine  parallele  zu  der  von  Proczanski 
am  Froschherzen  durch  Kollargol  hervorgerufenen  ist. 

Reagenzglasversuche. 

Die  bei  den  Tier-  und  Menschenversuchen  konstatierten 
Tatsachen  legten  uns  die  Frage  nahe,  wie  die  Wirkungsweise 
des  Elektrargols  zu  erklären  wäre.  Steigert  es  direkt  die 
phagozytäre  Kraft  der  Leukozyten  oder  beeinflusst  es  das 
Serum,  indem  es  seine  opsonische  Kraft  erhöht?  Um  diese 
Frage  zu  beantworten,  wurde  eine  ganze  Reihe  von  Ver¬ 
suchen  angestcllt.  Steigende  Elektrargolverdünnungen  wurden 
einmal  mit  Serum,  das  anderemal  mit  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  vermischt  und  zu  gleichen  Mengen  Bakterienauf¬ 
schwemmung  und  weissen  Blutkörpern  hinzugesetzt  und 
untersucht. 

Die  folgende  Tabelle  stellt  die  Versuchsanordnung  und  die 
Resultate  vor. 

Diese  Tabelle  zeigt,  dass  das  Elektrargol  seinen  Angriffs¬ 
punkt  nicht  in  den  Leukozyten  selbst,  sondern  im  Serum  hat. 
Es  vermag  die  opsonische  Kraft  der  Leukozyten  nur  bei  gleich¬ 
zeitiger  Anwesenheit  von  Serum,  durch  Vermittlung  des 
Serums  zu  erhöhen. 


Einzelne 

Versuchsbestandteile 

Versuchsreihen 
ohne  Serum 

Versuchsreihen 
mit  Serum 

1 

2  1 

3 

4 

5 

6 

Physiolog.  Kochsalzlösung  . 

2 

1 

1 

1 

0 

0 

Serum  . 

0 

0 

0 

1 

1 

1 

Leukozyten  . 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

Bakterien -Aufschwemmung 

1 

1 

1 

1 

,  1  1 

1 

Elektrargol  inVerdünnungen 

0 

1  :  10 

1 :  100 

0 

1:10] 

1 : 100 

Resultat . 

0,40 

0,55 

0,45 

1,00 

2,02  | 

1,20 

Nach  den  Untersuchungen  von  Viktor  Henri,  C  h  a  r  r  in.j 
Monier-Vinard,  Cernovodeanu  besitzen  die  Kol¬ 
loidmetalle  (Elektrargol)  bakterizide  Eigenschaften. 
Aus  unseren  Versuche  erhellt,  dass  sie  geeignet  sind,  die  op¬ 
sonische  Kraft  des  Serums  in  hohem  Grade  zu  vermehren 
und  so  den  Organismus  im  Kampfe  gegen  die  invasiven  Mikro¬ 
organismen  zu  unterstützen.  Wenn  trotzdem  die  an  sie  ge¬ 
knüpften  Erwartungen  in  vielen  Fällen  enttäuscht  werden,  so 
muss  man  andere  Faktoren  dafür  zur  Rechenschaft  ziehen, 
das  ist  die  verschiedene  Virulenz  der  Keime  und  die  ver¬ 
schiedene  Widerstandskraft  des  Körpers. 

Literatur. 

P  a  s  t  i  a :  La  presse  medicale  1910.  —  Bossa  n  et  Marcelet: 
Gazette  des  Höpitaux  1908.  —  Colin:  Revista  de  chir.  1908,  re:. 
Zentralbl.  f.  Gyn.  1909.  —  Kausch:  v.  Bruns  B.  z.  Chir.  1912,  ref.i 
Die  Therapie  d.  G.  1912.  —  Proczanski:  Russki  Wratsch  1907,: 
No.  30.  —  Cernovodeanu  et  V.  Henri:  C.  R.  de  la  Soc.  d. 
Biologie  II,  1906.  —  C  h  a  r  r  i  n,  V.  Henri  et  Monier-Vinard: 

C.  R.  de  la  Soc.  de  Biologie  1906. 


Zur  Frage  des  Vorhandenseins  spezifischer  Schutz¬ 
fermente  im  Serum  von  Geisteskranken. 

Von  Sanitätsrat  Dr.  A.  Fause  r,  Direktor  der  Kranken-  um 
Irrenabteilung  des  Bürgerhospitals  Stuttgart. 

Die  Anwendung  der  Abderhalden  sehen  Forschungs¬ 
ergebnisse  und  Methoden  auf  klinische  Fragen  hat  uns  mii 
einem  Schlag  ganz  neue  Perspektiven  auf  bisher  versehlossend 
Gebiete  des  medizinischen  Erkennens  und  Handelns  eröffnet 
ln  einer  solchen  Situation  liegen  immer  gewisse  Gefahren  unc, 
der  gewissenhafte  Forscher  wird,  solange  noch  keine  Versuchs 
von  anderer  Seite  vorliegen,  sich  von  selbst  alle  Einwendungei 
machen  und  prüfen,  die  etwa  gemacht  werden  könnten 
namentlich  aber  auch  an  Einwendungen,  die  von  aussen  hei 
kommen,  nicht  achtlos  Vorbeigehen. 

Im  folgenden  möchte  ich  über  meine  —  grossenteils  und 
ausführlicher  schon  an  anderer  Stelle  (Deutsche  ined.  Wochen 
Schrift  1912,  No.  52  und  1913,  No.  7)  veröffentlichten  —  Unter 
suchungsergebnisse  und  klinische  Ausblicke  kurz  berichten  unc 
dabei  gerade  Einwendungen  genannter  Art  etwas  berück 
sichtigen. 

Ich  beginne  mit  einer  vor  wenigen  Tagen  an  dieser  Stelle  er¬ 
schienenen  Arbeit  aus  der  Jenaer  Universitäts-Frauenklinik:  „Uebei 
Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  und  Tumorkranken"  vor 
Dr.  P.  Lindig,  Assistent  der  Klinik  (Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  6). 

Herrn  Dr.  Lindig  haben  seine  Untersuchungen  bewiesen] 
dass  „die  Annahme  von  einem  spezifischen  Charakter  der  Fermente 
hinfällig  geworden  ist“,  dass  sie  vielmehr  „allgemein  proteolytisch» 
Wirkung  haben“. 

Ich  will  Herrn  Dr.  L.  das  Geständnis  machen  —  schon  in  meine 
ersten  Arbeit  findet  sich  ein  Hinweis  darauf  — ,  dass  es  mir  bei  meinei 
allerersten  Versuchen  auch  nicht  viel  besser  ergangen  ist  als  ihm 
auch  auf  unserem  Reagenzglasständer  sah  es  nach  dem  Kochen  dal 
mals  manchmal  „recht  violett“  aus;  Schwamgerenserum  baute  alle 
mögliche  ab;,  die  zur  Kontrolle  verwendeten  Gesundensera  konnte 
ihre  Mission  nicht  erfüllen,  denn  sie  enthielten  leider  „Schutzferment 
gegen  alle  möglichen  Organe:  ein  eines  schlanken  Halses  sich  er¬ 
freuender  Krankenpfleger  zeigte  im  Spiegel  des  Dialysierverfahren 
einen  bedenklichen  Kropf,  ein  anderer  zeigte  sonstige  „interessant 
Umstände“,  bei  einem  geistig  gesunden  jungen  Kollegen  wurde  de 
serologische  Beweis  der  Dementia  praecox,  bei  mir  selbst  leider  de 
der  progressiven  Paralyse  oder  sonst  einer  schweren  Gehirnerkran 
kung  erbracht.  Soweit  scheinen  also  meine  damaligen  „Resultate 
und  die  des  Herrn  Dr.  L.  übereinzustimmen;  aber  sofort  trennen  sic 
unsere  Wege:  Herrn  Dr.  L.  haben  seine  Resultate  veranlasst,  sofor 
damit  an  die  Oeffentlichkeit  zu  treten  und  die  Abderhalden 


*.  Marz  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


585 


lic  Methodik  zu  ändern;  für  mich  ergab  sich  diese  weit- 
;hende  Konsequenz  nicht  ohne  weiteres,  und  zwar  zunächst  aus 
nem  mehr  psychologischen  Grund:  ich  sagte  mir,  einem  Forscher 
in  dem  Range  eines  Abderhalden,  der  sich  jahrelang  in  ziel- 
jwusster  Weise  und  in  mühevollen  exakten  Untersuchungen  mit 
;scn  Fragen  beschäftigt,  die  Grundlagen  für  eine  neue  Methodik 
isgearbeitet  und  diese  seit  geraumer  Zeit  praktisch  erprobt  hat, 
innen  doch  diese  Dinge  nicht  unbekannt  geblieben  sein,  also  wird 
>  wohl  an  meiner  mangelhaften  Technik  liegen.  Und  als  ich  meine 
ehler  teils  selbst,  teils  unter  Mithilfe  A.s  —  zahlreiche  Briefe  und 
ilpostsendungen  von  Seris  und  Organen  nach  Halle  und  ebenso  zahl- 
iche  belehrende  Briefe  A.s  legen  davon  Zeugnis  ab  —  aufgedeckt 
itte,  hörten  jene  tragikomischen  Befunde  mit  einem  Schlage  auf. 
h  will  auf  die  mancherlei  Abweichungen,  die  sich  Herr  Dr.  L.  gegen- 
jer  dem  A.schen  Verfahren  erlaubt  hat,  hier  nicht  näher  eingehen, 
mdern  nur  meine  öfters  ausgesprochene  Forderung  wiederholen, 
ass  man  sich  nicht  streng  genug  an  die  A.  sehen 
orschriften  halten  kann.  Hier  sind  auch  scheinbar  un¬ 
wesentliche  Details  von  Wichtigkeit;  ich  glaube,  wir  Kliniker  ver- 
eben  uns  und  der  Freiheit  der  wissenschaftlichen  Forschung 
urchaus  nichts,  wenn  wir  in  diesen  schwierigen  Fragen  der 
hysiologischen  Chemie  und  der  experimentellen  Technik  und 
lethodik  die  Ueberlegenheit  Abderhaldens  anerkennen; 
erbesserungen  sind  auch  hier  erwünscht  und  werden  hoffentlich 
oinmen,  namentlich  wird  —  darin  gebe  ich  Herrn  Dr.  L.  recht  — 
ie  optische  Methode  über  manche  Schwierigkeit  hinweghelfen;  das 
abe  ich  in  meinen  beiden  Aufsätzen  selbst  schon  hervorgeh'oben, 
as  hat  aber  A.  schon  vorher  gewusst.  Da  ich  übrigens  Grund  zu 
er  Annahme  habe,  dass  Herr  Dr.  L.  das  Unrichtige  seiner  Versuchs- 
:chnik  und  der  ‘damit  gewonnenen  Resultate  inzwischen  selbst  ein- 
esehen  hat,  will  ich  hier  nicht  weiter  darauf  eingehen. 

Ich  komme  nun  auf  meine  eigenen,  grösstenteils  schon  an 
nderer  Stelle  veröffentlichten  Versuchsergebnisse  und  zwar 
nter  steter  Berücksichtigung  von  Einwendungen,  die  ich  mir 
on  Anfang  an  selbst  gemacht  habe,  insbesondere  der  Ein¬ 
sendung  der  Nichtspezifizität,  des  Zufalles,  der  Selbst- 
iiuschung  und  ähnliches. 

Ich  verfüge  nunmehr  über  ein  Material  von  erheblich  mehr 
ls  100  Fällen  von  Psychosen,  die  ich  auf  Grundlage  der 
ibderhalden  sehen  Forschungsergebnisse  und  unte  r 
trengem  Einhalten  der  von  ihm  angegebenen 
enauen  Methodik  serologisch  untersucht  habe.  Ich 
abe  dabei  fast  das  ganze  Gebiet  der  Psychosen  in  den  Kreis 
deiner  Untersuchungen  bezogen,  namentlich  die  zusammen 
nit  Schilddrüsenerkrankungen  aufgetretenen  Psy- 
hosen,  die  ganze  Dementia  praecox-Gruppe,  die 
u  e  t  i  s  c  h  e  n  und  metaluetischen  Psychosen,  das 
nanisch-depressive  Irresein  und  andere  sogen, 
rein  funktionelle“  Psychosen.  Ich  habe  bei  diesen  bis 
ti  die  letzten  Tage  fortgesetzten  Untersuchungen  durchweg 
Resultate  gefunden,  die  im  wesentlichen  unter  sich  überein- 
timmen:  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  aus  der 
Dementia  praecox-Gruppe“  fand  ich  sowohl  ein 
ichutzferment  gegen  Geschlechtsdrüsen  —  und  zwar 
►ei  Männern  bis  jetzt  nur  gegen  Testikel,  niemals  gegen  Ova- 
ien,  bei  Frauen  nur  gegen  Ovarien,  niemals  gegen  Testikel  — 
vie  ein  Schutzferment  gegen  Hirnrinde;  bei  mehreren 
>childdrüsenkranken,  deren  Psychose  klinisch  wohl  hätte  in 
lern  grossen  „Topf“  der  Dem.  praec.  untergebracht  werden 
;önnen,  fand  ich  Schutzferment  gegen  Schilddrüse  und 
Onde.  Andere  Schutzfermente  fand  ich  bei  der  ganzen 
Dem.  praec. -Gruppe“  niemals;  die  durch  die  selbst- 
■erständliche  Rücksicht  auf  die  Kranken  bedingte  Blutöko- 
lomie  bringt  es  ja  mit  sich,  dass  man  nicht  jedes  Serum  mit 
iner  grösseren  Anzahl  von  verschiedenen  Organen  zu- 
ammenbringen  kann,  aber  wo  mir  die  nötige  Menge  von  Blut 
:ur  Verfügung  stand,  habe  ich  stets  diese  Kontrolle  vor- 
(enommen  und  ich  habe  bei  diesen  Kontrollen  nicht  einen  ein¬ 
igen  Fall  erlebt,  der  meine  Ueberzeugung  von  der  Spezi- 
i  z  i  t  ä  t  dieser  Schutzfermente  erschüttert  hätte.  Dass  das 
^erum  der  Dem.  praec.-Kranken  im  Dialysierverfahren  in  der 
■tegel  zwei  Organe  (Geschlechtsdrüsen  und  Rinde,  dann  und 
vann  Schilddrüse  und  Rinde)  abbaut,  ist  für  den  klinisch 
Senkenden  keineswegs  verwunderlich:  wir  werden  eben  an- 
lehmen  müssen,  dass  eine  primäre  „Dysfunktion“  der  Ge- 
chlechtsdrüsen  (resp.  der  Schilddrüse)  sekundär  eine  Dys- 
unktion  der  Rinde  (durch  eine  schwere  Rindenvergiftung) 
>ach  sich  zieht;  daher  die  zwei  Schutzfermente,  von  denen 
iber  jedes  einzelne  spezifisch  ist;  wären  sie  nicht  spe- 
-ifisch,  so  wäre  es  —  ganz  abgesehen  von  klinischen  Gesichts- 

flo.  11. 


Punkten  —  gar  nicht  verständlich,  warum  bei  einem  Dem. 
praec.-Kranken  ein  solches  „n  ichtspezifisches“  Fer¬ 
ment  nur  Rinde  und  Geschlechtsdrüsen  [resp.  Schilddrüse]1) 
nicht  abet  auch  andere  Organe,  Plazenta,  Niere  etc.  im  Dialy¬ 
sierverfahren  abbauen  sollte. 

Es  wäre  ferner  nicht  verständlich  und  liier  komme  ich 
auf  eine  2.  Gruppe  der  von  mir  serologisch  untersuchten 
Psychosen,  die  der  luetischen  und  metaluetischen 
Erkrankungen  — ,  warum  das  durch  Rinde  provozierte 
Schutzferment  z.  B.  bei  der  Paralyse  regelmässig  nur 
Rinde,  nicht  aber  ebenso  regelmässig  z.  B.  Geschlechtsdrüsen 
abbaut;  dass  das  Serum  der  Paralytiker  dann  und  wann  ein¬ 
mal,  wie  ich  gefunden  habe,  auch  Niere  abbaut,  ist  für  den, 
der  das  Wesen  der  Paralyse  als  einer  den  ganzen  Körper 
betreffenden  Erkrankung  kennt,  durchaus  erklärlich;  ich  selbst 
hatte  dieses  Verhalten  im  voraus  häufiger  und  gegenüber  einer 
grösseren  Anzahl  von  Organen  erwartet  (ich  vermute,  dass 
es  sich  gelegentlich  auch  bei  anderen  Organen  finden  wird):  es 
kann  eben  bei  jedem  Organ,  das  eine  „Dysfunktion“  im 
A.schen  Sinne,  d.  h.  eine  Störung  des  Zellstoffwechsels,  dar¬ 
bietet,  das  Auftreten  eines  spezifischen  Schutzfermentes  im 
Blut  erwartet  werden;  dysfunktionieren  mehrere  Organe, 
so  muss  man  sich  eben  auf  mehrere  spezifische 
Schutzfermente  gefasst  machen. 

Auch  dem  weiteren  Einwand,  den  ich  mir  machte:  es 
möchten  die  präparierten  Organe  schon  von  selbst  (d.  h.  durch 
Fäulnis)  oder  auch  gegenüber  einem  Normalserum  abgebaut 
werden,  konnte  ich  durch  Befolgung  der  von  A.  angegebenen 
Kautelen  begegnen.  Da  man  doch  in  der  Regel  mehrere 
Kranke  gleichzeitig  untersuchen  wird,  so  lässt  sich  diesem 
wie  dem  obengenannten  Bedürfnis  auch  durch  die  Versuchs¬ 
anordnung  Rechnung  tragen:  man  setzt  ein  und  dasselbe 
Organ  resp.  ein  und  dasselbe  Serum  gleichzeitig  sowrohl 
solchen  Seris  resp.  Organen  aus,  bei  denen  ein  Abbau,  wie 
solchen,  bei  denen  kein  Abbau  zu  erwarten  ist. 

Eine  weitere  Sicherheit,  nach  dieser  Richtung  hin,  und 
hiermit  komme  ich  wieder  auf  eine  andere  Gruppe  von  psychi¬ 
schen  Störungen,  bietet  mir  —  und  wohl  jedem  klinisch  den¬ 
kenden  Psychiater  —  die  Tatsache,  dass  ich  beim  manisch- 
depressiven  Irresein  und  überhaupt  bei  den  sogen, 
„rein  funktionellen“  Psychosen  bis  jetzt  niemals 
Schutzfermente  gegen  irgend  ein  Organ  nachweisen 
konnte. 

Ein  letzter  Einwand,  den  man  sich  wohl  weniger  selbst 
macht,  der  aber  von  anderen  erhoben  werden  könnte,  besteht 
darin,  dass  man  etwa  durch  Vernachlässigung  der  angegebenen 
Kautelen,  durch  Befangenheit,  durch  kritiklosen  Optimismus, 
durch  Selbsttäuschung  zu  Resultaten  gelangen  könnte,  die  in 
der  Richtung  des  erwarteten  Resultates  liegen.  Diesem  Ein¬ 
wand  kann  auf  verschiedene  Weise  begegnet  werden.  In  den 
ersten  Wochen  meiner  Untersuchungen,  als  ich  noch  völligem 
Neuland  gegenüber  stand,  half  ich  mir  dadurch,  dass  ich 
unter  Uebersendung  von  Krankenseris  und  präparierten  Or¬ 
ganen  Herrn  Professor  Abderhalden  um  Nachprüfung 
bat;  seiner  treuen  Mithilfe  verdanke  ich  in  dieser  Beziehung 
vieles.  Sehr  wichtig  wird  ferner  sein,  dass  die  Unter¬ 
suchungen  auch  in  anderen  Anstalten  —  und  zwar  zunächst 
unter  peinlicher  Einhaltung  der  vorgeschrie¬ 
benen  Technik  und  Methodik  —  vorgenommen 
werden;  zu  meiner  grossen  Freude  höre  ich,  dass  dieser  von 
mir  mehrfach  geäusserte  Wunsch  nunmehr  erfüllt  wird.  Da 
bis  jetzt  noch  keine  solchen  fremden  Untersuchungen  vor- 
liegcn,  habe  ich  mir  selbst  einigermassen  dadurch  zu  helfen 
gesucht,  dass  ich  die  erwarteten  Resultate  vor  Abnahme  des 
Versuchs  in  Gegenwart  von  Zeugen  mündlich  oder  schriftlich 
fixierte  und  dann  die  Resultate  mit  den  Erwartungen  ver¬ 
glich2 3);  dies  konnte  ich  natürlic  herst  dann  tun,  als  ich  auf 
Grund  zahlreicher  Versuche  bereits  einen  Einblick  in  das  vor 


D  Schon  in  einer  früheren  Arbeit  habe  ich  hervorgehoben,  dass 
der  von  mir  mehrfach  beobachtete  Fall  von  gleichzeitigem  Ab¬ 
bau  von  Geschlechtsdrüsen  (Ovarien)  und  Schilddrüse,  resp.  die 
daran  erkennbare  gleichzeitige  „Dysfunktion“  dieser  beiden  Organe 
bei  ihrem  bekannten  Korrelationsverhältnis  nicht  absurd  ist. 

2)  In  No.  7  der  Deutschen  med.  Wochenschr.  habe  ich  einige  auf 
diese  Weise  zustande  gekommene  Protokolle  veröffentlicht. 

3 


5S6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


meinen  Augen  erstehende  neue  Gebäude  gewonnen  hatte. 
Man  kann  sich  den  Anspruch  auf  Objektivität  weiterhin  noch 
dadurch  sichern,  dass  man  zu  der  Anstellung  und  Abnahme 
der  Versuche  Kollegen  zuzieht;  auch  auf  deren  Zeugnis  kann 
ich  mich  berufen,  und  zwar  nicht  allein  der  Assistenzärzte  des 
Bürgerhospitals  —  denn  von  diesen  ist  jeder  aus  einem  an¬ 
fänglichen  „Saulus“  ein  „Paulus“  geworden,  sie  könnten  also 
als  „befangen“  gelten  — ,  sondern  auf  das  Zeugnis  fremder 
Kollegen:  ich  gebe  im  folgenden  das  Protokoll  von  Unter¬ 
suchungen  wieder,  die  ich  vom  29.  auf  den  30.  Januar  in 
Anwesenheit  und  unter  Kontrolle  von  2  Kollegen  der  grossh. 
badischen  Heilanstalt  lllenau  vorgenommen  habe3).  Wir 
gingen  in  der  Weise  vor,  dass  den  Herren  Kollegen  die  zur 
serologischen  Untersuchung  gelangenden  Kranken  klinisch 
vorgestellt,  dass  die  Versuche  von  Anfang  an  bis  zum  Ein¬ 
bringen  in  den  Brutschrank  und  dann  am  anderen  Tage  die 
Fortsetzung  der  Versuche  bis  zum  Kochen  mit  Ninhydrin  in 
ihrer  Anwesenheit  und  unter  ihrer  Kontrolle  gemacht  wurden, 
dass  vor  Beendigung  des  Versuches  für  sämtliche  Gläser  die 
Erwartung  schriftlich  fixiert  und  bei  den  mit  Ninhydrin  ge¬ 
kochten  Flüssigkeiten  die  Entscheidung,  ob  „positiv“?,  ob 
„negativ“?  von  einer  Person  getroffen  wurde,  die  von  dem  zu 
erwartenden  Resultat  keine  Kenntnis  haben  konnte.  Das  ge¬ 
nannte  Protokoll  lautet  folgendermassen  (das  in  Klammern 
Gesetzte  bedeutet  jeweils  die  schriftlich  fixierte  Erwartung, 
das  ausserhalb  der  Klammer  das  gefundene  Resultat). 

1.  M.,  münnl.,  (progr.  Paralyse)  Rinde  (pos.)  p  o  s.  Testikel  und 
Schilddrüse  (neg.)  n  e  g.  Niere  (?)  n  e  g. 

2.  D.,  m.,  (Dem.  praec.)  Testikel  (pos.)  pos.  Rinde  (pos.)  „n  e  g.“, 
aber  Andeutung  einer  pos.  Reaktion,  Schilddrüse  (neg.)  n  e  g. 

3.  B.,  m.,  (Hypomanie)  Testikel,  Rinde  und  Schilddrüse  (neg.) 
n  c  g. 

4.  R.,  m.,  (Dem.  praec.)  Testikel  und  Rinde  (pos.)  pos.  Schild¬ 
drüse  (neg.)  neg. 

5.  N.,  m.,  (Dem.  praec.)  Testikel  und  Rinde  (pos.)  pos.  Schild¬ 
drüse  und  Ovarium  (neg.)  neg. 

6.  M.,  m.,  (Dem.  praec.)  Testikel  und  Rinde  (pos.)  pos.  Schild¬ 
drüse,  Ovarium  und  Niere  (neg.)  neg. 

7.  St.,  weibl.,  (Dem.  praec.)  Ovarium  und  Rinde  (pos.)  pos. 
Schilddrüse  (neg.)  neg. 

8.  L.,  w.,  (Dem.  praec.)  Ovarium  und  Rinde  (pos.)  pos.  Schild¬ 
drüse  und  Testikel  (neg.)  neg. 

9.  M..  w.,  (Man.-depr.  Irresein)  Ovarium,  Rinde  und  Schilddrüse 
(neg.)  neg. 

10.  H.,  \v„  (Man.-depr.  Irresein)  Ovarium,  Rinde  und  Schild¬ 
drüse  (neg.)  n  e  g. 

11.  Q.,  w.,  („Angstpsychose“)  Ovarium  (?)  neg.  Rinde  (?) 
pos.  Schilddrüse  (neg.)  neg.  (Die  Kranke  ist  inzwischen  gestorben.) 

In  Ermangelung  fremder  Kontrolle  habe  ich  mir  vom  13. 
auf  14.  d.  M.  die  Versuche  folgendermassen  eingerichtet.  Die 
Person  A„  die  die  Versuche  ausführte,  erhielt  von  den  beiden 
Abteilungsärzten  lediglich  mit  Ziffern  versehene  Blutpunktate; 
die  für  die  einzelnen  Kranken  zu  erwartenden  Resultate 
wurden  von  mir  selbst  im  voraus  schriftlich  fixiert;  die  Dialy- 
sate  wurden  zwecks  Kochens  mit  Ninhydrin  an  A.  so  über¬ 
geben,  dass  A.  nicht  wissen  konnte,  mit  welchen  Organen  das 
Serum  zusammengebracht  war;  die  Bestimmung  der  Reaktion 
bei  den  einzelnen  Gläsern  nahm  ich  selbst  vor,  ehe  mir  der 
Inhalt  der  einzelnen  Gläser  bekannt  war;  dann  verglichen  wir 
das  gefundene  Resultat  mit  der  „Erwartung“  (letztere  im 
folgenden  in  Klammer  gesetzt):  _ ( _ 

1.  Sch.,  weibl.,  (Dem.  praec.)  Ovarium  und  Rinde  (pos.)  pos. 
Niere  und  Schilddrüse  (neg.)  n  e  g. 

2.  M..  w.,  (Man.-depr.  Irresein)  Ovarium,  Rinde,  Schilddrüse  und 
Testikel  (neg.)  neg. 

3.  G.,  w.,  (einfacher  Depressionszustand)  Ovarium,  Rinde  und 
Niere  (neg.)  neg. 

4.  St.,  w.,  (Dem.  praec.)  Ovarium  (pos.)  pos.  Rinde  (pos.) 
n  e  g.! 

5.  H.,  w.,  (Man.-depr.  Irresein)  Ovarium,  Rinde,  Testikel,  Niere 
und  Leber  (neg.)  n  e  g. 


3)  Herr  Geheimrat  Sch  ii  1  e,  der  von  Anfang  an  der  Sache  das 
grösste  Interesse  entgegengebracht  hat,  wird  die  Untersuchungen  in 
seiner  Anstalt  in  grösserem  Umfange  weiterführen;  auch  die  Krae- 

pelinsche  Klinik  in  München  befasst  sich,  wie  ich  höre,  mit  den 
Untersuchungen.  —  Zusatz  bei  der  Korrektur:  Herr  Geheimrat 

S  c  h  ü  1  e  hat  mir  inzwischen  mitgeteilt,  dass  in  der  Illerauer  Anstalt 
analoge  Untersuchungen  im  Gange  sind  und  dass  die  Resultate,  die 
demnächst  veröffentlicht  werden,  voraussichtlich  meine  Befunde  zu 
bestätigen  scheinen. 


No.  11. 

6.  St.,  w.,  (progr.  Paralyse)  Ovarium  (neg.)  zweifelhaft,  eher 
neg.  Rinde  (pos.)  pos.  Schilddrüse  (neg.)  neg. 

7.  L„  niännl.,  (Dementia  praec.)  Rinde  und  Testikel  (pos.) 
n  e  g.! 

Der  Versuch  wurde  bei  diesem  Kranken  nach  wenigen 
Tagen  wiederholt,  das  Resultat  war  ganz  dasselbe.  Trotzdem 
muss  ich  nach  den  klinischen  Erscheinungen  die  Diagnose 
„Dem.  praec.“  aufrecht  erhalten,  aber  es  liegt  einer  jener  Fälle 
vor,  wo  die  Erkrankung  in  A  n  f  ä  1 1  en  mit  starken  Remis¬ 
sionen  resp.  fast  vollständigen  Intermissionen  auftritt;  bei  der 
Blutentnahme  (und  auch  jetzt  noch)  hatte  der  sehr  intelligente 
Kranke  seine  Wahnideen  korrigiert,  hatte  Krankheitseinsicht, 
nur  etwas  Unfreies  in  seinem  Wesen.  Gerade  für  solche  Fällei 
[wie  auch  für  die  Endzustände  der  „Dem.  praec.“  4)]  werden 
ausgedehntere  serologische  Untersuchungen  wohl  noch 
manches  interessante  Detail  zu  Tage  fördern. 

8.  H„  m„  (Delirium  tremens)  Rinde  (?)  neg.  Schilddrüse. 
Testikel,  Niere,  Leber  (neg.)  neg. 

9.  M.,  m„  (progr.  Paralyse)  Rinde  (pos.)  neg.!  Schilddrüse.: 
Niere,  Testikel  (neg.)  neg. 

Da  dies  bis  dahin  der  erste  Fall  von  progressiver 
Paralyse  war,  bei  dem  ich  im  Dialysierverfahren  kein 
Schutzferment  gegen  Rinde  nachweisen  konnte,  wurde  der 
Versuch  mit  Rinde  (und  Niere)  nach  2  Tagen  wiederholt  — j 
m  i  t  demselben  Resultat.  Der  Kranke  befindet  sich 
im  allerletzten  Stadium  seiner  Erkrankung,  der  er  in  Zcitkürzc 
erliegen  wird  5) :  ob  in  einem  solchen  Fall  das  Blut  vielleicht 
kein  Schutzferment  mehr  zu  bilden  vermag?  (cf.  Tuberkulose!) 
Einen  zweiten  Fall  dieser  Art  habe  ich  heute  festgestellt:  auch 
hier  im  Paralytikerserum  kein  Schutzferment  gegen  Rinde: 
In  diesem  Fall  war  vor  einigen  Wochen  die  Reaktion  ruh 
Rinde  sicher  positiv,  inzwischen  ist  ein  erheblicher  Kräftever¬ 
fall  eingetreten,  aber  nicht  in  dem  hohen  Masse,  wie  bei  dem 
ebengenannten  Kranken  °).  Auch  für  solche  Fälle  werden 
weitere  Untersuchungen  in  grossen  Anstalten  gewiss  noch 
vieles  Interessante  bringen. 

10.  K.,  m„  (einfacher  Depressionszustand)  Rinde,  Testikel  und 
Schilddrüse  (neg.)  n  e  g. 

Ich  denke,  aus  diesen  wie  aus  den  in  der  „Deutscher 
med.  Wochenschr.“  von  mir  niedergelegten  Versuchsergeb¬ 
nissen  ergibt  sich  doch  —  neben  einigen  Schwankungen 
im  einzelnen  —  eine  erhebliche  Sicherheit  in 
ganzen.  Notwendig  sind  aber  behufs  Herausarbeitung  von 
feineren  Details  und  von  Konsequenzen  in  theoretischer  unt 
praktischer  Hinsicht  weitere  einwandfreie  Untersuchungen 
Zur  Vereinfachung  der  Arbeit  wird  es  erheblich  beitragen 
wenn  nur  solche  Untersucher  an  die  Aufgabe  herantreten,  die 
sich  mit  der  Methodik  vorher  genau  vertraut  gemacht  haben 
Professor  Abderhalden  hat  in  seinen  Veröffentlichunger 
schon  wiederholt  darauf  hingewiesen,  dass  er  zur  Einführung 
in  seine  Methodik  gerne  bereits  ist;  auch  ich  selbst  bin  germ 
erbötig,  Kollegen,  die  sich  einige  Tage  in  Stuttgart  aufhalter 
wollen,  im  Laboratorium  des  Bürgerhospitals  die  nötigen  An 
leitungen  und  praktischen  Vorführungen  zu  geben.  Je  höhei 
das  Ziel,  um  so  grösser  die  Verantwortung.  Handelt  e: 
sich  doch  letzten  Endes,  wie  ich  schon  an  anderer 
Stelle  ausführte,  um  nicht  mehr  und  nicht  weniger 
als  um  eine  künftige  pathologische  Serologie 
der  Psychosen,  um  die  Ergänzung  —  resp.  da,  wd 
kein  anatomischer  Befund  vorliegt,  um  den  Ersatz  —  dei 
pathologischen  Anatomie  durch  die  p  a  t  h  o 
logische  Serologie. 


4)  Bei  einer  alten  paranoiden  Demenz  (weibl.),  die  ich  in  dei 
letzten  Tagen  untersuchte,  fand  ich  bei  zweimaliger  Untersuchuni.' 
jedesmal  Ovarien  und  Rinde  entgegen  meiner  Erwartung  neg.  (aucl 
Schilddrüse  neg.). 

5)  Ist  inzwischen  gestorben. 

8)  Ich  bemerke,  dass  in  diesen  beiden  Fällen  die  Paralyse-, 
diagnose  nach  jeder  Richtung  hin  sichergestellt  ist;  bei  dem  erster 
der  beiden  Kranken  wurde  die  Wassermann  sehe  Untersuchum 
des  Blutes  vor  2  Tagen  nochmals  wiederholt,  sie  ist  immer  nocl 
pos.;  auf  eine  Wiederholung  der  Wa.-Untersuchung  der  Spinalfiüssig 
keit,  die  früher  in  beiden  Fällen  sich  als  pos.  ergab,  wurde  ver¬ 
zichtet.  Ich  bemerke  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  ich  in  der  zentri 
fugierten  Spinalflüssigkeit  der  Paralytiker  bis  jetzt  noch  nie¬ 
mals  Schutzferment  gegen  Rinde  nachweisen  konnte. 


8.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


587 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Erlangen 
(Prof.  Dr.  L.  S  e  i  t  z). 

Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft  ). 

oii  Privatdozent  Dr.  Ernst  E  n  g  e  1  h  o  r  n,  Oberarzt  der 

Klinik. 

Abderhaldens1)  Veröffentlichungen  über  die  Sero- 
lagnose  der  Schwangerschaft  waren  in  erster  Linie  für  den 
faktischen  Geburtshelfer  von  ganz  besonderem 
üeresse,  war  er  doch  nun  in  der  Lage,  die  durch  die  bisher 
blichen  Untersuchungsmethoden  so  häufig  unsichere  und  un- 
uverlässige  Diagnose  der  Schwangerschaft  durch  exakte 
issenschaftliche  Methoden  sicherzustellen.  Der  Grund- 
edanke  der  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Versuche  ist  der,  dass, 
.'enn  blutfremde  Stoffe  in  die  Blutbahn  gelangen,  hier  Stoffe 
n  Plasma  gebildet  werden,  welche  diese  fremden  Stoffe  zu 
uschädlichen  abbauen;  es  erwehrt  sich  der  Organismus  blut- 
emden  Materials  durch  in  die  Blutbahn  sezernierte  Fer¬ 
ien  t  c,  die  wir  als  Schutzfermente  bezeichnen  können.  Die 
ätsache  dieses  Vorgangs  lässt  sich  auf  zweierlei  Weise  be¬ 
hackten,  erstens  durch  die  Polarisation  (optische  Me- 
icde)  und  zweitens  durch  das  sogenannte  Dialysier- 
e  r  i  a  h  r  e  n.  Ist  eine  Frau  schwanger,  so  kommt  es,  wie 
.ir  durch  die  Untersuchungen  von  S  c  h  m  o  r  1  und  Veit 
issen,  zur  Abreissung  von  Chorionzellen;  es  kreist  blut- 
-emdes  Material  im  Organismus  der  Mutter. 

Abderhalden  ist  es  gelungen,  Serum  von  schwan- 
eren  und  nichtschwangeren  Menschen  und  Tieren  durch  die 
’rüfung  ihres  Verhaltens  gegenüber  Plazentareiweiss  (Dialy- 
ierverfahren)  resp.  Plazentapepton  zu  unterscheiden.  Das 
er  um  Schwangerer  enthältFermente,  die  die 
enannten  Plazentabestandteile  abzubauen 
ermögen,  Mit  den  beiden  genannten  Verfahren  sind  wir 
Iso  in  der  Lage,  die  Frage,  ob  Schwangerschaft  vorliegt  oder 
icht,  zu  entscheiden. 

Von  einer  Reihe  von  Kliniken  wurde  die  Abderhalden  sehe 
iethode  einer  Nachprüfung  unterzogen.  So  berichten  Frank  und 
eimann2)  aus  der  Breslauer  Klinik  über  ihre  Nachuntersuchungen, 
ie  benützten  als  Dialysie'rmaterial  Fischblasenkondoms  und  stellten 
ir  die  Biuretreaktion  an.  Bei  sicher  schwangeren  Frauen  war  die 
eaktion  immer  positiv,  bei  nichtgraviden  negativ.  Bei  23  Fällen,  bei 
men  eine  Diagnose  zweifelhaft  war,  stellte  es  sich  bei  der  Nach- 
ltersuchung  heraus,  dass  zweimal  bei  nichtgraviden  Frauen 
ne  positive  Reaktion  aufgetreten  war.  Die  Verfasser  glauben, 
iss  diese  Versager  in  dem  Dialysiermaterial  liegen  und  geben  der 
offnung  Ausdruck,  dass  mit  Verbesserung  dieses  Materials  solche 
ersager  zu  vermeiden  sind. 

Weiter  berichten  Franz  und  J  a  r  i  s  c  h  3)  aus  der  Qrazer 
linik  über  ihre  ebenfalls  nur  mit  der  Biuretreaktion  angestellten 
ersuche.  Die  Reaktion  war  bei  Nichtgraviden  stets  negativ,  bei 
diwangerschaft  durchaus  positiv.  Das  Abbauvermögen  des  Serums 
;genüber  der  Plazenta  blieb  im  Verlauf  der  Schwangerschaft  er¬ 
bten  und  schien  sich  gegen  das  Ende  noch  etwas  zu  steigern,  auch 
ährend  der  Geburt  vermochten  die  Seren  durchaus  und  meist  sehr 
ark  abzubauen.  Im  Wochenbett  bauten  18  Seren  aus  den  ersten 
Tagen  nach  der  Geburt  durchgehends,  wenn  vielleicht  auch  etwas 
:hwächer  als  die  Seren  Schwangerer  und  Gebärender  ab.  Nach 
;m  9.,  10.  und  13.  Tage  nach  der  Geburt  war  noch  eine  positive 
eaktion  zu  erhalten,  während  am  16.  und  18.  Wochenbettstage  eine 
eaktion  nicht  mehr  nachgewiesen  werden  konnte.  Von  besonderem 
teresse  ist  das  Verhalten  der  Seren  von  Schwangerschaftsderma- 
'Sen,  eines  von  Schwangerschaftsniere  und  ferner  eines  von  einer 
klamptischen;  alle  diese  bauten  auffallend  stark  ab,  so  dass  man  den 
indruck  bekam,  als  ob  die  Fermentation  stärker  sei,  als  unter  nor¬ 
men  Verhältnissen.  Verfasser  finden  sich  hier  in  Uebereinstimmung 
it  Abderhalden,  der  ebenfalls  von  einem  starken  Abbauver- 
')gen  für  seine  Fälle  von  Schwangerschaftstoxikosen  spricht.  Verf. 
"üften  ferner  Seren  von  Tumorkranken  auf  ihr  Abbauvermögen 
igen  Plazentareiweiss.  Sie  bekamen  in  einem  Falle  von  Kollum- 
a  r  z  i  n  o  m  und  in  einem  Falle  von  Chorionepitheliom 
>enfalls  positive  Reaktion.  Es  fassen  die  beiden  Verfasser  ihr 
rteil  über  das  Dialysierverfahren  dahin  zusammen,  dass  es  mit  seiner 


*)  Nach  einem  am  9.  Februar  1913  in  der  Bayer.  Gesellschaft 
r  Geburtshilfe  und  Frauenkrankheiten  gehaltenem  Vortrag. 

’)  Abderhalden:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  24, 
1305  u.  No.  36,  S.  1939.  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  46,  1912, 
iselbst  weitere  Literaturangaben. 

!)  F  r  a  n  k  und  Heimann:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912, 
o.  36. 

s)  F  r  a  n  z  und  J  arisch:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912, 

o.  39. 


Hilfe  unter  peinlichster  Beachtung  aller  Kautelen  zweifellos  gelingt, 
eine  bestehende  Schwangerschaft  nachzuweisen.  Für  praktische 
Zwecke  möchten  sic  daneben  zur  Sicherung  der  Diagnose  die  Ro¬ 
se  nt  ha  Ische  Methode  der  Bestimmung  des  antitryptischen  Scrum- 
titers  nicht  missen. 

Auf  Grund  der  an  der  Hallenser  Klinik  angestellten  Unter¬ 
suchungen  macht  Veit4)  die  Einschränkung,  dass  das  Verfahren  von 
Abderhalden  keine  sichere  Methode  zur  Diagnose  der  normalen 
Schwangerschaft  ist.  Vielmehr  zeigt  sie  mit  positivem  Ausfall  nur, 
dass  noch  reichlich  lebendes  Plazentargewebe  im  Uterus  enthalten 
ist.  Allerdings  konnte  Veit  auch  zwei  Fälle  beobachten,  bei  denen 
geringe  Mengen  lebendes  Plazentargewebe  im  Uterus  zurückgeblieben 
waren,  die  Abderhalden  sehe  Reaktion  in  2  Fällen  aber  trotz¬ 
dem  negativ  ausgefallen  war.  V  e  i  t  sieht  den  grössten  Wert  der 
Methode  nicht  in  der  Praxis,  sondern  auf  dem  Gebiete  der  Physio¬ 
logie. 

In  allerletzter  Zeit  hat  Henkel5)  aus  der  Jenenser  Klinik  seine 
Erfahrungen  veröffentlicht.  Unter  genauer  Berücksichtigung  aller 
Fehlerquellen  war  bei  40  Untersuchungen  keine  Fehldiagnose  zu  er¬ 
halten.  Bei  der  Untersuchung  eines  Falles  von  Eklampsie  ergab  sich, 
dass  eklamptische  Plazenta  von  dem  Serum  der  Eklamptischen  nicht 
abgebaut  wurde.  Man  könnte  daraus,  wie  Verfasser  betont,  den 
Schluss  ziehen,  dass  der  Organismus  gegenüber  dem  massenhaften 
Eindringen  des  eklamptischen  Giftes  nicht  mehr  imstande  sei,  Abwehr¬ 
stoffe  mobil  zu  machen.  Die  klinische  Beobachtung  des  Falles  ent¬ 
sprach  dieser  Annahme.  Bei  der  Frau  war  die  Eklampsie  ganz  akut 
zum  Ausbruch  gelangt  und  hatte  schnell  zum  Tode  geführt.  Einen 
bedeutenden  Wert  des  Verfahrens  sieht  Verfasser  in  den  Fällen,  in 
denen  es  sich  um  die  Diagnose  zwischen  Adnextumor  und  Extra¬ 
uteringravidität  handelt.  Er  berichtet  über  einen  einschlägigen  Fall, 
in  dem  nur  durch  die  Abderhalden  sehe  Reaktion  die  Diagnose 
einer  Tubargravidität  gestellt  werden  konnte.  Bei  der  Operation 
stellte  es  sich  heraus,  dass  neben  der  rechtseitigen  Tubargravidität  eine 
linkseitige  Adnexerkrankung  vorhanden  war.  Henkel  hält  auf 
Grund  seiner  Beobachtungen  das  Abderhalden  sehe  Verfahren 
für  einen  der  bedeutsamsten  Fortschritte  auf  unserem  Arbeitsgebiet. 

Ich  habe  an  unserer  Klinik  Versuche  mit  dem  Abder¬ 
halden  sehen  Dialysierverfahren  angestellt  und  es 
auf  seine  Brauchbarkeit  für  rein  klinische  Zwecke  geprüft. 
Auf  die  Methode  brauche  ich  hier  nicht  näher  einzugehen,  ich 
verweise  auf  dieVeröffentlichungen Abderhaldens.  Ich  möchte 
nur  betonen,  dass  wir  bei  Anwendung  des  Dialysierverfahrens 
uns  über  eine  Reihe  von  Fehlerquellen,  die  in  dem  Verfahren 
liegen,  klar  sein  müssen,  wie  Abderhalden  selbst  und  eine 
Reihe  der  oben  genannten  Autoren  hervorheben.  Es  dürfen 
erstens  nur  solche  Hülsen  (Diffusionshülsen  No.  579  von 
Schleicher  und  S  c  h  u  e  1 1,  Düren)  verwandt  werden,  die 
auf  ihre  Nichtdurchlässigkeit  für  Eiweiss  und  ihre  genügende 
Durchlässigkeit  für  Peptone  geprüft  sind.  Zweitens  muss  das 
Plazentarmaterial,  das  zu  den  Versuchen  benützt  wird,  so  oft 
mit  je  der  10  fachen  Menge  Wasser  ausgekocht  werden,  bis 
das  Kochwasser  mit  Triketohydrindenhydrat  keine  Färbung 
mehr  gibt. 

Ich  habe  wie  auch  Henkel  (1.  c.)  die  Erfahrung  gemacht, 
dass  das  nach  Vorschrift  behandelte  Plazentargewebe  nicht 
beliebig  lange  haltbar  ist,  sondern  dass  nach  einiger  Zeit  (8  bis 
10  Tagen)  das  Kochwasser  mit  Ninhydrin  wieder  eine  positive 
Reaktion  gibt.  Es  ist  deshalb  zu  empfehlen,  die  Plazenta  nicht 
allzulange  zu  konservieren,  sondern  ihre  Herstellung  öfter  vor¬ 
zunehmen.  Der  dritte  Punkt,  auf  den  wir  besonders  achten 
müssen,  ist  der,  dass  nur  ganz  klares  Serum  verwendet  wird; 
es  darf  keine  Hämolyse  eingetreten  sein,  da  dann  das  Serum 
allein  schon  eine  positive  Reaktion  gibt.  Unter  Beachtung 
dieser  Vorsichtsmassregeln  habe  ich  meine  Untersuchungen  in 
der  Weise  angestellt,  dass  ich  immer  zu  einem  Versuch  Serum 
von  Schwangeren  und  Nichtschwangeren  verwendet  habe;  die 
Blutentnahme  (ca.  20  ccm  aus  der  Armvene)  wurde  stets  zu 
der  gleichen  Tageszeit  nachmittags  4  Uhr  vorgenommen. 
(Kontrolluntersuchungen  mit  Seren,  die  morgens  von  nüch¬ 
ternen  Frauen  entnommen  waren,  ergaben  die  gleichen  Resul¬ 
tate.)  Nach  Verlauf  von  K — %  Stunden  war  der  Versuch 
fertig  angesetzt  und  kamen  die  Hülsen  auf  16  Stunden  in  den 
Brutschrank.  Es  wurden  jedesmal  für  sich  geprüft:  1.  die 
Plazenta,  2.  Serum  einer  Schwangeren,  3.  dieses  Serum  + 
Plazenta,  4.  Serum  einer  Nichtschwangeren,  5.  dieses  Serum 
T  Plazenta.  Als  Reagens  wurde  das  Ninhydrin  verwendet; 
zu  Anfang  der  Versuche  wurde  gleichzeitig  auch  die  Biuret¬ 
reaktion  angestellt.  Ich  verfüge  im  ganzen  über  108  Fälle; 


4)  Veit:  Zeitschr.  f.  Geb.  und  Gyn.,  Bd.  72.  1912. 

5)  Henkel:  Arcli.  f.  Gyn.,  Bd.  99,  H.  1. 


3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  11. 


588 

60  Schwangere  vom  4.—- 10.  Schwangerschaftsmonat  und 
4S  Nichtschwangere  (s.  Tabelle).  Bei  den  11  negativen  Fällen 
von  Schwangerschaft  handelte  es  sich  um  Frauen  vom  9.  und 
10.  Schwangerschaftsmonat. 


Diagnose: 

Zahl  der 
Fälle 

Abderhalden 
positiv  negativ 

Schwangere  . 

60 

49 

11 

Nichtschwangere  .  .  . 

48  . 

31 

17 

Normaler  Genitalbefund 

11 

4 

7 

Prolaps  . 

12 

10 

2 

Karzinom  . 

8 

4 

4 

Kystom  . 

7 

5 

2 

Pyosalpinx . 

2 

2 

— 

Chorionepitheliom  .  .  . 

1 

1 

— 

Puerpera  . 

3 

1 

2 

Myom . 

4 

4 

— 

Gleichzeitig  mit  diesen  Versuchen  prüfte  ich  die  Wirkung 
von  Serum  Schwangerer  und  Nichtschwangerer  auf  Karzinom¬ 
gewebe,  Ovarialgewebe  und  Leber  vom  Neugeborenen;  das 
Gewebe  wurde  genau  wie  die  Plazenta  zubereitet. 

Ich  bekam  bei  diesen  Versuchen  folgende  Resultate: 
Karzinomgewebe  wurde  vom  Serum  Schwangerer  (12  Fälle) 
10 mal  abgebaut,  2 mal  war  die  Ninhydrinprobe  negativ; 
Serum  Nichtschwangerer  (11)  gab  8  mal  positive,  3  mal  nega¬ 
tive  Reaktion  (darunter  1  Serum  einer  Karzinomkranken!). 

Ovarialgewebe  wurde  vom  Serum  Nichtgravider  in  allen 
(3)  Fällen  abgebaut;  das  Serum  Gravider  ergab  1  mal  positive 
und  2  mal  negative  Reaktion. 

Die  Einwirkung  von  Serum  auf  fötale  Leber  ergab  bei 
Graviden  und  Nichtgraviden  bald  positive,  bald  negative 
Reaktion. 

Ich  komme  auf  Grund  meiner  Untersuchungen  zu  folgen¬ 
dem  Schluss: 

Das  Abderhaldensche  Dialysierverfahren 
gibt  keine  spezifische  Reaktion;  wir  sind 
deshalb  nicht  berechtigt,  nach  dem  Ausfall 
der  Abderhaldenschen  Reaktion  eine  Dia¬ 
gnose  zu  stellen. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  der  Kgl.  Charitee  zu  Berlin 
(Direktor:  Geheimrat  Prof.  Dr.  K.  Franz). 

Die  Nierenfunktionsprüfung  mittels  des 
Phenolsulfonphthaleins. 

Von  Fr.  Fromme  und  C.  R  u  b  n  e  r. 

Nach  Erscheinen  unserer  ersten  Publikation  0  über  die 
Nierenfunktionsprüfung  mit  dem  von  Rowntree  und 
Geraghty  eingeführten  Phenolsulfonphthalein  haben  sich 
verschiedene  Autoren  mit  diesem  Mittel  beschäftigt,  und  sind 
zum  Teil  zu  widersprechenden  Angaben  gelangt.  Unser  Urteil 
über  die  Verwendung  des  Phenolsulfonphthaleins  zu  nieren¬ 
diagnostischen  Zwecken  war  etwas  skeptisch,  und  wir  konnten 
die  Angaben  von  Rowntree  und  Geraghty  nicht  in 
allen  Punkten  bestätigen,  wenngleich  wir  überzeugt  waren, 
dass  sich  mit  gewissen  Einschränkungen  brauchbare  Resultate 
mit  dem  Phenolsulfonphthalein  erreichen  lassen,  die  ihm  einen 
Platz  unter  unseren  nierendiagnostischen  Methoden  sichern 
müssen. 

Abgesehen  von  Arbeiten  von  Deutsch* 2),  welcher 
ebenso  wie  Sehrt3)  der  Phthaleinprobe  wenn  auch  auf 
Grund  relativ  kleiner  Beobachtungsreihen  doch  eine  sehr 
grosse  Bedeutung  zulegt,  hat  sich  Vogel4)  mit  dem  Mittel 
beschäftigt  und  dann  in  dieser  Wochenschrift  vor  allen  Dingen 
W.  Autenrieth  und  A.  Funk5).  Dieser  letzteren  Arbeit 
musste  bei  der  reichen  Erfahrung  der  beiden  Autoren  in  kolo- 
rimetrischen  Bestimmungsmethoden  eine  besondere  Bedeu¬ 


4)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  40. 

")  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  32. 

3)  Zentralbl.  f.  Chirurgie  1912,  No.  33. 

4)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 

6)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912.  No.  49  und  50. 


tung  beigelegt  werden,  und  sie  hat  uns  auch  veranlasst,  unsere 
Beobachtungsreihen  fortzusetzen,  um  weiteres  Material  über 
die  Ausscheidung  des  Phenolsulfonphthaleins  bei  nieren¬ 
gesunden  Menschen  herbeizubringen.  Unserer  Ansich' 
nach  müssen  zuerst  durch  zahlreiche  Untersuchungen  bei  nor¬ 
malen  Individuen  Anhaltswerte  geschaffen  werden,  die  nicht 
nur  aussagen,  ob  das  Mittel  subkutan,  intravenös  oder  intra¬ 
muskulär  anzuwenden  ist,  sondern  aus  denen  auch  ein  Schluss 
zu  ziehen  ist,  nach  welcher  Zeit  (2  oder  3  Stunden)  eine  be¬ 
stimmte  Menge  des  Phenolsulfonphthaleins  ausgeschieden 
werden  muss,  wenn  die  Nierentätigkeit  eine  normale  ist.  Erst 
dann  kann  daran  gegangen  werden,  das  Phenolsulfonphthalein 
auch  bei  nierenkranken  Menschen  anzuwenden,  um  Rück¬ 
schlüsse  zu  machen  auf  die  Funktionstüchtigkeit  der  Nieren. 
Wir  werden  uns  daher  in  den  folgenden  Ausführungen  auch, 
nur  mit  der  Anwendung  des  Phenolsulfonphthaleins  bei  nieren¬ 
gesunden  Menschen  beschäftigen. 

Unsere  Technik  war  immer  die  gleiche.  1  ccm  des  in  Ampullen 
zu  etwas  über  1  ccm  fertig  erhältlichen  Phenolsulfonphthaleins  wird, 
nachdem  der  Patient  20—30  Minuten  vor  der  Injektion  300— 400cc.nr 
Wasser  getrunken  hat.  mit  einer  geeichten  Rekordspritze  intra¬ 
muskulär  oder  intravenös  eingespritzt.  Es  muss  der  grösste  Wert 
darauf  gelegt  werden,  dass  von  der  zu  injizierenden  Menge  nicht' 
ein  Tropfen  verloren  geht.  Auch  wir  können  bestätigen,  dass  der 
Verlust  von  zwei  grösseren  Tropfen  einem  Verlust  von  ca.  10  Proz, 
im  Qesamtresultate  entsprechen  kann.  Geraghty  und  R  o  w  n 
t  r  e  e  haben  angegeben,  dass  bei  normalen  Individuen  das  Phenol¬ 
sulfonphthalein  nach  folgenden  Zeiten  im  Urin  erscheinen  und  im 
folgenden  Quantitäten  ausgeschieden  werden  soll:  1.  bei  subkutaner 
Injektion  soll  es  nach  5—11  Minuten  im  Urin  nachweisbar  werden  und 
in  der  ersten  Stunde  (nach  Erscheinen)  mit  48 — 60  Proz.  (im  Mittel 
50  Proz.),  in  der  weiteren  Stunde  mit  12 — 25  Proz.,  total  also  mit 
60—85  Proz.  ausgeschieden  werden.  2.  Bei  intramuskulärer  Anwen¬ 
dung  sei  die  Zeit  des  Erscheinens  dieselbe,  die  Ausscheidung  betrage 
aber  in  der  ersten  Stunde  43—70  Proz.  3.  Bei  intravenöser  Injektion 
erscheine  das  Mittel  nach  3—5  Minuten,  35—40  Proz.  sollen  in  den 
ersten  15  Minuten,  50 — 65  Proz.  in  der  ersten  halben  Stunde,  und 
63 — 80  Proz.  in  der  ersten  Stunde  ausgeschieden  werden. 

Geraghty  und  Rowntree  haben  gewöhnlich  die 
intramuskuläre  Anwendung  in  die  Lumbalmuskeln  bevorzugt 
und  geben  an,  dass  dabei  bei  normalen  Individuen  nach 
2  Stunden  mindestens  60  Proz.,  gewöhnlich  aber  60—85  Proz 
ausgeschieden  sein  müssten.  Autenrieth  und  Funl) 
haben  diese  Angaben  auf  Grund  von  15  untersuchten  normaler 
Fällen,  die  zum  Teil  von  Sehrt,  zum  Teil  von  Erne  beob 
achtet  worden  waren,  bestätigt.  Keiner  dieser  Fälle  hatte 
nach  2  Stunden  weniger  wie  70  Proz.  ausgeschieden,  die 
meisten  75  Proz.  und  mehr. 

Nach  unseren  Untersuchungen,  die  zusammen  mit  der 
früher  von  uns  veröffentlichten  bei  120  nierengesunder 
Patientinnen  vorgenommen  wurden,  können  wir  diese 
Resultate  nicht  bestätigen.  Wir  erhielten  be 
intramuskulärer  Anwendung  in  zwei  Stunden  aus  50  Fäller 
berechnet  im  Mittel  nur  eine  Ausscheidung  von  52,78  Proz. 
und  nach  weiteren  20  Untersuchungen  nur  eine  Mittelleistum 
von  50,6  Proz.,  also  Zahlen,  die  weit  hinter  denen  der  ober 
genannten  Autoren  Zurückbleiben,  trotzdem  wir  die  gleicht 
Technik,  das  gleiche  Kolorimeter,  neuerdings  mit  einem  voi 
der  Firma  Heilige  &  Co.,  Freiburg  i.  B.,  eigens  für  diest 
Untersuchungen  angefertigten  Keil  mit  genauer  Standard 
flüssigkeit  angewendet  haben.  Der  Wert  der  von  uns  ge 
fundenen  Zahlen  wird  aber  weiter  beeinträchtigt  dadurch 
dass  die  Differenz  der  Ausscheidungsmengen  bei  den  einzelne! 
Patientinnen  schwankt  zwischen  23  Proz.  als  Mindestleistung 
und  78  Proz.  als  Höchstleistung  in  2  Stunden.  Das  sind  natür 
lieh  Differenzen,  die  den  Wert  des  Phenolsulfonphthaleins  be 
intramuskulärer  Injektion  und  nur  zweistündiger  Beob 
achtungszeit  absolut  in  Frage  stellen.  Wir  sehen,  dass  neuer 
dings  A  I  b  r  e  c  h  t n)  ganz  dieselben  Erfahrungen  gemacht  hal 
Er  fand,  dass  in  2/a  der  Fälle  trotz  sichergestellter  normale 
Nierenfunktion  in  den  ersten  2  Stunden  nur  40 — 50  Proz.  aus 
geschieden  wurden.  Auch  Eichmann')  scheint  dieselbe! 
Beobachtungen  gemacht  zu  haben. 

Wir  haben  daher,  um  diese  Fehler  eventuell  zu  beseitige! 
die  Beobachtungszeit  auf  3  Stunden  verlängert,  da  wir  öfter 


a)  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  37,  H.  2,  S.  27< 
7)  Zentralbl.  i.  Gynäkol.  1913,  No.  6,  S.  203. 


8.  März  19j3. 

esehen  hatten,  dass  in  der  3.  Stunde  nach  Erscheinen  des 
'henolsufonphthaleins  im  Urin  noch  grössere  Mengen  ausge- 
chieden  wurden.  Unsere  neuen  Erfahrungen  decken  sich 
öllig  mit  den  in  unserer  ersten  Publikation  in  Tabelle  2  zu- 
aminengestellten  Resultaten.  Nimmt  man  die  3.  Stunde  zu 
lilfe,  so  beobachtet  man,  dass  in  dieser  Zeit  in  den  aller- 
icisten  Fällen  über  60  Proz.  des  eingespritzten  Phenolsulfon- 
hthaleins  im  Urin  ausgeschieden  sind,  dass  unter  Umständen 
uch  Werte  bis  86  Proz.  erreicht  werden.  Aber  auch  hier  gibt 
s  Ausnahmefälle.  Wir  sehen  deren  unter  60  Beobachtungen 
,  in  denen  auch  bei  wiederholtem  Versuche  60  Proz.  nicht 
rreicht  wurden  und  die  Ausscheidungsmengen  auch  bei  nieren- 
esunden  Menschen  zwischen  39 — 60  Proz.  betrugen. 

Es  hat  sich  bei  uns  immer  mehr  die  Ueber- 
eugung  gefestigt,  dass  die  Phenolsulfou- 
hthaleinprobe  bei  intramuskulärer  Anwen- 
ung  absolut  unsichere  Resultate  gibt.  Die 
Jesorptionsbedingungen  müssen  an  verschiedenen  Stellen  und 
ei  verschiedenen  Individuen  verschiedene  sein.  Wir  haben 
uch  absolut  keine  Kontrolle,  ob  das  Mittel  in  den  Muskel 
elbst  oder  in  ein  Muskelinterstitium  gelangt. 

Die  Resultate  drängen  uns  dazu,  die  intra- 
mskuläre  Injektion  des  Phenols  ulfonphtha- 
eins  entgegen  den  Angaben  von  Qeraghty 
ndRowntree,  Autenrieth  und  Funk  zu  wider- 
a  t  e  n. 

Besseres  erhofften  wir  von  der  intravenösen 
ipplikation  des  Mittels.  Hier  wird  dieses  direkt  der 
Uutbahn  einverleibt,  unkontrollierbare  resorbierende  Gewebs- 
lassen  sind  also  ausgeschaltet. 

Schon  in  unserer  ersten  Publikation  haben  wir  darauf 
ingewiesen,  dass  bei  intravenöser  Einspritzung  in  den  ersten 
Stunden  die  Ausscheidungsmenge  gewöhnlich  60  Proz.  über- 
teigt,  dass  meistens  im  Durchschnitt  70  Proz.  nachweisbar 
/erden,  und  wir  können  diese  Angaben  nach  Anstellung 
euer  zahlreicher  Versuche  wiederum  bestätigen.  Wir  be- 
echnen  jetzt  die  Ausscheidungsmenge  des  intravenös  ein- 
espritzten  Phenolsulfonphthalein  bei  dreistündiger  Beob- 
chtungSzeit  auf  76  Proz.  im  Durchschnitt.  Die  Menge 
ann  aus  uns  nicht  bekannten  Ursachen  unter  Umständen 
eringer  sein,  geht  aber  immer  über  60  Proz.  heraus,  sie 
ann  auch  erheblich  grösser  sein,  und  bis  88  und  90  Proz. 
etragen.  Die  Mengen,  die  in  der  ersten  Stunde  schon 
liminiert  werden,  können  grosse  sein,  bis  60  Proz.;  es 
/erden  dann  in  der  zweiten  und  dritten  Stunde  nur  noch  ge- 
inge  Quantitäten  ausgeschieden.  Aber  auch  das  Umgekehrte 
>t  möglich,  und  der  Hauptanteil  fällt  dann  auf  die  zweite  und 
ritte  Stunde.  Die  Ausscheidungsmengen  der  letzteren  be- 
'agen  aber  bei  allen  unseren  Beobachtungen  niemals  mehr 
ls  15  Proz. 

Bestätigen  können  wir  nach  unseren  neueren  Unter- 
uchungen  die  Angaben  Geraghtys  und  Rowntrees, 
ass  gewöhnlich  5 — 11  Minuten  nach  der  Injektion  ver- 
treichen,  bis  das  Phenolsulfonphthalein  im  Urin  nachweisbar 

/ird. 

Wir  kommen  zum  Schlüsse.  Nach  wie  vor  müssen  wir 
olgerungen  auf  die  Funktionstüchtigkeit  der  Nieren,  die  nach 
uokutaner  oder  intramuskulärer  Anwendung  des  Phenol- 
ulfonphthaleins  bei  zweistündiger  Beobachtungszeit  gezogen 
/erden,  als  grossen  Fehlerquellen  unterworfen  bezeichnen; 
otzdem  halten  wir  die  Phenolsulfonphthaleinprobe  für  eine 
’ichtige  Bereicherung  unserer  nierendiagnostischen  Methoden, 
nd  es  wäre  bedauerlich,  wenn  sie  infolge  falscher  Technik 
icht  die  Anerkennung  finden  würde,  welche  sie  verdient. 

Konstante  Resultate  gibt  nach  unseren  Erfahrungen  nur 
ie  intravenöse  Injektion  des  Phenolsulfonphthaleins.  Bei 
reistündiger  Beobachtungszeit  müssen  dann  bei  gesunden 
ieren  mindestens  60 — 65  Proz.  aus  dem  Körper  eliminiert 
erden.  Gewöhnlich  ist  das  ausgeschiedene  Quantum  aber 
in  sehr  viel  grösseres  und  kann  bis  90  Proz.  betragen. 


589 


Aus  Dr.  Deckers  Sanatorium  für  Magen-,  Darm-  und 

Zuckerkranke  in  München. 

Ueber  gutartige  Polypen  des  Masldarms  und  des 

S.  romanum. 

Von  Hofrat  Dr.  Decker. 

Die  Aetiologie  der  Darmblutungen  hat  durch  die  Rekto¬ 
skopie  eine  bedeutende  Erweiterung  erfahren.  Wir  können 
mittels  dieser  exakten  Untersuchungsmethode  tagtäglich  die 
Erfahrung  machen,  dass  die  Diagnose  „Hämorrhoidalblutung“ 
sehr  oft  eine  irrige  und  die  Quelle  der  Blutung  in  anderen 
pathologischen  Veränderungen  der  Darmschleimhaut  zu  suchen 
ist.  Unter  den  letzteren  kommen  speziell  Polypen  häufiger 
vor,  als  man  früher,  wo  uns  das  Rektoskop  noch  nicht  zur 
Verfügung  stand,  geglaubt. 

Die  gutartigen  Polypen  treten  entweder  als  Solitärpolypen 
oder  als  multiple  Polypen  auf  und  scheinen  häufiger  im  Rektum 
als  in  den  höher  gelegenen  Darmpartien  vorzukommen.  Im 
allgemeinen  sitzen  sie  der  Schleimhaut  gestielt,  selten  mit 
breiter  Basis  auf,  ein  Umstand,  der  für  die  Behandlung  in¬ 
sofern  günstig  ist,  als  die  gestielten  sich  leichter  abtragen 
lassen,  wie  die  breit  aufsitzenden.  Ausser  der  Blutung  und 
hin  und  wieder  auftretenden  oft  starken  Schleimabsonde¬ 
rungen,  letztere  dann,  wenn  die  Polypen  im  unteren  Darm¬ 
abschnitt  ihren  Sitz  haben,  machen  dieselben  kaum  Be¬ 
schwerden  und  können  daher,  wenn  die  Blutung  nicht  eine 
abundante  ist,  jahrelang  bestehen,  ohne  zu  erheblichen  Stö¬ 
rungen  Anlass  zu  geben. 

Die  Hauptfrage,  die  uns  hierbei  interessiert,  ist  die  der 
Behandlung.  Von  den  gewöhnlichen  blutstillenden  Mitteln 
sowohl  wie  von  der  Kauterisation  mit  chemischen  Mitteln  ist 
eine  tiefgehende  Wirkung,  resp.  Radikalbeseitigung  nicht  zu 
erwarten;  es  kommt  daher  nur  die  endorektale  resp.  etido- 
sigmoidale  chirurgische  Behandlung  in  Betracht.  Strauss 
rät  von  der  Abtragung  der  Polypen  mit  Rücksicht  auf  den 
Gefässreichtum  derselben  und  die  dadurch  mögliche  stärkere 
Nachblutung  ab.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Polypen 
ausserordentlich  leicht  und  bei  der  geringsten  Berührung  mit 
einem  Instrument  bluten,  und  muss  ich  gestehen,  dass  ich  an¬ 
fangs  mit  einem  gewissen  Zagen  mit  Rücksicht  auf  diese  Gefahr 
an  die  Abtragung  herangegangen  bin.  In  10  Fällen,  die  ich  auf 
diese  Weise  radikal  behandelt,  ist  es  jedoch  nie  zu  einer  Nach¬ 
blutung  gekommen  und  kann  daher  diese  Behandlung  als  un¬ 
gefährlich  wohl  empfohlen  werden. 

Zwei  Arten  der  Abtragung  kommen  in  Betracht,  entweder 
die  vermittels  der  kalten  Schlinge  oder  des  Paquelin.  Die 
Abschnürung  mit  der  kalten  Schlinge  ist  besonders  zu  emp¬ 
fehlen  bei  gestielten  Polypen  der  Ampulla  recti;  selbst  wenn 
in  solchen  Fällen  eine  Nachblutung  sich  einstellen  sollte,  so 
ist  dieselbe  der  lokalen  Blutstillung  durch  Kompression  oder 
Tamponade  leicht  zugänglich.  Dagegen  empfiehlt  sich  diese 
Art  der  Abtragung  bei  Polypen  in  der  Flexura  sigmoidea  mit 
Rücksicht  auf  die  schwierige  Zugänglichkeit  behufs  Stillung 
einer  Nachblutung  nicht.  Ich  habe  deshalb  in  solchen  Fällen 
den  Paquelin  vorgezogen.  Es  ergab  sich  nun  bei  dem  ersten 
Fall,  den  ich  in  dieser  Weise  behandelte,  dass  der  Paquelin 
in  seinem  oberen  erweiterten  Ende  zu  dick  war  und  dadurch 
das  Gesichtsfeld  innerhalb  des  Rektoskoprohres  zu  sehr  ein¬ 
engte,  so  dass  die  sichere  Führung  des  glühenden  Brenners 
unmöglich  war.  Letzteres  ist  aber  absolute  Voraussetzung, 
denn  ohne  Führung  des  Auges  könnte  leicht  eine  Durchbren- 
nung  der  Darmwand  verursacht  werden,  die  die  schlimmsten 
Folgen  nach  sich  ziehen  könnte.  Diese  Schwierigkeit  war 
aber  leicht  zu  beheben  durch  Anfertigung  eines  in  seinem 
oberen  Ende  schmalen  Paquelins,  der  ein  genügend  freies  Ge¬ 
sichtsfeld  ermöglicht.  Eine  zweite  Schwierigkeit  zeigte  sich 
beim  Kauterisieren  der  Polypen  in  der  im  Augenblick  des 
Brennens  hervorgerufenen  Rauchentwickelung  innerhalb  des 
Rektoskoprohres  und  der  dadurch  bedingten  Beschränkung 
des  Gesichtsfeldes.  Durch  einen  vom  Assistenten  in  das 
Rektoskop  eingeführten,  an  einer  Spritze  befestigten  dünnen 
Gummischlauch  lässt  sich  der  Rauch  sehr  leicht  aspirieren 
und  so  auch  diese  Störung  beseitigen. 

Sind  die  Polypen  klein,  etwa  erbsengross,  so  fasst  man 
dieselben  mit  einer  langen,  spitzen  Hakensonde,  zieht  sic  fest 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


590 


an  und  brennt  den  Stiel  ab.  Eine  Blutung  erfolgt  in  diesen 
Fällen  nicht.  Sind  aber  die  Polypen  grösser,  dann  habe  ich 
zunächst  tiefe  Stichelungen  mit  dem  spitzen  Thermokauter 
vorgenommen,  dadurch  den  Polypen  zur  Verödung  gebracht 
und  dann  erst  am  Stiel  abgebrannt.  Mit  einem  langen  Pulver¬ 
bläser  wurde  dann  auf  die  kauterisierte  Stelle  eine  dicke  Lage 
Dermatol  appliziert.  Nicht  unerwähnt  möchte  ich  hierbei 
lassen,  dass  man  einige  Tage  vor  Beginn  dieser  Behandlung 
den  Darm  gründlich  entleert  und  einige  Tage  nach  der  Kauteri¬ 
sation  den  Patienten  nur  flüssige  Kost  nehmen  lässt. 

Unter  den  von  mir  behandelten  Fällen  waren  zwei,  in 
denen  die  multiplen  Polypen  in  einer  Höhe  von  20  resp. 
25  cm,  vom  Sphincter  ani  ext.  an  gerechnet,  sassen.  Es  sind 
selbstverständlich  zur  Abtragung  solcher  hochsitzender  Po¬ 
lypen  einige  Sitzungen  nötig.  Eine  vorherige  Anästhesierung 
ist  nicht  notwendig;  denn  die  Patienten  empfinden  beim 
Brennen  lediglich  ein  „Wärmegefühl“  im  Darm.  Der  ge¬ 
wöhnliche  Paquelin  ist  für  diese  in  höheren  Darmpartien 
sitzenden  Polypen  zu  kurz  und  muss  dazu  ein  entsprechend 
verlängertes  Instrument  benützt  werden. 

Ausser  bei  den  höher  sitzenden  gestielten  Polypen  kommt 
die  Kauterisation  auch  in  Anwendung  bei  den  flach  aufsitzen¬ 
den  Polypen  in  der  Ampulla  recti. 

Ist  die  operative  Entfernung  der  Darmpolypen  schon  mit 
Rücksicht  auf  die  oft  starken  Blutungen  indiziert,  so  ist  eine 
weitere  Indikation  auch  darin  gegeben,  dass  dieselben  er- 
fahrungsgemäss  mit  der  Zeit  karzinomatös  entarten  können. 

Auf  diese  Weise  lassen  sich  Fälle  in  verhältnismässig  ein¬ 
facher  und  gefahrloser  Weise  chirurgisch  behandeln,  die  in 
der  vorrektoskopischen  Zeit  wegen  profuser  Blutungen  hätten 
laparotomiert  werden  müssen,  weil  man  bei  der  Unmöglich¬ 
keit,  die  Quelle  der  Blutung  exakt  festzustellen,  in  erster  Linie 
an  eine  maligne  Neubildung  denken  musste,  ein  Fortschritt  in 
der  Behandlung,  der  die  Wichtigkeit  der  rektoskopischen 
Untersuchung  bei  jeder,  auch  der  kleinsten  Darmblutung  er¬ 
weist. 


Aus  der  Grazer  dermatologischen  Klinik  (Vorstand:  Prof. 

Matzenaue  r). 

Zur  Bewertung  der  internen  Hg-Darreichung. 

Von  Privatdozent  Dr.  R.  P  o  1 1  a  n  d. 

Bei  Versuchen  über  die  Wirksamkeit  einiger  neuer  in¬ 
terner  Quecksilberpräparate  in  der  Syphilisbehandlung  hatte 
ich  bereits  einmal  Gelegenheit,  mich  mit  dem  M  e  r  j  o  d  i  n  der 
Firma  H.  Trommsdorff  in  Aachen  zu  beschäftigen  (cf.  Oesterr. 
Aerztezeitung  1910,  No.  9).  Ich  habe  damals  vorwiegend  über 
die  klinischen  Erfahrungen  mit  diesem  Präparat  berichtet,  das 
in  einer  grösseren  Anzahl  von  Syphilisfällen  verschiedenen 
Alters  und  Charakters  versuchsweise  angewendet  wurde.  Die 
Ergebnisse  dieser  Versuche  waren  nicht  ungünstig,  denn 
während  man  in  der  Regel  bei  interner  Hg-Darreichung  weder 
eine  besonders  rasche  noch  besonders  kräftige  Wirkung  zu 
sehen  gewohnt  ist,  konnte  ich  bei  Merjodingebrauch  auf  Grund 
der  Beobachtungen  am  Krankenmaterial  mit  Sicherheit  fest¬ 
stellen,  dass  sich  mit  diesem  Mittel  bei  normal  verlaufenden 
Luesfällen  auch  ohne  jede  weitere  Therapie  ganz  zufrieden¬ 
stellende  symptomatische  Erfolge  erzielen 
lassen,  wenn  auch  natürlich  so  prompte  und  energische  Wir¬ 
kungen  wie  mit  verschiedenen  Injektionspräparaten  nicht  er¬ 
wartet  werden  dürfen. 

Da  aber  doch  nicht  gar  so  selten  der  Fall  eintritt,  wo  aus 
äusseren  oder  im  Patienten  gelegenen  Gründen  eine  starke 
Hg-Kur  nicht  durchgeführt  werden  kann,  so  schien  es  mir  auf 
Grund  meiner  klinischen  Beobachtungen  nicht  zweifelhaft, 
dass  in  solchen  Fällen  das  Merjodin  ein  völlig 
brauchbares  Mittel  darstellt.  Denn  nach  meinen  Er¬ 
fahrungen  lassen  sich  mit  150—200  Merjodinpastillen,  bei  einer 
Tagesdosis  von  5 — 6  Stück,  ungefähr  dieselben  Wirkungen 
wie  bei  einer  schwachen  Schmierkur  erzielen. 

In  Ergänzung  meines  damaligen  Berichtes  möchte  ich  mir 
heute  gestatten,  über  vergleichende  Versuche  bezüglich  der 
Hg-Ausscheidung  bei  Merjodin  und  anderen  internen 
Präparaten  zu  referieren,  weil  wir  in  den  Ergebnissen  dieser 


Untersuchungen  die  Erklärung  für  die  therapeutische  Wirk¬ 
samkeit  des  Merjodin  erblicken  dürfen. 

An  unserer  Klinik  wurden  nämlich  im  Gange  einer  anderer 
Arbeit  genaue  und  in  mehrfacher  Hinsicht  interessante  Studier 
über  die  Ausscheidungsverhältnisse  bei  verschiedenen  Forme: 
der  Hg-Applikation  angestellt.  Der  Nachweis  im  Harn  ward: 
von  Dr.  B  u  c  h  t  a  1  a  im  Institute  für  medizinische  Chemu 
nach  einer  von  ihm  erdachten  ebenso  praktischen  wie  exakte: 
Methode  vorgenommen,  über  welche  der  Genannte  seinerzeil 
ausführlich  berichten  wird.  Ich  will  hier  aus  den  Ergebnisse: 
dieser  Untersuchungen  nur  hervorheben,  dass  bei  internei 
Darreichung  verschiedener  anderer  Quecksilberpräparate  niu 
eine  sehr  geringe  Menge  im  Harn  nachgewiesen  werde: 
konnte,  verglichen  mit  den  Mengen,  die  sich  bei  Einreibungs 
und  Injektionskuren  ergaben.  Da  aber  durch  die  Nieren  jene:; 
Teil  des  Hg  ausgeschieden  wird,  der  durch  Resorption  vor 
der  Applikationsstelle  aus  in  den  Blut-  und  Säftekreislauf  ge 
langte  und  so  seine  Wirksamkeit  entfalten  konnte,  so  ist  deil 
Schluss  berechtigt,  dass  von  jenen  Präparaten  nur  sehr  wenij. 
resorbiert  wurde,  ergo  nur  eine  geringe  Wirkung  zu  erwarte: 
stand  —  was  mit  den  klinischen  Erfahrungen  im  Einklang  steht 

Im  Gegensatz  dazu  ergab  sich  bei  Merjodin,  mal 
möchte  fast  sagen,  überraschender  Weise,  dass  das  im  Harr, 
nachweisbare  Quantum  des  ausgeschiedenen  Hg  im  rieh 
t  i  g  e  n  Verhältnis  zu  der  einverleibten  Menge  stand  und 
nahezu  so  gross  war,  w  i  e'  b  e  i  einer  leichte: 
I  n  u  n  k  t  i  o  n  s  k  ti  r,  und  dass  das  Hg  auch  ungefähr  ebenso 
bald  in:  Harn  nachweisbar  war. 

In  diesem  Resultat  ist  die  Erklärung  für  die  am  Patientei 
beobachtete  Wirksamkeit  des  Präparates  gegeben:  es  wird 
offenbar  gut  resorbiert,  ohne  lokal  nennenswert  zu  reizen 
und  es  kann  so  eine  grosse  Menge  Hg  in  den  Kreislauf  ge 
langen,  Angesichts  dieser  Tatsachen  muss  man  wohl  auc! 
bei  grosser  Skepsis  zugeben,  dass  es  nötigen  Falls  möglich  ist 
auch  durch  interne  Hg-Applikation  befriedigende  Heilerfolg 
zu  erzielen,  und  dass  zur  Durchführung  solcher  Kuren  da 
Merjodin  ein  durchaus  geeignetes  Präparat  darstellt. 

Bezüglich  der  obigen  Versuchen  zugrunde  gelegten  Ver 
hältnisse  über  die  Zusammensetzung  des  Präparate 
haben  wir  uns  von  den  Angaben  der  Firma  leiten  lassen.  Dies! 
besagen,  dass  Merjodin  dijodparaphenolsulfosaures  Queck 
Silber  ist;  die  Dosierung  ist  so  gewählt,  dass  jede  Tablett 
0,0021  g  Jod  und  0,0033  g  metallisches  Hg  enthält.  Es  wir 
also  eine  kombinierte  Jodquecksilberwirkung  erzielt. 

Was  jedoch  den  Einfluss  der  gleichzeitigen  Joddarreichun 
auf  die  Ausscheidung  des  Hg  anbelangt,  so  scheinen  nac 
unseren  Beobachtungen  darüber  die  Akten  noch  nicht  völli 
geschlossen  zu  sein.  Die  einen  meinen,  dass  Jod  die  Au« 
Scheidung  des  Hg  beschleunige,  andere  jedoch  behaupten  da 
Gegenteil.  Nach  unserer  Ansicht  dürfte  das  Jod  weder  in  dej 
einen  noch  in  der  anderen  Richtung  eine  in  Betracht  z; 
ziehende  Wirkung  ausüben.  Richtig  scheint  uns  jedoch  da! 
eine  zu  sein,  dass  die  gleichzeitige  Verabfolgung  von  Jod  di 
Gefahr  einer  eventuellen  Hg-Intoxikation  herabsetzt.  Un 
deshalb  ist  es  gewiss  kein  schlechter  Gedanke,  einem  interna 
Hg-Präparat  Jod  zuzusetzen,  auch  wenn  dadurch  die  Reso: 
bierbarkeit  des  Hg  nicht  wesentlich  gesteigert  werden  sollt* 


Aus  der  Abteilung  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheit:.; 
(Oberarzt:  Dr.  Arni  n  g)  und  dem  bakteriologisch-serc 
logischen  Institut  (Oberarzt:  Dr.  Jacobsthal)  des  allge 
meinen  Krankenhauses  St.  Georg  in  Hamburg. 

Anwendung  der  Hermann-Perutzschen  Reaktion  bi 
der  Prüfung  von  Lumbalpunktaten. 

Von  Dr.  Fritz  Lade. 

Es  liegt  sehr  nahe,  die  für  Blutsera  Syphilitischer  v< 
Hermann  und  P  e  r  u  t  z  ausgearbeitete  Präzipitation 
methode  auch  bei  Spinalflüssigkeit  zu  versuchen,  zumal  d. 
Verwertbarkeit  dieser  Methode  bei  Blutsera,  wie  ich  kiirzlk 
an  600  Fällen  sehen  konnte 1),  der  Wassermann  sehe 
Reaktion  nicht  nachsteht.  Da  meines  Wissens  noch  keine  Mi 


')  Lade:  Erfahrung  mit  H.-P.  an  600  Fällen.  D.  M.  W.  191 
No.  13. 


IS.  März  1913. 


teilungen  hierüber  vorliegen,  dürften  die  Resultate  einer  auch 
nur  kleinen  Versuchsreihe  nicht  uninteressant  sein.  Ich  habe 
die  H.-P.-Reaktion  an  zwei  Lumbalpunktaten  ausgeführt  und 
dabei  18  mal  eine  Uebereinstimmung  mit  dem  Wassermann  er¬ 
zielt.  Hie  drei  differenten  Fälle  sind  folgende:  ein  Liquor 
eines  Patienten  mit  der  Diagnose  Enzephalomalazie  ergab 
negativen  H.-P.  und  positiven  Wassermann.  Klinisch  war  es 
nicht  möglich,  mit  Bestimmtheit  dem  einen  oder  anderen  Re¬ 
sultat  den  Vorzug  zu  geben.  Die  übrigen  zwei  differenten 
Fälle  zeigten  positiven  H.-P.  und  trugen  die  Diagnosen  Menin¬ 
gitis  tuberculosa  und  Meningitis  epidemica.  Bei  dem  ersten 
Fall  war  der  Wassermann  negativ,  bei  dem  anderen  ver¬ 
unglückt.  Ob  bei  diesen  beiden  Fällen  etwa  zugleich  Lues 
vorlag,  konnte  leider  nicht  festgestellt  werden. 

Die  übereinstimmenden  Fälle  zeigten  10  mal  negativen  und 
Sinai  positiven  Ausschlag.  Die  negativen  Fälle  setzten  sich 
zusammen  aus  2  mal  multiple  Sklerose,  Aortitis  luica,  Hirn¬ 
luesverdacht,  Epilepsie,  Diphtherie,  Cephalea,  2  mal  Neur¬ 
asthenie  und  Tumor  cerebri.  Die  8  positiven  Fälle  waren: 
Marasmus  senilis,  3  mal  Lues  cerebri  und  4  mal  Paralyse. 
Letztere  Punktate  standen  mir  Dank  der  Liebenswürdigkeit  der 
Herren  Aerzte  der  Irrenanstalt  Friedrichsberg  zur  Verfügung. 
Nach  diesen  Resultaten  scheint  der  positive  Ausschlag  des  H.-P. 
ganz  zuverlässig  zu  sein,  doch  ist  die  Anzahl  meiner  Unter¬ 
suchungen  zu  klein,  um  ein  bestimmtes  Urteil  fällen  zu  können. 

Was  die  Ausführung  der  Reaktion  anlangt,  so  möchte  ich 
dazu  noch  einiges  bemerken.  Alle  Reaktionen  wurden  in  drei 
Dosen  und  zwar  mit  0,2,  0,4  oder  0,5  und  1,0  ccm  Lumbal¬ 
flüssigkeit  ausgeführt.  Dazu  wurden  bei  jeder  Dosis  immer  je 
U  der  beiden  anderen  Komponenten  getan.  Modifikationen 
mit  jeweils  gleichen  Lösungs-  und  Punktatmengen,  sowie 
anderweitige  Variationen  in  den  Mengeverhältnissen  der  ein¬ 
zelnen  Faktoren  zeigten  keine  greifbaren  Vorteile.  Bei  den 
positiven  Fällen  war  nun  nicht  immer  schon  die  0,2-Dosis 
positiv,  sondern  4  mal  blieb  sie  noch  negativ  und  selbst  die 
i.4-Dosis  blieb  noch  einmal  negativ.  Man  kann  also  wahr¬ 
scheinlich  nicht  mit  so  kleinen  Punktatmengen,  wie  bei  der 
W.-R.  auskoinmen.  Ob  sich  mit  dem  Hermann-Perutz  Aus- 
wertungsmethoden  anstellen  lassen  und  inwieweit  die  Stärke 
der  Ausflockung  einen  Schluss  zulässt,  konnte  bei  vorliegen¬ 
dem  kleinen  Material  noch  nicht  geklärt  werden.  Jedenfalls 
dat  aber  die  Hermann-Perutz  sehe  Reaktion  auch  bei  der 
Anwendung  bei  Spinalflüssigkeiten  eine  diagnostische  Be¬ 
deutung  und  verdient  weitere  Bearbeitung. 


Auch  eine  „Pilzvergiftung“. 

Von  Dr.  Dreisbach  in  Castellaun. 

Am  10.  Oktober  vor.  Jrs.  wurde  ich  telephonisch  dringend  zu 
äner  mit  „Gelenkschmerzen“  angeblich  schwer  erkrankten  Frau  M. 
iach  dem  5  km  entfernten  Orte  C.  gerufen.  Bei  meinem  Eintritt  mit 
dem  Rufe  begrüsst:  „Herr  Doktor,  hier  sehen  Sie  ein  ganzes  Lazarett“, 
and  ich  Vater,  Mutter,  9  jährige  Tochter,  Schwager  (Bruder  der 
"rau)  und  Dienstmädchen  bettlägerig  und  anscheinend  schwer  er¬ 
krankt;  als  das  einzige  mobile  Wesen  spielte  das  etwa  3  jährige 
löchterchen  lustig  krähend  mit  der  Puppe  in  der  Ofenecke.  Meine 
nomentan-automatisch  einsetzende  per  Distance-Diagnose  Influenza? 
lyphus?  wurde  überraschend  korrigiert  durch  die  mit  leiser  Stimme 
niide  vorgebrachten  Worte  des  Mannes:  „Herr  Doktor,  wir  müssen 
ms  beim  Dreschen  am  Dienstag  (8.)  vergiftet  haben,  meiner  Frau 
st  es  plötzlich  übel  geworden,  so  dass  sie  hinfiel  und  wir  sie  ins 
Jaus  führen  mussten,  mittags  musste  ich  mich  legen  vor  Frost  und 
■'Chwäche  und  später  auch  die  anderen“.  Ich  erfuhr  dann  noch,  dass 
jeim  Haferdreschen  mit  der  Göpelmaschine  ganze  Wolken  von  Staub 
entstanden  seien,  „so  dass  einer  den  anderen  manchmal  nicht  mehr 
'Gien  konnte“.  Später  überzeugte  ich  mich  an  Ort  und  Stelle,  dass 
n  dem  feucht  eingefahrenen  Haferstroh  sich  ganze  Lagen  von 
Schimmelpilzen  gebildet  hatten  und  dass  Stroh,  Spreu  und  Frucht 
muffig,  zum  Teil  faulig  rochen.  Die  Maschinenteile  und  die  Tenne 
waren  fingerdick  mit  grau-gelblich-weissein  Staub  bedeckt,  der  bei 
kr  Untersuchung  zu  Hause  reichlich  mit  Schimmelpilzen  durch¬ 
setzt  war. 

Die  Krankheitserscheinungen  waren  bei  allen  fast  überein¬ 
stimmend,  nur  graduell  verschieden:  subjektiv  abwechselnd  Frost¬ 
end  Hitzegefühl,  grösste  Mattigkeit  und  Hinfälligkeit,  bei  Frau  und 
sclnvager  starker  Kopfschmerz  in  der  Stirn  sowie  Gelenkschmerzen, 
eebelkeit  und  völlige  Appetitlosigkeit;  objektiv:  gerötete,  schweiss- 
hedeckte  Gesichter  von  mattem  apathischem  Ausdruck,  Augenlider 
halb  geschlossen,  Temperaturen  (vormittags  10  Uhr)  zwischen  38,5 
and  40,2,  Puls  gespannt,  bei  der  Frau  120,  bei  den  anderen  nicht  merk- 


591 


lieh  erhöht;  Mann,  Frau  und  Schwager  husteten  stark  ohne  Aus- 
wurf,  auf  der  Brust  nur  ganz  spärliches  Rasseln  hörbar,  nirgends 
Dampfung.  Urin  des  Schwagers  trübrot,  sauer,  Eiweiss  in  Spuren; 
nach  3  lagen  bei  allen  wesentliche  Besserung:  Nachlass  des  Fiebers, 
der  Kopf-  und  Gelenkschmerzen,  sowie  der  Mattigkeit,  die  bronchialen 
Beschwerden  dauerten  dagegen  noch  weiter,  beim  Mann  sind  sie 
heute  noch  nicht  ganz  verschwunden;  beim  Schwager  setzte  am 
5.  läge  ganz  akut  Akne-  und  Furunkulosebildung  in  der  linken 
Nacken-  und  Schultergegend  ein,  so  dass  er  erst  am  28.  X.  als  arbeits¬ 
fähig  aus  der  Behandlung  entlassen  werden  konnte.  —  Therapeutisch 
erwiesen  sich  Kodeinmixtur  sowie  Aspirintabletten  anscheinend 
wirksam.  — 

In  der  Folge  hatte  ich  eine  ganz  analoge  Erkrankung  im  Dorfe  R. 
zu  behandeln;  hier  waren  in  einem  Haushalt  zwei  Kinder  und  der 
Vater  unter  gleichen  Erscheinungen  kurz  nach  dem  Haferdreschen  er¬ 
krankt;  der  Mann,  ein  mir  seit  Jahren  bekannter  junger,  kräftiger 
Schmied,  machte  durch  sein  Abgeschlagensein  in  Verbindung  mit 
ausgesprochener  psychischer  Depression  einen  geradezu  jämmer¬ 
lichen  Eindruck;  auch  hier  nach  2 — 3  Tagen  Wohlbefinden.  —  Ambu¬ 
lant  suchte  ferner  Hilfe  ein  Mann  aus  dem  entfernten  D.,  der  angab, 
dass  ausser  ihm  noch  drei  andere  Personen,  die  dem  Gemeindevor¬ 
steher  beim  Haferdreschen  geholfen  hatten,  plötzlich  erkrankt  seien; 
er  habe  2  Tage  gelegen  mit  viel  Husten,  Kopfweh,  Schlaf-  und 
Appetitlosigkeit,  nach  starkem  Schwitzen  in  letzter  Nacht  ginge  es 
ihm  besser.  —  Tags  darauf  kam  der  24  jährige  W.  R.  aus  L.  zu  mir 
mit  der  Bitte,  ihm  etwas  gegen  die  „Dreschkrankheit“  zu  verordnen; 
auch  er  gab  an,  unmittelbar  nach  dem  Dreschen  mit  den  oben  ge¬ 
schilderten  Symptomen  erkrankt  zu  sein.  — 

Von  anderer  Seite  erfuhr  ich  noch,  dass  die  Leute,  um  sich  gegen 
die  bösen  Folgen  des  diesjährigen  Haferdreschens  zu  schützen,  Mund 
und  Nase  mit  vorgebundenen,  in  Essiglösung  getauchten  Tüchern 
bedeckten.  —  In  der  mir  zur  Verfügung  stehenden  Literatur  —  ich 
wohne  30 — 50  km  jenseits  der  Kultur  im  abgelegenen  Gebirgs- 
städtchen  —  habe  ich  nichts  über  Schimmelpilzvergiftung  finden 
können.  Der  Einwand,  dass  es  sich  lediglich  um  Inhalation  indiffe¬ 
renten  Staubes  gehandelt  habe,  dürfte  hinfällig  sein,  da  er  allenfalls 
die  Irritationserscheinungen  des  Larynx  und  der  Bronchien  erklären 
könnte,  schwerlich  aber  das  bei  allen  Fällen  vorhandene  Fieber,  die 
Kopf-  und  Gelenkschmerzen  und  das  so  charakteristische  Bild  einer 
anscheinend  schweren  Infektion. 


Ist  die  Ausführung  der  B r e n d e l-M ü 1 1 e r sehen  Reaktion 
durch  den  praktischen  Arzt  empfehlenswert? 

Von  Dr.  A.  Pöhlmann,  Assistenzarzt  an  der  Kgl.  dermato¬ 
logischen  Poliklinik  zu  München. 

In  No.  5  dieser  Wochenschrift,  Jahrgang  1913  hat  H.  C.  Plaut 
die  B  r  e  n  d  e  1  -  M  ii  1 1  e  r  sehe  Reaktion  [l]  mit  der  von  ihm  einge¬ 
führten  Extraktkontrolle  wegen  ihrer  leichten  Ausführbarkeit  dem 
praktischen  Arzte  empfohlen,  und  sieht  Plaut  einen  besonderen 
Vorteil  der  Br.-M.  R.  darin,  dass  der  Praktiker  in  ihr  eine  Mediode 
an  der  Hand  habe,  die  ihm  selbst  eine  Kontrolle  ermögliche,  und 
zwar  eine  Kontrolle  auch  über  die  in  den  Instituten  festgestellten 
serodiagnostischen  Resultate. 

Muss  schon  die  Empfehlung  einer  serologischen  Unlersuchungs- 
methode,  die  in  ihrem  System  mit  3  Unbekannten  neben- 
einand-er  arbeitet,  an  den  praktischen  Arzt  von  vornherein  be¬ 
denklich  erscheinen,  so  ist  die  Anschauung,  dass  die  Br.-M. -PI.  R.  U 
für  den  Praktiker  geeignet  sei,  die  Resultate  der  Original- W  asser- 
ni  a  n  n  -  Reaktion  zu  kontrollieren,  entschieden  zurückweisen! 

Dass  bei  den  bisher  gebräuchlichen  Modifikationen  der  originalen 
Komplementbindungsreaktion  nach  Wassermann,  N  e  i  s  s  e  r  und 
Bruck  die  Vereinfachung  der  Technik  und  die  „Verfeinerung“  (Er¬ 
zielung  einer  grösseren  Zahl  positiver  Resultate)  mit  einer  Einschrän¬ 
kung  der  klinischen  Spezifität  erkauft  werden  muss,  wird  heute  wohl 
fast  allgemein  anerkannt.  Es  sei  hier  besonders  auf  die  zusammen¬ 
fassende  Darstellung  von  Bruck  [2],  sowie  auf  die  vergleichenden 
Untersuchungen  von  Hoehne  und  Kalb  [3]  verwiesen. 

Was  nun  die  Br.-M.  R.  betrifft,  so  darf  hier  wiederholt  werden, 
dass  Brendel-Müller  wie  Hecht  den  Prozess  des  Inakti¬ 
vierens,  das  kostspielige  Meerschweinchenserum  und  den  künstlich 
erzeugten  hämolytischen  Ambozeptor  ersparen  und  dafür  das  im 
aktiven  Patientenserum  enthaltene  Komplement  und  den  Normal¬ 
ambozeptor  gegen  Hammelblut  benützen.  Dadurch,  dass  die  Methode 
nur  mit  3  leicht  zu  beschaffenden  Komponenten(Patientenserum,  Ex¬ 
trakt* 2)  und  Hammelblutkörperchenaufschwemmung)  arbeitet,  ist  sie 
ausserordentlich  einfach. 


*)  Br.-M.-Pl.  R.  =  Brendel-Müller  sehe  Reaktion  mit  der 
von  Plaut  eingeführten  Extraktkontrolle. 

2)  Wenn  freilich  die  Empfehlung  von  Brendel-Müller, 
wässerige  und  nicht  alkoholische  Extrakte  zur  Reaktion  zu  benützen 
(Empfindlichkeit  des  menschlichen  Komplements  gegen  Alkoholein¬ 
wirkung!)  strikt  durchgeführt  werden  soll,  so  bedeutet  dies  für  den 
praktischen  Arzt  eine  unüberwindliche  technische 
Schwierigkeit,  da  ja  bekanntlich  wirksame  wässerige  Extrakte 
schlecht  haltbar  und  nur  aus  syphilitischer  Leber  (ein  rarer  Artikel!), 
nicht  aber  aus  Normalorganen  herzustellen  sind. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


592 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


Beide  Stoffe,  Komplement  wie  Normalambozeptor,  sind  jedoch 
schon  ini  normalen  menschlichen  Serum  erheblichen  individuellen 
Schwankungen  unterworfen.  Besonders  die  Sera  von  Säuglingen 
und  ca.  10  Proz.  der  Seren  Ewachsener  enthalten  nicht  genug 
Normalambozeptor,  um  Hämolyse  zu  bewirken.  Gegen  die  Verwen¬ 
dung  aktiver  Sera  (Sachs  und  Altmann  [4])  spricht  ferner,  dass 
auch  einige  chronische  Krankheiten  und  Kachexien  (sog.  „Alexin¬ 
erkrankungen")  durch  eine  Herabsetzung  des  Alexintiters  ausge¬ 
zeichnet  sind.  So  ist  die  Herabsetzung  des  Alexingehaltes  im  Blute 
Luetischer  fast  regelmässig  so  bedeutend,  dass  seine  geringen  aktiven 
Potenzen  schon  durch  den  Eintritt  des  Luesextraktes  abgefangen 
werden.  Würde  man  bei  dieser  Art  der  Reaktionsanordnung  (Ar¬ 
beiten  mit  aktivem  Serum)  auch  das  Luesextrakt  noch  weglassen, 
so  bekäme  man  ebenfalls  eine  differente  Reaktion,  man  hätte  eben  eine 
Reaktion  auf  freies  Alexin  vorgenommen  (vergl.  die  Untersuchungen 
von  Bickel  [5]). 

Während  nun  die  Fehlerquelle,  die  sich  beim  Arbeiten  mit 
aktivem  Serum  aus  dem  Komplementmangel  ergeben  kann,  z.  B.  bei 
der  Sternschen  Modifikation,  vor  allem  dadurch  sehr  eingeschränkt 
wird,  dass  M.  S  t  e  r  n  mit  einem  starken'  Ueberschuss  von  künstlichem 
Ambozeptor  (9 — 12  Ambozeptoreinheiten!)  arbeitet,  müssen  dagegen 
B  r  e  n  d  e  1  und  Müller  in  ihrer  Versuchsanordnung  ausser  dem  un¬ 
genügenden  Vorhandensein  von  Komplement  auch  noch  einen  unge¬ 
nügenden  Gehalt  an  Normalambozeptor  befürchten. 

Brendel  und  Müller  suchen  die  sich  aus  Komplement-  und 
Ambozeptorarmut  eventuell  ergebenden  unspezifischen  Hemmungen 
dadurch  zu  vermeiden,  dass  sie  die  Antigenmenge  bedeutend  redu¬ 
zieren,  nur  mehr  wässerige  Extrakte  verwenden,  die  Sera  nur  in  ganz 
frischem  Zustande  untersuchen  und  in  der  Konzentration  der  Hammel¬ 
blutkörperchenaufschwemmung  auf  eine  2,5  proz.  (statt  5  proz.) 
heruntergehen.  Endlich  suchen  sie  durch  einen  hämolytischen  Vor¬ 
versuch  an  Hämolysinen  arme  Sera  zu  ermitteln  und  schliessen  solche 
von  der  Reaktion  aus. 

Trotz  dieser  Vorsichtsmassregeln  gelingtesjedochBren- 
d  e  1  -  M  ü  1 1  e  r  nicht,  unspezifische  Hemmungen  mit 
Sicherheit  zu  vermeiden!  Sie  erhielten  unter  241  nicht¬ 
syphilitischen  Kontrollfällen  10  unspezifische  Hemmungen  und  betonen 
Brendel-Müller  selbst,  dass  ihre  Modifikation  die  Original- 
W assermann  - Reaktion  nicht  ersetzen  könne  lind  dass  beide  Re¬ 
aktionen  nebeneinander  auszuführen  seien. 

Die  von  H.  C.  Plaut  angegebene  Modifikation  der  Br.-M.  R. 
besteht  in  der  Einführung  einer  weiteren  Kontrolle  in  die  Versuchs¬ 
anordnung.  Da  es  Vorkommen  kann,  dass  in  einem  Serum  in  geringer 
Zahl  vorhandene  blutlösende  Stoffe  zwar  hinreichen,  um  die  im  Vor¬ 
versuche  austitrierte  Blutkörperchenmenge  zu  lösen,  dass  sie  dazu 
aber  nicht  mehr  imstande  sind,  sobald  im  Hauptversuche  der  Extrakt¬ 
zusatz  (und  die  Wärme)  komplementvermindernd  wirken,  setzt 
Plaut  den  Extrakt  gleich  dem  Vorversuche  zu  und  gewinnt  so  eine 
weitere  Möglichkeit,  für  die  Methode  ungeeignete  Sera  ausfindig  zu 
machen  und  auszuschalten.  Als  eine  exakte  „Extraktkontrolle“  kann 
die  von  Plaut  eingeführte  Kontrolle  freilich  nicht  bezeichnet  werden, 
da  das  Versuchsgemisch  ja  das  Patientenserum  mit  seinen  Unbe¬ 
kannten  enthält. 

Plaut  hat  bei  70  Seris,  die  sowohl  nach  der  Original-Wasser- 
maunmethode  wie  nach  Brendel-Müller  (mit  der  von  Plaut 
eingeführten  Extraktkontrolle)  untersucht  wurden,  49  mal  überein¬ 
stimmende.  in  21  Fällen  diametral  verschiedene  Resultate  erhalten. 

Dass  die  Br.-M.-Pl.  R.  im  allgemeinen  mehr  positive  Resultate 
zeitigt  als  die  Wassermann  sehe  Reaktion  (Arbeiten  mit  in¬ 
aktivem  Serum  und  Ambozeptorüberschuss!)  ist  von  vornherein 
selbstverständlich  und  es  mögen  vielleicht  bei  entsprechendem  klini¬ 
schen  Befund  diese  Hemmungen  als  durch  Syphilis  bedingt  auch  als 
spezifische  betrachtet  werden.  Wird  man  aber  in  allen  Fällen,  wo 
eine  positive  Br.-M.-Pl.  R.  vorliegt,  mit  Sicherheit  sein  Urteil  in 
diesem  Sinne  abgeben  können? 

Diese  Frage  ist  zu  verneinen,  wie  denn  auch  Plaut  mit  Rück¬ 
sicht  auf  die  Fälle,  in  denen  die  Br.-M.-Pl.  R.  eine  unspezifische  Hem¬ 
mung  ergab  (10  Fälle  von  Brendel-Müller  und  Fall  21  von 
P  1  a  u  t)  —  sowie  auf  diejenigen,  in  welchen  die  Wa.-R.  der  Br.-M.- 
Pl.  R.  überlegen  war  — ,  sich  selbst  gegen  die  alleinige 
Anwendung  dieser  Methode  ausspricht. 

Will  man  ganz  sicher  gehen,  muss  man  eben 
immer  wieder  zur  Originalmethode  seine  Zuflucht 
nehmen  —  und  daher  haben  meines  Erachtens  der¬ 
artige  Modifikationen  zwar  sicher  theoretisches 
Interesse,  aber  keine  praktische  Bedeutung.  Einigen 
praktischen  Wert  höchstens,  wenn  man  sich  ihrer  neben  der  Original¬ 
methode  bedienen  will,  um  im  speziellen  Falle  Lues  mit  einiger  Sicher¬ 
heit  auszuschliessen,  doch  käme  da  in  erster  Linie  die  Modifikation 
von  M.  S  t  e  r  n  in  Betracht. 

Ich  gewinne  aus  der  Arbeit  von  Plaut  ebenfalls  den  Eindruck, 
dass  auch  Plaut  in  einem  Falle,  bei  dem  weder  Anamnese  noch 
Untersuchung  irgendwelche  für  Lues  verwertbare  Anhaltspunkte  er¬ 
gibt,  sich  scheuen  würde,  nur  auf  Grund  einer  positiven  Br.-M.-Pl.  R. 
hin  den  Patienten  für  luetisch  zu  erklären  und  die  notwendigen  thera¬ 
peutischen  Konsequenzen  zu  ziehen. 

Was  ergibt  sich  aus  diesen  Ausführungen  für  den  Standpunkt 
des  praktischen  Arztes? 

Plaut  empfiehlt  also  dem  Praktiker,  seine  Sera  in  ein  Institut 


zur  Untersuchung  zu  schicken  und  selbst  zu  Hause  die  Br.-M.-Pl.  R. 
auszuführen,  damit  habe  er  eine  wertvolle  Kontrolle  an  der  Hand, 
einmal  über  überraschende  Versager,  die  von  den  Instituten  gemeldet 
würden,  dann  bei  denjenigen  ärgerlichen  Fällen,  bei  welchen  bei  einer: 
und  demselben  Serum  aus  verschiedenen  Instituten  entgegengesetzt!. 
Resultate  mitgeteilt  würden. 

Was  nun  die  Kontrolle  der  Wa.-R.  durch  die  Br.-M.-Pl.  R.  be¬ 
trifft,  so  ist  von  praktischem  Interesse  doch  nur  das  Eintreten  des 
Falles,  dass  die  Br.-M.-Pl.  R.  positiv  ausfiel  bei  aus  einem  Institut  mit¬ 
geteilter  negativer  Wassermannreaktion. 

Wir  halten  dafür,  dass  der  praktische  Arzt  in  solchem  Falle 
—  vorausgesetzt  das  Fehlen  eines  eindeutigen  klinischen  Befundes  —  > 
nicht  berechtigt  ist,  einzig  und  allein  auf  den  positiven  Ausfall  der 
Br.-M.-Pl.  R.  hin  Lues  zu  diagnostizieren. 

Wie  ausgeführt,  sind  die  Bedenken,  die  sich  aus  dem  Arbeiten 
mit  aktivem  Serum  und  Normalambozeptor,  sowie  aus  dem  Mangel; 
wirklich  exakter  Kontrollen  ergeben,  zu  schwerwiegender  Natur,  und 
dann  geben  die  Verfasser  der  Methode  ja  selbst  zu,  dass  sie  trotz  der 
von  ihnen  angewandten  Vorsichtsmassregeln  das  Auftreten  unspezi¬ 
fischer  Hemmungen  nicht  verhüten  konnten. 

Die  Diagnose  Syphilis  ist  für  den  Patienten  von  so  weittragender 
Bedeutung,  dass  sie  absolut  sicher  fundiert  sein  muss. 

Stellen  wir  die  Diagnose  Syphilis  nur  serologisch,  und  zwar  auf 
Grund  einer  auf  Komplementfixation  beruhenden  Methode,  so  ist  un¬ 
bedingt.  zu  fordern,  dass  bei  dieser  Methode  das  Ausbleiben  der 
Hämolyse  einzig  und  allein  durch  die  Komplementbindung  durch  den 
Antigenantikörperkomplex  und  nicht  durch  irgendwelche  ander¬ 
weitige  Momente  bedingt  sein  kann.  Und  diese  Forderung  ist  bisherj 
durch  keine  Modifikation  erfüllt  worden,  sondern  nur  durch  die  Ori¬ 
ginalmethode.  Diese  arbeitet  in  ihrem  System  mit  nur  einer  einzigen 
Unbekannten  (dem  zu  untersuchenden  Patientenserum),  alle  übrigen. 
Komponenten  sind  bekannt  und  genau  austitriert,  und  ein  Wall  von; 
Kontrollen  schützt  gegen  alle  Zufälligkeiten.  Dass  die  Br.-M.-Pl.  R , 
die  mit  drei  Unbekannten  im  Versuchsgemisch  nebeneinander  arbeitete 
bei  welcher  die  Autoren  selbst  unspezifische  Hemmungen  zugeben,  bei 
welcher  eine  exakte  Austitrierung  der  einzelnen  Komponenten  gegen¬ 
einander  unmöglich  ist,  dass  diese  Methode  geeignet  sein  sollte,  die 
Originalmethode  zu  kontrollieren,  kann  unmöglich  zugegeben  werden. 

Da  keine  bisher  bekannte  Modifikation  der  Wa.-R.,  auch  die 
Br.-M.-Pl.  R.  nicht,  unspezifische  Hemmungen  mit  Sicherheit  zu  ver¬ 
meiden  imstande  ist,  so  möge  der  praktische  Arzt  die  Prüfung  seiner, 
Sera  nach  der  Originalmethode  und  in  den  Laboratorien  einwandfreien 
Institute  vornehmen  lassen. 

Die  Ansicht  Plauts,  „dass  die  Wa.-R.  fraglos  viel  zu  kompli¬ 
ziert  ist,  um  stets  fehlerfrei  von  allen  Instituten  gehandhabt  werden 
zu  können“,  gilt  sicher  nicht  für  die  Laboratorien  grosser  Institute,  an 
welchen  serologisch  geschulte  Untersucher  für  die  Richtigkeit  der 
Resultate  bürgen.  Dem  praktischen  Arzte,  der  sich  bei  so  wichtigen 
Untersuchungen  eben  nur  an  eine  zuverlässige  Adresse  wenden  möge, 
stehen  jetzt  einwandfreie  Institute  wohl  überall  zur  Verfügung,  zu¬ 
dem  ein  Versenden  der  Sera  auch  auf  grössere  Entfernungen  ihre  Re-- 
aktionsfähigkeit  nicht  beeinträchtigt. 

Kommt  es  dann  wirklich  ab  und  zu  vor,  dass  bei  ein  und  denn 
selben  Serum  von  verschiedenen  Instituten  verschiedene  Resultate 
mitgeteilt  werden,  so  darf  dies  den  Praktiker  nicht  gegen  die  Methode 
einnehmen.  Entgegengesetzte  Resultate  werden  sich  so  lange  nicht 
vermeiden  lassen,  als  nicht  in  allen  Instituten  mit  ein  und  demselber 
gleich  wirksamen  Antigen  (z.  B.  einem  chemisch  herzustellende1 
Extrakt)  gearbeitet  werden  kann,  und  bis  nicht  alle  Institute  die 
Frage,  ob  partielle  Hemmungen  als  positive  Resultate  auszugebei 
seien  oder  nicht,  einheitlich  geregelt  haben.  Der  Praktiker  wird 
meines  Erachtens  in  solchen  Fällen  keinen  Fehler  begehen,  wenn  et 
bei  entgegengesetzten  Resultaten  nur  die  positiven  verwendet,  immei 
einwandfreie  Institute  und  die  Untersuchung  nach  der  Original¬ 
methode  vorausgesetzt. 

Auch  die  Tatsache,  dass  bei  einem  gewissen,  wenn  auch  kleinen 
Prozentsatz  von  Fällen  florider  Lues  mit  manifesten  Erscheinungei1 
eine  negative  Wassermannreaktion  gefunden  wird,  kann  die  dia 
gnostische  Bedeutung  der  Reaktion  nicht  beeinträchtigen.  Wenn 
Plaut  das  Versagen  der  Wa.-R.  in  solchen  Fällen  „geradezu  rätsel-, 
haft  und  mit  den  bisherigen  Erfahrungen  schwer  in  Einklang  zu  brin 
gen“  findet,  so  ist  zu  bemerken,  dass  das  gleiche  auch  bei  de: 
Modifikationen  vorkommt,  und  darf  zur  Erklärung  dieses  merkwürdi 
gen  Verhaltens  mancher  Sera  nur  an  die  sogen,  monosymptomatischt 
Syphilis,  an  die  Komplementoidverstopfung,  an  den  Lezithinüber 
schuss  im  Serum  usw.  erinnert  werden  (vgl.  die  Darstellung  diese 
Verhältnisse  in  einer  Arbeit  von  Hecht  [6].  Wir  nehmen  ja  aucl 
nicht  Anstoss  daran,  dass  nicht  jedes  Typhusserum  agglutiniert  um 
dass  nicht  jeder  Diabetesharn  eine  positive  Trommer  sehe  Prob; 
gibt! 

Wir  fassen  zusammen,  dass  derjenige  Praktiker,  welcher  den  ii 
bewährten  Instituten  gewonnenen  Resultaten  der  Originalmethodi 
vertraut,  sich  zwar  mit  einer  geringeren  Zahl  von  positiven  Resultatei 
wird  begnügen  müssen  als  derjenige,  der  sich  auf  die  Modifikationei 
verlässt,  dafür  aber  nicht  wie  jener  Gefahr  laufen  wird,  Lues  zi 
diagnostizieren,  wo  in  Wirklichkeit  keine  vor 
handen  ist. 

Ist  so  meiner  Ansicht  nach  vor  der  Ausführung  von  Komplement 
bindungsreaktionen  überhaupt,  speziell  der  Modifikationen  durch  de: 


18.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


593 


Praktischen  Arzt  zu  warnen,  und  ihre  Ausführung  den  Instituten  zu 
eservieren,  so  scheinen  dagegen  die  neueren  Ausflockungsreaktionen 
tur  raschen  Orientierung  dem  Praktiker  empfohlen  werden  zu  können 
ind  werden-  wir  demnächst  über  diesbezügliche  Untersuchungen  aus- 
iihrlich  berichten. 

Literatur. 

1.  B  r  e  n  d  e  1  und  Müller:  Ausbau  der  Hecht  sehen  Modi- 
ikation  der  Wassermann  sehen  Reaktion.  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1912,  No.  32.  2.  Bruck:  Serodiagnostik  in  N  e  i  s  s  e  r,  Bei¬ 

rüge  zur  Pathologie  und  Therapie  der  Syphilis.  1911.  —  3.  Hoehne 
ind  Kalb:  Vergleichende  Untersuchungen  der  Originalmethode  nach 
Wassermann  mit  den  übrigen  gebräuchlichen  Modifikationen. 
4rch.  f.  Derm.  u.  Syph.,  Bd.  104.  —  4.  Sachs  und  Altmann: 
Tomplementbindung.  Handbuch  der  pathog.  Mikroorg.  Heraus- 
regeben  von  K  o  1 1  e  und  Wasserman  n.  2.  Ergänzungsband, 
•>.  Heft.  —  5.  Bickel:  Komplementbindung-Alexintiter.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1912,  No.  15.  —  6.  Hecht:  Klin.  u.  serolog.  Unter¬ 
suchungen  bei  Syphilis,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  malignen 
Formen.  Arch.  f.  Derm.  u.  Syph.,  Bd.  104,  H.  3. 


Bewegungsvorgänge  am  pathologischen  Magen  auf  Grund 
röntgenkinematographischer  Untersuchungen. 

Erwiderung  auf  die  Bemerkung  von  Holzknecht  undHaudek 

(in  No.  8  dieser  Wochenschrift)  von  Carl  Bruegel. 

Auf  die  Bemerkung  von  Holzknecht  und  Haudek  zu 
meinem  Artikel  in  No.  4  dieser  Wochenschrift  habe  ich  folgendes 

su  erwidern: 

Der  aus  meinem  Artikel  entnommene  und  wörtlich  zitierte 
jesperrt  gedruckte  Passus 

„Bruegel  bezeichnet  eine  von  ihm  hiebei  jedesmal  gesehene 
lorizontale  Abschlusslinie  des  wismutgefüllten  Antrum  pylori  als  den 
Ausdruck  einer  Behinderung  des  Ablaufes  der  Kontraktionswellen  am 
uäpylorischen  Anteile  des  Magens  durch  Wandinfiltrat  oder  Narbe, 
.vahrscheinlich  verbunden  mit  Verwachsungen“ 
ludet  sich  in  kleinen  Lettern  bei  Besprechung  des  Falles  R. 
md  ist  eigentlich  eine  von  mir  mit  Unrecht  gestellte  Dia- 
jnose.  Deshalb  fahre  ich  auch  (3  Zeilen  nach  obigem  Zitat) 
olgendermassen  fort:  - - wurde  der  Magen  mit  grösster  Gründlich¬ 

keit  und  Sorgfalt  abgesucht.  Nirgends  fand  sich  eine 
Wandveränderung,  nirgends  eine  Narb  e.“  Dieses 
Vorgehen  entspricht  nicht  dem  allgemeinen  Brauche.  Soviel  zur 
-'eststellung. 

Was  meine  aus  den  Fällen  gezogenen  Schlüsse  anlangt,  so  hätte 
ch  eigentlich  gar  nichts  hinzuzufügen.  Der  Operationsbefund  und 
die  Autopsie  in  vivo  sind  so  absolut  eindeutig,  dass  irgend  welche 
-inwände  gar  nicht  gemacht  werden  können.  Holzknecht  und 
laudek  geben  selbst  zu,  dass  „gelegentlich“  kallöse  Ulzera,  Wand- 
nfiltrate  oder  Adhäsionen  die  von  mir  beschriebene  horizontale  prä- 
wlorische  Abschlusslinie  hervorrufen  können.  Kommt  diese  Linie 
iei  der  kinematographischen  Untersuchung  konstant, 
i  h.  auf  allen  Phasenbildern  vor,  so  kommt  derselben  dia- 
jnostische  Bedeutung  zu.  Unter  dieser  Voraussetzung  und 
aei  Ausschluss  der  Sedimentierungsmöglichkeit  ist  diese  prä- 
aylorische,  horizontale  Begrenzungslinie  der  Ausdruck  dafür,  dass 
Teile  der  antralen  Muskulatur  die  Fähigkeit  verloren  haben,  sich  in 
gleichsinniger  Weise  von  allen  Seiten  her  konzentrisch  zu  kon- 
rahieren.  Diese  Erklärung  passt  auf  alle  hier  in  Betracht  kommenden 
Pathologischen  Verhältnisse.  Und  um  solche  handelt  es  sich  stets, 
venn  obige  Voraussetzungen  erfüllt  sind.  Ich  habe  mit  keinem  Wort 
-rwahnt,  dass  diese  wiederholt  genannte  Linie  ausschliesslich 
Jathognomonisch  ist  für  Ulcus  callosum,  Wandinfiltrat  oder  Ad- 
läsionen;  denn  ich  fahre  wörtlich  fort:  „Dieser  Zustand  kann 

lerbeigefiihrt  werden  durch . “  Ich  wiederhole  ausdrücklich, 

lass  ich  nirgends  in  der  Literatur  bis  zur  Veröffent- 
ichung  meiner  Fälle  weder  diese  Entstehungs- 
Möglichkeiten  erwähnt  fand,  noch  die  dia¬ 
gnostische  Verwertbarkeit  dieser  Abschlusslinie. 

Ich  habe  viele  Serien  von  Kinematogrammen,  wo  auf  einzelnen 
Tasenbildern  eine  ähnliche,  aber  lange  nicht  so  breite,  horizontale 
vüpylorische  Begrenzungslinie  zu  sehen  ist.  Es  wäre  kritiklos,  die¬ 
selben  als  hieher  gehörig  zu  betrachten.  Und  selbst  die  veröffent¬ 
lichten  Fälle  hätte  ich  zurückgestellt,  wenn  nicht  die  Operation 
edesmal  den  unwiderleglichen  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner 
Behauptung  erbracht  hätte. 

Ob  Durchleuchtung  oder  Aufnahme?  Hierüber  kann  kein  Zweifel 
^in.  Es  würde  ein  erheblicher  Mangel  an  Sorgfalt  und  Gründlichkeit 
rorliegen,  wenn  der  betreffende  Fall  nicht  zuerst  genauestens  am 
euchtschirm  auch  palpatorisch  untersucht  worden  wäre.  Die 
-euchtschirmuntersuchung,  deren  überaus  hohen  Wert  und  deren 
ibsolute  Unentbehrlichkeit  ich  voll  und  ganz  anerkenne,  hat  aber  die 
Aufschlüsse  nicht  erbracht,  welche  dann  die  Kinematographie  ge¬ 
geben  hat.  Auch  in  diesen  Fällen  war  die  Methode  der  Serien- 
lufnahmen  „die  höhere  Instanz“,  wie  Kaestle  in  No.  7  dieser 
Wochenschrift  bei  der  Beschreibung  seiner  vereinfachten  Bio- 
öntgenographie  sich  ausdrückt.  Holzknecht  und  Haudek 

No.  11. 


halten  auch  in  solchen  ballen  die  Durchleuchtung  nicht  nur  für  ge¬ 
nügend,  sondern  für  empfehlenswerter.  Diese  Stellungnahme  erklärt 
sich  daraus,  dass  die  Wiener  Schule  überhaupt  der  graphischen 
Methode  und  damit  dem  Kinematogramm  gegenüber  eine  mehr  ab¬ 
lehnende  Haltung  einnimmt.  Mit  wie  viel  Recht  oder  Unrecht,  das 
soll  hier  nicht  erörtert  werden.  So  hat  H  a  u  d  e  k  auf  dem  vorjährigen 
S.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft  (siehe  Diskussions¬ 
bemerkungen  zu  dem  Vortrag  Le  vy- Dorn  und  Silberberg 
über  Polygramme)  wörtlich  erklärt:  „Die  Photographie  ist  mir  nichts 
anderes  als  die  Demonstration  für  andere,  für  mich  brauche  ich 
sie  nie.“ 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Die  Psychoneurosen  und  ihre  Behandlung. 

Von  Dr.  Robert  Neupert,  Kgl.  Oberarzt  a.  D.  in  Nürnberg. 

(Schluss.) 

Wir  kommen  nun  zu  der  wichtigen  Frage,  worin  das  eigentliche 
Wesen  der  Neurose  zu  erblicken  ist.  Der  psychogene  Charakter  der 
Hysterie  wurde  verhältnismässig  früh  vom  Char  cot  erkannt.  Dagegen 
hielt  man  lange  in  Bezug  auf  die  Neurasthenie  an  der  Anschauung 
fest,  dass  sie  mehr  oder  weniger  körperlich  bedingt  sei.  Die  Zwangs¬ 
erscheinungen  wurden  allgemein  von  alters  her  den  Psychosen  zu¬ 
gerechnet.  Es  würde  hier  zu  weit  führen,  wollte  ich  all  der  früheren 
I  heorien  gedenken,  welche  über  das  Wesen  der  verschiedenen  unter¬ 
schiedenen  Krankheitsformen  entwickelt  wurden  und  sich  vielfach  in 
spitzfindigen  Trennungen  derselben  z.  B.  der  Neurasthenie  von  der 
Hypochondrie  bewegten,  Versuche,  die  notwendig  misslingen  mussten, 
weil  eben  in  Wirklichkeit  eine  Trennung  unmöglich  ist.  Alle  früheren 
Theorien  kranken  weiter  mehr  oder  weniger  an  einem  gemeinsamen 
Grundfehler,  sie  lassen  eine  exakte  psychologische  Fundierung  — 
und  nur  auf  diesem  Weg  können  wir,  wenn  nicht  zum  Ziel,  so  doch 
vorwärts  kommen  —  vermissen.  Sehr  oft  kann  man  auch  eine  Ver¬ 
wechslung  der  quaestio  facti  mit  der  quaestio  juris  konstatieren.  So 
sind  es  vielfach  ganz  verwaschene  Auffassungen,  die  nach  der 
psychologischen  Seite  intellektualistische  und  affektive  Elemente  ohne 
klare  Scheidung  vermengen,  ja  selbst  manchmal  physiologische  Ten¬ 
denzen  darein  verweben.  Konsequent,  wenigstens  in  der  Theorie, 
scheint  mir  von  den  Neueren  nur  Dubois  zu  sein,  der  an  einer  rein 
intellektualistischen  Auffassung,  wie  wir  später  sehen  werden,  freilich 
ganz  zu  Unrecht,  festhälf.  Mit  Sokrates,  dem  „grossen  Einäugigen“, 
der  einen  Bruchteil  der  Wahrheit  für  die  ganze  Wahrheit  hielt,  ist 
auch  Dubois  ein  Vertreter  einer  intellektualistisch  begründeten 
Ethik.  ooyJ'sie  kxwv  u/xu^iüyei.  Tugend  ist  Wissen,  wir  brauchen 
unseren  Kranken  nur  Tugend  zu  lehren,  das  ist  Selbstbeherrschung, 
um  sie  zu  heilen.  Die  Selbstzucht  soll  die  Menschen  zu  dieser 
ethischen  Einsicht  bringen,  welche  den  Impuls  des  Gefühls  zurück¬ 
hält,  bis  die  hehre  Vernunft  ihre  Einwilligung  gegeben  hat.  Diese 
Selbstzucht  müssen  wir  unseren  Kranken  lehren,  um  sie  weniger 
„suggestibel“  und  „vernünftiger“  zu  machen  und  so  aus  den  Krallen 
der  Autosuggestion  und  der  schlechten  fremden  Beeinflussungen  zu 
befreien.  Nun,  dass  diese  Theorie  nicht  bloss  philosophisch  unhaltbar 
ist,  sondern  auch  den  handgreiflichsten  psychologischen  und  psycho- 
pathologischen  Tatsachen  in  das  Gesicht  schlägt,  darüber  glaube  ich 
kein  Wort  weiter  verlieren  zu  brauchen.  Wenn  Dubois  gleichwohl 
zu  einem  unserer  wirkungsvollsten  Psychotherapeuten  zählt,  so 
liegen  die  Gründe  hierfür  auf  einem  anderen  Gebiet.  Jedenfalls  geht 
das  eine  hervor,  dass  man  ausgezeichnete  psychotherapeutische 
Erfolge  erzielen  kann,  ohne  von  Philosophie  allzuviel  zu  verstehen. 
Eine  wirklich  scharfe  Erfassung  vom  rein  psychologischen  Stand¬ 
punkt  aus  erfuhr  das  Problem  erst  durch  Breuer  und  Freud. 
Diese  beiden  Forscher  veröffentlichten  im  Jahre  1893  im  Neuro¬ 
logischen  Zentralblatt  eine  Arbeit,  die  sich  betitelte:  Ueber  den 
psychischen  Mechanismus  hysterischer  Phänomene.  Bevor  ich  nun 
auf  die  Arbeiten  Breuer  und  Freuds  näher  eingehe,  möchte  ich 
vorher  einige  kurze  psychologische  Bemerkungen  machen  über  Ober¬ 
und  Unterbewusstsein,  da  dies  zum  Verständnis  der  F  r  e  u  d  sehen 
Arbeiten  wohl  nötig  ist. 

Wir  müssen  daran  festhalten,  dass  alle  unsere  Vorstellungen, 
Empfindungen  und  Gefühle,  die  wir  je  erlebt  haben,  in  der  Seele  fort¬ 
existieren.  Keine  Vorstellung  geht  absolut  verloren,  auch  wenn  sie 
vergessen  wird.  Sie  ist  aus  dem  Bewusstsein,  ja  aus  der  Erinnerung, 
aber  sie  ist  nicht  zerstört.  Sie  ist  da  und  wirkt  fort.  Eine  einzige 
Wahrnehmung  nach  vielen  Jahrzehnten  taucht  oft  auf.  In  der  Krank¬ 
heit  erwachsen  manchmal  ungewöhnliche  Erinnerungskräfte  und  dem 
Kranken  erscheinen  oft  längst  vergessene  Eindrücke  aus  der  Kinder¬ 
zeit.  Die  seelischen  Erlebnisse  sind  wie  Gemälde  in  einem  dunklen 
Saal.  Sie  werden  erkannt,  wenn  ein  Lichtstrahl  auf  sie  fällt.  Der 
Lichtstrahl  aber  heisst  Bewusstsein.  Aus  der  grossen  Zahl  unserer 
Vorstellungen  steht  uns  zu  einem  gewissen  Zeitpunkt  immer  nur  eine 
kleine  Anzahl  klarer  und  deutlicher  Vorstellungen  vor  der  Seele. 
40  sollen  unter  optimalen  Bedingungen  das  Höchstmass  sein.  Alle 
übrigen  sind  unbewusst.  Das  Kommen  (Bewusstwerden)  und  Gehen 
(Unterbewusstwerden)  der  Vorstellungen  nennt  man  auch  bildlich 
das  Steigen  über  die  Bewusstseinsschwelle  und  das  Sinken  unter 

4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  ll. 


dieselbe.  Wenn  gleichwohl  die  neuere  Psychologie  nur  die  bewussten 
Vorstellungen  als  wirklich  erklärt  und  in  den  unbewussten  nur 
psychophysische  Dispositionen  sieht,  welche  die  Möglichkeit  einer 
Erneuerung  der  entsprechenden  Seelenvorgänge  gewährleisten,  so 
dass  also  jedes  Bewusstwerden  einer  Vorstellung  eigentlich  eine 
Wiedererzeugung  ist,  so  werden  wir  doch  diese  Dispositionstheorie 
auf  Grund  der  psychopathologischen  Erfahrungen  ablehnen  und  an 
der  alten  Identitätstheorie  der  Herbart  sehen  Schule  festhalten, 
nach  der  die  Vorstellungen  unvergängliche  Wesenheiten  darstellen. 
Es  gibt  nun  keine  scharfe  Grenze  zwischen  Ober-  und  Unterbewusst¬ 
sein,  sondern  nur  Uebergänge.  Nach  L  i  p  p  s  finden  sich  unbewusste 
Empfindungen  und  Vorstellungen  nicht  nur  gelegentlich  in  uns.  Der 
psychische  Lebenszusammenhang  spielt  sich  jederzeit  der  Haupt¬ 
sache  nach  im  Unterbewusstsein  ab.  So  geht  nach  L  i  p  p  s  das 
psychische  Leben  jederzeit  weit  hinaus  über  das  Mass  dessen,  was 
in  Gestalt  von  Bewusstseinseinheiten  oder  Bildern  in  uns  gegenwärtig 
ist  oder  gegenwärtig  sein  kann.  Nietzsche  versteigt  sich  sogar 
zur  Behauptung:  Man  muss  noch  den  grössten  Teil  des  bewussten 
Denkens  unter  die  Instinkttätigkeiten  rechnen,  sogar  im  Falle  des 
philosophischen  Denkens.  Das  meiste  bewusste  Denken  eines  Philo¬ 
sophen  ist  durch  seine  Instinkte  heimlich  geführt  und  in  bestimmte 
Bahnen  gezwungen.  Auch  hinter  aller  Logik  und  ihrer  anscheinenden 
Selbstherrlichkeit  der  Bewegung  stehen  Wertschätzungen.  Nach 
Freud  ist  das  Unbewusste  das  eigentlich  reale  Psychische,  und 
nach  seiner  inneren  Natur  so  unbekannt,  wie  das  Reale  der  Ausseri- 
welt  und  uns  durch  die  Taten  des  Bewusstseins  ebenso  unvollständig 
gegeben,  wie  die  Aussenwelt  durch  die  Angaben  unserer  Sinnes¬ 
organe.  Aber  das  Unterbewusstsein  erfährt  bei  Freud  nun  noch 
eine  besondere  Färbung.  In  seinem  Bewusstsein,  wie  er  mit  Be¬ 
tonung  sagt,  ist  das  Bewusstseinsunfähige,  das  Verdrängte,  das  Dä¬ 
monische,  das  seinem  Inhalt  nach  vornehmlich  Sexuale  das  Wesent¬ 
liche.  Welche  Rolle,  so  ruft  Freud  aus,  verbleibt  in  unserer  Dar¬ 
stellung,  dem  einst  allmächtigen,  alles  andere  verdeckenden  Bewusst¬ 
sein?  Keine  andere  als  die  eines  Sinnesorgans  zur  Wahrnehmung 
psychischer  Qualitäten.  Dass  eine  derartige  Definition  des  Bewusst¬ 
seins  eine  gradezu  groteske  Unterschätzung  desselben  darstellt,  be¬ 
darf  wohl  keiner  weiteren  Auseinandersetzung. 

Ich  will  nun  kurz  auf  die  Theorien  Freuds  eingehen.  Nach 
Freud  liegt  den  hysterischen  Phänomenen  stets  ein  psychisches 
Trauma  zugrunde,  das  in  einem  mit  mehr  oder  weniger  starker  Unlust 
betonten  Erlebnis  besteht,  und  zwar  kommt  die  psychische  Störung 
dadurch  zustande,  dass  dieses  affektbetonte  Erlebnis  nicht  auf  normal¬ 
psychologische  Weise  seine  Erledigung  fand,  sondern  dass  der  Affekt 
eingeklemmt  wurde.  Unter  normaler  Erledigung  eines  Affektes  ver¬ 
stehen  Breuer  und  Freud  die  „ganze  Reihe  willkürlicher  und 
unwillkürlicher  Reflexe,  in  denen  sich  erfahrungsgemäss  die  Affekte 
entladen,  vom  Weinen  bis  zum  Racheakt.“  Auch  durch  die  Aussprache 
kann  ein  normales  Abreagieren  der  Affekte  erfolgen.  Schliesslich  ist 
es  auch  die  Zeit,  die  ein  Abblassen  und  Vergessen  schafft.  Nach 
Freud  werden  im  pathologischen  Zustand  nun  bewusst  erlebte 
gefühlsbetonte  Eindrücke  peinlichen  Charakters  in  das  Unbewusste 
verdrängt,  wo  sie  insgeheim,  ohne  ihre  wahre  Natur  zu  ver¬ 
raten,  sich  durchzusetzen  versuchen  und  körperlich  und  psychisch 
wirksam  werden.  Die  Art  und  Weise,  wie  sich  der  psychische 
Mechanismus  vollzieht,  ist  einmal  die  der  Konversion;  an  Stelle  jener 
unlustbetonten  Erinnerung  tritt  ein  körperliches  Symptom.  Dadurch, 
dass  diese  pathogene  Erinnerung  in  das  Unbewusste  geschoben 
wurde,  wurde  sie  von  dem  zu  ihr  gehörigen  Affekt  gelöst,  welcher 
da  unerledigt  eine  Umsetzung  in  das  Körperliche  erfährt.  In  seinen 
späteren  Arbeiten  betonte  Freud  mehr  das  Prinzip  der  Verdrängung. 
Ein  affektbetontes  Erlebnis,  das  nicht  in  normaler  Weise  ein  Ab¬ 
reagieren  erfährt,  wird  in  das  Unbewusste  geschoben.  Diese  seine 
Theorie  glaubt  Freud  auch  empirisch  nachweisen  zu  können  durch 
die  von  ihm  ausgebildete  Methode  der  Psychoanalyse.  Während 
früher  Freud  auf  dem  Wege  der  Hypnose  eine  kathartische  Wir¬ 
kung,  das  ist  eine  Befreiung  des  Kranken  von  den  in  seinem  Unter¬ 
bewusstsein  wirksamen  pathogenen  Zuständen  erreichen  zu  können 
glaubte,  verliess  er  später  diese  Methode  und  wandte  sich  der 
Psychoanalyse  zu,  die  er  im  Wachbewusstsein  vornahm.  Und  auf 
Grund  der  Tatsache,  dass  man  dem  Patienten  gewisse  Einfälle  ab¬ 
ringen  musste,  schloss  Freud  auf  einen  Widerstand  von  seiten  des 
Patienten,  der  psychologisch  so  zu  erklären  sei,  dass  der  Patient 
dem  Bewusstwerden  der  pathogenen  Vorstellungen,  die  immer  pein¬ 
liche  Erlebnisse  darstellen  sollen,  sich  widersetzt.  Diese  Erlebnisse 
nun,  die  der  Kranke  nur  unter  Widerstreben  herausgibt,  sind  nach 
Freud  sexuelle  Ereignisse  aus  der  Kindheit.  Während  also  früher 
die  verschiedensten  psychischen  Traumata  die  krankhaften  Phänomene 
auslösen  konnten,  ist  es  jetzt  nur  eine  einzige  Noxe,  die  dies  bewirkt, 
das  sexuelle  Trauma  aus  der  Kindheit.  Der  im  Unterbewussten 
wirkende  pathogene  Faktor  kann  aber  auch  noch  eine  Determinierung 
durch  Symbole  erfahren,  wie  dies  im  normalen  Leben  im  Traum  zu 
geschehen  pflegt.  Und  so  lag  es  für  Freud  sehr  nahe,  auch  das 
Traumleben  für  seine  Zwecke  in  ausgedehntem  Masse  heranzuziehen. 
Freud  unterscheidet  beim  Traum  den  manifesten  Trauminhalt,  der 
aber  das  Sonderbare,  das  er  bietet,  verlieren  und  verständlich  gemacht 
werden  kann,  so  dass  die  latenten  Traumgedanken  zum  Vorschein 
kommen  durch  die  Traumdeutung.  Die  Umwandlung,  die  der  durch 
die  Analyse  gefundene  Traumgedanke  durch  den  manifesten  Traum¬ 
inhalt  gefunden  hat,  nennt  Freud  die  Traumarbeit.  Der  Traum  ist 
nun  ein  Wunschdelir.  „Es  gibt  keinen  harmlosen  Traum.“  Jeder 


Traum  enthält  erotische  Wünsche.  Nur  gibt  er  sie  in  Symbolen,  und 
diese  Symbole  zu  deuten  ist  eben  die  Kunst  der  Traumdeutung,  die 
übrigens,  auch  wenn  man  den  Spuren  Freuds  folgt,  nicht  so 
schwer  ist,  als  gemeinhin  angenommen  wird.  Denn  nachdem  die 
Traumdeutung  ja  doch  immer  nur  auf  sexuelle  Vorgänge  hinausläuit, 
so  kommt  es  nicht  darauf  an,  ob  etwas  mehr  oder  weniger  Phantasie 
dabei  zur  Verfügung  steht. 

Man  mag  nun  über  die  Theorie  Freuds  in  ihrem  ganzen  Um¬ 
fang  und  ihre  Anwendung  auf  die  Praxis  denken  wie  man  will,  die 
Ideen,  von  denen  Freud  ausging,  stellen  eine  ganz  geniale  Kon¬ 
zeption  dar,  die  nicht  bloss  für  das  neurotische  Problem  von  grösster 
Wichtigkeit  sind,  sondern  auch  Wahrheiten  enthalten,  die  kaum  mehr 
aufgegeben  werden  dürften.  Dazu  rechne  ich  seine  Lehre  von  der 
Verdrängung  des  Affekts,  die  durch  die  verschiedenen  psychoanalyti¬ 
schen  Methoden  erwiesen  erscheint.  Auch  seine  Konversionstheorie 
halte  ich  für  mehr  als  eine  brauchbare  Hypothese.  Ein  weiteres 
Verdienst  Freuds  besteht  in  der  starken  Betonung  von  der  Be¬ 
deutung  des  Gefühls  für  die  Entstehung  psychopathologischer  Er¬ 
scheinungen  und  in  dem  m.  M.  exakten  Nachweis,  dass  unser  be¬ 
wusstes  Denken,  Fühlen  und  Wollen  auf  Schritt  und  Tritt  von  un¬ 
bewussten  Unterströmungen,  „subliminierten“  Mächten  beherrscht 
wird.  Weiterhin  dürfte  auch  das  vertiefte  und  eingehende  indi¬ 
viduelle  Erfassen  des  gesunden  und  kranken  Geisteslebens  direkt 
vorbildlich  wirken,  nicht  bloss  für  den  Psychologen  und  Psychiater, 
sondern  auch  für  den  Pädagogen  und  Seelsorger.  Eine  entschiedene 
Ablehnung  muss  dagegen  Freuds  Sexualtheorie  erfahren,  die  das 
gesamte  Seelenleben  fast  identisch  mit  Sexualität  setzt.  Starker 
Skeptizismus  ist  wohl  auch  bei  seiner  Lehre  von  den  Symbolen  am 
Platze,  da  er  hier  nicht  mehr  auf  dem  Boden  wissenschaftlicher 
Forschung  sich  bewegt,  sondern  als  Spielball  seiner  Phantasie  er¬ 
scheint.  Freud  erinnert  in  mancher  Hinsicht  an  Schopenhauer, 
dem  an  Inkonsequenzen  so  überreichen  Philosophen.  Von  einem  Idea¬ 
lismus  ausgehend,  in  dem  starke  Wahrheitsmomente  enthalten  sind, 
verfällt  Schopenhauer  bei  der  weiteren  Ausführung  seines 
Systems  in  den  gröbsten  Materialismus:  Das  Denken  wird  ihm  eine 
Hirnfunktion.  Aehnliche  Widersprüche  können  wir  auch  bei  Freud 
aufdecken.  Der  gesunde  psychologische  Ideen  entwickelnde  For¬ 
scher  gerät  wohl  auf  Grund  einer  mächtig  quellenden  Phantasie  aut 
Seitenwege,  die  sich  stellenweise  zur  Sackgasse  ausbilden.  Ich  will 
nur  auf  den  von  I  s  s  e  r  1  i  n  hervorgehobenen  Widerspruch  hin- 
weisen,  auf  seine  Annahme,  dass  die  Ursache  der  Neurose  in  letzter 
Linie  auf  einer  verdrängten  Sexualität  beruhe,  die  durch  einen 
chemisch-organischen  Prozess  bedingt  ist.  Es  ist  unmöglich,  an  dieser 
Stelle  auf  die  Theorien  Freuds  in  erschöpfender  Weise  einzugehen 
und  auf  ihre  eventuelle  Widerlegung.  Man  muss  die  Schriften 
Freuds  selber  studieren  und  wer  einen  kritischen  Führer  haben 
will,  dem  möchte  ich  die  Arbeiten  I  s  s  e  r  1  i  n  s  empfehlen,  deren 
Lektüre  nicht  bloss  wissenschaftliche  Anregung,  sondern  auch  ästhe¬ 
tischen  Genuss  bereitet.  Sie  sind  scharfsinnig  und  kristallklar  ge¬ 
schrieben  und  decken  alle  wunden  Punkte  des  Freud  scheu 
Systems  auf,  ohne  dabei  seine  Grösse  zu  verkennen.  Eine  Grösse 
aber  ist  Freud  trotz  alledem:  in  der  Konstruktion  einer  eigen¬ 
artigen,  grosszügigen  und  kühnen  Weltanschauung.  Und  rein  mensch¬ 
lich  werden  wir  den  Mut  der  Forschung  bewundern  und  die  Be¬ 
geisterung,  die  ihn  beseelt.  Noch  möchte  ich  eines  von  Adler 
unternommenen  Versuches  gedenken,  das  neurotische  Problem  zu 
lösen.  Adler  geht  über  Freud  hinaus  in  seiner  Arbeit  über  den 
nervösen  Charakter:  Am  Anfang  der  Entwicklung  zur  Neurose,  so 
führt  Adler  aus,  steht  drohend  das  Gefühl  der  Unsicherheit  und 
Minderwertigkeit  und  verlangt  mit  Macht  eine  leitende,  sichernde,  be¬ 
ruhigende  Zwecksetzung,  um  das  Leben  erträglich  zu  machen. 
Was  wir  das  Wesen  der  Neurose  nennen  besteht  aus  dem 
vermehrten  Aufwand  der  verfügbaren  psychischen  Mittel.  Unter 
diesen  ragen  besonders  hervor  Hilfskonstruktionen  und  Fiktionen 
im  Denken,  Handeln  und  Wollen.  Das  Ideal,  das  dem  Minder¬ 
wertigkeitsgefühl  entgegengestellt  wird,  ist  die  Männlichkeit,  im 
Gegensatz  zur  Weiblichkeit,  das  die  Minderwertigkeit  darstelli. 
Die  neurotische  Zwecksetzung  ist  die  Erhöhung  des  Persönlich¬ 
keitsgefühls,  dessen  einfache  Formel  im  übertriebenen  männ¬ 
lichen  Protest,  d.  i. :  ich  will  ein  ganzer  Mann  sein,  zu  erkennen  ist. 
Nietzsches  „Wille  zur  Macht“  und  „Wille  zum  Schein“  um¬ 
fassen  Vieles  von  Adlers  Anschauungen.  Diesem  leitenden  Ge¬ 
danken  ordnen  sich  Libido,  Sexualtrieb  und  Perversionsneigungen, 
wo  immer  sie  hergekommen  sein  mögen,  ein.  Adler  verwirft  die 
Grundanschauung  Freuds  von  der  sexuellen  Aetiologie.  Der 
sexuelle  Antrieb  in  der  Phantasie  und  im  Leben  des  Neurotikers  rich¬ 
tet  sich  nach  der  männlichen  Zwecksetzung,  ist  eigentlich  kein  Trieb, 
sondern  ein  Zwang.  Der  sexuelle  Inhalt  in  den  neuropathischen 
Phänomenen  stammt  vorwiegend  aus  dem  ideellen  Gegensatz  „männ¬ 
lich  —  weiblich“  und  ist  durch  Formenwandel  aus  dem  männlichen 
Protest  entstanden.  Das  ganze  Bild  der  Sexualneurose  ist  ein  Gleich¬ 
nis,  in  dem  sich  die  Distanz  des  Patienten  von  seinem  fiktiven  männ¬ 
lichen  Endziel,  und  wie  er  sie  zu  überwinden  sucht,  spiegelt. 

Adler  stellt  uns  hier  sicherlich  zum  mindesten  eine  sehr  geist¬ 
reiche  Theorie  auf,  die  nebenbei  auch  von  feinster  psychologischer 
Beobachtung  zeugt.  Es  steckt  in  ihr  gewiss  viel  Wahres.  Ob  freilich 
alle  Neurotiker  einen  derartigen  fiktiven  Endzweck  haben,  erscheint 
mehr  als  zweifelhaft.  Ich  möchte  hier  an  Goethes  Wort  erinnern: 
„Die  Zukunft  decket  Schmerz  und  Glück  schrittweise  dem  Blicke." 


8.  März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  595 


ollte  in  der  Tat  die  Schwäche  des  Neurotikers  gleichzeitig  auch 
eine  Stärke  sein,  die  ihn  vor  dem  normalen  Durchschnittsmenschen 
uszeichnet?  Sollte  dieses  Minderwertigkeitsgefühl  solch  mächtig 
reibende  Kräfte  auslösen  und  alle  auf  einen  Endzweck,  und  zwar 
inen  fiktiven,  einstellen  können?  Bleuler  hat  jedenfalls  Recht, 
enn  er  den  Beweis  bei  Adler  vermisst,  dass  die  Tatsachen  in  der 
;egel  so  aufgefasst  werden  müssen.  Indessen  alles  in  allem:  Adlers 
lieorie  ist  kühn  und  geistvoll  und  kann  auch  nach  der  philosophischen 
eite  hin  für  die  Konstruktion  eines  Weltbildes  wertvoll  werden. 

Was  können  wir  nun  von  all  den  entwickelten  Anschauungen  und 
lieorien  als  gesicherten  Besitz  und  feststehende  Wahrheit  erachten? 
icherlich  das  eine,  dass  alle  neurotischen  Phänomene  psychisch  be- 
ingt  sind  und  entweder  direkt  durch  Gefühlsvorgänge  ausgelöst  wer- 
en  oder  in  innigem  Zusammenhang  mit  solchen  stehen.  Alle  Be- 
.  usstseinstatsachen  sind  entweder  Vorstellungen  oder  Gefühle,  wobei 
:as  Begehren  im  Gefühl  aufgehoben  ist.  Das  Gefühl  ist  die  Re¬ 
ktion  auf  die  Vorstellungen  und  ein  eigenartiges  Erzeugnis  unseres 
lewusstseins.  Sie  alle  kennen  die  tiefgreifenden  Unterschiede  in 
en  Gefühlsreaktionen.  Dieselben  sind  nicht  nur  die  Folge  der  ver¬ 
miedenen  Gegenstände  des  Gefühls,  sondern  setzen  gleicherweise 
uch  verschiedene  Gefühlsdispositionen  voraus.  Diese  Disposition  ist 
licht  etwa  ein  besonderes  psychisches  Gebilde,  sondern  nur  eine 
eilbedingung  für  das  Entstehen  eine  solchen»  nämlich  die  im  er- 
ebenden  Subjekte  selbst  liegende  Teilursache,  die  an  der  Aufnahme 
;iid  der  Verarbeitung  und  Einordnung  der  Eindrücke,  der  psychi- 
chen  Synthese,  ganz  wesentlich  beteiligt  ist.  Im  Bereich  des  Ge- 
iihlslebens  tritt  es  besonders  in  der  Art  und  Weise  zutage,'  wie  auf 
ie  Erlebnisse  durch  Lust  und  Unlustgefühle  reagiert  wird.  Diese  in- 
lividuell  verschiedene  Gefühlsreaktion  findet  ihren  Ausdruck  im  Tem- 
lerament.  Man  hat  von  Alters  her  4  Temperamente  unterschieden: 
las  sanguinische,  das  melancholische,  das  cholerische  und  phleg- 
natische.  Wenn  dieselben  nun  auch  in  Wirklichkeit  in  dieser  redl¬ 
ichen  Scheidung  und  Ausprägung  nicht  Vorkommen,  so  können  sie 
loch  ein  brauchbares  Schema  für  die  Einordnung  der  verschiedenen 
iefiihlsreaktionen  bilden.  Wundt  verwendet  für  seine  Einteilung 
’  Gegensatzpaare,  nämlich  erstens  starkes  und  schwaches  Fühlen  und 
veitens  schneller  und  langsamer  Wechsel  der  Gefühle.  Ebbing- 
laus  nimmt  eine  mehr  optimistische  und  pessimistische  Veranlagung 
n  und  weiter  einen  mehr  stürmischen  und  lebhaften  oder  mehr  einen 
'erhaltenen  und  nachhaltigen  Charakter  im  Gefühlsleben  an.  Von 
len  Temperamenten  zu  scheiden  ist  die  relativ  vorübergehende 
Kimmung,  welche  die  Gefühlsdisposition  zu  einer  bestimmten  Zeit 
larstellt.  Aus  den  verschiedenen  Temperamenten  ersehen  wir,  wie 
chon  innerhalb  der  Breite  der  geistigen  Gesundheit  gewisse  Indi- 
iduen  leicht  ausser  Fassung  geraten  und  die  affizierenden  Erlebnisse 
lur  schwer  in  dem  allgemeinen  psychischen  Zusammenhang  einzu- 
irdnen  vermögen  und  an  einer  gewissen  Schwäche  der  psychi- 
ichen  Synthese  leiden.  Steigen  wir  noch  eine  Stufe  höher,  dann 
laben  wir  das  neurotische  Temperament,  d.  h.  jene  Gefiihlsdisposi- 
ion,  die  auf  affektbetonte  Ereignisse  in  einer  besonderen,  krank- 
laften  Art  reagiert  und  die  neurotischen  Phänomene  stellen  eben 
las  Resultat  dieser  Disposition  dar.  Freud  hat  uns,  wenn  auch 
vohl  nicht  in  allen,  so  doch  in  vielen  Fällen,  den  psychischen  Mecha- 
lismus  dieser  Phänomene  gezeigt.  Ich  will  hier  noch  einmal  seine 
-ehre  von  der  Verdrängung  und  Konversion  der  Affekte  anführen, 
’ür  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  spricht  einmal  die  Psycho- 
malyse  und  das  Abreagieren  im  Halbschlaf.  Wer  nur  einmal  ein 
lerartiges  Abreagieren  im  Halbschlaf  beobachtet  hat,  wird  sich  der 
Richtigkeit  der  Freudschen  Auffassung  nicht  verschliessen  können. 
>o  könnte  man  wohl  die  neurotische  Disposition  mit  krankhafter 
Effektivität  bezeichnen.  Aber  worin  besteht  diese?  Wir  wissen  es 
licht.  Vielleicht  ist  sie,  wie  auch  die  Temperamente,  mit  einer  Kraft 
ier  Seele  identisch.  Und  die  Zwangsvorstellungen?  Wenn  man 
in  der  alten  Definition  von  W  e  s  t  p  h  a  1  festhält,  nach  der  Zwangs¬ 
vorstellungen  solche  sind,  die  bei  übrigens  intakter  Intelligenz  und 
ahne  durch  einen  Gefühls-  oder  affektartigen  Zustand  bedingt  zu  sein, 
tegen  oder  wider  den  Willen  des  betreffenden  Menschen  in  den 
'Ordergrund  des  Bewusstseins  treten,  sich  nicht  verscheuchen 
assen,  den  normalen  Ablauf  der  Vorstellungen  hindern  und  durch¬ 
kreuzen,  welche  der  Befallene  stets  als  abnorm,  ihm  fremdartig  an¬ 
erkennt  und  denen  er  mit  seinem  gesunden  Bewusstsein  gegeniiber- 
jteht  —  wenn  wir  diese  Definition,  die  im  übrigen  keine  eigentliche 
Erklärung  bringt,  als  richtig  anerkennen  würden,  dann  stünde  es 
reilich  um  eine  affektive  Begründung  der  Zwangsvorstellungen 
schlecht.  Und  unsere  Situation  würde  sich  auch  nicht  bessern,  wenn 
A  ir  den  einen  oder  anderen  Psychologen  zu  Rate  zögen.  So  definiert 
-ipps  in  mehr  wort-  als  geistreicher  Weise  die  Zwangsvorstel- 
ungen  als  eine  psychische  Dissoziation,  als  eine  Lösung  der  Einheits¬ 
beziehungen,  die  normalerweise  bedingen,  dass  die  einzelne  Vor¬ 
stellung  andere  Vorstellungen,  die  zu  ihr  gehören  oder  zu  ihr  im 
legensatz  stehen,  weckt,  in  den  Zusammenhang  dieser  Vorstellungen 
-ingeordnet  und  in  diesem  Zusammenhang  oder  von  ihm  absorbiert 
und  assimiliert,  kurz  innerlich  verarbeitet  und  ihr  die  Bedeutung  an¬ 
gewiesen  wird,  die  ihr  im  Ganzen  eines  solchen  Zusammenhanges 
uaturgemäss  zukommt.  Nun  das  ist  eine  Definition  am  grünen  Tisch 
des  Psychologen.  Man  merkt,  dass  Lipps  einen  an  Zwangsvor¬ 
stellungen  leidenden  Kranken  niemals  analysiert  hat.  Diese  Definition 
erinnert  ein  bischen  an  jenen  Stern,  dessen  Existenz  Hegel  aus 
Vernunftgründen  verneinen  zu  müssen  glaubte,  der  aber  schon  ein 


halbes  Jahr  früher,  ich  glaube  in  Neapel,  von  den  Astronomen  ent¬ 
deckt  worden  war.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  dass 
auch  bei  der  Entstehung  der  Zwangsvorstellungen  der  Affekt  die 
einzig  ausschlaggebende  Rolle  spielt.  Man  sucht  vielfach  dieselben 
aus  der  inneren  Unruhe  und  der  Unausgeglichenheit  des  Gemütes  ab¬ 
zuleiten  und  glaubt,  dass  sie  der  Angst  nahe  stehen.  Freud  er¬ 
klärt  die  Zwangsvorstellungen  bekanntlich  als  verwandelte,  aus 
der  Verdrängung  wiederkehrende  Selbstvorwürfe,  die  sich  immer 
auf  eine  sexuelle,  mit  Lust  ausgeführte  Aktion  der  Kinderzeit  beziehen. 

Ich  für  meine  Person  habe  eine  ganz  andere  Erklärung.  Die 
Zwangsvorstellungen  sind  für  mich  der  Ausdruck  einer  Sicherungs- 
bzvv.  Ablenkungstendenz  auf  Grund  eines  pathologischen  Affektes. 
Doch  muss  ich  es  mir  an  dieser  Stelle  versagen  eine  genaue  psycho¬ 
logische  Begründung  dieser  meiner  Auffassung  zu  geben. 

Ich  komme  zum  letzten  Kapitel  meines  Vortrages,  zur  Therapie. 
Für  die  Behandlung  der  Psychoneurosen  stehen  uns  verschiedene 
Wege  offen.  Von  dem  Grundsatz  „orandum  est,  ut  mens  sana  in 
corpore  sano“  ausgehend,  werden  wir  in  allen  Fällen,  wo  es  nötig 
erscheint,  eine  Hebung  des  körperlichen  Allgemeinzustandes  an¬ 
streben  durch  Mastkuren,  Liegekuren  u.  dergl.  Wir  werden  auch  ein¬ 
zelne  Arzneimittel,  wie  Brom,  Valeriana  nicht  verwerfen.  Ein  weiteres 
selbstverständliches  Postulat  ist,  den  Neurotiker  zu  einer  allgemeinen 
rationalen,  auf  Körper  und  Geist  sich  erstreckenden  Lebensweise 
anzuhalten,  in  der  Arbeit  und  Genuss,  wie  L  i  v  i  u  s  sagt,  durch 
ein  gewisses  natürliches  Band  miteinander  verbunden  ist.  Die  spe¬ 
zifische  Behandlung  der  Psychoneurosen  aber  kann,  da  sie  psychisch 
bedingt  sind,  auch  nur  durch  eine  psychische  Beeinflussung  erfolgen. 
Dieselbe  hat  aber  selbstverständlich  ihre  Grenzen.  So  wird  es  kaum 
möglich  sein,  jenen  dauernden  Zustand,  den  wir  als  neurotischen 
Charakter  gezeichnet  haben,  umzustimmen.  Die  meisten  Chancen 
werden  für  die  Psychotherapie  die  Syndrome  bilden.  Aber  auch  hier 
steigern  sich  die  Schwierigkeiten,  wenn  ein  stärkerer  Intelligenz¬ 
defekt  besteht,  die  Kranken  schon  in  einem  höheren  Lebensalter  sich 
befinden  und  die  Syndrome  sehr  gehäuft  sind. 

Was  nun  die  Bedeutung  der  Psychotherapie  als  Heilverfahren 
anlangt,  so  wüsste  ich  nicht,  wie  ich  mich  treffender  ausdrücken 
könnte,  als  es  L  e  w  a  n  d  o  w  s  k  y  tut  in  seinem  ausgezeichneten 
Lehrbuch  über  Neurologie.  Er  schreibt  dort:  „Wenn  jetzt  die  plan- 
mässige  Psychotherapie  noch  immer  nicht  die  absolute  Anerkennung 
gefunden  hat,  die  ihr  gebührt,  so  beruht  das  sicherlich  zum  Teil  auf 
dem  latenten  Vorurteil,  dass  bei  ihr  die  wissenschaftliche  Grundlage 
nicht  gegeben,  dass  sie  eine  Art  Scharlatanerie  zeigt.  Nun,  fester  als 
die  der  Elektrotherapie  ist  die  Grundlage  der  Psychotherapie  jeden¬ 
falls,  und  nebenbei  ist  die  Psychotherapie  auch  noch  eine  Kunst, 
was  man  von  der  Elektrotherapie  wohl  nicht  sagen  kann.  Eine  ver¬ 
nünftige  Psychotherapie  kann  Kranke  dem  Siechtum  entreissen  und, 
was  noch  wichtiger  ist,  die  Unterlassung  der  Psychotherapie  und  die 
kritiklose  Anwendung  aller  möglichen  anderen  Mittel  kann  beinahe 
gesunde  Menschen  in  Schwerkranke  verwandeln.  Es  muss  im  Prin¬ 
zip  die  Forderung  aufgestellt  werden,  dass,  soweit  es  die  Um¬ 
stände  irgend  gestatten,  neben  der  Allgemeinbehandlung  Nervöser 
bei  Psychoneurosen  nur  mit  psychotherapeutischen  Methoden  vor¬ 
gegangen  wird.  Man  kann  die  Psychotherapie  als  ätiologische  Thera¬ 
pie  neben  die  beiden  anderen  mächtigen  Methoden  der  Neurologie: 
die  operative  Therapie  und  die  antiluetische  Therapie  stellen.  Das 
Anwendungsgebiet  der  Psychotherapie  ist  aber  ein  viel  grösseres  und 
allgemeineres  als  das  der  beiden  anderen  Methoden.  Denn  die  Mehr¬ 
zahl  der  Nervenkranken,  die  in  der  allgemeinen  Sprechstunde  und 
auch  in  der  des  Neurologen  erscheinen,  leiden  weder  an  Tumoren 
noch  an  Lues,  ja  überhaupt  nicht  an  organischen  Nervenkrankheiten, 
sondern  an  funktionellen,  d.  h.  an  Psychoneurosen.  Darum  muss 
nicht  nur  der  Neurologe,  sondern  auch  der  allgemeine  Praktiker  sich 
mit  der  systematischen  Psychotherapie  vertraut  machen.  Es  gehört 
dazu  nur  eine  gewisse  ärztlich-psychologische  Begabung,  daneben 
viel  Zeit,  Unermüdlichkeit,  Aufrichtigkeit,  der  feste  Wille,  dem  Kran¬ 
ken  zu  helfen,  Freiheit  von  jedem  Schematismus,  dies  alles  auf  dem 
Grunde  einer  sicheren  Diagnose,  dann  wird  sich  jeder  Arzt,  nicht  nur 
der  Neurologe,  unschwer  überzeugen  können,  dass  die  Psychothera¬ 
pie  den  Vergleich  mit  anderen,  äusserlich  glänzenderen  Methoden 
nicht  zu  scheuen  braucht,  und  dass  sie  in  den  geeigneten  Fällen  durch 
andere  Methoden  überhaupt  nicht  zu  ersetzen  ist.“  So  Lewan- 
d  o  w  s  k  y. 

Hinsichtlich  der  Psychotherapie  möchte  ich  nun  eine  allgemeine 
und  spezielle  unterscheiden.  Ueber  die  allgemeine  Psychotherapie 
muss  jeder  Arzt  verfügen,  der  in  seinem  Beruf  Erfolge  haben  will 
und  je  besser  er  hiezu  befähigt  ist,  um  so  bessere  Heilerfolge  wird 
er  erzielen.  Es  gibt  kaum  eine  Krankheit,  in  welcher  der  Arzt  nicht 
seelisch  einwirken  könnte,  sei  es  durch  Beseitigung  von  Vorurteilen, 
sei  es  durch  ein  aufmunterndes  oder  scherzhaftes  Wort,  das  das 
krankhafte  psychische  Plus,  das  zum  körperlichen  Leiden  stets  hinzu¬ 
kommt,  beseitigt.  Dubois  sagt  sehr  richtig:  Die  Psychotherapie 
richtig  anzuwenden  war  stets  die  Haupteigenschaft  jener  Praktiker, 
welche  in  ihrer  innersten  Seele  Aerzte  sind  und  es  verstanden  haben, 
sich  eine  treue  und  dankbare  Klientel  zu  gewinnen.  Sie  sind  viel¬ 
leicht  zahlreicher  auf  dem  Lande  als  in  den  grossen  Verkehrszentren, 
wo  die  Konkurrenz  dem  Merkantilismus  Vorschub  leistet  und  den 
Arzt  seine  humanitäre  Mission  leichter  vergessen  lässt.  Der  wahre 
Arzt  tut  mit  seinem  Wort  mehr  Gutes  als  mit  seinen  Verordnungen. 

4* 


596 


JVJUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zu  dieser  Psychotherapie,  die  Gemeingut  aller  Aerzte  sein  muss, 
kommt  noch  eine  solche  in  engerem  Sinn,  die  sich  ganz  bestimmter 
psychologischer  Methoden  bedient.  Zunächst  möchte  ich  auch  hier 
noch  das  allgemeine  rein  menschliche  Verfahren  erwähnen,  welches 
in  der  Aufklärung  des  Kranken  besteht  und  in  einer  gewissen  seeli¬ 
schen  Orthopädie,  die  einerseits  dem  Kranken  die  Zuversicht  auf  seine 
Heilung  beibringt  und  unterhält,  andererseits  eine  Umstimmung  des 
Seelenzustandes  des  Kranken  anstrebt.  Dieses  Verfahren  wird  be¬ 
kanntlich  in  virtuoser  Weise  von  Dubois  in  Bern  geübt.  Die  Sug¬ 
gestion  kann  noch  wirksamer  gestaltet  werden  durch  die  Hypnose, 
Dabei  ist  eine  tiefe  Hypnose  durchaus  nicht  notwendig.  Eine  ganz 
leichte  oberflächliche  Hypnose  ist  vollständig  genügend,  um  den 
Kranken  der  Suggestion  empfänglicher  zu  machen.  Im  allgemeinen 
wird  man  ja  in  den  meisten  Fällen  mit  den  Einwirkungen  auskommen, 
die  man  auf  den  Kranken  im  Wachbewusstsein  ausübt,  und  die  Mehr¬ 
zahl  der  Neurologen  teilt  diesen  Standpunkt.  Es  stellt  zweifellos  auch 
das  natürlichste,  fast  möchte  ich  sagen  das  gesündeste  Verfahren  dar. 
Doch  wird  man  immerhin  in  einzelnen  Fällen  auf  die  Hypnose  zurück¬ 
kommen  dürfen,  wenn  das  ebenangeführte  Verfahren  nicht  zum  Ziele 
führt  oder  nicht  möglich  ist.  Sehr  brauchbar  erscheint  manchmal  die 
Hypnose  bei  Kindern,  die  bekanntlich  sehr  leicht  zu  hypnotisieren 
sind.  Auch  bei  den  Erwachsenen  ist  die  Hypnose  meistens  nicht 
schwierig,  besonders  dann,  wenn  man  vorher  eine  genauere  Psycho¬ 
analyse  vorgenommen  hat,  was  ich  für  jeden  Fall  empfehlen  möchte. 
Um  genaueren  Einblick  in  das  Unterbewusstsein  zu  erhalten,  können 
wir  verschiedene  Methoden  anwenden,  einmal  die  von  Freud.  Wir 
werden  natürlich  nur  den  analytischen  Teil  seiner  Methode  auf  Grund 
meiner  Ausführungen  akzeptieren.  Zu  diesem  Behuf  lässt  man  mit 
Freud  den  Kranken  sich  darüber  aussprechen,  was  ihm  gerade 
durch  den  Kopf  geht.  Er  soll  sich  dabei  bemühen,  nichts  zu  unter¬ 
drücken  und  sich  willig  dem  freien  Spiel  der  Assoziationen  überlassen. 
Man  notiert  sich  dann  nicht  nur  die  sprachlichen  Aeusserungen  des 
Kranken,  sondern  beobachtet  auch  die  begleitenden  Ausdruckserschei¬ 
nungen,  wie  Stottern,  Zögern,  Sich-Versprechen,  Erröten,  Verlegen¬ 
heit,  diesbezügliche  Bewegungen  u.  dergl.  Das  Ganze  gibt  dann  dem 
Arzt  meistens  wertvolle  Fingerzeige  für  das  weitere  Eindringen  in 
dessen  Psyche.  Man  kann  auch  das  Assoziationsexperiment  ver¬ 
wenden,  welches  darin  besteht,  dass  man  dem  Kranken  ein  Wort 
nennt,  das  er  so  schnell  wie  möglich  mit  demjenigen  Wort  be¬ 
antworten  soll,  das  ihm  eben  in  den  Sinn  kommt.  Der  Arzt  be¬ 
obachtet  hiebei  die  Reaktionszeit  und  auch  sonst,  wie  schon  oben,  die 
Ausdrucksvorgänge.  Eine  über  den  Durchschnitt  verlängerte  Re¬ 
aktionszeit  ist  meistens  ein  Zeichen  dafür,  dass  das  Reizwort  in 
irgend  einer  Weise  auf  einen  gefühlsbetonten  Komplex  gestossen  ist. 
Bekanntlich  zieht  Freud  auch  noch  das  Traumleben  des  Kranken 
heran,  um  Einblick  in  das  Unterbewusstsein  zu  bekommen. 
Da  es  sich  nun  aber  um  eine  Deutung  von  Symbolen  handelt, 
so  müssen  wir  das  letztere  Verfahren  als  ein  durchaus  subjektives 
verwerfen,  denn  es  muss  immer  mit  der  Möglichkeit  gerechnet  wer¬ 
den,  dass  der  Untersucher  seine  eigenen  Ideen  und  Annahmen  in  die 
von  dem  Kranken  gewonnenen  Resultate  hineindeutet.  Nicht  so  gross 
ist  die  Gefahr  bei  dem  oben  angegebenen  Verfahren,  doch  müssen 
auch  hier  wir  uns  hüten,  voreilige  Schlüsse  zu  ziehen,  insbesondere 
alles  auf  das  Sexuelle  zurückführen  zu  wollen.  Endlich  gibt  es 
noch  eine  weitere  Methode,  um  Aufschlüsse  über  das  Unterbewusste 
im  Seelenleben  zu  erhalten.  Es  ist  die  zuerst  von  Vogt  angewandte 
Kausalanalyse  im  eingeengten  Wachsein.  Durch  eine  spezielle  Ge¬ 
staltung  der  Hypnose  und  durch  Präzisierung  der  vom  Patienten 
zu  lösenden  Aufgaben  erhielt  Vogt  klare  und  tiefgehende  Analysen. 
Vogt  konnte  aus  den  Analysen  einen  weitgehenden  genetischen 
Zusammenhang  zwischen  den  pathologischen  Symptomen  und  früheren 
Gemütsbewegungen  konstatieren.  Sie  decken  aber  gelegentlich  schon 
sofort,  meist  aber  sehr  bald  angstbetonte  Autosugg°stionen  auf,  die 
bei  den  Analysen  immer  mehr  als  der  eigentlich  auslösende 
Faktor  sich  erwiesen,  je  länger  die  Symptome  dauerten.  Auch  ist 
Vogt  zweifelhaft,  ob  das  Abreagieren  in  der  Hypnose  als  solches 
den  Komplexen  ihre  pathogene  Wirkung  dauernd  nimmt.  Vogt  hat 
vielfach  bei  dem  therapeutischen  Versagen  des  hypnotischen  Ab- 
reagierens  sich  überzeugen  könne,  dass  eine  anderweitige  erreichte 
Aenderung  der  Denkrichtung  des  Kranken  Heilung  brachte.  Eine  ganz 
bestimmte  Art  von  Hypnose  wird  von  Frank  in  Zürich  zu  thera¬ 
peutischen  Zwecken  in  grossem  Umfang  angewandt.  Frank  ver¬ 
setzt  die  Kranken  in  einen  leichten  Halbschlaf  bei  erhaltener  ober¬ 
bewusster  Aufmerksamkeit,  ln  diesem  Zustand  des  eingeengten  Be¬ 
wusstseins  treten,  ähnlich  wie  im  Traum,  aber  unter  der  Kontrolle 
des  erhaltenen  Oberbewusstseins  die  krankhaft  aufgespeicherten  ge¬ 
fühlsbetonten  Vorstellungen  wieder  ins  Bewusstsein.  Dieses  Auf¬ 
treten  erfolgt  in  der  Regel  durch  assoziative  Anregung  —  selten 
durch  Suggestion  beeinflussbar  —  und  die  Affekte  kommen  mit  voller 
Wirkung,  oft  geradezu  mit  elementarer  Gewalt,  zum  Abreagieren. 
Frank  hält  seine  Methode  mit  Recht  für  eine  rein  objektive,  die 
keiner  Deutung  bedarf.  Durch  sie  gewinnt  er  einen  direkten  Ein¬ 
blick  ohne  den  komplizierten  Umweg  durch  das  TraumDben  hindurch 
in  den  Aufbau  der  Psychoneu rosen  im  Unterbewusstsein  mit  einer 
Klarheit  und  Deutlichkeit,  gleichsam  wie  durch  ein  wissenschaftliches 
Experiment.  Es  zeigt  sich  auch,  dass  bei  der  Entstehung  der  Neu¬ 
rosen  es  sich  stets  nicht  nur  um  einen  einzigen  Affekt,  den  Sexual¬ 
effekt,  handeln  kann,  sondern  auch  um  andere  und  um  das  Zusammen¬ 
wirken  verschiedener  Affekte.  Jeder  Affekt,  dessen  der  Mensch  iiber- 


No.  11. 


haupt  fähig  ist,  kann  in  psychoneurotischen  Zuständen  eine  Rolle 
spielen.  Je  schwerer  der  Krankheitszustand  ist,  umsomehr  Affekte 
werden  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Frank  hält  seine  Methode  für 
eine  analytische  und  kathartische  zugleich.  Wenn  man  seiner  ersten 
Annahme  durchaus  beipflichten  wird,  kann  man  der  zweiten  doch 
wohl  nicht  bedingungslos  sich  anschliessen.  Gewiss,  in  günstig  ge¬ 
lagerten  Fällen  ist  sicherlich  auch  die  kathartische  Wirkung  eine  un¬ 
bestrittene  und  Heilung  bringende.  Aber  schon  Vogt  bestreitet  auf 
Grund  seiner  Versuche,  dass  das  Abreagieren  als  solches  den  Kom¬ 
plexen  ihre  pathogene  Wirkung  dauernd  nimmt  und  auch  Frank  be¬ 
darf  bei  einem  grossen  pathogenen  Material  manchmal  einige  hundert 
Sitzungen  und  darüber,  um  dasselbe  zum  Abreagieren  zu  bringen. 
Ob  in  diesen  gehäuften  Hypnosen  nicht  doch  eine  gewisse  Geiahr 
liegt,  insofern  als  sie  unter  Umständen  erst  recht  wieder  gewisse 
Fixierungen  von  pathogenen  Affekten  bedingen,  will  ich  dahingestellt 
sein  lassen.  Frank  selbst  bestreitet  dies.  Aber  auch  wenn 
F  r  an  k  recht  behält,  so  stellt  doch  immerhin  dieses  Verfahren  bei 
schwereren  Krankheitszuständen  als  äusserst  langwierig  sich  dar, 
das  an  die  Geduld  des  Kranken  wie  die  des  Arztes  gleich  grosse 
Anforderungen  stellt,  von  materiellen  Erwägungen  ganz  zu  schweigen. 
Wir  sehen  also,  all  diese  speziellen  psychoanalytischen  und  psycho¬ 
therapeutischen  Methoden  haben  ihre  Vorteile  und  Nachteile.  So  wird 
es  nicht  zweckmässig  sein,  auf  eine  einzige  der  angegebenen  Me¬ 
thoden  sich  festzulegen  und  auf  sie  zu  schwören.  Man  wird  vielmehr 
am  besten  auf  einer  mittleren  Linie  sich  bewegen  und  nicht  immer  in 
einseitiger  Weise  entweder  auf  dem  Wege  des  Halbschlafes  oder  der 
Psychoanalyse  die  Psyche  des  Kranken  zu  ergründen  und  zu  beein¬ 
flussen  suchen.  Wir  werden  daher  je  nach  der  Lage  des  Falles  jede 
Methode  und  oft  auch  kombiniert  anwenden.  Wir  müssen  uns  dabei 
aber  immer  vor  Augen  halten,  dass  sehr  gute  Heilungen  in  den 
meisten  Fällen  erzielt  werden  können,  auch  dann,  wenn  man  nicht 
bis  zu  den  allertiefsten  Komplexen  vordringt,  sondern  oft  genügen 
schon  oberflächlichere  Schürfungen  und  die  Aussprache  des  Patienten, 
um  eine  zielbewusste  Therapie  einleiten  zu  können.  Die  meisten 
Patienten  lassen  in  ihrer  Seele  wie  in  einem  Buche  lesen,  und  wenn 
oft  Manches  und  Wichtiges  nicht  zum  Vorschein  kommt,  so  ist  es 
vielleicht  oft  mehr  die  Schuld  des  Lesers.  Eine  Eigenschaft  muss 
jedenfalls  der  Leser  besitzen,  die  Gabe  der  Einfühlung.  Wer  über 
diese  nicht  verfügt,  wird  nie  befriedigende  Erfolge  erzielen.  Diese 
Einfühlung  wird  dem  Arzte  auch  nicht  so  gefährlich,  als  man  es  da 
und  dort  hinstellt.  Jedenfalls  braucht  eine  geistig  gesunde  und 
rüstige  Natur  von  Uebertragungen  nichts  zu  fürchten. 

Ich  bin  am  Ende  meiner  Ausführungen.  Wir  haben  im  eilenden 
Fluge  ein  weites  Gebiet  durchmessen,  das  sich  uns  auf  Grund  der 
gewonnenen  Erkenntnisse  als  ein  neues,  enormes  Arbeitsfeld  erweist. 
Es  gilt:  „Die  Strauchelnden  nicht  stossen,  dass  sie  gar  fallen“,  sondern 
sie  heben  und  wieder  zu  gesunden,  arbeitsfähigen  Menschen  zu 
machen.  Und  derjenige,  der  weiss,  welch  ein  wertvolles  Material 
gerade  für  die  Arbeit,  sei  es  auf  körperlichem,  sei  es  auf  geistigem 
Gebiet,  die  Neurotiker  darstellen,  der  wird  ermessen  können,  welch 
wirtschaftliche  Werte  durch  ihre  Arbeitsunfähigkeit  verloren  gehen. 
Aber  die  Psychoneurose  bedeutet  für  uns  noch  mehr  als  thera¬ 
peutische  Interessen.  Ihre  Kenntnis  gibt  uns  Einblicke  in  das  Un¬ 
bewusste.  Da  aber  das  Unbewusste  an  der  Entstehung  aller  Gebilde 
der  einzelnen  Psyche  sowohl  wie  des  Gesamtgeistes  mitbeteiligt  ist 
und  die  höchsten  ästhetischen,  ethischen  und  religiösen  Einsichten 
ihren  Urgrund  in  Tatsachen  haben,  die  unterhalb  des  Bewusstseins 
liegen,  so  wächst  die  Psychoneurose  weit  hinaus  über  das  rein  ärzt¬ 
liche  Interesse  und  wird  als  eine  an  sich  rein  empirische  Disziplin  von 
grösster  Bedeutung  für  die  Geisteswissenschaften  überhaupt. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Bericht  über  das  Bayerische  Gesundheitswesen,  Fortsetzung  des 

Generalberichtes  über  die  Sanitätsverwaltung  im  Königreich  Bayern, 
lierausgegeben  vom  Kgl.  Staatsministerium  des  Innern,  bearbeitet1 
vom  Kgl.  Statistischen  Landesamt,  38.  Band,  die  Jahre  1908,  9  und  10 
umfassend.  236  S.  und  71  S.  Tabellen  mit  zahlreichen  Kartogrammen. 
München,  Bassermann  1912. 

Da  seit  2  Jahren  kein  Band  erschienen  ist,  waren  die  bayerischen 
Sanitätsberichte  bedauerlicherweise  in  grossen  Rückstand  geraten, 
woran  allerdings  nicht  der  Mangel,  sondern  die  Ueberfülle  unter¬ 
nommener  Arbeitsleistung  schuld  war  —  zahlreiche  medizinisch- 
statistische  Sonderarbeiten,  auf  welche  auch  im  folgenden  Bezug  ge¬ 
nommen  werden  wird.  Doch  nun  ist  der  Bericht  für  3  Jahre  gleich¬ 
zeitig  erschienen  und  für  die  Zukunft  weitere  Beschleunigung  der 
Berichterstattung  zu  erwarten. 

Die  3  Jahre  brachten  eine  fortlaufende  Hebung  der  Gesundheits¬ 
verhältnisse  und  bedeutende  Fortschritte  der  öffentlichen  Gesund¬ 
heitspflege.  Hervorgehoben  sei  namentlich  der  entschiedener  auf¬ 
genommene  Kampf  gegen  die  hohe  Säuglingssterblichkeit  und  gegen 
Tubtikulose,  welcher  immer  grössere  und  raschere  Erfolge  ver¬ 
spricht,  und  der  Fortschritt  in  der  ärztlichen  Fabrik-  und  Schul¬ 
aufsicht,  in  Wohnungswesen  und  Desinfektion.  In  der  folgenden  Be¬ 
sprechung  kann  selbstverständlich  nur  einzeln.es  von  allgemeiner 
Wichtigkeit  berührt  werden. 

Bevölkerungsstatistik.  Die  Bevölkerung  betrug  nach  der  Zählung 
von  1910  6  887  291.  Sie  hat  sich  seit  20  Jahren  nicht  ganz  um  ein 


18.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


597 


Viertel  vermehrt,  wobei  der  Hauptanteil  auf  die  unmittelbaren  Städte 
fälit,  welche  1890  nur  23,  jetzt  31  Proz.  der  Bevölkerung  ausmachen. 
Geburten  und  Todesfälle  setzten  ihre  mit  1901/2  begonnene 
Abnahme  fort  und  auch  der  sich  aus  ihnen  ergebende  Geburten¬ 
überschuss  nimmt  diese  Richtung  an.  In  schwächerem  Masse 
ist  dies  auch  bei  den  Eheschliessungen  der  Fall.  Den  grössten  Ge¬ 
burtenüberschuss  zeigen  wieder  Oberbayern  und  Pfalz,  während 
Niederbayern  und  Oberpfalz  die  grösste  Geburtenhäufigkeit  haben. 
Während  der  Geburtenüberschuss  in  den  Landbezirken  in  5  Jahren 
ganz  gleich  geblieben  ist,  ist  er  in  den  Städten  infolge  der  grösseren 
Geburtenabnahme  um  Ve  kleiner  geworden.  Die  Zahl  der  Unehelichen 
beträgt  immer  noch  etwas  über  12  Proz.  aller  Geburten.  Die  Zahl  der 
Eingewanderten  überstieg  jährlich  um  21  000  bis  35  000  die  der  Aus¬ 
gewanderten.  Die  130  858  Todesfälle  im  Jahre  1910  machten  19  auf 
1900  Einwohner  aus  (in  Preusseti  16).  Davon  waren  70  Proz. 
ärztlich  behandelt,  in  den  Städten  89,  auf  dem  Lande  62,  in  Nieder¬ 
bayern  und  Oberpfalz  gar  nur  53  und  52. 

Die  Säuglingssterblichkeit,  welche  sich  in  den 
7  Jahren  bis  1907  zwischen  21,0  und  25,8  auf  100  Lebendgeborene 
bewegt  hatte,  hat  bis  zu  21,7  und  20,2  abgenommen  (in  Preussen 
bis  15,7).  In  Niederbayern  starben  1910  noch  27,8,  in  der  Ober¬ 
pfalz  24,9,  dagegen  in  Unterfranken  nur  15,3,  in  der  Pfalz  13,9.  Zwei 
Karten  zeigen,  dass  seit  10  Jahren  überall  eine  Verminderung  der 
übergrossen  Säuglingssterblichkeit  erreicht  wurde,  dass  diese  aber 
selbst  im  letzten  Berichtsjahre  nur  bei  der  fränkischen  Bevölkerung 
und  in  der  Voralpengegend  eine  mässige  ist.  Auch  heute  noch  hat 
das  Zentrum  Bayerns,  etwa  zwischen  München  und  Neumarkt  i.  O., 
zwischen  Bogen  und  Dillingen  a.  D.  eine  überaus  hohe  Sterblichkeit. 
Dabei  ist  zu  beachten,  dass  während  1900  die  Sterblichkeit  der  ehe¬ 
lichen  Kinder  in  den  Städten  fast  gleich  hoch  war  wie  auf  dem  "Lande, 
26,0  gegen  26,6,  sie  in  ersteren  auf  16,4,  auf  dem  Lande  nur  auf  20 
heruntergegangen  ist,  ein  deutlicher  Massstab  für  den  Nutzen  der 
gesundheitlichen  Bestrebungen,  welche  natürlich  zunächst  in  den 
Städten  durchdringen.  Speziell  an  den  Infektionskrankheiten 
Masern,  Keuchhusten,  Tuberkulose  und  Pneumonie  sind  noch  nicht 
ganz  3  auf  100  Lebendgeborene  gestorben. 

Die  Selbstmorde,  1910  1047,  nehmen  immer  noch  ein  wenig 
zu,  dagegen  blieb  die  Zahl  der  tödlichen  Unglücksfälle 
in  den  letzten  3  Jahren  im  ganzen  auf  der  Höhe  der  vorausgegangenen 
Jahre,  1910  294. 

Medizinische  usw.  Heilkunde.  Eine  wertvolle  Zusammenstellung 
des  Vorkommens  der  Infektionskrankheiten  im  Laufe  von 
40  Jahren,  seit  1881,  ist  der  Zeitschrift  des  Stat.  Landesamts  von  1912 
entnommen.  Alle  erfuhren  seit  dem  ersten  bis  zum  letzten  Jahrfünft 
eine  fortdauernde  grosse  Verminderung,  Diphtherie  von  122  auf  22, 
Masern  von  35  auf  24,  Scharlach  46  auf  7,  Typhus  22  auf  2,  Keuch¬ 
husten  55 — 30,  Brechdurchfall  214 — 87,  Pocken  0,76 — 0,01,  berechnet 
auf  100  000  Einwohner,  Kindbettfieber  26 — 15  auf  10  000  Gebärende. 
Nur  bei  der  Tuberkulose  trat  bis  1S95  noch  Zunahme  von  267  bis  316 
und  dann  erst  Abnahme  auf  244  ein. 

An  Blattern  starben  in  den  3  Berichtsjahren  nur  2.  In  den 
35  Jahren  vor  Erlass  des  Gesetzes  der  Wiederimpfung  kamen  jähr¬ 
lich  auf  1  Million  Einwohner  136  Todesfälle  vor,  seither,  d.  h.  seit 
1875  keine  4  mehr,  also  nur  noch  der  35.  Teil,  und  unter  den  Er¬ 
krankten  starben  4  mal  so  viel  von  den  Ungeimpften,  als  von  den 
Wiedergeimpften.  Aber  auch  der  beträchtliche  Rückgang  der  Er¬ 
krankungen  trotz  der  Zunahme  des  internationalen  Verkehrs  und  der 
grossen  Zuwanderung  ans  nicht  durch  Impfgesetze  geschützten 
Ländern  ist,  wie  der  Bericht  mit  Recht  sagt,  ein  deutlicher  Beweis 
für  die  Schutzkraft  der  Impfung. 

An  Typhus  starben  in  den  Berichtsjahren  je  150,  111,  115, 
also  2.2,  1,6,  1,7  auf  100  000  Einwohner.  Der  Unterschied  der  Sterb¬ 
lichkeit  in  den  einzelnen  Kreisen  ist  nicht  mehr  gross,  da  ihr 
Rückgang  seit  dem  Ende  der  70  er  Jahre  in  den  damals  am  meisten 
befallenen  Kreisen  am  grössten  gewesen  ist;  in  Schwaben  um  26, S, 
Unterfranken  24,7,  Niederbayern  24,1,  Pfalz  21,7.  In  den  Heilanstalten 
sind  26  Todesfälle  an  Fleck-  und  Rückfallfieber  vor¬ 
gekommen. 

Eine  sehr  eingehende  Bearbeitung  ist  der  Tuberkulose  ge¬ 
widmet.  Sie  verursachte  von  1888 — 1907  eine  Sterblichkeit  von  297 
auf  100  000  Einwohner,  in  den  Berichtsjahren  nur  noch  von  235,  und 
zwar  folgen  dabei  die  Kreise  absteigend:  Oberpfalz  262,  Unter- 
franken  250,  Oberbayern  und  Pfalz  239,  Niederbayern  237,  Mittel- 
franken  224,  Schwaben  220,  Oberfranken  213.  Die  Abnahme  ist  in 
der  Pfalz,  Mittel-  und  Unterfranken  am  grössten,  in  Niederbayern 
und  Oberpfalz  am  kleinsten  gewesen. 

Die  Abnahme  der  Lungentuberkulose  war  in  den  Städten 
viel  beträchtlicher  als  auf  dem  Lande,  so  dass  im  Jahre  1910  die 
früher  in  jenen  um  fast  Vs  grössere  Sterblichkeit  fast  auf  den  Stand 
des  Landes  herabgesunken  ist:  216  gegen  192.  Ebenso  hat  sich  der 
Unterschied  der  Sterblichkeit  zu  ungunsten  des  männlichen  Ge¬ 
schlechts  um  mehr  als  die  Hälfte  verringert.  Beide  Erscheinungen 
sind  nach  Ansicht  des  Referenten  wohl  in  erster  Linie  der  Arbeiter¬ 
versicherung  zuzuschreiben.  Ein  Vergleich  der  Jahre  1895,  1900  usw. 
zeigt  ferner,  dass  die  Abnahme  der  Lungentuberkulose  am  stärksten 
im  Alter  von  40 — 70  Jahren  war,  dass  aber  trotzdem  das  Maximum 
der  Sterblichkeit  immer  noch  auf  diese  Altersklasse  fällt  und  von 
dem  zweiten  Maximum  in  den  2  ersten  Lebensjahren  noch  nicht  er¬ 


reicht  wird.  Die  Karte  von  1894  zeigt  die  höchste  Sterblichkeit  im 
Zentrum  Bayerns,  „einem  vom  Donaugebiet  nach  Norden  und  Nord¬ 
osten  sich  erstreckenden  Gebiet“,  also  bei  einer  zum  Teil  ganz  über¬ 
wiegend  landwirtschaftlichen  Bevölkerung.  Wenn  auch  hier  seither 
die  Verhältnisse  sich  gebessert  haben,  so  ging  doch  die  Sterblichkeit 
weitaus  am  meisten  in  den  beiden  Hauptindustriestädten  Bayerns, 
rv  ^u^s^ur.S  s°£ar  auf  weniger  als  die  Hälfte  und  in  Nürnberg  zurück. 
Die  Sterblichkeit  der  in  den  allgemeinen  Heilanstalten  an  Lungen¬ 
tuberkulose  Behandelten  ist  seit  16  Jahren  von  31  auf  12  zurück¬ 
gegangen.  Ebenso  erfreulich  ist  der  Rückgang  der  Sterblichkeit  in 
den  Zuchthäusern,  welche  früher  mit  Recht  als  Seucheherde  und 
eine  Gefahr  für  die  übrige  Bevölkerung  angeklagt  wurden  und  welche 
in  einzelnen  Anstalten  und  Jahren  eine  Tuberkulosesterblichkeit  bis 
gegen  8  Proz.  der  Durchschnittsbevölkerung  hatten.  Jetzt  ist  die 
Sterblichkeit  an  Lungentuberkulose  auf  etwa  V»  Proz.  gefallen.  Da¬ 
gegen  ist  sie  in  den  Irrenanstalten  seit  1894  von  1,5  auf  2,2  Proz.  der 
Durchschnittsbevölkerung  gestiegen,  was  durch  vermehrte  Aufnahme 
von  Kranken  der  schlechter  ernährten  usw.  BevölkerungsKlassen 
erklärt  wird.  Sehr  der  Abhilfe  bedürftig  ist  die  hohe  Tuberkulose¬ 
sterblichkeit  bei  den  geistlichen  Krankenschwestern  verschiedener 
Mutterhäuser.  Auch  aus  zahlreichen  Industriegegenden  werden  zum 
Teil  noch  sehr  verbesserungsbedürftige  Zustände  berichtet,  so  von 
Lichtenfels  (Korbwarenindustrie),  dann  bei  den  Porzellanarbeitern  in 
Oberpfalz  und  Oberfranken,  der  Blatt-  und  Goldschlägerei  in  Mittel- 
franken,  der  Zigarrenindustrie  in  Unterfranken  und  Pfalz,  den  Stein¬ 
hauern  in  Unterfranken.  Aus  allen  Teilen  des  Landes  wird  aber  mit 
Recht  bei  Bekämpfung  der  Krankheit  auf  schlechte  Wohnungen, 
schlechte  Ernährung  und  Alkoholmissbrauch  hingewiesen. 

Von  Lungenheilstätten  gibt  es  6  öffentliche  mit  499  Betten, 
12  private  mit  958  Betten,  von  Walderholungsstätten  5,  von  Be- 
ratungs-  und  Fürsorgeanstalten  62,  davon  die  erste  im  Jahre  1905. 

An  Ruhr  sind  in  den  Berichtsjahren  nur  20  gestorben,  an 
Varizellen  37,  an  Malaria  4;  nur  im  Bezirk  Gunzenhausen 
kommt  sie  infolge  häufiger  Ueberschwemmungen  noch  nahezu  epi¬ 
demisch  vor,  263  Fälle  in  den  3  Jahren.  Die  Sterblichkeit  an  Kind¬ 
bettfieber  ist  seit  1896  gleichgeblieben.  Meningitis  cere¬ 
brospinalis  führte  bei  271  Erkrankungen  132  mal  zum  Tode; 
davon  kamen  60 Erkrankungen  mit  21  Todesfällen  auf  dasMilitär.  Auch 
nach  Abzug  der  letzteren  war  das  männliche  Geschlecht  fast  doppelt 
so  stark  befallen,  134:77.  Nur  selten  wurden  2 — 3  Fälle  in  einer 
Familie  oder  in  einem  Hause  beobachtet.  An  Syphilis  starben 
702  Personen,  fast  alle  Säuglinge.  F.s  werden  5  Fälle  von  Ansteckung 
durch  Kostkinder  berichtet.  Trachom  ist  in  2  Bezirken  Ober¬ 
frankens  noch  heimisch,  kam  aber  sonst  nur  bei  polnischen  Arbeitern 
vor.  An  Milzbrand  sind  seit  1895  69,  in  den  Berichtsjahren 
8  Todesfälle  vorgekommen,  an  Trichinose  3,  an  Tollwut 
keiner,  an  Aktinomykose  10. 

An  bösartigen  Neubildungen  starben  in  den  Berichts¬ 
jahren  22  564,  gerade  halb  so  viel,  wie  an  Tuberkulose,  auf  100  000  Ein¬ 
wohner  je  108,  110,  114.  In  den  unmittelbaren  Städten  betrug  die 
Sterblichkeit  140,  in  den  Bezirksämtern  100.  Dabei  ist  aber  die 
bessere  Diagnose  und  der  Zuzug  vieler  Kranker  in  den  Städten  zu 
beachten.  In  München  macht  dieser  Zuzug  1/io,  in  Würzburg  über  Vs, 
in  Erlangen  gar  3/s  der  Krebstodesfälle  aus.  Eine  richtige  Topo¬ 
graphie  des  Krebses  und  anderer  Krankheiten  wird  man  bei  der 
Zunahme  der  Wanderungen  in  die  Anstalten  mit  jedem  Jahre  weniger 
hersteilen  können,  wenn  man  sich  nicht  im  Deutschen  Reich  endlich 
entschliesst,  so  wie  in  der  Schweiz  seit  Jahren,  auf  den  Leichenschau¬ 
scheinen  die  Angabe  des  Wohnortes  neben  dem  des  Sterbeortes 
vorzuschreiben.  Das  männliche  Geschlecht  hatte  eine  Sterblichkeit 
von  98,  das  weibliche  122.  In  den  Heilanstalten  sind  2849  gestorben; 
im  ganzen  waren  96  Proz.  aller  Gestorbenen  ärztlich  behandelt.  Auf 
die  Verdauungsorgane  fallen  bei  den  Männern  83,  bei  den  Frauen 
58  Proz. 

An  Blinddarmentzündung  starben  jährlich  zwischen 
510  und  546,  von  den  in  den  Heilanstalten  Behandelten  zwischen  4,5 
bis  5,6  Proz.  Die  Zahl  der  an  K  r  o  p  f  in  den  öffentlichen  Heilanstalten 
Behandelten  hat  seit  1903  sehr  rasch  zugenommen,  von  284  auf  1535 
(mit  36  Todesfällen). 

Sanitätsanstalten.  Die  632  allgemeinen  Krankenhäuser 
hatten  durchschnittlich  je  43  Betten  und  331  Kranke.  Die  Sterblich¬ 
keit  bewegte  sich  zwischen  4,5  und  4,8.  Die  Frequenz  der  öffent¬ 
lichen  Irrenanstalten  war  1910  13  061  Gesamt-  und  9464  Durchschnitts¬ 
bevölkerung  mit  852  Todesfällen.  22  Proz.  davon  erfolgten  an 
Lungen-  und  Darmtuberkulose,  10.5  im  paralytischen  oder  epilepti¬ 
schen  Anfall,  18,7  an  Marasmus  senilis.  Di3  paralytischen  Seelen¬ 
störungen  machten  lA  des  Gesamt-,  über  die  Hälfte  des  Durchschnitts¬ 
bestandes  aus.  Durch  fleissige  bakteriologische  Untersuchungen 
wurden  in  mehreren  Anstalten  Typhusbazillenträgerinnen  fest- 
gestellt.  —  Von  den  besuchtesten  Bädern  hatten  1910  Kissingen 
32  000  und  Reichenhall  15  000  Kurgäste. 

Oeffentliche  Gesundheitspflege.  Es  wurde  im  neuen  Berichte  im 
Gegensatz  zu  den  früheren  der  Hauptwert  auf  ziffernmässige  Nach¬ 
weise  gelegt.  Um  grössere  Vollständigkeit  zu  erzielen,  wurden  die 
Berichte  der  Bezirksärzte  über  die  Ernährung  auf  bestimmte  Fragen 
beschränkt,  namentlich  auf  Aenderungen  in  der  Ernährungsweise, 
auf  das  Molkereiwesen  und  den  Alkoholmissbrauch. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  II. 


598 


Nahrung.  Während  bis  1909  eine  Zunahme  der  Schlach¬ 
tungen  stattgefunden  hatte,  nahmen  sie  1910  im  ganzen  um  1,  bei 
den  Rindern  um  614  Proz.  ab.  Der  Verbrauch  an  Trink-  und 
Koch  milch  wird  auf  den  Kopf  und  das  Jahr  für  die  grösseren 
Städte  berechnet:  Augsburg  153,  München  135,  Ludwigshafen  124, 
Kaiserslautern  121,  Fürth  und  Würzburg  114,  Nürnberg  113,  Regens- 
burg  98.  —  Im  Vergleich  zu  1880  zeigt  das  Jahr  1909  die  höchste 
Preissteigerung  bei  F.iern,  um  38  Proz.,  bei  Butter  28,  bei 
Roggenbrot  nur  11  Proz.  Die  Schädlichkeit  des  Molkerei¬ 
wesens  wird  von  einer  Reihe  von  Berichterstattern  zugegeben, 
von  einigen  in  direkten  Zusammenhang  mit  der  hohen  Kindersterb¬ 
lichkeit  gebracht,  von  anderen  verneint.  Erfreulicher  ist  jedenfalls, 
dass  der  Bier  verbrauch,  wenn  auch  langsam,  zurückgeht,  von 
1901 — 10  von  245  Liter  jährlich  auf  den  Kopf  auf  228,  also  um  7  Proz. 
Von  verbrauchtem  Brannt\vein  kämen,  wenn  Ein-  und  Ausfuhr  gleich 
gross  wären,  was  nicht  zutrifft,  P/s  Liter  auf  den  Kopf. 

Säuglingsernährung.  Die  ersten  Schritte  gegen  die 
hohe  Säuglingssterblichkeit  erfolgten  1907  durch  das  Ministerium  des 
Innern  in  Anweisungen  zur  Organisation  der  Säuglingsfürsorge. 
Ende  1908  wurde  dafür  eine  Zentrale  geschaffen  und  es  wurden 
steigende  Mittel  für  diese  Zwecke  verwendet,  1910  547  000  M.  oder 
mit  den  Ausgaben  für  Krippen,  Milchküchen,  Schwangere  usw.  über 
1  Million,  davon  109  000  für  Stillprämien,  64  000  für  Wöchnerinnen¬ 
unterstützung,  4700  für  Belohnung  an  Hebammen.  Es  bestehen  nun 
4  Wöchnerinnen-,  1  Mutter-,  10  Säuglingsheime  und  15  sonstige  An¬ 
stalten,  welche  gefährdete  Kinder  verpflegen. 

Wohnung.  Es  ist  sehr  anzuerkennen,  dass  neben  Säuglings¬ 
sterblichkeit  und  Tuberkulose  nunmehr  auch  das  Wohnungswesen, 
das  doch  neben  der  Ernährung  den  wichtigsten  Einfluss  auf  Gesund¬ 
heit  und  Leistungsfähigkeit  des  Menschen  ausübt,  Gegenstand  ziel¬ 
bewusster  allseitiger  Verbesserungsbestrebungen  von  seiten  aller 
Behörden  geworden  ist.  Gerade  der  Kampf  gegen  die  beiden  ge¬ 
nannten  Schäden  musste  diese  Bestrebungen  fördern,  denn  er  hat 
ihren  Erfolg  zur  Voraussetzung  seines  eigenen,  weil  die  Tuberkulose 
eine  ausgesprochene  Wohnungskrankheit  ist,  und  weil  doch  kein 
Zweifel  mehr  bestehen  kann,  dass  die  Säuglingssterblichkeit,  in  erster 
Linie  von  der  Stillhäufigkeit  beeinflusst,  in  hohem  Grade  von  Ueber- 
völkerung,  Ueberhitzung  und  Verunreinigung  der  Wohnung  abhängt. 

Ausser  der  hohen  Steigerung  der  Mietpreise  hat  der  bestehende 
Mangel  an  geeigneten  Wohnungen  immer  mehr  die  Ueberzeugung 
von  der  Notwendigkeit  staatlichen  Eingreifens  herbeigeführt.  So 
stellte  sich  bei  112  Zählungen  der  letzten  Jahre  in  bayerischen  Ge¬ 
meinden  90  mal  heraus,  dass  weniger  als  3  Proz.  bis  herunter  zu  0 
Wohnungen  leerstanden,  während  3  Proz.  leerstehende  Wohnungen 
auf  Grund  der  Erfahrungen  als  Norm  angenommen  werden. 

Der  Staat  hat  ausser  durch  die  Gesetzgebung,  z.  B.  das  Landes¬ 
kulturrentengesetz  von  1908,  ausser  erheblicher  Vermehrung  seiner 
Dienstwohnungen  besonders  dadurch  geholfen,  dass  er  1909  und  10 
4 Vs  Millionen  Darlehen  an  die  Gemeinden  zur  Wohnungsbeschaffung 
gewährte.  Darlehen  gaben  ferner  einzelne  Distrikte  und  namentlich 
viele  Gemeinden,  z.  B.  München  3  Millionen,  und  daneben  billigen 
Baugrund,  Baumaterialien  usw.,  oder  sie  erbauten  selbst  Arbeiter¬ 
und  Kleinwohnungen.  130  gemeinnützige  Bauvereine  haben  bis  jetzt 
7653  Wohnungen  hergestellt  und  4  Ledigenheime  in  Regensburg, 
Kaufbeuren  usw.  In  Nürnberg  hat  sich  ein  Verein  zur  Errichtung 
einer  Gartenstadt  gebildet.  Es  werden  aber  im  Berichte  Angaben 
über  die  Ziele  bei  allen  diesen  gemeinnützigen  Massnahmen  vermisst. 
Wird-  es  zugegeben,  dass  alle  diese  mit  Hilfe  von  Staat,  Gemeinden, 
Vereinen  errichteten  Häuser  in  Privatbesitz  übergehen  ohne  Vor¬ 
kaufsrecht  des  Erbauers  usw.,  so  kann  ein  dauernder  Nutzen  nicht 
erreicht  werden;  mit  dem  Verkaufe  werden  sie  wie  die  andern  Häuser 
Gegenstand  der  Spekulation  und  künftiger  willkürlicher  Miet¬ 
steigerungen. 

Die  Errichtung  und  Benützung  von  Badeanstalten,  die 
Wasserversorgung  und  die  Abfuhr  haben  tüchtige  Fort¬ 
schritte  gemacht.  Die  Ausgaben  für  öffentliche  Wasseranlagen 
stiegen  von  rund  21/?  Millionen  im  Jahre  1906  auf  fast  5  Millionen  im 
Jahre  1910,  zu  denen  der  Staat  1/t  bis  14  beitrug.  Wie  in  früheren 
Berichten  ist  wieder  die  offene  Darlegung  von  Missständen  in  den 
einzelnen  Gemeinden  sehr  zweckmässig;  wünschenswert  wären  da¬ 
neben  kurze  Mitteilungen  über  den  Erfolg  der  Werke,  besonders 
der  verschiedenen  Kläranlagen  und  Sammelgruben,  z.  B.  Nürnbergs, 
wie  sie  namentlich  immer  die  sächsischen  Berichte  bringen. 

Gewerbe  und  Industrie.  Im  Jahre  1909  wurde,  wohl 
zuerst  im  Deutschen  Reich,  ein  Landesgewerbearzt  auf¬ 
gestellt.  Dr.  Kölsch  hat  seither  eine  Abhandlung  über  seine  bis¬ 
herige  3  jährige  Tätigkeit,  namentlich  bezüglich  der  Tuberkulose 
in  der  Zeitschrift  des  Stat.  Landesamts  1912  veröffentlicht.  Die 
Hauptursache  der  Erkrankung  durch  den  Beruf  findet  er  in  der  Staub¬ 
gefahr.  Unerwartet  ist  das  Ergebnis  seiner  Untersuchungen,  dass 
(bei  den  Männern)  der  vegetabilische  Staub  nahezu  ebenso  schädlich 
ist,  wie  der  „mineralische“  und  schädlicher,  als  der  Metallstaub. 
Die  grösste  Tuberkulosesterblichkeit,  welche  als  reine  Berufswirkung 
anzusehen  ist,  hatten  die  Steinhauer  mit  jährlich  2,7  Proz.  Dagegen 
scheint  die  Beschäftigung  in  Kohlengruben,  Kalk-  und  Gipsbrennereien, 
Lohgerbereien,  auch  die  der  Kaminfeger  nahezu  antituberkulöse  Wir¬ 
kung  zu  äussern.  Bei  den  Berufseinflüssen  wirken  allerdings  sehr 
viele  Nebenumstände  mit,  die  auch  Kölsch  anführt,  vor  allem  die 


wirtschaftlichen  Verhältnisse  und  die  Konstitution  des  dem  Berufe 
sich  widmenden  Menschenmaterials.  So  weist  er  darauf  hin,  dass 
bei  den  Perlmutterarbeitern  die  Tuberkulose  vielleicht  weniger  Folge 
der  Berufstätigkeit,  als  vielmehr  der  kärglichen  Lebensverhältnisse 
ist.  Ausserdem  wäre  möglichst  die  Alterszusammensetzung  zu 
berücksichtigen,  z.  B.  bei  den  Brauern,  welche  infolge  früheren  Ab¬ 
sterbens  eine  geringere  Vertretung  in  den  höheren  Altersklassen 
haben.  —  Von  1912  ab  haben  die  Krankenkassen  bestimmte  gewerb¬ 
liche  Gesundheitsschädigungen  den  Gewerberäten  anzuzeigen.  Die 
Zahl  der  Betriebsunfälle,  1910  nahezu  18  000,  hat  immer  noch  zu¬ 
genommen. 

Schulen.  In  München,  das  24  Schulärzte  und  1  Schulärztin 
hat,  wurden  von  den  ein-  und  austretenden  Kindern  34  Proz.  von 
guter  Körperbeschaffenheit  gefunden,  59  von  mittlerer,  7  von 
schlechter.  In  Nürnberg  waren  die  betreffenden  Zahlen  beim  Ein¬ 
tritt  24 — 72 — 3,  in  Kaiserslautern  25 — 59 — 14.  Die  segensreiche  Ein¬ 
richtung  der  Schulärzte  wird  sich  trotz  des  noch  sehr  mangelnden 
Verständnisses  der  Bevölkerung,  ja  selbst  von  Lehrern  und  Schul¬ 
inspektoren,  hoffentlich  rasch  vollständig  entwickeln. 

Armenpflege.  Im  Jahre  1909  wurden  235  000  Personen  von 
den  Gemeinden  mit  14  Millionen  unterstützt,  wovon  allein  3  auf 
München  fallen.  Ein  Auszug  aus  der  Zeitschrift  des  Stat.  Landesamts 
berichtet  über  59  Pflegeanstalten  für  Blinde  usw.,  welche  19H9 
10  028  Personen  verpflegten.  Die  Zahl  der  Vereine  für  Kranken¬ 
pflege  nimmt  ständig  zu. 

Desinfektion.  Von  den  Desinfektoren  sind  502  in  einem 
Desinfektionskurse  ausgebildet  gewesen.  Dampfdesinfektionsapparate 
gab  es  207,  Formaldehydapparate  854.  Die  Kosten  wurden  von 
6  Städten,  17  Distrikten  und  387  Gemeinden  ganz  übernommen. 

Impfung.  Von  Jahr  zu  Jahr  mehren  sich  die  Fälle,  dass  Impf¬ 
gegner  pflichtige  Kinder  der  Impfung  entziehen,  1910  fast  3000. 

Das  Rettungswesen  hat  sich  in  erfreulicher  Weise  ent¬ 
wickelt.  161  Sanitätskolonnen  des  Roten  Kreuzes  hatten  8036  Mit¬ 
glieder  und  298  Aerzte. 

Leichenschau.  Die  Zahl  der  ärztlichen  Leichen¬ 
schauer  nimmt  fast  nicht  zu,  sie  betrug  in  den  unmittelbaren 
Städten  73,  auf  dem  Lande  41  Proz.  Die  Pfalz,  mit  nur  12  Proz.,  hatte 
wieder  mit  der  Oberpfalz  die  wenigsten.  Ref.  hat  übrigens  wieder¬ 
holt  darauf  hingewiesen,  dass  die  Leichenschau  in  Bayern  insofern 
besser  ist,  wie  naCh  diesen  Zahlen  geschlossen  werden  muss,  als  der 
Leichenschauer  nach  Vorschrift  die  Diagnose  des  behandelnden 
Arztes  erheben  soll. 

Krankenkassen.  Die  Zahl  der  Versicherten  war  1910 
1  151  579,  davon  über  die  Hälfte  in  Gemeindeversicherungen. 

Aerzte  gab  es  3194,  d.  h.  46  auf  100  000  Einwohner. 

Karl  Kolb-  München. 

Sahli:  Lehrbuch  der  klinischen  Untersuchungsinethoden  für 
Studierende  und  praktische  Aerzte.  Sechste,  umgearbeitete  und  er¬ 
gänzte  Auflage.  I.  Band.  Mit  213  teilweise  farbigen  Abbildungen. 
Leipzig  und  Wien.  Franz  Deut  icke  1913.  752  S.  Preis  16  Mk. 

Einen  neuen  „S  a  h  1  i“  anzeigen  zu  dürfen,  ist  mir  jedes  Mal  eine 
Freude  und  eine  Ehre  zugleich.  Besser  und  kürzer  kann  ich  meinen 
Standpunkt  gegenüber  diesem  aussergewöhnlichen  Werk,  das  ich 
seit  seinem  ersten  Erscheinen  1894  in  dieser  Wochenschrift  (1894 
S.  692,  1902  S.  1972,  1905  S.  1211,  1909  S.  2429)  rühmend  hervor¬ 
gehoben  und  empfohlen  habe,  ganz  gewiss  nicht  charakterisieren. 
Nur  dem  einen  Wunsche,  den  ich  schon  früher  ausgesprochen  habe, 
es  möge  eine  ausführliche  Darstellung  des  Röntgenverfahrens  ein¬ 
gefügt  werden,  diesem  Wunsche  zu  willfahren,  hat  sich  Verf.  leider 
nicht  entschliessen  können.  Aber  ich  will  nicht  weiter  wegen 
dieses  einen  Punktes  mit  dem  Autor  rechten.  Muss  es  uns 
doch  immer  wieder  mit  Staunen  erfüllen,  wie  der  Verfasser  das 
riesige  Gebiet,  das  in  Wahrheit  viel  ausgedehnter  ist,  als  der  Titel 
sagt,  nicht  nur  kritisch  beherrscht,  sondern  durch  eigene  Er¬ 
fahrungen  und  Untersuchungen  bereichert  und  ausgebaut  hat.  Um  so 
mehr  ist  es  aber  zu  verwundern  und  zu  bedauern,  dass  die  in  der 
Vorrede  zur  vorigen  Auflage  vom  Verfasser  so  lebhaft  und  so  ein¬ 
dringlich  vorgebrachte  Klage  auch  in  der  neuen  Ausgabe  noch  nicht 
verstummt  ist:  ich  meine  die  Beschwerde,  dass  ein  solches  durch  und 
durch  originelles  Lehrbuch  nicht  genügend  von  den  Forschern  be¬ 
achtet  und  zitiert  wird.  Da  ich  diese  Klage  nicht  nur  diesem  Werk 
gegenüber,  sondern  in  Bezug  auf  viele  Handbücher,  in  denen  die 
Autoren  ihre  Anschauungen  und  Beobachtungen  niederlegen,  statt 
sie  in  einzelnen  Journalartikeln  zu  veröffentlichen,  für  durchaus  be¬ 
rechtigt  halte,  so  möchte  ich  sie  an  dieser  Stelle  noch  einmal  unter¬ 
streichen.  Das  Sahli  sehe  Buch  ist  nicht  nur  ein  Nachschlagebuch 
für  Studierende  und  Aerzte,  für  die  es  nach  dem  Titelblatt  bestimmt 
ist,  sondern  vor  allem  eine  unentbehrliche  Grundlage  für  jeden 
Forscher  auf  dem  Felde  der  klinischen  Untersuchungsmethoden. 

P  e  n  z  o  1  d  t. 

W.  Liepmann:  Atlas  der  Operationsanatomie  und  Operations¬ 
pathologie  der  weiblichen  Sexualorgane  mit  besonderer  Berücksich¬ 
tigung  des  Ureterverlaufes  und  der  Suspensions-  und  Stützapparate 
des  Uterus.  35  Tafeln  mit  Text.  Berlin  1912  Verlag  von 
A.  Hirschwald.  Preis  24  M. 

Wie  der  kürzlich  besprochene  gynäkologische  Operationskurs  des 
Verf.s  zeichnet  sich  auch  dieses  Werk  durch  die  Schönheit  der  Figuren 


18.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


599 


aus,  auf  deren  technische  Herstellung  —  sowohl  der  Originale  als 
mch  der  Reproduktionen  —  grosser  Wert  gelegt  wurde.  Die  Kom- 
lination  von  2  Schnittrichtungen,  die  in  einem  dem  Bedürfnis  ent- 
.prechenden  Winkel  zusammenstossen,  ist  sehr  glücklich  gewählt  und 
interstiitzt  die  plastische  Vorstellung  in  besonderer  Weise.  Diese 
\rt  der  Veranschaulichung  sollte  gerade  im  Unterricht  gepflegt  wer- 
len,  weil  die  so  entworfenen  Augenblicksbilder  besser  als  ausfiihr- 
iche  Tafeln  und  zeitraubende  Projektionen  sind.  Unter  den  vor- 
iegenden  Tafeln  dünken  mich  diejenigen  über  den  Verschlussapparat 
les  Beckenbodens  die  besten,  sowohl  in  Auswahl  und  Ausführung. 

;s  treten  besonders  die  verschiedenen  Etagen  des  Muskel-  und 
'aszienkomplexes  klar  hervor,  dabei  sieht  man  wieder,  wieviel 
msere  heutige  Lehre  der  Vorfälle  und  Verlagerungen  des  Uterus  und 
.einer  Anhänger  durch  solche  Präparate  gewinnt.  Andere  Schnitte 
iurch  die  verschiedensten  Beckenebenen  ergänzen  die  bekannten 
echt  gut.  Einige  sinnstörende  Druckfehler  und  vereinzelte  unrichtige 
Bezeichnungen  von  Schnittebenen  sind  leider  bei  der  Korrektur  über¬ 
gehen  worden.  Schickele  -  Strassburg. 

White:  Outlines  of  Psychiatry.  Fourth  Edition.  Nervous  and 
Viental  Disease  Monograph  Series  No.  1.  New  York  1913.  318  Seiten. 

Die  knappen  Beschreibungen  sind  bewundernswert  klar.  Be¬ 
sonders  die  psychologische  und  psycho-pathologische  Einleitung  ist 
ein  Muster  der  Darstellung.  Da  und  dort,  z.  B.  beim  Alkoholismus, 
len  Idiotien  und  dann  bei  den  Neurosen,  die  ebenfalls  Berücksichti¬ 
gung  gefunden  haben,  reicht  allerdings  der  Raum  nicht  zu  einer  voll¬ 
ständigen  Darstellung  aus,  während  die  Kapitel  über  ule  wichtigsten 
’sychosen  alles  Notwendige  enthalten.  Der  Verf.  schliesst  sich  im 
w  esentlichen  an  die  K  r  ä  p  e  1  i  n  sehe  Einteilung  an  und  kennt  iiber- 
taupt  die  deutsche  und  französische  Literatur  sehr  gut.  Die  Freu  d  - 
sehen  Theorien  werden  verhältnismässig  eingehend  dargestellt,  in 
Bezug  auf  die  paranoide  Form  der  Dementia  praecox  („Paranoia“) 
vielleicht  zu  eingehend,  da  sie  speziell  hier  doch  noch  recht  proble- 
natisch  sind.  Ref.  möchte  auch  bemerken,  dass  er  nicht  verstanden 
worden  ist,  wenn  White  anführt,  dass  er  das  Senium  praecox  inklu¬ 
sive  die  präsenilen  Psychosen  der  Dementia  praecox  zuzähle.  Ich 
>age  letzteres  nur  vom  K r  äp  e  1  i  n  sehen  Beeinträchtigungswahn  und 
\enne  daneben  z.  B.  das  Senium  praecox  sehr  gut.  —  Den  Unter- 
uicliungsmethoden  sind  155  Seiten  gewidmet. 

Bleuler-  Burghölzli. 

J.  und  P.  Fi  olle:  Traitenient  d'urgence  des  maladies  des 
Kgans  genito-urinaires.  Mit  136  Figuren  im  Texte.  Paris, 
Bai  liiere  &  f  i  1  s,  1913.  288  S.  Preis  6  Francs. 

Trotz  des  Vorhandenseins  ausgezeichneter  Neuerscheinungen  auf 
■lern  Gebiete  der  Erkrankungen  des  Urogenitalapparates  ist  einem 
Aerke  wie  diesem  vollkommene  Existenzberechtigung  zuzuerkennen.  * 
Es  bildet  ein  äusserst  willkommenes  Nachschlagebuch  für  den  allein¬ 
stehenden  Arzt,  der  plötzlich  vor  die  Notwendigkeit  eines  dringenden 
Eingriffes  an  diesen  Organen  gestellt  wird.  Ausserstande,  sich  in 
umfangreichen,  theoretischen  Werken  schnell  und  präzis  zu  infor¬ 
mieren,  wird  es  ihm  ein  Leichtes  sein,  an  der  Hand  des  vorliegenden 
Buches  den  richtigen  therapeutischen  Eingriff  zu  wählen.  Trotz  der 
erwünschten  Kürze  sind  praktisch  wichtige  Details  —  notwendige 
Instrumente  und  Lösungen  etc.  —  in  keiner  Weise  vernachlässigt, 
'he  Einteilung  des  umfangreichen  Stoffes  ist  eine  gute  und  ermöglicht 
die  hier  notwendige  rasche  Orientierung.  Die  wichtigsten  Gebiete, 
Nieren-  und  Blaseneingriffe,  sind  mit  genügender  Ausführlichkeit  be¬ 
sprochen  und  erteilen  eine  durchaus  klare  Auskunft.  Druck  und  Aus¬ 
stattung  sind  recht  gut:  kurz,  das  Werk  entspricht  allen  billigen  An¬ 
forderungen  nach  jeder  Weise.  K  i  e  1 1  e  u  t  h  n  e  r  -  München. 

Kern  und  Scholz:  Sehprobentafeln.  Dritte  Auflage.  Berlin 
1913.  Verlag  August  Hirschwald.  Preis  3  M. 

Wenn  die  Autoren  im  Begleitwort  ihrer  Sehprobentafeln  u.  a. 
die  Notwendigkeit  der  Gleichheit  eines  geeichten  Massstabes, 
dessen  wir  für  die  Beurteilung  der  Sehleistung  bedürfen,  also  die 
Notwendigkeit  einheitlicher  Sehproben,  betonen,  so  befremdet  es 
einigermassen,  dass  der  praktischen  Lösung,  welche  die  vom  inter¬ 
nationalen  Ophthalmologenkongress  eingesetzte  Kommission  unter 
dem  Vorsitz  von  Hess  ausgearbeitet  hat  (Internationale  Sehproben, 
Verlag  von  Bergmann-Wiesbaden),  überhaupt  nicht  gedacht  wird. 

-  Zur  möglichsten  Präzisierung  des  Sehschärfengrades  haben  Kern 
und  Scholz  II  verschiedene  Abstufungen  der  Sehschärfengrade 
zwischen  0,2  und  1,0  angewendet.  Die  Tafeln  sind  für  solche  Unter¬ 
suchungen,  bei  denen  Simulation  und  Aggravation  nicht  aus¬ 
geschlossen  sind,  recht  vorteilhaft.  Prof.  Dr.  L  o  h  m  a  n  n. 

W.  Wollt:  Taschenbuch  der  Magen-  und  Darmkrankheiteu. 

pit  13  Textabbildungen  und  1  farbigen  Tafel.  Verlag  von  Urban 
Schwarzenberg.  Berlin-Wien  1912.  160  Seiten.  Preis  geb. 

4  Mark. 

Das  Büchlein  gibt  im  wesentlichen  die  bewährten  diagnostischen 
und  therapeutischen  Anschauungen  wieder,  die  von  Ewald  und 
später  von  K  u  1 1  n  e  r  zahlreichen  dankbaren  Hörern  der  Aerztekurse 
am  Augusta-Hospital  übermittelt  wurden.  Leider  hat  Verf.  in  dem 
Bestreben,  sich  kurz  zu  fassen,  manche  Abschnitte  des  speziellen 
feiles  nur  so  andeutungsweise  behandelt,  dass  der  Nutzen  für  den 
Praktiker  fraglich  erscheint.  F.  P  e  r  u  t  z. 


Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 
Heft  2,  1913. 

E.  Plate  und  A.  Bornstein:  Ueber  den  Einfluss  der  Herz- 
vibration  mit  hoher  Frequenz  auf  den  Kreislauf.  (Allg.  Krankenhaus 
St.  Georg  in  Hamburg.) 

Die  Verfasser  benützten  den  von  Plate  angegebenen  Apparat 
und  eine  Methode  Bordsteins  zur  Messung  der  Herzarbeit.  Blut¬ 
druck  und  Pulsfrequenz  der  Patienten  blieben  unbeeinflusst,  auch 
kam  keine  wesentliche  Beeinflussung  des  Minutenvolums  durch  die 
Vibration  zustande. 

M.  Hinhede:  Untersuchungen  über  die  Verdaulichkeit  einiger 

Brotsorten.  (Labor,  f.  Ernährungsuntersuchungen  in  Kopenhagen.) 

Interessante  Untersuchungen  an  einem  Manne,  der  ausschliess¬ 
lich  von  Brot  (verschiedener  Sorten)  und  Fett  lebte.  Die  einzelnen 
Perioden  betrugen  4 — 8 — 12  Tage.  Bei  Schrotbrot  (aus  ungesiebtem 
Roggenmehl)  betrug  der  Verlust  13  Proz.,  bei  Weissbrot  2,3  Proz., 
bei  Roggenbrot  (aus  feinem  Roggen-  und  Weizenmehl)  4,5  Proz., 
bei  Grahambrot  8,4  Proz.  In  der  Frage  „Weissbrot  oder  Grobbrot“? 
entscheidet  sich  H.  für  das  letztere,  wenigstens  bei  einseitiger  Er¬ 
nährung,  weil  es  in  der  Schale  des  Korns  Substanzen  enthält,  die  un¬ 
entbehrlich  sind.  Die  Befunde  im  einzelnen  müssen  in  den  zahlreichen 
Tabellen  nachgelesen  werden. 

Determann-St.  Blasien :  Zur  Hydrotherapie  der  nervösen 
Schlaflosigkeit. 

Verf.  wendet  gegen  P  o  t  o  t  z  k  y,  der  hydriatrische  Prozeduren 
am  Abend  verwirft,  weil  sie  erregend  wirken,  ein,  dass  die  experi¬ 
mentelle  und  klinische  Erfahrung  dieser  Anschauung  widerspricht  und 
führt  dafür  Beispiele  an. 

Pototzky-Berlin:  Entgegnung  auf  vorstehenden  Artikel. 

E.  E  b  s  t  e  i  n  -  Leipzig :  Ueber  das  Lufteinblasen  in  den  Mastdarm. 

Historische  Studie.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  9,  1913. 

M.  Borchardt  -  Berlin:  Zur  Behandlung  beginnender  Gangrän. 

Zur  Verhinderung  drohender  Gangrän  im  Beine  empfiehlt  Verf. 
Wechselbäder  bis  zum  Knie  anzuwenden;  das  eine  Bad  enthält 
Wasser  von  35°,  dessen  Temperatur  langsam  auf  55°  erhöht  wird; 
im  anderen  Bad  ist  abgestandenes  Wasser,  das  allmählich  durch  kaltes 
Leitungswasser  ersetzt  wird;  in  jedem  Bad  bleibt  das  kranke  Bein 
nur  einige  Sekunden;  die  ganze  Prozedur  wird  morgens  und  abends 
je  50  mal  wiederholt.  Durch  diese  wochenlang  so  fortgesetzten 
Wechselbäder  schwinden  die  Schmerzen  und  tritt  eine  bessere  Durch¬ 
blutung  des  Beines  ein;  dadurch  lässt  sich  auch  die  Amputations¬ 
grenze  etwas  weiter  herabschieben. 

G.  P  a  r  1  a  v  e  c  h  i  o  -  Palermo :  Pylorusausschaltung  mittels 
Schnur  und  nicht  mittels  Faden. 

Verf.  schildert  kurz  sein  Verfahren,  den  Pylorus  auszuschalten, 
indem  um  das  Antrum  pyloricum  eine  Okklusionsligatur  mittels  einer 
unelastischen  Schnur  gelegt  wird,  deren  beide  Enden  nicht  verknotet, 
sondern  vernäht  und  dann  durch  drei  Sero-Serosanähte  versenkt 
werden;  zugleich  verteidigt  er  diese  Methode  gegen  die  Einwände 
experimenteller  und  klinischer  Art. 

Fr.  K  u  h  n  -  Berlin-Schöneberg:  Zur  Technik  der  Kochsalz¬ 
infusionen. 

Verf.  bespricht  zuerst  die  Chemie  der  Infusion:  Nach  einem 
historischen  Ueberblick  über  die  verschiedenen  Infusionsflüssigkeiten 
ist  er  anf  Grund  seiner  Versuche  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass 
neben  dem  Kochsalzgehalt  eine  gewisse  Menge  von  Traubenzucker 
und  Alkalizuckerverbindungen  in  der  Infusionsflüssigkeit  sehr  zweck¬ 
mässig  ist,  da  Zucker  auf  den  Körper  ernährend,  auf  die  Blut¬ 
körperchen  konservierend,  „antithrombosierend  und  antikoagulierend“ 
wirkt.  (Abgemessene  Mengen  dieser  betreffenden  Substanzen  bringt 
die  Firma  Braun  in  Melsungen  in  den  Handel.)  Der  2.  Teil  befasst 
sich  mit  der  instrumentellen  Technik:  Verf.  zeigt  einen  Apparat,  der 
mit  Hilfe  von  Luftdruck  es  ermöglicht,  den  Strom  der  Infusionsnadel 
in  jeder  Phase  der  Eingiessung  genau  zu  übersehen,  zu  kontrollieren 
und  zu  verändern.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  8/9. 

Fr.  Jäger -Erlangen:  Versuche  zur  Verwendung  des  /Mmi- 
dazolyläthylamins  in  der  Geburtshilfe. 

Das  Mittel  wird  aus  dem  Mutterkorn  dargestellt  und  dient  als 
Sekaleersatz.  Verwendet  wmrde  eine  2prom.  Lösung,  die  bei  Ge¬ 
bärenden  subkutan  oder  intramuskulär  appliziert  wurde.  Die  wirk¬ 
same  Dosis  betrug  4  ccm  —  8  mg  des  Mittels.  Die  wehenerzeugende 
Wirkung  war  besonders  in  der  Austreibungsperiode  vorhanden.  Als 
Nebenwirkungen  treten  auf  Rötung  des  Kopfes,  Konjunktivitis,  Kopf¬ 
weh,  Herzklopfen,  Erythem,  Kriebeln  und  Erbrechen. 

Vorsicht  während  der  Geburt  ist  also  geboten;  während  des 
Wochenbettes  genügen  kleinere  Dosen,  die  unschädlich  sind. 

E.  v.  B  j  ö  r  k  e  n  h  e  i  m  -  Helsingfors :  Zur  Kasuistik  der  Kol- 
paporrhexis  sub  par tu. 

Der  Fall  ereignete  sich  bei  einer  37  jährigen  Vll.-para,  die  nach 
vergeblichem  Zangenversuch  mittels  Wendung  entbunden  worden 
war.  Die  Frau  wurde  durch  Laparotomie  geheilt.  Der  Wundverlauf 


600 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  ll. 


wurde  durch  eine  wohl  infolge  der  Aethernarkose  entstandene 
Pleuritis  kompliziert. 

Januarius  v.  Z  u  b  r  z y  c k  i  -  Krakau:  Eine  während  der  Geburt 
entstandene  Blutgeschwulst  der  Vulva. 

Die  Geschwulst  entstand  während  der  Geburt  bei  einer  34  jähr. 
IV.-para.  Sie  platzte  während  der  Untersuchung,  worauf  die  Geburt 
rasch  mit  der  Zange  beendet  wurde.  Hierauf  Spaltung  der  Ge¬ 
schwulst,  Ligatur  der  Gefässe  und  Jodoformtamponade.  Heilung. 

B.  O  1 1  o  w  -  Dorpat:  Hämatometra  im  80.  Lebensjahre,  bedingt 
durch  ein  Korpuskarzinom  bei  erworbener  Atresla  cervicis. 

Bemerkenswert  an  dem  Fall  war,  dass  der  senil-atrophische 
Uterus  einer  80  jährigen  noch  eine  ausgedehnte  Hämatometra  zu¬ 
stande  brachte.  Die  Blutung  stand  nach  lockerer  Tamponade,  worauf 
Pat.  als  inoperabel  entlassen  wurde.  Exitus  Va  Jahr  später;  keine 
Sektion. 

F.  W  e  s  t  p  h  a  1  e  n  -  Flensburg:  Seitenlage  intra  partum  und 
„endogene“  Infektion. 

Nachdem  der  Kopf  geboren  ist,  soll  die  Gebärende  vorsichtig 
wieder  in  Rückenlage  gebracht  werden.  Es  kommt  sonst  leicht  zu 
Lufteintritt  in  den  Uterus. 

A.  M  a  y  e  r  -  Tübingen:  Ueber  die  Heilung  der  Eklampsie  durch 
intralumbale  Injektion  von  normalem  Schwangerenserum. 

Zwei  ungünstig  verlaufene  Fälle  bei  einer  Gravida  und  einem 
Neugeborenen.  Trotzdem  empfiehlt  M.  das  Serum  zu  weiteren 
Versuchen. 

Bruno  S  t  a  n  g  e  -  Magdeburg:  Zur  Eklampsiefrage. 

St.  hat  2  Fälle  von  Eklampsie  mittels  des  Abderhalden- 
sclien  Dialysierverfahrens  untersucht  und  gefunden,  dass  das  Serum 
in  beiden  Fällen  die  eigene  Eklampsieplazenta  bedeutend  stärker  ab¬ 
baute  als  die  normale.  Vielleicht  ist  das  Auftreten  des  eklamptischen 
Symptomenkomplexes  damit  in  ursächlichen  Zusammenhang  zu 
bringen. 

A.  J.  J  a  r  z  e  r  -  Moskau:  Ueber  Pathogenese  und  Behandlung 
der  Eklampsie. 

Eklampsie  entsteht  durch  Ansammlung  von  Globulinen  im  Blut. 
Dies  führt  zur  Steigerung  der  Viskosität  des  Blutes  (Engelmann) 
und  Ueberfiillung  des  arteriellen  Systems,  nebenher  zur  Gehirnhyper¬ 
ämie  und  Ansammlung  zerebrospinaler  Flüssigkeit.  Daher  Steigerung 
des  intrakraniellen  Druckes  und  eklamptische  Anfälle.  Die  Therapie 
soll  bestehen  in  Anwendung  von  Narkotika,  Beschleunigung  der  Ent¬ 
bindung  und  Aderlässen  mit  oder  ohne  nachfolgender  Infusion  von 
Kochsalzlösung. 

Uthmöller  -  Osnabrück :  Zur  Behandlung  der  Eklampsie. 

U.  behandelt  die  Eklampsie  mit  grossen  Aderlässen  (800  bis 
1250  ccm),  die  aber  erst  nach  der  Geburt  vorgenommen  werden 
sollen.  Unter  8  Fällen  hatte  er  einen  Exitus;  es  handelte  sich  5  mal 
um  Wochenbettseklampsien  und  3  Eklampsien  ante  partum,  von 
denen  2  durch  Zange  und  1  durch  vaginalen  Kaiserschnitt  entbunden 
wurden. 

W.  R  u  b  e  s  k  a  -  Prag:  Normales  Schwangerenserum  bei  un¬ 
stillbarem  Erbrechen  der  Schwangeren. 

2  Fälle,  in  denen  das  Serum  vollständig  versagt  hat. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Band  77,  Heft  1. 

1)  O.  Heubner:  Ueber 'chronische  Nephrose  im  Kindesalter. 

Lesenswerte  Studie,  in  welcher  der  erfahrene  Kliniker  eine  Auf¬ 
zählung  der  verschiedenen  Formen  der  chronischen  Nierenerkran- 
kungen  im  Kindesalter  gibt,  wobei  die  Einteilung  in  diese  oder  jene 
Gruppe  lediglich  nach  klinischen  Gesichtspunkten  erfolgte.  Nach  ihrer 
Aetiologie  ist  die  chronische  Kindernephrose  für  die  Mehrzahl  ihrer 
Fälle  - —  ähnlich  wie  die  akute  Nephritis  — -  auf  die  Einwirkung  infek¬ 
tiöser  Vorgänge  zurückzuführen.  Neben  der  lymphatischen  Kon¬ 
stitution  spielt  eine  gewisse  „Organschwäche“  nach  Heubner  für 
das  Zustandekommen  der  Erkrankung  eine  prädisponierende  Rolle,  so 
zwar,  dass  die  relativ  grössere  oder  geringere  Schwäche  vielleicht 
auch  darüber  entscheidet,  ob  die  leichtere  oder  schwerere  Form  der 
Nephrose  sich  entwickelt.  Heubner  nimmt  dabei  an,  dass  beide 
Formen  in  pathologischer  Beziehung  dem  Grade,  nicht  dem  Wesen 
nach  verschieden  sind.  Therapeutische  Ratschläge,  auf  die  hier  nicht 
näher  eingegangen  werden  kann,  machen  die  Lektüre  dieser  reifen 
klinischen  Studie  doppelt  wertvoll. 

2)  Maurice  D  u  b  o  i  s  und  Karl  S  t  o  1 1  e :  Abhängigkeit  der  Kalk¬ 
bilanz  von  der  Alkalizufuhr.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  zu 
Strassburg.) 

Experimenteller  Nachweis,  dass  per  os  eingeführtes  Alkali  die 
Kalkbestände  des  Organismus  zu  schonen  imstande  ist  und  dadurch 
indirekt  die  Kalkretention  zu  erhöhen  vermag.  (Die  praktische  Nutz¬ 
anwendung,  Alkali  als  Prophylaktikum  oder  Therapeutikum  bei  be¬ 
ginnender  Rachitis  zu  geben,  wurde  von  den  Autoren  nicht  gezogen  — : 
erscheint  aber  eines  Versuches  wert.  Ref.) 

3)  Curt  Meyer:  Zur  Kenntnis  des  Mineralstoffwechsels  bei  der 
Rachitis.  (Aus  dem  Grossen  Friedrichs-Waisenhaus  der  Stadt  Ber¬ 
lin  in  Rummelsburg  [Chefarzt:  Prof.  Erich  Mülle  r].)  (Mit  5  Kurven 
im  Text.) 

Mineralstoffwechselversuche,  deren  Ergebnis  —  wie  in  der  vori¬ 
gen  Arbeit  —  deutlich  für  den  Antagonismus  zwischen  Alkalien  und 
Erdalkalien  zu  sprechen  scheint. 


4)  J.  Take  n  o  aus  Tokio:  Zur  Kenntnis  des  Verhaltens  des  Blu¬ 
tes  bei  den  Rheumatosen.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Ber¬ 
lin  [Direktor:  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Heubner].) 

Verf.  stellte  hämatologische  Untersuchungen  bei  Gelenkrheuma¬ 
tismus,  Chorea  minor,  Endokarditis  und  Pseudochorea  an  und  konnte 
nachweisen,  dass  Hämoglobingehalt  und  Erythrozytenkurve  sich  ana¬ 
log  dem  klinischen  Zustand  verhalten,  d.  h.  bei  Verschlechterungen 
absinkt,  bei  Besserungen  ansteigt.  Umgekehrt  läuft  das  Verhalten  der 
Leukozyten,  besonders  der  Neutrophilen,  die  bei  Verschlechterung 
des  klinischen  Bildes  eine  deutliche  Vermehrung  erkennen  lassen. 

5)  Walter  B  e  y  e  r  -  Rostock  (Medizinische  Universitätsklinik): 
Beweist  der  Aufsatz  von  Kleinschmidt  (im  Heft  vom  3.  Juli 
dieser  Zeitschrift)  etwas  „Zur  Frage  der  Wirksamkeit  des  Diphtherie¬ 
serums  bei  Beteiligung  des  Nervensystems  an  der  Erkrankung“? 

Polemik. 

6)  H.  Kleinschmidt:  Erwiderung  auf  die  vorstehenden  Be¬ 
merkungen  des  Herrn  Dr.  Walter  Beyer. 

Replik. 

Nekrolog  für  Oswald  K  o  h  t  s  von  Dr.  Hensay  -  Mainz.  — 
Vereinsberichte.  —  Literaturbericht,  zusammengestellt  von  A.  Nie¬ 
mann  -  Berlin.  —  Buchbesprechungen.  O.  Rommel-  München. 

Virchows  Archiv.  Band  211,  Heft  1  und  2. 

1)  L.  Lattes:  Ueber  Pankreasvergiftung.  , 

Der  plötzliche  Tod  im  Anschluss  an  Pankreasverletzungen  ist 
nicht  die  Folge  einer  Verblutung,  sondern  durch  Steigerung  der 
proteolytischen  Kraft  des  Pankreassekretes  bedingt.  Nur  Nekrosen, 
die  eine  genügende  Ausdehnung  haben  und  rasch  auftreten,  sind 
tödlich. 

2)  A.  Tsiwidis:  Ueber  drüsenähnliche  Epithelbildungen  bei 
Perikarditis.  (Pathol.  Institut  in  Berlin.) 

Bestätigung  der  geltenden  Anschauung,  dass  diese  drüsenartigen 
Bildungen  vom  Epikardepithel  ausgehen  und  nach  entzündlichen 
Prozessen  auftreten. 

3)  A.  K.  Stein:  Veränderungen  der  Arteria  iliaca  communis 
bei  Syphilitikern. 

In  der  Art.  iliaca  konnte  keine  Mesarteriitis,  sondern  nur  ge¬ 
wöhnliche  Atherosklerose  nachgewiesen  werden. 

4)  M.  Simmonds:  Ueber  lymphatische  Herde  in  der  Schild¬ 
drüse.  (Pathol.  Institut  in  Hamburg-St.  Georg.) 

ln  der  Schilddrüse  kommen  herdförmige  Wucherungen  des 
lymphatischen  Gewebes  unter  verschiedenartigen  Bedingungen  vor. 
Es  kann  sich  dabei  um  lokale  Reizzustände  oder  um  allgemeine 
Störungen  handeln.  Die  lokalen  Reize  können  chemischer,  mecha¬ 
nischer,  entzündlicher  Art  sein.  Als  chemischer  Reiz  dürfte  das 
qualitativ  wie  quantitativ  veränderte  Sekret  der  Basedowschild¬ 
drüse,  vielleicht  auch  die  Jodmedikation  wirken.  An  anderen  Kropt- 
bildungen  und  bei  Geschwülsten  des  Organs  ist  ein  mechanischer 
Reiz  vorauszusetzen,  bei  chronischer  Thyreoiditis  ein  entzündlicher. 
In  75  Proz.  aller  Basedowschilddrüsen  konnten  lymphatische  Herde 
beobachtet  werden,  aber  nur  in  15  Proz.  anderer  Strumen.  Auch  in 
normalen  Schilddrüsen  kann  man  sie  öfter  sehen.  Häufiger  sind  die 
Herde  beim  weiblichen  Geschlecht  und  im  höheren  Alter.  Bevorzugt 
sind  besonders  fette  Individuen. 

5)  R.  Lambert  und  F.  Hanes:  Beobachtungen  an  Gewebs- 
kulturen  in  vitro.  (Columbia-Universität  in  New  York.) 

Es  werden  in  der  Arbeit  behandelt:  Die  Wachstumserscheinungen 
bindegewebiger  und  epithelialer  Zellen,  physikalische  Einflüsse  aui 
das  Wachstum  von  Geweben  in  Kulturmedien,  Kultivierung  von 
Geweben  in  artfremdem  Plasma,  Immunitätsfragen. 

6)  C.  V  a  1 1  a  r  d  i :  Beitrag  zur  Forschung  über  Endotheliome 
der  Lymphwege.  (Klinik  für  Gewerbekrankheiten  in  Mailand.) 

Mediastinalgeschwulst  bei  einehr  61  jährigen  Manne.  Der 
Tumor  wird  als  Endotheliom  der  Lymphwege  der  Adventitia  der 
grösseren  Mcdiastinalgefässe  aufgefasst. 

7)  B.  Roman:  Zur  Kenntnis  des  Neuroepithelioma  gliomatosum. 
(Pathol.  Institut  in  Prag.) 

Maligner  Ependymtumor  des  3.  Ventrikels  teils  epithelialer,  teils 
gliöser  Natur. 

8)  R.  de  Josselin  de  Jong:  Subseröse  Adenomyomatose 
des  Dünndarms.  (Krankenhaus  in  Rotterdam.) 

35  jährige  Frau.  Am  unteren  lleum  Einziehungen  und  knötchen¬ 
förmige  Gebilde,  die  sich  als  adenomyomatose  Bildungen  erweisen. 
Die  Geschwtilstchen  lagen  alle  subserös. 

9)  Bernard:  Zur  Kenntnis  der  Pleurasarkome.  (Pathol. 
Institut  in  Dresden-Friedrichstadt.) 

Tumor  der  rechten  Pleurahöhle. 

10)  W.  R.  Meyer:  Zur  Kasuistik  der  epidermoidalen  Chole¬ 
steatome  des  Gehirns.  (Pathol.  Institut  in  Charkow.) 

20  jähr.  Frau.  Die  Geschwulst  befand  sich  an  der  Basis  des  Ge¬ 
hirns  und  hatte  einen  grössten  Durchmesser  von  55  mm. 

11)  Wilke:  Ueber  Riesenzellenbildung  in  Thyreoidea  und  Pro¬ 
stata,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Histologie  der  Fremdkörpertuberkulose. 
(Pathol.  Institut  in  Kiel.) 

Es  handelt  sich  um  Fremdkörper-Riesenzellen,  die  um  Sekret¬ 
produkte  herum  gelagert  sind. 

12)  E.  Hummel:  Ueber  strahlige  Einschlüsse  in  Riesenzellen. 

(Pathol.  Institut  in  Freiburg  i.  Br.) 


8.  Marz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


601 


Die  Einschlüsse  wurden  in  den  Lungen  und  der  Milz  einer  52  jähr. 
rau  gefunden.  Nach  Verf.  handelt  es  sich  wahrscheinlich  um  Kristal- 
sationsprodukte  irgend  eines  Körpers  in  den  Zellen. 

13)  M.  Ssamoylenko:  Ueber  das  Endost. 

Bestätigung  der  bisher  geltenden  Anschauungen. 

14)  N.  Anitschkow:  lieber  die  Histogenese  der  Myokardver- 
nderungen  bei  einigen  Intoxikationen.  (Pathol.  Institut  in  Peters- 
urg.) 

Versuche  an  Kaninchen  mit  Diphtherietoxin  und  Adrenalin  mit 
nartein-Injektionen  in  die  Ohrvene.  Die  stärksten  Veränderungen 
anden  sich  bei  Diphtherietoxin:  körniger  Zerfall  der  Muskelfasern, 
.blagerung  von  Fetttropfen  in  ihnen  und  Nekrosen.  Bei  Adrenalin- 
■  partein  zeigte  sich  zuerst  Oedem,  später  eine  Verdickung  der  Gitter- 
asern  des  Myokards.  Bei  beiden  Intoxikationen  wurden  auch  ent- 
iindliche  Veränderungen  festgestellt. 

15)  S.  Sato:  lieber  die  Atherosklerose  der  Atrioventrikular- 
. lappen.  (Pathol.  Institut  in  Freiburg  i.  Br.) 

Verf.  fand  bei  seinen  Untersuchungen,  dass  sich  am  venösen 
(lappenapparat,  besonders  am  Aortensegel  der  Mitralis,  schon  vo.n 
rühester  Kindheit  an  atherosklerotische  Flecken  finden.  Diese  Be- 
unde  sind  als  Abnutzungsprozess  zu  bezeichnen.  Für  ihre  Lokali- 
.ation  und  Entwicklung  muss  man  das  mechanische  Moment  so  lange 
ils  das  ausschlaggebende  betrachten,  so  lange  nicht  die  Wirkung 
on  Stoffwechselstörungen  oder  chemischen  Intoxikationen  für  den 
Menschen  in  eindeutiger  Form  nachgewiesen  worden  ist. 

16)  0.  Berner:  Zur  Zystennierenfrage. 

Verf.  .neigt  der  Ansicht,  die  schon  von  Nauwerk  und  Kahl- 
1  e  n  ausgesprochen  war,  zu,  dass  die  angeborenen  Zystennieren  als 
jeschwulsterscheinungen  aufzufassen  sind. 

17)  W.  Ce  eien:  Ueber  Plasmazellen  in  den  Nieren.  (Pathol. 
nstitut  in  Berlin.) 

Plasmazellen  kommen  in  der  normalen  Niere  nicht  vor.  Sie  ent- 
itphen  hauptsächlich  histiogen  und  zwar  aus  Kapillarendothelien  und 
idventitiellen  Zellen.  Die  Entstehung  aus  hämatogenen  Lymphozyten 
st  unwahrscheinlich.  Eine  Umwandlung  in  Bindegewebszellen  konnte 
nit  Sicherheit  nicht  festgestellt  werden.  Die  Plasmazellen  können  in 
lie  Blutbahn  übertreten  und  dort  gefunden  werden.  Plasmazellen  in 
ler  Niere  von  Neugeborenen  sind  als  charakteristisch  für  Syphilis  zu 
jetrachten. 

18)  A.  Pappen  heim:  Historische  Bemerkung  zur  Methyl- 

'riin-Pyronin-Schnittfärbung. 

Die  Färbung  hat  nicht  Unna-Pappen  heim  sehe,  sondern 
Pappenheim-Unna  sehe  zu  heissen. 

19)  Y.  Y  o  k  o  y  a  m  a  und  W.  Fischer:  Ueber  eine  eigenartige 
Form  knotiger  Hyperplasie  der  Leber,  kombiniert  mit  Gehirnverände- 
rungen.  (Pathol.  Institut  in  Göttingen.) 

24  jährige  Frau.  Die  Leber  sah  einer  syphilitischen  Apfelleber 
ähnlich.  Für  Syphilis  war  jedoch  kein  Anhaltspunkt  vorhanden.  Die 
Untersuchung  der  Leber  ergab  eine  hochgradige  Zirrhose,  knotige 
Hyperplasie  und  oft  ausgedehnte  Nekrosen.  Ausserdem  wurden  im 
iehirn  Veränderungen  des  Linsenkerns  festgestellt.  Es  handelt  sich 
wahrscheinlich  um  einen  toxischen  Prozess,  der  die  Leber-  und  Ge¬ 
hirnveränderungen  hervorruft.  Schridde  -  Dortmund. 

% 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 
71.  Band,  2.  Heft. 

Handovsky  und  E.  P.  Pick:  Untersuchungen  über  die 
pharmakologische  Beeinflussbarkeit  des  peripheren  Gefässtonus  des 
Frosches.  (Pharmak.  Inst.  Wien.) 

Adrenalin,  Nikotin,  Baryurn  wirkten  vasokonstriktoriscli.  Ty¬ 
ramin,  Histamin  und  Wittepepton  dilatierten  nach  vorheriger  An¬ 
wendung  von  konstringierenden  Mitteln  (Adrenalin).  Cholin  wirkte 
vasodilatierend. 

E.  Hauberisser  und  F.  Schönfeld:  Ueber  die  Quellung 
von  Bindegewebe.  (Pharmak.  Institut  Göttingen.) 

Nach  den  Untersuchungen  verschiedener  Autoren  begünstigen 
Natriumionen  in  besonderer  Weise  die  Oedembildung.  Die  Verfasser 
untersuchten  am  Nackenbande  des  Rindes  die  Quellungsvorgänge  mit 
Ringerlösung,  Kolloiden,  Kalium,  Kalzium,  Magnesium  etc.  und  fanden, 
dass  das  Natrium-Ion  in  keiner  Weise  eine  Ausnahmestellung  hat. 
Fs  muss  sich  also  bei  der  Oedembildung  am  Lebenden  um  kompli¬ 
ziertere  Vorgänge  handeln 

Grund:  Zur  chemischen  Pathologie  des  Muskels  II.  Der  Ein¬ 
fluss  der  Inaktivitätsatrophie  auf  die  N-  und  P-Verteilung  im  Muskel. 
'Med.  Klinik  in  Halle.) 

Histologisch  tritt  bei  der  Abtrennung  des  Muskels  vom  Nerven 
dasselbe  Bild  auf  wie  bei  der  einfachen  Atrophie,  nur  rascher  und 
vollständiger.  In  früheren  Versuchen  hatte  Verf.  nachgewiesen,  dass 
bei  den  vom  Nerven  getrennten  Muskel  mit  Entartungsreaktion  der 
Fiweissphosphor  im  Verhältnis  zum  Eiweissstickstoff  sehr  erheblich 
anwächst,  durch  elektive  Einschmelzung  der  phosphorfreien  Eiweiss¬ 
körper.  Die  vorliegenden  Versuche  zeigten  beim  einfach  atrophischen 
Muskel  genau  das  gleiche  Verhalten,  nur  in  etwas  geringerem  Grade. 
Ebenso  wie  sich  anatomisch  kein  Aequivalent  zu  den  physikalischen 
Phänomen  der  Entartungsreaktion  finden  lässt,  ebensowenig  ist  bis 
letzt  ein  solches  auf  chemischem  Gebiete  zu  ermitteln. 

W.  S  t  r  a  u  b  -  Freiburg:  Bemerkungen  zu  der  Untersuchung  von 
Ur.  H.  F.Orünwald:  Zur  Frage  der  Digitalisspeicherung  im  Herzen. 


L.  L  e  w  i  n  -  Berlin:  Calotropis  procera.  Ein  neues  digitalisartig 
wirkendes  Herzmittel. 

Ausführliche  toxikologische  und  pharmakologische  Untersuchungen 
des  Milchsaftes  der  genannten  Pflanze,  die  zu  den  Asclepiadeen 
gehört.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

L.  Jacob-  Würzburg. 

Archiv  für  Hygiene.  78.  Band.  6.  Heft.  1913. 

1)  Hermann  S  te  ng- Tübingen:  Die  Milch  brünstiger  Kühe  als 
Kindermilch. 

Da  die  Erfahrung  zu  lehren  scheint,  dass  die  Frauenmilch,  sobald 
die  Menstruation  wieder  beginnt,  auf  die  Säuglinge  unter  Umständen 
einen  ungünstigen  Einfluss  ausübt,  indem  sie  offenbare  Veränderungen 
erleidet,  lag  es  nahe,  zu  untersuchen,  ob  auch  die  Brunstzeit  bei  den 
Milchkühen  einen  Einfluss  auf  die  Milchbeschaffenheit  der  Kühe  und 
eventuell  auf  die^  Säuglinge,  welche  mit  derartiger  Milch  gefüttert 
werden,  habe.  Es  ergab  sich  bei  den  Milchuntersuchungen,  dass 
chemische  Unterschiede  aufzufinden  sind,  wenn  auch  die  Verände¬ 
rungen  nicht  regelmässig  nachgewiesen  werden  können.  Beobachtet 
wurden  Schwankungen  im  Fettgehalt.  In  der  Refraktion  und  Milche 
Zuckergehalt,  Säure,  spezifischem  Gewicht,  Eiweiss,  Trockenmasse 
und  Aschegehalt  sind  die  Schwankungen  sehr  gering  oder  nur  aus¬ 
nahmsweise  zu  finden.  Da  gegenüber  der  Normalmilch  Differenzen 
immerhin  konstatiert  werden  können,  so  glaubt  Verf.  dafür  eintreten 
zu  müssen,  dass  Brunstmilch  als  Säuglingsnahrung  nicht  zu  ver¬ 
abfolgen  sei.  In  drei  praktischen  Fällen  sah  er  auch  bei  Säuglingen 
Erkrankungen  in  Form  von  Dyspepsie  auftreten.  Möglicherweise 
seien  dabei  Toxine  (Ovariotoxine)  mit  im  Spiel.  Sogen.  „Abmelke- 
wirtschaften“1  sollten  von  der  Kindermilcherzeugung  ausgeschlossen 
sein. 

2)  H.  K  o  d  a  m  a  -  Strassburg:  Die  Differenzierung  des  Kaviars 
von  anderen  Fischrogen. 

Es  lässt  sich  mittels  der  Präzipitations-,  Anaphylaxie-  und 
Komplementbindungsmethode  der  echte  Kaviar  aus  anderen  Fisch¬ 
rogen  (Karpfen,  Rotaugen,  Brassen,  Schleie,  Lachs,  Hering  und 
Forelle)  sicher  differenzieren,  und  so  gelingt  es  auch  mit  Hilfe  der 
Präzipitationsmethode,  in  einem  Gemisch  von  Kaviar  und  anderen 
Fischrogen  sowohl  den  Kaviar  als  auch  die  Anwesenheit  anderer 
Fischrogen  nachzuweisen.  Die  Verwandtschaft  zwischen  Rotaugen, 
Brassen,  Schleien  und  Karpfen  und  zwischen  Forelle  und  Lachs  lässt 
sich  ermitteln.  Die  Eiweissart  des  Fischfleisches  und  die  der  Eier 
ist  verschieden.  Eigentümlicherweise  bestehen  ziemliche  Unter¬ 
schiede  in  der  Widerstandsfähigkeit  der  verschiedenen  Rogenarten 
gegenüber  feuchter  Hitze.  Karpfen-,  Lachs-  und  Forellenrogen  ist 
resistenter  als  Kaviar-,  Rotauge-,  Brassen-,  Schleie-  und  Herings¬ 
rogen,  denn  die  letzteren  reagierten  im  Präzipitationsversuch  nach 
5  Minuten  langer  Erhitzung  auf  80°  nicht  mehr,  während  bei  ersteren 
eine  derartige  Temperatur  30  Minuten  lang  resp.  100°  5  Minuten  bis 
zum  negativen  Ausfall  einwirken  musste. 

3)  K.  B.  L  e  h  m  a  n  n  -  Würzburg:  Experimentelle  Studien  über 
den  Einfluss  technisch  wichtiger  Gase  und  Dämpfe  auf  den  Organis¬ 
mus.  (XXXII  und  XXXIII.)  Amylazetat  und  Zyklohexanolazetat. 

Die  beiden  Präparate,  welche  in  der  Technik  häufig  gebraucht 
werden,  stehen  praktisch  in  ihrer  Giftwirkung  ziemlich  gleich.  An 
ihrer  narkotischen  Dosis  gemessen  ist  allerdings  das  Zyklohexanol¬ 
azetat  etwa  dreimal  so  giftig  wie  das  Amylazetat,  doch  wird  die 
Giftigkeit  relativ  verringert  dadurch,  dass  ersteres  3 — 4 — 5  mal  so 
geringe  Flüchtigkeit  aufweist.  Im  ganzen  ist  die  Giftigkeit  überhaupt 
nicht  sehr  bedeutend  und  es  kann  eine  Gefahr  in  technischen  Be¬ 
trieben  mittels  der  geeigneten  Vorsichtsmassregeln,  Ventilation  und 
Dampfabsaugung,  vermieden  werden.  Bei  langer  Einwirkung  tritt 
Nai  kose  auf.  R.  O.  Neu  mann  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  10,  1913. 

1)  J.  Orth -Berlin:  Ueber  die  Bedeutung  der  Rinderbazillen 
für  den  Menschen.  (Nach  einem  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
am  19.  Februar  1913  gehaltenen  Vortrag.) 

Cf.  pag.  434  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

2)  R.  W  e  r  n  e  r  -  Heidelberg :  Die  nichtoperativen  Behandlungs¬ 
methoden  der  bösartigen  Neubildungen. 

Verf.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass,  solange  keine  vollkommen 
suffiziente  Einzelmethode  existiert,  die  richtige  Kombination  mehrerer 
Verfahren,  im  besonderen  der  radio-,  chemo-  und  immunthera¬ 
peutischen,  gelegentlich  unterstützt  durch  eine  vorsichtige  Toxin¬ 
oder  Fermentbehandlung,  jeder  einheitlichen  und  einseitigen  Therapie 
überlegen  ist. 

3)  Theodor  Cohn  und  Hans  R  e  i  t  e  r  -  Königsberg:  Klinische 
und  serologische  Untersuchungen  bei  Harneiterungen  durch  Bacterium 
coli. 

Schluss  folgt. 

4)  Jacques  L  e  w  i  n  s  k  i  -  Stettin:  Ein  Beitrag  zur  Endocarditis 
lenta  an  der  Hand  von  3  Fällen. 

Die  Endocarditis  lenta  stellt  eine  chronische  Sepsis  mit  Lokali¬ 
sation  an  den  Herzklappen  dar  und  wird  hervorgerufen  durch  einen 
besonderen  wohlcharakterisierten  Erreger,  den  Streptococcus  vir i- 
dans.  Die  Prognose  ist  sehr  trübe,  auch  die  3  mitgeteilten  Fälle 
starben.  Therapeutisch  verdienen  die  chemischen  Mittel  wohl  kein 
Vertrauen.  Mehr  zu  erwarten  ist  von  der  bakteriologischen  I  hcrapie. 


602 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


speziell  die  Vakzinebehandlung  sollte  möglichst  bald  angewandt 
werden,  ehe  der  Organismus  seine  Widerstandskraft  einge- 
biisst  hat. 

5)  Eugen  Holländer:  Nochmals  „der  dritte  Weg“  zur  totalen 
Rhinoplastik. 

Verf.  ist  gegen  die  Wanderlappenplastik,  da  sie  die  ganze  Ope¬ 
rationsdauer  nur  unnütz  verlängert  und  der  unterernährte  Wander¬ 
lappen  seine  Plastizität  vollkommen  verliert.  Die  direkte  Anheftung 
der  Brusthaut  an  den  Nasenrücken  erzielte  die  besten  Erfolge. 

6)  R.  S  c  h  r  a  m  m  -  Dresden :  Ueber  Aqua  destillata  zur  Sal- 
varsanbereitung. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Verf.  entsprechen  die  Proben 
des  D.  A.-B.  V.  auf  Schwermetalle  nicht  den  an  ein  einwandfreies 
zu  intravenösen  Injektionen  geeignetes  destilliertes  Wasser  zu  stel¬ 
lenden  Anforderungen.  Als  einfache  und  bequeme  Methode  empfiehlt 
der  Verf.  das  Filtrieren  durch  Watte,  da  beim  Filtrieren  von  bereits 
5  Liter  Wasser  Spuren  von  Schwermetallen  auf  derselben  nicht  nur 
einwandfrei  nachgewiesen,  sondern  auch  durch  mehrfaches  Filtrieren 
vollkommen  zurückgehalten  werden  können. 

7)  Eugen  M  i  1 1  w  o  c  h  :  Die  älteste  Influenzaepidemie  in  Persien 
und  Mesoootamien  (im  .lahre  855  n.  Ch.). 

In  der  Chronik  des  Hamza  al  Isfahani  wird  über  einen  kalten 
Wind  berichtet,  der  im  Jahre  855  n.  Ch.  aus  dem  Lande  der  Iurk- 
völker  kam  und  Husten  und  Katarrh  verursachte.  Die  Sterblichkeit 
war  nicht  so  gross  wie  bei  der  Pest.  Es  dürfte  sich  hier  wohl  um 
die  älteste  Influenzaepidemie  handeln;  es  wird  sogar  der  Weg  genau 
beschrieben,  den  die  Krankheit  nahm. 

8)  E.  Lautenschläger  -  Frankfurt  a.  M. :  Eine  Modifikation 
des  K  i  1 1  i  a  n  sehen  Spatelhakens  zur  Schwebelaryngoskopie. 

Bei  diesem  Instrument  ist  ein  Anstossen  am  Sternum  voll¬ 
kommen  ausgeschlossen,  der  Schwerpunkt  ist  ein  anderer  geworden 
und  der  Winkel,  den  der  Spatel  bei  maximal  ausgeschraubtem  Auf- 
luingebalkeu  zur  Horizontalen  bildet,  ist  bedeutend  grösser  geworden. 
Von  den  Patienten  wurde  bei  Anwendung  dieses  Instrumentes  nie¬ 
mals  über  stärkeres  Druckgefühl  geklagt,  und  es  gelang,  durch  die 
maximale  Ausschraubung  öfter  einen  Einblick  bis  zum  vorderen 
Glottiswinkel  zu  gewinnen  als  früher. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  10,  1913. 

1)  Th.  Deneke:  Ueber  die  syphilitische  Aortenerkrankung. 

Vortrag  im  Hamburger  Aerztlichen  Verein  am  3.  Dezember  1912, 
refer.  in  No.  51  (1912)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

2)  Walb-Bonn:  Ueber  den  Schleimhautlupus  der  Nase. 

Die  Tuberkulose  der  Nasenschleimhaut  stellt  vielfach  den  Be¬ 
ginn  des  Hautlupus  an  der  Nase  dar,  mit  dem  sie  sich  jederzeit  kom¬ 
plizieren  kann.  Für  die  Entstehung  kommen  digitale  Infektion,  die  Ein¬ 
atmung,  die  Infektion  auf  dem  Blutwege  in  Betracht,  die  natürlich 
um  so  eher  Gelegenheit  haben  werden,  sich  einzustellen,  wenn  der 
Kranke  bereits  anderweitig  tuberkulöse  Herde  aufzuweisen  hat.  Meist 
handelt  es  sich  um  tuberkulöse  Erkrankung  der  knorpeligen  Nasen¬ 
anteile,  während  das  knöcherne  Gerüst  in  der  Regel  verschont  bleibt. 
Am  sichersten  geschieht  die  operative  Entferung  mit  Hilfe  eines 
Konchotoms;  als  Nachbehandlung  empfiehlt  sich  das  regelmässige 
Einlegen  von  Gazestreifen,  die  mit  Sublimat  1:1000  getränkt  sind;  | 
das  ist  um  so  notwendiger,  als  eine  Reihe  von  Menschen  zeitlebens 
Bazillenträger  bleiben.  Ein  etwa  vorhandener  Hautlupus  ist  nach  der 
Behandlung  des  Schleimhautlupus  zu  behandeln. 

3)  F.  Schütz  und  L.  S  c  h  ü  t  z  -  Königsberg:  Ueber  das  Vor¬ 
kommen  von  Typhusbazillen  auf  den  Tonsillen  Typhuskranker. 

Es  ist  auch  nicht  einmal  gelungen,  bei  Patienten,  die  gelegent¬ 
lich  einer  Epidemie  an  Typhus  erkrankt  waren,  im  Tonsillenabstrich  j 
die  Anwesenheit  von  Typhusbazillen  festzustellen.  Bei  der  Pro¬ 
phylaxe  ist  also  nach  wie  vor  der  Hauptwert  auf  die  Desinfektion 
von  Stuhl  und  Urin  zu  legen. 

4)  Ar  ent  de  B  es  ch  e- Christiania:  Untersuchungen  über  die 
tuberkulöse  Infektion  im  Kindesalter. 

Unter  50  Fällen  kindlicher  Tuberkulose,  in  denen  die  Bazillen 
rein  gezüchtet  werden  konnten,  fand  sich  45  mal  der  Typus  humanus, 

3  mal  der  Typus  bovinus  und  2  mal  Bazillen  von  nicht  genau  definier¬ 
barem  Typus  (mixed  viruses  der  englischen  Tuberkulosekommission). 
Demnach  rührt  bei  der  Tuberkulose  der  Menschen  die  Infektion  in 
92 — 94  Proz.  der  Fälle  wieder  vom  Menschen  her. 

5)  Hans  B  o  n  t  e  m  p  s  -  Hamburg-Altona :  Ueber  die  Verhütung 
der  mikroskopischen  Fehldiagnose  der  Tuberkelbazillen. 

Besonders  seit  das  Anreicherungsverfahren  mit  der  Antiformin- 
inethode  zur  Auffindung  der  Tuberkelimzillen  in  Gebrauch  gekommen 
ist,  liegt  die  Gefahr  nahe,  dass  andere  säurefeste  Körper  die  Anwesen¬ 
heit  von  I  uberkelbazillen  Vortäuschen.  Hierher  gehören  die  Smegma- 
bazillen.  die  in  Milch,  Butter,  Wasser,  Gras,  Mist  usw.  Vorkommen-  1 
den  Stäbchenformen,  Aktinomyzesarten  und  endlich  auch  Teile  zer¬ 
trümmerter  Lykopodiumsporeri.  wie  sie  nur  zu  leicht  bei  der  Ver¬ 
abreichung  von  Medikamenten  in  Pillenform  in  den  Auswurf  der 
Kranken  hineingeraten  können.  Auch  Korkzellen  und  Wabenwachs 
haben  sich  als  säurefest  erwiesen.  Um  unliebsamen  Verwechslungen 
vorzubeugen,  empfiehlt  sich  in  erster  Linie  peinlich  sauberes  Arbeiten 
mit  mechanisch  gründlich  gereinigtem  Glasmaterial  und  sterilem 
destillierten  Wasser. 


6)  Hans  Aronsohn  und  Paul  Sommerfeld-  Berlin :  Wei¬ 
tere  Mitteilungen  über  die  Giftigkeit  des  Harns  bei  Alasern  und 
anderen  Infektionskrankheiten. 

Die  Verff.  sind  auf  Grund  ihrer  Untersuchungen  zu  folgendem 
Ergebnis  gelangt:  Eine  über  die  Norm  gesteigerte  und  eventuell  diffe¬ 
rentialdiagnostisch  zu  verwertende  Giftigkeit  des  Harns  ist  dann  als 
erwiesen  anzusehen,  wenn  Meerschweinchen  von  180 — 220  g  nach 
intravenöser  Injektion  von  2  ccm  neutralisierten,  auf  Körpertempera¬ 
tur  erwärmten  Harnes  akut  eingehen.  Bei  Masern  liegt  in  der  Tat, 
besonders  im  Gegensatz  zu  Scharlach,  eine  solche  Steigerung  der 
Harngiftigkeit  vor.  Welcher  Art  die  Giftstoffe  sind,  steht  zurzeit 
noch  nicht  fest.  Bei  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  wurde  die 
merkwürdige  Beobachtung  gemacht,  dass  Harn  eines  gesunden  Kin¬ 
des  völlig  ungiftig,  die  Asche  desselben  Harns  jedoch  stark  giftig  war. 

7)  Heinrich  Harttung  -  Breslau :  Ueber  Lokalanästhesie  bei 
Operationen  am  Brustbein. 

Behufs  Spaltung  des  Brustbeins  in  Lokalanästhesie  wurden  in 
Anlehnung  an  die  von  Braun  für  die  Freund  sehe  Operation  an¬ 
gegebene  Technik  im  1.  bis  5.  Interkostalraum  etwas  oberhalb  dessen 
Mitte,  dicht  rechts  und  links  neben  dem  Sternum  je  5  ccm  einer  1  proz. 
Novokain-Suprareninlösung  injiziert.  Mit  K>  proz.  Lösung  wurden 
dann  die  einzelnen  Injektionspunkte  noch  auf  dem  Wege  der  Weich¬ 
teilumspritzung  verbunden,  auch  der  unterste  rechte  und  linke  Punkt 
miteinander.  Eine  Infiltration  des  Jugulum  vervollständigte  die  An¬ 
ästhesierung,  die  von  einem  tadellosen  Erfolge  begleitet  war. 

8)  W.  Böcker  - Berlin :  Zur  Frage  der  Indikationen  der  Arthro¬ 
dese. 

Die  zur  Vermeidung  von  Stützapparaten  ausgeführte  Arthro¬ 
dese  ist  nur  am  Fussgelenk,  nach  Lorenz  auch  am  Schultergelenk 
ohne  Bedenken  auszuführen;  am  Knie  wird  man  schon  etwas  zurück¬ 
haltender  sein  müssen,  jedenfalls  keine  doppelseitige  Versteifung  vor¬ 
nehmen;  am  Handgelenk  wird  ebenfalls  besser  die  Beweglichkeit  er¬ 
halten.  Letzteres  gilt  unbedingt  für  Hilft-  und  Ellbogengelenk.  Eine 
soziale  Indikation  für  die  Arthrodese,  wonach  diese  dann  eine  Opera- 
tio  pauperum  vorstellen  würde,  sollte  nicht  zugegeben- werden. 

9)  Paul  Herz-Berlin-Lichtenberg:  Ueber  operative  Behandlung 
der  Nierenentzündung. 

Eine  Heilung  von  Nierenenzündungen  durch  die  operativen  Ein¬ 
griffe  der  Dekapsulation  oder  Nephrotomie  dürfte  schon  deswegen 
nicht  zu  erwarten  sein,  weil  es  sich  stets  um  eine  Affektion  beider 
Nieren  handelt.  Immerhin  leisten  erfahrungsgemäss  die  genannten 
Operationen  gute  Dienste  bei  Nierenkoliken,  sogen,  essentiellen  Blu¬ 
tungen,  bei  Anurie  und  Urämie  infolge  von  chronischen  und  akuten 
Nephritiden. 

10)  Marie  H  o  1 1  h  -  Christiania:  Salvarsanbehandelte  Mütter  und 
ihre  Kinder. 

Die  Salvarsanbehandlung  syphilitischer  Schwangerer  führte  da¬ 
zu,  dass  grösstenteils  symptomfreie  Kinder  am  normalen  Schwaneer¬ 
schaftsende  geboren  wurden.  Einmal  konnte  auch  ein  günstiger  Ein¬ 
fluss  der  Milch  einer  salvarsanbehandelten  Mutter  auf  ihr  kongenital¬ 
luetisches  Kind  gesehen  werden. 

11)  Tesche  mach  er- Bad  Neuenahr:  Ein  Fall  von  ge¬ 
heiltem  (?)  Morbus  Addison. 

Infolge  längere  Zeit  fortgesetzter  Adrenalintherapie  kam  es  zu 
einem  vollständigen  Schwinden  der  Bronzefärbung  und  auffallender 
Besserung  des  Allgemeinzustandes. 

12)  S.  S.  Semenow-Blumenfeld  - Rostow  a.  Don :  Ein 
Beitrag  zum  latenten  Erysipel. 

Zwei  Krankengeschichten. 

13)  G.  W  o  1  f  s  o  h  n  -  Berlin:  Ueber  eine  Modifikation  des  Sta- 
phylokokkenvakzins. 

Nachtrag  zu  der  in  No.  3  dieser  Wochenschrift  veröffentlichten 
Arbeit. 

14)  B  u  1 1  e  r  s  a  c  k  -  Trier :  Seife  als  Ursache  des  Hautjuckens. 

Kasuistischer  Beitrag.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  5. 

H.  M  e  y  e  r  -  R  ii  e  g  g  -  Zürich :  Der  Kampf  gegen  die  kriminelle 
Fruchtabtreibung. 

Verf.  verlangt  viel  strengere  Indikationsstellung,  wendet  sich  vor 
allem  gegen  die  Bereitwilligkeit  der  Aerzte,  zum  künstlichen  Abort 
die  Hand  zu  bieten.  Die  „soziale  Indikation“  verwirft  er  völlig. 

P.  C  a  1 1  a  n  i  -  Zürich :  Ueber  den  Nachweis  von  Alkaloiden  in 
der  gerichtlichen  Medizin. 

Meistens  weist  man  Alkaloide  in  Leichenteilen.  Magensaft  etc. 
durch  Farbreaktionen  nach,  die  aber  sehr  viele  wesentliche  Mängel 
haben.  Verf.  empfiehlt  die  Methode  von  Eder,  die  „Mikro- 
sublimationsmethod  e“.  Eine  Spur  des  getrockneten  und 
gereinigten  Alkaloidrückstandes  wird  in  evakuiertem  Glasrohr  erhitzt 
wobei  das  Alkaloid  unzersetzt  an  ein  Deckgläschen  sublimiert.  Die 
so  gewonnenen  Mikrosublimatc  werden  durch  Vergleich  unter  dem 
Mikroskop,  kristallographisch  oder  durch  mikrochemische  Reaktione: 
identifiziert.  Man  hat  so  viel  zahlreichere  und  bessere  Kriterien  als 
bei  den  Farbreaktionen,  auch  ist  die  Methode  viel  empfindlicher  und 
bei  der  grossen  Reinheit  der  durch  die  Sublimation  gewonnenen  Sub¬ 
stanzen  sicherer.  L.  J  a  c  o  b  -  Wiirzburg. 


IS.  März  1913. 


MUENCHENER.  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


603 


Oesterreicliische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  10.  St.  K  I  e  i  n  -  Warschau :  Die  Wirkung  des  Benzols  auf 

len  leukämischen  Prozess. 

Von  22  behandelten  Fällen  beschreibt  K.  hier  näher  12  (8  Myc- 
osen,  3  Lymphadenosen,  1  subakute  Myeloblastenleukämie).  Bei 
ausschliesslicher  interner  Benzolbehandlung  erfolgte  wohl  eine  un¬ 
verkennbare  Beeinflussung  (Verkleinerung)  der  blutbildenden  Organ;, 
der  Milz  und  Leber,  dagegen  war  im  allgemeinen  keine  durchgreifende 
Veränderung  des  Blutbildes  zu  erzielen.  Anderseits  scheint  sich  in 
jeder  Richtung  die  Kombination  der  Benzol-  und  Röntgenbehandlung 
zu  bewähren,  insbesondere  für  die  Formen  mit  sehr  hohen  Leuko¬ 
zytenzahlen  und  auch  bei  Rezidiven  nach  früherer  Röntgenbestrah¬ 
lung.  Mit  einer  vollen  Heilung  ist  allerdings  nicht  zu  rechnen;  der 
schädliche  Einfluss  auf  die  Erythropoese  ist  nicht  zu  leugnen,  ins¬ 
besondere  beweisen  auch  Hämoglobinbestimmungen,  dass  die  Anämie 
selten  ganz  schwindet.  Dieser  Faktor  wird  durch  die  Röntgenbestrah¬ 
lung  günstiger  beeinflusst.  Ein  wesentlicher  Unterschied  der  Benzol¬ 
wirkung  bei  den  verschiedenen  Formen  der  Leukämie  ist  vorderhand 
nicht  festzustellen.  Zur  Darreichung  eignete  sich  am  besten  eine 
gleiche  Mischung  von  Benzol  und  Olivenöl  (30  Tropfen  bis  zu  10  mal 
täglich  in  Milch,  d.  i.  etwa  5,0  Benzol  im  Tag),  ln  leichteren  Fällen 
genügt  eine  Tagesdose  von  3  oder  4  g  Benzol  vollkommen.  Die 
Mischung  von  Benzol  und  Olivenöl  gestattet  auch  die  subkutane  An¬ 
wendung,  wofür  eine  einmalige  Gabe  von  1,5  Benzol  ausreicht.  Rei¬ 
zungserscheinungen  an  den  Harnwegen  wurden  nicht  beobachtet. 

S.  Stern-Pest:  Die  Behandlung  der  Leukämie  mit  Benzol. 

Krankengeschichte  eines  in  einem  verhältnismässig  frühen  Sta¬ 
dium  behandelten  Falles,  wo  nach  2  Monaten  die  Zahl  der  Leukozyten 
von  264  000  auf  13  000,  die  der  Myelozyten  von  44  auf  3  Proz.  sank, 
die  der  polynukleären  Zellen  von  48  auf  74  Proz.  anstieg.  Die  Zahl 
der  Erythrozyten  stieg  von  3)4  auf  534  Millionen.  Die  Milz  ging  auf 
die  normale  Grösse  zurück. 

K.  J.  S  c  h  o  p  p  e  r  -  Wien :  Erfahrungen  über  die  Cholera  in  Ost- 
rumelien  während  des  Balkankrieges  1912. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am 

27.  II.  13. 

K.  1  s  h  i  w  a  r  a  -  Tokio :  Experimentelle  Studien  über  die  Zell¬ 
reaktion  nach  Freund-Kaminer  bei  Ratten. 

J.  fand  bei  mit  Sarkom  geimpften  Ratten  nach  20 — 25  Tagen, 
trotz  tauben-  bis  hühnereigrossen  Tumoren,  die  Zellreaktion  genau 
wie  bei  Gesunden;  erst  nach  30  Tagen  trat  im  Blutserum  die  typische 
Reaktion  auf.  Ferner  zeigten  geimpfte  Ratten  nach  17 — 19  Tagen, 
als  die  grossen  Tumoren  exstirpiert  und  nach  10 — 19  Tagen  die 
Tiere  entblutet  wurden,  dasselbe  Verhalten  des  Serums  w  ie  gesunde 
Ratten.  Es  ist  demnach  wahrscheinlich,  dass  wenigstens  bei  Tieren 
die  Zellreaktion  etwas  Erworbenes,  direkt  von  dem  Tumor  Ab- 
lüingendes  ist.  Mit  dessen  Wachstum  tritt  die  Reaktion  auf,  mit 
seinem  Verschwinden  wird  sie  negativ. 

R.  M  a  r  e  k  -  Prossnitz:  Impetigo  herpetiformis  Hebra,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Klärung  der  Pathogenese  dieser  Erkrankung. 

Beschreibung  eines  Falles.  Nach  eigenen  Beobachtungen  und 
verschiedenen  Angaben  der  Literatur,  welche  auf  das  gleichzeitige 
Bestehen  manifester  oder  mehr  latenter  tetanischer  Erscheinungen 
iiinweisen,  wirft  M.  den  Gedanken  auf,  ob  bei  der  Impetigo  herpeti- 
formis  nicht  eine  Kombination  der  Schwangerschaftstetanie  und  der 
Schwangerschaftsintoxikation  vorliege,  wofür  u.  a.  auch  das  Auf¬ 
treten  beider  Affektionen  in  der  zweiten  Hälfte  der  Schwangerschaft 
spricht.  Verf.  empfiehlt  wie  Glaevecke  die  künstliche  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft,  aber  bei  der  Aussichtslosigkeit  sonsti¬ 
ger  Behandlung,  der  grossen  Gefährlichkeit  der  Erkrankung  und  der 
ohnehin  sehr  zweifelhaften  Prognose  für  die  Kinder  die  Unter¬ 
brechung,  sobald  die  Diagnose  feststeht. 

L.  Teleky-Wien:  Isolierte  Atrophie  einzelner  Daumenballen- 
muskeln  bei  Feilenhauern. 

Beschreibung  zweier  Fälle;  die  Ursache  ist  wohl  in  fortgesetzter 

Ueberanstrengung  zu  suchen. 

A.  Kutschera  v.  Aich  bergen  -  Innsbruck :  Spezifische 

luberkuloseprophylaxe. 

Verf.  erblickt,  auch  auf  Grund  von  Erfahrungen  in  der  eigenen 
Familie,  die  wirksamste  und  einfachste  Bekämpfung  der  Tuberkulose 
in  der  von  Petruschki  empfohlenen  systematischen  Tuberkulin¬ 
behandlung,  und  zwar  am  besten  mittels  der  Einreibung  in  die  Haut. 
Verf.  beabsichtigt  die  Durchführung  solcher  Kuren  in  grösserem  Stile 
bei  den  Mitgliedern  von  Krankepflegeorden  und  befürwortet  die 
Aufstellung  besonderer  Aerzte  für  diese  Tuberkulosebekämpfung. 
Sehr  wichtig  ist  auch  die  Ueberwachung  der  Umgebung  der  Kranken 
und  die  prophylaktische  Behandlung  der  Fälle  von  latenter  und  ge¬ 
schlossener  Lungen-  und  Drüsentuberkulose. 

M.  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien :  Ueber  chronisches  Asthma  der  Ra- 

chitiker. 

Zu  dem  Aufsatz  Lederers  in  No.  8  über  ein  neues  Krank¬ 
heitsbild  der  spasmophilen  Diathese  bemerkt  K.,  dass  die  dort  be¬ 
schriebenen  Krampferscheinungen  der  Bronchialmuskulatur  von  ihm 
wiederholt  bei  Kindern  beobachtet  und  beschrieben  sind,  und  zwar 
sind  regelmässig  bei  diesen  Kindern  sichere  Zeichen  z.  T.  schwerer  \ 
Rachitis  nachweisbar  gewesen. 


W.  Büttner-Riga:  Einige  Fragen  aus  der  Physiologie  und 
Pathologie  der  Verdauung  und  der  Resorption  im  Lichte  moderner 
serologischer  Lehren. 

Ausführliche  Entgegnung  auf  Bemerkungen  Hamburgers  zu 
B.s  gleichbetiteltem  Aufsatz. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  1.  H.  C  h  a  1  u  p  e  c  k  y  -  Prag:  Die  Wirkung  des  Meso¬ 
thoriums  auf  den  Sehapparat. 

Aus  einigen  Tierversuchen  ist  zu  schliessen,  dass  bei  Bestrah¬ 
lungen  in  der  Nähe  des  Auges  letzteres  gut  zu  schützen  und  statt 
der  Röntgenstrahlen  besser  das  schwächer  wirkende  Radium  oder 
Mesothorium  zu  verwenden  ist.  Ob  das  viel  billigere  Mesothorium 
wirklich  das  Radium  vollwertig  ersetzt,  ist  weiter  zu  untersuchen. 

No.  2.  J.  J  i  a  n  u  -  Bukarest:  Transplantation  des  Oberschenkels 
beim  Hunde. 

J.  erwähnt  eine  anatomisch  völlig  gelungene,  nunmehr  nach 
3  Jahren  auch  funktionell  zunehmend  befriedigende  Einpflanzung  eines 
durch  Unfall  fast  völlig  abgetrennten  Vorderarmes  bei  einem  Arbeiter. 
Weiter  wird  kurz  die  anatomisch  ganz  befriedigende,  funktionell  bis 
zu  dem  später  erfolgten  Tode  noch  unzulänglich  gebliebene  Wieder- 
anheilung  eines  amputierten  Oberschenkels  beim  Hunde  beschrieben. 

No.  4.  H.  E  p  p  i  n  g  e  r  -  Wien:  Zur  Toxizität  der  Ameisensäure. 

Bei  einer  Versuchsperson  unter  mehreren  solchen  wurde  nach 
täglichem  Genuss  von  3— 4  g  Natriumformiat  eine  nach  einigen  Tagen 
verschwindende  Albuminurie  und  Hämaturie  beobachtet.  Tierver¬ 
suche  bestätigten  neuerdings,  dass  der  5. — 6.  Teil  der  eingeführten 
Ameisensäure  den  Körper  unverändert  im  Harne  verlässt.  Je  nach 
der  Konzentration  dieser  Lösung  kann  eine  Nierenschädigung  ent¬ 
stehen.  Daher  ist  bei  der  Darreichung  von  Ameisensäure  grosse 
Vorsicht  am  Platze. 

No.  3 — 5.  K.  K  r  a  s  s  e  r  -  Klosterneuburg :  Aetiologische  Studie 
zum  Problem  der  progressiven  Paralyse. 

K.  behandelt  eingehend  die  Frage,  ob  nicht  Ausfallserscheinungen 
von  Seite  der  Nebenniere,  namentlich  der  mit  Vorliebe  von  der  Sy¬ 
philis  befallenen  Rinde,  für  die  Entstehung  der  progressiven  Paralyse 
von  Bedeutung  sind.  Eine  Reihe  von  Tatsachen  lässt  sich  für  das 
Bestehen  von  Wechselbeziehungen  zwischen  luetischer  und  meta¬ 
syphilitischer  Nebennierendegeneration  und  paralytischer  Hirnerkran- 
k um g  geltend  machen. 

No.  6.  J.  J  i  a  n  u  -  Bukarest:  Gestielte  Transplantation  der  Vena 
facialis  zum  Ersätze  des  Ductus  Stenonianus. 

J.  hat  die  Operation  mit  .einem  jetzt  2  Jahre  dauernden  guten 
Erfolg  ausgeführt.  Ist  die  Vena  facialis  zu  dünn,  so  kann  die  Arterie 
zu  Hilfe  genommen  werden.  Nach  gleichem  Prinzip  hat  .1.  mit  Erfolg 
die  Arteria  hypogastrica  zum  Ersatz  des  Ureters,  die  Vena  saphena 
magna  zum  Ersatz  der  Urethra,  die  Arteria  epigastrica  zur  Wieder¬ 
herstellung  des  Vas  deferens  benützt. 

No.  5 — 7.  R.  B  u  o  b  -  Rorschach:  Beitrag  zur  Pathologie  der 
Pankreasgeschwülste. 

Zusammenfassung:  Der  primäre  Krebs  des  Pankreas  ist  selten; 
am  häufigsten  geht  er  von  den  Ausführungsgängen,  seltener  von  den 
Azini,  fast  nie  von  den  Inseln  aus  und  entsteht  fast  ausnahmslos 
I  bei  bindegewebiger  Entartung  des  Pankreas.  Die  letztere  geht  ihrer¬ 
seits  meist  von  entzündeten  —  infolge  Infektion  vom  Darm  aus  — 
Ausführungsgängen  aus,  während  Gefässveränderungen  ohne  grössere 
Bedeutung  zu  sein  scheinen.  Metastasen  des  Pankreaskrebses  be¬ 
treffen  meist  die  benachbarten  Lymphdrüsen  oder  die  Leber,  sehr 
selten  die  Ovarien.  Das  Fehlen  von  Diabetes  bei  Karzinom  d;s 
Pankreas  spricht  gegen  die  Inseltheorie  des  Diabetes. 

Bergeat  -  München. 

7"' 

~  a  y 

Englische  Literatur. 

Frank  Cole  M  a  d  d  e  n  und  Hassan  Shaheen:  Ueber  die 
Spinalanästhesie  mit  Stovain  (101)0  Fälle).  (B.  M.  J„  17.  VIII.  12.) 

Bei  Operationen,  welche  die  Gegend  des  Rippenbogens  nicht 
nach  oben  überschreiten,  ist  Stovain  im  ganzen  und  grossen  ein  ver¬ 
lässliches  Anästhetikum,  Wie  bei  allen  anderen  Anästheticis  ist 
aber  auch  beim  Stovain  eine  sorgsame  Auswahl  der  Fälle  nötig. 
Fälle,  die  sich  für  Chloroform  und  Aether  nicht  eignen,  sind  im  all¬ 
gemeinen  auch  für  Stovain  ungeeignet.  Beim  Chloroform  zeigt  sich 
die  herannahende  Gefahr  durch  prägnante  Zeichen  und  kann  durch 
Unterbrechung  der  Narkose  verhütet  werden,  beim  Stovain  treten 
gefährliche  Zustände  (Dyspnoe,  Blutdrucksenkungen,  Synkope)  zwar 
seltener,  dafür  aber  meist  ganz  unvermittelt  auf.  Ueberdies  ist  eine 
Entziehung  des  Anästhetikum,  abgesehen  von  der  mehrfach 
empfohlenen  Zerebrospinalpunktion,  hier  nicht  möglich.  Stovainisierte 
Kranke  müssen  daher  ganz  besonders  genau  beobachtet  werden. 
Stovain  ist  also  trotz  seiner  grossen  Vorzüge  (Fehlen  von  Nach¬ 
wirkungen  etc.)  kein  ideales  Anästhesierungsmittel. 

Rawdon  A.  Veale:  Komplikationen  nach  Hedonalnarkosen. 
(ibidem.) 

300  Fälle  von  intravenöser  Hedonalnarkose.  Als  Komplikationen 
wurden  beobachtet:  1.  Hautveränderungen:  a)  lokale  Oedeme  der 
Lumbar-  und  Qlutäalgegend  (Gefahr  von  Dekubitus),  b)  Hautblasen 
am  häufigsten  an  den  Fersen  (Herabsetzung  der  Resistenz  der  Gewebe 
gegen  Druck).  2.  Lungenveränderungen:  a)  Oedem,  b)  Pneumonie 
(3  tödliche  Fälle)  und  c)  Infarktbildung.  3.  Veränderungen  im  Venen¬ 
system:  a)  Thrombose  der  zur  Infusion  benützten  Vene  ist  überaus 


604  _ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  11. 


häufig,  anscheinend  jedoch  nur  selten  gefahrbringend,  b)  Thrombose 
der  Vena  femoralis  (5  Fälle)  und  c)  Hirnthrombose  (1  Fall).  Hedonal 
kann  also  keinen  Anspruch  auf  absolute  Ungefährlichkeit  machen. 
Komplikationen  ganz  besonders  von  seiten  der  Lungen  treten  aber  nur 
dann  auf,  wenn  die  Flüssigkeitsmenge  1100 — 1200  ccm  überschreitet. 
Zur  Verhütung  von  Bronchopneumonien  ist  die  Mundpflege  vor  der 
Operation  von  grosser  Wichtigkeit. 

George  Nixon  Biggs:  Die  Behandlung  der  kongenitalen  syphi¬ 
litischen  Taubheit  mit  Salvarsan.  (Ibidem.) 

1  Fall.  Salvarsaniniektionen  führten  zu  Besserung  des  Hör¬ 
vermögens.  Später  trat  wieder  Verschlimmerung  auf,  die  durch  Hg 
und  I.K.  bleibend  beseitigt  wurde.  Salvarsan  führt  nach  Ansicht  des 
verf.  nicht  zur  Heilung,  sondern  nur  zur  Beseitigung  der  Symptome 
der  Syphilis. 

Alfred  Allport:  Die  lokale  Behandlung  der  chronischen 
superfiziellen  Glossitis  mit  Salvarsan.  (Ibidem.) 

Bepinselung  der  angeblich  nicht  spezifischen  Zungenaffektion  mit 
einer  Lösung  von  Salvarsan  in  Glyzerin  führte  zur  Heilung. 

Leonard  Roepers:  Weitere  Erfahrungen  über  die  spezifische 
Heilwirkung  von  subkutaner  Emetininjektionen  bei  Amöbenkrauk- 
heiten.  (B.  M.  24.  VIII.  12.) 

Siehe  ein  früheres  Referat  in  dieser  Wochenschrift.  Verf.  ver¬ 
wendet  Emetin,  hydrochlor.  oder  hydrobromic.  und  spritzt  LS — % — l  g 
ein.  Die  Wirkung  ist  bei  Amöbendysenterie,  Hepatitis  und  beim 
tropischen  Abszess  von  so  günstiger  Wirkung,  dass  das  Präparat 
mit  Recht  an  die  Seite  der  anderen  Spezifika  der  Medizin  gestellt 
werden  kann.  Die  Emetinbehandlung  hat  auch  einen  hohen  diffe¬ 
rentialdiagnostischen  Wert,  da  Bazillendysenterien  nicht  beeinflusst 
werden.  Das  Präparat  ist  bei  Burroughs-Wellcome  und 
Parke,  Davis  erhältlich.  12  Krankengeschichten. 

H.  S.  Ranken:  Die  Ausstossung  von  „infektiösen  Körnchen“ 
beim  Trypanosoma  Gambiense.  (Ibidem.) 

Verf.  hat  den  von  anderen  Autoren  beschriebenen  Vorgang  auch 
beim  Tryp.  Gamb.  der  Schlafkrankheit  beobachtet.  Die  freien 
Gianula,  die  sich  von  Verunreinigungen,  Blutstaub  etc.  unterscheiden 
lassen,  wurden  in  den  Lymphdriisen  und  inneren  Organen  beobachtet. 
Sie  sind  bimförmig,  entwickeln  eine  Geissei  und  zeigen  aktive  Be¬ 
wegungen. 

F.  W.  F  a  n  n  i  n  g  und  W.  J.  F  a  n  n  i  n  g:  Die  Resultate  der 
Sanatoriumsbehandlung  der  Phthise.  (Ibidem,) 

Analyse  von  1102  Fällen.  Das  durchschnittliche  Alter  zur  Zeit 
des  Auftretens  der  ersten  Symptome  war  25  Jahre  und  10  Monate. 
718  Kranke  gehörten  der  städtischen,  384  der  ländlichen  Bevölkerung 
an.  Von  den  707  Männern  folgten  72  Proz.  einer  Beschäftigung  in 
geschlossenen  Räumen,  28  Proz.  einer  solchen  im  Freien.  Von  den 
372  weiblichen  Kranken  gehörten  fast  alle  zur  ersten  Gruppe. 
459  Kranke  (41,6  Proz.)  berichteten  über  eine  positive  Familien¬ 
geschichte,  363  lebten  in  innigem  Kontakt  mit  anderen  Phthisikern 
und  37  bewohnten  infizierte  Häuser.  Vom  Auftreten  der  ersten 
Symptome  bis  zum  Eintritt  in  das  Sanatorium  verstrichen  durch¬ 
schnittlich  lVs  Jahre.  Die  Arbeit  wurde  durchschnittlich  nach 
10  Monaten  eingestellt.  428  Kranke  starben.  Die  durchschnittliche 
Krankheitsdauer  betrug  3L5  Jahre.  Die  Klassifikation  der  Fälle  er¬ 
folgte  nach  Turban:  1.  445  (40,3  Proz.);  2.  256  (23,2  Proz.)  und 
3.  401  (36,3  Proz.).  Durchschnittliche  Dauer  des  Sanatoriumsaufent¬ 
haltes  12  Wochen.  Von  den  entlassenen  Kranken  nahmen  61,4  Proz. 
ihre  alte  Beschäftigung  wieder  auf.  während  38,6  Proz.  eine  neue 
suchten.  Im  weiteren  Verlaufe  zeigte  sich,  dass  die  Art  der  Be¬ 
schäftigung  prognostisch  keine  recht  grosse  Rolle  spielt,  solange 
besondere  Schädlichkeiten  vermieden  werden.  Statistische  Zu¬ 
sammenstellungen  über  die  Dauererfolge  beweisen,  dass  die  3  ersten 
Jahre  nach  Entlassung  am  gefährlichsten  sind.  Die  Zahl  der  Ueber- 
lebenden  betrug  nach  1  Jahre  69,9,  nach  2  Jahren  59,6  und  nach 
3  Jahren  nur  49,2  Proz.,  es  starben  somit  im  ersten  Triennium  etwa 
50  Proz.  Im  zweiten  Triennium  liegen  die  Verhältnisse  bedeutend 
günstiger  (Mortalität  7,1  Proz.).  Von  den  Kranken,  die  vor  7  Jahren 
aus  der  Heilanstalt  entlassen  wurden,  sind  zurzeit  noch  40,9  Proz. 
am  Leben. 

G.  H.  K.  Macalister:  Ueber  den  Nutzen  des  Antiformin  bei 
Sputumuntersuchungen  und  über  den  tinktorielien  Nachweis  von 
Tuberkelbazillen.  (Ibidem.) 

1651  Sputa,  die  bei  direkter  Untersuchung  ein  negatives  Resultat 
ergeben  hatten,  wurden  mit  25  proz.  Antiforminlösung  behandelt.  Es 
konnten  auf  diese  Weise  9  Fälle  (0,54  Proz.)  mit  Tuberkelbazillen 
nachgewiesen  werden.  Andere  Autoren  berichten  über  einen  be¬ 
deutend  höheren  „Verbesserungsquotienten“  (10 — 35  Proz.);  Verf. 
erblickt  die  Ursache  für  diese  Differenz  in  der  grossen  Sorgfalt,  mit 
welcher  er  bei  der  direkten  Untersuchung  des  Sputums  verfährt, 
und  glaubt,  dass  dadurch  der  Nützlichkeit  der  Antiforminmethode 
kein  Abbruch  getan  wird.  Ein  Vergleich  zwischen  den  verschiedenen 
Färbemethoden  ergab,  dass  die  alte  Zi  eh  1 -Nee'l  sonsche  Methode 
am  besten  ist.  Am  nächsten  kommt  ihr  die  Hermann  sehe  Me¬ 
thode,  während  diejenigen  von  Much  und  Gasis  unverlässlicher 
und  technisch  schwieriger  sind. 

Otto  May:  Die  funktionellen  und  histologischen  Veränderungen 
nach  Alkoholinjektionen  in  periphere  Nervenstämme  und  Ganglien. 

(Mikrophotographien.)  (B.  M.  J„  31.  VIII.  12.) 

An  der  Injektionsstelle  entsteht  eine  lokale  Nekrose  und  Fibrose 
im  Nerven.  Oberhalb  der  Läsion  bleibt  der  Nerv  intakt,  das  gleiche 
gilt  von  den  Ganglienzellen,  die  ausser  einer  Chromatolyse  keine 


Veränderungen  erleiden.  Regeneration  tritt  leicht  und  rasch  ein. 
Eine  vollständige  Nekrose  des  Ganglion  Gasseri  durch  einmalige 
Injektion  ist  nicht  erzielbar.  Infolge  der  derben  Struktur  des  Ganglion 
bahnt  sich  der  Alkohol  einen  Weg  entlang  den  Scheiden  der  grossen 
Nervenstämme  und  schädigt  diese  mehr,  als  die  Ganglienzellen. 

J.  G.  Garson:  Die  Behandlung  der  Ataxie  bei  der  Tabes. 
(Ibidem.) 

Beschreibung  der  Fränke  Ischen  Uebungstherapie.  Falls  die¬ 
selbe  frühzeitig  eingeleitet  und  systematisch  fortgesetzt  wird,  lassen 
sich  bei  der  Mehrzahl  der  Fälle  hochgradige  Besserungen  erzielen. 
Die  Therapie  kann  nur  unter  ständiger  Aufsicht  des  Arztes,  am  besten 
in  einem  Sanatorium  durchgeführt  werden;  eine  Heimbehandlung  ist 
nicht  zu  empfehlen. 

Charles  McNeil:  Die  Tuberkulose  des  Säuglings-  und  Kindes¬ 
alters  vom  Standpunkte  der  präventiven  Medizin  aus.  (Kurven  unö 

Tabellen.)  (Ibidem.) 

An  der  Hand  einer  Serie  von  371  Kutireaktionen  bei  Kindern 
Edinburghs  vergleicht  der  Verf.  die  in  Edinburgh  und  Wien  vor¬ 
waltenden  Verhältnisse  miteinander.  In  beiden  Städten  beginnen  die 
positiven  Reaktionen  im  1.  Lebensjahre  (Minimum)  und  erreichen  das 
Maximum  zur  Zeit  der  Pubertät.  Bis  zum  3.  Lebensjahre  ist  die 
Frequenz  in  Edinburgh  höher  als  in  Wien,  von  da  ab  überkreuzen 
sich  die  Kurven  jedoch  sehr  zu  ungunsten  Wiens.  Die  Ursache  für 
die  häufigere  Säuglingstuberkulose  in  Edinburgh  ist  nach  Ansicht  des 
Verf.  der  Umstand,  dass  die  arme  Bevölkerung  in  besonders  hohem 
Grade  den  Gefahren  der  tuberkulösen  Milch  ausgesetzt  ist.  Daraufhin 
deutet  auch  das  häufige  Vorkommen  der  Bauchtuberkulose  in  den 
schottischen  Grossstädten,  die  in  dieser  Hinsicht  an  der  Spitze  stehen 
Dass  auch  Infektionen  mit  dem  Typ.  hum.  im  Säuglingsalter  Vor¬ 
kommen,  ist  nicht  zu  bestreiten.  Ihre  Häufigkeit  ist  aber  nicht  fest¬ 
stellbar,  da  eine  Unterscheidung  auf  Grund  der  Kutireaktion  mit  den 
verschiedenen  Tuberkulinen  nicht  gelingt.  Der  häufigste  Sitz  der 
latenten  Tuberkulose  des  Kindesalters  sind  die  Bronchialdrüsen.  Die 
Phthise  des  Mannesalters  ist  nicht  selten  das  Endstadium  einer 
während  der  Kindheit  erworbenen  Infektion  und  könnte  durch  ein? 
erfolgreiche  Bekämpfung  dieser  vielfach  verhütet  werden. 

Thomas  W.  De  war:  Die  Behandlung  des  Keuchhustens  mit 
intravenösen  Jodoforminjektionen.  (Ibidem.) 

1  Fall  bei  einem  15  jährigen  Knaben.  Verf.  gab  10  intravenöse 
Injektionen  von  1  Gran  Jodoform  in  Aether  und  erzielte  prompt? 
Besserung  und  Abkürzung  der  Krankheitsdauer.  Zur  Behandlung  von 
kleinen  Kindern  eignet  sich  die  Methode  infolge  der  technischen 
Schwierigkeiten  nicht.  Verf.  verwendet  diese  Art  der  Behandlung 
mit  guten  Erfolgen  seit  Jahren  bei  Lungentuberkulose,  chronischer 
Bronchitis  und  hat  nie  irgendwelche  üblen  Folgen  gesehen. 

J.  W.  Lindsay:  Die  Kontagiosität  der  Lepra.  (Ibidem.) 

In  Paraguay  nimmt  die  Lepra  in  letzter  Zeit  in  erschreckender 
Weise  zu.  Wie  aus  den  Erfahrungen  des  Verf.  hervorgeht,  ist  diese 
Krankheit  daselbst  weit  mehr  kontagiös,  als  die  Tuberkulose.  Am 
gefährlichsten  sind  wahrscheinlich  die  Frühstadien.  Ob  die  Infektion 
direkt  oder  indirekt  (durch  Insekten)  übertragen  wird,  ist  unsicher. 
Die  Fischtheorie  ist  ganz  unhaltbar. 

V.  Zachary  Cope:  Der  Kolonkrebs.  (B.  M.  J..  28.  IX.  12.) 

Unter  4000  chirurgischen  Fällen  der  letzten  2  Jahre  fanden  sich 
20  Kolonkrebse  und  zwar  11  der  Flex.  sigm.,  3  der  Flex.  lienal.,  2  der 
Flex.  hepat.,  2  des  Zoekum  und  je  1  des  Colon  transv.  und  desc.  Es 
gibt  2  klinisch-pathologische  Formen:  a)  rasch  wachsende  Tumoren 
von  grösserer  Malignität  und  b)  die  Skirrhusform  mit  Verengerung 
des  Darmes  ohne  Tumorbildung.  Nur  letztere  führt  klinisch  zu  Darm¬ 
obstruktion.  Nicht  selten  verlaufen  Fälle  absolut  latent,  bis  plötzlich 
Darmobstruktion  auftritt.  In  anderen  Fällen  sind  die  Symptome  ge¬ 
wöhnlich  mehr  ausgesprochen  und  lassen  sich  in  6  Gruppen  teilen: 

1.  Symptome  der  allmählich  zunehmenden  Darmverengerung; 

2.  Zeichen  von  Darmulzeration  (schleimige  und  blutige  Stühle, 
Diarrhöe,  Colitis  ulcerosa);  3.  Palpation  eines  Tumors;  4.  Symptome 
von  seiten  anderer  Organe  (Nieren,  Blase,  Magen);  5.  Perikolitis  und 
peritonitische  Erscheinungen  und  6.  Kachexie.  Bei  der  Diagnose  sind 
Verwechslungen  mit  Dyspepsie,  Kolitis,  chronischer  Appendizitis, 
Tuberkulose  des  Zoekums  etc.  zu  vermeiden.  Wertvoll  ist  die  Endo¬ 
skopie  und  Röntgenuntersuchung.  Die  Behandlung  besteht  in  der 
Exzision  des  kranken  Teiles  weit  im  Gesunden  und  Entfernung  der 
Lymphbahnen.  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  die  Blutversorgung  des 
zurückgelassenen  Darmes.  Ist  dieselbe  fraglich,  dann  muss  ein 
grösseres  Stück  Darm  reseziert  werden.  Man  operiert  am  besten 
mehrzeitig.  Bei  Fällen  mit  Obstruktionserscheinungen  ist  vor  der 
Radikaloperation  eine  Zökostomie  oder  Kolostomie  zu  machen. 

Colin  Clarke:  Die  Sterilisation  der  Haut  mit  alkoholischer 
Sublimatlösung.  (Ibidem.) 

Verf.  verwendet  mit  gutem  Erfolge  an  Stelle  der  Jodtinktur 
2 prom.  Sublimatalkohol  (102  Operationsfälle).  Vorzüge  sind:  die  An¬ 
wendungsmöglichkeit  der  Lösung  am  Skrotum,  in  der  Gegend  des 
Anus  etc.  und  der  Fortfall  irritierender  Dämpfe.  Die  Lösung  hinter¬ 
lässt  keine  Flecken  auf  Handtüchern  und  Wäsche. 

Frank  Cole  Madden:  Jod,  als  Verbandmittel  für  Operations¬ 
wunden.  Frederick  J.  A.  Dalton:  Jod,  als  das  einzige  Vor- 
bereitungs-  und  Verbandmittel  bei  Operationen.  (Ibidem.) 

Nach  dem  von  Alcock  angegebenen  Verfahren  wird  die  Naht¬ 
linie  mehrfach  mit  Jod  bepinselt  und  ein  Verband  ganz  weggelassen. 
Verfasser  berichten  über  50  resp.  77  Operationsfälle  und  sind  mit  der 
Methode  sehr  zufrieden. 


8.  März  1913. 


MueNcHeNer  Medizinische  Wochenschrift. 


605 


H.  0.  W.  Da  \v  son:  Eine  kongenitale  Deformität  der  Vorder- 
rme  und  dessen  operative  Behandlung.  (B.  M.  J.,  5.  X.  12.) 

3  Fälle  in  derselben  Familie.  Fixation  des  Vorderarmes  und  der 
and  in  Pronationsstellung,  verursacht  durch  knöcherne  Vereinigung 
es  Radius  und  der  Ulna  in  der  Nähe  des  Ellbogengelenkes.  Die 
perative  Behandlung  bestand  bei  1  Falle  in  der  Trennung  der 
nöchernen  Brücke  zwischen  den  beiden  Knochen.  Später  wurde 
as  Radiusköpfchen  exzidiert  und  eine  Osteotomie  am  Radius  vor- 
enommen.  Seither  ist  Supination  möglich. 

F.  J.  Browne  und  J.  Ross  Makenzie:  Die  Aetiologie  und 
lehandlung  des  Nystagmus  der  Bergleute.  100  Fälle.  (Ibidem.) 

Ursachen  sind:  ungenügende  Beleuchtung,  Refraktionsfehler, 
Überanstrengung  der  Augenmuskeln  und  neuropathische  Veranlagung, 
erhiitet  kann  die  Krankheit  werden  durch  Korrektion  der  Refraktions- 
ahler,  Hebung  der  physischen  und  nervösen  Kraft  der  Bergleute 
nd  bessere  Beleuchtung  der  Gruben  (Elektrizität),  ln  therapeutischer 
(insicht  kommen  in  Frage:  Aussetzen  der  Arbeit,  Ruhe,  Strychnin  etc. 

William  Nie  oll:  Ueber  die  Länge  des  Lebens  des  Rattenflohes 
ach  dem  Verlassen  des  Wirtes.  (B.  M.  J.,  12.  X.  12.) 

Bericht  über  Experimente  mit  dem  bei  der  Uebertragung  der 
*est  und  anderer  Infektionskrankheiten  wichtigen  Rattenfloh.  Die 
urchschnittliche  Lebenslange  der  ausgewachsenen  Insekten  beträgt 
twa  7  Tage,  9  Proz.  blieben  2  Wochen  und  2  Proz.  3  Wochen  am 
.eben.  Hohe  Temperaturen  (Sommer)  verkürzen,  niedrige  (Winter) 
erlängern  die  Lebensdauer  im  Hungerzustande  bis  über  2  Monate, 
iiosse  Trockenheit  und  Feuchtigkeit  sind  schädlich.  Licht  scheint 
as  Leben  der  Insekten  in  geringem  Grade  zu  verlängern.  Experi¬ 
mente  mit  Material,  welches  Flöhe  und  Larven  enthielt,  ergeben, 
ass  die  Infektiosität  etwa  1  Jahr  lang  erhalten  bleibt.  Die  Ursache 
afür  ist  die  Verzögerung,  welche  unter  ungünstigen  Bedingungen 
a  der  Fortentwicklung  der  Larven  eintritt.  Eine  aktive  Vermehrung 
ler  Flöhe  hingegen  ist  äusserst  selten.  Feuchtigkeit  führt  in  kurzer 
'eit  zum  Absterben  der  Flöhe  und  Larven. 

Emily  H.  Siedeberg:  Die  Bedeutung  der  Albuminurie  in  der 
Schwangerschaft.  (B.  M.  J.,  19.  X.  12.) 

An  der  Hand  eines  grösseren  Krankenhausmateriales  weist  die 
/erfasserin  darauf  hin,  dass  Komplikationen  während  der  Geburt 
ind  des  Wochenbettes  (Aborte,  Totgeburt,  Blutungen,  Placenta 
>raevia,  psychische  Störungen  etc.)  bei  albuminurischen  Frauen  be- 
ieutend  häufiger  sind,  als  bei  normalen  Schwangeren.  Die  Albumin- 
Tie  ist  häufig  das  einzige  klinische  Symptom  der  im  Körper  sich 
.eltendmachenden  Toxämie  und  daher,  als  Zeichen  der  drohenden 
jefahr,  diagnostisch  und  therapeutisch  von  hohem  Werte.  Eklampsie 
st  nach  den  Erfahrungen  der  Verfasserin  nur  selten  eine  Folge- 
rscheinung  der  Albuminurie. 

F.  H.  Jacob:  Ueber  die  Anwesenheit  von  Zucker  in  der  Zere- 
irospinalflüsigkeit  bei  Fällen  von  Meningitis.  (B.  M.  J.,  26.  X.  12.) 

Bei  pyogenen,  Pneumokokken-,  Streptokokken-  und  Mischinfek- 
ionen  fehlt  der  Zucker  immer.  Das  Gleiche  gilt  vom  akuten  Sta- 
lium  der  epidemischen  Zerebrospinalmeningitis.  Bei  der  tuberkulösen 
Aeningitis  ist  Zucker  fast  immer  nachweisbar;  nur  in  äusserst  sel- 
enen  Fällen  fällt  die  Reaktion  unmittelbar  vor  dem  Tode  negativ  aus. 
^uch  bei  der  Poliomyelitis  fehlt  der  Zucker  nie. 

Louis  W.  Sambon  und  Albert  J.  Chalmers:  Die  Pellagra 
mf  den  britischen  Inseln.  (Ibidem.) 

Die  Krankheit  ist  seit  langer  Zeit  im  vereinigten  Königreiche  en- 
lemisch.  Sporadische  Fälle  sind  seit  dem  Jahre  1860  beschrieben 
vorden.  Die  Verff.  selbst  haben  eine  Reihe  von  schweren  und  ver- 
lächtigen  Fällen  von  Pellagra  in  Fifeshire,  Forfarshire,  Aberdeenshire 
md  auf  den  Shetlandinseln  (Schottland)  angetroffen.  Es  waren  immer 
3ersonen,  die  ihre  Heimat  nie  verlassen  hatten.  Die  Theorie  vom 
/erdorbenen  Mais  war  bei  diesen  Fällen  ganz  unhaltbar.  Dagegen 
landelte  es  sich  immer  um  Orte  an  raschfliessenden,  mit  Simulium- 
liegen  infizierten  Flüssen.  Diese  Fliegen  sind  nach  Ansicht  der  Verff. 
lie  Ueberlräger  der  Pellagra,  die  als  eine  Infektionskrankheit  auf- 
cefasst  werden  muss. 

William  Nico  11:  Die  Anämie  bei  der  Ankylostomiasis:  das 
Jlutvolumen.  (Ibidem.) 

Die  klinischen  Bilder  der  Erkrankung  des  Menschen  und  des 
lundes  weichen  von  einander  ab.  Beim  Menschen:  chronischer, 
>:ogressiv  zum  Tode  führender  Verlauf,  Empfänglichkeit  aller  Alters¬ 
dassen  und  Mangel  einer  erworbenen  Immunität.  Bei  jungen 
lunden  ist  die  Krankheit  sehr  akut  und  rasch  tödlich,  ältere  Tiere 
sind  zwar  empfänglich,  erholen  sich  aber  nach  einiger  Zeit  und 
deiben  gesund,  obwohl  ihre  Infektiosität  bis  über  2  Jahre  andauern 
;ann.  Bei  der  akuten  Anämie  junger  Hunde  fand  sich  eine  beträcht- 
iche  Herabsetzung  des  Blutvolumens,  der  Erythrozytenzahl  und  des 
ib-Gehaltes.  Bei  der  chronischen  Anämie  älterer  Tiere  war  der 
Ib-Gehalt  um  die  Hälfte  reduziert,  die  Erythrozytenzahl  und  das 
dlutvolumen  jedoch  nicht  verändert.  Bei  beiden  zeigte  das  Blutbild 
zahlreiche  Megaloblasten  und  polychromatophile  Veränderungen. 
Eosinophilie  war  selten. 

Ralph  St.  John  Brooks:  Der  opsonische  Index  bei  der  Pest- 
mpfung.  (Ibidem.) 

Die  Substanz,  welche  zum  Steigen  des  opsonischen  Index  im 
Immunpestserum  führt,  ist  das  im  Körper  der  Bazillen  vorhandene 
Nukleoprotein.  Gewaschene  Bazillenkörper  führen  zu  keiner  Ver¬ 
mehrung  der  Opsonine  und  sind  zur  Impfung  ungeeignet.  Wieder¬ 
holte  Impfungen  führen  bei  Ratten  und  Menschen  zu  einer  Erhöhung 


des  Index  über  das  Maximum  der  vorhergehenden  Impfung 
hinaus. 

Ernest  W.  Hey  Groves:  Klinische  und  experimentelle  Beob¬ 
achtungen  über  die  operative  Behandlung  der  Frakturen  mit  beson¬ 
derer  Rücksicht  auf  die  Verwendung  intramedullärer  Zapfen. 

(Bilder.)  (Ibidem.) 

I  ierexperimente  und  klinische  Resultate.  Verf.  verwendet 
Metallzapfen;  dieselben  sind  in  der  Mitte  quer  durchbohrt  und  tragen 
auf  beiden  Seiten  Längsrinnen,  die  in  das  Loch  einmünden.  Der 
Zapfen  wird  zunächst  mit  einem  Drahte  armiert  und  dann  völlig  in 
die  Markhöhle  des  einen  Fragmentes  eingeschoben.  Die  Bruchstücke 
werden  hierauf  in  die  richtige  Stellung  zueinander  gebracht  und  der 
Zapfen  durch  Zug  am  Drahte  so  verlagert,  dass  er  die  Fragmente 
fixiert.  Die  Methode  ist  leicht  und  schnell  ausführbar,  erfordert  einen 
kleineren  Einschnitt  und  führt  zu  geringeren  Verletzungen  des 
Periosts,  als  andere  Operationen.  Bei  der  Nachbehandlung  kommen 
Schienen  in  Fortfall,  so  dass  Massage  und  Bewegungen  schon  recht 
frühzeitig  begonnen  werden  können.  Nach  der  Operation  bleiben  die 
Fragmente  noch  etwas  beweglich,  was  die  Kallusbildung  sehr  fördert. 

Sir  William  Osler:  Der  hohe  Blutdruck;  sein  Vorkommen, 
seine  Vorteile  und  Nachteile.  (B.  M.  J„  2.  XI.  12.) 

Die  moderne  Angst  unter  Aerzten  und  beim  Publikum  vor  dem 
hohen  Blutdrucke  ist  übertrieben  und  irrationell.  Die  Blutdruck¬ 
steigerung  ist  nicht  eine  Krankheit,  sondern  ein  Adaptionsvorgang 
des  Körpers  an  die  durch  anderweitige  Ursachen  hervorgerufenen 
Veränderungen  des  Zirkulationsapparates  und  daher  vorteilhaft.  Sie 
hat  andererseits  gewisse  Nachteile,  wie  vasomotorische  Beschwerden, 
Angina  pectoris,  Auftreten  von  Arteriosklerose,  Blutungen  etc.  Verf. 
unterscheidet  3  Formen:  1.  die  einfache  Hyperpiese  ohne  Arterien- 
und  Nierenkrankheit;  2.  den  arteriosklerotischen  Hochdruck  und  3.  die 
sekundäre  Steigerung  des  Blutdruckes  bei  der  chronischen  Nephritis. 
Die  einfache  Hyperpiese,  bei  der  oft  Drucke  von  180  und  darüber 
gefunden  werden,  kommt  vorwiegend  bei  robusten,  sonst  völlig  ge¬ 
sunden  Männern,  die  geistig  und  körperlich  schwer  arbeiten  und 
das  Leben  vollauf  gemessen,  vor  und  ist  eine  Erscheinung  der 
rascheren  Abnützung  des  Organismus  im  modernen  Geschäftsleben. 
Anzuraten  sind  bei  diesen  Fällen  Ruhe,  Mässigung  im  Essen,  Trinken 
und  Rauchen,  Unterstützung  der  Darm-  und  Nierenfunktionen  etc. 
Eine  medikamentöse  Beeinflussung  des  Blutdruckes  ist  nicht  ratsam. 
Bei  Hypertensionskrisen  (Kopfschmerzen,  Dyspnoe,  Angina)  sind 
Aderlässe  und  Abführmittel  angezeigt. 

Walter  D  i  1 1  i  n  g:  Die  Berechnung  der  Dosen  von  Medikamenten 
für  Kinder:  eine  neue  und  einfache  Methode.  (Ibidem.) 

Man  findet  die  richtige  Dose,  indem  man  die  Dose  für  Er- 

Alter  ^  5 

wachsene  mit  — —  multipliziert.  Näheres  siehe  im  Original. 

Arthur  Ransome:  Die  Aufgaben  des  Staates  bei  der  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose.  (B.  M.  J„  16.  XI.  12.) 

Die  Aufgabe  des  Staates  ist  die  Verhütung  der  Krankheit  durch 
Massregeln  und  Gesetze,  die  auf  die  Vernichtung  der  Bazillen,  die 
Erhöhung  der  Resistenzkraft  des  Organismus  und  die  Assanierung 
der  Wohnungsverhältnisse  abzielen.  Die  Behandlung  und  Heilung 
der  Krankheit  bleibt  nach  Ansicht  des  Verf.  besser  der  freiwilligen 
Wohltätigkeit  überlassen.  Verf.  ist  ein  Gegner  der  diesbezüglichen 
Paragraphen  des  nationalen  Versicherungsgesetzes.  (Ein  recht 
anfechtbarer  Standpunkt.  Ref.) 

Edward  E.  P  r  e  s  t :  Ueber  die  Wichtigkeit  der  Saturation  der 
Gewebe  mit  Toxin  bei  der  Behandlung  der  Lungentuberkulose. 

(Ibidem.) 

Toxinsaturation  tritt  dann  ein,  wenn  die  gesunden  Gewebe  vom 
Krankheitsherde  aus  mit  einer  so  grossen  Menge  von  Toxinen  über¬ 
schwemmt  werden,  dass  die  Bildung  von  Antikörpern  darunter  leidet. 
Dieser  Zustand  ist  von  schlechter  prognostischer  Vorbedeutung  und 
auf  Grund  der  Temperaturkurve,  der  konstitutionellen  Erscheinungen, 
des  Einflusses  von  Körperbewegungen  und  des  Verhaltens  der  Tuber¬ 
kulinreaktion  erkennbar.  Die  Tuberkulinbehandlung  ist  im  Stadium 
der  Saturation  kontraindiziert.  Erst  wenn  es  durch  Bettruhe  und 
Sanatoriumsbehandlung  gelungen  ist,  einen  Zustand  von  Hypo¬ 
saturation  wiederherzustellen,  darf  man  beginnen,  solche  Kranke  mit 
kleinen  Tuberkulindosen  zu  behandeln. 

William  P.  S.  Br  an  son:  Die  Einbruchspforten  der  rheu¬ 
matischen  Infektion:  auf  Grund  der  Untersuchung  von  75  Fällen  von 
Sydenham  scher  Chorea.  (B.  M.  J.,  23.  XI.  12.) 

Schlussfolgerungen:  Die  Sydenhamsche  Chorea  und  der 
Gelenkrheumatismus  werden  durch  den  gleichen  Erreger  verursacht. 
Im  Nervensystem  führt  das  rheumatische  Gift  zu  einer  charak¬ 
teristischen  Irritabilität,  welche  dem  Stadium  der  typischen  chorea¬ 
tischen  Bewegungen  wochenlang  vorausgehen  kann  und  nicht  selten 
das  einzige  Symptom  der  Erkrankung  bleibt.  Die  häufigste  Ein- 
biuchspforte  der  Infektion  sind  die  Tonsillen  und  die  Nase.  Bei  der 
Behandlung  ist  die  Wiederherstellung  normaler  Verhältnisse  in  den 
oberen  Luftwegen  das  erste  Gebot.  Dies  geschieht  am  besten  durch 
antiseptische  Spülungen.  Hypertrophische  Tonsillen  sind  zu 
enukleieren;  die  gewöhnliche  Tonsillotomie  ist  unzulänglich.  Chorea 
ist  eine  relativ  häufige  Nachkrankheit  des  Scharlachs. 

John  Fraser:  Eine  Probe  zur  Differenzierung  zwischen  dem 
Typ.  hum.  und  Typ.  bov.  des  Tuberkelbazillus.  (Ibidem.) 

Verf.  injiziert  die  zu  untersuchende  Bakterienemulsion  oder 
pathologische  Flüssigkeit  in  das  Kniegelenk  eines  Kaninchens.  Bei 


606 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  II. 


Anwesenheit  des  Typ.  hum.  zeigen  sich  ausser  einer  leichten  Ver¬ 
dickung  der  Synovialmembran  und  Flüssigkeitsansammlung  keine 
Veränderungen.  Das  Tier  bleibt  gesund  und  nimmt  an  Gewicht  zu. 
Nach  3-  4  Monaten  findet  man  eine  chronische  Synovialtuberkulose, 
aber  keine  Erkrankung  des  Knochens,  Gelenksknorpels  oder  anderer 
Organe  des  Körpers.  Injiziert  man  hingegen  den  Typ.  bov.,  so 
treten  sehr  rasch  schwere  Veränderungen  auf.  Etwa  10  Tage  nach 
der  Injektion  wird  das  Gelenk  geschwollen,  steif  und  sehr  schmerz¬ 
haft.  Gleichzeitig  verliert  das  Tier  ständig  an  Gewicht.  Unter¬ 
suchung  des  Gelenkes  nach  4  Wochen  zeigt  akute  Synovialtuber¬ 
kulose,  käsige  Massen  und  Erkrankung  der  Knochen.  Nebenbei  be¬ 
steht  Erkrankung  der  Lungen,  Nieren,  Milz  etc.  Die  Probe  ist  durch 
ihre  Verlässlichkeit,  Einfachheit  und  relative  Raschheit  ausge¬ 
zeichnet. 

Halliday  Sutherland:  Der  Boden  und  der  Samen  bei  der 
Tuberkulose.  (Ibidem.) 

Die  interessante  Arbeit  enthält  die  Untersuchungsresultate  der 
sogen.  Kontakte:  d.  h.  Personen,  die  mit  Tuberkulösen  in  einem  Haus¬ 
halte  Zusammenleben.  Die  Zahl  der  Haushalte  war  204,  diejenige  der 
untersuchten  Kontakte  723.  Von  diesen  waren  420  gesund,  290  er¬ 
wiesen  sich  als  lungenkrank,  und  19  litten  an  anderen  Formen  der 
Tuberkulose.  Es  waren  also  im  ganzen  41,9  Proz.  tuberkulös.  Eine 
Unterabteilung  der  ursprünglichen  Patienten  in  solche  mit 
bazillenhaltigem  und  solche  mit  bazillenfreiem  Sputum  ergab,  dass 
in  den  Haushalten  ersterer  die  Mehrzahl  oder  60  Proz.  der  Kontakte 
infiziert  und  in  den  nicht  infektiösen  Haushalten  die  Mehrzahl  oder 
75,5  Proz.  gesund  war.  Kinder  bis  zum  15.  Lebensjahre  erkranken 
besonders  häufig  und  zwar  ist  die  Gefahr  bei  offenen  Tuberkulosen 
doppelt  so  gross.  Individuen  zwischen  15  und  25  Jahren,  die  einer 
direkten  Infektion  ausgesetzt  sind,  erkranken  5  mal  häufiger,  als 
andere.  Nach  dem  25.  Lebensjahre  sind  Infektionen  relativ  selten. 
Männliche  Kontakte  erkranken  in  allen  Altersklassen  häufiger,  als 
weibliche.  Interessant  ist  das  Geschlecht  der  ursprünglichen 
Patienten  in  Bezug  auf  das  Alter  der  infizierten  Kontakte.  Hier  zeigte 
sich,  dass  für  Kinder  weibliche  Tuberkulöse  bedeutend  gefährlicher 
sind,  als  männliche.  Die  gleiche  Differenz  ist  auch  in  den  Jahren 
von  15 — 25  noch  merklich,  verschwindet  dann  aber.  Die  Schluss¬ 
folgerungen  des  Verf.  sind:  Die  Tuberkulose  ist  unter  den  Kindern 
schwindsüchtiger  Eltern  häufiger,  als  unter  den  Kindern  gesunder 
Eltern.  Ursachen  dafür  können  sein:  die  Infektionsgelegenheit,  der 
schlechte  allgemeine  Gesundheitszustand  oder  eine  hereditäre  Ver¬ 
anlagung.  Die  Kinder  von  Eltern  mit  offener  Tuberkulose  er¬ 
kranken  häufiger,  als  solche  von  Eltern  mit  nicht  infektiöser  Tuber¬ 
kulose.  Dies  ist  auf  die  erhöhte  Infektionsgefahr  und  den  ge¬ 
schwächten  Gesundheitszustand  —  zwei  vermeidbare  Faktoren  — 
zurückzuführen.  Die  Heredität  spielt  keine  Rolle. 

Robert  W.  Cruichshank:  Ueber  das  Rattenbissfieber  mit 
dem  Bericht  über  einen  Fall.  (Ibidem.)  (Temp.-Kurven.) 

Rattenbiss  bei  einem  51  jährigen  Älanne.  10  Tage  nach  dem 
Verheilen  der  Wunde  schwoll  der  Finger  bedrohlich  an,  so  dass  der¬ 
selbe  schliesslich  wegen  Gangrän  amputiert  werden  musste.  28  Tage 
nach  dem  Biss  begann  die  Allgemeinerkrankung  mit  Fieber,  Gelenk¬ 
schmerzen  und  Exanthemflecken.  In  den  folgenden  15  Wochen  machte 
Patient  15  fieberhafte  Attacken  von  verschiedener  Dauer  durch.  Seit¬ 
her  sind  dieselben  weggeblieben,  die  Rekonvaleszenz  war  jedoch 
äusserst  lang.  Aspirin,  Phenazetin,  Natr.  salicyl.  wurden  versucht, 
aber  ohne  merklichen  Frfolg.  Diese  in  Europa  seltene  Krankheit  ist 
in  Japan  und  China  häufig  und  dort  unter  dem  Namen  Sokodu  oder 
Sokoshio  bekannt. 

Inauguraldissertationen.') 

Ueber  Veronalvergiftung  und  ihre  Therapie 
schreibt  Karl  Th  oll  in  einer  Bonner  Dissertation  (1912,  26  S., 
Hch.  Ludwig).  Von  den  als  Antidot  bei  Veronalvergiftung  in  An¬ 
wendung  gebrachten  Mitteln  versagen  Adrenalin  und  Strychnin  voll¬ 
ständig.  Atropin  zeigt  keine  oder  nur  sehr  unsichere  Gegenwirkung. 
Kampfer  kann  nur  in  leichteren  Fällen  von  Veronalvergiftung  in 
Betracht  kommen.  Den  meisten  Erfolg  zeigten  Aether  aceticus 
und  besonders  Koffein.  Aether  aceticus  zeigt  auch  bei  veronal- 
vergifteten  Tieren  eine  ausgesprochene,  aber  schnell  vorübergehende 
Vermehrung  der  Atemgrösse. 

Ueber  die  forensische  Spermauntersuchung 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  B  a  r  b  e  r lo¬ 
schen  Methode  mittels  konzentrierter  Pikrin¬ 
säurelösungen  berichtet  Carl  Güntsch  in  einer  Arbeit  aus 
dem  Königsberger  Institut  für  gerichtl.  Medizin.  Menschliches  ejaku- 
liertes  Sperma  und  Prostatasekret  gaben  in  manchen  Fällen  eine  sehr 
charakteristische  und  augenfällige  Reaktion,  Tiersperma  versagte  in 
den  Versuchen  des  Verfassers  vollständig.  Ein  typisches  positives  Re¬ 
sultat,  optisch  und  chemisch  geprüft,  lässt  menschliches  Ejakulat  als 
wahrscheinlich  vermuten,  während  ein  zweifelhafter  oder  absolut 
negativer  Ausfall  der  Reaktion  nichts  Bestimmtes  sagt.  Der  bio¬ 
chemische  Spermanachweis  ist  der  sicherste  Weg.  (Königsberg  1912. 
57  Seiten.  Kiel,  S  c  h  m  i  d  &  K 1  a  u  n  i  g.)  Fritz  L  o  e  b. 


')  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrassc  26.  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


Ne  u  erschiene  ne  Dissertationen. 

Universität  Freiburg  i.  Br.  Februar  1913. 

Berger  Heinrich  f  Ueber  Prognose  und  Häufigkeit  der  Dammrisse. 
Carnnitzer  Leopold:  Ueber  die  Behandlung  der  Dysphagie  bei 
der  Larynxtuberkulose  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Analgesie  des  Kehlkopfes  durch  Alkoholinjektion  in  den  inneren 
Ast  des  Nervus  laryngeus  superior  nach  Hoffman  n. 

Dorff  H. :  Ueber  Konjunktivitis  durch  Askariden. 

Herbois heimer  F.:  Ueber  das  Vorkommen  von  Paratyphus 
B-ähnlichen  Bakterien  im  normalen  Schweinedarm. 

Hueck  Otto:  Ueber  die  pathologische  Bedeutung  von  Helminthen 
in  der  Appendix. 

Poe  sch  el  Hermann:  Pathogenese  und  Therapie  der  Hirsch- 
s  p  u  n  g  sehen  Krankheit. 

Stricker  Noemi:  Zur  Tuberkulindiagnostik  im  Kindesalter. 
Stürmer  Rudolf:  Die  „Corpora  amylacea“  des  Zentralnerven¬ 
systems. 

Wagner  Franz:  Makroglossia  neuromatodes. 

Universität  Giessen.  Februar  1913. 

Schmäler  Gustav:  Untersuchungen  über  den  Einfluss  der  Arbeits¬ 
leistung  auf  die  Hauttemperatur  beim  Pferde.*) 

Bundschuh  Karl:  Kann  man  in  einem  gesunden  Tier  Tuberkulose¬ 
antikörper  erzeugen?  *) 

B  i  1 1  n  e  r  Arthur:  Ueber  Schwangerschaftsveränderungen  an  der  Le¬ 
ber  und  anderen  Organen. 

Hey  mann  Rudolf:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ochronose. 

Sch  einer  Josef:  Ueber  Polycythämia  hypertonica  megalosplenica. 
Naumann  Kurt:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Ablaufs  der  Fett¬ 
resorption  im  Darmepithel  des  Frosches.*) 

Lenninger  Eduard:  Tritt  die  Artverschiedenheit  zentripetaler  und 
zentrifugaler  markhaltiger  Nerven  auch  in  Unterschieden  ihrer  Lei¬ 
tungsgeschwindigkeit  hervor? 

Busolt  Karl:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schnüffelkrankheit  der 
Schweine.*) 

Kattenbeck  Ernst:  Experimentelle  Studien  über  die  Wirkung 
wechselwarmer  Hygnatbäder  auf  den  tierischen  Organismus.*) 
Berg  Franz:  Zur  operativen  Behandlung  der  kongenitalen  hyper¬ 
trophischen  Pylorusstenose  im  Säuglingsalter. 

*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 

Universität  Heidelberg.  Februar  1913. 

Herz  Karl:  Ueber  die  Dauerresultate  der  Alexander-Ada  in  s- 
schen  Operation. 

Rick  Ferdinand:  Das  anatomische  Substrat  der  Lungenhiluszeich- 
nung  im  Röntgenbilde. 

v.  Möllendorff  Wilhelm:  Ueber  die  Entwicklung  der  Darm¬ 
arterien  und  des  Vornierenglomerulus  bei  Bombinator.  Ein  Bei¬ 
trag  zur  Kenntnis  des  viszeralen  Blutgefässsystems  und  seiner 
Genese  bei  den  Wirbeltieren. 

Brütt  Henning:  Ueber  die  Entstehung  der  Corpora  amylacea  in 
der  Lunge. 

Ury  Oskar:  Ueber  Kokainempfindlichkeit  und  deren  Beziehung  zur 
Adrenalinsekretion  in  den  verschiedenen  Phasen  des  weiblichen 
Geschlechtslebens. 

Hildebrandt  Fritz:  Experimentell  erzeugte  lokale  Atherosklerose 
und  ihre  Beziehungen  zur  Niere. 

Rapp  Heinrich:  Was  beeinflusst  die  Uebertragbarkeit  von  Mäuse¬ 
tumoren? 

Moritz  Alfred:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Nierensyphilis. 

Meng  Heinrich:  Die  Rolle  der  langen  Unterschenkelmuskeln  in  der 
Pathogenese,  Prophylaxe  und  Therapie  des  Plattfusses  unter  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  des  Musculus  flexor  hallucis  longus. 

Universität  München.  Februar  1913. 

Scholli  Artur:  Ueber  den  sogen.  Mongolenfleck, 
v.  Haller  Otto:  Geburten  bei  jugendlichen  Erstgebärenden, 
v.  Wiecki  Czeslaus:  Ueber  einen  Fall  von  Sarkom  nach  Myom¬ 
operation. 

Brandt  Leopold:  Ueber  Pachymeningitis  haemorrhagica  interna. 
Gross  Kurt:  Der  Einfluss  des  Druckes  auf  die  Herztätigkeit.  ^  ’ 

Pickl  Robert:  Differentialdiagnose  zwischen  Appendizitis  und  Stiel¬ 
torsion  von  Adnextumoren. 

Finken  Heinrich:  Die  fötale  Hydrozephalie  in  geburtshilflicher  Be¬ 
ziehung. 

Voelckel  Ernst:  Ueber  grosse  Varizen  der  Lebervenen. 

Bien  eck  Paul:  Abnahme  der  Tuberkulosemortalität  in  München 
während  der  Jahre  1889  bis  1893. 

Zinsmeister  Anton :  Beeinflussung  der  Wehentätigkeit  durch 
Skopolamin-Pantopon-  und  Skopolamin-Narkophin-Injektionen. 
Urano  Tamonji:  Ueber  einen  Fall  vor.  Spina  bifida. 

Dammann  Karl:  Zur  Pathologie  der  Adipositas  dolorosa  (Der- 
c  u  m  sehe  Krankheit).  JL 

Binz  F.  Ferd. :  Zur  Kasuistik  der  Pfählungsverletzungen.  Ein  Fall 
aus  der  Münchener  Frauenklinik. 

Levi  Julius:  Ueber  angeborene  Hirnbrüche. 

Straub  Alfred:  Ein  Beitrag  zur  kongenitalen  Patellarluxation. 
v.  Schubert  E. :  Ueber  K  u  n  d  r  a  t  sehe  Lymphosarkomatose. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


607 


3.  März  1913. 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Moskau. 

(Eigener  Bericht.) 

Moskau,  im  Februar  1913. 

Wladimir  Podwyssotzky. 

Völlig  unerwartet,  von  niemandem  geahnt,  von  keinem  für  mög- 
;h  gehalten,  kam  die  Trauerbotschaft  vom  Dahinscheiden  Prof, 
odwyssotzkys.  Nur  kurz  war  die  tückische  Krankheit,  die 
n  in  der  Blüte  der  Jahre,  im  besten  Mannesalter  jäh  dahinraffte, 
.itteu  aus  einem  arbeitsreichen  Leben,  aus  der  Vollkraft  unermiid- 
jhen  Schaffens,  aus  einer  von  Erfolgen  und  Ehren  gekrönten  Wirk- 
unkeit  entriss  ihn  der  Tod.  ln  ihm  verlor  die  russische  medizinische 
.  issenschaft  einen  ihrer  hervorragendsten  Vertreter,  einen  Forscher 
an  europäischem  Ruf,  die  russische  medizinische  Presse  einen  ihrer 
efflichsten  und  aufopferungsvollsten  Führer,  das  Institut  für  experi- 
lentelle  Medizin  seinen  vorzüglichen  und  umsichtigen  Leiter,  die 
lssische  Gesellschaft«  einen  ihrer  besten  Männer,  der  im  öffentlichen 
eben  eine  hohe  und  geachtete  Stellung  einnahin.  Er  hinterliess  eine 
iicke,  die  auszufüllen  es  nicht  so  leicht  gelingen  wird. 

Wladimir  Podwyssotzky  wurde  als  Sohn  des  ordentlichen 
rofessors  für  Pharmazie  und  Pharmakognosie  zu  Kasan  Valerian 
odwyssotzky  am  27.  Mai  1857  geboren.  Als  8jährigen 
naben  brachte  ihn  der  Vater  nach  der  Schweiz,  wo  er  in  Genf  1865 
is  1867  den  ersten  Unterricht  erhielt.  Hierauf  besuchte  er  in 
hitomir  das  klassische  Gymnasium,  das  er  mit  Auszeichnung  be- 
ndete.  Im  Jahre  1877  bezog  er  die  medizinische  Fakultät  der  Uni- 
ersität  Kiew.  Bereits  damals  legte  er  ein  besonderes  Interesse  für 
ragen  aus  dem  Gebiete  der  allgemeinen  Pathologie  und  patho- 
igischen  Anatomie  an  den  Tag.  Noch  als  Student  führte  er  eine 
rundlegende  Arbeit  über  den  Kefir  aus  und  veröffentlichte  eine  ein- 
ehende  Untersuchung  „über  den  feineren  Bau  des  Pankreas“, 
lese  beiden  Monographien  wurden  in  der  Folge  ins  Französische  und 
eutsche  übersetzt. 

Nach  Absolvierung  seiner  Studien  wurde  Podwyssotzky 
i  Anbetracht  der  von  ihm  bewiesenen  glänzenden  Fähigkeiten  vom 
nterrichtsministerium  behufs  Vorbereitung  zur  Dozentenlaufbahn 
ir  zwei  Jahre  ins  Ausland  kommandiert.  Er  begab  sich  zuerst  nach 
übingen,  wo  er  sich  bei  Ziegler  mit  allgemeiner  und  experi- 
lenteller  Pathologie,  bei  Grützner  mit  Physiologie  und  bei 
iifner  mit  physiologischer  Chemie  beschäftigte.  Die  erste  Frucht 
einer  Arbeiten  war  seine  bemerkenswerte  Dissertation  über  „die 
!egeneration  des  Lebergewebes  bei  den  Säugetieren“,  die  auf  die 
’egenerationsvorgänge  ein  neues  und  helles  Licht  warf.  Sodann 
egab  sich  der  junge  Gelehrte  nach  München,  wo  er  bei  B  o  1 1  i  n  g  e  r 
äthologie  und  bei  v.  Z  i  e  m  s  s  e  n  klinische  Medizin,  und  zuletzt  nach 
aris,  wo  er  bei  Pasteur  Bakteriologie  und  bei  C  o  r  n  i  1  Patho- 
igie  studierte.  An  Kenntnissen  reich  kehrte  er  1887  nach  Russland 
urück. 

Im  selben  Jahre  wurde  Podwyssotzky  zum  Privatdozenten 
nd  ein  Jahr  darauf  (1888)  zum  Professor  extraordinarius  für  all¬ 
emeine  und  experimentelle  Pathologie  an  der  Universität  Kiew 
rnannt,  wo  er  13  Jahre  verblieb.  Seine  Lehr-  wie  seine  Forscher- 
itigkeit  war  überaus  erfolgreich.  Er  verstand  es  meisterlich, 
tudierende  und  junge  Aerzte  um  sich  zu  scharen,  sie  zu  ernster 
issenschaftlicher  Arbeit  anzuregen,  ihren  Eifer  wach  zu  erhalten, 
ei  seinem  aussergewöhnlichem  Rede-  und  Darstellungstalent  waren 
eine  Vorlesungen  ungemein  stark  besucht  und  sein  Laboratorium 
on  Arbeitsbegierigen  überfüllt.  Aus  seinem  Institute  erschien  eine 
anze  Reihe  von  wertvollen  Arbeiten,  und  zahlreiche  Schüler  von 
im  taten  sich  in  der  Folge  durch  ihre  wissenschaftlichen  Leistungen 
ervor  und  nahmen  an  den  Universitäten  Russlands  die  Lehrstühle 
ir  Pathologie  ein.  Noch  bevor  er  1893  zum  ordentlichen  Professor 
rnannt  wurde,  veröffentlichte  Podwyssotzky  seine  ausgezeich- 
eten,  bis  jetzt  in  4.  Auflage  erschienenen  „Grundlagen  der  allge- 
leinen  und  experimentellen  Pathologie“,  die  ins  Deutsche,  Franzö- 
ische.  Neugriechische  und  sogar  ins  Japanische  übersetzt  wurden, 
r  Kiew  reorganisierte  er  auch  die  örtlichen  Institutionen  des  Roten 
reuzes,  die  ihm  unterstellt  waren  und  um  die  er  sich  bleibende  Ver- 
ienste  erwarb.  Hervorzuheben  ist  noch  seine  eminente  Beteiligung 
n  der  Bekämpfung  der  Cholera,  die  zu  Beginn  der  90  er  Jahre  m 
’ussland  epidemisch  herrschte. 

Im  Jahre  1900  erhielt  Podwyssotzky  vom  Unterrichts- 
linister  den  ehrenvollen  Auftrag,  an  der  Universität  Odessa  die  noch 
ehlende  medizinische  Fakultät  einzurichten.  Als  ordentlicher  Pro- 
essor  und  Dekan  der  erst  neu  zu  schaffenden  Fakultät  ging  Pod¬ 
wyssotzky  nach  Odessa.  Hier  trat  sein  hervorragendes 
Organisationstalent  an  den  Tag,  und  hier  entfaltete  er  eine  vielseitige, 
ruchtbare  'Tätigkeit.  Er  erbaute  alle  Kliniken  und  Institute,  über¬ 
wachte  ihre  Ausstattung,  leitete  den  medizinischen  Unterricht  in  die 
echten  Bahnen.  Er  kämpfte  unahlässig  für  die  Bewillung  immer 
euer  Mittel,  errichtete  an  der  neuen  Fakultät  den  ersten  und  bisher 
n  Russland  einzigen  Lehrstuhl  für  Balneologie  und  physikalische 
leilmethoden.  Mit  Genugtuung  konnte  er  auf  sein  Werk  zuriiek- 
licken. 

Da  wurde  er  im  Jahre  1905  zur  Leitung  des  Instituts  für  experi- 
icntelle  Medizin  in  Petersburg  Allerhöchst  berufen.  Auch  an  dieser 


Stätte  war  seiner  Wirksamkeit  reicher  Erfolg  beschieden.  Als 
Direktor  des  Instituts  hat  er  sehr  viel  für  dessen  weiteren  Ausbau 
und  fortschreitende  Entwicklung  getan  und  mehrere  neue  wissen¬ 
schaftliche  Abteilungen  den  bereits  bestehenden  hinzugefügt.  Er 
besass  die  Gabe,  die  von  allen  Seiten  herbeiströmenden  jungen 
Forscher  nach  ihrem  inneren  Wert  treffend  einzuschätzen,  und  ver¬ 
stand  es,  die  von  echt  wisenschaftlichem  Geist  Beseelten  nach  ihrem 
wahren  Verdienst  zu  würdigen.  Sein  Verkehr  mit  den  Mitarbeitern 
zeichnete  sich  durch  Einfachheit  und  Herzlichkeit  aus  und  war  völlig 
frei  von  bureaukratischem  Formalismus.  Unter  seiner  Direktion 
erhielten  Frauen  zum  erstenmal  die  Möglichkeit,  im  Institut  selb¬ 
ständig  zu  arbeiten,  wie  z.  B.  Frau  Sieber-Schuinowa.  Er 
selbst  leitete  die  Abteilung  für  allgemeine  Pathologie,  wo  er  in  den 
letzten  Jahren  sich  intensiv  mit  dem  Krebsproblem  befasste,  über 
welches  er  zahlreiche  beachtenswerte  Untersuchungen  in  russischen 
und  ausländischen  Zeitschriften  veröffentlichte.  Ueberhaupt  hat  er 
die  Bekämpfung  des  Krebses  in  Russland  mächtig  gefördert. 

Noch  während  seines  Kiewer  Aufenthaltes  begann  Pod¬ 
wyssotzky  das  „Russische  Archiv  für  Pathologie,  klinische 
Medizin  und  Bakteriologie“  herauszugeben,  das  leider  nur  7  Jahre 
existierte  und  wegen  finanzieller  Schwierigkeiten  eingehen  musste. 
Das  Archiv  wurde  von  ihm  vorzüglich  redigiert  und  ist  noch  heute 
eine  Fundgrube  der  wertvollsten  Arbeiten.  Darauf  trat  Pod¬ 
wyssotzky  in  die  Redaktion  unserer  vornehmsten  und  ver¬ 
breitetsten  russischen  Wochenschrift,  des  „Russky  Wratsch“  ein, 
der  er  bis  zu  seinem  Tode  angehörte.  Unter  seiner  Mitredaktion 
hatte  sich  diese  medizinische  Wochenschrift  einer  Periode  höchster 
Blüte  zu  erfreuen.  Seit  seiner  Ernennung  zum  Direktor  des  Instituts 
für  experimentelle  Medizin  leitete  er  auch  dessen  Organ,  das  „Archiv 
für  biologische  Wissenschaften“,  das  sich  durch  Reichhaltigkeit  und 
Gediegenheit  seines  Inhaltes  auszeichnet. 

Prof.  Podwyssotzky,  der  vortrefflich  mehrere  fremde 
Sprachen  beherrschte,  war  einer  der  bekanntesten,  geachtetsten  und 
gefeiertsten  Vertreter  russischer  Wissenschaft  auf  internationalen 
Kongressen  und  Veranstaltungen.  Im  Jahre  1911  organisierte  er  mit 
seltenem  Geschick  die  russische  Sektion  auf  der  Internationalen 
Hygieneausstellung  zu  Dresden.  Seine  glänzende  Leistung  gab  den 
Anlass,  ihm  die  Organisation  der  im  laufenden  Jahre  in  Petersburg 
geplanten  Allrussischen  Hygieneausstellung  zu  übertragen.  Un¬ 
ermüdlich  leitete  er  die  Vorarbeiten  zu  diesem  schwierigen  Werk. 
Es  war  ihm  jedoch  nicht  vergönnt,  es  erfüllt  zu  sehen. 

Dr.  A.  D  w  o  r  e  t  z  k  y. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  H  e  n  o  p. 

Schriftführer:  Herr  Felgner. 

Herr  Bonteinps:  Ueber  die  Erreger  der  häufigst  vorkommen¬ 
den  Dermatomykosen. 

Ich  möchte  Ihnen  einige  Pilzkulturen  demonstrieren,  welche  in¬ 
folge  ihrer  Hautpathogenität  medizinisches  Interesse  beanspruchen, 
da  sie  die  Erreger  der  verbreitetsten  Dermatomykosen  darstellen. 
Unter  Dermatomykosen  werden  Krankheiten  verstanden,  welche  ihre 
Ursache  in  dem  Wachstum  von  Fadenpilzen  in  der  Haut  haben.  Die¬ 
selben  werden  eingeteilt  in  die  echten  parasitären  Erkrankungen  der 
Oberhaut  und  in  die  Saprophytien  der  Haut.  Zu  den  ersteren  ge¬ 
hören  Favus,  Trichophytie  und  Mikrosporie,  zu  den  letzteren  Pity¬ 
riasis  versicolor,  Erythrasma  und  Piedra.  —  Favus,  Mikrosporie  und 
Trichophytie  werden  durch  eine  Pilzklasse  hervorgerufen,  deren  ein¬ 
zelne  Glieder  nicht  nur  in  sehr  naher  verwandtschaftlicher  Beziehung 
zueinander  stehen,  sondern  die  vielfach  sogar  wirkliche  Uebergangs- 
formen  untereinander  bilden.  Aus  diesem  Grunde  lassen  sie  sich 
nicht  immer  scharf  auseinanderhalten.  Die  Pilze,  welche  bei 
Pityriasis,  Erythrasma  und  Piedra  gefunden  werden,  haben  weder 
unter  sich,  noch  zu  den  erstgenannten  Arten  Beziehungen. 

Der  Favus  der  Menschen  und  Tiere  ist  charakterisiert  durch  das 
Auftreten  bestimmter  Pilzkörper,  die  zwischen  dem  Rete  Malpighi 
und  der  Hornschicht  liegen.  Dieselben  scheinen  der  Haut  aufzuliegen, 
sind  aber  in  jugendlichem  Zustande  noch  mit  Hornschicht  bedeckt; 
sie  sitzen  meist  um  ein  Haar  herum,  sind  von  Schwefel-  bis  grau¬ 
gelber  Farbe,  trockener  Beschaffenheit,  kreisrund  und  in  der  Mitte 
mit  einer  Eindellung  versehen.  Daher  haben  sie  den  Namen 
„Scutulum“  erhalten. 

Die  Krankheit  befällt  beim  Menschen  meist  den  behaarten  Kopf, 
kann  aber  auch  an  jeder  anderen  Stelle  des  Körpers  Vorkommen. 
Bei  Tieren  bietet  die  Lokalisation  nichts  Besonderes,  indessen  ist 
auch  hier  der  Kopf,  die  Ohren,  die  Nase  bevorzugt. 

(Demonstration  einer  Favusmaus  und  der  daraus  gezüchteten 
Favuskulturen.)  ,  ,  .  , 

Die  vielen  Favusvarietäten,  welche  als  Erreger  gefunden  sind, 
werden  von  den  meisten  Forschern  jetzt  auf  zwei  Grundtypen  zurück¬ 
geführt  und  zwar  den  Menschenfavus  —  Achorion  Schönleinii 


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MUENCHENfiR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


den  Mäusefavus  —  Achorion  Quinckeanum  — .  Achorion  Schönleinii 
wurde  im  Jahre  1839  von  Schön  lein  entdeckt,  nachdem  2  Jahre 
zuvor  Bassi  durch  seine  Arbeiten  über  den  Muskardinepilz  der 
Seidenraupen  S  c  h  ö  n  1  e  i  n  die  Anregung  zum  Studium  des  Favus 
gegeben  hatte. 

Die  Kultur  des  Menschenfavuspilzes  sieht  gelblich  aus,  ist  von 
wachsartiger  Beschaffenheit  mit  zentralen  Erhebungen  und  radiären 
Falten.  In  der  Regel  findet  sich  kein  Luftmyzel,  bisweilen  bildet  sich 
jedoch  ein  kurzer  Flaum.  (Demonstration.) 

Der  Mäusefavuspilz  bildet  weisse  mit  Flaum  bedeckte,  runde 
Kolonien  mit  zentralen  unregelmässigen  Erhebungen.  Der  letztere 
bildet  ein  Bindeglied  zwischen  Favus-  und  Trichophytiepilzen. 

Ueber  die  Häufigkeit  der  menschlichen  Favuserkrankungen  ist 
zu  sagen,  dass  dieselben  in  den  Ländern  vorgeschrittener  Kultur  nur 
noch  selten  Vorkommen,  dass  sie  sich  dagegen  in  Ländern,  in  denen 
die  allgemeine  Hygiene  noch  weniger  verbreitet  ist,  noch  häufig  finden. 

Die  mikroskopische  Diagnose  der  Favusskutula  ergibt  folgenden 
Befund: 

1.  Doppelt  konturierte  runde  oder  rechteckige  Sporen,  3 — 8  [i 
gross  und  3 — 4  /<  breit,  allein  oder  in  Ketten.  2.  Myzelienhaufen,  in 
der  Mitte  nicht  entwirrbar,  peripher-knorrige,  fettglänzende,  mit 
körnigem  Protoplasma  versehene,  sehr  verschieden  breite  Schläuche, 
an  den  Enden  vielfach  zweigabelig,  an  den  Spitzen  keulenförmige 
Anschwellungen;  die  Fäden  knospen  auch  seitlich  und  schnüren  die 
Seitenhyphen  beinahe  rechtwinklig  ab.  3.  Detritus,  Fetttröpfchen, 
vereinzelte  Hornzellen.  Die  Herstellung  der  Reinkulturen  bietet  keine 
sehr  grossen  Schwierigkeiten;  sofern  man  den  S  a  b  o  u  r  a  n  d  sehen 
Nährboden  anwendet,  gelingt  es  meistens  schon  auf  der  zweiten 
Platte  eine  Reinkultur  zu  erhalten.  Bei  Anwendung  der  früher 
üblichen  Kulturmedien  verfährt  man  so,  dass  man  Skutulumpartikel- 
chen  mit  ausgeglühter  Infusorienerde  verreibt  und  diese  dann  zu 
Platten  ausgiesst. 

Das  Wachstum  geht  vor  sich,  indem  eine  Spore  keimt;  aus  der¬ 
selben  bildet  sich  ein  sternförmiges*  Myzel,  von  diesem  zweigt  sich 
weiter  ein  ganz  feines  Luftmyzel  ab,  das  Ektosporen  abschnürt; 
während  dieser  Zeit  kommt  es  auch  zur  Myzelversporung  der  auf 
und  in  dem  Nährboden  liegenden  Myzelien.  Alle  Sporen,  auch  die 
Luftsporen,  können  keimen  und  den  Vegetationszyklus  wiederholen. 
Dadurch  wachsen  die  Kulturen  in  die  Dicke  und  peripherwärts. 
Ausserdem  kommt  es  auch  zur  Bildung  von  Chlamydosporen,  Spindel¬ 
sporen,  Luftmyzelien  etc.  Das  Temperaturoptimum  beträgt  35°. 

Die  Diagnose  wird  durch  Mikroskop  und  Kultur  sichergestellt. 
Zum  Unterschiede  von  Trichophytonpilzen  ist  zu  bemerken,  dass 
diese  auch  bei  niederen  Temperaturen  und  auf  stickstoffarmem  Nähr¬ 
boden  gedeihen. 

Aehnlich  wie  der  Favus  ist  auch  die  Trichophytie  eine  Erkran¬ 
kung,  welche  sowohl  die  behaarte  wie  die  unbehaarte  Haut  befallen 
kann.  Zur  Trichophytie  der  behaarten  Haut  gehört  die  Kopf-  und 
Barttrichophytie,  zu  der  der  Haut-  die  Nägeltrichophytie,  Herpes 
tonsurans  circumscript.  und  disseminat.,  Ekzema  margin.  Von  den 
Trichophytien  kommen  die  der  behaarten  Haut  besonders  in  ge¬ 
wissen  Grossstädten  vor,  während  die  Trichophytien  der  unbehaarten 
Haut  sich  überall  mehr  oder  weniger  finden. 

Die  sanitären  Verhältnisse  für  das  Vorkommen  der  Tricho¬ 
phytien  verantwortlich  zu  machen,  scheint  nicht  angängig,  da  die 
Kopftrichophytien  speziell  an  Städte  (Paris,  London)  gebunden  sind, 
in  denen  es  trotz  hygienischer  Massregeln  zu  grossen  Epidemien 
gekommen  ist,  während  in  anderen  Städten  dieselben  kaum  oder  nur 
vereinzelt  zur  Beobachtung  gekommen  sind. 

Die  Trichophytien  zerfallen  in  eine  kleinsporige  —  die  Mikro¬ 
sporie  —  und  verschiedene  grosssporige. 

Die  kleinsporige  macht  bis  65  Proz.  aller  Kopftrichophytien  aus, 
die  Diagnose  wird  durch  Mikroskop  und  eventuelle  Kultur  gestellt. 
Mikroskopisch  zeigt  sich,  dass  die  Myzeläste  das  innere  der  Haare 
durchziehen  und  dass  die  innere  Wurzelscheide  mit  Ektosporen  an¬ 
gefüllt  ist. 

Die  grosssporigen  Trichophytien  machen  die  Testierenden 
35  Proz.  der  Kopftrichophytien  aus,  ferner  stellen  sie  im  allgemeinen 
die  Erreger  der  oben  benannten  Erkrankungen  der  unbehaarten  Haut 
dar.  Gemeinsam  ist  den  grosssporigen  Trichophytien,  dass  sie  nur 
im  Innern  des  Haares  Vorkommen;  die  Primäraffektion  der  Haut  ist 
flüchtiger  Natur,  die  kahlen  Flecken  selbst  sind  glatt  und  ohne 
Schuppen,  im  Gegensatz  zur  Mikrosporie;  die  Affektionen  selbst 
kommen  fast  stets  auch  auf  der  unbehaarten  Haut  vor. 

Die  Diagnose  ist  mikroskopisch  leicht,  die  Sporen  liegen  im 
Haar  in  rosenkranzartigen  Längsreihen.  Zur  Bestimmung  der  Art, 
die  bei  den  grosssporigen  Trichophytien  neben  einigen  Neben¬ 
varietäten  durch  zwei  Hauptarten  repräsentiert  werden,  wird  die 
Kultur  herangezogen.  Die  beiden  hauptsächlichsten  grosssporigen 
Trichophytonpilze  sind:  1.  Trichophyton  gips,  und  2.  Trichophyton 
cerebriforme.  Die  Kulturen  haben  ein  charakteristisches  Aussehen. 
(Demonstration  der  beiden  Arten.) 

Unter  den  Trichophytien,  die  den  übrigen  Körper  betreffen, 
wären  zu  nennen:  die  Barttrichophytie  (Sykosis  parasitaria  im 
Gegensatz  zur  Sykosis  non  parasitaria),  ferner  Herpes  tonsurans. 
circumscript.,  disseminat.  und  Onychomykosis  trichophytina. 

Diagnose  bei  allen  Affektionen  durch  Kultur.  Ausser  dem 
Menschen  werden  unter  Tieren  von  der  Trichophytie  befallen: 
Pferde,  Ruider,  Katzen,  Hunde,  Schafe. 


Die  Saprophytien  unterscheiden  sich  von  den  echten  Dermato¬ 
mykosen  dadurch,  dass  ihre  Erreger  nur  in  alleroberflächlichsten 
Schichten  der  Haut  vegetieren  und  nicht  tiefer  eindringen;  hier  wären 
zu  nennen:  Pityriasis  versicolor,  F.rythrasma  und  Piedra.  Während 
die  letzteren  beiden  Affektionen  seltenere  Saprophytien  darstellen, 
ist  die  Pityriasis  bekanntlich  sehr  verbreitet.  Der  Erreger,  Micro- 
sporon  furfur,  hat  ausserdem  noch  historisches  Interesse,  da  er  ge¬ 
legentlich  seines  Befundes  im  Sputum  von  Phthisikern  im  Jahre  1886 
fälschlich  für  den  Erreger  der  Tuberkulose  gehalten  wurde. 

Erythrasma  wird  durch  den  Microsporon  minutissimum,  Piedra 
durch  verschiedene  Trichosporonvarietäten  hervorgerufen. 

Diskussion:  Herr  Plaut  (a.  G.)  betont  das  jetzt  etwas 
häufigere  Vorkommen  der  Mikrosporie  in  Hamburg  gegen  früher.  Es 
handelt  sich  aber  meist  nicht  um  die  Pariser  Form,  die  durch  das 
Microsporon  Audouini  hervorgerufen  wird,  sondern  um  das  weit 
weniger  kontagiöse  Microsporon  lanosum.  Als  sicherste  und  am 
schnellsten  zum  Ziel  führende  Therapie  ist  die  Röntgenbehandlung 
nach  Sabourauds  Vorschriften  zu  betrachten.  Indessen  kann 
man  noch  nicht  sagen,  ob  die  Bestrahlung,  wie  Albers-Schön¬ 
berg  befürchtet,  nicht  auf  das  Knochenwachstum  des  kindlichen 
Schädels  nachteilige  Einflüsse  haben  könne.  Mit  Jodtinkturbehand¬ 
lung  kommt  man  nicht  aus.  Eher  sei  etwas  von  täglicher  Pinselung 
mit  Epikarin  (5 — 10  proz.)  zu  erwarten.  Kurzhalten  der  Haare  und 
Einölen  der  Köpfe  beugt  Plauts  Erfahrungen  nach  der  Verbreitung 
der  Krankheit  in  den  Schulen  vor.  Eine  Trennung  der  erkrankten 
Kinder  von  den  gesunden  während  der  ganzen  Dauer  der  Affektion. 
die  sich  selbst  bei  Behandlung  über  Monate  und  Jahre  hinziehen 
kann,  ist  bei  der  ganz  unschuldigen  Mykose  weder  nötig  noch  durch¬ 
führbar  ohne  erheblichen  Schaden  für  die  betroffenen  Mikrosporie¬ 
kinder. 

Wenig  bekannt  sei  es,  dass  eine  andere  trichophytische  Er¬ 
krankung  in  den  Schulen  Hamburgs  jetzt  in  grösseren  Epidemien 
auftritt  (70  Kinder  und  mehr  in  einer  Schule).  Es  handelt  sich  um 
eine  dem  seborrhoischen  Ekzem  klinisch  sehr  ähnliche  Affektion  der 
Hals-  und  Gesichtshaut.  Voll  ausgebildete  trichophytische  Ringe  bei 
einzelnen  Kindern  leiten  auf  die  richtige  Spur. 

Zu  den  von  dem  Herrn  Vortragenden  erwähnten  Favusarten  sind 
in  neuerer  Zeit  noch  einige  hinzugekommen:  Achorion  gypseurn, 
Cospora  canina  und  Achorion  violaceum. 

Der  erste  durch  Kultur  festgestellte  Fall  von  Mikrosporie  in 
Altona  sei  von  dem  verstorbenen  Polizeiarzt  Herrn  Dr.  Bargum 
in  Altona  beschrieben  worden. 

Es  sprechen  noch  die  Herren  Grüneberg,  Schröder. 

Herr  Bontemps  dankt  Herrn  Plaut  für  das  Interesse,  das 
er  seinen  Ausführungen  entgegengebracht  hat.  Dass  die  Mikrosporie 
vor  2  Jahren  in  Hamburg  mehrfach  vorgekommen  ist,  führt  er  des 
weiteren  aus.  Nach  der  Zeit  sind  ihm  keine  Beobachtungen  bekannt 
geworden.  Dass  die  Züchtung  der  Pilze  bisweilen  nicht  gelingt,  wird 
zugegeben. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  15.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Nobis. 

Schriftführer:  Herr  Ochsenius. 

Herr  L.  W.  Weber  stellt  3  typische  Fälle  Huntington¬ 
scher  Chorea  vor,  erörtert  Klinik,  Differentialdiagnose,  Pathogenese 
und  pathologische  Anatomie  der  Erkrankung. 

Kasuistisch  sind  folgende  Daten  interessant:  Beim  1.  Fall.  44  Jahre 
alt,  waren  Vater  und  2  Brüder  von  derselben  Krankheit  befallen;  er 
selbst  seit  dem  30.  Jahre.  Starke  Bewegungsunruhe,  mässige  Ver¬ 
blödung,  sozial  leästungsunfähig. 

Beim  2.  Fall  litten  Vater  und  Grossvater  an  Chorea  Huntington. 
Der  Vater  wurde  mit  38  Jahren  befallen,  starb  im  44.  Jahre  an 
Schädelbruch,  den  er  sich  durch  Sturz  infolge  der  Bewegungsunruhe 
zugezogen  hatte.  Befund:  im  wesentlichen  chronische  Leptomeningitis. 
Pat.  selbst  ist  seit  dem  22.  Jahre  (beim  Militärdienst)  erkrankt,  jetzt 
28  Jahre.  Die  Symptome  mässig  stark,  aber  typisch,  an  Intensität 
schwankend.  Auffällig  der  starre,  maskenartige  Gesichtsausdruck  und 
die  geringe  Beteiligung  des  Fazialis.  Geringe  Demenz,  degenerative 
Züge,  Neigung  zu  Alkoholexzessen,  leichte  Lohnarbeit  (Gartenarbeit) 
noch  möglich. 

Der  3.  Fall,  Frau  von  53  Jahren,  Mutter  vielleicht  an  Huntington 
gelitten,  hat  die  Zuckungen  seit  dem  47.  Jahre.  Bei  ruhigem  Liegen 
und  Sitzen  sind  die  Zuckungen  gering,  werden  bei  jeder  beabsichtigten 
oder  unwillkürlichen  Bewegung  stärker.  Starke  Demenz.  In  keinem 
Falle  sonstige  organische  Symptome  ausser  Reflexsteigerung. 

Herr  Hansel  berichtet  über  seine  Erfahrungen  an  nahezu 
80  Sittlichkeitsverbrechern,  die  er  in  der  letzten  4  Jahren  'gerichtlich 
begutachtet  hat. 

Er  geht  zunächst  auf  die  Tatsache  ein,  dass  Sittlichkeitsverbrechen 
in  Chemnitz,  wie  überhaupt  in  Sachsen,  auffällig  häufig  Vorkommen, 
und  leitet  sie  neben  anderen  lokalen  Eigentümlichkeiten  aus  der  Eigen¬ 
art  des  Erwerbslebens  in  Industriebezirken  her. 

Er  bespricht  die  Schwierigkeiten  der  gerichtlichen  Begutachtung 
gerade  von  Sittlichkeitsverbrechern,  besonders  den  gewohnheits- 
mässigen,  bei  denen  sonst  ausnahmslos  nervöse  Störungen  naclnveis- 


L  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


609 


Ur  sind.  Es  besteht  die  Gefahr,  den  Begriff  der  strafrechtlichen  Un- 
irechnungsfähigkeit  gerade  bei  Sittlichkeitsverbrechern  zu  weit  zu 

ssen. 

Es  ist  zu  betonen,  dass  nicht  jede  an  Sexualverbrechern  festzu¬ 
eilende  psychische  Abnormität  an  sich  eine  derartige  Aenderung  der 
xuellen  Betätigung  bedingt,  dass  von  Unzurechnungsfähigkeit  ge¬ 
rochen  werden  kann.  Auch  die  mehr  oder  minder  starke  Ab¬ 
eichung  von  der  normalen  geschlechtlichen  Betätigung  kann  hierfür 
cht  massgebend  sein. 

Andererseits  zwingt  aber  die  Tatsache,  dass  auch  beim  Normalen 
e  geschlechtliche  Erregung  eine  Einengung  des  Bewusstseins  be¬ 
ugt.  zu  besonderer  Vorsicht  bei  pathologischen  Individuen,  denen 
i  doppelt  schwer  fallen  muss,  ihren  Geschlechtstrieb  in  den  Grenzen 
i  halten,  der  ihnen  von  Gesetz  und  Sitte  gezogen  ist. 

Redner  hatte  in  43  Proz.  der  von  ihm  begutachteten  Fälle  Be- 
nken  gegen  die  strafrechtliche  Zurechnungsfähigkeit  geäussert. 

Pie  einzelnen  Gruppen  von  Sittlichkeitsverbrechern  werden  nach 
sychiatrischen  Gesichtspunkten  geordnet  besprochen,  wobei  besonders 
pische  Fälle  hervorgehoben  werden. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XII.  Sitzung  vom  21.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Herr  C  o  n  r  a  d  i  (a.  G.) :  Zur  Prophylaxe  der  Diphtherie. 

Seit  60  Jahren  etwa  ist  in  Deutschland  die  Diphtherie  endemisch 
eworden.  In  jüngster  Zeit  zeigt  sich  folgende  Erscheinung:  die 
bdesfülle  an  Diphtherie  gehen  zurück,  die  Erkrankungen  steigen. 
Vorauf  beruht  diese  Tatsache?  Das  Behringsche  antitoxische 
erum,  das  gegenwärtige  Allheilmittel  der  Diphtheriebekämpfung, 
errnindert  zwar  die  Diphtheriesterblichkeit,  wirkt  aber  nicht  der 
.usbreitung  der  Seuche  entgegen.  Es  schwächt  nur  die  Toxizität  der 
Mphtherie,  verhütet  jedoch  nicht  deren  Kontagiosität.  Für  die  Be- 
ümpfung  der  Diphtherie  als  Volksseuche  kommen  zwei  Methoden 
i  Betracht,  die  antitoxische  und  die  antiinfektiöse  Bekämpfungsweise, 
ene  bezweckt  Schwinden  der  Symptome,  diese  Schwinden  der  Er- 
eger.  Auf  welche  Weise  verbreitet  sich  der  Diphtherieerreger? 
.ediglich  durch  den  Menschen,  und  zwar  kommen  in  absteigender 
Reihenfolge  hier  in  Betracht:  die  Schleuder-  und  Tröpfcheninfektion, 
ie  Kontaktinfektion,  die  Nahrungsmittelinfektion  und  ausnahmsweise 
ur  die  Staubinfektion  und  die  Luftinfektion.  Infektiös  sind  sämtliche 
;e-  und  Exkrete  der  Kranken  und  der  Infizierten,  vor  allem  die  des 
Nasenrachenraums. 

Der  Diphtheriebazillus  ist  nicht  ubiquitär,  sondern  haust  nur  bei 
(ranken  und  Bazillenträgern.  Wann  steckt  der  Diphtheriekranke  an? 
Zunächst  innerhalb  der  Inkubationsmethode,  die  3 — 4  Tage  währt. 
Lese  Frühkontakte  verdienen  Beachtung.  Sodann  während  der 
Krankheit.  Die  Schwere  der  Krankheit  ist  für  deren  Kontagiosität 
idanglos,  gerade  Leichterkrankte  verbreiten  die  Krankheit  eher, 
ds  die  bettlägerigen  Schwerkranken.  Die  Diphtheria  ambulatoria 
st  von  grösster  epidemiologischer  Bedeutung.  Nicht  minder  gross 
st  der  Anteil,  den  die  larvierten  Diphtheriefälle  an  der  Verbreitung 
ler  Seuche  nehmen.  Diese  meist  unerkannten  Diphtheroide  verschlep- 
)en  die  Diphtherie.  Besondere  Hervorhebung  verdient  hier  die  pri¬ 
märe  Nasendiphtherie. 

Neben  den  Kranken  spielen  die  Rekonvaleszenten  eine  wesent- 
iche  Rolle.  Am  Ende  der  ersten  fieberfreien  Woche  ist  etwa  die 
Hälfte  aller  Genesenen  noch  infektiös,  5  Wochen  nach  Krankheits- 
Beginn  unter  100  immerhin  5 — 10.  Selten,  aber  wichtig  ist  auch  dis 
-hronische  Diphtherie,  bei  der  die  Membranen  monatelang  haften. 
Wir  kommen  nun  zu  den  Bazillenträgern.  Deren  bisherige  Ein- 
eilung  in  Dauerausscheider  und  Bazillenträger  schafft  keine  klaren 
Jegriffe.  Wir  unterscheiden:  Hauptträger  und  Nebenträger.  Haupt¬ 
rüger  sind  die  Träger  des  Diphtheriekeims,  insofern  sie  krank  waren. 
'Nebenträger  hingegen  sind  diejenigen,  die  ohne  subjektive  und  objek¬ 
ive  Krankheitsanzeichen  Diphtheriebazillen  mit  sich  führen.  Die 
iauptträger,  d.  h.  die  krankgewesenen  Personen  verbreiten  die  Diph- 
tierie,  während  die  Nebenträger  meist  nur  die  Bazillen,  nicht  aber 
die  Krankheit  auf  andere  übertragen.  Es  gibt  also  Krankheitsüber¬ 
träger  und  Bazillenüberträger.  Bei  der  Bekämpfung  der  Diphtherie 
müssen  sich  die  prophylaktischen  Massnahmen  auf  die  Kranken,  Re- 
\onvaleszenten  und  Hauptträger  konzentrieren,  während  die  Neben¬ 
träger  unbehelligt  bleiben  können. 

Welche  prophylaktischen  Massnahmen  kommen  überhaupt  in 
Betracht?  Einmal  die  Isolierung.  Ihre  praktische  Durchführung  ist 
überaus  schwierig.  Eine  Unterbringung  im  Krankenhaus  scheitert 
häufig  an  den  Kosten.  In  der  eigenen  Häuslichkeit  des  Kranken  aber 
ist  eine  Trennung  zwschien  Gesunden  und  Kranken  meist  unmöglich. 

Weiter  kommt  die  äussere  Desinfektion  in  Betracht.  Die  lau¬ 
tende  Desinfektion  ist  wirksam,  aber  schwierig;  die  Schlussdesinfek¬ 
tion  leicht  aber  unwirksam. 

Aussichtsvoll  erscheint  allein  die  innere  Desinfektion.  Insbeson¬ 
dere  erscheinen  Gurgelungen  und  Inhalationen  mit  1  proz.  Malon- 
süure  geeignet,  die  Diphtheriebazillen  im  Nasenrachenraum  abzu- 
toten.  Nur  auf  chemotherapeutischer  Grundlage  ist  m.  E.  eine  Be¬ 
kämpfung  der  Diphtherie  als  Voll  sseuche  erfolgreich  durchführbar. 


Herr  Fritz  Schanz:  Zur  Prophylaxe  der  Diphtherie. 

Die  bakteriologische  Diagnose  der  Diphtherie  ist  auch  heute 
mangelhaft.  Schanz  hat  schon  1894,  im  Jahre  als  Behring  seine 
Serumtherapie  publizierte,  darauf  aufmerksam  gemacht.  Der  Diph¬ 
theriebazillus  lässt  sich  von  dem  Pseudodiphtheriebazillus  auch  jetzt 
noch  nicht  mit  Sicherheit  unterscheiden.  In  neuester  Zeit  ist  von 
Conradi  wieder  ein  Mittel  zur  Trennung  dieser  Bakterien  ange¬ 
geben  worden.  Selbst  wenn  dieses  durchgreifend  wäre,  so  könnte 
es  nur  bestätigen,  dass  die  Schanz  sehe  Kritik  an  der  bakterio¬ 
logischen  Diagnose  bis  jetzt  berechtigt  war.  Bis  jetzt  unterscheiden 
sich  die  Pseudodiphtheriebazillen  und  die  echten  Löffler  sehen 
Bazillen  nur  durch  die  Giftigkeit.  Die  Giftigkeit  allein  berechtigt 
nicht,  sie  als  2  Arten  anzusehen.  Die  bakteriologischen  Untersuch- 
ungsanstalten,  die  ohne  die  Giftigkeit  der  Bazillen  festzustellen  das 
Diphtheriematerial  auf  Löffler  sehe  Bazillen  untersuchen,  stellen 
sich  auf  den  Standpunkt  der  Unitarier.  Nur  so  läst  sich  die  Fest¬ 
stellung  von  Dr.  T  e  u  f  f  e  1  erklären.  Er  hat  von  etwa  100  Kindern, 
die  keine  diphtherieverdächtigen  Symptome  zeigten,  Sekret  aus  Nase 
und  Rachen  zur  bakteriologischen  Untersuchung  auf  Löffler  sehe 
Bazillen  dem  hiesigen  bakteriologischen  Institut  eingesandt.  In 
46  Proz.  der  Fälle  hatte  man  L  ö  f  f  1  e  r  sehe  Bazillen  gefunden.  Eine 
Prüfung  der  Giftigkeit  ist.  wie  es  auch  anderwärts  geschieht,  nicht 
ausgeführt  worden.  Man  berücksichtigt  nicht  die  grosse  Verbreitung 
der  ungiftigen  Löffler  sehen  Bazillen.  Wieviel  falsche  Diphtherie¬ 
diagnosen  mögen  auf  Grund  solcher  bakteriologischer  Diagnosen  ge¬ 
stellt  worden  sein?  Die  ungiftigen  Formen  sind  ubiquitär.  Im  Jahre 
1898  hat  Schanz  in  einem  Vortrag  in  dieser  Gesellschaft  gesagt, 
dass  jeder  zweite  Mensch  den  ungiftigen  Löfflerschen  Bazillus 
auf  seinen  Schleimhäuten  beherbergt.  Die  T  e  u  f  f  e  1  sehe  Statistik 
hat  das  wieder  bestätigt. 

Die  Statistiken,  die  auf  solch  mangelhaften  Diagnosen  basieren, 
sind  wertlos.  Wenn  Kliniker  betonen,  dass  sie  die  Wirkung  des 
Serums  tagtäglich  am  Krankenbett  feststellen  können,  und  dass  da 
auch  anzunehmen  sei,  dass  die  Voraussetzungen,  die  zu  dieser  The¬ 
rapie  geführt,  richtige  sind,  so  möchte  Schanz  dagegen  anführen, 
dass  auch  von  seinem  Standpunkte  aus  sich  die  Wirkung  des  Serums 
verstehen  lässt.  Im  Diphtherieprozess  wird  der  Löffler  sehe  Ba¬ 
zillus  giftig.  Dieses  Gift  gelangt  in  den  Organismus,  es  schädigt  ihn, 
durch  das  Serum  wird  es  vernichtet.  Was  den  Baziüus  giftig  macht, 
ist  unbekannt.  Dieser  unbekannte  Faktor  ist  zur  Entstehung  der 
Diphtherie  wichtiger  als  der  Löffler  sehe  Bazillus.  Die  Dispo¬ 
sitionen,  welche  die  Jahreszeiten  mit  sich  bringen,  reichen  nicht  aus. 
die  besondere  Disposition,  die  viele  jetzt  schon  ausser  dem  Löffler- 
schen  Bazillus  als  nötig  erachten,  zu  erklären. 

Was  die  Prophylaxe  der  Diphtherie  betrifft,  so  haben  die  Vor¬ 
redner  an  den  Massnahmen  der  Medizinalbehörden  abfällig  Kritik 
geübt.  Die  Massnahmen  aber  sind  ganz  logisch  auf  dem  Standpunkt, 
der  jetzt  in  der  Aetiologie  der  Diphtherie  eingenommen  wird,  aufge¬ 
baut.  Da  die  Diphtherie  trotz  der  Serumtherapie  noch  erhebliche 
Sterblichkeit  aufweist,  müsste  man  darin  noch  weiter  gehen. 

Schanz  meint,  an  den  Massnahmen  der  Behörden  wäre  die 
Kritik  nicht  angebracht,  sondern  an  den  Voraussetzungen,  auf  denen 
die  behördlichen  Massnahmen  getroffen,  zumal,  wie  Brückner 
gezeigt,  diese  15  Jahre  lang  durchgeführten  Massnahmen  auf  den 
Gang  der  Epidemie  ohne  Einfluss  geblieben  sind.  Stellt  man  sich 
auf  den  Standpunkt,  dass  der  Löffler  sehe  Bazillus  ubiquitär,  so 
müssen  wir  den  Kampf  gegen  den  unbekannten  Faktor  richten,  der 
ihn  im  Diphtherieprozess  giftig  macht.  Wir  sind  hier  in  der  Lage  wie 
bei  vielen  anderen  Infektionskrankheiten.  Wir  müssen  den  Kranken 
während  der  Krankheit  isolieren,  die  Gegenstände  seiner  Umgebung 
gründlich  reinigen.  Die  Dauerausscheider  werden  uns  keine  Sorge 
machen. 

Infolge  Abwesenheit  des  Herrn  Brückner  wird  die  nunmehr 
auf  der  Tagesordnung  stehende  Diskussion  über  die  Vorträge  der 
Heuen  Brückner,  Teuf  fei,  Flachs,  Conradi  und  Fritz 
Schanz  nach  vorheriger  Abstimmung  auf  die  nächste  Sitzung 
verschoben. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1639.  ordentliche  Sitzung  vom  17.  Februar  1913, 
im  Sitzungssaal  des  Vereins,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender :  Herr  F  1  e  s  c  h. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a. : 

1.  Sublimatvergiftung  bei  20  jährigem  Mädchen  nach  2  vaginalen 
Ausspülungen  mit  Sublimatlösung.  5  Tage  Anurie.  Schwere  Nieren- 
und  Darmveränderungen. 

2.  Kongenitale  Stenose  des  Conus  arteriosus  des  rechten  Ven¬ 
trikels  mit  frischer  Endokarditis  und  Defekt  des  Septum  membrana- 
ceum.  Ungeheure  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels.  9  'A  jähriger 
Knabe.  Tod  an  Diphtherie. 

Herr  Schmiedicke:  Kriegssanitätsdienst  und  Ausrüstung. 

Nach  einleitenden  Worten  über  die  Bildung  der  besonderen  For¬ 
mation  des  Heeres  und  der  verschiedenen  Kommandobehörden  im 
Kriege  wird  an  der  Hand  von  Kartenskizzen  und  Zusammenstellungen 
die  Gliederung  des  Kriegssanitätsdienstes  in  den  3  Gebieten  (bei  der 


61  n 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1] 


Operationsarmee,  der  Etappe  und  im  Heimatsgebiete)  erörtert.  Be¬ 
sonders  werden  die  verschiedenen  Arten  von  Lazaretten  in  den 
3  Gebieten  besprochen  unter  genaueren  Angaben  über  die  Leitung  j 
und  Besetzung  mit  ärztlichem  Pflegepersonal,  sowie  über  die  Herkunft  j 
des  zur  Ausstattung  nötigen  Materials. 

Rückblickend  auf  die  Verhältnisse  im  Feldzuge  70/71  wird  die 
grosse  Leistungsfähigkeit  der  damaligen  Sanitätsanstalten  gezeigt. 

Die  Zusammensetzung  der  Sanitätsformationen  (Sanitätskom¬ 
pagnie,  Feldlazarett  und  die  Sanitätsstaffel  bei  der  Kavalleriedivision) 
wird  durch  Skizzen  und  Uebersichten  veranschaulicht. 

Vortragender  bespricht  sodann  die  Kriegssanitätsausrüstung,  be¬ 
tont  die  Notwendigkeit  der  Einheitlichkeit  als  Grundsatz  für  die 
Heeresversorgung  im  Kriege  und  gibt  zunächst  einen  historischen 
Ueberblick.  Von  dem  Feldzuge  70  als  Wendepunkt  ausgehend  wird 
als  erster  einheitlicher  Wundverband  die  Karboljute  erwähnt;  1886, 
veranlasst  durch  die  Bergmann  sehe  Schule,  Uebergang  zur  Subli¬ 
matantisepsis;  an  Stelle  von  Jute  tritt  Mull  und  Watte.  Mit  Sublimat 
imprägnierte  Stoffe  in  Pressstücken  als  erster  Bedarf  für  den  Kriegs¬ 
fall  niedergelegt  und  aufgefrischt  durch  regelmässigen  Verbrauch  im 
Truppen-  und  Lazarettdienst. 

Anfang  der  90  er  Jahre  Uebergang  von  der  Antisepsis  zur 
Asepsis,  auch  durch  die  Bergmann  sehe  Schule. 

Dadurch  schwierige  Entscheidungen  für  die  Medizinalverwaltung, 
ob  imprägnierte  Verbandstoffe  aufzugeben  seien.  Es  fehlten  kriegs¬ 
chirurgische  Erfahrungen. 

Forderungen  der  Asepsis  zunächst  1897  genügt  durch  den  noch 
etatsmässigen  Feldsterilisierapparat,  nachgebildet  den  ein- 
fachwandigen  Apparaten  von  Schimmelbusch. 

Die  Asepsis  verlangte  ein  Auskochen  der  Instrumente,  dazu 
waren  die  bisherigen  Holzgriffe  der  Messer.  Meissei  usw.  ungeeignet. 
Ausserdem  Erweiterung  der  chirurgischen  Tätigkeit  durch  die  Asepsis, 
besonders  für  Bauchchirurgie  neue  Instrumente  nötig. 
Der  Fortschritt  der  Waffentechnik  und  die  kriegschirurgischen  Er¬ 
fahrungen  forderten  auch  für  die  vor  derste  Linie  grösseren 
Vorrat.  Auf  Vermehrung  der  Sanitätsfahrzeuge  war  nicht  zu 
rechnen,  es  musste  Platz  geschaffen  werden  und  das  geschah  durch 
die  Einführung  von  Arzneitabletten,  welche  nach  jahre¬ 
langer  Vorarbeit  1900  abgeschlossen  war.  Der  Uebergang  zur  Asepsis 
bedingte  solche  Umwälzungen  der  Sanitätsausrüstungen,  dass  dem 
Reichstag  1901  eine  Forderung  von  3 %  Millionen  Mark  vor¬ 
gelegt  wurde,  welche,  auf  mehrere  Jahre  verteilt,  bewilligt  wurde. 
Die  richtige  Verwendung  dieser  Mittel  war  eine  schwierige  Aufgabe. 
Es  musste  etwas  Ganzes  geschaffen  werden,  das  auch  lange  Jahre 
ohne  wesentliche  Aenderungen  bleiben  konnte,  kriegsbrauchbar  war 
und  der  wissenschaftlichen  Kritik  standhielt.  Dieses  Ziel  ist  wohl 
durch  die  jetzige  Sanitätsausrüstung  erreicht,  nachdem  1911  die 
antiseptisch  imprägnierten  Verbandstoffe  ganz  auf  gegeben 
wurden  und  damit  die  aseptische  Wundbehandlung  für  den  Krieg 
durchgeführt  werden  kann. 

Es  werden  nun  die  zur  Wundbehandlung  vorhandenen  Gegen¬ 
stände  besprochen  unter  Hervorhebung  des  zur  Durchführung  der 
aseptischen  Wundbehandlung  vorhandenen  Materials.  Ferner  die  mit¬ 
geführten  Schienen  und  die  Art  der  Improvisationen,  die  Mittel  zur 
Narkose  und  Schmerzbetäubung,  die  Mittel  zur  Stillung  von  Blu¬ 
tungen,  die  Mittel  zur  zahnärztlichen  Behandlung.  Endlich  werden 
erwähnt  der  Feldröntgenwagen  und  der  fahrbare  Trinkwasserbereiter. 


An  der  Hand  zahlreicher  Bilder  wird  nunmehr  veranschaulicht, 
welche  Sanitätsbehältnisse  die  Truppe  und  die  Sanitätsformationen 


wähnt  und  ihre  bequemste  Unterbringung. 

Zum  Schluss  wird  auf  die  Erfahrung  der  letzten  Kriege  hin¬ 
gewiesen  und  die  Lehren  fiir  das  chirurgische  Handeln  werden  zu¬ 
sammengefasst. 

Mit  dem  Vortrag  war  eine  Ausstellung  der  Sanitätsausrüstung 
aus  den  Beständen  des  hiesigen  Garnisonslizarettes  verbunden. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  8. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  15.  Januar  1913. 

Vorsitzender;  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer :  Herr  P  e  n  k  e  r  t. 

Herr  Mohr:  Zur  Frage  der  inneren  Sekretion  der  Speichel¬ 
drüsen  mit  Demonstration  eines  Falles  von  genitalem  Infantilismus, 
doppelseitiger  Speicheldriisenschwellung  und  Status  lymphaticus. 

(Ei  scheint  in  extenso  in  dieser  Wochenschrift.) 

16  jähriges  Mädchen,  135  cm  gross,  31  kg  schwer,  bietet  fol¬ 
genden  Befund:  Uterus  auf  der  Grenze  zwischen  Uterus  foetalis  und 
infantilis;  Vagina  und  Scheide  normal  gebildet,  fehlende  sekun¬ 
däre  Geschlechtsmerkmale,  ofienstehende  Epiphysen,  Hypoplasie 
des  üefässsystems,  vergrösserte  Lymphknoten  in  axilla,  inguines, 
Milzhyperplasie,  Thymusvergrösserung,  vergrösserte  Rachen-  und 
Nasentonsillen.  Am  auffallendsten  ist  eine  doppelseitige 
Schwellung  der  Parotis  und  S  u  b  m  axillaris.  Vor¬ 
tragender  erörtert  ferner  die  Beziehungen  zwischen  Speicheldrüsen 
und  Pankreas  zu  den  Geschlechtsdrüsen  und  der  Gesamtentwicklung. 


Herr  Mohr:  Pseudohermaphroditismus,  abnormes  Längen 
Wachstum  und  Hypergenitalismus. 

Der  folgende  Fall  steht  im  Gegensatz  zu  dem  eben  gezeigte 
(genitaler  Infantilismus),  insofern  es  sich  hierbei  um  beschleunigte 
Körperwachstum  handelt  gleichfalls  bei  einer  Entwicklungsanomal 
an  den  Genitalien.  Das  6  jährige  Kind  hat  eine  Körperlänge  vo 
13C  cm  und  w  iegt  40  kg.  Es  besteht  bei  ihm  ein  Pseudohermaphn 
ditismus,  der  die  Eltern  veranlasste,  bei  der  Geburt  des  Kindes  t 
als  Mädchen  anzusprechen.  Die  standesamtliche  Eintragung  wurcl 
später  auf  ärztliche  Veranlassung  revidiert,  weil  es  sich  zeigte,  da:- 
ein  Pseudohermaphroditismus  masculinus  vorliegt.  Die  Labia  rnajor 
und  minora  sind  deutlich  ausgebildet,  durch  Operation  ist  aus  leb 
teren  eine  Art  Präputium  gebildet,  in  dem  der  Penis  liegt.  Am  Dann 
befindet  sich  eine  stecknadelkopfgrosse  Oeffnung  (Vagina?).  Nac 
den  Angaben  der  Mutter  hat  das  Kind  ein  durchaus  knabenhafte 
Wesen,  eine  Angabe  die  mit  dem  zweifellos  weiblichen  Aussehe 
des  Kindes  im  Widerspruch  steht.  Das  verstärkte  Wachstum  ist  i' 
den  letzten  2  Jahren  besonders  zutage  getreten.  Das  Kind  sieht  blas 
aus,  die  Lippen  sind  gewmlstet,  der  gesamte  lymphatische  Apparq 
hyperplastisch.  Zungengrundpapillen,  Gaumen-  und  Rachenmandel; 
vergrössert,  ebenso  die  Lymphdriisen  am  Kinn,  Hals,  in  der  Axilk 
in  der  Leistenbeuge,  die  Milz  ist  fühlbar,  der  Rand  scharf  und  har 
Deutlicher  Thymusschatten  im  Röntgenbild.  Schilddrüse  fiihlba 
nicht  vergrössert  und  auch  in  der  Konsistenz  nicht  verändert.  Woh 
ausgebildete  Behaarung  des  Mons  veneris,  an  anderen  Stellen  keir 
Behaarung,  jedoch  deutlicher  Flaum  an  den  Wangen  und  der  Obe 
lippe.  Veränderungen  finden  sich  dann  noch  am  Gefässapparat.  D 
peripheren  Gefässe  sind  eng  und  unter  dem  Finger  rollbar.  dt 
Herzstoss  hebend,  etwas  ausserhalb  der  Papillarlinie  an  der  Her: 
spitze  und  der  Basis  blasendes  systolisches  Geräusch,  das  an  de 
anderen  Stellen  über  dem  Herzen  schwächer  zu  hören  ist.  An  de 
Lungen  und  den  Abdoininalorganen  kein  besonderer  Befund,  in: 
besondere  sind  beide  Nierengegenden  frei  von  Resistenz  und  Drucl 
schmerz.  Das  Röntgenbild  des  Knochensystems  und  des  Schade 
ergibt  keinen  abnormen  Befund.  Epiphysen  sind  offen.  Es  handei 
sich  demnach  um  einen  Fall  von  Pseudohermaphroditismus  mit  Statt 
lymphaticus  und  beschleunigter  Grössenentwicklung  des  Skelette 
Bei  der  Frage,  in  welchem  ursächlichen  Zusammenhang  letztere  F. 
scheinung  mit  den  genannten  Anomalien  steht,  muss  man  dara 
denken,  dass  beim  unkomplizierten  Status  lymphaticus  sowohl  ve 
zögertes  als  auch  abnormes  Längenwachstum  vorkommt.  Bekanntlic 
ward  dann  die  infantile  Relation  der  grösseren  Oberlänge  zur  Unte 
länge  gefunden.  Das  ist,  beiläufig  bemerkt,  in  vorliegendem  Fal 
nicht  zutreffend:  die  Entfernung  Scheitel — Steissbein  beträgt  64  er 
Steissbein — Ferse  66  cm.  Wichtiger  ist  die  Tatsache,  dass  b 
Hermaphroditismus  krankhafte  Veränderungen  in  der  Nebennierenriiu 
gefunden  worden  sind,  deren  Ueberfunktion  ebenso  wie  die  di 
Epiphyse  mit  vorzeitiger  Körperentwicklung  verknüpft  sein  kan 
v.  Neugebauer  erwähnt  13  Fälle  von  Pseudohermaphroditismu 
bei  denen  sich  Strumen  der  Nebennierenrinde  fanden.  Fibige 
berichtet  über  3  Fälle  mit  Hyperplasie  der  Nebennierenrinde.  F 
zerebrale  Störungen,  die  auf  eine  Epiphysenanomalie  hinweisf 
könnten,  fehlen,  muss  man  in  diesem  Falle  daran  denken,  dass 
Analogie  mit  den  erwähnten  Fällen  abnorme  Zustände  an  der  Rinc 
der  Nebennieren  vorliegen.  Es  ist  möglich,  dass  es  sich  um  eitj 
Anomalie  der  schon  normalerweise  im  Hoden  vorkommenden  B 
standteile  der  Nebennierenrinde  handelt,  die  sich  dem  Nachweis  en 
ziehen. 

Diskussion:  Herr  Veit  fragt  den  Vortragenden,  ob  nie 
auch  der  Speichelfluss  der  Graviden  auf  den  Zusammenhang  d' 
Paiotis  mit  den  Sexualorganen  hinweist.  In  einem  Fall  von  Speiche 
fluss  bei  Schwangeren  trat  Besserung  nach  Injektion  von  Sern 
einer  Sclnvangeren  ein. 

Herr  Stieda:  Wir  Chirurgen  sehen  oftmals  Metastasen  in  di 
submaxillaren  Speicheldrüsen  auftreten,  z.  B.  bei  Lippenkarzinoi 
so  dass  es  mir  durchaus  verständlich  erscheint,  wenn  auch  bei 
Status  lymphaticus.  wie  im  Falle  des  Vortragenden,  eine  Anschwre 
lung  der  genannten  Speicheldrüsen  auftritt.  Diese  enthalten  eb< 
schon  normalerweise  oft  recht  reichlich  Anhäufungen  von  zytogene 
Gew'ebe. 

Herr  Frese  fragt,  ob  vielleicht  kongenitale  Lues  vorliege.  1 
hat  ähnliche  Krankheitsbilder  wue  im  vorliegenden  Fall  bei  jent 
Leiden  gesehen. 

Herr  v.  H  i  p  p  e  1  wreist  darauf  hin,  dass  sich  auch  in  den  Träne 
drüsen  normalerweise  reichlich  lymphadenoides  Gewebe  findet,  d 
bei  Entzündungen  der  Bindehaut  sowie  z.  B.  bei  Lidkarzinonn 
erheblich  zunehmen  könne. 

Herr  V.  H  ö  s  s  1  i  n. 

Herr  Igersheimer:  Ueber  die  lokale  Anwendung  von  Ne 
salvarsan  am  Auge. 

Durch  Tierversuche  stellte  I.  fest,  dass  nicht  nur,  wie  sein 
Castelli  nachgewiesen  hat,  Einträufelungen  von  Neosalvarsan 
den  Bindehautsack  reizlos  vertragen  wrerden,  sondern  dass  man  au 
das  Mittel  subkonjunktival  und  intralamellär  in  die  Kornea  oh 
Schaden  injizieren  kann. 

Als  Objekt  der  direkten  Anwendung  des  Neosalvarsans  a 
Auge  wurde  auf  Veranlassung  Ehr  lieh  s  die  Keratit 
parenchymatosa  gewählt  und  bis  jetzt  4  Fälle  lokal  behände 


8.  März  1913. 


edesmal  handelte  es  sich  um  eine  typische  Keratitis  parenchymatosa 
uf  kongenital-luetischer  Grundlage.  Die  erstbehandelte  Patientin 
Liesbeth  H.)  hatte  einen  so  schweren  Prozess,  dass  bei  ihr  von  vorn¬ 
erein  auf  eine  Besserung  nicht  zu  hoffen  war.  Um  so  besser  aber 
essen  sich  die  verschiedenen  Applikationsmöglichkeiten  an  ihrem 
iuge  studieren.  Von  der  Behandlung  mit  Einträufelungen  wurde 
ehr  bald  zu  der  Verwendung  von  Augenbädern  (1 — 2 mal 
äglich  je  15  Minuten)  übergegangen.  Diese  Bäderbehandlung,  die 
ns  bessere  Aussichten  zu  bieten  schien  als  die  Einträufelungen,  wurde 
uch  bei  den  übrigen  3  Patienten  vor  allem  benützt.  Ausser  über 
eichtes  Brennen  hatten  die  Patienten  dabei  nicht  zu  klagen, 
rgendeine  Verschlechterung  des  Zustandes  trat 
licht  ein,  leider  aber  auch  niemals  eine  Besserung. 

Ferner  wurde  bei  dem  ersten  und  auch  bei  dem  zweiten  Pa- 
lenten  1  proz.  Neosalvarsanlösung  in  die  Hornhautlamellen 
in  einer  peripheren  Stelle  injiziert  mit  dem  Erfolg,  dass  die 
/askularisation  an  dieser  Stelle  etwas  zunahm,  eine  Aufhellung  der 
Trübung  aber  nicht  eintrat. 

Auch  eine  Abschabung  des  Epithels  an  peripheren 
'teilen  der  Hornhaut  mit  nachfolgendem  Augenbad  zum 
iesseren  Eindringen  des  Medikaments  in  die  Hornhaut  wurde  ohne 
Schaden  oder  Nutzen  vorgenommen. 

Schliesslich  kamen  in  einem  Falle  auch  noch  subkonjunk- 
ivale  Injektionen  zur  Anwendung;  sie  reizten  nicht,  aber  auch  sie 
nachten  keine  Veränderungen  im  Status. 

Alles  in  allem  scheint  die  Lokalbehandlung,  soweit  sich  das 
bisher  übersehen  lässt,  mit  Neosalvarsan  bei  der  Keratitis  par- 
uichymatosa  des  Menschen  keinerlei  Nutzen  zu  bringen. 

Herr  Bernhard  Aschner:  Ueber  experimentelle  Brunst. 

Gelegentlich  der  gemeinsam  mit  Griporin  veröffentlichten 
Untersuchungen  über  experimentelle  Auslösung  von  Milchsekretion 
( vgl.  Archiv  f.  Gyn.  1911,  94.  Bd.,  3.  H.)  konnte  der  Vortr.  bereits 
starke  Hyperämie  und  Hämorrhagie  am  Uterus  virginaler  Meer¬ 
schweinchen  nach  subkutanen  Injektionen  von  Ovarial-  oder 
Plazentarextrakt  als  regelmässigen  Nebenbefund  nachweisen.  Un¬ 
abhängig  davon  kamen  bezüglich  des  Ovarialextraktes  Adler  und 
Sch  ick  eie  zu  demselben  Resultat.  Vortr.  zeigte  an  Präparaten 
und  farbigen  Photographien,  dass  man  auch  mit  Plazentar¬ 
extrakt  sehr  intensive  brunstartige  Erscheinungen  hervorrufen 
könne,  wie  blutig-schleimigen  Fluor  aus  der  Vagina,  eine  das  ganze 
Genitale  elektiv  befallende  Hyperämie,  Hämorrhagie  im  Uterus,  die 
bis  zur  Bildung  einer  starken  Hämatometra  gesteigert  werden  kann, 
überstürzte  Reifung  und  kleinzystische  Erweiterung  der  Ovarial- 
follikel. 

Es  ergibt  sich  die  Frage,  ob  man  nicht  die  Blutungen  nach 
Retention  von  Plazentarresten  bei  der  Frau  auch  durch  eine  Art 
innersekretorischer  Wirkung  des  Plazentarrestes  erklären  könne,  da 
man  ja  bisher  diese  Blutungen  auf  rein  mechanischem  Wege  sich 
entstanden  dachte. 

(Die  Arbeit  erscheint  demnächst  ausführlich  mit  Abbildungen 
im  Archiv  für  Gynäkologie.) 

Diskussion:  Herr  Anton  berichtet  über  einen  Fall  des 
Fehlens  von  einem  Kleinhirn  und  Aplasie  des  Pankreas,  Aplasie  der 
Aorta,  Nebennierenanomalien  und  choreatische  Degenerationen. 

Herr  Aschner. 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Lex  er. 

Schriftführer:  Herr  Bennecke. 

Herr  Bennecke:  Fall  von  Streptomykosis  oralis  febrills. 

17  jähriges  Mädchen,  das  wegen  Diphtherieverdachtes  in  die 
Klinik  kam.  Es  fand  sich  jedoch  eine  mit  hochgradiger  Schwellung 
der  Gaumenbögen  und  Uvula  einhergehende  Angina  phlegmonosa 
ohne  Abszedierung.  An  der  rechten  Hälfte  der  Unterlippe  bestand 
eine  pfennigstückgrosse  Erhabenheit  von  schneeweisser  Farbe.  Das 
umgebende  Gewebe  war  leicht  infiltriert,  aber  nicht  oder  nur  ganz 
wenig  gerötet.  Die  Affektion  erinnerte  an  einen  Primäraffekt,  der 
jedoch  in  Rücksicht  auf  die  Anamnese  und  den  negativen  Ausfall  der 
Wassermann-  und  Stern  sehen  Reaktion  ausgeschlossen 
wurde.  Von  den  Tonsillen  wurde  ein  typischer,  nicht  hämolisierender 
Streptococcus  longus,  vermischt  mit  spärlichen  Kolonien  von 
Staphylococcus  pyogenes  aureus  gezüchtet,  wogegen  von  der  Mund¬ 
affektion  in  Ausstrichen  und  Abstrichen  mikroskopisch  und  bakterio¬ 
logisch  Streptococcus  longus  in  Reinkultur  nachgewiesen  wurde. 
2  Tage  später  traten  bis  fast  linsengrosse,  gleichfalls  schneeweisse 
Stippchen  an  der  Gingiva  des  Unterkiefers  auf,  aus  denen  gleichfalls 
Streptococcus  longus  in  Reinkultur  gezüchtet  wurde.  Beim  Auf¬ 
treten  dieser  Affektion  keine  besonderen  klinischen  Erscheinungen, 
h'ieber  im  ganzen  wenig  hoch,  bei  schwer  gestörtem  Allgemein¬ 
befinden.  Unter  Spülungen  mit  Wasserstoffsuperoxyd  ging  die  Mund¬ 
affektion  in  wenigen  Tagen  zurück.  Leukozyten  anfangs  21  000, 
später  13  000.  Milz  leicht  vergrössert,  Blutkulturen  bleiben 
steril.  Die  Affektion  ist  uns  nicht  unbekannt.  Sie  wurde  bei  der 
letzten  Scharlachepidemie  in  Jena  wiederholt  beobachtet  und  in  der 


611 


Dissertation  von  Hetzer*)  beschrieben.  Sie  stellt  sich  dar  als 
eine  im  wesentlichen  im  Epithel  sich  abspielendc  Erkrankung,  die 
mit  einer  mächtigen  Produktion  und  Desquamation  des  oberflächlichen 
Epithels  einhergeht.  Die  tieferen  Epithelschichten  sind  gelockert; 
sie  und  die  bisweilen  leicht  verbreiterten  Koriumpapillen  sind  von 
spärlichen,  fleckweise  reichlicheren  Leukozyten  durchsetzt.  Fibrin 
konnte  an  den  in  Alkohol  fixierten  Präparaten  nicht  nachgewiesen 
werden.  Der  histologische  Unterschied  ist  gegenüber  pseudomem¬ 
branösen  Veränderungen,  hervorgerufen  durch  den  Diphtherie¬ 
bazillus  und  Pneumokokkus,  also  ein  so  deutlicher,  dass  Verwechs¬ 
lungen  ausgeschlossen  sind.  Klinisch  dürften  gegebenenfalls  Irrtümer 
möglich  sein,  doch  wird  der  Sitz  der  Erkrankung  und  der  leicht  zu 
führende  Nachweis  von  Streptokokken,  wie  das  auch  aus  der 
Literatur  (Fleischer,  Gerhardt,  Linzmeyer)  zu  bestätigen 
ist,  die  Differentialdiagnose  leicht  ermöglichen.  Diese  Beobachtung 
macht  es,  entgegen  unserer  früheren  Annahme,  wahrscheinlich,  dass 
der  Streptokokkus  als  solcher  für  die  Veränderung  ätiologisch  in  Be¬ 
tracht  kommt.  **) 

Zur  Beurteilung  von  Unfallsfolgen. 

Die  folgenden  Fälle  mögen  einen  Beitrag  liefern  zur  objektiven 
Beurteilung  von  Unfalls-  und  Erkrankungsfolgen,  die  aus  Zeiten 
stammen,  wo  die  Kranken  der  Versicherungspflicht  noch  nicht  unter¬ 


lagen.  Derartige  Fälle  sind  schon  jetzt  Seltenheiten  und  dürften  bald 
ganz  verschwinden.  Der  jetzt  19  jährige,  zurzeit  an  Scharlach  erkrankte 
Schlosser  M.  quetschte  sich  als  Schulknabe  den  linken  Zeigefinger  ab. 
Trotzdem  erlernte  er  das  Schlosserhandwerk  und  verletzte  sich  da¬ 
bei  als  Lehrling  im 
2.  Jahre  den  rechten 
Mittelfinger,  der  in 
der  Mittelphalanx 
amputiert  werden 
musste.  M.  erhielt 
als  Abfindung  eine 
VijährigeRente  von 
I2.50M.;  erverliess 
darauf  den  Staats¬ 
dienst,  um  seine 
Rente  nicht  einzu- 
büssen,  u.  verdient 
jetzt  bei  gleich¬ 
schwerer  Arbeit 
einen  höherenLohn. 

Während  er  links 
gar  keine  Berufs¬ 
störungen  empfinden  will,  ist  das  Hämmern  mit  der  rechten 
Hand  angeblich  dadurch  erschwert,  dass  der  Zeigefinger  kein 
Widerlager  am  Mittelfinger  mehr  hat,  was  aus  den  beigegebenen  Ab¬ 
bildungen  und  auf  der  Röntgenplatte  verständlich  scheint.  Trotzdem, 
wie  gesagt,  sicher  keine  Beschränkung  der  Erwerbsfähigkeit.  — 
Ein  65  jähriger  Handarbeiter  machte  vor  26  Jahren  Typhus  durch, 
bekam  eine  Osteomyelitis  und  Gonitis,  die  zu  Versteifung  führte,  so 
dass  das  Kniegelenk  nur  um  10°  gebeugt  werden  kann.  Es  blieb 
ausserdem  eine  Fistel  an  dem  elephantiatisch  verdickten  Knie,  die 
periodisch  eiterte;  trotzdem  arbeitete  der  Mann  mit  vollem  Ver¬ 
dienst,  bis  er  erst  jetzt  wegen  Arteriosklerose  mit  Blutdruck¬ 
steigerung,  Emphysem,  Herzvergrösserung,  Invalidenrente  bekommt. 

*)  Hetzer:  Ueber  Stomatitis  bei  Scharlach  und  Scharlach - 
rezidive.  Dissertation,  Jena  1912. 

**)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Später  trat  eine 
Streptokokkensepsis  hinzu,  die  nach  Versagen  von  Kollargol  und  Anti¬ 
streptokokkenserum  durch  eine  Infusion  von  250  ccm  menschlichen 
Normalserums  scheinbar  günstig  beeinflusst  wurde;  dies  Verfahren 
scheint  sich  auch  in  2  weiteren  Fällen  gut  bewährt  zu  haben. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


612 _  _ MUENCHENEK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ No.  11. 


Typhus  mit  symptomatischem  Scharlach. 

5  jähriger  Knabe,  der  Mitte  der  3.  Typhuswoche  aufgenommen 
wurde.  Am  Rücken  eine  frische  Narbe  eines  kleinen  Furunkels.  Als 
er  noch  nicht  völlig  entfiebert  war,  trat  in  der  Mitte  der  4.  Woche 
abends  Schüttelfrost,  Fieberanstieg  bis  40,  Emporschnellen  der  Leuko¬ 
zyten  von  3375  am  Aufnahmetage  auf  13  875  ein.  Das  Ereignis  wurde 
auf  einen  Furunkel  an  der  Stirn  und  2  kleinere  Furunkel  am  Qesäss 
bezogen;  aus  dem  bei  der  Inzision  entleerten  Eiter  wuchs  Staphy- 
lococcus  pyogenes  aureus  in  Reinkultur.  Am  nächsten  Tage, 
bei  Fortbestehen  des  Fiebers,  weiteres  Steigen  der  Leukozyten  auf 
17  000,  leichte  Rötung  der  Tonsillen,  die  am  folgenden 
Tage  einen  gelblichen  Belag  erkennen  Hessen.  Jetzt  auch 
himbeerartige  Beschaffenheit  der  nichtbelegten  Zunge  und  ein  fein¬ 
fleckiges,  hauptsächlich  auf  die  Extremitäten,  aber  auch  den  Rumpf 
verbreitetes,  das  Gesicht  freilassendes,  durchaus  scharlachähnliches 
Exanthem.  Bei  der  an  diesem  Tage  vorgenommenen  Stauung  des 
einen  Armes  zwecks  Blutuntersuchung,  die  ein  negatives  Resultat 
hatte,  durchaus  typisches  R  u  m  p  e  1  -  L  e  e  d  e  sches  Phänomen,  das 
bei  der  am  Aufnahmetage  zwecks  Untersuchung 
auf  Typhus  vorgenommenen  Blutentnahme  sicher 
nicht  bestanden  hatte.  Am  3.  Tage  noch  Temperatur  über  40, 
dann  kritischer  Abfall.  Nach  4  Tagen  nochmals  ein  Furunkel  an  der 
Wange  mit  Staphylokokkeneiter  und  wieder  Rötung  der  Haut,  aber 
nur  an  den  unteren  Extremitäten.  Aus  dem  Belag  der  Angina 
wuchsen  die  verschiedensten  Kokken  und  Bazillen,  darunter  Strepto¬ 
coccus  longus  und Staphylococcus  pyogenes  aureus,  also  kein  typischer 

Scharlachbefund.  Keine  Schuppung _  Wir  dachten  trotzdem  zunächst 

an  Scharlach,  da  die  Uebertragungsmöglichkeit  nicht  völlig  aus¬ 
geschlossen  werden  kann.  Indessen  ist  das  der  Literatur  nach  bei 
Typhus  ein  ganz  ungewöhnliches  Ereignis  und  in  diesem  Krankheits¬ 
stadium  scheinbar  noch  nicht  beobachtet.  Unter  unserem  Material 
haben  wir  eine  Scharlachübertragung  auf  Typhuskranke  noch  nicht 
erlebt.  Ein  skarlatiniformes  Typhusexanthem  kann  in  Rücksicht  auf 
das  Krankheitsstadium  ausgeschlossen  werden.  Die  Erklärung 
lieferten  uns  3  andere  durchaus  ähnliche  Fälle,  die  Erwachsene  be¬ 
trafen.  Der  eine  Fall  (16  jähriges  Mädchen)  erkrankte  in  der 
5.  Typhuswoche  nach  bereits  eingetretener  Entfieberung  mit 
Schüttelfrost,  Angina  und  diffusem  Exanthem,  dem  keine  Schuppung 
folgte.  Auch  hier  Leukozytose  von  11 — 17  000:  der  weitere 
Verlauf  war  durch  eine  aseptische  Pleuritis 
kompliziert.  —  Bei  der  anderen  25 jährigen  Patientin  trat  das¬ 
selbe  Ereignis  bereits  in  der  3.  Typhuswoche  auf.  Später  noch  mehr¬ 
fach  Schüttelfröste  und  Temperaturanstiege,  ohne  dass  Krankheits¬ 
erreger  im  Blute  gefunden  wurden.  Als  Ausgangspunkt  kommt  hier 
wahrscheinlich  eine  alte  Otitis  media  in  Betracht.  —  Ein  ähnliches 
Exanthem  fand  sich  bei  einer  49  jährigen  Frau  in  der  2.  Woche  eines 
klinisch  und  serologisch  einwandfreien  Typhus,  der  mit  der  für 
Typhus  durchaus  atypischen  Leukozytose  von  13  000  verlief.  Der 

Fall  wurde  leider  nicht  weiter  geklärt _  Weiter  dienten  zur 

Deutung  des  Exanthems  die  in  der  erwähnten  Dissertation  von 
Hetzer  niedergelegten  Beobachtungen,  denen  zufolge  die  von  ihm 
mitgeteilten  „Rezidive  weiter  nichts  darstellten  als  interkurrente 
Anginaerkrankungen,  die  den  vor  kurzem  abgeklungenen  Scharlach¬ 
hautprozess  zum  Aufflammen  brachten.“  Gegen  Scharlach  sprach 
auch  schon  unbedingt  das  Verhalten  der  Leukozyten,  die  nach 
unseren  Beobachtungen  bei  nicht  septischen  Fällen  niemals  eine 
Steigerung  bis  17  000  aufweisen,  ganz  speziell  nicht,  nachdem  eine 
mit  Leukopenie  verlaufende  Typhuserkrankung  vorausgegangen  war. 
Es  spricht  auch  dagegen,  dass  die  beiden  9  bzw.  15  Jahre  alten 
Geschwister,  sowie  zwei  andere  4  bzw.  6  Jahre  alte  Kinder  mit 
Typhus  desselben  Zimmers,  aus  derselben  Typhusepidemie  desselben 
Dorfes  stammend,  nicht  an  Scharlach  erkrankten.  Man  wird  auch 
hier  die  von  Hetzer  u.  a.  für  die  Scharlachrezidive  wahrscheinlich 
gemachte  Erklärung  annehmen  müssen,  dass  die  Leukozytose  be¬ 
dingende  Staphylokokkenaffektion  auf  Grund  der  von  dem  Typhus 
her  noch  bestehenden  Vasomotorenschädigung  die  Haut  und  Zunge 
im  Sinne  eines  skarlatiniformen  Exanthems  veränderte.  —  Der  Fall 
ist  noch  in  anderen  Beziehungen  beachtenswert.  Zunächst  wegen 
des  Fehlens  des  R  u  mp  el-Le  e  d  e  sehen  Phänomens  bei  der  Auf¬ 
nahme  während  des  noch  unkomplizierten  Typhus  und  wegen  seines 
Auftretens,  als  die  Staphylokokkeninfektion  einsetzte  und  die  Vaso¬ 
motoren  erneut  schädigte.  Das  entspricht  der  von  Rumpel, 
Lee  de  und  mir  vertretenen,  von  O.  Meyer***)  bestätigten,  an¬ 
fänglichen  Behauptung,  dass  es  zwar  für  Scharlach  nicht  beweisend 
ist,  dass  sein  Fehlen  aber  in  scharlachverdächtigen  Fällen  gegen 
Scharlach  spricht.  Unter  Vorbehalt  der  Veröffentlichung  weiteren 
Materials  sei  hier  erwähnt,  dass  wir  das  Phänomen  bei  Scharlach 
nie  vermissten,  dagegen  bei  den  vielen  Blutentnahmen  anlässlich 
anderer  Erkrankungen  nur  ausserordentlich  selten  (u.  a.  neuerdings 
einmal  bei  Typhus  und  bei  interstitieller  Nephritis)  sahen.  —  Der  Fall 
kann  auch  als  Beitrag  zur  Frage  der  Leukozytose  bei  Typhus- 
komplikationen  gelten.  Wenn  diese  durch  Eitererreger  bedingt  sind, 
dis  an  sich  Leukozytose  machen,  so  verändern  sie  nach  unseren 
Beobachtungen  das  Blut  im  Sinne  einer  mehr  oder  weniger 
ausgesprochenen  Leukozytose.  —  Schliesslich  sei  erwähnt,  dass  in 
diesem  Falle  als  Eintrittspforte  für  die  Staphylokokken  zweifellos  die 
Haut  (Furunkel)  in  Betracht  kommt  und  dass  klinisch  einwandfrei 
die  Angina  erst  nach  den  übrigen  Krankheitserscheinungen  eintrat. 

***)  Oswald  Meyer:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  43. 


Dies  macht  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  die  Tonsillen  in  diesem 
Falle  die  Eintrittspforten  für  den  Krankheitserreger  waren. 

Herr  Jancke:  Demonstration  zweier  Kinder  mit  künstlichem 
Pneumothorax. 

1.  16  jähriger  Junge,  seit  langem  diffuse  Bronchiektasien,  äusserst 
stinkender  Auswurf,  über  150  ccm  Sputum.  Terpentininhalationen 
vergeblich.  Durch  Pneumothorax  an  der  schwerer  erkrankten  linken 
Seite  gelingt  bald  totaler  Kollaps  der  Lunge,  die  halbkugelig  dem 
Herzen  aufliegt.  Allmähliche  Verminderung  des  Auswurfs;  jetzt, 
nach  9  Einblasungen  durch  Punktionsnadel,  im  ganzen  5125  ccm  Stick¬ 
stoff,  hat  der  Kranke  seit  8  Wochen  nur  noch  spärlichen  geruchlosen 
Auswurf,  dessen  Menge  1 — 2  ccm  täglich  beträgt.  Die  Lunge  hat 
sich  jetzt,  6  Wochen  nach  der  letzten  Einblasung,  wieder  fast  völlig 
entfaltet,  ohne  dass  der  Auswurf  wiedergekehrt  wäre,  so  dass  der 
Kranke  als  geheilt  betrachtet  werden  kann. 

2.  15  jähriger  Junge,  dessen  ganze  linke  Lunge  durch  Tuber-j 
kulose  schwer  infiltriert  war  (auf  dem  Röntgenschirm  völlige  Un¬ 
durchsichtigkeit!).  Pneumothorax  gelang  prompt,  nur  in  der1 
äussersten  Spitze  ist  die  Lunge,  kaum  erkennbar,  noch  adhärent.l 
sonst  hegt  die  Lunge  dem  Herzen  flach  an.  Seit  3V>  Monaten  sind 
6  Einblasungen  mit  im  ganzen  3  Liter  Stickstoff  vorgenommen 
worden.  Jetzt  hört  man  nur  noch  iri  der  äussersten  Spitze  spärliches 
Rasseln.  Vortreffliches  Allgemeinbefinden,  fast  kein  Auswurn 
(1—2  ccm  täglich).  Kein  Fieber,  bisher  16  Pfund  Gewichtszunahme. 
Der  Pneumothorax  soll  noch  etwa  1  Jahr  lang  unterhalten  werden. 
Der  bisherige  Verlauf  berechtigt  zu  den  besten  Hoffnungen,  während 
der  Kranke  ohne  die  Behandlung  die  schlechteste  Prognose  bot., 

Herr  Lex  er:  I.  Nachträgliche  Trepanation  bei  durchgehendem 
Schädel-Stirnschuss. 

Während  für  gewöhnlich  die  Indikation  zur  Trepanation  bei! 
Schädelschüssen  durch  heftige  Blutungen,  rasch  wachsenden  Hirn-' 
druck  oder  Wundinfektionen  gegeben  ist,  wurde  der  vorgestellte  Falk 
ein  32  jähriger  Patient,  der  sich  am  28.  Dezember  mit  einer  Browning-i 
Pistole  von  der  rechten  Schläfe  aus  quer  durch  die  vorderen  Schädel-; 
gruben  geschossen  hatte,  am  12.  Tage  der  Trepanation  aus  dem; 
Grunde  unterworfen,  weil  sowohl  die  Benommenheit  als  der  Druck¬ 
puls  (48 — 50)  unter  der  abwartenden  Behandlung  nach  anfänglicher 
Besserung  nicht  weichen  wollten.  Die  Trepanation  wurde  an  den 
Ausschussstelle  an  der  linken  Schläfe  vorgenommen,  wo  das  7  Milii- 
metergeschoss  noch  unter  der  Haut  lag,  da  hier  die  grössere  Zer-! 
trümmerung  vermutet  werden  musste. 

Dem  Eingriff  folgte  auffallend  rasch  ein  vollständiges  Schwinden 
der  Erscheinungen.  In  wenigen  Tagen  war  der  Patient  vollständig 
klar.  Augensymptome  (Doppeltsehen)  verloren  sich,  der  Puls  wurde; 
normal. 

In  den  ersten  Tagen  floss  sehr  viel  zertrümmerte  Hirnmass^' 
und  altes  Blut  aus  der  Trepanationswunde. 

Am  29.  Tage  Deckung  des  Schädeldefektes  nach  Lexer  mit 
einer  freien  Periostknochenplatte  aus  der  Tabula  externa 
der  Umgebung. 

Vollständige  Wiederherstellung. 

II.  Durchgehender  Halsschuss  mit  auffallend  glücklichem  Verlaut 
des  Geschosses  ohne  Nebenverletzung. 

Einschuss  in  der  Höhe  des  Kehlkopfes  in  der  linken  Karotideh- 
furche,  Ausschuss  3  Finger  breit  links  vom  Dornfortsatz  des  7.  Hals¬ 
wirbels. 

III.  Ureterverpflanzung  wegen  narbiger  Stenose  mit  ein¬ 
geklemmtem  kleinem  Stein  nahe  der  Harnleitermündung. 

Der  40  jährige  Herr,  der  schon  mehrfach  nach  Anfällen  kleine 
Steine  entleert  hatte,  wurde  nach  einem  sehr  schweren  Anfälle 
zystoskopiert,  wobei  der  Harnleiterkatheter  in  den  rechten  Uretei 
wegen  eines  Hindernisses  nicht  vorgeschoben  werden  konnte.  Zu¬ 
nächst  Pyelotomie  des  erweiterten  Beckens,  wobei  sich  keine  weitem 
Steine  in  demselben  vorfanden,  sodann  Sondieren  des  Ureters  vor 
der  Pyelotomiewunde  aus,  wodurch  es  nicht  gelang,  das  Hindernis 
nahe  an  der  Blase  zu  beseitigen,  deshalb  Durchtrennen  des  Ureter; 
dicht  an  der  Blase.  Auf  dem  Durchschnitte  zeigte  sich  der  Ureter 
stumpf  vollständig  obliteriert  durch  Narben,  welche  einen  kleiner, 
eingewachsenen  Stein  umhüllten.  Nach  Abtragung  der  vereugteil 
Ureterstelle  Einpflanzen  des  Stumpfes  in  den  Scheitel  der  Blasei 
Vollständige  Heilung.  Das  Röntgenbild  der  mit  Kollargol  stark  ge-' 
füllten  Blase  ergibt  kein  Zurückströmen  der  Flüssigkeit  in  den  Harn 
leiter. 

IV.  Vollständige  Zungenexstirpationen. 

a)  49  jähriger  Patient,  vor  2  Jahren  wegen  Karzinom  operiert 
spricht  klar  und  deutlich,  hat  keinen  Speichelfluss,  verschluckt  siel 
nicht  beim  Essen  und  Trinken  trotz  der  durch  die  Vernarbung  Start 
nach  vorn  gezogenen  Epiglottis.  Kein  Rezidiv. 

b)  Frisch  operierter  Fall  mit  Zungenkarzinom,  wegen  der  Vor 
geschichte  von  praktischer  Bedeutung.  Der  Patient  war  im  Jahre  190! 
wegen  Leukoplakie  schon  in  ärztlicher  Behandlung.  Trotzdem  siel 
neben  den  leukoplakischen  Flecken  der  Zunge  auch  kleine  Papillom 
fanden,  wurde  er  antisyphilitisch  behandelt.  Der  jetzige  Zustam 
zeigte  auf  der  ganzen  Oberfläche  der  stark  geschwollenen  Zungi 
papillomähnliche  Wucherungen,  dicke  leukoplakische  Flecken  uni 
Karzinomknoten.  Der  Durchschnitt  der  vollständig  amputiertet 
Zunge  zeigt  deutlich,  wie  die  Karzinominfiltration  von  der  Ober iläcli 
zwischen  die  Muskelbündel  in  die  Tiefe  dringt.  K  e  ui  K  a  r  z  i  n  o  n 

ist  so  früh  zu  erkennen  wie  das  bei  Leukoplaki' 

entstehende.  Bei  genügender  Beobachtung  der  Patienten  mi 


März  101,?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


(>1. 


ukoplakic  muss  die  Feststellung  stets  leicht  gelingen,  ob  einzelne 
ecken  hart  werden  und  ob  diese  Härte,  hervorgerufen  durch  Ent- 
ndung,  nach  wenigen  Wochen  wieder  vergeht  oder  als  Karzinom- 
icherung  sich  vergrössert.  Durch  die  antisyphilitische 
ehandlung  der  auf  dem  Boden  der  Leukoplakie 
ltstehenden  Karzinome  ist  schon  mancher  Fall 
s  zur  Inoperabilität  verschleppt  worden. 

V.  Harnröhrenersatz  durch  freie  Transplantation  des  YViirni- 
tsatzes. 

Der  Patient,  welcher  vor  beinahe  2  Jahren  (24.  II.  11)  wegen 
imnatischer  Zerreissung  der  Harnröhre  bei  Beckenfraktur  und 
irker  Vernarbung  des  ganzen  Dames  wegen  nachfolgender  Phleg- 
me  mit  der  Einpflanzung  seines  gesunden  Wurmfortsatzes  zum 
satz  des  Harnröhrendefektes  operiert  worden  ist,  wurde  bereits 
iher  vorgestellt  und  in  der  Med.  Klinik  No.  39,  1911  veröffentlicht, 
e  Frage,  ob  der  frei  verpflanzte  Wurmfortsatz  sich  dauernd  für 
icn  derartigen  Ersatz  eignet,  war  bisher  nicht  entschieden.  Der 
irgestellte  Fall  beweist,  dass  nach  erfolgter  Einheilung 
ne  Schrumpfung  des  verpflanzten  Stückes  mit 
ichfolgender  Verengung  der  Harnröhre  nicht 
ntritt.  Denn  trotzdem  der  Patient  niemals  bougiert  worden  ist, 
;  sein  Harnstrahl  kräftig  geblieben  und  sind  Beschwerden  nicht 
[getreten. 

Als  er  vor  einigen  Monaten  eine  Fadeneiterung  an  seiner  früher 
nal  zum  retrograden  Katheterismus  und  später  wegen  Steinbildung 
irch  Sectio  alta  geöffneten  Blase  hatte,  wurde  bei  dieser  Gelegen¬ 
it  von  der  Blase  aus  eine  dicke  Sonde  durch  die  Harnröhre  hin- 
'ichgefiihrt  und  damit  die  gute  und  glatte  Durchgängig¬ 
ei  t  derselben  festgestellt.  Von  vorn  ist  die  Sondierung 
■r  Harnröhre  nicht  so  leicht,  da  man  an  der  vorderen  Vereinigung 
vischen  Appendix  und  Harnröhre  in  eine  Tasche  gerät.  Doch  ge¬ 
igt  es  schliesslich,  auch  von  hier  mit  einem  mittelstarken  Bougie 
ndurchzukorpmen. 

Bei  einem  2.  Fall  von  Transplantation  des  Wurmfortsatzes  in 
e  Harnröhre  bei  Hypospadia  glandis  war  eine  narbige  Verengung 
,‘s  neuen  Orifizium  eingetreten.  Bei  der  3  Wochen  später  vor- 
nommenen  Nachoperation  zur  Erweiterung  des  Orifiziums  zeigte 
ch  deutlich  die  gut  erhaltene  Schleimhaut  der  Appendix. 

ln  einem  3.  Falle  wurde  der  Wurmfortsatz  zum  Ersatz  der 
vidierten  traumatischen  Striktur  am  Damm  verwendet.  Hier  ist 
•ine  glatte  Einheilung  sondern  Eiterung  erfolgt.  Es  kam  dann  zur 
istel  am  Damm  und  wiederum  zur  Verengung  der  Harnröhre,  so 
iss  der  Patient  jetzt  täglich  bougiert  werden  muss. 

Das  Schicksal  des  Transplantats  hängt  eben  wie  überall  von 
:r  raschen,  durch  Bluterguss  und  Infektion  nicht  gestörten 
rnährung  ab.  Bei  guter  Einheilung  scheint  sich 
ie  Schleimhaut  des  Wurmfortsatzes  zu  erhalten 
ii  d  tatsächlich  auch  weitere  Stenosen  zu  ver- 
ii  t  e  n. 

Herr  Henkel  demonstriert  1.  eine  52jährige  Frau,  die  wegen 
rolaps  der  Scheide  und  eines  seit  vielen  Jahren  bestehenden  Blasen- 
.itarrhs  der  Klinik  überwiesen  war.  Die  zystoskopische  Unter¬ 
teilung  ergab  einen  kirschgrossen  Stein  in  der  Blase.  — 
emonstration  desselben  im  Spiegelbilde.  Nachtrag:  Am  Tage  nach 
.‘r  Demonstration  wurde  der  Stein  durch  Kolpozystotomie  entfernt 
id  der  Prolaps  in  derselben  Sitzung  beseitigt. 

2.  ein  17  jähriges  Mädchen,  das  wegen  fortgesetzten  Ausflusses, 
icnorrhagie  und  starker  Dysmenorrhöe  der  Klinik  überwiesen  war. 
etzte  Menstruation  am  3.  September,  Aufnahme  am  9.  Januar.  Die 
ntersuchung  ergibt  eine  vollkommene  Verdoppelung  der  Portio 
id  des  Uteruskörpers,  weiter  eine  Verdoppelung  der  vor- 
eren  Dreiviertel  der  Scheide.  Die  beiden  Uterushörner  wur- 
-•ii  sondiert  und  nun  bei  liegenbleibenden  Sonden  eine  Röntgen- 
ufnahme  angefertigt,  welche  die  seitliche  Deflexion  der  beiden 
terushälften  —  wichtigster  diagnostischer  Anhaltspunkt!  —  sehr 
Tön  erkennen  lässt. 

3.  ein  frauenkopfgrosses  Dermoid  des  linken  Ovariums. 
as  Präparat  stammt  von  einem  17jährigen  Mädchen  mit  stets 
nregelmässiger  Periode.  Die  Patientin  war  der  Klinik  wegen  der 
v'ahrscheinlichkeitsdiagnose  einer  Frühgeburt  überwiesen  worden, 
‘ieselbe  beruhte  auf  der  Angabe  wehenartiger  Schmerzen  und  un- 
tgelmässig  starker  Blutungen.  Die  klinische  Untersuchung  stellte 
en  kleinen  nach  rechts  vorn  verdrängten  Uterus  fest  und  führte 
ur  Diagnose  eines  Ovarialdermoids  mit  Stieldrehung.  H.  weist 
arauf  hin,  dass  Dermoide  bei  jungen  Mädchen  nicht  ganz  selten 
ngetroffen  werden. 

4.  dann  ein  durch  abdominale  Totalexstirpation  gewonnenes 
räparat  eines  sehr  weit  vorgeschrittenen  Zervixkarzinoms.  Die 
'atientin  befand  sich  wegen  der  Ischiasschmerzen,  dann  auch 
egen  ihrer  Blutungen  seit  langer  Zeit  in  ärztlicher  Behand- 
ing.  Das  bestehende  Karzinom  wurde  leider  nicht  fest¬ 
estellt.  Strikturierung  des  rechten  Ureters  durch  umwucherndes 
arzinomgewebe.  Beim  Auslösen  desselben  riss  die  membranartig 
ünne  Wand  desselben  ein,  das  Gewebe  war  so  morsch,  dass  die 
unächst  versuchte  Ureternaht  infolge  Durchschneidens  der  Fäden 
icht  ausführbar  war.  Es  wurde  daher  nach  ausgiebiger  Aus- 
äumung  des  Beckenzellengewebes  und  Entfernung  des  grössten 
eiles  der  Scheide,  die  Implantation  des  Ureters  in  die  Blase 
orgenommen. 


5.  42  jährige  Frau,  bei  der  in  der  kurzen  Zeit  von  3  Wochen 
sich  ein  sehr  grosser  Aszites  gebildet  hat.  Dieser  Aszites  wurde 
bei  der  Untersuchung  auf  ein  kindskopfgrosses  subseröses 
Myom  zurückgeführt.  Die  Behandlung  bestand  in  Totalexstirpation 
und  sorgfältigem  Entfernen  des  Aszites.  H.  spricht  kurz  über  die 
Entstehung  dieser  Art  des  Aszites,  der  selbstverständlich  gutartiger 
Bedeutung  ist. 

6.  an  einer  Anzahl  von  Röntgenaufnahmen  behandelte  H.  die 
Fiage  der  Beckenmessung  und  Bestimmung  der  Beckenverände- 
rungen  mit  dem  Röntgenverfahren.  In  Frage  können  nur  Fern¬ 
aufnahmen  kommen,  aber  auch  hierbei  ergeben  sich  gegenüber 
den  sicheren  Massen  am  skelettierten  Becken  und  dem  Ergebnis  der 
üblichen  Beckenuntersuchung  nach  der  einen  oder  anderen  Richtung 
nicht  ganz  unerhebliche  Unterschiede.  Das  Verfahren  muss  daher, 
wenn  es  für  das  wissenschaftliche  Studium  des  Beckens  an  der 
Lebenden  herangezogen  werden  soll,  entschieden  verbessert  werden. 


Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  Februar  1913. 

Herren  Boit,  Amelung,  Hecker:  Demonstrationen. 

Herr  Ebner  zeigt  einen  an  rechtsseitiger  Schenkelhernie  ope¬ 
rierten  Fall,  bei  dem  sich  im  Bruchsack  die  Appendix  und  Zoekum  fand. 

2.  Fall:  Patient,  10  Tage  vor  der  Operation  an  Fieber,  Schmerzen 
in  der  rechten  Unterbauchgegend  und  Erbrechen  erkrankt,  wird  vom 
behandelnden  Arzt  unter  der  Diagnose  „Appendizitis“  eingeliefert.  Es 
findet  sich  bei  der  Operation  am  Zoekum  ein  retroperitoneales  Fibro- 
lipom  mit  Degenerationsherden. 

Herr  Friedrich  stellt  1.,  in  Anknüpfung  an  den  soeben  von 
Ebner  vorgestellten,  von  F.  operierten  Fall,  eine  Patientin  vor,  die 
wegen  bösartigen  lleozoekaltumors  (Karzinom  des  Colon  ascendens) 
von  F.  operiert  wurde.  Friedrich  tritt  an  der  Hand  dieses  Falles 
erneut  für  die  „ein  zeitige“  radikale  Exstirpation  solcher  Tumoren 
ein,  wie  er  dies  in  den  „Archives  internationales  de  Chirurgie“ 
1905,  11  bereits  getan.  Er  hat  in  Königsberg  jetzt  wieder  drei  solcher 
Fälle  zu  operieren  gehabt,  mit  stets  reaktionsloser  Heilung.  Er 
schaltet  zunächst  das  Ileum  mit  zweireihiger  Naht  in  das  Colon  trans- 
versum  ein,  und  exstirpiert  dann  etwa  10  cm  des  Ileums  einschliess¬ 
lich  des  Kolons  bis  zur  Mitte  des  Colon  transversum.  Bei  diesem 
Vorgehen  resultiert  eine  grosse  Uebersichtlichkeit  der  lumbalen,  retro- 
peritonealen  Lymphdriisengebiete  und  eine  exakte  Kontrolle  eventueller 
Metastasenbildung.  Der  reaktiönslos  verlaufende  Eingriff  der  vor¬ 
gestellten  Patientin  wurde  in  örtlicher  Anästhesie  ausgeführt. 

Weiter  demonstriert  Friedrich  ein  Dermoid  zwischen  den 
Blättern  der  Mesoappendix.  Das  Dermoid  von  reichlich  Gänseei¬ 
grösse  hatte  den  Wurmfortsatz  vollständig  platt  gedrückt  und  dadurch 
wiederholt  appendizitische  Attacken  ausgelöst.  Bei  dem  sehr  fett¬ 
leibigen  Patienten  war  an  typischer  Stelle  ein  leicht  druckempfindlicher 
Tumor  zu  palpieren,  dessen  Freilegung  den  wohl  einzig  dastehenden 
geschilderten  Befund  ergab. 

Ferner  stellt  Friedrich  mehrere  Fälle  operativ  behandelter 
Lungentuberkulose  mit  vorausgegangenen  schweren  Hämoptysen  vor. 
Er  erörtert  die  Vorzüge  und  Nachteile  ausgedehnter  oder  beschränkter 
Rippenresektionen  zum  Zwecke  der  Atmungsausschaltung,  Ruhig¬ 
stellung  und  Volumeneinengung  der  tuberkulös  erkrankten  Lungenteile, 
und  leitet  aus  der  Art  der  demonstrierten  Fälle  die  Notwendigkeit  der 
Modifikation  des  technischen  Vorgehens  von  Fall  zu  Fall  her,  wie 
Friedrich  das  in  seinen  früheren  diesbezüglichen  Publikationen 
schon  wiederholt  hervorgehoben  hat,  und  wie  es  neuerdings  von 
anderen  Operateuren  auch  befürwortet  wird. 

Zum  Schluss  zeigt  Friedrich  einen  Knaben,  bei  dem  es  durch 
Messerstich  im  8.  Interkostalraum  zu  einer  penetrierenden  Stichver¬ 
letzung  des  Magens  und  Prolaps  des  Magens  durch  die  Zwerchfell- 
Brustwunde  hindurch  gekommen  war.  Der  Knabe  wurde  28  Stunden 
nach  erlittener  Verletzung  eingeliefert;  im  Wundgebiet  vor  der 
Brustwand  vorliegende  schmutzige  Netzmassen  wurden  abgetragen, 
die  Stichwunde  im  prolabierten  Magenzipfel  genäht,  der  Magen  durch 
die  Zwerchfellwunde  in  die  Bauchhöhle  reponiert,  die  Zwerchfellwunde 
durch  Naht  geschlossen,  der  vorhandene  Pneumothorax  mit  Hilfe  des 
Druckdifferenzapparates  beseitigt  und  die  Brustwandwunde  ebenfalls 
geschlossen.  Die  Heilung  erfolgte  reaktionslos. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Bahr  dt. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Sievers  referiert  über  einen  von  ihm  am  18.  Januar 
beobachteten  Fall  von  Phrenikuslähmung  nach  supraklavikulären 
Plexusanästhesie  nach  Kulenkampff.  Heftiger  Brust¬ 
schmerz  in  Zwerchfellhöhe  und  kupierte  Atmung.  Schlechte  Ver¬ 
schieblichkeit  der  entsprechenden  (rechten)  unteren  Lungengrenze, 
Abschwächung  des  Atemgeräusches.  Röntgenologisch  verminderte 
Beweglichkeit  der  rechten  Zwerchfellhälfte.  Anhalten  der  Symptome 
fast  3  Tage.  Dann  vollkommener  Rückgang.  Am  4.  Tag  ergibt  neu-  ' 


614 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  11. 


Röntgenbikl  normale  Motilität  des  Diaphragma.  Als  Ursache  ver¬ 
mutete  der  Vortragende  entweder  subfasziale  Diffusion  des  An- 
üsthetikums  zum  Halsstamm  des  Rhrenikus  oder  Ausbreitung  der 
Injektionsfliissigkeit  auf  der  Pleurakuppe,  über  die  der  Phrenikus  vorn 
und  medial  verläuft.  Einzelheiten  werden  im  Zentralblatt  für  Chi¬ 
rurgie  mitgeteilt. 

Demonstration  eines  Falles  von  habitueller  Subluxation  der  linken 
Unterkielerhälfte  nach  vorn,  der  durch  eine  einmalige  Injektion  vor. 
etwa  'A — Yt  ccm  5  proz.  Jodtinktur  ins  Kiefergelenk  und  anschlies¬ 
sende  dreiwöchentliche  Stillstellung  mit  der  Funda  maxillae  bisher 
geheilt  ist  (Injektion  am  31.  XII.  1912).  Die  sehr  deutlich  fühl- 
und  hörbare,  wie  auch  auf  Röntgenbildern  nachweisbare  Verrenkung 
des  linken  Kieferköpfchens  war  3  Wochen  zuvor  spontan  entstanden 
und  hatte  sich  dem  14  jährigen  Mädchen  durch  ein  zunächst  schmerz¬ 
haftes  Schnappen  vor  dem  Ohre  bemerkbar  gemacht.  Die  Reposition 
fand  von  selbst  beim  Mundschluss  statt.  Das  Tuberkulum  articulare 
der  gesunden  rechten  Seite  war  grösser  und  steiler  geformt  als  das 
linkseitige. 

Demonstration  eines  22  jährigen  Arbeiters,  bei  dem  das  durch 
Inzisionen  wegen  eines  Panaritiums  durchtrennte  Ligamentum  vaginale 
der  Beugesehnen  des  rechten  Zeigefingers  durch  eine  Faszienplastik 
ersetzt  wurde.  Der  Patient  hatte  den  Zeigefinger  nur  bis  auf  4  oder 
5  cm  an  die  Hohlhand  heranbringen  können,  da  er  nur  das  Grund¬ 
glied  ausgiebig  beugen  konnte,  während  die  Endglieder  des  Fingers 
nur  bei  Streckstellung  des  Grundglieds  gebeugt  werden  konnten. 
Beim  Einschlagen  der  Finger  zur  Faust  spannten  sich  die  Beuge¬ 
sehnen  in  Form  einer  stangartigen  derben  Prominenz  über  das  Grund¬ 
gelenk,  konnten  also  infolge  der  Verkürzung  ihres  Weges  und  der  fal¬ 
schen  Zugrichtung  ihre  volle  Zugkraft  nicht  ausnutzen.  Das  Ligamen¬ 
tum  vaginale  war,  ebenso  wie  die  Ausläufer  der  Fascia  palmaris 
durchtrennt.  Die  Einpflanzung  eines  Lappens  aus  der  Fascia  lata  des 
linken  Oberschenkels  fixierte  die  Sehnen  wieder  fest  an  ihrer  knö¬ 
chernen  Unterlage  und  garantierte  zudem  ihre  freie  Verschieblichkeit, 
so  dass  der  Finger  wieder  bis  in  die  Hohlhand  eingeschlagen  werden 
konnte. 

Freie  Transplantation  der  Grundphalanx  der  linken  4.  Zehe  an 
die  Stelle  einer  wegen  zystischen  Riesenzellensarkoins  enukleierten 
Mittelphalanx  des  linken  Ringfingers.  Wiederherstellung  der  Beweg¬ 
lichkeit  des  Fingers.  Ausfüllung  des  Zehendefekts  durch  einen  Tibia¬ 
spahn. 

Der  Patient,  der  jetzt  wieder  arbeitet,  ist  auf  der  ersten  Sitzung 
der  freien  Vereinigung  sächsischer  Chirurgen  gezeigt  worden. 

Diskussion:  Herr  H  e  i  n  e  k  e  bemerkt  zu  der  zweiten  De¬ 
monstration,  dass  die  habituellen  Kieferluxationen  dieser  Art  gar  nicht 
so  selten  sind.  Meist  werden  die  Kranken  weniger  durch  die  Ver¬ 
hakung  des  Kiefers,  als  durch  das  laute  schnappende  Geräusch  be¬ 
lästigt.  Ein  von  H.  beobachteter  Kranker  war  nicht  imstande  im  Re¬ 
staurant  zu  essen,  weil  alle  Leute  auf  ihn  aufmerksam  wurden.  Mit 
der  Einspritzung  von  Jod  hat  H.  keine  Erfolge  gehabt.  In  einem 
Falle  hat  Herr  Hofrat  Pf  aff  die  Kiefer  durch  einen  Apparat  verbun¬ 
den,  der  mittels  einer  Gleitschiene  zu  weites  Oeffnen  des  Mundes  und 
das  Verschieben  des  Unterkiefers  verhinderte.  Nach  mehrwöchent¬ 
lichem  Tragen  des  Apparates  waren  die  Beschwerden  beseitigt. 

Zu  Demonstration  3  bemerkt  H.,  dass  zentrale  Riesenzellen¬ 
sarkome  bekanntlich  oft  durch  einfache  Auskratzung  zur  Heilung 
gebracht  werden  können. 

H.  berichtet  über  einen  mit  2  maliger  Auskratzung  behandelten 
Fall  von  zentralem  Riesenzellensarkom  des  Unterkiefers  bei  einem 
11jährigen  Mädchen,  das  nunmehr  seit  4  Jahren  rezidivfrei  ist. 

Herr  Fabian  berichtet,  dass  er  2  mal  bei  der  Plexus¬ 
anästhesie  ähnliche  Erfahrungen  gemacht  habe,  wie  Herr 
S  i  e  v  e  r  s,  nur  waren  die  Erscheinungen  weniger  ausgesprochen  als 
in  jenem  Falle:  Schmerzen,  die  in  eine  Brustseite  ausstrahlten  und 
Atemstörungen,  ohne  dass  sich  perkutorisch  und  auskultatorisch 
etwas  Besonderes  nachweisen  Hess;  Thoraxdurchleuchtungen  waren 
nicht  vorgenommen  worden.  Nach  wenigen  Tagen  gingen  die  Be¬ 
schwerden  gänzlich  zurück.  Wird  die  Plexusanästhesie  im  Sitzen 
ausgeführt,  was  in  technischer  Hinsicht  vorteilhaft  ist,  so  kommt  es 
nicht  ganz  selten  zu  Kollapsen. 

Herr  Sachse  bemerkt,  dass  wir  auch  in  dem  Herbst  sehen 
Okklusionsscharnier  einen  einfachen  Apparat  besitzen,  um  die  Kiefer¬ 
bewegungen  zwangsläufig  zu  gestalten.  Derselbe  wird  an  Gold¬ 
kronen  im  Ober-  und  Unterkiefer  befestigt  und  kann  —  ohne  Be¬ 
lästigung  für  den  Patienten  —  beliebig  lange  getragen  werden.  Das 
wochenlange  Tragen  des  Kapistrum  wird  dadurch  ganz  hinfällig. 

Herr  S  i  e  v  e  r  s  (Schlusswort) :  Eine  ähnliche  Prothese  hat  be¬ 
reits  Perthes  durch  den  Zahnarzt  Herrn  Dr.  Fritzsche  bei 
einem  Fall  von  habitueller  Luxation  anfertigen  lassen,  der  in  der 
Medizinischen  Gesellschaft  vor  7  Jahren  vorgestellt  worden  ist. 

Die  Gutartigkeit  der  Myeloidsarkome  ist  dem  Vortragenden  wohl 
bekannt  gewesen,  ebenso  die  Heilbarkeit  derselben  durch  einfachere, 
nicht  radikale  Eingriffe,  wie  Wandresektion  und  Exkochleation,  doch 
kamen  solche  Verfahren  in  dem  vorliegenden  Fall  nicht  in  Frage,  da 
die  Zerstörung  der  Phalanx  schon  zu  weit  fortgeschritten  war. 

Herr  Payr  demonstriert  einen  Fall  von  Karzinom  des  Dünn¬ 
darmes  bei  einem  67  jährigen  Patienten,  der  im  Januar  1912  einen 
leichten  Darmstenosenanfall  hatte;  am  10.  VIII.  12  schwerer, 
mehrere  Tage  dauernder,  aber  spontan  sich  lösender  Ileus,  im  Ok¬ 
tober  1912  noch  schwerere  Ileusattacke.  Rasche  Verschlechterung 


des  Allgemeinbefindens,  rapide  Abmagerung,  Auftreten  von  profusen 
Diarrhöen,  abwechselnd  mit  mehrtägiger  hartnäckiger  Verstopfung, 
schliesslich  nimmt  Patient  durch  Wochen  gar  keine  feste  Nahrung 
mehr  zu  sich. 

Patient  kommt  im  Dezember '  mit  enorm  aufgetriebenem  Ab¬ 
domen  zur  Aufnahme  ins  Krankenhaus. 

Atropindarreichung  beseitigt  zunächst  eine  zweitägige  Ileus- 
attacke.  Die  Diagnose:  Darmstenose  ist  leicht  zu  stellen. 
Wismutfüllung  des  Dickdarms  vermag  den  Sitz  der  Verengerung 
nicht  zu  ermitteln.  Deshalb  vorsichtige  Darreichung  per  os.  Sofort 
neuerlicher  schwerer  Ileusanfall,  der  sich  nur  unvollständig  löst. 
Der  Sitz  der  Stenose  wird  am  Uebergang  zwischen  Ileum  und  Zö¬ 
kum  angenommen. 

Die  am  10.  XII.  12  vorgenommene  Laparotomie  am  rechten 
Rektusrand  ergab  einen  den  Darm  bis  auf  Sondendicke  ver¬ 
engernden  walnussgrossen  Skirrhus,  40  cm  von  der  Bauh  irischen ; 
Klappe  entfernt,  am  untersten  Ileum;  Resektion  mit  gleichzeitiger 
Entfernung  des  zugehörigen  Mesenterialsektors.  Seit-zu-Seit-Vereini- 
gung.  Glatte  Heilung.  Rasche  Gewichtszunahme. 

Herr  Payr  demonstriert  ein  22  jähriges  Mädchen,  an  dem  er 
kürzlich  einen  plastischen  Ersatz  der  verloren  gegangenen  Beuger¬ 
sehnen  des  linken  Mittelfingers  mittels  Faszientransplantation  aus-i 
geführt  hatte. 

Nach  einer  schweren  Verletzung  durch  eine  zerbrechende  Flasch^ 
am  2.  VI.  07  entwickelte  sich  eine  Sehnenscheidenphlegmone  mit  Ver¬ 
lust  der  Beugesehnen  und  nachfolgender  Kontraktur  des  Fingers  bis- 
zur  Berührung  der  Hohlhand  durch  die  Fingerspitze. 

Die  narbig  schwer  veränderte  Haut  wurde  am  9.  X.  12  in  einer) 
ersten  Sitzung  exstirpiert,  der  Finger  gerade  gestreckt  und  der  Defekt 
durch  einen  Brückenlappen  von  der  Aussenseite  des  Oberschenkeln 
gedeckt.  Glatte  Heilung.  Am  11.  I.  13  wurden  die  Beugesehner.-I 
stiimpfe  in  der  Hohlhand  aufgesucht,  vom  umgebend  'n  Narbengeweb  - 
befreit;  darauf  wurde  von  einer  kleinen  Inzision  an  der  Volarseite  deri 
Endphalanx  diese  aufgesucht  und  die  Haut  an  der  Beugeseite  des- 
Fingers  von  dieser  Stelle  aus  stumpf  bis  zur  Hohlhandinzision| 
tunnelliert. 


Ein  schlauchförmig  zusammengelegtes  Stück  Faszie  vom  Ober¬ 
schenkel  wird  als  einzige  Beugesehne  sowohl  am  Periost  der  Etid- 
phalanx,  als  an  den  Beugesehnenstümpfen  befestigt.  Glatte  Heilung. 
Die  aktive  Beugung  im  Hand-  und  1.  Interphalangealgelenk  ist  mög¬ 
lich,  jedoch  in  etwas  zu  geringem  Ausmasse. 

Eine  Verkürzung  der  so  gebildeten  Sehnen  wird  eventuell  erst 
für  später  in  Aussicht  genommen,  da  eine  solche  noch  spontan  ein- 
treten  kann. 

Herr  Payr  demonstriert  das  Röntgenbild  eines  7  jährigen  Kindes, 
das  angeblich  beim  Spielen  einen  Pferdehufnagel  „verschluckt“  hatte. 
Da  keinerlei  Störungen  von  seiten  der  Atmungsorgane  aufgetreten 
waren,  wurde  das  Kind  vom  Arzte  mit  der  Diagnose  Oesophagus- 
fremükörper  der  Klinik  zugewiesen. 

Das  Röntgenbild  ergab  den  Fremdkörper  in  schräger  Lage, 
genau  dem  Verlauf  des  rechten  Hauptbronchus  entsprechend.  In 
den  Lungen  fehlten  physikalische  Erscheinungen  vollkommen.  Um  das 
Verhältnis  des  Fremdkörpers  zum  Oesophagus  festzustellen,  wurde 
dem  Kinde  während  der  Durchleuchtung  in  seitlicher  Richtung  Wis¬ 
mutmilch  gereicht,  welche  glatt  an  dem  Fremdkörperschatten  vor¬ 


bei  lief. 

Am  kommenden  Tage  wurde  in  Narkose  durch  Broncho¬ 
skop  i  a  superior  ohne  Schwierigkeit  der  Nagel 
extrahiert.  Es  erfolgte  glatte  Heilung.  Das  Kind  ist  bereits  aus 

der  Klinik  entlassen.  .  J 

Herr  Lüken  (a.  G.)  demonstriert  einen  Patienten,  der  durxii 
Fall  auf  den  Kopf  aus  6  m  Höhe  eine  Schädelbasisfraktur  erlitten  hat 
mit  Zerreissung  der  Nn.  vagus  und  accessorius  rechts  und  Zerstöi  ung 
des  Gehörgangs  durch  Hämatotympanon  beiderseits. 

Bei  der  Aufnahme  war  die  Atmung  des  Patienten  erschwert,  von 
Trachealrasseln  infolge  von  aspiriertem  Blut  begleitet.  Der  Puls  war 
leidlich  kräftig,  regelmässig,  Frequenz  100  pro  Minute.  Ausserdem 
fand  sich  stark  herabgesetztes  Hörvermögen,  2  Tage  später  voll 
kommene  Taubheit.  Das  rechte  Gaumensegel  war  gelähmt  bei  ei- 
haltener  Reflexerregbarkeit  und  Sensibilität.  Denselben  Befund  zeigte 
die  rechte  hintere  Rachenwand.  An  der  Zunge  waren  keine  ue-, 
schmacks-  und  Motilitätsstörungen  nachweisbar.  Das  rechte  laterale 
Epiglottisdrittel,  der  rechte  Sinus  piriformis  und  die  rechte  Larynx- 
hälfte  waren  anästhetisch.  Die  Stimme  war  aphonisch.  Das  rechte 
Stimmband  stand  in  Kadaverstellung  und  war  vollkommen  un¬ 
beweglich.  .  . 

In  den  ersten  4  Tagen  regurgitierte  jede  gereichte  Elüssigkeit  aus 
Mund  und  Nase.  Späterhin  ist  der  Schluckakt  sehr  erschwert  ge¬ 
blieben. 

Der  M.  sternocleidomastoideus  war  gelähmt,  der  M.  trapezim 
stark  paretisch,  beide  sind  zurzeit  sehr  atrophisch. 

Am  13.  Tage  bekam  Pat.  Temperaturanstieg,  Entwicklung  einei 
a cnirQtinnsnnpiimnnip  mit  I  .untrensransrrän.  beschränkt  auf  den  rechte! 


Unterlappen.  . 

Es  handelt  sich  also  um  eine  Halbringfraktur  rechts  um  da: 
Foramen  magnum  durch  das  Foramen  jugulare  mit  Zerreissung  de 
Nn.  vagus  und  accessorius  dextr.,  während  merkwürdigerweise  de 
Glossopharyngeus  intakt  geblieben  sein  muss,  und  gleichzeitig  um  eint 
Querfraktur,  die  beide  Schläfenbeinpyramiden  verletzt  haben  muss 


l  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


615 


Ausfallserscheinungen  sind  in  dem  ganzen  von  diesen  beiden 
'  ven  versorgten  Gebiet  nachweisbar. 

Von  seiten  der  Lunge  und  des  Herzens  sind  einwandfrei  auf  den 
'  ius  zu  beziehende  Symptome,  wie  Pulsbeschleunigung,  Atmungs- 
.  langsamung,  nicht  zu  beobachten  gewesen,  doch  ist  sicher  das 
!  stehen  der  Aspirationspneumonie  auf  die  Sensibilitätsstörung  des 
I  ‘ralen  rechten  Epiglottisdrittels,  des  rechten  Sinus  piriformis  und 
rechten  Kehlkopfhälfte  (N.  laryng.  superior)  zu  beziehen  und  auf 
Sensibilitätsstörung  der  rechten  Seite  der  Trachea  und  des  rech- 
Bronchus  mit  seinen  Verästelungen  (N.  vagus). 

Diskussion:  Herr  Payr  erwähnt  das  Phänomen  der  Besse- 
,  ig  der  Stimme  durch  Kompression  der  hinteren  Glottiswand  bei 
limung  des  Nerv,  laryngeus  superior  und  Apparate  zur  Kompri- 
i  :rung  des  Larynx. 

Herr  Frangenheim  demonstriert: 

1.  Knochenzyste  im  oberen  Drittel  des  Femur  (13  jähriger  Knabe), 
eimalige  Fraktur.  Vor  der  ersten  bestanden  bereits  Schwäche  des 
ines  und  geringe  Schmerzen.  Die  zweite  Fraktur  im  Bereiche  der 
ste  ist  unter  Streckverbänden  konsolidiert.  Patient  ist  jetzt  be- 

nverdefrei. 

2.  Intraossales  Hygroin  bei  einem  älteren  Manne,  der  seit 
Jahren  eine  zunehmende  Auftreibung  des  rechten  Malleolus  med. 
nerkt.  Im  Röntgenbilde  eine  walnussgrosse  kammrige  Zyste  mit 
rdiinnter  äusserer  Wand.  Bei  der  Operation  findet  sich  auf  dem 
tlleolus  med.  ein  über  walnussgrosser  Schleimbeutel,  der  mit  seinen 
rtsätzen  die  äussere  Wand  der  Knochenzyste  durchdringt.  Bursa 
d  Knochenzyste  zeigen  histologisch  dieselbe  Wandbeschaffenheit. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Dezember  1912. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Hirt:  Chirurgische  Demonstrationen  aus  der  städt.  Kran- 
nanstalt  Magdeburg-Sudenburg  (Oberarzt:  Prof.  Dr.  Wendel). 

1.  Fall  von  Dünndarm-  und  Mesenteriumruptur. 

33  jähriger  Mann,  dem  ca.  5  Stunden  vor  der  Einlieferung  eine 
n  lange,  20  cm  dicke  und  151  kg  schwere  Walze  von  Bleiblech  in 
/.ender  Stellung  schräg  auf  den  Leib  fiel.  Sofort  heftige  Schmerzen 

Bauch,  nach  2 A  Stunden  Erbrechen.  Aufnahmebefund:  Kräftiger 
ann  mit  geringem  Fettpolster.  Heftige  Leibschmerzen.  Obcr- 
chliche  Atmung.  Fazies  abdominalis.  Leib  bretthart  gespannt, 
erall  druckempfindlich,  daher  kein  Palpationsbefund  zu  erheben, 
s  auf  tellergrosse  Fläche  im  Epigastrium  besonders  in  den  abhängi- 
n  Partien  gedämpfter  Perkussiomsschall.  Keine  Peristaltik  hörbar, 
ils  klein,  110  Schläge  in  der  Minute.  Temp.  37,2. 

5%  Stunden  nach  dem  Trauma  Operation  in  Narkose  (Dr.  H  i  r  t). 

Medianschnitt  3  Querfinger  ober-  und  unterhalb  des  Nabels.  Im 
mch  schätzungsweise  VA  Liter  flüssiges  Blut.  Verunreinigung 
rch  Kot  oder  Mageninhalt  nicht  festzustellen.  Quelle  der  Blutung 
radiäre,  ca.  12  cm  voneinander  entfernte  Risse  im  Mesenterium  in 
r  Mitte  des  Dünndarms.  Kürzerer  5  cm  lang,  in  der  Verlängerung 
inndarm  glatt  durchgerissen;  längerer,  noch  blutend,  ca.  10  cm  lang, 
selbst  Darmserosa  am  Mesenterialeinsatz  etwas  eingerissen, 
umschlingen  in  der  Umgebung  gerötet  und  schleierartig  fibrinös 
legt  (beginnende  Peritonitis).  Resektion  von  ca.  25  cm  Dünndarm 
i  Bereich  des  eingerissenen  Mesenteriums.  Seit-zu-Seit-Enteroana- 
omose.  Bauchspülung  mit  Kochsalzlösung,  Eingiessen  von  50  ccm 
impferöl.  Verschluss  der  Bauchwunde  in  Etagen  ohne  Drainage, 
ichsalzinfusion  intravenös. 

Verlauf:  Postoperative  Magenblutung  sistiert  nach  Magen- 
mlung  und  Kokain-Adrenalinlösung  per  os.  Stuhlgang  am  3.  Tage 

op.  nach  Glyzerinspritze.  Pat.  steht  am  14.  Tage  p.  op.  auf. 

eilung. 

2.  Fall  von  Stichverletzung  der  rechten  Lunge.  , 

22  jähr.  Mann.  2XA  Stunden  vor  der  Einlieferung  2  Stiche  in 
e  rechte  Brustseite  und  1  in  den  rechten  Oberschenkel.  Iioch- 
adiger  Blutverlust.  Erbrechen. 

Aufnahmebefund:  Mittelgrosser  junger  Mann  in  mittlerem  Er- 
ihrungs-  und  Kräftezustand  mit  stark  anämischem  Aussehen.  Puls 
equent  und  klein.  Ziemlich  starke  Benommenheit,  weiss  nicht  anzu- 
.*ben,  wie  er  hierhergekommen  ist.  Ständiger  Reizhusten,  ohne 
ipektorieren  zu  können,  so  dass  das  Bestehen  von  Hämoptoe  nicht 
stzustellen  ist.  An  der  rechten  Brustseite  2  gleichgrosse  Stich- 
unden,  die  eine  etwas  ausser-  und  unterhalb  der  Mammilla,  die 
veite  in  der  Axillarlinie  in  der  Höhe  des  V.  Interkostalraumes, 
erkussion  ergibt  Dämpfung  über  der  hinteren  unteren  Hälfte  der 
xhten  Lunge  und  Tympanie  über  der  oberen  Hälfte.  Weitere 
iysikalische  Untersuchung  unterblieb,  da  beim  Aufrichten  des 
atienten  sich  ein  starker  Blutstrom  aus  den  Brustwunden  ergiesst 
id  pfeifend  Luft  aus-  und  eindringt.  Daher  baldigst  Operation  in 
arkose  (Dr.  Hirt).  Interkostalschnitt  nach  v.  Mikulicz  im 

Interkostalraum.  Einlegen  und  kräftiges  Spreizen  eines  Rippen- 
’errers,  wodurch  ein  reichlich  drei  Querfinger  breiter  Zugang  zur 
leurahöhle  geschaffen  wird.  Lunge  stark  kollabiert,  in  der  Pleura- 
ähle  ca.  1  Liter  teils  geronnenes,  teils  flüssiges  Blut.  3  kleine  per- 
rierende  Stichwunden  am  unteren  Rande  des  Mittellappens,  äusser¬ 
em  Mittellappen  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Hilus  und  unterem 


Rande  an  ca.  6  cm  dicker  Stelle  durchstochen,  in  der  Verlängerung 
des  Stichkanals  ca.  5  cm  tiefer  Stich  im  Unterlappen  nicht  pene¬ 
trierend.  Die  Stichwunden  bluten  nicht  mehr  beträchtlich.  Lungen¬ 
wunden  werden  durch  fortlaufende  Naht  der  Pleura  mit  dünnem 
Katgut  versorgt,  Pleurahöhle  von  Blut  und  Koagulis  gereinigt.  Pleura 
visceralis  im  Bereich  des  Interkostalschnittes  mit  Katgutknopfnähten 
an  die  Pleuri  parietalis  fixiert.  Piofonngazetampon  und  Gummidrain 
auf  die  Zwerchfellkuppe  aufgelegt  und  zur  vorderen  Stichwunde 
herausgeleitet.  Naht  der  Thoraxwunde  mit  versenkten  Katgutnähten, 
Seidenknopfnähten  der  Haut.  Intravenöse  Kochsalzinfusion. 

Verlauf:  Am  Morgen  nach  der  Operation  noch  ziemliche  Dyspnoe. 
Allgemeinbefinden  und  Puls  auffallend  gut.  Am  3.  Tage  post  op. 
nur  wenige  Stunden  dauernde  Expektoration  sanguinolenten  Sputums. 
Tampon  am  4.,  Drain  am  8.  Tage  post  op.  entfernt.  Nach  6  Tagen 
Dyspnoe  fast  ganz  geschwunden.  Temperatur,  die  38,8  nie  über¬ 
schritt,  sinkt  nach  Entleerung  von  100  ccm  bräunlicher  Flüssigkeit  aus 
der  rechten  Pleurahöhle  durch  Punktion  am  8.  Tage  post  op.  rasch, 
so  dass  sie  am  11.  Tage  die  Norm  .erreicht  und  nicht  mehr  über¬ 
schreitet.  Pat.  steht  am  11.  Tage  auf.  Wunde  primär  geheilt.  Nach 

5  Wochen  geheilt  entlassen. 

6  Wochen  post  op.  Nachuntersuchung  durch  Herrn  Dr.  Wagner, 
Spezialarzt  für  Lungenkrankheiten,  ergibt:  Linke  Lunge  bis  auf  etwas 
geringere  Verschieblichkeit  der  unteren  Lungengrenze  o.  B.  An  der 
rechten  Lunge  schwartige  Verwachsungen  der  beiden  Pleurablätter 
hinten  von  der  Mitte  der  Skapula,  vorne  vom  unteren  Rand  der 
V.  Rippe  abwärts  mit  Verödung  des  Cavum  pleurae.  Stadium  der 
Ausheilung. 

3.  Fall  von  Ileus,  verursacht  durch  Mesenterialdrüsentuberkulose. 

23  jähr.  Mann.  Seit  7  Wochen  krampfartige  Leibschmerzen,  eine 
bis  mehrere  Stunden  anhaltend,  hin  und  wieder  Erbrechen.  Seit 

6  Tagen  heftigere  Beschwerden,  Erbrechen  häufiger,  Stuhl  und  Winde 
sistierten. 

Laparotomie  (Dr.  Hirt),  Diinndarmschlinge  hinter  einer  mit  der 
Spitze  an  einer  tuberkulösen  Mesenterialdrüse  (mikroskopisch  be¬ 
stätigt),  an  der  auch  die  Spitze  des  Proc.  vermiformis  verwachsen  ist, 
verwachsenen  Appendix  epiploica  des  Colon  sigmoideum  hindurch¬ 
getreten  und  um  180°  gedreht.  Strang  reisst  ein,  Schlinge  bläulich 
verfärbt,  aber  nicht  gangränös,  zeigt  auf' Beklopfen  noch  Peristaltik. 
Das  ganze  Dünndarmmesenterium  von  tuberkulösen  Drüsen  durch¬ 
setzt.  Appendektomie. 

Verlauf:  Am  2.  Tage  p.  op.  beginnende  Stuhlentleerung.  Am 

4.  Tage  p.  op.  entwickelt  sich  lobuläre  Pneumonie  beider  Unter¬ 
lappen  mit  nachträglicher  Bildung  eines  linkseitigen  Pleuraempyems, 
das  am  14.  Tage  p.  op.  durch  Rippenresektion  entleert  wird.  Aus¬ 
gang  in  Heilung. 

Diskussion:  Herr  Wendel. 

Herr  Silbersiepe  (Gyn.  Abt.  d.  Kr.-Anstalt  Magdeburg-S. 
Prof.  T  h  o  r  n)  stellt  ein  18  jähr.  Mädchen  vor,  das  er  am  2.  X.  12 
und  am  21.  X.  12  wegen  einer  Pankreaserkrankung  laparotomierte. 
Dieselbe  hatte  mit  15  Jahren  eine  Diphtherie  überstanden.  Am 
29.  VI.  12  war  sie  von  einem  ausgetragenen  Kinde  entbunden  wor¬ 
den.  Seit  diesem  Partus  Menstruation  nicht  wieder  eingetreten.  Am 
25.  IX.  12  wurde  sie  wegen  Magen-  und  Darmbeschwerden  auf  die 
innere  Abteilung  der  Krankenanstalt  Sudenburg  aufgenommen.  Sie 
wies  eine  Druckempfindlichkeit  im  Epigastrium  und  ikterische  Ver¬ 
färbung  der  Haut  auf.  Temperatur  und  Puls  waren  normal.  Am 
2.  X.  12  trat  unter  heftiger  Verschlimmerung  der  epigastrischen 
Schmerzen  wiederholtes  Erbrechen  auf.  Gegen  6  Uhr  morgens 
schwerer  Kollaps  unter  Pulsverfall  und  kalten  Schweissen.  Der 
behandelnde  Arzt  dachte  an  eine  innere  Blutung  und  machte  eine  sub¬ 
kutane  Kochsalzinfusion.  Als  ich  um  diese  Zeit  hinzugerufen  wurde, 
zeigte  Patientin  ein  verfallenes  Aussehen.  Haut  war  fahlgrau- 
ikterisch  verfärbt,  Gesicht  von  peritonitischem  Charakter.  Leib  brett¬ 
hart  gespannt,  leicht  kahnförmig  eingezogen,  Druckempfindlichkeit  des 
ganzen  Leibes,  am  stärksten  in  den  oberen  Partien.  Temperatur 
37,3,  Puls  120,  kaum  fühlbar.  Zunge  belegt,  wiederholtes  Erbrechen, 
Verhaltung  von  Stuhlgang  und  Winden.  Ich  schritt  sofort  zur  Laparo¬ 
tomie  und  war  nicht  wenig  erstaunt,  an  den  Bauchorganen  nichts 
Pathologisches  vorzufinden.  Auch  das  Peritoneum  erschien  mir  zu¬ 
nächst  intakt,  bis  ich  schliesslich  bei  genauerer  Inspektion  das  Liga¬ 
mentum  gastrocolicum  verändert  fand.  Es  erschien  ödematös,  serös 
durchtränkt,  stellenweise  durchsetzt  von  linsengrossen,  gelbweissen 
Herden.  Eine  abnorme  Resistenz  hinter  der  Bursa  omentalis  war 
nicht  zu  fühlen.  Ich  habe  mich  darauf  beschränkt,  die  Bursa  vom 
Ligamentum  gastrocolicum  aus  stumpf  zu  eröffnen  und  zu  drainieren, 
um  darauf  die  Bauchhöhle  bis  auf  die  Drainöffnung  zu  schliessen. 
Nach  diesem  Eingriffe  hat  sich  Patientin  gut  erholt.  Das  Allgemein¬ 
befinden  besserte  sich  zusehends,  der  Puls  wurde  besser,  der  Leib 
weich.  Blähungen  setzten  noch  am  Abend  nach  der  Operation  ein, 
Erbrechen  trat  nicht  mehr  auf.  Am  folgenden  Tage  war  Zucker  im 
Urin  nachweisbar.  Starke  Sekretion  aus  der  Drainöffnung.  An  den 
nächsten  Tagen  ungetrübtes  Wohlbefinden,  Urin  von  jetzt  ab  frei  von 
Zucker.  Am  16.  X.  begann  Patientin  wieder  über  Druckschmerz  im 
Epigastrium  zu  klagen,  nachdem  die  Operationswunde  bereits  nach 
Entfernung  des  Drains  verheilt  war.  Der  vorher  gute  Appetit  liess 
nach  und  machte  einem  häufig  auftretenden  Brechreiz  und  Aufstossen 
Platz.  Man  fühlte  jetzt  in  der  rechten  Oberbauchgegend  etwas  ober¬ 
halb  des  Nabels  eine  quer  verlaufende  Resistenz,  die  leicht  druck¬ 
empfindlich  war.  An  dieser  Stelle  waren  die  sonst  völlig  weichen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  I| 


610 


Bauchdecken  leicht  gespannt.  Von  lag  zu  Tag  Zunahme  der  Be¬ 
schwerden,  Grösserwerden  der  eben  beschriebenen  Resistenz.  Am 
21.  X.  trat  gehäuftes  Erbrechen  ein,  der  Tumor  wies  jetzt  deutliche 
Fluktuation  auf  und  wurde  als  Pankreaszyste  angesprochen. 
Ich  eröffnete  also  von  neuem  die  Bauchhöhle  durch  einen  über  die 
Mitte  des  Tumors  geführten,  kurzen  Längsschnitt.  Es  stellte  sich 
heraus,  dass  nach  oben  der  Magen,  nach  unten  das  Querkolon  fest 
zwischen  Tumor  und  vorderer  Bauchwand  eingeklemmt  waren. 
Nunmehr  habe  ich  das  Ligamentum  gastrocolicum  im  Bereiche  eines 
Eünfmarkstiickes  stumpf  von  der  Tumorwand  abgetrennt  und  diese 
zirkulär  dicht  mit  dem  Peritoneum  parietale  vernäht.  Nachdem  so 
ein  Abschluss  der  übrigen  Bauchhöhle  erzielt  war,  habe  ich  die  frei¬ 
gelegte  Tumorwand  mit  dem  Messer  angestochen,  worauf  etwa 
1 34  Liter  wasserhelle,  leicht  fadenziehende  Flüssigkeit  unter  hohem 
Druck  hervorströmte.  Die  Höhle  habe  ich  dann  mit  Kochsalz  aus- 
gespiilt  und  nach  aussen  drainiert.  Von  nun  am  hat  sich  das  Be¬ 
finden  der  Patientin  dauernd  gebessert.  Seit  dem  1.  XI.  ist  sie  ausser 
Bett  und  hat  seit  der  letzten  Operation  9  Pfund  zugenommen.  Das 
Eistelsekret  erwies  sich  bei  einwandfreier  Untersuchung  als  Pankreas¬ 
saft.  Anfangs  wurden  täglich  etwa  %  Liter  sezerniert,  nach  Ein¬ 
führung  einer  strengen  Zuckerdiät  ging  die  Menge  prompt  zurück. 
Am  stärksten  war  die  Sekretion  um  die  Mittagszeit,  während  sie 
über  Nacht  fast  sistierte.  Eine  genaue  Kontrolle  der  Sekretmengen 
habe  ich  mir  verschafft  durch  Anfertigung  einer  elastischen,  trichter¬ 
förmig  zulaufenden  Gummipelotte,  durch  die  die  Patientin  die  Flüssig¬ 
keit  in  einer  in  der  Tasche  getragenen  Flasche  auffängt.  Patientin 
hat  sich  schnell  an  diese  Bandage  gewöhnt,  die  ihre  Bauchhaut  gegen 
die  zersetzende  Einwirkung  des  ausfliessenden  Saftes  schützt. 

2.  Demonstration  vom  mehreren  operativ  gewonnenen,  graviden 
Tuben  in  den  verschiedensten  Stadien  der  Entwicklung.  Eines  dieser 
Präparate  illustriert  das  seltene  Vorkommnis  einer  Inversio  tubac 
gravid.,  wo  das  aus  dem  Fimbrientrichter  ausgestossene,  noch  einer 
Stelle  des  Tubenlumens  anhaftende  Ei  die  Tube  wre  einen  Hand¬ 
schuhfinger  invertiert. 

3.  Demonstration  eines  Leichenpräparates,  das  von  einer  an 
Tubenruptur  gestorbenen,  tot  ins  Krankenhaus  eingelieferten  Frau  ge¬ 
wonnen  wurde.  Der  Verlauf  dieses  Falles  ist  von  Interesse.  Laut 
der  vom  Ehemann  gegebenen  Anamnese  hat  die  Frau  4  Wochen 
vor  ihrem  Tode  angeblich  einen  Abort  durchgemacht:  es  seien  damals 
Stücke  abgegangen,  worauf  die  Frau  mehrere  Tage  geblutet  habe. 
Am  Tage  ihres  Todes  sei  sie  aus  gutem  Befinden  heraus  an  Leib¬ 
schmerzen  und  Erbrechen  erkrankt.  Der  zugezogene  Arzt  schickte 
sie  sofort  ins  Krankenhaus,  das  sie  nicht  mehr  lebend  erreichen 
sollte.  Vielleicht  ist  dieser  Fall  so  zu  erklären:  4  Wochen  vor  der 
Katastrophe  ist  der  Fruchttod  in  der  Tube  eingetreten  unter  Aus- 
stossung  der  uterinen  Dezidua,  die  für  Eiteile  gehalten  wurden.  Das 
abgestorbene  Ei  verfiel  einem  Mazerationsprozesse  und  dabei  wurde 
ein  Qefäss  arrodiert,  das  die  tödliche  Blutung  verursachte.  Mög¬ 
licherweise  ist  das  Ei  trotz  Deziduaabgang  weiter  gewachsen  und 
hat  das  Gefäss  arrodiert.  ln  der  Bauchhöhle  fanden  sich  etwa  2  Liter 
Blut,  das  Ei,  das  etwa  die  Grösse  einer  Walnuss  hatte,  sass  nahe  der 
Uteruskante.  Die  Perforationsstelle  war  noch  nicht  erbsengross. 

4.  Demonstration  eines  faustgrossen  Flexurkarzinoms,  das  bei 
der  gynäkologischen  Untersuchung  als  einseitiger,  der  linken  Uterus¬ 
kante  aufsitzender  Tubentumor  imponierte.  Der  Darm  wurde  reseziert 
und  im  Zusammenhang  der  innig  damit  verwachsene  Uterus  samt 
Adnexen  exstirpiert. 

5.  Demonstration  zweier  Uteri  im  3.  und  4.  Monat  der  Gravidität, 

die  wegen  manifester  Phthise  vaginal  exstirpiert  wurden.  Es  handelte 
sich  um  Frauen,  die  bereits  mehrere  lebende  Kinder  hatten,  in  den 
40  er  Jahren  standen  und  vor  den  Schwangerschaften  durch  profuse 
Menses  etc.  schwerer  litten.  In  solchen  Fällen  pflegt  Herr  Prof. 
Thor  n  nicht  zu  unterbrechen  und  die  Tuben  zu  resezieren,  sondern 
exstirpiert  den  graviden  Uterus. 

Diskussion:  Herr  W  e  g  n  e  r  fragt,  ob  in  der  gynäkologi¬ 
schen  Abteilung  des  Sudenburger  Krankenhauses  in  der  Phthise  im 
allgemeinen  eine  Indikation  zur  vaginalen  Exstirpation  des 
schwangeren  Uterus  gesehen  werde.  Die  Einleitung  des  Abortes 
mittels  Laminaria  mit  nachfolgender  digitalen  Ausräumung  ohne  Nar¬ 
kose  sei  für  Lungenkranke  doch  ausserordentlich  schonend,  zur  Ste¬ 
rilisierung  könne,  falls  unbedingt  erforderlich,  später  die  keilförmige 
Exzision  der  Tuben  vorgenommen  werden.  Es  sei  die  Frage  zu  be¬ 
antworten,  ob  erstens  bei  der  Möglichkeit  der  Ausheilung  der  Phthise 
im  Anfangsstadium  die  Herausnahme  des  Fruchthalters  angezeigt  sei, 
und  ob  zweitens  durch  die  Inhibierung  der  menstruellen  Blutungen 
eine  Besserung  der  Lungentuberkulose  mit  Sicherheit  zu  erwarten 
stehe.  Uebrigens  sind  die  Aussagen  der  Patientinnen  hinsichtlich  der 
Stärke  der  Menses  mit  Vorsicht  zu  bewerten,  da  experimentell  nach¬ 
gewiesen  sei,  dass  Frauen,  die  betonten,  „sie  schwämmen  im 
Blute“  etc.,  nicht  mehr  als  13 — 20  ccm  Blut  verloren  hatten. 

Herr  Silbersiepe:  Die  erste  Anregung  zur  Exstirpation  des 
graviden  Uterus  bei  Phthise  hat  seinerzeit  B  u  m  m  gegeben.  Wir 
haben  die  Uteri  aus  folgenden  Gründen  exstirpiert.  Die  Patientinnen 
gaben  uns  an,  vor  ihrer  Konzeption  dauernd  an  profusen  menstruellen 
Blutungen  gelitten  zu  haben,  die  sehr  schwächend  auf  ihren  Körper 
gewirkt  hätten.  Die  vom  Herrn  Vorredner  vorgeschlagene  Tuben¬ 
resektion  würde  daran  kaum  etwas  geändert  haben.  Ausserdem  ist 
der  künstliche  Abort  im  3.  und  4.  Monat  der  Gravidität  kein  harm¬ 
loser  und  blutsparender  Eingriff.  Die  vaginale  Exstirpation  des  gra¬ 


viden  Uterus  ist  ein  mit  wenig  Blutverlust  verbundener  Eingriff,  dej 
von  den  Patientinnen  gut  vertragen  wird.  Was  den  Lungenbefum 
angeht,  so  hat  sich  derselbe  bei  beiden  Fällen  wesentlich  gebessert 
Eine  Patientin  hatte  2  Monate  nach  der  Operation  ohne  jede  weiten 
Therapie  6  Pfund  zugenommen. 

Herr  Leo  demonstriert  einen  durch  nekrotisches,  12  Pfum 
schweres  Myom  enorm  vergrösserten  Uterus,  der  durch  abdominal 
Totalexstirpation  von  einer  75  jährigen  Patientin  gewonnen  wurde 

Herr  Hahn:  Ueber  Diphtherieimmunität.  (Ist  ausführlich  in  de 
„Fortschritten  der  Medizin“,  1913,  No.  8,  S.  197 — 201  erschienen. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Herr  König:  Ueber  chirurgische  Tuberkulose.  (Fortbildungsl 

vortrag.) 

Trotz  genauester  Berücksichtigung  aller  klinischen  Hilfsmitte 
ist  die  Bereicherung  der  diagnostischen  Untersuchungen  au 
Tuberkulose  der  Drüsen,  Knochen  und  Gelenke  dringend  erwünschi 
K.  weist  auf  den  Wert  der  tuberkuloseverdächtigen  spezifische 
Piodukte  hin  (Exsudat,  Eiter).  Auf  dem  Wege  ihrer  Verwendun 
weiter  zu  kommen,  ist  K.  seit  längerer  Zeit  bemüht.  Die  auf  sein 
Anregung  von  Hagemann  an  der  Marburger  Klinik  angestellte 
Experimente  haben  zu  einer  Methode  geführt,  welche  unter  Yer 
Wendung  der  Roemer  sehen  Kutanreaktion  bei  hochempfindliche 
tuberkulösen  Meerschweinchen  gestattet,  innerhalb  1 — 2  mal  24  Stirn 
den  aus  diesen  Flüssigkeiten  die  Diagnose  auf  Tuberkulose  zu  stell r i 

In  der  Behandlung  ist  ein  ausserordentlicher  Zug  nach  de 
konservativ-nicht  operativen  Seite  unverkennbar.  Für  die  Tuber 
kulose  der  Lymphdriisen  befürwortet  K.  die  äusserst  dankbare  Exj 
stirpation  einer  zusammenhängend  einheitlich  erkrankten  Driisei 
gruppe.  Für  ohne  Verstümmelung  radikal  exstirpierbare  Knocheii 
tuberkulösen  gilt  natürlich  die  Operation.  Bei  Gelenktuberkulose 
muss  bei  Erwachsenen  mit  Knochenherden  die  Resektion  bestehe 
bleiben.  Bei  Kindern  kann  uns  das  Versagen  konservativer  Bq 
handlung  mit  fortschreitendem  Verfall  zur  Resektion  zwingen.  K.  trii 
der  Ansicht  entgegen,  dass  man  nur  schlechte  Erfolge  z.  B.  an  de 
Hüfte  in  solchen  Fällen  habe.  Ein  7  jähriger  Knabe  wird  vorgestell. 
bei  dem  er  vor  einem  Jahre  eine  unaufhaltsam  vorschreitende  eitrig 
ostale  Koxitis  schliesslich  durch  Resektion  geheilt  hat:  Knabe  gesuiu. 
Hüfte  ohne  Fistel,  ohne  Tuberkulose,  brauchbar  bei  leichter  Be 
weglichkeit. 

Aber  auch  der  Chirurg  sehnt  sich  nach  allgemeineren  Behaue 
lungsmethoden.  K.  sah  manches  Gute  von  der  Tuberkulinkur.  E 
bespricht  die  Erfolge  bei  Röntgenbestrahlung,  sowie  die  der  alpine 
Heliotherapie  von  R  o  1 1  i  e  r  in  Leysin.  Es  ist  in  unseren  Klimate 
nützlich,  von  systematischer  Besonnung  Gebrauch  zu  machen;  K.  h; 
das  seit  Jahren  getan.  Aehnliches  wie  dort  kann  aber  bei  uns  nicl 
erzielt  werden.  K.  hat  nun  versucht,  ein  Ersatzmittel  anzuwende 
in  Gestalt  der  Quarzlampe.  Die  in  der  Marburger  Klinik  seit  Vs  Ja! 
angestellten  Versuche,  welche  noch  veröffentlicht  werden,  scheine 
in  mancher  Richtung  Erfolg  zu  versprechen. 

Um  eine  wirkliche  Heilung  chirurgischer  Tuberkulose  herbe 
zuführen,  ist  eine  dauernde  Ueberwachung  der  Kranken  im  Sinne  de 
„Fürsorgebestrebungen“  erforderlich,  deren  Durchführung  von  1 
angebahnt  ist. 

Herr  W.  Zange  in  eister:  Ueber  puerperale  Uterusinversio: 

Die  puerperale  Inversion  kommt  etwa  einmal  unter  400  000  üt 
bürten  vor;  nach  rechtzeitigen  Geburten  ist  sie  zehnmal  häufiger  a 
nach  vorzeitigen;  Erstgebärende  werden  dreimal  so  oft  befallen  a 
Mehrgebärende. 

Die  Ursache  der  Affektion  liegt  in  einer  Zugwirkung,  welch 
die  noch  adhärente  Plazenta  auf  die  Uteruswand  ausübt,  sofern  si 
tiefer  geschoben  oder  gezogen  wird.  Jedoch  ist  diese  Zugwirkun 
nur  bei  erschlafftem  Organ  besonders  dann  von  Wirksamkeit,  wen 
der  Uterus  zu  schnell  und  passiv  entleert  wurde  und  er  sich  nicl 
genügend  retrahieren  konnte.  Eine  Reihe  von  Inversionen  entstehe 
schon  bei  der  Ausstossung  des  Kindes  infolge  absolut  oder  relati 
zu  kurzer  Nabelschnur,  bei  Sturzgeburten  oder  künstlichen  En 
bindungen.  Die  grosse  Mehrzahl  aber  entsteht  in  der  Nachgeburt: 
Periode  infolge  vorzeitiger  Versuche  der  Plazentarexpression  oJtj 
noch  viel  häufiger  infolge  eines  Zuges,  der  an  der  Nabelschnur  ode 
der  Plazenta  selbst,  bevor  sie  ganz  gelöst  ist,  ausgeübt  wird.  B 
fundalem  Sitz  der  Plazenta  kommt  es  viel  leichter  zur  Inversion  a 
bei  seitlichem  oder  tiefem  Sitz.  Adhärenz  der  Pläzenta  begiinsti:. 
die  Inversion  insofern,  als  eine  Zugwirkung  der  Plazenta  auf  d 
Uteruswand  wirkungslos  bleibt,  falls  dieselbe,  wie  dies  gewöhnlic 
der  Fall  ist,  sich  bald  und  leicht  ablöst. 

Eine  Inversion  kann  demnach  artifiziell  bedingt  bzw.  begiinsti: 
werden:  sie  kann  aber  zweifellos  auch  ohne  jeden  Eingriff,  sporn: 
zustande  kommen.  Ich  halte  die  artifiziellen  für  die  häufigeren  (nac 
der  Statistik  entfallen  200  artifizielle  auf  139  spontane).  Eine  art 
fizielle  Inversion  braucht  nicht  immer  auf  einem  Verschulden  des  tu 
burtshelfers  zu  beruhen.  ■  f  I 

Die  puerperale  Inversion  kann  gänzlich  symptomlos  verlaufe 
selbst  wenn  sie  eine  totale  ist.  Meist  treten  aber  schwere  Ersehe 


lärz  1913.  MUENCHCNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  617 


n  auf:  Schock  und  Blutung  aus  der  Plazentarstelle,  infolge  deren 
11  Proz.  der  Kranken  zugrunde  gehen.  Die  Gefahr  der  sep- 
n  Infektion  beträgt  2  Proz.;  die  Gesamtmortalität  16  Proz. 

>ie  Behandln  n  g  hat  sich  zunächst  mit  der  Blutstillung  und 
ieseitigung  des  Schocks  zu  befassen.  Die  sofortige  Reposition 
i  widerraten,  weil  sie  eine  in  jeder  Hinsicht  schlechtere  Mor- 
ergibt  und  auch  häufiger  misslingt,  als  wenn  spät  reponiert 
Es  liegt  dies  an  der  erneuten  Schockwirkung,  welche  die 
i  ütion  mit  sich  bringt,  sowie  daran,  dass  die  Blutstillung  nach 
Jeposition  noch  grössere  Schwierigkeiten  macht,  als  wenn  die 
sion  zunächst  bestehen  bleibt.  Am  besten  wird  bei  kompletter 
sion  eine  elastische  Umschnürung  um  den  Hals  der  Inversion 
nige  Stunden  und  nur  so  fest  angelegt,  dass  die  Blutung  gerade 
bei  inkompletter  genügt  eine  feste  Scheidentampouade  oder 
olpeuryse,  nötigenfalls  unter  Vernähung  der  Vulva  und  Anlegen 
Kompressionsverbandes  von  aussen. 

lie  Reposition  ist  erst  nach  Ablauf  des  Schock-  und  Verblutungs- 
uns,  und  zwar  ausschliesslich  manuell,  nicht  instrumentell,  vor- 
imen,  also  etwa  3 — 12  Stunden  nach  der  Inversion.  Um  diese 
lat  die  Schockwirkung  nachgelassen  und  die  Reposition  erzeugt 
so  leicht  ihrerseits  einen  erneuten  Schock.  Ausserdem  ist  der 
gliche  Spasmus  der  Uterusmuskulatur,  besonders  des  basalen 
hniirungsringes  ein  geringerer  geworden,  was  der  Ausführung 
c  kommt.  Die  Plazenta  ist  ebenso  wie  Reste  derselben  vor  der 
sition  abzulösen.  Um  einem  Rezidiv  vorzubsugen,  muss  die 
langsam  aus  dem  reponierten  Organ  zurückgezogen  werden, 
Ergotingaben  und  Massage  des  Uterus.  Bei  Tendenz  zum 
liv  muss  der  Uterus  unter  Umständen  tamponiert  werden, 
rentlich  (etwa  in  3  Proz.)  wurde  eine  spontane  Reversion 
achtet. 

Operative  Massnahmen  (Reposition  oder  Exstirpation  des 
ns)  kommen  nur  ausnahmsweise  in  Betracht,  wenn  sich  die 
iclle  Reposition  nicht  durchführen  lässt  oder  sonstige  Koin- 
tionen  vorliegen. 

Herr  Matthes  1.  berichtet  über  Zungenveränderungen  bei 

ziöser  Anämie,  die  er  in  6  Fällen  beobachtete  und  die  der 
ter  sehen  Beschreibung  entsprechen,  doch  ist  Vortr.  geneigt, 
Störungen  nicht  als  echt  entzündliche,  sondern  als  zirkulato- 
e  aufzufassen.  Es  werden  drei  derartige  Kranke  demonstriert, 
r  mikroskopische  Präparate  exzidierter  Zungenschleimhaut  und 
klungen  der  Veränderungen.  (Der  Vortrag  wird  demnächst  aus- 
ich  publiziert  werden.) 

2.  Besprechung  der  Differentialdiagnose  zwischen  chronischer 
monie  mit  Bronchiektasen,  interlobären  Empyemen  und  Lungen¬ 
essen.  Es  werden  eine  Reihe  einschlägiger  Röntgenbilder  vor- 
igt  und  ein  Patient  mit  Lungenabszess,  sowie  einer  mit  chro- 
ler  Pneumonie  demonstriert.  An  therapeutischen  Massnahmen 
htet  der  Vortr.  über  seine  Erfahrungen  mit  der  Quincke  sehen 
ilagerung,  mit  der  von  Singer  neuerdings  empfohlenen  Durst¬ 
und  endlich  mit  der  Pneumothoraxbehandlung. 

Ein  Fall  von  Lungenabszess,  der  in  günstigster  Weise  durch  die 
gung  eines  Pneumothorax  beeinflusst  ist,  wird  demonstriert. 
Abszess  im  linken  Unterlappen  bestand  schon  viele  Jahre. 
Bemerkenswert  ist,  dass  in  den  Fällen  von  Lungenabszess,  die  der 
r.  in  seiner  Kölner  Zeit  und  in  Marburg  mit  Pneumothorax  be- 
elte,  trotz  starkem  Druck  im  Pneumothorax  sich  niemals  Ergüsse 
ickelten,  wie  dies  bei  tuberkulösen  Affektionen  öfter  vorkommt. 
Bemerkenswert  ist  im  demonstrierten  Fall,  dass  mit  der  Besse- 
des  Befindens  auch  die  bestehenden  Trommelschlägerfinger 
ler  der  normalen  Form  sich  näherten. 

3.  Vorstellung  eines  Falles  einer  merkwürdigen  Verletzung.  Es 
einem  Kranken  zwischen  Processus  mastoideus  und  Ohrläppchen 
Schirmspitze  eingedrungen,  angeblich  soll  liquorähnliche  Fliissig- 
aus  der  Wunde  geflossen  sein. 

Die  Folge  der  Verletzung  war  eine  Gaumensegellähmung,  eine 
seitige  Kehlkopflähmung,  eine  Lähmung  des  Sternokleidomastoi- 
und  des  Kukullaris.  Die  Wunde  ist  nicht  sondiert  worden,  so 
es  unmöglich  ist,  über  ihre  Verlaufsrichtung  etwas  auszusagen, 
wahrscheinlichsten  ist,  dass  der  Vagoakzessorius  kurz  nach 
am  Austritt  an  der  Schädelbasis  verletzt  ist.  Die  beobachtete 
>t ähnliche  Flüssigkeit  könnte  auch  Speichel  gewesen  sein,  da  nach 
Lage  der  Verletzung  die  Parotis  durchbohrt  sein  kann.  Der  Fall 
e  für  die  Frage  der  Innervation  des  Gaumens  wichtig,  wenn  man 
Sicherheit  eine  Perforation  des  Schädels  und  damit  eine  Ver- 
ing  des  Fazialis  ausschliessen  könnte. 

Diskussion:  Herr  Eduard  Müller:  Zur  Entscheidung  der 
,re,  ob  der  Gaumen  durch  den  Fazialis  oder  Vagus  versorgt  wird, 
ler  vorgestellte  Fall  kaum  geeignet,  weil  nach  der  Art  der  Ver- 
uig  eine  Fazialisläsion  nicht  ausgeschlossen  werden  kann.  Solche 
eren  einseitigen  Gaumen-Kehlkopflähmungen  sieht  man  besonders 
akuten  Bulbärlähmungen  durch  thrombotischen  Verschluss  von 
teil  der  Arteria  cerebelli  posterior  inferior  (gekreuzte  Störungen 
Hinterhornsensibilität,  d.  h.  der  Temperatur-  und  Schmerz¬ 
findung).  Im  Hinblick  auf  das  Abfliessen  von  Liquor  cerebro- 
alis  kommt  eine  Bulbärläsion  mit  Beteiligung  des  Nucleus 
uguus  sehr  in  Frage. 

Herr  Härter:  Die  Indikation  und  Technik  der  B  ii  1  a  u  sehen 

erdrainage. 

Line  strikte  Indikation  zur  permanenten  Aspirationsdrainage  der 
irahohle  unter  Luftabschluss  liegt  bei  doppelseitigem  Empyem 


vor.  Handelt  es  sich  um  sehr  geschwächte  Kranke  oder  um  solche, 
die  an  einer  erheblichen  Schädigung  der  Kreislauforgane  leiden,  dann 
ist  auch  bei  einseitigem  Empyem  der  Bülau  strikte  indiziert,  da  er 
den  Schock  eines  plötzlichen,  offenen  Pneumothorax  und  eine  lebens¬ 
gefährliche  Blutdrucksenkung,  die  bei  einem  schnellen  Ablassen  des 
Exsudates  auftreten  kann,  verhindert. 

En  sehr  dankbares  Feld  für  die  Anwendung  der  Heberdrainage 
bilden  die  metapneumonischen  Empyeme.  Bei  ihnen  sollte  die  Be¬ 
handlungsmethode  der  Wahl  stets  der  Bülau  sein. 

Mehrkammerige  Empyeme,  die  bekanntlich  selten  sind,  eignen 
sich  nicht  für  das  Aspirationsverfahren.  Auch  die  tuberkulösen  und 
jauchigen  Rippenfellentzündungen  sollten  in  der  Regel  der  chirur¬ 
gischen  Behandlung  überwiesen  werden. 

Die  Vorzüge  der  Heberdrainage  sind  folgende:  Der  Eingriff  ist 
bedeutend  kleiner  als  die  Thorakotomie,  da  er  nichts  weiter  als  eine 
Punktion  darstellt.  Er  kann  stets  auch  ohne  grössere  Assistenz  in 
der  Praxis  ausgeführt  werden.  Selbst  bei  sehr  unruhigen  und  ängst¬ 
lichen  Kindern  ist  nur  eine  Lokalanästhesie  nötig. 

Vor  allem  sorgt  das  Aspirationsverfahren  unter  Luftabschluss 
für  eine  möglichst  weitgehende  Wiederentfaltung  der  retrahierten 
Lunge  und  verhütet  so  grössere  Schrumpfungsprozesse,  die  zu  einem 
Retrecissement  führen  können. 

Wenn  anderenorts  unbefriedigende  Resultate  mit  dem  Bülau 
erzielt  wurden,  so  liegt  dies  nicht  an  der  Methode,  sondern  an  der 
Technik.  Der  Troikart,  mit  dem  die  Punktion  ausgeführt  wird,  muss 
ein  möglichst  grosses  Lumen  haben,  damit  das  einzulegende  Drain¬ 
rohr  möglichst  weit  wird.  Ein  Abknicken  des  Drains  wird  verhütet, 
wenn  man  radiär  zur  Körperachse  den  Troikart  einführt.  Der  Durch¬ 
messer  des  Hebersystems  soll  so  gross  wie  eben  möglich  sein. 

Vortr.  bespricht  noch  eingehend  die  Nachbehandlung.  Die  aus¬ 
gezeichneten  Resultate  der  med.  Klinik  mit  dem  Bülau  sehen  Ver¬ 
fahren  werden  an  Hand  einiger  Kranken  demonstriert. 

Herr  Hohmeier:  Invaginatio  ileo-coecalis,  verursacht  durch 
Askariden. 

7  jähriger  Junge  erkrankte  am  29.  XII.  12  mit  Schmerzen  in  der 
rechten  Unterbauchseite  und  mehrmaligem  Erbrechen.  Temperatur 
nicht  wesentlich  erhöht.  Ueber  Abgang  von  Flatus  und  Stuhl  und 
über  Beschaffenheit  des  letzteren  war  nichts  festzustellen.  Ein¬ 
lieferung  am  1.  I.  13  mit  der  Diagnose  Appendizitis.  Es  bestand 
mässiger  Druckschmerz  in  der  Blinddarmgegend,  in  der  sich  klein¬ 
faustgrosser  Tumor  nachweisen  Hess :  über  ihm  Dämpfung;  keine 
Fluktuation.  Leib  nicht  aufgetrieben,  keine  Darmsteifung,  keine  freie 
Flüssigkeit.  In  der  Annahme,  dass  es  sich  um  einen  appendizitischeu 
Abszess  handele,  wird  ein  Pararektalschnitt  angelegt.  Aus  der 
Bauchhöhle  entleert  sich  klares  Exsudat  in  massiger  Menge.  Appendix 
unverändert.  Zoekum  und  Colon  ascendens  blau  verfärbt,  bis  zur 
Mitte  des  letzteren  mit  weichen  Massen  angefüllt.  Nach  Vorziehen 
des  Darmes  sieht  man,  dass  es  sich  um  eine  Invagination  des  unteren 
Ileums  und  der  medialen  Zoekalwand  in  das  Zoekum  und  Colon 
ascendens  handelt.  Der  Dünndarm  ist  nur  in  den  oberen  Partien 
leicht  gebläht,  im  unteren  Teile  fest  kontrahiert  und  man  fühlt  hier 
Klumpen  von  Askariden,  die  zum  Teil  auch  längs  im  Darm  liegen. 
Ein  Parasitenbündel  geht  in  das  Invaginatum  hinein.  Desinvagination 
unmöglich,  deshalb  Resektion  im  unteren  Ileum  bis  zur  Mitte  des 
Colon  ascendens,  Vereinigung  Seite  zu  Seite.  Wunde  wird  bis  auf 
Drain  geschlossen.  Die  Heilung  erfolgte  ohne  Störung.  In  den  ersten 
Tagen  sind  vereinzelte  Askariden  abgegangen.  Es  soll  jetzt  noch 
eine  gründliche  Abtreibungskur  folgen.  Die  durch  die  Parasiten 
verursachten  Darmspasmen  haben  hier  den  Grund  für  die  Invagination 
abgegeben. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Januar  1913. 

Hauptversammlung. 

1.  Jahres-  und  Kassabericht.  Festsetzung  des  Beitrags. 

2.  Vorstandswahl  für  1913.  Es  wurden  gewählt  als:  1.  Vorsitzen¬ 
der:  Hecker,  2.  Vorsitzender:  Ibrahim,  Schriftführer:  Uffen- 
h  e  i  m  e  r,  Kassenwart :  Adam. 

3.  Herr  R  e  i  n  a  c  h:  a)  Demonstration  zur  Aetiologie  der  Melaena 
neonatorum. 

Etwa  kirschkerngrosses,  2  cm  unterhalb  des  Pylorus  an  der 
Rückwand  des  Duodenums  gelegenes,  mit  geröteten  Rändern  ver¬ 
sehenes  Ulcus  bei  einem  6  Wochen  alten  Kinde,  welches  nach  der 
Geburt  die  Zeichen  der  Melaena  neon.  bot.  Die  Blutungen  waren  auf 
Gelatinetee  vollständig  sistiert  und  erst  nach  6  Wochen  wieder  auf¬ 
getreten. 

b)  Hufeisenniere  bei  einem  10  Monate  alten  Kinde.  Verwach¬ 
sung  am  oberen  Nierenpole. 

4.  Herr  Hecker:  Bericht  über  den  Pariser  internationalen 
Kongress  für  Kinderheilkunde  (vgl.  diese  Wochenschrift  1913,  p.  321). 

Albert  Uffenheimer  -  München. 


618 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  Qoldschmidt. 

Herr  Gugenheim:  lieber  direkte  Laryngo-Tracheoskopie  und 

Bronchoskopie.  (Mit  Demonstrationen.) 

Nach  kurzem  geschichtlichen  Rückblick  (Kirstein,  Pienia- 
z  e  k)  und  Würdigung  der  grossen  Verdienste  Killians  als  des 
Schöpfers  der  direkten  Untersuchungsmethoden  der  Luftwege  schil¬ 
dert  der  Vortragende  unter  Demonstration  das  zurzeit  technisch 
vollkommenste  Instrumentarium  (nach  Brünings).  Nach  Dar¬ 
legung  der  Arten  der  Vorbereitung  des  zu  Untersuchenden  hinsichtlich 
der  Anästhesie,  Erörterung  des  Begriffes  der  „Autoskopierbarkeit"  und 
der  Kontraindikationen  wird  die  Technik  eingehend  besprochen  und 
danach  die  direkte  Tracheoskopie  und  Bronchoskopie  an  einem  Pa¬ 
tienten  demonstriert.  Hieran  reihen  sich  ausführliche  Darlegungen 
über  die  Indikationen  für  die  Anwendung  der  Methoden.  Die 
absolute  I  n  d  i  k  a  t  i  o  n  ist  bei  Aspiration  von  Fremdkörpern 
gegeben,  von  der  während  eines  ganzen  Jahrhunderts  vor  Erfindung 
der  Bronchoskopie  nicht  so  viele  Fälle  in  der  Literatur  zur  Kenntnis 
gelangt  sind  als  in  den  letzten  14  Jahren.  Nach  Schilderung  der 
typischen  Symptomatologie  bei  Fremdkörperaspiration,  Hinweis  auf 
das  öftere  Fehlen  der  charakteristischen  anamnestischen  und  sympto- 
matologischen  Anhaltspunkte  als  Ursache  der  Verkennung  und  Ver¬ 
schleppung  der  Fälle,  betont  der  Vortr.  das  gar  nicht  zu  seltene  Ver¬ 
sagen  der  bei  metallischen  Fremdkörpern  zwar  unbedingt  verläss¬ 
lichen  Röntgenaufnahmen  in  Fällen  von  Aspiration  kleiner  Knochen¬ 
stücke  und  verbreitet  sich  bei  Besprechung  der  Arten  der  Corpora 
aliena  über  die  besondere  Gefährlichkeit  der  sog.  quellbaren  Fremd¬ 
körper.  Letztere  haben  immer  noch  eine  relativ  grosse  Mortalitäts¬ 
ziffer,  die  im  übrigen  seit  Einführung  der  direkten-  Methoden  mehr 
als  sechsfach  kleiner  geworden  ist  als  früher. 

Bei  Besprechung  des  weiten  relativen  Indikations¬ 
gebietes  (nach  v.  Eicken)  hebt  der  Vortr.  den  besonderen 
Nutzen  für  die  Erschliessung  des  der  indirekten  Methode  meist  unzu¬ 
gänglichen  kindlichen  Kehlkopfes  hervor  in  Fällen  von  Chor- 
ditis  nodosa,  angeborenen  Membranen,  Stridor  congenitus,  namentlich 
aber  von  Papillomen  und  rühmt  die  Vorzüge  für  die  Anwendung  am 
Erwachsenen  beim  galvanokaustischen  Tiefen  stich 
an  der  tuberkulösen  hinteren  Larynxwand,  bei  Tumoren  an  der 
vorderen  C  o  m  m  i  s  s  u  r,  zur  besseren  Uebersicht  über  die  Aus¬ 
dehnung  bösartiger  Geschwülste,  für  die  autoskopische  Röntgenbe¬ 
handlung  bei  Tuberkulose  und  dann  die  besondere  Leistungsfähigkeit 
bei  Tracheotomierten  zur  leichten  Eruierung  der  durch  vor¬ 
schriftswidrige  Ausführung  des  Eingriffes  oder  durch  die  Kanüle  ver¬ 
ursachten  Schäden. 

Den  breitesten  Raum  nehmen  in  diesem  relativen  Indikations¬ 
gebiet  die  Stenosen  bezw.  Erkrankungen  der  Trachea  und  der  Bron¬ 
chien  ein,  die  durch  pathologische  Prozesse  der  Nachbarorgane  ver¬ 
ursacht  werden  oder  aber  von  der  Tracheo-Bronchialschleimhaut 
selbst  ausgehen:  was  die  ersteren  betrifft,  so  belehrt  die  direkte  Me¬ 
thode  bei  Strumen  in  Ergänzung  des  Röntgenbildes  auch  über 
etwaige  Kompression  der  Trachea  von  vorne  und  von  hinten  und 
insbesondere  über  Durchwachsung  der  Trachealwand  seitens  benigner 
Strumen,  die  häufiger  vorkommt,  als  früher  bekannt  war  (eigene  Be¬ 
obachtung  und  Behandlung  eines  Falles  des  Vortragenden).  Bei 
Aneurysmen  des  Aortenbogens  an  der  Prädilektionsstelle 
ist  die  scharf  umschriebene  Vorwölbung  der  linken  Trachealwand  im 
unteren  Bereich  und  des  lateralen  Abschnittes  des  Anfangsteiles  des 
linken  Bronchus  sehr  charakteristisch  und  ermöglicht  frühzeitige 
Diagnosestellung  (eigene  Fälle).  Bei  den  peritrachealen  und 
peribronchialen  tuberkulösen  Lymphdriisentu- 
moren  und  Abszessen  hat  man  nicht  nur  Durchbrüche  in  das 
bronchoskopische  Rohr  beobachtet  und  durch  Entfernung  der  käsigen 
Massen  die  Patienten  vom  Erstickungstod  retten  können,  sondern 
neuerdings  typische  Veränderungen  (flachkugelige  Verbreiterungen 
der  sonst  scharfen  Carinen)  in  einer  Reihe  von  Fällen  vor  Eintritt 
der  Stenosenerscheinungen  als  Vorbote  des  danach  abzuwendenden 
spontanen  Durchbruchs  erkannt.  Bei  vergrössertem  iin- 
k  ein  Vorhof  (meist  durch  Mitralstenose)  hat  Kahler  in  einer 
grösseren  Anzahl  von  Beobachtungen  den  Befund  eines  typischen 
Bildes  stenosierender  Vorwölbung  der  vorderen  und  unteren  Wand- 
zirkumferenz  des  linken  Hauptbronchus  mit  einem  sich  der 
Horizontalen  mehr  nähernden  Verlauf  desselben  erhoben.  —  Nach 
kurzer  Erörterung  der  bei  Anthrakose  der  perihilösen 
Lymphdriisen  beobachteten  Stenosen  sowie  der  im  Kindesalter 
nicht  zu  selten  Luftröhrenverengerung  erzeugenden  Thymus¬ 
hypertrophie  erwähnt  Vortr.  die  Möglichkeit,  bei  Oeso¬ 
phaguskarzinom  mit  dann  und  wann  frühzeitigem  Uebergreifen 
auf  die  hintere  Trachealwand  und  Ueberwiegen  der  Atembeschwerden 
über  die  Dysphagie  die  Diagnose  rasch  fördern  und  bei  maligner 
Struma  auch  die  Frage  der  Operabilität  entscheiden  zu  können. 

Von  den  Erkrankungen  der  Tracheo-Bronchialwatid  selbst  streift 
der  Vortr.  die  Tuberkulose  der  Trachea,  betont  den  Nutzen 
für  die  Erkennung  frischer  Infiltrationen  bei  Lues  der  Luftröhre 
(an  der  Wiener  Klinik  in  3  Jahren  8  Fälle,  die  zuvor  als  einfache 
Tracheitis  gelten)  und  namentlich  für  die  Behandlung  der  chronisch¬ 


No.  1 


luetischen  Stenosen;  ferner  die  besonders  segensreiche  Stenose 
therapie  bei  S  k  1  e  r  o  m.  Er  würdigt  dann  die  Bedeutung  der  direkt 
Methoden  für  die  Lehre  von  den  Geschwülsten  in  di 
tieferen  Teilen  der  Trachea  und  der  BronchL 
aus  denen  nicht  nur  gutartige  Tumoren,  (Papillome,  Fibrome,  inti 
tracheale  Strumen,  Ecchondrome  u.  a.)  entfernt  wurden,  sondern  au 
mannigfache  bösartige,  teils  mit  mehrjähriger  Beobachtung  des  Au 
bleibens  eines  Rezidivs,  teils  nur  mit  dem  Ergebnis  vorübergehem 
Befreiung  von  qualvollen  Zuständen.  Bei  Besprechung  der  von  N  . 
wotny  und  Ephraim  erfolgreich  inaugurierten  endobro 
chialen  Behandlung  der  Bronchiektasien  mit 
stillationen  von  H2O2,  der  chronischen  Bronchitis  und  t . 
Asthma  mit  Novokain-Suprareninlösungen  u.  a.  erwähnt  Vor! 
kurz  eine  eigene  günstige  Beobachtung  und  weist  dann  auch  auf  • 
Fälle  hin,  in  denen  Hämoptoe  unbekannten  Ursprun; 
durch  die  direkten  Methoden  klargestellt  wurde  (Varizen,  Tumore. 
Dem  Bericht  über  den  Wert  der  Bronchoskopie  für  die  Chirurg! 
des  Thorax,  zur  Unterstützung  des  Operateurs  bei  der  Thora! 
tomie  und  Bronchotomie,  folgt  als  Anhang  eine  Schilderung  der  da: 
der  Methode  neu  gewonnenen  Errungenschaften  auf  dem  Gebie- 
der  Physiologie  (respiratorische  Bewegungen,  respiratorisc: 
Lumenänderungen,  Vorgänge  bei  der  Expektoration,  Analysen  q 
Bronchialluft  u.  a.). 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  März  1913. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Morgenroi 
Hämolysen  versuche.  Durch  Vorbehandlung  von  Kaninchen  mit  Nie 
der  weissen  Maus  erhält  man  hämolytische  Ambozeptoren  für  Zieg>- 
blut;  desgl.  bei  Vorbehandlung  mit  transplantablem  Mäusekarziw , 

Tagesordnung. 

Schluss  der  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Ort; 
Ueber  die  Bedeutung  der  Rinderbazillen  für  den  Menschen. 

Herr  Eckert:  Von  92  Kindern  reagierten  mit  Pirquet  70  i 
beide  Bazillentypen,  12  nur  auf  den  bovinen,  10  nur  auf  den  human 
Typus. 

Herr  Weste  nhoeff  er  warnt  davor,  fremdländische  Tub  - 
kulosestatistiken  auf  europäische  Verhältnisse  zu  übertragen.  Fl 
in  allen  Ländern  ist  die  Perlsucht  stark  verbreitet.  Die  Frage  n 
Uebertragbarkeit  ist  seiner  Ansicht  nach  längst  geklärt. 

Herr  F.  Klemperer:  Nach  der  Statistik  eines  erfahren 
chilenischen  Anatomen  ist,  entgegen  der  Behauptung  W  es  te¬ 
il  oef  fers,  die  chronische  Tuberkulose  in  Chile  genau  so  häufig  'C 
bei  uns. 

Herr  Auerbach:  Auch  im  Viehseuchengesetz  kommt  die  I- 
deutung  einer  Gefahr  durch  Milchübertragung  deutlich  zum  Ausdru , 

Herr  Weber:  Die  Uebertragbarkeit  des  Typus  bovinus  vn 
Menschen  auf  das  .Rind  ist  nicht  zu  leugnen.  Die  vom  Bovinus  li- 
riihrende  Gefahr  ist  gewiss  nicht  zu  unterschätzen. 

Herr  Orth  (Schlusswort) :  Nach  Bendix  sterben  in  Deuts  - 
land  jährlich  27  200  Säuglinge  an  Tuberkulose.  Rechnet  man  r 
10  Proz.  davon  (Neufeld)  auf  Konto  des  Typus  bovinus,  so  bk i 
noch  eine  erschreckend  hohe  Zahl.  Orth  hat  in  seinem  Vortrag  ui 
Ausdruck  „Volkskrankheit“  vermieden.  Er  scheut  sich  indes  nid. 
bei  der  sehr  grosen  Anzahl  boviner  Infektionen  den  bovinen  Bazils 
als  Erreger  einer  „Volkskrankheit“  anzusprechen.  Er  ist  daher  eher: 
zu  bekämpfen  wie  der  humane  Typus. 

Schluss  des  Vortrages  des  Herrn  E.  Saul:  Beziehungen  r 
Helminthen  und  Askariden  zur  Geschwulstätiologie. 

Es  werden  zahlreiche  Photogramme  demonstriert,  welche,  n 
Anschluss  an  den  Vortrag,  die  Beziehungen  der  Helminthen  ifJ 
Askariden  an  pflanzlichen  und  tierischen  (auch  menschlichen)  Tumo' 
demonstrieren  sollen.  Die  Gewebsneubildungen  sind  nicht  als  Frei  ■ 
körperwirk  ringen  sondern  als  richtige  Tumoren  anzusprechen.  Ws 


Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  März  1913. 

Herr  Holländer:  Zur  Frage  der  Geschwulstbildung  n  f 
Netzunterbindungen. 

Im  Anschluss  an  eine  inguinale  Netzhernie  hatte  sich  nach  i"- 
malern  aseptischen  Wundverlauf  ein  grosser  schwartig-fibromatci 
Tumor  in  der  rechten  Unterbauchgegend  im  Verlaufe  von  Monat 
entwickelt.  Im  Zentrum  dieser  Geschwulst  sass  die  dicke  Seid'- 
ligatur,  nach  deren  Entfernung  eine  völlige  Rückbildung  des  Tum ! 
eintrat.  Diese  Netztumoren  entstehen  analog  den  mehrfach 
schriebenen  entzündlichen  Bauchdeckentumoren.  Bei  den  in  1 
Literatur  befindlichen  (44)  Fällen,  die  in  allen  Stadien  der  L- 
Wicklung  zur  Operation  gelangten,  befand  sich  stets  im  Zentrum  ' 
Geschwulst  der  zur  Netzunterbindung  benützte  Seidenfaden,  der  n! 
Holländers  Ansicht  in  rein  mechanischem  Sinne  den  Reiz  ; 
Tumorbildung  abgibt. 

Diskussion:  Herr  Schmieden  ist  auf  Grund  eines  1 
ihm  operierten  Falles  mit  Küttner  der  Ansicht,  dass  es  auch 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


619 


18.  März  1913. 


jiopathische  Geschwulstbildung  des  Netzes  gibt,  die  durch  spontan 
ntstehende,  tumorbildende  Fettnekrose  des  Netzes  zustande 

ommt. 

Zum  Fall  des  Herrn  Holländer  bemerkt  S.  betreffs  der 
echnik  der  Netzunterbindung,  dass  man  unter  Vermeidung  dicker 
eidenligaturen  nicht  starke  Netzbündel  äbschniiren,  sondern  mit 
iinnen  Katgutfäden  kleine  Teile  des  Netzes  abbinden  soll.  Dann 
ermeidet  man  Nachblutungen  aus  dem  Netz  und  Entstehen  der  Netz- 
umoren  am  sichersten. 

Herr  Sonnenburg  fand  als  Ursache  der  Geschwulstbildung 
n  einem  von  ihm  operierten  Falle  im  Zentrum  des  Tumors  einen 
us  der  Appendix  ausgewanderten  Kotstein. 

Herr  Neumann:  Weitere  Erfahrungen  mit  der  Netznianschette 
nsbesonders  bei  der  Behandlung  des  perforierten  Magen-  und  Duo- 
ienalgeschwiirs. 

N.  führt  in  das  perforierte  Ulcus  ein  Drain  ein  und  umgibt  dieses 
nit  einer  aus  dem  Netz  gebildeten  Manschette.  Seine  Erfahrungen 
ind  bei  der  einfachen  Methode  und  der  bequemen  Nachbehandlung 
ünstige,  er  empfiehlt  sie  auch  für  andere  Operationen,  besonders 
iir  die  Gastrostomie. 

Herr  Kehr:  Ueber  Anomalien  der  Art.  hepatica  und  der  Gallen- 

\cge.  (Mit  Lichtbildern.) 

Von  den  vielen  Anomalien,  die  K.  bei  seinem  reichen  Material 
m  Gegensatz  zu  anderen  Autoren  relativ  häufig  fand,  seien  einige 
liii  urgisch  wichtige  hervorgehoben. 

Ausser  völligem  Fehlen  der  Gallenblase  beobachtete  er  viermal 
ine  intrahepatische  Entwicklung  dieses  Organes.  Auch  innerhalb 
les  Ligamentum  teres  hepatis  kann  sie  gelegen  sein.  Sie  kann  ein 
igenes  Mesenterium  besitzen;  bei  der  „Wandergallenblase“  ist 
orsion  des  Stieles  möglich. 

Der  Verlauf  des  Ductus  cysticus  ist  spitzwinklig,  kann  aber  auch 
'arallel  und  spiralig  zum  Hepatikus  sein;  bei  retroduodenaler  Ein- 
niindnng  des  Zystikus  muss  bei  der  Operation  das  Duodenum  mobi- 
isiert  werden.  Gelegentlich  mündet  der  Zystikus  direkt  in  die 
Bifurkationsstelle  der  Hepatikusäste,  die  dann  natürlich  beide 
Irainiert  werden  müssen.  Der  Hepatikus  kann  mit  akzessorischem 
tst  in  die  Gallenblase  münden  oder  diese  kann  gewissermassen  direkt 
n  den  Hepatikus  eingeschaltet  sein.  Uebersehen  dieser  Anomalie 
;ann  nach  Exstirpation  der  Gallenblase  zur  Peritonitis  führen.  Auch 
;ann  ein  akzessorischer  Hepatikusast  in  den  Zystikus  münden. 

Falls  die  Unterbindung  der  Arteria  cystica  z.  B.  im  entzündlichen 
jewebe  nicht  am  Ort  der  Blutung  gelingt,  so  ist  zu  beachten,  dass 
liese  gelegentlich  nicht  aus  der  Art.  hepatica  dextra  oder  propria 
ntspriflgt,  sondern  aus  der  Arteria  gastro-duodenalis.  Groth. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Kümmell. 

Herr  Li  pp  mann:  19  jähr.  Mann  mit  Morbus  coeruleus;  kon- 
cenitale  Pulmonalstenose.  Das  Elektrokardiogramm  zeigt  die  typische 
legative  „J“-Zacke.  Blutbefund:  130  Proz.  Hämoglobin,  12  Millionen 
irythrozyten  —  wird  als  kompensatorische  Hypertrophie  des  Blutes 
gedeutet.  Die  Röntgenbilder  der  Trommelschlegelfinger  und  -zehen 
'.eigen  spitze  atrophische  Endphalangen  im  Gegensatz  zu  sonst  be- 
rannten  Bildern  und  Hypertrophie,  was  in  diesem  Falle  durch  eine 
Jruckatrophie  durch  die  unter  starker  Spannung  stehenden  Weich¬ 
eile  der  Endphalangen  erklärt  wird. 

Herr  Sa  enger:  1.  Interessanter  Fall  von  Epilepsie,  der  auf 
^edobrol  gut  reagierte.  Der  Kranke  hatte  verschiedene  Knoten  von 
-rbsengrösse  unter  der  Haut,  die  sich  als  Zystizerken  erwiesen.  Es 
st  anzunehmen,  dass  es  sich  um  eine  Zystizerkenepilepsie  handelt. 

2.  54 jähr.  Mann  mit  Polyzythämie  mit  Milztumor:  blaurotes 
jesicht,  aufsteigende  Hitze,  Schwindel.  9  100  000  rote,  17  000  weisse 
Blutkörperchen,  105  Proz.  Hämoglobin.  Blutdruck  145 — 150.  Schleim¬ 
läute  stark  injiziert,  Temporalarterien  sehr  dick  und  geschlängelt. 

3.  53  jähr.  Mann  mit  Tabes.  Dabei  hochgradige  Verkalkung  der 
Vterien  der  Unterarme  und  Unterschenkel  mit  Verlust  der  Pulse  in 
beiden  Art.  tibial.  post.  Trotz  dieses  röntgenographisch  nachweis¬ 
baren  Befundes  kein  i  n  t  e  r  m  ittierendes  Hinken. 

Herr  Brauer  demonstriert  die  Photographien  einer  39jährigen 
,atientin  vor  und  nach  einer  Entfettungskur  sowie  die  entsprechen- 
Jen  Diätkurven. 

i  ■  Der  Fall  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Frau  in  526  Tagen 
*3  kg  (nicht  Pfund)  abnahm.  Es  ergibt  dieses  eine  tägliche  durch¬ 
schnittliche  Gewichtsabnahme  von  186,3  g.  Des  weiteren  ist  be¬ 
sonders  hervorzuheben,  dass  die  Frau,  die  mit  einem  Anfangsgewicht 
von  170,5  kg  eintrat,  und  die  nunmehr  72,5  kg  wiegt,  bei  ihrer 
Körpergrösse  von  166  cm  auf  dem  Normalgewicht  angekommen  sein 
dürfte  und  dieses  bei  völlig  normaler  Leistungsfähigkeit  und  Gesund¬ 
heit  des  Herzens. 

Die  Frau  war  bei  ihrer  Einlieferung  durch  die  Korpulenz  auf  das 
schwerste  behindert.  Sie  konnte  wegen  hochgradiger  Dyspnoe  nur 
noch  sehr  wenig  gehen,  war  nicht  mehr  imstande,  die  üblichen  Haus¬ 
arbeiten  durchzuführen.  Es  waren  mässige  Oedeme  eingetreten.  Da¬ 
gegen  brachte  die  Patientin  als  gutes  Prognostikum  mit:  einerseits 


eine  tadellose  Körpermuskulatur  und  andererseits  ein  anscheinend 
noch  gutes  Herz. 

Das  obengenannte  Resultat  wurde  dadurch  erreicht,  dass  zu¬ 
nächst  eine  strenge  Karellkur  über  10  Tage  verordnet  und  die  sog. 
Nachkur  in  richtiger  Weise  durchgeführt  wurde.  Gerade  auf  die 
Formulierung  dieser  Nachkur  ist  das  grösste  Gewicht  zu  legen.  Die 
ungünstige  Beurteilung,  die  die  Karellkur  von  mancher  Seite  er¬ 
fahren  hat,  ist,  abgesehen  von  anderen  Fehlern,  die  bei  Durchführung 
dieser  Kur  vorgekommen  sind,  häufig  darauf  zurückzuführen,  dass 
die  Weiterbehandlung  nicht  auf  das  Genaueste  kontrolliert  und  den 


Fig.  1.  Fig.  2. 


Eigenheiten  des  Falles  angepasst  wurde.  Es  ist  erforderlich,  die 
Körperbewegung  und  Kalorienzufuhr  exakt  zu  kontrollieren,  damit 
alle  etwaigen  Komplikationen  oder  Ueberanstrengungen,  die  die  Pa¬ 
tienten  durch  oder  im  Verlaufe  der  Kur  durchmachen,  rechtzeitig  be¬ 
achtet  werden.  Dann  lässt  sich  eine  Wiederzunahme  vermeiden  und 
in  vielen  Fällen,  wie  in  diesem,  ein  gutes  Resultat  erzielen.  Es  kommt 
auserordentlich  gerade  auf  die  Details  der  Technik  einer  solchen  Diät¬ 
kur  an. 

Die  eigentliche  Karellkur  ist  als  Einleitung  für  die  Entfettungs¬ 
kur  bei  übermässig  fetten  Personen  besonders  zu  empfehlen.  Man 
erzielt  hierdurch  meist  schon  eine  beträchtliche  Abnahme,  die,  wie 
bekannt,  z.  T.  auf  Beseitigung  manifester  oder  latenter  Oedeme  zu 
beziehen  ist.  Die  mancherlei  Einwendungen,  die  sich  aus  theoreti¬ 
schen  Stoffwechselbetrachtungen  ergeben,  die  aus  dem  Nachweis, 
dass  zeitweise  beträchtliche  N-Verluste  Vorkommen,  eine  gewisse  Be¬ 
gründung  haben,  sind,  wie  aus  den  entscheidenden  praktischen 
Dauererfolgen  in  diesen  und  in  ähnlichen  geeigneten  Fällen  ersicht¬ 
lich,  bei  sorgsamer  Kontrolle  nicht  allzusehr  zu  fürchten.  Besonderer 
Wert  ist  auf  die  anfängliche  Bettruhe  zu  legen.  Die  primäre  Ent¬ 
lastung  des  Herzens  durch  die  das  Vorgehen  einleitende  Karellkur, 
erleichtert  das  Studium  des  Falles,  ermöglicht  es,  später  in  passender 
langsamer  Steigerung  ohne  Schaden  reichlichere  Körperbewegung 
einzuführen,  die  Patienten  auf  3U  höchstens  ~U  ihres  Kalorienbedarfes 
zu  halten  und  später  dann  mit  zunehmender  Gesundung,  zunehmender 
Körper-  und  Herzkraft  bei  Darreichung  von  etwa  Vs  des  Kalorien¬ 
bedarfes  nach  ausgedehnterer  Körperbewegung  zu  erziehen.  Natur¬ 
gemäss  ist  in  diesem  ganzen  Stadium  der  Nachbehandlung  nicht  mehr 
die  Karellkur  in  Anwendung,  sondern  eine  streng  individuali¬ 
sierte  Kur  einer  der  vielen  anderen  Formen. 

Unsere  Patientin  ist  nunmehr  seit  etwa  Y\  Jahr  auf  dem  nor¬ 
malen  Kalorienbedarf  angelangt.  Sie  ist  körperlich  voll  leistungs¬ 
fähig,  konnte  z.  B.  an  einem  Abend  sehr  reichlich  tanzen  und  ist 
überhaupt  von  einer  gesunden  Person  nur  insofern  zu  unterscheiden, 
als  natürlich  ausserordentlich  hässliche  hängende  Hautfalten  die 
Körperform  entstellen. 

Der  Fall  wird  von  Herrn  Dr.  K  i  m  m  e  r  1  e,  auf  dessen  Station 
die  Patientin  lag,  im  Verein  mit  anderen  Fällen  eingehend  publiziert. 

Herr  Allard:  Demonstration  eines  exquisiten  Fettstuhles  von 
einem  Falle  von  chronischer  Pankreatitis  und  Diabetes. 

Herr  Simmonds:  Ueber  Geschwülste  der  Karotisdriise. 

An  der  Gabelung  der  Karotis  in  externa  und  interna  sitzt  ein 
griesskorugrosses  Knötchen,  fest  verwachsen  mit  dem  Gefäss.  Neuere 
Untersuchungen  haben  ergeben,  dass  das  Organ  dem  chromaffinen 
System  angehört,  dass  es  vom  sympathischen  Nervengef’echt  seinen 
Ursprung  nimmt  und  demnach  den  Paraganglrn  anzureihen  ist.  In 
äusserst  seltenen  Fällen  können  von  diesem  winzigen  Organ  grosse 
Geschwülste  ausg^hpn,  die  zu  op°rativ°n  Eingriffen  Anlass  geben. 
Der  innige  Zusammenhang  mit  der  Karotis  erschwert  die  Exstirpation 
sehr.  Sonst  sind  die  Geschwülste  gutartig,  rezidivieren  und  meta- 


620 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  U. 


stasieren  nicht.  Histologisch  handelt  es  sich  um  Tumoren  sui  generis, 
die  man  am  besten  als  Paraganglioma  intercaroticum 

bezeichnet.  _  ,  ,  .  , 

Fall  1.  30  jähr.  Mann.  Qänseeigrosse  Geschwulst  der  rechten 

Halsseite.  Exstirpation  mit  Resektion  der  Karotis  Halbseitige  Hirn¬ 
erweichung.  Tod. 

Fall  2.  67  jähr.  Frau.  Hühnereigrosse  Geschwulst.  Exstirpation 
sehr  schwierig.  Karotis  bleibt  aber  intakt.  Dauernde  Heilung. 
Mikroskopisch  in  beiden  Fällen  teils  fibröses  Gewebe  mit  grossen 
Gefässliicken.  teils  alveolärer  Bau  mit  mannigfaltig  gestalteten  Zellen 
in  den  Alveolen. 

Herr  Meldola:  2  Fälle  von  schwerster  Epilepsie,  die  durch 
Luminal  sehr  günstig  beeinflusst  wurden. 

Herr  Jacobsthal:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der 
Wassermann  sehen  Reaktion. 

Vortr.  erörtert,  welche  Anschauungen  über  das  Wesen  der 
Wa.-R.  zurzeit  bestehen.  Das  Wesen  der  Reaktion  ist  unbekannt, 
trotzdem  ist  sie  nicht  wertlos.  Wenn  auch  nicht  der  „Antikörper“ 
durch  sie  nachgewiesen  wird,  wenn  sie  auch  nicht  erkennen  lässt, 
dass  der  Patient  krank  ist,  wenn  sie  endlich  auch  nicht  spezifisch 
ist,  so  ist  sie  doch  charakteristisch.  Keine  der  einseitigen  1  heorien 
vermag  der  Gesamtheit  der  Erscheinungen  gerecht  zu  werden,  aber 
an  jeder  ist  etwas  Richtiges,  ln  neuerer  Zeit  ist  man  der  Lösung  des 
Problems  nach  dem  Wesen  der  Reaktion  nähergekommen.  Die  Tat¬ 
sache,  dass  gerade  die  Lipoide  bei  der  Reaktion  niedergeschlagen 
würden  (optische  Methode  der  Syphilisdiagnose),  ferner  der  von 
B  e  r  g  e  1  nachgewiesene  Zusammenhang  zwischen  Lymphozytose  und 
Lipasenbildung,  das  Vorhandensein  von  Lymphozyten  in  den  vom 
Luesvirus  geschädigten  Organen,  der  Zusammenhang  zwischen  Lues¬ 
reagin,  Zellzerfall  und  Lipoiden,  all  diese  Dinge  machen  die  von  Weil 
und  Braun  aufgestellte,  von  Gen  ne  rieh  erweiterte  Hypothese 
wahrscheinlich,  dass  bei  der  Wa.-R.  in  vitro  Fermente  nachgewiesen 
werden,  die  unter  dem  Einfluss  eines  Zellzerfalles  entstehen.  Redner 
bespricht  dann  die  Berechtigung  der  technischen  Verfeinerung  der 
Reaktion.  Die  gleichzeitige  Anstellung  schärfster  und  weniger 
scharfer  Reaktionen  ist  zur  Kontrolle  der  klinischen  Therapie  not¬ 
wendig.  Dabei  ist  die  Aufstellung  einer  Stärkeskala  praktisch,  ob¬ 
wohl  Vortr.  von  einer  eigentlichen  quantitativen  Auswertung  der 
Serumreaktion  nicht  viel  hält.  Das  Vorkommen  eines  Stadium  am- 
biguum  erklärt  die  Differenzen,  die  das  gleiche  Serum  bei  verschie¬ 
denen  Untersuchern  bisweilen  ergibt. 

Vortr.  weist  darauf  hin,  wie  wichtig  die  Kenntnis  und  richtige 
Einschätzung  der  Grenzen  jeder  Methode,  besonders  aber  der  Serum¬ 
reaktion,  sei.  Der  Satz:  eine  negative  Reaktion  beweist  nichts 
gegen  Syphilis,  sei  zwar  richtig,  aber  mit  der  Einschränkung,  dass 
sie  bei  verdächtigen  Erscheinungen  und  niemals  behandelten  Fällen 
stark  gegen  Syphilis  spreche.  Negativer  Ausfall  der  Reaktion  könne 
vier  Gründe  haben:  1.  Fehlen  von  Syphilis,  2.  Heilung  von  Syphilis, 
3.  mangelnde  Ausbildung  des  Wassermann  sehen  Reaktions¬ 
körpers.  4.  Fehlen  des  Reaktionskörpers  bei  Vorhandensein  der  Mög¬ 
lichkeit,  ihn  durch  provokatorische  Behandlung  zu  erzeugen. 

Werner. 


Wissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Februar  1913. 

Herr  Roman:  Demonstration  eines  primären  malignen  Hirn¬ 
tumors  (Neuroepithelioma  gliomatosum). 

Herr  Lippich:  Ueber  F.iweiss-Salzbeziehungen. 

Einleitend  wird  zunächst  die  Ausnahmsstellung  charakterisiert, 
welche  die  Eiweisskörper  unter  den  kolloidalen  Substanzen  ein¬ 
nehmen,  derzufolge  schon  von  vornherein  sich  dis  Vorstellung  auf¬ 
drängt,  dass  bei  ihnen  die  chemischen  Wirkungen  die  reinen  Ober- 
fiächenwirkungen  zum  mindesten  überwiegen.  Es  folgt  sodann  ein 
kurzer  Ueberblick  über  die  Adsorptionserscheinungen,'  deren  charak¬ 
teristische  Eigentümlichkeiten  ihren  Ausdruck  in  der  bekannten 
Adsorptionsgleic.hurig  finden. 

Während  man  früher  naturgsmäss  die  Eiweiss-Salzbeziehungen 
im  allgemeinen  vom  rein  chemischen  Standpunkt  betrachtete,  jedoch 
besonders  auch  bezüglich  der  Schwermetallsalzfällungen  zu  keinem 
befriedigenden  Resultate  gelangen  konnte,  stellte  man  sich  später 
von  vornherein  auf  den  reinen  Adsorptionsstandpunkt,  der  bis  in  die 
jüngste  Zeit  der  fast  allgemein  herrschende  geblieben  ist.  Analogien 
zum  Verhalten  der  Aminosäuren  gegen  Schwermetallsalze  und  die 
angedeutete  \usnahmsstellung  der  Eiweisskörper  veranlassten  den 
Vortragenden,  im  Hinblick  auf  die  keineswegs  genügende  Begründung 
des  Adsorptionsstandpunktes  die  Untersuchungen  zunächst  der 
Metallalbuminate  vom  rein  chemischen  Standpunkte  wieder  aufzu¬ 
nehmen.  Beim  Studium  der  Eiweiss-Zinksulfatfällungen  ergaben  nun 
die  qualitativen  wie  die  quantitativen  Versuche  übereinstimmend, 
dass  hier  chemische  Beziehungen  stöchiometrischer  Natur  vorliegen. 
Nun  ist  es  sicher  nicht  nur  erlaubt,  diesen  Schluss  auf  andere  Metall¬ 
albuminate  auszudehnen,  sondern  aus  kürzlich  erschienenen  Unter¬ 
suchungen  von  Pfeiffer  und  v.  Modelski  (Zeitschr.  f.  physiol. 
Chem.,  Bd.  81,  S.  329,  1912),  in  welchen  die  Existenz  wohldefinierter 
Verbindungen  von  Aminosäuren  und  Polypeptiden  mit  Neutralsalzen 
bew  iesen  wird,  folgt  mit  einem  nicht  geringen  Grade  von  Wahr¬ 


scheinlichkeit,  dass  die  Eiweiss-Salzbeziehungen  im  allgemeinen 
stöchiometrischer  Natur  sind.  Es  wird  schliesslich  an  der  Hand  ein¬ 
zelner  Beispiele  gezeigt,  wie  viel  befriedigender  und  erschöpfender 
die  Erklärung  der  denselben  zugrunde  liegenden  Beobachtungen  aus¬ 
fällt,  wenn  man  vom  obigen  Standpunkte  ausgeht. 

Die  rein  physikalisch-chemischen  Untersuchungen  führen,  w  ie  die 
zahlreichen  vorliegenden  Arbeiten  deutlich  genug  zeigen,  je  nach  dem 
theoretischen  Standpunkte  des  Autors,  zu  z.  T.  ganz  widersprechen¬ 
den  Anschauungen;  erst  auf  chemisch  gesicherter  Basis  lässt  sich 
eine  einheitliche  Auffassung  auch  jener  Ergebnisse  aufbauen. 

R  o  t  k  y. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  Februar  1913. 

Herr  Rel  singer  spricht  über  die  Wasserversorgung  von 
Prag.  Nach  einer  kurzen  historischen  Skizze  der  Wasserversorgungs¬ 
frage  für  Prag  schildert  der  Vortr.  das  seiner  Vollendung  entgegen¬ 
gehende  Projekt  der  Wasserwerkanlage,  welche  Gross-Prag  mit 
rund  600  000  Einwohnern  versorgen  soll.  Aus  der  vorwiegend  be¬ 
waldeten  Gegend  der  Einmündung  der  Iser  in  die  Elbe  wird  nach 
dem  Projekte  des  Leipziger  Ingenieur  Baurat  T  h  i  e  m  das  Grund¬ 
wasser  in  dem  Diluvialschottern  mittels  ca.  600  Rohrbrunnen  von 
200  mm  Weite  und  1—2  Sekundenliter  Ergiebigkeit  erschlossen,  wozu 
später  noch  artesisches  Wasser  aus  der  Kreideformation  kommen  soll. 
Die  Härte  des  Wassers  beträgt  llVs— 12%  deutsche  Grade  und  ist 
chemisch  und  bakteriologisch  einwandfrei.  Die  T  emperatur  beträgt 
9y2_10y3  0  C.  Die  Gesamtergiebigkeit,  welche  während  der 
katastrophalen  Trockenheit  des  Jahres  1911  bereits  ihre  Probe  be¬ 
standen  hat,  beträgt  700  Sekundenliter  und  kann  durch  Erweiterung 
der  Fassungsanlagen,  welche  jetzt  schon  eine  Länge  von  mehr  a*s 
25  km  besitzen  und  auf  35  km  gebracht  werden  können,  sowie  durch 
Einbeziehung  von  artesischen  Wässern,  welche  allerdings  teilweise 
erst  der  Enteisenung  unterzogen  werden  müssten,  auf  1200  Sekundeu- 
liter  gebracht  werden.  Mächtige  Pumpanlagen  drücken  das  Wasser 
aus  den  Hauptsammelbrunnen  bei  Karany  nach  dem  23  km  entfernten 
und  128  m  höher  gelegenen  Hochreservoir  bei  Prag,  von  wo  es 
entsprechend  den  verschiedenen  Druckzonen  nach  den  einzelnen  Ver¬ 
teilungsreservoiren  gelangt.  Das  Rohrnetz  der  bestehenden  Fluss¬ 
wasserleitung  wird  auch  der  Verteilung  des  einzuleitenden  Grund¬ 
wassers  dienen,  allerdings  erst  nach  entsprechender  Reinigung  und 
Durchspülung,  welche  unter  bakteriologischer  Kontrolle  stattfinden 
soll  Zusammen  mit  der  der  Vollendung  entgegengehenden  Kanali¬ 
sation  nach  den  Plänen  Lindleys  von  Gross-Prag,  wird  das  neue 
Wasserwerk,  dessen  Kosten  sich  auf  beiläufig  20  000  000  Kronen  be¬ 
laufen,  dazu  beitragen,  die  alte  Landeshauptstadt,  welche  bisher 
unter  den  unhygienischen  Zuständen  viel  zu  leiden  hatte,  zu  einer 
„gesunden“  Stadt  zu  machen.  O.  Wiener. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  21.  Februar  1913. 

Prof.  Benedikt  stellt  eine  Kranke  vor  mit  gekreuzter  Läh¬ 
mung  des  Gehörs  und  der  Extremitäten. 

Assistent  Dr.  Finsterer:  Vorlagerung  von  Magenkarzinoinen 

zur  Röntgenbehandlung.  ,  , 

Das  zuerst  an  der  Klinik  Czernys  geübte  Verfahren  wurde 
vom  Vortr.  dahin  modifiziert,  dass  nach  der  medianen  Laparotomie 
in  Lokalanästhesie  mittels  eines  Querschnittes  die  beiden  Msc.  recti 
ca.  3  Finger  über  Nabelhöhe  quer  bis  zu  den  Rippenbögen  samt  dem 
Peritoneum  durchtrennt,  dass  dann  die  Leber  an  beiden  Lappen 
möglichst  hoch  an  den  Rippenbögen  mit  durchgreifenden  Nähten 
fixiert  wurde. 

Man  hat  dann  in  der  Bauchwand  einen  grossen  rhom¬ 
bischen  Defekt,  zwischen  welchem  der  kranke  Magen  samt  dem 
Lig.  gastrocolicuin  der  direkten  Röntgenbestrahlung  vorliegt.  Lei 
Rand  des  Defektes  wird  allseits  mit  Jodoformgaze,  Heftpflaster  und 
Binden  verband  abgedichtet,  die  bis  zur  F.rzielung  von  Adhäsionen 
zwischen  Peritoneum,  Duodenum,  Colon  transversum  bis  zur  Milz 
hin  etwa  6—7  Tage  lang  liegen  bleiben.  Der  grosse  Defekt  ver¬ 
kleinert  sich  rasch,  von  der  Haut  her  erfolgt  Epithelisierung,  der 
karzinomatöse  Anteil  des  Magens  weist  Granulationen  auf,  welche 
sich  schliesslich  auch  mit  Epithel  bedecken. 

In  dieser  Weise  wurde  an  der  Klinik  Höchen  egg  eine  ganze 
Reihe  von  Magenkarzinomen  behandelt.  Den  ersten  Fall  hat  den 
Vortr.  schon  im  Mai  1912  vorgestellt.  Es  handelte  sich  um  ein 
inoperables  Magenkarzinom,  der  Erfolg  war  zunächst  ein  günstiger, 
Gewichtszunahme  15  kg.  Das  Leiden  wurde  später  wieder  pro- 
gredient,  der  Mann  weist  Lebermetasta$en  etc.  auf  und  hat  wieder 
stark  an  Körpergewicht  verloren.  Seit  der  Operation  sind  abei 
schon  16  Monate  verstrichen.  1  j 

In  einem  zweiten  Falle  (Magenbeschwerden,  Abmagerung,  Er¬ 
brechen  bei  groben  Speisen)  wurde  ein  Karzinom  der  kleinen  Kur-j 


18.  März  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


621 


vatur,  übergreifend  auf  das  Duodenum  und  das  Lig.  hepato-duode- 
nale  etc.  gefunden.  Hintere  Gastroenterostomie,  15  Bestrahlungen 
mit  21  H.  Magen  epithelisiert,  Tumor  nicht  fühlbar,  Körpergewicht 
um  12  kg  zugenommen.  Aus  dem  kleinen  Netz  exzidierte  harte  Drüsen 
ergaben  bei  der  histologischen  Untersuchung  chronische  Entzündung. 

Ein  3.  Fall  (faustgrosses  Karzinom  der  kleinen  Kurvatur,  auf  das 
Duodenum  iibergreifend,  ausgedehnte  Drüseninfiltration,  hochgradige 
Kachexie)  wurde  nach  ausgeführter  Operation  24  mal  mit  34  H.  be¬ 
strahlt.  Erfolg.  Gewichtszunahme  8  kg,  guter  Appetit,  gutes  Aus¬ 
sehen,  kein  Tumor  fühlbar.  Die  aus  dem  grossen  Netz  entfernten 
Drüsen  wiesen  Adenokarzinom  auf. 

Ebenso  der  4.  Fall  (Karzinom  im  präpylorischen  Anteile,  auf  das 
Pankreas  übergreifend,  ausgedehnte  Drüsenmetastasen).  Wieder 
24  Bestrahlungen.  Starke  Gewichtszunahme,  Tumor  nicht  palpabel. 
in  fünf  weiteren,  allerdings  schon  weit  vorgeschrittenen,  mit  Leber¬ 
metastasen  etc.  behafteten  Fällen  von  Magenkarzinom  wurde  kein 
länger  andauernder  Erfolg  beobachtet,  die  Kranken  gingen  bald  zu¬ 
grunde. 

Der  Vortr.  rechtfertigt  es,  dass  er  in  allen  Fällen  eine  Gastro¬ 
enterostomie  machte,  auch  da,  wo  keine  Pylorusstenose  vorhanden 
war;  er  schreibt  ihr  wohl  einen  Teil  des  Erfolges  zu.  aber  nicht  den 
ganzen,  da  der  Erfolg  der  Gastroenterostomie  ohne  Vorlagerung  und 
Bestrahlung  gemeinhin  ein  vorübergehender  sei.  Eine_  Probeexzision 
aus  dem  Tumor  vermeidet  er,  da  die  Verletzung  der  Serosa  mit  eine 
Ursache  für  das  Auftreten  von  Magenfisteln  abgeben  könnte.  Die 
Bestrahlung  wird  anfangs  auch  sehr  vorsichtig  ausgeführt,  um  keine 
Nekrosen  zu  erzeugen,  dann  aber  soll  sie  durch  lange  Zeit  fortgesetzt 
werden.  Selbstverständlich  wird  man  das  Verfahren,  dem  übrigens 
auch  bestimmte  Grenzen  gezogen  sind,  nur  da  anwenden,  wo  der 
Tumor  inoperabel  ist;  es  ist  aber,  wie  die  Erfolge  Czernys  und  die 
an  der  Klinik  Hocheneggs  beweisen,  recht  empfehlenswert. 

In  der  Diskussion  wies  Prof.  A.  F  r  a  e  n  k  e  1  auf  die  merk¬ 
würdigen,  noch  nicht  aufgeklärten  Fülle  hin,  in  welchen  eine  Probe¬ 
laparotomie  bei  einem  inoperablen  Magenkrebs  eine  wesentliche  Bes¬ 
serung  des  Allgemeinbefindens,  die  monatelang  anhält,  herbeiführt.  — 
Dozent  Dr.  Freund  begründete  seinen  Vorschlag,  bei  einer  der¬ 
artigen  Behandlung,  wo  es  die  Beschaffenheit  und  Lokalisation  der 
Neubildung  gestatten,  vorerst  diese  nach  Möglichkeit  operativ  zu 
entfernen  und  erst  den  Rest,  womöglich  unvernähtes  Gewebe,  der 
Bestrahlung  auszusetzen.  Darnach,  müsste  der  Effekt  ein  viel 
energischerer  sein.  —  Dr.  M.  H  a  u  d  e  k  weist  u.  a.  auf  die  jüngsten 
Publikationen  von  Aschoff,  Krönig  und  Ganss  über  die  mäch¬ 
tige  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  vorgelagerte  Karzinome  hin  und 
würdigt  die  Erfolge  F  i  n  s  t  e  r  e  r  s,  wogegen  Prof.  Ranzi  4  Beob¬ 
achtungen  an  der  Klinik  v.  Eiseisberg  bespricht,  bei  welchen 
diese  Behandlungsmethode  (Magenkarzinom,  Vorlagerung  und 
Röntgenbestrahlung)  keinen  nennenswerten  Erfolg  aufwies. 
Ranzi  erörtert  auch  die  technischen, Schwierigkeiten  in  einzelnen 
Fällen,  zumal  wenn  die  Tumoren  an  der  hinteren  Magenwand 
sitzen. 

Dr.  T  e  r  t  s  c  h  stellt  3  Fälle  von  akuter  retrobulbärer  Neuritis 
vor,  welche  trotz  völlig  negativen  Nasenbefundes  durch  Skarifika- 
tionen  des  vorderen  Endes  der  mittleren  Nasenmuschel  nach  wenigen 
Tagen  geheilt  wurden. 

In  der  Diskussion  bestritt  Prof.  M.  Hajek,  dass  eine  er¬ 
folgreiche  Behandlung  von  der  Nase  aus  dafür  beweisend  sei,  dass 
eine  akute  retrobulbäre  Neuritis  ihre  Ursache  in  der  Nase  habe, 
es  könnten  für  sie  noch  andere  Ursachen  bestehen,  welche  die  Oph¬ 
thalmologen  bisher  noch  nicht  erforscht  haben. 

Dr.  R.  Th.  Schwarzwald  zeigt  aus  der  Abteilung  Prof. 
Zuckerkandis  eine  durch  Kollargol  eigentümlich  veränderte  Niere 
und  bespricht  einen  Fall  von  seitlicher  Naht  der  Arteria  iliaca  ext. 
dextra  (Arrosionsblutung  infolge  Einlegens  eines  Drains  nach  einer 
Appendixoperation).  Exitus  an  Ileus  trotz  erfolgreicher  Gefässnaht 
in  einem  infizierten  Terrain. 

Dr.  Klemens  J.  Schopper:  Erfahrungen  über  die  Cholera  in 
Ostrumelien  während  des  Balkankrieges. 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  27.  Februar  1913. 

K.  Feri  stellt  einen  Mann  mit  Parainyoclonus  multiplex  vor. 

Die  Muskulatur  der  Extremitäten  zeigt  tikartige,  blitzschnelle 
Zuckungen,  welche  bald  in  dem  einen,  bald  in  dem  anderen  Muskel 
auftreten  und  nicht  die  Gesamtheit  einer  ganzen  Muskelgruppe  be¬ 
treffen.  Diese  Affektion  dauert  seit  5  Wochen.  Der  Nervenbefund 
ergibt  keine  Anomalien,  die  Sehnenreflexe  sind  gesteigert,  der  Magen¬ 
saft  ist  subazid;  vielleicht  ist  der  Krampf  auf  eine  gastrointestinale 
Intoxikation  zurückzuführen. 

E.  L  e  w  i  zeigt  aus  der  Abteilung  Schlesinger  einen  46  jähr. 

Mann  mit  tabischer  Arthropathie. 

A.  v.  Decastello  führt  einen  32 jähr.  Mann  vor  mit  einem 
langsam  wachsenden  Lymphogranulom  der  Mediastinal-  und  Hals¬ 
drüsen. 

H.  Politzer  demonstriert  ein  13 jähr.  Mädchen  mit  einer 

poliomyelitisähnlichen  Erkrankung  und  sequestrierender  Periostitis 
und  Osteomyelitis.  Er  zeigt  ferner  eine  Frau  mit  Rheumatismus  tub. 
und  multiplen  Drüsenschwellungen. 


St.  Schablin  führt  ein  7 jähr.  Mädchen  mit  Chloroanämie  in¬ 
folge  von  Trichocephalus  dispar  vor.  Pat.  ist  seit  längerer  Zeit 
schwächlich,  anämisch  und  appetitlos,  sie  hatte  auch  Herzklopfen  und 
Schmerzen  in  den  Beinen.  Das  Kind  hatte  die  Gewohnheit,  mit 
Lehm  zu  spielen  und  ihn  auch  in  den  Mund  zu  nehmen.  Der  Blutbe¬ 
fund  ergab  1  250  000  blasse  Erythrozyten,  Hämoglobingehalt  17  Proz., 
18  000  Leukozyten.  Beider  Untersuchung  der  Fäzes  fanden  sich 
massenhafte  Eier  von  Trichocephalus  dispar.  Die  Infektion  mit  diesem 
Wurm  erfolgt  durch  Erde,  die  Parasiten  bohren  sich  im  Zoekum  und 
im  Dickdarm  in  die  Schleimhaut  ein  und  verursachen  durch  das 
Aussaugen  von  Blut  und  durch  die  Abscheidung  von  Toxinen  eine 
Anämie.  Der  Wurm  ist  sehr  schwer  abzutreiben,  auch  in  dem  vor¬ 
gestellten  Falle  wurden  alle  möglichen  Anthelminthica  ohne  Erfolg 
versucht.  Es  wurden  daher  der  Patientin  nur  Pepsin  und  Pankreon 
verabreicht,  worauf  das  Körpergewicht  in  erfreulicher  Weise  zuge¬ 
nommen  und  auch  der  Blutbefund  sich  gebessert  hat. 

H.  Eppinger  und  C  h  a  r  n  a  s  berichten  über  die  Resultate 
ihrer  Untersuchungen  betreffs  Regeneration  des  Blutes. 

Das  Blut  erneuert  sich  ebenso,  wie  sich  die  anderen  Körperzellen 
regenerieren.  Ein  Mensch  mit  einem  Gewichte  von  70  kg  hat  durch¬ 
schnittlich  3500  ccm  Blut.  In  100  ccm  Blut  befinden  sich  14  g  Hämo¬ 
globin,  aus  welchen  sich  4  g  Hämatin  abspalten  lassen;  aus  dem 
gesamten  Blutquantum  des  Individuums  lassen  sich  ungefähr  19,6  g 
Hämatin  darstellen.  Letzteres  wird  wahrscheinlich  im  Kreislauf 
zwischen  der  Leber  und  Milz  abgebaut,  aus  ihm  bildet  sich  Porphyrin 
und  aus  diesem  der  Farbstoff  der  Fäzes  (Urobilin).  Aus  einem 
Molekül  Hämatin  entsteht  ein  Molekül  Urobilin.  Die  Menge  des 
Urobilins  kann  man  als  einen  Index  (Mauserungskoeffizienten)  für  die 
Erneuerung  der  Blutkörperchen  annehmen.  Im  normalen  Stuhl  sind 
täglich  0,15  g  Urobilin  resp.  Urobilinogen  enthalten.  Die  Berechnung 
ergibt,  dass  bei  einem  gesunden  Menschen  sich  durchschnittlich  im 
Laufe  von  40  Tagen  alle  Blutkörperchen  erneuern.  Vortragende  haben 
derartige  Untersuchungen  auch  bei  verschiedenen  Krankheiten  be¬ 
gonnen.  In  einem  Falle  von  perniziöser  Anämie  waren  täglich  im 
Stuhl  0,5  g  Urobilin  und  Urobilinogen  enthalten,  daraus  ergibt  sich, 
dass  das  ganze  Blut  im  Verlaufe  von  14  Tagen  erneuert  wird.  Es 
handelt  sich  also  in  diesem  Falle  um  eine  erhöhte  Zerstörung  der 
Blutkörperchen.  Beim  Zugrundegehen  derselben  wird  das  Eisenhämo¬ 
globin  frei,  aus  diesem  entsteht  Hämatoporphyrin,  welches  in  der 
Milz  oder  in  der  Leber  in  Bilirubin  umgewandelt  wird.  Dieses  wird 
im  Darme  zu  Urobilinogen  und  Urobilin  reduziert.  Vortragende  be¬ 
stimmen  die  Menge  des  Urobilinogens  im  Stuhle  nach  Extraktion  mit 
Alkohol,  Wasser  und  Aether,  die  quantitative  Bestimmung  erfolgt 
kalorimetrisch. 

K.  v.  Stejskal  macht  auf  eine  Fehlerquelle  aufmerksam,  näm¬ 
lich  die  des  Lipochrom  im  Blute,  welches  zwar  beim  Gesunden  keine 
grosse  Rolle  spielt,  bei  perniziöser  Anämie  aber  auf  das  Zehnfache 
vermehrt  ist. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  30.  Dezember  1912. 

Sensibilisierte  lebende  Antistaphylokokkenvakzine. 

Die  Schutzimpfung  mit  dem  seit  1902  von  Besredka  inaugu¬ 
rierten  Verfahren  sensibilisierter  lebender  Bazillen  hat  bekanntlich 
beim  Typhus  abdominalis  bereits  gute  Erfolge  aufzuweisen.  Es  wur¬ 
den  nun  anderweitige  Versuche  mit  sensibilisierten,  durch  Hitze 
abgetöteten  Bakterien  angestellt  und  Michel  Cohendy  und  Bert- 
r  a  n  d  berichten  ihre  ersten,  mit  sensibilisiertem  lebenden  Anti- 
Staphylokokkenserum  (Vakzine)  gemachten  Erfahrungen. 
Ihre  Beobachtungen  umfassen  Fälle  von  Kiefer-  und  Stirnhöhlen¬ 
eiterungen,  von  Otitis,  Herpes,  (confluens  und  suppurativa),  Akne, 
Furunkulosis,  Milzbrand  usw.  In  allen  Fällen  benützten  sie  Auto¬ 
vakzine.  In  den  so  behandelten  Fällen  wurde  allgemein  ein  Stillstand 
im  Verlaufe  der  lokalen  Infektion,  gleichzeitig  mit  Besserung  aller 
anderen  Krankheitserscheinungen  beobachtet.  Nach  der  Inokulation 
ist  die  Allgemeinreaktion,  ausgenommen  ein  geringe  Schwäche  und 
leichte  Aufregung,  die  etwa  24  Stunden  anhalten,  gleich  Null,  lokale 
Reaktion  keine  vorhanden.  Die  Injektionen,  im  allgemeinen  in  der 
Zahl  von  dreien,  werden  in  progressiven  Dosen  je  nach  den  erzielten 
Besserungen  in  Zwischenpausen  von  3—6  Tagen  gemacht  und  zwar 
subkutan  am  Rücken  (in  der  Höhe  des  11.  Dorsalwirbels).  Selbst 
mit  einer  Dosis,  die  über  400  Millionen  Bakterien  hinausging,  wurde 
niemals  eine  Temperatursteigerung,  die  über  0,5°  C  betrug,  beob¬ 
achtet.  Sowohl  bei  der  Herstellung,  wie  der  Inokulation  der  Vakzine 
müssen  alle  Regeln  strengster  Asepsis  beachtet  werden.  Die  in¬ 
jizierten  Bakterien  werden  wahrscheinlich  an  der  Injektionsstelle  von 
den  Phagozyten  verschlungen;  weder  im  Blute,  noch  im  Urin  hat 
man  während  der,  der  Injektion  folgenden  12  Tage  Staphylokokken 
gefunden.  Aus  der  Gesamtheit  dieser  Tatsachen  schliessen  Bericht¬ 
erstatter  auf  die  Unschädlichkeit  dieser  Vakzine  ebenso  wie  aut 
deren  Wirksamkeit  gegen  gewisse  (reine  Staphylokokken-  oder  auch 
Misch-)  Infektionen.  ^ 


622 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11- 


Verschiedenes. 

Die  experimentelle  Phonetik  in  der  XV.  Versammlung  der  italie¬ 
nischen  Oto-rhino-laryngologischen  Gesellschaft. 

Von  Dr.  G.  Panconcelli-Calzia. 

Die  Wichtigkeit  einer  jungen  Wissenschaft,  der  experimentellen 
Phonetik,  für  den  Otorhinolaryngologen  im  besonderen  und  für  den 
Mediziner  im  allgemeinen  war  bereits  1909  Gegenstand  eines  Vor¬ 
trags  von  Zwaardemaker  in  der  laryngologischen  Sektion  des 
internationalen  Kongresses  zu  Pest:  „Die  experimentelle  Phonetik 
vom  medizinischen  Standpunkte  aus“,  sowie  1911  eines  zweiten  Vor¬ 
trags  von  G  u  t  z  m  a  n  n  und  Struycken:  „Ueber  die  Beziehungen 
der  experimentellen  Phonetik  zur  Laryngologie“  auf  dem  III.  inter¬ 
nationalen  Laryngorhinologenkongress  in  Berlin.  Der  XV.  Kongress 
der  Societä  italiana  di  larin  gologia,  otologia  e 
rinologia,  der  vom  17.  bis  21.  September  in  Venedig  tagte, 
ist  von  besonderem  Interesse  und  Wert  für  die  experimentelle 
Phonetik,  weil  dort  diese  Wissenschaft  zum  ersten  Male  in  Italien 
eine  Würdigung  in  einem  Kongress  fand. 

G  r  a  d  e  n  i  g  o- Turin  'und  B  i  a  g  g  i  -  Mailand  erstatteten  einen 
Bericht  über  die  „Anwendung  der  experimentellen  Phonetik  in  der 
Klinik“.  Der  bereits  in  dem  ersten  Teil  der  Verhandlungen  er¬ 
schienene  Bericht  bezweckt,  Mediziner  in  die  experimentelle  Phone¬ 
tik  in  leichter  und  übersichtlicher  Weise  einzuführen.  Gradenigo 
und  Biaggi  wiederholten  in  abgekürzter  Form  ihren  Bericht  münd¬ 
lich  und  ergänzten  ihre  Ausführungen  durch  Demonstration  von 
Apparaten,  Aufnahmen  usw. 

Ihnen  folgten  die  Vorträge  bzw.  die  Vorführungen  der  Herren: 
G.  Panconcelli-Calzia  (Vorführungen);  G.  Bilancioni: 
Die  graphische  Untersuchung  der  Atmung  bei  Stenosen  der  ersten 
Luftwege;  V.  Nicolai:  Laryngektomie  wegen  inneren  Krebses  und 
respiratorisch-phonatorische  Prothesenapparate;  G.  Masini:  Wir¬ 
kungen  der  am  Gehörorgan  der  Taube  gesetzten  Verletzungen  von 
der  Theorie  von  Flourens  bis  zu  der  von  Cyon;  V.  De  Cigna: 
Abhandlung  über  die  akustische  Theorie  und  persönliche  Anschau¬ 
ungen;  G.  Nieddu:  Wissenschaftliche  und  praktische  Akumetrie; 
A.  Toretta:  In  der  medizinisch-chirurgischen  Praxis  gebräuch¬ 
liches  Instrument,  empfohlen  zur  Feststellung  der  unteren  Hörgrenze; 
G.  Borgheggiani:  Ueber  den  Einfluss  der  Umgebung  auf  die  Re¬ 
sultate  der  funktionellen  Untersuchung  des  Gehörs;  G.  Masini: 
Ueber  den  Unterschied  des  Masses  der  Hörschärfe  zwischen  dem 
Wort  und  dem  Satz;  T.  Mancioli:  Die  Untersuchung  des  Gehörs 
und  der  ersten  Luftwege  bei  den  Schülern  der  römischen  Gemeinde¬ 
schulen;  A.  Mannelli:  Die  Pflege  des  Ablesens  vom  Munde  bei 
den  Tauben. 

Einer  Einladung  des  Herrn  Prof.  Gradenigo  folgend,  hatte 
sich  auch  das  phonetische  Laboratorium  des  Seminars  für  Kolonial¬ 
sprachen,  Hamburg,  durch  seinen  Leiter  vertreten  lassen,  um  dort 
über  die  letzten  Untersuchungen  und  neuesten  Instrumente  des  La¬ 
boratoriums  zu  berichten.  In  dem  phonetischen  Laboratorium,  das 
1910  vom  Hamburgischen  Staat  als  eine  Abteilung  des  Seminars  für 
Kolonialsprachen  begründet  wurde,  werden  neben  dem  linguistischen 
Gebiet  auch  mehrere  andere  Zweige  der  Phonetik  gepflegt,  u.  a.  das 
pathologische  Gebiet. 

Es  wurden  in  Venedig  vorgeführt:  ein  neuer  Laryngograph,  der 
auf  über  900  Schwingungen  reagiert;  ein  Autophonoskop,  zur 
Selbstlaryngoskopie  und  gleichzeitigen  Beobach¬ 
tung  seitens  einer  zweiten  Person;  Pneumogramme  von  Phon¬ 
asthenikern  vor  und  nach  der  Behandlung;  röntgenographische  Mo¬ 
mentaufnahmen  von  Vokalen  und  einem  Fall  von  Diplophonie; 
röntgenographische  Polygramme  der  Bewegungen  des  Kehlkopfes  und 
der  Teile  des  Ansatzrohres  nach  dem  Verfahren  von  Herrn  Levy- 
D  o  r  n;  die  durch  den  Lioretgraphen  (Umwandlung  der  phono- 
graphischen  Glyphen  in  graphisch  dargestellte  Kurven)  erzielten  Bil¬ 
der  von  mehreren  Vokalen,  einzeln  und  im  Wort. 

Durch  diese  Demonstrationen  wurde  der  praktische,  klinische 
Wert  des  experimentalphonetischen  Verfahrens  betont  und  bewiesen. 
Diese  Berücksichtigung  der  experimentellen  Phonetik  auf  den  medi¬ 
zinischen  Kongressen  ist  das  beste  Zeichen  dafür,  dass  die  Wichtigkeit 
dieser  jungen  Wissenschaft  in  diagnostischer,  therapeutischer  und 
hygienischer  Hinsicht  anerkannt  ist,  und  trägt  vielleicht  dazu  bei, 
manchen  Leser  dieser  Wochenschrift  für  die  experimentelle  Phonetik 
zu  gewinnen. 

Therapeutische  Notizen. 

Eine  neue  Art  intravenöser  Injektion  von  Neo¬ 
salvarsan  empfiehlt  Paul  Ravaut  (Presse  medicale  1913, 
No.  18).  Seine  Untersuchungen  gingen  von  der  Frage  aus,  bei  welcher 
Konzentration  die  Lösungen  von  Neosalvarsan  in  destilliertem  Wasser 
für  die  roten  Blutkörperchen  nicht  mehr  schädlich  seien,  und  er 
kam  zu  folgenden  Lösungsverhältnissen:  10  ccm  destilliertes  Wasser 
auf  0,45 — 0,60,  15  ccm  auf  0,75 — 0,90  g  Neosalvarsan.  Er  bediente 
sich  einer  auf  10  und  15  cm  graduierten  (B  o  r  r  e  1  sehen)  Flasche  und 
einer  20  ccm-Glasspritze.  In  die  sterilisierte  Flasche  wird  die  not¬ 
wendige  Menge  Wasser  und  dann  das  Neosalvarsanpulver,  das  sich 
fast  sofort  auflöst,  gegeben,  die  Lösung  mit  der  Spritze  aspiriert 
und  langsam  die  Injektion,  wie  gewöhnlich,  in  eine  Armvene  gemacht, 
was  in  15—20  Sekunden  geschehen  ist.  R.  führte  auf  diese  Weise  an 


47  Kranken  184  Injektionen  aus,  die  alle  vorzüglich  vertragen  wurden. 
Mit  0,45  g  beginnend  stieg  er  allmählich  (in  8  tägigen  Pausen)  bis  auf 
0,9  g  und  einige  Kranke  haben  bis  zu  6  Injektionen  in  dieselbe  Vene 
bekommen.  Die  Folgeerscheinungen  dieser  Injektionen  (Fieber,  Uebel- 
keit,  Erbrechen)  schienen  weniger-  häufig  wie  mit  den  übrigen  Me¬ 
thoden:  sie  hängen  grossenteils  vom  Kranken,  der  Form  und  dein 
Stadium  seiner  Syphilis  usw.  ab.  Die  therapeutischen  Resultate 
schienen  völlig  mit  den  bei  den  anderen  Injektionsmethoden  erzielten 
übereinzustimmen.  Diese  Methode  hat  den  grossen  Vorteil,  die  Rolle 
der  Verunreinigungen,  die  im  Wasser  Vorkommen  können,  beträchtlich 
zu  vermindern,  die  Instrumente  zu  vereinfachen,  Röhren  und  Gummi- 
schläuche  zu  vermeiden,  viel  rascher  ausführbar  zu  sein  (da  R. 
36  Kranke  in  2  Stunden  injizieren  konnte),  die  Berührung  (der  Lösung)  i 
mit  der  Luft  einzuschränken  und  so  die  Oxydationen  zu  verhüten. 
All  diese  Vorteile  scheinen  die  Resultate  viel  regelmässiger  zu  ge-  1 
stalten,  was  R.  ermöglichte,  interessante  Feststellungen  über  die  1 
Reaktionen,  die  manche  Patienten  darbieten,  zu  machen  und  so  die 
Indikationen  der  Neosalvarsananwendung  genauer  umschreiben  zu 
können.  St. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  17.  März  1913. 

—  Der  Deutsche  Monistenbund  hat  an  den  Reichstag  eine  Ein-  i 
gäbe  gerichtet,  in  der  eine  Aenderung  des  Gesetzes  über  ' 
die  Beurkundung  des  Personenstandes  und  die  i , 
Eheschliessung  vom  6.  Februar.  1875  dahin  vorgeschlagen 
wird,  dass  §  45  Abs.  2  folgenden  Zusatz  erhält:  (Insbesondere 
haben  die  Verlobten  in  beglaubigter  Form  beizubringen):  „3.  Je  eine  \ 
Bescheinigung  eines  approbierten  Arztes,  nicht  älter  als  sechs  Mo-  ! 
nate,  aus  welcher  ersichtlich  sein  muss,  ob  im  Falle  einer  Ehe¬ 
schliessung  wesentliche  Gründe  für  Gefährdung  der  Gesundheit  ! 
von  Gatten  oder  Nachkommen  vorliegen,  und  in  welche  Einsicht  zu 
nehmen  auf  Wunsch  beiden  Beteiligten  gestattet  ist.“  Sollte  es  nicht 
möglich  erscheinen,  obige  Bestimmung  in  das  Gesetz  aufzunehmen, 
so  empfiehlt  der  Monistenbund  dafür  wenigstens  die  nachfolgende: 
„3.  Je  eine  Bescheinigung  eines  approbierten  Arztes,  nicht  älter  als 
sechs  Monate,  dahin  lautend,  dass  der  (die)  Verlobte  in  Hinsicht  auf 
die  beabsichtigte  Eheschliessung  eine  ärztliche  Beratung  in  Anspruch  | 
genommen  hat.“  Dem  Antrag  ist  eine  Begründung  beigegeben,  in  der  ; 
die  Bedenken,  dass  die  geforderte  Bestimmung  eine  weitere  Ver-  . 
minderung  der  Geburtenzahl  oder  eine  Zunahme  der  unehelichen 
Geburten  zur  Folge  haben  könne,  widerlegt  werden.  Nur  die  Er-  ! 
zeugung  schwächlicher,  krankhaft  veranlagter  Kinder  werde  ver-  | 
ringert  werden;  die  Volkskraft  beruhe  aber  nicht  allein  auf  der 
Zahl,  sondern  in  erster  Linie  auf  der  körperlichen,  geistigen  und 
wirtschaftlichen  Leistungsfähigkeit  der  Bürger.  — Nach  den  Proben,  | 
die  unser  Reichstag  von  seinem  Verständnis  für  Fragen  der  Volks¬ 
gesundheit  schon  gegeben  hat  —  wir  erinnern  an  das  Kurpfuscherei-  i 
gesetz  —  fürchten  wir,  dass  er  für  diesen  in  seiner  Tendenz  jeden¬ 
falls  ausgezeichneten  Antrag  noch  nicht  reif  sein  wird.  Sicher  ist  i 
aber,  dass  die  Zeit  kommen  wird  —  und  sie  ist  hoffentlich  nicht 
allzu  ferne  — ,  in  der  man  die  Forderungen  des.  Antrages  als  etwas 
Selbstverständliches  betrachten  wird.  Es  ist  ein  Verdienst  des  Mo¬ 
nistenbundes,  dass  er  den  Mut  gehabt  hat,  den  Antrag  jetzt  schon 
zu  stellen  und  damit  diese  für  die  Volksgesundheit  eminent  wichtige 
Frage  zur  allgemeinen  Diskussion  zu  stellen. 

— ■  Das  Kgl.  Bayer.  Staatsministerium  der  Finanzen  hat  den 
Landesverband  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  in  Bayern  zu 
einer  Besichtigung  des  Kgl.  Bades  Reichenhall  für  den 
9.  und  10.  Mai  eingeladen,  welcher  seinerseits  wieder  an  die  medi 
zinschen  Fakultäten  der  3  Landesuniversitäten,  sowie  an  die  ver¬ 
schiedenen  lokalen  Vereinigung  Einladungen  ergehen  liess.  An  der  , 
Besichtigung  können  sich  200  Herren  beteiligen  und  ist  für  die 
Teilnehmerkarte  für  Uebernachten,  Frühstück  etc.  ein  Betrag  von 
10  Mark  zu  entrichten.  Nähere  Auskunft  durch  den  Schriftführer 
Jordan,  Lessingstrasse  4. 

—  Die  Reklame  für  die  Fried mannsche  Behandlung 
derTuberkulose,  die  in  Deutschland  energisch  abgelehnt  wurde, 
scheint  in  den  Vereinigten  Staaten,  die  Dr.  Friedmann  als  Ort 
seiner  ferneren  Tätigkeit  gewählt  hat,  kräftig  fortgesetzt  zu  werden. 
Dort  ist  es  sogar  geglückt,  die  Regierung  für  die  Sache  zu  inter¬ 
essieren.  Der  Staatssekretär  erstattete  dem  Präsidenten  der  Repu¬ 
blik  einen  Bericht  über  „the  Friedmann  treatment  of  tubercu- 
losis“,  den  dieser  dem  Senat  übergab,  der  ihn  als  Senatsdokument 
No.  1018  veröffentlichte.  Dieser  Bericht  enthält  eine  Einleitung  des 
amerikanischen  Generalkonsuls  in  Berlin  und  die  wörtliche  Ueber- 
setzung  des  von  Friedmann  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
gehaltenen  Vortrags  nebst  Diskussion.  Von  den  köstlichen  Verwechs¬ 
lungen  der  offenbar  von  einem  Nichtarzt  herrührenden  Uebersetzung 
teilt  das  Journal  of  the  Am.  med.  Ass.  einige  Proben  mit;  so  wird 
„Dämpfung“  (dulness)  mit  „oppression“,  „kleinblasiges  Rasseln“  mit 
„rattling  in  the  small  bladder“  übersetzt.  Das  Journal  beklagt  sich 
mit  Recht  darüber,  dass  die  Regierung  in  einer  solchen  Sache  vor¬ 
geht,  ohne  den  Rat  der  berufenen  sachkundigen  Stellen  einzuholen. 
Das  Auftreten  Dr.  Friedmanns  in  New  York  hat  übrigens  in¬ 
zwischen  zu  einem  Skandal  geführt.  Der  Ausübung  seiner  Tätigkeit 
wurden  Hindernisse  in  den  Weg  gelegt.  Infolgedessen  kam  es  vor 


623 


tarz  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Wohnung,  vor  der  sich  Tausende  von  heilungsuchenden 
ndsiiehtigen  eingefunden  hatten,  zu  Unruhen,  so  dass  die  Poli¬ 
tischreiten  musste. 

-  Die  Berliner  Stadtverordnetenversammlung  hat  den  Qeh.  Re- 
i  igsrat  Dr.  Weber,  Direktor  im  Kais.  Gesundheitsamt,  zum 

itmedizinalrat  gewählt.  Geh.  R.  Weber  ist  sowohl  als 
;  tischaf tlicher  Arbeiter,  wie  als  Organisator,  in  letzterer  Hinsicht 
r  Hygieneausstellung  in  Dresden,  bewährt. 

-  Dem  Generalstabsarzt  der  Bayer.  Armee,  Prof.  Dr.  Ritter 
ydel,  wurde  der  Rang  als  Generalleutnant  mit  dem  Prädikat 
lenz  verliehen. 

-  Nach  dem  82.  Jahresbericht  über  die  Hufelandschen 
tu  ngen  für  notleidende  Aerzte  und  Arztwitwen  wurden  im 

:  1912  aus  der  Stiftung  für  Aerzte  an  Pensionen  und  Unter- 
iigen  7150  M.  bezahlt,  aus  der  Stiftung  für  Arztwitwen  21  695  M„ 
.er  üoburekschen  Stiftung  für  Arztwaisen  6250  M.  Die  Zahl 
■  Interstiitzten  betrug  21  Aerzte,  173  Arztwitwen  und  54  Ärzt¬ 
in.  Die  Adresse  des  Direktoriums,  in  welches  an  Stelle  des  ver- 
■nen  Geh.  Med.-R.  Dr.  Aschenborn  der  Geh.  Med.-R. 
eyl  eintrat,  ist  Berlin  NW.  7,  Schadowstr.  No.  10. 

-  Der  bekannte  Kurpfuscher  Bauer  in  Kötzschenbroda  wurde 
dreitägiger  Verhandlung  vom  Schwurgericht  in  ßöhm.-Leipa 

ji  Beleidigung  des  Dr.  Kantor  in  Warnsdorf,  Herausgeber 

I Redakteur  des  „Gesundheitslehrer“,  begangen  duren  eine  ano- 
Schmähschrift,  zu  6  Wochen  Haft  verurteilt,  die  in  eine  Geld- 
von  3000  Kronen  umgewandelt  wurden. 

-  Das  mit  einem  Kostenaufwand  von  2  500  000  Mark  nach  den 
ten  technischen  und  medizinischen  Erfahrungen  errichtete  Ther- 
I  und  Heilbadhaus  „Kaiser-Friedrich-Bad“  in  Wies¬ 
en  wird  am  1.  April  d.  Js.  seiner  Bestimmung  übergeben  werden. 
-'Die  internationale  Vereinigung  für  wissenschaftliche  und  inedi- 
he  Fortbildung  in  Paris  veranstaltet  Ostern  d.  J.  eine  Stu- 
:  reise  nach  Spanien.  Treffpunkt:  Perpignon.  Schluss 
eilnehmerliste :  22.  März.  Näheres  durch  A.  P.  M.,  12  Rue 
ois  Millet,  Paris  XVI. 

-  Die  Preussische  Landeszentrale  für  Säuglingsschutz  lädt  zur 
reussischen  Landeskonferenz  für  Säuglings¬ 
itz  am  Mittwoch,  den  26.  März  d.  J.,  vormittags  11/4  Uhr,  im 
rsitzungssaale  des  Preussischen  Herrenhauses,  Berlin,  Leipziger- 
i  e  3,  ein.  Die  Verhandlungen  betreffen  I.  Den  Wert  der  Stillbei- 
(Stillunterstützungen,  Stillprämien)  als  Mittel  zur  Förderung 
tillens;  hierzu  werden  drei  Referate  erstattet:  1.  Die  Entwick- 
:  und  der  gegenwärtige  Stand  der  Stillbeihilfen  (Stillunter- 
'iiigen,  Stillprämien)  in  Preussen.  Referent:  Oberarzt  Dr.  R  o  1 1  - 
i.  2.  Die  ärztlichen  Forderungen  zur  Organisation  der  Still¬ 
lien  auf  Grund  der  bisherigen  Ergebnisse.  Referent:  Prof.  Dr. 

.■  m  i  c  h  -  Leipzig.  3.  Die  Durchführung  der  Organisation  der 
eihilfen  in  der  Gemeinde.  Referent:  Stadtrat  P  a  u  1  -  Magde¬ 
il.  Die  Organisation  der  Kleinkinderfürsorge.  1.  Die  ärzt- 
Forderungen  für  die  Organisation  der  Kleinkinderfiirsorge.  Re- 
:  Primärarzt  Dr.  F  r  e  u  n  d  -  Breslau.  2.  Die  Durchführung  der 
jiisation  der  Kleinkinderfürsoge  in  der  Gemeinde.  Referent: 
rat  Dr.  Gottstein  -  Charlottenburg.  —  Zur  Teilnahme  an 
'reussischen  Landeskonferenz  sind  alle  Persönlichkeiten,  die  in 
lütter-,  Säuglings-  und  Kleinkinderfürsorge  tätig  sind,  berech- 
Sie  ist  für  Mitglieder  der  Preussischen  Landeszentrale  frei, 
nitglieder  können  Teilnehmerkarten  zu  5  M.  durch  die  Geschäfts- 
der  Preussischen  Landeszentrale  für  Säuglingsschutz,  Char- 
burg,  Privatstrasse,  beziehen.  Anfragen  sind  zu  richten  an 
! Schriftführer  der  Preussischen  Landeszeutrale,  Oberarzt  Dr. 

1 1,  Charlottenburg,  Privatstrasse. 

-  Die  Südwestdeutsche  und  die  Nieder  rhei- 
h  - Westfälische  Vereinigung  für  K  i  n  der  heil  - 
de  werden,  wenn  genügend  Beiträge  angemeldet  werden,  am 
ag,  den  13.  April,  eine  gemeinsame  Tagung  in  Wiesbaden 
teil.  Anmeldung  zu  Vorträgen  sind  vor  dem  1.  April  an  Dr.  Lu- 
bi'hl,  Wiesbaden,  Schützenhofstrasse  9,  zu  senden.  Die  beab- 
gte  gemeinsame  Tagung  mit  der  holländischen  Vereinigung  fällt 
ieses  Jahr  aus. 

-  Der  3.  internationale  Kongress  für  Neurologie 
Psychiatrie  findet  vom  20. — 26.  August  in  Gent  statt.  An¬ 
ti  an  den  Generalsekretär  Dr.  F.  D  ’  H  o  1 1  a  n  d  e  r,  110  Boule- 
Dolez,  Mons,  Anmeldungen  an  den  Schatzmeister,  Dr.  D  e  - 
te,  Brüssel,  rue  Albert  192. 

-  Im  Verlag  von  J.  Springer  in  Berlin  beginnen  zwei  neue 
alblätter  zu  erscheinen:  „Zentralblatt  für  die  ge- 
te  Chirurgie  und  deren  Grenzgebiete“  (herausgegebeu 
ständiger  Aufsicht  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie) 
.Zentralblatt  für  die  gesamte  Gynäkologie  und 
urtshilfe  und  deren  Grenzgebiete.  Beide  Zentralblätter 
ssen  sich  eng  an  an  das  vom  Kongress  für  innere  Medizin 
sgegebene.  Der  Preis  beträgt  32  bzw.  28  Mk.  für  den  Band.  Leider 
nicht  gesagt,  wie  viel  Bände  im  Jahre  erscheinen,  so  dass  der 
üe  Frage  des  Abonnements  gestellte  Arzt  nicht  weiss,  welchen 
ig  er  für  ein  solches  Blatt  in  sein  Budget  einzusetzen  hat  (das 
d.  ges.  innere  Medizin  brachte  1912/13  4  Bände;  kostete  also 
>lark).  Namentlich  auch  für  Bibliotheken,  die  mit  einem  festen 
zu  rechnen  haben,  ist  diese  in  neuerer  Zeit  sehr  beliebt  ge- 
;ne  Methode  der  „zwanglos“  erscheinenden  Bände  unerträglich. 


So  hat  z.  B.  der  Aerztliche  Verein  München  im  Jahre  1912  seinen 
Etat  um  eine  bedeutende  Summe  überschritten,  wesentlich  infolge 
der  mit  unbestimmtem  Jahrespreise  erscheinenden  Zeitschriften.  Es 
wäre  an  der  Zeit,  dass  die  medizinischen  Bibliotheken  und  andere 
Interessenten  sich  zusammenschlössen  zur  Abwehr  gegen  dieses  ganz 
ungewöhnliche  Vorgehen  einzelner  Verleger. 

—  Hermann  Schlesingers  „A  e  r  z  1 1  i  ch  e  s  Handbüch- 
lein  für  hygienisch-diätetische,  hydrotherapeutische,  mechanische 
und  andere  Verordnungen“  ist  in  11.  Auflage  erschienen  (Göttingen, 
Denerleinsche  Buchhandlung  1913).  Zu  dieser  Auflage  hat  Prof, 
v.  Noorden  ein  Vorwort  geschrieben,  in  dem  er  ausspricht,  dass 
es  auf  dem  medizinischen  Büchermarkt  kein  zweites  Buch  gehe,  aus 
dem  sich  der  Arzt  so  schnell  und  leicht  über  die  wichtigen  Fragen 
der  diätetischen  Therapie  unterrichten  könne. 

—  Das  „Viermännerbuch“,  das  Diagnostisch-thera¬ 
peutische  Vademecum  der  vier  Leipziger  H.  Schmidt, 
L.  E  r  i  e  d  h  e  i  m,  A.  L  a  m  h  o  f  e  r  und  J.  Donat  ist  ebenfalls  in 
11.  Auflage  erschienen.  (Leipzig,  J.  A.  Barth.  Preis  geb  6  M.j 

—  Pest.  Britisch  Ostindien.  Vom  2.  bis  8.  Februar  erkrankten 
4964  und  starben  4083  Personen  an  der  Pest.  —  Hongkong.  Vom 
26.  Januar  bis  1.  Februar  1  tödlich  verlaufene  Erkrankung.  —  Britisch 
Ostafrika.  Vom  14.  Januar  bis  5.  Februar  sind  7  Erkrankungen  ge¬ 
meldet  worden,  von  denen  insgesamt  6  tödlich  verlaufen  sind.  — 
Brasilien.  In  Pernambuco  vom  16.  bis  31.  Dezember  v.  J.  1  Todes¬ 
fall,  in  Santos  am  1.  Dezember  2  Erkrankungen  und  2  Todesfälle.  — 
Hawaii.  In  Kukuihaele  am  31.  Januar  1  Erkrankung  und  1  Todesfall. 

—  In  der  9.  Jahreswoche,  vom  23.  Februar  bis  1.  März  1913, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Jena  mit  30,6.  die  geringste  Worms  mit  3,2  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Kaiserslautern,  an  Diphtherie  und 
Krupp  in  Gladbeck,  Hamm,  Harburg,  an  Keuchhusten  in  Elbing,  Hof. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Erlangen.  Dr.  Lobenhoff  er  hielt  seine  Probevorlesung 
über  „die  Hypophyse“  (nicht  über  „Kyphose“  s.  vor.  No.). 

Freiburg  i.  Br.  Dr.  Johannes  O  e  h  1  e  r,  erster  Assistent  an 
der  chirurgischen  Klinik,  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Chirur¬ 
gie  mit  der  Antrittsvorlesung  über  die  chirurgische  Behandlung  der 
Nierenerkrankungen,  (hk.) 

Kiel.  Dr.  med.  Max  Käppis  aus  Tübingen,  Assistenzarzt  der 
Kgl.  chirurgischen  Klinik,  habilitierte  sich  für  Chirurgie.  Die  Habili¬ 
tationsschrift  lautete:  „Beiträge  zur  Frage  der  Sensibilität  der  Bauch¬ 
höhlen“  und  die  Antrittsvorlesung:  „Der  gegenwärtige  Stand  der 
Lokalanästhesie“. 

Leipzig.  Für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  habilitierte  sich 
Dr.  Bernhard  Schweitzer,  Assistent  an  der  Frauenklinik,  mit 
einem  Probevortrag  über  „Die  neueren  Forschungen  über  Bakterio¬ 
logie  und  Prophylaxis  des  Kindbettfiebers,  insbesondere  in  Rücksicht 
auf  die  hämolytischen  Streptokokken“,  (hk.) 

Münster  i.  W.  Der  Provinzialausschuss  beschloss,  dem  Pro¬ 
vinziallandtage  eine  Vorlage  zu  unterbreiten,  in  der  dem  Staat  für 
den  Ausbau  der  medizinischen  Fakultät  250  000  Mark  angeboten 
werden,  falls  die  Stadt  Münster  mindestens  500  000  Mark  zur  Ver¬ 
fügung  stelle. 

S  t  r  a  s  s  b  u  r.g.  Den  Privatdozenten  Dr.  Karl  Pfersdorf 
(Psychiatrie),  Assistent  an  der  psychiatrischen  und  Nervenkiinik, 
Dr.  Julius  Baer  (Innere  Medizin)  und  Dr.  Walter  Berg  (Anatomie), 
Assistent  und  Kustos  am  anatomischen  Institut,  ist  der  Titel  Professor 
verliehen  worden,  (hk.) 

Bern.  Dr.  Fr.  L.  D  u  m  o  n  t  habilitierte  sich  für  Chirurgie, 
Dr.  M.  Steiger  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Lemberg.  Der  a.  o.  Universitätsprofessor  für  Anatomie  des 
Nervensystems  Dr.  Gustav  B  i  k  e  1  e  s  erhielt  den  Titel  eines  ordent¬ 
lichen  Universitätsprofessors. 

Wien.  Die  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  schreibt  neuerlich  den 
Dr.  Goldberger  -  Preis  im  Betrage  von  2000  Kronen  für  die 
beste  Beantwortung  des  Themas:  „Entstehung  und  Therapie  der  Re- 
flexanurie“  aus.  Aerzte  aus  Oesterreich-Ungarn  und  ganz 
Deutschland  können  um  diesen  Preis  konkurrieren.  Ein¬ 
reichungstermin  bis  längstens  15.  Mai  1914,  Zuerkennung  des  Preises 
im  Oktober  1914.  Einsendungen  sind  an  das  Präsidium  der  k.  k.  Ge¬ 
sellschaft  der  Aerzte  in  Wien  in  üblicher  Weise  mit  Motto,  einem 
geschlossenen  Kuvert  mit  demselben  Motto  aussen,  innen  Namen  und 
Adresse,  zu  richten. 

(Todesfälle.) 

In  K  ö  1  n  starb  Prof.  Dr.  Seemann,  Direktor  des  physiologisch¬ 
chemischen  Institutes  der  Akademie  für  praktische  Medizin,  nach 
über  4  Monate  langem  Leiden  an  einer  schwersten  perniziösen  An¬ 
ämie.  Er  wirkte  in  Köln  als  Nachfolger  des  nach  Berlin  berufenen 
Prof.  Cr  einer  seit  1911/12. 

Dr.  O.  P  e  r  t  i  k,  Professor  der  pathologischen  Anatomie  zu  Pest. 

(Berichtigung.)  In  No.  10,  S.  543,  Sp.  2,  Z.  25  v.  u.  ist 
statt  „oder  Eventration“  zu  lesen :  „o  h  n  e  Eventration“. 

Der  Verfasser  des  in  No.  8,  S.  243  angezeigten  Buches:  La 
Tuberculose  pulmonaire  maladie  evitable  ist  Dr.  R.  B  r  u  n  o  n  in  Rouen 
(nicht  Brunon  und  Rouen). 


624 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Koi 


Korrespondenz. 

Nachtrag  zu  meiner  Mitteilung:  „Eine  neue  Methode  des  Nachweises 
und  der  Registrierung  der  Wirkung  proteolytischer  Fermente“ 1). 

Von  Dr.  Alfred  Kantorowicz. 

Herr  Professor  Fermi  bittet  mich  um  die  Feststellung,  dass  er 
schon  im  Jahre  1899  2)  die  Anwendung  von  Gelalineplatten  zum  Nach¬ 
weis  von  proteolytischen  Fermenten  empfohlen  hat. 

Ich  möchte  betonen,  dass  meine  Methode  nicht  den  Anspruch 
erhebt,  gänzlich  neu  zu  sein,  sondern  nur  eine  praktische  Ausge¬ 
staltung  dieses  heute  allgemein  bekannten  Verfahrens  darstellt. 


Aerztliche  Reklame  in  Amerika. 

Man  schreibt  uns:  In  Ihrer  Nummer  vom  21.  Januar  1913  druckt 
Herr  Professor  Galli  auf  S.  141  das  Folgende:  „Einen  sehr 
schlechten  Eindruck  macht  auf  den  europäischen  Arzt  die  allgemein 
verbreitete  Gewohnheit  der  Aerzte,  in  allen  möglichen  politischen 
und  sonstigen  Zeitungen  zu  inserieren,  und  zwar  eine  Art  von 
Reklame  zu  machen,  die  für  uns  etwas  ganz  Unbekanntes  ist." 

Hätte  Herr  Prof.  Galli  den  ersten  besten  Arzt  über  den  Gegen¬ 
stand  gefragt,  so  würde  er  eines  Besseren  belehrt  worden  sein.  Was 
Herr  Galli  gelesen  hat,  sind  prahlende  Anzeigen  von  —  Quack¬ 
salbern.  Anzeigen  irgendwelcher  Art  sind  hier  verpönt,  dürften  nie¬ 
mals  gedruckt  werden.  Wer  sich  dergleichen  zu  schulden  kommen 
lässt,  kann  auf  gesellschaftliche  Stellung  in  ärztlichen  Kreisen  keinen 
Anspruch  machen.  Keine  ärztliche  Gesellschaft  hat  jemals  einen  Arzt, 
der  sich  dergleichen  erlaubt  hat,  als  Mitglied  aufgenommen.  Auch 
Anzeigen,  welche  wir  in  deutschen  Zeitungen  lesen,  z.  B.  dass  Dr.  A. 
von  seinen  Ferien  oder  von  seiner  Studienreise  zurückgekehrt  ist, 
werden  hier  mit  Erstaunen  oder  Spott  gelesen.  Die  „Grundsätze 
ärztlicher  Ethik“,  welche  ich  Ihnen  beilege,  werden  Ihnen  das  be¬ 
weisen.  Das  ist  aber  bei  weitem  nicht  alles.  Es  ist  ganz  unmöglich, 
dass  irgend  ein  Arzt  hier  auf  seinem  Schild,  oder  aut  seiner  Karte, 
seine  Spezialität:  Nervenarzt,  Kinderarzt,  Frauenarzt,  Chirurg,  oder 
irgend  etwas  der  Art  anzeigen  wird.  Höchstens  kommt  es  vor,  dass 
gelegentlich  ein  Arzt  seinen  Kollegen  —  brieflich  —  die 
Mitteilung  macht,  dass  er  in  Zukunft  sich  ausschliesslich  mit  der 
Behandlung  dieser  oder  jener  Spezialität,  als  solcher,  beschäftigen 
wird.  Wenn  also  Herr  Prof.  Galli  von  einer  „Abwehrbewegung“ 
spricht,  welche  hier  „eingeleitet“  ist,  so  ist  er  im  Irrtum.  Eine  Ab¬ 
wehr  ist  nicht  nötig  und  existiert  nicht;  war  auch  unnötig,  seit  die 
im  Jahre  1847  gegründete  American  Medical  Association  auf  un¬ 
wandelbar  ethischer  Grundlage  aufgebaut  worden  ist.  Unsere  Mi t- 
gliederzahl  beträgt  mehr  als  40  000,  in  allen  Staaten  der  Union. 

Hochachtungsvoll 

A.  .1  a  c  o  b  i,  Präsident  der  American  Medical  Association. 

Ganz  in  demselben  Sinne  lautet  auch  eine  Zuschrift  von 
Dr.  W.  Freuden  thal  in  New  York,  der  der  Vorsitzende  des  von 
der  New  Yorker  Deutschen  med.  Gesellschaft  zum  Empfang  der 
14.  deutschen  Studienreise  eingesetzten  Ausschusses  war. 


Zur  Einführung  der  neuen  Krankenversicherung. 

Warn  u  n  g. 

Neuerdings  mehren  sich  die  Fälle,  dass  Kassenvorstände  und 
Kassenverwaltungen  an  einzelne  Aerzte  und  ärztliche  Lokal¬ 
organisationen  mit  scheinbar  vorteilhaften  Anerbietungen  auf  Ver¬ 
längerung  oder  Neuabschluss  von  Kassenarztverträgen  herantreten. 
Solche  Anerbieten  sind  irreführend  und  haben  nur  den  Zweck,  die 
Aerzte  einseitig  zu  binden.  Nur  sehr  wenige  Krankenkassen  können 
mit  Sicherheit  behaupten,  dass  sie  nach  dem  1.  Januar  1914,  dem 
Termin  für  das  Inkrafttreten  der  neuen  Kassensatzungen,  bestimmt 
noch  bestehen  werden.  Und  auch  diese  wenigen  sind  nicht  in  der 
Lage,  sichere  Angaben  über  Zahl  und  Art  ihrer  Mitglieder  und  über 
ihre  Leistungen  zu  machen,  und  können  das  auch  nicht  eher,  als  der 
Bundesrat  die  Mustersatzungen  herausgibt  und  die  Oberversiche¬ 
rungsämter  die  Zulassung  ausgesprochen  haben. 

Wir  warnen  deshalb  die  Herren  Kollegen  und  die  Vorstände  der 
Kassenarztvereine  entschieden  davor,  mit  Kassen  jetzt  schon  in  Ver¬ 
tragsverhandlungen  einzutreten,  und  bitten,  falls  Angebote  gemacht 
werden,  in  jedem  Falle  von  der  betreffenden  Kasse  den  Nachweis 
der  erfolgten  Zulassung  und  die  Vorlegung  der  vom  Oberversiche¬ 
rungsamte  genehmigten  Kassensatzungen  zu  verlangen.  Wir  bitten 
ferner,  uns  als  der  vom  Geschäftsausschuss  des  Deutschen  Aerzte- 
vereinsbundes  eingesetzten  Vertragszentrale,  von  jedem  solchem  An¬ 
gebote  sofort  Mitteilung  zu  machen  und  den  Vertragsentwurf  oder 
das  Vertragsangebot  einzusenden  und  unsere  Genehmigung,  welche 


Q  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  46,  1912. 

2)  Fermi  und  Buscaglioni:  Die  proteolytischen  Enzyme 
im  Pflanzenreiche.  Zentralbl.  f.  Bakt.,  2.  Abt.,  5.  Bd.,  1899.  —  Fermi: 
Reagentien  und  Versuchsmethoden  zum  Studium  der  proteolytischen 
und  gelatinolytischen  Enzyme.  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  55. 


umgehend  erfolgen  wird,  abzuwarten,  bevor  die  Verhandlungei ü 
gefangen  bzw.  fortgesetzt  werden. 

Leipzig,  Dufourstrasse  18. 

Der  Vorstand  des  Leipziger  Verbatu. 
Hartmann. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armt 

für  den  Monat  Januar  1913. 


Iststärke  des  Heeres: 

70200  Mann,  204  Kadetten,  159  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 


1.  Bestand  waren 


am  31 

.  Dezember  1912 : 

2.  Zugang:  j 

im  Lazarett: 
im  Revier: 

[  in  Summa: 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

°/oo  der  Iststärke : 

dienstfähig: 

°/oo  der  Erkrankten: 
gestorben : 

'/ oo  der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 


934 

1564 

1437 

3001 

3935 

56,1 

2308 

586,5 

6 

1,5 


Kadetten 


19 


Unter  ii 
vor«  Ii 


19 

19 

93,1 

12 

631,6 


11, 

) 

L, 


3.  Abgang: 


4.  Bestand 
bleiben  am 
31. Jan  1912: 


mit  Versorgung: 
i  ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

anderweitig: 
in  Summa: 


24 

3 


57 

81 

2479 


12 


) 


in  Summa: 

°l oo  der  Iststärke: 
davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 


1456 

20,7 

1155 

301 


7 

34,3 

7 


Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten 

Blinddarmentzündung  2,  Gesichtsrose  1,  Blutvergiftung  1,  Bk 
fellentztindung  1,  Leber-  und  Magengekröseverletzung  1. 

Ausserhalb  der  militärärztlichen  Behandlung  starben  2  Mai1 
folge  von  Selbstmord  (Erschiessen  1,  Erhängen  1). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnaii 
Monat  Januar  8  Mann. 

Ausserdem  ist  1  Selbstmord  durch  Ertränken  im  Monat!* 
vember  1912  zu  verzeichnen. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  9.  Jahreswoche  vom  23.  Februar  bis  1.  März  1k 
Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bilcr, 
fehler  11(13 1),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  7  (10),  Kindbettfieber  ( 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  -t 
Masern  u.  Röteln  —  (1),  Diphtherie  u.  Krupp  —  (1),  Keuchhusten! 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  1  (—1,  akut.  Gelenkrheumatismus  ( 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  HuniA 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  Starrkrampf  •( 
Blutvergiftung  —  (1),  Tuberkul.  der  Lungen  22  (27),  Tuberkul.  and 
(auch Skrofulöse)  3  (2 ',  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (1),  Ltg 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  22(11),  Influenza  —  (2),  \i 
sehe  Krankh.  1  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckd 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat. Cholera,  Weit 
fieberusw.  1  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (3),  Alk  e 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  3  (I),  sonst.  Kr 
d.  Atmungsorgane  1  (5),  organ.  Herzleiden  22  (14),  Herzschlag,  < 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  2  (7),  Arterienverkc 
5  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  3  ( — ),  Gehirnschlag’ 
Geisteskrankh.  4  (—),  Krämpfe  d.  Kinder  2  (4),  sonst.  Krankh.  d.Nv 
Systems  5  (3),  Atrophie  der  Kinder  1  (2),  Brechdurchfall  — (1),  An 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  3  (4),  Blind 
entzünd.  —  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldd 
Milz  2  (6),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  6  (2),  NierenentzüncP 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (1),  Krebs  28  (18),  3 
Neubildungen  3  (2),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  ( — ),  Kran1 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  3  (4),  Mord,  Totschlaga 
Hinricht.  —  ( — ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen1 
and.  benannte  Todesursachen  3  (1),  Todesursache  nicht  (gena 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  186  (173). 


U  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vop*c 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  ln  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


0ie  MfmcfieiW  MetfmniscfteWodienscfirift  erscheint  wocfipntlielV  .  <v  __  ZlisencfUnfjen  sind- zu  adressieret«- : 

im  Umfang  von  durchschnittlieh  7  Bogen.  .  Preis  der  einzelnen  Alt  I  1  M  II  T?  M  T?  D  Für  die  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8V.-1  Uhr. 
Nummer  8Q.  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich  1 V I  nl  .h  P  1  P  M  Für  Abonnement  an  I.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
M.  6.—.  *  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag.  Ar*  Für  inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mossc,  Thcatinerstrassc  8. 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


So.  12.  25.  März  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Oie  Beeinflussung  von  Lungenerkrankungen  durch  künst¬ 
liche  Lähmung  des  Zwerchfells  (Phrenikotomie). 

Von  F.  Sauerbruch  in  Zürich. 

In  einer  zusammenfassenden  Arbeit  (Die  extrapleu- 
raleThorakoplasti  k,  Ergebnisse  der  inn.  Med.  u.  Kinder¬ 
heilkunde,  Bd.  X)  habe  ich  vor  kurzem  die  allgemein  patho¬ 
logischen  Grundlagen  der  Lungenkollapstherapie  und  beson¬ 
ders  der  extrapleuralen  Thorakoplastik  auseinandergesetzt. 
Ich  konnte  zeigen,  dass  die  mechanische  Einengung  des  Brust¬ 
korbes  über  dem  Haupterkrankungsherd  nur  selten  genügt, 
wenn  nicht  daneben  noch  für  eine  funktio¬ 
neile  Ruhigstellung  der  Lunge  gesorgt  wird. 
Im  besonderen  ergab  sich,  dass  eine  partielle  Oberlappen¬ 
plastik  das  erkrankte  Lungengewebe  zwar  zur  Retraktion,  und 
Kavernen  zur  Verkleinerung  bringen  kann,  dass  aber  nur  dann 
für  den  Heilverlauf  eine  genügende  Wirkung  zu  erhoffen  ist, 
wenn  gleichzeitig  durch  Ausdehnung  der  Rippenresektion  auf 
die  unteren  Thoraxabschnitte  auch  eine  Ruhigstellung  der 
Lunge-  erreicht  wird.  Geradezu  notwendig  wird  aber  diese 
Beeinflussung  des  Unterlappens  bei  Oberlappentuberkulosen, 
wenn  es  sich  um  kavernöse  Phthisen  mit  grossen  Sputum¬ 
mengen  handelt.  Hier  ist  die  Gefahr  einer  Aspiration  tuber¬ 
kulösen  Materials  aus  dem  erkrankten  Oberlappen  in  den  ge¬ 
sunden  Unterlappen  ausserordentlich  gross.  Zweimal  habe 
ich  bei  umschriebener  Oberlappenplastik  diese  Aspiration 
beobachtet  und  diesem  Eingriff  seitdem  stets  die  Einengung 
und  Ruhigstellung  des  Unterlappens  vorausgeschickt.  An¬ 
fangs  wurde  diese  Operation  in  2  Sitzungen  ausgeführt. 
Nach  dem  jetzigen  Ausbau  der  Technik  kann  man  aber  in 
den  allermeisten  Fällen  dem  Kranken  in  einer  Sitzung  die 
Resektion  der  11. — 2.  bezw.  1.  Rippe  zumuten  (vergl.  die 
genannte  Arbeit).  Wenn  Wilms  neuerdings  glaubt,  dass 
auch  nach  der  Einengung  des  Unterlappens  die  Aspirations¬ 
gefahr  fortbestehe,  so  kann  ich  demgegenüber  auf  meine 
Erfahrungen  hinweisen.  Bei  58  Kranken  habe  ich  nunmehr 
die  extrapleurale  Thorakoplastik  wegen  Tuberkulose  aus¬ 
geführt.  Es  trat  nur  bei  den  beiden  isolierten  Oberlappen- 
plustiken  eine  Aspirationspneumonie  auf  derselben  Seite 
ein.  Klinisch  war  sie  schon  am  ersten  Tage  nach  der 
Operation  als  beginnende  Pneumonie  nachweisbar.  Die 
Kranken  gingen  an  den  Folgen  dieser  Erkrankung  nach 
3  bezw.  4  Monaten  zugrunde.  Dagegen  wurde  in  keinem 
der  anderen  Fälle  eine  Aspiration  in  den  gesunden  Unter¬ 
lappen  derselben  Seite  beobachtet.  Die  Ruhigstellung  und 
Einengung  des  Unterlappens  schloss  eben  diese  Kompli¬ 
kation  aus. 

Die  Erfahrung  hat  gezeigt,  dass  bei  fast  allen  fort¬ 
geschritteneren  Oberlappentuberkulosen  auch  im  Unterlappen 
vereinzelte  Herde  angetroffen  werden.  Hier  ist  die  Ein¬ 
engung  des  Unterlappens  ohne  weiteres  indiziert.  Anderer¬ 
seits  muss  zugegeben  werden,  dass  der  Eingriff  bei  klei¬ 
neren,  scharf  umgrenzten  Prozessen  im  Oberlappen  und  voll¬ 
ständig  gesunden  Unterlappen  im  Missverhältnis  zu  der  Aus¬ 
dehnung  der  Erkrankung  steht.  Es  entstand  darum  die  Frage, 
ob  man  nicht  den  wichtigen  Heilfaktor  der  funktionellen  Ruhig- 
stellung  und  die  Herabsetzung  der  Aspirationsgefahr  auf 
schonendere  und  einfachere  Weise  erreichen  könne. 

per  Gedanke,  dieses  Ziel  durch  eine  künstliche  Lähmung 
des  Zwerchfells  zu  erreichen,  lag  nahe.  Die  Folgen  der  künst¬ 
lichen  Zwerchfellähmung  waren  mir  aus  meinen  früheren 
Studien  über  die  intrathorakale  Verlagerung  des  Magens  bei 

No.  12. 


(Nachdruck  der  Origmalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

[  der  Oesophagusresektion  bekannt:  Nach  Durchtrennung  des 
Nerven  rückt  das  Zwerchfell  in  maximale  Exspirations- 
stellung  und  beteiligt  sich  an  der  Respiration  nicht  mehr.  Nur 
I  sieht  man  noch  kleine  Schwankungen,  die  in  umgekehrtem 
Sinne  zur  Norm  auftreten.  Dieses  Verhalten  des  gelähmten 
Zwerchfells  beim  Menschen  ist  ausführlich  von  de  1  a  Camp. 
Kienböck,  Hofbauer,  Holzknecht  u.  a.  beschrieben 
worden.  Der  Ausfall  der  Zwerchfellähmung  setzt  die  respi¬ 
ratorischen  Volumenschwankungen  der  Lunge  und  besonders 
des  Unterlappens  erheblich  herab.  Man  erreicht  also  eine 
funktionelle  Ausschaltung  der  Lunge,  die  ja,  wie  wir  sahen,  für 
die  Heilungsvorgänge  in  der  erkrankten  Lunge  von  besonderer 
Bedeutung  ist.  Für  die  günstige  Beeinflussung  der  Lunge  sind 
aber  auch  zwei  weitere  Folgen  der  Zwerchfellähmung  von  Be¬ 
deutung.  Durch  das  Heraufrücken  des  Zwerchfells  in  extreme 
Exspirationsstellung  wird  eine  Kompression  des  Unterlappens 
ausgeübt.  Weiter  hat  sich  gezeigt,  dass  nach  Zwerchfell- 
durchtrennungen,  ähnlich  wie  beim  Pneumothorax  und  nach 
der  Unterbindung  der  Arteria  oder  Vena  pulmonalis,  eine 
Bindegewebsproliferation  in  der  Lunge  sich  einstellt.  R  u  h  i  g- 
stellung  der  Lunge,  Kompression  derselben 
und  Bindegewebsproliferation  sind  aber  die 
Hauptheilfaktoren  der  Thorakoplastik.  Die 
künstliche  Zwerchfellähmung  kann  also  mit  diesem  Verfahren 
in  Parallele  gesetzt  werden.  Umgekehrt  wird  es  also  zweck¬ 
mässig  sein,  in  bestimmten  Fällen  anstatt  einer  Unterlappen¬ 
plastik  den  viel  schonenderen  Eingriff  einer  künstlichen 
Zwerchfellähmung  auszuführen. 

Die  erste  Indikation  für  diesen  Eingriff  schien  mir  gegeben 
bei  umschriebenen  Oberlappentuberkulosen  mit 
gesundem  oder  sehr  wenig  erkranktem  Unter¬ 
lappen.  Hier  soll  die  Lähmung  des  Zwerchfells  eine  Ruhig¬ 
stellung  und  Kompression  des  Unterlappens  bewirken,  die 
Aspirationsgefahr  bei  der  folgenden  Oberlappenplastik  herab¬ 
setzen  und  den  Unterlappen  selbst  günstig  beeinflussen. 

Weiter  aber  kann  die  künstliche  Zwerchfellähmung  bei 
einer  Unterlappentuberkulose  allein,  oder  bessei 
noch  in  Verbindung  mit  einer  Plastik  erwogen  werden.  Denn 
be,ide  Eingriffe  wirken  gleichsinnig  durch  Kompression, 
Ruhigstellung  und  Anregung  der  Bindegewebsproliferation. 
Der  Effekt  muss  ein  besonders  grosser  sein,  da  die  Kom¬ 
pression  in  zwei  Richtungen  erfolgt.  Selbstverständlich 
kann  dieser  Eingriff  auch  bei  nichttuberkulösen  Erkran¬ 
kungen  des  Unterlappens,  wie  z.  B.  Bronchiektasen,  von  Vor¬ 
teil  sein.  Auch  liegt  es  nahe,  die  künstliche  Zwerchfellähmung 
bei  grossen  Empyemhöhlen  anzuwenden,  vielleicht  in  Ver¬ 
bindung  mit  der  S  c  h  e  e  d  e  sehen  Plastik,  die  dann  in  ent¬ 
sprechend  geringerem  Umfang  notwendig  wird. 

Schliesslich  erscheint  mir  die  Durchschneidung  des 
Phrenikus  dann  angezeigt  zu  sein,  wenn  bei  schwerer  Tuber¬ 
kulose  einer  Seite  die  andere  Seite  zu  krank  ist,  als  dass  eine 
Thorakoplastik  ausgeführt  werden  könnte.  Es  darf  von  der 
Phrenikusdurchschneidung  und  der  Herabsetzung  der  Funk¬ 
tion  der  kranken  Lunge  immerhin  eine  Besserung  erwartet 
werden. 

Auf  Grund  dieser  Ueberlegungen  entschloss  ich  mich, 
nach  Rücksprache  mit  Herrn  Professor  E  i  c  h  h  o  r  s  t,  an  ge¬ 
eigneten  Kranken  seiner  Abteilung  die  Phrenikotomie  aus¬ 
zuführen. 

Von  Herrn  Dr.  Staub  (Wald)  erfuhr  ich  dann,  dass 
bereits  von  Stürtz  im  Jahre  1911  und  später  noch 
einmal  im  Jahre  1912  der  Vorschlag  gemacht  worden 
sei,  schwere,  chronische,  einseitige  Unterlappenerkran 
klingen  mittelst  Phrenikusdurchschneidung  zu  behandeln. 

l 


6  26 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No:  12. 


S  t  ii  r  t  z  gibt  die  Ergebnisse  experimenteller  Untersuchungen 
wieder,  die  sich  mit  meinen  Beobachtungen  decken.  Nach 
Durchtrennung  des  Nerven  steigt  das  Zwerchfell  in  die  Höhe, 
es  beteiligt  sich  an  der  Respiration  nicht  mehr,  nur  kleine 
Schwankungen  treten  noch  auf,  die  aber  paradox  sind.  Sie 
erklären  sich  daraus,  dass  in  der  Inspiration  das  Zwerchfell 
gewissermassen  angesogen,  in  der  Exspiration  dagegen  her- 
untergedrückt  wird.  Vor  allem  konnte  S  t  ü  r  t  z  eine  von 
H  e  1 1  i  n  aufgestellte  Behauptung,  dass  die  gelähmte  Zwerch-  j 
fellhälfte  eine  Mitbewegung  mit  der  gesunden  zeige,  als  un-  , 
richtig  zurückweisen.  S  t  ü  r  t  z  hat  bereits  die  therapeutische 
Bedeutung  der  Phrenikusdurchtrennung  klar  erkannt.  Er  ver- 
anlasste  Bardenheuer,  bei  einem  Kranken  mit  Bron¬ 
chiektasen  im  linken  Unterlappen  diese  Operation  auszuführen; 
eine  genauere  Beschreibung  dieses  Falles  habe  ich  nicht 
finden  können.  Immerhin  geht  aus  der  Mitteilung  S  t  ü  r  t  z 
hervor,  dass  nach  glattem  Operationsverlauf  eine  geringe  j 
Besserung  eintrat.  Auch  zeigte  sich  nach  der  Operation  bei 
dem  Kranken  der  charakteristische  Hochstand  des  Zwerch¬ 
fells  und  seine  paradoxe  Bewegung. 

Schepelmann  hat  nun  erneut  die  Wirkung  der  i 
künstlichen  Zwerchfellähmung  studiert  (Münch,  med.  Wochen- 
schr.  1913,  No.  9,  S.  490).  Seine  Ergebnisse  fügen  der  Dar¬ 
stellung  Svtürtz’  nichts  Neues  hinzu.  Erfahrungen  über  die 
Phrenikusdurchschneidung  am  Menschen  hat  er  nicht.  Sein 
Vorschlag  geht  dahin,  beginnende  Spitzentuberkulosen  durch 
künstliche  Lähmung  des  Zwerchfells  günstig  zu  beeinflussen. 


Fig.  1.  Fig.  2. 

Die  Mitteilung  Schepelmanns  veranlasst  mich  nun, 
früher,  als  ich  wollte,  meine  Auffassung  über  die  Phrenikotomie 
und  meine  Erfahrungen  am  Menschen  mitzuteilen. 

Zunächst  erscheint  es  mir  zweifelhaft,  ob  wir  auf  Grund 
der  vorliegenden  Erfahrungen  bei  der  operativen  Behandlung 
der  Lungentuberkulose  wirklich  den  Schepelmann- 
schen  Vorschlag  gutheissen  können. 

Man  sollte  daran  festhalten,  beginnende  Spitzen¬ 
tuberkulosen  klimatologisch  und  diätetisch  zu  behandeln.  Erst 
nach  Versagen  der  internen  Behandlung  ist  ein  operativer  Ein¬ 
griff  zu  erwägen.  Ob  dann  aber  die  Phrenikotomie  das  ge¬ 
gebene  Verfahren  ist,  ist  noch  unsicher.  Die  Spitze  der  Lunge 
wird  am  wenigsten  durch  eine  Zwerchfellähmung  beeinflusst. 

Weiter  haben  die  bisherigen  Erfahrungen  gezeigt,  dass 
gerade  für  die  Oberlappentuberkulose  die  Retraktion  des 
Lungengewebes  von  grosser  Bedeutung  ist.  Die  Ruhigstellung 
der  Lunge  muss  deshalb  verbpnden  werden  mit  Resektion 
der  Brustwand.  Dagegen  erscheint  mir  die  Kombination  der 
Phrenikotomie  mit  partieller  Plastik  bei  Oberlappentuber¬ 
kulose  aussichtsvoll.  Vielleicht  würde  bei  gesundem  Unter¬ 
lappen  sogar  die  vorübergehende  Lähmung  des  Nerven  ge¬ 
nügen  (H  e  n  s  c  h  e  n). 

Fünf  Phrenikotomien  am  Menschen  haben  mir  gezeigt, 
dass  die  Operation  einfach  und  der  Eingriff  für  den  Kranken 
leicht  ist.  Alle  Kranken  konnten  bereits  nach  2—3  Tagen  das 
Bett  verlassen.  Es  traten  keine  Herz-  und  Atmungsstörungen 


auf,  lind  auch  die  nach  Verletzungen  des  Phrenikus  beob¬ 
achtete  frequente  Atmung  fehlte. 

In  dem  ersten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  schwere  rechts¬ 
seitige  Tuberkulose  bei  gleichzeitiger  mittelschwerer  F.rkrankung  der 
linken  Lunge.  Hier  hatte  die  Durchtrennung  des  Phrenikus  den 
Rrfolg,  dass  der  lästige  Reizhusten,  unter  dem  die  Kranke  litt,  nach 
der  Phrenikusdurchschneidung  sofort  aufhörte.  Die  Zeit  nach  der 
Operation  ist  zu  kurz,  als  dass  aus  dem  bisherigen  Verlauf  weitere 
Schlüsse  gezogen  werden  könnten. 

ln  2  Fällen  handelte  es  sich  um  Bronchiektasen  des  linken  bzw. 
rechten  Unterlappens,  bei  der  die  Phrenikusdurchschneidung  allein 
oder  in  Verbindung  mit  einer  Unterlappenplastik  ausgeführt  wurde. 
Im  letzteren  Falle  trat  kurz  nach  der  Operation  eine  Abnahme  des 
Sputums  von  300  auf  150 — 200  ccm  ein. 

Im  4.  und  5.  Falle  handelte  es  sich  um  eine  linksseitige  Ober¬ 
lappentuberkulose,  bei  der  die  Phrenikotomie  als  Vorbereitung  für 
eine  partielle  Oberlappenplastik  ausgeführt  wurde.  Beide  Male  Hess 
nach  der  Operation  der  Husten  nach  und  der  Auswurt  nahm  ab. 

Die  Technik  der  Operation  ist  einfach:  Der  Kranke  befindet  sich 
in  halbsitzender  Stellung.  Der  Kopf  wird  auf- die  gesunde  Seite  ge¬ 
neigt  und  dadurch  die  Halsmuskulatur  auf  der  erkrankten  angespannt. 
Der  Hautschnitt  in  10  cm  Länge  verläuft  am  hinteren  Rande  des 
Kopfnickers  bis  zur  Klavikula.  Nach  Durchtrennung  der  oberfläch¬ 
lichen  Muskelschicht  wird  der  Scalenus  anticus  freigelegt.  Am  besten 
lässt  man  den  Kopfmcker  inedialwärts  und  den  Omohyoideus  nach  unter 
ziehen.  Auf  der  Vorderfläche  des  Muskels  läuft  nun  von  oben  nach 
unten  der  ca.  3  mm  dicke  Phrenikus.  Man  isoliert  ihn  mit  einem 
Schieihäkchen.  Darauf  wird  er  durchschnitten.  Bei  der  Isolierung 
der  Nerven  fühlen  die  Kranken  einen  dumpfen  Schmerz  in  der 
„Lunge“.  Es  folgt  eine  Muskel-  und  Hautnaht. 

In  allen  Fällen  war  der  Verlauf  nach  der  Operation 
glatt.  Die  Nachuntersuchung  ergab  die  charakteristischen 
Zeichen  der  Zwerchfellähmung:  maximale  Exspirationsstellung 
und  kleinste  respiratorische  Verschiebung  im  umgekehrten 
Sinne.  Weitere  Erfahrungen  werden  zeigen,  ob  sich  diese 
Methode  in  Verbindung  mit  anderen  zur  operativen  Behänd 
lung  einzelner  Formen  von  Lungenerkrankungen  bewähren 
wird. 


Aus  dem  Institute  für  allgemeine  Pathologie  der  Universität 

zu  Turin. 

Beitrag  zur  Frage  der  Vererbung  der  Anlage  zur 
Geschwulstentwicklung. 

Von  Prof.  B.  Morpurgo  und  Dr.  A.  D  o  n  a  t  i. 

Vorliegende  Untersuchungen  hatten  den  Zweck,  fest¬ 
zustellen,  ob  die  i  n  d  i  v  i  d  u  e  1 1  e  Anlage  zur  Entwicklung 
einer  eingepfropften  Geschwulst  erblich  übertragen  wird. 

Dieselbe  Frage  wurde  von  Cuenot  und  M  e  r  c  i  e  r  “) 
an  Mäusen  für  Mäusekarzinom  der  experimentellen  Prüfung 
unterworfen  und  in  dem  Sinne  beantwortet,  dass  die  Nach¬ 
kommen  von  Nullern  einer  empfänglichen  Rasse  grössten¬ 
teils  sich  empfänglich,  erweisen,  während  jene  von  empfäng¬ 
lichen  Eltern  sehr  oft  unempfänglich  sind. 

Zu  gegenteiligen  Ergebnissen  kamen  J.  L  e  w  i  n  und 
M.  Sittenfield* 2),  indem  sie,  wohl  an  einer  geringen 
Zahl  von  Tieren,  die  Beobachtung  machten,  dass  die  für  ein 
Sarkom  der  Ratten  erhaltene  Ausbeute  von  80  Proz.  bei  den 
Abkömmlingen  der  Nuller  auf  20  Proz.  heruntergesunken  war. 

Nicht  ganz  eindeutig,  aber  im  grossen  und  ganzen  gegen 
eine  nach  den  Vererbungsregeln  sich  richtende  Ab-  resp.  Zu¬ 
nahme  der  Geschwulstempfänglichkeit,  sprechen  die  von 
E.  E.  T  y  z  z  e  r  3)  und  Leo  L  o  e  b  und  Moyer  S.  F  1  e  i  s  h  e  r 4) 
ausgeführten  Versuche  an  Bastarden  von  für  Mäusekarzinom 
empfänglichen  und  nicht  empfänglichen  Mäuseratten. 

Aus  den  wenigen  vorliegenden  Angaben  kann  man  die 
sehr  wichtige  Frage  der  Vererbung  der  Faktoren,  die  die  Ent¬ 
wicklung  einer  geimpften  Geschwulst  begünstigen  oder 
hemmen,  nicht  in  einem  bestimmten  Sinne  beantworten,  so 
dass  ein  neuer  experimenteller  Beitrag  nicht  ganz  ohne  Inter¬ 
esse  erscheinen  wird. 

Unsere  Versuche  wurden  an  weissen  Ratten  ausgeführt. 
Zur  Impfung  wurde  ein  Spindelzellensarkom  verwendet, 
welches  sich  zuerst  in  einer  Ratte  anscheinend  spontan  ent¬ 
wickelt  hatte  und  seit  1910  durch  10  Generationen  in  Ratten 

T  Cornptes  rend.  Acad.  Science,  T.  150,  p.  1443,  1910. 

')  Proceed.  New  York  Pathol.  Soc.  1910. 

3)  Journ.  med.  Research.,  Vol.  21,  1909. 

4)  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  etc.  Or.,  Bd.  67,  H.  3,  XII.  1912. 


5.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


627 


erselben  Rasse  weiter  transplantiert  worden  war.  Die  Ge- 
;hwulst  hatte  sowohl  ihren  klinischen  wie  anatomischen  Cha¬ 
rter  unverändert  erhalten,  und  gab  eine  Impfausbeute  von 
i  Proz.  (391  Geimpften  verschiedenen  Alters).  Nur  ganz 
usnahmsweise  bildete  sie  sich  zurück  (3  mal). 

Mit  derselben  Geschwulst  hatten  wir  eine  bei  weitem 
,cht  so  reichliche  Ausbeute  bei  Ratten  einer  anderen  Rasse, 
ie  wir,  ebenso  wie  die  zuerst  erwähnte,  seit  mehreren 
ihren  im  Institute  rein  züchten.  Unter  124  Impfungen  fielen 
ur  35  (20  Proz.)  positiv  aus,  und  unter  diesen  trat  in  25 
iickbildung  der  bis  zu  Bohnen-  oder  Pflaumengrösse  gewach¬ 
sen  Geschwulst  ein.  Bei  den  jüngeren  Exemplaren  dieser 
asse  war  die  Ausbeute  etwas  reichlicher  (40  Proz.),  aber 
ich  bei  diesen  blieb  die  grosse  Neigung  zur  Rückbildung 
estehen  (70  Proz.). 

Der  Umstand,  dass  eine  an  sich  sehr  leicht  durch  Pfrop- 
ing  übertragbare  Geschwulst  bei  Ratten  von  einer  be- 
immten  Rasse  verhältnismässig  selten  anging,  war  für  die. 
<perimentelle  Behandlung  der  Frage  der  Vererbung  der 
dividuellen  Anlage  zur  Geschwulstentwicklung  besonders 
instig,  da  unter  den  Angehörigen  jener  Rasse  die  Disposition 
nzelner  Exemplare  besonders  scharf  hervortrat. 

Unsere  Versuchsanordnung  war  folgende:  einige  tumor- 
agende  Weibchen  der  wenig  empfänglichen  Rasse  wurden 
it  tumortragenden  Männchen  derselben  Rasse  vereinigt.  Ein 
des  Weibchen  wurde,  wenn  es  der  Niederkunft  nahe  war, 
oliert  und  im  Isolierkäfig  bis  zu  Ende  des  Stillgeschäftes  be¬ 
ssern  Die  Jungen  wurden  im  Alter  von  1 XA  Monat,  also  un- 
ifähr  2  Wochen  nach  beendigter  Saugperiode,  mit  linsen- 
•ossen  Stückchen  von  Sarkom,  welches  von  Trägern  der 
enig  empfänglichen  Rasse  und  meistens  von  der  eigenen 
utter  der  zu  impfenden  Rattengruppe  stammte,  am  Rücken 
ibkutan  geimpft. 

ln  gleicher  Weise  wurden  gleichaltrige  Abkömmlinge  von 
ullern  derselben  Rasse  behandelt.  Zur  Pfropfung  einer 
den  Gruppe  von  Nachkommen  der  Nuller,  wurde  dieselbe 
eschwulst  gebraucht,  die  zur  Pfropfung  einer  entsprechenden 
ruppe  von  Nachkommen  von  Tumorträgern  verwendet 
orden  war. 

Unter  29  Jungen  von  ungefähr  50  g  Körpergewicht,  die 
jn  Geschwulstträgern  der  wenig  empfänglichen  Rasse 
ammten,  entwickelte  sich  in  12  eine  Geschwulst  (41  Proz. 
usbeute),  aber  bei  10  von  diesen  bildete  sich  die  Geschwulst 
linell  zurück  (80  Proz.  Rückbildung).  Unter  28  Jungen  von 
ullern  derselben  Rasse,  die  ungefähr  dasselbe  Körper- 
:wicht  hatten  wie  die  obigen,  entwickelte  sich  die  Ge- 
hwtilst  ebenfalls  in  12  Fällen  (42  Proz.  Ausbeute)  und  unter 
esen  trat  in  8  Rückbildung  ein  (70  Proz.  Rückbildungen). 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dass  die  Impfausbeute 
■i  den  unmittelbaren  Abkömmlingen  von  Geschwulstträgern 
cht  grösser  war,  als  bei  Abkömmlingen  von  Nullern  der- 
lben  Rasse,  und  dass  die  Neigung  zur  Rückbildung  der  mehr 
ler  weniger  entwickelten  Geschwülste  bei  den  ersteren  mehr 
isgeprägt  war  als  bei  den  letzteren.  Bei  beiden  waren  die 
erte  der  Ausbeute  und  der  Rückbildungsfrequenz  den  für 
nge  Exemplare  der  Rasse  ermittelten  Mittelwerten  ungefähr 
eich. 

Es  ist  somit  eine  Vererbung  der  individuellen  Anlage  zur 
ntwickelung  von  gepfropften  Geschwülsten  aus  obigen  Ver- 
ichen  nicht  zu  ermitteln.  Selbstverständlich  darf  man  daraus 
cht  schliessen,  dass  es  keine  Vererbung  der  Anlage  zur  Ge- 
:hwulstentwickelung  bei  Ratten  gibt,  da  es  mehr  als  walir- 
rieinlich  ist,  dass  die  Faktoren  der  Anlage  zur  spontanen 
eschwulstenwickelung  nicht  identisch  seien  mit  jenen  der 
ntwickelung  von  gepfropften  Geschwulstzellen.  So  viel 
irfte  man  dennoch  vom  allgemeinen  Standpunkte  der  Ver- 
bung  von  Geschwulstanlage  schliessen,  dass  jene  Fak¬ 
ten,  die  die  Ernährung  und  Fortpflanzung  von  fertigen  Ge- 
ihwulstzellen  begünstigen  oder  hemmen,  nicht  auf  ver¬ 
daten  individuellen  Eigenschaften  beruhen.  Weiters  kann 
an  aus  obigen  Versuchen  die  praktische  Konsequenz  ziehen, 
iss  die  für  eine  bestimmte  Rasse  eigentümliche  Geschwulst- 
npfänglichkeit  durch  die  Abstammung  der  geimpften  Indi- 
'duen  von  Tumorträgern  oder  von  Nullern  nicht  wesentlich 
-einflusst  wird. 


Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  Dresden  (Direktor:  Prof.  Dr.  E. 

Kehrer). 

Klinisch-experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wirk¬ 
samkeit  der  Wehenmittel  in  der  Nachgeburtsperiode*) 

Von  Dr.  W.  Rübsamen,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Zum  Studium  der  Funktionen  des  schwangeren  und  ge¬ 
bärenden  Uterus  auf  experimentell  klinischer  Basis  sind  von 
Autoren  älterer  und  neuerer  Zeit  verschiedene,  prinzipiell 
allerdings  wenig  voneinander  abweichende  Untersuchungs¬ 
methoden  mit  gutem  Erfolg  angewandt  worden  (Schatz 

u.  a.,  E.  Kehre  r),  seitdem  man  erkannt  hatte,  dass  durch 
Handauflegen  auf  den  Uterus  die  Wehen  nur  ungenau  und 
Kontraktionsunterschiede  noch  weniger  exakt  wahrgenommen 
werden  können. 

Der  Bewegungstypus  des  Uterus  in  der  Schwangerschaft 
ist  bei  Tier  und  Mensch  durch  E.  K  e  h  r  e  r  genau  studiert  und 
auch  der  Stoffwechsel  des  schwangeren  und  puerperalen 
Organs  in  Ruhe  und  Arbeit  neuerdings  untersucht  worden 
(E.  Kehrer,  Rübsamen  und  G  u  s  i  k  o  f  f  und  Perl¬ 
stein). 

So  viel  wir  aber  auch  bereits  über  die  motorischen  Funk¬ 
tionen  des  schwangeren  Uterus  und  deren  Beeinflussbarkeit 
durch  Wehenmittel  wissen,  es  fehlen  derartige,  auf  einwand¬ 
freier  graphischer  Methode  beruhende  Untersuchungen  in  der 
Nachgeburtsperiode  noch  ganz;  denn  begreiflicherweise  stehen 
der  bei  Versuchen  über  Geburtswehen  üblichen  intrauterinen 
Einführung  eines  kleinen  Gummiballons  beim  frisch  puer¬ 
peralen  Organ  wegen  der  Gefahr  der  Wundinfektion  grosse 
Bedenken  gegenüber,  wozu  noch  kommt,  dass  es  sehr  schwer 
ist,  den  Ballon  bei  der  Weite  des  Zervikalkanals  nach  der  Ge¬ 
burt  in  der  Gebärmutter  zurückzuhalten.  Die  Einführung  eines 
Ballons  in  das  Rektum,  sowie  die  Messung  der  intravesikalen 
Druckschwankungen,  die  ich  bei  der  Geburt  versucht  habe, 
führen  in  der  Nachgeburtsperiode  nicht  zu  günstigen  Ergeb¬ 
nissen,  weil  die  bei  der  Nachwehentätigkeit  entstehenden 
intraabdominellen  Druckunterschiede  im  Vergleich  zu  den¬ 
jenigen,  die  bei  der  Wehentätigkeit  des  schwangeren  Uterus 
erfolgen,  nur  geringe  sind,  und  sich  den  Druckverhältnissen  in 
den  benachbarten  Hohlorganen  nur  wenig  mitteilen. 

Es  war  daher  die  Aufgabe,  ein  brauchbares  Verfahren  zur 
Bestimmung  der  motorischen  Funktion  des  frischpuerperalen 
Uterus  zu  finden.  Die  für  meine  Experimente  ausgearbeitete 
Methode  besteht  im  Prinzip  darin,  dass  das  auf  einen  Muskel 
aufgelegte  Gewicht  bei  der  Kontraktion  höher  gehoben  werden 
muss,  als  im  Stadium  der  Erschlaffung  [vergl.  Rübsamen 
und  Gusikoffs  Ergograph  **)].  Diese  Tatsache  habe  ich 
mir  zunutze  gemacht,  indem  ich  ein,  an  einer  Stange  be¬ 
festigtes  Gewicht  von  500  g,  das  eben  die  Spannung  der 
Bauchpresse  zu  überwinden  imstande  ist,  in  Gestalt  einer 
Holzpelotte  den  Bauchdecken,  resp.  dem  Uterus,  vor  oder 
nach  der  Geburt  der  Plazenta,  auflegte,  und  durch  Rollen¬ 
übertragung  mit  einem  Schreibhebel  in  Verbindung  brachte, 
der  die  einzelnen,  durch  einen  Hebel  beliebig  vergrösserten 
Uteruskontraktionen  auf  der  berussten  Trommel  des  Kymo- 
graphions  aufzeichnete.  Die  Zeitschreibung  geschah  mit  dem 
Chronometer  von  Kehrer-Rübsamen.  In  der  externen 
Applikationsmöglichkeit  liegt  der  Vorteil  der  von  mir  an¬ 
gegebenen  Methode.  Es  werden  mit  ihr,  ähnlich  wie  dies 

v.  Uexküll  bei  quergestreiften  Muskeln  feststellte,  Tonus¬ 
schwankungen,  d.  h.  Aenderungen  im  Härtegrad  des  Gebär¬ 
muttermuskels  aufgenommen.  Um  aber  den  störenden  Ein¬ 
fluss  der  bei  der  Bauchpresse  erfolgenden  Veränderungen  im 
Tonus  der  Mm.  recti  auszuschalten  und  reine  Uteruskurven 
zu  erhalten,  ist  es  notwendig,  dass  die  Frauen  während  des 
Versuches  ruhig  liegen,  nicht  husten  und  nicht  in  anderer 
Weise  ihre  Bauchpresse  in  Bewegung  setzen.  Durch  geeig¬ 
nete  Bewachung  lässt  sich  dieses  Postulat  fast  ausnahmslos 
erfüllen  *). 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  dem  Int.  Gyn.-Kongress  am  11.  IX.  1912 
in  Berlin  und  modifiziert  am  16.  I.  1913  in  der  Dresdener  Gynäko¬ 
logischen  Gesellschaft. 

**).  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  95,  Heft  2. 

')  Abbildungen  der  Versuchsanordnung  stelle  ich  Interessenten 
gerne  zur  Verfügung. 


1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


628 


No.  12. 


Die  postpartalen  Beweitungsäusserungen  des  Uterus 
treten  beim  Menschen,  sowohl  bei  Erstgebärenden,  wie  bei 
Mehrgebärenden  in  Form  von  Wehen  auf.  Bei  den  Erst¬ 
gebärenden  waren  jedoch  in  der  Regel  sowohl  vor  als  auch 
nach  der  Geburt  der  Plazenta  die  Tonusschwankungen  ge¬ 
ringer  als  bei  Mehrgebärenden.  Es  gilt  auch  für  den  puer¬ 
peralen  Uterus  das  Kehrer  sehe  „Gesetz  der  kontinuier¬ 
lichen  Uterusbewegungen“,  d.  h.  es  treten  wie  beim  über¬ 
lebenden  Organ  unter  Einhaltung  bestimmter  Wehenpausen 
die  Kontraktionen  unausgesetzt  automatisch  auf.  Tonus¬ 
schwankungen  sind  nur  die  Folgen  von  Reizen,  die  von  aussen 


Zu  meinen  Versuchen  wurden  die  Präparate  Glanduitrin 
Pituglandol  und  Pituitrin  zunächst  in  einer  grösseren  Zahl  von 
Fällen,  in  denen  die  Nachgeburtsperiode  mit  nor¬ 
maler  Wehentätigkeit  verlief,  benutzt.  Bei  intra¬ 
muskulärer  Injektion  in  den  Oberschenkel  zeigte  sich  nacl 
Gaben  von  1  ccm  Pituitrin,  2  ccm  Pituglandol  resp.  1,5  ccn 
Pituglandol  No.  97  und  von  Vt—  1  ccm  Glanduitrin  fast  aus¬ 
nahmslos  ein  deutlich  wahrnehmbarer  erregender  Effekt  au 
den  Wehenkurven.  Die  Wirkung  trat  bald  früher,  bald  später 
meist  4—6  Minuten  nach  der  intramuskulären  und  20  Sekunder 
nach  der  intravenösen  Injektion  ein  (vergl.  Abb.  1).  Bei  suh- 


Versuch.  11.  para:  Versuch  beginnt  20  Minuten  nach  der  Geburt  des  Kindes;  die  Nachgeburt  befindet  sich  während  des  Versuchs  im  Uterus 


Intravenöse  Injektion  vor 
1  ccm  Glanduitrin  20Proz; 
Dauer  der  Inj.  65Sekund 


zugeführt  werden.  Je  nachdem  die  Muskulatur  hart  oder 
weniger  hart  ist,  ist  der  Uterus  kontrahiert  oder  in  verschie¬ 
denem  Grad  erschlafft.  Die  Peristaltik  resp.  Antiperistaltik 
wird  mit  meiner  Methode  nicht  zum  Ausdruck  gebracht,  da¬ 
gegen  die  allgemeine  gleichmässige  Kontraktion,  die  nach  den 
Kehrer  sehen  Untersuchungen  die  charakteristische  Be¬ 
wegungsform  beim  schwangeren  Uterus  des  Menschen  ist  und 
sich  nach  meiner  Beobachtung  auch  in  der  Nachgeburtsperiode 
findet:  auf  einen,  zeitlich  nicht  messbaren  spontanen  Reiz  tritt 
synchrom  und  synergisch  in  allen  Muskelelementen  eine  Kon¬ 
traktion  ein.  Zum  Unterschied  von  den  Wehen  des  schwan¬ 
geren  menschlichen  Uterus  tritt  die  Aszendente  in  der  Nach¬ 
geburtsperiode  nicht  blitzartig  auf;  auch  sind  die  Wehenpausen 
nach  der  Geburt  des  Kindes  bedeutend  länger  als  am  Ende 
der  Austreibungsperiode. 

Der  Tetanus  uteri  erfolgt  nach  allgemeinen  Muskel¬ 
gesetzen  dann,  wenn  einzelne  oder  alle  Teile  des  Uterus¬ 
muskels  längere  Zeit  einem  stark  wirksamen  Reiz  irgend 
welcher  Art  ausgesetzt  sind. 

Von  den  Wehenmitteln,  unter  denen  wir  mechanische, 
thermische,  elektrische  und  chemische  unterscheiden,  kamen  bei 
meinen  Untersuchungen  nur  die  letzteren,  die  fast  alle  einen 
peripheren  Angriffspunkt  haben,  zur  Anwendung.  Von  einem 
in  der  Nachgeburtsperiode  wirksamen  Mittel  müssen  wir  ver¬ 
langen,  dass  es  Uteruskontraktionen  erzeugt,  wenn  solche 
nicht  vorhanden  sind  und  dass  es  die  Uteruskontraktionen  ver¬ 
stärkt,  wenn  solche  nicht  in  genügendem  Masse  von  selbst 
auftreten.  Auch  der  Eintritt  des  Tetanus  uteri  kann  in  der 
Nachgeburtsperiode  und  mehr  noch  nach  Ausstossung  der 
Plazenta  als  günstiger  therapeutischer  Effekt  aufgefasst 
werden.  In  der  Nachgeburtszeit  könnte  allerdings  eine  Dauer¬ 
wirkung  zur  Plazentarretention  für  eine  gewisse  Zeit  führen, 
jedoch  liess  sich  in  solchen  Fällen  der  Cr  e  de  sehe  Hand¬ 
griff  stets  leicht  ausführen. 

Die  idealsten  Wehenmittel  vor  der  Geburt  sind  die  Hypo¬ 
physenextrakte,  deren  kontraktionserregende  Wirkung  1909 
von  E.  Kehrer,  Dal  e,  Frankl-Hochwart  und  Fröh¬ 
lich  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  festgestellt  wurde.  Die  Ver¬ 
wendung  des  Mittels  in  der  Geburtshilfe  wurde  schon  1909 
von  B  e  1 1  in  England  und  im  Jahre  1910  von  Foges-Hoff- 
s  t  ä  1 1  e  r  in  Wien  für  die  Nachgeburtsperiode  und  von 
Hofbauer  1911  zur  Anregung  von  Geburtswehen  zuerst 
empfohlen.  Während  nun  durch  Mitteilungen  aus  den  ver¬ 
schiedensten  Kliniken  (aus  unserer  Klinik  von  E.  Vogt)  und 
vor  allem  nach  den  experimentellen  Untersuchungen  von 
E.  Kehrer  die  grosse  Bedeutung  der  Hypophysenhormone 
als  Wehen  erregende  Mittel  heute  vor  der  Geburt  nicht  mehr 
geleugnet  werden  kann,  waren  über  die  Wirksamkeit  dieses 
Mittels  in  der  Nachgeburtszeit  immer  noch  grosse  Wider¬ 
sprüche  in  der  Literatur  zu  finden.  Die  wissenschaftlich 
interessante  und  klinisch  sehr  bedeutsame  Frage:  „Ist  das 
Hypophysenextrakt  in  der  Nachgeburts¬ 
periode  wirksam  oder  nich  t“,  fordert  daher  zu  kli¬ 
nisch-experimentellem  Studium  auf. 


kutaner  Injektion  war  ein  Effekt  erst  nach  15 — 20  Minute: 
—  bei  fetten  Individuen  in  der  Regel  etwas  später  als  be; 
mageren. —  erkennbar. 

Die  Wirkung  bestand  in  einer  Regularisierung  und  Fre 
quenzzunahme  der  Wehen  und  in  einer  allgemeinen  Tonus. 
Steigerung,  bei  höheren  Dosen  und  bei  intravenöser  Injektio 
im  Auftreten  von  tetanischen  Kontraktionen,  wie  auf  de 
Kurven  zu  erkennen  ist;  jedoch  existieren  individuelle  Ver¬ 
schiedenheiten!  Die  Dauer  der  Wirkung  war  14 — %  Stunde: 
Nach  dieser  Zeit  stellten  sich  dieselben  Bewegungen  wie  voj 
der  Injektion  wieder  ein.  Die  Injektion  lässt  sich  beliebi 
wiederholen  und  dieselbe  Wirkung  konstant  wieder  hervor 
rufen,  allerdings  nur  dann,  wenn  man  ungefähr  die  gleich 
oder  eine  höhere  Dosis  injiziert.  Wenn  man  erst  intravenö 
dann  intramuskulär  appliziert,  erhält  man  bei  der  zweiten  Ir 
jektion  fast  keinen  Effekt.  Die  Wirkung  lässt  sich  verstärke! 
wenn  man  die  zu  injizierende  Dosis  auf  mehrere  Körperstelle 
verteilt  z.  B.  Oberschenkel  und  Vorderarm. 

Aber  nicht  nur  bei  guter,  sondern  auch  bei  schlechte 
Nachwehentätigkeit  ist  ein  Einfluss  der  Hypophyse: 
extrakte  deutlich  erkennbar,  ja  der  Effekt  ist  in  der  Regel  in 
so  grösser,  je  schlechter  die  Wehentätigkeit  ist.  Umgekeh 
war  in  Fällen  von  ausgezeichneter  Wehentätigkeit  p.  p.  in 
sehr  langen  Wehen  und  sehr  kurzen  Pausen  eine  Wirkung  a 
den  Kurven  kaum  oder  gar  nicht  wahrzunehmen. 

Von  grosser  klinischer  Bedeutung  sind  diejenigen  Fäll 
in  denen  bei  starker  atonischer  Uterusblutung  Kontra! 
tionen  mit  den  üblichen  Mitteln  nicht  hervorzurufen  wäre 
aber  durch  Hypophysine  schnell  erreicht  werden  konnte 
(  Anfangs  kamen  diese  intramuskulär  am  Oberschenkel  zur  A 
Wendung,  neuerdings  habe  ich,  wie  dies  auch  schon  v<- 
anderer  Seite  geschehen,  die  Hypophysenextrakte  bei  schw 
ren  postpartalen  Blutungen  intravenös  verabfolgt.  Die  Wi 
kung  der  intravenösen  Injektion  ist  eine  wunderbare  (ver: 
Abb.  1).  Schon  nach  10 — 20  Sekunden  tritt  ein  so  au- 
gesprochener  tetanischer  Kontraktionszustand  auf,  dass 
schon  durch  Handauflegen  auf  den  Uterus  sehr  deutlich  zu  e 
kennen  ist;  der  Tetanus  klingt  dann  allmählich  ab,  indti 
Wehen  und  Wehenpausen  eintreten,  und  nach  etwa  14  Stuir 
ist  der  Effekt  verschwunden.  Wünscht  man  eine  nochrnali' 
Wirkung,  so  braucht  man  die  intravenöse  Injektion  nur  i 
wiederholen.  Als  sichere  Dosis  für  diese  letztere  genügi 
y2 — %  ccm  Pituitrin,  1  ccm  Pituglandol,  %  ccm  Pituglarn  1 
No.  97  und  14  ccm  Glanduitrin.  Zwischen  diesen  Präparat] 
bestehen  bei  der  Art,  wie  sie  augenblicklich  in  den  Hand 
kommen,  nur  quantitative,  keine  qualitativen  Unterschied 
Das  alte  Pituglandol  ist  jedoch  bedeutend  schwächer  •> 
Glanduitrin  und  Pituitrin,  weswegen  die  Firma  Hoffman- 
La  Roche  ein  neues  Präparat  mit  der  Bezeichnung  No.  7 
hergestellt  hat,  das  quantitativ  der  Wirkung  des  Pituitrins  id 
Glanduitrins  fast  gleichkommt. 

Das  konzentrierteste  und  gleichzeitig  billigste  Präpar- 
das  momentan  existiert,  dürfte  das  20  proz.  Glanduitrin,  V’ 
Dr.  Max  Haase  &  Co.,  Berlin,  bezogen,  sein,  das  wir n 
letzter  Zeit  in  der  Klinik  anwenden. 


5.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Zu  bemerken  ist  noch,  dass  die  intravenöse  Injektion  sehr 
ingsain  (1  ccrn  in  50  Sekunden  injizieren)  zu  erfolgen  hat, 
a  das  Hypophysenextrakt  auf  den  Allgemeinzustand  des  Kör- 
i-rs  von  Einfluss  ist.  Denn  gleichzeitig  mit  dem  Eintreten  der 
terinen  Wirkung  bekommen  die  Patienten,  ähnlich  wie  bei 
.uprarenininjektionen,  Brechreiz,  werden  blass  und  beginnen 
ii  transpirieren;  aber  dieser  Zustand  ist  ungefährlich  und  geht 
asch  vorüber. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  in  6  Fällen  von  schwerer  Atonie 
ie  Blutung  allein  durch  intravenöse  Glanduitrinverabreichung 
um  Stehen  zu  bringen;  ich  verfüge  ausserdem  über  10  leich- 

ere  Fälle. 

In  2  Fällen  von  atonischen  Nachblutungen,  in  denen 
;li  den  Blutverlust  nach  meiner  Methode  (R  ii  bsa  m  e  n  und 
Iharlipp:  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  95,  H.  2)  bestimmte,  und  die 
teruskontraktionen  graphisch  registrierte,  stand  20  Sekunden 
lach  Beginn  der  intravenösen  Glanduitrininjektion  in  dem 
Aonient,  als  die  Hypophysenwirkung  auf  der  Kurve  sichtbar 
v'urde,  die  Blutung  momentan.  Kehrt  nach  20 — 40  Minuten 
ine  neue  Blutung  wieder,  so  genügt  zur  vollständigen  Blut- 
tillung  eine  nochmalige  intravenöse  Injektion,  wie  sie  in  den 
raphisch  registrierten  Versuchen  zur  Ausführung  kam. 

Lehrreich  ist  ein  poliklinischer  Fall.  Bei  einer  10,-Ge- 
iirenden.  die  infolge  tiefsitzender  Plazenta  vor  der  Geburt  viel  Blut  ver¬ 
teil  hatte,  gelang  es,  eine  nach  Ausstossung  der  Plazenta  erfolgende 
tonische  Blutung  durch  intramuskuläre  Glanduitrin  (1  ccm  20  Proz.) 
nd  Ergotingabe,  sowie  durch  heisse  Scheidenspülungen  zum  Stehen 
u  bringen.  Ich  ging  nach  einstiindiger  Beobachtung  der  Frau  nach 
lause.  Eine  halbe  Stunde  später  rief  die  Hebamme  abermals  wegen 
tonischer  Nachblutung.  Die  alsbald  vorgenommene  heisse,  intra- 
terine  Kalium  permanganicum-Spülung  brachte  die  Blutung  nur  vor¬ 
hergehend  zum  Stillstand,  weshalb  in  die  rechte  Armvene  1  ccm 
Oproz.  Glanduitrin  injiziert  wurde.  Wenige  Sekunden  später  wurde 
er  Uterus  steinhart  und  die  Blutung  kam  sofort  zum  Stillstand.  Nach 
.>  Stunde  wurde  die  Injektion  wiederholt,  der  Uterus  blieb  sehr  gut 
ontrahiert,  so  dass  kein  Blut  mehr  abging. 

Kann  man  durch  die  Hypophysenextrakte  die  Blutungen 
n  und  nach  der  Nachgeburtsperiode  prompt  zum  Stillstand 
iringen  —  wodurch  vermutlich  die  intrauterinen  Massnahmen, 
lie  die  Gefahr  der  puerperalen  Wundinfektion  in  sich  bergen, 
n  Wegfall  kommen  werden  —  so  gelingt  es  auch,  die  Blut¬ 
verluste  in  der  normalen  Nachgeburtsperiode,  welche  im 
Vlittel  300  ccm  zu  betragen  pflegen,  auf  ein  Minimum  zu  redu- 
'ieren,  wenn  man  prophylaktisch,  wie  es  zuerst  Teufel  in 
ler  Dresdner  Frauenklinik  getan,  das  Hypophysenpräparat  im 
Vloment  der  Geburt  des  Kindes  injiziert.  Eine  grössere  Ver¬ 
suchsreihe,  von  Teufel  und  mir  angestellt,  zeigt,  dass  da- 
lurch  die  Blutmengen  (mit  meiner  Methode  bestimmt)  auf 
iurchschnittlich  80,  im  Minimum  auf  35  ccm  bei  der  gesamten 
leburt  eingeschränkt  werden  können.  Die  Erklärung  für 
liese  Erfolge  liegt,  wie  ich  bereits  vorhin  gezeigt  habe,  darin, 
lass  die  Nachwehen  frequenter  und  intensiver  und  vor  allem 
lie  durch  das  Hypophysenhormon  erzeugten  Pausen  viel 
kürzer  werden,  dass  die  Gebärmutter  somit  keine  Zeit  mehr 
mm  Bluten  hat;  denn  die  Blutungen  aus  dem  Uterus  erfolgen 
uir  in  den  Wehenpausen.  Wenn  das  Mittel  schon  zur  An¬ 
legung  der  Wehen  in  der  Austreibungsperiode  längere  Zeit 
cor  der  Geburt  gegeben  wurde,  so  ist  seine  zeitliche  Wir- 
■cungsbreite  bei  dem  Durchtritt  des  Kindes  bereits  über¬ 
schritten;  die  Nachwehenpausen  sind  dann  nicht  kürzer  als 
n  nicht  pharmakologisch  beeinflussten  Fällen  und  die  Blutung 
ist  dementsprechend  nicht  geringer,  eher  stärker  als  normal 
(bis  513  ccm,  Teufel).  Jedoch  haben  wir  es  nach  dem  Er¬ 
gebnis  meiner  graphischen  Registrierung  jederzeit  in  der  Hand, 
auch  diese  physiologischen  Nachgeburtsblutungen  einzuschrän¬ 
ken,  wenn  wir  im  Augenblick  der  Geburt  des  Kindes  das 
Hypophysenhormon  nochmals  injizieren.  Durch  die  prophy¬ 
laktisch  intramuskuläre  Hypophysenextraktmedikation  kann 
man  also  den  normalen  Blutverlust  bei  der  Geburt,  der  bei  der 
abwartenden  Methode  im  Mittel  300  ccm  beträgt,  um  das 
3  und  4  fache  vermindern.  Es  ist  von  grosser  Bedeutung, 
dieser  Tatsache  bei  anämischen,  schwachen  und  hypoplasti¬ 
schen  Frauen,  bei  langdauernden  Geburten,  bei  Zwillingen 
und  Hydrainnios,  also  dann,  wenn  der  Uterus  übermüdet  oder 
überdehnt  ist  und  ganz  besonders  bei  Placenta  praevia  und 
bei  Sectio  caesarea  zu  gedenken.  Wie  viel  wir  von  dieser 
prophylaktischen  Methode  erhoffen  dürfen,  möge  an  einigen 


Beispielen  von  Placenta  praevia  und  Sectio  caesarea  gezeigt 
werden. 

Der  Blutverlust  bei  Placenta  praevia  wurde  in  6  Fällen 
von  {jem  Augenblick  der  klinischen  Aufnahme  an  genau  mit 
der  von  mir  angegebenen  Methode2 3)  festgestellt;  5  mal  kam 
Braxton  Hicks  und  1  mal  die  Metreuryse  mit  darauf  folgender 
innerer  Wendung  zur  Ausführung.  Sehen  wir  hier  von  der 
vor  dem  Braxton  Hicks  erfolgten  Blutung  ab  —  sie  betrug 
in  unseren  Fällen  im  Minimum  x  +  130  ccm  -1),  im  Maximum 
x  +  692  ccm,  im  Durchschnitt  x  +  404  ccm  — ,  so  verlor  die 
Patientin,  bei  der  Metreuryse  mit  folgender  innerer  Wendung 
ausgeführt  wurde,  140  ccm  Blut  vom  Augenblick  der  Ballon¬ 
einführung  bis  zur  Wendung.  Der  durchschnittliche  Blutver¬ 
lust  nach  Ausführung  des  Braxton  Hicks  bis  120  Minuten  p.  p. 
ohne  Hypophysenextrakt  p.  p.  von  230  ccm  liegt  112  ccm 
höher,  als  der  Durchschnitt  mit  dem  Mittel  von  118  ccm  und 
diese  112  ccm  bedeuten  für  eine  ausgeblutete  Placenta  praevia 
einen  grossen  Blutverlust,  den  wir  ersparen  können,  wenn 
wir  sofort  nach  Ausstossung  des  Kindes  der  Frau  Pituitrin, 
20  proz.  Glanduitrin  oder  Pituglandol  No.  97  einspritzen. 

Diesen  Erfahrungen  bei  Placenta  praevia  schliessen  sich 
unsere  Beobachtungen  beim  klassischen  Kaiserschnitt  an.  In 
14  Fällen  von  klassischem  Kaiserschnitt,  bei  denen  ich  die 
Blutverlustbestimmung  ausführen  konnte,  wurde  8  mal  10  Mi¬ 
nuten  vor  Beginn  des  Bauchschnittes  2  ccm  Pituitrin,  3  ccm 
Pituglandol  No.  97  oder  2  ccm  20  proz.  Glanduitrin  intra¬ 
muskulär  injiziert.  Die  Gesamtsumme  des  per  vaginam  und 
durch  die  Bauchwunde  abgegangenen  Blutes  betrug  im  Durch¬ 
schnitt  957  ccm,  im  Minimum  237  und  222  ccm  Blut.  Die  ohne 
Pituitrin  unter  ziemlich  den  gleichen  Bedingungen  ausgeführten 
Kaiserschnitte  verloren  wesentlich  mehr,  im  Durchschnitt 
1315  ccm  Blut.  Ungefähr  400  ccm  Blut  kann  man  also  der 
Patientin  durch  diese  einfache  intramuskuläre  Anwendung  der 
Hypophysenhormone  ersparen.  Dazu  kommt  der  grosse 
Vorteil  für  den  Operateur,  dass  er  in  fast  blutleerem  Ope¬ 
rationsfelde  die  Nähte  anlegen  kann. 

Interessant  schien  es  auch,  die  Wirkung  des  Mutterkorns 
auf  den  puerperalen  Uterus  experimentell  festzustellen.  Ich 
benützte  zu  den  Untersuchungen  verschiedene  Ergotinprä- 
parate  des  Handels,  da  bekanntlich  die  Mutterkorndroge  auf 
die  Dauer  nicht  haltbar  ist  und  in  ihrer  Wirkung  im  Verlauf 
von  einem  Jahr  beträchtlich  abnimmt 4).  Die  in  der  neuen 
Schweizerischen  Pharmakopoe  existierenden  genauen  Bestim¬ 
mungen  über  die  Gewinnung  und  vor  allem  die  Aufbewahrung 
des  Secale  cornutum  —  es  werden  nur  Körner  von  bestimmter 
Grösse  herausgesucht  und  dauernd  unter  einem  Exsikkator 
aufbewahrt,  wodurch  sich  die  gute  Wirkung  dieser  Sub¬ 
stanzen  auf  2—3  Jahre  erhalten  lässt  —  kamen  im  Deutschen 
Arzneibuch  leider  bisher  noch  nicht  zur  Anwendung.  Es  darf 
uns  daher  nicht  wundernehmen,  dass  wir  häufig  aus  den  Apo¬ 
theken  Sekalepräparate  beziehen,  die  eine  Wirkung  auf  den 
puerperalen  und  wohl  auch  auf  den  schwangeren  Uterus  ver¬ 
missen  lassen. 

Von  den  Ergotinen  verwendeten  wir  zunächst  das  Seka- 
kornin  Roche,  das  auch  am  „überlebenden“  menschlichen 
Uterus5)  einen  starken  Effekt  hervorruft.  Zum  Unterschied 
von  der  nach  4—6  Minuten  erfolgenden  Wirkung  der  Hypo¬ 
physenpräparate  wird  der  uterine  Einfluss  beim  Sekakornin 
meist  erst  nach  20 — 30  Minuten  beobachtet.  Aber  selbst  dann 
tritt  die  Wirkung  bei  intramuskulärer  Injektion  noch  nicht  stark 
genug  hervor,  sondern  das  Maximum  des  Effektes  ist  erst 
bis  1 K-  Stunden  nach  der  Verabreichung  des  Mittels  erreicht, 
was  wohl  mit  der  verschiedenen  Schnelligkeit  der  Resorption 
zusammenhängt.  Der  Effekt  besteht  in  günstigen  Fällen  an¬ 
fangs  in  einer  Verstärkung  der  Wehen  ohne  Verkürzung  der 
Wehenpausen;  nach  einiger  Zeit,  etwa  nach  %  Stunden, 
kommt  eine  Tonussteigerung  hinzu,  die  sich  in  seltenen  Fällen 
zum  Tetanus  uteri  steigert.  Da  die  Wehenpausen,  im  Gegen¬ 
satz  zur  Hypophysenwirkung  nicht  von  Anfang  an  eine  Ver- 


2)  Die  Methode  wurde  von  mir  in  neuerer  Zeit  verbessert, 
worauf  ich  an  anderer  Stelle  genauer  eingehen  werde. 

3)  x  =  Blutverlust  vor  Eintritt  in  die  Beobachtung. 

’)  Vgl.  E.  Kehrer:  Int.  Physiologenkongress,  Heidelberg  190/. 

3)  Rübsamen  und  Kligermann:  Zeitschr.  f.  Geb.  u.  G>  o., 
LXXII.,  S.  274. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


630 


kürzung  erfahren,  die  Blutungen  in  der  Nachgeburtsperiode 
aber  gerade  in  der  Wehenpause  und  nicht  während  der  Wehe 
erfolgen,  ist  es  einleuchtend  und  durch  die  Blutverlustbestirn- 
mung  von  uns  nachgewiesen,  dass  sich  atonische  Nach¬ 
blutungen  mit  Sekakornin  allein  nicht  beeinflussen  lassen, 
wenn  auch  der  weitere  Wochenbettsverlauf  sicher  günstig 
beeinflusst  wird. 

Aehnliche  Verhältnisse  finden  sich  beim  Ergotin  Denzel, 
das  nach  Kehrer  auf  den  überlebenden  Uterus  eine  vorzüg¬ 
liche  Wirkung  zeigte,  von  der  sich  allerdings  nicht  feststellen 
liess,  inwieweit  sie  durch  das  wirksame  Sekaleprinzip  und 
wie  weit  durch  Konservierungszusätze  hervorgerufen  war. 
Die  Ergotin-Denzel-Wirkung  trat  später  wie  die  Sekakornin- 
wirkung  ein,  was  vielleicht  auf  einer  schwereren  Resorptions¬ 
fähigkeit  des  ersteren  Präparats  beruht.  Ergotin.  dialysat. 
Bombeion,  das  nach  Kehrer  das  überlebende  Organ  fast 
gar  nicht  beeinflusst,  hatte  eine  kaum  erkennbare  Wirkung 
auf  den  postpartalen  menschlichen  Uterus. 


Aus  der  Medizinischen  Klinik  des  Städtischen  Krankenhauses 
zu  Frankfurt  a.  Main  (Direktor:  Prof.  Schwenkenbecher). 

Neosalvarsan. 

.[Erfahrungen  mit  Salvarsan  IV  *).] 

Von  Dr.  Georges  L.  Dreyfus,  Sekundärarzt. 

In  der  kurzen  Zeit,  die  seit  der  Einführung  des  Neo- 
salvarsans  in  die  Praxis  verflossen  ist,  hat  sich  bereits 
eine  grosse  Anzahl  von  Syphilidologen  über  das  neue  Mittel 
geäussert.  Von  Anfang  an  haben  sich  auf  Grund  gegensätz¬ 
licher  Erfahrungen  zwei  Lager  gebildet:  Durch  den  das  Neo¬ 
salvarsan  einführenden  Aufsatz  von  Schreiber1),  der 
empfahl,  sehr  grosse  Einzel-  und  Gesamtdosen  (1,0 — 1,2— 1,5  g 
pro  dosi,  4  mal  jeden  2.  Tag)  zu  injizieren,  wurden  nämlich 
viele  derjenigen  Autoren,  die  sich  an  die  Schreiber  sehe 
Vorschrift  hielten,  wegen  der  den  grossen  Dosen  häufig  an¬ 
haftenden  unangenehmen  Folgeerscheinungen  zu  sofortigen 
Gegnern  des  Neosalvarsans.  Andere  dagegen,  die  sich  von 
Anfang  an  mehr  Reserve  in  der  Einzel-  und  Gesamt¬ 
dosierung  auferlegt  hatten,  beobachteten  lediglich  die  aus¬ 
gezeichnete  Wirksamkeit  des  jüngsten  Ehrlich  sehen  Mittels  j 
und  sahen  keine  oder  nur  irrelevante  Nebenerscheinungen. 

Der  in  dieser  Wochenschrift  erschienene  Aufsatz  von  W  o  1  f  f 
und  M  u  1  z  e  r 2)  schreckte  eine  grosse  Zahl  von  Aerzten  von  der 
ferneren  Darreichung  des  Neosalvarsans  ab,  wohl  deshalb,  weil  sie 
nicht  ohne  weiteres  erkennen  konnten,  dass  nicht  dem  Mittel  an  und 
für  sich  die  Schuld  an  den  von  diesen  Autoren  berichteten  höchst 
unerwünschten  Folgeerscheinungen  zugeschrieben  werden  durfte,  son¬ 
dern  zum  grossen  Teil  den  hohen  Dosen,  die  in  rascher  Aufeinander¬ 
folge  gegeben  wurden. 

Nachdem  durch  die  Aufsätze  von  W o  1  f f  und  Mulzer.  Bern¬ 
heim3)  und  Kall4)  erwiesen  war,  dass  man,  in  dem  Bestreben 
der  Ehr  lieh  sehen  Idee  der  Therapia  magna  sterilisans  gerecht  zu 
werden,  zu  grosse  Dosen  Neosalvarsan  gegeben  hatte,  folgte  der  nun 
ebenfalls  weit  über  das  Ziel  hinausschiessende  Rückschlag:  Man 
empfahl  wesentlich  kleinere  —  nach  unserer  Ansicht  viel  zu  kleine  — 
Dosen.  Infolge  der  Unterdosierung  wurden  nunmehr  Klagen  über  die 
relativ  geringe  Wirksamkeit  des  Neosalvarsans  laut. 

Was  die  Heilkraft  des  Neosalvarsans  im  Vergleich  zu  der  des 
Salvarsan  betrifft,  so  haben  sich  nach  anfänglicher  Ueberschätzung 
des  Neosalvarsans  [Schreiber,  Leredde5),  Emery6),  Mar- 
schalko7)l  die  meisten  Autoren  dahin  ausgesprochen,  dass  bei  der 
frischen  Syphilis  die  Wirksamkeit  des  Neosalvarsans  der  des  Sal- 
varsans  unterlegen  sei  ,  fQ  e  n  n  e  r  i  c  h  8).  Wechselmann  ®), 
Bayet10),  Wolff  und  Mulzer,  Kerl11),  Kall,  Heuck12), 
Spillmann  und  Boulanger13)  u.  a.]. 

*)  I — HI  siehe  diese  Wochenschrift  1912,  No.  33/34,  40/42, 
1913,  No.  9/10. 

U  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  17. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31. 

3)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  22. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31. 

5)  Bulletin  de  la  societe  francaise  de  dermatologie  et  syphili- 
graphie.  November  1912. 

")  La  clinique  1912,  No.  31. 

7)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912.  No.  34. 

8)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  6.  25/27. 

®)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  39. 

10)  Journal  medical  de  Bruxelles  1912,  No.  37. 

u)  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  45. 

12)  Therapeutische  Monatshefte  1912,  Novemberheft. 


Die  Mehrzahl  der  Autoren  steht  mithin  jetzt  auf  dem 
Standpunkt,  den  wir  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  teilen, 
dass  das  Salvarsan  das  stärkere  Antisyphi- 
1  i  t  i  k  u  m  i  s  t.  Es  ist  nicht  uninteressant  hierbei  festzustellen, 
dass  die  menschliche  Pathologie  durchaus  nicht  ohne  weiteres 
dem  Tierversuch  gleichzusetzen  ist,  da  die  interessanten 
Untersuchungen  Castellis14)  beweisen,  dass  die  heilende 
Wirkung  des  Neosalvarsans  bei  den  syphilitischen  Kaninchen- 
schankern  doppelt  so  gross  wie  die  des  Salvarsans  ist. 

Trotz  der  therapeutischen  Ueberlegenheit  des  Salvarsans 
ergibt  sich  hieraus  unseres  Erachtens  keineswegs  die  Konse¬ 
quenz,  bedingungslos  zum  Altsalvarsan  zurückzukehren.  Nach 
unserer  Ansicht  wird  bei  bestimmten  Formen  der  Syphilis  das 
Neosalvarsan  neben  dem  Salvarsan  seinen  Platz  behaupten, 
ganz  abgesehen  davon,  dass  die  einfachere  Herstellung  der, 
Neosalvarsanlösung  für  viele  Aerzte  massgebend  sein  kann, 
diesem  Präparat  den  Vorzug  zu  geben. 

1.  Bereitung  einwandfreien  Wassers. 

Technische  Einzelheiten. 

Während  in  Deutschland  durch  die  oben  erwähnten  Auf-: 
sätze  von  Wolff  und  Mulzer,  Kall,  Bernheim  etc.! 
die  Neosalvarsanfrage  nahezu  erledigt  erschien,  haben  sich 
französische  Autoren,  die  von  Anfang  an  nicht  so  grosse  Dosen 
gaben,  aufs  Intensivste  mit  der  Anwendungsweise  des  Neo-j 
salvarsans  beschäftigt  und  uns  wichtige  Aufschlüsse  über  Ur¬ 
sache  und  Elimination  mancherlei  unangenehmer  Nebener¬ 
scheinungen  gegeben. 

Es  war  von  vorneherein  auffallend,  dass  bei  ungefähr 
gleicher  Dosierung  die  Nebenerscheinungen  des  Neosalvarsans 
geographisch  so  sehr  verschieden  verteilt  waren.  Während! 
Schreiber,  Iversen15)  und  vor  allem  auch  Heue k,j 
selbst  bei  grossen  Einzel-  und  Gesamtdosen,  über  seltene  und 
relativ  geringgradige  Nebenerscheinungen  berichten,  klagen 
B  e  r  n  h  e  i  m,  Wolff  und  Mulzer  u.  a.  über  häufig  auf4 
tretende  Intoxikationen  in  Gestalt  von  Prostration,  gastro¬ 
intestinalen  Erscheinungen,  Exanthemen  etc. 

Eine  plausible  Erklärung  für  die  Verschiedenartigkeit  der  Reak¬ 
tionen  bei  anscheinend  gleicher  Technik  geben  uns  die  Erfahrungen 
französischer  Autoren  [Emery18),  Sicard  und  Leblanc17). 
Levy-Bing18)  und  Du  hot19)].  Aus  den  Arbeiten  der  oben  ge¬ 
nannten  Autoren  geht  nämlich  hervor,  dass  es  neben  dem  bak¬ 
teriologischen  durch  Wechselmann20)  aufgedeckten  Was 
serfehler  noch  einen  nicht  zu  unterschätzenden  chemischer 
Wasserfehler  gibt,  der  bei  dem  so  ungemein  leicht  zersetzlicher 
Neosalvarsan  zu  toxischen  Veränderungen  des  Präparates  führen  kann 

Der  bakteriologische  Wasserfehler  ist  jetzt  wohl  allgemein 
dadurch  ausgeschaltet,  dass  nur  frisch  destilliertes  Wasser  zur 
Herstellung  der  Lösung  verwandt  wird.  Ganz  anders  lieger 
die  Dinge  bezüglich  des  chemischen  Wasserfehlers: 

Emery  sah  nach  ca.  20U  reaktionslos  verlaufenden  Neosalvar- 
saninfusionen  plötzlich  gruppenweise  toxische  Zustände  (Kopf¬ 
schmerzen,  Fieber,  gastrointestinale  Erscheinungen,  Exantheme  etc. 
auftreten,  die  mit  einem  Schlag  verschwanden,  als  er  an  seinen' 
Wasserdestillationsapparat  den  Kühler  erneuerte.  Er  konnte  fest 
stellen,  dass  der  alte  Kühler  Blei  in  geringen  Mengen  an  das  destilliert'. 
Wasser  abgegeben  hatte.  Dieses  bleihaltige  Wasser  zersetzte  da; 
Neosalvarsan.  Andere  Autoren  fanden,  dass  ihr  Kondensator  im  Lauf, 
der  Zeit  Natriumsilikat,  Zink  etc.  abgab,  und  bestätigten  die  Er 
fahrungen  E  m  e  r  y  s.  Insbesondere  sind  Kupferkondensatoren  durch¬ 
aus  zu  verwerfen,  da  das  kondensierte  Wasser  die  Fähigkeit  besitzt 
Kupfer  in  geringen  Mengen  zu  lösen.  Das  Kupfer  spielt  dann  die 
Rolle  des  Katalysators. 

Was  für  das  Neosalvarsan  von  Emery  gefunden  wurde 
gilt  nach  unseren  Erfahrungen  in  ähnlichem  Masse  für  da: 

I  Salvarsan. 

So  injizierten  wir  einem  Tabiker  mit  frisch  destilliertem  Wasser 
das  einem  angeblich  völlig  aus  Jenaer  Glas  bestehenden  Apparat  ent 
stammte,  der  seit  2Vz  Monaten  in  dauerndem  Gebraucl 


13)  Neosalvarsandebatte:  Bulletin  de  la  societe  francaise  de  der 
mat.  et  syphiligr.,  August  1912. 

14)  Zeitschr.  f.  Chemotherapie,  Orig.,  Band  I,  Heft  3. 

15)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  26. 

10)  La  clinique  1912,  No.  31. 

17)  Bulletin  de  la  societe  frang.  de  dermat.  et  syphiligraphie, 
August  1912. 

1S)  Ebenda,  November  1912.  P  j 

19)  Revue  beige  d’urologie  et  dermato-syphiligr..  Oktober  1912. 

20)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1911,  No.  17. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


631 


März  1913. 


,  r,  Salvarsan  in  Dosen  von  0,2  resp.  0,3  im  Abstand  von  3  bis 
Tagen.  Die  Allgemein-  und  Fieberreaktionen  wurden  immer  stiir- 
cher,  zuletzt  stieg  die  Temperatur  des  Kranken  unter  Schüttelfrost 
39,2  nach  0,2  Salvarsan.  Wir  glaubten  einen  Patienten  mit  Salvar- 
überempfindlichkeit  vor  uns  zu  haben,  umsomehr,  als  andere 
liker  die  doppelte  mit  demselben  Präparat  und 
'  jsser  zubereitete  Dosis  reaktionslos  vertrugen.  Und  doch 
r  dem  nicht  so!  Als  wir  das  Wasser  resp.  den  Destillationsapparat 
(chselten,  hatte  der  Kranke  fernerhin  bei  dem  gleichen  Modus  der 
Ationen  keinerlei  Reaktionen  mehr. 

F,ine  Anfrage  in  der  Fabrik  ergab,  dass  lediglich  der  Erlen- 
verkolben  und  nicht  auch,  —  wie  ausdrücklich  von  uns  verlangt  — 
Kühler  aus  Jenaer  Glas  hergestellt  worden  war! 

Besteht  nun  der  Kondensator  aus  gewöhnlichem  Glas,  so 
rd  er  offenbar  bald  vom  destillierten  Wasser  angegriffen: 
I  s  Wasser  eines  dem  ersten  analogen  Apparates,  der 
»er  nur  wenige  Tage  im  Gebrauch  war,  er- 
igte  keinerlei  Reaktionen. 

Solche  Erfahrungen  lehren,  dass  noch  grössere  Sorgfalt 
bisher  im  allgemeinen  üblich,  auf  die  Herstellung  des 
assers  bei  den  Neosalvarsaninjektionen  verwandt  werden 

iss. 

Es  empfiehlt  sich  dringend,  nur  doppelt  destil- 
ertes  Wasser  zu  verwenden,  das  einem  vol¬ 
le:  aus  Jenaer  Glas  bestehenden  Destilla- 
1  o  n  s  a  p  p  a  r  a  t  entstammt.  Die  ersten  1 00  ccm  des 
i  der  Destillation  gewonnenen  Wassers  sollten,  da  sie  event. 
ch  noch,  wenn  auch  nur  minimale  Verunreinigungen  ent- 
llten  können,  nicht  verwandt  werden.  Möglicherweise  wird 
Joch  auch  der  aus  Jenaer  Glas  bestehende  Kühlapparat  im 
ufe  der  Zeit  von  dem  kondensierten  Wasser  angegriffen, 
i'shalb  ist  es  ratsam,  nach  8 — 10  Wochen  dauernden  Ge¬ 
suchs  den  Kühler  zu  erneuern.  [Von  A  1  m  k  v  i  s  t 21)  ist  vor 
rzem  ein  recht  guter,  nicht  zu  kostspieliger,  ganz  aus  Jenaer 
as  hergestellter  Destillationsapparat  empfohlen  worden  21*).] 
In  dem  Begleitschreiben  der  Höchster  Farbwerke  und 
ch  von  T  o  u  t  o  n  M)  wird  empfohlen,  zur  Bereitung  der 
osalvarsanlösung  in  Ermangelung  von  frisch  destilliertem 
asser,  abgekochtes  steriles  Leitungswasser  zu  benutzen, 
nn  dasselbe  so  gut  wie  bakterienfrei  ist  und  nicht  zu  viel 
neralische  Bestandteile  enthält.  Wir  können  uns  dieser 
lpfehlung  nicht  anschliessen,  sind  vielmehr  ganz  der  An- 
ht  D  u  h  o  t  s 23),  dass  es  zweckmässiger  ist,  auf  Neo- 
varsan  und  Salvarsan  zu  verzichten,  wenn  man  nicht  in 
r  Lage  ist,  völlig  einwandfreies  Wasser  zu  verwenden. 

Allein  nicht  nur  das  Wasser,  sondern  auch  scheinbar 
elevante  Mängel  der  Technik  können  der  Anlass 
n  Reaktionen  sein.  So  sei  bezüglich  technischer  Einzel¬ 
nen  bemerkt,  dass  die  Infusionsapparate  nicht  in  Leitungs- 
isser,  sondern  in  destilliertem  Wasser  15 — 20  Minuten 
kocht  werden  müssen.  Aus  dem  Leitungswasser  schlägt 
h  Kalk  am  Glas  nieder,  der  wie  G  o  n  d  e  r 24)  gezeigt  hat, 
entuell  imstande  sein  kann,  Salvarsan  und  dementsprechend 
ch  Neosalvarsan  zu  zersetzen. 

Es  erscheint  ferner  rastam,  nur  gläserne  Verbindungs¬ 
icke  undkeinMetall  zwischen  Schlauch  und  Injektions- 
del  zu  verwenden,  da  nur  Glas  einwandfrei  sterilisierbar 
In  letzter  Zeit  verwenden  wir  nur  noch  Platiniridium- 
deln,  die  in  sehr  hartes  Jenaer  Glas  eingeschmolzen  sind, 
erdurch  ist  es  uns  gelungen,  ausser  dem  ausgltihbaren 
atiniridium  jegliches  Metall  vom  gesamten  Infusionsapparat 
szuschliessen. 

Die  gesamte  Glasapparatur  (die  Gefässe  für 
stilliertes  Wasser  und  Kochsalzlösung,  sowie  diejenigen  zur 
bereitung  der  Neosalvarsanlösung,  ferner  Infusionstrichter, 
Tschenstück,  Ansatzstück)  bestehe  aus  JenaerGlas, 
nur  dieses  nicht,  resp.  sehr  lange  nicht  angegriffen  wird, 
n  beziehen  durch  die  Firma  F.  und  M.  Lautenschläger  in 
ankfurt  a.  M.)  Man  denke  auch  daran,  die  Gefässe,  aus 
-Ichen  man  das  Wasser  resp.  die  Kochsalz-  oder  Salvarsan- 
aing  ausgiesst,  an  derjenigen  Stelle,  die  von  der  Flüssigkeit 

2j)  Dermatol.  Wochenschr.  1913,  No.  2,  Bd.  56. 

214)  Sehr  zu  empfehlen  ist  ein  nach  unseren  Angaben  etwas  modi- 
crter  Apparat  von  F.  und  M.  Lautenschläger,  hier,  der 
er  1000  ccm  Wasser  in  der  Stunde  liefert.  (Preis  M.  1 4.50.) 
2S)  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  24. 

,3>  Revue  beige  d’urologie  et  dermato-syphiligr.  1912,  Oktoberh. 
9  Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene  1912,  Bd.  16. 


benetzt  wird,  unmittelbar  vor  dem  Ausgiessen  dadurch  zu 
sterilisieren,  dass  man  sie  durch  die  Flamme  zieht.  Dies  ist 
insbesondere  nötig  bei  Gefässen  mit  sehr  breitem  Rand. 

Wenn  auch  durch  alle  diese  Vorsichtsmassregeln  die  ein¬ 
wandfreie  Technik  der  Neo-  und  Altsalvarsaninjektionen  kom¬ 
pliziert  wird,  so  muss  man  sich  doch  andererseits  vor  Augen 
halten,  dass  das  Ziel  einer  idealen  Salvarsantherapic  sein  muss, 
jegliche  Möglichkeit  unangenehmer  Folgeerscheinungen 
auszuschalten  und  die  Injektion  zu  einem  harmlosen  und 
völlig  reaktionslos  zu  ertragenden  Eingriff  zu  gestalten. 

Wir  machen  immer  wieder  die  Erfahrung,  dass  die  ge¬ 
ringen  Reaktionen,  die  wir  auf  Salvarsan  auch  in  letzter  Zeit 
noch  gelegentlich  beobachten,  an  Zahl  dauernd  zurückgehen, 
je  mehr  wir  auf  anscheinend  irrelevante  Details  achten  (s.  An¬ 
merkung  bei  der  Korrektur). 

Dass  gelegentlich  bei  der  gleichen  Technik  und  dem 
gleichen  Wasser  nur  einzelne  Individuen  reagieren  und  andere 
nicht,  erachten  wir  keineswegs  als  Beweis  dafür,  die  er¬ 
wähnten  Vorsichtsmassregeln  nicht  so  hoch  zu  bewerten.  Auch 
der  Chirurg  kann  nicht  so  selten  die  Erfahrung  machen,  dass 
—  unter  Umständen  unvermeidbare  —  grobe  Verstösse  gegen 
Asepsis  und  Antisepsis  glatt  ertragen  werden,  weil  die  Emp¬ 
findlichkeit  der  einzelnen  Individuen  verschieden,  aber  an¬ 
dererseits  auch  völlig  unberechenbar  ist. 

2.  Einzel-  und  Gesamtdosierung  des  Neosalvarsans. 

Nebenerscheinungen. 

Wie  eingangs  kurz  gestreift,  sind  in  jüngster  Zeit 
mehrere  Autoren,  insbesondere  Schreiber25)  und  Stüh- 
m  e  r  L’u)  nach  anfänglicher  Ueberdosierung  in  das  Gegenteil 
verfallen,  indem  sie  —  allerdings  vorwiegend  für  Kranke  mit 
frischer  Syphilis  —  allzu  geringe  Dosen,  sowohl  was  die 
Einzel-  wie  die  Gesamtdosis  anlangt,  empfehlen 

Zweifellos  ist  es  für  die  meisten  Fälle,  und  ganz  be¬ 
sonders  bei  frischer  Lues,  zweckmässig,  mit  den  ersten  Dosen 
Neosalvarsan  sehr  vorsichtig  Und  tastend  vorzugehen,  um  eine 
Reaktion  von  seiten  des  Gesamtorganismus  (Fieber  durch 
massenhaften  Spirochätenzerfall),  sowie  auch  des  Zentral¬ 
nervensystems  (Herxheimer  sehe  Reaktion  der  Meningen) 
zu  vermeiden.  Beides  sind  unseres  Erachtens  höchst  uner¬ 
wünschte  und  durch  sachgemässe  Therapie  (sorgsame  Queck¬ 
silbervorbehandlung,  sehr  kleine  Anfangsdosen!)  hintanzu¬ 
haltende  Zufälle. 

Ist  man  aber  über  die  tastenden  Anfangsdosen  (0,15,  0,3) 
hinaus,  so  kann  man  ruhig  im  Abstand  von  1 — 2  Tagen  auf 
0,45,  0,6,  0,75  g  ansteigen,  falls  keinerlei  Reaktion  nach  der 
einzelnen  Injektionen  aufgetreten  sein  sollte.  In  letzt¬ 
genanntem  Falle  müssen  nach  deren  völ¬ 
ligem  Abklingen  2  Tage  afebrilen  Wohl¬ 
befindensgefolgtsein.  In  einem  früheren  Aufsatz  27) 
haben«  wir  die  Dosierung  des  Salvarsan  in  den  einzelnen  Sta¬ 
dien  der  Lues  besprochen,  so  dass  wir  hier  darauf  verweisen 
können,  da  die  gleichen  Regeln  für  das  Neosalvarsan  gelten. 
Wenn  es  auch,  wie  erwähnt,  zweckmässig  ist,  vorsichtig  in 
den  Anfangsdosen  zu  sein,  so  ist  es  andererseits  ebenso  not¬ 
wendig,  die  kleinen  Dosen  zu  verlassen,  sobald  sie  reaktions¬ 
los  vertragen  werden,  um  zu  mittleren  Dosen  überzugehen. 
Nur  durch  ausreichende  und  nicht  verzettelte  Dosierung  ist  es 
möglich,  bei  syphilitischen  und  metasyphilitischen  Erkran¬ 
kungen  des  Zentralnervensystems,  ebenso  wie  bei  frischer 
Lues,  einen  nachhaltigen  therapeutischen  Erfolg  zu  erzielen. 
Als  durchschnittliche  Einzeldosis  für  Männer  empfehlen  wir 
nach  vorsichtiger  Anfangsdosierung  0,6  bis  höchstens  0,9  g 
Neosalvarsan,  für  Frauen  entweder  dieselben  Dosen,  oder 
falls  es  sich  um  sehr  zarte  Individuen  handelt,  0,45 — 0,75  g. 

Wir  haben  an  einer  grossen  Anzahl  von  Patienten  fest¬ 
stellen  können,  dass  wenn  man  (in  Kombination  mit  Queck¬ 
silber  als  Schmierkur,  Hg  salic.  oder  mit  dem  von  uns  am 
meisten  bevorzugten  Kalomel)  wöchentlich  2  Neosalvarsan¬ 
injektionen  ä  0,6  und  0,75  g  macht,  diese  Dosen  anstandslos 
vertragen  werden. 


25)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  34  (zweiter  Neosalvarsan- 

au 

2n)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  45. 

2T)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  33/34. 


632 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12 


Man  kann  nach  unseren  Erfahrungen  diese 
wöchentlichen  Gesamt  dosen  von  1,35  g  ohne 
Bedenken  5L  Wochen  hintereinander  (in  Kom¬ 
bination  mit  Quecksilber)  geben  und  eine  Ge¬ 
sa  m  t  d  o  s  i  s  von  7.5  g  Neosalvarsan  in  dieser 
Zeit  erreichen,  ohne  den  Patienten  im  ge¬ 
ringsten  zu  gefährden. 

Es  muss  jedoch  darauf  geachtet  werden,  dass  die  Einzel¬ 
dosen  nicht  höher  als  angegeben  genommen  werden  und  die 
Gesamtdosis  von  7  lA  g  in  der  erwähnten  Zeit  nicht  über¬ 
schritten  wird. 

Entgegen  der  Anweisung  der  Höchster  Farbwerke  sind 
wir  der  Ansicht,  dass  im  allgemeinen  0,9  g  Neosalvarsan 
(=  0,6  Salvarsan)  als  maximale  Einzelgabe  angesehen  werden 
soll.  Auch  wir  gaben  gelegentlich  sehr  robusten  Kranken, 
mitten  in  der  Kur  1,2 — 1,5  g  Neosalvarsan  als  Einzel-  und  3,0  g 
als  wöchentliche  Gesamtdosis.  Allein  die  Erfahrungen  anderer 
lehren  uns,  dass  man  mit  derartigen  Dosen  eventuell  doch 
Schaden  stiften  kann,  ohne  dass  der  Nutzen  in  irgend  einem 
Verhältnis  hierzu  steht. 

Wir  haben  im  ganzen  69  Patienten,  durchschnittlich  mit 

4 _ ]0  Injektionen  (im  ganzen  über  450)  behandelt  und  niemals 

Exantheme  gesehen.  Diese  von  anderen  Autoren  z.  T. 
gehäuft  beobachteten  Neosalvarsanexantheme  sind  unseres 
Erachtens  keine  Ueberempfindlichkeits-,  sondern  toxische 
Exantheme.  Sie  werden  bei  gewöhnlicher  Dosierung  beob¬ 
achtet  nach  Injektionen  mit  nicht  absolut  einwandfreiem  Wasser 
oder  mangelhafter  Technik,  sowie  nach  allzugrossen  und  zu 
rasch  sich  folgenden  Dosen.  Tritt  ein  Exanthem  auf,  so  handelt 
es  sich  dabei  keineswegs  um  ein  beunruhigendes  Symptom. 
Erfahrungen,  die  wir  mit  gelegentlich  von  uns  beobachteten 
Salvarsanexanthemen  machten,  lehren  uns,  dass  man  nach  dem 
Auftreten  eines  solchen  Exanthems  Salvarsan,  und  wohl  auch 
Neosalvarsan,  ruhig  weiter  geben  darf.  Allerdings  muss  das 
Exanthem  und  eine  eventuell  dieses  begleitende  Temperatur¬ 
steigerung  ganz  abgeklungen  sein.  Dann  kann  man  nach 
3 — 4  Tagen  wiederum  injizieren.  Es  empfiehlt  sich  jedoch, 
dann  mit  einer  kleineren  Dosis  anzufangen  und  erst  langsam 
wieder  zu  steigen.  Man  wird  sich  aber  überzeugen  können, 
dass  auch  nach  einmaligem  Auftreten  eines  Exanthems  zahl¬ 
reiche  folgende  Injektionen  bei  einwandfreier  Technik  an¬ 
standslos  vertragen  werden.  Gerade  diese  Tatsache  spricht 
durchaus  gegen  die  Auffassung,  dass  das  Exanthem  eine  Ueber- 
empfindlichkeitsreaktion  sei.  Lediglich  durch  das  Exanthem 
und  eventuell  begleitendes  Fieber  wird  eine  gewisse  Empfind¬ 
lichkeit  für  folgende  Injektionen  gesetzt,  wenn  man  dem 
Organismus  nicht  genügend  Zeit  lässt,  sich  zu  erholen  oder 
mit  gleich  grossen  Anfangsdosen  die  Injektionsserie  wieder 
aufnimmt. 

Hat  man  also  bei  normaler  Dosierung,  wie 
wir  sie  vorschlagen,  ein  Exanthem  bekommen, 
so  ist  unseres  Erachtens  lediglich  die  eigene 
Technik  hierfür  verantwortlich  zu  machen. 
Man  revidiere  daher  das  Wasser  und  das  ge¬ 
samte  Instrumentarium. 


Aus  der  nachfolgenden  Tabelle  ist  ersichtlich,  mit  welchen 
Gesamtdosen  wir  unsere  Patienten  behandelten : 


Gesamtdosis  Neosalvarsan 

1—4  g 

4—6  g 

6—8  g 

8—11  g 

Anzahl  der  Kranken  .  .  .  .  | 

32 

16 

13 

8 

Nahezu  die  Hälfte  der  Patienten  bekam  nur  relativ  kleine 
Gesamtdosen  Neosalvarsan  (1 — 4  g).  Dies  kommt  daher,  dass 
wir  eine  Anzahl  Kranker,  erst  nachdem  sie  schon  ziemlich  be¬ 
trächtliche  Dosen  Salvarsan  bekommen  hatten,  mit  Neo¬ 
salvarsan  weiterbehandelten.  Ferner  erhielten  alle  die  Fälle, 
die  kurz  in  der  Klinik  (eventuell  zu  provokatorischer  Injektion) 
blieben,  selbstverständlich  nur  geringe  Mengen  Neosalvarsan. 
29  Fälle  erhielten  im  ganzen  4 — 8  g  (meist  innerhalb  3  bis 
6  Wochen)  und  8  Kranke  8 — 11  g  Neosalvarsan.  Diese  sehr 
hohe  Gesamtdosis  wurde  jedoch  erst  in  ca.  10 — 12  Wochen 
erreicht  und  in  diesem  Zeitraum  anstandslos  vertragen. 

Wir  empfehlen  jedoch  trotz  unserer  guten  Erfahrungen 
mit  hohen  Dosen  bei  einer  Kur  innerhalb  5 — 6  Wochen  die 
Gesamtdosis  von  llA  g  nicht  zu  übersteigen.  Wir  konnten 
nämlich  einmal  bei  einer  Kranken,  der  wir  in  6  Wochen  8,25  g 


Neosalvarsan  gaben,  die  ersten  Anzeichen  einer  leichten  Poly 
neuritis  beobachten. 

Es  handelte  sich  um  eine  44  jährige  Frau  mit  Lues  cerebri,  di' 
wegen  Lungentuberkulose  fast  dauernd  leichte  Temperatursteigerungei 
hatte,  und  auf  Neosalvarsan  bei  5  von  10  Injektionen  mit  Temperaturei 
von  37,2—38,1  0  reagierte.  Wir  gaben  dieser  Patientin  in  den  letzte. 
3  Wochen  der  Kur  bei  durchschnittlicher  Einzeldosis  von  0,9  g  Ne<> 
salvarsan,  im  ganzen  5,25  Neosalvarsan.  Dies  war  offensichtlich  z 
viel,  was  Einzel-  und  Qesamtdosis  in  dieser  kurzen  Spanne  Zeit  an 
langte.  Wenige  Tage  nach  der  letzten  Injektion  bekam  Pat.  Waden 
schmerzen,  ferner  Ameisenlaufen,  Kribbeln  und  „Steifheitsgefühl"  i 
den  Zehen.  Objektiv  fand  sich:  Abschwächung  des  rechten  Achilles 
reflexes,  Herabsetzung  des  Lagegefühls  in  den  Zehen  und  Fussgelenkei 
sowie  ganz  leichte  Hypästhesie  an  den  Zehenspitzen  beiderseit; 
Druckempfindlichkeit  der  N.  peronei  und  tibiales  in  der  Kniekehle 
Motilität:  ungestört,  auch  elektrisch  dauernd  normale  Verhältnisse 
Die  Schmerzen  und  Parästhesien  nahmen  unter  diaphoretischer  Be:1 
handlung  sehr  schnell  ab,  so  dass  Pat.  in  ca.  10  Tagen  beschwerdeiri, 
war  und  nach  kurzer  Zeit  entlassen  werden  konnte. 

Nach  5  Monaten  hatten  wir  Gelegenheit,  Pat.  wieder  zu  unter 
suchen.  Bis  auf  den  noch  immer  abgeschwächten  rechtsseitige! 
Achillesreflex  fand  sich  kein  pathologischer  Befund  mehr.  Eir 
Motilitätsstörung  war  nie  aufgetreten. 

Eine  andere  Patientin  klagte  nach  6,6  g  Neosalvarsa 
(innerhalb  4V»  Wochen)  über  Wadenschmerzen.  Wir  brachen  sofo 
die  Therapie  ab.  Die  Schmerzen  verschwanden  nach  2  Tagen,  f 
kam  nie  zu  irgendwelchen  sonstigen  Erscheinungen.  Vielleicht  hai 
delte  es  sich  bei  diesen  Beschwerden  doch  um  die  allerersten  Ai 
Zeichen  einer  Polyneuritis,  die  durch  Aussetzen  der  Behandlung  uicl 
zur  Entwicklung  kam.  Auch  diese  Kranke  sahen  wir  nach  einigt. 
Monaten  wieder.  Anderweitige  Symptome  waren  nie  aufgetreten. 

Jedenfalls  achte  man  bei  der  Neosalvarsanbehandhing  ai 
die  Prodromalerscheinungen  der  Polyneuritis:  Schmerze 
sowie  Parästhesien  in  den  Zehen,  seltener  in  den  Finger 
Ist  man  bei  hohen  Gesamtdosen  angelangt  und  will  man  ai 
irgendwelchen  Gründen  doch  noch  Neosalvarsan  weitergebe 
so  instruiere  man  die  Patienten,  auf  derartige  eventuell  sich  ei 
stellende  Symptome  zu  achten  und  breche  bei  den  ersten  die 
bezüglichen  Klagen  die  Therapie  sofort  ab.  Nur  wenn  die 
prämonitorischen  Zeichen  missachtet  werden  und  trotzde 
weiter  Neosalvarsan  gegeben  wird,  kann  es  zur  Ausbildut 
von  schwererer  Polyneuritis  mit  Tiefen-  und  Oberfläche 
sensibilitätsstörungen  und  später  sich  hinzu  gesellenden  me 
oder  weniger  ausgedehnten  Motilitätsstörungen  komme 
Symptome  die  lange  Zeit  bis  zu  ihrem  Verschwind 
brauchen. 

Ehrlich  machte  in  seinem  Rundschreiben  vq 
18.  VI.  1912  darauf  aufmerksam,  dass  in  einem  Falle  nach  ir- 
gesamt  3,0  g  Neosalvarsan  (innerhalb  eines  Monats)  Nerve¬ 
störungen  aufgetreten  seien.  Diese  Beobachtung  steht  vt- 
einzelt  da  und  ist  von  keiner  anderen  Seite  bestätigt  wordu 
Durch  ihr  isoliertes  Auftreten  wirft  sie  vielleicht  ein  Licht  cf 
die  Pathogenese  der  Neosalvarsanpolyneuritis :  Dass  es  sn 
dabei  um  eine  typische  Arsen  polyneuritis  handelt,  stet 
nach  den  Krankheitsfällen,  die  wir  zu  sehen  Gelegenheit  hatte 
ausser  Zweifel.  Es  fragt  sich  nun,  ob  nicht  chemisch  vc- 
unreinigtes,  das  Neosalvarsan  zersetzendes  Wasser  o<r 
andere  Mängel  der  Technik  an  einer  so  vorzeitigen  Arst- 
vergiftung  (nach  3  g  Neosalvarsan)  Schuld  sind.  Nach  inüi- 
1  ich  er  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  G  o  n  d  e  r  vom  hiesigen  Gecg 
Speyer-Haus  sinkt  nämlich  die  Dosis  tolerata  der  Maus  r 
Salvarsan  erheblich,  wenn  nicht  chemisch  ganz  einwai 
freies  Wasser  benutzt  wird.  Sie  kann  andererseits  sehr  1- 
trächtlich  steigen,  sobald  das  Wasser  in  jeder  Bezieht  - 
tadellos  ist  (z.  B.  bidestilliertes  Wasser  aus  einem  Jen;  i 
Glasapparat).  Nach  Castellis  Tierversuchen  wächst  e 
Toxizität  des  Salvarsans  beträchtlich,  wenn  Natronlaugen 
grösserer  Menge  als  nötig  zugesetzt  wird.  Er  konnte  fer:i 
feststellen,  dass  die  Verzögerung  der  Injektion  einer  frid 
bereiteten  Neosalvarsanlösung  um  nur  10  Minuten  genüg* 
um  die  toxische  Dosis  des  Mittels  beim  Kaninchen  von  <  • 
auf  >  0,15  g  pro  Kilo  zu  steigern. 

Diese  Beobachtungen  beträchtlicher  ToxizitätserhöhO 
bei  nicht  ganz  vorschriftsmässiger  Technik  legen  den 
danken  nahe,  dass  bei  ganz  einwandfreier  Technik  und  i 
jeder  Beziehung  reinem  Wasser  keinerlei  Nervenstörungei  i 
der  von  uns  angegebenen  Dosierung  zu  erwarten  sind.  Uns  ' 
diesbezüglichen  Erfahrungen  an  einem  nicht  unbeträchtlir.  i 
Material  sprechen  ebensosehr  hierfür  wie  die  obigen  theG 
tischen  Erwägungen. 


5.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


633 


WasdieeventuelleTemperatursteigerung 
achNeosalvarsan  an  langt,  so  gibt  die  nachfolgende 
'abeile  über  unsere  Beobachtungen  bei  den  hierbei  in  Be- 
-acht  kommenden,  vor  der  Injektion  fieberfreien 
ranken  Auskunft. 


<X>  ® 
HD  G 

, _ ,  o 

-G 

CS 

Temperatursteigerung 

Allgemein- 

erschei- 

N3  <X> 

c  '7? 
£ 

37,1-37,5° 

37,6-38° 

38,1—38,5° 

über  38,5° 

nungen 

länner  .  . 

305 

59 

13 

2 

2 

13 

rauen  .  . 

101 

17 

2 

24 

Gesamtsumme 

406 

76 

15 

2 

2 

37 

(=  10  Proz.) 

(=  4  Proz.) 

(=  Proz.)J(: 

=  V-,  Proz.) 

(=  9  Proz.) 

Man  ersieht  aus  dieser  Zusammenstellung,  dass  wir,  im 
legensatz  zu  anderen  Autoren,  im  ganzen  nicht  übermässig 
äufig  Reaktionen  nach  Neosalvarsan  zu  verzeichnen  hatten, 
owie  vor  allem  auch,  dass  sich  die  übergrosse  Mehrzahl  der 
emperatursteigerungen  zwischen  37,1  und  37,5°,  d.  h.  in  sehr 
»lässigen  Grenzen  bewegte.  Es  ist  uns  wohl  bekannt,  dass 
i.anche  Autoren  eine  derartig  geringe  Erhöhung  der  Körper¬ 
wärme  noch  nicht  als  pathologisch  ansprechen  und  von  einer 
Reaktion“  erst  bei  Temperaturen  über  37,5  reden.  Dem  muss 
nseres  Erachtens  entgegengetreten  werden:  Wenn  die  Tem- 
leratur  eines  vorher  afebrilen  Patienten  nach  Neosalvarsan 
»der  Salvarsan  über  37°  steigt,  so  handelt  es  sich  um  eine 
licht  zu  verkennende  Reaktion.  Es  ist  dann  notwendig,  sich 
n  jedem  Einzelfall  zu  überlegen,  ob  diese  Reaktion  durch  den 
'ustand  des  Kranken  oder  durch  Fehler  der  Dosierung  resp. 
ler  Technik  bedingt  sind.  Man  ist  leicht  allzusehr  geneigt, 
lerartige  kleine  Temperatursteigerungen  als  selbstverständ- 
iche  Folgen  der  Injektion  anzusehen  und  nicht  den  Fehler 
inderswo  zu  suchen.  Meist  sind  es  —  allerdings  schwer  bis 
iiif  den  letzten  Rest  auszumerzende  —  Kleinigkeiten,  die  nach 
inserer  Ansicht  die  Reaktion  bedingen.  Wenn  z.  B.  ein  Patient, 
vie  wir  es  kürzlich  erlebten,  von  10  Salvarsaninjektionen  die 
ersten  4  und  letzten  5  reaktionslos  verträgt,  bei  der  5.  aber 
gastrointestinale  Erscheinungen  und  Temperaturen  bis  37,8° 
bekommt,  so  ist  hierfür  wohl  sicherlich  nicht  eine  plötzlich 
iuftreten.de  Ueberempfindlichkeit,  sondern  irgend  ein  anderer 
"ehler  verantwortlich  zu  machen.  Nach  unseren  Erfahrungen 
besonders  der  jüngsten  Zeit,  wo  wir  auf  alle  Details  achten, 
scheint  die  Gruppe  der  „Ueberempfindlichen“  immer  mehr 
iusammenzuschrumpfen. 

Wenn  wir  retrospektiv  unsere  Resultate  bezüglich  Tem¬ 
peratur-  und  Allgemeinreaktion  betrachten,  so  glauben  wir, 
dass  die  .grösste-3‘Zahl  bei  Innehaltung  der  jetzt  von  uns 
vertretenen  Forderung  hätte  vermieden  werden  können. 

Unter  unseren  Fällen,  die  reagierten,  finden  wir  eine  ge¬ 
wisse  Anzahl  von  Kranken,  die  auf  jede  Injektion,  sei  es  mit 
Temperatur-,  sei  es  mit  Allgemeinerscheinungen  antworteten. 
Bei  manchen  dieser  Kranken  hätten  offenbar  diese  Neben¬ 
erscheinungen  durch  Herabsetzung  derEinzeldosis 
vermieden  werden  können,  da  sie  auf  niedrigere  Dosen  nicht 
mehr  reagierten.  Bei  anderen  war  vielleicht  der  Umstand 
von  Bedeutung,  dass  wir  nach  der  „Reaktion“  zu  kurze  Zeit 
bis  zur  nächsten  Injektion  haben  verstreichen  lassen,  und  die 
darauf  folgende  Dosis  nicht  niedriger  als  bei  der  vorherigen 
Einspritzung  genommen  hatten.  Wenn  alle  Kautelen  bei  den 
der  Reaktion  zunächst  folgenden  Einspritzungen  eingehalten 
werden,  so  kann  man  im  Laufe  der  Kur  doch  unter  Umständen 
bald  wieder  zu  Normaleinzeldosen  gelangen.  So  konnten  wir 
Kranke  beobachten  die  auf  die  ersten  Injektionen  mit  gastro¬ 
intestinalen  Erscheinungen  reagierten,  bald  darauf  niedrigere 
und  späterhin  auch  höhere  (Normal-)  Dosen  glatt  vertrugen. 

Unter  unseren  69  Patienten  haben  26  Kranke  mit  durch¬ 
schnittlich  4—10  Injektionen  das  Neosalvarsan  ohne  die 
geringste  Störung  vertragen.  Auffallend  konnte  er¬ 
scheinen,  dass  wir  bei  Frauen  soviel  mehr  Störungen  des 
Allgemeinbefindens  (24  auf  101)  zu  verzeichnen  hatten  als  bei 
Männern  (13  auf  305).  Dies  kommt  offenbar  daher,  dass  wir 
anfänglich  den  weiblichen  Kranken  dieselben  Einzeldosen 
gaben  wie  den  Männern.  Offensichtlich  werden  nun  durch¬ 
schnittlich  von  den  Frauen  nur  entsprechend  niedrigere  Neo- 
salvarsanmengen  anstandslos  vertragen. 

Trotz  recht  hoher  Gesamtdosen  hatten  wir  bei  mehr  als 


450  Neosalvarsaninjektionen,  mit  Ausnahme  des  einen  Falles 
geringgradiger  Polyneuritis  sowie  der  berichteten  Temperatur- 
Steigerungen  und  der  Allgemeinerscheinungen,  über  keiner- 
1  e  i  unangenehmere  Neben-  oder  Folgeerscheinungen  zu 
klagen. 

3.  Wirksamkeit  des  Neosalvarsans. 

Ueber  die  Heilwirkung  des  —  von  uns  meist  mit  Queck¬ 
silber  kombinierten  —  Neosalvarsans  sowie  über  dessen  bei 
weitem  grössere  Wirksamkeit  als  die  des  Quecksilbers  allein 
haben  wir  schon  in  früheren  Arbeiten  berichtet.  Was  die 
therapeutische  Wirkung  des  Neosalvarsans  im  Vergleich  zu  der 
des  Salvarsans  anlangt,  fanden  wir,  dass  ganz  analog  behan¬ 
delte  und  im  allgemeinen  ähnlich  gelagerte  Fälle  (soweit  man 
dies  überhaupt  sagen  kann)  von  frischer  Hirnlues,  Lues  cere¬ 
brospinalis  und  Tabes  im  allgemeinen  vom  Salvarsan  inten¬ 
siver  als  vom  Neosalvarsan  beeinflusst  werden.  Wir  fanden 
fast  als  durchgängige  Regel,  dass  die  Serumreaktion  in  den 
Fällen,  wo  sie  überhaupt  beeinflussbar  war,  nach  Salvarsan 
rascher  negativ  wurde.  Vor  allem  aber  konnten  wir  auch 
feststellen,  dass  der  Liquor  cerebrospinalis,  was  Eiweissmenge, 
Globulinvermehrung,  Zellzahl  und  Wassermannreaktion  an¬ 
langt,  recht  häufig  bei  analogen  Fällen  von  Salvarsan  ener¬ 
gischer  beeinflusst  wurde,  als  vom  Neosalvarsan. 

Zwei  ganz  ähnlich  gelagerte  Fälle  von  Akustikusneuro- 
rezidiven  mögen  —  soweit  es  überhaupt  möglich  ist  2  Fälle 
zu  vergleichen  —  als  Beispiel,  dem  wir  noch  manches  andere 
hinzufügen  könnten,  dienen: 


Liquor  cerebrospinalis  bei  Fall  1. 


Eiweiss 

Phase  I 

Zellen 

Wassermann 

Therapie 

i.  emm 

Blut 

Liquor 

9 

Trbg. 

708 

+ 

+  0,2 

Neosalvarsan  .  11,5  g 

Kalomel  ....  0,8  g 

(innerhalb  von  11  Wochen) 

21/2 

opal. 

19 

-  0,4 

+  0,6  schwach 
-j-  0,8  deutlich 

Liquor  cerebrospinalis  bei  Fall  2. 


Eiweiss 

Phase  1 

Zellen 

Wassermann 

Therapie 

i.  emm 

Blut 

Liquor 

9  V« 

Trbg. 

1076 

— 

+  0,2 

Salvarsan  ...  3,5  g 
Kalomel  .  .  .  0,35  g 

(innerhalb  von  6  Wochen) 

23U 

opal. 

18 

And.  + 

-  1,0 

Man  sieht  aus  der  Gegenüberstellung  der  beiden  Befunde, 
dass  geringere  Gesamtdosen  Salvarsan  in  kürzerer  Zeit  den 
gleichen,  wenn  nicht  noch  energischeren  Einfluss  auf  den 
Liquor  hatten. 

Im  folgenden  seien  einige  klinische  Erfahrungen  mitgeteilt, 
welche  eine  gewisse  Verschiedenartigkeit  des  Salvarsans  und 
des  Neosalvarsans  —  und  unseres  Erachtens  auch  die  ge¬ 
ringere  Wirksamkeit  des  letzteren  —  illustrieren: 

1.  Ein  Tabiker  mit  lanzinierenden  Schmerzen  und  gastrischen 
Krisen  hatte  bei  einer  Neosalvarsankur  Einzeldosen  von  0,6— 0,9  g  ver¬ 
tragen,  ohne  dass  er  nach  den  ersten  Injektionen  Schmerzen  oder 
Krisen  bekommen  hätte.  Bei  einer  zweiten  nach  3  Monaten  wieder 
aufgenommenen  Salvarsankur  lösten  schon  0,3  Salvarsan,  ebenso  wie 
bei  einer  früheren  Kur.  anfänglich  heftige  lanzinierende  Schmerzen  aus. 

2.  Ein  anderer  Tabeskranker  mit  gastrischen  Krisen,  der  ins¬ 
gesamt  5,25  g  Neosalvarsan  bekommen  und  auf  die  beiden  ersten  Neo¬ 
salvarsaninjektionen  (von  0,45  und  0,6  g)  mit  ganz  kurzdauernden 
gastrischen  Krisen  reagiert  hatte,  bekam  wenige  Tage  nach  der 
letzten  Neosalvarsaninjektion  0,5  g  Salvarsan.  Unmittelbar  danach 
kam  es  wieder  zu  einer  gastrischen  Krise.  4  weitere  Salvarsaninjek¬ 
tionen  wurden  dann  glatt  vertragen.  Bei  einer  3.  Kur  löste  0,4  Sal¬ 
varsan  eine  wesentlich  heftigere  und  längerdauernde  Krise  aus.  als 
vordem  das  Neosalvarsan. 

Diese  beiden  Fälle  zeigen  die  Verschiedenartigkeit  von 
Neosalvarsan  und  Salvarsan  in  gleichen  Dosen,  gleichzeitig 
aber  auch  die  intensivere  Wirkung  des  Salvarsans  in  ge¬ 
ringeren  Dosen. 

Die  Ueberlegenheit  des  Salvarsans  manifestierte  sich  deutlich  uei 
einem  Kranken  mit  inveterierter  luetischer  AkustikuserkranKung,  die 

2 


No.  12. 


634 


Ä4UENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sich  vorwiegend  in  Schwindel  und  Gangstörung  äusserte.  Pat.  bekam 
0,4  g  und  (),75  g  Neosalvarsan  ohne  irgendwelche  Aenderung  seines 
Befindens.  Unmittelbar  nach  0,2  Salvarsan  besserten  sich  die  oben¬ 
genannten  Symptome  ganz  ausserordentlich,  um  sich  auf  weitere  kleine 
Salvarsandosen  gänzlich  zu  verlieren.  Der  Unterschied  im  Befinden 
des  Pat.  beim  Wechsel  des  Salvarsanpräparates.  von  dem  er  nichts 
wusste,  war  in  diesem  Palle  so  eklatant,  dass  er  nicht  übersehen 
werden  konnte. 

Während  die  oben  angeführten  3  Fälle  die  geringere  Wirk¬ 
samkeit  des  Neosalvärsans  dartun,  zeigt  die  folgende  Kranken¬ 
geschichte,  dass  die  beiden  Salvarsanpräparate  vielleicht  auch 
verschiedene  Angriffspunkte  (Rezeptoren)  haben.  Dies  wäre, 
wenn  es  sich  auch  fernerhin  bestätigen  sollte,  nur  zu  be- 
grüssen,  da  wir  nicht  genug  Waffen  im  Kampf  gegen  die 
Syphilis  zur  Verfügung  haben  können. 

Ein  Patient  mit  einem  frischen  Neurorezidiv  hatte  nach  allzu¬ 
grossen  Anfangsdosen  (0,4  und  0,5  Salvarsan)  zweimal  mit  den 
Symptomen  einer  H  e  r  x  h  e  i  m  e  r  sehen  Reaktion  der  Meningen  und 
Fieber  reagiert.  Nachdem  er  in  der  Folgezeit  ausserdem  noch  1,1  g 
Salvarsan  und  0,25  g  Kalomel  anstandslos  vertragen  hatte,  erhielt  er 
0,6  g  Neosalvarsan.  Alsbald  nach  der  Injektion  trat  wiederum  eine 
geringgradige  meningeale  Reaktion  und  Temperatursteigerung  auf, 
Erscheinungen,  die  nach  den  folgenden  Neosalvarsaninjektionen  aus¬ 
blieben. 

Die  mildere  Wirkung  des  Neosalvarsans  kam  in  folgenden 
Fällen  in  durchaus  erwünschter  Weise  zur  Geltung: 

Ein  Patient  mit  Lues  cerebri  litt  gleichzeitig  an  Lungentuber¬ 
kulose.  Er  bekam  auf  Salvarsan  regelmässig  hohes  Fieber,  während 
er  Neosalvarsan  in  entsprechenden  Dosen  glatt  vertrug.  Dass 
Phthisiker  Neosalvarsan  wesentlich  besser  vertragen,  konnten  wir 
späterhin  noch  mehrfach  beobachten. 

Eine  Patientin  mit  frischer  Hirnlues  hatte  im  ganzen  4,9  g  Sal- 
värsan  bekommen,  aber  auf  die  zwei  letzten  Injektionen  (  ä  0,3  Sal¬ 
varsan),  ohne  dass  technische  Fehler  verantwortlich  gemacht  werden 
konnten,  mit  leichtem  Fieber  und  Allgemeinerscheinungen  reagiert. 
Da  uns  eine  Fortführung  der  Behandlung  erwünscht  schien,  gaben  wir 
Neosalvarsan,  das  anstandslos  vertragen  wurde. 

Bei  einem  Kranken  mit  einem  Akustikusfazialisneurorezidiv  und 
einer  Aortitis  luetica  war  nach  einer  Gesamtdosis  von  2,0  g  Sal¬ 
varsan  eine  tagelang  anhaltende  Tachykardie  aufgetreten,  so  dass  wir 
uns  scheuten,  ohne  weiteres  nach  deren  Abklingen  Salvarsan  weiter¬ 
zugeben.  Neosalvarsan  in  Dosen  von  0,45  wurde  mehrfach  gut  ver¬ 
tragen,  später  auch  wieder  kleine  und  langsam  ansteigende  grössere 
Salvarsandosen. 

Diese  Beobachtungen  geben  vielleicht  Veranlassung,  öfters 
kombinierte  Salvarsan-Neosalvarsankuren  anzuwenden.  Wir 
besitzen  keine  Erfahrung  darüber,  wie  hoch  man  bei  der 
Einzelkur  in  der  gesamten  Salvarsan-  und  Neosalvarsan- 
dosis  gehen  darf.  Offenbar  liegt  aber  die  kombinierte  Maximal¬ 
dosis  höher  als  die  des  Einzelnen: 

Unsere  Beobachtungen  lehrten  uns,  dass  man  bei  Syphilis 
des  Zentralnervensystems  in  einer  Kur  von  6  und  mehr 
Wochen  anstandslos  5  g  Salvarsan  resp.  7,5  g  Neosalvarsan 
geben  darf.  Kommt  man  nahe  an  die  individuell  recht  ver¬ 
schiedene  Maximalgesamtdosis  von  Salvarsan  heran,  so 
machen  sich,  falls  nicht  schon  vorher  neurasthenische 
Symptome  aufgetreten  sein  sollten,  die  das  Sistieren  der 
Therapie  notwendig  machen,  vasomotorische  Erscheinungen 
(Zyanose  etc.)  während  oder  kurz  nach  Beendigung  der  In¬ 
jektion  bemerkbar.  Will  man  aus  bestimmten  Gründen  trotz¬ 
dem  die  Salvarsandarreichung  nicht  unterbrechen,  so  kann 
dann  noch  Neosalvarsan  in  wöchentlichen  Injektionen 
ä  0,6 — 0,75  2—3  mal  anstandslos  gegeben  werden,  während 
mit  Salvarsan  unbedingt  ausgesetzt  werden  muss. 

Wir  empfehlen  in  all  den  Fällen,  wo  man  eine  milde  Sal- 
varsanwirkung  haben  will,  das  Neosalvarsan.  So  z.  B.  als 
Anfangsbehandlung  bei  luetischer  Meningitis,  ferner  bei  spezi¬ 
fischen  Gefässerkrankungen,  besonders  bei  schweren  Aorten¬ 
veränderungen  oder  endarteriitischen  Prozessen  im  Gehirn, 
ebenso  auch  bei  Lues  mit  nicht  spezifischer  Nephritis. 
Unsere  Erfahrungen  lehren  uns,  dass,  wenn  man  mit 
kleinen  und  langsam  ansteigenden  Neosalvarsandosen  an¬ 
gefangen  hat,  meistens  später  auch  Salvarsan  gut  vertragen 
wird.  Allerdings  beginne  man  auch  nach  grösseren  Einzel¬ 
dosen  Neosalvarsan  mit  kleineren  Salvarsanmengen,  als 
der  letzten  Neosalvarsandosis  entsprechen  würde. 

Bei  den  unkomplizierten  syphilitischen  Erkrankungen  des 
Zentralnervensystems  ziehen  wir  das  Salvarsan  dem  Neo¬ 
salvarsan  wegen  der  intensiveren  Wirkung  vor.  Die 
inveterierte  Syphilis  muss  mit  den  aller¬ 
schärfsten  Waffen  bekämpft  werden. 


Ho.  12. 


Allgemein  wird  betont,  dass  das  Neosalvarsan  besser  ver¬ 
tragen  werde  als  Salvarsan.  Dies  ist  zweifellos  der  Fall.  Je 
subtiler  aber  die  Technik  der  Lösung  und  Injektion  gehandhab; 
wird,  um  so  mehr  wird  sich  dieser  Unterschied  zwischei 
Salvarsan  und  Neosalvarsan  verwischen. 

Wenn  auch  die  Neosalvarsanlösung  leichter  herzusteller 
ist,  so  muss  doch  andererseits  betont  werden,  dass  das  vor¬ 
sichtige  Neutralisieren  mit  Natronlauge  beim  Altsalvarsai 
keine  Schwierigkeiten  bereitet.  Zu  bedenken  bleibt  allerdings 
immer,  dass  durch  den  Fortfall  von  Kochsalz  und  Natronlauge 
beim  Neosalvarsan  zwei  Möglichkeiten  eventueller  Verunrei¬ 
nigung  der  Injektionsflüssigkeit  in  Wegfall  kommen. 

Resümierend  möchten  wir  das  Neosalvarsan  dor 
empfehlen,  wo  eine  milde  vorsichtige  Salvarsanwirkung  ge¬ 
wünscht  wird.  Eine  Neosalvarsanlösung  ist  einfacher  unc 
leichter  herzustellen  als  eine  Salvarsanlösung.  Schon  geringt 
Fehler  der  Technik  scheinen  sich  beim  Salvarsan  deutlicher 
bemerkbar  zu  machen.  Lediglich  aber  ein  ganz  tadelloses 
Wasser,  nur  eine  völlig  einwandfreie  Technik  im  Verein  rni 
vorsichtiger,  aber  zielbewusster  Einzel-  und  Gesamtdosierung 
vermag  beim  Neosalvarsan,  wie  beim  Altsalvarsan  vor  un¬ 
erwünschten  Folgeerscheinungen  zu  schützen. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Dass  es  tatsächlich 
möglich  ist,  durch  genaue  Beobachtung  des  Allgemeinbefindens  der 
Kranken,  durch  individualisierende  Dosierung,  sowie  durch  Inne¬ 
haltung  der  oben  angegebenen  technischen  Einzelheiten  mit  Einschlus; 
der  Wasserbereitung  die  Reaktionen  nach  Salvarsan  ganz  erheblicl, 
zu  reduzieren,  beweisen  unsere  Erfahrungen  bei  den  letzten  100  Sal- 
varsaninfusionen:  6  Kranke  hatten  danach  Temperaturen  zwische: 
37  und  37,5  °,  zweimal  kam  es  zu  37,8  °,  einmal  erlebten  wir  eint 
Temperatur  von  38,9".  Zwei  von  diesen  9  reagierenden  Patienten 
hatten  Erbrechen.  Mithin  haben  91  von  diesen  lfK)  Kran 
ken  das  Salvarsan  ohne  den  geringsten  Tempe¬ 
raturanstieg  und  ohne  irgendwelche  Störung  de: 
A  1 1  g  e  m  e  i  -n  befindens  vertragen. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik  für  Hals-  und  Nasenkrankt 

zu  Königsberg. 

Die  bisherigen  Erfahrungen  mit  der  Salvarsan-  um 
Neosalvarsanbehandlung  der  lokalen  Spirochätosen. 

Von  Prof.  Gerber. 

Als  ich  im  November  1910  im  Verein  für  wissenschaftliche 
Heilkunde  in  Königsberg  über  die  Spirochäten  der  Mund 
rachenhöhle  und  ihre  Beeinflussung  durch  das  Salvarsan  die 
ersten  Mitteilungen  machte,  erntete  ich  teils  Verwunderung 
und  Zweifel,  teils  direkten  Widerspruch.  v  Seither  nun  habet 
sich  die  bezüglichen  Beobachtungen  so  gemehrt,  dass  es  docl 
schon  lohnend  erscheint,  sich  einen  kurzen  zusammenfassen 
den  Ueberblick  über  die  bisher  vorliegenden  Erfahrungen  zt 
verschaffen. 

Unter  „Spirochätosen“  verstehe  ich  dasselbe,  was  inai 
früher  unter  „Spirillosen“  verstand  und  fälschlich  noch  jetz, 
vielfach  so  bezeichnet.  Nachdem  aber  massgebende  Forsche 
die  den  Protozoen  zuzurechnenden  Spirochäten  (Müh  lens: 
von  der  Bakterienart  der  Spirillen  (v.  Prowazeck)  streni 
geschieden  haben,  müssen  wir  schon  die  eingebürgerten  um 
bequemeren  Bezeichnungen  „Spirillosen“,  „fuso-spirillärj 
Affektionen“  und  „Spirillotropie“  durch  die  unbequemer 
„Spirchätosen,  Fuso-Spirochätosen  und  Spirochätotropie' 
ersetzen. 

Wir  haben  allgemeine  und  lokale  Spirochätosen 
zu  unterscheiden.  Beispiele  der  ersteren  sind  die  Syphilis  um 
die  Rekurrens,  Beispiele  der  letzteren  die  Plaut-Vin 
cen  t  sehe  Angina  und  die  Balanitis.  Die  Berechtigung  —  di<j 
bisher  als  „f  uso  -  spirilläre  Erkrankungen“  bezeichnetei 
Affektionen  —  trotz  aller  Würdigung  der  Mitbeteiligung  de 
Spiessbazillen  —  lediglich  und  kurz  als  „Spirochä 
tose  n“  zu  bezeichnen,  schöpfe  ich  —  von  anderen  Tatsache! 
abgesehen  —  aus  der  spezifischen  Wirkung  eben  der  Salvar 
sanpräparatc  auf  diese  Krankheiten. 

Vincent  hielt  und  andere  Forscher  halten  wohl  nocl 
heute  den  Bacillus  fusiformis  für  den  Hauptschuldigen,  dii 
Spirochäten  nur  für  Mitwirkende.  Wenn  aber  das  klassischi 
Spirochätenmittel  solche  Geschwüre  heilt,  dann  können  di< 

I  darin  enthaltenen  Spirochäten  nicht  gleichgültige  Schmarotzer 


>.  März  1913. 


müencHener  Medizinische  wocHENScHRiFf 


635 


tun  müssen  sie  die  Erreger  oder  doeli  eine  conditio  sine 
ia  non  sein,  dann  kann  man  die  so  heilbaren  Affektionen 
ien  auch  als  „Spirochätosen“  bezeichnen. 

Es  kommt  dann  aber  noch  eine  Reihe  von  Affektionen  hin- 
i,  hei  denen  die  Spirochäten  nicht  die  Rolle  des  Erregers, 
»er  die  eines  sehr  wichtigen  Akzidens  spielen.  Hierher  ge¬ 
gen  gewisse  geschwiirige  Prozesse  besonders  in  der 
und-  und  Rachenhöhle,  die  ja  überhaupt  als  der 
iufigste  Schauplatz  der  lokalen  Spirochätosen  anzusehen  ist. 
uf  diese  möchte  ich  mich  denn  auch  hier  zunächst  be- 
hränken.  Als  sicher  oder  höchstwahrscheinlich  durch  Spiro- 
läten,  in  Gemeinschaft  mit  fusifortnen  Bazillen  bedingt, 
innen  wir  jetzt  wohl  ansehen: 

1.  Die  Plaut-Vincentsche  Angina. 

2.  Die  Gingivitis  Simplex. 

3.  Die  Gingivitis  m  e  r  c  u  r  i  a  1  i  s. 

4.  Die  Stomatitis  Simplex. 

5.  Die  Stomatitis  mercurialis. 

6.  Gewisse  Formen  von  G  1  o  s  s  i  t  i  s. 

7.  Skorbutische  Geschwüre. 

Vielleicht  auch  gewisse  Fälle  von 

8.  Noma. 

Ausserdem 

9.  Periodontitische  Abszesse,  Pulpitis,  Alveo- 
rpyorrhöe  (Miller,  Z  i  1  z). 

Für  die  sekundäre  Nekrose  und  Verjauchung  kommen 
e  Mundspirochäten  dann  ferner  bei  allen  möglichen  Ge- 
hwiiren  der  Mundrachenhöhle,  spezifischen  und  nichtspezi- 
,chen,  tuberkulösen,  leprösen  und  skleromatösen,  wie  bei 
m  geschwiirigen  Zerfall  von  Tumoren  (Bodin  [3])  in 
etracht. 

Es  braucht  wohl  nicht  gesagt  zu  werden,  dass  ich  Skorbut 
ld  Merkurialismus  nicht  für  Spirochätenerkrankungen  halte, 
(orbut  und  Merkur  würden  aber  —  nach  meinen  bisherigen 
iahrungen  —  ohne  die  Anwesenheit  der  Mundspirochäten 
cht  zu  Geschwürsprozessen  im  Munde  führen. 

Das  Ultramikroskop  und  das  Salvarsän,  das  sind  die 
,‘iden  Faktoren,  die  das  Studium  der  in  Rede  stehenden  Pro- 
:sse  so  ungemein  erleichtert  haben  und  durch  das  Salvarsan 
inn  man  —  bei  fortlaufender  Beobachtung  im  Dunkelfelde 

gleichsam  ex  juvantibus  die  Diagnose  auf  eine  Spiro- 
lätose  stellen.  Eine  wirkliche  Spirochätose  haben  wir  aber 
ir  anzunehmen,  wenn  das  Präparat  von  Spirochäten  und 
siformen  Bazillen  überschwemmt  ist,  derart,  dass 
ldere  Mikroorganismen  daneben  gar  nicht  in  Frage  kommen, 
e  r  e  i  n  z  e  1 1  e  Spirochäten  wollen  gar  nichts  besagen. 

Andererseits  muss  man  bei  negativem  Spirochäten- 
.‘fund  in  Mundgeschwüren  an  den  Antagonismus  denken,  der 
igenscheinlich  zwischen  Spirochäten  und  Eitererregern 
;steht,  wie  denn  auch  die  Pallida  im  Eiter  spezifischer  Pro- 
;sse  oft  vermisst  wird. 

Die  erste  Beobachtung  über  die  Beeinflussung  von  Mund- 
»irochäten  durch  Salvarsan  überhaupt  wurde  1910  von  mir 
itgeteilt  [6].  Die  erste  Heilung  einer  Plaut-Vincent- 
:hen  Angina  durch  Salvarsaninjektion  stammt  von  E  h  r  - 
ch  selbst  [4  a].  Ihr  folgten  sehr  rasch  die  entsprechenden 
eobachtungen  von  Rumpel  [21],  der  7  Fälle,  teils  in 
eiligen  Tagen,  heilte,  und  vom  Verfasser  [7].  Späterhin 
e  Fälle  von  Plaut  [19],  der  sehr  schwere  Fall  von  A  c  h  a  r  d 
t  Flandin  [l],  der  allen  anderen  Behandlungsmethoden 
‘trotzt  hatte  und  auf  Salvarsan  prompt  heilte  und  die  Mit- 
ilungen  von  Lublin  er  [15],  Sour  de  1  [22]  und 

oger  [20]. 

Dass  diese  ersten  Beobachtungen  sich  ausschliesslich  auf 
e  Plaut-Vincent  sehe  Angina  bezogen,  ist  erklärlich, 
i  diese  ja  allein  als  Repräsentantin  einer  durch  „fuso-spiril- 
re  Symbiose“  hervorgerufenen  Affektion  auch  weiteren  ärzt- 
dien  Kreisen  bekannt  war.  Wie  manchen  Forschern  aber 
hon  lange  der  Zusammenhang  gewisser  anderer  Affektionen 
■r  Mimdrachenhöhle,  besonders  des  Zahlfleisches  mit  ulzero- 
embranösen  Erkrankungen  der  Tonsillen  aufgefallen  war,  so 
tonten  Beobachtungen  über  die  Wirkung  der  Salvarsan- 
äparate  auch  auf  Gingivitis,  Stomatitis  u.  a.  nicht 
isbleiben.  Auch  ich  hatte  nicht  nur  regelmässig  bei  diesen 
Kränkungen  Spirochäten  und  Spiessbazillen,  oft  in  Rein- 
ütur.  gefunden,  sondern  auch  ihre  prompte  Abheilung  unter 
alvarsan,  sei  es  nun,  dass  sie  mit  Plaut-Vincent  scher 


Angina  zusammen  oder  allein  auftgetreten  waren,  kon¬ 
statiert  [7 — 9], 

Dieselben  Beobachtungen  machten  Plaut  [19],  der  in  Hamburg 
über  die  Heilung  von  zwei  schweren  Fällen  mit  Stomatitis 
u  1  c  e  ro-m  embranosa  berichtete,  S  t  ii  h  rn  e  r  [23]  bei  „bullöser 
Stomatitis  ,  le  Blaye  [  13a  1  und  Roger  [20]  bei  merkurieller 
Stomatitis,  Zilz  1 29,  30]  bei  verschiedenen  Formen  ulzeröser  Sto¬ 
matitis,  ebenso  Roger  [20],  der  in  seiner  interessanten  Dissertation 
8  neue  Fälle  von  Spirochätosen,  mit  Salvarsan  geheilt,  mitteilt.  Bei 
chronischer,  12  Jahre  bestehender  Glossitis  Allport  [2]  und 
Roger  [20],  Laiguel-Lavastine  [12[  bei  angeblich  nicht¬ 
luetischer  Leukoplaste.  Eine  ganz  besonders  interessante, 
merkwürdige  Beobachtung  veröffentlichte  Ger  lach  [10]  aus  der 
Richard  H  o  f  f  m  a  n  n  sehen  Abteilung  in  Dresden.  Hier  schloss  sich 
an  eine  Otit.  externa  ulcero-membranacea  eine  Stoma¬ 
titis,  Glossitis  und  Angina  ulcero-membranacea.  In  allen  Wund¬ 
sekreten,  auch  im  Ohreiter,  die  typischen  Spirochäten  und  fusiformen 
Bazillen.  Heilung  nach  zweimaliger,  intravenöser  Salvarsaninjektion. 
Hier,  wieauch  sonst  möchte  ich  annehmen,  dass  der  primäre,  wenn 
auch  latente  Herd  am  Zahnfleisch  oder  jedenfalls  in  Zahnnähe  ge¬ 
sessen  hat. 

Zilz  [27 — 30]  hat  sich  in  melireren  sehr  eingehenden  und  vor¬ 
trefflichen  Arbeiten  mit  der  Wirkung  der  Salvarsanpräparate  nicht 
nur  auf  verschiedene  Gingivo-Stomatiden,  sondern  speziell  auch  bei 
einer  Reihe  von  eigentlichen  Zahnaffektionen  beschäftigt,  von 
denen  schon  Miller  seinerzeit  einige  auf  Rechnung  der  Spirochäten¬ 
wirkung  zurückführen  zu  können  glaubte,  so  bei  para  dentalen 
Abszessen  („Wunschheimabszessen“)  und  der  Pyorrhoea 
a  1  v  e  o  1  a  r  i  s. 

Auch  die  Dermatologen  haben  später  eine  Reaktion  der 
Mundspirochäten  bei  Salvarsaninjektionen  zugegeben.  Nämlich  — 
was  Neisser  als  „Kuriosum“  (?)  anführt,  starke  Schmerzen 
an  den  Zähnen  nach  den  Einspritzungen.  Diese  Beobachtung  ist 
von  E.  Hoff  mann  und  von  Zimmern  [31]  bestätigt  worden, 
welch  letzterer  sie  besonders  bei  Patienten  mit  Stomatitis 
mercurialis  konstatiert  hat  und  sie  auf  den  Zerfall  der  Mund¬ 
spirochäten  und  das  Freiwerden  von  Toxinen  unter  dem  Ein¬ 
fluss  des  Salvarsans  zurückführt.  Meine  aprioristische  Annahme,  dass 
vielleicht  auch  die  Noma  eine  Fusospirochätose  sein  könnte,  ist  in¬ 
zwischen  wenigstens  an  einem  Falle  von  Ni  coli  [18]  bestätigt 
worden.  Er  gab  2  Injektionen  und  erzielte  24  Stunden  nach  der 
ersten  Injektion  eine  deutliche  Lokalreaktion,  dann  Demarkation  und 
Heilung.  In  einem  zweiten,  mit'  schwerer  Scharlachnephritis  kom¬ 
binierten  Falle  trat  allerdings  Exitus  ein.  Auch  ich  selbst  hatte  in 
einem  Falle,  bei  dem  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  Noma  gestellt 
wurde,  keinen  Erfolg  mit  der  Injektion.  Allerdings  zeigte  die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  hier  nicht  den  für  eine  typische  Spirochätose 
charakteristischen,  unverkennbaren  Befund.  Auch  hatte  der  Patient 
schon  die  Zeichen  schwerster  Allgemeininfektion.  Mir  selbst  |8 — 9| 
überraschend  war  dagegen  die  rasche  und  vollkommene  Heilung 
skorbutischer  Geschwüre  an  Zahnfleisch  und  Mundschleim¬ 
haut  bei  2  Matrosen.  Diese  Beobachtung  ist  durch  Tuschin-sky 
und  Iwaschenzow  [24]  bestätigt  worden,  die  in  5  Fällen  von 
Skorbut  eine  deutliche  Besserung  der  Lokalsymptome  sahen. 

Diese  letzten  Beobachtungen  nun  leiten  schon  zu  der 
zweiten  Kategorie  von  Fällen  über,  die  wir  nicht  mehr  als 
eigentliche  Spirochätosen  zu  betrachten  haben,  bei  denen 
vielmehr  die  Spirochäten  und  fusiformen  Bazillen  nur  als 
sekundär  hinzukommende  Schmarotzer  aufzufassen  sind.  Wie 
sehr  solche  im  allgemeinen  aber  den  ursprünglichen  Zustand 
vieler  —  sonst  in  sich  bestimmten  Affektionen  zu  verändern 
vermögen,  wie  manche  objektiven  Erscheinungen  und  sub¬ 
jektiven  Symptome  gerade  durch  sie  bedingt  sein  können,  ist 
ja  bekannt. 

Leider  ist  in  vielen  der  hierher  gehörigen  Beobachtungen 
der  mikroskopische  Befund  nicht  angegeben  worden.  Wir 
werden  aber  wohl  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  annehmen,  dass 
es  sich  überall  da,  wo  wirklich  Besserungen  oder  Heilungen 
eines  Pemphigus,  Reinigung  und  Besserung  eines  Zungen¬ 
krebses,  eines  Skleromgeschwürs  konstatiert  wurden  —  um 
sekundäre  Infektion  mit  Spirochäten  handelte. 

Ueber  die  rasche  Heilung  eines  Pemphigus,  der  auf 
Zunge  und  Wangenschleimhaut  begonnen  hatte,  berichtet 
Wolf  [26],  über  schnellen  Rückgang  der  Erscheinungen  bei 
einem  wahrscheinlichen  Fall  von  menschlicher  Maul-  und 
Klauenseuche  Stiihmer  [23],  über  völlige  Beseitigung 
der  subjektiven  Beschwerden  bei  einem  Z  u  n  g  e  n  k  r  e  b  s 
Bodin  [3],  Czerny  und  Caan  [3  a]. 

Zahlreich  sind  die  Sarvarsanversuche  beim  Sklerom 
—  sehr  verständlich  bei  einer  Krankheit,  der  gegenüber  man 
in  vorgeschrittenen  Fällen  so  gut  wie  machtlos  ist.  Ich  selbst 
habe  nur  einen  Fall  damit  behandelt  [9],  der  nach  einer  schein¬ 
baren,  vorübergehenden  Besserung  keine  deutliche  Reaktion 

2* 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  .  Ho.  ft. 


zeigte.  Allerdings  war  die  Dosis  klein  und  ich  will  ein  ab-  ! 
schliessendes  Urteil  danach  nicht  abgeben,  wenn  ich  mir  auch  i 
—  nach  dem  oben  gesagten  —  einen  kurativen  Einfluss  a  priori 
nur  auf  die  Zerfallsprodukte  denken  konnte.  So  sind  denn 
auch  die  Erfahrungen  N  a  g  y  s  [17],  F  c  i  n  s  [5]  und  L  i  e  c  k  s 
[14]  grösstenteils  negativ,  ebenso  die  von  Wieser  [25]. 
Gerade  die  Beobachtungen  Wiesers  bestätigen  meine  An¬ 
sicht,  denn  bei  seinen  3  Fällen  blieben  die  Infiltrate  alle 
unbeeinflusst,  und  nur  in  einem  Falle  heisst  es:  „Reinigung  der 
Ulzerationen!“  In  einem  anderen  ist  Besserung  des 
subjektiven  Befindens  notiert.  Um  so  überraschender  ist  das 
gute  Resultat  von  Canepele  [4]  und  die  vollkommene  Hei¬ 
lung  in  einem  Falle  Hölschers  [11  ].  Leider  fehlen  hier 
klinische  und  mikroskopische  Befunde. 

Noch  ein  Wort  über  die  Anwendungsweise  des 
Salvarsans  und  des  Ncosalvarsans  bei  den  lokalen  Spirochä- 
tosen.  Zunächst  sind  die  Mittel  —  in  den  ersten  derartigen 
Fällen  —  von  R  u  m  p  e  1,  V  e  r  f„  Plaut  u.  a.  intravenös 
angewendet  worden.  Nach  neueren  Erfahrungen  hat  sich  aber 
auch  die  lokale  Applikation  (Z  i  1  z  [28],  le  B  1  a  y  e  [13], 
Achard  [l],  Roger  [20],  Mathies  [16])  in  den  leichten 
Fällen  sehr  gut  bewährt,  sei  es  in  5— lOproz.  wässeriger  oder 
Glyzerinlösung  oder  in  Pulverform  insuffliert.  Oder  man 
nimmt  einen  mit  Glyzerin  imprägnierten  Watteträger  und 
bringt  mit  diesem  das  Salvarsan-  oder  Neosalvarsanpulver 
auf  die  Ulzeration  (S  o  u  r  d  e  1  [22]).  Natürlich  muss  die 
Touchierung  kräftig  und  nicht  zu  kurz  sein,  etwa  10—15  Mi¬ 
nuten  (Roger  [20]).  Auch  wir  haben  lokale  Spirochätosen 
durch  lokale  Applikation  allein  in  8  Fällen  zur  Heilung  ge¬ 
bracht.  So  können  denn  die  Injektionen  für  die  schwereren, 
mit  Allgemeinerscheinungen  verbundenen  Fälle  reserviert 
bleiben. 

Jedenfalls  haben  wir  im  Salvarsan  und  Neosalvarsan 
spezifische  Mittel,  auch  für  die  lokalen  Spiro¬ 
chätosen  und  so  haben  wir  Halsärzte  doppelten  Grund,  dem 
genialen  Forscher  für  diese  Bereicherung  unseres  Könnens 
dankbar  zu  sein. 

L  i  t  e  r  a  t  u  r. 

1.  Achard  et  F  1  a  n  d  i  n :  Angine  de  Vincent  traitee  par  le  606. 
Soc.  med.  des  Hop.  de  Paris,  28.  April  1911.  Ref.  Zeitschr.  f.  La- 
ryngol.,  Bd.  IV,  S.  69.  —  2.  A  1  i  p  o  r  t:  Brit.  med.  Journ.,  17.  August 
1912.  —  3.  Bodin:  Remarquable  action  de  dioxyamidoarsenobenzol 
dans  le  cas  d’un  cancre  de  la  langue.  Clinique  med.,  29.  Dez.  1911.  - 
3a  Czerny  und  Caan:  Ehrlich,  Abh.  über  Salvarsan,  Bd.  VI.  — 
4.  C  a  n  e  p  e  1  e  A. :  Sklerorn  und  606.  Intern.  Zentralbl.  f.  Ohrenheilk., 
Bd.  10,  H.  12,  S.  563.  —  4a.  Ehrlich:  Münch,  med.  Wochenschr. 
1910,  S.  2268.  —  5.  Fein:  Monatsschr.  f.  Ohrenheilk.  1911,  S.  162.  — 

6.  Gerber:  Ueber  die  Wirkung  des  E  h  r  1  i  c  h  -  H  a  t  a  sehen  Mit¬ 
tels  606  auf  die  Mundspiroehäten.  D.  med.  Wochenschr.  1910,  No.  46. 

7.  Derselbe:  Weitere  Mitteilung  über  die  Spirochäten  der  Mund¬ 
rachenhöhle  etc.  Ibidem,  1910,  No.  51.  —  8.  Derselbe:  Die  nicht 
spezifischen  ulzer.  Erkrankungen  der  Mundrachenh.  u.  Salvarsan. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  3.  • —  9.  Derselbe:  Die  Wirkung 
d.  Salv.  auf  Syph.  d.  ob.  Luftwege,  Sklerorn,  Plaut-Vincentsche  An¬ 
gina  u.  Skorbut.  Arch.  f.  Laryngol.,  Bd.  XXIV,  p.  366.  —  10.  Gerlach 
(R.  Hoff  mann):  Otit.  extern,  ulceromembr.  (Plaut-Vincent) 
mit  nachfolg.  Stomatitis,  Angina  u.  Glossitis  ulceromembr.  Zeitschr. 
f.  Ohrenheilk.,  Bd.  64,  S.  309.  —  11.  H  ö  1  s  c  h  e  r:  Heilung  eines  Falles 
von  Rhinosklerom  durch  Salvarsan.  Arch.  f.  Laryngol..  Bd.  25,  H.  3. 

-  12.  Laignel-Lavastine  et  Portrat:  Bull,  et  mem.  de  la 
soc.  med.  hop.,  28.  April  1911,  p.  507.  : —  13.  Le  Blaye:  Stomatite 
mercurielle  traitee  par  l’Arsenobenzol.  Progres  med.,  22.  Juli  1911'. 

14.  Lieck  W. :  Rhinosk.  u.  Salvarsan.  St.  Petersburg  med.  Zeit¬ 
schrift,  37.  Jahrg.,  No.  10.  Ref.  Intern.  Zentralbl.  f.  Ohrenheilk., 
Bd.  10,  H.  8,  S.  327.  —  15.  L  u  b  1  i  n  e  r :  Intern.  Zentralbl.  f.  Laryngol. 
1912,  S.  169.  —  16.  Mathies:  Briefl.  Mitteilung.  —  17.  Nagy  S. : 
Ueber  das  Sklerorn.  Ref.  Intern.  Zentralbl.  f.  Laryngol.  1912,  S.  256. 

-  18.  Nicoll:  Beobacht  über  Noma  etc.  Arch.  of  Ped.,  28,  1911, 
S.  912.  Ref.  Therap.  Monatsschr.,  XXVI,  März'  1912.  —  19.  Plaut: 
Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  51,  1911  --  20.  Roger:  L’action  de 
l’arsenobenzol  dans  certaines  affections.  These  de  Paris  1912.  — 
21.  Rumpel:  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  S.  2283.  —  22.  S  o  u  r  - 
del:  Applications  locales  de  606  dans  rangine  de  Vincent.  Bull, 
d.  soc.  therap.,  22.  Nov.  1911.  —  23.  Stüh  me  r  (Schreiber- 
Magdeburg):  Klinische  Erfahrungen  mit  Neosalvarsan.  —  24.  Tu¬ 
sch  i  n  s  k  y  und  I  wasche  nzow:  Ueber  Salvarsanbehandlung  bei 
Skorbut.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  Np.  50,  S..  2671.  — 

25.  Wieser:  Intern.  Zentralbl.  f.  Laryngol  1912,  S.  390.  — 

26.  Wolff:  Ein  Fall  von  Pemphigus,  geheilt  mit  Ehrlich-Hata  606. 
B°rl.  klin.  Woche,  No.  2,  1911.  —  27.  Zilz:  Deutsche  zahnärztl. 
Zeitung  1911,  No.  44.-  28.  Derselbe:  Ueber  die  lokale  Salvarsan-' 
behandlung  mit -bestand.  Berücksichtigung  der  Spirochätenerkrankg. 


d.  Mundh.  Münch,  med,  Wochenschr.  1912,  No.  1.  — derselbe 
Das  Salvarsan  in  der  Zahnheilkunde.  Zahnärztl.  Rundschau,  No.  21 
1912.  —  30.  Derselbe:  Zur  Klinik  d.  Mundspiroch.  Wien  1913 
Sonderdruck  aus.  A  s  h  s  Wiener  Vierteljahresfachblatt,  Nov.  1912. 
31.  Zimmern  (Herxheimer):'  Eine  Salvarsanreaktion  an  dei 
Zähnen. 


Ans  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  München  (Direktor 
Prof.  Dr.  M.  v.  P  f  a  u  n  d  1  e  r). 

Einfluss  hygienischer  Verhältnisse  auf  die  Morbiditä 
und  Mortalität  der  Masernpneumonie. 

Von  Dr.  Ludwig  Maier. 

In  dem  Triennitim  1006  mit  1908  starben  68  (==  30,6  Proz. 
von  den  222  auf  der  Masernabteilung  obiger  Klinik  auf 
genommenen  Kindern.  In  dem  Triennium  1910  mit  1912  betru 
die  Masernletalität  nur  16,6  Proz.,  war  also  ungefähr  auf  di 
Hälfte  abgesunken.  Für  die  Sterblichkeit  an  Masern,  sind  i 
hiesiger,  wie  in  anderen  Anstalten,  die  Komplikationen  am  Ai 
mungssystem  von  der  grössten  Bedeutung.  Bedrohliche  Korr 
plikationen  solcher  Art,  nämlich  ausgedehnte  Kapillärbroncli 
tiden  und  Bronchopneumonien  teils  zirkumskripter  teils  lobäre 
Natur  kamen  in  dem  erstgenannten  Triennium  bei  36,9  Proz 
in  dem  letztgenannten  Triennium  bei  20,7  Proz.  aller  Kinde 
vor,  und  zwar  waren  sie  zum  Teil  schon  bei  der  AufnahnL 
vorhanden,  zum  anderen  Teile  sind  sie  erst  während  des  Ai 
staltsaufenthaltes  aufgetreten.  Die  durch  solche  Komplikatione 
verursachten  Todesfälle  machten  1906/1908,  69,5  Proz.  der  ,a; 
Pneumonie  erkrankten  und  25,7  Proz.  aller  aufgenommene 
Kinder  aus.  Die  entsprechenden  Zahlen  in  dem  Zeitraum 
1910/1912  sind  56,0  Proz.  und  11,6  Proz.  Es  ist  also  di 
Letalität  auf  der  Masernabteilung  ungefäh 
auf  die  Hälfte  herabgegangen  und  war  dies 
V  e  r  m  i  n  d  e  r.u  n  g  der  G-e  samtletalität  hai.pt 
sächlich  bedingt  durch  ein  beträchtliche 
Absinken  der  Frequenz  der  so  gefährliche 
K  o  m  p  1  i  k  a  t  i  o  n  e  n.  Zum  kleineren  T eile  ist  dieses  Al 
sinken  auch  auf  die  verminderte  Letalität  der  Pneumonie 
selbst  zurückzuführen.  Die  Häufigkeit  der  gefährlich* 
Lungenkomplikationen  zur  Zeit  der  Einlieferung  zeigt  bei 
Vergleich  der  beiden  Perioden  keine  so  erhebliche  Differeu 

Es  hat  uns  nun  interessiert  festzustellen,  womit  es  z 
sammenhängen  kann,  dass  sich  neuerdings  die  Ergebnisse 
viel  günstiger  gestaltet  haben.  Man  wird  zwar  finden,  da 
die  Höhe  der  Gesamtmasernsterblichkeit,  die  früher  eine  e 
schreckende  war,  noch  immer  eine  beträchtliche  genan 
werden  muss,  doch  weiss  man,  dass  allenthalben  die  Leta 
tätszahlen  der  Morbillen  in  Anstalten  unvergleichlich  höhe 
sind  als  ausserhalb,  was  zum  grossen  Teile  mit  der  Auswa 
der  Fälle  und  anderen  hier  nicht  weiter  zu  erörternden  Ui 
ständen  zusammenhängt.  Vor  ca.  30  Jahren  hat  die  Maser 
Sterblichkeit  auf  der  Charitee  zu  Berlin  70  Proz.  und  v 
12  Jahren  36  Proz.  betragen. 

Man  weiss,  dass  besonders  Kinder  der  jüngste 
Altersstufen  an  Pneumonie  nach  Masern  erkranken  .ul 
sterben1).  Wenn  sich  die  Altersverhältnisse  unserer  Maser- 
Patienten  aus  äusseren  Gründen  geändert  hätten,  dann  wä' 
damit  allenfalls  der  erhobene  Befund  ohne  weiteres  geklä. 
Eine  solche  Verschiebung  hat  aber  nicht  stattgefundo 
1906/1908  standen  43,7  Proz.  der  Masernkinder  im  1.  und 
38,3  Proz.  im  3.,  4.  und  5.  Lebensjahre  und  18,0  Proz.  wau 
mehr,  als  5  Jahre  alt.  Das  Triennium  1910/1912  ergibt  zuläu 
mathematisch  genau  dieselbe  Verteilung  auf  die  verschieden1 
Altersstufen.  Ebensowenig  ist  es  ersichtlich,  dass  unter  d' 
Masernkindern  früher  .mehr  rachitische,  mehr  gleicnzeii 
anderweitig  erkrankte,  oder  sonst  Von  vorneherein  stärk 
bedrohte  gewesen  wären  als  später.  Die  mittlere  soziale  La- 
der  Patienteneltern  ist  unverändert  geblieben.  Da  irr  du 
späteren  Triennium  mehr  als  doppelt  so  viel  Kindei  a* 
genommen  wurden,  als  in  dem  früheren  (483  gegen  222),  lk 
es  nahe  anzunehirien.  dass  früher  eine  schärfere  Auswd 
schwerster  Fälle  vorgenommen  wurde.  Das  trifft  aber  nid 

‘)  In  unserem  Gesamtmaterial  betrug  z.  B.  die  Prieumoi  - 
letalität  der'  Masernkinder  in  den  Altersstufen  0—2  Jahre,  3— n  Ja^ 
und  über  5  Jahre:  29,2  Proz.,  7,8  Proz.  bzw.  1,6  Proz. 


5.  Marz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


637 


i.  Dem  Angebote  der  Aufnahme  wurde  nach  wie  vor  stets 
itsprochen,  auch  wenn  es  sich  um  leichtere  Fälle  handelte. 

In  der  hier  üblichen  Behandlungsweise  der  Masern  und 
rer  Komplikationen  hat  sich  nichts  wesentliches  geändert, 
ie  ärztliche  Leitung  ist  seit  1906  in  denselben  Händen.  Ein 
Hives  therapeutisches  Einschreiten  zur  Verhütung  von 
lasernkomplikationen  ist  neuerdings  ebensowenig  wie  vor- 
mls  möglich.  Die  Pflegeverhältnisse  haben  sich  insoferne 
ebessert,  als  in  der  letzten  Zeit  eine  besondere  Nachtpflege- 
ehwcster  Dienst  tut.  während  ehemals  die  tagdiensthabende 
ach  nachts  in  besonderen  Fällen  intervenierte.  Dieser  Ver- 
esserung  steht  aber  der  Anstieg  der  Patientenzahl  gegenüber, 
i  dass  die  Arbeitsleistung  für  die  einzelne  Pflegeperson  sogar 
ngestiegen  ist.  Der  Vermutung  endlich,  dass  etwa  die 
pidemien  von  1910/1912  einen  schwereren  Charakter  gehabt 
ätten,  als  diejenigen  von  1906/1908,  stehen  die  Erfahrungen, 
ie  in  München  ausserhalb  der  Anstalt  gemacht  wurden,  ent¬ 
eren.  Allgemeine  Masernletalitätszahlen  zu  gewinnen,  ist 
ir  unsere  Stadt  nicht  möglich,  da  bedauerlicherweise  keine 
llgeineine  Masernanzeigepflicht  besteht.  Es  mussten  daher 
rivate  Mitteilungen  herangezogen  werden,  die  drei  stark  be¬ 
wältigte  Aerzte  uns  zu  machen  so  freundlich  waren.  In  der 
rivaten  Praxis  dieser  Aerzte  betrug  die  Letalität  der  Morbillen 
906/1908  8,4  Proz.,  1910/1912  7,2  Proz.  (es  handelte  sich  meist 
m  ältere  Kinder  besser  situierter  Leute).  Hiernach  kann 
uch  ein  wesentlich  gebesserter  „Genius  epidemicus“  nicht  die 
rsache  des  so  sinnfälligen  Absinkens  der  Letalitätsziffer  sein. 

Die  Ursache  dafür  muss  in  einem  anderen  Umstande  ge- 
ucht  werden.  Im  Jahre  1909  wurden  die  Scharlach-  und 
iasernabteilung  des  Dr.  v.  Hauner  sehen  Kinderspitales 
änzlich  umgebaut;  damit  haben  sich,  die  Unt  er  - 
nng’un  g  s.ver  h  äl  t  n  i  s  s  e:  der  K'i  ,n  der,  d  i  e  .so  - 
enan  nt-e  n:  h  y  g ie  n  i  s  che  n  "A  u;f.e  n  t  h  a  1 t  s  b  e-d  i  n  g  - 
n  g  e  n  von  .Grund  aus  geändert.  Die  folgenden 
ngaben  über  die  ehemalige  und  die  jetzige  Ausstattung  der 
Iasernabteilung  entnehme  ich  einer  Schilderung  des  jetzigen 
.nstaltsleiters  2).  Die  alte  Masernabteilung  ist  im  Jahre  1891 
1s  ein  notdürftiges  Provisorium  in  Form  einer  Baracke  ein- 
erichtet  worden.  Der  Krankensaal  war  dunkel,  dumpf,  hatte 
ölzerren  Fussboden,  schmales  Stiegenhaus  und  Treppe, 
e  i  n  e  V  e  n  t  i  1  a  t  i  o  n  '(beim  Abbruch  zeigte  sich,  dass  die 
prgesehenen  Ventilationsschächte  zwecks  Ersparung  von 
leizmaterial  vor  Jahren  gänzlich  verlegt  und  unbrauchbar 
emacht  worden  waren).  Das  Krankenzimmer,  der  Schwester- 
chlafraum,  das  Bad  und  das  Klosett  (!)  bildeten  einen 
emeinsamen  Raum,  der  nur  in  der  unteren  Hälfte  durch 
lannshohe  Monnierwände  abgeteilt  war.  Der  Neubau  der 
lfektionsabteilung  enthält  hingegen  ungemein  lichte,  luftige 
’äume,  die  an  den  gegenüberliegenden  Längsseiten  sehr  grosse 
enster  mit  Oberlichten  zur  Ventilation  besitzen.  Der  Boden 
at  Linoleumbelag  mit  Korkmentunterlage,  Terrazzohohl- 
ehlensockel ;  die  Wände  sind  bis  zur  Höhe  von  1,9  m  mit 
Ölfarben-,  darüber  mit  Kalkfarbenanstrich  versehen.  Die 
lebenräume  sind  selbstverständlich  vollständig  abgetrennt 
nd  gleichfalls  durchweg  im  Stile  des  modernen  Krankenhaus- 
>aues  gehalten.  Im  Krankenzimmer  und  Vorraum  sind  be- 
ueme  Wasch-  und  Desinfektionsgelegenheiten  geschaffen; 
ine  ausreichende  .  Anzahl  von  Mänteln  für  das  ärztliche  und 
hlegepersonal  stehen  auf  getrennten  Kleiderrechen  zur  Ver¬ 
legung. 

Es  ist  nach  dem  Dargelegten  wohl  einwandfrei  ersichtlich, 
ass  diese  veränderten  Unterbringungsverhältnisse  von  aus- 
chlaggebender  Bedeutung  für  die  festgestellten  Differenzen 
ind.  Wenn  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Einflussnahme 
ohl  auch  allseits  angenommen  wird,  so  schien  es  doch  nicht 
hne  Bedeutung,  sie  einmal  unter  günstigen  Bedingungen 
iffermässig  darzulegen  und  an  dem  vielleicht  besonders  ge- 
igneten  Exempel  einer  Kindermasernabteilung  zu  illustrieren, 
•ie  Ausführungen  rechtfertigen  nachträglich  das  seinerzeitige 
/ringende  Verlangen  der  Anstaltsleitung,  eine  gründliche  Ab- 
lilfe  gegen  die  ehemaligen  unhaltbaren  Zustände  zu  treffen  und 
ie  zeigen,  dass  die  aufgewandten  Mittel  Früchte  getragen 

*)  Prof.  Dr.  M.  v.  Pfaundler:  Die  Kgl.  Universitäts-Kinder- 
linik  im  Dr.  v.  Hafi'ner  sehen  Kinderspitale  zu  München.  Bau, 
inrichtung  uud  Betrieb.  1911.  Verlag  Rudolph  M  ii  1 1  e  r  &  Stei- 
icke,  München.'  -  . 


haben.  Unter  Fortdauer  der  früheren  Verhält¬ 
nisse  wären  1910/12  um  68  Kinder  mehr  a  u  f  d  e  r 
Masernabteilung  zum  Opfer  gefallen! 

Erhebungen  solcher  Art  liegen  auch  schon  von  anderer  Seite  vor. 
So  teilt  z.  B.  M  e  i  s  e  1  s  Daten  darüber  mit,  wie  sich  die  Sterblich¬ 
keitsverhältnisse  auf  der  Masernabteilung  der  Heubner  sehen 
Klinik  in  Berlin  durch  Umgestaltung  der  Station  (1902)  geändert 
haben.  Auch  dort  machte  sich  besonders  bemerkbar,  dass  die  Zahl 
der  in  der  Anstalt  aufgetreteneu  Lungenkomplikationen  eingeschränkt 
werden  konnte  (Erkrankungen  an  Pneumonie  in  der  Vorperiode  bei 
24  von  339  Kindern,  in  der  Nachperiode  hei  1  von  168  Kindern). 
Meiseis  glaubt  diese  Vorteile  einer  besonderen  Einführung  auf 
der  neuen  Masernstation  zuschreiben  zu  dürfen,  nämlich  dem 
Boxensystem,  ln  der  dortigen  Anstalt  sind  in  die  Krankensäle 
Wände  in  Glaseisenkonstruktion  eingebaut,  die  kleinere  Raum¬ 
einheiten  schaffen  und  bei  entsprechender  Bedienung  Spezial- 
isolierungen  der  an  Komplikationen  erkrankten  Kinder  ermöglichen. 
Auch  an  der  Münchener  Masernstation  sind  solche  Boxes  errichtet 
und  werden  in  gleichem  Sinne  verwendet.  Wir  haben  aber  nicht 
die  Ueberzeugung  gewinnen  können,  dass  dieser  Vorkehrung  allein 
oder  in  ausschlaggebendem  Masse  der  Erfolg  zuzuschreiben  sei.  Wir 
haben  uns  nämlich  überhaupt  nicht  mit  Sicherheit  davon  überzeugen 
können,  dass  die  bronchitischen  und  pneumonischen  Prozesse  der 
Masernrekonvaleszenten  sich  im  Krankenhaus  so  ausgesprochen 
kontagiös  verhalten,  wie  das  von  anderer  Seite  angenommen  wird. 
Wenn  das  der  Pall  wäre,  dann  müssten  sich  an  einen  von  aussen 
eingebrachten  oder  im  Hause  entstandenen  Komplikationsfall  in 
räumlich  und  zeitlich  geordneter  Weise  andere  Fälle  anschliessen 
und  es  müsste  dies  bei  einer  geeigneten  Darstellung  des  Gesamt¬ 
materiales  ersichtlich  werden.  Ich  habe  eine  derartige  Darstellung 
unternommen.  Von  einer  sehr  sinnfälligen  zeitlichen  Gruppierung 
der  Pneumoniefalle  an  unserem  Material  ist  keine  Rede  —  ebenso¬ 
wenig  in  der  neuen  (Boxen-)  Abteilung,  wie  auf  der  alten  Masern¬ 
station  ohne  Boxen.  Es  tritt  lediglich  zutage,  dass  die  Pneumonien 
in  den  Monaten  November  bis  Februar  oder  März  häufiger  Vor¬ 
kommen,  als  in  den  übrigen  Jahresmonaten. 

Die  fortlaufende  Beobachtung  des  Stationsbetriebes  im  einzelnen 
macht  die  Annahme  häufiger  Kontaktinfektionen  ebensowenig  wahr¬ 
scheinlich.  Bezeichnend  ist  dafür  ja  auch,  dass  Manche  die  Ver¬ 
breitung  von  einem  Bett  zum  benachbarten  fürchten,  soferne  die 
Bettdistanz  1  m  oder  weniger  beträgt 3)  (Czerny  sehe  Schule), 
während  Andere  Ansteckungen  'in  der  Saaldiagonale  als  Regel  an- 
sehen  (Le  sage),  dass  .für  den  Einen  der  „Zug“  im  Krankensaal 
das  Gefährliche,  das  einzig  die  Kontagion  Vermittelnde  ist,  den 
der  Andere  für  das  sicherste  Vorbeugungsmittel  hält. 

Zweck  der  kleinen  vorliegenden  Studie  war  es  nicht,  die 
schwierige  und  noch  völlig  offene  Frage  zu  beantworten,  auf 
welche  Weise  die  moderne  Spitalshygiene  wirkt,  sondern  zur 
Vorerhebung  beizutragen,  ob  sie  tatsächlich  Bedeutsames 
leisten  kann.  Das  trifft  auf  dem  besprochenen  Gebiete  zu. 


Ueber  ein  erfolgreiches  Heilverfahren  bei  einem  Sarkom 
(Rezidiv)  des  Eierstocks,  das  die  Wirbelsäule  ergriffen 

hatte* *). 

Von  Dr.  Ludwig  S  e  e  1  i  g  m  a  n  n,  Frauenarzt  in  Hamburg. 

Das  Rezidiv  einer  Sarkomgeschwulst  des  Eierstocks,  die 
schon  weitere  Fortschritte  gemacht  hatte,  gehörte  bislang  zu 
den  allerschwersten  bösartigen  Erkrankungen,  denen  man  in 
der  Praxis  begegnen  konnte,  namentlich  wenn  das  Leiden  eine 
jüngere  Person  betraf.  Ich  habe  in  meiner  fast  25  jährigen 
gynäkologischen  Praxis  verschiedene  Fälle  erlebt,  bei  denen 
ich  zuerst  die  primäre  Geschwulst  (solides  Spindelzellen¬ 
sarkom  des  Eierstocks)  entfernt  habe,  natürlich  unter  ge¬ 
nauester  Berücksichtigung  der  regionären  Lymphdrtisen,  der 
anderen  Adnexe,  des  Magens  und  der  übrigen  Kontenta  der 
Bauchhöhle.  Stellte  sich  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit 
ein  Rezidiv  ein,  so  gingen  die  Kranken  einem  qualvollen, 
schrecklichen  Ende  entgegen.  Von  der  Entfernung  des  Rezi¬ 
divs  habe  ich  nicht  vielen  Segen  erlebt,  da  der  Prozess  ge¬ 
wöhnlich  doch  rasch  weiter  um  sich  griff,  und  durch  die  Ent¬ 
fernung  des  Rezidivstumors  fast  gar  nicht  aufgehalten  wurde. 
Ich  erinnere  mich,  einige  Sektionen  von  an  Sarkomrezidive  Ver¬ 
storbener  gemacht  zu  haben,  und  denke  mit  Schrecken  an  die 
furchtbare  Zerstörung  der  Gewebe  durch  die  fortschreitende 
Neubildung,  die  gewöhnlich  auch  noch  die  Knochen  der 


3)  Bettdistanz  auf  unserer  Station  1906/08  1,00  m,  1910/12  1,40  m. 

*)  Nach  einer  im  ärztlichen  Verein  in  Hamburg  gehaltenen  De¬ 
monstration  am  11.  Februar  1913. 


638 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Wirbelsäule  in  grosser  Ausdehnung  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogen  hatte. 

Die  Prognose  derartiger  Tumoren  war  daher  bislang 
infaust,  da  auch  die  Chirurgie  am  letzten  Ende  völlig  ver¬ 
sagte. 

Es  ist  mir  nun  in  einem  sehr  schweren  Falle  ge¬ 
lungen,  durch  ein  kombiniertes  Heilverfahren 
einen  geradezu  frappierenden  Erfolg  zu  erzielen,  den 
ich  mit  nachfolgender  genauer  Krankengeschichte  veröffent¬ 
liche.  Ich  hoffe  bestimmt,  dass  auch  andere  Operateure  den 
gleichen  Erfolg  in  ähnlichen  Fällen  erzielen  werden,  und  bitte 
ich  die  Fachgenossen  um  Nachprüfung  des  Verfahrens  und 
Veröffentlichung  der  Fälle,  da  die  Erkrankung  dem  Privat¬ 
ärzte  doch  nicht  so  häufig  zu  Gesicht  kommt.  Mein  Fall  ist 
von  einer  Anzahl  erster  Chirurgen  und  Gynäkologen  Ham¬ 
burgs  mitbeobachtet  und  kontrolliert  worden. 

Es  handelte  sich  um  ein  Mädchen  von  24  Jahren,  das  mir  im 
August  1911  zum  ersten  Male  von  ihrer  Mutter,  die  ich  vor  zirka 
14  Jahren  gynäkologisch  behandelt  und  operiert  hatte  (vaginale  Ex¬ 
stirpation  eines  submukösen  Myoms),  in  die  Sprechstunde  gebracht 
wurde.  Damals  konstatierte  ich  einen  harten  Tumor,  der,  das  ganze 
Abdomen  ausfüllend,  schon  eine  solche  Grösse  angenommen  hatte, 
dass  die  Atmung  dadurch  behindert  war.  Die  Wirbelsäule  war  aber 
damals  noch  völlig  intakt.  Ich  machte  die  Laparotomie  und  fand 
einen  10  pfundigen,  intraligamentär  entwickelten,  soliden  Ovarial¬ 
tumor,  der  sich  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  als  Spindel¬ 
zellensarkom  des  rechten  Ovariums  erwies.  Nach  Exstirpation  der 
Geschwulst,  die  aus  dem  Ligam.  latum  ausgeschält  wurde  und  mit 
der  noch  ein  Teil  der  Uteruskante,  die  mit  ihm  innig  verwachsen  war, 
abgetragen  werden  musste,  wurden  die  linken  Adnexe,  der  Magen  und 
die  übrigen  Kontenta  der  Bauchhöhle  revidiert  und  als  intakt  be¬ 
funden;  der  Leib  wurde  wieder  geschlossen  und  die  Rekonvaleszenz 
verlief  glatt.  Nach  3  Monaten  ergab  eine  Kontrolle  der  Kranken 
völliges  Wohlbefinden.  Nach  9  Monaten,  im  Mai  1912,  konnte  bei 
einer  Untersuchung  leider  schon  ein  beginnendes  Rezidiv  des  Tumors 
auf  der  gleichen  Seite,  anscheinend  ausgehend  von  den  Lymphdriisen 
des  Geschwulstbettes,  in  dem  der  primäre  Tumor  gesessen  hatte, 
konstatiert  werden.  Die  Patientin  sollte  in  Beobachtung  bleiben. 
Eventuell  sollte  der  Versuch  gemacht  werden,  das  Rezidiv  operativ 
zu  entfernen.  Sie  kam  aber  nicht  mehr  und  erst  im  November  1912 
meldete  sie  sich  wieder.  Nun  war  das  Abdomen  wieder  ad  maximum 
ausgedehnt,  und  es  war  ein  harter  Rezidivtumor  zu  fühlen,  der 
aus  dem  kleinen  Becken,  das  er  gänzlich  ausfüllte,  bis  in  die  Zwerch¬ 
fellkuppe  reichte,  und  die  Leber,  den  Magen  überragend,  fast  die 
ganze  Bauchhöhle  einnahm.  Seit  Oktober  schien,  dem  Berichte  der 
Kranken  nach,  auch  die  Wirbelsäule  metastatisch  ergriffen  zu  sein, 
denn  in  der  Höhe  des  12.  Brust-  und  1.  Lendenwirbels  war  am 
Rücken  eine  gerötete  schmerzhafte  Stelle  vorhanden.  Es  hatte  sich 
dort  ein  kleiner  Gibbus  entwickelt.  Die  Kranke,  die  einen  kläg¬ 
lichen  Eindruck  machte,  konnte  sich  nicht  mehr  aufrecht  halten,  da 
die  Wirbelsäule  sie  nicht  mehr  trug  und  die  Atmung  durch  das  hoch¬ 
gedrängte  Zwerchfell  ungemein  behindert  war.  Ich  nahm  sie  wieder¬ 
um  klinisch  auf  und  machte,  gedrängt  durch  die  Bitten  der  Mutter, 
noch  einmal  die  Laparotomie,  um  eventuell  von  dem  Tumor  zu  ent¬ 
fernen,  was  noch  zu  entfernen  ging.  Dabei  stellte  sich  aber  heraus, 
dass  die  grosse  Geschwulst,  die  fast  noch  grösser  als  der  primäre 
10  pfündige  Tumor  war,  sich  gänzlich  retroperitoneal  entwickelt 
hatte,  von  den  Lymphdrüsen  des  kleinen  Beckens  ausgehend,  hoch 
hinauf  bis  in  die  Höhe  des  12.  Brustwirbels  reichend.  Die  Leber,  der 
Magen  waren  in  die  Zwerchfellkuppe  hinaufgedrängt,  aber  von  der 
Neubildung  nicht  ergriffen  worden.  Von  einer  operativen  Entfernung 
dieser  Geschwulst  war  natürlich  keine  Rede  mehr.  Das  Abdomen 
wurde  wieder  zugemacht.  Den  Eingriff  überstand  die  Kranke  ganz 
gut,  aber  in  den  nächsten  Tagen  war  sie  so  schwach  und  elend  und 
hatte  iin  Rücken  so  furchtbare  Schmerzen,  dass  nur  grössere  Mor¬ 
phiumdosen  den  Zustand  einigermassen  erträglich  machten.  Nacn 
10  Tagen  aber  besserte  sich  das  Allgemeinbefinden  etwas  und  nun 
versuchte  ich  in  dem  verzweifelten  Falle  ein  Heilverfahren,  das  ich 
mir  zurecht  hatte.  Sick  hatte  vor  6  Jahren  über  einige 

Knochensarkomfälle  berichtet,  bei  denen  er  mit  subkutanen 
Atoxyleinspritzungen,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  ein 
günstiges  Resultat  erzielt  hatte.  Ich  beschloss,  meiner  Kranken  das 
Arsazetin  (0,1)  intravenös  zu  injizieren.  Nach  der  ersten  Ein¬ 
spritzung  besserte  sich  das  Allgemeinbefinden  weiter,  und  nun  wurde 
mit  dieser  Injektionskur  eine  Röntgenbestrahlung  des  Tumors  ver¬ 
bunden,  die  Herr  Dr.  L  o  r  e  y  ausführte.  Es  wurden  2  Bestrah¬ 
lungsserien  vorgenommen:  1.  Serie  vom  10.  XII.  bis  31.  XII.  12,  Ge¬ 
samtdosis  55  X,  2.  Serie  vom  15.  I.  bis  28.  I.  13,  Gesamtdosis  66  X, 
zusammen  121  X.  Die  Bestrahlungen  wurden  in  jeder  Serie  von 
10  verschiedenen  Hautstellen  aus  gemacht.  Dazu  wurden  je  nach  der 
Stelle  ein  Blendenansatz  von  8.^,  13  cm  oder  Kastenblende  von 
9  X  17  cm  Oeffnung  benützt.  Röhrenhärte  ca.  7  Walther.  Filter: 
1 — 2  mm  Aluminiumblech.  Die  intravenösen  Arsazetininjektionen  wur¬ 
den  die  ersten  vier  ä  0,1  Arsazetin  wöchentlich,  dann,  nach 
einer  4  wöchentlichen  Pause,  wieder  0,1,  vorgenommen  und 
auch  gut  vertragen.  Nach  der  2.  trat  ein  Schüttelfrost  mit  hoher 


No.  12 


Fiebersteigerung  (39,5°)  ein,  die  aber  schon  am  folgenden  Tage  aus 
geglichen  war.  Der  Erfolg  dieser  kombinierten  Behänd 
lu.ng  der  schwer  kranken  Patientin  war  ein  geradezu  frap 
pierende  r.  Der  Tumor  wurde  immer  kleiner,  die  Patientin  nahtr 
an  Köpergewicht  zu  und  das  Allgemeinbefinden  besserte  sich  so,  das« 
sie  nach  fünf  Wochen  ausser  Bett  sein  konnte  und  wieder  Färbt 
bekam.  Eine  Röntgenaufnahme  ergab,  dass  der  metastatische  Pro 
zess  in  der  Wirbelsäule  den  12.  Brustwirbel  und  1.  Lendenwirbel  be 
traf.  Auch  dieser  Prozess  scheint  jetzt  der  Ausheilung  entgegen 
zugehen.  Die  Schmerzen  in  der  Wirbelsäule  sindver 
Schwunde  n,  namentlich  nachdem  die  Kranke  zur  Unterstützung 
ein  Gipskorsett  bekommen  hat. 

Das  Mädchen  wird  bei  völligem  Wohlbefinden.  8  Wochen  nacl 
begonnener  Behandlung,  dem  Aerztlichen  Verein  in  Hamburg  de 
monstriert;  von  dem  grossen  Tumor  ist  nichts  mehr  zu  fühlen 
der  Gang  ist  aufrecht  und  durch  keinerlei  Beschwerden  in  der  Wirbel, 
säule  irgendwie  beeinträchtigt. 

Durch  diesen  schönen  Erfolg,  der  sich  möglicherweisi 
auch  in  anderen  Fällen  von  Sarkomen  ergeben  wird,  ist  dies«: 
Behandlungsmethode  vielleicht  berufen,  ein» 
Rolle  in  der  Heilung  dieses  bis  jetzt,  na  ment 
lieh  in  seinen  Rezidiven  unheilbaren  Leiden 
zu  spielen* 1). 

Vielleicht  zeitigt  auch  das  Prinzip  de 
Methode,  mit  entsprechenden  Variationei 
Erfolge  bei  der  Bekämpfung  der  Krebs 
geschwülste  und  ihrer  Rezidiven.  Ich  bin  mi 
diesbezüglichen  Studien  beschäftigt. 


Aus  der  chirurgischen  Privatkliuik  von  Hofrat  Kr  eck 

in  München. 

Erfahrungen  mit  dem  Skopolamindämmerschlaf  in  Vet 
bindung  mit  Morphium,  Pantopon  und  Narkophin. 

Von  Dr.  Hans  Reichel,  Assistenzarzt. 

Um  die  Gefahren  der  Inhalationsnarkose  herabzusetzei 
hat  man  in  den  letzten  Jahren  im  wesentlichen  2  Wege  ba 
schritten.  Einmal  hat  man  Methoden  gesucht  und  gefunden 
die  die  Menge  des  Inhalationsmittels  an  und  für  sich  bi 
schränken  sollen,  das  sind  vornehmlich  die  Tr.  opfmethod 
und  der  Roth-Drägersche  Apparat.  Dann  hat  ma 
versucht  durch  voraufgehende  subkutane  Injektion  vo 
narkotischen  Mitteln  eine  Ersparnis  bei  dem  Inh: 
lationsanästhetikum  herbeizuführen. 

Zu  diesen  Mitteln  gehören  das  Morphium  mit  seine 
Ersatzmitteln  und  das  von  Schneiderlin  und  K  o  r  f  f  zi 
erst  erprobte  Skopolamin. 

Einige  Erlebnisse  ungünstiger  Art,  die  wir  mit  diese 
Anästhesierungsmethoden  erfuhren,  dürften  neben  den  sonst 
der  Literatur  bekannt  gewordenen  ähnlichen  Erfahrung*] 
von  allgemeinerer  Bedeutung  sein. 

Schon  bald  nach  Bekanntwerden  der  seltsamen  eit 
schläfernden  Wirkung  der  Skopolaminmorphiuminjektk 
waren  wir  dazu  übergegangen,  die  Allgemeinnarkose  dur. 
die  Einspritzung  dieses  Mittels  entweder  ganz  zu  ersetzt 
oder  zu  erleichtern f).  Wir  bedienten  uns  dazu  anfänglit 
grosser  Dosen  Skopolamin,  indem  in  stündlichen  Intervall 
im  ganzen  9/io  mg  Skopolamin  mit  2 — 3  cg  Morphium  subkut; 
verabfolgt  wurden. 

Vorübergehend  verwendeten  wir  dabei  die  Kombinate 
der  beiden  Mittel  in  Gestalt  des  Skopomorphins.  Als  Zwei) 
an  der  Unschädlichkeit  dieser  Kombination  auftauchten,  wun 
sie  wieder  aufgegeben. 

Es  gelang  uns  mit  Hilfe  dieser  grossen  Dose 
Skopolamin-Morphium  in  sehr  vielen  Fällen  ein« 
idealen  Dämmerschlaf  zu  erzielen  und  in  anderen  Fällen  d 
Menge  des  noch  notwendigen  Aethers  auf  ein  Minimum  hc 
abzusetzen.  Leider  mussten  wir  aber  bald  zwei  Erfahrung 
machen,  die  uns  eine  grosse  Gefährlichkeit  dies 
Anästhesierungsmethode  darzutun  schienen. 

Die  Krankengeschichte  des  ersten  bereits  von  Bau 
(1.  c.)  mitgeteilten  Falles  ist  folgende: 


D  Ich  lege  aber  Wert  darauf,  dass  die  Methode  ceteris  parib 
genau  s  o  durchgeführt  wird,  wie  ich  es  oben  angegeben  hal 

1)  Baum  in  Kr  ecke:  Beiträge  zur  prakt.  Chirurgie,  1910. 


,  Marz  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  639 


Frau  B..  42  Jahre  alt,  leidet  seit  10  Jahren  an  übermässigem  Blut- 
rlust  zur  Zeit  der  Menses,  als  dessen  Ursache  ein  kindskopfgrosses 
vom  erkannt  wird.  Die  Kranke  bekommt  2  Stunden,  1  Stunde 
J  kurz  vor  der  Operation  je  A  einer  Ampulle  des  K  o  r  f  f  sehen 
opomorphins  subkutan  injiziert;  sie  befindet  sich  in  leichtem  Düm- 
■rzustande,  der  indessen  zur  Ausführung  der  Operation  nicht  ge- 
gt;  es  müssen  noch  65  ccm  Aether  eingeatmet  werden.  Daraufhin 
lit  die  supravaginale  Amputation  des  myomatösen  Uterus  sowie  die 
n  der  Kranken  gewünschte  Entfernung  des  Wurmfortsatzes  (erstere 
rch  Herrn  Prof.  Klein)  ohne  Besonderheiten  von  statten.  Die 
nkose,  gleich  zu  Anfang  durch  einen  kurzen  Atmungsstillstand  ge- 
irt,  verlief  weiterhin  ganz  ruhig;  doch  wird  die  Kranke  bald  nach 
endigung  der  etwa  VA  Stunden  dauernden  Operation  neuerdings 
irk  zyanotisch;  die  Atmung  hört  völlig  auf;  erst  nach  %  Stun- 
n  dauernder  künstlicher  Atmung  verbunden  mit  elektrischer  Rei- 
ng  des  Phrenikus  setzt  wieder  spontane  Atmung  ein,  zuerst  sehr 
regelmässig  und  oberflächlich,  später  langsam  besser  werdend.  Die 
anke  bleibt  dabei  völlig  bewusstlos;  der  Puls  ist  klein  und  weich, 
issig  beschleunigt.  Es  wird  physiologische  NaCl-Lösung  und 
nnpfer  subkutan  gegeben.  Am  zweiten  und  dritten  Tage  ist  das 
vusstsein,  wenn  auch  nicht  vollständig,  zurückgekehrt;  die  Kranke 
agt  über  heftige  Leibschmerzen  und  muss  katheterisiert  werden; 
besteht  gänzliche  Gassperre  und  häufiges  Erbrechen.  Am  vierten  und 
nfteii Tage  schwindet  das  Bewusstsein  wieder  mehr  und  mehr;  dabei 
igt  die  Kranke  schwere  motorische  Unruhe;  der  mit  dem  Katheter 
tleerte  Urin  misst  nur  wenig  mehr  als  100  ccm  in  24  Stunden,  ent- 
lt  VA  Prom.  Esbach  und  im  Sediment  massenhaft  granulierte 
linder;  Beine.  Hände  und  Augenlider  sind  stark  ödematös,  das  Ab- 
unen  trommelartig  aufgetrieben.  Ohne  das  Bewusstsein  wieder 
langt  zu  haben,  stirbt  die  Kranke  am  sechsten  Tage  nach  der 
peration. 

Bei  der  Autopsie  fanden  sich  sämtliche  Darmschlingen  sehr  stark 
bläht,  besonders  auch  der  Dickdarm,  ohne  dass  das  Peritoneum 
lendwelche  entzündlichen  Reizerscheinungen  gezeigt  hätte.  Die 
jerationswunde  erschien  durchaus  reaktionslos.  Beide  Nieren 
tten  gewöhnliche  Grösse;  die  Rinde  war  etwas  schmäler  wie  nor- 
al,  die  Kapsel  ziemlich  fest  adhärent.  Die  Leber,  ebenfalls  von  un- 
fähr  Durchschnittsgrösse,  zeigte  eine  blassgelbe,  dunkelrot  mar¬ 
kierte  Farbe;  das  Herz  war  frei  von  makroskopisch  sichtbaren 
Bänderungen;  im  Unterlappen  der  rechten  Lunge  fand  sich  ein 
jmlich  ausgedehnter  hypostatischer  Herd. 

Ganz  hervorragende  Veränderungen  wies  das  mikroskopische 
Id  auf:  Die  Leber  zeigte  hochgradige  fettige  Infiltration  und  De- 
neration,  so  schwer,  wie  man  sie  sonst  wohl  bei  akuter  Phosphor- 
:rgiftung  zu  sehen  pflegt.  Aehnlich  ausgedehnte  Verfettung  der 
üthelien  fand  sich  in  den  Nieren,  hier  hauptsächlich  im  Bereich  der 
ibuli  recti;  daneben  die  Erscheinungen  der  chronischen  interstitiellen 
ephritis  mit  akutem  Nachschub.  Auch  der  etwas  braun  atrophische 
;rzmuskel  war  nicht  ganz  frei  von  fettiger  Degeneration. 

Wir  haben  also  klinisch  wie  besonders  auch  histologisch 
e  Erscheinungen  einer  schweren  Intoxikation,  und  da  weder 
ts  halbe  Gramm  Veronal  am  Vorabend  der  Operation  noch 
e  wenigen  Gramm  Aether  während  der  Operation  für  eine 
it'twirkung  in  Frage  kommen  können,  stehen  wir  nicht  an, 
.n  tödlichen  Ausgang  dem  Skopomorphin  zur  Schuld  zu 
.‘ben. 

In  einem  zweiten,  ebenfalls  von  Baum  am  gleichen  Orte 
itgeteilten  Falle  ist  das  Skopomorphin  wiederum  nicht  ganz 
diuldlos  an  dem  tödlichen  Ausgange: 

Bei  einer  48  jährigen  Frau  war  behufs  Exstirpation  eines  Rek- 
tnkarzinoms  nach  K  r  a  s  k  e  die  erwähnte  Skopomorphininjektion 
macht  worden,  sodann  Lumbalanästhesie  mit  Tropakokain.  Da  vor 
-■endigung  der  Operation,  die  übrigens  ohne  Zwischenfall  verlief, 
e  Schrnerzempfindung  wiederkehrte,  musste  noch  ein  leichter 
Jtherrausch  angefügt  werden.  Die  Kranke  hatte  bereits  am  Abend 
■r  Operation  einen  ausserordentlich  frequenten  kleinen  Puls,  der 
-h  nicht  mehr  besserte.  Unter  den  klinischen  Erscheinungen  einer 
eritonitis  ging  die  Kranke  am  6.  Tage  zugrunde. 

Bei  der  Sektion  fand  sich  keine  Spur  einer  Entzündung,  weder  in 
-r  Wunde  noch  am  Bauchfell,  es  war  lediglich  der  Darm  in  seiner 
esamtheit  ungemein  stark  gebläht. 

Es  lag  somit  hier  eine  reine  Darmlähmung  vor.  Als  Ur- 
iche  dieser  Darmlähmung  können  in  Betracht  kommen: 
der  Eingriff  selbst,  2.  der  Aether,  3.  die  Lumbalanästhesie, 
das  Skopomorphin.  Dass  der  Eingriff  selbst,  die  sakrale 
xstirpation  des  Rektums,  die  Lähmung  herbeigeführt  habe, 
uiss  bei  dem  Fehlen  jeglicher  entzündlichen  Veränderungen 
nsgeschlossen  werden.  Auch  die  geringe  Menge  von  50  g 
ether  dürfte  kaum  in  Betracht  kommen.  Was  die  Lumbal- 
nästhesie  anbetrifft,  so  darf  dieselbe,  da  sie  den  Sympathikus 
icht  in  ihren  Wirkungskreis  miteinbezieht,  nach  den  verschie- 
cnsten  Autoren  für  das  Entstehen  einer  Darmlähmung  nicht 
erantwortlich  gemacht  werden.  Wenn  nun  auch  gesagt 
erden  kann,  dass  hier  die  Häufung  narkotischer  Gifte  im 


Organismus  —  Skopomorphin  +  Tropakokain  +  Aether  — 
ganz  allgemein  den  tödlichen  Ausgang  verschuldet  hat,  so 
möchten  wir  dabei  doch  dem  Skopomorphin  die  am  meisten 
unheilvolle  Rolle  zuerteilen.  Diese  Möglichkeit  ist  auch  schon 
von  anderer  Seite  angenommen  worden. 

Es  wird  natürlich  immer  schwer  sein,  mit  aller  Bestimmt¬ 
heit  zu  entscheiden,  ob  der  tödliche  Ausgang  in  diesen  beiden 
Fällen  wirklich  vornehmlich  dem  Skopolamin  zuzuschreiben 
ist.  Für  uns  waren  die  beiden  ungünstigen  Erfahrungen  jeden¬ 
falls  genügend  Veranlassung,  von  dem  weiteren  Verbrauche 
von  Skopolamin  vollkommen  abzusehen.  Wir  kehrten  zu 
unserer  gut  bewährten  Aethertropfmethode  mit  vorausgehen¬ 
der  Injektion  von  1  oder  2  cg  Morphium  zurück  und  waren  mit 
diesem  Verfahren  vollauf  zufrieden. 

Als  dann  im  Jahre  1908  Kümmell  von  neuem  angelegent¬ 
lich  das  Skopolamin  in  der  kleineren  Basis  von  5/io  mg  empfahl 
und  dem  Mittel  besonders  die  wichtige  Eigenschaft  der 
Verhütung  der  postoperativen  Pneumonien 
nachrühmte,  entschlossen  wir  uns  nochmals  einen  Versuch  mit 
dem  Skopolamin  in  dieser  kleinen  ungefährlichen  Dosis  zu 
machen.  Irgend  welche  unangenehmen  Erfahrungen  haben 
wir  mit  dem  Mittel  in  dieser  Dosierung  nicht  erlebt.  Einen 
wesentlichen  Vorteil  aber  haben  wir  von  ihm  auch  nicht  ge¬ 
sehen.  Was  die  Verhütung  der  Pneumonien  anbetrifft,  so  war 
die  Häufigkeit  dieser  Komplikation  auch  früher  bei  unseren 
Operationen  keine  solche,  dass  besondere  Massregeln  dagegen 
erforderlich  schienen.  In  der  Tat  ist  denn  auch  irgend  ein 
Einfluss  der  Skopolaminverabreichung  auf  das  Vorkommen 
von  postoperativen  Pneumonien  in  unserer  Statistik  nicht  zu 
erkennen. 

Eine  Verminderung  der  zur  Narkose  nötigen 
Inhalationsmittel  konnte  bei  der  voraufgehenden  Ein¬ 
spritzung  von  3/io  mg  Skopolamin  zusammen  mit  2  cg  Mor¬ 
phium  nicht  beobachtet  werden.  Die  zur  Erzielung  einer 
völligen  Toleranz  nötige  Aethermenge  blieb  die  gleiche  wie 
früher  bei  der  alleinigen  Anwendung  einer  Morphiuminjektion. 
Ja  bei  nicht  wenigen  Narkosen  war  die  Aethermenge  nach 
voraufgegangener  Skopolamin-Morphiuminjektion  in  der  ge¬ 
nannten  Dosis  sogar  grösser  als  in  entsprechenden  früheren 
Fällen  bei  der  ausschliesslichen  Morphiumanwendung. 

Unter  diesen  Umständen  schien  es  uns  ein  fruchtloses  Be¬ 
ginnen,  zu  dem  Zwecke  die  Gefährlichkeit  der  Inhalations¬ 
narkose  herabzusetzen,  noch  länger  Versuche  mit  der  Sko- 
polamin-Morphiuminjektion  zu  machen. 

Seit  2  Jahren  sind  wir  zu  der  früheren  bewährten  Aether¬ 
tropfmethode  mit  vorausgeschickter  Injektion  von  1 — 2  cg 
Morphium  zuriiekgekehrt.  Die  Erfolge  damit  sind  so  gute, 
dass  wir  keine  Veranlassung  haben  zunächst  davon  abzugehen. 

Wenn  wir  trotzdem  noch  einmal  das  Skopolamin  wieder 
aufgenommen  haben,  so  taten  wir  das  ausschliesslich  zur 
Unterstützung  der  Lokalanästhesie  in  den  dafür 
geeigneten  Fällen.  Es  geschah  das  auf  die  Mitteilungen  von 
B  r  u  e  s  1 1  e  i  n  2),  der  vortreffliche  Erfolge  von  dem  Skopola¬ 
min  in  Verbindung  mit  dem  Sahli  sehen  Pantopon  ge¬ 
sehen  hatte,  und  von  v.  Brunn,  der  die  Pantopon-Skopolamin- 
betäubung  gerade  für  die  in  Lokalanästhesie  auszuführenden 
Operationen,  besonders  die  Strumektomie,  empfohlen  hatte. 
Im  Hinblick  auf  die  oben  mitgeteilten  Erfahrungen  bei  den 
grösseren  Skopolamindosen  beschränkten  wir  uns  auf  die  Ver¬ 
abfolgung  von  nur  4 / 1 o  mg  Skopolamin  in  Verbindung  mit  2  bis 
4  cg  Pantopon.  Verwendet  wurde  die  Injektion  fast  aus¬ 
schliesslich  bei  solchen  grösseren  Operationen,  die  in  Lokal¬ 
anästhesie  ausgeführt  werden  sollten,  in  der  Hauptsache  bei 
Strumen  und  hin  und  wieder  bei  Herniotomien,  Hämorrhoidal- 
operationen.  Bei  kleineren,  in  Lokalanästhesie  ausgeführten 
Eingriffen  fand  das  Verfahren  keine  Anwendung. 

Seit  1%  Jahren  haben  wir  so  die  Skopolamin-Pantopon- 
injektion  bei  im  ganzen  150  in  Lokalanästhesie  ausgeführten 
Operationen  zu  Hilfe  genommen.  Die  Erfolge  haben  uns  be¬ 
züglich  der  Schmerzbetäubung  recht  befriedigt.  Die  Patienten 
kommen  A. —  Y\  Stunden  nach  der  Injektion  (0,04  Pantopon 
und  0,0004  Skopolamin)  ohne  irgend  welche  Zeichen  einer 
motorischen  Unruhe  auf  den  Operationstisch,  liegen  während 
des  ganzen  Eingriffes  leicht  somnolent  und  auf  Anruf  doch 


2)  Brüst  lein:  Korrespondenzbl.  f.  Schweizer  Aerzte  1910,  26. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


64  0 


No.  12 


reagierend  da  und  zeigen  kaum  irgend  wann  lästige  Nach¬ 
wirkungen  (Erregungszustände,  Erbrechen,  Verstopfung).  Die 
Klagen  über  Wundschmerzen  in  den  ersten  Tagen  sind  auf¬ 
fallend  geringe. 

Umsomehr  mussten  wir  mehrere  Zufälle  schlimmer  Art 
bedauern,  die  sich  mit  der  bezeichneten  Methode  im  letzten 
Jahre  zutrugen,  und  für  die  Fehler  äusserer  Natur,  wie  etwa 
die  mangelnde  Güte  eines  Präparates,  die  angewandte  Technik 
usw.  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  können. 

Die  relative  Oefährlichkeit  eines  jeden  Ersatzes  der  In¬ 
halationsnarkose  durch  Skopolamininjektion  erscheint  nach 
pharmakologischen  Untersuchungen  wie  nach  klinischen  Er¬ 
fahrungen  vor  allem  in  der  individuell  offenbar 
stark  verschiedenen  Resistenz  dem  Skopola¬ 
min  gegenüber  begründet;  die  Gefahren  dieses  Mittels 
liegen  in  einem  Uebergreifen  der  Lähmungs¬ 
erscheinungen  auf  das  Atmungszentrum  sowie 
in  der  Möglichkeit  eines  Herzkollapses  “).  Im  weiteren 
Zusammenhang  damit  dürfte  die  Unsicherheit  der  pharmako- 
dynamischen  Wirkungen  einer  Kombination  von  Skopolamin 
mit  Pantopon  stehen,  mag  auch  diesem  letzteren  Präparate 
nach  den  Erfahrungen  von  Loewy,  Bergien,  Raffalo- 
v  i  c  h  u.  a.  eine  bedeutend  geringere  Beeinflussung  des  At¬ 
mungszentrums  dem  Morphin  gegenüber  zugesprochen  wer¬ 
den.  Dass  indes  auch  durch  Pantopon  allein  Stö¬ 
rungen  im  Atmungszentrum  herbeigeführt  werden 
können,  sollten  uns  zwei  unten  angeführte  Beobachtungen 
lehren.  H  a  e  b  e  r  1  i  n  *)  glaubt,  „dass,  wenigstens  bei  ein¬ 
zelnen  Individuen,  die  erregbarkeitsherabsetzende  Wirkung 
des  Pantopons  auf  dts  Atmungszentrum  durch  Skopolamin 
gesteigert  wird“. 

Neben  einer  viel  weniger  auffallenden  ungünstigen  Beein¬ 
flussung  der  Kreislauforgane,  die  sich  überdies  anscheinend 
gut  bekämpfen  lässt,  sind  es  fast  ausschliesslich  oligo- 
pnoische  Zustände,  die  im  Anschluss  an  Skopolamin- 
Pantoponnarkosen  in  einer  gewissen  Zahl  von  Fällen  beob¬ 
achtet  werden.  Die  Störung  des  Atmungszentrums  zeigte  sich 
in  den  bezüglichen  Mitteilungen  meist  in  der  Weise  an,  dass 
gegen  Ende  der  Operation  oder  bald  nach  ihr  die  Atmung  sich 
mehr  und  mehr  verlangsamte,  abflachte  oder  Pausen  bis  zu 
20  Sekunden  Dauer  zwischen  den  einzelnen  tiefen  Zügen  cin- 
setzten.  Gleichzeitig  trat  eine  mehr  oder  minder  starke 
Zyanose  in  Erscheinung,  während  die  Herztätigkeit  im  allge¬ 
meinen  stets  gut  blieb.  Trotz  alsbaldiger  energischer  Gegen- 
massregeln  gingen  die  Patienten  in  nicht  ganz  wenigen  der 
Fälle  unter  den  Erscheinungen  einer  Lähmung  des  Atmungs¬ 
zentrums  zugrunde. 

Erfahrungen  nach  dieser  Richtung  hat  zunächst  Bruest- 
lein3 4 5 *)  veröffentlicht,  der  drei  Misserfolge  allerdings  bei  ver¬ 
kleinertem  Kreislauf  erlebte. 

K  r  a  u  s  s  °)  verlor  2  Patienten  durch  Kollaps  nach  an¬ 
scheinend  zu  hoch  gewählten  Injektionsdosen,  Zalirad- 
n  i  c  k  y  7)  berichtet  von  einem  üblen  Einfluss  der  Skopolamin- 
Pantoponnarkose  bei  Degenerationsprozessen  im  Herzmuskel. 
Fowelin8)  warnt  vor  Skopolamin-Pantoponanwendung  bei 
älteren  Patienten,  da  ihm  die  Nachwirkungen  auf  das  Herz 
und  Gefässsystem  ausserordentlich  stark  zu  sein  scheinen. 

Einen  Zustand  hochgradiger  Oligopnoe,  der  sich  nach  der 
operativen  Entfernung  von  Halslymphomen  in  Skopolamin- 
Pantopon-  und  Inhalationsnarkose  zutrug,  sah  H  ä  b  e  r  1  i  n 9 10 *), 
und  Bru  n  n  e  r  lü)  hat  kürzlich  zwei  Fälle  von  ausgesprochen 
oligopnoischen  Störungen  nach  Skopolamin-Pantoponnarkosen 
mitgeteilt,  die  bei  einem  Patienten  zum  Exitus  führten.  B  r  u  n  - 
n  e  r  erwähnt  gleichzeitig  eine  Beobachtung,  wo  oligopnoi- 
sclie  Anfälle  nach  Pantopondarreichung  allein  auftraten. 
B  r  a  d  e  n)  schliesslich  musste  unter  14  Pantopon-Skopolamin- 
Narkosen  neben  zwei  völligen  Versagern  4  Todesfälle  in  Kauf 

3)  Gott  lieb  und  Meyer:  Experimentelle  Pharmakologie. 

1911. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  33. 

5)  Zentralbl.  f.  Chir.  1911,  No.  10. 

ü)  Zentralbl.  f.  Chir.  1911,  No.  20. 

7)  Zentralbl.  f.  Chir.  1911,  No.  30. 

8)  Zentralbl.  f.  Chir.  1911,  No.  27 

°)  1.  c. 

10)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  3. 

”)  Zentralbl.  f.  Chir.  1912,  No.  7. 


nehmen,  die  nur  auf  die  Injektionsanästhetika  geschobei 
werden  konnten. 

Die  Anführung  dieser  in  der  Literatur  niedergelegten  Fällt 
die  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  macht  (die  neuer 
Literatur  s.  bei  B  r  u  n  n  e  r  1.  c.),  mag  genügen,  die  Richtigka 
der  Anschauung  zu  erweisen,  dass  die  Oligopnoe  n  a  e 
Skopolamin-Pantoponnarkosen  keine  Seltenhei 
darzustellen  scheint,  und  es  ist  wohl  Brunn  beizupflichten 
wenn  er  meint,  dass  sie  in  Wirklichkeit  sich  noch  vie 
häutiger  ereigne  als  aus  den  Berichten  in  der  Literatu 
hervorgehen  möge. 

Unsere  eigenen  oben  angedeuteten  Erfahrungen  betreffe 
4  Fälle. 

Im  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  eine  recht  korpulent 
47  jährige  Frau  mit  grosser  beiderseitiger  Strumr 
Durch  die  Struma  war  die  Trachea  bis  auf  einen  schmalen  Spalt  ver 
engt.  Bei  der  Aufnahme  am  21.  XI.  1911  abends  bestand  hochgradig 
Atemnot;  Orthopnoe  und  lauter  Stridor;  seit  5  Tagen  waren  angebiic 
auf  Grund  einer  Erkältung  Heiserkeit  und  Husten  aufgetreten,  die  i 
den  letzten  beiden  Tagen  mehrere  schwere  Anfälle  von  Erstickung? 
not  herbeigeführt  hatten.  Die  Untersuchung  des  Herzens  ergab  ein 
mässige  Vergrösserung  nach  links,  Töne  rein.  Ueber  den  Lungen  ver 
breitete  pfeifende  und  schnurrende  Geräusche.  Zeitweilig  löste 
kurze  Hustenanfälle  starke  Atemnot  und  Zyanose  aus.  Von  einem  sc 
fortigen  operativen  Eingriff  wurde  nur  mit  Rücksicht  auf  die  zu  er 
wartenden  nicht  unbeträchtlichen  Schwierigkeiten  abgesehen  und  bi 
zum  nächsten  Morgen  zugewartet.  In  halbliegender  Stellung  ver 
brachte  die  Kranke  unter  massiger  Atemnot  eine  ziemlich  gute  Nach 

Am  nächsten  Morgen  Strumektomie  in  Lokalanästhesie.  45  M 
nuten  nach  subkutaner  Darreichung  von  0,0004  Skopolamin  (Merck 
und  0,04  Pantopon  (Hofman  n-L  a  Roche).  Sehr  bald  nach  Bc 
ginn  der  Operation  wird  die  Patientin  auffallend  zyanotisch,  di 
Atmung  wird  langsamer  und  unregelmässig,  der  Puls  bleibt  gut.  M 
der  Lüftung  des  Kropfes  wird  die  Atmung  etwas  ruhiger;  nach  de 
raschen  Freilegung  und  Exstirpation  des  linksseitigen,  etwa  mann? 
faustgrossen  Lappens  noch  freier.  Nun  schnelle  Vorwälzung  de 
rechtsseitigen  Lappens,  Unterbindung  der  oberen  Gefässe,  Freilegunl 
soweit,  dass  der  hintere  Pol  abgenäht  werden  kann.  Resektion  de 
Kropfes  unter  Zurücklassung  eines  gut  hühnereigrossen  Restes,  h 
Moment,  wo  die  Trachea  frei  wird,  verschwindet  die  Zyanose.  Di 
Atmung  bleibt  jedoch  unregelmässig,  verlangsamt  sich  mehr  un 
mehr,  der  Puls  ist  fortdauernd  gleichmässig,  regelmässig,  gut  gefiil 
und  gespannt,  80  pro  Minute. 

Hatte  die  Kranke  während  der  etwa  %  Stunden  dauernde 
Operation  auf  Anrufen  noch  schläfrig  reagiert,  so  erscheint  sie  bal 
nach  derselben  vollkommen  bewusstlos,  nicht  zyanotisch,  nur  sei 
blass.  Es  treten  Atempausen  bis  zu  10,  bald  bis  zu  20  Sekunde 
Dauer  ein.  Die  Pupillen  reagieren  jetzt  nicht  mehr  auf  Lichteinfa; 
der  Kornealreflex  erscheint  eben  noch  schwach  auslösbar.  Tro! 
aller  mit  Beendigung  der  Operation  einsetzenden  Massnahmen,  d 
Atmung  wieder  in  regelmässigen  Gang  zu  bringen,  bleibt  der  Zustai 
während  der  nächsten  Stunden  im  wesentlichen  derselbe.  Vorübe 
gehend  erscheinen  die  Atemzüge  wieder  kräftiger,  es  erfolgen  dere 
abwechselnd  2  bis  3  unmittelbar  nacheinander,  bevor  wieder  eii 
20  Sekunden  lange  Pause  einsetzt.  Die  Reflexerregbarkeit  abi 
bessert  sich  nicht,  die  Bewusstlosigkeit  bleibt  eine  vollständige,  d 
Pupillen  sind  ganz  eng,  der  Puls  dabei  stets  gleichmässig,  ziemlk 
kräftig,  regelmässig.  4  Stunden  nach  beendigter  Operation  setzt  d< 
Puls  plötzlich  aus,  die  Patientin  verfällt,  die  Atmung  sistiert.  Exitu 
Keine  Sektion. 

Es  handelt  sich  also  um  einen  tödlich  verlaufenen  Fall  vt 
Oligopnoe  zunächst  bei  unbeeinflusster  Herztätigkeit,  en 
standen  nach  der  Injektion  von  ih»  mg  Skopolamin  und  4  u 
Pantopon.  Beim  Fehlen  einer  anderen  Ursache  kann  nur  d 
Pantopon-Skopolamininjektion  für  das  Entstehen  der  schwort 
Störung  verantwortlich  gemacht  werden. 

Die  Wahl  der  Anästhesierungsmethode  war  in  diese 
Falle  mit  mancherlei  Schwierigkeiten  verknüpft  gewesen.  'Vt 
einer  Inhalationsnarkose  hatten  wir  mit  Rücksicht  auf  d 
Herzvergrösserung  und  die  starke  Bronchitis  absehen  ; 
müssen  geglaubt;  lediglich  in  Lokalanästhesie  zu  operiere 
wäre  bei  der  hochgradigen  motorischen  Unruhe  der  Patienti 
die  nur  im  Stehen  und  Sitzen  einigermassen  Luft  bekomm? 
konnte,  wohl  zur  Unmöglichkeit  geworden.  Ob  bei  der  vt 
vorneherein  drohenden  COs-Intoxikation  eine  noch  weit 
herabgesetzte  Dosis  des  Injektionsanästhetikums  eine  g 
nügend  gute  Wirkung  erzielt  hätte,  um  den  Eingriff  glatt  durc 
zuführen,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  entscheiden.  Jedenfa 
dürfte  die  schon  von  Klauber12)  geäusserte  Mahnung,  g 
rade  bei  krankhaft  affizierten  Atmungswege 
mit  Skopolamin-Pantopon  besonders  vo 

12)  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  41. 


5.  März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  641 


i  c  li  t  i  g  zu  sein.  Anspruch  auf  Beachtung  erheben,  auch 
^nn  man  der  Anschauung  Brunners  beipflichtet,  die  ja 
n  pharmakologischen  Experiment  ihre  Stütze  findet,  dass  die 
ljizierten  Anästhetika  ihre  schädigende  Wirkung  in  erster 
inie  wohl  direkt  auf  die  nervösen  Zentren  der  Medulla  aus- 
ben. 

Dieser  Anschauung  Brunners  müssen  wir  auf  Qrund 
on  zwei  weiteren  Erfahrungen  beipflichten,  die  Leute  in 
ö  h  e  r  e  m  Alter  betrafen. 

Einer  90  jährigen  Frau,  die  wegen  Schenkelhalsbruches  aui  der 
linik  lag,  die  früher  nie  irgendwelche  ernstliche  Erkrankung  durch- 
emacht  hatte  und  auch  jetzt  noch  keine  Anzeichen  von  Kreislauf- 
Jer  Atmungsstörungen  bot,  waren  abends  durch  ein  Versehen  der 
chwester  statt  0,02  Pantopon  4  cg  injiziert  worden.  Nach  knapp 
;  Stunde  setzte  eine  unter  den  Augen  der  Aerzte  zunehmende 
Uigopnoe  ein.  Ganz  kurze  Zeit  später  wurde  auch  die  Herz- 
itigkeit  plötzlich  vollkommen  schwach,  der  Puls  unfühlbar.  Durch 
ampferinjektionen,  künstliche  Atmung  und  O-Zufuhr  gelang  es  die 
reislaufstörung  in  kurzem  wieder  zu  beleben.  Herzaktion  und  Puls 
lieben  von  da  ab  gut  und  regelmässig,  und  schliesslich  kam  im 
erlauf  der  nächsten  Stunden  auch  die  Atmung  wieder  in  regel- 
lässigen  Gang.  Der  weitere  Verlauf  blieb  ungestört,  Nur  ein 
efer  Schlaf,  aus  dem  die  Patientin  nicht  aufzurütteln  war,  trotzdem 
;e  auf  Schmerzempfindungen  deutlich  reagierte  und  keine  Aufhebung 
er  Reflexe  zeigte,  hielt  an  bis  zum  Abend  des  folgenden  Tages. 

Bemerkenswert  ist,  dass  in  diesem  Falle  ausschliesslich 
’antopon,  allerdings  in  der  Dosis  von  4  cg,  verwendet  worden 
rar.  Es  ergibt  sich  daraus,  dass  bei  älteren  Leuten  auch  die 
infache  Pantoponinjektion  besonders  vorsichtig  gehandhabt 
rerden  muss. 

Zu  welch  schweren  Störungen  bei  älteren  Patienten  das 
Mntopon  in  Verbindung  mit  Skopolamin  führen  kann,  ergibt 
ich  aus  der  folgenden  Beobachtung. 

Ein  78  jähriger,  früher  stets  gesunder  Mann  war  auf  Veran- 
issung  des  Herrn  Dr.  Cohn  mit  einem  eingeklemmten  Lei¬ 
tenbruch  zur  Klinik  verbracht  worden.  Der  sofort  unter  Pan- 
jpon-Skopolamin-Lokalanästhesie  vorgenommene  Eingriff  wurde  sehr 
ut  überstanden,  der  Puls  blieb  voll  und  kräftig.  Bald  nach  der 
njektion  war  der  Kranke  in  Schlaf  versunken,  der  mit  kurzen  Unter¬ 
rechungen  anhielt,  während  die  Atmung  laut  und  schnarchend  mit 
iefen,  in  ihrer  Frequenz  wechselnden  Zügen  erfolgte.  Atempausen 
is  zur  Dauer  von  mehreren  Sekunden  wurden  in  grösseren  Zwi- 
chenräumen  mehrmals  beobachtet.  Etwa  11  Stunden  hindurch  blieb 
ich  dieser  Zustand  gleich;  dann  wurde  der  Kranke  plötzlich  un- 
uhig,  stöhnte  kurz  auf,  der  sofort  hinzugerufene  Arzt  fand  den 
’uls  bereits  vollkommen  arhythmitch,  flatternd;  nach  wenigen 
urzen  Atemzügen  trat  der  Exitus  ein. 

Bei  keinem  dieser  beiden  alten  Patienten  waren  An¬ 
ziehen  einer  Lungen-  oder  Herzerkrankung  beobachtet 
worden.  In  dem  letzteren  Falle  setzte  mehrere  Stunden  nach 
ier  Skopolamin-Pantoponinjektion,  in  dem  ersteren  sofort  nach 
mer  relativ  grossen  Pantopondosis  eine  deutliche  Schädigung 
les  Atmungszentrums  ein.  Die  mancherlei  Versuche,  dieser 
\tmungsstörung  entgegen  zu  treten,  erwiesen  sich  als  wenig 
virkungsvoll,  während  ein  plötzlicher  Herzkollaps  in  dem  erst- 
ingeführten  Falle  auf  Koffein-Kampferzufuhr  rasch  voriiber- 
ting.  Des  Pantopons  sehr  viel  stärkere  Wirkung  auf  das 
\tmungszentrum  war  hier  mit  der  Exaktheit  eines  Experi- 
nentes  zu  Tage  getreten. 

Ein  ganz  ähnliches  Versagen  des  Atmungszen- 
r u m s  nach  Pantopondarreichung  hatten  wir  schon 
airze  Zeit  vorher  erlebt. 

Es  handelte  sich  um  eine  30  jährige  Patientin,  zugewiesen  durch 
lerrn  Dr.  A.  L  o  e  b,  die  wegen  chronischer  Appendizitis  operiert 
yorden  war.  Herz  und  Lungen  waren  gesund  erschienen.  Vor  dem 
-ingriff  hatte  sie  Skopolamin-Pantopon  in  gewöhnlicher  Dosis  er¬ 
sten.  Der  Verlauf  war  zunächst  ein  völlig  glatter,  das  Allgemein¬ 
befinden  am  nächsten  Tage  ein  durchaus  gutes.  Gegen  Abend  des 
-weiten  Tages  sprach  die  Kranke  den  Wunsch  aus,  eine  Pantopon- 
inspritzung  zu  bekommen,  auf  die  sie  am  Tage  vorher  sehr  gut 
teschlafen  habe.  Sie  erhielt  von  ihrem  Manne  (Arzt)  0,02  Pantopon. 

Nach  10  Minuten  verfällt  sie  in  einen  tiefen  Schlaf.  Die  Atmung 
wird  unregelmässig,  nach  kurzer  Zeit  der  Puls  sehr  beschleunigt  (132), 
-'S  stellt  sich  erhebliche  Zyanose  ein.  Die  Atmung  wird  immer 
oberflächlicher,  setzt  stellenweise  aus,  der  Kornealreflex  erlischt,  die 
Oupillen  verlieren  ihre  Reaktion.  O-Einatmungen  und  künstliche 
Respiration  bleiben  lange  ohne  sichtbaren  Erfolg,  erst  nach  einer 
Munde  etwa  zeigen  sich  wieder  selbständige  Atemzüge.  Bei  fort¬ 
lauernder  Bewusstlosigkeit,  engen  Pupillen  und  fast  reaktionsloser 
dornhaut  setzt  die  Atmung  während  der  Nacht  noch  wiederholt  aus, 
50  dass  die  künstliche  Atmung  noch  mehrmals  zu  Hilfe  genommen 
werden  muss;  erst  nach  6  Stunden  kehrt  das  Bewusstsein 

No.  12. 


wieder  und  wird  der  Puls  ruhiger.  Der  weitere  Verlauf  bleibt  ganz 
ungestört.  Von  den  Vorgängen  um  sich  her  hatte  Patientin,  wie  sie 
nachträglich  angab,  eine  ziemlich  gute  Erinnerung,  sie  war  aber 
nicht  imstande  gewesen  zu  sprechen  und  sich  bemerkbar  zu  machen. 

Bei  dieser  Kranken  hatten  sich  neben  der  unmittelbar 
nach  der  Pantoponinjektion  eingetretenen  offensichtlichen  und 
dem  vorerwähnten  Falle  analogen  Schädigung  des  Atmungs¬ 
zentrums  gleichzeitig  ausgesprochene  Störungen  der  Herz- 
und  Kreislauftätigkeit  gezeigt:  Es  darf  der  Vermutung  Raum 
gegeben  werden,  dass  es  sich  bei  dem  ganzen  Bilde  um  eine 
durch  Kumulierung  ausgelöste  Nachwirkung  des  am  Tage 
vorher  injizierten  und  noch  nicht  vollständig  ausgeschiedenen 
Skopolamins  handelte. 

In  den  vier  mitgeteilten  Fällen  handelte  es  sich  um 
schwere  Atemstörungen,  die  mehr  oder  weniger 
kurze  Zeit  nach  der  Injektion  von  Pantopon-Skopolamin  oder 
von  Pantopon  allein  eingetrete'n  waren.  Zweimal  war  Panto¬ 
pon-Skopolamin  in  der  Dosis  von  4  cg  zu  4  dmg  eingespritzt 
worden,  einmal  2  cg  Pantopon  nach  Tags  zuvor  erfolgter 
Pantopon-Skopolamininjektion,  und  einmal  ausschliesslich 
Pantopon  in  der  Dosis  von  0,04  g.  Die  Störung  bestand  ein¬ 
mal  in  einem  völligen  Aussetzen  der  Atmung,  so  dass  die  so¬ 
fortige  Einleitung  der  künstlichen  Atmung  notwendig  wurde, 

3  mal  in  dem  Eintritt  von  bis  zu  mehreren  Sekunden  dauern¬ 
den  Atempausen. 

Die  Herztätigkeit  war  2  mal  zunächst  völlig  unbeeinflusst, 
2  mal  bestand  gleichzeitig  mit  der  Atmungslähmung  eine  be¬ 
trächtliche  Beschleunigung  der  Herztätigkeit.  Merkwürdiger¬ 
weise  ging  in  den  beiden  mit  Herzschädigung  verlaufenden 
Fällen  die  Atmungsstörung  vorüber,  während  in  den  anderen 
beiden  Fällen,  wo  das  Herz  zunächst  unbeteiligt  erschien, 

4  und  1t  Stunden  nach  der  Operation  der  Exitus  eintrat. 

Welches  von  den  beiden  verabfolgten  Mitteln  als  die 
eigentliche  Ursache  der  Atmungsstörung  anzusehen  ist,  da¬ 
rüber  lässt  sich  mit  Sicherheit  wohl  nichts  sagen.  Zweifellos 
haben  beide  Mittel,  das  Skopolamin  wie  das  Pantopon,  einen 
schädlichen  Einfluss  auf  das  Atmungszentrum.  Nach  B  r  u  n  n  e  r 
handelt  es  sich  bei  den  in  Betracht  kommenden  Erscheinungen 
eigentlich  um  eine  Morphiumwirkung,  die  durch 
das  Skopolamin  nicht  etwa  beseitigt,  sondern 
gesteigert  wird.  Das  gefährliche  ist  nach  Brunner 
nicht  das  Morphium  (Pantopon)  an  sich,  sondern  das  Skopo¬ 
lamin,  durch  welches  das  Morphium  (Pantopon)  erst  gefährlich 
gemacht  wird.  Auch  B  r  u  n  n  e  r  hat  von  Pantopon  allein 
eine  Schädigung  des  Atmungszentrums  gesehen  in  ganz  ähn¬ 
licher  Weise,  wie  sie  in  unserem  dritten  Falle  beschrieben 
worden  ist. 

Die  soeben  angeführten  üblen  Erfahrungen  mit  dem 
Skopolamin-Pantopon  sowohl  als  mit  dem  Pantopon  allein 
müssen  uns  Veranlassung  sein,  bei  der  Verabreichung  dieser 
Mittel  mit  besonderer  Sorgfalt  zu  Werke  zu  gehen. 
Ein  kräftiger  und  sonst  gesunder  Organismus  wird  im  all¬ 
gemeinen  durch  die  genannten  Alkaloide  nicht  geschädigt 
werden.  Gefasst  sein  müssen  wir  aber  auf  eine  Schädigung 
bei  solchen  Kranken,  die  1 .  an  Störungen  der  At¬ 
mungsorgane  leiden,  2.  in  höherem  Lebensalter 
stehen,  3.  durch  andere  Erkrankungen  in  ihrer  Wider¬ 
standskraft  geschwächt  sind.  Bei  diesen  Kranken  muss  die 
Verabreichung  von  Pantopon  mit  oder  ohne  Skopolamin  ent¬ 
weder  ganz  ausgeschlossen  oder  auf  die  denkbar  kleinsten 
Dosen  beschränkt  bleiben.  Wer  bei  geschwächten  älteren 
oder  an  chronischer  Bronchitis  leidenden  Kranken  Skopolamin- 
Morphium  verabreicht,  trägt  die  Verantwortung  für  jeden 
Unglücksfall,  der  sich  aus  dieser  ärztlichen  Behandlung  ergibt. 

Seitdem  wir  diese  Unglücksfälle  bei  der  Skopolamin- 
Pantoponnarkose  erlebt  haben,  haben  wir  das  Pantopon  zur 
Einleitung  der  Anästhesie  bei  Operationen  nicht  mehr  ver¬ 
wendet.  An  Stelle  des  Pantopons  haben  wir  seitdem  das 
Narkophin  eingespritzt,  das  von  Straub  als  ein  ratio¬ 
nelles  Opiumpräparat  empfohlen  worden  ist.  Straub  hat 
gefunden,  dass  die  Steigerung  der  reinen  Morphiumwirkung  1 ") 
zur  Opiumwirkung  in  erster  Linie  von  dem  Nebenalkaloid 
Narkotin  bewirkt  wird,  das,  für  sich  allein  fast  wirkungslos, 
im  Opium  und  dessen  Präparaten  in  einer  Menge  von  10  Proz. 
enthalten  ist.  Das  Mischungsverhältnis  beider  Alkaloide  ist 


u)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  Nc.  2<S. 


3 


642 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  12. 


ein  Teil  Morphium  und  ein  Teil  Narkotin  und  lässt  sich  mit 
viel  mehr  ( ileichmässigkeit  dadurch  hcrstellen,  dass  man  die 
beiden  Alkaloide  mit  der  im  Opium  enthaltenen  zweibasigen 
Mekonsäure  verbindet.  Das  so  entstandene  Morphin-Nar- 
kotin-Mekonat  ist  von  Straub  mit  dem  Namen  Narkophin 
belegt  worden. 

Was  besonders  die  von  Uns  bei  dem  Pantopon  beklagte 
Wirkung  auf  das  Atmungszentrum  anbetrifft,  so  hat  es  nach 
S  t  r  a  u  b  den  Anschein,  als  ob  die  Kombination  Morphin  plus 
Narkotin  eine  bessernde  Wirkung  auf  das  Atemzentrum 
ausübte. 

Das  Narkotin  verschiebt  die  Verteilung  des  Morphins  im 
Nervensystem  in  der  Weise,  dass  das  Orosshirn  mehr,  das 
Atemzentrum  hingegen  weniger  von  dem  Narkotikum  erhält. 

Auf  Qrund  dieser  Straub  sehen  Darlegungen  haben  wir 
seit  6  Monaten  bei  allen  Kropfoperationen  anstatt  des  Pan- 
topon-Skopolamins  das  Narkophin-Skopolamin  eingespritzt. 
Die  Erfolge  sind  bei  etwa  60  Fällen  bisher  recht  befriedigende 
gewesen.  Die  einschläfernde  Wirkung  war  dieselbe  wie  beim 
Pantopon  und  irgend  welche  nachteiligen  Wirkungen  besonders 
von  seiten  des  Atemzentrums  sind  bisher  nicht  beobachtet 
worden. 

Die  Dosis  des  Narkophins  muss  etwas  höher  genommen 
werden  wie  die  des  Morphiums. 

Nach  Straub  entsprechen  3  cg  Narkophin  etwa  1  cg 
Morphium.  Um  nicht  zu  viel  von  dem  Narkotikum  zu  geben, 
haben  wir  uns  auch  bei  Männern  bisher  immer  mit  der  Dosis 
von  3  cg  begnügt  und  haben  davon  nie  einen  nachteiligen 
Einfluss  beobachtet. 

Ueber  günstige  Erfolge  bei  Herbeiführung  des  Narkophin- 
Skopolamindämmerschlafes  haben  auch  S  c  h  1  i  in  p  e  r  t 14)  und 
Zweifel15)  berichtet.  Ersterer  Autor  hebt  besonders  her¬ 
vor,  dass  er  schwerere  Atemstörungen  nie  gesehen  habe,  nur 
trete  die  narkotische  Wirkung  etwas  später  ein. 

Sollten  sich  unsere  bisherigen  günstigen  Erfahrungen  noch 
weiterhin  bestätigen,  so  dürfte  es  geraten  sein,  die  Skopo- 
lamin-Pantoponnarkose  allgemein  durch  die  Skopolamin- 
Narkophinnarkose  zu  ersetzen.  Es  schien  uns  geraten, 
die  Herren  Kollegen  schon  heute  dazu  aufzufordern,  auch 
ihrerseits  mit  dem  Narkophin  einen  Versuch  zu  machen. 


Aus  dem  Hospital  der  Senembah  Maatschappy  in  Deli-Sumatra. 

Ist  die  Beriberi  eine  auch  in  Europa  heimische 

Krankheit?* *) 

Von  Dr.  W.  Schüffner. 

Mit  dem  Namen  Beriberi  verbindet  man  gewöhnlich  die 
Vorstellung  einer  epidemisch  auftretenden  Krankheit,  die  allein 
in  warmen  Ländern  ihr  Wesen  treibt.  In  der  Tat  stand  bei 
den  ersten  genaueren  Berichten,  die  wir  B  ä  1  z  und  S  c  h  e  u  b  e 
verdanken,  das  epidemische  Moment  überwiegend  im  Vorder¬ 
grund.  Und  wie  in  Japan,  so  zeigte  sie  auch  in  niederländisch 
Indien  dieselbe  Eigenschaft.  Als  ich  1897  nach  Deli  kam,  lernte 
ich  aus  eigener  Anschauung  Epidemien  kennen,  die  in  fürchter¬ 
lichster  Weise  über  die  farbige,  besonders  chinesische  Arbeiter¬ 
schaft  der  Delischen  Tabaksplantagen  hereinbrachen,  so  dass 
es  Vorkommen  konnte,  dass  von  330  Kulis  ca.  90  durch 
die  Krankheit  im  Laufe  eines  Jahres  dahingerafft  wurden. 

Solange  die  Beriberi  ihren  epidemischen  Charakter  bei¬ 
behielt,  konnte  der  Gedanke,  dass  sie  vielleicht  auch  in  Europa 
zu  beobachten  sei,  gar  nicht  aufkommen.  Darin  ist  nun  eine 
Aenderung  eingetreten,  seitdem  sie  in  zahlreichen  Länder¬ 
strecken  zurückging,  und  seitdem  sie  in  dem  Bezirk,  aus  dem 
ich  meine  Erfahrungen  beziehe,  sogar  jeder  Andeutung  eines 
seuchenhaften  Zuges  entkleidet  wurde.  Die  Mortalität,  die 
1897  noch  23,5  Prom  (das  heisst  soviel,  wie  unter  normalen 
Verhältnissen  die  Gesa  hkeit  eines  Volkes  ausmachen 

sollte!)  betrug,  sank  bis  1900  auf  0  herunter,  und  hat  seitdem 
den  Nullpunkt  nur  ausnahmsweise  um  einen  Bruchteil  über¬ 
schritten.  Unter  einer  verschärften  Bekämpfung  verschwan¬ 
den  endlich  in  den  letzten  Jahren  auch  die  leichten  kleinen 

J4)  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  28. 

1G)  Monatsschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  36,  Erg.-Heft. 

*)  Nach  einem  Vortrag  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  zu 
Leipzig  am  3.  Juli  1912. 


Epidemien,  in  denen  sich  die  Seuche  immer  noch  einmal  zu 
erheben  trachtete.  Heute  sehe  ich  nur  noch  Ein 
z  e  1  f  ä  1 1  e. 

Einem  solchen,  total  veränderten  Bilde  gegenüber  hat  dii 
im  Titel  aufgeworfene  Frage  schon  eher  Berechtigung.  Bevoi 
ich  aber  an  die  Beantwortung  gehe,  ist  es  erforderlich,  über 
Klinik  und  Wesen  der  Beriberi  einiges  vorauszuschicken. 

Die  Mehrzahl  der  Tropenforscher  steht  heute  auf  den 
Standpunkt,  dass  Beriberi  eine  Erkrankung  des  Stoffwechsels 
ist,  bei  der  die  peripheren  Nerven  in  ausgedehntem  Masse' 
degenerieren.  In  schweren  Fällen  setzt  sich  sogar  die  Degene¬ 
ration  bis  in  die  Hinterstränge  des  Marks  fort  (Dürck).  Das 
Nervengewebe  bleibt  aber  regenerationsfähig,  die  Krankheit 
ist  daher  in  jedem  Stadium  heilbar.  Was  die  feineren  Vor¬ 
gänge  bei  der  Degeneration  betrifft,  so  hat  man  bisher  eine 
besondere  Form  des  Prozesses  nicht  finden  können.  Die  Beri¬ 
beri  teilt  ihre  pathologische  Grundlage  vielmehr  ausser  mit  der 
idiopatischen,  zuerst  von  Leyden  beschriebenen  und  ihr  am 
nächsten  stehenden  Polyneuritis  auch  mit  andersartigen  Neuri¬ 
tiden,  wie  die  nach  Diphtherie  oder  bei  Bleivergiftung  be¬ 
kannten  Nervenaffektionen.  Ich  schicke  voraus,  dass  diese  irr.i 
weitesten  Sinne  als  toxisch  aufgefassten  Neuritiden,  die  ätio¬ 
logisch  nichts  mit  Beriberi  zu  tun  haben,  hier  ausser  Be-; 
sprechung  bleiben. 

Das  klinische  Bild  wird  beeinflusst  durch  die  Lokalisation 
des  Prozesses,  die  immer  symmetrisch  und  meist  zuerst 
peripher  auftritt.  Von  den  vielen  Verlaufsweisen  seien  nur 
zwei  hervorgehoben:  die  eine,  welche  stets  ausgesprochen 
peripher  beginnt  und  dem  Typus  der  aufsteigenden  Poly-< 
neuritis  folgt  (mit  Parästhesien  in  den  Füssen,  oft  auch  den 
Händen,  Abnahme  des  Gefühls,  rheumatoiden  Schmerzen 
Schwäche,  dann  Lähmungen  der  Muskulatur,  bald  nur  auf  die 
Extremitäten  beschränkt,  bald  bis  auf  Rumpf  und  Zwerchfell 
übergehend,  mit  den  entsprechenden  Veränderungen  der  elek¬ 
trischen  Erregbarkeit,  Oedemen,  aber  Freibleiben  von  Blase! 
und  Mastdarm),  die  andere,  bei  welcher  von  vornherein  das 
Herz  mehr  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird,  und  zwar  vor1 
leichtester  Pulsbeschleunigung  und  Labilität,  geringer  Dila¬ 
tation,  besonders  des  rechten  Herzens,  bis  zum  in  weniger 
Stunden  verlaufenden  Beriberi-Herztod.  Zwischen  diesen 
beiden  Symptomenkomplexen  gibt  es  alle  möglichen  Ueber- 
gänge,  wie  man  sie  theoretisch  auch  konstruieren  könnte. 

Die  Nervendegeneration  wird  dadurch  hervorgerufen 
dass  in  der  Nahrung  gewisse  Stoffe  fehlen,  ohne  welche  der 
Organismus  nicht  bestehen  kann,  Stoffe  von  hoher  physio¬ 
logischer  Bedeutung.  Da,  wo  Beriberi  epidemisch  vorkommt 
wie  in  den  warmen  Ländern,  ist  es  der  Reis  und  seine  Ver¬ 
wendungsweise,  der  das  Aufkommen  jenes  Mangels,  eine;- 
Partialhungers  (N  o  c  h  t)  begünstigt.  Beim  Reis  ist  die  wert¬ 
volle  Substanz  an  die  Aussenschicht  des  Korns,  das  sogenannte 
Silberhäutchen  mit  seinem  Kleber-  oder  Aleuronreichtum  ge¬ 
bunden.  Werden  diese  Schichten  bei  der  Bearbeitung  des 
Reises  zur  Marktfähigkeit  [auch  bei  der  Anrichtung  können 
noch  Fehler  gemacht  werden!1)]  in  zu  weitgehendem  Masse 
abgemahlen  oder  abgeschliffen,  so  verarmt  das  Produkt  an 
jener  Substanz.  Es  verarmt  aber  auch  der  Organismus,  den; 
der  „überschliffene“  Reis  längere  Zeit  zugeführt  wurde,  er 
gerät  in  den  Partialhungerzustand,  m.  a.  W.  er  erkrankt  an 
Beriberi. 

Ueberschliffener  Reis  nun  geht  selten  aus  dem  Hand¬ 
betrieb  hervor.  Der  Dorfreis  der  Eingeborenen,  die  ihn  mit 
der  Hand  bereiten,  ist,  wie  mir  ausgedehnte  Analysen  ergaben 
stets  ein  noch  recht  kleiehaltiges  Produkt.  Ihn  weiter  zu 
bearbeiten,  wäre  für  das  tägliche  Leben  zu  viel  Mühe.  Nur 
bei  Festlichkeiten,  oder  dann,  wenn  sie  den  Reis  als  Geschenk 
bringen  wollen,  sorgen  sie  für  eine  schärfer  geschliffene  Sorte 
Volksgewohnheiten  wurden  so  zum  natür¬ 
lichen  Schutz  vor  der  Beriberi,  den  die  Dorfbewohner 
tatsächlich  gemessen.  Auf  einen  derartigen  Zusammenhang  hat 
van  Dieren  schon  vor  der  experimentellen  Periode  der 
Beriberi  richtig  hingewiesen,  und  früh  erkannt,  dass  man 
Beriberi  durch  eine  der  Volkssitte  gemässe  Reisbehandlun.e 
vermeiden  könne. 


J)  siehe  Schüffner  und  Kuenen:  Der  Einfluss  des  Reis  um 
seiner  Bearbeitung.  Archiv  für  Tropenhygiene,  Beiheft  No.  7,  1912. 


?5.  März  1913.  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


In  den  Orossmühlen  kann  das  Schleifen  mühelos  Ins  zu 
oder  beliebigen  Grenze  getrieben  werden.  Die  Reisfabriken 
haben  sogar  ein  Interesse  daran,  dem  Korn  möglichst  viel  ab- 
uischleifen,  da  der  Kleieabfall,  das  Futtermehl,  ihren  wert¬ 
vollsten  Gewinn  ausmacht!  Daraus  ist  zu  schliessen,  dass  die 
ieriberi  epidemisch  nur  dort  auftritt,  wo  man  fabrik¬ 
näss  i  g  hergestellten  Reis  geniesst,  also  beim 
Militär,  in  Gefängnissen,  bei  Arbeiterschaften  etc.,  und  dass 
de  in  der  gewaltigen  Ausdehnung,  wie  wir  sie 
riiher  noch  gesehen  haben,  erst  eine  Erscheinung 
jes  Maschinenzeitalters  sein  kann!  Eine 
Schöpfung  der  Kultur  also,  von  verkünstelter  Nahrung  ab- 
längig,  ein  echter  Nährschaden! 

Der  Schutzkörper  ist  natürlich  auch  in  anderen  Nahrungs¬ 
nittein,  in  manchen  wahrscheinlich  sogar  reichlicher  vor¬ 
handen,  und  kann  daher  mannigfach  ersetzt  werden.  Ich 
(omme  darauf  noch  zurück. 

Die  Entdeckung  dieser  fundamentalen  Tatsache  knüpft 
dch  an  den  Namen  E  y  k  m  a  n,  welcher  die  Bedeutung  der 
Reiskleie  für  den  tierischen  Körper  im  Jahre  1895  erkannte, 
ind  das  Tierexperiment  in  die  Beriberiforschung  einführte. 
Die  erste  grosse  Bestätigung  für  die  menschliche  Beriberi 
verdanken  wir  seinem  Mitarbeiter  V  o  r  d  e  r  m  a  n,  der  1896 
durch  eine  Sammelstatistik  über  100  Gefängnisse  Javas,  der 
lauptherde  der  Krankheit,  zahlengemäss  den  Zusammenhang 
'wischen  Beriberi  und  überschliffenem  Reis  klarlegte.  Das 
Resultat  war,  kurz  zusammengefasst,  dass  in  Gefängnissen, 
vo  iiberschliffener  Reis  gereicht  wurde,  299,  in  solchen  mit 
»venig  geschliffenem,  also  gehaltreichem  Reis,  nur  1  Beriberi- 
<ranker  auf  10  000  Gefangene  kam. 

Den  beiden  Standardwerken  folgte  eine  ganze  Reihe  Nach¬ 
prüfungen  von  G  r  y  n  s,  Maurer  u.  a.,  welche  die  Lehre  in 
Jer  einen  oder  anderen  Richtung  weiter  ausbauten,  vor  allem 
iber  auch  eine  Zahl  von  Massenexperimenten,  so  dass  wir 
etzt  über  einen  Ueberfluss  von  Beweismaterial  verfügen  von 
Iraddon,  Elliot,  Fletcher,  Fraser  und  S  tan  ton 

i.  a.,  sowie  meine  eigenen  Erfahrungen.  Der  oben  schon  er¬ 
mähnte  Abfall  der  Mortalität  an  Beriberi  bei  der  Seneinbah 
Maatschappy  von  23,5  Prom.  bis  auf  0  erfolgte  in  einem  Zeit- 
•aum  von  3  Jahren  durch  Verabreichung  von  Zusatzkost  zum 
^eis,  während  die  letzten  Reste  kleiner  Epidemien  radikal 
vertrieben  wurden,  nachdem  wir  bei  unseren  Arbeitern  einen 
Gehaltreicheren  Reis  einführten,  und  sie  damit  gar  nicht  mehr 
n  die  Gefahr  einer  spezifischen  Unterernährung  brachten; 
hre  Zukost  mochten  sie  nun  wählen,  wie  sie  wollten. 

Nach  dieser  Auffassung  beruht  daher  die  epidemische 
Beriberi  auf  rein  alimentärer  Basis.  Für  die  Annahme  einer 
nfektion,  zu  der  man  früher  ihres  epidemischen  Charakters 
vegen  seine  Zuflucht  nehmen  musste,  liegt  heute,  seit  der 
;euchenhafte  Zug  aus  ihrem  Bilde  verdrängt  werden  konnte, 
rar  kem  Bedürfnis  mehr  vor.  Wir  müssen  uns  daher  ganz  von 
lern  Gedanken  frei  machen,  dass  zur  Beriberi  eine  primäre 
nfektion  der  Nerven  gehöre,  etwa  in  derselben  Weise,  wie 
iei  Poliomyelitis  die  Vorderhörner  befallen  werden.  Dass  es 
solche  Formen  der  Polyneuritis  gibt,  soll  damit  gar  nicht 
geleugnet  werden,  nur  die  Form  der  Polyneuritis  oder  besser 
^eurodegeneratio,  die  wir  Beriberi  nennen,  die  fieberlos  und 
n  der  typischen  Weise  aufsteigend  verläuft,  hat  epidemisch 
uiftretend,  oder  auch  bis  zu  sporadischen  Fällen  zurück¬ 
tedrängt,  mit  einer  infektiösen  Pathogenese  nichts  zu  tun. 

Der  ausführliche  Beweis  für  diese  Ansicht  würde  mich 
iber  Gebühr  aufhalten.  Ich  lasse  daher  nur  einige  der  wich- 
igsten  Tatsachen  folgen,  aus  denen  auch  der  fernerstehende 
-eser  sich  ein  Urteil  bilden  kann.  Es  sprechen  direkt  gegen 
die  Infektion: 

1.  Die  eben  angeführten  Massenexperimente.  Ich  füge 
dnzu,  dass  man  bei  einem  Reisversuch  im  Irrenhaus  von 
•dngapore,  wo  die  Beriberi  mit  einer  gehaltreichen  Reissorte 
gezwungen  war,  auch  die  Probe  auf  das  Exempel  machte,  in- 
Um  man  für  eine  Zeitlang  wieder  zur  früheren  Marke  zurück¬ 
triff.  Schon  nach  wenigen  Wochen  traten  aber  die  Beriberi- 
rkrankungen  in  solcher  Häufung  auf,  so  dass  man  schleunigst 
Us  Experiment  abbrach! 

2.  Bei  den  erfolgreichen  Bekämpfungen,  wie  in  Deli,  wurde 
meines  der  sonst  gegen  Infektionen  üblichen  Mittel  gehandliabt, 
dso  weder  Isolierung  der  Kranken,  oder  Vernichtung  von 


643 

Ungeziefei  und  Insekten  als  möglichen  Ueberträgern,  noch 
die  Desinfektion  des  Kranken  und  seiner  Umgebung,  oder 
seiner  Nähr  ung.  Umgekehrt  endete  ein  derartiges,  rigoros 
durchgesetztes  Voi  gehen  in  Atjeh  mit  einem  absoluten  Fiasko, 
so  dass  sich  die  holländisch-indische  Regierung  veranlasst  sah, 
ihre  Vorschriften,  die  nur  unnötige  Kosten  verursachten,  zu¬ 
rückzuziehen. 

Auf  einen  fast  noch  zwingenderen  Beweis  komme  ich  in 
einem  anderen  Zusammenhang  später  zu  sprechen. 

3.  Dei  dei  Senembah  My  mit  einer  gemischten  Arbeiter¬ 
schaft  von  durchschnittlich  3000  Chinesen,  2500  Javanen 
und  1500  javanischen  Frauen,  starben  in  13  Jahren  28°/«no 
Chinesen,  5  / ooo  Javanen,  1  ’/ooo  Frauen.  Die  Krankheit  ver¬ 
teilte  sich  demnach  sehr  ungleichmässig  unter  den  3  Gruppen, 
bei  den  Frauen  hätte  man  fast  an  eine  Immunität  denken 
können.  Und  das,  trotzdem  sie  untereinander  und  auch  mit 
Beriberikranken  reichlich  in  Berührung  kamen!  Einer  schein¬ 
bar  noch  grösseren  Immunität  erfreuen  sich  die  Eingeborenen 
des  Landes,  wenn  sie  ihren  obenerwähnten  Lebensgewohn¬ 
heiten  treu  bleiben.  Alle  Unterschiede  aber  hören  auf,  von 
einer  Immunität  verschwindet  jede  Spur,  wenn  Leute  längere 
Zeit  in  einem  Untersuchungsgefängnis  verbringen  müssen.  Es 
erkrankt  dann  von  allen  Gruppen  ein  ziemlich  gleicher  Pro¬ 
zentsatz.  Bei  Annahme  einer  Infektion  würde  dieses  merk¬ 
würdige  Verhältnis  einfach  unverständlich  sein,  es  erklärt  sich 
aber  leicht,  wenn  wir  uns  an  die  alimentäre  Entstehungsweise 
der  Beriberi  halten.  In  den  Gefängnissen  ist  die  Ernährung 
für  alle  dieselbe;  wo  also  in  solchen  Anstalten  nicht  auf  den 
Reis  geachtet  wird,  unterliegen  sämtliche  Insassen  dem  ver¬ 
derblichen  Einfluss.  Freie  Leute  dagegen  können  ihre  Er¬ 
nährung  nach  eigenem  Ermessen  und  Geschmack  einrichten. 
Und  bei  einer  gefährlichen  Reissorte  ist  die  javanische  Frau, 
in  Küchenkünsten  und  den  Produkten  des  Landes  erfahrener, 
besser  imstande,  sich  reichlich  Zukost  zu  verschaffen,  als  der 
meist  als  Junggeselle  lebende  Chinese. 

Ein  ähnliches,  seitdem  sehr  bekannt  gewordenes  Beispiel 
lieferte  B  r  a  d  d  o  n,  der  auf  die  scheinbare  Immunität  der 
Tamilen,  welche  nur  den  gehaltvolleren  „cured  rice“  [=  ge¬ 
dämpfter  Reis  2)1  essen,  hinwies. 

Alle  Punkte  zusammengenommen  sprechen  so  über¬ 
zeugend  für  die  alimentäre  Aetiologie  der  Beriberi,  und 
geben  uns  vor  allem  so  wirksame  Waffen 
gegen  die  Krankheit  in  die  Hand,  dass  für  die 
Praxis  schon  längst  eine  Schwierigkeit  nicht 
mehr  besteht,  odernicht  mehr  bestehen  sollte! 

Inzwischen  hat  sich  die  Forschung  seit  den  Entdeckungen 
Eykmans  damit  beschäftigt,  über  die  eigentlich  wirksame 
Substanz  der  Kleie,  den  Schutzkörper  gegen  die  Beriberi,  ins 
Reine  zu  kommen.  Dabei  hat  man  eine  ganze  Zahl  von 
Körpern,  die  zwar  aus  der  Kleie  dargestellt,  sich  doch  als 
unwirksam  erwiesen,  wieder  fallen  lassen  müssen.  So  der 
Eiweissgehalt  der  Kleie  an  sich,  der  sich  nicht  durch  be¬ 
liebiges  anderes  Eiweiss  ersetzen  lässt,  dann  die  anorganischen 
Salze,  darunter  besonders  die  des  Phosphors.  Von  N  o  c  h  t, 
auch  eine  Zeitlang  von  Maurer  wurde  der  Körper  unter  den 
Fermenten  und  Enzymen  gesucht,  eine  Auffassung,  die  an 
Wahrscheinlichkeit  gewann,  nachdem  G  r  y  n  s  die  wichtige 
Entdeckung  machte,  dass  die  Substanz  bei  längerem  Erhitzen 
auf  Temperaturen  über  100°  ihre  Wirksamkeit  einbiisste,  also 
thermolabil  war.  Es  folgt  dann  eine  Periode,  in  der  vorüber¬ 
gehend  E  y  k  m  a  n  und  dann  vor  allen  Schaumann  den 
Stoff  unter  den  organischen  Phosphorverbindungen,  nach  Aus¬ 
schaltung  des  völlig  wertlosen  Phytins,  gefunden  zu  haben 
meinten.  In  ihrer  ursprünglichen  Fassung  ist  aber  die 
Schau  mann  sehe  Ansicht  heute  auch  nicht  mehr  haltbar; 
seit  E  y  k  m  a  n  fand,  dass  der  Schutzkörper  alkohollöslich 
sei,  haben  zahlreiche  Autoren,  Gryns,  Fraser  und 
Stanton,  Shiga,  Chamberlain  und  V  e  d  d  e  r,  F  u  n  k 
und  C  o  o  p  e  r,  T  s  u  z  u  k  i,  Schaumann  selbst,  nach¬ 
gewiesen,  dass  der  immer  mehr  eingeengte  wirksame  Rest  der 
Kleie  fast,  bezw.  ganz  frei  von  Phosphor  ist,  dass  er  sich 
dialysiren  lässt,  also  zu  den  Kristalloiden  und  nicht  zu  den 
Kolloiden  gehört.  Funk  vom  Listerinstitut  in  London  end¬ 
lich  glaubt  den  Körper  rein  dargestellt  zu  haben.  Nach  ihm 


s)  1.  c. 


(A4 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


Ho.  12. 


gehört  der  Körper  in  die  Reihe  der  Pyrimidinbasen,  mit 
der  Formel  nh 


Er  nennt  ihn  Vitamin,  und  es  ist  ihm  gelungen,  den  gleichen 
Körper  aus  Kleie  wie  aus  Hefe,  Milch,  Gehirn  und  aus  Zitronen¬ 
saft  rein  zu  gewinnen.  Es  bleibt  abzuwarten,  ob  diesem  reinen 
Körper  die  volle  uns  von  der  Kleie  bekannte  glänzende  Schutz¬ 
kraft  innewohnt,  oder  ob  es  sich  nicht  um  eine  ganze  Reihe 
ähnlicher  Körper  und  deren  Kollektivwirkung  (Schau mann), 
handelt.  Endlich  konte  E  y  k  m  a  n  sowie  T  s  u  z  u  k  i  zeigen, 
dass  die  Schutzstoffe  auch  parenteral  beigebracht  wirken. 
Das  Rätsel  der  B  e  r  i  b  e  r  i  steht  vor  seiner 
Lösung. 

Diese  Arbeiten  gewähren  einen  ganz  neuen  Blick  in  die 
Ernährungsphysiologie.  Der  tierische  Organismus  kann  trotz 
einer  im  richtigen  Verhältnis  aus  Fett,  Eiweiss  und  Kohle¬ 
hydrate  zusammengesetzten  Nahrung  zugrunde  gehen,  wenn 
ihr  die  besonderen,  hier  in  F'rage  kommenden  Stoffe,  so  gering 
sie  an  Menge  auch  sind,  fehlen.  Die  Beriberi  steht  darin  nicht 
allein.  Ein  analoges  Verhalten  sehen  wir  beim  Skorbut  und 
seiner  kindlichen  Form  der  Möller -  Barlow  sehen  Krank¬ 
heit,  für  welche  ein  ähnlicher  Schutzstoff  im  frischen  Fleisch 
und  in  frischen  Vegetabilien  zu  suchen  wäre. 

Nach  den  Arbeiten  von  Axel  Holst  scheinen  ' die  dort 
wirkenden  Stoffe  noch  thermolabiler  zu  sein;  sie  sind  noch 
ganz  unbekannt.  Wir  sind  daher  bei  der  Beriberi  mit  der 
bisher  schon  erreichten  Isolierung  der  Substanz  schon  einen 
grossen  Schritt  weiter,  auch  gegenüber  der  Pellagra,  die  ver¬ 
mutlich  in  dieselbe  Krankheitsreihe  gehört. 

Wie  wirken  nun  diese  neuen  Substanzen?  Als  Nahrungs¬ 
mittel  oder  Nährsalze?  Oder  dienen  sie  in  der  molekularen 
Zusammensetzung,  in  der  sie  aufgenommen  werden,  direkt  als 
Bausteine?  Hier  klafft  in  unserem  Wissen  noch  eine  Lücke. 
Die  ausserordentlich  kleinen  Quantiäten,  um  die  es  sich  han¬ 
delt,  legen  auch  den  Gedanken  nahe,  dass  sie  mit  der  inneren 
Sekretion  in  Verbindung  stehen.  Man  nimmt  ja  an,  dass  die 
Grundstoffe  der  inneren  Sekretionen  aus  der  Nahrung  bezogen 
werden.  Vielleicht  sind  die  Vitamine  mit  solchen  Vor¬ 
produkten,  Hormonogenen,  wie  man  sie  nennen  könnte,  iden¬ 
tisch.  Die  Störung  der  inneren  Sekretion,  durch  ihren  Mangel 
hervorgerufen,  würde  dann  als  Beriberi  manifest  werden. 

Ich  möchte  hier  die  Beriberi  mit  einem  anderen  Krank¬ 
heitsbilde  vergleichen,  wo  ebenfalls  ein  quantitativ  ganz  unbe¬ 
deutender  Eingriff  in  die  innere  Sekretion  das  Nervensystem 
in  schwerster  Weise  alteriert,  ja  den  Tod  zur  Folge  hat:  Die 
Tetanie.  Sie  wird  durch  die  Wegnahme  der  Epithelkörperchen 
nach  einer  Latenz  von  wenigen  Stunden  herbeigeführt.  Die 
Beriberi  hat  längere  Zeit  zur  Ausbildung  nötig,  naturgemäss, 
denn  bei  ihr  wird  nicht  die  Produktionsstätte  entfernt,  sondern 
nur  die  Zufuhr  verringert.  Der  Körper  kann  sich  daher  erst 
aus  seinem  Reservevorrat,  mit  dem  er  sich  bei  der  Wichtig¬ 
keit  der  Substanz  unter  normalen  Verhältnissen  sicher  ver¬ 
sieht,  versorgen  und  die  Symptome  erscheinen  daher  erst, 
wenn  der  Vorrat  erschöpft  ist.  Wieder  gemeinsam  ist  beiden 
Krankheiten  die  Schnelligkeit  der  Heilung,  bei  der  Tetanie  nach 
Darreichen  von  Parathyreoidin,  bei  Beriberi  von  Kleie.  Tiere, 
die  gelähmt  waren,  können  dann  morgen  schon  wieder  laufen. 
Und  ebenso  sieht  man  beim  Menschen  in  wenig  fortge¬ 
schrittenen  Fällen,  regelmässig  bei  der  Segelschiffberiberi 
wunderbar  rasche  Heilungen.  Ich  gebe  diese  Hypothese 
natürlich  mit  aller  Reserve;  sie  hat  keinen  anderen  Wert,  als 
uns  das  Wesen  der  Beriberi  etwas  verständlicher  zu 
machen. 

Wir  kommen  zum  Ausgangspunkt  zurück,  und  nehmen 
noch  einmal  von  der  bedeutsamen  Tatsache  Notiz,  dass  Beri¬ 
beri  überall  da,  wo  sie  sachgemäss  angefasst  wurde,  ihren 
epidemischen  Charakter  aufgegeben  hat.  Wer 
sich  heute  in  einem  der  Bekämpfungsgebiete  umsieht,  findet 
von  Epidemien  ebensowenig,  als  jemals  in  Europa.  Das  Ge¬ 
samtbild,  an  dem  das  Epidemische  allein  ein  zufälliger  Zug 
war,  hat  sich  verändert.  Die  Krankheit  ist  aber 
keineswegs  ganz  verschwunden.  Ihr  Auf- 
treten  ist  nur  sporadisch  geworden,  und  zwar 
in  einer  Weise,  die  sich  wenig  von  dem  Vor¬ 


kommen  der  Polyneuritis  in  Europa  unter¬ 
scheidet. 

Stehen  wir  auf  dem  Standpunkt  der  alimentären  Genese 
so  müssen  wir  uns  darüber  klar  werden,  dass  ein  derartige^ 
Verhalten  der  Beriberi  geradezu  erwartet  werden  musste 
Denn  es  ist  praktisch  unmöglich,  etwas  Individuelles,  wie  du 
Ernährung  jedes  einzelnen  Menschen  so  zu  leiten,  dass  nich 
da  oder  dort  einmal  der  gefahrbringende  Nahrungsfehler  zu- 
stände  kommen  könnte.  Das  Fehlen  der  Ausnahme 
fälle  würde  sogar  ein  direkter  Beweis  gegei 
die  alimentäre  Auffassung  gewesen  sein. 

Aus  meinen  Beobachtungen  der  sporadischen  Fälle  lasser 
sich  nun  zwei  Gruppen  herausheben. 

Die  eine  betrifft  besser  bezahlte  Arbeiter,  meist  Aufseher! 
die  einem  weitverbreiteten  Vorurteil  zum  Opfer  fallen.  Deij 
wenig  geschliffene,  unansehnliche  Reis,  den  wir  zum  Schiit;, 
gegen  die  Beriberi  verordneten,  gilt  genau  wie  hier  in  Deutsch 
land  das  grobe  Schwarzbrot  als  nicht  besonders  fein.  Weil 
daher  in  eine  günstigere  finanzielle  Lage  gelangt,  kauft  sich 
gern  den  teureren,  stark  geschliffenen,  schneeweissen,  und 
darum  vornehmeren  Reis,  bei  dem  der  Kleiegeschmack  las 
ganz  verdrängt  wird.  Begnügen  sich  nun  solche  Leute  bei 
der  Mahlzeit  überwiegend  mit  Reis,  und  sorgen  sie  nicht  fü 
reichliche  Zukost,  welche  geeignet  wäre,  das  grosse  Defizi 
an  Schutzkörper  zu  decken,  so  sind  alle  Bedingungen  zu  einen 
Partialhunger  erfüllt.  Dergleichen  Beobachtungen  vo'j 
typischer  aufsteigender  Polyneuritis  kamen  mir  wiederhol 
unter  die  Augen,  ich  habe  sie  daher  als  eine  Beriberi  de 
besser  situierten  Arbeiter  abgesondert. 

In  die  andere  Gruppe  gehören  die  Leute,  welche  nac 
einer  Schonungsdiät  zu  leben  haben.  Unser 
Typhuskranken  und  Dysenteriker,  bei  denen  das  zutrifft,  un 
die  fast  ausschliesslich  mit  Reisbrei  ernährt  werden,  er 
krankten  früher  mit  erschreckender  Regelmässigkeit  an  Ber 
beri,  so  dass  ich  retrospektiv  hierin  fast  Experimente  sehe; 
möchte,  die  allerdings  in  bester  Absicht  angestellt  wurden 
Mit  der  gleichen  Sicherheit  aber  haben  sich  alle  derartige; 
Erkrankungen  aus  dem  Hospitale  verbannen  lassen,  nachder; 
der  Brei  aus  wenig  geschliffenem  Reis  bereitet  wurde.  Heut 
und  schon  seit  Jahren  kann  ein  Typhus  oder  eine  Dysenteri 
noch  solange  andauern,  an  Beriberi  (oder  hierher  gehört  de 
oft  verkehrt  angewandte  Ausdruck  „sekundäre  Beriberi“)  gef 
kein  Kranker  mehr  zugrunde. 

An  der  sekundären  Beriberi  beteiligt,  sich  auch  der  diä 
kranke  Europäer,  der  ja  dann  um  nichts  besser  als  dt 
Farbige  gestellt  ist,  mag  er  auch  statt  des  Reisbreies  ab  un 
zu  Maizena,  Mondamin,  Weissbrot,  Cakes,  alles  Produkte,  d 
von  dem  ärmeren  Innern  der  Körner  stammen,  gemessen.  D 
Ernährung  mit  gehaltreichem  Reis  oder  Hafergrütze,  Graupe 
Leguminosenmehlen,  brachte  auch  hier  rasch  die  Besserun 

Endlich  sehe  ich,  allerdings  selten,  in  den  Tropen  Fäll 
bei  denen  die  bisher  zutreffende  Erklärungsweise  nicht  au: 
reicht,  sondern  für  die  auch,  was  ihre  Heilung  anbelangt,  e: 
Umweg  notwendig  ist.  Trotz  eines  genügenden  Vorrates  a 
Schutzkörper  in  der  Nahrung  kann  ein  Organismus  doch  ve 
armen,  wenn  der  Stoff  im  Magendarmkanal  nicht  resorbie 
wird,  sei  es  infolge  vorzeitiger  Zersetzung,  oder  durch  eine 
räuberischen  Abbau  besonderer  Darmbakterien  (S  c  h  a  u 
m  a  n  n).  In  solchen  Fällen  bleibt  die  gebräuchliche  Nahrung 
regelung  ohne  Resultat,  und  die  Leute  gehen  doch  zugrund 
wenn  man  nicht  vorher  durch  Abführen,  und  durch  einige  Tag 
einseitiger  Diät  (am  besten  Milch)  die  Darmflora  stark  beei 
flusst.  Dann  aber  glückte  es  mir  auch  leicht,  den  Umschwut 
zur  Besserung  herbeizuführen. 

Wenn  man  will,  könnte  man  diese  seltenen  Formen,  ci 
sich  meist  durch  einen  Darmkatarrh  verraten,  als  bakteriel 
Beriberi  bezeichnen.  Ich  erkläre  aber  ausdrücklich,  dass  s 
in  Indien,  von  wo  ich  die  Verhältnisse  allein  genau  kenn 
eine  über  ihren  Träger  hinausgehende  Bedeutung  nicht  habe 

Wir  erhalten  nun  durch  diese  sporadischen  Fälle,  t 
denen  man  beim  besten  Willen  von  einer  Kontagion  nicli 
mehr  entdecken  kann,  noch  den  weiteren  Beweis  gegen  d 
infektiöse  Natur  der  Beriberi,  den  ich  früher  in  Aussicht  stell' 
Wie  sollte  eine  Infektion,  die  bis  dahin  mit  Vorliebe  zu  d* 
schwersten  Epidemien  aufflammte,  mit  einem  Schlage  ih 
Natur  so  ändern,  dass  jetzt  Einzelfälle  isoliert  bleiben,  oh 


! 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


*5.  März  1913. 


645 


lass  auch  nur  das  geringste  geschah,  sie  auf  ihren  Platz  zu 
teschränken!  Wir  mögen  uns  unter  den  Infektionskrank- 
leiten  umsehen,  wo  wir  wollen,  eine  Krankheit  mit  aus- 
esprochen  seuchenhaften  Neigungen  macht,  unbekämpft, 
Tnzelfälle  immer  wieder  zum  Ausgangspunkt  neuer  Epi- 
lemien!* *  3) 

Es  kann  nun  weiter  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  das 
icutige  Bild  der  sporadischen  Beriberi  in  Indien  unmittel- 
tar  aus  der  epidemischen  Krankheit  hervorgegangen,  und 
licht  etwa  eine  Krankheit  sui  generis  ist.  Um  das  zu  beweisen, 
iahe  ich  mich  solange  bei  der  Schilderung  des  Entwicklungs- 
;anges  aufgehalten.  Denn,  bekennen  wir  offen,  ohne  die 
Crossen  Epidemien,  die  erst  den  Blick  auf  gemeinsame 
Schädlichkeiten  lenkten,  würde  der  Tropenmedizin  die  Aetio- 
ogie  der  Beriberi  auch  heute  noch  rätselhaft  sein,  ebenso 
ätselhaft,  wie  der  europäischen  Medizin  heute  noch  die  idio¬ 
pathische  Polyneuritis  und  verwandte  Zustände!  Oder,  was 
loch  wichtiger,  wir  würden  die  Beriberi  auch  jetzt  noch  mit 
Salizylpräparaten,  Bädern  etc.  behandeln,  genau  wie  die 
Jolyneuritis! 

Nach  diesen  Ueberlegungen  kommen  wir  zu  der  eingangs 
mfgeworfenen  Frage,  sollte  Beriberi  auch  in  Europa  zu  beob- 
ichten  sein?  Wir  sahen,  dass  sie  weder  eine  Klima-  noch 
■ine  Infektionskrankheit  ist,  sondern  eine  von  einem  Nähr- 
;chaden  abhängige  Stoffwechselkrankheit,  die  je  nach  dem 
3odcn,  den  sie  findet,  epidemisch  oder  sporadisch  auftritt. 
sie  wird  epidemisch  da  Vorkommen,  wo  jener  heute  scharf 
imschriebene  Ernährungsfehler  leicht  zustande  kommt,  sie 
wird  als  Epidemie  fehlen,  wo  die  Ernährung  des  Volkes  in 
Jein  bezeichneten  Sinne  günstiger  gestellt  ist. 

Das  letztere  gilt  für  Europa.  Von  epidemischer  Beriberi 
st  hier  nichts,  oder  drücke  ich  mich  vorsichtig  aus,  fast  nichts 
cu  sehen.  Klima  und  geographische  Lage  waren  es  nicht,  wo- 
iurch  Europa  vor  der  Seuche  geschützt  wurde.  Andererseits 
väre  es  unbiologisch  zu  denken,  dass  der  Organismus  des 
Europäers  jener  neu  erkannten  Stoffe  etwa  nicht  bedürfe.  Er 
nuss  sie  ebenso  nötig  haben  als  wie  der  Tropenbewohner. 
Oie  Epidemien  blieben  vielmehr  nur  darum 
:ern,  weil  die  europäischen  Lebensmittel 
ene  Schutzstoffe  an  sich  reichlicher,  oder  in 
hner  so  glücklichen  Verteilung  enthalten, 
Jass  sie  bei  der  gewöhnlichen  Herrichtung 
Jen  fertigen  Speisen  verbleiben. 

Dies  ist  eine  Konsequenz,  die  wir  nach  dem  heutigen 
Stande  der  Beriberi-Forschung  zu  machen  voll  berechtigt  sind. 
Allerdings  auch  nur  in  dieser  allgemeinen  Fassung,  da  uns  die 
speziellen  Kenntnisse  über  die  Lebensmittel,  die  wohl  nach 
Verdaulichkeit,  Kalorien  und  Salzwert,  aber  nicht  nach  ihrem 
Gehalt  an  jenen  spezifischen  Substanzen  eingeschätzt  werden, 
fast  noch  ganz  abgehen.  Allein  über  den  Reis  sind  wir 
einigermassen  orientiert,  und  wissen,  dass  sich  bei  ihm  die 
Vitamine  fast  ausschliesslich  in  der  Rinde  des  Korns  der 
Aleuronschicht  aufhäufen.  Es  lässt  sich  daher  genau  der  Her¬ 
gang  verfolgen,  wie  diese  sonst  so  gesunde  und  von  der  Natur 
so  reich  ausgestattete  Körnerfrucht  durch  eine  unrationelle 
Behandlung  —  der  übermässigen  Kleieentziehung  —  Eigen¬ 
schaften  annehmen  kann,  deren  Wirkung  den  schwersten 
Giften  gleichkommt. 

Als  Hauptnahrung  in  Europa  wäre  das  Brot  und  die  Kar¬ 
toffel  in  Betracht  zu  ziehen.  Unsere  heimischen  Gramineen, 
vor  allem  Roggen  und  Weizen,  sind  etwa  anderthalbmal 

3)  Man  könnte  hier  einwerfen,  dass  das  Ausbleiben  von  Epi¬ 
demien  ja  auch  bei  anerkannt  infektiösen  Krankheiten  beobachtet 
werde,  wie  z.  B.  bei  der  Poliomyelitis,  wo  sich  lange  Pausen  mit  nur 

sporadischen  Fällen  einschieben.  Dem  gegenüber  muss  ich  noch¬ 
mals  darauf  hinweisen,  dass  bis  zum  Zeitpunkt  der  ätiologischen  Be¬ 
kämpfung  die  Beriberi  in  Epidemien  die  Regel  war,  oft  im  Jahr 

3  mal.  Dieser  Zustand  der  Regelmässigkeit  wurde  mit  der 
Nahrungsänderung  wie  mit  einem  Schlage  abgeschnitten,  ohne  dass 
die  gebliebenen  sporadischen  Fälle  auch  nur  den  geringsten  Einfluss 
daraui  hätten  ausüben  können. 

Ein  solcher  Wechsel  im  Auftreten  lässt  sich  mit  der  Polio¬ 
myelitis,  wo  die  ausgesprochene  Epidemie  der  Ausnahmezustand  ist, 
gar  nicht  vergleichen.  Bei  ihr  haben  wir  allerdings  recht,  für  die 
Art  ihres  Erscheinens  Zufälligkeiten  verantwortlich  zu  machen,  bei 
der  Beriberi  aber  musste  der  plötzliche  Umschlag,  selbst  wenn 
er  nicht  bewusst  herbeige  führt  wäre,  tiefer  be¬ 
gründet  sein. 


reicher  an  Pflanzeneiweiss  als  der  Reis  (12  Proz.  gegen 
8  Proz.  stickstoffhaltiger  Substanz).  Es  wäre  nun  möglich, 
dass  mit  dem  Eiweissgehalt  auch  der  an  Schutzstoff  stiege, 
möglich  aber  auch,  dass  bei  diesen  Körnerfrüchten  der  Seluitz- 
stoff  nicht  so  ausschliesslich  an  das  Eiweiss  der  Rinde,  sondern 
auch  an  das  des  Körnerinneren  gebunden  wäre.  Da  dieses 
unter  allen  Umständen  dem  Mehle  verbleibt,  und  nieht  wie  die 
Kleie  abgezogen  werden  kann,  wäre  hiermit  eine  Erklärung 
des  Brotschutzes  gegeben.  Jedenfalls  erfordern  diese  beiden 
Eiweissarten,  das  Aleuron  der  Rinde  und  der  Kleber  des 
Körnerinneren,  die  chemisch  schon  durch  den  höheren  Gehalt 
des  Aleurons  an  Phosphor  differenziert  sind,  die  erhöhte  Auf¬ 
merksamkeit  der  Nahrungsmittelchemie.  Ausserdem  spielen 
hier  aber  auch  eine  ganze  Anzahl  Fragen,  die  das  Mahlen 
des  Korns  und  seine  verschiedenen  Methoden  betreffen,  mit 
herein,  deren  Behandlung  mich  zu  weit  führen  würde4). 

Was  die  Kartoffel  betrifft,  die  als  die  ärmste  Nährfrucht 
gilt,  so  erhalten  wir  über  deren  Gesamtnährwert  durch  sehr 
auffallende  Fütterungsversuche  von  E  y  k  m  a  n  eine  be¬ 
sondere  Vorstellung.  Es  glückte  diesem  um  die  Beriberi- 
forschung  so  verdienten  Autor  nicht,  bei  seinen  Versuchstieren 
durch  einseitige  Fütterung  mit  Kartoffelmehl  die  Polyneuritis 
auszulösen,  während  das  Experiment  mit  geschliffenem  Reis, 
geschliffener  Gerste,  oder  denaturierten,  d.  h.  überhitzten 
Lebensmitteln  leicht  gelang.  Nun  ist  allerdings  die  Kartoffel 
gar  nicht  so  arm,  wie  man  gewöhnlich  annimmt;  auf  die 
Trockensubstanz  bezogen,  enthält  sie  ebensoviel  Eiweiss  als 
der  Reis  (ca.  7 — 8  Proz.)  und  viel  mehr  Salze  (3 — 4  Proz.  gegen 
0,8  beim  geschliffenen  Reis).  Vielleicht  deutet  hier  der  Mehr¬ 
gehalt  an  Salzen  darauf  hin,  dass  sie  auch  reicher  an  dem  spe¬ 
zifischen  Körper,  der  ja  auch  ein  Kristalloid  zu  sein  scheint, 
ist.  Ueberlassen  wir  die  Ausarbeitung  dieser  hier  nur  ganz 
oberflächlich  berührten  Fragen  der  Zukunft,  so  hat  wenigstens 
der  allgemeine  Satz  heute  schon  alle  Berechtigung,  dass  es 
der  Edelgehalt  des  Brotes  und  der  Kartoffel 
gewesen  ist,  der  die  europäischen  Völker  vor 
der  epidemischen  Beriberi  geschützt  hat. 

Die  Verhältnisse  in  Europa  lagen  von  vornherein  so,  wie 
in  Indien  für  die  Dorfbewohner,  und  wie  sie  für  unsere  in¬ 
dischen  Arbeiter  durch  die  Einführung  gehaltreicher  Reissorten 


T  Das  Kapitel  der  Beriberi  kommt  hier  in  nahe  Beziehung  zu 
einem  viel  umstrittenen  Thema,  der  Ausnutzung  des  Pflanzeneiweisses 
durch  den  menschlichen  Darmtraktus.  Von  R  u  b  n  e  r  war  festgestellt 
worden,  dass,  die  in  der  Kleie  enthaltenen  Eiweissubstanzen  nicht  wie 
das  Fleisch  vollkommen,  sondern  nur  zum  Teil  assimiliert  werden; 
rund  50  Proz.  verlassen  den  Körper  unausgenutzt.  R  u  b  n  e  r  trat 
daher  dafür  ein,  diesen  für  die  Ernährung  des  Menschen  anscheinend 
wertlosen  Teil,  der  nur  als  Ballast  den  Darm  passiert  und  bei 
empfindlichen  Leuten  zu  allerhand  Verdauungsstörungen  Anlass  gibt, 
vom  Mehl,  und  damit  vom  Brote  abzuziehen,  und  ihn  lieber  an  das 
Vieh  zu  verfüttern,  dessen  Verdauungssäfte  etwas  leichter  mit  ihm 
fertig  werden. 

Auch  für  den  Reis  gilt  das  Gesetz  der  schwereren  Verdaulichkeit 
der  Kleie,  wie  ich  mich  leicht  überzeugen  konnte.  Aber  wollten 
wir  uns  hier  an  den  R  u  b  n  e  r  sehen  Vorschlag  halten  —  leider  ist 
es  ja  tatsächlich  geschehen  —  so  würden  wir  das  grösste  Unheil 
anrichten!  Der  Kleieabzug  darf  nicht  über  eine  gewisse  Grenze 
gehen.  Der  Organismus  hat  diesen  Teil  des  Korns  nötig,  um  seinen 
Bedarf  an  Vitaminen  daraus  zu  decken,  mag  er  auch  das  Eiweiss, 
nachdem  es  seine  Extraktivstoffe  abgegeben  hat,  unverbrannt  wieder 
ausstossen.  Die  Eiweissausnutzung  ist  also  wenig¬ 
stens  beim  Reis  nicht  die  letzte  Instanz,  die  über 
den  Nährwert  der  Kleie  zu  urteilen  hat. 

Es  liegt  nahe,  dies  für  den  Reis  geltende  Gesetz  auch  auf  das 
Brot  zu  übertragen,  und  sich  die  Frage  vorzulegen,  ob  unter  solchen 
Umständen  die  reichlichere  Beimengung  von  Kleie  zum  Brote  nicht 
doch. eine  Verbesserung  bringen  würde?  Das  stünde  im  Einklang 
mit  der  landläufigen  Ansicht,  wonach  die  schwarzen  Brote  kräftiger 
nähren.  Unter  den  Bestrebungen,  dem  Brote  die  Kleie  zu  belassen, 
also  das  ganze  Korn  auszunutzen,  möchte  ich  vor  allem  auf  die 
Von  Finkler  verweisen,  der  in  seinem  Final  mehl  ein  Kleie¬ 
produkt  gibt,  das  bis  zu  98  Proz.  leicht  verdaulich 
wird.  Das  daraus  gebackene  Brot  würde  also  beiden  Anforde¬ 
rungen  einer  geeigneten  Ernährung  gerecht  werden.  Es  wäresehr 
erfreulich,  wenn  diesewichtige  Lehre,  d  i  e  wir  aus 
der  Beziehung  von  Reis  zur  Beriberi  so  klar  und 
eindeutig  gewinnen,  den  A  n  s  t  o  s  s  geben  würde,  die 
Bewegung  zur  Vollkornausnutzung  mehr  in  Fluss 
zu  bringen.  Vollkornernährung  des  Volkes  be¬ 
deutet  nach  Finkler  eine  jährliche  "Ersparnis  von 
340  Millionen  Mark  des  Nationalvermögens! 


646 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


erst  geschaffen  werden  mussten.  Die  Allgemeinheit  war  hier 
wie  dort  geschützt,  für  den  einzelnen  aber  standen  und  stehen 
überall  Wege  offen.  Nahrungsfehler  zu  machen,  sich  also 
ahnungslos  des  Vorteils  zu  begeben,  und  unter  besonderer 
Verkettung  der  Umstände  an  Beriberi  zu  erkranken.  Das 
V  orko  m  men  von  Beriberi,  und  mag  es  noch  so 
selten  sein,  ist  hiernach  theoretisch  auch  für 
Europa  ein  Postulat!  Oder,  wer  in  seinen  Konse¬ 
quenzen  noch  nicht  so  weit  gehen  will,  für  den  muss  die  vor¬ 
stehende  Auseinandersetzung  wenigstens  das  zur  Ueber- 
zeugung  bringen,  dass  es  an  der  Zeit  ist,  heute  auch 
in  Europa  in  jedem  Fall  von  Polyneuritis  die 
alimentäre  Entstehungsweise  mit  zu  berück¬ 
sichtigen. 

Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  auch  in  Europa  die  Kost 
spezifisch  verarmen  kann,  muss  ich  mich  auf  Andeutungen 
beschränken.  Dass  der  Reis  in  der  Aetiologie  nicht  die  aus¬ 
schliessliche  Schuld  hat,  wurde  bereits  bemerkt.  Die  Beriberi 
auf  Segelschiffen,  einer  bestimmten  von  N  o  c  h  t  heraus¬ 
gehobenen  Form,  die  aber  mit  der  tropischen  Beriberi  auf 
gleicher  Basis  steht,  und  welche  auch  ohne  Reiskost  beob¬ 
achtet  wird,  lehrt  das  in  einwandfreier  Weise.  Für  Europa 
kommt  aber  Reis  doch  auch  als  Ausnahmenahrung  in 
Betracht.  Dazu  muss  ich  bemerken,  dass  die  meisten  der  in 
Europa  verkauften  Reissorten  stark  überschliffen  und  zur 
Verwendung  als  Hauptnahrung  ungeeignet  sind.  Weiter 
wird  einseitige  Kost,  Bevorzugung  weisser  Mehle  ohne  Kleie¬ 
gehalt,  wenig  Gemüse  oder  die  Gemüse  stark  ausgelaugt,  dem 
Partialhunger  den  Boden  ebnen.  Dann  gilt  zu  bedenken,  dass 
langes  Kochen,  oder  gar  die  Anwendung  gespannten  Dampfes, 
wie  es  in  manchen  Küchen  üblich  ist,  durch  Zerstörung  des 
Schutzkörpers  verderblich  wirken  kann.  Endlich  bleibt  auch 
für  Europa  mit  der  Möglichkeit  einer  bakteriell  bedingten  Ent¬ 
ziehung  des  spezifischen  Nahrungskörpers  im  Darm  zu  rechnen. 
Es  wird  sich  eben  in  jedem  Falle  von  Polyneuritis  empfehlen, 
alle  diese  bisher  nebensächlich  betrachteten  Dinge  genau 
anamnestisch  klarzulegen. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  in  die  Literatur,  um  die  euro¬ 
päische  Polyneuritis  zu  sichten,  so  begegnet  dem  Beriberi- 
kenner  manches,  was  ihn  verdächtig  anmuten  muss.  Es 
scheint  die  Polyneuritis  sogar  epidemisch  vorgekommen  zu 
sein.  C  o  n  o  1 1  y  und  Norman  veröffentlichten  aus  dem 
Richmond  Asyl  auf  Irland  bei  Dublin  isolierte  Epidemien,  die 
sich  wiederholten.  Im  Jahre  1894  erkrankten  in  den  Sommer¬ 
monaten  von  1503  Insassen  174  und  starben  25,  1896  und  1897 
war  die  Zahl  etwas  geringer.  Ueber  ähnliche  Epidemien 
wissen  Chante  messe  und  Ramond  aus  dem  Jahre  1898 
in  einer  Irrenanstalt  zu  St.  Lemmes  bei  Angers  mit  zirka 
40  Todesfällen,  und  Bondurant  1896  aus  der  Staatsirren¬ 
anstalt  zu  Alabama  zu  berichten. 

Auffallend  ist  es,  dass  solche  Beobachtungen  ausschliess¬ 
lich  aus  Irrenanstalten  stammen.  Was  da  die  Ursache  war, 
ist  natürlich  heute  nicht  mehr  zu  sagen.  Dem  Bericht  aus  der 
Dubliner  Anstalt  ist  allein  beigefügt,  dass  Reis  nicht  verab¬ 
reicht  wurde,  man  dachte  also  selbst  an  Beriberi.  Aber  ob 
dort  vielleicht  alte,  verlegene  Vorräte  von  Lebensmitteln, 
überhitzte  Konserven  oder  anderweitig  fehlerhaft  zubereitete 
Nahrung  gegeben  wurde,  wird  nicht  angegeben. 

Von  anderen  Autoren  (Qoldflam,  De  j  er  ine, 
M  i  r  a  i  1 1  e,  Rosenblath)  werden  Krankheitsbilder  be¬ 
schrieben,  die  man  geradezu  hydropische  Polyneuritis  nennt, 
und  wo,  genau  wie  bei  Beriberi,  der  Zirkulationsapparat 
stärker  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde,  zu  Oedemen,  Er¬ 
höhung  der  Pulszahl,  Dilatation  des  Herzens  Anlass  gebend. 

Alle  Aufmerksamkeit  verdient  auch  in  Europa  die  sekun¬ 
däre  Beriberi.  Aus  der  Literatur  ersehe  ich  r>),  dass  verschie¬ 
dentlich  Polyneuritis  nach  Typhus  wahrgenommen  wurde, 
deren  Ursache  man  bisher  dem  Typhusgift  zur  Last  legte. 
Ob  sich  diese  Ansicht  wird  halten  lassen,  wenn  man  das  ali¬ 
mentäre  Moment  mit  berücksichtigt?  Häufiger,  als  voll  aus¬ 
gebildete  Formen,  wird  man,  wenn  ich  nach  meiner  indischen 
Erfahrung  gehen  darf,  erste  Anfänge  zu  beobachten  haben,  die 


')  Schon  Leyden  hat  in  seinen  Rückenmarkskrankheiten  auf 
die  Wahrscheinlichkeit  des  häufigeren  Vorkommens  peripherer  Neu¬ 
ritis  beim  Typhus  hingewiesen. 


No.  12. 


sich  nur  mit  Kriebeln  in  Händen  und  Füssen,  Vertaubungs¬ 
gefühl,  Schwäche  in  den  Beinen  und  Herzklopfen  äussern. 
Da  der  Zustand  immer  eine  Frist  von  wenigstens  6 — 8  Wochen 
zur  Ausbildung  braucht,  so  fällt  er  in  die  Zeit  der  Rekon¬ 
valeszenz,  wo  die  Diät  schon  wieder  reichlicher  zu  werden 
beginnt.  Der  Partialhunger  macht  dann  keine  weiteren  Fort¬ 
schritte,  er  wird  vielmehr  rasch  befriedigt,  und  die  Neuritis 
heilt  ab,  ohne  ihrer  wahren  Natur  nach  erkannt  zu  sein. 

Ebenso  gehört  hierher  die  Pseudotabes  der  Diabetiker, 
die  man  mit  der  Entziehung  der  Kohlehydrate  erklären  muss. 
Es  wird  unter  dieser  Beleuchtung  auch  verständlich,  warum 
das  Aleuronatbrot  bisweilen  eine  so  vortreffliche  Wirkung  hat: 
es  versieht  plötzlich  den  Körper  mit  einem  Ueberfluss  des 
spezifischen  Stoffes. 

Auch  bei  kachektischen  Zuständen  ist  mit  der  Möglichkeit 
einer  verkehrten  Nahrungswahl  zu  rechnen. 

Die  gleiche  Gefahr  besteht  bei  graviden  und  stillenden 
Frauen,  wo  die  Diät  oft  von  Vorurteilen  beherrscht  ist,  und 
bei  denen  noch  erschwerend  wirkt,  dass  das  Bedürfnis  für  den 
wertvollen  Stoff  durch  das  keimende  Leben  oder  das  zu 
stillende  Kind  gesteigert  sein  muss.  In  alten  Lehrbüchern  der 
Geburtshilfe  las  man  noch,  dass  Stillende  entwöhnen  sollten, 
wenn  sich  Kriebeln  in  Händen  oder  Füssen,  Krämpfe  in  den 
Arm-  und  Halsmuskeln,  Ziehen  in  den  Schultern,  Ohnmächten 
und  Herzklopfen  einstellten,  Symptome,  die  uns  bei  der  Beri¬ 
beri  geläufig  sind!  Die  Verarmung  des  Körpers  setzt  sich  auch 
auf  die  Sekrete  fort,  es  erkrankt  daher  auch  der  Säugling  einer 
kranken  Mutter  an  Beriberi.  Das  gibt  nach  einer  ganz  anderen 
Richtung  zu  denken.  Für  uns  beginnt  heute  noch  die  Beriberi 
manifest  zu  werden,  wenn  wir  Nervensymptome,  und  seien  es 
auch  nur  ganz  unbedeutende,  vielleicht  nur  des  Herzens,  wahr¬ 
nehmen  können.  Abgesehen  davon,  dass  diese  beim  Säugling 
sehr  schwer  nachzuweisen  sind,  wäre  es  aber  auch  möglich, 
dass  es  Prodrome  gäbe,  und  dass  manche  Formen  von  Er- 
nährungs-  oder  Entwicklungsstörungen  beim  Kinde,  nicht  nur 
der  Milch-  und  Mehlnährschäden,  die  Schaumann  mit 
Recht  hier  einbegriff,  sondern  auch  solcher,  die  bei  Mutter¬ 
oder  Ammenbrust  eintreten,  nichts  anderes  als  Vorstufen  von 
Beriberi  sind! 

Ferner  sei  an  die  aufsteigende  Neuritis  der  Alkoholiker 
erinnert.  Der  schlechte  und  oft  einseitige  Appetit  habitueller 
Potatoren  ist  ganz  besonders  dazu  angetan,  den  Partialhunger 
zu  fördern.  Im  Krankenhaus,  wohin  solche  Leute  meist 
gebracht  werden,  und  wo  sie  sich  nach  der  Decke 
strecken  müssen,  hört  dann  die  spezifische  Unterer¬ 
nährung  auf,  das  Nervenleiden  heilt  ab,  vermeintlich  infolge 
der  Alkoholentziehung,  während  der  tiefere  Grund  auch  hier 
leicht  unbeachtet  bleibt.  Dass  es  daneben  echte  alkoholische 
Neuritiden  gibt,  vor  allem  lokalisierte,  will  ich  keineswegs  in 
Abrede  stellen. 

Endlich  sei  noch  die  L  a  n  d  r  y  sehe  Paralyse  genannt,  ein 
Krankheitsbild,  unter  dem  manches  Heterogene  zusammen¬ 
gefasst  wird,  und  über  das  die  Akten  heute  noch  nicht  ge¬ 
schlossen  sind.  Die  fieberlos  verlaufenden  Formen  ähneln 
den  schweren  Beriberifällen  ganz  ausserordentlich.  Ich  habe 
einen  jüngeren  Kollegen  in  Deli,  der  eine  nervenspezialistische 
Ausbildung  mitbrachte,  und  der  seine  erste  grössere  Beriberi- 
epidemie  prompt  als  eine  Epidemie  von  Landry  scher  Para¬ 
lyse  diagnostizierte! 

Die  Frage  nach  der  Beriberi  in  Europa  wird  von  mir  nicht 
als  dem  Ersten  aufgerollt.  Maurer,  Oppenheim, 
D  ii  r  c  k,  um  nur  einige  zu  nennen,  haben  die  Vermutung  auch 
schon  ausgesprochen,  ohne  indes  zwingende  Gründe  beizu¬ 
bringen.  Unter  den  neuen  Gesichtspunkten  ist  heute  die  Be¬ 
hauptung  berechtigt,  dass  Beriberi  in  Europa  Vorkommen 
muss,  und  dass  man  sie  finden  wird,  wenn  man  nur  bei  allen 
Fällen  aufsteigender  Polyneuritis  ihre  Aetiologie  und  Therapie 
ins  Auge  fasst. 

Vor  32  Jahren  ist  in  Europa  das  Bild  der  Polyneuritis 
durch  Leyden  geschaffen  worden.  Auf  dem  Boden  dieser 
Errungenschaft  stehend,  brachten  Balz  und  S  c  h  e  u  b  e  Licht 
in  das  anatomische  Bild  der  orientalischen  Beriberi.  Der 
Ruhm  des  nächsten  bahnbrechenden  Fortschrittes  gebührt  der 
Tropenmedizin,  durch  die  E  y  k  m  a  n  sehe  Entdeckung  der 
alimentären  Entstehungsweise,  an  deren  endlichem  Abschluss 
heute  gearbeitet  wird.  Und  nun  kehrt  die  Poly- 


.>5.  März  1913. 


MUFNÜHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


647 


leuritis  des  Ostens  als  die  besser  gekannte 
(rank  heit  nach  Europa  zurück,  nicht  mehr 
nitder  Frage,  sondern  mit  der  Forderung,  ihr 
.  1  s  Beriberi,  d.  h.  einem  Nährschaden,  der 
lurch  eine  spezifische  Therapie  zu  beein- 
lussen  ist,  den  zugehörigen  Platz  einzu- 
ä  u  m  e  n ! 

Nachschrift. 

Wie  ich  nachträglich  in  Erfahrung  brachte,  wird  das  Finkler- 
c  h  c  F  i  n  a  1  m  e  h  1,  genau  nach  Vorschrift  des  verstorbenen  Physio- 
igen  bereitet,  bereits  in  der  Liegnitzer  Brotfabrik  (Liegnitz- 
iörlitz)  zu  Brot  verbacken.  Zur  Erläuterung  diene,  dass  man  das  f i- 
almehl  erhält,  indem  man  die  Kleie  mit  kalkhaltigem  Salzwasser  an- 
euchtet  und  dann  in  besonderen  Maschinen  zerreiben  lässt.  Die 
deuron-  und  Kleberzellen  werden  dann  in  einer  Weise  zerkleinert, 
ne  es  auf  trockenem  Wege  nicht  möglich  sein  würde.  Allein  da- 
lurch  wird  die  Verdaulichkeit  des  Pflanzeneiweisses,  die  sonst  nur 
0  Proz.  beträgt,  bis  auf  98  Proz.  erhöht.  Das  Brot,  ein  Vollkorn- 
irot,  kann  daher  vom  Körper  in  vollkommenster  Weise  ausgenutzt 
cerden.  Da  ihm  ferner  die  unangenehmen  Nebenwirkungen,  anderer 
unkler  Brotsorten  fehlen,  wird  es  auch  darum  zu  einem  empfehlens¬ 
werten  Nahrungsmittel. 


Ueber  Augenuntersuchungen  bei  Schulkindern. 

Von  Prof.  Dr.  Qastpar,  1.  Stadtarzt  in  Stuttgart. 

Seit  der  Einführung  systematischer  Untersuchungen  der  Schul- 
igend  in  Beziehung  auf  ihren  Gesundheitszustand  hat  sich  in  manchen 
hinkten  eine  Aenderung  der  Anschauungen  vollzogen  über  den  Anteil, 
.•r  der  Schule  als  Krankheitsursache  zufällt.  Mehr  und  mehr  haben 
iese  systematischen  Untersuchungen,  verglichen  mit  dem  Milieu,  dem 
ie  Kinder  entstammen,  das  eine  ergeben,  dass  die  Schädigungen  des 
indlichen  Organismus,  wie  sie  diesen  zu  Haus  und  auf  der  Strasse 
reffen,  viel  schwerer  wiegen  als  diejenigen,  die  der  Schulbetrieb  ver- 
rsacht,  mit  der  einzigen  Ausnahme  der  Augen. 

Gerade  in  Stuttgart  bot  sich  insofern  ein  günstiges  Feld  für  alle 
iese  Untersuchungen,  weil  hier  das  schulärztliche  Prinzip  wohl  am 
einsten  durchgeführt  ist,  insofern  seit  1904  jährlich  eine  genaue  Unter- 
uchung  sämtlicher  Volksschüler,  nicht  etwa  nur  der  Schulrekruten 
n d  bestimmter  höherer  Klassen,  erfolgt.  Begünstigt  wird  diese  jühr- 
che  Untersuchung  durch  den  Umstand,  dass  eine  wirksame  Bekämp- 
ing  aller  gefundenen  Schäden  nicht  nur  erstrebt  sondern  im  vollen 
hnfang  ermöglicht  wird  durch  das  Zusammenstehen  von  Stadtver¬ 
waltung,  Armenamt  und  Ortskrankenkassen.  Es  gibt  kein  Kind  der 
olksschule  in  Stuttgart,  das  nicht  Arzt,  Apotheke,  ev.  besonderes 
leilverfahren  frei  hätte. 

Diese  Einrichtung,  seit  1906  bestehend,  hat  dazu  geführt,  dass 
ir  die  I.  Stadtarztstelle  ein  eigenes  Gebäude,  mit  allen  Untersuchungs¬ 
aumen  und  Zubehör  aufs  zweckmässigste  ausgestattet,  eingerichtet 
>urde,  wo  jährlich  die  Untersuchung  durch  den  Stadtarzt,  der  von 
ahlreichen  ärztlichen  und  nichtärztlichen  Hilfskräften  unterstützt  ist, 
orgenommen  wird. 

Nun  ist  aber  durch  die  Eingemeindung  zahlreicher  Vororte  im 
•eckartal  die  Aufgabe  im  Jahr  1909  an  uns  herangetreten,  auch  die 
orortskinder  zu  untersuchen,  wozu  dem  Stadtarzt  2  weitere  grosse 
Üiumlichkeitskomplexe  von  je  4  Zimmern  in  Cannstatt  und  Unter- 
irkheim  bereitgestellt  wurden,  so  dass  seit  1909  die  Untersuchung 
n  3  verschiedenen  Orten  vorgenommen  wurde. 

Während  es  sich  nun  herausstellte,  dass  die  Vorortskinder  durch¬ 
weg  gesünder  waren  als  die  Altstadtkinder,  zeigte  es  sich,  dass  dieses 
erhältnis  bei  den  Augen  nicht  zutraf.  Wir  fanden  draussen  auf  dem 
and  durchweg  schlechtere  Verhältnisse  als  in  der  Altstadt. 

Dieses  merkwürdige  Ergebnis  konnte  durchaus  nicht  etwas  Zu- 
illiges  sein.  Es  handelt  sich  jährlich  um  rund  16  000  Kinder  und  da 
waren  kleinere  Zufälligkeiten,  welche  das  Resultat  in  so  überraschen- 
er  Weise  ändern  konnten,  von  vornherein  auszuschliessen.  Es  blie- 
en  nur  2  Möglichkeiten:  Entweder  waren  die  Augen  der  Vorstadt¬ 
inder  allen  Erfahrungen  zum  Trotz  wirklich  so  schlecht,  oder  es  lag 
in  Fehler  in  der  Untersuchungsmethode. 

Die  Methode  wurde  bis  dahin  nach  der  Vorschrift  von  Cohn 
iit  dessen  Augenuntersuchungstäfelchen  mit  drehbarer  Scheibe  aus- 
eiiihrt.  Obwohl  in  Stuttgart,  Cannstatt  und  Untertürkheim  stets  der 
-liste  Platz  im  Zimmer  zu  dessen  Unterbringung  ausgewählt  wurde, 
ab  es  trotzdem  diese  enormen  Verschiedenheiten.  Im  ersten  Jahr 
ersuchte  man  es  mit  einer  gegen  das  Kind  hin  abgeblendeten  Lampe 
!s  Beleuchtungsquelle.  Aber  auch  hier  blieben  diese  Verschieden- 
eiten  bestehen,  da  offenbar  nur  eine  kleine  Veränderung  der  Distanz 
enügte,  die  Beleuchtung  ungleich  zu  gestalten. 

Ich  ging  deshalb  daran,  das  Prinzip  des  feststehenden  gleich- 
nissigen  Beleuchtungkörpers,  wie  es  ja  überall  in  den  Sprechzimmern 
er  Augenspezialisten  angewandt  wird,  zu  verbinden  mit  dem  Cohn- 
chen  Täfelchen.  Dabei  ergab  sich  zweckmässig  die  Anordnung,  dass 
er  Buchstabe  E  selbst  drehbar  auf  einer  Scheibe  befestigt  wurde, 
rehbar  ohne  ihn  berühren  zu  müssen.  Denn  bei  Massenunter- 
uchungen  hat  das  Cohn  sehe  Täfelchen  den  Nachteil,  dass  der  Druck 
er  Buchstaben  durch  die  darüber  ziehende  Blendenscheibe  in  Zeit¬ 


kürze  verwischt  wird,  so  dass  der  ursprüngliche  weisse  Untergrund 
bald  eine  gräuliche  Färbung  annimmt. 

Endlich  ist  die  Grösse  der  Buchstaben  des  Cohn  sehen  Täfel¬ 
chens  konstant.  Die  Untersuchung  der  Sehschärfe  erfolgt  daher  nicht 
durch  Veränderung  der  Buchstabengrösse,  sondern  durch  Verände¬ 
rung  der  Distanz.  Alle  Räume,  deren  Länge  deshalb  nicht  mindestens 
7  m  beträgt,  sind  zu  klein.  Wenn  sich  nun  auch  in  den  Schulgebäuden 
selbst  wohl  stets  ein  Raum  der  verlangten  Grösse  findet,  so  ist  dies 
etwas  anderes,  wenn  die  Untersuchung  etwa  im  Sprechzimmer  des 
Arztes,  im  Lehrerzimmer  u.  ä.  vorgenommen  werden  soll.  Hier  kann 
doch  das  Bedürfnis  entstehen,  die  C  o  h  n  sehen  Sehproben  für  6  m 
durch  die  entsprechend  niedrigeren  (5,  4,  3  m)  ersetzen  zu  können. 


Das  Resultat  der  Ueberlegung  war  die  Konstruktion  eines  Appa¬ 
rates,  wie  er  im  nachstehenden  abgebildet  und  beschrieben  ist.  Er 
kann  entweder  füt  elektrisches  Licht,  für  Gasgliihlicht,  Spiritus-  oder 
Petroleumlicht  eingerichtet  werden.  Selbstverständlich  darf  die  Be¬ 
leuchtungsquelle  innerhalb  der  verschiedenen  Schulbezirke  nicht  ge¬ 
wechselt  werden,  wenn  uns  daranliegt,  die  so  gewonnenen  Zahlen  mit¬ 
einander  zu  vergleichen. 

Seit  wir  nun  diese  Einrichtung  in  Stuttgart,  Cannstatt  und  Unter- 
tiirkheim  benützen,  also  seit  1910,  hat  sich  gezeigt,  dass  auch  die 
früher  bestandene  Differenz  zuungunsten  der  Landkinder  verschwun¬ 
den  ist.  Die  Resultate  sind  jetzt  so,  wie  sie  erwartet  werden  mussten: 
das  Land  ist  besser  als  die  Stadt. 

Es  ist  dies  ja  alles  den  Kollegen  geläufig,  es  ist  ja  nichts 
anderes  als  eine  Binsenwahrheit,  dass  Resultate  nur  dann  ver¬ 
gleichbar  sind,  wenn  sie  unter  den  gleichen  Bedingungen  gewonnen 
werden.  Die  Gleichheit  dieser  Bedingungen  ist 
aber  im  Fall  der  Augenuntersuchung  nicht  nur  die 
Grösse  der  Buchstaben  und  der  hellste  Platz, 
sondern  sie  ist  nur  dann  vorhanden,  wenn  das 
Prinzip  der  feststehenden  gleichbleibenden  Licht¬ 
quelle  mit  berücksichtigt  wird. 

Und,  wie  ich  den  Stand  der 
schulärztlichen  IJntersuchunes- 
methodik  in  Deutschland  kenne, 
ist  es  eben  Tatsache,  dass  der 
letzte  Punkt  nicht  im  vollen  Um¬ 
fang  berücksichtigt  wird  und 
namentdeh  dort  nicht  berück¬ 
sichtigt  wird,  wo  die  Unter¬ 
suchung  in  verschiedenen  Schul¬ 
gebäuden  vorgenommen  wird.  J- 

Weder  das  Cohn  sehe  Täfelchen  noch  das  Prinzip  der  konstan¬ 
ten  Beleuchtung  ist  etwas  Neues.  Neu  ist  lediglich  ihre  Kombination, 
und  da  bieten  sich  dem  ärztlichen  Bastlhuber  mancherlei  Möglich¬ 
keiten.  Ich  habe  die  vorliegende  gewählt  und  sie  an  jetzt  35  000 
Kindern  mit  Erfolg  erprobt. 

Das  Aussehen  des  Apparates  ergibt  sich  aus  obiger  Abbildung. 
Der  neue  Apparat  wird  von  der  Firma  C.  Stiefenhofer,  Kgl. 
Bayer.  Hoflieferant,  München,  Karlsplatz  6,  vertrieben. 


Hospital  Hauptstrasse,  Berlin-Schöneberg  (Dir.:  Dr.  Kuhn). 

Die  erste  Hilfe  bei  Asphyxien  mittels  direkter  Einblasung 

von  Luft. 

Von  Dr.  Kuhn. 

Anschliessend  an  die  Eingabe  der  Elektrotechniker  über  die  erste 
Hilfeleistung  bei  Unglücksfällen  in  elektrischen  Betrieben,  welche  die 
Münch,  med.  Wochenschr.  in  der  No.  51  des  vorigen  Jahres  auf  S.  2846 
bringt,  kann  ich  nicht  umhin,  ein  ernstes  Wort  zur  Rettungsfrage  zu 
reden.  Es  will  doch  wahrlich  viel  bedeuten  und  kann  nicht  das 
höchste  Lob  für  uns  Aerzte  sein,  wenn  es  nötig  ist,  dass  in  so 
ernsten  Fragen,  wie  es  die  erste  Hilfeleistung  bei  Unglücksfällen  ist, 
es  erst  der  Anregung  aus  Laienkreisen,  hier  aus  den  Kreisen  der  In¬ 
genieure  bedarf,  um  in  Dingen,  vor  die  jeder  Arzt  stündlich  ge¬ 
stellt  werden  kann,  und  in  Fragen,  die  jeden  einzelnen  Menschen 
jeden  Augenblick  betreffen  können,  ausreichende  Vorkehrungen  von 
ärztlicher  Fachseite  zu  erreichen.  Was  muss  hier  schon  versäumt 
worden  sein,  bis  man  sich  aus  Laienkreisen  zu  Eingaben,  wie  die 
vorliegende  ist,  entschliesst! 

Der  Verband  der  Elektrotechniker  beklagt  sich  in  dem  genannten 
Artikel,  dass  die  Wiederbelebungsversuche  häufig  zu  spät  be¬ 
gonnen  werden,  desgleichen  beklagt  er  sich,  dass  dieselben  n  i  c  h  t 
immer  lange  genug  durchgeführt  werden.  Man  dürfte  sich 
nicht  wundern,  wenn  auch  noch  in  der  Eingabe  betont  wäre,  dass 
viele  hinzugezogene  Hilfsmannschaften  und  auch  Aerzte  sehr  wenig 
zielbewusst  an  die  Aufgabe  herantreten  und  sehr  häufig  um  die  von 
den  Rettungsstationen  gelieferten  Apparate  sehr  wenig  Bescheid 
wissen. 

Jedesfalls  ist  es  für  jeden,  der  sich  näher  mit  der  Wiederbelebung 
befasst  hat,  schon  lange  klar,  und  man  muss  darin  dem  Verbände  der 
Elektrotechniker  zustimmen,  dass  in  diesen  Dingen  mächtige  Abhilfe 
nötig  ist.  Wie  viele  Aerzte  verstehen  denn  in  Wirklichkeit  genug  von 
der  Frage  der  Wiederbelebung?  Man  braucht  nur  Asphyxien  bei 
Narkosen  gesehen  zu  haben  und  Aerzte  in  dieser  Lage  beobacht..: 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  12. 


648 


haben,  um  zu  wissen,  wie  relativ  ungeschickt  sich  die  Mehrzahl  der¬ 
selben  in  Fragen  der  Wiederbelebung  anstellt. 

Anderseits  kann  es  aber  doch  keinen  Augenblick  zweifelhaft  sein, 
dass  gerade  dieses  Kapitel  der  Wiederbelebung  eine  wichtige  Aufgabe 
des  Arztes  ist  und  dass  gerade  in  dieser  Frage  jeder  Praktiker  auf 
der  Höhe  der  Hilfeleistung  sein  sollte. 

Wenn  ich  nun  im  folgenden  beweisen  will,  dass  zurzeit  in  vielen 
Fallen  von  Scheintod  viel  zu  wenig  geschieht,  zunächst  erst  von  seiten 
der  Laien,  dann  aber  auch  in  sehr  vielen  Fällen  von  seiten  der  zu¬ 
gezogenen  Aerzte,  und  dass  hier  prinzipielle  Reformen 
nötig  sind,  will  ich  folgende  Fragen  aufwerfen: 

FD  '  s  t  e  Frage:  Ist  Scheintod  häufig? 

Beobachtungen  von  Scheintod  müssen  in  Kreisen  des  Volkes  ur¬ 
alt  sein.  Nicht  würde  sonst  die  Totenwache  zu  einer  Volkssitte  sich 
ausgebildet  haben  und  nicht  beständen  alle  die  Gebräuche  in  Schau¬ 
häusern  und  Leichenhäusern,  und  die  Vorkehrungen,  wonach  sich 
Wiedererwachende  melden  können;  nicht  umsonst  bestehen  die  Ein¬ 
richtungen  der  Wächter  in  Totenhallen,  nicht  umsonst  ist  die  drei¬ 
tägige  Frist  bis  zur  Bestattung  von  seiten  des  Staates  obligatorisch 
und  nicht  umsonst  dringt  in  vielen  Provinzen,  z.  B.  in  Hessen,  sehr 
häufig  das  Volk  bei  dem  Arzte  auf  die  Durchschneidung  der  Pulsadern 
der  Toten.  Es  gehen  zahlreiche  Geschichten  im  Volke,  wonach  Tote 
wieder  aufge wacht  sind;  gewiss  mag  dabei  manches  Märchen  eine 
Rolle  spielen  und  eine  erregte  Phantasie  Dinge  gesehen  haben,  die 
nicht  da  waren  und  oft  vieles  nicht  Tatsächliche  sich  eingebildet 
haben,  aber  ganz  gewiss  ist  auch  vieles  Verbürgte  darunter.  Ich 
verweise  nach  dieser  Richtung  auf  ein  kleines  Werk  (Scheintod  und 
Wiederbelebungsversuche  von  Geza  Ren  des,  Leipzig,  Verlag  von 
Max  Spohr).  Gewiss  wird  man  in  Aerztekreisen  nicht  alles  glau¬ 
ben,  was  dort  ein  Vorkämpfer  für  die  Wiederbelebung  an  Toten  in 
sichtlich  übertriebener  Aengstlichkeit  anführt.  Aber  in  dom  Buche 
sind  doch  genug  verbürgte  Fälle  mitgeteilt,  wo  tatsächlich  nach  vielen 
Stunden,  selbst  Tagen,  erklärte  Tote  wieder  zum  Leben  zurückkamen 
Zu  diesen  dürfte  auch  der  kürzliche  Unfall  der  drei  Soldaten  ge¬ 
hören,  von  denen  die  obengenannte  Eingabe  in  dieser  Wochenschrift 
spricht,  welche  auf  dem  Waterlooplatz  in  Hannover  vom 
Blitze  getroffen  wurden.  An  diesen  3  Soldaten  wurden  Wieder¬ 
belebungsversuche  während  langer  Dauer  angestellt  und  es  gelang, 
den  ersten  nach  zw  e  i  Stunden,  den  zweiten  nach  vier  Stun¬ 
den  ins  Leben  zurückzurufen. 

Auch  von  medizinischer  Fachseite  liegen  sehr  viele 
Aeusserungen  vor,  welche  das  Bestehen  eines  langen  Scheintodes  für 
möglich  und  oft  für  wahrscheinlich  erklären.  Kliniker  wie  Hufe- 
1  a  n  d.  Nasse  sprachen  der  Möglichkeit  eines  langen  Scheintodes, 
eines  sogen.  „Mittelzustandes“,  sehr  lebhaft  das  Wort,  ebenso  der 
Möglichkeit,  dass  dieser  „Mittelzustand“  heilbar  sei.  Nicht  umsonst 
sind  die  zahlreichen  Instrumente  erfunden  worden,  welche  der 
Wiederbelebung  dienen,  welche  in  den  Rettungsbestecken  der  Unfall¬ 
stationen  an  Häfen  schon  seit  alters  her  eine  grosse  Rolle  spielen.  Man 
vergleiche  hierzu  einen  Aufsatz  von  mir  im  Archiv  f.  Laryngol., 
Bd.  25,  H.  1 J).  Ich  erwähne  dort  eine  Reihe  von  Rohren  und  Instru¬ 
menten,  welche  in  die  Luftwege  eingeführt  worden  sind.  Es  sind  dies, 
kurz  in  Uebersicht  gebracht,  folgende:  Pias  Kanüle,  in  Verbindung 
mit  einem  Blasebalg,  Dr.  A  1  b  e  r  t  s  Messingrohr,  Marcs  Gummi¬ 
rohr,  Fines  Nasenlochrohr,  Chaussiers  Luftröhrensonde, 
Dr.  Leroy  d’E  t  i  o  1  e  s’  Apparat,  die  tracheotomischen  Instrumente, 
G  o  r  c  y  s  und  R  o  u  1  a  r  d  s  doppelter  Blasebalg,  Gcodwyn  und 
Nooths  Luftpumpe,  M  a  r  u  m  s  Oxygenpumpe,  die  Pumpen  von 
Dacheux,  Meunier,  Kopp  und  Marc. 

Auch  die  amerikanischen  Aerzte  sind  sich  schon  lange  darüber 
klar,  dass  die  elektrischen  Hinrichtungen  mit  Starkstrom  sehr 
häufig  nicht  ausreichend  sind.  Menschen  zu  töten  und  dass  „St  ark- 
stromgelähmte“  wieder,  oft  nach  langer  Zeit,  zum  Leben  zu¬ 
rückkommen  können.  Dieselbe  Beobachtung  besteht  eben  auch  im 
besonderen  Masse  in  Betreff  der  Blitzlähmungen.  Soweit  die 
Ansichten  ärztlicher  Sachverständiger. 

Aber  auch  das  Experiment  liefert  zahlreiche  Anhaltspunkte, 
dass  der  Begriff  „tot“  ein  relativer  ist,  dass  z.  B.  Tiere,  bei  denen 
nicht  nur  die  Atmung  sondern  auch  das  Herz  bereits  stillgestanden 
hat,  durch  geeignete  Massnahmen  wieder  zum  Leben  zurückzurufen 
sind.  So  berichtete  ich  bereits  in  meinem  Aufsatz  über  pulmonale 
Narkose  in  den  Therap.  Monatsh.  1903,  September2),  von  den  Ver¬ 
suchen  von  Kemp  und  Gardner,  welchen  Autoren  es  ge¬ 
lang,  von  23  totchloroformerten  Hunden  11  wieder  ins  Leben 
zurückzurufen. 

Auch  die  physiologischen  Versuche  über  Durchströmung  des 
Säugetierherzens  nach  der  Ausschneidung  aus  dem  Körper  in  der 
Neuzeit  beweisen,  dass  der  Begriff  „tot“  etwas  Relatives  ist  und 
manches  scheinbar  geschwundene  Leben  durch  geeignete  Vor¬ 
kehrungen  wieder  zu  erwecken  ist 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich  zum  Teil  die  Antwort  auf 
unsere 


H  Kuhn:  Technisch-kritische  Bemerkungen  zur  peroralen  In¬ 
tubation  der  Luftwege  (mit  zahlreichen  Abbildungen).  Fränkels 
Archiv,  Bd.  25,  H.  1. 

-’)  Kuhn:  Pulmonale  Narkose.  Therap.  Monatsh.  1903,  Sept. 


zweite  Frage:  Ist  die  Feststellung  cf  e  s  Todes 

schwer? 

Unsere  Antwort  muss  sein :  die  Feststellung  des  wirk¬ 
lichen  Todes  ist  sehr  schwer,  und  das  Urteil  „dieser 
Mensch  ist  tot“  ist  sehr  mit  Vorsicht  zu  fällen.  Das  Aufhören  der 
Atmung  beweist  für  den  wirklich  eingetretenen  Tod  gar  nichts,  das 
Nichtmehrhören  der  Herztöne  wenig,  namentlich  deswegen,  weil  die 
fehlenden  Herztöne  noch  lange  nicht  den  Stillstand  des  Herzens  be¬ 
weisen.  Das  Sinken  der  Temperatur  endlich  ist  auch  kein  Beweis  für 
den  Tod,  so  dass  Nasse  1841  aus  der  Bonner  nied.  Klinik  schreiben 
konnte:  Die  Wärme  des  Körpers  kann  bei  warmblütigen  Tieren  unter 
noch  dauerndem  Atemholen  auf  13 34°  zurückgehen3). 

Als  einziges  wirkliches  Zeichen  des  eingetretenen  Todes  nimmt 
Hufeland  die  Verwesung  an.  Ich  verweise  nach  dieser  Rich¬ 
tung  auf  die  Arbeiten  von  Hufeland:  1.  Die  Ungewissheit  des 
Todes,  2.  Der  Scheintod,  oder  Sammlung  der  wichtigsten  Tatsachen 
darüber. 

Nach  diesen  Feststellungen  ist  die 

dritte  Frage 

berechtigt : 

Ist  es  wahrscheinlich,  dass  oft  unsere  Hilfe  un¬ 
genügend  ist? 

Unsere  Antwort  darauf  lautet:  ganz  gewiss.  Namentlich  er¬ 
scheint  uns  in  vielen  Fällen  (ebenso  wie  bei  den  beiden  Soldaten  auf 
dem  Waterlooplatz  bei  Hannover)  namentlich  und  in  erster  Linie  bei 
den  Starkstromlähmungen  unserer  modernen  elektrischen  Industrie 
und  bei  Blitzlähmungen  die  Hilfe  oft  unzureichend,  in  zweiter  Linie 
sind  es  alle  Fälle,  wo  durch  langsames  Ersticken  (z.  B.  bei  den  beiden 
Offizieren  in  dem  Unterseebot  U  in  Kiel)  der  Tod  herbeigeführt  wurde, 
in  denen  der  Versuch  der  Wiederbelebung  gar  nicht  lange  genug  aus¬ 
gedehnt  werden  kann;  ebenso  liegt  es  bei  Vergiftungen,  namentlich 
solchen  mit  Kohlenoxyd,  mit  Leuchtgas,  mit  Rauchgas,  mit  Morphium: 
und  mit  Opium.  Gerade  in  diesen  Fällen  erscheint  uns  der  Ver¬ 
such  der  Wiederbelebung  auf  viele  Stunden  hin  und  dann  mit  Hilfe 
der  besten,  womöglich  automatisch  weiterarbeitenden  Apparate  un¬ 
erlässlich.  Auf  diese  Weise  kommen  wir  zu  unserer 

vierten  Frage:  Woran  allein  erkennen  wir  eine 

wirksame  Hilfe? 

Die  Antwort  ist:  Wirksam  kann  unsere  Hilfe  nur  sein,  wenn  sie 
erstens  richtig  und  ausreichend  ausgeführt  wird,  zweitens 
lange  genug  und  drittens  in  schonender  Weise. 

Messen  wir  an  diesen  Forderungen  die  Leistungen  unseres  seit¬ 
herigen  Verfahrens,  so  kommen  wir  zu  dem  Schlüsse:  unsere 
seitherigen  Verfahren  erfüllen  diese  Forderungen 
nicht.  Hier  sind  grosse  und  prinzipielle  Reformen,  namentlich  von 
ärztlicher  Fachseite  nötig,  und  auch  die  Gewerbevorschriften  müssen 
diesen  Forderungen  Rechnung  tragen.  Zwar  will  ich  nicht  verkennen! 
dass  gerade  nach  dieser  Seite  von  seiten  der  Gewerbeinspektioneri 
manches  geschehen  ist,  aber  ich  behaupte,  die  Gewerbeinspekj 
tionen  sind  von  seiten  der  medizinischen  Fach¬ 
leute  nicht  richtig  informiert.  Nicht  in  der  Einführung 
einer  Sauerstoffbombe  in  die  Gewerbebetriebe  ist  Abhilfe  zu  erhoffen 
sondern  der  mechanisch-technische  Teil  der  Wiederbef 
lebung  bedarf  der  Reform.  Diese  Seite  der  Frage  muss  auf  wissen¬ 
schaftliche  Unterlagen  gestellt  werden. 


Fig.  1. 

Nicht  auf  eine  überkünstelte  Mechanik  mit  Hilfe  von  Pulmotorei 
mit  Hebeln  und  mit  Schrauben,  die  im  Momente  des  Gebrauche: 
versagen  und  die  einen  eigenen  Monteur  zu  ihrer  Bedienung  ver 


3)  Nasse:  Die  Unterscheidung  des  Scheintodes  vom  wirkliche: 
Tode.  1841.  S.  49. 


649 


5.  März  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ingen,  kommt  es  an,  sondern  simple  Rettungsbestecke  aus  unserem 
linischen  Inventar  heraus,  die  leicht  zu  handhaben  sind,  sind  nötig. 

Ich  will  versuchen  im  Folgenden  ein  solches  einfaches  Besteck 
irzulegen,  vier  kleine  Stücke  sind  es,  welche  dasselbe  ausmachen. 

Fig.  1. 

Man  sieht  daselbst  einen  einfachen  seidenen  Katheter  mit  einem 
ührungsstab  aus  Draht,  der  in  der  Art  eines  männlichen  Katheters 
.'bogen  ist  und  einen  queren  Handgriff  zur  Führung  hat. 


g.  2.  Fassen  und  Einfuhren  des  Katheters  mit  Mandrin.  (Linke  Hand  hat  immer  den 
Kehldeckel  hochgeschlagen.) 


hauptung  ergibt  sich  gewiss,  wenn  wir  die  Dinge  etwas  näher  be¬ 
trachten:  Was  soll  daran  sein,  bei  einem  leblosen  Menschen  den 
Kiefer  weit  zu  öffnen  und  dann  die  Zunge  vorzuziehen,  dann  einen 
Seidenkatheter  mit  Hilfe  des  begegebenen  Führungsstabes  hinter  den 
hochgeschlagenen  Kehlkopfdeckel  zu  führen  und  dann  den  Katheter 


Fig.  5.  Haltung  des  Tubusrohres  für  die  Einführung  in  die  Luftwege. 

in  das  weite  Rohr  der  Luftröhre  hinunter-  und  abzuschieben!  Bei 
einiger  Uebung  muss  dieser  Handgriff  (auch  für  den  Laien)  mög¬ 
lich  sein. 

Für  den  Arzt  nun  ganz  und  gar  ist  die  Erlernung  dieses  Hand¬ 
griffes  zu  fordern  und  wir  glauben  bestimmt,  dass  ebenso  wie  ein 


Fig.  3.  „Abschieben“  des  Katheters  von  dem  Mandrin  durch  den  Zeigefinger 
der  einführenden  Hand. 


Der  zweite  Apparat  besteht  aus  einem  Metallschlauch  und  einem 
renfalls  gebogenen  Führungstsab  mit  Handgriff.  Mit  Hilfe  dieser 
■iden  Apparate  in  Vervollständigung  mit  einem  einfachen  Ballon- 
ummigebläse  muss  jede  Rettung  ermöglicht  werden  (vergl. 
ist.  7). 

Man  sieht  auf  den  beigegebenen  Abbildungen  wie  die  Hand¬ 
lung  der  einzelnen  Apparate  zu  denken  wäre.  In  Figur  2  sieht  man 


e  Handstellungen,  die  den  Katheter  in  den  Kehlkopf  einführen.  In 
igur  3  das  „A  b  s  c  h  i  e  b  e  n“  des  Katheters  von  dem  Metallfiihrungs- 
ab,  nachdem  der  Katheter  den  Kehlkopfeingang  erreicht  hat. 

Gewiss  wird  mir  sofort  der  Einwand  gemacht  werden,  „die 
andhabung  dieses  Katheters  ist  zu  s  c  h  w  e  r“,  es  wird  kaum  ge- 


Katheterismus  der  Harnwege  oder  eine  Kehlkopfspiegelung  auch  dieser 
Handgriff  unschwer  zu  erlernen  ist.  Nun  wird  man  einwenden,  dass 
Aerzte  nicht  immer  bei  Wiederbelebungsversuchen  zur  Stelle  sind, 
dem  ist  zu  entgegnen,  dass  noch  nach  halben  Stunden  und  selbst 
Stunden,  Wiederbelebungen  von  Nutzen  sind,  und  dass  sie  gerade  dann 
erst  in  der  vorgeschlagenen  Weise  anzuwenden  sind,  wenn  die 


Fig.  7.  Kompletter  Wiederbelebungsapparat  in  Tätigkeit. 


Fig.  4.  Vollendetes  Einliegen  und  Tieferglelten  des  Katheters. 

■gen,  die  Technik  dieser  Einführung  weiteren  Kreisen  beizubringen, 
di  halte  diesen  Einwand  für  unhaltbar:  ein  Handgriff,  der  früher 
dem  Hafenwächter  zugemutet  wurde,  wird  unter  den  verbesserten 
erhaltnissen  in  unserem  technischen  Zeitalter  doch  für  einen  Sama- 
ter  oder  Arzt  zu  erlernen  möglich  sein!  Die  Richtigkeit  dieser  ße- 
No.  12. 


Wiederbelebung  sich  hartnäckig  zeigt  oder  wenn  die  Rettungsmann¬ 
schaft  mit  ihren  Manipulationen  ermüdet. 

Für  uns  steht  es  jedenfalls  fest,  dass  wir  dann  erst  bezüglich 
einer  Wiederbelebung  erklären  können,  „es  ist  alles  geschehen“,  wenn 
auf  direktem  Wege,  in  einer  der  beschriebenen  Form  ähnlichen  Weise 
Luft  oder  Sauerstoff  dauernd  und  tief  genug  in  die  Luftwege  des 
Scheintoten  gebracht  worden  sind. 


4 


650 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


Hiezu  noch  ein  Wort. 

Zuletzt  verlangen  wir  für  eine  technisch  vollständige  Ausführung 
der  Wiederbelebung  noch  eine  kleine  Ergänzung,  wie  sie  unsere 
Figur  7  zeigt:  Ein  Arzt,  der  auf  der  Höhe  in  Fragen  der  Wieder¬ 
belebung  stehen  will,  würde  sich  nicht  damit  begnügen,  einen  Katheter 
in  der  genannten  Weise  in  die  Luftwege  einzuführen  und  durch  ihn 
die  tieferen  Luftwege  zu  ventilieren,  —  er  wird  noch  einen  Hand¬ 
griff  mehr  ausführen:  Er  besitzt  in  seinem  Rettungsbesteck  das  in 
F'ig.  5.  dargestellte  Metallschlauchrohr  mit  Führungsstab,  dem  ich 
wie  bekannt,  schon  eine  Reihe  von  Aufsätzen  gewidmet  habe  und 
dessen  Handhabung  ich  neuerdings  4)  eingehend  dargelegt  habe.  (Man 
vergl.  auch  die  Gebrauchsanweisungen,  welche  dem  Rohre,  von  seiten 
des  med.  Warenhauses,  Berlin,  beigelegt  werden.)  Ein  solches  Rohr 
führt  nun,  wie  gesagt,  der  auf  dem  Rettungsgebiet  erfahrene  Helfer 
zuerst  ein  (Fig.  6.  Vergl.  die  Monographie.)  und  befestigt  es  in 
seiner  Lage.  Ist  dies  erst  einmal  geschehen,  so  ist  es  Jedem,  auch 
dem  unerfahrensten  Arbeiter,  möglich,  durch  dasselbe  den  obenge¬ 
nannten  Katheter  (natürlich  dann  ohne  Führungsstab)  nachzu¬ 
schieben  und  mit  Hilfe  des  Gebläses,  wie  in  Fig.  7  dargestellt,  die 
tieferen  Luftwege  zu  ventilieren.  Eine  solche  Ventilation  der  Luft¬ 
wege  kann  dann  auf  viele  Stunden  fortgesetzt  werden. 

Natürlich  ist  es  naheliegend,  falls  man  Sauerstoffbomben  zur 
Verfügung  oder  im  Rettungskasten  mitgebracht  hat,  das  Vorgehen 
noch  automatischer  zu  gestalten  und  den  Ausführungsschlauch  der 
Bombe  mit  dem  eingeführten  Katheter  in  Zusammenhang  zu  bringen. 

Genaueres  und  Ausführlicheres  zu  diesem  hier  berührten  Thema 
werde  ich  alsbald  in  dem  Archiv  für  Rettungswesen5 6) 
bringen,  ebenso  was  sonst  darüber  vor  allem  zu  sagen  notwendig  ist, 
vor  allem,  dass  in  Kursen  die  Wiederbelebung  in  der  obengenanten 
Weise  zu  üben  wäre. 

Es  dürfte  sich  erübrigen,  zu  betonen,  dass  naturgemäss  die  altbe¬ 
währten  Handgriffe  von  Sylvester,  Schüller  und  Georg 
Meyer,  welche  die  mechanische  Betätigung  des  Brust¬ 
korbes  zum  Ziele  haben,  durch  die  oben  geschilderte  direkte  Ein¬ 
führung  von  Luft  nicht  überflüssig  gemacht  werden  sollen,  im  Gegen¬ 
teil,  es  ist  selbstverständlich  Aufgabe  des  Retters,  neben  der  Ein¬ 
blasung  ständig  dafür  zu  sorgen,  dass  allmählig  auch  der  Brustkorb 
langsam  wieder  seine  notwendige  respiratorische  Tätigkeit  auf  nimmt. 
Dies  soll  aber  in  einer  schonenden  Weise  geschehen,  und  kann 
dies  auch:  denn  die  Versorgung  der  Luftwege  selbst  mit  Luft  ist 
durch  unsere  direkte  Zufuhr  garantiert.  Uebrig  bleibt,  wie  gesagt, 
nur  das  langsame  Wiederingangsetzen  der  Mechanik  des  atmenden 
Brustkorbes. 


Zur  persönlichen  Prophylaxe  der  Syphilis. 

Zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage,  auf  welche  Weise  von  latent¬ 
syphilitischen  Prostituierten  Infektionen  ausgehen  können. 

Von  Franz  Bruck  in  Berlin-Charlottenburg. 

In  No.  6  dieser  Wochenschrift  berichtet  Max  Müller  über 
einige  Fälle  von  Syphilis  bei  Puellis  publicis,  wo  von  diesen  trotz 
Fehlens  jeglicher  klinischen  Erscheinungen  —  bei  genauester 
ärztlicher  Kontrolle  —  doch  zu  seiner  grossen  Ueberraschung  Ueber- 
tragungen  ausgegangen  waren.  Da  aber  eine  nachträgliche  Blut¬ 
untersuchung  bei  diesen  klinisch  gesunden  Puellis  eine  positive 
Wassermann  sehe  Reaktion  ergab,  wodurch  diese  Fälle  nach 
der  landläufigen  Ansicht  zu  latent  syphilitischen  gestempelt 
werden  mussten,  so  ist  für  Müller  dadurch  deren  Ansteckungs¬ 
fähigkeit  hinreichend  erklärt.  Dass  jemand,  der  keine  manifesten 
Symptome  von  Syphilis  zeigt,  in  dessen  Blutbahnen  aber  das  syphi¬ 
litische  Virus  kreist,  infizieren  kann,  muss  theoretisch  zugegeben 
werden,  dürfte  sich  aber  in  praxi  recht  selten,  jedenfalls  viel  seltener, 
als  Müller  annimmt,  ereignen.  Eine  Ansteckung  hierbei  könnte 
u.  a.  dann  erfolgen,  wenn  der  Akt  der  Kohabitation  zu  einer  Art 
Läsion  der  Vulva  oder  Vagina  führt  und  wenn  damit  aus  einer  Stelle, 
die  der  schützenden  Bedeckung  entbehrt,  infizierendes  Gift  in  ge¬ 
nügender  Menge  und  Stärke  an  die  Oberfläche  gelangt.  Auch  muss 
mit  der  Möglichkeit  der  Infektiosität  des  im  Orgasmus  ergossenen 
Uterussekrets  sowie  mit  der  Ansteckung  durch  das  Menstrualblut 
gerechnet  werden. 

Weit  häufiger  aber  dürfte  sich  der  Mann  bei  diesen  latent- 
syphilitischen  Puellis  durch  ein  Sekret  infizieren,  das  kurz  vorher 
von  seinem  syphilitischen  Vorgänger  deponiert  worden  war,  das 
aber  an  der  Puella,  solange  diese  selbst  noch  an  latenter  Syphilis 
leidet,  niemals  zu  frischen  manifesten  Erscheinungen  führen  kann. 

Dieser  Infektionsmodus,  den  M  ii  1 1  e  r  merkwürdigerweise  ganz 
übersehen  hat,  muss  aus  leicht  begreiflichen  Gründen  bei  Prostitu¬ 
ierten  öfters  Vorkommen  und  erklärt  es,  weshalb  auch  von  solchen 
Puellis,  die  bei  dem  Alter  ihrer  Syphilis  erfahrungsgemäss  über  das 
kontagiöse  Stadium  längst  hinaus  sind,  doch  immer  noch  Ansteckungen 
ausgehen.  (Auf  die  gleiche  indirekte  Weise  kann  sich  natürlich  auch 


4)  Kuhn:  Perorale  Intubation.  Kargers  Verlag,  Berlin  1912. 

Monographie. 

6)  Vergl.  im  Uebrigen  die  Aufsätze  des  Verfassers:  Die  Wieder¬ 
belebung  durch  Ventilation  der  Luftwege.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1910,  No.37  und  Die  Wiederbelebung  Erstickter  und  Scheintoter  mittels 
Sauerstoff  und  Intubation.  Therapeut.  Monatshefte  1908,  November. 


jemand  bei  einer  Puella  infizieren,  die  im  Moment  der  Kohabitation 
u'eder  manifest-  noch  latentsyphilitisch  ist,  bei  der  vielmehr  erst 
nach  Ablauf  der  üblichen  Inkubationsperiode  —  zur  selben  Zeit  etwa 
wie  bei  dem  durch  sie  angesteckten  Partner  —  die  ersten  Symptome 
frischer  Syphilis  auftreten.  Hier  könnte  übrigens,  was  in  foro  von 
grösster  Tragweite  werden  kann,  ein  Zweifel  entstehen,  wer  von 
beiden  der  infizierende  Teil  gewesen  ist.) 

Gegen  diese  die  Ansteckung  nur  vermittelnde  Prostituierte,! 
deren  eigene  Syphilis  für  andere  ungefährlich  ist,  muss  selbst 
die  sorgfältigste  ärztliche  Kontrolle  machtlos  sein.  Denn  bei  einer 
solchen  Untersuchung  ist  natürlich  der  nur  deponierte  An¬ 
steckungsstoff  durch  einfache  Reinigungsprozeduren  (Spülungen, 
Waschungen)  schon  längst  beseitigt,  was  für  den  Besucher  der  Puella 
publica  leider  häufig  genug  nicht  der  Fall  ist.  Hier  kann  sich  eigent¬ 
lich  nur  der  Mann  selbst  schützen  durch  persönliche  Prophylaxe, i 
die  sich  aber  nicht  nur  auf  ihn  selbst  zu  erstrecken  hat,  sondern  auch; 
auf  das  Verlangen  an  seine  Partnerin,  bestimmten  hygienischen  Forde- i 
rungen  vor  seinen  Augen  nachzukommen. 

Mit  welchen  Schwierigkeiten  dies  verknüpft  ist,  auf  welche;  , 
Widerstand  dies  Verlangen  oft  stossen  wird,  braucht  hier  nur  an¬ 
gedeutet  zu  werden.  Aber  die  Männerwelt,  die  sich  in  dem  ver¬ 
hängnisvollen  Irrtum  befindet,  dass  immer  nur  eine  kranke  Puella 
infizieren  könne,  über  die  hier  geschilderte  Gefahr  anderer  Art1 
weitgehend  aufklären  heisst  auf  jeden  Fall  der  Prophylaxe  der 
Syphilis  dienen. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  St.  Marienkrankenhauses 

zu  Frankfurt  a.  M. 

Ulcus  callosum  ventriculi  totale  (Schrumpfmagen),  Ex¬ 
stirpation,  nebst  Bemerkungen  über  den  dauernden 
Verlust  des  Magens  sowie  über  die  Technik  der 

Magenresektion*). 

Von  F.  Sasse,  Chefarzt. 

M.  H.l  Das  Präparat,  welches  ich  Ihnen  sogleich  demonstrieren 
möchte,  entstammt  einer  damals  49  jährigen  Patientin,  die  bis  vor; 
5  Jahren,  abgesehen  von  allgemeiner  Nervosität,  stets  gesund  ge¬ 
wesen  sein  will.  Damals,  etwa  mit  dem  Eintritt  der  Menopause, 
erkrankte  sie  an  Magenbeschwerden,  die  sich  in  Druck  in  der  Magen¬ 
gegend,  Aufstossen  und  zeitweisem  Erbrechen  äusserten.  Allmählich 
trat  eine  langsame  aber  stetige  Verschlimmerung  ein,  indem  sowohl 
die  Schmerzen  als  auch  das  Erbrechen  an  Heftigkeit  Zunahmen.  In 
dem  letzten  Jahre  konnte  Patientin  fast  gar  nichts  mehr  geniessen; 
das  Erbrechen  erfolgte  plötzlich,  ruckweise,  unmittelbar  nach  jeder 
Nahrungsaufnahme,  sobald  die  Speisen  bis  in  den  Magen  gekommen 
waren;  infolgedessen  auch  rapide  Abmagerung.  Vor  ihrer  Aufnahme 
im  Marienkrankenhause  war  Patientin  noch  mehrere  Wochen  im 
Sanatorium  zu  Schloss  Hornegg  bei  Herrn  Kollegen  San.-Rat 
Dr.  Roemheld;  diesem,  sowie  dem  hiesigen  behandelnden  Haus¬ 
arzte,  Herrn  Prof.  Blum  verdanke  ich  noch  die  Mitteilung,  dass  sich 
in  dem  Erbrochenen  niemals  Blut  habe  nachweisen  lassen.  Im  Probe- 
frühstiiek  wurde  weder  freie  Salzsäure,  noch  Labferment,  noch 
Pepsinogen  nachgewiesen,  auch  keine  Milchsäure  und  keine  langen 
Bazillen;  im  Stuhl  endlich  kein  okkultes  Blut. 

Bei  der  Aufnahme  hierselbst  war  Patientin  aufs  äusserste,  bis 
zum  Skelett  abgemagert,  mit  aschfahler  Gesichtsfarbe.  Körper¬ 
gewicht  60  Pfund.  Haut  welk  und  ausgetrocknet. 

Kor  und  Pulmo  o.  B.;  Abdomen  kahnförmig  eingezogen,  kein 
Tumor.  Magengegend  druckschmerzhaft. 

Das  Röntgenbild  zeigt  ein  höchst  eigenartiges  Bild:  An  Stelle 
des  Magens  befindet  sich  ein  schmaler,  gut  daumenbreiter  Schatten, 
der  direkt  vom  Oesophagus  in  leichtem  Bogen  zur  Gegend  des 
Pylorus  verläuft.  An  dieser  Stelle  zeigt  der  Schatten  eine  dünne, 
fast  fadenförmige  Unterbrechung.  Eine  eigentliche  Magenblase  fehlt 
also  vollständig. 

Diesem  Befunde  nach  musste  es  sich  also  um  einen  enorm  ge¬ 
schrumpften,  zu  einem  dünnen  schlauchartigen  Gebilde  verkleinerten 
Magen  handeln.  Seitens  der  behandelnden  Aerzte  wurde  ein 
Sanduhrmagen  auf  der  Basis  eines  Geschwürs  angenommen. 

Die  Operation,  welche  von  mir  am  6.  IX.  1911  vorgenommen 
wurde,  ergab  folgenden  Befund:  Magen  im  ganzen  enorm  geschrumpft, 
von  derbweicher  Konsistenz  und  Daumendicke,  er  ist  2 — 2Yz  Quer¬ 
finger  breit.  Die  Verdickung  erstreckt  sich  vom  Pylorus  bis  an  dir 
Kardia,  hier  ist  noch  ein  ca.  1%  Querfinger  breites  Stück  nicht  mehr 
verdickt.  An  der  grossen  und  kleinen  Kurvatur  zahlreiche  ge¬ 
schwollene,  aber  weiche  Drüsen.  Es  wurde  nun  die  Exstirpation 
des  Magens  in  der  Weise  vorgenommen,  dass  derselbe  zunächst  an 
der  grossen  und  kleinen  Kurvatur  isoliert  und  dann  am  Pylorus  durch¬ 
trennt  wurde.  Das  Duodenum  wurde  für  sich  vernäht  und  versenkt, 
der  Magen  aber  zunächst  nicht  am  Oesophagus  abgetrennt,  vielmehr 
noch  als  Zügel  benutzt,  um  die  Kardia  möglichst  nach  abwärts  zu 
ziehen.  Dann  wurde  die  oberste  Jejunumschlinge  durch  einen  Schiit/ 
des  Mesokolons  nach  oben  gezogen  und  nun  unter  starkem  Abwärtszug 

*)  Nach  einer  Demonstration  auf  der  zweiten  Tagung  Mittel- 
rheinischer  Chirurgen  zu  Frankfurt  a.  M.  am  15.  II.  1913. 


25.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


651 


im  Magen  durch  Serosa-Serosanähte  auf  der  Hinterfläche  der  Kardia 
inmittelbar  am  Zwerchfell  mit  ersterer  vereinigt;  dann  wurden  etwa 
!;2 — 1  cm  unter  dieser  Naht  Serosa  und  Muskularis  gegenüber  am 
lärm  und  Magen  eingeschnitten  und  wiederum  durch  eine  Serosa- 
Vluskularisnaht  miteinander  verbunden.  Nachdem  so  schon  eine  feste 
Verbindung  des  Darmes  mit  der  Kardia  an  deren  Hinterfläche  her- 
.estellt  war,  wurde  der  Magen  abgetragen,  dann  auch  die  Mukosa 
ies  Darmes  eingeschnitten  und  jetzt  erfolgte  eine  zirkuläre  Mukosa¬ 
iaht,  der  noch  eine  Muskularis-Serosa-  und  Serosa-Serosanaht  an 
ler  Vorderfläche  nachfolgten. 

Die  Heilung  erfolgte  in  reaktionsloser  Weise  p.  pr. 

Patientin  hat  in  kurzer  Zeit  52  Pfund  an  Gewicht  zugenommen. 

Der  Fall  ist,  wie  ich  glaube,  nach  mehr  als  einer  Richtung 
hin  interessant,  und  es  sei  mir  deshalb  gestattet,  noch  einige 
Bemerkungen  daran  anzuknüpfen. 

Das  Präparat,  welches  ich  Ihnen  hiermit  zeige,  ist  im 
hiesigen Senckenberg ischen  pathologischen  Institut  unter¬ 
sucht  worden.  Von  Karzinom  hat  sich  nichts  feststellen 
lassen,  dagegen  fand  sich  ein  den  ganzen  Magen  einnehmen¬ 
des  kallöses  Ulcus  mit  enormer  Verdickung  der  Submukosa, 
weniger  starker  Verdickung  der  Muskularis  und  teilweise 
auch  der  Serosa.  Die  Dicke  der  Wandung  beträgt  I — 2  cm. 
Von  der  Schleimhaut  sind  kaum  noch  vereinzelte  mikro¬ 
skopische  Reste  vorhanden,  der  ganze  Magen  ist  total  ge¬ 
schrumpft.  Ein  derartiger  „Schrumpfmagen“  ist  ge¬ 
wiss  eine  grosse  Seltenheit.  Ich  gehe  auf  die 
pathologisch-anatomische  Seite  nicht  weiter  ein,  da  der  Fall 
noch  nach  dieser  Hinsicht  hin  eine  besondere  Bearbeitung  in 
einer  Dissertation  finden  soll. 

Nicht  minder  interessant  ist  aber  in  klinischer  Hin¬ 
sicht  der  Umstand,  dass  trotz  der  enormen  Ausdehnung  des 
Geschwürs  Patientin  niemals  Blut  erbrochen  hat,  dass  sich 
auch  chemisch  weder  im  Erbrochenen  noch  im  Stuhlgang 
Blut  hat  nachweisen  lassen,  obwohl  Patientin  doch  in  ge¬ 
nauer  Beobachtung  und  bester  klinischer  Behandlung  (Sana¬ 
torium)  gewesen  ist. 

Dass  sich  bei  der  diagnostischen  Untersuchung  im  Probe¬ 
frühstück  keine  freie  Salzsäure  und  kein  Pepsin  nachweisen 
liess,  also  eine  vollständige  Achylie  bestand,  erklärt  sich 
daraus,  dass  die  Magenschleimhaut  vollständig  verloren  ge¬ 
gangen  war  und  infolge  dessen  auch  Salzsäure  und  Pepsin 
nicht  mehr  abgeschieden  werden  konnten. 

In  ernährungs-physiologischer  Hinsicht  ist 
der  Fall  bemerkenswert,  indem  er  zeigt,  dass  der  dauernde 
Verlust  des  Magens  keine  nachteiligen  Folgen  für  die  Er¬ 
nährung  gehabt  hat,  ja  man  muss  nach  dem  bisherigen  Ver¬ 
laufe,  es  sind  jetzt  lK  Jahre  nach  der  Operation  verflossen, 
sagen,  dass  der  Magen  absolut  entbehrlich  ist.  Wie  Sie  aus 
der  Röntgenphotographie  sehen  (Demonstration),  gelangt  der 
Bariumspeisebrei  aus  dem  Oesophagus  direkt  ih  die  Jejunum¬ 
schlinge.  Eine  Magenblase  ist  auch  nicht  mehr  andeutungs¬ 
weise  vorhanden.  Es  liegt  hier,  wenigstens  in  funktioneller 
Hinsicht  eine  Totalexstirpation  des  Magens  vor, 
wenngleich  möglicherweise  noch  1 — 2  cm  in  streng  ana¬ 
tomischer  Hinsicht  von  der  Kardia  stehen  geblieben  sein 
können.  Die  Patientin  selbst  sieht  jetzt  blühend  und  gut  ge¬ 
nährt  aus.  sie  hat  52  Pfund  an  Gewicht  zugenommen.  Be¬ 
merkenswert  ist  ihre  Angabe,  dass  sie  nach  dem  Essen  kein 
eigentliches  Gefühl  der  Sättigung  mehr  habe,  was  ich  mir  aus 
dem  Fehlen  des  Magens,  resp.  der  Auffüllung  desselben  durch 
die  genossenen  Speisen  erkläre.  Sie  geniesst  alle  vorkom¬ 
menden  Speisen  ohne  irgendwie  im  geringsten  auf  die  leichtere 
oder  schwerere  Verdaulichkeit  derselben  Rücksicht  zu  nehmen 
und  zwar  vom  Tage  des  Austritts  aus  dem  Krankenhause  an, 
also  6  Wochen  nach  der  Operation.  Von  ihrem  Appetit  und 
ihrer  Leistungsfähigkeit  im  Essen  erhält  man  eine  Vorstellung 
aus  der  Angabe,  dass  sie  einmal  in  einem  Automatenrestaurant 
hintereinander  15  belegte  Brötchen  gegessen  habe. 

Endlich  noch  einige  Worte  zur  Operation  selbst. 

Der  Fall  ist,  wie  schon  oben  gesagt,  wohl  als  Totalexstir- 
pation  des  Magens  zu  bezeichnen,  was  ja  allerdings  keine 
allzu  grosse  Seltenheit  mehr  ist.  Immerhin  aber  ist,  wie  ich 
glaube,  die  Art  des  Vorgehens  bei  der  Operation  beachtens¬ 
wert.  Als  ganz  ausserordentlich  zweckmässig  hat  sich  mir 
die  vorhin  ausführlicher  geschilderte  Art  des  Vorgehens  be¬ 
wiesen,  nämlich  den  am  Pylorus  abgetrennten  und  isolierten 
Magen  gewissermassen  als  Zügel  zu  benutzen,  um  die  Kardia 


und  den  Oesophagus  herunterzuziehen  und  nun  zuerst  auf  der 
Hinterfläche  die  Verbindung  mit  dem  Darm  herzustellen.  Erst 
nachdem  dieses  in  möglichst  sicherer  Weise  geschehen  ist,  soll 
man  den  Magen  abtragen  und  an  der  Vorderfläche  die  Ver¬ 
einigung  in  geschilderter  exakter  Weise  vollenden. 

Weiterhin  möchte  ich  noch  die  Gelegenheit  benutzen, 
darauf  hinzuweisen,  dass  ich  stets  schon  seit  8—9  Jahren  bei 
Magenresektionen  den  Magenstumpf,  wenn  nötig,  nach  ent-' 
sprechender  Verkleinerung  der  Oeffnung,  direkt  in  das 
Jejunum  implantiere  und  dass  ich  diese  Methode  den  bekannten 
B  i  1 1  r  o  t  h  sehen  und  Kocher  sehen  Methoden  vorziehe.  Ich 
habe  schon  im  Jahre  1909  über  12  derartige  Fälle  im  hiesigen 
ärztlichen  Verein1)  berichten  können  und  habe  seitdem  noch 
eine  grössere  Anzahl  mit  gleich  gutem  Erfolge  operieren 
können.  Einen  Circulus  ,,vitiosus  habe  ich  niemals  gesehen, 
obwohl  ich  keine  Anastomose  zwischen  auf-  und  absteigendem 
Darmschenkel  anlege.  Dieselbe  Methode  ist  von  P  o  1  y  a  und 
Wilms  wieder  im  Zentralbl.  f.  Chirurgie  1909,  No.  26  u.  32 
beschrieben  worden,  doch  wies  Reichel-)  später  darauf  hin, 
dass  er  schon  auf  dem  Chirurgenkongress  im  Jahre  1908  diese 
Methode  mitgeteilt  habe.  Ihm  gebührt  somit  wohl  die 
Priorität.  Meine  unabhängig  von  ihm  gemachten  Erfahrungen 
können  nur  die  Einfachheit  und  Vorzüge  der  Methode  be¬ 
stätigen. 


Jodipin  per  elysma  bei  Prostatitis. 

Von  Dr.  L.  F  i  s  c  h  e  1  in  Berlin. 

Eine  recht  häufige  und  den  Ablauf  des  Heilungsprozesses 
oft  um  viele  Wochen  verzögernde  Komplikation  der  Gonor¬ 
rhöe  ist  die  Prostatitis.  Ausser  der  Massage  der  Prostata, 
die  jedoch  niemals  vor  der  dritten  Woche  nach  ihrer  Er¬ 
krankung  begonnen  werden  sollte  und  die  in  veralteten,  mit 
derben  Infiltrationen  einhergehenden  Fällen  oft  im  Stiche  lässt, 
sind  es  vor  allen  Dingen  die  heissen  Arzberger-Spülungen,  die  als1 
hervorragendes  Mittel  zur  Beseitigung  der  Prostatitis  angewendet 
werden.  Auch  Suppositorien  aus  Ichthyol  und  Jodkali  werden  viel¬ 
fach  zur  Unterstützung  oder  als  Ersatz  dieser  Prozeduren  gebraucht; 
doch  haben  sie  immer  nur  als  Notbehelf  gedient  und  besitzen  ausser¬ 
dem  den  für  die  Patienten  lästigen  Nachteil,  häufig  Tenesmus  zu  er¬ 
zeugen  und  die  Wäsche  zu  beschmutzen.  Als  Ersatz  hierfür,  teils 
im  Anschluss  an  heisse  Arzberger-Spülungen,  sehr  häufig  jedoch  auch 
ohne  solche,  haben  sich  mir  nun  seit  mehreren  Jahren  mit  vorzüg¬ 
lichem  Erfolge  Jodipinklysmata  bewährt,  welche  die  Nachteile  der 
Suppositorien  in  keiner  Weise  zeigen,  und  nach  meinen  Erfahrungen 
sehr  schnell  und  günstig  auf  die  Prostatitis  einwirken,  sowohl  bei 
akuten  wie  verschleppten  Fällen,  indem  sie  eine  Resorption  des 
Infiltrates  oder  eine  Erweichung  des  indurierten  Gewebes  herbei- 
fiihren.  Da  ich  in  der  Jodipinliteratur,  wenigstens  unter  den  Ueber- 
schriften  der  sehr  zahlreichen  Veröffentlichungen,  soweit  sie  mir 
zugänglich  war,  einen  Hinweis  auf  diese  Verwendung  des  Jodipins 
nicht  gefunden  habe,  so  will  ich  in  Kürze  diese  bequeme  Methode  der 
Prostatitisbehandlung  mit  dem  Ersuchen  zur  Nachprüfung  bekannt 
geben.  Ich  verwende  Klistiere  von  10  g  einer  Mischung  von  1  Teil 
Jodipin  25  proz.  mit  2  Teilen  Oleum  Olivar.,  die  ich  mir  selbst  be¬ 
reite,  da  die  Kur  bei  jedesmaliger  rezeptmässiger  Verordnung  etwas 
zu  teuer  sein  würde.  Ich  verschreibe  daher  100  g  Original-Jodipin 
25  proz.  und  mische  sie  mir  selbst  mit  200  g  Oleum  Olivarum.  Die 
obige  Mischung  von  10  g  wird  mittels  einer  10  ccm  haltenden 
Spritze  (mit  gebogenem  Hartgummiansatz  für  Rektalinjektionen)  in 
den  Mastdarm  langsam  eingespritzt  und  vor  das  Orificium  ani  dann 
etwas  Watte  gelegt.  Der  Patient  behält  die  ganze  Menge  ohne 
Beschwerde  bei  sich.  Mit  diesem  Klistier  sind  also  jedesmal  zirka 
0,75  Jod  injiziert.  Alle  Tage,  in  leichten  Fällen  alle  2  Tage,  wird  ein 
neues  Klistier  gegeben.  Man  merkt  oft  schon  nach  einer  Woche 
einen  Rückgang  der  Erscheinungen  an  der  Prostata;  mitunter  stellt 
sich  dabei  auch  von  neuem  stärkerer  Ausfluss  ein,  die  zweite  Urin¬ 
portion  fängt  an,  sich  zu  klären,  und  nach  2 — 3  Wochen  ist  die 
Prostatitis  völlig  oder  bis  auf  kleine  Reste  geschwunden,  die  dann 
noch  durch  wenige  Massagen  oder  Spülungen  leicht  beseitigt  werden. 

Es  liegt  mir  natürlich  fern,  die  Jodipintherapie  als  ein  Allheil¬ 
mittel  bei  der  gonorrhoischen  Prostatitis  hinstellen  zu  wollen.  Es 
gibt  resistente  Fälle,  die  dieser  Therapie  wie  jeder  anderen  lange 
genug  trotzen.  Aber  immerhin  ist  der  Prozentsatz  der  mit  gutem 
und  schnellem  Erfolge  behandelten  Fälle  ein  so  hoher,  und  die  Ar- 
wendungsweise  für  Arzt  und  Patienten  eine  so  einfache,  bequeme 
und  schmerzlose,  dass  ich  sie  den  Herren  Kollegen  nur  nochmals  zur 
Nachprüfung  angelegentlichst  empfehlen  kann. 


1)  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  pag.  101. 

2)  Zentralbl.  f.  Chirurgie  1911,  No.  42. 


4 


652 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  12. 


Zu  der  Psychologie  der  falschen  Literaturangaben. 

Von  Oberstabsarzt  a.  D.  Hermann  Berger, 

Leiter  der  „Medizinisch-literarischen  Zentralstelle“  in  Berlin- 

Friedenau. 

Für  sein  Buch  „Die  Lehre  von  der  Krebskrankheit“  (Jena  1911) 
hat  sich  Jakob  Wolff  der  ungeheuren  und  hoch  verdienstvollen 
Mühe  unterzogen,  10  000  Quellenangaben  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prü¬ 
fen,  wobei  sich  herausstellte,  dass  10  Proz.  falsch  waren.  Ich  glaube, 
auf  Grund  meiner  speziellen  Beobachtungen  in  unserem  Institut,  dieses 
Resultat,  wenigstens  schätzungsweise,  für  das  Gesamtgebiet  der  medi¬ 
zinischen  Literatur  gültig  erklären  zu  können,  und  ich  kann  mich  des 
Gedankens  nicht  erwehren,  dass  dem  lästigen  und  lähmenden  Uebel 
nicht  so  ganz  leicht  zu  steuern  sein  dürfte,  wenn  ich  auch  eine  leise 
Hoffnung  hege,  dass  die  folgenden  Zeilen  diesen  oder  jenen  Kollegen 
gelegentlich  zu  einer  schärferen  Selbstkontrolle  in  der  Pflicht  ge¬ 
nauen  Zitierens  anregen  können.  Habe  ich  doch  tagaus  tagein  die 
Gelegenheit,  jene  schlimmen  Geschöpfe,  die  falschen  Zitate,  nicht  nur 
in  fertigem  Zustande,  sondern  schon  vor  ihrem  Eintritt  in  die  Oeffent- 
lichkeit  zu  beobachten  —  ersteres  besonders  bei  der  Durchprüfung 
unserer  Literaturzusammenstellungen  usw.,  letzteres  vorzugsweise 
in  den  Briefen,  in  welchen  wir  um  literarische  Nachforschungen  nach 
bestimmten  Literaturerscheinungen  ersucht  werden. 

Verwechslungen,  wie  Meier  statt  Mayer  nehmen  wir  als 
etwas  Selbstverständliches  in  Kauf.  Schlimmer  schon  trifft’s  uns, 
wenn  Beier  geschrieben  wird,  während  Payr  gemeint  ist,  obwohl 
sich  das  Zustandekommen  auch  solchen  Tausches  unschwer  erklären 
lässt,  wenn  man  sich  vorstellt,  dass  die  Anfrage  sich  vielleicht  auf 
eine  mündliche  Mitteilung  von  dritter  Seite  - —  womöglich  in 
Sachsen!  —  gründet.  Auch  Vertauschung  von  „Wochenschrift“  und 
„Zeitschrift“,  „Zeitschrift“  und  „Monatsschrift“;  „Münchener“, 
„Deutsche“  und  „Berliner“;  „medizinische“  und  „klinische“  —  Um¬ 
stellen  einzelner  Ziffern  in  den  Jahreszahlen,  wie  1901  statt  1910  — 
unrichtige  Bandnummern,  namentlich,  wenn  der  Originalband  seine 
Nummer  in  Gestalt  einer  für  gewöhnliche  Sterbliche  nur  unter  äusser- 
ster  Anspannung  aller  Sinne  zu  überblickenden  Reihe  römischer 
Zahlen  trägt;  der  Seitennummern  usw.  gehören  zu  unserem  täglichen 
Brot.  Zu  unserem  täglichen  Brot,  das  wir  mit  Tränen  essen!  Denn 
es  ist  reinste  Glückssache,  ob  wir  dann  unseren  Nachforschungen 
nach  dem  eigentlich  Richtigen  „den  richtigen  Tip“  zugrunde  legen; 
—  und  ob  wir  zweckmässiger  einfach  „klinische“  für  „medizinische“ 
gesetzt  hätten  (vgl.  die  beiden  Wiener  Wochenschriften),  anstatt 
sämtliche  Zentralblätter,  Jahresberichte  und  Bibliographien  der 
letzten  10  Jahrgänge  der  gesamten  Fachliteratur  im  Schweisse 
unseres  Angesichts  auf  alle  nur  denkbaren  Varietäten  des  Namens 
Meier  hin  zu  durchwühlen,  wer  hätte  es  im  voraus  ahnen  können? 

Und  trotzdem  gehöre  ich,  obwohl  härter  als  andere  von  dem 
Schwergewicht  der  falschen  Zitate  bedrückt,  nicht  zu  den  Geistern, 
welche  deren  Urheber  gar  nicht  scharf  genug  in  Grund  und  Boden 
verdammen  können;  denn  ich  habe  die  Entdeckung  gemacht,  dass 
in  vielen  Fällen  niemand  anderes  dahintersteckt,  als  der  Zitatenkobold, 
der  durchgeistigtere  und  mit  den  Schlichen  feinster  Psychologie  han¬ 
tierende  Bruder  des  Druckfehlerteufels;  kleinste,  harmloseste  Fehler¬ 
chen,  vielleicht  vom  Setzer  begangen  und  von  dem  Korrektor  über¬ 
sehen,  ist  er  fähig,  zur  bösen  Tat  werden  zu  lassen,  welche  fort¬ 
zeugend  Böses  muss  gebären;  und  sogar  aussergewöhnlich  hohe  Ge¬ 
wissenhaftigkeit  eines  Autors  weiss  er  auszunützen,  um  seinen  ge¬ 
schworenen  Widersacher,  den  Literaturforscher,  nach  Herzenslust 
an  der  Nase  herumzuführen!  Für  beides  kleine  Beispiele: 

ad  1.  Vorderbrügge  heisst  der  Autor  eines  Aufsatzes  in 
der  .  Deutschen  Zeitschrift  für  Chirurgie“,  Bd.  74,  1904,  S.  1.  Der 
Name  muss  in  irgend  einem  Zwischenwirt,  dessen  Entdeckung  der 
Forschung  leider  noch  nicht  geglückt  ist,  eine  erste  kleine  Meta¬ 
morphose  in  Vonderbrügge  eingegangen  sein;  denn  seine  endgültige 
Gestalt  lesen  wir  in  dem  Texte  einer  Arbeit  (Titel  und  Autorname 
hier  gleichgültig)  in  den  „Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der 
Medizin  und  Chirurgie“,  Bd.  22,  1911,  Seite  570  in  Form  von 
v.  d.  Brügge.  Wenn  also  diese  Zeitschrift  ihren  Bänden  ein 
Namensregister  hinzufügte  (was  zu  meinem  grossen  Leidwesen  nicht 
der  Fall  ist),  so  würdest  Du,  lieber  Leser,  den  Namen  Vorder- 
b  r  ü  g  g  e  nicht  etwa  unter  dem  Buchstaben  V,  sondern  untef  B  zu 
suchen  haben.  Jeder,  der  den  Zitatenkobold  kennt,  muss  mit  solchen 
Schelmenstücken  rechnen. 

ad  2)  Von  „The  Journal  of  the  American  Medical  Association“, 
vvelches  für  gewöhnlich  als  Wochenschrift  erscheint,  ist  ohne  irgend 
einen  erkennbaren  besonderen  Anlass  im  Februar  1907  an  2  auf¬ 
einanderfolgenden  Tagen  je  eine  recht  stattliche  Nummer  erschienen. 
Wenigstens  stehen  diese  gedruckt  in  dem  Literaturverzeichnis  unter 
einer  Abhandlung  in  der  „Wiener  medizinischen  Wochenschrift“,  1909, 
No.  2,  S.  90.  Du  wirst  aber  die  aus  den  vorgeblichen  beiden 
Nummern  zitierten  Arbeiten  erfolglos  in  dem  ersten  Halbjahrsbande 
1907  des  obengenannten  Blattes  suchen.  Sondern  sie  sind  in  der 
zweiten  Jahreshälfte  erschienen,  was  für  ihre  Auffindung  einen  sehr 
erheblichen  Unterschied  ausmacht,  weil  die  Zeitschrift  ihre  Register 
halbjährlich  bi ingt.  Das  Blatt  wird  wegen  seines  beträchtlichen 
Umfanges  wohl  meist  in  4  Bänden  gebunden,  welche  mit  Band  1,  1  u.2. 
und  Band  II,  1  u.  2  bezeichnet  werden.  Unsere  beiden  Aufsätze  finden 
sich  nun  in  1907,  II,  1  und  1907.  II,  2;  dürften  wohl  auch  in  dieser 


Form  vermerkt  worden  sein,  bis  der  Zitatenkobold  sie  einem 
Autor  in  die  Hände  spielte,  welchem  offenbar  die  so  einge¬ 
teilten  Originalbände  nicht  zugänglich  waren,  der  aber  den 
Kampf  gegen  die  Unsitte,  Monatsnamen  durch  Zahlen  zu  er¬ 
setzen,  auf  seine  Fahne  geschrieben  hat,  weil  bekanntlich  gar 
zu  leicht  Verwechslungen  daraus  entstehen  können.  Flugs  hat  der 
die  „II“  in  „Februar“  prinzipientreu  „verbessert“,  und  so  finden  wir 
denn  an  der  genannten  Stelle  unmittelbar  nebeneinander  je  ein  Zita; 
aus  dem  „J.  of  the  A.  M.  Ass.“  vom  „1.  Februar  1907“  und  vom 
„2.  Februar  1907“.  Dass  aus  der  ersteren  Nummer  die  Seite  2204, 
aus  der  vom  folgenden  Tage  1245  angeführt  ist;  dass  also  die  statt¬ 
liche  Stärke  von  rund  1000  Seiten  zwischen  beiden  liegt  und  dass 
schliesslich  das  Journal  seine  Seiten  nach  rückwärts  fortschreitend 
numeriert,  brauchte  nicht  zu  stören.  Warum  hiesse  denn  sonst! 
Amerika  das  Land  der  unbegrenzten  Möglichkeiten? 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Kritischer  Rückblick  über  wichtige  gynäkologische 
Arbeiten  aus  dem  Jahre  1912. 

Von  Prof.  Dr.  Q.  Schi  ekele  in  Strassburg. 

Das  verflossene  Jahr  hat  uns  bemerkenswerte  Erfolge  in  der; 
Behandlung  gynäkologischer  Leiden  durch  die  Röntgenbestrahlung 
gebracht.  Die  eigentliche  Tiefentherapie  ist  erst  in  der  letzten  Zeit 
systematisch  ausgebaut  worden.  Die  erste  Möglichkeit  hierzu  war' 
durch  die  schon  längere  Zeit  zurückliegende  Arbeit  von  Perthes 
über  die  Penetrationskraft  verschiedener  Strahlenarten  in  die  Gewebe) 
gegeben  worden.  Die  beste  Tiefenwirkung  erzielte  er  durch  Ein-; 
schalten  eines  1  mm  dicken  Aluminiumfilters  in  den  Strahlenkegel.. 
Gleichzeitig  legte  er  auf  eine  grosse  Entfernung  der  Röhre  von  dem 
zu  bestrahlenden  Bezirke  Wert.  Die  Bedeutung  einer  Filtrierung  der! 
Strahlen  wurde  durch  spätere  Arbeiten  bestätigt,  die  zum  Teil  auch 
die  Natur  des  Filters  betrafen.  Ein  grosses  Verdienst  für  die  Weiter¬ 
entwicklung  der  Technik  kommt  Albers  - Schönberg  zu.  Seinei 
neueste  Technik,  die  er  im  Laufe  dieses  Jahres  publizierte,  lässt  sich 
in  folgender  Weise  charakterisieren:  Es  werden  Wasserkühlröhrei: 
mit  stumpfem  Brennpunkt  gewählt,  von  der  Härte  Walter  6 — 8;  härtere: 
Strahlen  sind  für  gynäkologische  Zwecke  nicht  mehr  empfehlenswert 
Dem  im  Verlaufe  des  Betriebes  unvermeidbaren  Härterwerden  der 
Röhren  strebt  die  Bauerregulierung  entgegen.  Je  nach  der  Grösse 
der  zu  bestrahlenden  Myome  wird  eine  Kompressionsblende  von  2i 
oder  13  cm  Durchmesser  gewählt,  die  hart  oberhalb  der  Symphyse 
aufgesetzt  und  in  der  Weise  geneigt  wird,  dass  der  Lichtkegel  schrag 
in  das  kleine  Becken  hin  eindringt,  der  Fokushautabstand  beträgt 
38  cm.  Zum  Schutze  der  Haut  wird  weiches  Ziegenleder  von  ca.  1  mir 
Dicke  in  4  facher  Schicht  verwendet,  wenn  nötig  mit  einer  6  facher 
Staniolpapierlage  oder  Aluminium.  Als  Oberflächendosis  gibt  A.-Sch 
IVi  X  als  Maximaldosis  für  eine  Serie  von  3  Sitzungen  an.  Es; 
stehen  nun,  je  nachdem  man  langsamer  oder  rascher  Vorgehen  will 
2  Wege  zur  Verfügung:  1.  an  3  aufeinanderfolgenden  Tagen  wird 
je  6  Minuten  lang  bestrahlt,  nach  14  tägiger  Pause  wird  diese  Serie 
wiederholt  usw.  2.  An  3  aufeinanderfolgenden  Tagen  je  6  Minutei 
Bestrahlung  von  der  Bauchseite  aus,  nach  8  tägiger  Pause  dieselbe 
Serie  vom  Rücken  aus;  nach  8 tägiger  Pause  dieselbe  Serie  von  dei 
Bauchseite  aus  usw.  Durch  den  zweiten  Behandlungsmodus  wird  die 
Gesamtdauer  der  Bestrahlung  etwa  um  die  Hälfte  abgekürzt.  Uebeii 
ihre  zeitliche  Ausdehnung  lässt  sich  einstweilen  nichts  Genauerem 
sagen;  sie  schwankt  zwischen  76  und  mehreren  100  Minuten.  Myome 
und  klimakterische  Blutungen  werden  im  allgemeinen  bis  zum  end¬ 
gültigen  Eintritt  der  Amenorrhoe  behandelt.  Die  beginnenden  Aus 
fallserscheinungen  sind  als  Vorboten  des  Erfolges  anzusehen.  Schwere 
Ausfallserscheinungen  hat  A.-Sch.  nicht  beobachtet.  Ein  nicht  zt 
unterschätzender  Vorteil  dieser  Methode  ist  ihre  relative  Billigkeit 
So  berechnet  A.-Sch.  eine  kurzdauernde  Myomkur  (rund  50  Be 
stralilungsminuten)  mit  6  M.,  eine  langdauernde  (ca.  300  Minuten 
mit  36  M..  Dazu  noch  für  Stromgebrauch  8 — 10  M.  pro  Monat,  nebs 
kleineren  Unkosten.  Selbstverständlich  gelten  diese  Preise  nur  be; 
vorsichtiger  Behandlung  der  Röhren. 

Trotzdem  mit  dieser  Methode  ganz  achtungswerte  Erfolge  zi 
erzielen  sind,  entsprechen  sie  dem  Bedürfnis  der  Gynäkologen  viel 
fach  nicht.  In  der  Ueberlegung,  dass  die  Ovarien  durch  Strahlen  vie 
sicherer  getroffen  werden,  die  von  mehreren  Seiten  auf  sie  geschick 
werden,  bildete  sich  die  Methode  der  Vielfeldbestrahlung  aus,  die  u.  a 
zuletzt  von  Werner,  M.  Fränkel,  Gauss  ausgebaut  wurde 
Um  eine  möglichst  grosse  Lichtintensität  in  den  Bereich  der  Ovariet 
zu  senden,  wurde  von  Fränkel  und  Gauss  empfohlen,  die  Röhrt 
möglichst  nahe  heran  zu  rücken.  Eine  hierdurch  bedingte  Me'nrge 
fährdung  der  Haut  wird  durch  das  dazwischen  geschaltete  Filte 
ausgeglichen.  Gauss  gibt  neuerdings  die  Fokushautdistanz  au 
20  cm  an.  Ein  weiteres  Charakteristikum  der  Freiburger  Methodt 
besteht  in  der  Auswahl  möglichst  zahlreicher  Einfallspforten  für  di* 
Strahlen  (Kreuzfeuerwirkung)  und  zuletzt  endlich  in  der  Erhöhung  de 
verabreichten  Strahlendosis  in  einer  bisher  noch  nicht  gesehenei 
Weise.  Die  dadurch  notwendige  höhere  Belastung  der  Röhre  ist  ers 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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»5.  März  1913. 


lurch  bestimmte  Veränderung  des  Instrumentariums  (Induktor,  ’ 
^hythmeur)  ermöglicht  worden,  im  Laufe  deren  ein  für  ausschliess- 
icti  therapeutische  Zwecke  geeigneter  Apparat  erstand,  der  von  einem 
ein  diagnostischen  sich  prinzipiell  unterscheidet.  Mit  Hilfe  aller 
lieser  Momente  ist  es  möglich,  Dosen  zu  verabreichen,  welche 
nehrere  Hundert  X  betragen  und  für  den  Verlauf  der  ganzen  Behand- 
ung  bis  zum  Eintritt  des  Erfolges  sogar  2000  X  übersteigen  können. 

Die  Freiburger  Klinik  hatte  mit  der  älteren  Methode  der  Schwa¬ 
ben  Bestrahlung  nur  geringe  Erfolge  erzielt.  Mit  der  A.-Sch.-Ein- 
eldbestrahlung  konnte  in  50  Proz.  der  Fälle  Amenorrhoe  erzielt  wei¬ 
len;  die  mehrstellige  Bestrahlung  ergab  über  70  Proz.  Erfolge.  Trotz- 
lem  erschien  es  aber  wünschenswert,  eine  Vervollkommnung  anzu- 
treben,  um  womöglich  den  Erfolg  statt  nach  mehreren  Monaten  schon 
lach  kürzerer  Zeit  zu  erreichen.  Dies  gelang  erst  durch  die  mehr¬ 
teilige  Filternahbestrahlung  unter  allmählicher  Erhöhung  der  Strah- 
endosen.  In  den  letzten  10  Fällen  wurde  eine  Gesamtdosis  von  durch- 
ichnittlich  1480  X  bis  zum  Eintritt  des  Erfolges  verabreicht;  dieser 
rat  auch  in  allen  Fällen  ein.  Die  Behandlungsdauer  verkürzte  sich 
labei  von  3%  Monat  auf  234  und  für  die  mit  intensiver  Bestrahlung 
^handelten  Fälle  sogar  auf  134  Monat.  Bei  dieser  Vervollkommung 
ler  Technik  gab  es  nun  keine  refraktären  Fälle  mehr. 

Es  ist  leicht  verständlich,  dass  diese  Methode,  welche  derartige 
Strahlenmengen  verabreicht,  auf  vielseitigen  Widerspruch  stossen 
nusste.  Die  Röntgenologen  haben  zuerst  grosse  Bedenken  erhoben 
regen  die  Verabreichung  von  so  grossen  Dosen  und  auf  die  Möglich¬ 
keit  von  später  eintretenden  Schädigungen  hingewiesen.  Es  mag  sein, 
lass  bei  dieser  Furcht  die  Erinnerung  an  das  schwere  Lehrgeld,  das 
n  den  Anfängen  der  Röntgentherapie  gezahlt  werden  musste,  eine 
tjolle  spielt.  Die  Schutzvorrichtungen  sind  jedoch  heute  wesentlich 
besser.  Es  ist  dann  weiter  die  Furcht  vor  dem  Unbekannten,  die  Un¬ 
sicherheit  darüber,  was  diese  zahllosen  Strahlen  in  der  Tiefe  an  be¬ 
nachbarten  Organen  etwa  schädigen  können.  Darauf  antwortet  die 
■’reiburger  Schule  mit  der  Versicherung,  dass  bis  jetzt  Schädigungen 
-twa  von  seiten  des  Darmes  oder  anderer  Organe  nicht  beobachtet 
vorden  sind,  dass  Verbrennungen  der  Haut  nur  vereinzelt  vorkamen 
rnd  dass  sie  auf  technische  Ungenauigkeiten  (undichte  Abdeckung  be- 
lachbarter  Hautteile)  zurückzuführen  sind.  Objektiv  gesprochen  ist, 
soweit  wir  dies  bis  jetzt  wissen,  von  all  den  prophezeiten  Schädi¬ 
gungen  nur  wenig  gesehen  worden.  Ob  dies  auch  auf  die  Dauer  so 
oleibt,  werden  die  nächsten  Jahre  ja  zeigen.  Wenn  man  die  schwe- 
en  Schädigungen  bedenkt,  welche  bei  jungen  Pflanzen  und  Tieren 
lurch  filtrierte  und  unfiltrierte  Strahlen  nach  den  Untersuchungen  von 
r  r  ä  n  k  e  1,  Gauss,  Meyer  und  Ritter.  Heynemann  zutage 
getreten  sind,  so  kann  man  sich  des  Gedankens  nicht  erwehren,  dass 
ruch  im  Bereiche  der  Ovarialfollikel,  um  von  anderen  Geweben  nicht 
2u  reden,  derartige  Schädigungen  auftreten  können,  die  sich  bei  wei¬ 
terem  Bestehen  der  wenn  auch  abgeschwächten  Funktion  der  Ovarien 
und  dem  eventuellen  Eintritt  einer  späteren  Gravidität  in  der  Ent¬ 
wicklung  der  Frucht  kennzeichnen  können.  Es  erscheint  aus  solchen 
Ueberlegungen  verständlich,  dass  die  meisten,  die  sich  mit  Tiefen¬ 
bestrahlung  beschäftigen,  lieber  einen  Mittelweg  gehen,  etwa  derart, 
dass  sie  die  Methode  von  Albers-Schönberg  befolgen  oder, 
wie  etwa  Jung,  eine  mehrstellige  Filternahbestrahlung,  aber  ohne 
Verabreichung  von  Hunderten  von  X  wählen  und  sich  in  jeder  Sitzung 
mit  20 — 30  X  begnügen.  Auch  Eymer-Menge  und  Heyne- 
mann  wenden  geringe  Dosen  an  und  halten  sich  jedenfalls  von  einer 
lieberschreitung  einer  Erythemdosis  noch  fern.  Auch  diese  vorsichti¬ 
ger  gehenden  Methoden  weisen  ganz  gute  Resultate  auf:  50 — 70  Proz., 
bei  manchen  Fällen  von  klimakterischen  Blutungen  gelegentlich  noch 
mehr. 

Die  Strahlen  wirken  nicht  nur  auf  die  Ovarien  selbst,  sondern 
auch  auf  bestrahlte  Tumoren;  ein  grosser  Teil  der  Myome,  auch  grosse 
Tumoren,  geht  nach  der  Bestrahlung  zurück,  oft  sogar  in  erstaun¬ 
lichem  Masse.  Dies  ist  besonders  der  Fall,  wenn  eine  vollständige 
Amenorrhoe  erzielt  worden  ist;  auch  bei  der  erfolgreichen  Behand¬ 
lung  der  klimakterischen  Blutungen  ist  eine  nachfolgende  Atrophie 
des  Uterus  beobachtet  worden.  Dieser  Umstand  hat  dazu  geführt,  die 
Röntgenbestrahlung  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  zu  ver¬ 
wenden,  worüber  aber  genügende  Beobachtungen  zurzeit  noch  nicht 
vorliegen.  Entsprechend  den  Degenerationserscheinungen,  welche  bei 
Bestrahlung  tierischer  und  menschlicher  Ovarien  histologisch  nach¬ 
weisbar  waren,  findet  man  auch  bei  bestrahlten  Myomen  anatomische 
Veränderungen :  Auffallender  Reichtum  an  Bindegewebsfibrillen,  inner¬ 
halb  deren  sklerotische  Veränderungen  und  hyaline  Degeneration  der 
Muskelzellen  und  vieler  Gefässwände.  Auch  Ovarialtumoren  können 
durch  Bestrahlung  zur  Verkleinerung  gebracht  werden,  wie  die  Be¬ 
obachtungen  von  E  y  m  e  r  aus  der  Heidelberger  Klinik  zeigen.  Allem 
Anscheine  nach  wird  auch  das  in  der  Umgebung  von  Neubildungen 
gelegene  Bindegewebe  durch  die  Strahlen  in  erheblichem  Masse  ver¬ 
ändert,  wie  aus  einer  Beobachtung  von  Bumm  hervorgeht:  Ein  in¬ 
operabel  scheinendes  Karzinom  der  Zervix  geht  nach  Röntgen¬ 
bestrahlung  von  der  Vagina  aus  derart  zurück,  dass  es  operabel  wird; 
bei  der  Operation  fällt  Verhärtung  und  schwielige  Beschaffenheit 
innerhalb  des  Beckenbindegewebes  auf.  Das  Karzinom  selbst  war 
innerhalb  der  Zervixschleimhaut  noch  vorhanden,  wenn  auch  in 
dünner  Schicht. 

Nach  dem  bis  jetzt  vorliegenden  Material  lassen  sich  die  Indi¬ 
kationen  für  eine  Röntgenbehandlung  schon  abgren- 
«n;  dies  ist  kürzlich  in  ausführlicher  Weise  durch  Menge  ge¬ 


schehen.  Die  von  ihm  gemachten  Vorschläge  dürften  wohl  von 
vielen  angenommen  werden.  Es  sind  in  erster  Linie  zwei  Kategorien 
von  Fällen,  welche  der  Röntgenbehandlung  zufallen:  die  Myomblu¬ 
tungen  und  jene  klimakterischen  Blutungen,  welche  aus  anatomischen 
Veränderungen  nicht  erklärt  werden  können.  Es  handelt  sich  also 
meistens  um  Frauen  am  Ende  des  4.  Und  innerhalb  des  5.  Dezenniums, 
welche  früher  abdominal  oder  vaginal  operiert  wurden.  Es  ist  klar, 
dass  sich  nicht  alle  Myome  zur  Röntgenbehandlung  eignen;  sub¬ 
muköse  sind  ausgeschlossen,  ebenso  alle  jene  Fälle,  in  denen  ein  Ver¬ 
dacht  auf  eine  maligne  Degeneration  oder  Vereiterung  vorliegt.  Nun 
ist  von  vielen  Seiten  gegen  die  Röntgenbehandlung  ausgespielt  wor¬ 
den,  dass  sarkomatöse  Myome  —  die  vielfach  nicht  diagnostizier¬ 
bar  —  bestrahlt  werden  können  und  so  der  Nutzen  einer  Operation 
vereitelt  werden  muss.  Ich  bin  der  Ansicht,  dass  diese  Möglichkeit 
bedeutend  überschätzt  worden  ist.  Die  von  Warne  k  ros  kürzlich 
mitgeteilte  Zahl  von  10  Proz.  sakromatöser  Myome  unter  dem  Ma¬ 
terial  der  Berliner  Universitäts-Frauenklinik  ist  höchst  wahrscheinlich 
zu  hoch  gegriffen.  Die  bisher  als  Durchschnittszahl  geltenden  2  Proz. 
dürften  vielleicht  etwas  zu  niedrig  sein,  wenn  auch  nach  neueren 
Untersuchungen  (A  s  c  h  o  f  f)  diese  Zahl  noch  für  richtig  gilt.  Die  Ge¬ 
fahr,  ein  sarkomatöses  Myom  zu  übersehen,  ist  einerseits  nicht  gross, 
anderseits  muss,  wie  Kroenig  hervorhebt,  abgewartet  werden,  ob 
die  Bestrahlung  nicht  auf  den  Beginn  einer  solchen  Degeneration 
Einfluss  haben  könnte.  Noch  weniger  Bedeutung  möchte  ich  dem  Ein¬ 
wurf  zuerkennen,  dass  beginnende  Karzinome,  insbesondere  des  Cor¬ 
pus  Uteri,  übersehen  werden  können.  Auch  diese  halte  ich  nicht  für 
besonders  häufig,  diese  Kombination  im  übrigen,  solange  ein  anderer 
Nachweis  nicht  geführt  worden  ist,  für  eine  rein  zufällige.  Die  Ge¬ 
fahr,  ein  Karzinom  zu  übersehen,  wird  um  so  geringer  sein,  je  häufi¬ 
ger  die  gynäkologische  Röntgentherapie  durch  einen  Gynäkologen 
oder  wenigstens  unter  Kontrolle  eines  solchen  ausgeübt  wird.  Dieser 
Punkt  ist  einer  der  allerwichtigsten,  dessen  Durchführung  unbedingt 
angestrebt  werden  muss.  Nun  die  Fehldiagnosen!  Sie  sind  nicht  so 
selten  und  sie  werden  auch  in  Zukunft  trotz  genauer  Untersuchung 
nicht  immer  zu  vermeiden  sein;  aber  selbst  wenn,  dann  ist  die  Gefahr 
doch  nicht  gross.  Es  wird  sich  ja  wohl  meistens  um  Adnexerkran¬ 
kungen  handeln,  die  gleichzeitig  mit  einem  Myom  bestehen,  oder 
Adnextumoren,  welche  für  ein  solches  angesehen  wurden.  Nun  ist 
ja  von  manchen  Seiten  eine  Radiotherapie  für  Adnexerkrankungen 
angestrebt  worden,  die  auch  schon  einige  Erfolge  aufzuweisen  hat. 
Uebrigens  wird  bei  dem  Nichteintreten  der  Amenorrhoe  oder  den  zu¬ 
nehmenden  anderweitigen  Beschwerden  die  Operation  doch  noch  zu 
ihrem  Rechte  kommen.  Viel  ist  also  hierin  nicht  zu  schaden.  Ob 
die  voluminösen  Myome  für  die  Röntgenbehandlung  geeignet  sind, 
muss  sich  erst  noch  zeigen.  Eine  wesentliche  Verkleinerung  grosser 
Tumoren  kann  wohl  nur  bei  längerdauernder  oder  besonders  inten¬ 
siver  Bestrahlung  erwartet  werden.  Es  scheint  mir  einstweilen  sehr 
wahrscheinlich,  dass  grosse  Tumoren,  besonders  wenn  sie  die  be¬ 
nachbarten  Organe  verlagert  haben,  auch  weiterhin  operiert  werden 
müssen.  Nun  hat  eine  Frage  viel  Staub  aufgewirbelt,  nämlich  ob 
stark  ausgeblutete  Frauen  mit  Myomen  bestrahlt  werden  sollen  oder 
nicht.  Dabei  werden  von  den  Gegnern  die  bekannten  2  Hamburger 
Verblutungstodesfälle  immer  wieder  angeführt.  Diese  haben  mit  dem 
Röntgenverfahren  an  sich  nichts  zu  tun.  Der  eine  Fall  betraf  ein 
Uterussarkom,  die  Patientin  ging  am  8.  Tag  nach  der  Operation  zu¬ 
grunde;  in  dem  2.  Fall  war  neben  dem  Myom  eine  chronische  Nephri¬ 
tis  und  Herzaffektion  vorhanden,  die  Frau  starb  nach  der  Aus¬ 
schabung.  Die  Beobachtung  von  Albers-Schönberg  u.  a.,  dass 
nach  der  ersten  Bestrahlung  die  Blutung  noch  zunimmt,  ist  zweifellos 
für  manche  Fälle  richtig  und  hat  wohl  dazu  beigetragen,  solche  aus¬ 
geblutete  Fälle  von  der  Bestrahlung  auszuschliessen.  Hier  verdient 
aber  der  Einwand  von  Kroenig,  Gauss,  M.  Fränkel,  Menge 
ganz  besondere  Beachtung,  dass  nämlich  die  Bestrahlung  eine  un¬ 
genügende  war  und  dass  besonders  grosse  Dosen  in  solchen  Fällen 
angewendet  werden  müssen,  um  eine  Reizwirkung  zu  umgehen.  Einige 
Fälle  aus  der  Freiburger  Klinik  dürften  für  diese  Auffassung  allerdings 
einen  Beleg  geben. 

Dieser  Teil  der  Frage  ist  jedenfalls  noch  nicht  spruchreif.  Die 
grosse  Mehrzahl  ist  gegen  eine  Bestrahlung  stark  ausgebluteter  Pa¬ 
tientinnen,  und  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  hat  z.  B.  40  Proz.  Hämoglobin  als  die 
Grenze  bestimmt,  jenseits  deren  nicht  mehr  bestrahlt  werden  soll. 
Im  Laufe  der  nächsten  Jahre  müssen  die  Röntgentherapeuten  zu  dem 
Vorgehen  von  Kroenig  und  Gauss  Stellung  nehmen,  da,  falls  ihre 
Technik  durchführbar  und  die  Erfolge  so  grossartig  bleiben,  die  Indi¬ 
kationen  zu  Myomoperationen,  auch  die  aus  der  allerletzten  Zeit,  ver¬ 
schoben  werden  müssen.  So  hat  Menge  z.  B.  für  myomkranke 
Frauen,  welche  das  Ende  des  40.  Lebensjahres  noch  nicht  erreicht 
haben,  die  Operation  in  gewissen  Fällen  (grosse  Tumoren,  Sterilität 
bei  dringendem  Wunsch  nach  Kindern  usw.)  für  berechtigt  gehalten. 
Es  ist  zweifellos  richtig,  wenn  in  dieser  oder  ähnlicher  Weise  ein 
Unterschied  nach  dem  Alter  der  Patientin  gemacht  wird,  wobei  aller¬ 
dings  noch  andere  Momente,  wie  die  soziale  Stellung  der  Frau, 
etwaige  Ausfallserscheinungen,  die  grössere  Strahlendosis,  die  zur 
Erzielung  des  Erfolges  notwendig  ist,  mitsprechen  dürften.  Die  eigent¬ 
liche  Domäne  der  Bestrahlungstherapie  ist  in  den  Myomen  älterer 
Frauen  zu  erblicken,  besonders  wenn  Bedenken  gegen  eine  Operation 
bestehen  (Herz-,  Nierenerkrankungen  u.  a.  m.).  In  zweiter  Linie  ge¬ 
hören  hierher  die  Blutungen  bei  der  sogen,  chronischen  Metritis,  die 
auf  eine  gestörte  innere  Sekretion  der  Ovarien  zurückgehen.  Hier 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


sind  die  Erfolge,  da  es  sich  meistens  um  Frauen  des  5.  Dezenniums 
handelt,  auch  mit  den  Methoden  gute,  welche  den  mittleren  Weg  ein- 
halten  und  keine  besonders  intensiven  Strahlendosen  verabreichen, 
ln  60  70  Proz.  wird  eine  Amenorrhoe,  in  etwa  90  Proz.  eine  wesent¬ 
liche  Besserung  erzielt.  Es  ist  bekannt,  dass  es  zuweilen  einer  ge¬ 
ringen  Strahlendosis  bedarf  oder,  wie  Albers-Schönberg  sagt, 
dass  nur  ein  geringer  Anstoss  nötig  ist,  um  die  Menopause  zu  erzielen. 
Darüber  herrscht  eigentlich  keine  Uneinigkeit  mehr.  Nun  fällt  mir 
aber  bei  dem  Durchlesen  der  Literatur  auf,  dass  so  ausserordentlich 
wenig  die  Rede  ist  von  den  hartnäckigen  Blutungen  bei  jüngeren  Per¬ 
sonen,  insbesondere  bei  jungen  Mädchen  im  Laufe  des  zweiten  Lebens¬ 
dezenniums.  Selbst  unter  den  Fällen  der  Freiburger  Klinik  habe  ich, 
wenn  ich  recht  gesehen  habe,  keinen  derartigen  Fall  gefunden.  Die 
allgemeine  Meinung  dürfte  wohl  die  sein,  dass  es  bei  jüngeren  Indivi¬ 
duen  auch  bei  Applikation  grösserer  Dosen  sehr  schwierig,  wenn  nicht 
unmöglich  ist,  einen  dauernden  Erfolg  zu  erzielen.  Ein  vorübergehen¬ 
der  Erfolg  bei  Individuen  im  3.  und  4.  Dezennium,  und  zwar  im  Sinne 
einer  temporären  Amenorrhoe,  kann  jedenfalls  erzielt  werden;  darüber 
ist  von  Kroenig  bei  bestehender  Indikation  zur  temporären 
Sterilisierung  berichtet  worden.  So  sehr  ein  derartiger  Erfolg  wün¬ 
schenswert  ist,  so  vorsichtig  müsste  man  gerade  in  diesen  Fällen 
vorangehen,  denn  die  Möglichkeit  einer  Schädigung  des  Ovarial- 
parenchyms  und  einer  Nachwirkung  auf  spätere  Graviditäten  —  um 
nur  dieses  Moment  zu  nennen  —  ist  noch  nicht  zu  übersehen  und 
dürfte  jedenfalls  Veranlassung  sein  zu  sehr  gewissenhafter  Auswahl 
der  Fälle. 

In  Anbetracht  der  Erfolge,  welche  bei  den  Blutungen  erzielt 
worden  sind,  lag  es  nahe,  auch  andere  Fälle  zur  Röntgenbehandlung 
heranzuziehen.  Dies  ist  auch  für  die  Dysmenorrhöen  geschehen,  in 
denen  einige  Autoren  (F  r  ä  n  k  e  1)  von  Erfolg  reden;  E  y  m  e  r, 
Runge  u.  a.  haben  jedoch  viel  Gutes  nicht  gesehen.  Bei  Krau- 
rosis  vulvae  berichtet  der  eine  über  Erfolg,  der  andere  über 
Misserfolg,  ebenso  gilt  dies  für  den  Pruritus.  Die  Zahl  der  Fälle 
ist  heute  noch  zu  gering,  um  ein  Urteil  zu  erlauben;  Erfolge  sind 
jedenfalls  gesehen  worden  und  dies  genügt,  um  zu  weiteren  Versuchen 
aufzufordern.  Dasselbe  gilt  für  die  Bestrahlung  der  Peritoneal¬ 
tuberkulose,  wenn  kein  Aszites  vorhanden  ist.  Auch  i  n  - 
operable  Uteruskarzinome  können,  wenn  sie  nicht  ge¬ 
heilt,  so  doch  in  ihrer  Ausbreitung  wesentlich  verlangsamt  werden. 

Ausserordentlich  interessant  sind  einige  Mitteilungen  über  eine 
Fernwirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  die  Ovarien.  H.  E.  Schmidt, 
ebenso  F  r  ä  n  k  e  1,  teilten  Fälle  mit,  in  denen  bei  Bestrahlung  des 
Gesichtes,  der  Extremitäten  oder  der  Schilddrüse  ungewollte  Ver¬ 
änderungen  der  Menstruation  eintraten  (Verspätung,  Abschwächung, 
Ausfall  der  Menstruation).  Diese  Angaben  hat  neuerdings  Ritter 
bei  insgesamt  30  Frauen  nachkontrolliert,  bei  denen  die  Bestrahlung 
der  Halsregion  wegen  tuberkulöser  Drüsen  usw.  notwendig  war,  wo¬ 
bei  die  Schilddrüse  jedesmal  mitgetroffen  wurde.  In  den  meisten 
Fällen  wurde  die  Bestrahlung  kurz  nach  der  letzten  Periode  vorge¬ 
nommen,  da  nach  F  r  ä  n  k  e  1  diese  Zeit  die  günstigste  ist  zur  Beein¬ 
flussung  der  Menstruation.  Bei  keiner  einzigen  dieser  30  Frauen  trat 
eine  Menstruationsstörung  ein;  von  einer  Fernwirkung  war  also  nichts 
nachweisbar.  Ritter  ist  der  Ansicht,  dass  die  Beeinflussung  der 
Ovarialfunktion  in  den  Fällen  der  genannten  Autoren  darauf  zurück¬ 
gehen  kann,  dass  vagabundierende  Strahlen  bei  nicht  vollständiger  Ab¬ 
deckung  des  Abdomens  die  Ovarien  treffen  konnten. 

Auf  geburtshilflichem  Gebiete  ist  eine  weitere  Verwendung  der 
Röntgenstrahlen  nicht  zutage  getreten.  Die  Versuche,  Lage  und 
Grösse  der  Frucht  innerhalb  des  Beckens  zur  Anschauung  zu  bringen, 
ist  noch  nicht  in  genügender  Weise  gelungen.  Heynemann  teilt 
mit,  dass  bei  Fernaufnahmen  der  Fötus  gut  sichtbar  wird  und  dass  aut 
diesem  Wege  gelegentlich  die  Diagnose  von  Zwillingen  ermöglicht 
wird.  Kürzlich  hat  H  ä  n  i  s  c  h  und  unabhängig  von  ihm  Kehrer 
über  gut  gelungene  Röntgenaufnahmen  des  Beckeneinganges  berich¬ 
tet,  welche  zur  genaueren  Beckendiagnose  verwendbar  sind.  Ich 
möchte  hier  nur  hervorheben,  dass  schon  vor  über  7  Jahren  Fabre- 
Lyon  eine  vollständig  ausgearbeitete  Methode  besass,  welche,  wie 
ich  mich  selbst  überzeugt  habe,  eine  exakte  Messung  der  Becken¬ 
masse  erlaubt. 

Wir  besitzen  zweifellos  in  der  Röntgentherapie  für  manche  gynä¬ 
kologische  Erkrankungen  eine  neue  Behandlungsmethode  von  bleiben¬ 
dem  Wert;  die  Grenzen  ihrer  Leistungsfähigkeit  sind  heute  noch  nicht 
gesteckt;  wie  weit  durch  sie  operative  Eingriffe  verdrängt  werden 
könnten  —  etwa  in  der  Weise,  dass  der  Gynäkologe  schon  nach 
einem  neuen  Operationsgebiet  sich  umsehen  müsste  — ,  ist  heute  noch 
nicht  abzusehen. 

Zahlreiche  Arbeiten  haben  sich  mit  der  biologischen  Diagnose 
der  Schwangerschaft  beschäftigt.  Es  ist  das  alte  Bedürfnis, 
die  Diagnose  der  Schwangerschaft  einerseits  möglichst  bald  zu  stellen, 
unabhängig  von  palpatorischen  Untersuchungen,  anderseits  das  Ver¬ 
langen  nach  Aufklärung  über  die  während  der  Schwangerschaft  im 
Organismus  sich  abspielenden  Vorgänge.  Das  Eindringen  von  fötalen 
Elementen  in  den  mütterlichen  Kreislauf  kann  nach  allen  unseren  Kennt¬ 
nissen  nicht  ohne  Reaktion  von  seiten  des  mütterlichen  Organismus 
geschehen.  Die  fötalen  Gewebe  müssen  als  blutfremd  gelten.  Es 
steht  aber  fest,  dass  das  parenterale  Einführen  von  Substanzen  in 
den  Körper  von  einer  Bildung  von  Schutzstoffen  gefolgt  ist,  deren 
Aufgabe  es  ist,  die  einverleibten  Substanzen  abzubaueri  und  zu  zer¬ 
stören.  Darauf  beruhen  die  Vorgänge  bei  der  Präzipitinbildung,  bei 
Anaphylaxie  usw.  Von  diesen  Kenntnissen  ist  Abderhalden  aus¬ 


gegangen,  um  eine  Methode  der  Schwangerschaftsdiagnose  auszu¬ 
arbeiten.  Er  hat  dazu  2  Wege  angegeben,  die  optische  Methode 
und  das  Dialysierverfahren.  Das  Prinzip  dieser  Methoden  ist  sehr 
einfach;  wenn  man  z.  B.  Blutserum  eines  Hundes  mit  einer  Rohr¬ 
zuckerlösung  zusammenbringt  und  das  Drehungsvermögen  dieser 
Mischung  bestimmt,  ergibt  sich,  dass  auch  bei  weiterer  Beobachtung 
dieses  konstant  bleibt.  Injiziert  man  aber  dem  Tiere  eine  Rohrzucker¬ 
lösung  subkutan,  mischt  dann  das  Blutserum  mit  der  ursprünglichen 
Rohrzuckerlösung  und  beobachtet  nun  die  Drehung,  so  wird  eint 
deutliche  Aenderung  desselben  nachweisbar.  Diese  Drehungsände¬ 
rung  ist  ein  Zeichen  dafür,  dass  in  dem  Serum  jetzt  Substanzen 
vorhanden  sind,  welche  den  Rohrzucker  abzubauen  imstande  sind. 
Dasselbe  gilt  für  Proteine.  Das  Blutserum  des  Versuchstieres  spaltet! 
unter  normalen  Verhältnissen  eine  Eiweisslösung  nicht,  wohl  aber 
wenn  dem  Tiere  einige  Zeit  vor  der  Blutentnahme  Eiweiss  subkutan 
injiziert  worden  ist.  Dies  lässt  sich  feststellen,  indem  man  das  Serum 
mit  der  Eiweisslösung  in  einem  Dialysierschlauch  gegen  destilliertes 
Wasser  dialysiert.  In  der  Aussenflüssigkeit  findet  sich  dann  nach, 
einiger  Zeit  Pepton,  nachweisbar  mit  der  Biuretreaktion.  Ist  das 
Tier,  dessen  Serum  zum  Versuch  verwendet  wird,  nicht  vorbehandei; 
worden,  dann  bleibt  die  Aussenflüssigkeit  unverändert.  Der  Abbau¬ 
vorgang  lässt  sich  auch  nachweisen,  indem  man  das  Blut  des  mit 
Eiweiss  vorbehandelten  Tieres  mit  einer  aus  diesem  Eiweiss  herge¬ 
stellten  Peptonlösung  mischt  und  im  Polarisationsapparat  beobachtet; 
Eine  Drehungsänderung;  zeigt  den  Abbau  des  dem  Serum  zugesetzten| 
Materiales  an.  Die  optische  und  die  Dialysiermethode  lassen  sich  zun 
Diagnose  der  Schwangerschaft  gebrauchen.  Das  zu  prüfende  Blut 
serum  wurde  mit  aus  menschlicher  Plazenta  hergestellter  Pepton¬ 
lösung  gemischt  und  das  Drehungsvermögen  verfolgt.  Eine  Drehungs 
änderung  trat  nur  dann  ein,  wenn  Schwangerschaft  vorlag.  Auf  diese 
Weise  ist  auch  eine  quantitative  Bestimmung  möglich.  Die  qualitativ 
wird  ausgeführt,  indem  das  Blutserum  der  Pat.  mit  Plazentapeptor! 
in  einem  Dialysierschlauch  gegen  destilliertes  Wasser  dialysiert  wird 
wenn  nach  einiger  Zeit  die  Aussenflüssigkeit  Biuretreaktion  gibt,  isi 
nachgewiesen,  dass  in  dem  Serum  Substanzen  vorhanden  sind,  welche 
das  Pepton  abbauen.  (Diese  Methoden  gelten  natürlich  nicht  nur  füi 
die  Plazenta,  sondern  auch  für  andere  Organe).  Die  Reaktion  fällt  ii 
den  ersten  Schwangerschaftsmonaten  immer  sehr  deutlich  aus,  wirc| 
meistens  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  sehr  schwach  und  steig, 
im  Puerperium  wieder  an.  Nach  Abderhaldens  letzter  Mit 
teilung  (D.  med.  Wochenschr.,  18.  XI.  12)  hat  bis  jetzt  die  Reaktioi 
bei  Schwangerschaft  nie  versagt.  Allerdings  sind  zahlreiche  Vor 
sichtsmassregeln  zu  gebrauchen,  über  welche  sich  Abderhaldei 
in  ausführlicher  Weise  ausgesprochen  hat.  Insbesondere  betrifft  die: 
die  Herstellung  des  Plazentapeptons  und  die  Ausführung  von  Kontroll 
versuchen.  Es  hat  sich  herausgestellt,  dass  auch  bei  Tubargravidität 
wie  zu  erwarten  war,  die  Reaktion  positiv  ausfällt.  Frank  um 
H  e  i  m  a  n  n  haben  die  Methode  nachgeprüft  (Dialysierverfahren)  um 
nie  Versager  beobachtet,  d.  h.  bei  bestehender  Gravidität  ist  du 
Reaktion  niemals  negativ  ausgefallen,  wohl  aber  war  2  mal  unte 
23  nachuntersuchten  Patientinnen  die  Reaktion  positiv,  wo  eine  Gra 
vidität  nicht  vorlag.  Im  Wochenbett  ist  eine  positive  Reaktion  bi: 
zum  7.  Tage  stets  erhalten,  vom  8.  Tage  ab  wechselt  der  Ausfall,  von 
13.  Tage  an  immer  negative  Reaktion.  Weitere  Nachprüfungen  ii 
der  Frauenklinik  in  Jena  (Henkel)  hatten  in  etwa  40  Fällen  nu. 
positive  Resultate;  in  einem  Falle  ermöglichte  die  Reaktion  die  Dia 
gnose  einer  Extrauteringravidität.  In  2  Fällen  von  Frank  um 
Heimann  scheint  der  positive  Ausfall  ebenfalls  auf  Extrauterin 
gravidität  hinzuweisen,  was  sich  aber  bei  der  Operation  nicht  be! 
stätigte  (nach  der  Meinung  der  Verfasser  ist  auch  eine  andere  Den 
tung  möglich).  Bei  Eklampsie  sah  Henkel  einen  negativen  Ausfal, 
während  Frank  und  H  e  i  m  a  n  n  2  mal  eine  starke  positive  Reaktio 
beobachteten,  die  allerdings  durch  das  Serum  allein  auch  einmal  pcsi 
tiv  ausfiel.  R.  Franz  und  J  a  r  i  s  c  h  teilen  ebenfalls  günstige  Re 
sultate  von  der  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Methode  mit.  Die  durc 
S  c  h  1  i  m  p  e  r  t  ausgeführten  Untersuchungen  mit  der  Dialysier1 
methode  konnten  eine  vollständige  Bestätigung  der  bisherigen  Aii 
gaben  nicht  bringen  (Oberrheinische  Gesellschaft  f.  Geburtsh.  i; 
Gynäkol.,  27.  X.  12).  Soviel  ich  mich  aus  dem  Vortrag  von  Sch.  er 
innere  —  die  ausführliche  Publikation  liegt  noch  nicht  vor <:)  — ,  fit 
die  Reaktion  auch  bei  Gravidität  manchmal  negativ  aus,  anderseif 
j  war  sie  bei  Fehlen  von  Gravidität  gelegentlich  positiv  und  ebenso  nt 
Männern  manchmal  positiv.  Veit  macht  darauf  aufmerksam,  das 
die  Abderhalden  sehe  Reaktion  streng  genommen  nur  ein  Zeiclie 
für  die  Anwesenheit  von  lebendem  Plazentargewebe  im  Uterus  ist.  t 
teilt  auch  selbst  2  Fälle  mit,  in  denen  bei  Verhaltung  von  Plazenta  un 
bei  mittelgrossem  Plazentarpolyp  die  Reaktion  negativ  ausfiel,  trotz 
dem  die  fötalen  Zellen  der  Zotten  nicht  untergegangen  waren. 

Vom  theoretischen  Standpunkt  aus  erscheint  die  Methode  sei 
einleuchtend  und  vielversprechend.  Es  fragt  sich  nur.  ob  nicht  auc 
andere  Fermente  das  Plazentargewebe  abbauen  können.  Nach  de: 
Lehre  von  Abderhalden  ist  ja  nicht  anzunehmen,  dass  spt 
zifische  Fermente  hierbei  in  Betracht  kommen,  Fermente,  die  etu 
gegen  das  betreffende  Gewebe  allein  eingestellt  sind.  Diese  Vei 
mutung  findet  sich  durch  die  eben  erfolgte  Publikation  von  Lin  di 
(Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  6,  1913)  bestätigt.  Lindig  könnt 
nachweisen,  dass  ausser  bei  Schwangerschaft  auch  bei  Tumoren  ui 
vielleicht  auch  bei  Entzündungen  im  Blutserum  ein  proteolytische 


*)  Erscheint  in  No.  13  dieser  Wochenschrift.  Red. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


655 


5.  März  1913. 

erment  vorhanden  ist,  das  Eiweiss  von  Plazenta,  Uterus  und 
ivarium,  Genitaltumoren  und  in  geringerem  Masse  von  Muskeln  ab- 
aut.  Trotz  der  fast  glänzenden,  aber  doch  nicht  eindeutigen  Re- 
ultate  möchte  ich  meinen,  dass  einstweilen,  wie  Veit  sagt,  der 
rosste  Wert  der  Methode  nicht  in  der  Praxis,  sondern  auf  dem  Ge- 
lcte  der  Physiologie  der  Gravidität  liegt. 

ln  ähnlicher  Weise  haben  F  i  e  u  x  und  M  a  u  r  i  a  c  versucht,  auf 
.rologischem  Wege  eine  Schwangerschaftsdiagnose  zu  stellen.  Sie 
aben  mit  der  Bordet-Gengou  sehen  Methode  der  Komplement- 
blenkung  Versuche  angestellt,  wobei  als  Antigen  ein  wässeriger 
xtrakt  frischer  Chorionzotten  aus  dem  2.  bis  3.  Monat  verwendet 
urde.  Unter  33  Fällen  war  die  Komplementablenkung  15  mal  positiv 
ei  Frauen,  welche  im  2.  bis  4.  Monat  gravid  waren,  in  einem  wei¬ 
ten  Falle  positiv  bei  einer  Patientin,  die  6  Stunden  vorher  abor- 
ert  hatte.  In  den  14  negativ  verlaufenen  Fällen  handelt  es  sich  um 
bgestorbene  Reste,  um  Frauen,  die  nicht  gravid  waren,  um  Schwan- 
erschaften  jenseits  des  4.  Monats  und  nur  einmal  um  eine  3  monat- 
che  Gravidität.  In  3  Fällen  endlich  war  die  Reaktion  zweifelhaft, 
abei  lag  eine  Gravidität  von  4,  AlA  und  5  Monaten  vor.  Nach  der 
nsicht  dieser  Autoren  kann  also  eine  junge  Gravidität  (aber  nicht 
^nseits  des  4.  Monats!)  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  durch  die  Komple- 
lentablenkung  nachgewiesen  werden,  vorausgesetzt,  dass  es  sich  um 
ine  intakte  Gravidität  handelt.  Väyssiere  soll  nach  der  An- 
abe  der  genannten  Autoren  ebenfalls  positive  Reaktionen  erzielt 
aben.  P.  Bar  konnte  dieselben  Erfolge  nicht  erzielen  und  hebt 
ervor,  dass  mit  Ausnahme  eines  einzigen  Falles  die  Reaktion  un- 
eutlich,  d.  h.  die  Hemmung  der  Hämolyse  etc.  nicht  so  scharf  war 
ne  bei  der  Wassermann  sehen  Reaktion.  Die  Angaben  von 
ieux  und  Mauriac  sind  jedoch  so  präzis,  dass  es  sich  lohnen 
riirde,  sie  nocheinmal  nachzuprüfen. 

Es  wurde  auch  in  anderer  Weise  versucht,  nachzuweisen,  dass 
atsächlich  in  dem  Körper  der  Schwangeren  etwas  Besonderes  vor 
ich  geht,  dass  bestimmte  Stoffe  produziert  werden,  die  ausserhalb  der 
iravidität  nicht  vorhanden  sind  und  die  toxische  Erscheinungen  aus- 
isen  können.  Die  bekannten  Parabioseversuche  von  Morpurgo, 
auerbruch  und  Hey  de  haben  ja  gezeigt,  dass  bei  dem  nicht 
raviden  Tiere  Zustände  entstehen,  welche  nur  durch  den  Eintritt  gif- 
ig  wirkender  Substanzen  im  Verlaufe  der  Gravidität  und  der  Ge- 
urt  erklärt  werden  können.  Schon  Bouchard  glaubte,  derartige 
Substanzen  im  Harn  nachweisen  und  deshalb  auch  von  einer  er- 
öhten  Giftigkeit  des  Harns  in  der  Schwangerschaft  sprechen  zu 
önnen.  R.  Franz-Graz  hat  ausgedehnte  Versuche  in  neuer  Fas- 
ung  darüber  angestellt,  in  denen  der  Harn  gesunder  Schwangerer 
icht  giftiger  als  der  nicht  Schwangerer  gefunden  wird.  In  der  Ge- 
urt  ist  aber  die  Giftigkeit  bedeutend  erhöht,  und  zwar  gilt  dies  be- 
onders  von  der  Austreibungszeit,  während  in  der  Nachgeburtsperiode 
in  Abfall  der  Giftigkeit  sich  erkennen  lässt.  Diese  erhöhte  Giftigkeit 
ndet  sich  nicht  etwa  nur  bei  ausgetragener  Gravidität,  sondern  auch 
•ei  Aborten  und  bei  Extrauteringraviditäten.  Im  Wochenbett  geht  die 
'oxizität  vom  5.  Tag  ab  allmählich  zurück.  Der  Urin  von  Gebärenden 
nd  Wöchnerinnen  mit  Urtikaria  wurde  hochgradig  toxisch  gefunden, 
benso  derjenige  von  Eklamptischen;  bei  schwerer  Nephritis  gravi- 
iarum  ist  die  Giftausscheidung  im  Harn  aufgehoben  oder  vermindert, 
rus  seinen  Untersuchungen,  für  die  er  in  dem  Abbauvermögen  des 
ichwangerenserums  (Abderhalden),  in  der  erhöhten  Leuko- 
ytose  (Dienst),  in  der  Erhöhung  des  Antithrombintiters  eine  Be¬ 
tätigung  sieht,  folgert  R.  Franz,  dass  „bei  der  Geburt  und  der 
Tlampsie  eine  ursächlich  mit  diesen  zusammenhängende  Zerfalls- 
oxikose  bestehe“.  Die  durch  den  Fermentabbau  des  im  Blut  kreisen- 
en  Plazentareiweisses  gebildeten  Stoffwechselprodukte  könnten  im- 
tande  sein,  die  Geburt  auszulösen,  in  manchen  Fällen  aber  auch 
chwere  Erkrankungen,  wie  die  Eklampsie,  hervorrufen.  Es  handelt 
ich  also  um  einen  anaphylaktischen  Zustand,  eine  Eiweisszerfalls- 
oxikose.  Diese  auf  zahlreichen  Versuchen  fussende  Auffassung 
onnte  von  Esch,  der  unabhängig  von  R.  Franz  ähnliche,  wenn 
;uch  weniger  zahlreiche  Untersuchungen  ausgeführt,  nicht  geteilt 
verden.  Dies  gilt  besonders  für  den  Kernpunkt  der  obigen  Aus¬ 
übungen :  Esch  fand  keine  Erhöhung  der  Harntoxizität  bei 
heissenden;  sie  war  vielmehr  im  allgemeinen  relativ  etwas  herab- 
esetzt  und  im  Wochenbett  leicht  erhöht.  Bei  2  schweren  Eklampsien 
var  die  Giftigkeit  des  Harns  ausserordentlich  hoch,  während  sie  bei 
inem  dritten,  klinisch  sehr  leichten  Falle,  nicht  erhöht  war.  Seine 
Untersuchungen  lieferten  noch  andere  interessante  Ergebnisse,  unter 
lenen  manche  mit  den  Beobachtungen  von  R.  Franz  gut  überein- 
timmen.  Esch  ist  nach  seinen  Untersuchungen  „gegen  die  An- 
lahme,  dass  die  Ursache  des  Geburtseintritts  und  die  Geburt  selbst 
ils  ein  anaphylaktischer  Vorgang  aufzufassen  ist“.  Diese  einander 
lirekt  entgegengesetzten  Versuchsergebnisse  und  Ansichten  werden 
1  uch  durch  eine  Reihe  anderer  Arbeiten,  die  dasselbe  Thema  be¬ 
handeln,  nicht  sonderlich  geklärt.  Bauereisen  hat  in  einigen 
m.  E.  zu  wenigen)  Fällen  nach  Injektion  von  Hoden-  und  Plazentar- 
■aft  anaphylaktische  Phänomene  bei  Meerschweinchen  auftreten 
ehen,  und  glaubt  aus  diesem  antigenen  Charakter  der  untersuchten 
jewebe  schliessen  zu  dürfen,  dass  alle  in  den  ersten  Monaten  der 
Schwangerschaft  auftretenden  Veränderungen  anaphylaktisch  sind, 
'er  Nachweis,  dass  anaphylaktische  Vorgänge  in  der  Schwangerschaft 
■nd  Geburt  unter  normalen  und  in  manchen  pathologischen  Zuständen 
■  orhanden  sind,  ist  meiner  Ansicht  nach  noch  längst  nicht  erbracht, 
vorläufig:  stehen  dieser  Auffassung  noch  grosse  Bedenken  entgegen, 


von  denen  ich  nur  den  einen  Widerspruch  zwischen  dem  klinischen 
Bild  des  anaphylaktischen  Schocks  und  dem  der  Eklampsie  anführen 
möchte.  Tatsächlich  sind  doch  nur  einzelne  Tierversuche  vorhanden, 
welche  an  anaphylaktische  Zustände  erinnern,  deren  Vergleich  mit 
den  Verhältnissen  beim  Menschen  jedoch  einstweilen  unzulässig  ist. 
In  einem  den  erwähnten  Arbeiten  ähnlichen  Fahrwasser  bewegt  sich 
auch  die  Arbeit  von  K  i  u  t  s  i,  die  nachweisen  will,  dass  das  Syn- 
zytium  im  Tierkörper  ein  spezifisches  Präzipitin  bildet.  Es  ist  ja 
sehr  wahrscheinlich,  dass  das  Synzytium  sich  so  verhalten  kann; 
damit  ist  aber  noch  nicht  gesagt,  zu  welcher  Folgerung  dies  berechtigt. 
Gegen  die  ganze  Arbeit  von  K  i  u  t  s  i  kann  ich  schwere  Bedenken 
nicht  unterdrücken.  So  halte  ich  es,  um  nur  weniges  hervorzuheben, 
einstweilen  für  ausgeschlossen,  von  der  Oberfläche  der  Bläschen  einer 
Traubenmole  die  Synzytiumschicht  abzupräparieren,  wie  Kiutsi 
das  getan  haben  will.  Dass  dieses  Epithel  der  Bläschen  „zufälliger¬ 
weise  im  wesentlichen  aus  Synzytium  besteht  und  keine  deutlichen 
Langhans  sehen  Zellen  mehr  hat“,  wäre  mindestens  eines  Be¬ 
weises  wert  gewesen!  Die  Versuche  von  Kiutsi  gehen  aber  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  wirklich  ein  Extrakt  von  Synzytium 
allein  zur  Verwendung  kam.  Ferner:  die  fetale  Herkunft  des  Syn- 
zytiums  soll  dadurch  bewiesen  sein,  dass  das  Synzytiumextrakt  keine 
biologische  Reaktion  mit  mütterlichem  Gewebe  gibt.  In  der  folgenden 
Zeile  „sieht  man,  dass  Synzytiumpräzipitin  mit  Keimdrüsenextrakt 
reagiert.  Daraus  kann  man  gleich  ersehen,  dass  doch  Synzytium  mit 
den  Fruchtbausteinen  in  inniger  Beziehung  steht.  So  kann  man  ohne 
weiteres  schliessen,  dass  das  Synzytium  biologische  Verwandtschaft 
mit  Fruchtbausteinen  hat,  d.  h.  von  fetaler  Herkunft  ist“.  Die  Folge¬ 
rungen,  die  Kiutsi  aus  seinen  nicht  einwandfreien  Versuchen  zieht, 
können  einstweilen  nicht  als  zu  Recht  bestehend  anerkannt  werden. 

Die  genannten  Arbeiten  und  mit  ihnen  manche  andere  streben 
mit  verschiedenen  Methoden  nach  demselben  Beweis,  dass  nämlich 
während  der  Schwangerschaft  Stoffe  produziert  werden,  welche  den 
mütterlichen  Organismus  zu  schädigen  imstande  sind.  Diesen  gegen¬ 
über  erscheinen  nun  die  Arbeiten,  welche  auf  chemischem  Wege  die 
Physiologie  der  Gravidität  aufklären  sollen,  in  besonderer  Weise 
interessant.  Die  im  Auslande  schon  seit  längerer  Zeit  vertretene 
Ansicht,  dass  während  der  Schwangerschaft  Schädigungen  be¬ 
stimmter  Organe,  so  z.  B.  der  Leber  vorhanden  sind,  die  sich  in  Ver¬ 
änderungen  des  Stoffwechsels  äussern,  wird  in  den  letzten  Jahren 
auch  von  deutschen  Autoren  vertreten.  H  o  f  b  a  u  e  r  hat  versucht, 
diesen  Begriff  der  Toxämie  in  systematischer  Weise  auszuarbeiten, 
und  dabei  auf  die  für  die  Schwangerschaft  angeblich  typische  Ver¬ 
änderung  der  Leber  („Schwangerschaftsleber“)  hingewiesen.  Dieser 
Begriff  der  „Schwangerschaftsleber“  war  durch  ältere  Arbeiten 
wesentlich  gestützt  worden  und  schien  auch  weiterhin  eine  gewisse 
Beistimmung  zu  finden.  Die  Veränderungen  der  Leber  sollten  nach 
H  o  f  b  a  u  e  r  durch  eine  Ansammlung  von  Fett  im  Zentrum  der  Azini, 
durch  eine  Erweiterung  der  Venen  und  der  Gallenkapillaren  charak¬ 
terisiert  werden.  Diesen  Ausführungen  bin  ich  auf  Grund  ana¬ 
tomischer  Untersuchungen  an  Tieren  und  Menschen  entgegengetreten 
(1910)  und  obwohl  bald  darauf  Hofbauer  meine  Bedenken  damit 
zu  „zerstreuen“  suchte,  dass  er  sich  auf  eine  andere  Färbetechnik 
für  den  Fettnachweis  berief,  haben  sich  diese  Bedenken  auf  Grund 
weiterer  histologischer  und  chemischer  Untersuchungen  verdichtet 
und  mich  zu  einer  wiederholten  Ablehnung  dieses  Begriffes  der 
„Schwangerschaftsleber“  geführt  (1912).  Schon  in  meiner  ersten  Mit¬ 
teilung  hatte  ich  darauf  hingewiesen,  dass  die  Veränderungen  der 
einzelnen  Stickstoffkomponenten  des  Urins,  sowohl  in  der  Schwanger¬ 
schaft  als  auch  bei  Eklampsie  sehr  ungleichmässig  sind,  dass  sie  in 
keiner  Weise  berechtigen,  auf  eine  Insuffizienz  der  Leber,  als  dem 
Harnstoff  bildenden  Organ,  zu  schliessen.  Es  gibt  keine  Parallele 
zwischen  histologischen  Veränderungen  der  Leber  (Fettgehalt  als 
Ausdruck  der  Schädigung),  der  Stickstoffverteilung  im  Urin  und  dem 
klinischen  Bilde.  Eigene  Untersuchungen  haben  diese  Auffassung 
bekräftigt  und  verschiedene  Arbeiten  des  verflossenen  Jahres  sie 
bestätigt.  Zuerst  hat  Heinrichsdorfer  vom  histologischen 
Standpunkt  aus  den  Begriff  der  „Schwangerschaftsleber“  abgelehnt. 
Von  den  chemischen  Untersuchungen  sei  zuerst  die  in  exakter  Weise 
durchgeführte  Arbeit  von  Landsberg  hervorgehoben.  Ganz 
ähnlich  wie  seinerzeit  P.  B  a  r  konnte  er  nachweisen,  dass  erheb¬ 
liche  Mengen  von  Stickstoff,  Phosphor  und  Schwefel  im  Organismus 
der  Gravida  enthalten  sind,  und  zwar  mehr  als  den  Bedürfnissen  des 
Fötus  entspricht,  dass  die  Gravidität  also  für  die  Trägerin  eher  einen 
Gewinn  bedeutet.  Die  Verteilung  des  Stickstoffes  im  Urin  (Harn¬ 
stoff-,  Ammoniak-,  Aminosäure-N)  weicht  in  so  geringer  Weise  von 
den  Werten  ausserhalb  der  Gravidität  ab,  dass  Landsberg  darin 
einen  Beweis  für  die  Funktionsschwäche  der  Leber  während  der 
Gravidität  nicht  erblicken  kann.  Heynemann  hat  seine  Unter¬ 
suchungen  auf  den  Kreatin-  und  Kreatininstoffwechsel  ausgedehnt. 
Wenn  auch  eine  gesteigerte  Kreatinausscheidung  während  der 
Schwangerschaft  besteht,  so  kann  sie  mit  einer  Störung  der  Leber¬ 
funktion  nicht  zusammengebracht  werden,  da  die  Leber  nicht  die 
einzige  Bildungsstätte  dieser  Stoffe  ist.  Heynemann  hält  es  vor¬ 
läufig  für  besser,  diese  erhöhte  Ausscheidung  als  Aenderung  im 
Gesamtstoffwechsel  der  Schwangeren  anzusehen  und  macht  übrigens 
selbst  darauf  aufmerksam,  dass  die  Untersuchungen  über  Kreatin  und 
Kreatinin  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Leberfunktion  weiterer  Ver¬ 
vollständigung  bedürfen.  Vakulenko  hebt  ebenfalls  hervor,  dass 
selbst  grosse  Schwankungen  in  der  Kreatinausscheidung  für  die  Be- 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


urteilung  der  Leberfunktionen  nicht  zu  verwerten  sind.  Nach  seiner 
Ansicht  könnte  die  besonders  im  Wochenbett  erhöhte  Kreatin¬ 
ausscheidung  mit  der  Involution  des  Uterus  Zusammenhängen.  Zu 
dem  Nachweis  einer  Leberinsuffizienz  während  der  Gravidität  ist 
auch  die  alimentäre  Glykosurie  herangezogen  worden;  H  o  f  b  a  u  e  r 
hat  sich  dabei  auf  einige  frühere  Arbeiten  berufen.  Es  ist  gegen  die 
Annahme  einer  geringen  alimentären  Glykosurie  in  der  Gravidität 
nichts  einzuwenden,  sie  dürfte  als  physiologisch  erscheinen.  Diese 
Ansicht  vertritt  auch  Bergsma  und  ebenso  Pfeiffer  in  seiner 
demnächst  erscheinenden  Dissertation  aus  unserer  Klinik.  Die  aus¬ 
geschiedenen  Zuckermengen  sind  jedoch  so  gering,  dass  für  den  Nach¬ 
weis  einer  Leberinsuffizienz  ein  Anhaltspunkt  nicht  besteht.  Da 
nun  gegen  die  Prüfung  der  Kohlehydrattoleranz  durch  Urinunter¬ 
suchungen  immerhin  manches  eingewendet  werden  kann  (Bedeutung 
der  Nieren),  haben  verschiedene  Autoren  den  Zuckergehalt  des  Blutes 
während  der  Schwangerschaft  und  ausserdem  noch  nach  Ver¬ 
abreichung  von  Zucker  untersucht.  Benthin  hat  nachgewiesen, 
dass  während  der  Gravidität  der  Blutzuckergehalt  die  Norm  nicht 
übersteigt;  dagegen  kommt  es  unter  der  Geburt  zu  einer  Erhöhung 
desselben  (besonders  in  der  Nachgeburtszeit  oder  kurz  nachher);  im 
Wochenbett  finden  sich  sehr  bald  normale  Werte.  Auch  bei  der 
Eklampsie  besteht  eine  erhebliche  Steigerung  des  Blutzuckers;  dabei 
ist  der  Grad  der  Nephritis  völlig  irrelevant.  Benthin  ist  geneigt, 
die  hohen  Blutzuckerwerte  unter  der  Geburt  und  bei  der  Eklampsie 
im  wesentlichen  auf  die  durch  den  Geburtsakt  gesteigerte  Muskel¬ 
tätigkeit  und  auf  die  Krämpfe  zurückzuführen,  wobei  allerdings  für 
die  Eklampsien  noch  toxische  Einflüsse  in  Betracht  kommen.  Auch 
B  e  r  g  s  m  a  findet  normale  Zuckerwerte  am  Ende  der  Gravidität, 
eine  Erhöhung  der  Werte  im  Verlaufe  der  Geburt  und  einen  Abfall 
im  Wochenbett;  im  Gegensatz  zu  Benthin  konnte  er  bei  Eklampsie 
eine  Erhöhung  nicht  nachweisen,  wohl  aber  in  3  von  4  Fällen  bei 
Schwangerschaftsniere.  In  einzelnen  Fällen  wurde  im  Wochenbett 
ein  starker  Abfall  des  Blutzuckers  festgestellt,  nachdem  während  der 
Gravidität  ein  deutlicher  Anstieg  aufgetreten  war.  In  solchen  Fällen 
glaubt  Bergsma  aus  dem  immerhin  grossen  Zahlenunterschied  auf 
eine  gestörte  Leberfunktion  vor  der  Geburt  schliessen  zu  können. 
Nach  der  Verabreichung  von  Zucker  stellte  er  in  manchen  Fällen 
eine  Erhöhung  des  Blutzuckers  fest,  lehnt  es  also  ab,  besondere 
Schlüsse  daraus  zu  ziehen.  Nach  seinen  Untersuchungen  sieht 
Bergsma  den  Zuckerstoffwechsel  in  der  normalen  Schwanger¬ 
schaft  nicht  als  gestört  an,  „eine  verminderte  Leberfunktion  ist  nicht 
anzunehmen  und  der  Begriff  der  Schwangerschaftsleber  in  diesem 
Sinne  ist  nicht  anzuerkennen“.  Die  häufige  alimentäre  Glykosurie 
in  der  Schwangerschaft  führt  er  auf  eine  physiologische  Hyper¬ 
funktion  der  Nierenepithelien  zurück.  Schirokauer  hat  weder 
unter  normalen  Verhältnissen  noch  nach  Darreichung  von  Zucker 
eine  wesentliche  Steigerung  des  Blutzuckers  feststellen  können.  Die 
ausgezeichneten  Untersuchungen  von  G  a  m  m  e  1 1  o  f  t  endlich  zeigen, 
dass  während  der  Gravidität  wohl  erhöhte  Ansprüche  an  die  Organe 
und  so  auch  an  die  Leber  gestellt  werden,  dass  eine  Insuffizienz 
derselben  aber  nicht  angenommen  werden  kann. 

Alle  diese  zahlreichen  mühevollen  Arbeiten  sind  immer  noch 
nicht  in  der  Lage,  uns  über  die  Vorgänge,  welche  sich  während  der 
Schwangerschaft  entwickeln,  Klarheit  zu  verschaffen.  Wenn  sie  auch 
immer  mehr  Sicherheit  darüber  geben,  dass  Schädigungen  wichtiger 
Organe  nicht  vorhanden  sind,  dass  der  Körper  sogar  Nährstoffe  auf¬ 
speichert,  so  lassen  sie  doch  —  dies  gilt  besonders  für  biologische 
und  serologische  Untersuchungen  —  gewisse  Vorgänge,  welche  patho¬ 
logischerweise  vielleicht  aber  auch  schon  normal  sich  abspielen,  voll¬ 
ständig  unaufgeklärt.  Das  Wesen  der  Eklampsie  ist  wohl  um  einige 
Theorien  reicher  geworden,  bleibt  aber  trotzdem  noch  im  Dunklen. 
Inwieweit  die  Therapie  aus  diesen  Arbeiten  Früchte  gewinnen  kann, 
lässt  sich  noch  nicht  absehen.  (Schluss  folgt.) 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

J.  G  a  u  1  e:  Praktische  Uebungen  in  der  Physiologie.  S.  H  i  r  z  e  1, 
Leipzig  1912.  134  Seiten,  geb.  M.  4.50. 

R.  Tiger  stedt:  Physiologische  Uebungen  und  Demonstra¬ 
tionen  für  Studierende.  S.  H  i  r  z  e  1,  Leipzig  1913.  402  Seiten,  geh. 
M.  12,  geb.  M.  14. 

Der  von  Gaule  veröffentlichte  Leitfaden  für  das  physiologische 
Praktikum  ist  nur  als  Hilfsmittel  beim  Unterricht  gedacht.  Er  ent¬ 
hält  die  vom  Praktikanten  auszufiihrenden  Aufgaben  und  eine  knappe 
Beschreibung  der  Handgriffe.  Es  werden  bei  den  Versuchen  in 
gleicher  Weise  physiologisch-chemische,  wie  physiologisch-physi¬ 
kalische  Versuche  berücksichtigt.  Nur  an  sehr  wenigen  Stellen  wird 
über  I  heoretisches,  vom  Praktikanten  nicht  unmittelbar  zu  Behandeln¬ 
des  berichtet,  so  z.  B.  bei  den  Versuchen  über  Blutfarbstoff.  In 
solchen  Fällen  ist  die  Behandlung  zu  knapp,  um  wirklich  aufklärend 
zu  wirken. 

Die  für  die  Versuche  gegebenen  Vorschriften  sind  durchaus 
praktisch,  die  Auswahl  der  Versuche  erscheint  zweckmässig.  Das 
Buch  ist  aber  nur  als  Leitfaden  gedacht  und  daher  nur  für  Ver¬ 
wendung  im  Praktikum  geeignet,  es  bietet  kein  allgemeineres 
Interesse. 

Ganz  anders  ist  die  Aufgabe,  die  sich  Tigers  tedt  in  seinem 
Leitfaden  gestellt  hat.  Er  wünschte  nicht  nur  eine  Darstellung  der 


einfachen,  vom  Studenten  selbst  auszuführenden  Versuche  in  ge¬ 
drängter  Form,  er  hat  einen  Leitfaden  der  Praktischen  Physiologie 
geschrieben.  Es  existiert  ein  gewisser  Parallelismus  zwischen  dem 
Tigerstedt  sehen  Buch  und  der  allbekannten  Praktischen  Physik 
von  Kohlrausch.  Auch  dieses  letztere  Buch  ist  anfänglich  ein 
Leitfaden  für  das  Praktikum  gewesen,  hat  sich  aber  allmählich  zu  dem 
Buch  entwickelt,  das  jeder,  der  nicht  durchaus  vertraut  mit  den  physi¬ 
kalischen  Methoden  ist,  bei  Ausführung  einer  Aufgabe  zuerst  äuf- 
schlägt.  So  ist  der  Tigerstedt  sehe  Leitfaden  keineswegs  nur  für 
den  im  Praktikum  beschäftigten  Studenten,  es  ist  auch  ein  Buch 
zur  Orientierung  für  diejenigen,  die  sich  gelegentlich  physiologischer 
Methoden  bedienen;  praktische  Mediziner,  Zoologen  etc.  Nicht  jeder 
von  diesen  wird  das  Handbuch  der  physiologischen  Methodik,  das  ja 
vom  gleichen  Verfasser  herausgegeben  wird,  zur  Verfügung  haben 
und  selbst  wenn  er  es  hat,  wird  die  Zusammenstellung  der  ein¬ 
fachsten  und  klarsten  Methoden,  wie  sie  der  Leitfaden  bringt,  immer 
willkommen  sein. 

Der  Verf.  geht  von  dem  Grundsätze  aus,  dass  die  vom  Stu¬ 
denten  selbst  auszuführenden  Versuche  im  physiologischen  Praktikum 
nicht  genügen,  dass  sie  vielmehr  durch  Demonstrationen  ergänzt 
werden  müssen.  Für  den  Studenten  ist  an  der  Hand  des  Buches 
das  Verständnis  des  Gesehenen  sehr  erleichtert. 

In  dem  Leitfaden  von  Tigerstedt  sind  im  Gegensatz  zu  dem 
von  Gaule  nur  die  speziell  physiologischen  Methoden  dargestelh. 

H  o  f  f  m  a  n  n  -  Würzburg. 

W.  Prutz  und  E.  Monnier:  Die  chirurgischen  Krankheiten 
und  Verletzungen  des  Darmgekröses  und  der  Netze.  Stuttgart, 

Enke,  1913.  Preis  M.  18. 

Nach  einer  umfassenden,  übersichtlichen  Anführung  der  Literatur  | 
und  entsprechenden  Bemerkungen  zur  Entwicklungsgeschichte  und 
Anatomie  des  betreffenden  Gebietes  (die  für  die  inneren  Hernien 
[Hernia  duodeno-jejunalis,  mesocolica,  intersigmoidea]  ungemein 
wichtig  sind)  geben  die  Autoren  eine  ausführliche  Darstellung  der 
Verletzungen  (Wunden  und  Risse)  des  Gekröses  uind  behandeln  die 
akuten  und  chronischen  entzündlichen  Affektionen,  wobei  auch  das 
klinisch  wichtige  Krankheitsbild  der  Netztorsion,  die  Erkrankungen  der 
Gefässe  (Aneurysmen,  Embolien  und  Thrombosen)  eingehende  Be¬ 
sprechung  finden.  In  gleicher  Ausführlichkeit  werden  die  Tumoren 
des  Netzes  und  Gekröses  (Zysten  und  solide  Tumoren)  dargestellt 
und  eine  reiche  Kasuistik  zur  Präzisierung  des  Mechanismus  der 
Entstehung,  der  Symptomatologie  und  Diagnostik  der  einzelnen  Affek¬ 
tionen  verwertet,  auch  Indikationen  und  Resultate  der  Behandlung, 
die  zur  Klarstellung  vielfach  unternommenen  experimentellen  For¬ 
schungen  entsprechend  angeführt.  Wenn  auch,  wie  die  Autoren  ein¬ 
leitend  hervorheben,  eine  Uebersicht  des  jetzigen  Standes  der  Chi¬ 
rurgie  des  Gekröses  und  Netzes  noch  nichts  Abgeschlossenes  sein 
kann  und  manche  Lücken  erst  durch  gemeinsame  Arbeit  ausgefüllt 
werden  können,  so  ist  doch  die  umfassende  Arbeit  von  Pr.  und  M. 
sicher  geeignet,  in  vielem  anregend  und  belehrend  zu  wirken  und 
zum  weiteren  Ausbau  des  betreffenden  Gebietes  beizutragen. 

Schreiber. 

Fr.  Delporte:  Contribution  ä  l’etude  de  la  nidation  de  l’oeui 
huniain  et  de  la  Physiologie  du  trophoblaste.  L  a  m  e  r  t  i  n,  Bruxelles, 

1912. 

Der  erste  Teil  dieses  Werkes  ist  den  zyklischen  Veränderungen 
der  Uterusschleimhaut  gewidmet.  Zu  diesen  Untersuchungen  sind  12 
durch  Exstirpation  des  Uterus  gewonnene  Präparate  verwendet  wor¬ 
den.  Sehr  gute  mikrophotographische  Abbildungen  unterstützen  die 
ausführliche  Beschreibung,  aus  der  nur  hervorgehoben  sei,  dass  die  t 
prämenstruellen  Veränderungen  Variationen  unterliegen  und  nicht 
immer  so  intensiv  sind,  als  dies  von  mancher  Seite  behauptet  wird. 
Als  Zweck  der  prämenstruellen  Umwandlung  der  Schleimhaut  er¬ 
scheint  die  Aufnahme  des  befruchteten  Eies.  Dass  solche  Verände¬ 
rungen  nicht  nur  beim -Menschen  Vorkommen,  zeigen  Untersuchungen 
beim  Schaf  und  Kaninchen,  in  deren  Uteri  zur  Zeit  der  verschiedenen . 
Brunstperioden  ähnliche  Umwandlungen  der  Schleimhaut  nachge¬ 
wiesen  werden.  Nach  D.  fällt  die  Ovulation  mit  der  Menstruation 
zeitlich  zusammen  und  zwar  in  der  Weise,  dass  die  Berstung  eines 
Follikels  dem  Eintritt  der  Blutung  vorhergeht.  Die  Menstruation 
wird  durch  die  Reifung  und  Berstung  des  Follikels  hervorgerufen. 
Der  Blutabgang  selbst  ist  nur  die  Folge  der  vorherigen  Hyperämie, 
nicht  aber  das  Zeichen  der  Nichtbefruchtung  des  Eies.  Das  bei  der 
Follikelberstung  ausgetretene  Ei  braucht  vielmehr  bis  zu  seiner  Wan¬ 
derung  in  die  Uterushöhle  etwa  20  Tage,  wo  es  dann  innerhalb  der 
nächsten  prämenstruellen  Zeitperiode  eintrifft. 

Die  Einbettung  des  befruchteten  Eies  findet  nicht  durch  Um¬ 
lagerung  von  seiten  der  Schleimhaut,  sondern  in  der  Weise  statt, 
dass  das  Ei  die  Epitheldecke  der  Schleimhaut  durchbricht.  An  zwei 
Eiern  aus  früher  Zeit  werden  die  ersten  Vorgänge  bei  der  Eiein¬ 
bettung  verfolgt.  Es  sind  die  Langhans  sehen  Zellen,  welche 
aktiv  vorgehen  und  maternes  Gewebe  zerstören;  aus  der  Ver¬ 
schmelzung  von  L a n  gh  a  n  s  sehen  Zellen  entsteht  das  Synzytium. 
das  nicht  destruktiv  wirkt.  Bei  sehr  jungen  Eiern  sind  intervillösc 
Räume  und  eine  zugehörige  Blutzirkulation  noch  nicht  vorhanden. 
Durch  die  peripheren  Langhans  sehen  Zellen  sind  aber  mütterliche 
Gefässe  schon  arrodiert  worden  und  aus  dem  ausgetretenen  Blut, 
samt  mütterlichen  Zellentrümmern  und  Flüssigkeit  wird  eine  Art 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


5.  März  1913. 


657 


nbryotrophe  Masse  gebildet,  aus  der  die  Nahrung  für  das  fötale 
ellenmaterial  entnommen  wird.  Diese  Vorgänge  spielen  sich  in  der 
mlagerungszone  ab,  welche  so  die  Rolle  eines  wichtigen  Organs  | 
esitzt,  innerhalb  dessen  auf  der  fötalen  Seite  Zerstörung  und  auf  j 
er  maternen  Wiederaufbau  stattfindet.  Im  Verlaufe  des  2.  Monats 
ndet  ein  Untergang  fötaler  Elemente  in  der  Peripherie  der  Tropho- 
lastschale  statt  und  so  entstehen  Hohlräume,  in  die  mütterliches 
lut  leichter  eindringen  kann,  der  Beginn  der  intervillösen  Räume. 

Diese  kurze  Inhaltsangabe  gibt  wohl  zu  erkennen,  dass  der 
utor,  von  einzelnen  Punkten  abgesehen,  die  durch  das  Peterssche  i 
i  inaugurierte  Lehre  der  Eieinbettung  an  der  Hand  seiner  Präparate 
estätigen  konnte.  Schickele  -  Strassburg. 


E,  Poulsson,  Professor  der  Pharmakologie  an  der  Universität 
hristiania:  Lehrbuch  der  Pharmakologie.  Deutsche  Originalaus- 
abe,  besorgt  von  Dr.  F.  L  e  s  k  i  e  n,  Leipzig.  Mit  einer  Einführung 
on  Professor  W.  Straub  in  Freiburg.  2.  Aufl.  mit  8  Figuren, 
eipzig.  Verlag  von  S.  H  i  r  z  e  1,  1912. 

Der  Ende  1909  erschienenen  1.  Auflage  (siehe  Münch,  med. 
Vochenschr.  No.  11,  1910)  konnte  bereits  nach  3  Jahren  eine  neue 
ilgen,  ein  Beweis  dafür,  dass  Arzneimittellehren,  die  —  wie  obige  — 
ui  wissenschaftlicher  Grundlage  fussend,  die  praktische  Anwend- 
arkeit  der  Pharmaka  betonen,  erwünscht  und  begenrt  sind.  Dem 
ortschreiten  wissenschaftlicher  Forschung  entsprechend  sind  an 
lancheu  Stellen  Aenderungen  getroffen  und  soweit  es  sich  mit  dem 
iewissen  vereinbaren  lässt,  neue  Arzneimittel  aufgenommen  worden. 

Die  Einteilung  der  Materie  entspricht  im  wesentlichen  dem 
Suchheim-Schmiedeberg  sehen  pharmakologischen  System, 
tofie  mit  gleichen  Grund-  resp.  Hauptwirkungen  werden  zusammen 
esprochen,  wobei  die  jedem  einzelnen  dieser  Stoffe  eigentümlichen 
»eiteren  Wirkungen  angefügt  sind. 

Besonders  hervorheben  möchte  ich  wiederum  die  Klarheit  der 
Erstellung  und  die  Uebersichtlichkeit  der  Einteilung,  die  ein  rasches 
Irientieren  über  das,  was  den  Arzt  eben  interessiert,  ermöglicht. 

A.  Jodlbauer. 


Graefe-Saemisch:  Handbuch  der  gesamten  Augenheil- 
unde.  II.,  neubearbeitete  Auflage.  Hirschberg:  Geschichte  der 
lugenheilkunde.  XIV.  Band,  III.  Teil,  Lieferung  221  bis  224.  Preis 
eheftet  M.  12. 

Dem  zweiten  Teil,  der  die  Geschichte  der  deutschen  Augenheil- 
unde  von  1800  bis  1850  brachte,  folgt  nun  im  dritten  Teil  die  der 
ranzösischen  in  demselben  Zeitraum.  Auf  310  Seiten,  mit  13  Figuren 
m  Text  und  9  Tafeln  wird  der  Stoff  mit  derselben  Ausführlichkeit 
bgehandelt,  wie  die  früheren  Kapitel.  Panas,  Dupuytren,  den 
in  reproduziertes,  im  Louvre  befindliches  Gemälde  als  erfolgreichen 
'taroperateur  vor  König  Karl  X.  zeigt,  Sichel,  dem  allein  etwa 
0  Seiten  gewidmet  werden,  Du  Villard,  Sanson  (bekannt  durch  die 
Entdeckung  der  nach  ihm  und  Purkinje  benannten  Linsenbildchen), 
Hoquet,  Velpeau,  der  die  Augenärzte  und  andere  Spezialisten  für 
iberflüssig  hielt  und  dafür  aus  dem  anderen  Lager  Dinge  zu  hören 
)ekam,  die  auch  heute  noch  den  Vertretern  des  enzyklopädistischen 
Standpunktes  als  nützliche  Lektüre  empfohlen  werden  können,  M  a  1  - 
:  a  i  g  n  e,  der  die  Entwicklung  des  Altersstars  aufdeckte,  V  i  d  a  1, 
Jesmarres,  der  Verfasser  eines  wertvollen  Lehrbuches,  Guepin, 
Stoeber  und  viele  andere  werden  eingehend  in  ihrem  Lebenswerk 
:e\viirdigt.  Rückblicke  und  Ausblicke,  zusammenfassende  Be- 
;prechungen  einzelner  wichtigerer  Krankheitsbilder  und  Verfahren 
restalten  die  Lektüre  abwechslungsreicher  und  aktueller. 

Salzer-  München. 


Mil.  Andreas  Högyes,  o.  ö.  Professor  der  allgemeinen  und 
xperimentellen  Pathologie  der  Kgl.  ung.  Univ.  in  Pest:  Ueber  den 
'fervenmechanismus  der  assozierten  Augenbewegungen.  Uebersetzt 
»'on  Dr.  Martin  S  u  g  ä  r  in  Pest. .  Urban  &  Schwarzenberg 
1913. 


Wie  die  Redaktion  (Monatsschr.  f.  Obrenheilk.  und  Laryngo- 
^hinologie)  zum  Vorwort  bemerkt,  bringt  sie  ausnahmsweise  die 
nichtigen  Studien  Högyes’  im  Gewände  einer  Uebersetzung,  ver- 
mlasst  durch  die  grosse  Bedeutung  Högyes’  für  die  Erkennung 
Physiologischer  und  pathologischer  Zustände  des  Labyrinthes,  die  ge- 
ade  in  den  letzten  Jahren  im  Brennpunkt  des  Interesses  stehen.  Die 
Arbeiten  sind  im  ungarischen  Original  in  den  Annalen  der  Akademie 
Jer  Wissenschaften  in  Pest  1881,  Bd.  X  und  XIV  erschienen.  Die 
>tudien  Högyes’  handeln  1.  von  den  die  Kopf-  und  Körperbe¬ 
wegungen  begleitenden  assoziierten  Augenbewegungen  beim  Ka¬ 
ninchen,  bei  anderen  Säugetieren  und  beim  Menschen,  2.  über  den  Ein¬ 
fluss  der  einzelnen  Teile  des  Nervensystems  auf  die  unwillkürlichen 
assoziierten  Augenbewegungen,  3.  über  die  detaillierte  Einrichtung  des 
assoziierten  Nervenmechanismus  der  Augenbewegungen.  Es  wird  in 
den  einzelnen  Abschnitten  eine  Uebersicht  über  die  bisherigen  Be¬ 
obachtungen  gegeben  und  es  werden  die  Untersuchiingsmethoden  und 
-resultate  des  Verfassers  geschildert  und  zusammengefasst.  Die  Ar¬ 
beiten  Högyes’  werden  für  jeden,  der  sich  mit  dem  schwierigen 
Kapitel  der  assozierten  Augenbewegungen  befassen  will,  auch  heute 
noch  von  grösstem  Werte  sein  und  es  ist  daher  die  vorliegende 
einwandfreie  Uebersetzung  von  Sugär  nur  zu  begriissen. 

Fleischer-  Tübingen. 


Grundriss  der  gerichtlichen  Medizin  (einschliesslich  Unfall-  und 
Invalidenversicherung)  für  Aerzte  und  Juristen.  Von  Geh.  Medizinal¬ 
rat  Dr.  G.  Gottschalk,  Kreisarzt  in  Rathenow.  Vierte  vermehrte 
und  verbesserte  Auflage.  Leipzig  1912.  Verlag  von  Georg  Thieme. 
471  S.  Preis  6.50  M. 

Allein  die  Tatsache,  dass  der  „Kleine  Gottschalk“,  der  im 
Jahre  1894  das  erste  Mal  erschienen  ist,  heute  in  vierter  Auflage 
vorliegt,  beweist  zur  Genüge,  dass  sich  dieser  Grundriss  grosser 
Beliebtheit  erfreut,  weil  er  eben  einem  praktischen  Bedürfnis  ent¬ 
spricht!  Auf  die  Vorzüge  des  Werkchens  habe  ich  schon  bei  Be¬ 
sprechung  der  letzten  Auflage  (1908)  gebührend  hingewiesen;  in  der 
vorliegenden  Auflage  war  eine  erhebliche  Vergrösserung  des  Umfangs 
dadurch  gegeben,  dass  in  dasselbe  aus  dem  „Riesengesetzbuch  der 
Reichsversicherungsordnung“  die  den  ärztlichen  Gutachter  an¬ 
gehenden  wichtigsten  Paragraphen  aufgenommen  und  dann  ausser¬ 
dem  die  bei  Begutachtungen  in  Betracht  kommenden  Gesichtspunkte 
eingehendere  Besprechung  als  früher  erfahren  haben;  auch  die  für 
den  Amtsarzt  massgebenden  Bestimmungen  aus  dem  (preussischen) 
Feuerbestattungsgesetz  und  die  dazu  gegebenen  Vorschriften  für  die 
Ausführung  der  amtsärztlichen  Leichenschau  zwecks  Feuerbestattung 
sind  angeführt  —  Erweiterungen,  die  für  den  Interessentenkreis  des 
Werkchens  sehr  willkommen  sein  müssen! 

So  wird  sich  der  Grundriss  auch  in  seiner  neuen  Gestalt  sowohl 
unter  den  Aerzten,  den  beamteten  und  den  nicht  beamteten,  als  auch 
unter  den  Juristen  rasch  Freunde  gewinnen! 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Pelmann:  Erinnerungen  eines  alten  Irrenarztes.  Cohen, 
Bonn  1912.  145  S.  Preis  3  M. 

Diese  Erinnerungen  zeichnen  sich  vor  vielen  anderen  dadurch 
aus,  dass  sie  sich  mehr  darum  kümmern,  was  den  Leser  interessiert, 
als  wie  der  Verfasser  sich  herausstreichen  könne.  Voller  Lebendig¬ 
keit  und  Humor  bilden  sie  nicht  nur  eine  Lektüre  für  freie  Stunden, 
sondern  dem,  der  überhaupt  aus  der  Vergangenheit  etwas  lernen 
kann,  bieten  sie  manche  nützliche  Anregung;  die  Beschreibung  einer 
Anzahl  von  Anstalts-  und  Direktorenindividuen  gibt  prachtvolle  Ge¬ 
legenheit,  zu  zeigen,  nicht  nur  wie  die  psychiatrischen  Anschauungen 
sich  in  einem  halben  Jahrhundert  entwickelt  haben,  sondern  auch, 
wie  eine  selbständige  Persönlichkeit  sich  mit  den  Verhältnissen  und 
den  Personen  abfindet  —  vom  Studenten,  der  sich  in  Siegburg  in  die 
ihm  vollständig  neue  Welt  der  Psychiatrie  einführen  lässt  und  vom 
Bataillonsarzt  im  polnischen  und  dänischen  Feldzuge  bis  zum  Re¬ 
organisator  der  von  den  Franzosen  verlassenen  elsässischen  Irren¬ 
anstalt,  der  schliesslich  wieder  "in  die  rheinische  Heimat  zurückkehrt 
und  dort  die  für  seine  Laufbahn  höchst  möglichen  Würden  und 
Bürden  auf  sich  nimmt  und  mit  Geschick  und  zum  Nutz  und 
Frommen  seiner  Mitbürger  trägt.  Bleuler-  Burghölzli. 

O.  R  i  g  I  e  r  -  Darmstadt:  Landkolonien  Siir  Unfallverletzte  und 
Invalide  und  ihre  innere  Organisation.  Leipzig  1912.  J.  A.  Barth. 
8°.  51  S.  Preis:  1  M. 

Das  Problem,  Unfallverletzten  die  Möglichkeit  zu  geben,  in 
besserer  und  sicherer  Weise,  als  dies  sonst  der  Fall  ist,  den  Rest  ihrer 
Arbeitsfähigkeit  verwerten  zu  können,  ist  schon  von  verschiedenen 
Seiten  in  Angriff  genommen  worden.  Die  Resultate  sind  bisher  keine 
sehr  grossen  gewesen,  was  zum  Teil,  vielleicht  sogar  zum  grössten 
Teil,  in  den  Schwierigkeiten,  die  von  seiten  der  Unfallverletzten 
selbst  gemacht  werden,  liegt.  Der  Leiter  der  „Ernst-Ludwig-Heil- 
anstalt“  entwickelt  in  der  vorliegenden  Schrift  einen  grosszügigen, 
noch  weitergehenden  Plan  zur  Verwirklichung  dieser  Idee,  von  dem 
er  allerdings  selbst  zugibt,  dass  ihre  Realisierung  nicht  so  ohne  wei¬ 
teres  durchzuführen  ist,  und  dass  namentlich  in  pekuniärer  Hinsicht 
noch  manches  Hindernis  aus  dem  Wege  zu  räumen  sei,  bevor  eine 
solche  Kolonie  in  die  Erscheinung  treten  kann.  Im  einzelnen  wird 
die  Organisation  der  vier  gedachten  Abteilungen  (Heimstätte  für 
Tuberkulöse,  eigentliche  Kolonie  für  Unfallverletzte  und  Invalide,  Ge¬ 
sundungsabteilung  für  Amputierte  u.  dgl.,  Heimstätte  für  Verkrüppelte) 
eingehend  auseinandergesetzt.  Die  Zukunft  muss  zeigen,  ob  und  in¬ 
wieweit  das  Projekt,  das  an  und  für  sich  vollste  Förderung  verdient, 
in  die  Tat  umgesetzt  werden  kann. 

M.  S  c  h  w  a  b  -  Berlin-Wilmersdorf. 

Vademecum  anatomicum.  Kritisch-etymologisches  Wörterbuch 
der  systematischen  Anatomie.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Synonymen.  Nebst  einem  Anhang:  Die  anatomischen  Schriftsteller 
des  Altertums  bis  zur  Neuzeit.  Von  Paul  de  Terra  -  Zollikon- 
Zürich.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer,  1913.  Preis  15  M. 

Die  gesamte  Nomenklatur  der  Anatomie  wird  in  diesem  Wörter¬ 
buch  definiert  und  etymologisch  erklärt.  Für  die  Vollständigkeit 
spricht  die  Tatsache,  dass  nicht  weniger  als  14  000  Schlagwörter 
untergebracht  sind.  Zugrunde  gelegt  sind  die  neueren  anatomischen 
Lehrbücher  und  die  Baseler  Nomenklatur.  Eine  sprachliche  Ein¬ 
führung  und  ein  Verzeichnis  der  lateinisch-griechischen  Präfixe  und 
Suffixe  geht  voraus,  beides  sehr  willkommen,  besonders  für  nicht 
humanistisch  vorgebildete  Mediziner.  Sehr  wertvoll  ist  auch  das  in 
einem  Anhang  gebrachte  Verzeichnis  der  anatomischen  Schriftsteller 
des  Altertums  und  der  Neuzeit  mit  kurzen  biographischen  Notizen. 
Das  Buch  ist  eine  erwünschte  Ergänzung  der  bestehenden  Iermino- 
logien,  die  alle  in  bezug  auf  die  anatomischen  Ausdrücke  mehr  ode: 
weniger  unvollständig  waren. 


658 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


Neueste  Journaliteratur. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 
83.  Band,  1.  Heft.  Tübingen,  Laupp,  1913. 

Aus  der  chirurgischen  Klinik  und  dem  pathologischen  Institut  zu 
Lund  geben  Gunnar  F  r  i  s  i  n  g  und  Einar  S  j  ö  v  a  1 1  eine  Arbeit  über 
die  phlegmonöse  Enteritis  im  Duodenum  und  Anfangsteil  des  Jejunum 
unter  Bericht  über  2  Fälle  mit  Berücksichtigung  des  histologischen 
Befundes.  Bezüglich  Symptomen  und  Diagnose  der  Erkrankung  be¬ 
sprechen  die  Autoren  besonders  die  Differentialdiagnose  gegenüber 
Ulcus  ventr.  oder  duod.  ac.  perforat.  und  Pankreasaffektionen.  Das 
klinische  Bild  der  phlegmonösen  Enteritis  in  Duodenum  und  an¬ 
grenzendem  Jejunum  ist  nach  Fr.  und  S.  keineswegs  so  uncharakte¬ 
ristisch,  als  man  glaubte,  und  verdient  grössere  Beachtung.  Die  akut 
einsetzenden  und  heftigen  Allgemeinsymptome  eines  ernsten  Bauch¬ 
leidens,  charakteristische  empfindliche  Resistenz,  den  affizierten 
Darmteilen  entsprechend,  können  zu  richtiger  Diagnose  führen.  Die 
Erkrankung  entsteht  in  weitaus  den  meisten  Fällen  infolge  örtlicher 
Schleimhautverletzung  mit  bakterieller  Invasion  vom  Darmlumen  aus. 
Oft  ist  ein  Fremdkörper  die  Ursache  (wie  z.  B.  eine  Fischgräte  in 
einem  der  näher  mitgeteilten  Fälle).  Die  nötige  Virulenz  der  Bak¬ 
terien  wird  sicher  durch  eine  vorhandene  Sekretionsanomalie  des 
Magens  ermöglicht.  Die  Lokalisation  des  Prozesses  ist  eventuell 
durch  die  Disposition  der  betr.  Darmteile  für  mechanische  Schädi¬ 
gung,  die  relativ  fixierte  Lage  derselben  begünstigt,  eventuell  auch 
durch  die  geringere  Resistenz  in  höherem  Alter. 

L.  Simon  gibt  aus  dem  Mannheimer  allg.  Krankenhaus  einen 
Beitrag  zur  Behandlung  der  perforierten  Magen-  und  Duodenalulcera 
und  referiert  über  14  Fälle  (9  Männer,  5  Frauen  —  2  DuodenalulceraL 
bei  denen  sich  die  von  v.  Eiseisberg  empfohlene  Jejunostomie 
gut  bewährt  hat,  er  verbreitet  sich  über  die  Diagnose  und  Behand¬ 
lung.  Jede  Perforation  eines  Magen-  oder  Duodenalulcus  soll  sofort 
nach  sicherer  Diagnose  operativ  angegriffen  werden,  da  die  Prognose 
um  so  besser,  je  früher  operiert  wird.  Man  muss  danach  trachten, 
die  Perforation  fest  und  solide  zu  vernähen.  Als  Hilfsoperation  zur 
Entlastung  des  perforierten  Magens,  oder  Duodenums  kommen  Gastro¬ 
enterostomie  und  Jejunostomie  in  Betracht,  erstere  beim  Ulcus  der 
Pars  pylorica  und  kleinen  Kurvatur  mit  Stenoseerscheinungen  bei 
gutem  Allgemeinbefinden,  letztere  ohne  besondere  Rücksicht  auf  den 
Sitz  des  Ulcus  bei  Patienten  mit  schlechterem  Allgemeinbefinden,  bei 
denen  rasche  Hilfe  nottut. 

Aus  der  Krankenanstalt  Magdeburg-Sudenburg  berichtet 
O.  Retzlaff  über  Fremdkörper  des  Darmes  und  Wurmfortsatzes 
und  teilt  u.  a.  einen  als  Appendizitis  angesprochenen  Fall  von  Darm¬ 
perforation  im  lleum  durch  einen  Splitter  eines  Emailgeschirres  und 
eine  Perforation  der  Appendix  durch  eine  Stecknadel  mit.  sowie  den 
Befund  eines  Gliedes  einer  Taenia  solium  in  einem  wegen  Appendizitis 
exstirpiertem  Wurmfortsatz.  Im  Anschluss  hieran  gibt  R.  einige  all¬ 
gemeine  Bemerkungen  über  Fremdkörper  in  der  Appendix  und  im 
Darmkanal. 

Harald  F  o  w  c  1  i  n  berichtet  aus  dem  Stadtkrankenhause  II  zu 
Riga  über  einen  Fall  von  partieller  Naht  der  Arteria  brachialis  und 
einen  Fall  von  zirkulärer  Naht  der  Art.  femoralis,  beide  wegen  Schuss¬ 
verletzungen;  wie  die  beiden  Fälle  zeigen,  gibt  es  Fälle,  bei  denen 
trotz  ausgedehnter  Verletzung  der  grossen  Gefässe  peripher  ein  deut¬ 
licher  Puls  zu  fühlen  ist.  Betreffs  der  Diagnose  muss  auf  die  aus¬ 
kultatorischen  Phänomene  (Wahl)  grosses  Gewicht  gelegt  werden. 

Der  gleiche  Autor  referiert  über  einen  operativ  behandelten  Fall 
von  Stiqhverletzung  des  Perikards  und  der  rechten  Pleura  durch  ein 
Schustermesser  (Selbstmordversuch),  bei  dem  der  Proc.  ensiformis 
an  seiner  Basis  vom  Sternum  abgetrennt  war. 

Aus  dem  städt.  Obuchowkrankenhause  in  St.  Petersburg  be¬ 
spricht  W.  L  a  w  r  o  w  die  chirurgische  Behandlung  des  Pleura¬ 
empyems  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Nachbehandlung  mit 
Aspiration.  L.  gibt  einen  historischen  Ueberblick  über  das  Gebiet, 
referiert  über  die  in  7  Jahren  beobachteten  197  Empyemfälle  mit 
55  Proz.  Genesungen  und  spez.  über  114  plastische  Operatioinen  mit 
35,7  Proz.  Mortalität,  er  geht  auf  die  Mechanik  der  selbständigen 
Lungenentfaltung  nach  Thorakotomie  näher  ein,  bespricht  die  Theo¬ 
rien  von  Weisgerber,  Perthes  und  die  zwecks  künstlicher 
Lungenentfaltung  vorgeschlagenen  Methoden  (B  ii  laus  Heberdrai¬ 
nage,  die  K  ii  m  m  e  1 1  auf  die  Fälle  beschränkt,  bei  denen  bei  sehr  ge¬ 
schwächten  Empyemkranken  eine  Thorakotomie  nicht  gemacht  wer¬ 
den  kann,  bei  beiderseitigem  Empyem;  Heinzeis  Syphondrainage, 
den  Storch  sehen  und  N  o  r  d  m  a  n  n  sehen  Apparat),  der  letztere  hat 
den  grossen  Vorzug  der  Portativität  und  hat  L.  an  dem  Aspirator 
noch  Modifikationen  angefügt  (pneumatische  Reifen).  L.  gibt  Be¬ 
merkungen  über  die  Technik  der  Thorakotomie,  die  unter  Lokal¬ 
anästhesie  gemacht  werden  soll,  und  die  postoperative  Behandlung 
der  Empyeme;  er  betont  speziell  die  Bedeutung  kurzer  Drains,  die 
eben  den  Eingang  der  Pleurahöhle  erreichen  sollen;  betr.  der  Aspira¬ 
tionsbehandlung  empfiehlt  er  anfangs  nur  geringen  negativen  Druck 
(5 — 10  mm  Hg),  später  50 — 80  mm  Hg  wie  Perthes;  bei  chroni¬ 
schem  Empyem  ist  ein  negativer  Druck  von  100—120,  sogar  150°  er¬ 
forderlich.  L.  bespricht  die  R  e  i  n  e  b  o  t  h  -  und  Perthes  sehe 
Methode  zur  Bestimmung  der  Enfaltungsfähigkeit  der  Lunge,  die  er 
leider  für  unzuverlässig  hält;  erst  die  Aspirationsbehandlung  selbst  kann 
entscheiden,  ob  die  Lunge  im  gegebenen  Fall  noch  ausdehnungsfähig 


ist;  der  B  rau  er  sehe  Ueberdruckapparat  ist  nach  L.  die  vollkommenste 

und  rationellste  Methode  der  Lungenentfaltung  durch  die  Luftwege; 
Kombination  dieser  mit  der  Aspirationsbehandlung  nach  Thorakotomie 
bietet  die  beste  Aussicht  auf  Heilung.  In  Tabellenform  zeigt  L.  die 
Verkleinerung  der  Höhlen  durch  die  Aspirationsbehandlung,  die  einen 
wesentlichen  Einfluss  auf  die  Lungenentfaltung  und  Verkleinerung  uer 
Höhle  ausiibt  mid  sich  bei  der  Behandlung  des  akuten  Empyems  viel 
energischer  zeigt,  als  bei  der  Behandlung  des  chronischen  Empyems 
Nach  L.  ist  eine  notwendige  Bedingung  für  den  Erfolg  der  Aspira¬ 
tionstherapie  bei  Pleuraempyem  genügender  Eiterabfluss  (die  Höhle 
soll  frei  von  Eiter  sein  und  beim  Verbandwechsel  nichts  abfliessen ) 
Ohne  sorgfältige  Untersuchung  der  Grösse,  Richtung,  des  Charakters 
der  Empyemhöhle  resp.  des  Fistelgangs  kann  keine  genügende  Drai¬ 
nage  hergestellt  werden.  In  Anbetracht  der  bei  Empyem  häufigen1 
Komplikationen  ist  es  geboten,  einen  möglichst  raschen  und  vollständi¬ 
gen  Abfluss  zu  bewerkstelligen,  event.  darf  man  im  Notfall  mit 
wiederholten  Operationen  nicht  zögern.  Das  Aspiratioinsverfahren, 
kann  nur  beim  Vorhandensein  einer  gesunden  Lunge  auf  der  Seite  des! 
Empyems  vorgenommen  werden,  eine  kranke  Lunge  bedarf  der: 
Ruhigstellung.  In  Anbetracht  dessen,  dass  in  einer  grossen  Mehrzahl 
von  Empyemfällen  nach  der  Thorakotomie  eine  Lungenentfaltung  und 
Genesung  eintritt,  ist  es  nicht  nötig,  in  jedem  F'all  die  Aspirations¬ 
therapie  anzuwenden,  bemerkt  man  aber  schwache  Neigung  zur 
Lungenentfaltung,  Verzögerung  im  Kleinerwerden  der  Höhle,  so  muss! 
unbedingt  zu  dieser  Methode  gegriffen  werden.  Wenn  die  Wirkung 
der  Aspiration  auf  die  Höhle  eine  schwache  und  die  austretende  Eiter-: 
menge  eine  beträchtliche  ist,  so  sind  die  Aussichten  auf  eine  völlige! 
Lungenentfaltung  und  Verheilen  der  Höhle  nicht  gross. 

Ebenfalls  aus  dem  Obuchowkrankenhause  referiert  N.  Dobro-| 
w  o  1  s  k  a  j  a  über  den  klinischen  Wert  des  Scharlachrot  und  Amido- 
azotoluol  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  nach  den  Resultaten  ihrer1 
Untersuchungen  die  Anwendung  bei  reinen  granulierenden  Mund¬ 
flächen  keine  besseren  Resultate  gibt,  als  der  trockene  Verband  oder 
eine  indifferente  Salbe. 

H.  Hartung  gibt  aus  dem  Allerheiligenhospital  zu  Breslau! 
einen  Bericht  über  einen  extrarenalen  Nebennierentumor,  der  für  einen 
Pylorustumor  angesehen  und  erst  bei  der  Operation  als  abgekapselter 
Nebennierentumor  sich  zeigte  und  exstirpiert  wurde.  H.  geht  auf  die 
Diagnose  dieser  Nebennierentumoren  näher  ein,  und  ist  geneigt,  die 
Pulsbeschleunigung  nach  der  Operation  (F  r  a  n  z)  weniger  bedeu¬ 
tungsvoll  zu  halten  als  die  von  Israel  differentialdiagnostisch  her¬ 
vorgehobene  Fiebertemperatur  (bei  57  Proz.)  bei  Nebennieren¬ 
tumoren. 

Aus  der  gleichen  Abteilung  berichtet  Herrn.  Simon  über  einen 
Fall  von  Riedelscher  Struma  (nach  Strumektomie  aufgetreten),  der 

durch  Operation  geheilt  wurde. 

Aus  der  Freiburger  Klinik  berichtet  Joh.  O  eh  ler  über  das 
histologische  Bild  der  Basedowstruma  in  seinem  Verhältnis  zum  kli¬ 
nischen  Bild  der  Basedow  sehen  Krankheit  (zugleich  Beitrag  zur 
Kasuistik  der  Tuberkulose  des  Basedowstruma).  Er  kommt  zu  glei¬ 
chen  Resultaten  wie  Kocher,  dass  Verminderung  und  Verflüssigung 
des  Kolloids,  Vergrösserung  und  Vermehrung  der  Epithelzellen,  lyrn- 
phozytäre  Anhäufungen  gegenüber  der  normalen  Drüse  und  gewöhn¬ 
lichen  Struma  für  Basedowstruma  typisch  seien. 

Aus  dem  städt.  Krankenhause  zu  Nürnberg  berichtet  W.  Graef 
über  Erfahrungen  mit  den  intravenösen  Aether-  und  Isopral-Aether- 
Narkosen.  Seit  Juli  1910  wurden  daselbst  510  intravenöse  Narkosen 
vorgenommeti  (150  reine  Aether-,  360  Aether-Isopral-Narkosen;  es, 
wird  empfohlen,  zuerst  einige  Tropfen  Aether  oder  Chloroform  in¬ 
halieren  zu  lassen  und  die  Vene  freizulegen,  ein  Todesfall  wurde  nicht 
erlebt,  die  intravenöse  Nekrose  eignet  sich  besonders  für  Operationen 
am  Kopf  und  Hals  (Mund  und  Rachenhöhle,  z.  B.  Gaumenspaltenop. 
bei  Ausgebluteten  und  Kachektischen.  Leichte  Infektion  der  Infusions-, 
stelle  wurde  1  mal,  ebenso  Hämoglobinurie  1  mal  beobachtet.  Das 
Verfahren  kombinierter  Gabe  von  Aether  und  Isopral  hat  sich  be¬ 
sonders  bewährt,  seit  Februar  1911  wird  es  allgemein  angewandt, 
nie  wird  mehr  als  200  ccm  Lösung  (3  g  Isopral)  gegeben,  niemals  da¬ 
von  üble  Nachwirkung  gesehen  (20  mal  ganz  geringe  Exzitation.  4  mal 
stärkere,  5  mal  wurde  im  Urin  Eiweisstrübung  beobachtet,  die  jedochj 
nach  24 — 36  Stunden  verschwunden  war.  Komplikationen  (Infektion' 
und  Thrombose  bezw.  Embolie)  kommen  nur  infolge  mangelhafter 
Technik  vor,  sind  vermeidbar.  Gr.  schildert  den  von  Burkhardt 
benützten  Apparat  bezw.  dessen  Methode  und  gibt  eine  tabellarische 
Zusammenstellung  seiner  intravenösen  Narkosen. 

Aus  der  Marburger  Klinik  bespricht  Prof.  F.  A  h  1  f  e  1  d  Hand¬ 
schuhverletzungen  und  Händedesinfektion.  Er  bespricht  die  Häufig¬ 
keit  der  Handschuhverletzungen  (33  Proz.),  besonders  bei  geburts¬ 
hilflichen  Eingriffen  und  geht  auf  den  Wert  der  Händedesinfektiou 
von  neuem  ein,  er  betont,  dass  er  mit  seiner  Methode  (Heiss¬ 
wasser-Alkoholdesinfektion)  stets  vorzügliche  Resultate  erreichte,  die 
den  von  Hellendall  und  Fromme  erzielten  Resultaten  wider¬ 
sprechen.  Nach  1 — VA  Stunden  langer  Benützung  der  Handschuhe 
wurden  danach  keine  Keime  aus  der  Tiefe  frei,  ausgesprochene 
Tiefenwirkung  des  Alkohols  war  sicher  zu  konstatieren,  er  bedauert, 
dass  durch  die  Ansicht,  „die  Hand  sei  nicht  keimfrei  zu  machen“,  die 
Heisswasser-Alkoholmethode  vernachlässigt  werde  und  betont  die 
durch  Kulturversuche  damit  erprobten  günstigen  Resultate.  Die  Me¬ 
thode  verlangt  eine  präliminare  Waschung  mit  35 — 45  "warmen 
Wasser  und  Seife,  Kürzung  der  Nägel  und  Reinigung  des  Unternagel- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


659 


i.  März  1913. 

.  „gl - — - 

umes,  Abspülen  der  Seife  mit  reinem  warmem  Wasser,  Abreiben 
t  trockenem  Handtuch,  gründliche  Reinigung  mittelst  Wurzelbürste, 
•ife  und  warmem  Wasser.  Bei  abgetrockneten  Händen  benütze 
in  nur  80 — 90  proz.  Alkohol,  bei  nassen  die  stärkere  Konzentration 
is  96  Proz.),  benütze  eine  einem  alkoholhaltenden  Gefäss  ent- 
mmene  Bürste  3  Minuten  lang  und  reibe  dann  mit  weichem  Flanell- 
.ipen  die  Hand  und  die  einzelnen  Finger  durch  drehende  und 
ipfende  Bewegungen  ebenfalls  3  Minuten  lang.  A.  will  zu  er¬ 
nten  Versuchen  darüber  an  regen,  ob  nicht  doch  die  Hand  in  die 
efe  keimfrei  zu  machen  und  der  Gummihandschuh  vielfach  ent- 
hrlich  zu  machen  sei.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  10,  1913. 

R.  S  i  e  v  e  r  s  -  Leipzig:  Phrenikuslähmung  bei  Plexusanästhesie 

ch  Kulenkampff. 

Verf.  erlebte  kürzlich  im  Anschluss  an  eine  Kulenkampff- 
lie  Plexusanästhesie  eine  mit  heftigen  Schmerzen  einhergehende 
otilitätsstörung  einer  Zwerchfellhälfte,  die  sich  nach  3  Tagen  wieder 
llkommen  verlor.  Man  könnte  an  eine  Lähmung  des  N.  phrenicus 
ier  an  eine  „Neuralgia  phrenica“  oder  an  entzündliche  oder  mecha- 
>che  Schädigung  des  Nerven  denken;  jedenfalls  erfährt  die  Plexus- 
ästhesie  durch  diese  Komplikation  keine  Einschränkung,  wenn  nicht 
reits  die  Respirationsorgane  vorher  erkrankt  sind.  (Mit  2  Röntgen- 
ibildungen.) 

H.  Fo  we  1  i  n  -  Riga:  Die  Anästhesierung  der  rechten  Darm- 
ingrube  bei  der  Operation  der  chronischen  Appendizitis. 

Verf.  beschreibt  an  der  Hand  einer  anatomischen  Zeichnung 
ine  Injektionstechnik,  das  Peritoneum  parietale  genügend  weit  nach 
ten  anästhetisch  zu  machen.  So  hat  er  54  Patienten  mit  chronischer 
opendizitis  ohne  Beihilfe  von  Chloroform  operieren  können;  bei 
uter  Appendizitis  ist  ein  derartiges  Anästhesierungsverfahren  nur 
Ausnahmefällen  möglich. 

J.  H  o  h  1  b  a  u  in  -  Leipzig:  Zur  Frage  der  Schleimhautjodierung 
i  Operationen  am  Magen-Darmtrakt. 

Verf.  weist  an  dem  Material  der  Leipziger  Klinik  nach,  dass  die 
inahme  Fiebers  (Zentralbl.  No.  34,  1912),  dass  Fistelbildungen 
i  Magen-Darmoperationen  auf  Rechnung  der  Jodtinktur  zu  setzen 
liren,  durchaus  nicht  bewiesen  ist;  eine  Warnung  vor  der  Jodierung 
deshalb  auch  nicht  gerechtfertigt,  weil  auch  von  anderen  Kliniken 
ine  Mitteilungen  über  Nahtinsuffizienz  nach  Jodierung  vorliegen, 
n  Schlüsse  seiner  Arbeit  schildert  Verf.  kurz  die  von  Geheimrat 
ayr  geübte  Technik  der  Versorgung  des  Duodenalstumpfes. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Band  XI,  No.  9,  1912 
ld  No.  10,  1913. 

1)  Arnold  B  e  n  f  e  y  -  Berlin :  Eosinophilie  und  exsudative  Dia- 
ese. 

Ergänzende  Bemerkungen  zu  der  unter  obigem  Titel  erschienenen 
beit  von  Aschenheim  in  No.  6  dieser  Zeitschrift. 

2)  Axel  Johannessen:  Poliomyelitis  in  Norwegen. 

Vortrag  auf  dem  1.  Kongress  der  Association  internationale  de 

■diatrie,  Paris,  Oktober  1912  (vgl.  diese  Wochenschrift  1913,  p.  323). 

3)  E.  Moro:  Ueber  rektale  Hyperthermie  im  Kindesalter.  (Aus 
r  Heidelberger  Kinderklinik.) 

Moro  macht  auf  die  (dem  Kinderarzt  gar  nicht  selten  vor- 
unmenden)  Fälle  von  Temperatursteigerung  nach  körperlichen  An- 
rengungen  aufmerksam.  Es  handelt  sich  dabei  regelmässig  um 
emperatursteigerungen  im  After.  Vergleichsmessungen  in  der 
chselhöhle  zeigen  normale  Temperatur.  Die  Temperatursteigerung 
Iber  erklärt  Moro  als  durch  Wärmebildung  in  arbeitenden  Mus- 
ln  entstanden.  Das  differente  Verhalten  der  verschiedenen  In- 
viduen  in  bezug  auf  die  Höhe  der  Temperatursteigerung  wird  auf 
e  verschieden  tiefe  Lungenatmung,  die  verschieden  grosse  Schweiss- 
isonderung  und  vor  allem  auf  den  Habitus  der  Kinder,  besonders 
bezug  auf  die  Beschaffenheit  der  Muskulatur  zurückgeführt.  „Bei 
uskelstarken  Kindern  sind  geringere  Temperaturerhebungen  zu 
wiirtigen  als  bei  Muskelschwachen“.  Dass  gerade  die  Rektaltem- 
ratur  bei  manchen  Individuen  so  hoch  ansteigt  („topische  Aniso- 
ermie“)  wird  damit  erklärt,  dass  die  untere  Körperhälfte  eine  viel 
össere  Muskelarbeit  zu  verrichten  hat  als  die  obere.  Ueberhaupt 
igt  Rektal-  (und  auch  Vaginal-)  messung  stets  die  höchsten  Tem- 
■raturen,  weil  das  Organ,  vor  Abkühlung  gut  geschützt,  die  einmal 
zielte  lemperatur  lange  festhält.  Von  besonderem  Interesse  ist  die 
eobachtung,  dass  alle  untersuchten  (11)  Kinder  mit  orthotischer 
buminurie  sich  als  rektal  hypertherm  erwiesen. 

4)  E.  Döbeli-Bern;  Ueber  die  Verwendung  von  Opiaten  im 
ndesalter. 

Gestützt  auf  seine  früheren  experimentellen  Arbeiten  und  auf  eine 
mdfrage  bei  bedeutenden  Pädiatern  bespricht  D.  die  Anwendungs- 
cise  der  Opiate  im  Kindes-,  vor  allem  auch  im  Säuglingsalter.  Das 
ichtigste  Ergebnis  der  interessanten  Zusammenstellung:  Um  die 
^eilige  Tages-  oder  Einzeldosis  Morphium  für  ein  bestimmtes 
ind  zu  erhalten,  brauchen  wir  nur  die  entsprechende  Dosis  Mor- 
bum,  die  man  einem  Erwachsenen  von  65 — 70  kg  Körpergewicht 

-‘ben  würde,  durch  den  Quotienten - ^ -  zu  dividieren.  Bei 

buglingen  unter  10  Monaten  ist  die  so  erhaltene  Zahl  noch  zu  hal¬ 


bieren.  X  bedeutet  dabei  das  Körpergewicht  des  betr.  Kindes.  Für 
das  I  antopon  ist  die  nach  obigem  Modus  berechnete  Morphium- 
dosis  einfach  mit  2  zu  multiplizieren.  Die  Dosis  für  das  Kodein 

berechnet  man  gleichfalls  nach  der  Formel  -h-is  70  kg-  Dabei  ist 

auch  für  Säuglinge  keine  weitere  Reduktion  der  gefundenen  Zahl 
notwendig.  Für  die  1  inet.  O  p  i  i  simpl.  wagt  D.  keine  bindende 
Vorschrift  zu  geben,  sowohl  wegen  der  Inkonstanz  in  der  Zusammen¬ 
setzung  des  Präparates  wie  wegen  der  unsicheren  Dosierungsform 
in  Tropfen.  Er  empfiehlt,  Ersatzpräparate  zu  verordnen. 

Bd.  XI,  1913,  No.  10. 

1)  L.  K  a  u  m  h  e  i  m  e  r  -  München :  Ueber  den  Zusammenhang 
von  üesichtslage  und  spontaner,  infantiler  Geburtslähmung.  (Aus 

der  Universitäts-Kinderklinik  in  Heidelberg.  Direktor:  Prof.  Moro.) 

K.  leitet  aus  seiner  Beobachtung  und  zwei  der  Literatur  ent¬ 
nommenen  Fällen  (resp.  einem  gut  verwertbaren  Fall)  folgende 
Schlusssätze  ab:  Bei  Gesichtslage  kann  es  infolge  der  Deflexion  zu 
Lähmungen  beider  oberen  Extremitäten  kommen.  Die  Lähmungen 
können  dabei  ganz  symmetrisch  sein.  Sie  entsprechen  dem  unteren 
Typus.  K  1  u  m  p  k  e  sehe  Symptome  sind  dabei  nicht  beobachtet 
worden.  Gesichtslagen  scheinen  bei  den  Spontanlähmungen  relativ- 
stark  beteiligt  zu  sein. 

2)  Carl  Beck:  Die  Beteiligung  der  Schleimhaut  des  Urogenital¬ 
apparates  am  Symptomenkomplex  der  exsudativen  Diathese.  (Aus 
dem  Kinderheim  in  Frankfurt  a.  M.) 

Bestätigung  der  Lust  sehen  Befunde  von  Epitheldesquamationen 
(gröberer  Art)  der  Harnwege  bei  Kindern  mit  exsudativer  Diathese. 
40  Patienten  untersucht  —  66  Proz.  positive  Befunde  (bei  Lust  nur 
52,4  Proz.).  Der  am  leichtesten  angreifbare  Punkt  der  Lehre  von  der 
Beteiligung  der  Schleimhäute  des  Urogenitalapparates  an  den  Er¬ 
scheinungen  der  exsudativen  Diathese  liegt  in  den  folgenden  Be¬ 
funden:  „Am  interessantesten  sind  die  Fälle,  bei  denen  sich  keinerlei 
nachweisbare  Symptome  der  exsudativen  Diathese  fanden,  und  sich 
die  mikroskopischen  Befunde  im  Harn  nachweiset:  Hessen.  Wir 
müssen  annehmen,  dass  der  Desquamationsprozess  der  Schleimhaut 
des  Urogenitalapparates  manchmal  das  einzige  Symptom  der  Dia¬ 
these  sein  kann.“ 

3)  Bauer:  Ueber  eine  Reaktion  zur  Unterscheidung  von  Kuh- 

und  Frauenmilch.  (Aus  dem  Laboratorium  der  akademischen  Kin¬ 
derklinik  in  Düsseldorf.  Prof.  S  c  h  1  o  s  s  m  a  n  n.) 

Färbungs-  resp.  Entfärbungsreaktion  mit  Nilblau  (oder  Neutral¬ 
rot).  Die  Technik  ist  im  Original  nachzulesen. 

4)  F.  Pfersdorff  und  K.  St  ölte:  Ueber  die  Ausnutzung 
von  Mehl-  und  Griessbreien  beim  Säuglinge.  (Aus  der  Kinderklinik 
der  Universität  Strassburg.) 

Nach  Stoffwechselversuchen  an  2  Kindern  zeigt  sich,  dass  die 
Verwendung  von  Griessbrei  bei  älteren  Säuglingen  (5  und  6  Monate 
alt)  in  bezug  auf  die  Ausnutzung  fast  identisch  ist  mit  der  Verbitte¬ 
rung  eines  konzentrierten  Mehlbreies.  „Wenn  wir  nun  sehen,  dass 
bei  Griess  und  Reis,  wo  die  Stärkemoleküle  noch  von  Zellulose  um¬ 
geben  sind,  dennoch  eine  völlige  Aufschliessung  des  Kohlehydrats 
möglich  ist,  so  können  wir  uns  dieser  Nahrungsmittel  mit  beson¬ 
derem  Vorteile  bei  der  Ernährung  der  Säuglinge  bedienen“.  (Auf¬ 
fallend  ist  bei  dem  ersten  mitgeteilten  Versuch  allerdings  die  negative 
Aschebilanz  und  die  Gewichtsabnahme  in  der  Griessperiode.  D.  Ref.) 

5)  N.  Stricker:  Zur  Tuberkulindiagnostik  im  Kindesalter. 
(Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Strassburg.) 

Breit  angelegte  Arbeit  unter  eingehender  Berücksichtigung  der 
Literatur.  Die  Tuberkulinreaktionen  sind  für  praktische  Zwecke 
als  spezifisch  anzusehen.  Der  positive  Ausfall  der  Tuberkulin¬ 
reaktionen  ist  im  Säuglings  alter  so  gut  wie  immer  für  das  Be¬ 
stehen  einer  aktiven  Tuberkulose  beweisend.  Im  späteren  Kindesalter 
ist  er  nur  ein  Beweis  für  eine  einmal  stattgehabte  tuberkulöse  In¬ 
fektion.  Der  negative  Ausfall  der  Tuberkulosereaktionen  ist  aber 
weder  im  Säuglings-  noch  im  späteren  Kindesalter  streng  beweisend 
für  das  Fehlen  von  Tuberkulose.  Die  Kutanreaktion  versagt  häufig, 
trotz  vorhandener  Tuberkulose,  bei  weit  vorgeschrittenen  Erkran¬ 
kungen.  sowie  bei  an  akuten  Infekten  leidenden  Individuen.  Der  Zu¬ 
stand  der  Haut  ist  für  den  Charakter  der  Pirquet  sehen  Reaktion 
von  Bedeutung.  Exsudative  Kinder  reagieren  meist  intensiv.  Aus 
der  Intensität  und  Dauer  der  Tuberkulinreaktion,  sowie  aus  der  Höhe 
der  erfolgreichen  Dosis  bei  subkutaner  Injektion  ist  kein  Schluss 
erlaubt  auf  die  Aktivität  oder  Inaktivität  des  tuberkulösen  Pro¬ 
zesses.  Eine  vorsichtige,  kritische  Beurteilung  einer  Temperatur¬ 
steigerung  nach  Tuberkulininjektion  ist  absolut  notwendig  (Tem¬ 
peraturerhöhungen  aus  anderen  Ursachen  leicht  möglich).  Des¬ 
halb  ist  in  allen  zweifelhaften  Fällen  die  Wiederholung  der  Reaktion 
unerlässlich.  Die  sog.  Herdreaktion  ist  nur  selten  zu  verwerten,  weil 
die  Intensität  der  Symptome  bei  allen  Lungenerkrankungen  schnellen: 
Wechsel  unterliegt.  Ist  sie  einwandfrei  nachweisbar,  so  ist  sie  ein 
sicheres  Zeichen  einer  aktiven  Tuberkulose.  Die  positiven  Resultate 
der  Kutanreaktion  bleiben  hinter  den  positiven  Resultaten  der  sub¬ 
kutanen  Reaktion  zurück.  Die  subkutane  Injektion  ist  nicht  ganz 
ungefährlich  und  deshalb  sind  wir  verpflichtet,  bei  ihrer  Ausführung 
mit  grösster  Vorsicht  vorzugehen.  Die  Kutanreaktion  ist  praktisch 
ungefährlich  (gelegentliche  Allgemeinsymptome  möglich).  Stich¬ 
reaktionen  sind  von  mehreren  Autoren  beschrieben:  deren  Ang.ib  i 
sind  aber  nicht  übereinstimmend.  Bei  Allgemeim  eaktiou  fehlt  t- 


660  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  -  No.  12. 


Reaktion  an  der  Stelle  der  Injektion  selten,  die  typische  von 
R  e  u  s  c  h  e  1  und  Hamburger  beschriebene  Stichreaktion  aber  ist 
nicht  regelmässig  zu  beobachten.  Die  Stichreaktion  mit  den  von 
R.  und  H.  angegebenen  Dosen  schliesst  eine  Temperatursteigerung 
nicht  völlig  aus.  Die  Intrakutanreaktion  besitzt  alle  Vorzüge  der 
Stichreaktion  und  schliesst  eine  Allgemeinreaktion  weit  sicherer  aus. 
Der  diagnostische  Wert  der  Tuberknlinreaktion  ist  vielfach  über¬ 
schätzt  worden.  Der  positive  oder  negative  Ausfall  der  Tuberkulin¬ 
reaktion  fügt  sich,  wie  jedes  andere  Symptom,  in  den  Rahmen  des 
klinischen  Bildes  ein  und  darf  nur  in  diesem  Zusammenhänge  zur 
Diagnose  mit  herangezogen  werden. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  55.  Heft  1. 

1)  Walther  Fischer:  Lieber  die  lokale  Anhäufung  eosinophil¬ 
gekörnter  Leukozyten  in  den  Geweben  besonders  beim  Krebs.  (Aus 
dem  Pathol.  Institut  zu  Göttingen.) 

Vermehrte  Anhäufung  eosinophiler  Leukozyten,  fast  stets  in  Be¬ 
gleitung  von  anderen  Exsudatzellen:  polymorphen  Leukozyten, 
Lymphozyten  und  Plasmazellen,  fand  F.  besonders  stark  bei  be¬ 
stimmten  Krebsen  (Plattenepithel-  und  Karzinomen  des  Magendarm¬ 
kanals),  ferner  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  Hodgkin  scher 
Lymphogranulomatosis;  sie  sind  nach  F.  aus  der  Blutbahn  aus- 
gewanderte  Elemente,  also  nicht  lokal  entstanden  (keinesfalls  durch 
Phagozytose  zerfallener  lokaler  Blutungsherdchen).  Dass  aber  ge¬ 
wisse  Zerfallsprozesse  bei  der  Bildung  und  der  lokalen  Anhäufung 
der  Eosinophilen  eine  Rolle  spielen,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  sich 
da,  wo  in  Krebsen  stärkerer  Gewebszerfall,  Nekrose  oder  Verhornung 
vorkommt,  besonders  häufig  finden,  und  zwar  konstant  ausser¬ 
halb  der  zentralen  polymorphkernigen  Leukozytenzone,  die  den 
Zerfallsherd  umgibt. 

2)  Georg  Bernhardt:  Ueber  Blutplättchenbefunde  in  inneren 
Organen.  Beitrag  zur  Kenntnis  des  akuten  Milztumors  Insbesondere 
bei  Scharlach.  (Aus  dem  K.  Institut  für  Infektionskrankheiten  in 
Berlin.) 

Die  Untersuchungen  wurden  (nur  nach  Fixierung  in  Sublimat¬ 
alkohol)  an  Paraffinschnitten  mittels  der  Giemsa-Schnitt- 
f  ärbung  ausgeführt:  bei  Sepsis,  namentlich  bei  Typhus  konnte  eine 
erhebliche  Vermehrung  der  Blutplättchen  in  Milz  und  Leber  gegen¬ 
über  der  Norm  festgestellt  werden;  am  auffälligsten  war  dies  bei 
Scharlach  zu  konstatieren.  Diese  Blutplättchen  fanden  sich  z.  T. 
frei  in  dem  Milzsinus  und  in  der  Pulpa,  teils  innerhalb  der  monozytären 
Pulpazellen  und  auch  innerhalb  der  Endothelzellen  des  Milzsinus  vor 
und  scheinen  einen  massenhaften  Untergang  dieser  Blutelemente  an 
den  genannten  Stellen  zu  beweisen;  ebenso  fanden  sich  auch  in  den 
den  Pulpazellen  der  Milz  gleichenden  grossen  Zellen  der  Mesenterial¬ 
drüsen,  endlich  aber  auch  in  den  sog.  Kupff  er  sehen  Zellen  (Endo- 
thelien)  der  Leberkapillaren  Blutplättchen  in  grosser  Zahl.  Grössere 
Blut  p  i  g  m  e  n  t  anhäufungen  fanden  sich  in  den  Pulpazellen  der  Milz 
nur  bei  Typhus,  nicht  aber  bei  Scharlach,  wie  denn  Verf.  die  Abkunft 
der  Blutplättchen  von  roten  Blutkörperchen  auch  strikte  ablehnt. 

'  Die  vorliegenden  Untersuchungen  sind  interessant  im  Hinblick  auf  die 
Tatsache,  dass  ganz  besonders  die  untergehenden  Blut¬ 
plättchen  bakterizide  Eigenschaften  entfalten  sollen. 

3)  Alfred  Gigon:  Eisen-  und  Alkaliimprägnation  des  Lungen¬ 
gewebes.  Zugleich  eine  Kritik  der  sog.  Eisenkalkimprägnation.  (Aus 
dem  Pathol.  Institut  zu  Basel.) 

G.  berichtet  zunächst  über  einen  den  früheren  Beobachtungen 
von  Ko  ekel  und  Bittrolf  f  analogen  Fall,  bei  dem  sich  mikro¬ 
skopisch  und  mikrochemisch  eine  sehr  intensive  Eisen-  und  Kalk¬ 
imprägnierung  der  elastischen  Fasern  (der  Alveolarwände  und  der 
Gefässe)  nachweisen  zu  lassen  schien;  durch  die  chemisch-analytische 
Untersuchung  konnte  aber  G.  zeigen,  dass  wohl  in  der  Lunge  ver¬ 
mehrtes  sehr  locker  gebundenes  Eisen,  allein  kein  Kalk  in  erheb¬ 
licher  Menge  vorhanden  war,  dass  aber  in  erstaunlicher  Quantität 
(10  Proz.  der  Trockensubstanz!)  Alkalien,  Kalium  und  Natrium, 
nachweisbar  waren.  Es  handelte  sich  also  um  eine  Eisen-  und  Alkali¬ 
imprägnierung  der  Lunge,  die  —  was  praktisch  sehr  wichtig  ist  — 
im  mikroskopischen  Schnitte  bei  Schwefelsäurezusatz  ganz  ähnliche 
Kristallbildungen  auftreten  lässt  wie  die  Gipskristallbildung  bei  An¬ 
wesenheit  von  Kalziumphosphat!  Eine  Nachuntersuchung  des 
B  i  1 1  r  o  1  f  f  sehen  Falles  ergab  das  gleiche  überraschende  Resultat! 
G.  bezweifelt  daher  überhaupt  die  Möglichkeit  der  Eisen-Kalk¬ 
imprägnierung  in  der  Lunge. 

4)  B.  Ro  o  m  a  n :  Zur  Kenntnis  der  myeloischen  Chloroleukämie, 
(Aus  den  Pathol.  Instituten  zu  Wien  und  Prag.) 

5)  Eduard  Bundschuh:  Ueber  warzige  Hyperplasien  der 
Grosshirnoberfläche  des  normal  gefurchten  Grosshirns  bei  einem 
Falle  von  Syringomyelie.  (Aus  dem  Pathologisch-hygienischen  In¬ 
stitut  der  Stadt  Chemnitz.) 

In  dem  eingehend  beschriebenen  Fall  (49jähr.  Mann)  fanden  sich 
neben  ausgedehnter  Syringomyelie  auf  der  Konvexität  der  beiden 
Hemisphären  multiple,  verschieden  grosse,  wärzchenartige 
Prominenzen  der  Grosshirnrinde,  die  sich  mikroskopisch 
als  knopfartige  Vorstülpungen  des  ganzen  Querschnittes  der  ober¬ 
flächlichen  Gehirnsubstanz  erwiesen  und  von  Pia  überzogen 
waren  (im  Gegensatz  zu  den  sog.  Hirnhernien).  Es  gibt  nur  ganz 


wenige  derartige  Fälle  in  der  Literatur.  B.  nimmt  an,  dass  es  sich 
um  eine  „Missbildung  per  excessum“  handelte. 

6)  C.  H  u  e  t  e  r :  Ueber  Thymuszysten.  (Aus  der  Prosektur  des 
städtischen  Krankenhauses  zu  Altona.) 

H.  fand  bei  einem  24jähr.  Mann  multiple,  mit  grüngelblichei 
cholesterinhaltiger  Flüssigkeit  gefüllte  Zysten  in  der  abnorm  gross 
erhaltenen  Thymus;  H.  bespricht  an  der  Hand  der  einschlägiger 
Literatur  die  Genese  dieser  Bildungen,  kommt  aber  nur  zu  dem 
Wahrscheinlichkeitsurteil,  dass  es  sich  um  eine  Miss¬ 
bildung  im  Fötalleben  handle. 

7)  C.  Ciaccio  und  S.  Scaglione:  Beitrag  zur  zellulären 
Physiopathologie  der  Plexus  chorioidei.  (Aus  dem  Institut  für 
operative  Medizin  der  Kgl.  Universität  zu  Palermo.) 

Durch  Untersuchungen  an  normalen  und  pathologischen  Objekten 
sowie  auf  Grund  experimenteller  Feststellungen  studierten  Verfassen 
die  wahrscheinlich  sekretorischen  Funktionen  der  Plexuszellen. 

8)  Helena  Freifeld:  Ueber  das  kristallinische  Hvalin.  (Aus! 
der  Pathol.  Abteilung  des  Privatinstituts  von  Dr.  S.  L.  Ehrlich  in; 
Charkow.) 

F.  beschreibt  in  einem  Adenokarzinom  des  Oberkiefers  Hyalinj 
(?  Ref.),  das  z.  T.  aus  wohlgebildeten  rhombischen  Kristallen, 
z.  T.  aus  den  bekannten  kugeligen  und  brom  beerförmige  r 
Bildungen  bestand,  und  glaubt,  dass  die  kristallinische  Form  aus  deij 
amorphen  und  kugeligen  Formen  hervorgehe. 

Kleinere  Mitteilungen: 

E.  A.  Hai  las:  Fibro-myo-endothclioma  capsulae  renis.  (An¬ 
dern  Pathol.  Institut  zu  Kopenhagen.) 

H.  beschreibt  als  zufälligen  Sektionsbefund  einseitige,  multiple 
kleinere,  reine  Fibromyome,  neben  einem  grösseren  offenbar  kom-; 
plizierter  gebautem  Tumor  (Fibromyoendotheliom,  ?  Ref.)  derselbe 
Niere,  der  in  den  retroperitonealen  Lymphdrüsen  Metastasen  gesetzt 
haben  soll.  (Vergl.  Nuernberg:  Beiträge  zur  Histologie  deij 
Nierengeschwülste.  Frankf.  Zeitschr.  f.  Pathol.,  Bd.  I,  1907.  !  Ref 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie 

71.  Band,  3.  Heft. 

E.  Wöbbecke:  Ueber  die  Funktion  des  Veratrinmuskels  be 
wechselnder  Belastung.  (Pharmakol.  Institut  Göttingen.) 

Im  Anschluss  an  eigene  Versuche  diskutiert  Verf.  die  ver 
schiedenen  Theorien  der  Funktion  des  quergestreiften  Muskels,  ins¬ 
besondere  bei  Veratrinvergiftung.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet 

W.  Heubner  und  S.  Loewe:  Ueber  die  zentral  lähmendi 
Strychninwirkung.  (Pharmakol.  Institut  Göttingen.) 

Die  Frage,  ob  das  Strychnin  neben  seiner  reflexerregbarkeits- 
steigernden  Wirkung  in  hohen  Dosen  auch  noch  eine  unmittelbar 
lähmende  Wirkung  besitze,  wird  meistens  bejaht,  nur  Verwon 
erklärt  diese  Lähmung  als  Erschöpfungslähmung.  Obwohl  die  meistei 
seiner  Gründe  für  diese  Ansicht  bereits  widerlegt  sind  (Poulssonj 
Igersheimer,  Jacob  j),  blieb  noch  der  Einwand  von  Lip 
schütz,  dass  bei  jedem  Versuch  die  Möglichkeit  einer  peripheren 
kurarinartigen  Lähmung  beseitigt  werden  müsse.  Die  Verfasser  stell 
ten  daraufhin  neue  Versuche  an,  die  wieder  zeigten,  dass  tatsächlich 
eine  zentrale  Lähmung  durch  hohe  Strychnindosen  zu  erzeugen  ist! 
die  freilich  neben  einer  Erschöpfungslähmung  vorhanden  ist.  In 
Vordergrund  steht  aber  die  spezifische  zentrale  Lähmung 
wenigstens  bei  den  gewöhnlichen  Versuchsbedingungen. 

E.  D  u  r  1  a  c  h :  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  des  Phos 
phors  in  der  Nahrung  wachsender  Hunde.  (Pharmakol.  Institut  Göt; 
tingen.) 

Verf.  hat  junge  wachsende  Hunde  phosphorarm  gemacht  durej 
entsprechende  Ernährung,  dann  Phosphor  in  verschiedener  Form  zu 
gesetzt  (Phosphat,  Lezithin,  ein  Gemisch  verschiedener  P-haltige 
Substanzen).  Die  Resultate  seiner  Versuche  sind  nicht  eindeutig,  wer 
viele  Faktoren  bei  der  Beurteilung  in  Frage  kommen.  Jedoch  könnt' 
Verf.  zeigen,  dass  zum  normalen  Wachstum,  ja  sogar  zur  Erholun: 
vom  einer  durch  phosphorarme  Nahrung  erzeugten  Krankheit,  iü 
einen  jungen  Hund  eine  Nahrung  genügte,  die  den  Phosphor  aus 
schliesslich  als  Phosphatid,  im  übrigen  Hiihnereiweiss.  Palmfet' 
Stärke,  Rohrzucker,  Guanin  und  Salze  enthält.  Es  können  also  all 
Phosphorverbindungen  des  Organismus,  besonders  auch  die  Nuklefl 
proteide  ihren  Bedarf  an  Phosphor  aus  Phosphatiden  decken. 

L.  Jacob-  Würzburg. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  11,  1913. 

1)  Hermann  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau:  Die  Hyomandibularlistel,  ein 
neue  Form  der  angeborenen  Halsfistel. 

Bei  einem  8  jährigen  Mädchen  fand  sich  am  Vorderrande  de 
rechten  M.  sternocleidomastoideus  dicht  unterhalb  des  Kieferwinkel 
eine  mässig  eiternde  Fistel,  die  seit  Geburt  vorhanden  war.  Wen 
sie  sich,  was  öfter  vorkam,  schloss',  so  trat  Eiter  zum  äusseren  Gehör 
gang  heraus.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  exstirpierte 
Fistelganges,  bei  welcher  auch  Knorpelteile  des  Hyoidbogens  gesehe 
werden  konnten,  bestätigte  die  klinische  Diagnose  einer  angebore 
mit  dem  äusseren  Gehörgange  kommunizierenden  seitlichen  Halsfiste 
welche  ihre  Entstehung  einem  Rest  der  Hyomandibularspalte.  de 
ersten  Kiemenspalte  verdankt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


661 


5.  März  1913. 


2)  Hermann  F  ii  h  n  e  r  -  Freiburg  i.  B. :  Lieber  die  isolierten  wirk¬ 
ten  Substanzen  der  Hypophyse. 

Es  gelang,  aus  dem  Infundibularteile  der  Hypophyse  8  ver¬ 
miedene  Körper  zu  isolieren,  von  denen  jedoch  nur  die  4  in  dem 
it  Phosphorwolframsäure  erhaltenen  Niederschlag  enthaltenen  die 
kannte  Wirkung  auf  die  Uterusmuskulatur  entfalten.  Ein  auf  chemi- 
hem  Wege  in  stets  gleicher  Zusammensetzung  erhältliches  Gemisch 
eser  4  Körper  ist  das  von  den  Höchster  Farbwerken  hergestellte 
>d  in  1  prom.  wässeriger  steriler  Lösung  ausgegebene  Hypophysin. 
imit  ist  es  nun  möglich,  das  wirksame  Agens  der  Hypophyse  ganz 
mau  zu  dosieren.  Ausserdem  haben  Versuche  an  Katzen,  Kaninchen, 
atten  und  Meerschweinchen  gezeigt,  dass  das  Hypophysin  eine  spe- 
fische  Uteruswirkung  besitzt,  und  dass  ein  Einfluss  auf  Atmung  und 
lutdruck  erst  bei  verhältnismässig  hohen  Dosen  erfolgt. 

3)  Carl  S  c  h  o  u  g  -  Linköping:  Die  Länge  der  Inkubationszeit  bei 
er  akuten  Kinderlähmung  (Heine-Medin  sehen  Krankheit). 

Die  Verschleppung  der  Kinderlähmung  aus  einem  Epidemiebezirk 
i  krankheitsfreie  Orte  ermöglichte  es,  die  Inkubationszeit  auf  4  bis 
ichstens  10  Tage  zu  berechnen.  Für  die  Verbreitung  durch  blut- 
iugende  Insekten  Hessen  sich  keine  Anhaltspunkte  finden. 

4)  Paul  L  e  u  b  u  s  c  h  e  r  -  Hoppegarten :  Therapeutische  Ver¬ 
liehe  mit  Phosphor  bei  Epileptikern. 

Mit  der  Verabreichung  von  Phosphoröl  (0,1 :  1000)  an  Epileptiker 
urde  bisweilen  eine  wesentliche  Besserung  erzielt,  indessen  andere 
alle  keine  erhebliche  Veränderung  erkennen  Hessen.  Bei  einzelnen 
iebesserten  konnte  mit  Aussetzen  der  Phosphortherapie  wieder  eine 
erschlimmerung  beobachtet  werden. 

5)  Erich  Stoerk-Wien:  Ulcus  rotuudum  ventriculi  und 
ymphatismus. 

Klinische  und  pathologisch-anatomische  Erfahrungen  weisen 
arauf  hin,  dass  das  Ulcus  rotundum  seine  Entstehung,  zumal  bei 
igendlichen  Personen,  einem  allgemeinen  Lymphatismus  verdankt, 
lei  diesem  findet  sich  häufig  der  als  etat  mamellone  bekannte  Zustand 
er  Magenschleimhaut,  der  seinerseits  den  Boden  für  die  Entwicklung 
ines  Ulcus  pepticum  abgibt.  Welche  Rolle  dabei  die  Mangelhaftig- 
'  eit  der  Schutzvorgänge  beim  Lymphatiker,  eine  etwa  vorhandene 
agotonie,  eine  Hypoplasie  des  Gefässsystems  eine  Rolle  spielt,  das 
leibt  wohl  im  einzelnen  noch  zu  prüfen.  Jedenfalls  erscheint  die  Zu- 
rundelegung  einer  Konstitutionsanomalie  gerechtfertigt. 

6)  E.  Löwenstein  -  Wien :  Ueber  Tuberkelbazillenbefunde  im 
rin  bei  Hodentuberkulose. 

Tuberkelbazillen,  die  sich  auch  noch  nach  Exstirpation  tuberku- 
iser  Hoden  und  Samenbläschen  im  Urin  vorfinden,  stammen  bei  In- 
aktheit  des  Harnapparates  aus  der  Prostata,  deren  Tuberkulose 
lurchaus  nicht  so  selten  ist,  wie  noch  vielfach  angenommen  wird, 
fine  Sammelstatistik  von  G.  Koch  ergab  unter  243  Fällen  78  mal 
solierte  Prostatatuberkulose,  47  mal  isolierte  Hoden-  und  Neben- 
lodentuberkulose  und  118  mal  Prostata-Hoden-Nebenhodentuberku- 
ose.  Die  isolierte  Prostatatuberkulose,  welche  jedenfalls  als  hämato- 
:en  entstanden  anzusehen  ist,  entzieht  sich  eben  häufig  dem  klinischen 
Nachweis. 

7)  Ernst  U  n  g  e  r  -  Berlin :  Ueber  totale  Entfernung  des  Magens. 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  10.  II.  13, 

efer.  in  No.  7  (1913)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

8)  H.  A.  G  i  n  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Färbung  der  Diphtherie- 

lazillen. 

Um  nicht  bloss  an  Kulturprodukten  von  Diphtheriebazillexi,  son- 
lern  auch  im  Originalausstrichpräparat  eine  scharfe  Zeichnung  des 
ganzen  Bazillenleibes  und  stärkeres  Hervortreten  der  Polkörner  zu 
i halten,  wird  folgende  Färbung  empfohlen:  1.  Essigsäure-Methylen- 
xlau  -f  Kristallviolett  (Neisser  I)  einige  Sekunden;  abspiilen.  2.  L  u  - 
:o  Ische  Lösung  mit  1: 100  konzentrierter  Milchsäure,  3 — 5  Sekunden; 
gut  abspülen.  3.  Nachfärbung  mit  Chrysoidin.  Abspiilen  und 
Trocknen. 

9)  Artur  S  t  r  a  u  s  s  -  Barmen :  Zur  Kupferbahndlung  der  äusse- 

en  Tuberkulose. 

Die  kombinierte  Kupferbehandlung  örtlich  mit  Lezithinsalben, 
illgemein  mit  Injektionen  und  Schmierkuren  Hess  nicht  nur  eine  elek- 
:ive  Aetzwirkung  auf  lupöse  Gewebe,  sondern  auch  eine  spezifische 
Wirkung  auf  die  Tuberkelbazillen  erkennen. 

10)  Hübner-  Marburg:  Ist  die  Psoriasis  ein  Hautsymptom  kon¬ 
stitutionell-bakterieller  Erkrankungen  oder  eine  echte  Hautkrankheit? 

Die  Annahme  M  e  n  z  e  r  s,  dass  die  Psoriasis  eine  Art  Tuberkulid 
Jarstelle.  ist  nicht  gerechtfertigt;  Beginn  wie  ganzer  Verlauf  stem¬ 
peln  sie  zu  einer  echten  Hautkrankheit,  die  mit  Vorliebe  gerade  bei 
sonst  völlig  Gesunden  aufzutreten  scheint. 

11)  A  n  t  o  n  i  -  Kiel-Wik:  7  Fälle  von  Reinfectio  syphilitica  und 
Betrachtungen  über  schwere  Salvarsanintoxikationen. 

Die  als  sicher  erkannten  Reinfektionen  traten  nach  kombinierter 
Salvarsan-Kalomelbehandlung  auf.  Salvarsantodesfälle  sind  die 
Folge  einer  schweren  Nierenschädigung,  und  zwar  nicht  sowohl  der 
eintretenden  Urämie  als  der  Retention  von  Salvarsan  im  Blut,  dessen 
Sauerstoffträger  dadurch  funktionsunfähig  werden.  Deswegen  er¬ 
fordert  jede  Salvarsanbehandlung  genaueste  Nierenkontrolle. 

12)  Ph.  Ferdinand  B  e  c  k  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Was  soll  der 
Nicht-Röntgenarzt  über  das  X-Erythem  wissen? 

1.  Dass  das  Röntgenerythem  um  so  früher  auftritt  und  um  so 
länger  dauern  wird,  je  schwerer  es  ist. 


2.  Dass  es  ein  mit  ihm  nicht  verwandtes  harmloses  Früherythem 

gibt. 

3.  Dass  noch  viele  Monate  später  ohne  frühere  Röntgendermatitis 
schwere  Spätreaktionen  in  Form  von  Geschwüren  auftreten  können, 
die  ihren  Grund  in  einer  Schädigung  der  Gefässintima  im  Unterhaut¬ 
zellgewebe  haben,  die  Folge  einer  Tiefeniiberdosierung.  Psoriasis¬ 
kranke  sind  gegen  Röntgenstrahlen  besonders  empfindlich.  Das  Rönt¬ 
genkarzinom  dürfte  kaum  jemals  mehr  anders  denn  als  Berufskrank¬ 
heit  auftreten. 

13)  Heinrich  Kondring  -  Posen :  Klinische  Erfahrungen  mit 
Chlormetakresol  zur  Schnelldesinfektion  der  Hände. 

Chlormetakresol  ist  der  wirksame  Bestandteil  des  P  h  o  b  r  o  1  s 
von  Hoffmann-La  Roche;  Phobrol,  1  proz.-  mit  70  proz.  Alko¬ 
hol  oder  Azethylalkohol  gemischt,  hat  sich  als  Schnelldesinfektions¬ 
mittel  (5  Minuten  langes  Abreiben  mittels  Flanellappens)  in  der  ge¬ 
burtshilflichen  und  gynäkologischen  Praxis  gut  bewährt,  sowohl  für 
das  Operationsfeld  als  für  die  Hände  des  Operateurs.  Es  ist  ge¬ 
ruchlos.  Baum-  München. 


Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  6. 

Courvoisier  -  Basel :  Eine  Baseler  Gallensteinstatistik. 

Verf.  hat  das  Material  des  Basler  pathologischen  Instituts  von 
1891 — 1910  (10  622  Sektionen)  verarbeitet  und  seine  Ergebnisse  mit 
denen  von  Roth  aus  dem  gleichen  Institut,  die  die  Jahre  1872  bis 
1890  (5401  Sektionen)  umfassen,  verglichen  und  kombiniert.  Unter 
den  16  025  Leichen  hatten  10,9  Proz.  Gallensteine,  und  zwar  unter  8050 
Männern  5,9  Proz.,  unter  7975  Frauen  15,5  Proz.  Die  absoluten  Zahlen 
steigen  bis  ins  7.  Lebensjahrzehnt,  fallen  dann  rasch  ab  und  erreichen 
zuletzt  wieder  die  niedrigste  Höhe  des  zweiten.  Absolut  genommen 
kommen  auf  die  Frauen  72  Proz.,  auf  die  Männer  nur  28  Proz.  der 
Gallensteinfälle.  Lässt  man  die  2  ersten  Lebensjahrzehnte  weg,  so 
fanden  sich  bei  jedem  12.  erwachsenen  Mann  und  jeder  4.  oder  5.  er¬ 
wachsenen  Frau  Gallensteine.  Vom  3.  Jahrzehnt  senkt  sich  die  Be¬ 
lastung  rasch  und  gleichmässig  bis  ins  6.,  wobei  immer  die  Frauen 
3 — 4  mal  mehr  als  die  Männer  erkrankt  waren.  Im  höheren  Alter 
nahm  sie  in  beiden  Geschlechtern  weiter  zu,  aber  bei  den  Männern 
rascher,  und  auf  der  10.  Altersstufe  fanden  sich  Gallensteine  bei  jedem 
3.  Mann  oder  Weib. 

Die  übrigen  Ergebnisse,  besonders  auch  die  Vergleiche  mit  den 
bisher  veröffentlichten  anderen  Statistiken  müssen  im  Original  nach¬ 
gelesen  werden. 

W.  S  c  h  u  1 1  h  e  s  s  -  Zürich :  Ueber  orthopädische  Gymnastik. 
(Schluss  folgt.)  '  L.  J  a  c  o  b  -  Wiirzburg. 


Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No.  11.  S.  Jonas -Wien:  Ueber  das  Verhalten  verschieden¬ 
artiger  Strikturen  im  Magen  und  Duodenum  bei  Milchdiät  und  ein 
Verfahren  zur  Diagnostik  spastisch-ulzeröser  Strikturen  daselbst. 

Sieben  Krankengeschichten.  Ergebnis:  Autochthone  oder  reflek¬ 
torische  Strikturen  im  Magen  oder  Duodenum,  welche  auf  Ulzeration 
beruhen,  schwinden  auf  Milchdiät,  da  die  Reizung  der  blossgelegten 
Nerven  aufhört;  dagegen  werden  die  durch  Narben,  Adhäsionen  oder 
Tumoren  erzeugten  Strikturen  durch  Milchdiät  nicht  beeinflusst.  Das 
Schwinden  der  Strikturerscheinungen  (Einziehung  oder  Sechsstunden¬ 
rest  im  Magen  resp.  Duodenum)  bei  kurzer  Milchdiät  lässt  auf  das 
Bestehen  einer  Ulzeration  schliessen,  das  Bestehenbleiben  der  Er¬ 
scheinungen  schliesst  eine  Ulzeration  aber  nicht  aus.  Näheres  über 
die  Methode  (Durchleuchtung  vor  und  bei  der  Milchdiät  usw.)  und 
Diagnostik  ist  im  Original  einzusehen. 

R.  Matzenauer-  Graz :  Durch  Alkaliabgabe  des  Glases  be¬ 
dingte  toxische  Nebenwirkungen  nach  intravenösen  Salvarsaninjek- 
tionen  („Glasfehler“). 

Seitdem  bei  der  Herstellung  der  Lösung  zur  intravenösen  In¬ 
jektion  peinlichst  auf  die  Bakterienfreiheit  der  verwendeten  Flüssig¬ 
keiten  geachtet  wird,  sind  unangenehme  Reaktionserscheinungen  sel¬ 
ten  geworden;  ganz  geschwunden  sind  sie  nicht,  trotz  aller  Kautelen. 
Es  kommt  bisweilen  zu  Vergiftungserscheinungen  nach  einer  Injektion 
inmitten  einer  Serie  von  gut  ertragenen  Injektionen.  Wenigstens  für 
einen  Teil  solcher  Fälle  findet  sich  eine  Erklärung  in  einer  Alkali- 
abgabe  seitens  der  Glasflaschen,  in  denen  die  sterile  Kochsalzlösung 
oder  das  destillierte  Wasser  aufbewahrt  werden.  Eine  solche,  z.  T. 
ziemlich  beträchtliche  Alkaliabgabe  Hess  sich  bei  einem  wechselnden 
Teil  der  ungebrauchten  Gläser  finden.  Dieses  vermutlich  nicht  aus 
reiner  Natronlauge  bestehende  Alkali  kann  zu  einer  Zersetzung  des 
Salvarsans  führen.  Der  Alkaligehalt  lässt  sich  durch  Phenolphthalein 
leicht  nachweisen.  Zum  Schutz  gegen  diesen  „Glasfehler“  werden 
die  Flaschen  wiederholt  in  mit  Salzsäure  versetztem  destilliertem 
Wasser,  zuletzt  in  destilliertem  Wasser  mit  Phenolphthaleinzusatz 
ausgekocht.  In  letzter  Zeit  sah  M.  nach  Salvarsaninjektionen  in  der 
Tat  kaum  mehr  eine  nennenswerte  Reaktion,  so  dass  solche  sogar  bei 
Ambulanten  ausgeführt  werden;  allerdings  werden,  zumal  anfangs. 


keine  hohen  Einzeldosen  gegeben. 

R.  Müller  und  R.  O.  Stein-  Wien :  Die 
Lues  und  ihre  Beziehung  zur  Wassermann  sehen  Reaktion. 

Die  Nachprüfung  der  von  Klausner  und  Fische  r  gemachten 
Mitteilungen  (vergl.  Referat  S.  149),  wobei  als  Antigen  die  Organe, 


Hautreaktion  bei 


6  62 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  12 


not  Vorzug  (.1  Nebeniiierenextrakt  eines  hereditär  luetische  n  Kindes 
dienten,  best :  tiiete;  dass  die  stärksten  Reaktionen  meist  bei  Tertiär¬ 
luetischen  (sehr  häufig  gummöse  Formen)  vorkamen,  jedoch  auch  im 
Sekundärstadium  von  30  Fällen  6,  davon  einer  besonders  lebhaft, 
reagierten.  Fin  Fall  mit  malignem  Rezidiv  und  negativer  Wasser¬ 
mannreaktion  zeigte  positive  Kutisreaktion.  Von  12  Primärdefekten 
waren  2  positiv,  davon  einer  mit  noch  negativer  Wassermannreaktion. 
Fei  latenter  Lues  fand  sich  eine' erhebliche  Zahl  positiver  Reaktionen, 
bei  spätlatenten  Fällen  bis  zu  75  Proz.  Erwähnt  sei  noch  ein  Fall 
eines  abgeheilten,  jahrelang  ohne  Erscheinungen  gebliebenen  gum¬ 
mösen  Prozesses,  wo  nach  Einbringen  des  sterilen  Extraktes  lue¬ 
tischer  Organe  in  wenigen  Tagen  die  stets  negative  Wasser- 
m  a  n  n  sehe  Reaktion  komplett  positiv  wurde. 

W.  Li  er- Wien:  Erfahrungen  über  Neosalvarsan. 

Erfahrungen  bei  425  Injektionen.  In  2  Fällen  traten,  nach  3  intra¬ 
venösen  Injektionen  (innerhalb  8  Tagen),  unter  hohem  Fieber  starke 
Allgemeinerscheinungen  auf,  einmal  mit  scharlachartigem  Ausschlag. 
Im  übrigen  waren  die  Nebenwirkungen  wesentlich  seltener  und  ge¬ 
ringer  als  bei  Salvarsan.  Das  Neosalvarsan  ist  durch  seine  leichte 
Löslichkeit  bei  neutraler  Reaktion  bequem  anwendbar  und  wirkt  am 
besten  bei  primärer  und  tertiärer  Lues,  wie  bei  den  nässenden  Se¬ 
kundärformen.  Für  die  primäre  Syphilis  bietet  es  vermehrte  Aus¬ 
sicht  auf  wirklich  abortive  Wirkung.  Bei  ulzeröser  maligner  Lues 
ist  es  sehr  wirksam,  aber  nur  in  grösseren  häufigeren  Dosen,  während 
bei  den  trockenen  Formen  das  Quecksilber  wirksamer  ist.  Immer 
ist  es  mit  Quecksilber  zusammen  anzuwenden,  und  zwar  sollen  die 
Neosalvarsaninjektioncn  in  grösseren  Abständen  erfolgen.  Eine  be¬ 
sondere  Indikation  für  Neosalvarsan  bilden  die  Fälle,  wo  durch  Queck¬ 
silber  Stomatitis  oder  Albuminurie  hervorgerufen  wird.  Die  intra¬ 
muskuläre  Applikation  ist  wenig  oder  nicht  schmerzhaft,  bewirkt 
kein  Infiltrat  und  ist  ambulatorisch  durchführbar.  Bei  beginnenden 
metasyphiiitischen  Affektionen  des  Nervensystems  sollte  stets  eine 
Neosalvarsan-Quecksilberbehandlung  versucht  werden. 

O.  Heinz:  Kriegschirurgische  Erfahrungen  vom  montenegri¬ 
nisch-türkischen  Kriegsschauplatz. 

Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet. 

H.  Bar  kan -Wien:  Zur  Frage  der  infantilen  und  juvenilen 
Tabes. 

Verf.  beschreibt  6  neue  Fälle  und  erörtert  die  Pathologie  der 
infantilen  und  juvenilen  Tabes.  Die  Optikusatrophie  ist  bei  ihr  häuti¬ 
ger,  die  Ataxie  und  das  R  o  m  b  e  r  g  sehe  Zeichen  seltener  als  bei 
den  Erwachsenen.  Das  weibliche  Geschlecht  wird  in  entschieden 
höherem  Masse  betroffen  als  das  männliche.  Ausserdem  ist  auffällig, 
dass  bei  der  Tabes  der  Jugendlichen  viel  häufiger  positive  Wasser- 
m  a  n  n  sehe  Reaktion  nachweisbar  ist,  bisher  bei  13  Kranken  11  mal. 
Die  Prognose  ist  absolut  ungünstig;  eine  Quecksilberbehandlung  be¬ 
schleunigt  eher  den  Verlauf.  Es  empfiehlt  sich  die  Unterbringung 
der  Kinder  in  einer  Blindenanstalt  zur  leichteren  Erlernung  der  Blin¬ 
denarbeit. 

E.  Homa- Brünn:  Ueber  Dauererfolge  und  Schicksale  von  im 
Seehospize  in  Triest  1896 — 1903  behandelten  Brünner  Kindern. 

Es  handelt  sich  um  119  Kinder,  bei  welchen  grossenteils  in 
wiederholten  Aufenthalten  das  Seeklima,  die  rationelle  Ernährung  und 
sonstige  hygienische  Faktoren  zur  Wirkung  kamen.  Die  Erfolge 
waren  sehr  befriedigend.  50  Proz.  sind  als  geheilt,  27  als  wesent¬ 
lich  gebessert,  19  als  gebessert  zu  betrachten.  Im  besonderen  sind 
unter  40  Fällen  chirurgischer  Tuberkulose,  welche  jetzt  im  erwerbs¬ 
fähigen  Alter  stehen,  31  gesund  geblieben,  9  leiden  an  Rezidiven, 
aber  alle  erwerbsfähig.  Im  ganzen  sind  etwa  85  Proz.  der  Kinder 
als  erwerbsfähig  anzusehen.  Der  Gesamtkostenaufwand  betrug 
29  700  Kronen. 

L.  Teleky:  Fürsorge  bei  der  Berufswahl  mit  Rücksicht  auf  die 
Tuberkulose. 

Verf.  tritt  u.  a.  ein  für  die  Erhöhung  des  Schutzalters  auf  das 
16.  Jahr,  für  eine  10  ständige  Maximalarbeitszeit  bei  jugendlichen 
Arbeitern  und  Gewährung  freier  Halbtage,  für  die  Schaffung  staat¬ 
licher  Lehrwerkstätten,  für  die  ärztliche  Beratung  vor  der  Berufs¬ 
wahl  und  die  Organisation  der  Berufswahl. 

1  g  e  r  s  h  e  i  m  e  r  -  Halle  a.  S. :  Ueber  Organtherapie  und  Para- 
sitotropie  des  Atoxyls  und  Salvarsans. 

Bemerkungen  zu  dem  Artikel  Ullmanns  in  No.  5  und  6. 

R.  Lederer:  Ueber  ein  noch  nicht  beschriebenes  Krankheits¬ 
bild  der  spastnophilen  Diathese. 

Zu  der  Erwiderung  von  Kassowitz  in  No.  10  bemerkt  L., 
dass  der  von  ihm  beschriebene,  durch  tiefgreifende  Atelektasenbil- 
dung  in  der  Lunge  ausgezeichnete  Symptomenkomplex  mit  dem  chro¬ 
nischen  Asthma  der  Rachitiker  nicht  zu  identifizieren  ist. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  5.  O.  F  ö  r  s  t  e  r  -  Breslau :  Die  arteriosklerotische  Neuritis. 

Erfahrungen  an  16  Fällen.  Aus  der  Pathologie  und  Diagnostik 
dieser  nicht  allzu  seltenen  Affektion  hebt  Verf.  ausser  dem  Bestehen 
sonstiger  arteriosklerotischer  Erscheinungen  namentlich  des  Neren- 
systems  den  exquisit  chronischen  Verlauf,  das  Fehlen  oder  die  Ge¬ 
ringfügigkeit  von  Schmerzen  und  Druckempfindlichkeit  hervor.  Fer¬ 
ner  besteht  eine  grosse  Neigung  zu  Remissionen  (fast  Heilung),  aber 
auch  zu  Remissionen  und  die  Neigung  zur  Ausbreitung  auf  weiteie 
Nervengebiete.  Als  charakteristisch  kann  auch  der  günstige  Einfluss 
einer  Jodbehandlung  gelten.  Eine  nähere  Würdigung  finden  auch  die 


Beziehungen  der  Neuritis  zur  symmetrischen  spastischen  Gangräi 
und  zum  intermittierenden  Hinken. 

No.  6.  N.  v.  .1  a  g  i  c  -  Wien:  Ueber  die  Indikationen  der  Pneumo 
thoraxtherapie  der  Lungentuberkulose. 

Uebersicht  über  die  Wirkungen  des  Pneumothorax  (Ruhigstellun 
der  Lunge,  Kompression  der  Lymph-  und  Blutgefässe,  Kompressioi 
weichwandiger  Kavernen)  und  die  Indikationen.  Eine  Hauptbedin 
gung  für  den  Erfolg  ist  eine  günstige  Beschaffenheit  der  Pleura 
Hartnäckige  Hämoptoe  kann  günstig  beeinflusst  werden,  event.  aucl 
hartnäckiges  Fieber.  Das  gleichzeitige  Bestehen  einer  Kehlkopftuber¬ 
kulose  ist  jedenfalls  keine  Gegenindikation,  ebenso  nicht  eine  einfactu 
Albuminurie.  Im' ganzen  beurteilt  J.  den  Wert  der  Pneumothorax¬ 
therapie  günstig,  will  aber  vorerst  leichte  und  mittelschwere  Fälle 
wo  andere  Methoden  noch  Erfolg  versprechen,  ausgeschlossen  wissen 

No.  6.  R.  K  1  e  i  s  s  e  1  -  Wien :  Concretio  cordis. 

Krankengeschichte  eines  Falles.  Die  wichtigsten  Anhaltspunkte 
für  die  Diagnose  fehlten,  so  auch  bei  dem  Pulsus  paradoxus  die 
inspiratorische  Venenanschwellung.  Dagegen  gewann  das  Auftreten 
von  Schmerzen  in  beiden  Hypochondrien  und  der  Nachweis  einer  star¬ 
ken  Leber-  und  Milzvergrqsserung  als  Zeichen  einer  lokalen  Behinde¬ 
rung  des  Venenabflusses  (Knickung  der  Vena  cava  inferior)  beim 
Fehlen  sonstiger  Stauungserscheinungeri  ausschlaggebende  Bedeutung 
bei  der  Verwertung  der  fehlenden  Verschiebbarkeit  des  Herzens  beim 
Lagewechsel  und  des  fehlenden  Spitzenstosses. 

No.  6.  K.  Pod  lisch  ka -St.  Pölten:  Ueber  die  Behandlung 
der  Tuberkulose  mit  Tuberkulomuzin  Weleminsky. 

Kurze  Krankengeschichten  von  34  behandelten  Kranken;  sub¬ 
kutane  Injektionen  von  4 — 6  mg  bei  Erwachsenen,  2  mg  bei  Kinderi; 
in  8  tägiger.  Zwischenräumen.  Ein  Fortschreiten  des  tuberkulösen 
Prozesses  oder  eine  schädliche  Wirkung  wurde  nie  gesehen,  dagegen 
scheinen  die  Beschwerden  (Rückenschmerzen,  Husten,  Nacht- 
schweisse)  und  das  Allgemeinbefinden  eine  entschieden  günstige  Be¬ 
einflussung  zu  erfahren.  Die  Injektionen  werden  zunächst  in  den 
Unterarm  gegeben,  um  die  Reaktion  daselbst  zu  beobachten,  spätere 
Injektionen  in  den  Rücken.  Gut  beeinflusst  wurde  auch  Haut-  und 
Drüsentuberkulose.  Bei  letzterer  scheint  auch  die  Narbenbildung  eine 
schönere  zu  sein. 

No.  7.  J.  G  r  o  b  e  r  -  Jena:  Ueber  die  Einwirkung  dauernder  kör¬ 
perlicher  Arbeit  auf  das  Herz. 

Verf.  geht  aus  von  dem  mit  den  körperlichen  Anforderungen  zu¬ 
nehmenden  relativen  Verhältnisse  der  Herzmasse  zur  Körpertnassc 
bei  verschiedenen  Tierarten,  z.  B.  ist  bei  Stallkaninchen,  dem  wildert 
Kaninchen,  dem  Hasen  das  Verhältnis  der  Herzmasse  2,40,  2.76.  7,76 
zu  1000  Teilen  Körpermasse.  Von  Bedeutung  ist  nun,  dass  nicht,  wie 
man  nach  dem  Augenschein  erwartet,  die  linke,  sondern  in  aus¬ 
gesprochener  Weise  die  rechte  Herzhälfte  am  meisten  bei  dieser 
Massenzunahme  beteilt  ist.  Auch  die  Erklärungsversuche  für  diese 
Erscheinungen,  die  auch  für  das  Vogelherz  gelten,  kann  hier  nicht 
eingegangen  werden. 

No.  8.  G.  v.  H  e  i  n  i  s  s :  Das  „Schenkelsymptom“. 

Als  Schenkelsymptom  bezeichnet  Verf.  die  Erscheinung,  dass 
auf  mässigen  oder  mittelstarken  Druck,  der  auf  die  innere  Fläche  des 
einen  oder  beider  Schenkel,  etwa  der  Hunter  sehen  Gegend  des 
Canalis  adductorius  entsprechend,  an  der  Grenze  des  mittleren  und 
unteren  Drittels  ausgeübt  wird,  eine  Schmerzäusserung  oder  rasche 
Abwehrbewegung  des  Beines  eintritt.  Das  Symptom  fand  sich  ziem¬ 
lich  bei  jedem  Fall  von  Erkrankung  des  Gehirns  und  der  Gehirnhaut, 
insbesondere  stets  bei  tuberkulöser  Meningitis  in  jedem  Stadium,  am 
stärksten  anscheinend  im  Aufregungsstadium.  Als  ein  eventuell  wert¬ 
volles  Frühsymptom  ist  es  der  Nachprüfung  wert. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Russische  Literatur. 

M.  J  uschi  n  sky  und  G.  Iwaschenzow-St.  Petersburg. 
Die  Wassermann  sehe  Reaktion  in  der  Krankenhauspraxis. 

(Russky  Wratsch  1912,  No.  13—15.) 

Dem  umfangreichen  Aufsatz  von  Tuschinsky  und  Iwa- 
schenzow  entnehmen  wir  nur  die  Angaben  über  das  Verhalten 
der  Wassermann  sehen  Reaktion  bei  der  Salvarsanbehandlung- 
über  welchen  Punkt  die  beiden  Autoren  aus  ihrer  ausgedehnten,  in: 
St.  Petersburger  städtischen  Obuchow-Krankenhaus  für  Männer  ge¬ 
wonnenen  Erfahrung  folgendes  mitteilen:  Von  24  Patienten  mit  syphi¬ 
litischem  Primäraffekt,  die  Salvarsan  erhalten  hatten,  wurden  nur 
10  Personen  mehr  als  ein  halbes  Jahr  lang  systematisch  auf  die 
Wa.R.  untersucht.  Von  ihnen  wiesen  4  Kranke  durchweg  und  be¬ 
ständig  einen  negativen  Ausfall  auf.  Die  bei  ihnen  verwendete  Sal- 
varsandosis  betrug  0,8 — 1,5  g.  Sekundäre  Erscheinungen  kamen  bei 
ihnen  nicht  zur  Beobachtung.  Bei  den  übrigen  6  Kranken  trat  die 
Reaktion  wieder  auf,  und  stellten  sich  auch  andere  Manifestationen 
der  Syphilis  ein.  In  4  von  diesen  Fällen  war  die  einverleibte  Sal- 
varsandosis  eine  unzureichende  (0,35 — 0,7).  Bei  der  sekundären  und, 
tertiären  Syphilis  konnte  im  allgemeinen  konstatiert  werden,  dass 
je  früher  und  je  energischer  man  an  die  Salvarsanbehandlung  der 
Lues  herantrat,  desto  bessere  und  dauerhaftere  Resultate  in  bezug 
auf  den  Ausfall  der  Wa.R.  erzielt  wurden.  Bei  Syphilis  des  Nerven¬ 
systems  zeigte  es  sich,  dass  die  positive  Wa.R.  unter  dem  Einflüsse 
der  Salvarsantherapie  in  der  ungeheueren  Mehrzahl  der  Fälle  in  eine 
negative  umschlägt,  und  zwar  unabhängig  von  der  Applikationsweise 


.  März  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


>  Salvarsans  und  nicht  in  strenger  Abhängigkeit  von  der  Grösse 

•  benutzten  Dosis.  Die  nicht  selten  zu  beobachtende  Verstärkung 
jr  Reaktion  nach  der  Einverleibung  des  Salvarsans  besitzt  nur 

.  en  temporären  Charakter.  Bei  syphilitischen  Erkrankungen  des 
rvensystems  schwindet  die  Wa.R.  nach  der  Salvarsanbehandlung 
eher  und  vollständiger  als  bei  parasyphilitischen,  bei  der  Tabes 
salis  rascher  als  bei  der  progressiven  Paralyse;  eine  hochgradige 
nähme  oder  ein  Schwinden  der  Reaktion  spricht  daher  dia- 
istisch  eher  für  Gehirnsyphilis  als  für  Paralysis  progressiva. 

A.  Antonowsky-  Kronstadt :  Lieber  die  Entkeimung  von 
inkwasser  mittels  minimaler  Mengen  von  Chlorkalk.  (Russky 
ätsch  1912,  No.  15  u.  16.) 

Im  Laboratorium  des  Nikolai-Marinehospitals  zu  Kronstadt  an- 
dellte  Versuche  ergaben,  dass  bei  der  Entkeimung  von  Trink- 
sser  vermittelst  neutraler  Chlorkalklösungen  der  wirksame  Haupt- 
:  tor  der  Sauerstoff  ist.  Soll  das  bakterizide  Vermögen  des  Bleich- 
kes  in  wässerigen  Lösungen  voll  zur  Geltung  kommen,  so  ist  eine 
ger  dauernde  Einwirkung  unbedingtes  Erfordernis,  da  bei  kürz¬ 
ender  Einwirkung  geringer  Chlorkalkmengen  nur  eine  partielle 
rnichtung  der  Mikroorganismen  und  eine  Wachstumshemmung  der 
trigen  statthat.  Die  Inaktivierung  der  Chlorkalklösungen  mittels 
::erschwefligsauren  Natrons  hebt  nämlich  die  hemmende  Wirkung 

•  unterchlorigsauren  Salze  auf,  und  die  Keime  beginnen  nun  von 
nem  zu  wachsen.  Ebenso  bleibt  die  Virulenz  der  Bakterien  nach 
(vollständiger  Einwirkung  geringer  Chlorkalkmengen  unverändert. 

s  diesen  Gründen  vermag  die  bakteriologische  Kontrolle,  falls  sie 
die  voraufgehende  Entfernung  der  unterchlorigsauren  Salze  aus 
:  i  zu  untersuchenden  Wasserproben  vorgenommen  wird,  irre- 
nrende  Resultate  aufzuweisen.  Ausserdem  ist  im  Auge  zu  be¬ 
llten,  dass  die  Oxydabilität  von  Mikroorganismen  eine  weit  ge- 
gere  ist  als  die  faulender  organischer  Stoffe.  Die  von  englischen 
j  amerikanischen  Autoren  angegebenen  Chlorkalkdosen  mit  einem 
i  halt  von  1 — 2  mg  aktives  Chlor  pro  Liter  Wasser  sind  nur  von 
i  ativer  Bedeutung,  denn  ihre  Höhe  hat  sich  jedesmal  nach  dem 
:ade  der  Oxydabilität  des  Wassers  zu  richten.  Allerdings  vermag 
('  in  bestimmten  Zeitintervallen  vorgenommene  Zusatz  von  Kata- 
latoren  (Wasserstoffsuperoxyd,  Mangansuperoxyd)  die  baktcrien- 
i  ende  Wirkung  kleiner  Chlorkalkdosen  zu  steigern.  In  Anbetracht 
;  dieser  Feststellungen  ist  nach  Ansicht  des  Autors  dem  Zusatz 
,  inger  Mengen  von  Chlorkalk  nur  die  Bedeutung  eines  guten  Hilfs¬ 
ittels  bei  der  Reinigung  des  Trinkwassers  nach  den  üblichen  mecha- 
ichen  Verfahren  zuzusprechen. 

M.  Nemenow-St.  Petersburg;  Ueber  die  Behandlung  von 
Bromyomen  und  Uterusblutungen  mit  Röntgenstrahlen.  (Russky 

'ratsch  1912,  No.  16  u.  17.) 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  im  Zentral-Röntgeninstitut  der 
i  dizinischen  Hochschule  für  Frauen  zu  St.  Petersburg  kommt  der 
tor  zu  folgenden  Schlüssen :  Die  Röntgenbehandlung  ist  unbedingt 
i  liziert  bei  Gebärmutterblutungen  der  präklimakterischen  Periode, 
nald  durch  eine  voraufgehende  mikroskopische  Untersuchung  der 
Lrusschleimhaut  die  Abwesenheit  einer  bösartigen  Neubildung 
i  hergestellt  ist.  Fibromyomkranke,  die  an  hochgradiger  Anämie, 
Myokarditis,  Nephritis  oder  überhaupt  an  irgend  einer  Kom- 
i  kation  leiden,  welche  die  Operation  zu  einer  gefährlichen  macht, 
len  unbedingt  der  Röntgentherapie  unterzogen  werden.  Besondere 
rsicht  bei  der  Röntgenbehandlung  derartiger  Patientinnen  ist  nur 
nn  vonnöten,  wenn  sie  ein  Alter  von  40  Jahren  nicht  erreicht 
ben.  Handelt  es  sich  um  Fibromyome  bei  Kranken,  die  über 
Jahre  alt  sind,  so  kann  die  Röntgentherapie  mit  gleichem  Rechte 
r  Anwendung  gelangen  wie  die  Operation.  Fibromyomkranke 
Hoch,  die  das  bezeichnete  Alter  noch  nicht  erreicht  haben,  sollen 
Ir  dann  röntgenisiert  werden,  wenn  die  Blutungen  sehr  bedeutend 
d  und  sie  eine  Operation  entschieden  ablehnen.  Patientinnen  mit 
mukösen  Myomen  unterliegen  der  Röntgenbehandlung  nicht.  Bei 

1  smenorrhöe  und  den  Menorrhagien  junger  Frauen  ist  die  Röntgen- 
rapie  indiziert,  sobald  keine  anderen  Mittel  helfen  wollen.  Die 

;  lpingo-Oophoritis  ist  augenscheinlich  ein  für  diese  Behandlungs- 
thode  ungeeignetes  Objekt. 

J.  I  versen- St.  Petersburg:  Neosalvarsan.  (Russky  Wratsch 

12,  No.  17.) 

1  versen  wandte  im  städtischen  Obuchow-Krankenhaus  für 
inner  zu  St.  Petersburg  das  Neosalvarsan  in  40  Fällem  von  Syphilis 
ntlicher  Stadien  an.  In  einer  Reihe  von  Fällen  injizierte  er  das 
ttel  intramuskulär;  diese  Injektionen  sind  wenig  schmerzhaft, 
rden  gut  vertragen  und  verursachen  nur  geringfügige  Infiltrate. 

2  überwiegende  Mehrzahl  der  Patienten  jedoch  erhielt  das  Präparat 
ravenös.  Die  intravenösen  Neosalvarsaninfusionen  vertrugen  die 
unken  ausserordentlich  leicht,  fast  ohne  jegliche  Reaktion;  nach 
r  ersten  Infusion  steigt  die  Temperatur  auf  37,5 — 37,8°,  manchmal 
mmt  dabei  eine  dünnflüssige  Entleerung  zur  Beobachtung,  während 
brechen  und  Uebelkeit  fast  stets  fehlen.  Die  zweite  und  die 
genden  Infusionen  verlaufen  reaktionslos.  Nach  dem  Vorgang  von 
i  h  r  e  i  b  e  r  injizierte  Iversen  4  mal  der  Reihe  nach  jeden  2.  bis 
Tag  Männern  je  0,75 — 1,2  g  und  Frauen  je  0,6 — 0,75  Neosalvarsan. 
>ch  hält  es  der  Autor  für  geratener,  bei  Frauen  wie  überhaupt  bei 
iwächlichen  Kranken  die  Intervalle  zwischen  den  Infusionen  auf 

3  Tage  auszudehnen.  Die  Wirkung  des  Neosalvarsans  auf  die 
philitischen  Erscheinungen  ist  eine  ganz  ausgezeichnete,  was  wohl 
uptsächiich  dadurch  bedingt  ist,  dass  bei  Benutzung  des  neuen 


I  niparates  die  Möglichkeit  vorliegt,  innerhalb  eines  kürzeren  Zeit¬ 
raums  eine  weit  grössere  Menge  des  wirksamen  Mittels  in  den 
Organismus  einzuführen.  Von  wesentlicher  Bedeutung  ist  noch  der 
Umstand,  dass  im  Neosalvarsan  allem  Anscheine  nach  uns  ein  Mittel 
an  .tli,e  Hand  gegeben  ist,  die  gesteigerte  Resistenz  und  Widerstands¬ 
fähigkeit,  die  die  Syphilisspirochäten  und  Rekurrensspirillen  nach  der 
ersten  nicht  durchschlagenden  Salvarsanapplikation  beim  Rückfall 
gewinnen,  zu  brechen  und  die  Rezidive  leichter  zu  beseitigen  oder 
gar  völlig  unmöglich  zu  machen.  Alles  in  allem  begrüsst  Iversen 
in  der  Entdeckung  des  Neosalvarsans  einen  grossen  Fortschritt  auf 
dem  Gebiete  der  Chemotherapie  der  menschlichen  Spirillosen. 

M.  Isabolinsky  und  B.  P  a  c  e  w  i  t  s  c  h  -  Smolensk ;  Die 
Serodiagnostik  des  Milzbrandes  nach  A  s  c  o  I  i.  (Russky  Wratsch 
1912,  No.  18.) 

Die  Ergebnisse  ihrer  im  bakteriologischen  Institut  der  Gouverne- 
ments-Semstwo  Smolensk  ausgeführten  Untersuchungen  resümieren 
die  Autoren  in  folgenden  Sätzen:  Die  Reaktion  von  Ascoli  ist  für 
den  Milzbrand  spezifisch.  Sie  tritt  nicht  nur  bei  Benutzung  frischer, 
sondern  auch  in  Fäulnis  übergegangener,  längere  Zeit  hindurch  (bis 
an  die  40  Tage)  aufbewahrter  Organe  auf.  Sämtliche  Organe  und 
Gewebe  des  an  Milzbrand  eingegangenen  Tieres  enthalten  das  für 
die  Reaktion  erforderliche  Präzipitinogen;  doch  ist  der  Ausfall  der 
Reaktion  am  markantesten  und  deutlichsten  bei  Verwendung  eines 
Extraktes  aus  der  Milz.  Erwärmung  der  Extrakte  bis  auf  70°  und 
des  Serums  bis  auf  56°  übt  auf  den  Ausfall  der  Reaktion  keinen  ein¬ 
schneidenden  Einfluss  aus,  obwohl  ihr  Auftreten  etwas  verzögert 
wird.  Erwärmt  man  jedoch  die  Extrakte  bis  auf  100°  und  das  prä- 
zipitierende  Serum  auf  60°,  so  fällt  die  A  s  c  o  1  i  sehe  Reaktion 
negativ  aus.  Je  konzentrierter  die  Extrakte  sind,  desto  schärfer 
ausgeprägt  pflegt  die  Reaktion  zu  sein  und  desto  rascher  stellt  sie 
sich  ein.  Zur  Herstellung  der  Auszüge  kann  man  gewöhnliches 
destilliertes  Wasser  benutzen,  doch  müssen  sie  unbedingt  farblos  und 
klar  sein,  da  sonst  eine  richtige  Bewertung  des  Ergebnisses  un¬ 
möglich  ist. 

W.  S  s  e  m  i  o  n  o  w  -  St.  Petersburg:  Die  klinische  Bedeutung 
der  Bestimmung  des  kolloidalen  Stickstoffs  im  Harn  nach  S  a  1  - 
k  o  w  s  k  i  und  K  o  j  o  für  die  Diagnose  des  Karzinoms  innerer  Organe. 

(Russky  Wratsch  1912,  No.  18.) 

In  der  inneren  Klinik  am  Klinischen  Institut  der  Grossfürstin 
Helena  Pawlowna  zu  St.  Petersburg  konnte  der  Autor  feststellen, 
dass  bei  gesunden  Personen  der  Koeffizient  von  S  a  1  k  o  w  s  k  i  und 
Ko  jo  stets  niedrig  ist  und  höchstens  1,79  beträgt.  Ein  normaler 
Koeffizient  (unter  1,79)  schliesst  daher  das  Vorliegen  einer  krebsigen 
Neubildung  aus,  bei  der  das  stickstoffhaltige  Kolloid  im  Harn  stets 
vermehrt  ist.  Eine  Zunahme  des  kolloidalen  Koeffizienten  kann  jedoch 
auch  bei  anderen  Erkrankungen  (bei  akuter  Appendizitis,  akuter 
Endokarditis,  Anämie,  Diabetes  und  bei  der  Tuberkulose)  angetroffen 
werden.  Somit  ist  ein  gesteigerter  Gehalt  an  kolloidalem  Stickstoff 
im  Harn  für  Karzinom  der  inneren  Organe  nicht  spezifisch. 

M.  M  a  r  g  u  I  i  e  s  -  St.  Petersburg:  Ueber  die  Anwesenheit 
spezifischer  Antikörper  in  dem  Serum  mit  Salvarsan  behandelter 
Tiere.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  19.) 

Margulies  injizierte  mit  Trypanosomen  infizierten  Ratten 
intraperitoneal  das  Serum  von  Ratten,  die  mittels  Salvarsans  von 
Ti  ypanosomiasis  geheilt  worden  waren.  Gleichzeitig  wurde  behufs 
Kontrolle  mit  Trypanosomen  infizierten  Tieren  das  Serum  gesunder 
Ratten  eingespritzt,  die  trotzdem  ebenfalls  Salvarsan  einverleibt  er¬ 
halten  hatten.  Im  ersteren  Falle  trat  eine  ausgesprochene  kurative 
Wirkung  ein:  am  5. — 6.  Tag  verschwanden  die  Trypanosomen,  aber 
nach  einiger  Zeit  fanden  sie  sich  von  neuem  ein,  es  hatte  sich  somit 
ein  Rezidiv  eingestellt.  Im  zweiten  Falle  kam  nicht  die  geringste 
Heilwirkung  zur  Beobachtung.  Die  Schutzwirkung  des  Serums  der 
mittels  Salvarsan  geheilten  Ratten  äusserte  sich  darin,  dass  die 
Inkubationsperiode  von  24 — 48  Stunden  bis  auf  26  Tage  ausgedehnt 
wurde;  eine  Erkrankung  trat  dennoch  unweigerlich  ein.  Diese  Ver¬ 
suche  sollen  beweisen,  dass  das  Salvarsan  im  Blute  die  Bildung 
spezifischer  Antikörper  —  höchstwahrscheinlich  von  Antiendotoxinen 
infolge  rascher  und  energischer  Parasitolyse  —  hervorrufe  und  dass 
das  diese  Substanzen  enthaltende  Serum  schwache  präventive  und 
kurative  Eigenschaften  besitze. 

P.  Gluschkow-  Kasan :  Die  Autoserotherapie  bei  der  Be¬ 
handlung  der  Gonitis.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  19.) 

In  2  Fällen  von  Hydrops  des  Kniegelenks  wandte  der  Autor  in 
der  chirurgischen  Abteilung  des  Militärhospitals  zu  Kasan  mit 
glänzendem  Erfolg  die  Autoserotherapie  nach  Gilbert  an.  In  dem 
einen  Falle  konnte  trotz  132  Tage  langer  Behandlung  mit  den  üblichen 
Mitteln  und  Verfahren  ein  befriedigendes  Resultat  nicht  erzielt 
werden:  das  Exsudat  im  Gelenke  wollte  nicht  schwinden.  Nach  An¬ 
wendung  der  Autoserotherapie  (subkutane  Injektion  von  2  ccm  des 
serofibrinösen  Gelenkinhalts)  begann  das  Exsudat  sich  allmählic  n  z 
verringern  un$  war  nach  12  Tagen  vollständig  resorbiert,  in  dem 
anderen  Falle  wurden  unter  Umgehung  jeder  sonstigen  Therar  \  den. 
Kranken  8  ccm  des  Exsudates  subkutan  injiziert,  worauf  nach 
15  Tagen  das  Exsudat  völlig  geschwunden  war. 

A.  Iljin-St.  Petersburg:  Ueber  die  aszendierendc  Infektion 
der  Nieren  nach  Implantation  der  Harnleiter  in  den  Darm  und  ihre 
Bekämpfung  durch  Schutzimpfung  und  Vakzinetherapie.  (Russky 
Wratsch  1912  No.  21.) 


664 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12 


Bei  1 1  Kranken,  an  denen  die  Operation  der  Ureterimplantation 
in  den  Darm  ausgeführt  worden  war  und  die  sämtlich  die  Symptome 
einer  Pyelitis  oder  Pyelonephritis  darboten,  wandte  der  Autor  an¬ 
gesichts  der  Erfolglosigkeit  der  gewöhnlichen  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen  die  Vakzinebehandlung  (Kolivakzination)  an.  Das  Ergebnis 
der  Impfbehandlung  war,  dass  in  2  Fällen  (Pyelitis  und  Pyelo¬ 
nephritis)  sämtliche  Anzeichen  einer  Nierenaffektion  vollkommen 
schwanden,  in  einem  Falle  (Pyelitis)  eine  hochgradige  Besserung 
eintrat  und  in  einem  Falle  (akute  Pyelitis)  von  der  Vakzination  Ab¬ 
stand  genommen  werden  musste.  Da  bei  der  Implantation  der  Harn¬ 
leiter  die  Möglichkeit,  dem  Eintritt  einer  Nierenaffektion  vorzubeugen 
oder  sie  wenigstens  beträchtlich  abzuschwächen,  von  viel  grösserem 
Werte  wäre  als  eine  nachträgliche  Behandlung,  so  stellte  lljin  eine 
Reihe  von  Tierversuchen  an,  um  die  Bedeutung  der  Schutzimpfung 
bei  der  Ableitung  des  Harns  in  den  Darm  klarzulegen.  Ein  Teil  der 
Tiere  wurde  mit  reinem  Kolivakzin,  der  andere  mit  einem  Gemisch 
aus  Kolivakzin  und  polyvalentem  Staphylokokkenvakzin  vor¬ 
behandelt.  Von  den  7  Hunden  mit  beiderseitiger  Ureterimplantation 
gingen  nun  2  kurz  nach  der  Operation  an  zufälligen  Ursachen  zu¬ 
grunde,  während  die  übrigen  5  weder  an  eitriger  Peritonitis,  noch 
an  akuter  eitriger  Pyelonephritis  erkrankten.  Diese  überraschend 
günstigen  Ergebnisse  sind  wohl  gänzlich  auf  Rechnung  der  Schutz¬ 
impfung  zu  setzen. 

A.  S  s  o  1  o  w  j  e  w  -  St.  Petersburg:  Klinische  Beobachtungen 
über  die  Wirkung  des  Neosalvarsans.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  21.) 

In  der  Klinik  für  Hautkrankheiten  am  Institut  für  experimentelle 
Medizin  zu  St.  Petersburg  führte  der  Autor  an  67  Syphiliskranken 
105  Neosalvarsaninjektionen  aus.  Als  Vorzüge  des  Neosalvarsans 
hebt  Ssolowjew  hervor:  1.  es  ist  in  destilliertem  Wasser  äusserst 
leicht  löslich,  so  dass  die  ganze  komplizierte  Prozedur  der  Auflösung, 
zu  der  häufig  Glasperlen  erforderlich  sind,  wegfällt:  2.  es  ist  schon 
an  und  für  sich  von  neutraler  Reaktion,  so  dass  die  umständliche 
Arbeit  der  Alkalisierung  der  Lösungen  überflüssig  ist?  3.  es  wirkt  in 
den  gleichen  Mengen  wie  das  Altsalvarsan,  sogar  stärker,  so  dass 
man  in  Anbetracht  der  Gewichtsverhältnisse  die  Dosis  des  Neo¬ 
salvarsans  um  das  l1/«  fache  steigern  kann;  4.  gelangt  es  zufällig  ins 
Gewebe,  so  reizt  es  dieses  nicht  so  stark  und  kann  daher  auch  mit 
bestem  Erfolg  zu  intramuskulären  Injektionen  benutzt  werden. 

W.  Zdrawosmysslow  - Perm :  Versuch  der  Darstellung 
eines  antitoxischen  Scharlachserums  und  seiner  klinischen  An¬ 
wendung.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  23.) 

Von  der  Ueberzeugung  ausgehend,  dass  der  Streptokokkus  nicht 
nur  Endotoxine  enthalte,  sondern  auch  freie  Toxine  in  vitro  pro¬ 
duziere,  züchtete  der  Autor  Scharlachstreptokokken  auf  Martin- 
scher  Bouillon,  hielt  die  Kulturen  7—12  Tage  lang  im  Brutschrank 
und  filtrierte  sie  sodann.  Das  Filtrat  wurde  auf  Toxizität  an  Meer¬ 
schweinchen,  weissen  Ratten  und  Kaninchen  geprüft.  An  den  weissen 
Ratten  und  Meerschweinchen  gelang  es  nicht  die  geringste  Gift¬ 
wirkung  nachzuweisen,  während  an  den  Kaninchen,  allerdings  erst 
bei  intravenöser  und  intraperitonealer  Injektion  von  5,0 — 10,0  des 
Filtrats,  Temperatursteigerung  und  Gewichtsverlust  zu  konstatieren 
waren;  mehrere  Tiere  gingen  auch  ein,  die  Mehrzahl  jedoch  blieb 
am  Leben.  Der  Verf.  glaubt  sich  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  dass 
in  dem  Filtrate  der  Streptokokkenkulturen  doch  ein  Gift  vorhanden 
sei,  dass  aber  die  meisten  Versuchstiere  eine  mehr  oder  minder 
hochgradige  natürliche  Immunität  gegenüber  diesem  Streptokokken¬ 
toxin  besitzen.  Hierauf  ging  er  dazu  über,  Pferde  mit  dem  angeb¬ 
lichen  Toxin  zu  immunisieren,  offenbar  wohl  um  ein  antitoxisches 
Scharlachserum  zu  gewinnen,  er  injizierte  jedoch  neben  dem  Filtrat 
auch  noch  lebende  Streptokokkenkulturen,  so  dass  die  Existenz  eines 
echten  Toxins  und  eines  heilkräftigen  antitoxischen  Streptokokken- 
serums  wieder  in  Frage  gestellt  wird.  Mit  dem  gewonnenen  Serum 
behandelte  Zdrawosmysslow  7  Scharlachkranke,  die,  wie  es 
scheint,  alle  genasen. 

A.  Timofe jewsky-Tomsk:  Die  Anwendung  der  Methode 
der  Blutkörperchenzählung  für  das  Studium  des  Knochenmarks. 

(Russky  Wratsch  1912,  No.  24.) 

Ausstrichpräparate,  die  aus  einem  Gemisch  von  Knochenmark 
mit  2  oder  3  Teilen  physiologischer  Kochsalzlösung  angefertigt 
weiden,  sind  unvergleichlich  besser  als  Präparate  aus  unverdünntem 
Knochenmark.  Auf  Strichpräparaten  aus  verdünntem  Material  sind 
die  Prozentverhältnisse  der  einzelnen  Zellarten  leicht  festzustellen, 
da  die  geformten  Elemente  nicht  dicht  zusammengedrängt  sind  und 
deutlich  zur  Anschauung  kommen.  Für  ein  genaueres  Studium  der 
Zusammensetzung  des  lymphoiden  Knochenmarkes  ist  noch  die 
Methode  der  Zählung  der  geformten  Elemente  mit  Hilfe  der  gewöhn¬ 
lichen  Mischer  und  der  Zählkammer  von  grossem  Wert.  Untersucht 
man  nun  nach  diesen  beiden  Verfahren  das  normale  Rippenknochen¬ 
mark  vom  Hunde,  so  zeigt  sich,  dass  seine  Zusammensetzung  eine 
recht  konstante  ist,  und  zwar  enthält  das  Knochenmark  im  Durch¬ 
schnitt  in  1  cmm  1  184  000  Erythrozyten,  674  000  Erythroblasten  und 
1  113000  Leukozyten.  Bei  künstlich  (durch  wiederholte  Aderlässe 
wie  durch  Phenylhydrazinvergiftung)  hervorgerufenen  akuten 
Anämien  beginnen  die  Erythroblasten  sich  schnell  zu  vermehren  und 
erreichen  ihre  Höchstzahl  am  10. — 11.  Tage  nach  Einleitung  des  Ver¬ 
suches,  wobei  sie  auch  in  vermehrter  Anzahl  im  strömenden  Blute 
auftreten,  -während  die  Leukozyten  gleichzeitig  im  Knochenmark 
abnehmen,  obwohl  im  Blute  eine  beträchtliche  Leukozytose  herrscht. 
Im  Hungerzustande  wird  eine  hochgradige  Abnahme  der  Anzahl  der 


Erythroblasten  des  Knochenmarkes  beobachtet,  während  von  seitei 
der  Leukozyten  keine  besonderen  Veränderungen  vorliegen  und  di 
Erythrozyten  eher  an  Zahl  zunehmen. 

A.  G  o  1  d  b  e  r  g  -  Moskau :  Die  Radiuinemanation  als  Heilmita 
bei  Rheumatismus  und  Gicht.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  24.) 

Zur  Behandlung  gelangten  ca.  30  Personen,  die  an  gichtische; 
und  rheumatischen  Erkrankungen  von  verschiedener  Dauer  un 
Schwere  litten.  Alle  wurden  sie  ambulatorisch  einer  Trinkkur  unter 
zogen,  und  zwar  erhielten  die  Patienten  1000  Macheeinheiten  tüglic 
in  V2  Liter  Wasser.  Die  Behandlungsresultate  waren  im  allgemeine 
recht  gute.  Mit  keinem  der  bis  dahin  benutzten  Mittel  war  bei  der 
artigen  Kranken  auch  nur  ein  annähernd  gleich  guter  Erfolg  zu  er 
zielen  gewesen.  Der  Autor  kommt  daher  zu  dem  Schluss,  dass  wi 
bei  Gelenkleiden  rheumatischer  und  gichtischer  Natur  in  der  Radium 
emanation  ein  sehr  wirksames  Heilmittel  besitzen,  ln  leichten  Fälle 
ist  fast  stets  völlige  Genesung  oder  bedeutende  Besserung  zu  kon 
statieren.  ln  Fällen  jedoch  mit  erheblichen  anatomischen  Verl 
änderungen  ist  natürlich  auf  eine  Restitutio  ad  integrum  der  Knoche1 
und  Knorpel  nicht  zu  rechnen,  aber  die  entzündlichen  Veränderunge! 
der  Weichteile  verlieren  sich  meist.  Ein  Schwinden  oder  eine  Ab 
nähme  der  Schmerzen  wird  in  fast  sämtlichen  Fällen  beobachte- 

S.  Ab  u  1  0  w- Baku:  Ueber  die  Behandlung  gonorrhoischer  Er 
Kränkungen  mit  Antigonokokkenserum.  (Russky  Wratsch  1912.  No.  25 

Insgesamt  wurden  7  Fälle  mit  dem  Parke  Davissche 
Antigonokokkenserum  behandelt.  Die  Injektionen,  die  jeden  2.  odei 
3.  Tag  subkutan  ausgeführt  wurden,  sind  fast  völlig  schmerzlos,  habe; 
jedoch  fast  stets  entweder  eine  lokale  oder  allgemeine  Urtikaria  zu. 
Folge.  Temperatursteigerungen  kommen  nach  den  Einspritzunge! 
nur  ausnahmsweise  zur  Beobachtung.  Was  die  Heilwirkung  de- 
Serums  anlangt,  so  wurde  das  beste  Behandlungsresultat  bei  -de! 
chronischen  Arthritis  vermerkt.  Bei  der  gonorrhoischen  Urethriti 
scheint  das  Antigonokokkenserum  den  Krankheitsverlauf  leichter  zi 
gestalten;  die  günstige  Wirkung  äussert  sich  insbesondere  in  einer, 
raschen  Schwinden  der  schmerzhaften  und  sonstigen  unangenehmer 
lästigen  Empfindungen  in  der  Genitalsphäre.  Die  Gonokokken  selb;- 
werden  jedoch  wieder  in  akuten,  noch  in  chronischen  Fällen  vo 
Gonorrhöe  vom  Serum  irgendwie  merklich  beeinflusst.  Das  Ant 
gonokokkenserum  kann  somit  nur  als  Hilfsmittel  bei  der  Behandlun 
der  gonorrhoischen  Erkrankungen  dienen  und  ist  neben  den  lokale 
und  allgemeinen  Behandlungsmethoden  anzuwenden. 

M.  Czernorutzky-St.  Petersburg:  Ueber  den  Einfluss  de 
Nukleinsäure  auf  die  fermentativen  Vorgänge  im  tierischen  Orga 
nismus.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  14  und  15.) 

Angesichts  der  immer  wachsenden  therapeutischen  Bedeutun 
der  Nukleinsäure,  insbesondere  in  Form  ihres  Natriumsalzes,  untei 
suchte  der  Autor  an  jungen  Hunden  den  Einfluss  des  intravenö 
intraperitoneal  oder  subkutan  applizierten  Acid.  nucleinicum  auf  de 
Gehalt  der  Leber,  der  Milz,  des  Gehirns,  der  Nieren,  Lungen,  de 
Skelettmuskulatur  und  der  Gl.  thyreoidea  an  Protease  (Tryptase; 
Amylase,  Diastase,  Katalase,  Nuklease  und  Lipase;  ausserdei 
wuiden  noch  einige  Organe  auf  ihren  Gehalt  an  Lezithase  untersuch 
Die  Versuche  ergaben,  das  die  in  den  tierischen  Organismus  eingt 
führte  Nukleinsäure  auf  seine  fermentativen  Funktionen  einen  merl 
liehen  Einfluss  ausiibt.  Die  geringste  Reaktion  von  seiten  der  fei 
mentativen  Funktion  des  Organismus  wird  allem  Anscheine  nach  b. 
der  subkutanen  Applikation  des  Mittels,  die  grösste  hingegen  bei  de 
intravenösen  beobachtet.  Von  den  Fermenten  weist  die  stärkste 
Veränderungen  in  seinem  Wirkungsvermögen  das  amylolytiscl 
Ferment  auf.  Von  den  Organen  werden  die  erheblichsten  Veräi 
derungen  im  Sinne  einer  Steigerung  der  fermentativen  Energie  ii 
Gehirn  (für  die  Amylase  um  das  400  fache,  für  die  Diastase  um  d; 
44  fache,  für  die  Protease  um  das  10  fache  der  Norm),  ferner  in 
Lungen,  in  den  Muskeln  und  schliesslich  in  der  Schilddrüse  konst; 
tiert.  Sowohl  nach  der  Anzahl  der  beeinflussten  Fermente  als  auc 
hinsichtlich  des  Grades  der  Veränderung  ihres  Wirkungsvermögei 
nimmt  das  Gehirn  unter  den  übrigen  Organen  eine  Sonderstellui 
ein.  Vielleicht  steht  die  mehrfach  konstatierte,  überaus  günstig 
Wirkung  des  nukleinsauren  Natriums  auf  die  progressive  Paraly: 
mit  dieser  Tatsache  in  einem  gewissen  Zusammenhang. 

D.  O  r  u  d  s  c  h  i  e  w  -  Würzburg:  Die  diagnostische  Bedeutur 
der  Leukopenie  beim  Abdominaltyphus.  (Wratschebnaja  Gaze 
1912,  No.  15.)  fl 

An  seinen  Patienten  konnte  der  Autor  bei  normal  verlaufende. 
Abdominaltyphus  ein  sehr  charakteristisches  Bild  feststellen.  Vo 
ersten  Beobachtungstage  ab  bieten  die  Typhuskranken  bereits  eii 
mehr  oder  minder  stark  ausgeprägte  Hypoleukozytose  dar.  Die: 
Leukopenie  erreicht  ihren  tiefsten  Stand  in  der  zweiten,  sowie 
der  dritten  Krankheitswoche,  um  von  da  an  ununterbrochen  wiedi 
anzusteigen.  Ein  Vergleich  der  Leukozyten-  mit  der  Temperatu 
kurve  ergibt,  dass  beim  Ansteigen  der  Temperatur  die  Anzahl  d. 
weissen  Blutkörperchen  abnimmt,  sobald  jedoch  die  Körperwärn 
zu  sinken  beginnt,  die  Leukozytenkurve  sogleich  in  die  Höhe  ge 
und  bei  unkompliziertem  Typhusverlauf  die  Norm  erreicht  oder  sog; 
übersteigt.  Was  die  Ursache  für  dieses  Verhalten  der  farblosen  Bin 
zellen  anlangt,  so  gewann  der  Autor  aus  seinen  Tierversuchen  d< 
Eindruck,  dass  eine  temporäre  Abnahme  der  Leukozyten  resp.  eij 
Leukopenie  alle  diejenigen  Bakterien  hervorzurufen  vermögen,  d 
unter  normalen  und  pathologischen  Verhältnissen  den  Darm  b 


5.  März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  665 


ülkern,  insbesondere  das  Bact.  coli,  der  Bac.  typhi,  petrificus, 
ysenteriae,  die  Choleravibrionen  u.  dergl. 

N.  S  s  y  r  e  n  s  k  y  -  St.  Petersburg:  Ueber  den  Gehalt  der  Sera 
;i  Abclominaltyphus  und  kruppöser  Pneumonie  an  hämolytischem 
ompleinent.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  16.) 

Die  im  Institut  für  experimentelle  Medizin  zu  St.  Petersburg 
isgefiihrten  Untersuchungen  ergaben,  dass  in  den  Seren  an  krup- 
■sen  Pneumonien  und  an  Unterleibstyphus  Kranker  hämolytisches 
oinplement  in  grösserer  Menge  enthalten  ist  als  im  Serum  gesunder 
ersonen.  Ein  gesteigerter  Komplementgehalt  ist  auch  einige  Zeit 
ach  der  Genesung  vom  Abdominaltyphus  (noch  3 — 4  Wochen  später) 
achzuweisen.  Im  Gegensatz  zu  dieser  Erkrankung  scheint  der 
omplementtiter  einige  Zeit  nach  der  kritischen  Lösung  der  krup- 
ösen  Lungenentzündung  die  Neigung  zu  besitzen,  entweder  zur 
orm  zuriickzukehren  oder  sogar  etwas  unter  die  Norm  zu  sinken. 

A.  Simin -Tomsk:  Zur  Lehre  von  der  Resorption  aus  der 
auchhöhle.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  22.) 

Angesichts  der  Erkenntnis,  dass  die  beschleunigte  Resorption 
us  der  Bauchhöhle  eines  der  bedrohlichsten  Momente  bei  der 
itrigen  Bauchfellentzündung  darstellt  und  die  Gefahr  einer  Bak- 
jriämie  und  Toxämie  heraufbeschwört,  geht  die  moderne  Be- 
ämpfung  der  Peritonitis  unter  anderem  darauf  aus,  die  Resorption 
on  Bakterien  und  ihren  Stoffwechselprodukten  aus  der  Bauchhöhle 
urch  intraperitoneale  Applikation  verschiedener  MitteL-möglichst  zu 
eschränken.  Als  resorptionsbeschränkendes  Mittel  erprobte  nun 
er  Autor  im  Tierversuch  hypertonische  (bis  an  10  proz.)  Kochsalz- 
isungen.  Die  Versuche  stellte  er  an  Hunden  und  an  Meerschwein- 
lien  an.  Den  Hunden  wurden  intraperitoneal  verschieden  grosse 
losen  von  Atropinum  muriat.  in  Chlornatriumlösungen  verschiedener 
Konzentration  injiziert.  Die  Versuche  zeigten,  dass  mit  Steigerung 
er  Konzentration  des  Salzes  die  Schnelligkeit  der  Resorption  des 
tiopins  abnahm.  Den  Meerschweinchen  wurde  Diphtherietoxin  in 
Kochsalzlösung  eingespritzt.  Diese  Experimente  ergaben,  dass  die 
leichzeitige  Injektion  von  Diphtherietoxin  und  hypertonischer  Salz- 
isung  die  Tiere  vor  der  Vergiftung  zu  retten  vermag,  und  dies  um 
o  sicherer,  je  höher  die  Konzentration  der  Lösung  ist.  Die  Er- 
lärung  für  diese  Erscheinung  läge  wohl  darin,  dass  entweder  die 
lesorption  des  Toxins  gehemmt  wird  und  somit  in  der  Zeiteinheit 
ine  ganz  geringfügige,  unschädliche  Giftmenge  im  Blute  zirkuliert, 
der  aber,  dass  die  Einführung  hypertonischer  Lösungen  in  die 
Bauchhöhle  eine  Transsudation  seröser  Flüssigkeit  und  eine  lokale 
.eukozytose  bewirkt,  die  das  Toxin  unschädlich  macht.  Der  Autor 
laubt,  dass  seine  Versuche  eine  praktische  Bedeutung  gewinnen 
önnen. 

B.  D  r  o  b  n  y  -  Odessa :  Die  Behandlung  der  Gonorrhöe  und  ihrer 
(omplikationen  mit  Gonokokkenvakzin.  (Wratschebnaja  Gazeta, 
912,  No.  24.) 

Der  Autor  behandelte  136  Fälle  von  bakterioskopisch  und  bak- 
eriologisch  sichergestellten  Gonokokkenerkrankungen  mit  (nicht 
utogenem)  Vakzin.  Der  opsonische  Index  wurde  nicht  bestimmt, 
vozu.  nach  Drobnys  Meinung,  bei  der  Behandlung  von  gonor- 
hoischen  Affektionen  gar  keine  Notwendigkeit  vorliegt.  Die  Behand¬ 
lung  selbst  ist  absolut  ungefährlich;  die  klinischen  Erscheinungen  ge- 
vühren  die  volle  Möglichkeit,  jeden  Fall  zu  individualisieren  und  die 
)osis  des  Vakzins,  sowie  die  Intervalle  zwischen  den  Injektionen 
Icmentsprechend  zu  variieren.  Die  durch  die  Impfungen  hervor- 
.erufenen  Allgemeinerscheinungen  geben  niemals  ein  Hindernis  für 
lie  Fortsetzung  der  Vakzinebehandlung  ab.  Was  die  Heilerfolge 
uilangt,  so  war  zu  konstatieren,  dass  das  üonokokkenvakzin  auf  die 
:onorrhoischen  Erkrankungen  von  Organen  und  Geweben  spezifisch 
unwirkt.  Auf  die  gonorrhoischen  Schleimhautenziindungen  dagegen 
’bt  das  Vakzin  keinen  Einfluss  aus;  dessenungeachtet  ist  nach  An- 
icht  des  Autors  gleich  vom  Beginn  einer  Trippererkrankung  an  die 
/akzinetherapie  einzuleiten,  da  bei  dieser  Behandlungsmethode  die 
ionokokkeninfektionen  keine  Komplikation  in  ihrem  Verlaufe  auf- 
\  eisen.  Am  erfolgreichsten  ist  die  kombinierte  Behandlung  sowohl 
ler  frischen  Gonorrhöe  als  auch  der  Folgekrankheiten. 

A.  P  e  s  s  k  o  w  -  Moskau :  Die  Eiweissreaktion  des  Sputums  und 
hrc  praktische  Bedeutung.  (Prakticzesky  Wratsch  1912,  No.  16 
md  17.) 

Auf  Grund  von  67  Sputumuntersuchungen  an  65  Kranken  ge- 
vann  der  Autor  die  Ueberzeugung,  dass  die  Eiweissreaktion  ohne 
Zweifel  eine  diagnostische  Bedeutung  besitzt,  und  zwar  ist  es  haupt- 
-achlich  ihr  negativer  Ausfall,  der  zur  Differenzierung  des  Initial- 
uadiums  der  Tuberkulose  von  der  gewöhnlichen  Bronchitis  heran- 
;e;:ogen  werden  kann.  Ist  das  Ergebnis  ein  völlig  negatives,  so  sind 
nit  einem  hohen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  destruktive  Prozesse 
m  Lungenparenchym  (insbesondere  Tuberkulose)  auszuschliessen. 
Arid  nur  Spuren  von  Eiweiss  im  Sputum  vorhanden,  so  scheint  dies 
un  häufigsten  ebenfalls  für  die  Benignität  des  Prozesses  zu  sprechen, 
in  stark  ausgeprägter  positiver  Ausfall  der  Reaktion  bei  Abwesen¬ 
heit  objektiver  Veränderungen  in  den  Lungen  soll  stets  den  Ge- 
Janken  an  die  Möglichkeit  eines  akuten  oder  chronischen  latenten 
pneumonischen  Herdes  nahelegen. 

N.  G  o  1  u  b  o  w  -  Moskau :  Die  Septikämie  als  häufiger  Gast  in 
4er  Familie  der  übrigen  Infektionskrankheiten.  (Prakticzesky 
Wratsch  1912,  No.  21.) 

Prof.  Golubow  macht  darauf  aufmerksam,  dass  an  die 
Existenz  einer  nicht  chirurgischen  Sepsis  häufig  nicht  gedacht  wird. 


Er  selbst  hat  sich  davon  überzeugen  können,  dass  diese  Erkrankung, 
besonders  in  ihrer  leichteren  Form,  sehr  häufig  vorkommt.  Während 
der  letzten  Jahre  hat  er  in  seiner  Konsultationspraxis  20  Fälle  von 
Septikämie  beobachtet,  von  denen  7  schwere  mit  dem  Tode  endeten 
und  die  übrigen  genasen.  In  deutlich  ausgesprochenen,  markanten 
Fällen,  besonders  in  solchen,  wo  die  Eintrittspforte  der  Infektion 
offen  zutage  liegt,  bietet  die  Diagnose  einer  septischen  Erkrankung 
keine  grossen  Schwierigkeiten  dar.  In  den  leichteren,  schwächer 
ausgeprägten  Fällen  ohne  charakteristische,  pathognomonische  Mani¬ 
festationen  hingegen  ist  die  Diagnose  weit  schwieriger.  Die  Diagnose 
wird  gestellt  erstens  auf  Grund  eines  genauen  Studiums  der  Ent¬ 
wicklung  und  des  Verlaufes  der  Krankheit.  Eine  eingehende 
Anamnese  vermag  meist  einen  wertvollen  Hinweis  auf  den  ursprüng¬ 
lichen  Prozess,  von  dem  die  Sepsis  ihren  Ausgang  genommen  hat, 
zu  geben;  von  den  20  beobachteten  Fällen  erwies  sich  in  7  der 
Rachen  als  Eintrittspforte;  hier  hatte  die  Krankheit  mit  einer  Angina 
begonnen.  Zweitens  ist  für  die  Diagnose  eine  eingehende,  möglichst 
allseitige  bakteriologische  Untersuchung  erforderlich.  Drittens  sind 
alle  übrigen  Infektionskrankheiten  auszuschliessen;  wenn  in  unklaren 
Fällen  Abdominaltyphus  und  die  Paratyphen,  Influenza,  Malaria, 
andere  allgemeine  oder  lokale  Erkrankungen,  die  ein  ähnliches  Bild 
darbieten  können,  auszuschliessen  sind,  so  liegt  wohl  eine  Sepsis  vor, 
was  in  der  Regel  durch  den  weiteren  Verlauf  der  Krankheit,  durch 
die  weitere  Untersuchung  und  Beobachtung  bestätigt  wird,  Bakterien 
im  Blute  sind  nur  in  schweren  Fällen  nachweisbar;  ein  negativer 
Blutbefund  ist  somit  nicht  so  sehr  für  die  Diagnose,  als  vielmehr  für 
die  Prognose  verwertbar.  Der  Erreger  der  nichtchirurgischen  Sepsis 
ist  meist  der  Streptokokkus.  Eine  Besonderheit  mancher  lokaler  Er¬ 
scheinungen  und  Komplikationen  der  Sepsis,  speziell  der  leichten 
Form,  wie  der  geringen  Pleuritiden,  der  pneumonischen  Herde  be¬ 
steht  darin,  dass  sie  sich  häufig  durch  raschen  Ablauf  und  Fugitivität 
auszeichnen.  Auch  ist  die  grosse  Häufigkeit  nephritischer  Erschei¬ 
nungen  auch  bei  der  leichtesten  Septikämie  bemerKenswert.  Seine 
Auseinandersetzungen  illustriert  der  Autor  durch  eine  Reihe  sehr 
lehrreicher  Krankengeschichten. 

L.  K  o  g  a  n  -  Sebastopol:  Beobachtungen  über  Scharlachschutz¬ 
impfungen.  (Prakticzesky  Wratsch  1912,  No.  24.) 

Als  im  März  1908  der  Scharlach  in  Sebastopol  den  Charakter 
einer  Epidemie  annahm,  führte  der  Autor  an  sämtlichen  Pfleglingen 
eines  Mädchenasyls  Scharlachschutzimpfungen  mit  dem  Strepto¬ 
kokkenvakzin  von  Gabritschewsky  aus.  Jedes  der  62  Kinder 
wurde  2  mal  mit  einem  Intervall  von  5  Tagen  geimpft.  Dip  Dosis 
betrug  für  die  erste  Vakzination  halb  so  viel  Dezigramme,  als  das 
Kind  Jahre  zählte;  für  die  zweite  Impfung  wurde  meist  die  doppelte 
Anfangsdosis  genommen,  die  jedoch  nie  1  g  überstieg.  Eine  schwache 
Temperatnrreaktion  wurde  bei  48  Mädchen,  eine  mittelstarke  bei  12, 
eine  starke  bei  2  beobachtet.  Angina  und  Exanthem  traten  bei 
9  Kindern  auf,  Erbrechen  in  2  Fällen.  Die  zweite  Impfung  verlief 
stets  völlig  reaktionslos.  Von  1908  bis  1911  blieben  die  vakzinierten 
Kinder  gänzlich  von  Scharlach  verschont.  Im  letztgenannten  Jahre 
brach  in  der  Stadt  wiederum  eine  heftigere  Epidemie  aus,  und  nun 
erkrankten  von  26  neu  ins  Asyl  aufgenommenen  nichtgeimpften  Pfleg¬ 
lingen  8  (über  30  Proz.).  während  von  den  vakzinierten  62  Mädchen 
bloss  2  (ca.  3  Proz.)  sich  mit  Scharlach  infizierten. 

W.  Minz- Moskau:  Ueber  die  Skopolamin-Pantopon-Aether- 
narkose.  (Therapevticzeskoje  Obosrenije  1912,  No.  7.) 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  in  40  Fällen  erklärt  der  Autor, 
dass  er  von  der  kombinierten  Skopolamin-Pantopon-Aethernarkose 
einen  sehr  günstigen  Eindruck  gewonnen  hat.  Die  Narkose  selbst  ver¬ 
läuft  glatt,  ohne  durch  Zwischenfälle  gestört  zu  werden.  Die  Nach¬ 
schmerzen,  die  sich  nach  gewöhnlichen  Inhalationsnarkosen  und  ganz, 
besonders  nach  der  Medullaranästhesie  mit  solcher  Heftigkeit  geltend 
machen,  sind  hier  auffallend  gering.  Die  genannte  kombinierte  Nar¬ 
kose  gewährt  die  Möglichkeit,  vom  Chloroform  abzusehen  und  sich 
mit  verhältnismässig  geringen  Aethermengen  zu  begnügen,  wobei 
der  Schlaf  zwar  oberflächlich,  jedoch  für  die  Vornahme  der  Operation 
genügend  tief  ist.  Bei  irgend  welchen  Defekten  in  den  Respirations¬ 
organen  ist  die  in  Rede  stehende  kombinierte  Narkose  lieber  zu  ver¬ 
meiden.  .  ... 

E.  W  a  i  n  s  t  e  i  n  -  Odessa :  Die  Vakzinationstherapie  bei  einigen 
gynäkologischen  Erkrankungen.  (Therapevticzeskoje  Obosrenije 
1912,  No.  12.) 

Das  Material  des  Autors  umfasst  108  Fälle  von  Vulvovaginitis 
bei  Kindern,  54  von  Urethritis  gonorrhoica  bei  Frauen,  42  Fälle  von 
Salpingitis  gonorrhoica,  24  von  Endozervizitis,  14  von  Cystitis  coli- 
bacillaris,  2  von  Parametritis  exsudativa  und  1  Fall  von  Pyelitis 
staphylococcica,  insgesamt  245  Fälle,  die  mit  den  entsprechenden 
Vakzinen  behandelt  wurden.  Ein  positives  Resultat  wurde  bei 
212  Kranken  erzielt,  d.  i.  in  86,5  Proz.  der  Fälle.  Von  ihnen  war  bei 
152  Patientinnen  (62  Proz.)  völlige  Heilung  und  bei  60  (24,5  Proz.) 
bloss  eine  mehr  oder  minder  ausgeprägte  Besserung  zu  konstatieren. 
Nur  in  33  Fällen  (13,5  Proz.)  war  das  Ergebnis  ein  negatives.  Die 
besten  Resultate  weisen  solche  Fälle  auf,  wo  die  Erkrankung  mehr 
frisch  ist,  jedoch  nicht  geradezu  akut  und  wo  keine  Temperatur¬ 
steigerung  vorhanden  ist.  Hinsichtlich  der  Ausdehnung  des  krank¬ 
haften  Prozesses  ist  zu  bemerken,  dass  die  besten  Ergebnisse  beim 
Vorliegen  umschriebener  Herde  zu  erzielen  sind.  Unter  dem  Ein¬ 
flüsse  des  Gonokokkenvakzins  werden  die  Narben  in  den  Scheiden¬ 
gewölben  weicher,  nachgiebiger,  verschwindet  die  Schmerzhaftigkeit 


6 66  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  p 


und  werden  die  Patientinnen  wieder  arbeitsfähig:.  Ferner  bewirken 
die  entsprechenden  Impfstoffe  ein  Verschwinden  der  Gonokokken  aus 
dem  Urethral-  und  dem  Vaginalsekret  (bei  Vulvovaginitis),  sowie  der 
Pneumokokken  aus  den  Zervikalausscheidungen.  Die  Injektionen 
sind  abgesehen  von  einem  geringen  und  rasch  vorübergehenden 
Schmerz  an  der  Einstichstelle  sonst  schmerzlos.  Temperatursteige¬ 
rungen  nach  den  Einspritzungen  kommen  nur  bei  manchen  Gonorrhöe¬ 
kranken  vor.  Der  Autor  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  Vakzine¬ 
behandlung  stets  absolut  unschädlich,  meist  sehr  wirksam,  mitunter 
jedoch  nur  als  Hilfsmittel  für  die  kombinierte  Therapie  anzuwen¬ 
den  ist. 

Th.  Johannsen-  Moskau :  Ueber  die  Pantopon-Skopolamin- 
narkose.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  8.) 

Erfahrungen  in  50  Fällen  von  gynäkologischen  Operationen  zeig¬ 
ten  folgendes:  Die  Injektion  von  Pantopon-Skopolamin  versetzt  die 
meisten  Kranken  in  einen  apathischen  Schlummerzustand,  wodurch 
die  Furcht  vor  der  bevorstehenden  Operation  beseitigt  wird.  Ferner 
wird  hierbei  die  Dauer  des  Beginnes  der  Narkose  abgekürzt  und  die 
Menge  des  hierfür  verbrauchten  Aethers  in  der  Regel  stark  ver¬ 
mindert.  Trotz  alledem  gelang  es  dem  Autor  nicht,  gynäkologische 
Operationen  unter  Skopolamin-Pantopon  allein,  ohne  Hilfe  von  Aether, 
auszuführen.  Dennoch  genügt  es  bei  vaginalen  Operationen,  die 
Aethernarkose  nur  bis  zum  Schwinden  der  Kornealreflexe  fortzu¬ 
führen,  wonach  nur  ganz  geringfügige  Mengen  von  Aether  erforder¬ 
lich  sind  oder  man  auch  unter  Umständen  ganz  ohne  ihn  auskommen 
kann.  Sogar  bei  Laparotomien  wird  während  der  Operation  nur  ver¬ 
hältnismässig  wenig  Aether  verbraucht.  Der  Schlaf  ist  während  der 
Narkose  tief,  ruhig  und  geht  nicht  mit  Speichelfluss  einher;  Puls  und 
Atmung  erleiden  nicht  die  geringsten  Störungen.  Nach  der  Operation 
ist  fast  einen  Tag  lang  bei  den  Kranken  die  Schmerzempfindlichkeit 
herabgesetzt.  Erbrechen  wird  nur  ausnahmsweise  beobachtet. 

L.  Fe  1  d  m  a  n  n  -  Moskau :  Klinische  Beobachtungen  über  das 
diastatische  Ferment  im  Harn.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912, 
No.  12.) 

In  der  propädeutischen  Klinik  der  Hochschulkurse  für  Frauen 
in  Moskau  untersuchte  der  Autor  bei  88  Kranken  und  6  Gesunden 
den  Harn  auf  die  Anwesenheit  von  diastatischem  Ferment.  Die 
Untersuchungen  ergaben,  dass  in  jedem  Harn  normalerweise  das  ge¬ 
nannte  Ferment  vorhanden  ist.  Bei  Nephritis,  Diabetes  und  Anämie 
ist  die  Menge  des  diastatischen  Fermentes  im  Urin  herabgesetzt. 
Doch  konnte  ein  Parallelismus  zwischen  der  Schwere  der  Nierenent¬ 
zündung  und  dem  Gehalt  des  Harnes  an  dem  bezeichneten  Ferment 
nicht  nachgewiesen  werden.  Auch  fand  der  von  Marino  ange¬ 
gebene  Parallelismus  zwischen  der  Anzahl  der  Erythrozyten  und  der 
Menge  des  diastatischen  Fermentes  im  Urin  keine  Bestätigung.  Die 
Abnahme  des  Fermentes  im  Harn  bei  Herz-  und  Gefässerkrankungen 
spricht  allem  Anscheine  nach  für  eine  funktionelle  Insuffizienz  der 
Nieren.  In  Anbetracht  dieses  Umstandes  kann  die  Bestimmung  des 
diastatischen  Fermentes  in  dem  aus  jeder  Niere  gesondert  aufge¬ 
fangenen  Harn  als  Verfahren  für  die  Feststellung  der  funktionellen 
Leistungsfähigkeit  der  Niere  dienen.  Eine  hochgradige  Steigerung 
des  Gehaltes  an  dem  in  Rede  stehenden  Ferment  ist  ein  wertvolles 
diagnostisches  Symptom  bei  Erkrankung  des  Pankreas. 

M.  S  c  h  w  a  r  z  -  Charkow:  Ueber  die  Komplementbindung  bei 
der  Diagnose  des  Rotzes.  (Charkowsky  medizinsky  Journal  1912, 
No.  4.) 

Der  Autor  konnte  sich  davon  überzeugen,  dass  die  Komplement¬ 
bindungsreaktion  für  die  Diagnose  des  Rotzes  vollkommen  geeignet 
ist.  Nur  muss  man  bei  der  praktischen  Verwendung  dieser  Methode 
für  die  Rotzdiagnose  das  suspekte  Serum  gleichzeitig  an  zwei  Anti¬ 
genen  prüfen:  an  Mallein  und  an  abgetöteten  Rotzbazillenkulturen. 
Das  Serum  absolut  gesunder  Pferde  weist  weder  mit  einem  Antigen 
aus  abgetöteten  Rotzbazillen  noch  mit  Mallein  Komplementbindung 
auf.  Die  Malleinisierung  zu  diagnostischen  Zwecken  wirkt  auf  die 
Reaktion  in  positiver  Richtung  nicht  ein.  Wohl  aber  wird  die  Re¬ 
aktion  ungünstig  beeinflusst,  falls  das  Serum  einem  fiebernden 
Pferde  entnommen  wird;  deshalb  ist  erst  das  Schwinden  des  fieber¬ 
haften  Prozesses  abzuwarten  und  sodann  das  Serum  zu  untersuchen. 

A.  Dworetzky  -  Moskau. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Berlin.  Februar  1913. 

Putzig  Hermann:  Die  Aenderung  der  Pulsfrequenz  durch  die 
Atmung. 

Bingold  Konrad:  Beitrag  zur  diffusen  Knochenlues. 

Ewer  Hermann:  Die  wichtigsten  Zucker  des  Harns  und  ihre  Unter¬ 
scheidung  mittels  ihrer  Farbenreaktionen,  speziell  der  erweiterten 
Neumann  sehen  Reaktion. 

v.  Gutfeld  Fritz:  Die  regionären  Lymphdriisen  bei  Carcinoma 
uteri  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  epithelialen  Einschlüsse. 
Bidgenbach  Robert:  Der  Einfluss  der  Narkotika  auf  die  Immunität 
mit  einleitender  Uebersicht  über  die  Theorien  der  Narkose. 
Clement  Felix:  Ueber  Blutungen  aus  dem  Ohre. 

Ho  Ich  Julius:  Versuche  zur  Kenntnis  des  Nahschusses  mit  der 
7,65  mm  Browningpistole. 

Graff  Hubert:  Ueber  Schussverletzungen  des  Unterkiefers  und 
ihre  Behandlung. 


Lang  Gerhard:  Die  Gefässverletzungen  im  modernen  Kriege  und 
ihre  Behandlung. 

Seit  ler  Otto:  Ueber  die  Aetiologie  des  akuten  Gelenkrheumatismus 
in  der  deutschen  Armee. 

Iselsohn  Fritz  Joachim:  Ueber  Blutungen  bei  Neugeborenen  mi1 
besonderer  Berücksichtigung  der  Melaena  neonatorum. 

Poljak  Saul-Schabse:  Die  klinische  und  physiologische  Bedeutung 
der  Chromozystoskopie  auf  Grund  der  einschlägigen  Literatur. 

Marsch  Erich:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Einwirkung 
der  Gastroenterostomie  auf  das  Magengeschwür. 

Moewes  Kurt:  Quantitative  Eiweissbestimmungen  im  Harn  und 
ihre  praktische  Brauchbarkeit. 

Frosch  Julius:  Ueber  Leberabszess. 

Schlesinger  Farin:  Ueber  die  Farbe  des  Harns  und  die  Urobilin- 
urie  bei  Scharlach. 

Hübners  Arthur:  Zur  Aetiologie  des  Riesenwuchses  mit  Berück¬ 
sichtigung  seiner  forensischen  Bedeutung. 

Bergmann  Emmy:  Ueber  Psoriasis  und  Gelenkerkrankungen. 

Kosminski  Erich:  Die  Röntgentherapie  der  Myome. 

Neckarsulme  r  Karl :  Ueber  Plasmome  des  Skeletts. 

Dohme  Bruno:  Die  Indikationsstellung  zur  künstlichen  Unter-; 
brechung  der  Schwangerschaft  bei  Lungentuberkulose  und  Herz¬ 
leiden. 

Krüger  Harald:  Ueber  die  polyartikuläre  Form  der  Gicht. 

Kühn  Hermann:  Zur  Kasuistik  der  Harnblasentumoren. 

Naucke  Johannes:  Ueber  hereditäre,  kartilaginäre,  multiple1 
Exostosen. 

Hamm  Peter:  Operationstechnische  Betrachtungen  über  vaginale 
Myomoperationen  auf  Grund  von  374  Fällen  vaginaler  Myom¬ 
operationen. 

Seele  Walter:  Ueber  die  in  der  deutschen  Armee  in  den  letzten 
12  Jahren  vorgekommenen  Nahrungsmittelvergiftungen. 

Span  in  Asriel:  Störungen  im  Geburtsverlauf  nach  vorausgegan¬ 
gener  Ventrifixatio  uteri. 

Universität  Jena. 

Kankelwitz  Gerhard:  Ueber  zwei  Fälle  von  Osteofibrom  des 
Oberkiefers. 

Hölk  Otto:  Ueber  Inhalationsmilzbrand. 

Zacharias  Erich:  Eine  seltene  Zyste  der  hinteren  Vaginalwand. 

Schmidt  Bruno:  Das  Gebiss  des  Cyclopterus  lumpus  L, 

Braue  August:  Die  Pollensammelapparate  der  beinsammeluden 
Bienen. 

Universität  Kiel.  Januar-Februar  1913. 

Andree  Wilhelm:  Ueber  einen  Fall  von  zwei  verschiedenartigen 
primären  Krebsen  in  verschiedenen  Organen. 

Benary  Wilhelm:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Aortensyphilis. 

Conrad  Max:  Ueber  Muskelinterposition  zur  Vermeidung  und 
Beseitigung  von  Ankylosen  . 

Elschner  Siegfried:  Kasuistische  Beiträge  zum  Kapitel  „Fremd¬ 
körper  in  der  Bauchhöhle“. 

Fabricius  Ernst:  Ein  Fall  von  Tremor  hereditarius  essentialis. 

Hiob  Gustav:  Ein  Fall  von  eitriger  Zerstörung  des  Nierenbeckens 
mit  Senkungsabszessen  bei  Prostatahypertrophie. 

Ka  uff  mann  Rudolf:  Ueber  den  Einfluss  des  Schmerzes  und  der 
Digitalis  auf  die  Herzarbeit  des  normalen  Menschen. 

Köster  Richard:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Gicht. 

Krukowski  Viktor:  Zur  Symptomatologie  und  Pathologie  der 
Balkentumoren. 

Metten  Heinrich:  Zur  Lehre  von  den  Ponstumoren. 

P  e  r  1  i  a  Franz:  Beitrag  zur  Lehre  der  epileptischen  Dämmerzustände. 

Ru  pp  recht  Paul:  Versuche  über  die  Bedingungen  der  Eisen-j 
reaktion  im  Knochengewebe. 

Simons  Franz  Anton:  Ein  Beitrag  zur  Aphasielehre  (Enze-; 
phalomalazie). 

Universität  Leipzig.  Februar  1913. 

Eckert  Ludwig:  Ueber  Gundu. 

Sy  ring  Paul:  Ueber  die  Funktionsprüfung  der  Pankreas,  insbeson¬ 
dere  mittels  Monojodbehensäureäthylester  (W  i  n  t  e  r  n  i  t  z'  Dia- 
gnostikum). 

Wunderlich  Johannes:  Ueber  den  Einfluss  von  Traumen  aui 
die  Entstehung  von  Lungentuberkulose  nach  Krankengeschichten 
der  Leipziger  Universitätsklinik  vom  Jahre  1890 — 1900. 

Huber  Max:  Ueber  Plattfuss  und  Plattfussbehandlung  unter  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  rationellen  Schuhwerks. 

Knauer  Friedrich:  Ueber  einen  Fall  von  Echinokokkus  im  weib¬ 
lichen  Becken. 

Schasse  Walter:  Beitrag  zur  Therapie  des  Schlotterellbogens  mit 
Bemerkungen  über  Schlottergelenke. 

Schmidtgail  Erich:  Aetiologisch-statistische  Betrachtungen  über 
das  Ulcus  ventriculi. 

Wünn  Gerhard:  Ueber  eine  Pestepidemie  am  Kilimandscharo  1912. 

Wachs  Isidor:  Ueber  einen  menschlichen  Janiceps  asymmetrus  mit 
Geburtsverlauf. 


5.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


667 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Zur  Neuordnung  des  Rettungswesens.  —  Der  Ausschluss  der  Spe- 
alärzte  vom  Rettungsdienst.  —  Die  klinische  spezialärztliche  Be- 
indlung  der  Krankenkassenmitglicder. 

Als  vor  einigen  Wochen  die  Magistratsvorlage  über  die  Verstadt- 
;hung  des  Rettungswesens  von  der  Stadtverordnetenversammlung 
igenommen  wurde,  bildete  das  den  Abschluss  vieljähriger  Verhand- 
ngen,  in  deren  Verlauf  jede  der  Parteien  von  ihren  Grundsätzen  und 
eien  so  viel  hatte  aufgeben  müssen,  dass  auf  gemeinsamer  Basis  ein 
benskräftiges  Gebilde  erstehen  konnte.  Man  war  auch  bestrebt,  den 
_>rschiedenen  Ansichten  Verständnis  entgegenzubringen  und  wählte 
nen  Vertreter  der  Unfallstationen  und  den  Vorsitzenden  des  Aerzte- 
;reins  des  Rettungswesens  als  Bürgerdeputierte  in  das  Kuratorium, 
ie  Aerzte  glaubten,  dass  nunmehr  die  Streitaxt  endgültig  begraben 
i,  und  waren  trotz  mancher  Konzessionen,  die  notwendig  gemacht 
erden  mussten,  aufrichtig  froh  darüber.  Die  noch  ausstehende  Wahl 
.r  ärztlichen  Direktoren,  für  die  die  beiden  bisherigen  Direktoren  der 
ettungswachen  und  der  Unfallstationen  vorgeschlagen  waren,  wurde 
ls  eine  reine  Formsache  betrachtet.  Es  war  daher  eine  um  so 
.inlichere  Ueberraschung,  als  plötzlich  nur  ein  Direktor  gewählt 
urde,  und  zwar  der  frühere  Arzt  der  Unfallstationen  unter  Aus¬ 
ladung  des  bisherigen  Direktors  der  Rettungswachen.  Die  Tiich- 
gkeit  des  Gewählten  soll  nicht  angezweifelt  werden,  aber  es  fällt 
ich  ganz  besonders  ins  Gewicht,  dass  der  Nichtgewählte  zusammen 
lit  Ernst  v.  Bergmann  der  eigentliche  Begründer  und  Organi- 
itor  des  Berliner  Rettungswesens  war,  das  bis  dahin  nur  in  be- 
:heidenen  Anfängen  existiert  hatte,  und  dass  es  kaum  einen  Arzt 
ibt,  der  auf  dem  Gebiete  des  Rettungswesens  mehr  Erfahrung  und 
achkenntnis  besitzt  als  gerade  dieser.  Aus  diesem  Grunde  hatte 
;hon  in  einem  früheren  Stadium  der  Verhandlungen  der  Vorstand 
ss  Aerztevereins  dem  Magistrat  gegenüber  den  Wunsch  ausge- 
trochen,  dass  bei  der  Reform  des  Rettungswesens  dem  bisherigen 
rztlichen  Direktor  ein  entsprechender  Wirkungskreis  zugewiesen 
erde,  damit  seine  bewährte  Kraft  der  Allgemeinheit  nutzbar  werde, 
s  waren  also  nicht  persönliche,  sondern  sehr  stichhaltige  sachliche 
riinde,  die  diesem  Wunsche  zugrunde  lagen,  und  man  zweifelte  gar 
icht  daran,  dass  der  Magistrat  diese  Gründe  sich  zu  eigen  machen 
iirde.  Man  fragt  sich  erstaunt,  warum  das  nicht  geschehen  ist; 
nd  die  ganze  Angelegenheit  erscheint  in  einem  noch  eigentümlicheren 
ichte,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Vorsitzende  des  Kuratoriums 
lerr  Bürgermeister  Dr.  R  e  i  c  k  e  ist,  der  die  langwierigen  Verhand- 
mgen  gelenkt  und  die  Vorschläge  des  Kuratoriums  vertreten  hatte, 
r  muss  selbst  ihre  Annahme  für  sicher  gehalten  haben:  denn  noch 
inen  Tag  vor  der  in  Rede  stehenden  Wahl  veröffentlichte  er  in 
iner  vielgelesenen  Tageszeitung  einen  Aufsatz  über  das  Berliner 
'ettungswesen,  in  dem  er  mit  Befriedigung  von  der  erzielten  Ein- 
lütigkeit  spricht.  Am  Schlüsse  dieses  Artikes  heisst  es:  „Jetzt, 
achdern  mit  so  viel  gutem  Willen  von  Seiten  der  Stadt  unter  Zu- 
timmung  der  erwählten  Vertrauensmänner  beider  Teile  ein  mittlerer 
Veg  gefunden  wurde,  jetzt  sollte  von  keiner  Seite  mehr  die  alte 
treitaxt  wieder  aufgehoben  werden.  Jedenfalls  dürften  diejenigen, 
ie  es  dennoch  tun,  der  Oeffentlichkeit  gegenüber  sich  einer  schweren 
erantwortung  aussetzen.“  Den  Magistrat  trifft  diese  Verant¬ 
wortung;  seine  Entscheidung  muss  die  Aerzteschaft  als  eine  öffent- 
che  Brüskierung  empfinden,  in  erster  Reihe  die  ärztlichen  Mit¬ 
lieder  des  Kuratoriums.  Ob  sie  weitere  Konsequenzen  daraus  ziehen 
werden,  bleibt  abzuwarten.  Jedenfalls  ist  ihre  Freude  an  der  Mit- 
rbeit  stark  beeinträchtigt;  sie  werden  mit  Recht  geneigt  sein,  in 
er  alleinigen  Wahl  des  einen  Arztes  ein  Programm  zu  sehen,  für 
essen  Durchführung  sie  nicht  gut  eintreten  können. 

Auch  die  Mehrzahl  der  diensttuenden  Aerzte  wird  von  der  Per- 
pektive,  die  sich  aus  der  Wahl  ihres  ersten  ärztlichen  Vorgesetzten 
rgibt,  nicht  sehr  erbaut  sein.  Die  nach  mühseligen  Verhandlungen 
ereinbarten  „allgemeinen  Grundsätze  für  die  Regelung  des  ärzt- 
ichen  Dienstes“  hatten  ohnehin  nicht  allgemein  befriedigt;  um  des 
ieben  Friedens  willen  hatte  man  sie  angenommen  in  der  sicheren 
Erwartung,  dass  man  in  der  Praxis  über  die  Schwierigkeiten  der 
'apiernen  Bestimmungen  leicht  hinwegkommen  würde.  Angesichts 
ler  neu  zutage  tretenden  Strömung  muss  man  in  dieser  Erwartung 
ehwankend  werden;  und  es  ist  sehr  zu  verstehen,  dass  der  Ver- 
’and  der  Spezialärzte  gegen  einen  dieser  Grundsätze  —  die  dienst- 
uenden  Aerzte  sollen  aus  der  Zahl  der  ....  allgemeine  Praxis 
reibenden  Aerzte  genommen  werden  —  Protest  erhebt.  Der  Aus¬ 
schluss  der  Spezialärzte  vom  Rettungsdienst  ist  um  so  unverständ¬ 
iger,  als  die  Mehrzahl  der  zur  Behandlung  kommenden  Fälle  chi- 
urgischer  Natur  ist.  Es  ist  ihnen  zwar  jeder  Arzt  gewachsen,  aber 
‘ine  chirurgische  Spezialausbildung  kann  doch  zum  mindesten  nicht 
itörend  sein,  und  nicht  gerade  selten  wird  sie  dem  Verletzten  sehr 
-u  statten  kommen.  Es  waren  bisher  am  Rettungsdienst  Kollegen 
iller  möglichen  Sonderfächer  beteiligt,  und  es  ist  nicht  bekannt  ge¬ 
worden,  dass  sich  daraus  irgendwelche  Unzuträglichkeiten  ergeben 
laben.  Diese  Speise  wird  aber  sicherlich  nicht  so  heiss  gegessen 
'Werden,  wie  sie  in  den  „Grundsätzen“  gekocht  ist.  Denn  nur  wenige 
\erzte  mit  allgemeiner  Praxis  sind  imstande,  wmin  sie  nur  einiger- 
nassen  beschäftigt  sind,  mehrmals  in  der  Woche  sich  auf  3  Stun¬ 


den  ihrer  Tätigkeit  zu  entziehen;  und  wollte  man  den  Dienst  auf 
diese  wenigen  beschränken,  so  wäre  er  überhaupt  undurchführbar, 
besonders  wenn  noch  ein  anderer  „Grundsatz“  streng  genommen 
werden  sollte,  nämlich  der,  dass  sie  möglichst  im  Bezirke  der  Wache 
wohnen,  in  der  sie  Dienst  tun. 

Schwerwiegender  sind  fiir  die  Spezialärzte  die  Gefahren,  welche 
ihnen  aus  einzelnen  Bestimmungen  der  Reichsversicherungsordnung 
drohen,  die  die  Krankenhausbehandlung  zum  Gegenstand  haben. 
Den  Kassen  steht  es  frei,  diese  durch  bestimmte  Krankenhäuser  zu 
gewähren  und  die  Bezahlung  anderer,  von  dringenden  Fällen  abge¬ 
sehen,  abzulehnen;  öffentliche  Krankenhäuser  dürfen  nur  aus  einem 
wichtigen  Grunde  mit  Zustimmung  des  Oberversicherungsamtes  alj- 
gelehnt  werden.  Damit  würden  Kassenpatienten,  die  in  spezialärzt¬ 
licher  Behandlung  sind,  sobald  eine  klinische  Behandlung  erforderlich 
wird,  ihren  Aerzten  entzogen  und  gezwungen,  in  eines  der  vorge¬ 
schriebenen  Krankenhäuser  zu  gehen.  Das  bedeutet  in  gleicher  Weise 
eine  Härte  gegen  die  Kranken  wie  gegen  die  Aerzte.  In  engem 
Zusammenhang  mit  dieser  Frage  steht  die  der  spezialärztlichen  Be¬ 
handlung  in  den  Krankenhäusern;  nur  in  sehr  wenigen  gibt  es  be¬ 
kanntlich  Spezialabteilungen,  die  meisten  haben  für  die  einzelnen 
Fächer  konsultierende  Aerzte,  die  mit  wenigen  Ausnahmen  ehren¬ 
amtlich,  d.  h.  unentgeltlich,  tätig  sind.  Sie  geben  sich  dazu  her, 
weil  sie  auf  die  klinische  Beobachtung  und  Behandlung,  die  ihnen  die 
Kassen  in  den  Privatkliniken  erschweren  oder  verhindern,  nicht  ver¬ 
zichten  wollen.  Es  ist  aber  ein  durch  nichts  gerechtfertigter  Zu¬ 
stand,  dass  Aerzte  genötigt  sein  sollen,  den  Mitgliedern  von  Kranken¬ 
kassen  unentgeltlich  Hilfe  zu  leisten.  Die  Spezialärzte  haben  sich 
daher  an  den  neubegründeten  „Zentralverband  Berliner  Kassenärzte“ 
gewandt,  der  die  Aufgabe  hat,  die  Interessen  der  Aerzte  beim 
Abschluss  von  Verträgen  mit  Krankenkassen  zu  vertreten;  er  soll 
die  Härten,  zu  denen  die  Ausnutzung  der  gesetzlichen  Bestimmungen 
Gelegenheit  gibt,  durch  kontraktliche  Vereinbarungen  auszugleichen 
suchen.  M.  K. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XIII.  Sitzung  vom  11.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmal  tz. 

Vor  der  Tagesordnung. 

Herr  Hans  Haenel:  Ich  stelle  Ihnen  einen  Fall  vor.  der  von 
doppeltem  Interesse  ist:  Klinisch  als  Tetanie,  die  bei  uns  Immerhin 
selten  ist,  und  historisch  als  einer  der  am  frühesten  (1890)  publizierten 
Fälle  von  thyreopriver  Tetanie;  Pat.,  heute  57  Jahre  alt.  ist  vor 
22  Jahren  von  M  e  i  n  e  r  t  strumektomiert  worden,  nach  3  Tagen  trat 
der  erste  schwere  Tetanieanfall  auf,  und  seitdem  ist  das  Leiden  nie 
wieder  geschwunden.  4  Jahre  nach  Beginn  verstärkte  sich  in  einer 
Gravidität  die  Tetanie  in  so  bedrohlichem  Masse,  dass  künstlicher 
Abort  im  5.  Monat  nötig  wurde.  Gute  und  schlechte  Zeiten  wechselten 
seitdem,  vor  6  Wochen  trat  ohne  bekannte  Ursache  eine  neue  erheb¬ 
liche  Verschlechterung  ein,  täglich  mehrere  Anfälle  quälten  Patien¬ 
tin  sehr. 

Gegenwärtig  bietet  Patientin  das  ausgebildete  Krankheitsbild; 
C  h  v  o  s  t  e  k  sches,  Trousseau  sches.  Erb  sches  Phänomen  (KSTe 
u.  AnÖTe  bis  0.8  MA  am  Ulnaris,  KSZ  überhaupt  nicht  zu  erzielen), 
Phänomen  von  Schlesinger  (Tetanischer  Krampf  in  Zehenbeugern 
und  Wadenmuskeln  bei  Ueberdehnung  des  Ischiadikus  durch  Erheben 
des  gestreckten  Beines),  und  von  C  h  o  v  s  t  e  k  j  u  n.  (Uebererregbar- 
keit  des  N.  acusticus).  Bei  früheren  Rezidiven  fehlten  auch  tetanische 
des  N.  acusticus).  Bei  früheren  Rezidiven  fehlten  auch  tetanische 
Erscheinungen  im  Gebiete  der  Kopfmuskulatur  (Zunge,  Kehlkopf,  Kau¬ 
muskeln)  und  trophische  Störungen  (Abfallen  sämtlicher  Fingernägel) 
nicht.  Pat.  hat  viel  Thyreoidin  und  Narkotin  bekommen,  nie  Para- 
thyreoidin.  Zurzeit  ist  in  die  Augen  springend  der  Erfolg  von  gal¬ 
vanischen  Vierzellenbädern  mit  schwachen  Strömen  (2  Minuten):  in 
wenigen  Tagen  ist  das  seit  6  Wochen  bestehende  schwere  Rezidiv 
erheblich  gebessert  worden,  noch  ehe  Parathyreoidin  innerlich  gereicht 
worden  war.  Die  Art  der  Wirkung  des  galvanischen  Stromes  ist  frei¬ 
lich  schwer  vorstellbar;  wir  müssen  doch  annehmeu,  dass  die  cha¬ 
rakteristische  Veränderung  der  Nervenerregbarkeit  hervorgerufen  ist 
durch  eine  Störung  in  der  Korrelation  der  verschiedenen  Blutdrüsen. 
Chronische  Fälle  wie  der  vorgestellte  zeigen,  dass  eine  dauernde  volle 
Kompensation  für  den  Verlust  der  Epithelkörperchen  offenbar  nicht 
stattfindet. 

Herr  Erich  Aulhorn:  Demonstration  eines  Fötus  mit  Steiss- 
teratom. 

28  jährige  Patientin,  zum  1.  Male  gravid,  bekam  in  der  Mitte  des 
5.  Graviditätsmonats  heftiges  Erbrechen,  das  3  Tage  lang  anhielt.  Zu 
dieser  Zeit  bemerkte  sie  ein  auffallend  schnelles  Stärkerwerden  des 
Leibes,  legte  jedoch  diesen  Erscheinungen  keine  grössere  Bedeutung 
bei.  Erst  als  am  Ende  des  5.  Graviditätsmonats  wiederum  heftiges 
Erbrechen  auftrat,  verbunden  mit  starken  Schmerzen  in  der  Nieren¬ 
gegend,  schickte  säe  zum  Arzt.  Die  Untersuchung  ergab  folgendes: 
kleine,  sehr  stark  abgemagerte  Patientin;  Temperatur  37,3,  Puls  12u; 
das  Abdomen  enorm  stark  aufgetrieben,  die  Haut  glänzend.  Mau  fühlt 
einen  Tumor,  der  vom  Becken  bis  zum  Rippenbogen  reicht  und  deut- 


668 


MUENCHENER  MEDIZINISCHL:  WOCHENSCHRIFT. 


!:«_ne  Muktuation  zeigt.  Einzelheiten  sind  wegen  der  straff  gespannten 
Bauchdecke  nicht  durchzufühlen.  Ueber  dem  Tumor  überall  der 
Schall  gedampft,  in  den  abhängigen  Teilen  des  Abdomens  tympanitisch. 
Starkes  Oedem  der  Beine.  Von  der  Vagina  aus  fühlt  man  im  vorderen 
Scheidengewölbe  den  Kopf  eines  Föten,  seine  Grösse  entspricht  dem 
6.  Monat;  der  Kopf  ist  fest  an  die  Symphyse  angepresst.  Der  Uterus 
liegt,  soweit  er  abzutasten  ist,  in  normaler  Stellung,  doch  ist  eine 
genaue  Abgrenzung  des  Uterus  gegen  den  Tumor  nicht  möglich. 
Herztöne  sind  nicht  zu  hören.  Die  Urinsekretion  stockt  seit  2  Tagen 
fast  vollständig,  in  der  zusammengepressten  Blase  finden  sich  nur 
wenige  Kubikzentimeter  Urin.  Bei  der  Diagnose  kamen  folgende  Er¬ 
wägungen  in  Betracht:  es  lag  sicher  eine  Gravidität  im  6.  Monat  vor; 
damit  stand  in  starkem  Widerspruch  die  Ausdehnung  des  Leibes,  die 
auch  für  eine  Zwillingsschwangerschaft  zu  gross  war.  An  Blasen¬ 
mole  war  nicht  zu  denken  wegen  des  Vorhandenseins  des  Fötus. 
Hydramnion  von  dieser  Ausdehnung  im  6.  Monat  kommt  kaum  vor, 
ausserdem  war  der  Kopf  des  Fötus  fest  auf  die  Symphyse  gepresst 
und  zeigte  keine  Spur  von  Ballotieren.  Da  nun  die  Patientin  vor 
4  Jahren  auswärts  laparotomiiert  worden  war,  nach  ihrer  Angabe 
wiegen  einer  kleinen  Eierstocksgeschwulst,  wurde  die  Diagnose  auf 
Ovarialkystom  +  Gravidität  gestellt. 

Der  bedrohliche  Zustand  der  Patientin,  vor  allem  das  Versagen 
der  Nierenfunktion,  machte  ein  beschleunigtes  Handeln  notwendig. 
Es  wurde  deshalb  der  Patientin  vorgeschlagen,  den  Ovarialtumor 
operativ  zu  entfernen  unter  möglichster  Schonung  der  Schwan¬ 
gerschaft. 

Da  setzten  in  der  Nacht  vor  der  geplanten  Operation  Wehen 
ein,  und  nach  kurzer  Zeit  wurde  Kopf  und  Schultern  eines  mazerierten 
Fötus  geboren.  Als  die  Geburt  bis  zum  Nabel  vorgeschritten  w^ar, 
kam  sie  zum  Stillstand.  Der  Tumor  im  Abdomen  reichte  jetzt  bis 
handbreit  über  den  Nabel.  Zur  Beschleunigung  der  Geburt  wurde  nun 
ein  leichter  Zug  am  Kopf  ausgeführt;  dabei  entleerte  sich  plötzlich  in 
grossem  Schwall  aus  der  Vagina  ein  Strom  trüber,  leicht  blutig  ge¬ 
färbter  Flüssigkeit,  der  das  ganze  Bett  überschwemmte.  Dabei  wurde 
der  Föt  bis  zum  Steiss  geboren,  an  dem  ein  aus  zerfetzten  Häuten 
bestehender  Geschwulststiel  zu  sehen  war,  dem  alsbald  eine  fast  kinds¬ 
kopfgrosse  solide  Geschwulst  folgte.  Nach  spontaner  Ausstossung  der 
Plazenta  war  der  Leib  zusammengefallen,  und  nur  noch  der  normal 
grosse,  kontrahierte  Uterus  zu.  fühlen.  An  dem  Präparat  ist  folgendes 
zu  sehen:  ziemlich  stark  mazerierter  männlicher  Föt  vom  6.  Monat, 
an  dessen  hinterer  Beckenwand  hinter  After  und  Genitalien  breite  Ge- 
websstränge  und  Fetzen  ansetzen,  die  in  die  Haut  des  Föten  über¬ 
gehen.  Diese  Gewebsfetzen  bilden  die  Reste  der  geplatzten  Kapsel 
des  zystischen  Teiles  des  Tumors;  daran  hängt  der  fast  kindskopf¬ 
grosse  solide  Teil,  dessen  höckerige  Oberfläche  zahlreiche  Kalkein¬ 
lagerungen  erkennen  lässt.  Eine  mikroskopische  Untersuchung  konnte 
noch  nicht  vorgenommen  werden,  da  das  Präparat  erst  reichlich 
24  Stunden  alt  ist.  Die  Plazenta  ist  doppelt  so  gross,  als  es  dem 
Zeitpunkt  der  Gravidität  entspräche,  von  auffallend  blasser  Färbung. 

Dem  makroskopischen  Befund  nach  muss  der  Tumor  als  ein 
Teratom  angesehen  werden  (eine  Spaltbildung  der  Wirbelsäule  ist 
nicht  vorhanden).  Auffallend  ist  seine  ungewöhnliche  Grösse:  denn 
als  der  Fötus  bis  zum  Nabel  geboren  war,  und  das  Fruchtwasser  ab¬ 
geflossen  war,  reichte  der  Fundus  uteri  noch  bis  handbreit  über  den 
Nabel,  so  dass  also  nach  Abzug  der  Plazenta  der  Tumor  noch  fast 
mannskopfgross  gewesen  ist. 

Diese  aussergewöhnliche  Grösse  des  Tumors  ist  auch  der  Haupt¬ 
grund  zu  der  Fehldiagnoe,  da  ein  derartig  grosser,  intrauterin  sitzen¬ 
der  Tumor  nicht  in  Erwägung  gezogen  wurde.  Vielleicht  wäre  bei 
der  Untersuchung  in  Narkose  dicht  vor  der  Operation  der  Irrtum  be¬ 
merkt  worden,  doch  ist  es  wohl  wahrscheinlich,  dass  auch  durch  eine 
Narkose  die  starke  Spannung  der  Bauchdecken  nicht  derart  herab¬ 
gesetzt  worden  wäre,  dass  man  zu  einer  sicheren  Diagnose  hätte 
kommen  können. 

Tagesordnung. 

Herr  Luerssen:  Kann  durch  medizinisch-hygienische  Volks¬ 
aufklärung  die  Kurpfuscherei  gefördert  werden? 

Diskussion  über  die  Vorträge  der  Herren  Brückner, 
T  e  u  f  f  e  1,  Flachs,  Fritz  Schanz  und  Conradi:  Zur  Prophy¬ 
laxe  der  Diphtherie.  Vergl.  d.  W.  S.  554  und  609. 

Herr  Georg  Schmor  1  bringt  mit  Genehmigung  des  Vorstandes 
eine  Angelegenheit  zur  Sprache,  die,  an  sich  nur  in  losem  Zusammen¬ 
hang  mit  den  zur  Diskussion  stehenden  Themen  befindlich,  doch  wegen 
der  in  den  Vorträgen  mehrfach  erwähnten  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungsanstalt  zum  heutigen  Thema  Beziehung  hat. 

Etwa  Mitte  November  lief  bei  der  städtischen  Behörde  eine  Be¬ 
schwerde  eines  Kollegen  ein  über  die  städtische  bakteriologische 
Untersuchungsanstalt,  weil  der  ärztliche  Dienst  in  der  Anstalt  nicht 
über  7  Uhr  abends  ausgedehnt  sei.  Der  betreffende  Kollege  verlangte 
dje  Ausdehnung  des  Dienstes  bis  9  oder  10  Uhr,  noch  besser  aber  die 
Einrichtung  eines  vollständigen  Nachtdienstes,  mit  der  Begründung, 
dass  u.  a.  bei  Diphtherie  bis  zum  Morgen  wichtige  Zeit  verloren  ginge, 
umsomehr,  als  heutzutage  manche  Eltern  vor  bakteriologischer 
Sicherstellung  der  Diagnose  die  Seruminjektion  verweigerten,  teils  aus 
Furcht  vor  schädlicher  Nebenwirkung  des  Serums,  teils,  um  die  Kosten 
für  das  Serum  zu  sparen. 

Herr  S  c  h  m  o  r  1  hat  der  Behörde  gegenüber  in  folgender  Weise 
Stellung  genommen: 

Während  des  16jährigen  Bestehens  der  Anstalt  sind  ähnliche 


Na  12. 

Wünsche  nie  laut  geworden.  Eine  Ausdehnung  des  ärztlichen  Dienstes 
über  7  Uhr  hinaus  ist  auch  gar  nicht  notwendig.  Einmal  herrscht 
gegenwärtig  allgemein  die  Ansicht,  bei  verdächtigen  Fällen  die 
Seruminjektion  sofort  vorzunehmen,  weil  während  der  Anstellung  der 
Untersuchung  kostbare  Zeit  verloren  geht.  Je  früher  die  Injektion 
um  so  .besser,  und  lieber  einmal  umsonst  als  zu  spät.  Die  bakterio¬ 
logische  Diagnose  hat  heute  vorwiegend  prophylaktische  Bedeutung 
hinsichtlich  der  Absonderung. 

Die  telephonische  Verständigung  über  der  Ausfall  der  Unter¬ 
suchung  hat,  wenn  sie  am  späten  Abend  erfolgt,  für  den  Arzt  erheb¬ 
liche  Unbequemlichkeiten  zur  Folge,  denn  meist  werden  die  Anord¬ 
nungen  schon  vorher  getroffen  sein. 

Herr  S  c  h  m  o  r  1  würde  gegen  die  gewünschte  Verlängerung  des 
Dienstes,  welche  unbedingt  mit  Geldkosten  verknüpft  wäre,  keine  Ein¬ 
wendungen  erheben;  er  hält  sie  aber  für  völlig  überflüssig. 

Auf  eine  Anfrage  des  Vorsitzenden  hin  schliesst  sich  du 
Gesellschaft  einstimmig  den  Anschauungen  des  Herrn  Georg 
S  c  h  m  o  r  1  an. 

Herr  Leonhardt:  Von  den  Herren  Vortragenden  wurde  die 
in  Dresden  geübte  Art  der  Seuchenbekämpfung  mehrfach  angegrifien. 
Gewiss  ist  eine  kritische  Betrachtung  am  Platze,  aber  wir  dürfen 
auch  nicht  voreilig  verfahren.  Die  Bekämpfung  der  Diphtherie  durch 
Desinfektion  gliedert  sich  in  die  laufende  und  in  die  Schluss- 
desinfektion.  Der  laufenden  Desinfektion  ist  die  grösste  Be¬ 
achtung  zu  schenken,  da  sehr  viel  daran  liegt,  alle  ausgeschiedenen' 
Keime  sofort  gründlich  zu  vernichten.  Es  empfiehlt  sich  auch  für  die: 
Kollegen,  immer  wieder  auf  die  Gefährlichkeit  der  Ausscheidungen 
und  deren  vorsichtige  Behandlung  hinzuweisen.  Die  Stadt  beab¬ 
sichtigt,  noch  mehr  als  bisher  die  Desinfektionsmittel  selbst  zur  Ver¬ 
fügung  zu  stellen.  Bezüglich  der  Schlussdesinfektion  äst  er  dagegen1 
schon  seit  Jahren  der  gleichen  Ansicht  wie  die  Herren  Vortragenden., 
Schon  aus  praktischen  Gründen  lässt  sich  kaum  ein  Erfolg  derselben 
denken.  Dazu  kommt,  dass  das  Publikum  oftmals  aus  Furcht  vor  den 
Schädigungen  der  Desinfektion  vorher  ein  grosses  Ausräumen  der  zu 
desinfizierenden  Räume  vornimmt,  so  dass  die  ganze  Desinfektion 
illusorisch  wird.  Es  besteht  geradezu  die  Gefahr,  dass  wir  Aerzte  uns 
mit  solchen  Massnahmen  lächerlich  machen.  Ausserdem  hat  die 
Schlussdesinfektion  das  Bedenkliche,  dass  das  Publikum  sich  allzu 
sehr  auf  sie  verlässt  und  die  laufende  Desinfektion  darüber  vernach¬ 
lässigt.  Schon  seit  Monaten  schweben  Verhandlungen  mit  der  Wohl¬ 
fahrtsbehörde  über  eine  Beschränkung  der  Schlussdesinfektionen  auf 
ein  möglichst  geringes  Mass.  Jetzt  wird  nur  dann  noch  die  Schluss¬ 
desinfektion  vorgenommen,  wenn  dieselbe  ärztlicherseits  — 
vom  Stadtbezirksarzt  oder  einem  seiner  Mitarbeiter  —  individuell  an¬ 
geordnet  wird.  Im  allgemeinen  soll  weniger  desinfiziert  werden,  als 
bisher.  Eine  grosse  crux  sind  die  Bazillenträger.  Ihre  Scheidung  in 
Haupt-  und  Nebenträger  hat  für  die  Praxis  keine  Bedeutung.  Herr 
Leonhardt  kann  sich  nicht  davon  überzeugen,  dass  die  Hauptträger 
allein  die  gefährlichen  seien.  Er  bittet,  die  Kollegen  möchten  der 
Frage  der  Dauerausscheider  ihre  besondere  Aufmerksamkeit  zuwenden. 

Zum  Schluss  noch  eine  persönliche  Bemerkung  zur  Aufklärung 
über  die  Frage,  weshalb  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Stadtbezirksarzt 
der  Bitte  eines  der  Herren  Vortragenden  um  Ueberlassung  amtlicher 
Unterlagen  nicht  entsprochen  habe.  Die  Erörterungsanzeigeu  ent¬ 
halten  nämlich  ausser  Namen  und  Krankheit  eine  Menge  Einzelheiten, 
darunter  auch  die  Vermögensverhältnisse;  derartige  Unterlagen  aus¬ 
zuliefern,  iist  grundsätzlich  nicht  angängig. 

Herr  R  i  e  t  s  c  h  e  1:  Es  ist  sehr  dankenswert,  dass  die  so  wichtige 
Frage  der  Bazillenträger,  die  in  der  Literatur  ganz  verschieden  beant¬ 
wortet  wird,  heute  zur  Diskussion  gestellt  worden  ist. 

Die  Frage  der  Bazillenträger  ist  besonders  für  die  Säuglings- 
abteilungen  sehr  wuchtig.  Im  städtischen  Säuglingsheim  wurden  seit 
Vz  Jahr  alle  neu  aufgenommenen  Kinder  mit  3  maligem  Abstrich  aus 
Nase  und  Mund  auf  Diphtheriebazillen  untersucht.  Bei  etwas  über 
25  Proz.  aller  Kinder  fanden  sich  Diphtheriebazillen.  Darunter  waren 
auch  einige  klinisch  sichere  Diphtherien.  Sehr  bemerkenswert  ist, 
dass  Kinder  mit  angeborener  Syphilis  fast  stets  Bazillen  hatten,) 
ebenso  viele  Moribunde.  Aus  dieser  Beobachtung  ergibt  sich, 
dass  die  Diphtheriebazillen,  wenn  sie  auch  nicht  ubiquitär  sind,  wie 
etwa  die  Staphylokokken,  doch  wohl  leichter  erworben  werden  können. 
Es  wurde  auch  beobachtet,  dass  bei  Kindern,  die  zunächst  frei  vonBa-' 
zillen  waren,  bei  Verschlimmerung  ihres  Zustandes  Diphtheriebazillen 
auftraten.  Wie  soll  man  sich  nun  schützen?  Praktisch  wurde  so 
vorgegangen,  dass  die  Kinder,  so  gut  es  ging,  isoliert  wurden,  die 
meisten  Kinder  verloien  allmählich  die  Bazillen.  Bei  2  Kindern  trat  eine 
klinische  Diphtherie  dazu.  Daraus  geht  hervor,  dass  der  künstliche 
Unterschied  zwischen  Haupt-  und  Nebenträgern,  wie  ihn  Herr 
Conradi  treffen  will,  den  praktischen  Verhältnissen  nicht  hin¬ 
reichend  Rechnung  trägt.  Im  allgemeinen  mag  es  zutreffen,  dass  die 
Menschen,  welche  die  Bazillen  mit  sich  herumtragen,  nicht  sehr  in¬ 
fektiös  sind,  aber  man  kann  es  dem  einzelnen  Fall  niemals  anseben, 
ob  aus  dem  Nebenträger  nicht  ein  Hauptträger  wird  und  eine  klinische 
Diphtherie  entsteht.  Man  muss  deshalb  durch  immer  wiederholte 
Untersuchungen  die  Kinder  mit  Bazillen  ausschalten  und  isolieren, 

Sehr  gefährlich  sind  die  Bazillenträger  offenbar  nicht.  Die  ent¬ 
stehenden  Epidemien  sind  nicht  schwer,  und  Todesfälle  haben  wir 
nicht  gesehen.  Klinische  Diphtherie  mit  Bazillen  muss  natürlich  ganz 
anders  isoliert  werden. 

Voraussichtlich  wird  die  Tatsache  bestehen  bleiben,  dass  ein 
grosser  Prozentsatz  gesunder  Kinder  als  Bazillenträger  geführt 


Miirz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


669 


;rden  muss.  Eine  strenge  Durchführung  der  Isolierung  aller 
zillenhaltigen  Kinder  Hess  sich  nicht  bewerkstelligen. 

Herr  Georg  Schmorl  hat  ebenfalls  Bedenken  gegen  die  Ein- 
lung  in  Haupt-  und  Nebenträger,  und  zwar  sowohl  aus  theoretischen 
e  aus  praktischen  Gründen.  Als  Nebenträger  gelten  solche,  die 
tzillen  aufweisen,  ohne  jemals  Diphtherie  gehabt  zu  haben.  Wir 
ssen  aber,  dass  es  sehr  leichte  Formen  von  Diphtherie  gibt,  ambu- 
orische  Fälle  mit  etwas  Schnupfen  oder  Halsschmerzen.  Wie  soll 
nun  —  besonders  bei  Kindern  —  möglich  sein,  zu  erfahren,  ob  sie 
„ht  einmal  eine  leichte  Diphtherie  durchgemacht  haben?  Wir  wissen 
üterhiin  auch,  dass  aus  leichten  Fällen  schwere  hervorgehen  können, 
gar  Epidemien. 

Ausser  diesen  theoretischen  Erwägungen  hat  Herr  Schmorl 
er  auch  eine  praktische  Erfahrung  gemacht:  Vor  einer  Reihe  von 
hren  war  in  der  Heil-  und  Pflegeanstalt  eine  Diphtherieepidemie  aus- 
brochen,  die  immer  wieder  von  neuem  aufflammte.  Schliesslich, 
ch  langer  Zeit,  entdeckte  man  die  Quelle  der  Epidemie  in  der  Person 
ner  Pflegerin,  die  sich  als  Bazillenträgerin  erwies.  Bei  dieser 
legerin  liess  sich  trotz  genauesten  Nachforschens  nichts  über  eine 
iher  durchgemachte  Diphtherie  ermitteln:  sie  war  also  als  Neben- 
igerin  im  Sinne  voni  Conradi  zu  bezeichnen,  und  doch  war  durch 
:•  die  ganze  Epidemie  hervorgerufen  worden,  denn  diese  erlosch,  als 
e  Pflegerin  abgesondert  wurde,  binnen  kurzer  Zeit. 

Alle  diese  Erwägungen  müssen  in  uns  starke  Zweifel  hinsichtlich 
r  Berechtigung  von  Conradis  Nomenklatur  erwecken.  —  Die 
.kämpfung  der  Bazillenträger  ist  sehr  schwierig.  Auf  chemischem 
ege  wird  eine  wirksame  Bekämpfung  nicht  möglich  sein,  wenn  auch 
■i  manchen  Fällen  dadurch  Erfolge  erzielt  werden  mögen.  Es  liegt 
es  an  den  verschiedenen  Orten,  an  denen  die  Diphtheriebazillen 
,'getieren.  In  der  Mund-  und  Rachenhöhle  sind  sie  vielleicht  mit 
temischen  Mitteln  zu  erreichen.  Wie  steht  es  aber  bei  den  Fällen, 
o  die  Bazillen  sich  in  den  Krypten  und  Falten  der  Tonsillen  und  des 
schens,  in  den  Tuben,  den  Nasennebenhöhlen  oder  gar  den  Speichel- 
iisen  aufhalten?  Gerade  der  letztgenannte  Befund  ist  wichtig,  da 
an  neuerdings  die  Typhusbazillen  auch  in  der  Leber  nachgewiesen  hat. 

Herr  Schmorl  hat  auch  einen  Bazillenträger  auf  dem  Sektions- 
>ch  untersuchen  können,  der  8  Wochen  nach  der  Diphtherie  an  einer 
erzstörung  zugrunde  ging.  Hier  war  der  ganze  Nasenrachenraum 
it  Diphtheriebazillen  behaftet. 

Qerade  weil  die  Bazillen  an  so  versteckten  Stellen  ihren  Sitz 
iben,  wird  es  wahrscheinlich  sehr  schwer  möglich  sein,  ihnen  mit 
esinfektionsmitteln  beizukommen.  Es  scheint  allerdings,  als  ob  die 
azillen  sich  meist  nur  in  den  oberflächlichen  Schichten  der  Schleim- 
tut  des  Nasenrachenraumes  aufhalten;  aber  unter  gewissen  Um- 
ünden  kann  es  auch  anders  sein;  so  können  beim  Aufbrechen  einer 
onsillarkrypte  die  vorher  schon  verschwundenen  Bazillen  mit  einem 
chlage  wieder  auftreten. 

Aus  allen  diesen  Gründen  dürfen  wir  uns  nicht  allzuviel  und  nicht 
isschliesslich  auf  chemische  Mittel  verlassen. 

Herr  Schmaltz  bringt  einen  kleinen  Beitrag  zur  Frage  der 
.  irksamkeit  des  Diphtherieheilserums. 

Als  er  am  19.  XII.  94  die  innere  Abteilung  des  Diakonissenhauses 
i  Dresden  übernahm,  führte  er  sogleich  die  damals  ganz  neue 
erumbehändlung  ein.  Auf  der  Diphtherieabteilung  war  eine  alte  er- 
hrene  Diakonissin  tätig,  die  dem  neuen  Mittel  mit  grosser  Skepsis 
itgegensah.  Binnen  14  Tagen  war  aber  diese  Schwester  die  be- 
üstertste  Anhängerin  des  Serums  geworden.  Diese  Tatsache  hat 
errn  S.  mehr  überzeugt,  als  lange  Statistiken.  Denn  es  ist  doch 
icht  anzunehmen,  dass  plötzlich  ein  ganz  anderes  Krankenmaterial 
ngeliefert  worden  wäre. 

Herr  Max  Mann:  Früher  getrauten  sich  die  Aerzte  die  Diagnose 
iphtherie  oder  Angina  durch  die  Inspektion  zu  stellen.  Die  bakterio- 
igischen  Untersuchungsanstalten  —  ungeachtet  des  Segens,  den  sie 
estiftet  haben  —  haben  nun  aber  bei  den  Aerzten  einen  grossen 
chlendrian  entstehen  lassen.  Heute  interessiert  man  sich  nicht  mehr 
ir  die  Frage,  ob  der  Kranke  eine  Diphtherie  hat,  sondern  man  lässt 
infach  die  bakteriologische  Untersuchung  ausführen. 

Klinisch  sichere  Diphtherien  können  zweifellos  nicht  früh  genug 
espritzt  werden;  anders  aber  bei  lakunärer  Angina.  Herr  Mann  ist 
berzeugt,  dass  viele  Kranke  mit  einfacher  Angina  Serum  erhalten, 
eil  Diphtheriebazillen  gefunden  worden  sind.  Das  klinische  Bild  der 
•iphtherie  sollte  schärfer  gefasst  werden.  Fehlt  das  volle  klinische 
iild,  so  haben  es  diejenigen  sehr  bequem,  die  dem  bakteriologischen 
istitut  die  ganze  Verantwortung  zuschieben.  In  einem  ihm  bekannten, 
idlich  verlaufenden  Falle  unterblieb  die  Seruminjektion;  da  keine 
lazillen  nachgewiesen  wurden.  Der  betr.  Kollege  hatte  nämlich  nur 
ie  Diphtheriemembranen  eingeschickt,  in  denen  sich  bekanntlich  keine 
iazillen  iinden. 

Wie  steht  es  ferner  mit  dem  Nachweis  der  Virulenz  der  Bazillen? 
>ollte  man  hier  nicht  mit  dem  Tierexperiment  weiter  kommen?  Es 
: nisste  doch  irgendwie  festzustellen  sein,  ob  im  einzelnen  Falle  die 
achgewiesenen  Bazillen  giftig  oder  ungiftig  sind. 

Herr  Aschenheim:  Wer  es  erlebt  hat.  dass  eine  scheinbar 
infache  Angina,  die  auch  von  sehr  erfahrenen  Aerzten  als  solche  be¬ 
achtet  wurde,  Diphtherieinfektion  herbeiführt,  wird  lieber  die 
;eruminjektion  einmal  zu  viel  als  zu  wenig  vornehmen.  Nun  besteht 
her  die  Gefahr  der  Anaphylaxie,  zumal  jetzt  viel  mehr  injiziert  wird 
ds  früher,  so  dass  man  öfters  in  die  Lage  kommt,  bei  •  demselben 
ndividuum  im  Laufe  der  Zeit  wiederholte  Injektionen  vorzunehmen, 
•eshalb  ist  unbedingt  ein  Serum  von  einem  anderen  Tier  erforderlich. 


Soviel  er  weiss,  gibt  es  noch  kein  solches.  Merck  hat  die  Her¬ 
stellung  abgelehnt,  da  nur  das  Pferd  ein  guter  Antitoxinbildner  sei. 

Herr  Naether:  Im  deutschen  Heere  hat  sich  die  Einrichtung, 
die  Soldaten  erst  nach  dreimal  negativem  Bazillenbefund  zur  Truppe 
zu  entlassen,  gut  bewährt,  wenn  auch  dadurch  bisweilen  einzelne 
Bazillenträger  lange  Zeit  —  bis  4  Monate  —  im  Lazarett  zurückge¬ 
halten  werden  müssen.  Dieser  Umstand  veranlasste  ihn  seinerzeit, 
nach  Mitteln  zur  Vernichtung  der  Bazillen  bei  den  Bazillenträgern  zu 
suchen,  und  er  hat  damals  das  Wasserstoffsuperoxyd  empfohlen. 
Quellen  für  das  Wiederauftreten  der  Bazillen  sind  die  Krypten  der 
Tonsillen,  die  sich  zeitweise  öffnen,  vielleicht  auch  adenoide  Vege¬ 
tationen.  Vor  der  Behandlung  mit  Wasserstoffsuperoxyd  muss  erst 
der  Schleim  entfernt  werden,  am  besten  durch  Gurgelungen  mit 
schwachen  Lösungen  von  Cal.  carbonic.,  event.  auch  Kochsalzlösung. 

Mit  der  Desinfektion  mittels  des  Li  ngn  er  sehen  Apparates  hat 
man  in  der  sächsischen  Armee  gute  Erfolge  gehabt. 

Zum  Schluss  empfiehlt  auch  er  die  Herstellung  eines  Serums  von 
einer  anderen  Tierart. 

Herr  Rostoski:  Bazillen,  die  sich  in  der  Tiefe  der  Schleim¬ 
haut  oder  gar  in  Nebenhöhlen  befinden  —  sie  sind  sogar  in  der  Keil¬ 
beinhöhle  gefunden  worden  —  wird  man  nicht  erreichen  können.  Aber 
man  muss  doch  versuchen,  wenigstens  d  i  e  Fälle  frei  zu  machen,  wo 
die  Bazillen  an  der  Oberfläche  sitzen.  Die  Mittel  dazu  sind  keines¬ 
wegs  gleichwertig.  Er  hat  häufig  die  Schanz  sehe  Augensalbe  ver¬ 
wendet,  die  sich,  wfe  es  scheint,  im  Speichel  löst  und  eine  längere 
Einwirkung  herbeiführt  als  die  Pyozyanase. 

Frauen  während  der  Menses  sind  für  Diphtherieinfektion  beson¬ 
ders  empfänglich;  unter  einer  grossen  Zahl  darauf  durchgesehener 
Fälle  war  in  70  Proz.  die  Infektion  kurz  vor  oder  während  der  Menses 
erfolgt.  Daraus  ergibt  sich,  dass  Mütter  kurz  vor  und  während  der 
Menses  sich  nach  Möglichkeit  von  der  Pflege  diphtheriekranker  Kinder 
fernhalten  sollen. 

Wegen  der  Gefahr  der  Anaphylaxie  ist  es  unbedingt  nötig,  ein 
zweites  Serum  herzustellen. 

Herr  Heitmüller  weist  darauf  hin,  dass  schon  vor  Jahren  in 
kariösen  Zähnen  Diphtheriebazillen  gefunden  worden  sind.  Das  ist 
auch  für  die  Beurteilung  der  Bazillenträger  von  Wichtigkeit. 

Herr  Hiible  r  beantragt  infolge  der  vorgerückten  Zeit  Vertagung 
der  Diskussion. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

Herr  Rostoski  als  Kassenführer  bittet  die  Gesellschaft  um 
Zustimmung,  den  Kassenbericht  nicht,  wie  satzungsgemäss.  im  Januar, 
sondern  erst  im  Februar  zu  geben,  da  noch  nicht  alle  Unterlagen  dazu 
eingegangen  sind. 

Die  Gesellschaft  erklärt  ihre  Zustimmung. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1640.  ordentliche  Sitzung  vom  3.  März  1913  im  Sitzungs¬ 
saal,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a. : 

1.  eine  Serie  von  Schrumpinieren  mit  Herzhypertrophie,  ohne 
Herzhypertrophie  und  Fälle  von  idiopathischer  Herzhypertrophie. 

2.  hochgradige  doppelseitige  Hydronephrose  (mit  weitgehender 
Zerstörung  der  Nieren  und  schwerer  Herzhypertrophie)  infolge  Harn- 
röhrenstriktur,  klinisch  unter  dem  Bilde  der  Schrumpfniere  und 
Urämie  zum  Tode  führend. 

Herr  Haeberlin  -  Nauheim :  Demonstration  eines  Präparates 
einer  Herzverletzung  bei  unverletztem  Perikard. 

Bei  den  Verletzungen  des  Herzens  handelt  es  sich  im  grossen 
und  ganzen  um  zwei  Hauptgruppen:  solche  durch  stumpfe  Gewalt, 
wo  es  ohne  Penetration  der  Weichteile  zu  Platzrupturen  des  Organs 
kommt,  und  die  Stich-  und  Schussverletzungen,  die  in  der  Regel 
einen  penetrierenden  Kanal  haben.  Dass  es  in  sehr  seltenen  Fällen 
auch  bei  Schussverletzungen  zu  Herzrupturen  kommen  kann,  wo  dann 
das  Perikard  keine  Verletzung  aufweist,  erwähnt  auch  L.  Reh  n  in 
seiner  letzten  Publikation,  und  ich  kann  Ihnen  einen  solchen  Fall  vor¬ 
stellen. 

Vor  der  Demonstration  des  Präparates  gestatten  Sie  mir,  kurz 
über  Kranken-  und  Operationsgeschichte  das  Folgende  zu  referieren: 

Der  24  jährige  Patient  wurde  abends  ins  Nauheimer  Krankenhaus 
eingeliefert,  nachdem  er  sich  ca.  2  Stunden  vorher  mit  einem  Re¬ 
volver  3  Schüsse  in  die  linke  Brustseite,  mit  der  rechten  Hand 
schiessend,  beigebracht  hatte,  deren  Einschüsse  sämtlich  im  III.  IKR. 
intramammillar  lagen.  Blutig-schaumiges  Sputum,  Hautemphysem, 
linksseitiger  Hämatopneumothorax.  Herzdämpfung  nicht  sicher  per- 
kutierbar.  Puls  90,  weich,  Herztöne  über  Aorta  und  Sternum  deutlich, 
nach  der  Mammillarlinie  zu  verschwindend.  Herzverletzung  nicht 
sicher  diagnostizierbar.  Nacht  leidlich,  am  nächsten  Morgen  relatives 
Wohlbefinden. 

Morgens  10  Uhr  50  Min.  plötzliche  Verschlimmerung:  Zyanose, 
Atemnot,  Puls  klein,  kaum  fühlbar,  120 — 130,  dazwischen  einzelne  ver¬ 
langsamte  Schläge.  Herztöne  nur  über  Aorta  und  Sternum  hörbar, 
links  von  dem  Sternum  nicht  mehr.  Diagnose:  Fortschreitender  Herz¬ 
druck  (Herztamponade). 


670 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  12. 


Sofortige  Operation  nach  der  Kocher  sehen  Methode,  die  sicii 
ungemein  einfach  ausführen  liess.  Das  Perikard  liegt  dann  in  grosser 
Ausdehnung  frei.  Während  man  bei  sonstigen  Thoraxoperationen  das 
Herz  im  durchscheinenden  Perikard  arbeiten  sieht,  so  lag  hier  das 
Perikard  als  prall  gespannte,  dunkelblaurote  Zyste  vor,  die  nur  in  der 
Gegend  des  Apex  etwas  wie  Flimmern  erkennen  liess.  Die  Inzision 
des  Perikards  liess  einen  mächtigen  Strahl  dunklen,  flüssigen  und 
geronnenen  Blutes  ca.  30  cm  hoch  aufspringen  und  im  Augenblick 
dieser  Entlastung  des  Herzens  gab  der  den  Puls  freundlicherweise 
kontrollierende  Dr.  Grödel  II  an,  dass  der  bis  dahin  kaum  fühlbare 
Puls  ruhig,  voll  und  kräftig  wurde.  Zunächst  keine  neue  Blutung. 
Erweiterung  des  Schnittes  im  Perikard,  Eingehen  mit  der  Hand  in  das¬ 
selbe,  Abtastung  des  pulsierenden  Herzens  und  des  Perikards.  Die 
Empfindung  dabei  ist  die,  dass  das  Herz  in  der  Diastole  mit  grosser, 
nicht  unterdrückbarer  Gewalt  auseinanderschnellt.  Weder  am  Peri¬ 
kard,  noch  an  der  Wand  der  Ventrikel  kann  eine  Verletzung  gefühlt 
werden,  dagegen  lässt  sich  ein  ausserhalb  des  Perikards  in  der  Höhe 
des  Sinus  transversus  pericardii  liegendes  Projektil  fühlen.  Um  auch 
die  Vorhöfe  der  Besichtigung  zugänglich  zu  machen,  Anheben  des 
Herzens,  wobei  von  oben  aus  dem  Perikardialsack  eine  abundante 
Blutung  erfolgt,  der,  ehe  eine  Orientierung  möglich  ist,  der  Patient 
erliegt. 

Die  Sektionsuntersuchung  (Demonstration)  ergab  einen  unregel¬ 
mässig  gezackten,  2  cm  langen  Riss  im  linken  Vorhof,  der  die  Quelle 
der  Blutung  war,  und  dem  extraperikardial  der  Sitz  des  Projektils 
genau  entsprach.  Hier  hat  das  Geschoss  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  auf  den  diastolisch  ausgedehnten  Vorhof  das  elastische  Peri¬ 
kard  aufgeschlagen,  und  eine  Ruptur  des  Vorhofs  veranlasst,  zunächst 
klein,  die  sich  wahrscheinlich  durch  Gerinnsel  schnell  verlegte.  Der 
Augenblick  der  Verschlimmerung  entsprach  jedenfalls  einer  neuen, 
wahrscheinlich  durch  Weiterreissen  der  Wunde  des  Vorhofs  bedingten 
Blutung. 

Diskussion:  Herr  Fischer  berichtet  über  einen  analogen 
Fall  von  Verletzung  des  linken  Ventrikels  durch  eine  Revolverkugel 
ohne  Verletzung  des  Herzbeutels. 

Herr  Hirsch-Tabor:  Atypische  Myotonie. 

Die  manifeste  myotonische  Erkrankung  bei  dem  20  jährigen  Mann 
ist  auf  die  stark  hypertrophischen  beiderseitigen  Mm.  quadric.  femor. 
und  gastroenem.  beschränkt.  Die  übrige  Muskulatur  zeigt  keine 
nachweisbaren  Veränderungen;  es  sollen  aber  in  ihr  früher  leichte 
myotonische  Erscheinungen  bestanden  haben.  Auch  die  elektro-myo- 
tonische  Reaktion  ist  atypisch,  insoferne  die  Nachdauer  der  Kontrak¬ 
tion  am  nachhaltigsten  und  mit  den  geringsten  Stromstärken  durch 
faradische  Reizung  vom  Nerven  aus  erzielt  wird.  Die  ersten  Sym¬ 
ptome  des  Leidens,  das  spontan  aufgetreten  ist,  hat  Patient  vor 
ca.  3  Jahren  an  sich  bemerkt.  Myotonische  Heredität  ist  anscheinend 
nicht  vorhanden. 

Herr  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  -  Hohe  Mark:  Ueber  die  Klinik  und 
Therapie  des  Morphinismus. 

Der  Vortrag  stellt  ein  Kapitel  dar  aus  einer  Arbeit,  welche  als 
Monographie  in  nächster  Zeit  bei  Fischer  in  Jena  erscheinen  wird. 
Der  Vortragende  befürwortet  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  die  so¬ 
fortige  Entziehung,  die  Angst  vor  den  Abstinenzerscheinungen  und 
dem  Kollaps  ist  übertrieben,  die  Furcht  vor  Entziehungskuren  seitens 
mancher  behandelnden  Aerzte  und  aller  Kranken  ist  geradezu  eine 
legendarische  geworden. 

Diskussion:  Herr  Hainebach:  Bei  akuten  Morphiumver- 
giftunßen  darf  man  sich  wohl  nicht  darauf  beschränken,  nur  Kal. 
hypermang.  zu  geben,  da  ist  unter  Umständen  die  reichliche  Magen¬ 
spülung  doch  angezeigt.  In  einem  Falle  hatte  ein  Mann  etwa  5  bis 
6  g  Morphium  in  Substanz  zur  Ausführung  des  Selbstmords  zu  sich 
genommen.  Er  war  bereits  somnolent.  Nach  Einführung  der  Magen¬ 
sonde  durch  eine  Zahnlücke  wurde  reichliche  Magenspülung  vor¬ 
genommen.  Der  Mann  genas.  Ohne  die  Magenspülung  wäre  er  wohl 
zugrunde  gegangen. 

Herr  Hahn  kann  die  Angaben  des  Vortragenden,  dass  die  plötz¬ 
liche  Entziehung  leichter  für  den  Pat.  und  nur  selten  gefährlich  ist, 
bestätigen.  Er  macht  auf  die  angeblichen  Morphiumvergiftungen  an 
Hysterischen  aufmerksam. 

Herr  Julius  Friedländer  macht  darauf  aufmerksam,  dass  der 
vom  Vortr.  mehrfach  zitierte  Erlenmeyer  zum  mindesten  in 
früheren  Jahren  (1886/87)  keine  plötzlichen  und  keine  raschen,  son¬ 
dern  allmähliche,  langsame  Morphiumentziehungskuren  geübt  hat, 
und  zwar  fast  ausnahmslos  in  seiner  offenen  Anstalt  unter  strengster 
Aufsicht  von  zuverlässigen  Pflegerinnen. 

Herr  Eiermann  schildert  einen  ihm  bekannten  Fall,  in  dem  ein 
Morphiomane  durch  Jahre  hindurch  viele  Aerzte  in  Sanatorien  aller 
möglichen  Länder  getäuscht  hat  und  dann  in  einem  bekannten 
deutschen  Sanatorium  —  allerdings  auch  erst  nach  einer  vergeblichen 
Kur  während  einer  2.  Behandlung  —  entlarvt  wurde:  Er  hatte  Mor¬ 
phium  und  Spritze  die  ganze  Zeit  über  in  einer,  von  einer  früheren 
Operation  herrührenden  Hauttasche  an  der  Innenseite  des  Ober¬ 
schenkels  verborgen.  Die  Hauttasche  war  nach  aussen  durch  eine 
straffe  Falte  abgeschlossen  und  hatte  auf  diese  Weise  so  lange  als 
Aufbewahrungsort  für  das  Morphium  dienen  können,  ohne  entdeckt 
zu  werden. 

Herr  G.  L.  Dreyfus:  Nach  den  Erfahrungen,  die  wir  am  hiesi¬ 
gen  Krankenhaus  gemacht  haben,  ist  eine  sachgemässe  Morphium¬ 
entziehungskur  nur  bei  kontinuierlicher  Ueberwachung  mög¬ 


lich.  Ist  diese,  wie  so  sehr  häufig,  nicht  durchführbar,  so  kommt 
lediglich  eine  geschlossene  Anstalt  in  Frage.  —  Bezüglich  der  foren¬ 
sischen  Beurteilung  des  Morphinisten  fällt  gewiss  nicht  jede  krimi¬ 
nelle  Handlung  unter  den  Schutz  des  §  51  RStGB.  Jede  Straftat  aber, 
die  in  unmittelbarem  Zusammenhang  mit  dem  Morphinismus  stellt! 
sollte  exkulpiert  werden.  Sache  des  Gerichts  ist  es  dann,  für  event! 
Zwangsunterbringung  des  Morphiumsüchtigen  in  einer  geschlossene!! 
Anstalt  bis  zur  „Heilung“  Sorge  zu  tragen. 

Herr  Löwe:  Im  Gegensatz  zu  den  Morphinisten  neigen  die 
chronischen  Opiumraucher  sehr  zu  Kollapsen,  besonders  dann,  wenn 
ihnen  im  Stadium  der  Karenz  eine  leichte  Krankheit,  z.  B.  die  See¬ 
krankheit  zustösst.  Für  solche  Kranke  sind  Morphiuminjektionen  oft 
lebensrettend. 

Herr  Schulze-Kahleyss  widerspricht  nach  seiner  Er¬ 
fahrung  der  Forderung  des  Herrn  Vortragenden,  bei  Morphinisten 
ebenso  wie  bei  Alkoholikern  fast  ausschliesslich  die  plötzliche  Ent¬ 
ziehung  vorzunehmen.  Dieselbe  könne  zwar  in  geschlossenen  An¬ 
stalten  leicht  durchgeführt  werden,  bedeute  aber  eines  der  qual¬ 
vollsten  und  rigorosesten  Vorgehen  des  Arztes  gegen  den  Patienten, 
bringe  ihn  auch  durch  Herzkollaps  öfter  in  Lebensgefahr,  als  der 
Herr  Vortragende  annähme.  Die  meisten  Morphinisten  haben  des¬ 
halb,  und  vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  eine  Aversion  gegen  die  ge¬ 
schlossene  Anstalt  und  wenden  sich  vorzugsweise  an  die  offene.  Die 
Aufgabe  des  Leiters  einer  offenen  Anstalt  ist  natürlich  von  vornherein 
eine  schwierigere,  da  sich  der  Patient  bei  Vornahme  einer  qualvollen 
Gewaltkur,  was  eine  plötzliche  Entziehungkur  entschieden  ist,  sofort 
der  Behandlung  entziehen  würde.  Er  wird  also  diese  Methode  in  den 
wenigsten  Fällen  wählen,  sondern  der  sprungweise,  langsam  ab¬ 
klingenden  den  Vorzug  geben,  bei  welcher  sich  in  der  Tat  durch 
während  der  Kur  gewährte  kleine  Luxusdosen  die  Qualen  des  Pat. 
so  gut  wie  ganz  ausschliessen  lassen.  Diese  Form  der  Entziehung 
sollte  auch  in  geschlossene  Anstalten  Eingang  finden,  da  sie  nicht  nur 
der  Humanität,  sondern  auch  der  höchsten  Forderung,  welche  man 
an  die  ärztliche  Kunst  stellt,  der  individualisierenden  Behandlung, 
einzig  und  allein  Rechnung  trägt. 

Herr  Friedländer  (Schlusswort):  Dass  bei  der  akuten 
Morphiumvergiftung  zunächst  die  Ausspülung  des  Magens  vorzu¬ 
nehmen  ist,  habe  ich  als  selbstverständlich  nicht  erwähnt,  die  akute 
Morphiumvergiftung  streifte  ich  nur  mit  wenigen  Worten  und  wollte 
nur  auf  die  Bedeutung  des  Kalium  permanganat  als  Gegenmittel  hin- 
weisen.  Was  die  Bemerkung  des  Herrn  Friedländer  -  Frankfurt 
betrifft,  so  muss  die  plötzliche  Entziehung  von  der  raschen  getrennt 
werden.  — -  Erlenmeyer  hat  in  seiner  letzten  Arbeit  vom 
Jahre  1909  die  rasche  Entziehung  als  die  ihm  besterscheinendste 
angegeben. 

Was  die  Ausführungen  des  Herrn  Schulze-Kahleyss 
betreffen,  so  dürfte  bei  der  Auffassung,  welche  er  bezüglich  der 
Abstinenzerscheinungen  und  des  Morphium  zum  Ausdruck  gebracht 
hat,  eine  Einigung  schwer  zu  erzielen  sein.  Ein  Morphinist  kann 
natürlich  auch  in  der  offenen  Anstalt  behandelt  werden,  was  ich 
ebenfalls  wiederholt  durchgeführt  habe.  Aber  auch  in  der  offenen 
Abteilung  muss  der  Kranke  bei  Tag  und  bei  Nacht  überwacht  werden, 
so  dass  es  dann  nur  noch  ein  Streit  um  Worte  ist,  wenn  man  leugnen 
will,  dass  er  tatsächlich  interniert  ist.  Nur  die  Notwendigkeit  dieser 
„Internierung“  habe  ich  hervorheben  wollen.  Sie  muss  erkannt 
werden,  wenn  man  vor  Selbsttäuschungen  bewahrt  bleiben  will. 
Wer  diese  dauernde  Ueberwachung  prinzipiell  durchführt,  wird  auch 
die  Gefahren  des  Kollapses  niedriger  einschätzen  lernen.  —  Die  von 
mir  aufs  neue  empfohlene  plötzliche  Entziehung,  welche  der  letzte 
Redner  so  sehr  bekämpfte,  wird  mit  derselben  „Rücksichtslosigkeit“ 
von  Autoren  wie  Bonhoeffer,  Schröder  u.  a.  mit  den  besten 
Ei  folgen  geübt,  vor  allem  mit  dem  Erfolg,  dass  der  Arzt,  wenn  er 
den  Kranken  aus  der  Behandlung  entlässt,  sicher  sein  kann,  dass  er 
wirklich  morphiumfrei  ist  und  einsehen  lernte,  dass  die  Angst  vor 
der  Entziehung  unbegründet  war. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  D  e  n  e  k  e. 

Herr  Loh  fei  dt:  2  Fälle  von  operiertem  Mammakarzinom,  die 
durch  Röntgenbehandlung  in  sehr  gutem  Zustande  sich  befinden. 
Der  1.  Fall  —  November  1911  operiert  —  wird  seit  Februar  1912  be¬ 
handelt,  ist  rezidivfrei  geblieben  —  8  Serien  ä  3  Sitzungen  ä  6  Minuten 
=  66  x;  der  2.  Fall  —  Februar  1912  operiert  —  kam  im  November 
1912  wegen  ausgedehnter  disseminierter  Rezidivkarzinomatose  in  Be¬ 
handlung.  Jetzt  sind  nach  5  Serien  =  50  x  das  kolossale  Rezidiv¬ 
infiltrat  und  alle  Knötchen  geschwunden. 

Herr  Haenisch  demonstriert  einen  durch  kombinierte  Rönt¬ 
gen-  und  Arsenbehandlung  geheilten  Fall  von  ausgedehntem  Media- 
stinalsarkom.  Der  Kranke  kam  wegen  Atembeschwerden  und  Zya¬ 
nose  und  allgemeinem  Kräfteverfall  in  Behandlung.  Im  Röntgenbild 
zeigte  sich  ein  enormer  Mediastinaltumor.  Durch  Röntgen  und  In¬ 
jektion  von  kakodylsaurem  Natron  gelang  es,  den  Durchmesser  des 
Tumorschattens  von  18,5  auf  7,0  cm  zurückzubringen.  Von  den 
beiden  therapeutischen  Faktoren  ist  der  Röntgenbehandlung  ent¬ 
schieden  am  meisten  zu  danken,  da  bei  Aussetzer!  der  Bestrahlung 


.  März  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  671 


d  Weiteranwendung  des  Arsens  allein  der  Tumor  immer  wieder 
iclis.  H.  protestiert  gegen  die  von  Seeligmann  am  11.  Februar 
13  geäusserte  Ansicht,  dass  diese  Behandlung  neu  und  von  ihm 
erst  angewandt  sei.  Ein  Blick  in  die  Literatur  belehrt,  dass  schon 
t  1904  Hunderte  von  derartigen  Erfolgen  publiziert  sind. 

(Vergl.  die  Mitteilung  von  Dr.  Seeligmann  S.  637  d.  No.  Red.) 
Herr  Kotzenberg  demonstriert  zu  dem  gleichen  Kapitel  aus 
iem  günstig  beeinflussten  Material  von  16  Fällen  4  Patienten: 
Carcinoma  uteri,  Totalexstirpation,  Rezidiv.  2  Jahre  durch  As  + 
utgen  rezidivfrei,  b)  Sarkom  des  Oberkiefers,  inoperabel,  c)  Re- 
liv  eines  Mammakarzinoms  c.  Hodgkin  sehe  Krankheit. 

Diskussion:  Herren  Seeligmann.  Ed.  A  r  n  i  n  g,  der  be¬ 
it,  dass  Arsazetin  noch  gefährlicher  und  giftiger  als  Atoxyl  ist; 
i e n i s c h,  Kotzenberg. 

Herr  Rüder  zeigt  das  Präparat  einer  ausgetragenen  Extra- 
:ringravidität,  deren  Exstirpation  besonders  grosse  Schwierig- 
iten  machte.  Der  grosse  tumorartige  Fruchtsack  war  intraliga- 
•ntär  entwickelt  und  war  durch  eine  Appendizitis  am  Beginn  der 
hwangerschaft  mit  der  Appendix,  Darmschlingen  und  dem  Ureter 
rwachsen. 

Herr  Brauer:  Beitrag  zur  Klinik  des  Pneumotyphus. 

Pat.,  ein  Krankenhausarzt,  erkrankte  Sept.  1912  mit  Mattigkeit, 
ngenerscheinungen,  besonders  Husten,  Fieber.  Im  Blut  wurde  da- 
ds  eine  Typhuskolonie  gezüchtet,  Stuhl-  und  Urinuntersuchung 
i  Typhusbazillen  negativ.  Anfang  November  Bronchopneumonie 
t  Erscheinungen  von  Gewebszerfall  und  Empyem.  Mitte  No- 
mber  Empyemoperation,  alle  Typhusreaktionen  negativ.  Dann 
Öffnung  eines  Erweichungsherdes  in  der  Lunge.  —  Die  Kranken- 
Muester,  die  mit  der  Pflege  des  Pat.  betraut  war,  erkrankte  dann 
,  Typhus  und  schliesslich  wurde  auch  in  der  Rekonvaleszenz  die 
i  da  Ische  Reaktion  bei  dem  Pat.  positiv.  Nach  dem  ganzen  Ver- 
iif  scheint  es  sich  um  einen  echten  Pneumotyphus  gehandelt  zu 
Iben,  da  weder  eine  Embolie  noch  Aspiration  anzunehmen  war. 

Herr  Lauenstein:  Pferdehaar,  aus  dem  Fussriicken  eines 
nnnes  stammend,  das  dort  zu  einem  kleinen  Abszess  geführt  hatte. 

Herr  Nonne:  14 jähriger  Knabe  mit. klassischer  juveniler  Para- 
lie.  Die  4  Reaktionen  positiv.  Stigmata  für  hereditäre  Lues 
:  lten.  Bei  der  Mutter  fand  sich  beginnende  Tabes,  Wassermann 
I sitiv.  Die  weitere  Anamnesenforschung  ergab,  dass  es  sich  um 
:  e  in  frühester  Kindheit  akquirierte  Lues  gehandelt  hat.  Die  Mutter 
ir  von  einem  syphilitischen  Säugling  infiziert,  und  übertrug  die 
:  philis  auf  ihr  eigenes,  gleichzeitig  gestilltes  Kind.  Derartige  Fälle 
n  Infektion  von  Säuglingen  mit  Lues  sind  nicht  ganz  so  selten, 

1 2  allgemein  angenommen  wird. 

N.  berichtet  über  3  weitere  Fälle:  1.  14  jähr.  Mädchen  mit 
ralyse,  ebensolcher  Infektionsweg,  2.  2  jähr.  Kind  mit  Hirnlues, 
'.n  der  Amme  infiziert,  3.  10  jähr.  Knabe  mit  Tabes,  von  einem  Ein- 
ierer  als  Säugling  infiziert. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Jacobsthal: 
ber  die  praktische  Bedeutung  der  Wassermann  sehen  Re- 
tion. 

Herr  Kafka  berichtet  über  die  in  der  Irrenanstalt  Friedrichsberg 
nachten  Erfahrungen.  Gerade  die  metaluetischen  Erkrankungen, 
e  die  Paralyse  und  die  Lues  cerebri  brauchen  Verfeinerungen  der 
laktionen.  Dass  tatsächlich  die  Paralyse  eine  Lues  des  Zentral- 
rans  ist.  ist  ja  auch  jetzt  durch  den  Nachweis  von  Spirochäten  im 
ralytikergehirn  erwiesen.  Methodologisch  ist  als  Verfeinerung  zu 
pfehlen:  das  Arbeiten  mit  mehreren  Extrakten,  mit  steigenden 
i  sen  des  Serums,  Untersuchung  des  aktiven  Serums  betreffs  Ab- 
ption  der  Normalambozeptoren,  Wechselmann  sehe  Ab- 
ption  der  Komplementoide  usw.  Die  Cholesterin-Kältemethode  hat 
h  sehr  bewährt:  14S  Fälle,  123  mal  war  das  Resultat  iiberein- 
nnmend  mit  der  Originalvorschrift. 

Herr  Much:  Bei  der  Unspezifizität  der  Reaktion  ist  es  ein 
iktisches  Bedürfnis,  die  Reaktion  nicht  zu  fein  zu  gestalten.  Es 
pfiehlt  sich  anstatt  Ochsenherzextrakten  (Sachs)  Menschenherz- 
:rakte  zu  verwenden.  Der  Praktiker  muss  wissen,  dass  es  para- 
xe  Fälle  gibt  und  der  Serologe  muss  in  solchen  Fällen  nicht 
n  „pseudonegativer“  Reaktion  oder  dergl.  sprechen.  M.  macht  kurz 
einzelne  Fehlerquellen  aufmerksam.  Was  die  G  e  n  n  e  r  i  c  h  sehen 
rsuche  betrifft,  so  muss  man  vorläufig  noch  ein  „non  liquet“  dazu 
ten.  In  den  Konzessionen  ist  Herr  Jacobsthal  zu  weit  ge¬ 
igen.  So  z.  B.  in  der  Beurteilung  des  Ehekonsenses  durch  die 
i.-R.  Hier  gibt  es  nur  ein  entweder  —  oder.  Ebenso  ist  es  nicht 
^ängig  für  den  Therapeuten  —  damit  er  Erfolge  sehen  kann  —  nur 
iwache,  für  den  Diagnostiker  nur  starke  Reaktionen  zu  verwenden. 

Herr  E.  Arning:  Die  praktische  Bedeutung  der  Wa.-R.  ist  so 
ss,  dass  es  ganz  besonders  zu  bedauern  ist,  dass  in  keinem  In¬ 
tut  die  gleiche  Methode  verwandt  wird.  Es  wird  daher  zurzeit 
e  Enquete  veranstaltet,  an  der  Kliniker  und  Serologen  in  gemein- 
ner  Weise  arbeiten,  um  eine  Standardmethode  festzulegen.  Sehr 
J  Erfolg  verspricht  A.  sich  von  weiteren  Fortschritten  in  der  Aus¬ 
zug  der  Ausflockungsmethode  unter  Verwendung  chemischer,  ein- 
h  definierbarer  Substanzen  (z.  B.  glykokollsaures  Natron). 

Herr  Nonne  gibt  ein  Referat  über  den  Ausfall  der  Wa.-R.  bei 
rvenkrankheiten.  Bei  Tabes  ist  die  Wa.-R.  im  Blut  in  ca.  5ü  Proz. 
sitiv,  im  Liquor  unter  Verwendung  der  Auswertungsmethode  nach 


Haupt  mann  in  90 — 95  Proz.,  bei  Paralyse  ist  sie  überwiegend 
im  Blut  und  im  Liquor  positiv.  —  Therapeutisch  hat  N.  in  ca.  30  Fällen 
nach  Dreyfus’  Angaben  heroische  Dosen  von  Salvarsan  und  Hg 
gegeben,  bis  die  positive  Reaktion  negativ  wurde  und  hat  bisher 
gute  Resultate  damit  erzielt.  —  N.  hat  ferner  80  Fälle  von  chronischem 
Alkoholismus  ohne  Syphilis  auf  Wa.-R.  geprüft.  Nur  2  mal  war  die 
Anamnese  aber  nicht  einwandfrei.  Aehnlich  sind  die  Untersuchungen 
bei  Epilepsie,  Tumor  cerebri  etc. 

Herr  Hahn  hat  mehrere  Fälle  gesehen,  in  denen  trotz  frischer 
syphilitischer  Erscheinungen  mit  virulenten  Spirochäten  die  Reaktion 
negativ  war  und  bei  der  Behandlung  negativ  blieb.  Die  Unter¬ 
suchung  bei  den  verschiedenen  Rezidiven  solcher  Fälle  ergab  nega¬ 
tive  Reaktion. 

Herrn  Saengers  Beobachtungen  decken  sich  mit  denen  von 
Nonn  e.  Bei  der  Differentialdiagnose  zwischen  Tabes  und  Para¬ 
lyse  nützt  die  verfeinerte  Wa.-R.  uns  nicht.  Da  gibt  die  ülobulin- 
reaktion  Aufschluss. 

Herr  Bohne  bespricht  die  Bedeutung  der  Wa.-R.  für  den  Ge¬ 
richtsarzt,  für  die  Lebensversicherungen  und  für  die  Puellenunter- 
suchung. 

Herr  S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r  verlangt,  dass  alle  Syphilitiker  2—3  mal 
jährlich  auf  Wa.  geprüft  und  bei  positivem  Ausfall  der  Reaktion  be¬ 
handelt  werden.  Den  Ehekonsens  muss  man  nach  klinischen  Er¬ 
wägungen  wie  bisher  erteilen.  Lebensversicherungen  sollen  Syphi¬ 
litiker  aufnehmen,  aber  individualisierende  Zusatzprämien  verlangen. 
Sehr  notwendig  ist  die  Kontrolle  der  Kinder  syphilitischer  Eltern  zur 
Vermeidung  der  Symptome  der  Lues  tarda. 

Fortsetzung  in  nächster  Sitzung.  Werner. 


Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Februar  1913. 

Herr  Go  Id  stein:  Demonstration  von  Gehirnen. 

Herr  Hermann:  Neueres  zur  Physiologie  des  Hörens. 

Sitzung  vom  3.  März  1913. 

Herr  Meyer  und  Herr  Pick:  Demonstrationen. 

Herr  Streit  bespricht  zunächst  die  Methoden  der  Abimpfung 
aus  Rachen  und  Nase. 

Während  die  erstere  relativ  einfach  sei  und  unter  Kokain 
durch  runde  Glasröhrchen  meist'  fehlerlos  gehandhabt  würde,  seien 
bei  den  bisherigen  Abimpfungen  der  Nase  nach  z.  B.  Neuma n n, 
Hasslauer  etc.  manche  Fehlerquellen  zu  verzeichnen  und  daher 
auch  die  bisherigen  Resultate  ganz  irrige.  S.  impft  durch  einen 
grossen  sterilen  Ohrtrichter,  den  er  in  die  Nase  einführt,  ab.  Er 
hebt  hervor,  dass  er  durch  diesen  geschlossenen  Trichter  auch  das 
Berühren  der  Vibrissen  des  Vestibulum  vermeide,  wie  es  bei  Be¬ 
nutzung  eines  Sperrspekulums  nur  zu  leicht  geschehe.  Dadurch  er¬ 
klärt  er  auch  die  Tatsache,  dass  er  fast  nie  diphtherieähnliche 
Bazillen  gefunden  habe,  die  sich  gerade  im  vorderen  Nasenraum 
befänden. 

Die  Flora  des  Nasenrachenraums  sei  mannigfach.  Fast  immer 
findet  er  Streptokokken,  oft  Diplokokken;  in  17  Proz.  aller  Anginen 
hämolytische  Streptokokken,  denen  als  Urheber  der  Anginen  eine 
grosse  Rolle  zuzuschreiben  sei.  Meistens  war  in  diesen  Fällen  die 
Nase  selbst  frei  von  solchen. 

Die  bisherige  Ansicht,  dass  die  Nase  niemals  steril  sei,  führt 
Vortr.  ebenfalls  auf  die  fehlerhaft  geübten  Abimpfungen  zurück.  F.r 
selbst  hat  in  vielen  Fällen  die  gesunde  Nase  keimfrei  gefunden. 

In  den  Untersuchungen  über  das  Abhängigkeitsverhältnis  in  der 
Bakterienflora  beider  Nasenseiten  kommt  S.  zu  folgenden  Resultaten: 
Abgesehen  davon,  dass  beide  Seiten  die  gleichen  Bakterien  enthalten 
können,  können  1.  beide  Seiten  steril  sein  oder  2.  die  eine  ist  steril, 
die  andere  keimhaltig  oder  3.  in  jeder  finden  sich  Bakterien,  aber 
ganz  artverschiedene. 

Vortr.  erwähnt  noch,  dass  er  stets  auf  Blutagar  und  Aszites 
abimpfe,  da  auf  einfachen  Nährböden  nach  seinen  Erfahrungen  viele 
der  Bakterien  nicht  gewachsen  waren. 

Herr  Fetzer  hat,  um  Erfahrungen  über  den  Stoffhaushalt  in 
der  Gravidität  zu  sammeln,  eine  Reihe  von  Experimenten  mit 
Kaninchen  angestellt.  Er  fütterte  die  einen  Tiere  während  ihrer 
Schwangerschaft  mit  Kuhmilch  +  Weissbrot,  den  anderen  gab  er 
ausserdem  Ferratin.  Er  stellte  auf  diese  Weise  dort  ein  Minimum, 
hier  ein  Maximum  an  eisenhaltiger  Nahrung  her.  Die  neugeborenen 
Föten  dieser  Tiere  wurden  gleich  nach  der  Geburt  analysiert,  und 
der  absolute  und  relative  Eisengehalt  derselben  wurde  festgestellt. 
Die  Resultate  entsprachen  ganz  der  den  Muttertieren  während  der 
Schwangerschaft  verabreichten  Nahrung.  Vortr.  schreibt  dem  eine 
grosse  Wichtigkeit  für  die  Therapie  zu;  Konstitutionsanomalien  der 
Neugeborenen  seien  stets,  wie  schon  Finkeistein  dargeiegt  habe, 
eine  Folge  schlechter  Ernährung  in  utero.  Anämische  Kinder  seien 
fast  ausnahmslos  Kinder  anämischer  Mütter;  darum  könne  nicht 
genug  Gewicht  auf  eine  zweckmässige  Ernährung  Gravider  gelegt 
werden.  Dr.  R  u  t  z. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  \l 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Febrilar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Marchand. 

Schriftführer  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  H  e  i  n  c  k  e  demonstriert  ein  einjähriges  Kind  mit  einer 
grossen  Zephalhydrozele  (Meningocele  spuria)  traumatica.  Das 

Kind  war  vor  10  Wochen  aus  dem  Bett  gefallen,  kurze  Zeit  bewusst¬ 
los  gewesen,  hatte  sich  dann  aber  schnell  erholt.  Nach  dem  Falle 
bestand  sofort  eine  vollständige  Lähmung  der  rechten  Körperseitc. 
die  allmählich  wieder  teilweise  zurückging.  Ferner  entwickelte  sich 
eine  fluktuierende  Anschwellung  über  dem  rechten  Scheitelbein,  die 
zuerst  langsam  wuchs,  dann  stationär  blieb.  Zurzeit  besteht  bei 
dem  sonst  gut  enwickelten  Kinde,  das  keine  psychischen  Defekte 
zeigt,  ein  über  hühnereigrosser  fluktuierender  Tumor  über  der  linken 
Schädelhälfte,  der  Gehirnpulsationen  zeigt,  sich  beim  Schreien  ver- 
grössert  und  zerebrospinale  Flüssigkeit  enthält.  Nach  der  Punktion 
und  Entleerung  des  Tumors  wird  eine  6  cm  lange  Spalte  im 
Schädeldach  fühlbar,  die  annähernd  sagittal  durch  das  Scheitel¬ 
bein  verläuft  und  am  vorderen  Ende  über  1  cm  breit  klafft  (Röntgen¬ 
bilder).  Der  Tumor  füllt  sich  nach  der  Punktion  sofort  wieder.  Die 
teilweise  Lähmung  der  rechten  Körperseite  besteht  noch.  Sprech¬ 
versuche  macht  das  Kind  noch  nicht. 

Vortragender  bespricht  die  Gründe,  die  das  Klaffen  der  Bruch¬ 
spalten  beim  kindlichen'  Schädel  und  das  Ausbleiben  der  Heilung 
bedingen  (Dünne  und  Elastizität  des  Knochens,  Wachstumsdruck  des 
Gehirns)  und  die  Gründe  der  bei  Konvexitätsfrakturen  kleiner  Kinder 
häufig  entstehenden  Durazerreissung  (festeres  Anhaften  der  Dura  am 
Schädel  bei  Kindern),  vermöge  deren  sich  der  Liquor  durch  den 
klaffenden  Schädelspalt  unter  das  abgehobene  Periost  oder  unter  die 
Galea  ergiesst.  Er  verweist  endlich  auf  die  in  den  meisten  Fällen 
von  Zephalhydrozele  bestehende  Kommunikation  mit  dem  Seiteu- 
ventrikel,  die  entweder  auf  eine  direkte  Hirnzerreissung  oder  auf 
traumatische  Zystenbildung  mit  sekundärem  Durchbruch  in  Ventrikel 
und  Subarachnoidealraurn  zurückzuführen  ist.  Auch  die  Möglich¬ 
keiten  der  Operation:  Deckung  des  offenen  Ventrikels  und  des  Dura- 
defektes  durch  freie  Faszienverpflanzung  und  des  Schädeldefektes 
durch  einen  Periostknocherilappen  werden  erörtert.  Die  Operation 
soll  bei  dem  kleinen  Kinde  noch  verschoben  werden. 

Herr  Sud  hoff:  Zur  „prähistorischen“  bzw.  „präkolumbischen“ 
Syphilis  in  der  alten  und  in  der  neuen  Welt. 

Vortr.  knüpft  an  die  Darlegungen  Lwan  B  1  o  c  h  s  zu  Beginn  der 
zweiten  Abteilung  seines  „Ursprungs  der  Syphilis“  an,  die  offenbar 
vor  einem  Jahrzehnt  schon  ausgearbeitet  sind.  Seitdem  hat  aber  die 
Arbeit  des  Spatens  und  die  Prüfung  ihrer  Ergebnisse  nicht  still¬ 
gestanden,  weder  diesseits  noch  jenseits  des  „grossen  Wassers  . 
Was  den  amerikanischen  Kontinent  betrifft,  so  liegt  aus  dem  Jahre  1912 
eine  abschliessende  Aeusserung  des  besten  Kenners  des  vor-  und 
frühgeschichtlichen  Knochenmaterials  Ales.  Hrdlickas  vor,  dei 
im  Aufträge  der  Smithonian  Institution  seit  vielen  Jahren  das  ge¬ 
samte  bisher  aufgedeckte  Skelettmaterial  der  neuen  Welt  eingehendst 
untersucht  hat.  Er  erklärt,  dass  er  viele  Tausende  von  Skeletten 
aus  allen  Teilen  Amerikas  genau  geprüft  habe  und  keinen  einzigen 
Fall  von  Syphilis  an  einem  sicher  präkolumbischen  Knochen  gefunden 
habe.  Auch  bestand  dort  sicher  keine  Immunität  gegen  die  Spiro¬ 
chätenseuche,  wie  man  sie  etwa  aus  einem  langen  dort  Heimischsein 
hätte  vermuten  können;  im  Gegenteil,  die  Indianer  sind  in  post- 
kolumbischer  Zeit  an  der  Lues  in  furchtbarem  Masse  erkrankt  ge¬ 
wesen.  In  einer  Indianerbegräbnisstätte  aus  dem  Anfänge  des 
18.  Jahrhunderts  in  Kentucky  z.  B.  fand  H.  bei  70  Proz.  aller  Skelette 
zweifellose  syphilitische  Läsionen. 

Unterdes  sind  an  der  Hauptstelle  der  historisch-pathologischen 
Forschung  durch  methodische  Grabungen  in  Oberägypten  und  Nubien 
zwar  keine  Knochenveränderungen  gefunden  worden,  die  von  den 
untersuchenden  Fachmännern  als  zweifellose  Syphilisfälle  in  Anspruch 
genommen  worden  wären,  wenn  auch  in  einer  ganzen  Reihe  von 
Fällen  Knochenveränderungen  gefunden  worden  sind,  die  man  recht 
wohl  für  syphilitischen  Ursprungs  halten  könnte.  Ein  Autor  spricht 
sich  bei  der  Untersuchung  des  Skelettes  einer  Frau  aus  der  Zeit  um 
2000  vor  Christo  über  einen  Knoten  im  Humerus  folgendermasen  aus: 
„the  node  in  the  humerus  closely  resembles  a  syphilitic  node  and 
wotild  in  a  recent  specimen  almost  certainly  be  diagnosed  as  such 
—  es  hindert  also  nur  die  Annahme,  dass  Syphilis  in  der  alten  Welt 
vor  der  ersten  Heimkehr  des  Kolumbus  nicht  vorgekommen  sei,  an 
der  Luesdiagnose.  Jedenfalls  ist  es  beachtenswert,  dass  schon  solche 
Fälle  in  Aegypten  in  den  letzten  Jahren  beobachtet  wurden,  die  den 
dringenden  Verdacht  auf  Lues  erwecken,  bei  denen  man  mit  dem 
Angefressensein  durch  Käfer  so  recht  nicht  mehr  auszukommen  ver¬ 
mag.  Ob  die  Schwierigkeiten  einer  sicheren  Syphilisdiagnostik  aus 
dem  frühzeitlichen  Knochenmaterial  durch  die  Untersuchung  der 
Weichteile  von  Mumien  behoben  werden  können,  der  sich  der  Prä¬ 
sident  des  ägyptischen  Sanitätswesens  M.  A.  Ruff  er  in  Alexandrien 
mit  so  viel  Eifer  und  Erfolg  gewidmet  hat,  erscheint  fraglich.  Seine 
letzten  Aeusserungen  klingen  einigermassen  resigniert.  Das  feine 
histologische  Detail  ist  doch  grossenteils  zerstört  und  durch  keine 
Färbungsmethoden  mehr  sichtbar  zu  machen.  Kernfärbungen  z.  B. 
gelingen  nur  in  einem  geringen  Prozentsatz  der  Gewebe. 


Wir  müssen  uns  also  auch  in  Aegypten  vor  allem  an  die  Knochen 
halten,  die  ausser  in  Peru  auf  der  gesamten  übrigen  Erdoberfläche 
so  wie  so  das  einzige  Forschungsmaterial  für  die  frühzeitige  Patho¬ 
logie  liefern.  Nun  sind  aber  aus  dem  uralten  Kulturboden  Frank¬ 
reichs,  das  zweifellos  zu  den  von  Menschen  am  frühesten  bewohnter 
Stellen  der  Erdoberfläche  gehört,  in  neuester  Zeit  einige  kranke 
Extremitätenknochen  bekannt  geworden,  welche  kaum  eine  andere 
Deutung  zulassen  als  die  einer  weiland  syphilitischen  Erkrankung 
ihres  Trägers. 


Baron  J.  de  Baye  hat  1872  neolithische  Begräbnisgrotten  aus 
dem  Ende  der  neolithischen  Epoche,  der  Zeit  der  polierten  Stein 
instrumente,  in  der  Marne  (im  Tale  Petit  Morin)  ausgegrabeu  und 
Skelette  und  Beigaben  im  Museum  zu  St.  Germain-en-Laye  deponiert, 
wo  sie  neuerdings  durch  Paul  Raymond  einer  eingehenden  anthro¬ 
pologischen  und  pathologisch-anatomischen  Untersuchung  unterzogen 
v\  urden.  Er  stiess  dabei  zunächst  auf  eine  Ulna,  die  in  ihrer  Diaphyse 
eine  starke  Verdickung  in  deren  ganzen  Länge  aufwies,  die  er  iiir; 
syphilitischer  Natur  glaubt  halten  zu  müssen.  Er  wurde  in  dieser; 
Annahme  bestärkt,  als  er  schliesslich  einen  zweiten  in  gleicher  Weise1 
erkrankten  Humerus  unter  den  Knochen  der  Grottengräber  der  Marne 

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aus  der  Steinzeit  entdeckte.  Er  legte  nun  diese  beiden  männlichen 
Extremitätenknochen,  die  wohl  fast  sicher  nicht  dem  gleichen1 
Menschenindividuum  angehört  haben,  zweien  der  besten  Kenner  der 
Knochensyphilis  in  Frankreich  vor,  dem  Pariser  Professor  Lanne- 
longue  und  dem  Professor  zu  Lyon  Gangolphe,  die  sich  beide 
für  einen  zweifellosen  syphilitischen  Charakter  der  Knochenerkraii-i 
kung  aussprachen.  Gangolphe  hat  die  beiden  Knochen  besonders 
genau  untersucht,  beide  mit  der  Säge  der  Länge  nach  geöffnet.  In 
beiden  Fällen  handelt  es  sich  um  infektiöse  Osteomyelitiden,  die  ohne) 
Eiterung  und  ohne  Sequestrierung  verlaufen  sind,  aber  um  so 
heftigere  Schmerzen  verursacht  haben  dürften.  Die  Diagnose  „gum¬ 
möse  tertiäre  Osteomyelitis“  scheint  ihm  vollkommen  zweifellos;  so-| 
wohl  die  gewöhnliche  infektiöse  Osteomyelitis  als  auch  eine  tuber¬ 
kulöse  Osteomyelitis  scheint  ihm  der  aufgenommene  Befund  dei 
eröffneten  Knochen  mit  voller  Evidenz  auszuschliessen. 

Eine  exostotische  Tibia  aus  den  Dolmen  von  Maintenon,  welciiJ 
Le  Baron  als  vollkommen  identisch  mit  einem  zweifellos  syphi¬ 
litischen  Knochen  des  Musee  Dupuytren  beschrieben  hat,  ist 
leider  nicht  mehr  aufzufinden.  Aber  eine  weibliche  1  ibia  aus  den 
Knochenmaterial  von  S  o  1  u  t  r  c,  welche  im  Museum  zu  Lyon  ver 
wahrt  wird,  ist  gleichfalls  für  luetisch  zu  erklären,  wenn  sie  auch 
noch  nicht  aufgesägt  ist.  Prähistorisch  ist  diese  Tibia  freilich  nicht 
aber  sie  gehört  der  gallorömischen  Zeit  an;  an  ihrer  präkolumbischei 
Provenienz  ist  kein  Zweifel  möglich. 

So  steht  heute  die  Frage  der  vorkolumbischen  Syphilis  in  de1 
alten  und  in  der  neuen  Welt.  Nichts  spricht  für  Amerika,  ga: 
mancherlei  für  die  alte  Welt.  Die  Wage  neigt  sich  auch  hier,  uh 
bei  den  Ergebnissen  der  epidemiologisch-historischen  Untersuchung 
wie  ich  früher  nachzuweisen  vermochte,  entschieden  auf  die  Seit; 
der  Syphilis  in  der  alten  Welt  vor  der  Entdeckung  Amerikas. 

Diskussion:  Herr  Marchand:  Ich  halte  es  für  seh 
schwierig,  nach  den  vorliegenden  Abbildungen  (zwei  Tafeln  in  de! 
Mitteilung  von  Gangolphe  mit  Ansichten  des  Humerus  von  de 
Oberfläche  und  auf  dem  Durchschnitt  und  desgleichen  der  Ulna 
ausserdem  damit  z.  T.  identische  Originalphotographien)  ein  be 
stimmtes  Urteil  abzugeben,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dass  die  Uebei 
einstimmung  mit  Hyperostosen  durch  syphilitische  Periostitis  un 
zentraler  Nekrose,  bei  Abwesenheit  von  Sequestern,  sehr  gross  is 
Dennoch  möchte  ich  Nekrose  durch  eitrige  Osteomyelitis  nicht  gan 
ausschliessen,  besonders  da  ich  an  zwei  photographischen  Aufnahme 
des  Humerus  und  der  Ulna  einige  Löcher  sehe,  die  wohl  als  Residiie 
von  Fisteln  gedeutet  werden  könnten.  Ich  behalte  mir  vor,  aut  de 
Gegenstand  unter  Vorlegung  von  Knochenpräparaten  zurück 

zukommen.  .  . 

Herr  Heller  berichtet  über  Versuche  über  die  mtrathorakai 
Kokainisierung  des  Nervus  vagus,  die  Professor  W  e  i  s  s  und  de 
Vortragende  am  Königsberger  physiologischen  Institut  gemeinsam 
ausgeführt  haben.  Veranlassung  zu  den  Versuchen  waren  klinisch 
Beobachtungen  bei  Oesophagusresektionen,  bei  denen  bedrohlich 
Reflexwirkungen  infolge  der  Ablösung  der  Nervi  vagi  vom  Oes< 
phagus  eintraten.  Nachdem  Reich  den  Beweis  erbracht  hat,  das 
sich  durch  Kokainisierung  des  Vagus  am  Halse  bei  unvermeidliche 
operativer  Läsion  des  Nerven  die  bedrohlichen  Reflexwirkungen  uc 
Vagusreizung  ausschalten  lassen,  handelte  es  sich  bei  obigen  Vei 
suchen  nur  noch  darum,  die  den  besonderen  physiologischen  Vertun 
nissen  des  Vagus  in  seinem  intrathorakalen  Abschnitt  entsprechen^ 
Technik  der  Vaguskokainisierung  bei  intrathorakalen  Operationen  z 
ermitteln.  —  Die  Versuche  ergaben,  dass  der  unterste  Abschnitt  ci. 
Vagus  nach  Abgang  der  Herz-  und  Lungenäste  bei  direkter  Reizui 
erhebliche  Reflexwirkungen  nicht  vermittelt;  dagegen  ist  sehr  wa>' 
scheinlich,  dass  durch  Uebertragung  der  Zugwirkung  auf  die  honeu 
Abschnitte  bei  operativer  Ablösung  des  Nerven  in  seinem  umen 
thorakalen  Verlauf  Hemmungsreflexe  durch  indirekte  Reizung  cc 
Lungen-  und  Herzäste  ausgelöst  werden  können.  . 

Im  Bereiche  des  Lungenhilus  und  oberhalb  desselben  treten 
Reizung  des  Nervus  vagus  praktisch  -gleichzeitig  Hemmungsretie 
bis  zum  Atmungs-  und  Herzstillstand  ein  Die  reflektorische  H 
einflussung  der  Atmung  vom  intrathorakalen  Teile  des  Vagus  ai 
lässt  sich  durch  Blokierimg  seiner  zentripetalen  Leitung  ciur 


! 


.  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


673 


I  kainisierung  am  Halse  beseitigen,  doch  bleiben  dadurch  die  zentr¬ 
alen  Herzhemmungsreflexe  unbeeinflusst.  Die  zentripetale 
nungsleitung  und  die  zentrifugale  Herzleitung  lassen  sich  jedoch 
ichzeitig  durch  eine  ausgiebige  regionäre  Infiltration  des  obersten 
gusabschnittes  im  hinteren  Mediastinum  ausschalten.  Hierzu  ge- 
’t  die  0,5  proz.  Novokain-Adrenalinlösutig.  Da  eine  so  hoch 
aufreichende  Kokainisierung  beider  Vagi  einer  vorübergehenden 
npletten  Vaguslähmung  entspricht,  war  festzustellen,  ob  dies  ohne 
nittelbare  Gefahr  oder  sekundäre  ungünstige  Folgeerscheinungen 
•glich  ist.  Bei  doppelseitiger  Kokainisierung  der  Vagi  am  Halse 
wickelte  sich  zwar  das  Bild  einer  kompletten  Vaguslähmung,  doch 
(Standen  dadurch  weder  unmittelbar  bedrohliche  Erscheinungen. 
;h  hinterliess  die  vorübergehende  Lähmung  schädliche  Folgen.  — 

;  doppelseitige  regionäre  Kokaininfiltration  beider  Vagi  würde  sich 
;  o  bei  Oesop'nagusoperationen  zum  Zweck  der  Ausschaltung  der 
gusreflexe  empfehlen. 

Herr  H.  Ri  sei:  Zur  Laktation  der  Frau. 

Gewöhnlich  wird  nur  von  den  Milchmengen,  die  das  Kind  von 
r  Brust  abtrinkt,  auf  die  Stillfähigkeit  der  Mutter  geschlossen, 
wird  nicht  beachtet,  dass  diese  Nahrungsmengen  in  weitem  Masse 
einflusst  werden  von  der  Art  des  Anlegens  und  von  dem  Kranken- 
d  Gesundheitszustände  des  Kindes.  Die  Nahrungsmengenkurve 
s  Kindes  ist  nicht  gleichbedeutend  mit  der  Laktationskurve  der 
itter,  wie  die  Erfahrungen  der  Säuglingsanstalten  beweisen.  Bei 
n  Ammen  lässt  sich  dort  durch  gesteigerte  Inanspruchnahme  der 
ust  mit  Leichtigkeit  die  Milchsekretion  steigern  auf  Mengen,  die 
s  Bedürfnis  eines  Kindes  um  das  doppelte  und  dreifache  übertreffen. 
:ngen  von  2  Liter  Frauenmilch  als  Durchschnittsleistung  und 
...  Liter  als  Tagesmaximum  sind  dort  etwas  Gewöhnliches.  Neben 
m  Abtrinken  werden  solche  Mengen  durch  Abdrücken  oder  Ab- 
,‘hen  mit  Milchpumpen  erreicht.  Ist  die  Technik  hierzu  erst  erlernt, 
können  auf  diese  Weise  Milchquantitäten  gewonnen  werden,  die 
össer  sind  als  die  abgetrunkenen  Mengen  und  die  etwa  2  Liter 
tragen  können.  Auf  das  Anlegen  kann  auch  überhaupt  verzichtet 
eiden  und  nur  durch  das  Abdrücken  die  Milchsekretion  in  Gang 
bracht,  gesteigert  und  Monate  lang  unterhalten  werden.  Solche 
fahrungen,  die  alles  andere  sehen  als  eine  Stillunfähigkeit  oder 
ilchmangel,  sind  in  Anstalten  allgemein.  Sie  stehen  mit  ihren  ge- 
uen  Aufzeichnungen  als  Stichproben  für  unsere  ganze  Bevölkerung 
i  Gegensatz  zu  den  ungesicherten  Meinungen  und  Anschauungen 
r  Frauen.  Sie  geben  der  Stillpropaganda  die  Unterlagen,  auf  denen 
hauptet  werden  kann,  dass  unsere  Frauen  in  ganz  weitem  Umfang 
illfähig  und  Ausnahmen  nur  selten  sein  müssen. 

Diskussion:  Herr  Taube:  Das  Abdrücken  der  Milch  ist 
isolut  schadlos.  Das  Personal  muss  gut  darauf  geschult  werden. 
:honung  der  Stillenden  ist  nötig. 

Herr  M.  Goetz:  Vor  30  Jahren  wurde  auf  den  Universitäten 
lehrt,  die  stillenden  Frauen  sollten  die  Säuglinge  zweistündlich 
liegen,  später  wurde  als  Norm  aufgestellt  (und  den  Hebammen  ein- 
i schärft),  die  Kinder  dürften  nur  dreistündlich  angelegt  werden  — 
fenbar  eine  Folge  der  Forschungen  über  die  Dauer  der  Verdauung 
i  Magen.  Wenn  nun  der  Herr  Vortragende  angegeben  hat,  die 
ilchproduktion  steige  um  so  mehr,  je  öfter  die  Kinder  angelegt 
iirden,  und  wenn  man  erwägt,  dass  das  früher  übliche  zweistündliche 
nlegen  keine,  uns  praktischen  Aerzten  auffallenden,  üblen  Folgen 
diabt  hat,  so  dürfte  doch  zu  erwägen  sein,  ob  die  dreistündliche 
orm  die  unbedingt  richtige  wirklich  ist. 

Herr  C.  Backhaus  spricht  sich  entgegen  Götz  für  die 
eistiindigen  Pausen  (nachts  nichts)  aus  und  sagt,  dass  er  den  Heb- 
nmen  dies  lehre.  Die  Stiilfähigkeit  ist  jetzt  in  den  meisten  Gebär- 
iniken  besser  als  früher,  seitdem  auf  gute  Stilltechnik  geachtet  wird, 
ast  alle  Frauen  können  stillen.  Das  Wichtigste  ist,  dass  die  Brüste 
Jt  ausgetrunken  oder  eventuell  künstlich  gut  entleert  werden. 

Herr  B  a  h  r  d  t  möchte  auch  das  dreistündige  Anlegen  empfehlen, 
B.  ist  auch  die  nächtliche  Ruhe  nötig. 

Herr  K  r  i  t  z  betont  auch  als  richtig  das  gänzliche  Leertrinken 
er  Brust,  das  geschieht,  wenn  das  Kind  Hunger  hat. 

Herr  Goetz:  Wenn  Herr  Taube  als  einen  wesentlichen 
aktor  für  reichliche  Milchentwicklung  die  Ruhe  der  stillenden 
rauen  bezeichnet  hat,  so  hat  er  doch  offenbar  die  Schonung  vor 
örperlichen  Anstrengungen,  nicht  aber  die  durch  den  dreistündigen 
tiliturnus  erzielte  Ruhe  gemeint.  Dagegen  sind  allerdings  die  Frauen 
isofern  zu  schonen,  dass  man  ihnen  Nachtruhe  verschafft  und 
as  erzielt  man  dadurch,  dass  man  das  Stillen  bei  Nacht  - —  von 
bends  9  oder  10  bis  früh  6  Uhr  —  strenge  verbietet;  nur  hierdurch 
ann  inan  die  Kinder  an  ruhigen  Schlaf  bei  Nacht  gewöhnen.  Schlafen 
ie  aber,  so  haben  sie  keinen  Hunger,  während  sie,  wenn  häufig 
ach,  natürlich  auch  in  der  Nacht  Hungerempfindur.g  bekommen. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  Hühner:  Zur  Menzer  sehen  Theorie  der  Tuberkulid 
tatur  der  Psoriasis. 


Der  Vortragende  wendet  sich  gegen  die  von  Menzer 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  45,  1912)  aufgestellte  Theorie,  nach  der 
die  Psoriasis  keine  selbständige  Hautkrankheit,  sondern  nur  ein 
Hautsymptom  konstitutionell-bakterieller  Erkrankungen,  nämlich  des 
Rheumatismus  und  der  latenten  Drüsentuberkulose,  sei.  Die  Be¬ 
funde  Menzers  —  einmal  einige  M  u  c  h  sehe  Granulationen,  in 
zwei  weiteren  Fällen  Kokkenhaufen  in  Psoriasisherden  —  können 
nicht  als  beweisend  für  die  Aetiologie  der  Krankheit  angesehen 
werden.  Die  Reaktionen  nach  Tuberkulin-  und  Seruminjektionen 
können  zwanglos  als  Tuberkulin-  bezw.  Serumexantheme  gedeutet 
werden,  die  aus  in  dem  Vortrage  näher  ausgefiihrten  Gründen  an  die 
Psoriasisherde  gebunden  sein  können.  So  wenig  wie  die  Frage  der 
Aetiologie  der  Psoriasis  durch  die  Menzer  sehen  Untersuchungen 
geklärt  ist,  geben  sie  einen  neuen  Weg  zur  Behandlung  dieser  Krank¬ 
heit  an:  denn  wenn  auch  unter  den  starken  allgemeinen  und  event. 
auch  lokalen  Reaktionserscheinungen  Abheilungen  der  Psoriasisherde 
eintreten  mögen,  so  sind  diese  doch  mit  grossen  Unannehmlichkeiten 
für  den  Patienten  verbunden,  wie  die  Krankengeschichten  Menzers 
beweisen,  und  stellen  keine  Dauerheilungen  dar.  (Der  Vortrag  er¬ 
scheint  in  der  Deutschen  med.  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Eduard  Müller:  Aetiologische  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Psoriasis  einerseits  und  Tuberkulose,  chro¬ 
nischem-  Rheumatismus  und  septischen  Affektionen  anderseits  sind 
schon  von  vornherein  ganz  unwahrscheinlich;  meist  handelt  es  sich 
bei  den  Patienten  mit  Psoriasis  in  der  Tat  um  klinisch  sonst  gesunde, 
kräftige  Individuen. 

Herr  Römer:  Herr  Hübner  hat  in  seinem  Vortrag  mit  Recht 
hervorgehoben,  dass  eine  positive  Tuberkulinreaktion  bei  Psoriasis¬ 
kranken  durchaus  nicht  die  tuberkulöse  Natur  des  Leidens  beweise, 
angesichts  der  nahezu  allgemeinen  Durchseuchung  aller  Erwachsenen 
mit  Tuberkulose.  Die  durch  Sektions-  und  Tuberkulinstatistiken 
gestützten  Erfahrungen,  dass  nahezu  jeder  Erwachsene  als  tuber¬ 
kuloseinfiziert  gelten  kann,  wurden  in  ihrer  allgemeinen  Gültigkeit 
bisher  insofern  bestritten,  als  auf  Grund  einiger  nicht  ausreichender 
Erfahrungen  eine  viel  geringere  Durchseuchung  der  Angehörigen  ge¬ 
bildeter  Stände  behauptet  wurde.  In  diesem  Zusammenhänge 
möchte  ich  auf  eine  mir  sehr  wichtig  erscheinende  Untersuchung  von 
Prof.  Kruse -Bonn  hinweisen,  der  bei  der  Tuberkulinprüfung  (nach 
Pirquet)  der  seine  Kurse  besuchenden  Studierenden  84  Proz. 

—  also  Angehörigen  besser  situierter  Kreise  —  positive  Reak¬ 
tionen  fand! 

Auch  die  übrigen  Argumente  des  Herrn  Hübner  gegen  die 
Tuberkuloidnatur  der  Psoriasis  scheinen  mir  stichhaltig,  so  z.  B.  sein 
Hinweis,  dass  das  Abheilen  der  Psoriasiseffloreszenzen  während  der 
Tuberkulinbehandlung  nicht  die  tuberkulöse  Natur  des  Hautleidens 
beweise.  Das  ist  in  der  Tat  nicht  beweisend,  zumal  die  Beobachtung 
der  Abheilung  sicher  tuberkulöser  Hautleiden  während  einer 
Tuberkulinbehandlung  noch  nicht  eindeutig  für  ein  „post  hoc  ergo 
propter  hoc“  spricht.  Auch  müssen  wir  daran  festhalten,  dass  der 
Befund  säurefester  Stäbchen  noch  nicht  die  Diagnose  „Tuberkel¬ 
bazillus“  erlaubt,  wenn  Uebertragung  auf  das  Tier  oder  ein  Kultur¬ 
versuch  nicht  gelingt.  Dieses  Grundsatzes  müssen  wir  uns  auch 

—  wie  nebenbei  bemerkt  sei  —  erinnern,  angesichts  der  sich 
mehrenden  angeblichen  Befunde  von  Tuberkelbazillen  im  Blut  bei 
lediglich  tuberkulinreagierenden,  im  übrigen  aber  klinisch  gesunden 
Menschen.  Wir  müssen  durchaus  daran  festhalten,  dass  nur  der 
Tierversuch  entscheidet,  und  dass  beim  Fehlschlagen  des  Tierver¬ 
suches  trotz  mikroskopischen  Befundes  säurefester  Stäbchen  die 
Hilfshypothese,  der  betr.  Tuberkelbazillus  sei  durch  gleichzeitig  mit- 
eingespritzte  Antikörper  unschädlich  gemacht,  unberechtigt  ist.  Sie 
ist  umsomehr  ein  Verstoss  gegen  die  petitio  principii,  als  bisher  noch 
niemand  derart  wirksame  Antikörper  im  Meerschweinchenversuch 
demonstrieren  konnte. 

Herr  Viereck  demonstriert  ein  Präparat  von  einer  alten  vom 
Menschen  stammenden  Tuberkulosekultur  mit  Granulis,  in  welchem 
diese  Granula  nach  der  Weigert  sehen  Modifikation  der  Gram¬ 
färbung  dargestellt  sind.  In  Alkohol  fixierte  Deckglasausstriche 
werden  5 — 10  Minuten  in  Anilinwasser-Gentianaviolett  unter  leichtem 
Erwärmen  gefärbt,  kommen  eine  Minute  in  eine  Va  proz.  alkoholische 
Pikrinsäurelösung  und  werden  in  absolutem  Alkohol  gründlich  ent¬ 
färbt  (eine  Minute  oder  länger).  Er  empfiehlt  der  besseren  Kontrast- 
wiikung  wegen  besonders  in  Schnitten  von  einer  Gegenfärbung  ab¬ 
zusehen. 

Diskussion:  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 

Herr  Eduard  Müller  fragt  nach  der  klinischen  Bedeutung  der 
Much  sehen  Granulafärbung  im  Sputum  für  die  Frühdiagnose  bei 
Tuberkulose  (bei  sonst  negativem  Befund  an  säurefesten  Stäbchen). 

Herr  Römer:  Zu  den  Bemerkungen  des  Herrn  M  a  1 1  h  e  s 
möchte  ich  noch  hinzufügen,  dass  auch  die  Beurteilung  des  Tier¬ 
versuches  nach  Blntverimpfung  vorsichtig  und  kritisch  geschehen 
muss.  Es  ist  ganz  zweifellos,  dass  manche  Autoren  der  Verwechslung 
mit  spontaner  Meerschweinchentuberkulose  zum  Opfer  gefallen  sind. 
Spontane  Meerschweinchentuberkulose  ist  zwar  im  allgemeinen 
selten,  kommt  aber  doch  vor,  ja  kann  —  wie  eine  demnächst  zu 
veröffentlichende  Arbeit  mitteilen  wird  —  gelegentlich  sogar  genau , 
Vorkommen.  Zu  der  Anfrage  des  Herrn  Müller,  ob  der  Nachve 
Much  scher  Granula  im  Sputum  diagnostisch  zu  verwerten  isi. 
möchte  ich  bemerken,  dass  die  üramfärbung  eines  einfachen  Sputuu. 


674 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No!  U". 


ausstriches  kaum  zu  verwerten  ist,  da  ja  natürlich  auch  andere 
Qram-feste  Bakterien  neben  dem  Tuberkulosevirus  sich  nach  Gram 
färben.  Verwertbar  ist  die  Färbung  nach  Gram-Much  dagegen 
für  das  antiformingelöste  Sputum;  aber  auch  hier  erfordert  die  Be¬ 
urteilung  der  Befunde  einige  Erfahrung. 

Herr  Viereck  (Schlusswort):  Statt  des  Gentianviolett-Anilin- 
wassers  kann  auch  eine  Karbolfuchsinlösung  angewandt  werden, 
auch  schädigt  eine  einminutige  Salzsäure-Alkoholbehandlung  nicht 
die  Bakterienfärbung. 

Herr  Kirchheim:  Ueber  Diabetes  insipidus  nach  Unter¬ 
suchungen  des  Herrn  Rohm. 

Herr  Berblinger  bespricht  die  anatomischen  Befunde  bei 
dem  von  Herrn  Dr.  Kirchheim  vorgetragenen  Fall  von  Diabetes 
insipidus.  Bei  der  Autopsie  fand  sich  ein  grosser,  zum  Teil  zer¬ 
fallener,  weicher,  wenig  scharf  begrenzter  Tumor  im  rechten  Frontal¬ 
lappen.  Die  Geschwulst  war  in  den  Seitenventrikel  eingebrochen, 
durchsetzte  den  vorderen  Teil  des  Balkens  und  die  vordere,  graue 
Kommissur,  reichte  endlich  bis  in  das  Infundibulum  des  3.  Ventrikels. 
Bemerkenswert  ist  weiter  die  Kleinheit  der  beiden  Testes,  der  kurze 
und  dünne  Penis.  Fs  bestand  ein  leichter  Grad  von  Dystrophia 
adiposo-genitalis.  Die  Hoden  waren  absolut  frei  von  entzündlichen 
Veränderungen.  In  den  Spermatozyten  und  Spermatiden  des  Hodens 
sind  zahlreiche  Mitosen  nachweisbar,  aber  nirgends  lässt  sich  bei  dem 
20  jährigen  Manne  die  Bildung  von  Spermatozoen  beobachten.  Auch 
im  Lumen  der  Nebenhodenkanälchen  sind  solche  nicht  aufzufinden. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt,  dass  ein  primäres,  zell¬ 
reiches  Gliom  des  Stirnhirns  vorliegt,  das  auf  dem  genannten  Weg 
in  den  Hypophysenstiel  und  den  Hinterlappen  der  Hypophyse  ein¬ 
gewachsen  war.  Die  Hypophyse  selbst  ist  nicht  vergrössert,  wiegt 
0,8  g.  Der  Vorderlappen  dieses  Organs  ist  in  kranio-kausaler  Rich¬ 
tung  etwas  abgeflacht,  die  Drüsenfollikel  enthalten  kein  Kolloid;  die 
einzelnen  Zellarten  des  Vorderlappens  sind  in  der  üblichen  Anordnung 
und  in  dem  annähernd  normalen  Zahlenverhältnis  vorhanden.  Da¬ 
gegen  ist  die  ganze  Neurohypophyse  durch  das  Gliom  ersetzt  und 
auch  fast  die  ganze  intermediäre  Zone  der  Hypophyse  (Pere- 
meschko  sehe  Schichte),  von  der  nur  einige  wenige  kleine  kolloid¬ 
freie  Zystenräume  zu  finden  sind. 

Vortr.  erörtert  die  ursächlichen  Beziehungen  der  vorliegenden 
anatomischen  Veränderungen  des  Hypophysenhinterlappens  zu  den 
klinischen  Störungen  einerseits  zu  der  besonderen  Form  von  Polyurie, 
andererseits  zu  der  fehlenden  Spermatogenese  in  den  Testes.  Aus¬ 
führliche  Mitteilung  erfolgt  an  anderer  Stelle.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  Eduard  Müller:  Bei  der  sog.  Dys¬ 
trophia  adiposo-genitalis  muss  man  sehr  zwischen  Hypoplasie  der 
Genitalien  mit  Unterentwicklung  der  sekundären  Geschlechts¬ 
charaktere  und  erworbener  Atrophie  unterscheiden.  Gewöhnlich 
liegt  eine  angeborene  oder  in  der  Pubertätszeit  sich  herausbildende 
Konstitutionsanomalie  mit  mangelhafter  Entwicklung  des  Genital¬ 
apparates,  jedoch  keine  sekundäre  Atrophie  desselben  vor.  —  Starke 
Polyurien  bei  zerebralen  Herderkrankungen  sieht  man  besonders  bei 
Hii  nsyphilis  mit  Hirnbasisbeteiligung. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  März  1913. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Mosse  eine  Patientin, 
die  eine  Kombination  von  B  a  n  t  i  scher  Krankheit  mit  Hautatrophie 
an  den  Beinen  aufweist. 

Tagesordnung: 

Herr  E.  Stadelmann  über  seltene  Formen  von  Blutungen  im 
Tractus  gastro-intestinalis. 

Vortr.  demonstriert  eine  Reihe  von  Fällen  mit  diffusen  Venekta- 
sien  im  Magendarmkanal,  darunter  einen,  bei  dem  durch  einen  ge¬ 
platzten  Varixknoten  an  der  grossen  Kurvatur  Verblutung  einge¬ 
treten  war. 

Seltener  sind  isolierte  Varixknoten,  wovon  er  2  Fälle  beobachtet 
hat.  Solche  Knoten  können  platzen  und  zu  tödlichen  Blutungen  Ver¬ 
anlassung  geben. 

Ewald  hat  vor  kurzem  hochsitzende  Hämorrhoidalknoten  be¬ 
schrieben,  die  aus  dem  Plexus  haemorrhoidalis  superior  herstammen. 

Es  liegt  Vortr.  besonders  daran,  auf  das  Vorkommen  und  die 
Bedeutung  derartiger  Varixknoten  hinzuweisen,  welche  ihm  bisher 
nicht  genügend  gewürdigt  zu  sein  scheinen. 

Ferner  demonstriert  er  Präparate  eines  Falles  von  Arrosions- 
aneurysma,  welches  keine  klinischen  Erscheinungen  gemacht  hatte. 

Weiter  ein  Präparat  einer  verkästen  Lymphdriise,  die  einerseits 
in  die  Trachea,  andererseits  in  die  Aorta  durchgebrochen  war.  Die 
Diagnose  war  auf  Magenulcus  gestellt  worden;  weiter  Sondenver¬ 
letzungen  des  Magens  mit  oberflächlichen  Arrosionen,  ein  in  die  Aorta 
durchgebi  ochenes  Oesophaguskarzinom.  Der  Magen  war  total  mit 
einem  Blutkoagulum  ausgefüllt,  weiter  einen  retroperitonealen 
Abszess,  der  ins  Jejunum  durchgebrochen  war,  einen  Fall  von  syphi¬ 
litischem  Magengeschwür,  der  chirurgisch  geheilt  wurde,  einen  Fall 
von  Lungensyphilis  mit  schwieliger  Mesoaortitis,  ln  diesem  Fall  ist 
ein  Abszess  im  peripleuralen  Gewebe  in  Oesophagus  und  Aorta  durch¬ 
gebrochen,  wodurch  die  Patientin  sich  in  das  Intestinum  verblutete. 


Zuletzt  demonstriert  er  Präparate  eines  Falles,  der  intra  vitam 
schwerstes  Blutbrechen  (Ms  Liter)  aufgewiesen  hatte,  ohne  dass 
ausser  einer  Verdickung  der  Muskulatur  der  Pars  pylorica  und  einer 
Reihe  von  oberflächlichen  Erosionen  ein  irgendwie  erheblicher  Be¬ 
fund  erhoben  werden  konnte.  Gleiche  Blutungen  aus  oberflächlichen 
Erosionen  sind  von  Engel  m  a  n  n  u.  a.  beschrieben  worden.  - 

Zum  Schluss  demonstriert  er  3  Diapositive  (bei  durchfallendem 
Licht  gewonnen)  von  diffusen  Darmvenektasien. 

Diskussion:  Herr  Kick  bemerkt  als  Ursache  derartiger 
Darmblutungen  eine  sogen,  kavernöse  Umwandlung  der  Pfortader, 
welche  auch  das  ganze  Lig.  hepato-duodenale  erfasst.  Das  Blut  geht 
nicht  durch  die  Leber,  sondern  im  gleichen  Kollateralkreislaui,  wie 
bei  der  Leberzirrhose.  Dabei  besteht  ein  starker,  fibröser  Milztumor; 
die  Krankheit  ist  exquisit  chronisch.  Es  handelt  sich  um  Phleban- 
giome  im  Sinne  Virchows-Recklinghausen.  Am  Kaninchen' 
hat  man  durch  Unterbindungen  teils  der  Gallengänge,  teils  der  Pfort¬ 
ader  die  Erkrankung  experimentell  hervorgerufen. 

Herr  Albu  teilt  einen  seltenen  Fall  von  tödlicher  Blutung  aus| 
varikös  entarteten  höheren  Rektalvenen  mit.  Die  Blutungen  waren! 
von  den  früheren  Aerzten  als  Hämorrhoidalblutungen  angesehen 
worden.  Die  inneren  Organe  zeigten  bei  der  Sektion  keine  Ver¬ 
änderungen.  / 

Herr  Kraus  fragt,  ob  die  Blutungen  nur  terminale  Erschei¬ 
nungen  gewesen  oder  ob  sie  wiederholt  im  Decursus  morbi  auf-1 
getreten  sind. 

Herr  Lazarus  berichtet  über  Blutungen,  die  bei  Hunden  ex¬ 
perimentell  nach  Injektion  von  radioaktiven  Substanzen  erzeugt 
worden  sind.  Die  Tiere  starben  unter  den  Erscheinungen  der  hämor¬ 
rhagischen  Diathese. 

Herr  Kuttner  betont,  dass  in  vielen  Fällen  klinisch  ein  Ulcus! 
ventriculi  angenommen  wurde  und  bei  der  Sektion  höchstens  ober¬ 
flächliche  Erosionen  gefunden  wurden.  Es  sind  diese  „Raritäten“ 
immerhin  praktisch  in  Betracht  zu  ziehen. 

Herr  Stadelmann  (Schlusswort):  Die  meisten  Blutungen 
waren  terminale.  Bei  derartigen  Blutungen  ist  die  Frage  des  ope¬ 
rativen  Eingriffes  im  Einzelfalle  zu  ventilieren. 

Wolff-Eisner. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  März  1913. 

Herr  Bönniger:  Magenfunktion  und  Psyche. 

Nach  Cloetta  sollen  nur  mit  Milch  ernährte  Hunde  im  Magen¬ 
saft  keine  freie  Salzsäure  haben  In  den  Versuchen  des  Vortragenden 
wurden  einige  Tiere  mit  Milch,  Kontrolltiere  mit  Fleisch  gefüttert. 
Nach  durch  2  Monate  durchgeführter  Ernährung  bekamen  sie  ein 
Probefrühstück  (mit  der  Schlundsonde),  das  nach  1  %  Stunden  aus¬ 
gehebert  wurde.  Der  Vortr.  fand  bei  allen  seinen  Tieren  freie  Salz-1 
säure,  durch  Aengstigen  der  Tiere  konnte  er  die  freie  Salzsäure  zum 
Verschwinden  bringen.  Diese  Versuche  erweisen  den  Einfluss  der ‘ 
Psyche  auf  die  Magensaftsekretion.  Fistelhunde,  an  denen  derartigel 
psychische  Versuche  auch  angestellt  wurden,  können  'nicht  als  ganz 
normale  Tiere  angesehen  werden;  hier  ist  jedoch  unter  möglichst; 
natürlichen  Verhältnissen  gearbeitet  worden.  Viele  Atonien  beim 
Menschen  sind  wahrscheinlich  psychisch  bedingt  und  können  nicht 
mit  Medikamenten  und  Diät,  sondern  nur  mit  psychischer  Therapie  be¬ 
handelt  werden. 

Diskussion:  Herr  F  u  1  d  weist  auf  die  Versuche  von  Sehe- 
pe'lmann  an  Gänsen  hin,  der  teils  mit  Körnern,  teils  mit  Fleisch  ge-, 
füttert  hatte.  Erstere  Ernährung  regt  in  viel  höherem  Masse  die 
Magentätigkeit  an  und  kräftigt  die  Magenmuskulatur. 

Herr  Rautenberg:  Vorhofspuls  und  Venenpuls. 

R.  berichtet  über  langjährige  Versuche,  die  Tätigkeit  des  linkenl 
Vorhofes  durch  einen  in  den  Oesophagus  eingeführten  Ballon  zu  re-1 
gistrieren.  Er  demonstriert  die  Vorhofspulse  normaler  und  kranker! 
Menschen.  Manche  strittige  Fragen  sind  auf  diese  Weise  zur  Lösung 
gebracht,  weitere  Differenzen  sind  noch  vorhanden  und  durch  weitere; 
Versuche  zu  klären.  Die  Hauptwelle  und  Senkung  des  Vorhofspulses 
ist  am  Venenpuls  sichtbar  und  registrierbar.  Bei  der  Deutung  des 
Venenpulses  muss  man  aber  grosse  Vorsicht  üben.  Er  geht  dann  zur 
Diskussion  des  Ohmschen  Vortrags  über.  Die  Methode  von  Ohm 
hält  er  für  ausgezeichnet. 

Diskussion:  Herren  Bönniger,  Rehfisch,  Lilien- 
stein.  Schlusswort :  Herren  Ohm  und  Rautenberg.  W.-E. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  28.  Februar  1913. 

Privatdozent  Dr.  Leopold  Freund:  Mesothorium  und  Radium. 

Mesothorium  sendet,  wie  die  Radiumpräparate,  ß-  und  y-Strahlen 
aus,  nur  haben  die  Strahlen  des  Mesothoriums  eine  etwas  geringere 
Durchdringungskraft  als  die  entsprechenden  Strahlungen  des  Radiums. 
Einer  Patientin  wurde  eine  Mesothoriumkapsel,  welche  16  mg  des 


;  März  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


673 


»parates  enthielt  und  eine  strahlende  Fläche  von  1  ccm  hatte,  auf 
i  normale  Hautstelle  eines  Oberarms  6  Minuten  lang  appli- 
1 1,  daneben  wurde  zum  Vergleiche  ein  überaus  wirksamer  Radium- 
r  er,  ebenfalls  mit  einer  Glimmerplatte  bedeckt,  an  einer  dritten 
1  tstelle  ein  schwächerer  Radiumträger,  beide  ebenfalls  je  6  Miriu- 
.  lang  appliziert.  Es  entstanden  an  allen  3  Stellen  Erythemflecke, 
sich  in  der  Intensität  ihrer  Röte  kaum  wesentlich  voneinander 
rschieden;  die  biologische  Wirkung  des  vorzüglichsten  Radium- 
ers  war  also  dieselbe  wie  die  des  Mesothoriums,  die  des  letzteren 
i  ir  viel  stärker  als  die  des  schwächeren  Radiumträgers.  Der  Vor¬ 
ende  folgert  daraus,  dass  der  biologische  Effekt  des  gebrauchten 
othoriumpräparates  in  seinem  Effekte  etwa  einer  dreimal  so 
:  ;seu  Quantität  von  Radiumkarbonat  entspreche.  Es  werden  noch 
tere  Versuche  erörtert  und  darauf  hingewiesen,  dass  man  auch 
iglich  der  therapeutischen  Wirkung  des  Mesothoriums  keinen 
entliehen  Unterschied  von  jener  der  Radiumpräparate  kon- 
!  eren  konnte,  wovon  man  sich  bei  mehreren  Fällen  von  Lupus 
aris.  Psoriasis  und  Epitheliom  überzeugte.  Das  ist  deshalb  wich- 
weil  das  Mesothorium  in  absehbarer  Zeit  in  so  grossen  Mengen 
■  deren  dürfte,  dass  ein  jeder  Arzt  sich  um  einen  erschwinglichen 
s  ein  solches  radioaktives  Präparat  wird  anschaffen  können. 
Prof.  Dr.  F.  A  1 1  stellt  eine  Frau  vor,  welche  vor  6  Monaten  an 
m  subjektiv  und  objektiv  wahrnehmbaren  starken  Ohrgeräusche 
rankte  und  operativ  (Unterbindung  der  Art.  occipitalis  und  der 
auricularis  post.)  geheilt  wurde.  Es  war  offenbar  ein  kleines 
urysma  vorhanden,  das  durch  die  besagten  Gefässunterbindungen 
i  Obliteration  kam. 

Dr.  R.  B  a  c  h  r  a  c  h  zeigt  aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Prof, 
iuckerkandl  eine  Frau,  welche  mit  einem  Speichelstein  be- 
e  et  ist,  sodann  zwei  durch  Sectio  alta  gewonnene  sonderbare 
(ensteine,  welche  die  ganz  eigentümliche  Form  von  Warenballen 
weisen,  die  mit  einem  Strick  kreuzweise  gebunden  sind. 

Dr.  B.  Breitner:  Kriegschirurgische  Erfahrungen. 

Es  wird  auf  die  Notwendigkeit  hingewiesen,  dass  die  jungen 
zte  die  Technik  der  modernen  Wundbehandlung  vollkommen  be¬ 
sehen,  sodann  ausführlich  dargetan,  dass  die  freiwilligen 
ikenpflegerinnen  in  Bulgarien  vollkommen  versagten.  Diese 
men“  waren  lax  im  Dienste,  ohne  Disziplin  und  ohne  Aufopferungs- 
igkeit,  schliesslich  arbeitsfaul.  Die  Frauen,  welche  sich  diesem 
ufe  widmen,  sollten  sich  der  ganzen  Schwere  des  Entschlusses 
i  werden  *). 

Prof.  M.  Benedikt:  Ueber  die  gekreuzte  Lähmung  des  Akusti- 
i  und  der  Extremitäten.  (Der  Vortrag  wurde  nicht  beendet.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  6.  März  1913. 

A.  v.  Khautz  führt  ein  5 jähriges  Mädchen  nach  überstandener 
der  eitriger  Osteomyelitis  der  Klavikula  vor. 

R.  Bergmeister  stellt  aus  der  Klinik  Pirquet  einen  Knaben 
angeborener  beiderseitiger  Linsenektopie  vor.  Die  Iris  schlottert 
die  Linse  ist  nach  oben  verlagert,  so  dass  ihr  unterer  Rand  i:n  der 
die  einen  halbmondförmigen  Streifen  bildet.  Der  untere  Teil  der 
ille  ist  schwarz,  der  obere  grau.  Der  Knabe  kann  grössere  Ziffern 
n.  Er  hat  an  einem  Auge  zweierlei  Refraktion,  indem  der  obere 
der  Pupille  wegen  der  starken  Wölbung  der  Linse  myopisch,  der 
re,  linsenfreie  Anteil  hypermetropisch  ist,  die  Differenz  zwischen 
;  beiden  Teilen  beträgt  ungefähr  15  D.  '  Manchmal  hat  der  Knabe 
okuläre  Diplopie,  weil  der  in  die  Pupille  ragende  Linsenrand  wie 
Prisma  wirkt. 


,!)  Auch  Herr  Prof.  Alex.  Fraenkel  hatte  in  der  ausserordent- 
-n  Sitzung  der  Gesellschaft  der  Aerzte  vom  19.  II.  1913,  über 
ehe  wir  schon  kurz  berichteten,  ausgeführt,  dass  die  Institution 
sog.  „Samariterinnen“  nach  allen  Erfahrungen  der  letzten  Kriege 
der  ganzen  Linie  jenen  der  Schwestern  von  Beruf  weichen 
ste.  Mit  einer  einfachen  Abrichtung  der  sich  als  freiwillige  Pflege¬ 
rn  meldenden  Frauen  sei  nichts  getan,  die  Schulung  als  Pflegerin 
le  ernster  und  intensiver  betrieben  werden  und  bedürfe  vor  allem 
r  geraumen  Zeit  ständigen  Krankenhauslebens  in  Anstalten,  die 
allem  dem  besonderen  Zwecke  der  Heranbildung  von  Pflegerinnen 
nen.  Diesem  Zwecke  sollte  in  Wien  das  von  Billroth  ge- 
idete  Rudolfinerhaus  dienen.  Trotz  bester  Führung  wird  aber 
es  Ziel  der  Anstalt  nur  in  bescheidenstem  Masse  erreicht.  Die 
talt  wurde  in  jüngster  Zeit  in  ein  Spital  des  österr.  Roten  Kreuzes 
ewandelt,  dieses  könnte  hier  durch  Zuwendung  reicher  Mittel 
durch  eine  grosszügige,  gut  vorbereitete  Aktion  wirksame  Abhilfe 
iffen.  Prof.  Fraenkel  führte  sodann  aus,  dass  auch  die  Frauen 
zu  Kriegsdiensten  und  Kriegsleistungen  schon  im  Frieden  an- 
nen,  assentieren  und  ausbilden  lassen  sollten,  der  Pflegerinnen- 
if  würde  dann  die  natürliche  gegebene  Brücke  bilden,  um  bei  der 
lernen  Frauenbewegung  bei  gleichen  Rechten  auch  zu  gleichen 
:hten  der  beiden  Geschlechter  hinüberzuführen.  Damit  hätten  die 
uen,  ohne  mit  den  Männern  in  einen  für  beide  Teile  nachteiligen 
itbewerb  um  die  verschiedenen  Berufe  einzutreten  und  ohne  ihrer 
nart  etwas  zu  vergeben,  im  Rahmen  des  beruflichen  Wirkens 
n  öffentlichen  Pflichtenkreis  auf  sich  genommen, 
all  ihren  Ansprüchen  auf  volle  Gleichberechtigung  mit  der  Männer- 
t  geradezu  zwingenden  Charakter  verliehe. 


E.  Mayerhofer  demonstriert  ein  5  Wochen  altes  Kind  mit 
Mikroinelie  infolge  Chondrodystrophie.  Das  Kind  hat  abnorm  kurze 
Extremitäten,  eine  Plattnase,  die  Haut  sieht  so  aus,  wie  wenn  sie  zu 
gross  wäre,  die  Zehen  sind  sehr  klein  und  es  besteht  eine  Andeutung 
von  Uvulaspaltung. 

E.  Rach  zeigt  einen  Säugling  mit  verruköser  Form  des  Brom¬ 
exanthems.  Der  Säugling  wurde  vor  25  Tagen  mit  schwerer  Pneu¬ 
monie  und  Pertussis  in  die  Kinderklinik  aufgenommen.  Er  bekam 
im  ganzen  während  dieser  Zeit  20  g  Natrium  bromatum  kaffeelöffel¬ 
weise  in  wässriger  Lösung.  Seit  einigen  Tagen  hat  sich  auf  dem 
Kopfe  ein  knotiger  Bromausschlag  ausgebildet. 

K.  Hochsinger:  Ueber  bedeutungslose  Geräusche  in  der  Prä- 
kordialgegend  von  Kindern  und  Jugendlichen. 

Geräusche  in  der  Präkordialgegend  ohne  pathologische  Bedeu¬ 
tung  kommen  in  jeder  Epoche  des  Kindesalters  vor,  sind  aber  erst 
nach  dem  3.  Lebensjahre  häufiger  und  zwischen  dem  10.  und  14.  Le¬ 
bensjahre  am  allerhäufigsten.  Man  kann  diese  Geräusche  einteilen  in 
solche,  welche  durch  eine  Beeinflussung  der  inspiratorisch  gefüllten 
Lungenränder  seitens  der  Herzkontraktionen  Zustandekommen,  sog. 
Herz-Lungengeräusche,  und  in  solche,  welche  im  Herz¬ 
innern  selbst  entstehen,  sog.  akzidentelle  oder  funktionelle 
Herzgeräusche.  Diese  bedeutungslosen  Geräusche  zeigen  ge¬ 
wisse  Unterschiede,  welche  eine  klinische  Abgrenzung  ermöglichen. 
Das  wichtigste  ist,  dass  die  Herz-Lungengeräusche  bei  sistierender 
Atmung  verschwinden,  während  die  endokardialen  akzidentellen  Ge¬ 
räusche  vom  Atmungsstillstand  unbeeinflusst  bleiben.  Körperliche  und 
psychische  Erregung  wirkt  auf  beide  Geräuschformen  verstärkend. 
Endokardiale  akzidentelle  Geräusche  kommen  nach  den  Erfahrungen 
des  Vortragenden  im  Säuglings-  und  frühen  Kindesalter  nicht  vor, 
wohl  aber  Herz-Lungengeräusche  und  atonische  Herzgeräusche,  aber 
auch  diese  ganz  auserordentlich  selten.  Die  Differenz  der  Anschau¬ 
ungen  über  das  Vorkommen  oder  Fehlen  von  akzidentellen  Herz¬ 
geräuschen  in  der  frühesten  Kindheit  beruht  darauf,  dass  zwischen 
Herz-Lungengeräuschen,  akzidentellen  und  atonischen  endokardialen 
Geräuschen  der  Kinder  bisher  nicht  genügend  differenziert  wurde. 
Der  von  S  c  h  1  i  e  p  s  eingeführte  Terminus  „atonische  Herzgeräusche“ 
deckt  sich  nicht  mit  dem,  was  die  Autoren  akzidentelle  oder  funktio¬ 
neile  Herzgeräusche  nennen,  ist  aber  sehr  bezeichnend  für  jene  Ge¬ 
räusche,  welche  bei  nachweisbaren  Zuständen  von  kindlicher  Herz- 
atonie  (niederer  Blutdruck,  schlechte  Arterienfüllung,  dilatative 
Schwäche)  Vorkommen.  Diese  Geräusche  besitzen  im  Gegensatz  zu 
den  kardiopulmonalen  und  akzidentellen  Geräuschen  eine  erhebliche 
pathologische  Bedeutung,  sind  aber  gleichfalls  im  frühen  Kindesalter 
ausserordentlich  selten. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  November  1912. 

Vorsitzender:  Herr  Holinger. 

Schriftführer:  Herr  Aug.  Strauch. 

Herr  Aug.  Strauch  hält  einen  Vortrag  über  allgemeinen  In¬ 
fantilismus;  mit  besonderer  Berücksichtigung  folgender,  durch  vor¬ 
gestellte  Fälle  erläuterten  Formen: 

1.  Dysthyreogener  Infantilismus  (Typus  Brissaud),  forme  fruste 
des  Myxödems.  Mädchen,  geb.  30.  Sept.  1898.  Eltern  und  Ge¬ 
schwister  gesund;  kein  Zwergwuchs,  kein  Kropf  in  der  Familie.  Das 
Kind  war  14  Monate  an  der  Brust,  lernte  mit  18  Monaten  laufen,  war 
damals  schon  plump,  träge,  auffallend  ruhig.  Schon  vom  Säuglings¬ 
alter  an  hartnäckige  Stuhlverstopfung.  Neigung  zum  Frösteln.  Leichte 
Schwellungen  des  Unterhautzellgewebes  an  einigen  Körperstellen. 
Hände,  Füsse,  Gesicht  kühl,  die  erstem  oft  bläulich  und  marmoriert. 
Wegen  Ungeschicklichkeit  kann  sich  das  Kind  auch  heute  noch  sehr 
schwer  ohne  Hilfe  anderer  anziehen.  Geistiger  Torpor,  kein  Spiel¬ 
trieb,  doch  hat  das  Kind  einige  Klassen  der  öffentlichen  Schule  mit 
ziemlich  gutem  Erfolge  absolviert. 

Status  praesens:  Kind  12  Jahre  4  Monate  alt.  Körpergrösse 
108,7  cm,  statt  145  cm,  Gewicht  53  Pfund  statt  88.  Grosser  Kopf,  Voll¬ 
mondgesicht,  Sattelnase,  etwas  plumper  Körper.  Leichte  Ver¬ 
dickungen  des  Unterhautzellgewebes  an  einigen  Körperstellen  Vor¬ 
gewölbtes  Abdomen,  trockene  Haut,  Stuhlverstopfung.  Kind  kann 
sehr  gut  lesen,  schreiben,  weniger  gut  rechnen:  sie  kann  Lieder  und 
Gedichtchen  auswendig. 

Durch  Thyreoidinbehandlung  auffallende  Längenzunahme  um 
5,6  cm  in  den  ersten  3  Monaten,  um  20,6  cm  in  19  Monaten  bei  zeit¬ 
weiliger  Unterbrechung  der  Behandlung.  Bedeutende  Besserung  der 
Intelligenz,  grosse  Lebhaftigkeit  des  Kindes,  das,  wie  sich  die  Mutter 
ausdrückt,  wie  ausgewechselt  ist.  Appetit  sehr  gut,  Stuhl  täglich 
spontan.  Seit  einigen  Monaten  Hervorspriessen  der  Schamhaare. 

2.  Dystrophischer  Infantilismus  (Typus  Lorain). 

Knabe,  12  Jahre  4  Monate  alt.  Frühgeburt:  damals  so  klein  und 
schwach,  dass  er  durch  viele  Wochen  in  Watte  gewickelt  nahe  dem 
Ofen  gehalten  werden  musste.  Trotz  Mutterbrust  immer  dyspeptisch 
mit  Durchfällen  im  ersten  Jahre.  Mit  16  Monaten  bloss  10%  Pfund 
schwer.  Später  Scharlach,  Keuchhusten,  Schafblattern  und  häufige 
Bronchitiden.  Mit  8  Jahren  Eintritt  in  die  Schule,  wo  er  stets  zuriiek- 
blieb.  Vor  3  Jahren  erwies  sich  eine  mehrmonatliche  Thyreoidin- 
behandlung  als  völlig  erfolglos. 


676 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  K 


Status  praesens:  Knabe  126,2  cm  gross  (entsprechend  einem 
9'A  jähr.  normalen  Knaben),  42  Pfund  schwer  (entsprechend  dem  Ge¬ 
wicht  eines  5'A  jährigen  normalen  Knaben).  Gesund  aussehend,  von 
sehr  grazilem  Knochenbau,  schwacher  Muskulatur  und  wenig  ent¬ 
wickeltem  Fannie,  adiposus.  Kopf  klein,  sehr  dolichozephal;  Umfang 
47  cm  statt  52,75  cm.  Genitale  sehr  klein,  doch  proportioniert  zum 
Körper.  Hoden  etwa  1  cm  lang,  der  linke  im  Inguinalkanal.  Scham¬ 
haare  nur  um  die  Wurzel  des  Penis. 

3.  Fall  von  Mongolismus. 

Mädchen,  6 'A  Jahre  alt,  sechstes  Kind  der  damals  38  jährigen 
Mutter.  Keine  erbliche  Belastung,  Eltern  ungewöhnlich  kräftig  und 
gesund.  Körperlänge  des  Kindes  96  cm  statt  108,4  cm.  Kopf  mikro- 
brachyzephal,  Schädelindex  86,3),  Gesicht  typisch  mongoloid.  Schild¬ 
drüse  deutlich  zu  tasten.  Daumen  kurz  und  dick,  kleiner  Finger 
kurz.  Hühnerbrust  ohne  Zeichen  von  Thoraxrachitis.  Schwachsinn, 
Sprache  sehr  rückständig.  Neigung  zum  Grimassieren,  grosse  Leb¬ 
haftigkeit. 

4.  Hypophysärer  Fettwuchs  mit  Körperkleinheit. 

Mann,  21  Jahre  2  Monate  alt,  ohne  erbliche  Belastung.  Voll¬ 
ständig  normal  bis  zum  8.  Lebensjahr,  als  er  einen  Bauchtyphus  durch¬ 
machte.  Seit  dieser  Zeit  sehr  retardiertes  Körperwach  s- 
t  u  m  und  Entwicklung  einer  auffallenden  Fettsucht  mit 
eunuchoiden  Lokalisationen :  Doppelkinn,  Mammae  von  mäch¬ 
tigem  Fettpolster  und  von  weiblicher  Form,  starke  Fettanhäufung  am 
Unterbauch,  Mons  veneris,  den  Hüften,  Oberschenkeln  und  ad  nates, 
wodurch  der  Körper  ausgesprochen  feminine  Formen  erhält.  Kein 
Bart,  kleiner  Kehlkopf  mit  hoher  Stimme.  Hoden  von  ungefähr  nor¬ 
maler  Grösse,  Penis  klein,  tief  eingebettet  in  das  Fettpolster  des 
Mons  veneris,  Schamhaare  gut  entwickelt,  doch  nach  weiblichem 
Typus  begrenzt,  Achselhaare  gut  entwickelt.  Das  Röntgenbild  der 
Hand  ergibt  noch  Offensein  der  Epiphysenfugen.  Die  Sella  turcica 
im  Röntgenbild  normal.  ( 

Der  Pat.  entspricht  in  seiner  Grösse  einem  13  jährigen  Knaben 
(147,5  cm)  hat  aber  ein  Gewicht  von  133  Pfund.  Abstand  des  Ober¬ 
randes  der  Symphyse  vom  Boden  70  cm.  Gegen  eine  rein  thyreogene 
Natur  der  Wachstumsstörung  (Störung  der  Schilddrüsenfunktion  durch 
Typhus)  spricht  die  eunuchoide  Lokalisation  des  Fettwuchses  und  die 
Erfolglosigkeit  einer  mehrmonatlichen  Thyreoidinbehandlung.  Der  Fall 
schliesst  sich  durch  seine  Anamnese  an  den  von  Neurath  beschrie¬ 
benen  Fall  von  epiphysärem  Fettwuchs  an,  der  auf  eine  durch 
Meningitis  serosa  infolge  Scharlach  hervorgerufene  hydrozephalische 
Druckläsion  der  Hypophyse  zurückgeführt  wurde.  Heftige  Kopf¬ 
schmerzen  im  Anschluss  an  den  Typhus  des  Falles  Strauchs  durch 
mehrere  Jahre  lassen  die  Annahme  einer  leichten  Meningitis  serosa 
während  des  Typhus  als  berechtigt  erscheinen.  Der  leichte  Dys¬ 
genitalismus  (fehlende  Libido,  nur  sehr  seltene  Erektionen  und  Pollu¬ 
tionen  mit  den  Störungen  in  der  Entwicklung  der  sekundären  Ge¬ 
schlechtscharaktere)  wäre  ein  von  der  Hypophysenstörung  aus¬ 
gelöster. 

Diskussion:  M.  Herzog  spricht  zur  Frage  der  Funktion 
der  Thyreoidea  und  der  Epithelkörper.  Der  vierte  Fall  Strauchs 
sollte  nicht  mit  dem  Ausdruck  Infantilismus  belegt  werden.  Er  stellt 
einen  Feminismus  dar,  der  sich  möglicherweise  ohne  Zusammenhang 
mit  dem  Typhus  entwickelt  hat. 

Reichmann  spricht  über  den  Röntgenbefund  bei  dys¬ 
thyreogenem  Infantilismus  und  bei  Mongolismus;  er  demonstriert  das 
Schädelbild  des  dritten  Falles,  das  sehr  deutlich  die  Brachyzephalie 
und  die  Steilheit  der  Stirn  zeigt.  Infolge  der  Unruhe  und  Zappelhaftig- 
keit  des  Kindes  war  es  unmöglich,  eine  Röntgenaufnahme  der  Hand  zu 
machen.  Reichmann  zeigt  ein  ihm  von  K  o  e  h  1  e  r  aus  Wiesbaden 
zugesandtes  Röntgenbild  der  Hand  eines  12  jährigen  Kindes,  das  an 
infantilem  Myxödem  litt.  Die  proximalen  Fpiphysenkerne  der  Hand 
sind  sehr  deutlich  entwickelt,  ein  sehr  seltenes  Vorkommnis. 

G.  Schmauch  berichtet  über  ein  Mongoloid.  Mutter  war  zur 
Zeit  der  Geburt  35  Jahre  alt,  Vater  damals  gegen  50  Jahre  alt,  starb, 
als  die  Mutter  des  Kindes  im  7.  Schwangerschaftsmonat  stand.  Von 
diesem  Augenblick  an  war  die  Frau  sehr  nervös  bis  zu  ihrer  Ent¬ 
bindung.  Das  Kind  zeigte  einen  deutlichen  Japanertypus.  Fs  starb 
an  Scharlach. 

J.  Holinger  weist  auf  den  adenoiden  Habitus  des  dritten 
Falles  hin.  Dieser  Habitus  finde  sich  bei  allgemeinen  Degenerationen 
sehr  oft.  Die  adenoiden  Vegetationen  seien  als  ein  Degenerations¬ 
zeichen  aufzufassen. 

Strauch  (Schlusswort):  Der  Fall  mit  eunuchoidem  Fettwuchs 
mag  darum  zum  Infantilismus  gezählt  werden,  weil  es  sich  um 
Zurückgebliebensein  im  Körperwachstum,  Offensein  der  Epiphysen¬ 
fugen.  gewissen  Störungen  in  der  Sexualsphäre  mit  mangelhafter 
Ausbildung  gewisser  sekundärer  Geschlechtscharaktere  und  um  Er¬ 
scheinungen  leichten  psychischen  Infantilismus  handelt.  Die  An¬ 
nahme  eines  Zusammenhanges  mit  Typhus  durch  eine  vielleicht  kom¬ 
plizierende,  leichte  Meningitis  serosa  begründet  sich  auf  das  sofortige 
Einsetzen  des  Fettwuchses  (der  anfangs  allerdings  sich  langsam  ent¬ 
wickelt  hat)  und  auf  die  Kopfschmerzen,  die  seit  der  Zeit  des  Typhus, 
anfangs  in  massigem,  dann  in  bedeutendem  Grade  und  fast  täglich 
bestanden. 

Wenn  der  Ausdruck  Infantilismus  auch  bei  Kindern  in  Verwen¬ 
dung  steht,  so  stellt  er  einen  relativen  Begriff  dar,  der  ein  Zurück¬ 
gebliebensein,  einen  morphologischen  Anachronismus  bezeichnet. 


Herr  Gustav  Schirmer  hält  einen  Vortrag  über:  „Die  Heil 

Wirkung  der  Phylakogene  bei  Infektionskrankheiten,  wie  Gonorrhö« 
Rheumatismus  etc.“ 

Der  von  Prof.  Dr.  Ed.  K  1  e  b  s  aufgestellte  Satz,  dass  die  Stofi 
Wechselprodukte  der  Bakterien  Heilstoffe  enthalten,  hat  durch  die  vo 
Prof.  A.  Schäfer  hergestellten  Präparate  eine  glänzende  Bestätigun 
gefunden.  In  einer  Serie  von  56  Lungenentzündungen  hat  Schafe 
in  4  Tagen  Heilung  erzielt.  Es  handelt  sich  bei  den  Phylakogene 
um  ein  von  den  bisherigen  Vakzinen,  Sera  etc.  vollständig  verschk 
denes,  neues  Präparat,  dessen  überraschende  Wirkung  am  beste 
praktisch  erprobt  werden  kann.  In  einem  gegebenen  Falle  von  Epi< 
gonorrh.  kann  der  Arzt  Heilung  in  72  Stunden  erwarten.  Frische  per 
toneale  Exsudate  schwinden  sehr  rasch.  Dem  Anhänger  einer  kai 
salen  Therapie  ist  in  den  Präparaten  von  Park  Davis  &  Co.  ei 
mächtiges  Hilfsmittel  an  die  Hand  gegeben. 

Diskussion:  M.  Herzog:  Die  Idee  Dr.  Schäfers  ist  vo 
den  Veterinärärzten  hergenommen.  Autovakzine  werden  schon  lang 
in  der  Veterinärmedizin  verwendet;  doch  ist  die  Bereitung  derselbe 
im  Laboratorium  für  den  allgemeinen  Veterinärpraktiker  zu  teue 
Es  wurde  daher  eine  einfache  Methode  eingeführt,  direkt  vom  Eite 
auf  Bouillon  abgeimpft,  die  Kultur  24—48  Stunden  im  Brutofen  g: 
halten,  dann  bei  60"  C  durch  eine  Stunde  sterilisiert;  sie  könnt 
hierauf  den  Tieren  (Pferden)  direkt  eingeimpft  werden.  Es  liegt  eir 
Anzahl  von  Beobachtungen  über  schöne  Erfolge  vor.  Schäfer  ve 
fuhr  nach  demselben  Prinzip.  Doch  erlebte  man  bei  der  Anwenduu 
der  gemischten  Phylakogene  nicht  selten  sehr  heftige  Allgemeü 
reaktionen  bis  zum  Kollaps.  Herzog  sah  einen  solchen  Kollaps  m 
Temperaturabsturz  und  Schweissausbruch.  Die  Phylakogene  sin 
darum  durchaus  nicht  so  harmlos.  Auch  die  örtliche  Reaktion  s< 
oft  sehr  heftig  sein,  weswegen  sich  viele  Aerzte  vor  der  Anwei 
düng  des  Mittels  scheuen.  Die  Anwesenheit  des  sehr  giftigen  Ba 
pyocyaneus  erklärt  die  unangenehmen  Nebenwirkungen  d< 
Mittels.  Die  Gonokokkenphylakogene  müssen  Gonokokken  verschi« 
dener  Stämme  enthalten.  Herzog  hatte  grosse  Schwierigkeitei 
Kulturen  derselben  anzulegen.  Die  Erfolge  sind  aber  nicht  besser  a; 
bei  de-n  gewöhnlichen  Gonokokkenvakzinen. 

Schirmer  betont  im  Schlusswort  nochmals  die  Wiel 
tigkeit  der  richtigen  Technik  zur  Vermeidung  einer  zu  heftigen  Loka 
reaktion  und  die  Wichtigkeit  kleiner  Anfangsdosen  zur  Ve 
meidung  heftiger  Allgemeinerscheinungen. 

M.  Reichmann  demonstriert  das  Röntgenbild  zu  folgende 
Falle:  45  jähriger  Herr,  in  kinderloser  Ehe.  Vor  25  Jahren  Gonorrhö 
Seit  7  Monaten  Pollakurie  des  nachts.  Rote  Blutkörperchen  im  Urin 
Schmerzen  in  Blase  und  Rektum.  Zystitis  mit  Eiter  seit  einig« 
Wochen  infolge  Gebrauches  des  Katheters.  Retention  20  cm.  D; 
Röntgenbild  zeigt  einen  grossen,  gelappten  Schatten  in  der  linki 
Nierengegend.  Bei  der  Operation  fand  man  keinen  Nierenstein,  so 
dern  käsige  Veränderungen  der  Niere.  Zwei  kleine  Steine  fanden  sh 
aber  im  Ureter. 

K  o  1  i  s  c  h  e  r  berichtet  über  2  Fälle  von  Nierentuberkulose  n 
gelappten  Schatten  infolge  Drüsenverkalkung. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  11.  November  1912. 

Respiratorische  Neurosen. 

S.  West  teilt  die  den  Respirationsprozess  betreffenden  Ne 
rosen  in  zwei  Gruppen  ein,  je  nachdem  dieselben  mit  Dyspnoe  u 
deren  weiteren  Folgen,  Zyanose  und  Erstickungsgefahr  verknüi 
sind,  oder  nicht.  Als  zur  ersten  Gruppe  gehörig  nennt  er  Asthn. 
Laryngismus  stridulus  und  Keuchhusten.  Beispiele  der  zweit 
Gruppe,  bei  welcher  der  Uebertritt  von  Luft  ins  Blut  nicht  gelnndi 
ist,  und  infolgedessen  Zyanose  und  Erstickungszustände  fehlen,  sd 
die  paroxysmale  Tachypnoe,  der  Lufthunger  bei  Diabetes  mellit- 
und  Urämie,  das  Cheyne-Stokes  sehe  Atmen  und  das  gruppier 
Atmen.  Den  krankhaften  Prozess  beim  essentiellen  Asthma  erkl; 
Redner  durch  Störungen  an  einem  jedenfalls  in  der  grauen  Rindt¬ 
substanz  des  Gehirns  lokalisierten  Herde,  durch  dessen  Einwirku. 
die  Tätigkeit  des  in  der  Medulla  oblongata  gelegenen  bekannt' 
Respirationszentrums  in  abnormer  Weise  beeinflusst  wird.  1 
mancher  Hinsicht  haben  Asthmaattacken  entschiedene  Aehn hchL 
mit  den  Phasen  eines  epileptischen  Anfalles:  jedenfalls  ist  die  Ursac: 
derselben  nicht  in  der  Lunge  sondern  im  Zentralnervensystem  1 
suchen.  Sehr  frappant  ist  das  Abwechseln  von  Asthma  mit  (antal¬ 
freien)  Perioden  von  Geistesstörung,  wovon  W.  einige  ga. 
präzise  Beispiele  anführt.  In  bezug  auf  Pertussis  gibt  Redt 
zu,  dass  man  im  allgemeinen  dieselbe  als  eine  zymotisc; 
Erkrankung  der  oberen  Luftwege  definiert.  Die  zur  zweiten  Grut 
gehörige  paroxysmale  Tachypnoe,  auch  hysterisches  Asthma 
nannt,  ist  eine  seltene  aber  sehr  markierte  Affektion.  Redner  hat  ■' 
nur  beim  weiblichen  Geschlecht  beobachtet,  meistens  bei  jungen.  ;■ 
gemein  neurotischen  Individuen.  Bei  den  Anfällen  steigt  . 
Atmungsfrequenz  leicht  bis  auf  100  oder  mehr  in  der  Minute,  währe 
der  Puls  meist  in  ganz  gewöhnlichen  Grenzen  verbleibt.  Trotze! 
die  Attacken  oft  2  und  3  Stunden  anhalten,  zeigen  die  Kranken  ka 
irgendwelche  Zeichen  von  Erschöpfung.  Auffällig  ist  das  eig« 
tümlich  plötzliche  und  unerwartete  Einsetzen  der  Attacken  und  P 


.  März  191,1. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


077 


„•ntalls  abrupte  Enden  derselben.  Als  gruppenweises  Atmen  ist 
iliesslich  ein  seltener  Typus  zu  erwähnen,  der  sich  gelegentlich 
komatösen  Stadium  der  Meningitis  bei  Kindern  findet.  Es  folgen 
ider  3  ziemlich  normale  Atemzüge  in  etwa  3  Sekunden  aufeinander, 
irauf  eine  Pause  (von  etwa  12  Sekunden)  bis  zum  nächsten  Atem- 
len  folgt.  Wie  man  sieht,  unterscheidet  sich  dieser  Modus  scharf 
i!  dem  Cheyne-Stokes  sehen  Atmen. 

D.  F  e  r  r  i  e  r  will  den  Keuchhusten  nicht  für  eine  Neurose  gelten 
sen.  wohl  aber  das  Asthma. 

H.  Mackenzie  weist  darauf  hin,  dass  man  schon  öfters  das 
llige  Ausbleiben  der  Asthmaattacken  nach  dem  Ueberstehen  einer 
uten  interkurrenten  Krankheit  beobachtet  hat. 

ryal  Academy  of  Medicine  in  Ireland,  Section  of  Medicine. 

Sitzung  vom  6.  Dezember  1912. 

Die  spezifische  Behandlung  der  Lungentuberkulose. 

W.  M.  Croftom  empfiehlt  das  von  ihm  ausgearbeitete  Ver- 
iren  der  Tuberkulosebehandlung  mittels  der  intravenösen  Injektion 
ter  ätherischen  Jodoformlösung.  Ausnahmsweise  gibt  er  das  Mittel 
ch  als  intramuskuläre  Einspritzung  oder  auch  per  os.  Die  von 
i'. endeffy  angegebene  Formel  (Jodpepton  und  Menthol  mit  einem 
diumsalz)  bezeichnet  Redner  als  weniger  wirksam,  doch  könne  man 
s  Mittel  seiner  tonisierenden  Eigenschaften  halber  zur  Unter- 
itzung  einer  Tuberkulinkur  oft  mit  Vorteil  verwenden.  Ueberhaupt 
ohne  Darreichung  von  Tuberkulin  eine  Behandlung  der  Tuberku- 
;e  niemals  eine  vollständige  Therapie.  Er  hat  eine  neue  Form  von 
iberkulin  durch  Auflösung  von  Tuberkelbazillen  in  Benzoylchlorid 
rgestellt.  Dies  Präparat  wird  im  Verein  mit  Jodoform  intramusku- 
•  injiziert.  Die  auf  diese  Weise  erzielten  Resultate  waren,  wie 
•dner  an  6  Beispielen  darlegt,  als  sehr  befriedigend  zu  bezeichnen. 

Mary  Strangman  hat  die  C  r  o  f  t  o  n  sehe  Methode  bei 
Fällen  angewandt  und  konstatiert  bei  beiden  eine  wesentliche  Besse- 
ng. 

G.  E.  P.  M  e  1  d  o  n  hat  bei  Beobachtungen  bei  4  Patienten  einen 
nlichen  günstigen  Eindruck  bekommen. 

G.  E.  Nesbitt  hat  bei  einem  Patienten  Dosen  von  0,03  Jodo- 
rm  in  ätherischer  Lösung  gegeben  und  ist  mit  dem  Resultate  (bei 
Injektionen  im  Laufe  von  3  Monaten)  zufrieden. 

Coleman  findet,  dass  den  mitgeteilten  Krankenberichten  keine 
»erzeugende  Beweiskraft  für  die  Wirksamkeit  der  Therapie  zuzu¬ 
rechen  sei. 

T.  G.  Moorhead  führt  aus,  dass  die  in  Frankreich  so  sehr  ge- 
hmte  Dioradinbehandlung  sich  in  England  durchaus  nicht  be- 
ährt  hat. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medicine. 

Sitzung  vom  26.  November  1912. 

Tabes  und  Patellarfraktur. 

Im  Anschluss  an  einen  selbst  beobachteten  Fall,  der  nun  der 
:hte  in  der  ganzen  medizinischen  Literatur  ist,  bespricht  Le  D  e  n  t  u 
ese  Koinzidenz  von  Tabes  und  Fraktur  der  Kniescheibe  und  fügt 
u,  dass  dieselbe  sicher  weit  häufiger  sei,  als  bis  jetzt  konstatiert 
urde.  Wie  auch  in  den  anderen  Fällen,  so  entstand  in  dem  hier 
jschriebenen  die  Fraktur  beinahe  spontan,  d.  i.  ohne  besondere 
issere  Gewalteinwirkung.  Die  anatomische  Ursache  dieser  leichten 
ntstehungsweise  von  Frakturen  liegt  in  einer  Rarefikation  des 
nochengewebes,  die  bei  Tabes  häufig  ist  und  bei  etwa  25  Proz.  aller 
rakturen  die  Konsolidierung  verhindert.  Diese  Spontanfraktur  der 
niescheibe  kennzeichnet  sich  durch  nur  geringe  Behinderung  der 
ewegungen,  also  nur  geringe  Funktionsbeschränkung  und  völliges 
ehlen  von  Schmerzen.  Bezüglich  der  Diagnose  muss  man  grosses 
ewicht  auf  den  absolut  oder  relativ  spontanen  Eintritt  der  Fraktur, 
>e  Unempfindlichkeit  der  ganzen  Umgebung,  auf  andere  Zeichen  der 
abes,  so  wenig  ausgeprägt  sie  auch  seien,  achten  und  daran  denken, 
ass  die  Fraktur  die  erste  Erscheinung  der  Riickenmarksaffektion  sein 
ann.  Die  Behandlung  muss  die  voraussichtliche  Schwierigkeit  der 
onsolidation  berücksichtigen  und  1  e  D  e  n  t  u  hat,  da  die  einfache 
aht  sich  als  wenig  erfolgreich  gezeigt  hat  (in  10  Proz.  der  Fälle 
iederholte  Fraktur)  ein  kombiniertes  Verfahren  (vertikaler  Trans¬ 
lation  der  Patella  mit  einem  doppelten  Metallfaden  und  doppel- 
-itiger  Umwickelung  derselben  mit  den  Enden  der  Nähte)  gewählt. 
*ie  Transfixation  ermöglicht  die  vollkommene  Adaption  der  Frag- 
iente,  die  beiden  Endverknüpfungen  sichern  sie  für  genügend  lange 
eit.  Wenn  die  rechte  Kniescheibe  gebrochen  ist,  muss  man  die 
ransfixation  von  unten  nach  oben,  mit  dem  oberen  Fragment  be- 
innend,  machen  und  umgekehrt  bei  der  linken.  Diese  Methode  ist 
desmal,  wenn  das  Knochengewebe  aus  irgend  einem  Grunde  infiziert 
-t,  angezeigt. 

Sitzung  vom  10.  Dezember  1912. 

>ie  günstigen  Wirkungen  intravenöser  Salvarsaninjektionen  in 

25  Fällen  Sydenham  scher  Chorea. 

Pierre  Marie  und  Charles  C  h  a  t  e  1  i  n  haben  in  diesen  25  Fällen 
»ei  8— 19  jährigen  Patienten  nach  3 — 4  intravenösen  Salvarsan- 
niektionen  von  je  0,2 — 0,6  g  (in  8  tägigen  Pausen)  rasches  Ver- 
chwinden  der  abnormen  Bewegungen  erlebt;  die  Heilung  erfolgte 


regelmässig  nach  3-  1  wöchentlicher  Behandlung,  indem  sowohl  die 
Zuckungen  verschwanden,  wie  das  Allgemeinbefinden  bedeutend  ge¬ 
bessert  wurde.  Berichterstater  betrachten  daher  die  Salvarsan- 
behandlung  nun  die  beste  für  die  Chorea.  Da  nach  manchen  Autoren 
zwischen  dieser  und  der  Syphilis  ein  Zusammenhang  bestehen  soll, 
haben  M.  und  Ch.  bei  8  ihrer  Patienten  die  Wassermann  sehe 
Reaktion  geprüft,  sie  aber  bei  sämtlichen  negativ  gefunden.  Die 
Syphilis  dürfte  also  nicht  im  Spiele  sein  und  die  günstige  Wirkung 
des  Salvarsans  entweder  auf  dessen  Einfluss  auf  die  Allgemein¬ 
ernährung  oder  auf  eine  direkte  antiparasitäre  auf  den  unbekannten 
Erreger  der  Chorea  zurückzuführen  sein. 

P  i  n  a  r  d  bemerkt,  dass  man  viele  Rezidive  von  Chorea  bei 
jungen  Mädchen  zurzeit  der  Pubertät  beobachtet;  das  wäre  schwer¬ 
lich  mit  der  Ansicht  vereinbar,  dass  Chorea  eine  Infektionskrank¬ 
heit  sei. 

Chauffard  erwähnt,  dass  man  gute  Erfolge  von  Salvarsan 
bei  verschiedenen  Krankheiten,  besonders  bei  perniziöser  Anämie, 
habe,  aber  diese  Wirkung  mit  jener  des  Arsens  und  nicht  einer  spe¬ 
zifischen,  antisyphilitischen  Zusammenhänge. 

Armand  Gautier  erinnert  wiederum  daran,  dass  er  seit  1901 
die  guten  Wirkungen  des  kakodylsauren  Natrons  (Arrhenol)  bekannt 
gegeben  habe,  und  Netter,  dass  die  Arsenikmittel  überhaupt  das 
wirksamste  gegen  Chorea  seien. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Schulkommission  des  ärztlichen  Vereins  München. 

Sitzung  vom  5.  Februar  1913. 

Unter  dem  Vorsitze  Herrn  Crämers  wird  die  bisherige  Vor¬ 
standschaft  für  das  Jahr  1913  wiedergewählt.  Lissmann  gibt 
hierauf  ein  kurzes  Uebersichtsreferat  über  Tätigkeit  der  Kommission 
im  Jahre  1912.  Dann  folgt  der  Vortrag  Herrn  Rr.  v.  Heuss’:  Gesund¬ 
heitliche  Ziele  und  Massnahmen  des  Wehrkraftvereins.  Vortr. 
führte  aus: 

Zweifach  sind  die  Ziele  des  Wehrkraftvereines:  körperlicher 
und  geistiger  Art.  Der  Wehrkraftverein  will  in  der  Jugend  die  Lust 
für  körperliche  Betätigung  wecken,  den  Sinn  für  die  Auffassung  der 
Natur  schärfen,  zur  Abhärtung  und  Selbstzucht  erziehen,  d.  h.  also: 
der  Wehrkraftverein  will  seine  Angehörigen  wehrkräftig  in 
körperlicher  und  geistiger  Hinsicht  machen  gegen  alle 
Gefahren  und  für  alle  Anforderungen,  die  die  Jugend  und  das  spätere 
Leben  mit  sich  bringen. 

Wanderungen  bei  jedem  Wetter,  Kriegs-  und  Pfadfinderspiele, 
Turnen,  Schwimmen  und  Bewegungsspiele  sollen  den  Körper 
stählen;  Beispiel  der  Führer,  Belehrung,  sich  steigernde  Anforde¬ 
rungen  an  die  persönliche  Willenskraft  im  weitesten  Sinne  des  Wortes 
sollen  den  Geist  schulen,  den  Charakter  festigen,  auf  dass  er 
im  Verein  mit  einem  gesunden  Körper  brauchbare  Männer  schaffe, 
die,  gleichgültig  an  welchen  Ort  sie  das  Leben  stellt,  ganze  Arbeit 
leisten,  — -  Eltern,  Lehrern,  sich  selbst  und  den  Mitmenschen  zur 
Freude. 

Unter  diesen  Leitsätzen  wirkt  der  Wehrkraftverein  nun  bald 
3  Jahre.  Junge  und  ältere  Offiziere,  Lehrer  der  Mittel-,  Fortbildungs¬ 
und  Volksschulen,  Angehörige  freier  Berufe  haben  sich  in  selbst¬ 
losester  Weise  in  den  Dienst  einer  Sache  gestellt,  die  die  körperliche 
und  geistige  Ertüchtigung  unserer  Jugend  in  engem  Zusammenwirken 
mit  Schule,  Elternhaus  und  Lehre  erstrebt.  Der  bisherige'  Erfolg 
bestätigte  die  Richtigkeit  der  Ziele  und  der  Wege,  die  zu  ihrer  Er¬ 
reichung  eingeschlagen  wurden. 

Im  Königreich  Bayern  bestehen  heute  38  Wehrkraftortsgruppen. 
Die  Münchener  Ortsgruppe  allein  zerfällt  wiederum  in  23  Gruppen 
—  7  Fortbildungs-,  16  Mittelschulgruppen  —  mit  rund  1000  Jungen, 
dazu  tritt  eine  über  100  Mädchen  starke,  dem  Wehrkraftverein  an¬ 
gegliederte  Pfadfinderinnengruppe.  Solcher  Aufschwung  der  ganzen 
Bewegung  legte  es  nun  nahe,  das  Programm  der  gesundheitlichen 
Ziele  und  Massnahmen  im  Wehrkraftverein  in  breitester  Form  zur 
Durchführung  zu  bringen.  Dieses  Programm  gipfelte  in  4  Punkten: 
ärztliche  Untersuchung  und  fortlaufende  Kontrolle  der  Jungen;  Ein¬ 
richtung  von  Schonungsgruppen;  Kurs  für  erste  Hilfeleistung;  ein¬ 
führende  Vorträge  an  Führer,  Jungen  und  deren  Angehörige  über  die 
Hauptmaterien  der  Hygiene,  des  Sportes  und  der  Grundbegriffe  von 
Körperlehre  und  Krankheit. 

War  es  dem  Arzte  nicht  möglich,  sich  als  Führer  in  den  Dienst 
der  Wehrkraftsache  zu  stellen,  so  fand  er  in  der  Durchführung  des 
gesundheitlichen  Programmes  das  Feld,  auf  dem  er  sich  in  gleich¬ 
wertiger  Weise  und  in  einer  sowohl  für  den  Wehrkraftverein  wie 
auch  für  die  Allgemeinheit  unendlich  wertvollen  Weise  betätigen 
konnte.  Dazu  kommt,  dass  durch  die  Ausführung  des  gesundheit¬ 
lichen  Programmes  eine  Reihe  seitens  der  Aerzte  schon  lange  er¬ 
strebter  Forderungen,  wenn  auch  vorerst  nur  in  beschränkter  Weise 
erfüllt  werden:  es  sei  nur  hingewiesen  auf  die  systematische  Unter¬ 
suchung  der  Fortbildungs-  und  Mittelschüler;  auf  frühzeitige  Ein¬ 
führung  der  Jungen  und  Mädchen  in  die  Begriffe  der  ersten  Hilfe¬ 
leistung;  sorgfältige  Kontrolle  des  Gesundheitszustandes;  wissen¬ 
schaftliche  und  statistische  Verwertung  des  Materiales  der  sich  ent¬ 
wickelnden  Jugend  usw. 

Das  gesundheitliche  Programm  hat  folgende  Durchführung  er¬ 
halten  : 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


t>78 


No.  t 


1.  Jeder  Wehrkraftgruppe  ist  ein  eigener  Qruppenarzt  zu¬ 
geteilt. 

2.  Jedem  Jungen  wird  ein  Fragebogen  zur  Ausfüllung  nach 
Hause  mitgegeben;  der  Bogen  soll  die  für  den  Arzt  nötigen  Angaben 
hinsichtlich  der  durchgemachten  F.rkrankungen  ermöglichen. 

3.  Jeder  schon  aufgenommene  bzw.  neuautzu- 
nehmende  Junge  wird  ärztlich  untersucht.  Auf  be¬ 
sonderen  Wunsch  der  Eltern  kann  die  Untersuchung  durch  den 
Hausarzt  erfolgen. 

4.  Ergebnis  der  Fragebögen,  ergänzt  durch  Einblick  in  die  Ge¬ 

sundheitsbögen  der  Volksschule,  sowie  Ergebnis  der  Untersuchung 
wird  niedergelegt  in  dem  Wehrkraftuntersuchungs¬ 
bogen.  —  Die  Untersuchung  erstreckt  sich  auf  den  gesamten 
Körperzustand.  .  .  . 

5.  Jungen,  die  wiederholter  Untersuchungen  bedürfen,  werden  in 
Kontrolllisten  zusammengefasst.  Die  Kontrolluntersuchun- 
gen  finden  vierteljährlich  statt,  die  Untersuchung  der  ganzen  Gruppe 
einmal  im  Jahre.  (Herbst.) 

6.  Jungen,  deren  Entwickelung  bezw.  momentaner  körperlicher 

Zustand  besondere  Schonung  verlangt,  werden  in  eigenen-  Scho¬ 
nungsgruppen  mit  eigenem  Führer,  Gruppenarzt  und  Schonungs¬ 
programm  zusammengefasst.  J  ,'y  ' 

7.  Jungen,  die  ärztlicher  Behandlung  bedürfen,  erhalten  von  dem 
Gruppenarzte  eine  Mitteilung  an  die  Eltern,  damit  die  Behandlung 
sofort  veranlasst  wird. 

Bestätigung  des  behandelnden  Arztes  über  Beginn  der  Behand¬ 
lung  erfolgt  auf  der  Mitteilung. 

Nähere  Angabe  über  durchzuführende  Mass¬ 
nahmen,  Schonung  usw.  seitens  des  behandelnden 
Arztes  ist  dringend  erwünscht,  damit  deren  Durchführung  seitens 
des  Gruppenführers  und  -arztes  überwacht  und  gewährleistet  wird. 
Im  Interesse  des  Jungen  ist  auf  die  Durchführung  dieser  Massnahmen 
besonderes  Gewicht  zu  legen.  —  Im  Hinblick  auf  die  schwere  Ver¬ 
antwortung  sind  Jungen,  die  ärztlicher  Behandlung  nicht  zugeführt 
werden,  von  der  Gruppe  auszuschliessen. 

Auf  2  Punkte  sei  noch  besonders  hingewiesen.  Dem  Wehrkraft¬ 
verein  kommt  es  hauptsächlich  darauf  an,  gesunde  Jungen  fort¬ 
zubilden;  schwächliche  und  kränkliche  Jungen  zu  körperlich  kräftigen 
und  gesunden  Jungen  zu  machen.  Gerade  die  schwächlichen  Jungen 
sollen  nicht  von  der  Tätigkeit  im  Wehrkraftverein  ausgeschlossen, 
sondern  durch  diese  I  ätigkeit  gekräftigt  werden.  Deswegen  erfolgte 
die  Bildung  eigener  Schoaungsgruppen  mit  besonderem 
Programm  und  unter  besonderer  ärztlicher  Kontrolle.  Der  Wehr¬ 
kraftverein  hofft  durch  diese  Schonungsgruppen  insbesondere  den 
Hausärzten,  die  ihre  kleinen  Patienten  einerseits  vom  Turnen  dis¬ 
pensieren,  sie  aber  andererseits  freier,  körperlicher  Bewegung  nicht 
entziehen  wollen,  ein  willkommenes  Mittel  an  die  Hand  zu  geben, 
um  ein  oft  eintretendes  Dilemma  zu  beheben.  Ganz  besonders  wert¬ 
voll  wird  dieses  Mittel  dadurch,  dass  dem  Hausarzt  die  Durchführung 
seines  Behandlungsprogrammes  durch  die  Schonungsgruppe  jederzeit 
gewährleistet  ist.  Es  genügt  dessen  schriftliche  Mitteilung  an  den 
Gruppenarzt. 

Unter  gleichem  Gesichtspunkte  ist  die  Durchführung  ärztlicher 
Behandlung  kranker  Jungen  zu  betrachten.  Es  liegt  im  Interesse 
des  Jungen  und  der  Gruppe,  möglichst  rasche  Behebung  der  festge¬ 
stellten  Schäden  herbeizuführen.  Die  Behandlung  wird  stets  Sache 
des  von'  den  Eltern  beigezogenen  Arztes  bleiben.  Hiebei  scheidet 
der  Gruppenarzt  grundsätzlich  aus.  Darin  aber  wirkt  er  mit  dem  be¬ 
handelnden  Arzte  zusammen,  dass  er  über  die  Durchführung  von 
dessen  Anordnungen  in  Verbindung  mit  dem  Gruppenführer  wacht 
Der  Wehrkraftverein  glaubt,  dass  gerade  durch  die  geschilderten 
beiden  Einrichtungen  das  Interesse  der  Aerztewelt  an  seinen  gesund- 
lieblichen  Bestrebungen  besonders  geweckt  wird. 

Es  erübrigt  sich,  auf  die  Durchführung  der  Kurse  für  erste  Hilfe¬ 
leistung  einzugehen.  Sie  werden  nicht  nur  dazu  dienen,  das  Sama¬ 
riterwesen  im  Wehrkraftverein  auszubilden,  sondern  auch  das  Ver¬ 
ständnis  für  dieses  Wesen  und  damit  auch  für  das  ärztliche  Wirken 
im  weiteren  Sinne  in  der  Jugend  zu  entwickeln. 

Belehrende  Vorträge,  zu  denen  sich  eine  Reihe  namhafter  Aerzte 
in  entgegenkommender  Weise  erklärt  haben,  schliessen  das  Programm 
,Fr  gesundheitlichen  Massnahmen  des  Wehrkraftvereines  ab.  Durch 
die  Zuziehung  der  Angehörigen  sollen  sie  auch  aufklärend  wirken, 
voi  allem  aber  in  der  jungen  Generation  der  Einpflanzung  so  mancher, 
olt  nicht  mehr  ausrottbarer  Vorurteile  rechtzeitig  Vorbeugen. 

•  uP*0  ]0^t.  ^er  Wehrkraftverein  durch  die  ärztliche  Organisation 
mein  nur  seinen  Jungen,  sondern  auch  der  Allgemeinheit  für  jetzt 
und  spatei  zu  nützen.  Die  deutschen  Aerzte  aber,  die  diesen  Be¬ 
strebungen  für  die  Jugend  ein  so  warmes  Herz  und  tatkräftige  Hilfe 
entgegenbringen,  tragen  in  schönster  Weise  dazu  bei,  den  Satz  des 
verstorbenen  Protektors  des  Wehrkraftvereines,  des  Prinzregenten 
Luitpold  von  Bayern,  in  Wahrheit  mit  zu  verwirklichen:  „Pflege 
der  Jugend  schafft  rüstiges  Alter.“ 

Den  mit  Beifall  aufgenommenen  Ausführungen  folgte  eine  kurze 
Diskussion,  in  der  mit  Anerkennung  der  hygienisch-sozialen  Be¬ 
strebungen  des  Wehrkraftvereins  nicht  gegeizt  wurde. 

In  eine  Besprechung  des  Antrags  C  r  ü  m  e  r  s  zur  wichtigeren 
Bewertung  der  Turnnote  wurde  wegen  fortgeschrittener  Zeit  nur 
mehr  kurz  eingetreten.  •  P.Lissmann. 


Verschiedenes. 

Die  Heilquellen  von  Bad  Tölz. 

Die  Tölzer  Badedirektion  schreibt  uns,  dass  sie  zu  den  bist 
allein  unter  dem  Namen  „Krankenheiler  Jodquellen“  bekannten  Töl? 
Duellen  seit  dem  Jahre  1909  auch  die  „Marienquelle“  in  Seeg  u 
nun  seit  1.  November  1912  auch  die  „Adelheidsquelle“  in  Heilbru 
erworben  hat.  Die  Marienquelle  ist  relativ,  die  Adelheidsquelle  a 
solut  die  stärkste  unter  den  schwefelwasserstofffreien  Jodtrinkquell 
Deutschlands. 

Von  Interesse  dürfte  es  sein,  die  Analysen  der  in  Tölz  bere 
stehenden  Kurmittel  in  aufsteigender  Ordnung  nach  ihrer  Minera 
sierung  zum  Vergleich  nebeneinander  zu  stellen. 

In  1000  Teilen  sind  enthalten  in: 


Jodnatrium  . 

Jodtrink¬ 

quelle 

0,0012 

Marien¬ 

quelle 

0,0175 

Adelheids¬ 

quelle 

0,0301 

Lauge  111 

0,603 

Salz 

7,30 

Bromnatrium 

,  ,  ,  , 

— 

0,0151 

0,0589 

0,520 

6,30 

Chlornatrium 

•  •  i  • 

0,2810 

2,2990 

4,9700 

78,206 

913,19 

Doppeltkohlens.  Natr. 

0,4083 

— 

1,4660 

1,718 

ty 

Magn. 

0,0303 

0,2239 

0,0415 

(NaäCOa) 

_  1 

n 

Kalz.  . 

0,0967 

0,3262 

0,0733 

_ 

___ 

Verschiedene 

Salze  . 

0,0555 

0,1344 

0,0552 

3,108 

73,18 

Summe  fest.  Bestandt. 

0,8730 

3,0161 

6,6950 

84,155 

1000,00 

Es  wird  sofort  ersichtlich,  dass  die  Vielseitigkeit  dieser  Mit! 
eine  weitgehende  Individualisierung  bei  der  balneologischen  Therap 
ermöglicht.  Dazu  kommt  noch  ein  Umstand,  der  bei  angezeign 
Fällen  für  Jodbad  Tölz  als  spezifischen  Kurort  für  alle  dyskrasiscluj 
Stoffwechselanomalien  jede  Konkurrenz  aus  dem  Felde  schlägt,  das  i 
ein  herrliches  subalpines  tonisierendes  Klima  und  eine  freundlich 
unvergleichlich  schöne  Lage  vor  den  Toren  Münchens  am  Fusse  d 
bayerischen  Alpen. 

Frequenz  der  Schweizer  medizinischen  Faku 
täten  im  Wintersemester  1912/13:  Basel  245  (230  m„  15  w.),  Bei 
399  (307  m.,  92  w.),  Genf  609  (367  m.,  242  w.),  Lausanne  299  (218  n 
81  w.),  Zürich  409  (324  m„  85  w.).  Im  ganzen  1961,  davon  515  Dame 
Die  Zahl  der  Medizin  studierenden  Schweizer  betrug  823,  dave 
67  Damen,  und  ist  seit  1909  in  ständiger  Zunahme  begriffen,  so  da: 
ihre  Höhe  im  Wintersemester  1912/13  die  Durchschnittszahl  des  let. 
ten  Dezenniums  um  mehr  als  30  Proz.  übersteigt. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Oberstes  Landesgericht.  Strafsenat. 
Fahrlässige  Körperverletzung  mit  Uebertretun 

einer  Berufspflicht. 

Der  Facharzt  für  Chirurgie.  Dr.  Josef  Bayer,  ärztlicher  Leite 
des  städtischen  Krankenhauses  in  Aschaffenburg,  fuhr  am  12.  Augu: 
in  massiger  Geschwindigkeit  mit  seinem  bei  der  Ausübung  der  Priva 
Praxis  benützten  Auto  durch  die  Wermbachstrasse.  Sein  an  eint 
Kette  befindlicher  Hund,  den  er  in  seinen  ausserhalb  der  Stac 
liegenden  Garten  verbringen  wollte,  sprang  während  der  Fahrt  ai 
dem  Wagen.  Dr.  Bayer  versuchte,  ohne  anzuhalten,  den  Hund  a 
der  Kette  in  den  Wagen  zurückzuziehen;  der  Wagen  geriet  auf  de 
Bürgersteig  und  verletzte  zwei  Kinder  und  eine  Frau.  Das  Schöffci 
gericht  beim  Amtsgericht  Aschaffenburg  verurteilte  Dr.  Baye 
wegen  fahrlässiger  Körperverletzung,  die  Berufung  des  Angeklagte 
wuide  von  der  Strafkammer  des  Landgerichts  Aschaffenburg  mit  dei 
Abmasse  verworfen,  dass  Dr.  Bayer  auch  wegen  einer  mit  demVe 
gehen  der  fahrlässigen  Körperverletzung  rechtlich  zusammen’treffende 
Uebertretung  der  Verordnung  des  Bundesrates  vom  3.  Februar  191 
für  schuldig  erkannt  wurde.  Das  Landgericht  nahm  an,  dass  sic 
Dr.  Bayer  gegen  §  17,  Abs.  1,  Satz  1  dieser  Bundesratsverordnuii' 
wonach  der  Führer  zu  besonderer  Vorsicht  in  Leitung  und  Bedieiiuii 
seines  Fahrzeugs  verpflichtet  ist,  verfehlt  und  überdies  die  Aufmerk 
samkeit,  zu  der  er  vermöge  seines  Berufes  als  Arzt  besonders  vei 
pflichtet  war,  aus  den  Augen  gesetzt  und  hierdurch  die  Körperver 
letzungen  verursacht  habe,  die  er  bei  Erfüllung  der  ihm  obliegende 
Pflichten  hätte  vermeiden  können.  Auf  die  Revision  des  Angeklagte 
hob  der  Strafsenat  die  Urteile  der  Vorinstanzen  auf,  stellte  das  Veit 
fahren  wegen  fahrlässiger  Körperverletzung  ein  und  sprach  den  Be 
schwerdefiiht  er  von  der  Anklage  wegen  einer  Uebertretung  de 
Bundesratsverordnung  frei.  Der  Strafsenat  ging  bei  seiner  Entsc’nei 
düng  von  folgenden  Erwägungen  aus:  Die  berufliche  Tätigkeit  de 
die  Heilkunde  ausübenden  Arztes  bestehe  in  der  Anwendung  un 
Verwertung  des  auf  dem  Gebiete  der  Heilkunde  erhobenen  Wisset 
und  Könnens.  Die  Stätte,  an  der  der  Arzt  seine  Kunst  ausübt,  is 
der  Raum,  in  dem  sich  der  Kranke  befindet,  mag  nun  der  Kranke  de 
Arzt  aufsuchen  oder  von  diesem  aufgesucht  werden.  Die  durch  da 
Fahren  erzielten  Vorteile  (Abkürzung  der  Gehzeit,  raschere  Hilfe¬ 
leistung,  Möglichkeit  mehrerer  Besuche  usw.)  sind  Anlass  und  Folge 
der  Ausübung  der  Heilkunde,  aber  nicht  Teile  derselben.  Geht  ode 
fährt  der  Arzt  zu  einem  Kranken,  so  befindet  er  sich  auf  dem  Weg 
zur  Ausübung  seiner  Kunst,  nicht  in  Ausübung  seiner  Kunst.  Au 
diesen  Erwägungen  kann  die  Auffassung  der  Vorinstanzen  nicht  ge 
billigt  werden,  wonach  die  von  dem  Angeklagten  bei  der  hier  i> 
Frage  stehenden  Fahrt  durch  Fahrlässigkeit  verursachten  Körper 


.  Marz  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


679 


rletzungen  mit  Uebertretung  einer  Berufspflicht  begangen  worden 
ien.  Da  Strafantrag  nicht  gestellt  wurde,  musste  nach  §  259, 
)S.  2  St.P.O.  das  Verfahren  wegen  fahrlässiger  Körperverletzung 
igestellt  werden.  Der  Angeklagte  hat  zwar,  als  er  mit  dem  Wagen 
f  den  Bürgersteig  kam,  die  besondere  Vorsicht  aus  dem  Auge  ge- 
tzt.  aber  dieses  unvorsichtige  Handeln  ist  in  der  Verordnung  des 
mdesrates  nicht  unter  den  Massnahmen  aufgeführt,  deren  Ueber- 
;tung  an  sich  mit  Strafe  bedroht  ist.  Eine  mit  Strafe  bedrohte 
•rfehlung  gegen  den  §  17,  Abs.  1,  Satz  1  kann  deshalb  nicht  als 
geben  erachtet  werden,  in  dieser  Richtung  ist  die  Verurteilung 
Unrecht  erfolgt  und  muss  auf  Freisprechung  erkannt  werden. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  Anwendung  des  Salvarsans  bei  syphiliti- 
:  h  e  n  Frauen  während  der  Schwangerschaft  bringt 
a  u  v  a  g  e  auf  Grund  von  84  behandelten  Fällen  einen  längeren 
;richt,  der  zu  folgenden  Schlüssen  führte.  Die  intravenösen  Sal- 
irsaninjektionen  haben  eine  auffallend  günstige  Wirkung  auf  floride, 
ährend  der  Schwangerschaft  vorhandene  syphilitische  Erschei- 
ingen;  sie  sichern  die  normale  (physiologische)  Entwicklung  und 
;burt  lebender,  scheinbar  gesunder  und  gut  entwickelter  Kinder, 
enn  auch  eine  gewisse  Anzahl  derselben  doch  mit  syphilitischen 
scheinungen,  Dystrophien  oder  Missbildungen  zur  Welt  kommen. 

;  sind  genaue  Indikationen  zur  Salvarsanbehandlung  einzuhalten,  da 
eselbe  immerhin  mit  einigen  Gefahren  für  die  Mutter  und,  wenn 
i  nahe  dem  Schwangerschaftsende  angewandt,  auch  für  das  Kind 
orzeitige  Geburt)  verbunden  ist.  Sind  während  der  Schwanger¬ 
haft  floride  Erscheinungen  vorhanden,  so  ist  Salvarsan  imstande, 
eselben  rasch  zum  Verschwinden  zu  bringen;  ebenso  kann  das- 
Ibe  zur  Anwendung  kommen,  wenn  die  Annahme  vorliegt,  dass 
tente  Erscheinungen  vorhanden  sind  und  die  bisherige  Behandlung 
ne  ungenügende  war.  Sind  jedoch  zur  Zeit  der  Schwangerschaft 
;ine  floriden  Erscheinungen  vorhanden  und  hat  vorher  eine  aus¬ 
gehende  Behandlung  stattgefunden,  so  ist  nur  Quecksilber-  oder  ge- 
ischte  Behandlung  (während  der  Schwangerschaft)  angezeigt.  Die 
tatistik  lehrt,  dass  nach  Salvarsan  92  Proz.  lebender  Kinder  zur 
■chten  Zeit  oder  nahe  derselben  zur  Welt  kommen,  während  nach 
uecksilber-  oder  Mischbehandlung  74,64  Proz.  Kinder  vorzeitig  tot* 
ir  Welt  kommen  oder  kurze  Zeit  nach  der  Entbindung  sterben, 
s  ist  wichtig,  die  Salvarsaninjektionen  möglichst  nahe  dem  Beginne 
er  Schwangerschaft  oder  dem  Auftreten  der  Erscheinungen  vorzu- 
ihmen;  das  Salvarsan  scheint  seine  Wirkung  auf  die  Schwanger- 
rhaft  und  die  Entwicklung  des  Fötus  nur  unter  der  Bedingung  zu 
iben,  dass  es  zu  der  Zeit  angewandt  wird,  wo  die  Spirochäten- 
fektion  beim  Kinde  noch  keine  schweren  Veränderungen  innerer 
rgane  hervorgerufen  hat.  Ausser  den  bekannten  allgemeinen 
ontraindikationen  bilden  abnorme  Zustände  von  Leber  und  Nieren, 
le  stets  aufs  .Sorgfältigste  durch  klinische  und  chemische  Unter- 
ichung  festzustellen  sind,  eine  absolute  Gegenanzeige  gegen  die 
alvarsananwendung  während  der  Schwangerschaft  (Annales  de 
ynecologie  et  d’obstetrique,  Januar  und  Februar  1913).  St. 

Die  Behandlung  der  Gonorrhöe  und  ihrer  Kom- 
likationen  mittelst  Neosalvarsan  empfehlen  Jules 
anet  und  Alfred  Le  vy-.  Bing  (Gazette  des  höpitaux,  1913, 
o.  21),  nachdem  schon  frühere  Berichte,  besonders  deutscher  Autoren 
'tühmer,  H  e  u  c  k,  Kall)  die  günstige  Einwirkung  des  Mittels 
uf  die  Harnröhrengonorrhöe  gelegentlich  der  intravenösen  Ein- 
3ritzung  festgestellt  hatten.  J.  und  L. .wandten  das  Neosalvarsan 
ikal  in  2  proz.  wässeriger  Lösung  bei  Frauen  an,  die  mit  Blennor- 
lagie  der  Harnröhre,  Vagina  oder  Zervix  behaftet  waren,  und  zwar 
ir  erstere  in  Form  der  Spülungen  oder  der  mittelst  der  Lösung 
urchtränkten,  um  ein  Holzstäbchen  gewickelten  Wattebäuschchen ; 
ach  8  Tagen  waren  keine  Gonokokken  mehr  zu  finden.  Für  die 
agina  und  Zervix  wurden  Spülungen  gemacht  und  in  einigen  Fällen 
üt  Neosalvarsanlösung  durchtränkte  Tampons  eingeführt;  auf  die 
ervixulzerationen  eine  10  proz.  Neosalvarsansalbe  gebracht.  Wich- 
g  ist,  die  Neosalvarsanlösung  sofort  nach  der  Herstellung  zu  ge- 
rauchen;  vielleicht  könnte  auch  eine  —  haltbarere  —  Oelemulsion 
ur  Anwendung  kommen.  In  allen  Fällen  beobachteten  Bericht- 
rstatter  rasches  Verschwinden  des  Ausflusses  (und  der  Gono- 
okken).  Bei  der  Gonorrhöe  des  Mannes  haben  sie  die  ergiebigen 
ieosalvarsanspülungen  der  Harnröhre  noch  nicht  angewandt,  zweifeln 
ber  nicht,  dass  sie  hiebei  die  gleich  gute  Wirkung  haben,  zumal 
i  einem  Falle  von  sehr  schwerem  gonorrhoischem  Rheumatismus, 
iner  der  hartnäckigsten  Komplikationen  der  Gonorrhöe,  nach  zwei 
itravenösen  Salvarsaninektionen  (von  0,3  und  0,6)  derselbe  sowie 
er  Ausfluss  auffallend  rasch  zurückgingen.  St. 

Zur  Prüfung  der  Santalpräparate  hat  Julius  Pohl- 
heslau  ein  von  Winternitz  angegebenes  Verfahren  verwendet 
Ther.  Mon.-Hefte  12,  12).  Man  injiziert  dabei  in  die  Pleurahöhle 
ine  Hefensuspension  und  untersucht,  wie  gross  die  Exsudatmenge 
iit  und  ohne  Verwendung  des  Santalpräparates  ist.  Die  Prüfung  er- 
ab  eine  ausserordentliche  Verschiedenheit  der  Handelspräparate. 
)as  reine  Santalöl  erwies  sich  als  gut  wirksam,  auch  der  Kawa- 
usatz  hatte  guten  Erfolg.  Mehr  oder  weniger  unwirksam  waren 
iurjumbalsam,  Allosan,  Arrhovin,  Maticoöl  und  Chlorkalzium.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  22.  März  1913.*) 

—  Zu  der  Eingabe  des  Deutschen  Monistenbundes  an  den  Reichs¬ 
tag,  die  Aenderung  des  Gesetzes  über  die  Ehe¬ 
schliessung  betr.,  wird  uns  mitgeteilt,  dass  vor  etwa  3  Jahren 
bereits  eine  ganz  ähnliche  Petition  an  Bundesrat  und  Reichstag  er¬ 
gangen  ist.  Die  damalige  Petition  ging  aus  von  dem  Apotheker 
Breitfeld  in  Ranis  und  war  in  ihrem  Wortlaut  identisch  mit  dem 
Eventualantrag  des  Monistenbundes.  Auch  diese  sehr  bescheidene 
Forderung  fand  im  Reichstag  kein  Verständnis.  Die  Anregung  des 
Apotheker  Breitfeld  wurde  seinerzeit  von  Prof.  Jul. 
Sch  walbe- Berlin  in  einem  Artikel  im  „Tag“  (1910,  No.  8)  sehr 
sympathisch  besprochen,  wobei  namentlich  darauf  hingewiesen  wurde, 
dass  im  Staat  Washington  bereits  ein  Eheschliessungsgesetz  besteht, 
das  nicht  nur  ein  ärztliches  Zeugnis  von  den  Ehekandidaten  verlangt, 
sondern  darüber  hinaus  die  Erteilung  der  Ehelizenz  an  solche  Per¬ 
sonen  verbietet,  die  nachweislich  an  vorgeschrittener  Tuberkulose 
oder  anderen  ansteckenden  Krankheiten  leiden,  sowie  an  Gewohn¬ 
heitstrinker  und  -Verbrecher.  Warum  sollte  etwas  Aehnliches  nicht 
auch  in  Deutschland  möglich  sein? 

—  Für  das  projektierte  National-Hygiene-Museum  in 
Dresden  ist  als  Bauplatz  das  Gelände  des  Botanischen  Gartens 
gewählt  worden,  das  noch  durch  ein  Stück  des  Ausstellungsgeländes 
erweitert  werden  wird.  Gleichzeitig  hat  sich  ein  „Verein  für  das 
National-Hygienemuseum,  E.  V.“  gebildet,  dessen  Zweck  die  Errich¬ 
tung  und  spätere  Unterhaltung  des  aus  der  Internationalen  Hygiene¬ 
ausstellung  hervorgehenden  Hygienemuseums  bildet.  Mitglieder  des 
Vereins  sind  der  sächsische  Staat,  die  Stadt  Dresden,  die  bisherigen 
Mitglieder  des  Vereins  zur  Veranstaltung  der  Hygieneausstellung  und 
etwa  weiter  eintretende  Personen.  Zum  Vorsitzenden  des  Vereins 
wurde  Exz.  K.  A.  L  i  n  g  n  e  r  auf  Lebenszeit  gewählt.  Der  sächsische 
Staat  hat  bekanntlich  einen  Baukostenbeitrag  von  2  Millionen  Mark 
bewilligt,  die  Stadt  Dresden  jährlich  150  000  M.  und  den  Bauplatz. 

—  Vor  dem  Leipziger  Schöffengericht  kam  eine  Beleidigungs¬ 
klage  der  Aerzte  Dr.  Hartmann  und  Dr.  Streffer  als  Vor¬ 
standsmitglieder  des  „Leipziger  Aerzteverbandes  zur  Wahrung  der 
wirtschaftlichen  Intel  essen“  gegen  den  Kaufmann  Max  Eduard  Georg 
Gottlieb  aus  Heidelberg,  den  Vorsitzenden  des  „Zentralverbandes 
für  Parität  der  Heilmethoden“  zur  Verhandlung.  Als  Herausgeber 
der  Zeitschrift  „Freie  Heilkunst“  soll  der  Beklagte  die  Privatkläger 
in  ihrer  Eigenschaft  als  Vorstandsmitglieder  des  Aerzteverbandes 
durch  mehrere  Artikel  der  „Freien  Heilkunst“  beleidigt  haben,  in 
welchen  gesprochen  worden  war  von  „lichtscheuen  Arbeiten  des 
Leipziger  wirtschaftlichen  Aerzteverbandes“,  vom  „dunklen  Schosse 
des  Leipziger  Verbandes“,  „man  wolle  doch  einmal  sehen,  ob  die 
Augen  des  Maulwurfs  das  Licht  des  Tages  vertragen  könnten“,  es 
sei  „ein  ganz  hinterlistig  gemein  organisierter  Kampf  um  die  Kon¬ 
kurrenz“.  Der  Aerzteverband  erhalte  von  Farbenfabriken,  Eiweiss¬ 
fabriken  usw.  grosse  Summen  etc.  Dr.  Krüger,  der  Syndikus  des 
„Deutschen  Volkswirtschaftlichen  Verbandes“  und  staatswissenschaft¬ 
licher  Beirat  des  „Zentralverbandes  für  die  Parität  der  Heilmethoden“ 
erklärte  als  Zeuge,  dass  der  Leipziger  Verband  auch  Zuwendungen 
von  Nichtärzten  bekomme,  deren  Namen  er  allerdings  nicht  nennen 
könne;  er  müsse  sich  auf  die  Angaben  der  einschlägigen  Literatur 
verlassen.  Der  Generalsekretär  des  Leipziger  Verbandes  Dr.  Kuhns 
bekundete  dagegen  als  Zeuge,  es  sei  direkt  unglaublich,  dass  irgend 
eine  Fabrik  dem  Verbände  Zuwendungen  mache;  das  hätten  auch  die 
Höchster  Farbwerke  nicht  getan,  die  in  einem  der  Artikel  des  Be¬ 
klagten  speziell  genannt  worden  sind.  Zu  Anfang  hat  der  Leipziger 
Verband  allerdings  ein  Darlehen  von  einer  halben  Million  Mark  auf¬ 
genommen,  diese  Summe  ist  aber  von  den  Aerzten  aufgebracht  wor¬ 
den;  ebenso  stammen  die  Stiftungen  für  die  Witwenkasse  nur  aus 
Aerztekreisen.  Es  wird  darüber  auch  stets  in  den  „Aerztlichen  Mit¬ 
teilungen“  Quittung  erstattet.  —  Zum  Schlüsse  der  Beweisaufnahme 
versuchte  der  Vorsitzende,  die  Angelegenheit  durch  einen  formulierten 
Vergleich  aus  der  Welt  zu  schaffen;  die  Kläger  lehnten  ihn  aber 
rundweg  ab.  Das  Urteil  lautete  gegen  den  Beklagten  G  o  1 1 1  i  e  b 
auf  eine  Geldstrafe  von  100  Mark.  Den  Klägern  wurde  das  Recht 
zuerkannt,  den  Tenor  des  Urteils  in  der  Zeitschrift  „Freie  Heilkunst“ 
zu  veröffentlichen. 

—  Das  bayerische  Kultusministerium  gibt  bekannt:  Da  sich  in 
letzter  Zeit  die  Anfragen  von  Medizinalpraktikanten  wegen  Ab¬ 
leistung  des  praktischen  Jahres  am  deutschen  Ho¬ 
spital  in  Rom  vermehrt  haben,  sind  die  Universitätsbehörden 
vom  Kultusministerium  angewiesen  worden,  die  Studierenden  der 
Medizin  darüber  aufzuklären,  dass  am  deutschen  Hospital  in  Rom 
das  für  die  Erlangung  der  Approbation  vorgeschriebene  praktische 
Jahr  nicht  abgeleistet  werden  kann. 

—  Die  29.  Hauptversammlung  des  Preussischen 
Medizinalbeamten  Vereins  findet  am  Freitag,  den  25.  April 
1913  in  Berlin  statt.  Aus  der  Tagesordnung  ist  zu  erwähnen:  Ent¬ 
wurf  eines  Wohnungsgesetzes.  Berichterstatter:  Reg.-  u.  Med. -Rat 
Dr.  Wolff  in  Lüneburg.  —  Der  ärztliche  Sachverständige  auf  dem 


*)  Die  vorliegende  Nummer  musste  wegen  der  Osterfeiertagc 
mit  Rücksicht  auf  die  über  Leipzig  gehende  Auflage  früher  fertig¬ 
gestellt  werden. 


m 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  \2. 


Gebiete  der  Angestelltenversichenmg.  Berichterstatter :  Kreisarzt 
Mcd.-Rat  i)r.  Rogowski  in  Berlin.  —  Neuere  Verfahren  der  Ab¬ 
wasserreinigung.  Berichterstatter:  (ich.  Ober-Med.-Rat  Dr.  Abel, 
vortr.  Rat  in  der  Medizinalabteilung  des  Ministeriums  des  Innern  und 
Leiter  der  Kgl.  Landesanstalt  fiir  Wasserhygiene.  Die  Verhandlungen 
finden  in  der  neuen  Kgl.  Landesanstalt  für  Wasserhygiene.  Dahlem, 
Ehrenbergstr.  38/42  statt. 

Der  4.  internationale  Kongress  für  Schul¬ 
hygiene  wird  vom  25.— 30.  August  d.  J.  in  Buffalo,  New  York, 
U.S.A.  unter  dem  Ehrenvorsitz  des  Präsidenten  der  Vereinigten 
Staaten  Herrn  Wilsc/n  abgehalten  werden.  Das  Präsidium  führt 
Charles  W.  Eliot,  der  frühere  Präsident  der  Harvard  University; 
Generalsekretär  ist  Dr.  Thomas  A.  S  t  o  r  e  y,  Professor  der  Hygiene, 
College  of  the  City  of  New  York.  Von  deutschen  Vertretern  werden 
folgende  Hauptreferate  auf  dem  Kongresse  gehalten  werden:  1.  Die 
Beziehungen  zwischen  Schule  und  Auge.  2.  Heizung  und  Lüftung  in 
den  Schulen.  3.  Die  Reinigung  der  Schulzimmer.  4.  Hilfsschulwesen 
und  Heilerziehungsanstalten  für  Psychopathische.  5.  Staatliche  und 
städtische  Schularztorganisation.  Zu  den  Vorbereitungen  des  Kon¬ 
gresses  in  Deutschland  ist  ein  deutsches  Hauptkomitee  gebildet  wor¬ 
den.  dessen  Vorsitz  Ministerialdirektor  Prof.  Dr.  Kirchner  in 
Berlin  übernommen  hat.  Alle  den  Kongress  betreffenden  Anfragen, 
Anmeldung  von  Vorträgen  usw.  sind  an  den  Geschäftsführer  des 
deutschen  Hauptkomitees,  Prof.  Dr.  Selter-  Bonn,  Hygienisches 
Institut  zu  richten. 

—  Der  V.  Jahrgang  der  Radiologischen  Mitteilungen 
des  Kreuznacher  Aerztevereins,  welcher  soeben  er¬ 
schienen  ist,  enthält  folgende  Arbeiten:  1.  Dr.  E  i  c  h  h  o  1  z  -  Kreuz¬ 
nach:  Die  Radiumemanationstherapie  im  Jahre  1912.  2.  Prof.  Dr. 

Kionka-Jena.  Wie  weit  löst  sich  Radiumemanation  im  Blute? 

3.  D.  E.  V  o  1 1  m  e  r  -  Kreuznach  :  Ueber  Radiumwirkungen  bei  Haut¬ 
krankheiten.  4.  Dr.  Kernen-  Kreuznach :  Blutuntersuchungen  bei 
den  verschiedenen  Methoden  der  Radiumtherapie.  5.  Dr.  W.  E  n  g  e  1  - 
mann-  Kreuznach :  Ist  die  Thoriumbehandlung  der  Radiumbehand¬ 
lung  überlegen?  6.  Dr.  K.  A  s  c  h  o  f  f  -  Kreuznach  :  Das  Radium¬ 
inhalatorium  in  Bad  Kreuznach.  Auf  Wunsch  steht  die  Broschüre 
den  Kollegen  gratis  zur  Verfügung  durch  den  Kreuznacher  Aerzte- 
verein. 

—  Von  „Biometrica,  a  Journal  for  the  Statistical  Study  of  bio- 
logical  Problems“,  herausgegeben  von  Karl  Pearson,  ist  uns  Vol.  IX,  j 
Teil  I  und  II  zugegangen  (ausgegeben  am  12.  März  1913.  Cambridge, 
at  the  University  Press,  Preis  20  Schillinge).  Das  332  Seiten  starke 
Heft  enthält  11,  namentlich  für  das  Studium  der  Rassenhygiene  wich¬ 
tige  Arbeiten. 

- —  Pest.  Aegypten.  Vom  22.  bis  28.  Februar  erkrankten  6 
(und  starben  5)  Personen.  —  Britisch  Ostindien.  Vom  9.  bis  15.  Fe¬ 
bruar  erkrankten  5537  und  starben  4452  Personen  an  der  Pest.  — 
Niederländisch  Indien.  Vom  12.  bis  25.  Februar  wurden  auf  Java  ge¬ 
meldet:  239  Erkrankungen  (und  243  Todesfälle). 

—  In  der  10.  Jahreswoche,  vom  2.  bis  8.  März  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Metz  mit  32,5,  die  geringste  Rüstringen  mit  6,1  Todesfällen  pro  Jahr 
und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb 
an  Scharlach  in  Recklinghausen  Land,  Rostock;  an  Masern  und  Röteln 
in  Gladbeck,  Kaiserslautern;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin-Steg¬ 
litz,  Bremen,  Dessau,  Dortmund,  Worms;  an  Keuchhusten  in  Berlin- 
Steglitz,  Berlin- Weissensee,  Recklinghausen  Land.  (V.  d.  K.  G.-A.) 

(Hochschulnachrichten.) 

Bonn.  Den  Privatdozenten  Dr.  C.  Bachem  (Pharmakologie), 
Dr.  H.  'S  t  u  r  s  b  e  r  g  (innere  Medizin)  und  Dr.  E.  Z  u  r  he  11  e  (Gy¬ 
näkologie)  wurde  der  Titel  Professor  verliehen. 

Düsseldorf.  An  Stelle  des  nach  Kiel  berufenen  Geh.  Rats 
Lu  bar  sch  sind  als  Leiter  des  pathologischen  Institutes  vorge¬ 
schlagen  :  primo  loco  Mönckeberg  und  S  c  h  r  i  d  d  e,  sec.  loc. 
v.  G  i  e  r  k  e  und  Dietrich,  tert.  loc.  R  i  c  k  e  r  und  L  ö  h  1  e  i  n. 
Prof.  Mönckeberg  -  Giessen  ist  inzwischen  berufen. 

Heidelberg.  Das  neue  physikalisch-radiologische  Institut  ist 
jetzt  seinem  wissenschaftlicher.  Leiter  Prof.  Dr.  Philipp  Lenard 
übergeben  worden  und  wird  am  1.  Mai  eingeweiht  werden.  Sein 
Hauptzweck  ist  neben  wissenschaftlicher  Forschung  die  Nutzbar¬ 
machung  des  Radiums  durch  Technik  und  Medizin.  Die  medizinische 
Abteilung  wird  mit  Czernys  Institut  für  experimentelle  Krebsfor¬ 
schung  Zusammenarbeiten. 

Königsberg.  Für  Hygiene  und  Bakteriologie  habilitierte  sich 
Dr.  Hans  Reiter,  Assistent  am  hygienischen  Institut,  mit  einer  An¬ 
trittsvorlesung  über  „Bedeutung  und  Bekämpfung  der  Tvphusbazillen- 
träger“.  (hk.) 

Leipzig.  Herr  Geheimer  Rat  Trendelenburg  hat  vor 
einigen  Tagen  Leipzig  verlassen,  um  nach  Nicolassee  bei  Berlin  zu 
ziehen. 

Rostock.  Dr.  R.  Hanse  r,  1.  Assistent  des  pathologischen 
Instituts  (Prof.  Schwalbe)  und  Dr.  B.  W  o  1  f  f,  3.  Assistent  des¬ 
selben  Instituts,  haben  sich  fiir  das  Fach  der  allgemeinen  Pathologie 
und  pathologischen  Anatomie  habilitiert.  Die  Habilitationsarbeit  H.s 
ist  betitelt  „Zur  Thrombosefrage“,  die  W.s  „Ueber  fötale  Hormone“. 
—  Der  bisherige  ordentliche  Professor  an  der  1912  aufgehobenen 
Tierärztlichen  Hochschule  zu  Stuttgart  Dr.  Richard  Reinhardt  soll 
mit  Beginn  des  bevorstehenden  Sommersemesters  eine  neuerrichtete 


Professur  für  Tierbaktcriologie  und  Tierhygiene  an  der  Universität 
Rostock  übernehmen,  (hk.) 

W  ii  r  z  b  u  r  g.  Der  o.  Professor  an  der  Universität,  Geh.  Hofrat 
Dr.  Theodor  B  o  v  c  r  i,  Direktor  des  zoologischen  Instituts,  ist  iür 
das  neugeplante  biologische  Institut  in  Berlin-Dahlen  in  Aussicht  ge¬ 
nommen. 

Rom.  Habilitiert:  Dr.  S.  Guss  io  für  externe  Pathologie, 
Dr.  E.  T  r  a  m  o  n  t  i  fiir  Neurologie. 

Siena.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Ophthalmologie 
Dr.  A.  B  i  e  t  t  i  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

W  i  e  n.  Die  Privatdozenten  Dr.  W.  P  a  u  1  i  (innere  Medizin)  und 
Dr.  E.  Redlich  (Neurologie  und  Psychiatrie)  wurden  zu  ausser¬ 
ordentlichen  Professoren  ernannt.  —  Dr.  Richard  Stern  hat  sich  als 
Privatdozent  für  Neuropathologie  und  Dr.  Rudolf  Neurath  als  Pri¬ 
vatdozent  für  Kinderheilkunde  an  der  med.  Fakultät  habilitiert. 

(Todesfälle.) 

In  der  Frühe  des  6.  März  starb  zu  Berlin  im  79.  Lebensjahre 
Paul  Ascher  so  n,  der  bedeutendste  Kenner  der  mitteleuropäischen 
Flora.  Er,  wie  sein  um  die  Botanik  ebenso  verdienstvoller  Vater, 
waren  Aerzte;  sie  waren  wie  L.  i  n  n  c,  Ingenhouss  u.  a.  —  und 
das  sei  mit  Stolz  gesagt  —  aus  unseren  Reihen.  „Es  sollte  mich 
sehr  wundern,  wenn  aus  Ihnen  einmal  etwas  wird“,  das  waren  die 
Worte,  die  bei  der  Entlassung  aus  dem  Gymnasium  Paul  Ascher- 
son  von  seinem  Direktor  mit  auf  den  Lebensweg  gegeben  wurden. 
Wie  diese  Prophezeiung  zu  schänden  wurde,  das  beweist  das  Curri¬ 
culum  vitae  von  Ascherson,  das  man  in  jedem  Konversations¬ 
lexikon  nachlesen  kann.  Wenn  man  weiss,  dass  Ascherson  an 
hochgradiger  Amblyopie  mit  Nystagmus  litt  (gegen  sein  Lebensende! 
kam  noch  Katarakt  hinzu),  dann  wird  man  verstehen,  warum 
Ascherson  „bloss“  Florist  blieb  und  dass  gewisse  Mikroskopike;- 
(die  in  der  Pegel  von  Systematik  gar  nichts  verstehen,  aber  bei  der 
jetzt  herrschenden  Richtung  in  der  Botanik  die  führende  Rolle  spielen) 
auf  Ascherson  von  einer  hohen  Warte  herabzuschauen  sich  an- 
massten.  „Die  Anerkennung  im  Leben  kommt  so  tröpfchenweise, 
dass  man  sie  kaum  als  Freude  empfindet“,  hat  Ascherson  zu  mir 
einmal  resigniert  geäussert.  Und  wenn  man  weiss,  dass  er  in  poli¬ 
tischer  Hinsicht  kein  Byzantiner  war,  dann  braucht  man  sich  nicht 
zu  verwundern,  dass  äussere  Ehrungen  ihm  relativ  spät  zu  teil  ge-; 
woi  den  sind.  Ascherson  war  —  und  kein  geringerer  als  Johannes: 
Trojan  betont  es  immer  wieder  in  einem  herzlichen  Nachruf  — 
ein  liebenswürdiger  und  liebenswerter  Mensch.  Hier  sei  nur  neben¬ 
bei  bemerkt  —  und  viele  Kollegen  könnten  da  von  ihm  lernen 
dass  Ascherson  kein  ihm  überreichtes  Separatum  unbedankt 
liess,  sondern  dass  er  mit  seinen  schwachen  Augen  und  trotz  hohen! 
Alters  oft  in  langem  Brief  auf  den  Gegenstand  der  Arbeit  eingingi 
und  diese  mit  seinem  in  botanischer,  philologischer  und  medizinischer 
Hinsicht  reichem  Wissen  zu  fördern  suchte.  Am  10.  ds.  Mts.  ist 
Ascherson  als  einer  der  ersten  im  Berliner  Krematorium  ein¬ 
geäschert  worden.  Er  ruht  jetzt  sanft  in  Allvaters  Frieden.  Ein 
leuchtendes  Vorbild  für  alle,  die  uneigennützig  im  Dienste  der  Wissen-; 
Schaft  tätig  sind.  F.  Kanngiesser 

(Berichtigung.)  In  der  Arbeit  des  Dr.  Lade  in  No.  11 
ist  auf  S.  591,  Sp.  1,  Z.  3  v.  o.  statt  „zwei“  zu  lesen:  „21“. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  10.  Jahreswoche  vom  2.  bis  8.  März  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  9  (11 1),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  9  (7),  Kindbettfieber  —  (1) 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  —  (— ) 
Masern  u.  Röteln  1  (— ),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (-),  Keuchhusten  —  (1) 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (1),  akut.  Gelenkrheumatismus  -(—) 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  Starrkrampf  -  (-) 
Blutvergiftung  1  (— ),  Tuberkul.  der  Lungen  30  (22),  Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  4  (3  ,  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (—),  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  16  (22),  Influenza  1  (— ),  veneri¬ 
sche  Krankh.  3  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
fieber  usw.  —  (1),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.insip.)  4(1),  Alkoholis¬ 
mus  1  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  7  (3),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  7  (1),  organ.  Herzleiden  24  1 22),  Herzschlag,  Herz¬ 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  1  (2),  Arterienverkalkung 
2  (5),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  1  (3),  Gehirnschlag  13  (7) 
Geisteskrankh.  —  (4),  Krämpfe  d.  Kinder  4  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven 
Systems  5  (5),  Atrophie  der  Kinder  1  (1),  Brechdurchfall  —  (— ),  Magen¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  6  (3),  Blinddarm 
entzünd.  3  ( — ),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u 
Milz  2  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (6),  Nierenentzünd.  8  (5) 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  —  (3),  Krebs  17  (28),  sonst 
Neubildungen  4  (3;,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (— ),  Krankh.  de 
Bewegungsorgane  —  (— ),  Selbstmord  4  (3),  Mord,  Totschlag,  aucl 
Hinricht.  1  ( — ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  2  (3) 
and.  benannte  Todesursachen  4  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  202  (186). 

_ 1  Die  einsieklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  MUhlthalcrs  Buch-  und  Kunstdruckerei  A. <3.,  München. 


Die  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 

Fjm  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  -t. *  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
jH  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


II 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  ! 

Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8V» — 1  Uhr. 
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Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


'Io.  13.  1.  April  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i.  Br. 

(Direktor:  (lieh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Krönig). 

Erfahrungen  mit  der  Abderhaldenschen  Schwanger¬ 
schaftsreaktion  (Dialysierverfahren  u.  Ninhydrinreaktion) 

Von  Privatdozent  Dr.  Hans  Schlimpert  und  Dr.  James 
H  e  n  d  r  y  in  Glasgow. 

Kurze  Zeit  nach  der  ersten  Veröffentlichung  Abder¬ 
haldens  über  die  Diagnose  der  Schwangerschaft  mittels  des 
Dialysierverfahrens  und  der  Ninhydrinreaktion  *)  haben  wir 
an  der  Freiburger  Frauenklinik  die  Brauchbarkeit  dieser  Me¬ 
thode  zu  erproben  versucht.  Wir  begannen  zunächst  mit  Ver¬ 
suchen  im  eigenen  Laboratorium,  und  als  diese  einigemale 
Fehlreaktionen  gaben,  wendeten  wir  uns  an  Prof.  Abder¬ 
halden,  der  in  seinem  Institut  einem  von  uns  die  Technik 
seiner  Methode  in  der  Form,  wie  sie  damals  (im  Oktober  1912) 
üblich  war,  demonstrierte.  Die  Untersuchung  grösserer 
Serien  schwangerer  und  nicht  schwangerer  Individuen,  die  wir 
dann  in  Freiburg,  unterstützt  von  Prof.  Abderhalden, 
durch  freundliche  Ueberlassung  von  ihm  dargestellten  Pla¬ 
zentagewebes  ausführten,  brachte  uns  ebenfalls  wieder  in 
wechselnder  Zahl  enttäuschende  Resultate.  Vielfache  Korre¬ 
spondenz  mit  Prof.  Abderhalden  und  ein  weiterer  Besuch 
seines  Instituts  in  Halle  brachten  einige  'Fehlerquellen  zutage, 
die  teils  dem  verwendeten  Dialysierhülsenmaterial,  teils  der 
Darstellung  und  Prüfung  des  Plazentagewebes  anhafteten. 
Diese  Erfahrungen  führten  im  Verein  mit  ähnlichen  von 
Abderhalden  erhobenen  dazu,  dass  gewisse  Aenderungen 
in  der  Technik  der  Methode  eingeführt  wurden,  die  im  wesent¬ 
lichen  in  einer  immer  sich  steigernden  Verschärfung  der  Vor¬ 
schriften  bestehen,  wie  sie  in  den  mehrfachen  Publikationen 
Abderhaldens  in  den  letzten  Monaten  schrittweise  dar¬ 
gestellt  sind  1).  Mit  dieser  verschärften  Methode  glückte  es 
uns  dann,  gute  Resultate  zu  erzielen,  wenn  uns  von  Prof. 
Abderhalden  hergestellte  oder  von  uns  selbst  in  Halle 
dargestellte  Plazenta  zur  Verfügung  stand,  die  Darstellung 
blutfreier  koagulierter  Plazenta  glückte  uns  in  Freiburg  nicht. 
Es  änderte  daran  auch  ein  dritter  und  letzter  Besuch  in  Halle 
zum  nochmaligen  Studium  der  Methode  nichts.  Unsere 
Technik  der  Plazentadarstellung  war  die  gleiche  wie  Abder¬ 
haldens.  Schliesslich  stellten  wir  durch  im  Freiburger 
Laboratorium  unternommene  Versuche  fest,  dass  die  Be¬ 
schaffenheit  des  zur  Plazentaauswässerung  verwendeten  Frei¬ 
burger  Leitungswasser  die  Fehlerquelle  war,  die  uns  so  lange 
hindernd  im  Wege  stand  und  trotz  all  der  erwähnten  Be¬ 
mühungen  sich  nicht  hatte  ausfindig  machen  lassen. 

Wir  sind  jetzt  mit  unseren  Arbeiten  zu  einem  gewissen 
Abschluss  gekommen,  nachdem  wir  einmal  eine  grössere  Serie 
von  Fällen  mit  der  verbesserten  und  verschärften  Methode 
untersucht  haben,  wie  sie  der  von  Abderhalden  in  der 
Vliinch.  med.  Wochenschr.  1913,  No.  9  publizierten  entspricht, 
und  nachdem  wir  in  der  Beschaffenheit  des  Wassers  den  wich¬ 
tigsten  Fehler  bei  der  Plazentadarstellung  ausfindig  gemacht 
haben.  In  dieser  Serie  erzielten  wir  im  Gegensatz  zu  unseren 
früheren  Erfahrungen,  vollkommen  einwandfreie  Resultate  im 
Sinne  der  Spezifizität  der  Reaktion.  Wir  glauben  in  Anbe¬ 
tracht  des  grossen  Interesses,  das  die  Abderhalden  sehe 

::)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  36. 

*)  Wir  danken  auch  an  dieser  Stelle  Herrn  Prof.  Abder¬ 
halden  für  das  rege  Interesse,  das  er  unseren  Untersuchungen 
und  die  freundliche  Unterstützung,  die  er  uns  bei  der  Suche  nach 
möglichen  Fehlerquellen  zu  teil  werden  Hess. 

No.  13. 


Entdeckung  bietet,  unsere  Erfahrungen,  die  ungünstigen  so¬ 
wohl  wie  die  günstigen,  um  so  eher  jetzt  mitteilen  zu  sollen, 
als  von  verschiedenen  Seiten  L  i  n  d  i  g,  P  o  1  a  n  o  u.  a.  über 
Fehlresultate  berichtet  wurde,  während  günstige  Erfahrungen 
ausser  von  Abderhalden  selbst  bis  jetzt  erst  in  kleineren 
Serien  vorliegen,  zum  Teil  mit  einer  Technik  ausgeführt, 

!  die  vor  Fehlschlägen  zu  schützen  nicht  absolut  imstande  ist, 
und  weil  wir  wohl  mit  Recht  annehmen,  dass  ein  grosser  Teil 
der  Untersucher  mit  den  Schwierigkeiten,  an  denen  unsere 
Untersuchungen  scheiterten,  auch  mehr  oder  weniger  zu 
kämpfen  hatten. 

Wir  untersuchten  seit  Oktober  1912  insgesamt  316  Fälle. 
Es  würde  natürlich  ein  falsches  Bild  geben,  wollten  wir  alle 
Fälle  unter  einem  Gesichtspunkt  besprechen.  Wir  scheiden 
unser  Material  in  zwei  Abteilungen:  die  Fälle,  die  wir  mit  der 
verschäften  Methodik  der  letzten  Zeit  (79)  und  diejenigen,  die 
wir  zunächst  mit  der  ursprünglich  von  Abderhalden  an¬ 
gegebenen  und  deren  ersten  Modifikationen  untersuchten 
(237).  An  erster  Stelle  geben  wir  ausführlicher  die  Resultate 
der  letzten  Serie  wieder,  2.  besprechen  wir  einzelne  Punkte 
der  Technik,  mögliche  Fehlerquellen,  die  Häufigkeit  ihres  Vor¬ 
kommens  und  ihre  Ursachen  an  der  Hand  unseres  gesamten 
Materials.  Wir  halten  diese  rückblickende  Wiedergabe  der 
verschiedenen  Irrwege  für  wichtig  in  der  Annahme,  dass  sie 
wohl  manchem,  der  mit  der  Ninhydrinmethode  arbeitet,  eben¬ 
falls  nicht  erspart  blieben  ünd  mit  der  Hoffnung,  sie  anderen 
zu  ersparen,  vor  allem  aber  in  dem  Bestreben,  ebenso  wie 
Abderhalden  zur  Vorsicht  und  peinlichsten  Befolgung 
der  Vorschriften  bei  der  Inangriffnahme  neuer  Probleme  mit 
der  Dialysiermethode  zu  raten. 

1.  Resultate  bei  den  letzten  79  Fällen. 

Die  Technik,  die  bei  der  Untersuchung  der  letzten  79  Fälle  an- 
gewendet  wurde,  ist  im  wesentlichen  durch  folgende  Punkte  charak¬ 
terisiert:  Verwendung  absolut  blutfreier  farbloser  Stücke  koagu¬ 
lierten  Plazentagewebes,  das  mit  der  5  fachen  Menge  Wasser  gekocht 
bei  Zusatz  von  1  ccm  einer  1  proz.  Ninhydrinlösung  zu  5  ccm  dieses 
Kochwassers  beim  Aufkochen  beider  Flüssigkeiten  genau  eine  Minute 
lang  auch  nicht  die  leichteste  Spur  einer  Blaufärbung  gibt.  2.  Ver¬ 
wendung  mit  Seidenpepton  und  Hiihnereiweiss  geprüfter  Dialysier- 
htilsen  der  neuen  Form  (50 mm  No.  579,  A.  Schleicher  und 
S  c  h  ü  1 1).  3.  Peinlichstes  Ausschlüssen  von  Serum,  das  Hämolyse 
oder  auch  nur  eine  auf  Hämolyse  verdächtige  Rotfärbung  zeigt. 

Von  den  so  untersuchten  79  Fällen  waren  40  schwangere, 
39  nicht  schwangere  Frauen.  Unter  den  39  nicht  schwangeren  In¬ 
dividuen  waren  13  normale  (Schwestern,  Hebammenschülerinnen), 
unter  ihnen  2  während  der  Menstruation,  7  Fälle  von  Prolaps  oder 
Lageanomalien  des  Uterus,  2  Fälle  von  gonorrhoischer  Pyosalpinx, 

1  Fall  von  Zervixgonorrhöe,  8  Fälle  von  Myom,  von  denen  4  kürzere 
oder  längere  Zeit  mit  Radium  bezw.  Mesothorium  bestrahlt  waren, 

2  ebenso  behandelte  Fälle  von  Korpuskarzinom,  2  unbehandelte  Fälle 
von  Magenkarzinom,  2  Fälle  von  Appendizitis,  je  eine  Frau  mit 
Gallensteinen  und  eine  mit  einer  Nabelhernie.  Bei  allen  diesen  Fällen 
erhielten  wir  vollkommen  negative  Reaktion  und  zwar  36  mal  in  der 
Weise,  dass  das  Dialysat  der  Serumkontrolle  una  der  Versuchs¬ 
mischung  Serum  +  Plazenta  beim  Kochen  mit  Ninhydrin  farblos 
blieb  und  3  mal  in  dem  Sinne,  dass  beide  Proben  eine  gleichmässig 
intensive  leichte  Blaufärbung  aufwiesen.  Schwangere  Frauen  wurden 
28  untersucht,  darunter  8  im  1. — 3.  Monat,  2  im  4. — 6.,  18  im  7. 
bis  10.  Monat.  In  allen  Fällen  erhielten  wir  positive  Reaktion,  in¬ 
sonderheit  auch  bei  den  frühen  und  frühesten  Schwangerschafts¬ 
stadien,  von  denen  wir  einen  4  Tage  nach  dem  Ausbleiben  der  Men¬ 
struation  untersuchen  und  durch  fortlaufende  Kontrolle  mittels  des 
Tastbefundes  das  Bestehen  einer  Schwangerschaft  bestätigen 
konnten.  Die  Reaktion  in  den  letzten  beiden  Monaten  der  Schwanger¬ 
schaft  fiel  mitunter  etwas  schwächer  aus,  wenngleich  gerade  bei  2 
dem  9.  und  10.  Monat  angehörigen  Fällen  sehr  intensive  Blaufärbung 
beobachtet  wurde.  Bei  2  Frauen,  denen  während  der  Geburt  Blut 
entnommen  war,  ergab  sich  deutlich  positive  Reaktion.  Im  Wochen¬ 
bett  untersuchten  wir  10  Frauen.  4  Wochen  post  partum  war  die 

i 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  13. 


68^ 


Reaktion  in  einem  Falle  negativ,  bei  einer  am  13.  Tag  untersuchten 
Wöchnerin  war  die  Blaufärbung  nur  spurenweise  zu  erkennen,  die 
übrigen  bei  8  Frauen  an  früheren  Wochenbettstagen  entnommenen 
Blutproben  ergaben  deutlich  positive  Reaktionen. 

Zusanimcnfassend  können  wir  sagen,  dass  wir  bei  einem 
Material  von  79  Fällen,  das  zur  einen  Hälfte  aus  nicht 
schwangeren,  zur  anderen  Hälfte  aus  schwangeren  Individuen 
bezw.  Wöchnerinnen  bestand,  eine  Fehlreaktion  nicht  beob¬ 
achteten  und  damit  die  Angaben  Abderhaldens  bestätigt 
fanden. 

2.  Erfahrungen  mit  der  Technik  bei  sämt¬ 
lichen  316  Fällen. 

Wir  möchten  der  Besprechung  einzelner  Punkte  der  Tech¬ 
nik  und  der  von  uns  beobachteten  Fehlermöglichkeiten  als 
wichtigstes  den  Satz  vorausschicken,  dass  nur  solche 
Untersuchungen  Anspruch  auf  Gültigkeit  haben,  bei  denen 
nicht  nur  die  Prüfungen  der  einzelnen  Substrate  strengstens 
durchgeführt  wurden,  sondern  bei  denen  neben  der  Unter¬ 
suchung  schwangerer  Individuen  auch  fortlaufend  Kon- 
trolluntersuchungen  bei  sicher  nicht  Schwangeren  einher¬ 
gehen.  Nur  dadurch,  dass  wir  in  fast  der  Hälfte  unserer  Fälle 
nicht  schwangere  Frauen  untersuchten,  wurden  wir  schon 
frühzeitig  durch  Fehlresultate,  d.  h.  positive  Reaktionen  bei 
nicht  Schwangeren  auf  Fehler  der  Technik  aufmerksam.  Diese 
von  uns  und  auch  von  anderen  gemachten  Beobachtungen 
führten  dann  dazu,  dass  Abderhalden  seine  anfänglich 
gegebenen  Vorschriften  verschärfte,  um  so  die  Reaktion,  die 
zwar  in  seiner  Hand  und  mit  seinem  Hülsen-  und  Plazenten¬ 
material  brauchbare  Resultate  gab,  gegen  die  Fehlerquellen  zu 
schützen,  der  sie  bei  der  Ausübung  unter  anderen  Arbeits¬ 
bedingungen  ausgesetzt  war.  Es  war  uns  immer  nicht  recht 
einleuchtend,  wenn  wir,  sei  es  in  Publikationen,  sei  es  in  Dis¬ 
kussionen,  von  absolut  günstigen  Resultaten  mit  der  Nin- 
hydrinmethode  hörten  zu  einer  Zeit,  wo  die  Untersucher  z.  B. 
den  Vorschriften  Abderhaldens  folgend  die  Plazenta  mit 
der  10  fachen  Menge  Koch wassers  ansetzten  und  mit  0,5  ccm 
Ninhydrinlösung  prüften  oder  noch  2  bis  3  ccm  Serum  zur 
Reaktion  verwendeten,  während  wir  zur  gleichen  Zeit  mit  in 
Halle  von  Prof.  Abderhalden  dargestellter  und  von  uns 
nach  den  damaligen  Vorschriften  geprüfter  Plazenta  Fehl¬ 
resultate  erlebten.  Wir  glauben,  dass  ein  Teil  der  Unter¬ 
sucher  die  Kontrolluntersuchung  nicht  schwangerer  Individuen 
zwar  nicht  vollkommen  wegliess,  wohl  aber  dass  sie  bei  ver¬ 
hältnismässig  kleinen  Versuchsreihen  nur  wenige  normale 
Kontrollfälle  neben  einer  weitaus  grösseren  Anzahl  von 
Schwangeren  untersuchten. 

Als  typisch  möchte  ich  hier  die  Erfahrung  der  Jenenser  Klinik  an¬ 
führen,  die  bei  den  ersten  40  Fällen,  über  die  Henkel  schon  be¬ 
richtete,  keinen  Fehltreffer  hatte,  unter  dem  auf  100  Fälle  ange¬ 
wachsenen  Material  aber,  über  die  L  i  n  d  i  g  berichtete,  doch  eine 
hohe  Zahl  von  Fehltreffern  veröffentlichte.  Es  ist  unseres  Erachtens 
nach  dafür  nicht  nur  die  von  L  i  n  d  i  g  versuchte  Modifikation  der 
Verwendung  getrockneten  Plazentapulvers  an  Stelle  der  feuchten 
koagulierten  Plazenta  anzuschuldigen,  sondern  auch  die  in  der  Jenaer 
Klinik  verwendeten  „feuchten“  Substrate.  Denn  aus  der  Publikation 
L  i  n  d  i  g  s  und  der  Entgegnung  Abderhaldens  geht  doch  hervor, 
dass  auch  unter  den  100  Fällen  Lindigs  eine  Anzahl  waren,  die 
schlechten  Erfolg  mit  feuchtem  Substrate,  nicht  nur  mit  trockenem 
gaben.  Abderhalden  selbst  hat  ja  über  die  von  ihm  vorge¬ 
nommene  Nachprüfung  dieser  Substrate  und  den  Nachweis  ihres  Ge¬ 
haltes  an  mit  Ninhydrin  reagierender  Substanzen  in  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  berichtet.  Wenn  also  in  der  von  Henkel  veröffent¬ 
lichten  ersten  Serie  keine  Fehltreffer  auftraten,  wohl  aber  in  der 
grösseren  von  Lindig  publizierten  zweiten,  so  beweist  dies  unseres 
Erachtens,  dass  entweder  in  der  1.  Serie  zufällig  gutes  Plazenta¬ 
material  vorhanden  war,  in  der  2.  Serie  (Lindig)  aber  nicht  mehr 
oder  dass  in  der  1.  Serie  nur  so  wenig  Kontrollen  angestellt  wurden, 
dass  der  Zufall  keine  Sera  nicht  Gravider  in  das  Material  warf,  die 
mit  den  zur  Verwendung  gelangenden  Organen  positiv  reagierten. 
Leider  sind  nähere  Zahlenangaben  in  beiden  Publikationen  bez.  der 
Kontrollfälle  nicht  gemacht. 

Wie  ausserordentlich  täuschend  die  Resultate  dann  sein 
können,  wenn  bei  Verwendung  nicht  genügend  reiner  Organe 
in  der  Zahl  überwiegend  schwangere  Individuen  und  nur 
wenige  nicht  schwangere  zur  Kontrolle  untersucht  werden, 
möge  folgende  Berechnung  dartun:  unter  unseren  237  Fällen 
der  ersten  Serie,  die  noch  unter  den  ursprünglich  weniger 
scharfen  Vorschriften  ausgeführt  wurden,  zum  Teil  mit  ein¬ 


wandfreier  Hallenser  Plazenta,  zum  Teil  mit  nicht  ge¬ 
nügend  blutfreier  Freiburger  angestellt  waren,  befanden  sidi 
157  schwangere  Frauen  aller  Stadien  und  80  Kontrollfälle 
(71  Frauen  und  9  Männer).  Von  den  157  von  Schwangeren 
stammenden  Seris  reagierte  ein  einziges  (Hyperemesis  im 
7.  Monat)  nicht  mit  Ninhydrin.  Alle  übrigen  ergaben  positiven, 
zum  Teil  intensiv  gefärbten  Ausschlag.  Von  den  80  Kontroll- 
fällen  reagierten  41,  also  die  Hälfte  falsch,  d.  h.  positiv  mit 
Ninhydrin.  Diese  Fehlresultate  betrafen  nicht  ausschliesslich 
aber  vorwiegend  einen  bestimmten  Zeitabschnitt  (Januar  1913). 
Hätten  wir  uns  im  Anfang  unserer  Arbeit  mit  nur  wenig  Kon¬ 
trollen  begnügt,  so  wäre  vielleicht  bei  einer  kleinen  Serie  kein 
Fehlresultat  in  Erscheinung  getreten  und  der  prompt  positive 
Ausfall  der  Reaktion  bei  Schwangeren  hätte  uns  eine  trüge¬ 
rische  Gewissheit  vorgespiegelt.  In  Wirklichkeit  verwendeten 
wir  damals  nicht  genügend  reine  oder  nicht  genügend  blut- 
freie  Organe,  wie  ja  der  Ausfall  der  Kontrollfälle  beweist. 
Genau  so,  wie  uns  diese  Resultate  damals  zu  immer  wieder 
erneuten  Kontrollen,  zu  mündlichen  und  brieflichen  Rück¬ 
sprachen  mit  Prof.  A.  Abderhalden  und  somit  zur  Ver¬ 
schärfung  der  Vorschriften  überhaupt  führten,  so  erachten  wir 
es  auch  heute  noch  für  dringend  nötig,  dass  jeder  einzelne 
Untersucher  die  Technik  der  Methode  überhaupt  und  seine 
eigene  insbesondere  durch  diese  Kontrollen  beaufsichtigt:  er 
wird  so  Fehlerqueleln,  die  sich  durch  Schadhaftwerden  der 
Hülsen  o.  a.  einstellen,  leicht  ausfindig  machen  können  und  vor 
Fehlschlüssen  in  diagnostisch  wichtigen  Fällen  bewahrt 
bleiben. 

Wir  gehen  jetzt  näher  auf  die  Punkte  ein,  die  sich  uns 
als  besonders  wichtig  bei  der  Vermeidung  von  Fehlerquellen 
erwiesen  haben  und  beginnen  mit  dem,  was  uns  und  wohl 
auch  den  meisten  anderen  Untersuchern  die  meisten  Schwierig¬ 
keiten  bereitete,  der  Darstellung  der  koagulierten 
Plazenta.  Die  Vorschrift,  die  Abderhalden  schon 
in  seiner  ersten  Veröffentlichung  gab,  lautete,  dass  nur 
vollständig  entblutete  Plazenten  als  Ausgangsmaterial  dienen 
dürften.  Wir  sind  uns  dieser  Vorschrift  bei  unserem  Arbeiten 
von  Anfang  an  bewusst  gewesen.  Die  verhältnismässig  ein¬ 
fachen  Handgriffe  hatten  wir  bei  unserem  Aufenthalt  in  Halle 
gelernt  und  uns  dort  von  der  Möglichkeit  der  Herstellung  blut¬ 
freien  Materials  überzeugt.  Unsere  in  Freiburg  unternom¬ 
menen  Versuche  schlugen  aber  stets  fehl.  Trotz  Verwendung 
soeben  geborener,  noch  lebenswarmer  Plazenten,  trotz  inten¬ 
siver  Durchspülung  von  den  Nabelgefässen  aus,  trotz  weit¬ 
gehender  Zerkleinerung  der  Plazenta,  trotz  Ausmerzung  aller 
hämorrhagisch  infarzierten  Stellen  (eine  Reinigung  des  Ma¬ 
terials,  die  oft  so  ausgiebig  nötig  ist,  dass  einmal  z.  B.  nur 
XA  der  Plazenta  zur  Verwendung  übrig  blieb),  glückte  es  uns 
nicht,  das  Plazentagewebe  blutfarbstofffrei  zu  machen.  Eine 
hellrote  Färbung  der  im  Wasser  flottierenden  Zotten  blieb 
stets  zurück,  die  sich  nach  dem  Ansetzen  beim  Kochen  in 
einen  bräunlich-schwarzen  Farbton  verwandelte.  Auf  den  Rat 
Abderhaldens  versuchten  wir  durch  sehr  schnelle  Be¬ 
reitung  innerhalb  20  Minuten  eine  etwa  eintretende  spontane 
Autolyse,  die  daran  schuld  sein  könnte,  zu  verhindern,  auch 
sehr  lange  dauernde  Wässerung  und  häufiges  Abkochen  der 
Plazenta,  alles  schlug  fehl,  wir  erhielten  bei  unseren  Ver¬ 
suchen  in  Freiburg  unverändert  blutfarbstoffhaltiges  Material. 
Da  uns  gleichzeitig  von  Prof.  Abderhalden  hergestellte 
völlig  farblose  Plazenta  zur  Verfügung  stand  und  wir  damit 
gute  Resultate  erzielten,  nachdem  die  Vorschriften  zur  Prü¬ 
fung  der  Plazenta  verschärft  waren,  musste  der  Fehler  an  der 
von  uns  geübten  Bereitung  der  Plazenta  liegen.  Wir  ent¬ 
schlossen  uns  zur  Auffindung  etwaiger  Fehlerquellen  nochmals 
in  Halle  die  Technik  der  Plazentabereitung  zu  studieren.  Zwei 
aus  Freiburg  nach  Halle  migenommene  Plazenten  Hessen  sich 
dort  in  gewünschter  blutfreier  Beschaffenheit  auswaschen, 
wesentliche  Unterschiede  in  der  Tecknik  konnten  wir  nicht 
ausfindig  machen.  Als  es  uns  darauf  in  Freiburg  abermals 
bei  3  Plazenten  absolut  unmöglich  war,  die  Entfärbung  zu  er¬ 
zielen,  gingen  wir  einem  schon  früher  gehegten  Verdacht  auf 
eine  mögliche  Fehlerquelle  nach,  der  Beschaffenheit  des  Frei¬ 
burger  Leitungswassers.  Das  Freiburger  Leitungswasser  ist 
ausserordentlich  weich  (Härtegrad  von  2);  es  ähnelt  daher 
fast  destilliertem  Wasser  und  wurde  von  Chemikern  (Bau- 


MUENCHENER  medizinische  W0CHENSCHRIF1 


I  April  1013. 

mn)  direkt  als  solches  verwendet2).  Das  Hallenser 
tungswasser  ist  bedeutend  härter  (Härtegrad  von  27). 
y;r  setzten  nun  Teile  einer  Plazenta  mit  Freiburger 
tungswasser  an,  es  war  unmöglich,  wie  auch  vorher 
ner,  Blutfreiheit  zu  erzielen;  wir  versuchten  dann  das 
iche  mit  destilliertem  Wasser,  auch  hierbei  dasselbe 
>ultat.  Die  Zotten  blieben  trotz  langen  Waschens 
Irot  gefärbt.  Nun  gingen  wir  daran,  uns  Wasser  mit 
Herein  Salzgehalt  herzustellen  und  prüften  Kochsalzlösung 
i  wechselnden  Konzentrationen.  Mit  0,9proz.  physiologischer 
jung  glückte  es  schon  nach  ca.  30  Minuten  Waschens,  ab- 
lt  farbloses  Gewebe  zu  erhalten.  Wir  prüften  weiter  und 
den,  dass  dies  möglich  war  bis  zu  der  Kochsalzkonzen- 
tion  von  0,1  Proz.  Wir  glauben  mit  diesen  Versuchen  die 
Gärung  gefunden  zu  haben.  Bei  Verwendung  von  Frei- 
)  ger  Leitungswasser,  als  einem  sehr  hypotonischen  Medium, 
:  sofort  ausgedehnte  Hämolyse  des  in  der  Plazenta  ent- 
itenen  Blutes  und  dadurch  bedingte  Rotfärbung  des  Ge¬ 
lbes  mit  dem  gelösten  Blutfarbstoff  auf.  In  starker 
'haltiger  Lösung  blieb  diese  Hämolyse  aus;  es  war 
Ort  möglich,  rein  mechanisch  das  nicht  aufgelöste  Blut 
der  Plazenta  restlos  auszuwaschen.  Von  der  Richtig- 
::  dieser  Beobachtung  kann  man  sich  sofort  überzeugen, 
man  versucht,  eine  Plazenta  mit  destilliertem  Wasser 
behandeln.  Es  wird  nie  glücken,  sie  blutfarbstoff- 
zu  erhalten,  das  Freiburger  Wasser  gleicht  in  seinem  ge¬ 
lten  Gehalt  an  gelösten  Stoffen  beinahe  destilliertem 
’sser,  daher  dasselbe  Resultat.  Wir  haben  mit  fallenden 
azentrationen  von  Kochsalzlösung,  0,9,  0,4,  0,2,  0,1,  0,5  und 
• '  Proz.,  Gewebsstücke  aus  der  gleichen  Plazenta  unter 
chen  Bedingungen  auszuwaschen  versucht.  Mit  dem  Sin¬ 
der  Konzentration  wird  die  Zeitdauer,  die  zum  voll- 
■idigen  Weisswaschen  nötig  ist,  immer  länger,  bis  es 
Hiesslich  bei  0,5  Proz.  überhaupt  nicht  mehr  vollständig  ge- 
t,  jede  rötliche  Färbung  der  Plazentastückchen  zu  be¬ 
ugen.  Diese  Feststellung  scheint  uns  sehr  wichtig,  denn  sie 
gt,  dass  die  Erfolge  in  der  Plazentadarstellung  bis  jetzt 
lt  so  sehr  auf  grösserer  oder  geringerer  Genauigkeit  in  der 
fiihrung  der  von  Abderhalden  gegebenen  Vorschriften 
•uhen,  sondern  in  erster  Linie  auf  der  Beschaffenheit  des 
der  Auswaschung  verwendeten  Leitungswassers.  Das 
i  lenser  Wasser  z.  B.  war  dazu  günstig  infolge  seines 
>en  Gehaltes  an  Mineralsalzen.  Wir  glauben,  dass  viel- 
-ht  bei  einem  Teil  der  Untersucher,  die  mit  den  gleichen 
wierigkeiten  zu  kämpfen  haben,  die  Beschaffenheit  des 
uungswassers  ebenfalls  die  Schuld  trägt.  Zum  min- 
•ten  glauben  wir,  dass  die  oft  recht  lang  dauernde 
waschung  der  Plazenta  (wir  mussten  selbst  in  Halle 
i  3  Stunden  waschen,  ehe  das  Gewebe  blutfrei  war) 

;  der  Verwendung  der  Kochsalzlösung  sich  ganz  wesentlich 
Hirzen  lässt,  ohne  die  zur  Reaktion  nötige  Beschaffenheit 
-  Materials  zu  beeinträchtigen.  Wir  verfahren  jetzt  so,  dass 
die  von  den  Eihäuten  und  der  fötalen  Deckplatte  befreite 
zenta,  in  dreimarkstückgrosse  Stücke  zerpflückt,  in  physio- 
; scher  0,9  proz.  Kochsalzlösung  ausdrücken  und  auswaschen, 
i  sie  vollständig  farblos  ist,  dann  waschen  wir  die  Stück- 
U  zur  Entfernung  des  Kochsalzes  ca.  10  Minuten  in  fliessen- 
>i  Leitungswasser  und  behandeln  sie  weiter  in  der  von 
derhalden  vorgeschriebenen  Weise.  Welch  ausser- 
-ntliche  Bedeutung  der  Blutreinheit  der  verwendeten  Or- 
W  speziell  der  Plazenta  zukommt,  möge,  aus  folgenden 
■  lenangaben  erhellen:  mit  einer  Plazenta,  die  trotz  inten- 
n  Auswaschens  mit  Leitungswasser  nicht  völlig  farblos 
bekommen  war,  die  aber  im  Kochwasser  mit  Ninhydrin 
nt  mehr  reagierte,  erhielten  wir  in  21  unter  30  Fällen  bei 
it  schwangeren  Individuen  positive  Resultate.  Es  ist  daher 
oberster  Satz  für  jeden  Untersucher  die  Forderung  auf- 
ellen,  nicht  mit  Experimenten,  sei  es  mit  Plazenta,  sei  es 
anderen  Organen,  zu  beginnen,  wenn  auch  nur  die  leiseste 
r  einer  Blutfärbung  der  betreffenden  Organstücke  vor- 
den  ist.  Ein  Kochen  der  Plazentastücke,  die  noch  Röt¬ 
ung  zeigen,  in  der  Hoffnung,  dass  diese  etwa  beim  Kochen 
schwinden  können,  ist  vollkommen  nutzlos,  sie  liefern  stets 

'  Diese  Angaben  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  von 

II  Heheimrat  Schottelius  in  Ereiburg. 


683 

unbrauchbai  es  Material.  Sobald  sich  von  dem  koagulierten 
Blut  beim  eisten  Kochen  brauner  Schaum  auf  der  Oberfläche 
des  Kochwassers  sammelt,  ist  die  betr.  Plazenta  als  ungeeignet 
zu  verwerfen.  Neben  der  Frage  der  Blutfreiheit  der  Plazenta 
sind  andeie  Punkte  von  untergeordneter  Bedeutung.  Die 
Konsei  viel  ung  des  Materials  zwischen  Chloroform  und  Toluol 
ist  sehr  einfach.  Wer  einmal  eine  genügend  weisse  Plazenta 
hat,  ist  ein  beatus  possidens,  sie  ist  unter  Toluol  und  Chloro¬ 
form  wie  Abderhalden  betont,  fast  unbeschränkt  halt¬ 
bar.  Man  nimmt  vor  Anstellung  der  Reaktion  das  ent- 
spi  echende  Quantum  nach  Möglichkeit  bindegewebsfreier 
Stücke,  kocht  sie  mit  ungefähr  der  5  fachen  Menge  destillierten 
Wassers  5  Minuten  lang  auf,  setzt  zu  5  ccm  des  filtrierten 
Kochwassers  1  ccm  einer  1  proz.  Ninhydrinlösung  und  prüft 
die  Farbreaktion  in  der  üblichen  Weise.  Eine  brauch¬ 
bare  Plazenta  verändert  sich  nicht  allzu  häufig  und  gibt 
bei  dieser  Voruntersuchung  absolut  negative  Reaktion.  Fällt 
die  Untersuchung  positiv  aus,  so  muss  neu  aufgekocht  werden, 
bis  die  Reaktion  schwindet.  Die  Menge  des  beim  eigentlichen 
Versuche  verwendeten  Plazentagewebes  ist  wie  Ab  der - 
h  a  1  d  e  n  mehrfach  betont  hat,  in  einer  Richtung  irrelevant. 
Es  ändert  die  Resultate  nicht,  wenn  zu  viel  Plazenta,  d.  h. 
mehr  als  die  vorgeschriebene  Menge  von  lA—  1  g  verwendet 
wird  Es  kommt  nur  darauf  an,  dass  genügend  abbaufähiges 
Material  in  den  Plazentastückchen  vorhanden  ist.  Durch  einen 
Ueberfluss  dieses  wird,  wie  wir  auch  bei  Kontrollunter- 
suchungen  an  Schwangerenseris  bestätigen  konnten,  die 
Intensität  der  Reaktion  nicht  gesteigert,  wohl  aber  kann  die 
Reaktionsstärke  herabgesetzt  sein,  wenn  zu  kleine  Plazenta¬ 
stückchen,  z.  B.  0,25  in  die  Hülsen  gegeben  werden  oder  kann 
ganz  aufgehoben  sein,  wenn  nur  0,1  eingegeben  wird.  Ein 
Abwiegen  des  Plazentagewebes  mit  der  Wage  ist  nicht  nötig. 
Man  nimmt  erbsengrosse  Stücke  und  achtet  darauf,  dass  sie 
in  der  Hülse  von  dem  gleichzeitig  zugegebenen  Serum  be¬ 
deckt  werden. 

Anfangs  von  uns  überschätzt  war  die  Rolle,  die  die  Be¬ 
schaffenheit  der  Dia  ly  sie  r  hülsen  am  Zustande¬ 
kommen  von  Fehlresultaten  hat.  Künftige  Untersucher 
werden  hierbei  nicht  mehr  mit  den  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  haben,  unter  denen  wir  noch  zu  leiden  hatten.  Es 
wird  von  jetzt  an  möglich  sein,  streng  nach  Abder¬ 
haldens  Vorschriften  geprüfte  Dialysierhülsen  von  der 
Firma  Schöps  in  Halle  zu  beziehen.  Wir  haben  anfangs 
einen  grossen  Teil  der  Fehlresultate  auf  allzugrosse  oder 
allzu  geringe  Durchlässigkeit  der  Dialysierhülsen  geschoben. 
Die  plötzlich  gesteigerte  Nachfrage  nach  Dialysierhülsen 
brachte  eine  grosse  Anzahl  nicht  genügend  gleichmässig  her¬ 
gestellter  Ware  auf  den  Markt.  Es  war  zum  Teil  Sache 
des  Zufalles,  dass  einzelne  Untersucher,  wenn  sie  aus  alten 
Beständen  Hülsen  bezogen,  gleichmässiges  Material,  andere 
ungleichwertiges  erhielten.  Wir  konnten  bei  Prüfungen 
unseres  Hülsenbestandes,  die  wir  in  Halle  anstellten,  einmal 
feststellen,  dass  unter  75  ungebrauchten  Hülsen  (No.  579 
100  mm)  nur  42  vollständig  brauchbar  waren  und  ein  anderes 
Mal  unter  44  (No.  579  A  50  mm)  nur  28  als  gleichmässig 
undurchlässig  für  Eiweiss  und  durchgängig  für  Peptone  be¬ 
zeichnen.  Wenn  daher  neuere  Untersucher  die  Prüfung  der 
Hülsen  auch  nicht  mehr  im  Anfang  ihrer  Arbeit  selbst  auszu¬ 
führen  brauchen,  so  werden  sie  doch  von  Zeit  zu  Zeit  eine 
Nachprüfung  vornehmen  müssen.  Gerade  die  Untersuchung  der 
Hülsen  auf  Durchlässigkeit  für  Peptone  mit  Ninhydrin  ist  ge¬ 
eignet,  dem  mit  der  Methode  Arbeitenden  zu  demonstrieren, 
dass  jede  Hülse  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  der  anderen 
verschieden  ist,  da  die  nebeneinander  aufgestellten  Proben 
Abweichungen,  wenn  auch  nur  geringer  Art  in  der  Intensität 
der  Färbung  zeigen.  Es  ist  diese  Erkenntnis  deshalb  so 
wichtig,  weil  dadurch  falschen  Spekulationen  auf  die  Möglich¬ 
keit  einer  quantitativen  Ausführung  der  Reaktion  und  Fehl¬ 
schlüssen  anderer  Art  vorgebeugt  werden  kann.  Sehr  wichtig 
ist  die  häufige  Kontrolle  der  Hülsen  auf  das  Vorhandensein 
von  undichten  Stellen.  Nach  Beendigung  jeder  Reaktion  be¬ 
sichtige  man  das  untere  Ende  der  verwendeten  Hülsen  genau 
auf  etwa  entstandene  Löcher.  Häufig  verbirgt  sich  die  meist 
radiär  gestellte  schlitzförmige  Oeffmmg  dem  Auge  bei  der 
oberflächlichen  Besichtigung.  Wir  üben  dann  unter  Ab- 

i* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


klemmen  der  oberen  Oeffnung  der  Hülse  einen  leichten  Druck 
auf  den  unteren,  Flüssigkeit  enthaltenden  Teil  aus  und  waren 
oft  erstaunt,  wie  bei  scheinbarem  Intaktsein  grosse  Tropfen 
Serum  zum  Teil  in  Strahl,  zum  Teil  nur  spärlich  austraten. 
Unter  60  Hülsen  (No.  579),  die  ungefähr  4  Wochen  in  Gebrauch 
waren,  fanden  wir  bei  einer  Prüfung  10,  die  deutlich  durch¬ 
lässige  Spalten  am  unteren  Ende  aufwiesen,  bei  22  trat  bei 
leichtem  Druck  Flüssigkeit  in  kleinsten  Tropfen  durch.  Bei 
den  neuerdings  von  der  Firma  Schleicher  und  S  c  h  ii  1 1 
spez.  zu  Zwecken  der  Abderhalden  sehen  Reaktion  in  den 
Handel  gebrachten  Hülsen  (No.  579  A)  haben  wir  bis  jetzt  trotz 
intensiver  Inanspruchnahme  ein  ähnliches  Defektwerden  noch 
nicht  wieder  feststellen  können.  Es  ist  also  die  Sorge  um  die 
Beschaffenheit  der  Dialysierhülsen  für  künftige  Untersuchungen 
auf  ein  bedeutend  geringeres  Mass  zusammengeschmolzen. 

Weit  mehr  Beachtung  wird  die  Beschaffenheit 
des  Serums  finden  müssen,  als  sie  wohl  mitunter  bis  jetzt 
gefunden  hat.  Abderhalden  forderte  früher,  dass  das 
Serum  sofort  nach  der  Entnahme  zentrifugiert  werden  müsse 
und  war  geneigt,  gewisse  Fehlresultate  auf  das  Unterlassen 
dieser  Massnahme  zurückzuführen.  In  seiner  neuesten  Publi¬ 
kation  verlangt  er,  dass  nicht  zentrifugiert  wird,  sondern  dass 
das  Blut  der  Spontangerinnung  und  Auspressung  überlassen 
werde.  Selbst  das  Umstechen  des  Blutklumpens  wird  von 
ihm  als  Hämolyse  erzeugend  verworfen.  Es  ist  sicher,  dass 
auch  der  mit  Serum  und  Blut  zu  bakteriologischen  und  sero¬ 
logischen  Zwecken  zu  arbeiten  Gewöhnte  sich  darauf  ein¬ 
stellen  muss,  allergeringste  Grade  der  Beimengung  hämo¬ 
lytischen  Blutes  zum  Serum  zu  erkennen,  die  zwar  für  die 
oben  erwähnten  Arbeiten  unwichtig,  für  die  Abderhalden- 
sclie  Reaktion  aber  von  ausschlaggebender  Bedeutung  sind. 
Man  giesse  jedes  Serum,  das,  wenn  auch  nur  leicht  rötliche 
Färbung  zeigt,  unbarmherzig  weg.  Unter  20  Untersuchungen 
der  ersten  Serie  bei  nicht  schwangeren  Frauen,  bei  denen  im 
Protokoll  leichte  Hämolyse  oder  Verdacht  auf  diese  vermerkt 
war,  gaben  15  positive  also  falsche  Reaktion. 

Die  Technik  der  Blutentnahme  muss  subtil  sein.  Wir 
entnehmen  mit  steriler,  sicher  trockener  (nicht  frisch  ausge¬ 
kochter  und  Wasser  im  Rohre  enthaltender)  Punktionsnadel 
nicht  zu  kleiner  Lichtung  das  Blut  aus  der  gestauten  Armvene. 
Es  darf  nur  so  gewonnenes  Blut,  nicht  aber  bei  zu  geringer 
Ausbeute  etwa  das  aus  der  Punktionsöffnung  nach  Entfernung 
der  Nadel  über  die  Haut  rinnende  Blut  verwendet  werden. 
Wir  haben  dann  ca.  eine  halbe  Stunde  absitzen  lassen  event. 
umstochen  und  nachher  zentrifugiert.  Wenn  Abderhalden 
fordert,  dass  auch  das  Umstechen  des  an  der  Wand  haftenden 
Blutklumpens  zu  vermeiden  ist,  geht  er  unseres  Erachtens  zu 
weit.  In  einem  hohen  Prozentsatz  der  Fälle  wird  sich  so  Serum 
überhaupt  nicht  erhalten  lassen.  Wir  geben  ihm  aber  voll¬ 
ständig  recht,  dass  auch  bei  sorgfältigster  Entnahme  des  Blutes 
und  schonender  Weiterbearbeitung  auch  dann,  wenn  keine 
Umstechung  ausgeführt  wurde,  doch  leichte  Grade  von  Hämo¬ 
lyse  auftreten  können.  Wir  mussten  in  der  letzten  Zeit, 
während  wir  die  erwähnten  79  einwandfreien  Fälle  unter¬ 
suchten,  10  weitere  Sera  von  vornherein  von  der  Unter¬ 
suchung  ausschliessen,  da  sie  mehr  oder  weniger  geringe 
Grade  von  Hämolyse  aufwiesen.  Grosse  Sorgfalt  haben  wir 
dem  Rate  Abderhaldens  folgend  auf  die  Entnahme  des 
Serums  von  Patientinnen  im  nüchternen  Zustand  gelegt.  Alle 
Blutproben  der  letzten  Serie  waren  den  betr.  Patientinnen 
morgens  vor  dem  1.  Frühstück  entnommen.  Wir  werden 
durch  Kontrolluntersuchungen  weiter  prüfen,  ob  diese  für  den 
klinischen  Betrieb  nicht  leichte,  für  poliklinische  Zwecke  fast 
undurchführbare  Einschränkung  nötig  ist.  Die  Erfahrung 
Abderhaldens  selbst,  der  auswärts  entnommenes  Serum, 
das  diesen  Anforderungen  kaum  immer  entsprechen  dürfte,  in 
grösserer  Zahl  mit  günstigem  Resultate  untersucht  hat,  spricht 
dagegen. 

Als  besonders  wichtig  ist  ferner  noch  zu  erwähnen:  das 
Ablesen  der  Resultate  speziell  dann,  wenn  eine 
schwache  Blaufärbung  in  den  mit  Serum  allein  angesetzten 
Proben  nachzuweisen  ist.  Bei  allen  Fällen,  bei  denen  die 
Serumprobe  negativ  ist,  bestehen  keine  Schwierigkeiten  der 
Ablesung.  Eine  leichte  Reaktion  der  Serumkontrolle  allein  bei 
Verwendung  von  1,5  ccm  Serum  ist  aber  nicht  ganz  selten; 


unter  unseren  letzten  79  Fällen  beobachteten  wir  es  9n 
Früher,  als  nach  den  ersten  Vorschriften  Abderhalde« 
noch  2  und  3  ccm  Serum  verwendet  wurde,  ereignete  es  st 
bedeutend  häufiger.  Es  gilt  in  diesen  Fällen  die  Intensität 
Färbung  des  Serumversuches  und  des  Serum-  +  Plazer 
Versuches  zu  vergleichen.  Bei  deutlich  intensiver  Färbung 
Serum-  +  Plazentaversuches  stellt  man  die  Diagnose  posi 
bei  nur  geringen  Differenzen  negativ  oder  besser  unt 
schieden. 

Schliesslich  ist  noch'  ein  wichtiger  Punkt  der,  dass  i 
Ablesung  genau  A  Stunde  nach  dem  Kochen 
folgt.  Bei  alten  Ser is  kann  nach  A  b  d  e  r  h  al  d  e  n  auf  Ammoni . 
gehalt  beruhend  eine  vorübergehende  Rotfärbung  auftreten, 
eine  falsche  Reaktion  vortäuscht.  Nach  einer  halben  Stunde.- 
diese  Färbung  aber  verschwunden,  während  eine  richi 
positive  Reaktion  mit  ihrem  blau-violetten  Farbton  nach  dier 
Zeit  deutlich  in  Erscheinung  tritt.  Wir  beobachteten  di; 
vorübergehende  Rotfärbung  unter  79  Fällen  5  mal. 

Wenn  wir  unsere  oben  mitgeteilten  Erfahrungen  mit  : 
Schwangerschaftsreaktion  vermittels  des  Dialysierverfahn 
und  der  Ninhydrinreaktion  zusammenfassen,  so  kommen  i 
zu  folgenden  Ergebnissen: 

1 .  Die  Befunde  Abderhaldens  können  wir  auf  Gr ; 
einer  grössseren  Serie  einwandfrei  angestellter  Reaktion 
bei  denen  wir  keine  Fehlresultate  beobachteten,  bestätigeii 

2.  Nur  Untersuchungsergebnisse,  die  durch  Kontrollern 
zahlreichen  nicht  schwangeren  Individuen  bestätigt  s;< 
können  Anspruch  auf  Geltung  erheben,  da  auch  bei  man 
hafter  Technik  bei  Schwangeren  scheinbar  positive  Resull 
zustande  kommen  können. 

3.  Untersuchungen,  die  nach  den  noch  nicht  genügend  \h 
schärften  Vorschriften  ausgeführt  waren,  haben  nur  bedi 
Anspruch  auf  Geltung. 

4.  Eine  der  wesentlichsten  technischen  Schwierigkei 
die  Unmöglichkeit  der  Herstellung  völlig  blutfreien  Plaze« 
gewebes,  kann  lediglich  durch  die  Beschaffenheit  des  zur  A 
waschung  verwendeten  Wassers  bedingt  sein. 

5.  Wir  haben  gezeigt,  dass  diese  Schwierigkeit  durch  v 
Wendung  von  Kochsalzlösung,  spez.  von  0,9proz.,  leicht? 
beheben  ist. 


Wir  glauben  durch  unsere  Untersuchungen  in  Bestätig' 
von  Abderhaldens  Arbeiten  gezeigt  zu  haben,  dasv. 
möglich  ist,  mit  der  Ninhydrinreaktion  streng  spezifische  i 
sultate  zu  erhalten.  Selbst  wenn  grosse  Zahlenreihen  seit 
Ausnahmen  aufdecken  sollten,  in  denen  die  Reaktion  nil 
spezifisch  wäre,  so  würde  doch  ihre  hohe  theoretische  i 
deutung  nur  unwesentlich  eingeschränkt  werden.  St; 
jetzt  kann  man  sie  als  den  grössten  Fortschritt  bezeich: 
der  in  der  Erforschung  der  Stoffwechselvorgänge  bei  < 
Schwangerschaft  gemacht  wurde.  Es  liegt  auf  der  Hi 
welche  Möglichkeiten  praktischer  Verwendung  zur 
gnosenstellung  sie  uns  bei  der  Diagnose  der  Tubargravid: 
bei  früher  Schwangerschaftserkennung,  bei  der  Differen. 
diagnose  zwischen  Myom  und  Schwangerschaft  u.  m.  bi(< 
kann.  Unseres  Erachtens  ist  es  dabei  gleichgültig,  ob  : 
sie  aus  schematischen  Bedenken  unter  die  sicheren  oder! 
unsicheren,  weil  nicht  vom  Kind  ausgehenden,  Schwan' 
Schaftszeichen  einordnet.  Wir  glauben  vielmehr,  dass' 
vielleicht  einer  neuen  Kategorie  sicherer  Schwangersch.t 
Zeichen  angehören  wird. 

Auf  theoretische  Fragen,  wie  die  nach  der  Frage  1 
Spezifität  der  Schutzfermente  u.  a.  m.  einzugehen,  h;' 
wir  uns  auf  Grund  unseres  Materials  nicht  für  beri- 
Nur  möchten  auch  wir  ausdrücklich  betonen,  dass  * 
in  der  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Schwangerschaftsreal  i 
keinenfalls  eine  Stütze  „plazentarer  Theorien“  erblickenJ 
in  Verallgemeinerung  seltener  anatomischer  Befunde  wicl 1 
Stoffwechselvorgänge  bei  der  Schwangeren  durch  Zotten) 
schleppung  von  der  Plazenta  ausgelöst  sehen.  Uns  sch 
die  Annahme  Abderhaldens  besser  fundiert,  der ' 
Bildung  von  Schutzfermenten  durch  das  Eingraben  der  fö 1 
Plazenta  in  das  mütterliche  Gewebe  veranlasst  sieht. 

Die  hier  mitgeteilten  Untersuchungen  erstreckten  sich1 
auf  einen  Teil  von  Abderhaldens  schönen  Entdeckung 
Nur  auf  die  Diagnose  der  Schwangerschaft  und  dabei  nui-1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


■  April  1913^ 

i ;  Dialysierverfahren  und  die  Ninhydrinreaktion.  Die  Nach- 
1  ifung  der  optischen  Methode  und  die  Inangriffnahme  anders- 
;  iger  biologischer  Fragestellungen  wird  künftiger  Arbeiten 
;  1  sein  müssen. 


s  der  Frauenklinik  der  Königl.  Charitee  (Geheimrat 
anz)  und  aus  dem  medizinisch-chemischen  Laboratorium 
(Dr.  B  r  a  h  m  und  Dr.  M  ii  h  s  a  m). 

[>  Schwangerschaftsdiagnose  mittelst  der  optischen 
Methode  und  des  Dialysierverfahrens. 

Von  Richard  Freund  und  Carl  B  r  a  h  m. 

Die  optische  Methode  zum  Studium  der  Vorgänge  im 
fite  bei  normaler  und  pathologischer  Schwangerschaft  wurde 
? n  ersten  Male  von  E.  Abderhalden,  R.  Freund  und 
■Pincussohn1)  angewendet *  *).  Die  an  dem  Material  der 
Inigl.  Charitee-Frauenklinik  in  dem  physiol.  Institut  der 
.  ärztl.  Hochschule  zu  Berlin  ausgeführten  Versuche  ergaben 
t  itlichen  Abbau  des  Plazentarpeptons  durch  das  Schwan- 
p-enserum  allein  in  den  ersten  3  Monaten,  später  nur  einmal 
:  e  geringe  Spaltung  im  9.  Monat  und  bei  3  Eklampsiefällen, 
f'gative  Reaktion  zeigten  demnach  vorzugsweise  die  Blut- 
;  >ben  aus  der  2.  Schwangerschaftshälfte. 

Die  von  Abderhalden  und  Mitarbeitern 2)  dann  in 
Hie  fortgesetzten  Untersuchungen  brachten  Resultate,  die 
s?en  die  oben  genannten  zunächst  durch  das  Auftreten  der 
faktion  in  allen  Schwangerschaftsmonaten  kontrastierten 
:i  ferner  insofern  eine  Umkehr  der  Verhältnisse  zeigten,  als 
o  Spaltungsvermögen  gerade  in  der  zweiten  Schwanger- 
> laftshälfte  besonders  kräftig  in  Erscheinung  trat.  Fehlte  es 
'vderum  demgegenüber  in  späteren  Publikationen  auch  nicht 
:  einschränkenden  Hinweisen  Abderhaldens3)  selbst, 
:;s  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  die  Reaktion  meistens 
5  tr  schwach  ausfalle,  dass  selbst  einmal  mit  der  Möglichkeit 

Ausbleibens  der  Reaktion  während  der  Gravidität  zu 
r  hnen  sei,  so  ging  aus  diesen  Arbeiten  unzweifelhaft  hervor, 
->s  die  Reaktion  während  der  ganzen  Schwangerschaft  mög- 
h  sei.  Damit  war  die  zurzeit  der  ersten  Publikation  an- 
nahnte,  aber  noch  nicht  gelungene  serologische  Schwanger- 
uaftsdiagnose  erreicht,  allein  es  blieb  die  jetzt  unwillkürlich 
sh  aufdrängende  Frage  nach  Aufklärung  der  differenten 
fsultate  von  einst  und  jetzt  unbeantwortet. 

Die  Gründe  hierfür  beruhen  unseres  Erachtens  zweifellos 
s  wesentlichen  Verbesserungen  der  Me- 
:ode.  die,  wie  alle,  ihren  Entwicklungsgang  zu  durchlaufen 
:  und  mit  weiterer  Verfeinerung  konstantere  und  brauch¬ 
te  Resultate  zeitigt.  Diese  Verbesserungen  bestehen  vor- 
imlich  in  der  Vervollkommnung  der  optischen 
"  e  t  h  o  d  e  sowie  in  der  Einführung  des  Dialysier- 
'  rfahrens,  auf  das  späterhin  eingegangen  werden  soll. 

Da  hat  sich  zunächst  die  Darstellung  des  Plazen- 
trpeptons  geändert,  indem  der  durch  Eindampfen 
:vonnene  dicke  Peptonsyrup  nicht  wie  früher  direkt  in  ab- 
■uten  Alkohol  eingetragen,  sondern  erst  mit  Methylalkohol 
^gezogen  und  dann  durch  Aethylalkohol  gefällt  wird.  Neu 
■  izugekommen  ist  ferner  die  dann  folgende  Reinigung  mit 
t  osphorwolframsäure. 

Weit  wichtiger  erscheint  uns  aber  die  Aenderung  in 
:  r  Konzentration  der  zu  prüfenden  Mischung 
On  Serum  und  Pepton.  Während  wir  früher  eine 
Harisationsröhre  mit  Serum,  Pepton  und  Kochsalzlösung  im 
'  rhältnis  von  1:1:2  beschickten,  eliminierte  man  in  der 
flgezeit  zunächst  die  Verdünnung  durch  Kochsalz  und 
ischte  Serum  und  Pepton  in  Mengen  von  1:1.  Aber  erst 
-Verdoppelung  der  Serumquantität  gegen- 
|ier  dem  Pepton  (2  :  1),  wie  sie  jetzt  allgemein  gehand- 
pt  wird,  stellt  die  günstigste  Mischung  dar.  Nachfolgender  ein- 
ihe  Versuch  mit  dem  gleichen  Serum  und  dem  gleichen  Pepton 
ügt,  welchen  Einfluss  das  quantitative  Verhältnis  zwischen 
:mm  und  Pepton  auf  den  Ausfall  der  Reaktion  ausübt. 

b  Prakt.  Ergehn,  d.  Qeb.  u.  Gyn.  1910,  II.  Jahrg.,  II.  Abt.,  S.  367. 

*)  Vergl.  hierzu  die  Artikel  von  Freund  und  Abderhalden 
:  S.  700  und  701  dieser  Nummer.  Red. 

)  Literatur  vergl.  weitere  Fussnoten. 

)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 


Tabelle  1. 


Zeit 

I. 

0,5  Serum 

1,0  Pepton 

0,5  Kochsalz 

n: 

1,0  Serum 

1,0  Pepton 

III. 

1,0  Serum 

0,5  Pepton 

0,5  Kochsalz 

2.17.  125  p.  m. 
1235  p.  m. 

2  p.  m. 

330  p.  m. 

7  p.  m. 

3  /7.  11 60  a.  m. 

—  0,35 

—  0,36 

—  0,36 

—  0,35 

—  0,34 

—  0,33 

—  0,54 

—  0,55 

—  0,55 

—  0,54 

—  0,53 

—  n,53 

—  0,50 

—  0,48 

—  0,48 

—  0,47 

—  0,46 

—  0,44 

Drehung: 

0,03° 

0,02° 

0,06° 

I  rotz  eines  Zusatzes  von  0,5  Kochsalz  haben  wir  in  Ver¬ 
such  III  den  stärksten  Abbau.  Es  kommt  also  in  der  Haupt¬ 
sache  darauf  an,  einen  Ueber  schuss  von  Serum 
(Ferment)  auf  das  Pepton  einwirken  zu  lassen. 

Unter  strenger  Einhaltung  der  Vor¬ 
schriften  zu  der  Methode  in  ihrer  jetzigen 
Gestaltung  haben  wir  an  dem  grossen  Mate¬ 
rial  der  Charitee-Frauenklinik  die  ganze 
Frage  erneut  einer  Prüfung  unterzogen  und 
uns  in  erster  Linie  darauf  beschränkt,  einen 
Gesamtüberblick  über  die  Leistungsfähig¬ 
keit  des  Verfahrens  zu  gewinnen. 

Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  dementsprechend  auf 
Blutproben  (Armvenenpunktion)  von  normalen  wie 
pathologischen  Schwangeren  aus  allen  Mo¬ 
naten,  ferner  auf  solche  von  Extrauteringravidität, 
Adnextumoren  und  anderen  Nichtgraviden. 
Die  Zahl  unserer  Untersuchungen  beläuft  sich 
bei  135  Fällen4)  auf  141,  da  6  Fälle  von  Eklampsie,  in 
welchen  zu  2  verschiedenen  Zeiten  Blut  entnommen  wurde, 
doppelt  untersucht  wurden.  Unter  diesen  141  Ver¬ 
suchen  wurde  die  optische  Methode  134  mal, 
das  Dialysierverfahr.en  99 mal  angewendet. 
Zu  unseren  Untersuchungen  standen  uns  zwei  Polarisations¬ 
apparate  modernster  Konstruktion  aus  der  II.  medizinischen 
Klinik  der  Königl.  Charitee  und  dem  medizinisch-chemischen 
Laboratorium  (Dr.  Br  ahm  und  Dr.  Mühsam)  zur  Ver¬ 
fügung,  ferner  eine  Reihe  von  Plazentarpeptonpräparaten,  die 
teils  von  R.  F  r  e  u  n  d  und  Pincussohn,  teils  von  B  r  a  h  m 
aus  normaler  und  auch  aus  Eklampsieplazenta  hergestellt 
waren,  und  endlich  von  Abderhalden  geprüftes  Plazentar¬ 
pepton,  von  dem  uns  die  Höchster  Farbwerke  einige 
Proben  in  liebenswürdigster  Weise  überlassen  hatten.  Die 
polarimetrischen  Prüfungen  wurden  von  uns  beiden,  das  Dia¬ 
lysierverfahren  von  B  r  a  h  m  mit  Unterstützung  von  Müh¬ 
sam  ausgeführt.  Benutzt  wurden  nur  frische  Sera,  doch 
wurde  im  Verlauf  der  Arbeit  auch  der  Einfluss  des  Alters  der 
Sera  auf  den  Ausfall  der  Reaktion  berücksichtigt. 

Die  Ergebnisse  unserer  Untersuchungen  lassen  wir  zu¬ 
nächst  in  tabellarischer  Uebersicht  hier  folgen. 

(Tabelle  2  siehe  nächste  Seite.) 

Die  Beobachtungszeit  betrug  durchweg  24  Stunden,  in 
einigen  Fällen  bis  48  Stunden.  Drehungen  unter  0,05  0  wurden 
als  negativ  notiert.  Wir  haben  den  positiven  Ausfall  der  Re¬ 
aktion  stets  nur  mit  einem  +  bezeichnet,  da  die  Spaltung  nie 
über  0,1  hinausging,  abgesehen  von  vier  Fällen,  in  welchen 
ein  stärkerer  Abbau  bis  0,12  beobachtet  wurde. 

Vergleichen  wir  diese  Tabelle  mit  der  in  der  ersten  Publi¬ 
kation  von  Abderhalden-Freund-Pincussohn  zu¬ 
sammengestellten,  so  finden  wir,  dass  nicht  mehr  wie  früher 
nur  die  ersten,  sondern  alle  Monate  der  Schwanger¬ 
schaft  Spaltungen  aufzuweisen  haben.  Immer¬ 
hin  ergibt  sich  aber  auch  jetzt  noch,  dass  gegen  Ende 
der  Gravidität  die  spaltende  Kraft  des  Se¬ 
rums  geringer  wird.  Wir  werden  auf  diesen  Punkt  an 
der  Hand  der  beiden  neuerdings  von  Abderhalden  auf¬ 
gestellten  Tabellen  5)  später  noch  zurückkommen. 


4)  8  zweifelhafte  Fälle,  die  sich  der  Nachuntersuchung  entzogen, 
blieben  als  nicht  verwertbar  für  die  Methode  hier  unberücksichtigt. 

5)  Abderhalden  und  K  i  u  t  s  i :  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
Bd.  77,  H.  4,  S.  257,  und  Abderhalden:  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie,  Bd.  81,  S.  94. 


MUENCttENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


686 


No.  : 


Tabelle  2. 


Schwan  ger- 
schaf ts- 
monat: 

I. 

11. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

X. 

(Forteetz.) 

Extraute¬ 

ringravi¬ 

dität 

Adnex¬ 

tumor 

Non 

gravidae 

Endo 

metrit 

8  Wocli 
post  ab 
tum 

•- 

CU  | 
° 

<X> 

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3 

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3 

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CU  i 

o  ! 

® 

OS 

13 

s 

3 

o. 

O 

Anzahl 
der  Unter¬ 
suchungen. 

(Die  bei  Optik  und 
Dialyse  in  gleicher 
Höhe  stehenden  Zei¬ 
chen  beziehen  sich 
auf  ein  und  denselben 
Fall.) 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

'' 

tl 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+d: 

+ 

+ 

1 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

/— Ea 

l+Ep 

+ 

+  D 

-1 

-1 

+ 

/--Ea 

\+Ep 

+EP 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

(+Ea 
1— Ea 

+ 

+} 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

j+Ep 
l — EP 
+Ep 
— Ea 
+  D 
-Ep 
— Ep 
+Ea 
--Ea 
--Ep 
+Ep 
|+Ea 
l+Ep 
I+Ep 

l+Ep 

+Ep 

+Ep 

+ 

+ 

+  1 
-/ 

+ 

+ 

+1 

+} 

+} 

i 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

1  1  II  1  II  1 

+ 

; 

1 

1 1 

1 

Resultat: 

6+ 

1  — 

3+ 

3— 

17+ 

2- 

11+ 

2- 

12+ 

8- 

,7+ 

4— 

6+ 

1+ 

ii+ 

i— 

1+ 
2 — 

1+ 

3+2+ 

1—  1  — 

2+3+ 

2-1- 

3+ 

3— 

4+ 

3- 

Optik :  33  +  u.  15  — 
Dialyse :  28  +  u.  1 4  — 

1  + 

2— 

1+ 

i+ 

3- 

2+ 

1— 

8—1  + 

5— 

i-!f 

Mittlerer 
Drehung«  wert: 

0,07« 

0,08° 

0,07" 

0,08" 

0,07° 

0,07° 

0,07° 

0,07" 

0,05° 

0,06° 

0,08° 

0,08° 

. 

Summe  der 

V  ersuche: 

7 

19 

20 

6 

2 

3 

5 

4 

8 

51 

3 

4 

8 

i 

Erklärungen:  D  =  Dermatose.  Ea  =  Eklampsie  ante  partum.  Ep  =  Eklampsie  post  partum.  { }  =  2  Versuche  zu  verschiedenen  Zeiten  bei  demselben  1 


Das  mittels  beider  Methoden  (Optik  und  Dialyse)  erhaltene 
Gesamtresultat  unserer  Versuche  gestaltet  sich  folgender- 
massen :  Der  klinische  Befund  deckte  sich  mit 
dem  optischen  Untersuchungsergebnis  unter 
134  Fällen  97  m  a  1  =  72,4  Proz.  und  mit  dem  Er¬ 
gebnis  der  99  mal  an  gewendeten  Dialyse  66mal 
=  66,7  Proz. 

Treten  wir  nun  der  Frage  näher,  auf  welche  Ur¬ 
sachen  die  diagnostischen  Versager  des  op¬ 
tischen  Verfahrens  zurückgeführt  werden 
könnte  n,  so  möchten  wir  in  erster  Linie  das  wech¬ 
selnde  Verhalten  eines  Plazentar  peptons 
verschiedenen  S  e  r  i  s  gegenüber  anführen.  So 
differierten  innerhalb  derselben  Zeit  beispielsweise  die  Pla¬ 
zentarpeptone  A,  Bi,  Bi>  und  E,  die  alle  in  5  proz.  Lösung  und 
unter  den  gleichen  Kautelen  aufbewahrt  wurden,  in  den  fol¬ 
genden  Versuchen. 


1.  (Fall  K.  Grav.  Mens.  1.) 


Pepton  A 

Pepton  Bi 

Kontrolle 

Zeit 

—  0,79 

—  0,80 

—  0,60 

ll30  a  m 

—  0,78 

—  0,75 

—  0,61 

36S  p  m 

—  0,78 

-  0,75 

-0,61 

745  p  m 

—  0,75 

-0,73 

—  0,60 

10°°  a  m 

Drehung :  0,04° 

0,07" 

— 

— 

Aus  diesen  Gegenüberstellungen  geht  hervor,  dass  z.  B. 
Pepton  A  im  Fall  I  ein  negatives  Resultat  lieferte,  im  Fall  11 
am  gleichen  Tage  dagegen  ein  positives  und  wiederum  in 
Fall  III  nur  halb  so  stark  abgebaut  wurde  als  das  gleich¬ 
zeitig  angesetzte  Pepton  Bs.  Aehnlich  liegen  die  Verhältnisse 
bei  Fall  V  und  VI  mit  Pepton  E,  und  Fall  IV  zeigt  den  ver¬ 


schieden  starken  Abbau  dreier  mit  demselben  Serum  glea 
zeitig  geprüften  Peptone.  —  Hierin  liegt  zweifellos  die  M; 
lichkeit  zu  einer  Fehldiagnose,  da  man  bei  Verwendung  ei:: 
einzigen  Peptons  (cf.  Fall  I  Pepton  A,  Fall  IV  Pepton  A,  Fah 
Pepton  E)  ein  negatives  Resultat  zu  verzeichnen  gehabt  hat 


II.  (Fall  L.  Grav.  Mens.  I.) 


Pepton  A 

Pepton  Bi 

Kontrolle 

Zeit 

—  0,80 

—  0,74 

—  0,60 

ll^am1 

—  0,75 

—  0,75 

—  0,60 

4  p  m 

—  0.76 

—  0,74 

—  0,60 

7*’  p  m 

—  0,73 

-  0,74 

—  0,60 

1053  a  m 

Drehung :  0,07" 

0,05° 

— 

— 

III.  (Fall  P.  Grav.  Mens.  I.) 


Pepton  A 

Pepton  Bä 

Zeit 

—  0,78 

—  0,75 

ll25  a  m 

—  0,75 

—  0,72 

350  p  m 

—  0,75 

-  0,70 

710  p  m 

—  0,72 

—  0,63 

1 030  a  in 

Drehung:  0,06° 

0,12° 

— 

IV.  (Fall  R.  Grav.  Mens.  II.) 


Pepton  A 

Pepton  Bi 

Pepton  Ba 

Zeit 

_ 

—  0,80" 

—  0,80" 

-  0,78° 

ll20  a  ii 

—  0,79" 

-  0,77" 

—  0,75° 

360  p  n 

-  0,79" 

—  0,76" 

—  0,74" 

T‘a  p  n 

—  0,76° 

—  0,72u 

—  0,72" 

1055  an_ 

Drehung:  0,04° 

0,08" 

0,06° 

— 

687 


1.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


V.  (Fall  Kr.  Qrav.  Mens.  II.) 


Drehung:  0,03°  0,07° 

VI.  (Fall  Tr.  Grav.  Mens.  X.  Eklampsie.) 

Pepton  E 

Pepton  Bi 

Pepton  Ba 

Zeit 

—  1,02" 

—  1,00° 

—  0,96° 

—  0,93° 

—  0,68° 

—  0,65° 

—  0,65° 

—  0,62° 

—  0,70° 

-  0,66° 

—  0,65° 

-  0,63° 

1 1 30  a  m 

345  p  m 

715  p  m 

1 030  a  m 

Drehung:  0,09° 

Der  Grund 
\v  i  e  das  w  e 
Jesselben  Pe 

0,06° 

dieser  Er 
:  h  s  e  1  v  o  1 1  e 
ptons  geg 

0,07» 

scheinung 
Verhalten 
enüber  de 

liegt  aber, 
ein  und 
n  anderen 

ehrt,  nicht  in  seiner  Minderwertigkeit,  son- 


Jern  wohl  eher  in  der  verschiedenen  Be¬ 
schaffenheit  der  Sera,  deren  Schutzfermente 
licht  in  jedem  Falle  auf  das  dargebotene  Sub¬ 
strat  vollkommen  eingestellt  sind  und  es 
Iahe  r  weniger  gut  abzubauen  vermögen.  In 
Reichem  Sinne  äussert  sich  Abderhalden0),  der  den 
einstigen  Ausfall  der  Reaktion  mit  der  Wahl  des  geeigneten 
Mitigens  in  Zusammenhang  bringt.  —  Es  ergibt  sich  daraus 
iie  praktische  Folgerung,  in  zweifelhaften  Fällen 
las  Drehungsvermögen  eines  Serums  mit 
;inem  zweiten  oder  dritten  Pepton  nachzu- 
Prüfen. 


Eine  weitere  Quelle  des  Versagens  liegt  in  einer  für 
nanche  Sera  zu  kurzen  Beobachtungsdauer.  Aus 
ler  Reihe  einschlägiger  Fälle  unserer  Arbeit  seien  hier  nur 
■inige  herausgegriffen,  bei  denen  das  Resultat  sich  erst  nach 
üner  über  24  Stunden  hinausgehenden  Beobachtungszeit  posi- 
iv  gestaltete. 


Fall  Th.  (Cirav.  Mens.  II.) 


Pepton 

Kontrolle 

Zeit 

-0,78 

—  0,62 

ll30  a  m  10./XII. 

-0,76 

-  0,63 

430  p  m 

-0,76 

-0,62 

610  p  m 

-0,74 

—  0,65 

ll40  am  ll./XII. 

-0,70 

—  0,62 

920  a  m  12  /XII. 

Drehung  in  24  Std.  0,04° 

„  46  „  0,08° 

Dialyse:  + 

Fall  Kii.  (Qrav.  Mens.  III.) 


Pepton 

Kontrolle 

Zeit 

—  0,75 

—  0,64 

1230  p  m  21. /I. 

-0,75 

—  0,64 

5 10  p  m 

-  0,74 

—  0,63 

7 30  p  m 

—  0,73 

—  0,63 

l30  p  m  22.1 1. 

—  0,64 

-0,65 

945  a  m  23./I. 

Drehung  in  25  Std.  0,02° 

..  „  45  „  0,11« 

Liegt  also  das  Ergebnis  einer  Spaltung 
!ach  24  Stunden  auf  der  Grenze  (0,04  °)  oder  ist  bei 
liesem  und  geringerem  Drehungswerte  die  gleichzeitig  an- 
(esetzte  Dialyse  (cf.  Fall  Th.)  positiv  ausgefallen,  so  wird  zur 
eststellung  weiterer  Spaltung  eine  Verlängerung  der 
Beobachtungszeit  bis  zu  36  und  48  Stunden 
’  z  w.  das  umständlichere  Verfahren,  Prüfung 
lesSerums  mit  einem  oder  zwei  anderen  Pep- 
onen,  am  Platze  sein7).  Durch  einen  Vergleich  beider 

_“)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 

')  cf.  Abderhalden:  Zeitschr.  f.  physikal.  Chemie  1912,  Bd.  81, 
'•  “0.  „Abbau  eines  und  desselben  Peptons  braucht  nicht  immer  in 
er  gleichen  Richtung  und  gleich  rasch  zu  verlaufen.“ 


Kontrollverfahren  liesse  es  sich  ermitteln,  ob  der  träge  Ver¬ 
lauf  des  Abbaues  in  der  Eigenschaft  des  Serums  oder  ledig¬ 
lich  in  der  Wahl  eines  wenig  geeigneten  Substrates  begründet 
war. 

Zu  Iäuschungen  und  unrichtiger  Beurteilung  des  optischen 
Verfahrens  können  ferner  Fälle  frühzeitiger,  palpatorisch  noch 
nicht  oder  wenigstens  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbarer 
Schwangerschaft  führen,  bei  denen  die  Reaktion  positiv  aus¬ 
fällt,  durch  eine  oder  mehrere  Nachuntersuchungen  jedoch  eine 
Gravidität  klinisch  mit  Sicherheit  auszuschliessen  ist.  Auch 
dem  Erfahrenen  können  solche  geheimnisvollen  Fälle,  bei  denen 
mit  der  Möglichkeit  des  Verschwindens  einer  Schwanger¬ 
schaft  zu  rechnen  ist,  Schwierigkeiten  in  der  Kritik  der  Me¬ 
thode  bereiten.  Sie  dürfen  der  Methode  nicht  ohne  weiteres 
zur  Last  gelegt  werden. 

Schliesslich  sei  noch  die  Beschaffenheit  d  er  Sera 
erwähnt.  Primär  trübe  oder  hämolytische  Sub¬ 
strate  bleiben  unberücksichtigt.  Auf  diese  Weise  entzieht 
sich  leider  ein  grosser  Teil  der  eklamptischen  Sera,  weil 
hämolytisch,  der  Untersuchung.  Trübungen  durch  Fettgehalt 
umgeht  man  füglich  durch  eine  Blutentnahme  von  Personen 
im  nüchternen  Zustande.  Spätere  Trübungen  er¬ 
eignen  sich  mitunter  bei  Mischung  von  Serum  mit  Peptonen 
(Präzipitation).  Bleibt  sie  konstant,  auch  mit  anderen  Sorten 
von  Plazentarpeptonen,  oder  lässt  sich  nicht  abfiltrieren,  so 
ist  die  Probe  nach  Abderhalden  zu  verwerfen.  Jeden¬ 
falls  lohnt  es  sich  nach  unseren  Erfahrungen,  auch  solche 
anfänglich  getrübten  und  nicht  ablesbaren  Gemische  weiter  zu 
beobachten,  da  wiederholt  eine  völlige  Klärung,  oft  schon 
innerhalb  1 — 2  Stunden  eintrat,  die  entweder  anhielt,  oder 
nach  einiger,  immerhin  für  die  Beurteilung  des  Falles  hin¬ 
reichenden  Zeit  einer  erneuten  Trübung  Platz  machte. 

Beispiele: 

Fall  Ko.  (Qrav.  Mens.  II.) 


Pepton 

Kontrolle 

Zeit 

trüb 

trüb 

930  a  m 

—  0,89 

—  0,57? 

1030  a  m 

-0,78 

—  0,63 

l30  p  m 

—  0,79 

-0,63 

415  p  m 

—  0,73 

-0,63 

93°  a  m 

Drehung  (mindestens):  0,07° 

Fall  Kü.  (Qrav.  Mens.  IV.) 


Pepton 

Kontrolle 

Zeit 

trüb 

trüb 

ll45  a  m 

trüb 

trüb 

345  p  m 

—  0,72 

—  0,56 

744  pm 

—  0,64 

—  0,56 

1 130  a  m 

Drehung  (mindestens) :  0,08° 

— 

— 

Fall  Bl.  (Qrav.  Mens. 

X.) 

Pepton 

Kontrolle 

Zeit 

Sehr  trüb 

0,54 

11  am 

—  0,64 

-  0,54 

345  p  m 

—  0,57 

—  0,53 

615pm. 

trüb 

—  0,54 

ll30  a  m 

Drehung  (mindestens) :  0,07" 

— 

— 

Je  frischer  die  Sera,  desto  günstiger  die  Bedingungen  für 
einwandfreie  Resultate;  doch  sei  hier  bemerkt,  dass  einige 
Sera  bis  zum  7.  Tage,  wahrscheinlich  noch 
länger,  ihr  Abbau  vermögen  ung.eschwächt 
bewahrten.  —  Bei  11  Seris  änderte  sich  die  Drehung 
schon  ohne  Peptonzusatz;  die  Werte  hielten  sich  zwischen 
0,05°  und  0,07°.  — 

Das  Dialysierverfahren  hat  der  eine  von  uns 
(C.  Brahm)  in  99  Fällen  angewendet  und  hielt  sich  dabei 
streng  an  die  von  Abderhalden  veröffentlichten  Me¬ 
thoden  und  Verbesserungen.  Als  Dialysiermembran  dienten 
die  Diffusionshülsen  von  Schleicher  &  Schiill  (No. 579), 
die  in  passende  Gefässe  (Zylinder)  gebracht  wurden. 
Sämtliche  Hülsen  wurden  auf  Undurchlässigkeit  gegen 
Eiweisslösungen  und  Durchlässigkeit  von  Peptonen  geprüft. 


688 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


Das  benützte  Plazentareiweiss  wurde  durch  mehrmaliges 
Auskochen  frischer  entbluteter  Plazenten  gewonnen,  bis  das 
Kochwasser  weder  die  Biuret-  noch  Ninhydrinreaktion  gab. 
Das  koagulierte  Substrat  wurde  unter  Toluol  in  Chloroform¬ 
wasser  aufbewahrt  und  erwies  sich  bei  dieser  Behandlung 
als  sehr  lange  haltbar.  Anfänglich  gestaltete  sich  die  Ver¬ 
suchsanordnung  derart,  dass  ausser  dem  Hauptversuch  stets 
zwei  Kontrollen,  eine  mit  Serum  allein,  die  andere  mit  Pla¬ 
zenta  allein,  angesetzt  wurden.  Neuerdings  wird  an  Stelle  der 
Plazentakontrollhiilse  ein  grösseres  Stückchen  des  konser¬ 
vierten  Plazentargewebes  vor  dem  Gebrauch  5  Minuten  mit 
Wasser  ausgekocht,  das  Kochwasser  durch  ein  gehärtetes 
Filter  abfiltriert  und  das  Filtrat  nach  Zusatz  von  1  ccm  einer 
1  proz.  Ninhydrinlösung  eine  Minute  lang  gekocht.  Nur  bei 
Farblosbleiben  der  Lösung  wird  das  Substrat  benutzt  und  in 
Mengen  von  0,05  bis  1,0  g  mit  1,5  ccm  des  zu  prüfenden 
Serums  nach  Abspiilung  der  beschickten  Hülsen  in  fliessendem 
Wasser  angesetzt.  Nach  löstiindigem  Verweilen  im  Brut¬ 
schrank  wird  die  Reaktion  mittels  10  ccm  des  Dialysats  und 
0,2  ccm  der  1  proz.  Ninhydrinlösung  vorgenommen  und  das 
Resultat  nach  30  Minuten  abgelesen. 

92 mal  wurde  die  Methode  durch  das  op¬ 
tische  Verfahren  kontrolliert,  7 mal  allein  aus¬ 
geführt.  Uebereinstimmung  beider  Methoden 
fand  sich  in  61  Versuchen,  und  zwar  43  mal  in  posi¬ 
tivem  und  18 mal  in  negativem  Sinne,  so  dass  mithin 
31  Untersuchungsbefunde  nicht  ha  r  monier  - 
t  e  n.  — 

Unter  unseren  135  Fällen  finden  sich  17  Fälle  von 
Eklampsie,  3  Schwangerschaftsdermatosen, 

3  Fälle  von  Extrauteringravidität,  1  Fall  von 
Endometritis  8  Wochen  nach  Abort,  4  Fälle 
von  Adnextumoren  und  8  von  anderweitigen 
Nichtschwangeren. 

Ein  besonders  hohes  Abbau  vermögen  der  Sera 
von  Eklamptischen  konnte  in  den  17  von  uns  optisch 
untersuchten  Fällen  im  Gegensatz  zu  der  früheren  Publi¬ 
kation8)  nicht  bestätigt  werden;  die  erhaltenen  Drehungen 
von  0,05 — 0,09°  halten  sich  innerhalb  der  auch  bei  normaler 
Gravidität  festgestellten  Werte.  Nur  einmal  wurde  eine 
höhere  Ablenkung  von  0,1  beobachtet,  als  wir  letzthin  ein 
Eklampsieplazentapepton  als  Substrat  wählten,  während  das 
gleichzeitig  angesetzte  Normalplazentapepton  bedeutend 
schwächer  (0,05°)  abgebaut  wurde.  Diese  Verhältnisse  er¬ 
wiesen  sich  jedoch  bei  weiteren  Eklampsiefällen  keineswegs 
als  konstant.  —  Auch  bei  dem  12  mal  gleichzeitig  vorgenom¬ 
menen  Dialysierverfahren  wurde  in  3  Fällen  das  Verhalten 
von  Eklampsieserum  normaler  und  eklamptischer  Plazenta 
gegenüber  geprüft:  Der  Ausfall  der  Reaktion  war  in  diesen 
Fällen  unterschiedslos  ein  gleich  starker,  ein  Beweis,  dass 
einer  einzigen  Beobachtung9)  kein  Wert  beizumessen  ist.  Voll¬ 
kommen  negativ  reagierten  2  Fälle  und  in  3  Fällen  fiel  die 
Reaktion  der  zu  zwei  verschiedenen  Zeiten  entnommenen 
Blutprobe  einmal  positiv,  einmal  negativ  aus,  ein  Verhalten, 
das  uns  auch  bei  normaler  Gravidität  bisher  in  4  Fällen  be¬ 
gegnete.  Eine  Kongruenz  in  dem  Ablauf  des  eklamptischen 
Krankheitsbildes  mit  dem  Ausfall  der  Reaktion  war  nicht  nach¬ 
zuweisen,  indem  die  beiden  negativ  reagierenden  Fälle  bald 
zur  Genesung  kamen,  während  die  beiden  einzigen  ad  exitum 
gekommenen  Fälle  mit  einem  Abbau  von  0,05  0  bzw.  0,06°  sich 
von  anderen  glatt  verlaufenen  Fällen  nicht  unterschieden. 

Das  gleiche  unstäte  Bild  zeigten  die  drei  Fälle  von 
Schwangerschaftsdermatosen,  unter  denen  die 
klinisch  leichtesten  einmal  die  erhebliche  Spaltung  von  0,11°, 
das  andere  Mal  von  nur  0,05  °,  der  schwerere  wieder  eine 
solche  von  0,06°  aufwiesen. 

Unter  den  drei  Fällen  von  Extrauteringra¬ 
vidität  fiel  die  Reaktion  optisch  zweimal  negativ  und  nur 
einmal  mit  beiden  Verfahren  positiv  aus;  unter  den  4  A  d  n  ex¬ 
tu  m  o  r  e  n  optisch  dreimal  negativ  und  einmal  positiv,  während 
die  Dialyse  zweimal  positiv  ausfiel  (vgl.  Tabelle).  Das 
Serum  von  8  anderweitigen,  nicht  graviden,  zum 
Teil  normalen,  zum  Teil  mit  gynäkologischen  Leiden  (Gonor¬ 


8)  Abderhalden-Freund-Pincussohn:  1.  c. 

9)  Henkel:  Archiv  f.  Qyn.,  Bd.  99,  H.  1,  S.  64. 


rhöe,  Metritis)  affizierten  Frauen  zeigte  in  keinem  Fall  einen 
Abbau;  nur  mittels  der  fünfmal  gleichzeitig  ausgeführten  Dia¬ 
lyse  wurde  ein  positives  Resultat  bei  einem  Fall  von  Amenor¬ 
rhoe  mit  infantilem  Uterus  erhalten.  Dasselbe  differente  Ver¬ 
halten  zwischen  Optik  ( — )  und  Dialyse  (+)  war  bei  einem 
8  Wochen  nach  Abort  wegen  Endometritis  behandelten  Falle 
zu  verzeichnen. 


Soweit  unsere  Resultate,  die  zum  ersten  Male 
in  tabellarischer  Uebersicht  eine  Gegenüberstellung  des 
grösstenteils  gleichzeitig  vorgenommenen  optischen  und  Dialy- 
sierverfahrens  am  gleichen  Material  bringen,  eine  Kontrolle, 
die  nach  Abderhalden10)  die  beste  Gewähr  zur  Sicher¬ 
stellung  der  Diagnose  abgeben  muss.  Konnten  wir  eine  Ueber¬ 
einstimmung  beider  gleichzeitig  angewendeten  Methoden  nur 
61  mal  feststellen,  so  blieben  auch  die  Leistungen  jeder  Me¬ 
thode  für  sich  allein  hinter  den  bislang  von  anderer  Seite 
bekannt  gegebenen  Resultaten  zurück.  Mit  Ausnahme  der 
Arbeiten  von  Abderhalden-Kiutsi  bzw.  -Weil,  han¬ 
delte  es  sich  bisher  in  allen  Publikationen  ausschliesslich  uni 
die  Dialysiermethode.  Da  Abderhalden  sich  in  seinen 
Mitteilungen  fortlaufend  auf  diese  Resultate  stützt,  so  erscheint 
es  geboten,  sie  einer  kritischen  Durchsicht  zu  unterwerfen. 
Leider  aber  entzieht  sich  die  Mehrzahl  dieser  Originalarbeiten 
einer  solchen,  da  nur  einige  [Abderhalden-Kiutsi11). 
Abderhalden12),  Rupert  Franz  und  J  arisch13)]  auf 
Grund  veröffentlichter  Protokolle  einen  Einblick  in  die  Ergeb¬ 
nisse  ihrer  Untersuchungen  und  deren  Anzahl  gestatten, 
während  die  übrigen  sich  zumeist  auf  summarische  Wieder-i 
gäbe  ihrer  mit  „etwa“  oder  „ca.“  angegebenen  Fälle  be¬ 
schränken. 

Berücksichtigen  wir  zuerst  die  mit  der  optischer, 
Methode  erhaltenen  Resultate,  so  treten  tiefgreifende 
Unterschiede  zwischen  den  einzelnenTabellen  zutage.  Während 
in  der  ersten  Veröffentlichung  (Abderhalden-Freund 
Pincussohn)  die  Reaktion  nur  in  den  ersten  Schwanger 
schaftsmonaten  beobachtet  wurde,  findet  sie  sich  in  dei 
2.  Tabelle  (Abderhalden-Kiutsi)  nicht  nur  in  aller 
Monaten,  sondern  in  besonderer  Stärke  in  der  2.  Schwanger 
schaftshälfte.  Im  Gegensatz  hierzu  bringt  die  3.  Tabelk 
(Abderhalden)  wiederum  einen  unverkennbaren  Abfal 
der  Reaktionsintensität,  die  gerade  in  den  beiden  letzten  Mo 
naten  zum  Ausdruck  kommt.  Auch  in  späteren  Mitteilungei 
weist  Abderhalden  auf  das  Abflauen  der  R e a k 
tion  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  hin1*) 
Ganz  analoge  Verhältnisse  ergeben  sich  ebenso  aus  der  vor 
liegenden  Arbeit,  wenn  wir  die  Mittelwerte  der  Spaltung  ii 
den  einzelnen  Monaten  zugrunde  legen  (cf.  Tabelle).  Es  bleib 
also  die  Abderhalden-Kiutsi  sehe  Tabelle  —  und  die 
sei  hier  noch  einmal  besonders  hervorgehoben  —  die  einzige 
welche  ein  ganz  anderes  Ergebnis  bringt  als  die  übrigen. 

Was  das  von  den  meisten  Autoren  ausschliesslich  ange 
wendete  Dialysierverfahren  anlangt,  so  dürfen  di 
Resultate  dieser  Arbeiten  im  Sinne  Abderhaldens  nicl; 
als  gleichwertig  erachtet  werden,  da  sie  grösstenteils  [Ab 
derhalden-Kiutsi,  Frank  und  H  eimann15),  Rupei 
Franz  und  J  a  r  i  s  c  h]  einer  Periode  entstammen,  in  der  m 
Fischblasenkondoms  und  Biuret  gearbeitet  wurde,  eine  Methd 
dik,  die  nach  Abderhalden10),  zumal  in  Händen  weni 
Geübter,  reichliche  Fehlerquellen  in  sich  schliesst.  Dies; 
Zweifel  in  die  Sicherheit  der  Methodik  waren  für  A  b  d  e  r 
h  a  1  d  e  n  ja  auch  die  Veranlassung,  seine  Vorschriften  zu 
Ausübung  des  Dialysierverfahrens  nach  2  Hauptrichtunge 
hin  zu  verschärfen,  indem  er  als  Ersatz  und  Kontrolle  fij 
Biuret  die  leichter  zu  handhabende  Ninhydrinprobe  bei  Ai 
Wendung  der  Diffusionshülsen  No.  579  und  579  a  (Schleiche; 


10)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  36,  S.  1939. 
n)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  77,  H.  4. 

12)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  81,  S.  94. 

13)  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  39,  S.  1442. 

14)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 

15)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  36,  1706. 

18)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  40,  S.  2171;  ferne 
Beiträge  zur  Klinik  der  Infektionskrankheiten  etc.,  Würzburg  191 
S.  243. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


689 


.  April  1913. 

nd  Schüll)  einführte  und  weiterhin  ein  exaktes  Verfahren 
ur  Herstellung  und  Prüfung  der  benützten  Organe  aufstellte. 

In  den  Arbeiten  der  früheren  Periode  von  Rupert  Franz 
nd  J  a  r  i  s  c  h  und  von  Frank-Heimann,  auf  die  Ab¬ 
er  h  a  1  d  e  n  Bezug  nimmt,  muss  es  auffallen,  dass  von  den 
rsteren  wiederum  eine  Steigerung  der  Reaktionsintensität 
egen  Ende  der  Gravidität  betont  und  tabellarisch  registriert 
zird.  die  zu  den  oben  angeführten  Ergebnissen  des  schärferen 
ptischen  Verfahrens  im  Widerspruch  steht.  Auf  der  anderen 
eite  betonen  Frank-Heimann  die  Bedeutungslosigkeit 
radueller  Differenzen  bei  der  Biuretprobe,  deren  Deutung  im 
ositiven  oder  negativen  Sinne  ihnen  zuweilen  Schwierigkeiten 
ereitete,  so  dass  sie  die  Hinzuziehung  sicher  negativer  Kon- 
ollen  fordern.  Wenn  ferner  Rupert  Franz  und  J  arisch 
Fbau  von  Plazentargewebe  durch  Serum  Karzinomkranker 
ereinzelt  feststellen  konnten,  so  muss  nach  den  wiederholten 
(inweisen  Abderhaldens17)  hier  die  Benutzung  schlecht 
usgekochten  Substrates  angenommen  werden,  eine  Annahme, 
ie  mit  Recht  das  Resultat  der  ganzen  Arbeit  in  Frage  ziehen 
önnte,  da  sicherlich  dasselbe  Plazentargewebe  zur  Prüfung 
er  Schwangerensera  gedient  hat. 

Bieten  diese  Arbeiten  aus  der  an  Fehler- 
uellen  reichen  Periode  somit  keine  Gewähr 
iir  verlässliche  Resultate,  so  sind  die  aus 
euerer  Zeit  stammenden  Untersuchungen 
er  Jenenser  Klinik,  die  von  L  i  n  d  i  g  ausgeführt  und 
um  Teil  von  Henkel18)  publiziert  worden  sind,  nicht 
nders  zu  bewerten.  Lindig 1B),  ein  14  tägiger 
chüler  Abderhaldens,  hatte  unvorschriftmässige  Sub- 
:rate  benützt,  wie  Abderhalden  selbst  zeigen  konnte,  der 
im  seine  feuchten  sowohl  wie  trockenen  konservierten  Or- 
ane  abkochte.  Da  aber  Lindig  auch  von  seinem  feuchten 
lazentargewebe  schreibt,  dass  es  „selbstverständlich  vorher 
en  üblichen  Prüfungsmethoden  unterzogen  war  und  sich  als 
mwandfrei  erwies“,  so  muss  leider  auch  der  Wert  seiner 
rsten  Untersuchungen,  die  Henkel  veröffentlicht  hat 18)  und 
ater  denen  sich  „keine  Fehldiagnose“  findet,  starken  Zweifeln 
egegnen,  da  man  doch  nicht  annehmen  kann,  dass  die  Technik 
indigs  bei  seinen  weiteren  Versuchen  nachgelassen  hat, 
relche  Abderhalden  mit  den  Worten  apostrophiert,  dass 
<ein  einziges  Resultat  von  Lindig  Anspruch  auf  Richtigkeit 
'heben“  könne.  Es  ist  nach  alledem  nicht  verständlich,  wie 
bderhalden  sich  auf  die  Angaben  Henkels  stützen 
ann. 

Ungeachtet  dieser  immerhin  zweifei- 
aften  Resultate  der  genannten  Arbeiten 
ragt  es  sich,  ob  die  Abderhaldenschen  Me- 
hoden  in  ihrer  jetzigen  Form  eine  sichere 
erologische  Unterscheidung  zwischen 
chwangeren  und  N  i  c h t s c h w a n g e r e n  zu- 
assen.  Nach  den  Auslassungen  Abderhaldens  und 
e  i  t  s  20)  ist  dies  zutreffend.  Veit  geht  sogar  so  weit,  dass 
r  zurzeit  kein  besseres  differentialdiagnostisches  Mittel  zur 
ntscheidung  zwischen  Extrauterinschwangerschaft  und  Ad- 
extumor  kennt,  als  die  serologische  Methode,  von  deren 
usfall  er  den  Entschluss  zu  operativem  oder  abwartendem 
erhalten  abhängig  macht. 

Dies  steht  im  Gegensatz  zu  Frank  und  H  e  i  m  a  n  n,  die 
iit  Recht  an  der  Hand  von  zwei  einschlägigen  Fällen  darauf 
ufmerksam  machen,  dass  sich  trotz  positiver  Reaktion  eine 
ehldiagnose  bei  der  Operation  heraussteilen  könne,  die  sich 
löglicherweise  durch  einen  stattgehabten  intrauterinen  Abort 
ntschuldigen  liesse.  In  der  jüngsten  Mitteilung  führt  Abder- 
alden21)  einen  ganz  analogen  Fall  von  positiver  Reaktion 
ei  Salpingitis  an,  bei  dem  er  gleichfalls  die  Frage  eines 
bortes  offen  lässt,  andererseits  es  aber  auch  für  denkbar 
alt,  „dass  die  Zellen  des  Uterus  in  einem  Zu- 
■and  der  Störung  sich  befanden  und  Stoffe  an  das  Blut  ab- 
aben,  die  diesem  fremd  waren“.  Mit  dieser  E  r  - 


*')  Vergl.  besonders  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  9, 

.  463. 

18)  Archiv  f.  Gyn.,  Bd.  99,  H.  1. 

16)  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  6,  S.  288. 

*°)  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.,  Bd.  72,  H.  2,  S.  463. 

21)  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  9,  S.  463. 

No.  13. 


klärung  allerdings  wird  die  Möglichkeit  einer 
Fehldiagnose  auf  Schwangerschaft  offen  zu¬ 
gestanden. 

Unter  zwei  weiteren  Fällen  von  A.  Mayer  **)  fiel  ge¬ 
rade  „im  klinisch  sicheren  Fall  von  Extrauteringravidität  die 
Serumdiagnose  merkwürdigerweise  negativ  aus“,  so  dass  er 
angesichts  dieser  Erfahrung  bei  dem  zweiten  „klinisch  frag¬ 
lichen,  anatomisch  aber  sicheren  Fall“  kein  grosses  Vertrauen 
zu  dem  positiven  Ausfall  der  Reaktion  hatte.  —  Aus 
unserem  Material  seien  schliesslich  die  7  Fälle 
(3  Extrauterinschwangerschaften  und  4  Ad¬ 
nextumoren)  erwähnt.  Unter  den  drei  ersteren  ge¬ 
lang  nur  ein  einziges  Mal  der  positive  Nachweis,  obschon  in 
allen  drei  Fällen  das  optische  Verfahren  zur  Anwendung  kam, 
während  von  den  4  Adnextumoren  in  einem  Fall  die 
Dialyse  bei  gleichzeitig  negativer  Optik  ein  positives  Resultat 
gab,  in  dem  anderen  aber  beide  Verfahren 
einen  positiven  Bescheid  gaben.  Der  letztere 
ist  um  so  bemerkenswerter,  als  nicht  nur 
durch  die  Operation  (eitrige  Salpingitis)  als 
auch  durch  die  mikroskopische  Untersuchung 
der  a u s g e s c h a b t e n  U t e r u s s c h 1 e  i  m  h a u t  eine 
Gravidität  vollkommen  ausgeschlossen  wer¬ 
den  konnte.  Noch  einen  Fall  von  positiver  Dialyse,  aber 
negativer  Optik  hatten  wir,  wie  erwähnt,  bei  einer  jungen 
Amenorrhoischen  mit  infantilem  Uterus  zu  verzeichnen. 

Wenn  Abderhalden  geneigt  ist,  auch  neuerdings  die 
Versager  bei  dem  Dialysierverfahren  fast 
durchgehends  mit  mangelhafter  Technik  zu  erklären,  so  fällt 
es  nur  auf,  dass  er  sich  unablässig  lediglich  den  positive  Re¬ 
sultate  veranlassenden  Fehlerquellen  zuwendet,  auf  die  trotz 
bestehender  Gravidität  erhaltenen  negativen  indessen  weniger 
eingeht.  Wie  die  ersteren  möglichst  zu  vermeiden  seien, 
müsste  nach  den  nachgerade  hinreichend  häufig  wiederholten 
Vorschriften  Abderhaldens  nunmehr  allseitig  bekannt 
sein.  —  Die  Frage  nach  den  die  negativen  Resultate  mit  sich 
bringenden  Fehlerquellen  führt  uns  auf  die  Unzuläng¬ 
lichkeit  der  Dialysiermembranen,  die  jeder,  der 
«ich  mit  dieser  Methode  befasst,  empfunden  haben  wird 23). 
So  schreibt  beispielsweise  Fauser 24),  dass  ihm  trotz  vor¬ 
heriger  Prüfung  der  Hülse  bei  ein  und  demselben,  am  gleichen 
Tage  von  zwei  verschiedenen  Untersuchern  geprüften  Serum 
Differenzen  auffielen,  die  nur  auf  verschiedener  Durchlässig¬ 
keit  basieren  konnten,  ein  Uebelstand,  der  sich  bei  Anwesen¬ 
heit  nur  ganz  geringer  Mengen  von  Schutzfermenten  störend 
geltend  macht. 

Wie  ist  es  aber  mit  den  negativen  Resultaten 
bestellt,  die  auch  mit  dem  schärferen  Verfahren 
der  optischen  Methode  ab  und  zu  Vorkommen? 
Gründliche  Sachkenntnis  in  der  Peptonbereitung  und  Be¬ 
herrschung  der  optischen  Technik  vorausgesetzt,  können  tech¬ 
nische  Fehler  nur  in  den  eingangs  ausführlich  aufgezählten 
Ursachen  gesucht  werden.  —  Müssen  aber  tatsächlich  alle  Ver¬ 
sager  allein  der  Methodik  zur  Last  gelegt  werden?  Könnte 
nicht  ein  Teil  der  Fehlerquellen  auch  durch  verschiedene  Be¬ 
schaffenheit  der  zur  Untersuchung  kommenden  Blutproben 
bedingt  sein?  Dass  hierbei  das  Alter  steril  konservierter  Sera 
keine  ausschlagegebende  Rolle  spielt,  konnten  wir  im  Laufe 
unserer  Untersuchungen  zeigen.  Vielmehr  müsste  an  die 
wechselnde  Zusammensetzung  des  Blutes  an 
verschiedenen  Orten  und  zu  verschiedenen 
Zeiten  bei  ein  und  demselben  Individuum  ge¬ 
dacht  werden.  Dahingehende  Untersuchungen  sind  bereits  im 
Gange. 

In  Würdigung  aller  genannten  Fehlerquellen  müsste  ein 
serodiagnostischer  Versuch,  der  nach  der  heutigen  Sachlage 
allen  Anforderungen  genügt,  in  nachstehender  Weise  zur  Aus¬ 
führung  gelangen,  wie  sehr  dabei  auch  das  ganze  Verfahren 
an  Umständlichkeit  zunehmen  mag. 

a)  Blutentnahme,  nüchtern,  womöglich  vor  dem 
ersten  Früstück;  ca.  20  ccm  aus  der  Kubitalvene;  steriles 


S2)  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.  1913,  Bd.  37,  H.  3,  S.  366. 
■i)  Zurzeit  ist  C.  B  r  a  h  m  mit  der  Prüfung  von  Dialysierhiilsen 
aus  verschiedenartigem  Material  beschäftigt. 

24)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1913,  No.  7. 


2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


690 


Reagensglas.  Ruhiges  Absetzenlassen  des  Serums  im  Eis¬ 
schrank.  Abgiessen  und  kräftiges  Zentrifugieren  des  Serums. 
Getrübte  und  hämolytische  Sera  sind  zu  verwerfen. 

b)  Optische  Methode:  Benutzung  von  minde¬ 
stens  zwei  verschiedenen  mit  Hefepresssaft  ge¬ 
prüften  und  tauglich  befundenen  Plazentarpeptonen  in 
5  proz.  Lösung. 

Ansetzen  von  drei  Polarisationsröhren: 

1.  0,7  Pepton  1  +  1,4  Serum. 

2.  0,7  Pepton  II  +  1,4  Serum, 

3.  0,7  physiologische  Kochsalzlösung  +  1,4  Serum. 

Ablesen  alle  4 — 6  Stunden,  Beobachtungszeit  maximal 

48  Stunden. 

c)  Dialysier  verfahren:  Benutzung  der  Diffusions¬ 
hülsen  von  Schleicher  &  Schüll  No.  579  und  579  a,  die  sich 
adialysabel  für  Eiweisslösung  (5  proz.  Eiereiweisslösung)  und 
genügend  dialysabel  für  Seidenpepton  mittels  der  Biuret-  und 
Ninhydrinreaktion  erweisen.  Das  zur  Verwendung  gelangende 
Plazentargewebe  muss  den  verschärften  Anforderungen  Ab¬ 
derhaldens  (vgl.  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  9, 
S.  463)  vollkommen  entsprechen  und  wird  vor  jedem  Versuch 
erneut  auf  „Reinheit“  geprüft.  Ansetzen  von  mindestens 
4  Hülsen  gegen  je  20  ccm  Wasser  unter  Beobachtung  der 
Abderhalden  sehen  Kautelen : 

I.  1,5  Serum  +  0,5 — 1,0  g  Plazentargewebe. 

II.  1,5  Serum  +  0,5 — 1,0  g  Plazentargewebe  (zur  Siche¬ 
rung  gegen  interkurrente  Hülsenmängel), 

III.  1,5  Serum. 

IV.  1,0  Serum +  0,5 — 1,0  g  Plazentargewebe  (zur  weiteren 
Sicherung  nach  Abderhalden  in  Berücksichtigung 
der  Sera  mit  einem  hohen  Gehalt  an  dialysablen 
Stoffen). 

Nach  16 — 24  ständigem  Stehen  im  Brutschrank  Vornahme 
der  Biruet-  und  Ninhydrinreaktion. 

Man  bedarf  bei  gleichzeitiger  Anwendung  beider  Me¬ 
thoden  zum  wenigsten  10  ccm  Serum. 


Mögen  der  serologischen  Untersuchungsmethodik  in  ihrer 
augenblicklichen  Gestalt  auch  noch  mancherlei  Mängel  an¬ 
haften,  ist  auch  das  Ziel  der  sicheren  Schwangerschafts¬ 
diagnose,  wie  dies  bereits  bei  oberflächlicher  Literaturdurch¬ 
sicht  angenommen  werden  könnte,  noch  nicht  erreicht,  die 
wissenschaftliche  Bedeutung  der  Frage  wird  dadurch  in  keiner 
Weise  geschmälert.  Denn  gerade  die  trotz  bester  Technik 
bisher  erzielten  ungleichen  Resultate  im  Vergleich  sowohl  der 
beiden  Methoden  untereinander  wie  zum  klinischen  Befund 
geben  den  Ansporn  zum  weiteren  Studium  und  Ausbau  des 
interessanten  Problems,  wodurch  auch  die  praktische  Seite  der 
Frage  zu  besserem  Rechte  gelangen  dürfte.  Nur  in  der  Un¬ 
zufriedenheit  mit  dem  Erreichten  liegt  der  Fortschritt. 


Aus  dem  pharmakologischen  Institut  der  Universität  Graz. 

Ueber  die  Abhängigkeit  experimentell-diabetischer 
Störungen  von  der  Kationenmischung. 

Vorläufige  Mitteilung. 

Nach  Versuchen  mit  cand.  med.  W  e  s  e  1  k  o. 

Von  O.  L  o  e  w  i. 

Die  alte  Annahme,  dass  beim  Diabetes  die  Zuckerver¬ 
brennung  gehemmt  sei,  hat  in  neuerer  Zeit  eine  wesentliche 
Stütze  erhalten  durch  den  Befund,  dass  isolierte,  künstlich 
durchströmte  Organe  diabetischer  Tiere  gegenüber  denen 
normaler  nur  minimale  Mengen  des  ihnen  in  der  Durchströ¬ 
mungsflüssigkeit  —  Blut  oder  Ringer-Locke  - Lösung  — 
angebotenen  Zuckers  verbrauchen.  Dieser  Nachweis  liess  sich 
erbringen  für  die  Herzen  sowohl  patikreas-  wie  adrenalin¬ 
diabetischer  Tiere  (Hamburger,  S  t  a  r  1  i  n  g,  W  i  1  e  n  k  o). 

Die  nächste  Frage  war,  ob  die  unter  solch  einfachen  Be¬ 
dingungen  zu  beobachtende  Störung  des  Zuckerverbrauches 
sich  etwa  beheben  lasse:  bei  pankreasdiabetischen  Herzen 
konnte  Starling  in  der  Tat  durch  Zusatz  von  Pankreas¬ 


extrakt  zur  Durchströmungsflüssigkeit  einen  ansehnlicher 
Zuckerverbrauch  herbeiführen. 

Ich  untersuchte  nun  in  der  gleichen  Absicht  den  Einfluss 
des  Zusatzes  von  Adrenalin  zur  Durchströmungsflüssigkeit,  d; 
dies  bei  normalen  Herzen  den  Zuckerverbrauch  steigen 
(W  i  1  e  n  k  o) :  es  stellte  sich  heraus,  dass  hierdurch  de; 
Zuckerverbrauch  adrenalindiabetischer  Kaninchen  wie  pan 
kreasdiabetischer  Katzenherzen  in  der  Tat  gesteigert  und  zwai 
ebenso  gross  wird  wie  der  normaler. 

Dies  Ergebnis  veranlasste  mich,  den  Einfluss  weiterei 
Bedingungen  zu  prüfen,  die  die  Herzarbeit  steigern.  Nun  ist 
bekannt,  dass  bestimmte  Aenderung  der  Zusammensetzung 
der  Durchströmungsflüssigkeit  in  dieser  Richtung  wirkt:  ii 
T  y  r  o  d  e  scher  Flüssigkeit  ‘)  schlagen  die  Herzen  wesentlich 
besser  als  in  R  i  n  g  e  r  -  L  o  c  k  e  scher  2);  es  stellte  sich  in  der 
Tat  heraus,  dass  der  Zuckerverbrauch  normaler  Herzen  siel ! 
hebt  und  dass  adrenalin-  und  pankreasdiabetische  Herzen  be 
Durchströmung  mit  T  y  r  o  d  e  scher  Flüssigkeit  genau  so  vie 
Zucker  verbrauchen,  wie  normale,  die  diabetische  Störung 
also  gar  nicht  in  Erscheinung  tritt 3). 

Die  im  vorigen  mitgeteilten  Beobachtungen  über  Auf¬ 
hebung  der  Zuckerverbrauchstörung  beziehen  sich  auf  Be¬ 
dingungen,  unter  denen,  wie  wir  sahen,  der  Zuckerverbraucl 
auch  des  normalen  Herzens  ansteigt.  Zu  einem  hiervon  völlig 
verschiedenen  Ergebnis  gelangte  ich  im  Laufe  der  Unter- 
suchung  der  Faktoren,  die  den  Wirkungsunterschied  zwischen 
Ringer -  Locke  und  T  y  r  o  d  e  scher  Flüssigkeit  bedingen 
Von  den  in  dieser  Richtung  angestellten  Versuchen  seien  vor 
läufig  nur  diejenigen  mitgeteilt,  in  denen  der  Erfolg  der  Durch 
Strömung  mit  Locke  scher  Lösung  mit  0,04  proz.  Kalium 
chlorid  verglichen  wurde  mit  dem  einer  solchen  mit  0,02  proz 
Kaliumchlorid,  d.  i.  dem  Gehalt  der  Ty  rode  sehen  Lösung 
Vorauszuschicken  ist,  dass  in  diesen  Versuchen  Unterschiede 
in  Frequenz,  Kontraktion  und  Durchflussmenge  nicht  erkenn 
bar  waren. 


Art  der  Lösung 

Zustand  des 
Kaninchen 

In  den  einzelnen  Versuche 
verbrauchter  Zucker  pro 
Gramm  Herz  und  Stunde 
in  mg 

Locke  mit  0,04  proz.  KCl 

«> 

normal 

diabetisch 

2,6 

0,4 

2,2 

1,4 

2,2 

0,7 

Locke  mit  0,02 proz.  KCl 

normal 

diabetisch 

2,7 

3,9 

2,1 

2,3 

3,1 

3,0 

2,8 

Durch  Herabsetzung  der  Kalikonzentraj 
tion  wird  also  der  Zuckerverbrauch  nor 
maler  Kaninchen  herzen  gar  nicht  geändert; 
wohl  aber  der  herabgesetzte  diabetische 
Herzen  zur  Norm  —  eventuell  sogar  darüber  hinaus 
gehoben.  Wir  sind  also  imstande,  lediglich  durch  Aende 
rung  der  Kalikonzentration  eine  Störung  des  Zuckerverbraucl: 
diabetischer  Herzen  hervorzurufen  oder  zu  hemmen.  Da  beini 
normalen  Herzen  Aenderung  der  Kalikonzentration  innerhall: 
der  gleichen  Grenzen  ohne  Einfluss  auf  den  Zuckerverbraucl 
ist,  existiert  also  beim  diabetischen  eine  spe 
zifische  Empfindlichkeit  für  Kali.  Welche  Roll' 
sie  beim  Diabetes  spielt,  ob  sich  etwa  Konsequenzen  für  di' 
Therapie  4)  daraus  ergeben,  oder  ob  sie  nur  für  die  von  un 
untersuchte  Störung  des  Zuckerverbrauches  gilt,  das  zu  ent! 
scheiden  ist  Aufgabe  der  weiteren  bereits  von  mir  in  Angrii 
genommenen  Untersuchungen. 


Q  NaCl  0,8  Proz.,  KCl  0,02  Proz.,  CaCb  0,02  Proz.,  MgC 
0,01  Proz.,  NalLPCh  0,005  Proz.,  NaHCCb  0,1  Proz.,  Glukose  0,1  Pro; 

2)  NaCl  0,9  Proz.,  KCl  0,042  Proz.,  CaCh  0,024  Proz.,  NaHCÖ 
0,02  Proz.,  Glukose  0,1  Proz. 

3)  Ich  lasse  die  Frage  noch  offen,  ob  die  Wirkung  von  Adrenalin 
zusatz  und  Tyrodelösung  auf  den  Zuckerverbrauch  Folge  der  durc; 
sie  bedingten  mechanischen  Funktionssteigerung  des  Herzens  ist 
bereits  von  anderer  Seite  vorliegende  und  von  mir  angestellte  Be 
obachtungen  lassen  einen  derartigen  Zusammenhang  als  im  höchste 
Mass  zweifelhaft  erscheinen.  Es  ist  z.  B.  der  Zuckerverbrauch  eine 
infolge  Kalziumentzuges  nicht  schlagenden  Herzens  ebenso  gros 
wie  der  eines  normal  schlagenden. 

4)  Es  liegt  natürlich  nahe,  daran  zu  denken,  dass  die  natron 
haltigen  Quellen  durch  Kaliaustreiburig  wirken  könnten  u.  dergl.  meli 


t 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


m 


]  \pril  1913. 


V  der  Professor  Dr.  V  u  1  p  i  u  s  sehen  orthopädisch-chirur¬ 
gischen  Klinik  in  Heidelberg. 

Ueber  die  Arthrodese  des  Hüftgelenkes. 

Von  Professor  Dr.  Oskar  V  u  1  p  i  u  s. 

Ueber  Berechtigung  und  Wert  der  Arthrodesenoperationen 
die  Ansichten  noch  recht-  geteilt.  Vielleicht  ist  es  nur 
Arthrodese  des  Schultergelenkes,  deren  Ausführung  auch 
,  hi  im  Kindesalter  als  berechtigt  allseitig  anerkannt  worden 
,  nachdem  meine  Publikationen  die  glänzenden  Erfolge  dar¬ 
an  haben,  welche  durch  kein  anderes  Verfahren  auch  nur 
inhernd  zu  erreichen  sind.  Die  günstigen  Erfolge  der 

■  ulterathrodese,  die  in  keinem  geringeren  als  Lorenz 
i  n  warmen  Fürsprecher  gefunden  hat,  sind  bekanntlich 
;  uif  zurückzuführen,  dass  durch  die  Ankylosierung  des  Ge- 
.  es  eine  Uebertragung  der  Bewegungen  des  Schultergürtels 
i  den  Arm  möglich  wird.  Aehnlich  liegen  die  Verhältnisse 
ines  Erachtens  für  die  Arthrodese  des  Hüftgelenkes.  Die 
.  mung  des  einen  Hüftgelenkes  ist  allerdings  für  die  Geh- 
i  gkeit  des  Patienten  nicht  so  verhängnisvoll,  wie  man  zu- 
;  ist  wohl  glauben  möchte.  Der  Kranke  lernt  allmählich,  das 
1  i  vorzuschleudern  und  sich  über  dasselbe  wegzubalan- 
i  cn  während  des  kurzen  Momentes,  in  welchem  es  beim 
i  en  als  Standbein  dienen  muss.  Hat  dagegen  die  Lähmung 

e  Hüftgelenke  befallen,  so  ist  damit  das  Gehen  unmöglich 
rorden,  das  Becken  und  mit  ihm  der  Rumpf  fällt  hilflos 
;  i  vorne  und  nach  der  Seite. 

Wohl  ist  es  möglich,  mit  Hilfe  eines  Apparates  auch  solche 
iwergelähmte  zum  Gehen  zu  bringen.  Ich  habe  in  einer 

■  eren  Publikation  ein  Hüftscharnier  beschrieben,  welches 
i  r  Umständen  eine  annehmbare  Gehfähigkeit  herzustellen 
t  nag.  Ein  solcher  Apparat  ist  aber  ganz  abgesehen  von 
.  em  Gewicht  für  Arme  unerschwinglich. 

Hier  ist  darum  die  Hüftarthrodese  eine  unzweifelhaft  wert- 
ce  Operation.  Man  hat  sich  lange  vor  diesem  Eingriff  ge- 
::ut,  welcher  in  der  Tat  in  der  früher  gelegentlich  emp- 
>enen  Form  geeignet  war,  Abneigung  zu  erregen.  Dol- 
iger  hatte  vom  Trochanter  aus  eine  lange  Schraube  durch 
1 ;  und  Kopf  des  Femur  bis  in  das  Becken  vorgeschoben, 
i:h  einen  inguinalen  Schnitt  den  Pfannenboden  an  der  Innen- 
i  ie  des  Beckens  freigelegt  und  die  hier  hervortretende 
i  raube  durch  eine  Mutter  gesichert. 

Eine  Serie  von  Hüftarthrodesen  hat  mich  überzeugt, 
u  die  Ankylosierung  des  Hüftgelenkes  auf  wesentlich  ein- 
i  erem  und  ungefährlichem  Wege  sicher  erreicht  werden 
Die  von  mir  geübte  Technik  ist  folgende-. 

Von  dem  Langenbeck  sehen  Resektionsschnitt  aus  wird  die 
t-nkkapsel  freigelegt  und  vom  Schenkelhals  bis  zum  Rand  des 
?abulum  gespalten.  Unter  Adduktionsstellung  des  Hüftgelenkes 
)  mit  spitzem  Skalpell  oder  mit  dem  Tenotom  das  Ligamentum 
1  durchschnitten.  Nachdem  der  Kapselansatz  am  Schenkelhals 
?  gend  gelöst  ist,  gelingt  die  Luxation  des  Kopfes  sehr  leicht, 
^terer  wird  nun  allseitig  gründlichst  angefrischt.  Daraui  wird  die 
i  ne  mit  grossem  scharfem  Löffel  ihres  Knorpelüberzuges  voll- 
Uig  beraubt.  Menciere  hat  empfohlen,  die  entstandenen 
i  :hen-  bezw.  Knorpelwundflächen  mit  konzentrierter  Karbolsäure 
i  -etupfen  und  mit  absolutem  Alkohol  reichlich  nachzuspülen.  Er 
i  hierdurch  eine  aseptische  Entzündung  erzielen  und  dadurch  das 
eten  der  Ankylose  begünstigen.  Meine  Erfahrungen  haben  mich 
•  irt,  (Jass  diese  Komplikation  nicht  nötig  ist,  wenn  anders  man  die 
i  ischung  gründlich  besorgt  hat.  Ist  letzteres  geschehen,  so  wird 
;  Kopf  reponiert.  Irgendwelche  Knochennaht  wird  nicht  verge¬ 
ben,  sondern  Kapsel,  Muskulatur,  Faszie  und  Haut  in  Etagen 

■  äht.  Ein  Gipsverband,  der  das  ganze  Bein  und  den  Rumpf  bis 
:  Rippenbogen  umfasst,  stellt  das  Gelenk  für  3 — 4  Monate  fest, 
empfiehlt  sich,  als  Stellung  des  Hüftgelenkes  eine  ganz  leichte 
1  iktion  und  geringe  Aussenrotation  zu  wählen,  weil  gelegentlich 
1  ung  zu  Adduktions-  und  Innenrotationskontraktur  beobachtet 
Jen  ist.  Eine  stärkere  Abduktion  ist  zu  vermeiden,  weil 
>zu  scheinbarer  Verlängerung  des  Beines  und  damit  zu  einer 
(Störung  führen  würde. 

Das  Ergebnis  ist  fast  ausnahmslos  eine  sehr  feste  fibröse 
e  knöcherne  Ankylose  des  Gelenkes.  Die  Funktion  des 
’ies  wird  sehr  erheblich  gebessert:  statt  des  früheren  Vor- 
^euderns  wird  jetzt  ein  langsames  Vorheben  des  Beines 
‘n  Gehen  möglich.  Das  seitliche  Einsinken  des  Beckens, 

:  Trendelenburg  sehe  Phänomen  ist  verschwunden. 

1  Körperlast  wird  von  dem  Bein  ohne  Schwierigkeit  ge- 
Len.  Der  Patient  ist  imstande,  in  Rückenlage  das  Bein 


mehr  und  mehr  von  der  Unterlage  zu  heben.  Da  dies  auch 
in  Fällen  möglich  wird,  wo  keine  Spur  von  Psoasfunktion 
nachweisbar  war,  so  muss  die  Elevation  des  Beines  durch 
Beckenflexion  und  zwar  vor  allem  mit  Hilfe  der  Bauch¬ 
muskeln  zustande  kommen.  Diese  werden  ganz  in  der  gleichen 
Weise  für  ihre  neue  Aufgabe  geübt,  wie  wir  dies  bei  der 
Schultergürtelmuskulatur  nach  ausgeführter  Schultergelenk¬ 
arthrodese  zu  beobachten  Gelegenheit  haben.  Trotz  der  Ver¬ 
steifung  des  Hüftgelenkes  in  Streckung  oder  ganz  geringer 
Flexion  ist  der  Patient  durch  ausgiebige  Kyphosierung  der 
Lendenwirbelsäule  imstande,  zu  sitzen. 

Auf  Grund  meiner  Erfahrungen  möchte  ich  mindestens  bei 
Fällen  von  doppelseitiger  Hiiftlähmung  die  Arthrodese  des 
einen  Gelenkes  durchaus  empfehlen  und  bin  überzeugt,  dass 
die  Erfolge  die  Berechtigung  der  Hüftgelenkarthrodese  mit  der 
Zeit  ebenso  dartun  werden,  wie  dies  für  das  Schultergelenk 
der  Fall  ist.  Ein  Blick  auf  die  nebenstehenden  Abbildungen 


überzeugt  wohl  besser  und  schneller  von  den  erstaunlichen 
Erfolgen  einer  gelungenen  Hüftarthrodese  als  die  längste  Be¬ 
schreibung.  Sie  stammen  von  einem  10  Jahre  alten  Mädchen, 
welches  wegen  überaus  schwerer  Lähmung  in  meine  Behand¬ 
lung  kam.  Das  funktionelle  Resultat  der  Hüftgelenkarthrodese, 
das  den  Bildern  zu  entnehmen  ist,  lässt  in  keiner  Hinsicht  zu 
wünschen  übrig. 


Aus  der  akademischen  Klinik  für  Hautkrankheiten  in  Düsseldorf. 

Die  Anwendungsart  des  Salvarsans  und  Neosalvarsans, 
Infusion  oder  Injektion? 

Von  Dr.  Carl  Stern,  Direktor  der  Klinik. 

Nachdem  das  Salvarsan  seine  Existenzberechtigung  in  der 
Therapie  der  Syphilis  erwiesen  hat,  liegt  es  nahe,  nach  An¬ 
wendungsmöglichkeiten  zu  suchen,  die  eine  allgemeine 
Verbreitung  der  neuen  Therapie  gewährleisten.  Solange 
wir  uns  noch  im  Stadium  der  Prüfung  des  Mittels  befanden, 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13 


692 


erschien  es  gerechtfertigt,  den  mitten  in  der  ärztlichen  All- 
gemeinpraxis  stehenden  Kollegen  vor  der  Anwendung  des 
Salvarsans  zu  warnen,  denn  die  Zufälle  mannigfacher  Art,  die 
wir  selbst  in  bestgeleiteten  Kliniken,  sei  es  durch  den  „Wasser¬ 
fehler“,  sei  es  durch  die  von  mir  besonders  betonte  Gefahr  der 
„Ueberalkaleszierung“  beobachteten,  mussten  den  Allgemein¬ 
praktiker  vor  der  Anwendung  des  Salvarsans  in  Form  der 
intravenösen  Infusion  zurückschrecken  lassen.  Heute  ist  das 
anders,  heute  sind  wir  über  das  Stadium  der  „Kinderkrank¬ 
heiten“  des  neuen  Mittels  hinaus  und  können  sagen,  dass  wir 
die  Technik  so  beherrschen,  dass  Zufälle  unerwünschter  Art 
so  gut  wie  völlig  ausgeschlossen  sind.  Unter  diesen  Um¬ 
ständen  halte  ich  es  bei  der  grossen  Verbreitung  der  Syphilis 
und  der  trotz  aller  Warnung  und  „Aufklärung“  noch  nicht 
abnehmenden  Zahl  der  Neuinfektionen  für  geboten,  im  Kampfe 
gegen  die  Lues  die  in  der  allgemeinen  Praxis  stehenden 
Kollegen  mehr  heranzuziehen,  als  es  in  unserer  Zeit  der 
„Spezialisierung“  an  manchen  Orten  geschieht.  Aus  diesen 
Erwägungen  heraus  habe  ich  eine  Methodik  auszubilden  ge¬ 
sucht,  die  auch  dem  mitten  in  der  Praxis  stehenden  Kollegen 
die  Anwendung  des  Salvarsans  bezw.  Neosalvarsans  gestattet. 
Vorbedingung  ist:  1.  Kenntnis  der  Grundlagen  der  Asepsis. 
2.  Kenntnis  der  Technik  einer  intravenösen  Injektion.  Ich 
sage  Injektion  und  nicht  Infusion,  denn  die  von  uns  an¬ 
gewandte  Technik  stellt  in  der  Tat  nicht  mehr  eine  „Infusion“ 
vor,  sondern  bedeutet  nichts  anderes,  als  die  Einspritzung 
des  Medikamentes  in  eine  Vene.  Ich  habe  die  Technik  sowohl 
in  der  Klinik  als  in  der  Privatpraxis  seit  über  einem  Jahr  an 
über  tausend  Injektionen  ausprobiert  und  kann  sagen,  dass 
dieselbe  verblüffend  einfach  ist,  besonders  seitdem  wir  aus¬ 
schliesslich  „Neosalvarsan“  anwenden. 

Man  benötigt,  wenn  es  sich  um  Salvarsananwendung  handelt, 
folgende  Dinge : r 

a)  Ein  E  rj  e  n  m  e  y  e  r  sches  Kölbchen  von  300 — 500  g  Inhalt, 
b)  ein  auskochbares  Glasgefäss  von  20  g  (dazu  kann  jedes  Pillenglas 
verwendet  werden),  c)  eine  Rekordspritze  von  10g. 

Wendet  man  Neosalvarsan  an,  so  fällt  b)  fort.  Nach  meinen 
neueren  Erfahrungen  wende  ich  ausschliesslich  Neosalvarsan  an. 
Letzteres  ist  bekanntlich  in  Wasser  löslich.  Zur  Lösung  benutze  ich 
5 — 10g  Leitungswasser,  das  ich  mir  im  Erlenmeyer  über  Gas 
oder  Spiritusflamme  einmal  gründlich  aufkoche  (5  Minuten).  Das 
Kölbchen  ist  bis  zum  Gebrauch  mit  Wattepfropf  verschlossen.  Das 
gekochte  Wasser  muss  zum  Gebrauch  abgekühlt  sein,  kann  also 
1 — 2  Stunden  nach  dem  Kochen  gebraucht  werden  oder  muss  unter 
der  Wasserleitung  abgekühlt  werden.  Zur  Injektion  darf  die  Flüssig¬ 
keit  nicht  über  30°  warm  sein.  In  die  vorher  mit  Alkohol  absolutus 
ausgespritzte  und  gut  lufttrocken  gemachte  bezw.  ausgekochte  Re¬ 
kordspritze  schüttet  man,  während  man  das  untere  Ende  mit  dem 
Finger  zuhält,'  5—8  g  des  gekochten  Wassers,  nachdem  man  un¬ 
mittelbar  zuvor  das  Neosalvarsanröhrchen  mit  der  Feile  geöffnet 
hat.  Das  Salz  wird  sofort  in  die  Rekordspritze  geschüttet,  der 
Spritzenstempel  darauf  gesetzt  und  nun  i  n  der  Spritze  die  Lösung 
durch  mehrfaches  Hin-  und  Herschütteln  erzielt.  Die  Lösung  des 
Neosalvarsans  geht  somit  unter  Luftabschluss  vor  sich  und  erfolgt 
in  V\ — A  Minute.  Man  muss  so  lange  warten,  bis  alle  Brockel 
gelöst  sind,  was  durch  häufiges  Schütteln  der  Spritze  bequem  er¬ 
reicht  wird.  Die  Einspritzung  erfolgt  in  die  Armvene,  die  durch 
Bindentour  vorher  eben  gestaut  ist.  Kurz  zusammengefasst  ist  der 
Gang  der  Dinge  also  folgender:  Der  Patient  wird  auf  einem  Opera¬ 
tionstisch  flach  mit  entblösstem  Arm  gelagert.  Das  Gebiet  der  Ellen¬ 
beuge  wird  mit  Alkohol  gesäubert.  Um  den  Oberarm  wird  eine 
Staubinde  leicht  umgelegt,  so  dass  der  Radialpuls  noch  gut  zu  fühlen 
ist.  Das  Neosalvarsanröhrchen  wird  mit  der  Feile  geöffnet  und 
bequem  erreichbar  hingelegt.  Mit  der  linken  Hand  nimmt  der  Arzt 
die  Rekordspritze,  deren  untere  Oeffnung  er  mit  dem  Finger  ver- 
schliesst.  ln  die  Spritze  werden  5 — 8  g  des  gekochten  Wassers  ge¬ 
schüttet  und  in  dieses  Wasser  das  Neosalvarsan.  Die  Lösung  wird 
durch  mehrfaches  Schütteln  erzielt.  Die  fertige  Spritze  wird  mit  der 
Nadel  armiert  und  in  die  rechte  Hand  genommen.  Die  gut  sichtbare 
oder  fühlbare  Vene  wird  (während  der  Stauschlauch  noch  liegt)  ange¬ 
stochen  und  der  Spritzenstempel  ein  wenig  zurückgezogen. 
Dann  muss  ein  Blutstrahl  in  die  Spritze  dringen  als  Beweis,  dass  die 
Nadel  gut  in  der  Vene  liegt.  Während  man  nun  die  Spritze  un¬ 
verändert  liegen  lässt,  löst  man  mit  der  linken  (freien)  Hand  den 
Stauschlauch  und  spritzt  nun  langsam  die  Lösung  ein.  Die  In¬ 
jektion  verursacht,  wenn  man  darauf  achtet,  dass  die  Nadel  gut  in 
der  Vene  liegt,  was  ja  aus  dem  beim  Anziehen  des  Stempels  ein¬ 
tretenden  Blutstrahl  erkennbar  ist,  keinerlei  Schmerzen.  Ist 
dies  der  Fall  oder  bildet  sich  an  der  Injektionsstelle  eine  Quaddel, 
so  hat  die  Nadel  sich  verschoben  und  die  Flüssigkeit  dringt  in  das 
subkutane  Gewebe.  Dieser  Zwischenfall  ist  deshalb  unerwünscht, 
weil  der  Patient  bei  dieser  „subkutanen  Injektion“  einige  Tage  er¬ 
hebliche  Schmerzen  an  der  Injektionsstelle  bekommt,  die  Umschläge 


und  Narkotika  erheischen.  Ueble  Nachwehen  habe  ich  nach  den  un 
freiwilligen  subkutanen  Injektionen  von  Neosalvarsan  sonst  nicht  gu 
sehen.  Nebenbei  bemerken  will  ich,  dass  in  einzelnen  Fällen  du 
intramuskuläre  Injektion  in  Frage  kommen  kann.  Die  intravenös, 
verdient  aber  ganz  entschieden  den  Vorzug. 

Die  beschriebene  Technik  gilt,  wie  ich  wiederholt  bemerke,  n  u  i 
für  Anwendung  des  Neosalvarsans.  Beim  Salvarsn 
ändert  sie  sich  insofern,  als  man  die  s  a  u  r  e  Lösung  des  Salvarsans  ii 
Wasser  in  der  konzentrierten  Form  nicht  ohne  weiteres  injizierei 
darf,  jedenfalls  fehlen  mir  hierüber  Erfahrungen.  Wenn  ich  auch  jd 
mehreren  Hunderten  von  Injektionen  das  Präparat  in  saurer  Lösuiij, 
injiziert  habe,  so  handelte  es  sich  hierbei  um  Infusionen  mi 
stark  verdünnter  (mit  250 g  Kochsalz)  Lösung.  Wil 
man  Altsalvarsan  anwenden,  so  muss  aus  der  sauren  Lösung  durch 
Natronlauge  das  Natronsalz  ausgefällt  werden.  Die  Zubereitung 
der  Injektionsflüssigkeit  erfolgt  dann  in  folgender  Weise:  Man  lös! 
in  dem  ausgekochten  Pillenglas  das  Salvarsan  in  5 — 8  g  Wasser 
Nach  völliger  Auflösung  des  Salzes  setzt  man  tropfenweise  von  e:ne| 
ISproz.  Natronlauge  10  Tropfen  zu.  Hierbei  tritt  in  der  anfangs 
völlig  klaren  Salvarsanlösung  eine  Ausfüllung  ein,  die  sich  bei 
kleineren  Dosen  (0,3  und  0,4)  schon  bei  8  Tropfen  der  Natronlauge 
wieder  zu  einer  klaren  Lösung  auflöst.  Ist  das  der  Fall,  so  ist  ditj 
Injektionsflüssigkeit  fertig.  Andernfalls,  besonders  auch  bei  Dose: 
über  0,4,  muss  man  mit  dem  Zufügen  der  Natronlauge  in  Tropier 
fortfahren,  so  lange,  bis  die  Lösung  völlig  klar  ist.  Nicht  unpraktisch 
ist  es  besonders  für  den  Anfänger,  einen  Tropfen  einer  lOproz.  Phenol) 
phthaleinlösung  der  sauren  Salvarsanlösung  zuzusetzen.  Die  LösunJ 
färbt  sich  dann  im  Moment  der  völligen  neutralen  bezw.  beginnende;) 
alkalischen  Reaktion  rot.  Die  Menge  der  zu  injizierenden  Flüssig 
keit  wird  durch  den  Zusatz  der  Natronlauge  etwas  grösser  als  bet 
der  Neosalvarsananwendung,  bleibt  aber  immer  noch  $ : 
gering,  dass  sie  sich  mit  einer  10 g  haltenden  Re 
kordspritze  in  die  Vene  einspritzen  lässt.  Der  Unter! 
schied  liegt  also  darin,  dass  das  Neosalvarsan  nach  der  Auf) 
lösung  in  Wasser  sofort  gebrauchsfähig  ist,  währen« 
das  Altsalvarsan  aus  der  sauren  Lösung  in  Wasse 
durch  Natronlauge  in  die  alkalische  bezw.  neutral! 
Verbindung  überführt  werden  muss.  Da  meiner  Er 
fahrung  nach  das  Neosalvarsan  dem  Altsalvarsan  gleichwertig,  wen) 
nicht  überlegen  ist  in  Bezug  auf  Wirksamkeit  und  Verträglichkeit 
so  empfehle  ich  für  den  Praktiker  die  Anwendun: 
des  Neosalvarsan  s'ausschliesslich. 

Meine  Technik  unterscheidet  sich  von  der  bisher  übliche' 
dadurch,  dass  ich  grundsätzlich  keine  Infusione: 
mehr  mache,  sondern  lediglich  die  Injektion  de 
Lösung  in  der  konzentrierten  Form  in  die  V  e  n  ^ 
Anfänglich  gehegte  Bedenken  theoretischer  Natur,  ob  di 
Venenwand  die  Berührung  mit  der  konzentrierten  Lösung  ver 
tragen  werde,  haben  sich  als  nicht  gerechtfertigt  erwieset 
Wir  haben  bei  richtig  ausgeführter  Injektion  niemals  ein 
Thrombose  gesehen  oder  sonstwie  eine  Schädigung  de: 
Venenwand.  Die  Einspritzung  der  kleinen  Flüssigkeitsineng, 
in  die  Vene  geht  ja  auch  so  rasch  vor  sich,  dass  von  vorn 
herein  eine  viel  geringere  Schädigung  der  Venenwand  zu  er 
warten  ist  bei  der  Einverleibung  der  kleinen  Menge,  als  b( 
der  alten  Methodik,  bei  der  die  Infusion  doch  immerhin  5  bi 
10  Minuten  dauerte  je  nach  der  Weite  der  Vene  und  der  Dick 
der  Infusionsnadel.  Ein  Vorteil  unserer  Technik  liegt  auc1 
darin,  dass  wir  ganz  dünne  Nadeln  nehmen  und  somit  auc) 
bei  schwer  sichtbaren  Venen  das  Lumen  so  gut  wie  imme 
treffen.  Wenn  man  bedenkt,  dass  zur  Lösung  nur  im  ganze 
10  g  Wasser  benutzt  werden,  so  leuchtet  ein,  dass  mit  diese: 
geringen  Menge  Wasser  erheblich  weniger  Keime  in  die  Blut 
bahn  gelangen  müssen  als  bei  der  sonst  üblichen  Technik,  bt 
der  der  „Wasserfehler“  selbst  bei  der  sorgfältigsten  SterilisatiO; 
nicht  ganz  auszuschliessen  ist.  Auch  darin  sehe  ich  eine, 
nicht  unerheblichen  Vorteil,  dass  an  Stelle  des  umfangreiche 
Instrumentariums,  das  nur  schwer  steril  zu  halten  ist,  di 
Rekordspritze  getreten  ist,  die  jeder  Arzt  handhabe 
kann  und  vor  allem  auskochen  bezw.  durch  Alkohol  steril 
sieren  kann.  Es  ist  also  durch  unsere  Technik  sowohl  de 
Gebrauch  der  notwendigen  Zugaben  auf  das  geringste  bt 
schränkt,  als  auch  das  Instrumentarium  so  vereinfacht,  da? 
es  jedem  in  der  Allgemeinpraxis  stehenden  Kollegen  mögliQ 
sein  wird,  sich  die  notwendigen  Utensilien  ohne  Schwierig 
keit  zu  verschaffen  bezw.  zusammerizustellen.  Bezüglich  dt 
Dosis  des  Neosalvarsans  rate  ich  mit  kleinen  Dosen  (0,3  bi 
0,4  Salvarsan  gleich  No.  III  bezw.  IV  Neosalvarsan)  zu  bt 
ginnen.  Während  ich  die  Höchstdosis  des  Neosalvarsans  be¬ 
lang  auf  0,9  (gleich  0,6  Altsalvarsan)  berechnete,  bin  ich  neue; 
dings  in  einzelnen  Fällen  zu  grösseren  Dosen  iibergegangei 
Im  allgemeinen  aber  halte  ich  an  meinen  auf  der  letzte 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


693 


^pril  1913, 


I  urforscherversammlung  in  Münster  i.'  W.  1912  gemachten 
:  :aben  fest,  wonach  es  sich  mehr  empfiehlt,  kleine  Dosen 
r  häufiger  zu  geben  (bei  Abortivkuren  5—8  in  6  Wochen), 
den  Praktiker  rate  ich  aber  mit  0,3  (No.  III)  zu  beginnen 
die  Dosis  No.  VI  (gleich  0,6  Altsalvarsan)  nicht  zu  über- 
eiten.  Die  Packung  des  Neosalvarsans  ist  insofern  recht 
:iem,  als  die  Nummer  der  Salvarsandosis  der 
hl  nach  entspricht.  Also  z.  B.  0,4  Altsalvarsan  wollte 
i  geben,  so  verschreibt  man  No.  IV  Neosalvarsan. 

Nach  meinen  Ausführungen  kann  für  den  Praktiker  die 
/endung  des  neuen  Präparates  nicht  mehr  als  ein  Kunst- 
k  gelten.  Wer  Wasser  kochen  kann,  gelernt  hat,  Instru- 
te  aseptisch  zu  halten,  und  in  der  Injektion  eines  Medi- 
entes  in  eine  Vene  nicht  gar  zu  ungeschickt  ist,  darf  sich 
die  Technik  der  Neosalvarsaninjektion  machen.  Auf  die 
re,  ob  nur  Salvarsan  oder  gemischte  Kuren,  sowie  auf  die 
re  der  Luestherapie  auf  Grund  unserer  neuen  Erfahrungen 
haupt,  gehe  ich  hier  nicht  ein,  mir  lag  nur  daran,  im  Inter- 
unserer  Luespatienten  der  Neosalvarsananwen- 
l  g  in  den  Kreisen  der  ärztlichen  Praktiker  einige  Anhänger 
rewinnen.  Dass  die  Diagnose  bei  Abortivkuren,  also  bei 
läraffekt  ohne  Sekundärerscheinungen,  durch  Spiro- 
ennachweis  bezw.  WaR.  gesichert  sein  muss,  bedarf  keiner 
terung.  Im  allgemeinen  kommt  meiner  Erfahrung  nach 
Allgemeinpraktiker  vielfach  mit  der  klinischen  Diagnose 
da  die  Fälle  in  einem  Stadium  zu  ihm  kommen,  in  denen 
Diagnose  klinisch  einwandfrei  gestellt  werden  kann.  In 
ifelfällen  dürfte  bei  unseren  jetzigen  Verkehrsmöglich- 
n  es  zu  erreichen  sein,  die  Diagnose  durch  einen  Fach- 
i  stellen  bezw.  erhärten  zu  lassen.  Für  die  erfolgreiche 
‘  r  a  p  i  e  der  Lues  bedürfen  wir  aber  der  Hilfe  der  Prak- 
,  umsomehr,  als  die  Hoffnung,  das  Salvarsan  kürze  die 
?r  der  Behandlung  der  Syphilis  ab,  sich  als  ein 
'  c  h  e  n  glaube  erwiesen  hat.  Es  wäre  sehr  zu 
?chen,  dass  die  leider  in  vielen  Aerztekreisen,  vor  allem 
in  Kreisen  des  Publikums  noch  sehr  verbreitete  Meinung, 
ei  die  Lues  mit  einer  einmaligen  Salvarsankur  mit  oder 
Quecksilber  zu  heilen,  endgültig  verschwände. 
Salvarsan  hat  uns  einen  Fortschritt  gebracht,  aber  diesem 
schritt  gegenüber  überwiegen  nicht  selten  die  Nachteile, 
lern  Patienten  und  seiner  Umgebung  daraus  erwachsen, 
er  meint,  nach  einer  Salvarsankur  sei  nun  „alles 
d  e  r  g  u  t“.  Ergibt  dann  noch  die  Wassermann  sehe 
tion  zum  Glück  oder  vielmehr  zum  Unglück  ein  „n  e  g  a  - 
;s  Resultat“,  so  kommt  der  Patient  triumphierend 
einem  Zettel  „mein  Blut  ist  rein“  zurück,  um  nach 
u-  Zeit  trotz  negativem  Wassermann  mit  dem  Rezidiv 
was  noch  schlimmer  ist,  mit  der  infizierten  Frau  zu¬ 
mkommen.  Ich  betone  diese  Schattenseiten  der  neuen 
ipie  so  nachdrücklich,  weil  derjenige,  der  Salvarsan  oder 
alvarsan  anwenden  will,  bei  seinen  Patienten,  die  Pflicht 
lafür  zu  sorgen,  dass  dem  Kranken  das  Vor- 
il  genommen  wird,  er  werde  nach  einer 
,,g esund“  sein.  Die  oft  recht  herben  Enttäuschungen, 
ir  nach  allzu  hoffnungsfreudiger  Bewertung  des  Salvar- 
von  anderer  Seite,  gesehen  haben,  schadeten  dem  Mittel 
?r  Erfahrung  nach  oft  mehr,  als  die  gewiss  staunens- 
‘n  unmittelbaren  Erfolge  genutzt  haben.  Ich  weiss  sehr 
dass  die  Zeit  zur  Beurteilung  der  Dauererfolge  noch 
kurz  ist,  muss  aber  anderseits  betonen,  dass  die  Zahl  der 
ich  reinen  Beobachtungen  über  Salvarsan-  bezw.  Neo- 
rsandauerwirkungen  doch  recht  klein  ist,  und  zwar,  weil 
n  meisten  Stellen  die  kombinierte  Behandlung, 
zwar  mit  energischen  Hg-Präparaten, 
früh  angewandt  und  empfohlen  wurde.  Ich  habe  in  der 
rücklichsten  Empfehlung  der  gemischten  Behandlung  von 
erein  eine  Schwäche  der  Salvarsantherapie 
cn  und  halte  alle  Ergebnisse,  so  bestechend  sie  auch  sein 
T  nicht  für  beweisend  für  die  Bewertung  des  Salvar^ans 
h.  Nach  Abschluss  meiner  Erfahrungen  werde  ich  über 
e  Salvarsantherapie  berichten,  die  ich  an  einer 
-■ren  Reihe  von  Fällen  seit  über  einem  Jahr  durchgeführt 
Soviel  steht  heute  schon  fest,  dass  eine  Behandlung 
vphilis  lediglich  mit  Salvarsan  durchführbar  ist, 
sie  sich  theoretisch  auf  das  beste  begründen  lässt  und 


j  dass  sie  Dank  unserer  neueren  Technik  sich  ohne  Beschwerden 
für  den  Patienten  und,  was  die  Hauptsache  ist,  ohne  Gefahren 
für  ihn  gestalten  lässt.  Vielleicht  veranlassen  unsere  guten 
Erfahrungen  mit  der  vereinfachten  Anwendungsmöglichkeit 
auch  andere  Stellen  zu  Versuchen  in  der  Richtung. 


Ueber  das  Anovarthyreoidserum. 

Von  Dr.  Rudolf  Hoff  mann  in  München. 

Ueber  die  erfolgreiche  Anwendung  des  Serums  schild¬ 
drüsenberaubter  Hammel  (Antithyreoidin  Moebius)  bei  Morbus 
Basedowii  berichten  eine  grosse  Anzahl  von  Publikationen. 
Leider  fehlen  solche  über  eine  kritische  Erprobung  desselben 
bei  einer  fortlaufenden  Reihe  von  Basedowfällen,  die  gewiss 
auch  Versager  ergeben  und  vielleicht  einen  Rückschluss  er¬ 
laubt  hätten,  bei  welchen  Formen  von  Hyperthyreoidosen  und 
in  welchen  Dosen  das  Serum  weniger  oder  nicht  wirksam  ist. 
Dass  man  nicht  in  allen  Fällen  von  Morbus  Basedowii  mit 
ihm  die  gleichen  Resultate  erreicht,  wird  bei  der  Vielgestaltig¬ 
keit  des  Krankheitsbildes  nicht  auffällig  erscheinen. 

Ich  wies  wohl  als  erster  Q  auf  die  Bedeutung  der  Neben  ¬ 
nieren  für  die  Entstehung  des  Morbus  Basedowii  hin,  den  ich 
als:  Hyperthyreoidose  plus  relativer  Insuffizienz  der  Neben¬ 
nieren  kennzeichnete.  Für  diese  meine  Auffassung  spricht  die 
Beobachtung  von  Hoskins2),  dass  bei  Schilddrüsenfütterung 
in  25  Proz.  der  Fälle  Nebennierenhypertrophie  auftritt,  sowie 
die  Mitteilung  Fränkels3),  dass  bei  Morbus  Basedowii 
Adrenalinämie  besteht.  Wenn  trotzdem  im  klinischen  Bilde 
die  Zeichen  von  nicht  kompensierter  Ueberfunktion  der  Schild¬ 
drüse  hervorstechen,  solche  einer  Mehrleistung  der  Neben¬ 
nieren  aber  nicht  vorhanden  sind,  im  Gegenteil  Symptome 
einer  mangelhaften  Adrenalinproduktion  (Pigmentationen  etc.) 
auftreten,  so  erscheint  die  Annahme  „einer  relativen  Insuffi¬ 
zienz  der  Nebennieren“  berechtigt;  die  Basedowsche 
Krankheit  stellt  eine  unkompensierte  Hyper¬ 
thyreoidose  dar. 

Man  wird  einen  primären  und  einen  sekundären  Morbus 
Basedowii  unterscheiden  müssen,  welch  letzterer  z.  B.  durch 
Störungen  in  der  Funktion  anderer  Drüsen  mit  interner  Se¬ 
kretion  entstehen  kann  4),  die  zu  antagonistischen  oder  kom¬ 
pensatorischen  Zwecken  eine  Mehrleistung  der  Schilddrüse 
hervorrufen.  Das  Ovar  dürfte  dabei  an  hervorragender  Stelle 
stehen.  H  a  1 1  i  o  n  5)  beobachtete  am  Hund,  dass  nach  Ovar¬ 
gaben  eine  enorme  Volumenzunahme  der  Schilddrüse  unter 
Absinken  des  Blutdruckes  auftritt  (ohne  Vermittlung  des  N. 
laryngeus  sup.  durch  die  direkte  Einwirkung  auf  die  epi¬ 
thelialen  Elemente  der  Schilddrüse).  Beim  Menschen  finden 
wir  etwas  Entsprechendes  in  dem  prämenstruellen  An¬ 
schwellen  mancher  Schilddrüsen. 

In  Fällen  von  sekundärem  Morbus  Basedowii  wird  Anti¬ 
thyreoidin  weniger  wirksam  sein. 

Das  Serum  schilddrüsenloser  Hammel  wirkt  aber  auch  bei 
Osteomalazie,  wo  wir  eine  quantitativ  vermehrte,  vielleicht 
eine  qualitativ  veränderte  Ovarialfunktion  annehmen  dürfen. 
Bei  Beschreibung  eines  solchen  Falles  Q  erwähnte  ich,  dass 
ich  bereits  1906  der  Firma  Merck  die  Herstellung  eines 
Serums  eierstockberaubter  Schafe  vorschlug,  welches  bei 
Osteomalazie  verwendet  werden  sollte.  Die  Firma  gab  es 
später  unter  dem  Namen  Antimalazin  heraus  und  Cramer- 
Bonn  °)  berichtete  über  erfolgreiche  Darreichung.  Ich  habe 
mm  ein  Serum  von  thyreoid-  und  ovariektomierten  Schafen 
herstellen  lassen.  Herr  Dr.  Klewe-Nebenius,  Oberarzt 
der  bad.  Pflegeanstalt  Emmendingen,  hatte  die  Güte,  es  u.  a. 
in  einem  Falle  von  Osteomalazie  zu  verwenden,  über  den  er 
berichtet: 

M.  St.,  geboren  1878,  ledig,  kinderlos,  Tochter  eines  Schnaps¬ 
trinkers,  dessen  Schwester  geisteskrank  war,  das  10.  von  12  Ge¬ 
schwistern^  Als  Kind  eigensinnig,  gut  begabt:  später  als  Dienst- 

Q  R.  Hoff  mann:  Serumuntersuchungen  bei  Thyreoidosen. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1908,  No.  8. 

2)  Hoskins:  Journ.  of  the  American  med.  Assoc.,  12.  XI.  10. 

3)  Frankel:  Arch.  f.  exper.  Path.  u.  P’narmak.  1909,  Bd.  60. 

4)  R.  Hoffmann:  Beitrag  zur  Lehre  vom  M.  Basedowii. 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  69,  H.  3/4. 

5)  Hall  io  n:  Compt.  rend.  soc.  biol.  1907,  Bd.  63,  S.  40. 

*)  Cramer:  Münch,  med.  Wochenschr.  1909,  No.  15. 


694 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


mädchen  tüchtig  und  geschätzt;  bis  aut  Bleichsucht  stets  gesund.  An¬ 
fang  1898  vergesslich  und  unzuverlässig  in  der  Arbeit.  Seit  15.  II.  98 
in  Irrenanstalten,  erst  Burghölzli-Ziirich,  seit  15.  II.  00  Emmendingen. 
Es  handelte  sich  um  eine  Katatonie,  die  bei  ihrer  Aufnahme  hier 
schon  in  schwere  Verblödung  ausgegangen  war.  Pat.  konnte  nur  bei 
ganz  einfachen,  mechanischen  Arbeiten  beschäftigt  werden.  Seit  1906 
war  sie  zu  solcher  Tätigkeit  wegen  zunehmender  Unordentlich¬ 
keit  und  Neigung  zu  Gewaltakten  nicht  mehr  fähig.  Sie  wurde  dann 
lange  Zeit  mit  Bettruhe  behandelt.  Im  Laufe  des  Jahres  1910  traten 
üehstörungen  auf,  die  anfangs  als  katatone  Manieren  gedeutet,  all¬ 
mählich  immer  schwerer  wurden.  Pat.  konnte  sich  schliesslich  nur 
noch  mit  Unterstützung  fortbewegen;  die  Fiisse  klebten  am  Boden, 
wurden  in  kleinen  drehenden  Schritten  fortgeschoben,  anscheinend 
unter  stärkeren  Schmerzen.  Im  weiteren  Verlaufe  treten  erhebliche 
Verbiegungen  am  Rumpfe  auf;  die  Wirbelsäule  ist  kyphotisch  ver¬ 
krümmt,  das  Brustbein  nach  vorn  ausgebogen,  die  Symphyse  springt 
in  spitzem  Winkel  vor.  Der  Kopf  ist  auf  die  Brust  gesunken,  das 
Abdomen  zeigt  tiefe  Querfalten,  die  Körperlänge,  bei  der  Aufnahme 
163cm,  ist  auf  152cm  zurückgegangen;  selbständige  Fort¬ 
bewegung  ist  unmöglich  —  kurz  das  ausgesprochene  Bild 
schwerer  Osteomalazie.  Am  16.  IV.  12  begann  die  Behandlung  mit 
Anovarthyreoidserum.  Es  wurde  in  Zwischenräumen  von  3 — 5  Tagen 
9  mal  je  10  ccm  subkutan  eingespritzt,  so  dass  Ende  Juni  die  Kur 
beendet  war.  Die  Injektion  war  einige  Male  von  leichten  Exanthemen 
gefolgt,  die  Urtikaria-  und  Erythemcharakter  besassen  und  ohne 
weitere  Störungen  in  24 — 48  Stunden  verschwanden;  einmal  trat  vor¬ 
übergehende  Temperaturerhöhung  auf  38°  ein.  Im  übrigen  wurden 
die  Einspritzungen  gut  vertragen. 

Im  Verlauf  der  Behandlung  war  nun  eine  wesentliche  Besserung 
insofern  zu  beobachten,  als  die  Kranke  anfing,  selbständig  zu  gehen; 
ihre  Bewegungen  sind  rasch  und  anscheinend  schmerzlos  geworden, 
auch  Druck  auf  Thorax  und  Wirbelsäule  erzeugt  keine  Schmerzen 
mehr.  Pat.  steht  täglich,  soweit  es  der  psychische  Zustand  er¬ 
laubt,  auf,  steigt  ohne  Hilfe  Treppen,  geht  spazieren.  Die 
Menses,  die  vor  der  Behandlung  vielfach  einen  oder  mehrere  Ter¬ 
mine  aussetzten,  sind  auch  jetzt  noch  nicht  ganz  regelmässig.  Der 
psychische  Befund  ist  ganz  unverändert  geblieben.  Die  erreichte 
Besserung  hat  bis  heute,  24.  XI.  12,  standgehalten. 

Ueber  die  Wirksamkeit  des  Anovarthyreoidins  bei  Hyper- 
thyreoidosen  sind  Untersuchungen  im  Gange. 

Die  Frage  nach  dem  wirksamen  Stoff  in  dem  Serum 
schilddrüsenberaubter  Tiere  habe  ich  seinerzeit ') 4)  mit  dem 
Hinweis  auf  das  Vorkommen  von  adreninartigen  —  richtiger 
gesagt:  am  ausgeschnittenen  Froschauge  mydriatisch  wir¬ 
kender  —  Körper  in  demselben  beantwortet. 

Entfernt  man  einem  Schafe  die  Schilddrüsen  und  die 
Ovarien,  so  werden  zunächst  die  Sekrete  der  antagonistisch 
wirkenden  Gruppe  im  Serum  des  Versuchstieres  überwiegen, 
Nebenniere,  Pankreas  (Hypophysis?).  Renon  (Journal  des 
Praticiens  1908,  No.  30)  gibt  an,  dass  nach  Thyreoidektomie 
die  Funktion  von  Nebenniere  und  Hypophysis  gesteigert  ist. 

Nach  einiger  Zeit  wird  sich  die  vermehrte  kompensato¬ 
rische  Tätigkeit  gleichsinnig  arbeitender  endokriner  Drüsen 
geltend  machen.  Vielleicht  ist  dementsprechend  die  Wirkung 
des  Antithyreoidins  zum  Teil  abhängig  von  dem  Zeitpunkte  der 
Serumentnahme,  kurze  Zeit  nach  der  Strurnektomie  dürfte  es 
am  wirksamsten  sein. 

Ueber  die  physiologischen  Qualitäten  des  Serums  wird 
von  anderer  Seite  berichtet  werden. 

Auf  Grund  des  Erfolges  des  Serums  bei  Osteomalazie 
könnte  man  vermuten,  dass  es  denjenigen  Stoffen  nahesteht, 
die  man  organotherapeutisch  bei  dieser  Krankheit  mit  Erfolg 
gegeben  hat:  dem  Adrenalin  (B  o  s  s  i)  und  dem  Pituitrin 
[Bab7),  Neu8)]. 

Der  epitheliale  Anteil  der  Hypophyse  hypertrophiert  phy¬ 
siologischerweise  in  der  Gravidität,  durch  welche  die  Osteo¬ 
malazie  verschlimmert  wird,  die  wiederum  durch  Pituitrin 
sich  günstig  beeinflussen  lässt.  Die  Hypertrophie  desselben 
Hypophysenabschnittes,  wie  sie  bei  Akromegalie  auftritt,  setzt 
die  Funktion  der  Ovarien  herab:  da  liegt  die  Vermutung  nahe, 
dass  die  Hypertrophie  der  Hypophyse  imstande  ist,  gewisse 
Wirkungen  der  veränderten  Ovarleistungen  zu  neutralisieren, 
z.  B.  den  Einfluss  auf  den  Knochenkalkwechsel.  Störungen 
des  letzteren  werden  sich  dann  geltend 
machen,  wenn  die  Vergrösserung  der  Hypo¬ 
physis  während  der  Gravidität  aus  irgend 
welchen  Gründen  nicht  ein  tritt  (während  die 
Thyreoidea,  deren  Extrakte  nach  Renon  die  Tätigkeit  der 


7)  Bab:  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  S.  1814. 

8)  Neu:  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1911,  No.  35. 


No.  1 


Hypophyse  herabsetzt,  eine  sekretorische  Ueberleistm 
iHoennicke]  zeigt). 

Ich  möchte  auf  das  Gegensätzliche  der  klinischen  und  an 
tomischen  Befunde  bei  Morbus  Basedowii  und  Osteomak,/ 
einerseits  und  Myxödem  und  Akromegalie  andererseits  in  ein 
Tabelle  hinweisen: 

Mehrleistung  Minderleistung 

M.  Basedowii  Thyreoidea,  Thymus  Nebennieren  (Hypoph. 

Osteomalazie  Ovar,  Thyreoidea  Hypophyse,  Nebenniei; 

Myxödem  Nebennieren,  Hypophysis  Thyreoid.,  Ovar  (Thym  i 

Akromegalie  Hypophysis,  Nebennieren  Ovar,  Thyreoidea 

Man  wird  erwarten  dürfen,  dass  bei  den  genannt 
Affektionen  Zufuhr  der  Produkte  der  minderleistenden  Driisi 
therapeutisch  wirksam  sein  dürften,  wenn  auch  nicht  in  des¬ 
selben  Grade,  wie  die  operative  Sekretionsbeschränkung  d 
hyperfunktionellen  Drüsen,  soweit  sie  technisch  auszuführen  ij. 

In  der  Frage  der  Behandlung  durch  spezifische  Zytotoxi: 
sind  die  Akten  wohl  nicht  geschlossen. 

Es  erscheint  wahrscheinlich,  dass  das  Anovarthyreoi- 
serum  besonders  die  wirksamen  Komponenten  der  Neba- 
nieren-  und  Hypophysissekrete  zur  Geltung  bringt. 

Auch  die  Milch  entsprechend  vorbehandelter  Zieg!i 
liesse  sich  verwenden. 

Untersuchenswert  ist  es,  ob  tierisches  Normalserm 
ähnlichen  Erfolg  zeitigt. 

Das  Serum  kann  per  os  wie  das  Antithyreoidin  gegehi 
werden,  sowie  subkutan  in  der  Dosis  von  5—10  ccm  in  Ab¬ 
ständen  von  3 — 5  Tagen. 

Gegenüber  dem  Pituitrin  und  Adrenalin  hat  das  Serum  cji 
grossen  Vorzug,  dass  es  nicht  Extrakte,  sondern  Sekrete  er 
erwähnten  Drüsen  enthält.  Ist  die  Zuführung  von  Hypophys- 
!  stoffen  erwünscht,  so  wird  sich  die  Verwendung  des  fj- 
traktes  des  epithelialen  Hypophysisanteils  eventuell  mit  lu 
balen  Injektionen fl)  empfehlen. 

Ausser  bei  den  erwähnten  Affektionen  könnte  man  ds 
Serum  auch  bei  Rhachitis  versuchen,  da  hier  histologisch  ir 
Osteomalazie  gleiche  Bilder  auftreten.  Wahrscheinlich  hanu 
es  sich  bei  dieser  Erkrankung  um  eine  Störung  im  funktionell] 
Bereich  der  Thyreoidea-Hypophysisgruppe.  Dafür  sprecljn 
I  die  Erfolge  der  Adrenalin-  (Stöltzner)  und  der  Phosph - 
behandhtng,  sowie  der  Umstand,  dass  beim  Myxödem,  das  f: 
als  chronische  Intoxikation  durch  Stoffe  der  Nebennier  ■ 
gruppe  auffasse,  nie  Rhachitis  zu  beobachten  ist 4). 

Ferner  wäre  das  Anovarthyreoidinserum  bei  Puberta- 
psychosen  zu  erproben;  Kraepelin  erwähnt  diffuse  VN 
grösserung  der  Schilddrüse  als  ein  Begleitsymptom  der  I- 
mentia  praecox.  Berkley  sowie  van  d.  Sehe  er  ■ 
richten  über  Erfolge  des  „Treatment  of  catatonia  by  pari 
thyreoidectomy“.  Vielleicht  spielt  bei  der  Katatonie  c 
|  Hypophysis  eine  Rolle,  da  die  Thyreoidea  selbst  dem  pl- 
pierenden  Finger  kein  ausgesprochenes  Krankheitszeich 
bietet. 

Bei  der  Behandlung  anaphylaktischer  Zustände,  z.  B.  bjr 
Heufieber,  sowie  bei  Vasodilatatorenneurosen  im  Kopfberejl 
(Ohrgeräusche),  vielleicht  auch  bei  der  Otosklerose,  könnte  ü 
Serum  gleichfalls  herangezogen  werden. 


Synthetisches  Hydrastinin- Bayer,  ein  Ersatz  für  Er 
Hydrastis  canadensis  fluidum. 

Von  Prof.  Dr.  H.  Walther  in  Giessen. 

Wenn  man  die  gynäkologischen  Blutungen  in  Bezug  i! 
ihre  nicht  operative,  symptomatische  und  medikament» 
Therapie  überschaut,  so  wird  man  für  eine  Reihe  von  Füu 
der  hämostyptischen  Mittel  nicht  ganz  entraten  können.  : 
ist  dabei  selbstverständlich,  dass  man  nicht  kritiklos  die : 
oder  jenes  Hämostatikum  verschreibt,  sondern  in  jedem  Ein,! 
falle  prüft,  ob  und  inwieweit  überhaupt  ein  styptisches  Mi? 
zur  Anwendung  kommen  kann  und  darf,  und  auf  welche  Wh 
dieses  einwirken  soll.  Denn  es  gibt  Fälle,  wo  styptis^ 
Mittel,  die  sonst  prompt  wirken,  gänzlich  versagen,  z.  B.  1 

9)  R.  Hoffmann:  Lumbale  Hypophysin-Injektionen.  Zelts > 
f.  klin.  Medizin,  Bd.  76,  5/6. 


1.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


695 


lekannten  Ergotinpräparate  da,  wo  die  Uterusmuskulatur 
durch  Veränderungen  im  Myometrium  eben  geschwunden  ist; 
i ingekehrt,  dass  da,  wo  es  auf  eine  gute  Kontraktion  kon¬ 
traktionsfähiger  Muskulatur  ankommt,  z.  B.  post  partum, 
Ergotinpräparate  eine  ausgezeichnete  Wirkung  entfalten.  In 
dieser  Hinsicht  ist  bei  allen  Fällen  von  Blutungen  eine  genaue 
\nalyse  des  Falles  erforderlich,  wenn  man  nicht  in  den  Fehler 
verfallen  will,  einfach  nach  Schema  F  zu  verordnen 1). 

Jedenfalls  steht  fest,  dass  der  Praktiker,  wie  die  Erfahrung 
ehrt,  interne  Mittel  bei  der  Behandlung  von  Blutungen  nicht 
■tanz  entbehren  kann.  Hat  sich  in  der  Geburtshilfe  das  Ergotin 
nit  seinen  Präparaten  dauernd  einen  Platz  errungen  —  auf 
irund  reichlicher  persönlicher  Erfahrungen  bevorzuge  ich  das 
>ekakornin  Roche,  auch  wenn  dieses  ausgezeichnete  Präparat 
mbegreiflicherweise  auf  die  negative  Liste  gekommen  ist  — , 
;o  hat  sich  in  der  Gynäkologie  seit  langer  Zeit  das  von 
Schatz  empfohlene  Fluidextrakt  der  radix  Hy- 
Irastis  canadensis  eingebürgert.  Immerhin  hat  dieses 
3räparat  so  viel  Schattenseiten  und  Unannehmlichkeiten,  schon 
;eines  widerlichen  Geschmackes  wegen,  dass  man  sich  wun¬ 
dern  muss,  dass  die  chemische  Industrie  nicht  schon  lange 
■  in  Ersatzpräparat  hergestellt  hat.  Denn  auch  in  der  Zu¬ 
sammensetzung  ist  das  Präparat  nicht  gleichmässig  bezüglich 
seines  Gehaltes  an  der  wirksamen  Substanz  (Hydrastin), 
velcher,  worauf  Lehmann2)  u.  a.  neuerdings  aufmerksam 
nachte,  zwischen  0,3  und  dem  vorgeschriebenen  Prozentgehalt 
on  2,2  Proz.  schwankt.  Weiterhin  ist  zu  bedenken,  dass  das 
lydrastin  kein  ganz  gleichgültiges  Präparat  ist,  insofern  es 
ils  Krampf-  und  Herzgift  bekannt  ist.  Der  scheussliche  Ge- 
schmack  ist  trotz  vielfacher  Versuche  nicht  zu  verdecken. 
>chon  1892  haben  wir  in  hiesiger  Klinik  auf  Löhleins  Ver- 
inlassung  Versuche  mit  Hydrastinin  (das  Oxydationsprodukt 
les  Hydrastins)  in  Form  von  Gelatineperlen  und  auch  subkutaner 
njektionen  gemacht,  mit  recht  gutem  Erfolg,  jedoch  stand  der 
Einführung  des  Präparates  in  der  Praxis  der  enorm  hohe  Preis 
0,1  g=  1,15  M„  0,01  =  15  Pfg.)  entgegen.  Inzwischen  ist 
n  geeigneten  Fällen  das  Fluidextrakt  durch  die  Cotarninprä- 
tarate,  Styptizin  Merck  und  Styptol  K  n  o  1 1  ersetzt  worden, 
mmerhin  war  ein  geeigneter  Ersatz  für  Hydrastinin  noch  nicht 
;cfunden. 

Um  so  erfreulicher  ist  es,  dass  es  neuerdings  den  Farb¬ 
werken  Friedr,  Bayer  &  Co.,  Leverkusen 2),  gelungen  ist, 
nf  synthetischem  Wege  aus  dem  Heliotropin,  dem  Riechstoff 
ler  Heliotropblüte,  durch  ein  von  Becker  angegebenes  Ver- 
ahren  ein  ebenso  wirksames,  dabei  aber  auffallend  billiges 
lydrastininpräparat  herzustellen,  über  dessen  Anwendung  be- 
eits  eine  Reihe  von  wertvollen  Mitteilungen  gemacht  ist 3). 

Durch  die  Freundlichkeit  der  genannten  Firma  wurde  mir 
'ereits  vor  einem  Jahre  zu  Versuchszwecken  das  synthetische 
Lvdrastinin  zur  Verfügung  gestellt,  welches  nunmehr  in  zwei 
'ormen  hergestellt  wird: 

1.  Liquor  Hydrastinini  synthetici  „Bayer“  in  Originalpackung 
u  10,0  und  25,0. 

2.  Tablettae  Hydrastinini  hydrochlorici  „Bayer“,  No.  XV  ä  0,025  g. 

Der  Preis  der  Originalpräparate  ist  im  Vergleich  zu  Extr.  fluid. 

lydrastis  canadensis  (25,0  =  4.55  M.  mit  Tropfglas)  ein  wirklich 
illiger  zu  nennen:  in  Originalpackung  kosten  10,0  =  1.25  M„ 
5.0  —  2.50  M„  15  Stück  Tabletten  ä  0,025  =  2  M. 

Die  Tropfen  werden  in  einem  Esslöffel  Zuckerwasser  genommen, 
dimecken  etwas  nach  Pfefferminz,  sind  leicht  bekömmlich  und  wer- 
en  niemals  verabscheut  im  Gegensatz  zu  dem  Hydrastisextrakt.  Die 
abletten  sind  mit  Zucker  überzogen  und  versilbert,  so  dass  beim 
chlucken  der  bittere  Eigengeschmack  des  Hydrastinins  nicht  zum 
erschein  kömmt.  Der  Vorteil  des  neuen  Präparats  ist  in  prak- 
scher  Hinsicht  der  gute  Geschmack  der  Bay  ersehen  Tropfen,  die 
ichte  Bekömmlichkeit  und  vor  allem  die  Wirksamkeit  des  Prä¬ 

‘)  In  einem  ausführlichen  Aufsatz  über  Blutungen  in  der  gynüko- 
■gischen  Praxis  habe  ich  versucht,  eine  Analyse  gynäkologischer 
üutungen  zu  geben  und  die  zur  Anwendung  empfohlenen  Mittel  kri¬ 
sch  _  zu  prüfen.  Vgl.  Walther,  Blutungen  in  der  gynäkologischen 
’raxis.  1912.  Verlag  von  Ko  ne  gen,  Leipzig. 

2)  Vgl.  Becker:  Zeitschr.  f.  angewandte  Chemie  1911,  Heft  40, 
e  h  m  a  n  n :  Allg.  med.  Zentralztg.  1912,  No.  39,  und  Seel:  Zeitschr. 

angewandte  Chemie  1912,  No.  43. 

j  .  3)  Lehmann:  1.  c.;  Freund:  Therap.  Wochenschr.  1912, 
o.  5,  Ziegenspeck:  Med.  Klinik  1912,  No.  43;  Offergeld: 
;erl.  klin.  Wochenschr.  1913,  No.  2;  Dtihrssen:  Berl.  klin.  Wochen- 
chrift  1913,  No.  2;  Crede-Hörder:  D.  med.  Wochenschr.  1912, 
■o.  39;  Merck  el:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  35. 


parates,  die  hinter  derjenigen  der  Hydrastis  keineswegs  zurücksteht, 
\\  obei  noch  ein  weiterer  Punkt  Beachtung  verdient,  nämlich  dass  es 
das  Heizgift  Hydrastin  nicht  enthält  und  ein  konstantes,  gleichartiges 
Praparat  darstellt. 

Uebei  das  B  a  y  e  r  sehe  Hydrastinin  sind  von  den  genannten 
Autoren  bereits  eingehende  Mitteilungen  gemacht  worden,  hauptsäch¬ 
lich  über  das  Indikationsgebiet  zur  Anwendung  sowie  über  die  che¬ 
mische  Zusammensetzung  und  Konstitution  desselben.  Um  Wider¬ 
holungen  zu  vermeiden,  verweise  ich  auf  die  genannten  Arbeiten  und 
beschranke  mich  darauf,  kurz  meine  mit  Hydrastinin  Bayer 
gemachten  Erfahrungen  mitzuteilen,  nachdem  ich  seit  fast  1  Jahr  es 
in  geeigneten  Fällen  angewandt  habe.  Ich  kann  vorausschicken,  dass 
sich  bei  den  Patientinnen  das  Präparat,  das  ich  vornehmlich  in 
Tropfenform  anwandte,- ausgezeichnet  eingeführt  hat  und  meiner 
Ueberzeugung  nach  das  Hydrastisextrakt  bald  vollständig  verdrängen 
wird.  Auf  die  „Versager“,  die,  wie  Offergeld  richtig  hervorhebt, 
auch  hier,  wie  bei  jedem  Präparat  Vorkommen  können,  lege  ich  weni¬ 
ger  Wert,  als  auf  die  objektiv  nachweisbaren  Erfolge,  die  aber  wirk¬ 
lich  vorhanden  sind. 

Ich  brauche  bei  den  „Versagern“  nur  an  die  Notwendigkeit  der 
Analyse  des  Einzelfalles,  also  an  die  anatomische  Ursache  der  Blu¬ 
tungen  zu  erinnern,  die  oft  das  Versagen  zur  Genüge  erklären,  z.  B 
ein  submuköses  Myom,  ein  grosser  Polyp,  leicht  blutende  Erosion’ 
bei  welcher  das  beste  Hämostyptikum  natürlich  nichts  nützen  kann. 
Wenn  man  aber  das  Mittel  da  anwendet,  wo  es  ohne  gröbere 
anatomische  Störungen  der  Uterusschleimhaut  und  auch  der  Wand 
auf  die  direkte  Einwirkung  auf  die  Blutgefässe  ankommt,  da  wird 
man  zweifellos  von  dem  Mittel  Erfolge  sehen.  Ich  habe  daher  speziell 
bei  Menorrhagien  zunächst  das  Mittel  angewandt,  vor  der  Periode 
(ähnlich  der  früheren  Empfehlung  für  die  Hydrastis)  prophylaktisch 
2  mal  10  15  I  topfen  bis  zum  Eintritt  der  Periode,  ferner  inter  menses 

2— 3  mal  25—30  Tropfen  in  Zuckerwasser.  Da,  wo  z.  B.  eine  un¬ 
angenehme  Blutgerinnselbildung  geklagt  wurde,  liess  dieselbe  nach, 
ausserdem  ist  die  Dauer  der  Periode  abgekürzt  worden.  Mit  Rück¬ 
sicht  darauf  schien  mir  besonders  bei  jungen  Mädchen  in  den  Ent¬ 
wicklungsjahren  das  Mittel  zu  Versuchen  geeignet,  trotzdem  ich  in 
solchen  Fällen  auch  mit  Stypticin  gute  Resultate  sah;  immerhin  ist 
Stypticin  als  Opiumalkaloid  im  jugendlichen  Alter  nicht  ganz  gleich¬ 
gültig.  Gerade  bei  einigen  wenigen  Fällen  von  Menorrhagien 
junger  Mädchen  zwischen  13  und  16  Jahren  sah  ich  die 
Menses  erheblich  besser  verlaufen.  Weiterhin  wandte  ich  das  Mittel 
an  bei  anteponierenden  Menses,  bedingt  durch  Endometritis,  Lage¬ 
veränderungen,  Myomatosis  uteri.  In  einigen  Fällen  gab  ich  es  in 
steigender  Dosis;  unmittelbar  nach  den  Menses  2mal  10  Tropfen,  in  der 
folgenden  Woche  2  mal  15,  dann  2  mal  20  Tropfen,  bis  die  Menses 
eintreten,  während  der  ich,  wie  oben  gesagt,  25—30.  sogar  40  Tropfen 
mehrmals  gab,  ohne  dass  jemals  über  Unbehagen  geklagt  wurde. 
Nur  bei  einer  nervösen  Patientin  setzte  ich  das  Mittel  einmal  aus,  da 
sie  eigentümliche  Sensationen  in  der  Herzgegend  empfand,  immerhin 
der  einzige  Fall.  Ein  besonderes  Gebiet  zur  Anwendung  erscheint  mir 
die  Neigung  zu  Blutungen  bei  Adnexerkrankungen;  wir  sehen  immer 
wieder  in  der  konsultativen  Praxis,  wie  sehr  der  Praktiker  mit  der 
kritiklosen  Ausschabung  bei  Adnexerkrankungen  vorsichtig  sein 
muss 4)  —  sei  es  ein  nicht  diagnostizierter  Pyosalpinx,  sei  es  eine 
nicht  erkannte  Tubargravidität  bzw.  ihr  Folgezustand  (Tubarblutmole, 

I  ubenabort).  Will  man  hier  ein  Mittel  zur  Stillung  der  zumeist  an¬ 
dauernden,  wenn  auch  nicht  starken  Blutungen  verordnen,  so  ist 
selbstverständlich  Ergotin  und  seine  Präparate  ausgeschlossen. 
Stypticin,  als  Opiumalkaloid,  käme  allenfalls  in  Betracht.  Gerade  hier 
halte  ich  aber  das  mehr  auf  die  Gefässe  als  auf  die  Muskularis 
wirkende  Hydrastinin  für  sehr  angebracht,  wenigstens  für  die  Zeit,  bis 
der  Fall  in  seiner  Natur  genau  erkannt  ist.  Auch  Dührssen  emp¬ 
fiehlt  das  Mittel  bei  chronischen  Adnexerkrankungen  als  Palliativum 
zunächst.  Bei  Dysmenorrhöe  und  bei  Menorrhagien  habe  ich  mehr¬ 
fach  die  Tropfenform  angewandt  und  wenn  auch  nicht  in  allen,  doch 
der  Mehrzahl  der  Fälle  günstigeren  Ablauf  der  Periode  gesehen.  Viel¬ 
leicht  wäre  hier  eine  Kombination  mit  Pantopon  zu  emp¬ 
fehlen.  Für  ganz  besonders  geeignet  halte  ich  das  Mittel  nach  Opera¬ 
tionen,  d.  h.  kleinen  operativen  Eingriffen,  ein  Indikationsgebiet,  das 
auch  Dührssen  hervorhebt,  nach  Abrasionen,  Entfernung  von 
Polypen,  Exzisionen,  Prolaps-  und  vaginalen  Operationen,  z.  B.  Fixa¬ 
tion  des  Uterus.  Gerade  nach  Ausschabung,  sofern  man  solche  wegen 


4)  Analog  den  3  Fällen  von  Hämatozele  nach  Ausschabung,  die 
ich  in  meiner  obenerwähnten  Arbeit  über  Blutungen  in  der  gynäko¬ 
logischen  Praxis  erwähnte,  sah  ich  vor  14  Tagen  folgenden  Fall:  Die 
Pat.,  welche  ich  wegen  Verdacht  auf  Tubarschwangerschaft  zur 
Beobachtung  im  Krankenhause  bestellt  hatte,  wurde  von  ihrem  Arzte 
im  Hause  „ausgeschabt“.  Erfolg:  die  Blutungen  kommen  nicht  zum 
Stillstand,  Kreuzschmerzen  treten  hinzu.  Pat.  sucht  mich  jetzt  wieder 
auf.  Sie  ist  sehr  anämisch;  ich  finde  hinter  dem  Uterus  eine  ab¬ 
gekapselte  Hämatozele,  an  der  linken  Kante  ein  Tubenhämatom.  Gegen 
den  beständigen  Blutabgang  gab  ich  nun  vorerst  Hydrastinin  in 
Tropfen,  dann  in  Form  subkutaner  Injektionen  mit  prompten  Erfolg. 
Da  das  Tubarhämatom  noch  besteht,  trotzdem  inzwischen  die 
Hämatozele  etwas  geschrumpft  ist,  habe  ich  die  Operation  natürlich 
nicht  umgehen  können,  welche  meine  Vermutung  vollauf  bestätigt 
hat.  Hier  hat  aber  Hydrastinin  Bayer  ohne  zu  schaden,  eine  sehr 
gute  Wirkung  gezeigt. 


696 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


starker  Blutungen  macht,  soll  man  der  Enttäuschung  der  Patientin, 
die  eintritt,  falls  es  nach  der  Operation  noch  blutet  oder  die  nächste 
oder  überfolgende  Periodenblutung  übermässig  stark  (was  häufig!) 
auftritt,  Vorbeugen,  worauf  auch  Ziegenspeck  hingewiesen  hat. 
Man  gebe  hier  mehrere  Tage  post  operationem  die  Tropfen,  im  Ein- 
zelfalle,  wenn  man  zugleich  auf  die  Muskulatur  der  Wand  einwirken 
will,  abwechselnd  mit  Ergotin  (z.  B.  Tinct.  hämostyptica  Denzel  oder 
Secacornin),  und  während  der  zu  erwartenden  beiden  Menses.  Bei 
der  dritten  Periode  ist  das  Präparat  meist  nicht  mehr  notwendig. 

Um  nun  eine  etwas  raschere  Wirkung  zu  erzielen,  habe  ich  auf 
Anregung  der  Firma  Bayer  versucht,  das  Hydrastinin  subkutan 
anzuwenden.  Ich  habe  in  ca.  30  Fällen  das  Mittel  gerade  nach  Opera¬ 
tionen  angewendet  und  habe  den  Eindruck,  dass  es  prompt  und  rasch 
wirkt,  aber  gerade  bei  Fällen,  die  ich  nicht  der  Operation  unterzogen 
habe,  die  also  mehr  beweisend  sind,  z.  B.  alte  Hämatozele,  chronische 
Endometritis,  Myometritis,  habe  ich  bei  der  subkutanen  Anwendung 
von  Ampullen  in  der  Stärke  von  0,0175  Hydrast.  (=  27  Tropfen  des 
Liquor  Hydr.)  guten  Erfolg  gesehen.  Reizerscheinungen  traten 
niemals  auf.  Wir  hätten  demnach  analog  den  in  der  Geburtshilfe  be¬ 
kannten  und  vielfach  mit  so  gutem  Erfolg  angewandten  Ergotinprä- 
paraten  (welchen  sich  ein  vortrefflich  wirkendes  synthetisches  Mittel, 
das  Uteramin  der  ehern.  Fabrik  Zyma  anschliesst)  nun  auch  für 
gynäkologische  Fälle  ein  Präparat  zur  subkutanen  Injektion  in  Händen, 
das  unter  Umständen  vermöge  seiner  raschen  Wirkung  sehr  gut  zu  ver¬ 
wenden  sein  dürfte,  ln  der  Schwangerschaft  habe  ich  das  Präparat 
nicht  anzuwenden  gewagt,  da  nach  Kehrers  Untersuchungen  auch 
den  Hydrastis-  und  Hydrastininpräparaten  eine  kontrahierende  Ein¬ 
wirkung  auf  die  Uterusmuskularis  inicht  abzusprechen  ist.  Ich  glaube 
übrigens,  dass  auch  in  der  inneren  Medizin  das  Hydrastinin  ge¬ 
rade  in  der  Form  subkutaner  Injektionen  sehr  bald  in  ge¬ 
eigneten  Fällen  Anwendung  finden  dürfte  (Niere,  Lunge  usf.). 

Bezüglich  des  Indikationsgebietes  schliesse  ich  mich  den  genann¬ 
ten  Autoren  an,  hauptsächlich  auf  gynäkologischem  Gebiete:  Menor¬ 
rhagien,  gerade  solchen  ohne  erhebliche  anatomische  Veränderungen 
der  Uterusschleimhaut,  vielmehr  den  durch  Funktionsstörungen  sei¬ 
tens  der  Ovarien  und  chronischen  Adnexerkrankungen  bedingten  -- 
Dysmenorrhöe,  kompliziert  durch  Menorrhagien  — ,  bei  Lageverände¬ 
rungen  des  Uterus  und  der  Scheide  —  auch  sekundären  Blutungen  bei 
Organerkrankungen,  z.  B.  bei  Herzfehler,  Emphysem,  Lebererkran¬ 
kungen  — ,  schliesslich  chronischer  Endometritis  mit  Neigung  zu 
Menorrhagien,  selbst  bei  atypischen  Blutungen  (sofern  solche  nicht 
durch  anatomische  verdächtige  Veränderungen  bedingt  sind),  bei 
Myomatosis  uteri,  besonders  subserösen  und  intramuralen  Myomen. 

Nachdem  ich  das  Präparat  innerhalb  eines  Jahres  gründ¬ 
lich  in  praxi  erprobt  habe,  glaube  ich  ein  Urteil  dahin  abgeben 
zu  können,  dass  das  synthetische  Hydrastinin  Bayer  eine 
wertvolle  Bereicherung  des  Arzneischatzes, 
wesentlich  für  gynäkologische  Blutungen,  vermutlich  aber 
auch  solchen  in  der  inneren  Praxis  (Hämoptoe,  Epistaxis, 
Nieren-  und  Darmblutungen?)  darstellt.  Ich  hoffe,  dass  dem 
Präparat  nicht  das  gleiche  Schicksal  beschieden  ist,  das  meines 
Erachtens  nach  dem  in  der  Geburtshilfe  so  prompt  wirkenden 
Sekakornin  Roche  zu  Teil  wurde,  nämlich  dass  es  auf  die 
negative  Liste  der  Arzneimittel  kommt.  Ich  kann  die  An¬ 
wendung  in  der  oben  beschriebenen  Form,  ganz  besonders  in 
Form  der  subkutanen  Injektion,  dem  Praktiker  rückhaltlos 
empfehlen  und  bin  überzeugt,  dass  der  Arzt  froh  ist,  statt  der 
von  der  Frauenwelt  viel  gehassten  „schwarzen“  Hydrastis- 
tropfen  jetzt  ein  ebenso  wirksames  wie  wohlschmeckendes 
Präparat  verschreiben  zu  können. 


Versuche  über  die  harten  Röntgenstrahlen  (mit  Berück¬ 
sichtigung  der  Tiefenbestrahlung). 

Von  Ingenieur  Friedrich  Dessauer  in  Frankfurt  a.  M. 
(früher  Aschaffenburg). 

Die  Entwicklung  der  Kenntnis  und  Anwendung  der 
X-Strahlen  entbehrt  nicht  einer  gewissen  Analogie  mit  der 
Entwicklung  der  Kenntnis  und  Anwendung  des  Lichtes.  Die 
einfache  Vorstellung  des  Lichtes  wurde  durch  die  wissen¬ 
schaftliche  Entwicklung  zu  einem  gewaltigen  Reiche  aus¬ 
gestaltet,  das  Licht  in  sein  Spektrum  aufgelöst  und  als  elektro¬ 
magnetische  Strahlung  verschiedener  Wellenlänge  und  Wellen¬ 
zahl  erkannt.  Man  fand,  dass  die  verschiedenen  Arten  des 
Lichtes  in  ihren  Eigenschaften  sehr  verschieden  sind,  dass 
z.  B.  in  Bezug  auf  die  biologische  Wirkung  den  violetten  und 
ultravioletten  Strahlen  eine  viel  höhere  Energie  eigen  ist  als 
den  roten  und  infraroten. 

Aehnlich  wie  aus  den  einfachen  Lichtvorstellungen  sich 
ein  Gebiet  entwickelte,  das  äusserst  umfassend  ist,  beginnt  die 
Radiologie  jetzt  auch  unter  dem  Begriffe  der  X-Strahlung  nicht 


• 

mehr  etwas  einheitliches  zu  denken.  Man  hat,  worauf  ja  schon 
vor  Jahren  aufmerksam  gemacht  wurde,  jetzt  doch  in  immer 
breiteren  Schichten  festzuhalten  begonnen,  dass  zwischen 
X-Strahlen  und  X-Strahlen  ausserordentlich  grosse  Unter¬ 
schiede  sind,  dass  auch  die  X-Strahlung  ein  Spektrum  hat,  und 
die  verschiedenen  Gattungen  dieses  Spektrums  in  ihren  Eigen¬ 
schaften  so  stark  wie  möglich  divergieren.  In  der  letzten  Zeit 
hat  die  harte  X-Strahlung,  die  früher  möglichst  vermieden 
wurde,  die  grösste  Bedeutung  erlangt.  Schon  in  früheren 
Arbeiten  *)  wurde  auf  diese  besondere  Strahlengattung  hin¬ 
gewiesen  und  versucht,  sie  gewissermassen  rein  herzustellen, 
also  möglichst  unvermischt  mit  anderen  Strahlungen  zur  An¬ 
wendung  zu  bringen.  Die  Ermöglichung  einer  spezifisch  mög¬ 
lichst  gleichmässigen  (homogenen)  harten  Strahlung  ist  eine 
Grundvoraussetzung  für  die  Tiefentherapie.  Im  nachfolgenden 
möchte  ich  einige  Versuche  darstellen,  die  in  dieser  Beziehung 
nicht  ohne  Bedeutung  sind. 

Wenn  durch  die  Röntgenröhre  ein  Induktionsstoss  hoch¬ 
gespannter  Elektrizität  geht,  so  sendet  sie  X-Strahlung  während 
sehr  kurzer  Zeit  aus.  Die  Emissionsdauer  der  X-Strahlung  beim 
Durchgang  einer  Induktionsentladung  wurde  von  mir  insbesondere 
gelegentlich  meiner  Arbeiten  über  das  Einzelschlagverfahren  häufig 
bestimmt  und  schwankend  zwischen  etwa  1/2ooo  und  1/ioo  Sekunden 
gefunden.  Man  kann  im  allgemeinen  annehmen,  dass  eine  Röntgen¬ 
röhre  etwa  V 500  Sekunde  lang  X-Strahlung  aussendet,  wenn  ein 
Induktionsstoss  hindurchgeht.  Das  scheinbar  kontinuierliche 
Leuchten  der  Röntgenröhre  bei  der  Durchleuchtung  oder  Aufnahme 
ist  eben  nur  ein  Schein.  In  Wirklichkeit  leuchtet  die  Röhre  auf  und 
erlischt  wieder  vollständig,  bleibt  viel  längere  Zeit,  als  sie  leuchtet, 
dunkel,  um  dann  wieder  aufzuleuchten.  Für  das  Auge  allerdings 
folgen  diese  Lichtstösse  so  rasch,  dass  es  ein  kontinuierliches 
Leuchten  wahrnimmt.  Bei  jedem  einzelnen  Lichtstösse  der  Röntgen¬ 
röhre  sendet  sie  ein  Gemisch  von  Strahlen  aus,  in  dem  weiche  und 
harte  Strahlen  enthalten  sind  und  zwar  fast  regelmässig  auch  sehr 
weiche  Strahlen.  Mit  anderen  Worten,  aus  dem  ganzen  Spektrum 
der  X-Strahlung  von  den  härtesten  bis  zu  den  weichesten  schneidet 
die  Röntgenröhre  ein  erheblich  grosses  Intervall  aus,  dessen  Mittel¬ 
wert  den  Charakter  der  Röhre  als  weich,  mittelweich,  hart  usw. 
charakterisiert.  Dieses  Gemisch  von  Strahlen  oder  mit  anderen 
Worten  die  Heterogenität  der  Strahlung  ist  von  grosser  Bedeutung 
für  die  diagnostische  Aufnahme,  weil  hierdurch  die  Röntgenbilder 
ihre  feine  Abstufung  (Gradation)  erhalten,  die  uns  gestattet,  auch 
sehr  feine  Dichtigkeitsunterschiede  darzustellen.  Bei  der  Therapie, 
insbesondere  bei  der  Tiefentherapie,  ist  die  Komplexität  der  Strahlung 
nicht  nützlich,  denn  wir  haben  nun  nicht  ein  einheitliches  biologisch 
wirkendes  Agens  vor  uns,  nicht  ein  einheitliches  Medikament,  sondern 
eines,  das  aus  den  verschiedensten  Bestandteilen  zusammengesetzt 
ist  und  von  denen  jeder  einzelne  Teil  anders  biologisch  wirkt.  Das 
erschwert  die  Messung  ausserordentlich,  aber  es  macht  die  Tiefen¬ 
bestrahlung  sogar  illusorisch,  weil  ja  die  weichere,  biologisch  wirk¬ 
samere  Strahlung  mit  der  Oberflächenschicht  absorbiert  wird  und 
in  der  Tiefe  nicht  oder  nur  sehr  wenig  wirkt.  Deswegen  ist  es  von 
grosser  Bedeutung,  wenn  es  gelingt,  die  Erzeugungsweise  der 
X-Strahlen  in  der  Röntgenröhre  so  abzuändern,  dass  die  Emissions- 
stösse  nicht  mehr  in  so  hohem  Grade  den  komplexen  Charakter  auf¬ 
weisen,  wie  jetzt,  sondern  einen  mehr  einheitlichen  CharaKter,  und 
insbesondere  einen  einheitlichen  Charakter  von  härteren  Strahlen. 
Dieses  Problem  ist  dann  zu  lösen,  wenn  die  verschiedenen  harten 
Strahlen,  welche  bei  einem  Lichtstösse  in  der  Zeit  von  etwa 
1/öoo  Sekunde  aus  der  Röhre  herauswandern,  nicht  gleichzeitig,  sondern 
nacheinander  entstehen.  Es  gilt  also  zunächst  zu  entscheiden:  wird 
beim  Aufleuchten  der  Röntgenröhre  und  während 
der  Dauer  des  Aufleuchtens  gleichmässig  ein  Ge¬ 
misch  von  Strahlen  emittiert,  oder  sendet  die 
Röhre  bei  ihrem  Aufleuchten  nacheinander  die 
verschiedenen  Teile  des  Gemisches  aus? 

Bei.  den  zahlreichen  Versuchen  der  Zeitbestimmung,  über 
die  ich  früher  schon  an  dieser  Stelle  kurz  berichtet  habe 
(siehe  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  24,  1908),  erhielt  ich 

regelmässig  Bilder  wie  die  Fig.  1.  Diese  Bilder  wurden 
so  gewonnen:  die  Röntgenröhre  stand  hinter  einer  Bleiwand  und 
leuchtete  durch  einen  Schlitz  in  dieser  Bleiwand  von  einem  Millimeter 


D  Dessauer:  Beiträge  zur  Bestrahlung  tiefliegender  Pro¬ 
zesse.  Med.  Klinik  1905,  No.  21,  S.  526.  —  Derselbe:  Eine  neue  An¬ 
wendung  der  Röntgenstrahlen.  Verhandl.  d.  Deutschen  physikal. 
Gesellschaft  1907,  Bd.  9,  No,  3.  —  Derselbe:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  No.  24,  1908.  —  Veit:  Zusatz  zur  Arbeit  Prof.  Dr.  Doms 
über:  Zur  Tiefenbestrahlung  mit  Röntgenstrahlen.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1909,  No.  14.  —  Dorn:  Zur  Tiefenbestrahlung  mit 
Röntgenstrahlen.  Münch,  med.  Wochenschr.  1909,  No.  14.  — 
Dessauer:  Die  weitere  Entwicklung  der  Tiefenbestrahlung.  Archiv 
f.  physikal.  Medizin  und  mediz.  Technik,  Bd.  VII,  H.  1,  1912.  — 
Derselbe:  Die  physikalischen  und  technischen  Grundlagen  der 
Tiefenbestrahlung.  Strahlentherapie,  Bd.  I,  H.  3,  1912,  S.  300—328. 


1.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


697 


I  I  I  I  II  I  I  II  I 

0123458789  10  X  10  -  3  Sekunden 


Eig.  1. 


Breite  hindurch.  Hinter  dem  Schlitz  rotierte  sehr  rasch  auf  einer 
Scheibe  ein  photographischer  Film.  Wurde  dann  ein  einziger  In- 
duktionsstoss  (Finzelschlag  oder  „Blitz“)  durch  die  Röhre  hindurch 

gesandt,  so  dass  sie  ein¬ 
mal  aufleuchtete,  so 
machte  während  der 
Dauer  des  Aufleuchtens 
der  rasch  rotierende  Film 
eine  gewisse  Bewegung 
und  die  Breite  seiner  Be¬ 
lichtung  Hess  dann  ohne 
weiteres  bestimmen,  wie 
lange  die  Röhre  bei 
ihrem  einmaligen  Auf¬ 
leuchten  Strahlen  emit¬ 
tiert  hatte.  Die  dabei 
entstehenden  Bilder  zeig¬ 
ten,  dass  die  Strahlung 
während  des  Aufleuch¬ 
tens  nicht  kontinuierlich  ist,  sondern  in  einzelnen  Stössen  zustande 
kommt.  Fs  kommt  zuerst  ein  X-Strahlungsstoss,  dann  eine  Pause, 
dann  wieder  ein  Stoss  usw.  bis  zum  Ende  (siehe  Fig.  1). 

Nun  fragt  es  sich:  enthalten  diese  einzelnen  'i'eilstösse  der 
Emission  gleiche  Strahlungsgemische,  oder  ist  es  vielmehr  so,  dass 
jeder  Teilstoss  der  Figur,  also  1,  2,  3  usf.  eine  andere  Strahlengruppe 
bringt,  etwa  der  erste  Teilstoss  den  härtesten,  die  folgenden  immer 
weichere  Anteile  des  Gemisches. 

Die  nachfolgend  beschriebene  Versuchsanordnung  zeigt,  dass 
der  Hauptsache  nach  tatsächlich  diese  Vermutung  zutrifft,  dass 
die  Röhre  im  Beginne  des  Aufblitzens  härtere 
aussendet,  gegen  das  Ende  dagegen 
Eine  treppenförmig  ansteigende  Aluminiumskala 

(Fig.  2)  wurde  in  den 


Strahlung 

weichere. 


Fig.  2. 

früher  verwendeten  Films 
Schwerpunkt  in  ihrer  Ebene  rotierte, 
anordnung.  Es  ist  klar,  dass  harte 


oben  bezeichneten  Schlitz 
der  Bleiplatte  zwischen 
Röhre  und  rotierende 
Aufnahmevorrichtung 
eingesetzt.  Wegen  der 
grösseren  Empfindlichkeit 
wurde  an  Stelle  des 
eine  Röntgenplatte  benutzt,  die  um  ihren 
Die  Fig.  3  zeigt  die  Versuchs- 
Strahlung  die  dickeren  und 


Fig.  3. 


dünneren  Treppenstufen  des  Gitters  durchdringt,  die  weichere 
Strahlung  dagegen  nur  die  dünneren  Stufen. 

Die  gewonnenen  Bilder,  von  denen  Fig.  4  eines  wiedergibt, 
zeigen  nun,  dass  tatsächlich  der  harte  Strahlenanteil  der  Emission 


Jer  Hauptsache  nach  im  Anfänge  entsteht  und  dass  gegen  Ende 
immer  weichere  Strahlen  entsandt  werden.  Mit  anderen  Worten: 

No.  13. 


da^  Strahlengemisch  entsteht  der  Hauptsache  nach  nach¬ 
einander. 


uemnacn  nat  man  sich  den  Verlauf  der  Strahlenbildung  beim 
Entladung  im  wesentlichen  nach  Fig.  5  vorzu- 


Durchgange  einer 
stellen,  ln  der  Fi¬ 
gur  bedeuten  die 
einzelnen  Schraf¬ 
fierungen  die 
Strahlen  verschie¬ 
dener  Härte.  Be¬ 
ginnt  ein  Strom- 
stoss  die  Röhre  zu 
durchlaufen,  so  hat 
er  im  Anfänge  die 
höchste  Spannung. 
Denn  zunächst  ist 
die  Röhre  nicht 
ionisiert  und  bietet 
dem  Stromdurch- 
gange  den  höch¬ 
sten  Widerstand. 
Sobald  aber  der 
Strom  einmal 
fliesst.  sinkt  die 
Spannung,  weil  die 
Bahn  gebildet,  die 
Röhre  durch  Ioni¬ 
sierung  zum  Leiter 
geworden  ist.  Bei 
sinkender  Span¬ 
nung  entstehen 


Spannungs  &  Stromkurve  und 
Hartefeld  er  der  Jiöhre 


langsamere  Kathodenstrahlen  und  damit  immer  weniger  durch- 
dringungsfähige  X-Strahlen. 

Dieser  Zusammenhang  ist  für  die  Tiefenbestrahlung,  die  ja  in 
der  letzten  Zeit  insbesondere  für  die  Zwecke  der  Frauenheilkunde 
an  Wert  gewaltig  gewonnen  hat,  von  Bedeutung. 

Jede  Bildung  von  X-Strahlen,  von  harter  oder  weicher,  ist  mit 
Abnutzung  der  Röhre  verbunden. 


Wird  bei  einer  Versuchsanordnung  zum  Zwecke  der  Tiefen- 
be.strahlung  ein  Strahlengemisch  hervorgebracht,  das  sehr  viele 
weiche  Strahlen  enthält,  die  dem  Zwecke  nicht  dienen,  weil  sie  nicht 
in  die  Tiefe  dringen,  sondern  .durch  einen  Filter  absorbiert  werden 
müssen,  so  ist  naturgemäss  die  Beanspruchung  der  Röhre  im  Ver¬ 
gleich  zum  Zweck  unverhältnismässig  gross.  Würden  z.  B.  ®/i0 
weichere  Strahlung  und  nur  1/io  härtere  Strahlungen  hervorgebracht, 
und  nur  die  letzteren  könnten  verwendet  werden,  so  hätte  die  Röhre 
unter  einer  zehnfach  höheren  Abnutzung  zu  leiden  als  es  für  den 
Zweck  notwendig  ist.  Die  Abnützung  macht  sich  zunächst  in  starker 
Erwärmung  der  Röhre  und  dann  im  frühzeitigen  Altern  geltend.  Wir 
haben  also  zum  Zwecke  der  Tiefenbestrahlung  das  höchste  Interesse, 
möglichst  nur  d  i  e  Strahlen  hervorzubringen,  die  nun  auch  wirklich 
in  die  Tiefe  Sehen  und  nicht  durch  Filter  abgefangen  werden  müssen 
oder  in  der  Oberfläche  des  Körpers  schädlich  ungewollte  Einflüsse 
ausüben.  Die  nächsten  beiden  Figuren  deuten  das  in  etwa  an.  Es 
finden  sich  die  verschiedenen  Strahlengruppen  der  vorausgegangenen 
Fig.  5  wieder,  d.  h.,  die  verschiedenen  Strahlungshärten  sind  wieder 


durch  verschiedene  Arten  der  Strichelung  gekennzeichnet.  In  der 
Fig.  6  erkennt  man,  wie  in  der  obersten  Schicht  und  in  der  zweiten 
Schicht  von  der  gesamten  Strahlung  weitaus  der  grösste  Teil  ab¬ 
sorbiert  und  endlich  nur  der  letzte  Teil,  die  dritte  Schicht,  hinein¬ 
dringt.  Hier  ist  der  Unterschied  zwischen  Oberflächenwirkung  und 

3 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  n. 


Tiefenwirkung  sehr  gross,  oder  mit  anderen  Worten,  die  Strahlung 
ist  sehr  heterogen,  während  sie  homogen  sein  soll,  um  In  der  Tiefe 
annähernd  ebenso  absorbiert  zu  werden  und  ebenso  zu  wirken  wie 
an  der  Oberfläche.  Man  bekämpft  das  durch  Filter,  wie  Fig.  7  zeigt. 


ln  einem  solchen  Filter  werden  zwei  oder  drei  Strahlungsgruppen 
absorbiert  und  dann  ist  der  Unterschied  zwischen  Oberflächen-  und 
Tiefenwirkung  nicht  mehr  so  gross.  ‘Was  aber  im  Filter  oder  an 
der  Oberfläche  zu  viel  absorbiert  wird,  muss  die  Röhre  leisten,  ohne 
dass  es  zu  dem  Zwecke  dienlich  ist.  Könnten  wir  es  ermöglichen, 
die  weicheren  Strahlen  gar  nicht  zu  produzieren  oder  doch  wenigstens 
zum  grössten  Teile  nicht  zu  produzieren,  so  würde  diese  Bestrahlung 
unvergleichlich  viel  ökonomischer  sein.  Ausserdem  hätten  wir  den 
Vorteil  eines  homogeneren  therapeutischen  Agens,  also  eines  Mittels, 
dessen  Eigenschaften  wir  leichter  übersehen  können,  wie  die  Eigen¬ 
schaften  eines  solchen,  das  aus  zu  vielen  Bestandteilen  zusammen¬ 
gesetzt  ist. 

Dies  zu  erfüllen,  ist  aber  nach  der  vorausgegangenen  Erkenntnis 
über  den  Strahlungsvorgang  möglich.  Wir  müssen  nur  dafür  sorgen, 

- 0  0 - 


wwww 

T 


dass  von  einem  hochgespannten  elektrischen  Entladungsstoss,  der 
durch  die  Röntgenröhre  hindurchgeht  und  ihr  bei  seinem  Durchgang 
nacheinander  die  verschiedenen  Strahlungsgruppen  entlockt,  nur  der 
allererste  Teil  in  die  Röhre  gelangt.  Wenn  in  der  Figur  5  bei  dem 
Buchstaben  B  der  Strom  unterbrochen  würde,  so  könnte  die  Röntgen¬ 


röhre  in  der  Hauptsache  nur  die  härteste  Strahlungsgruppe  entsenden. 
Dementsprechend  würde  sie  auch  nur  im  Verhältnis  ihrer  jetzigen 
Emission  beansprucht.  Diese  Strahlungsgruppe  geht  aber  zum  erheb¬ 
lichen  Teil  in  die  Tiefe  und  wirkt  da,  während  die  nun  vermiedene 
Strahlung  eine  Tiefenwirkung  nicht  entfaltet  hätte. 

Die  technische  Ausführung  dieses  Apparates  wird  von  den 
„Veiia-Werken“  als  Reform-Therapie-Apparat  in  den  Handel 
gebracht.  Schematisch  zeigt  die  Fig.  8  die  Methode  dieses  Apparates. 
Der  Strom  einer  Wechselstromquelle  wird  durch  einen  Transformator 
in  hohe  Spannung  überführt  und  geht  von  da  entweder  zu  einem 
Hochspannungswiderstand  S  oder  durch  einen  rotierenden  Nadel¬ 
schalter  V  durch  die  Bügel  m  m'  in  die  Röntgenröhre  R.  In  be¬ 
kannter  Weise  rotiert  die  Nadel  synchron  mit  den  Wellen  des 
Wechselstromes,  so  dass  immer  nur  Ströme  gleicher  Richtung  durch 
die  Röntgenröhre  hindurchgehen,  während  die  umgekehrten  Impulse 
durch  den  Hochspannungswiderstand  aufgenommen  werden.  Nun 
aber  sind  die  Bügel,  über  welche  der  Strom  zur  Röntgenröhre  fliesst, 
veränderlich,  zuriickklappbar.  Verstellt  man  die  Bügel  so,  dass  sie 
verkürzt  werden,  dann  geht  nur  noch  der  Teil  der  Welle  des  hoch¬ 
gespannten  Stromes  durch  die  Röntgenröhre,  der  die  höchste1 
Spannung  hat,  und  in  dem  Augenblicke,  wo  die  Spannung  sinkt,  ist 
die  Röntgenröhre  schon  ausgeschaltet.  Verändert  man  die  Bügel 
wiederum  so,  dass  der  Strom  längere  Zeit  durch  die  Röhre  hindurch¬ 
geht,  dann  entstehen  auch  die  weichen  Strahlen  und  der  Apparat  ist! 
für  diagnostische  Zwecke  anwendbar.  Die  Resultate,  welche  in 
einigen  Kliniken  und  bei  meinen  eigenen  Versuchen  mit  diesem 
Apparat  erreicht  werden  konnten,  sind  ausserordentlich  gute.  Nicht 
nur,  dass  äusserst  harte  Röntgenröhren  vielstündigen  Betrieb  mit 
sehr  wenig  Abnützung  auszuhalten  vermögen,  ergibt  sich  als  be-j 
sonderer  Vorteil  der,  .dass  die  Tiefendosen  sehr  rasch  erreicht 
werden.  Das  lässt  sich  auch  gut  voraussehen:  wenn  wir  gemeinhin 
5  Milliampere  durch  eine  Röntgenröhre  senden,  und  vielleicht  als 
Aequivalent  daraus  für  1  Milliampere  harte  Strahlen  und  für  die 
übrigen  4  Milliampere  weiche  Strahlen  erzeugen,  wie  dies  bei  einer 
gewöhnlichen  Betriebsart  ohne  weiteres  der  Fall  ist,  und  wir  senden 
nun  bei  dem  Reformapparat  die  letzteren  4  Milliampere  nicht  mehr 
durch  die  Röhre,  sondern  nur  noch  1  Milliampere,  so  geht  bei  gleicher 
Erzeugung  harter  Strahlen  die  Abnutzung  der  Röhre,  insbesondere 
ihre  Erhitzung  auf  Vs  zurück  und  wir  vermögen  nunmehr  die  JVlilli- 
amperezahl  während  der  kurzen  Zeit  des  Stromdurchganges  zu 
steigern  und  viel  mehr  harte  Strahlen  zu  erzeugen,  ohne  dabei  die 
Röhre  mehr  abzuniitzen.  Würde  man  beim  gewöhnlichen  Betrieb1 
der  Röntgenröhre  doppelt  so  viel  harte  Strahlen  entlocken  wollen, 
so  würden  dabei  mindestens  auch  doppelt  so  viel  weiche  entstehen 
und  die  Abnützung  wäre  doppelt  so  gross.  Nun  aber  wird  die  weiche 
Strahlung  nicht  mehr  erzeugt,  und  man  kann  infolgedessen  an  harter 
Strahlung  ein  erhebliches  Plus  gewinnen.  Es  gibt  mit  anderen  Worten 
eine  Röhre,  auf  diese  Weise  betrieben,  bei  einer  Stromaufnahme  von 
2  Milliampere  etwa  so  viel  Tiefenwirkung,  als  wie  bei  einem  ge¬ 
wöhnlichen  Röntgenapparat,  bei  einer  Belastung  von  10  oder  12  Milli-1 
ampere.  Die  Abnützung  der  Röhre  entspricht  aber  ihrer  tatsächlichen 
Stromaufnahme.  Da  die  Maschine  im  übrigen  in  ihrer  Bedienung 
ausserordentlich  einfach  ist,  auch  die  Anzahl  der  Impulse  —  was  ich 
in  früheren  Arbeiten  für  besonders  wichtig  nachgewiesen  habe  — J 
veränderlich  ist,  und  ohne  weiteres  für  diagnostische  Zwecke  durch 
Umschalten  der  Bügel  herangezogen  werden  kann,  so  dürfte  sie  für 
die  Röntgenologie  förderlich  sein. 


Ueber  Rubidium  in  der  Quelle  des  Bades  Adelholzer 
(Primusquelle)  in  Oberbayern. 

Von  Hofrat  Dr.  Max  Emmerich,  früher  in  Nürnberg, 

jetzt  in  München. 

Im  Sommer  1880  besuchte  ich  zum  ersten  Male  das  Bad  Adel¬ 
holzen,  zunächst  nur  als  Sommerfrische  wegen  seiner  schönen  sub¬ 
alpinen  Lage  (656  m  über  der  Nordsee).  Ich  war  überrascht,  als  ich 
am  dritten  Tage  meines  Aufenthaltes,  nachdem  ich  das  Wasser  der 
Primusquelle  getrunken  hatte,  in  meinem  Morgenharn  kleine,  aber 
greifbare  Konkremente  fand,  die  ohne  jegliche  Beschwerden  ab¬ 
gegangen  waren.  Dies  veranlasste  mich,  mir  die  Analyse  der  Quelle 
anzusehen.  Die  letzte  stammte  von  Büchner,  die  nächstältere 
(aus  den  Jahren  1824 — 1826)  stammte  von  A.  Vogel.  Büchner 
war  bei  seiner  Untersuchung  auf  einen  "Körper  gestossen,  den  er  mit 
den  damaligen  Mitteln  nicht  registrieren  konnte,  es  finden  sich  an 

einer  Stelle  der  Analyse  drei  Striche  ( - ).  Inzwischen  war  mir 

auch  die  bis  jetzt  älteste  Badeschrift  über  Adelholzen,  wohl  eine 
der  ältesten  in  ihrer  Art,  in  die  Hände  gekommen,  betitelt:  „Tritons 
Adelholzianus  antipodagriacus  usw.  von  Georgiers  Popp.  Medicus 
Theosophiae  et  Pansophiae  Servus  Observans,  Getruckt  in  der  Ertz- 
bischofflichen  Hauptstatt  Saltzburg  durch  Christophorum  Katzen- 
burger,  i.  J.  1629“,  nach  welcher  das  Wasser  aus  3  nahe  bei¬ 
einanderliegenden  Quellen  am  Abhange  des  Reitener  Berges  kommt. 
Jede  dieser  Quellen  hatte  einen  eigenen  Namen  und  eigene  chemische 
Zusammensetzung.  Es  sind  beschrieben:  1.  der  Saliterbronnen,  2.  der 
Alaunbronnen  und  3.  der  Schwefelbronnen,  auch  Fieberbronnen  ge¬ 
nannt.  Der  „Gemeinenbronnenshalt,  da  die  3  Quellen  zusammen- 


April  1013.  MUENcHeNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


mmen,  führt:  Sulphur.  part.  4 ,  Alaun  part.  4,  Salitter  part.  3  und 
i  Drittel,  Eisen-  und  Stahel  part.  2  Drittel,  das  ist  der  Gehalt  des 
meinen  Bronnens“. 

Im  Jahre  1881  veranlasste  ich  Herrn  Dr.  Robert  Kays  er,  da- 
,1s  Chemiker  des  Gewerbemuseums  in  Nürnberg:  (t  1910),  zu  einer 
uen  Analyse  der  Quelle,  die  nach  dem  „Deutschen  Bäderbuche, 
arbeitet  unter  Mitwirkung;  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes“ 
itet:  „Das  Mineralwasser  entspricht  in  seiner  Zusammensetzung 
jefähr  einer  Lösung,  welche  in  1  kg  enthält: 


Natriumchlorid  (NaCl) .  0,01852  g 

Rubidiumchlorid  (RbCl) .  0,003416,, 

Natriumsulfat  (NasSO«) .  0,006790,, 

Calciumsulfat  (CaSO«) .  0,006736,, 

Calciumhydrokarbonat  (CatHCOs^)  .  0,2973  „ 

Magnesiumhydrokarbonat  (Mg[HCO:i]2)  0,06173  „ 
Magnesiumkarbonat  (MgC02)  ....  0,0506  „ 

Magnesiumhydroxyd  (Mg[OH2])  .  .  0,00276  „ 

Ferrohydrokarbonat  (Fe[HC02])  .  .  .  0,04105  „ 
Manganhydrokarbonat  (MafHCO.i]2)  .  0,009966  „ 
Kieselsäure  (meta)  (H2RQ2)  .  .  .  .  0,04039  „ 


0,5090  g 

Freies  Kohlenoxyd  (COs) .  0 


Im  allgemeinen  zeigt  es  die  Zusammensetzung  ähnlich  den  31 
;  deren  im  Deutschen  Bäderbuche  aufgeführten  einfachen,  kalten 
1  eilen  (Akratopegen),  dazu  aber  auch  einen  Gehalt  an  Rubidium- 
.  orid,  der  von  keiner  Quelle  Deutschlands  übertroffen  wird.  Im 
lutschen  Bäderbuche  finde  ich  eine  einzige  rubidiumhaltige  Quelle, 
en  Gehalt  in  der  Analyse  aufgeführt,  aber  wesentlich  geringer  ist 
der  der  Primusquelle,  es  ist  dies  die  Maxquelle  des  Bades  Dürk- 
m  in  der  Rheinpfalz : 

die  Primusquelle  enthält  in  1kg  Wasser:  Rubidium  0,03461 
die  Maxquelle  enthält  in  1kg  Wasser:  Rubidium  0,00021 

Ausserdem  finden  sich  in  einigen  anderen  Wässern  noch  unwäg- 
•e  Spuren  von  Rb,  so  in  den  Wässern  von  Assmannshausen,  Baden¬ 
den,  Niederselters,  Wiesbaden  u.  a. 

Bis  jetzt  wurde  weder  dem  Rb  im  Mineralwasser  noch  als 
zneimittel  eine  Bedeutung  beigemessen  und  ist  die  Literatur  dar- 
;r  nicht  sehr  reichhaltig.  Die  beste  Zusammenstellung  über  das 
imische  und  physiologische  Verhalten  desselben  fand  ich  in 
r.  Sigmund  Frankel,  Arzneimittelsynthese“.  Es  sind  dort  be- 
ochen  die  Arbeiten  von  James  Blake,  Charles  Rieh  et,  Erich 
irnack  und  Ed.  Dietrich,  C.  B  r  u  n  t  0  n  und  Cash,  B  0  t  k  i  n 
1  Laufenaue  r.  Vom  Rb  chlor,  oder  carbon.  als  Arzneimittel 
inte  ich  nirgends  in  der  Literatur  etwas  finden.  Rub.  jodat.  als 
;atz  für  Kal.  oder  Natr.  jod.  verwandten  M.  V  0  g  t  und  L.  L  e  i  s  t  i  - 
w,  während  nach  Laufenauer  Rub.  bromat.  stärker  als  Anti- 
leptikum  wirkt  als  Kal.  oder  Natr.  bromat. 

Nach  dem  Bekanntwerden  der  von  Dr.  R.  Kayser  gemachten 
alyse  der  Adelholzener  Quelle  machte  ich  den  damaligen  dortigen 
it  Dr.  Liegl  (+  1901)  aufmerksam,  dass  etwa  doch  in  dem  Ru- 
ium  die  Hauptwirkung  der  Quelle,  die  harnsäurelösende,  zu  suchen 
.  Er  legte  dem  Rb  aber  eine  nur  nebensächliche  Wirkung  bei, 
lärte  die  Menge  desselben  als  zu  gering,  nannte  sie  eine  homoo- 
hische  und  hielt  an  der  alten  Anschauung  fest,  dass  die  Mischung 
einzelnen  Bestandteile  es  sei,  aus  welcher  wir  heute  noch  wie 
■  Jahrhunderten  auf  die  durch  die  Praxis  bewiesenen  Heilerfolge 
Primusquelle  schliessen  müssen.  Aber  obwohl  im  Laufe  der  Zeit 
t  alle  inneren  Erkrankungen  in  das  Bereich  der  Behandlung  ge¬ 
gen  wurden,  so  waren  doch  die  Adelholzener  Quellen  von  hervor- 
.ender  Wirkung  bei  jenen  Krankheitsfällen,  bei  denen  es  sich  um 
bilisation  und  Fortschwemmung  von  Konkrementen  handelt,  also 
harnsaurer  Diathese  (Harngries,  Harnsand),  bei  ausgesprochener 
nkrementbildung  in  Harnblase  und  Nieren,  bei  Blasen-  und 
erenleiden  und  den  bei  diesen  bestehenden  Katarrhen 
ser  Organe  (Pyelitis,  Zystitis,  Urethritis).  Es  ist  nicht  wahrscheiu- 
1,  dass  lediglich  durch  die  Durchschwemmung  des  Körpers  mit 
em  Mineralwasser  auf  mechanische  Weise  Heilerfolge  bei  diesen 
crankungen  erzielt  werden,  vielmehr  erscheint  die  Annahme  be- 
htigt,  dass  der  jetzt  gefundene  Gehalt  an  Rb  der  Mischung  der 
diesem  Mineralwasser  enthaltenen  Bestandteile  die  konkrement¬ 
ende  und  entzündungswidrige  Kraft  gegeben  hat. 

ln  allen  Badeschriften  über  Adelholzen,  angefangen  von  der  ein- 
igs  erwähnten  vom  Jahre  1629  bis  zur  letzten  1896  findet  sich  die 
nsäurelösende  Wirkung  der  Primusquelle  besonders  hervor- 
loben.  Es  wiederholt  sich  aber  so  wie  früher  auch  jetzt  alljährlich 
%  die  Erscheinung,  dass  von  einzelnen  Kurgästen  Lösung  und  Aus- 
ssung  von  kleineren  und  grösseren  Konkrementen  aus  den  Harn- 
anen  beobachtet  werden. 

Ist  der  Gehalt  an  Rb  auch  nicht  hervorragend,  so  ist  er  doch 
lähernd  so  hoch  wie  der  Gehalt  an  Lithium  in  manchen  hier- 
ch  mit  Recht  oder  Unrecht  berühmten  Mineralwässern.  So  ent- 
t  das  Fachinger  Wasser:  Lith.  hydrocarb.  0,0053511,  die  Primus- 
lle:  R  u  b.  chlor.  0,003416.  Allerdings  sind  im  Fachinger  Wasser 
h  noch  Spuren  von  Rubidium  (vergl.  Analyse  von  Fresenius, 
1). 


Ich  versuchte  nun  auch,  welchen  Einfluss  das  Adelholzener 
assei  im  Reagenzglasc  auf  chemisch  reine  Harnsäure,  daun  auf 
3  verschiedene  Arten  von  Harnsteinen  habe,  wie  ich  solche  in  der 
Praxn;  zu  gewinnen  Gelegenheit  hatte.  Ich  war  mir  dabei  bewusst, 
dass  das  txpenment  in  vitro  nicht  dein  vitalen  Vorgänge  im  Körper 
gleichbedeutend  sei,  doch  hat  man  nach  den  Versuchen,  die  mit 
Lith.on  m  ähnlicher  Weise  angestellt  wurden,  wenigstens  einen  Wahr- 
scheinlichkeitsl;eweis  für  die  Lesungsfähigkeit  dieses  Wassers  Die 
Lösungsfähigkeit  wurde  in  der  Weise  geprüft,  dass  150  ccm  Adelz- 
holzener  Wasser  mit  den  gewogenen  Steinen  im  ganzen  Zustande, 
dann  aber  auch  in  Pulverform  bei  ca.  38°  C  unter  öfterem  Umschütteln 
-.4  Stunden  digeriert  wurden.  Der  ungelöste  Rückstand  wurde  genau 
gewogen  und  ergab  die  Differenz  der  Löslichkeit. 


1.  Reine  Harnsäure  (in  feinen  Nadeln  kristallisiert) 

in  1  Liter  Adelholzener  Wasser . .  1,033  g 

2.  Kleine  Harnsteine  (Harnsäure)  in  1  Liter  Adel- 

holzener  Wasser:  a)  ganze  Steine . =  0,250  g 

b)  gepulvert . =  o’,260  g 

3.  Grosse  Harnsteine  (bestehend  aus  Harnsäure, 

Kalziumoxalat  und  Phosphaten)  in  1  Liter  Adel¬ 
holzener  Wasser:  a)  ganze  Steine . =  0,495  g 

b)  gepulvert . =  0,615  g 

4.  Linsenförmige,  glatte  Harnsteine  (aus  Magnesium- 

und  Kalziumkarbonat)  in  1  Liter  Adelholzener 
Wasser:  a)  ganze  Steine . —  0,327  g 

b)  gepulvert . =  0,355  g 


Wenn  diesen  vorläufigen  Untersuchungen  auch  noch  kein  exakter 
wissenschaftlicher  Wert  beizumessen  ist,  so  berechtigen  sie  doch  in 
Verbindung  mit  den  tatsächlichen  Erfahrungen  an  unseren  Kranken 
einigermassen  zu  dem  Schluss,  dass  der  Rb-Gehalt  der  Primusquelle 
zur  stärkeren  Lösung  mitwirken  dürfte  und  entsprechende  Beachtung 
verdient,  denn  das  Wasser  steht  an  lösender  Wirkung  sicher  den  be¬ 
kannten  lithiumhaltigen  Quellen  nicht  nach.  Weitere  Untersuchungen 
über  die  Vergleichswerte  der  Lösungsfähigkeit  in  Adelholzener 
Wasser,  destilliertem  Wasser,  Brunnenwasser  und  künstlichen  Rb- 
Lösungen  sind  im  Gange  und  sollen  in  einer  späteren  Veröffentlichung 
bekannt  gegeben  werden. 

Herrn  Dr.  Carl  Eckart,  Besitzer  der  Spitalapotheke  in  Nürn¬ 
berg,  in  dessen  Laboratorium  die  oben  erwähnten  Versuche  aus¬ 
geführt  wurden,  sage  ich  für  seine  rege  Mithilfe  hiermit  ganz  beson¬ 
ders  Dank. 

Literatur. 

A.  Ueber  Adelholzen. 

L  Trifons  Adelholzianus  antipodagriacus  von  Georgius  Popp, 
Medicus  etc.,  gedruckt  in  Salzburg  im  Jahre  1629.  2.  Auflage  (1650) 
und  3.  (1666),  beide  unverändert,  in  München  gedruckt.  —  2.  Peter 
Sailer,  Besitzer  des  Bades  Adelholzen,  1799,  Beschreibung  nach 
Popp.  München  bei  H  ii  b  s  c  h  m  a  n  n.  —  3.  Josef  Wagmer:  Ge¬ 
schichte  von  Adelholzen.  Oberbayer.  Archiv,  Bd.  27  (1866).  — 
4.  Mayr  Georg:  Beschreibung  etc.  München  1849,  1856;  Augsburg 
1863.  —  5.  Ratker  Wildbad  A.,  1853,  in  „Bayern  in  seinen  Schön¬ 
heiten“,  III,  München.  —  6.  Fr.  Sauer:  Führer  in  und  um  A„  1874.  — 

7.  Wilhelm  Mayer:  Beschreibung  von  A.  München  1895.  - — 

8.  F  r  i  e  d  e:  Führer  von  Adelholzen.  Leipzig.  —  9.  Deutsches  Bäder¬ 
buch,  bearbeitet  unter  Mitwirkung  des  Kais.  Gesundheitsamtes.  Ver¬ 
lag  von  J.  J.  We  b  e  r,  Leipzig  1907. 

B.  Ueber  Rubidium. 

1.  Die  Arzneimittelsynthese  auf  Grundlage  der  Beziehungen  zwi¬ 
schen  chemischem  Aufbau  und  Wirkung.  Von  Prof.  Dr.  Sigmund 
Fränkel  in  Wien.  3.  Aufl.,  Berlin,  bei  Springer,  1912.  Dort 
besprochen  sind:  a)  James  Blake:  Procedings  London  Royal  Soc. 
(1841),  B.  B.  14  u.  94  (1881),  Journal  of  Physiol.,  5,  35.  b)  Charles 
Rieh  et:  De  l’action  physiologique  des  sels  de  rubidium.  Comptes 
rendus  hebdomedaires  de  l’academie  des  Sciences,  Tom.  CL,  No.  14 
u.  15,  Oktober,  Paris  1885.  c)  C.  Brunton:  Handbuch  der  Phar¬ 
makologie,  Leipzig  1893.  c)  Botkin  und  Mendelejeff:  Grund¬ 
lagen  der  Chemie,  Leipzig  1892.  e)  Laufenauer:  Therap. 
Monatsh.  1889.  - —  2.  Prof.  Erich  H  a  r  n  a  c  k  und  Dr.  Ed.  Dietrich 
in  Halle:  Archiv  f.  experim.  Pathologie,  Bd.  19.  3.  Heft.  —  3.  M.  Vo  g  t: 
Emploi  therapeutique  de  l’iodure  de  rubidium.  Repertoire  de  Phar- 
macie,  3.  Serie,  Tom.  6,  No.  6,  Paris,  1891.  —  4.  Leistikow  -  Ham¬ 
burg:  Ueber  Jod-Rubidium.  Monatshefte  f.  prakt.  Dermatologie, 
Bd.  16,  No.  10. 

C.  Ueber  den  Wert  der  Alkalien  in  den  Mineralwässern. 

1.  Prof.  K 1  e  m  p  e  r  e  r  -  Berlin:  Behandlung  der  Nierenstein¬ 
krankheiten.  1904.  —  2.  Paul  Wagner,  im  Handbuch  der  Urologie 
von  Frisch  und  Zuckerkand  1.  1905.  —  3.  Prof.  Posner- 

Berlin:  Vorlesungen  über  Harnkrankheiten.  1911. 


3 


?oö 


Muenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


Aus  Dr.  Deckers  Sanatorium  für  Magen-,  Darm-  und  Zucker¬ 
kranke  in  München. 

Lieber  eine  praktische  künstliche  Afterbandage  und 
Mastdarmvorfallbandage  *). 

Von  Hofrat  Dr.  Decke  r. 

1  )ie  bisher  gebräuchliche  Bandage  bei  Anus  praeter¬ 
naturalis  ist  die  nach  Dr.  H  e  r  m  a  n  n,  bestehend  aus  einer 
gepolsterten  Feder,  einer  Zelluloidscheibe  und  einem  Halter 
mit  Gummikottasche.  Der  Hauptnachteil  bei  dieser  Bandage 
besteht  darin,  dass  infolge  Ansammlung  des  Kotes  in  der 
Gummitasche  die  Patienten  nicht  nur  selbst,  sondern  auch 
ihre  Umgebung  unter  dem  Kotgeruch  zu  leiden  haben,  was 
besonders  bei  Patienten  unangenehm  ins  Gewicht  fällt,  die 
sich  gesellschaftlich  nicht  ganz  zurückziehen  wollen.  Dazu 
kommt,  dass  die  Zelluloidscheibe  nicht  ganz  luftdicht  ab- 
schliesst  und  daher  der  Stuhl  bei  dünnflüssiger  Konsistenz  da¬ 
zwischen  heraustreten  kann,  was  zu  weiterer  Belästigung  des 
Patienten  führen  muss. 

Diese  Nachteile  der  Bandage  haben  mir  vor  mehreren 
Jahren  zur  Konstruktion  einer  Bandage  Veranlassung  gegeben, 
die,  wie  die  mehrjährige  Erfahrung  gezeigt  hat,  sich  sehr  be¬ 
währt  und  obige  Nachteile  vermeidet,  dazu  noch  den  weiteren 
grossen  Vorteil  besitzt,  dass  ihr  Preis,  während  die  Her¬ 
mann  sehe  Guinmikottaschenbandagc  30  M.  kostet,  nur  12  bis 
15  M.  beträgt,  je  nach  der  Ausführung. 

Der  Hauptunterschied  bei  meiner  Bandage  bestellt  darin,  dass 
ich,  wie  aus  nebenstehender  Abbildung  zu  ersehen,  an  Stelle  der 
Zelluloidscheibe  eine  ovale,  pneumatische,  drehbare  Gummi- 
pelotte  verwendet  habe,  die  seitlich  einen  dünnen  Uummischlauch 
besitzt.  Vermittelst  jeder  beliebigen,  an  den  Gummischlauch  zu  be¬ 
festigenden  Spritze  wird  wie  bei  der  Velozipedpneumatik  die  Gummi- 
pelotte  aufgeblasen  und  der  Gummischlauch  mit  einer  Schnur  zu¬ 
gebunden.  Die  in  aufgebläh¬ 
tem  Zustand  halbkugelför¬ 
mige  Pelotte  übt  einen  gleich- 
massigen  konzentrischen 
Druck  aus,  der  den  Anus 
vollständig  luftdicht  ab- 
schliesst  und  von  den  Pa¬ 
tienten  absolut  nicht  unange¬ 
nehm  empfunden  wird.  Ein 
weiterer  Vorteil  dieser  Pe¬ 
lotte  besteht  darin,  dass  sie  sehr  leicht  und  schnell  zu  reinigen  ist, 
während  die  Reinigung  der  Gummikottasche  umständlicher  und  unan¬ 
genehmer  ist.  Die  Gummipelotte  habe  ich  deshalb  „drehbar“  ausführen 
lassen,  weil  je  nach  Anlegung  des  Anus  entweder  die  horizontale  oder 
vertikale  oder  schräge  Anlegung  derselben  am  besten  luftdicht  ver- 
schliesst.  Patienten,  die  sich  zuerst  der  Hermann  sehen  Gummi¬ 
kottasche  bedient  und  dann  zu  der  pneumatischen  Gummipelotte  über¬ 
gegangen,  überzeugen  sich  sehr  schnell  von  den  Vorteilen  der 
letzteren.  Kotgeruch,  von  dem  sie  und  ihre  Umgebung  belästigt 
werden,  ist  ausgeschlossen. 

Mastdarmvorfallbandage*). 

Da  kleinere  Mastdarmvorfälle  eine  Indikation  zur  Operation  nicht 
abgeben,  und  bei  grossen  die  vorgeschlagene  Operation  oft  abge¬ 
lehnt  wird,  auf  der  arideren  Seite  aber  sich  infolge  des  Prolapsus 
Entzündungen  der  Schleimhaut  einstellen,  die  zu  unangenehmen  Be¬ 
schwerden  Veranlassung  geben  können,  so  kann  man  den  Patienten 
durch  eine  passende  Mastdarmvorfallbinde  nicht  bloss  eine  direkte 
Erleichterung  bringen,  sondern  auch  die  sekundären  Reizerschei¬ 
nungen  beseitigen. 

Die  beiden  hauptsächlich  in  Anwendung  gezogenen  Bandagen  be¬ 
stehen  bei  der  einen  in  einem  verstellbaren  Gurtband  mit  4  Schenkel¬ 
riemen  und  einer  breiten,  ovalen,  flachen,  pneumatischen  Gummi¬ 
pelotte  mit  hohlem  Gummizapfen;  bei  der  anderen  aus  einem  ver¬ 
stellbaren  Gurtband  mit  3  üummischenkelriemen  und  einer  eiförmigen 
Hartgumrnipelotte. 

Die  Nachteile  der  beiden  Pelotten  sind  in  erster  Linie  die  grosse 
Unbequemlichkeit,  die  sie  durch  ihre  Grösse  (bei  der  pneumatischen) 
und  durch  ihre  Härte  (bei  der  Hautgummipelotte)  dem  Patienten  ver¬ 
ursachen,  sowohl  beim  Gehen,  als  besonders  auch  beim  Sitzen. 
Längeres  Sitzen  ist  mit  beiden  Pelotten  unmöglich.  Dazu  kommt, 
dass  bei  der  pneumatischen  Pelotte  der  Zapfen,  der  in  den  After  hin¬ 
eingeschoben  werden  soll,  viel  zu  weich  ist,  um  diesen  Zweck  zu 
erreichen  und  infolge  der  Breite  der  Pelotte  sich  der  Rima  ani  nicht 
fest  anlegen  kann,  so  dass  zwischen  ihr  und  dem  After  noch  ein 
Zwischenraum  bleibt,  der  es  dem  Vorfall  ermöglicht,  trotz  Pelotte 
noch  herauszutreten.  Anstatt  daher  dem  Patienten  eine  Er¬ 
leichterung  zu  bieten,  verursacht  dieselbe  durch  die  permanente 
Reibung  eher  noch  eine  Verstärkung  der  Beschwerden. 

)  Zu  beziehen  durch  die  Firma  Katsch,  München,  Bayerstrasse. 


No.  13 


Die  genannten  Nachteile  werden  bei  meiner  Pelotte  vermieden 
Dieselbe  ist,  wie  aus  nebenstehender  Abbildung  zu  ersehen,  be 
deutend  schmäler,  wie  die 
pneumatische  und  fügt 
sich  infolgedessen,  ohne 
dem  Patienten  weder  im 
Gehen,  noch  im  Sitzen 
Beschwerden  zu  verur¬ 
sachen,  in  die  Rima  ani 
sehr  leicht  ein.  Ausserdem  ist  dieselbe  dadurch,  dass  sie  inner 
gepolstert  und  mit  Patentgummi  überzogen  ist,  solid,  ohne  hart  zi 
sein  und  kann  daher  der  Zapfen  direkt  in  den  After  eingefiihr 
werden  und  verhindert  dadurch  ein  Heraustreten  des  Vorfalles. 


Aus  der  Frauenklinik  der  Kgl.  Charitee  zu  Berlin 
(Direktor:  Geheimrat  Fran  z). 

Zur  Geschichte  der  Serodiagnostik  der  Schwangerschaft 

Von  Prof.  Dr.  R.  Freund. 

Das  Studium  der  anatomischen  Vorgänge  bei  der  menschliche!) 
Eiimplantation,  durch  welches  die  direkte  Einfuhr  ungelöster 
Plazentareiweisses  in  das  mütterliche  Blut  festgelegt  und  die  Am 
nähme  gelösten  Eiweisses  nahegelegt  wurde,  w^ar  der  Anlass  z 
experimenteller  Erforschung  reaktiver  Prozesse  gegen  dieses  Eiweis 
im  Blute  der  Mutter.  Das  erste  Ergebnis  war  die  von  Liepmann1) 
gefundene  und  von  mir2)  bestätigte  Präzipitinreaktion;  Mit  entj 
bluteter  Plazenta  vorbehandelte  Tiere  lieferten  ein  Serum,  das  mi 
Chorionzotten,  Serum  von  Schwangeren  und  Föten  eine  deutlich 
Fällung  (Präzipitation)  abgab,  mit  Serum  von  Nichtgraviden  ode 
Männern  indessen  gar  keine  oder  eine  kaum  nennenswerte.  Dieselb; 
Reaktion,  nur  schwächer  und  langsamer  verlaufend,  gelang  mir- 
ebenso  wie  Kawasoye1 4')  in  den  meisten  Fällen  mit  dem  Uri 
Gravider.  Die  seinerzeit  als  spezifische  Vorgänge  in  der  Kriti 
schan  abgelehnten  Befunde ')  gewinnen  im  Lichte  der  moderne 
serodiagnostischen  Schwangerschaftsforschung  wieder  an  Bedeutunj 
Die  Präzipitinreaktion  repräsentiert  einen  Vor 
läuter  der  beiden  Abderhalden  sehen  Methode 
und  analog  diesen  jedenfalls  eine  sehr  feine  Eiw'eissprobe,  mögliche; 
weise  mit  gewissem  spezifischen  Charakter. 

Als  dann  W  e  i  c  h  a  r  d  t  -  P  i  1 1  z 5 *)  und  ich")  tierexperimentei 
die  Giftwirkung  plazentaren  Presssaftes  gezeigt  hatten,  konnte  iq 
den  Nachweis  einer  weiteren,  interessanten  Reaktion  des  Blutserun 
erbringen,  auf  die  mich  gleichfalls  der  der  ganzen  Plazentarforschun 
zugrunde  liegende  Gedanke  einer  Abwehrvorrichtung  im  mütterliche 
Blute  gegen  das  eingeschwemmte  choriale  Eiweiss  gebracht  hatt 
Es  gelang  mir,  die  GiftwGrkung  des  Plazentarpress 
saftes  und  ölsauren  Natriums  durch  vorherige  Mi 
schung  mit  der  gleichen  Menge  frischen  Serum 
vollkommen  aufzu  heben7),,  eine  Wirkung,  die  nur  m 
Serum,  nicht  mit  Kochsalz  erhalten  wurde,  und  zwar  nicht  nur  m 
Serum  von  Schwangeren,  sondern  auch  von  Nichtschwangeren  urt 
einigen  Tierspezies.  Auf  Grund  dieser,  von  vielen  Seiten  bestätigte 
giftbindenden  Serumeigenschaft  habe  ich  dann  im  Jahre  1 909  i 
6  Fällen  von  pathologischer  Schwangerschaft  (Eklampsie),  deren  Bh 
dem  Gedankengang  nach  zu  w^enig  Abwehrstoffe  bezw.  zu  viel  (iif 
Stoffe  enthalten  musste,  zum  ersten  Male  eine  intravenös 
Serumtheraoie8 *)  eingeleitet,  die  bekanntlich  später  veji 
Mayer  und  L  i  n  s  e  r  °)  und  mir10)  auch  auf  die  Dermatosen  au 
gedehnt  vmrde. 

Als  nun  fast  zu  gleicher  Zeit  (1909)  Abderhalden11)  seit 
Untersuchungen  mittels  der  optischen  Methode  publiziert 
dachte  ich  an  die  Möglichkeit,  mit  ihr  die  durch  die  Präzipitinreaktir 
und  die  geschilderte  Serumwirkung  nahegelegten  Vorgänge  i 
mütterlichen  Blute  zu  verfolgen.  Ich  ging  deshalb  zu  Abderha 
d  e  n  hin  und  trug  ihm  die  Ergebnisse  der  plazentaren  Forschui 
vor,  wmriach  auch  ihm  die  Schwangerschaft  als  ein  für  die  optiscl 


1)  Deutsche  med,  Wochenschr.  1902,  No.  51  und  1903,  No.  5  u.  2 

2)  Monatsschr.  f.  Geb,  u.  Gyn.  1904,  Bd.  20,  S.  1039,  und  Miincj 
med.  Wochenschr.  1904,  No.  42,  S.  1898,  und  Verhandl.  d.  üesellscha 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  1905,  Breslau,  S.  218. 

3)  Inaug.-Diss.  Erlangen  1904. 

4)  Verhandlungen  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  Bresk 
1905,  S.  233  ff. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  S.  1854. 

°)  Deutscher  Gyn.-Kongr.  Dresden  1907,  S.  406,  und  Zentralbl. 
Gyn.  1907,  No.  26,  S.  777. 

7)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1909,  No.  15,  und  (mit  Mohr'  19C 
No.  40. 

s)  R.  Freund:  cf.  Handbuch  der  Serumtherapie  von  Wolf 
Eisner  unter  „Eklampsie".  München,  Lehmann  1910,  S.  249. 

lJ)  Münch,  med.  Wochenschr.  1910.  No.  52. 

10)  Med.  Klinik  1911,  No.  10,  S.  371,  und  D.  med.  Wochensc! 
1911,  No.  52. 

n)  Z.  f.  phys.  Chemie  1909,  Bd.  62,  S.  120  (mit  Welchard 
und  S.  243  (mit  Pincussohn). 


April  1913. 


MUENCHKNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


,‘thodc  geeignetes  Feld  erschien.  Die  Versuche  wurden  alsbald  an 
m  Material  der  Charitee-Frauenklinik  in  dem  physiol.  Institut  der 
rärztlichen  Hochschule  in  die  Wege  geleitet.  Einige  Wochen 
nach  erschien  von  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  12)  ein  Artikel  ln  der  Med. 
nik.  der  die  optische  Methode  im  allgemeinen  behandelt  und  den 
-■rt  auch  für  die  normale  und  pathologische  Schwangerscnaft  he¬ 
chtet. 

Nach  langen,  stets  negativ  ausfallenden  Versuchen,  die  mit  Pep- 
ien  auS  Seide,  Gelatine,  Edestin,  Gliadin  etc.  und  später  auf  Au¬ 
en  Abderhaldens  aus  menschlicher  Plazenta  von  seinen  Assi¬ 
nten  Dr.  C.  Br  a  h  m  und  später  L.  Pincussohn  vorgenommen 
ren,  gelang  es  schliesslich  letzterem,  ein  brauchbares  Plazentar¬ 
en  herzustelien,  welches  allerdings  nur  von  Serum  aus  den  drei 
den  Schwangerschaftsmonaten,  einmal  aus  dem  y.  Monat  und 
ner  von  Serum  in  vier  Eklampsiefällen  gespalten  wurde. 

Die  Resultate  dieser  ersten  serologischen  Untersuchungen 
i  itelst  der  optischen  Methode  sind  von  Abderhalden- 
eund -Pincussohn  veröffentlicht  worden  unu  damals  zu 
:  inem  Bedauern  in  die  praktischen  Ergebnisse  der  Geb.  und  Gyn.13), 
■hin  sie  ihres  unfertigen  Charakters  wegen  nicht  gehörten,  hinein- 
,  äugt.  Mein  Verdienst  an  der  Nutzanwendung  der  optischen  Mo¬ 
nde  Abderhaldens  auf  dem  Gebiete  der  Schwangerschaft  ist 
uit  ein  geringes,  denn  nach  dem  Bekanntwerden  dieser  Methode 
i  sste  jeder,  der  mit  der  plazentaren  Theorie  einigermassen  ver- 
:  ut  war,  in  ihr  womöglich  selbständig  gearbeitet  hatte,  auf  den  Ge¬ 
cken  der  Verwertbarkeit  der  optischen  Methode  für  dieses  Gebiet 
Ilmmen,  wie  es  schon  daraus  hervorgeht,  dass  nicht  lange  nach 
i  ginn  unserer  gemeinsamen  Arbeit  anderweite  Forscher  in  der 
.  ichen  Absicht  bei  Abderhalden  in  Berlin  eintrafen. 

Die  auf  50  Fälle  einschliesslich  4  Eklampsien  sich  stützenden  Er- 
.  misse  unserer  ersten  Arbeit  Hessen  nur  den  Schluss  zu,  dass  es 
■h  um  eine  Reaktion  der  ersten  Schwangerschaftsmonate  und  bei 
lampsie  handle.  Die  Fassung  des  Titels  durfte  danach  keine  andere 
:  Zeichnung  als  „serologische  Untersuchungen  mit  Hilfe  der  optischen 
thode  während  der  Schwangerschaft  und  speziell  bei  Eklampsie“ 
inspruchen.  Im  weiteren  Verfolg  dieser  Arbeiten  konnte  Abder- 
lden14)  zeigen,  dass  durch  Verbesserungen  aer  Hilfs- 
1 1  e  1  einerseits  zur  optischen  Methode,  andererseits  durch 
Inzunahme  des  Dialysierverfahrens  der  Nachweis 
>  Spaltungsvermögens  im  Serum  Schwangerer  nicht  nur  in  den 
:sten,  sondern  auch  in  den  späteren  Monaten  mög- 
t  sei.  Damit  war  die  serologische  Untersuchungsmethode  zur 
chwangerschaftsdiagnos e“  erweitert  worden. 

Vielleicht  wird  jetzt  nach  Verbesserung  der  serologischen  Unter- 
:  ihungsmethode  mein  Wunsch15),  die  Heilwirkung  der  von  mir 
ugurierten  Serumtherapie,  speziell  bei  Eklampsie,  durch  ein 
.  iktes  Verfahren  zu  verfolgen,  in  Erfüllung  gehen. 

Ausführliche  Untersuchungen  über  die  Verwertung  und  Be- 

I  rtung  der  serologischen  Methoden  zum  Schwangerschaftsnachweis 

I I  C.  Brahm  und  mir  sind  der  Redaktion  gleichzeitig  zugegangen. 


omerkung  „Zur  Geschichte  der  Serodiagnostik  der 
Schwangerschaft“  von  R.  Freund. 

Von  Emil  Abderhalden  in  Halle  a.  S. 

Ich  habe  selbst  immer  betont,  dass  die  Befunde 
n  Chorionzottenepithelien  im  Blute  Schwange- 
r  durch  Schmorl  und  Veit,  mich  auf  die  Idee  g  e  - 
achthaben,  das  Verhalten  des  Serums  Schwa  nge- 
r  gegenüber  von  Proteinen  zu  verfolgen.  Der- 
ige  Versuche  erschienen  deshalb  aussichtsreich,  weil  durch  eine 
H’sse  Reihe  von  Versuchen  von  mir  und  meinen  Mitarbeitern  gezeigt 
rden  war,  dass  nach  parenteraler  Zufuhr  von  artfremden  Proteinen 
Blute  Fermente  auftreten,  die  diese  abzubauen  vermögen.  Da  nach 
Zufuhr  verschiedenartiger  Proteine  Fermente  aufgetreten  waren, 

Med.  Klinik  1909,  No.  41. 

13)  Pr.  Erg.  d.  Geb.  u.  Gyn.  II.  Jahrg.,  II.  Abt.,  1910,  S.  367. 

)  Z.  f.  phys.  Chemie  1912,  Bd.  77,  S.  249  (mit  K  i  u  t  s  i).  — 
nch.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  24,  36,  40.  —  Z.  f.  pnys.  Chemie, 

■  81,  S.  90.  —  D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46.  —  Schutz- 
mente.  Springer,  Berlin  1912.  —  Berl.  tierärztl.  Wochenschr. 

No.  25,  42  und  No.  36  (mit  Weil).  —  Beitr.  zur  Klinik  der 
ektionskrankh.  u.  z.  Immunit.  Würzburg  1912,  S.  243.  —  Münch, 
d.  Wochenschr  1913,  No.  8  und  9. 

lo)  Vgl.  „Eklampsie“  im  Handb.  d.  Serumtherapie  n.  W  o  1  f  f  - 
sner,  München,  1910,  S.  250.  Dort  heisst  es:  „Eine  rationelle 
umtherapie  wird  freilich  erst  aufgestellt  werden  können,  wenn 
lässliche  Resultate  über  die  fermentative  Kraft  des  Blutserums  bei 
analer  und  pathologischer  Schwangerschaft  vorhegen.  In  dieser 
isicht  erscheint  die  angeführte  optische  Untersuchungsmethode  in 
ter  Linie  geeignet.  Die  praktischen  Konsequenzen,  etwaigem  Blut- 
mentmangel  bei  Eklampsie  durch  tierexperimentell  erzeugte  fer- 
utreiche  Sera  nachzuhelfen,  dürfte  keinerlei  Schwierigkeiten  bei 
Ausführung  begegnen.“  —  Ferner:  Med.  Klinik  1911,  No.  10, 
371. 


701 

die  auch  andere  Eiweissstoffe,  als  die  gespritzten  angriffen,  begann 
uas  ..  tudium  der  Serodiagnostik  der  Schwangerschaft  mittels  Pep¬ 
tonen,  die  aus  verschiedenen  Proteinen  dargestellt  waren.  Ich  be¬ 
auflagte  meinen  damaligen  Assistenten,  Dr.  Brahm,  diese  Versuche 
auszuführen.  Der  Erfolg  war,  wie  schon  mehrfach  mitgeteilt  worden 
ist,  ein  negativer.  Hierauf  veranlasste  ich  Herrn  Dr.  Brahm  und 
Herrn  Dr.  I  inkussohn,  meine  damaligen  Assistenten,  nach  den 
von  mir  tiir  die  Darstellung  von  Peptonen  ausgearbeiteten  Methoden 
solches  aus  Plazentagewebe  darzustelleu.  Die  ersten  Versuche  er¬ 
gaben  kein  gutes  Resultat,  weil  das  Plazentapepton  infolge  seines 
hohen  Salzgehaltes  mit  verschiedenen  Sera  Fällungen  gab.  Erst  spa¬ 
ter  wurden  die  Methoden  so  verbessert,  dass  die  optische  Methode 
zur  Feststellung  der  Schwangerschaft  allgemein  anwendbar  wurde. 
Fast  gleichzeitig  wurde  dann  auch  das  Dialysierverfahren  zur  Dia- 
gnose  der  Schwangerschaft  ausgearbeitet  und  zur  allgemeinen  Be¬ 
nutzung  zur  Verfügung  gestellt.  Es  folgten  dann  die  Veröffent¬ 
lichungen  von  Halle  aus. 

Freund  behauptet  nun,  dass  er  mich,  angeregt  durch  meine  ' 
Veröffentlichungen  über  die  mit  der  optischen  Methode  erhaltenen  Be¬ 
funde,  aufgesucht  und  mir  die  Ergebnisse  der  plazentaren  Forschung 
vorgetragen  habe.  Das  ist  nun  nicht  richtig.  Freund  trug 
mir  damals  die  folgende  Bitte  vor.  Er  teilte  mir  mit,  dass  er  für 
das  Handbuch  von  Wolff-Eisner  das  Kapitel  Eklampsie  zu  ver¬ 
fassen  habe.  Es  sei  nun  von  B  e  r  g  e  1 1  und’  Liepmann  fest¬ 
gestellt  worden,  dass  die  Plazenta  sehr  reich  an  Fermenten  sei.  Diese 
könnten  nun  bei  Verschleppung  von  Chorionzottenzellen  ins  Blut  ge¬ 
langen  und  eine  Giftwirkung  entfalten.  Freund  erbat  nun  von  mir 
Auskunft  darüber,  ob  Fermente  giftig  wirken  können.  Diese  Frage 
war  durchaus  berechtigt,  denn  es  galten  viele  Fermente,  so  vor 
allem  das  Trypsin,  als  sehr  giftig.  Ich  teilte  Freund  mit,  dass 
es  mir  unwahrscheinlich  sei,  dass  die  Fermente  als  solche  giftig 
wirken.  Ich  machte  ihn  auf  meine  Fermentstudien  aufmerksam  und 
legte  ihm  dar,  dass  sehr  wohl  Fermente  eine  Rolle  spielen  könnten, 
indem  solche  durch  Abbau  vielleicht  giftige  Produkte  aus  blut¬ 
fremdem  Material  erzeugten.  Freund  waren  diese  meine 
Arbeiten  über  das  Erscheinen  von  Fermenten  nach 
parenteraler  Zufuhr  von  Proteinen  usw.  nach 
seiner  damaligen  Aussage  gänzlich  unbekannt. 
Ich  hätte  auch  ohne  den  Besuch  von  Freund  ver¬ 
sucht,  die  Eklampsie  mittels  meiner  Verfahren  zu 
studieren.  Freund  hat  nach  dieser  Unterredung  seinen  Artikel 
für  Wolff-Eisner  abgeschlossen.  Freund  bat,  sich  an  den 
Untersuchungen  über  Eklampsie  beteiligen  zu  dürfen.  Es  geschah 
diese  Beteiligung  in  der  Form,  dass  F  r  e  u  n  d  das  Material  beschaffte. 
Er  hat  im  übrigen  meines  Wissens  nur  ganz  selten  Ablesungen 
mitverfolgt.  Es  war  ihm  eine  aktivere  Anteilnahme  an  den  Unter¬ 
suchungen  durch  seine  Berufsgeschäfte  verunmöglicht. 

Dass  die  Angabe  Freunds,  er  habe  mich  aufgesucht,  um  mir 
nahezulegen,  die  optische  Methode  auf  dem  Gebiete  der  Schwanger¬ 
schaft  anzuwenden,  eine  durchaus  unrichtige  ist,  wird 
durch  folgende  Daten  einwandfrei  erwiesen.  Freund  suchte 
mich  Ende  Juli  oder  in  den  ersten  Tagen  des  August 
1909  auf.  Die  erste  Arbeit  über  die  Anwendung  der 
optischem  Methode  zu  serologischen  Unter¬ 
suchungen  ist  in  dem  am  19.  August  1909  e  r  - 
schienenen  Heft  der  Zeitschrift  für  physio¬ 
logische  Chemie,  Bd.  61,  S.  200,  enthalten1).  Die  zweite 
folgte  in  Bd.  62  2).  In  der  dritten  Mitteilung,  die  der  Redaktion 
der  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie  am 
16.  August  1909,  also  drei  Tage  vor  dem  Erscheinen  der 
ersten  Arbeit  über  dieses  Gebiet  zuging,  findet  sich 
S.  248  unter  ausführlicher  Besprechung  der  Möglichkeit  der  Erfor¬ 
schung  der  Eklampsie  mittels  der  optischen  Methode  der  Hinweis, 
dass  ich  mit  R.  Freund  Versuche  über  das  Verhalten  des  Serums 
Eklamptischer  aufzunehmen  beabsichtige.  Daraus  geht  wohl  ein¬ 
deutig  genug  hervor,  dass  Freund  mich  aufsuchte,  ehe  er  Kenntnis 
von  der  Verwertbarkeit  der  optischen  Methode  zu  serologischen  Stu¬ 
dien  haben  konnte,  denn  sein  Besuch  fällt  mindestens  3— 4Wochen  vor 
das  Erscheinen  der  ersten  Mitteilung.  In  jener  Abhandlung  habe  ich 
schon  ausdrücklich  die  optische  Methode  zu  allen  möglichen  For¬ 
schungen  empfohlen  und  betont,  dass  ich  nicht  beabsichtige,  irgend¬ 
welche  Probleme  für  mich  zu  reservieren. 

In  diesem  Zusammenhang  sei  darauf  hingewiesen,  dass 
R.  Freund  in  No.  10,  1911  der  Medizinischen  Klinik  schreibt:  „An¬ 
gesichts  der  Schwierigkeit,  diesen  Resultaten  ....  Beweiskraft  zu 
verschaffen,  unterbrach  ich  diese  therapeutischen  Bestrebungen  und 
wendete  mich  (Zitat:  Prakt.  Ergebnisse  d.  Geburtsh.  u.  Gynäkol, 

2.  Jg„  Abt.  2,  S.  367)  zunächst  der  damals  von  Abderhalden 
(Zitat:  Medizinische  Klinik  1909,  No.  41)  eingeführten  „optischen  Me- 


*)  Hierzu  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  Hefte  der  Z.  f.  physiol. 
Chemie  im  allgemeinen  erst  8  Tage  nach  ihrer  Ausgabe  allgemein  zu¬ 
gänglich  sind. 

")  Diese  Arbeit  zitiert  Freund  als  die  für  ihn  erste  Arbeit 
auf  diesem  Gebiete.  Sie  ist  am  23.  September  1909  zur  Ausgabe  ge¬ 
langt!  Also  ca.  7—8  Wochen  nach  jener  Unterredung,  zu  der  er 
—  Freund  —  durch  seine  Kenntnis  der  optischen  Methodik  an¬ 
geregt  worden  sein  will. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13 


702 


thode  zu“  usw.  Freund  verschweigt,  dass  jene  von  ihm  genannte 
Arbeit  in  den  Ergebnissen  von  mir  und  meinem  damaligen  Assistenten 
Pinkussohn  mitveröffentlicht  ist.  Als  Quelle  seiner  Kenntnis  der 
optischen  Methode  gibt  er  meine  Arbeit  in  der  Medizinischen  Klinik 
an.  In  seinem  Beitrag  zur  Geschichte  etc.  will  er  jetzt  jene  Arbeit  als 
unter  dem  Einfluss  der  stattgehabten  Unterredung  stehend  darstellen! 

Diese  Daten  mögen  genügen,  um  den  Leser  über  den  wahren 
Sachverhalt  zu  orientieren. 

Sollte  somit  Freund  mit  seiner  Mitteilung  „Zur 
Geschichte  der  Serodiagnostik  der  Schwanger¬ 
schaft“  die  Absicht  verfolgen,  einen  ideellen  Anteil 
an  der  Anwendung  meiner  Methoden  auf  das  Gebiet 
der  Gravidität  und  seiner  pathologischen  Erschei¬ 
nungen  zu  konstruieren,  so  muss  ich  dem  ganz  ent¬ 
schieden  entgegentreten.  Für  mich  waren  die  Eklampsie 
und  die  Schwangerschaft  ein  Prüfstein  für  meine  Vorstellungen  über 
das  Verhalten  zwar  arteigener,  jedoch  blutfremder  Stoffe.  Ich  habe, 
nachdem  die  optische  Methode  und  das  Dialysierverfahren  ausge¬ 
arbeitet  waren,  diese  Methoden  ganz  allgemein  dadurch  zugänglich 
gemacht,  dass  ich  mich  und  mein  Institut  zu  ihrer  Erlernung  zur  Ver¬ 
fügung  stellte.  Die  Anwendungsmöglichkeiten  der  Methoden  und  der 
ihnen  zugrunde  liegenden  Ideen  sind  zahllose.  Ich  habe  selbst  aus¬ 
drücklich  hervorgehoben,  dass  ich  selbst  nicht  beabsichtige,  die  An¬ 
wendung  meiner  Methoden  auf  irgend  ein  Gebiet  zu  reservieren,  son¬ 
dern  im  Gegenteil  wünsche,  dass  die  Kliniker,  die  ja  einzig  und  allein 
auf  dem  Gebiete  der  Pathologie  entscheidende  Untersuchungen  durch¬ 
führen  können,  die  Methoden  zu  den  mannigfaltigsten  Fragestellungen 
verwenden  möchten. 

Freund  vergisst  bei  seiner  Darstellung  den  springenden  Punkt 
der  ganzen  Serodiagnostik,  wie  sie  von  mir  ausgearbeitet  worden  ist. 
Sie  beruht  nämlich  auf  der  Vorstellung,  dass  während  der  Gravidität 
blutfremdes  Material  zirkuliert,  das  dem  Abbau  durch  Fermente 
unterliegt,  die  vom  mütterlichen  Organismus  in  das  Blut  abgegeben 
werden,  um  den  kompliziert  gebauten  Molekülen  ihre  Eigenart  zu 
nehmen.  Diese  Vorstellung  war  Freund  vor  jener  Unterredung  ab¬ 
solut  fremd.  Er  konnte  auch  ohne  Kenntnis  meiner  Forschungs¬ 
ergebnisse  gar  nicht  auf  eine  solche  Idee  kommen.  Derjenige,  der 
einer  derartigen  Vorstellung  am  nächsten  kam,  ist  Weichardt. 
Er  sprach  schon  von  Synzytiolysinen. 

Ich  bin  für  jede  Anregung  sehr  dankbar  und  werde  solche  immer 
gerne  anerkennen.  Im  vorliegenden  Falle  ist  jedoch 
die  Anregung  zu  den  Studien  über  das  Verhalten 
des  Blutserums  während  der  Schwangerschaft 
einmal  auf  die  Befunde  von  Schmor  1,  Weichardt 
und  Veit  zurückzuführen  und  dann  vor  allem  auch 
—  und  das  ist  die  Hauptsache  —  auf  meine  eigenen 
Forschungen  über  das  Erscheinen  von  Fermenten 
im  Blut  nach  Zufuhr  von  blutfremdem  Material. 

Wenn  ich  selbst  nicht  auf  die  in  der  Literatur  vorliegenden  Ver¬ 
suche,  die  Schwangerschaft  aus  dem  Verhalten  des  Blutserums  zu 
diagnostizieren,  eingegangen  bin,  so  geschah  das  deshalb,  weil  einmal 
diese  Versuche  zu  keinen  brauchbaren  Resultaten  führten  und  es  vor 
allem  zurzeit  noch  unmöglich  ist,  die  Beziehungen  zwischen  meinen 
Beobachtungen  und  z.  B.  der  Präzipitinbildung  festzulegen.  Es 
sind  noch  zahlreiche  Untersuchungen  nötig,  ehe  sich  eine  Brücke 
schlagen  lässt. 

Man  könnte  noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  die  Dar¬ 
legungen  Freunds  über  die  sog.  plazentare  Theorie,  die  er  als 
Schüler  Veits  zweifellos  mit  am  besten  beherrscht,  stark  von  Ein¬ 
fluss  gewesen  sind  für  die  Anwendung  der  optischen  Methode  auf 
dem  Gebiete  der  Physiologie  und  Pathologie  der  Schwangerschaft. 
Ich  kann  mich  zur  Entscheidung  dieser  Frage  auf  Weichardt  be¬ 
rufen.  Er  arbeitete  zu  jener  Zeit  seit  einem  Jahre  in  meinem  Institute. 
Wir  haben  uns  über  die  plazentare  Theorie  oft  unterhalten.  Ich  be- 
sass  natürlich  auch  die  Veröffentlichung  Weich  ardts  über  dieses 
Problem.  E.  Kaufmann,  mein  Lehrer  in  pathologischer  Anatomie 
(vgl.  sein  Lehrbuch,  1.  Aufl.,  1896,  S.  744)  trug  uns  den  Sch  mo  ri¬ 
schen  Befund  auch  schon  vor. 

An  und  für  sich  ist  es  selbstverständlich  vollständig  gleichgültig, 
ob  ich  die  Anregung  zur  Anwendung  meiner  Methoden  auf  dem  Ge¬ 
biet  der  Pathologie  und  Physiologie  der  Schwangerschaft  direkt  aus 
der  Literatur  (S  c  h  m  o  r  1,  Weichardt,  Veit)  entnommen  habe, 
oder  indirekt  durch  Veits  Schule  auf  diese  Arbeiten  aufmerksam  ge¬ 
worden  bin  —  was,  wie  schon  erwähnt,  vollständig  unrichtig  ist. 

Als  Freund  seine  erste  unrichtige  Darstellung  in  der  Medi¬ 
zinischen  Klinik  veröffentlichte  und  sich  ein  Verdienst  allein  aneignen 
wollte,  das  ihm  in  keiner  Weise  zukommt,  schwieg  ich,  weil  es  mir 
peinlich  war,  bei  einer  gemeinsam  veröffentlichten  Arbeit  nachträg¬ 
lich  abzuwägen,  welcher  Anteil  einem  jeden  Mitarbeiter  zukommt. 
Gleichzeitig  wäre  ich  schon  damals  gezwungen  gewesen,  die  Dar¬ 
stellung  von  F  r  e  u  n  d  als  vollständig  unrichtige  zu  bezeichnen.  Nach¬ 
dem  nun  Freund  zum  zweitenmal  eine  unrichtige  Darlegung  gibt, 
muss  ich  den  Sachverhalt  der  Oeffentlichkeit  vorlegen. 


Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  un 

Tumorkranken. 

Zur  Abderhalden  sehen  Kritik  meiner  obigen  Arbeit. 
Von  Paul  L  i  n  d  i  g. 

Herr  Prof.  Emil  Abderhalden  hat  in  No.  8  dieser  Woche; 
schrift  meine  Arbeit  „Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangere 
und  Tumorkranken“  (erschienen  in  No.  6  der  Münch,  med.  Wochei 
schrift)  einer  kritischen  Beleuchtung  unterzogen,  die  mich  zu  folgen 
der  Erwiderung  veranlasst.  Herr  Prof.  Abderhalden  behaupte 
ich  hätte  während  eines  14  tägigen  Aufenthaltes  in  seinem  Institute  i 
zahlreichen  Beispielen  feststellen  können,  dass  die  nach  seinen  Ai 
gaben  dargestellten  Organe  sehr  lange  haltbar  sind;  demgegenübi 
muss  ich  betonen,  dass  ich  während  meines  Verweilens  im  Hallensi 
Physiologischen  Institut  eine  Prüfung  auf  Brauchbarem  der  Orgai 
niemals  gesehen,  geschweige  denn  selbst  ausgeführt  habe.  Dass  d 
Möglichkeit  zu  einer  derartigen  Feststellung  vorhanden  war,  will  u' 
durchaus  nicht  bestreiten;  es  lag  aber  für  mich  gar  kein  Grund  vr 
die  dort  befindlichen  Organe  auf  ihre  Verwendbarkeit  zu  unte 
suchen,  da  ich  selbst  niemals  in  Halle  einen  Dialysierversuch  a 
gestellt  oder  koagulierte  Plazenta  bereitet  habe,  sondern  die  Zeit  fa 
ausschliesslich  zur  Herstellung  von  Plazentapepton  verwandte.  M 
genügte  ausserdem  auch  die  damals  letzte  Mitteilung  Abdei 
h  aide  ns  (Hoppe-Seylers  Zeitschrift  für  physiol.  Chemie,  Bd.  t 
H.  1  und  2),  dass  bei  vorschriftsmässigem  Vorgehen  nach  zweimalige 
Auskochen  mit  2  Liter  Wasser  +  2  Tropfen  Eisessig  die  Biure 
reaktion  immer  negativ  und  damit  das  Organ  einwandfrei  sei. 

Als  mich  Herr  Prof.  Abderhalden  brieflich  darauf  aufmer 
sam  machte,  dass  er  in  meinen  Substraten  eine  Fehlerquelle  vermu 
habe  ich  ihm  das  Abbaumaterial  in  Halle  zur  Prüfung  vorgeles 
meine  Arbeit  war  zu  der  Zeit  schon  im  Druck.  Bei  der  G. 
legen  heit  konnte  mir  Herr  Prof.  Abderhalde 
zeigen,  dass  das  Kochwasser  meiner  Organe  not 
mit  Ninhydrin  reagierte;  dass  diese  Tatsache  ab 
etwas  Neues  oder  U  eberraschende  s  brachte,  hal 
ich  an  Ort  und  Stelle  zurückgewiesen.  Gerade  d 
habe  ich  ja  in  meiner  Ar  beit  besonders  hervorg 
hoben,  dass  bei  mir  vorher  negativ  reagierend; 
Kochwasser  nach  einigen  Tagen  immer  wieder  p  ■ 
sitive  Ninhydrinreaktion  gibt,  und  das  war  dou 
auch  die  direkte  Veranlassung,  die  Darstellui; 
eines  trockenen  Abbausubstrates  zu  versuche, 

Den  kürzlich  gemachten  Vorschlag  Abdernaldens,  v 
jedem  Ansetzen  einer  Dialyse  das  Kochwasser  zu  prüfen,  habe  i 
in  einer  grossen  Zahl  meiner  Versuche  durchgeführt;  dass  es  nicht) 
der  eingehenden  Weise  geschehen,  wie  er  sie  erst  in  seinen  neuesli 
Veröffentlichungen  vorschreibt,  kann  mir  doch  wohl  nicht  zum  V- 
wurf  gemacht  werden.  Herr  Prof.  Abderhalden  sprach  dann  r 
gegenüber  die  Möglichkeit  aus,  dass  der  Kalkgehalt  des  Jenen;- 
Wassers  für  die  Wandelbarkeit  meiner  Organe  verantwortlich  i 
machen  sei;  ich  habe  daraufhin  eine  Plazenta  11  mal  mit  Aqua  des- 
lata  gekocht:  dieses  Kochwasser  blieb  tasätchlich  dauernd  frei  vi 
Stoffen,  die  mit  Ninhydrin  reagieren.  In  Halle  wird  häufig  nn 
länger  gekocht,  ehe  die  Organe  jeder  Prüfung  standhalten;  auf  ci 
Gedanken  aber,  dass  auch  diese  letztgenannten  Substrate  zu  v- 
werfen  seien,  könnte  man  sehr  leicht  kommen,  wenn  man  alle  i 
Laufe  der  Entwicklung  der  Methode  von  Abderhalden  gegebei.i 
Vorschriften  für  bindend  erklärt:  im  November  des  verflossenen  Jah s 
teilte  mir  nämlich  Herr  Prof.  Abderhalden  brieflich  mit,  dass  er  F- 
zenten  ausschaltet,  die  nach  sechsmaligem  Kochen  noch  reagierend 
Kochwasser  geben.  Dass  ich  mich  damals  ln  einem  I  - 
1  e  m  m  a  befand,  muss  auch  Abderhalden  anerkenn), 
denn  nun  war  mein  Abbaumaterial  auf  jeden  F : I 
einer  bemängelnden  Kritik  preisgegeben:  ei- 
weder  es  wurde  weniger  als  sechsmal  ausgekocl 
und  lieferte  noch  positiv  reagierendes  Koc- 
wasser,  oder  es  war  unvorschriftsmässig  häuu 
gekocht.  Ich  wählte  den  ersteren  Weg  und  machte,  um  irti 
jedesmal  über  die  Brauchbarkeit  des  Substrates  zu  orientieren,  K  >  • 
trollversuche  mit  inaktiviertem  Serum.  Dass  di5 
immer  negativ  blieben,  wenn  der  Versuch  selbst  positiv  aus 
darüber  gibt  auch  das  in  der  Kritik  angeführte  Zahlenbeispiel  kei 
Aufschluss;  auf  diesem  Vergleich  zwischen  Versuch  und  Kontr 
versuch  beruhen  aber  gerade  die  in  meiner  Arbeit  niedergelegten 
obachtungen.  Ausdrücklich  möchte  ich  hervorheben,  dass  die  K 
trollversuche  mit  inaktiviertem  Serum  auch  bei  den  Versuchen 
Trockenplazenta  gemacht  worden  sind.  Dass  diese  gepulverte  Bj 
zenta  mit  der  50  fachen  Menge  Wasser  gekocht,  eine  in  derart 
Stärke  nie  gesehene  Ninhydrinreaktion  gab,  habe  ich  in  Halle  n 
beobachten  können,  ebensowenig  ist  es  zutreffend,  d: 
sie  —  nach  der  Behauptung  von  Herrn  Prof.  Abd 
halden  —  „ohne  jede  Vorsicht  in  einer  mit  ein 
Kork  verschlossenen  Flasche  enthalten  war“; 
befand  sich  in  einer  Flasche  mit  eingeschliffen 
Glasstopfen.  Ich  bekomme,  wenn  ich  das  Plazentarpulver 
der  10  fachen  Menge  Wasser  auskoche  und  mit  10  ccm  dieses  Kt 
Wassers  —  das  einwandfrei  filtriert  sein  muss  —  die  Ninhyd 


•Mi 


(vLERIE  HERVORRAGENDER  ARZTE  UND  NATURFORSCHER. 


Ptto 


EUBNER, 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  319,  1913. 
Veriag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


703 


Aktion  in  der  bisher  gebräuchlichen  Weise  anstelle  (0.2  ccm  einer 
proz.  Lösung),  einen  negativen  Ausfall,  einen  positiven  erst  dann, 
enn  ich  5  ccm  des  Kochwassers  mit  1  ccm  einer  1  proz.  Ninhydrin- 
sung  Zusammenhänge.  Dass  mir  die  Unterlassung  dieser  zuletzt 
enannten  Prüfungsmethode  (die  erst  kurz  vor  dem  Erscheinen 
einer  Arbeit  als  erforderlich  bezeichnet  wurde)  nicht  als  Fehler 
igerechnet  werden  kann,  betonte  ich  schon;  ich  hätte  meine  Ver¬ 
teile  aber  gern  einer  dahingehenden  Nachprüfung  unterzogen,  wenn 
:  mir  gelungen  wäre,  die  Veröffentlichung  meiner  Resultate  noch 
ifzuschieben.  Die  Frage,  ob  nicht  mit  Aqua  destillata  vorbehandelte 
rockenplazenta  dauernd  haltbar  ist,  muss  durch  weitere  Unter¬ 
teilungen  entschieden  werden. 

Dass  meine  Resultate  den  bisherigen  Erfahrungen  so  durchaus 
idersprechen,  kann  ich  auch  nicht  finden:  Franz  und  J  arisch 
iben  schon  lange  vor  mir  (Wiener  klinische  Wochenschrift  1912. 
o.  39)  die  Beobachtung  mitgeteilt,  dass  Karzinomserum  eine  ah¬ 
mende  Wirkung  auf  Plazentaeiweiss  besitzt. 

Das  von  Herrn  Prof.  Abderhalden  als  u  n  ver¬ 
tu  n  d  e  n  in  meiner  Arbeit  Be  zeichnete  dürfte  sich 
o  h  1  als  falsch  verstanden  heran  sstellen,  wenn 
an  in  meiner  Arbeit  Seite  289  erste  Spalte  den  A  b  - 
chnitt  „Ueber  die  Erscheinung  usw.“  nachliest; 
ort  steht  ganz  genau,  was  ich  unter  den  in  der  Ab¬ 
er  lialdenschen  Erwiderung  zitierten  „Abbaupro- 
u k  t e  n  des  E i  w  e  i  s s e  s“  (S.  412,  Spalte  2,  Zeile  24)  ver¬ 
landen  habe.  Daraus  geht  auch  hervor,  dass  ich 
it  Serum  nur  Schwangeren -  Serum  gemeint  haben 
ann,  von  einem  Uebersehen  kann  also  keine  Rede 
e  i  n. 

Herr  Prof.  Abderhalden  rügt  es,  dass  ich  nicht  polarisiert 
ibe,  mir  war  allerdings  bekannt,  dass  die  optische  Methode  ein 
:hr  geeignetes  Mittel  ist,  um  die  Resultate  des  Dialysierverfahrens 

i  kontrollieren,  aber  ebenso  bekannt  musste  es  Herrn  Prof.  Ab¬ 
erhalden  sein  (ich  habe  ihm  bei  der  schon  erwähnten  Be¬ 
rechn  ng  in  Halle  mündlich  darüber  berichtet),  dass  die  Jenenser 
rauenklinik  aus  Gründen  der  Anfertigungsdauer  (der  Apparat  ist  im 
ktober  bestellt)  noch  nicht  im  Besitz  eines  geeigneten  Polarisations- 
jparates  war  und  auch  nicht  sein  konnte.  Wir  besitzen  ihn  heute 
)ch  nicht. 

Und  schliesslich  ist  es  mir  unfassbar,  wie  Herr  Prof.  Abder- 
alde  n  als  Zeugen  gegen  mich  Herrn  Prof.  Henkel  anführen 
inn;  die  der  betreffenden  Arbeit  von  Herrn  Prof, 
enkel  zugrunde  liegenden  Versuche  (die  Herrn 
rof.  Abderhalden  als  Zeugnis  dafür  dienen,  „dass 
ie  von  ihm  angegebene  Methode  ausgezeichnete 
esultate  liefer  t“)  sind  insgesamt  und  durchaus 
elbständig  von  mir  ausgeführt.  Diese  Tatsache  hätte 
err  Prof.  Abderhalden  von  unserer  persönlichen  Aussprache 
;c  wissen  können. 

Aus  all  diesen  Gründen  habe  ich  die  Erkenntnis, 
ass  etwa  vorhandene  Fehler  in  meiner  Versuchs- 
nordnung  auf  ein  Versehen  von  meiner  Seite  zu- 

ii  c  k  z  u  f  i  i  h  r  e  n  sind,  bis  jetzt  nicht  bekommen. 

- ■  ■ - 

Otto  L.  Heubner. 

Am  21.  Januar  hat  der  Nestor  der  deutschen  Kinderärzte, 
ieh.  Medizinalrat  Dr.  Otto  L.  Heubner,  ordentlicher  Pro- 
;ssor  der  Kinderheilkunde  an  der  Universität  Berlin,  in  jener 
örperlichen  und  geistigen  Frische,  die  einen  der  hervor- 
:echenden  Züge  seiner  Persönlichkeit  darstellt,  seinen  sieben- 
igsten  Geburtstag  begangen,  in  aller  Stille  und  unerreichbar 
ir  alle  demonstrativen  Ehrungen,  die  ihm  zugedacht  waren, 
in  1.  März,  dem  Semesterschluss,  hat  er  zum  letzten  Male 
änes  Lehramtes  gewaltet,  in  dem  er  fast  4  Jahrzehnte  hin- 
urch  so  erfolg-  und  segensreich  gewirkt  hat,  wie  nur  wenige 
iidere  Akademiker.  Im  blumengeschmückten  Hörsaal  der 
inderklinik  der  Charitee  hatten  sich  zu  der  studentischen 
brerschaft  eine  Anzahl  seiner  nächsten  Freunde  und  eine 
rosse  Schar  seiner  Schüler  aus  alter  und  neuer  Zeit  gesellt, 
m  noch  einmal  den  Worten  des  verehrten  Mannes  zu 
tuschen  und  ihm  durch  ihre  Anwesenheit  ihre  treue  Anhäng- 
chkeit  zu  beweisen;  und  selten  wohl  sind  die  Gefühle  der 
erehrung  und  der  Dankbarkeit  bei  allen  Anwesenden  so  riiek- 
altslos,  so  herzlich  und  so  aufrichtig  gewesen,  wie  bei  dieser 
nfachen  Feier. 

Aber  nicht  nur  der  engere  Kreis  seiner  Hörer  und  Schüler, 
Jndern  die  Allgemeinheit  der  Aerzte  hat  Veranlassung,  der 
Wirksamkeit  des  Scheidenden  rühmlich  zu  gedenken.  Für  die 
eutsche  Pädiatrie  insbesondere  bedeutet  der  aus  freiwilliger 
ntschliessung  erfolgte  Rücktritt  Heubners  mehr,  als  den 
bschluss  einer  an  Arbeit,  Erfolgen  und  Ehren  ungewöhnlich 


reichen  Lehr-  und  Forschertätigkeit  eines  ihrer  ersten  Ver¬ 
treter;  er  bedeutet  den  Abschluss  einer  ganzen  Epoche  im 
Entwicklungsgänge  des  Sonderfaches.  Denn  mit  Heubner 
scheidet  nicht  nur  der  letzte  jener  Männer  aus  der  Front,  die 
die  Begründer  der  Kinderheilkunde  in  Deutschland  gewesen 
sind  und  deren  1  atkraft  diese  ihre  anerkannte  Gleichberech¬ 
tigung  mit  anderen  Disziplinen  verdankt,  sondern  er  ist  auch 
der  letzte  jener  Aerzte,  die  erst  auf  der  Höhe  des  Lebens  nach 
langer  und  erfolgreicher  Betätigung  als  allgemeine  Kliniker 
sich  der  Kinderheilkunde  zuwandten.  Heutzutage  fühlt  man 
den  Beruf  zum  Pädiater  bereits  im  Flügelkleide  in  sich.  Das 
mag  der  Detaillierung  unseres  Wissens  und  dem  Fortschritt  in 
den  Einzelheiten  zugute  kommen,  und  die  jüngere  Generation 
braucht  sich  ihrer  Leistungen  nicht  zu  schämen.  Aber  sie 
wird  willig  zugestehen  müssen,  —  im  allgemeinen  sowohl,  wie 
im  speziellen  im  Hinblick  auf  unseren  Jubilar  —  dass  die  Uni¬ 
versalität  des  Wissens,  der  weite  Blick,  die  Vielseitigkeit  der 
Interessen  und  in  letzter  Instanz  die  Herausbildung  markanter 
wissenschaftlicher  Persönlichkeiten  das  beneidenswerte  Kenn¬ 
zeichen  der  nunmehr  abgeschlossenen  Epoche  der  Pädiatrie 
bildet. 

Am  21.  Januar  1843  in  einem  kleinen  Orte  des  sächsischen 
Vogtlandes  geboren,  erhielt  Otto  Leonhard  Heubner 
seine  Gymnasialbildung  auf  der  Landesschule  in  Grimma  und 
bezog  1861  als  Student  der  Medizin  die  Universität  Leipzig. 
Nach  Abschluss  seiner  Studien  wandte  er  sich  zur  weiteren 
Ausbildung  nach  Wien,  das  damals  durch  seine  hervorragenden 
Kliniker  den  Sammelpunkt  aller  aufstrebenden  Jünger  der 
Medizin  bildete.  Hier  blieb  er  —  gefesselt  besonders  durch 
Widerhofer  und  Oppolzer  —  während  der  Jahre  1866 
und  1867,  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  während  des 
Krieges,  wo  er  unter  Günther  in  einem  Choleralazarett 
in  Leipzig  tätig  war.  1867  promovierte  er  mit  einer  Disser¬ 
tation  „über  unvollständige  Reaktion  im  Choleraanfall“.  Vom 
Jahre  1868  ab  war  ihm  das  Glück  beschieden,  in  Leipzig  Assi¬ 
stent  eines  unserer  grössten  Kliniker,  Wunderlich,  zu 
werden,  und  die  unter  diesem  verlebten  Arbeitsjahre  im  Ver¬ 
eine  mit  den  nachhaltigen  Eindrücken,  die  er  in  Wien  emp¬ 
fangen,  sind  für  seine  ganze  weitere  Entwicklung  bestimmend 
gewesen.  Von  der  W  u  n  d  e  r  1  i  c  h  sehen  Klinik  aus  habili¬ 
tierte  er  sich  1868  als  Dozent  für  innere  Medizin  und  las  zu¬ 
nächst  über  klinische  Propädeutik  und  Elektrotherapie.  1870 
bis  1871  leitete  er  ein  Reservelazarett,  das  ihm  Gelegenheit 
gab,  seine  früheren  Erfahrungen  über  die  Cholera  durch  solche 
über  andere  Kriegsseuchen,  besonders  über  Typhus  und  Ruhr, 
zu  erweitern.  1871  schied  er  aus  der  W  u  n  d  e  r  1  i  c  h  sehen 
Klinik,  um  als  Nachfolger  des  nach  Freiburg  berufenen 
Thomas’  Leiter  der  Distriktspoliklinik  zu  werden,  die  unter 
ihm  einen  solchen  Aufschwung  zu  verzeichnen  hatte  und  die 
Studenten  so  anlockte,  dass  die  Praktikanten  sich  schon  drei 
Semester  vor  Eintritt  melden  mussten,  um  Aussicht  auf  Zu¬ 
lassung  zu  haben.  1873  wurde  Heubner  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  ernannt. 

Die  Anregungen  zu  seinen  ersten  wissenschaftlichen  Ar¬ 
beiten  empfing  Heubner  aus  seiner  Tätigkeit  in  den  Kriegs¬ 
lazaretten.  Ausser  einigen  Abhandlungen  zur  Kenntnis  der 
Pyämie  und  den  „Beiträgen  zur  internen  Kriegsmedizin“  (1872) 
ist  hier  namentlich  seine  Monographie  der  „Dysenterie“  in 
v.  Ziemssens  Handbuch  der  speziellen  Pathologie  und 
Therapie  zu  nennen,  in  der  bereits  zwei  Eigenheiten  des 
Autors,  die  Gabe  der  lebhaften  plastischen  Darstellung  klini¬ 
scher  Bilder  und  Vorgänge,  und  die  meisterhafte  Beherrschung 
der  pathologisch-anatomischen  Seite  des  Gegenstandes  in  die 
Erscheinung  treten.  Etwas  später  begannen  die  Vorarbeiten 
und  Arbeiten  zu  den  grundlegenden  Studien  über  Hirnsyphilis, 
die  in  einer  1874  erschienenen  Monographie  „über  die  lueti¬ 
schen  Erkrankungen  der  Hirnarterien“  und  in  der  Darstellung 
der  „Hirnsyphilis“  (1875)  in  v.  Ziemssens  Handbuch 
gipfelten  und  dem  Namen  des  Autors  einen  dauernden  Platz 
in  der  Geschichte  der  Erforschung  der  Hirnpathologie  und  der 
pathologischen  Anatomie  gesichert  haben. 

In  der  Folge  wurde  der  junge  Polikliniker  durch  die  Ge¬ 
staltung  der  Verhältnisse  von  der  inneren  Medizin  abgezogen 
und  veranlasst,  sein  Interesse  der  Kinderheilkunde  zuzuwen¬ 
den.  Schon  von  Anfang  an  stellten  die  Kinder  das  über- 


704 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  13. 


wiegende  Kontingent  zu  den  Besuchern  der  Distriktspoliklinik 
und  dies  wurde  noch  mehr  der  Fall,  als  nach  Einführung  der 
gesetzlichen  Krankenversicherung  ein  erheblicher  Teil  der 
Erwachsenen  in  andere  Hände  überging.  Mit  Eifer  und  Be¬ 
geisterung  widmete  sich  Heubner  dieser  neuen  Aufgabe,  als 
Praktiker  sowohl  wie  als  Wissenschaftler.  Im  Vereine  mit 
seinen  getreuen  Assistenten  und  eifrigen  Praktikanten  folgte 
er  jedem  Rufe  in  die  Wohnung  der  kleinen  Patienten,  und  oft 
begann  die  Tätigkeit  so  früh,  dass  die  Helfer  mit  der  Laterne 
auszogen,  um  ungefährdet  die  dunklen  Treppen  überwinden 
zu  können.  Dieser  Zeit  entstammt  nicht  nur  jenes  Archiv 
sorgsamer  Fieberkurven  und  Krankengeschichten,  das  die  j 
Grundlage  zu  der  theoretischen  Vorlesung  und  nachmals  zu 
dem  bekannten  Lehrbuche  der  Kinderkrankheiten  bildete,  son¬ 
dern  in  ihr  wurde  auch  das  Material  gesammelt  für  eine  grosse 
Zahl  wertvoller  kasuistischer  und  therapeutischer  Mitteilungen, 
unter  denen  diejenigen  über  Hämoglobinurie  bei  Scharlach, 
über  Erythema  exsudativum  multiforme,  über  multiple  infek¬ 
tiöse  Entzündung  der  serösen  Häute,  über  infantile  progressive 
Muskelatrophie,  über  Aphasie  und  Seelentaubheit,  über  Schar¬ 
lachdiphtherie  und  ihre  Behandlung  und  viele  andere  des¬ 
wegen  hervorgehoben  werden  müssen,  weil  sie  weit  tiber  den 
Wert  der  üblichen  Kasuistik  hinausgehend,  entweder  die 
Kenntnis  neuer  oder  bis  dahin  nicht  präzis  umrissener  Krank¬ 
heitsbilder  vermitteln,  oder  das  Bild  bekannter  Krankheiten 
in  wertvoller  Weise  ergänzen  oder  auch  durch  subtile  und 
von  vollendeter  Sachkenntnis  geleitete  pathologisch-anatomi¬ 
sche  Untersuchungen  für  die  Unterlage  des  klinischen  Bildes 
ein  neues  Verständnis  eröffnen. 

Während  dieser  Jahre  war  Heubner  zu  einer  der  ersten 
ärztlichen  Persönlichkeiten  Leipzigs  geworden.  Seiner  un¬ 
begrenzten  Arbeitskraft  war  es  gegeben,  neben  der  Tätigkeit 
als  Lehrer  und  Forscher  noch  eine  ausgedehnte  Konsiliar- 
praxis  —  für  Erwachsene  nicht  weniger  als  für  Kinder  —  aus¬ 
zuüben.  Das  Jahr  1891  brachte  eine  weitere,  entscheidende 
Wendung  in  seinem  Leben.  Von  allem  Anfang  an  hatte 
Heubner  erkannt,  dass  das  Heranwachsen  der  Kinderheil¬ 
kunde,  die  ihm  mehr  und  mehr  zum  Lebensinhalt  geworden 
war,  zu  einer  selbständigen  und  geachteten  Stellung  nicht 
möglich  sei,  wenn  nicht  ihre  Probleme  mit  allen  Mitteln  und 
Methoden  der  exakten  Wissenschaft  in  Angriff  genommen 
würden,  wie  das  nur  in  der  stationären  Klinik  möglich  ist. 
Seiner  Tatkraft  und  Zähigkeit,  seinem  unermüdlichen  Werben 
gelang  es,  das  Interesse  der  Leipziger  Bürgerschaft  und  später 
der  sächsischen  Regierung  für  den  Bau  eines  Kinderkranken¬ 
hauses  zu  erwecken  und  so  war  es  ihm  vergönnt,  1891  als 
ausserordentlicher  Professor  mit  dem  ausschliesslichen  Lehr¬ 
auftrag  für  Kinderheilkunde  in  ein  eigenes,  schönes  Heim  ein¬ 
zuziehen,  das  neben  den  Abteilungen  für  innere,  infektiöse  und 
chirurgische  Kranke  vor  allem  auch  eine  grössere  Säuglings- 
abteilung  —  die  erste  an  einer  deutschen  Universitäts-Kinder¬ 
klinik,  und  die  erste,  die  direkt  mit  Hinblick  auf  das  Studium 
der  Ernährungsprobleme  eingerichtet  wurde  —  und  ein  ge¬ 
räumiges  Laboratorium  mit  allen  damals  für  wissenschaftliche 
Forschung  für  notwendig  erachteten  Einrichtungen  in  sich 
schloss,  und  so  dem  Leiter  die  Möglichkeit  gab,  die  Ver¬ 
wirklichung  der  Ideen,  die  ihm  vorschwebten,  in  Angriff  zu 
nehmen. 

Es  hat  schon  vor  der  Leipziger  Universitäts-Kinderklinik 
Kinderkrankenhäuser  in  den  Ländern  deutscher  Zunge  ge¬ 
geben  und  ausgezeichnete  Aerzte  und  Beobachter,  die  an 
ihnen  gewirkt  haben.  Aber  man  ist  wohl  berechtigt  zu  sagen, 
dass  die  erste  Stätte,  wo  die  Kinderheilkunde  auf  die  Basis 
exakter  Wissenschaft  gesetzt  wurde,  die  erste,  wo  man  be¬ 
gann,  in  systematischer  Weise  die  Errungenschaften  der  Bak¬ 
teriologie,  Physiologie  und  der  Stoffwechsellehre  auf  die  Er¬ 
forschung  der  Kinder-  und  insbesondere  der  Säuglingskrank¬ 
heiten  anzuwenden,  die  von  Heubner  geleitete  Leipziger 
Universitäts-Kinderklinik  gewesen  ist,  und  dass  mit  ihrer  Er¬ 
öffnung  eine  neue  Epoche  der  Pädiatrie  beginnt.  Von  hier 
stammen  die  ersten  Versuche,  die  Klinik  der  Erforschung  des 
Stoffwechsels  und  der  Stoffwechselstörungen  im  Säuglings¬ 
alter  dienstbar  zu  machen,  stammen  exakte  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Verdauungsphysiologie-  und  -Pathologie  nicht  nur 
des  jungen,  sondern  auch  des  älteren  Kindes,  stammen  ziel¬ 


bewusste  Arbeiten  über  die  Methoden  und  Leistungen  der 
Milchsterilisation  und  über  die  Bedeutung  der  Bakterien  für 
die  Entstehung  von  Magendarmkrankheiten  und  anderes  mehr. 
Und  die  Bedeutung  der  Leipziger  Kinderklinik  für  die  Ent¬ 
wicklung  einer  wissenschaftlichen  Kinderheilkunde  wäre  ge¬ 
wiss  eine  noch  weit  grössere  geworden,  wenn  nicht  ihr  Be¬ 
gründer  bereits  nach  drei  Jahren  einem  ehrenvollen  Rufe  nach 
Berlin  als  Nachfolger  des  hervorragenden  Berliner  Kinder¬ 
arztes  Eduard  Henoch  und  als  erster  ordentlicher  Professor 
der  Kinderheilkunde  Folge  geleistet  hätte. 

Es  ist  Heubner  wohl  nicht  leicht  geworden,  diesem 
Rufe  zu  folgen,  und  nur  die  Ueberzeugung,  an  der  neuen 
Stelle  sein  Fach  noch  wirksamer  fördern  zu  können,  hat  ihn 
bewegen  können,  seine  neu  errichtete  schöne  Schöpfung  nach 
so  kurzer  Zeit  zu  verlassen  und  einer  Stadt  den  Rücken  zu 
kehren,  mit  der  er  aufs  innigste  verwachsen  war  und  wo  er  , 
die  Achtung  und  Verehrung  aller  Bevölkerungskreise  in  höch¬ 
stem  Masse  genoss.  Nicht  jedem  ist  bekanntlich  Berlin  „eine  | 
Messe  wert“,  und  wer  zudem  die  alte  Charitee  gekannt  hat. ! 
wird  nachfühlen  können,  wie  schwer  es  sein  musste,  eine  eben 
neu  erstandene,  schöne,  zu  ruhiger  und  erfolgreicher  Forscher  - 
tätigkeit  bereitstehendeArbeitsstätte  zuverlassen,um  denKampf 
gegen  die  denkbar  ungünstigsten  Verhältnisse  aufs  neue  auf- 
zunehmen.  Nur  ein  Charakter  von  der  Zähigkeit,  der  Zuver¬ 
sicht  und  dem  Optimismus  Heubners  war  dem  gewachsen. 
Und  er  hat  sich  als  ein  wackerer  Streiter  bewährt  gegen ! 
Dinge  und  Menschen.  Es  galt  eine  Reform  der  Klinik  an 
Haupt  und  Gliedern,  einen  Kampf  gegen  eine  grauenhafte  Sterb¬ 
lichkeit,  ein  Ringen  um  hygienisch  zulässige  Unterbringung! 
der  Kinder,  um  brauchbares  Pflegepersonal,  um  einigermassen 
genügende  Mittel,  um  Lehrsaal,  Laboratorium.  Schritt  für 
Schritt  verfolgte  Heubner  sein  Ziel,  oft  mit  zusammen¬ 
gebissenen  Zähnen,  und  er  hat  schliesslich  erreicht,  was  er 
wollte:  der  Kinderheilkunde  auch  in  Berlin  nach  innen  und 
aussen  ein  würdiges  Heim  und  eine  würdige  Stellung  zu 
schaffen.  Wer  von  seinen  damaligen  Mitarbeitern  die  neue, 
1904  errichtete  Kinderklinik  betritt,  erinnert  sich  jedesmal  mit 
Genugtuung,  was  hier  erreicht  wurde,  wie  weit  und  wie1 
schwer  auch  der  Weg  gewesen  ist,  der  zurückzulegen  war. 

Was  Heubner  neben  dem  beharrlichen  Kämpfen  für 
Verbesserung  und  Neuerbauung  seiner  Klinik  in  der  Zeit  seiner 
Berliner  Wirksamkeit  in  erster  Linie  beschäftigt  hat,  waren 
die  Probleme  der  Physiologie  und  Pathologie  des  Stoff¬ 
wechsels  und  der  Ernährung  im  Säuglingsalter  in  Fort¬ 
setzung  und  grosszügiger  Erweiterung  der  in  Leipzig  in 
kleinem  Massstab  begonnenen  Untersuchungen.  Grosse: 
Schwierigkeiten  waren  auch  hierbei  zu  überwinden.  Schien 
es  doch  anfänglich,  als  ob  alle  Versuche,  an  Säuglingen  im 
Krankenhaus  selbst  die  einfachsten  Fragen  zu  studieren,  an 
jener  unheimlichen  Erscheinung  scheitern  müssten,  die  wir  ab 
Hospitalismus  bezeichnen.  Schwankte  doch  vor  1894  die 
Sterblichkeit  auf  der  Säuglingsstation  zwischen  70  und 
80  Proz.,  wurde  doch  damals  diese  Erscheinung  für  eine  sc; 
unabwendbare  Folge  der  Verpflegung  von  Säuglingen  in  ge 
schlossenen  Anstalten  angesehen,  dass  Heubners  energi¬ 
sches:  „Das  muss  anders  werden“  von  vielen  mit  einerr 
skeptischen  Achselzucken  beantwortet  wurde.  Es  ist  ander' 
geworden,  und  wenn  wir  uns  heute  mit  Recht  der  guten  Er 
gebnisse  unserer  Säuglingsabteilungen  rühmen  können,  so  ver 
danken  wir  das  nicht  zum  geringsten  der  Weiterentwicklung 
der  Ideen  und  Massnahmen,  die  von  Heubner  und  dei 
Heubner  sehen  Klinik  ausgegangen  sind  und  über  derer 
Anfänge  wir  in  Heubners  Schrift  über  Säuglingsernährum 
und  Säuglingsspitäler  (1896/97)  Aufschlüsse  erhalten.  Uni 
sein  Wirken  hat  einen  erheblichen  Anteil  daran,  dass  gegen 
wärtig  die  Möglichkeit  besteht,  überall  in  Säuglingsklinikei 
ungestört  durch  bedrohliche  Zwischenfälle  die  Fragen  de 
Stoffwechselphysiologie  und  -Pathologie  zu  studieren.  Abc 
nicht  nur  die  Schaffung  dieser  Vorbedingung,  sondern  auch  di 
grosszügigen  Anfänge  der  Lösung  der  genannten  Problem 
selbst  gehen  auf  Heubner  zurück..  In  Gemeinschaft  mi 
R  u  b  n  e  r  und  Camerer  und  einigen  seiner  Assistenten  ha 
er  die  ersten  und  grundlegenden  Feststellungen  über  den  Ge 
samtstoffwechsel  des  gesunden,  natürlich  oder  künstlich  ei 
nährten  und  des  atrophischen  Säuglings  gemacht  und  di 


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.  April  1911 _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ruchtbare  energetische  Betrachtungsweise  auf  die  Säuglings- 
rhysiologie  und  die  Säuglingsklinik  übertragen,  Arbeiten,  auf 
lenen  alle  fassen,  die  sich  nachher  mit  einschlägigen  Unter¬ 
suchungen  befasst  haben. 

Aber  neben  der  Behandlung  dieser  experimentellen  Fragen 
iat  Heubners  Interesse  für  die  Klinik  und  pathologische 
Anatomie  niemals  geruht  und  zahlreiche  Abhandlungen  aus 
dien  Gebieten  der  Kinderheilkunde  legen  davon  Zeugnis  ab. 
/on  den  wichtigeren  seien  genannt  die  Beobachtungen  über 
^tnnbalpunktion,  über  Aetiologie  und  Diagnose  der  epidemi- 
,chen  Zerebrospinalmeningitis  und  über  den  Meningokokkus, 
iber  die  pathologische  Anatomie  des  Darmes  bei  akuten  und 
hronischen  Verdauungsstörungen,  über  Pylorospasmus.  Ge- 
.visse  Gebiete  hat  Heubner  mit  besonderer  Vorliebe  be- 
irbeitet  und  ist  zu  ihnen  immer  wieder  zurückgekehrt.  Seiner 
ilten  Liebe  zur  Klinik  und  pathologischen  Anatomie  des  Zen- 
ralnervensystems  verdanken  wir  die  Abhandlungen  über  den 
ingeborenen  Kernmangel,  über  multiple  Riickenmarks- 
diome,  über  hereditäre  Ataxie,  über  Chorea,  über  End- 
irteriitis  syphilitica  beim  jungen  Kinde.  Eine  ausgezeichnete 
md  erschöpfende  monographische  Bearbeitung  der  Syphilis 
m  Kindesalter  steuerte  er  1896  als  Ergänzungsheft  zu  Ger¬ 
hardts  Handbuch  der  Kinderheilkunde  bei.  Er  war  einer 
ler  ersten,  der  die  deutschen  Aerzte  mit  der  B  a  r  1  o  w  sehen 
<rankheit  bekannt  machte  und  später  zur  Kenntnis  der  Klinik 
dieses  Leidens  auf  Grund  seines  reichen  Materials  einen  Wert¬ 
zöllen  Beitrag  beisteuerte.  Um  die  Einführung  der  Serum- 
lehandlung  der  Diphtherie  und  ihre  Technik  hat  er  sich  seit 
ler  ersten  zusammenfassenden  Darstellung  (1895)  immer 
nieder  Verdienste  erworben.  Ein  dauerndes  Interesse  wid- 
nete  er  namentlich  auch  den  Erkrankungen  der  Niere.  Neben 
Arbeiten  über  Scharlach-  und  Diphtherieniere  dürfen  nament- 
ich  seine  Arbeiten  „über  chronische  Nephritis  und  Albumin- 
irie  im  Kindesalter“  (1897)  und  eine  zweite  meisterhafte  Dar¬ 
stellung  desselben  Themas  (1908),  ferner  seine  anatomischen 
Untersuchungen  der  Niere  eines  Kindes  mit  orthotischer 
Albuminurie  als  grundlegend  betrachtet  werden.  Die 
<enntnis  des  wichtigen  Krankheitsbildes  der  chronischen 
3ädonephritis  geht  auf  ihn  zurück.  Und  endlich  hat  er  der 
Aerztewelt  sein  zweibändiges  Lehrbuch  der  Kinderkrank- 
leiten  in  die  Hand  gegeben,  in  dem  er  die  Summe  seiner  klini- 
ind  therapeutischen  Erfahrungen  niedergelegt  hat  und  das 
namentlich  in  seinem  die  Infektionskrankheiten  betreffenden 
Teile  Meisterstücke  der  Kunst  klinischer  Schilderung  enthält. 

Aber  nicht  nur  im  Ausbau  der  wissenschaftlichen  Seite 
ler  Kinderheilkunde  hat  sich  Heubner  betätigt.  Sein  En- 
husiasmus  für  sein  Gebiet  und  die  Erkenntnis  der  Verpflich- 
. ungen,  die  ihm  sein  Platz  als  erster  ordentlicher  Vertreter 
Jes  Faches  und  Vorstand  der  Klinik  der  Reichshauptstadt  auf- 
erlegte,  hat  ihn  veranlasst,  immerdar  sein  Wort  und  seine 
3erson  in  jeder  Weise  füT  die  weitere  Entwicklung  der  Kinder- 
leilkunde  an  den  Universitäten  einzusetzen.  Dass  sich  trotz 
nannigfacher  Gegenbestrebungen  die  Pädiatrie  von  der 
nneren  Medizin  losgelöst  hat,  dass  bereits  an  einer  grösseren 
Zahl  deutscher  Universitäten  ordentliche  und  ausserordent¬ 
liche  Lehrstühle  für  sie  bestehen,  ist  zu  einem  grossen  Teil 
■iein  Verdienst.  Auch  an  der  Gründung,  Organisation  und 
Leitung  des  grossen  Berliner  Säuglings-  und  Mütterheims  in 
Westend,  und  ganz  besonders  des  Kaiserin-Auguste-Viktoria- 
riauses  zur  Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  hat  er  regen 
Anteil  genommen  und  ebenso  hat  die  gesamte  neue  Bewegung 
des  Kinderschutzes,  namentlich  die  Säuglingsfürsorge,  die  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  in  ihm  einen  eifrigen  Helfer  und 
Förderer  gefunden. 

Wer  Heubner  nur  nach  seiner  wissenschaftlichen  Be¬ 
tätigung  und  nach  seinen  Verdiensten  um  das  äusserlich  sicht¬ 
bare  Wachstum  der  Kinderheilkunde  einschätzen  wollte, 
würde  indessen  ihm  in  durchaus  unvollkommener  Weise  ge¬ 
recht  werden;  denn  Heubner  war  eine  ausgesprochene 
Persönlichkeit.  Keiner  von  den  gemessenen,  grossen  Olym¬ 
piern,  von  erhabener  Ueberlegenheit  und  pathetischer  Geste, 
sondern  der  ganze  Mensch  Leben,  Bewegung,  Feuer,  in  jeder 
Faser  natürlich,  originell  und  impulsiv.  Und  deshalb  sind  auch 
von  ihm  auf  alle,  denen  es  vergönnt  war,  mit  ihm  in  persön¬ 
liche  Berührung  zu  treten,  mächtige  Impulse  ausgegangen,  in 

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erster  Linie  auf  die  Lernenden.  Keiner  hat  der  Pädiatrie  so 
viel  Jünger  zugeführt  —  auch  unter  denen,  die  nicht  Assi¬ 
stenten,  sondern  nur  kurze  Zeit  Hörer  waren  — ,  keinem  war 
es  so  gegeben,  die  Jugend  für  sein  Fach  zu  entflammen,  wie 
Heubner.  Er  war  ein  Lehrer  von  Gottes  Gnaden,  dessen 
Wort  und  Tat  zu  fesseln  und  zu  begeistern  vermochte.  Nicht 
als  ob  er  ein  Meister  der  Rede  gewesen  wäre  —  oftmals  ent¬ 
flohen  die  Worte  sogar  stockend  in  nicht  ganz  klassischen 
Perioden  unter  eifriger  Mitarbeit  des  gesamten  Körpers  dem 
Zaun  der  Zähne  —  aber  dennoch  riss  er  die  Hörer  mit  sich 
fort,  und  Klinik,  Poliklinik  und  namentlich  auch  das  zweistün¬ 
dige  Abendkolleg  waren  ausnahmslos  bis  zum  letzten  Platz 
gefüllt.  Denn  Heubner  besass  vermöge  seiner  souveränen 
Beherrschung  des  Stoffes  die  Gabe,  auch  verwickelte 
Materien  in  grossen,  einfachen  und  darum  leicht  fasslichen 
Linien  darzustellen  und  die  Jugend  die  grossen  Zusammen¬ 
hänge  und  Perspektiven  ahnen  zu  lassen,  er  besass  vor  allem 
die  Begeisterung  für  den  Gegenstand  und  für  den  Lehrberuf. 
Er  sah  —  wie  jede  Naturerscheinung,  so  auch  die  krankhaften 
Vorgänge  in  der  Natur,  die  Gegenstand  medizinischer  For¬ 
schung  sind  —  nicht  nur  mit  dem  kühlen  Verstände  des 
Wissenschaftlers,  sondern  auch  mit  dem  Auge  des  Künstlers, 
und  das  gab  seinem  Vortrag  neben  der  Schärfe  der  Umrisse 
die  Plastik  und  Lebhaftigkeit  der  Schilderung,  die  Wärme  und 
den  Schwung  des  Ausdruckes,  die  den  Schüler  mit  sich  fort¬ 
rissen.  So  zeitigten  seine  Unterrichtsstunden  für  zahlreiche 
Hörer  den  Entschluss,  sich  auch  weiterhin  der  Kinderheilkunde 
zu  widmen  —  zum  mindesten  nahm  jeder  eine  Vorliebe  für 
dieses  Fach  in  sein  späteres  Leben  mit  hinaus. 

Noch  ein  anderes  erklärt  die  Erfolge  Heubners  als 
Lehrer.  Als  einer  der  wenigen,  die  noch  aus  der  klassischen, 
klinischen  Periode  der  Medizin  stammen,  die  ihre  Pflanzstätte 
in  Frankreich  hat,  und  selbst  ein  Schüler  einiger  unserer 
klinischen  Klassiker  war  für  ihn  die  Klinik,  die  kunstgemässe 
Beobachtung  des  kranken  Menschen  unter  der  Wirkung  seiner 
Krankheit  und  der  angewandten  Heilmethoden,  die  feine 
Analyse  der  Symptome  und  ihre  Wiederzusammenfügung 
zum  durchsichtigen  Bilde  des  Einzelfalles  die  Krone  ärztlicher 
Tätigkeit.  So  entrollte  er  in  der  Vorlesung  Bilder  voller 
Lebendigkeit,  die  den  Hörer  zugleich  fesselten  und  zum  Mit¬ 
denken  anregten. 

Heubner  besass  in  hohem  Masse  die  Eigenschaft,  die 
Voraussetzung  ist,  um  so  hohen  Anforderungen  zu  genügen, 
wie  sie  eine  solche  Auffassung  des  Berufes  eines  klinischen 
Lehrers  stellt,  die  Eigenschaft  der  Universalität  des  Wissens 
und  der  Interessen.  Bis  in  die  allerletzte  Zeit  hinein  waren 
ihm  alle  neuen  technischen  Errungenschaften  vertraut,  die  der 
Klinik  dienlich  gemacht  werden  können,  wenn  nicht  in  der 
praktischen  Handhabung,  so  doch  zum  mindesten  in  den 
Grundzügen  der  Methodik  und  der  Verwertung  der  Er¬ 
gebnisse.  Aber  er  liess  ihrer  Verwendung  niemals  ein  wei¬ 
teres  Feld,  als  das  eines  Hilfsmittel  zur  Durchdringung  des 
klinischen  Falles.  Die  innere  Medizin  und  deren  Hilfswissen¬ 
schaften  beherrschte  er  in  seltenem  Umfang  und  gross  war 
sein  Wissen  auf  rein  naturwissenschaftlichen  Gebieten.  Uner¬ 
müdlich  und  impulsiv  war  sein  Interesse  für  alles  Neue,  was 
geeignet  schien,  ärztliches  Wissen  und  Können  zu  mehren, 
nach  welcher  Richtung  es  auch  sein  mochte.  Der  sokratische 
Spruch:  yeQctaxio  ctei  noXka  didaoxo/Lievog  schien  für  ihn  ge¬ 
prägt.  Und  immer  wieder  bewunderten  wir  Assistenten  die 
Leichtigkeit  und  Schärfe  der  Auffassung,  die  intuitive  Sicher¬ 
heit,  mit  der  er  in  die  heterogensten  und  schwierigsten 
Materien  eindrang,  mochten  es  nun  Probleme  der  Immunitäts¬ 
lehre  oder  der  physikalischen  Chemie,  der  Physik  oder  der 
Physiologie  sein. 

Kein  Wunder,  dass  von  einer  solchen  Individualität  reiche 
Anregungen  für  die  Mitarbeiter  ausgingen,  und  nichts  war 
Heubner  erfreulicher,  als  wenn  diese  auf  fruchtbaren  Boden 
fielen  und  uns  Assistenten  zur  Arbeit  anspornten.  Aber  nie¬ 
mals  hat  Heubner  diese  Arbeit  einseitig  in  eine  bestimmte 
Richtung  gezwungen.  Er  wollte  nicht  eine  Schule  haben,  in 
dem  Sinne,  dass  einseitig  nur  seine  Lieblingsideen  gepflegt 
wurden,  sondern  er  wünschte,  dass  jeder  seiner  Schüler  ge¬ 
mäss  seiner  Interessen  und  seiner  Eigenart  sich  möglichst 
selbständig  entwickle.  Und  wo  er  Begabung  und  Eifer 

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zu  finden  glaubte,  war  er  der  wärmste  Förderer,  zugleich 
aber  auch  ein  strenger  Richter  und  ein  Vorbild  eines 
gründlichen  und  gewissenhaften  Arbeiters.  Hat  er  selbst  doch 
bis  heute  es  nicht  gescheut,  trotz  aller  Ueberlastung  selbst  in 
stundenlanger  Mühe  die  Serienschnitte  für  seine  pathologisch¬ 
anatomischen  Arbeiten  anzufertigen,  Blutkörperchen  zu  zählen 
und  Blutpräparate  zu  färben,  Urinsedimente  zu  untersuchen 
und  Bakterienausstriche  durchzusehen. 

Niemals  hat  wohl  ein  Chef  freudiger  anerkannt,  wenn 
seine  Leute  etwas  Brauchbares  fertig  brachten,  nirgendwo 
hat  auch  ehrliche  Arbeit,  die  ausserhalb  der  Schule  geleistet 
wurde,  freudigere  und  neidlosere  Aufnahme  gefunden,  als  bei 
H  e  u  b  n  e  r,  auch  da,  wo  sie  mit  seinen  eigenen  Anschauungen 
kollidierte  oder  über  diese  hinausführte.  Denn  für  ihn  gab  es 
keine  anderen  Motive,  als  solche  rein  sachlicher  Natur;  seine 
Persönlichkeit  stellte  er  zurück,  und  wenn  er  sie  betonte, 
so  war  es  stets  das  Interesse  des  Faches  oder  der  Angelegen¬ 
heit,  die  er  vertrat.  Er  fühlte  sich  lediglich  als  ein  Hüter  und 
Bewahrer  der  Pädiatrie  und  betrachtete  es,  fernab  von  jeder 
Eitelkeit  und  jedem  Ehrgeiz,  als  seine  heilige  Pflicht,  jeden 
Trieb,  der  Früchte  zu  bringen  verhiess,  zu  pflegen  und  zu 
schützen,  um  keines  anderen  Lohnes  willen,  als  dass  seine 
Wissenschaft  dereinst  im  reichen  Blütenschmucke  prange. 
Die  gleiche  Sachlichkeit  hat  ihn  bei  seiner  Stellungnahme  in 
allen  persönlichen  Fragen  geleitet.  Stets  ist  er  nach  bestem 
Wissen  und  Willen  bemüht  gewesen,  diejenigen  zu  fördern, 
die  er  der  Förderung  ihrer  Leistungen  wegen  für  wert  hielt, 
und  er  hat  sich  für  manchen  eingesetzt,  der  ihm  persönlich 
nicht  sympaJhisch  war,  manchen  allerdings  auch  —  gelegent¬ 
lich  sogar  in  schroffer  Form  —  abgelehnt,  der  ihm  für  das 
nicht  geeignet  schien,  was  er  erstrebte. 

Diejenigen  Eigenschaften,  die  zumeist  der  äusseren  und 
inneren  Persönlichkeit  Heubners  ihren  Stempel  aufdrücken, 
sind  die  ungemeine  Lebhaftigkeit,  die  Empfänglichkeit  und  die 
Fähigkeit,  sich  zu  begeistern,  nicht  nur  für  jede  neue  wissen¬ 
schaftliche  Erkenntnis,  sondern  für  alles,  was  gross  und  schön 
ist  auf  dieser  Welt  —  für  Kunst,  für  Natur,  für  Menschen,  für 
Gedanken.  Ein  gutes  Stück  Künstlertum  steckt  in  ihm,  wie 
denn  auch  andere  Mitglieder  seiner  Familie  durch  künstlerische 
Begabung  ausgezeichnet  und  als  Künstler  hervorgetreten 
sind.  Er  ist  ein  begeisterter  Musiker,  ein  Bewunderer  der 
Werke  der  Plastik  und  Malerei  und  aller  schönen  Künste,  ein 
froher  Geniesser  des  Lebens.  Wer  sein  in  jeder  Faser  ge¬ 
spanntes  und  interessiertes  Gesicht  auch  nur  einmal  gesehen 
hat  beim  Anhören  eines  guten  Vortrages,  eines  klassischen 
Musikstückes,  beim  Betrachten  einer  Statue,  der  ahnt,  wie 
sehr  es  diesem  Manne  gegeben  ist,  sich  aus  dem  grauen  Alltag 
in  lichtere  Höhen  zu  erheben. 

Und  diese  Fähigkeit,  sich  zu  begeistern  und  freudigen  und 
dankbaren  Gemütes  zu  gemessen,  die  ist  es  auch,  die  Heub- 
ner  bis  zum  heutigen  Tag  so  jung  erhalten  hat.  Sie  hat  ihn 
bewahrt  vor  jenem  tristen  „Nachher“,  das  nach  O  s  t  w  a  1  d 
das  Loos  so  vieler  grosser  Männer  in  höheren  Jahren  ist,  vor 
jener  Verknöcherung  und  kurzsichtigen  Selbstherrlichkeit,  die 
sich  mürrisch  dem  Fortschritt  und  der  Jugend  entgegenstellt. 
Bis  heute  ist  H  e  u  b  n  e  r  der  Marschall  Vorwärts  im  Silber¬ 
haar  geblieben,  der  der  Jungmannschaft  stürmisch  den  Weg 
bergauf  gewiesen  hat.  Wenn  er  jetzt  den  blanken,  in  manchem 
Kampfe  bewährten  Degen  niederlegt,  so  geschieht  das  nicht, 
weil  Auge  und  Arm  versagen.  Es  geschieht  in  weiser,  viel¬ 
leicht  zu  strenger  Selbstkritik,  es  geschieht  aus  jener  unbe¬ 
stechlichen  Sachlichkeit  heraus,  die  auch  vor  der  eigenen 
Person  nicht  Halt  macht  deswegen,  weil  er  meint,  dass  doch 
wohl  die  Verpflichtungen,  die  dem  Inhaber  der  verantwort¬ 
lichen  Stellung  eines  Leiters  der  Kinderklinik  der  Reichshaupt¬ 
stadt  auferlegt  sind,  auf  jüngeren  Schultern  besser  ruhen,  wie 
auf  den  seinigen. 

In  stillem  „Ausgeding“  im  schönen  Loschwitz  bei  Dresden 
wird  Heubner  mit  seiner  Gattin  seine  zukünftigen  Jahre 
verbringen.  Seine  Tage  werden  auch  dort  bewegt  sein;  denn 
er  nimmt  seine  Jugendfrische  mit  sich  und  sein  Kopf  ist  er¬ 
füllt  von  hundert  Plänen  und  Interessen,  denen  zu  leben 
bisher  nicht  anging  und  denen  er  jetzt  seine  Kräfte  widmen 
wird.  Er  wird  weiter  schaffen  und  lernen  wie  bisher,  und  er 


wird  es  weiter  verstehen,  dem  Leben  an  jedem  neuen  Tage 
neue  Genüsse  abzuringen. 

Als  Heubner  vor  nunmehr  19  Jahren  von  der  Leipziger 
Klinikerschaft  schied,  da  gedachte  er  in  seiner  wundervollen 
Abschiedsrede  seiner  grossen  Lehrer,  und  er  verglich  sie  mit 
hohen  Alpengebirgen,  neben  denen  er  selbst  nur  ein  kleiner 
Hügel  sei.  Heute  will  es  uns  Jüngeren  scheinen,  als  ob  er 
nun  selbst  ein  Hochgipfel  geworden  wäre,  mit  seinen  grossen 
Linieji,  seiner  Klarheit  und  dem  weiten  Blick  nach  allen  Seiten. 
Freilich  keiner  von  denen,  die  schroff  und  eisig  empcr- 
starren  und  wolkenumhüllt  dem  Wanderer  fast  unnahbar 
sind  —  wohl  aber  ein  Berg,  wie  etwa  der  Aetna,  wo  Feuer 
unterm  Schnee  glüht,  wo  unter  frischem,  belebenden  Hauen 
die  Flanken  sich  mit  fruchtbaren  Kulturen  bedecken  und 
unterm  heiteren  Himmel  ein  froher  Lebensgenuss  zu  Hause  ist. 
Feuer  unterm  Schnee  —  Jugend  im  Silberhaar  —  das  ist  so 
recht  Heubner  sehe  Art.  Wünschen  wir,  dass  sein  weisses 
Haupt  noch  lange  aus  seiner  Höhe  auf  alle  seine  Jünger, 
Freunde  und  Verehrer  herniederschauen  möge,  auf  dass  wir 
es  aus  der  Ferne  mit  Freude  griissen  und  dass,  so  lange  des 
Menschen  Leben  nur  währen  kann,  ein  jeder  Tag  ihm  ge¬ 
segnet  sei.  Finkeistein. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Neuere  Forschungen  über  die  Ursache  der  Beriberi- 

krankheit*). 

Von  Hermann  Wieland. 

M.  H.!  Die  Beriberikrankheit  (Polyneuritis  endemica)  ist  eine 
Tropenkrankheit.  Sie  kommt  —  allgemein  gesagt  —  bei  allen  Völkern 
vor,  deren  Hauptnahrung  Reis  bildet;  ihre  Hauptherde  sind  Japan 
und  die  Sundainseln,  Teile  von  China  und  Britisch-Indien,  ferner 
Brasilien  und  in  letzter  Zeit  grosse  Bezirke  in  Afrika. 

Die  Krankheit  verläuft  seltener  akut,  meist  subakut  oder 
chronisch  und  äussert  sich  klinisch  durch  Störungen  der  Sensibilität 
und  Motilität,  sowie  durch  Kreislaufstörungen  verschiedener  Art  und 
Schwere.  Bei  der  pathologisch-anatomischen  Untersuchung  von 
Beriberileichen  findet  man  Degeneration  der  peripheren  Nerven  und 
degenerative  Prozesse  in  der  Muskulatur,  wie  sie  in  Muskeln  aui- 
zutreten  pflegen,  deren  nervöse  Verbindung  mit  dem  Zentralorgan 
auigehoben  ist,  also  Verfettung,  Verschmälerung  der  Muskelbündel 
und  relative  Kernvermehrung. 

Was  nun  die  Ursache  dieser  Krankheit  betrifft,  so  sind  darüber 
die  verschiedenartigsten  Meinungen  laut  geworden.  Man  hat  sich 
schon  von  altersher  mit  dem  Problem  beschäftigt  und  ich  möchte 
sagen,  es  gibt  kaum  eine  Schädlichkeit  irgendwelcher  Art,  die  lucht 
einmal  als  die  Ursache  der  Beriberi  aufgefasst  worden  wäre.  Boden. 
Trinkwasser,  Luft,  lokale  Faktoren  aller  Art  werden  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Krankheit  verantwortlich  gemacht,  ältere  Autoren  ziehen 
das  „Windgift“,  eine  Art  von  Miasma,  zur  Erklärung  heran,  andere 
wieder  glauben  an  „Erkältung“  oder  suchen  das  ursächliche  Moment 
in  geschlechtlichen  Ausschweifungen.  Eine  Ansicht  war  die,  dass  das 
Kohlenoxyd,  das  aus  den  offenen  Feuerstellen  des  japanischen  Hauses 
ins  Zimmer  dringt,  die  Krankheit  veranlasse,  dann  glaubte  man  wieder 
in  dem  Befund  von  Darmparasiten  des  Rätsels  Lösung  gefunden  zu 
haben. 

In  der  bakteriologischen  Aera  war  man  geneigt,  auch  die  Beri¬ 
beri  als  Infektionskrankheit  aufzufassen:  mit  emsigem  Fleiss  und  allen 
Methoden  der  Bakteriologie  und  Immunwissenschaft  wmrde  nach  dem' 
mutmasslichen  Erreger  gefahndet;  der  Erfolg  war  durchaus  negativ. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  mehren  sich  die  Stimmen,  welche  die! 
Beriberikrankheit  auf  einen  Fehler  in  der  Ernährung  zurückführen, 
und  diese  Ansicht  fand  eine  gute  Stütze  in  der  Beriberistatistik  der 
japanischen  Marine.  Im  Jahre  1884  führte  T  a  k  a  k  i  in  der  Marine 
an  Stelle  der  alten  landesüblichen  Kost  eine  Beköstigung  nach  euro¬ 
päischem  Muster  durch:  der  Erfolg  war  eklatant.  Während  in  frühe¬ 
ren  Jahren  oft  über  30  Proz.  der  Mannschaften  beriberikrank  ge¬ 
wesen  waren,  sank  jetzt  die  Morbidität  mit  einem  Schlag  fast  aut 
Nulh  N 

Praktisch  war  das  ein  sehr  schöner  Erfolg:  für  die  Frage  nach 
der  Ursache  der  Krankheit  war  aber  wenig  gewannen.  Denn  eine 
Unterernährung  —  wie  vielfach  angenommen  wurde  —  w'ar  durch 
die  Kostreform  nicht  beseitigt:  zeigt  sich  doch,  dass  der  Kalorien¬ 
wert  und  der  Eiweissgehalt  der  neuen  Kostform  hinter  dem  der  alten 
zurückblieben. 

Wichtiger  für  die  ätiologische  Forschung  ist  eine  Beobachtung 
von  Vordermann  aus  dem  Jahr  1897;  sie  bezieht  sich  auf  die  Er- 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  des  naturwissenschaftlich 
medizinischen  Vereins  zu  Strassburg  am  10.  Januar  1913. 


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1.  April  1913. 


lahrung  mit  verschiedenen  Reissorten;  ehe  ich  näher  darauf  einsehe, 
möchte  ich  mit  ein  paar  Worten  die  Bearbeitung  des  Reises  be¬ 
sprechen. 

Die  Reispflanze  gehört  zu  den  Gramineen,  wie  unsere  Getreide¬ 
lten.  Die  holzigen  äusseren  Fruchthüllen,  „die  Spelzen“,  werden 
durch  Mahlen  entfernt.  Dieser  einfach  entspelzte  Reis  kann  ge- 
lossen  werden;  im  allgemeinen  wird  er  aber,  ehe  er  in  die  Küche 
%ommt,  noch  weiter  bearbeitet.  Es  wird  nämlich  durch  Schleifen, 
.Polieren“,  eine  weitere  Hülle  entfernt,  die  in  der  Literatur  geinein- 
lin  als  „Silberhäutche  n“  bezeichnet  wird.  Streng  genommen 
st  das  Silberhäutchen  nur  eine  dünne  Zellulosemembran,  die  bio- 
ogisch  kaum  eine  Rolle  spielt;  wichtiger  für  unsere  Betrachtungen 
st  die  einwärts  von  ihm  liegende  „A  1  e  u  r  o  n  z  e  1 1  e  n  s  c  h  i  c  h  t“; 
;ie  wird  durch  das  Polieren  gleichfalls  entfernt. 

Was  nun  zurückbleibt,  ist  das  eigentliche  Reiskorn:  aus  solchen 
(örnern  besteht  der  Reis,  den  wir  zu  kaufen  und  zu  essen  bekommen; 
luch  von  den  Völkern,  die  sich  hauptsächlich  von  Reis  nähren,  wird 
liese  Sorte,  der  geschliffene  weisse  Reis,  im  allgemeinen  bevorzugt. 

Eine  andere  Bearbeitungsart  des  Reises  ist  das  „Dämpfen“; 
labei  wird  der  Reis  in  den  Spelzen  kurze  Zeit  gekocht  oder  mit 
strömendem  Dampf  behandelt  und  dann  erst  gemahlen.  Durch  die 
Einwirkung  der  feuchten  Hitze  werden  die  obersten  Schichten  der 
Stärke  verkleistert  und  halten  die  Aleuronschicht  fest:  beim  Mahlen 
ileibt  daher  dem  Korn  diese  Schicht  sicherer  und  vollständiger  er- 
lalten  als  beim  Mahlen  des  unbehandelten  Reises. 

Wir  haben  also  drei  Arten  von  gebrauchsfertigem,  kochfähigem 
Teis:  einmal  den  geschliffenen  Reis,  unsere  Handelssorte,  dann  den 
mgeschliffenen,  nur  entspelzten  Reis  und  endlich  den  gedämpften 
?eis.  Die  zweite  und  dritte  Sorte  unterscheiden  sich  dadurch,  dass 
lurch  das  Dämpfen  eine  Entfernung  der  Aleuronschicht  sehr  er- 
.chwert  wird. 

Vordermann  machte  nun  darauf  aufmerksam,  dass  unter  den 
befangenen  in  Niederländisch-Indien,  die  geschliffenen  Reis  als  Haupt- 
lahrung  bekamen,  Beriberi  häufig  beobachtet  wurde,  während  die 
(rankheit  in  den  Gefängnissen,  wo  ungeschliffener  Reis  gereicht 
vurde,  geradezu  eine  Seltenheit  war. 

Eine  ähnliche  Beobachtung  machte  Braddon  in  einem  von 
Seriberi  stark  heimgesuchten  Distrikt  Hinterindiens.  Von  den  Ein- 
leimischen,  die  gedämpften  Reis  essen,  erkrankte  kein  einziger  an 
iieser  Krankheit;  beinahe  alle  Fälle  betrafen  Chinesen,  und  die  nähren 
ich  in  der  Regel  von  geschliffenem  Reis. 

Der  erste,  der  experimentell  an  die  Frage  des  Zusammenhangs 
on  Beriberi  mit  Reisnahrung  herantrat,  war  Fletcher.  In  den 
ähren  1905 — 1907  führte  er  an  den  Insassen  des  Kuala-Lumpur-Irren- 
auses  eine  Reihe  gross  angelegter  und  in  ihren  praktischen  Resul- 
aten  überaus  wertvoller  Versuche  durch.  Er  teilte  das  Irrenhaus  in 
wei  Hälften  mit  etwa  derselben  Bettenzahl;  auf  der  einen  Hälfte 
vurde  geschliffener,  auf  der  anderen  gedämpfter  Reis  als  Haupt- 
ahrung  gereicht.  Nach  einem  Jahr  waren  auf  der  ersten  Abteilung 
ahlrciche  Beriberifälle  vorgekommen,  auf  der  anderen,  wo  gedämpf- 
er  Reis  gegeben  wurde,  nicht  ein  einziger.  Nun  wurden  alle  Patien- 
en  umquartiert,  um  lokale  Einflüsse  auszuschalten,  ferner  wurden 
leriberikranke  auf  die  Abteilung  mjt  gedämpftem  Reis  verlegt,  um 
ie  Frage  nach  der  Infektiosität  der  Krankheit  zu  prüfen.  Es  ergab 
ich  stets  dasselbe  Resultat:  von  denen,  die  als  Hauptnahrung  ge- 
chliffenen  Reis  genossen,  erkrankte  ein  hoher  Prozentsatz,  von  den 
nderen  niemand.  Aehnliche  menschenexperimentelle  Versuche  wur- 
en  von  Fraser  an  Arbeitern,  von  E  1 1  i  s  an  Geisteskranken  im 
rrenhaus  in  Singapore  angestellt. 

Aus  allen  diesen  Beobachtungen  geht  nur  hervor,  dass  geschlif- 
ner  Reis  —  wenn  er  als  Hauptnahrung  genossen  wird  —  Beriberi 
rzeugt,  Reis  dagegen,  dem  die  Aleuronschicht  erhalten  ist,  das  Auf- 
reten  der  Krankheit  verhindert. 

Weitere  Fortschritte  brachte  das  Tierexperiment.  Im  Jahre 
897  beobachtete  E  ij  k  m  a  n,  dass  Hühner  bei  ausschliesslicher  Füt- 
erung  mit  geschliffenem  Reis  krank  werden:  sie  magern  ab,  be- 
ommen  Lähmungen  und  gehen  schliesslich  zugrunde.  In  den  Nerven 
er  erkrankten  Tiere  waren  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
benfalls  degenerative  Prozesse  nachzuweisen,  wie  bei  der  tropischen 
leriberi.  Eijkman  hat  diese  experimentell  erzeugte  Tierkrank- 
Gt  anfangs  vorsichtig  als  „Polyneuritis  gallinarum“  bezeichnet;  seit- 
er  haben  sich  indes  so  viele  Analogien  mit  der  menschlichen  Beri- 
eri  ergeben,  dass  m.  E.  kein  Grund  mehr  vorliegt,  an  der  Wesens- 
inheit  der  beiden  Krankheiten  zu  zweifeln.  —  Dasselbe  Krankheits- 
ild  konnte  Eijkman  auch  durch  Verfütterung  von  geschliffener 
ierste,  sowie  von  reinem  Stärkemehl  erzeugen;  gab  er  dagegen  un- 
eschliffenen  Reis,  so  blieben  die  Hühner  gesund.  Ebenso  vermochte 
iciskleie,  d.  h.  die  abgeschliffene  Aleuronschicht,  als  Zugabe  zu  ge- 
chliffenem  Reis  die  Vögel  vor  der  Krankheit  zu  schützen.  Einfaches 
iirzes  Kochen  hebt  die  Schutzwirkung  der  Reiskleie  nicht  auf,  wohl 
her  Erhitzen  unter  Druck  auf  115—120°. 

Alle  bisher  mitgeteilten  Tatsachen  lassen  sich  auf  zweierlei  Art 
rklären,  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Krankheit  durch  ein  che- 
lisches  Agens  irgendwelcher  Art  verursacht  wird  —  und  dafür 
brach  eigentlich  alles  — :  entweder  enthält  der  geschliffene  Reis 
inen  schädlichen  Stoff,  dessen  Wirkung  durch  eine  Substanz  der 
’eiskleie  aufgehoben  wird,  oder  es  fehlt  ihm  ein  nützlicher,  zur  Er- 
altung  der  Gesundheit  notwendiger  Stoff,  und  der  ist  in  der  Kleie 
orhanden. 


Eijkman  entschied  sich  für  die  erste  Möglichkeit;  er  nahm' 
an,  dass  sich  beim  Lagern  des  geschliffenen  Reises  durch  die  Tätig¬ 
keit  eines  Mikrorganismus  ein  Gift  bilde,  das  durch  einen  Bestandteil 
der  Reiskleie  neutralisiert  werde  (Intoxikationstheorie). 

Gegen  diese  Anschauung  spricht  verschiedenes:  Fraser  und 
Stau  ton  konnten  zeigen,  dass  lange  gelagerter,  geschliffener  Reis 
und  Reis,  der  unmittelbar  vor  dem  Versuch  erst  geschliffen  wurde, 
völlig  gleichwertig  sind,  d.  h.  bei  der  Verfütterung  an  Hühner  in  der¬ 
selben  Zeit  das  typische  Krankheitsbild  erzeugen. 

Ausserdem  ist  es  nie  gelungen,  im  geschliffenen  Reis  einen  gifti- 
gen  Stoff  nachzuweisen,  sei  es  nun  ein  Toxin  oder  ein  ptomainartiger 
Körper,  sei  es  ein  banales  Gift,  wie  etwa  Oxalsäure. 

Es  bleibt  also  zur  Erklärung  nur  die  andere  der  soeben  be¬ 
sprochenen  Möglichkeiten  übrig,  dass  nämlich  Beriberi  durch  den 
Mangel  des  geschliffenen  Reises  an  einem  wertvollen  Stoff,  durch 
einen  partiellen  Hunger,  verursacht  werde.  Es  ist  das  grosse  Ver¬ 
dienst  Schaumanns,  durch  zahlreiche  Versuche  diese  Anschau¬ 
ung,  die  ich  als  „Teilhungertheorie“  bezeichnen  möchte,  fest  be¬ 
gründet  zu  haben.  Die  Schaumann  sehen  Arbeiten  sind  überhaupt 
für  die  Entwicklung  der  experimentellen  Beriberiforschung  sehr  be¬ 
deutungsvoll,  und  ich  möchte  deshalb  versuchen.  Ihnen  in  kurzem 
ein  Bild  seiner  Resultate  zu  geben;  ich  muss  mich  natürlich  auch  hier 
damit  begnügen,  die  Hauptlinien  zu  zeichnen. 

Nachdem  Schaumann  die  Intoxikationstheorie  geprüft  und 
widerlegt  hatte,  ging  er  daran,  den  lebenswichtigem  Stoff  zu  be¬ 
stimmen,  der  dem  geschliffenen  Reis  fehlt  und  der  in  der  Aleuron¬ 
schicht  enthalten  ist. 

Bei  diesem  Suchen  ging  er  in  folgender  Weise  vor:  Zu  einer 
Hauptnahrung  von  geschliffenem  Reis  wurden  der  Reihe  nach  ver¬ 
schiedene  Stoffe  zugegeben  und  geprüft,  ob  es  gelingt,  mit  dem  Ge¬ 
misch  Tiere  am  Leben  zu  erhalten,  m.  a.  W.  ob  der  Stoff  imstande 
sei,  geschliffenem  Reis  zu  einer  vollwertigen  Nahrung  zu  ergänzen. 

Eiweiss  und  Salze  waren  ohne  Einfluss;  Kohlehydrat  enthält 
der  Reis  selber  genügend,  Wasser  war  bei  allen  Versuchen  im  Ueber- 
fluss  gereicht  worden,  Fett  kann  bekanntlich  aus  Kohlehydraten  ge¬ 
bildet  werden:  es  musste  sich  also  jedenfalls  um  einen  anderen  Stoff 
handeln,  als  um  die  erwähnten  Hauptkomponenten  der  Nahrung. 

Nun  gibt  es  ausser  Reiskleie  noch  eine  Reihe  anderer  „Schutz¬ 
stoffe“  —  d.  h.  Stoffe,  die  als  Zugabe  zu  geschliffenem  Reis  die  da¬ 
mit  gefütterten  Tiere  vor  dem  Auftreten  von  Polyneuritis  schützen: 
Katjang-idjoe,  die  Bohnen  von  Phaseolus  radiatus,  getrocknete  Erbsen, 
Hefe,  ferner  Stierhoden  und  Sperma  und  Eier  von  Fischen.  Alle  diese 
Schutzstoffe  sind  reich  an  organisch  gebundenem  Phosphor;  ge¬ 
schliffener  Reis  ist  daran  ziemlich  arm.  Daraus  zog  Schau  mann 
den  Schluss:  „Die  Grundursache  der  Beriberikrankheit  und  der  Poly¬ 
neuritis  der  Tiere  ist  auf  den  Mangel  der  Nahrung  an  gewissen,  noch 
näher  zu  bestimmenden  organischen  Phosphorverbindungen  zurück¬ 
zuführen.“ 

Diese  Schlussfolgerung  wurde  bald  angegriffen:  T  e  r  u  u  c  h  i 
konnte  aus  Reiskleie  durch  Extraktion  mit  Alkohol  wirksame  Frak¬ 
tionen  erhalten,  die  praktisch  phosphorfrei  waren. 

Nun  beginnt  auf  Schau  in  anns  Arbeit  hin  eine  lebhafte  Jagd 
nach  der  wirksamen  Substanz  der  Reiskleie,  nach  der  Substanz,  die 
das  Auftreten  von  Beriberi  verhindert.  Casimir  Funk  war  der  erste, 
dem  es  gelang,  aus  Reiskleie  eine  reine,  kristallisierte  Substanz  zu  iso¬ 
lieren,  die  schon  bei  Zufuhr  von  wenigen  Milligrammen  imstande  ist, 
ausgesprochene  Lähmungen  bei  Hühnern  oder  Tauben  zum  Ver¬ 
schwinden  zu  bringen.  Funk  bezeichnet  diese  Substanz  als 
„V  i  t  a  m  i  n“,  d.  i.  eine  lebenswichtige  Stickstoffbase,  und  gibt  für 
ihre  Zusammensetzung  die  empirische  Formel  C17H20N2O7  an;  seiner 
chemischen  Natur  nach  hält  er  das  Vitamin  für  ein  Pyrimidinderivat, 
d.  h.  für  einen  Stoff,  in  dem  die  beiden  Stickstoffatome  ähnlich  wie  im 
Harnstoff  gebunden  und  bei  einem  Ringschluss  beteiligt  sind.  S  u  - 
zucki,  Shimamura  und  O  d  a  k  e,  die  anscheinend  unabhängig 
von  Funk  und  mit  anderen  Methoden  denselben  Körper  aus  Reis¬ 
kleie  darstellten  —  sie  bezeichnen  ihn  als  „O  r  y  z  a  n  i  n“  —  haben 
durch  Spaltungsversuche  wahrscheinlich  gemacht,  dass  es  sich  um  ein 
Pyridinderivat  handelt. 

Funk  hat  — •  und  dies  ist  für  später  folgende  Ueberlegungen 
wichtig  —  das  Vitamin  nicht  nur  aus  Reiskleie,  sondern  auch  aus 
anderen  Materialien,  aus  Hefe,  aus  Milch,  aus  Ochsenhirn  isolieren 
können. 

Ueber  die  Funktion  dieses  Stoffes  im  tierischen  Organismus 
ist  nichts  Sicheres  bekannt.  Funk  nimmt  auf  Grund  des  chemischen 
Charakters  des  Vitamins  an,  dass  es  einen  Baustein  der  Nukleine 
bilde;  Schaumann  hat  seine  früheren  Anschauungen  modifiziert 
und  glaubt  jetzt,  dass  das  Vitamin  bei  der  Synthese  von  Phosphor- 
I  Verbindungen  als  Katalysator  wirke. 

Nun,  m.  H.,  das  sind  alles  nur  Vermutungen.  Mir  persönlich 
scheint  es  nach  Versuchen,  die  ich  im  vorigen  Jahr  angestellt  habe, 
nicht  recht  wahrscheinlich,  dass  der  Phosphorstoffwechsel  bei  den 
beriberikranken  Tieren  primär  gestört  ist. 

Ich  möchte  nun  zum  Schluss  kurz  auf  die  Resultate  eingehen,  die 
:  uns  die  ätiologische  Beriberiforschung  gegeben  hat. 

Zunächst  haben  wir  erfahren,  dass  die  tropische  Beriberi  durch 
den  Mangel  an  Vitamin  in  der  Nahrung  verursacht  wird,  und  dass 
1  Vitaminzufuhr  oder  Zufuhr  vitaminhaltiger  Speisen  vor  dieser  Krank¬ 
heit  schützt.  Ich  möchte  ausdrücklich  hervorheben,  dass  wir  nicht 
1  wissen,  ob  die  eben  geschilderte  Aetiologie  nun  auch  für  alle  Fälle 


708 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


von  tropischer  Beriberi  gilt,  oder  ob  nicht  unter  diesem  Krankheits¬ 
begriff  ätiologisch  verschiedene  Störungen  zusammengefasst  werden; 
überdies  harren  noch  manche  Punkte  in  der  Pathogenese  der  Beri¬ 
beri,  wie  z.  B.  der  Einfluss  von  Jahreszeit,  Geschlecht,  Lebensalter, 
der  Erklärung.  Dass  aber  mindestens  für  eine  grosse  Zahl  von  Beri- 
berifüllen  Vitaminmangel  verantwortlich  ist,  geht  aus  den  überaus 
günstigen  Heilresultaten  hervor,  die  Tsuzuki  bei  dieser  Krankheit 
durch  stomachale  oder  subkutane  Zufuhr  von  „A  n  t  i  b  e  r  i  b  e  r  i  n“, 
einem  vitaminhaltigen  Präparat  erhalten  hat. 

Dieses  Resultat  ist  für  den  Tropenbewohner  und  den  Tropen¬ 
hygieniker  von  höchster  Wichtigkeit:  aber  auch  für  uns  ergeben 
sich  —  wie  mir  scheint  —  eine  Reihe  interessanter  Folgerungen  prak¬ 
tischer  und  theoretischer  Natur. 

Ich  denke  dabei  zunächst  an  die  Bereicherung  unserer  er¬ 
nährungsphysiologischen  Kenntnisse.  Wir  brauchen  zur  ausreichen¬ 
den  Ernährung  ausser  energiespendenden  Nahrungsstoffen,  Wasser, 
Salzen  und  vollwertigem  Eiweiss  auch  Vitamin  oder  vielleicht  analog 
funktionierende  Stoffe. 

Ferner  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  eine  Reihe  älterer  Unter¬ 
suchungen  auf  Grund  dieser  Erkenntnis  revisionsbedürftig  geworden 
sind.  Ich  denke  dabei  z.  B.  an  Versuche  über  die  Wichtigkeit  be¬ 
stimmter  anorganischer  Stoffe,  über  die  Verwertbarkeit  bestimmter 
Eiweissarten  und  ähnliche  Versuche,  bei  denen  mit  reinen  oder  ge¬ 
reinigten  Nährstoffen  gearbeitet  wurde;  möglicherweise  sind  manche 
Resultate,  die  auf  diese  oder  jene  Nahrungskomponente  bezogen 
wurden,  nur  auf  Vitaminmangel  zurückzuführen. 

M.  H.l  Ehe  ich  auf  die  praktischen  Folgerungen,  die  wir  für 
uns  aus  der  ätiologischen  Beriberiforschung  ziehen  können,  näher 
eingehe,  möchte  ich  Sie  bitten,  eines  zu  erwägen. 

Wenn  ausgesprochener  Vitaminmangel  —  wie  er  nur  bei  Völ¬ 
kern  vorkommt,  deren  Hauptnahrung  geschliffener  Reis  bildet  —  zu 
den  schwersten  Störungen  führt,  dann  dürfte  ein  relativer  Mangel 
an  diesem  wichtigen  Stoff  —  wie  er  auch  bei  uns  Vorkommen  könnte 
— -  für  den  Organismus  wohl  nicht  gleichgültig  sein.  Daraus  ergibt 
sich  für  uns  die  Forderung,  den  Vitamingehalt  unserer  Nahrung  zu 
erhalten,  ihn  zum  mindesten  nicht  leichtsinnig  zu  erniedrigen.  Das 
geschieht  nun  leider  bei  der  fabrikmässigen  Herstellung  von  Nähr¬ 
stoffen,  speziell  von  Kohlehydraten:  Der  Zucker,  den  wir  auf  den 
Tisch  bekommen,  ist  sozusagen  analysenreine  Saccharose;  manche 
Mehle  sind  nahezu  reine  Stärke.  Ich  glaube,  wir  sollten  einhalten  in 
dem  Bestreben,  unsere  Nährstoffe  möglichst  rein  darzustellen;  mit 
dem  Abfall  beseitigen  wir  auch  das  Vitamin. 

Ferner  ist  zu  bedenken,  dass  Vitamin  bei  länger  dauerndem 
Kochen,  namentlich  über  1Ü0°,  rasch  zerstört  wird:  es  wird  sich  des¬ 
halb  bei  der  Sterilisation  von  Nahrungsmitteln,  namentlich  unter 
Druck,  Vorsicht  empfehlen.  Ganz  besonders  gelten  die  besprochenen 
Punkte  für  die  künstliche  Ernährung  kleiner  Kinder:  im  kleinen 
Organismus  des  Kindes  macht  sich  der  Mangel  an  irgend  einem  Nähr¬ 
stoff  viel  rascher  und  schwerer  geltend  als  beim  Erwachsenen.  Mög¬ 
licherweise  sind  die  von  Czerny  und  Keller  seinerzeit  in  Schle¬ 
sien  beobachteten  „Mehlnährschäden“  auf  Vitaminmangel  zuriick- 
znfiihren. 

Ich  würde  mich  in  fruchtlose  Spekulationen  verlieren,  wenn  ich 
andere  Probleme  anführen  wollte,  die  vielleicht  mit  Vitaminmangel 
in  Beziehung  stehen.  Aus  demselben  Grund  möchte  ich  darauf  ver¬ 
zichten,  auf  den  Zusammenhang  der  tropischen  Beriberi  mit  anderen 
Ernährungskrankheiten  einzugehen.  Auf  diesem  Gebiet  ist  noch  vieles 
unklar,  und  es  wird  noch  einer  gewaltigen  Summe  experimenteller 
Arbeit  bedürfen,  um  auch  in  dieses  Dunkel  Licht  zu  bringen. 


Kritischer  Rückblick  über  wichtige  gynäkologische 
Arbeiten  aus  dem  Jahre  1912. 

Von  Prof.  Dr.  G.  Schickele  in  Strassburg. 

(Schluss.) 

An  dieser  Stelle  müssen  auch  die  ausgedehnten  Untersuchungen 
von  Dienst  erwähnt  werden.  Seit  Jahren  hat  D.  versucht,  dem 
Wesen  der  Eklampsie  näherzutreten.  Es  handelt  sieb  nach  ihm  um 
eine  abnorme  Ansammlung  von  Fibrinferment  im  Blute,  und  zwar  ist 
es  die  Plazenta,  aus  welcher  grosse  Mengen  dieses  Stoffes  in  den 
Blutkreislauf  der  Schwangeren  abgegeben  werden.  Unter  normalen 
Verhältnissen  werden  diese  Stoffe  zerstört,  wobei  die  Leber  vermöge 
ihrer  Antithrombinproduktion  eine  hervorragende  Rolle  spielt.  Ist 
diese  Entgiftung  eine  ungenügende,  etwa  infolge  von  Zirkulations¬ 
störungen,  dann  sind  die  im  Blute  kreisenden  Fermente  imstande, 
Schädigungen  der  Gefässe  und  der  Nieren  (Albuminurie)  hervor¬ 
zurufen.  Dieses  erste  Stadium  der  Vergiftung  wird  überschritten, 
sobald  eine  zunehmende  Ansammlung  von  Fibrinferment  eintritt;  dies 
ist  bei  ungenügender  Durchblutung  der  Leber  und  infolgedessen  zu 
geringer  Antithrombinbildung  der  Fall.  Damit  ist  dann  die  Gelegen¬ 
heit  zu  schweren  Schädigungen  und  zu  dem  Auftreten  des  Symptomen- 
komplexes  der  typischen  oder  atypischen  Eklampsie  gegeben.  Je 
nach  der  raschen  oder  langsamen  Entwicklung  dieser  Zustände 
kommt  es  zu  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Schädigungen  lebens¬ 
wichtiger  Organe.  Man  muss  zugeben,  dass  Dienst  versucht  hat, 
seine  Theorie  in  jeder  nur  möglichen  Weise  zu  stützen.  Trotzdem 
gibt  sie  zu  zahlreichen  Einwänden  Anlass,  unter  denen  ich  nur  den 


einen  erwähnen  möchte,  dass  gerade  der  Ausgangspunkt  dieser 
Theorie,  die  Einfuhr  von  in  der  Plazenta  gebildeten  Fermenten  in  den 
allgemeinen  Kreislauf,  des  Beweises  noch  bedarf.  Zahlreiche  Einzel¬ 
beobachtungen  dürften  richtig  sein,  so  die  so  häufige  Hyperleuko¬ 
zytose,  die  Veränderung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  u.  a. 
Auch  Engelmann  und  Ebeler  sehen  als  feststehende  Tatsache 
an,  dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Gerinnungszeit  des  Blutes  bei 
der  Eklampsie  herabgesetzt  ist,  wenn  auch  nur  um  weniges.  Ich 
muss  es  allerdings  dahingestellt  sein  lassen,  ob  dieser  Nachweis  eine 
besondere  Bedeutung  hat,  da  ja  nach  den  Untersuchungen  von 
Ebeler,  die  allerdings  in  unserer  Klinik  nicht  bestätigt  werden 
konnten  (Keller),  die  Gerinnungszeit  des  Blutes  am  Ende  der 
Schwangerschaft  schon  herabgesetzt  ist  und  ebenso  während  der 
Geburt,  um  dann  im  Wochenbett  allmählich  zur  Norm  zurückzukehren. 
Also  auch  hier  verschiedene  Resultate;  ebenso  steht  es  auch  mit  der 
Therapie  bei  der  Eklampsie.  Es  scheint  immer  mehr,  dass  die  Früh¬ 
entbindung,  welche  vor  kurzem  noch  in  den  Himmel  gehoben  wurde, 
etwas  weniger  beliebt  wird.  Aus  den  Referaten  von  B  a  r  und 
Commandeur  (französ.  Kongr.  f.  Geburtshilfe  1912)  geht  z.  B. 
hervor,  dass  die  aktive  Therapie  eine  zu  hohe  Mortalität  aufweist 
und  dass  deshalb  die  expektative  Therapie  wieder  empfohlen  wird. 
Die  beiden  Berliner  Frauenkliniken  halten  nach  der  Mitteilung  von 
R.  Freund  an  der  Frühentbindung  fest.  Die  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  sehe 
Methode  hat  dort  keine  Anhänger  gefunden.  Trotzdem  scheint  sie 
anderswo  Nachahmer  zu  finden,  wenn  sie  auch  allerdings  nicht  immer 
ausschliesslich  zur  Behandlung  der  Eklampsie  benutzt  wird. 
Zweifel  empfiehlt  neuerdings  den  Aderlass,  wenn  möglich  primär, 
zu  500  ccm;  er  soll  durch  teilweise  Entgiftung  und  Erniedrigung  des 
Blutdruckes  wirken,  daneben  wird  nach  Stroganoff  verfahren. 
Mit  dieser  Methode  hat  die  Leipziger  Klinik  unter  80  Eklampsien 
eine  Mortalität  von  6,25  Proz.  (L  i  c  h  t  e  n  s  t  e  i  n).  Die  Leistungs¬ 
fähigkeit  dieses  Vorganges  kann  natürlich  noch  nicht  beurteilt  werden. 
Immerhin  weiss  auch  Engelmann  von  besseren  Erfolgen  zu  be¬ 
richten,  die  er  mit  diesem  Vorgehen  zugleich  mit  massiger  Schnell¬ 
entbindung  erzielt  hat.  Holste  schlägt  in  derselben  Weise  be¬ 
sonders  dem  Praktiker  die  bedingte  Beschleunigung  der  Geburt  vor 
(Metreuryse),  daneben  Stroganoff.  Zangemeister  empfiehlt 
die  Trepanation  in  der  Auffassung,  dass  die  Eklampsie  eine  Art 
Reflexepilepsie  sei  und  die  Druckentlastung  des  Gehirns  günstig 
wirken  müsse. 

Die  Arbeiten  des  vergangenen  Jahres  haben  die  Erfahrung  über 
die  Wirksamkeit  der  Hypophysenextrakte  bestätigt.  Die  ver¬ 
schiedenen  im  Handel  befindlichen  Präparate  weichen  in  ihrem  Wert 
nicht  voneinander  ab.  Diese  Extrakte  stellen  das  beste  augen¬ 
blicklich  zur  Verfügung  stehende  Mittel  zur  Verstärkung  der  Geburts¬ 
wehen  vor.  Hohl  hat  in  der  Klinik  von  Helsingfors  die  weben¬ 
verstärkende  Wirkung  des  Pituitrins  mit  Hilfe  eines  besonderen 
Apparates  studiert  und  in  genauer  Weise  festgestellt,  dass  die  Wehen 
häufiger,  stärker,  oft  auch  länger  werden;  allerdings  ist  dies  letztere 
kein  regelmässiger  Befund,  manche  Wehe  ist  sogar  kürzer  an  Dauer, 
trotzdem  aber  intensiver.  Die  Verkürzung  der  Wehenpause  ist  viel¬ 
fach  ganz  auffallend  deutlich,  zuweilen  sogar  derart,  dass  infolge  der 
immer  kürzer  werdenden  Abstände  eine  fast  andauernde  Kontraktion 
des  Uterus  eintritt.  In  manchen  Fällen  werden  Dauerkontraktionen 
von  10,  ja  sogar  bis  20  Minuten  beschrieben.  In  dieser  Weise  ge¬ 
winnen  die  Wehen  einen  tetanusähnlichen  Charakter  und  dabei  lässt 
sich  immerhin  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  einmal  Schaden  ent¬ 
stehen  könnte.  Hohl  hat  z.  B.  unter  42  Fällen  2  mal  die  Kinder 
während  der  Geburt  absterben  sehen,  und  glaubt,  „dass  man  in 
beiden  Fällen  dem  Pituitrin  einen  grossen  Anteil  daran  zuschreiben 
muss“.  In  6  unter  den  genannten  Fällen  war  ein  Erfolg  der  Injektion 
nicht  nachweisbar.  —  Aus  zahlreichen  Erfahrungen  geht  hervor,  dass 
die  besten  Erfolge  auftreten,  wenn  Wehen  vor  der  Injektion  schon 
bestehen.  Von  ganz  vereinzelten  Fällen  abgesehen,  gelingt  es  nicht, 
die  Schwangerschaft  durch  Pituitrin  allein  im  Laufe  der  ersten 
Monate  zu  unterbrechen;  zur  Einleitung  des  künstlichen  Abortes  ist 
das  Mittel  nicht  wirksam.  Dasselbe  gilt  von  den  späteren  Monaten 
der  Gravidität,  wenn  auch  hier  einzelne  Fälle  vorliegen,  wo  mit 
Pituitrin  allein  die  Wehentätigkeit  angeregt  und  die  Geburt  zu  Ende 
geführt  werden  konnte.  Es  ist  aber  im  allgemeinen  immer  besser, 
wenn  Wehen  vorher  schon  bestanden,  sei  es,  dass  die  Geburt  schon 
in  Gang  gekommen  war  oder  künstlich  angeregt  worden  war.  Nach 
Dilatation  der  Zervix,  Tamponade,  Metreuryse  konnte  die  so  an¬ 
geregte  Wehentätigkeit  durch  Pituitrin,  sowohl  in  den  ersten  als 
auch  in  den  späteren  Monaten  der  Gravidität  erfolgreich  unterstützt 
werden.  Aus  der  Strassburger  Klinik  hat  Vogelsberger  mit¬ 
geteilt,  dass  durch  Galvanisation  des  Uterus  nach  der  Methode  von 
Bayer  in  zweckmässiger  Weise  die  Wehentätigkeit  in  Gang  ge¬ 
bracht  und  dann  durch  Pituitrin  gesteigert  werden  kann.  Von 
mancher  Seite  wird  bei  Placenta  praevia  lateralis  Pituitrin  empfohlen, 
wenn  nach  der  Blasensprengung  die  Blutung  steht;  liegt  ein  grosser 
Plazentabezirk  vor,  so  ist  aktives  Vorgehen  am  Platze.  Die  besten 
Resultate  geben  die  verschiedenen  Formen  von  primärer  und  sekun¬ 
därer  Wehenschwäche,  wenn  der  Muttermund  schon  etwa  drei-  bis 
fünfmarkstückgross  ist.  In  einigen  Fällen  sind  nun  atonische 
Blutungen  nach  der  Geburt  des  Kindes  verzeichnet  worden.  Es  wäre 
möglich,  dass  in  diesen  Fällen  das  Pituitrin  kurz  vor  der  Geburt  des 
Kindes  injiziert  worden  war  und  dass  die  Nachgeburtszeit  innerhalb 
der  sekundären  Wirkung  des  Pituitrins  fiel,  welche  an  der  Blutdruck- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


709 


I.  April  1913. 


kurve  in  einer  Depression  sich  äussert.  Von  anderer  Seite  wird 
Pituitrin  bei  Kaiserschnitt  gegeben  (Krämer  u.  a.),  in  der  Er¬ 
wartung,  dass  die  kurz  vor  der  Operation  verabreichte  Injektion  eine 
kontraktionserregende  Wirkung  in  der  Nachgeburtszeit  entfaltet. 
Stolz  empfiehlt  Pituitrin  bei  verzögerter  Lösung  der  Plazenta  in 
normalen  Geburten.  Ich  habe  jedoch  den  Eindruck,  dass  die  Mehr¬ 
zahl  der  Autoren  sich  nicht  für  Pituitrin  zur  Bekämpfung  atonischer 
Blutungen  entscheidet  und  vielmehr  in  einem  der  geläufigen  Ergotin- 
oräparate  ein  zuverlässigeres  und  überlegenes  Mittel  erblicken! 

Die  Erfolge  und  Nichterfolge  der  Hypophysenextrakte  können 
toch  nicht  zahlenmässig  exakt  angegeben  werden,  aber  soviel  lässt  sich 
whon  sagen,  dass  vollständige  Versager  selten  sind  und  schätzungs¬ 
weise  kaum  mehr  als  10  oder  15  Proz.  betragen.  Dabei  muss  aller¬ 
dings  hervorgehoben  werden,  dass  die  Wirkung  nicht  immer  nach 
der  ersten  Injektion  eintritt,  sondern,  wie  vielfach  mitgeteilt  wird,  erst 
lach  mehreren  Injektionen.  Manche  wollen  darin  einen  gewissen 
Widerspruch  erblicken  mit  der  Wirkung  des  Mittels  auf  den  Blut- 
.Iruck;  hier  versagt  nämlich  häufig  die  zweite  und  nächstfolgende 
Injektion.  Aus  meinen  eigenen  Tierversuchen  kann  ich  diesen  Be- 
lauptungen  entgegenhalten,  dass  eine  Regel  hierfür  nicht  besteht  und 
.lass  gar  nicht  selten  eine  2.  und  3.  ja  sogar  noch  eine  spätere  In- 
ektion  eine  Erhöhung  des  Blutdrucks  auslöst,  wenn  auch  zuweilen 
n  allmählich  abnehmender  Intensität.  Die  Frage  des  Widerspruchs 
indet  ihre  Lösung  in  dem  von  mir  geführten  Nachweis,  dass  die 
blutdrucksteigernde  und  wehenerregende  Wirkung  zwei  voneinander 
getrennte  Erscheinungen  sind  und  dass  keine  von  der  andern  ab¬ 
hängig  ist.  Wehenerregende  Wirkung  besitzen  nämlich  auch  Ex- 
rakte,  welche  den  Blutdruck  gar  nicht  beeinflussen  oder  andere, 
welche  eine  Senkung  hervorrufen. 

Für  den  Praktiker  ist  das  von  mancher  Seite  erhobene  Be¬ 
denken  wichtig,  dass  Pituitrin  manchmal  eine  schädigende  Wirkung 
iiisüben  kann.  Durch  die  Summierung  der  Wehen  (Wehensturm) 
;olI  das  Kind  gefährdet  werden  können.  Mackenrodt  spricht  von 
Jinem  Tetanus  uteri,  der  den  Tod  des  Kindes  zur  Folge  hatte.  Auch 
;tolz  hat  sinkende  Herztöne  beobachtet;  Hamm  konnte  in  einigen 
allen  unserer  Klinik  Strikturen  im  Bereiche  des  unteren  Segmentes 
iei  Fehl-  und  Frühgeburten  nachweisen,  R  i  e  c  k  e.ine  Erschwerung 
ntrauteriner  Eingriffe  infolge  Dauerkontraktionen  u.  a.  m.  Derartige 
'alle  können  nicht  von  vornherein  gegen  die  Brauchbarkeit  des 
Vlittels  verwendet  werden,  sondern  fordern  nur  zu  einer  richtigen 
Auswahl  geeigneter  Fälle  heraus.  Einstweilen  dünkt  mich  die  An¬ 
wendung  des  Pituitrins,  bevor  eine  Entfaltung  des  unteren  Segmentes 
vorhanden  ist,  noch  diskussionsfähig,  wenn  auch  zweifellos  Fälle 
orhanden  sind,  in  denen  eine  günstige  Wirkung  auftrat,  ohne  jede 
Schädigung. 

Es  liegen  verschiedene  Versuche  vor,  die  Anweudungsbreite  des 
ütuitrins  zu  erweitern.  Jaschke  sieht  in  ihm  ein  ausgezeichnetes  ! 
;ardio-vaskuläres  Mittel  und  teilt  entsprechende  Erfolge  bei  der  Bc- 
laridlung  von  postoperativen  Blutsenkungen  mit.  F.r  macht  aber  mit 
^echt  darauf  aufmerksam,  dass  für  den  Fall,  dass  ein  grösserer  Blut¬ 
erlust  vorhergegangen,  dieser  zuerst  durch  Kochsalzlösung  ersetzt 
verden  muss  und  dass  dann  erst  das  Pituitrin  in  seine  Rechte  tritt. 
Ausgedehnte  Untersuchungen  von  Klotz  berichten  über  die  Be- 
landlung  der  postoperativen  Blutdrucksenkung  bei  Peritonitis  mit 
dtuitrin.  Diese  Therapie  erinnert  an  die  früher  von  H  o  1  z  b  a  c  h 
lusgearbeitete  Adrenalinbehandlung  zur  Bekämpfung  der  perito- 
ntischen  Blutdrucksenkung.  Wie  dieses  ist  auch  das  Pituitrin  bei 
)steomalazie  angeblich  mit  Erfolg  angewendet  worden  (K  o  c  h, 
^eu).  Alle  diese  Beobachtungen  bedürfen  wie  die  von  Klotz 
nitgeteilten  Erfolge  bei  .der  Behandlung  der  Rachitis  noch  weiterer 
Jachprüfung. 

Alles  in  allem  kann  man  sagen,  dass  die  Hypophysenextrakte 
ich  bewährt  haben,  in  erster  Linie  als  Wehenmittel.  An  dieser 
Belle  müssen  jedoch  die  ausgezeichneten  Erfolge  erwähnt  werden, 
v  eiche  Hell  an  der  v.  H  e  r  f  f  sehen  Klinik  mit  kleinen  Dosen  von 
'ekakornin  zur  Wehenanregung  erzielt  hat  und  die  anscheinend  der 
dtuitrinwirkung  kaum  nachstehen. 

Die  Arbeiten  von  Bossi  (Genua)  über  die  gynäkologische 
üophylaxe  bei  Wahnsinn  haben  grosses  Aufsehen  erregt.  Bossi 
üinmt  die  früher  von  B.  S.  Schultze  verfochtene  Ansicht  wieder 
uf,  dass  zahlreiche  Psychosen  auf  gynäkologische  Erkrankungen  zu- 
ückgehen  und  durch  Behandlung  letzterer  gebessert  oder  geheilt 
'  erden  können.  In  einer  ersten  Mitteilung  widmet  Bossi  besonders 
lern  Zusammenhang  zwischen  der  Manie  des  Selbstmordes  und  gynä¬ 
kologischen  Leiden  seine  Aufmerksamkeit :  „nicht  weniger  als  die 
lälfte  der  Selbstmorde  sind  bei  Frauen  gynäkologischen  Ursprungs“, 
gelbst  leichtere  Veränderungen  im  Bereiche  der  Genitalien  können 
liien  Selbstmord  veranlassen.  Durch  Ausführung  der  den  gynä¬ 
kologischen  ^Erkrankungen  entsprechenden  Operation  kann  Heilung 
intreten.  Es  ist  nun  ganz  sicher,  seit  altersher  bekannt,  auch  heute 
mmer  noch  anerkannt,  dass  zwischen  den  funktionellen  Vorgängen 
m  Bereiche  der  weiblichen  Genitalien  (Menarche,  Menstruation, 
'Chwangerschaft,  Puerperium,  Menopause)  und  Psychosen  gewisse 
Beziehungen  vorhanden  sind.  Viele  und  darunter  auch  neuere  Ar¬ 
beiten  sprechen  dafür,  dass  toxische  Momente  hier  mit  im  Spiele  sind. 

aber  diese  schwierige  Frage  aufzuklären,  müssen  ausführlichere 
Beobachtungen  und  genauere  Berichte  zur  Verfügung  stehen  als  die 
on  Bossi  mitgeteilten.  Dies  gilt  besonders  für  die  grössere  Zahl  i 
'er  gynäkologischen  Erkrankungen  bei  schweren  psychischen  I 


Alterationen.  Die  gynäkologischen  Diagnosen,  welche  bei  den 
Kranken  Bossis  gestellt  wurden,  verteilen  sich  auf  Rückwärts- 
la^ei  ung  des  Uterus,  infektiöse  Endometritis,  Stauung  des  Uterus- 
sekretes,  Erosionen  der  Portio,  parenchymatöse  Metritis  cervicalis, 
pathologische  Anteflexio  des  Uterus,  schneckenförmiger  Uterus  u.  a.  m. 
Zui  Heilung  dieser  Veränderungen  kamen  zur  Anwendung  die  Aus¬ 
schabung  des  Uterus,  Aetzung  der  Erosionen,  Plastik  der  Zervix,  Ein¬ 
legen  eines  Intrauterinpessars.  Eine  besondere  Beachtung  wird  der 
Amenorrhoe  bei  psychisch  Kranken  geschenkt,  zu  deren  Aus¬ 
lösung  lokale  Eingriffe  am  Uterus  ausgeführt  werden.  Die  von  der 
psychiatrischen  Seite  gestellte  Diagnose  betraf  hauptsächlich  manisch- 
depressive  Zustände,  Melancholie,  schwere  psychische  Traumen, 
Dementia  praecox.  Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  stellt  Bossi  eine 
gynäkologische  Klassifikation  der  durch  die  Üenitalerkrankungen  ver¬ 
ursachten  oder  damit  zusammenhängenden  Psychosen  auf.  Diese 
zerfällt  in  3  grosse  Gruppen:  1.  die  toxisch-infektiöse,  die  verall¬ 
gemeinerte  schwere  Infektion,  die  lokalisierte  Infektion  und  die 
lokalisierte  schleichende  Infektion,  die  besonders  Erkrankungen  am 
Uterushalse  betreffen,  2.  Psychosen  infolge  krankhafter  Funktion  der 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion,  abhängig  von  angeborenen  Miss¬ 
bildungen  (schneckenförmiger  Uterus,  fehlerhaften  Lageverände¬ 
rungen  des  Uterus,  infektiöse  Endometritis);  diese  sind  die  häufigsten 
Vorkommnisse;  3.  Psychoneurosen  infolge  Erschöpfung. 

In  den  von  Bossi  mitgeteilten  Fällen  ist  durch  den  gynäko¬ 
logischen  Eingriff  Heilung  nach  Auffassung  des  Autors  eingetreten; 
in  einigen  Fällen  konnte  für  das  Wiederauftreten  der  psychischen  Er¬ 
krankung  ein  Rezidiv  der  gynäkologischen  Alteration  nachgewiesen 
werden,  deren  Behandlung  abermalige  Heilung  erzielte.  Einige  Fälle 
sind  über  1  Jahr  beobachtet  worden  und  waren  nach  dieser  Zeit 
noch  gesund. 

B.  S.  S  c  h  u  1 1  z  e  benützt  die  Arbeiten  von  Bossi,  um  an  seine 
schon  lange  zurückliegenden  ähnlichen  Vorschläge  zu  erinnern,  die 
eine  systematische  gynäkologische  Untersuchung  der  weiblichen 
Kranken  von  Irrenhäusern  forderten. 

S  i  e  m  e  r  1  i  n  g  ist  den  Ausführungen  von  Bossi  entgegen-  . 
getreten  und  hebt  neben  der  unzureichenden  klinischen  Darstellung 
der  Fälle  ihre  unrichtige  Auffassung  hervor.  Es  wird  sich  in  den 
Bossi  sehen  Fällen  um  schwere  Neurosen  oder  Psychosen  gehandelt 
haben,  im  Laufe  derer  als  Einzelsymptome  Selbstmordgedanken  sich 
entwickelt  haben.  In  anderen  Fällen  drängt  sich  der  Gedanke  auf, 
dass  die  Hauptsache  der  psychischen  Alteration  eine  schwere  hyste¬ 
rische  Störung  gewesen  ist.  Das  wichtige  bei  der  Behandlung 
solcher  Fälle  ist  nach  S  i  e  m  e  r  I  i  n  g  in  erster  Linie  psychische  Be¬ 
handlung,  der  erst  später  spezialistische  Behandlung  eines  eventuell 
lokalen  Befundes  folgen  soll.  In  manchen  Fällen  von  Bossi  dürfte 
der  Erfolg  der  eingeleiteten  Behandlung  nur  den  Wert  einer  sug¬ 
gestiven  Behandlung  gehabt  haben.  Auch  auf  der  Naturforscher¬ 
versammlung  in  Münster  wurde  zu  diesen  Fragen  Stellung  genommen 
(Aschaffenburg,  A.  Mayer  u.  a.)  und  der  von  B  o  s  s  i  ver¬ 
tretene  Standpunkt  im  allgemeinen  abgelehnt. 

Es  war  zu  erwarten,  dass  von  psychiatrischer  Seite  die  Deu¬ 
tung,  die  Bossi  seinen  Fällen  gegeben  hat,  eine  Anerkennung  nicht 
finden  würde.  Es  handelt  sich  ja  zum  Teil  um  mehr  oder  weniger 
schwere  Psychosen  oder  Neurosen,  in  deren  Verlauf  spontane 
Remissionen  oft  von  langer  Dauer  bekannt  sind.  Diese  Fälle  ge¬ 
hören  zu  dem  von  P.  M  a  t  h  e  s  sogenannten  psychasthenischen 
Symptomenkomplex.  Ob  es  sich  bei  den  Heilungen  der  Fälle  Bossis 
um  solche  Remissionen  gehandelt  hat,  lässt  sich  nicht  beweisen,  ist 
jedoch  sehr  wahrscheinlich.  In  anderen  Fällen  dürfte  mit  Recht 
eine  suggestive  Wirkung  bei  hysterischen  oder  psychopathischen 
Patientinnen  anzunehmen  sein.  Es  ist  aber  zweifellos  richtig,  und 
dies  ist  eine  wichtige  Folgerung  aus  den  Arbeiten  von  Bossi,  wenn 
der  Gynäkologe  mehr  als  bisher  auf  psychopathische  Zustände  bei 
seinen  Patientinnen  achtet  und  die  von  W  a  1 1  h  a  r  d  z.  B.  erzielten 
Erfolge  zu  erreichen  trachtet.  Die  gynäkologische  Diagnose  der 
von  Bossi  beschriebenen  Fälle  wird  von  den  meisten  Gynäkologen 
wohl  nicht  ohne  weiteres  anerkannt  werden.  So  dürfte  die  Bedeutung 
einer  sogen,  infektiösen  Endometritis  (ausserhalb  des  Puerperium) 
auf  berechtigte  Zweifel  stossen,  ebenso  die  Diagnose  des  schnecken¬ 
förmigen  Uterus  und  die  parenchymatöse  Metritis  cervicalis.  Ebenso¬ 
wenig  wird  die  Behandlung  dieser  Erkrankungen  mit  Ausschabung. 
Zervixplastik,  Einlegen  eines  Uterinstiftes  auf  Zustimmung  rechnen 
können.  Das  sind  zum  Teil  Auffassungen,  welche  fast  schon  als  über¬ 
wunden  gelten  konnten.  Wenn  auch  berechtigte  Zweifel  über  die 
oben  genannten  Diagnosen  und  ihren  gegenseitigen  Zusammenhang 
bestehen  dürften,  so  kann  andererseits  ein  Konnex  zwischen  gewissen 
Funktionen  im  Bereiche  der  weiblichen  Genitalien  und  psychischen 
Zuständen  nicht  verkannt  werden.  Das  Auftreten  der  Menstruation, 
der  Verlauf  derselben  während  des  Lebens,  die  Fortpflanzungsvor¬ 
gänge  haben  oft  einen  unleugbaren  Einfluss  auf  das  Auftreten  und  den 
Verlauf  geistiger  Erkrankungen.  Die  Bedeutung  toxischer  Momente 
wird  von  Psychiatern  und  von  Gynäkologen  vielfach  anerkannt.  Wir 
können  uns  also  zu  den  Arbeiten  von  Bossi  nicht  im  allgemeinen 
ablehnend  verhalten,  Bossi  bleibt  uns  aber  noch  weitere  Mit¬ 
teilungen  nach  längerer  Beobachtung  seiner  angeblich  geheilten  Fälle 
schuldig,  da  es  doch  sehr  auffallend  ist,  dass  alle  von  ihm  behandelten 
Fälle  ohne  Ausnahme  geheilt  worden  sind,  umsomehr,  als  es  sich  bei 
schweren  psychischen  Veränderungen  oft  um  ganz  geringfügige 
gynäkologische  Erkrankungen  handelte,  über  deren  Bedeutung  man 


710 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


noch  diskutieren  kann.  Die  mit  grosser  Begeisterung  vorgetragenen 
Lehren  von  Bossi  werden  hoffentlich  das  Gute  haben,  uns  auf  die 
Grenzgebiete  zwischen  unserem  Spezialfache  und  der  Psychiatrie 
aufmerksam  gemacht  zu  haben  und  auf  die  Notwendigkeit,  sie  zu 
kultivieren;  ihre  kritische  Betrachtung  soll  anderseits  eine 
Warnung  sein,  die  Eingriffe  der  „kleinen  Gynäkologie“  noch  reich¬ 
licher,  als  dies  immer  noch  geschieht,  zur  Anwendung  zu  bringen. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

H.  Lundborg:  Medizinisch-biologische  Fainilienforschungen 
innerhalb  eines  2232  köpfigen  Bauerngeschlechtes  in  Schweden  (Pro¬ 
vinz  Blekinge).  Mit  einer  Vorrede  von  Professor  Max  v.  Gruber 
in  München.  XII,  519  und  220  S.  7  Karten,  5  Diagramme,  37  Ab¬ 
bildungen  auf  10  Tafeln  und  51  Deszendenztafeln  im  Atlas.  Jena, 
Gustav  Fischer,  1913.  Preis  120  Mk. 

Das  Werk  Lundborgs  stellt,  wie  Gruber  in  seiner  Vor¬ 
rede  hervorhebt,  die  umfangreichste  und  gründlichste  Familienunter¬ 
suchung  dar,  die  jemals  unternommen  wurde.  Seine  Vollendung  war 
nur  durch  unermüdliche  Ausdauer  und  grossen  Üpfersinn  sowohl 
seitens  des  Verfassers  als  auch  durch  das  Verständnis  der  Be¬ 
hörden  und  Stiftungen  Schwedens  für  die  Wichtigkeit  eines  solchen 
Unternehmens  möglich,  und  das  Zusammenwirken  aller  dieser  Fak¬ 
toren  ist  auch  für  andere  reichere  Länder  vorbildlich. 

Der  erste  Teil  des  Werkes  gibt  eine  Uebersicht  über  die  geo¬ 
graphischen,  historischen,  demographischen,  anthropologischen,  sozial¬ 
biologischen  und  sozialanthropologischen  Verhältnisse  Schwedens 
und  des  von  dem  untersuchten  Geschlecht  bewohnten  Lisserlandes  im 
besonderen.  In  dem  untersuchten  Bezirk  findet  sich  eine  weit 
stärkere  Rassenmischung  als  in  den  übrigen  Teilen  Schwedens,  eine 
weit  stärkere  Beimischung  der  weniger  begabten  Kurzköpfe.  Die 
Bevölkerung  zeichnet  sich  durch  hochfahrenden  Charakter,  Streit¬ 
sucht,  Gewalttätigkeit  und  Rachsucht  aus.  Die  Branntweinproduktion 
war  dort  mehr  als  anderswo  entwickelt.  Die  in  Schweden  auffallend 
häufige  Epilepsie  ist  in  dem  Bezirk  ganz  besonders  stark  ver¬ 
treten. 

Es  folgt  dann  eine  ausführliche  Personalgeschichte  des  unter¬ 
suchten  Geschlechtes,  die  unter  Zuhilfenahme  aller  zugänglichen 
Quellen,  insbesondere  auch  der  Kriminalakten  gewonnen  wurde. 
Durch  eine  besondere  Art  von  Haushaltsregistern  neben  den  Kirchen¬ 
registern  war  es  möglich,  den  Bestand  an  Personen  bis  weit  in  das 
18.  Jahrhundert  hinein  zu  verfolgen.  Im  Anschluss  an  diese  Personal¬ 
geschichte  gibt  Lundborg  eine  Uebersicht  über  die  Demographie 
und  Statistik  des  Geschlechtes,  das  sich  nebenbei  auch  durch  einen 
besonderen  Reichtum  an  Kurzköpfen  auszeichnet.  Die  Fruchtbarkeit 
war  im  ganzen  wie  im  Bezirk  eine  grosse,  hat  aber  in  den  letzten 
Generationen  etwas  abgenommen.  Die  Sterblichkeit  war  trotz  der 
vielen  Minderwertigkeiten  innerhalb  des  Geschlechtes  eine  ziemlich 
normale.  Aus  dem  folgenden  Kapitel  erfahren  wir,  dass  in  dem 
Geschlecht  nicht  weniger  als  20,6  Proz.  minderwertige  Personen  mit 
26,5  Proz.  Minderwertigkeiten  waren,  wobei  die  Beobachtung  der 
letzten  Generation  noch  nicht  abgeschlossen  ist.  Darunter  sind  nicht 
weniger  als  10  Proz.  schwere  psychische  und  nervöse  Erkrankungen 
und  15  Proz.  moralische  Minderwertigkeiten,  von  denen  Alkoholismus 
allein  12  Proz.  ausmacht.  Lundborg  behandelt  sodann  ausführlich 
die  einzelnen  familiär  auftretenden  Krankheiten,  Myoklonusepilepsie, 
Paralysis  agitans,  Dementia  praecox  und  andere  Geisteskrankheiten 
und  deren  Erbgang.  Er  zeigt  das  sprungweise  Auftreten  dieser 
Krankheiten,  ihre  starke  Beziehung  zu  Verwandtschaftsehen  und  das 
Auftreten  von  Proportionen,  welche  die  Anlage  zu  diesen  Krank¬ 
heiten  als  rezessiv  im  Sinne  Mendels  betrachten  lässt. 

Die  Ursache  der  starken  Minderwertigkeit  des  Geschlechtes  er¬ 
mittelt  nun  Lundborg  in  folgender  Weise:  Er  hat  festgestellt,  dass 
in  dem  Geschlecht  nicht  weniger  als  35  Proz.  Verwandtenehen,  dar¬ 
unter  20  Proz.  naher  Verwandter,  vorkamen  (Geschwisterkinder  und 
Geschwisterenkel),  was  mit  der  starken  Isolierung  der  Bevölkerung 
infolge  ihrer  geographischen  Lage  zusammenhängt.  Hingegen  haben 
Syphilis  und  Tuberkulose  keine  grosse  Rolle  gespielt.  Er  teilt  nun 
sein  Material  in  5  Gruppen,  nämlich  in  von  Minderwertigkeiten  freie, 
tuberkulöse,  alkoholische,  verwandte  und  mehr  oder  minder  mit 
sonstigen  Minderwertigkeiten  belastete  Eltern.  Es  zeigt  sich  dabei, 
dass  die  gesunden  und  tuberkulösen  Familien  eine  geringere  Frucht¬ 
barkeit  hatten  als  die  Minderwertigen  und  namentlich  die  Ver¬ 
wandtenehen.  In  den  letzten  3  Gruppen  sind  die  Minderwertigkeiten 
bei  den  Kindern  doppelt  so  häufig  als  in  den  gar  nicht  belasteten  und 
tuberkulösen  Familien,  die  hochgradigen  Minderwertigkeiten  aber 
sind  mehr  als  6  mal  häufiger.  Bei  Zusammentreffen  von  Blutver¬ 
wandtschaft  und  erblicher  Belastung  sind  die  Minderwertigkeiten  auf 
das  3  fache,  die  hochgradigen  auf  das  12  fache  gesteigert,  und  gleich¬ 
zeitig  ist  die  Fruchtbarkeit  dieser  Familien  ganz  abnorm  hoch. 

Aus  der  Analyse  des  Materials  zieht  Lundborg  den  Schluss, 
dass  die  von  Haus  aus  minderwertige  Beschaffenheit  des  Geschlechtes 
durch  starke  Inzucht  und  Alkoholmissbrauch  noch  weiter  ver¬ 
schlechtert  wurde,  wozu  noch  die  Vererbung  endogener  Krankheiten 
weiterhin  beitrug.  Eine  Regeneration  eines  Teiles  des  Geschlechtes 
hält  er  nicht  für  ausgeschlossen. 


Nach  zwei  kurzen  Kapiteln  über  die  Kriminalität  und  Mortalität 
des  Geschlechtes  und  die  Beschaffenheit  der  in  das  Geschlecht  Ein¬ 
geheirateten  bespricht  Lundborg  Zukunftsfragen  der  familien¬ 
biologischen  Forschung,  er  tritt  vor  allem  für  Errichtung  eines  For¬ 
schungsinstitutes  ein  und  bespricht  die  Wege  der  Gewinnung  weiteren 
Materials. 

In  einem  Anhang  schildert  er  die  schwedische  Kirchenbuch¬ 
führung,  die  ältere  Gesetzgebung  über  die  Herstellung  von  Brannt¬ 
wein  in  Schweden,  gibt  Aktenstücke  zur  Beleuchtung  des  sittlichen 
Zustandes  der  Bevölkerung  des  Untersuchungsbezirkes,  zahlreiche 
Krankengeschichten,  Strafregister  und  Gerichtsakten,  endlich  eine 
Ordnung  des  Materials  nach  verschiedenen  belastenden  Momenten 
und  eine  Uebersicht  über  die  einzelnen  377  Familien^  aus  denen  sich 
das  Geschlecht  zusammensetzt. 

Weiterhin  ist  die  Arbeit  durch  zahlreiche  Photographien  von 
Schulkindern  und  Kranken  illustriert  und  sind  die  familiären  Zu¬ 
sammenhänge  durch  zahlreiche  Deszendenstafeln,  speziell  auch  eine 
für  die  Minderwertigkeiten,  wiedergegeben. 

Der  Verleger  hat  für  die  Ausstattung  des  Werkes  grosse  Opfer 
gebracht.  Schon  aus  diesem  Grunde,  ebenso  damit  dem  Verfasser 
die  weitere  Arbeit,  die  er  in  gleicher  Weise  fortzuführen  beabsichtigt, 
erleichtert  werde,  ist  zu  wünschen,  dass  alle  diejenigen,  die  sich  mit 
ähnlichen  Untersuchungen  befassen,  das  Werk  trotz  seines  hohen 
Preises  anschaffen.  Durch  die  zahlreichen  Anregungen  wissenschaft¬ 
licher  Art  und  als  Vorbild  eigener  Arbeit  wird  es  ihnen  unentbehrlich 
sein.  Weinberg-  Stuttgart. 

Theodor  Axenfeld:  Lehrbuch  der  Augenheilkunde.  Dritte 

Auflage.  Bearbeitet  von:  Prof.  A  x  e  n  f  e  1  d  -  Freiburg;  weilanci 
Prof.  B  a  c  h  -  Marburg;  Prof.  B  i  e  1  s  c  h  o  w  s  k  y  -  Marburg;  Prof. 
E  1  s  c  h  n  i  g  -  Prag;  Prof.  G  r  e  e  f  f  -  Berlin;  Prof.  Heine-Kiel; 
Prof.  H  e  r  te  1  -  Strassburg;  Prof.  v.  Hippel- Halle  a.  S.;  Prof. 
K  r  ii  c  k  m  a  n  n  -  Berlin;  Prof.  O  e  1 1  e  r  -  Erlangen;  Prof.  Peters- 
Rostock;  Prof.  Stock- Jena.  —  Dritte  Auflage.  Mit  12  litho¬ 
graphischen  Tafeln,  3  Farbendrucktafeln  im  Text  und  554  zum  grossen 
Teil  mehrfarbigen  Textabbildungen.  Verlag  von  Gustav  Fischer. 
Jena  1912.  Preis  broschiert  M.  15. — ,  geb.  M.  16. — . 

Das  in  so  neuartiger  Weise  durch  die  Zusammenarbeit  Vieler 
geschaffene  Lehrbuch  erlebt  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  4  Jah'en 
bereits  die  dritte  Auflage,  ein  Zeichen  für  seine  Beliebtheit  unter 
den  Studierenden.  Aus  dem  Kreis  der  Mitarbeiter  ist  inzwischen 
Prof.  Bach  durch  den  Tod  geschieden,  doch  ist  sein  Abschnitt  über 
die  Linsenerkrankungen  noch  von  ihm  selbst  bearbeitet.  Den  aus¬ 
gezeichneten  O eile r sehen  Tafeln  ist  eine  neue  (Retinitis  anaemica) 
beigefügt,  auch  die  Textabbildungen  und  der  Text  selbst  haben  allerlei 
Bereicherungen  erfahren.  Der  Ueberfluss  instruktiver  Illustrationen 
ist  gewiss  ein  richtiges  Prinzip  für  ein  Lehrbuch;  eine  gute  bildliche 
Darstellung  leistet  mehr  als  viele  Worte.  Auch  die  Weglassung 
mathematischer  Formeln  aus  den  Kapiteln  über  Refraktion  und 
Funktionsprüfung  wird  dem  Buch  keine  Gegnerschaft  unter  den 
Studenten  hervorrufen;  in  der  Tat  sind  sie  (wie  auch  Ref.  in  seinem 
Leitfaden  schon  betont  hat)  für  den  klinischen  Unterricht  vollständig 
entbehrlich. 

Die  verschiedenen  Mitarbeiter  sind  auch  bei  dieser  Auflage  be¬ 
müht  gewesen,  ihre  Abschnitte  tunlichst  untereinander  auszugleichen 
und  damit  die  Nachteile,  die  in  der  Vielheit  der  Autoren  liegen  können, 
nach  Möglichkeit  zu  verhüten.  Salzer-  München. 

Albert  Albu:  Grundziige  für  die  Ernährung  von  Zuckerkranken 
nebst  praktischen  Anweisungen  für  die  Diabetesküche.  1912.  Halle 

bei  C.  M  a  r  h  o  1  d.  163  Seiten.  Preis  geb.  4  M. 

Das  Büchlein  enthält  auf  den  ersten  67  Seiten  klar,  kurz  und  gut 
geschriebene  Ausführungen  über  die  Grundsätze  bei  Feststellung 
der  Zuckerdiät,  die  Kohlehydratkuren,  ferner  die  notwendigen 
Nahrungsmitteltabellen  und  eine  Uebersicht  über  die  verschiedenen 
Handelspräparate  für  Diabetiker.  Der  zweite  Teil  —  eine  Um¬ 
arbeitung  der  G  i  1  b  e  r  t  sehen  Diabetesküche  —  bringt  eine  grosse 
Anzahl  von  Kochrezepten.  Es  kann  allen,  die  mit  der  Behandlung 
von  Zuckerkranken  zu  tun  haben,  bestens  empfohlen  werden. 

Kersch  ensteine  r. 

Dr.  C.  Hochsinger:  Gesundheitspflege  des  Kindes  im  Eltern¬ 
hause.  3.  Aufl.  Fr.  Deut  icke,  Leipzig  und  Wien,  1912.  265  S. 
4M. 

Das  zuerst  1895  erschienene  Buch  des  erfahrenen  Wiener  Kinder¬ 
arztes  liegt  nunmehr  in  dritter,  vermehrter  und  vielfach  veränderter 
Auflage  vor.  Es  stellt  zweifellos  einen  der  umfassendsten  und  ein¬ 
gehendsten,  also  brauchbarsten  Ratgeber  für  Eltern  dar  —  allerdings 
nur  für  solche  Eltern,  die  (das  betont  das  Vorwort,  während  es  dei 
Titel  verschweigt)  mit  Glücksgütern  recht  sehr  gesegnet  sind,  hi 
3  Kapiteln  (Besonderheiten  der  Säuglingspflege,  allgemeine  Kinder¬ 
pflege,  Pflegemassnahmen  für  Schulkinder)  wird  alles  Wichtige  und 
wohl  auch  einiges  Unwichtige  geschickt,  klar  und  überzeugend  vor¬ 
gebracht.  Manche  Anschauungen  und  Vorschriften  sind  reichlic' 
subjektiv  und  dürften  Widerspruch  finden  (so  gewisse  Diätvorschrif¬ 
ten  für  das  ältere  Kind  u.  a.),  das  meiste  —  vor  allem  auch  die  sym¬ 
pathische  Behandlung  einiger  mehr  erziehlicher  als  medizinischer 
Fragen  —  wird  jeder  Arzt  unterschreiben.  Gött. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


711 


1.  April  1913. 


Jahresbericht  über  soziale  Hygiene,  Demographie  und  Medizinal- 
tatistik,  sowie  alle  Zweige  des  sozialen  Versicherungswesens. 
!.  Band:  Bericht  über  das  Jahr  1911.  Herausgegeben  von  Dr.  med. 
i.  Grotjahn  und  Stadtrat  Dr.  phil.  F.  Kriegei.  Jena.  Gustav 
Fischer,  1912.  377  S.  Preis  13  M. 

Von  den  Jahresberichten,  welche  uns  schon  längst  zu  unentbehr- 
chen  Nachschlagebüchern  geworden  sind,  entspricht  der  vorliegende 
1.  Band  sowohl  hinsichtlich  des  Wertes  seines  referierenden  Ab- 
cbnittes,  als  auch  bezüglich  der  Vollständigkeit  seines  bibliographi- 
chen  Teiles  seinen  Vorgängern.  Als  Anhang  ist  eine  Uebersicht  der 
ahlreichen  Arbeiten  von  A.  G  o  1 1  s  t  e  i  n  beigefügt. 

A.  Groth. 

Geh.  Med.-Rat  Dr.  med.  Bernhard  Schulz:  Psychologische 
Vanderungen  auf  Seitenwegen.  Verlag  G.  Fischer,  Jena.  242  S. 

M. 

Der  Verfasser  beabsichtigt  eine  Einführung  in  die  moderne 
'sychologie,  wie  sie  der  naturwissenschaftlichen  Vorbildung  des 
Mediziners  angepasst  ist.  Dabei  wird  er,  gestützt  auf  die  experiinen- 
elle  Methodik  von  W  u  n  d  t  und  K  ü  1  p  e,  ihrer  naturwissenschaft- 
chen  Seite  gerecht;  bei  den  erkenntnistheoretischen  Teilen  verliert 
.'doch  die  Breite  der  Darstellung  sichtlich  an  Ueberblick,  und  man 
weifelt  an  der  Fruchtbarkeit  eines  solchen  Versuches.  Ich  denke, 
'ass  Fragen  wie  über  die  Phänomenologie  des  Bewusstseins  sich 
icht  volkstümlich-medizinisch  behandeln,  sich  schlechterdings  nicht 
iopularisieren  lassen.  Einen  Fremdenführer  durch  die  Psychologie 
cird  selbst  der  Redegewandteste  nicht  zustande  bringen;  man  muss 
ehon  selber  jeden  einzelnen  Weg  gegangen  sein. 

Fr.  Wolf-  Dresden. 

Dr.  Theodor  Plaut:  Der  Gewerkschaf tskampf  der  deutschen 

lerzte.  G.  Braun  sehe  Hofbuchdruckerei  und  Verlag,  Karlsruhe 
B.  1913.  246  Seiten.  Volkswirtschaftliche  Abhandlungen  der  badi- 
chen  Hochschulen.  Neue  Folge.  Heft  14. 

Immer  mehr  beschäftigt  sich  auch  der  Volkswirt  mit  der  Arzt¬ 
rage  in  der  deutschen  Arbeiterversicherung,  insbesondere  im  Hin¬ 
lick  auf  die  neue  Reichsversicherungsordnung.  In  der  letzten  Zeit 
ind  in  dieser  Beziehung  ausser  dem  vorliegenden  Werke  3  be- 
chtenswerte  Bücher  erschienen,  welche  die  kassenärztliche  Frage 
om  nichtärztlichen  Standpunkte  aus  betrachten.  Das  Buch  von 
u  1  d  „Die  Ansprüche  der  Aerzte  aus  der  Krankenversicherung“ 
eleuchtet  die  rein  juristische  Seite  der  Kassenprobleme,  während  das 
Lieh  von  Puppe  „Die  Bestrebungen  der  Aerzte  zu  gemeinsamer 
Vahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen“  diese  Fragen  vom  rein 
istorischen  Standpunkte  aus  auffasst  und  das  Buch  von  Gabriel 
Die  kassenärztliche  Frage“  die  Entstehung:  und  Entwicklung  der 
rztlichen  Organisation,  insbesondere  des  Leipziger  Verbandes,  dar- 
tellt. 

Das  vorliegende  Buch  legt  auf  die  geschichtliche  Entwicklung 
inen  nur  sekundären  Wert,  während  es  die  Kassenprobleme  mehr 
om  nationalökonomischen  und  sozialpolitischen  Standpunkt  aus  be- 
andelt.  Es  betrachtet  z.  B.  die  Forderung  der  freien  Arztwahl  nicht 
mr  als  solche,  sondern  auch  im  Zusammenhang  mit  der  ganzen 
Teilung  des  Leipziger  Verbandes  im  Kampfe  der  sozialistischen  mit 
er  individualistischen  Weltanschauung.  Es  führt  zu  dem  Ergebnis, 
ass  die  freie  Arztwahl  als  liberal-individualisti- 
che  Forderung  gegenüber  dem  Kassenarztsystem 
es  Sozialismus  verstanden  werden  kann.  Das  Buch 
erfüllt  in  drei  Teile,  deren  erster  sich  mit  der  Frage  befasst,  was 
iir  eine  Organisation  die  der  Aerzte  eigentlich  darstellt,  ob  es  etwa 
ine  Gewerkschaft  ist.  Der  zweite  Teil  enthält  die  historische  und 
heoretische  Betrachtung.  Er  sucht  die  Frage  zu  beantworten,  wie 
s  infolge  sozial-reformatorischer  Eingriffe  in  das  freie  wirtschaftliche 
letriebe  durch  unsere  Versicherungsgesetze  für  den  liberalen  und 
ndividuellen  Beruf  der  Aerzte  notwendig  wurde,  sich  gerade  nach 
Vrt  und  Weise  der  Gewerkschaften  zu  organisieren  und  welche 
(Schwierigkeiten  dabei  zu  überwinden  waren.  Dabei  beleuchtet  er 
en  Kampf  zwischen  der  kollektivistischen  Weltanschauung  auf  der 
inen  Seite,  deren  Sache  durch  die  Kassen  geführt  zu  werden  scheint, 
md  der  individualistischen  auf  der  anderen.  Er  zeigt  eine  gewerk- 
chaftliche  Organisation  der  Arbeitnehmer  —  hier  der  Aerzte  — 
ur  Bekämpfung  dieser  kollektivistischen  Tendenzen,  während  bisher 
mr  die  gewerkschaftliche  Organisation  von  Arbeitgebern  in  den 
\ntistreikvereinen  und  Arbeitgeberverbänden  zu  diesem  Zwecke  be¬ 
gannt  war.  Der  dritte  Teil  stellt  den  Versuch  einer  Würdigung  aller 
jieser  Erscheinungen  dar  und  zwar  sowohl  der  Wünsche  und  For- 
ierungen,  wie  auch  der  Mittel,  die  zur  Erlangung  dieser  Forderungen 
ingewandt  werden.  Der  Verfasser  hat  nur  die  Absicht,  einen  Beitrag 
iu  ihrer  Lösung  zu  geben,  nur  zu  zeigen,  dass  die  neuesten  Kämpfe, 
lie  unsere  Sozialpolitik  entfaltet  hat,  über  den  Rahmen  der  sozjal- 
’olitischen  Interessensphäre  hinaus  Beachtung  verdienen.  Es  ist 
leshalb  dieses  Buch  den  Aerzten,  Nationalökonomen,  Sozialpolitikern, 

I uristen  und  allen,  welche  an  der  sozialpolitischen  Gesetzgebung  des 
Reiches  Interesse  haben,  zu  empfehlen,  vor  allem  aber  denen,  welchen 
lie  ärztliche  Organisation,  der  „Leipziger  Verband“,  eine  unsym- 
^athische  Erscheinung  ist.  Scholl-  München. 


Neueste  Journaliteratur. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Band  XXV,  Heft  2. 

1912.  Herausgegeben  von  L.  Brauer-Eppendorf. 

H.  C.  Jacobaeus  -  Stockholm :  Ueber  Laparo-  und  Thorako¬ 
skopie. 

In  der  Arbeit,  zu  der  Brauer  ein  Geleitwort  geschrieben  hat, 
berichtet  der  Autor  über  die  Resultate  seiner  1 K-  Jahre  geübten 
Methode.  Wenn  auch  ihre  1  ragweite  noch  nicht  abschliessend  zu 
beurteilen  ist,  so  hat  sie  sicherlich  praktischen  Wert  und  es  ist  doch 
die  einzige  Methode,  die  gestattet,  leicht,  mit  geringer  Gefahr  und 
ohne  Beschwerden  für  den  Patienten  die  Thoraxkavitäten  einer  oku¬ 
laren  Besichtigung  zu  unterziehen.  Das  Instrumentarium  ist  ein 
N  i  t  z  e  sches  Zystoskop  No.  12  mit  zugehörigem  Trokar.  —  Bei 
mit  Aszites  komplizierten  Erkrankungen,  bei  denen  die  Laparö- 
zentese  indiziert  ist,  sollte  man  immer  auch  die  Laparoskopie 
vornehmen.  Die  Haut  wird  mit  Jodtinktur  desinfiziert  und  unter  Lokal¬ 
anästhesie  mit  einem  kleinen  Schnitt  durchtremit.  Der  Trokar  wird 
dann  bis  in  die  Bauchhöhle  durchgestossen,  nach  Ablassen  des  Aszites 
Luft  eingeblasen  und  das  Zystoskop  eingeführt.  Bei  fehlendem 
Aszites  sind  vorläufig  noch  nicht  genügend  Erfahrungen  gesammelt 
Uber  die  Grösse  der  dabei  bestehenden  Gefahr  (Darmverletzung); 
sollte  diese  gross  sein,  dann  wäre  die  Laparotomie  in  diesem  Fall 
nie  indiziert.  Bei  der  Indikationsstellung  ist  natürlich  auch  auf  die 
anatomischen  Verhältnisse  Rücksicht  zu  nehmen,  z.  B.  auf  die  Mög¬ 
lichkeit  der  Anlegung  eines  genügend  grossen  Luftraumes  im  Ab¬ 
domen.  Leberkrankheiten  und  Peritonitiden  und  Aszitesformen 
anderer  Aetiologie  sind  das  Hauptfeld  für  die  Laparoskopie.  Die 
Kasuistik  von  Jacobaeus  erstreckt  sich  auf  folgende  Fälle:  Leber¬ 
zirrhose  14,  Leberkrankheiten  mit  Pick  schem  Krankheitsbild  8, 
Lebersyphilis  3,  Stauungsleber  4,  tuberkulöse  Peritonitis  6,  Bauch¬ 
geschwülste  24,  andere  Krankheiten  10.  An  diesen  69  Fällen  wurden 
109  Untersuchungen  vorgenommen.  —  Zur  Thorakoskopie  werden 
dieselben  Instrumente  verwandt.  Der  Patient  liegt  auf  der  gesunden 
Seite.  Haut  und  Pleura  werden  anästhesiert.  Als  Eingangsstelle 
empfiehlt  sich  bei  Pneumothorax  am  meisten  entweder  der  VI.  oder 
VII.  Interkostalraum  etwas  medianwärts  von  der  vorderen  Axillar¬ 
linie,  bei  exsudativer  Pleuritis  das  7.,  8.  oder  9.  Interstitium,  ziemlich 
weit  hinten,  unterhalb  und  medianwärts  vom  Amgulus  scapulae,  so 
dass  das  Exsudat  leicht  abgelassen  und  durch  Luft  ersetzt  werden 
kann.  Beim  Pneumothorax  ist  der  diagnostische  Wert  der  Thorako¬ 
skopie  gering;  ob  es  gelingen  wird,  durch  das  Thorakoskop  chi¬ 
rurgische  Eingriffe  auszuführen,  lässt  sich  z.  Z.  noch  nicht  entscheiden. 
Die  Thorakoskopie  ist  berechtigt  nach  jeder  Thorakozentese.  Die 
Beurteilung  der  sichtbaren  Veränderungen  ist  leider  vorläufig  weit 
schwieriger  als  in  der  Bauchhöhle. 

Es  wurden  untersucht:  Pleuritis  exsudativa  acuta  32  Fälle, 
chronica  l(g  Empyema  pleurae  7,  Pneumothorax  arteficialis  17.  Bei 
diesen  71  Fällen  wurden  88  Untersuchungen  vorgenommen.  —  Auf 
Grund  seiner  Erfahrungen  glaubt  der  Autor  annehmen  zu  dürfen,  dass 
die  Thorakoskopie  praktische  Bedeutung  hat  für  die  Entscheidung 
der  Frage,  ob  eine  bösartige  Pleurageschwulst  vorliegt  oder  nicht. 
—  Bei  den  tuberkulösen  Pleuritiden  zeigt  sich  —  wie  bei  den  Peri¬ 
tonitiden  —  eine  intensive  Rötung  und  samtartige  Schwellung  der 
Pleuraflächen  unter  Aufhebung  des  Unterschiedes  zwischen  Rippen¬ 
feldern  und  Interkostalräumen,  sowie  mit  Bildung  von  Fibrinbelägen. 
Dann,  wenn  die  Fibrinbildung  nicht  zu  stark  ist,  also  besonders  in 
akuten  Fällen,  sieht  man  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  als  Tuberkel 
anzusprechende  Knötchen.  Die  Unterschiede  gegenüber  dem  Aus¬ 
sehen  der  Pleura  bei  sog.  idiopathischen  oder  nichttuberkulösen 
Pleuritiden  sind  nicht  derart,  dass  in  jedem  Falle  direkt  aus  dem 
Aussehen  die  Diagnose  tuberkulös  oder  nichttuberkulös  gestellt  wer¬ 
den  könnte.  Auch  17  Fälle  von  künstlichem  Pneumothorax  wurden 
untersucht  und  dabei  die  Frage  der  Entstehung  von  Exsudaten  er¬ 
örtert.  P.  Schlippe  -  Darmstadt. 

Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 

1913,  3.  Heft. 

H.  Determann  -  St.  Blasien :  Die  diätetische  Behandlung  der 
Funktionsstörungen  des  Magendarmkanals  auf  pathologisch-physio¬ 
logischer  Basis. 

Fortbildungsvortrag. 

H.  Boruttau:  Ueber  ein  neues  Ganzkornbrot  und  seine  Aus¬ 
nützung.  (Krankenhaus  Friedrichshain,  Berlin.) 

Verf.  hat  Versuche  mit  einem  Brot  „Kernmarkbrot“  genannt 
(aus  der  Genossenschaftsbäckerei  in  Breslau)  gemacht,  das  aus  be¬ 
sonders  bereitetem  Roggenmehl  gebacken  wird.  Das  Getreide  wird 
nicht  zermahlen,  sondern  durch  Zentrifugalwirkung  mit  sehr  grosser 
Geschwindigkeit  gegen  harte  Flächen  geschleudert,  so  dass  ein  sehr 
feines  Mehl  durch  Zertrümmerung  entsteht.  Stoffwechselversuche 
an  3  Personen  ergaben  für  die  Trockensubstanz  einen  mittleren 
Verlust  von  13,15  Proz.,  für  den  Stickstoff  von  36,6  Proz.  Diese 
Werte  sind  besser  als  die  bisher  für  normales  Roggenbrot  gefundenen, 
so  dass  Versuche  in  grösserem  Massstabe  sich  lohnen  würden. 

S  c  h  i  1 1  i  n  g  -  Leipzig:  Entwicklung,  Resorption  und  Elimination 
der  Darmgase. 

Auf  Grund  eigener  Untersuchungen  und  der  Literatur  gibt  Verf. 
einen  Ueberblick  über  dieses  Thema,  erörtert  vor  allem  die  Ab- 


712 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


hängigkeit  der  Darmgase  von  einzelnen  Nahrungsmitteln.  Er  fand, 
dass  Spargel  keine,  Kartoffelsalat  wenig,  Kohlrabi,  Schnittbohnen  und 
Reis  massig,  Stachelbeeren  und  Karotten  mehr,  aber  Käse  und 
Gurkensalat  starke  Gasbildung  hervorrufen.  Bei  normaler  Kost 
schätzt  er  die  Menge  der  Flatus  nur  auf  20 — 25  ccm  pro  die.  Karnii- 
nativa  helfen  bei  leichten  Fällen,  besser  ist  rasches  Evakuieren  durch 
Bitterwasser  oder  Magn.  usta  oder  rektale  Einläufe  mit  Zusatz  von 
1  7'heelöffel  Ol.  Terebinth.  und  Eigelb  und  Fenchelthee. 

W.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Berlin :  Die  elektrische  Küche. 

Derselbe:  Die  elektrische  Küche  im  Krankenhaus. 

Beschreibung  von  Kochapparaten  und  der  Küchenanlage  der 
Walderholungsstätte  in  Rheydt,  die  für  30  Kinder  eingerichtet  ist 
(Allgem.  Elektrizitätsgesellschaft).  Verf.  macht  detaillierte  Angaben 
über  die  einzelnen  Apparate,  den  Stromverbrauch,  die  mannigfachen 
Vorzüge  gegenüber  den  alten  Küchensystemen.  Freilich  ist  der  Be¬ 
trieb  zurzeit  noch  teurer  als  bei  jenen. 

P  o  d  z  a  1  n  a  d  s  k  y  -  Baden  b.  Wien:  Eine  Bemerkung  zum 
Artikel:  Die  Anwendung  der  physikalischen  Heilmethoden  zur  Be¬ 
handlung  von  zentralen  Erkrankungen.  (G  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r.) 

Verf.  wahrt  in  mehreren  Fragen  die  Priorität  seines  Lehrers 
Winternitz.  L.  J  a  c  o  b  -  Wiirzburg. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  121.  Band,  1. — 2.  Heft. 
Februar  1913. 

Paul  Ewald:  Die  Ursachen  des  Knick-  und  Plattfusses.  (Aus 
dem  orthopädischen  Institut  von  Dr.  O  1 1  e  n  d  o  r  f  und  Dr.  Ewald 
in  Hamburg-Altona.) 

Die  alte  Einteilung  in  statischen,  rachitischen,  paralytischen  und 
traumatischen  Plattfuss  ist  nicht  mehr  haltbar.  Will  man  nach  dem 
modernen  Stande  der  Röntgenologie  und  Pathologie  ein  Einteilungs¬ 
prinzip  aufstellen,  so  müsste  massgebend  sein  der  Ort  der  primären 
Schädigung  und  die  Schädigung  selbst,  die  zum  Platt-  und  Knick- 
fuss  Veranlassung  gibt.  Danach  ergibt  sich  folgende  Einteilung: 

A.  Das  Bein  (besonders  der  Unterschenkel)  sind  durch  Ver¬ 
letzung  oder  Erkrankung  so  verändert,  dass  die  Tibiagelenkfläche 
nicht  mehr  parallel  der  Auftrittsebene  steht  oder  dass  der  Fuss  nicht 
richtig  in  der  Malleolengabel  steht.  Hierzu  führen  angeborene 
(Fibuladefekt)  und  erworbene  (Genu  valgum,  Rachitis,  schlecht  ge¬ 
heilte  Fraktur,  vermehrtes  Längenwachstum  der  Tibia,  Empyeme  des 
Talokruralgelenkes,  Zerstörung  bezw.  Erweichung  des  Malleolus  ext., 
Malleolarfrakturen)  Anomalien. 

.  B.  Die  Fusswurzelknochen  sind  infolge  Knochenbänder-.  Muskel-, 
Nerven-,  Hauterkrankungen  oder  Verletzung  in  ihrer  Form  und  Lage 
zueinander  so  verändert,  dass  ein  Knick-  oder  Plattfuss  entsteht. 

Hier  kommen  in  Betracht:  angeborene  Stellungs-  und  Form¬ 
anomalien  (angeborener  kontrakter  Plattfuss,  Missbildung  oder  Ver- 
grösserung  des  Kahnbeins,  Os  tibiale  ext.),  erworbene  Form¬ 
anomalien  der  Fusswurzelknochen  (Talusexstirpation,  Fusswurzel- 
tuberkulose,  tabische  Arthropathie,  Fusswurzelbriiche,  Luxation  im 
L  i  s  f  r  a  n  c  sehen  Gelenk),  erworbene  Stellungsanomalien  der  Fuss¬ 
wurzelknochen  (statischer  Platt-  und  Knickfuss,  Plattfuss  nach 
Klumpfussredressement,  Pes  valgus  und  planus  nach  spinaler  Kinder¬ 
lähmung  und  Little,  Narbenretraktion  der  Haut  oder  des  subkutanen 
Gewebes). 

A.  Ca  de  und  R.  Leriche:  Klinische,  pathogenetische  und 
therapeutische  Studie  über  die  gastrischen  Krisen  bei  der  Tabes  dor- 
salis.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Lyon.) 

Nach  einer  sehr  guten  Uebersicht  über  die  Klinik,  Pathogenese, 
der  internen  Therapie  der  gastrischen  Krisen  von  C  a  d  e  behandelt 
Leriche  kritisch  die  zur  Heilung  oder  Besserung  vorgeschlagenen 
chirurgischen  Eingriffe.  Grosse  Schmerzhaftigkeit  mit  starkem  Er¬ 
brechen,  Tachykardie,  Aussetzen  des  Pulses  und  Larynxkrisen 
charakterisieren  die  Vaguskrisen.  In  solchen  Fällen  ist  die  doppel¬ 
seitige  Vagotomie  nach  Exner  gerechtfertigt;  dies  Verhalten  bildet 
aber  die  Ausnahme.  Das  gewöhnliche  ist  die  Sympathikuskrise.  Bei 
ihr  kommt  zunächst  das  K  ö  n  i  g  sehe  Verfahren  in  Frage:  Injektion 
von  100  ccm  einer  0,5  proz.  Novokainlösung  in  die  Rückenmuskulatur 
beiderseits  von  der  Dornfortsatzlinie.  Bei  Misserfolgen  sollte  zu¬ 
nächst  die  von  Franke-  Braunschweig  vorgeschlagene  Extraktion 
der  Interkostalnerven  versucht  werden.  Ueber  den  Erfolg  der  Deh¬ 
nung  des  Plexus  solaris  (Jaboulay)  fehlt  es  an  Erfahrungen.  Bei 
Rezidiven  oder  Versagen  wird  die  Förster  sehe  Operation  aus- 
geführt  (Durchschneidung  der  hinteren  Wurzeln).  Das  extradurale 
Vorgehen  von  Guleke  verdient  den  Vorzug,  womöglich  sollten 
7  Wurzeln  durchtremnt  werden. 

Otto  Grüne:  Die  moderne  Bardenheuer  sehe  Extensions¬ 
behandlung  im  Vergleich  zur  Steinmann  sehen  Nagelextension. 

(Aus  der  Akademie  für  praktische  Medizin  zu  Köln  a.  Rh.,  1.  Chirurg. 
Abteilung.) 

Grüne  wendet  sich  gegen  die  von  S  t  e  i  n  m  a  n  n  an  der 
B  a  r  d  e  n  h  e  u  e  r  sehen  Extensionsbehandlung  geübten  Kritik.  Die 
Bardenheuer  sehe  Statistik  von  1907  ist  bedeutend  verbessert, 
im  wesentlichen  durch  Einführung  stärkerer  Semiflexion  im  Sinne 
Zuppingers  und  Anlegung  eines  Zuges  direkt  am  peripheren 
Fragment  neben  dem  altbewährten  Längszuge.  Bei  richtiger  Technik 
trifft  der  Vorwurf  der  Schmerzhaftigkeit  und  Erzeugung  von  De¬ 
kubitus  und  Ekzem  keineswegs  zu.  Wie  der  periphere  Zug  (Stiefel¬ 
zug,  Kniegelenkszug,  Ellenbogenzug,  Handgelenkszug)  mit  dem  Längs¬ 


zug  vereinigt  wird,  wird  des  näheren  ausgeführt.  Die  Kranken¬ 
geschichten  beweisen,  dass  tatsächlich  das  moderne  Barden¬ 
heuer  sehe  Extensionsverfahren  auch  bei  veralteten  Verkürzungen 
ganz  Ausserordentliches  leistet.  Die  Nagelextension  will  Verfasser 
lediglich  für  Splitterbrüche  des  unteren  Humerusendes  und  kompli¬ 
zierte,  mit  grossen  Weichteilwunden  einhergehende  Humerus-  und 
Oberschenkelbrüche  reserviert  wissen. 

Eugen  P  o  1  y  a :  Jejunumkolon-  und  Magenkolonfistel  nach 
Gastroenterostomie.  (Aus  der  3.  Chirurg.  Abteilung  des  Sankt  Ste¬ 
phan-Spitals  in  Pest.) 

Jahr  nach  der  hinteren  Gastroenterostomie  traten  bei  dem 
Patienten  Erscheinungen  einer  Fistul.  gastrocolica  auf.  Die  Operation 
deckte  eine  Fistel  zwischen  Colon  .transversum  und  dem  Jejunum 
(einige  Zentimeter  unterhalb  der  Flexura  duodeno-jejunalis)  auf.  Nach 
Lösung  werden  die  Oeffnungen  in  Jejunum  und  Kolon  quer  zur  Längs¬ 
achse  mit  zweireihiger  Naht  verschlossen,  Heilung.  Die  Pathogenese 
ist  die,  dass  ein  Jejunalgeschwür  entstand,  das  dann  in  das  Kolon 
perforierte.  Im  ganzen  sind  in  der  Literatur  19  Fülle  bekannt,  in 
denen  es  nach  der  Gastroenterostomie  zu  einer  Jejunum-  oder  Magen¬ 
kolonfistel  kam;  in  sämtlichen  Fällen  war  wegen  benigner  Erkran¬ 
kungen  des  Magens  gastroenterostomiert. 

Die  Situation  ist  so,  dass  entweder  das  Jejunum  mit  dem  Dick¬ 
darm  anastomosierte,  oder  es  kommunizierte  die  Gastroenterostomie¬ 
öffnung  selbst  mit  dem  Kolon  oder  der  Magen  mit  dem  Kolon.  3  mal  . 
öffneten  sich  Magen  und  Jejunum  gesondert  ins  Colon  transversum 
dabei  war  zuweilen  die  Gastroenterostomie  obliteriert,  zuweilen  fan¬ 
den  sich  noch  andere  Jejunalgeschwüre.  Die  Symptome  sind  varia¬ 
bel.  Das  sicherste  diagnostische  Hilfsmittel  ist  die  Röntgenunter¬ 
suchung.  Sorgfältige  Naht,  diätetische  Nachbehandlung  bilden  die 
Prophylaxe.  Da  bei  bestehenden  Leiden  die  Patienten  rasch  an  Ina- 
nition  zugrunde  gehen,  ist  die  Operation  unbedingt  indiziert.  Das 
Operationsverfahren  richtet  sich  nach  der  Situation.  Am  einfachsten 
ist  die  Trennung  der  Fistelränder  mit  Uebernähung  quer  zur  Längs¬ 
achse.  Bei  obliterierter  oder  verengter  Gastroenterostomie  muss  eine 
neue  angelegt  werden.  Dickdarmverengerungen  sind  durch  Ana- 
stemose  zu  umgehen.  Nur  neue  Gastroenterostomie  (v.  Eiseis¬ 
berg)  oder  Kolokolonanastomose  (G  a  r  r  e)  bringen  keine  Heilung. 
Das  radikalste  Verfahren  ist  die  primäre  Resektion  des  fistulösen 
Kolonstückes  (v.  Herczel).  Auf  18  operative  Eingriffe  kommen 
2  Todesfälle. 

C.  Lauenstein:  1.  Grosshirn-Schussverletzung  durch  ein 
7-mm-Geschoss  ohne  erhebliche  Folgen.  (Aus  dem  Hafenkranken¬ 
hause  zu  Hamburg.) 

Ein  aus  unmittelbarer  Nähe  abgefeuertes  7-mm-Geschoss  drang 
an  der  rechten  Schläfe  ein,  durchdrang  das  Gehirn  und  seine  Häute, 
frakturierte  noch  das  linke  Scheitelbein,  blieb  aber  unter  der  Kopt- 
schwarte  stecken.  Nach  14  Tagen  Entfernung  des  Geschosses  durch 
einfache  Inzision.  Die  einzige  störende  Folge  der  Hirnverletzung  war 
eine  Steigerung  der  Muskelreflexe  an  der  Streckseite  des  rechten 
Oberarms.  Der  glückliche  Verlauf  ist  zurückzuführen  auf  das  geringe  ; 
Kaliber,  den  Eintritt  an  einer  sehr  dünnen  Schädelstelle  und  das  Aus¬ 
bleiben  der  Deformierung,  das  Fehlen  einer  starken  Blutung  aus  den 
Hirnhäuten,  die  relativ  indifferente  Beschaffenheit  der  getroffenen 
Hirnpartien  (Darstellung  des  Weges  an  der  Leiche)  und  die  Asepsis 
des  Schusskanals. 

2.  Quetschung  des  Leibes  durch  Fahrstuhl.  Intraperitoneale  Zer- 
reissung  der  Blase.  Laparotomie,  Naht  der  Blase.  Heilung. 

Guido  Ler  da:  Beitrag  zur  totalen  Meloplastik.  (Aus  dem  Ospe- 
dale  Maggiore  di  San  Giovanni  der  Stadt  Turin.) 

Lerda  ging  in  einem  Falle  von  Krebs  der  Wange  so  vor,  dass 
er  nach  Entfernung  der  Wange  mit  dem  Tumor  durch  Herüberziehen 
von  Ober-  und  Unterlippe  mit  der  anderen  Wange  den  Defekt  deckte. 
In  2.  und  3.  Sitzung  wurde  eine  Mundöffnung  an  normaler  Stelle 
wieder  hergestellt. 

W.  K  e  p  p  1  e  r :  Die  blutige  Stellung  schlecht  stehender  Frak¬ 
turen.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg.  Universitätsklinik  Berlin.) 

Die  „blutige  Stellung“  der  Fragmente  in  Deutschland,  zuerst  von ; 
Schlange  und  von  C  1  a  i  r  m  o  n  t  angewandt,  besteht  darin, 
dass  nach  Freilegung  der  Frakturstelle  vom  kleinen  Schnitt  aus  ver-i 
sucht  wird,  durch  Haken,  Elevatorium,  Zug  und  Gegenzug  die 
„Zacken“  des  einen  Fragments  in  die  „Lücken“  des  anderen  Frag¬ 
ments  zu  stellen.  Das  Verfahren  wurde  an  der  Bier  sehen  Klinik 
in  40  Fällen  angewandt,  und  zwar  29  mal  bei  Vorderarm-  und  Ra¬ 
diusbrüchen,  10  mal  am  Oberarm.  Wie  die  beigegebemen  Röntgen¬ 
bilder  zeigen,  ist  das  Resultat  durchweg  ausgezeichnet;  dabei  ist  das; 
Verfahren  infolge  seiner  Kürze  fast  gefahrlos  und  ohne  die  Nachteile 
des  versenkten  Fremdkörpers  bei  der  Vereinigung  durch  Naht  oder 
Verschraubung. 

Moli  tieus:  Kleidoplastik  aus  der  Spina  scapulae.  (Aus  der 

Chirurg.  Klinik  der  Akademie  für  praktische  Medizin  zu  Düsseldorf.) 

Die  Klavikula  wurde  in  2  Fällen  nach  Entfernung  wegen  Tumor 
mit  vollem  Erfolge  durch  die  Spina  scapulae  ersetzt.  (Röntgen¬ 
bilder.) 

F.  Ernst  und  F.  El  kes:  Erwiderung  auf  die  Bemerkungen 
des  Herrn  Zahnarztes  Rousseau. 

Schiene  und  Zahnersatz  sind  von  Claude  Martin  bzw 
Schroeder,  als  dessen  Famulus  Rousseau  arbeitete. 

Otto  Grüne:  Ein  Beitrag  zur  Luxatio  pedis  sub  talo.  (Aus 
der  Chirurg.  Klinik  der  Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin.) 


.  April  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


713 


1  Fall  von  Luxatio  sub  talo,  Reposition.  Heilung;  und  1  Fall  von 
erreisung  des  Bandapparates  zwischen  Talus  und  Kalkaneus.  Be- 
andlung  mit  Bardenheue  r  scher  Kalkaneusstrecke. 

Otto  Grüne;  Ein  Fall  von  isolierter  Kahnbeinfraktur  des 

usses.  Flörcken-  Paderborn. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  11. 

Karl  Deutschländer  -  Hamburg :  Gelenkanästhesie. 

Verf.  schildert  eingehend  die  Technik  seiner  Gelenkanästhesie: 
;s  wird  zuerst  eine  Binde  oberhalb  des  Gelenkes  angelegt,  um  mög- 
chst  gute  Blutleere  zu  erzielen,  dann  erfolgt  die  Injektion  einer 
•  proz.  Novokain-Suprarenin-Lösung  in  das  Gelenkinnere;  zur  Ver- 
eilung  der  eingespritzten  Lösung  (meist  10 — 20  ccm)  in  alle  Buchten 
es  Gelenkes  werden  leichte  Gelenkbewegungen  gemacht.  Direkt  in 
;ie  Synovialis  darf  nicht  eingespritzt  werden,  da  sonst  nur  ein 
ugbegrenzter  Bezirk  unempfindlich  wird,  aber  die  Synovialis  muss 
ut  resorptionsfähig  sein,  um  volle  Anästhesie  zu  erzielen.  Ebenso 
cheiden  die  Gelenke  aus  dem  Anwendungsgebiet  aus,  an  denen  sich 
eine  Blutleere  erreichen  lässt.  Verf.  hat  mit  dieser  Methode  zahl¬ 
eiche  unblutige  und  blutige  Eingriffe  an  Gelenken  unter  voller  An- 
sthesie  ausgeführt. 

Wilh.  D  a  n  i  e  1  s  e  n  -  Beuthen :  Sind  Wundinfektion  und  lang- 
auernde  Abschnürung  Gegenindikationen  gegen  die  Gefässnaht  bei 
/'erletzungen? 

Verf.  teilt  ausführlich  die  Krankengeschichte  eines  Falles  mit, 
lie  beweist,  dass  trotz  schwerer  Wundinfektion  und  trotz  5  stiindiger 
\bschnürung  die  Gefässnaht  der  Art.  axillaris  vollen  Erfolg  hatte, 
iidem  die  Blutzirkulation  erhalten  blieb.  Verf.  spricht  sich  deshalb 
tuch  gegen  prinzipielle  Einschränkung  der  Gefässnaht  bei 
Vundinfektion  und  langdauernder  Abschnürung  aus. 

Prof.  W  o  1  f  f  -  Hermannswerder ;  Sechsmalige  Gastrotomie  an 
lemselben  Magen.  Gastroskopischer  Nachweis  einer  Zahnbürste. 

Verf.  schildert  einen  Fall  von  einer  psychopathischen  Patientin, 
>ei  der  6  mal  der  Magen  eröffnet  wurde,  weil  sie  die  Manie  hatte, 
Teelöffel  oder  Zahnbürsten  zu  verschlucken.  Beim  6.  Mal  konnte 
mr  durch  das  Gastroskop  festgestellt  werden,  dass  wirklich  eine 
(ahnbürste  im  Magen  lag.  Der  gastroskopische  Befund  und  die 
Details  der  Operation,  welche  Pat.  gut  Überstand,  sind  eingehend 
nitgeteilt. 

E.  P  a  y  r  -  Leipzig  :  Zur  Technik  der  Hirnpunktion. 

Um  bei  Hirnpunktionen  mit  der  Nadel  sofort  das  Bohrloch  im 
(nochen  zu  finden,  benützt  Verf.  einen  Rinnenspatel,  der  bei  im 
(nochenkanal  liegenden  Bohrer  diesem  entlang  bis  in  das  Bohrloch 
.‘ingedrückt  wird;  nach  Herausziehen  des  Bohrers  gleitet  die  Nadel 
n  der  Führungsrinne  des  Spatels  leicht  in  das  Schädelinnere.  (Mit 
i  Abbildungen.) 

Prof.  W  i  1  m  s  -  Heidelberg:  Rippenquetsche  zur  leichteren  Re¬ 
aktion  von  Rippen. 

Um  die  Rippen  leichter  durchtrennen  zu  können  und  um  glatte 
Schnittflächen  zu  bekommen,  hat  Verf.  eine  Rippenschere  konstruiert, 
welche  eine  kräftige,  nicht  scharfe  Schneide  hat,  die  beim  Zu- 
juetschen  der  Zange  zwischen  2  gezahnte  Leisten  hineintaucht.  Diese 
Schneide  durchquetscht  die  Rippen,  wobei  man  eine  ganz  glatte 
Schnittfläche  bekommt.  Die  schneidende  Branche  kann  senkrecht 
)der  in  der  Richtung  der  Achse  stehen.  (Mit  2  Abbildungen.) 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  10  u.  11.  1913. 

Fr.  Da  eis- Gent:  Ueber  die  Wirkung  des  Elektrargols  Clin. 

Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen  mit  elektrokol- 
oidalem  Silber.  Bei  Meerschweinchen,  die  mit  abgeschwächten 
Bakterienkulturen  infiziert  waren,  war  eine  deutliche  günstige  Wir¬ 
kung  festzustellen,  nicht  aber  bei  sehr  virulenten  Infektionen.  Das 
Diphtherietoxin  wird  in  vitro  und  bei  Tieren  in  seiner  Giftigkeit 
deutlich  herabgesetzt.  Im  Blute  erzeugt  Elektrargol  eine  deutliche 
Leukozytenvermehrung.  Versuche  an  Menschen  bei  intravaskulärer 
Einspritzung  ergaben  ebenfalls  günstige  Resultate,  doch  sind  letztere 
nicht  eindeutig  genug,  um  ein  abschliessendes  Urteil  zu  gestatten. 

P.  Ga  11- Triest:  Pituglandol  in  der  Behandlung  der  Placenta 
Praevia. 

10  Fälle  von  Placenta  praevia,  die  mit  Pituglandol  behandelt 
wurden,  davon  starben  1  Mutter  und  3  bereits  tot  geborene  Kinder. 
U.  injiziert  stets  2  ccm  Pituglandol  und  glaubt  damit  manches  Kind 
retten  und  manche  Mutter  vor  den  Gefahren  des  Blutverlustes  und 
der  Infektion  bewahren  zu  können. 

F.  Lie  ven- Bonn:  Zur  Wirkung  des  Hypophysenextraktes. 

Bei  einer  37  jährigen  V.-para  mit  normalem  Becken  machte  L. 

wegen  Wehenschwäche  bei  völlig  erweitertem  Muttermund,  aller¬ 
dings  bei  noch  hochstehendem  Kopf,  eine  Pituglandolinjektion  von 
1  ccm.  Es  traten  Krampfwehen  und  Abgang  von  Mekonium  ein,  so 
dass  L.  eine  hohe  Zange  in  Narkose  anlegen  musste.  Mutter  und 
Kind  blieben  gesund. 

Th.  H.  van  de  V  e  1  d  e  -  Haarlem  :  Ueber  das  Schalenpessar. 

Wegen  der  Gefahr  der  Einklemmung  der  vorderen  Muttermunds- 
dppe  in  das  zentrale  Loch  benutzt  v.  d.  V.  seit  Jahren  solche  Pessare 
ohne  mittleres  Loch,  dagegen  ganz  besetzt  mit  den  üblichen  kleineren 
Löchern,  die  bei  den  gewöhnlichen  Modellen  nur  seitlich  ange¬ 
bracht  sind. 


M.  S.  A  1  p  e  r  i  n  -  Moskau :  Reflektorische  Schmerzetnpfindungen 
bei  Druck  auf  den  Plexus  coeliacus  bei  entzündlichen  Erkrankungen 
der  weiblichen  Geschlechtsorgane.  Zu  kurzem  Referat  ungeeignet. 

Guggisberg  -  Bern :  Zur  Eklampsiebehandlung  durch  In¬ 
jektionen  in  den  Riickenmarkskanal. 

Die  von  Rissmann  empfohlene  Injektion  von  Magnesium¬ 
sulfatlösung  bei  Eklampsie  ist  von  Kocher  bei  Tetanus  erfolgreich 
verwendet  worden.  In  2  Fällen  von  Eklampsie  hat  sie  G.  versagt. 

G.  warnt  vor  grösseren  Dosen,  die  durch  Atemstörung  gefährlich 
werden  können.  Die  Wirkung  des  Mittels  ist  ungenügend,  wenn  sie 
auf  die  unteren  Partien  des  Rückenmarks  beschränkt  bleibt,  wirksam, 
wenn  es  auch  die  oberen  Partien  anästhesiert,  dann  aber  nicht  mehr 
gefahrlos.  Die  Dosis  soll  zwischen  5 — 10  ccm  einer  15  proz.  Lösung 
liegen,  je  nach  dem  Gewicht  des  Patienten. 

Peters- Wien:  Zur  Publikation  Schottländers  in  No.  6 
dieses  Blattes:  „Ueber  die  Bestimmung  der  Schwangerschafts¬ 
dauer  etc.“ 

P.  erläutert  die  Verwertbarkeit  der  S  c  h  o  1 1 1  ä  n  d  e  r  sehen 
Befunde  in  forensischer  Beziehung  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass 
für  den  Wert  derselben  für  forensische  Zwecke  noch  manche  Zweifel 
bestehen. 

S  i  e  f  a  r  t  -  Charlottenburg :  Interstitielle  Gravidität. 

Es  handelte  sich  um  eine  25  jährige  I.-para,  die  syphilitisch 
infiziert  gewesen  war.  Die  Gravidität  führte  im  3.  Monat  zur  Ruptur; 
Pat.  starb  trotz  Laparotomie  durch  innere  Verblutung. 

W.  Rübsamen  -  Dresden :  Technische  Schwierigkeiten  bei 
der  Punktion  des  Sakralkanals  rachitischer  Becken. 

In  den  Fällen  platt  rachitischer  Becken,  wo  das  Kreuzbein  in 
seinen  oberen  Partien  stark  nach  hinten  abgeknickt  ist,  aber  die 
Schwanzwirbelsäule  sich  nach  vorn  umkrümmt,  kann  der  Sakralkanal 
in  seinen  unteren  Partien  so  zusammengepresst  sein,  dass  eine 
Punktion  desselben  sehr  erschwert  oder  unmöglich  ist. 

Aehnliche  Verhältnisse  fand  R.  bei  spondylolisthetischen  und 
osteomalakischen  Becken. 

Helene  Iiölder-  Tübingen :  Gestattet  der  „Probedämmerschlaf“ 
eine  Bestimmung  der  Toleranz  für  Skopolamin-Pantopon  bei  der 
nachfolgenden  Operation? 

Vorstehende  Frage  muss  nach  H.s  Erfahrungen  (24  Fälle)  ver¬ 
neint  werden.  Der  Erfolg  der  Probeinjektionen  deckte,  sich  nur 
selten  mit  dem  als  Vorbereitung  zur  Operation  eingeleiteten  Dämmer¬ 
schlaf.  Dies  beruht  auf  der  beim  gleichen  Organismus  beständig 
wechselnden  Resorptionsfähigkeit.  H.  gibt  0,02  Pantopon  und 
0,0003  Scop.  hydrobrom.  2  Stunden  und  1  Stunde  vor  der  Operation 
intramuskulär.  Ueber  die  Gesamtmenge  von  0,0006  Skopolamin  soll 
man  nicht  hinausgehen..  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Zeitschrift  für  Kinderheilkunde.  Herausgeg.  von  F  i  n  k  e  1- 

stein,  Langstein,  v.  Pfaundler,  v.  Pirquet  und 
S  a  1  g  e.  Berlin,  Julius  Springer.  Band  6,  Heft  1—3,  1913. 

1)  L.  Langstein:  Otto  H  e  u  b  n  e  r. 

Worte  zu  seinem  70.  Geburtstage. 

2)  C.  v.  Pirquet:  Das  Bild  der  Masern  auf  der  äusseren  Haut. 

Die  Arbeit,  die  sich  lediglich  mit  dem  Studium  des  Masernexan¬ 
thems  vom  ersten  Beginn  bis  zum  Abblassen  befasst,  bringt  an  der 
Hand  von  456  Zeichnungen  des  Verfassers,  von  8  Tafeln  und  von 
vielen  Diagrammen  —  eine  Form  der  Darstellung,  in  der  P.  Meister 
ist  —  genaue  Daten  über  den  Ausbruch,  die  Weiterentwicklung  und 
die  Lokalisation  des  Exanthems  im  allgemeinen,  der  Einzelefflores- 
zenz  im  besonderen.  Wohl  noch  keinem  Exanthem  ist  eine  derart 
genaue  und  systematische  Bearbeitung  zuteil  geworden.  P.  kann  in 
diesen  ersten  Abschnitten  wesentlich  Neues  natürlich  nicht  bringen, 
er  stellt  lange  Bekanntes  auf  das  Fundament  exakter  Beobachtung. 

Neu  ist  die  Regel,  die  er  aus  seinen  Befunden  ableiten  zu  dürfen 
glaubt:  eine  Hautstelle  wird  um  so  früher  vom  Exanthem  befallen, 
je  rascher  sie  auf  arteriellem  Wege  vom  Herzen  aus  erreichbar  ist, 
je  näher  sie  den  grossen  Gefässen  liegt  und  eine  je  lebhaftere  Zirkula¬ 
tion  sie  hat. 

Und  neu  ist  der  Schluss,  den  P.  hieraus  im  Sinne  seiner  be¬ 
kannten  Anschauungen  für  das  Wesen  des  Masernexanthems  zieht: 
die  Sättigung  der  äusseren  Haut  durch  Masernantikörper  sei  die  Vor¬ 
bedingung  zum  Erscheinen  des  Exanthems. 

3)  R.  Lederer:  Zur  Frage  der  Purpura  abdominalis  (He- 
n  o  c  h). 

Die  kurze  Arbeit  behandelt  im  Anschluss  an  2  eigene  Beobach¬ 
tungen  die  Beziehungen  der  H  e  n  o  c  h  sehen  Purpura  zur  hämor¬ 
rhagischen  Diathese  und  zur  Entstehung  von  Intussuszeptionen.  Die 
Henochsche  abdominelle  Purpura  sei  die  intestinale  Manifestation 
der  hämorrhagischen  Diathese  und  führe  nur  etwa  in  der  Hälfte  der 
Fälle  zur  Intussuszeption 

4)  A.  Reiche:  Zur  Frage  des  Rückflusses  von  Pankreassaft  in 
den  Magen  des  Säuglings. 

Der  für  den  Erwachsenen  sicher  bewiesene  Uebertritt  von  Pan¬ 
kreassaft  in  den  Magen  scheint  auch  nach  diesen  Untersuchungen 
(Trypsinnachweis  gelingt  im  ausgeheberten  Mageninhalt  nicht)  beim 
Säugling  nicht  vorzukommen. 

5)  M.  Kassowitz:  Der  grössere  Stoffverbrauch  des  Kindes. 

Der  Versuch,  den  relativ  grösseren  Stoffverbrauch  des  kleinen 

Kindes  durch  die  gesteigerte  Wärmebildung  infolge  der  grösseren 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


714 


Körperoberfläche  teleologisch  zu  erklären,  ist  anfechtbar.  K.  erklärt 
die  gesteigerte  Wärmeproduktion  kausal  durch  die  grössere  Frequenz 
der  alternierenden  (Herz-  und  Atem-)  Bewegungen,  und  diese  wieder 
durch  die  erheblich  geringere  Länge  der  Reflexbahnen.  Q  ö  1 1. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  Bd.  46,  2.  Heft. 

R  o  s  e  n  b  1  a  t  h  -  Kassel:  Ein  Fall  von  Zystizerkenmeningitis 
mit  vorwiegender  Beteiligung  des  Rückenmarks. 

Kasuistik. 

B  e  c  k  -  Tübingen :  Multiple  Sklerose,  Schwangerschaft  und 
Geburt. 

Verf.  kommt  auf  Grund  statistischer  Erhebungen  zu  dem  Schluss, 
dass  in  einer  Reihe  von  Fällen  die  Schwangerschaft  als  auslösendes 
Moment  für  die  multiple  Sklerose  in  Betracht  kommt,  seltener  Geburt 
und  Wochenbett.  Verschlimmernd  auf  das  schon  bestehende  Leiden 
können  sowohl  Gravidität  wie  Geburt  wirken.  Von  einer  generellen 
Schädlichkeit  der  Generationsvorgänge  kann  jedoch  nicht  gesprochen 
werden.  Deshalb  kann  auch  die  Entscheidung  über  daraus  sich 
ableitende  Massnahmen  —  Verhütung  oder  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  —  nur  von  Fall  zu  Fall  erfolgen. 

Merzbacher  und  C  a  s  t  e  x  -  Buenos  Aires :  Lieber  ein  sehr 
grosses  multilokulares  Fibrom  im  Zervikalmark. 

Bei  dem  hier  beschriebenen  Fall  war  besonders  merkwürdig, 
dass  trotz  der  Grösse  des  Tumors  sensible  Reizerscheinungen  gar 
nicht  hervorgetreten  waren.  Wahrscheinlich  hatte  die  wachsende 
Geschwulst  die  Verbindung  zwischen  peripherer  und  zentraler 
Leitungsbahn  durch  Kompression  unterbrochen,  noch  bevor  es  die 
Wurzeln  zu  reizen  vermochte. 

M  o  d  e  n  a  -  Frankfurt:  Totales  Fehlen  des  Gehirns  und  Rücken¬ 
marks. 

Bei  einer  reifen  Frucht  fehlten  Hirn  und  Rückenmark  völlig. 
Hirnnerven,  Hirnganglien,  Spinalganglien,  hintere  Wurzeln  und 
peripherische  Nerven  waren  gut  entwickelt;  doch  war  bei  letzteren 
von  motorischen  Endigungen  nichts  zu  finden. 

F  i  n  k  e  1  n  b  u  r  g  -  Bonn:  Partielle  Rindenatrophie  und  intakte 
Pyramidenbahn  in  einem  Fall  von  kongenitaler  spastischer  Para¬ 
plegie  (L  i  1 1 1  e). 

Bei  einem  Fall  von  reiner  paraplegischer  Starre,  der  zur  Ob¬ 
duktion  kam.  erwiesen  sich  die  Pyramidenbahnen  als  völlig  intakt. 
Am  Gehirn  deckte  erst  die  mikroskopische  Untersuchung  eine  deut¬ 
liche  Rindenatrophie  der  motorischen  Region  unter  Verschonung  der 
Riesenpyramidenzellen  auf,  ein  Bild,  wie  es  zuerst  Spielmeyer 
und  Höstermann  beschrieben  haben. 

G  o  1  d  b  1  a  d  t  -  Kiew :  Ein  neues  Reflexometer. 

Der  1.  Teil  des  Apparates  dient  zur  Dosierung  des  reflex- 
auslösenden  Schlages,  der  2.  zur  Messung  der  Extensität  des  Aus¬ 
schlages  (=  Winkelmesser),  der  3.  zur  Messung  der  Intensität  resp. 
der  Geschwindigkeit.  O.  Renner-  Augsburg. 

Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie.  Bd.  70,  H.  1,  1913. 

K  1  e  i  s  t  -  Erlangen:  Die  Involutionsparanoia. 

Aus  seinen,  auf  10  ausführlich  mitgeteilte  Krankengeschichten 
gestützten  Erörterungen  zieht  Verf.  folgende  Schlüsse:  1.  Es  gibt 
eine  besondere  abnorme  seelische  Konstitution,  die  durch  erhöhtes 
Selbstbewusstsein,  herrisches,  eigensinniges  Wesen,  Empfindlichkeit, 
Reizbarkeit  und  Misstrauen  gekennzeichnet  ist:  die  hypoparanoische 
Konstitution.  2.  Bei  einer  Anzahl  solcher  hypoparanoisch  Veranlagter 
tritt  zur  Zeit  der  sexuellen  Involution,  wahrscheinlich  im  Zusammen¬ 
hänge  mit  den  körperlichen  Veränderungen  eine  Steigerung  der 
abnormen  Wesenszüge  zum  Bilde  der  Involutionsparanoia  ein. 
3.  Deren  Elementarerscheinungen  sind:  Veränderung  der  Affektlage 
im  Sinne  eines  misstrauischen  expansiv-depressiven  Mischaffektes, 
Missdeutungen,  Illusionen,  Erinnerungsfälschungen  im  Sinne  der 
Affektrichtung,  Halluzinationen,  eine  Denkstörung  durch  Hemmung 
und  Haften  mit  Ideenflucht:  aus  dem  Zusammenwirken  dieser 
Störungen  resultiert  die  Wahnbildung.  Die  hypoparanoische  Kon¬ 
stitution  gehört  mit  der  hypomanischen,  depressiven  und  zirkulären 
in  eine  Gruppe  von  Anlageanomalien. 

Gg.  L  o  m  e  r  -  Landesirrenanstalt  bei  Strelitz-Alt:  Heilversuche 
bei  zwei  Fällen  von  luischer  Spätform. 

Bei  einem  Falle  von  syphilitischer  Pseudoparalyse  und  einem 
von  progressiver  Paralyse  wurden  Injektionen  von  nukleinsaurem 
Natrium  und  von  Tuberkulin  vorgenommen.  In  dem  ersten  Falle 
trat  eine  Besserung  ein.  Rudolf  Allers  -  München. 

Virchows  Archiv.  Bd.  211,  Heft  3. 

20)  K.  Koch:  Ueber  die  Bedeutung  der  Langerhans sehen 
Inseln  im  menschlichen  Pankreas.  (Pathol.  Institut  in  Berlin.) 

Die  Langerhans  sehen  Inseln  sind  keine  selbständigen  Ge¬ 
bilde.  Uebergänge  zwischen  Insel-  und  Tubuluszellen  sind  häufig. 
Die  Inseln  sind  als  rückgebildete,  wahrscheinlich  nicht  funktionierende 
und  funktionsuntüchtige  Parenchymteile  aufzufassen. 

21)  M  F  u  k  u  s  h  i :  Ueber  die  pathologische  Histologie  der  syphi¬ 
litischen  Aortitis  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Vorkommens 
von  Plasmazellen  (Pathol.  Institut  in  Berlin.) 

Im  grossen  ganzen  werden  die  bisherigen  Ansichten  und  Be¬ 
funde  bestätigt.  Plasmazellen  kommen  nicht  nur  in  Adventitia  und 


Media,  sondern  auch  in  der  Intima  vor.  Diese  Zellen  finden  sich  bei 
der  Atherosklerose  fast  gar  nicht.  Auch  Mastzellen  sind  bei  der 
syphilitischen  Aortitis  in  der  Wand  häufig.  Bei  Aneurysmen  ergeben 
sich  in  allen  Fällen  die  typischen  Befunde  der  Aortitis  syphilitica. 

22)  Saalmann:  Ueber  einen  Fall  von  Morbus  Recklinghausen 
mit  Hypernephrom.  (Wenzel-Hancke-Krankenhaus  in  Breslau.) 

23)  A.  Krokiewicz:  Ein  Fall  von  Situs  viscerum  inversus 
completus. 

24)  Y.  Kato:  Ueber  angeborenen  Relief-  und  Leistenschädel  bei 
Spina  bifida  und  Enzephalozele.  (Pa.thol.  Institut  in  Marburg.) 

Die  Reliefschädel,  die  stets  in  Verbindung  mit  Spina  bifida  Vor¬ 
kommen,  sind  auf  eine  lokale  Störung  der  Knochenentwicklung  an 
den  Hüllen  des  Zentralnervensystems  zurückzuführen.  Ein  Einfluss 
abnorm  hohen  intrakraniellen  Druckes  ist  nicht  vorhanden. 

25)  R.  Gei  gel:  Die  Mechanik  der  Embolie. 

Nach  den  theoretischen  Ueberlegungen  des  Verf.  erfolgt  beiir: 
Lungeninfarkt  die  thrombotische  Verstopfung  in  den  Kapillaren 
früher  als  die  endgültige  Verschliessung  des  Arterienrohres.  Nach 
dem  Hineinfahren  des  embolischen  Pfropfes  ist  der  enge  Weg 
zwischen  ihm  und  Arterienwand  die  einzige  Stelle,  wo  zunächst  di». 
Geschwindigkeit  der  Strömung  grösser  wird,  an  allen  anderen  wird 
sie  kleiner.  Hier  also  ist  am  allerwenigsten  Gelegenheit  zur  Anlage 
von  thrombotischem  Materiale  gegeben,  und  so  bleibt  es,  bis  von 
anderer  Stelle  vollständiger  Verschluss  und  damit  Stagnation  überall, 
jetzt  auch  im  Spalt  neben  dem  Embolus,  eingetreten  ist.  Auch  für  die 
roten  und  weissen  Erweichungsherde  des  Gehirns  nimmt  Verf.  eine 
ähnliche  Entstehungsweise  an. 

26)  S.  Saltykow:  Zur  pathologischen  Anatomie  des 
Paratyphus. 

Die  anatomischen  Veränderungen  können  sehr  denen  des 
Typhus  gleichen.  Saltykow  konnte  unter  22  Fällen  14 mal  eint 
Beteiligung  des  lymphatischen  Darmapparates  feststellen,  darunter 
9  mal  mit  Geschwürsbildung. 

H.  Ribbert:  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Tsiwidis 

in  Bd.  211. 

Polemik.  Schridde  -  Dortmund. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  11  u.  12,  1913. 

1)  R.  Lepine-Lyon:  Fortschritte  in  der  Behandlung  des  Dia¬ 
betes  mellitus  seit  50  Jahren. 

Der  Diabetes  ist,  allgemein  betrachtet,  weit  weniger  schwer 
geworden,  seitdem  er  besser  behandelt  wird.  Seine  Häufigkeit  aber 
hat  zugenommen.  Die  Sterblichkeit  hält  aber  nicht  gleichen  Schritt 
mit  der  Morbidität,  eben  weil  man  heutzutage  den  Diabetes  weit 
besser  zu  behandeln  versteht  als  zuvor.  Vielleicht  findet  man  später 
einmal  ein  besseres  Spezialmittel  als  die,  welche  wir  jetzt  be¬ 
sitzen:  ein  glyko-  und  ketolytisches  Mittel.  Bis  dahin  fahren  wir 
fort,  uns  nach  den  Elementen  der  Pathogenese  zu  richten,  welche 
unser  Handeln  bestimmen. 

2)  Ferdinand  H  u  e  p  p  e  -  Berlin:  Sport  und  Reizmittel.  (Nach 
einem  am  13.  Dezember  1912  in  Charlottenburg  in  der  Vereinigung 
zur  wissenschaftlichen  Erforschung  des  Sports  und  der  Leibesübungen 
gehaltenen  Vortrage.)  Schluss  folgt. 

3)  T  o  u  t  o  n  -  Wiesbaden:  Darf  Neosalvarsan  ambulant  ange¬ 
wandt  werden? 

Verf.  erklärt  die  Warnungen  W  o  1  f  f  s  und  M  u  1  z  e  r  s  sowie  der 
anderen  Autoren  vor  seinem  Vorschlag  der  ambulanten  Anwendung 
des  Neosalvarsans  für  durchaus  unbegründet  und,  weil  auf  Grund¬ 
lagen  beruhend,  die  von  seiner  vorsichtigen  Methodik  absolut  ab¬ 
weichen,  für  durchaus  unzulässig,  da  sie  nicht  einmal  auf  dem  Ver¬ 
such  zur  Nachprüfung  seiner  Methode  beruht,  sondern  abstrahiert  ist 
aus  den  ungünstigen  Resultaten  ihrer  eigenen,  fehlerhaften  Technik 
(zu  hohe  und  zu  gehäufte  Dosen).  Die  Verbannung  des  Neosalvarsans 
aus  unserem  Arzneischatz  überhaupt  war  das  Resultat  eines  durch¬ 
aus  voreiligen  Urteils. 

4)  Oswald  M  a  y  e  r  -  Berlin:  Zur  Kasuistik  der  Epityphlitis  bei 
Scharlach  sowie  der  wiederholten  Scharlacherkrankung. 

Kasuistischer  Beitrag. 

5)  L.  Casper:  Zur  Harnblasenausschaltung  wegen  Tuber¬ 
kulose.  (Demonstration  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  19.  Fe¬ 
bruar  1913.) 

cf.  Dag.  434  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

6)  Theodor  Cohn  und  Hans  Reiter-  Köngsberg :  Klinische 
und  serologische  Untersuchungen  bei  Harneiterungen  durch  Bacterium 

coli.  (Schluss.) 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

7)  Bruno  Valentin-  Berlin :  Die  postoperative  Parotitis. 

Uebersichtsreferat  über  die  Arbeiten  von  1904 — 1912. 

No.  12. 

1)  Alfredo  R  ub  i  n  o  -  Neapel:  Behandlung  der  Basedow  sehen 
Krankheit. 

Die  Basedowkrankheit  beruht  wenigstens  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  auf  einer  Hypersekretion  der  Schilddrüse,  deshalb  ist  die  Be¬ 
handlung  mit  dem  Antithyreoidin  von  Möbius  am  meisten  an¬ 
zuraten.  Diese  Behandlung  ist  natürlich  mit  allgemeinen  hygienisch¬ 
diätetischen  Massnahmen  zu  kombinieren.  Wenn  die  Hypertrophie 
der  Schilddrüse  einen  auffälligen  Umfang  annimmt,  so  ist  die  doppel¬ 
seitige  Galvanisation  des  Halssympathikus  zu  versuchen,  oder  die 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


715 


'aradisation  der  Schilddrüse  oder  auch  die  Anwendung  der  Röntgen-  | 
trahlen.  Bei  unaufhaltsamer  Verschlimmerung  des  Allgemein-  ! 
ustandes  ist  die  Partiarresektion  der  hypertrophischen  Schilddrüse  I 

eboten. 

2)  Max  R  o  t  h  m  a  n  n  -  Berlin :  Gegenwart  und  Zukunft  der 
{ückenmarkschirurgie.  (Nach  einem  Vortrag  in  der  Berliner  mediz. 
iesellschaft  am  12.  Februar  1913.) 

Cf.  pag.  387  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

3)  A.  W  e  b  e  r  -  Berlin :  Ueber  die  Bedeutung  der  Rinderbazillen 
iir  den  Menschen. 

Diskussionsbemerkungen  zu  dem  Vortrage  des  Herrn  Geheimrats 
)rth  in  No.  10  der  Berliner  klin.  Wochenschr.  1913. 

4)  Carl  H  e  r  t  z  e  1 1  -  Berlin:  Die  Stauungsreaktion  bei  Arterio- 

klerose. 

Unterbricht  man  bei  einem  ruhenden  Patienten  die  Blut- 
irkulation  in  beiden  Beinen  und  einem  Arm  vollständig  durch 
meuinatische  Kompression,  so  tritt  ein  am  anderen  Arm  zu  messender 
Anstieg  des  Blutdrucks  ein  (Stauungsreaktion),  die  bei  normalem 
lefässsystem  ca.  5  mm  Quecksilber  beträgt,  bei  Arteriosklerotikern 
lagegen  bis  zu  60  und  mehr  erreichen  kann.  Das  arteriosklerotisch 
eränderte  Gefässsystem  hat  eben  die  Fähigkeit  eingebüsst,  sich  in 
mderen  nicht  komprimierten  Abschnitten  des  Kreislaufs  kom- 
■cnsatorisch  zu  erweitern.  Der  positive  Ausfall  der  Stauungsreaktion 
■rgibt  die  Indikation,  hydriatrische  Prozeduren,  die  grössere  An- 
orderungen  an  die  regulatorischen  Funktionen  des  Gefässsystems 
.teilen  (kalte  Duschen,  Lichtbäder  etc.),  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu 
rebrauchen. 

5)  Ernst  T  o  b  i  a  s  -  Berlin:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der 
üochfrequenzbehandlnng  (d’Arsonvalisation)  —  insbesondere  bei 
nneren  und  Nervenkrankheiten.  Sammelreferat. 

6)  Carl  L  e  w  i  n  -  Berlin:  Die  Wirkung  von  Schwermetallen  aut 
lie  bösartigen  Tiergeschwülste. 

Die  Wirkungen,  die  Verfasser  mit  der  Injektion  von  Schwer¬ 
netallen  in  bösartige  Tiergeschwülste  erzielen  konnte,  waren 
.klatante;  sie  beruhen  auf  einer  Affinität  der  Metalle  zu  den  feinsten 
31utgefässen  im  Tumor. 

7)  W.  R  i  n  d  f  1  e  i  s  c  h  -  Dortmund:  Status  thymolymphaticus 
md  Salvarsan. 

Im  Anschlüsse  an  2  Todesfälle  nach  Salvarsanapplikation,  bei 
Jenen  die  Sektion  einen  ausgesprochenen  Status  thymolymphaticus 
aufdeckte,  erscheinen  dem  Verf.  folgende  Forderungen  berechtigt: 

1)  bei  Todesfällen  nach  Salvarsan  soll  der  Obduzent  auf  das 
Verhalten  der  Thymus  und  des  lymphatischen  Systems  sorgfältig 
ächten; 

2.  der  Kliniker  wird  bei  Verdacht  auf  Status  lymphaticus  Sal¬ 
varsan  nur  mit  äusserster  Vorsicht  anwenden  dürfen;  eine  ganz  be¬ 
sondere  Bedeutung  gewinnt  diese  Mahnung  in  der  Kinderpraxis; 

3.  der  Morbus  Basedowii,  der  in  etwa  70  Proz.  aller  Fälle  von 
der  genannten  Anomalie  begleitet  wird,  dürfte  als  eine  Noli  me 
tangere  für  das  Ehrlich  sehe  Heilmittel  anzusehen  sein. 

8)  J.  C.  Schippers  und  Cornelia  de  L  a  n  g  e  -  Amsterdam : 
Zur  Bedeutung  der  Döhle  sehen  Zelleinschlüsse. 

Was  die  Bedeutung  der  Döhle  sehen  Zelleinschlüsse  für  die 
Scharlachdiagnose  anbetrifft,  so  schliessen  sich  die  Verfasser  der 
Ansicht  Schwenckes  an,  dass  das  Fehlen  der  Einschlüsse  bei 
hochfiebernden  Kranken  gegen  Scharlach  spricht. 

9)  H.  B  o  n  g a  r  t  z  -  Berlin:  Sind  die  Einschlüsse  in  den  poly¬ 
nukleären  Leukozyten  bei  Scharlach  als  pathognomonisch  anzu¬ 
sprechen? 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  kommt  der  Verfasser  zu  der 
Ueberzeugung,  dass  es  sich  bei  den  Einschlüssen  in  den  polynukleären 
Leukozyten  um  Kernabsprengungen  handelt,  ,die  auf  Grund  toxischer 
Einflüsse  entstehen;  aber  für  Scharlach  absolut  pathognomonisch  sind 
sie  nicht  zu  betrachten. 

10)  G.  B  u  n  d  e  -  Potsdam:  Ueber  einen  Fall  von  medianer 
Halsfistel.  Kasuistischer  Beitrag. 

11)  K.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Prag:  Färbung  der  marklosen  Hautnerven 

beim  Menschen. 

Das  von  Unna  und  G  o  1  o  d  e  t  z  in  die  Färbetechnik  ein- 
geiührte  Rongalitweiss,  einer  Mischung  der  Lösungen  von  reduziertem 
Methylenblau  (Methylenweiss)  und  Rongalit,  einem  starken  Reduk¬ 
tionsmittel,  ist  in  seiner  Affinität  zum  Achsenzylinder  dem  gewöhn¬ 
lichen  Methylenblau  derart  überlegen,  dass  es  Nervenfärbung  auch 
dort  ermöglicht,  wo  bisher  letzteres  versagt  hat,  z.  B.  bei  der  Färbung 
der  marklosen  Hautnerven  beim  Menschen. 

12)  A  d  1  e  r  -  Berlin-Pankow:  Zur  Chirurgie  der  Gallenblase. 
(Nach  einer  am  13.  Februar  1913  in  der  H  u  f  e  1  a  n  d  ischen  Gesell¬ 
schaft  gehaltenen  Demonstration.) 

Die  Erörterungen  des  Verfassers  lassen  die  Ueberzeugung  ge¬ 
winnen,  dass  die  Veränderungen  der  Gallenblase,  wie  sie  sich  unter 
der  üblichen  Indikationsstellung  für  das  chirurgische  Vorgehen 
präsentieren,  meist  dermassen  schwer  sind,  dass  in  der  Regel  nur 
die  Cholezystektomie  in  Frage  kommen  kann. 

13)  Ferdinand  Hueppe:  Sport  und  Reizmittel.  (Schluss.) 

Im  allgemeinen  ist  die  Anwendung  von  Reizmitteln  beim  Sport 
absolut  zu  verwerfen,  wenn  sich  auch  nicht  leugnen  lässt,  dass  sich 
zuweilen  durch  geschickte  Anwendung  derselben  gewisse  ausser- 
gewöhnliche  Leistungen  erzielen  lassen. 

Dr.  Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  12,  1913. 

1)  Martin  T  h  i  e  m  i  c  h  -  Magdeburg-Leipzig:  Ueber  die  Behand¬ 
lung  der  Krämpfe  im  frühen  Kindesalter. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  Marie  Elise  Schubert  -  Jena:  Cymarin,  ein  neues  Herz-  und 
Gefässmittel. 

Aus  dem  Fluidextrakt  von  Apocyn.  cannab.  ind.  wird  von  den 
Elberfelder  Farbenfabriken  die  wirksame  Substanz  in  kristallisierter 
Form  hergestellt.  Dieses  Cymarin  genannte  Präparat  bewirkt 
schon  in  geringen  Dosen  eine  plötzlich  einsetzende  starke  Diurese  und 
hat  in  etwas  grösseren  Dosen  bei  Verlangsamung  der  Schlagfolge 
eine  Vergrösserung  des  Schlagvolumens  des  Herzens  zur  Folge.  Es 
scheint  daher  berufen,  neben  den  Digitalispräparaten  eine  Stelle  in 
der  Therapie  der  Herzkrankheiten  einzunehmen,  besondei^  in  Fällen, 
wo  sich  Oedeme  oder  Ergüsse  in  seröse  Höhlen  finden.  Die  Einver¬ 
leibung  geschieht  per  os,  intramuskulär  oder  intravenös. 

3)  S.  Schoenborn  und  Wilhelm  C  u  n  t  z  -  Heidelberg:  Zur 

Frage  der  „Parasyphilis“. 

Der  Begriff  der  „Parasyphilis“,  der  von  F  o  u  r  n  i  e  r  geschaffen 
wurde,  ist  heutzutage  nicht  mehr  annehmbar.  Das  gilt  ebenso  für  die 
im  Gefolge  der  syphilitischen  Infektion  auftretenden  Herz-,  Leber¬ 
und  Nierenerkrankungen  als  besonders  für  Tabes  und  Paralyse,  ob¬ 
wohl  der  Spirochätennachweis  in  solchen  Fällen  als  eine  Seltenheit 
betrachtet  werden  muss.  Dass  man  es  mit  einem  regelrecht  syphi¬ 
litischen  Prozess  zu  tun  hat,  wird  sich  ergeben:  aus  der  positiven 
Anamnese,  der  positiven  WaR.  oder  dem  sicheren  Nachweis  einer 
gleichzeitig  an  einer  anderen  Körperstelle  vorhandenen  zweifellos 
syphilitischen  Erkrankung. 

4)  B  a  c  m  e  i  s  t  e  r  -  Freiburg  i.  B.  und  Henes-New  York: 
Untersuchungen  über  den  Cholesteringehalt  des  menschlichen  Blutes 
bei  verschiedenen  inneren  Erkrankungen. 

Der  Cholesteringehalt  des  Blutes  wies  eine  sehr  hohe  Ziffer  auf 
bei  cholesterinreicher  Kost,  bei  allen  schweren  Stoffwechselerkran¬ 
kungen,  Diabetes,  Fettsucht,  Nephritis,  frischer  Atherosklerose;  ge¬ 
ringe  Werte  zeigte  er  bei  cholesterinarmer  Kost,  Alter,  Abzehrung, 
schlechtem  Allgemeinzustand  und  Fieber.  Bei  Typhus  findet  sich 
Hypercholesterinämie.  Cholesterin  wird  nicht  im  Körper  gebildet, 
sondern  mit  der  Nahrung  eingeführt.  Da  Einzelheiten  über  den  nor¬ 
malen  und  pathologischen  Cholesterinstoffwechsel  noch  ausstehen,  er¬ 
scheint  eine  Cholesterintherapie  gegenwärtig  noch  nicht  angebracht. 

5)  M.  L  a  n  d  a  u  -  Freiburg  i.  B. :  Nebenniere  und  Fettstoff¬ 
wechsel. 

Der  Gehalt  der  Nebennierenrinde  an  Lipoiden  ist  sekundärer 
Natur,  er  ist  in  seinem  Steigen  und  Sinken  abhängig  von  dem  mehr 
oder  weniger  reichlichen  Vorhandensein  von  Lipoiden  im  ganzen 
Körper  oder  einzelnen  Organen.  Die  Nebennierenrinde  stellt  also 
nicht  einen  Herd  für  die  Erzeugung  von  Lipoiden  als  vielmehr 
nur  einen  Stapelplatz  dar. 

6)  Adolf  F  e  1  d  t  -  Höchst  a.  M.:  Zur  Chemotherapie  der  Tuber¬ 
kulose  mit  Gold. 

Das  Kantharidinäthylendiaminaurizyanid  und  -aurichlorid  ebenso 
wie  kolloidale  Goldlösungen  haben  im  Tierexperiment  hervorragend 
bakterizide  Eigenschaften  gegenüber  den  Tuberkelbazillen  gezeigt. 
Die  Wirkung  war  noch  vorhanden  in  einer  Verdünnung  von  1 :  1  oder 
2  Millionen.  Die  nach  subkutaner  oder  besser  intravenöser  Ein¬ 
spritzung  auftretende  Reaktion  ist  in  ihren  ganzen  Erscheinungen  eine 
als  sekundär  zu  bezeichnende  Tuberkulinreaktion:  Abtötung  der  in 
den  peripheren  Schichten  des  Tuberkelherdes  liegenden  Bazillen,  deren 
Auflösung  durch  die  Zellenzyme,  Frehverden  gefässwandschädigender 
Toxine,  Entzündung.  Die  therapeutische  Wirkung  der  Goldlösungen 
stellte  sich  als  bindegewebige  Vernarbung  der  tuberkulösen  Lungen¬ 
herde,  Stillstand  des  tuberkulösen  Prozesses  mit  Gewichtszu¬ 
nahme  dar. 

7)  W.  D  i  b  b  e  1 1  -  Tübingen:  Die  Aetiologie  der  Rachitis  und  der 
Kalkstoffwechsel. 

Gegenüber  R  i  b  b  e  r  t  und  K  a  s  s  o  w  i  t  z,  welche  die  Rachitis 
auf  ein  besonderes  Toxin  bezw.  auf  schlechte  Atemluft  zurückführen, 
betont  Verf.  die  von  ihm  durch  experimentelle  Untersuchungen  dar¬ 
gelegte  wichtige  Rolle  einer  Störung  des  Kalkstoffwechsels,  der  sich 
natürlich  gerade  am  wachsenden  Skelett  mit  seinem  gesteigerten 
Kalkbedarf  schädlich  bemerkbar  machen  wird.  Die  Momente,  welche 
eine  Störung  des  Kalkstoffwechsels  herbeizuführen  geeignet  sind, 
dürften  allem  Anscheine  nach  recht  verschiedenartiger  Natur  sein. 

8)  D  i  e  s  i  n  g  -  Gross-Hausdorf :  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Ra¬ 
chitis. 

Ein  ursächlicher  Faktor  für  das  Zustandekommen  der  Rachitis 
wird  hier  in  einer  mangelnden  Sonnenbestrahlung  gefunden. 

9)  Emmo  Schlesinger  -  Berlin :  Die  Ergebnisse  der  Röntgen¬ 
untersuchung  beim  Ulcus  ventriculi. 

Vortrag,  gehalten  in  einer  gemeinsamen  Sitzung  des  Vereins 
für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  mit  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Chirurgie  am  20.  Januar  1913,  ref.  in  No.  4,  1913,  der  Münch, 
med.  Wochenschr. 

9)  A.  N  e  u  m  a  n  n  -  Berlin:  Weitere  Erfahrungen  mit  der  Ver¬ 
wendung  der  Netzmanschette,  insbesondere  bei  der  Behandlung  des 
perforierten  Magen-  und  Duodenalgeschwürs. 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  10.  \ 
1913,  ref.  in  No.  11,  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr. 


716 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


10)  M  o  m  b  u  r  g  -  Bielefeld :  Die  intraperitoneale  Oelanwendung. 

Der  einigermassen  zweifelhaften  therapeutischen  Wirkung  der 
zur  Bekämpfung  der  Peritonitis  empfohlenen  Einbringung  von  Oel  in 
die  Peritonealhöhle  kann  man  Fälle  gegenüberstellen,  in  welchen 
durch  das  Oel  peritonitische  Erscheinungen  geradezu  ausgelöst  oder 
zum  mindesten  unterhalten  werden.  Dass  dieser  Umstand  für  bereits 
geschwächte  Individuen  verhängnisvoll  werden  kann,  beweist  ein 
ausführlich  initgeteilter  Fall.  Verf.  warnt  daher  vor  der  intraperi¬ 
tonealen  Oelanwendung,  bekennt  sich  andererseits  als  eifriger  An¬ 
hänger  der  Heissluftbehandlung,  die  bereits  drei  Stunden  nach  der 
Laparotomie  einzutreten  hat,  dreimal  täglich  je  Vi  Stunde  bei  80 — 90°. 

11)  J.  L  e  w  y  -  Freiburg  i.  B. :  Angeborene  Skoliosen. 

Bericht  über  ein  1%  jähriges  und  ein  16  jähriges  Mädchen,  bei 

denen  sich  im  Röntgenbild  als  Ursache  für  die  vorhandene  eigen¬ 
artige  Skoliose  die  Existenz  eines  Keilwirbels  mit  rechtseitiger  un- 
paarer  Rippe  herausstellte. 

12)  Walther  N  e  u  m  a  n  n  •  Heidelberg :  Zur  Behandlung  grosser 
mit  kompletter  Kieferspalte  einhergehender  Hasenscharten. 

Antwmrt  auf  die  Bemerkungen  von  Prof.  K  r  e  d  e  1  in  No.  5 
dieser  Wochenschrift. 

13)  A.  F  r  e  n  z  e  1  -  Berlin-Schmargendorf :  Interdentalschiene 
oder  extraoraler  Verband  bei  Behandlung  von  Kieferbriichen. 

Mit  verschwindenden  Ausnahmen  ist  für  die  Brüche  aller  der 
Kiefer,  welche  noch  über  Zähne  verfügen,  die  vom  Zahnarzte  anzu¬ 
fertigende  Interdentalschiene  zweckmässiger  als-  die  grossen  extra¬ 
oralen  .Schienenverbände,  obwohl  mit  diesen  in  der  Hand  einzelner 
Chirurgen  ausgezeichnete  Erfolge  erzielt  worden  sind. 

14)  A.  D  u  t  o  i  t  -  Montreux:  Die  Magnesiumbehandlung  des  Te¬ 
tanus  traumaticus. 

Uebersichtsreferat.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  7. 

Stäubli-St.  Moritz:  Ueber  Varizellen  bei  Erwachsenen. 

Schluss  folgt. 

W.  S  c  h  u  1 1  h  e  s  s  -  Zürich:  Ueber  orthopädische  Gymnastik. 

Verf.  gibt  in  seiner  akademischen  Antrittsrede  einen  Ueberblick 
über  die  Prinzipien  der  orthopädischen  Gymnastik;  er  erörtert  die 
Einwirkung  der  Muskelarbeit,  Bewegung  und  Belastung  auf  die 
einzelnen  Knochen,  dann  die  Gesetze,  denen  die  Stellungsverände¬ 
rungen  unterliegen  und  die  Regeln,  die  sich  für  die  Orthopädie  daraus 
ableiten. 

No.  6:  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  physikalischen  Medizin. 

Uebersichtsreferat.  L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  12.  K.  F  1  e  i  s  c  h  m  a  n  n  -  Wien :  Beitrag  zur  operativen 
Myombehandlung. 

F.  berechnet  auf  293  Operationen  (1907 — 1912)  eine  Mortalitäts¬ 
zahl  von  1,7  (Spitalpraxis  2)  Proz.,  für  die  abdominelle  Totalexstir¬ 
pation  5,2  Proz.,  für  die  .supravaginale  Amputation  0,73  (Spital¬ 
praxis  0,9)  Proz.,  für  die  abdominale  konservative  Myomoperation 
6,2  Proz.,  für  die  vaginalen  Operationen  0  Proz.  Die  günstigen  Resul¬ 
tate  beruhen  nicht  auf  einer  besonderen  Auswahl  der  zu  operierenden 
Fälle. 

Neben  einigen  statistischen  und  technischen  Angaben  werden 
die  Todesfälle  und  die  mit  Schwangerschaft  verbundenen  Fälle  näher 
erwähnt. 

Die  Röntgenbehandlung  bei  Myomen  beurteilt  Verf.  im  allge¬ 
meinen  günstig.  Bei  der  Auswahl  der  Fälle  ist  sorgfältig  auf 
Komplikationen  mit  Ovarialtumoren,  eitrigen  Prozessen  im  Becken, 
Stieldrehung,  Nekrose,  oder  bösartige  Veränderung  der  Myome  zu 
achten;  ferner  müssen  Schwangerschaft,  ebenso  schwerere  Druck¬ 
erscheinungen  seitens  der  Tumoren,  fehlen  und  muss  die  Möglichkeit 
bestehen,  dass  noch  eine  oder  mehrere  Blutungen  ertragen  werden. 

L.  Freund- Wien:  Die  Strahlenbehandlung  der  Psoriasis 
vulgaris. 

Da  die  jahrelang  wiederholte,  wenn  auch  schwächere  Ein¬ 
wirkung  der  Röntgenstrahlen  in  den  meisten  Fällen  doch  zu  einer 
mehr  oder  weniger  starken  Schädigung  der  Haut  führt,  ist  Verf.,  um 
eine  intensivere  Wirkung  auf  die  immer  zu  neuen  Rezidiven  führenden 
„parakeratotischen  Depots“  zu  erreichen,  dazu  übergegangen,  eine 
ausgiebige  Auskratzung  der  Schuppen  und  des  parakeratotischen 
Gewebes  mit  der  Kürette  vorzunehmen,  an  welche  sich  nach  Stillung 
der  leichten  Blutung  sofort  die  Bestrahlung  anschliesst.  Die  Resul¬ 
tate  dieser  kombinierten  Behandlung  übertreffen  diejenigen  aller 
anderen  Methoden,  indem  bei  den  bisherigen  7  Fällen  4  ohne  Rezidive 
blieben,  bei  den  übrigen  das  Rezidiv  frühestens  erst  nach  einem 
halben  Jahr  und  in  schwächerem  Grade  erfolgte.  Die  Nachbehand¬ 
lung  desselben  bestand  wiederum  in  Exkochleation  und  leichter  Be¬ 
strahlung. 

Aehnlichen  Erfolg  ergibt  die  Kombination  der  Auskratzung  mit 
Radiumbestrahlung  mit  kleinen  Dosen,  die  sich  besonders  für 
zerstreute  kleine  Effloreszenzen  eignet.  Im  allgemeinen  ist  es  vor¬ 
zuziehen,  solange  die  Neigung  zu  frischen  Eruptionen  der  Psoriasis 
besteht,  von  der  Bestrahlung  überhaupt  abzusehen;  die  besten  Erfolge 
zeigen  sich  bei  inveterierten,  trockenen,  harten,  an  gewissen  Prä¬ 
dilektionsstellen  hartnäckig  wiederkehrenden  Plaques.  Im  übrigen 


verspricht  das  kombinierte  Verfahren  auch  Nutzen  bei  Lichen  ruber 
planus,  Mycosis  fungoides  und  manchen  chronischen,  tiei  infiltrieren¬ 
den  rezidivierenden  Ekzemen. 

W.  Denk- Wien:  Erfahrungen  und  Eindrücke  aus  dem  Balkan- 
kriege. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am 
14.  II.  13. 

H.  H  i  n  t  e  r  s  t  o  i  s  s  e  r  -  Teschen:  Ein  Askaris  im  Ductus 
hepaticus  (Operationsbefund). 

Mitteilung  eines  Falles. 

O.  O  r  t  h  -  Innsbruck:  Partieller  Volvulus  des  Magens. 

Krankengeschichte  eines  Falles.  Ursprünglich  bestand  wahr¬ 
scheinlich  ein  Pylorusgeschwiir  (Gastroenterostomie).  Wiederholte 
Operation  wegen  Adhäsionsbeschwerden,  zuletzt  kam.es  wieder  zu 
mächtigen  Adhäsionen  und  zwei  Torsionen  im  Bereicne  der  Gastro¬ 
enterostomie.  Bei  der  neuen  Operation  wurde  u.  a.  eine  Jejuno- 
stomie  angelegt  zur  Sicherung  der  nach  Lösung  der  Adhäsionen 
vorgenommenen  Detorsionen  der  Gastroenterostomie;  zur  Beseitigung 
der  Perigastritis  wurde  nach  Art  der  v.  Eiseisberg  sehen  Pylorus- 
ausschaltung  vorgegangen. 

R.  Vogel-  Wien :  Oberkieferbrüchc,  ein  kasuistischer  Beitrag. 

V.  beschreibt  kurz  3  von  Dusch  1  publizierte  Fälle  von 
O  u  e  r  i  n  scher  Transversalfraktur  und  7  Fälle  von  totaler  Lösung 
der  beiden  Oberkiefer  aus  ihren  Verbindungen  aus  Literatur  mir 
Hinzufügung  eines  weiteren  aus  eigener  Beobachtung  (Tod  durch 
in  den  Sinus  cavernosus  aufsteigende  Eiterung).  Schliesslich  werden 
noch  2  weitere  Fälle  von  Oberkieferfrakturen  (darunter  2  eigener 
Beobachtung)  kurz  wiedergegeben. 

E.  H  o  f  m  o  k  1  -  Wien :  Zur  Eröffnung  des  Kaiserjubiläums- 
spitales  der  Stadt  Wien.  Beschreibung  der  Anstalt. 

F.  Hamburger:  Einige  Fragen  aus  der  Physiologie  und 
Pathologie  der  Verdauung  und  Resorption  im  Lichte  moderner  sero¬ 
logischer  Lehren. 

Fortsetzung  der  Diskussion  zu  W.  Buetiners  Artikel. 

K.  U 1 1  m  a  n  n  -  Wien. :  Ueber  Organotherapie  und  Parasitotropie 
des  Atoxyls  und  Saivarsans. 

Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  Igersheimers. 

M.  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien :  Krampf  der  Bronchial-  und  Spasmo- 
philie. 

Entgegnung  auf  die  Ausführungen  Lederers  betr.  dessen 
Artikel  in  No.  8.  Bergeat  -  München. 

Holländische  Literatur. 

Cornelia  de  Lange:  Ueber  Bauchperkussion  bei  Kindern  und 
über  Pseudcaszites.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

Verf.  beschreibt  die  sehr  wechselnden  Resultate  der  Bauchper¬ 
kussion  bei  Kindern.  Durch  eine  Fehldiagnose  kam  sie  dazu,  die 
Sache  systematisch  zu  untersuchen  und  fand,  dass  sehr  oft  unregel¬ 
mässige  Dämpfungsfiguren  durch  die  Bauchperkussion  auftraten,  die 
an  verschiedenen  Tagen  sehr  wechselten  und  auf  den  ersten  An¬ 
blick  für  Aszites  imponierten.  Dieser  Aszites  wird  dann  begreiflicher¬ 
weise  meistens  einer  tuberkulösen  Peritonitis  zugeschrieben.  Bei  der 
Operation  wurde  kein  Aszites  gefunden.  Diesen  Zustand,  der  ziem¬ 
lich  oft  gefunden  wird,  nennt  Verf.  Pseudoaszites;  er  ist  meistens  die 
Folge  einer  chronischen  Enteritis,  wobei  viele  flüssige  Fäkalien  in  den 
hinuntergerutschten  Intestina  angehäuft  sind.  Der  Wechsel  der  Sym¬ 
ptome,  die  Fieberlosigkeit  und  die  negative  Reaktion  von  Pirquet 
sind  die  wichtigsten  diagnostischen  Hilfsmittel. 

G.  C.  Ni  j  hoff:  Der  Einfluss  der  Ovarien  auf  den  weiblichen 
Organismus.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

In  einer  Serie  von  .Aufsätzen  gibt  Nijhoff  die  heutzutage  herr¬ 
schenden  Ansichten  über  den  Zusammenhang  zwischen  den  Eier¬ 
stöcken  und  verschiedenen  Teilen  des  weiblichen  Organismus,  auch 
bei  Tieren.  Es  wird  klar,  dass  man  z.  B.  die  Menstruation  nicht  ohne 
weiteres  mit  der  Brunst  der  Tiere  vergleichen  darf.  Die  Brunst  der 
Tiere  wird  eingeteilt  in  ein  Pro-oestrum,  ein  Oestrum  und  ein  Met- 
oestrum.  Die  Menstruation  soll  man  nun  eigentlich  nur  mit  dem  Met- 
oestrum  homologisieren.  weil  in  diesem  Stadium  die  Hyperämie  der 
Uterusschleimhaut  schon  wieder  aufhört  und  kein  Drang  zum  Koitus 
besteht.  So  werden  mehrere  Zusammenhänge  beleuchtet,  die  meistens 
aber  schon  in  der  Literatur  bekannt  waren. 

R.  N.  M.  Eykel:  Ein  Fall  von  fibröser  Sehnenscheidenentzün¬ 
dung  mit  Verengerung  der  Scheiden,  in  der  Gegend  des  Processus 
styloideus  radii.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

Ein  Fall  dieser  meistens  bei  Frauen  vorkommenden  Krankheit, 
die  zuerst  von  de  Quervain  beschrieben  und  operiert  worden  ist, 
hat  Verf.  Anlass  gegeben,  diese  Operation  auch  zu  machen.  Es  ge¬ 
lang  ihm.  einen  tadellosen  Erfolg  zu  erzielen. 

S.  Mendes  da  Costa:  Mitteilungen  über  die  Behandlung  von 
Syphilis  mit  Salvarsan.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

Verf.  gibt  die  Erfahrungen,  die  er  an  der  Amsterdamer  Universi¬ 
tätsklinik  gemacht  hat.  Diese  Erfahrungen  sind  teilweise  sehr  gut. 
doch  hat  er  auch  ziemlich  viele  Rezidive  zu  verzeichnen,  zumal 
Neurorezidive.  ln  diesen  Fällen  meint  er,  dass  man  nichts  tun  soll, 
wenn  die  Neurorezidive  schnell  nach  der  Injektion  von  Salvarsan  auf- 
treten;  kommen  sie  erst  später,  dann  soll  man  zuerst  Quecksilber  in 
kleinen  und  später  in  grösseren  Dosen  geben.  Wenn  dann  schliess¬ 
lich  die  Erscheinungen  sich  bessern,  kann  man  selbst  Quecksilber 


! 


1  April  1913.  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


md  Salvarsan  zusammen  geben.  Verf.  endigt  diesen  interessanten 
Vufsatz  mit  dem  Ratschlag,  dass  man  mit  der  Behandlung  nicht  ängst- 
ich  sein,  aber  bis  zum  Ende  beharren  soll.  Vorsicht  im  Anfang, 
cräftige  Fortsetzung,  fortwährende  Kontrolle  durch  Wasser- 
nanns  Reaktion  (auch  der  Zerebrospinalflüssigkeit,  wenn  eine 
'lervenstörung  da  ist),  und  nicht  aufhören,  bis  die  Reaktion  negativ 
»leibt,  das  ist  die  gute  Methode. 

S.  P.  Swart:  Ueber  das  Wesen  und  die  Behandlung  des  Dia- 
»etes  mellitus  im  Lichte  der  neueren  Untersuchungen.  (Geneesk. 
lladen  1911,  No.  5.) 

Verfasser  steht  mehr  auf  der  Seite  v.  Noordens,  der 
lie  Lehre  der  Ueberproduktion  von  Zucker  im  Körper  ver- 
lcht  und  glaubt,  dass  in  dieser  Materie  Minkows  ky,  der 
liese  Ansicht  nicht  teilt,  unrecht  hat.  Wir  sind  damit  zu 
ler  ältesten  Hypothese  zurückgegangen,  die  jetzt  aber  durch 
riftige  Gründe  gestützt  wird.  Wir  wissen,  dass  in  der  Leber 
,us  den  Kohlehydraten  Glykogen  gemacht  wird  und  dass  das  Glyko¬ 
len  nach  Bedarf  in  Glukose  umgewandelt  wird.  Jetzt  aber  wissen 
vir  ausserdem,  dass  die  Leber  an  sich  keine  Hemmung  oder  Reizung 
lieser  Funktion  geben  kann,  dass  also  die  Leber,  wenn  man  sie  sich 
elbst  überlässt,  immerhin  Glukose  fabriziert.  Die  Langerhans- 
.chen  Inseln  im  Pankreas  scheiden  nun  ein  hemmendes  Sekret  aus, 
\  ährend  die  Nebennieren  im  Adrenalin  einen  reizenden  Stoff  für  diese 
■'unktion  im  Körper  formen.  Auch  die  Glandula  thyreoidea  scheidet 
hoffe  aus,  die  wie  Adrenalin  hemmend  auf  diese  Pankreasfunktion 
‘inwirken,  ebenso  die  Hypophysis  cerebri.  Nennen  wir  nun  schliess- 
ich  die  bekannte  Einwirkung  des  Zentralnervensystems,  dann  ist  es 
nöglich,  alle  diese  Tatsachen  in  ein  einfaches  Schema  zusammen- 
'.ubringen,  wie  Verf.  das  getan  hat.  An  der  Hand  dieses  Schemas 
st  es  nun  möglich,  rationell  die  Therapie  zu  regeln.  Viele  Ruhe,  keine 
ibermässige  Nahrungszufuhr,  zumal  in  schweren  Fällen  keine  Eiweiss- 
,‘rnährung. 

F.  A.  Schaly:  Etwas  über  Ulcus  duodeni.  (Nederl.  Tijdschr. 
/.  Geneesk.  1911,  IV.) 

Diskussion  über  die  jetzt  viel  ventilierte  Frage  des  Vorkommens 
md  der  Behandlung  des  Ulcus  duodeni. 

V.  Nolet:  Ileus.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

Ein  Fall  von  Ileus,  bei  dem  bei  der  Operation  zwei  Vierteile  eines 
\pfels  als  Ursache  im  Dünndarm  gefunden  wurden. 

Th.  H.  v.  d.  Velde:  Die  spezifische  Diagnostik  der  Gonorrhöe 
jei  der  Frau.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  1.) 

Angaben  über  das  kulturelle  Verfahren  der  Diagnose  von  üono- 
(okken.  Verf.  zeigt  die  vielen  Fehler,  die  bei  der  bakterioskopischen 
Jiagnose  gemacht  werden.  Bei  seinen  Kulturen  gebraucht  er  immer 
rhalmannagar  oder  Aszitesagar.  Da  nun  aber  auch  diese  Methode 
licht  immer  eine  sichere  Diagnose  zulässt,  gebraucht  Verf.  auch  die 
Viethode  des  opsonischen  Index  und  meint,  dass  wenn  dieser  zweimal 
untereinander  sehr  niedrig  ist  (ohne  dass  ein  Einfluss  der  Menstrua- 
ion  zu  befürchten  ist),  die  Diagnose  Gonorrhöe  sehr  wahrscheinlich 
st.  Schliesslich  meint  Verf.,  dass  in  sehr  schwierigen  Fällen  eine 
liagnostische  Injektion  mit  einer  mittelgrossen  Dosis  toter  Gono- 
<okken  durch  die  auftretende  Herdreaktion  die  Diagnose  sicherstellen 
cann.  Man  soll  aber  natürlich  mit  diesen  Injektionen  äusserst  vor¬ 
sichtig  sein. 

D.  de  Vries  Reilingh  und  R.  R.  Rochat:  Paradoxe 
Ltmung.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  I.) 

Von  einem  der  Autoren  wurde  ein  Fall  von  scheinbarer  paradoxer 
\tmung  beschrieben,  d.  h.  ein  Fall,  wobei  während  der  Einatmung  der 
tauch  sich  vorwölbte,  die  untere  Thoraxhälfte  dagegen  sich  ver- 
mgerte.  Bei  genauerer  Beobachtung  zeigte  sich  aber,  dass  sich  dies 
n  Wirklichkeit  nicht  so  verhält,  sondern  nur  von  den  Interkostal- 
iiumen  vorgetäuscht  wurde.  Jetzt  aber  haben  die  Autoren  bei  einem 
Lmphysematiker  mit  chronischer  Bronchitis  einen  Fall  wirklicher 
Paradoxer  Atrrgmg  gefunden.  Der  untere  Brustumfang  war  am  gröss¬ 
ten  während  der  Ausatmung  und  am  kleinsten  während  der  Ein¬ 
atmung.  Der  Ausschlag  war  1,5  cm.  Auch  mittels  Röntgenogrammen 
sah  man,  dass  die  Lage  des  Zwerchfells  viel  zu  niedrig  war  (5,5  cm 
mter  „the  sterno-ensiform  plane“  von  Keith,  normaliter  2,5  cm). 

J.  B.  Katz:  Ueber  die  beste  Methode  zur  quantitativen  Zucker¬ 
aestimmung  ohne  Polarimeter.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  1.) 

Verf.  hält  die  Methode,  wie  sie  von  Prof.  S  c  h  o  o  r  1  angegeben 
;st,  für  die  schnellste  und  bequemste,  um  ohne  Polarimeter  in  der 
Praxis  eine  quantitative  Zuckerbestimmung  zu  machen. 

Die  Methode  wird  folgenderweise  ausgeführt:  In  einem  Erlen- 
:ney  er  sehen  Kolben  von  200  ccm  bringt  man  zusammen:  10  ccm 
hehling  I,  10  ccm  Fehling  II  und  1  ccm  Urin  in  einer  Verdünnung 
von  1  auf  10.  Das  Ganze  wird  bis  zu  50  ccm  mit  Aqua  dest.  angefüllt. 
Dieses  Gemisch  wird  genau  2  Minuten  gekocht,  gerechnet  von  der 
ersten  Gasblase,  die  in  der  Flüssigkeit  entsteht.  Dann  wird  der 
Kolben  schnell  unter  strömendem  Wasser  bis  auf  60—70°  C  abgekühlt. 
Danach  werden  10  ccm  einer  20  proz.  Kalium-jodatum-Lösung  zu- 
geführt  und  schliesslich  10  ccm  25  proz.  Schwefelsäure;  die  Flüssig¬ 
keit  wird  nun  trübe  und  braun.  Man  lässt  nun  aus  einer  Bürette 
1  io  Normalthiosulfatlösung  zufliessen,  bis  die  Flüssigkeit  beinahe  ent¬ 
färbt  ist,  fügt  dann  etwas  Stärkelösung  zu  (wodurch  das  Ganze 
dunkelblau  wird)  und  lässt  wiederum  Thiosulfat  zufliessen,  bis  die 
blaue  Farbe  verschwunden  ist  und  eine  Minute  fortbleibt.  Jeder 
Kubikzentimeter  entspricht  etwa  0,32  Proz.  Glukose  im  Urin,  wie 
eine  beigefügte  Tabelle  angibt. 


Die  Ergebnisse  dieser  Methode  sind  sehr  genau,  und  man 
braucht  kaum  eine  Viertelstunde,  um  eine  Bestimmung  zu  machen. 

Diese  Methode,  die  schon  1899  von  S  c  h  o  o  r  1  angegeben  worden 
ist,  ist  1909  von  Citron  von  neuem  entdeckt,  ohne  dass  in  dem 
bezüglichen  Aufsatz  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1909,  No.  27)  der 
Name  S  c  h  o  o  r  1  s  genannt  wird. 

A.  W.  K  r  ö  n  e  r :  Etwas  über  Radium  und  Mesothorium. 
(Nederl.  rijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  1.) 

Durch  den  Umstand,  dass  Verf.  ein  Radiumpräparat  von  5  mg 
als  in  medizinischer  Hinsicht  kaum  radioaktiv  wirksam  fand,  dagegen 
ein  Präparat  von  nur  2,8  mg  als  sehr  wirksam,  kam  er  zu  dem  Schluss, 
dass  die  Mischung  mit  Bariumbromid,  wie  das  bei  den  Handelsprä¬ 
paraten  öfters  geschieht,  ungünstig  auf  die  medizinische  Wirksamkeit 
einwirkt.  Das  erste  Präparat  war  mit  Bariumbromid  gemischt, 
welches  die  y3-Strahlen  absorbiert.  Wahrscheinlich  sind  nun  die  /i- 
Strahlen  die  medizinisch  wirksamsten. 

Er  bevorzugt  aber  das  Mesothorium,  d.  i.  ein  Gemisch  von 
20  ä  25  proz.  Radium  mit  95  ä  80  proz.  Thorium.  Dieses  Präparat 
gibt  dieselbe  Strahlung  wie  ungemischtes  Radium,  nimmt  in  den 
ersten  3  Jahren  an  Kraft  zu  und  dann  langsam  ab,  so  dass  es  nach 
10  Jahren  noch  kräftiger  ist  wie  im  Beginne.  Nach  20—21  Jahren 
hat  es  nur  noch  eine  Radioaktivität  von  20  Proz.  Für  einen  prakti¬ 
zierenden  Arzt  wird  das  aber  schon  genügen. 

C.  Winkler:  Dystrophia  genito-adiposa  und  Akromegalie. 
(Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  II.) 

Verf.  beschreibt  in  historischer  Folge  die  verschiedenen  Be¬ 
funde  bei  Hypophysistumor,  beginnend  bei  der  Akromegalie  von 
Pierre  Marie,  dann  die  Fröhlich  sehe  Dystrophia  genito-adiposa, 
den  allgemeinen  Riesenwuchs  (Gigantismus),  hypophysären  Diabetes 
insipidus  und  mellitus,  plötzlich  auftretende  Blindheit  und  schliesslich 
die  Fälle  von  hypophysärer  Schlafsucht. 

B  e  n  d  a  hat  zuerst  die  richtigen  anatomischen  Verhältnisse 
durch  pathologisch-anatomische  Forschungen  geklärt.  Er  fand  im 
Vorderteil  der  Drüsen  zwei  Zellarten:  wenige  kleine  chromophobe 
Zellen  und  viele  grössere  chromophile  Zellen.  Akromegalie  ist  nur 
ein  Hyperpituitarismus,  es  besteht  dabei  ein  Adenom,  eine  Struma 
der  Hypophysis. 

Erdheim  fand  nun  durch  seine  Untersuchungen  von  Hypo¬ 
physengeschwülsten  das  Entgegengesetzte.  Diese  Tumoren  ver¬ 
nichten  die  Drüsen,  es  folgt  ein  Hypopituitarismus  und  es  entsteht 
denn  auch  niemals  Akromegalie,  sondern  Dystrophia  genito-adiposa. 

Läsion  des  Hypophysenstiels  führt  zu  plötzlichem  Tod. 

Verf.  beschreibt  einige  Fälle  dieser  seltenen  Krankheiten  und 
ist  durch  den  jetzigen  Stand  der  Wissenschaft  imstande,  eine  klinische 
Diagnose  zu  stellen. 

O.  Lanz:  Operative  Heilung  einer  Hypophysisgeschwulst. 

(Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  II.) 

Einer  der  Patienten  Winklers  ist  von  Lanz  operiert  worden 
mit  glänzendem  Erfolg.  Er  operierte  durch  die  Nase  und  zeigt  durch 
eine  Photographie,  dass  bei  dieser  Operationsweise  keine  hässlichen 
Narben  zurückzubleiben  brauchen. 

E.  A.  Rodriques  Pereira:  Ein  Fall  von  Vergiftung  durch 
„Panterschwärze“.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1912,  II.) 

de  Leenu:  Anilinvergiftung.  (Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk. 
1912,  II.) 

In  beiden  Aufsätzen  werden  Fälle  beschrieben  von  Patienten, 
die  zufällig  (der  eine  Patient  war  Schuster,  der  andere  war  ein  Kind, 
das  frisch  schwarz  angestrichene  Schuhe  angehabt  hat)  mit  einem 
schwarzen  Farbstoff  in  Berührung  gekommen  waren,  der  benutzt 
wird,  um  Schuhe  schwarz  zu  färben.  Dieser  Farbstoff  enthält  Ani¬ 
linöl.  Die  Patienten  sehen  livide  und  zyanotisch  aus  und  sind  sehr 
schläfrig.  Sie  haben  einen  frequenten  Puls  und  meistens  abends  auch 
Fieber.  Auch  ohne  Behandlung  sind  in  einem  oder  zwei  Tagen  die 
Symptome  verschwunden.  Dr.  S.  J.  de  Lange. 

Ophthalmologie. 

Attias:  Ueber  Altersveränderungen  des  menschlichen  Auges. 

(v.  Graefes  Archiv  für  Ophthalmologie,  Bd.  81,  H.  3,  S.  405.) 

Nach  den  Untersuchungen  von  Attias  über  den  Arcus  senilis 
besteht  die  Anschauung  von  Fuchs,  dass  es  sich  dabei  um  hyaline 
Degeneration  handle,  nicht  zu  Recht,  es  ist  vielmehr  zweifellos,  dass 
Fett  die  Ursache  der  ringförmigen  Trübung  der  senilen  Kornea  sei. 
In  der  Gegend  des  Gerontoxon  liegen  die  Fetttröpfchen  in  der  Grösse 
von  1  bis  4  und  selbst  8  ß  so  dicht,  dass  sie  die  Hornhautstruktui 
vollkommen  verdecken.  Auch  die  Zone  zwischen  dem  Gerontoxon 
und  der  Sklera  enthält  Fetttröpfchen,  wenn  auch  nicht  so  reichlich 
wie  die  Stelle  des  Gerontoxon.  Auch  im  Epithel  über  dem  Gerontoxon 
fanden  sich  Fetttröpfchen  und  zwar  vor  allem  im  Protoplasma  der 
Basalzellen  sowie  zwischen  den  einzelnen  Epithelzellen.  Nur  in  den 
oberflächlichsten  Zellen  findet  sich  Fett  sehr  selten.  Aus  dem  Vor¬ 
handensein  von  Fett  zwischen  den  Epithelzellen,  wo  die  Endigungen 
der  senilen  Nerven  liegen,  erklärt  Attias  die  Herabsetzung  der 
Empfindlichkeit  im  Bereiche  des  Gerontoxon.  In  der  Bownian- 
schen  Membran  findet  sich  reichlich  Fett,  dagegen  fehlt  es  in  der 
D  e  s  c  e  m  e  t  sehen  Membran.  Die  perikornealen  Gefässe  fand  A. 
normal.  —  Als  Altersveränderungen  beschreibt  er  ferner  Degeneration 
der  markhaltigen  Nervenfasern  der  Hornhaut,  Fettablagerungen  im 
subkonjunktivalen  Gewebe,  besonders  in  der  Umgebung  der  Muskel- 


718  _  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  13. 


ansätze;  Verfettung  in  der  Sklera  und  zwar  vor  allem  in  den  tieferen 
Schichten,  hyaline  Degeneration  des  Pupillarrandes  in  der  Iris, 
Degeneration  des  vorderen  Endothels,  Sklerose  der  üefässe,  Ver¬ 
änderungen  des  Pigmentepithels;  im  Corpus  ciliare  neben  anderen 
Veränderungen  in  allen  Teilen  Fettablagerungen,  besonders  reichlich 
im  Stroma;  in  der  Linse  feinste  Fetttröpfchen  im  Linsenepithel  in 
der  Nähe  des  Aequators  und  schliesslich  auch  noch  degenerative  Ver¬ 
änderungen  in  den  äusseren  Augenmuskeln. 

R.  K  ii  m  m  e  1 1  -  Erlangen:  Leber  Drucksteigerungen  bei  Ver¬ 
ätzungen  und  Verbrennungen.  Bemerkungen  zur  Glaukomfrage. 
(Archiv  für  Augenheilkunde  1912,  Bd.  LXXIf,  No.  261.) 

ln  der  Universitäts-Augenklinik  zu  Erlangen  wurde  bei  Ver¬ 
ätzung  der  Hornhaut  mit  Kalk  oder  Verbrennung  mit  Spiritus  be¬ 
trächtliche  Drucksteigerung  beobachtet.  Letztere  pflegt  besonders 
dann  einzutreten,  wenn  die  Hornhaut  in  der  Gegend  des  Limbus  ver¬ 
letzt  ist.  Kennzeichnend  ist,  dass  die  Druckerhöhung  sich  bei  tiefer 
vorderer  Kammer  einstellt.  Die  klinischen  Beobachtungen  lassen 
darauf  schliessen,  dass  die  Hauptursache  der  Drucksteigerung  in  der 
Retention  im  Gebiet  des  Schlemm  sehen  Kanals  zu  suchen  ist. 
Die  Behinderung  der  Saftströmung  kann  hiebei  im  Kammerwinkel 
oder  auch  ausserhalb  des  Bulbus  eintreten.  Es  wäre  denkbar,  dass 
durch  tiefgreifende  Zerstörung  des  Gewebes  um  den  Limbus  herum 
auch  die  die  Augenflüssigkeit  abführenden  Gefässe  zum  Verschluss 
gebracht  würden,  entweder  durch  direkte  Zerstörung  oder  durch 
Endovaskulitis.  Vieles  spricht  indes  dafür,  dass  die  Behinderung  im 
Kammerwinkel  selbst  in  verschiedener  Weise  eintritt,  z.  B.  durch 
eiweissreicheres  Exsudat,  Verklebung  bzw.  Verwachsung  im  Kammer¬ 
winkel  durch  entzündlichen  Reiz.  Nur  im  Falle  der  wirklichen  Ver¬ 
wachsung  ist  die  Drucksteigerung  dauernd,  sonst  vorübergehend, 
und  —  je  nach  Schwere  und  Verlauf  des  Falles  —  von  mehr  oder 
minder  grosser  Bedeutung. 

Drucksteigerung  bei  Verletzungen  dieser  Art  sind  bisher  wenig 
in  der  Literatur  bekannt  geworden.  Die  leichteren  Grade  können 
sich  in  der  Tat  der  Beobachtung  entziehen.  Die  Kenntnis  davon  ist 
aber  allgemein  wichtig. 

Fernand  Cuny-Basel:  Weitere  Untersuchungen  über  den 
Zusammenhang  von  Sehschärfe  und  Schiessleistung  der  Infanterie. 

(Zeitschrift  für  Augenheilkunde,  Bd.  XXIX,  Heft  2,  S.  135.) 

Verf.  hat  als  Schularzt  in  einer  Infanterierekrutenschule  in  Basel 
sämtliche  Unteroffiziere  und  Rekruten  auf  ihr  Sehvermögen  geprüft 
und  zwar  bei  möglichst  gleicher  Tagesbeleuchtung  im  Freien  ver¬ 
mittelst  der  Hackentafel  an  den  Schiesstagen;  Sehpriifung  und 
Schiessen  fanden  also  unter  gleichen  äusseren  Bedingungen  statt. 
Nach  den  über  das  Ergebnis  der  Sehprüfung  und  den  Schiess¬ 
leistungen  aufgestellten  Tabellen  wird  die  Tatsache  bestätigt,  dass 
schon  geringe  Differenzen  in  der  Sehschärfe  das  Resultat  beim 
Schiessen  beeinflussen.  Dieser  Satz  gilt  auch  für  verschiedene  Seh¬ 
schärfegrade  über  1;  so  schiessen  Leute  mit  Sehschärfe  2  ganz  be¬ 
deutend  besser  als  solche  mit  Sehschärfe  1,5  oder  1. 

Ferner  bestätigen  die  Untersuchungen  C  u  n  y  s  die  schon  von 
anderen  Autoren  gefundene  Tatsache,  dass  die  Schiessleistungen  der 
Brillenträger  gegenüber  denen  der  Nichtbrillenträger  bessere  waren. 
Verf.  meint,  dass  für  Brillenträger  die  besseren  Resultate  wohl  ihren 
durchschnittlich  höheren  intellektuellen  Eigenschaften  verdanken. 

H  i  1  b  e  r  t  -  Sensburg:  Ueber  die  sogenannte  Farbenschwäche. 
Sitzungsbericht  des  Vereins  der  Augenärzte  von  Ost-  und  West- 
preussen.  (Zeitschrift  für  Augenheilkunde  1913,  Bd.  XXIX,  Heft  2, 
S.  197. 

Bei  Gelegenheit  der  82.  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Königsberg  im  Jahre  1910  und  auch  auf  der  37.  Ver¬ 
sammlung  der  ophthalmologischen  Gesellschaft  zu  Heidelberg  im 
Jahre  1911  wurde  über  das  Grenzgebiet  zwischen  normalem  Farben¬ 
sinn  und  Farbenschwäche  gesprochen  und  der  Meinung  Ausdruck 
gegeben,  dass  in  manchen  Fällen  ein  mangelhafter  Farbensinn  an¬ 
genommen  werden  müsse.  Vortr.  tritt  nun  dem  entgegen  und  stellt 
die  These  auf:  „Es  gibt  keinen  Fall  von  Farbenschwäche  und  jeder 
Untersucher,  der  Farbenschwäche  diagnostiziert,  ist  stets  das  Opfer 
eines  Irrtums  geworden.“ 

Entweder  unterscheidet  jemand  die  Farben,  oder  er  unter¬ 
scheidet  sie  eben  nicht.  Farben  mangelhaft  zu  unterscheiden  ist  un¬ 
möglich. 

Der  Hauptgrund  der  diagnostischen  Schwierigkeit  mancher  Fälle 
ist  die  mangelhafte  Intelligenz  des  Untersuchten,  der  sich  in  die  uns 
so  einfach  erscheinenden  Untersuchungsmethoden  nicht  hineinfinden 
kann  und  daher  versagt.  Weiter  tritt  dann  noch  die  mangelhafte 
Erziehung  hinzu.  Hat  nun  ein  ungeübter  Untersucher  einen  solchen 
Menschen  vor  sich,  dessen  Farbenbezeichnungen  wild  durcheinander¬ 
gehen,  der  keine  pseudo-isochromatische  Probe  besteht,  aber  mit  dem 
Farbensortieren  leidlich  zurechtkommt,  so  ist  die  Diagnose 
„Schwacher  Farbensinn“  fertig.  Der  Untersuchte  kann  aber  die 
Farben  ebensogut  wie  jeder  andere  Farbentüchtige  unterscheiden:  er 
ist  eben  farbentüchtig. 

Aus  diesem  Grunde  versagen  auch  öfter  die  bei  den  Eisenbahn¬ 
verwaltungen  bei  Untersuchung  des  Personals  üblichen  Nagel  sehen 
Tafeln:  Die  untersuchten  Leute  sind  vollkommen  farbentüchtig,  aber 
sie  sind  wegen  mangelnder  Erziehung  nicht  imstande,  die  durch  Bei¬ 
mischung  von  Grau  abgeschwächten  Farben  zu  erkennen,  wozu  sie 
nacn  einiger  Uebung  ebensogut  imstande  wären  wie  die  Untersucher, 


die  sie  für  farbenschwach  oder  gar  farbenblind  halten.  —  Desgleichen 
muss  auch  der  Umstand  berücksichtigt  werden,  dass  das  Erkennen 
von  Mischfarben,  bzw.  das  Herausfinden  der  Komponenten  einer 
Mischfarbe  durchaus  Sache  der  Uebung  ist. 

Weiterhin  ist  auf  den  Adaptionszustand  der  Augen  Rücksicht  zu 
nehmen,  da  das  Farbenunterscheidungsvermögen  denselben  Gesetzen 
unterliegt  wie  der  Lichtsinn.  Kommt  jemand  aus  dem  hellen  Sonnen¬ 
schein  in  das  Untersuchungszimmer,  so  wird  er  auch  bei  gutem  und 
geübtem  Farbensinn  eine  gewisse  Zeit  brauchen,  um  seine  Auger. 
an  die  veränderte  Beleuchtung  zu  adaptieren.  Er  wird  anfangs  nicht 
die  Na  ge  Ische  Probe  bestehen,  wohl  aber  nach  völliger  Adaption 
der  Netzhaut.  —  Fernerhin  beeinträchtigt  herabgesetzte  Beleuchtung 
ebenso  wie  den  Licht-  oder  Helligkeitssinn,  so  auch  den  Farbensinn, 
und  zwar  durchaus  in  demselben  Verhältnis,  so  dass  auch  beim 
Farbensinn  das  F  e  c  h  n  e  r  sehe  Gesetz  zu  Recht  besteht,  dass  die 
Empfindung  nicht  proportional  dem  Reiz,  sondern  proportional  dem 
Logarithmus  des  Reizes  ist. 

Auch  die  Peripherie  der  Netzhaut  ist  keineswegs  farbenblind 
oder  farbenschwach,  sondern  es  bedarf  nur  einer  grösseren  Farben¬ 
fläche,  um  den  Beweis  zu  führen,  dass  jede  Farbe  bis  an  die  Grenzen 
des  Gesichtsfeldes  empfunden  wird.  Nur  in  einer  Beziehung  geht  der 
Farbensinn  nicht  mit  dem  Lichtsinn  parallel,  sondern  schliesst  sich 
der  Sehschärfe  an:  er  ist  wie  diese  am  besten  in  der  Fovea  centralis, 
während  die  geringsten  Helligkeiten  11 — 13°  von  der-  Fovea  entfern» 
empfunden  werden. 

Es  gibt  mithin  keine  Herabsetzung  des  Farbensinns  ausserhalb 
der  physiologischen  Grenzen:  Es  kann  jemand  wohl  farbenblind  sein, 
doch  nie  farbenschwach. 

F  e  h  r  -  Berlin:  Zur  operativen  Behandlung  der  Netzhautablösung. 

(Sitzungsbericht  der  Berliner  ophthalmologischen  Gesellschaft.  Zeit¬ 
schrift  für  Augenheilkunde,  Bd.  XXIX,  Heft  2,  S.  192.) 

Derselbe  Gedanke,  der  in  neuester  Zeit  Birch -Hirse  hfeld 
zu  Injektionen  von  Flüssigkeiten  nach  Absaugung  des  subretinalen 
Exsudats  zu  solcher  mit  Luft  in  den  Glaskörper  führte,  bestimmte 
Vortr.  seit  mehr  als  4  Jahren  der  Punktion  der  Netzhaut¬ 
ablösung  mit  dem  Starmesser  sofort  einen  ener¬ 
gischen  Dauerverband  folgen  zu  lassen.  Er  glaubt, 
dass  durch  den  Dauerverband  ähnliches  erreicht  wird  wie  durch  die 
Injektionen  in  den  Glaskörper,  deren  Ungefährlichkeit,  auch  wenn  sie 
mit  arteigenem  Eiweiss,  isotonischer  Kochsalzlösung  oder  Luft  ge¬ 
schehen,  noch  keineswegs  erwiesen  ist.  Bei  der  einfachen  Punktion 
mit  dem  Starmesser  fliesst  nur  soviel  von  der  subretinalen  Flüssigkeit 
aus,  als  unter  dem  Druck  der  gespannten  Bulbuskapsel  steht;  der 
zurückbleibende  Rest  muss  um  so  grösser  sein,  je  ausgedehnter  die 
Ablösung  ist.  Der  Druckverband  plattet  das  punktierte  Auge  von 
vorn  nach  hinten  ab,  der  Inhalt  wird  verkleinert,  der  Glaskörper 
muss  die  Netzhaut  unter  Glättung  ihrer  Falten  gegen  die  Sklera 
drücken  und  der  Rest  der  subretinalen  Flüssigkeit  wird  ausgepresst. 
So  wenig  verständlich  die  Wirkung  des  Druckverbandes  bei  intaktem 
Bulbus  ist,  so  einleuchtend  ist  sein  günstiger  Einfluss,  wenn  das  Auge 
punktiert,  an  der  Stelle  der  Ablösung  offen  ist.  Da,  wo  in  den 
operierten  Fällen  die  Netzhaut  nicht  völlig  angelegt  war,  nahm  sie 
in  den  folgenden  Wochen  wieder  an  Ausdehnung  zu,  um  in  mehreren 
Fällen  den  alten  Zustand  wieder  zu  erreichen.  Hier  musste  der 
Eingriff  wiederholt  werden. 

Vortr.  gibt  zu,  dass  diese  kombinierte  Methode  von  Punktion 
und  Druckverband  die  für  die  Genese  der  Netzhautablösung  be¬ 
deutungsvollen  anatomischen  Verhältnisse  nur  zum  Teil  berück¬ 
sichtigt.  Eine  Lösung  der  Verwachsung  der  elastischen  Membranen 
mit  der  Netzhaut  wird  dadurch  nicht  erreicht  werden;  in  beschränktem 
Masse  auch  nur  eine  Dehnung  der  verkürzten  Netzhaut.  Er  hält  es 
daher  für  unwahrscheinlich,  dass  es  mit  ihr  gelingt,  Fälle  mit  vor¬ 
geschrittenen  Veränderungen  in  Netzhaut  und  Glaskörper  zur  Heilung 
zu  bringen;  dass  dieses  mit  Glaskörperinjektionen  möglich  ist,  ist 
aber  ebenfalls  fraglich.  Vortr.  ist  der  Meinung,  dass,  wenn  auch  heute 
kein  abschliessendes  Urteil  über  den  Wert  seiner  Methode  zu  fällen 
ist,  man  doch  nie  mit  ihr  schaden  könne. 

Johannes  Ohm- Bottrop  (Westfalen):  Das  Augenzittern  der 
Bergleute,  (v.  Graefes  Archiv  für  Ophthalmologie,  Bd.  83,  H.  1.) 

Der  Nystagmus  findet  sich  nur  bei  Arbeitern  in  Steinkohlen-  und 
Biaunkohlenzechen.  Im  Revier  des  Verfassers  erkranken  mindestens 
3,3  Proz.  der  Bergleute.  Die  Stärke  und  Art,  der  Zuckungen  ist  am 
besten  mit  der  Augenspiegeluntersuchung  im  umgekehrten  Bild  fest¬ 
zustellen.  Die  subjektive  Beobachtung  der  Scheinbewegung  ist  eine 
sehr  feine  Methode,  aber  nur  bei  intelligenten  Personen  anwendbar. 
Der  Nystagmus  der  Bergleute  ist  kein  Ruck-,  sondern  eher  ein  Pendel- 
Nystagmus,  oder  richtiger  ein  wellenförmiger,  denn  die  Geschwindig¬ 
keit  ändert  sich  nicht,  während  das  Pendel  seine  Bahn  mit  ver¬ 
schiedener  Geschwindigkeit  beschreibt. 

Das  Zittern  entsteht  in  den  obersten  Teilen  des  Blickfeldes  und 
dehnt  sich  nach  unten  aus.  Die  Schwingungsgrösse  wechselt  und 
die  Zahl  der  Zuckungen  schwankt  zwischen  60  und  200  in  der  Minute. 
Meistens  beträgt  sie  180 — 200.  Die  Zuckungen  können  zeitweise  ganz 
aufhören  und  kehren  beim  Blick  nach  oben  am  leichtesten  wieder. 
Seitenwendung  der  Augen  lässt  die  Zuckungen  nicht  selten  ganz  ver¬ 
schwinden,  Ermüdung,  mangelhafte  Beleuchtung,  körperliche  Er¬ 
schütterungen  begünstigen  das  Auftreten»  Unter  Umständen  kann 
das  Leiden  so  gering  entwickelt  sein,  dass  der  Nachweis  auf 


.  April  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


719 


chwierigkeiten  stösst  und  erst  nach  wiederholten  Untersuchungen 

„dingt. 

Einseitiges  Auftreten  wurde  nie  beobachtet,  doch  gibt  es  Fälle, 
si  denen  das  Zittern  zeitweise  nur  auf  einem  Auge  sich  ein- 
:ellt,  und  solche,  bei  denen  es  im  Verlaufe  der  Heilung  auf  einem 
uge  früher  verschwindet  als  auf  dem  anderen.  Bei  Einäugigen 
urde  nie  Nystagmus  beobachtet. 

Neben  dem  Nystagmus  sieht  man  zeitweise  Krampf  der  Mm. 
;cti  int.  und  der  Sphinkteren  der  Pupille,  wahrscheinlich  auch  der 
kkommodation.  Während  des  Krampfes  fehlt  das  typische  Zittern. 
i  schlimmeren  Fällen  nehmen  Stirn-,  Nasen-  und  Mundmuskeln  an 

„un  Krampfe  teil. 

Dass  der  Nystagmus  Unfälle  verursachen  kann,  ist  zweifellos; 
agegen  ist  es  fraglich,  ob  er  infolge  von  Unfällen  entsteht,  und  ob 
r  die  Heilung  von  Augapfelwunden  verzögert.  —  Alkohol  bewirkt, 
i  geringer  Menge  genossen,  Milderung,  in  grösserer  Menge  voll- 
tändiges  Verschwinden  der  Zuckungen.  Dagegen  scheint  er  die 
rbikulariskrämpfe  zu  steigern. 

Jeder  Nystagmus  ist  der  Heilung  fähig,  wenn  der  Befallene  die 
rube  verlässt.  Im  ersten  halben  Jahre  pflegt  die  Besserung  gering 
u  sein.  Kehren  die  Geheilten  in  die  Grube  zurück,  so  erfolgen  häufig 
ückf alle.  Am  meisten  von  den  Bergleuten  werden  die  Hauer  be¬ 
dien.  Bis  zur  Entwicklung  des  Nystagmus  betrug  der  kürzeste 
iubenaufenthalt  2%  Jahre;  wobei  zu  berücksichtigen  ist,  dass  die 
eute  erst  nach  mehrjähriger  Vorbeschäftigung  Hauer  werden. 

Hinsichtlich  des  Nystagmus  lehren  die  Beobachtungen  des  Ver- 
issers,  dass  von  einem  Zentrum  des  Gehirns  ein  Impuls  ausgeht, 
elcher  beide  Augen  trifft. 

Bei  der  Hebung  des  Blickes  wirken  zwei  Impulse,  ein  gröberer 
nd  ein  feinerer.  Der  gröbere  bewirkt  die  gleichmässige  Hebung, 
er  feinere  löst  gegensinnige  Bewegungen  aus,  welche  den  Zweck 
aben,  durch  Hebung  des  einen  und  Senkung  des  anderen  Auges  beide 
ugen  auf  gleicher  Höhe  zu  halten.  Diese  feinere  Inner¬ 
ation  ist  gestört.  Ebenso  handelt  es  sich  beim  horizontalen 
ystagmus  nicht  um  eine  Störung  der  assoziierten  Wendungen, 
andern  um  eine  Störung  der  gegensinnigen,  d.  h.  Konvergenz- 
nd  Divergenzbewegung.  Der  Sitz  der  Störung  ist  im  Kern¬ 
ebiet  des  Okulomotorius  und  Trochlearis  zu  suchen,  und  der 
ystagmus  als  Folge  einer  Ermüdung  dieses  Zentrums  anzusehen. 

Zur  Verhütung  des  Nystagmus  hat  man  schon  lange  auf  möglichst 
ute  Beleuchtung  der  Gruben  Gewicht  gelegt.  Verf.  empfiehlt  auch, 
ass  die  Körpergrösse  der  Bergleute  der  Höhe  der  Flötze  angepasst 
ird.  Grosse  Männer  begegnen  in  niederen  Gruben  besonderen 
chwierigkeiten.  Eine  Behandlung  ausser  der  Entfernung  aus  den 
iruben  gab  es  bisher  nicht.  Rhein. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Leipzig.  März  1913. 

aetge  Paul:  Zur  Eventratio  diaphragmatica  mit  elektrokardio- 
graphischen  Untersuchungen. 

reyer  Hans:  Sommersterblichkeit  der  Säuglinge  in  Leipzig  in  den 

Jahren  1904 — 1911. 

ich  bäum  Felix:  Beitrag  zur  Kasuistik  und  Therapie  der  Binde¬ 
hauttuberkulose. 

oevy  Arnold:  Die  Briegersche  Reaktion  und  ihr  Ausfall  bei 
Karzinomen  des  Verdauungskanals. 

önitz  Karl:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Diagnose  des  Ulcus  duodeni. 
iegfried  Constanze:  Ueber  den  Einfluss  einiger  gebräuchlicher 
Schlafmittel  auf  die  Blutzirkulation, 
rienkauf  Arno:  Ueber  Stiellappenfernplastik, 
oehme  Arthur:  Ein-  und  gleichzeitige  Vagus-  und  Akzessorius- 
lähmung  nach  Schädelfraktur. 

ridmann  Schaja:  Zur  Rolle  des  Traumas  bei  Krankheiten  des 
Digestionstraktus  und  des  Peritoneums, 
i  oller  Hermann:  Ueber  Gallensteinileus,  Aetiologie  und  Therapie. 
Üihnchen  Gotthold:  Die  Rolle  des  Traumas  bei  Stoffwechsel¬ 
krankheiten  und  den  Erkrankungen  des  Blutes. 

Universität  Würzburg.  Februar  und  März  1913. 

'ster  Armand:  Ueber  einen  Fall  von  Doppelmissbildung:  Dicepha- 
lus  tribrachius. 

chmitt  Walther:  Ueber  die  Histologie  der  Salpingitis  chronica. 
^  erle  Wilhelm:  Ueber  einen  Fall  von  akuter  aszendierender  Mye¬ 
litis  nach  Influenza. 

all  Friedrich  Karl:  Ein  Fall  von  puerperaler  Eklampsie, 
isssner  Hans:  Ein  Fall  von  traumatischer  Geistesstörung. 

1  ö  n  1  e  i  n  Hans:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  tuberkulösen  Pylorus¬ 
stenosen. 

ofmann  Willy:  Die  Kenntnisse  und  Anschauungen  der  Alten  über 
den  Bau  und  die  Funktion  der  Leber. 

1  u P e  Paul:  Ueber  einen  Fall  von  MediastlKialemphysem. 
choenborn  Günther:  Untersuchungen  über  die  Wirkung  intra¬ 
venöser  Salvarsaneinspritzungen  auf  die  Zusammensetzung  des 
Urins. 

veyama  Yoshiaki:  Ueber  Ganglioneurome. 


Auswärtige  Briefe. 

Brief  aus  Strassburg. 

i  (Eigener  Bericht.) 

Aerztekammer  für  Elsass-Lothringen.  —  Neue  Krankenhäuser.  — 
Krankenhauswesen  in  Metz.  —  Feuerbestattung.  —  Strassendurch- 
bruch  in  Mülhausen. 

Nach  P/g  jähriger  Pause  hat  Ende  Dezember  1912  eine  Sitzung 
der  Ae  rztekammer  für  Elsass-Lothringen  stattgefunden,  die  sich 
mit  einer  Reihe  wirtschaftlicher  Fragen  in  erster  Linie  beschäftigte. 
Hervorgehoben  sei  ein  Entwurf  zur  Einführung  einer  ärztlichen 
Gebührenordnung.  Das  Land  entbehrt  heute  noch  einer  solchen  und 
in  streitigen  Fällen  wird  auf  die  preussische  Taxe  zurückgegriffen. 
Nach  dem  von  der  Regierung  vorgelegten  Entwurf,  der  eine  Er¬ 
höhung  der  Gebühren  vorsieht  und  im  übrigen  modernen  Anfor¬ 
derungen  entspricht,  sollen  auch  in  Zukunft  die  ärztlichen  Vergütungen 
grundsätzlich  dem  Uebereinkommen  der  Beteiligten  überlassen  und 
die  Gebührenordnung  nur  in  Streitfällen  angewendet  werden.  Min¬ 
destsätze  sind  für  gewisse  Fälle  vorgesehen;  nämlich  bei  Unbe¬ 
mittelten  oder  Armenverbänden  als  Zahlungspflichtigen,  bei  Zahlungen 
aus  Landesfonds  und  bei  auf  Grund  der  RVO.  eingerichteten  Kranken¬ 
oder  Knappschaftskassen,  soweit  nicht  besonders  schwierige  ärzt¬ 
liche  Leistungen  oder  längerer  Zeitaufwand  höhere  Sätze  recht- 
fertigen.  Vom  Referenten  wurde  hierbei  die  Einführung  einer  staat¬ 
lichen  ärztlichen  Organisation  beantragt,  um  den  unlauteren  Wett¬ 
bewerb  einzelner  Aerzte  zu  verhindern.  Die  Regierung  nahm,  wie 
schon  früher,  hierzu  keine  bindende  Stellung  ein,  auch  in  der  Dis¬ 
kussion  wurde  vor  einem  solchen  Antrag  gewarnt.  Eine  Kommission 
soll  den  Entwurf  weiter  begutachten.  Ferner  wurde  auch  be¬ 
schlossen,  bei  beiden  Kammern  des  Landtages  gegen  die  geplante 
Doppelbesteuerung  der  Aerzte  im  neuen  Steuergesetzentwurf  vor¬ 
stellig  zu  werden.  Letzterer  sieht  vor,  dass  eine  bestimmte  Gruppe, 
zu  welcher  auch  die  Aerzte  gehören,  neben  der  allgemeinen  Ein¬ 
kommensteuer  von  einem  Teil  ihres  gewerblichen,  dem  sogen,  fun¬ 
dierten  Einkommen,  nochmals  Steuer  zahlen  soll.  Die  Kammer  geht 
dabei  von  der  Ansicht  aus,  dass  bei  den  meisten  Aerzten  das  letztere 
sich  sehr  schwer  oder  gar  nicht  feststellen  lassen  wird. 

In  Strassburg-Neudorf  wurde  vor  einiger  Zeit  das  neue 
St.  Odilien-Krankenhaus  eröffnet,  welches  die  Kongregation 
der  im  Eisass  durch  ihre  Krankenpflege  weit  verbreiteten  und 
geschätzten  Niederbronner  Schwestern  errichtet  hat.  Sie  verfolgte 
damit  den  Zweck,  einmal  dem  Bedürfnis  nach  einer  weiteren  Kranken¬ 
anstalt  in  Strassburg  abzuhelfen,  dann  aber  auch  den,  ihre 
Schwestern,  die  als  Krankenpflegerinnen  verwendet  werden  und 
staatlich  als  solche  anerkannt  werden  sollen,  in  einer  eigenen  Anstalt 
ausbilden  zu  können,  nachdem  die  übrigen  religiösen  Genossen¬ 
schaften  in  Strassburg  sämtliche  eigene  Krankenpflegeschulen  haben. 
Auch  im  hiesigen  Biirgerspital  ist  mit  Unterstützung  des  Ministeriums 
eine  mit  Internat  verbundene  Pflegerinnenschule  errichtet,  in 
welcher  Privatpersonen  unterrichtet  werden.  In  der  Universitäts- 
Kinderklinik  werden  endlich  junge  Mädchen  in  der  Säuglingspflege 
vollständig  ausgebildet. 

Beim  Bau  des  neuen  Krankenhauses  wurde  besonderer  Wert 
darauf  gelegt,  die  Lage  des  Gebäudes  so  ruhig  wie  nur  möglich  zu 
schaffen;  man  hat  deshalb  fast  sämtliche  Krankenzimmer  nach  dem 
Garten  zu  gelegt.  Das  Hauptgebäude  besteht  aus  3  Flügeln;  in  den 
beiden  ersten  liegen  die  Krankenzimmer  nach  Süden  und  Westen,  im 
dritten  nach  der  Strasse  zu  gelegenen  Flügel  sind  ausser  wenigen 
Krankenzimmern  Wohnungen  von  Pensionären,  die  Apotheke,  Rönt¬ 
genzimmer,  Operationssaal  für  septische  Operationen,  Hörsaal  u.  a.  m., 
während  der  Operationssaal  für  aseptische  Operationen  im  Erd¬ 
geschoss  des  einen  Seitenflügels  untergebracht  ist.  Auch  eine  aus 
5  Zimmern  bestehende  Isolieranlage  für  ansteckende  Kranke  im 
oberen  Stockwerk  des  Wirtschaftsgebäudes  ist  vorhanden.  Letzteres 
ist  weder  von  den  Krankenzimmern  noch  von  dem  das  Ganze  um¬ 
gebenden  Garten  aus  sichtbar.  Je  nach  Lage  und  Grösse  der  Zimmer 
kann  den  verschiedensten  Anforderungen  entsprochen  werden;  auch 
für  die  weniger  bemittelten  Klassen  sind  solche  mit  je  6  Betten  ein¬ 
gerichtet,  in  welchen  der  tägliche  Pensionspreis,  ärztliche  Behandlung 
inbegriffen  3.50  M.  beträgt. 

Das  israelitische  Krankenhaus  hat  gleichfalls  mit 
einem  Kostenaufwand  von  250  000  M.  einen  Umbau  erfahren.  1884 
erbaut,  genügte  es  nicht  mehr  den  heutigen  Forderungen  eines 
Krankenhauses.  Man  hat  das  Hauptgebäude  durch  Aufbau  eines 
Stockwerks  im  Mittelflügel  vergrössert  und  ausserdem  im  Südflügel 
aseptische,  im  Nordflügel  davon  getrennte  Operationsräume  für 
septisch  Kranke  eingerichtet  und  ein  Röntgenzimmer,  Entbindungs¬ 
räume,  eine  Säuglingsstation  geschaffen,  so  dass  das  kleine  aber 
praktische  Krankenhaus,  das  allen  Bekenntnissen  offensteht  und  in 
dem  jüdische  Krankenpflegerinnen  aus  Frankfurt  a.  M.  wirken,  von 
keinem  grösseren  gleicher  Art  übertroffen  'Wird. 

Dagegen  ist  es  mit  dem  Krankenhauswesen  in  Metz 
nach  wie  vor  nicht  gerade  zum  besten  bestellt.  Ende  vorigen  Jahres 
wurde  das  Krankenhaus  „Mathildenstift“  durch  Feuer  zerstört  und 
teilweise  unbrauchbar.  1875  für  250  Betten  erbaut  und  von  Dia¬ 
konissinnen  verwaltet,  hatte  es  1912  durch  Neuerrichtung  eines 
Seitenflügels  eine  Erweiterung  vorgenommen,  der  nur  einen  Teil  der 
Kranken  aus  dem  beschädigten  Mittelbau  aufnehmen  konnte,  während 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


die  übrigen  in  den  verschiedenen  Krankenhäusern  der  Stadt  unter¬ 
gebracht  wurden. 

An  Privatanstalten  bestehen  ferner  die  Maternite  mit  einer  Ent¬ 
bindungsanstalt  und  einer  Krankenabteilung,  von  den  Schwestern  der 
Charite  maternelle  verwaltet.  ln  der  ersteren  werden  teils 
Schwestern,  teils  Laien  zu  Hebammen  vom  Bezirk  ausgebildet,  in  der 
letzteren  hauptsächlich  Frauen  und  Kinder  verpflegt.  Als  dritte  An¬ 
stalt  ist  das  Blandinenstift  mit  230  Betten  zu  erwähnen.  Es  gehört 
den  Franziskanerinnen  und  ist  1873  aus  einer  ehemaligen  französi¬ 
schen  Gendarmeriekaserne  zu  einem  Spital  eingerichtet  und  später 
durch  einen  Neubau  erweitert  worden.  Es  ist  im  allgemeinen  den 
heutigen  Anforderungen  angepasst.  Ferner  ist  zu  erwähnen  das 
Marienhospital,  unter  deutscher  Verwaltung  aus  Privatgebäuden  ent¬ 
standen.  Es  besteht  aus  einer  Abteilung  für  Kranke  mit  45  und  einer 
Augenklinik  mit  22  Betten,  wird  von  Schwestern  „Zur  guten  Hoffnung1' 
aus  Lüttich  geleitet  und  beabsichtigt  die  Errichtung  eines  Neubaues. 
Endlich  gibt  es  noch  ein  israelitisches  Krankenhaus  mit  12  Betten. 

Von  städtischen  Krankenhäusern  sind  zu  erwähnen  das  1691  ge¬ 
gründete  Hospital  Notre  Dame  de  Bonsecours  mit  227  Betten,  dessen 
Umbau  bereits  seit  4  Jahren  wegen  seiner  Unzulänglichkeit  und 
Mangelhaftigkeit  behördlicherseits  verlangt  ist,  ohne  dass  bis  jetzt 
von  der  Stadt  etwas  Greifbares  geschehen  wäre.  Für  das  eigentliche 
städtische  Krankenhaus  —  Dispensaire  —  mit  88  Betten  soll  nach 
einem  Gemeinderatsbeschluss  von  1909  ein  Neubau  errichtet  werden. 
1911  wurde  Vorprojekt  und  Bauprogramm  vorgelegt,  u.  a.  sollte  auch 
eine  Abteilung  für  Haut-  und  Geschlechtskranke  eingerichtet  werden, 
in  welcher  auch  ortsfremde  Kranke  Aufnahme  finden  sollen.  Die 
Stadt  beansprucht  deshalb  vom  Bezirk  und  Land  eine  Beihilfe  und 
macht  hievon  die  Ausführung  des  Baues  abhängig,  so  dass  hierdurch 
wieder  eine  neue  Verzögerung  in  der  Ausführung  des  Baues  ver¬ 
ursacht  worden  ist.  Auch  mit  den  sonstigen  humanitären  Be¬ 
strebungen  —  Säuglingsfürsorge  u.  a.  m.  —  ist  die  Stadt  Metz  nicht 
sehr  glücklich.  Bei  allen  diesen  wird  die  konfessionelle  Frage  mehr 
oder  weniger  in  den  Vordergrund  gestellt,  während  die  Stadt  als 
solche  billigerweise  doch  nur  Unternehmen  unterstützen  kann,  die 
interkonfessionell  sind  und  wirken. 

Seit  einiger  Zeit  macht  sich  im  Anschluss  an  die  Feuer¬ 
bestattung  in  Bayern  und  die  Art  wie  man  in  Nürnberg  zum 
erwünschten  Ziel  gelangt  ist,  auch  in  Strassburg  eine  Bewegung  zu 
ihrer  Einführung  unter  Vorantritt  des  hiesigen  Feuerbestattungs¬ 
vereins  unter  Leitung  des  praktischen  Arztes  Dr.  W.  Back  geltend. 
Der  Bischof  von  Strassburg  sowie  der  von  Metz  haben  zwar  Hirten¬ 
briefe  dagegen  erlassen,  in  denen  sie  ihre  Diözesanen  vor  der  Feuer¬ 
bestattung  warnen  und  mit  kirchlichen  Strafen  bedrohen,  aber  nichts¬ 
destoweniger  hat  eine  Liste  zur  Unterzeichnung  eines  Gesuchs  an 
den  Gemeinderat  behufs  Errichtung  eines  städtischen  Krematoriums 
in  kurzer  Zeit  über  9000  Unterschriften  erhalten.  Die  Aerztekammer 
hatte  sich  schon  vor  Jahresfrist  mit  einem  solchen  für  die  wahlweise 
Feuerbestattung  in  Elsass-Lothringen  an  die  Regierung  gewandt  und 
der  Aerzteverein  der  Stadt  Strassburg  letzthin  gleichfalls  ein  Gesuch 
an  den  Gemeinderat  gerichtet,  auch  der  Kreisgesundheitsrat  hat  sich 
in  seiner  letzten  Sitzung  einstimmig  für  seine  Errichtung  ausge¬ 
sprochen.  Möge  nun  der  Gemeinderat  der  Stadt  Strassburg  unbeirrt 
durch  anderweitige  Einflüsse  weitblickend  und  energisch  wie  Nürn¬ 
berg  an  den  Bau  eines  Krematoriums  herantreten  und  dadurch  zeigen, 
dass  er  den  zahlreichen  Anhängern  dieser  Bestattungsweise  in  Stadt 
und  Land  entgegenkommt  in  einer  Weise,  wie  es  die  Bürger  eines 
geordneten  Staates  heutzutage  erwarten  können. 

Aehnlich  wie  Strassburg  hat  vor  einiger  ZGt  auch  Mülhausen 
sich  zu  einem  grossen  Strass endurchbruch  entschlossen 
und  zu  diesem  Zweck  ebenfalls  mit  der  süddeutschen  Diskonto¬ 
gesellschaft  einen  Vertrag  zur  Verwertung  des  Geländes  vereinbart. 
Auch  er  verfolgt  die  Absicht,  durch  Gewährung  verschiedener  Er¬ 
leichterungen  das  rasche  Bauen  zu  befördern,  weicht  aber  doch  im 
einzelnen  vom  Strassburger  Vertrag  ab.  Vor  allen  Dingen  verpflichtet 
er  nicht  die  Gesellschaft,  bis  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt  die  Be¬ 
bauung  der  Durchbruchstrasse  zu  vollenden,  dagegen  hat  die  Stadt 
das  Wiederkaufsrecht  neben  freiem  Verkauf  und  Erbbaurecht  sich 
ausbedungen.  Es  entspricht  dies  dem  Ulmer  Vorbild.  Bedenklich  ist 
dabei,  das  dieses  Wiederkaufsrecht  nur  auf  die  erste  Veräusserung 
des  Grundstücks  beschränkt  und  die  Stadt  verpflichtet  ist,  falls  sie 
beim  ersten  Besitzwechsel  vom  Wiederkaufsrecht  keinen  Gebrauch 
macht,  dies  im  Grundbuch  löschen  zu  lassen  und  dadurch  von  vorne- 
herein  darauf  verzichtet,  den  erreichten  Einfluss  auf  die  Gestaltung 
des  Bodenmarkts  festzuhalten.  Bei  den  Bestimmungen  über  das 
Erbbaurecht  ist  hervorzuheben,  dass  der  Erbbauberechtigte  innerhalb 
10  Jahren  nach  der  Bestellung  des  Rechts  von  der  Stadt  verlangen 
kann,  dass  sie  in  seine  Aufhebung  willigt  und  ihm  das  Grundstück 
zu  dem  ursprünglich  angesetzten  Wert  verkauft.  Der  Käufer  kann 
sich  dabei  das  Wiederkaufsrecht  von  der  Stadt  auferlegen  lassen, 
ist  aber  hierzu  nicht  gezwungen,  und  diese  letztere  Bestimmung 
scheint  sehr  bedenklich.  Denn  von  einer  etwaigen  Wertsteigerung 
des  Bodens  zieht  nicht  die  Allgemeinheit,  sondern  ein  Privatmann 
Vorteil,  der  bei  einer  etwaigen  Wertminderung  sich  hüten  wird,  das 
Erbbaurecht  in  Kauf  umzuwandeln.  Der  Vertrag  wird  demnach  keine 
ungeteilte  Freude  bei  den  Bodenreformern  hervorgerufen  haben. 

Wg. 


No.  13. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Henop. 

Schriftführer:  Herr  F  eigner. 

Herr  P  1  a  u  t  -  Hamburg :  Demonstrationen  über  Dermato¬ 
mykosen. 

Plaut  demonstriert  3  Kinder  mit  Mikrosporie  und  zeigt  an 
Kulturen,  dass  es  sich  um  die  gewöhnlich  in  Hamburg-Altona  vor¬ 
kommende  Varietät:  Microsporon  lanosum  handelt.  Ferner  zeigt  er 
noch  einige  Trichophytiekulturen,  die  aus  kürzlich  in  Hamburg  be¬ 
obachteten  Fällen  stammen:  Trichophyton  cerebriforme  (in  Hamburg 
häufig),  Trichophyton  acuminatum  und  violaceum  (sehr  selten  in  Ham-, 
bürg),  Trichophyton  granulosuin,  lacticolor  und  faviforme. 

Zum  Schluss  bringt  er  ein  kurzes  Referat  über  Sporotrichose 
unter  Demonstration  einiger  Stämme. 

Diskussion:  Herr  Bontemps  fragt  an,  ob  Herr  Plaut 
die  von  französischer  Seite  empfohlene  Agglutination  und  Komple 
mentbindungsmethode  zur  Diagnose  der  Sporotrichosen  schon  an 
gewandt  hat,  und  wie  die  Resultate  mit  dieser  Methode  sind. 

Herr  Bontemps  demonstriert  den  Donath-Land¬ 
steiner  sehen  Versuch,  den  er  mit  dem  Serum  eines  an  paroxys 
maler  Hämoglobinurie  erkrankten  Patienten  vorgenommen  hat,  uni 
bespricht  die  zurzeit  hierüber  bestehende  Theorie.  Nach  dieser  fin¬ 
den  sich  im  Serum  paroxysmaler  Hämoglobinuriker  hämatoxische 
Substanzen,  welche  aus  2  Faktoren  bestehen.  Der  eine  Faktor  .wirk 
in  der  Kälte  bindend  auf  die  roten  Blutkörperchen,  nach  Bindung  tritj 
dann  der  andere  Faktor  bei  37"  in  Tätigkeit  und  bewirkt  die  Hiimo-I 
lyse. 

Herr  Bontemps:  Zur  Serodiagnostik  der  Echinokokken 
erkrankungen. 

Als  Bordet  und  Gengou  im  Jahre  1901  durch  ihre  klassi 
sehen  Versuche  die  Einheitlichkeit  des  Komplements  bewiesen,  inderr 
sie  in  inaktiviertem  homologen  Typhus-  resp.  Choleraimmunserun 
spezifische  Ambozeptoren  gegenüber  Typhus-  resp.  Cholerabazille, 
nachwiesen  und  hierbei  das  anwesende  Komplement  fixiert  wurde 
fand  diese  Tatsache  zunächst  in  der  medizinischen  Welt  wenig  Be¬ 
achtung.  Die  Feststellung,  dass  man  mit  Hilfe  der  Komplementbin 
dungsmethode  auch  in  solchen  Seren,  die  nicht  bakteriolytisch  wir 
ken,  echte  spezifische  Ambozeptoren  nachweisen  kann,  erhob,  wid 
die  beiden  Forscher  sofort  erkannten,  diese  Methode  zu  einer  sero 
diagnostischen,  und  zwar  in  dem  Sinne,  dass  man  mit  ihr  sowoh 
Antikörper  als  auch  Antigen  nachweisen  kann.  Das  Anwendungsl 
gebiet  dieser  serodiagnostischen  Methode  übertrifft  das  aller  andern 
da  sämtliche  Bakterienarten  resp.  Immunsera  eine  positive  Reaktion, 
geben,  d.  h.  durch  Verankerung  des  Komplements  und  Antigens  an 
den  Ambozeptor  das  freie  Komplement  aufbrauchen,  so  dass  keine, 
mehr  übrig  bleibt  für  das  später  hinzugesetzte  hämolytische  System 
Das  Eintreten  der  Hämolyse  dient  also  dafür  als  Indikator,  dass  dn 
Bakterienart  und  das  Serum  nicht  zueinander  passen.  In  weiteren 
experimentellen  Arbeiten  wies  Gengou  dann  nach,  dass  nicht  nu 
alle  zellulären  Antigene  spezifische  Ambozeptoren  bilden,  sondern  das 
jede  gelöste  Eiweissart  neben  den  Präzipitinen  auch  Ambozeptoren 
entstehen  lässt,  die  durch  Komplementbindung  und  nur  auf  diesen 
Wege  nachweisbar  sind.  Die  erste  praktische  Anwendung  fand  di' 
Komplementbindungsmethode  durch  Widal  und  Lesourd,  welch' 
zeigten,  dass  die  Bordet-Gengoii  sehe  Reaktion  im  Blutserum 
Typhöser  eher  und  häufiger  nachweisbar  w'ar,  als  die  Agglutination 
Trotz  dieser  klinischen  Empfehlung  und  der  weiteren  Aussichten,  di' 
die  Arbeiten  B  o  r  d  e  t  s  und  G  e  n  g  o  u  s  boten,  blieb  die  Method' 
dennoch  mehrere  Jahre  eigentlich  völlig  unbeachtet  und  geriet  ias 
in  Vergessenheit.  Erst  durch  Neisser  und  Sachs,  die  durcl 
M  o  r  e  s  c  h  i  sehe  Arbeiten  ähnlicher  Art  veranlasst  waren,  wurtl, 
die  Komplementbindungsmethode  wieder  der  Vergessenheit  entrisse: 
und  zwar  arbeiteten  diese  Autoren  eine  Methodik  aus,  welche,  gan 
auf  dem  Bordet-Gengou  sehen  Grundprinzip  aufgebaut,  daz 
diente,  den  Nachweis  von  Eiweissambozeptoren  beliebiger  Art  al 
Kontrollmethode  zur  biologischen  Differenzierung  von  Eiweissc 
neben  der  Präzipitation  zu  ermöglichen:  und  zwar  gelang  es  de 
Autoren,  durch  diese  Methode  Eiweiss  selbst  noch  in  solchen  Spure 
nachzuweisen,  wo  bereits  die  höchstwertigen  Präzipitinsera  ver 
sagten.  | 

Die  vielversprechenden  Resultate  von  Neisser  und  Sacli 
führten  v.  Wassermann  über  mancherlei  Studien,  die  sich  mi 
dem  Versuch  des  Nachweises  gelösten  Bakterieneiweisses  im  Serui 
Erkrankter,  ferner  mit  dem  Nachweis  von  spezifischen  Ambozeptore 
im  Serum  Tuberkulöser  befassten,  und  die  im  allgemeinen  mehr  theo 
retisches  als  praktisches  Interesse  beanspruchen,  endlich  dazu,  di 
Erfahrungen,  die  er  beim  Studium  dieser  Infektionskrankheiten  ge 
wonnen  hatte,  auch  auf  das  Gebiet  der  Lues  auszudehnen. __  D> 
Untersuchungen  führten  bekanntlich  zu  der  Serodiagnose  der  Sypni 
lis  nach  v.  Wassermann.  Eine  wie  grosse  klinische  Bedeutun 
dieselbe  trotz  ihrer  nicht  absoluten  Spezifität,  deren  Gründe  ai. 
anderen  Gebieten  liegen,  erlangt  hat,  ist  allerseits  bekannt  und  an 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


721 


kannt.  Im  engsten  Anschluss  an  die  Serodiagnostik  der  Syphilis 
t  jetzt  seit  einigen  Jahren  auch  die  Benutzung  der  Reaktion  zur  Dia- 
lostik  von  Wurmerkrankungen,  speziell  von  Echinokokkenerkran- 
uigen  mit  Erfolg  herangezogen.  Es  zeigte  sich,  dass  sich  im  Serum 
:n  Luesreaginen  analoge  Substanzen  nachweisen  lassen,  die  mit 
'urmextrakten  resp.  Hydatidenflüssigkeit  als  Antigen  Komplement 
i  binden  vermögen.  Nach  Untersuchungen  von  Ghedini,  Wein- 
erg  und  Parvu  etc.  ist  die  Reaktion  bei  Echinokokkosen  in  den 
eisten  Fällen  positiv.  Wird  bei  der  Operation  die  Zyste  angeschnit- 
n,  so  wird  die  Reaktion  gewöhnlich  stärker,  resp.  tritt  überhaupt 
st  auf.  Dagegen  verschwinden  die  Antikörper,  wenn  die  Zyste  un- 
rsehrt  entfernt  wird.  Nach  Parvu  und  Laubry  reagiert  die 
imbalfliissigkeit  nur  dann  positiv,  wenn  im  Gehirn  Echinokokken- 
asen  sind.  Ghedini  erhob  analoge  Befunde  bei  Askariden  und 
lkylostomen. 

Ich  selbst  habe  mehrmals  Versuche  bei  echinokokkenverdächtigen 
illen,  welche  ich  der  Abteilung  des  Herrn  v.  Bergmann  ver- 
nke,  angestellt. 

Was  die  Ausführung  der  Reaktion  anbetrifft,  so  ist  folgendes  zu 
gen:  Als  Antigen  verwende  ich  Hydatidenflüssigkeit  vom  Schaf; 
eselbe  konserviere  ich  durch  Zusatz  von  10  Proz.  5  proz.  Phenols; 
f  diese  Weise  habe  ich  dieselbe  immer  mehrere  Monate  lang  un- 
•rändert  gehalten.  Es  werden  dann  abfallende  Mengen  Serum, 
elches  vorher  eine  halbe  Stunde  bei  56°  inaktiviert  ist,  mit  gleichen 
engen  des  Antigens  versetzt,  resp.  auch  umgekehrt,  und  nach  Hinzu- 
ien  von  Meerschweinchenkomplement  etwa  Fünfviertelstunden  der 
utschranktemperatur  ausgesetzt.  Darauf  wird  das  hämolytische 
stem  hinzugefügt.  Von  Wichtigkeit  sind  die  Kontrollversuche,  und 
ar  gegenüber  Luesserum  und  -antigen.  Einwandfreie  Resultate  er- 
lt  man  nur,  wenn  die  Kontrollmethoden  eine  negative  Wasser- 
a  n  n  sehe  Reaktion  ergeben. 

Neben  der  Komplementbindungsmethode  habe  ich  auch  die  Prä- 
jitationsmethode  herangezogen  und  habe  mich  überzeugen  können, 
ss  auch  diese  brauchbar  ist. 

Unter  Demonstration  der  Komplementbindungsreaktion  und  der 
zu  notwendigen  Kontrollversuche  bespricht  der  Vortragende  so¬ 
nn  mehrere  Fälle  von  Echinokokkenerkrankungen,  bei  denen  durch 
:  Serodiagnostik  die  Diagnose  klargestellt  wurde,  sowie  auch  einen 
11,  in  dem  eine  frühere  Staphylokokkeninfektion  ein  positives  Fehl¬ 
sultat  ergeben  hat.  —  Genaueres  darüber  erscheint  demnächst  in 
ier  ausführlichen  Arbeit. 

Diskussion:  Herr  Plaut  fragt  an,  ob  das  Blut  des  zweiten 
tienten  auf  Eosinophilie  untersucht  sei.  Nach  Sabrazes  sei  bei 
hinokokkenkranken  die  Zahl  der  Eosinophilen  eine  besonders 

he. 

Herr  v.  Bergmann  fragt  unter  Bezugnahme  auf  Literatur- 
. gaben  aus  der  Rostocker  Klinik  an,  ob  bei  Echinokokkenerkran- 
ingen  die  Serodiagnostik  immer  ein  positives  Resultat  ergebe. 

Herr  Bontemps:  Dass  Fälle  von  Echinokokkenerkrankungen 
rkommen,  in  denen  die  Reaktion  negativ  ist,  ist  bekannt.  Be¬ 
isend  ist  also  —  ähnlich  wie  bei  der  Lues  —  nicht  das  negative, 
:idern  das  positive  Resultat,  und  dieses  nur  bei  negativem  Wasser- 
.nn.  Die  Eosinophilie  ist  nicht  regelmässig  anzutreffen,  sondern 
ir  bisweilen. 

Herr  v.  Bergmann  demonstriert  als  Einleitung  zum  ange- 
Indigten  Vortrage  über  funktionelle  Herzdiagnostik  einige  Energo- 
i  terkurven  nach  Christen  als  Teil  einer  grösseren  Arbeit  seines 
sistenten,  Herrn  Dr.  Hapke.  Auf  rein  klinisch-empirischer  Basis 
1  st  sich  aussagen,  dass  die  Kurven  vom  selben  Individuum  an  ver- 
Miedenen  Tagen  gewonnen  unter  vergleichbaren  Verhältnissen  gut 
1  ereinstimmen,  dass  das  normale  funktionell  tüchtige  Herz  gleich- 
‘  >ge  Kurven  bietet,  dass  die  Kurven  des  kindlichen  Herzens  nie¬ 
der  verlaufen  wie  die  des  Erwachsenen.  Auch  vom  rechten  und 
Ren  Arm,  vergleichsweise  genommen,  erhält  man  gleiche  Kurven, 
'mit  ist  zunächst  die  erste  Grundlage  geschaffen  für  eine  klinische 
Vwertung.  Bei  einem  Aneurysma  aortae  konnte  ein  Pulsus 
erens,  der  sonst  nicht  wahrnehmbar  war,  mit  Sicherheit  energo- 
r  Irisch  nachgewiesen  werden.  Die  Unterschiede  der  dynamischen 
'rhältnisse  des  Pulses  dekompensierter  Herzen  vor  und  nach  Digi- 
Usbehandlung,  ein  Versagen  des  Kreislaufes  im  Verlauf  der  Pneu- 
:  nie,  das  Scheitern  einer  Digitalisbehandlung  bei  einer  schweren 
opathie  Hessen  sich  sehr  deutlich  zur  Anschauung  bringen.  Es 
;  t  einen  Typus  der  Aorteninsuffizienzkurven,  der  Kurven  bei  Hyper- 
|!ie  und  gegensätzliche  bei  Adynamie  des  Herzens.  Zusammen- 
;send  lässt  sich  auf  Grund  eines  grossen,  auf  der  medizinischen 
teilung  gewonnenen  Materials  sagen,  dass  die  dynamische  Be- 
f  chtungsweise  des  Pulses  uns  klinisch  eine  vertiefte  Einsicht  in  die 
Rulatorischen  Verhältnisse  gibt,  die  mit  den  bisherigen,  am 
Unkenbett  wirklich  durchführbaren  funktionell-diagnostischen  Me¬ 
lden  nicht  annähernd  zu  erreichen  war.  (Die  Fortsetzung  des 
rtrages,  der  über  andere  diagnostische  Methoden  noch  berichten 
d.  wird  wegen  vorgerückter  Zeit  auf  Vorschlag  des  Vortragenden 
die  nächste  Sitzung  verschoben.) 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XIV.  Sitzung  vom  18.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmaltz. 

3.  Heri  Hey  mann:  Ein  Fall  der  Bewährung  der  Iridodesis. 

Herr  Hey  mann  stellt  einen  Fall  vor,  der  1864  wegen  Schicht¬ 
stares  auf  beiden  Augen  mit  gutem  und  anhaltendem  Erfolg  von  des 
Vortragenden  Vater  mittels  Iridodesis  operiert  worden  ist  und  er- 
oitert  die  Vorzüge  dieser  Operation  —  Vermehrung  des  dem  Augen- 
lnntergrunde  zugeführten,  regelmässig  gebrochenen  Lichtes,  Ver¬ 
minderung  des  in  das  Auge  eindringenden  diffusen  Lichtes,  Erhaltung 
eines  erheblichen  leiles  der  Pupillenreaktion,  Vermeidung  von  Blen¬ 
dung  —  aber  auch  die  Gefahren  —  Iritis,  Iridozyklitis,  unter  Um¬ 
standen  sympathische  Ophthalmie  — ,  welche  es  bewirkt  haben,  dass 
die  Iridodesis  kaum  10  Jahre  nach  ihrer  1858  von  Critchett  er¬ 
folgten  Empfehlung  wieder  verlassen  worden  ist  und  auch  heute  nicht 
zur  Ausführung  empfohlen  werden  kann. 

3.  Fortsetzung  der  Diskussion  über  die  Vorträge  der  Herren 

Brückner,  Teuffel,  Flachs,  Fritz  Schanz  und  C  o  n  r  a  d  i : 
Zur  Prophylaxe  der  Diphtherie. 

Herr  Arnsperger:  Um  die  äusserst  unangenehmen  Erschei¬ 
nungen  der  Anaphylaxie  zu  vermeiden,  ist  zu  empfehlen,  einige 
Stunden  vorher  kleine  Dosen,  etwa  1 — 2  ccm,  des  Serums  zu  geben 
und  die  grosse  Dosis  erst  dann  folgen  zu  lassen. 

A.  hat,  seitdem  er  so  vorgeht,  keinen  anaphylaktischen  Schock 
mehr  gesehen. 

Was  die  Wertigkeit  der  Diagnose  betrifft,  so  soll  man  besonders 
bei  Kindern  die  klinische  Diagnose  zurückstellen  gegenüber  dem 
bakteriologischen  Befund,  wenn  dieser  positiv  ausfällt.  Fehlt  dagegen 
bei  deutlichem  klinischen  Befund  der  Nachweis  der  Bazillen,  so  wird 
man  sich  mehr  auf  das  klinische  Bild  verlassen  und  Serum  geben. 
Die  Wirksamkeit  ergibt  sich  immer  wieder  aus  der  ärztlichen  Beob¬ 
achtung,  wenn  auch  nicht  aus  der  Statistik. 

Zur  Beseitigung  der  Keime  bei  Bazillenträgern  ist  bisweilen  die 
Einspritzung  verdünnten  Diphtherieserums  von  Erfolg,  manchmal  auch 
die  Pyozyanase. 

Herr  Leibkind:  Nicht  gar  so  selten  sind  Fälle  von  Haut¬ 
diphtherie,  die  in  den  letzten  Jahren  besonders  von  Marschalk  o, 
Savade  und  Reinhardt  studiert  worden  sind.  Man  muss  die 
echte  Hautdiphtherie  von  den  Fällen  fortgeleiteter  Diphtherie  trennen. 
Herr  L.  berichtet  über  einen  Fall  von  Hautdiphtherie,  die  sich  in  Form 
eines  Geschwürs  am  After  bei  einem  Kinde  am  10.  Tage  nach  dem  Be¬ 
ginn  einer  Rachendiphtherie  zeigte. 

Solche  Fälle,  die  wie  die  Rachendiphtherie  unter  Serumbehandlung 
heilen,  haben  auch  eine  gewisse  Bedeutung  für  die  allgemeine 
Prophylaxe. 

Herr  W.  L.  Meyer  macht  bezüglich  der  Behandlung  der 
Bazillenträger  darauf  aufmerksam,  dass  im  Jahre  1894.  als  das 
Diphtherieserum  kam,  aus  der  Tübinger  Klinik  noch  eine  Arbeit  er¬ 
schien,  über  die  Behandlung  der  Rachendiphtherie  mit  Einblasungen 
von  Sulfur  sublimatum  crudum.  Liebermedster  selbst,  der  ein 
hervorragender  Beobachter  war,  rechtfertigte  die  Veröffentlichung 
dieser  Arbeit  zu  dieser  Zeit  damit,  dass  er  sagte,  die  Erfahrungen,  die 
an  seiner  Klinik  mit  dieser  Behandlungsweise  gemacht  worden  seien, 
seien  doch  derartig  günstig,  dass  sie  fast  an  eine  direkt  antibakterielle 
Wirkung  denken  Hessen.  Redner  selbst,  der  damals  eine  sehr  schwere 
Diphtherie  bei  einer  Sektion  akquiriert  hatte,  wurde  zum  Teil  auch 
mit  Schwefeleinblasungen  behandelt  und  hatte  einen  günstigen  Eindruck 
von  der  Methode.  Die  Einblasung  selbst  wirkte  angenehm  kühlend. 

Herr  Faust:  Wenn  die  Zahlen  des  Herrn  T  e  u  f  f  e  1  richtig  sind, 
muss  man  Herrn  Schanz  recht  geben:  dann  sind  die  Bazillen 
ubiquitär  und  zu  den  Bazillen  muss  noch  ein  anderes  Moment,  eine 
„Disposition“  hinzutreten,  wenn  es  zur  Erkrankung  kommen  soll. 
Herr  T  e  u  f  f  e  1  hat,  wenn  er  die  Kinder  mittels  dreimaligen  Ab¬ 
striches  untersuchte,  in  71  Proz.  Bazillen  gefunden.  In  der  Diskussion 
wurde  nun  gesagt,  es  müsse,  um  die  Virulenz  festzustellen,  die  Tier¬ 
impfung  herangezogen  werden.  Das  ist  bei  der  grossen  Zahl  der 
Untersuchungen  natürlich  ganz  unmöglich. 

Vor  einigen  Jahren  wurde  an  dieser  Stelle  ausführlich  über  die 
Bedeutung  der  Diphtheriebazillen  diskutiert.  Die  damals  von  Herrn 
Schanz  vertretene  Auffassung,  dass  Diphtherie-  und  Xerosebazillen 
identisch  seien,  wird  durch  die  Zahlen  des  Herrn  Teuf  fei  ent¬ 
schieden  gestützt.  Vor  2  Jahren  wurde  im  Hamburger  Krankenhause 
St.  Georg  das  Pflegepersonal  untersucht,  mit  dem  Ergebnis,  dass  70 
bis  90  Proz.  Bazillenträger  gefunden  wurden,  so  dass  man  schliesslich 
auf  eine  Absonderung  verzichtete  und  die  Frage  der  Bazillenträger 
ganz  vernachlässigte.  Derartige  Erfahrungen  müssen  recht  skeptisch 
machen. 

Herr  Thal  mann:  Die  Ansichten  über  die  Diphtherie-  und 
Pseudodiphtheriebazillen  sind  noch  nicht  geklärt.  Im  Institut  für 
Infektionskrankheiten  in  Berlin  ist  festgestellt  worden,  dass  man  in 
alten  Kulturen  echter  Diphtheriebazillen  neben  toxischen  Bazillen  auch 
solche  findet,  die  den  Pseudodiphtheriebazillen  ähnlich  sind:  Kurze 
plumpe  Stäbchen,  die  erst  nach  mehreren  Tagen  —  nicht  binnen 
24  Stunden  —  die  Körnchenfärbung  gaben  und  für  Meerschweinchen 
nicht  pathogen  sind,  also  alles  Eigenschaften,  die  wir  bei  den  Pseudo¬ 
diphtheriebazillen  finden.  Ob  eine  Rückzüchtung  in  virulente  Diph¬ 
theriebazillen  möglich  ist,  ist  allerdings  nicht  festgestellt  worden. 


722 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13 


Jedenfalls  spricht  das  aber  alles  für  eine  nahe  Verwandtschaft.  Tat¬ 
sächlich  finden  wir  nun  in  der  Praxis  bei  echter  klinischer  Diphtherie 
die  echten  für  Meerschweinchen  pathogenen  Bazillen.  Deshalb  dürfen 
wir  —  und  Herr  T.  verfährt  stets  so  —  in  der  Praxis  nur  diejenigen 
als  Bazillenträger  bezeichnen,  wo  die  Bazillen  nach  Reinzüchtung  die 
Körnchenfärbung  gaben  und  für  Meerschweinchen  pathogen  sind. 
T.  glaubt,  dass,  wenn  aile  so  verfahren,  viel  weniger  Bazillenträger 
festgestellt  werden  würden  als  jetzt. 

Die  Pseudodiphtheriebazillen  sind  sehr  verbreitet,  sie  kommen 
nicht  nur  in  der  Nase,  sondern  auch  bei  chronischen  Eiterungen  vor; 
so  hat  sie  T.  erst  heute  in  aktinomykotischem  Eiter  gefunden. 

Echte  und  Pseudodiphtheriebazillen  sind  praktisch  unbedingt  zu 
trennen. 

Herr  Georg  Schmorl:  Die  Virulenz  ist  nicht  massgebend. 
Wenn  auch  im  allgemeinen  die  echten,  von  Diphtheriekranken  ge¬ 
züchteten  Diphtheriebazillen  Meerschweinchen  binnen  1—2—4  Tagen 
töten,  so  gibt  es  doch  Stämme,  die  bei  Meerschweinchen  einen 
wochen-,  ja  monatelangen  Marasmus  erzeugen,  der  schliesslich  zum 
Tode  führt.  Scheller  warnt  im  Handbuch  von  Kolle-Wasser- 
mann,  sich  auf  den  Tierversuch  zu  verlassen,  denn  es  gibt  Fälle  von 
avirulenten  Diphtheriebazillen,  von  denen  doch  schwere  Diphtherie¬ 
erkrankungen  ausgegangen  sind. 

Man  kann  deshalb  diese  Methode  nicht  ohne  weiteres  auf  die 
Bazillenträger  verwenden.  Herr  S.  hat  früher  Tierversuche  angestellt, 
sie  aber  wieder  aufgegeben  —  ganz  abgesehen  von  der  praktischen 
Undurchführbarkeit  für  die  grosse  Zahl  der  täglichen  Untersuchungen; 
er  nimmt  sie  jetzt  nur  noch  auf  ausdrücklichen  Wunsch  der  betr. 
Aerzte  vor. 

Herr  Thalmann:  Wenn  ich  von  echter  Diphtherie  Bazillen 
züchtete,  so  waren  diese  stets  so  virulent,  dass  Meerschweinchen 
rasch  zugrunde  gingen;  die  Fälle,  in  denen  bis  zum  Tod  der  Ver¬ 
suchstiere  längere  Zeit  vergeht,  sind  anscheinend  für  die  Praxis  ohne 
Bedeutung.  Ich  stelle  mich  hier,  trotz  der  gegenteiligen  Literatur¬ 
angaben,  auf  den  praktischen  Standpunkt  und  bleibe  bei  dem,  was  ich 
gesagt  habe. 

Herr  G.  Schmorl:  Die  Verhältnisse  beim  Meerschweinchen 
beweisen  noch  nichts  für  den  Menschen.  Nach  den  vorliegenden 
Literaturangaben  ist  der  Tierversuch  nicht  ausschlaggebend. 

Herr  Faust:  Herr  Thal  mann  bezeichnet  diejenigen  als  echte 
Diohtheriebaziilen,  die  von  echter  Diphtherie  stammen.  Nun  wollen 
wir  aber  in  der  Praxis  gerade  in  zweifelhaften  Fällen  wissen,  ob  es 
sich  um  echte  Diphtherie  handelt.  Der  springende  Punkt  ist  der,  dass 
wir  jetzt  oft  die  Bazillen  finden  in  Fällen,  wo  wir  früher  gar  nicht  an 
die  Diphtherie  gedacht  hätten,  und  auch  umgekehrt. 

Herr  Thal  mann:  Herr  Faust  hat  mich  missverstanden.  Ich 
sagte:  ln  den  Fällen,  wo  ich  von  klinisch  sicheren  Fällen  die  Bazillen 
züchtete  und  dann  den  Tierversuch  anstellte,  zeigten  sich  die  Bazillen 
stets  als  virulent  gegen  Meerschweinchen. 

Herr  Brückner  gibt  an  der  Hand  von  Tabellen  Daten  über 
die  Mortalität  der  Diphtherie,  die  seit  1895  nicht  nur  in  Deutschland, 
sondern  auf  der  ganzen  Erde  dort  gesunken  ist.  wo  das  Serum  syste¬ 
matisch  verwendet  wurde.  Bei  dieser  Sachlage  kann  man  für  die 
Beurteilung  der  Serumwirkung  doch  auch  die  Statistik  als  beweis¬ 
kräftig  heranziehen.  Ausschlaggebend  ist  stets  die  Beobachtung  am 
Krankenbett.  Die  Krankenhausbeobachtungen  sind  wertvoll  besonders 
durch  die  von  Anfang  an  beobachteten  Fälle  von  Hausinfektion,  die 
allesamt  sehr  leicht  verlaufen,  weil  sie  rechtzeitig  Serum  erhalten. 
Ferner  ist  zu  beachten,  dass  nie  der  Kehlkopf  ergriffen  wird,  wenn 
er  zurzeit  der  Einspritzung  frei  war.  Wie  schon  Herr  Schmaltz 
bemerkte,  hat  sich  der  Charakter  der  Diphtherie  seit  der  Einführung 
des  Serums  völlig  geändert.  Der  Unterschied  gegen  früher  ist  so 
gross  und  hat  sich  so  rasch  vollzogen,  dass  eine  Täuschung  hier  nicht 
mehr  in  Betracht  kommt.  Herrn  Leonhardt  gegenüber  bemerkt 
er.  dass  es  ihm  völlig  ferngelegen  hat,  die  Behörden  anzugreifen  oder 
ihre  Massregeln  abfällig  zu  kritisieren;  er  wollte  nur  objektiv  zeigen, 
dass  unsere  bisherigen  Massnahmen  noch  nicht  zum  Ziele  geführt 
haben. 

Was  die  Frage  der  Diphtheriediagnose  belangt,  so  kommt  Oswald 
V  i  e  r  o  r  d  t  auf  Grund  eines  Materials  von  3000  Fällen  zu  folgendem 
Ergebnis:  die  Diphtherie  kann  als  einfache  lakunäre  Angina  verlaufen, 
und  eine  Angina  unter  dem  Bilde  der  Diphtherie.  Das  wussten  wir 
aber  schon  vorher:  In  der  Heubn  ersehen  Klinik  wurden  solche 
diphtherieähnliche  Anginen  früher  als  Angina  crouposa  bezeichnet  — 
aber  freilich  konnte  man  diese  Diagnose  erst  retrospektiv  stellen, 
während  wir  es  jetzt  schon  vorher  sagen  können. 

In  der  Frage  der  Bazillenträger  gilt  es,  zu  sehen,  wie  wir  uns 
bei  dem  jetzigen  Stand  der  Wissenschaft  praktisch  einrichten  können. 
Ob  die  Trennung  in  Haupt-  und  Nebenträger  praktischen  Wert  hat, 
möchte  er  nicht  entscheiden,  glaubt  es  aber  nicht.  Wir  wissen,  dass 
die  gesunden  Bazillenträger  nicht  so  gefährlich  sind,  wie  die  Dauer¬ 
ausscheider.  Dass  die  Diphtherie  übertragen  werden  kann  durch 
Menschen,  die  gesund  sind,  hat  man  längst  gewusst  (Jacobi  1884), 
bevor  man  die  Bazillen  kannte. 

Wer  die  klinische  Diagnose  der  Diphtherie  zu  beherrschen 
glaubt,  der  mag  auf  die  bakteriologische  Diagnose  verzichten  — 
bis  er  einmal  Reugeld  gezahlt  hat  auf  Kosten  seiner  Patienten.  Die 
Bakteriologie  hat  uns  erst  die  Erkenntnis  gebracht,  dass  die  Diphtherie 
sehr  oft  unter  atypischen  Bildern  verläuft. 

Viele  Endemien,  besonders  in  geschlossenen  Anstalten,  kommen 
durch  Isolierung  und  Desinfektion  nicht  zum  Erlöschen,  verschwinden 


aber  nach  Entfernung  der  Bazillenträger.  Also  lassen  wir  die  Bazillen 
träger  laufen,  solange  wir  keine  Epidemie  haben;  sobald  sich  aber  dii 
Diphtherieerkrankungen  häufen  und  wir  annehmen  können,  dass  eint 
Anzahl  von  Bazillenträgern  nicht  mehr  harmlos  sind,  dann  wollen  wi 
uns  ihrer  erinnern  und  sie  dort,  wo  wir,  wie  in  der  Schule,  die  Mo« 
lichkeit  dazu  haben,  absondern. 

Der  Vorschlag  des  Herrn  Flachs,  bei  Auftreten  einer  Diph 
therieerkrankung  die  ganze  Klasse  bakteriologisch  durchuntersuchei 
zu  lassen,  geht  zu  weit.  Richtiger  ist  es.  in  solchem  Falle  sogleid 
alle  Kinder  anzusehen;  man  wird  dabei  viel  öfter  als  man  denkt 
atypische  Diphtherie  finden.  Verdächtig  sind  Kinder  mit  Rachen 
katarrh,  Schnupfen,  rauhem  Husten;  sie  werden  nach  Hause  geschieh 
und  bakteriologisch  untersucht. 

Die  bakteriologischen  Erfahrungen  legen  die  Annahme  nahe,  das: 
der  Körper  eine  gewisse  Disposition  haben  muss,  um  an  Diphtherie 
zu  erkranken.  Der  Beweis  dafür  ist  von  Herrn  Schanz  noch  nicht 
erbracht  worden.  Möglicherweise  gibt  es  Menschen  von  verschiedene 
Konstitution,  die  gute  oder  schlechte  Nährböden  abgeben.  Das  is, 
aber  noch  nicht  im  geringsten  bewiesen. 

Die  Pyozyanase  ist  ganz  wirkungslos.  Auch  der  Erfolg  de: 
örtlich  mittels  Spray  angewendeten  Serums  ist  nicht  sehr  überzeugend! 

Stets  ist  zu  berücksichtigen,  dass  bei  der  überwiegenden  Mehn 
zahl  die  Bazillen  in  der  3.-4.  Woche  von  selbst  verschwinden. 

Herr  F.  Schanz:  47  Proz.  der  Kinder  in  der  T  e  u  f  f  e  1  sehet, 
Poliklinik  und  schon  25  Proz.  der  Säuglinge  des  Säuglingsheims  hatten 
die  Erreger  der  Diphtherie  auf  ihren  Schleimhäuten,  ohne  an  Diphtheri 
zu  erkranken.  Vor  2U  Jahren  hätte  man  das  für  ganz  unmöglich  er' 
klärt.  Löffler  hat  auch  nur  die  giftigen  Bazillen  als  die  Diphtherie) 
erreger  bezeichnet.  Die  ungiftigen,  die  er  auf  normalen  Schleimt 
häuten  fand,  glaubte  er  von  jenen  durch  kleine,  aber  bestimmte  Merk; 
male  unterscheiden  zu  können.  Er  bezeichnete  sie  als  Pseudodipii 
theriebazillen.  Die  von  Löffler  angegebenen  Unterscheidungsmerk¬ 
male  haben  sich  alle  für  nicht  stichhaltig  erwiesen.  Thal  man: 
hat  erst  heute  angeführt,  dass  man  aus  alten,  von  echter  Diphtheri' 
stammenden  Kulturen  auch  Bazillen  mit  allen  Merkmalen  der  Pseudo! 
diphtheriebazillen  züchten  kann.  Heute  sucht  man  das  häufige  Vor 
kommen  der  Löffler  sehen  Bazillen  auf  gesunden  Schleimhäute: 
dadurch  zu  erklären,  dass  man  annimmt,  dass  solche  Personen,  ma 
nennt  sie  Bazillenträger,  in  ihrem  Blute  Schutzstoffe  haben,  die  sie  vo 
den  schädigenden  Wirkungen  der  Löffler  sehen  Bazillen  schützei 
Nun  ist  ja  bekannt,  dass  im  Diphtherieprozess  durch  die  Einwirkun, 
des  Diphtherietoxins  Antitoxine  entstehen.  Ob  aber  alle  Bazillenträge 
solche  Stoffe  beherbergen,  das  ist  noch  unbekannt,  keiner  der  viele 
Redner  hat  diesen  Punkt  berührt,  und  doch  ist  dies  jetzt  der  wichtigst 
Punkt  in  der  ganzen  Diphtheriefrage.  Solange  nicht  der  Nachwei 
erbracht,  dass  alle  Bazillenträger  auch  Schutzstoffe  haben,  ist  ma 
berechtigt,  an  der  ätiologischen  Bedeutung  der  Löffler  sehen  Ba 
zillen  zu  zweifeln. 

Conradi  unterscheidet  von  Bazillenträger  Hauptträger  un| 
Nebenträger.  Hauptträger  sind  solche,  die  Diphtherie  durchgeniach 
haben,  die  Nebenträger  haben  nie  an  Diphtherie  gelitten.  Nur  di 
Hauptträger  sind  ansteckend.  Wenn  dieser  Unterschied  wirklich  be 
rechtigt  ist,  dann  spielt  bei  den  Hauptträgern  noch  ein  uns  völli 
unbekannter  Faktor  mit,  der  für  die  Uebertragung  der  Diphtherie  wich 
tiger  ist  als  der  Löffler  sehe  Bazillus.  Eine  Ansicht,  die  ich  scho 
seit  18  Jahren  vertrete. 

Schmaltz  hat  erwähnt,  dass  sich  das  Aussehen  seiner  Diph 
theriestation  mit  der  Einführung  der  Serumtherapie  sehr  auffallen 
verändert  habe.  Diese  Tatsache  ist  nicht  zu  bestreiten.  Sollten  d 
aber  nicht  noch  andere  Faktoren  mitwirken?  Die  Serummengen,  di 
man  damals  verwandte,  waren,  wie  man  jetzt  allgemein  zugibt,  urige 
nirgend.  Die  Serumtherapie  begann  zu  einer  Zeit,  wo  die  Epidenii 
sich  auf  einem  absteigendem  Ast  befand,  die  Erkrankungen  wurde 
seltener  und  milder.  Mit  der  Einführung  der  Serumtherapie  ändert 
sich  aber  auch  die  Diagnose  der  Diphtherie.  Vorher  wurde  si 
klinisch  gestellt,  man  scheute  sich,  Kinder  auf  die  Diphtheriestation  z 
legen,  die  nicht  das  ausgeprägte  klinische  Bild  der  Diphtherie  zeigtet 
Mit  der  Einführung  der  Serumtherapie  begann  man  die  Diphtheri 
bakteriologisch  zu  diagnostizieren.  Bei  dem  häufigen  Vorkommen  de: 
Bazillen  auf  gesunden  Schleimhäuten  sind  sicher  viele  Bazillenträge 
mit  harmlosen  Rachenaffektionen  auf  die  Diphtheriestation  gekommen 
Sollten  nicht  diese  Faktoren  auf  das  veränderte  Aussehen  der  Dipl 
theriestationen  mehr  Einfluss  gehabt  haben,  als  die  heute  für  in 
genügend  erachteten  Serumdosen? 

Herr  Mann  hat  sehr  anschaulich  geschildert,  wie  heute  die  Di: 
gnose  bei  Halsaffektionen  gestellt  wird,  und  welche  groben  Fehler  d; 
bei  Vorkommen.  Er  hat  die  Hoffnung  ausgesprochen,  dass  man  dun. 
Prüfung  der  Bazillen  auf  ihre  Giftigkeit  in  der  Frage  weiter  komme 
kann.  Dazu  ist  wenig  Aussicht.  Man  findet  auf  derselben  Schleim 
haut  neben  höchst  giftigen  völlig  ungiftige  Bazillen.  Aus  dem  Institi 
für  Infektionskrankheiten  liegt  jetzt  eine  Arbeit  vor  von  Bernhard 
und  O  r  n  s  t  e  i  n  über  die  Variabilität  pathogener  Mikroorganismei 
Denselben  war  es  möglich,  aus  demselben  Stamm  auch  in  der  Koloni 
abweichende  Typen  zu  züchten,  von  denen  der  eine  hochgiitig,  dt 
andere  in  50  facher  Dosis  ganz  ungiftig  war. 

Wie  will  man  bei  dieser  Sachlage  durch  die  Prüfung  der  Bazille: 
auf  ihre  Giftigkeit  etwas  erreichen? 

Als  ich  vor  18  Jahren  als  erster  auf  das  häufige  Vorkommen  dt 
Löffler  sehen  Bazillen  auf  gesunden  Schleimhäuten  aufmerksai 
machte,  wurde  ich  von  allen  Seiten  auf  das  energischste  angegriffei 


1.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Ich  hatte  gesagt,  dass  sich  bei  jedem  zweiten  Menschen  Löffler- 
sche  Bazillen  nachweisen  lassen,  die  T  e  u  f  f  e  1  sehe  Statistik,  an 
deren  Richtigkeit  nicht  zu  zweifeln  ist,  bringt  dieselbe  Zahl.  Selbst 
wenn  man  diese  Zahl  bezweifelt,  so  muss  man  doch  zugeben,  dass  der 
Löffle  rsche  Bazillus  überall  häufig  anzutreffen  ist.  Was  er¬ 
gibt  sich  daraus  für  die  Praxis?  Wiieviel  harmlose  Affektionen  mögen 
im  Laufe  der  18  Jahre  auf  Qrund  der  bakteriologischen  Diagnose  zur 
Diphtherie  geworden  sein?  Welchen  Wert  haben  die  Statistiken,  in 
denen  man  die  klinisch  diagnostizierten  Diphtherien  den  bakteriologisch 
diagnostizierten  gegenübergestellt  hat?  Mit  solchen  Statistiken  hat 
man  den  Wert  der  Serumtherapie  zu  erweisen  versucht.  Ich  habe 
immer  betont,  dass  sich  der  Arzt  bei  seinen  Massnahmen  auf  das 
klinische  Bild,  nicht  auf  die  bakteriologische  Diagnose  verlassen  soll. 
Heute  werde  ich  mit  dieser  Ansicht  nicht  mehr  so  allein  dastehen,  wie 
vor  18  Jahren,  als  ich  zum  ersten  Male  diese  Ansicht  hier  aussprach. 

Herr  Schmal  tz  verwahrt  sich  gegen  die  vom  Vorredner  er¬ 
hobene  Behauptung,  dass  das  Gesamtbild  seiner  Diphtheriestation  durch 
die  Hinzunahme  der  ganz  leichten,  erst  durch  die  bakteriologische 
Untersuchung  festgestellten  Diphtheriefälle  ein  günstigeres  geworden 
sei.  Es  ist  zweifellos,  dass  sich  der  Charakter  der  Krankheit  seit  der 
systematischen  Serumanwendung  völlig  geändert  hat. 

Herr  Teuf  fei:  Nicht  bei  71  Proz.,  sondern  nur  bei  47  Proz. 
der  untersuchten  Kinder  sind  von  ihm  Bazillen  gefunden  worden. 

Die  bakteriologische  Diagnose  lässt  auch  bisweilen  im  Stich:  Bei 
einem  von  ihm  beobachteten,  an  eitriger  Rhinitis  und  leichter  lakunärer 
Angina  leidenden  Kinde  wurden  Diphtheriebazillen  gefunden.  Es 
wurde  Serum  gegeben,  doch  ohne  Erfolg;  die  Rhinitis  erschöpfte  sich 
erst  nach  Wochen,  sie  war  durch  Staphylo-  und  Streptokokken  er¬ 
zeugt,  die  Diphtheriebazillen  waren  nur  ein  Nebenbefund. 

Für  die  Meldung  an  die  Wohlfahrtsbehörde  kann  nur  die  klinische 
Diagnose,  nicht  der  bakteriologische  Befund  massgebend  sein. 

Bezüglich  der  Desinfektion  glaubt  er,  dass  in  allen  einfachen 
Fällen  die  laufende  Desinfektion  genügt.  Eine  Schlussdesinfektion  ist 
nur  unter  besonderen  Umständen  nötig;  so  namentlich,  wenn  kurz 
nach  dem  Auftreten  einer  Diphtherieerkrankung  ein  Wohnungswechsel 
erfolgt. 

Für  die  Berechtigung  der  Trennung  der  Bazillenträger  in  Haupt- 
und  Nebenträger  ist  Herr  C  o  n  r  a  d  i  den  Beweis  schuldig  geblieben. 

Herr  Conradi:  In  der  bisherigen  Diskussion  wurden  vor  allem 
zwei  Fragen  erörtert:  1.  die  Ubiquität  des  Diphtheriebazillus  und 
2.  die  der  Bazillenträger.  Allgemein  wird  jetzt  anerkannt,  dass  der 
Diphtheriebazillus  nicht  ubiquitär  ist,  sondern  nur  innerhalb  der  In- 
iektionskreise  eines  Diphtheriekranken  oder  -trägers  vorkommt.  Auch 
Behring  hat  neuerdings  dieser  Anschauung  zugestimmt  und  damit 
seinen  früheren  Standpunkt  aufgegeben.  Nur  Herr  Schanz  noch 
behauptet  das  unbegrenzte  Vorkommen  des  Diphtheriekeimes.  Seine 
Meinung  begründet  er  zunächst  damit,  dass  der  Diphtheriebazillus  mit 
dem  überall  verbreiteten  Pseudodiphtheriebazillus  identisch  sei.  Dem¬ 
gegenüber  möchte  ich  betonen,  dass  bei  Untersuchung  von  Rachen- 
und  Nasensekret  die  typische  Form  und  Lagerung  der  Diphtherie¬ 
bazillen,  die  M.  N  ei  ss  er  sehe  Körnchenfärbung,  das  Aussehen  der 
Kolonien  auf  der  Tellurplatte  und  ferner  der  hängende  Tropfen  in 
den  meisten  Fällen  eine  Unterscheidung  von  den  Pseudodiphtherie¬ 
bazillen  ermöglicht.  Im  Zweifelsfalle  leisten  die  von  Rothe  an¬ 
gegebenen  Lävulose-  und  Dextroseserumplatten  wertvolle  Dienste, 
indem  hier  die  durch  den  Diphtheriebazillus  bedingte  Säurebildung  eine 
Trennung  zwischen  den  Diphtherie-  und  Pseudodiphtheriebazillen  zu¬ 
lässt.  Wir  verfügen  also  jetzt  über  Methoden,  die  zwischen  beiden 
Gruppen  scharfe  Grenzlinien  ziehen.  Von  einer  Identität  zwischen 
Diphtherie-  und  Pseudodiphtheriebazillen,  wie  Herr  Schanz  noch 
immer  annimmt,  kann  nicht  die  Rede  sein.  Nun  wurde  vorhin  ge- 
äussert,  dass  bei  Bazillenträgern  wenigstens  nur  der  Nachweis  der 
Tiervirulenz  des  gezüchteten  Stammes  diesen  als  Diphtheriebazillus 
kennzeichne.  Allein  ganz  abgesehen  von  der  praktischen  Unmöglich¬ 
keit,  die  Befunde  bei  Bazillenträgern  jedesmal  durch  den  Meer¬ 
schweinchenversuch  zu  sichern,  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  es 
schwach  virulente  und  selbst  avirulente  Diphtheriebazillen  gibt.  Hält 
man  sich  an  die  übliche  Dosierung  (0,5  ccm  Bouillon  auf  100  g  Meer¬ 
schweinchen),  so  bleiben  zuweilen  die  injizierten  Versuchstiere  am 
Leben.  Steigert  man  aber  die  Dosen  in  der  Weise,  dass  man  die 
Abschwemmung  ganzer  Serumplatten  intraperitoneal  einspritzt,  so 
sterben  dann  Meerschweinchen  an  den  für  Diphtherie  typischen  Er¬ 
scheinungen.  Die  Virulenz  der  einzelnen  Diphtheriestämme  also  ist 
graduell  verschieden  und  es  hängt  wesentlich  von  der  Art  der  Do¬ 
sierung  ab,  ob  ein  Diphtheriestamm  als  virulent  gilt  oder  nicht.  Ueber- 
dies  scheint  es  schlechthin  ausgeschlossen,  aus  der  Tiervirulenz 
eines  Stammes  dessen  Virulenz  für  die  Menschen  abzuleiten.  Nach 
alledem  muss  man  sich  fragen,  ob  die  vorhin  aufgestellte  Forderung 
des  obligaten  Nachweises  der  Tiervirulenz  nicht  über  das  Ziel  hinaus- 
schiesst.  Weiter  hat  Herr  Schanz  ausgeführt,  dass  die  Häufigkeit 
der  Diphtheriebazillenträger  für  die  unbegrenzte  Verbreitung  des  Di¬ 
phtheriebazillus  spräche.  Allein  die  Schwärme  von  Bazillenträgern 
erweisen  keineswegs  die  Ubiquität  des  Diphtheriekeims,  vielmehr  nur 
die  extensive  endemische  Verbreitung  der  Diphtherie.  Ein  einzelner 
Diphtheriekranker  kann  20  und  mehr  Bazillenträger  entstehen  lassen. 
Der  gleichen  Erscheinung  begegnen  wir  bei  dem  Typhus.  Wie 
Hecker  und  Otto  fanden,  kommen  auf  einen  Typhuskranken  bis 
zu  40  typhusinfizierte  Gesunde.  Niemand  aber  folgert  daraus  die  Ubi- 
quität  des  Typhusbazillus.  Wenn  auch  bei  Diphtherie  die  Zusammen¬ 
hänge  zwischen  Kranken  und  Trägern,  zumal  in  der  Grossstadt,  sich 


verlieren,  so  steht  doch  fest,  dass  jeder  Diphtheriebazillenträger  in 
letzter  Linie  auf  einen  Diphtheriefall  zurückgeht.  Welchen  Umfang 
die  Diphtheriedurchseuchung  bei  uns  angenommen  hat,  zeigen  die  sero¬ 
logischen  Untersuchungen  von  Benno  Hahn  in  Marburg,  der  an  einem 
grossen  Material  nachwies,  dass  mit  zunehmendem  Lebensalter  die 
Antitoxinkurve  des  Blutserums  ansteigt.  Die  Häufung  von  Bazillen¬ 
trägern  also  ist  nur  ein  Symptom  der  Diphtherieendemie,  nicht  aber 
der  Ubiquität  des  Diphtheriebazillus. 

Schliesslich  noch  einige  Worte  über  die  Gefährlichkeit  der  Ba¬ 
zillenträger.  Ich  bin  der  Meinung,  dass  aus  epidemiologischen  Grün¬ 
den  die  krankgewesenen  Bazillenträger  (Hauptträger)  und  die  immer 
gesunden  Keimträger  (Nebenträger)  auseinanderzuhalten  sind.  Wäh¬ 
rend  die  Hauptträger  genau  so  wie  die  Rekonvaleszenten  die  Di¬ 
phtherie  verbreiten,  scheinen  die  Nebenträger  relativ  harmlos  zu  sein. 
Unsere  prophylaktischen  Massnahmen  müssen  sich  also  im  wesent¬ 
lichen  gegen  die  Hauptträger  richten,  während  die  Nebenträger  in  der 
Regel  unbehelligt  bleiben  können.  Nun  führte  Herr  Rietschel  aus, 
welche  praktischen  Schwierigkeiten  sich  ergeben  könnten  wenn  ein 
Nebenträger  sich  zu  einem  Hauptträger  entwickele.  Diese  Bedenken 
kann  ich  nicht  teilen.  Die  Möglichkeit  besteht  allerdings,  dass  ein 
Krankwerdender  zunächst  als  Nebenträger  aufgefasst  wird.  Allein  die 
Inkubationszeit  bei  Diphtherie  beträgt  in  der  Regel  2 — 3  Tage,  so  dass 
also  innerhalb  kürzester  Zeit  der  Charakter  des  Infizierten  erkannt 
werden  kann.  Weiter  machte  auch  Herr  S  c  h  m  o  r  1  gegen  die  Ein¬ 
teilung  der  Bazillenträger  in  Haupt-  und  Nebenträger  theoretische  und 
praktische  Einwände  geltend.  So  könnte  ein  an  leichter  Diphtherie 
Krankgewesener  als  Nebenträger  gedeutet  werden.  Vor  solchen  Irr- 
tümern  aber  schützt  wohl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  sorgfältig 
aufgenommene  Anamnese,  sowie  der  objektive  Befund  (Rachen-  und 
Nasenhöhle,  submaxillare  und  Halslymphdrtisen).  Weiterhin  führte 
Herr  Schmorl  an  einem  Beispiel  aus,  dass  auch  Nebenträger  die 
Krankheit  ti  bertragen  können.  Allein  die  Angabe,  dass  sich  die 
diphtherieübertragende  Krankenschwester  wohl  fühlte,  schliesst  noch 
nicht  die  Möglichkeit  aus,  dass  der  objektive  Befund  die  Diagnose 
Diphtheria  ambulatoria  ergeben  hätte.  Derartige  Verwechslungen 
finden  sich  auch  in  der  Literatur,  z.  B.  bei  Lippmann  (St.  Georgs- 
Krankenhaus  in  Hamburg).  Sie  sind  um  so  eher  möglich,  als  Erwach¬ 
sene  häufig  eine  larvierte  Diphtherie  durchmachen,  wie  S  i  m  o  n  i  n 
und  B  e  n  o  i  t  zuerst  gezeigt  haben.  Einwandfreie  Fälle  von  Krankheits¬ 
übertragung  durch  Nebenträger  liegen  noch  nicht  vor.  Die  jüngste 
Veröffentlichung  des  Kölner  Schularztes  Schrammen,  der  in  di¬ 
phtheriefreien  Volksschulen  6 — 11  Proz.  Diphtherienebenträgern  be¬ 
gegnete,  ist  vielmehr  wieder  ein  zwingender  Beweis  für  die  relative 
Harmlosigkeit  des  Nebenträgers. 

Schliesslich  führte  Herr  Schmorl  noch  aus,  dass  bei 
Diphtheriebazillenträgern  die  innere  Desinfektion  mit  chemischen 
Mitteln  von  vornherein  wenig  aussichtsvoll  erscheine,  weil  bei 
Diphtherie  die  Erreger  in  den  schwer  zugänglichen  Tonsillenkrypten. 
Nebenhöhlen  und  Speicheldrüsen  persistieren.  Dass  bei  letal  endi¬ 
gender  Diphtheria  gravissima  die  Verhältnisse  so  liegen,  ist  sicher. 
Aber  eine  andere  Frage  ist  es,  ob  auch  bei  der  Hauptmasse  der 
Diphtheriefälle,  den  in  Genesung  übergehenden  Diphtherien,  gleiche 
Schwierigkeiten  zu  überwinden  sind.  Der  pathologische  Anatom,  der 
täglich  die  Wirkungslosigkeit  ärztlicher  Therapie  vor  Augen  sieht, 
wird  immer  kurative  Mittel  skeptisch  betrachten.  Chemothera¬ 
peutische  Versuche  aber  sind  notwendig.  Ob  die  Malonsäure  bei 
Kranken  und  Trägern  die  Diphtheriekeime  abtötet,  müssen  die  im 
Gange  befindlichen  klinischen  Untersuchungen  ergeben.  Wie  dem  auch 
sein  mag,  an  den  Diphtheriebazillenträgern  wird  die  Diphtherie¬ 
bekämpfung  nicht  scheitern.  Die  Hauptschwierigkeit  liegt  vielmehr 
darin,  sämtliche  Diphtherieerkrankungen,  auch  larvierte  und  leichte 
Diphtheriefälle,  rechtzeitig  in  Erfahrung  zu  bringen  und  deren  Kon- 
tagiosität  im  Keime  zu  ersticken.  Hier  versagen  vorderhand  die 
kommunalen  und  staatlichen  Organisationen  der  Seuchenbekämpfung. 

Herr  Flachs:  Zu  einer  Infektion  gehört  sicherlich  weit  mehr 
als  der  blosse  Bazillus.  Was  aber  noch  hinzukommen  muss,  das 
wissen  wir  nicht,  und  wir  helfen  uns  mit  dem  Begriff  Disposition  oder 
Diathese.  Für  die  Diagnose  ist  in  manchen  Fällen  die  richtige  Ein¬ 
schätzung  des  Kranken,  die  klinische  Bewertung  weit  wichtiger  als 
der  bakteriologische  Befund. 

Bei  der  Desinfektion  hat  die  laufende  Desinfektion  im  Vorder¬ 
grund  zu  stehen;  die  Schlussdesinfektion  geht  zu  weit.  Er  wiederholt 
seinen  Vorschlag:  Kommt  in  einer  Klasse  ein  Diphtheriefall  vor, 
so  sollen  die  Kinder,  die  in  der  Nachbarschaft  des  Erkrankten  sitzen, 
—  nicht  die  ganze  Klasse  —  untersucht  werden;  Anginen  werden  nach 
Haus  geschickt.  Durch  Ausscheidung  der  Anginen  wird  man  am 
besten  einer  Infektion  Herr  werden.  Von  der  innerlichen  Anwendung 
von  Salizylpräparaten  hat  er  gute  Erfolge  gesehen,  auch  prophylaktisch. 

Bei  der  Bekämpfung  der  Diphtherie  müssen  die  allgemeinen  For¬ 
derungen  der  Hygiene  in  den  Vordergrund  gestellt  werden. 

Herr  F.  Schanz:  Wenn  ich  von  der  Ubiquität  der  Löffler- 
schen  Bazillen  gesprochen  habe,  so  stammt  der  Ausdruck  nicht  von 
mir,  sondern  von  Behring.  Er  soll  sagen,  dass  der  Löffler  sehe 
Bazillus  überall  häufig  zu  finden  ist.  Das  ist  nicht  mehr  zu 
bestreiten  und  das  beweisen  die  Zahlen,  die  man  hier  vielfach  vor- 
gebracht,  hat  doch  Conradi  selbst  erwähnt,  dass  in  Köln,  zu  einer 
Zeit,  wo  keine  Diphtherie  dort  vorkam,  von  600  Kindern  10  Proz.  den 
Löffler  sehen  Bazillus  beherbergten.  Wenn  C  o  n  r  a  d  i  anführt, 
dass  man  die  Diphtheriebazillen  von  den  Pseudodiphtheriebazillen 
trennen  könne  auf  Grund  der  verschiedenen  Säurebildung  in  gewissen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


724 


Nährböden,  so  dürfte  eine  solche  Trennung  nicht  möglich  sein.  Die 
Säurebildung  ist  ein  vitaler  Prozess.  Es  ist  doch  nichts  auffälliges, 
wenn  die  giftigen,  von  frischen  Diphtheriemembranen  abgeimpften 
Bazillen  lebhaftere  Entwicklung  und  stärkere  Säurebildung  im  Nähr¬ 
boden  zeigen,  als  die  Bazillen,  die  von  einer  normalen  Schleimhaut 
kommen,  und  lange  Zeit  auf  keinem  so  vorteilhaften  Nährboden  gelebt 
haben.  Conradi  suchte  nochmals  nachzuweisen,  dass  die  Einteilung 
in  Haupt-  und  Nebenträger  berechtigt  sei,  aber  die  Antwort, 
wie  es  kommt,  dass  nur  die  Hauptträger  an  stecken, 
ist  er  schuldig  geblieben. 

Herr  Brückner  fragt  Herrn  C  o  n  r  a  d  i,  wie  er  es  in  der 
Praxis  anfängt,  um  herauszubekommen,  ob  jemand,  der  z.  B.  einen 
chronischen  Rachenkatatrrh  hat,  Haupt-  oder  Nebenträger  sei.  Er 
hält  diese  Feststellung  für  unmöglich. 

Herr  Conradi:  Auf  die  Frage  des  Herrn  Brückner  möchte 
ich  erwidern,  dass  derUnterschied  in  den  objektiven  Symptomen  liegt, 
die  der  Hauptträger  erkennen  lässt.  Ob  diese  unbedingt  zur  Diph¬ 
therie  gehören,  bleibe  dahingestellt.  Findet  man  Diphtheriebazillen  bei 
gleichzeitigem  Rachenkatarrh,  so  würde  man  annehmen,  dass  letzterer 
durch  die  Diphtheriebazillen  bedingt  ist. 

Wenn  Herr  Schanz  die  Säureproduktion  der  Diphtheriebazillen 
zur  Unterscheidung  nicht  gelten  lässt,  so  leugnet  er  damit  überhaupt 
die  Anwendung  der  bakteriologischen  Methoden.  Ebenso  wie  Bac. 
typhi,  vom  Bac.  coli,  so  können  wir  heute  auch  den  Diphtherie-  vom 
Pseudodiphtheriebazillus  unterscheiden. 

Insofern  muss  man  Herrn  Schanz  zustimmen,  als  die  Begriffe 
der  Immunität  und  Disposition  heute  völlig  ungeklärt  sind.  Das  x  von 
Pettenkofer  spielt  auch  in  die  Diphtherie  hinein.  G  o  1 1  s  t  e  i  n 
meint,  dass  etwa  jedes  10.  Kind  für  die  Diphtherie  empfindlich  sei. 
Worauf  das  beruht,  darüber  wissen  wir  nichts. 

Herr  Rostoski:  In  der  Praxis  ist  es  äusserst  schwierig,  Haupt- 
und  Nebenträger  zu  unterscheiden.  Auch  beim  Typhus  können  wir 
oft  nur  auf  Grund  eines  hohen  Agglutinationstiters  entscheiden,  ob 
jemand  eine  leichte  Form  dieser  Krankheit  durchgemacht  hat  oder 
nicht.  Aehnlich  ist  es  bei  der  Diphtherie.  Leichte  Fälle  machen  gar 
keine  Beschwerden.  Das  Aufnehmen  der  Anamnese  schliesst  grosse 
Fehlerquellen  in  sich;  leichte  Halsschmerzen  sind  so  häufig,  dass  sie 
rasch  wieder  vergessen  werden.  Die  von  Herrn  Conradi  er¬ 
wähnten  Drüsenschwellungen  sind  selbst  nach  ganz  schweren  Diph¬ 
therien  nach  2  Wochen,  oft  nach  3  Wochen  meist  verschwunden.  Bei 
leichten  Diphtherien  sind  sie  überhaupt  nicht  sehr  ausgesprochen  und 
halten,  wenn  sie  vorhanden  sind,  nur  einige  Tage  an.  Man  kann  sich 
also  für  die  Entscheidung,  ob  Hanpt-  oder  Nebenträger,  auch  nicht 
auf  die  Drüsenschwellungen  verlassen. 


Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Februar  1913. 

Vorsitzender;  Herr  Bett  mann. 

Schriftführer;  Herr  Fi  sch  ler. 

Herr  Holthusen  stellt  einen  Fall  von  Zenker  schem 
Oesophagusdivertikel  bei  einem  70  jährigen  Manne  vor,  mit  Demon¬ 
stration  von  Röntgenaufnahmen.  Es  handelte  sich  um  einen  gänseei¬ 
grossen,  links  von  der  Speiseröhre  gelegenen,  bis  zum  Sternum  herab¬ 
reichenden  Sack,  dessen  topographische  Verhältnisse  durch  eine 
gleichzeitig  in  die  Speiseröhre  eingeführte  Sonde  radiograptiisch  fest¬ 
gestellt  wurden.  Eine  äusserlich  wahrnehmbare  Geschwulst  am  Halse 
war  nicht  vorhanden,  dagegen  bestanden  typische  Halsgeräusche. 

Herr  E.  Grafe:  Unter  welchen  Umständen  gelingt  es,  :nit 
Ammoniaksalzen  oder  Harnstoff-Stickstoff- Ansatz  zu  erzielen. 

Der  Vortragende  hat  die  Versuche  über  Stickstoffretemionen  bei 
Fütterung  von  Ammoniaksalzen,  über  welche  er  an  gleisher  Stelle 
vor  ca.  einem  Jahre  berichtete,  fortgesetzt  und  auch  auf  das  Schwein, 
das  sich  für  derartige  Untersuchungen  weit  besser  eignet  als  der 
Hund,  übertragen.  Die  dort  gewonnenen  Versuche  waren  die  gleichen, 
wie  sie  früher  beim  Hunde  erzielt  wurden.  Es  gelingt  durch  Fütte¬ 
rungen  reichlicher  Mengen  von  Ammoniaksalzen  und  sogar  auch  von 
Harnstoff  bei  gleichzeitiger  Ueberernährung  mit  Kohlenhydraten  sehr 
erhebliche,  dem  Gleichgewicht  sich  nähernde  Stickstoffretentionen  zu 
erhalten.  Niemals  war  jedoch  bisher  eine  dauernde  Mehrung  des 
Stickstoffbestandes  des  Organismus  zu  erzielen  gewesen. 

Die  Untersuchungen,  über  die  Grafe  im  einzelnen  berichtet, 
sollten  die  Bedingungen  eruieren,  welche  zur  Erreichung  eines 
N-Ansatzes  nötig  sind.  Die  Versuche  über  die  Frage,  wie  weit  dies 
bei  einer  ganz  abundanten  Darreichung  von  Ammoniaksalzen  und 
Harnstoff  allein  möglich  ist,  sind  noch  zu  keinem  endgültigen  Resultate 
gekommen,  jedoch  konnte  Gr.  zeigen,  dass  man  bei  Verfütterung 
mittelgrosser  Mengen  von  Amrnoniaksalzen  und  Harnstoff  und  sehr 
kleiner  Eiweissmengen,  die  weit  unter  der  Menge  liegen,  mit  der 
allein  ein  N-Gleichgewicht  erreicht  werden  kann,  tatsächlich  ein 
anscheinend  dauernder  Stickstoffansatz  sich  erreichen  lässt.  Die 
Methodik  und  die  Resultate  werden  an  der  Hand  eines  65  tägigen 
Versuchs  an  einem  Schweine  demonstriert.  Die  Deutungsmöglich¬ 
keiten  für  diesen  Stickstoffansatz  werden  erörtert,  ohne  dass  Gr. 
eine  Entscheidung  trifft,  da  er  hofft,  durch  weitere  Versuche  eine 
zuverlässige  Erklärung  finden  zu  können. 


Herr  Emmerich:  Ueber  Anreicherung  von  Spirochäten  und 
Trypanosomen  im  Kaninchenhoden. 

Ausgehend  von  den  Uhlen  huth  -  und  M  u  1  z  e  r  sehen  Arbeiten 
über  experimentelle  Kaninchensyphilis  bespricht  Vortr.  die  Bedeutung 
der  Tierimpfung  bei  Syphilis  in  diagnostischer  Hinsicht  und  besonders 
als  Kontrolle  für  die  Bewertung  der  Wassermann  sehen  Reaktion 
bei  primär  und  sekundär  luetischen  Erkrankungen.  Die  histologische 
Untersuchung  derartig  luetisch  infizierter  Tiere  ergibt  eine  Reihe  sehr 
interessanter  Befunde,  auf  die  bisher  nur  Koch  hingewiesen  hat, 
dem  das  Uhlenhuth  -  und  M  u  1  z  e  r  sehe  Material  zur  Verfügung 
stand.  Bei  der  grossen  Aehnlichkeit,  die  das  klinische  Krankheitsbild 
bei  experimenteller  Kaninchensyphilis  und  experimenteller  Trypano¬ 
somenerkrankung  bietet,  war  es  interessant  zu  sehen,  wie  sich  das 
histologische  Bild  gestalten  würde.  E.  untersuchte  im  Uhlen- 
h  u  t  h  sehen  Institut  eine  grosse  Reihe  von  Fällen  von  Dourine. 
Nagana  und  Schlafkrankheit  und  hier  ergab  sich  eine  auffallende 
Ucbereinstimmung  mit  den  Veränderungen  bei  experimenteller 
Kaninchensyphilis.  Vortr.  wird  diese  Befunde  später  ausführlich 
mitteilen. 

Vortr.  berichtet  weiter  über  gemeinsam  mit  Uhlenhuth  an- 
gestellte  Versuche,  die  den  Zweck  hatten,  festzustellen,  ob  die 
Affinität  zum  Hodengewebe,  die  sich  bei  der  Spirochaete  pallida  als 
charakteristisch  herausgestellt  hatte,  auch  für  die  Trypanosomen 
Geltung  habe.  Zahlreiche  Versuche  mit  dem  Trypanosoma  equiperdum 
bestätigten  vollauf  die  Annahme;  doch  müssten  natürlich  diese  Be¬ 
funde  noch  bei  verschiedenen  Stämmen  erhoben  werden,  um  sie  im 
Falle  der  Bestätigung  auch  als  diagnostische  Methode  verwerten  zu 
können.  Bei  Trypanosoma  Brucei  und  Lewisi  liess  sich  keine  An¬ 
reicherung  im  Hoden  bei  Kaninchen  und  Ratten  erzielen.  Dagegen 
zeigten  vielfache  Versuche  bei  Schlafkrankheit  das  gleiche  Verhalten 
der  Trypanosomen  wie  bei  Dourine.  Auch  hier  müssten  weitere 
Kontrollen  die  Brauchbarkeit  der  Methode  für  die  Praxis  feststellen, 
die  event.  eine  Frühdiagnose  der  Schlafkrankheit  ermöglichen  könnte. 
(Demonstration  syphilitischer,  dourine-  und  naganakranker  Ka¬ 
ninchen.) 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  Februar  1913. 

Vorsitzender ;  Herr  R  ö  s  s  1  e. 

Schriftführer :  Herr  Bennscke. 

Herr  Maurer:  Schilddrüse,  Thymus  und  ihre  Nebendrüsen 
bei  Wirbeltieren  und  dem  Menschen. 

Unter  den  im  Bereiche  der  Kopfdarmhöhle,  besonders  der 
Schlundspalten  sich  entwickelnden  drüsigen  Organen  beim  Menschen 
haben  neben  der  Schilddrüse  besonders  die  Epithelkörperchen  in  den 
letzten  Jahren  die  Aufmerksamkeit  der  Aerzte  gewonnen,  weil  sie, 
wie  es  scheint  als  Organe  innerer  Sekretion,  funktionell  von  Be¬ 
deutung  sind.  Man  hat  die  in  der  Umgebung  der  Schilddrüse  und  der 
Thymus  angeordneten  kleinen  Gebilde  sehr  verschieden  beurteilt 
und  bezeichnet.  Bald  findet  man  sie  als  Parathymus,  Parathyreoidea, 
Epithelkörperchen,  Sandström  sehe  Körperchen  angeführt.  Nicht 
nur  wegen  der  Störungen,  die  ihre  Entfernung  veranlassen,  sondern 
auch  als  anatomische  Grundlage  für  Tumoren,  Zysten  und  Fisteln  ge¬ 
winnen  sie  unter  Umständen  praktische  Bedeutung.  In  der  letzten 
Zeit  ist  eine  Arbeit  über  diese  Gebilde  bei  Säugetieren  .erschienen 
(Th.  Mayr:  Die  Drüsenknospen  Thymus  und  Tholus  am  Meta¬ 
pharynx  der  Säuger.  Morphol.  Jahrbuch,  Bd.  45,  H.  1,  1912),  die 
mich  veranlasst,  diese  Fragen  einmal  wieder  aufzunehmen.  Dass 
ich  gerade  an  dieser  Stelle  mich  darüber  äussere,  ist  veranlasst  durch 
die  wiederholten  Fragen  meiner  klinischen  Herren  Kollegen  betreffend 
die  anatomische  Beurteilung  von  Halszysten  und  Fisteln,  besonders 
auch  abnormen  Bildungen  im  Bereiche  der  ersten  Schlundspalte,  die 
doch  im  wesentlichen  in  dem  Dienst  des  Gehörorgans  eine  besondere 
Ausbildung  erfährt. 

In  der  zitierten  Arbeit  von  Mayr  findet  man  eine  vortreffliche 
Zusammenstellung  der  Literatur;  auch  sind  dort  meine  Arbeiten  über 
diese  Fragen  in  ausgezeichneter  Weise  kurz  wiedergegeben.  Die 
eigenen  Untersuchungen  des  Verfassers  beschränken  sich  aber  aui 
Säugetiere  und  nach  deren  Befunden  sind  die  angeregten  Fragen  nicht 
zu  beantworten.  Ich  halte  deshalb  die  von  Mayr  vorgeschlagenen 
Bezeichnungen  für  die  neben  Schilddrüse  und  Thymus  sich  findenden 
Gebilde  als  Tholus  (Ektholus  und  Entholus)  für  sehr  ungeeignet, 
denn  dadurch  werden  tatsächlich  sehr  komplizierte  Verhältnisse,  die 
durch  die  vergleichende  Anatomie  vollkommen  aufgeklärt  sind,  ganz 
unberechtigter  Weise  vereinfacht  und  dadurch  ganz  entstellt.  Es  ist 
dieses  ganze  Problem,  wie  wenige,  geeignet,  klar  zu  zeigen,  wie 
wichtig  die  vergleichende  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  fiii 
die  Beurteilung  der  beim  Menschen  bestehenden  Verhältnisse  ist. 
Ohne  zoologische  Kenntnisse  sind  solche  Probleme  überhaupt  nicht 
zu  lösen.  Ich  habe  in  früheren  Jahren  eingehende  Untersuchungen 
an  Knochenfischen,  Amphibien,  Reptilien  und  niederen  Säugetieren 
gemacht  und  will  versuchen,  hier  in  Kürze  ein  Bild  von  der  stammes¬ 
geschichtlichen  Ausbildung  der  auch  für  den  Menschen  so  wichtigen 
Halsdrüsen  zu  geben.  Es  handelt  sich  um  die  Schilddrüse,  die 
Thymus,  die  Epithelkörperchen  und  den  postbranchialen  Körper. 


I 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


725 


Um  einen  klaren  Ausgangspunkt  und  damit  eine  präzise  Frage- 
ttilung  zu  erhalten,  ist  zunächst  zu  untersuchen,  welche  von  den 
enannten  Organen  bei  niederen,  im  Wasser  lebenden  Wirbeltieren, 
ie  zeitlebens  offene  Kiemenspalten  besitzen,  bestehen.  Danach  wird 
u  eruieren  sein,  welche  Organe  erst  auftreten,  wenn  die  Kiernen- 
palten  eine  Rückbildung  erfahren  und  wie  sie  sich  zum  Verschluss 
er  Kiemenspalten  verhalten.  Das  ist  folgendermassen  zu  beant¬ 
worten:  Bei  Selachiern,  Teleostiern  und  den  Larven  der  ge- 
jchwänzten  Amphibien  bestehen  gleichzeitig  mit  den  offenen  Kiemen- 
palten:  die  Schilddrüse,  die  Thymus  und  der  postbranchiale  Körper. 
Venn  bei  den  wenigen  bis  jetzt  untersuchten  Formen  der  Knochen- 
sche  der  postbranchiale  Körper  noch  nicht  gefunden  wurde,  so  ist 
ies  insofern  für  uns  belanglos,  als  er  sicher  bei  Selachiern  und  Uro- 
elenlarven  nachgewiesen  wurde,  also  in  seinem  Auftreten  nicht  vom 
erschluss  der  Kiemenspalten  abhängig  ist.  Dagegen  sehen  wir, 
ass  bei  keiner  der  genannten  F'ormen  die  Epithelkörperchen  be- 
tehen.  Deren  Auftreten  setzt  also  den  Verschluss  der  Kiemenspalten 
oraus.  Bei  Selachiern  sind  die  uns  interessierenden  Verhältnisse  von 
»ohrn  und  van  Bemmelen  untersucht  worden.  Bei  Knochen- 
schen  habe  ich  später  die  Entwicklung  und  die  späteren  Befunde 
ntersucht.  Da  findet  sich  die  Schilddrüse  in  der  Anlage  überall 
leich  gebildet.  Sie  entsteht  in  Form  einer  bläschenförmigen  epi- 
lelialen  Ausstülpung  der  ventralen  Wand  der  Kopfdarmhöhle  in  der 
entralen  Mittellinie  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Kiemenbogen, 
lier  tritt  sie  bei  allen  Wirbeltieren,  bis  zum  Menschen  hinauf  in 
leicher  Form  auf.  Sie  ist  das  einzige  Organ,  das  auch  hinsichtlich 
einer  stammesgeschichtlichen  Vorbildung  ganz  aufgeklärt  ist  durch 
ie  Untersuchungen  Wilhelm  Müllers  an  Zyklostomen.  Bei  Am- 
lozötes,  der  Larvenform  von  Petromyzom  findet  man  nämlich  an 
er  genannten  Stelle  eine  gabelig  gespaltene  Schleimdrüse,  mit 
ffenem,  frei  in  die  Mundhöhle  mündendem  Ausführgang  (homolog 
er  Hypobranchia.lrinne  der  Tunikaten).  Bei  der  Metamorphose  von 
mmozötes  zu  Petromyzon  schnürt  sich  diese  Schleimdrüse  von  der 
lundhöhlenschleimhaut  unter  Verschluss  ihres  Ausführganges  ab  und 
wird  zu  einer  grossen  Zahl  getrennter  rundlicher,  mit  Epithel  ausge- 
leideter  Bläschen  umgebildet,  die  in  ihrem  Lumen  Kolloid  enthalten, 
on  da  an  ist  dieses  Organ  bis  zum  Menschen  hinauf  immer  in 
leicher  Anlage  und  Ausbildung,  sowie  vom  gleichen  Bau  nach- 
eisbar.  Die  kolloidhaltigen  Bläschen  charakterisieren  das  Organ, 
.nders  die  Thymus:  Sie  besteht  bei  Selachiern,  Teleostiern  und 
tnphibien  aus  kompakten  Wucherungen  des  Epithels  der  dorsalen 
iementaschen.  Die  Wucherungen  nehmen  den  Charakter  adenoiden 
iewebes  an.  Verschieden  ist  die  Zahl  der  zur  Bildung  des  Thymus- 
ewebes  herangezogenen  Kiemenspalten:  bei  Selachiern  sind  es  alle 
palten,  bei  Knochenfischen  die  2. — 5.,  bei  Urodelen  die  1. — 5.,  bei 
.nuren  (Frösche  und  Kröten)  die  1.  und  2.  Diese  Wucherungen 
önnen  mit  den  Kiemenspalten  in  Verbindung  bleiben  und  als  ge¬ 
änderte  Gebilde  hintereinander  liegen,  oder  zu  einheitlicher  Masse 
erschmelzen,  sich  auch  von  der  Kiemenschleimhaut  ablösen.  Sie 
elimen  ihrer  Entwicklung  entsprechend  immer  eine  dorsale  Lage  zu 
en  Kiemenspalten  an.  Betrachten  wir  nun  die  Vorgänge  des  Ver¬ 
drusses  der  Kiemenspalten,  wie  er  sich  bei  Urodelen  vollzieht: 
lehmen  wir  die  3.  Kiemenspalte  als  Beispiel:  Die  Thymus  dieser 
palte  liegt  abgelöst,  dorsal  von  der  Spalte.  An  letzterer  unter- 
cheiden  wir  einen  inneren  Kiemengang,  einen  mittleren  Teil 
ut  dorsal  und  ventral  ausgebuchteter  Tasche  und  einen  äusseren 
iemengang.  Innerer  und  äusserer  Kiemengang  erfahren  einen 
ölligen  Verschluss  und  gänzliche  Rückbildung,  aus  dem  mitt- 
:ren  Teil  aber  wird  unter  eigentümlicher  Wucherung  der 
pithelzellen  der  Kiementasche  ein  Epithelkörperchen,  aus  ganz 
harakteristischem  Gewebe  bestehend:  kleine  Gruppen  epi- 
rtelialer  Zellen,  fest  zusammengepresst  liegend  und  durch  Binde- 
ewebe  voneinander  getrennt.  Nirgends  ist  ein  Lumen  erkennbar, 
her  es  besteht  auch  kein  adenoides  Gewebe.  Mit  Rücksicht  auf  diese 
'ntstehung  und  den  eigenartigen  Bau  dieser  Gebilde,  habe  ich  sie, 
m  hinsichtlich  ihrer  Bedeutung  gar  nichts  zu  präjudizieren,  als 
Epithelkörperchen  bezeichnet,  welcher  Namen  sich  auch  in  der 
iteratur  eingebürgert  hat.  Bei  Urodelenlarven  besteht  aber  ausser 
er  Schilddrüse  und  der  Thymus  noch  der  postbranchiale  Körper,  in 
inseitiger  Ausbildung  und  zwar  links,  hinter  der  5.  Kiemenspalte 
ls  länglicher  Schlauch  mit  epithelialer  Wandung,  ohne  Kolloid,  aber 
lit  engem  Lumen  versehen.  Er  wächst  später  zu  einer  Gruppe 
leiner  Bläschen  aus,  die  ebenfalls  epitheliale  Wandung  zeigen  und 
iemals  Kolloid  enthalten.  Das  Epithelkörperchen  der  zweiten 
’.iemenspalte  wird  zur  Karotidendriise.  Ausser  der  oben  geschil- 
erten  dritten  Spalte  bildet  auch  die  vierte  Spalte  ein  Epithel- 
örperchen,  nicht  aber  die  fünfte,  wenigstens  nicht  bei  den  von  mir 
Versuchten  Exemplaren. 

Bei  Reptilien  (Eidechse)  kommen  ebenfalls  neben  der  Schilddrüse 
nd  der  Thymus  die  Epithelkörperchen  und  der  postbranchiale  Körper 
ur  Ausbildung.  Die  Schilddrüse  entsteht  als  unpaares  Bläschen  wie 
ei  Amphibien  in  der  ventralen  Mittellinie  zwischen  der  ersten  und 
weiten  Schlundspalte,  der  postbranchiale  Körper  in  paariger  Anord- 
ung  als  kugeliges  Bläschen  hinter  der  vierten  Spalte,  er  bildet  kein 
lolloid  aus.  Die  Thymus  bildet  sich  aus  der  zweiten  und  dritten 
palte  und  die  gleichen  Spalten  bilden  auch  Epithelkörperchen  aus. 
nteressant  ist  das  Verhalten  der  dritten  Spalte.  Sie  zeigt  den 
lebergang  des  Urodelen-  zum  Säugetierbefund:  Nicht  nur  die  ganze 
orsale  Kiementasche  wird  unter  mächtiger  Wucherung  des  Epithels 


zu  I  hymusgewebe,  sondern  die  Wucherung  reicht  soweit  ventral- 
wärts  herab,  dass  das  Epithelkörperchen  dieser  Spalte,  das  als  eine 
wohl  abgrenzbare,  histologisch  vom  Thymusgewebe  scharf  zu  unter¬ 
scheidende  kugelige  Bildung  mitten  im  Thymusgewebe  nahe  dem 
ventralen  Ende  dieses  Organs  liegt.  Die  ventrale  Kiementasche  bildet 
zuerst  einen  kleinen  soliden  Zapfen,  dem  ventralen  Ende  der  Thymus 
angeschlossen  dann  bildet  sie  sich  zurück.  Die  zweite  Spalte  der 
Eidechse  bildet  nur  mit  ihrer  dorsalen  Tasche  eine  Thymusknospe, 
ihrem  ventralen  Ende  ist  vorübergehend  durch  einen  Epithelstiel  das 
Epithelkörperchen  dieser  Spalte  verbunden,  löst  sich  aber  bald  von 
ihr  ab,  so  dass  hier  der  Befund  wie  bei  Urodelen  besteht. 

Bei  Säugetieren  (Echidna)  sehen  wir  die  Schilddrüse  in  der 
bekannten  vorderen  unpaaren  Anlage  wie  bei  der  Eidechse  entstehen, 
der  postbranchiale  Körper  bildet  sich  paarig  hinter  der  vierten  Spalte. 
Die  Thymus  wird  nur  aus  der  dritten  Schlundspalte  gebildet,  die 
Epithelkörperchen  gehen  aus  der  dritten  und  vierten  Spalte  hervor, 
die  Karotidendriise  wahrscheinlich  aus  der  zweiten  Spalte.  Die  Ver¬ 
hältnisse  der  dritten  Spalten  sind  die  interessantesten:  auch  hier  ist 
zu  unterscheiden  wie  bei  Urodelen  und  Reptilien  ein  innerer  Kiemen¬ 
gang,  eine  dorsale  und  ventrale  Kiementasche  und  ein  äusserer 
Kiemengang.  Innerer  und  äusserer  Kiemengang  erfahren  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  eine  völlige  Rückbildung,  auch  die  dorsale 
Kiementasche  verkümmert,  während  die  ventrale  Tasche  unter  mäch¬ 
tiger  Wucherung  ihrer  epithelialen  Wandung  zur  Thymus  wird,  und 
am  dorsalen  Ende  dieser  Wucherung  bildet  sich  ein  Epithelkörperchen, 
ebenso  abgegrenzt  und  in  seinem  Bau  eigenartig  wie  bei  Lacerta, 
es  liegt  am  dorsalen  Ende  der  Thymus,  inmitten  ihres  Gewebes.  Ver¬ 
glichen  mit  den  Verhältnissen  bei  der  Eidechse  hat  die  Thymus¬ 
wucherung  sich  also  weiter  ventralwärts  entfaltet,  das  Epithel¬ 
körperchen  ist  aber  an  seinem  Platze  geblieben.  Es  lag  bei  Rep¬ 
tilien  am  ventralen,  bei  Echidna  am  dorsalen  Ende  der  Thymus  der 
dritten  Spalte.  Bei  Urodelen  war  die  Thymuswucherung  ganz  dorsal, 
abgelöst  vom  Epithelkörperchen,  bei  Lacerta  beginnt  sie  sich  ventral 
auszudehnen,  das  Epithelkörperchen  ist  ihr  ventral  eingelagert,  und 
bei  Säugetieren  ist  sie  ganz  ventral  herab  ausgedehnt,  das  Epithel¬ 
körperchen , liegt  in  ihrem  dorsalen  Ende. 

Wir  sehen  also  in  der  ganzen  Wirbeltierreihe  die  aus  dem  Kie- 
menmarm  hervorgehenden  drüsigen  Organe  sich  nach  einem  einheit¬ 
lichen  Plane  entwickeln  und  nach  allen  vorliegenden  Literaturangaben 
finden  die  höheren  Säugetiere  und  der  Mensch  sich  damit  in  Ueberein- 
stimmung.  Es  ist  ganz  zweifellos  sicher,  dass  die  4  Schlundspalten 
des  Menschen  homolog  sind  den  4  vorderen  Kiemenspalten  der 
niederen  Wirbeltiere.  Das  beweist  ihre  ganze  Anlage,  die  Ausbildung 
der  Thymus  und  Epithelkörperchen  und  die  abnormer  Weise  öfter 
auftretenden  weiteren  Reste,  die  gelegentlich  zur  Bildung  von  Tu¬ 
moren,  Zysten  und  Fisteln  führen.  Für  den  Menschen  ist  festgestellt 
die  vordere  unpaare  Anlage  der  Schilddrüse,  wie  sie  allen  niederen 
Wirbeltieren  zukommt,  die  Ausbildung  der  Thymus  aus  der  ventralen 
Tasche  der  3.  Schlundspalte,  die  Bildung  von  Epithelkörperchen  aus 
der  3.  und  4.  Spalte,  sowie  die  paarige  Anlage  des  postbranchialen 
Körpers  hinter  der  4.  Spalte.  Das  Epithelkörperchen  der  3.  Spalte 
steht  von  vornherein  mit  dem  dorsalen  Ende  der  Thymus  in  Zu¬ 
sammenhang,  das  der  4.  Spalte  ist  selbständig.  In  ihrer  späteren 
Anordnung  verhalten  sich  nun  die  Epithelkörperchen  verschieden. 
Es  liegen  mir  Präparate  von  Neugeborenen  vor,  bei  welchen  sich 
folgendes  findet:  links:  Die  Thymus  erstreckt  sich  mit  ihrem  dem 
Kopf  zu  gelegenen  Ende  herauf  bis  zur  Schilddrüse  und  diesem 
vorderen  Zipfel  ist  das  eine  Epithelkörperchen  fest  verbunden, 
während  das  andere  frei  daneben  liegt.  Rechts:  die  Thymus  erstreckt 
sich  nicht  bis  zur  Schilddrüse  empor,  die  beiden  Epithelkörperchen 
liegen  frei  neben  der  Schilddrüse,  als  echte  Glandulae  parathyreoi- 
deae.  In  einem  anderen  Falle  fand  ich  die  beiden  Epithelkörperchen 
nicht  neben  der  Schilddrüse,  sondern  mit  der  Thymus  herunterge¬ 
rückt,  das  eine  mit  der  Thymus  verbunden,  das  andere,  frei  daneben¬ 
liegend,  als  Glandulae  parathymus.  Schon  daraus  ergibt  sich,  dass 
die  Epithelkörperchen  eine  verschiedene  Anordnung  zeigen,  was  aber 
doch  in  ihrer  Entwicklung  begründet  und  ganz  verständlich  ist.  Nach 
dem  Angeführten  werden  sich  die  übrigen  Varietäten  leicht  beurteilen 
lassen.  Es  bleibt  noch  der  öfter  angeführte  Befund  zu  erklären,  wo 
man  inmitten  des  Thymusgewebes  eine  grosse  Zahl,  bis  zu  20  kleine 
Gebilde  vom  Bau  der  Epithelkörperchen  (Sandström  sehe 
Körperchen)  fand.  Nach  meiner  Auffassung  handelt  es  sich  hier 
darum,  dass  das  Epithelkörperchen,  welches  in  Verbindung  mit  der 
Thymus  blieb,  bei  seinem  Wachstum  durch  das  ebenfalls  stark 
wachsende  Thymusgewebe  in  verschiedene  Follikelkomplexe  zerteilt 
wurde,  deren  Zahl  natürlich  beliebig  gross  sein  kann.  Das  spreche 
ich  indessen  nur  mit  Vorbehalt  aus,  da  ich  es  nicht  beobachtet  habe, 
doch  scheint  mir  eine  andere  Deutung  nicht  möglich.  Der  post¬ 
branchiale  Körper,  dem  man  früher  eine  grössere  Bedeutung  beim  Auf¬ 
bau  der  Schilddrüse  zusprach  (W  ö  1  f  1  e  r  und  S  t  i  e  d  a),  verbindet 
sich  nach  allen  neueren  Angaben  beim  Menschen  mit  der  Schild¬ 
drüse,  erfährt  aber  eine  Reduktion  unter  normalen  Verhältnissen. 
Die  Schilddrüse  besitzt  bekanntlich  häufig  einen  vom  Isthmus  aus 
aufwärts  verlaufenden  Processus  pyramidalis.  Dieser  durch  die  Ent¬ 
wicklung  des  Organs  veranlasste  Fortsatz  kann  sich  bekanntlich  zer¬ 
teilen  und  zur  Bildung  verschiedener  Nebenschilddrüsen  führen,  die 
bei  Vergrösserung  durch  ihre  Lage  recht  verhängnisvoll  werden 
können  (Struma  subhyoidea).  Hierbei  spielen  die  Epithelkörperchen 
keine  Rolle. 


726 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


Was  den  histologischen  Bau  der  besprochenen  Organe  betrifft, 
so  ist  das  lymphatische  Gewebe  der  Thymus  bekannt.  Die  Schild¬ 
drüse  ist  durch  die  kolloidhaltigen  mit  Epithel  ausgekleideten  Bläs¬ 
chen  charakterisiert.  Auch  der  postbranchiale  Körper,  der  bei 
niederen  Wirbeltieren  niemals  Kolloid  ausbildet,  sondern  aus  epi¬ 
thelialen  Bläschen  mit  Flüssigkeit  gefüllt  besteht,  bildet  bei  Säuge¬ 
tieren  Kolloid  aus.  Die  Epithelkörperchen  bestehen  aus  kompakten 
Epithelschläuchen  und  rundlichen  Zellkomplexen,  von  welchen  es 
nicht  erwiesen  ist,  ob  sie  bei  einer  Wirbeltierform  oder  dem 
Menschen  Kolloid  ausbilden.  Legt  man  sich  die  Frage  vor,  warum 
diese  Gebilde  überhaupt  zur  Ausbildung  kommen,  so  ist  daran  zu 
erinnern,  dass  sie  entstehen  bei  der  Rückbildung  der  Kiementaschen, 
wobei  also  grössere  Schleimhautbezirke  verschwinden.  Es  wird  sich 
fragen,  ob  diese  Schleimhaut,  resp.  ihr  Epithel  nicht  neben  der  respi¬ 
ratorischen  Bedeutung  noch  andere  Funktionen  zu  versehen  hat.  Da 
erinnere  ich  an  Untersuchungen,  die  ich  über  die  Beziehung  des  Blut¬ 
kapillarnetzes  zum  Epithel  der  Mundhöhlenschleimhaut  angestellt 
habe,  aus  denen  sich  ergibt,  dass  diese  Kapillaren  weit  in  das  Epithel 
hinein  Vordringen.  Es  ist  denkbar,  dass  hier  neben  der  Respiration, 
auch  andere  Beziehungen  zwischen  Epithel  und  Blut  bestehen,  im 
Dienste  der  inneren  Sekretion,  wie  sie  auch  in  der  Schilddrüse  nach¬ 
gewiesen  ist.  So  könnte  eine  derartige  Beziehung  dazu  führen,  dass 
bei  Schwund  der  respiratorischen  Kiemenspalten  doch  gewisse 
Epithelbezirke  im  Dienste  der  genannten  Funktion  als  Epithel¬ 
körperchen  erhalten  bleiben.  Das  sei  natürlich  nur  mit  Vorbehalt 
ausgesprochen,  aber  in  neuerer  Zeit  kommt  man  doch  immer  mehr 
zur  Ueberzeugung,  dass  die  Entfernung  der  Epithelkörperchen 
schwere  Störungen  zur  Folge  hat,  so  dass  ihnen  eine  wichtige 
Funktion  zuzuerkennen  ist. 

Was  nun  die  häufig  am  Hals  vorkommenden  Zysten  und  Fisteln 
betrifft,  so  ist  deren  Ableitung  von  Resten  der  Schlundspalten  wohl- 
bekannt:  Es  handelt  sich  um  abnormes  Bestehenbleiben  von  Teilen 
der  inneren  oder  äusseren  Kiemengänge,  die  unter  Flüssigkeitsab¬ 
sonderung  sich  vergrössern  können.  Die  Fisteln  können  ebensowohl 
durch  primäres  Offenbleiben  der  fötalen  Schlundspalten,  als  durch 
sekundären  Durchbruch  abgeschlossener  Zysten  entstehen. 

Hinsichtlich  des  Auftretens  von  Zysten  im  Bereiche  der  ersten 
Schlundspalte,  die  in  den  Dienst  des  Gehörorgans  tritt,  sei  daran 
erinnert,  dass  auch  bei  dieser  Spalte  ein  völliger  Verschluss  und  eine 
weitgehende  Rückbildung  eintritt,  nachdem  sie  am  Anfang  der 
4.  Woche  des  Embryonallebens  beim  Menschen  vorübergehend  offen 
war,  und  dass  der  spätere  äussere  Gehörgang,  besonders  aber  die 
Tuba  Eustachii  und  die  Paukenhöhle  spätere  Neubildungen  sind,  die 
allerdings  an  der  Stelle  der  ersten  Schlundspalte  auftreten.  Es  ist 
aber  sehr  wohl  denkbar,  dass  bei  der  Rückbildung  der  ersten 
Schlundspalte  sich  Epithelreste  erhalten,  die  keine  Verbindung  mit 
dem  späteren  Mittelohr  haben  und  gelegentlich  zu  Zystenbildung  Ver¬ 
anlassung  geben  können. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  nochmals  darauf  hinweisen,  dass  die 
hier  behandelten  Fragen  nicht  durch  Untersuchungen  an  Säugetieren 
entschieden  werden  können,  dass  vielmehr  ein  genaues  Studium  der 
Verhältnise  bei  niederen  Wirbeltieren  notwendig  war,  worüber  ich 
in  früheren  Arbeiten  genauer  berichtet  habe. 

Diskussion:  Herr  Riedel  erwähnt  Fisteln,  die  vom 
Mittelohre  zum  Kieferwinkel  führen,  sodann  Zysten,  welche  diesen 
Fisteln  entsprechen,  desgleichen  abnorme  Knochenvorsprünge  an  der 
^  ch  ä  d  6 1  b  s  i  s 

Herr  R  ö  s  s  1  e :  Für  uns  Pathologen  wäre  es  sehr  wichtig  zu 
wissen,  ob  und  wo  wir  den  postbranchialen  Körper  regelmässig  an¬ 
treffen  können.  Nach  den  bisher  vorliegenden  Untersuchungen 
scheint  er  nur  bei  Athyreosis  konstant  gefunden  zu  werden.  Ferner 
wäre  genauere  Kenntnis  über  die  Art  seines  Epithels  wünschenswert, 
besonders  weil  Plattenepithelkarzinome  in  der  Schilddrüse  gefunden 
werden,  deren  Herkunft  bisher  nicht  vollständig  befriedigend  mit  der 
Benennung  „branchiogenes  Karzinom“  erklärt  ist.  Sophie  G  e  t  z  o  wa 
hat  für  postbranchiale  Zysten  auch  das  Vorkommen  von  Platten¬ 
epithel  angegeben. 

Herr  v.  Bardeleben:  Es  gibt  nicht  zwei  Proc.  styloidei. 
sondern  nur  einen;  wenn  der  vordere  Fortsatz  ein  Griffelfortsatz 
war,  so  kann  der  etwa  2  cm  weiter  nach  hinten  und  in  der  I  iefe 
gelegene  nur  ein  Proc.  paramastoideus  oder  Proc.  paracoedytoideus 
(beides  seltene  Varietäten  beim  Menschen)  gewesen  sein.  —  v.  B. 
weist  ferner  auf  die  zahlreichen  Varietäten  des  hinteren  Bauches 
des  Biventer  und  Stylohyoideus  hin.  Aus  dem  Muskelursprung 
ist  nicht  zu  entnehmen,  ob  der  vordere  Fortsatz  der  Griffelfortsatz 
war.  Beziehungen  zum  Zungenbein,  sowie  die  Lage  hinter  dem 
Unterkiefer  sprechen  dafür. 

Herr  Maurer  (Schlusswort) :  Zu  den  Ausführungen  des  Herrn 
Kollegen  Riedel  bemerke  ich,  dass  es  für  mich,  da  ich  die  an¬ 
geführten  Fälle  nicht  gesehen  habe,  nicht  möglich  ist  ein  mass¬ 
gebendes  Urteil  abzugeben.  Fistelgänge  vom  Boden  der  Paukenhöhle 
aus  können  als  Ausbuchtungen  wohl  entstehen,  das  ist  denkbar.  Sie 
können  auch  aus  Zysten  hervorgehen,  Resten  der  ersten  Schlund¬ 
spalte,  die  sich  mit  der  Paukenhöhle  verbunden  haben.  Dass  vor 
der  ersten  Schlundspalte  eine  nach  aussen  führende  Spalte  bestanden 
hätte,  dafür  gibt  die  vergleichende  Anatomie  keine  Grundlage.  Hin¬ 
sichtlich  der  beiden  Fortsätze  in  Anschluss  an  das  Kiefergelenk  ist 
zu  sagen,  dass  der  eine  wohl  dem  normalen  Processus  styloideus 
entspricht;  Der  zweite  kann,  wenn  er  davor  liegt,  was  mir  nach 
Herrn  Riedels  Angabe  wahrscheinlich  ist,  insofern  einen  sehr 


interessanten  Befund  darstellen,  als  er  infolge  von  abnormen 
Bildungsvorgängen  im  Bereiche  des  ersten  Kiemenbogens  entstanden 
sein  kann.  Es  ist  daran  zu  erinnern,  dass  das  Kieiergelenk  der 
Säugetiere  und  des  Menschen  eine  Neubildung  ist,  das  Dentale  als 
Deckknochen  lagert  sich  dem  Meckel  sehen  Knorpel  auf.  Es  könnte 
sich  der  Processus  longus  oder  Folianus  des  Hammers  mächtiger 
ausgebildet  haben  und  unter  Verknöcherung  die  Grundlage  dieses 
vorderen  Griffelfortsatzes  bilden.  Sicheres  kann  ich  ohne  genaue 
Prüfung  des  Befundes  nicht  sagen. 

Was  die  Frage  des  Herrn  Kollegen  Rössle  betrifft,  so  ist  zu 
sagen,  dass  der  postbranchiale  Körper  unter  normalen  Umständen 
wohl  eine  Rückbildung  erfährt,  dass  es  aber  wohl  denkbar  ist,  dass 
er  gelegentlich  die  Grundlage  für  Tumoren  darstellt.  Dass  die  Be¬ 
schaffenheit  seines  Epithels  ihn  deutlich  vom  Epithel  der  Schilddrüse 
unterscheiden  lässt  ist  ausgeschlossen:  Plattenepithel  kommt  ge¬ 
legentlich  ebenso  in  Schilddrüsenbläschen,  wie  in  den  Bläschen  des 
postbranchialen  Körpers  embryonal  vor,  ebenso  kubisches  oder 
Zylinderepithel.  Durch  solche  Verschiedenheiten  allein  im  Bau  einer 
Struma  ist  also  nicht  mit  Sicherheit  auf  deren  Herkunft  aus  dem 
postbranchialen  Körper  zu  schliessen.  (Schluss  folgt.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  10.  Februar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Strohe  1. 

Schriftführer :  Herr  Eugen  Hopman  n. 

Herr  Th  eien:  Diagnostik  und  Therapie  der  Prostatahyper¬ 
trophie. 

In  der  Diagnostik  und  Therapie  der  Prostatahypertrophie  sind 
in  dem  letzten  Dezennium  erfreuliche  Fortschritte  gemacht  worden, 
die  das  Schicksal  der  Prostatiker  in  Zukunft  verbessern.  Die  alte 
Anschauung  G  u  y  o  n  s,  die  Prostatahypertrophie  sei  eine  Teil¬ 
erscheinung  allgemeiner  Arteriosklerose  ist  durch  genaue  anatomisch- 
pathologische  Studien  widerlegt  und  wir  wissen  heute  durch  die  inter¬ 
essanten  Arbeiten  von  Tandler  und  Zuckerkand  1,  dass  nur 
die  obersten,  mit  dem  Blasenhals  und  der  Pars  prostatica  zusammen¬ 
hängenden  Massen,  an  der  Hypertrophie  partiziperen,  also  die  Hyper¬ 
trophie  keine  totale,  sondern  nur  eine  partielle  ist. 

Wir  können  ferner  durch  die  Zystoskopie  die  Konfiguration  der 
Prostatahypertrophie,  ihre  in  die  Blase  vorspringenden  Wülste  und  die 
dadurch  bedingten  Veränderungen  am  Orificium  internum,  Trigonum 
und  der  ganzen  Vesica  in  vivo  uns  vor  Augen  führen.  Durch  die 
Ureterensondierung  und  die  Chromozystoskopie  verschaffen  wir  uns 
ein  Bild  über  die  Nierenfunktion  des  Prostatikers,  die  bei  der  Prostat¬ 
ektomie  von  ausschlaggebender  Bedeutung  ist. 

Ohne  Zweifel  kann  die  weitaus  grösste  Mehrzahl  der  Prostatiker 
durch  den  Katheter  gebessert  und  von  ihren  Beschwerden  der  akuten 
und  chronischen  Harnretentionen  befreit,  ein  erträgliches  Leben  führen. 
Eine  grosse  Anzahl  vermögen  wir  auch  durch  die  suprapubische 
Prostatektomie  vollständig  zu  heilen  und  vor  dem  gefahrvollen  Kathe¬ 
terleben,  welches  bei  manchen  dem  chronischen  Siechtum  gleich¬ 
kommt,  dauernd  zu  bewahren. 

Die  suprapubische  Prostatektomie,  die  meist  in  Lumbalanästhesie 
ausgeführt  wird,  ziehen  die  meisten  Chirurgen  und  Urologen  jetzt  der 
perinealen  vor,  weil  sie  technisch  leichter  auszuführen  ist,  ihre  funk- 
tionellen  Resultate  glänzend  sind,  die  Potenz  in  der  Regel  erhalten 
bleibt  und  eine  Blasenfistel  in  keinem  Falle  zu  befürchten  ist.  ln 
letzter  Zeit  hat  W  i  1  m  s  eine  neue  Methode  der  perinealen  Prostat¬ 
ektomie  warm  empfohlen,  die  technisch  zwar  schwieriger,  aber  nicht 
so  gefahrvoll  ist,  als  die  suprapubische. 

Es  fragt  sich  nun,  wann  und  bei  welchen  Beschwerden  wir  drin¬ 
gend  unseren  Patienten  die  Prostatektomie  anraten  sollen,  falls  nicht 
von  seiten  des  Herzens,  der  Blutgefässe,  der  Lunge  oder  Nieren  eine 
Kontraindikation  vorliegt.  Vortragender  rät  zur  Prostatektomie  hei 
allzu  häufigem  und  vor  allem  schwierigen  Katheterismus,  der  leicht 
zu  fausses  routes  führen  kann,  ferner  bei  starken,  stets  wiederkehren¬ 
den  Blutungen,  die  eine  stetige  Gefahr  der  Infektion  abgeben  und  bei 
Konkrementrezidiven  im  Recessus  prostaticus.  Ausserdem  sind  Pa¬ 
tienten  der  arbeitenden  Klasse,  die  an  chronisch  inkompletter  Harn¬ 
retention  leiden,  also  ein  Katheterleben  führen  müssen,  nach  Möglich¬ 
keit  zu  operieren. 

Vortragender  hat  in  8  Fällen  im  Alter  von  63  bis  78  Jahren  die 
suprapubische  Prostatektomie  ausgeführt  und  einen  Patienten  an 
Urämie  und  einen  an  hypostatischer  Pneumonie  verloren.  Die  übri¬ 
gen,  welche  infolge  ihres  enormen  Prostatatumors  mit  Blasendis¬ 
tension  ein  Katheterleben  führen  mussten,  sind  jetzt  alle  imstande 
spontan  die  Blase  wieder  vollständig  zu  entleeren. 

Herr  Huismans:  lieber  die  Heilwirkung  der  deutschen  See¬ 
bäder.  ,  , 

Eingehende  Würdigung  der  verschiedenen  Heilfaktoren,  ln  aei 
Seeluft  werden  die  ultravioletten  Strahlen  stärker  absorbiert  wie  im 
Gebirge.  Ein  Vergleich  zwischen  See  und  Gebirge  ergibt,  dass  die 
See  in  der  Behandlung  von  chronischen  Tuberkulosen  in  die  erste 
Reihe  gestellt  zu  werden  verdient.  Auch  Asthmatiker,  Blutarme, 
Nervöse,  Rekonvaleszenten  finden  an  der  See  Heilung. 

Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  der  Therapie  der  Gegenwar.. 


1  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


727 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  25.  Februar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Marchand. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  v.  Strümpell  stellt  2  Brüder  mit  Myotonie  und  aus- 
l  ehnten  Muskelatrophien  (Gesicht,  Sternocleidomastoidei,  Unter- 
ie,  Hände,  Unterschenkel)  vor.  (Die  Fälle  werden  anderweitig 

i  lodert  werden.) 

Herr  Mohr:  Fall  von  ungewöhnlicher  multipler  symmetrischer 
chwulstbildung. 

Beide  Hände  (Abbildung  1)  zeigen  starke  auffallend  symmetri- 
«i  Deformitäten  und  zwar  finden  sich  hier,  besonders  an  beiden 


Gelfingern,  sehr  ausgedehnte,  derb  elastische,  mit  der  Haut  fest  zu- 
;  menhängende,  gegen  den  Knochen  anscheinend  etwas  verschieb- 
i<e,  unregelmässig  gestaltete  Tumoren.  Auch  die  Daumen  zeigen 
gedehnte  symmetrische  Auswüchse  zu  beiden  Seiten  der  Pha¬ 
gen,  die  zum  Teil  von  weicherer,  zum  Teil  von  knorpelharter 
v  sistenz  sind.  Die  übrigen  Finger  zeigen  weniger  ausgedehnte 
liehe  Geschwülste.  Ueber  den  distalen  Enden  der  Metakarpal- 
ichen  besitzen  die  hier  gelegenen  bis  über  haselnussgrossen  Ge¬ 
hülste  eine  weichere  Konsistenz  und  eine  ausgedehnte  Verschieb- 
iceit  gegenüber  den  Knochen. 


Weitere  symmetrische,  anscheinend  der  Haut  und  dem  Unterhaut- 
ebe  angehörende,  mit  den  Knochen  nicht  in  Zusammenhang 

stehende  Geschwülste  finden  sich  über 
den  Ellenbogengelenken  und  zwar 
weist  die  Gegend  des  rechten  Ellen¬ 
bogens  eine  blaurot  verfärbte,  z.  T. 
etwas  gelbliche,  unregelmässig  ge¬ 
lappte,  derbe,  stellenweise  knorpel¬ 
harte,  ca.  8  cm  lange  und  bis  6  cm 
breite  Geschwulst  auf,  über  die  eine 
ältere  Operationsnarbe  verläuft.  Ueber 
dem  linken  Ellenbogengelenke  findet 
sich  eine  kleinere  weiche,  unregel¬ 
mässig  pilzförmig  gestaltete,  ebenfalls 
gegenüber  dem  Knochen  gut  verschieb¬ 
liche  Geschwulst,  die  an  einer  Stelle 
in  eine  hahnenkammartige  Hautwuche¬ 
rung  ausläuft.  Ueber  den  beiden  Knie¬ 
scheiben  (Abb.  2)  finden  sich  ähnliche 
pilzförmig  aufsitzende,  teils  weichere, 
teils  derbere  Tumoren,  von  denen  einer 
am  rechten  Knie  eine  ähnliche  hahnen¬ 
kammartige  Hautwucherung  :zeigt.  wie 
am  linken  Ellenbogen.  Die  Tumoren 
sind  auch  hier  gegenüber  dem  Knochen 
frei  verschieblich.  Etwas  unterhalb  der 
Kniegelenke  finden  sich  an  den  Vorder¬ 
seiten  der  Tibien  ebenfalls  symmetri¬ 
sche,  grössere,  zapfenartige  Auswüchse 
von  knorpelharter  Konsistenz,  die  an¬ 
scheinend  mit  den  Knochen  Zusammen¬ 
hängen  und  gegen  sie  nicht  wesentlich 
verschieblich  sind:  die  Haut  lässt  sich 
über  diesen  Auswüchsen  gut  ver¬ 
schieben. 

Ueber  dem  unter  dem  linken 
Kniegelenke  gelegenen  Auswüchse 
findet  sich  noch  ein  in  der  Haut 
gelegener  und  mit  dieser  gegen  den 
Auswuchs  verschieblicher  ziemlich 
.  _  derber,  etwa  kirschgrosser  Knoten. 

■  der  Umgebung  des  Condylus  externus  der  Tibia  finden  sich 
malls  beiderseits  symmetrische  kleine,  derbe,  zackige  Vor- 

linge,  die  mit  dem  Knochen  fest  Zusammenhängen  und  über  denen 
laut  frei  verschieblich  ist;  ähnliche  sind  beiderseits  in  der  Umgebung 
hibulaköpfchen.  Auch  in  der  Umgebung  des  Malleolus  externus 
internus  finden  sich  beiderseits  unregelmässige,  dem  Knochen 
'•  aufsitzende  Vorsprünge,  während  sich  oberhalb  des  Kalkaneus 
Herseits  längliche,  weichere,  anscheinend  mit  den  Achillessehnen 
!  Zusammenhang  stehende  flachere  Geschwulstbildungen  finden. 


i  i  ^ie-  ^ejien  s'n.9  f'e*  von  Veränderungen;  dagegen  zeigen  sich 
beiderseits  im  Bereiche  der  Fusssohle,  mehr  an  der  Innenseite  gelegen, 
dei  ne,  längliche,  anscheinend  der  Haut  angehörige  flache  Geschwülste, 
von  denen  die  am  rechten  Fusse  befindliche  grössere  eine  Länge  von 
j  4  cm  und  eine  Breite  von  2%  cm  hat.  Schädel,  Wirbelsäule  und 
j  R'PPen  zeigen  keinerlei  Knochenvorsprünge.  Auf  den  Schultern  und 
am  Nacken  finden 'sich  noch  weiche,  mit  der  Haut  zusammenhängende, 
kleinapfelgrosse,  lipomartige  Geschwülste. 

Die  inneren  Organe  sind  ohne  Befund.  Die  Augenlider  frei  von 
Xanthomen. 

Die  Röntgenaufnahmen  geben  einen  überraschend  negativen  Be¬ 
fund.  Die  Knochen  der  Hände,  insbesondere  auch  die  Phalangen  der 
so  sta i  k  deformierten  Finger,  zeigen  keine  Knochenveränderungen, 
vielmehr  ist  auch  die  feinste  Struktur  der  Knochen  gut  erkennbar. 
Ebenso  zeigen  auch  die  Knochen  der  Ellenbogen  durchaus  normale 
Verhältnisse,  es  finden  sich  nirgends  pathologische  Knpchenvor- 
spriinge.  Nur  auf  den  Aufnahmen  der  unterhalb  der  Kniegelenke  sich 
I  findenden  zapfenförmigen  Vorsprünge  finden  sich  ziemlich  weit  von 
1  der  Epiphysenlinie  entfernt  kleine  knöcherne  Vorsprünge  der  Tibia, 
!  die  aber  nicht  tiefer  in  den  Tumor  hineinragen.  Aehnliche,  nocli 
j  winzigere  zeigen  sich  an  der  Hinterfläche  des  Kalkaneus.  Die  Tu¬ 
moren  haben  auf  den  Röntgenplatten  eine  homogene  Struktur,  stellen¬ 
weise  sind  in  ihnen,  besonders  ausgesprochen  in  den  diffusen  elefan- 
tiastischen  Verdickungen  oberhalb  des  Kalkaneus  in  der  Umgebung 
der  Achillessehne,  Kalkeinlagerungen  bemerkbar. 

Bezüglich  der  Aetiologie  der  Affektion  ist  zu  bemerken,  dass  die 
Eltern  und  Grosseltern  des  Vorgestellten  völlig  gesund  sind;  dagegen 
zeigt  von  seinen  4  Geschwistern  ein  Bruder  angeblich  dieselbe 
Missbildung,  während  der  andere  Bruder  und  die  beiden  Schwestern 
gesund  sein  sollen.  Der  Patient,  der  sonst  immer  gesund  gewesen 
sein  will,  hat  in  seinem  20.  Lebensjahre  angeblich  einen  fieberhaften 
Rheumatismus  durchgemacht,  der  ihn  ca.  %  Jahr  ans  Bett  fesselte. 
Nach  dem  Ueberstehen  dieser  Krankheit  sollen  ganz  allmählich  und 
ohne  Schmerzen  die  Geschwülste  aufgetreten  und  im  Laufe  der  Jahre 
nach  und  nach  grösser  geworden  sein. 

Aeusserlich  betrachtet  haben  die  Tumoren  am  meisten  Aehnlich- 
keit  mit  multiplen  Enchondromen,  durch  die  ähnliche  elefantiastische 
Verunstaltungen  hervorgerufen  werden  können  (v.  Reckling¬ 
hausen:  Virchows  Arch.  118).  Nach  dem  Ergebnis  der  Röntgen¬ 
untersuchung  kann  es  sich  jedoch  um  solche  nicht  handeln,  sondern 
es  muss  angenommen  werden,  dass  es  sich  um  multiple  sym¬ 
metrische  Fibrome  handelt,  in  denen  es  an  einzelnen  Stellen 
zu  Verkalkungen  gekommen  ist.  Als  Ausgangspunkt  ist  das  sub¬ 
kutane  Bindegewebe  und  stellenweise  auch  das  Periost  anzunehmen. 

Diskussion:  Herr  Marchand  glaubt,  multiple  Enchon- 
drome  ausschliesen  zu  sollen. 

Herr  Payr  hat  in  ähnlichem  Falle  fibromatösen  Charakter  der 
Geschwülste  histologisch  gesehen. 

Herr  Payr:  Demonstrationen: 

1.  eines  Knaben  mit  grossen,  abstehenden  Ohren,  durch  Operation 
beseitigt  (Knorpelexzision); 

2.  eines  10  jährigen  Kindes  mit  Periostitis  tibiae  mit  Geschwulst¬ 
bildung  (Riesenzellensarkom),  Ostitis  fibrosa  vom  Vortragenden 
agnosziert;  Ueberpflanzung  eines  gesunden  Fibulastückes  in  die  kranke 
Tibia  (Ersatz); 

3.  Mädchen  mit  schnellender  Hüfte,  wurde  am  31.  Januar  ope¬ 
riert;  Operationsbericht:  guter  Erfolg. 

Herr  Niessl  v.  Mayendorf:  Beiträge  zur  Aphasielehre, 

Vortragender  bespricht  zwei  Fälle  von  motorischer  Aphasie, 
deren  Deutung  nach  der  herrschenden  Lehre  auf  unüberwindliche 
Schwierigkeiten  stösst.  Im  eisten  Fall  hat  sich  die  Sprachstörung 
sowie  die  rechtsseitige  Extremitätenlähmung  binnen  wenigen  Wochen 
bis  auf  Rudimente  zurückgebildet,  obgleich,  wie  an  einer  Serie  von 
Weigertpräparaten  gezeigt  wird,  ein  sehr  umfangreicher  Erweichungs¬ 
herd  den  grössten  Teil  des  linken  Klappdeckels,  und  zwar  Rinde  und 
Mark,  verheert  hat.  Untergegangen  waren  die  Pars  triangularis  und 
opercularis  frontalis,  das  Operculum,  Rolandicum  und  eine  Muskel¬ 
faserungsentartung  erstreckte  sich  im  Operculum  parietale  weit  nach 
hinten.  Die  linke  Pyramidenbahn  erwies  sich  zum  grössten  Teil  als 
sekundär  degeneriert.  Welche  noch  leistungsfähige  Gehirnsubstanz 
mochte  die  rasche  Restitution  ermöglicht  haben,  die  einzig  hier  zu¬ 
lässige  Erklärung  appelliert  an  die  korrespondierenden  Hirnpartien 
der  rechten  Hemisphäre.  Unterstützt  wird  dieselbe  durch  die  auf¬ 
fallenden  Volumsverschiedenheiten  der  beiden  Hemisphären  zugunsten 
der  rechten.  Durch  die  Anwesenheit  ausgesprochener  Symptome 
der  sich  bessernden  Aphasie:  „Anarthrie“,  erschwerte  Wortfindung  in 
der  spontanen  Regel  anstandsloses  Nachsprechen,  bei  ausserordentlich 
reduziertem  Wortschatz  in  der  spontanen  Rede  „Paragraphie“,  von 
denen  sich  die  erste  Erscheinung  auf  mangelnde  Uebung  der  rechten 
motorischen  Sprachsphäre,  die  anderen  Symptome  auf  mangelhaft  ein¬ 
geübten  Verbindungen  zwischen  Klangbildzentrum  und  rechter  motori¬ 
scher  Sprachsphäre  zurückführen.  Drittens  lassen  sich  die  normalen 
markbekleideten  Faserzüge  in  den  äussersten  Paketen  der  inneren 
Kapsel  innerhalb  der  Operkularregion  der  Zentralwindungen  an  der 
erkrankten  Hemisphäre  nachweisen,  welche  offenbar  aus  der  Balken¬ 
brücke  hervorgehen.  Da  gerade  in  diesen  Bündelgruppen  die  ge¬ 
kreuzten  absteigenden,  hier  entarteten  Bahnen  von  der  Rinde  für  die 
Phonationskerne  verlaufen,  scheint  eine  Anlage  von  Leitungen  aus 
beiden  Hemisphären  durch  den  Balken  auch  anatomisch  er- 


728 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13 


sichtlich  zu  sein.  Der  zweite  Fall  betrifft  eine  nur  etwa  3  Wochen 
währende  motorische  Aphasie,  durch  Embolie  eines  grossen  Astes 
der  Arteria  Fossae  Sylvii  bei  einem  Herzkranken.  Daneben  eine 
rechtseitige  Parese,  die  sich  bald  verliert,  hingegen  permanente 
Agraphie  in  allen  Formen,  keine  Wortblindheit,  Gedrucktes  und  Ge¬ 
schriebenes  wird  verstanden.  Sektionsbefund:  linke  Hemisphäre:  ein 
enormer  Erweichungsherd,  welcher  den  hinteren  Teil  des  ganzen 
Schläfe-,  Scheitel-,  Hinterhauptlappens  zerstört.  Ausserdem  ein 
Plaque  jaune  in  der  hinteren  Zentralwindung  und  ein  dritter  in  der 
hinteren  Insel.  Schräg  von  oben  vorne  nach  hinten  unten  angelegte 
Schnitte  nach  Weigert-Pal  behandelt,  lassen  einen  spaltförmigen 
Defekt  in  der  Capsula  extrema  hervortreten.  Die  vordere  Temporale- 
querwindung  ist  völlig  intakt.  Die  Rinde  der  hinteren  Temporalquer¬ 
windung  zerfressen,  wie  angenagt,  der  Herd  in  der  hinteren  Zentral¬ 
windung  reicht  mit  einem  Zapfen  in  die  vordere  hinein,  deren  korti¬ 
kaler  Klappdeckelanteil  weiss  und  faserleer  ist.  Die  motorische 
Aphasie  erklärt  sich  hier  aus  einer  Läsion  des  Operculum  Rolandicum 
und  dem  spaltförmigen  Herd  in  der  Kapsula  extrema,  welcher  die 
vom  Klangbildzentrum  beider  Hemisphären  aufsteigenden  Assozia¬ 
tionsbündel  gleichzeitig  unterbricht.  Die  Intaktheit  des  akustischen 
Wortsinnverständnisses  aus  der  Intaktheit  der  vorderen  queren  Tem¬ 
poralwindung  das  Erhaltenbleiben  des  Schriftverständnisses  aus  der 
Unberührtheit  der  Sehstrahlungen. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  M.  Hirsch. 

Herr  Habs  hält  einen  Vortrag  über  Chirurgie  des  Pankreas; 
derselbe  wird  in  extenso  in  der  Medizinischen  Klinik  veröffentlicht 
werden. 

Sitzung  vom  16.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  T  h  o  r  n. 

Herr  P.  Schneider  zeigt  einen  enukleierten  Bulbus  vor,  der 
ein  grosses  dicht  vor  der  Perforation  stehendes  Melanosarcoma 
chorioidea  enthält.  Er  bespricht  kurz  die  Diagnose  und  Prognose 
dieser  Geschwülste  und  demonstriert  zum  Schluss  einen  enukleierten 
Bulbus  eines  Kindes,  der  ein  Gliosarcoma  retinae  aufweist. 

Herr  Habs  stellt  einen  Fall  von  Spontanfraktur  bei  Tabes 
dorsalis  vor. 

Der  48  jährige  Patient,  ein  Lederarbeiter,  bemerkte  am  Sonnabend 
4.  I.  bei  der  Arbeit  eine  Schwäche  im  rechten  Arm;  er  arbeitete  aber 
noch  den  ganzen  Tag  damit,  trotzdem  der  Arm  anschwoll.  Am 
Sonntag  wurde  die  Anschwellung  stärker,  so  dass  Patient  am  Montag 
nicht  zur  Arbeit  ging.  Der  hinzugezogene  Arzt  (Kollege  Winter) 
konstatierte  Schwellung  und  Krepitation  und  schickte  den  Patienten 
zu  mir.  Ich  stellte  eine  Fraktur  der  oberen  Gelenkenden  von  Radius  und 
Ulna  fest,  die  dann  auch  durch  die  Röntgenphotographie  erhärtet 
wurde.  —  Da  die  Frakturstelle  so  gut  wie  ganz  empfindungslos  war 
—  Patient  beugt  und  streckt  den  Arm  ohne  Schmerz  —  und  da  die 
Fraktur  ohne  nachweisbare  Einwirkung  einer  äusseren  Gewalt  ent¬ 
standen  war,  fahndete  ich  auf  Symptome  von  Tabes;  es  fand  sich 
ausgesprochene  reflektorische  Pupillenstarre  und  konsultierte  ich 
deshalb  Kollegen  V  ö  1  s  c  h,  der  Ihnen  nachher  über  den  Nervenbefund 
berichten  wird.  —  Ich  erwähne  nur,  dass  die  Wassermann  sehe 
Reaktion  negativ  war. 

Die  nunmehr  eingehend  erhobene  Anamnese  ergab,  dass  Pat. 
bereits  vor  Jahresfrist  (Februar  1912)  sich  durch  Fall  von  der  Leiter 
eine  Verletzung  des  rechten  Fusses  zugezogen  hatte,  mit  der  er 
4  Tage  ohne  Schmerzen  umherlief  und  die  dann  weiterhin  bei  Bett¬ 
ruhe  unter  feuchten  Verbänden  in  mehreren  Wochen  heilte.  —  Die 
jetzt  von  mir  vorgenommene  Röntgenuntersuchung  ergab,  dass  es 
sich  um  eine  Kalkaneusfraktur  gehandelt  hatte.  • —  Ausserdem  ergab 
die  Anamnese,  dass  Pat.  seit  6  Jahren  an  Magenbeschwerden 
(gastrischen  Krisen)  leidet  und  epileptiforme  Anfälle  hat.  —  Es  ist 
nach  Angabe  des  Pat.  nicht  ausgeschlossen,  dass  er  sich  bereits  etwa 
3  Tage  vor  dem  4.  I.  bei  einem  solchen  Anfalle  den  Arm  verletzt  habe. 

Nun,  m.  H.,  wie  dem  auch  sei,  es  handelt  sich  hier  um  einen 
typischen  Fall  von  Spontanfraktur  bei  Tabes. 

Ich  habe  die  Spontanfrakturen  im  Jahre  1905  (D.  Z.  f.  Ch.,  Bd.  76) 
durch  Dr.  Grunert  bearbeiten  lassen.  Wir  stellten  damals  fol¬ 
gendes  Schema  auf  für  die  Aetiologie  der  Spontanfrakturen: 

1.  Knochenbrüchigkeit  infolge  lokaler  Veränderungen  des 
Knochensystemes. 

1.  Durch  Geschwülste  (Sarkome,  Karzinome,  Schilddrüsen¬ 
tumoren,  Zysten). 

2.  Durch  entzündliche  Prozesse  (Osteomyelitis,  Tuberkulose, Lues). 

II.  Infolge  allgemeiner  Erkrankungen. 

1.  Nervenkrankheiten  (Tabes,  Syringomyelie,  Geisteskrank¬ 
heiten);  2.  Senium;  3.  erschöpfende  chronische  Krankheiten;  4.  In¬ 
aktivitätsatrophie;  5.  Skorbut,  Basedowsche  Krankheit;  6.  Ra¬ 
chitis  und  Osteomalazie. 

III.  Idiopathische  Knochenbrüchigkeit. 

Wir  haben  damals  betont,  dass  die  Bezeichnung  Spontanfraktur 
eine  ungenaue  ist,  und  haben  uns  für  die  Bezeichnung:  pathologische 
Fraktur  entschieden  —  denn  irgend  eine,  wenn  auch  minimale  Gewalt, 


und  sei  es  nur  der  Muskelzug,  ist  nötig  zum  Zustandekommen  dei 
Fraktur;  das  Wichtige  ist  die  Abnahme  der  Widerstandsfähigkeit  de; 
Knochen  gegen  Gewalteinwirkungen. 

Was  speziell  das  Auftreten  sogen.  Spontanfrakturen  bei  Tabe: 
betrifft,  so  ist  Tabes  wohl  die  häufigste  Aetiologie  der  Spontan 
frakturen.  —  Man  nimmt  an,  dass  es  infolge  vasomotorische 
Störungen  zur  Verdünnung  des  kompakten  Knochengewebes,  Er 
Weiterung  der  Haverskanäle  und  zur  Erweichung  des  Knochen- 
komme. 

Wir  wissen,  dass  die  Frakturen  in  jedem  Stadium  der  Tabes  Vor¬ 
kommen,  und  ich  möchte  im  diagnostischen  Interesse  betonen,  dass  sic 
oft  das  allererste  Symptom  der  Tabes  darstellen  können,  und  zwai 
kann  die  Fraktur  sich  mehrere  Jahre  vor  dem  Manifestwerden  de; 
Tabes  ereignen! 

In  den  meisten  Fällen  sind  allerdings  bei  Eintreten  der  Fraktui 
schon  ausgesprochene  Symptome  der  Tabes  vorhanden  —  wie  auch 
in  dem  vorgestellten  — ,  doch  auch  hier  hat  erst  die  Fraktur  dazu  ge 
führt,  die  bestehende  Tabes  zu  erkennen. 

Die  Hauptkennzeichen  des  tabischen  Bruches  sind: 

1.  Dass  er  durch  verhältnismässig  geringfügige  Traumen  auv 
gelöst  wird. 

2.  Seine  mehr  oder  weniger  vollständige  Schmerzlosigkeit:  Mai! 
kann  die  Bruchstücke  hin  und  her  bewegen,  ohne  dass  Patien 
Schmerzen  verspürt.  —  Die  Funktion  ist  infolgedessen  meist  auf 
fallend  wenig  gestört:  so  erklärt  sich  auch,  dass  Pat.  vor  Jahresfris 
mit  seinem  Kalkaneusbruch  tagelang  umhergelaufen  ist. 

3.  Das  multiple  Auftreten. 

Betreffs  der  Heilungsaussichten  ist  zu  bemerken,  dass  die  Kon 
solidation  meist  eine  verzögerte  ist,  oft  aber  auch  in  normaler  Zei 
eintritt. 

Diskussion:  Herr  Völsch  begründet  kurz  die  Diagnose 
des  besprochenen  Falles  und  betont  anschliessend  die  Häufigkeit  de. 
Erhaltenseins  der  Sehnenreflexe  bei  nicht  allzu  vorgeschrittenen  Tabes 
fällen:  Unter  den  letzten  50  Fällen  der  Privatpraxis  waren  die 
Patellarreflexe  in  40  Proz.  (32  Proz.  doppelseitig,  8  Proz.  einseitig 
erhalten,  die  Achillessehnenreflexe  in  26  Proz.  (20  bezügl.  6  Proz.)j 
Mehrfach  wiesen  aber  auch  in  diesen  Fällen  Abschwächungen  um 
Differenzen  auf  die  Diagnose  hin. 

Herr  Sandmann:  Ein  Fall  von  partieller  halbseitiger  Gesichts 
hypertrophie  ohne  Beteiligung  des  Augapfels.  (Demonstration). 

Bei  der  jetzt  20  jährigen  Patientin  merkten  die  Eltern  schon  al. 
kleines  Kind  eine  Verdickung  am  äusseren  Teil  des  linken  obere; 
Lides.  Diese  ging  ganz  langsam  auf  die  benachbarte  Schläfenhau 
über.  Am  Schluss  der  Schulzeit  konnte  das  Auge  noch  geöffne 
werden.  Ohne  dass  jemals  Entzündungen  der  Haut  oder  ander 
Krankheiten  bestanden  hatten,  nahm  die  Schwellung  an  Ausdehmin; 
und  Stärke  zu  und  es  entwickelte  sich  allmählich  der  jetzige  Zustano; 

Bei  der  im  übrigen  gesunden  Patientin  sieht  man,  dass  fast  di 
ganze  linke  Gesichtshälfte  verdickt  ist,  am  wenigsten,  zum  Teil  ga. 
nicht  die  Partien  neben  der  Medianlinie.  —  So  ist  ca.  */ s  der  mediale 
Stirn,  die  linke  Nasenhälfte  anscheinend  ganz  normal,  vielleicht  auc 
die  medialen  Teile  der  Oberlippe  und  des  Kinns.  Je  mehr  naci 
aussen,  um  so  stärker  wird  die  Verdickung  oben  wie  unten.  —  Da 
Ohr  ist  nicht  beteiligt;  nach 
dem  Halse  unmerklicher 
Uebergang  in  die  normale 
Haut.  Die  mehr  gleichmässig 
geschwellte  Wange  —  nur 
die  äussere  Hälfte  der  Unter¬ 
lippe  fällt  als  stärker  ver¬ 
dickt  auf  —  hängt  tiefer 
herunter,  der  Mundwinkel 
ist  nach  links  und  unten  ver¬ 
zogen,  und  der  ganze  Unter¬ 
kiefer  um  ca.  XA  cm  nach 
links  verrückt,  wie  man  beim 
Oeffnen  der  Lippen  aus  der 
Zahnstellung  sehen  kann. 

Im  Innern  der  Mundhöhle  ist 
nirgends  eine  Hypertrophie 
zu  erkennen.  Nach  oben  zu 
heben  sich  nun  zwei  Tu¬ 
moren  heraus  —  der  u  n  - 
t  e  r  e  grössere  beginnt  am 
innersten  Teil  des  Oberlides, 
zieht  in  Gestalt  eines  leicht 
herabhängenden  Wulstes  bis 
nahe  ans  Ohr,  und  in  einer  vertikalen  Ausdehnung  von  3 — 4  cm  i| 
nach  unten  konvexem  Bogen  zum  unteren  Lid. 

Das  obere  Lid  ist  nicht  ganz  befallen;  eine  ca.  ct 
breite  Partie  der  Haut  und  Konjunktiva  am  inneren  Lidwinki 
ist  frei,  alles  übrige  hängt  als  dicker  Wulst  unbeweglich  weit  über  du 
Unterlid  herab.  Die  Dicke  des  Oberlides  ist  ca.  1  cm.  Hebt  ma 
es  an,  so  ektropioniert  sich  die  kolossal  verdickte,  hochgradig  g‘ 
rötete  Conjunctiva  tarsi  und  fornicis,  und  man  sieht,  dass  die  enorr 
Verdickung  des  Oberlides  hauptsächlich  durch  sie  bedingt  ist.  D; 
untere  Lid  zeigt  nur  im  äusseren  Drittel  dieselben  Veränderunge 
hier  aber  ist  die  Schwellung  ebenso  so  stark;  in  den  inneren  *'h  sir 
Haut  und  Konjunktiva  nur  wenig  geschwellt.  Der  Bulbus  und  d 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


729 


\prill913. 


;  iunctiva  bulbi  sind  normal,  insbesondere  ist  der  Augapfel  nicht 

■  jrössert,  der  Tonus  normal.  (Schiötz:  15  mm  Hg)  0  =  n 
i  —  4  D.  zyl.  125°  =  0,4.  An  diesen  grösseren  Tumor  schliesst 

nach  oben  der  ähnlich  gestaltete  zweite  kleinere,  der  an  der 
;  läfe  nahe  der  Augenbraue  beginnt,  am  prominentesten  an  der 
:  rgrenze,  und  unter  den  Haaren  verschwindet  (ca.  2  cm  Breite, 

,  l  cm  Länge).  Die  Palpation  ergibt,  dass  diese  obere  Anschwellung 
rster  Linie  durch  die  Verdickung  des  Knochens  bedingt  ist,  wenn 
i  die  Haut  über  ihm  voluminöser,  weicher,  schlaffer.  Man  fühlt  die 
dickung  gleich  oberhalb  des  Arcus  zygomaticus,  seitlich  etwa 
ler  Grenze  des  Os  sphenoid.  und  temporum,  sie  verläuft  sich  dann 
,  i  dem  Os  parietale  hin.  Im  Gegensatz  zu  diesem  soliden  oberen 
'  lor  ergibt  die  Palpation,  dass  der  untere  grössere  aus  weichem, 

,  vammigem,  gleichmässigem  Gewebe  besteht.  Nirgends  fühlt  man 
;  inge,  Verdickungen  oder  eine  Resistenz,  auch  der  Tarsus  im 
)  rlid  ist  nicht  fühlbar.  Kein  Oedem;  durch  Druck  lässt  sich  das 
.imen  nicht  verringern.  Ob  der  Knochen  darunter  verändert  ist, 

;  t  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  und  auch  das  Röntgenbild 
darüber  keine  Auskunft;  die  Veränderung  könnte  also  nur  un- 
i  eutsam  sein.  Auffallend  ist  aber,  wie  deutlich  man  den  Arcus 
omaticus  abtasten  und  wie  tief  man  in  die  Fossa  temporalis  und 
er  den  Stirnfortsatz  des  Jochbeins  eindringen  kann.  Man  hat 
Eindruck,  als  wenn  die  Weichteile  daselbst  geschwunden  wären, 
i  h  hat  man  das  Gefühl,  als  wenn  in  der  Höhe  des  Arcus  zygom. 
Schläfenbein  ein  horizontaler  furchenförmiger  Defekt  im  Knochen 
teht.  Ich  glaube  aber  nicht,  dass  das  der  Fall,  sondern  dass  die 
nttelbar  darüber  ansteigende  Knochenverdickung  eine  Vertiefung 
täuscht  und  dass  der  mangelnde  Turgor  der  Haut  und  die  ver- 
i  derte  Konsistenz  der  Weichteile  dieses  genaue  Abtasten  der 
Lehen  gestattet.  Die  funktionelle  und  elektrische  Prüfung  der 
/.»kein  (Nervenarzt  Dr.  Völsch)  hat  gröbere  Störungen  derselben 
i  lt  ergeben;  vielleicht  aber  kann  man  die  Verschiebung  des 
,  erkiefers  nach  links  als  verminderte  Kraftwirkung  der  Muse, 
i  ygoidei  ansehen. 

Das  Krankheitsbild  ist  ein  seltenes,  wenngleich  mehrere  Dutzend 
einschlägigen  Fällen,  meist  als  Elephantiasis  mollis  beschrieben 
1.  Michel  hat  in  seinem  Werk  „Die  Krankheiten  der  Augen- 
i  r“  im  Graefe-Saemisch  diese  Bezeichnung  wohl  mit  Rücksicht 
1  auf,  dass  man  als  Elephantiasis  nur  die  erworbene  sekundäre  Er- 
:ukung  verstehen  soll,  ganz  fallen  lassen,  und  das  Krankheitsbild 
i  er  die  halbseitige  Gesichtshypertrophie  eingereiht.  Er  unter- 
,  eidet  eine  totale  vollkommene  Hypertrophie,  wenn  die  ganze 
Lichtshälfte  betroffen,  und  in  ihr  Haut,  Nerven,  Muskeln  und 
Gehen,  eine  totale  unvollkommene,  wenn  nur  die  Weichteile  er- 
:  fen  sind.  Er  bezeichnet  sie  als  partielle  vollkommene  resp. 
rollkommene,  wenn  nur  in  bestimmten  Bezirken  der  Gesichts- 
Lte  Weichteile  und  Knochen  resp.  nur  Weichteile  befallen 
ii.  Eine  exakte  Trennung  wird  dabei  oft  nicht  möglich 
i  i;  so  kann  man  vorliegenden  Fall  mit  gleichem  Recht  eine 
)  tielle  vollkommene  wie  eine  partielle  unvollkommene  halbseitige 
Lichtshypertrophie  nennen.  Es  kommen  eben  die  verschiedensten 
Nationen  vor,  und  es  können  Weichteile  und  Knochen  in  verschie- 
hem  Grade  und  in  verschiedener  Ausdehnung  befallen  sein.  Be- 

■  ders  häufig  ist  Oberlid  und  angrenzende  Schläfe  beteiligt,  seltener 
Gge,  Zähne,  Wangenschleimhaut  der  betreffenden  Seite.  Fast 
Jhognomonisch  für  das  Krankheitsbild  ist  ein  Buphthalmus.  Da  er 
i  unserem  Falle  fehlt,  müsste  man  differentialdiagnostisch  noch  an 
:  Lymphangioma  cavernosum  denken,  doch  spricht  dagegen  die 

der  Knochenverdickung  und  die  mangelnde  Komprimierbarkeit 
1  Hauttumors.  Mikroskopisch  handelt  es  sich  um  eine  Hyperplasie 
Bindegewebes  der  Kutis  und  Subkutis,  und  besonders  um  eine 
'icherung  des  Peri-  und  Endoneuriums  der  kutanen  und  subkutanen 
lutnerven.  Wegen  der  gemeinsamen  anatomischen  Veränderungen 
hnet  Michel  die  halbseitige  Gesichtshypertrophie  mit  dem 
nkenneurom  und  Fibroma  molluscum  —  mit  denen  sie  auch  gleich- 
tig  vorkommt  —  zu  den  Neurofibromen  der  Augenlider.  Auch  als 
Sache  des  Buphthalmus  nimmt  Michel  eine  primäre  Fibromatose 
>  Kammerwinkels  an,  die  sekundär  dann  zu  intraokularer  Druck- 
igerung  mit  ihren  Folgen  führt.  Die  halbseitige  Gesichtshyper- 
phie  ist  angeboren  oder  tritt  sehr  frühzeitig  in  Erscheinung.  Sie 
mit  im  Laufe  der  Jahre  zu  und  kann,  wie  im  vorliegenden  Fall, 
verschiedenen  Teile  der  Gesichtshälfte  in  verschiedener  Stärke 
allen.  Therapeutisch  wird  wohl  nur  auf  operativem  Wege  etwas 
<  erreichen  sein. 

Diskussion:  Herr  Wendel  antwortet  auf  die  Anfrage  von 
Rrn  Sandmann,  dass  er  überzeugt  sei,  dass  sich  durch  ent¬ 
gehende  Exzisionen  aus  Haut  und  Unterhaut  ein  guter  kosmetischer 
fekt  erzielen  lassen  würde,  und  wenn  die  elektrische  Untersuchung 
iukte  Muskulatur  ergeben  habe,  so  würde  sich  auch  die  Lidspalte 
i  ht  nur  von  den  überhängenden  Haut-  und  Unterhautmassen  befreien 
;  sen,  sondern  es  wäre  auch  eine  normale  Lidfunktion  zu  erwarten. 
Ii  Knochenverdickungen  sind  so  gering  und  durch  die  Haargrenze  so 
rborgen,  dass  sie  den  kosmetischen  Erfolg  nicht  in  Frage  stellen 
Innen.  Man  muss  also  zu  einer  chirurgischen  Behandlung  der  sehr 
> tstellenden  eigenartigen  Erkrankung  raten. 

Herr  Hahn:  Die  Behandlung  der  chronischen  Leukämie  mit 
nzol. 

Von  einer  eigentlichen  Therapie  der  chronischen  Leukämie 
nn  erst  in  den  letzten  10  Jahren  gesprochen  werden,  und  zwar  sind 


es  neben  dem  Arsen  und  dem  Eisen,  die  nur  der  allgemeinen  Kräfti¬ 
gung  dienen,  in  erster  Linie  die  Röntgenstrahlen,  die,  zwar 
nur  symptomatisch  wirkend,  doch,  den  leukämischen  Blutbefund  zur 
Norm  Reduzierend,  die  Leukümiker  für  ein  und  mehrere  Jahre  wieder 
teilweise  oder  ganz  arbeitsfähig  machen  können.  Bestrahlt  werden 
die  Milz  resp.  die  Lymphdriisen  und  die  langen  Röhrenknochen 
unter  Verwendung  harter  Röhren  zur  Erzielung  grösserer  Tiefen¬ 
wirkung.  Die  weichen  Strahlen  werden  am  besten  durch  Aluminium¬ 
filter  von  3  mm  Dicke  abgefangen.  Die  früher  durchaus  nicht  seltenen 
und  oft  jeder  Therapie  trotzenden  Röntgenulzera  werden  dadurch 
und  durch  die  in  letzter  Zeit  ermöglichte  genauere  Dosierung  (nach 
Holzknecht  und  Sabouraud-Noire)  vermieden.  Ein  Nach¬ 
teil  der  Röntgentherapie  ist  darin  zu  sehen,  dass  sich  die  Leukämien 
bei  einer  zweiten  Röntgenbehandlung  bisweilen  refraktär  den  Strahlen 
gegenüber  verhalten. 

Eine  zweite  Behandlungsmethode  mit  Thorium  X,  das,  dem 
Radium  verwandt,  bei  der  Glühstrumpffabrikation  als  Nebenprodukt 
gewonnen  wird,  steht  noch  im  Stadium  der  Vorversuche.  Man  hat 
bei  intravenöser  und  subkutaner  Injektion  und  ebenso  bei  Anwendung 
per  os  wohl  in  einigen  Fällen  gute  Erfolge  gesehen,  doch  ist  das 
Mittel  nach  Mitteilungen  von  Berliner  und  Wiener  Instituten  durchaus 
nicht  indifferent  und  vor  allem  bestehen  bezüglich  der  toxischen 
und  letalen  Dosis  beim  Menschen  so  gewaltige  individuelle  Unter¬ 
schiede,  dass  das  Verfahren  für  die  Verwendung  in  der  Praxis  noch 
längst  nicht  reif  erscheint. 

Dagegen  scheint  das  von  Koranyi  in  die  Therapie  eingeführte 
Benzol  berufen,  Rüstzeug  des  praktischen  Arztes  zu  werden,  der 
bisher  leukämische  Patienten  Krankenhäusern  und  Instituten  zur  Be¬ 
handlung  zu  überweisen  gezwungen  war.  Es  bringt  das  Benzol,  das 
ebenso  wie  Röntgenstrahlen  und  Thorium  X  nur  symptomatisch  wirkt, 
im  Tierexperiment  die  weissen  Blutzellen  vollkommen  zum  Ver¬ 
schwinden.  Die  analoge  Wirkung  zeigt  es  bei  der  chronischen  Leu¬ 
kämie.  Wir  sehen  in  wenigen  Wochen  die  weissen  Blutzellen  der 
Zahl  nach  zur  Norm  zurückkehren;  die  für  Leukämie  charakteristi¬ 
schen  Myelozyten  verschwinden,  die  Milz  und  Lymphdrüsentumoren 
werden  kleiner,  und  gleichzeitig  mit  dem  Rückgang  der  typischen 
leukämischen  Erscheinung  sehen  wir  beim  Absinken  des  oft  be¬ 
stehenden  Fiebers  ein  Schwinden  der  Oedeme  und  des  Aszites  und 
eine  Zunahme  des  Körpergewichts. 

Als  besonders  bedeutungsvoll  erscheint  die  Tatsache,  dass  Fälle, 
die  sich  den  Röntgenstrahlen  gegenüber  refraktär  erwiesen,  auf 
Benzol  noch  gut  reagierten. 

Krankengeschichte:  Ein  43  jähriger  Patient  war  im 
Sommer  1911  an  einer  myelogenen  Leukämie  mit  starker  Milzver- 
grösserung  erkrankt.  Eine  damals  anderweitig  vorgenommene 
Röntgenbestrahlung  (15  Sitzungen)  blieb  erfolglos.  Bei  der  Auf¬ 
nahme  ins  Krankenhaus  (November  1912)  betrug  die  Zahl  der  weissen 
Blutzellen  500  000,  die  roten  Blutkörper  und  der  Blutfarbstoff  waren 
stark  vermindert.  Die  Riesenmilz  reichte  bis  zum  MacBurney- 
schen  Punkt  und  zur  Symphyse,  Lymphdrüsenschwellungen  waren 
nicht  vorhanden;  Körpergewicht  stark  herabgesetzt,  Temperatur¬ 
erhöhung  bis  38,5,  Aszites,  Oedeme  der  Beine. 

Bei  4  g  Benzol  täglich  (mit  Olivenöl  ana  in  Gelodurat- 
kapseln)  und  Bettruhe  schwanden  Temperaturerhöhung,  Oedeme  und 
Aszites  schon  in  der  ersten  Woche.  Die  Milz  war  nach  6  Wochen 
gerade  noch  bei  tiefer  Atmung  zu  tasten.  Die  Zahl  der  weissen  Blut¬ 
zellen  betrug  2400,  Myelozyten  (früher  46  Proz.)  waren  im  Blut  nicht 
mehr  nachzuweisen.  2  Monate  später  (Ende  Februar)  war  bei  14  g 
Benzol  täglich  die  Zahl  der  weissen  Blutkörper  nicht  wieder  ge¬ 
stiegen.  Nierenschädigungen  oder  Vergiftungserscheinungen  wurden 
nicht  beobachtet. 

Herr  Blick  stellt  unter  Hinweis  auf  den  Vortrag  des  Herrn 
Hahn  zwei  Fälle  von  Leukämie  vor. 

1  Frau  S.,  33  Jahre  alt,  krank  seit  1909.  Im  Kahlenbergstift  zu¬ 
erst  behandelt  vom  8.  IX.  1910  bis  18.  XI.  1910  mit  Röntgenbestrahlung 
und  Atoxylinjektionen.  Sie  wurde  damals  beschwerdefrei  und 
arbeitsfähig  mit  bedeutend  verkleinertem  Milztumor  entlassen.  Sie 
ist  am  1.  XII.  1912  wieder  mit  sehr  grossem  Milztumor  und  sehr 
schlechtem  Allgemeinbefinden  aufgenommen  und  in  der  gleichen 
Weise  wie  früher  behandelt.  Auch  jetzt  ist  ein  Erfolg  festzustellen. 

2.  Eine  Frau  K.,  40  Jahre  alt,  krank  seit  1909.  Im  Kahlenbergstift 
zuerst  klinisch  behandelt  vom  11.  XII.  1909  bis  3.  I.  1910  mit  Röntgen¬ 
bestrahlung  und  Atoxylinjektionen.  Sie  wurde  ganz  wesentlich  ge¬ 
bessert  und  mit  bedeutend  verkleinerter  Milz  entlassen  und  ambulant 
noch  8  Wochen  weiter  behandelt.  Die  Milz  war  damals  nicht  mehr 
palpabel,  das  Allgemeinbefinden  einwandsfrei.  Frau  K.  hat  1911  einen 
normalen  Partus  durchgemacht.  Seit  August  1912  sei  die  Milz  wieder 
gewachsen.  Sie  kam  am  13.  XII.  1912  wieder  zur  Aufnahme  mit  sehr 
grossem  Milztumor,  der  2  Querfinger  breit  über  die  Mittellinie  nach 
rechts  ging,  und  mit  sehr  ungünstigem  Allgemeinbefinden.  Sie  wurde 
wieder  mit  Röntgenbestrahlung  und  Atoxylinjektionen  behandelt,  und 
zwar  wieder  mit  deutlichem  Erfolge  unter  Verkleinerung  der  Milz  und 
Zunahme  des  Körpergewichtes.  Der  Erfolg  war  hier  rascher  als 
in  dem  anderen  Falle. 

Beide  Kranke  sollen  jetzt  ausser  mit  Röntgenbestrahlung  mit  der 
Benzolmedikation  behandelt  und  zur  Kontrolle  nach  einigen  Wochen 
wieder  vorgestellt  werden. 


730 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Fortsetzung  der  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn 

Jacobsthal:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der  Wasser- 
mannschen  Reaktion. 

Herr  Le  weck:  Bezüglich  des  Kapitels  Ehekonsens  und  Wa.K. 
ist  folgender  Fall  bemerkenswert:  39  jähr.  Mann,  vor  20  Jahren 
infiziert,  oft  antiluisch  behandelt,  trotzdem  häufige  Rezidive,  zuletzt 
tertiäre  Symptome  (üaumenperforation),  in  den  letzten  Jahren  ganz 
seltene  Erscheinungen.  Als  vor  lVa  Jahren  die  Wa.R.  negativ  war, 
heiratete  er;  nach  einiger  Zeit  konzipierte  die  Frau.  Während  ihrer 
Gravidität  wurde  Wa.R.  nochmals  geprüft  und  mit  verfeinerter 
Methode  gleichfalls  negativ  gefunden.  Gleichwohl  endete  die 
Schwangerschaft  im  7.  Monat  mit  der  Geburt  eines  totfaulen  Kindes: 
Also  ist  es  nicht  ohne  weiteres  angängig,  den  Ehekonsens  vom  Er¬ 
gebnis  einer  Wa.R.  abhängig  zu  machen. 

Herr  Philipp  untersucht  sein  klinisches  Material  selbst  nach 
Müller-Brendel  scher  Modifikation  und  lässt  von  einem  Sero¬ 
logen  das  Blut  nach  der  Original-Wassermann-Vorschrift  gleich¬ 
zeitig  prüfen.  Die  Differenzen,  die  diese  beiden  Methoden  zwei  ver¬ 
schiedenen  Untersuchern  ergeben  haben,  sind  auffallend  gering.  Von 
130  Fällen  war  102  mal  das  Ergebnis  völlig  übereinstimmend,  13  mal 
bestanden  nur  graduelle  Unterschiede,  15  mal  erwies  sich  die 
Müller-Brendel  sehe  Modifikation  als  ein  feinerer  Indikator : 
es  handelte  sich  dann  immer  um  Fälle  beginnender  Lues,  oder  alter, 
viel  behandelter  Syphilis. 

Herr  D  e  1  b  a  n  c  o  berichtet  über  die  Gennerich  sehen  Unter¬ 
suchungen  und  die  sich  daraus  ergebenden  Konsequenzen.  Er  selbst 
hält  die  Wa.R.  als  ein  diagnostisches  Hilfsmittel  sehr  hoch,  während 
sie  für  ihn  prognostisch  und  therapeutisch  nichts  bedeutet.  Man 
hätte  ihn  seinerzeit  gefragt,  ob  er  sich  einen  Schwiegersohn  mit 
einer  3  fach  positiven  Wa.R.  auswählen  würde;  jetzt  könne  er  nur 
sagen,  dass  er  sich  bei  diesem  vor  allem  nach  der  Art  des  Verlaufes 
der  Syphilis  und  nach  den  klinischen  Daten  der  Infektion  erkundigen 
würde  und  die  Blutreaktion  nicht  allzu  hoch  veranschlagen  würde. 

Herr  Hinrichs  betrachtet  im  Gegensatz  hierzu  die  Wa.R.  als 
Sjmptom  einer  noch  aktiven,  bestehenden  Syphilis.  Er  spricht  über 
eine  Anzahl  Verfeinerungen  der  Reaktion. 

Herr  Max  Fraenkel  gibt  in  einer  tabellarischen  Uebersicht 
das  Versuchsergebnis  einer  Prüfung  verschieden  extrahierter  Herz¬ 
extrakte.  Das  Alkoholextrakt  wird  nochmals  mit  Aether  extrahiert, 
der  Rest  nochmals  mit  Wasser  extrahiert,  ln  dem  Wasserextrakt 
sind  dann  auch  noch  brauchbare  Stoffe,  die  die  Reaktion  positiv 
gestalten.  Damit  soll  bewiesen  werden,  dass  es  sich  nicht  um  Lipoide 
handelt,  sondern  um  blutfremde  „ferment“artige  Stoffe,  die  die  Wa.R. 
bedingen. 

Herr  P  1  a  u  t  h  bespricht  die  verschiedenen  Methoden  und  ihre 
Brauchbarkeit  für  den  Praktiker.  Für  den  praktischen  Arzt  eignet 
sich  das  Brendel-Miiller  sehe  Verfahren. 

Herr  Bontemps  sucht  die  amphoteren  Reaktionen  zu  er¬ 
klären,  bespricht  ferner  den  Wert  der  Wa.R.  für  die  Prostituierten¬ 
untersuchungen. 

Herr  Kellner  kommt  auf  Grund  der  in  den  Aistendorfer  An¬ 
stalten  gewonnenen  Erfahrungen  zu  dem  Ergebnis,  die  Spezifizität 
der  Wa.R.  anzuerkennen.  Etwa  500  Sera  wurden  untersucht:  50  mal 
fand  sich  die  Wa.R.  positiv  und  in  allen  50  Fällen  gab  die  klinische 
Beobachtung  die  Bestätigung.  Bei  positiver  Wa.R.  verweigert  er 
radikal  den  Ehekonsens. 

Ferner:  Herren  Brückner,  Kafka  und  Jacobsthal 
(Schlusswort), 

Vortrag  der  Herren  Albers-Schönberg  und  Prochow- 
nick:  Gynäkologische  Röntgenbestrahlungen  und  Demonstrationen. 

Herr  Albers-Schönberg:  Auf  Grund  der  bis  zum  1.  Ja¬ 
nuar  1913  veröffentlichten  und  von  L.  Mohr  statistisch  bearbeiteten 
796  Fällen  mit  Röntgenstrahlen  behandelter  Myome,  sowie  auf  Grund 
eigener  Erfahrungen,  gibt  der  Vortragende  ein  Bild  über  den  augen¬ 
blicklichen  Stand  der  Myomtherapie  vom  allgemein  klinischen  Stand¬ 
punkt  aus  und  kommt  dabei  zu  folgenden  Schlussfolgerungen: 

1.  Die  gynäkologische  Tiefentherapie  ist  aus  der  Tatsache  her¬ 
vorgegangen,  dass  die  Röntgenstrahlen  eine  ausgesprochen  deletäre 
Einwirkung  auf  die  männlichen  und  weiblichen  Keimdrüsen  haben. 

2.  Die  Einwirkung  auf  die  Myome  ist  in  erster  Linie  eine  ovarielle, 
sodann  findet  mit  Sicherheit  in  einem  nennenswerten  Prozentsatz  eine 
direkte  Einwirkung  auf  die  Tumorzelle,  gekennzeichnet  durch  Ver¬ 
kleinerung  und  Verschwinden  der  Geschwulst,  statt. 

3.  Die  durch  die  Myome  hervorgerufenen  Beschwerden  werden 
vielfach  wesentlich  gebessert  oder  ganz  behoben.  Die  Blutungen 
werden  in  normalen  Menstruationstyp  übergeführt.  Oligomenorrhoe 
oder  Amenorrhoe  w'erden  erreicht.  Das  Allgemeinbefinden  bessert 
sich,  die  Ausfallserscheinungen  sind  meist  gelinde. 

4.  Der  Prozentsatz  vollständiger  Heilungen  ist  ein  hoher.  Dauer¬ 
heilungen  sind  in  geeigneten  Fällen  mit  Sicherheit  zu  erzielen,  eine 
Anzahl  von  Myomen  verhält  sich  refraktär. 

5.  Nicht  alle  Myome  eignen  sich  für  die  Röntgenbestrahlung. 
Indikationen,  die  sich  in  weiteren  und  engeren  Grenzen  bev'egen,  sind 


aufgestellt  worden  und  werden  im  allgemeinen  anerkannt.  E; 
grosser  Prozentsatz  der  Myome  bleibt  nach  wie  vor  der  Operatii 
Vorbehalten. 

6.  Die  Gefahren  für  die  Haut  lassen  sich  durch  eine  geeigne 
Technik  auf  ein  Minimum  beschränken.  Ob  Spätschädigungen  > 
befürchten  sind,  muss  die  Zukunft  lehren.  Werner. 


Wissenschaft!.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmei 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  Februar  1913. 

Herr  S  c  h  1  o  f  f  e  r:  Demonstration  eines  Falles  von  ausgedehnt! 
Resektion  an  der  knöchernen  Schädelbasis  wegen  Sarkom  des  Obe 
Rief ers* 

Herr  O.  Fischer:  Gibt  es  eine  Lues  nervosa? 

F.  versuchte  die  Frage  der  Lues  nervosa  auf  statistischem  Wed 
zu  lösen,  und  zwar  von  folgender  Ueberlegung  ausgehend:  Geset 
den  Fall  man  hätte  eine  bestimmte  Anzahl  von  sicheren  Paralyse! 
deren  Ehehälften  auch  luetisch  infiziert  waren;  von  den  letzten! 
muss  ein  Teil  auch  metaluetisch  werden;  wenn  der  so  gefundene  Pn 
zentsatz  wesentlich  grösser  ist  als  der  sonst  gefundene  Prozentsa! 
von  Metalues  bei  Luetikern,  könnte  die  Frage  weiter  diskutiert  we 
den,  andernfalls  müsste  man  die  Existenz  einer  Lues  nervosa  ai 
weisen.  F.  fand  nun,  dass,  wenn  man  diese  Berechnung  für  die  ko, 
jugale  Paralyse  bei  verheirateten  weiblichen  Paralysen  anwendt 
man  zu  einem  Prozentsatz  kommt,  der  etwa  3  mal  grösser  ist  als  d 
Metaluesprozentsatz  gewöhnlicher  Lues.  Bei  Berücksichtigung  meh 
facher  Nebenumstände,  auf  die  in  einem  kurzen  Referat  nicht  ei 
gegangen  werden  kann,  kommt  er  zu  dem  Schlüsse,  dass  man  ei 
Lues  nervosa  annehmen  müsse. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  7.  März  1913. 

Assistent  Dr.  Marschik  zeigt  und  bespricht  eine  Reihe  v 
neueren  Instrumenten.  So  Flügelbolzen  nach  C  h  i  a  r  i  -  M  a  r  s  chi, 
welche  nach  operativer  Beseitigung  von  Larynxnarben  die  Ufte 
haltung  der  Lichtung  herbeiführen.  Dann  einen  Mundsperrer  nai 
dem  Wh  iteheadschen  Modell  mit  Vorrichtungen  zur  Apphkatn 
von  Allgemeinanästhesie  und  zur  Beleuchtung  der  Mundhöh. 
Endlich  ein  Besteck  zur  sogen.  Oesophagotomia  interna  bei  Narbo 
stenosen  des  Oesophagus. 

Dr.  R.  O.  Stein  berichtet  ausführlich  über  eine  an  der  Khu 
Finger  beobachtete  chronische  Form  des  Rotzes,  welche  in  ersr 
Linie  Haut  und  Gelenke  befallen  hatte.  Es  bestanden  inulti; 
serpiginöse  Hautgeschwüre  an  beiden  Unterschenkeln,  Osteoper¬ 
stiden,  Gelenkempyeme  in  beiden  Knie-  und  Sprunggelenken  t. 
Eine  derartige  „arthotrope  Varietät“  des  Bacillus  mallei  war 
nun  nicht  bekannt. 

Privatdozent  Dr.  Bäräny  demonstriert  ein  kleines  lnstrumu 
zur  temporären  Abkühlung  der  Hirnoberfläche  und  bespricht  des:  i 
erfolgreiche  Anwendung  in  einem  Falle.  Sodann  zeigt  er  eine  ritt 
mit  einem  Tumor  der  Vierhügel,  welche  mit  „Nystagmus  retractoru 
behaftet  ist. 

Dr.  R.  S.  H  o  f  f  m  a  n  n  zeigt  das  Präparat  einer  ausgetragem 
Extrauteringravidität. 

Dr.  Hans  Abels:  Eine  seltene  Erscheinungsform  von  Rheur- 

tismus  nodosus.  . 

Ueber  den  Spinae  ossis  ilei  post,  und  über  dem  Steissbein  ei  s 
10  jährigen  Knaben  sitzen  mehrere  grosse  Knoten,  welche  im  Verlae 
eines  mit  Endokarditis  komplizierten  Gelenkrheumatismus  rasch  «• 
standen  sind  und  schon  an  Grösse  abgenommen  haben.  Der  Rh:- 
matismus  nodosus  zeigt  sich  sonst  nur  in  kleinen,  selten  bis  bohni- 
grossen,  subkutanen  Knötchen,  die  meist  im  Verlaufe  der  Sen  r 
oder  Sehnenscheiden,  besonders  in  der  Nähe  von  Gelenken  und  ,r 
Periost,  zumal  an  Stellen  sitzen,  die  von  aussen  einem  Drucke  a>- 
gesetzt  sind.  Auch  die  grossen  Knoten  im  demonstrierten  F<£ 
zeigen  diese  Lokalisation. 

Prof.  M.  Benedikt  bespricht  die  Lokalisation  und  Pathold« 
des  Symptomenkomplexes  der  gekreuzten  Taubheit  mit  Paresis  <1 
Anästhesie  der  anderen  Seite.  Er  leugnet,  dass  in  diesem  Falle  tiö 
mehrfacher  Aborte  und  positivem  Wassermann  die  Lues  als  ä- 
logisches  Moment  gelten  müsse,  wie  er  denn  überhaupt  davor  wa  t 
aus  dem  Wassermann  voreilige  therapeutische  Schlüsse,  besorn.  ■ 
bei  Paralyse  und  Tabes,  zu  fällen,  da  sie  gewöhnlich  für  den  Kram 
fatal  sind.  Er  schliesst  auch  das  Vorhandensein  eines  Gehirntuberl¬ 
aus.  möchte  vielmehr  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  ein 
Krebsknoten  stellen. 

Die  von  ihm  eingeleitete  Behandlung  mit  Ortho-Kies 
säure  Hess  eine  überraschende  Heilwirkung  erzielen.  Ende  Jan 
1.  J.  war  die  Frau  schwachsinnig,  verstimmt,  auf  dem  rechten  C  < 
vollständig  taub  und  auf  dem  linken  massig  schwerhörig;  die  lin:i 
Extremitäten  waren  paretisch,  das  Tast-  und  Schmerzgefühl  1 
herabgesetzt,  es  bestanden  Kopfschmerzen,  früher  heftige  Schwind 


1.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Unfälle,  Ohrensausen  etc.  Dabei  sah  man  beiderseits  am  Halse  und 
anderwärts  zahlreiche  Lymphdriisen.  Der  Gang,  die  Körper-  und 
Eingerhaltunsr  und  die  Tendenz  zur  Propulsion  des  Körpers  waren 
ähnlich  wie  bei  der  Paralysis  agitans.  Jetzt  (schon  am  10.  Februar  1.  J.) 
ist  sie  psychisch  normal,  ihr  Gang  ist  besser  und  ihre  Driisen- 
schwellungen  sind  bis  auf  einzelne  kleine  Reste  gänzlich  ver¬ 
schwunden. 

Der  Vortr.  besprach  noch  seine  mit  der  Kieselsäure  bei  Krebs- 
und  Sarkomimpfungen  bei  Tieren  angestellten  Präventiveinspritzungen, 
die  angeblich  auf  den  folgenden  Verlauf  der  Infektion  von  Einfluss 
waren.  Er  erwähnte  die  gute  Wirkung  des  Mittels  in  einem  zweiten 
Falle,  bei  welchem  es  sich  um  luetische  Hemiplegie  handelte  und 
teilte  mit,  dass  er  jetzt  auch  bei  anderen  Fällen  von  zentralen  Neu¬ 
rosen  mit  wahrscheinlich  luetischer  Aetiologie  diese  Therapie  ver¬ 
suche.  Bei  Krebskranken,  sagt  Benedikt,  kommt  die  präventive 
Kieselsäuretherapie  bei  einmal  glücklich  Operierten  usw.  zur  Ver¬ 
meidung  von  Rezidiven  in  Betracht  und  bei  solchen  Fällen 
dürfte  es  auch  möglich  sein,  das  Frühstadium  einer  neuen  Erkrankung 
zu  erkennen  und  rechtzeitig  einzugreifen!  Das  von  ihm  angewandte 
Präparat  wurde  ihm  bisnun  vom  Laboratorium  für  medizinische 
Chemie  in  Wien  zur  Verfügung  gestellt,  er  gab  es  zumeist  in  Lösung 
per  os.  Die  grösste  Dosis,  die  er  bisher  verabreichte,  betrug  2  cg 
in  Lösungen  von  3  mg  in  1  Ccm  sterilisierten  Wassers. 


XII.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für 
orthopädische  Chirurgie 

am  24.  und  25.  März  1913  im  Langenbeckhaus  zu  Berlin. 

(Referent :  G.  Hohmann  -  München.) 

(Eigener  Bericht.) 

Der  Kongress  stand  sichtlich  im  Zeichen  dreier  grosser  Fragen, 
auf  die  sich  das  Interesse  allseitig  konzentrierte:  die  Abbottsche 
Methode  der  Skoliosenbehandlung  mit  einer  eigenen 
Art  adressierender  Gipsverbände,  das  aufgestellte  Hauptthema  des 
Kongresses :  die  chronische  Arthritis  und  Arthritis  de¬ 
form  ans  und  schliesslich  die  Stoffelschen  Unter¬ 
suchungen  über  Nerve n anatomie  und  ihre  prak¬ 
tisch-therapeutischen  Konsequenzen.  Prof.  Abbott- 
Portland  war  selbst  aus  Amerika  gekommen,  um  sein  Verfahren  zu 
demonstrieren. 

Mit  seinem  Vortrage  begann  der  den  Verhandlungen  voraus¬ 
gehende  Projektionsabend  am  Ostermontag. 

Abbott  setzte  in  englischer  Sprache,  von  dem  Kongress¬ 
vorsitzenden  Prof.  S  p  i  t  z  y  -  Graz  verdolmetscht,  das  Wesen  seiner 
Methode  auseinander.  Es  kommt  darauf  an,  einmal  Ueberkorrektur 
zu  erzielen  und  dann  das  Resultat  solange  zu  fixieren,  bis  die  Ge¬ 
webe  sich  der  veränderten  Stellung  angepasst  haben.  Er  fasst  die 
Skoliose  nur  als  einen  höheren  Grad  einer  physiologischen  Seitwärts¬ 
einstellung  der  Wirbelsäule  auf,  was  er  an  der  Schreibhaltung  de¬ 
monstriert.  Er  zeigt  dann  sein  Verfahren  im  Lichtbild,  den  rahmen- 
artigen  Tisch  zur  Anlegung  des  Verbandes,  der  bei  gebeugtem 
Rücken  und  elevierten  Beinen  in  Ueberkorrektur  angelegt  wird,  wobei 
der  Körper  auf  einer  Art  Hängematte  liegt,  das  Becken  durch  einen 
Zug  fixiert  ist  und  die  Schultern  der  Deformität  entsprechend  eben¬ 
falls  durch  Züge  korrigiert  werden.  Ein  grosses  Fenster  im  üips- 
verband  auf  der  bisherigen  Konkavseite  des  Thorax  erlaubt  die  Ent¬ 
wicklung  dieser  eingesunkenen  Seite,  wobei  den  Respirationskräften 
ein  grosses  Stück  der  Aufgabe  zufällt,  während  von  schiessscharten¬ 
artigen  Fenstern  vorn  seitlich  aus  durch  eingeschobene  Filzstücke  die 
Retorsion  des  Brustkorbes  angestrebt  wird.  Verbanddauer  mehrere 
Monate.  Nachbehandlung  mit  Zelluloidkorsett  in  Ueberkorrektur  und 
Uebiingen  etwa  1  Jahr  lang.  Noch  seien  die  Grenzen  der  Wirksam¬ 
keit  des  Verfahrens  nicht  zu  ziehen,  nicht  immer  habe  er  Erfolge, 
aber  im  ganzen  seien  die  Resultate  gut.  An  zahlreichen  Abbildungen 
von  Skoliosen  vor  und  nach  der  Behandlung  erläutert  er  seine  Aus¬ 
führungen. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg,  der  das  Verfahren  angewendet  hat,  de¬ 
monstriert  die  Ausführung  der  Methode  und  die  bisherigen  Resultate 
und  legt  noch  einmal  eingehend  die  Prinzipien  dar. 

Ebenso  Joachimsthal  -  Berlin,  der  die  Methode  etwas 
modifiziert  durchgeführt  hat  und  die  Wichtigkeit  der  Atemübungen 
nachdrücklich  betont. 

Erlache  r  -  Graz  aus  der  S  p  i  t  z  y  sehen  Klinik  berichtet  eben¬ 
falls  über  seine  Erfahrungen.  Er  hat  mit  einem  mit  dem  Gips  ver¬ 
bundenen,  auf  der  konkaven  Thoraxseite  aufsitzenden  Respirations¬ 
messer  festgestellt,  dass  die  Zahl  der  Respirationen  und  ihre  Tiefe 
nach  der  Verbandanlegung  vermehrt  war.  Von  seinen  Fällen  hat  nur 
eine  linkskonvexe  Skoliose  (alles  andere  waren  rechtskonvexe)  die 
Prozedur  schlecht  vertragen.  Röntgenbilder  von  rechtskonvexen 
Skoliosen  vor  der  Behandlung  zeigen  das  Herz  ganz  nach  links  ver¬ 
lagert  und  die  linke  Lunge  verdichtet,  also  luftleer,  während  nach  der 
Korrektur  die  Lunge  aufgehellt  erschien.  Er  legt  Wert  auf  vor¬ 
bereitende  Atemgymnastik,  die'  über  einem  Schrägbock  ausgefiihrt 
wird. 

Max  Böhm-  Berlin  weist  auf  die  neben  den  Vorzügen  vor¬ 
handenen  Schattenseiten  des  Verfahrens  hin  und  zeigt,  wie  wenig 
Besserung  oft  im  Röntgenbild  zu  erkennen  ist.  Da  60 — 70  Proz.  aller 


731 


Skoliosen  vor  dem  schulpflichtigen  Alter  vorhanden  sind,  muss  auf 
die  Behandlung  vor  der  Schulzeit  der  grösste  Nachdruck  gelegt 
werden. 

Axhausen  -  Berlin  belegt  mit  zahlreichen  Projektionsbildern 
mikroskopischer  Präparate  seine  bekannte  Auffassung  der  Arthri¬ 
tis  deformans  als  eines  Symptomenkomplexes,  der  durch  Knor¬ 
pelnekrosen  in  den  Gelenken  bedingt  ist  und  durch  statische  Momente 
nur  unterstützt  wird.  Die  Nekrosen  hat  er  experimentell  elektro¬ 
lytisch  durch  Nadeln  erzeugt. 

W  o  1 1  e  n  b  e  r  g  -  Berlin  weist  demgegenüber  auf  die  Zotten¬ 
vennehrung  und  perivaskulären  Zellanhäufungen  bei  Arthritis  defor¬ 
mans  hin.  Er  zeigt  Röntgenbilder  von  Gichtarthritis  (Ersetzung  gan¬ 
zer  Phalangenteile  durch  Gichtprodukte),  von  gonorrhoischer  Arthri¬ 
tis  (Verödung  der  Gelenkflächen,  epiphysäre  Atrophie,  auch  peri¬ 
ostale  Auflagerungen). 

C  r  a  m  e  r  -  Köln  bespricht  die  Ausfallserscheinungen  bei  Spina 
bifida  occulta:  Klauenhohlfiisse  und  poliomyelitisähnliche  Er¬ 
scheinungen,  an  der  Hand  einer  grossen  Zahl  von  Becken  aus  der 
Marburger  Anatomie,  die  kleinere  und  grössere  Defekte  der  hinteren 
Wand  des  Os  sacrum  aufweisen,  sowie  an  der  Hand  von  Röntgen¬ 
bildern  von  bettnässenden  Rekruten,  sowie  Rekruten  mit  Klauen¬ 
füssen,  bei  denen  Spaltbildungen  im  Os  sacrum  bzw.  am  letzten  Len¬ 
denwirbel  sichtbar  sind.  Von  poiiomyelitischen  Folgezuständen  sind 
die  hier  beobachteten  durch  die  festere  Muskulatur  und  das  Fehlen 
von  Zyanose  der  Haut  zu  unterscheiden. 

B  i  b  e  rg  e  i  1  -  Berlin  hat  bei  14  Fällen  von  Klauen  ho  lil- 
f  u  s  s  in  50  Proz.  deutliche  Spina  bifida  im  Röntgenbild  nachweisen 
können.  Klinisch  war  die  Diagnose  nicht  zu  stellen.  Meist  entsteht 
der  Hohlfuss  erst  im  Alter  von  6 — 8  Jahren.  Möglicherweise  handelt 
|  es  sich  um  Entwicklungsstörungen,  die  vielleicht  mit  einer  Myelo¬ 
dysplasie  einhergehen. 

G  o  c  h  t  -  Halle  zeigt  einige  schwierige  Frakturen  und 
ihre  Behandlung  im  Röntgenbilde,  Abreissung  von  Malleolen  mit 
Nagelung,  Patellarfrakturen  usw.,  die  in  kurzer  Zeit  mit  Schienen- 
hiilsenapparaten  wieder  gehfähig  gemacht  wurden. 

D  e  1  o  r  m  e -  Halle  demonstriert  interessante  Röntgenbilder  von 
Gelenktuberkulosen,  die  ein  auffallendes  Wachstum  der  Epi¬ 
physen,  besonders  Zunahme  ihrer  Höhe  aufweisen,  so  dass  ein  ab¬ 
normes  Längenwachstum  der  Extremität  resultiert.  An  Knie  und 
Hüfte  beobachtet. 

D  r  e  h  m  a  n  n-Breslau  bespricht  die  C  o  x  a  vara  congenita 
mit  den  charakteristischen  Spaltbildungen  am  Hals,  die  er  als  Vor¬ 
stufe  des  kongenitalen  Femurdefektes  auffasst.  Er  empfiehlt  an  der 
Hand  seiner  guten  Resultate  nochmals  sein  Verfahren  der  Inversion  des 
Schenkelhalses  bei  der  Coxa  vara  adolescentium  als  eine  sichere  und 
einfache  Methode,  welche  neben  guter  Funktion  auch  eine  ana¬ 
tomische  Korrektur  erzielt. 

Brandes  -  Kiel  berichtet  über  Heilung  grösster  Ti¬ 
biadefekte  durch  Transplantationen.  Da  die  Tibiareste  oft 
sehr  atrophisch  sind  und  deshalb  die  Vereinigung  mit  einem  freien 
Implantat  nicht  erfolgt,  bolzt  Brandes  die  durchsägte  Fibula  in  das 
obere'Ende  der  Tibia  ein.  Wenn  hier  die  Vereinigung  fest  vollzogen 
ist,  steckt  er  auch  das  untere  Ende  der  Fibula  in  den  unteren  Tibia¬ 
rest,  um  das  Talokruralgelenk  zur  Belastung  zu  erhalten  und  keine 
Verbiegung  des  Knochens  zu  bekommen.  (Röntgenbilder.) 

Peltesohn  -  Berlin  implantierte  bei  einem  durch  Tuberkulose 
entstandenen  Ulnadefekt  einen  Spahn  aus  der  Fibula,  während 
er  das  luxierte  Radiusköpfchen  resezierte.  Das  Endresultat  zeigte 
eine  Verschiebung  an  der  Defektstelle,  keine  Vereinigung  mit  dem 
Implantat.  Die  Fibula  regenerierte  sich  vollständig. 

v.  A  s  s  e  n  -  Rotterdam  berichtet  über  seltene  Fussver- 
letzungen,  Fraktur  des  Processus  posterior  tali,  Luxation  und 
Fraktur  im  Chopart  sehen  Gelenk  mit  hochgradiger  Plattfussver- 
unstaltung,  die  er  durch  Keilosteotomie  wirksam  behandelte.  Nach 
einer  Exstirpation  des  Talus  gab  er  zur  Nachbehandlung  einen  Schuh, 
dessen  Absatz  vorn  höher  war  als  hinten,  so  dass  der  mit  der  Ferse 
zuerst  auftretende  Patient  über  die  vordere  Kante  des  Absatzes  den 
Fuss  hinüberhebelt. 

Die  Hauptverhandlungen  am  25.  März  eröffnet  der  Vorsitzende 
Prof.  Spitzy-Graz  mit  einem  Nachruf  auf  die  Toten  des  Jahres 
und  einer  besonderen  Begrüssung  A  b  b  o  1 1  s  und  P  u  1 1  i  s,  des 
Nachfolgers  C  o  d  i  v  i  1 1  a  s  in  Bologna.  Er  weist  dann  auf  eine  wich¬ 
tige  Aufgabe  der  Orthopäden  hin,  sich  in  Zukunft  weit  mehr  noch 
als  bisher  der  Leibesübungen,  des  Turnens,  anzunehmen  und 
in  Schrift  und  Wort  diese  Bestrebungen  zu  fördern,  was  nicht  nur  im 
nationalen  Interesse  liege,  sondern  auch  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Standesfrage  sei,  da  man  diese  Angelegenheit  nicht  allein  den  Turn¬ 
lehrern  überlassen  dürfe.  Eine  Resolution  in  diesem  Sinne  fand  An¬ 
nahme.  Ebenso  wurden  die  geänderten  Statuten  der  Gesellschaft 
angenommen,  die  danach  in  Zukunft  den  Namen  „Deutsche  or¬ 
thopädische  Gesellschaft“  führt. 

Dann  trat  man  in  die  Verhandlungen  über  das  Hauptthema: 
Chronische  Arthritis  und  Arthritis  deformans  ein. 

Friedrich  Kraus-  Berlin  behandelte  in  konzentriertester  Form 
Symptomatologie,  pathologische  Anatomie  und  interne  Behandlung 
der  chronischen  Arthritis,  besprach  ihre  verschiedenen  Formen,  hob 
die  infektiöse  Aetiologie  vieler  Arten  von  Arthritiden  (  1  onsillen, 
Nasenhöhlen  usw.)  hervor  (entsprechende  Therapie)  und  behandelte 
unter  den  Heilverfahren  dieses  Leidens  besonders  eingehend  die  Ein¬ 
führung  radioaktiver  Stoffe.  Er  empfahl  besonders  die  kurzlebigen 


732 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  13. 


Elemente,  bei  denen  die  entsprechenden  Energiemengen  schnell  frei 
werden.  Der  Weg,  auf  dem  sie  einverleibt  werden,  ist  gleichgültig. 
Die  wohlfeilste  und  praktischste  Methode  ist  die  Trinkkur.  Für  die 
intravenöse  Injektion  sind  besonders  die  kurzlebigen  Stoffe  geeignet. 
Als  Dosen  kommen  nur  die  sogenannten  Reizdosen,  nicht  die  destru- 
ierenden  Dosen  in  Betracht.  Bei  der  Gicht  ist  das  Radium  wohl  ein 
symptomatisches  Mittel,  indem  es  die  Harnsäureausscheidungen  be¬ 
fördert,  aber  es  löst  gleichzeitig  damit  auch  Gichtattacken  aus.  Diesen 
Nachteil  hat  das  Atophan  nicht.  Die  Thermalbäder  sollen  nicht  ge¬ 
ringer  geschätzt  werden.  Die  G  e  i  s  t  b  e  c  k  sehe  Methode  der  Gicht- 
behandiung  mit  grossen  Adrenalindosen  bringt  gewisse,  wenn  auch 
nicht  allzu  grosse  Erfolge. 

Poncet-  Lyon  vertritt  seine  bekannte  Auffassung  von  der 
tuberkulösen  Aetiologie  vieler  chronischer  Gelenkleiden,  des  tuber¬ 
kulösen  Rheumatismus,  bei  dem  das  tuberkulöse  Virus  zu  schwach 
sei,  um  die  spezifischen  tuberkulösen  Gelenkentzündungen  zu  machen, 
sondern  polyartikuläre  Schädigungen  hervorrufe.  Klimatische  Fak¬ 
toren,  Ernährung,  Immobilisation,  Wärme.  Lichtbäder,  vor  allem 
Heliotherapie,  sind  von  bester  Wirkung.  Nur  bei  fehlerhaften  Ge¬ 
lenkstellungen  Resektion. 

Ibrahim-  München  gibt  eine  Uebersicht  über  unser  derzeitiges 
Wissen  über  die  chronische  Arthritis  im  Kindesalter,  von  der  er  selbst 
6  Fälle  gesehen,  in  der  Literatur  nur  273  Fälle  gefunden  hat.  Er 
will  sich  auf  die  chronische  multiple  Arthritis,  den  chronischen  Ge¬ 
lenkrheumatismus  beschränken.  2/s  der  Fälle  sind  Mädchen.  Das 
weibliche  Geschlecht  scheint  dazu  mehr  zu  disponieren,  aber  erst  in 
der  zweiten  Kindheit.  220  Fälle  in  den  drei  ersten  Lebensjahren. 

1.  Sekundäre  Formen:  der  typische  akute  Gelenkrheumatismus  hinter¬ 
lässt  Versteifungen,  ebenso  der  Scharlachrheumatismus,  letzterer  mit 
den  lästigen  Kiefergelenksankylosen  und  Tortikollis.  sowie  bei  Me¬ 
ningenbeteiligung  mit  Extremitätenlähmung.  Diese  Gruppen  sind  als 
Residualversteifungen  zu  bezeichnen.  2.  Primär-chronische  Formen: 
beschleunigte  Progredienz  gegenüber  Erwachsenen.  Knie-  und 
Knöchelgelenke  werden  zuerst  ergriffen,  dann  Finger,  Halswirbel¬ 
säule  (Kopf  nach  vorn  geneigt,  dadurch  charakteristischer  Anblick). 
Spindelig-kugelige  Gelenkformen.  Nicht  immer  Fieber.  Als  besondere 
Gruppe  abzuscheiden  die  chronisch-infektiöse  Polyarthritis  (flüchtiges 
Fieber,  sehr  lange  Dauer,  häufig  Endokarditis  und  Perikarditis,  Chorea 
minor,  schubweises  Fortschreiten  in  Monaten  und  Jahren,  Schmerzen 
teils  heftig,  teils  fehlend,  häufig  Nephritis).  Die  Poncet  sehe  tuber¬ 
kulöse  Aetiologie  ist  nur  für  einen  Teil  der  Fälle  in  Anspruch  zu 
nehmen.  Prüfung  mit  Tuberkulinreaktion.  Prognose  nicht  ganz  un¬ 
günstig. 

P  r  e  i  s  e  r  -  Hamburg  sieht  in  der  gestörten  Statik  ein  ätiologi¬ 
sches  Moment  für  die  chronische  Arthritis.  Seiner  Meinung  nach 
leidet  die  Hälfte  aller  die  Bäder  wegen  arthritischer  Beschwerden 
aufsuchenden  Patienten  an  statischen  Störungen.  Die  Unterbrechung 
der  statischen  Einheit  macht  sich  an  allen  Teilen  derselben  be¬ 
merkbar.  Pathologische  Gelenkflächeninkongruenz  disponiert  zu  Ar- 
thrititis  deformans.  Die  Schmerzen  im  Anfangsstadium  entstehen 
durch  Verdrehung  und  Dehnung  der  Kapsel  und  Bänder.  Demonstra¬ 
tion  verschiedener  Beckenformen:  Rachitisches  Becken  und  Steh¬ 
becken,  letzteres  findet  sich  bei  60  Proz.  aller  Stadtbewohner,  die 
dadurch  mehr  oder  starke  Beschwerden  in  der  unteren  Extremität 
haben.  Das  rachitische  Becken  zeigt  vermehrte  Beckenneigung,  Coxa 
vara,  Innenrotation  der  Beine,  das  Stehbecken  steilen  Schenkelhals, 
antetorquiertes  oberes  Femurende  und  Aussenrotation  der  Beine.  — 
Korrektur  mit  Einlagen,  Behandlung  der  Hüftgelenke  mit  physikali¬ 
schen  Massnahmen,  nur  bei  hochgradigen  Formen  mit  Versteifung  in 
pathologischer  Stellung  forciertes  Redressement  mit  dreiwöchent¬ 
lichem  Gipsverband.  Gefahr  der  Fettembolie,  deshalb  bei  solchen,  die 
lange  nicht  gegangen  sind,  lieber  subtrochantere  Osteotomie.  Bei 
progressiven  Formen  der  chronischen  Arthritis  Behandlung  der  Kon¬ 
trakturen,  des  Spitzfusses  usw.  mit  Apparaten  mit  Gummizügen,  in 
schwereren  Fällen  mit  Achillotomie  und  Redressement,  um  die  Pa¬ 
tienten  zum  Gehen  zu  bringen,  was  sehr  wichtig  ist.  Zurückhaltung 
gegenüber  der  Resektion,  da  neben  günstigen  Fällen  Verschlimme¬ 
rungen  beobachtet  worden  sind. 

Wollenberg  - Berlin :  Bei  Initialfällen  keine  Schienenhülsen¬ 
apparate  wie  es  H  o  f  f  a  empfahl,  nur  bei  Fortgeschrittenen.  Besser 
Massage  und  Bewegung. 

Ax  hause  n-  Berlin  zeigt  ein  Präparat  des  Kniegelenkes  eines 
Hundes,  dem  er  an  drei  bis  vier  kleinen  Stellen  des  Gelenkes  elektro¬ 
lytisch  Knorpelnekrosen  erzeugte  und  danach  das  schönste  Bild 
schwerer  Arthritis  deformans  mit  Zottenbildung,  Exostosen,  Osteo- 
phyten  entstehen  sah. 

W  a  1  k  h  o  f  f  -  Gross-Lichterfelde  wendet  sich  gegen  Axhausens 
Theorie  der  Knorpelnekrosen. 

Schanz-  Dresden  nennt  die  Arthritis  deformans  eine  „Ver¬ 
brauchskrankheit"  und  empfiehlt  demgemäs  Suspendierung  der  Be¬ 
lastung  durch  entlastenden  Schienenhülsenapparat,  sowie  Anregung 
der  Zirkulation. 

W  e  r  n  d  o  r  f  f  -  Wien  spricht  über  Arthritis  deformans 
juvenilis,  deren  Ursache  er  im  Sinne  Preisers  in  einer  Gelenk¬ 
flächeninkongruenz,  deren  Erscheinungen  als  Anpassungserschei¬ 
nungen  ansieht.  Neben  diesen  wirklichen  Fällen  von  Arthritis  defor¬ 
mans  juv.  gibt  es  viele,  die  so  genannt  werden,  aber  oft  eine  Caries 
sicca  sind. 

Perthes-  Tübingen  sah  21  Fälle  von  Arthr.  deform,  juvenilis. 
Auch  er  glaubt,  dass  unter  den  veröffentlichten  Fällen  viele  Fehl¬ 


diagnosen  sind.  Die  echten  Fälle  heilen  alle  aus,  mit  guter  Beweglich¬ 
keit.  Bei  einer  Operation  sah  er  in  einem  selchen  Falle  den  Ueienk- 
knorpel  normal,  dagegen  im  Femurinnern  Knorpelneubildungen. 

B  e  c  h  e  r  -  Münster  zeigt  einen  schweren  Fall  von  Arthr.  dei. 
des  Knies  mit  unförmiger  tabesähnlicher  Gestalt,  hochgradigem 
X-Bein,  Gehunfähigkeit. 

Resektion  erzielte  ein  festes  brauchbares  Bein.  Es  fanden 
sich  Knorpelzerstörungen,  Auffaserung  der  Menisken,  polypöse 
dicke  Gelenkkapsel.  Der  Fall  spricht  gegen  das  Schanzsche  Wort 
von  der  verbrauchten  Gelenkkraft,  da  das  Leiden  einseitig  ist. 

T  i  e  t  z  e  -  Breslau:  Einheitliche  Auffassung  über  Arthritis  de¬ 
formans  ist  nicht  vorhanden,  zu  unterscheiden  hypertrophische  und 
atrophische  Formen.  Empfiehlt  Resektion,  von  der  er  jahrelange 
dauerndes  gutes  Resultat  gesehen  hat. 

Röpke-  Barmen  empfiehlt  Resektion  mit  Interposition  von  Fett¬ 
lappen. 

J  a  k  o  b  s  o  h  n  -  Charlottenburg  tritt  ebenfalls  für  Trennung  in 
atrophische  und  hypertrophische  Form  ein. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg  hat  bisweilen  ebenfalls  den  tuberkulösen 
Rheumatismus  gesehen  und  ersucht  um  Mitteilung  weiterer  Fälle. 
Eine  Resektion  einer  arthrititischen  Hüfte  hatte  ein  gutes  Resultat. 
(Demonstration  des  Präparates.)  Er  weist  auf  die  Sauerstoffinsufila- 
tionen  Wollenbergs  in  arthritische  Kniegelenke  hin,  von  denen 
er  schmerzstillende  und  mobilisierende  Wirkung  sah. 

B  i  b  e  r  g  e  i  1  -  Berlin:  Werndorff  irrt,  wenn  er  etwa  unter 
den  aus  der  Joachimstal  sehen  Klinik  veröffentlichten  Fällen  von 
juveniler  Arthritis  deformans  Tuberkulosen  sucht.  Denn  sämtliche 
Fälle  sind  gänzlich  ausgeheilt. 

Werndorff- Wien  hat  Fall  4  im  Auge,  welcher  nach  der 
wiedergegebenen  Krankengeschichte  bei  Massage  und  Uebungen 
schlechter  geworden  ist.  Für  die  Sauerstoffinsufflationen  nimmt  er 
die  Priorität  in  Anspruch. 

B  a  d  e  -  Hannover  zeigt  an  vielen  Abbildungen  die  Verände¬ 
rungen  des  Schenkelkopfes  nach  der  unblutigen 
Einrenkung  kongenitaler  Hüftverrenkung.  Von  131 
konzentrisch  reponierten  Fällen  haben  70  —  über  50  Proz.  Ver¬ 
änderungen.  Teils  sieht  man  osteoporotische  Erscheinungen  schon 
während  der  Behandlung  oder  nach  der  Fixationsperiode,  die  wieder 
verschwinden,  vielfach  auch  zu  Abplattung  des  Kopfes,  besonders 
seiner  medialen  Seite  führen,  aber  klinische  Symptome  von  Arthritis 
deformans  nicht  aufweisen.  Oder  es  entstehen  Anomalien  der  Ossi¬ 
fikation,  der  normale  Kopf  wird  resorbiert,  es  entsteht  ein  2-  und 
3  teiliger  Kopf,  bis  schliesslich  eine  normale  Form  sich  entwickelt. 
Es  gibt  auch  ganz  kleine  Köpfe,  die  sich  resorbieren,  an  ihrer  Stelle 
treten  Kalkschatten  auf  (wahrscheinlich  durch  rhachitische  oder 
osteomalakische  Prozesse  bedingt).  Ferner  treten  bei  schweren 
Fällen  im  5. — 9.  Jahr  starke  Wucherungen  am  oberen  Pfannendach 
auf,  die  zur  Resorption  an  der  Oberfläche  des  Kopfes  führen.  Oft 
wird  der  ganze  Kopf  resorbiert.  Nur  bei  1  schweren  Fall  wirkliche 
Arthritis  mit  Neubildungen  am  oberen  Pfannendach. 

L  u  d  1  o  f  f  -  Breslau  zeigt  eine  neue  Operation  bei  H  a  1 1  u  > 
v  a  1  g  u  s,  die  im  wesentlichen  in  einer  Osteotomie  des  I.  Metatarsm 
schräg  von  unten  vorn  nach  oben  hinten  besteht.  Nach  der  Operahoi 
verschieben  sich  die  Fragmente  gegeneinander,  die  Extensor  hall. 
Sehne  wird  entspannt  und  die  Deformität  lässt  sich  korrigieren 
(Krankendemonstration.) 

Klar- München  will  das  vom  Vorredner  als  Hauptursache  be 
zeichnete  unzweckmässige  Schuhwerk  nicht  gelten  lassen,  sonderi 
weist  auf  die  Heredität  bezw.  das  familiäre  kongenitale  Vorkommen 
der  Deformität  hin. 

Henschen-Naef  -  Zürich  bespricht  die  intrapelvine 
Pfau  ne  n  Wanderung  der  Hüfte  auf  koxitisch-arthropathi 
scher  Grundlage. 

Lorenz-  Wien  fragt,  warum  so  häufig  bei  Schenkelhals 
fraktur  Pseudarthrose  entsteht.  Je  näher  die  Fraktur  a 
der  Basis  des  Halses  liegt,  desto  eher  erfolgt  knöcherne  Heiluiy 
und  umgekehrt  (Ernährung  des  Kopffragmentes!).  Teils  ist  auch  di 
mangelhafte  Reposition  infolge  nicht  gestellter  Diagnose  schuld.  L 
nimmt  in  Narkose  eine  gründliche  Mobilisierung  vor,  gleicht  Adduk 
tion  und  Flexion  aus  und  gibt  für  3  Monate  einen  Verband  in  Ab 
duktion,  Streckung  und  Innenrotation,  dann  für  1  Jahr  Schienenhülsen 
apparat. 

K  ö  1 1  i  k  e  r  -  Leipzig  schlägt  zur  Vermeidung  von  Nebei 
Verletzungen  bei  der  Osteotomie  am  Oberschenkel  vo 
von  innen  aus  schräg  zuerst  ins  Interstitium  zwischen  Rektus  un 
Vastus  medialis  und  dann  in  das  zwischen  Vastus  med.  und  laterali- 
einzugehen,  das  Periost  aber  nicht  abzulösen.  .  -*  ! 

Stoffel-  Mannheim  ist  auf  Grund  seiner  nervenanatomische 
Forschungen  zu  neuen  Ergebnissen  und  Konsequenzen  in  der  Be 
handlung  der  Ischias  gekommen.  Er  sieht  das  Leyden  ledig 
lieh  als  eine  Neuralgie  einer  oder  mehrerer  sensibler  Fasern  de 
Ischiadikus  an.  Die  Lokalisierung  der  verschiedenen  Schnierzzi 
stände  muss  genau  vorgenommen  werden,  dann  ergeben  sich  be 
stimmte,  genau  präzisierte  Symptomenbilder.  Deshalb  ist  St.  gegt 
die  blutige  Dehnung,  deshalb  hat  die  Injektionsbehandlung  nur  dar 
Erfolg,  wenn  die  gerade  erkrankte  Bahn  für  die  Spritze  günstig  lieg 
Stoffels  Methode  besteht  in  der  Resektion  der  erkrankten  Bahne 
in  schweren  Fällen  von  Ischias.  Bei  der  Mobilisierung  und  Entfernur 
der  betreffenden  sensiblen  Bahn  müssen  die  motorischen  sorgfältig: 
geschützt  werden.  Einem  sehr  hartnäckigen,  4  Jahre  lang  bestehet 


1.  April  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  733 


den  Fall  von  Ischias  exstirpierte  er  2  Nervenbahnen.  Seitdem 
schmerzfrei.  Auch  die  Skoliose  bildete  sich  danach  spontan  zurück, 
ein  Beweis  dafür,  dass  sie  durch  Erkrankung  einer  sensiblen  Bahn 

entsteht. 

Stoffel  trägt  sodann  über  neue  Gesichtspunkte 
auf  dem  Gebiete  der  Sehnenüberpflanzung  vor,  die 
sich  ihm  beim  Studium  der  Misserfolge  der  Sehnenüberpflanzung 
ergaben.  Sie  betreffen  1.  die  Auswahl  des  Kraftspenders,  die  auf 
Grund  seines  anatomischen  Baues  und  seiner  Funktion,  seines  indi¬ 
viduellen  Wertes  geschehen  muss,  z.  B.  kann  Flexor  hallucis  niemals 
den  Tib.  anticus  ersetzen,  nirgends  in  der  Tierreihe  verläuft  ein  Mus¬ 
kel  durch  Spatium  interosseum,  2.  die  Spannung  der  zu  verpflanzen¬ 
den  Muskeln.  Die  natürlichen  Muskeln  weisen  minimale  Spannung 
auf.  Stärkere  Spannung  überdehnt  die  kontraktilen  Elemente  und 
schädigt  sie.  St.  verpflanzt  periostal  nach  C  o  d  i  v  i  1 1  a  und  B  i  e  - 
salski.  Er  redressiert  zuerst,  verwendet  den  gelähmten  Muskel, 
z.  B.  Tib.  ant.  durch  Verkürzung  in  ein  Ligament  zur  Fixierung  der 
Korrekturstellung  und  verpflanzt  erst  dann.  Aus  obigen  Gründen 
ist  eine  Verkürzung  der  Sehnen  der  nicht  gelähmten  Muskeln  falsch, 
da  die  Muskeln  nur  überdehnt  werden.  3.  Die  Qualität  der  Muskeln 
erkennt  man  nur  ungenügend  am  Kolorit,  sicherer  mit  Elektrode 
während  der  Operation. 

Gocht- Halle  tritt  für  die  bisherigen  Methoden  ein,  die  gutes 
geleistet  hätten,  wie  z.  B.  bei  der  Quadrizepsplastik. 

ln  der  Mittagpause  folgen  Demonstrationen  von  Caro-  Han¬ 
nover,  der  seinen  Universalpendelapparat  für  passive 
Gelenkbewegungen  vorführt.  L  e  g  a  1  -  Breslau  zeigt  einen 
einfachen  Uebungsstuhl  zur  Skoliosenbehandlung,  der  die  Aus¬ 
führung  verschiedener  aktiver  Uebungen  erlaubt,  ferner  einen  Schreib¬ 
sitz  für  Schulkinder,  der  auf  einen  gewöhnlichen  Stuhl  aufgesetzt 
wird.  Die  Apparate  sind  für  wenig  Geld  herzustellen  und  eignen 
sich  besonders  für  ambulante  Behandlung.  Weber-  München  führt 
seinen  Extensionstisch  zur  Einrenkung  angebore¬ 
ner  Hüftluxationen  vor.  Er  beruht  auf  dem  Prinzip  der  Ex¬ 
tension  und  des  direkten  Druckes  auf  den  Trochanter  major,  lehnt 
sich  an  den  Bradford  sehen  Apparat  an.  Bei  der  Extension  ist 
die  Beweglichkeit  der  Beine  nach  allen  Richtungen  hin  frei.  Der 
Apparat  ist  vor  allem  für  die  schwierigen  Luxationen  zweckmässig. 
Der  Ileopsoas  und  Kapselisthmus,  zwei  wichtige  Repositionshinder¬ 
nisse,  werden  gründlich  gedehnt.  Der  Apparat  wird  an  der  Lange- 
schen  Klinik  zur  Einrenkung  aller  Luxationen  benutzt  (Fabrikation 
durch  Storz  &  Raisig  in  München). 

ln  der  Nachmittagssitzung  folgt  die  Aussprache  über  das 
Abbott  sehe  Verfahren : 

R  i  e  d  i  n  g  e  r  -  Würzburg  führt  aus,  dass  aus  mechanischen 
Gründen  eine  Skoliose  weder  in  Kyphose,  noch  in  Lordose  seitlich 
umgekrümmt,  sondern  nur  gedreht  werden  kann  (L  o  v  e  1 1  s  Unter¬ 
suchungen).  Bei  der  K 1  a  p  pschen  ebenso  wie  bei  der  Abbott  sehen 
Stellung  flacht  sich  die  Rotation  des  Rippenbuckels  ab.  R.  hat  schon 
früher  zur  Fixierung  der  Wirbelsäule  in  Klappscher  Stellung  geraten, 
ein  eigener  Versuch  war  erfolglos.  Er  ist  gegen  die  Beseitigung  der 
Extension.  Zur  Technik  der  Methode  schlägt  er  als  Modifikation 
eine  Rotation  am  oberen  Ende  vor. 

L  a  n  g  e  -  München  fragt  Herrn  Abbott,  ob  er  genaue  Unter¬ 
suchungen  darüber  gemacht  hat,  bei  welcher  Stellung  die  beste  Kor¬ 
rekturmöglichkeit  vorhanden  ist,  ob  vielleicht  durch  seine  Stellung 
künstlich  dauernde  Kyphosen  erzeugt  werden  können,  ob  er  solche 
schädliche  Folgen  gesehen  habe,  ob  wirklich  ein  total  versteifter 
skoliotischer  Wirbelsäulenabschnitt  beweglich  wird,  ob  und  mit  wel¬ 
chen  Resultaten  er  rachitische  Skoliosen  oder  nur  Totalskoliosen, 
ob  er  doppelte  Biegungen  behandelt  hat.  warum  er  auf  den  Gegenhalt 
am  Hals  verzichtet,  ob  er  eine  exakte  Nachbehandlung  durchführe? 

B  i  e  s  a  1  s  k  i  -  Berlin  hat  30  Fälle  nach  Abbott  behandelt. 
Er  hält  die  Atemübungen  für  sehr  wichtig.  Er  sah  einzelne  Besse¬ 
rungen.  Bei  6  Fällen  sah  er  Trichterbrust  entstehen,  indem  der  Re¬ 
dressionsmechanismus  das  Brustbein  eindrücken  kann.  Wie  steht  es 
mit  den  Rezidiven?  Man  rechnet  damit,  dass  die  erzielte  Ueber- 
korrektur  bis  zur  Mittellinie  wieder  zurückgeht;  hat  man  aber  in  der 
Hand,  dass  sie  nicht  weiter  zurückgeht? 

S  c  h  a  n  z  -  Dresden  rät  eindringlich  zu  einer  sehr  kritischen 
Prüfung  des  Verfahrens  im  Hinblick  auf  den  einst  gleichen  Optimis¬ 
mus  bei  der  Say  re  sehen  Gipsbehandlung.  Zur  Kritik  fordern  auch 
Abbotts  bildliche  Demonstrationen  heraus.  Der  Student,  dem 
Abbott  durch  seinen  Verband  eine  hochgradige  Skoliose  bei¬ 
brachte  und  diese  dann  durch  einen  zweiten  Verband  in  die  entgegen¬ 
gesetzte  Krümmung  verwandelte,  hat  nach  Schanz  keine  wirkliche 
Skoliose,  sondern  nur  eine  Deformität  der  Wirbelsäule  gezeigt,  denn 
in  so  kurzer  Zeit  können  die  bei  einer  Skoliose  stets  vorhandenen, 
sie  geradezu  bedingenden  anatomischen  Veränderungen  der  Wirbel¬ 
körper  nicht  entstehen  oder  sich  umwandeln. 

Lorenz- Wien:  Viele  Einzelheiten  des  A  b  b  o  1 1  sehen  Ver¬ 
bandes  sind  alte  Bekannte  der  orthopädischen  Technik.  Nur  die 
Kyphosenstellung  ist  neu.  L.  hat  in  der  Skoliosenbehandlung  stets 
das  lordosierende  Prinzip  betont,  er  sieht  in  der  Kyphose  ein  gesund¬ 
heitsschädigendes  Moment. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg  betont  die  technischen  Schwierigkeiten 
der  Behandlung.  Wichtig  ist  die  richtige  Lokalisierung  des  etappen- 
mässigen  Druckes  durch  Filzstücke.  Fraglich  bleibt,  ob  die  Gegen¬ 
krümmungen  so  leicht,  wie  Abbott  glaubt,  zu  korrigieren  sind. 


S  p  i  t  z-y  -  Graz;  Aus  Kyphosenstellung  heraus  entsteht  am 
leichtesten  eine  Skoliose  und  zwar  aus  einer  schlaffen  Kyphose.  Das 
A  b  b  o  1 1  sehe  Verfahren  ist  besonders  für  fixierte  Skoliosen  zu  emp¬ 
fehlen.  Bei  einer  linkskonvexen  Skoliose  sah  er,  dass  Patient  sich 
schlecht  fühlte  (Verschiebung  des  Herzens?).  Wichtig  ist  lange  Nach¬ 
behandlung  und  Atemübungen. 

Calve-Berck  ist  der  Meinung,  dass  das  A  b  b  o  1 1  sehe  Ver¬ 
fahren  sich  nur  für  nicht  fixierte  Skoliosen  eignet,  bei  den  fixierten 
sind  die  Resultate  nicht  entsprechend.  Er  fürchtet  Schädigungen  für 
das  Herz,  ebenso  hat  er  Bedenken  gegen  die  Einengung  der  Bauch¬ 
atmung.  Die  Resultate  muss  man  durch  Röntgenbilder  kontrollieren, 
ebenso  muss  man  die  Atemweite  der  beiden  Thoraxhälften  vor  und 
nach  der  Behandlung  messen. 

W  u  1 1  s  t  e  i  n  -  Bochum  glaubt,  dass  die  Korrektur  bei  fixierten 
Skoliosen  ohne  Extension  nur  eine  Scheinkorrektur  ist.  Bei  Total¬ 
skoliosen  und  überhaupt  bei  leichten  Skoliosen  braucht  man  das  Re¬ 
dressement  nicht. 

F  r  a  e  n  k  e  1  -  Berlin  demonstriert  den  „Kniegang“  Klapps,  bei 
dem  die  Wirbelsäule  ebenfalls  detorquiert  wird.  Bezüglich  der  Frage 
Lordose  oder  Kyphose  hält  er  die  erstere  für  richtiger.  Dabei  seien 
die  Wirbelkörper  beweglicher,  am  freiesten  an  der  lordosierten  Hais¬ 
und  Lendenwirbelsäule. 

Spitzy-Graz:  Letztere  sind  deshalb  beweglicher,  weil  sie 
keine  Rippen  tragen. 

H  o  f  b  a  u  e  r  -  Wien  äussert  sich  als  Physiologe.  Die  Bauch¬ 
atmung  ist  die  wichtigste  Kraft,  die  die  Blutwelle  zum  Herzen  zurück¬ 
treibt  aus  den  Baucheingeweiden.  Sphygmographische  Demon¬ 
stration. 

W  i  e  r  z  e  j  e  w  s  k  i  -  Posen :  Nur  Totalskoliosen  eigen  sich  für 
Abbott.  Hat  asphyktische  Erscheinungen  im  Verbände  beobachtet. 

Abbott  antwortet  auf  die  an  ihn  gerichteten  Fragen:  In 
Kyphose  sei  die  Wirbelsäule  am  lockersten, _wie  ihm  Untersuchungen 
ergeben  hätten.  In  einzelnen  Fällen  sei  die  erzielte  Ueberkorrektur 
stehen  geblieben  und  musste  durch  Korsetts  wieder  zur  Norm  zurück¬ 
gebracht  werden.  Durch  Röntgenbild  könne  er  nachweisen,  dass  das 
fixierte  Wirbelsäulenstück  beweglich  geworden  sei.  Er  habe  viele 
rachitische  Fälle  behandelt;  dieselben  erfordern  intensive  und  längere 
Behandlung,  die  Resultate  seien  gute.  Bei  S-förmigen  Krümmungen 
werden  bestimmte  Gegenzüge  angewandt.  (Schluss  folgt.) 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Vollversammlung  vom  13.  III.  1913. 

Der  Vorsitzende,  Prof.  Kerscheinsteiner,  widmet  dem 
verstorbenen  Kollegen  Däschler  warme  Worte  des  Nachrufs  und 
begrüsst  die  neu  aufgenommenen  Mitglieder:  Prof.  v.  R  o  m  b  e  r  g, 
Prof.  v.  Hess,  Dr.  B  i  c  h  1  e  r.  Ausserdem  sind  zum  Schlüsse  der 
Sitzung  5  weitere  Mitglieder  aufgenommen. 

Er  teilt  mit,  dass  das  von  einem  Kollegen  seinerzeit  in  den 
Trambahnwagen  angebrachte  Plakat  von  diesem  zurückgezogen  wor¬ 
den  ist. 

Das  Ministerium  hat  die  neuen  Satzungen  des  B.-V.  genehmigt. 

Die  Vorstandschaft  des  B.-V.  hat  den  Antrag  des  B.-V.  Kissingen 
an  den  D.  Ae.-V.-B.  betr.  Praxisverbot  an  Ausländer  unterstützt. 

Eine  Rundfrage  der  Vorstandschaft  an  die  verschiedenen  ärzt¬ 
lichen  Standes-  und  Fachvereine  Münchens  betr.  der  Honorarteilung 
zwischen  Aerzten  und  Konsiliarien  hat  einige  Beantwortung  erfahren. 
Der  Vorsitzende  will  diese  Frage  demnächst  vors  Plenum  bringen. 
Nassauer  schlägt  vor,  diese  eingreifende,  durchaus  nicht  einfache 
Angelegenheit  durch  zwei  Referenten  (einen  praktischen  Arzt  und 
einen  Spezialarzt)  studieren  und  referieren  zu  lassen. 

Hofrat  Rommel  hält  einen  knappen  und  doch  einheitlichen, 
übersichtlichen  Vortrag  über:  Vorschläge  zur  Gründung  eines 
Krankenhauses  mit  freier  Arztwahl  in  München. 

Der  Vortragende  schildert  zunächst  die  steigende  Inanspruch¬ 
nahme  der  Krankenhäuser,  die  sich  im  Gegensatz  zu  früheren  Zeiten 
nicht  nur  auf  die  ärmeren  Schichten  der  Bevölkerung  beschränkt, 
sondern  sich  auch  bei  den  Bemittelten  mehr  und  mehr  einbürgert. 
Ref.  betont  die  vielen  Vorzüge  der  Krankenhausbehandlung  auf  fasi 
allen  medizinischen  Sondergebieten  und  wünscht  die  Anstaltsbehand¬ 
lung  besonders  noch  mehr  als  bisher  auf  die  Infektionskrankheiten 
ausgedehnt  zu  sehen.  Als  Nachteile  der  Krankenhausbehandlung  ist 
der  Massenbetrieb  mit  mangelnder  Individualisierung  anzusehen  und 
die  Monopolisierung  der  Krankenbehandlung  in  den  Händen  weniger 
Krankenhausärzte,  was  bei  dem  vermehrten  Zuzug  zum  Krankenhaus 
naturgemäss  zur  Beeinträchtigung  der  freien  Praxis  führen  muss. 
Es  seien  daher  je  nach  dem  vorhandenen  Bedürfnis  zweckmässiger 
kleinere  neue  Krankenanstalten  zu  gründen,  die  einfacher  im  Bau 
bei  einer  geringeren  Bettenzahl  —  nicht  über  250  —  den  Patienten 
die  Wahl  des  behandelnden  Arztes  gewährten.  In  diesen  Kranken¬ 
häusern,  welche  als  „Leichtkrankenhäuser“  im  Sinne  G  r  o  b  e  r  s 
gedacht  sind,  dürfe  das  Bett  nicht  mehr  als  5000  Mark  kosten. 
Die  Kommune  solle  der  Anstalt,  die  mit  gemeinnützigem  Charakter 
gedacht  ist,  einen  Platz  zur  Verfügung  stellen.  Die  Baukosten  wären 
durch  die  Genossenschaften,  Versicherungsanstalten,  Kreismittel,  '.n- 
teilscheine  der  Aerzte  und  Stiftungen  zu  decken;  Stadt,  Kassen, 


734  MUENCHENEfc  MEDIZINISCHE  WÖCHENSCttRlEt.  No.  13. 


Separatkranke  hätten  die  Betriebsmittel  aufzubringen.  Als  Unter¬ 
nehmer  ist  ein  Krankenhausverein  für  freie  Arztwahl  gedacht;  ver¬ 
antwortlicher  Leiter  für  den  ganzen  Betrieb  ein  leitender  Arzt,  dem 
eine  Anzahl  Betten  zur  Verfügung  stehen.  Mit  der  Anstalt  sei  eine 
Pflegerinnenschule  zu  verbinden  für  die  staatliche  Krankenpflege¬ 
prüfung.  Das  Krankenhaus  mit  freier  Arztwahl  sei  vorerst  als  all¬ 
gemeines  Krankenhaus  gedacht,  einschliesslich  Infektionskranker,  die 
in  zwei  Pavillons  untergebracht  werden  sollten.  Vortragender  gibt 
zum  Schlüsse  eine  Schilderung  des  Baues  und  Betriebes  derartiger 
Anstalten. 

Diskussion:  Hofrat  Schwertfeiner  teilt  mit,  dass  An¬ 
lass  zu  der  aufgeworfenen  Frage  der  Umstand  gegeben  habe,  dass  im 
Krankenhaus  1.  d.  I.  eine  bedeutende  Vergrösserung  und  auch  eine  Ver¬ 
mehrung  der  Separatzimmer  geplant  sei.  Davon  befürchtet  eine  An¬ 
zahl  von  Kollegen  eine  Beeinträchtigung  der  freien  ärztlichen  Tätig¬ 
keit. 

Rommel  erwidert,  dass  diese  Bedenken  unbegründet  seien. 

Scholl  gibt  an,  dass  Aussicht  bestehe,  die  Berufsgenossen¬ 
schaften,  die  Landesversicherungsanstalten,  auch  den  Kreis  Ober¬ 
bayern  für  eine  solche  Anstalt  zu  interessieren  und  dass  eine  finan¬ 
zielle  Beteiligung  dieser  Faktoren  ev.  in  Betracht  gezogen  werden 
könne.  Auch  die  Krankenkassen  würden  wohl  einen  Vertrag  mit  dem 
Krankenhaus  abschliessen,  analog  dem  roten  Kreuz.  Der  Aerzte- 
verein  für  freie  Arztwahl  kann  sich  mit  Kapital  nicht  beteiligen,  da 
dies  stets  für  dringende  Fälle  flüssig  bleiben  muss.  Es  solle  eine 
O.  rn.  b.  H.  gegründet  werden,  an  der  die  Aerzteschaft  sich  durch 
Anteilscheine  beteiligen  solle. 

Schindler  glaubt  auf  Grund  seiner  Erfahrungen  im  neuen 
Nymphenburger  Krankenhaus,  dass  die  angenommenen  Kosten  zu  ge¬ 
ring  angesetzt  seien. 

Arthur  M  u  e  1 1  e  r  begriisst  das  Projekt,  das  einer  Vorjahren  von 
ihm  gegebenen,  aber  nicht  durchgeführten,  Anregung  entspricht.  Er 
meint,  dass  Staat  und  Stadt  die  Pflicht  haben,  das  Unternehmen 
zu  fördern.  Durch  Zuzahlung  zu  den  Betten  in  ihren  Kranken¬ 
häusern  treibe  die  Stadt  unlauteren  Wettbewerb  gegenüber  anderen 
Anstalten. 

Hecht  will  auch  private  Kapitalisten  interessiert  haben.  Die 
Stadt  zahle  schon  in  den  städtischen  Krankenhäusern  auf  jedes  Bett 
eine  Summe  zu.  Das  muss  sie  auch  dem  geplanten  Krankenhaus 
gegenüber  tun.  Das  neue  Haus  hätte  den  Vorteil,  dass  niemand  zu 
lange,  auf  Kosten  der  wirklich  Kranken,  dort  bleiben  könne,  da  jeder 
behandelnde  Arzt  seinen  Kranken  überwacht. 

Kastl,  der  sich  früher  als  Vorsitzender  des  B.-V.  mit  dieser 
Frage  besonders  beschäftigt  hatte,  gibt  wertvolle  Winke. 

Hengge  befürwortet  das  Projekt. 

Prof.  v.  Romberg  gibt  auf  Grund  langjähriger  Erfahrungen  an 
grossen  wie  auch  an  kleinen  Anstalten,  interessante  finanzielle  Auf¬ 
schlüsse,  die  die  enormen  Kosten  einer  Infektionsabteilung  etc.  dar¬ 
legen.  Er  hält  die  wirklichen  Kosten  des  Planes  für  grösser  als 
der  Vortragende. 

Hofrat  Dornberger  hält,  als  Kinderarzt,  gerade  eine  Infek¬ 
tionsabteilung  für  die  Kinder  für  am  vordringlichsten,  worauf 

Prof.  Ke  r  sch  ensteine  r  mitteilt,  dass  im  Schwabinger 
Krankenhaus  von  den  70  Betten  der  Infektionsabteilung  (von  insge¬ 
samt  700  Betten)  ein  Höchststand  der  im  Infektionshaus  belegten 
Betten  von  12  stattfand!  Meistens  sind  3 — 4  belegt.  Daraus  könne 
man  die  enormen  Kosten  berechnen. 

Es  wird  nach  einem  Schlusswort  Rommels  die  Angelegenheit 
einer  Kommission  von  6  Mitgliedern  überwiesen. 

In  der  damit  im  Zusammenhang  stehenden  Frage  der  Ver¬ 
mehrung  der  Separatzimmer  in  den  Krankenhäusern  und  daran  an¬ 
schliessend  des  Schmerzenskindes  der  „Polikliniken“  erfolgt  eine  leb¬ 
hafte  Diskussion. 

Scholl  führt  an,  dass  eine  Freibehandlung  aller  Studenten 
durch  die  Polikliniken  projektiert  sei  (10  000  ca.!).  Diese  sind  zum 
grossen  Teile  nicht  bedürftig.  Man  müsse  zum  mindesten  da  auch 
freie  Arztwahl  einführen. 

v.  Romberg  gibt  an:  es  sollen 'jedem  Kliniker  etwa  20  bis 
30  Separatzimmer  zugebilligt  werden, 

Hecht:  Die  Behandlung  von  Zahlungsfähigen  hat  in  den  Poli¬ 
kliniken  grosse  Ausdehnung  erfahren,  er  rät  zu  energischem  Vor¬ 
gehen.  Es  ist  berichtet  worden  (und  man  solle  diesen  Bericht  nach- 
priifen),  dass  ein  begüterter  Patient  in  der  Poliklinik  abgewiesen 
worden  sei.  Auf  seine  Beschwerde  hin  habe  das  Ministerium  ver¬ 
fügt,  dass  Leute  bis  zu  4000  M.  Einkommen  in  der  Poliklinik  (also  un¬ 
entgeltlich)  zu  behandeln  seien!  Falls  dies  richtig  sei,  müsse  Protest 
dagegen  erhoben  werden.  Leute  mit  solchem  Einkommen  sind  nicht 
unbemittelt.  Dies  Vorgehen  würde  eine  immense  Schädigung  der 
Aerzte  bedeuten. 

Scholl:  Das  Material  der  Polikliniken  ist  5 — 10  mal  so  gross, 
als  es  zum  Unterricht  notwendig  ist.  Die  Leiter  der  Polikliniken  soll¬ 
ten  gehalten  sein,  einen  Schein  von  den  Patienten  zu  verlangen,  der 
ihre  Bedürftigkeit  aufweist  (Steuerzettel  etc.) 

Schwertfeiner  erinnert  an  das  Versprechen  bei  Eröffnung 
der  neuen  Poliklinik,  das  die  Vorstandschaft  der  Poliklinik  der  des 
B.-V.  gegeben  hatte,  dass  durch  Behandlung  der  nur  Dürftigen  den 
Aerzten  keine  Einbusse  geschehen  solle. 

Sacki  weist  auf  den  Zulauf  der  zahlungsfähigen  Bauern  zu  dpn 
Polikliniken  hin.  Das  Verlangen  eines  schriftlichen  Ausweises  für  die 


Bedürftigkeit  ist  schwierig  und  scheitert  oft  an  den  Assistenten  und 
Praktikanten. 

Auch  Menacher  weist  aui  diese  Schwierigkeiten  hm. 

Es  wird  ein  Antrag  Hecht  angenommen,  dass  mit  den  Vor¬ 
stehern  der  Polikliniken  vorläufige  unverbindliche  Verhandlungen 
durch  eine  Kommission  angeknüpft  werden  sollen,  die  mit  dem  Recht 
der  Kooption  sofort  in  5  Mitgliedern  aufgestellt  wird. 

Nassauer. 


Verschiedenes. 

Czerny  über  Entstehung  und  Behandlung  des  Krebses. 

Professor  Czerny  hielt  am  5.  März  im  wissenschaftlichen 
Verein  Urania  in  Berlin  einen  Vortrag  über  die  neuen  Bestrebungen, 
das  Los  der  Krebskranken  zu  verbessern.  Obwohl  ein  Vortrag  für 
Laien,  bietet  er  auch  für  Aerzte  hohes  Interesse,  weil  er  die  Ansichten 
des  hervorragenden  Forschers  auf  Grund  40  jähriger  Beobachtungen 
über  Entstehung  und  Behandlung  des  Krebses  in  knapper,  gehalt¬ 
reicher  Sprache  zusammenfasst  und  dieses  Interesse  wird  nicht  ver¬ 
mindert,  vielmehr  eher  erhöht  durch  das  Bekenntnis,  dass  er  aui 
Grundlage  subjektiver  Ueberzeugung  manche  Behauptung  aufstellt, 
die  für  die  streng  wissenschaftliche  Kritik  noch  nicht  ganz  reif  ist. 

Die  Chirurgie  hat  allmählich  in  allen  Organen  des  menschlichen 
Körpers  bis  zum  Gehirn  und  Rückenmark  die  Geschwülste  aufgesucht 
und  entfernt.  Während  bei  dem  Sitz  in  den  letztgenannten  Organen 
Heilerfolge  noch  zu  den  selteneren  Ausnahmen  gehören,  kann  inan 
bei  Hautkrebsen  auf  80 — 90  Proz.  Heilungen  rechnen.  Bei  den  Brust- 
driisenkrebsen  erzielen  wir  etwa  40  Proz.  Radikalheilungen,  d.  h. 
Heilungen,  die  5  Jahre  kontrolliert  sind.  Bei  Magen-  und  Darm¬ 
krebsen  kann  man  auf  20 — 30  Proz.  Heilungen  rechnen.  Im  grossen 
und  ganzen  mögen  von  sämtlichen  operierten  Krebskranken  etwa 
40  Proz.  dauernd  geheilt  bleiben. 

Czerny  verbreitet  sich  dann  über  die  Untersuchungen  an 
hunderttausenden  von  Tieren,  welche  die  Entstehung  des  Krebses 
aufklären  sollen,  auf  die  Pfropfungen,  bei  denen  die  Uebertragungen 
auf  Tiere  der  eigenen  Spezies,  viel  seltener  auf  fremde  Tierarten 
gelang,  wie  die  Uebertragung  von  Hundesarkom  auf  Füchse 
(Sticker),  von  Hasensarkom  auf  Kaninchen  (v.  Düngern),  von 
Ratlensarkom  auf  die  Maus  (L  e  w  i  n),  ja  selbst  von  Mäusesarkom 
auf  Kaninchen  (Strauch). 

Merkwürdig  ist,  dass  der  Erste,  der  sich  experimentell  mit 
Krebsrnäusen  beschäftigte  —  Morau  —  zu  der  Ueberzeugung  kam. 
dass  Wanzen  die  Zwischenwirte  sind,  welche  den  Krebserreger 
übei  tragen.  Er  benützte  seine  infizierten  Wanzen.  um  künstliche 
Kiebse  bei  Mäusen  zu  erzeugen  und  konnte  seine  Mäuse  gegen  Krebs 
schützen,  wenn  er  die  gesäuberten  Käfige  so  isolierte,  dass  Wanzen 
nicht  beikommen  konnten.  Leider  ist  dieses  experimentum  crucis 
nicht  wiederholt  worden  oder  doch  nicht  wieder  gelungen. 

Nachdem  Czerny  u.  a.  darauf  hingewiesen  hat,  dass  es  Peytou 
R  o  u  s  gelungen  ist,  aus  zertrümmerten  Hühnersarkomen  durch  ein  für 
Bakterien  undurchlässiges  Filter  eine  Flüssigkeit  zu  gewinnen,  mit 
welcher  er  durch  Einspritzung  bei  Hühnern  wieder  Sarkome  erzeugen 
konnte,  die  auch  weiter  übertragbar  waren  und  dass  Jensen 
Rattensarkome  durch  einer,  säurefesten  Bazillus  erzeugte,  folgert  er: 
es  ist  wiederholt  gelungen,  Krebse  und  Sarkome  neu  zu  erzeugen, 
ohne  dass  dabei  eine  Zelliibertragung  in  Frage  kommt. 

Nach  Anführen  der  Versuche  von  B.  Fischer  fährt  er  fort:! 
Wenn  wir  uns  vorstellen,  dass  es  Mikroorganismen  gibt,  welche 
chemische  Reizstoffe  stets  neu  produzieren,  wenn  diese  Mikro¬ 
organismen  an  die  erkrankten  Zellen  angepasst  sind  und  mit  den¬ 
selben  auf  dem  Blut-  und  Lymphwege  verschleppt  werden,  so  dürfte 
das  eine  ausreichende  Erklärung  für  die  Erscheinungen  der  Krebs¬ 
krankheit  auch  beim  Menschen  geben. 

Es  wäre  denkbar,  dass  es  verschiedene  Organismen  gibt,  welche 
diese  Reizstoffe  produzieren,  dass  also  die  Ursache  des  Krebses  keine 
einheitliche  wäre,  wofür  verschiedene  Gründe  sprechen. 

Wie  sollen  wir  uns  dann  die  Entstehung  der  sogen.  Röntgen¬ 
krebse  erklären,  denen  schon  etwa  65  Menschen  zum  Opfer  ge-j 
fallen  sind?  Manche  Menschen  sind  gegen  Röntgenstrahlen  über¬ 
empfindlich  und  bekommen  nach  längerer  Beschäftigung  mit  den 
Apparaten,  namentlich  wenn  sie  die  Schutzvorrichtungen  nicht  be¬ 
nützen,  eine  Hautentzündung,  dann  nässende  Ekzeme,  Geschwürs¬ 
bildungen,  welche  schliesslich  krebsig  entarten.  Ich  glaube,  dass  die 
Hautentzündung  die  Eingangspforte  schafft,  durch  welche  die  ubi¬ 
quitären  Krebserreger  eindringen  können. 

Die  präkanzerösen  Erkrankungen  sind  wichtig,  weil  man  geger 
diese  ankämpfen  und  dadurch  der  Entstehung  des  Krebses  vorbeuger 
kann.  Wir  wissen,  dass  syphilitische,  lupöse  Geschwüre  und  Narben 
dass  chronische  katarrhalische  Entzündungen,  Epithelverdickunger 
der  Schleimhäute,  Magengeschwüre,  Gallensteinreizungen,  entzünd¬ 
liche  Schwellungen  der  Brustdrüse  manchmal  den  Boden  vorbereiten 
auf  dem  sich  später  Krebse  entwickeln.  Ebenso  können  Warzen  unc 
Muttermäler,  sowie  manche  angeborenen  Bildungsanomalien  ir 
späterem  Alter  degenerieren. 

Kurz  zusammengefasst  gehört  zur  Entstehung  dei 
Krebse  1.  eine  gewisse  individuelle  Disposition,  die 
angeboren  oder  erworben  sein  kann.  Worin  diese  Disposition  be- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Vpril  19U 


1 1,  wissen  wir  noch  nicht.  Cs  können  Schutz-  und  Abwehrstoffe 
,  »n;  es  könnte  aber  auch  ein  günstiger  Nährboden  sein,  wie  er  z.  B. 
Th '  schwächende  Krankheiten,  wie  Influenza  zustande  kommt. 
;  ;r  manchmal  werden  auch  blühende,  scheinbar  ganz  gesunde 
i  sehen  lange  vor  der  Altersperiode  befallen). 

Ferner  gehört  2.  dazu  eine  lokale  Eingangspforte,  die 
:h  Verletzungen,  Entzündungen,  Narben,  Warzen  und  andere 
renitale  Missbildungen  vorbereitet  wird. 

Endlich  gehört  3.  der  eigentliche  Krebserreger  dazu, 
höchst  wahrscheinlich  aus  der  Gruppe  der  bisher  unbekannten, 
eicht  ultramikroskopischen  Organismen  stammt  und  der  durch 
nd  einen  Zwischenträger  in  den  Menschen  gelangt.  Ob  das  blut¬ 
ende  Schmarotzer,  ob  es  kleine  Rundwürmer  sind,  die  vielleicht 
h  Küchenschaben  übertragen  werden,  ist  für  den  Menschen  noch 
t  sichergestellt. 

Die  Statistik  und  das  Tierexperiment  haben  keine  klare  Antwort 
die  Frage  der  Erblichkeit  gegeben.  Bezüglich  der  A  n  - 
ckungsfähigkeit  drängen  die  Erscheinungen  immer  mehr 
i ier  Annahme,  dass  der  Krebs  eine  Infektionskran k- 
t  ist,  die  aber  nicht  direkt,  sondern  bloss  durch  Zwischenwirte 
tragbar  ist. 

Wie  bei  allen  Infektionskrankheiten  spielt  sicher  auch  beim 
;  iserreger  die  Virulenz  desselben  und  andererseits  die  Menge,  mit 
i  :her  er  eindringt,  eine  grosse  Rolle.  Kleine  Mengen  werden 
wunden,  um  so  besser,  je  gesunder  und  widerstandsfähiger  das 
i  llene  Individuum  ist. 

Die  operative  Behandlung  des  Krebses  hat  entschieden 
schritte  gemacht  durch  die  Einführung  der  hochgespannten  und 
dfrequenten  Elektrizität.  Man  kann  mit  dem  elektrischen  Licht¬ 
en  so  rasch  wie  mit  dem  schärfsten  Messer  Geschwülste  irn 
i  unden  abtragen.  Dabei  bluten  bloss  grössere  Gefässe  und  die 
'nde  wird  unter  der  Hitze  sterilisiert,  die  Gefahr  der  Rezidive 
i  Hindert.  Diese  suchen  wir  nach  der  Operation  durch  Anwendung 
i  trischer  Blitzfunken  oder  durch  Bestrahlung  der  Wunde  und  ihrer 
rebung  mit  Röntgenlicht,  mit  Radium  und  Mesothorium  zu  ver- 
i  dern. 

Ueber  die  nichtoperative  Behandlung  rezidivierter 
i  inoperabler  Fälle  sagt  Czerny:  So  behutsam  die  Prognose  ge- 
i  t  werden  muss,  so  zeitigt  eine  systematische  zielbewusste  Be- 
Ulung  nach  unseren  Beobachtungen  in  27  Proz.  verzweifelter  Fälle 
i  auch  dem  Kranken  sicht-  und  fühlbare  Besserung  und  in  einem 
i:h  Verbesserung  der  Behandlungsmethoden  allmählich  steigenden 
’zentsatz  (bisher  etwa  13  Proz.)  Beseitigung  des  Leidens,  die  man 
1  ung  nennen  dürfte,  wenn  nicht  die  Beobachtungszeit  dazu  zu 
i  wäre. 

Diese  Behandlung  ist  heute  eine  komplizierte  und  schwierige 
^st  geworden,  welche  aber  auf  dem  betretenen  Wege  grosse  Er- 
:e  verspricht.  Ich  halte  die  Errichtung  von  eigenen 
iil-  und  Pflegestätten  für  Geschwülste  und  G  e  - 
lwiire  für  ein  notwendiges  Erfordernis,  wenn  die 
•  en  Keime  einer  nicht  operativen  Krebstherapie  sich  kräftig  ent- 
.  kein  sollen. 

In  vollendeter  Weise  durch  Stiftungen  gefördert,  konnte  ich  in 
Helberg:  1906  das  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung  er- 
en.  __  Bis  zum  1.  Januar  1913  sind  ihm  durch  Schenkungen,  Bei- 
'  e.  Zinsen  etwas  über  1  Million  Mark  zugegangen;  aber  noch  ist 
notwendig,  dass  durch  einen  grösseren  Reservefonds  ooer  durch 
(.‘lmässigen  jährlichen  Zuschuss  die  Zukunft  des  Instituts  sicher¬ 
eilt  wird.  Ich  habe  deshalb  den  Heidelberger  Sama- 
erverein  ins  Leben  gerufen,  dessen  Jahresbeiträge  (minde- 
bs  10  Mark  an  die  Rheinische  Kreditbank  Heidelberg,  Konto 
-bsinstitut  einzusenden)  zur  Unterhaltung  des  Instituts  beitragen. 
Dabei  ist  zu  hoffen,  dass  wie  bei  der  Lepra  in  Norwegen,  durch 
willige  Isolierung  der  Krebskranken  in  hygienisch  tadellosen 
’  gestatten  mit  der  Zeit  die  Zahl  der  Krebskranken  sich  ver- 
dern  wird. 

So  wünschenswert  es  ist,  dass  jede  grosse  Stadt  oder  Provinz 
Krebsinstitut  hat,  so  sehr  zu  empfehlen  ist  ein  langsames  schritt- 
ses  Vorgehen. 

Es  dürfte  sich  mehr  empfehlen,  ein  zu  errichtendes  Institut  an 
grösseres  städtisches  Krankenhaus  als  an  eine  medizinische 
idtät  anzugliedern,  weil  die  Stadtverwaltungen  mehr  für  die  prak- 
hen  Bedürfnisse  ihrer  Mitbürger  zu  sorgen  pflegen. 

Unter  den  friedfertigen  Kulturbestrebungen  des  deutschen  Volkes 
H  der  Sieg  über  die  schlimmste  Geissei  der  Menschheit  der 
sste  1  riumph  sein. 


Therapeutische  Notizen. 

Bei  der  Anionenbestrahlung  von  Typhusbakterien 
, Ilte  S  t  e  f  f  e  n  s  -  Freiburg  eine  zweifellose  bakterienfeindliche 
,/\ung  beobachten.  Der  beste  Erfolg  zeigte  sich  bei  Bestrahlung 
tlst  der  Kondensatorenelektrode.  St.  regt  an,  die  Anionen- 
1  tranlung  besonders  bei  Hautkrankheiten  zu  verwenden.  (Ther. 
’  oatshefte  13,  2.)  Kr. 


Jalerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher, 
heutigen  Nummer  liegt  das  319.  Blatt  der  Galerie  bei:  Otto 
neubner.  Zu  seinem  70.  Geburtstag.  (Vergl.  den  Artikel  auf 

7,)3  d.  No.) 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  31.  März  1913. 

—  Aehnlich  wie  in  Deutschland  die  Medizin  studierenden  kli¬ 
nischen  Semester  sich  in  den  Klinikerschaften  —  ein  irreführender 
Name,  der  besser  durch  Klinizisten-Vereinigung  oder  dergl.  ersetzt 
würde  —  zusammengeschlossen  haben,  ist  auch  in  Frankreich 
eine  Art  von  Organisation  der  Medizinstudierenden 
entstanden,  die  in  <)er  vergangenen  Woche  in  Paris  ihren  ersten  Kon¬ 
gress  abgehalten  hat.  Auch  hier  stand  die  Ausländerfrage  im 
Vordergrund.  Während  aber  die  deutschen  Künizisten  ohne  jeden 
Chauvinismus  sich  auf  Vorschläge  beschränkten,  die  geeignet  wären, 
die  jetzt  an  vielen  Orten  zum  Schaden  der  Einheimischen  bestehende 
Bevorzugung  der  Ausländer  zu  beseitigen,  hat  der  französische  Stu- 
dierenden-Kongress  sehr  radikale,  direkt  ausländerfeindliche  Be¬ 
schlüsse  gefasst.  So  drückte  er  den  Wunsch  aus,  dass  Ausländern 
unter  keinen  Umständen  die  Ausübung  der  ärztlichen  Praxis  in  Frank¬ 
reich,  auch  mit  einem  gültigen  französischen  Diplom,  gestattet  werden 
soll.  Da  man  einer  derartigen  Massregel  keine  rückwirkende  Kraft 
geben  kann,  soll  bestimmt  werden,  dass  solche  ausländische  Aerzte, 
die  das  32.  Lebensjahr  noch  nicht  überschritten  haben,  verhalten 
werden  sollen,  sich  als  Franzosen  naturalisieren  zu  lassen  und  ihre 
Dienstpflicht  nachträglich  im  aktiven  Heere  abzuleisten.  In  Zukunft 
soll  keinem  Ausländer  die  immatrikulierung  als  Hörer  der  Heilkunde 
gestattet  werden.  Gegen  die  russischen  Studierenden  in  Paris  wur¬ 
den  noch  besondere  Repressivmassregeln  vorgeschlagen.  Wir  wer¬ 
den  auf  den  Kongress  zurückkommen. 

—  Unter  den  §  184,  3  Str.-Ges.-B.,  der  die  Ankündigung  von  zu 
unzüchtigem  Gebrauch  bestimmten  Gegenständen  an  das  Publikum 
verbietet,  fallen,  nach  konstanter  Praxis  des  Reichsgerichtes,  z.  Z. 
auch  alle  Mittel  zur  Verhütung  von  Geschlechtskrankheiten.  Gegen 
diese  Auffassung  hat  die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 
Geschlechtskrankheiten  wiederholt  Stellung  genommen,  wie  es 
scheint  mit  Erfolg,  denn  die  Kommission  zur  Beratung  des  neuen 
Strafgesetzbuches  hat  Gegenstände,  die  zur  Verhütung  der  Ver¬ 
breitung  der  Geschlechtskrankheiten  dienen,  aus  der  bisherigen  Ziff.  3 
§  184  Str.-Ges.-B.  (§  257.  Ziff.  3  des  Entwurfs)  herausgehoben  und 
ihre  Ausstellung,  Ankündigung  etc.  nur  dann  als  strafbar  erklärt,  wenn 
sie  in  einer  Weise  erfolgt,  die  geeignet  ist,  Aergernis  zu  erregen, 
wobei  davon  ausgegangen  wurde,  dass  Mittel,  die  gleichzeitig  zur 
Verhütung  der  Empfängnis  und  zum  Schutz  gegen  Ansteckung  dienen, 
unter  die  Ausnahmevorschrift  fallen  sollen. 

—  Die  vor  kurzem  gegründete  Vereinigung  deutscher 
Kranken  haus  ärzte  hielt  Montag  in  Berlin  eine  Sitzung  ab, 
in  der  vor  allem  Prof.  Dr.  S  p  r  e  n  g  e  1  -  Braunschweig  die  Frage 
der  Medizinalpraktikanten  behandelte.  Während  die  Zahl  der  prak¬ 
tischen  Aerzte  überaus  gross  ist,  besteht  in  den  Krankenhäusern  ein 
Mangel  an  Assistenten,  dem  auch  durch  den  bedrohlich  zunehmenden 
Andrang  zum  Medizinstudium  nicht  abgeholfen  wird.  Die  Ursache 
liegt,  das  war  die  allgemeine  Ansicht  der  Versammlung,  in  der  Ver¬ 
längerung  des  Medizinstudiums  und  dem  auf  das  lange  Studium 
folgenden  praktischen  Jahre.  Die  dadurch  schon  ziemlich  alt  ge¬ 
wordenen  jungen  Aerzte  haben  hinterher  wenig  Neigung  mehr,  noch 
mehr  Jahre  einer  Uebergangstätigkeit  vor  ihrer  Selbständigmachung 
zu  widmen.  Die  Versammlung  war  daher  einmütig  der  Auffassung, 
dass  eine  Abhilfe  nur  auf  dem  Wege  möglich  sei,  dass  den  Medizinal¬ 
praktikanten  in  Zukunft  gestattet  werden  soll,  ihr  praktisches  Jahr 
entweder  in  der  jetzigen,  nicht  nach  den  neueren  Verfügungen  ein¬ 
geschränkten  Form,  oder  auch  in  der  Form  einer  Assistenzarztstelle 
an  einer  Krankenanstalt  abzuleisten.  Voss.  Ztg. 

—  Im  Kaiserin  Auguste-Viktoria-Haus  zur  Bekämpfung  der 
Säuglingssterblichkeit  treten  mit  Beginn  des  neuen  Etatsjahres  am 
1.  April  folgende  Stellenveränderungen  ein:  Die  bisherigen  Oberärzte 
Dr.  B  a  h  r  d  t  und  Dr.  R  o  1 1  sind  zu  stellvertretenden  Direktoren  bzw. 
zu  Dirigenten  des  Organisationsamtes  für  Säuglingsschutz  der  ge¬ 
nannten  Anstalt  ernannt  und  der  I.  Assistent  Dr.  Thomas  zum 
Oberarzt  bestellt  worden. 

—  Herr  Geheimrat  v.  Dapper-Saalfels  -  Bad  Kissingen  hat 
anlässlich  seiner  Versetzung  in  den  Adelstand  der  bayerischen 
ärztlichen  Witwenkasse  die  Summe  von  1000  M.  über¬ 
wiesen. 

—  Die  Firma  E.  L  e  i  t  z  in  Wetzlar  hat  vor  einiger  Zeit  ihr 
150  000stes  Mikroskop  fertiggestellt  und  dasselbe  Sr.  F.xz.  Geh. -Rat 
Prof.  Dr.  Ehrlich,  Frankfurt  a.  M.,  als  Dedikation  überreicht.  Das 
lOOOOOste  Leitz-Mikroskop  wurde  seinerzeit  dem  Begründer  der 
modernen  Bakteriologie,  Robert  Koch,  gewidmet. 

—  Der  internationale  Verein  für  medizinische 
Psychologie  und  Psychotherapie  wird  seine  Jahres¬ 
versammlung  heuer  in  Wien  und  zwar  am  18.  und  19.  September 
unmittelbar  vor  dem  Beginn  des  Aerzte-  und  Naturforschertages  ab¬ 
halten.  Das  Programm  wird  rechtzeitig  bekanntgegeben  werden. 
Aufschlüsse  jeder  Art  erteilen:  Dr.  F  r  a  n  k  -  Zürich,  Dr.  v.  Stauf- 
f  e  n  b  e  r  g  -  München,  Ziemssenstr.  1,  und  Dr.  v.  Hattingberg- 
Miinchen,  Rauchstr.  12. 

—  Das  Deutsche  Zentralkomitee  zur  Bekämp¬ 
fung  der  Tuberkulose  hält  seine  Generalversammlung  im 
Reichstagsgebäude  am  8.  Mai  ab.  Das  Vortragsthema  lautet: 
„Heilstätte  und  Krankenhaus  in  der  Versorgung  der  Tuberkulösen“. 
Eintrittskarten  stehen  in  der  Geschäftsstelle  des  Zentralkomitees. 
Linkstrasse  29,  soweit  der  Platz  reicht,  unentgeltlich  zur  Ver¬ 
fügung. 


736 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


—  Pest.  Aegypten.  Vom  1.  bis  7.  März  erkrankten  17  (und 
staiben  5)  Personen.  —  Britisch  Ostindien.  Vom  16.  bis  22.  Februar 
erkrankten  6002  und  starben  5136  Personen  an  der  Pest. 

—  ln  der  11.  Jahreswoche,  vom  9.  bis  15.  März  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Hof  mit  32,0,  die  geringste  Berlin-Steglitz  mit  4,0  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Hagen,  an  Diphtherie  und  Krupp  in 
Altenburg,  Bremen,  Koblenz,  Dortmund.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Otto  Küstner,  Direktor  der 
Universitäts-Frauenklinik,  feierte  am  25.  März  das  25  jährige  Jubiläum 
als  ordentlicher  Professor  der  Gynäkologie. 

Köln.  Als  Nachfolger  von  J  o  r  e  s  ist  Prof.  D  ii  r  c  k  -  München 
als  Direktor  des  pathologischen  Instituts  und  Mitglied  der  Akademie 
zu  Köln  berufen  worden. 

Königsberg.  An  Stelle  des  nach  Breslau  berufenen  Prot. 
Henke  waren  vorgeschlagen:  1.  S  c  h  w  a  1  b  e  -  Rostock,  He- 
d  i  n  g  e  r  -  Basel  und  R  ö  s  s  1  e  -  Jena,  2.  M  ö  n  c  k  e  b  e  r  g  -  Giessen, 

K  a  i  s  e  r  1  i  n  g-Berlin  und  Dietrich-Charlottenburg.  Hedinger 
hat  den  Ruf  erhalten. 

Marburg.  Die  Vorschlagsliste  für  den  Lehrstuhl  der  patho¬ 
logischen  Anatomie  lautete:  1.  .1  o  r  e  s  -  Köln  und  Schridde- 
Dortmund,  2.  M' ö  n  c  k  e  b  e  r  g  -  Giessen  und  R  i  s  e  1  -  Zwickau, 

3.  Schmincke  -  München.  J  o  r  e  s  ist  berufen  und  hat  an¬ 
genommen. 

Athen.  Der  Leiter  der  deutschen  Hilfsexpedition  nach  Griechen¬ 
land,  Prof.  Dr.  C  o  e  n  e  n  -  Breslau,  wurde  nach  einem  Vortrage  über 
die  Tätigkeit  des  deutschen  Roten  Kreuzes  von  der  medizinischen 
Gesellschaft  in  Athen  zum  Ehrenmitglied  ernannt. 

Graz.  Der  mit  dem  Titel  und  Charakter  eines  ordentlichen 
Universitätsprofessors  bekleidete  a.  o.  Professor  der  Ohrenheilkunde 
Dr.  Johann  Habermann  wurde  zum  ordentlichen  Professor  seines 
Faches  ernannt.  —  Der  a.  o.  Professor  für  gerichtliche  Medizin 
Dr.  Hermann  Pfeiffer  wurde  zum  a  o.  Professor  der  allgemeinen 
und  experimentellen  Pathologie  ernannt. 

Lemberg.  Der  mit  dem  Titel  und  Charakter  eines  ordent¬ 
lichen  Universitätsprofessors  bekleidete  a.  o.  Professor  der  Laryngo- 
logie  und  Ohrenheilkunde  Dr.  Anton  J  u  r  a  s  z  wurde  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  dieser  Fächer  ernannt. 

Wien.  Der  mit  dem  Titel  und  Charakter  eines  ordentlichen 
Universitätsprofessors  bekleidete  a.  o.  Professor  der  Laryngologie 
und  Rhinologie,  Hofrat  Dr.  Ottokar  C  h  i  a  r  i,  wurde  zum  ordentlichen 
Professor  dieses  Faches  ernannt. 

(Todesfälle.) 

ln  der  vergangenen  Woche  sind  zwei  der  ältesten,  in  ihrer 
Art  hervorragende  bayerische  Aerzte  gestorben:  der  frühere  Kreis¬ 
medizinalrat  in  Landshut,  Obermedizinalrat  Dr.  Josef  Georg  Egger, 
89  Jahre  alt,  und  der  Landgerichtsarzt  a.  D.  Medizinalrat  Dr.  Joh. 
Christof  Huber  in  Memmingen,  83  Jahre  alt.  Egger  war  ein 
ausgezeichneter  Medizinalbeamter;  seine  wissenschaftliche  Bedeutung 
liegt  aber  nicht  auf  dem  Gebiete  der  Medizin,  sondern  auf  dem  der 
Geologie  und  Paläontologie,  auf  dem  er  eine  Reihe  wichtiger,  auch 
von  der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  anerkannter 
Arbeiten  geleistet  hat.  —  Huber-  Memmingen  war  weithin  bekannt 
als  einer  der  besten  Kenner  der  Geschichte  der  Medizin,  ein  Mann 
von  umfassender  Gelehrsamkeit  und  ein  scharfer  kritischer  Kopf. 
In  den  letzten  25  Jahren,  und  noch  bis  in  die  allerjüngste  Zeit,  hat 
er  einen  grossen  Teil  der  historisch-medizinischen  Literatur  und  der 
Literatur  über  Helminthologie,  die  ebenfalls  ein  Spezialgebiet  von 
ihm  war,  in  dieser  Wochenschrift  besprochen;  seinen  Besprechungen 
merkte  man  stets  die  gründliche,  dem  besprochenen  Autor  oft  genug 
überlegene  Beherrschung  des  Stoffes  an.  Sein  Tod  ist  ein  schwerer 
Verlust  für  unser  Blatt.  Männer  wie  Egger  und  Huber,  die  neben 
praktischer  und  amtsärztlicher  Tätigkeit  es  in  einem  anderen  Wissen¬ 
schaftszweige  zur  Meisterschaft  bringen,  werden  unserem  Stande 
stets  zur  hohen  Zierde  gereichen. 

Privatdozent  Dr.  Max  Reiner,  ein  sehr  tüchtiger  Orthopäde 
Wiens,  erlitt  vor  einigen  Tagen  einen  leichten  Unfall,  der  nach  Tagen 
zu  einer  tödlichen  Embolie  führte.  Er  starb  in  Klobenstein  bei  Bozen, 
an  seinem  46.  Geburtstage.  Er  war  vorerst  Operationszögling  der 
Klinik  Albert,  sodann  viele  Jahre  lang  Assistent  der  orthopädischen 
Station  des  Prof.  Lorenz  und  förderte  sein  Spezialfach  durch 
mehrere  neuere  Operationsverfahren.  In  Klobenstein  wollte  er  eine 
Anstalt  zur  Sonnenlichtbehandlung  der  Gelenks-  und  Knochentuber¬ 
kulose  errichten.  Der  plötzliche  und  unerwartete  Hingang  des 
Dr.  Max  Reiner  wurde  hier  in  allen  ärztlichen  Kreisen  lebhaft 
bedauert. 

In  Freiburg  i.  B.  starb  am  4.  ds.  der  englische  Chirurg 
R.  W.  Parker.  Er  war  konsultierender  Chirurg  am  Deutschen 
Hospital  in  London,  wo  er  auch  viele  Jahre  hindurch  eine  chirurgische 
Abteilung  (als  Nachfolger  Burgers)  innehatte.  Für  seine  Dienste 
im  deutsch-französischen  Krieg  erhielt  er  den  bayerischen  Militär- 
verdienstorden. 

In  New  York  starb  John  Shaw  Billings,  der  Begründer  des 
Index  Catalogue,  74  Jahre  alt.  Ein  Lebensbild  des  ausgezeichneten 
Bibliographen  und  Organisators  erschien  in  dieser  Wochenschrift  im 
Jahre  1896,  No.  10,  aus  der  Feder  seines  Freundes  F.  v.  Winckel. 


Der  Nummer  lag  auch  das  Porträt  Billings  bei.  Wir  stellen  d 
Blatt  denen,  die  sich  dafür  interessieren,  gerne  zur  Verfügung. 

In  Santa  Cruz  auf  Teneriffa  verstarb  Ende  Januar  der  dur 
seine  Malaria-  und  Gelbfieberforschungen  bekannte  Hannoverat 
Arzt  Dr.  Otto. 

(Berichtigung.)  In  No.  11  (F  r  ä  n  k  e  1 :  Entstehungswc- 
übermässiger  Beckenneigung)  ist  auf  S.  581,  Sp.  1,  Z.  10  v.  o.  st 
80—90°  zu  lesen:  70—80°;  ebenda  Sp.  2,  Z.  12  v.  u.  statt  „der“  1. 
„die“  (Fernwirkung). 

Zu  dem  Referat  über  seinen  Vortrag  über  Bromwirkung  i 
Epilepsie  in  No.  10,  S.  564  schreibt  Herr  Dr.  J  a  n  u s chk e:  Mm 
Epileptiker  bekam  nicht  1  g  BrNa  und  1)4  g  CINa  pro  dosi,  sondu 
1  g  BrNa  und  0,5  g  CINa;  das  sind  chemisch  äquivalen: 
Mengen.  Ferner  wird  die  spezifische  Bromidjonenwirkung  ni<t 
durch  Kochsalzzugabe  unterstützt,  sondern  durch  mässige  En- 
Ziehung  eines  lebenswichtigen  Zellbausteines:  von  Lipoid. 
Kalzium-  oder  Chloridjonen. 


Korrespondenz. 

Zur  Einführung  der  neuen  Krankenversicherung. 

Warnung. 

Neuerdings  mehren  sich  die  Fälle,  dass  Kassenvorstände  u 
Kassenverwaltungen  an  einzelne  Aerzte  und  ärztliche  Loli- 
Organisationen  mit  scheinbar  vorteilhaften  Anerbietungen  auf  V 
längerung  oder  Neuabschluss  von  Kassenarztverträgen  herantrep 
Solche  Anerbieten  sind  irreführend  und  haben  nur  den  Zweck,  s 
Aerzte  einseitig  zu  binden.  Nur  sehr  wenige  Krankenkassen  könh 
mit  Sicherheit  behaupten,  dass  sie  nach  dem  1.  Januar  1914,  ch 
Termin  für  das  Inkrafttreten  der  neuen  Kassensatzungen,  bestim 
noch  bestehen  werden.  Und  auch  diese  wenigen  sind  nicht  in  ; 
Lage,  sichere  Angaben  über  Zahl  und  Art  ihrer  Mitglieder  und  ii: 
ihre  Leistungen  zu  machen,  und  können  das  auch  nicht  eher,  als  e 
Bundesrat  die  Mustersatzungen  herausgibt  und  die  Oberversie 
rungsämter  die  Zulassung  ausgesprochen  haben. 

Wir  warnen  deshalb  die  Herren  Kollegen  und  die  Vorstände  : 
Kassenarztvereine  entschieden  davor,  mit  Kassen  jetzt  schon  in  L 
tragsverhandlungen  einzutreten,  und  bitten,  falls  Angebote  genuli 
werden,  in  jedem  Falle  von  der  betreffenden  Kasse  den  Nach* 
der  erfolgten  Zulassung  und  die  Vorlegung  der  vom  Oberversk 
rungsamte  genehmigten  Kassensatzungen  zu  verlangen.  Wir  bis 
ferner,  uns  als  der  vom  Geschäftsausschuss  des  Deutschen  Acre 
Vereinsbundes  eingesetzten  Vertragszentrale,  von  jedem  solchem  t 
geböte  sofort  Mitteilung  zu  machen  und  den  Vertragsentwurf  iji 
das  Vertragsangebot  einzusenden  und  unsere  Gegenäusserung,  well 
umgehend  erfolgen  wird,  abzuwarten,  bevor  die  Verhandlungen  t 
gefangen  bzw.  fortgesetzt  werden. 

Leipzig,  Dufourstrasse  18. 

Der  Vorstand  des  Leipziger  Verband« 
H  a  r  t  m  a  n  n. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  11.  Jahreswoche  vom  9.  bis  15.  März  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildig 
fehler  7  (91),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  5  (9),  Kindbettfieber  — 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  — 
Masern  u.  Röteln  5  (1),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (1),  Keuchhusten  1  - 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  — 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundn 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  Starrkrampf  -- 
Blutvergiftung  1  (D,  Tuberkul.  der  Lungen  31(30),  Tuberkul.  and.  ’i 
(auch  Skrofulöse)  3  (4),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  ( — ),  Luie 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  14(16),  Influenza  —  (1),  ve: 
sehe  Krankh.  1  (3),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfi) 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wecv 
fieber  usw.  —  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  3  (4),  Alko  i 
mus  —  (1),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  4  (7),  sonst.  Kr il 
d.  Atmungsorgane  3  (7),  organ.  Herzleiden  16  (24),  Herzschlag,  D 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  6  (1),  Arterienverka  j 
2  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  4  (1),  Gehirnschlag  91 
Geisteskrankh.  3  (— ),  Krämpfe  d.  Kinder  2  (4),  sonst.  Krankh.  d.  Ne  ( 
Systems  6  (5),  Atrophie  der  Kinder  1  (1),  Brechdurchfall  1  (— ),  M;< 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  3  (6),  Blinda 
entzünd.  2  (3),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldri  ' 
Milz  —  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  6  (5),  Nierenentziind. 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3(— ),  Krebs  14  (17),  f 
Neubildungen  10  (4i,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (— ),  Krank  ( 
Bewegungsorgane  2  ( — ),  Selbstmord  2  (4),  Mord,  Totschlag,  11 
Hinricht.  —  (li,  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  l 
and.  benannte  Todesursachen  3  (4),  Todesursache  nicht  (genau 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  ( — )• 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  183  (202). 

M  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  VorwJ 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


5i«  Münchtner  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich  <•  _  _  _  ___  Zusendungen  sind  zu  adressieren  1 

b  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen  IV /f  I  1  NT  f'  IT  T/  N  I  F/  f_)  POrdie  Redaktion  Amulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8‘/t— 1  l/hr. 
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Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


fo.  14.  8.  April  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


,ns  dem  Rockefeiler  Institute  for  Medical  Research 

in  New  York. 

•tudien  über  den  Nachweis  der  Spirochaete  pallida  im 
lentralnervensystem  bei  der  progressiven  Paralyse  und 
bei  Tabes  dorsalis. 

Von  Prof.  Dr.  H.  Noguchi. 

Es  wird  heutzutage  wohl  von  den  meisten  Klinikern  an- 
rkannt,  dass  die  progressive  Paralyse  sowohl  wie  die 
l'abes  dorsalis  ätiologisch  mit  einer  früher  stattgehabten 
yphilitischen  Infektion  in  Zusammenhang  gebracht  werden 
nüssen.  Eine  grosse  Anzahl,  auf  schärfster  Beobachtung  und 
(riindlichster  Systematik  beruhender,  Studien  zahlreicher 
’orscher,  insbesondere  die  Arbeiten  von  E  s  m  a  r  c  h  und 
lessen,  Kjelberg,  Fournier,  Erb,  Winge  und 
}  a  n  d  b  e  r  g,  S  t  e  n  b  e  r  g,  A  1 1  h  a  u  s,  V  i  r  c  h  o  w,  Krafft- 
j:  b  i  n  g,  K  r  a  e  p  e  1  i  n,  Q  o  w  e  r  s,  Möbius,  Strümpell, 
Raymonds,  Bin  swänge  r,  Leredde,  Hallopeau, 
lomen,  Mendel,  Nonne,  Mott  und  C  o  1 1  i  n  s  stellen 
lie  Existenz  einer  unleugbaren  Beziehung  zwischen  der  syphi- 
itischen  Infektion  einerseits  und  den  unter  dem  Sammelbegriff 
.Parasyphilis  des  Zentralnervensystems“  bekannten  Krank- 
leitsbildern  andererseits  auf  deutlichste  fest.  Die  Behauptung, 
lass  die  „meta-  oder  parasyphilitischen  Krankheiten“  mit  einer 
riiheren  luetischen  Infektion  Zusammenhängen,  gründet  sich 
tauptsächlich  auf  die  Tatsache,  dass  die  Mehrzahl  der  an  all¬ 
gemeiner  progressiver  Paralyse  oder  an  Tabes  dorsalis  er¬ 
krankten  Individuen  nachweislich  in  einer  früheren  Periode 
ihres  Lebens  Syphilis  akquiriert  hatte.  Da  nun  allerdings  die 
Tabes  und  die  progressive  Syphilis  die  der  Syphilis  anderer 
Organe  eigentümlichsten  histologischen  Bilder  im  Zentral¬ 
nervensystem  vermissen  lassen,  ausserdem  auch  antiluetische 
Therapie  diese  Erkrankungen  nicht  beeinflusst,  ist  die  oben  er¬ 
wähnte  Beziehung  zur  Lues  vielfach  angezweifelt  worden: 
und  in  der  Tat,  gäbe  es  nicht  das  Krankheitsbild  der  typischen 
Zerebrospinalmeningitis  mit  wohlcharakterisierten  histologi¬ 
schen  Läsionen,  leicht  beeinflussbar  durch  methodische  anti- 
luetische  Therapie,  so  möchte  man  fast  zu  der  Annahme 
neigen,  dass  Gehirnlues  und  spinale  Syphilis  besondere 
in  anderen  Organen  nicht  auffindbare  Eigentümlichkeiten  auf¬ 
weisen.  Da  es  nun  aber  viele  Krankheitsfälle  gibt,  welche 
sich  histologisch  und  in  spezifisch-therapeutischer  Hinsicht  als 
typische  Fälle  von  zerebraler  und  zerebrospinaler  Syphilis 
darstellen,  wurde  es  natürlich  schwierig,  die  progressive  Para¬ 
lyse  und  die  Tabes  unter  den  engeren  Begriff  wirklich  syphi¬ 
litischer  Erkrankungen  einzureihen.  Fournier  und  andere 
verfielen  auf  den  Ausweg,  den  Begriff  der  Parasyphilis  oder 
Metasyphilis  einzuführen,  während  andere  Tabes  und  Para¬ 
lyse  als  postsyphilitische  Erkrankungen  bezeichnet  wissen 
wollten.  Einige  Forscher  bekannten  sich  zu  der  Annahme, 
dass  die  der  Paralyse  und  Tabes  eigentümlichen  Läsionen  auf 
den  schädigenden  Einfluss  gewisser  toxischer  Substanzen  zu¬ 
rückzuführen  seien,  welche  sich  infolge  einer  durch  die 
frühere  syphilitische  Infektion  ausgelösten  Stoffwechsel¬ 
anomalie  von  unbekannter  Qualität  bilden  sollten.  Man  hätte 
es  demnach  mit  einer  Nachwirkung  auf  der  Basis  e  uer 
früheren  Infektion,  nicht  mit  dem  Infektionserreger  selbst  zu 
hin,  weshalb  man  sich  auch  von  einer  gegen  den  Infektions¬ 
erreger  selbst  gerichteten  Behandlung  keine  günstigen  Re¬ 
sultate  versprechen  konnte. 

Die  Frage  indessen,  ob  wir  die  sogenannten  para-  oder 
postsyphilitischen  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems  auf 

No.  14. 


das  noch  lebende  Virus  selbst  beziehen  sollen  oder  ob  wir 
dieselben  lediglich  als  postinfektiöse  Nachkrankheiten,  als 
solche  nicht  mehr  in  unmittelbarer  Beziehung  zum  infektiösen 
Virus  stehend,  ansehen  sollen,  diese  Frage  ist  nicht  nur 
theoretisch  äusserst  interessant,  sie  ist  auch  praktisch  von 
einschneidender  Wichtigkeit,  da  ja  unser  therapeutisches  Han¬ 
deln  durchaus  von  ihrer  Beantwortung  abhängen  wird.  Seit 
der  epochemachenden  Entdeckung  der  Spirochaete  pallida  in 
allen  Stadien  der  Syphilis  durch  Schaudinn  und  Hoff- 
mann  haben  viele  hervorragende  Pathologen  wiederholt  ver¬ 
sucht,  die  Syphilisorganismen  im  Gewebe  des  erkrankten 
Zentralnervensystems  in  Fällen  der  sogen,  parasyphilitischen 
Affektionen  nachzuweisen,  aber  alle  ohne  Erfolg.  Dieser  Miss¬ 
erfolg  bewies  jedoch  keineswegs  die  Abwesenheit  der  Pallida, 
vielmehr  machten  es  die  Befunde  von  positiver  Wasser- 
mann-Neisser  -  Bruck  scher  Reaktion  im  Blut  und  in 
der  Zerebrospinalflüssigkeit,  die  Pleozytose  und  Erhöhung  des 
Globulingehaltes  der  letzteren,  sowie  das  stete  Fortschreiten 
der  Erkrankungssymptome  sehr  wahrscheinlich,  dass  das  in¬ 
fektiöse  Virus  in  den  erkrankten  Organen  dennoch  gegen¬ 
wärtig  sei.  Ausserdem  kam  eine  grössere  Anzahl  Fälle  von 
inkompletter  Tabes  dorsalis  zur  Beobachtung,  in  denen  zweck¬ 
mässig  eingeleitete  und  gründlich  durchgeführte  Salvarsan- 
oder  Neosalvarsankur  die  Erkrankungen  subjektiv  und  objektiv 
nachweisbar  günstig  beeinflusste  Q. 

Mein  Interesse  an  diesen  die  „Parasyphilis“  -betreffenden 
Fragen  wurde  rege,  als  ich  mich  experimentell  eingehender 
mit  der  Erforschung  der  Syphilis  befasste,  speziell  aber  dann, 
als  meine  Aufmerksamkeit  durch  ein  eigenartiges  Phänomen 
gefesselt  wurde,  welches  ich  bei  meinen  Studien  der  kul¬ 
turellen  Eigenschaften  der  Spirochaete  pallida  beobachtete. 
Ich  konnte  mich  nämlich  bei  der  Beobachtung  meiner  Pallida- 
kulturen  davon  überzeugen,  dass  unter  gewissen  Bedingungen 
die  Spirochaete  pallida  in  Reinkultur  zahlreiche  kleinste  Körner 
bildet,  und  dass  von  diesen  Körnern  nach  Uebertragung  in 
einen  passiven  Nährboden  wieder  Spiralformen  aussprossen. 
Diese  Wahrnehmung  schien  mir  auf  die  Möglichkeit  hinzu¬ 
weisen,  dass  in  Fällen  von  Parasyphilis  die  Spirochaete  pallida 
vielleicht  in  Körnchenform  vorhanden  sei,  und  dass  gerade  die 
Abwesenheit  der  gewöhnlichen  Pallidaspiralformen  in  den 
Gehirnen  an  progressiver  Paralyse  gestorbener  Patienten  es 
verschuldet  haben  möge,  dass  so  viele  ausgezeichnete  Beob¬ 
achter  negative  Resultate  hatten.  Unter  diesem  Eindruck 
machte  ich  mich  daran,  zahlreiche  Präparate  von  paralytischen 
Gehirnen  zu  untersuchen.  Wie  icli  und  Dr.  Moore* 2)  ander- 
weit  schon  berichtet  haben,  konnte  ich  binnen  kurzem  die 
typischen  Spiralformen  der  Pallida  in  12  von  70  Fällen  meiner 
ersten  Serie  nachweisen.  Dies  ganz  unerwartete  Ergebnis 
erregte  mein  Verlangen,  noch  weitere  Fälle  zu  sammeln,  um 
womöglich  Aufklärung  darüber  zu  erhalten,  warum  die  Or¬ 
ganismen  nicht  vorher  schon  nachgewiesen  worden  waren. 
Es  ist  allerdings  wahr,  dass  das  Auffinden  der  Pallida  in  vielen 
Präparaten  unsäglich  langwierig,  ja  oft  unmöglich  ist.  Ich  will 
im  Nachstehenden  nun  meine  Erfahrungen  über  den  Gegen¬ 
stand  mitteilen,  und  will  insbesondere  einige  technische  Details 
erörtern,  die  mir,  wie  ich  glaube,  das  Auffinden  der  Pallida 
im  Zentralnervensystem  von  Fällen  der  progressiven  Paralyse 
und  der  Tabes  dorsalis  erleichterten. 


*)  S  \v  i  f  t  and  E  1 1  i  s :  The  direct  treatment  of  syphilitic  diseases 
of  the  central  nervous  System.  NewYork  Medical  Journal, 
July  1912. 

2)  Noguchi  and  Moore:  A  demonstration  of  I  reponema  i  al- 
lidum  in  the  brain  in  cases  of  general  paralysis.  Journ.  Exper.  Med., 
Bd.  XVII,  No.  2,  Februar  1913.  (Ref.  d.  W.  No.  8,  S.  446.) 

l 


738 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  14. 


Bisher  habe  ich  200  (ieliirne  von  Fällen  der  allgemeinen 
Paralyse  und  12  Rückenmarke  von  Fällen  von  Tahes  dor- 
salis  untersucht.  Den  Herren  Dr.  Cotton,  Dr.  D  u  n  1  a  p, 
Dr.  E  1  se  r,  Prof.  Swing,  Dr.  Fischer,  Prof.  Graves, 
Dr.  Houg  h,  Dr.  Kaplan,  Dr.  Lambert,  Dr.  Moore, 
Captain  N  i  c  h  o  1  s,  Dr.  0  r  t  o  n,  Dr.  R  o  s  a  n  o  f  f,  Dr.  S  m  i  t  h, 
Prof.  S  p  i  1 1  e  r,  Prof.  Weisenburg  und  Dr.  Z  a  b  1  i  s  k  i 
möchte  ich  an  dieser  Stelle  für  das  mir  so  freundlich  zur 
Verfügung  gestellte  Material  meinen  ergebensten  Dank  aus¬ 
sprechen. 

Die  Präparate  wurden  nach  der  von  L  e  v  a  d  i  t  i  ange¬ 
gebenen  Färbemethode  mit  einigen  noch  später  zu  besprechen¬ 
den  Modifikationen  angefertigt.  Immerhin  mag  hier  gleich 
gesagt  werden,  dass  die  ältere  Methode  von  L  e  v  a  d  i  t  i  in 
einigen  Fällen  ganz  gute  Resultate  gegeben  hat. 

In  der  Gesamtzahl  der  untersuchten  Fälle  (200  para¬ 
lytische  Gehirne)  konnte  die  Spirochaete  pallida  48  mal  ge¬ 
funden  werden.  Das  Alter  der  Patienten,  von  denen  diese 
durch  positiven  Pallidabefund  ausgezeichneten  Gehirne 
stammten,  schwankte  zwischen  29  bis  zu  75  Jahren,  und  selbst 
in  einem  Falle,  wo  die  Erkrankung  nachweislich  6  Jahre  ge¬ 
dauert  hatte,  gelang  es,  die  Spirochäten  nachzuweisen.  In 
einem  der  mir  von  Dr.  Lambert  und  Dr.  Rosa  n  off  zur 
Verfügung  gestellten  frischen  Paralytikergehirnen  gelang  es, 
die  Pallida  im  Dunkelfeld  nachzuweisen,  doch  -war  ihre  Zahl 
äusserst  klein,  und  in  den  gefärbten  Präparaten  habe  ich  sie 
in  diesem  Falle  dann  nicht  wieder  nachweisen  können.  Sehr 
schwierig  ist  andererseits  die  Untersuchung  des  Rücken¬ 
markes.  Im  Beginn  meiner  Untersuchungen  machte  ich  Quer¬ 
schnitte  vom  Rückenmark,  doch  erschwerte  das  strukturelle 
Gefüge  des  Organs  —  eine  Unzahl  feinster  Nervenquerschnitte 
und  von  Neurogliafasern  —  die  Uebersicht  ganz  enorm.  Zum 
Teil  konnte  ich  diese  Schwierigkeit  überwinden,  indem  ich 
Längsschnitte  vom  Rückenmark  anfertigte,  und  in  einem 
der  12  Fälle  ist  es  mir  dann  geglückt,  im  Hinterstrang  des 
Dorsalmarkes  die  Gegenwart  der  Spirochäten  festzustellen. 
Sie  waren  an  Zahl  sehr  gering,  und  ihre  Auffindung  eine 
harte  Gedüldprobe.  Die  anderen  Fälle  untersuchte  ich 
noch  weiter  und  will  später  über  meine  Befunde  noch  genauer 
berichten. 

Verteilung  der  Spirochaete  pallida  im  Ge¬ 
hirn  der  Paralytiker  und  Beziehungen  zu  den 
einzelnen  Strukturelementen. 

Die  Verteilung  der  Spirochäten  im  grossen  und  ganzen 
mit  Bezug  auf  die  Gehirntopographie  zu  erörtern,  bin  ich 
nicht  in  der  Lage,  da  es  nicht  meine  Absicht  war,  die  Unter¬ 
suchungen  speziell  nach  dieser  Seite  hin  zu  richten.  Ich  kann 
nur  im  allgemeinen  sagen,  dass  der  G  y  r  u  s  f  r  o  n  t  a  1  i  s,  der 
Gyrus  rectus  und  die  Regio  R  o  1  a  n  d  i  hauptsächlich 
für  die  gegenwärtigen  Untersuchungen  ausgewählt  wurden, 
und  die  oben  erwähnten  Befunde  zeigten.  In  einigen  Fällen 
wurden  auch  der  Gyrus  hippocampi,  das  Ammons- 
h  orn  und  andere  Regionen  untersucht,  in  einem  Falle  fanden 
sich  die  Spirochäten  in  allen  Teilen,  aber  in  weit  geringerer 
Zahl,  als  in  den  motorischen  Zentren. 

Die  Pallida  findet  man  häufiger  und  zahlreicher  in  der 
Hirnrinde  als  in  der  weissen  Substanz.  In  einigen  Schnitten 
sieht  man  sie  in  Gruppen  von  mehr  oder  weniger  zahlreichen 
Individuen  regelmässig  zwischen  den  Nervenzellen  und  den 
Neurogliafasern  verteilt.  In  anderen  Fällen  sieht  man  ver¬ 
einzelte  Exemplare  über  weitere  Strecken  hier  und  da  ver¬ 
streut.  Nach  Gegenfärbung  der  Gehirnschnitte  mit  Toluidin- 
biau  oder  Thionin  lässt  sich  beobachten,  dass  ein  oder  mehrere 
Spirochäten  sich  eng  an  eine  Pyramidenzelle  anlagern,  und 
dass  in  einigen  Fällen  ein  Teil  des  Pallidakörpers  sich  dem 
Zytoplasma  der  Nervenzelle  zu  inserieren  scheint.  Zuweilen 
hegen  die  Parasiten  in  den  perineuralen  Räumen  längs  des 
Verlaufes  der  Achsenzylinderfortsätze.  Oft  auch  sieht  man 
unregelmässige  amorphe  Niederschläge  in  der  Nähe  solcher 
Zellen,  vermutlich  exsudativer  Natur.  Die  mit  der  Pallida  in¬ 
fizierten  Nervenzellen  zeigen  Degenerationserscheinungen  als: 
Unregelmässigkeiten  in  der  Form,  Konturverzerrung,  Schwel¬ 
lung  oder  völlige  Auflösung  des  Kernes  sowohl  als  der  Zell¬ 
fortsätze.  Nur  ganz  selten  sieht  man  die  Pallida  in  der  Nähe 
von  Blutgefässen  und  fast  niemals  in  den  Gefässwandungen. 


Ich  habe  die  Pia  mater  untersucht,  konnte  aber  hier  das 
handensein  der  Pallida  n  i  c  h  t  mit  Sicherheit  feststellen. 

Bemerkungen  zur  Technik. 

Bevor  ich  die  Methode  beschreibe,  mit  der  ich  recht 
gute  Resultate  erzielte,  möchte  ich  noch  hervorheben. 
dass  die  ältere  Levaditimethode  sich  oft  gut  bewährte. 
Freilich  folgt  die  Methode,  der  ich  mich  für  meine  erste  Serie 
von  Untersuchungen  bediente,  nicht  ganz  streng  der  ursprüng¬ 
lichen  Vorschrift,  und  waren  die  zur  Imprägnierung  be¬ 
stimmten  Stücke  viel  dicker  geschnitten,  als  es  von  Leva- 
diti  empfohlen  war.  Macht  man  z.  B.  bei  der  Imprägnation 
paralytischer  Hirnteile  die  Stücke  bis  zu  5,  auch  mehr  Milli¬ 
meter  dick,  anstatt  sie  nur  2  mm  dick  zu  scheiden,  so  erweist . 
sich  dies  bezüglich  des  Endergebnisses  der  Silberbehandlung; 
oft  sehr  zweckmässig,  da  man  im  Innern  so  behandelter' 
Stücke  immer  einen  weniger  tief  imprägnierten  Bezirk  auf¬ 
finden  kann,  innerhalb  dessen  die  Pallida  sich  von  den  weniger! 
tief  imprägnierten  Neurogliafibrillen  auf  das  schönste  abhebt. 
Eine  andere  Tatsache,  der  im  allgemeinen  wohl  nicht  streng 
genug  Rechnung  getragen  ist,  lässt  sich  dahin  formulieren,  dass 
in  auch  nur  mit  Formahn  allein  fixierten  Präparaten  die 
Neurogliafibrillen  sich  mit  der  Silberbehandlung  zwar  schön 
imprägnieren,  dass  die  Spirochaete  pallida  aber  unter  solchen 
Verhältnissen  niemals  die  Silberimprägnierung  annimmt, 
gleichgültig  wie  lange  und  bei  welcher  Temperatur  man  die; 
Stücke  im  Silberbad  belässt.  Für  die  Imprägnierung  der  Pallidaj 
ist  eine  vollkommene  Nachfixierung  der  Gewebestücke  in  Al¬ 
kohol  absolut  notwendig.  Der  allererste  Schritt  also,  der  be4 
hufs  erfolgreicher  Darstellung  der  Pallida  in  den  Geweben  des 
Zentralnervensystems  getan  werden  muss,  ist:  völlige 
Fixierung  der  Stücke  erst  in  Formalin  und 
dann  in  Alkohol  bevor  man  zur  Imprägnierung 
schreitet. 

Ein  zweiter  wesentlicher  Faktor  ist  die  Tatsache,  dass 
langes  Einwirken  des  Formahn  die  Beizfähigkeit  der  Neuroglia¬ 
fibrillen  herabsetzt,  während  es  die  der  Pallida  erhöht.  Bej 
Gehirnen,  die  wenigstens  schon  ein  Jahr  lang  in  Formaliv 
aufbewahrt  worden  waren,  gewinnt  man  also  mehr  elektivd 
Färbung.  Doch  selbstverständlich  geben  auch  frische  Spe, 
zimen  oft  gute  Resultate. 

Auf  Basis  dieser  Beobachtung  formulierte  ich  folgende 
Methode,  die  sich  mir  in  praxi  auch  ganz  zweckmässig  erwies! 

Von  einem  in  lOproz.  Formalin  gehärteten  Gehirn  wird  von 
der  Gegend  des  Gyrus  frontalis,  des  Gyrus  rectus  oder  irgend  eine 
anderen  Region  ein  5 — 7  mm  dickes  Scheibchen  geschnitten  und  zu 
nächst  in  einer  aus  10  Proz.  Formalin,  10  Proz.  Pyridin,  25  Pro/ 
Azeton,  25  Proz.  Alkohol  und  30  Proz.  Aqua  dest.  bestehenden  Lösun; 
bei  Zimmertemperatur  5  Tage  lang  belassen.  Darauf  folgt  gründliche. 
Auswaschen  mit  destilliertem  Wasser,  24  Stunden  lang.  Nun  werdet 
die  Stücke  in  96  proz.  Alkohol  übertragen,  in  dem  sie  3  Tage  ver 
bleiben  (sehr  wichtig)  und  dann  wieder 'gründlich  24  Stunden  lam 
ausgewaschen.  Hiernach  behandelt  man  die  Stücke!-1  in  dunkle 
Flaschen  in  folgender  Weise:! 

1.  Bad  in  1,5  proz.  Silbernitratlösung,  entweder  3  Tage  bei  37"  i| 
oder  5  Tage  bei  Zimmertemperatur. 

2.  2  ständiges  Auswaschen  in  destilliertem  Wasser. 

3.  Reduktionsbad  in  4  proz.  Pyrogallussäurelösung,  der  ma 
5  Proz.  Formalin  zugesetzt  hat  (24 — 48  Stunden  bei  Zimmer 
temperatur). 

4.  Gründliches  Auswaschen  in  destilliertem^  Wasser 

5.  Uebertragen  in  80  proz.  Alkohol  auf  24  Stunden. 

6.  95  proz.  Alkohol,  3  Tage  lang  (täglich  erneuern). 

7.  Absoluter  Alkohol,  2  Tage  lang. 

8.  Xylol,  Xylol-Paraffin,  Paraffin. 

Es  empfiehlt  sich,  die  Schnitte  aus  verschiedener  Tiefe  der  Ol 
jekte  zu  entnehmen,  um  so  desto  sicherer  die  bestimprägnierte  Zou 
zu  treffen.  Dem  Grade  der  Imprägnierung  entsprechend,  die  in  de 
verschiedenen  Spezimen  der  Gehirne  ganz  erheblich  variieren  kam 
wird  auch  die  Dicke  der  einzelnen  Schnitte  verschieden  bemessc 
werden  müssen.  3  Mikren  schneide  ich  gewöhnlich,  oft  aber  sin 
5  vorteilhafter,  man  hat  dann  mehr  Aussicht,  die  Pallida  in  eiuei 
gegebenen  Bezirk  zu  entdecken.  Sehr  zweckmässig  scheint  es,  er 
beliebiges  Stück  syphilitischen  Gewebes,  das  sicher  zahlreiche  Pallida 
enthält,  mitzuimprägnieren,  um  so  für  den  Erfolg  der  Jmprägnierm 
der  Nervengewebe  einen  Indikator  zu  haben. 

Fällt  die  Imprägnation  gut  aus,  so  erscheinen  alle  Geweb: 
elemente  des  Gehirns  schwach  gelb  oder  gelblich  braun,  die  Palhu, 
körper  aber  tief  schwarz.  Zuweilen  färben  sich  die  Neurogm 
fasern  sehr  deutlich,  untersucht  man  diese  bei  künstlicher  Beleucl 
tung,  so  erscheinen  sie  jedoch  bräunlich  gefärbt,  niemals  schwär 
Schnitte,  in  denen  die  Neurogliafasern  gleichfalls  schwarz  erscheine 


MUENCHENER  MEblZlNiSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


\pril  191.3. 


,  eil,  mag  man  ruhig  verwerfen:  sie  eignen  sicli  nicht  zum  Auf- 
en  der  Pallida  und  nur  selten  ist  es  mir  trotzdem  geglückt, 
i  in  solchen  Schnitten  noch  die  Pallida  zufriedenstellend  nachzu- 
,  seil.  Bei  der  Durchmusterung  der  Schnitte  beginne  ich  in  der 
1  el  in  der  blasser  gefärbten  zentralen  Zone  und  verbreite  mich  all- 
ilicn  nach  den  meist  stärker  imprägnierten  Kanten  zu. 

All  das  oben  Gesagte  bezieht  sich  im  gleichen  auf  die  Riicken- 
ksschnitte  von  Fällen  der  Tabes.  Man  stellt  sich  ca.  2  cm  lange 
mente  des  Rückenmarks  her  und  fertigt  Längsschnitte  an. 

Auf  diese  Art  konnte  ich  die  Spirochaete  pallida  in  den 
lirnen  von  Fällen  der  progressiven  Paralyse  und  in 
i  Riickenmarksspezimen  der  Tabes  dorsalis  nachweiscn. 
izentualiter  stellten  sich  die  positiven  Befunde  auf  zirka 
Proz.  in  den  Fällen  der  Paralyse,  während  nur  einet 
i  den  12  Tabesfällen  bislang  einen  positiven  Befund  aufwies, 
mag  seltsam  erscheinen,  dass  nicht  alle  Nervengewebe  mit 
itivem  Erfolg  auf  Spirochäten  untersucht  werden  konnten, 
:h  muss  man  auch  in  Betracht  ziehen,  dass  die  Fälle  meiner 
ie  nicht  völlig  erschöpfend  durchmustert  wurden,  da  doch 
der  Mehrzahl  derselben  nur  eine  mehr  oder  weniger  be- 
nzte  Region  der  Hirnrinde  nachgesehen  wurde,  und  von 
sen  schliesslich  nur  eine  verhältnismässig  beschränkte  Aus- 
hl  von  Schnitten.  Ich  zweifle  nicht  daran,  dass  bei  einer 
Ikommen  und  peinlich  genau  ausgeführten  Untersuchung 
es  jeden  Falles  sich  die  Spirochäten  schliesslich  auch  überall 
len  werden.  Die  Langwierigkeit  der  Technik  hinderte  mich, 
Untersuchung  noch  eingehender  zu  gestalten,  und  ich  hoffe, 
;s  andere  die  in  den  eben  mitgeteilten  Ergebnissen  noch 
ftende  Lücke  ausfüllen  werden. 

Die  Pathogenese  der  für  die  progressive  Paralyse 
|i  die  Tabes  dorsalis  charakteristischen  Läsionen  war  nie 
iz  einwandfrei  klar;  nachdem  jetzt  aber  die  Syphilis- 
eger  im  Sitz  der  pathologischen  Veränderungen  selbst 
;hgewiesen  sind,  mag  man  wohl  annehmen,  dass  diese 
sionen  unmittelbar  auf  die  Gegenwart  der  Pallida  bezogen 
rden  müssen.  Im  allgemeinen  charakterisieren  sich  die  Ver¬ 
derungen  im  Gehirn  als  eine  durch  die  invadierten  Spiro- 
iten  hervorgerufene  chronische  parenchymatöse  Enzepha- 
s.  Der  Grund  dafür,  dass  die  therapeutische  Beeinflussung 
ser  Form  der  Spirochätose  durch  die  heutzutag  üblichen 
ilmethoden  so  wenig  befriedigende  Resultate  aufweist,  mag 
>hl  darin  zu  suchen  sein,  dass  die  Mikroorganismen,  die,  wie 
■s  an  den  Gehirnschnitten  ersichtlich  ist,  in  der  Tiefe  des 
ganparenchyms  liegen,  gegen  den  Angriff  spezifischer  Medi- 
mente  wohl  geschützt  sind,  während  die  beiden  gewöhn¬ 
ten  Formen  der  Syphilis  des  Zentralnervensystems  durch 
e  Lage  in  der  Nähe  von  Blutgefässen  therapeutischer  Ein- 
rkung  besser  zugänglich  sind. 

Mit  dem  Auffinden  der  Spirochaete  pallida  in  den  Fällen 
r  sogen.  Parasyphilis  beginnt  ein  Dämmerlicht  auf  dies 
tantische  Problem  der  Therapie  zu  fallen *).  Haben  wir 
ch  gegen  die  wohlbekannten  Formen  der  manifesten 
philis,  deren  Erreger  dieser  Organismus  ist,  im  Salvarsan 
d  Neosalvarsan  eines  der  machtvollsten  Kampfmittel  in  der 
md  und  ist  doch  der  Dämon  jetzt  kräftiger  gebannt,  denn 
vor.  Und  kann  es  angesichts  solcher  Errungenschaften  zu 
-1  erwartet  heissen,  wenn  wir  der  Hoffnung  Raum  geben, 
ss  E  h  r  1  i  c  h  s  Genius  nochmals  uns  den  Pfad  zur  thera- 
utischen  Eroberung  dieser  speziellen  Art  syphilitischer  Fr¬ 
ankungen  bahnen  möge,  die  der  menschlichen  Gesellschaft 
r  allzutiefen  Schaden  zugefügt  haben  und  gegen  welche  wir 
dang  völlig  hilflos  dastehen? 


is  dem  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten  zu  Ham¬ 
burg  (Leiter:  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  N  o  c  h  t). 

Untersuchungen  über  Verruga  peruviana. 

Von  M.  Mayer,  H.  R  o  c  h  a  -  L  i  m  a  und  H.  Werne  r. 

Ein  von  uns  beobachteter  Fall  von  Verruga  peruviana 
b  uns  Gelegenheit  zu  ätiologischen  und  klinischen  Be- 
'achtungen,  über  welche  wir  im  folgenden  vorläufig  kurz 
richten  wollen.  Eine  ausführliche  mit  Illustrationen  ver- 
hene  Darstellung  wird  später  an  anderer  Stelle  folgen. 


J)  Flexner:  Local  Specific  Treatment  ot  Infections.  Harvey 
ctures.  1011 — 12,  pag.  17.  Lippincott  Co..  Philadelphia. 


Am  7.  Dezember  1012  kam  in  dem  mit  dem  Institut  für  Schiffs- 
und  1  ropenkrankheiten  verbundenen  Seemannskrankenhause  ein 
22  Jahre  alter  Matrose  H.  in  Zugang,  der  über  Fieber  und  über 
eine  langwierige,  durch  Knotenbildungen  charakterisierte  Erkrankung 
klagte. 

H.  machte  über  den  bisherigen  Krankheitsverlauf  folgende  An¬ 
gaben:  Er  habe  im  Februar  und  März  1012  von  Lima  aus  das  Oroya- 
tal  in  Peru  durchwandert,  das  von  der  Meeresküste  in  steilem  An¬ 
stiege  zur  Kammhöhe  der  Anden  emporführt.  Bald  nach  seiner  Rück¬ 
kehr  nach  Lima  (April  1012)  sei  er  an  einem  schweren  Fieber  er¬ 
krankt,  wegen  dessen  er  im  Krankenhaus  zu  Lima  2X>  Monate  lang 
behandelt  wurde.  Das  Fieber  sei  durch  Chinin  nicht  beeinflusst  wor¬ 
den  und  schliesslich  spontan  zurückgegangen.  Bereits  14  Tage  nach 
der  Entlassung  aus  dem  Krankenhaus  kam  es  zu  einer  erneuten  Er¬ 
krankung  an  einem  ähnlichen  Fieber,  in  dessen  Verlauf  die  oben¬ 
erwähnten  Knoteneruptionen  —  zuerst  an  den  Beinen  —  auftraten. 
Als  Beginn  dieser  Knoteneruptionen  wird  vom  Patienten  der  16.  VII. 
1012  genannt.  Seitdem  haben  nach  Angabe  des  Patienten  die  Kno¬ 
tenbildungen  bestanden  bis  zu  der  am  7.  XII.  1012  erfolgten  Auf¬ 
nahme  in  das  Seemannskrankenhaus  in  Hamburg. 

Im  August  und  November  1012  kam  es  noch  zu  mehrmaligen 
Malariaanfällen,  die  durch  Chinin  schnell  unterdrückt  wurden.  Ein 
weiterer  Malariarückfall  kam  kurz  vor  der  Ankunft  in  Hamburg, 
Anfang  Dezember  1012.  zum  Ausbruch. 

Befundbei  der  Aufnahmeam  7.  XII.  1012:  Der  22 jährige 
Patient  ist  von  kräftigem  Körperbau.  Gesichtsfarbe  ausgesprochen 
anämisch-ikterisch.  Milz  geschwollen,  Unterrand  3  Querfinger  unter 
dem  Rippenbogen.  Im  Blute  zahlreiche  Tertianaparasiten. 

Auf  der  Haut  beider  Unterschenkel  —  auf  der  Streckseite  stär¬ 
ker  als  auf  der  Beugeseite  —  sind  rote  Papeln  von  sehr  verschiedener 
Grösse  sichtbar,  die  halbkugelförmig  aus  der  umgebenden  Haut  her¬ 
vorragen. 

Ausser  den  Unterschenkeln  sind  —  in  geringerer  Stärke  —  auch 
die  Oberschenkel  und  die  Ellenbogen  von  den  Effloreszenzen  befallen. 

Die  Grösse  schwankt  von  der  einer  Stecknadelkuppe  bis  zu 
Haselnussgrösse. 

Die  Farbe  ist  ein  Kirschrot  von  bei  den  einzelnen  Papeln  ziem¬ 
lich  gleichmässiger  dunkler  Tontiefe. 

Die  Form  der  Papeln  ist  gewöhnlich  die  einer  Halbkugel,  die 
aus  der  flachen  Umgebung  unvermittelt  hervorragt.  Bei  2  grösseren 
Papeln  zeigte  sich  ausgesprochene  Neigung  zur  Stielbildung,  wo¬ 
durch  Pilzformen  entstanden.  Die_  Papeln  sind  von  fester  Konsistenz 
und  nicht  druckempfindlich. 

Die  Oberfläche  der  Papeln  ist  glatt,  glänzend,  bei  den  meisten 
epidermisiert,  bei  einigen  grösseren  Bildungen  jedoch  ist  die  Ober¬ 
fläche  ohne  Epidermisüberzug,  feucht  und  von  dem  Aussehen  einer 
Schleimhaut.  Neben  den  in  der  Haut  liegenden  Knoten  sind  andere 
mehr  fühl-  als  sichtbar,  die  in  der  Subkutis  liegen  und  einzelne  tiefe 
Knoten  scheinen  in  den  Muskeln  ihren  Sitz  zu  haben. 

Eine  Beteiligung  innerer  Organe  an  der  Erkrankung  ist  nicht 
nachweisbar. 

Das  Blut  zeigte,  nachdem  die  durch  die  Malaria  bedingten  Stö¬ 
rungen  beseitigt  waren,  deutliche  anämische  Veränderungen:  Ver¬ 
minderung  der  Erythrozytenzahl,  entsprechende  Verminderung  des 
Farbstoffgehaltes  und  morphologische  Veränderungen  der  Erythro¬ 
zyten  (Makrozyten,  Mikrozyten,  Pessarformen,  Polychromatophilie) 
und  bei  den  Leukozyten  eine  mässige  Vermehrung  der  Einkernigen 
bei  annähernd  normaler  Gesamtzahl. 

Der  weitere  klinische  Verlauf  war  folgender r  Die 
Malaria  und  die  durch  sie  bedingten  Veränderungen  wurden  durch 
Chinin  prompt  beseitigt. 

Die  Knotenbildungen  zeigten  ziemlich  rasche  Veränderungen. 
Fast  täglich  kamen  neue  Papeln  zum  Vorschein,  während  die  älteren, 
grösseren  ohne  starke  Formveränderung  einschrumpften  und  ver¬ 
schwanden;  nur  die  beiden  obenerwähnten  gestielten  Papeln  fielen 
spontan  ab.  Ein  Teil  der  Knoten  wurde  durch  Blutungen  von  mehr 
oder  weniger  grosser  Stärke  verändert  und  verfielen  dann  rascher 
Zerstörung. 

Im  ganzen  zeigte  sich  seit  etwa  Mitte  Januar  1913  eine  ent¬ 
schiedene  Tendenz  zum  Zurückgehen  der  Affektion,  die  vielleicht 
durch  eine  damals  begonnene  Salvarsankur  noch  eine  Steigerung 
erfuhr.  Jedenfalls  liess  sich  eine  spezifische  Wirkung  des 
Salvarsan s,  das  in  3  intravenösen  Injektionen  zu 
0,5  gegeben  wurde,  nicht  einwandfrei  feststellen. 
Nachdem  Anfang  Februar  alle  Krankheitserscheinungen  geschwunden 
waren,  kam  Patient  am  7.  II.  13  zur  Entlassung. 

Ucber  weitere  klinische  Einzelheiten  wird  später  berichtet 
werden. 

Hier  sei  nur  noch  darauf  hingewiesen,  dass  nach  dem 
ganzen  klinischen  Bilde  und  nach  der  geographischen  Pro¬ 
venienz  aus  dem  durch  die  Verruga  peruviana  berüchtigt  ge¬ 
wordenen  Oroyatale  an  der  Diagnose  Verruga 
peruviana  nicht  zu  zweifeln  war.  Als  wahrschein¬ 
lich  darf  auch  angenommen  werden,  dass  das  anfänglich 
in  Lima  überstandene,  in  zwei  Schüben  ver¬ 
laufene  typhusähnliche  Fieber,  in  dessen 

J* 


740 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zweitem  Abschnitt  die  Knoteneruptioneil 
auftraten,  als  Carrionfieber  aufzufassen  ist. 
Ferner  sei  noch  bemerkt,  dass  das  Serum  des  Kranken  keine 
Agglutination  von  Paratyphus  B  aufwies,  ein 
Punkt,  der  von  Interesse  ist  mit  Rücksicht  auf  den  von  B  i  f  f  i 
in  Betracht  gezogenen  Zusammenhang  des  Carrionfiebers  mit 
dem  Bacillus  paratyphus  B;  auch  die  Agglutinationsversuche 
mit  Bacillus  typhi  und  Paratyphus  A  hatten  ein  negatives  Er¬ 
gebnis. 

In  Zupf-  und  Klatschpräparaten  des  grössten  Teils  der 
untersuchten  Papeln  fanden  sich  in  mehr  oder  weniger  grosser 
Zahl  spindelförmige  Zellen  mit  grossen  ovalen  Kernen.  Bei 
Giemsafärbung  färbte  sich  ihr  Protoplasma  hellblau  und  ent¬ 
hielt  in  der  Regel  keine  Granulationen.  Dagegen  fanden  sich 
Zelleinschlüsse  von  zweierlei  Art: 

I.  Zelleinschlüsse  (Fig.  1 — 4),  die  sich  bei  Giemsafärbung  unge¬ 
fähr  in  Kernfarbe  violett-rötlich  färbten,  meist  in  einem  etwas 
helleren  Ton  als  die  dunkelvioletten  Kerne  selbst.  Diese  Einschlüsse 
finden  sich  in  ihrer  kleinsten  Form  meist  dem  Kern  an  der  Seite 
oder  einem  Pole  angelagert  und  erscheinen  dabei  teils  als  ca.  1 — 1,5  ß 
grosse,  ziemlich  homogene,  runde  Scheiben,  teils  als  ebenso  grosse, 
fein  granulierte  Gebilde.  Man  findet  als  grössere  Stadien  der  Ein¬ 
schlüsse  solche  bis  zur  ungefähren  Grösse  von  roten  Blutkörperchen 
(Fig.  3  und  4).  Je  grösser  sie  werden,  desto  deutlicher  scheinen 
sie  feinkörnig.  Von  den  jungen  granulierten  Stadien  fanden  sich 
häufig  auch  2  Einschlüsse  in  einer  Zelle  (Fig.  1).  Nach  der  Löff- 
1  e  r  sehen  Geisselfärbung  behandelte  Präparate  gaben  wegen  der 
vielen  Niederschläge  in  den  zellreichen  Präparaten  keine  klaren 
Bilder.  Bei  feucht  fixierten  Giemsapräparaten  färbten  sich  die  Ein¬ 
schlüsse  mehr  graurot  als  der  Kern  und  erschienen  gröber  granu¬ 
liert  (Fig.  2). 


Die  Einschlüsse  sind  aber  nicht  immer  dem  Kern  angelagert, 
sondern  liegen  —  besonders  die  granulierten  —  häufig  frei  im  Proto¬ 
plasma. 

11.  Zelleinschlüsse,  die  sich  bei  Giemsafärbung  hellrot,  oft  fast 
ziegelrot  färben,  gleichfalls  aus  Körnchen  wie  die  obigen  bestehen 
und  einen  grösseren  Teil  des  Zellprotoplasmas  anfüllen  und  zwar  bald 
als  rundlicher  Einschluss,  bald  eine  Protoplasmahälfte  der  spindeligen 
Zelle  fast  ganz  ausfüllend  (Fig.  5  und  6).  Diese  wurden  in  den 
Ausstrichen  meist  nur  spärlich  gefunden,  reichlich  dagegen  in  den 
Schnitten  (s.  unten). 

Bei  den  unter  I.  genannten  Einschlüssen  ist  es  nicht  aus- 
zuschliessen,  dass  ein  Teil  (die  homogenen  kleinen?)  vielleicht 
Kernabschnürungen  darstellt.  Ein  grosser  Teil  der  Einschlüsse 
ist  ihrem  Aussehen  nach  mit  den  sogen.  Chlamydozoenci li¬ 
sch  Bissen  vergleichbar.  Leider  Hessen  sich  wegen  des  ge¬ 
ringen  Materials  bisher  nicht  viele  andere  Färbungsmethoden 
anwenden.  So  ist  es  auch  nicht  sicher  zu  entscheiden,  ob 
die  feingranulierten  kleinen  Einschlüsse  in  die  unter  II.  be¬ 
schriebenen  allmählich  übergehen;  immerhin  erscheint  uns 
dies  wahrscheinlich. 

In  frischen  Präparaten,  im  Dunkelfeld,  in  Vitalpräparaten 
und  in  gefärbten  Ausstrichen  wurden  auch  mehrfach  feine, 
den  bei  Variola  beschriebenen,  ähnliche  Körperchen  gesehen; 
über  ihre  Natur  können  wir  nichts  aussagen. 

Säurefeste  Bazillen,  wie  sie  von  anderer  Seite  beschrieben 
wurden,  fanden  wir  bei  Z  i  e  h  1  scher  Färbung  nicht. 


Die  histologische  Untersuchung  von  mehreren  1. 
tanen  und  subkutanen  Knötchen  ergab  ein  verschied*  - 
artiges  Bild,  welches  nicht  auf  essentiellen  Differenzen  I. 
ruhte,  sondern  in  der  ungleichen  Anordnung  und  Entwickh : 
der  verschiedenen  Komponenten  seine  Erklärung  findet. 

Das  Wesentliche  am  Verrugaknötchen  ist  eine  Wuchert; 
von  Gefässen  bzw.  Gefässwandzellen,  zu  welcher  sich  starl < 
Oedem  und  kleinzellige  Infiltration  gesellen. 

Bei  der  Wucherung  der  Gefässelemente  kann  man  di 
verschiedene  Typen  unterscheiden,  die  ineinander  übergelE 
und  nebeneinander  bestehen  können. 

Erstens  kann  die  Gefässwucherung  unter  dem  Bilde  *}i 
Neubildung  von  Blutkapillaren  erscheinen,  wobei  nur  die  Zi 
und  die  unregelmässige  Anordnung  derselben  ungewöhnll 
sind.  Starkes,  ausgedehntes  Oedem  pflegt  diese  Gefässbildik 
zu  umgeben. 

Ein  anderer  Typus  der  Gefässwucherung  besteht  in  i 
massiven  Proliferation  von  Angioblasten,  die  zu  der  Bildijj. 
von  kompakten  geschwulstähnlichen  Gewebszügen  und  ZI 
nestern  führt.  Diese  Erscheinung  ist  die  für  die  Verrm 
knötchen  am  meisten  charakteristische.  Die  Zellen  haben  di 
spindelartige  Gestalt  oder  besitzen  mehrere  Ausläufer;  i 
Protoplasma  ist  ziemlich  homogen,  und  die  Kerne  sind  i 
mässig  reich  an  Chromatin.  Zwischen  den  kompakten  <e 
webssträngen  findet  man  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  e 
biete,  die  sich  durch  Zellarmut  und  starkes  Oedem  keh 
zeichnen.  Wenn  die  kompakten  und  ödematösen  Gebt 
deutlich  ausgebildet  sind,  bieten  die  Vcrrugaschnitte  ein  l 
gemein  charakteristisches  Bild.  An  den  Grenzstellen  bei: 
Gebiete  werden  meistens  zahlreiche  einkernige  Zellen  i» 
lymphozytärem  Typus  gefunden,  welche  mindestens  zum  : 
aus  den  spindeligen  Zellen  (Angioblasten)  abzustamip 
scheinen. 

Im  Protoplasma  vieler  dieser  Zellen  findet  man  Einschlii  i 
die  mit  den  als  Chlamydozoeneinschliisse  bei  andu 
Krankheiten  beschriebenen  Gebilden  die  grösste  Analdi 
bieten.  Sie  sind  nur  nach  Romanowsky-Giemsadi 
lieh  darstellbar.  Sie  können  neben  dem  Kern  oder  von  dien 
weit  entfernt  liegen,  sind  zuweilen  homogen,  meistens  ju 
feinen,  gleichmässig  grossen  Körnchen  bestehend.  Mit  p 
Granulis  anderer  Zellen  (Leukozyten,  Mastzellen),  welcbu 
demselben  Material  vorhanden  sind,  infolgedessen  unter  - 
gleichen  Bedingungen  gefunden  werden,  stimmen  die  Kn 
chen  der  Einschlüsse  weder  in  der  Zahl,  noch  in  der  Grc« 
noch  in  der  Färbung  überein.  Die  Gestalt,  Grösse  und  U 
der  meisten  Einschlüsse  schliesst  die  Möglichkeit  vollkomje 
aus,  dass  es  sich  um  degenerierte  Kerne  handeln  könt 
umsomehr,  als  sie  nur  in  einem  Gewebe  vorhanden  sind,  v 
keinerlei  Degenerationserscheinungen  zu  bemerken  sind.  ] 
es  nicht  möglich  ist,  diese  Einschlüsse  mit  irgend  einer  > 
kannten  Zellveränderung  zu  identifizieren,  sie  aber  mit  £ 
Chlamydozoeneinschlüssen  übereinstimmen,  scheint  es  i 
möglich,  dass  es  sich  hier  um  solche  handelt.  Mit  de:: 
Erythrophagen  enthaltenen  Resten  von  phagözytierten  r:c 
Blutkörperchen,  wie  sie  von  Bindo  de  Vecchi  bescli' 
ben  worden  sind,  haben  unsere  Einschlüsse  nichts  zu  tun. 

Der  Umstand,  dass  eine  derartige  spezifische  Gewp 
Wucherung  eine  Eigentümlichkeit  der  Chlamydozoenkn! 
heiten  ist,  macht  die  obige  Annahme  wahrscheinlich.  Ein. 
sammenhang  dieser  Einschlüsse  mit  anderen,  dicht  neben  p 
Kern  liegenden,  runden  Gebilden,  die  sich  färberisch  und  Stil 
turell  wie  diese  verhalten,  ist  nicht  gefunden  worden. 

Eine  dritte  Modalität  der  Gefässerscheinungen  bestel 
der  Erweiterung  von  nebeneinander  entstandenen  Gefä'-' 
die  einen  kavernösen  Bau  der  betreffenden  Gebiete  zur  F? 
hat.  Dieses  Bild  wurde  nur  an  der  äusseren  Fläche  der  cs 
flächlichen  Hautknoten  gefunden. 

Tierversuche. 

Es  wurden  nach  dem  Vorgehen  von  Jadassohn  i 
S  e  i  f  f  e  r  t  (Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infekt.-Krankh.,  Bd.  66,  H 
eine  Reihe  von  Affen  an  den  oberen  Augenlidern,  zürn  < 
auch  an  der  Nase  geimpft.  Die  bisher  erreichten  p  o  s  i  t  i 
Resultate  waren  die  folgenden: 

Affe  1  (Cercopithecus)  erhält  am  .18.  XII.  12  zerriebenes  Mai 
einer  grossen  ulzerierten  Papel  über  beiden  Augen  in  Hauttas e 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


7-41 


,pril  1913. 


•  Rest  wird  nach  Skarifikation  an  der  Nase  eingerieben.  Am 
13  ensteht  über  dem  linken  Lid  ein  gerötetes,  stecknadelkopf- 
;es  Knötchen,  das  bis  zum  13.  II.  bis  zu  Kleinerbsengrösse  heran¬ 
ist.  Auch  auf  der  Nase  ist  eine  winzige  rote  Papel  sichtbar. 
15.  II.  ist  bereits  die  Rötung  beider  Paoeln  geschwunden  und 
; ;  kleiner  geworden.  Exstirpation  der  Lidpapel  ergibt  makro- 
pisch  typisches  Verrugaknötchen,  was  auch 
histologische  Befund  bestätigt.  Ein  Teil  wird  am 
I.  auf  Affen  4  verimpft  .  .  .;  am  12.  111.  wird  bei  ihm  eine  Papel 
.  bar. 

Affe  3  (kleiner  Macacus  rhesus)  erhält  am  18.  XII.  12  kleine, 
i  lieh  junge,  oberflächliche  Papel  über  beiden  Augen  (wie  oben). 
>1.  13  entsteht  links  oberflächlich  ein  Knötchen,  das  bis  29.  I. 
ich  wächst,  nicht  gerötet  ist,  von  ca.  6  mm  Durchmesser.  Rechts 
'  es  Knötchen.  Am  4.  II.  13  Exstirpation  des  linken  Knötchens; 
rroskopisch  und  histologisch  typischer  Ver¬ 
aknoten.  Geimpft  wird  mit  dem  Material  Affe  7. 

Affe  5  (Macacus  rhesus)  wird  am  8.  I.  mit  dem  Berkefeklfiltrat 
Aufschwemmung  von  4  zerriebenen  Papeln  über  den  Augen  ge- 
jt,  bleibt  stets  negativ  und  wird  am  4.  III.  mit  Papel  von  Affe  7 
iziert. 

Affe  7  (Macacus  rhesus),  4.  II.  13  über  beiden  Lidern  mit  Papel 
Affe  3  geimpft;  am  25.  II.  kleines  Knötchen  links,  am  4.  111. 
ts  Knötchen  von  Halberbsengrösse  wird  exstirpiert;  makro- 
ipisch  und  histologisch  typischer  Verruga- 
iten.  Material  wird  verimpft  auf  Affen  5. 

Es  gelang  also  —  wie  dies  zuerst  Jadassohn  und 
iffert  zeigen  konnten  —  auch  uns  die  Uebertragung  von 
rugapapeln  auf  Affen.  In  der  ersten  Passage  betrug  die 
ibation  45  bzw.  34  Tage,  in  der  2.  Passage  nur  21,  es  ist 
auch  hier  eine  Virulenzsteigerung  festgestellt  worden, 
•ndwelche  Allgemeinerscheinungen  zeigten  die  Affen  eben¬ 
em.?  wie  charakteristische  Blutveränderungen. 

Zusammenfassung. 

Bei  einem  sicheren  Fall  von  Verruga  peruviana  wurden 
len  Hautknötchen  Einschlüsse  in  den  gewucherten  Zellen 
unden.  die  dafür  sprechen,  dass  diese  Krankheit  in  die 
i  ppe  der  sogen.  Chlamydozoenkrankheiten  gehört.  Ueber- 
;ung  auf  Affen  gelang. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Augenklinik  zu  München 
(Vorstand :  Geh.  Rat  Professor  Dr.  C.  v.  H  e  s  s). 

Ueber  doppeltbrechende  Myeline  in  Katarakten. 

Von  Dr.  Michael  Hoffman  n,  Assistenzarzt. 

In  den  Jahren  1857  und  58  wies  Mette  nheimer1)  auf 
Vorkommen  doppeltbrechender  Substanzen  in  den  athero- 
:ösen  Ablagerungen  der  Arterien  sowie  in  kataraktösen 
sen  hin,  die  er  mit  dem  Myelin  von  Virchow  identifizierte. 
Diese  Befunde  gerieten  in  Vergessenheit,  bis  durch  die 
ersuchungen  von  Kaiser  1  in  g  und  Orgler  auf  die 
chtigkeit  des  Verhaltens  lipoider  Substanzen  im  polari- 
ten  Licht  hingewiesen  wurde.  Die  Angaben  Mettcn- 
imers  über  das  Verhalten  des  fettartigen  Körpers  in 
eromatösen  Arterien  wurden  bestätigt.  Das  Auftreten 
ipeltbrechender  lipoider  Substanzen  bei  Katarakt  wurde  be¬ 
tten  2) 3). 

Es  konnte  nun  an  der  hiesigen  Klinik  bei  sämtlichen  bis- 
daraufhin  untersuchten  Katarakten  ein  Körper  festgestcllt 
rden,  der  in  wesentlichen  Punkten  der  Beschreibung 
etten  heimers  entspricht.  Die  wichtigsten  Eigen- 
aften  dieser  Substanz  sind  folgende: 

Sie  tritt  in  gelblichen,  mässig  stark  glänzenden,  eine 
izentrische  Schichtung  zeigenden  Kugeln  oder  in  ausgebil- 
en  Myelinfiguren  auf. 

Bei  Untersuchung  im  Polarisationsmikroskop  erweist  sie 
ih  als  mehr  oder  minder  stark  doppeltbrechend.  Beim  Er- 
rmen  geht  die  Doppeltbrechung  nicht  verloren. 


’)  Mettenheimer:  Korrespondenzblatt  des  Vereins  für 
leinschaftliche  Arbeiten  zur  Förderung  der  wissenschaftlichen 
•künde  1857,  24,  p.  331;  1858,  31,  p.  467. 

*)  F.  Munk:  Kommen  doppeltbrechende  Substanzen  (Myelin) 
der  fettigen  Degeneration  des  Herzmuskels  vor?  Inaug.-Diss. 
lin  1908. 

3)  Toufesco:  Annales  d’Oculistique,  Bd.  136,  1906,  p.  1. 
übrigen  sei  auf  die  Arbeiten  von  Asch  off:  Zieglers  Beiträge, 
.47,  1909,  p.  1  und  von  Kawamura:  Die  Cholesterinester- 

lettung,  Jena  1911,  verwiesen. 


Bei  Zusatz  von  Alkohol  löst  sich  die  Substanz  auf  bis  auf 
einen  schattenhaften  Rest,  der  in  der  Regel  nachweisbar  bleibt. 

Sie  löst  sich  nicht  bei  Zusatz  von  Aceton. 

Mit  Osmiumsäure  färbt  sie  sich  hell-  bis  tief  dunkelgrau. 

Weder  in  konzentrierter  Schwefelsäure  noch  im  Reagens 
von  O  o  1  o  d  e  t  z  ändert  sie  ihre  Farbe. 

Mit  Sudan  III  färbt  sie  sich  gar  nicht  oder  ganz  schwach 
orange.  Aehnlich  verhält  sie  sich  gegen  Neutralrot.  Auch 
mit  Nilblausulfat  wurde  keine  Färbung  erzielt. 

Diese  Substanz  Hess  sich  nachweisen  in  der  mehr  oder 
minder  getrübten  Kortikalis  von  mehr  als  30  Altersstarcn, 
ferner  bei  vereinzelten  zur  Operation  gelangenden  Exemplaren 
von  Cataracta  traumatica,  zonularis  und  sogen.  Chorioideal- 
katarakt.  In  zwei  normalen  Linsen  Hess  sich  kein  einziger 
sicherer  Myelinkörper  nachweisen,  zweifelhafte  in  ver¬ 
schwindend  geringer  Zahl.  Von  den  beiden  normalen  Linsen 
wurde  ein  Teil  der  Autolyse  unterworfen  (leider  wurden  bak¬ 
terielle  Verunreinigungen  nicht  ganz  vermieden).  In  beiden 
Fällen  konnten  nach  Beendigung  des  Versuches  typische 
doppeltbrechende  Myelinkörper  in  ausreichender  Zahl  auf¬ 
gefunden  werden,  ein  Befund,  der  dadurch  an  Bedeutung  ge¬ 
winnt,  dass  auch  andere  Analogien  zwischen  kataraktösem 
Zerfall  der  Linse  und  autolytischen  Zerfallsprozessen  bestehen. 


Vom  pathologisch-anatomischen  Institut  zu  Christiania  (Nor¬ 
wegen). 

Ueber  angeborene  Tuberkulose. 

Von  Francis  Harbitz, 

Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und  path.  Anatomie  an 
der  Universität  zu  Christiania. 

Obgleich  wohl  die  meisten  Verfasser  jetzt  den  Standpunkt 
vertreten,  dass  eine  angeborene  tuberkulöse  Infektion  selten 
vorkonnnt,  ist  diese  Auffassung  doch  nicht  gänzlich  durch¬ 
gedrungen,  z.  B.  meinen  ja  v.  Baumgarten  und  seine 
Schüler  etwas  ganz  anderes.  Es  dürfte  daher  berechtigt  sein, 
fortlaufend  Untersuchungen  mitzuteilen,  die  zur  Lösung  dieser 
wichtigen  Frage  beitragen  können. 

Folgende  Fälle  sind  kürzlich  am  pathologisch-anatomischen 
Institut  des  Reichshospitales  in  Christiania  zur  Untersuchung 
gelangt,  und  merkwürdigerweise  wurden  Mutter  und  Kind  an 
ein  und  demselben  Tage  obduziert  (am  6.  II.  1912). 

Ueber  die  Mutter  hat  der  Direktor  der  Entbindungs¬ 
anstalt  zu  Christiania,  Herr  Professor  Dr.  med.  Brandt, 
giitigst  folgendes  mitgeteilt: 

Sie  war  eine  26  jährige,  verheiratete  Frau,  Primipara.  Vor 
6  Jahren  hatte  sie  Pleuritis.  Später  wurde  sie  leicht  „erkältet“  mit 
Husten,  doch  ohne  Auswurf.  Sonst  hat  sie  sich  wohl  befunden  und 
deshalb  nie  einen  Arzt  befragt.  Während  der  Schwangerschaft  litt 
sie  an  Uebelkeit  und  Erbrechen,  hat  sich  aber  sonst  gesund  ge¬ 
fühlt.  Bei  der  Ankunft  in  der  Entbindungsanstalt,  am  8.  I.,  wurde 
eine  tuberkulöse  Infektion  in  der  rechten  Lungenspitze  gefunden. 

Nach  der  Entbindung  (am  8.  I.),  die  11  Stunden  dauerte,  war 
sie  anhaltend  febril  und  die  physikalischen  Befunde  über  dem  Lungen 
(bronchitische  Geräusche,  Rasselgeräusch  usw.)  nahmen  stetig  zu; 
sie  starb  am  5.  II.  — -  28  Tage  nach  der  Entbindung. 

Bei  der  Obduktion  fand  man  ausser  fibrösen  Adhärensen  über 
der  linken  Lunge  in  den  Lungenspitzen  eine  chronische  Tuberkulose 
älteren  Datums  mit  narbigem  Bindegewebe,  fibrösen  Tuberkeln  und 
fermer  in  der  linken  Lungenspitze  eine  walnussgrosse  und  mehrere 
kleinere  Kavernen,  teilweise  mit  käsigem  Inhalt  und  Tuberkeln  in 
den  Wänden. 

Ausserdem  fand  sich  eine  Miliartuberkulose  mit  ver¬ 
streuten  Tuberkeln  in  den  Lungen  (wo  sie  gross  und  zahlreich 
waren),  auf  den  Pleurablättern,  im  Peritoneum,  sowie  in  Leber, 
Milz  und  Nieren. 

Die  Genitalien  zeigten  bedeutende  Veränderungen.  Die 
rechte  Tube  war  stark  geschwollen,  gekrümmt,  gefüllt  mit  einer 
käsigen  oder  kittartigen  Masse  —  eine  tuberkulöse  Salpin¬ 
gitis  älteren  Datums. 

Der  Uterus  war  gross,  weich,  10cm  lang,  6cm  breit;  Portio 
uteri  war  offen;  die  Innenseite  der  Wand  leicht  blutinfiltriert  mit 
spärlichem,  schleimigem  Belag  ohne  Zeichen  einer  puerperalen  In¬ 
fektion;  auch  keine  Zeichen  einer  Entzündung  in  den  Parametrien. 
Keine  zurückgebliebenen  Plazentarreste.  An  der  Plazentarstelle  im 
Fundus  sah  man  einige  kleine  knotige  grauweisse  Prominenzen,  die 
grösstenteils  Tuberkeln  glichen.  Mikroskopisch  fand  man  hier 
in  einem  begrenzten  Teil  der  Decidua  basalis  ein  typisches,  tuber¬ 
kulöses  Granulationsgewebe  mit  grossen  käsigen  Tuberkeln;  hier 
waren  keine  Villi  chorii  und  nur  undeutliches  Dezidualgewebe.  Die 


7  42 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


No.  1 


Tuberkeln  lagen  ziemlich  tief  in  der  Wand;  sie  waren  in  grossem 
Umfange  degeneriert,  teilweise  fibrös  mit  epitheloiden  Zellen,  Riesen¬ 
zellen  usw.  Die  Plazenta,  die  490  g  wog  und  16X19  cm  mass, 
wurde  leider  nicht  aufbewahrt  und  deshalb  auch  nicht  mikroskopisch 
untersucht. 

Das  Kind  war  bei  der  Geburt  mager  und  klein;  die  Länge 
betrug  47  cm  und  das  Gewicht  1400  g;  wahrscheinlich  war  es  bei 
der  Geburt  nicht  reif,  wohl  35- — 36  Wochen  alt.  Das  Kind  hatte 
eine  Missbildung,  nämlich  6  Finger  an  jeder  Hand  und  6  Zehen  am 
rechten  Fuss.  Es  war  mager  und  elend,  wurde  mit  fremder  Mutter¬ 
milch  ernährt,  nahm  aber  nur  wenig  zu.  Es  lag  kaum  im  Arm 
der  Mutter,  da  die  Lungentuberkulose  der  Mutter  bald  erwiesen 
wurde,  sondern  befand  sich  in  einem  Bett  mehrere  Meter  von  der 
Mutter  entfernt  uhd  wurde  mit  Milch  ernährt,  die  einer  anderen, 
gesunden  Frau  entnommen  wurde.  Es  starb  unter  zunehmender  Hin¬ 
fälligkeit  am  2.  II.;  25  Tage  alt. 

Die  Obduktion  erwies  eine  starke  Abmagerung;  das  Ge¬ 
wicht  betrug  1930  g,  die  Länge  49  cm.  Das  untere  Ende  des  Schenkels 
enthielt  einen  etwa  4  mm  grossen  Knochenkern;  die  Verknöcherungs¬ 
zone  war  überall  scharf.  Kein  Exsudat  in  den  Pleurahöhlen  oder  im 
Herzbeutel.  Die  Lungen  waren  gross,  überall  lufthaltig  und 
krepitierend.  Die  Substanz  war  von  zahlreichen  hanfsamengrossen 
gelben  Infiltraten  durchsetzt,  die  ziemlich  gleichmässig  über  beide 
Lungen  und  sämtliche  Lungenlappen  verteilt  waren.  Gegen  die  Basis 
der  Lungen  hin  konfluierten  einzelne  zu  etwas  grösseren  Infiltraten. 
Keine  ramollierten  Herde,  keine  eigentlichen  Tuberkel.  Die  Lungen 
waren  so  dicht  von  Tuberkeln  durchsetzt  und  so  fest,  dass  sie  auf 
ihrer  Basis  stehen  konnten.  An  der  Trachea  entlang  bis  gegen  Hilus 
pulmonum  hin  waren  die  Lymphdrüsen  etwas  vergrössert,  gelb- 
weiss,  käsig  degeneriert;  dagegen  sah  man  keine  deutliche  Schwellung 
der  Bronchialdrüsen  und  auch  nicht  der  Halsdrüsen,  die  kaum  hanf¬ 
samengross  und  von  graurötlicher  Farbe  waren.  Im  Hilus  hepatis  sah 
man  auch  keine  käsigen  oder  geschwollenen  Lymphdrüsen. 

Die  Leber  war  etwas  gross  (Gewicht  100g),  weich,  blass, 
zeigte  keine  makroskopischen  Tuberkeln  oder  käsige  Herde.  Die 
Milz  war  von  etwa  gewöhnlicher  Grösse  (Gewicht  11g),  blaurot, 
ohne  deutliche  Tuberkeln.  Bei  den  Nieren,  den  sonstigen  Urin¬ 
organen  oder  Geschlechtsorganen  sowie  dem  Gedärm  war  nichts 
Besonderes  zu  bemerken.  Die  Mesenteriallymphdrüsen  waren  nicht 
geschwollen;  sie  waren  grauweiss,  ohne  jegliche  käsigen  Herde. 

Mikroskopisch  sah  man  im  Schnitt  der  käsigen  Knoten  in 
den  Lungen:  Starke  Hyperämie  der  Gefässe  in  den  Alveolarsepta, 
gleichzeitig  mit  hie  und  da  etwas  rundzelliger  Infiltration.  Die 
Alveolen  waren  gefüllt  mit  einem  teils  serösen,  teils  fibrinösen  Ex¬ 
sudat,  untermischt  mit  grossen  Mengen  epithelartigen  Zellen  und 
ausserdem  an  einzelnen  Stellen  mit  Leukozyten.  Auch  in  den  Bron¬ 
chien  Exsudat  derselben  Art.  Diese  Partien  gingen  ohne  jegliche 
Zone  proliferierenden  Bindegewebes  in  die  käsig  degenerierten  Teile 
über,  wo  die  Struktur  bald  gänzlich  verschwand.  In  der  Ueber- 
gangszone  konnte  man  hie  und  da  einzelne  grössere  Zellen  sehen, 
mit  unregelmässigen  Kernen  mit  reichlicher  Chromatinsubstanz,  doch 
keine  vollentwickelten  Riesenzellen  und  durchaus  keine  tuberkel¬ 
artigen  Bildungen.  Ueberall  in-  und  ausserhalb  der  käsig  degene¬ 
rierten  Teile  sah  man  in  grossen  Haufen  ungeheure  Mengen  von 
Tuberkelbazillen,  so  dass  die  Schnittpräparate  ganz  rot  waren;  oft 
waren  sie  in  Bündeln  oder  Büscheln  geordnet,  die  an  die  Erschei¬ 
nungen  beim  Reinzüchten  erinnern,  indem  die  Tuberkelbazillen  gleich¬ 
sam  ohne  Schranken  und  Hindernisse  irgendwelcher  Art  wuchsen. 
Die  Entzündung  war  auch  eine  reine  Exsudation  mit  Nekrose,  aber 
ohne  Tuberkelbildung  oder  andere  Zeichen  einer  starken  Reaktion 
von  seiten  des  Organismus. 

3  Meerschweinchen  wurden  mit  Stücken  1.  der  Leber,  2.  der 
Lungen  und  3.  der  Plazentarstelle  im  Uterus  geimpft;  alle  3  Tiere  be¬ 
kamen  Tuberkulose,  und  von  den  tuberkulösen  Organen  wurden  Tu¬ 
berkelbazillen  gezüchtet,  welche  Eigenschaften  der  Tuberkelbazillen 
vom  Typus  humanus  besassen. 

Epikrise:  Das  Kind  ist  also  an  einer  tuberkulösen 
Lungenaffektion,  25  Tage  nach  der  Geburt,  gestorben.  Alle 
Bedingungen  zur  Annahme  einer  angeborenen  Infektion 
scheinen  hier  vorhanden  zu  sein.  Die  Mutter  litt  an  einer 
Tuberkulose  im  Endometrium  an  der  Plazentarstelle,  so  dass 
die  Möglichkeit  einer  Uebertragung  von  Tuberkelbazillen  direkt 
in  das  Blut  des  Kindes  sich  hiermit  von  selbst  ergibt.  Der  Uterus 
wurde  wahrscheinlich  während  der  Schwangerschaft  von  den 
Tuben  aus  infiziert,  wo  sich  eine  ältere  tuberkulöse  Affektion 
vorfand.  Doch  wurde  bei  der  Mutter  auch  eine  Miliartuber¬ 
kulose  erwiesen,  so  dass  die  Möglichkeit  einer  hämatogenen 
Infektion  der  Plazenta  und  des  Kindes  nicht  ausgeschlossen 
werden  kann,  wenn  mir  dies  auch  weniger  wahrscheinlich 
deucht.  Es  lässt  sich  also  als  Ausgangspunkt  der  Infektion 
des  Fötus  am  meisten  wahrscheinlich  eine  Plazentar¬ 
tuberkulose  annehmen.  Ohne  mich  weiter  auf  die  Frage 
einzulassen,  zu  welchem  Zeitpunkt  die  Infektion  eines  Kindes 
mit  angeborener  Tuberkulose  dem  Vermuten  nach  stattfinden 


kann  (ob  1.  eine  germinative  oder  konzeptionelle  oder  2.  pl 
zentare  Infektion),  möchte  ich  mich  nur  dahin  äussern,  da 
meinem  Dafürhalten  nach  die  plazentare  Infektionsweise  c 
häufigste  ist,  was  unser  Fall  ja  auch  bestätigt. 

Das  Kind  wurde  so  früh  von  der  Mutter  entfernt,  da 
man  sagen  muss,  die  Ansteckungsgefahr  durch  sie  (durch  1 
halation  oder  durch  die  Milch)  konnte  nur  eine  ganz  gerin 
sein. 

Demnächst  müssen  die  ganz  bedeutenden  und  ai 
gedehnten  tuberkulösen  Veränderungen  in  den  Lungen  ul 
Lymphdrüsen  mit  in  Betracht  gezogen  werden,  die  schon  i 
und  für  sich  eine  Infektion  des  Kindes  vor  der  Geburt  wab 
scheinlich  machen. 

In  Ansehung  aller  dieser  verschiedenen  Umstände  mi, 
man  annehmen,  dass  man  es  hier  mit  einer  angeboren  i 
tuberkulösen  Infektion  zu  tun  hat,  die  schon  25  Tage  nach  v 
Geburt  vom  Tode  des  Kindes  an  ausgedehnter  Tuberkuh .> 
gefolgt  wurde. 


In  dieser  Verbindung  macht  sich  übrigens  die  Frage  d- 
tend,  inwiefern  man  eine  Infektion  nach  der  Geburt  in  dies);' 
oder  in  ähnlichen  Fällen  ausschliessen  kann,  wo  anatomisch 
Veränderungen  solchen  Umfangs  wie  hier  vorliegen.  In  andern 
Worten,  wie  bald  kann  ein  neugeborenes  KirJ 
das  von  seinen  tuberkulösen  Umgebung 
mit  Tuberkulose  infiziert  wurde,  an  diesi 
Tuberkulose  sterben?  Die  alltägliche  Erfahrt . 
lehrt,  dass  ein  Säugling  einer  tuberkulösen  Infektion  sehr  bj( 
erliegt.  In  einer  früheren  Arbeit1)  habe  ich  eine  Reihe  ji 
Säuglingen  geschildert,  die  im  Alter  von  3,  2)4  und  2  Monai 
an  Tuberkulose  starben,  und  zwar  wahrscheinlich  durch  et 
Infektion  nach  der  Geburt,  und  ich  sprach  als  meine  Ansih 
aus,  dass  man  zugeben  müsse,  eine  tödlich  verlaufende  Tulr 
kulose  könne  sich  schon  in  den  ersten  6  Wochen  u 
Grundlage  einer  nach  der  Geburt  erworbenen  Infektion  d 
wickeln.  Und  späteren  Erfahrungen  nach  wäre  ich  genc; 
die  Grenze  noch  enger  —  auf  etwa  1  Monat  —  anzuseta 
In  anderen  Worten,  ist  das  Kind  1 — 2 — 3  Monate  alt  und  i 
wenn  auch  nur  kürzere  Zeit  hindurch,  in  tuberkulöser  Ir 
gebung  gelebt,  so  können  keine  Schlussfolgerungen  dam 
gezogen  werden,  inwiefern  die  Infektion  vor  oder  nach  je 
Geburt  stattgefunden  hat.  Andererseits  können  allerdings  ap 
neugeborene  Kinder,  die  bei  der  Geburt  infiziert,  aber  scfi 
von  ihren  tuberkulösen  Müttern  entfernt  werden,  noch  ländr 
Zeit  hindurch  —  %—A — 1  Jahr  und  länger  —  leben,  ehe^i 
der  Tuberkulose  erliegen.  Ob  sie  noch  länger  —  Jahre  n 
Jahrzehnte  hindurch  —  leben  können,  wie  v.  B  a  u  m  g  a  r  ; 
behauptet,  ist  dagegen  wohl  höchst  zweifelhaft  und  jeden  1 
bis  jetzt  gänzlich  unerwiesen. 

In  dem  vorliegenden  Fall  aber  müssen  wir  eine  ati 
borene  Infektion  annehmen.  Solche  Fälle  sintl>;  w*e  bekap 
äusserst  selten.  Dies  geht  aus  folgendem  hervor: 

a)  In  der  gesamten  Literatur  finden  sich  nur  Mitteilum 
von  etwa  120  Fällen  vor,  und  werden  diese  Fälle  däi 
gesichtet,  bleiben  kaum  mehr  als  etwa  20  übrig,  die  eine  stry 
Kritik  bestehen  können  (es  sei  auf  die  Zusammenstelluu 
von  Hauser,  Lebküchner,  A.  Wassermann,  Sei  i 
ter,  Sitzenfrey2)  verwiesen).  Einen  Fall  ziem 
sicherer,  angeborener  Infektion  bei  einem  neugebor  j 
3  Wochen  alten  Kinde  habe  ich  früher  mitgeteilt  (1.  c.  S.  ‘ 
die  Mutter  litt  an  einer  Lungentuberkulose,  an  der  sie  snt 
starb;  das  Kind,  das  bei  der  Mutter  verblieb  und  von  ihrg 
nährt  wurde,  starb  3  Wochen  alt  und  zeigte  eine  ausgede' 
und  bedeutende  Lungentuberkulose  mit  zahlreichen  Tubeie 
und  tuberkulös-pneumonischen  Herden.  Die  Möglichkeit  (jt 
jedenfalls  fortgesetzten  tuberkulösen  Infektion  nach  der  1 
burt  war  in  diesem  Falle  vorhanden,  aber  die  anatomis»1 
Veränderungen  waren  so  bedeutend  und  so  weit  gediu 
dass  man  kaum  umhin  kann  anzunehmen,  das  Kind  sei  " 
schon  bei  der  Geburt  infiziert  gewesen. 


1)  Untersuchungen  über  die  Häufigkeit,  Lokalisation  und  1 
breitungswege  der  Tuberkulose  im  Kindesalter.  Videnskab.-' 
kabets  skrifter,  I.  Math.  Naturv.  Kl.,  1904.  No.  8.  Kristiania  190- 
-)  Die  Lehre  von  der  kongenitalen  Tuberkulose  mit  beson  1 
Berücksichtigung  der  Plazentartuberkulose.  Berlin  1909. 


3.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


743 


b)  Nach  derselben  Richtung  hin  —  die  Seltenheit  also  der 
angeborenen  Infektion  betreffend  —  deutet  demnächst  der 
wohlbekannte  Umstand,  dass  das  Vorkommen  erweisbarer 
tuberkulöser  Infektion  mit  dem  Alter  rasch 
i.  u  nimmt,  und  zwarvon  Jahrzu  Jah  r,  und,  was  hier 
besonders  interessiert,  im  1.  Lebensjahr  auch  von 
Monat  zu  Monat.  Dies  geht  aus  allen  statistischen  Zu¬ 
sammenstellungen  hervor,  so  auch  aus  der  Uebersicht  über 
tuberkulöse  Infektion  im  Kindesalter,  die  ich  kürzlich  zu 
anderen  Zwecken  veranstaltete.  Die  wichtigsten  Ergebnisse 
hiervon  möchte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  vortragen. 

In  den  Jahren  1898 — 191 1  wurden  an  unserem  patho¬ 
logisch-anatomischen  Institut  im  ganzen  484  Kinder  im  Alter 
V0I1  0—15  Jahren  obduziert;  hiervon  erwiesen  sich: 

a)  Frei  von  tuberkulöser  Infektion  286:  59  Proz.. 

b)  Tuberkulös  infiziert  198:  41  Proz. 

Von  diesen  letzteren  waren: 

1.  QestorbenanTuberkulose  119:  60  Proz.  aller  Tuber¬ 
kulösen  (oder  24,4  Proz.  aller  Obduzierten). 

2.  Mit  Spuren  latenter  oder  obsoleter  Tuber¬ 
kulose3)  52:  26,3  Proz.  aller  Tuberkulösen  (oder  10,7  Proz.  aller 
Obduzierten). 

3.  Mit  latenten  Tuberkelbazillen4)  (erwiesen  durch 
Impfungen  an  Meerschweinchen)  27:  13,7  Proz.  aller  tuberkulös  In¬ 
fizierten  (oder  5,6  Proz.  aller  Obduzierten). 

Betreffs  des  Vorkommens  von  tuberkulöser  Infektion  in  den  ver¬ 
schiedenen  Jahren: 


Im 

l. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

li. 

12. 

13. 

14. 

15. 

Gesamtanzahl  der  Obduzier- 

teil  in  jedem  Jahr  .... 

201 

65 

26 

18 

16 

12 

13 

20 

9 

11 

14 

13 

13 

13 

40 

Tuberkulös  Infizierte  .... 

40 

17 

8 

6 

9 

10 

6 

13 

6 

8 

13 

9 

9 

12 

32 

Tuberkulös  Infizierte  in  Proz. 

20 

26 

31 

33 

56 

80 

46 

65 

67 

73 

93 

69 

69 

92 

80 

Wie  man  sieht,  steigen  die  Zahlen  von  20  Proz.  im 
1.  Lebensjahr  rasch  bis  auf  27,5  im  2.  und  3.  Lebensjahr  (25 
von  im  ganzen  91),  auf  44  Proz.  im  4.  und  5.  Lebensjahr 
(15  von  34)  und  bis  auf  75  Proz.  im  6.  bis  15.  Jahr  (118  von 
158  Kindern);  im  14.  und  15.  Jahr  allein  fand  man  49  von  53: 
85  Proz.  aller  obduzierten  Kinder  tuberkulös  infiziert. 

Ganz  besonderes  Interesse  aber  für  uns  bieten  in  dieser 
Verbindung  die  Zahlen  des  ersten  Lebensjahres  —  von  Viertel¬ 
jahr  zu  Vierteljahr. 

An  Kindern  in  den  ersten  3  Monaten  wurden  obduziert  82,  hier¬ 
von  frei  von  tuberkulöser  Infektion  76,  tuberkulös  infiziert  6. 

Im  2.  Vierteljahr  55,  hiervon  frei  von  tuberkulöser  Infektion  46, 
tuberkulös  infiziert  9. 

Im  3.  Vierteljahr  36,  hiervon  frei  von  tuberkulöser  Infektion  20, 

tuberkulös  infiziert  16. 

Im  4.  Vierteljahr  28,  hiervon  frei  von  tuberkulöser  Infektion  19, 

tuberkulös  infiziert  9. 

Also  im  1.  Halbjahr  fand  man,  dass  15  von  137  obduzierten 
Kindern  =  11  Proz.  tuberkulös  infiziert  waren,  aber  schon 
im  2.  Halbjahr  25  von  64  =  39  Proz.  — *  was  natürlich  stark 
dafür  spricht,  dass  die  Infektion  regelmässig  erst  nach  der 
Geburt  geschieht;  dies  geht  auch  aus  dem  Umstand  hervor, 
dass  Tuberkulose  im  1.  Lebensmonat  ausserordentlich  selten 
ist,  während  sich  im  2.  und  3.  Monat  schon  häufiger  Fälle  zu 
melden  beginnen,  in  denen  Tuberkulose  als  Todesursache  auf- 
tritt  oder  die  Infektion  in  Gestalt  von  latenten  Tuberkel¬ 
bazillen  sich  vorfindet;  dagegen  ist  eine  anatomisch  erweis¬ 
bare  latente  oder  obsolete  Tuberkulose  in  diesem  Alter  sehr 
selten. 

Aehnliche  Erfahrungen  vom  Sektionsmaterial  haben  auch 
andere  gemacht;  wir  wollen  uns  beschränken,  auf  die  Unter¬ 
suchungen  von  Hamburger3),  G  a  f  f  k  y ®),  Thomesco 
und  Gragosky7)  und  Ungermann8)  hinzuweisen. 
U ngermann  nahm  systematische  Impfungen  mit  Lymph- 
drüsen  von  Kindern  in  allen  Altern  vor  und  fand  keinen  Fall 
tuberkulöser  Infektion  bei  Kindern  bis  zu  2  Monaten  alt,  da- 


3)  Die  allermeisten  im  späteren  Kindesalter,  46  Fülle  nach  dem 

7.  Lebensjahr. 

4)  Viele  (13)  schon  im  1.  Lebensjahr,  später  vereinzelte  Fälle  bis 

zum  13  Jahr. 

J)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  36. 

“)  Tuberculosis,  Vol.  6,  No.  9- 

')  Mitgeteilt  aui  dem  Tuberkulosekongress  in  Rom  im  Jahre  1912. 
*)  Tuberkulose-Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamt  1912, 

H.  12. 


gegen  bei  10  Proz.  von  Kindern,  die  3 — 6  Monate  alt  waren, 
bei  23  Proz.  von  Kindern  im  Alter  von  6 — 12  Monaten,  bei 
37,5  Proz.  von  Kindern  im  2.  Lebensjahr. 

c)  Auch  systematische  Tuberkulin  Untersu¬ 
chungen  an  kleinen  Kindern  ergeben  das  gleiche;  in  dieser 
Beziehung  sei  auf  die  Untersuchungen  von  z.  B.  v.  P  i  r  q  u  e  t, 
Hamburger  und  Monti9)  verwiesen.  Besonders  inter¬ 
essant  sind  Thomescos  und  Gragoskis  Tuberkulin¬ 
untersuchungen  an  1080  gebärenden  Frauen  und  deren 
Kindern;  obgleich  sie  positive  Reaktion  bei  im  ganzen 
42  Proz.  sämtlicher  gebärenden  Frauen  erhielten  (hiervon 
hatten  59  klinisch  erweisbare  Tuberkulose),  gab  kein  einziges 
der  neugeborenen  Kinder  Reaktion. 

d)  Hiermit  im  Zusammenhang  steht  auch  das  regelmässig 
negative  Ergebnis  der  genauen  Untersuchungen  (ein¬ 
schliesslich  Impfungen  von  Organen)  über  tuberkulöse 
Infektion  bei  Kindern,  die,  geboren  von  Müttern  mit 
Tuberkulose,  schon  im  frühen  Alter  anderen  Krank¬ 
heitenerliegen.  In  meiner  Tuberkulosearbeit  von  1904 
(I.  c).  habe  ich  eine  Reihe  solcher  Erfahrungen  von  kleinen 
Kindern  mitgeteilt,  die  bezw.  1  Monat,  2,  3 lA,  10  und  11  Monate 
alt  starben,  sowie  von  einem  Fötus  von  6  Monaten  —  alle 
waren  von  tuberkulösen  Müttern  geboren,  doch  frei  von  tuber¬ 
kulöser  Infektion,  insofern  dies  durch  Inokulation  von  Organ¬ 
teilen  auf  Meerschweinchen  erwiesen  werden  kann.  Beson¬ 
deres  Interesse  bietet  der  eine  Fall,  wo  die  Untersuchung  eines 
Kindes,  das  einen  guten  Monat  alt  und  von  einer  ebenfalls  an 
Plazentartuberkulose  leidenden  Mutter  geboren  war,  nega¬ 
tives  Ergebnis  zeigte. 

Diese  Untersuchungen  habe  ich  später  fortgesetzt,  indem 
mir  die  letzten  Jahre  Gelegenheit  boten,  6  andere  Kinder  zu 
untersuchen  —  bezw.  lA  Tag,  1  Tag,  1  Tag,  2  Tage,  5  Wochen 
und  5  Wochen  alt  — ,  die  alle  von  tuberkulösen  Müttern  ge¬ 
boren  waren;  bei  keinem  dieser  Kinder  fanden  sich  makro- 
oder  mikroskopische  Veränderungen;  2  oder  3  Meerschwein¬ 
chen  wurden  mit  Stücken  der  Lunge,  Milz,  Leber  und  der 
Lymphdriisen  eingeimpft,  'aber  keines  der  Tiere  kriegte 
Tuberkulose. 

Aehnliche  Erfahrungen  haben  auch  andere  gemacht;  so 
hat  Sitzen  fr  ey  (1.  c.)  kürzlich  eine  Reihe  hiermit  ver¬ 
wandter  Fälle  (im  ganzen  19)  mitgeteilt;  andererseits  be¬ 
schreibt  er  aber  auch  3  sichere  Fälle  angeborener  Tuberkulose 
und  verschiedene  Befunde  (7)  von  Plazentartuberkulose  bei 
tuberkulösen  Frauen.  Solche  negative  Ergebnisse  sind  natür¬ 
lich  an  und  für  sich  nicht  überzeugend,  das  sind  nur  die  posi¬ 
tiven;  aber  die  Zahl  der  negativen  ist  jetzt  so  weit  ange¬ 
wachsen,  dass  sie  doch  stark  für  die  Annahme  spricht,  dass 
eine  tuberkulöse  Infektion  nur  selten  angeboren  ist. 

e)  Bestimmung  über  die  Art  der  Infektion  des  I  uber- 
kelbazillentypus  konnte  in  Betracht  gezogen  werden. 
Man  kann  wohl  kaum  erwarten,  hier  einen  Anhaltspunkt  zur 
Lösung  der  Frage:  Infektion  vor  oder  nach  der  Geburt  rp-  zu 
gewinnen.  Denn  auch  bei  einer  Infektion  in  den  ersten  Mo¬ 
naten  nach  der  Geburt  wird  die  Infektionsquelle  eine  tuber¬ 
kulöse  Mutter  oder  sonstige  kranke  Umgebungen  sein,  wes¬ 
halb  bei  Infektionen  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Geburt  auch 
zu  erwarten  steht,  Tuberkelbazillen  des  Typus  humanus  zu 
finden.  Im  ganzen  verhält  sich  dies  auch  so.  Bezüglich  dieser 
Frage  sei  auf  Ungermanns  (1.  c.)  und  Steffen- 
hagens10)  kürzlich  herausgekommene  Arbeiten  verwiesen. 
An  unserem  Institut  hat  der  erste  Assistent,  Dr.  de  Besehe11), 
auch  ähnliche  Untersuchungen  über  die  Häufigkeit  tuber¬ 
kulöser  Infektion  im  Kindesalter  gemacht,  in  Verbindung  mit 
der  Bestimmung  des  Tuberkelbazillentypus.  Dr.  deBesc  he 
fand,"  dass  die  Tuberkulose  bei  Kindern,  die  in  den  ersten 
6  Monaten  an  Tuberkulose  starben,  in  keinem  der  Fälle  auf 
Tuberkelbazillen  des  Typus  bovinus  beruhte.  Das  Ergebnis 
aller  dieser  Untersuchungen  besteht  darin,  dass  man  auch  bei 
Säuglingen  einige,  wenn  auch  sehr  wenige,  Fälle  von  Tuber¬ 
kulose  finden  kann,  die  vom  Tuberkel  des  Typus  bovinus  her- 


9)  Münch,  ined.  Wochenschr.  1909,  No.  9. 

10)  Untersuchungen  über  Säuglingstuberkulose.  I  uberkulose- 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  H.  11,  1912.  ■ 

u)  Bakteriologiske  undersökelser  over  barnetuberkulose.  I  niaeg' 
hefte  til  „Norsk  Magsin  for  Laegevidenskab“,  1912. 


7-14 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  R 


rühren  —  wo  die  Infektion  also  sicher  nach  der  Geburt  erfolgt 
ist;  die  Hauptmasse  jedoch  wird  durch  den  Tuberkelbazillen 
des  Typus  humanus  verursacht  und  hier  lässt  sich  also  bezüg¬ 
lich  der  Infektionszeit  nichts  erforschen 12). 

Im  ganzen  genommen  gibt  es  der  Beweisgründe,  die  zum 
Besten  der  Anschauung  vorgeführt  werden,  dass  eine  ange¬ 
borene  Infektion  (die  gegebenenfalls  auch  den  Aus¬ 
gangspunkt  für  eine  Tuberkulose  in  späterem  Alter  bilden 
kann)  regelmässig  und  häufig  vorkommt,  meiner 
Meinung  nach,  nur  wenige;  auch  sind  sie  nicht  sonderlich 
schwerwiegend.  Gestützt  auf  eigene  Erfahrungen  muss  auch 
ich  mich  denen  anschliessen,  die  da  meinen,  dass  die  aller¬ 
meisten  Tuberkulosefälle  bei  Erwachsenen  und  bei  Kindern 
auf  einer  Infektion  nach  der  Geburt  beruhen. 


Aus  der  inneren  Klinik  am  Hospital  zum  heiligen  Geist  in 
Frankfurt  a.  M.  (Direktor:  Prof.  Treupel). 

Die  röntgenologische  Darstellung  des  Processus 

vermiformis. 

Von  Dr.  Franz  M.  G  r  o  e  d  e  1,  Vorstand  des  Röntgenlabora¬ 
toriums  der  Klinik,  Arzt  in  Bad  Nauheim. 

Ucber  Röntgenuntersuchung  des  Wurmfortsatzes  haben 
seither  besonders  französische  Autoren  berichtet  (B  e  c  1  e  r  e 
1909,  A  u  b  o  u  r  g  1910,  Leven  und  Barr  et,  Desternes 
und  B  a  u  d  o  n),  von  Engländern  B  e  n  n  e  1 1  und  kürzlich 
J  o  r  d  a  n,  während  sich  in  der  deutschen  medizinischen 
Literatur  nur  eine  Publikation  von  Liertz  befindet.  In  den 
röntgenologischen  Monographien,  Hand-  und  Lehrbüchern  ist 
die  Frage  fast  stets  mit  Stillschweigen  übergangen  worden. 
Ich  selbst  habe  mich  vor  Jahresfrist  noch  dahin  geäussert, 
dass  ich  den  Wurmfortsatz  nie  im  Röntgenbild  nachweisen 
konnte.  Die  gleiche  Erfahrung  scheint  Rieder  gemacht  zu 
haben,  denn  er  bezeichnet  den  Wurmfortsatz  (Münch,  med. 
Wochenschr.  1906,  No.  3)  als  „auf  Röntgenbildern  nicht  sicht¬ 
bar“,  später  (Fbrtschritte,  Bd.  XVIII,  H.  2)  als  „auf  röntgeno¬ 
logischem  Wege  schwer  sichtbar  zu  machen“.  Im  Gegensatz 
hierzu  steht  die  Ansicht  der  meisten  französischen  Röntgeno¬ 
logen.  A  ub  o  u  r  g  sagt  z.  B.  (Arch.  d’electric.  med.,  Juli  1911), 
dass  der  Wurmfortsatz  häufig  mit  Wismut  gefüllt  werden 
kann,  so  dass  wir  seine  Lage  genau  feststellen  können. 
Desternes  und  B  a  u  d  o  n  (Arch.  d’electr.  med.,  1912,  S.  49) 
fanden  auf  100  Platten  von  Abdomenaufnahmen  5  mal  den 
Wurmfortsatz  dargestellt,  konnten  bei  4  gesunden  Personen, 
die  sie  speziell  daraufhin  untersuchten,  zweimal  die  Appendix 
nachweisen.  bei  3  Patienten  mit  appendikulären  Schmerzen 
einmal.  Aehnlich  zuversichtlich  äusserte  sich  Jordan  (Pro-, 
ceed.  of  the  Royal  Soc.  of  Med.  1911,  Vol.  V),  der  auch 
2  Fälle  abbildet,  in  welchen  ein  vielleicht  der  Appendix  ent¬ 
sprechendes  Schattengebilde  zu  sehen  ist. 

Schon  seit  längerer  Zeit  habe  ich  mein  Augenmerk  auf 
die  Frage  gerichtet,  ob  der  normale  Wurmfortsatz  röntgeno¬ 
logisch  darstellbar  ist,  ob  er  nur  durch  besondere  Methodik 
photographisch  festgehalten  werden  kann,  oder  ob  vielleicht 
bestimmte  Erkrankungen  seine  Sichtbarmachung  ermöglichen. 

Was  die  Methodik  anbetrifft,  so  ist  meiner  Ansicht  nach 
die  Röntgenoskopie  vollkommen  untauglich  für  die  Unter¬ 
suchung  des  Wurmfortsatzes.  Es  kann  hier  nur  die  Röntgeno- 
graphie  einwandfreie  Resultate  zeitigen,  und  auch  diese  nur 
bei  Verwendung  sehr  kurzer  Expositionszeiten.  Zunächst 
können  wir  mittels  des  Röntgeneinlaufes  den  Darm  füllen. 
Eine  Photographie  des  derart  gefüllten  Darmes  wird  aber  nur 
dann  die  Appendix  zeigen  können,  wenn  letztere  nicht  retro- 
zoekal  gelegen  oder  um  das  Zoekum  herumgeschlungen  ist. 
Deshalb  empfiehlt  es  sich,  nachdem  die  Einlaufflüssigkeit  durch 
Defäkation  wieder  entleert  ist,  nochmals  eine  Momentauf¬ 
nahme  der  Blinddarmgegend  zu  machen.  Wir  können  hoffen, 
dass  so  auch  ein  ungünstig  gelegener,  vorher  gefüllter  Wurm¬ 
fortsatz  infolge  des  haftengebliebenen  Metallsalzes  sich  dar¬ 
stellt.  Auch  bei  der  Untersuchung  im  Anschluss  an  die  Rönt- 


1S)  Die  Voraussetzung  für  die  Berechtigung  dieses  Räsonnements 
liegt  natürlich  darin,  dass  es  möglich  und  richtig  ist,  vom  Tuberkel- 
bazilltypus  Schlussfolgerungen  auf  die  Infektionsquelle  zu  ziehen. 


genmahlzeit  genügt  es  nicht,  nur  einmal  zu  untersuchen.  Wir 
müssen  sowohl  zur  Zeit  der  Zoekumfüllung  (also  etwa  1  /  bis 
2  Stunden  nach  einer  Bariummahlzeit  oder  2  bis  4  Stunden 
nach  einer  Wismutmahlzeit),  wie  auch  nach  dessen  Leerung 
ein  Photogramm  herstellen.  Auch  hier  werden  nur  ganz 
kurze  Expositionszeiten  (am  besten  Einschlagaufnahmen)  zum 
Ziel  führen.  Sehr  detailreiche  Bilder,  die  selbst  einen  mit  dem 
Zoekumschatten  sich  kreuzenden  Wurmschatten  zu  erkennen 
geben  müssten,  erhält  man  bei  Verwendung  einer  Kompres¬ 
sionsblende.  Bei  mageren  Patienten  kommt  man  bei  Be¬ 
nutzung  eines  Verstärkungsschirmes  sehr  gut  mit  lA  bis  lA  Se¬ 
kunden  Expositionszeit  aus. 

Mittels  der  vorstehend  skizzierten  Methoden  habe  ich 
seither  eine  grosse  Zahl  darmgesunder  Menschen  eingehend 
untersucht,  ohne  jemals  den  Wurmfortsatz  auch  nur  an¬ 
gedeutet  zu  sehen.  Ich  glaube  daher  sagen  zu  dürfen,  dass 
der  normale  Wurmfortsatz  sich  für  gewöhnlich  überhaupt  nicht 
mit  den  Kontrastmitteln  (Röntgenmahlzeit  und  Röntgeneinlauf) 
füllen  lässt,  also  auch  nicht  röntgenologisch  darstellbar  ist. 
Es  entspricht  dies  ja  auch  der  Erfahrung  der  Chirurgen,  dass 
der  normale  Wurmfortsatz  fast  niemals  mit  frischem  Kot  ge¬ 
füllt  ist.  Wenn  von  anderen,  besonders  französischen  Autoren, 
die  normale  Appendix  früher  häufig  gesehen  wurde,  so  lagen 
wohl  meist  Täuschungen  durch  gefüllte  Dünndarmpartien  vor. 

Auch  der  pathologisch  veränderte  Processus  vermiformis 
scheint  nicht  häufig  röntgenologisch  darstellbar  zu  sein.  Ich 
selbst  kann  aus  meinem  Krankenmaterial  nur  über  zwei  Fälle 
berichten. 

Fall  1  war  ein  50  jähriger  Herr,  der  mir  wegen  angeblich 
neurasthenischer  Darmbeschwerden  zur  Röntgenuntersuchung  zuge¬ 
schickt  wurde.  Ich  konnte  bei  wiederholter  Untersuchung  ein  dem 
Wurmfortsatz  sehr  ähnliches,  mit  Kontrastchymus  gefülltes  Darni- 
stiiek  auf  den  Platten  nachweisen.  Genauere  Untersuchung  war  nicht 
möglich. 

Fall  II  stammt  aus  der  chirurgischen  Klinik  des  Hospitals  zum 
hl.  Geist.  Für  Ueberlassung  der  ausführlichen  Krankengeschichte  und 
des  Operationsprotokolls  bin  ich  Herrn  Direktor  Amberger  zu 
besonderem  Danke  verpflichtet. 

Der  7  jährige  kleine  Patient  kam  etwa  6  Wochen  vor  der 
Krankenhausaufnahme  nachmittags  aus  der  Schule  und  klagte  über 
starke  Schmerzen  im  Leib.  Nach  zweitägigem  Bestehen  verschwan¬ 
den  die  Beschwerden  für  einen  Tag,  traten  dann  wieder  auf  usw. 
Der  behandelnde  Arzt  konnte  keine  Ursache  für  die  Erkrankung  auf¬ 
finden.  Fieber  bestand  nicht.  Waren  die  Schmerzen  besonders 
heftig,  so  trat  galliges  Erbrechen  auf.  Einmal  war  der  Stuhl  rot 
gefärbt.  Die  Schmerzen  steigerten  sich  weiterhin  und  traten  fast 
jede  Viertelstunde  auf.  Der  Schmerzbeginn  war  so  heftig,  dass  das 
Kind  häufig  aufschrie.  Auch  während  des  Krankenhausaufenthaltes 
traten  in  Intervallen  Schmerzen  auf,  die  besonders  stark  in  der 
Ileozoekalgegend  verspürt  wurden.  Hier  war  auch  öfters  eine  Vor¬ 
wölbung  der  Bauchdecken  zu  sehen,  die  unter  der  palpierenden  Hand 
unter  gurrenden  und  rollenden  Geräuschen  wieder  verschwand.  Auch 
am  übrigen  Abdomen  waren  zeitweise  ähnliche,  unter  Schmerzäusse¬ 
rungen  des  Kindes  auftretende  Darmsteifungen  zu  erkennen.  Während 
der  Schmerzanfälle  war  der  rechte  Rektus  im  Vergleich  zum  linken 
stark  gespannt.  Die  Stuhluntersuchung  ergab  wiederholt  positiven 
Blutbefund,  dagegen  keine  Wurmeier.  Nach  einiger  Zeit  sistierten  die: 
Anfälle,  die  rechte  Unterbauchgegend  blieb  jedoch  dauernd  leichtl 
druckempfindlich. 

Die  Röntgenuntersuchung  führte  zu  folgendem  Ergebnis:  Durch 
Röntgeneinlauf  wird  der  Dickdarm  in  seinem  ganzen  Verlauf  sichtbar. 
Der  Querdarm  steht  verhältnismässig  hoch.  Das  S  romanum  ist  stark 
ausgedehnt.  Die  letzte  Dünndarmschlinge  scheint  retrograd  gefüllt  zu 
sein.  Nach  Entleerung  des  Einlaufes  durch  Defäkation  erscheint  das 
Zoekum  ziemlich  leer,  der  übrige  Dickdarm  in  toto  weniger  stark) 
gefüllt.  Vom  Zoekum  nach  oben  verlaufend  ist  ein  vielleicht  0,5  cm 
breites,  über  10  cm  langes,  leicht  gewundenes  Schattengebilde^  zu 
sehen,  das  dem  Wurmfortsatz  entsprechen  dürfte.  Am  nächsten  Tage 
erhielt  Patient  eine  Bariummahlzeit.  Es  zeigte  sich  jedoch  der 
Dickdarm  noch  nicht  vollkommen  vom  Einlauf  entleert,  weshalb  die; 
Untersuchung  abgebrochen  wurde.  Nach  zweitägigem  Abführer 
wurde  neuerdings  eine  Röntgenmahlzeit  gegeben.  Auf  der  sogleicl 
nach  der  Mahlzeit  angefertigten  Platte  sehen  wir  einen  normalen 
durch  eine  mit  gutem  Appetit  verzehrte,  aber  etwas  zu  reichliche 
Mahlzeit  (es  war  die  Menge,  die  sonst  Erwachsene  nehmen)  ausge- 
füllten  Magen.  Das  Duodenum  beginnt  sich  gerade  zu  füllen.  Sons- 
sind  keine  Kontrastmittelschatten  im  Abdomen  zu  sehen,  ausser  einen 
gewundenen,  aus  etwa  5 — 6  zylindrischen  Abschnitten  bestehende! 
schmalen  Schattenband  rechts  unten  in  der  Appendixgegend.  Da  di. 
Schatten  für  Kotsteine  oder  dergl.  zu  scharf  sind,  wird  mit  Wahr 
scheinlichkeit  auf  einen  langen,  trotz  des  zweitägigen  Abführens  nü 
stagnierendem  Kot  gefüllten  Wurmfortsatz  geschlossen.  Zwei  Stua 
den  nach  der  Mahlzeit  ist  der  Magen  erst  zu  iU  geleert,  der  Dünn 


1.  April  1911 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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lärm  stark  gefüllt,  vom  Dickdarm  nichts  mit  Sicherheit  nachzu¬ 
reisen.  Da  nach  4  Stunden  der  Magen  immer  noch  starker  gefüllt 
st,  der  Dünndarm  nun  ganz  abnorm  stark,  der  Dickdarm  dagegen  fast 
;och  gar  nicht  sichtbar  ist,  wird  bereits  ein  Hindernis  in  der  Gegend 
ier  Ileozoekalklappe  vermutet.  Erst  8  Stunden  nach  der  Mahlzeit 
st  der  Magen  fast  vollkommen  leer.  Zoekum,  Aszendens,  Trans- 
ersum  und  sogar  Deszendens  sind  nun  teilweise  gefüllt.  Der  Dünn¬ 
arm  hat  sich  zum  grössten  Teile  geleert,  nur  die  letzte  lleumschlinge 
st  stärker  sichtbar.  Wir  sehen  sie  vom  Zoekum  aus  horizontal  nach 
mks  durch  das  Abdomen  verlaufen,  über  Querdarmbreite  ausgedehnt 
teils  durch  Bariumchymus,  teils  durch  Luft  -  also  das  typische 
iild  einer  Ileozoekalklappenstenose.  Wieder  4  Stunden  später,  also 
2  Stunden  p.  c.,  scheint  das  Hindernis  überwunden,  der  Dünndarm 
iemlich  geleert  zu  sein.  Am  nächsten  Morgen  (24  Stunden  p.  c.)  ist 
Ier  Dünndarm  vollkommen  leer  (s.  Abb.),  der  Kontrastchymus,  ausser 


?eringen  Resten  im  Zoekum,  vollkommen  im  Colon  descendens  und  in 
der  distalen  Querdarmhälfte  angesammelt.  Der  Wurmfortsatz  ist 
wieder  als  gewundenes,  wurmförmiges  Schattengebilde  deutlich  zu 
sehen.  32  Stunden  nach  der  Mahlzeit  war  das  Zoekum  vollkommen 
leer,  der  übrige  Dickdarm  noch  in  gleicher  Weise  sichtbar  wie  am 
Morgen,  jedoch  als  schmäleres  Schattenband,  da  sein  Inhalt  durch 
Deläkation  vermindert  worden  war.  Der  Wurmfortsatz  war  noch  an 
gleicher  Stelle  und  in  gleicher  Schärfe  zu  sehen,  schien  sich  aber 
mehrfach  aufgerollt  zu  haben.  Endlich  wurde  eine  letzte  Aufnahme 
48  Stunden  p.  c.  gemacht,  nachdem  wieder  die  Defäkation  voraus¬ 
gegangen  war.  Es  war  am  Dickdarm  nur  noch  die  Ampulle  gefüllt, 
der  übrige  Dickdarm  durch  Bariumreste  noch  teilweise  angedeutet 
und  wieder  der  zusammengerollte,  gefüllte  Wurmfortsatz  an  alter 
Stelle  zu  erkennen. 

Die  klinische  Diagnose  hatte  gelautet:  temporär  auftretendes 
Hindernis  im  Darmtraktus,  wahrscheinlich  bedingt  durch  vorüber¬ 
gehende  Darminvagination  und  zwar  vermutlich  durch  Invagination 
des  Dünndarmes  in  das  Zoekum.  Ursächliches  Moment  wahrschein¬ 
lich  eine  appendizitische  Reizung. 

Die  Röntgenuntersuchung  stützte  diese  Diagnose  durch  den 
Nachweis  eines  starken  temporären  Passagehindernisses  an  der 
Valvula  Bauhini  und  durch  den  Nachweis  eines  kotgefüllten  Wurm¬ 
fortsatzes. 

Da  neuerdings  vermehrte  Beschwerden  auftraten,  wurde  nach 
einigen  Tagen  zur  Operation  geschritten.  Nach  Medianschnitt  wird 
das  Zoekum  herausgezogen.  Es  zeigt  sich,  dass  das  lleum  auf  eine 
Strecke  von  etwa  15  cm  in  den  Blinddarm  hineingeschlüpft  ist.  Die 
Invagination  ist  jedoch  ganz  locker  und  löst  sich  auf  den  leisesten 
Zug.  Im  Mesenterium  des  invaginierten  Darmabschnittes  finden  sich 
einige  vergrösserte  Drüsen.  Die  Appendix  ist  auffallend  lang  (12  cm), 
mehrfach  gedreht  und  geschlängelt,  nicht  verwachsen.  Sie  wird  auf 
die  typische  Weise  entfernt.  Dabei  zeigt  sich,  dass  sie  mit  diinn- 

No.  14. 


breiigem  Kot  gefüllt  ist,  dass  besonders  ihre  Spitze  prall  gefüllt, 
hicrselbst  die  Schleimhaut  bläulich  verfärbt  ist  und  einige  Blutpunkte 
aufweist.  Die  Operation  und  Heilung  verlief  im  übrigen  vollkommen 
glatt  und  bedarf  hier  keiner  weiteren  Erörterung. 

Dass  im  vorliegenden  Fall  die  durch  Darminvagination 
bedingte  temporäre  Dünndarm-  resp.  Ileozoekalstenose  rönt¬ 
genologisch  nachweisbar  ist,  interessiert  uns  nur  nebenbei. 
Das  ausserordentlich  wichtige  Moment  ist  die  Tatsache,  dass 
bei  einer  leichten  Appendizitis  der  Wurmfortsatz  Kot  enthält 
und  dementsprechend  die  Appendix  auch  röntgenologisch 
durch  Füllung  mit  Kontrastchymus  dargestellt  werden  kann. 
Es  liegt  daher  der  Schluss  nahe,  dass  die  Sichtbarkeit  des 
Wurmfortsatzes  im  Röntgenbilde  (wir  können  dies  auch  mit 
Kotinhalt  gleichsetzen)  als  pathologisches  Symptom  auf¬ 
zufassen  ist. 

Bezüglich  dieses  letzten  Punktes  habe  ich  die  Literatur  genauer 
durchsucht.  Eine  einheitliche  Auffassung  scheint  nicht  zu  bestehen. 
Oberndorfer  (Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der  chro¬ 
nischen  Appendizitis.  Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  XV.,  5, 
1906)  gibt  folgende  Zusammenstellung  (s.  dort  auch  das  Literatur¬ 
verzeichnis). 

S  u  d  s  u  k  i  fand  in  57  Proz.  der  von  ihm  untersuchten  500  Fälle 
Kot  im  Lumen,  wobei  auch  die  kleinsten  Mengen  berücksichtigt 
wurden.  R  i  b  b  e  r  t  betont,  dass  normalerweise  Kot  in  grösseren 
Mengen  überhaupt  nicht  in  die  Appendix  gelangt;  die  Kotsteine,  die  in 
11  Proz.  seiner  Fälle  vorhanden  waren,  bestanden  der  Hauptsache 
nach  aus  mit  Epithelien  und  Leukozyten  gemischtem  Schleim,  der  sich 
um  zentrale  Kotpartien  anlagerte.  A  s  c  h  o  f  f  sah  in  dem  von  ihm 
vorzugsweise  bearbeiteten  Material  nur  selten  gröber  geformte  Kot¬ 
massen  und  warnt,  sehr  mit  Recht,  davor,  jede  gefärbte  Inhaltmasse 
als  Kot  anzusprechen.  Nach  v.  H  a  n  s  e  m  a  n  n  ist  bei  funktions¬ 
fähiger  Ger  lach  scher  Klappe  nie  Kot,  sondern  nur  Schleim,  bei 
Fehlen  einer  suffizienten  Klappe  stets  Kot  in  wechselnder  Menge  in 
der  Appendix.  M  e  i  x  1  hält  die  Frage  für  noch  nicht  geklärt,  ob 
in  den  gesunden  Wurm  überhaupt  Darminhalt  eintreten  könne.  Otto 
Lanz  sieht  in  dem  Vorhandensein  von  Kot  nichts  Pathologisches, 
während  Kümmel  Kotinhalt  in  der  Appendix  als  Beweis  eines 
krankhaften  Verhaltens  betrachtet. 

Oberndorfer  selbst  fand  bei  600  genauer  untersuchten 
Fällen  in  50  Proz.  braunen  Inhalt  in  der  Leichenappendix.  In  weitaus 
der  grössten  Anzahl  dieser  Fälle  war  aber  der  Inhalt  der  Appendix 
ausschliesslich  Sekretionsprodukt  ihrer  Schleimhaut.  Die  normale 
und  muskelsuffiziente  Appendix  enthielt  nie  oder  fast  nie  kotigen 
Inhalt. 

Kotbefund  in  der  Appendix  ist  daher  nach  Oberndorfers 
Ansicht  immer  ein  ausserordentliches  Vorkommnis,  bedingt  durch 
starke  Vermehrung  des  Druckes  im  Zoekum  oder  hochgradige  Er¬ 
schlaffung  der  Appendixwand,  oder  abnormen  Bau  des  Organes. 
Regelmässig  findet  sich  Kot  in  den  weiten  trichterförmigen  Fort¬ 
sätzen  von  fötalem  Typus,  die  breit  ins  Zoekum  einmünden;  sie  ent¬ 
halten  denselben  Inhalt  wie  das  Zoekum,  mit  dem  sie  sich  auch 
offenbar  gleichzeitig  füllen  und  leeren  und  verhalten  sich  nicht 
anders  als  z.  B.  die  Meckelschen  Divertikel  des  Dünndarms.  An¬ 
dererseits  zeigt  sich  die  Appendix  mit  Kot  in  den  Fällen  gefüllt,  in 
denen  Darmlähmung  besteht,  der  gesamte  Tonus  der  Darmwand  in 
Wegfall  kommt. 

Trotz  dieser,  auf  reichem  Beobachtungsmaterial  beruhenden  Aus¬ 
führungen  ist  die  Streitfrage  immer  noch  nicht  entschieden.  Sagt 
doch,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  E.  Kaufmann  in  seinem 
Lehrbuch  der  speziellen  pathologischen  Anatomie  (R  e  i  m  e  r  -  Berlin), 
dass  er  der  Ansicht  Oberndorfers,  wonach  Kot  als  Inhalt  des 
Processus  vermiformis  stets  pathologisch  sei,  durchaus  nicht  zu¬ 
stimmen  könne. 

Umsomehr  dürfen  daher  die  röntgenologischen  Beob¬ 
achtungen  Interesse  erwecken.  Bei  besonders  daraufhin  unter¬ 
suchten,  vollkommen  darmgesunden  Menschen  lässt  sich, 
meiner  Erfahrung  nach,  auch  röntgenologisch  niemals  das  Ein¬ 
dringen  des  durch  Kontrastmittel  sichtbar  gemachten  Kotes 
(Brei  oder  Einlaufflüssigkeit)  in  die  Appendix  nachweisen.  Der 
einzige  von  mir  seither  wirklich  einwandfrei  röntgenologisch 
dargestellte  Wurmfortsatz  zeigte  sich  auch  bei  der  Operation 
kothaltig.  Zufällig  handelte  es  sich  bei  diesem  Falle  um 
zweierlei  Affektionen  —  eine  Appendizitis  und  eine  Invagi¬ 
nation  —  und  ich  kann  daher  nicht  entscheiden,  ob  die  Kot- 
fülhrng  des  Wurmfortsatzes  bei  unserem  Patienten  für  eine 
Erkrankung  der  Appendix  oder  mehr  für  eine  Mündungs¬ 
anomalie  des  Wurms  oder  eine  Dickdarmerkrankung  spricht. 
Auf  jeden  Fall  bin  ich  der  Ansicht,  dass  Kotfüllung  resp.  die 
selten  mögliche  röntgenologische  Darstellbarkeit  der  Appendix 
anormal  ist. 


2 


746 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  H. 


Die  mongoloide  Idiotie. 

Von  Dr.  Kellner,  Oberarzt  der  Hamburger  Idioten-  und 
Epileptikeranstalt  Alsterdorf. 

Zu  den  interessantesten,  eigentümlichsten  Erscheinungen 
auf  dem  grossen  Gebiete  des  mit  körperlichen  Degenerations- 
zeichen  verbundenen  Schwachsinns  gehört  ohne  Zweifel  der 
Mongolismus,  der,  zuerst  von  Langdon  Down  erkannt  und 
beschrieben,  seitdem  häufig  Gegenstand  von  Demonstrationen 
und  Besprechungen  gewesen  ist.  Ob  der  Mongolismus  bei 
uns  im  Zunehmen  begriffen  ist,  oder  ob  die  Eltern  eines 
mongoloiden  -Kindes  sich  jetzt  leichter  wie  früher  entschlossen, 
dasselbe  in  eine  Anstalt  zu  geben,  will  ich  dahingestellt  sein 
lassen.  Tatsache  ist  jedenfalls,  dass  uns  jetzt  viel  häufiger 
Mongoloiden  zugeführt  werden  wie  früher,  und  ich  erinnere 
mich  noch  sehr  genau,  dass  wir  vor  6  oder  7  Jahren  nur 
einen  einzigen  derartigen  Fall  in  der  Anstalt  hatten.  Und  zu 
übersehen  ist  ein  Fall  von  Mongolismus,  wenn  man  einmal  die 
typischen  Erscheinungen  desselben  kennt,  ja  eigentlich  gar 
nicht.  Ich  glaube,  dass  diese  schwachsinnigen  Kinder  in 
früheren  Jahren,  in  denen  das  auch  jetzt  noch  hier  und  da 
bestehende  Vorurteil  gegen  Idiotenanstalten  noch  weit  ver¬ 
breitet  war,  meistens  in  der  Familie  geblieben  sind,  was  ja 
recht  gut  anging,  da  der  Mongole  in  der  Regel  ein  gutartiges, 
friedliches  Gemüt  hat  und  nicht  gemeingefährlich  wird.  Auch 
erreicht  er  selten  ein  höheres  Alter  und  die  meisten  sterben 
früher  als  ihre  Eltern.  Augenblicklich  sind  in  den  Alsterdorfer 
Anstalten  10  Mongoloide  untergebracht,  von  denen  7  in  den 
Jahren  1906  bis  1911  eingeliefert  sind,  während  von  1899  bis 
1906  nur  3  und  von  1893  bis  1898  nur  ein  einziger  uns  zu¬ 
geführt  wurden. 

Ausser  den  in  der  Anstalt  untergebrachten  mongoloiden  Kindern 
hatte  ich  vor  einem  halben  Jahre  Gelegenheit,  ein  neugeborenes  Kind 
zu  sehen,  das  die  Zeichen  des  Mongolismus  in  geradezu  verblüffender 
Weise  zeigte.  Es  war  das  nachgeborene  Kind  alter  Eltern,  der  Vater, 
der  an  einem  schweren  Herzfehler  leidet,  war  56,  die  Mutter  46  Jahre 
alt.  Das  Ehepaar  hatte  5  viel  früher  geborene,  jetzt  im  Alter  von 
24 — 14  Jahren  stehende  gesunde  Kinder.  Das  Herzleiden  des  Vaters 
war  erst  nach  der  Geburt  dieser  5  Kinder  entstanden.  Das  mongoloide 
Kind  war  sehr  klein,  trotzdem  es  völlig  ausgetragen  war,  hatte  sehr 
schlaffe  Glieder  und  Gelenke,  einen  sehr  kleinen  kurzen  Kopf  und  die 
ausgesprochensten  Schlitzaugen.  Leider  hatte  ich  keine  Gelegenheit 
eine  genauere  Untersuchung  zu  machen,  da  ich  gar  nicht  des  Kindes 
wegen  gerufen  war,  und  war  auch,  als  dasselbe  nach  einigen  Tagen 
an  Schwäche  starb,  eine  Sektion  nicht  möglich. 

Immerhin  war  es  mir  eine  interessante  Bestätigung  der 
Annahme,  dass  der  Mongolismus  als  fertige  Krankheitserschei¬ 
nung  mit  dem  betroffenen  Individuum  geboren  wird  und  auf- 
zufassen  ist  als  ein  Stehenbleiben  auf  einer  der  nach  dem 
phylogenetischen  Grundgesetz  vor  der  Geburt  zu  durch¬ 
laufenden  Stadien  der  menschlichen  Entwickelung.  Der  Grund 
solchen  Stehenbleibens  kann  natürlich  nur  eine  intrauterine 
Erkrankung  des  keimenden  Organismus  sein,  die  wohl  in  den 
allermeisten  Fällen  das  Absterben  des  Organismus  herbeiführt 
und  in  den  seltenen  Fällen,  in  denen  derselbe  am  Leben  bleibt, 
ihn  doch  derart  schädigt,  dass  er  sich  nicht  mehr  generell, 
sondern  nur  noch  individuell  weiter  entwickeln  kann  und  uns 
auf  diese  Weise  ein,  wenn  auch  durch  Krankheit  verzerrtes, 
doch  einigermassen  zutreffendes  Beispiel  des  Zustandes  liefert, 
auf  dem  das  Menschengeschlecht  in  seinem  langen  Entwick¬ 
lungsgänge  dereinst  gestanden  hat. 

Die  Angaben  mehrerer  Forscher  über  den  mongoloiden 
Typus  vieler  aus  Höhlenfunden  stammender  Knochen  alt¬ 
diluvialer  Menschen  würden  mit  dieser  Annahme  überein¬ 
stimmen.  _ 

In  den  Alsterdorfer  Anstalten  sind,  wie  gesagt,  zurzeit  10  Mongo¬ 
loiden.  von  denen  8  männlichen  und  2  weiblichen  Geschlechtes  sind. 
Sie  steheh  im  Alter  von  27,  27,  18,  14,  12,  10,  9,  7  und  3  Jahren  und 
bieten  sämtlich  unverkennbare  Zeichen  des  Mongolismus  dar. 
Gemeinsam  sind  ihnen  allen  folgende  Symptome:  Geistige  Minder¬ 
wertigkeit,  Mikro-Brachyzephalie,  hinter  der  Norm  zurückgebliebene 
Körpergrösse,  Sprachstörung,  Schlitzaugen,  rissige  Zunge, ^  kleine 
breite  Nase,  Schlaffheit  und  abnorme  Beweglichkeit  der  Gelenke, 
schwache  Herzkraft  und  Kälte  der  Haut  und  der  Extremitäten. 

3  von  ihnen  sind  spät  geborene  Kinder  alter  Eltern,  eins  ist 
dagegen  das  1.  von  4  Kindern.  Potatorium  des  Vaters  ist  bei  einem 
Kinde  nachgewiesen. 

Ein  Herzfehler  findet  sich  bei  einem,  grosse  Herzschwäche 
bei  dreien.  Bei  einem  männlichen  Mongoloiden  sehen  wir  den  sogen. 


Giraffenhals  und  Römernacken,  ohne  Vorwölbung  des  Hinterhauptes. 
Degenerierte  Ohren  sind  bei  5  vorhanden  und  zwar  2  mal  als 
W  i  1  d  e  r  m  u  t  sches  Ohr,  1  mal  als  Satyrohr,  1  mal  als  Henkeloh] 
und  in  einem  besonders  interessanten  Fall  als  Knickohr  mit  sehr 
verengertem  schlitzförmigen  Gehörgang. 

Syndaktylie  findet  sich  in  2  Fällen.  Die  Geschlechtsentwicklum, 
ist  in  3  Fällen,  bei  2  Männern  und  1  Mädchen  normal,  in  den  übrigen 
Fällen  hinter  dem  Alter  zurückgeblieben. 

Während  sich  die  aus  der  Doppelbildung  des  oberen  Augenlides 
entstandene  schiefe  Augenstellung  in  allen  Fällen  findet,  ist  eii 
richtiger  Epikanthus  nur  in  einem  einzigen  Falle  vorhanden.  Die  diel 
Schiefstellung  der  Lidspalte  hervorbringende  Doppelbildung  de- 
oberen  L.ides  findet  sich  ja  bei  allen  Mongoloiden,  aber  in  den  meiste; 
Fällen  hört  diese  Faltung  am  inneren  Winkel  der  Lidspalte  aut 
Zum  Epikanthus  wird  sie  nur,  wenn  sie  von  der  inneren  Lidspaltt 
nach  unten  sich  senkend  fortsetzt  und  wie  eine  Portiere  von  den 
inneren  Augenwinkel,  zwischen  diesem  und  der  Nase,  herabhängt 
Dieser  vorhangähnliche  Epikanthus  macht  dann  ganz  den  Eindruck 
als  wenn  durch  die  flache,  wenig  vortretende  Nase  des  Mongolei 
ein  Teil  der  ursprünglich  für  die  Nase  bestimmt  gewesenen  Hau 
überflüssig  geworden  wäre  und  nun  gefaltet  an  den  Seiten  der  Nasu 
herabhinge. 

Die  Sprachstörungen  äusserten  sich  in  3  Fällen  als  Sprach] 
losigkeit,  in  drei  anderen  als  Beschränkung  des  Wortschatzes  au| 
wenige  Worte,  in  zweien  als  lispelnde  Aussprache  und  in  einem  Falb 
als  Echolalie.  Prognatismus  war  mehr  oder  weniger  in  allen  Fälleij 
vorhanden,  ebenso  schlechte  rhachitische,  oft  auffallend  kleine  Zähnt: 

Ebenso  findet  sich  bei  allen  ein  Ekzem  der  Augenlider. 


Die  Kopfmasse  der  Mongoloiden. 


Alter 

Jahre 

Geschlecht 

Umfang 

Länge 

Breite 

Höhe 

Längen- 

Breiten-Index 

27 

M. 

51 

16,5 

14,5 

9,5 

88 

27 

W. 

50 

16,5 

14,5 

9,5 

88 

18 

W. 

50 

16,5 

14,5 

9,5 

88 

14 

M. 

50 

16 

14,5 

9,7 

90 

12 

M. 

46 

14,5 

13,5 

9 

90 

10 

M. 

46,2 

14,5 

14 

8,5 

96,5 

9 

M. 

48 

16 

13,5 

10,5 

84,4 

8 

M. 

52 

17 

15,5 

9,9 

91 

7 

M. 

43 

14,5 

12,5 

8,5 

86,2 

3 

M. 

46 

15,75 

13,5 

8,8 

86 

Wie  aus  Tabelle  1  hervorgeht,  sind  sämtliche  Mongoloid 
Mikro-Brachyzcphale.  Nach  dem  Längen-Breitenindex,  der  bekann 
lieh  berechnet  wird  durch  Teilung  des  mit  100  multiplizierten  Breiter 
durchmessers  durch  den  Längendurchmesser,  teilt  man  die  Köpfe  ei 
in  Dolichozephalie.  dessen  Index  bis  75  geht,  in  Mesozephale  m 
dem  Index  von  75 — 80,  in  Brachyzephale  mit  dem  Index  von  80—8 
in  Hyperbrachyzephale  mit  dem  Index  von  S5 — 90  und  in  Ultr; 
brachyzephale  mit  einem  Index  über  90.  Danach  haben  wir  unu 
unseren  Mongolen  einen  Brachyzephalen,  6  Hyperbrachyzephale  ur 
3  Ultrabrachyzephale,  der  Durchschnittsindex  ist  88,5  also  hype 
brachyzephal.  Die  Höhe  ist  bei  sämtlichen  Mongoloiden  gering,  i 
Mittel  9,1  cm.  Ebenso  stehen  sämtliche  Umfänge  der  Köpfe  mj 
Ausnahme  des  letzten,  des  3  jährigen  Kindes,  unterhalb  der  physu 
logischen  Breite  und  sind  mithin  die  Köpfe  als  mikrobrachyzepha 
zu  bezeichnen. 


Die  Körper  grosse  der  Mongoloiden. 


Alter 

Geschlecht 

Grösse 

Normale 

Grösse 

Minder¬ 

mass 

Jahre 

in  Zentimetern 

27 

M. 

152 

168 

16 

27 

W. 

142 

158 

16 

18 

W. 

135 

156 

21 

14 

M. 

145 

147 

2 

12 

M. 

110 

138 

28 

10 

M. 

115 

127 

12 

9 

M. 

114 

122 

8 

8 

M. 

98 

116 

18 

7 

M. 

90 

105 

15 

3 

M. 

80 

86 

6 

Die  Körpergrösse  ist  bei  sämtlichen  Mongoloiden  hinter  d 
normalen  Grösse  zurückgeblieben  und  ein  Fall  eines  aussergewöhnli 
schnellen  Wachstums,  wie  es  nicht  selten  vorkommt,  ist  zurzeit 
Alsterdorf  nicht  da.  Das  Mindermass  der  Mongoloiden  beträgt  i 
Mittel  10,8  Proz. 

Fälle  von  mit  Mongolismus  zusammen  auftretenden  Friet 
re  ich  scher  Ataxie  habe  ich  nie  gesehen. 

Eine  beim  Mongolismus  nie  fehlende  Erscheinung  schei 
die  abnorme  Biegsamkeit  und  Geschmeidigkeit  der  Glie 
massen  zu  sein.  Bei  einem  unserer  Mongolen  findet  sich  ei 
ganz  besondere  Nachgiebigkeit  der  Wirbelgelenke,  man  ka: 
den  Knaben,  wenn  er  sitzt,  derartig  um  seine  eigene  Ach 


;  \pril  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


747 


I  hen.  dass  sein  Hinterkopf  vollkommen  nach  vorn  steht  und 
ccradeaus  nach  hinten  sieht.  Einem  anderen  kann  man  die 
•ne  und  Arme  derartig  an  den  Leib  legen,  dass  er  wie  ein 
■  npi  ohne  Gliedmassen  aussieht.  Neben  dieser  Biegsamkeit 
i  et  sich  oft  eine  spät  entwickelte  Motilität  und  eine  Unfähig¬ 
zu  feineren  Bewegungen.  Viele  Mongolen  sind  nicht  im- 
lde.  die  Treppen  steigen  zu  erlernen.  Die  Muskulatur  der 
,  ngolen  ist  schlaff  und  weich,  die  Haut  der  Extremitäten 
1  und  schlecht  ernährt,  zu  Ekzemen  neigend.  Die  Schlaff- 
der  Muskulatur  tritt  besonders  hervor  als  Herzschwäche, 
der,  abgesehen  von  den  häufigen  Herzfehlern,  sämtliche 
ngoloide  leiden  und  die  auch  der  Hauptgrund  ihrer  Wider- 
idslosigkeit  gegen  Erkrankungen  und  Infektionen,  beson- 
i  s  Tuberkulose,  ist  ,  und  ausserdem  die  Anwendung  mancher 
tel,  z.  B.  des  Thyreoidin.  von  vornherein  verbietet.  Bei  den 
nigen  Mongoloiden,  die  über  das  Kindesalter  hinauskommen, 
t  eine  frühe  Senilität  ein. 

In  einem  Falle  findet  sich  neben  einem  ausgesprochenen 
.  ngolismus  ein  Myxödem. 

big.  1  stellt  einen  27  jährigen  Mongolen  (Tr.)  dar,  der,  erblich 
:  k  belastet,  eine  ganze  Reihe  von  Degenerationszeichen  aufweist. 
;  hat  erst  mit  7  Jahren  gehen  gelernt,  die  ersten  Anfänge  seines 
unvollkommenen  Sprachvermögens  sind  im  5.  Lebensjahre  be- 
i  chtet.  Seine  Körperlänge  beträgt  152  cm.  Er  ist  mikrozephal, 
starken  Prognatismus  und  den  sogen.  Römernacken,  ohne  jede 
Wölbung  des  Hinterhauptes.  Die  Masse  des  Kopfes  sind:  Um- 
i\  51,  Breite  14,5,  Länge  16,5  und  Höhe  9,5.  Der  Längen-Breiten- 
x  beträgt  88,  er  ist  also  hyperbrachyzephal.  Die  Ohren  haben 
Form  der  Knickohren,  der  linke  Gehörgang  zeigt  eine  starke  an- 
orene  Verengung,  die  Zunge  ist  rissig  und  auffallend  gross.  Der 
>ax  zeigt  die  Form  einer  Hühnerbrust.  Starke  Insuffizienz  der 
,  raiis  findet  sich  am  Herzen. 


Fig.  1. 

Die  Finger  sind  verkrümmt,  an  den  Füssen  finden  sich  Syndak- 
en.  Die  Genitalien  sind  vollkommen  unentwickelt.  Die  Achsel- 
llen  zeigen  eine  eigentümliche  Behaarung,  in  der  Art,  dass  ein 
rnlicher  Haarzopf  wie  eine  Fahne  nach  vorne  herausragt.  Die 
rache  ist,  wie  gesagt,  sehr  unvollkommen,  häufig  sich  nur  als 
lolalie  zeigend.  Merkwürdig  ist  die  Gelenkigkeit  der  grossen 
len,  die  er  durch  Adduktion  und  Pronation  ganz  nach  der  Seite 
kleinen  Zehen  hinüberbringen  und  damit  greifen  kann.  Er  steht 
sehr  tiefem  geistigen  Standpunkt,  hat  aber  doch  für  manche 
;hen  und  Personen  ein  gewisses  Gedächtnis. 


Fig.  2.  big.  3. 

Eine  Mongolin  von  demselben  Alter  (27  Jahre)  wie  der  vorige, 
■hen  wir  in  Fig.  2  (Br.).  Sie  ist  ebenfalls  mikrozephal  und 
'■perbrachyzephal;  die  Masse  des  Kopfes  betragen:  Umfang  50, 


Länge  16,5,  Breite  14,5  und  Höhe  9,5  cm,  der  Längen-Breitenindex 
demnach  88.  Die  Körperlänge  misst  142  cm.  Sie  hat  ebenfalls  eine 
Mitralisinsuffizienz.  Auffallend  ist  die  sehr  dicke  Oberlippe.  Die 
Zunge  ist  stark  rissig,  die  Sprache  lispelnd.  Ihre  Geschlechtsorgane 
sind  entwickelt  und  ihre  Menstruation  regelmässig.  Die  Daumen  sind 
sehr  kurz  und  dick,  die  Fingernägel  breit,  die  Fiisse  dick  und  plump, 
stets  kalt  und  die  Haare  lang  und  straff. 

Sie  ist  gutmütig,  spielt  am  liebsten  und  zeigt  eine  grosse  Gleich¬ 
gültigkeit  gegen  ihre  Umgebung. 

In  Paula  L.  (Bild  3)  sehen  wir  einen  Typus  des  Mongolismus, 
der  ein  grotesk  komisches,  koboldartiges  Bild  sowohl  in  der  äusseren 
Erscheinung  wie  in  seinem  Gebühren  zeigt.  Das  18  jährige  Mädchen, 
das  aus  der  zweiten  Ehe  einer  alten  Mutter  stammt,  hat  eine  auf¬ 
fallende  Aehnlichkeit  mit  einigen  der  auf  den  Böcklinschen  Bil¬ 
dern  dargestellten  Nereiden,  und  zu  einer  derselben,  im  Spiel  der 
Wellen,  könnte  sie  geradezu  das  Modell  gewesen  sein.  In  den  auf¬ 
fallend  schiefen  Augen  liegt  eine  lauernde  Verschmitztheit,  die  durch 
stetes  Griinassieren  noch  verstärkt  wird  und  auch  keineswegs  ganz 
unbewusst  zustande  kommt,  denn  das  im  übrigen  auf  tiefer  geistiger 
Stufe  stehende  Mädchen  hat  einen  scharfen  Blick  für  Absonderlich¬ 
keiten  ihrer  Mitzöglinge  und  ahmt  dieselben  mit  Geschick  nach. 
Ihre  Geschmeidigkeit  in  den  Gelenken  ist  eine  erstaunliche  und 
besonders  kann  sie  sich  in  ihrer  Wirbelsäule  ganz  umdrehen. 
Sprachvermögen  ist  vorhanden,  wird  aber  nur  selten  gebraucht  und 
zu  irgend  einer  Beschäftigung  ist  das  Mädchen  absolut  ungeeignet. 
Sie  ist  mikrohyperbrachyzephal,  die  Kopfmasse  sind  Umfang  50, 
Länge  16,5,  Breite  14,5  und  Höhe  9,5  cm.  Der  Index  beträgt  88. 
Ihre  Grösse  beträgt  135  cm.  Sie  ist  menstruiert,  ihre  Mammae  sind 
entwickelt.  Epikanthus  hat  sie  nicht,  dagegen  hochgradig  degene¬ 
rierte,  zu  flachen  Gruben  gewordene  Ohren  und  eine  stark  rissige 
Zunge.  Die  Reflexe  sind  vorhanden,  aber  träge.  Auf  dem  einen 
Auge  besteht  Keratitis.  Auch  sie  hat  das  eigentümliche,  den  Idioten 
oft  anhaftende  anschmiegsame  Wesen,  das  in  seinem  Bestreben,  sich 
möglichst  dicht  mit  dem  Körper  an  andere  Menschen  heranzudrängen, 
an  die  Zudringlichkeit  mancher  Hunde  erinnert. 


Der  in  Fig.  4  dargestellte  12  jährige  Mongole  H.  ist  das  6.  Kind 
und  eine  Frühgeburt  im  8.  Monat.  Er  ist  mikrozephal  und  mit  einem 
Index  von  90  ultrabrachyzephal,  der  Umfang  des  Kopfes  beträgt  46, 
die  Länge  14,5,  die  Breite  13,5  und  die  Höhe  9  cm.  Der  Unterkiefer 
steht  auffallend  vor,  der  Mund  klafft  und  die  sehr  grosse  rissige 
Zunge  hängt  aus  demselben  zwischen  ebenfalls  rissigen  Lippen  vor. 
Er  ist  hochgradig  idiotisch  und  kann  nur  wenige  Worte  sprechen. 
Augenbrauen  und  Lidhaare  fehlen  gänzlich,  an  ihrer  Stelle  findet 
sich  ein  ekzematöser  Ausschlag.  Die  Beweglichkeit  seiner  Gelenke 
ist  gross;  er  kann  sehr  bequem  mit  seinen  Hacken  den  Hinterkopf 
berühren.  Der.  Kopf  ist  asymmetrisch,  die  Ohren  haben  die  Satyr¬ 
form  und  sind  angewachsen.  Die  Finger  sind  sehr  plump,  die  Daumen 
auffallend  kurz. 


Fig.  4. 


Fig.  5. 


In  Fig.  5  sehen  wir  einen  derjenigen  Mongoloiden,  die  von  der 
Natur  geradezu  für  den  Beruf  eines  Hanswurstes  vorgebildet  er¬ 
scheinen.  Alle  die  hierzu  nötigen  Eigenschaften  sind  bei  diesem, 
jetzt  10  jährigen  Knaben  vertreten.  Ein  feiner  Beobachtungssinn  und 
grosse  Auffassungsfähigkeit  für  Lächerlichkeiten  im  Aussehen  und 
Gebahren  der  Mitmenschen,  grosses  Nachahmungstalent  sowohl  in 
Mienen  wie  in  den  Körperbewegungen,  das  im  höchsten  Grade  in 
dem  Bestreben  zum  Karrikieren  unterstützt  wird  durch  eine  unglaub¬ 
liche  Gelenkigkeit,  besonders  des  Kopfes,  sind  die  augenfälligsten 
Merkmale  dieses  Mongolen.  Dazu  kommt  ein  an  sich  schon  höchst 
komisches  Aeussere,  ein  trockener  listiger  Blick  aus  den  schiefen 
Augen,  eine  gewisse  lauernde  Senkung  des  Kopfes,  Henkelohren, 
Nystagmus  wirken  zusammen,  um  einen  koboldartigen  Eindruck  her¬ 
vorzubringen.  Dieser  Knabe,  der  nur  wenige  Worte  sprechen  kann 
und  vollkommen  bildungsunfähig  ist,  hat  dabei  für  die  in  das  eben 
geschiderte  Gebiet  der  grotesken  Komik  fallenden  Sachen  ein  er¬ 
staunliches  Gedächtnis.  Man  erkennt  dies,  wenn  man  ihn  aufforder:, 
Karten  zu  spielen,  wobei  er  in  ergötzlichster  Weise  die  Manieren 

2* 


74s 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


und  die  Mienen  eines  seine  Karten  durchmusternden,  Zigarren  rauchen¬ 
den,  auftrumpfenden,  bald  missvergnügten,  bald  erfreuten  Spielers 
markiert.  Er  ist  was  die  Kopfmasse  betrifft,  mikroultrabrachyzephal 
mit  einem  Umfang  von  46,2,  einer  Länge  von  14,5  einer  Breite  von  14. 
Höhe  von  8,5  und  einem  Index  von  96,5.  Seine  Körpergrösse  beträgt 
115  cm.  Der  Kopf  ist  asymmetrisch. 

Fig.  6  stellt  den  7  jährigen  Mongolen  Franz  M.  dar,  der  in 
seinen  Gliedern  die  grösste  Beweglichkeit  besitzt,  die  ich  je  an  einem 
Mongolen  gesehen  habe.  Er  ist  mikro-  und  mit  einem  Index  von 
86,2  ultrabrachyzephal.  Die  Kopfmasse  sind  Umfang  43,  Länge  14,5, 
Breite  12,5  und  Höhe  8,5  cm.  Seine  Grösse  von  90  cm  bleibt  hinter 
der  normalen  um  15  cm  zurück.  Er  ist  das  6.  Kind  eines  trunksüch¬ 
tigen  Vaters,  seine  Geburt  war  eine  schwere.  Er  ist  ein  tiefstehender 
Idiot  ohne  Sprachvermögen,  ohne  Kenntnis  seiner  Umgebung,  unrein, 
muss  gefüttert  werden.  Der  Unterkiefer  steht  weit  vor  und  hängt, 
die  Unterlippe  kann  bis  an  die  Nase  hinaufgeschoben  werden  die 
Zunge  hängt  vor  und  dient  dem  Knaben  als  einziges  Spielzeug.  Die 
Zähne  sind  klein  und  sehr  kariös,  die  Uvula  ist  vergrössert  und  ist 
mit  Knorpeln  durchsetzt.  Er  kann  weder  gehen  noch  stehen  und  seine 
Gliedmassen  lassen  sich  in  jede  beliebige  Lage  bringen  wie  die  Bilder 
zeigen.  An  beiden  Füssen  finden  sich  Syndaktylien. 


Fig.  6. 


Fig.  7. 


ln  dem  in  Fig.  7  dargestellten  3  jährigen  Mongolen  Egon  M. 
sehen  wir  den  einzigen  in  Alsterdorf  zurzeit  befindlichen  Fall  von 
Epikanthus.  Neben  der  bedeutenden  Schiefstellung  der  Lidspalten 
erkennen  wir  an  dem  en  face-Bilde,  dass  der  innere  Augenwinkel 
von  dem  Epikanthus,  der  wie  eine  von  der  Nase  ausgehende  Portiere 
nach  dem  Auge  hinüberzieht,  zum  Teil  verdeckt  ist.  Der  Knabe  ist 
das  8.  Kind,  hat  jetzt  mit  3  Jahren  eine  Grösse  von  80  cm,  gegen 
die  Normalgrösse  von  86,  und  einen  hyperbrachyzephalen  Kopf  mit 
einem  Index  von  86.  Die  Masse  des  Kopfes  sind:  Umfang  46, 
Länge  15,75,  Breite  13,5  und  Höhe  8,8.  Die  Zehen  sind  auffallend 
plump.  Geistig  steht  das  Kind  tief,  zeigt  keine  Anlage  zum  sprechen 
und  ist  von  apathischer,  verdrossener  Gemütsart. 

In  einem  weiteren  Falle  findet  sich  eine  Mischung  von  Mongolis¬ 
mus  und  Myxödem. 

Der  8  jährige  Knabe  (Johann  P.)  ist  nebst  einem  gesunden 
Zwillingsbruder  das  6.  Kind  gesunder  Eltern.  Er  hat  spät  Zähne  be¬ 
kommen  und  laufen  gelernt.  Seine  Körpergrösse  beträgt  98  cm,  also 
18  cm  unter  der  Norm.  Der  unförmlich  grosse  Kopf,  der  mit  dem 
platten  breiten  Gesicht  einem  Viereck  gleicht,  hat  52  cm  im  Umfang, 
17  in  der  Länge  und  15,5  in  der  Breite,  der  Index  von  91,  ist  also 
hyperbrachyzephal.  Die  Höhe  des  Kopfes  beträgt  9,9  cm.  Mitten 
auf  der  Stirn  findet  sich  eine  talergrosse  Knochenauftreibung  über 
der  verdickte  Haut  sitzt.  Das  Gewicht  des  Kindes  beträgt  20  kg. 

Die  Reflexe  sind  normal,  doch  besteht  eine  grosse  Kitzlichkeit. 

Der  Knabe  besitzt  kein  Sprachvermögen,  stösst  nur  grunzende 
Laute  aus  und  ist  sehr  ängstlich. 

Der  Hals  ist  auffallend  kurz  und  dick.  Sein  geistiger  Standpunkt 
ist  ein  sehr  tiefer,  er  kennt  seine  Umgebung  nicht,  ist  völlig  teilnahms¬ 
los  gegen  alles,  was  um  ihn  her  vorgeht,  unrein,  kann  nicht  allein 
essen  und  beschäftigt  sich  mit  keinem  Spielzeug.  Das  Aeussere  des 
Knaben  ist  ausgesprochen  mongoloid  und  sind  die  dem  Mongolismus 
kennzeichnenden  Symptome  in  folgendem  sämtlich  vertreten: 

Hochgradiger  Schwachsinn.  Hyperbrachyzephalie,  in  diesem 
Falle  kombiniert  mit  Hydrozephalie  (s.  u.).  Hinter  der  Norm  zurück¬ 
gebliebene  Körpergrösse.  Sprachlosigkeit.  Mongolenfalte  der  Augen¬ 
lider.  Rissige  Zunge.  Kleine  breite  Nase.  Abnorme  Beweglichkeit 
der  Gelenke.  Schwache  Herzkraft  und  Kälte  der  Extremitäten. 

An  Degenerationszeichen  finden  sich  an  ihm:  Mikrodontie,  Ek¬ 
zem  der  Lider  und  Wangen,  undifferenzierte,  etwas  henkelig  gebaute 
Ohren. 

Die  Fiisse  sind  sehr  dick  und  plump,  besonders  kurz  und  dick 
sind  die  grossen  Zehen,  mit  denen  er  aber  trotzdem  sehr  geschickt 
greifen  und  festhalten  kann.  Links  besteht  Kryptorchismus. 

Neben  diesen  das  Gesamtbild  entschieden  beherrschenden  An¬ 
zeichen  des  Mongolismus  treten  aber  die  Symptome  des  Myxödems 
unverkennbar  hervor  in  folgenden  Erscheinungen: 


No. 


Der  sehr  kurze  Hals  geht  vermittels  grosser  lockerer  Bindegexvc . 
und  Fettpolster  auf  die  wulstigen  Schultern  über.  Myxödemau 
Wulste  finden  sich  ferner  an  den  Oberarmen,  den  Ellbogen,  die  Gr 
chen  zeigen,  und  an  den  Hüften.  Der  Leib  ist  fett  und  vorgewi 
die  Oberschenkel  zeigen  die  dem  Myxödem  eigentümliche  Qi . 
faltung. 

Eine  Behandlung  des  Mongolismus  ist  aussichtslos.  , 
mit  Thyreoidin  gemachten  Versuche,  die  übrigens  bei  i 
meisten  Mongolen  ihrer  Herzschwäche  wegen  unausführ 
sind,  haben  kein  Resultat  gehabt,  ebensowenig  wie  die  i 
Jodpräparaten. 

Auch  die  Bestrebungen,  die  geringen,  dem  Mongolen  \- 
liehenen  Geisteskräfte  weiter  auszubilden,  scheitern  an  • 
Unmöglichkeit,  ihn  dahin  zu  bringen,  das  kleine  Mass  von  Pi 
merksamkeit,  über  das  er  verfügt,  auf  einen  bestimm 
Gegenstand  zu  lenken.  Das  einzige,  worin  der  Mongole 
und  wieder  Fortschritte  macht  und  zwar  durch  eigene  j 
obachtung,  ist  die  oben  bereits  geschilderte  Erkennung  i 
Nachahmung  von  auffallenden  und  komischen  Gebahren  se . 
Nebenmenschen. 

Bei  akuten,  fieberhaften  Erkrankungen  ist  die  Progti 
für  den  Mongolen  eine  sehr  schlechte  und  erwachsene  JVi 
golen  sind  daher  eine  Seltenheit.  Die  fast  immer  vorhanen 
Herzschwäche,  die  daraus  entspringende  Unterernährung  . 
ganzen  Körpers,  die  grosse  Neigung  zu  Erkrankungen  ^ 
Luftwege,  die  Schwierigkeit  Verletzungen  zur  Heilung/ 
bringen  usw.  bereiten  dem  Mongolen  eine  Menge  Gefall  i 
denen  er  in  der  Regel  schon  im  Kindesalter  erliegt.  Die  t 
kannte  Tatsache,  dass  ein  Organismus  einen  starken  Eingj 
wenn  derselbe  von  kurzer  Dauer  ist,  besser  aushält  als  r 
in  die  Länge  gezogene  Krankheit,  habe  ich  indes  auch  h 
Mongolismus  beobachtet  und  zwar  in  der  im  Laufe  diu 
Jahres  in  den  Alsterdorfer  Anstalten  aufgetretenen  Dl 
theritisepidemie.  Während  derselben  waren  wir  gezwirnt 
bei  3  Mongolen  im  Alter  von  5,  7  und  8  Jahren,  die 
cheotomie,  natürlich  unter  Narkose,  zu  machen,  und  ci: 
Operation  sowie  die  Diphtheritis  wurde  von  zweien  gut  iife 
standen,  während  der  dritte  am  3.  Tage  nach  derselben 
Herzschwäche  zugrunde  ging. 

In  Bezug  auf  die  sehr  interessanten  Gehirnbefijc 
beim  Mongolen  verweise  ich  auf  die  Untersuchungen  ( 
Weygandt  *). 

Der  Zweck  dieser  meiner  Arbeit  soll  nur  der  sein,  auH 
äusseren  Kennzeichen  des  Mongolismus,  der  meiner  Am: 
nach  sowohl  in  unserer  städtischen  wie  ländlichen  Bef: 
kerung  im  Zunehmen  begriffen  ist,  hinzuweisen  und  dad  < 
vielleicht  etwas  zur  möglichst  frühen  Erkenntnis  difci 
Leidens  beizutragen. 


Aus  dem  Sanatorium  für  chirurgische  Tuberkulose  in  Georgji 
gmünd  bei  Nürnberg  (leitender  Arzt:  Dr.  H.  Mehlei 

Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Tuberkulose. 
Versuche  mit  Borcholin  (Enzytol). 

Von  Dr.  H.  M  e  h  1  e  r  und  Dr.  L.  Ascher. 

Auf  Grund  der  von  1908  an  publizierten  Versuche  c 
I)  e  y  c  k  e  und  Much  und  im  Anschluss  an  die  von  Wert 
in  Gemeinschaft  mit  dem  einen  von  uns  (Asche  r)  am! 
stitut  für  Krebsforschung  in  Heidelberg  unternommenen 
suche  haben  wir  seit  Sommer  1912  eine  neue  Therapie! 
Tuberkulose  in  Angriff  genommen.  In  seiner  ersten  hiev 
gehörigen  Arbeit  stellte  Deycke-Pascha  mit  R  e  s  ch!< 
Bey  [l]  die  biologisch  wichtige  Tatsache  fest,  dass  der) 
ganismus  nicht  nur  auf  die  Einbringung  von  artfremdem  : 
weiss  mit  der  Bildung  von  Antikörpern  reagiere,  auch  \' 
nur  auf  die  L  i  p  o  i  d  e,  wie  dies  vor  allem  Bang  und  F  o  r  ‘ 
m  a  n  n  gezeigt  haben,  sondern  auch  auf  ein  chemisch  wolül 
finierbares  Neutralfett,  das  Nastin,  Und  zwar  sind  diese  /! 
körper,  wie  dann  Much  [2]  hervorhob,  nicht  nur  gegen! 

Fettkörper  selbst  gerichtet,  sondern  auch  gegen  Bakterien! 

— 

*)  Ueber  Hirnrindenveränderung  bei  Mongolismus,  Kretini  i 
und  Myxödem,  in  der  Zeitschrift  für  die  Erforschung  und  Behauen 
des  jugendlichen  Schwachsinns  von  Vogt  und  Weygandt,  1 
V.  Heft. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


iril  1913. 

•  n  das  Nastin  ein  gemeinsamer  Bestandteil  ihrer  Leihes¬ 
tanz  ist,  vor  allem  säurefeste  Bakterien,  Lepra-  und 
rkelbazillen ;  die  Behandlung  Tuberkulöser  mit  Nastin 
i  hält  Much  für  gefährlich,  da  durch  Nastin  wohl  die 
liille  der  Tuberkelbazillen  gelöst,  die  giftige  bazilläre 

I  tanz  aber  in  Freiheit  gesetzt  werde.  Da  nun  für  diese 
:  ,e  Substanz  kein  Antikörper  gebildet  ist  und  die  im 
>er  vorhandenen  Schutzstoffe  für  die  in  Freiheit  ge- 
en  Giftstoffe  nicht  ausreichen,  so  wird  der  Organismus 
h  die  freigewordenen  Giftstoffe  nur  geschädigt  werden, 
die  Auflösung  langsam  vor  sich  geht  und  nur  wenige 
LIe  bestehen,  wird  nach  Much  trotzdem  eine  Immuni- 
:11g  durch  Nastinbehandlung  einsetzen  können.  Es  gelang 
i  als  Much,  Meerschweinchen  durch  Vorbehandeln  mit 
in  gegen  eine  nachfolgende,  allerdings  nur  sehr  kleine 
hionsdosis  mit  Tuberkulosevirus  zu  schützen.  In  etwas 
rer  Richtung  bewegte  sich  die  folgende  Publikation  von 
7  c  k  e  und  Much  [3],  worin  sie  gegenüber  U  h  1  e  n  h  u  t  h 
iiweisen  konnten,  dass  ihnen  die  Bakteriolyse  von  Tu- 
elbazillen  in  weitgehendstem  Masse  geglückt  sei.  Von 
Hypothese  ausgehend,  dass  die  Bildungsstätte  der  Tuber- 
iseantikörper  im  Nervensystem  zu  suchen  sei,  hatten 
ycke  und  Much  schon  ein  Jahr  früher  [4]  die  Be- 
htung  gemacht,  dass  bei  Einsaat  eines  ihrer  Tuberkel¬ 
illenstämme  in  Gehirnemulsion  die  Tuberkelbazillen  all- 
lich  ihre  Säurefestigkeit  verloren  und  bei  geeigneter 
t  erung  zugrunde  gingen;  es  zeigte  sich  dann,  dass 
Gehirnemulsion  diese  ihre  Eigenschaft,  in  grosser 
ge  eingesäte  Tuberkelbazillen  ihrer  Säurefestigkeit  zu 
üben,  dem  Lezithin  verdankt.  Die  mit  Lezithin  her- 
:  eilten  Präparate  enthielten  die  „aufgeschlossene  Leibes- 
i,  tanz“,  aber  keine  lebenden  Tuberkelbazillen  mehr, 
i  auffälliger  jedoch  liess  sich  die  Bakteriolyse  durch 
Hin  und  Neurin,  diese  beiden  Gehirnspaltungsprodukte,  de- 
strieren.  Sät  man  in  2  ccm  einer  25  proz.  Neurinlösung 
Lern  einer  fein  verriebenen  Bazillenemulsion,  so  sieht  man 
■>n  innerhalb  einer  Minute  eine  deutliche  Klärung  der  Mi- 
ing;  sowohl  die  bazilläre  Fettsubstanz,  wie 
Granula  werden  enorm  schnell  aufgelöst, 
besten  gelingt  dies  bei  37  °.  Mit  Cholin  erfolgt  die  Auf- 
ng  innerhalb  einiger  Minuten,  quantitativ  nicht  so  aus- 
l iig,  aber  qualitativ  weitgehender.  Die  Eiweisssubstanzen 
den  noch  weitgehender  erschlossen  als  durch  Neurin.  : 
ktiscli  verwendbare  Impfversuche  scheiterten  damals  an 
.  Giftigkent  des  Neurins.  Wir  sehen,  dass  Deycke  und 
I  c  h  damals  bestrebt  waren,  ein  Tuberkulin  herzustellen, 

.  im  wesentlichen  aus  den  durch  Neurin  oder  Cholin  ab- 
i  iteten  Bakterienleibern  bestand. 

Schon  vor  diesen  Arbeiten  D  e  y  c  k  e  s  und  Muchs  war 
Werner  [5]  auf  Grund  der  Arbeiten  von  E  x  n  e  r  [6l 
i  Schwarz  [7]  gelungen,  mit  Cholininjektionen  die  bio- 
:sche  Strahlenwirkung  zu  imitieren.  Man  war  also  aus 
i:m  anderen  Grunde  wie  Deycke  und  Much  bestrebt, 
»linverbindungen  herzustellen,  die  möglichst  ungiftig  sein 
noch  volle  Cholinwirkung  haben  sollten.  Nach  vielen 
suchen,  wobei  von  Werner  vornehmlich  das  Cholinuni 
icum  und  hydrochlorieum,  von  Werner  und  Ascher 
jodatoxylsaure,  atoxylsaure,  jodbehzoesaure,  ameisen- 
;  re,  zimtsaure  Glykokoll-Arsen-Cholin  geprüft  worden 

•  ren,  fanden  Werner  [8]  und  Ascher  [9]  in  dem 
!  cholin  ein  Präparat,  das,  in  grossen  Dosen  appliziert,  relativ 

iftig  war  und  dabei  Cholinwirkung,  resp.  analoge  Wirkung 
die  therapeutisch  wirksamen  Strahlen  zeigte.  Die  beiden 
ioren  konnten  zeigen,  dass  Borcholin  nicht  nur  auf  das 
t  wie  Röntgenstrahlung  wirkte,  dass  ebenso  wie  bei  Be- 
ihlung  eine  Dermatitis  mit  einer  Latenzzeit  von  1 — 9  Tagen 
trat,  dass  3  maximal  grosse  Rattensarkome  und  9  Mäuse- 
zinome  völlig  verschwanden,  sondern  auch  das  wichtigste 
itobjekt,  der  Hoden  von  Ratten,  dieselben  degenerativen 
■Hinderungen  aufwies,  wie  nach  Röntgenbehandlung. 

Wir  waren  also  berechtigt,  auf  Grund  der  Entdeckung 
'i  Deycke  und  Much  und  nach  der  gefahrlosen  Er- 
'bung  des  Borcholins  beim  Menschen,  diese  Substanz  zu 
rapeutischen  Zwecken  bei  Tuberkulose  zu  verwenden, 
de  doch  Werner  [10]  schon  früher  zeigen  können,  dass 


749 


die  Zerfallsprodukte  des  Lezithins,  das  Cholin  und  die  Gly¬ 
zerinphosphorsäure,  antibakteriell  zu  wirken  vermögen;  er 
konnte  nachweisen,  dass  konzentrierte  Auflösungen  von 
Kokkenreinkulturen,  wenn  ihnen  zu  gleichen  Teilen  2  proz. 
frische  Cholinlösung  oder  konzentrierte  Glyzerinphosphor¬ 
säure  zugesetzt  wurden,  zugrunde  gingen  und  darnach  mit 
diesen  Kokken  angestellte  Kulturversuche  und  Injektionen  bei 
Kaninchen  erfolglos  blieben.  Wir  müssen  gleich  betonen,  dass 
unsere  Versuche  von  denen  Deyckes  und  Muchs  in¬ 
sofern  absolut  verschieden  sind,  als  die  genannten  Autoren 
bestrebt  waren,  mit  Hilfe  des  Cholins  bzw.  des  Neurins  Tuber¬ 
kulin,  d.  h.  ein  Heilpräparat  aus  abgetöteten  Tuberkelbazillen 
herzustellen,  während  wir  versuchten,  das  Borcholin  selbst 
dem  Organismus  einzuverleiben,  um  die  Tuberkelbazillen  in 
corpore  abzutöten,  also  eine  „Therapia  stcrilisans“  im  E  h  r  - 
lieh  sehen  Sinne  ins  Werk  zu  setzen. 

An  dieser  Stelle  wollen  wir  nicht  unterlassen,  darauf  hin¬ 
zuweisen,  dass  nach  unseren  Versuchen  die  Chol  in - 
salze  in  vitro  keine  so  auffällige  Bakteriolyse  der  Tuberkel¬ 
bazillen  bewerkstelligen.  Jedoch  ist  mit  genügender  Sicher¬ 
heit  aus  den  Versuchen  am  Krebsinstitut  und  aus  unseren  hie¬ 
sigen  zu  schliessen,  dass  Borcholin  im  Körper  Cholin  ab¬ 
spaltet.  Näheres  darüber  in  unserer  II.  Mitteilung. 

Bevor  wir  nun  auf  die  Technik  und  die  Erfolge  unserer 
Therapie  eingehen,  müssen  wir  einige  Bemerkungen  über  die 
Art  unseres  'Krankenmaterials  vorausschicken.  Wir  glauben, 
dass  gerade  unser  hiesiges  Krankenmaterial  für  die  Beurtei¬ 
lung  der  Wirkungsweise  eines  solchen  Präparates  als  ganz 
besonders  geeignet  anzusprechen  ist.  Ist  doch  gerade  bei 
chirurgischer  Tuberkulose  der  Ablauf  des  Heilungsprozesses 
in  fast  idealer  Weise  zu  verfolgen:  Wir  haben  für  die  Be¬ 
urteilung  des  Krankheitsverlaufes  nicht  nur,  wie  bei  Lungen¬ 
tuberkulose  den  Befund  der  physikalischen  Untersuchung  und 
die  äusserst  subtilen  Kriterien,  wie  Temperatur,  Puls,  Atmung, 
Husten,  Auswurf,  subjektives  Wohlbefinden  der  Patienten  etc., 
sondern  es  stehen  uns  bei  der  Ausheilung  die  äusserlich  sicht¬ 
baren  Zeichen  der  Vernarbung, "Stärke  der  Sekretion,  Neigung 
zur  Fistelbildung,  Funktionsfähigkeit  des  erkrankten  Gliedes 
u.  a.  m.  zur  Verfügung.  Wir  wollen  jedoch  gleich  hier  be¬ 
merken,  dass  wir  uns  keineswegs  darauf  beschränkt  haben, 
an  chirurgischer  Tuberkulose  erkrankte  Individuen  mit  Bor¬ 
cholin  zu  behandeln,  sondern  auch  unser  reichhaltiges  Material 
von  an  Lungentuberkulose  erkrankten  Patienten  in  den  Kreis 
unserer  Versuche  gezogen  haben.  Obwohl  wir  auf  Grund  der 
Wirkung  des  Cholins  auf  Tuberkelbazillen  in  vitro  und  auf  die 
durch  die  Heidelberger  Versuche  nachgewiesene  Ungiftigkeit 
einzelner  Cholinsalze  berechtigt  waren,  an  tuberkulösen  Men¬ 
schen  dieselben  Versuche  zu  machen,  wie  sie  an  Krebskranken 
in  Heidelberg  schon  seit  einer  Reihe  von  Monaten  gemacht 
werden,  so  hatten  wir  doch  gerade  wegen  der  bakterio- 
lytischen  Wirkung  des  Cholins  folgende  Bedenken:  Wenn 
unsere  Hoffnung  in  Erfüllung  ginge,  dass  Cholin  in  vivo  ge¬ 
radeso  oder  ähnlich  wirken  würde,  wie  in  vitro,  so  würden 
durch  Einverleibung  von  Cholin  die  vom  Cholin  erreichten 
Tuberkelbazillen  zwar  aufgelöst,  Endotoxine  dagegen  frei¬ 
gemacht.  Nun  erwogen  wir  aber,  dass  bei  der  grossen  Zahl 
von  Krebskranken,  die  in  Heidelberg  mit  Cholinsalzen  be¬ 
handelt  worden  sind,  Fälle  von  Tuberkelbazillentoxinvergil- 
tung  nicht  beschrieben  wurden,  wiewohl  kaum  anzunehmen 
ist,  dass  unter  so  vielen  Krebskranken  nicht  eine  gewisse  An¬ 
zahl  von  Individuen  vorhanden  war,  die  tuberkulöse  Herde  im 
Körper  hatten.  Diese  theoretischen  Bedenken  fielen  also  weg. 
Nichtsdestoweniger  sind  wir  anfangs  sehr  vorsichtig  zu  Werke 
gegangen  und  haben  mit  sehr  kleinen  Dosen  angefangen. 

Technik. 

Die  Art  der  Einverleibung  des  Borcholins  in  den  menschlichen 
Körper  war  von  vornherein  gegeben.  Bei  Versuchen  an  Ratten  und 
Mäusen,  die  der  eine  von  uns  mit  Werner  [8  und  9]  anstellte, 
wurden  nach  Einspritzung  von  einigen  Kubikzentimetern  2  proz.  Cho¬ 
linsalzlösungen  ins  subkutane  Gewebe  nach  verhältnismässig  langer 
Latenzzeit  (bis  zu  9  Tagen)  nicht  allein  in  der  Umgebung  des  Stich¬ 
kanals,  sondern  an  entfernten  Punkten,  die  von  der  direkten  Infiltra¬ 
tion  nicht  mehr  mitgetroffen  sein  konnten,  sehr  oft  Erytheme  und 
Epidermisnekrosen  beobachtet,  mit  sehr  protrahierter  Heilungsdauer, 
Erscheinungen,  wie  sie  in  analoger  Weise  nach  intensiver  Röntgen¬ 
bestrahlung  Vorkommen.  Dagegen  sind  intravenöse  Injektionen  so- 


750 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


wohl  heim  Tier  wie  beim  Menschen  bisher  anscheinend  ohne  Nach¬ 
teil  vertragen  worden:  ja,  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  Kaninchen 
(>  \\  ochen  lang  jeden  2.  Tag  etwa  0,08  g  reines  Borcholin  intravenös 
injiziert  ohne  jeden  Nachteil  vertragen  haben.  Wir  müssen  so¬ 
gar  vor  Injektionen  in  das  subkutane  Gewebe  drin¬ 
gend  warnen,  da  auch  wir  sehr  unangenehme  lang¬ 
dauernde  Eiterungen  beobachtet  haben,  wenn  die 
Vene  verfehlt  worden  war  und  subkutan  gespritzt 
w  urde.  Zumal  bei  Patienter:  mit  beginnender  Tuberkulose  muss 
peinlichst  alles  vermieden  werden,  was  die  Patienten,  die  oft  noch  gar 
kein  ausgeprägtes  Krankheitsgefühl  haben,  in  ihrem  subjektiven 
Wohlbefinden  beeinträchtigen  könnte.  Werden  nur  ganz  geringe 
Mengen,  nicht  mehr  als  höchstens  2  ccm  1  proz.  Lösung  in  das  Unter¬ 
hautzellgewebe  eingespritzt,  so  kann  in  den  meisten  Fällen  durch 
sofortige  Massage,  kalte  Umschläge  etc.  der  nekrotisierenden  Ent¬ 
zündung  vorgebeugt  werden.  Im  übrigen  hat  sich  herausgestellt,  dass 
die  Empfindlichkeit  gegen  Cholinsalze  nicht  bei  allen  Individuen  die- 
selbe  ist. 

Unsere  Gebrauchslösungen  stellten  wir  uns  nun  folgendermassen 
her:  Da  das  Präparat,  welches  uns  die  Vereinigten  Chemi¬ 
schen  Werke,  Charlottenburg  in  dankenswerter  Weise  zur 
Verfügung  stellten  in  10  proz.  Lösung  abgegeben  wird1),  so  mussten 
wir  uns  aus  dieser  Stammlösung  unsere  1  proz.,  l'A  proz.  und  2  proz. 
Gebrauchslösung  erst  hersteilen.  Wir  verarbeiteten  immer  gleich  den 
ganzen  Inhalt  eines  Fläschchens  Stammlösung,  da  wir  die  bakterielle 
Verunreinigung  fürchteten.  Zur  Herstellung  der  Lösung  wuschen  wir 
uns  wie  zu  einer  aseptischen  Operation.  Mit  Hilfe  von  frisch  destil¬ 
liertem  Wasser  wird  z.  B.  zur  Herstellung  von  100  g  einer  1  proz. 
Borcholinlösung  eine  0,7  proz.  NaCl-Lösung  hergestellt,  filtriert,  von 
dieser  filtrierten  NaCl-Lösung  90  g  in  einem  E  r  1  e  n  m  e  ye  r  sehen 
Kolben  abgewogen,  aufgekocht  und  in  die  erkaltete  NaCl-Lösung 
bei  Erhitzung  der  Borcholinlösung  tritt  ein  starker  Geruch  nach 
Trimethylamin  auf  —  vermittels  einer  sterilen  Rekordspritze  die  zur 
Verdünnung  nötige  Menge  Borcholin,  in  unserem  Beispiel  10  g  10  proz. 
Lösung  gebracht.  Die  so  hergestellte  Verdünnung  füllen  wir  ver¬ 
mittels  einer  sterilen  Rekordspritze,  für  welche  wir  uns  eine  ca.  12  cm 
lange,  dicke  stumpfe  Nickelkanüle  anfertigen  Hessen,  in  dunkle  Glas¬ 
ampullen  von  5,  10  und  20  g  Inhalt  ab,  welche  vor  dem  Gebrauch  über 
der  Spiritusflamme  abgeglüht  werden.  Dann  wird  der  Hals  der  Am¬ 
pulle  vorsichtig  abgeschmolzen.  Nach  unseren  Erfahrungen  hält  sich 
auf  diese  Weise  hergestellte  Borcholinlösung  mindestens  2  Monate, 
wenn  sie  bei  etwa  5°  C  aufbewahrt  wird.  Peinlichste  Asepsis  ist 
bei  allen  beschriebenen  Manipulationen  durchaus  nötig. 

Zur  Injektion  haben  sich  uns  am  besten  Rekordspritzen  von  5, 
10  und  20  ccm  Inhalt  bewährt,  die  vor  und  nach  jedem  Gebrauch 
in  Wasser  ausgekocht  und  in  der  Zwischenzeit  in  2  proz.  Karbolglyze¬ 
rinlösung  aufbewahrt  werden.  Für  den  Akt  der  Injektion,  welche  wir 
stets  in  eine  Armvene  machten,  genügt  bei  mageren  Individuen  mit 
gut  entwickelten  oberflächlichen  Venen  die  Kompression  des  Ober¬ 
arms  mit  der  Hand,  in  einzelnen  Fällen  ist  Stauung  vermittels  einer 
Binde  oder  Recklinghausen  scher  Manschette  zu  empfehlen. 
Nach  Abreibung  der  Hautoberfläche  mit  Aether  stechen  wir  eine  kurz 
abgeschliffene  dicke  Kanüle  in  die  Vene  ein,  überzeugen  uns  durch 
Zurückziehen  des  Spritzenstempels  der  nicht  vollständig  angefüllten 
Rekordspritze  davon,  dass  die  Kanülenspitze  sich  im  Venenlumen  be¬ 
findet  und  injizieren  dann  langsam  die  Lösung. 

Wir  fingen  gewöhnlich  mit  der  Injektion  von  1  ccm  der  von  uns 
hergestellten  1  proz.  Lösung,  also  0,01  g  reinem  Borcholin,  an  und 
steigerten  die  Einzeldosis  bis  auf  0,25  g  reinen  Borcholins.  Wir 
spritzten  durchschnittlich  jeden  zweiten  Tag. 

ln  den  letzten  Wochen  sind  wir  bis  zu  Einzelmengen  von  1,0  g 
Borcholin,  also  10  ccm  der  Stammlösung  gegangen,  haben  aber  diese 
Mengen  nicht  eingespritzt,  sondern  in  %  proz.  Lösung  in  die  Vene  in¬ 
fundiert.  Wir  benutzten  dazu  den  von  Weintraud  angegebenen 
Apparat  zur  Salvarsaninjektion.  Die  Venenkanüle,  eine  kurz  ab¬ 
geschliffene,  ziemlich  dicke  Nadel,  wird  in  die  Vene  perkutan  ein¬ 
gestochen.  Wenn  reichlich  Blut  aus  ihr  läuft,  wird  der  Irrigator¬ 
schlauch,  aus  dem  die  Luft  sehr  sorgfältig  entfernt  wurde,  eingeführt, 
der  Kanülengriff  mit  Heftpflaster  an  die  Haut  geklebt  und  nun  durch 
Heben  oder  Senken  des  Irrigatorgefässes  die  Irifusionsgeschwindigkeit 
so  reguliert,  dass  in  der  Minute  nicht  mehr  als  höchstens  20  g  ein- 
laufen.  Die  Patienten  zeigen  während  und  nach  der  Infusion  von 
400  g  '/  proz.  Lösung,  also  1,0  g  Borcholin,  ausser  etwas  Speichel¬ 
fluss  nicht  das  geringste  Unbehagen. 

Nebenwirkungen  der  intravenösen  Injek¬ 
tionen. 

Bei  Injektionen  kleiner  Mengen  von  Borcholin  —  bis  etwa 
0,05  g  der  reinen  Substanz  —  klagen  die  Patienten  über  keine 
unangenehmen  Sensationen  während  und  nach  der  Ein¬ 
spritzung.  Wird  die  Einzeldosis  bis  auf  0,2  oder  0,25  g  ver- 
grössert  oder  das  Borcholin  in  stärkerer  Konzentration,  etwa 
2  proz.,  eingespritzt,  so  beobachtet  man  einen  ganz  charak¬ 
teristischen  Symptomenkomplex,  der  bereits  von  den  Pharma- 


x)  Die  10  proz.  Borcholinlösung  wird  von  der  Fabrik  jetzt  unter 
dem  geschützten  Namen  Enzytol  abgegeben. 


kologen  als  Cholineffekt  beschrieben  worden  ist.  Es  ti 
während  der  Injektion  Rötung  des  Gesichts,  leich 
Schwindelgefühl,  Herzklopfen,  rasch  vorübergehende  Dyspn 
starke  Sekretion  der  Speichel-  und  Tränendrüsen  auf.  \ . 
den  Pharmakologen  wird  auch  erhöhte  Pankreassekretion  . 
wähnt.  Diese  Erscheinungen  gehen  spätestens  nach  l  < 
2  Minuten  vollständig  zurück.  Bei  Tieren,  insbesondere  i 
Kaninchen,  wurde  von  Werner  und  Ascher  nach  . 
jektion  von  etwa  0,08  g  Borcholin  derselbe  Symptomenko- 
plex  beobachtet.  Wir  haben  die  Beobachtung  gemacht,  d; 
die  für  den  Patienten  unangenehmen  Nebenerscheinungen 
der  Einspritzung  eng  mit  der  Konzentration  der  Lösung  i.| 
der  Schnelligkeit  der  Einspritzung,  also  mit  der  Menge  Bl- 
cholin,  die  in  der  Zeiteinheit  den  Zentren  zugeführt  wird.  . 
sammenhängen.  Wir  müssen  an  dieser  Stelle  hervorhebi 
dass  die  einzelnen  uns  von  der  Fabrik  zur  Verfügung  gestellt 
Probemengen  in  Hinsicht  auf  die  beschriebenen,  währej, 
der  Injektionen  beobachteten  Symptome  nicht  gleichai. 
waren.  Die  Unterschiede  in  den  Symptomen  waren  qua« 
tativer  Natur.  Während  beim  Gebrauch  der  ersten  und  letz  t 
Sendungen  die  Symptome  erst  bei  grösseren  Dosen  und 
viel  abgeschwächterem  Masse  auftraten  —  vor  allem  war  < 
Dyspnoe  kaum  nennenswert  — ,  so  beobachteten  wir  hei  eit 
Sendung,  schon  bei  Injektionen  von  0,04  g  derartige,  alf- 
dings  rasch  vorübergehende  Dyspnoe,  dass  wir  den  weiten 
Gebrauch  dieser  Probesendung  aufgaben.  Diese  Pro! 
Sendung  fiel  schon  von  vornherein  durch  ihren  stärkeren  . 
ruch  nach  Trimethylamin  auf.  Nachuntersuchern  ist  also;; 
empfehlen,  entweder  vor  der  Anwendung  einer  jeden  Sendr 
einige  Tierversuche  anzustellen  oder  mit  ganz  kleinen  Dos 
etwa  0,01  g,  Borcholin  zu  beginnen. 

Therapeutische  Beobachtungen. 

Chirurgische  Tuberkulose  wird  bei  uns  im  allgemein 
so  behandelt,  dass  wir  uns  selbsverständlich  hüten,  aus  et 
geschlossenen  Tuberkulose  eine  offene  zu  machen  und  cf? 
wir  bei  offenen  Tuberkulosen  operativ  zwar  gründlich,  iv 
doch  möglichst  konservativ  Vorgehen.  Bei  unseren  mit  Bi 
cholin  behandelten  Patienten  haben  wir  mit  Absicht  lji 
Jodoform  oder  ähnliche  Arzneimittel,  wie  sie  bei  chirurgisifc 
Tuberkulose  üblich  sind,  angewendet,  sondern  haben  li 
Wunden  nur  aseptisch  verbunden,  um  so  die  reine  Chcp 
Wirkung  sich  entfalten  zu  lassen.  Schon  am  Tag  nach  c 
ersten  Cholininjektion  beobachteten  wir  eine  erheblich  erhol 
seröse  Sekretion  der  Wunden.  Diese  wiederholte  sich  ii 
jeder  Injektion.  Dabei  entwickelten  sich  kräftige,  frisch 
sehende  Granulationen,  grosse  Wundhöhlen  füllten  sich  i 
fallend  rasch  aus  und  heilten  glatt  ohne  Fistelbildung  zu.  En 
in  Hand  mit  der  objektiven  Besserung  im  Aussehen 
Wunden  ging  eine  subjektive  Besserung  im  Befinden  < 
Patienten  einher.  Die  Kranken  bekamen  Appetit,  rUhnc 
unaufgefordert  ihren  guten  Schlaf,  nahmen  sehr  rasch  an  < 
wicht  zu,  und  der  in  manchen  Fällen  sehr  quälende  Huf 
hörte  meistens  sehr  rasch  ganz  auf.  Wir  heben  besonders  r 
vor,  dass  wir  erfolgreich  bemüht  waren,  bei  der  Beurteil; 
der  subjektiven  Besserungssymptome  jede  Suggestiv 
Wirkung  auszuschliessen;  das  wurde  uns  gar  nicht  sch’-' 
da  unsere  Patienten  gar  nicht  wissen,  mit  welchem  Präpji 
sie  behandelt  werden,  nachdem  Injektionen,  auch  intravem 
z.  B.  mit  Hetol,  bei  uns  tagtäglich  gemacht  werden.  Es  u 
sich  uns  die  vermehrte  Sekretion  der  Wunden  insofern! 
ein  Vorteil  herausgestellt,  als  dadurch  scheinbar  verhp 
Fistelgänge  deutlich  und  so  chirurgischer  Behandlung  zug?i 
lieh  gemacht  werden  können.  —  Die  obenerwähnten  günstf 
subjektiven  Besserungssymptome,  nämlich  Nachlassen  * 
Hustens,  guten  Appetit,  rasche  Zunahme  des  Körpergewih 
guten  Schlaf  konnten  wir  auch  bei  unseren  an  Lungentus 
kulose  erkrankten  Patienten  wahrnehmen.  Dabei  war  nji 
ein  Herabgehen  der  Pulsfrequenz  bis  zur  Norm  zu  beobacb'i 
in  einigen  Fällen  schien  uns  bei  älteren  Patienten  der  i 
weicher  zu  werden,  wofür  wir  keine  ausreichende  Erklä  i 
haben.  Dabei  wurde  im  Urin  der  mit  Borcholin  behandv 
Patienten  niemals  Albumen  oder  sonstige  abnorme  Bestn 
teile  nachgewiesen.  Im  übrigen  werden  unsere  an  Lunh 
tuberkulöse  erkrankten  Patienten,  wie  allgemein  üblich,  u 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


751 


April  1913. 


r  e  h  m  e  r  -  D  e  1 1  w  e  i  1  e  r  sehen  Prinzipien,  also  mit  Frei- 
iftliegekur,  Mastkur  etc.  behandelt.  Bei  den  mit  Borcholiu 
ehandelten  Patienten  haben  wir  ausser  diagnostischen  sub- 
utanen  Injektionen  mit  Alttuberkulin  Koch  Tuberktilin- 
ijektionen  nicht  verwendet.  Zur  besseren  Beurteilung  unserer 
esultate  haben  wir  uns  bei  Lungentuberkulose  vorläufig  auf 
alle  mit  offener  Tuberkulose  beschränkt.  Bei  fiebernden 
atienten  gingen  wir  mit  ganz  minimalen  Dosen  tastend  vor. 
vir  fingen  erst  mit  0,01  g  der  reinen  Substanz  an;  denn  wir 
eobachteten  bei  einer  floriden  Tuberkulose  (Stadium  III, 
urban -  Gerhardt)  schon  nach  Injektion  von  0,06  g 
.orcholin  eine  hochfieberhafte  Reaktion  bis  39,4  °,  welche  in 
Tagen  ablief.  Im  allgemeinen  machten  wir  die  Beobachtung, 
ass  die  Cholininjektionen  eine  um  so  geringere  Fieber-  und 
lerdreaktion  im  Gefolge  hatten,  je  torpider  der  Verlauf  der 
rkrankung  war.  Selbstverständlich  wird  das  Sputum  der 
lit  Cholin  behandelten  Patienten  regelmässig  untersucht;  da- 
ei  erhoben  wir  den  überraschenden  Befund,  dass  manchmal 
.hon  nach  verhältnismässig  wenigen  Einspritzungen  die  nach 
iehl  gefärbten  Tuberkelbazillen  nicht  mehr  Stäbchen-  son- 
ern  Körnerreihen  bildeten.  Es  fehlt  uns  bisher  jede  Erklärung 
atiir,  dass  nach  Einverleibung  von  so  kleinen  Mengen  Bor- 
holin  —  in  einzelnen  Fällen  waren  es  nicht  mehr,  wie  im 
anzen  1,5  g  —  eine  so  tiefgehende  Destruktion  der  Tuberkel- 
azillenleiber  statthaben  konnte.  Auch  der  bekannte  Einfluss 
es  Borcholins  auf  das  Blut  liess  sich  schon  nach  wenigen  In- 
.■ktionen  daran  erkennen,  dass  die  Lymphozytose,  welche  bei 
iner  grösseren  Anzahl  unserer  Patienten  vorhanden  war, 
mgsam  zurückging  und  manchmal  sogar  einer  Lymphopenie 
Platz  machte. 

Nachfolgend  geben  wir  einen  Auszug  aus  einigen  inter- 
ssanten  Krankengeschichten.  Die  ausführliche  Veröffent- 
chung  unserer  Krankengeschichten  —  wir  haben  bisher  in 
a.  50  Fällen  Borcholin  verwendet  —  behalten  wir  uns  für  eine 
asfiihrlichere  Publikation  vor. 

Als  Beispiel  für  die  unangenehme  Wirkung  des  Borcholius 
iei  subkutaner  Injektion  möge  folgender  Fall  dienen. 

Frau  K.,  40  Jahre  alt,  mit  geschlossener  Tuberkulose  des  rechten 
niegelenks,  geringem  Lungenbefund,  Adipositas  universalis  und  sehr 
chlecht  sichtbaren  Venen  wird  seit  27.  IX.  mit  Borcholin  behandelt, 
.m  7.  X.  werden  0,06  g  Borcholin  einer  1  proz.  Lösung  statt  in  die 
ene  ins  Unterhautzellgewebe  injiziert.  Darauf  am  9.  X.  Temperatur¬ 
teigerung  bis  38,8°,  hochgradige  Schmerzhaftigkeit  und  Erythem  des 
anzen  Armes.  Die  Erscheinungen  steigerten  sich  bis  zum  15.  X„ 
n  welchem  Tage  die  Injektionsstelle  inzidiert  wurde.  Es  entleerte 
ich  nur  wenig  triibseröse  Flüssigkeit  und  die  Erscheinungen  am  Arm. 
ie  bei  oberflächlicher  Betrachtung  einer  Verbrennung  ersten  Grades 
hnelten,  klangen  langsam  bis  zum  25.  X.  ab.  An  diesem  Tage  be- 
tand  zwar  keine  Hautrötung  mehr,  aber  eine  gut  aussehende  Wunde 
üt  stark  indurierter  Umgebung  und  seröser  Sekretion.  Am  6.  XI. 
vird  die  Patientin  mit  noch  nicht  geheilter  oberflächlicher  Wunde 
utlassen.  Der  nachbehandelnde  Arzt  teilte  mit,  dass  die  Wunde  Ende 
Jovember  abgeheilt  sei.  Wir  haben  bei  dieser  Patientin  die  Ein- 
pritzungen  natürlich  nicht  fortgesetzt. 

Als  Beispiel  einer  heftigen  Reaktion  nach  kleinen  Dosen 
iei  florider  fieberhafter  Lungentuberkulose  möge  folgender 
"all  angeführt  werden. 

Herr  J.  U„  33  Jahre  alt,  Stadium  III  (Turban-Gerhardt), 
nit  Temperaturen  bis  38°,  sehr  reichlichem  Sputum,  in  dem  geradezu 
Peinkulturen  von  Tuberkelbazillen  vertreten  sind,  wird  am  21.  X. 
rstmals  mit  0,05  g  Borcholin  behandelt,  nachdem  4  fieberfreie  Tage 
orausgegangen  waren.  Abends  Temp.  38.1 ",  am  Abend  des  folgen- 
len  Tages  39,2°,  am  dritten  Tage  39,4°  mit  hochgradigem  Krank- 
leitsgefühl,  reichlichem  grossblasigen  Rasseln  und  sehr  vermehrtem 
■'Putum.  Am  4.  und  5.  Tage  klang  die  Reaktion  langsam  ab.  Pat. 
ntzog  sich  der  weiteren  Behandlung. 

Als  Beispiel  des  glatten  Verlaufes  einer  schweren  Lungen- 
ind  Gelenktuberkulose  diene  folgender  Fall: 

9.  IX.  12.  Herr  M.  H„  44  Jahre  alt,  Körpergrösse  1,70  m, 
virpergewicht  54  kg.  Sehr  heruntergekommen,  kann  nur  wenig 
nissige  Speisen  gemessen.  Schlaflosigkeit,  ständig  quälender  Husten- 
eiz.  Lungenbefund:  R.V.  Dämpfung  bis  1.  Rippe,  R.H.  bis  VIII,  B.-W., 
erschürftes  Atemgeräusch,  auf  Hustenstösse  trockenes  Rasseln. 
-V.  Dämpfung  bis  3.  Rippe,  L.H.  bis  VI.  B.-W.  Atemgeräusch  ab- 
reschvvächt.  An  der  Spitze  kleinblasige  Rasselgeräusche.  Puls  100. 
-inkes  Fussgelenk  stark  geschwollen,  aktiv  unbeweglich,  bei  passiven 
Bewegungen  sehr  schmerzhaft.  Ueber  dem  inneren  Knöchel  eine 
angsverlaufende,  434  cm  lange  Inzisionswunde  des  vorbehandelnden 
Arztes.  Am  16.  IX.  wird  in  Aether-Chloroformnarkose  die  Inzisions- 
"’unde  nach  oben  und  unten  verlängert,  die  auf  der  Tibia  befindlichen 


schwammigen  Granulationen  entfernt  und  die  Tibia  wird  freigelegt. 
Etwa  6  cm  oberhalb  der  Knöchelspitze  führt  eine  Fistel  in  einen 
walnussgrossen,  auf  unserem  Röntgenbilde  vorher  nachgewiesenen 
Erweichungsherd  im  Knochen:  dieser  wird  ausgekratzt.  Verband. 
Lagerung  auf  V  o  1  k  m  a  n  n  sehe  Schiene. 

7  Tage  post  op.  begannen  wir  mit  der  intravenösen  Injektion  von 
0,01g  Borcholin  und  steigerten  die  Dosen  folgetidermassen :  23.  IX. 
0,01g.  25.  IX.  0,015  g.  27.  IX.  0,025  g.  29.  IX.  0,04  g.  1.  X.  0,06  g. 
3.  X.  0,08  g.  5.  X.  0,1  g.  7.,  9.,  11.,  13.  und  15.  X.  ebenfalls  je  0,1  g. 
17.  X.  0,15  g.  19.,  21.,  23.,  25.  und  27.  X.  je  0,2  g.  29.  und  31.  X., 
2.,  4.  und  6.  XI.  je  0,25  g.  Am  8.  XI.  0,2  einer  neuen  Sen¬ 
dung  (II). 

Während  der  Injektion  sehr  beschleunigte  Atmung, 
Herzpalpitationen,  Schweissausbruch  und  hochgradige  Sali- 
vation.  Die  Erscheinungen  gehen  134  Minuten  nach  der  Injektion,  die 
vollständig  schmerzlos  und  intravenös  wie  immer  erfolgt  war,  spurlos 
vorüber.  Am  Abend  des  Tages  Temperatursteigerung  bis  38,7° 
ohne  besonderes  Krankheitsgefühl.  Die  nächste  Injektion  mit  0,25  g 
Borcholin  wurde  am  12.  XL  und  zwar  mit  der  zuerst  gebrauchten 
Sendung  (I)  gemacht  und  verlief  wieder  ohne  jede  Reaktion;  ebenso 
eine  Injektion  von  0,05  g  der  Sendung  II  am  14.  XI.  Dagegen  beob¬ 
achteten  wir  bei  Injektion  von  0,15  g  der  Sendung  II  am  16.  XI. 
dieselben  Störungen  wie  bei  der  Injektion  am  8.  XL  mit  abendlicher 
Temperatursteigerung  bis  38,4°.  Wir  mussten  nun,  weil  uns  die 
Sendung  I  ausgegangen  war,  und  wir  Sendung  II  wegen  der  Neben¬ 
wirkungen  nicht  weiter  beim  Menschen  verwenden  wollten,  bis  zum 
Eintreffen  einer  frisch  hergestellten  Sendung  pausieren  und  benutzten 
die  Zwischenzeit,  um  festzustellen,  ob  durch  die  Borcholininjektionen 
eine  schwächere  Reaktion  auf  probatorische  subkutane  Tuberkulin¬ 
injektionen  erfolgen  würde,  mit  dem  Ergebnis,  dass  auf  Injektion  von 
0,2  mg  die  Temperatur  auf  37,8°  stieg  ohne  jede  Herd-  oder  ander¬ 
weitige  Reaktion,  bei  1,0  mg  auf  38  0  mit  geringem  Krankheitsgefühl. 
Am  18.  XII.  waren  wir  wieder  in  der  Lage,  eine  neue  Sendung  (III) 
verwenden  zu  können,  welche  wir  vorher,  ganz  vorsichtig  mit  der 
Dosis  steigernd,  bei  anderen  Patienten  ausprobiert  und  als  ohne  Neben¬ 
wirkung  erheblicheren  Grades  befunden  hatten.  Auch  bei  diesem 
Patienten  H.  zeigten  sich  bei  Injektion  von  0,2  g  am  18.  und  20.  XII. 
keinerlei  Störungen.  Die  Wunde,  die  nach  jeder  Einspritzung  auf¬ 
fallend  viel  serös  sezernierte,  hatte  sich  schon  am  7.  X.  erheblich 
verkleinert.  Am  19.  X.  notierten  wir:  subjektives  Wohlbefinden,  vor¬ 
züglicher  Schlaf  und  Appetit,  kein  Husten  mehr,  Gewicht  62,3  kg, 
Wunde  nur  noch  oberflächlich  granulierend,  keine  Spur  von  Fistel¬ 
bildung.  8.  XL  Körpergewicht  .65,6  kg,  Wunde  bis  auf  linsengrosse 
Stelle  glatt  geheilt.  Fussgelenk  beweglich.  3.  XII.  Körpergewicht 
67,4kg:  Wunde  geheilt.-  Fussgelenk  voll  beweglich.  Am  8.  I.  13 
wird  der  Patient  mit  guter  Narbe,  normal  beweglichem  Fussgelenk, 
tadellosem  Gang  und  Gewicht  von  69,2kg  entlassen.  Lungenbefund: 
R.  unter  dem  Schlüsselbein  rauhes  Inspirium,  L.V.  Schallverkürzung 
bis  1.  Rippe,  L.H.  bis  3.  Brustwirbel.  Atemgeräusch  abgeschwächt, 
keine  Rasselgeräusche.  Puls  76.  Kein  Husten,  kein  Auswurf.  Es 
gelang  schon  länger  nicht  mehr,  Bazillen  im  Auswurf  zu  finden.  Am 
1.  II.  teilte  uns  Pat.,  der  in  ärmlichen  Verhältnissen  lebt,  mit,  dass 
sein  Körpergewicht  auf  71,2  kg  gestiegen  sei  und  dass  er  sich  wohl 
befinde. 

Wenn  wir  die  Erfahrungen,  die  wir  bisher  gemacht  haben, 
übersehen,  so  ist  uns  das  eine  nicht  zweifelhaft,  dass  Borcholin 
bei  florider  Tuberkulose  eine  Reaktion  auslöst.  Da  wir  nun 
nach  neueren  Untersuchungen,  insbesondere  von  Lieber- 
m  e  i  s  t  e  r  [11]  und  R  umpf  [12]  wissen,  dass  bei  Tuber¬ 
kulose  im  Blute  Tuberkelbazillen  kreisen  und  wir  annehmen 
müssen,  dass  bei  florider  Tuberkulose  mehr  Bazillen  im  Blute 
zu  finden  sind,  als  bei  langsam  verlaufenden  Fällen,  so  ist  es 
wohl  gar  nicht  abzulehnen,  dass  unsere  Cholininjektionen  ins 
Blut  zuerst  die  im  Blute  kursierenden  Tuberkelbazillen  er¬ 
reichen.  Auch  für  die  Lungen  liegen  die  Verhältnisse  insofern 
günstig,  als  die  nächste  Herzkontraktion  das  mit  Cholin  ver¬ 
setzte  Blut  in  die  Lungen  wirft.  Wenn  uns  nun  unsere  Ver¬ 
suche  in  vitro  auch  gelehrt  haben,  dass  die  bakteriolytische 
Kraft  des  Borcholins  nur  bei  besonderer  Versuchsanordnung 
deutlich  wird,  so  ist  es  immerhin  nicht  unwahrschein¬ 
lich,  vielmehr  durch  die  Versuche  im  Heidelberger  Krebs¬ 
institut,  wonach  Borcholin  im  Körper  ganz  ähnlich  wie 
basisches  Cholin  wirkt,  sogar  ziemlich  gesichert,  dass  das  von 
uns  verwendete  Borcholin  im  Körper  Cholin  abspaltet. 

Es  sind  nun  in  der  letzten  Zeit  vor  allem  von  Finkler, 
Professor  Gräfin  v.  Linden  und  Strauss  [13]  hoch¬ 
interessante  und  vielversprechende  chemotherapeutische  Ver¬ 
suche  zur  Behandlung  der  Tuberkulose  angestellt  worden,  und 
zwar  suchte  Gräfin  v.  L  i  n  d  en  dem  Tuberkelbazillus  im 
Körper  mit  zwei  ganz  verschiedenen  Substanzen  beizu¬ 
kommen.  Einmal  mit  Chlor-  und  Jodwasserstoffsalzen  des 
Methylenblau,  andererseits  mit  Kupfersalzen.  Dabei  ergab 
sich  die  für  uns  sehr  wichtige  Tatsache,  dass  von  allen  thera- 


752 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


peutisch  versuchten  Verbindungen  die  Kupfer  1  e  z  i  t  h  i  n  - 
Verbindungen  als  die  wirksamsten  sich  erwiesen.  Gräfin 
v.  Linden  gibt  an  [14]:  Das  Kupferchlorid  und  ebenso  das 
Kupfertartrat  vermag  in  seinen  1  proz.  Lösungen  den 
Tuberkelbazillus  nach  12 — 24  Stunden  abzuschwächen,  die 
komplexen  Kupferlezithinverbindungen  in  öliger  Lösung  sind 
dagegen  imstande,  in  1  proz.  Konzentration  die  Tuberkel¬ 
bazillen  schon  nach  5  Stunden  erheblich  abzuschwächen,  nach 
24  Stunden  abzutöten,  so  dass  damit  infizierte  Tiere,  auch 
wenn  es  sich  um  eine  Infektion  mit  stark  virulenten  Kulturen 
handelt,  nicht  erkranken.  Ihr  Mitarbeiter  S  t  r  a  u  s  s,  welcher 
Kupferlezithinverbindungen  hauptsächlich  als  Suspensionen  in 
Oel  und  in  Salbenform  zur  Behandlung  äusserer  Tuberkulose 
empfiehlt,  gibt  ausdrücklich  an  [15],  dass  er  Kupferlezithin¬ 
verbindungen  in  der  Absicht  verwende,  damit  das  Lezithin  den 
Wachsmantel  der  Tuberkelbazillen  auflösen  solle. 

Ob  nun  bei  den  von  Gräfin  v.  Linden  und  S  t  r  a  u  s  s 
verwendeten  Kupferlezithinverbindungen  das  Kupfer  allein 
die  wesentliche  Rolle  spielt  oder  ob  nicht  das  Lezithin  eine 
ebenso  wichtige  Komponente  darstellt,  ist  schwer  zu  ent¬ 
scheiden,  zumal  Gräfin  v.  Linden  selbst  fand,  dass 
Kupferchlorid  und  Kupfertartrat  die  Tuberkelbazillen  abzu¬ 
schwächen,  dagegen  die  komplexen  Kupfer  1  e  z  i  t  h  i  n  - 
Verbindungen  die  Tuberkelbazillen  in  derselben  Zeit  und  in 
derselben  Konzentration  a  b  z  u  t  ö  t  e  n  vermögen. 

Wenn  sich  nun  auch  beim  weiteren  Ausbau  unserer 
Methode  heraussteilen  sollte,  dass  Cholinsalze,  speziell  Bor¬ 
cholin  den  Tuberkelbazillus  im  Körper  nur  insofern  schädigen, 
als  sie  den  Wachsmantel  durchdringen,  so  wäre  Borcholin 
unseres  Erachtens  immerhin  als  Transportmittel  für  bakterio- 
trope  Substanzen,  speziell  Metalle,  Kupfer,  Gold  (Bruck 
und  Glück  [16])  verwendbar,  weil  das  Borcholin  ein  Lezi¬ 
thinspaltprodukt  darstellt,  welches  leicht  in  wässeriger  Lösung 
und  in  verhältnismässig  hohen  Dosen  ohne  Schaden  in  die 
Blutbahn  gebracht  werden  kann.  Diese  Hoffnung  beruht 
keineswegs  auf  einer  durch  keine  Tatsachen  gestützten 
Hypothese.  Denn  Werner  fand  bei  Tierversuchen  am 
Krebsinstitut  [8],  dass  Vitalfarbstoffe  in  wässerigen  Lösungen 
den  tierischen  Körper  nur  ganz  langsam  färben,  während  dies 
mit  Hilfe  der  kombinierten  Lösung  der  Farbstoffe  mit  den 
Cholinsalzen  überraschend  schnell  und  leicht  gelingt.  Wer¬ 
ner  fügt  hinzu,  dass  die  Cholinsalzlösungen  somit  eine  Art 
von  Trausporteurwirkung  zeigen,  wobei  es  bemerkenswert 
sei,  dass  es  sich  um  eine  in  weiten  Grenzen  ungiftige  und 
um  eine  mit  therapeutisch  günstigen  Eigenwirkungen  begabte 
Substanz  handle. 

Zusammenfassung. 

1.  Lezithin  und  Lezithinspaltungsprodukte  (Cholin)  haben 
erhebliche  bakteriolytische  Kraft,  auch  bei  Tuberkelbazillen 
(D  e  y  c  k  e  und  Much). 

2.  Das  Lezithinspaltungsprodukt  Cholin  lässt  sich  als 
locker  gebundenes  Salz  (Borcholin)  ohne  Schaden  in  verhält¬ 
nismässig  grossen  Dosen,  auch  bei  Tuberkulösen,  in  die  Blut- 
bahn  bringen. 

3.  Bei  floriden  Fällen  von  Tuberkulose  löst  Borcholin  eine 
typische  Reaktion  aus. 

4.  Therapeutische  Versuche  haben  die  Brauchbarkeit  von 
Borcholin  bei  Tuberkulose  ergeben. 

5.  Ob  Borcholin  beim  weiteren  Ausbau  der  Methode  sich 
als  genügend  wirksames  antituberkulöses  Mittel  erweist,  oder 
ob  es  anderweitig  kombiniert  werden  muss,  bleibt  ferneren 
Versuchen  Vorbehalten. 

Literatur. 

1.  Deycke-Pascha  und  Reschad-Bey:  Ein  bakterielles 
Fett  als  immunisierende  Substanz  bei  der  Lepra,  seine  theoretische 
Bedeutung  und  seine  praktische  Verwendung.  Deutsche  med.  Wo¬ 
chenschrift  1907,  No.  3.  —  2.  Much  H.:  Nastin,  ein  reaktiver  Fett¬ 
körper  im  Lichte  der  Immunitätswissenschaft.  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1909,  No.  36.  —  3.  Deyke  G.  und  Much  H. :  Bakteriolyse 
von  Tuberkelbazillen.  Münch.  med.  Wochenschr.  1909,  No.  39.  — 
4.  Dieselben:  Untersuchungen  über  cndobazilläre  Eiweisskörper. 
Med.  Klinik  1908,  No.  40.  —  5.  Werner  R. :  Zur  chemischen  Imi¬ 
tation  der  biologischen  Strahlenwirkung.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1905,  No.  15  u.  a.  Arbeiten  1904  Münch,  med.  Wochenschr.  —  6.  Ex¬ 
il  er:  Vortrag  in  der  Wiener  Gesellschaft  der  Acrzte  vom  9.  XII.  04. 

'7.  Schwarz:  Ueber  die  Wirkung  der  Radiumstrahlen.  Arch.  f. 
Physiologie,  1903,  S.  532.  8  Werner  R. :  Ueber  die  chemische 


No.  14. 


Imitation  der  Strahlenwirkung  und  Chemotherapie  des  Krebses.  Med. 
Klinik  1912,  No.  28.  —  9.  Werner  R.  und  Ascher  L. :  Ueber  die 
chemische  Imitation  der  Strahlenwirkung  und  ihre  Verwertbarkeit 
zur  Unterstützung  der  Radiotherapie.  Strahlentherapie  1912,  Bd.  1, 
Heft  4.  —  10.  Werner  R. :  Ueber  Radiumwirkung  auf  Infektions¬ 
erreger  und  Gewebsinfektion.  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  34. 
—  11.  Liebermeister:  Der  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im 
kreisenden  Blute.  Verb,  des  24.  Kongresses  für  innere  Med.  1907, 
Münch,  med.  Wochenschr.  1908,  No.  36.  —  12.  Rumpf:  Münch,  ined. 
Wochenschrift  1912.  —  13.  Gräfin  v.  Linden,  E.  Meissen, 
A.  Strauss:  10.  Internationaler  Tuberkulose-Kongress  in  Rom. 
-  14.  Gräfin  v.  Linden:  Beiträge  zur  Chemotherapie  der  Tuber¬ 
kulose.  Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose,  Bd.  23,  H.  2.  —  15. 
Strauss  A.:  Weiterer  Beitrag  zur  Chemotherapie  der  äusseren 
Tuberkulose.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  50.  —  16.  Bruck  C. 
und  Glück  A.:  Ueber  die  Wirkung  von  intravenösen  Infusionen  mit 
Aurum-Kalium  cyanatum  (Merck)  bei  äusserer  Tuberkulose  und  Lues. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  2. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  Breslau’  (Direktor:  Prof. 

Dr.  T  o  b  1  e  r). 

Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Döhle  sehen 
Leukozyteneinschlüsse  bei  Scharlach*). 

Von  Dr.  Johanna  Schwenke,  Assistentin  der  Klinik. 

Döhles  Entdeckung  von  eigentümlichen  Leukozyten¬ 
einschlüssen  im  Blute  Scharlachkranker  musste  naturgemäß 
das  Interesse  der  Kliniker  erwecken.  Sein  Befund  ist  von 
verschiedenen  Seiten  nachgeprüft  worden.  Soweit  ich  die 
Literatur  übersehe,  sind  schon  mehr  als  500  Scharlachfälle 
untersucht  worden.  Sie  haben  mit  wenig  Ausnahmen  ein 
positives  Resultat  ergeben. 

Kretschmer  hat  als  erster  das  konstante  Vorkommen  der 
Döhle  sehen  Einschlüsse  in  frischen  Scharlachfällen  bestätigt  und 
die  Untersuchung  auf  Einschlüsse  als  ein  einfaches  diagnostisches 
Hilfsmittel  zur  Entscheidung  in  zweifelhaften  Fällen  empfohlen. 

Nico  11  und  Williams  untersuchten  51  Fälle,  in  45  Fällen 
wurden  Einschlüsse  gefunden,  in  6  Fällen  fehlten  sie:  die  Unter¬ 
suchung  fand  bei  letzteren  jenseits  des  6.  Krankheitstages  statt,  ln 
einer  zweiten  Serie  von  115  Fällen  vermisste  Ni  coli  sie  16  mal. 
auch  davon  befanden  sich  aber  12  Patienten  bei  der  Untersuchung 
jenseits  des  7.  Krankheitstages,  einer  wurde  am  4.,  zwei  am  5.  Krank¬ 
heitstage  negativ  befunden  und  einer  war  ein  fulminant  verlaufener 
Fall.  Ahmed  fand  die  Einschlüsse  konstant  am  3. — 10.  Krankheits¬ 
tage.  F  r  ä  n  k  e  n  -  Halle  vermisste  dreimal  unter  12  Fällen  Ein¬ 
schlüsse.  Harriehausen  berichtet  in  der  Gesellschaft  der 
Chariteeärzte  über  86  Untersuchungen  bei  Scharlach,  bei  diesen, 
zeigten  24  Fälle  keine  Einschlüsse;  allerdings  findet  sich  bei  diesen 
Angaben  der  beiden  letzten  Autoren  keine  Notiz  über  die  Zeit,  in 
welcher  die  Untersuchung  stattfand.  Coltner  fand  in  den,  in  den 
ersten  3  Krankheitstagen  Untersuchten  94  Proz.  positiv.  Bongartz 
konnte  in  11  untersuchten  Fällen  Einschlüsse  nachweisen. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  Fälle  zu  beobachten,  die  in  der 
ersten  Krankheitswoche  untersucht,  alle  einen  positiven  Be¬ 
fund  ergaben.  Die  Zahl  der  Einschlüsse  variierte  allerdings 
und  zwar  so,  dass  die  leichteren  Fälle  wenig  einschlusshaltige 
Leukozyten  zeigten  und  die  Einschlüsse  selbst  meist  kleinen 
waren.  Ich  ging  bei  der  Untersuchung  ähnlich  vor,  wie 
Harriehausen,  indem  ich  in  jedem  Fall  von  100  gezählten 
Leukozyten  die  Zahl  der  einschlusshaltigen  Leukozyten  zählte. 
Dieselbe  betrug  in  den  frischen  Fällen  50  bis  80  Proz.,  in  zwei 
Fällen  nur  20  Proz.  Gleichzeitig  nahm  ich  in  vielen  Fällen: 
eine  Leukozytenzählung  vor,  da  wir  einen  Zusammenhang 
mit  der  Leukozytose  für  möglich  hielten.  5  klinisch  beob¬ 
achtete  Fälle  wurden  in  der  ersten  Zeit  öfter  untersucht,  und 
dabei  konnte  konstatiert  werden,  dass  die  Einschlüsse  von 
Tag  zu  Tag  abnahmen  und  jenseits  des  7.  Krankheitstages  nm 
noch  Vereinzelt  zu  finden  sind.  Nur  ein  Fall,  der  durch  eint 
Phlegmone  kompliziert  war  und  lange  hoch  fieberte,  zeigte) 
noch  am  11.  Krankheitstage  fast  in  der  Hälfte  der  Leukozyten 
Einschlüsse. 

Alle  Autoren  stimmen  darin  überein,  dass  in  der  Mehrzah 
frischer  Scharlachfälle  Leukozyteneinschlüsse  reichlich  vor¬ 
handen  sind,  ein  Resultat,  das  dazu  ermutigen  konnte,  dei 
Blutuntersuchung  auf  Einschlüsse  einen  grossen  diagnostischer 
Wert  beizumessen,  zumal  da  diese  Einschlüsse  nach  den  An 


*)  Auszug  aus  einem  Vortrag,  gehalten  auf  der  Versammluiir 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  (Sekt.  d.  Ges.  f.  Kinderheilk. 
Münster  i.  W„  16.  September  1912. 


,  April  1911 


mueNcHeNer  Medizinische  Wochenschrift 


Zoo 


aben  von  Döhle  und  Kretschmer  (I.  Mitteilung)  für 
»charlach  pathognostisch  sein  sollten.  Die  weiteren  Unter- 
uchungen  haben  aber  gezeigt,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist. 
ondern  dass  Leukozyteneinschlüsse  auch  bei  anderen  Er- 
rankungen  gefunden  werden,  so  bei  Masern  (A  h  in  e  d, 
’r  eis  ich,  Harriehausen),  Sepsis  (Ni  coli),  Erysipel 
nd  Typhus  (N  i  c  o  1 1,  A  h  ni  e  d,  C  o  1  m  e  r),  Diphtherie  (C  o  1  - 
i  e  r,  Bongart  z,  Kretschmer). 

Diese  Befunde  waren  noch  nicht  bekannt,  als  ich,  angeregt 
Uirch  die  erste  Arbeit  Kretschmers,  begann,  Blutunter- 
uchungen  auf  Leukozyteneinschlüsse  vorzunehmen,  und  vor 
Ilern  auch  in  zweifelhaften  Fällen  das  neue  Hilfsmittel  zu 
rproben.  Es  sollte  uns  bei  Beginn  unserer  Untersuchungen 
Ireima!  in  einem  falschen  Verdachte  bestärken.  Bei  dem 
■inen  der  hier  in  Betracht  kommenden  Fälle  handelte  es  sich 
nn  ein  Kind,  das  an  Otitis  media  erkrankt  und  bei  welchem 
nfolge  neuer  Fiebersteigerung  und  Auftreten  eines  wenig 
:harakteristischen  Exanthems  der  Verdacht  aufgetaucht  war, 
;s  könne  sich  um  einen  Scharlach  handeln.  Die  Blutunter- 
<uchung  ergab  hier  einen  positiven  Befund  auf  Einschlüsse, 
las  klinische  Bild  und  der  weitere  Verlauf  machten  aber 
Scharlach  ausserordentlich  unwahrscheinlich.  Bei  zwei 
inderen  Fällen,  die  bald  nacheinander  eingeliefert  wurden, 
leide  mit  hohem  Fieber,  aber  ohne  nachweisbaren  Organ- 
lefund,  fand  ich  Leukozyteneinschlüsse  in  grosser  Zahl.  Bei 
lern  einen  Fall  war  noch  am  Abend  des  Aufnahmetages,  bei 
lern  anderen  am  nächsten  Morgen  der  physikalische  Befund 
einer  typischen  kruppösen  Pneumonie  zu  erheben.  Dass  es 
sich  in  dem  mikroskopischen  Befunde  um  die  von  Döhle 
beschriebenen  Einschlüsse  handeln  musste,  konnten  wir  mit 
Sicherheit  annehmen,  da  die  gefundenen  Einschlüsse  den  bei 
Scharlach  gefundenen  Leukozyteneinschlüssen  vollkommen 
gleichen.  Sie  verhielten  sich  auch  den  verschiedenen  Fär¬ 
bungen  gegenüber  absolut  gleich,  mit  Methylenblau  und  Azur 
waren  sie  schwächer  gefärbt  als  der  Kern,  mittels  der 
Pappenheim  sehen  Färbung  im  Gegensatz  zum  grünen 
Kern  rot  gefärbt.  Die  Befunde  bei  diesen  beiden  Fällen  ver- 
anlassten  mich,  speziell  bei  Pneumonien  auf  die  Döhle  sehen 
Leukozyteneinschlüsse  zu  fahnden.  Ich  hatte  Gelegenheit, 
14  Fälle  von  sicheren  kruppösen  Pneumonien  zu  untersuchen; 
es  handelte  sich  um  Kinder  im  Alter  von  2 — 10  Jahren.  Die 
Untersuchung  fand  vor  der  Krisis  innerhalb  des  2. — 9.  Krank- 
heitstages  statt.  Die  Pneumonie  war  in  einem  Teil  der  Fälle 
zurzeit  der  Blutuntersuchung  schon  deutlich  durch  physi¬ 
kalischen  Befund  nachweisbar,  zum  Teil  fehlte  ein  solcher 
noch.  Sämtliche  Fälle  fand  ich  positiv;  in  12  Fällen  fand 
ich  reichlich  (mehr  als  50  Proz.),  in  2  Fällen  mässig  reichliche 
einschlusshaltige  Leukozyten.  3  Fälle,  die  ich  klinisch  genau 
verfolgen  konnte,  habe  ich  wiederholt  auf  Leukozytenein¬ 
schlüsse  untersucht.  Bis  kurz  nach  der  Krisis  fand  ich  sie  in 
der  Mehrzahl  der  Leukozyten,  dann  nahmen  sie  allmählich  ab 
und  waren  nach  14  Tagen  nur  noch  vereinzelt  zu  finden. 

In  5  anderen  Fällen,  bei  denen  gleichfalls  Verdacht  auf 
Pneumonie  bestand,  ein  Lungenbefund  aber  nicht  nachweisbar 
wurde,  fanden  sich  zweimal  einschlusshaltige  Leukozyten 
reichlich,  dreimal  nur  vereinzelt.  3  Fälle  von  Broncho¬ 
pneumonie  bei  Keuchhusten  zeigten  mässig  reichlich  ein¬ 
schlusshaltige  Leukozyten,  ca.  35  Proz.  Die  grösste  Anzahl 
Einschlüsse  (98  Proz.)  fand  ich  bei  einem  Fall,  der  im  Rekon¬ 
valeszentenstadium  eines  Keuchhustens  hohes  intermittieren¬ 
des  Fieber  ohne  nachweisbare  Ursache  bekam.  In  mässig 
reichlicher  Zahl  waren  Einschlüsse  vorhanden  bei  Empyem 
(2  Fälle  40  Proz.),  eitriger  Pneumokokkenarthritis  (1  Fall), 
abszedierender  Pneumokokkenperitonitis  (1  Fall),  tuberkulösen 
Drüsenabszessen  (2  Fälle),  während  2  andere  Fälle  negativ 
gefunden  wurden.  Negativ  verhielten  sich  gleichfalls  einige 
Fälle  von  tuberkulöser  Pleuritis  (2  Fälle),  Lungentuberkulose 
(3  Fälle),  einige  Fälle  von  tuberkulöser  Meningitis,  seröser 
und  eitriger  Meningitis  und  Appendizitis.  Unter  11  Fällen 
von  Anämie  wurden  nur  2  mal  vereinzelte  Einschlüsse 
gefunden. 

Von  akuten  Exanthemen,  die  differentialdiagnostisch 
gegenüber  Skarlatina  besonders  in  Betracht  kamen,  unter¬ 
suchte  ich  5  Masernfälle,  von  denen  2  reichliche,  1  spärliche 
und  2  keine  Leukozyteneinschlüsse  zeigten;  bei  3  Fällen  von 

No.  14. 


Röteln,  je  ein  Fall  von  Serum-  und  toxischem  Hautexanthem 
konnten  keine  Einschlüsse  nachgewiesen  werden.  Von  5  Fällen 
von  Angina  wurden  2  positiv  befunden. 

Es  drängt  sich  nun  die  Frage  auf,  was  sind  eigentlich 
diese  Leukozyteneinschlüsse,  die  bei  Scharlach  und  den  ver¬ 
schiedensten  anderen  Erkrankungen  mehr  oder  weniger  kon¬ 
stant  zu  finden  sind.  Döhle  hielt  sie  nach  neueren  Mit¬ 
teilungen  für  Teilstücke  einer  Spirochäte,  die  von  den  Leuko¬ 
zyten  aufgenommen  und  verarbeitet  worden  sind,  er  konnte 
einige  feingewundene  Fäden  ausserhalb  der  Leukozyten  nach- 
weisen.  In  dieser  Spirochäte  möchte  er  den  mutmasslichen 
Erreger  des  Scharlachs  sehen.  Das  Vorhandensein  der  Ein¬ 
schlüsse  bei  den  anderen  Krankheiten  sucht  er  dadurch  zu  er¬ 
klären,  dass  auch  hier  eine  Spirochäte  Eingang  in  die  Blut¬ 
bahn  gefunden  hat.  Die  Krankheiten,  bei  denen  Einschlüsse 
gefunden  wurden,  zerfallen  nach  seiner  Ansicht  in  2  Gruppen: 
solche,  deren  Aetiologie  noch  unbekannt  ist,  und  solche,  bei 
denen  es  sich  um  entzündliche  Veränderungen  im  Darmtraktus 
handelt,  welche  den  Spirochäten  die  Eingangspforte  geboten 
haben  könnten.  Unter  die  letzte  Gruppe  fallen  die  Fälle  von 
Typhus  abdom.,  Tuberkulose,  der  Fall  von  Wechsel  mann 
und  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  von  myeloider  Leukämie,  bei  dem  es  zu 
einer  Ulzeration  in  der  Mundhöhle  gekommen  war.  Nur  die 
Fälle  von  Pneumonie  konnte  er  auf  diese  Weise  nicht  erklären 
und  er  möchte  das  Vorkommen  bei  dieser  Krankheit  an¬ 
zweifeln,  denn  von  Kretschmer  sei  die  Möglichkeit,  dass 
die  Pneumonie  erst  im  Anschluss  an  Scharlach  eingetreten  sei, 
zugegeben  und  im  eigenen  Fall  die  Verwechslung  mit  einem 
Scharlachpräparat  nicht  ausgeschlossen.  Demgegenüber 
möchte  ich  nun  besonders  hervorheben,  dass  bei  unseren 
Fällen  von  Pneumonie  jeder  Scharlachverdacht,  ebenso  wie 
jede  Verwechslung  von  Präparaten  vollständig  ausgeschlossen 
ist.  Wir  können  also  auch  an  einen  Zusammenhang  von  Spiro¬ 
chäteninfektion  und  Leukozyteneinschlüssen  nicht  glauben. 
Näherliegend  möchte  uns  schon  erscheinen,  dass  eine  Strepto¬ 
kokkeninfektion  im  Spiel  ist,  woran  Kretschmer  und 
Colmer  gedacht  haben.  Aber  wahrscheinlich  sind  die  ver¬ 
schiedensten  Erreger  imstande,  das  gleiche  Blutbild  hervor¬ 
zurufen.  Ich  möchte  am  meisten  der  Ansicht  zuneigen,  dass 
die  von  Döhle  beschriebenen  Einschlüsse  das  Produkt  einer 
Giftwirkung  auf  das  Blut  oder  Knochenmark  sind,  ebenso  wie 
nach  N  a  e  g  e  1  i  die  Leukozytose  eine  vitale  Reaktion  des 
Knochenmarks  auf  die  Toxine  ist.  Da  Scharlach  und  Pneu¬ 
monie  mit  Leukozytose  einhergehen,  waren  wir  von  vorn¬ 
herein  geneigt,  diese  in  Zusammenhang  mit  den  Einschlüssen 
zu  bringen.  Ich  habe  eine  Anzahl  der  Fälle  hinsichtlich  der 
Leukozytose  und  Zahl  der  einschlusshaltigen  Leukozyten  ge¬ 
nau  verfolgt,  konnte  aber  ein  Parallelgehen  beider  Erschei¬ 
nungen  nicht  in  allen  Fällen  konstatieren.  Vor  allem  fanden 
sich  Fälle,  die  mit  hochgradiger  Leukozytose  einhergingen  und 
Einschlüsse  gar  nicht  oder  nur  in  ganz  geringer  Zahl  zeigten. 
Das  Vorkommen  der  Einschlüsse  bei  Infektionskrankheiten,  die 
mit  Leukopenie  einhergehen  (Typhus,  Masern)  spricht  auch 
gegen  eine  direkte  Beziehung  zwischen  Leukozytose  und 
Döhle  sehen  Einschlüssen.  Ich  nehme  an,  dass  beide  Er¬ 
scheinungen  ziemlich  unabhängig  voneinander  der  Ausdruck 
einer  Reaktion  des  hämatopoetischen  Systems  auf  bakterielle 
Gifte  sind.  —  Ob  es  sich  um  wirkliche  Einschlüsse  handelt, 
die  aus  dem  Blute  aufgenommen  werden,  z.  B.  zerfallene  Blut¬ 
bestandteile,  oder  ob  die  sogen.  Einschlüsse  im  Protoplasma 
selbst  entstehen,  mag  dahingestellt  bleiben.  Dass  sie  Bruch¬ 
stücke  des  Kernes  sind,  ist  durch  das  verschiedene  färberische 
Verhalten  wohl  ausgeschlossen.  Auffallend  ist  vielleicht,  dass 
sie  sich  bei  allen  Färbemethoden  wie  das  Protoplasma  der 
Lymphozyten  verhalten,  worauf  schon  Wechselmann  und 
Hirschfeld  hingewiesen  haben.  Jedenfalls  sind  die  Leu¬ 
kozyteneinschlüsse  eine  interessante  Erscheinung  im  Blut¬ 
bilde  bestimmter  Infektionskrankheiten. 

Die  diagnostische  Bedeutung  der  Leukozyteneinschlüsse 
wird  von  ,cRn  verschiedenen  Autoren  auf  Grund  ihrer  Unter¬ 
suchungen  verschieden  bewertet.  Während  die  einen  Autoren 
(Preisich,  Harriehausen,  Bongart z)  ihr  jeden  dia¬ 
gnostischen  Wert  absprechen,  glauben  andere  (Ni  coli, 
Colmer),  dass  die  Untersuchung  auf  Leukozyteneinschlüsse 
zur  Differentialdiagnose  gegenüber  verschiedenen  Exanthemen 


754 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14. 


brauchbar  ist,  dass  aber  hauptsächlich  nur  ein  negatives 
Resultat  von  Wert  ist.  Kretschmer  ist  der  Ansicht,  dass 
die  Unspezifität  der  Einschlüsse  die  diagnostische  Bedeutung 
nicht  wesentlich  einzuschränken  vermag,  da  Einschlüsse 
hauptsächlich  bei  solchen  Krankheiten  nachgewiesen  werden, 
die  differentialdiagnostisch  gar  nicht  in  Betracht  kommen. 

Meine  Untersuchungsresultate  und  die  sich  daraus  ergeben¬ 
den  Schlüsse  für  die  diagnostische  Verwertbarkeit  der  Leuko¬ 
zyteneinschlüsse  möchte  ich  kurz  folgendertnassen  zusam¬ 
menfassen.  Die  Leukozyteneinschlüsse  werden  bei  frischen, 
hochfiebernden  Scharlachfällen  konstant  in  der  Mehrzahl  der 
Leukozyten  gefunden,  bei  leichten,  mit  geringer  Eieberstei¬ 
gerung  einhergehenden  Fällen  in  geringerer  Zahl.  Nach  dem 
7.  Krankheitstage  sind  sie  überhaupt  nur  noch  vereinzelt  vor¬ 
handen.  Nur  in  frischen  Fällen  kann  demnach  die  Blutunter¬ 
suchung  auf  Döhle  sehe  Einschlüsse  als  diagnostisches  Hilfs¬ 
mittel  in  Betracht  kommen.  Die  Leukozyteneinschlüsse  sind 
aber  für  Scharlach  nicht  pathognostisch,  sondern  sie  finden 
sich  ebenso  konstant  und  ebenso  reichlich  bei  der  kruppösen 
Pneumonie  der  Kinder.  Zwischen  diesen  beiden  Krankheiten 
kann  demnach  der  Befund  von  Leukozyteneinschlüssen  kein 
differentialdiagnostisches  Merkmal  darstellen.  Wie  wir  ge¬ 
sehen  haben,  können  aber  auch  bei  anderen  akuten,  sub¬ 
akuten  und  chronischen  Erkrankungen  die  Einschlüsse  in  mehr 
oder  minder  grosser  Zahl  gefunden  werden  und  so  ist  ein 
positiver  Befund  stets  nur  mit  Vorsicht  zu  verwerten.  Wich¬ 
tiger  als  ein  positiver  Befund  ist  ein  negativer,  insofern,  als 
ein  negatives  Resultat  bei  hochfiebernden  Kranken  entschieden 
gegen  Scharlach  spricht.  Bei  einem  leicht  oder  gar  nicht 
fiebernden  Kranken  kann  allerdings  auf  Grund  eines  nega¬ 
tiven  Befundes  eine  Scharlacherkrankung  nicht  ausgeschlossen 
werden. 

Die  Untersuchung  auf  Leukozyteneinschlüsse  bei  Schar¬ 
lach  muss  demnach  in  ihrer  diagnostischen  Bedeutung  eine 
ziemlich  weitgehende  Einschränkung  erfahren.  Infolge  der 
einfachen  Technik  dürfte  sie  immerhin  als  unterstützendes 
Hilfsmittel  in  zweifelhaften  Fällen  mit  Erfolg  heranzu¬ 
ziehen  sein. 

Literatur. 

1.  Döhle:  Zentralbl.  f.  Bakteriologie,  Bd.  61.  —  2.  Wechsel- 
mann  und  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d :  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  66.  —  3.  May: 
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Arch  of  Paediatrics,  XXIX,  7.  —  5.  Nicoll:  Arch.  of  Paediatrics, 
XXIX,  6.  —  6.  Preisich:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  No.  16.  — 
7  Ahmed:  Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  26.  —  8.  Frünken-  Halle: 
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Münch,  med.  Wochenschr.  No.  34,  1912.  —  10.  Döhle:  Zentralbl. 
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—  14.  Kretschmer:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  46. 


Der  neue  Kissinger  Sprudel  und  seine  Bedeutung  für 
Herz-  und  Gefässkrankheiten. 

Von  Hofrat  Dr.  Leusser  in  Bad  Kissingen. 

Schon  im  Jahre  1898  wurde  in  einer  Abhandlung: 
„Kissingen  für  Herzkranke“  Q  von  mir  darauf  hingewiesen, 
in  welch  hervorragender  Weise  Bad  Kissingen  alle 
Postulate  erfülle,  die  zur  erfolgreichen  Behandlung  von 
Herz-  und  Gefässkrankheiten  nötig  seien,  und  an  erster 
Stelle  wurde  neben  dem  Gebrauch  der  Massage,  der 
manuellen  und  schwedischen  Heilgymnastik,  der  Elektrizität, 
der  Gelegenheit  zu  Terrain-  sowie  diätetischen  Kuren  und 
guten  klimatischen  Verhältnissen  seine  vorzüglichen  1  bis 
3  proz.  abstufbaren  kohlensauren  Solbäder  hervorgehoben, 
ihre  Indikationen  für  Herz-  und  Gefässerkrankungen  nach 
allen  Seiten  beleuchtet  und  durch  Beobachtungen  und  Er¬ 
fahrungen  erhärtet. 

Dass  mit  jenen  Ausführungen  nicht  zuviel  behauptet 
worden  war,  hat  deutlich  seinen  Ausdruck  darin  gefunden, 
dass  sich  seit  jener  Zeit  von  Jahr  zu  Jahr  die  Zahl  der  hilfe¬ 
suchenden  Herzkranken  in  Bad  Kissingen  in  raschem 
Tempo  vermehrte  und  letzteres  heute  unbestritten  als  Herz- 

*)  Leusser:  Kissingen  für  Herzkranke.  St.  Petersburger 
med.  Wochenschr.  1898,  No.  8. 


heilbad  ersten  Ranges  gilt,  und  so  den  ihm  seit  lange 
gebührenden  hervorragenden  Platz  unter  den  Herzheilbädern 
einnimmt. 

Durch  Erbohrung  eines  neuen  Sprudels,  ca.  7  km  von 
Bad  Kissingen  entfernt,  in  der  Nähe  des  Dorfes  Klein- 
brach  im  Laufe  des  Jahres  1909  wurde  ein  neues  wich¬ 
tiges  Hilfmittel  in  der  Behandlung  der  Herz-  und  Gefässkrank¬ 
heiten  gewonnen  und  die  Abstufbarkeit  der  Bäder  für  diese 
Kranken  erhöht. 

Die  Erbohrung  dieses  neuen  Sprudels,  die  im  Aufträge  des  Kgl. 
Staatsministeriums  der  Finanzen  von  der  Kgl.  Preussischen  Bohr¬ 
verwaltung  Schönebeck  ausgeführt  wurde,  war  mit  grossen] 
technischen  Schwierigkeiten  und  hohen  Kosten  verbunden  und  führte  I 
in  eine  Tiefe  von  916  m. 

Sie  ergab  einen  kohlensäurereichen  erdig-muriatischen  Eisen-' 
Säuerling,  der  sich  wesentlich  von  den  bereits  vorhandenen  Sprudeln) 
in  seiner  Zusammensetzung  unterscheidet  und  eine  Schüttung  vonl 
250  Minutenliter  aufweist. 

Gewaltige  Mengen  gasförmiger  Kohlensäure  entströmen  in  der 
Tiefe  von  520  m  unter  einem  Atmosphärendruck  von  50  den  Zech¬ 
steinschichten;  aus  dem  darüber  sich  aufbauenden  Hauptbuntsandstein 
entspringen  drei  starke  Mineralwasserquellen  in  je  102,  145  und  lS5m 
Tiefe.  Der  so  gewonnene  neue  Sprudel,  der  in  einem  11,5  in  unter 
Tag  reichenden  gemauerten  Schacht  frei  aus  dem  Bohrloch  austritt. 
wird  von  einer  Spezialpumpe  für  kohlensäurehaltige  W'ässer  in  die 
fast  7  km  lange  Leitung  gedrückt,  und  erreicht  nahezu  ohne  Kohlen-f 
säureverlust  und  Ausfällung  des  in  Lösung  befindlichen  doppeltkohkn- 
sauren  Eisenoxyduls  die  Reservoire  und  Badehäuser. 


Analyse  des  Neuen  Sprudels  zu  Bad  Kissinge n.l 
Ausgeführt  im  Chemischen  Laboratorium  Fresenius  von  Dr.  R.  Fre¬ 
senius  und  Dr.  L.  Grünhut  im  Dezember  1912. 
Temperatur  13,7°  C  (gemessen  im  Quellschacht). 
Spezifisches  Gewicht:  1,00436  bei  15°  C,  bezogen  auf 
Wasser  von  4°  C. 


1.  Ergebnisse  der  chemischen  Analyse. 


In  1  kg  des  Mineralwassers  sind 


Kationen  Gramm 

Kalium-Ion  (Ka')  .  0,08823 

Natrium-Ion  (Na') .  0,8738 

Lithium-Ion  (Li') .  0,000710 

Ammonium-Ion  (NHF)  ....  0,000423 

Kalzium-Ion  (Ca'') . 0,5410 

Strontium-Ion  (Sr'') .  0,003619 

Magnesium-Ion  (Mg")  ....  0,1711 

Ferro-Ion  (Fe") .  0,02944 

Mangano-Ion  (Mn") .  0,001241 


A  n  i  O  n  e  11  Gramm 

Nitrat-Ion  (Nos') .  0,001386 

Chlor-Ion  (CF) . 1,213 

Brom-Ion  (Br') .  0,002895 

Jod-Ion  (J')  .  0,000007 

Sulfat-Ion  (SOF)  . 0,9619 


Hydrophosphat-Ion  (HPOF')  .  0,000123 
Hydroarsenat-Ion  (HASOF')  .  0,000105 
Hydrokarbonat-Ion  (HCOa')  .  1,729 

5,618 

Borsäure  (meta)  (HBOe)  .  .  0,002836 
Kieselsäure  (meta)  (HaSiOa)  .  0,01629 

5,637 

Freies  Kohlendioxyd  (CO2)  .  .  2,633 

8,270 


enthalten: 


Milligramm-Ion 
bzw.  Milli-Mol. 

2,257 

37,99 

0,1024 

0,0235 

13,50 

0,0413 

7,036 

0,5273 

0,0226 

Milligramm 

Aequivalent, 

2,257 

37,99 

0,1024 

0,0235 

27,00 

0,0826 

14,07 

1,055 

0,0452 

82,63 

Milligramm-Ion 
bzw.  Milli-Mol. 

0,0224 

34,20 

0,0362 

0,00005 

10,01 

0,0013 

0,0008 

28,34 

Milligramm 

Aequivalent 

0,0224 

34,20 

0,0362 

0,00005 

20,03 

0,0025 

0,0015 

28,34 

134,11 

82,63 

0,0644 

0,2081 

134,38 

59,84 

194,22 

Daneben  Spuren  von  Aluminium-Ion  und  Titansäure. 


Das  Mineralwasser  entspricht  in  seiner  Zusammensetzung  uij 
gefähr  einer  Lösung,  welche  in  1kg  enthält: 

Gramm 


Kaliumnitrat  (KNOa) .  0,002260 

Kaliumchlorid  (KCl)  ....'..  0,1666 

Natriumchlorid  (NaCl) . 1.861 

Natriumbromid  (NaBr) .  0,003728 

Natriumjodid  (NaJ) .  0,000008 

Natriumsulfat  (Na2S04) .  0,4345 

Lithiumchlorid  (LiCl)  .  0,004340 

Ammoniumchlorid  (NH4CI)  ....  0,001255 

Kalziumsulfat  (CaSÜ4) .  0,9469 

Kalziumhydrophosphat  (CaHPOa)  .  .  0,000175 

Kalziumhydroarsenat  (CaHASÜ4)  .  .  0,000136 

Kalziumhydrokarbonat  (Ca  (HCO3)  2)  .  1,061 

Strontiumhydrokarbonat  (Sr  (HCOa)  2)  .  0,008658 

Magnesiumhydrokarbonat  (Mg  (HCOa)  2)  .  1,030 


pri!  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


755 


i  hydrokarbonat  (FefHCO.Ts) 

,  anohydrokarbonat  (Mn  (HCOn) ») 
i  iure  (meta)  (HBO2)  . 

Isäure  (meta)  (HsSiOa)  . 


5  s  Kohlendioxyd  (CO>) 


Gramm 

0,09379 

0.003997 

0,002836 

0,01629 

5,637 

2,633  =  1400  ccm  bei 

13,7°  C  und 
8,270  760  mm  Druck. 


lsanimensetzung  der  aus  dem  Wasser  des  Neuen 
Sprudels  entweichenden  Gase 
(entnommen  aus  dem  Windkessel  der  Pumpe). 

1000  Raumteile  Gase  enthalten: 


ndioxyd  (CO2)  . 

■  an  (CH0  .  .  . 

■stoff  (O2) 

stoff  (N2)  und  Edelgase 


915  Raumteile 
0,4 
5 

80 

1000. 


{Ergebnisse  der  physikalisch -  chemischen  Un¬ 
tersuchung. 

Spezifische  Leitfähigkeit. 

Die  spezifische  Leitfähigkeit  des  Wassers  des  Neuen  Sprudels 
>  sich  bei  13,1 0  C  in  reziproken  Ohm  pro  cm-Würfel 
K  13,1°  —0,005556. 

Hieraus  berechnet  sich  die  mittlere  Aequivalentleitfähigkeit,  he¬ 
il  auf  1/ (cm  Ohm)  bei  18°  C  zu 

A  18°  =  —86,7. 

Gefrierpunkt. 

Der  stationäre  Gefrierpunkt  des  Wassers  des  Neuen  Sprudels 

I.  der  Gefrierpunkt,  den  das  Wasser  nach  Austreibung  einer 

I  en  Menge  freien  Kohlendioxyds  zeigt,  dass  eben  Kalziumkar¬ 
tausscheidung  beginnt)  beträgt 

A  =  —0,232°  C. 

I I.  Ergebnisse  der  Untersuchung  auf  Radio¬ 

aktivität. 

Die  Untersuchung  frisch  aus  dem  Quellenschacht  geschöpften 
sers  des  Neuen  Sprudels  ergab  mittels  des  Fontaktoskops  von 
1  e  r  und  S  i  e  v  e  k  i  n  g  für  den  Gehalt  eines  Liters  Wassers  an 
umemanation  einen  Wert  von  0,19  Mache-Einheiten. 

Weitere,  an  aufbewahrtem  Wasser  ausgeführte  Bestimmungen 
en,  dass  die  diesem  Werte  entsprechende  Menge  Radium - 
lation  sich  nicht  im  Gleichgewicht  mit  einer  entsprechenden 
ummenge  befindet,  sondern  als  selbständiger  gasförmiger  Be¬ 
lteil  in  dem  Mineralwasser  gelöst  enthalten  ist. 

Charakter  des  Wassers  des  Neuen  Sprudels. 
Die  Summe  der  gelösten  festen  Bestandteile  beträgt  5,6  g  in 
Auf  Grund  der  Einzelergebnisse  der  Untersuchung  ist  das 
ser  des  Neuen  Sprudels  als  ein  hypotonisches  Mineralwasser  zu 
ichnen,  dem  eine  Uebergangsstellung  zwischen  den  erdig-salini- 
ti  und  den  erdig-sulfatischen  Kochsalzsäuerlingen  zukommt.  Be- 
;enswert  ist  der  recht  hohe  Eisengehalt  (29  mg). 

Der  neue  Sprudel  unterscheidet  sich  dadurch  sehr  wesentlich  von 
bereits  vorhandenen  Quellen,  dass  er  viel  mehr  Kohlen- 
re,  einen  bedeutend  höheren  Eisengehalt,  g  e  - 
gere  Mengen  Kochsalz  und  nicht  unbedeutende 

II  gen  von  Arsen  bei  einer  Temperatur  von  12,5 
13,5°  C  enthält. 

Durch  bakteriologische  Untersuchungen  wurde  festgestellt,  dass 
Neue  Sprudel  vollkommen  keimfrei  und  frei  von  organischen 
■tanzen  ist.  Er  ist  ein  reines  Mineralwasser  ohne  Beimengung 
Wildwässern 2). 

Wir  haben  also  in  der  Erbohrung  des  Neuen  Sprudels  einen 
Aktor  von  eminenter  Bedeutung  gewonnen  und  meine  in  früheren 
-iten  wiederholt  und  zuerst  im  Jahre  1898  ausgesprochene  Be¬ 
ttung,  dass  Kissingen  unter  den  Badeorten,  die 
h  vermöge  ihrer  kohlensäurereichen  Quellen 
Behandlung  von  Herzkranken  ganz  besonders 
uen,  einen  bevorzugten  Platz  einzunehmen  b  e  - 
htigt  ist,  hat  damit  eine  neue  Stütze  gefunden.  Es  stehen 
nunmehr  in  Kissingen  folgende  Badeformen  in  zweckmässigen 
tufungen  für  die  verschiedenen  Arten  der  Herz-  und  Gefässerkran- 
gen  je  nach  dem  Kräftezustand  des  Patienten  zur  Verfügung: 

1.  entgaste  oder  kohlensäurefreie  Solbäder, 

2.  kohlensäureschwache  Solbäder, 

3.  gewöhnliche  kohlensaure  Solbäder  und  Wellenbäder, 

4.  neue  (sehr  kohlensäurereiche)  Sprudelbäder. 


*)  Obige  Analysen  und  Angaben  verdanke  ich  der  Liebens- 
digkeit  des  Leiters  unseres  staatl.  balneol.  Laboratoriums,  Herrn 

P.  H  a  e  r  1 1. 


Wie  schon  an  anderer  Stelle2)  hervorgehoben,  stehen  die  Kis¬ 
sing  e  r  kohlensauren  Bäder  denen  anderer  Herzheilbäder  in  ihrer 
Wirksamkeit  nicht  nach,  ja  ihr  Kohlensäurereichtum  ist  sogar  grösser 
Was  sie  gegenüber  anderen  gleichnamigen  Bädern  an  Kochsalz  oder 
natürlicher  Wärme  entbehren,  können  wir  einerseits  durch  Zusatz 
von  Kissinger  Mutterlauge  und  Gutsole  leicht  ausgleichen  und 
damit  jede  gewünschte  Konzentration  derselben  erreichen,  anderer¬ 
seits  durch  Erwärmung  ausserhalb  der  Wannen  vermittels  eines  von 
Herrn  Hofrat  Hessing  neu  eingeführten  Apparates,  der  jeden 
irgendwie  bedeutenden  Verlust  von  Kohlensäure  ausschliesst,  jede 
beliebige  Temperatur  des  Badewassers  erreichen.  Es  ist  durch  Ver¬ 
suche  nachgewiesen,  dass  der  Kohlensäureverlust  der  Bäder  durch 
diese  Erwärmungsart  nur  8  bis  10  Proz.  beträgt.  Bei  dem  hohen 
Kohlensäuregehalt  der  Kissinger  Bäder  bedeutet  dies  gar  nichts 
und  beeinträchtigt  ihre  Wirksamkeit  in  keiner  Weise. 

Der  Einfluss  der  kohlensauren  Sol-  und  Sprudelbäder  auf  den 
Badenden  ist  bekanntlich  so  zu  denken,  dass  durch  ihren  Reiz  auf  die 
Haut  Nervenendigungen  und  die  Vasomotoren  unter  Erhöhung  des 
Blutdrucks  einerseits  und  andererseits  auf  das  Herz  selbst  eine  Ein¬ 
wirkung  unter  Kräftigung  des  letzteren  zustande  kommt3 4).  Nach 
W  i  n  t  e  r  n  i  t  z 5)  findet  auch  eine  Resorption  von  Kohlensäure  im 
Bade  statt.  Er  weist  in  seinen  diesbezüglichen  Versuchen  eine  er¬ 
hebliche  Vermehrung  des  Atemvolumens  nach  und  hält  diese  für 
eine  spezifische  Wirkung  des  kohlensauren  Solbades.  Und  er  erklärt 
es  sich  so,  dass  durch  die  Vermehrung  der  Atemgrösse  im  kohlen¬ 
sauren  Bad,  durch  welches  eine  Vertiefung  der  Atmung  hervorgerufen 
wird,  der  inspiratorische  Zufluss  zum  Herzen  und  die  Grösse  der  Dia¬ 
stole  günstig  beeinflusst  werden,  welch  letztere  wieder  zu  einer  Er¬ 
holung  und  leichtdren  Blutdurchflutung  und  Ernährung  des  Herz¬ 
muskels  Veranlassung  gibt.  Wer  ein  kohlensaures  Solbad  oder 
Sprudelbad  genommen  hat,  weiss,  wie  anregend  und  angenehm  das 
lebhafte  Ansetzen  und  Wiederbersten,  das  Vorüberstreichen  der  auf¬ 
steigenden  Kohlensäurebläschen  auf  der  Haut  vermittels  der  Haut¬ 
nervenendigungen  gleich  einer  elektrischen  Welle  empfunden  werden. 
Der  Körper  empfindet  ein  behagliches  Wärmegefühl.  Die  Haut  wird 
rot,  der  Blutlauf  wird  durch  die  erweiterten  peripheren  Gefässe,  deren 
Widerstand  verringert  ist,  erleichtert,  die  inneren  Organe  werden  von 
der  Blutüberfüllung  entlastetet.  Die  Lungen  werden  vor  allem  freier 
und  atmen  leichter.  Auch  das  Herz  wird  damit  ruhiger  und  arbeitet 
besser.  Der  Puls  verlangsamt  sich  und  wird  unter  stärkerer  Füllung 
der  Arterien  voller.  Die  ausserwesentliche  Arbeit  des  Herzens  wird 
also  durch  Entspannung  der  Gefässe  und  Beseitigung  der  Widerstände 
in  der  Blutbahn  verringert  und  die  Ernährung  des  Herzens  durch  Ver¬ 
langsamung  der  Herzarbeit  und  Verlängerung  der  Diastole  unter 
günstigere  Bedingungen  gesetzt.  So  tritt  eine  Stärkung  und  Kräfti¬ 
gung  des  Herzens  ein.  Damit  wird  aber  seine  Leistungsfähigkeit  er¬ 
höht  und  wiedergewonnen  und  die  Kompensation  wiederhergestellt. 

Auch  die  Chloride  des  Badewassers  haben  sicherlich  einen  Ein¬ 
fluss  auf  die  Haut  des  Badenden,  aber  die  Hauptwirkung  kommt  doch 
der  Kohlensäure  zu. 

Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass  zu  kalte  und  zu  warme  hydro¬ 
therapeutische  Massnahmen  und  Badeformen  den  Herzkranken  scha¬ 
den.  Darum  sind  kalte  Duschen,  Güsse,  Wellenbäder  bei  Herzkranken 
mit  insuffizientem  Herzen,  bei  Arteriosklerose  und  Klappenfehlern 
gar  nicht  oder  nur  ausnahmsweise  zu  gestatten.  Nicht  zu  kühle  Haib¬ 
und  Teilbäder,  Abwaschungen  und  Abreibungen,  aber  nicht  Ab¬ 
klatschungen,  werden  dagegen  gut  vertragen.  Dampf-,  Moor-  und 
elektrische  Lichtbäder  sind  bei  Herzkranken  nur  mit  grösster  Vor¬ 
sicht  zu  gebrauchen. 

Die  kohlensauren  Solbäder  können  kühler  als  gewöhnliche 
Wasserbäder  genommen  werden,  weil  der  Kältereiz  durch  die  reiche 
Kohlensäureentwicklung  —  auser  bei  ganz  blutarmen  Personen  — 
nicht  so  stark  empfunden  wird,  wie  bei  letzteren.  Auch  erstreckt 
sich  die  durch  kühle  kohlensaure  Bäder  hervorgerufene  Erregung  der 
Hautnervenendigungen  und  ausgiebigere  Zuströmung  des  Blutes  zur 
Haut  auf  längere  Zeit  nach  dem  Bade,  als  dies  bei  gewöhnlichen 
kühlen  Wasserbädern  und  kalten  Abreibungen  der  Fall  ist.  Da 
manche  Pat.  gegen  kühle  Temperaturen  von  Natur  aus  schon  emp¬ 
findlicher  sind  und  mit  einer  energischen  Verengerung  der  peripheren 
Gefässe  und  damit  verbundenen  Erhöhung  der  Widerstände  und  Ver¬ 
mehrung  der  Herzarbeit  antworten,  so  ist  bei  Herzkranken  mit  in¬ 
suffizientem  Herzen  besonders  zu  Anfang  der  Badeprozeduren  grosse 
Vorsicht  zu  gebrauchen,  lieber  mit  wärmeren  Temperaturen  von 
34 — 35 0  C  zu  beginnen  und  erst  allmählich  zu  tieferen  Graden  über¬ 
zugehen. 

Für  einen  Heilerfolg  ist  unbedingt  nötig,  dass  während  des 
Badens  die  sogen.  Reaktion,  d.  h.  die  Entspannung  der  Gefässe, 
damit  rascherer  Blutumlauf,  Verringerung  der  Widerstände  und  Herz¬ 
arbeit,  eintritt  und  möglichst  lange  erhalten  bleibt.  Es  dürfen  darum 
nicht  schablonenmässig  bei  Herzkranken  immer  kühlere  Tempera- 


3)  Leusser:  Ueber  die  Wirkung  der  Kissinger  kohlensauren 
Solbäder  bei  Herzkranken.  Münch,  med.  Wochenschr.  1901.  — 
Leusser:  Bad  Kissingen  für  Herzkranke.  V.  Aufl.  1911.  Hof¬ 
buchhandlung  Weinberger,  Bad  Kissingen. 

4)  Krehl:  Die  Erkrankungen  des  Herzmuskels.  Wien  1901, 


A.  Holder. 

5)  Winternitz:  Ueber  die  Wirkung 
D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  LXXII. 


verschiedener  Bäder  etc. 


3 


MuencHener  medizinische  Wochenschrift 


756 


turen  angeordnet  und  allgewendet  werden,  sondern  es  ist  auf  die  Re¬ 
aktion  sorgsam  zu  achten  und  event.  bei  den  Wärmegraden  stehen 
zu  bleiben,  die  noch  eine  solche  hervorzurufen  imstande  sind.  Es 
gibt  eine  gewisse  Anzahl  von  Kranken,  bei  denen  es  überhaupt  nicht 
zu  einer  Reaktion  kommt;  bei  diesen  handelt  es  sich  wohl  um  Stö¬ 
rungen  in  der  Reaktionsfähigkeit  des  Nervensystems  und  speziell  der 
Hautnervenendigungen. 

In  den  17  Jahren,  in  denen  ich  mich  in  Bad  Kissingen  vor¬ 
zugsweise  mit  Behandlung  von  Herzkranken  beschäftigte  und  ein 
reiches  Material  zur  Sammlung  von  Erfahrungen  zur  Verfügung  hatte, 
habe  ich  sowohl  von  einer  grossen,  von  Jahr  zu  Jahr  zunehmende, n 
Zahl  von  solchen  Patienten,  als  auch  von  Kollegen  selbst,  die  mit 
Störungen  der  Herztätigkeit  oder  auch  nur  zur  Erholung  unseren 
Badeort  aufsuchten,  die  überaus  günstige  Wirkung  der  kohlensauren 
Bäder  sogar  in  Fällen,  in  welchen  ich  mir  wenig  mehr  von  dem 
Bädergebrauch  versprochen  hatte,  preisen  hören,  als  auch  diese  selbst 
deutlich  beobachtet.  Ich  bin  durchaus  skeptisch  veranlagt  und  hul¬ 
dige  nicht  dem  Optimismus.  Aber  ich  habe  doch  Kranke  mit  sehr  in¬ 
suffizientem  Herzen  gesehen,  die  sich  auf  Jahre  und  Jahre  hinaus 
durch  wiederholten  Bädergebrauch  mobil  erhielten  und  nach  jeder 
Kur  eine  Auffrischung  und  Kräftigung  ihrer  Gesundheit,  die  sich  auch 
in  erhöhter  Leistungsfähigkeit  dokumentierte,  mit  Freuden  konsta¬ 
tierten.  Ich  will  nicht  verkennen,  dass  mancherlei  Faktoren,  wie 
das  Vertrauen  zu  Arzt  und  Bad,  die  Ausspannung  vom  Beruf,  der 
Wechsel  des  Milieus  u.  a.  m.  auch  ihr  Teil  an  den  günstigen  Erfolgen 
der  Badeorte  haben,  aber  daran  lag’s  doch  nicht  allein,  es  waren 
vielmehr  die  kohlensauren  Bäder,  die  den  grössten  Anteil  an  der 
guten  Wirkung  hatten. 

Wenn  ich  noch  ein  paar  Worte  über  meine  Behandlungsart  Herz¬ 
kranker  sagen  darf,  so  sind  es  diese:  Obenan  stelle  ich  die  individuelle 
Behandlung,  und  so  ist  es  von  vornherein  schwer,  allgemeine  Normen 
aufzustellen.  Jeder  Patient  ist  ein  Fall  für  sich.  Er  ist  ja  auch  nicht 
mit  jedem  andern  auf  äussere  Reize  in  der  ganzen  Anlage  seines 
Nervensystems,  seiner  Konstitution  im  allgemeinen,  sowie  seines  der¬ 
zeitigen  körperlichen  Zustandes  überhaupt  gleich  eingestellt.  Je  nach 
erhöhter  oder  verringerter  Reizempfänglichkeit,  höherer  oder  ge¬ 
ringerer  Suhffizienz  des  Herzens,  stärkerer  oder  schwächerer  Lei¬ 
tungsfähigkeit  der  Nervenbahnen  wird  die  Verordnung  eine  andere 
sein  müssen.  Bald  erscheint  es  zweckmässig,  sich  stärkerer  Kälte¬ 
reize  zu  bedienen  und  kühlere  Bäder  zu  geben,  bald  wieder  muss  man 
zu  wärmeren  Temperaturen  seine  Zuflucht  nehmen,  um  nicht  den  Ein¬ 
tritt  der  Reaktion,  die  Entspannung  der  Gefässe  und  Erleichterung 
der  Herzarbeit  zu  verhindern  oder  zu  verzögern  oder  gar  diese  Wir¬ 
kung  ins  Gegenteil,  in  noch  stärkere  Kontraktion  der  Gefässe,  Er¬ 
höhung  der  peripheren  Widerstände  und  Erschwerung  der  Herz¬ 
tätigkeit  umzukehren.  Dann  wird  es  wieder  nötig  sein,  den  zu  star¬ 
ken  Reiz  der  Kohlensäureeinwirkung  an  sich  auf  den  Körper  herab¬ 
zusetzen,  und  den  Kohlensäurereichtum  der  Bäder  zu  verringern,  bzw. 
erst  allmählich  zu  erhöhen.  Ferner  spielt  auch  der  höhere  oder  ge¬ 
ringere  Gehalt  an  Chloriden  bei  den  verschiedenen  Kranken  eine 
verschiedene  Rolle  und  ist  danach  zu  bemessen.  Genaue  Beobachtung 
des  Kranken,  Abwägung  aller  einzelnen  Faktoren,  fleissiges  Kontrol¬ 
lieren  von  Puls  und  Herztätigkeit  des  Patienten  und  seines  Allgemein¬ 
zustandes  müssen  berücksichtigt  werden,  um  nicht  dem  Patienten 
und  sich  selbst  zu  schaden.  Bei  schwächlichen  und  sensiblen  Pa¬ 
tienten,  Arteriosklerotikern  stärkeren  Grades  und  solchen  mit  stär¬ 
kerer  Insuffizienz  des  Herzens  lasse  ich  in  der  Regel  mit  kohlensäure¬ 
freien  oder  kohlensäurearmen  Bädern  beginnen,  um  dann  allmählich 
zu  den  stärkeren  kohl&nsauren  Sol-  und  wenn  es  der  Fall  erlaubt, 
auch  zu  den  neuen  Sprudelbädern  überzugehen.  Bei  kräftigeren 
Patienten  und  solchen  mit  geringerer  Insuffizienz  des  Herzens  lasse 
ich  oft  auch  gleich  zu  Anfang  kohlensaure  Bäder  stärkeren  Grades 
gebrauchen. 

Wo  es  notwendig  erscheint,  tritt  ein  Zusatz  von  Mutterlauge 
oder  gradierter  Sole  hinzu. 

Die  Temperatur  schwankt  je  nach  Art  der  Erkrankung  und  Kon¬ 
stitution  des  Patienten  zwischen  35 — 29  0  C.  Die  Dauer  des  Bades 
muss  unter  gleichen  Rücksichten  festgesetzt  werden.  Wieviele  Bäder 
der  Kranke  nehmen  soll,  kann  auch  nur  von  Fall  zu  Fall  entschieden 
werden.  Es  soll  sich  der  Patient  ja  keine  zu  kurze  Zeit  zur  Ab¬ 
solvierung  seiner  Kur  nehmen,  wie  dies  leider  häufig  geschieht, 
und  nicht  zu  rasch  nacheinnader  baden,  weil  er  damit  nur  den 
Effekt  seiner  Kur,  den  er  eben  erzielt  hat,  wieder  zunichte  macht; 
4 — 5  Wochen  dürften  für  eine  richtige  Badekur  notwendig  sein. 

Sehr  wesentlich  ist  auch,  dass  nach  jedem  Bads  besonders  Herz¬ 
kranke  genügend  der  Ruhe  pflegen. 

Ueber  die  Wirkung  des  neuen  Sprudels  und  der  daraus  ge¬ 
wonnenen  Bäder  möchte  ich  für  heute  nur  soviel  sagen,  dass  vermöge 
ihres  grösseren  Kohlensäuregehaltes  ihre  Einwirkung  auf  die  Haut¬ 
nervenendigungen  auch  eine  stärkere  ist.  Von  verschiedenen  Pa¬ 
tienten  und  Aerzten,  die  in  der  letzten  Saison  1912  diese  zum  ersten 
Male  verabreichten  Bäder  gebrauchten,  habe  ich  äussern  hören,  dass 
sie  die  Bäder  des  neuen  Sprudels  viel  mehr  ermüdeten  als  die  kohlen¬ 
sauren  Solbäder,  so  dass  Ruhe  nach  dem  Bade  ihnen  geradezu  zum 
Bedürfnis  wurde.  Andere  wieder  stellten  jede  Ermüdung  in  AFrede. 
Alle  aber  waren  entzückt  von  dem  enormen  Kohlensäurereichtum 
dieser  Bäder  und  fanden  sie  wunderbar.  Für  die  Herztherapie  und 
die  Herzheilmittel  unseres  Badeortes  stellen  sie  jedenfalls  eine  Be¬ 
reicherung  von  ganz  hervorragender  Bedeutung  dar  und  werden  dazu 


No. 


beitragen,  die  schon  jetzt  sehr  grosse  Zahl  der  Heilung  und  Bessert 
ihres  Leidens  in  Kissingen  suchenden  Herzkranken  noch  um 
Bedeutendes  zu  erhöhen. 

Angezeigt  erscheint  es,  dass  die  .neuen  Sprudelbäder  nur  j 
ärztliche  Verordnung  verabfolgt  werden,  damit  nicht  Unheil  s  t 
Heil  aus  ihrem  Gebrauche  erwächst. 

Wie  schon  früher  hervorgehoben,  eignet  sich  Bad  Kissing  , 
zur  Behandlung  von  Herzkranken  auch  deshalb  ganz  besondg 
gut,  weil  durch  den  mild  wirkenden  Rakoczy  und  Maxbrunnen  r 
diejenigen  Kranken,  die  zugleich  an  Stauungen  des  Pfortadersyste,, 
Fettleibigkeit  und  Fettsucht,  Magen-,  Darm-  und  Nierenstöruns:, 
neben  ihrem  Herzleiden  laborieren,  weitere  sehr  wichtige  Indikation 
gegeben  sind  und  sich  so  mit  der  Badekur  zugleich  eine  zwei 
mässige,  nicht  angreifende  Trinkkur  verbinden  lässt.  Dass  diese  i 
Vorsicht  und  unter  Berücksichtigung  des  jeweiligen  Krankheit*. 
Standes  zu  geschehen  hat,  ist  selbstverständlich. 

Um  den  zu  starken  mechanischen  Druck,  der  den  Magen 
blähenden  Kohlensäure  und  ihre  Resorption  vom  Magen  und  D;i 
aus,  die  zu  Beschleunigung  der  Herztätigkeit,  Steigerung  des  Bt 
druckes,  Verengerung  der  Blutgefässbahnen  und  damit  zu  SchwinB 
Aufgeregtheit,  Herzklopfen,  Ohnmachtsanwandlungen  u.  a.  führen,  i 
vermeiden,  erscheint  es  zweckmässig,  den  Brunnen  durch  längt 
Stehenlassen,  Umgiessen,  Umriihren  oder  leichtes  Anwärmen  zu  r 
gasen  und  möglichst  kleine  Mengen  desselben  nehmen  zu  lasr 
Wieviel  der  betr.  Patient  trinken  darf,  ob  kalt  oder  warm,  ric? 
sich  wieder  nach  jedem  einzelnen  Falle,  der  jeweiligen  Konstitmr 
Beschaffenheit  des  Herzens  und  seiner  Leistungsfähigkeit  usf. 

Nervöse  Herzkranke  empfinden  besonders  leicht  unangeneui 
Sensationen  von  zu  kaltem  Rakoczy  oder  von  zu  grossen  Merr 
desselben.  Arteriosklerotiker  müssen  auch  mit  der  Aufnahme  > 
Kohlensäure  recht  vorsichtig  sein. 

Für  eine  Kur  in  Bad  Kissingen  eignen  sich  besonders:  j 
unseren  modernen  Kulturerrungenschaften  zu  verdankende  grjs 
Heer  nervöser  Herzkranken  (nervöses  Herzklopfen,  Herzeretlüsu: 
Neurasthenia  vasomotoria  und  Neurasthenia  cordis),  ferner  das  de 
physische  und  psychische,  akute  und  chronische  Ueberanstrengui; 
und  Alterationen,  durch  sexuelle  Ausschweifungen,  durch  Nikii 
Alkohol,  starken  Kaffee  und  Thee,  geschwächte  und  ermüdete  ft 
auch  das  weakened  heart  der  Engländer,  das  durch  sitzende  n 
unzweckmässige  Lebensweise  und  Ernährung  (Unter-  und  Uep 
ernährung),  Anämie,  wie  Fettleibigkeit  und  Fettsucht  weit 
leistungsfähige  Herz  gehören  hieher.  In  diesen  Fällen  kann  auch  ;c 
ein  Erfolg  in  Bad  Kissingen  erzielt  werden,  wenn  sich  s.c 
Herzdilatation,  leichte  Oedeme  und  frequenter  Puls.  Kurzatmige 
und  Abnahme  der  Leistungsfähigkeit  geltend  gemacht  haben. 

Dass  ein  alter  Klappenfehler  an  sich  durch  eine  balneoth 
peutische  Kur  noch  Veränderungen  zum  Besseren  erfahren  köjt 
wird  niemand  glauben,  und  auch  niemand  ernstlich  behaupten  w  j 
Wenn  aber  in  einem  solchen  Falle  noch  nicht  zu  weit  ytf 
schrittene  Inkompensationserscheinungen  vorhanden  sind,  dann  ko  f 
die  kohlensauren  Sol-  und  Sprudelbäder  gewiss  von  heilsamem, 
folge  sein,  sofern  der  Patient  natürlich  nicht  zu  alt  ist,  und  K 
genügende  Reservekraft  in  seinem  Herzen  vorrätig  hat.  Herznh 
mit  Nierenerkrankungen,  bei  denen  nicht  zu  kühle  Bäder  geg'< 
werden  dürfen,  sind  ebenfalls  indiziert  für  Kissingen. 

Dann  kommt  das  grosse  Kontingent  der  Arteriosklerotiker.  i 
bei  ihnen  besondere  Vorsicht  geboten  ist,  bedarf  keiner  weiji 
Auseinandersetzung.  Auch  auf  ziemlich  weit  vorgeschrittene  Aru 
Sklerose  haben  die  kohlensauren  Sol-  und  Sprudelbäder  noch  f 
sehr  guten  Einfluss.  Es  ist  bei  dören  Gebrauch  nur  darauf  zu  acte 
dass  die  Einatmung  von  zu  viel  Kohlensäure  in  der  Badezelle  (Lfc 
der  Kabine  vor  dem  Bade!)  vermieden  und  die  richtige  Tempet 
des  Bades  genau  gewählt  und  eingestellt  wird.  Auch  vor  Ueb  j 
strengungen  jeglicher  Art  müssen  solche  Patienten  bewahrt  we.f 
Ich  behandle  eine  ganze  Anzahl  von  Arteriosklerotikern  mit  schw 
Anfällen  von  Angina  pektoris  schon  seit  langen  Jahren,  die  esp 
der  günstigen  und  lange  andauernden  Wirkung  der  kohlensä' 
Bäder  allein  verdanken  zu  müssen  glauben,  dass  sie  so  lange  am  L' 
geblieben.  Ein  über  70  Jahre  alter  Herr,  der  seit  langem  in  nf 
Behandlung  steht,  und  bei  seinem  ersten  Kurgebrauch  kaum  ein a 
Schritt-  weit  gehen  konnte,  ohne  einen  stenokardischen  Anfall  z 1 
kommen,  hatte  diese  Beschwerden  nach  wiederholtem  Bädergebu 
fast  vollkommen  verloren.  Er  versicherte  mir,  dass  er  nacl 
Kur  sichtlich  die  grösste  Erleichterung  verspürte  und  er  brach 
schliesslich  —  freilich  gegen  meinen  Willen  —  sogar  fertig, 
Tages  den  900  m  hohen  K  r  e  u  z  b  e  r  g,  wie  er  sagte,  ohne  Besci  f 
den  zu  besteigen.  Ein  anderer  Herr  von  über  70  Jahren,  der  b- 
seit  14 — 15  Jahren  unter  meiner  Beobachtung  steht,  verhält  sich 
lieh.  Zuhause  hat  er  bei  geringsten  Bewegungen  oft  die  schlirm 
stenokardischen  Anfälle  zu  ertragen.  In  K  i  s  s  i  n  g  e  n  fühlt  epi 
nach  einigen  Bädern  jedesmal  so  wohl  und  leistungsfähig  um  1 
Gang  wird  so  lebhaft  und  leicht,  dass  ich,  als  ich  ihn  einmal, 
achtet  von  ihm,  vor  mir  herschreiten  sah,  selbst  nicht  glauben  k< 
dass  dies  mein  arteriosklerotischer  Patient  sein  könnte.  ; 

Des  Weiteren  eignen  sich  für  Kissingen  und  seine  k< 
sauren  Sol-  und  Sprudelbäder  primäre  Muskelschwäche  des  nee 
nach  akuten  fieberhaften  Erkrankungen,  wie  Diphtherie,  Typhu:1- 
lenkrheumatismus,  die  chronische,  infolge  von  Sklerose  und  • 
'  karditis  auftretende  Herzmuskelschwäche  und  Entartung,  sowie 


pril  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


757 


,  n,  die  bereits  muskuläre  Veränderungen  erlitten  haben.  In 
ren  Fällen  darf  den  Kranken  durch  die  Badekur  nicht  zu  viel 
ü  nutet  werden.  Es  sind  zu  Anfang  nur  gaslose  und  kohlensäure- 
ache  Solbäder  zu  geben,  und  erst  später  stärkere  kohlensaure 
und  Sprudelbäder,  ev.  auch  elektrische  Vierzellenbäder  oder 
ielektrische  Bäder  indiziert.  Gymnastik  ist  hier  nur  mit  Vorsicht 
Auswahl  zu  gebrauchen.  Am  besten  bewährt  sich  Ruhe  ab- 
>  selnd  mit  leichter  Bewegung  in  der  Ebene  (Abwärtsgehen!). 

tel- Kuren  sind  zu  vermeiden,  passive  Gymnastik  und  Massage 
( sind  heilsam.  —  Es  kann  gar  nicht  genug  darauf  aufmerksam  ge- 
t  werden,  dass  immer  individualisiert  und  genau  beachtet  werden 
. ,  ob  es  sich  nur  um  eine  relative  oder  absolute  Insuffizienz 
;  ferzens  handelt,  ob  genügend  Reservekraft  vorhanden  ist,  d.  h. 
is  Herz  in  der  Ruhe  noch  seine  wesentliche  Arbeitsleistung  — 

!  ieb  des  Blutes  im  ruhenden  Körper  —  zu  bewältigen  vermag 
,  nicht.  Jede  ausserwesentliche  Arbeit  ist  da  so  lange  zu  ver- 
■ii,  als  das  Herz  nicht  wieder  einen  gewissen  Grad  von  Leistungs- 
-  keit  erlangt  und  von  der  absoluten  in  die  relative  Insuffizienz 
. getreten  ist.  Nicht  Uebung,  sondern.  Schonung  ist  in  diesen  Fällen 
erste.  Das  Elektrokardiogramm  gibt  uns  Aufschluss  über  die 
lionsfähigkeit  des  Herzens,  man  kann  sich  aber  hierüber  auch 
rch  unterrichten,  dass  man  mit  leichten  Prozeduren  in  jeder  Hin¬ 
unter  Beobachtung  des  Verhaltens  des  Pulses,  der  Atmung,  des 
lruckes  beginnt  und  ev.  auch  Differenzbestimmungen  vornimmt. 
Ist  das  akute  Stadium  der  Endokarditis  nach  Gelenkrheuma- 
is  oder  anderen  Infektionskrankheiten  vorüber,  dürfen  Kranke 
.  r  Art  auch  mit  kohlensauren  Sol-  und  Sprudelbädern  behandelt 
.  ;en.  Je  eher  sie  zur  Behandlung  kommen,  desto  günstigere  Wir- 
;  en  werden  sie  erzielen,  doch  ist  dies  cum  grano  salis  zu 
len. 

Nach  Ablauf  des  fieberhaften  Stadiums  dürfen  ferner  Perikardi- 
:  zur  Badekur  zugelassen  werden.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass 
h  den  beim  Bädergebrauch  kräftiger  angeregten  Lymphstrom 
h  erstere  entstandene  Auflagerungen  günstig  beeinflusst  werden. 
Akute  fieberhafte  Erkrankungen  und  akute  Schwächezustände  des 
ens  verbieten  eine  Badekur  überhaupt.  Auch  stärkere  Erweite- 
der  Aorta  und  Aneurysmen,  bei  denen  ein  ungünstiger  Einfluss 
h  Erhöhung  des  Blutdruckes  und  durch  viele  Unbequemlichkeiten 
von  der  häuslichen  Pflege  fernen  Patienten  zu  fürchten  sind, 
i;en  von  den  Bädern  ausgeschlossen  werden.  Solche  Kranke 
i  en  am  besten  zu  Hause.  Bei  massigen  Graden  dieser  Affektionen 
habe  ich  nie  Ungünstiges  gesehen. 

Aufmerksam  möchte  ich  noch  darauf  machen,  dass  sehr  nervöse 
i  sensible,  hysterische  und  neurasthenische  Menschen  nach  meiner 
hrung  kohlensaure  Bäder  ebenso  wie  elektrische  Kuren  und  oft 
i  stärkere  Massagekuren  schlecht  vertragen.  Sie  werden  aufge- 
schlaflos  und  schlechter  Stimmung.  Dagegen  bekommen  diesen 
:  enten  kohlensäurefreie  Solbäder,  hydriatrische  Kuren  (Ah¬ 
nungen  im  Bett,  Halbbäder)  und  leichte  Streichmassage  sehr 
Auch  mit  Herzmassage  muss  man  bei  diesen  hypochondrisch 
:  niagten  Leuten  vorsichtig  sein,  um  ihr  Augenmerk  nicht  auf  ihr 
hinzulenken  und  dadurch  allerlei  nervöse  Sensationen  erst  recht 
dieser  Seite  her  auszulösen. 

Resümierend  möchte  ich  noch  einmal  anführen,  dass  wir 
i  gutem  Gewissen  Kissingen  als  Herzheilbad  e  r  - 
n  Ranges  neben  seinen  vorzüglichen  W  i  r  - 
ngen  auf  Magen-,  Darm-,  Nieren-,  Blasen-, 
spirations-,  Nieren-  und  Stoffwechsei- 
Tnkheiten  bezeichnen  dürfen,  und  dass 
■se  Indikation,  die  schon  so  lange  zu  Recht 
steht,  als  die  kohlen  sauren  Solquellen 
Bad  Kissingen  fliessen,  erst  recht  hervor¬ 
hoben  zu  werden  verdient,  seitdem  wir 
rch  dieErbohrung  des  neuen  Sprudels  eine 
itere  Abstufung  von  grösster  Bedeutung 
'  die  Verabreichung  kohlensaurer  Bäder 
i  Herz  -  und  Gefässkranken  erlangt  haben. 
Auch  für  Neuralgien,  periphere  Nerven-  und  Rücken- 
kserkrankungen,  Rheumatismus  und  Gicht  eignen  sich  die 
en  Sprudelbäder  in  gleicher  Weise. 

Der  neue  Sprudel  kann  auch  zu  Trinkkuren  benützt 
rden.  Sein  Eisen-  und  Arsengehalt  machen  ihn  für  die 
Handlung  der  Anämie  und  verwandter  Zustände  (Chlorose, 
ikämie),  der  Skrofulöse,  sowie  von  Erschöpfungszuständen 
h  schweren  Krankheiten,  nach  Tropenkrankheiten,  sein  Ge- 
t  an  schwefelsauren  Salzen  für  Katarrhe  der  Verdauungs- 
I  Gallenwege  und  für  Obstipation,  sehr  wertvoll. 

Auch  gegen  Rachitis,  Frauenleiden,  Gicht,  Katarrhe  der 
twege  und  Hyperchlorhydrie  ist  der  neue  Sprudel  zu  ge¬ 
liehen.  Ferner  wird  er  sich  sehr  gut  zur  Förderung  der 
isenfunktionen,  Verflüssigung  zäher  Sekrete  und  .Resorption 
i  Exsudaten  verwenden  lassen. 


Weitere  Beobachtungen  und  Erfahrungen  werden  es  im 
Laufe  der  Jahre  ermöglichen,  die  einzelnen  Indikationen  noch 
genauer  zu  prüfen  und  zu  umschreiben. 


Aus  der  Nervenpoliklinik  der  psychiatrischen  Klinik  der  Uni¬ 
versität  Königsberg  i.  Pr.  (Dir.:  Prof.  E.  Meyer). 

Ein  Fall  von  Akromegalie  nach  Kastration  bei  einer 

erwachsenen  Frau. 

Von  Prof.  Kurt  Goldstein. 

Krankengeschichte. 

48  Jahre  alte  F'rau  *),  stammt  aus  gesunder  Familie,  ist  die  älteste 
von  7  gesunden  Geschwistern.  Ausser  Kinderkrankheiten  als  Kind 
nicht  besonders  krank.  Ist  schon  als  Kind  aufgefallen 
durch  besondere  Grösse  und  Plumpheit  ihrer  Kno¬ 
che  n,  namentlich  auch  ihren  Geschwistern  gegenüber.  Mit 
14/4  Jahren  menstruiert.  Bis  zum  20.  Jahre  oft  Nasenbluten.  Seit 
dem  25.  Jahre  Störungen  bei  der  Menstruation.  Abgang  von  Blut¬ 
klumpen,  Schmerzen.  Deshalb  im  Jahre  1903  mit  38  Jahren 
Totalexstirpation  des  Uterus  und  der  Adnexe. 

Befund:  Multiple  Myome.  Seither  keine  Periode  mehr.  Im 
Laufe  des  nächsten  Jahres  bemerkte  Patientin 
Grösserwerden  der  Hände  und  Fiisse  und  allge¬ 
meines  Stärker  werden.  Die  Zunahme  bestand  die  ganzen 
Jahre  fort  und  besteht  auch  jetzt  noch.  Pat.  hat  jetzt  2  Nummern 
grössere  Schuhe  und  Handschuhe  als  früher.  Dickerwerden 
des  Gesichtes,  besonders  der  Jochbogengegend 
und  des  Kinnes,  sowie  Vorspringen  der  Augenbrauen. 
Gewichtszunahme:  Vor  der  Operation  140  Pfund,  Zunahme  bis 
170  Pfund.  In  letzter  Zeit  resp.  Jahren  abgenommen  bis  154  Pfund. 
Zeitweise  Anschwellungen  der  unteren  Gesichts¬ 
hälfte.  Kreuzschmerzen.  Starkes  Schwitzen,  aber  auch 
leichtes  Frieren.  In  den  letzten  Jahren  Zunahme  der  Be¬ 
schwerden.  Viel  Kreuzschmerzen,  Schmerzen  in  den  Gelenken. 
Schmerzen  im  Kopf.  Schwindelanfälle,  plötzlich  auftretend,  ein  paar 
Stunden  dauernd,  kein  Erbrechen.  Herzklopfen,  besonders  nachts: 
schwitzt  leicht,  friert  aber  auch  sehr  leicht,  wenn  es  nur  ein  bischen 
kalt  ist.  Zittert  leicht.  Meist  Verstopfung,  hat  viel  Urin.  Das 
Sehen  und  Hören  ist  schwächer  geworden.  Der  Schlaf  sei  schlecht; 
sie  sei  leicht  missgestimmt.  Obgleich  sie  keine  Periode  mehr  hat, 
spüre  sie  doch  alle  4  Wochen  Schmerzen  im  Unterleib  und  Unbe¬ 
haglichsein  im  ganzen  Körper. 

Die  objektive  Llntersuchung  ergab  -.Grosse,  grobknochige 
Frau,  Gewicht  155  Pfund.  Schädelgrösse:  Umfang  55cm,  biteinpo- 
raler  Durchmesser  15  cm,  bifrontaler  11cm,  fronto-okzipitaler  19  cm. 
Beim  Beklopfen  empfindlich;  ebenso  die  ganze  Wirbelsäule.  Rönt¬ 
genbild  des  Schädels  zeigt  keinerlei  pathologische  Verän¬ 
derungen,  insbesondere  sei  hervorgehoben,  dass  die  Hypophysen¬ 
bucht  sicher  nicht  abnorm  gross,  sondern  eher  auf¬ 
fallend  klein  erscheint.  Keinerlei  Knochenwucherungen. 

Am  Gesicht  fällt  ein  gewisses  Vorspringen  der  seitlichen 
Partien  der  Supraorbitalbögen  sowie  der  Joch- 
bögen,  des  Kieferbogens  und  des  Kinnes  auf. 

Die  Unterschenkel  sind  auffallend  lang  und  breit;  ebenso 
die  Unterarme,  während  dies  am  Oberschenkel  und  Oberarm  weit 
weniger  auffällt.  Besonders  mächtig  und  lang  sind  die 
Hände  und  F  ii  s  s  e.  Dies  fällt  besonders  auf  den  Röntgen- 
bildern  auf.  Diese  zeigen,  dass  abnorme  Knochenwucherungen 
nicht  vorliegen,  die  Epiphysenenden  aber  besonders  an  den  Phalangen 
der  Füsse  ausserordentlich  mächtig  .und  breit  sind. 

Im  folgenden  führe  ich  die  Hauptmasse  an,  deren  Vergleich  mit 
Normalmassen  sofort  die  pathologische  Grössenzunahme  erkennen 
lässt 

Länge  des  Oberarms  (Akromion  bis  Cond.  ext.  humeri)  37  cm, 
Länge  des  Unterarms  (Cond.  ext.  hum.  bis  Proc.  styl,  rad)  27  cm. 

Länge  der  Hände  18  cm,  Zeigefinger  10  cm,  Mittefinger  Ilern, 
kleinen  Finger  9  cm,  der  Handwurzel  9— 10  cm. 

Umfang  des  Oberarms  rechts  33  cm,  links  30  cm,  des  Unterarms 
rechts  27  cm.  links  26  cm,  des  Handgelenkes  19  cm,  der  Mittelhand 
(ohne  Daumen)  22  cm,  der  Mittelhand  mit  Daumen  25  cm. 

Länge  der  Oberschenkel  (Tr.  maj.  bis  unteren  Rand  der  Patella) 
99  cm,  der  Unterschenkel  (unterer  Rand  der  Patella  bis  Fusssohle) 
48  cm. 

Umfang  der  Oberschenkel  45  cm,  der  Wade  36  cm,  des  Fussge- 
Ienkes  28  cm. 

Länge  der  Füsse  27  cm,  Breite  der  Füsse  10)4  cm. 

Haut  auffallend  trocken,  leicht  brüchig.  Die  Behaarun g 
ist  am  Kopf  reichlich,  am  übrigen  Körper  spärlich,  aber  in  normaler 
Anordnung  vorhanden.  Fettpolster  stark  entwickelt,  be¬ 
sonders  an  einzelnen  Stellen,  Leib,  Armen  und  Beinen.  Das  Fett  ist 
nicht  druckschmerzhaft.  Zähne  schlecht,  sonst  o.  B.  Gaumen  o.  B. 


1)  Demonstriert  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde,  Kö¬ 
nigsberg  i.  Pr.  cf.  Sitzungsbericht  vom  28.  X.  12.  Deutsche  mc 
Wochenschr.  1913,  No,  1. 


758  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  U 


Zunge  o.  B..  keine  besonderen  Drüsenschwellungen,  Lungengrenzen 
völlig  normal,  ebenso  Atemgeräusch.  Normale  Herzdämpfung,  Töne 
rein.  Puls  mittelkräftig,  im  Liegen  56,  im  Sitzen  60,  im  Stehen  72, 
regelmässig.  Hämoglobingehalt  67  Proz.  (S  a  h  1  i),  Erythrozyten 
4  100  000,  Leukozyten  7250,  P  o  1  y  n.  Leukoz.  50  Proz.,  grosse 
Leukozyten  3  Proz.,  kleine  41  Proz.  Mononukl.  und  Uebergangsz. 

2  Proz.,  Eosinophile  4  Proz. 

Bauchorgane  abgesehen  von  dem  Fehlen  der  inneren 
Genitalien  ohne  nachweisbaren  pathologischen  Befund.  Urin  frei 
von  Zucker  und  Eiweiss,  Azeton,  Azetessigsäure;  spez.  Gewicht 
1013 — 1015.  Schilddrüse  in  normaler  Grösse  fühlbar. 
Thymus  nicht  nachweisbar. 

Adrcnalineinträufelung  (nach  dem  Vorgehen  von 
Löwi,  Chiari  und  Fröhlich,  Adler2)  3  T ropfen  einer  1  prom. 
Lösung)  ergibt  keine  Erweiterung  der  Pupillen. 

Neurologischer  Befund:  Pupillen  gleich’,  mittelweit. 
R./L.  +  R./C.  +  Augenhintergrund  und  Gesichtsfeld  o.  B.  Augen¬ 
bewegungen  o.  B.  Konjunkt.  Kornealreflex  +.  Fazialis  links  etwas 
schwächer  als  rechts.  Zunge  Spur  nach  rechts  herausgestreckt. 
Uebrige  Hirnnerven  o.  B.  Sprache  o.  B.  Sehnenreflexe  lebhaft,  sonst 
o.  B.  Hautreflexe  o.  B.  Motilität  ohne  jede  Störung.  Herabsetzung 
der  Schmerzempfindung  auf  der  ganzen  rechten  Körperhälfte,  sonst 
Sensibilität  o.  B.  Lebhaftes  vasomotorisches  Nachröten.  Muskel  der 
unteren  Extremitäten  und  grosse  Nervenstämme  beiderseits,  druck¬ 
empfindlich. 

Psychisch:  Leicht  reizbar  und  erregbar.  Intelligenz  massig, 
doch  nicht  gerade  besonders  schwer  gestört.  Während  zunächst 
psychische  Störungen  nicht  auffallen,  ist  nach  wiederholten  Unter¬ 
suchungen  festzustellen,  dass  Patientin  —  wahrscheinlich  seit  einer 
längeren  Reihe  von  Jahren  —  an  einer  paranoischen  Geistesstörung 
leidet.  Sie  hat  ein  ausgebildetes  Wahnsystem,  das  durch  Sinnes¬ 
täuschungen  genährt  wird  und  sich  um  eine  angeblich  grosse  Erb¬ 
schaft  dreht.  Diese  Erbschaft  sei  ihr  vorenthalten  worden,  sie  habe 
es  gehört,  ohne  genau  angeben  zu  können,  von  wem.  Es  seien  hoch¬ 
stehende  Personen  beteiligt,  das  Testament  werde  zurückgehalten. 
Alle  Juden  der  Stadt  wissen  es;  sie  beobachten  sie,  sie  wissen  ihre 
Gedanken.  Pat.  ist  dabei  völlig  geordnet,  versieht  eine  Stellung  als 
Köchin,  in  der  sie  allerdings  durch  häufiges  Vorsichhinsprechen  auf¬ 
gefallen  ist.  Es  handelt  sich  wohl  um  das  Krankheitsbild  der 
echten  Paranoia  chronica  hallucinatoria,  vielleicht 
erwachsen  auf  dem  Boden  eines  gewissen  ange¬ 
borenen  geistigen  Schwachsinns. 

Zusammenfassung:  Einer  jetzt  48jährigen  Frau,  die 
von  jeher  durch  ihre  Grösse  und  Grobknochig¬ 
keit  aufgefallen  ist,  sonst  aber  keinerlei  Störungen, 
die  für  unsere  Frage  in  Betracht  kommen,  gehabt  hat,  werden 
im  Alter  von  39  Jahren  wegen  Myoma  uteri  und  Adnex¬ 
tumoren  (im  Jahre  1903)  der  Uterus  und  die  Adnexe 
vollständig  entfernt.  Cessatio  mens.  Seit  dem  der 
Operation  folgenden  Jahre  allmählich  Grössen  Zu¬ 
nahme  der  Extremitäten,  besonders  der 
Hände  und  Füsse,  Breiter  werden  des  Gesich¬ 
tes  und  Hervortreten  des  Kinnes,  Dickerwerden 
des  ganzen  Körpers,  starke  Gewichtszunahme.  Subjektiv: 
Mitunter  Schwindel,  Herzklopfen,  leichtes  Schwitzen  und 
Frieren.  Schlechter  Schlaf.  Kreuzschmerzen.  Missstimmung. 
Keine  schweren  zerebralen  Symptome.  Keine  Sehstörungen. 
Objektiv:  Sehr  grosse  Extremitäten,  beson¬ 
ders  Hände  und  Füsse,  besonders  grosse 
Finger.  Verdickung  der  Weichteile.  Ver- 
grösserung  des  Gesichtes  und  Vorstehen  des 
Kinnes  (gegen  früher).  Brüchige  Haut.  Nervöse  Uebcr- 
erregbarkeit.  Keine  Zeichen  einer  organischen 
Hirnerkrankung.  Augenhintergrund  und  Ge¬ 
sichtsfeld  normal.  Fehlen  der  Genitalien. 

Die  Grösse  der  Hände  und  Füsse,  das  Hervortreten  der  Akra 
im  Gesicht,  die  massige  Knochenentwicklung  besonders  an  den 
Unterschenkeln  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  dass  bei  der 
Patientin  abnorme  Wachstumserscheinungen  besonders  an  den 
Körperenden  vorliegen.  Da  diese  Störungen  im  vorgerückten 
Alter,  nachdem  die  Wachstumsperiode  längst  abgelaufen  war, 
entstanden  sind,  so  kann  es  sich  eigentlich  nur  um  akro- 
megalische  Erscheinungen  handeln.  Gegen  eine 
Osteoarthropathie  hypertrophiante  pneumonique,  an  die  man 
vielleicht  allein  noch  denken  könnte,  spricht  sowohl  der  Be¬ 
fund  an  den  Knochen  selbst,  wie  das  Fehlen  irgend  einer  ur¬ 
sächlichen  Erkrankung  an  den  Lungen  oder  dem  Herzen. 

Es  besteht  nun  kein  Zweifel,  dass  die  akromegalischen 


2)  Zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Ovarialfunktion.  Archiv 
f.  Gjmäkologie  1911,  Bd.  95,  H.  2. 


Erscheinungen  hier  im  Anschluss  an  die  Kastratio 
entstanden  sind.  Sind  sie  einfach  als  Folge  derselbe 
aufzufassen?  Wir  wissen  besonders  seit  den  Untersuchungc 
von  Tandler  und  Gross,  dass  die  Frühkastration  beii 
Menschen  zu  charakteristischen  Veränderungen  führt,  die  sie 
einerseits  in  Anomalien  der  sekundären  Geschlechtscharakter, 
andererseits  in  abnormen  Wachstumserscheinungen  dartui 
Tandler  und  Gross  unterscheiden  zwei  Typen  der  K; 
straten,  von  denen  der  eine  durch  abnorme  Adipositas,  dt. 
andere  durch  abnormes  Längenwachstum  ausgezeichnet  is 
Mit  dem  zweiten  Typ  hat  unsere  Patientin  zweifellos  eir 
gewisse  Aehnlichkeit;  doch  unterscheidet  sich  das  Krankheit: 
bild  bei  ihr  von  dem  bei  Frühkastraten  dadurch,  dass  es  sic 
bei  ihr  nicht  wie  bei  den  Kastraten  um  einfachen  Rieser! 
wuchs,  sondern  um  echte  Akromegalie  handelt.  Eine  Bi 
Ziehung  zu  jenen  Befunden  könnte  man  nur  durch  die  Ansicl! 
derjenigen  Autoren  finden,  die  (wie  B  r  i  s  s  a  u  d  und  M  e  i  g 
Massai  ungo,  Tandler  und  Gross  u.  a.)  annehme 
dass  Akromegalie  und  Riesenwuchs  dieselbe  Erkrankung  seie! 
und  der  Unterschied  beider  nur  durch  das  Alter  bedingt  st 
indem  die  gleiche  Störung  im  Kindesalter  zu  Riesenwuchs,  bei: 
Erwachsenen  zu  Akromegalie  führe.  Man  könnte  dar! 
unseren  Fall  einfach  dadurch  erklären,  dass  hier  bei  eine 
erwachsenen  Individuum  nach  Kastration  eben  nicht  einfach 
Riesenwuchs,  sondern  Akromegalie  auftrat.  Diese  Anschautir, 
ist  aber  keineswegs  als  gesichert  zu  betrachten,  ja  sie  !i| 
sogar  von  seiten  einzelner  Autoren  einen  so  energischen  rij 
anscheinend  so  wohl  begründeten  Widerspruch  erfahr 
(S  t  e  r  n  b  e  r  g,  Fischer),  dass  man  sie  kaum  ohne  weiter 
akzeptieren  kann. 

Andrerseits  spricht  gegen  einfachen  Zusammenhang  df 
Akromegalie  mit  der  Kastration  doch  sehr  eindringlich  c? 
Tatsache,  dass  bei  der  Kastration  der  Erwachsenen  akromeg 
lische  Erscheinungen  trotz  der  vielfachen  Erfahrungen,  die  übf 
die  Spätkastration  vorliegen,  soweit  ich  die  Literatur  übi- 
sehe  und  Erkundigungen  bei  erfahrenen  Gynäkologen  mir  <L 
geben  haben,  bisher  nicht  beobachtet  worden  sind.  Es  c- 
scheint  deshalb  kaum  möglich,  auf  den  Ausfall  d 
Genitalfunktion  allein  das  Auftreten  d  • 
Akromegalie  bei  unserer  Patientin  zurüc- 
z  u  f  ü  h  r  e  n. 

Dass  allerdings  auch  nach  Abschluss  der  Entwicklung 
Periode  gerade  zugleich  mit  einer  Funktionsstörung  der  Gef* 
talien  der  Akromegalie  ähnliche  Störungen  auftreten  kömu, 
das  legen  die  eigentümlichen  Veränderungen  bei  Gravier 
nahe,  über  die  wir  auch  Tandler  und  Gross  ej- 
gehende  Untersuchungen  verdanken.  Diese  Autoren  wiesi 
in  diesem  Sinne  besonders  auf  die  Plumpheit  der  Gesich- 
weichteile,  wie  der  Extremitäten  am  Ende  der  Gravidität  h. 
die  sie  als  akromegalische  Erscheinungen  auffassten.  PL 
Veränderungen  dürften  jedoch  nicht  so  sehr  mit  der  Störig 
der  Genitalfunktion  an  sich,  als  mit  der  während  der  Gravidi  t 
ebenfalls  zu  beobachtenden,  durch  die  Störung  der  Genitalfunkt  n 
wohl  sekundär  bedingten  Ver grösserung  der  Hypophyt 
im  Zusammenhang  stehen,  also  als  Folge  eines  Hyperpituitai;- 
mus  zu  betrachten  sein,  ebenso  wie  nach  der  jetzt  wohl  fsi 
allgemein  anerkannten  Anschauung  auch  die  echte  Ak- 
megalie  bei  Hypophysentumoren.  Stellen  wir  uns  auf  den  \r 
Tandler  und  Gross  vertretenen  Standpunkt,  nach  du 
der  Einfluss  der  Genitalien  auf  das  Wachstum  besonders  in  n 
Resorption  der  Knorpelfugen  besteht,  also  mehr  passi'J 
Natur  ist,  während  die  Hypophyse  einen  aktiven  Einfluss  ai>- 
übt,  direkt  das  Wachstum  anregt,  so  dürfte  zur  Erklärung  1 
das  vermehrte  Wachstum  eines  erwachsenen  Individuum 
wie  unserer  Patientin,  von  vornherein  eine  Störung  der  Hy 
physenfunktion  weit  eher  in  Betracht  kommen  als  eine  Sp¬ 
rung  der  Genitalfunktion  an  sich,  da  ja  wegen  der  längst  vj- 
zogenen  Verknöcherung  der  Epiphysenfugen  die  Geni'- 
funktion  direkt  ja  gar  keine  Möglichkeit  des  Angriffes  H 
Jedenfalls  müssen  wir  dem  Verhalten  der  Hypophyt 
bei  unserer  Patientin  ganz  besondere  Aufmerks;'- 
keit  schenken  und  festzustellen  suchen,  ob  sich  bei  ihr  irg't 
welche  sonstige  Zeichen  finden,  die  für  das  Vorliegen  ei’i 
Hyperfunktion  der  Hypophyse  sprechen  würden  oder  ob  eU 
eine  Vergrösserung  der  Hyphophyse,  die  mit  den  akromei 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


759 


.  April  1913. 


ischen  Funktionsstörungen  der  Hypophyse  gewöhnlich  einher- 
eht,  sich  nachweisen  lässt. 

Für  den  klinischen  Nachweis  des  Hyperpituitarismus  he¬ 
tzen  wir  recht  wenig  Anhaltspunkte.  Aber  auch  von  diesen 
enigen  bekannten  Symptomen  ist  bei  der  Patientin  nichts 
achzuweisen.  Diabetes  oder  alimentäre  Glykosurie,  die  be- 
mders  seit  den  Untersuchungen  von  Borchardt  als  Aus¬ 
nick  einer  Hyperfunktion  der  Hypophyse  aufgefasst  werden 
iirfen,  finden  sich  nicht  bei  der  Patientin. 

Auch  eine  Vergrösserung  der  Hypophyse 
iegt,  soweit  man  dies  nach  dem  Röntgenbilde  der  Sella 
ircica  sagen  kann,  nicht  vor.  Nach  der  Grösse  der  Sella 
iirfte  die  Hypophyse  eher  abnorm  klein  sein.  Es  ist 
ies  um  so  bemerkenswerter,  als  ja  schon  bei  der  Gra- 
idität,  bei  der  ja  entsprechend  den  weit  geringer  aus- 
jesprochenen  akromegalischen  Erscheinungen  die  Vergrösse- 
ung  der  Hypophyse  weit  weniger  beträchtlich  anzunehmen 
,äre,  die  Vergrösserung  im  Röntgenbilde  doch  konstatiert 
/erden  konnte.  Auch  alle  sonstigen  lokalen  Erscheinungen, 
ie  durch  eine  Hypophysenvergrösserung  gewöhnlich  hervor- 
erufen  werden,  fehlen  bei  unserer  Patientin,  so  Optikusver- 
nderungen,  Gesichtsfeldstörungen,  zerebrale  Druckerschei- 
ungen  etc.  Eine  Vergrösserung  der  Hypophyse 
ei  unserer  Patientin  als  Ursache  der  Akro- 
icgalie  anzunehmen,  dazu  sind  wir  also  nicht 
i  e  r  e  c  h  t  i  g  t.  Wenn  wir  aber  trotzdem  daran  festhalten 
Rollen,  dass  doch  eine  Hyperfunktion  der  Hypophyse  vor- 
iegt  —  und  nach  allem,  was  wir  über  die  echte  Akromegalie 
vissen,  können  wir  ja  daran  kaum  zweifeln  — ,  so  bleibt  uns 
igentlich  nichts  anderes  übrig,  als  eine  vermehrte  Se- 
retion  ohne  nachweisbare  Vergrösserung 
ler  Drüse  anzunehmen.  Vielleicht  handelt  es  sich  nur  um 
ine  Art  relativer  Hyperfunktion  ohne  Vergrösse- 
ung  der  Drüse  selbst  durch  Fortfall  der  entgegengesetzt  und 
ladurch  vorher  kompensatorisch  wirkenden  Ovarialdrüsen. 
'ümmt  man  an,  dass  das  Ovarialsekret  normalerweise  einen 
Teil  des  Hypophysensekretes  sozusagen  in  seiner  Wirkung 
neutralisiert,  so  kann  man  sich  vorstellen,  dass  durch  Fortfall 
lieser  Neutralisation  es  auch  ohne  abnorm  vermehrte  Se- 
cretion  der  Hypophyse  zu  einer  Ueberschwemmung  des  Or¬ 
ganismus  mit  Hypophysensekret  und  deren  Folgen  kommt. 

Eine  völlig  befriedigende  Erklärung  ist  dies  allerdings 
luch  nicht,  wenn  sie  auch  besonders  den  Ausfall  der  Genital- 
unktion  als  Ursache  der  akromegalischen  Erscheinungen  uns 
/erstehen  lassen  würde;  ich  glaube  aber,  dass  eine  voll- 
befriedigende  Erklärung  überhaupt  kaum  zu  geben  ist.  Ich 
ege  deshalb  auf  meine  Erklärung  auch  weniger  Wert  als  auf 
he  ja  ganz  zweifellos  unbestreitbare  Tatsache,  dass  die  Akro- 
negalie  bei  unserer  Patientin  im  Anschluss  an  die  Kastration 
entstanden  ist. 

Eine  sich  bei  dieser  Auffassung  des  Falles  sofort  auf¬ 
drängende  Frage  möchte  ich  aber  doch  noch  erörtern.  Wenn  es 
sich  wirklich  nur  um  die  Folgen  eines  relativen  Hyperpituitaris¬ 
mus  handelt,  warum  treten  denn  derartige  Er¬ 
scheinungen  nicht  häufiger  bei  der  Kastra¬ 
tion  bei  Erwachsenen  auf  und  warum  sind  sie 
gerade  bei  unserer  Patientin  aufgetreten? 
Dafür  lässt  sich  nun  eine  Erklärung  finden,  die  auch  geeignet 
ist,  den  vorhergehenden  Erklärungsversuch  wahrscheinlicher 
zu  machen.  Das  eine  ist  wohl  sicher:  es  handelt  sich  bei 
unserer  Patientin  um  ein  Unikum;  anderenfalls  müssten  wir 
derartigen  Vorkommnissen  bei  den  so  häufigen  Exstirpationen 
der  Genitalien  häufiger  begegnen;  dass  sie  etwa  bisher  nur  über¬ 
sehen  worden  wären,  scheint  mir  bei  dem  lebhaften  Interesse, 
das  den  Störungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  auch 
von  seiten  der  Gynäkologen  entgegengebracht  wird,  wenig 
wahrscheinlich.  Es  kann  also  die  Kastration  allein 
wohl  kaum  für  den  Ausbruch  der  Erkrankung 
verantwortlich  gemacht  werden,  sondern  es 
muss  noch  irgend  ein  anderes  Moment  dafür 
in  Betracht  kommen.  Bei  der  Suche  nach  einem  sol¬ 
chen  muss  einem  sofort  die  ganz  spontane  Angabe  von  seiten 
der  Patientin  auffallen,  dass  sie  von  jeher  sich  vor 
ihren  Geschwistern  durch  abnorme  Länge 
der  Extremitäten  und  besondere  Grob¬ 


knochigkeit  ausgezeichnet  habe,  die  darauf  hin¬ 
zudeuten  scheint,  dass  schon  in  der  Jugend  abnormes  Wachs¬ 
tum  bei  ihr  Vorgelegen  habe,  und  zwar  nicht  so  sehr  in  Form 
der  Akromegalie  als  vielmehr  des  Riesenwuchses.  Die 
Patientin  hat  eine  Anlage  zum  Riesenwuchs.  Wie 
wir  uns  auch  die  Entstehung  des  Riesenwuchses  zu  denken 
haben,  wir  müssen  doch  annehmen,  dass  der  Regulations¬ 
mechanismus,  der  bewirkt,  dass  das  Knochenwachstum  nicht 
über  ein  bestimmtes  Mass  hinaus  stattfindet,  nicht  in  der  nor¬ 
malen  Weise  funktioniert,  sei  es,  dass  die  das  Wachstum 
fördernden  Einflüsse  zu  stark  sind,  sei  es  dass  die  hemmenden 
zu  schwach  sind.  Wahrscheinlich  spielt  auch  beim  Riesen¬ 
wuchs  die  Hypophyse  eine  gewisse  Rolle.  Der  wesentlichste 
Unterschied  gegenüber  der  Akromegalie  liegt  wohl  darin,  dass 
es  sich  bei  letzterer  um  eine  besondere  Erkrankung,  bei 
ersterer  um  eine  angeborene  Entwicklungsanomalie  handelt. 
Sicher  ist  weiter,  dass  auch  das  Genitalsekret  (neben  Sekreten 
noch  anderer  Drüsen)  für  das  normale  Wachstum  von  Be¬ 
deutung  ist,  und  zwar  anscheinend,  in  gewissem  Sinne  wenig¬ 
stens,  von  entgegengesetzter  wie  das  Hypophysensekret.  Wir 
dürfen  wohl  auch  bei  unserer  Patientin  annehmen,  dass  der 
aus  verschiedenen  Drüsen  bestehende  Regulationsapparat,  der 
das  Knochenwachstum  reguliert,  nicht  in  normaler  Weise  an¬ 
gelegt  gewesen  ist.  In  einem  solchen  Apparat  wird  aber  das 
Gleichgewicht  zwischen  den  einzelnen  beteiligten  Organen  ein 
ausserordentlich  viel  labileres  sein  als  in  einem  normal  ge¬ 
bildeten,  und  Ausschaltung  eines  Teiles  des  Apparates  wird 
viel  leichter  Störungen  der  Funktion  des  ganzen  Apparates 
hervorrufen,  als  unter  normalen  Verhältnissen  nach  einer 
solchen  Ausschaltung,  etwa  nach  Kastration,  aufzutreten 
pflegen.  Deshalb  entstand  bei  unserer  Patien- 
tinnachExstirpation  der  Ovarien,  die  bei  anderen 
ohne  schwere  Störung  des  Knochenwachstums  vorgenommen 
werden  kann,  die  Akromegalie. 

Dass  übrigens  der  Riesenwuchs  eine  Disposition  für  das 
Auftreten  allgemeiner  Dystrophien,  insbesondere  für  Akro¬ 
megalie,  gibt,  scheint  auch  nach  anderen  Erfahrungen  ziemlich 
sicher  (S  t  e  r  n  b  e  rg,  Fische  r).  Es  fragt  sich  nur  noch, 
warum  es  bei  Patientin  nicht  zu  einer  einfachen  Zunahme 
des  Riesenwuchses,  sondern  zu  echter  Akromegalie  kam.  Das 
scheint  mir  aber  durch  den  Hinweis  darauf  leicht  erklärlich, 
dass  zur  Zunahme  des  Längenwachstums  (Riesenwuchs)  das 
Vorhandensein  der  Epiphysenknorpel  notwendig  ist,  eine  Vor¬ 
bedingung,  die  bei  der  erwachsenen  Patientin  fehlte.  Es 
konnte  also  wesentlich  nur  eine  Dickenzunahme  der  Knochen, 
also  Knochenablagerung  im  Sinne  der  Akromegalie,  statt¬ 
finden. 

Fasse  ich  zusammen,  so  lässt  sich  sagen:  Die  Anlage 
zum  Riesenwuchs  liefert  die  Grundlage,  die 
Ausschaltung  der  Genitaldrüsen  war  die  Ver¬ 
anlassung  zum  Auftreten  der  akromegali¬ 
schen  Erscheinungen. 

Mit  dieser  Zurückführung  der  Akromegalie  in  unserem 
Falle  auf  eine  angeborene  Anomalie  und  eine  Gleichgewichts¬ 
störung  im  Apparat  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  gewinnt 
unsere  Beobachtung  eine  Beziehung  zu  jenen  Fällen  abnormer 
Wachstumserscheinungen,  die  in  letzter  Zeit  als  Ausfluss  an¬ 
geborener  Defekte  im  Apparat  der  Drüsen  mit  innerer  Se¬ 
kretion  mehrfach  beschrieben  worden  sind  [cf.  Guggen- 
heim3),  Goldstein 4)].  Im  selben  Sinne  möchte  ich  zum 
Schluss  noch  darauf  hinweisen,  dass  mancherlei  dafür  spricht, 
dass  auch  bei  echter  Akromegalie  angeborene  Anomalien  eine 
gewisse  Rolle  zu  spielen  scheinen,  eine  Vermutung,  die  be¬ 
sonders  durch  die  Untersuchungen  Ettore  L  e  v  y  s  über  die 
Persistenz  des  Canalis  cranio-pharyngeus  bei  Akromegalie 
nahegelegt  wird. 


3)  Guggenheim:  Ueber  Eunuchoide.  Deutsches  Archiv  für 
klinische  Medizin  1912. 

4)  Goldstein  K.:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1913,  No.  l 
(Vereinsberichte). 


760 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  dem  Kaiserin  Elisabeth-Krankenhaus  in  Hohenems. 

Ueber  Pylorospasmus  und  Ulcus  ventriculi. 

Von  Dr.  A.  Neudörfer,  dirigierender  Arzt. 

Die  in  No.  4,  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr.  publi¬ 
zierte  Arbeit  von  Bergmann  veranlasst  mich  schon  jetzt 
über  einen  Fall  zu  berichten,  der  sowohl  in  chirurgischer,  als 
auch  interner  Beziehung  von  Interesse  ist. 

Ich  lebe  in  einem  Lande,  in  welchem  das  Ulcus  ventriculi 
zu  den  sehr  häufigen  Erkrankungen  gehört,  wie  schon  daraus 
hervorgeht,  dass  ich  in  einem  Zeitraum  von  etwas  über 

5  Jahren  120  Fälle  von  Ulcus  und  deren  Folgezuständen  zu 
operieren  Gelegenheit  hatte.  Wenn  ich  alle  Fälle  von  Narben 
und  von  Geschwüren  des  Pylorus  abziehe,  ferner  von  den 
Perforierten,  bleiben  39  Fälle,  in  denen  das  Ulcus  entfernt 
vom  Pylorus  sass,  und  nur  diese  sollen  hier  besprochen 
werden.  H  a  u  d  e  k  hat  gezeigt,  dass  ein  Magenrest  nach 

6  Stunden  für  Pylorus  spricht,  gleichgültig,  wo  das  Ulcus 
seinen  Sitz  hat,  d.  h.  mit  anderen  Worten,  dass  ein  Ulcus  auch 
entfernt  vom  Pylorus,  durch  Reiz  des  Vagus,  Pylorospasmus 
und  dadurch  verlangsamte  Entleerung  des  Magens  bewirkt. 
Allerdings  gilt  dieser  Satz  nicht  ausnahmslos.  Unter  meinen 
Beobachtungen  sind  18.  Fälle,  bei  welchen  andere  Symptome 
die  Diagnose  Ulcus  mit  Sicherheit  feststellen  Hessen,  und  bei 
welchen  die  Operation  das  Ulcus  aufdeckte,  bei  denen  aber 
trotzdem  der  Magen  nach  6  Stunden  leer  war.  Andererseits 
habe  ich  Fälle  gesehen,  bei  denen  ein  deutlicher  Wismutbrei 
sich  vorfand,  ein  Ulcus  bei  der  Operation  aber  nicht  gefunden 
werden  konnte.  Ich  sehe  natürlich  von  allen  Fällen  ab,  bei 
welchen  durch  irgend  eine  äussere  Ursache  der  Pylorus  oder 
das  Duodenum  verengt  waren,  sei  es  durch  Verwachsungen 
perigastritischer  Natur,  schwere  Gastroptose  mit  Knickung  des 
Pylorus  oder  durch  arteriomesenterialen  Duodenalverschluss. 
Nun  ist  allerdings  bekannt,  dass  die  Fälle  gar  nicht  selten  sind, 
bei  denen  ein  Ulcus  sicher  vorliegt,  die  schwere  Hämatemesis 
überstanden  haben,  und  bei  denen  trotzdem  ein  Ulcus  bei  der 
Operation  nicht  gefunden  werden  kann.  Ich  erinnere  nur  an 
die  Publikationen  von  K  r  e  c  k  e  und  die  Arbeit  von  W  i  1  m  s, 
der  die  Ulcera  im  Duodenum  erst  nachweisen  konnte,  nachdem 
er  vom  geöffneten  Magen  aus  mit  dem  Finger  untersucht  hatte. 
Sehnliche  Beobachtungen  haben  Rovsing  veranlasst,  sein 
Gastroskop  zu  konstruieren,  um  das  Ulcus  durch  direkte  In¬ 
spektion  zu  finden.  Ich  habe  4  solche  Fälle  gesehen,  und  der 
prompte  Erfolg  der  Gastroenterostomie  erhärtet  ebenfalls  die 
Diagnose,  da  bekanntlich  eine  nicht  inzidierte  Gastroentero¬ 
stomie  mehr  schadet  wie  nützt.  Es  sind  demnach  die  früher 
erwähnten  Fälle  mit  Wismutrest  nach  6  Stunden,  in  welchen 
sonst  kein  Symptom  für  Ulcus  spricht,  nicht  als  beweisend 
zu  betrachten;  aber  es  gibt  zweifellos  Fälle,  bei  denen  der 
Pylorospasmus  allein  ohne  Ulcus  besteht,  und  3  diesbezüglich 
missliche  Erfahrungen  haben  mich  vorsichtig  gemacht.  Es 
handelte  sich  um  Fähe  von  langdauernden  Magenbeschwerden, 
die  jeder  Behandlung  trotzten,  bei  denen  ich  allein  auf  den 
Wismutrest  nach  6  Stunden  hin  die  Operation  vornahm,  bei 
denen  ich  kein  Ulcus  und  auch  sonst  ausser  einem  etwas  dila- 
tierten  Magen  keine  Veränderungen  fand.  Die  spätere  Beob¬ 
achtung  zeigte  dann  das  Bild  der  Obstipatio  spastica.  Mög¬ 
licherweise  handelte  es  sich  hier  tatsächlich  um  Fälle,  in  denen 
noch  kein  manifestes  Ulcus  bestand,  wie  das  Bergmann 
vermutet,  um  Menschen  mit  Disposition  zur  Ulcusbildung,  bei 
denen  die  dann  einsetzende  Atropinbehandlung  die  Bildung 
eines  Ulcus  zu  verhindern  vermochte.  Der  Pylorospasmus 
der  Säuglinge,  der  neuerlich  ebenfalls  Objekt  chirurgischer 
Behandlung  geworden  ist,  scheint  in  seiner  Aetiologie  noch 
so  wenig  geklärt  zu  sein,  dass  sich  Schlüsse  daraus  nicht 
ziehen  lassen.  Meines  Wissens  sind  Ulcera  bei  Säuglingen 
ausserordentliche  Raritäten.  Jedenfalls  sind  sie  viel  seltener 
als  das  Bild  des  Pylorospasmus. 

Wie  schon  gesagt,  finden  sich  in  meinem  Material  unter 
den  39  Fällen  18,  in  welchen  sich  kein  Wismutrest  nach 
6  Stunden  im  Magen  feststellen  liess.  Weitere  9  Fälle  muss 
ich  deshalb  ausscheiden,  weil  ich  eine  Röntgenuntersuchung 
nicht  vorgenommen  habe,  teils,  weil  sie  zu  einer  Zeit  operiert 
wurden,  in  welcher  ich  über  einen  Röntgenapparat  noch  nicht 
verfügte,  teils  habe  ich  die  Untersuchung  unterlassen,  weil  es 


No.  14. 


bei  der  Ausheberung  des  Probefrühstückes  zu  einer  Blutung 
kam,  weshalb  ich  jede  weitere  Untersuchung  des  Patienten 
vor  der  Operation  unterliess.  Ich  kann  die  Beobachtung  von 
Bergmann  nur  bestätigen,  dass  es  sich  zum  Teil  um  ältere 
Menschen  handelt,  welche  jahrzehntelang  ihr  Ulcus  getragen 
haben,  und  bei  denen  der  vermehrte  Vagotonus  nicht  mehr 
bestand;  aber  aus  meinen  Beobachtungen  geht  auch,  so  weit 
ich  jetzt  sagen  kann,  hervor,  dass  die  Mehrzahl  der  Patienten, 
welche  ein  kleines  Ulcus  an  der  vorderen  oder  hinteren  Wand 
tragen,  keinen  Pylorospasmus  aufweisen.  Es  scheinen  die  Ge¬ 
schwüre  der  kleinen  Kurvatur  besonders  geneigt  zu  sein, 
Pylorospasmus  zu  erzeugen,  auch  dann,  wenn  sie  klein  sind. 
Ebenso  ist  es  zweifellos  richtig,  was  Bergmann  über  die 
allgemeinen  Nervenerscheinungen  bei  Ulcuskranken  sagt,  da 
die  neurasthenischen  Symptome  zu  den  gewöhnlichsten  Be¬ 
gleiterscheinungen  bei  Ulcuskranken  gehören.  Die  auf  den 
Sympathikus  zu  beziehenden  Erscheinungen,  wie  leichter 
Exophthalmus,  erweiterte  Pupillen,  stets  feuchte  Hände  etc., 
sind  mir  bei  meinem  Material  nicht  aufgefallen,  obwohl  ich 
nicht  genauer  daraufhin  untersucht  habe.  Es  ist  aber  doch 
nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  mir  diese  Symptome  entgangen 
wären,  wenn  sie  bei  meinen  Fällen  häufig  bestanden  hätten. 
Es  scheint  ja  übrigens,  dass  noch  keine  volle  Klarheit  über  die 
Zugehörigkeit  dieser  Symptome  zu  bestimmten  Nervengruppen 
besteht,  wie  ich  aus  einer  Bemerkung  von  Bergmann 
ersehe. 

Die  eben  zitierte  Arbeit  veranlasst  mich,  schon  jetzt  einen 
Fall  zu  publizieren,  der  wie  ein  Experiment  die  Richtigkeit  der 
Anschauungen  Bergmanns  demonstriert  und  auch  sonst 
manches  chirurgische  Interesse  bietet. 

Krankengeschichte.  Fr.  G.,  47  Jahre  alt,  Bauer,  ausge¬ 
nommen  mit  Pr.-No.  657  am  2.  Oktober  1912. 

Anamnese:  Pat.  ist  angeblich  früher  stets  magengesund  ge¬ 
wesen.  Vor  ungefähr  3  Monaten  begann  er  an  Magenschmerzem 
zu  leiden,  welche  ziemlich  rasch  nach  dem  Essen  auftraten,  in  der 
Magengrube  lokalisiert  waren,  in  den  Rücken  ausstrahlten  und 
1 — lVz  Stunden  andauerten.  Nie  Erbrechen,  nie  schwarzer  Stuhlgang.1 
Kein  Sodbrennen.  Hartnäckige  Obstipation.  Pat.  stand  2  Monate  in 
ärztlicher  Behandlung  ohne  Erfolg.  Pat.  hat  um  10  Pfund  abge¬ 
nommen. 

Status  praesens:  Ueber  mittelgrosser,  magerer,  blasser 
Mann,  von  etwas  kachektischem  Aussehen.  Innere  Organe  gesund; 
Abdomen  im  Thoraxniveau.  Kein  Plätschern  in  der  Magengegend, 
nirgends  Druckempfindlichkeit,  kein  Tumor  nachweisbar.  Probefrüh-j 
stück,  nach  einer  halben  Stunde  ausgehebert,  ist  nur  wenig  verdaut. 
Der  filtrierte  Magensaft  enthält  freie  Salzsäure,  Spuren  von  Milch¬ 
säure.  Gesamtazidität  38,  Die  Wismut-Röntgenuntersuchung  zeigt! 
folgendes:  Der  Magen  ist  etwas  quer  dilatiert,  die  grosse  Kurvatur 
steht  2  Finger  unter  dem  Nabel.  Der  Magen  scheint  normal  konn 
figuriert  zu  sein.  Nach  6  Stunden  ist  der  grösste  Teil  des  Wismut-, 
breies  noch  im  Magen. 

Operation  12.  X.:  Ruhige  Narkose.  Medianschnitt  ober 
dem  Nabel.  Es  findet  sich  nun  folgendes:  An  der  kleinen  Kurvatur 
ziemlich  nahe  dem  Fundus,  sitzt  ein  zweikroneugrosses,  kal loses 
Ulcus  mit  deutlicher  Delle,  mit  starker  Perigastritis  in  der  Um¬ 
gebung.  Der  Pylorus  fühlt  sich  rigide,  wie  stenosiert,  an.  Bei  de; 
Palpation  hat  man  deutlich  die  Empfindung,  dass  in  der  Hinterwanc 
!  desselben  ein  ungefähr  bohnengrosser,  harter  Tumor  sitzt.  Im  Liga¬ 
mentum  gastrocolium  mehrere  vergrösserte  Drüsen,  die  sich  etwas 
derb  anfühlen.  Da  dringend  der  Verdacht  auf  Karzinom  besteht 
andererseits  das  Ulcus  an  der  kleinen  Kurvatur  unverdächtig  ist 
wird  beschlossen,  im  1.  Akt  den  Pylorus  zu  resezieren.  Resektioi 
des  Pylorus  nach  Kocher. 

Verlauf:  Schon  am  Tage  nach  der  Operation  gibt  Patient  an, 
beschwerdefrei  zu  sein.  Der  Verlauf  ist  ein  vollkommen  glatter,  unc 
er  wird  am  24.  XI.  vorläufig  nach  Hause  entlassen,  mit  der  Weisung 
sich  in  einigen  Wochen  wieder  vorzustellen. 

Epikritisch  wiederhole  ich:  Es  hat  sich  um  einen  Kranken  ge 
handelt,  bei  welchem  eine  Reihe  von  Anhaltspunkten  daiUr  bestanden 
ein  Karzinom  anzunehmen.  Schon  die  Anamnese,  ein  47  jährige 
Mann,  der  früher  stets  magengesund  gewiesen  ist  und  erst  seit  3  Mol 
naten  krank  ist,  ferner  sprachen  für  Karzinom  das  blasse,  etwa 
kachektische  Aussehen  des  Mannes,  der  Röntgen-  und  ein  wenig  aucl 
der  Säurebefund.  Interessant  ist  auch,  wie  schnell  ein  Ulcus  siel 
vergrössern  und  kallös  werden  kann,  da  kein  Grund  zu  der  Annahni 
besteht,  dass  der  Mann  lange  Zeit  sein  Ulcus  latent  getragen  ha) 
Bei  der  Operation  fand  ich  nach  der  Eröffnung  des  Peritoneums  de 
starr  kontrahierten  Pylorus.  Er  war  so  fest  zusammengeschrumpi 
dass  er  den  Eindruck  einer  narbigen  Stenose  machte.  In  seine 
hinteren  Wand  fühlte  man  eine  harte  Stelle  von  Bohnengrösse  un 
i  es  fanden  sich  einige  vergrösserte  Drüsen  im  Ligamentum  gastro 
eolicum  im  Bereiche  des  Pylorus.  Die  Affektion  ün  der  kleinen  Km 
I  vatur  zeigte  alle  Merkmale  des  Ulcus  callosum.  Man  fühlte  durch  di 


!.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


761 


ingestlüpte  Magenwand  die  Delle,  was  Kocher  als  ein  sicheres 
eichen  fiir  Ulcus  anführt.  Ferner  sprach  im  selben  Sinne  die  Peri- 
astritis,  kurz,  ich  war  überzeugt,  dass  es  sich  um  ein  Ulcus  callosum 
andle,  während  ich  geneigt  war,  ein  beginnendes  Karzinom  am 
’ylorus  anzunehmen.  Ich  überlegte,  was  ich  in  dieser  Situation  tun 
ollte.  Wollte  ich  den  Pylorus  und  das  Ulcus  entfernen,  so  hätte 
;h  nahezu  den  ganzen  Magen  opfern  müssen,  ein  Eingriff,  der  mir 
ei  dem  ziemlich  anämischen  Manne  nicht  gerechtfertigt  erschien. 
;h  wollte  zuerst  die  Gastroenterostomie  und  sekundär,  nach  Er- 
olung  des  Patienten,  die  Pylorusresektion  ausführen,  stand  aber 
, jeder  davon  ab,  da  mir  zweimal,  wo  ich  diese  Operation  wegen  des 
erabgekommenen  Zustandes  der  Patienten  machen  wollte,  der  zweite 
'.ingriff  abgeschlagen  worden  war,  da  sich  die  Kranken  gesund 
iihlten.  Ich  beschloss  primär  den  Pylorus  nach  Kocher  zu  rese- 
ieren  und  eventuell  sekundär  das  Ulcus  zu  entfernen,  da  ich  mit 
'icherheit  annahm,  dass  der  Mann  seine  Ulcusbeschwerden  behalten 
viirde.  Warum  ich  die  Methode  Billroth  II  nicht  machen  wollte, 
lariiber  später.  Diese  Ueberlegung  dauerte  einige  Minuten.  Während 
dieser  Zeit  blieb  der  Befund  am  Pylorus  unverändert.  Erst  als  der 
’ylorus  reseziert  war,  wurde  ich  etwas  bedenklich,  da  ich  keinen 
Tumor  mehr  fühlen  konnte,  beendete  aber  die  Operation  so,  wie 
leschlossen.  Am  aufgeschnittenen  Präparat  fand  sich  nun  keine  Spur 
ines  Tumors  oder  eines  Ulcus  und  auch  der  mikroskopische  Befund 
ler  mitentfernten  Drüsen  und  des  Pylorus  waren  negativ.  Der  Ver- 
auf  war  ein  ganz  glatter  und  Patient  war  vom  Tage  der  Operation 
ui  beschwerdefrei.  Er  wurde  14  Tage  nach  der  Operation  ent- 
assen  aber  unter  Kontrolle  gehalten.  Er  hat  bis  jetzt  me  mehr  Be¬ 
schwerden  gehabt,  hat  12  Pfund  an  Gewicht  zugenommen  und  fühlt 
;ich  gesund  und  arbeitsfähig,  ln  allerletzter  Zeit  konnte  er  wieder 
lachuntersucht  werden,  Er  verweigerte  allerdings  die  Magenaus- 
leberung,  so  dass  ich  über  den  chemischen  Befund  nichts  sagen  kann, 
ch  konnte  nur  die  Röntgenuntersuchung  vornehmen  und  diese  ergab 
olgendes:  Der  Magen  zeigte  normale  Grösse  und  normale  Form.  Es 
st  keine  Einziehung  an  der  Stelle  des  Ulcus,  oder  wie  das  auch  be¬ 
obachtet  wurde,  an  der  gegenüberliegenden  grossen  Kurvatur  zu 
sehen.  Der  Magen  entleert  sich  durch  den  neuen  Pylorus  annähernd 
normal.  Er  ist  nach  4  Stunden  leer. 

Man  kann  wohl,  nachdem  jetzt  fast  5  Monate  nach  der 
Operation  verstrichen  sind,  mit  Sicherheit  sagen,  dass  das 
Geschwür  ausgeheilt  ist,  eine  Tatsache,  die  in  mehrfacher  Be¬ 
ziehung  Interesse  verdient.  Erstens  ist  es  ein  Beweis,  dass 
die  Beseitigung  des  Pyloropasmus  allein  ohne  jede  andere 
Behandlung  ein  so  grosses  und  schon  kallöses  Geschwür  des 
Magens  zur  Ausheilung  zu  bringen  vermag,  welches  noch  dazu 
an  einer  Stelle  sass,  an  welcher  erfahrungsgemäss  die  Ge¬ 
schwüre  besonders  schwer  therapeutisch  zu  beeinflussen  sind. 
Aus  mehreren  Arbeiten,  ich  erwähne  nur  die  von  C  1  a  i  r  - 
m  o  n  t,  von  Payr  und  von  K  r  o  i  s  s,  ist  es  ja  bekannt,  dass 
hochsitzende  Ulcera  der  kleinen  Kurvatur  selbst  nach  Gastro¬ 
enterostomie  nicht  zur  Ausheilung  kommen.  Zweitens  ist 
dieser  Fall  geeignet,  ein  neues  Licht  auf  die  Wirkungsweise 
der  Gastroenterostomie  bei  Ulcus  zu  werfen.  Bisher  wurde 
allgemein  angenommen,  dass  es  der  veränderte  Chemismus 
sei,  der  die  Heilung  des  Geschwürs  veranlasst,  wahrscheinlich 
aber  ist  das  gar  nicht  der  Fall,  sondern  nur  dadurch,  dass  der 
Spasmus  des  Pylorus  unwirksam  gemacht  wird,  erfolgt  die 
Heilung.  Ausserdem  eröffnet  sich  eventuell  eine  neue  ätio¬ 
logisch  chirurgische  Therapie  bestimmter  Fälle  von  Ulcus 
ventriculi. 

Ich  hatte  zuerst  die  Absicht,  weitere  Erfahrungen  abzu¬ 
warten  und  nicht  auf  Grund  eines  Falles  Schlüsse  zu  ziehen, 
sehe  mich  aber  infolge  der  Arbeit  von  Bergmann  veran¬ 
lasst,  schon  jetzt  einige  Worte  darüber  zu  sagen.  Es  ist  in 
'vielen  Fällen  unmöglich,  die  von  T  a  b  o  r  a  und  B  e  r  g  m  ann 
befürwortete,  langdauernde  Atropinbehandlung  ausserhalb 
eines  Krankenhauses  durchzuführen,  und  oftmals  zwingen  die 
Verhältnisse  des  Patienten  dazu,  eine  rasche  Heilung  zu  er¬ 
streben,  und  deshalb  wird  immer  ein  grosser  Teil  der  Patienten 
mit  chronischen  Ulcusbeschwerden  der  Chirurgie  zufallen. 
Fs  besteht  nun  scheinbar  noch  immer  keine  Uebereinstimmung 
über  die  Wirkung  und  den  Erfolg  der  Gastroenterostomie  bei 
Ulcus,  und  ich  brauche  nur  auf  die  Kontroverse  zwischen 
Kocher  und  Payr  hinzuweisen,  obwohl  die  uns  hier  be¬ 
schäftigende  Frage  dabei  nur  gestreift  wird.  Wenn  es  nun 
möglich  ist,  durch  die  Resektion  des  Pylorus  nach  Kocher 
bei  Kranken  mit  hochsitzendem  Ulcus  Heilung  zu  erzielen,  so 
muss  ich  sagen,  dass  diese  Operationsmethode  mir  den  Vorzug 
ver  der  Gastroenterostomie  zu  verdienen  scheint.  Dieser 
letzteren  Operation  haften  immer  noch  2  Gefahren  an.  das 
sind  der  Circulus  vitiosus  und  das  Ulcus  jejuni  pepticum,  wenn 
diese  Gefahren  auch  nicht  gerade  hoch  einzuschätzen  sind. 

No.  14. 


Ich  selbst  habe  bei  117  Gastroenterostomien  bei  Magenerkran- 
kungen  5  mal  wegen  Circulus  vitiosus  relaparotomicren 
müssen.  Alle  Patienten  sind  geheilt.  Ausserdem  habe  ich 
4  mal  Gallenrückfluss  in  den  Magen  nach  Gastroenterostomie 
erlebt.  Zwei  dieser  Fälle  sahen  anfangs  bedrohlich  aus.  Es 
gelang  aber,  die  Funktion  der  Gastroentcrostomieöffnung 
wieder  herzustellen.  2  Patienten  wurden  mit  noch  bestehen¬ 
dem  leichten  Gallenrückfluss  in  den  Magen  entlassen,  und  habe 
ich  über  diese  2  Fälle  derzeit  keine  Nachricht  über  ihr  Be¬ 
finden.  Soweit  ich  nach  der  Literatur  urteilen  kann,  ist  dieses 
Ereignis  keineswegs  selten  und  bildet  eine  unerwünschte  Kom¬ 
plikation  nach  Gastroenterostomie.  Das  Ulcus  pepticum  habe 
ich  dreimal  gesehen,  die  Operation  wurde  aber  verweigert. 
Alle  diese  Komplikationen  fallen  nach  der  Pylorusresektion 
nach  Kocher,  weil  dadurch  annähernd  normale  Verhältnisse 
hergestellt  werden,  aus.  Unter  allen  Gastroenterostomiefällen 
habe  ich  1  Todesfall,  die  Patientin  starb  an  Wismutvergiftung 
6  Tage  nach  der  Operation.  Soweit  ich  sagen  kann,  ist  tech¬ 
nisch  die  Kocherresektion  weder  schwierig,  noch  dauert  sie 
länger  wie  die  Gastroenterostomie.  Auch  die  Gefahren  dieser 
Operation  sind  nahezu  Null.  So  habe  ich  eine  Serie  von 
15  Fällen  in  den  letzten  \XA  Jahren  ohne  Todesfall  operiert, 
und  Kocher  hat  über  eine  Serie  von  17  Fällen  ohne  Todes¬ 
fall  berichtet.  Darin  ist  auch  der  Grund  gelegen,  warum  ich 
nur  in  den  Fällen,  in  welchen  die  Methode  von  Kocher  un¬ 
möglich  ist,  nach  Billroth  II  operierte,  da  das  Undicht¬ 
werden  des  Duodenalverschlusses  so  häufig  Todesfall  verur¬ 
sacht.  Es  erscheint  nach  dem  Gesagten  möglich,  dass  in  Zu¬ 
kunft  unter  ganz  bestimmten  Indikationen  die  Gastroentero¬ 
stomie  durch  die  Pylorusresektion  wird  ersetzt  werden 
können,  und  zwar  dann,  wenn  es  sich  um  jugendliche  Indi¬ 
viduen  handelt,  wenn  das  Ulcus  hoch  oben  an  der  kleinen 
Kurvatur  sitzt,  oder  so  mit  der  Umgebung  verwachsen  ist, 
dass  seine  Entfernung  erhebliche  Schwierigkeiten  machen 
würde,  und,  wenn  die  Röntgendurchleuchtung  den  Befund  des 
Pylorospasmus  ergibt.  Unter  meinen  27  Fällen,  welche  in 
dieser  Hinsicht  genau  untersucht  sind,  finden  sich  8,  bei 
welchen  diese  Therapie  gerechtfertigt  erschienen  wäre.  Ich 
habe  seit  dem  eben  berichteten  Fall  2  solche  Fälle  operiert, 
konnte  mich  aber  zur  Pylorusresektion  deshalb  noch  nicht 
entschliessen,  weil  ich  von  der  definitiven  Heilung  des  einen 
operierten  Falles  noch  nicht  vollkommen  überzeugt  war. 

Ich  muss  zum  Schlüsse  noch  einmal  sagen,  dass  es  mir 
ferne  liegt,  weitgehende  Schlüsse  aus  einer  Beobachtung  zu 
ziehen,  bin  aber  entschlossen,  in  meinen  weiteren  Fällen  so 
vorzugehen,  und  vielleicht  entschliesst  sich  einer  der  Kollegen, 
einmal  diese  Operation  zu  versuchen.  Besondere  Beachtung 
scheint  sie  mir  in  den  Fällen  zu  haben,  in  denen  durch  hoch 
hinaufreichende  Verwachsungen  mit  der  Umgebung  durch  ein 
Geschwür  der  hinteren  Wand  der  Magen  nahezu  unbeweglich 
ist,  und  auch  die  Gastroenterostomie  nicht  ausführbar  ist.  Mit 
einem  Wort,  Fälle,  in  denen  bisher  die  Jejunostomie  ausge¬ 
führt  werden  musste,  die  nicht  nur  für  den  Patienten  lästig 
ist  und  einen  sehr  langen  Spitalaufenthalt  bedingt,  sondern 
auch  in  ihrem  Erfolg  unsicher  ist. 


Eine  seltene  Indikation  zur  Darmresektion. 

Von  Dr.  C.  Sultan,  Spezialarzt  für  Chirurgie  in  Kiel. 

Es  handelt  sich  um  eine  42  jährige,  kräftige  Patientin  aus  der 
Nachbarschaft  Kiels,  Frau  B.  aus  Sch.  Drei  Kinder  leben.  Ende  No¬ 
vember  1911  erfolgte  ein  Abort.  Die  Erweiterung  des  Muttermundes 
durch  den  auswärtigen  Kollegen  zwecks  Ausräumung  war  damals 
schwierig.  Dann  traten  regelmässige  Menses  ein.  Da  in  der  Familie 
der  Frau  Geisteskrankheiten  erblich  sind,  und  weil  im  Laufe  der 
früheren  Schwangerschaften  bei  ihr  stets  melancholiscne  Zustände 
aufgetreten  waren,  wurde  nun  ein  „Sterile  tt“  (Obturator  uteri) 
getragen.  Nach  einigen  Monaten  ging  das  Sterilett  verloren;  es 
sollen  dann  stärkere  Blutungen  eingetreten  sein.  Die  nun  in  der 
Folgezeit  eintretenden  Menses  waren  unregelmässig,  langdauernd, 
schmerzhaft,  sehr  blutreich.  Am  20.  VI.  12  wurde  deshalb  der  Arzt 
konsultiert.  Die  Diagnose  schwankte  zwischen  hämorrhagischer 
Endometritis  und  Abort.  Am  25.  VI.  leitete  der  dortige  Kollege 
zwecks  Ausschabung  die  Skopolamin-Morphiumnarkose  ein.  Er¬ 
weiterung  mit  Laminaria  war  nicht  vorausgegangen.  Die  Dilatation 
mit  He  gar  sehen  Stiften  bis  No.  XIV  war  nicht  schwierig.  Bevor 
kürettiert  wurde,  fühlte  der  Kollege  einen  T  u  m  o  r  im  Uteruskavum, 
den  er  für  einen  Polypen  hielt.  Er  versuchte,  ihn  mit  der  Abort- 

■j 


762 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14. 


zange  hervorzuziehen.  Nun  zeigte  sich,  dass  es  sich  um  eine  Darm- 
schlinge  handelte.  Eine  Stunde  darauf  sah  ich  die  Patientin. 
Aus  der  Scheide  hing  ein  schlaffes,  dunkelblaurotes  Gebilde,  das  sich 
leicht  ein  wenig  hervorziehen  Hess  und  sich  als  Dünndarm- 
schlinge  erwies,  die  völlig  von  ihrem  Mesenterium,  und  zwar 
direkt  an  seinem  Ansatz,  abgelöst  war.  Nun  wurden  alle  weiteren 
Manipulationen  unterlassen,  sterile  Gaze  vorgelegt,  die  Patientin  in 
das  P  a  r  k  -  S  a  n  a  t  o  r  i  u  m  Kiel  gebracht  und  in  Aethernarkose 
laparotomiert. 

ln  der  Bauchhöhle  befand  sich  eine  geringe  Menge  flüssigen 
Blutes.  Der  Uterus  war  von  normaler  Grösse  und  fester  Konsistenz; 
er  wird  an  seinem  Fundus  mit  einer  Kugelzange  gefasst  und  etwas 
angehoben.  Nun  sieht  man  die  beiden  Schenkel  einer  Dünndarm¬ 
schlinge  in  eine  links  hinten  sitzende,  dem  Corpus  uteri  ange¬ 
hörende  Perforation  eintreten.  Der  Riss  in  der  Uterussubstanz  ist 
schlitzförmig,  etwa  IV2— 2  cm  lang.  Der  Darm  wird  von  der  straff 
kontrahierten  Uterusmuskulatur  so  fest  umschlossen,  dass  es  ohne 
weiteres  nicht  gelingt,  ihn  hervorzuziehen.  Deshalb  muss  die  Uterus¬ 
wunde  scharf  erweitert  werden.  Nach  Vorziehen  des  Darmes  aus 
der  Gebärmutter  stellt  sich  heraus,  dass  ein  etwa  20  cm  langes 
Dünndarmstück  seines  Mesenteriums  völlig  beraubt  ist.  Der  Stumpf 
des  Mesenteriums  ist  stellenweise  dunkelblaurot  infarciert  und  blutet 
nicht.  Resektion  des  Darms.  Zirkuläre,  axiale  Darmnaht. 
Naht  des  Mesenteriums.  Verschluss  der  Uteruswunde  mit  4  durch 
die  ganze  Dicke  der  Muskulatur  greifenden  Jodkatgutnä'nten.  Voll¬ 
ständiger  Nahtverschluss  der  Bauchdecken  Die  Heilung  erfolgte  ohne 
Störung.  Nach  3  Wochen  verliess  die  Frau  mit  guter  Narbe  das 
Krankenhaus.  In  der  Zeit  der  Rekonvaleszenz  ist  ein  Abort  nicht 
eingetreten. 

Wie  haben  wir  uns  nun  das  Zustandekommen  dieser  Uterus¬ 
verletzung  zu  denken?  Die  Annahme,  dass  mit  dem  Hegarstift  eine 
Zerreissung  hervorgebracht  wurde,  muss  von  vornherein  abgelehnt 
werden.  Dagegen  spricht  der  Sitz  dieser  Perforation.  Zer  v  ix¬ 
risse  werden  wohl  hie  und  da  mit  Hegarstiften  erzeugt,  und  es  mag 
Vorkommen,  dass  ein  solcher  Riss  bei  unsachgemässem,  brüsken 
Vorgehen  auch  sich  in  das  Korpus  fortsetzt  und  in  die  Bauchhöhle 
perforiert.  Davon  war  in  vorliegendem  Falle  keine  Rede.  Ein 
Zervixriss  war  nicht  vorhanden,  und  die  Perforation  sass 
oben,  näher  dem  Fundus  als  der  Cervix  uteri.  Wenn  wir  nicht  an¬ 
nehmen  wollen,  das  vor  dem  Eingreifen  des  Arztes  eine  kriminelle 
Betätigung  von  anderer  Seite  das  Trauma  veranlasst  hat  —  und  zu 
dieser  Annahme  liegt  kein  genügender  Grund  vor  — ,  so  bleibt  meiner 
Ansicht  nach  nur  folgende  Erklärung  übrig;  Das  monatelang  ge¬ 
tragene  ,,S  t  e  r  i  1  e  1 1“  hat  ein  Dekubitalgeschwür  in  der 
Uteruswand  erzeugt  und  die  Perforation  vorbereitet.  Jedenfalls 
deutet  die  Anamnese  darauf  hin,  dass  stärkere,  entzündliche  Ver¬ 
änderungen  nach  längerem  Tragen  des  Obturators  aufgetreten  waren. 
Es  stellten  sich  damals  stärkere  Blutungen,  unregelmässige,  schmerz¬ 
hafte  Menses  ein.  Jetzt  hat  die  weitere  Erklärung  keine  Schwierig¬ 
keiten  mehr.  Durch  die  erweichte  und  verdünnte  Stelle  des  Deku- 
bitalulcus  konnte  auch  bei  vorsichtiger  Handhabung  der  Hegarstift 
oder  die  Abortzange  durchtreten  und  die  Perforation  komplett 
machen.  Allerdings  muss  zugegeben  werden,  dass  bei  der  Be¬ 
trachtung  des  Uterusrisses  deutliche  Zeichen  einer  entzündlichen 
Veränderung  in  der  Wand  nicht  gesehen  werden  konnten.  Ebenso¬ 
wenig  machte  nach  Grösse,  Konsistenz,  Vaskularisation  der  Uterus 
den  Eindruck  eines  graviden. 

Ueber  die  Art  des  chirurgischen  Eingriffes  sind  nur  wenige 
Worte  zu  sagen.  Der  Versuch,  etwa  den  Darm  zur  Vulva  hervor¬ 
zuziehen  und  die  Resektion  hier  vorzunehmen,  hätte  uns,  auch  wenn 
er  ausführbar  gewesen  wäre,  mit  der  Asepsis  arg  in  Konflikt  gebracht. 
Und  wie  wären  wir  mit  der  Reposition  des  genähten  Darmes  fertig 
geworden?  Zudem  zeigte  ja  auch  der  Verlauf  der  Operation,  dass 
wir,  um  den  Darm  aus  der  Umklammerung  durch  die  fest  um  ihn 
kontrahierte  Uterusmuskulatur  zu  befreien,  die  letztere  mit  dem 
Messer  noch  weiter  durchtrennen  mussten.  Auch  war  der  wünschens¬ 
werte  Verschluss  der  Perforation  des  Uterus  nur  auf  dem  Wege  der 
Laparotomie  zu  erzielen. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  vor  dem  Gebrauch  der  sogen. 
„S  t  e  r  i  1  e  1 1  s“  und  ähnlicher  Uterusobturatoren  zwecks 
Verhinderung  der  Konzeption  warnen.  Wenn  diese  Apparate  auch, 
soweit  ich  es  beurteilen  kann,  selten  zur  Anwendung  kommen,  hie 
und  da  geschieht  es  doch,  und  kann  zu  ernsten  Schädigungen  führen. 


Hat  die  Blutsverwandtschaft  der  Eheleute  einen  schäd¬ 
lichen  Einfluss  auf  die  Gesundheit  der  Nachkommen? 

Von  Friederich  Kann  giesse  r,  Universität  Neuchätel. 

Zur  Erläuterung  der  Tabelle  sei  gesagt:  Gezählt  und  berück¬ 
sichtigt  wurden  nur  die  direkten  Nachkommen  der  in  Frage  stehenden 
Ehen,  nicht  aber  die  Kinder  der  Nachkommen.  Kinder,  die  das  erste 
Lebensjahr  nicht  vollendet  hatten,  blieben  in  der  Statistik  unberück¬ 
sichtigt.  Doppelt  gebucht  wurde  nicht;  also  ein  blinder  oder  taub¬ 
stummer  Idiot  wurde  nur  als  geistesschwach  vermerkt  und  in  der 
Berechnung  der  Blinden  und  Taubstummen  nicht  mitgezählt. 

A  zeigt  die  Verhältnisse  bei  Nachkommen  nicht  blutsver¬ 


Nachkommen 

Geistes¬ 

schwache 

Sehr  schlecht  sehend 
oder  blind 

taubstumm 

A . 

200 

8 

1 

0,2 

1 . 

84 

1 

1 

— 

11 . 

86 

6 

— 

III  .... 

66 

12 

3 

5 

IV  .... 

30 

4 

6 

— 

V  .... 

54 

7 

— 

1 

B . 

320 

30 

10 

6 

wandter  Eltern.  Die  Ziffern  habe  ich  aus  den  mir  bekannten  Kreisen 
berechnet. 

I  enthält  das  Ergebnis  meiner  Umfrage  im  Kosmos  1913,  H.  2, 
über  die  Gesundheitsverhältnisse  von  Kindern  blutsverwandter 
Eltern:  Onkel  und  Nichte,  Cousin  und  Cousine  I.  und  II.  Generation. 
Die  unter  I  aufgezählten  Ziffern  entstammen  den  Mitteilungen,  die 
von  den  Eltern  selbst  oder  von  deren  Kindern  gemacht  worden  sind. 
Der  statistische  Wert  von  Reihe  I  und  11  wird  dadurch  herabgesetzt, 
dass  Eltern,  die  ungünstige  Erfahrungen  gemacht  haben,  diese  wohl 
kaum  mitteilen  werden  und  dass  die  Kinder  solcher  Ehen  aus  Pietät 
ebenfalls  sehr  zurückhaltend  sein  werden. 

II  diesbezügliche  Vergleichsziffern,  die  ich  aus  den  Anamnesen 
von  Felix  Peipers  (Diss.,  Bonn  1912)  berechnete. 

III  betrifft  das  Ergebnis  von  Mitteilungen,  die  mir  von  Fremden, 
nicht  in  blutsverwandter  Ehe  Lebenden,  über  die  Gesundheitsverhält¬ 
nisse  von  Kindern  blutsverwandter  Ehen  auf  erwähnte  Kosmosumfrage 
hin  gemacht  wurden.  Der  statistische  Wert  von  Reihe  III  und  IV 
wird  beeinträchtigt  dadurch,  dass  von  Fremden  die  sog.  interessanten 
Fälle  oft  mehr  berücksichtigt  zu  werden  pflegen. 

IV.  Diesbezügliche  Vergleichsziffern,  berechnet  aus  Peipers 
Dissertation. 

V  betrifft  das  Resultat  einer  mündlichen  Umfrage  unter  meinen 
Bekannten  über  die  Gesundheitsverhältnisse  von  Kindern  der  ihnen 
bekannten  blutsverwandten  Ehen,  wobei  ich  Wert  darauf  legte,  dass  i 
jede  solche  Ehe  genannt  wurde,  also  auch  die  normal  verlaufenen 
Fälle. 

B  enthält  die  Addition  von  I— V,  d.  h.  sämtlicher  Nachkommen 
aus  blutsverwandten  Ehen,  soweit  sie  mir  und  Peipers  bekannt 
geworden  sind. 

Prozentualiter  ausgedrückt  finden  sich: 

A  unter  den  Nachkommen  nicht  blutsverwandter  Ehen  4  Proz. 
Geistesschwache,  0,5  Proz.  sehr  schlecht  Sehende  oder  Blinde  und 
ca.  1  Prom.  (!)  Taubstumme; 

B  unter  den  Nachkommen  blutsverwandter  Ehen  9,4  Proz. 
Geistesschwache,  3,1  Proz.  sehr  schlecht  Sehende  oder  Blinde  und. 
1,9  Proz.  Taubstumme. 


Betreffs  Albinismus  kann  ich  A.  Blaschko  zustimmen,  der 
in  einem  Aufsatz  in  der  Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  45  bemerkt: 
„Ist  keiner  der  Eltern  albinotisch,  so  besteht  sehr  häufig  —  in  einem 
Drittel  der  Fälle  —  Blutverwandtschaft  der  beiden  Eltern“.  —  Aus 

3  blutsverwandten  Ehen  sind  mir  Albinos  bekannt,  deren  Eltern  nicht 
albinotisch,  manche  allerdings  kränklich  waren.  Aber  auch  ein  an¬ 
scheinend  gesundes,  nicht  blutsverwandtes  Ehepaar,  dem  aus  seiner 
Aszendenz  kein  Fall  von  Albinismus  bekannt,  hatte  unter  8  Kindern 

4  anscheinend  gesunde  Kakerlaken. 


„In  fast  einem  Drittel  der  Fälle  von  Retinitis  pigmentosa  handelt 
es  sich  um  Individuen,  die  von  blutsverwandten  Eltern  abstammen  , 
E.  Fuchs,  Lehrb.  d.  Augenheilk.  1905,  p.  542.  „Nur  für  die  Retinitis 
pigmentosa  lässt  sich  wohl  kaum  in  Abrede  stellen,  dass  die  Kon- 
sanguinität  einen  schädlichen  Einfluss  ausübt“;  G.  Busch  an  ii 
Mo  11s  Handb.  d.  Sexualwissenschaften  1912,  p.  908 — 915.  „Mag 
nus  eruierte  unter  374  Ehen,  die  blinde  Kinder  produziert  hatten 
45  Ehen  zwischen  Blutsverwandten,  darunter  12  bei  Retinitis  pig¬ 
mentosa  und  11  bei  angeborener  Sehnervenatrophie . Im  Gesamt 

durchschnitt  zeigt  sich  bei  meinem  Material  von  Augenleidenden  du 
Blutsverwandtschaft  der  Eltern  fast  4  mal  so  häufig  ....  als  wie  ii 
der  Gesamtbevölkerung  derartige  Ehen  geschlossen  werden.  .... 
(Uebrigens)  stehe  ich  heute  nicht  mehr  auf  meinem  früheren  Stanu 
Punkt,  wo  ich  den  Einfluss  der  Inzucht  auf  die  Entstehung  der  hohei 
Kurzsichtigkeit  ganz  leugnete“;  Crzellitzer:  Die  Vererbung  voj 
Augenleiden;  Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  44.  —  Frau  Dr.  mec 
A.  Geh  e  e  b -L  i  e  b  e  r  k  n  e  ch  t  -  Gr.-Lichterfelde  hatte  die  gross 
Freundlichkeit,  für  die  ich  ihr  an  dieser  Stelle  meinen  schönsten  Dan 
sage,  mir  den  folgenden  Fall  zur  Publikation  zu  überlassen:  „Betrm 
17  jähriges  Mädchen  mit  Retinitis  pigmentosa.  Keine  Geschwistei 
In  der  Familie  ist  vorher  niemals  Retinitis  pigmentosa  vorgekommei 
Die  Eltern  sind  Vetter  und  Base  erster  Generation.  Mutter  lebt  un 
ist  gesund.  Vater  starb  an  Diabetes.“ 


Ein  Hochschulprofessor  machte  mir  Mitteilung  von  einem  Vate 
der  2  aussereheliche  (von  2  verschiedenen  Müttern  abstammencK 
Kinder  hatte;  diese  heirateten,  ohne  zu  wissen,  dass  sie  vom  gleicht 
Vater  sind;  sie  haben  3  Kinder:  eines  militärtauglich,  die  beide 
anderen  Idioten. 

Herr  Dr.  med.  K  a  u  p  e  -  Bonn  überliess  mir  folgenden  Fall  zi 
Publikation  und  bemühte  sich  auf  meine  Anregung  hin  um  die  E 


8.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


forschung  des  Falles  in  einer  Weise,  die  zu  dauerndem  Dank  ver¬ 
pflichtet.  Es  handelt  sich  um  ein  Kind  seines  Säuglingsheims,  das  von 
einem  16  jährigen  Mädchen  und  dessen  17  jährigem  Bruder  gezeugt 
worden  ist.  Das  Kind,  das  eine  Atrophie  der  Netzhaut  hat  (Dr.  Gal¬ 
lus),  sieht  offenbar  sehr  wenig  und  wird  voraussichtlich  vollkommen 
erblinden.  Da  der  Vater  des  von  Frau  Dr.  Geheeb  genannten 
Mädchens  mit  Pigmentatrophie  der  Netzhaut  an  Diabetes  gestorben 
war,  sei  hier  bemerkt,  dass  im  vorliegenden  Fall  beide  Eltern  kein 
Saccharum  haben.  Der  Vater  hat  auf  beidenAugen  geringeUebersichtig- 
keit  und  infolge  eines  in  der  Kindheit  erlittenen  Traumas  links  eine 
seitliche  Hornhautnarbe,  die  mit  der  Iris  verwachsen  und  die  Pupille 
etwas  verzogen  hat;  der  Augenhintergrund  ist  gesund  (Dr.  Grube). 
Die  Mutter  hat  herabgesetzte  Sehschärfe,  da  beide  Augen  stark  über¬ 
sichtig  und  astigmatisch.  Das  rechte,  zum  Schielen  neigende  Auge  ist 
stark  schwachsichtig.  Augenhintergrund  normal  (Dr.  B  e  r  t  r  a  m). 


Da  die  blutsverwandte  Ehe  den  Erblichkeitsfaktor  verstärkt 
und  einen  latenten  Erblichkeitsfaktor  zu  aktivieren  geeigneter  ist  als 
die  nicht  blutsverwandte  Ehe,  und  da  der  Erblichkeitsfaktor  unter  den 
heutigen  Verhältnissen  eher  ein  pathologisches  als  ein  physiologisches 
Moment  ist,  sind  die  Aussichten,  geistesschwache,  blinde  und  taub¬ 
stumme  Kinder  zu  bekommen,  in  blutsverwandten  Ehen  entschieden 
grösser  als  in  nicht  blutsverwandten  Ehen.  Ich  kann  daher  die  bluts¬ 
verwandte  Ehe  nicht  als  eine  rassenveredelnde  —  wie  dies  geschehen 
ist  —  bezeichnen,  sondern  ich  halte  das  Eingehen  einer  solchen  Ehe 
—  wobei  ich  die  Worte  eines  Verteidigers  derselben  gebrauche  — 
für  ein  gefährliches  Beginnen. 


Aus  dem  Sanatorium  Wehrawald. 

Ueber  orthotische  Albuminurie  bei  Tuberkulose. 

Von  Josef  Sturm. 

In  No.  9,  1913  dieser  Wochenschrift  veröffentlicht  Arnold  aus 
der  Würzburger  Hautklinik  einen  Artikel  „Ueber  orthotische 
Albuminurie  und  ihre  Beziehungen  zur  Tuberku¬ 
lose,  nach  Untersuchungen  bei  Hautkranken,  ins¬ 
besondere  bei  Hauttuberkulose  und  Syphili  s.“  Da 
er  in  demselben  auch  die  von  Lüdke  und  mir  in  No.  19,  1911 
dieser  Wochenschrift  erschienene  Arbeit  „Ueber  orthotische 
Albuminurie  bei  Tuberkulose“  bespricht,  muss  ich  auf 
seine  Veröffentlichung,  vor  allem  auf  seine  Versuche  bei  Haut¬ 
tuberkulose  und  die  Verwertung  von  deren  Ergebnissen,  kurz 
eingehen;  dass  auch  bei  anderen  Infektionskrankheiten,  auch  bei 
Syphilis,  eine  orthotische  Albuminurie  auftreten  kann,  haben  wir 
selbst  betont  und  darin  eine  Stütze  für  die  Aetiologie  der  orthotischen 
Albuminurie  gesehen. 

Vor  allem  möchte  ich  bemerken,  dass  Lüdke  und  Sturm  die 
orthotische  Albuminurie  nicht  als  ein  neues  vollwertiges  Frühdia- 
gnostikum  der  Tuberkulose,  wie  es  z.  B.  die  subkutane  Tuberkulin- 
injektion  ist,  hingestellt  haben,  sondern  lediglich  sagten,  dass  die¬ 
selbe  mitverwendet  werden  könne  als  frühdiagnostisches  Merkmal, 
vorausgesetzt,  dass  nicht  anderweitige  voraus¬ 
gegangene  Infektionen  die  orthotische  Albumin¬ 
urie  bedingen!  Mindestens  ebensoviel  Wert  wie  auf  die  Fest¬ 
stellung  der  eventuellen  Frühdiagnostik  legten  wir  in  unserer  damali¬ 
gen  Arbeit  auf  die  Theorien  über  Entstehungsweise  und  etwa  vor¬ 
handene  oder  mögliche  pathologische  Veränderungen  bei  orthotischer 
Albuminurie.  Wir  führten  das  Zustandekommen  derselben  auf  toxische 
Reize  zurück,  hervoreerufen  durch  Einwirkung  der  bei  manchen  Lun¬ 
gentuberkulosen  im  Blute  kreisenden  und  mit  demselben  in  die  Nieren 
gebrachten  Tuberkelbazillen.  Diese  Anschauung  hat  einen  neuen  Be¬ 
weis  erfahren  durch  Untersuchungen,  die  ich  an  einem  grösseren 
Krankenmaterial  d°r  Hamburgischen  Heilstätte  Edmundstal  angestellt 
habe  und  die  zum  Teil  schon  veröffentlicht  sind  (Brauers  Beitr.).  teils 
demnächst  ausführlich  veröffentlicht  werden.  Ich  fand  bei  ca.  70  Proz. 
von  Tuberkulose  einen  Zusammenhang  zwischen  Tuberkelbazillämie 
und  Ausscheidung  von  Tuberkelbazillen  im  Urin,  und  zwar  derart, 
dass  die  Bazillnmie  diese  Ausscheidung  direkt  bewirkte;  bei  aus¬ 
gesprochener  tuberkulöser  Nephritis  fand  ich  stets  (5  Fälle)  Tuberkel¬ 
bazillen  in  Blut  und  Urin,  bei  6  Fällen  von  ständiger  reiner  Albu¬ 
minurie  4  mal.  Die  Untersuchungen  des  Blut-  und  Urinbefundes  bei 
12  orthotischen  Albuminurien  (unter  20  Phthisikern  12  mal  60  Proz.) 
ergab  wiederum  einen  unzweifelhaften  Zusammenhang  zwischen  Ba¬ 
zillenbefund  in  Blut  und  Urin  und  zwischen  orthotischer  Albuminurie, 
der  aus  der  folgenden  Tabelle  zu  ersehen  ist. 

Es  sind  also  Lüdkes  und  Sturms  damalige  140  Fälle  um 
weitere  20  vermehrt,  bei  denen  fast  in  der  gleichen  Prozentzahl 
(60  Proz.)  orthotische  Albuminurie  auftrat;  erst  recht  beweisend  sind 
diese  Fälle  infolge  ihrer  genauen  und  ausführlichen  Blut-  und  Urin¬ 
untersuchungen  auf  Tuberkelbazillen. 

Arnold  hingegen  hatte  unt°r  49  H  a  u  t  tuberkulösen  nur  5  posi¬ 
tive  Fälle  =  11  Proz.  Diese  5  Fälle  zeigten  auf  Tuberkulin  neben 
der  Herdreaktion  auch  eine  Allgemeinreaktion,  woraus  Arnold 
schliesst.  dass  sie  neben  der  Hauttuberkulose  auch  eine  Allgemein- 
tuberkulöse  hatten.  Sonst  erwähnt  er  nur  noch  5  Fälle,  die  auf 
Tuberkulin  reagierten  und  keine  orthotische  Albuminurie  zeigten,  und 
zwar  unter  8  Fällen;  ob  nur  diese  8  Fälle  diagnostisch  gespritzt  wur¬ 


763 


Fall 

No. 


Tuberkelbazillen 
vor  dem  Stehen 

Tuberkelbazillen 
nach  dem  stehen 

im  Blut  j  im  Urin 

im  Blut 

im  Urin 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

- - 

+ 

— 

+ 

9 

10 
11 
12 


+  ;  + 

+  :  + 

+  ,  + 


den,  geht  aus  seiner  Arbeit  nicht  hervor.  Auf  jeden  Fall  können  bei 
der  Beantwortung  dieser  Frage  nur  die  Fälle  berücksichtigt  werden, 
welche,  entweder  durch  positiven  Bazillenbefund  oder  durch  positive 
Tuberkulinreaktion,  auch  sicher  tuberkulös  sind,  wie  es  bei  unseren 
sämtlichen,  nunmehr  160  Untersuchungen  der  Fall  war. 

Wenn  sich  also  Arnold  schon  auf  nur  relativ  wenige  ein¬ 
deutige  Fälle  stützen  kann,  so  kommt  hinzu,  dass  es  sich  nur  um 
Haut  tuberkulöse  handelt.  Ob  bei  der  Hauttuberkulose,  einer 
äusseren  Form  der  Tuberkulose,  die  Verhältnisse  ebenso  liegen  wie 
bei  der  Lungentuberkulose,  muss  erst  bewiesen  werden.  Wir  glauben 
nicht,  dass  man  berechtigt  ist,  aus  einem  Befunde,  der  nur  in  dem 
lokalisierten  Gebiet  der  Haut  tuberkulöse  erhoben  ist,  auf  die 
Tuberkulose  überhaupt  zu  verallgemeinern! 


Ueber  Serumfermentwirkungen  bei  Schwangeren  und 

Tumorkranken. 

Erwiderung  auf  E.  Abderhaldens  Artikel  in  No.  13 
dieser  Wochenschrift. 

Von  R.  Freund  in  Berlin. 

Die  Darstellung  Abderhaldens  nötigt  mich,  hier  noch  ein¬ 
mal  mit  Nachdruck  zu  behaupten,  dass  sein  Artikel  in  der  Me¬ 
dizinischen  Klinik  (1909,  No.  41),  in  welchem  zum  ersten 
Male  die  Anwendbarkeit  der ‘optischen  Methode  zum  Studium  der 
Schwangerschaft  und  besonders  der  Eklampsie  ausgesprochen  wird, 
direkt  unter  dem  Einfluss  meines  Besuches  bei  Ab¬ 
derhalden,  dem  ich  die  Ergebnisse  der  Eklampsieforschung  vorge¬ 
tragen  hatte,  entstanden  ist.  Lediglich  darauf  hinzuweisen,  be¬ 
zweckte  meine  jüngste  Publikation;  dass  ich  zur  Zeit  meiner  Unter¬ 
redung  mit  Abderhalden  über  das  Wesen  seiner  optischen  Me¬ 
thode  orientiert  war,  habe  ich  nicht  behauptet. 

Schon  bei  der  gemeinsamen  Veröffentlichung1)  kamen  wir  beide 
damals  überein,  die  Idee  der  Verwendbarkeit  der  opti¬ 
schen  Methode  für  die  Graviditätsvorgänge  als 
eine  von  uns  beiden  ausgehende  hinzustellen,  und  haben 
deshalb  in  der  zugehörigen  Fussnote2 3)  beide  Arbeiten,  Abderhaldens 
Artikel  in  der  Med.  Klinik  (1909,  No.  41)  und  meine  Arbeit  r die  als 
Abschnitt  eines  Handbuches  (Serumtherapie  von  Wolf  f  -Eis  ne  r 
1910)  naturgemäss  etwas  später  erscheinen  musstel.  gleichzeitig  an¬ 
geführt. 

Ich  hätte  es  danach  in  meiner  letzten  Veröffentlichung •’)  nicht 
nötig  gehabt,  noch  einmal  auf  di°sen  Punkt  zuriickzukommeu,  wenn 
ich  nicht  bemerkt  hätte,  dass  Abderhalden  dieser  unserer  -ge¬ 
meinsamen,  grundlegenden  Arbeit  mit  Ausnahme  eines  einmaligen 
kurzen  Hinweises 4)  nirgends  mehr  Erwähnung  tut  und  weiterhin 
ohne  mich  zu  zitieren,  sogar  Ausblicke  auf  eine  Serumtherapie  bm 
Eklampsie5 6)  neuerdings  gibt,  welche  ich  bereits  im  Jahre  1910") 
inauguriert  habe. 


Erwiderung  auf  obigen  Artikel  R.  Freunds. 

Von  Emil  Abderhalden  in  Halle  a/S. 

Die  erste  ausführliche  Mitteilung  über  die  An  ¬ 
wendbarkeit  der  optischen  Methode  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Schwangerschaft  und  speziell  der 
Eklampsie  findet  sich  in  der  3.  Mitteilung  (S.  248) 
über  serologische  Studien  mittels  der  genannten 
Methode.  Diese  Arbeit  ist  Ende  Juli  verfasst  worden  und  ging 


x)  Abderhalden-Freund-Pincussohn:  Ergeb.  d. 
Geb.  u.  Gyn.,  II,  2,  S.  367. 

2)  1.  c.  S.  368. 

3)  Zur  Geschichte  der  Serodiagnostik  der  Schwangerschaft. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  13. 

4)  Zeitschr.  f.  physiolog.  Chemie,  Bd.  77.  S.  250. 

5)  Beiträge  zur  Klinik  der  Infektionskrankheiten  und  zur  Immuni¬ 
tätsforschung  etc.  Würzburg  1913,  I,  2,  S.  269. 

6)  Handbuch  der  Serumtherapie  (s.  o.)  1910,  S.  250,  und  Med. 
Klinik  1911,  No.  10,  S.  371. 

4* 


764 


No.  14. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Redaktion  der  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie  am  16.  August 
1909  zu.  In  Bd.  62  der  genannten  Zeitschrift  habe  ich  Seite  247—249 
ausführlich  die  Anwendungsmöglichkeiten  der  optischen  Methode  und 
der  ihr  zugrunde  liegenden  Gedankengänge  und  Vorstudien  auf  dem 
Gebiete  der  Pathologie  besprochen  und  betont,  dass  ich  keine  Frage¬ 
stellung  für  mich  zu  reservieren  beabsichtige,  im  Gegenteil  darum 
bitte,  meine  Ideen  und  meine  Methode  möglichst  mannigfaltig  aut 
ihre  Anwendbarkeit  zu  prüfen.  Diese  Arbeit  ist  bei  der  Korrektur 
einzig  und  allein  in  der  Weise  ergänzt  worden,  dass  angeführt  wurde, 

R.  F  r  e  u  n  d  werde  an  den  Studien  über  Eklampsie  teilnehmen.  Erst 
mehrere  Wochen  später  habe  ich  die  in  der  er¬ 
wähnten  Arbeit  ausgesprochenen  Ideen  in  einem 
r  ri  der  AJedizinischen  Klinik  erschienenen  Auisatz 
wiederholt  und  gleichzeitig  erweitert. 

Würde  R.  Freund  in  seinem  Artikel  „Zur  Geschichte  der  Sero¬ 
diagnostik  der  Schwangerschaft",  diese  Wochenschrift  No.  13.  1913, 
angegeben  haben,  wie  er  das  jetzt  tut,  dass  wir  beide  die  Idee 
gehabt  hätten,  meine  Methode  auf  das  Gebiet  der  Gravidität  zu 
übertragen,  so  würde  ich  dagegen  niemals  Widerspruch  erhoben 
haben,  obwohl  diese  Angabe  objektiv  unrichtig  ist.  Mein  Einspruch 
gegen  Freunds  Darstellung  der  „Geschichte  der  Serodiagnostik  etc. 
geht  einzig  und  allein  gegen  die  nun  zweimal  aufgestellte  Behauptung, 
er  habe,  angeregt  durch  meine  optische  Methode,  diese  auf  dem  Gebiete 
der  Schwangerschaft  und  speziell  der  Eklampsie  angewandt  resp.  mich 
aufgesucht  und  gewissermassen  bestimmt,  mit  ihm  zusammen  über 
Eklampsie  zu  arbeiten.  Freund  sagt  jetzt  aus,  er  habe  das 
nicht  behauptet.  Ich  verweise  auf  diese  Wochen- 
schrift  No.  13,  1913  und  die  von  mir  in  der  ersten  Er¬ 
widerung  zitierte  Stelle  in  der  Medizinischen 
Klinik. 

Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Ueber  Ruhr  und  ihre  Behandlung. 

Von  Karl  J  u  s  t  i  in  Hongkong. 

Unter  Ruhr  (Dysenterie)  versteht  man  zwei  ubiquitäre 
Darmerkrankungen,  die  sich  nicht  nur  ätiologisch  und  klinisch  von¬ 
einander  abgrenzen  lassen,  sondern  auch  in  prognostischer  und  thera¬ 
peutischer  Beziehung  beachtenswerte  Unterschiede  darbieten,  die 
Amöben-  und  die  Bazillenruhr.  Dysenterieähnliche  Zu¬ 
stände  kommen  vor  bei  Tuberkulose,  Darmkatarrh,  bei  dem  Ein¬ 
dringen  gewisser  Schmarotzer  in  den  Darm  (Bilharzia,  Balan- 
tidium  und  anderer  seltenerer  Parasiten);  auch  die  kieselsäure- 
haltigen  Exkremente  von  Heuschrecken,  mit  dem  1  rinkwasser  in  den 
Darm  gelangt,  sind  nach  P  r  o  n  t  für  ruhrartige  Entleerungen  ver¬ 
antwortlich  zu  machen.  In  der  folgenden  kurzen  Uebersicht  be¬ 
schränke  ich  mich  auf  die  Ruhr  im  engeren  Sinne. 

Das  mikroskopische  Bild  der  Amöbe  mit  ihrer  glashellen, 
langsam  schleichenden  oder  plötzlich  vorwärts  stossenden  moto¬ 
rischen  Zone  und  dem  körnigen,  phagozytären  Endoplasma  ist  so 
eigenartig,  dass  es  schon  vor  einem  halben  Jahrhundert  seinen  ersten 
Beobachter  fand  (Lambl).  Aber  erst  in  neuerer  Zeit  ist  dank  den 
Untersuchungen  Schau  dinns  die  krankheiterregende  Rolle  der 
Entamoeba  histolytica  allgemein  anerkannt  worden.  Eine 
Schwierigkeit  für  die  Klarstellung  der  Aetiologie  lag  darin,  dass  in 
einem  grossen  Teil  der  Ruhrfälle  Amöben  fehlten  —  es  sind  dies, 
wie  wir  jetzt  wissen,  die  bazillären  Formen  — ,  dass  also  erst  der 
Dualismus  der  Krankheitsgruppe  erkannt  werden  musste,  und  dass 
andererseits  Amöben  auch  bei  Gesunden  aufgefunden  wurden;  diese 
hat  Schaudinn  als  die  harmlose  Entamoeba  coli  charak¬ 
terisiert.  Stimmen,  die  der  E.  histolytica  nur  eine  sekundäre  Stellung 
einräumen  wollen  (Tanaka),  werden  durch  Versuche  besondeis 
von  Strong  (Manila)  widerlegt,  dem  es  gelang,  durch  die  Ein¬ 
führung  von  bakterienfreiem  Material  aus  der  Wandung  von 
Leberabszessen  Amöbenruhr  bei  Katzen  zu  erzeugen.  Eine  Abart 
der  E.  histolytica  ist  die  E.  t  et  rage  na;  ihre  Dauerkapseln 
sind  im  Gegensatz  zu  der  gewöhnlichen  Amöbe  vierkernig  (Viereck 
und  Hartman  n). 

Die  Haupttypen  der  Ruhrbazillen  sind  die  giftarmen 
Stämme  F 1  e  x  n  e  r  und  Y  und  die  Shiga-Kruse  Stäbchen.  Ausser 
diesen  sind  noch  eine  Anzahl  wenig  verbreiteter  Ruhrbazillen  bekannt 
geworden.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  den  verschiedenen 
Stämmen  verschiedene  Erscheinungsformen  der  Krankheit  ent¬ 
sprechen.  B  a  e  r  in  a  n  n  und  Eckersdorff  haben  ein  etwas 
abweichendes  klinisches  Bild  auf  die  Infektion  mit  Streptokokken 
zurückgeführt.  _  . 

Um  die  Art  der  Ruhrbazillen  festzustellen,  genügt  für  die  Praxis 
die  Agglutination.  In  Hongkong,  wo  die  Bazillenruhr  die  Amöben¬ 
ruhr  bei  weitem  überwiegt  —  unter  245  Fällen  des  Gouvernement¬ 
hospitals  waren  166  bazilläre  und  79  Amöbendysenterien  (Bell)  — , 
hat  H  e  a  n  1  e  y  eine  Reihe  unserer  Kranken  untersucht  und  das 
Vorkommen  von  Shiga-Kruse-  und  F  1  e  x  n  e  r  Stäbchen  sero¬ 
logisch  nachgewiesen. 

Pathologische  Anatomie.  Bei  der  Amöbenrunr 
spielt  sich  die  Entzündung  hauptsächlich  in  der  Submukosa  ab  als 


Folge  der  hier  eindringenden  Parasiten.  Eine  ausgedehnte  Zer¬ 
störung  der  Schicht  durch  Eiterung  und  Nekrose  beraubt  die  Schleim¬ 
haut  ihrer  Unterlage,  und  sie  wird,  ohne  selbst  stärker  geschädigt 
zu  sein,  abgestossen.  Oder  es  brechen  Abszesse  durch  die  Schleim¬ 
haut  hindurch,  es  entstehen  flascheriförinige  Geschwüre.  Pie 

Bazillenruhr  beginnt  als  akute  Entzündung  der  Schleimhaut; 
dem  katarrhalischen  Stadium  kann  ein  diphtherisches,  ein  nekro¬ 
tisierendes,  ein  geschwiiriges  und  ein  reparatives  folgen.  Aus  dem 
Vorherrschen  und  dem  frühzeitigeren  Eintreten  der  einzelnen  Grade 
ergibt  sich  die  Verschiedenartigkeit  der  klinischen  Bilder.  Die 
Amöbenruhr  tritt,  ausser  in  den  schwersten  Fällen,  begrenzt  auf  und 
setzt  sich  vorzugsweise  im  Colon  ascendens  und  im  Zoekuni  fest: 
die  Bazillenruhr  ist  über  das  ganze  Kolon  mit  besonderer  Beteiligung 
der  Stagnationsstellen  verbreitet.  Jedoch  ist  das  Verhalten  der 
Amöbenruhr  nicht  überall  gleich;  in  Ostindien  soll  gerade  das  Colon 
descendens  besonders  stark  oder  allein  befallen  werden.  Perfora-  | 
t  i  o  n  e  n  kommen  bei  der  tiefer  in  der  Darmwand  nistenden  und 
mehr  zu  Rückfällen  neigenden  Amöbenruhr  leichter  zustande,  als  bei 
der  bazillären  Form.  Wichtig  ist  das  Weiterbestehen  von  Ge¬ 
schwüren  nach  scheinbarer  Heilung;  man  findet  sie  gelegentlich  bei 
Sektionen.  Bei  der  Amöbenruhr  können  sie  noch  nach  Jahren  Ver¬ 
anlassung  zu  Leber  abszessen  geben. 

Klinische  Symptome.*)  In  den  akut  beginnenden  Fällen 
von  Amöbenruhr  (etwa  60  Proz.)  klagen  die  Kranken  über: 
krampfartige  Schmerzen  im  Leib  (K  o  1  i  k  e  n),  die  sich  später  mein 
in  die  linke  Seite  ziehen.  Die  anfangs  fäkulenten  Stühle  lassen  erst 
nach  einiger  Zeit  (bis  zu  mehreren  Tagen)  die  Ausscheidung  von 
entzündlichem  Darmsekret  erkennen,  das  immer  häufigei  und  n 
kleinen  Mengen  herausgepresst  wird:  Blut,  farblosen  durch¬ 
scheinenden  oder  durch  Blut  tiefrot  gefärbten  Schleim  (Himbeergelec- 
massen).  Weiterhin  erscheinen  Eiterflocken  und  Schleimhautfetzen. 
Erhebliche  Blutungen  sind  selten;  nach  Finlayson  (1873)  und 
Strong  begünstigen  Leberabszesse  durch  Stauung  im  Pfortader¬ 
gebiet  schwerste,  tödliche  Blutverluste.  Ist  dei  unterste  Abschnitt 
des  Darms  ergriffen  —  in  älteren  Fällen  gibt  das  Rektoskop  hierbei 
interessante  Bilder  — ,  so  kommt  es  zu  T  en  esmen,  dringenden 
Schmerzen  im  Mastdarm,  genau  wie  bei  der  Bazillenruhr 

In  den  übrigen  Fällen  ist  der  Beginn  schleichend;  Schmerzen 
fehlen  manchmal  ganz,  ebenso  Durchfälle;  ja  es  kann  Verstopfung  | 
Vorkommen.  Die  Kranken  kommen  dann  mit  unbestimmten  Ver¬ 
dauungsbeschwerden  zum  Arzt  oder  mit  der  Angabe,  dass  sie  etwas 

Blut  im  Stuhlgang  bemerken.  . 

Beim  Uebergang  in  das  subakute  Stadium  treten  wieder  fakulente 
Entleerungen  mit  entzündlichen  Beimengungen  auf. 

Die  Mikroskopie  des  möglichst  frischen,  fade  riechenden 
Schleims  oder  Blutes  ergibt  meist  schon  im  ersten  Präparat  die 
Amöben,  und  zwar  findet  man  sie  vornehmlich  da,  wo  grosse  ge¬ 
quollene,  oft  verfettete  Epithelien  und  einzelne  rundkernige  Leuko¬ 
zyten  dem  Schleim  beigemengt  sind.  Besonders  stark  mit  roten 
Blutzellen  sind  sie  beladen  in  den  Himbeergeleemassen.  Wichtig  ist 
das  spärliche  Vorkommen  von  Eiterzellen  (polynukleären  Elementen). 

Für  die  Bazillenruhr  kennzeichnend  sind  stürmische  Er¬ 
scheinungen  Häufig  bilden  Fieber  und  Gliederschmerzen  die  ersten 
Symptome  der  Infektion.  Die  Durchfälle  setzen  plötzlich  ein  unter 
heftigen  drängenden  Schmerzen  im  Leib  und  besonders  im  Rektum. 
Sehr  bald  werden  die  Stühle  schleimigblutig,  schleimigeitrig  oder  nun 
blutig.  Niemals  ist  der  Schleim  glasig  wie  bei  der  Amöbenruhr,  wenn 
auch  einzelne  derartige  Partien  den  schmutziggelblichgrauen  Massen 
beigernischt  sein  können.  Unter  dem  Mikroskop  erkennt  man  sotor 
den  eitrigen  Charakter  der  Ausscheidungen;  der  Unterschied  von  dem 
Bild  bei  der  Amöbenruhr  ist  sehr  auffallend  und  nach  meinen  zahl¬ 
reichen  Beobachtungen  ganz  wesentlich.  Im  gefärbten  I  raparal 
findet  man  Anhäufungen  von  Ruhrbazillen,  falls  der  Schleim  tnsc 
ist,  regelmässig.  Verschlimmert  sich  der  Zustand,  so.,  werden  du 
Durchfälle  wässerigflüssig,  missfarbig,  stinkend:  gangränöse  retzei 
mischen  sich  bei,  und  der  Kranke  verfällt  teils  durch  die  loxin- 
wirkung,  teils  durch  den  Wasserverlust.  Häufiger  als  bei  der  Amoben 
rühr  ereignen  sich  bei  der  Stäbchenruhr  ausgiebige  Blutungen. 

ln  den  leichteren  Fällen  und  in  der  Rekonvaleszenz  sind  di 
Stühle  breiig  oder  gebunden  und  mit  den  entzündlichen  Ausschci 

düngen  vermengt  oder  überzogen. 

Nicht  immer  ist  der  Unterschied  der  beiden  Ruhrarten  klimsci 
möglich.  Dann,  und  wenn  Verdacht  auf  eine  M  i  s  chinf  cktio« 
vorliegt,  ist  die  bakteriologische  Untersuchung  unumgänglich,  tsc 
den  Mischinfektionen  findet  man  z.  B.  in  eitrigschleimigen  Massei 

Atn'^Pr  ognose.  Während  die  Stäbchenruhr  wenigstens  in  de 
leichteren  Fällen  durch  diätetische  Massnahmen  ausheilen  kann,  de 
Körper  also  über  die  Infektion  durch  seine  eigenen  Mittel  Herr  wm 
so  erfordert  die  Amöbenruhr  stets  eine  medikamentöse  Behandlung 
und  sie  neigt  bei  der  Schwierigkeit,  .auf  die  in  der  Subtnukos 
wuchernden  Schmarotzer  einzuwirken,  in  hohem  Grade  zum  Len. 
gang  in  ein  chronisches  oder  ein  latentes  Stadium.  Jede  Art  vo 


beziehen  sich  ai! 

Französisch-Cliin; 


*)  Die  hier  niedergelegten  Beobachtungen 
Hongkong,  sein  Hinterland,  die  Philippinen,  — 

Kobert  hat  von  Tsingtau,  Dopt  er  von  Nordafrika  ähnliches  m 

richtet. 


!  \pril  191.^)' 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


765 


>  r  ist  sehr  bedenklich,  wenn  sie  als  Komplikation  auftritt.  Die 
ahr  des  Leberabszesses  ist  bei  der  Infektion  mit  Amöben  gross, 
der  mit  Bazillen  verschwindend  klein.  Die  chronische  Ruhr  führt 
liesslich  zum  Verlust  der  Schleimhaut,  zu  ausgedehnten  Narben, 

auch  mechanische  Störungen  hervorrufen,  und  zu  Inanition. 
ser  Zustand  wird  hin  und  wieder  fälschlich  mit  Sprue  zu- 
imengeworfen. 

Therapie.  Der  Behandlung  beider  Ruhrforinen  gemeinsam 
;  j  die  schmerzstillenden  Massnahmen  und  die  diätetischen  Ver- 
nimgen;  letztere  gelten# übrigens  für  alle  schweren  Durchfälle  in 

Tropen.  Gegen  die  Schmerzen  muss  stets  ein  heisser  Auf¬ 
lag  verordnet  werden:  wenn  kein  Heisswasserbeutel  zu  haben  ist, 

5t  man  heissen  Leinsamen  oder  gerösteten  Reis  in  Säcken  auf- 
en.  Bleiben  trotzdem  die  Schmerzen  sehr  heftig,  so  gibt  man 
rphium  subkutan  oder  gegen  die  Tenesmen  Opium  per  rectum 
l  Weinglas  laues  Wasser  mit  2  Esslöffeln  Stärkemehl  und  30  Tropfen 
iumtinktur). 

Diät.  Akutes  Stadium.  Jeder  Ruhrkranke  gehört  ins 
it.  Ein  anfangs  leichter  Anfall  wird  durch  Missachtung  dieser 
Igel  unter  Umständen  sehr  viel  schlimmer.  Der  Leib  ist  warm  zu 
teil.  Schwerkranke  müssen  die  Bettpfanne  benutzen.  Die  Nah- 
lgszufuhr  ist  möglichst  einzuschränken;  kräftige  Patienten  erhalten 
ie  Hungerdiät  (nur  etwas  Thee  und  Reiswasser),  schwäch¬ 
te  eine  Schonungsdiät  (Fleisch-  oder  Hühnerbrühe,  Eiweiss- 
isser,  dünne  Lösungen  von  Kindermehlen  oder  Eiweisspräparaten), 
ies  dies  muss  in  kleinen  Mengen  und  warm  genossen  werden.  Bei 
asseni  Durstgefühl,  bei  Erschöpfung  sind  Salzwasser- 
n  g  ii  s  s  e  unter  die  Haut  oder  in  die  Vene  indiziert.  Sie  ersetzen 
n  Wasserverlust,  regen  die  Herztätigkeit  an  und  wirken  durch  | 
bung  der  Harnausscheidung  entgiftend.  In  einzelnen  Fällen  haben 
r  erfolgreich  nur  Infusionen  gegeben  und  den  Magen  bis  zu  meh¬ 
ren  Tagen  völlig  ausser  Kurs  gesetzt.  Alkoholika  sind  während 
r  ganzen  Zeit  verboten;  nur  im  Kollaps  ist  Brandy  erlaubt.  Wenn 
r  Darm  sich  beruhigt  hat,  so  beginnt  man  mit  Milch,  erst  verdünnt, 
mn  rein.  Später  reicht  man  an  festen  Nahrungsmitteln  weich¬ 
kochten  Reis  (der  vor  dem  Kochen  12  Stunden  in  kaltem  Wasser 
standen  hat),  Puddings  von  Mondamin,  Maizena,  dann  weich¬ 
kochte  Eier,  Fisch,  Hühnerpüree,  geröstetes  Brot,  geschabtes 
eisch,  roh  oder  angebraten.  Neben  dieser  Beikost  rate  ich  dringend, 
ne  ausgiebige  Milchernährung  durch  mehrere  Wochen  einzuhalten, 
ährend  in  den  ersten  Tagen  Verstopfung  nicht  unerwünscht  ist, 
iuss  in  der  Rekonvaleszenz  durch  Darreichung  von  milden  Abfiihr- 
itteln  tegelmässiger  Stuhlgang  erzielt  werden. 

Chronisches  Stadium.  Die  besten  Resultate  habe  ich 
oii  einer  reinen  Milchdiät  gesehen.  Nach  einem  Abführmittel  be¬ 
ilint  man  mit  lVa— 2  Litern  frischer  ungekochter  Milch.  Wo  keine 
ische  Milch  zu  haben  ist,  ist  Mecklenburger  oder  Berner  Büchsen- 
ülch  der  beste  Ersatz.  Die  Menge  wird  auf  2 — 3  stündliche  Mahl- 
eiten  verteilt  und  sie  steigt  allmählich  auf  3 — 4  Liter.  Da  die 
atienten  gewöhnlich  sehr  abgemagert  sind,  erholen  sie  sich,  trotz 
er  nicht  grossen  Kalorienmenge,  schnell  durch  das  Aufhören  dei 
»urchfälle.  Bei  der  Amöbenruhr  kommt  die  durch  die  Milch  häufig 
eschaffene  saure  Reaktion  als  hemmend  für  das  Wachstum  der 
’arasiten  in  Betracht.  Im  übrigen  hat  die  Milchdiät  bei  Kranken, 
iie  bisher  eine  gemischte  Kost  nahmen,  eine  Aenderung  der  Bak- 
erienflora  und  damit  eine  aiitiseptische  Wirkung  im  Sinne 
ischerichs  zur  Folge;  sekundäre  Katarrhe  schwinden  schnell. 
:.s  gibt  Menschen,  die  Milch  nicht  vertragen;  sie  erbrechen  die  Milch 
'der  sie  bekommen  unweigerlich  Durchfall.  Dann  ist  es  sinnlos,  lange 
:u  experimentieren;  in  diesen  Fällen  und,  wenn  bisher  Milch  ge- 
lommen  wurde,  ist  eine  gemischte,  leichtverdauliche  Nahrung  mit 
\usschluss  der  Milch  angebracht.  Englische  Aerzte  (z.  B.  C  a  n  1 1  i  e, 
irown)  ziehen  der  Milchkur  eine  mehr  oder  weniger  reine  Fleisch- 
lahrung  vor;  ihrer  Ansicht  nach  soll  das  Fleisch  leichter  verdaulich 
sein  und  die  Sekretion  der  Verdauungssäfte  lebhafter  anregen.  Ich 
nabe  mich  nicht  mit  dieser  Diät  anfreunden  können;  wer  näheren 
[Aufschluss  haben  möchte,  findet  eine  erschöpfende  Darstellung  bei 
ß  r  o  w  n. 

Innerliche  Mittel.  Akutes  Stadium  der  Amöben- 
r  u  h  r.  Zunächst  warne  ich  vor  der  Verordnung  von  Opium;  es  hat 
unfehlbar  wie  bei  allen  schweren  Darmerkrankungen  im  heissen 
Klima  eine  Vermehrung  der  Noxe  und  damit  eine  erhebliche  'Ver¬ 
schlimmerung  des  Krankheitsbildes  zur  Folge.  Im  Gegenteil  hat  die 
Behandlung  stets  mit  einem  Abführmittel  zu  beginnen.  Beabsichtigt 
man  später  ein  pflanzliches  Spezifikum  zu  verwenden,  so  empfehle 
ich  das  Rizinusöl  als  gründliches  und  mildes  Evakuans.  Bei  heftigen 
Koiiken  verordnen  wir  Magnesium  sulfur.;  von  der  konzentrierten 
Lösung  nimmt  der  Kranke  3  stündlich  einen  Esslöffel,  bis  eins  mög¬ 
lichst  schmerzfreie  Entleerung  erfolgt.  Das  Magnesium-  wie  das 
Natriumsalz  haben  überdies  die  Eigenschaft,  die  Amöben  an  die  Obei- 
liäche  der  Schleimhaut  zu  schaffen.  Von  dieser  Tatsache  macht  man 
in  zweifelhaften  Fällen  diagnostischen  Gebrauch.  Kalomel  gibt  man 
in  Dosen  von  0,05—0,1  2  stündlich.  Gewinnen  die  Stühle  unter  diesen 
Medikationen  eine  erheblich  bessere  Beschaffenheit,  so  fähit  man 
mit  ihnen  fort  und  verordnet  das  Magnesium  3  mal  täglich  zu  einem 
Esslöffel,  das  Kalomel  in  allmählich  kleiner  werdenden  Mengen, 
'viele  Fälle  heilen  auf  diese  Weise  aus;  namentlich  sind  die  Eikran- 
kungen  der  Kinder  dem  Magnesiumsalz  zugänglich. 


Tritt  jedoch  keine  schnelle  Besserung  ein,  so  greift  man  zu  den 
Spezifika  s.  Hierunter  versteht  man  der  Eingeborenenmedizin 
entnommene  Substanzen,  die  schon  nach  den  ersten  Gaben  Besserung 
und  in  kurzer  Zeit  Heilung  herbeiführen.  Leider  sind  sie  nicht  zu¬ 
verlässig;  sie  bewähren  sich  in  einer  Reihe  von  Fällen  in  erstaun¬ 
licher  Weise,  in  anderen  versagen  sie  völlig;  es  kommt  sogar  vor, 
dass  bei  demselben  Kranken  einmal  ein  Mittel  prompt  hilft,  und  dass 
bei  einem  zweiten  ganz  gleichen  Anfall  dasselbe  Mittel  versagt.  Man 
darf  deshalb  niemals  einem  Patienten  versprechen,  dass  die  ver- 
ordnete  Arznei  helfen  wird.  Ein  Mittel  gegen  die  Ruhr,  das  dem 
Chinin  bei  Malaria  gleichwertig  ist,  gibt  es  noch  nicht,  wenn  es  auch 
schon  häufig  genug  angesagt  worden  ist.  Wenn  manche  Aerzte  die 
Spezifika  völlig  ablehnen,  so  ist  das  sicherlich  ein  übertriebener 
Skeptizismus  (z.  B.  J  a  c  k  s  o  n).  Für  die  pharmakologische  For¬ 
schung  bietet  sich  hier  noch  ein  weites  Feld;  nur  wenige  Mittel  sind 
näher  analysiert  worden  und  soweit  die  Bazillenruhr  in  Betracht 
kommt,  muss  man  sich  auf  Vermutungen  über  ihre  Wirkungsweise 
beschränken. 

Das  bestgekannte  Mittel  gegen  die  Ruhr  und,  wie  wir  wohl 
sagen  können,  gegen  die  Amöbenruhr,  ist  die  Ipecacuanha.  Dass 
so  verschiedene  Urteile  über  ihren  Wert  zutage  getreten  sind,  liegt 
zum  Teil  daran,  dass  die  Ruhrspezies  nicht  beachtet  wurde  —  auf 
Ruhrbazillen  hat  sie  keinen  spezifischen  Einfluss  (V  e  d  d  e  r)  — ,  zum 
Teil  auf  einer  ungleichmässigen  Beschaffenheit  der  Droge.  Der  Brech¬ 
reiz  wird  gemildert  dadurch,  dass  man  statt  des  Infuses  das  Pulver 
in  saloliiberzogenen  Pillen  oder  in  Keratinkapseln  gibt.  V  e  d  d  e  r  hat 
die  Giftwirkung  der  Wurzel  auf  Amöben  experimentell  erforscht  und 
glaubt  sich  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  ihre  Wirkung  an  beide 
Alkaloide,  das  Cephaelin  und  das  nicht  erbrechenerregende 
Emetin  gebunden  ist.  Auf  Grund  dieser  Versuche  hat  Rogers 
bei  einer  Reihe  von  Amöbendysenterien  salzsaures  Emetin  subkutan 
gegeben  und,  ohne  die  leisesten  Nebenwirkungen  zu  beobachten, 
glänzende  Erfolge  gehabt.  Versuche  in  dem  hiesigen  Gouvernements¬ 
hospital  sind  nach  einer  privaten  Mitteilung  Kochs  mit  demselben 
Resultat  gekrönt  worden.  ,  „  .  • 

Die  innerliche  Darreichung  des  Chinins  hat  auf  die  Amoben 
keine  sichere  Wirkung  (B  e  1 1),  da  es  fast  ausschliesslich  durch  die 
Nieren  ausgeschieden  wird. 

Wenigstens  ebenso  zuverlässig  wie  die  Brechwurzel  ist  nach 
meinen  Erfahrungen  die  Wurzelrinde  der  Siraaruba  off  i- 
c  i  n  a  1  i  s.  Sie  hat  vor  jener  den  Vorzug,  dass  sie  keine  Uebelkeit 
erzeugt.  In  dem  folgenden  Rezept  ist  sie  mit  dem  amöbentötenden 
Benzonaphthol,  mit  Wismut  und  den  Adstringentien  R  a  t  a  n  h  i  a 
und  Acacia  Senegal  verbunden : 


Rp.  Simarubae  pulver. 

3,0 

Benzonaphtholi 

3,0 

Bismut.  subnitr. 

8,0 

Sir.  Krameriae 

30,0 

Sir.  Acaciae 

200,0. 

Alle  3—4  Stunden  einen  Esslöffel. 


Ein  anderes  Rezept,  das  hier  im  Osten  als  das  Dr.  R  h  e  i  n  sehe 
Mittel  bekannt  ist,  enthält  neben  der  Simaruba  chinesischen  Zimmt: 

Rp.  Radic.  Simarubae  1750,0 

Cinnamomae  875,5. 

Mit  3  Litern  Wasser  einzukochen  auf  2  Liter;  dazu  3  Esslöffel 
Branntwein.  Es  wird  nach  gründlicher  Entleerung  des  Darms  duren 
Rizinusöl  gegeben,  und  zwar  4  mal  täglich  ein  Weinglas  voll. 

Die  Samenkörner  von  Brucea  Sumatrana.  ein  in  Java  und 
in  Fi  anzösisch-China  bekanntes  und  hochgeschätztes  Volksmittel.  ent¬ 
halten  das  wirksame  Kossamin,  das  in  Paris  in  rablettenform 
hergestellt  wird.  Die  Körner  führen  die  Darmschleimhaut  reizende 
Zelluloseteilchen;  deshalb  sind  die  Tabletten  vorzuziehen.  Meine 
Resultate  mit  dem  Kossamin  sind  günstig.  In  Persien,  Indochina  ist 
es  mit  gutem  Erfolg  angewendet  worden  (Axisa).  Ueber 
Ailant  us  glandulosa,  das  in  Südchina  ausgebreitete  Ver¬ 
wendung  findet,  und  über  die  südafrikanische  Monsonia  ovata 

habe  ich  keine  Erfahrungen.  ...... 

Gtosse  Hoffnungen  erweckt  die  Arbeit  Guerbers  über  die 
Uzara,  ein  afrikanisches  Mittel,  das  wahrscheinlich  durch  Erregung 
der  Hemmungsapparate  die  glatte  Muskulatur  ruhigstellt,  also  anti- 
diarrhoisch  wirkt,  und  Amöben  in  wenigen  Augenblicken  abtotet. 
W  e  r  n  e  r  hat  die  Uzara  bei  mehreren  Fällen  versucht;  der  erwartete 
Erfolg  blieb  aus.  Ich  habe  die  Uzara  bei  5  Amöbendysenterien  ge¬ 
geben  Bei  3  chronisch  Kranken  war  die  Wirkung  gleich  Null  (m 
einem  der  Fälle  half  dann  das  Kossamin  prompt).  In  2  anderen  Fällen 
war  ein  voller  Erfolg  zu  verzeichnen.  Ein  Patient  mit  lange  be¬ 
stehender,  seit  2  Monaten  rückfälliger  Ruhr  wurde  innerhalb  einer 
Woche  gesund  und  hat  sich  seitdem  (in  3  Monaten)  vorzüglich  erholt. 
Eine  hämorrhagische  Form,  8  Wochen  alt,  heilte  in  3  Tagen  völlig  aus. 

Bei  der  chronischen  Amöbenruhr  wird  die  V erstoptung 
durch  kleine  Mengen  des  Magnesiums  bekämpft.  Führt  die  Diät  allein 
nicht  zum  Ziel,  so  empfehle  ich  die  Darreichung  von  Simaruba  oder 
Kossamin.  Betreffs  der  Uzara  müssen  weitere  Versuche  abgewartet 
werden.  Auf  die  Behandlung  mit  Einläufen  komme  ich  spate,  zu 

spi  i  .  k  a  m  e  n  t  e  bei  ß  a  z  i  ii  e  n  r  u  h  r.  S  h  i  g  a  hat  zuerst 

mit  Serum  behandelt.  Er  und  Kruse  erhielten  es  durch  Immum- 


766 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14 


sierung  von  Tieren  mit  Kulturen.  Todd  (1903),  Rosental, 
V  a  i  1 1  a  r  d  und  D  o  p  t  e  r  verwendeten  neben  den  Kulturen  die 
Bakterientoxine  zur  Herstellung  der  Sera.  Die  Resultate  waren  gut, 
zum  I  eil  ausgezeichnet.  Die  Schwierigkeit  der  bakteriellen  Diagnose 
hat  man  für  die  Praxis  durch  polyvalente  Sera  umgangen.  Trotzdem 
hat  sich  die  Serumbehandlung  noch  nicht  in  derselben  Weise  ein¬ 
geführt,  wie  etwa  bei  der  Diphtheriebehandlung,  wohl  deshalb,  weil 
die  meisten  Fälle  auch  ohne  Seruminjektion  glatt  ausheilen.  Wir 
legen  bei  schweren  Fällen  Wert  auf  die  Serumeinspritzung,  aller¬ 
dings  unter  der  strikten  Bedingung,  dass  der  Zeitpunkt  für  eine  ener¬ 
gischere  Behandlung  nicht  versäumt  wird. 

Akutes  Stadium.  Am  sichersten  ist  es,  die  Behandlung 
mit  einem  Abführmittel  einzuleiten  (Rizinusöl,  Kalomel,  Magnes. 
sulfur.l.  Das  Magnesium  mildert  die  Tenesmen  und  führt  häufig  unter 
allmählicher  Verminderung  der  Dosis  zur  Heilung,  ln  ganz  frischen 
Fällen  kann  man  sogleich  ein  stopfendes  Mittel  geben.  Von  der 
Ipekakuanha  habe  ich  im  Gegensatz  zu  anderen  Aerzten  keine  Er¬ 
folge  gesehen.  Ich  bin  geneigt,  sie  als  ein  Spezifikum  gegen  die 
Amöbenruhr  allein  anzusehen.  Wir  haben  mit  ausgezeichneten  Re¬ 
sultaten  die  von  Koehler  1903  bekannt  gegebene  Mischugn  der 
Fluidextrakte  von  Cortex  Simarubae.  Granatae  und  Lignum 
C  a  m  p  e  c  h  e  verwendet.  Koehler  hat  zwar  nicht  die  Art  der 
Dysenterie  angegeben,  doch  glaube  ich,  dass  es  sich  in  seinen 
Fällen  um  Bazillenruhr  gehandelt  hat.  1904  haben  wir  46  aufein¬ 
anderfolgende  mittelschwere  und  schwere  Ruhrfälle  mit  den  Fluid¬ 
extrakten  behandelt.  Von  diesen  waren  36  akute,  7  chronische  Ba¬ 
zillen-  und  3  Amöbendysenterien.  Bei  12  Kranken  wurde  zunächst 
ein  Abführmittel  gegeben.  Bei  der  ersten  Kategorie  versagten  die 
Extrakte  in  3  Fällen,  bei  der  zweiten  waren  nur  volle  Erfolge  zu  ver¬ 
zeichnen,  und  bei  der  Amöbendysenterie  kam  es  nur  zu  vorüber¬ 
gehenden  Besserungen.  Die  Heilungsdauer  betrug  bei  den  akuten 
Bazillendysenterien  im  Durchschnitt  5,6,  bei  der  chronischen  Form 
4,6  Tage.  In  7  akuten  Fällen  war  schon  nach  der  ersten  Gabe  der 
Durchfall  sistiert,  und  der  nächste  Stuhlgang  gebunden.  Am  erstaun¬ 
lichsten  waren  die  Resultate  bei  der  chronischen  Bazillenruhr; 
Kranke,  die  Wochen  und  Monate  Durchfall  gehabt  hatten,  wurden 
innerhalb  weniger  Tage  geheilt  und  aus  ihrem  trostlosen  Siechtum 
zum  vollen  Wohlbefinden  zurückgeführt.  Bei  Erwachsenen  beträgt 
die  Dosis  einen  Esslöffel,  bei  Kindern  einen  Theelöffel  und  bei  Säug¬ 
lingen  20  Tropfen  alle  12  Stunden.  Im  Laufe  der  nächsten  Jahre  ging 
der  Prozentsatz  der  Heilungen  von  93  auf  etwa  70  herunter.  Dies  und 
der  bittere  Geschmack,  der  freilich  durch  einen  Schluck  Heidelbeer- 
saft  (ein  ausgezeichnetes  Stopfmittel)  weggenommen  wird,  veran- 
lasste  uns,  nach  einem  noch  zuverlässigeren  Mittel  Umschau  zu 
halten.  Versuche  mit  einem  von  Gans  in  Frankfurt  a.  M.  her¬ 
gestellten  Fluidextrakt  der  tanninreichen  Fruchtschalen  von  Gar- 
cinia  mangostin  ergaben  in  einzelnen  Fällen  gute  Erfolge;  sie 
reichten  indes  nicht  an  die  mit  den  Koehler  sehen  Extrakten  er¬ 
haltenen  Zahlen  heran. 

Bei  Kindern  ist  die  Baelfrucht  (Aegle  Marmelos) 
empfehlenswert.  Wir  geben  3  stündlich  einen  Theelöffel  der  folgen¬ 
den  Mischung: 

*  Extract.  Belae  ind.  .  .  5,0 

Spirit,  ammon.  aromat.  .  4,0 

Mixtur,  cretae  aromat  .  30,0 
Aquae  Cinnamomae  .  .  50,0 
Umschütteln. 

Säuglinge  werden  mit  dieser  Mixtur  geheilt,  ohne  dass  ein  Diät¬ 
wechsel  stattfindet. 

Die  Verwendung  der  Tonerde  bei  der  Ruhr  lag  vor  einigen 
Jahren  in  der  Luft.  Meines  Wissens  hat  zuerst  T  r  u  m  p  p  (Bangkok) 
die  Bolus  alba  bei  der  Cholera  verordnet.  Später  wurde  sie 
gegen  Diphtherie  und  Angina  empfohlen.  Bekannt  ist  die  trockene 
Behandlung  von  Scheidenkatarrhen  mit  Bolus  nach  Nassauer. 
Die  Wirkung  besteht  in  der  Bindung  der  Bakterien  durch  die  staub¬ 
förmige  Substanz  und  in  der  Austrocknung  entzündlicher  Produkte. 
Innerlich  genommen  wirkt  die  Tonerde  wie  ein  durch  den  Darm  sich 
bewegendes  Bakterienfilter.  Bei  Infektionen,  die  sich  in  tieferen 
Schichten  der  Darmwand  abspielen  (Typhus,  Amöbenruhr)  wirkt  sie 
nicht  spezifisch.  Man  gibt  das  Pulver  in  Wasser  oder  in  Aqua 
Cinnamomae  verrührt,  alle  3  Stunden  einen  Esslöffel.  Bei  heftigen 
Durchfällen,  oder  wenn  der  Fall  nicht  mehr  ganz  frisch  ist,  führt  man 
vor  der  Bolusdarreichung  ab.  Wenn  sie  einschlägt,  wird  der  Stuhl¬ 
gang  nach  einigen  Stunden  breiig,  weisslich  und  dann  fest.  In  der 
Tonerde  besitzen  wir  ein  wertvolles,  aber  ein  keineswegs  völlig  zu¬ 
verlässiges  Mittel  gegen  die  Bazillenruhr.  Wenn  die  Bolus  nicht  half, 
haben  wir  mit  Erfolg  die  Koehler  sehen  Extrakte  gegeben  und 
umgekehrt. 

Die  Uzara  habe  ich  in  einigen  Fällen  von  akuter  Bazillenruhr 
versucht.  Bei  einem  Kinde  war  die  Wirkung  bemerkenswert;  nach¬ 
dem  Bolus  ohne  Erfolg  gegeben  worden  war,  und  heftige  Blutungen 
trotz  Gelatineeinspritzung  einen  bedrohlichen  Zustand  herbeigeführt 
hatten,  trat  unter  der  Darreichung  von  Uzaratabletten  schnellste  Hei¬ 
lung  ein.  Bei  anderen  Kranken  war  ihre  Wirkung  nicht  prompter  als 
die  anderer  Spezifika;  bei  2  Schwerkranken  versagte  die  Uzara  völlig. 
Unsere  Versuchsreihe  ist  noch  zu  klein,  um  Prozentsätze  von  Hei¬ 
lungen  oder  Misserfolgen  zu  rechtfertigen,  aber  keinesfalls  sollte  man 


mit  zu  grossen  Hoffnungen  an  die  Verordnung  der  Uzara  herangehen 
da  man  die  Patienten  grossen  Enttäuschungen  aussetzen  kennte. 

Für  die  chronische  Bazillenruhr  empfehle  ich  ai 
Medikamenten  die  Koehler  sehen  Extrakte  und  die  Bolus  alba. 

Darmeingiessungen.  Die  Opiumklystiere  bei  der  akuter 
Ruhr  habe  ich  schon  erwähnt.  Im  subakuten  Stadium  sind  Einläuft 
warmer  Lösungen  von  Tannigen,  Borsäure,  Kollargol  von  günstige; 
Wirkung  auf  die  Tenesmen.  Ihr  Hauptverwendungsgebiet  sind  dit 
chronischen  Erkrankungen;  sie  unterstützen  hier  die  übrige  Therapie 
Für  die  Amöbenruhr  sind  Chininlösungen  (I  :  1000)  zu  verwenden 
falls  der  Hauptsitz  das  Colon  descendens  ist,  so  wird  eine  heilendt 
Wirkung  von  ihnen  zu  erhoffen  sein.  Dass  die  Einläufe  auch  nur  it 
einem  beträchtlichen  Prozentsatz  der  Fälle  bis  in  das  Colon  ascenden: 
Vordringen,  glaube  ich  nicht.  Manche  Aerzte  nehmen  das  jedoch  al 
ganz  sicher  an  und  erblicken  in  den  Einläufen  sogar  einen  grösserei 
Heilfaktor,  als  in  der  Darreichung  von  Medikamenten  (z.  B 
J  a  c  k  s  o  n).  Bei  chronischen  Fällen  gibt  man  täglich  einen  Einlau 
nach  einem  Reinigungsklystier.  Vorsicht  ist  wegen  etwa  vor 
handener  tiefer  Geschwüre  geboten. 

Eine  hervorragende  Bedeutung  haben  die  Darmspülungen,  wem 
sie  in  gleicher  Richtung  mit  der  Peristaltik  vor 
genommen  werden.  Schwerste  Fälle  von  akuter  Ruhr,  bei  dene 
unsere  bisher  besprochene  Therapie  nicht  hilft,  sowie  chronische  Er 
krankungen  mit  dauerndem  Abgang  von  Schleimhautfetzen  geben  di 
strikte  Indikation  zur  Anlegung  einer  Fistel  am  Zoekum,  am  beste 
durch  die  Appendikostomie.  Wie  mit  allen  lebensrettende 
Operationen,  darf  man  mit  diesem  kleinen  Eingriff  nicht  warten,  bi 
es  zu  spät  ist.  Die  Erfahrungen  Müllers  berechtigen  uns  z 
der  Auffassung,  dass  die  Anlegung  einer  Fistel  mit  vorsichtige; 
Spülungen  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Kranken  am  Leben  erhalte 
kann,  die  sonst  unrettbar  verloren  wären,  sei  es  durch  die  akut 
Infektion,  sei  es  durch  langdauerndes  Siechtum. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Worte  über  den  Klimawechsel 
Wenn  der  Anfall  überstanden  ist,  und  sich  die  Erholung  in  dem  heisse 
erschlaffenden  Klima  verzögert,  so  ist  eine  Luftveränderung  vo 
grossem  Werte.  Bei  häufigeren  Rückfällen  sowie  nach  Leben 
abszess  empfehlen  wir  die  Rückkehr  in  die  Heimat.  Schickt  ma 
einen  Kranken  wegen  chronischer  Ruhr  nach  Hause,  so  muss  man  sic, 
der  Tatsache  bewusst  sein,  dass  der  Klimawechsel  allein  kein 
Heilung  bewirkt;  es  muss  während  der  Reise  und  dann,  nach  der  An 
kamt  in  der  Heimat  eine  sachverständige  Behandlung  durchgefühn 
werden. 

Literatur. 

P  r  o  n  t :  Eine  ungewöhnliche  Ursache  von  dysenterische 
Diarrhöe  in  den  Tropen.  Münch,  med.  Wochenschr.  1903.  Septembei 

—  Tanaka:  Bemerkungen  über  die  Pathogenität  der  Amoeb 
dysenteriae.  Ebenda  1910,  No.  44.  —  Bärmann  und  Ecker s 
dorff:  Ueber  kruppöse  Darmentzündungen.  Ebenda  1909,  No.  2, 

—  Bell:  Report  on  the  health  and  sanitary  conditions  of  th 
Colony  of  Hongkong  1905.  —  Robert:  Beiträge  zur  Ruhrdiagnost 
Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhyg.  1910,  H.  14.  —  Dopter:  Le  dia 
gnostic  des  dysenteries.  Progres  medical  1909,  No.  19.  —  Strong 
American  Medicine  1906,  Jan.  27.  —  Brown:  Amoebic  or  tropicr 
dysentery,  London  1910.  —  Jackson:  Tropical  medicine,  Londo 
1907.  —  Vedder:  An  experimental  study  of  the  action  of  Ipe 
cacuanha  on  Amoebae.  Transact.  of  the  2.  bienn.  Congress  of  the  Fa 
East.  Ass.  of  trop.  med.  Hongkong  1912.  —  Rogers:  The  rapi 
eure  of  amoebic  dysentery  and  hepatitis  by  hypodermic  injection  fl 
soluble  salts  of  emetine.  Brit  Med.  Journ.  1912,  Juni  22.  —  Axisa 
Die  Amöbendysenterie.  Archiv  f.  Verdauungskrankheiten,  Bd.  16  - 
Giirber:  Ueber  Uzara,  ein  neues  organotrop  wirkendes  Anti 
dianhoikum.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  40.  —  Werner 
Ueber  Uzara  bei  Amöbendysenterie.  Archiv  f.  Schiffs-  und  Tropei 
hygiene  1912,  H.  6.  —  Köhler:  Zur  Behandlung  der  Dysenterie  i 
den  Tropen.  Therap.  Monatshefte  1903,  September.  —  Müller 
The  surgical  treatment  of  dysentery  Transact.  of  the  2.  biem 
Congress  of  the  Far  East.  Ass.  of  trop.  med.,  Hongkong  1912. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Der  gynäkologische  Untersuchungskurs  am  natürlichen  Phantoi 

als  Ergänzung  und  Ersatz  der  Untersuchungsübungen  an  de 
Lebenden.  Von  Prof.  Dr.  L.  Blumreich  in  Berlin.  (Mit  105  Al 
bildungen.)  Wiesbaden.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  1913. 

B  1  u  m  r  e  i  c  h  gibt  in  diesem  Buch  eine  Darstellung  seines  be 
kannten  gynäkologischen  Untersuchungsphantoms  und  gleichzeiti 
erteilt  er  Ratschläge,  wie  der  Untersuchungskurs  beim  Lehren  de 
Studierenden  und  Aerzte  praktisch  ausgeführt  werden  kann. 

Nach  meiner  Ueberzeugung  hat  sich  B  1  u  m  r  e  i  c  h  durch  sei 
gynäkologisches  Untersuchungsphantom  ein  grosses  Verdienst  ui 
den  gynäkologischen  Unterricht  erworben.  In  ein  Becken  werden  di 
in  einer  besonderen  Flüssigkeit  präparierten  Geschlechtsorgane  eir 
gelagert.  Anstelle  der  natürlichen  Bauchwand  funktioniert  eine  bt 
sonders  präparierte  Haut,  die  durch  Gewichte  straffer  oder  wenige 
straff  gespannt  werden  kann,  um  die  Palpation  entweder  zu  ei 
leichern  oder  zu  erschweren.  Die  Konsistenz  der  Scheide,  die  Be 
schaffenheit  der  Bauchwand  entsprechen,  wie  sich  Referent  gelegen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHR1ET. 


767 


.prii  1913. 


•  seiner  Uebungen  am  Phantom  während  des  Unterrichts  überzeugt 
'  weitgehend  den  natürlichen  Verhältnissen,  und  üben  infolge- 
t  en  den  Studierenden  sehr  gut  für  die  Untersuchung  an  der 
i  nden  ein.  Referent  teilt  absolut  die  in  dem  Buche  von  Blum- 
c  h  ausgesprochene  Ansicht,  dass  der  gynäkologische  Unter-  j 
ungskurs  an  der  Lebenden  betrübend  schlechte  Resultate  zeitigt, 
liegt  dieses  in  der  Natur  der  Sache  begründet.  Dadurch,  dass 

den  Studierenden  nicht  nach  der  Untersuchung  event.  durch 
:  nachfolgende  Operation  ad  oculos  demonstrieren  kann,  wie  die 
hältnisse  wirklich  liegen,  gewinnt  der  Student  erst  nach  sehr 
,  er  Uebung  im  gynäkologischen  Untersuchungskurs  die  notwendige 
hnik.  Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dass  die  Ausbildung  in  der 
äkologischen  Untersuchungstechnik  Hand  in  Hand  ging  mit  dem 
blühen  der  gynäkologischen  Operationstechnik.  Erst  von  dem 
,  enblick  an,  als  die  Gynäkologen  sich  häufiger  durch  die  Lapa- 
unie  überzeugen  konnten,  welche  Fehler  sie  bei  der  gynäko- 
schen  Untersuchung  gemacht  hatten,  waren  sie  in  der  Lage,  durch 
|  rektur  dieser  Fehler  später  bessere  Untersuchungsresultate  zu 
den  Für  den  Studierenden  ist  dieser  Weg  natürlich  nicht  gang- 
: ,  sondern  der  Lehrer  muss  sich  damit  begnügen,  den  Studierenden 
i  ’h  der  Untersuchung  zu  sagen,  ob  sie  richtig  oder  falsch  untersucht 
en.  Es  fehlt  aber  der  so  wichtige  Gesichtssinn  zur  Kontrolle  des 
Ltsinnes.  Dadurch,  dass  am  B  1  u  m  r  e  i  c  h  sehen  Phanton  am 
Busse  der  Untersuchung,  nachdem  die  einzelnen  Untersucher 
en  Befund  genau  notiert  und  skizziert  haben,  die  Bauchdecken 
geklappt  und  den  Studenten  gezeigt  werden  kann,  welche  Fehler 
bei  der  Untersuchung  gemacht  haben,  wird  ihnen  am  Blum- 
ich  sehen  Phantom  gewissermassen  dasselbe  geboten,  was  dem 
erateur  bei  der  Laparotomie  so  fördernd  für  seine  Ausbildung  der 
!  tersuchungstechnik  gewesen  war. 

Ueber  Einzelheiten  in  der  Darstellung  der  Präparate  des  Beckens 
um  ich  auf  das  Buch  verweisen.  Referent  ist  der  Ueberzeugung, 
ichdem  er  sich  seit  einem  halben  Jahre  beim  Unterricht  des  Blum - 
ich  sehen  Phantoms  bedient  hat,,  dass  dieses  Phantom  berufen  ist, 
In  gynäkologischen  Unterricht  wesentlich  zu  fördern.  Wie  das 
burtshilfliche  Phantom  von  B.  S.  Sch  ult  ze  in  keiner  deutschen 
inik  mehr  entbehrt  werden  kann,  so  wird  auch  das  Blum- 
ich  sehe  Phantom  bald  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  beim 
näkologischen  Unterricht  sein.  Dass  vielleicht  die  eine  oder 
dere  Modifikation  noch  getroffen  wird,  um  noch  grössere  Ver- 
sserungen  anzubringen,  kann  möglich  sein. 

Auf  jeden  Fall  aber  hat  Blum  reich  den  ersten  wesentlichen 
ihritt  getan.  K  r  ö  n  i  g  -  Freiburg  i.  B. 


Dr.  Anton  G  hon:  Der  primäre  Lungenherd  bei  der  Tuberkulose 

:r  Kinder.  Mit  72  Textabbildungen,  einer  schwarzen  und  einer 
rbigen  Tafel.  Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin  191 2. 

■eis  7  M. 

Prof.  E.  Aufrecht:  Pathologie  und  Therapie  der  Lungen- 

hwindsucht.  Alfred  Holder,  Leipzig  1913.  2.  Auflage.  Mit 

Abbildungen  und  einer  Kurventafel.  Preis  8.60  M. 

Wieweit  wir  heute  noch  von  einer  einheitlichen  Beantwortung 
ich  nur  der  Hauptfragen  in  der  Pathologie  der  Lungentuberkulose 
ltfernt  sind,  kann  kaum  deutlicher  illustriert  werden,  als  durch  die 
egenüberstellung  der  beiden  oben  genannten  Arbeiten. 

Die  Weichselbaum  gewidmete  Abhandlung  Ghons  stützt 
ich  auf  184  Sektionsbefunde  kindlicher  Tuberkulose,  von  denen 

2.4  Proz.  einen  Lungenherd  aufwiesen,  „der  die  Eigenschaften  des 
ogen.  primären  Lungenherdes“  hatte.  142  mal  fand  sich  nui  ein 
ungenherd,  15  mal  fanden  sich  2,  8  mal  3 — 5  Lungenherde  und  in 

Fällen  „war  die  Zahl  der  Lungenherde  nicht  bestimmbar  .  ln 

6.5  Proz.  der  Fälle  war  die  rechte,  in  38,2  Proz.  die  linke,  in  5,3  Proz. 
eide  Lungen  befallen.  Von  den  Herden  sassen  40  Proz.  subpleural, 
der  doch  nahe  unter  der  Oberfläche.  Eine  genaue  Angabe  übei  die 
lahl  der  zentral  sitzenden  Herde  wird  nicht  gemacht.  Es  wird  mit 
m  allgemeinen  angegeben,  „dass  augenscheinlich  die  grössere  Anzahl 
»eripher  ihren  Sitz  hatte“.  Nur  ausnahmsweise  (in  2  Fallen)  war 
lie  bronchogene  Entstehung  noch  evident,  d.  h.  es  fand  sich  ein 
Ironchus  an  einer  umschriebenen  Stelle  seiner  W  and  verkäst,  da- 
lurch  etwas  verengt,  aber  noch  durchgängig,  ln  dem  einen  der 
leiden  Fälle  war  der  regionäre  periphere  Lungenbezii  k  atelektatiscn. 
nit  miliaren  und  konglomerierten  Tuberkeln,  in  dem  anderen  Falle 
ehlte  diese  Veränderung  des  regionären  Lungenbezirks.  Lagegen 
anden  sich  miliare  Tuberkel  in  den  Lungen,  der  Milz,  der  Leber, 
Schilddrüse  und  den  Nieren.  —  Mit  Recht  legt  Ghon  den  grössten 
Wert  für  die  Beurteilung  des  Lungenherdes  auf  das  verhalten  dei 
ihm  regionären  Lymphknoten.  Mit  nur  einer  Ausnahme  fanden  sich 
tuberkulöse  Veränderungen  derselben  auf  der  Seite  des  Lungen¬ 
herdes,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  mit  einem  Lungenherd  waren  sie 
nur  auf  dieser  Seite  des  Lungenherdes  zu  finden.  In  einem  nicht  ge¬ 
ringen  Prozentsatz  fanden  sich  aber  auch  tuberkulöse  Veranderungei 
der  Lymphknoten  beider  Seiten  bei  einseitigem  Lungenherd.  n 
keinem  Falle  waren  die  Veränderungen  des  Lungenherdes  patho¬ 
logisch-anatomisch  jünger  als  die  Drüsenerkrankung  (von  169  Fa 

in  161  Fällen  Lungenherd  und  Lymphdrüsentuberkulose  gleichalt  be¬ 
zeichnet).  Von  besonderem  klinischen  Interesse  ist  die  Konstatierung, 
dass  30  mal  ein  Einbruch  eines  meist  dem  Lungenherd  regionären 
Lymphknotens  in  den  Bronchialbaum  gefunden  wurde,  anscheinend 


in  der  Mehrzahl  erst  kurz  vor  dem  Tode  eingetreten.  Die  von  den 
betreffenden  Bronchien  versorgten  Lungenteile  waren  zumeist  nicht 
frisch  tuberkulös  erkrankt. 

G  h  o  n  kommt  damit  zu  folgenden  Schlüssen : 

1.  Der  Lungenherd  ist  bei  den  Kindern  immer  die  Quelle  für  die 
Veränderungen  der  regionären  Lymphknoten;  2.  die  Tatsache,  dass 
sich  in  38  Proz.  nur  ein  Lungenherd  fand,  spricht  gegen  die  hämato¬ 
gene  Entstehung;  3.  für  die  Entstehung  des  sogen,  primären  Lungen¬ 
herdes  bei  der  Tuberkulose  der  Kinder  „erscheint  der  aerogene  Weg 
als  derjenige,  der  allein  eine  befriedigende  Aufklärung  bringt  und 
allein  mit  keiner  Tatsache  in  der  Frage  der  Tuberkulose  in  Wider¬ 
spruch  steht“;  4.  gegenüber  einem  Befund  von  mindestens  90  Proz. 
primärer  Lungeninfektionen  „erscheint  die  Anschauung  gerechtfertigt, 
dass  beim  Kind  die  primäre  Infektion  der  Lunge  die  gewöhnliche 
Form  der  Infektion  darstelb“. 

Zu  direkt  entgegengesetzten  Anschauungen  kommt,  wie  bekannt. 
Aufrecht,  und  zwar  nicht  nur  für  die  Entstehung  der  chronischen 
Lungentuberkulose,  für  die  er  in  Anspruch  nimmt,  den  pathologisch¬ 
anatomischen  Nachweis  der  vaskulären  Entstehung  lückenlos  ge¬ 
geben  zu  haben,  sondern  auch  für  die  Kindertuberkulose.  Aufrecht 
beschreibt  einen  „vaskulär  endständigen“  und  den  „perivaskulären" 
Tuberkel  als  Urform.  Er  nimmt  an,  dass  die  solitären  Herde,  z.  B. 

Hi  r  schfelds,  als  primär  vaskulär  entstandene  und  erst  sekundär 
peribronchitische  Herde  anzusehen  seien,  die  erst  später,  nach  dem 
Durchbruch  durch  die  Bronchialschleimhaut,  zu  „offenen  ‘  wurden. 
Die  tuberkulöse  (desquamative)  Pneumonie  kann  „nur  als  Folge  eines 
entzündlichen  Prozesses  in  der  Umgebung  von  käsigen  Tuberkeln 
angesehen  werden“.  A.  beschreibt  einen  Fall,  bei  dem  es  zu  totale i 
käsiger  Pneumonie  eines  ganzen  Lungenlappens  kam  durch  Ver¬ 
stopfung  eines  Lungenarterienzweiges  durch  einen  grösseren, 
Tuberkelbazillen  enthaltenden  Venenthrombus,  und  glaubt  damit  den 
allgemeinen  Entstehungsmodus  pneumonischer  Verdichtungen  in  der 
Umgebung  von  Tuberkelherden  im  Grossen  beobachtet  zu  haben. 
Als  häufigste  Eingangspforte  der  Tuberkulose  betrachtet  A.  die  Hals¬ 
schleimhaut  (Tonsillen).  In  die  Lunge  gelangen  die  Bazillen  via 
Lymphgefäss-Venensystem-Herz. 

A.s  Lehrbuch  beschäftigt  sich  nach  diesen  pathologisch¬ 
anatomischen  Darlegungen,  die  zum  Unterschied  von  den  makro- 
skopischen  Beobachtungen  Qhons  auf  mikroskopischen  Beo  .a- 
chtungen  beruhen,  in  einer  Reihe  weiterer  Kapitel  noch  eingehend 
die  Disposition  zur  Lungenphthise  (53  S.),  die  Klinik  der  Lungen¬ 
schwindsucht  (118  S.)  und  schliesslich  die  Prophylaxe  und  Iherapie 
der  Lungenschwindsucht  (135  S.).. 

Um  ein  einigermassen  vollständiges  Bild  zu  erhalten,  muss  man 
diesen  Angaben  noch'  die  Resultate  der  Heller  sehen  Schule  mit 
ihrer  sorgfältig  geführten  Evidenz  zahlreicher  primärer  Darmtuber¬ 
kulosen  gegenüberstellen.  In  der  Zusammenstellung  von  Edens  im 
II.  Band  der  Ergebnisse  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  finden 
wir  Prozentsätze  von  16 — 47,6  Proz.  primärer  Darmtubeikulose  unter 
allen  sezierten  Kindertuberkulosen  aufgeführt.  Angesichts  derartigei 
Meinungsverschiedenheiten  der  pathologischen  Anatomen  wird  der 
Kliniker  nicht  umhin  können,  mit  jedem  Urteil  zuruckzuhalten. 
Immerhin  seien  hier  einige  Gesichtspunkte  erwähnt,  die  vielleicht  zui 
späteren  Orientierung  führen  könnten.  Zunächst  muss  daran  erin 
werden,  dass  die  chronische  Lungentuberkulose,  d.  h.  die  eJite 
Phthise,  ein  durchaus  ungeeignetes  Objekt  zur  Untersuchung  ck 
Infektionsmodus  ist.  Solange  Aufrecht  die  echte  Phthise  . 
eigentliches  Arbeits-  und  Erfahrungsgebiet  —  allem  im  Auge  behalt, 
dürfte  er  mit  ziemlich  grosser  Wahrscheinlichkeit  mit  der  vorwiegend 
vaskulären  Entstehung  und  Verbreitung  der  Lungenmanifesta¬ 
tionen  Recht  behalten.  Einen  „primären  Herd“  kann  eine  phthisische 
Veränderung  so  wenig  darstellen,  als  etwa  ein  syphilitisches  Gumma 
als  primäre  Manifestation  der  Lues  angesprochen  und  damit  für  den 
Infektionsmodus  in  Anspruch  genommen  werden  konnte. 

Zu  Untersuchungen  über  den  Infektionsmodus  sind  geeignet  aus¬ 
schliesslich  solche  Tuberkulosen,  bei  denen  sich  von  einem  be¬ 
stimmten  Herd  aus  die  uns  vom  Experiment  geläufige  Ausbreitung 
der  Tuberkulose  tatsächlich  verfolgen  lässt.  Solche  sicher  primären 
Herde  sind,  soweit  wir  dies  heute  beurteilen  können,  : rte sd 
Lunge,  wie  im  Darmtraktus  —  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  — 
und  auf  der  Haut  gefunden  worden.  Die  reHtive  Häufigkeit  dei 
beiden  Hauptinfektionsmodi  —  Inhalation  und  Deglutition  wj 
wohl  nach  dem  Milieu  Schwankungen  aufweisen,  die  namentlich  für 
die  Darmtuberkulose  sichergestellt  zu  sein  scheinen  In  Ghons 
Material  fällt  demgegenüber  vor  allem  die  aussergewohnlich  niedrige 
Zahl  der  nichtaerogenen  Tuberkulosen  auf.  Durchsucht  man  das 
O  h  o  li  sehe  Material  daraufhin  genauer,  so  findet  man,  dass  in  dem¬ 
selben  nur  19  Proz.  enthalten  sind,  bei  denen  ausser  der  Lungen-  und 
Lungendrüsentuberkulose  die  übrigen  Organe  tuberkulosefrei  be¬ 
funden  wurden.  In  73,4  Proz.  fand  sich  neben  Lungenveranderungen 
hämatogene  Tuberkulose“,  in  62,5  Proz.  auch  Lymphdrusentubei- 
fie  der  anderen  Organe,  in  2,7  Proz.  fanden  sich  von  G  hon  als 
sicher  nicht  aerogen  angesprochene  Infektionsweisen.  Für  die  g  o  . 
Mittel^ ruppe <62,5  Proz.)  scheint  nun  dem  Referenten  -  mit  allem 
wissenschaftlichen  Vorbehalt  -  ein  non  Hauet  * emba', 

stimmte  Zuweisung  zur  aerogenen  Tuberkulose.  Ber,uc^1r^i‘'^  Kon_ 
da™  die  Lungen  und  die  Lungendrüsen  ein  notwend'ger  Kon 
zentrationspunkt  für  alle  kreisenden  Bazdlen  sind,  so  ist  ihre 


768 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


erfahrungsgemässe  Beteiligung  bei  jeder  generalisierten  Tuberkulose 
nicht  weiter  verwunderlich. 

Dass  die  Miterkrankung  der  Drüsen  nicht  als  ausschlaggebendes 
Moment  für  die  Diagnose  eines  primären  Herdes  benützt  werden 
darf,  ergibt  sich  ferner  ohne  weiteres  daraus,  dass  Drüsenerkran¬ 
kungen  bei  jeder  rasch  verlaufenden  Allgemeintuberkulose  in  einer 
ganzen  Reihe  von  Organen  auftreten.  Um  nur  ein  Beispiel  anzu¬ 
führen,  erwähnt  Qho  n,  unter  Sektions-No.  496,  p.  135,  neben  ver¬ 
kästen  Drüsen  in  der  Radix  mesenterii  und  im  bronchopulmonalen 
Gebiet  „einige  hanfkorngrosse  käsige  Tuberkel  in  der  Milz,  totale 
Verkäsung  der  Lymphknoten  am  Milzhilus“.  Niemand  wird  die  Milz¬ 
knötchen  als  primären  Herd  ansprechen,  weil  die  Tuberkulose  nicht 
primär  in  die  Milz  gelangen  kann.  Trotzdem  verhalten  sich  die 
Drüsen  am  Milzhilus,  als  ob  die  Milz  einen  primären  Herd  beherberge. 
Ls  setzen  also  auch  hämatogene  Herde  im  Verlauf  der  generalisierten 
Tuberkulose  weitgehende  Veränderungen  in  den  regionären 
Drüsen. 

Die  Hauptquelle  der  heutigen  Meinungsverschiedenheiten  liegt 
demnach  in  der  verschiedenen  Auffassungsmöglichkeit  der  Befunde. 
Demgegenüber  darf,  mit  der  gebotenen  Vorsicht,  vielleicht  doch  auf 
die  klinische  Erfahrung  hingewiesen  werden.  Nach  ihr  weisen  die 
schweren,  raschverlaufenden  Tuberkulosen  ganz  vorwiegend  früh¬ 
zeitige  Manifestationen  in  Lunge  und  Lungendrüsen  auf.  Die  leichten 
Fälle  zeigen  klinisch  mehr  oder  weniger  allgemeine  Driisenerkran- 
kungen,  zwar  mit  regelmässiger  Beteiligung  der  bronchopulmonalen 
Drüsen,  aber  meist  ohne  klinische  Lungenherderschei¬ 
nungen.  Erst  bei  weiterem  ungünstigen  Verlauf  pflegen  Lungen¬ 
herderscheinungen  aufzutreten.  Es  liegt  mir  fern,  dieses  klinische 
Verhalten  für  einen  sicheren  Beweis  des  anatomischen  Ganges  zu 
halten.  Ich  möchte  aber  doch  darauf  hingewiesen  haben,  dass  die 
Schwere  der  Erkrankung  sich  klinisch  ganz  und  gar  aus  der  Art  der 
Beteiligung  der  Lungen  und  Lungendrüsen  ergibt.  Sind  „indolente“ 
bronchopulmonale  Drüsen  im  Röntgenbild  oder  perkutorisch  nach¬ 
weisbar,  so  ist  das  für  den  Träger  meist  nahezu  irrelevant.  Bestehen 
dagegen  ausserdem  Lungenherderscheinungen,  so  ist  immer  eine 
prognostisch  viel  schwerer  zu  beurteilende  Erkrankung  gegeben. 
Diese  prognostische  Differenz  bedarf  den  Wirkungsergebnissen 
gegenüber  der  Berücksichtigung. 

Zur  Klärung  kann  uns  hier  nur  ein  Weg  führen :  die  Auffindung 
sicherer  anatomischer  Kriterien  des  tuberkulösen  Primäraffekts. 
G  h  o  n  scheint  sich  im  Besitze  solcher  Kriterien  zu  glauben.  Sie  sind 
in  seiner  Arbeit  nicht  genügend  dargelegt,  um  diskutiert  zu  werden. 
Ehe  wir  aber  nicht  primäre  und  sekundäre  Herde  anatomisch  sicher 
unterscheiden  können,  werden  wir  auch  die  Frage  nach  dem  Infek¬ 
tionsweg  der  Tuberkulose  nicht  beantworten  können. 

Dr.  Karl  Ernst  Ranke-  München. 

A.  W.  Meyer:  Die  Digitalistherapie,  ihre  Indikationen  und 
Kontraindikationen.  Mit  23  Abbildungen.  Jena  1912  bei  Fischer. 
138  S.  4  M. 

Auf  dem  für  den  Praktiker  so  sehr  wichtigen  Gebiet  der  Digi¬ 
talistherapie  wird  gegenwärtig  viel  und  fleissig  gearbeitet,  mit 
schönem  Erfolg.  Es  ist  daher  sehr  zu  begriissen,  dass  Meyer  eine 
zusammenfassende  Darstellung  der  gesamten  klinischen  Digitalis¬ 
forschung  gegeben  hat,  aus  der  der  Praktiker  die  zurzeit  festgestellten 
Indikationen  und  Kontraindikationen  ersehen  kann.  Die  Darstellung 
der  oft  nicht  ganz  einfach  liegenden  Dinge  ist  bei  aller  Gründlichkeit 
klar  und  gut  leserlich.  Den  Anfang  bildet  eine  wertvolle  historische 
Darstellung  der  Digitalistherapie,  dann  folgt  ein  kurzer,  vielleicht 
etwas  zu  kurzer  Abriss  der  experimentell-pharmakologischen 
Forschung,  eine  Darstellung  der  Digitalisindikation  mit  Rücksicht  auf 
den  Herzrhythmus  und  mit  Rücksicht  auf  die  Diagnose  des  Herz¬ 
fehlers.  Auf  die  neueren  pharmakologischen  Forschungen  über  die 
Konstitution  und  Wirkung  der  Digitaliskörper  und  auf  den  Wert  und 
die  Verwendung  der  vielen  Digitalispräparate  der  modernen  che¬ 
mischen  Industrie,  auf  die  rektale,  subkutane  und  intravenöse  Digi¬ 
talismedikation  ist  Verf.  absichtlich  nicht  eingegangen.  Von  den 
digitalisähnlichen  Körpern  wird  nur  das  Strophanthin  einigemale  kurz 
beiührt.  Es  wäre  doch  wünschenswert,  wenn  in  einer  hoffentlich 
kommenden  2.  Auflage  diese  Dinge  berührt  würden,  da  sie  für  den 
Praktiker  sehr  wichtig  sind  und  lebhaftem  Interesse  begegnen 
werden.  Die  Kenntnis  der  rationellen  Digitalistherapie  wird  ja  gerade 
deshalb  immer  seltener,  weil  die  vielen  modernen  Mittel  verwirrend 
wirken.  Kerschensteine  r. 

A.  Wagenmann:  Verletzungen  des  Auges  mit  Berücksichtigung 
der  Unfallversicherung.  Graefe-Saemisch,  Handbuch  der  ge¬ 
samten  Augenheilkunde.  II.  neubearbeitete  Auflage.  Verlag  von 
W.  Engelmann,  Leipzig. 

Mit  dem  Erscheinen  der  letzten  Lieferungen  (225  bis  227, 
Preis  M.  9.—)  ist  nun  auch  das  zweibändige  Werk  über  die  Augen¬ 
verletzungen  komplett  geworden.  Der  Schluss  bringt  die  Verletzungen 
durch  Einwirkung  der  Elektrizität,  durch  Sonnenlicht,  Schnee¬ 
blendung,  ultraviolette  Strahlen,  Röntgenstrahlen,  Radiumstrahlen; 
ferner  die  Explosionsverletzungen,  die  Schussverletzungen  und 
endlich  die  Beschädigungen  des  Auges  durch  Verletzung  des  übrigen 
Körpers.  Die  Ausstattung  des  ganzen  Werkes  mit  reichlichen  Figuren 
und  Tafeln  ist  wie  immer  vorzüglich.  Salzer-  München. 


Die  Kosten  der  Seuchenbekämpfung  und  ihre  Verteilung  nacl 
preussischem  Recht.  Von  Dr.  A.  Foerster,  wirkl.  Geh.  Rar 

Berlin  1913,  bei  Richard  Schütz.  Preis  3  M. 

Das  kurz  gefasste  Werk  gibt  in  überaus  klarer  Weise  einer 
Ueberblick  über  die  Seuchenbekämpfung  überhaupt  und  über  dk 
Kosten,  die  durch  die  Seuchenbekämpfung  entstehen,  im  besonderen 
Insoferne  ist  es  von  allgemeinem  Wert.  Bezüglich  der  Kostendeckung 
berücksichtigt  es  nur  die  preussischen  Verhältnisse.  Diese  Stimmer 
mit  den  Verhältnissen  in  anderen  Bundesstaaten  nur  bezüglich  de: 
sogen,  gemeingefährlichen  Krankheiten  überein.  Bei  diesen  Krank 
heiten  werden  nach  dem  RG.  v.  30.  Juni  1900  die  Kosten  der  behörd¬ 
lichen  Ermittelungen,  der  Beobachtung  kranker,  krankheitsverdüch 
tiger  oder  ansteckungsverdächtiger  Personen,  der  Desinfektion  um 
der  besonderen  Vorsichtsmassregeln  für  die  Behandlung  der  Leich e i 
aus  öffentlichen  Mitteln  bestritten.  Bei  den  übertragbaren  Krank 
heiten,  die  nach  dem  Gesetz  v.  28.  August  1905  der  Anzeige  unter 
liegen,  werden  in  Preussen  aus  öffentlichen  Mitteln  bestritten  dit 
Kosten  für  die  Beteiligung  der  Kreisärzte,  für  die  ärztliche  Fest 
Stellung  der  ersten  Fälle  von  Scharlach,  Diphtherie  und  Körnerkrank 
heit,  die  Kosten  der  Beobachtung,  ferner  die  Kosten  der  Desinfektion 
und  der  besonderen  Vorsichtsmassregeln  für  die  Behandlung  du 
Leichen,  wenn  der  Zahlungspflichtige  die  Kosten  nicht  tragen  kamt 

Bei  allen  übertragbaren  Krankheiten  werden  endlich  die  Kostei 
der  Absonderung  aus  öffentlichen  Mitteln  bestritten,  wenn  die  abge 
sonderte  Person  die  Kosten  nicht  tragen  kann  und  während  der  Ab 
sonderung  nicht  erkrankt. 

Von  den  aus  öffentlichen  Mitteln  zu  bestreitenden  Kosten  über 
nimmt  der  preussische  Staat  die  für  die  Beteiligung  der  Kreisärzte 
für  die  ärztliche  Feststellung  der  ersten  Fälle  von  Scharlach,  Dipli 
therie  und  Körnerkrankheit,  endlich  die  Kosten  der  Schutzmass 
regeln  in  den  landespolizeilichen,  d.  h.  in  jenen  Fällen,  in  dene; 
die  Schutzmassregeln  das  Uebergreifen  der  Krankheit  aus  der 
Ausland  auf  das  Inland  oder  von  einer  Gegend  des  Inlands  aui  eiul 
andere  verhindern  sollen.  Aber  auch  in  den  Fällen,  in  denen  di 
Beschränkung  der  Krankheit  innerhalb  des  Ortes  selbst  im  Vorder 
gründe  steht,  die  Kosten  also  der  Gemeinde  zur  Last  fallen,  nimn 
der  Staat  unter  gewissen  Voraussetzungen  den  Gemeinden,  Kreise) 
und  Provinzen  einen  Teil  der  Kosten  ab. 

Gebhardt  -  München. 

Maurice  F  i  s  h  b  e  r  g  -  New  York ;  Die  Rassenmerkmale  de 
Juden.  Eine  Einführung  in  ihre  Anthropologie.  Mit  42  Tafeln  i 
Kunstdruck.  272  Seiten.  München  1913.  Ernst  Reinhardt.  Prei 
geb.  M.  6.50,  broschiert  M.  5. — . 

Für  die  deutschredende  Welt  Europas  hat  Fish  b  erg  obige 
Buch  geschrieben,  das  Adolf  H  e  p  n  e  r  -  München  mit  instruktive; 
Fussnoten  versehen  und  Siegfried  W  a  c  h  s  m  a  n  n  -  New  York  i 
den  Kapiteln  über  Pathologie  revidiert  hat.  Die  breit  angelegte  Stud 
gipfelt  in  dem  Satz:  Das  Judentum  war  und  ist  ein 
Religion  —  aber  niemals  eine  Rasse.  Dieser  Satz  k. 
das  Leitmotiv  des  ganzen  Buches.  Nach  dem  Autor,  welcher  Ar: 
ist,  gibt  es  kein  typisches  AJerkmal,  das  den  Nachkommen  der  altu 
Hebräer  unveränderlich  anhaftet  oder  abgeht.  Die  für  die  Jude 
angeblichen  Charakteristika  findet  man  ebenso  unter  den  Völkei 
verschiedenen  ethnischen  Menschenschlags,  z.  B.  unter  den  Spanier 
Italienern,  Griechen,  Armeniern  und  anderen.  So  fällt  nach  den  Au 
fiihrungen  des  Verfassers  auch  die  vielfach  herrschende  Annahrr 
von  der  spezifischen  Disposition  für  gewisse  Krankheiten  in  sich  i\ 
sammen.  Eine  „Judenkrankheit“,  von  der  die  Völker  andere 
Glaubens  verschont  sind,  gibt  es  ebensowenig,  wie  irgend  ein  Leide 
gegen  welches  die  Juden  dauernd  immun  sind.  Diejenigen  path' 
logischen  Unterschiede,  die  sich  zwischen  den  Juden  und  Ihren  nie 
jüdischen  Mitbewohnern  entdecken  lassen,  können  auf  der  Grundku 
sozialer  Bedingungen  erklärt  werden.  Es  lässt  sich  keine  ethnisd 
Basis  finden,  auf  welche  pathologische  Eigentümlichkeiten  zurüc 
geführt  werden  könnten,  ln  diesem  Sinne  werden  verschiedei 
Krankheitsbilder  behandelt,  wie  Diabetes,  Nephritis,  Karzinom,  d 
Erkrankungen  der  Atmungs-,  Zirkulations-  und  Verdauutigsorgan 
die  Augenkrankheiten,  Cholera,  Tuberkulose,  Nerven-  und  Geiste 
krankheiten.  Auch  das  Suizidium  findet  ein  Kapitel. 

Es  handelt  sich  bei  dem  Buche  Fishbergs  um  ein  Wer 
dem  der  Anthropologe  nicht  minder  wie  der  Mediziner  höchst 
Interesse  entgegenbringen  muss.  Zahlreiche  gute,  der  Wirklichke 
entnommene  Illustrationen  vervollständigen  den  Text. 

Gottfried  Trautmann  -  München. 

R.  F.  F  u  c  h  s  -  Breslau:  Physiologisches  Praktikum  für  Met 
zincr.  311  Seiten  mit  110  Abbildungen  im  Text  und  4  in  den  Te 
eingefügten  Tafeln.  Verlag  von  .1.  F.  Bergmann,  Wiesbaden  19 
Preis  S  M. 

Das  Fuchs  sehe  Praktikum,  von  dem  vor  einigen  Jahren  be 
Erscheinen  der  1.  Auflage  nur  Gutes  berichtet  werden  konnte,  lic 
nunmehr  in  2.  Auflage  vor.  Wenn  bei  der  Neubearbeitung  auch 
der  prinzipiellen  Anordnung  des  Stoffes  nichts  geändert  wurde, 
musste  doch  dem  Fortschritte  der  Wissenschaft  Rechnung  getrag 
und  eine  Reihe  neuer  Versuche  aufgenommen  werden,  ßeriicksicht 
wurden  dabei  besonders  Versuche,  wie  sie  am  Breslauer  physi 
logischen  Institute,  dem  neuen  Wirkungskreise  des  Verfassers,  unt 
der  Leitung  von  K.  H  ü  r  t  h  1  e  eingeführt  sind.  So  ist  das  Buch  u 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


760 


(pril  1913. 

j. — s - 

Seiten  und  17  Abbildungen,  man  kann  wohl  sagen,  bereichert 
den.  Ueberall  macht  sich  im  Buche  die  bessernde  Hand  des  Vef- 
ers  geltend,  welcher  die  neu  eingefügten  Versuche  dem  Prak- 
uten  in  gleicher  Sorgfalt  nahe  zu  bringen  sucht  wie  die  schon 
er  beschriebenen. 

Dem  Wunsche  des  Verfassers,  es  möge  das  Buch,  das  sich 
inders  an  den  Studierenden  der  Medizin  und  zwar  den  Anfänger 
idet,  in  Fachkreisen  eine  wohlwollende  Aufnahme  finden,  wird 
;r  sicher  entsprochen  werden.  K.  Bürker  -  Tübingen. 

Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 
Band,  2.  Heft. 

9)  R.  Kaufmann:  Heber  den  Einfluss  des  Schmerzes  und  der 
italis  auf  die  Herzarbeit  des  normalen  Menschen.  (Aus  der 
siol.  Abteilung  des  allgem.  Krankenhauses  St.  Qeorg  in  Hamburg.) 
Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergeben,  dass  bei  der  Mes- 
g  der  Herzarbeit  mittels  der  Stickstoffmethode  für  pharmako- 
sche  Zwecke  zu  beachten  ist,  dass  durch  Sauerstoffatmung  eine 
inge  Herabsetzung  der  Pulsfrequenz  bei  gleichbleibendem  Blut- 
ck  bewirkt  wird  und  dass  der  Schmerz,  z.  B.  bei  einer  schmerz¬ 
ten  Injektion  eine  Erhöhung  des  Miinutenvolums,  des  Blutdrucks 
i  der  Herzarbeit  bewirkt.  Durch  intravenöse  Digaleninjektionen 
gesunden  Menschen  wurde  eine  Herabsetzung  der  Pulsfrequenz, 
e  Steigerung  des  Blutdrucks,  eine  Herabsetzung  des  Minuten- 
umens  bei  gleichbleibendem  Schlagvolum  und  eine  Erhöhung  der 
rzarbeit  pro  Schlag  bei  gleichbleibender  Herzarbeit  pro  Minute 
ielt.  Diese  Versuche  sprechen  dafür,  dass  auch  beim  normalen 
•nschen  eine  ausgesprochene  Gefässwirkung  der  Digitalis  vor- 

1C*10)  'k.  Basch:  Beiträge  zur  Physiologie  und  Pathologie  der 
ymus.  III.  Die  Beziehung  der  Thymus  zur  Schilddrüse.  (Aus  dem 
itschen  physiol.  Institut  in  Prag.)  .  ,  .  . 

Die  Thymus  steht  entwicklungsgeschichtlich  und  physiologisch 
n  Schilddrüsenapparat  am  nächsten,  sie  steht  sowohl  zum  Knochen- 
stem  wie  zum  Nervensystem  und  besonders  zum  Pupillarapparat 
s  Auges  in  funktioneller  Beziehung.  Die  Ausfallserscheinungen 
:h  Thymusexstirpation  treten  nur  nach  frühzeitiger  und  vollständi- 
r  Wegnahme  des  Organs  auf  und  scheinen  in  e-inem  ursächlichen 
sammenhang  mit  den  Störungen  des  Kalkstoffwechsels  zu  stehen, 
sind  weniger  intensiv  als  nach  Wegnahme  der  Schilddrüse,  ent- 
ckeln  sich  langsamer  und  haben  meist  nur  vorübergehenden 
larakter.  Sie  können  sich  wahrscheinlich  dadurch  leicht  zurück- 
den,  dass  für  die  normalerweise  sich  involvierende  Thymus  andere 
üsen  mit  innerer  Sekretion,  vornehmlich  die  Schilddrüse  die  Funk- 
in  übernimmt,  und  das  zunächst  von  der  Thymus  geleitete  gleich- 
rmige  Wachstum  des  Körpers  in  weiterer  Richtung  ausbaut.  Thy- 
iis  und  Schilddrüse  wirken  zusammen,  jedoch  ohne  dass  eigentlich 
i  Organ  das  andere  vertreten  kann.  Die  Beobachtung,  dass  die 
eisten  Kinder  nach  der  Geburt  einen  Hypothyreoidismus  darbieten, 
rieht  dafür,  dass  in  der  ersten  Lebenszeit  hauptsächlich  die  Thymus 
is  Wachstum  leitet.  Die  normale  Involution  der  Thymus  in  der 
jbertät  steht  mit  der  selbständigen  Entwicklung  des  Geschlechts- 
iparates  in  Beziehung.  Die  Beteiligung  des  Lymphapparates  an 
:r  normalen  Entwicklung  der  Thymus,  an  der  Umwandlung  ihres 
sprünglich  epithelialen  Charakters  hat  ausser  der  Korrelation  der 
riisen  mit  innerer  Sekretion  zur  Thymus  auch  eine  frühzeitige  Be¬ 
eilung  der  Thymus  zum  Lymphapparat  zur  Folge.  Das  feine  Re¬ 
gieren  der  Thymus  auf  allgemeine  Ernährungsstörungen,  auf  kon- 
itutionelle  Diathesen,  hängt  mit  dieser  Beziehung  zum  Lymphappa- 
it  zusammen.  Die  gelegentliche  Beteiligung  der  Thymus  an  dem 
rankheitsbild  des  Basedow  ist  sekundärer  Natur.  Sie  wird  wahrschein- 
eh  durch  eine  frühzeitige  Störung  und  Vergrösserung  der  Schild- 
riise  ausgelöst,  die  dann  zu  einer  gleichsinnigen  Vergrösserung  der 
hymus  führt.  Die  Bedeutung  des  Status  thymicolymphaticus,  seine 
eziehung  zu  plötzlichen  Todesfällen,  dürfte  erst  durch  weitere  ex- 
erimentelle  Untersuchungen  Aufklärung  erhalten. 

XI.  H.  Jastrowitz:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
lerapeutische  Wirkungsweise  des  Hafermehles.  (Aus  der  med.  Poli- 
linik  in  Halle.) 

Beim  Pankreasdiabetiker  finden  sich  unter  Haferfütterung  ge- 
;gentlich  nicht  unwesentliche  Mengen  von  Glykogen  in  der  Leber, 
le  ihre  Quelle  wahrscheinlich  in  dem  verabfolgten  Kohlehydrat 
aben.  Der  Blutzucker  steigt  dabei  nach  Haferfütterung  an.  Bei 
’hloridzin-  und  Pankreastieren  steigt  der  Blutzuckergehalt  auch  im 
’fortaderblut  nach  Haferfütterung  an.  Bei  pankreasdiabetischen 
leren  wird  ein  Teil  des  Kohlehydrates  bei  Haferdarreichung  oxy- 
iert.  Das  Hafermehl  verhält  sich  also  ebenso  wie  die  übrigen  Kohle¬ 
hydrate.  Dass  die  Haferstärke  therapeutisch  versagt  und  nur  das 
fafermehl  wirkt,  liegt  wahrscheinlich  hauptsächlich  an  der  viel  lang- 
ameren  Resorption  des  Hafermehles,  da  ja  auch  sonst  vom  Dia- 
’etiker  Kohlehydrate  um  so  besser  vertragen  werden,  je  langsamer 
lie  Resorption  vor  sich  geht,  je  schwerer  die  mechanische  Auf- 
■chliessbarkeit  der  Substanz  ist. 

12)  G.  v.  Bergmann-  Altona :  Zur  Wirkung  der  Regulatoren 
les  Intestinaltraktes.  (Als  Einführung  der  folgenden  Arbeiten.) 

Durch  die  Einführung  der  Röntgenuntersuchung  und  das  Studium 
ler  im  viszeralen  Nervensystem  verlaufenden  hemmenden  und  er¬ 


regenden  Impulse  haben  sich  neue,  für  die  Erforschung  des  Intestinal¬ 
traktes  sehr  fruchtbare  Gesichtspunkte  ergeben,  welche  auch  die 
folgenden  4  Arbeiten  veranlasst  haben. 

13)  Beiträge  zum  Studium  der  Darmbewegungen.  I.  Mitteilung. 

G.  Katsch  und  Ed.  Borchers:  Das  experimentelle  Bauchfenster. 
(Aus  der  med.  und  Chirurg.  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  in 
Altona.) 

Die  Verfasser  schneiden  bei  Kaninchen  aus  der  Mitte  der  Bauch¬ 
decken  ein  rechteckiges  Stück  heraus  und  ersetzen  es  durch  eine 
Zelluloidplatte,  welche  als  Fremdkörper  anstandslos  einheilt.  Dieses 
experimentelle  Zelluloidbauchfenster  ist  die  einzige  chirurgisch¬ 
physiologische  Methode  zur  feineren  und  direkten  Beobachtung  der 
Magendarmbewegungen.  Es  ermöglicht  chronische  Beobachtung 
durch  Tage  und  Wochen  und  ist  allen  einschlägigen  Vivisektions¬ 
methoden  und  in  einigen  Punkten  auch  dem  Röntgenverfahren  über¬ 
legen. 

14)  Beiträge  zum  Studium  der  Darmbewegungen.  II.  Mitteilung. 
G.  Katsch  und  E.  Borchers:  Ueber  physikalische  Beeinflussung 
der  Darmbewegungen.  (Aus  der  med.  und  Chirurg.  Abteilung  des 
Stadtkrankenhauses  in  Altona.) 

Die  Beobachtungen  am  experimentellen  Bauchfenster  ergaben 
folgendes:  An  den  4  funktionell  verschiedenen  Abteilungen  des  Ka¬ 
ninchendarms  sind  folgende  Bewegungsformen  zu  sehen.  Am  Dünn¬ 
darm  finden  sich  rhythmische  Kontraktionen  der  Längsmuskulatur, 
„das  longitudinale  oder  Längspendeln",  am  häufigsten  vorkommend, 
dann  rhythmische  Kontraktionen  der  zirkulären  Schicht,  „transver¬ 
sales  oder  Querpendeln“;  und  „gemischtes  Pendeln“;  auserdem  die 
Peristaltik,  zu  welcher  auch  die  Rollbewegungen  zählen.  An  dem 
sehr  ausgedehnten  Zoekum  sind  grosse  und  kleine  peristaltische  Be¬ 
wegungen  zu  sehen,  nur  selten  andeutungsweise  Längspendeln.  Die 
grossen  Mischbewegungen  sind  ein  Wechsel  von  Pro-  und  Anti¬ 
peristaltik.  Die  Kontraktionen  sind  dabei  nicht  so  stark,  dass  es  zu 
einem  Verschwinden  des  Lumens  kommt,  wie  beim  Dünndarm  und 
Rektum.  Ausserdem  kommen  noch  einfache  Tonusschwankungen 
des  Zoekums  in  toto  vor.  Am  proximalen  Teil  des  Kolons  ist  das 
charakteristischeste  die  zur  Bildung  der  Kotballen  führende  Haustren- 
bewegung,  wobei  die  Sakkuli  rein  funktionell  und  von  verschiedene: 
Grösse  sind,  gleichsam  den  Darm  entlang  wandern,  dem  Fort¬ 
schreiten  einer  Meereswelle  vergleichbar.  Im  Endkanal  sind  die 
ausschliesslich  abführenden  Bewegungen  verschieden  lebhaft.  - 
Kältereiz  bewirkt  unter  Tonusvermehrung  und  Anämisierung  stets 
zunächst  Ruhigstellung  der  direkt  betroffenen  Darmschlingen,  jedoch 
reflektorisch  auch  anderer  Darmteile.  Eiskalter  Rektaleinlauf  be¬ 
wirkt  nach  vorübergehender  Ruh'igstellung  lebhafte,  zur  Ausstossung 
des  Klysmas  führende  Tätigkeit.  Massige  starke  Wärmeapplikation 
ruft  Hyperämisierung  der  sichtbaren  Darmschlingen  und  Bewegungs¬ 
steigerung  hervor;  wenn  vorher  der  Tonus  vermehrt  war,  auch 
Nachlassen  des  Tonus.  Durch  Massage  liess  sich  keine  Peristaltik 
am  Kaninchendarm  erzielen,  nur  Hyperämisierung.  Verschiedene 
Elektrisierungsversuche  bei  geschlossener  Bauchhöhle  hatten  keinen 
Effekt.  Ebenso  war  rekto-abdominale  Elektrizitätsanwendung  wir¬ 
kungslos.  Die  Verfasser  hatten  auch  Gelegenheit,  an  einer  Frau 
bei  einer  sehr  grossen  Hernie  mit  atrophischer  Bauchhaut  die  Darm¬ 
bewegungen  zu  studieren. 

15)  Beiträge  zum  Studium  der  Darmbewegungen.  III.  Mitteilung. 
G.  Katsch:  Pharmakologische  Einflüsse  auf  den  Darm  (bei  physio¬ 
logischer  Versuchsanordnung).  (Aus  der  medizinischen  Abteilung  des 
Stadtkrankenhauses  zu  Altona.) 

Die  eigentlich  klinische  Wirkung  mancher  am  Darm  angreifenden 
Mittel  ist  noch  nicht  experimentell  begründet.  Dazu  sind  Beobach¬ 
tungen  unter  nichtartifiziellen,  nichtpathologischen  Bedingungen  not¬ 
wendig,  wie  sie  mittels  des  experimentellen  Bauchfensters  ausgeführt 
werden  können.  Durch  die  Bauchfenstermethode  sind  alle  bisherigen 
Methoden  am  ganzen  Tiere,  mit  Ausnahme  des  Röntgenverfahrens, 
entbehrlich  geworden.  Die  Bahnen  für  motorische  und  vaso¬ 
motorische  Reiz-  und  Hemmungsimpulse  am  Darm  weisen  eine  in 
funktioneller  Hinsicht  weitgehende  Dissoziation  auf.  Die  Mechanik 
der  Darmbewegung  ist  in  der  geschlossenen  Bauchhöhle  eine  durch¬ 
aus  andere  als  im  isotonischen  Bad.  Viele  darminhaltfördernde  Kon, 
traktionen  werden  am  flottierenden  Organ  in  Eigenbewegungen  des 
Darmes  umgesetzt.  Durch  Narkose  und  abdominelle  Eingriffe  sind  die 
Darmbewegungen  bei  Kaninchen  auf  Stunden  bis  Tage  wesentlich 
herabgesetzt.  Bei  Einführung  von  Darmpharmazis  in  die  Blutbahn 
werden  alie  Bewegungsformen  des  ganzen  Darmtraktus  in  gleich¬ 
sinniger  Weise  beeinflusst.  Durch  Pilokarpin  und  Physostigmin  wird 
ausser  einer  mächtigen  Motilitätssteigerung  eine  Hyperämie  des 
Darmes  erzeugt;  es  gewinnt  demnach  die  Vermutung,  dass  der  Vagus 
gefässerweiternde  Bahnen  für  den  Darm  führt,  an  Wahrscheinlich¬ 
keit.  Die  durch  Pilokarpin  und  Physostigmin  angeregten  Bewegungen 
haben  einen  atypischen  pathologischen  Charakter;  sie  sind  im  Ver¬ 
gleich  zur  normalen  Tätigkeit  unzweckmässig.  Die  Beobachtung, 
dass  keine  Proportionalität  zwischen  Bewegungsintensität  und  In¬ 
haltsförderung  des  Darmes  besteht,  ist  auch  für  die  menschliche  Pa¬ 
thologie  von  Wichtigkeit.  Atropin  wirkt  beruhigend, 
wegungen  werden  träger,  vor  allem  wird  die  Frequenz  herabgesetzt. 
Auf  die  rhythmischen  Bewegungen  übt  Atropin  bisweilen  einen  regu- 
larisierenden  Einfluss  aus,  Motilitätsanregung  wurde  nicht  beobachtet. 
Die  vasokonstriktorische  Wirkung  des  Atropins  im  Splanchnikusgemet 
I  jst  unbedeutend.  Adrenalin  bewirkt  plötzlichen  Stillstand  und  plotz- 


770 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  14. 


liches  Erblassen  aller  durch  das  Fenster  sichtbaren  Abdominalorgane. 
Die  Adrenalinhemmung  ist  vollständiger,  aber  weniger  nachhaltig  als 
die  durch  Atropin  oder  Morphin.  Adrenalin  und  Physostigmin  sind 
Antagonisten  sowohl  für  die  Motilität  wie  auch  für  die  Gefässfüllung 
des  Darmes.  Bei  rektaler  Einführung  ist  die  Adrenalinhemmung  mehr 
lokal  und  teilt  sich  weniger  den  höheren  Darmabschnitten  mit. 
Nikotin  macht  anfangs  eine  Hemmung  und  Anämie  des  Darmes,  ähn¬ 
lich  wie  das  Adrenalin.  Im  Anfang  der  Koffeinwirkung  tritt  vorüber¬ 
gehende  Blässe  und  Bewegungshemmung  am  Darm  auf  (Sympathikus¬ 
reizung).  Nach  Hypophysininjektion  tritt  anfangs  eine  Anämie  auf, 
welcher  später  manchmal,  aber  nicht  regelmässig,  eine  Hyperämie 
folgt.  Die  Darmbewegungen  werden  durch  Hypophysenextrakt 
mächtig  angeregt,  sie  sind  koordinierter  und  physiologischer  als 
bei  Pilokarpin  und  Physostigmin.  Die  Inhaltsförderung  ist  daher  sehr 
energisch;  geringe  Unregelmässigkeiten  kommen  aber  auch  vor. 
Durch  Morphin  werden  die  Darmbewegungen  auch  des  unbeein¬ 
flussten,  im  ruhigen  Tempo  arbeitenden  Kaninchenserums  primär  be¬ 
ruhigt.  Im  Anfang  beobachtet  man  dabei  eine  kurze  Vasokonstriktion 
in  der  Bauchhöhle  und  gleichzeitig  meist  ein  vorübergehendes  voll¬ 
ständiges  Bremsen  der  Darmbewegung,  darnach  ist  die  Motilität  auf 
längere  Zeit  herabgesetzt.  Aehnlich  wie  Morphin  wirken  Pantopon, 
Opon  (morphinfreies  Pantopon)  sowie  salzsaures  Apokodein. 

16)  Beiträge  zum  Studium  der  Darmbewegungen.  IV.  Mitteilung. 
G.  Katsch:  Psychische  Beeinflussung  der  Darmmotilität.  (Aus  der 
medizinischen  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  in  Altona.) 

Die  Beobachtungen  am  Bauchfenster  zeigen,  dass  durch  Angst  und 
Schreck,  z.  B.  durch  ein  lautes  Geräusch  oder  durch  Erregung  von 
Schmerz  eine  Gefässkontraktion  im  Splanchnikusgebiet  und  eine 
Hemmung  der  Darmbewegungen  eintritt,  während  umgekehrt  Lust- 
afiekte,  wie  Vorhalten  des  Futters,  lebhafte  Darmbewegungen  aus- 
lösen. 

17)  E.  G.  0  s  e  r  und  E.  E.  P  r  i  b  r  a  m :  Ueber  die  Bedeutung  der 
Milz  in  dem  an  malignem  Tumor  erkrankten  Organismus  und  diel 
Beeinflussung  von  Tumoren  durch  Milzbrei.  (Aus  der  I.  chirurgischen 
Klinik  in  Wien.) 

Der  Milz  kommt  eine  grosse  Bedeutung  in  dem  an  malignem 
Tumor  erkrankten  Organismus  zu.  Splenektomierte  Ratten  zeigen 
ein  rascheres  Tumorwachstum.  Durch  Injektion  von  Milzbrei  kann 
bei  Sarkomratten  eine  Rückbildung  oder  ein  Wachstumsstillstand  des 
Tumors  bewirkt  werden.  Es  scheint  dies  durch  Substanzen  vielleicht 
nach  Art  der  Antikörper  herbeigeführt  zu  werden,  die  im  gleichzeitig 
entnommenen  Blut  nicht  vorhanden  sind.  Injektionen  in  maligne  Tu¬ 
moren  selbst  sind  zu  vermeiden. 

18)  J.  Rihl;  Ueber  anfallsweise  auftretende  regelmässige 
Kammertachysystolie  in  Fällen  von  Irregularis  perpetuus.  (Aus  der 
propädeutischen  Klinik  der  deutschen  Universität  in  Prag.) 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

19)  K.  Retzlaff:  Die  Atophanwirkung  beim  Gesunden  und 
beim  Gichtiker.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Versuche  an  purinfrei  ernährten  Gesunden  und  Gichtikern  er¬ 
gaben  die  bekannte  Steigerung  der  Harnsäureausscheidung  unter  der 
Atophanwirkung,  während  der  Purinbasen-N  keine  Vermehrung 
zeigte.  Gleichzeitige  Blutuntersuchungen  ergaben  beim  Gesunden 
2  Stunden  nach  der  2  g  betragenden  Atophandarreichung  einen  Ge¬ 
halt  von  1,5 — 3,8  mg  Harnnsäure  in  100  ccm  Armvenenblut,  während 
vorher  das  Blut  harnsäurefrei  war.  Beim  Gichtiker  war  durch 
Atophan  kein  Verschwinden  der  Harnsäure  aus  dem  Blute  zu  erzielen, 
nur  manchmal  eine  Abnahme  derselben.  Die  Wirkung  des  Atophans 
ist  demnach  keine  elektive  Nierenwirkung,  sondern  besteht  in  einer 
direkten  Beeinflussung  des  Purinstoffwechsels,  in  gesteigertem  Zerfall 
von  harnsäurebildenden  Substanzen  durch  Steigerung  der  Fermente 
des  Nukleinstoffwechsels  sowe  in  einer  Mobilisierung  des  aufge¬ 
speicherten  Vorrates  an  Harnsäure  bezw.  Harnsäurevorstufen. 

20)  E.  Zander  jr. ;  Zur  Frage  der  Salzwirkung  auf  die  Funk¬ 
tion  insuffizienter  Nieren.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Sowohl  bei  der  kranken  (nephritischen)  Niere,  wie  bei  der  Stau¬ 
ungsniere  der  Herzkranken  hat  das  Kochsalz  einen  ausgesprochenen 
antidiuretischen  Effekt.  Massgebend  ist  in  erster  Linie  nicht  die 
Menge  der  Moleküle  anorganischer  Salze  überhaupt,  sondern  lediglich 
ein  bestimmtes  Molekül,  nämlich  das  chlorhaltige,  dabei  kommt  es 
aber  nicht  auf  die  Base,  sondern  auf  das  Chlor  an,  welchem  man 
spezifische  nierengiftige  oder  besser  antidiuretische  Wirkungen  zu¬ 
schreiben  muss. 

21)  H.  E.  Hering-Prag;  Zur  Erklärung  des  Herzalternans. 
(Zugleich  eine  Kritik  der  einschlägigen  Arbeiten  von  Leon  und  Henri 
F  r  e  d  e  r  i  c  q.) 

Der  Verfasser  weist  nach,  dass  die  Meinung  von  Henri  F  re¬ 
de  r  i  c  q,  dass  irgendwelche  in  seiner  (Fredericqs)  Mitteilung 
veröffentlichte  Versuche  zu  der  Anschauung  des  Verfassers  über  den 
Herzalternans  nicht  passen  würden,  in  keiner  Hinsicht  zutrifft. 

22)  M.  Koch  mann:  Beiträge  zur  Pharmakologie  der  Misch¬ 
narkose.  I.  Wirkung  von  Narkotikagemischen  auf  poikilotherme 
Wassertiere.  (Aus  dem  pharmakologischen  Institut  der  Universität 
Greifswald.) 

Die  Giftlösung,  die  bei  Carassius  vulgaris  Seitenlage  und  bei 
Kaulquappen  Reaktionslosigkeit  auf  Kneifen  des  Schwanzes  hervor 
ruft,  also  narkotische  Wirkung  hat,  ist  für  Chloralhydrat  2  Prom.,  für 
Urethan  3  Prom.,  von  Morphium  mit  6  Prom.  dpr  freien  Base  bei 
Fischen  kaum  erreicht,  bei  Kaulquappen  10  mal  kleiner.  Für  Skopola¬ 


min  konnte  aus  technischen  Gründen  die  Grenzdosis  für  Fische  nicht 
festgestellt  werden,  für  Kaulquappen  beträgt  sie  ungefähr  4  Prom. 
der  Base.  Chloralhydrat  und  Urethan  addieren  sich  in  ihrer  Wirkung 
bei  Kombination  von  Morphium  mit  Urethan,  Chloralhydrat  und  be¬ 
sonders  mit  Skopolamin  ist  ein  potenzierter  Synergismus  zu  konsta¬ 
tieren.  Die  Kombination  von  Skopolamin  mit  Chloralhydrat  und 
Urethan  bedingt  eine  verhältnismässig  geringe  Wirkungsverstärkung 
Am  stärksten  ist  die  Potenzierung  bei  Kombination  von  Morphium 
mit  Skopolamin  (bis  um  60  Prom.,  was  mit  älteren  Versuchen  des 
Verfassers  am  Hund  übereinstimmt).  Aeltere  Tiere  werden  schneller 
narkotisiert  als  junge.  Da  ein  potenzierter  Synergismus  auch  bei 
Ausschaltung  der  Zeit  als  Versuchsfaktor  zu  beobachten  ist,  so  ist 
die  Erklärungshypothese  B  ii  r  g  i  s  abzulehnen. 

23)  J.  Schneller:  Zur  Methodik  der  Harnsäurebestinimuns: 
im  Urin  und  im  Blut.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Erlangen.) 

Das  Harnsäurebestimmungsverfahren  nach  Röthlisbergerl 
ist  ebenso  wie  das  nach  Ruhemann  nicht  zu  quantitativen  Unter¬ 
suchungen  geeignet,  da  die  Fehler  60 — 75  Proz.  betragen  können.  Der 
Verfasser  arbeitete  eine  Methode  zur  quantitativen  Harnsäurebestim¬ 
mung  im  Blut  aus,  bei  welcher  vor  der  Eiweissfällung  durch  Motio- 
kaliumphosphat  'mittels  Formaldehyd  die  Harnsäure  in  eine  leicht 
lösliche  Verbindung  übergeführt  wird;  im  Filtrat  von  der  Eiweiss- 
koagulation  wird  dann  durch  Natriumbisulfit  und  Kupfersulfat  die 
Harnsäure  gefällt,  gewaschen  und  zersetzt  und  dann  nach  Ludwig; 
Salko  wski  mit  ammoniakalischer  Silberlösung  gefällt  und  be 
stimmt. 

24)  G.  Ewald:  Ueber  intravenöse  Verabreichung  von  Nuklein¬ 
säure  und  ihren  Abbauprodukten  beim  Hund.  (Aus  der  med.  Klinik  i; 
Erlangen.) 

Bei  intravenöser  Einverleibung  von  Hefenukleinsäure  oder! 
Thymonukleinsäure  (4 — 5  g),  sowie  nach  Fütterung  mit  Thymonukleiii- 
säure  fand  sich  stets  ein  bedeutendes  Plus  an  Purin-N  im  Harn  (bis 
zu  40  Proz.),  welches  wohl  nur  zu  einem  Teil  durch  die  gleichzeitig 
einsetzende  starke  Leukozytose  zu  erklären  ist.  Die  Injektion  von; 
Hefenukleinsäure  scheint  schädlicher  empfunden  zu  werden  als  jene 
von  Thymonukleinsäure.  da  dabei  die  Gesamtstickstoffausscheiduu.* 
ungeheuer  gross  ist  und  die  vermehrte  Allantoinausscheidung  viel 
länger  sich  hinzieht.  Auch  nach  Injektion  von  Guanin  und  Xanthin; 
(in  Piperazin  gelöst)  fand  sich  eine  vermehrte  Purin-N-Ausscheidung. 
davon  96  Proz.  Allantoin.  Die  dabei  auftretende  Leukozytose  ist! 
auch  hier  nicht  die  einzige  Ursache  der  Mehrausscheidung;  die  Ver¬ 
mehrung  der  Gesamt-N-Ausscheidung  um  das  3 — 6  fache  weist  auch, 
dabei  auf  eine  Alteration  des  allgemeinen  Stoffwechsels  hin.  Ebenso 
fand  sich  nach  Injektion  von  reiner  Harnsäure  eine  Vermehrung  des; 
Purin-N  mit  einer  längerdauernden  Vermehrung  der  Alhntoinausschei- 
dung,  welche  wieder  auf  eine  stärkere  Stoffwechselstörung  neben  der 
mässigen  Leukozytose  zu  beziehen  ist.  Piperazininjektion  allein  be-j 
wirkte  eine  viel  geringere  Leukozytose,  keine  sehr  deutliche  Allantoin-, 
Vermehrung,  aber  eine  starke  Steigerung  des  ausgeschiedenen  Ge-; 
samt-N,  hat  also  auch  eine  Stoffwechselstörnng  zur  Folge. 

25)  A.  Schittenhelm  und  R.  Ullmann:  Ueber  den  Nuklein¬ 
stoffwechsel  unter  dem  Einfluss  des  Atophans.  (Aus  dem  Labora 
torium  der  med.  Klinik  in  Erlangen.) 

Verfasser  beobachtete  bei  einem  Gichtiker  einen  typischen  Gicht¬ 
anfall  trotz  7  tägiger  vorhergehender  Atophandarreichung;  in  den 
ersten  Tagen  der  Atophandarreichung  war  die  Harnsäureausfuhr  ir 
typischer  Weise  gesteigert.  Versuche  mit  Fütterung  von  a-thymo- 
nukleinsaurem  Natrium  bei  einem  chronischen  Gichtkranken  ergabeii 
nur  ein  geringes  Ansteigen  der  Harnsäure  während  der  Nukleinsäuren 
Periode;  3  Versuche  an  Kranken  mit  chronischer  rheumatischer  Poly-i 
arthritis  und  Neurasthenie  ergaben  eine  starke  Erhöhung  der  Harnj 
säureausfuhr  nach  Nukleinsäurezufuhr  bei  gleichzeitiger  Darreichung 
von  Atophan  gegenüber  der  atophanfreien  Nukleinsäureperiode.  Bei 
einer  Leukämie  fand  sich  unter  Atophandarreichung  eine  Steigerung 
der  Harnsäureausfuhr  um  43  Proz.,  während  gleichzeitig  die  Leukn- 
zytenzahl  erheblich  abnahm.  Bei  einem  Hund  war  durch  Atophan  unq 
Nukleinsäure  zusammen  keine  Steigerung  der  Allantoinausfuhr  zu  er¬ 
zielen.  Die  Atophanwirkung  ist  demnach  eine  sehr  komplizierte1 
wahrscheinlich  hat  das  Atophan  eine  beträchtliche  Einwirkung  auf 
den  intermediären  Stoffwechsel. 

26)  H.  P  e  c  h  s  t  e  i  n  :  Zur  Frage  des  experimentellen  Diabetes 
I.  Mitteilung:  Zuckermobilisation  durch  Adrenalin  in  Leberdurchblu- 
tungsversuchen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Bei  den  Versuchen  zeigte  sich,  dass  das  Adrenalin  den  Glykogen¬ 
abbau  steigert,  dass  jedoch  diese  Steigerung  in  keinem  nennenswerte; 
Verhältnis  zum  Glykogenabbau  bei  Durchblutungen  überhaupt  steht 
Dass  Nikotin  in  der  Leber  selbst  keinen  Einfluss  auf  die  Adrenalin 
Wirkung  hat,  ergab  sich  bei  einem  Versuch,  bei  welchem  trotz  grossei 
Nikotindosis  eine  deutliche  Steigerung  der  Zuckerausscheidung  durcl 
die  Adrenalineinwirkung  stattfand.  Lindemann  -  München. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  12,  1913. 

B  o  i  t  -  Königsberg :  Ueber  Pleuraresorption. 

Verf.  teilt  seine  an  Hunden  gemachten  Beobachtungen  über  die 
normale  und  pathologische  Physiologie  der  Pleura  mit.  Nähere  De 
tails  sind  am  besten  in  der  Arbeit  selbst  nachzulesen. 

Raffaele  Bastianelli  - Rom :  Wie  soll  man  eine  Pyelotomie- 
wunde  behandeln? 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


77! 


Verf.  tritt  für  die  Pyelotomie  ein  und  macht  verschiedene  Vor¬ 
eilige  über  die  Behandlung  der  Pyelotomiewunde.  Er  empiiehlt, 
as  Nierenbecken  bis  zum  Stein  direkt  durch  das  Fett  hindurch  zu 
urchschneiden  und  durch  Katgutnähte,  welche  Fett  und  Pelviswand 
lbmukös  durchdringen,  wieder  zu  vereinigen.  Einfach  und  sicher 
isst  sich  ein  Beckenschnitt,  der  sich  nicht  nähen  lässt,  durch  einen 
ettlappen  decken;  diese  Lappenplastik  empfiehlt  sich  besonders  bei 
iner  langen  oder  zerrissenen  Nierenbeckenwunde.  Fs  ist  wichtig, 
as  Nierenbeckenfett  möglichst  intakt  zu  lassen.  Als  letzte  Methode 
leibt  noch  die  von  Payr  (No.  42.  1912)  empfohlene  Plastik  mit  einem 
appen  der  Capsula  fibrosa  übrig. 

Fr.  Steinmarin  -  Bern ;  Ausschaltung  des  Wurmfortsatzes. 

Verf.  warnt  auf  ürund  einer  üblen  Erfahrung  gleichfalls  dringend 
or  der  von  Kofmann  (No.  50)  empfohlenen  Ausschaltung  des 
Vurmfortsatzes.  Der  Fall  selbst  wird  ausführlich  mitgeteilt. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  12. 

E.  G  e  r  s  t  e  n  b  e  r  g  -  Wilmersdorf ;  Bemerkungen  zu  Heinrich 
Dotters:  Verfahren  zur  Heilung  enger  Becken. 

R  o  1 1  e  r  s  Operation  besteht  in  der  prophylaktischen  Abmeisse- 
ung  eines  Stückes  des  Promontoriums  bei  Multiparen  mit  plattem 
lecken  und  Verkürzung  der  Conj.  vera  bis  zu  7  cm  herab.  Aus  Ver¬ 
buchen  an  der  Leiche  ergaben  sich  G.  folgende  Einwände  gegen  die 
Operation:  Er  erlebte  an  der  frischen  Leiche  eine  anhaltende,  nicht 
Unbedenkliche  Blutung  aus  dem  1.  Kreuzbeinwirbel.  Bei  Conj.  vera 
mter  84  cm  bleibt  dieselbe  auch  nach  der  Operation  noch  zu  kurz, 
im  ernste  Geburtshindernisse  zu  verhindern.  G.  hält  eine  Verbindung 
ler  Rot  ter  sehen  Operation  mit  der  künstlichen  Frühgeburt  even¬ 
tuell  für  nützlich. 

0.  K  r  u  g  -  Magdeburg:  Ein  neuer  Handgriff  (Kreuzgriff)  bei  Ent¬ 
bindungen. 

K.  hat  seinen  Ffandgriff  bereits  im  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1910 
(No.  24)  beschrieben  und  empfohlen.  Die  Hände  werden  dabei  ge¬ 
kreuzt  in  die  Scheide  eingeführt  und  üben  in.  der  Richtung  des  queren 
Beckendurchmessers  einen  Druck  aus,  wobei  das  ganze  Becken  etwas 
gehoben  wird.  K.  empfiehlt  den  Handgriff  neuerdings  bei  protrahier¬ 
ten  Geburten. 

Rudolf  Patek-Wien:  Ein  Fall  von  primärem  Sarkom  des 

Dünndarms. 

Der  Fall  betraf  eine  49  jährige  Frau.  Die  Diagnose  schwankte 
zwischen  einer  stielgedrehten  Ovarialzyste  und  Tumor  des  Darms. 
Bei  der  Laparotomie  fand  sich  ein  grosszelliges  Spindelzellensarkom 
des  Jejunum,  das  in  einer  Länge  von  ca.  10  cm  reseziert  wurde, 
worauf  nach  Verschluss  der  beiden  Darmlumina  eine  seitliche  Entero- 
anastomose  vorgenommen  wurde.  Zunächst  Heilung,  die  nach  7  Mo¬ 
naten  noch  fortdauerte. 

H.  Kondring  -  Posen :  Primäres  Zystosarkom  des  Magens. 

Eine  35  jährige  Frau  kam  mit  einem  grossen  Abdominaltumor 
:  zur  Operation.  Derselbe  erwies  sich  als  ein  17  Pfd.  schweres  Spin- 
delzellensarkom  mit  multiplen  Erweichungen,  das  von  der  hinteren 
Seite  der  grossen  Kurvatur  des  Magens  ausgegangen  war.  1  rotz 
vieler  Lebermetastasen  erfolgte  zunächst  glatte  Heilung,  die  11  Mo 
nate  post  op.  noch  anhielt. 

Max  Hirsch -Berlin:  Ueber  das  Verhältnis  der  Geschlechter. 

H.  hat  gefunden,  dass  der  überwiegende  Teil  der  Aborte  und 
Frühgeburten  Knaben  sind.  Letztere  müssen  eine  geringere  Wider¬ 
standsfähigkeit  gegenüber  den  Schädlichkeiten  haben,  welche  zum 
Abort  oder  zur  Frühgeburt  führen.  Die  männlichen  Früchte  über¬ 
wiegen  umsomehr,  je  früheren  Schwangerschaftsmonaten  sie  ent¬ 
stammen.  H.  fordert  zu  einer  Sammelstatistik  auf.  die  diese  Tat¬ 
sachen  noch  näher  prüfen  soll.  Er  meint,  dieselbe  könne  auf  die  ge¬ 
schlechtsbestimmenden  Faktoren  ein  aufklärendes  Licht  werden. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Band  77,  Heft  2. 

Otto  Heubner  zu  seinem  70.  Geburtstage.  (Mit  Porträttafel.) 
Von  den  Herausgebern  und  dem  Verleger  des  Jahrbuches. 

7)  Elsa  Liefmann:  Die  Azetonausscheidung  im  Drin  gesunder 
und  spasmophiler  junger  Kinder.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik 
zu  Strassburg.) 

Verf.  fand^die  Azetonmenge  des  Harns  gesunder  Kinder  indivi¬ 
duell  verschieden  und  mit  zunehmendem  Alter  ansteigend,  von  1  bis 
4  mg  bei  Säuglingen  und  5 — 10  mg  bei  älteren  Kindern.  Die  Menge 
des  ausgeschiedenen  Azetons  ist  vermehrt  bei  fettreicher  Nahrung 
—  gleichzeitige  relative  Azidose  —  und  wird  durch  Beigabe  von 
Kohlehydraten  deutlich  vermindert.  Im  Hunger  steigt  der  Azeton¬ 
gehalt  des  Harns  rapide  an;  ist  jedoch  auch  individuell  verschieden. 
Bei  Spasmophilie  —  besonders  in  manifesten  Fällen  mit  Krämpfen  — 
fand  die  Verf.  eine  beträchtlich  vermehrte  Azetonausscheidung  im 
Harn.  Auch  hier  zeigte  sich  eine  wenn  auch  verlangsamte  Einwirkung 
der  Diät  auf  die  Azetonausscheidung.  Die  von  der  Verf.  hypothetisch 
angenommene  Azidose  wäre  durch  den  Nachweis  von  /J-Oxybutter- 
säure  zu  erbringen,  und  behält  sich  die  Verf.  diesbezügliche 
Untersuchungen  vor.  Für  die  Aetiologie  der  Spasmophilie  nimmt  die 
Verf.  hypothetisch  eine  Störung  im  Kohlehydratstoffwechsel  an  (oder 
des  Fett  Stoffwechsels  —  Ref.). 


8)  Gottfried  v.  R  i  1 1  e  r  -  Pilsen:  Ueber  die  klinische  Verwend¬ 
barkeit  der  Azetonreaktion  in  der  Kinderpraxis. 

Verf  hält  nach  seinen  Beobachtungen  in  der  Praxis  die  Azeton¬ 
reaktion  für  ein  wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel  zur  Erkennung 
jener  unklaren  oft  febrilen  Erkrankungen  des  Kindesalters,  welche 
auf  Intoxikationsvorgänge  im  Bereiche  des  Magendarmkanals  zurück¬ 
zuführen  sind.  Diese  Erkrankungsfälle  betreffen  nach  Ritter  meist 
Kinder  zwischen  dem  2.  und  13.  Lebensjahr  und  dauern  als  reine  Fälle 
meist  7  Tage  oder  weniger.  Zu  Beginn  meist  Erbrechen,  Stuhl 
oft  angehalten;  anamnestisch  öfters  Diätfehler.  Die  Therapie  be¬ 
steht  nach  Ritter  in  der  Darreichung  von  Kalomel,  Klysmen, 
schwachgesüsstem  Tee,  Kohlehydraten,  event.  Natr.  bicarb.  Ver¬ 
meidung  von  Fett. 

9)  Else  Anna  Frank-  Hannover :  Die  Anwendung  der  Molke¬ 
therapie  bei  ruhrartigen  Darmkatarrhen  und  ihre  Erfolge.  (Aus  der 
Universitäts-Kinderklinik  zu  Göttingen  [Dir.:  Prof.  F.  Göppertl.) 

Nach  der  üblichen  Evakuierung  durch  Rizinus  und  Darmspülungen 
Darreichung  von  Molke  mit  Schleim,  später  mit  Milchanreicherung. 
Polemik  gegen  die  Behandlung  der  in  Rede  stehenden  Affektion  mit 
Kindermehlen  (Nestle  und  Kufeke)  bzw.  Mehldiät  überhaupt,  die  sich 
allerdings  auch  noch  in  manchen  pädiatrischen  Lehrbüchern  findet. 
Die  guten  Resultate  zeigen,  dass  man  auf  verschiedenen  Wegen  zum 
Ziel  kommt;  so  empfiehlt  Ref.  seit  langem  bei  Dickdarmaffektionen 
fetthaltige  Nahrungsgemische  (Ramogen,  Eiweissmilch  u.  a.  m.). 

10)  E.  Rachmile  witsch-St.  Petersburg:  Hautreaktionen 
von  Kindern  mit  exsudativer  Diathese.  (Aus  der  Universitäts-Kinder¬ 
klinik  in  Strassburg.)  (Mit  1  Abbildung  im  Text.) 

Experimentelle  Untersuchungen,  um  die  Reizbarkeit  der-  Haut 
von  exsudativen  Kindern  zu  erproben.  Die  Versuche  wurden  mit 
Priessnitzumschlägen,  Buttersäure  und  Senfölpaste  bei  intakter  und 
vorher  skarifizierter  Epidermis  angestellt.  Nach  vorheriger  Skari- 
fikation  trat  bei  den  Kindern  mit  exsudativer  Diathese  nach  Ein¬ 
wirkung  einer  Mustardpaste  eine  Quaddelbildung  ein.  und  zwar  wurde 
die  positive  Reaktion  nicht  nur  bei  älteren  Kindern,  sondern  bereits 
bei  Neugeborenen  angetroffen  —  ein  Zeichen,  dass  es  sich  um  eine 
angeborene  Konstitutionsanomalie  nach  Czerny  handelt.  Dabei 
konnten  quantitative  Unterschiede  der  Reaktion  in  der  Weise  be¬ 
obachtet  werden,  dass  dicke  (in  utero  gemästete  —  Ref.)  Kinder 
eine  stärkere  Quaddelbildung  erkennen  Hessen.  Verf.  wünscht 
selbst  eine  Vervollkommung  der  Methode,  durch  welche  es  er¬ 
möglicht  wird,  diese  Diathese  im  latenten  Stadium  oder  in  zwei¬ 
felhaften  Fällen  zu  erkennen. 

11)  Walther  U  s  e  n  e  r  -  Torgau:  Ueber  Nabelschnurbruch.  (Aus 
der  chirurgischen  Abteilung  der  Kinderklinik  in  Leipzig  [Obeiarzt. 
Geh.  Rat  Prof.  T  i  1 1  m  a  n  n  s].)  Kasuistische  Mitteilungen. 

Kleine  Mitteilungen: 

I.  Friedlaendersepsis  mit  schweren  Nebennierenblutungen  in 
einem  Fall  von  Lues  hereditaria.  Von  E.  C  o  n  r  a  d  i  -  Köln. 

II.  Postdiphtherische  Fazialislähmung.  Von  S.  Wolff-  Wies¬ 
baden.  .  .  ...  ,  ,  ,  rr 

III  Wiederholte  Erkrankungen  an  Parotitis  epidemica.  Von  J.  K. 

F  r  i  e  d  j  u  n  g  -  Wien.  O.  Rommel-  München. 

Vierteljahrschrift  für  gerichtliche  Medizin  und  öffentliches 
Sanitätswesen.  1913.  1.  Heft. 

I.  Gerichtliche  Medizin. 

1)  Ueber  die  Gerinnung  und  Dekoagulation  des  Blutes  nach  dem 
Ertrinkungstode.  Von  Dr.  H.  F.  Roll,  Batavia.  (Schluss  folgt.) 

2)  Eigentümliche  Funde  bei  Verbrennungen  (Mordbrand).  Von 
Francis  H  a  r  b  i  t  z,  Christiania,  Norwegen. 

Gerichtliche  Sektionen,  die  im  Feuer  umgekommenen  Personen 
gelten,  sind  gerichtlich  vor  grosser  Bedeutung,  teils  weil  die  Ent¬ 
scheidung  darüber,  ob  der  Verstorbene  lebend  ins  Feuer  gekommen 
ist  oder  nicht,  recht  schwierig  sein  kann,  teils  weil  postmortal  eine 
ganze  Menge  eigentümlicher  Veränderungen  eiutreten  kann,  die  zu 
der  Auffassung  führen  können,  als  seien  sie  bei  lebendigen  Leibe  ent¬ 
standen  und  durch  äussere  Gewalt  verursacht. 

Als  die  wichtigsten  Merkmale  dafür,  dass  ein  Verbrannter 
lebend  verbrannt  ist.  führt  Verf.  an  die  Reaktions¬ 
phänomene  seitens  der  Haut  —  Entzündungserythem,  Blasen¬ 
bildung  usw..  2.  die  A  s  p  i  r  a  t  i  o  n  s  p  h  ä  n  o  m  e  n  e  (in  den  Luft¬ 
wegen)  und  3.  den  Befund  von  Kohlenoxyd  im  Blut. 

Unter  den  Aspirationsphänomenen  weist  er  auf  das  Einatmen  von 
Russ,  Kohlen  Partikeln,  von  Blut  und  auf  die  Aspiration  von 
erhitzter  Luft  und  warmen  Gasen  und  die  Wirkung  hieran  auf  die 
Schleimhaut  in  Mund,  Schlund  und  Kehlkopf. 

Schliesslich  verweist  Verf.  u.  a.  noch  auf  eine  postmortale  Wir¬ 
kung  auf  den  Kopf,  die  man  ab  und  zu  bei  bedeutenden  Verbren¬ 
nungen,  wenn  grössere  Teile  des  Schädels  verbrannt  sind,  antrifft, 
nämlich  das  Bersten  der  Dura  mater,  so  dass  das  Gehirn 
austritt  und  die  Dura  mater  umgibt.  Anfänglich  schrumpfe  die  Dura 
mater  ein,  aber  infolge  des  Drucks  vom  Gehirn  werde  sie  bald,  zu¬ 
meist  an  der  Konvexität  gesprengt. 

3)  Beitrag  zur  Identifizierung  von  Schartenspuren  von  Dr. 

Nippe.  (Aus  dem  Institut  für  gerichtliche  AJedizin  zu  Königs¬ 
berg  i.  Pr.)  ...  . 

Verf.  bespricht  an  einem  Fall  die  Art  der  Identifizierung  von 
Schartenspuren  nach  der  von  ihm  etwas  erweiterten  Methode  von 


772  ______  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _ _ _ No.  14. 


K  o  c  k  e  1  und  A.  S  c  h  u  1  z.  Es  handelt  sich  im  betreffenden  Falle 
um  Eruierung  eines  Baumfrevlers. 

4)  Hirnerschütterung  oder  Vergiftung  als  Todesursache.  Von 
Prof.  Dr.  L.  W.  Weber.  (Aus  der  städtischen  Nervenheilanstalt 
Chemnitz.) 

W.  teilt  den  Sektionsbericht  mit  von  einem  Verstorbenen,  der 
vom  Motorrad  bei  einem  Zusammenstoss  mit  einem  Wagen  stürzte, 
erst  nach  einigen  Tagen  unter  Gehirnerscheinungen  erkrankte, 
während  der  Krankheit  mehrfach  Morphiumeinspritzungen  erhielt  und 
am  17.  Tag  nach  dem  Unfall,  x/\  Stunde  nach  Morphiumeinspritzung 
plötzlich  verschied.  Bei  der  Sektion  fand  sich  im  Gehirn  an  der 
Schädelbasis  unter  der  intakten  Hirnhaut  ein  Knochenriss  mit  blutig 
imbibierten  Rändern,  das  Gehirn  selbst  war  zwar  blutreich,  jedoch 
ohne  grösserem  freien  Bluterguss. 

Auf  Grund  der  mikroskopischen  Untersuchung  konnte 
als  Todesursache  angesprochen  werden:  über  das  ganze 
Gehirn  verbreitete,  multiple  miliare  Hirnblu¬ 
tungen  und  perivaskuläres  Hirnöde  m.  Veränderungen, 
die  allmählich  erst  im  Laufe  mehrerer  Tage  nach  dem  Unfälle  ent¬ 
standen  sind,  hauptsächlich  durch  bindegewebige  Entartung  der  Ge- 
fässe  bei  dem  47  Jahre  alten  Verunglückten.  > 

5)  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Gewebsembolien.  Von 
0.  Kunze-  Braunschweig. 

K.  berichtet  über  das  Sektionsergebnis  bei  einem  durch  einen 
Automobilunfall  tödlich  Verletzten.  Es  wurde,  abgesehen  von 
Rippenfrakturen  eine  ausgedehnte  Leberzerreissung  festgestellt. 
Grössere  und  kleinere  Leberstückchen  wurden  dabei  losgerissen, 
von  den  Lebervenen  durch  das  Herz  in  den  Lungenkreislauf  ver¬ 
schleppt.  Zwei  grosse  Stücke  verstopften  die  Haupt¬ 
äste  der  Pulmonalis  und  führten  kurze  Zeit  nach  der  Ver¬ 
letzung  zum  plötzlichen  Tode. 

Verf.  bespricht  dabei  auch  die  Frage,  ob  eine  Leb^rruptur  un¬ 
bedingt  zum  Tode  des  Individuums  führen  muss.  Es  hänge  dies  von 
der  Schwere  und  dem  Umfange  der  Leberverletzung  ab.  Der  Tod 
werde  stets  durch  die  starke  intraabdominale  Blutung  herbeigeführt. 
Indes  brauchen  ausgedehnte  und  tiefgreifende  Leberrupturen  nicht 
immer  in  Kürze  zum  Tode  führen,  kleinere  Leberrupturen  können 
ohne  Schaden  für  den  Menschen  ganz  ausheilen. 

Leberzellenembolien  können  auch  bei  geringfügigen 
Leberverletzungen  zustande  kommen,  sie  werden  begünstigt  durch 
die  enorme  Saugkraft  des  Herzens  und  dadurch,  dass  die  Venae 
hepaticae  nicht  wie  andere  Venen  imstande  sind,  bei  der  Diastole  des 
Vorhofes  zu  kollabieren. 

Nachgewiesene  Embolien  von  Leberzellen  lassen  den  unbedingt 
sicheren  Schluss  zu,  dass  die  Verletzung  der  Leber  intra  vitam 
entstanden  ist. 

6)  Experimentelle  Beiträge  der  Lehre  vom  Ertrinkungstode.  Von 

Otto  V  ö  1  p  e  1  -  Frankfurt  a.  M.  (Aus  dem  Institut  für  gerichtliche 
Medizin  der  Universität  Kiel.)  (Schluss  folgt.) 

7)  Zur  forensen  Bedeutung  der  Nabelschnurumschlingung.  Von 
Dr.  Engau.  (Aus  dem  Institut  für  gerichtliche  Medizin  der  Uni¬ 
versität  Leipzig.) 

Beschreibung  eines  Falles,  bei  dem  die  Nabelschnur  um  die 
linke  Halsseite  herum  nach  der  rechten  verlief,  wo  sie  zu  einem  ein¬ 
fachen  wahren  Knoten  verschlungen  war.  Am  Halse  des  Kindes  fand 
sich  weder  eine  ringförmige  Strangfurche,  noch  ein  dem  Knoten  ent¬ 
sprechender  Eindruck.  Lungen,  Magen-  und  Darmkanal  waren  luft¬ 
haltig;  die  Luftwege  waren  frei,  unter  dem  Lungenfell  spärliche 
Ekchymosen. 

Wie  der  Tod  des  Kindes  zustande  kam,  konnte  nicht  mit  Sicher¬ 
heit  festgestellt  werden. 

8)  Besprechungen,  Referate,  Notizen. 

II.  Oeffentliches  Sanitätswesen. 

1)  Geburtenzahl  und  Säuglingsiürsorge.  Von  Med.-Rat  Dr. 

G  r  a  s  s  1  -  Kempten. 

Verf.  erörtert  die  Gründe  für  die  Abnahme  der  Kinderzahl,  die 
er  zum  Teil  in  der  Herabsetzung  der  Zeugungsfähigkeit,  vor  allem 
aber  in  dem  herabgeminderten  Willen  nach  dem  Kinde  sieht.  Bei 
dem  Weibe  ist  die  Herabminderung  des  „Muttertriebes“  von  Gefahr. 
Bei  der  ohnehin  geringen  Kindersterblichkeit  bei  den  gesellschaftlich 
höher  stehenden  Schichten  sei  eine  weitere  Einengung  der  Kinder¬ 
sterblichkeit  ein  biologischer  Fehler,  es  sei  denn,  dass  diese  Ab¬ 
minderung  durch  erhöhte  Brustdarreichung  erzielt  werde.  Die  Ab¬ 
nahme  des  Muttertriebes  sei  die  Hauptursache  des  Niedergangs  aller 
Kulturvölker  geworden. 

Im  weiteren  Verlauf  der  Abhandlung  nimmt  der  Verf.  Stellung 
gegen  die  Anschauung,  dass  die  geringste  Kindersterblichkeit  das  er¬ 
strebenswerte  Ziel  der  öffentlichen  und  privaten  Kinderfürsorge  sei. 
Vom  nationalen  und  Rassenstandpunkt'müsse  die  geringe  Kindersterb¬ 
lichkeit  als  die  beste  erklärt  werden,  die  mit  einer  so  grossen  Ge¬ 
burtenzahl  begleitet  sei,  dass  ein  möglichst  hoher  Ueberschuss  bleibe. 
Gegenden,  in  welchen  solch  grösster  Ueberschuss  tatsächlich  vor¬ 
handen  sei,  seien  mit  der  neuen  Lehre  der  geringsten  Kindersterb¬ 
lichkeit  und  geringsten  Geburten  sorgfältigst  zu  verschonen;  für  diese 
dürfe  zur  Vermeidung  der  hohen  Kindersterblichkeit  nur  das  Selbst¬ 
stillen  und  die  Selbstpflege  des  Kindes  empfohlen  werden,  künstliche 
Heilmittel,  wie  Milchküchen,  Kinderpflegerinnenausbildung,  Krippen¬ 


wesen,  Kinderspitäler  und  andere  soziale  Einrichtungen  seien  von 
diesen  Landbezirken  ängstlich  fernzuhalten.  Die  mehr  oder  minder 
grosse  Sterblichkeit  bei  grösstmöglichem  Ueberschuss  möge  die  Be¬ 
rufshumanitätsapostel  beschäftigen,  nicht  die  Biologen  oder  Medizinal¬ 
statistiker  und  Soziologen. 

Ein  Grundsatz  aller  öffentlichen  Säuglingsfürsorge  muss  sein, 
dass  die  Last  der  Aufzucht  durch  die  Fürsorge  nicht  wachsen  darf. 

Das  erhöhte  Absterben  der  Kuhkinder  stelle  teilweise  einen 
Selbstreinigungsprozess  des  Volkskörpers  dar,  und  überall  da,  wo  die 
künstlich  aufgezogenen  Kinder  die  gleich  geringe  Sterblichkeit  auf- 
weisen,  wie  die  Brustkinder,  finde  ein  wesentlicher  Rückgang  in  der 
Qualität  und  auch  in  der  Quantität  der  Bevölkerung  statt. 

2)  Wesen,  Verhütung  und  Bekämpfung  der  akuten  spinalen 
Kinderlähmung  vom  Standpunkte  der  öffentlichen  Gesundheitspflege. 
Von  Dr.  Max  A  b  e  s  s  e  r  -  Greifswald. 

A  b  e  s  s  e  r  gibt  eine  ausführliche  Darstellung  der  gegen¬ 
wärtigen  Kenntnis  über  diese  Krankheit.  Danach  könne  mit  einer 
aii  Gewissheit  grenzenden  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden, 
dass  der  Erreger  ein  invisibles  Virus  sei.  Die  medizinische 
Wissenschaft  sei  deshalb  auf  die  klinische  Beobachtung  angewiesen. 
Die  Diagnose  sei  im  Anfangsstadium  kaum  möglich,  wenn  die  typi¬ 
schen  Lähmungen  auftreten,  sei  sie  leicht. 

Das  Inkubationsstadium  sei  auf  5 — 10  Tage  zu  berechnen.  Die 
ersten  plötzlich  auftretenden  Symptome  seien  häufig  Fieber  und  Er¬ 
brechen,  dem  Absinken  des  Fiebers  folgt  die  Lähmung. 

Völlig  unaufgeklärt  sei  die  epidemiologische  Erfahrungstatsache, 
dass  das  Auftreten  der  Krankheit  in  den  Sommer  falle,  jedenfalls 
im  Spätherbst  die  Seuche  erlösche.  Als  möglicher  disponierender 
Faktor  werde  Ueberhitzung  mit  plötzlicher  Abkühlung  der  Körper¬ 
oberfläche  in  vielen  Fällen  erwähnt. 

Eine  therapeutische  Beeinflussung  des  akuten  Stadiums  nach  ein¬ 
getretener  Krankheit  sei  bisher  noch  nicht  gelungen. 

Als  Schutzmassregeln  empfehlen  sich  Absonderung 
der  Kranken  für  die  Dauer  des  akuten  Stadiums,  eventuell  Ueber- 
fiihrung  in  ein  Krankenhaus;  da  wahrscheinlich  der  Erreger  in  den 
Ausscheidungen  des  Kranken,  vor  allem  im  Nasenrachenschleim  ent¬ 
halten  sei,  empfehle  sich,  letzteren  in  Gefässen  aufzufangen,  die  zur 
Hälfte  mit  desinfizierender  Flüssigkeit  gefüllt  seien.  Stuhl,  Urin  und 
Erbrochenes  seien  mit  verdünntem  Kresolwaser  oder  Kalkmilch  zu 
desinfizieren  usw. 

Schlussdesinfektion  werde  mittels  Formalin- 
apparates  vorgenommen. 

3)  Der  Einfluss  der  Erwerbs-  und  Arbeitsverhältnisse  der  Tabak¬ 
arbeiter  auf  ihre  Gesundheit.  Von  Dr.  Thiele- Varel  (Oldenburg). 

(Schluss  folgt.) 

4)  Zusammenfassende  Uebersicht. 

Alkoholismus  von  Dr.  H  o  1  i  t  s  c  h  e  r  -  Pirkenhammer  bei 
Karlsbad. 

5)  Besprechungen,  Referate,  Notizen. 

III.  Amtliche  Mitteilungen. 

Dr.  Spa  et- Fürth. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  13,  1913. 

1)  T  o  u  t  o  n  -  Wiesbaden :  Die  jetzigen  Heilmittel  der  Syphilis 
und  ihre  Anwendung  in  der  Praxis. 

Nach  Ansicht  des  Verfassers  ist  das  Quecksilber  das  noch  immer 
sicherste  Mittel  gegen  die  Syphilis.  Das  Salvarsan  hat  es  nicht  ver¬ 
drängt,  sondern  beide  bestehen  nebeneinander.  Die  Kombination  einer 
Quecksilberkur  mit  einigen  Salvarsaninfusionen  ist  z.  Z.  die  beste 
und  aussichtsreichste  Therapie.  Der  Verfasser  gibt  am  Schlüsse 
seiner  Ausführungen  (ohne  ein  Schema  aufstellen  zu  wollen)  einen  Be¬ 
handlungsplan  für  die  ganze  Krankheitsdauer. 

2)  C.  Gutmann  -  Wiesbaden :  Ueber  Parallelversuche  mit  Alt- 
und  Neosalvarsan. 

Ein  definitives  Urteil  zu  fällen  in  der  Frage  der  Beeinflussung 
der  Wassermannreaktion  durch  Alt-  und  Neosalvarsan,  erlaubt  das 
verhältnismässig  kleine  Vergleichsmaterial  dem  Verfasser  nicht.  In¬ 
dessen  für  unser  therapeutisches  Handeln  dürften  sich  aus  den  bei 
diesen  Versuchen  gewonnenen  Erfahrungen  folgende  Gesichtspunkte 
ergeben:  In  Anbetracht  der  auffallend  höheren  Zahl  fieberhafter 
Reaktionen  nach  wässerigen  Salvarsaninjektiotien  verwende  inan 
prinzipiell  nur  Kochsalzlösungen  zur  Infusion.  Ferner  im  Hinblick 
auf  die  geringeren  Nebenwirkungen  dürfte  es  sich  empfehlen,  bei 
Fällen  mit  sehr  ausgebreiteten  Erscheinungen  die  Kur  mit  Neo¬ 
salvarsan  durchzuführen  oder  wenigstens  zu  beginnen.  Um  das  Auf¬ 
treten  anaphylaktoider  Erscheinungen  zu  vermeiden,  die  ausnahmslos 
an  das  Altsalvarsan  gebunden  sind,  dürfte  es  angebracht  sein,  beide 
Präparate  kombiniert  anzuwenden. 

3)  P.  G.  Unna:  Tatsachen  über  die  Reduktionsorte  und  Sauer¬ 
stofforte  des  tierischen  Gewebes.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner 
physiologischen  Gesellschaft  am  24.  Januar  1913.) 

Die  Ausführungen  des  Verfassers  zeigen,  dass  im  tierischen 
Gewebe  starke  Gegensätze  bestehen,  welche  auf  die  funktionellen 
Beziehungen  der  Gewebselemente  zueinander  Licht  zu  werfen  ge¬ 
eignet  sind.  Die  Lehre  von  der  Gewebsatmung  wird  in  Zukunft  diese 
vorgebildeten  Gegensätze  der  Sauerstofforte  und  Reduktionsorte  im 
Gewebe  nicht  ausser  acht  lassen  dürfen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


S  April  1911 


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4)  Walther  S  c  h  m  i  d  t  -  Breslau :  Das  Ulcus  rotundum  duodeni 

im  ersten  Lebensjahr.  ....... 

Das  Ulcus  rotundum  duodeni  ist  im  ersten  Lebensjahr  hautigei 
als  iin  allgemeinen  angenommen  wird  und  zwar  tritt  es  im  ersten 
Lebensjahr  häufiger  als  in  den  7  nächsten  auf.  Jede  Erkrankung  des 
Kindes,  die  mit  einer  starken  Schwächung  des  Gesamtorganismus 
einhergeht,  begünstigt  das  Auftreten  des  Leidens. 

5)  Paul  K  r  a  u  s  e  -  Berlin:  Vergleich  der  Wirkung  von 
Thorium  X-  und  Röntgenstrahlen. 

Im  vorliegenden  Falle  konnte  die  Wirkung  von  Thorium  X  und 
der  Röntgenröhre  messbar  verglichen  werden.  Es  haben  sich 
210  elektrostatische  Einheiten  (=  2,1  Millionen  Macheeinheiten),  in 
6  Tagen  verabfolgt,  bzw.  390  elektrostatische  Einheiten,  in  3  Wochen 
verabfolgt,  nicht  gleichwertig  einer  Erythemdosis  der  Röntgenröhre 
gezeigt,  die  in  einer  Sitzung  verabfolgt  wurde. 

6)  A.  H  i  r  s  ch  b  e  r  g- Berlin:  Das  Thigenol  in  der  gynä¬ 
kologischen  Therapie.  ^  , 

Das  Thigenol  hat  sich  in  der  konservativen  Behandlung  der 
weiblichen  Unterleibsleiden  als  ein  wertvolles  und  zuverlässiges  Heil¬ 
mittel  erwiesen,  dort,  wo  ein  Schwefelpräparat  eine  therapeutische 
Wirkung  entfalten  kann. 

7)  Max  R  o  t  h  m  a  n  n  -  Berlin :  Gegenwart  und  Zukunft  der 
Riickenmarkschirurgie.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner  mediz. 
Gesellschaft  am  12.  Februar  1913.)  Schluss. 

Cf.  pag.  387  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

8)  v.  Tobold:  Technische  Neuheiten. 

Eine  transportable  Stirnlampe,  ein  Bronchitiskessel  mit  Alarm¬ 
vorrichtung,  ein  Extensionsrollenständer,  eine  praktische  Tropf¬ 
flaschenapotheke,  ein  Normalgelenkstuhl,  der  es  ermöglicht,  dass  die 
Lagerflächen  des  Stuhles  in  allen  Stellungen  dem  Körper  des  Patienten 
sich  anschmiegen,  eine  Beinlagerung,  ein  Augenschutzapparat  zum 
Abblenden  des  Lichtes,  eine  verstellbare  Klammer  zur  Knochen¬ 
fixierung  nach  Kniegelenkresektion,  ein  Apparat  zur  künstlichen 
Atmung,  Fingerlinge  aus  schwarzem  Leder,  für  jede  Grösse  ver¬ 
stellbar,  eine  Jodtinkturtransportilasche. 

9)  Bruno  Künne:  Die  Littlesche  Krankheit. 

Kritisches  Uebersichtsreferat.  Dr.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  13,  1913» 

1)  Oskar  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg:  Die  Behandlung  des  an¬ 
geborenen  Klumpfusses.  Klinischer  Vortrag. 

2)  K.  H  ü  r  t  h  1  e  -  Breslau :  Ueber  Förderung  des  Blutstroins 
durch  den  Arterienpuls. 

Untersuchungsergebnisse,  welche  teils  bei  Lähmung  der  Geiässe 
durch  Absperrung  der  Blutzufuhr,  teils  durch  ihre  Erregung  mittels 
Adrenalin,  Pituitrin  und  Digitalis  gewonnen  wurden,  weisen  darauf 
hin,  dass  die  Arterien  aktiv  durch  Kontraktion  ihrer  Muskelwand, 
welche  durch  die  pulsatorische  Druckschwankung  ausgelöst  wird, 
zur  Unterhaltung  des  Blutstromes  beitragen. 

3)  H.  Leo-  Bonn :  Ueber  die  Wirkung  gesättigter  wässriger 
Kampferlösung. 

Die  gesättigte  wässrige  Kampferlösung  enthält  etwa  2  Prom. 
Kampfer,  bei  Temperaturen  über  15°  weniger.  Bei  intravenöser  In¬ 
jektion  wirkt  diese  Lösung  ausserordentlich  viel  stärker,  als  das  sub¬ 
kutan  injizierte  Kampferöl,  auf  Zentralnervensystem,  das  Atemzentrum 
und  den  Zirkulationsapparat.  Bisher  sind  nur  Tierversuche  angestellt 
worden;  da  diese  bei  10  ccm  pro  Kilogramm  Tier  ausgesprochen 
toxische  Erscheinungen  erkennen  Hessen,  wird  erst  noch,  bevor  man 
die  therapeutische  Verwendung  beim  Menschen  heranzieht,  die  Gift¬ 
grenze  festzulegen  sein.  Ebenso  bedarf  die  anscheinend  spezifische 
Wirkung  des  Kampfers  gegen  Pneumokokkeninfektionen  noch  der 
weiteren  Prüfung. 

4)  Joh.  B  i  b  e  r  f  e  1  d  -  Breslau  :  Die  neuen  Arzneimittel  des  letz¬ 
ten  Jahres. 

Besprechung  der  verschiedenen  jüngeren  Opiumpräparate,  der 
Kombinationspräparate,  wie  Codeonal  und  Chineonal,  der  neueren 
Brompräparate.  Antipyretika,  Antineuralgika,  Desinfizientia  usw.,  zu¬ 
letzt  auch  des  Neosalvarsans. 

5)  B.  Möllers- Berlin:  Serologische  Untersuchungen  bei  Le¬ 
prösen. 

Das  Serum  solcher  Kranker,  welche  an  der  gemischten  oder 
tuberösen  Form  der  Lepra  leiden,  zeigt  sich  in  mindestens  95  Proz. 
der  Fälle  fähig,  mit  Tuberkulinpräparaten  einen  positiven  Ausfall  der 
Komplementbindungsreaktion  herbeizuführen;  der  Prozentsatz  ist  bei 
anderen  Formen  niederer,  am  kleinsten  bei  der  anästhetischen  Form. 
Bei  ausgeheilter  Lepra  ist  die  Reaktion  negativ. 

6)  Richard  M  ü  h  s  a  m  -  Berlin:  Chirurgische  Erfahrungen  im 
Deutschen  Roten-Kreuz-Lazarett  in  Belgrad. 

Von  den  296  in  Behandlung  gekommenen  Schussverletzungen 
mussten  durchschnittlich  20  Proz.  als  infiziert  angesehen  werden; 
schlechte  Transportverhältnisse  gaben  höhere  Ziffern.  Der  erste 
Verband  entsprach  durchaus  modernen  Anforderungen.  Unter  der 
Befolgung  des  Grundsatzes,  dass  im  Kriege  die  konservative  Behand¬ 
lung  der  Schussverletzungen  wenn  irgend  möglich  anzustreben  ist, 
wurden  nur  55  Operationen  vorgenommen,  darunter  eine  Trepanation, 
eine  Eröffnung  eines  perirenalen  Abszesses,  zwei  Amputationen,  zwei 
Aneurysmaoperationen,  eine  Laparotomie  wegen  Peritonitis,  eine 
Nervennaht,  eine  Neurolvse,  einige  Rippenresektionen,  Aufmeisse- 
lungeti  wegen  Osteomyelitis,  Kugelentfernungen. 


7)  Ludwig  S  c  h  1  i  e  p  -  Berlin :  Ueber  Gelenkschüsse. 

Vom  serbisch-türkischen  Kriegsschauplatz  wird  über  die  Er¬ 
fahrungen  mit  Gelenkschüssen,  darunter  48  Schussverletzungen 
grosser  Gelenke,  berichtet.  Es  zeigte  sich  hier  wie  überall  in  der 
Kriegschirurgie,  dass  die  konservative  Therapie  die  aussichtsreichste 
ist.  10,2  Proz.  der  Gelenkschüsse  waren  infiziert;  besonders  für  diese 
erwies  sich  die  Stauungshyperämie  als  ein  ganz  hervorragendes 
Mittel,  das  auch  prophylaktisch  angewendet  neben  der  Immobili¬ 
sierung  zweifellos  vorzüglich  wirkte. 

8)  L  o  t  s  c  h  -  Berlin:  Ueber  die  Wirkung  des  Spitzgeschosses. 

Das  türkische  Spitzgeschoss  hat  ein  Kaliber  von  7,65  mm  und  ein 

Gewicht  von  10  g.  Ueber  seine  Wirkung,  wie  sie  in  bulgarischen 
Spitälern  beobachtet  werden  konnte,  ist  zu  sagen,  dass  sie  sich  von 
der  des  früheren  Ogivalgeschosses  nur  wenig  unterscheidet.  Die  Zahl 
der  Steckschüsse,  sowie  der  Gefäss-  und  Nervenverletzungen  scheint 
zugenommen  zu  haben.  Die  Neigung  zu  Querschlägern  bedingt  eine 
grosse  Zahl  schwerer  Verletzungen.  Bei  glattem  Durchschlag  ist 
das  Spitzgeschoss  eine  sehr  humane  Waffe,  so  dass  die  Verwundeten 
oft  kurze  Zeit  nachher  schon  wieder  kampffähig  sein  können. 

9)  W.  A.  F  r  e  u  n  d  -  Berlin:  Ueber  das  Emphysem. 

Zur  Kritik  der  in  den  Charite-Annalen,  36.  Jahrgang  1912,  S.  74 
publizierten  Arbeit  des  Herrn  J.  Pie  sch. 

10)  E.  S  a  1  k  o  w  s  k  i  -  Berlin:  Zur  Harnanalyse. 

Bemerkungen  zu  der  Mitteilung  von  Peter  B  e  r  g  e  1 1  in  No.  42 

(1912)  dieser  Wochenschrift  (s.  No.  44.  1912  der  Münch,  med. 
Wochenschr.). 

11)  Christian  S  c  h  ö  n  e  -  Greifswald:  Ueber  die  praktische  Be¬ 
deutung  der  Blutdruckmessung  bei  der  Diphtherie. 

Entgegnung  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn  Sanitätsrat  Dr. 
B  r  ii  c  k  n  e  r  in  No.  8  dieser  Wochenschrift  (s.  No.  9  der  Münch,  med. 
Wochenschr.). 

12)  Max  Cohn -Berlin:  Der  Wurmfortsatz  im  Röntgenbiide. 

Nach  einem  Vortrage,  gehalten  in  der  Berliner  Gesellschaft  für 
Chirurgie  am  10.  Februar  1913,  ref.  in  No.  7  (1913)  der  Münch,  med. 

Wochenschr.  „  ,  . 

13)  Otto  Loose  und  Erich  S  t  e  f  f  e  n  -  Berlin :  Ueber  Corpora 
amylacea  im  endoskopischen  Befunde  der  hinteren  Harnröhre. 

Zwei  farbige  endoskopische  Bilder,  bei  welchen  die  in  den  Duc¬ 
tus  prostatici  sitzenden  als  Corpora  amylacea  bezeichneten  Konkre¬ 
mente  sehr  gut  zu  sehen  sind;  sie  stammen  von  einem  57  jährigen 
Manne,  der  über  blutige  Färbung  des  Samens  und  leichte  Schmerzen 
bei  der  Ejakulation  zu  klagen  hatte. 

14)  Max  H  e  n  i  u  s  -  Berlin  :  Der  heutige  Stand  der  Behandlung 

der  Arteriosklerose.  •  Baum-  München. 


Korrespondenzblatt  iür  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  8. 

K.  R  e  b  e  r :  Zur  Behandlung  der  Nachgeburtsperiode.  (Geburtsh. 
Klinik  Bern.) 

Die  Berner  Klinik  behandelt  in  normalen  Fallen  die  Nachgeburts¬ 
zeit  nach  der  D  u  b  1  i  n  e  r  M  e  t  h  o  d  e,  d.  h.  Abwarten  unter  ständiger 
Kontrolle  des  Uterus,  erst  nach  2  oder  mehr  Stunden  Expression  mit 
Crede,  wenn  die  Zeichen  der  Löung  der  Plazenta  vorhanden  sind. 
Gelingt  es  bei  stärkeren  Blutungen  nicht,  durch  die  gewöhnlichen  Mit¬ 
tel  (Kneten  des  Uterus,  Spülungen  etc.)  die  Blutung  zum  Stehen  zu 
bringen,  so  hilft  oft  der  Crede  sehe  Handgriff  in  Narkose,  so  dass 
man  keine  manuelle  Plazentarlösung  braucht.  Eine  Prüfung  beidei 
Methoden,  der  Dubliner  und  des  Crede  an  dem  gleichen  Ma¬ 
terial  ergab  für  erstere  bessere  Resultate,  was  Verf.  auch  zahlen- 
mässig  an  klinischen  und  poliklinischen  Fällen  nachweist. 

Stäubli-St.  Moritz:  Ueber  Varizellen  bei  Erwachsenen. 

(Schluss.)  _  •  „  ,  .  „■ 

Verf.  beschreibt  ausführlich  3  Fälle  von  Varizellen  bei  Er¬ 
wachsenen,  die  infolge  besonders  günstiger  äusserer  Verhältnisse, 
was  die  Fragen  der  Ansteckung  etc.  betrifft,  genau  beobachtet  wer¬ 
den  konnten.  Bei  einem  Kranken  waren  die  Effloreszenzen  sehr  deut¬ 
lich  infiltrierend,  hatten  teilweise  eine  zentrale  Delle  und  trü¬ 
ben,  meist  eitrig.en  Inhalt.  Pocken  waren  mit  Sicherheit  auszu- 
schliessen,  weil  jede  Ansteckungsfähigkeit  fehlte,  die  Patienten  (2  Brü¬ 
der)  4  mal,  zuletzt  vor  4  Jahren  geimpft  waren  (die  beiden  letzten 
Male  mit  ganz  schwacher  Reaktion)  und  weil  vor  allem  auch  das 
Blutbild  absolut  dagegen  sprach.  Nach  Kämmerer  besteht  bei 
Variola  Leukozytose  (10—20  000)  mit  starker  absoluter  Vermehrung 
der  Lymphozyten,  bei  Varizellen  dagegen  meist  Leuko¬ 
penie;  in  den  vorliegenden  Fällen  war  leichte  Leukopenie  mit  Ver¬ 
mehrung  der  grossen  Mononukleären  und  Uebergangsformen  vor- 
Uanrien  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 


Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  13.  J.  Bartel- Wien:  Das  Stadium  „lymphoider“  Latenz 
im  Infektionsgange  bei  der  Tuberkulose. 

Verf.  verteidigt  seine  Anschauungen  gegenüber  der  muorneis 


Schrift:  „Die  Skrofulöse“  enthaltenen  Kritik. 

B.  A.  H  o  u  s  s  a  y  -  Buenos  Aires:  Ueber  die  Kombination  voi 
Adrenalin  und  Hypophysin  und  deren  klinische  Verwendbarkeit. 

Durch  Kombination  von  Adrenalin  und  Hypophysin  lasst  s  cl 
intensivere  Wirkung  des  ersteren  mit  der  Protrahierten  Wirkung  des 
letzteren  verbinden  und  die  Dosis  des  relativ  giftigen  Adrenalins  ..in 


774 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14. 


das  harmlose  Hypophysin  herahsetzen.  Die  günstigste  Mischung  be¬ 
steht  in  4 — 5  Tropfen  der  1  prom.  Adrenalinlösung  und  1  ccm  des 
„aktiven  Bestandteils  der  Hypophyse“  oder  der  20  proz.  Verdünnung 
irgend  eines  anderen  Bestandteiles  des  Hinterlappens.  Diese  Lösung 
eignet  sich  zur  inneren  oder  subkutanen  Anwendung  bei  Schock  und 
Kollaps,  stürmischen  Intoxikationen  mit  Hypotension,  bei  Tachykardie 
und  Myocarditis  toxica.  Die  Kombination  erzielt  eine  stärkere  und 
anhaltendere  lokale  Ischämie  als  das  Adrenalin  allein.  Es  dürften  sich 
in  der  Ophthalmologie  und  Laryngologie  Versuche  zusammen  mit  den 
lokalen  Anästhetizis  empfehlen.  Das  Adrenalin  neutralisiert  die 
enterokinetische  Wirkung  des  Hypophysins,  der  aktive  Bestandteil 
der  Hypophyse  mindert  die  mydriatische  Wirkung  des  Adrenalins. 

W.  Q  e  s  s  n  e  r  -  Olvenstedt-Magdeburg:  Ueber  den  Fettston¬ 
wechsel. 

Q.  würdigt  in  einem  kurzen  Ueberblick  die  Bedeutung  der 
neueren  Forschungen  (Asch  off  und  seine  Schüler)  bezüglich  der 
Phloridzinwirkung,  der  Phosphor-,  Aether-  und  Alkoholanwendung, 
der  Phosphatide  in  der  Nahrung  (z.  B.  Bedeutung  des  Hafers  in  der 
Ernährung  der  Kinder  und  der  Zuckerkranken),  schliesslich  der  Er¬ 
nährung  mit  verschiedenen  Fettarten. 

K.  ölaessner  -  Wien :  Ueber  Pankreassteine. 

Pankreassteine  könnten  klinisch  öfter,  als  es  geschieht,  fest¬ 
gestellt  werden.  Krankengeschichten  von  4  Fällen  einer  Pankreas¬ 
erkrankung,  in  zweien  fanden  sich  Konkremente  im  Stuhl,  in  den 
beiden  anderen  handelte  es  sich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  um 
Pankreassteine.  Wichtig  ist  die  Untersuchung  des  Stuhles  nament¬ 
lich  zur  Zeit  nach  den  Schmerzanfällen,  ausserhalb  der  Koliken  kann 
der  Stuhl  ganz  normal  sein.  Die  Cammidge  sehe  Probe  war  nur 
in  einem  Fall  positiv,  spontane  Glykosurie  bestand  nur  einmal;  von 
Interesse  ist  es,  dass  die  —  vor,  im  und  nach  dem  Anfall  stets  posi¬ 
tive  —  alimentäre  Zuckerprobe  in  2  Fällen  nach  Zufuhr  von  Glykose 
von  Fieber  bis  39°  begleitet  war;  in  dem  einen  Fall  war  diese  Er¬ 
scheinung  wiederholt  geradezu  experimentell  festzustellen.  Radio¬ 
logisch  konnte  G.  die  Konkremente  nicht  nachweisen.  Therapeutisch 
schien  eine  Oelkur  verbunden  mit  reichlicher  Durchspülung  durch 
alkalische  Flüssigkeit  wirksam  zu  sein. 

H.  Ka  ha  ne -Wien:  Ueber  Angstzustände. 

Die  Analyse  dieser  mannigfachsten  Zustände  lässt  sich  in  Kürze 
nicht  wiedergeben.  Für  ihre  Behandlung  leistet  das  Duboissche 
„psychagogische“  Verfahren  in  vielen  Fällen  hervorragend  Gutes. 

A.  Mayer-  Tübingen :  Die  Lehre  B  o  s  s  i  s  und  die  Gynä¬ 
kologie. 

Verf.  erachtet  es  für  notwendig,  der  Lehre  B  ossis,  ins¬ 
besondere  aber  der  Art  und  Weise  ihrer  Ausbreitung  durch  die  Tages¬ 
presse,  wodurch  Irrtiimer  und  Schädigungen  hervorgerufen  werden, 
auch  vom  Standpunkt  des  Gynäkologen  energisch  entgegenzutreten. 
Die  Behauptungen  über  die  durch  gynäkologische  Eingriffe  herbei¬ 
geführte  Heilung  schwerer  Psychosen  sind  keineswegs  in  aus¬ 
reichender  wissenschaftlicher  Weise  bewiesen,  sie  widersprechen 
teilweise  —  u.  a.  namentlich  in  bezug  auf  die  Retroflexio  uteri  — 
der  allgemeinen  Erfahrung  und  sind  schon  deshalb  mit  besonderer 
Vorsicht  aufzunehmen,  da  nach  den  Veröffentlichungen  ein  guter  Teil 
dieser  Psychosen  anscheinend  auf  hysterischer  Grundlage  beruht. 

Prager  medizinische  Wochenschrift. 

No.  1.  H.  Wollin-Prag:  Chronische  Intussuszeption  als  Folge 
einer  iiberstandenen  Appendizitis. 

Der  Fall  entspricht  dem  einzig  bisher  bekannten,  gleichfalls  aus 
der  Bayer  sehen  Klinik  publizierten.  Er  entstand  durch  eine  an 
eine  Appendizitis  sich  anschliessende  Perikolitis,  indem  sich  zwischen 
der  Wand  eines  Haustrums  und  der  benachbarten  Wand  des  Zoekums 
eine  Verwachsung  und  damit  im  Innern  des  Darmes  eine  Wand- 
duplikatur  bildete;  an  dieser  staute  sich  der  Darminhalt  und  entstand 
allmählich  eine  lnvagination,  an  welcher  sich  das  Zoekum,  die 
Appendix  und  der  lleozoekaltibergang  beteiligten.  Es  ist  möglich, 
dass  derartige  Invaginationen,  aber  vorübergehender  Art,  sich  öfters 
an  eine  Appendizitis  anschliessen;  klinisch  treten  dabei  Anfälle  von 
Uebelsein,  Kolik,  Stuhl-  und  Windverhaltung  auf,  welche  bei  der 
spontanen  Lösung  der  lnvagination  wieder  schwinden. 

No.  4.  W.  P  1  ö  n  i  e  s  -  Hannover:  Die  Auskultophonation  als 
Unterswehungsmethode  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Technik 
der  Lungenuntersuchung  und  der  aus  frühester  Kindheit  stammenden 
tuberkulösen  Lungeninfektion. 

P.  stellt  fest,  dass  die  von  ihm  seit  langem  geübte  Methode  der 
Auskultophonation  schon  in  gleicher  Weise  im  Jahre  1908  von 
E.  Schlesinger  und  zwar  als  Phonometrie  beschrieben  worden 
ist.  Die  Uebereinstimmung  der  guten  Resultate  spricht  für  den  Wert 
der  Methode. 

No.  8.  E.  H  a  i  m  -  Budweis :  Ueber  Lokalanästhesie  in  der 
kleinen  operativen  Gynäkologie. 

verwendet  eine  1 — 2  proz.  Novokain-Suprareninlösung 
(Höchster  Mischung  in  Tabletten)  und  ist  sehr  zufrieden  mit  den 
Ei  folgen,  z.  B.  bei  der  aus  verschiedenen  Gründen  indizierten  Dila¬ 
tation  des  Zervikalkanals  mit  Hegarstiften,  die  übrigens  unter  dieser 
Leitungsanästhesie  nicht  nur  schmerzlos,  sondern  auch  leichter  vor 
sich  geht.  Aehnlich  ist  die  Lokalanästhesie  zu  verwenden  bei  der 
Abtragung  von  Hämorrhoidalknoten,  zur  Anästhesierung  des  Dammes 
bei  der  Geburt  und  für  die  Dammnaht,  ferner  die  Dammplastik,  wie 


für  kleine  Eingriffe  an  der  Vagina  und  der  Zervix,  schliesslich  sogar 
bei  der  Alexander-Adams  sehen  Operation. 

No.  9.  C.  M  i  c  h  e  j  d  a  -  Olmiitz:  Zur  Behandlung  der  chirur¬ 
gischen  Tuberkulose  mit  Mesbß. 

Verf.  empfiehlt  anschliessend  an  6  kurze  Krankengeschichten 
einen  Versuch  mit  Mesbe,  dem  er  eine  allgemein  roborierende  und 
eine  günstige  lokale  Wirkung  auf  die  Wundheilung  zuerkennt. 

No.  9.  W.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Berlin :  Wir  praktischen  Aerzte  und 
das  Appetitproblem. 

Es  sei  nur  kurz  hervorgehoben,  dass  St.  das  Versagen  des 
Appetites  auf  Fleisch  (Bouillon)  und  den  Abscheu  vor  Fleisch  als  ein 
wichtiges  diagnostisches,  sogar  differentialdiagnostisches  Zeichen  für 
Karzinom  bezeichnet;  allerdings  ist  es  kein  Frühsymptom,  sondern 
vielmehr  scheint  es  für  eine  allgemeine  Karzinosis,  also  prognostisch 
im  ungünstigsten  Sinn  zu  sprechen.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Otologie. 

H.  Streit:  Weitere  Beiträge  zur  Histologie  und  Pathologie  der 
Meningitis  und  Sinusthrombose.  (Arch.  f.  Ohrenheilk.,  Bd  S9 
H.  3  u.  4.) 

Der  Ausgangspunkt  für  die  tierexperimentellen  Untersuchungen 
war  die  Frage  der  bakteriellen  Einwirkung  bei  der  Entstehung  von 
Entzündungen  an  der  Durainnenfläche  resp.  den  Leptomeningen,  ob 
die  Anfänge  der  Entzündung  daselbst  vom  Eindringen  der  Bakterien 
in  den  Intraduralraum  abhängen  oder  ob  eine  rein  toxische  Wirkung 
von  extradural  befindlichen  Bakterien  hiezu  genügt.  Bakterielle  Reize 
an  der  Duraaussenfläche  haben  fast  stets  entzündliche  Veränderungeil 
auf  deren  Innenseite  zur  Folge,  deren  Weitergreifen  nach  dem  bub¬ 
duralraum  bzw.  den  weichen  Hirnhäuten  das  Endothel  der  Dura- 
innen-  und  Arachnoideaaussenfläche  erheblichen  Widerstand  zu  bieten 
vermag.  Die  Pachymeningitis  intern,  ist  gewöhnlich  bakterieller  resp. 
bakteriell-toxischer  Herkunft,  selten  beruht  sie  auf  toxischer  Feru- 
wirkung  extraduraler  Bakterienanhäufungen;  im  Subdural-  und  Pia- 
arachnoidealraum  scheinen  dagegen  der  Fortentwicklung  der  Bak¬ 
terien  bedeutende  antibakterielle  Kräfte  entgegenzustehen.  Str.  gibt 
eine  sehr  eingehende  Beschreibung  der  Histologie  und  Pathologie  der 
Entzündungen  an  der  Dura  und  den  Leptomeningen,  sowie  der  Menin¬ 
gitis  serosa  und  der  Sinusthrombose  unter  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  der  ersten  Stadien  der  Erkrankung. 

E.  Urban  tschitsch  -  Wien :  Der  Einfluss  otogener  Er¬ 
krankungen  auf  die  Blutgerinnung.  (Aus  der  k.  k.  Universitäts- 
Ohrenklinik  Wien.)  (Monatsschr.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  16,  H.  9.) 

In  allen  Fällen  von  Pyämie  wurde  eine  ganz  erhebliche  Be¬ 
schleunigung  der  Blutgerinnung  beobachtet;  ebenso  wie  bei  Throm¬ 
bose  wurde  eine  derartige  Beschleunigung  auch  bei  anderen  intra¬ 
kraniellen  Komplikationen  (Hirnabszess)  konstatiert.  Ueber  die  Be¬ 
schaffenheit  der  Sinusthrombose  gab  die  Methode  keinen  Aufschluss. 
Normal  oder  gar  etwas  verzögert  war  die  Blutgerinnung  in  den 
Fällen  von  Sepsis. 

Fr.  Siebenmann  -  Basel:  Ein-  und  gleichseitige  Lähmung  der 
Vagus-,  Akzessorius-,  Glossopharyngeusgruppe  als  Folge  von  Schädel¬ 
bruch,  von  Erhängungsversuch  und  von  Sinusthrombose.  (Zeitschr. 

f.  Ohrenheilk.,  Bd.  65,  H.  2  u.  3.) 

Im  Anschluss  an  eine  kasuistische  Zusammenstellung  und  Be¬ 
sprechung  derartiger  komplizierter  Lähmungen  veröffentlicht  S.  aus 
der  Baseler  Klinik  einen  Fall  von  Mittelohreiterung,  in  deren  Verlauf 
sich  eine  gleichseitige  Lähmung  des  Gaumens,  der  hinteren  Rachen¬ 
wand,  sowie  Rekurrensparese  am  Stimmband  einstellte.  Ursache 
dieser  hochsitzenden  peripheren  Vaguslähmung  war  eine  Thrombose 
des  Bulb.  ven.  jugul. 

E  s  c  h  weiler-  Bonn :  Zur  Stauungstherapie  der  akuten 
Mastoiditis  und  schweren  Otitis.  (Ebenda.) 

E.  befürwortet  unter  genauer  Berücksichtigung  der  Kontraindi¬ 
kationen  die  Anwendung  der  Stauungshyperämie  bei  Otitis  media  und 
Mastoiditis.  (Die  Stauung  bei  Ohreiterungen  ist  nur  mit  grösster 
Vorsicht  verwendbar.  Die  Möglichkeit,  dass  durch  sie  das  Entstehen 
ernsterer  Komplikationen  verschleiert  wird,  muss  stets  berücksichtigt 
werden.  Ref.) 

W  i  1 1  m  a  a  c  k  und  Lanrowitsch-  Jena :  Ueber  artifizielle, 
postmortale  und  agonale  Beeinflussung  der  histologischen  Befunde 
im  inembranösen  Labyrinthe.  (Ebenda.) 

Die  Schwierigkeit  einer  einwandfreien  Deutung  der  histologischen 
Befunde  veranlasste  W.  und  L.  zu  ausgedehnten  diesbezüglichen 
Untersuchungen.  Die  bei  der  Herstellung  des  Präparates  durch 
mechanisch-physikalische  Schädigungen  auftretenden  Veränderungen 
lassen  sich  relativ  leicht  als  artifiziell  erkennen.  Als  postmortal  be¬ 
zeichnen  die  Verfasser  die  durch  das  allmähliche,  reizlose  Aus¬ 
klingen  der  Lebenstätigkeit  der  Zellen  bedingten  Veränderungen,  als 
agonal  solche,  die  beim  Absterben  einzelner  Zellgruppen  unter  gleich¬ 
zeitiger  Einwirkung  erregender  bzw.  reizender  Einflüsse  Zustande¬ 
kommen  (Anhäufung  von  Krankheitsgiften  in  der  Agone,  Behandlung 
der  Präparate  mit  Chemikalien  vor  der  Fixierung,  ferner  auch  zu 
langsame  Durchtränkung  der  Gewebe  mit  der  Fixierungsflüssigkeit). 
Postmortale  und  agonale  Veränderungen  finden  sich  fast  ausschliess¬ 
lich  am  Epithel  der  Sinnesendapparate,  und  besonders  am  Nerven¬ 
gewebe  lassen  sich  ihre  unterscheidenden  Merkmale  deutlich  er¬ 
kennen;  welcher  Art  die  letzteren  sind,  kann  hier  nur  angedeutet 
werden:  am  Sinnesendapparat  ist  die  Umwandlung  der  ursprünglichen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


775 


April  1913. 


i  orm  in  eine  kugelige  unter  Auflösung  des  Zellgcfiiges  für  post- 
i  tale  Veränderungen  charakteristisch,  das  Auftreten  von  Aus- 
idungsprodukten  für  agonale  Veränderungen;  am  Nervengewebe 
.ui  postmortal  die  Struktur-,  agonal  die  Konturveränderungen 
en  Vordergrund.  Für  die  Beurteilung  von  Labyrinthbefunden  ist 
von  Wichtigkeit,  dass  agonale  (also  auch  durch  mangelhafte 
erung  gesetzte)  und  intravital  erworbene,  auf  elektiver  Schädi- 
r  einzelner  Zellgruppen  beruhende  Veränderungen  histologisch 
•he  Bilder  liefern;  eine  Unterscheidung  lässt  sich  nur  durch  Ver- 
;h  der  beiderseitigen  Gewebselemente,  spez.  der  verschiedenen 
.enbahnen  ermöglichen. 

L  i  n  k  -  Königsberg:  Beitrag  zur  Klinik  und  Anatomie  der  tympa- 
n,  eitrigen  Perforationslabyrinthitis.  (Universitäts-Ohrenklinik 
igsberg.)  (Ebenda.) 

Während  beim  Eintritt  einer  akuten  Mittelohrentzündung  an  der 
yrinthwand  überall  gleichmässig  widerstandsfähiges  Gewebe  vor- 
t,  bestehen  bei  der  Otit.  med.  purul.  chron.  teils  durch  den 
nkheitsprozess  verstärkte,  teils  aber  auch  durch  rarefizierende 
tis  geschwächte  Stellen  (Rezessus  und  Promontorium).  Prü- 
■ctionsstelle  für  den  Labyrintheinbruch  bei  chronischer  Mittelohr- 
rung  ist  der  im  engen  Rezessus  gelegene  horizontale  Bogengang, 
der  akuten  Mittelohreiterung  verhindert,  von  schweren  Infek- 
en  u.  a.  abgesehen,  die  knöcherne  Labyrinthkapsel  das  Ueber- 
fen  der  Entzündung  von  dem  mittleren  ins  innere  Ohr,  auch  die 
nbranösen  Fenster  sind  im  allgemeinen  durch  die  reaktive  Ge- 
nsschwellung  geschützt;  beim  Fehlen  dieses  Schutzes  (Infektions- 
nkheiten  u.  a.)  sind  sie  aber  durch  Retention  des  Eiters  in  den 
sternischen  besonders  gefährdet,  speziell  das  runde  Fentser  infolge 
engen  Oeffnung  seiner  Nische  nach  der  Paukenhöhle. 

A.  K  n  i  c  k  -  Leipzig;  Pathologische  Histologie  des  Ohrlabyrinths 
h  Durchschneidung  des  Nervus  acusticus.  (Aus  der  oto-laryngo- 
schen  Universitäts-Klinik  Leipzig.)  (Zeitschr.  f.  Ohrenheilkunde, 
65,  H.  4.) 

Der  Frage,  wo  bei  der  nervösen  Schwerhörigkeit  der  Ursprung 
beobachteten  regressiven  Veränderungen  am  Nervenendapparat, 
l  Cor  tischen  Organ,  liege:  im  Nervenstamm  oberhalb  des  Gang¬ 
spirale  oder  primär  im  Endorgan  selbst,  versuchte  Knick  auf 
experimentellem  Wege  näher  zu  treten  durch  Beobachtung  der 
gen  am  peripheren  Neuron  nach  Durchschneidung  des  Akustikus- 
nmes.  Da  gleichzeitig  mit  der  Durchtrennung  des  Nerven  sich 
;  Verletzung  der  denselben  begleitenden  Labyrinthgefässe  nicht 
meiden  liess,  sind  die  im  Labyrinth  darnach  auftretenden  Ver- 
erungen  auf  die  durch  die  Gefässverletzung  gesetzten  Ernährungs¬ 
rungen  zurückzuführen  und  nicht  als  sekundäre  Folge  der  Nerven- 
chschneidung  anzusehen.  Die  hiebei  beobachteten  Veränderungen, 
generation  der  Labyrinthnerven  und  der  Endorgane,  können^  zur 
rung  der  nervösen  Schwerhörigkeit  bei  Erkrankung  und  Ver¬ 
eng  der  Labyrinthgefässe  (Arteriosklerose,  Lues)  herangezogen 
rden.  Bei  den  wenigen  Fällen,  in  denen  die  Nervendurchtrennung 
te  Gefässverletzung  gelang,  liess  sich  für  den  Nerv,  vestibul.  fest- 
llen,  dass  eine  Verletzung  seiner  Nervenfasern  oberhalb  des  Ggl. 
tibul.  keine  Degeneration  des  peripheren  Abschnittes  (Ganglion, 
venfasern  und  Sinnesorgan)  zur  Folge  hatte.  Das  Verhalten  des 
cochlear.  nach  Akustikusverletzung  bei  erhaltenen  Gefässen  ist 
:h  nicht  sichergestellt;  nach  den  bisherigen  Untersuchungen  er- 
eint  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  sein  peripherer  Abschnitt  auch 
h  supraganglionärer  Verletzung  atrophiert. 

V.  U  c  h  e  r  m  a  n.n  -  Christiania :  Die  durch  suppurative  Mittel¬ 
entzündungen  verursachten  Labyrinthkrankheiten.  Komplika- 
len,  Diagnose  und  Behandlung.  (Zeitschr.  f.  Ohrenheilkunde,  Bd.  66, 
1  und  2.) 

Der  Aufsatz,  ein  Referat  zum  I.  skandinavischen  Oto-Laryngo- 
en-Kongress  1911,  bespricht  die  endokraniellen  Komplikationen  bei 
npanogener  Labyrintheiterung. 

K.  L  ii  d  e  r  s  -  Wiesbaden :  Blutungen  bei  der  Parazentese  des 
ammelfelles.  (Ebenda.) 

Verf.  teilt  einen  Fall  von  wiederholter  Sinusblutung  nach  Para- 
ltese  bei  Otit.  med.  acuta  mit,  der  infolge  hinzutretender  Pyämie 
al  endigte.  Infektions-  und  Konstitutionskrankheiten  verursachen 
stärkere  Blutung  bei  der  Parazentese;  selten  —  bisher  sind  8  Fälle 
röffentlicht  —  ist  eine  Verletzung  des  im  Boden  der  Paukenhöhle 
teilen  freiliegenden  Bulbus  ven.  jugul.  die  Ursache  der  Blutung. 

R  i  c  h  t  e  r  -  Plauen  i.  V.;  Exstirpation  des  vestibulären  Laby- 
thes  mit  Kleinhirnabszessoperation,  ferner  ein  neues  Refiex- 
änomen.  (Ebenda.) 

Geheilter  Fall  von  Kleinhirnabszess  nach  Labyrintheiterung 
ekrose  anscheinend  nur  des  vestibulären  Teiles).  Hält  man  die 
mmischläuche  eines  Membransthetoskopes  in  die  Gehörgänge  und 
st  die  Branchen  einer  vibrierenden  Stimmgabel  gegen  die  Mem- 
lu  antrommeln,  so  wird  durch  das  starke  Geräusch  ein  deutlicher 
ireflex  ausgelöst,  ln  dem  vorliegenden  Falle  Hessen  sich  Anzeichen 
n  erhaltener  Hörfunktion  auf  dem  labyrinthoperierten  Ohre  fest- 
ilen.  Da  die  Schnecke  bei  der  Operation  erhalten  blieb,  bei  der 
»rpriifung  sich  aber  Störungen  in  der  Beurteilung  der  Schallstärke 
d  -richtung  zeigten,  ist  Verf.  geneigt,  ersterer  die  Qualität  des 
irens,  dem  Vestibulum  die  Quantität  und  den  Bogengängen  die 
ahrnehmung  der  Schallrichtung  zuzuschreiben.  Ref.  glaubt,  dass 
m  Vestibulum  und  den  Bogengängen  zu  viel  zugemutet  ist.  Die 


Orientierung  über  die  Schallrichtung  geschieht  durch  die  gegenseitige 
Unterstützung  beider  Ohren. 

M.  Q  o  e  r  k  e  -  Breslau :  Die  Leichenveränderungen  im  Ohrlaby- 
rinthe  und  ihre  Diagnose.  (Internat.  Zentralbl.  i.  Ohrenheilkunde, 
Bd.  X,  H.  12.) 

Verf.  referiert  über  die  wichtigsten,  in  letzter  Zeit  erschienenen 
diesbezüglichen  Arbeiten  und  gibt  einen  Ueberblick  über  den  der¬ 
zeitigen  Stand  der  wissenschaftlichen  Ergebnisse.  B  e  v  e  r. 

Inauguraldissertationen.') 

Uebeudie  Funktionsprüfung  des  Pankreas,  ins¬ 
besondere  mittels  Monojodbehensäureäthylester 
(Winternitz’  Diagnostikum)  hat  Paul  Sy  ring  am  St. 
Elisabethenkrankenhaus  in  Halle  Untersuchungen  angestellt,  über 
die  er  in  einer  Leipziger  Dissertation  berichtet.  Er  hat  zunächst  in 
Vorversuchen  festgestellt,  dass  Jodipin  auch  bei  nüchterner  Aufnahme 
gespalten  und  resorbiert  wird,  so  dass  bald  nach  der  Aufnahme  die 
Jodreaktion  im  Harn  positiv  wird.  Winternitz  hat  Mono¬ 
jodbehensäureäthylester,  eine  dünnölige  Flüssigkeit  mit 
25  proz.  Jodgehalt,  zum  Nachweis  der  Störung  der  Fettverdauung 
empfohlen.  Bei  nüchterner  Aufnahme  von  3 — 4  ccm  des  sogen. 
Winternitzschen  Diagnostikums  soll  man  nach 
Winternitz  3 — 5  Stunden  später  im  Urin  in  der  Regel  kein  Jod 
finden.  Zahlreiche  Versuche  bei  nüchternem  Magen  ergaben,  dass 
das  Diagnostikum  in  96  Proz.  der  Fälle  ungespalten  bleibt,  während 
in  allen  Versuchen,  in  denen  der  Ester  mit  einem  Probefrühstück  ge¬ 
reicht  wurde,  eine  genügende  Spaltung  und  Resorption  eintrat,  um 
innerhalb  3 — 5  Stunden  den  Jodnachweis  im  Harn  zu  ermöglichen. 
Damit  ist  die  Grundlage  gegeben,  um  eine  Funktionsprüfung  des  Pan¬ 
kreas  bezw.  eine  Erkrankung  desselben  zu  erkennen,  insofern  in 
solchen  Fällen  trotz  gleichzeitiger  Nahrungsaufnahme  die  Spaltung 
und  Resorption  des  Esters  und  damit  auch  die  Ausscheidung  von  Jod 
im  Harn  unterbleibt.  Wenn  bei  Einnahme  von  5  ccm  des  Diagno¬ 
stikums  mit  gleichzeitiger  Nahrungszufuhr  in  den  nächsten  24  Stunden 
die  Jodreaktion  ausbleibt,  kann  mit  Sicherheit  auf  eine  Pankreas¬ 
insuffizienz  geschlossen  werden.  (Leipzig  1913,  36  S.,  Emil  Leh¬ 
mann.)  Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Freiburg.  März  1913. 

Engelhardt  Leopold:  Ueber  den  Nachweis  von  Tuberkelbazillen 
im  aspirablen  Staub. 

E  n  g  e  1  k  i  n  g  Ernst :  Intraligamentär  entwickelte  Eierstockschwan¬ 
gerschaft. 

Gelderblom  Ernst:  Die  Entwicklung  des  Kystoskops. 
Hoppenstedt  Günther:  Die  Imitation  der  biologischen  Strahlen¬ 
wirkung. 

PI  och  er  Richard:  Zur  Frage  des  kompletten  Dammrisses. 

Re  dicker  Walter:  Ueber  sekundäre  Entzündung  bei  Gliom  der 
Retina. 

Schlund  Eduard:  Ueber  das  primäre  Karzinom  der  Vagina. 

St  oll  A.:  Neuere  Methoden  in  der  Behandlung  des  Nabelschnur¬ 
restes. 

Woerner  Robert:  Ueber  die  mit  Kalkablagerung  einhergehende 
Entzündung  der  Schultergelenk- Schleimbeutel. 

Universität  Greifswald.  März  1913. 

Müller  Friedrich:  Ueber  einen  Fall  von  ganz  enormer  zystischer 
Entartung  beider  Lungen. 

Raschke  Walther :  Intelligenzprüfungen  und  Assoziationsversuche 
an  Kindern. 

Forbrich  Fritz  Otto:  Die  submuskuläre  Trepanation  der  Sklera 
bei  Glaukom. 

Kempe  Georg:  Ein  Fall  von  Dermoid  der  behaarten  Kopfhaut. 

Universität  Rostock.  März  1913. 

Steinbuch  Friedrich:  Erfahrungen  über  Trigemin. 

Trögle  Franz:  Ueber  die  normale  und  pathologische  Physiologie 
der  Hypophysis  cerebri  nebst  einem  Beitrag  zur  Differential¬ 
diagnose  der  mit  Störungen  der  Hypophysenfunktion  verlaufenden 
intrakraniellen  Prozesse. 

Kohn  Karl:  Ueber  einen  Fall  von  Tuberkulose  der  Iris  und  der 
Sehnervenscheiden  beim  Rinde. 

Guthke  Franz:  Die  Tätigkeit  des  Institutes  für  öffentliche  Gesund¬ 
heitspflege  zu  Rostock  zur  Ermittelung  und  Bekämpfung  über¬ 
tragbarer  Krankheiten  im  Jahre  1910. 

Büntgen  Eva:  Ueber  Zerreissungen  der  äusseren  Augenmuskeln. 

Universität  Strassburg.  März  1913. 

Gillerson  Reisa:  Die  wahre  Luxation  der  Hand. 

Gross  Emil:  Das  Me  ekel  sehe  Divertikel  als  Ursache  der  Invagi- 
nation  des  Dünndarmes. 

Viville  Gaston:  Die  Beziehungen  der  Menstruation  zum  Allgemein- 
organismus  bei  gynäkologischen  Erkrankungen. 


B  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


776 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26. — 29.  März  1913. 

(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  Katzenstein.) 

1.  Hauptthema:  Behandlung  der  Knochen-  und  Gelenktuberkulose. 

Referent :  Herr  Qarre  -  Bonn. 

Als  Leiter  der  chirurgischen  Kliniken  in  Rostock,  Königsberg, 
Breslau  und  Bonn  hat  Vortr.  seit  19  Jahren  1000  Fälle  von  Knochen- 
und  Gelenktuberkulose  stationär  behandelt.  Für  den  Erfolg  der  Be¬ 
handlung  sind  lediglich  spät  unternommene  Nachuntersuchungen  mass¬ 
gebend.  Diese  hat  Vortr.  in  einer  möglichst  grossen  Anzahl  aus¬ 
geführt.  Die  Behandlung  soll  nicht  einseitig  sein,  sondern  möglichst 
modifiziert  werden,  je  nach  dem  Alter,  den  sozialen  Verhältnissen, 
sowie  auch  nach  dem  jeweiligen,  dem  betreffenden  Chirurgen  zur 
Verfügung  stehenden  Krankenmaterial,  das  in  den  verschiedenen 
Gegenden  und  Krankenhäusern  ganz  verschieden  ist.  Verschieden 
war  auch  die  Behandlung  der  Tuberkulose  in  den  einzelnen  Gelenken. 

Die  Schultergelenkstuberkulose  wurde  meistens  mit 
Jodoforminjektionen  konservativ  behandelt.  Die  Resultate  waren  be¬ 
züglich  der  Ausheilung  gut,  sie  erfolgte  jedoch  fast  ausnahmslos  mit 
volkommener  Ankylose.  Nur  in  einem  Falle,  bei  dem  es  zu  einer 
Atrophie  des  Caput  humeri  kam,  trat  Beweglichkeit  im  Gelenk  ein. 
Die  Resektion  wurde  nur  in  schweren  Fällen  vorgenommen,  und 
zwar  nach  Langenbecks  Methode.  Von  22  nachuntersuchten 
Fällen  zeigte  sich  als  Höchstmass  auf  V*  verminderte  Kraft  und  auf 
3  verminderte  Beweglichkeit. 

Bei  der  Tuberkulose  des  Ellbogengelenks  wurde  im  kind¬ 
lichen  Alter  meist  konservativ  verfahren  und  die  Jodoforminjektion 
mit  Fixation  des  Gelenkes  angewendet.  Bei  Erwachsenen  wurde 
die  Resektion  bevorzugt.  22  Fälle  von  Resektion  konnten  nachunter¬ 
sucht  werden,  hiervon  waren  19  Fälle  vollkommen  ausgeheilt,  11  Fälle 
vollkommen  leistungsfähig  bei  bestehender  Ankylose.  Es  wurde 
niemals  Schlottergelenk  beobachtet  und  bisher  nie  Muskelinterposition 
nach  Helfer  ich  zwecks  Erzielung  einer  Beweglichkeit  ausgeführt. 
Die  Eröffnung  des  Gelenkes  bei  der  Resektion  wurde  vermittelst  des 
O  1 1  i  e  r  sehen  Schnittes  ausgeführt. 

Bei  der  Tuberkulose  des  Handgelenkes  waren  die  Re¬ 
sultate  bei  konservativer  Behandlung  sehr  günstig.  Weniger  er¬ 
freulich  waren  die  Erfolge  bei  der  Resektion.  Diese  sollte  niemals 
in  typischer  Weise  ausgeführt  werden,  da  aus  naheliegenden  Gründen 
alsdann  die  funktionellen  Resultate  ungünstig  sind. 

Die  H  ii  f  t  g  e  1  e  n  k  s  t  u  b  e  r  k  u  1  o  se  wurde  ebenfalls  vorzugs¬ 
weise  konservativ  behandelt.  Kontrakturen  in  Flexionsstellung  ver¬ 
suchte  man  durch  Extensionsverband  in  bessere  Stellungen  überzu¬ 
führen,  das  Brisement  zum  gleichen  Zwecke  ist  durchaus  zu  ver¬ 
meiden.  War  die  Stellung  gut,  dann  wurde  sofort  der  fixierende  und 
entlastende  Geh-Gipsverband  angewendet.  Jodoforminjektionen  wur¬ 
den  nur  bei  der  abszedierenden  Form  der  Hüftgelenkstuberkulose 
angewendet.  War  der  Prozess  ausgeheilt,  so  wurde  zur  Ver¬ 
meidung  einer  sekundären  Flexionskontraktur  ein  sog.  Badehosen- 
Gipsverband  mit  freiem  Kniegelenk  angelegt.  Die  Ausheilung  der 
Hüftgelenkstuberkulose  nahm  im  Durchschnitt  eine  Dauer  von 
3  Jahren  in  Anspruch.  Die  Resektion  wurde  auch  bei  Zerstörung  des 
Schenkelhalskopfes  sowie  der  Pfanne  vermieden.  Sie  wurde  nur  aus 
vitalem  Interesse,  nicht  zur  Besserung  der  Resultate  ausgeführt,  bei 
Eiterungen  mit  Fieber,  sowie  bei  der  schweren  fungösen  Form,  bei 
der  das  Allgemeinbefinden  in  hohem  Masse  gestört  ist.  Im  allge¬ 
meinen  operierte  Vortr.  nach  König,  nur  wenn  der  Sequester  vorne 
lag,  wurde  der  H  ü  t  e  r  -  S  c  h  e  d  e  sehe  Schnitt  angewendet.  Die 
Nachuntersuchung  ergab  bei  den  konservativen  Fällen  ein  wesentlich 
günstigeres  Resultat  als  in  den  Fällen,  wo  operiert  werden  musste. 

Die  Kniegelenkstuberkulose  ist  die  Form  der  Ge¬ 
lenkstuberkulose,  bei  der  Ref.  vorzugsweise  die  Resektion  anwendet. 
Er  hat  sie  in  268  Fällen  ausgeführt  und  wendet  den  T  e  x  t  o  r  sehen 
Querschnitt  an.  Bei  Kindern  muss  zur  Vermeidung  der  sekundären 
Flexionskontraktur  jahrelang  eine  Hülse  getragen  werden.  Von  188 
Nachuntersuchungen  waren  14  gestorben,  7  davon  an  Tuberkulose, 
ln  den  174  Testierenden  Fällen  war  de  Tuberkulose  in  92  Proz.  aus¬ 
geheilt.  Bei  der  Resektion  im  kindlichen  Alter  wird  die  Epiphyse 
möglichst  geschont,  der  Knorpel  oberflächlich  mit  dem  Messer  weg¬ 
geschnitzt.  Infolgedessen  war  in  den  meisten  Fällen  die  Verkürzung 
der  Extremität  nicht  sehr  hochgradig.  Bei  einer  Verkürzung 
bis  zu  3  cm  ist  sie  ohne  Bedeutung.  Nur  wenn  die  Epiphysenknorpel 
durch  den  tuberkulösen  Prozess  zerstört  waren,  wurde  später  eine 
grössere  Verkürzung  beobachtet.  Bei  entsprechender  Nachbehand¬ 
lung  sind  Flexionskontrakturen  vollkommen  vermeidbar.  In  14  Proz. 
der  Nachuntersuchungen  wurden  stärkere  Kontrakturen  beobachtet, 
bei  31  Proz.  war  eine  Kontraktur  bis  zu  150°  vorhanden,  und  in 
53,4  Proz.  war  überhaupt  keine  Kontraktur  nachweisbar.  Das  Ge¬ 
samtresultat  bei  der  Kniegeienkstuberkulose  war  ein  ausserordent¬ 
lich  günstiges,  da  die  Funktion  des  Beines  sowie  die  Stellung  im 
Kniegelenk  in  83  Proz.  der  nachuntersuchten  Fälle  ein  gutes  war. 
Aus  diesem  Grunde  wird  die  Kniegelenkstuberkulose  auch  im  Kindes¬ 
alter  besser  operiert  als  konservativ  behandelt. 

Die  Fussgelenkstuberkulose  (220  Fälle)  wurde  in 
60  Proz-  konservativ  und  in  40  Proz.  operativ  behandelt.  Die  Re¬ 


sektion  wurde  bei  schwerem  Fungus,  bei  Sequestern  und  in  Fälle 
von  Eiterung  vorgenommen.  Von  87  Resektionen  waren  die  Half 
Kinder,  ein  Viertel  im  zweiten  Lebensdezennium.  Die  Resektion  di 
Fussgelenks  wurde  nach  König  ausgeführt.  Die  Resultate  dürfen 
bezug  auf  die  definitive  Ausheilung  der  Tuberkulose  und  vor  alle 
in  bezug  auf  guie  Gelenkbeweglichkeit  als  sehr  gut  bezeichnet  we 
den  (80  Proz.). 

Im  Anschluss  an  diese  Schilderung  seines  Beobachtungsmateria 
geht  Ref.  noch  auf  Einzelheiten  neuer  Behandlungsmethoden  ei 
Wegen  der  Gefahr  der  Sekundärinfektion  warnt  er  vor  der  Inzisk 
von  Abszessen.  Fisteln  sollen  möglichst  durch  Resektion  des  tube 
kulösen  Herdes  zur  Ausheilung  gebracht  werden.  Bei  der  Sta 
ungsbehandlung  hat  Ref.  wenig  Erfolge  gesehen,  Tuberkulin  hat 
nie  angewandt.  Auch  die  Röntgenbehandlung  war  nicht  sehr  b 
friedigend,  da  bei  der  Knochen-  und  Gelenkstuberkulose  die  Strahlt! 
wegen  der  mangelhaften  Tiefenwirkung  und  wegen  der  Dichtigke 
des  Knochens  nicht  an  die  kranke  Stelle  gelangen  können.  E 
grosser  Wert  ist  auf  die  gute  Allgemeinbehandlung  zu  legen,  ui 
zum  Schluss  seines  Vortrages  verweist  G.  auf  die  glänzenden  E 
gebnisse,  die  Rolli  er  mit  der  Freiluft-  und  Sonnenbehandlung  i 
Hochgebirge  erzielt  hat.  Da  aber  die  in  Rede  stehende  Erkrankui 
99  Proz.  unbemittelter  Personen  betrifft,  so  kommen  diese  Faktorn 
für  die  Mehrzahl  der  davon  Betroffenen  nicht  in  Betracht. 

Herr  0.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg :  Die  Heilstättenbehandlung  d 
chirurgischen  Tuberkulose. 

Die  Bedeutung  der  Allgemeinbehandlung  vor  allem  macht  c 
Verbringung  der  chirurgisch  Tuberkulösen  aufs  Land  nötig:  Hoc 
gebirgs-  und  Seeklima  sind  nicht  erforderlich,  wohl  aber  reichli 
Luft  und  Licht.  Der  Enthusiasmus  für  physikalische  Heilmethod 
und  für  operationslose  Therapie  der  chirurgischen  Tuberkulo 
schiesst  übers  Ziel,  Chirurgie  und  Orthopädie  sind  zu  kombinier 
mit  jenen.  Das  Spezialsanatorium  muss  also  Einrichtungen  für  d1 
gesamte  Heilverfahren  aufweisen. 

Schon  rechtfertigen  die  Erfolge  die  Forderung  nach  solchen  He; 
Stätten.  Vortr.  hat  durch  seine  Erfahrungen  in  dem  von  ihm  geleitet) 
Sanatorium  Rappenau  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  au 
im  Binnenlande  bei  richtiger  Ortswahl  überraschend  gute  Heilerfolj. 
während  des  ganzen  Jahres  zu  erzielen  sind. 

Herr  F  r  a  n  g  e  n  h  e  i  m  -  Leipzig:  Zur  Behandlung  der  chro 
sehen  Osteomyelitis  am  unteren  Femurende. 

Bei  einem  Patienten,  der  seit  15  Jahren  an  Fisteln  des  Ob' 
Schenkelknochens  infolge  chronischer  Osteomyelitis  litt,  und  bei  du 
vielfache  Operationen  nicht  zum  Ziele  geführt  hatten,  wurde  durt 
Implantation  des  M.  vastus  externus  in  die  Knochenhöhle  des  Obi- 
schenkelknochens  eine  dauernde  Heilung  erzielt. 

Demonstration  des  Operationsverfahrens  an  Bildern. 

Herr  W.  v.  Wrzesniowski  - Czestochowa :  Operation  ul 
offene  Behandlungsmethode  der  eitrigen  fistulösen  Gelenkstubi- 
kulose. 

Breite  Eröffnung  des  Gelenkes  mit  Querschnitt  von  der  I 
tensionsseife,  im  Bedarfsfälle  mit  Hinzufügung  von  beiderseitig! 
Längsschnitten.  Dann  Aufklappen  des  Gelenkes,  wodurch  die  Mt- 
lichkeit  einer  genauen  Besichtigung  geboten  wird,  Ausschneiden  er 
tuberkulösen  Wucherungen  in  den  Weichteilen  und  Entfernung  c 
Krankheitsherde  des  Knochens.  Hierauf  Tamponade  des  Gelenb 
mit  Vermeidung  einer  Naht  und  Immobilisierung  in  richtiger  Stellu; 
des  kranken  Gelenkes.  Bei  jedem  Verbandwechsel  wird  das  Gele: 
aufgeklappt,  der  Mull  entfernt,  alle  Vertiefungen  genau  angesehen  ui 
eventuelle  neue  Herde  der  Tuberkulose  aufgesucht  und  vernicht, 
dann  das  Gelenk  nach  neuerlicher  Ausfüllung  mit  Mull  zugeklappt  ul 
immobilisiert. 

Diskussion:  Herr  Bier -Berlin  demonstriert  eine  grosse 
Anzahl  von  Patienten  mit  verschiedenen  Gelenkstuberkulosen.  i 
denen  er  auffallend  günstige  Resultate  mit  Beweglichkeit  der  0- 
lenke  erzielt  hat.  Bier  vermeidet  die  Fixierung  der  Gelenke  r  1 
kombiniert  mit  der  Stauung,  die  täglich  12  Stunden  dauern  soll,  t£ 
kräftige  Jodtherapie.  Kinder  erhalten  2  g,  Erwachsene  3  g  pro  T- 
Durch  diese  Jodanwendung  werden  die  sonst  bei  der  Stauung  lein 
auftretenden  kalten  Abszesse  fast  sicher  vermieden.  Bei  57  Fäh 
wurden  nur  zweimal  Abszesse  beobachtet.  Sind  solche  Absze;: 
schon  vorhanden,  so  gehen  sie  auf  Jodverabreichung  zurück. 

Herr  de  Q  u  e  r  v  a  i  n  -  Basel  sieht  den  Hauptfortschritt  in  u 
modernen  Tuberkulosebehandlung  in  der  Berücksichtigung  des  All  - 
meinzustandes  der  Patienten.  Seit  10  Jahren  beschäftigt  er  sich  l 
der  Sonnen-  und  klimatischen  Behandlung  der  Gelenkstuberkuld- 
Ungeeignet  für  diese  Behandlung  sind  die  Fälle,  die  sekundär  infizi  t 
sind,  oder  bei  denen  schon  Amyloid  der  Organe  vorhanden  ist.  fl 
den  übrigen  Fällen  ist  ein  sehr  bedeutender  Prozentsatz  von  E  - 
lungen  beobachtet  worden.  Die  Dauer  der  Behandlung  beträgt  z*i 
Jahre,  jedoch  kommen  auch  bei  ihr  zuweilen  Rezidive  vor. 

Herr  Ritter-Posen  empfiehlt  statt  der  venösen  die  arterU 
Hyperämie,  zugleich  mit  Anwendung  des  Gipsverbandes  und  hat  hi* 
bei  vorzügliche  Resultate  gesehen. 

Herr  K  ö  n  i  g  -  Marburg:  Eine  Beurteilung  des  Wertes  der  t- 
zelnen  Verfahren  ist  nur  möglich,  wenn  die  behandelten  Krank 
einer  Dauerkontrolle  der  Kliniken,  die  durchaus  möglich  ist,  um¬ 
stehen.  Erst  die  Zusammenstellung  einer  solchen  von  vielen  Klinik 
lange  durchgeführten  Kontrolle  lässt  eine  Entscheidung  über  die  1- 
handlung  der  verschiedenen  Behandlungsarten  zu.  Zurzeit  steht  i 
ganz  auf  dem  Standpunkte  wie  G  a  r  r  e  bezüglich  der  konservativ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


777 


l  Ipril  1913. 

,  operativen  Behandlung  der  verschiedenen  Gelenkstuberkulosen. 

■  niissen  jedoch  ausserdem  die  modernen  Verfahren  berücksichtigt 
Jen.  Da  die  Mehrzahl  der  Kranken  die  Sonnenbehandlung  im 

i  ugebirge  nicht  haben  kann,  so  muss  man  nach  Ersatz  suchen.  Die 
\  kung  der  Sonnenstrahlen  ist  durch  die  ultravioletten  Strahlen  be- 
i  t,  und  solche  stehen  uns  in  den  Quarzlampen  zur  Verfügung. 
i  e  Quarzlampenbestrahlung  hat  K.  zuerst  hei  schwer  heilenden 
I  twunden,  dann  bei  Hauttuberkulose  mit  gutem  Erfolge  an- 
i  andt.  Er  ging  alsdann  zur  Behandlung  von  Gelenk-  und  Knochen- 
j  rkulosen  über.  Er  verwendet  sie  als  lokale  sowie  auch  als 
j  :-meine  Bestrahlung.  Die  lokale  Bestrahlung  des  tuberkulösen 
j  Jes  wird  in  einer  Entfernung  von  30 — 40  cm  bis  zu  30  Minuten 
]  2  Tage  ausgeführt.  Es  entsteht  danach  eine  intensive  Rötung, 
ich  wie  beim  Gletscherbrand.  Danach  sehr  günstige  Beein- 
;ung  des  tuberkulösen  Prozesses.  Die  Allgemeinbestrahlung  findet 
;  ich  statt.  Es  wird  hierbei  der  nackte  Körper  in  einer  Entfernung 
1  m  5  Minuten  bis  1  Stunde  lang  bestrahlt.  K.  hat  nie  eine 

■  adigung  von  dieser  Behandlung  gesehen,  im  Gegenteil,  ausser- 
i  entlieh  günstige  Wirkungen.  Lokal  trat  eine  Besserung  und 
i  ung  des  tuberkulösen  Prozesses  ein,  das  Allgemeinbefinden  hob 

,  der  Appetit  wurde  besser,  ebenso  der  Schlaf,  die  Patienten 
men  an  Gewicht  zu.  Nur  dreimal  fand  eine  Gewichtsabnahme 
t.  Im  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  eine  Spondylitis  mit 
iundärer  Infektion,  im  zweiten  Falle  lag  eine  Komplikation  durch 
zfehler  vor  und  im  dritten  Falle  handelte  es  sich  um  ein  sehr 
v  reiches  Individuum  mit  Spondylitis. 

Herr  W  i  1  m  s  -  Heidelberg  hat  ausgezeichnete  Erfolge  von  der 
dtgentherapie  gesehen,  die  er  mit  Sonnenstrahlenbehandlung  kom- 
i  ert.  Die  Operation  wird  nur  bei  Sequesterbildung  und  bei  der 
i  egelenkstuberkulose  alter  Leute  vorgenommen. 

H£rr  Voelcker  -  Heidelberg  hat  in  8  Fällen  von  Rezidiven 
i  h  Kniegelenksresektion  mit  gutem  Erfolge  das  Kniegelenk  aufge- 
eppt  und  die  offene  Behandlung  durchgeführt. 

Herr  I  s  e  1  i  n  -  Basel,  der  Begründer  der  Röntgentherapie,  be¬ 
itet  ausführlich  über  seine  Erfahrungen  mit  diesem  Verfahren. 
Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Rostock  bezweifelt  die  Notwendigkeit  der  von 
rn  Frangenheim  mitgeteilten  Operation. 

Herr  R  o  s  e  n  b  a  c  h  -  Göttingen  begründet  theoretisch  die  Wir- 
vig  des  von  ihm  dargestellten  Tuberkulins. 

Herr  Menne-  Bad  Kreuznach  hat  mit  den  konservativen  Me- 
den  bei  der  Gelenktuberkulose  vorzügliche  Erfolge  gesehen. 

Herr  Friedrich  -  Königsberg  warnt  vor  einem  allzu  sche- 
tisch  durchgeführten  konservativen  Verfahren  bei  der  Behandlung 
■  Gelenktuberkulose.  Er  ist  im  Laufe  der  Jahre  immer  mehr  zur 
irativen  Behandlung  übergegangen,  deren  Ergebnisse  ihn  weit  mehr 
i  riedigen.  Vor  der  von  Bier  angewendeten  allzu  reichlichen  Jod- 
rreichung  bei  jugendlichen  Personen  warnt  er  wegen  der  Gefahr 
•  Atrophie  der  Geschlechtsdrüsen. 

Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Rostock :  Zur  Entstehung  und  Behandlung  der 
1  sphlegmonen. 

Die  Aetiologie  der  Erkrankung  ist  keine  einheitliche,  jedoch  wird 
meistens  durch  den  Bacillus  caps.  aerogenes  hervorgerufen.  Die 
:  nveren  Fälle  (meist  nach  Schussverletzungen)  geben  eine  schlechte 
ognose.  Günstiger  stehen  die  mittelschweren  Fälle,  die  nach  Ver- 
zungen  der  Mundhöhle  sowie  nach  Operationen  der  Magen-Darm- 
ilcimhaut,  auch  nach  der  Intervalloperation  der  Appendizitis  vor- 
mmen.  Hier  liegt  meistens  eine  Mischinfektion  vor.  Die  Therapie 
r  Erkrankung  bestand  bisher  in  frühzeitigen  und  ausgiebigen  In- 
iionen.  Die  Mortalität  betrug  im  ganzen  30  Proz.  Berücksichtigt 
in  nur  die  schweren  Fälle  allein,  so  liegt  eine  Mortalität  von 
Proz.  vor.  Vortr.  selbst  hat  im  Anschluss  an  eine  aseptische 
liegelenksoperation  eine  derartige  Gasphlegmone  entstehen  sehen, 
ie  die  bakteriologische  Untersuchung  ergab,  lag  eine  Reinfektion 
ich  den  Bacillus  aerogenes  vor.  In  diesem  Falle  brachten  die  von 
h  i  r  i  a  r  d  eingeführten  Sauerstoffinsufflationen  momentan  eine  Bes- 
rung  des  schweren  Allgemeinzustandes.  Vorübergehend  wurde 
eser  jedoch  wieder  schlechter,  um  bei  nochmaliger  Anwendung  der 
uierstoffinsufflätionen  in  eine  endgültige  Heilung  dieser  gefährlichen 
Implikation  überzugehen. 

Diskussion:  Herr  K  i  r  s  c  h  n  e  r  -  Königsberg  hat  auf  dem 
iegsschauplatz  des  Balkankrieges  zwei  solcher  Fälle  von  Gasphleg- 
one  gesehen.  Im  ersten  im  Anschluss  an  die  Zerschmetterung  des 
iterschenkelknochens.  Heilung  durch  Amputation.  Im  zweiten  Falle 
at  die  Gasphlegmone  im  Anschluss  an  einen  Schulterschuss  auf, 
eite  Spaltungen  führten  zur  Heilung. 

Herr  W  o  h  1  g  e  m  u  t  h  -  Berlin  hat  auch  bei  anderen  Eiterungen 
uistige  Erfolge  durch  die  Sauerstoffinjektion  gesehen. 

Herr  W.  K  a  u  s  c  h  -  Berlin:  Ueber  Kollargol. 

Bei  echter  .Sepsis  mit  remittierendem  Fieber  hat  K.  das  Kollargol 
icdü  nie  im  Stich  gelassen.  K.  demonstriert  zunächst  eine  Anzahl 
Jeher  Temperaturkurven:  die  Temperatur  steigt  zuerst  meist  noch 
ii.  fällt  dann  entweder  rapid  zur  Norm  oder  auch  allmählich.  Gegen 
in  zufälliges  Zusammentreffen  von  spontanem  Temperaturabfall  und 
ollargolinjektion  spricht  die  Regelmässigkeit  dieses  Vorkommnisses, 
loch  beweisender  sind  die  Fälle,  in  denen  Kollargol  nochmals  ein- 
espritzt  werden  musste,  weil  es  zunächst  nur  vorübergehend  half, 
'emonstration  von  fünf  solcher  Kurven. 

Geringen  oder  keinen  Erfolg  sah  K.  bei  Sepsis  mit  kontinuier- 
ichem  hohem  Fieber.  Demonstration  zweier  solcher  Kurven. 

Bei  kleinen  Eiterherden  hilft  Kollargol  auch,  nicht  bei  grösseren. 


Ausgezeichnet  wirkt  es.  wenn  das  Fieber  nach  Eröffnung  der  Eiter¬ 
herde  bestehen  bleibt.  Demonstration  dreier  solcher  Kurven  (Diph¬ 
theriehalsabszess,  Ohrsepsis,  Empyem). 

Prophylaktisch  hat  K.  bisher  Kollargol  noch  nicht  angewandt, 
wird  es  aber  tun. 

K.  verwendet  ausschliesslich  das  von  Crcde  angegebene  H  e  y- 
d  e  n  sehe  Präparat.  Die  intravenöse  Injektion  ist  die  einzig  rationelle 
Methode,  die  rektale  kommt  nur  in  Betracht,  wenn  die  intravenöse 
nicht  gelingt  oder  nicht  gestattet  wird. 

Bei  kleineren  Dosen,  bis  20  ccm,  versucht  K.  die  perkutane  Ein¬ 
spritzung  in  die  Vene,  bei  der  geringsten  Schwierigkeit  wird  die 
Vene  freigelegt.  Die  gewöhnliche  Dosis  ist  10  ccm  der  2  proz.  Lösung, 
bei  ausbleibender  Wirkung  und  schwerster  Sepsis  täglich  oder  jeden 
zweiten  Tag  20 — 30  ccm.  Die  Injektion  muss  ausserordentlich  lang¬ 
sam  geschehen,  dann  ist  sie  völlig  gefahrlos. 

Dann  hat  K.  11  Fälle  von  inoperablem  Krebs  mit  grossen  Kol- 
largoldosen  behandelt,  bis  100  ccm,  einen  Teil  davon  kombiniert  mit 
Röntgenstrahlen.  Geheilt  wurde  kein  Fall;  die  Patienten  Hessen  aller¬ 
dings  auch  nicht  energische  Fortsetzung  der  Behandlung  zu. 

“  Ein  Fall  von  Leberkrebs,  solitäre,  freigelegte  Metastase  nach 
Magenkarzinomresektion,  wurde  deutlich  vorübergehend  gebessert. 
Ein  Fall  zeigte  bei  der  Sektion  in  den  multiplen  Knochenmetastasen 
überall  hämorrhagische  Zysten  (Demonstration);  ein  Zusammenhang 
mit  der  Kollargolbehandlung  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  Ein 
Fall  starb  im  Anschluss  an  die  Kollargolinjektion  (80  ccm)  drei  Tage 
nach  derselben.  Die  Niere  war  mit  Silber  vollgepfropft. 

Die  Versuche  mit  Kollargol  bei  Karzinom  werden  fortgesetzt, 
ausserdem  solche  mit  anderen  Schwermetallen. 

Diskussion:  Herr  P  f  1  u  g  r  a  d  -  Salzwedel  hat  in  vier  Fällen 
von  inoperablem  Karzinom  grosse  Dosen  von  Kollargol  nach  dem 
Kauschschen  Vorschläge  injiziert  und  danach  stets  eine  Reaktion, 
bestehend  in  abnormen  Sensationen  im  Tumor  und  Euphorie  ge¬ 
sehen.  Auch  traten  Besserungen  auf.  Bei  einem  Falle  von  Struma 
maligna  trat  jedoch  eine  hämorrhagische  Nephritis,  die  zum  Tode 
führte,  danach  ein.  Die  Drüsenmetastasen  waren  in  diesem  Falle 
zurückgegangen. 

Herr  E  y  f  f  -  Nimptsch  hat  von  der  Anwendung  des  Kollargols  bei 
puerperaler  Sepsis  keine  sicheren  Erfolge  gesehen.  Dagegen  hat 
er  mit  gutem  Erfolge  bei  Erysipel  zweimal  das  Kollargol  intravenös 
angewendet.  Es  wurden  mehrere  Tage  hintereinander  10  g  Kollargol 
intravenös  injiziert.  . 

Herr  Bier -Berlin  warnt  vor  der  Ueberschätzung  der  Reaktion, 
die  nach  Anwendung  irgendwelcher  Mittel  bei  Karzinom  auftritt.  Er 
hat  solche  Reaktionen  bei  den  verschiedensten  Anwendungen  beob¬ 
achtet,  ohne  aber  je  eine  Dauerheilung  zu  sehen. 


IX.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft 

in  Berlin  (Langenbeckhaus)  am  29.  und  30.  März  1913. 

Berichterstatter:  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

(Eigener  Bericht.) 

T. 

Der  unter  dem  Vorsitz  von  I  m  me  1  m a  n  n  -  Berlin  tagende 
Kongress  wurde  bedeutend  entlastet  durch  den  unmittelbar  vorher  ab¬ 
gehaltenen  Internationalen  Kongress  für  Physiotherapie:  in  dessen 
röntgenologischer  Sektion  wurden  fast  alle  therapeutischen  Vorträge 
gehalten,  die  heuer  reif  geworden  waren;  sonst  hätte  der  Röntgen¬ 
kongress  kaum  in  drei  Sitzungen  erledigt  werden  können;  der  nächst¬ 
jährige,  zehnte,  unter  dem  Vorsitz  von  Le  vy  -  D  o  r  n -Berlin,  wird 
wohl  zwei  Tage  beanspruchen,  soll  auch  durch  eine  Ausstellung  be¬ 
reichert  werden. 

Der  folgende  Bericht  hält  sich  nicht  an  die  zeitliche  Reihenfolge 
der  Vorträge,  sondern  ordnet  sie  nach  ihrem  Inhalt. 

1.  Diagnostik. 

Herr  H  a  u  d  e  k  -  Wien:  Beiträge  zur  Röntgendiagnostik  der 
Magenkrankheiten. 

H.  verbreitet  sich  zunächst  über  das  Nische  nsympto  m, 
seine  Entstehung,  seine  Vortäuschung  durch  andere  Erscheinungen. 
Zur  Erklärung  dafür,  dass  sich  eine  ausgesprochene,  so  deutlich  sicht¬ 
bare  Nische  findet,  muss  man  sich  vorstellen,  dass  eine  Art  Hals  durch 
spastisch  kontrahierte  Muskelzüge  gebildet  wird;  bei  der  Operation 
und  bei  der  Autopsie  kann  das  Geschwür  dann  ganz  flach  erscheinen. 
Eine  Nische  kann  sich  zeigen,  und  dann  während  der  Heilung  des 
Geschwürs  wieder  verschwinden.  Ferner  kamen  Patienten  nach 
scheinbarer  klinischer  Ulcusheilung,  welche  die  Nische  noch  hatten. 
Das  Geschwür  braucht  also  keine  Schmerzen  zu  machen.  Eine  Nische 
kann  vorgetäuscht  werden  durch  verkalkte  Drüsen  neben  der  Wirbel¬ 
säule,  durch  Schatten  in  der  benachbarten  Flexura  duocfenojejunalis. 

Das  Röntgenbild  zeigt  Geschwüre  am  besten  in  der  Pars  medi  i. 
viel  weniger  gut  am  Pylorus,  wo  es  dafür  deutlichere  klinische 
Symptome  macht.  —  Der  Sanduhrmagen  ist  viel  seltener  als 
man  nach  Röntgendurchleuchtungen  glauben  sollte.  Meist  handelt  es 
sich  um  zirkuläre  Spasmen,  die  grosse  Kurvatur  wird  tief  eingezogen 
nach  dem  an  der  kleinen  Kurvatur  sitzenden  Geschwür  hin;  ähnliche 
Einkerbungen  können  am  Pylorus  sichtbar  sein;  die  Hauptsache  bleibt, 
dass  man  daraus  das  Ulcus  diagnostiziert.  Sanduhr  kann  auch  du  re  i 
atonische  Zustände,  durch  Vordrängen  der  Nachbarorgane  oder  u- 


778 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  H 


moren  vorgetäuscht  werden,  ferner  durch  Buchtenbildung  an  der 
Flexura  lienalis  im  gasgeblähten  Magen.  Angeborener  Sanduhrmagen 
ist  sehr  selten.  Beim  karzinomatösen  Sanduhrmagen  hat  man  den 
ausgesprochenen  Tumorbefund,  das  Sanduhrsymptom  ist  Nebensache. 
Das  Doppelmahlzeitverfahren  hat  sich  bewährt;  gewisse 
Ergänzungen  sind  in  manchen  Fällen  notwendig.  Um  zu  sehen,  ob 
über  Nacht  ein  Rest  bleibt,  gibt  man  dem  Patienten  ein  Päckchen 
W  ismut  mit,  das  er  abends  einnimmt,  um  dann  morgens  wiederzu¬ 
kommen.  Bei  starker  Hypersekretion  empfiehlt  sich  Ausheberung  des 
Magens  vor  der  Wismutmahlzeit;  zur  Unterscheidung  eines  physio¬ 
logisch  kleinen  Magens  vom  karzinomatös  geschrumpften  belastet 
man  den  Magen  stark  mit  gewöhnlicher  Nahrung  und  gibt  dann  etwas 
Wismut,  welches  alsbald  den  kaudalen  Pol  markiert,  ausser  wenn 
der  Magen  geschrumpft  ist.  —  Die  Peristaltik  wird  viel  intensiver 
und  deutlicher  sichtbar,  wenn  der  Patient  den  Bauch  einzieht.  Die 
Unterscheidung  zwischen  Ulcus  callosum  und  Ulcus  carcinomatosum 
ist  sehr  unsicher.  Ein  häufiger  Befund  beim  nischenbildenden  Magen¬ 
geschwür  ist  der  Pylorospasmus;  findet  sich  Nische  und  beschleunigte 
Magenentleerung,  so  erweckt  diese  eher  den  Verdacht  auf  Karzinom. 
Bei  röntgenologischer  Ulcusdiagnose  fanden  Chirurgen  wiederholt 
scheinbar  inoperable  Karzinome;  der  weitere  Verlauf  nach  Jahren 
Hess  aber  dann  Karzinom  ausschliessen.  Der  Röntgenbefund  gibt  oft 
nur  eine  Hilfsdiagnose.  —  Die  Untersuchung  geschieht  mit  Wismut- 
brei ;  doch  empfiehlt  es  sich,  zur  Darstellung  von  Nischen,  auch  von 
Gastroenteroanastomosen  eine  wässerige  Wismutaufschwemmung 
vorauszuschicken. 

Ueber  Perigastritis  gibt  Vortr.  ebenfalls  diagnostische  An¬ 
haltspunkte.  Auch  die  kleinste  Zackenbildung  an  der  kleinen  Kurvatur 
spricht  für  tiefgreifendes  Magengeschwür.  Aussackungen  neben  Ver¬ 
wachsungen  sind  immer  rundlich.  Zackenbildungen  nach  der  Milz 
hin  infolge  von  Strängen  können  karzinomverdächtige  Bilder  liefern. 

Herr  H  o  1  i  t  s  c  h  -  Pest  zeigt  1.  Röntgenbefund  bei  einem  Fall 
von  luetischem  Sanduhrmagen.  Der  lange  enge  Magenschlauch  mit 
anscheinend  sehr  dicker  Wand  erweiterte  sich  wieder  unter  anti¬ 
luetischer  Kur.  2.  Bilder  von  4  histologisch  bestätigten  karzinomatös 
entarteten  Ulcera  ventriculi.  Für  charakteristisch  und  gegenüber  dem 
kallösen  Geschwür  differentialdiagnostisch  verwertbar  erklärt  H.  eine 
flache,  schildförmige  Aussparung  in  der  Magensilhouette. 

Herr  Krause-  Jena  zeigt  2  Fälle  vom  Eventratio  diaphrag- 
matica;  im  einen  wurde  Atrophie  des  N.  phrenicus  gefunden;  das 
Zwerchfell  war  in  einen  schlaffen  fibrösen  Sack  verwandelt.  Die  bei¬ 
den  Fälle  waren  sicher  angeboren,  wenngleich  auch  erworbene  Vor¬ 
kommen  (z.  B.  nach  Lungentuberkulose).  Der  eine  Kranke  hatte 
schwere  Magenbeschwerden,  Hyperazidität.  Ulcussymptome,  der  be¬ 
handelnde  Arzt  hatte  an  Dextrokardie  gedacht,  während  Dextro- 
positio  vorlag;  auch  die  zweite  Kranke  hatte  Herzbeschwerden,  be¬ 
sonders  nach  Genuss  kohlensäurehaltiger  Getränke.  Während  ihrer 
Gravidität  war  sie  durch  Schlankheit  aufgefallen.  —  Ferner  zeigt 
Vortr.  seltene,  operativ  bestätigte  Röntgenbefunde  von  Abdominal¬ 
erkrankungen:  a)  Apfelgrosser,  dem  Darm  ungehöriger  Tumor;  der¬ 
selbe  ging  von  der  Appendix  aus.  b)  Grosser  zystischer  Tumor  bei 
einem  Kind;  die  Durchleuchtung  zeigte,  dass  der  Tumor  den  Darm¬ 
schatten  verdrängte,  also  ausserhalb  lag;  es  war  ein  doppelt  ent¬ 
wickelter,  mit  Flüssigkeit  gefüllter  Ureter,  c)  Entwicklung  eines 
Ulcus  pepticum  nach  Gastroenterostomie  wegen  Pylorusstenose  und 
Dilatation. 

Herr  L  o  o  s  e  -  Bremern  betont  den  Wert  der  vorherigen  Thorax¬ 
untersuchung  bei  Magendarmdiagnosen.  Auch  bei  zweifelhaften 
Knochen-  und  Gelenkaffektionen  kann  die  Thoraxdurchleuchtung 
wichtige  Hinweise  geben. 

Herr  Max  W  o  1  f  f  -  Berlin  erläutert  an  Bildern  den  Wert  der 
Röntgenuntersuchung  für  die  operative  Indikationsstellung  beim 

Pneumothorax. 

Herr  Tele  mann  -  Königsberg  zeigt  einen  Fall  von  partieller 
Wismutfüllung  der  Bronchien  intra  vitam.  Der  betreffende  Kranke 
hatte  wegen  Schluckbeschwerden  einen  Schluck  Wismutaufschwem¬ 
mung  bekommen,  diese  lief  durch  die  bestehende  Oesophagusbron- 
chialfistel  (Karzinom)  in  die  Bronchien;  der  Schatten  wurde  später 
wieder  kleiner,  das  Wismut  wird  auf  dem  Luftweg  und  Lymphweg 
fortgeschafft.  Kaninchenversuche  Hessen  diese  Verhältnisse  ebenfalls 
erkennen.  Herr  Max  Cohn-Berlin  hat  einen  ähnlichen  Fall  be¬ 
obachtet:  Füllung  der  Trachea  mit  Wismut  bei  Oesophaguskarzinom. 

Herr  S  a  b  a  t  -  Lemberg  zeigt  Bilder  zur  Röntgendiagnostik  der 
Erkrankungen  von  Kopf-  und  Wirbelsäule.  Bei  Epileptikern 
waren  kleinere  und  grössere  Verkalkungsherde  im  Gehirn  sehr  deut¬ 
lich  zu  sehen,  bei  einem  Kind  mit  Anfällen  die  durch  erhöhten  Hirn¬ 
druck  stark  erweiterten  Gefässfurchen;  ferner  demonstrierte  Vortr. 
Bilder  von  Oberkieferzyste,  Achondroplasia  foetalis,  Spondylitis  de- 
formans. 

Herr  L  e  v  y  -  D  o  r  n  -  Berlin  projiziert  u.  a.  Bilder  von:  Tabes 
der  Wirbelsäule  (tumorartige  dichte  Wucherungen  nach  Art  der 
Arthropathien);  Angiom  der  Dura  (tiefe  Gefässfurchen,  vielverzweigt, 
mit  Perforationsstellen);  Sanduhrmagen  mit  scheinbarem  schlauch¬ 
förmigen  Zwischenstück  (der  Nachmagen  füllt  sich  nicht  rasch  genug 
bzw.  entleert  sich  rasch);  Duodenalstenose,  perforierendes  Duodenal¬ 
geschwür;  Magenkolonfistel  bei  Karzinom;  Studium  der  Magenanti¬ 
peristaltik;  vermutliche  Darstellung  des  Wurmfortsatzes;  Obstipatio 
chronica  bei  unregelmässigem  Wechsel  von  Hypertonie  mit  Hypo¬ 
tonie;  hochgradige  Dickdarmstenose  und  -atonie,  durch  Schlingen- 
bildung  bewirkt. 


Herr  Haenisch  -  Hamburg  zeigt  a)  Fälle  von  Epiphysen 
lösung  am  oberen  Humerusende  bei  Geburtslähmung;  nach  Erkennun 

der  Kernverschiebung  auf  dem  Bilde  wurde  in  mehreren  Fällen  0pe 
riert  und  die  Deformität  korrigiert,  einer  Verkürzung  und  bleibende- 
Deformität  des  Arms  vorgebeugt;  die  Kinder  waren  8  Tage  in 
5  Monate  alt.  b)  seltene  Röntgenbefunde:  Adhäsionen  der  Pleura 
Wiederentfaltung  der  Pleura  bei  Pneumothorax;  kindliches  Herz  mi 
offenem  Ductus  arteriosus  Botalli;  6  monatlicher  Säugling  mit  grosse 
Thymus  und  Miliartuberkulose;  verschluckter  Esslöffel;  wahr 
Zwerchfellhernie;  lleozoekaltuberkulose  (Füllungsdefekt);  hoch 
gradige  Gicht;  Syringomyelie;  Spaltbildung  der  Patella  (Pseudofrak 
tur);  kleine  Kugel  in  der  Orbita,  beim  Blickwechsel  beweglich,  ob 
wohl  extrabulbär;  3  Fälle  von  Luxation  der  ganzen  einen  Beckenh’äük 

Herr  Eduard  M  ii  1 1  e  r  -  München  zeigt  Bilder  von  1.  multiple- 
Metastasen  eines  hinter  dem  Magen  gelegenen  Sarkoms  in  beide 
Lungen;  der  betr.  Offizier  war  eben  noch  in  der  Frornt  gestanden 
die  Metastasen  wuchsen  dann  rapid;  2.  hochgradige  H  a  n  d  knochen 
atrophie  nach  akutem  Gelenkrheumatismus;  Indikation  zu  gymnas" 
scher  Therapie;  3.  nach  Gastroenterostomie  Luftansammlung  zvi 
sehen  Zwerchfell  und  Leber,  welche  abwärts  gedrängt  erscheint. 

Herr  Max  Cohn-  Berlin  projiziert  Bilder  aus  der  Magendarm 
Pathologie:  Spasmus  bei  Magenkarzinom  trotz  Anazidität;  Darstell 
lung  einer  Gastroenteroanastomose  erst,  nach  Beckenhochlage 
rung;  Duodenalgeschwür  (Luftblase);  Magemspasmen  bei  Bleikoiik 
Spasmus  an  der  Flexura  sigmoidea;  verkalktes  Myom  im  Lig.  latum! 
Milzechinokokkus. 

Herr  J  a  c  o  b  s  o  h  n  -  Charlottenburg  zeigt  typische  Arthritis 
urica-Befunde  an  Fingern  und  Zehen:  lochförmige  scharf  begrenzii 
Defekte  am  Rand  und  im  Innern  der  Gelenkflächen. 

Herr  G  r  a  s  h  e  y  -  München  zeigt  typische  Altersveränderunge 
des  Skeletts,  welche  mit  Entzündungsherden,  Verletzungsfolgen  ver 
wechselt  werden  können. 

Herr  G  r  ä  s  s  n  e  r  -  Köln  zeigt  posttraumatische  Verknöche 
rungen:  a)  zwischen  Klavikula  und  Skapula,  nach  Verletzung  des  Lu 
coracoclaviculare,  ohne  Funktionsbehinderung  des  Schultergelenks! 

b)  auf  der  Beugeseite  des  Ellbogengelenks  nach  Ueberstreckung 

c)  traumatische  Exostose  innen  oberhalb  des  Trochanter  minor:  nu 
geringe  Abduktionsbehinderung.  Ferner  einen  Fall  von  Bildung  eine 
neuen  Pfanne  mit  vollkommen  freier  Beweglichkeit  nach  Luxations 
fraktur  des  Hüftgelenks. 

Herr  T  h  o  s  t  -  Hamburg  zeigt  Bilder  von  pathologischen  Kehl 
köpfen  (welche  demnächst  in  einem  Ergänzungsband  der  „Fortschi 
a.  d.  Geb.  d.  Röntgenstr.“  erscheinen):  Karzinom  des  Sinus  piriformi- 
Papillom  nahe  dem  Stimmband:  Lues  u.  a.  Er  verwendet  Silhouetten 
förmig  ausgeschnittene  Platten,  welche  die  Schulter  vorn  und  hinte 
umgreifen. 

Herr  W  es  ki- Berlin  bringt  röntgenologische  und  mikre 
skopische  Studien  aus  dem  Gebiete  der  Kieferpathologie.  Das  Rönj 
genbild  liefert  keime  sichere  Unterscheidung,  ob  die  durch  „Gram 
lome“  an  der  Wurzelspitze  pulpatoter  Zähne  bewirkten  Defekte  Eite 
enthalten  oder  mit  Bindegewebe  gefüllt  sind;  nur  relativ  grosse  ep] 
theliale  Zysten  sind  gut  erkennbar. 

Herr  Mosenthal  -  Berlin  verfolgte  das  Wachsen  und  Wander 
der  Nierensteine,  die  Vergrösserung  in  die  Nierenkelche  hinein;  da 
Tiefertreten;  Steinbildung  bei  Hufeisenniere- 

Herr  Rosenblatt  -  Odessa  zeigt  seltene  Bilder  aus  der  Dam 
Pathologie,  ferner  spricht  er  über  Pyelographie.  Bei  einer  Kollargn' 
aufnahme  brach  die  Flüssigkeit  offenbar  dicht  an  der  Niere  in  da 
umgebende  Gewebe  durch. 

Herr  Schütze-  Berlin  teilt  einen  interessanten  Röntgenbeiun 
bei  einer  beabsichtigten  Blasenaufnahme  mit;  der  sich  zeigende  Schal 
ten  schien  von  Jodkali  in  der  Vaginalschleimhaut  (nach  JK-Tampori 
behandlung)  herzurühren,  ln  der  Diskussion  wird  an  die  Ver 
kalkungsherde  nach  Jo  dipin-  und  S  a  1  v  a  r  s  a  n  injektionen  (i 
die  Muskulatur)  erinnert.  Jahrelang  nach  Jodipininjektioneu  könne 
immer  wieder  Schüttelfröste  auftreten;  es  hat  sich  dann  ein  Abszev 
in  der  Muskulatur  gebildet,  der  gelbe  schmierige  Massen  enthäl 

(Schluss  folgt.) 


IV.  Internationaler  Kongress  für  Physiotherapie. 

i. 

Sektion  IV.  Diätetik. 

Sitzung  vom  Donnerstag,  den  27.  März  1913,  vormittag) 
,  Referent:  K.  Re  ich  er -Bad  Mergentheim. 

A.  C  z  e  r  n  y  -  Berlin :  Die  Abhängigkeit  der  natürlichen  Immun 
tät  von  der  Ernährung. 

Die  Erhaltung  der  natürlichen  Immunität  ist  eine  Funktion  d: 
lebenden  Gewebes.  Von  den  reif  geborenen  Kindern,  welche  m 
Frauenmilch  ernährt  werden,  weist  die  Mehrzahl  einen  so  hohen  Grä 
von  Immunität  auf,  dass  ihr  Gedeihen  durch  keinerlei  Infekte  g--j 
stört  wird.  Das  Kind  eignet  sich  ausgezeichnet  zum  Studium  de 
Frage,  wie  weit  die  Abhängigkeit  der  natürlichen  Immunität  von  de 
Ernährung  geht.  Ein  normales  neugeborenes  Kind,  welches  an  de 
Brust  genährt  wird,  kann  man  von  der  Mundhöhle  nicht  mit  Sooi 
Pilz  infizieren. 

Diese  natürliche  Immunität  geht  aber  verloren,  sobald  auch  ne 
eine  leichte  Ernährungsstörung  eintritt.  Durch  Beseitigung  derselbe- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


\  April  1913. 


779 


\ird  die  natürliche  Immunität  wieder  restituiert.  Sie  nimmt  mit  dem 
ebcnsalter  der  Kinder  rapid  zu  und  der  Einfluss  der  Ernährung 
henso  ab.  Die  natürliche  Immunität  bewahrt  das  Ammenkind  vor 
-'rnährungsstörungen,  die  beim  Eiaschenkind  einen  grossen  Prozent¬ 
satz  der  Todesursachen  bilden.  Die  Frauenmilch  enthält  auffallend 
ie!  Fett.  Brustkinder  weisen  nun  die  beste  natürliche  Immunität  auf. 
inseitige  Ernährung  mit  Kohlehydrat  dagegen  setzt  die  Immunität 
ier  Kinder  in  stärkster  Weise  herab,  es  wird  daher  mit  Vorteil  Fett 
n  Form  von  Lebertran  der  Nahrung  zugesetzt.  Aehnlich  konnte 
vVeigert  bei  Tieren  ein  rapides  Vordringen  der  Tuberkulose  unter 
Coh'ehydratfütterung  und  dadurch  bedingter  Wasseranreicherung  des 
)rganismus  wahrnehmen,  während  die  mit  Fett  gefütterten  Tiere  sich 
,ebr  resistent  gegen  die  Tuberkulose  erwiesen.  Je  höher  der  Wasser¬ 
gehalt.  desto  geringer  die  natürliche  Immunität.  Leider  wird  der 
Vassergehalt  der  Kinder  unnötigerweise  durch  überwiegende  Kohle- 
ydratnahrung  auf  bedeutender  Flöhe  erhalten  und  auch  das  Kör¬ 
pergewicht  steigt  bei  dieser  Nahrung  rapid  an.  Solche  auf- 
■•eschwemmte  Kinder  bewähren  sich  aber  bei  Infekten  sehr  schlecht, 
ßeim  wasserreichen  Säugling  bedeutet  jede  nachweisbare  Infektion 
mit  Tuberkelbazillen  eine  aktive  Tuberkulose,  die  eine  grosse  Ten¬ 
denz  zeigt,  sich  im  Organismus  zu  verbreiten.  Bei  Mangel  an  re¬ 
sorbierbaren  Kalksalzen  in  der  Nahrung  erlangen  die  Kaliumnatnum- 
salze,  welche  Quellungen  begünstigen,  im  Organismus  die  Oberhand. 
Häufig  wird  die  ausreichende  Ausnutzung  des  Kalkes  durch  Kalk¬ 
seifenbildung  bei  gleichzeitiger  Verabreichung  von  Kuhmilchfett  ver¬ 
hindert.  Durch  den  Seifenverlust  können  dem  Organismus  soviel  Al¬ 
kalien  entzogen  werden,  dass  eine  Azidose,  ja  sogar  im  ersten  Lebens¬ 
jahre  Lebensgefahr  eintritt.  Diese  vorübergehenden  Schwankungen 
der  Alkaleszenz  genügen  anscheinend  auch,  um  Mikroorganismen  das 
Eindringen  im  Organismus  zu  ermöglichen.  Die  exsudative  Diathese 
ist  in  überzeugender  Weise  zu  beheben,  wenn  man  nach  dem  ersten 
Lebensjahre  von  der  Milchernährung  nur  massigen  Gebrauch  macht. 

Ewald:  Alkohol  und  Infektionskrankheiten. 

Lieber  den  Nutzen  des  Alkohols  resp.  der  alkoholischen  Ge¬ 
tränke  in  der  Therapie  und  besonders  in  der  Behandlung  der  Infek¬ 
tionskrankheiten  sind  die  Ansichten  der  Aerzte  geteilt  zwischen  völ¬ 
liger  Abstinenz  und  reichlichem  Gebrauch.  Es  lässt  sich  aber  sta¬ 
tistisch  feststellen,  dass  Alkoholkonsum  in  den  letzten  Jahren  in  den 
Hospitälern  gegen  früher  erheblich  zurückgegangen  ist.  Die  experi¬ 
mentellen  Arbeiten,  die  das  Verhalten  der  Infektionskrankheiten  bei 
gleichzeitiger  Alkoholtherapie  oder  bei  Alkoholdarreichung  vor  der 
Infektion  studiert  haben,  sprechen  sämtlich  in  dem  Sinne,  dass  der 
Mkohol  schädigend  auf  den  Verlauf  und  die  Entwicklung  der  Krank¬ 
heit  einwirkt.  Die  natürliche  Schutzkraft  des  Organismus  wird  durch 
denselben  herabgesetzt,  Blutdruck  und  Respiration  werden  geschä¬ 
digt.  Die  geringe  temperaturherabsetzende  und  eiweisssparende 
Wirkung  des  Alkohols  kommt  demgegenüber  nicht  in  Betracht.  Die 
erregende  Wirkung  auf  das  Herz  ist  nur  von  kurzer  Dauer  und  von 
einem  starken  Absinken  gefolgt.  Die  klinische  Erfahrung  spricht  in 
demselben  ungünstigen  Sinn.  Bei  den  infektiösen  Tropenkrankheiten, 
bei  der  Syphilis  und  anderen  Geschlechtskrankheiten,  bei  Lungenent- 
Zündung,  Rheumatismus,  Scharlach,  Masern  und  Diphtherie  hat  sich 
ein  Nutzen  der  Alkoholtherapie  niemals  sicher  nachweisen  lassen,  da- 
gegen  häufig  ein  offensichtlicher  Schaden.  Bei  der  Tuberkulose  liegen 
die  Verhältnisse  scheinbar  günstiger,  bei  genauem  Zusehen  erweist 
sich  aber  auch  hier  der  deletäre  Einfluss  des  Alkohols,  Die  Statistiken 
aus  den  grossen  Krankenhäusern  bestätigen  diese  Anschauungen,  sind 
aber  noch  zu  wenig  zahlreich.  Vortr.  gibt  Alkohol  nur  bei  schwerem 
Herzkollaps  aus  toxischen  oder  mechanischen  Ursachen,  ebenfalls 
bei  hoffnungslosen  Kranken,  um  sie  über  die  letzten  Stadien  ihres  Lei¬ 
dens  hinweg  zu  trösten,  endlich  (aus  bestimmten  Ursachen)  bei  der 
Zuckerharnruhr.  Alkoholische  Getränke  werden  in  seinem  Hospital 
nur  auf  ärztliche  Verordnung  verabfolgt  und  der  Weinkonsum  ist  in 
den  letzten  9  Jahren  um  die  Hälfte  herabgegangen. 

Sitzung  vom  Freitag,  den  28.  März  1913,  vormittags. 

v.  N  o  o  r  d  e  n  -  Wien:  Die  Diät  bei  Diabetes  gravis  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  Azidosis. 

Unter  Glycosuria  gravis  versteht  man  auch  heute  noch  mit 
Traube  diejenige,  welche  bei  Entziehung  von  Kohlehydraten  nicht 
weicht  und  bei  der  wir  die  Eiweisszufuhr  weitgehend  beschränken 
müssen,  um  den  Harn  zuckerfrei  zu  machen.  Im  Gegensatz  dazu  gibt 
es  zahlreiche  Fälle  im  jugendlichen  Alter,  bei  denen  noch  ganz  an¬ 
sehnliche  Mengen  von  Kohlehydrat  gut  vertragen  werden  und  trotz¬ 
dem  die  Krankheit  als  eine  sehr  gefährliche,  progressive  Form  be¬ 
zeichnet  werden  muss.  Andererseits  kennt  man  Fälle  von  wahrer 
schwerer  Glykosurie,  bei  der  Jahre  und  Jahrzehnte  hindurch  das  All¬ 
gemeinbefinden  sehr  gut  bleibt. 

A.  Maligne  Form  von  Diabetes.  Es  ist  vom  prognostischen 
und  diabetisch-therapeutischen  Standpunkt  aus  sehr  wichtig,  mög¬ 
lichst  früh  zu  einem  klaren  Urteil  zu  gelangen,  ob  man  es  mit  einem 
malignen  Fall  zu  tun  hat  oder  nicht.  Wenn  wir  auch  den  Verlauf  der 
malignen  Fälle  nur  ausserordentlich  wenig  therapeutisch  beeinflussen 
können,  so  befinden  sich  dennoch  diese  Patienten  am  günstigsten  bei 
75 — 120  g  Brot  unter  Einschaltung  kurzer  Perioden  von  Gemüsetagen, 
Hafertagen  und  einzelnen  Hungertagen.  Kurz  gesagt,  je  aussichtsloser 
der  Fall,  desto  liberaler  darf  die  Diät  sein. 

B.  Benigne  Formen  der  schweren  Glykosurie.  Es  sind  dies  Fälle 
von  zweifellos  schwerer  Glykosurie,  wo  wir  dennoch  von  einer  ge¬ 


wissen  Gutartigkeit  der  Krankheit  sprechen  dürfen,  weil  bei  vor¬ 
sichtiger  diätetischer  Behandlung  der  Verlauf  der  Krankheit  ein  gut¬ 
artiger  bleiben  kann.  Denn  schon  die  leichteste  Glykosurie  zeigt  an. 
dass  die  einfallenden  Reize  mit  allzu  grosser  Zuckerproduktion  be¬ 
antwortet  werden.  Wir  müssen  den  Patienten  infolgedessen  mit  Rück¬ 
sicht  auf  seine  Zukunft  gewisse  Opfer  auferlegen.  Zu  diesem  Zwecke 
sind  Toleranzbestimmungen  auf  viel  breiterer  Basis  als  bisher  not¬ 
wendig.  Es  kommt  dabei  nicht  nur  auf  die  Kohlehydratmenge  an, 
welche  innerhalb  24  Stunden  vertragen  wird,  sondern  auch  darauf,  ob 
die  gleiche  Summe  auf  einmal  oder  in  kleinen  Portionen,  ob  die  Kohle¬ 
hydrate  morgens,  mittags  oder  abends  gegeben  werden.  Manche 
haben  eine  viel  höhere  Toleranz,  wenn  sie  unmittelbar  nach  Kohle¬ 
hydratnahrung  Arbeit  leisten,  andere  müssen  danach  ruhen  etc.  Viele 
Patienten  können  eine  strenge  Kost  dauernd  nicht  essen  und  magern 
daher  ab.  Vielfach  wird  dieser  Uebelstand  durch  Belehrung  und 
kulinarische  Technik  überwunden.  Dis  so  gefürchtete  Klippe  der 
Ketonänüe  verschwindet  vielfach  wieder  und  gerade  monatelang 
durchgeführte  strenge  Diät  erweist  sich  als  das  beste  Mittel  gegen 
fortschreitende  Steigerung  der  Azetonurie.  Ebensowenig  entsteht 
durch  strenge  Diät  Nephritis.  In  Fällen,  wo  man  durch  strenge  Vor¬ 
schriften  den  Harn  dauernd  zuckerfrei  halten  kann,  ist  nur  im  Not¬ 
fall  die  Gestattung  von  Kohlehydrat  als  Beikost  zulässig,  gefährlich 
ist  dabei  immer  die  Ueberreizung  des  zuckerbildenden  Apparates,  ln 
diesen  Fällen  eignen  sich  vorzüglich  die  Hafertage  zur  Einschaltung 
unter  Vorausschickung  eines  Gemiise-Eiertages  oder  eines  Hunger¬ 
tages.  Ebenso  muss  den  Hafertagen  mindestens  ein  Gemüsetag 

folgen.  .  ,  .  -  ,  , 

In  einer  zweiten  Gruppe  kann  man  mit  keiner  genugend  nahr¬ 
haften  Diät  den  Patienten  zuckerfrei  machen,  höchstens  vorüber¬ 
gehend  durch  eine  Reihe  von  Oemiisetagen  oder  einen  Hungertag. 
Auch  solche  Fälle  kann  man  mit  der  gewöhnlichen  strengen  Diät  zu 
behandeln  versuchen,  wenn  keine  zu  starke  Azetonurie  eintritt.  In 
letzterem  Falle  ist  zur  Abwendung  augenblicklicher  Gefahren  eine 
gewisse  Menge  Kohlehydrat  gestattet. 

ln  allen  diesen  Fällen  bewährt  sich  die  sog.  Wechseldiat,  bei 
der  man  zwischen  die  strenge,  mit  50 — 80  g  Kohlehydrat  auszustat¬ 
tende  Diät,  einzelne  Tage  mit  Kohlehydratentziehung  oder  einzelne 
Fett-Gemüsetage  einschiebt;  schliesslich  gehen  aber  doch  alle  diese 
Fälle  in  das  Stadium  der  chronisch-diabetischen  Autointoxikation 
über.  Durch  häufige  Einleitung  von  Haferkuren  kann  man  den  Ein¬ 
tritt  des  Komas  bedeutend  hinausschieben. 

Was  den  Alkohol  betrifft,  so  ist  er  in  den  weitaus  meisten  Fallen 
von  schwerem  Diabetes  ein  wichtiges  diätetisches  Hilfsmittel.  Er 
erleichtert  die  Fettzufuhr  und  ist  ein  hochwertiger  Energiespender. 
Bei  drohendem  Koma  sollen  einzelne  Tage  eingeschaltet  werden,  bei 
denen  nichts  anderes  als  sehr  grosse  Mengen  verdünnten  Brannt- 
weins  gereicht  werden,  ca.  150 — 200  ccm  Kognak  oder  Whisky.  Dei 
günstige  Einfluss  der  Alkalien  beruht  darauf,  dass  sie  sich  mit  den 
Säuren  binden  und  ihren  Export  erleichtern.  Wir  bekämpfen  die  ge¬ 
fährliche  Ketonämie.  während  die  Ketonurie  eher  ansteigt.  Den 
Mineralwasserkuren  kann  v.  N.  keinerlei  Heilkraft  auf  den  diabeti¬ 
schen  Prozess  zuerkennen.  Besonders  bedenklich  ist.  dass  die  I  a- 
tienten  nach  Absolvierung  einer  Trinkkur  der  Ansicht  sind,  nun  wieder 
alles  essen  zu  können.  Leider  wird  in  der  Praxis  vom  Publikum  eine 
energische  Behandlung  des  Diabetikers  erst  dann  für  nötig  gehalten, 
wenn  der  Diabetes  sich  schon  der  schweren  Form  nähert  oder  sie 


bereits  erreicht  hat. 

Marcel  Labbe  -  Paris  (2.  Referent) :  Die  schwerer.  Diabetiker 
sind  nicht  nur  der  Gefahr  der  Hyperglykämie  ausgesetzt,  sondein  sie 
haben  auch  den  Eiweisszerfall  und  die  Azidosis  zu  fürchten,  die  zum 
Koma  führt.  Die  Hyperglykämie  verlangt  eine  Reduktion  der  Kohle¬ 
hydrate  und  der  Eiweissstoffe,  der  Stickstoffverlust  eine  eiweissreiche 
Diät.  Die  Azidosis  zwingt  uns  zur  Einschränkung  der  Eiweiss¬ 
nahrung.  Diesen  entgegengesetzten  Indikationen  ist  es  sehr  schwer, 
praktisch  gerecht  zu  werden,  gemischte  Fleischkost  mit  Einschrän¬ 
kung  der  Kohlehydrate  wird  gut  vertragen,  ist  wirksam  gegen  die 
Hyperglykämie  und  den  N-Verlust,  aber  sie  begünstigt  die  Azidosis. 
Milchdiät,  Mehlkuren  und  Leguminosen  sind  nützlich  gegen  die  Azi¬ 
dose  jedoch  vermehren  sie  leider  die  Hyperglykämie.  Sie  scheinen 
hauptsächlich  durch  den  Ersatz  des  Fleischeiweisses  durch  das  weni¬ 
ger  ketoplastische  Pflanzeneiweiss  zu  wirken.  Leguminosenkur  wird 
am  besten  vertragen.  Fastenkuren  wirken  günstig  auf  die  Hyper¬ 
glykämie  und  die  Azidosis.  sind  aber,  zu  häufig  wiedeiholt,  nicht  un¬ 
gefährlich.  .  , 

L.  B  1  u  m  -  Strassburg :  Die  Diät  bei  Diabetes  gravis  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  Azidosis. 

Der  Zuckergehalt  des  Blutes  übt  einen  grossen  Einfluss  aus  am 
die  Verbrennung  der  Glukose,  indem  mit  Anwachsen  des  Blutzuckers 
das  Verbrennungsvermögen  abnimmt  und  umgekehrt  beim  Sinken  des 
Blutzuckers  die  Toleranz  steigt.  Offenbar  handelt  es  sich  hierbei  um 
eine  Schädigung  der  Organfunktionen  durch  Hyperglykämie.  Der 
Eiweissgehalt  der  Nahrung,  insbesondere  der  Fleischgehalt,  ist  auch 
von  Einfluss  auf  die  Verbrennung  des  Traubenzuckers.  Füttert  man 
Kaninchen  längere  Zeit  mit  Fleisch,  so  sinkt  bei  ihnen  allmählich  die 
Toleranz  des  Traubenzuckers.  Gleichzeitig  nimmt  ihre  Empfindlich¬ 
keit  gegen  Adrenalin  zu.  Während  bei  Hafernahrung  bei  wiederhol  ei 
Adrenalininjektion  immer  grössere  Dosen  notwendig  sind,  um  Glu¬ 
kosurie  zu  erzeugen,  tritt  bei  fleischgefütterten  Tieren  bereits  nacii 
sehr  geringen  Dosen  von  Adrenalin  Glykosurie  auf.  Für  den  r.i 
der  Haferkur  ist  ausschlaggebend  ausser  der  Hyperglykämie  um 


780 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14. 


dem  Eiweissgehalt  der  Nahrung  die  Schwere  des  Diabetes.  Die 
Kuren  gelingen  uni  so  leichter,  je  weniger  fortgeschritten  die  Er¬ 
krankung  ist.  Die  Haferkur  ist  nichts  anderes  als  eine  besondere  Art 
der  Mehlkur.  An  eine  Kohlehydratdiät  sind  folgende  Forderungen 
zu  stellen:  Es  darf  die  Glykosurie  durch  sie  nicht  wesentlich  gestei¬ 
gert  werden,  wenn  möglich,  soll  sie  eine  Minderung  erfahren,  ebenso 
die  Azidosis.  Gleichzeitig  muss  die  Kost  genügend  Nährstoffe  ent¬ 
halten,  um  den  Bedarf  zu  decken,  besser  noch  einen  Ueberschuss. 
Dieser  Anforderung  entspricht  die  Noorden  sehe  Haferkür  durch¬ 
aus.  Die  Quantitäten  des  Hafermehls  müssten  in  bestimmten  Fällen, 
die  keine  grosse  l  oieranz  besitzen,  auf  150—100  g  herabgesetzt  wer¬ 
den.  Dafür  werden  dann  die  eingeführten  Kohlehydrate  entsprechend 
besser  ausgenützt.  Bei  den  Mehlkuren  scheint  es  belanglos  zu  sein, 
ob  man  Weizen-,  Hafer-  oder  Gerstenmehl  anwendet;  dagegen  ist  es 
nicht  angängig,  das  Mehl  in  einer  anderen  Form  als  in  Brei-  oder 
Suppenform  zu  geben.  Die  Anwendung  von  Mehlkuren  ist  angezeigt 
in  allen  Fällen  von  schwerem  Diabetes  mit  drohendem  Koma,  ferner 
beim  Auftreten  von  Verdauungsstörungen  (Magenbeschwerden, 
Durchfälle)  und  endlich  beim  schweren  Diabetes,  wenn  selbst  bei 
strenger  Fleischdiät  Zuckerfreiheit  nicht  eintritt.  Hat  die  erste  Mehl¬ 
kur  keinen  Erfolg,  dann  kann  man  nach  einer  Pause  eine  zweite  und 
selbst  eine  dritte  folgen  lassen.  Für  gewisse  Fälle  hat  sich  B.  eine 
eigene  Diät  mit  geringen  Kohlehydratmengen  zurecht  gelegt,  welcher 
er  gute  Erfolge  nachsagt.  Wichtig  ist  immer  die  Vorbereitung  der 
Kohlehydratgabe  durch  eiweissarme,  womöglich  vegetarische  Kost. 
Die  bei  den  Haferkuren  auftretenden  Oedeme  sind  meist  durch  die 
gleichzeitige  Darreichung  von  Natrium  carbonicum  verursacht.  Bei 
gleichzeitiger  Erkrankung  des  Herzens,  der  Nieren  oder  der  Leber  ist 
oft  die  Einschaltung  einer  kurzdauernden  Milchkur  angezeigt. 

Roubitsehek  -  Karlsbad :  Kohlehydrattherapie  des  Diabetes. 

Unter  den  Kohlehydraten  behauptet  nach  wie  vor  der  Hafer 
die  führende  Stellung.  Denn  er  wirkt  sowohl  auf  Ketonurie  als  auch 
auf  die  Glykosurie  günstig  ein.  Das  Inulin  ist  als  Anhydrid  der 
Lävulose  nicht  berufen,  den  Hafer  zu  ersetzen,  da  seine  anti- 
ketonurische  Wirkung  gering  ist.  hingegen  entfaltet  es  manchmal  eine 
kumulative  Wirkung  in  dem  Sinne,  dass  nach  Inulindarreichung  eine 
erhöhte  Zuckerausfuhr  erfolgt.  Hediosit  setzt  die  Zuckerausfuhr 
herab,  hat  aber  auf  die  Azidose  keinen  Einfluss.  Man  gibt  es  am 
besten  in  Kombination  mit  Gemüselagen.  Bananen  enthalten  ein 
Kohlehydrat,  das  der  Diabetiker  leicht  assimiliert.  Sie  werden  als 
Zusatz  zur  Standardkost,  sowie  als  Bananentage  gegeben  und  führen 
keine  Steigerung  der  Glykosurie  herbei.  Die  Azidose  wird  durch 
Bananen  günstig  beeinflusst. 

W.  W  o  1  f  f  -  Bad  Neuenahr:  Melilkuren  und  Kartoffelkuren  bei 
Diabetikern. 

Sorgfältig  angestellte  Vergleichsversuche  mit  Kartoffelkuren  zei¬ 
gen,  dass  diese  einen  grossen  praktischen  Wert  für  die  Behandlung 
des  Diabetes  besitzen.  Die  Butter-Mehlsuppenform  ist  für  den  Dia¬ 
betiker  am  besten  geeignet,  wobei  Gemüsetage  vorausgeschickt  wer¬ 
den.  Inulin  zeigt  sich  den  verschiedenen  Mehlarten  in  seiner  Wir¬ 
kung  überlegen. 

Bela  Tausz-Pest:  Neuere  Gesichtspunkte  in  der  Diätetik  des 
Diabetes  mellitus. 

Je  mehr  Eiweiss  man  schweren  Diabetikern  zuführt,  desto  mehr 
Aminosäuren  werden  im  Urin  ausgeschieden,  so  dass  schliesslich  ein 
Nahrungseiweissverlust  zwischen  10  und  18  Proz.  sich  bewegt.  Es 
muss  daher  neben  der  Kohlehydrat-,  auch  die  Eiweisstoleranz  be¬ 
stimmt  werden.  In  Fällen  von  Nierendiabetes  rät  T.  Schwitzkuren, 
Glühlichtbäder  und  Aufenthalt  im  Süden  an. 


XII.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für 
orthopädische  Chirurgie 

am  24.  und  25.  März  1913  im  Langenbeckhaus  zu  B  e  r  1  i  n. 

(Referent;  G.  H  o  h  m  a  n  n  -  München.) 

(Eigener  Bericht.) 

(Schluss.) 

B  a  d  e  -  Hannover  behandelt  spondylitische  Läh- 
tn  u  n  g  e  n  mit  einem  Korsett  mit  Beinschienen,  an  denen  die  Gelenke 
durch  Gummizüge  versteift  sind.  In  diesem  Apparat  wird  der  Patient 
zum  Stehen  und  Gehen  gebracht.  Das  Letztere  ist  mühsam,  aber  die 
Bewegungen  hält  B.  für  wichtig,  weil  er  glaubt,  dass  dabei  drückende 
Abszesse  abfliessen  und  der  Lymphstrom  beeinflusst  wird,  so  dass 
das  Oedem  abgesaugt  wird.  Durch  Beseitigung  der  Spasmen  be¬ 
kommt  das  Rückenmark  Ruhe.  Zuerst  kann  Patient  wieder  die  Zehen 
bewegen  (die  bei  Poliomyelitis  am  häufigsten  erhaltene  Bewegung). 
Nach  1  Jahr  kann  man  den  Patienten  von  den  Beinhülsen  befreien. 
Bisher  8  Fälle  mit  gutem  Erfolge  behandelt. 

Brüning-  Hessen  erläutert  eine  Reihe  von  Tabellen,  aus  denen 
über  Verbreitung  und  Entstehung  der  Rückgrats¬ 
verbiegungen  interessante  Einzelheiten  hervorgehen.  In  Ober¬ 
hessen  unter  12  220  Schülern  1366  Skoliosen  =  11,2  Proz. 

Müller-  Berlin  demonstriert  einen  Fall  von  Riesenwuchs 
mit  Verbiegungen  der  Oberschenkel,  X-Bein,  kleinem  Schädel,  Exo¬ 
stosen  daran,  unentwickeltes  Genitale.  Die  Extremitäten  sind  nicht 
vergrössert.  Der  Mittelpunkt  des  Körpers  ist  weit  über  dem 
Nabel. 


S  c  h  1  e  e  -  Braunschweig  führt  ein  einfaches  Verfahren  zur 
Skoliosenmessung  vor,  bestehend  in  Scnattenprojektion  eines 
Systems  von  Linien  des  Messgitters. 

S  c  h  a  n  z  -  Dresden:  Vor  3  Jahren  hat  Semeleder  den 
Grundgedanken  eines  solchen  Verfahrens  bereits  ausgeführt. 

S  c  h  1  e  e  bejaht  dies,  sein  Verfahren  sei  aber  viel  einfacher. 

v.  S  a  a  r  -  Innsbruck  führte  eine  Nervenplastik  aus,  die 
durch  die  Entfernung  eines  Tumors  am  Nerv,  radialis  notwendig 
wurde,  indem  er  das  periphere  Ende  des  Radialis  in  den  N.  medianus 
implantierte.  Jetzt,  nach  2  Jahren,  sind  alle  Muskeln  bis  auf  den 
Supinator  longus  vollkommen  erregbar. 

H  i  n  t  e  r  s  t  o  i  s  s  e  r  -  Teschen  demonstriert  das  Präparat  eines 
partiellen  Riesenwuchses  (Finger). 

E  r  1  a  c  h  e  r- Graz  weist  auf  die  nervenanatomischen  Unter¬ 
suchungen  namentlich  über  die  Nervenendigungen  hin.  Durch  Naht 
der  Nerven  wurde  die  Innervation  verzögert,  durch  Aneinanderlegen 
beschleunigt.  Bei  der  Implantation  ist  die  Topographie  des  Nerven- 
inneren  (Stoffel)  zu  beachten. 

J  a  n  s  e  n  -  Leiden  spricht  über  Muskelbündellänge 
und  neurogene  Kontrakturen.  Die  Muskeln,  welche 
grössere  Funktion  haben,  zeigen  gefiederten,  auch  doppeltgefiederten 
Bau  und  kürzere  Muskelbtindet,  umgekehrt  die  Muskeln  mit  leichterer 
Funktion.  Agonisten  und  Antagonisten  zeigen  verschiedenen  Bau.  die 
Gruppe  der  Dislatoren  (Abduktoren  der  Hüfte,  Strecker  des  Unter¬ 
schenkels,  Auswärtsdreher  des  Beins)  zeigen  kurze  Bündel,  dagegen 
die  Proximatoren,  die  Antagonisten  (Adduktoren,  Beuger  usw.)  lange 
Fasern.  Im  pathologischen  Zustand  ändert  sich  der  Tonus  der  Mus¬ 
keln,  bei  Erhöhung  stellt  sich  Extremität  in  Proximationskontraktu; 
(Hemiplegie,  Little),  indem  sich  die  langbiindeligen  Muskeln  mehr  als 
die  kurzbündeligen  verkürzen.  Deshalb  ist  den  langbiindeligen  durch 
Tenotomie  die  Gelegenheit  zur  Verkürzung  zu  geben. 

S  t  o  f  f  e  1  -  Mannheim:  Zur  Behandlung  der  spasti¬ 
schen  Lähmungen. 

Alle  Muskeln  eines  spastischen  Gliedes  sind  spastisch  affiziert, 
längeres  Verharren  in  bestimmter  Stellung  bedingt  die  betreffende 
Kontraktur.  Experimente  Munks  zeigten,  dass  bei  Affen  mit  De¬ 
fekten  der  Hirnrinde  solche,  die  eine  bestimmte  Haltung  einnahmen, 
eine  Kontraktur  in  dieser  Haltung  bekamen,  die  anderen  nicht.  Im 
Anfangsstadium  Lagerung  des  Gliedes  auf  Schiene  in  Ueberkorrektur 
um  Muskelgleichgewicht  zu  erzeugen.  In  schwereren  Fällen  hilft 
nur  die  Operation,  die  die  Spannung  beseitigen  muss.  Die  Tenotomie 
ist  ein  meist  unnötiger  Eingriff,  da  selten  eine  Schrumpfungskontraktur 
besteht.  Nach  der  Tenotomie  zieht  sich  der  spastische  Muskelbauch 
sofort  zusammen,  seine  Hypertonie  wird  vermehrt,  er  fühlt  sich  auch 
härter  an  als  zuvor.  Es  fehlt  die  Möglichkeit  der  Dosierung  (Rezi¬ 
dive,  Ueberkorrekturen).  Die  bisweilen  geübte  Verkürzung  der  Anta¬ 
gonisten  ist  zwecklos,  es  findet  eine  Dehnung  und  somit  Schädigung 
statt.  Die  Nervenplastik  (Medianus-Radialis)  ist  nicht  logisch,  weil 
die  beiden  Nerven  unter  denselben  Verhältnissen  stehen  und  einer 
dem  anderen  nichts  geben  kann.  Die  Resektion  allein  schaltet  die 
hypertonischen  Muskeln  teilweise  aus  und  beseitigt  die  Deformität. 
Wichtig  ist  Nachbehandlung  (Uebung  der  Antagonisten).  St.  legt  bei 
Operation  am  Tibialis  wegen  Spitzfuss  einen  Silberdraht  an  den 
Nervus  peroneus  und  elektrisiert  von  dem  aus  der  Wunde  heraus¬ 
geleiteten  Draht  den  Nerven.  Die  Resultate  der  Operation  sind  be¬ 
friedigend,  besonders  an  der  oberen  Extremität  jedem  Eingriff  am 
Muskel  überlegen.  Normalzustand  ist  meist  nicht  zu  erreichen,  da 
die  Schädigungen  zu  gross  sind. 

Foerster  -  Breslau  weiss  sich  theoretisch  mit  Stoffel  eins, 
Nur  die  Bezeichnung  der  Radialis-Medianus-Plastik  als  unlogisch  kann 
er  nicht  anerkennen.  Auch  spielt  die  Schrumnfungskontraktur  bei 
den  spastischen  Lähmungen  eine  grössere  Rolle  als  Stoffe! 
meint. 

H  o  h  m  a  n  n  -  München  hat  8  mal  nach  Stoffel  operiert,  bei 
spastischer  zerebraler  Hemiplegie  und  bei  Little.  Die  Resultate  sind 
sehr  gute,  die  Spitzfussstellung  wurde  ohne  Tenotomie  beseitigt,  die 
Adduktionskontrakturen  der  Hüften  ebenfalls  und  die  gebrauchs¬ 
unfähigen  Hände  mit  dem  Krampf  der  Fingerbeuger  wurden  weich. 
Hessen  sich  willkürlich  öffnen  und  schliessen  und  wurden  gebrauchs¬ 
fähig  (durch  Abbildungen  illustriert).  Von  den  Fällen  waren  mehrere, 
die  vorher  anderwärts  schon,  z.  T.  mehrmals  tenotomiert  oder  mit 
Muskelverkürzung  ergebnislos  behandelt  waren.  Mehrmals  wurden 
neuralgische  Schmerzen  einige  Tage  nach  der  Operation  in  der  ope¬ 
rierten  Extremität  beobachtet,  die  dann  wieder  verschwanden.  Sehr 
wichtig  ist,  die  Heilung  der  Wunde  gut  abzuwarten,  nicht  zu  früh  zu 
bewegen,  da  sonst  die  Wundränder  klaffen  und  sehr  lange  zum  Heilen 
per  granulationem  brauchen;  Heilungsdauer  ist  etwas  länger  als  ge¬ 
wöhnlich,  2 — 2Vi  Wochen.  Bezüglich  Dauerresultaten  ist  noch  ab¬ 
zuwarten.  H.  glaubt  aber,  dass  die  Methode,  die  weiter  verfolgt  wer¬ 
den  muss,  einmal  als  ein  sehr  nennenswerter  Fortschritt  in  der  Ner- 
venchirurgie  gewertet  werden  wird. 

Stein-  Wiesbaden  hat  8  mal  nach  Stoffel  operiert,  ist  sehr 
zufrieden  mit  den  Erfolgen.  An  der  unteren  Extremität  hat  er  die 
Methode  verbunden  mit  der  Tenotomie  der  Adduktoren,  er  hat  noch 
kein  Rezidiv  gehabt.  Um  sie  zu  verhüten,  klappt  er  das  zentrale 
Nervenende  um,  damit  es  nicht  nachwächst. 

Erlach  er  -  Graz :  An  der  unteren  Extremität  ist  die  Tenotomie 
noch  immer  das  beste  und  ausreichende,  anders  an  der  oberen. 


8.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


781 


Pe  1 1  e  s  o  h  n  -  Berlin  stimmt  dem  bei.  Ein  Kind,  das  er  anfangs 
nach  Stoffel  operierte,.. musste  nachher  noch  tenotomiert  werden. 
Bei  einem  Little,  bei  dem  auf  der  einen  Seite  Tenotomie  der  Adduk¬ 
toren,  auf  der  anderen  Stoffel  gemacht  wurde,  bekam  auf  der  letz¬ 
teren  Seite  nach  einem  halben  Jahr  Rezidiv,  das  Tenotomie  notwendig 
machte. 

K  o  f  m  a  n  n  -  Odessa  hat  Stoffel  mit  bestem  Erfolge  ange¬ 
wendet. 

B  i  e  s  a  1  s  k  i  -  Berlin  hat  20  mal  nach  Stoffel  operiert,  zum 
Teil  mit  sehr  gutem  Erfolg,  zum  Teil  auch  mit  Rezidiven.  Die  Opera¬ 
tion  steht  und  fällt  mit  der  Uebungsnachbehandlung,  zu  der  die  Opera¬ 
tion  erst  die  nötige  Vorbedingung  schafft.  Es  wäre  wichtig,  die 
physiologischen  Gesetze  der  Uebungstherapie  kennen  zu  lernen. 

Pradervand  -  Charkow:  Bei  einer  Stoffel  sehen  Operation 
hörte  auf  einmal  die  Erregbarkeit  des  Nerven  auf  und  kehrte  erst  nach 
Lösung  des  Esmarch  wieder. 

Lorenz -Wien  ist  an  der  unteren  Extremität  immer  ohne 
Stoffel  ausgekommen,  an  der  oberen  hält  er  ihn  für  berechtigt.  Ueber- 
korrekturen  nach  Achillotomie  lassen  sich  durch  einen  schrägen 
Schnitt  vermeiden.  Statt  der  Obturatoriusresektion  empfiehlt  er 
seine  Myorrhexis. 

G  u  r  a  d  z  e  -  Wiesbaden :  Trotz  Stoffel  sind  an  der  unteren  Ex¬ 
tremität  noch  öfter  Tenotomien  notwendig. 

S  t  o  f  f  e  1  -  Mannheim :  Am  Obturatorius  müssen  stets  beide 
Aeste  reseziert  werden,  sonst  kommt  Rezidiv.  Gegen  Foerster 
ist  zu  sagen,  dass  durch  eine  Medianusbahn  den  Streckmuskeln  un¬ 
möglich  Kraft  zugeführt  werden  kann,  vor  allem  auch  aus  technischen 
Gründen,  da  die  zu  innervierende  Bahn  an  einer  für  die  Einpflanzung 
ungünstigen  Stelle  des  Nervenquerschnittes  verläuft.  Nur  bei  zwei 
Erwachsenen  war  wegen  Schrumpfungskontraktur  Achillotomie  not¬ 
wendig.  Er  empfiehlt  nach  der  Operation  unblutiges  Dehnen  der 
Sehne  und  Fixation  auf  Schiene  für  14  Tage.  Neuralgiforme  Schmer¬ 
zen  hat  er  niemals  beobachtet. 

v.  A  b  e  r  1  e  -  Wien :  Fettembolie.  Hauptsächlich  nach 
Streckung  von  Kniekontrakturen  nach  langer  Bettruhe,  ferner  bei 
Klumpfüssen.  Infraktionen  vermeiden  beim  Knie!  Etappenredresse¬ 
ment.  Bei  drohender  Fettembolie  bei  der  Osteotomie  keine  Blut¬ 
leere.  Am  besten  ist  die  S  c  h  a  n  z  sehe  intravenöse  Kochsalzinfusion 
und  die  Erhaltung  der  Herzkraft. 

St  re  iss  ler -Graz  und  S  p  r  i  n  g  e  r  -  Graz  sprechen  über 
Madelungsche  Handdeformität  und  über  die  Operation 
der  Gabelhand  bei  dieser,  und  empfehlen  die  Osteotomie  des  Radius. 

Röpke -Barmen  verpflanzt  die  Palmaris-longus- 
Sehne  auf  den  paralytischen  Klumpfuss. 

Glässner  -  Berlin  zeigt  4  Fälle  von  Coxa  vara  adoles- 
centium,  die  er  nach  Lorenz  operiert  hat  und  die  einen  sehr 
guten  Gang  aufwiesen. 

Maas-  Berlin  empfiehlt  bei  kongenitaler  Vorderarm¬ 
synostose  Resektion  des  deformierten  Radiusköpfchens  und 
Osteotomie  der  am  oberen  Ende  verbogenen  Ulna. 

Rosenfeld-Nürnberg  empfiehlt  statt  dessen  Osteotomie  der 
Synostose  und  Zwischenlagerung  eines  Faszienfettlappens. 

Müller-  Stuttgart  zeigt  die  Resultate  seiner  blutigen 
Klump fussoperation  an  Gipsmodellen  und  betont,  dass  keine 
Störung  des  Wachstums  zurückgeblieben  ist. 

v.  Mayersbach-Innsbruck:  Beim  Pes  adductus  hält 
der  Muse,  adductor  hallucis  die  falsche  Stellung  fest.  Zu  seiner  Be¬ 
seitigung  empfiehlt  er  eine  Verlagerung  des  Muskels. 

Bei  der  Wahl  zum  Vorsitzenden  für  das  nächste  Jahr  erhielten 
Stimmen  K  ö  1 1  i  k  e  r  -  Leipzig  77,  L  u  d  1  o  f  f  -  Breslau  56,  Dreh¬ 
mann-Breslau  28,  S  c  h  a  n  z  -  Dresden  18  usw.  In  der  Stichwahl 
wurde  Kölliker  mit  130  Stimmen  gewählt,  auf  Ludloft  fielen 
92.  Ludloff  wurde  zum  Beisitzer  in  den  Ausschuss  gewählt. 
Rosenfeld  drückte  zum  Schluss  dem  Vorsitzenden  den  Dank  des 
Kongresses  durch  ein  Hoch  aus.  Am  nächsten  Tage  demonstrierte 
Abbott  das  Anlegen  seines  Gipsverbandes  am  Patienten  und  be¬ 
antwortete  noch  verschiedene  Fragen.  Die  angenommene  Resolution 
über  die  körperliche  Erziehung  der  Jugend  hatte  folgenden  Wortlaut. 
.  „Da  die  körperliche  Erziehung  ihrer  Hauptsache  nach  als  Prophylaxe 
gegen  die  Entstehung  von  körperlichen  Minderwertigkeiten,  Wachs¬ 
tumsstörungen  und  Deformitäten  aufzufassen  ist  und  die  Ueber- 
wachung  der  Entwicklung  und  Lösung  dieser  Fragen  in  den  Fach- 
bereich  der  Orthopädie  gehört,  werden  die  entsprechenden  Fach- 
vertreter  an  den  Universitäten  und  medizinischen  Schulen  aufgefoi- 
dert,  Vorlesungen  und  Vorträge  über  körperliche  Erziehung  zu  halten 
sowie  für  die  offizielle  Einstellung  dieser  Vorlesungen  in  den  Lehr¬ 
plan  Sorge  zu  tragen.  Die  Deutsche  Gesellschaft  für  orthopädische 
Chirurgie,  als  die  Zusammenfassung  aller  Fachärzte,  ist  sich  dei 
Pflicht  und  Aufgabe  der  Fachärzte  bewusst,  nicht  nur  gegen  bereits 
vorhandene  Fehler  anzukämpfen,  sondern  soweit  als  möglich  deieu 
Entstehung  zu  verhindern  und  so  zur  Hebung  und  Erstarkung  unserer 
Volkskraft,  die  in  der  Heeresmacht  ihren  höchsten  Ausdruck  undet, 
beizutragen.“ 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1641.  ordentliche  Sitzung  vom  12.  März  1913, 
im  Sitzungssaal,  abends  7  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  F  1  e  s  c  h. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  E.  Wolff  berichtet  über  eine  von  L.  Rehn  ausgeführte 
Operation  der  Lungenarterienembolie  nach  Trendelenburg. 

Die  Kranke  konnte  nicht  gerettet  werden.  Nach  der  Eröffnung 
des  Thorax  war  bereits  Herzstillstand  eingetreten,  und  es  kam  trotz 
rascher  Entfernung  der  Embolie  aus  der  Arterie,  künstlicher  Atmung 
und  trotz  längerer  direkter  Massage  des  Herzens  zu  keiner  Tätigkeit 
desselben  mehr.  Es  wird  betont,  wie  schwierig  unter  Umständen  die 
Diagnose  der  Embolie  und  besonders  die  Indikationsstellung  ist,  soll 
man  operieren  oder  nicht,  da  eine  Anzahl  schwerer  Embolien  unter 
inneren  Mitteln  genesen.  Nach  Trendelen  bürg  wird  bei  der 
Eröffnung  der  Arteria  pulmonalis  das  Blut  durch  Kompression  der 
Gefässe  mit  einem  um  sie  herum  geführten  Gummischlauch  abgestaut; 
dabei  kann  es  zur  Ueberdehnung  des  Herzens  kommen.  L.  R  e  h  n 
hält  es  für  zweckmässiger,  die  Abstauung  des  Blutes  durch  Ab¬ 
klemmung  der  Venae  cavae  zu  bewirken.  Diese  wird  vom  Herzen 
länger  und  besser  vertragen  und  ist  unschwer  mit  2  Fingern  nach 
Eingehen  der  Hand  in  den  Herzbeutel  auszuführen.  Allerdings  muss 
man  dazu  das  Herz  in  grösserer  Ausdehnung  mittels  Durchschneidung 
auch  der  tieferen  Rippen  freilegen,  was  aber  zugleich  den  Vorzug 
hat,  dass  man  bequem  direkte  Herzmassage  bei  Herzstillstand  aus¬ 
führen  kann. 

Diskussion:  Herr  F  1  e  s  c  h  und  Herr  Wolff. 

Herr  Klose:  Demonstration  zur  Pathologie  der  Thymusdrüse. 

Durch  Verbitterung  kalkarmer  und  saurer  Nahrung  gelingt  es 
experimentell  nicht,  bei  Tieren  eine  Rachitis  zu  erzeugen,  die  mit  der 
menschlichen  übereinstimmt.  Dagegen  treten  nach  Thymusexstir¬ 
pation  bei  Hunden,  Schweinen  und  Ratten  Skelettveränderungen  auf, 
die  analog  sind  der  menschlichen  Rachitis,  vor  allem  in  den  Störungen 
der  endochondralen  Ossifikation.  In  der  Zukunft  muss  die  Frage 
entschieden  werden,  ob  nicht  eine  der  Bedingungen  der  menschlichen 
Rachitis  in  Erkrankungen  oder  Funktionsstörungen  des  Thymus  ge¬ 
legen  sein  kann.  Die  experimentellen  Veränderungen  werden  an  zahl¬ 
reichen  Präparaten  demonstriert.  Die  Beziehungen  der  Thymusdrüse 
zur  Schilddrüse  sind  vikariierend,  nach  Thymusexstirpation  wird  die 
Schilddrüse  hypertrophisch,  histologisch  basedowähnlich.  Die  Schild¬ 
drüse  kann  die  Thymusdrüse- in  ihrer  Funktion  nicht  ersetzen.  Die 
Erkrankung  der  Thymusdrüse  bei  Basedow  ist  gleichsinnig  und 
meistens  sekundär.  Der  Thymus  hyperplasticus  der  Kinder  kann  die 
Luftröhre,  den  Oesophagus,  die  grossen  Gefässe  und  den  Vagus 
komprimieren.  Entsprechende  Präparate  werden  vorgelegt.  In  den 
meisten  Fällen  zeigt  die  Thymusdrüse  auch  qualitative  Struktur¬ 
veränderungen. 

Diskussion:  Herr  Grosser  weist  auf  die  R  i  b  b  e  r  t  sehe 
Publikation  über  das  Verhalten  der  Knorpelzellen  bei  Rachitis 
und  auf  die  Schwierigkeiten  hin,  die  Tierexperimente  mit  der 
menschlichen  Rachitis  zu  vergleichen. 

Herr  S.  A  u  e  r  b  a  c  h :  Ich  will  nur  erwähnen,  dass  die  Erkenntnis 
von  den  Beziehungen  des  Thymus  zur  Myasthenie  bereits  zu  einem 
erfreulichen  therapeutischen  Resultat  geführt  hat.  In  einem  jüngst 
von  Schumacher  und  Roth  in  den  Mitteil.  a.  d.  Grenzgebieten 
publizierten  Falle  von  Morb.  Basedowii  mit  Myasthenie  gelang  es 
durch  Exstirpation  des  Thymus  die  myasthenischen  Erscheinungen 
zu  beseitigen.  Man  wird  sich  dieses  Ergebnis  vor  Augen  halten 
müssen,  wenn  man  einen  Fall  dieser  seltenen,  fast  stets  zum  Exitus 
führenden  Erkrankung  zu  behandeln  hat.  Ob  alle  Fälle  von 
Myasthenie  auf  Veränderungen  des  Thymus  zurückzuführen  sind,  das 
freilich  müssen  weitere  Erfahrungen  entscheiden. 

Herr  Siegel  fragt  an,  wie  gross  die  Gefahr  der  partiellen  und 
totalen  Thymektomie  bei  Tieren  und  beim  Menschen  sei. 

Herr  Klose. 

Herr  R.  B  e  t  k  e  berichtet  über  eine  von  L.  Rehn  erstmalig 
ausgeführte  Entfernung  von  vergrösserten  verkalkten  tuberkulösen 
Lymphdrüsen,  welche  dem  rechten  Hauptbronchus  aufsassen 
und  zu  schwerer  Atemnot  Veranlassung  gegeben  hatten.  Die  vor 
der  Operation  vorhandenen  Erscheinungen,  welche  in  Zyanose,  Venen¬ 
stauung,  keuchhustenähnlichem  Reizhusten,  schwerer  Dyspnoe  und 
Dysphagie  bestanden,  sind  nach  der  Operation  sämtlich  geschwunden. 
Der  Operationsverlauf  wird  an  der  Hand  topographisch-anatomischer 
Tafeln  erläutert  und  die  schweren  Folgen  der  Bronchialdrüsentuber¬ 
kulose,  Durchbrüche  in  die  Luftwege,  Gefässe  und  den  Oesophagus 
werden  an  der  Hand  anatomischer  Präparate  demonstriert. 

Herr  E.  Wolff  gibt  einen  Ueberblick  über  das  Wesen,  die  Ent¬ 
wicklung  und  Technik  der  Nagelextension.  Die  Methode  soll  die 
anderen  Frakturbehandlungsmethoden  nicht  verdrängen,  sondern  nur 
ergänzen  und  dann  zur  Anwendung  gelangen,  wenn  die  anderen  Ver¬ 
fahren  nicht  verwendbar  sind  oder  nicht  zum  Ziele  führen.  Sie  kommt 
hauptsächlich  in  Betracht  bei  komplizierten  und  bei  auf  andere  Weise 
nicht  reponiblen  Frakturen.  In  solchen  Fällen  leistet  die  Methode 
ausgezeichnete  Dienste.  Die  Nachteile,  die  von  verschiedenen  Seiten 
beobachtet  sind:  Infektionsgefahr,  Möglichkeit  von  Verletzungen  beim 


7  82 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  R 


Durchtreiben  des  Nagels,  Zurückbleiben  von  Fisteln,  lassen  sich  ver¬ 
meiden.  Vor  allem  darf  der  Nagel  nicht  zu  lange  liegen  bleiben, 
möglichst  nicht  länger  als  3 — 4  Wochen.  Ks  wird  ein  vom  Vortr. 
konstruierter  Nagel  demonstriert,  der  perforierend  eingeschlagen 
wird,  aber  in  zwei  Teilen  entfernbar  ist,  um  ein  Durchziehen  der 
einen  nicht  aseptischen  Seite  des  Nagels  durch  den  Knochenkanal 
bei  seiner  Entfernung  zu  vermeiden  (angefertigt  von  der  Firma 
Ludwig  D  r  ö  1 1  in  Frankfurt  a.  M.). 

Diskussion:  Herr  Löwe:  Ein  Surrogat  für  die  mit  vielen 
Nachteilen  verbundene  Nagelextensionsmethode  besteht  im  Umlegen 
eines  Filzrings  um  das  Fussgelenk,  an  dem  sich  mit  Hilfe  seitlich 
angebrachter  Zügel  eine  starke  Extension  anbringen  lässt.  Das  Ver¬ 
fahren  ist  mit  Erfolg  angewandt  worden. 

Herr  Wolff  (Schlusswort). 

Herr  Propping  berichtet  über  die  Darminvaginationen,  die 
in  den  letzten  5  Jahren  an  der  Rehnschen  Klinik  behandelt  wurden. 
Es  wurden  17  Fälle  operiert  mit  einer  Mortalität  von  60  Proz.  Die 
Mortalitätsziffer  ist  so  gross,  weil  zu  viel  Spätfälle  in  dem  Material 
sind.  Das  lehrt  folgende  Zusammenstellung: 

A.  Resektionsfälle:  8  mit  7  +  —  87  Proz.  Mortalität. 

1.  Säuglinge  (Kinder  bis  zu  1  Jahr)  4  mit  4  +  =  100  Proz. 

Mortalität. 

2.  Erwachsene  4  mit  3  +  (2  mal  Karzinome,  1  mal  Peri¬ 

tonitis)  =  76  Proz.  Mortalität. 

B.  Desinvaginierte  Fälle:  9  mit  3  +  =  33  Proz.  Mortalität. 

1.  Säuglinge  4  mit  2  +  =  50  Proz.  Mortalität. 

2.  Aeltere  Kinder  5  mit  1  T  =  20  Proz.  Mortalität. 

(Der  Todesfall  durch  ausgedehnte  Schleimhautnekrose.) 

Die  Frühdiagnose  muss  häufiger  gestellt  werden.  Sie  ist  mög¬ 
lich.  weil  die  Symptome  prägnant  sind  (plötzlicher  Schmerz,  Er¬ 
brechen,  blutiger  Schleim,  charakteristischer  Tumor).  Die  Operations¬ 
prognose  ist  bei  reponiblen  Invaginationen  nicht  schlecht  (siehe  B.  2), 
nur  bei  Säuglingen  ist  sie  dubiös.  Die  unblutige  Therapie  ist  unsicher 
(Rezidive)  und  nicht  ungefährlich  (Perforation).  Wenn  sie  unter 
Narkose  ausgeführt  wird,  verschlechtert  sie  die  Aussichten  einer 
nachträglich  notwendigen  Laparotomie. 

In  bezug  auf  den  Mechanismus  erinnert  Vortr.  an  seine  1910  auf¬ 
gestellte  Theorie  (Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.,  Bd.  21),  die  das  Anfangs¬ 
stadium  der  Invagination  lediglich  auf  Tätigkeit  der  Ringmuskulatur 
des  Darms  zurückführt.  Die  Invagination  beginnt  stets  mit  einem 
Spasmus.  Dieses  Moment  muss  bei  der  Aetiologie  berücksichtigt 
werden.  (Ein  Tumor  ist  nur  insofern  Ursache  der  Invagination,  als 
er  zum  Spasmus  Veranlassung  gibt.) 

Herr  G  r  ii  t  z  n  e  r  berichtet  über  einen  Fall  von  B  a  n  t  i  scher 
Krankheit.  Bei  einem  lOjähr.  Mädchen,  das  seit  1  Jahr  an  zu¬ 
nehmender  Anschwellung  des  Leibes  und  schwerer  Anämie  erkrankt 
war,  wurde  nach  dem  Versagen  der  internen  Therapie  die  Splen- 
ektomie  ausgeführt,  die  zu  rascher  Heilung  führte. 

Der  mikroskopische  Befund  der  Milz  charakterisierte  sich: 

1.  Durch  einen  Schwund  des  lymphatischen  Gewebes,  besonders 
in  einer  peripheren  Zone. 

2.  Durch  eine  Hyperplasie  endothelialer  Zellen. 

3.  Durch  eine  Verdichtung  und  Verdickung  des  retikulären 
Bindegewebes,  vornehmlich  im  Anschluss  an  den  Trabekel  und 
an  das  Perithel  der  pinselförmigen  Arterien. 

4.  Fanden  sich  Auflagerungen  auf  der  Intima  von  Hilusvenen. 

Zur  Pathogenese  wird  die  Vorstellung  entwickelt,  dass  eine 

toxisch  infektiöse  Noxe,  wahrscheinlich  enterogenen  Ursprungs,  auf 
dem  Lymphwege  in  die  Milz  eindringe  und  die  Ursache  für  die 
anatomischen  und  biologischen  Veränderungen  abgebe. 

Herr  Herterich  hat  2  Fälle  von  Starrkrampf  mit  intraduralen 
Injektionen  von  10  proz.  Magnesium-sulfuricum-Lösung  behandelt;  es 
wurde  jedesmal  ein  promptes  Auf  hören  der  Krämpfe  erzielt  ohne 
schädliche  Nachwirkungen. 

Der  eine  Fall,  ein  lokaler  Tetanus  des  rechten  Armes  nach 
Schussverletzung,  endigte  letal  infolge  Pneumonie. 


Wissenschaftliche  Vereinigung  am  städt.  Krankenhaus 

zu  Frankfurt  a.  M. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  E  d  i  n  g  e  r. 

Schriftführer :  Herr  Traugott. 

Herr  Krusinger:  a)  Sehnervenangiom.  b)  Jequiritireaktion. 

Diskussion:  Herren  Edinger,  Schnaudigel,  Rosen¬ 
meyer. 

Herr  Schnaudigel  zeigt  im  Epidiaskop  drei  sehr  gut  in  der 
Form  konservierte  Schnitte,  die  die  verschiedenen  Ektasieformen  des 
Augapfels  demonstrieren.  Das  erste  Präparat  stammt  von  einem 
Auge,  dessen  vorderer  Abschnitt  hochgradig  staphylomatös  ausge¬ 
buchtet  ist.  Die  sagittalen  und  transversalen  grössten  Masse  sind 
29:21mm.  Der  zweite  Schnitt  ist  von  einem  höchstgradig  kurz¬ 
sichtigen  Auge  (Leichenauge)  gewonnen;  bei  ihm  kommt  die  anterior¬ 


posteriore  Verlängerung  hauptsächlich  auf  Rechnung  des  hinteren 
Augenabschnittes.  Masse;  33:25mm.  Das  dritte  Präparat  ist  ein 
allseitig  ausgebuchteter,  regelmässiger  Hydrophthalmus  mit  äusserst 
dünner  Skleralwand,  der  33  mm  in  der  Länge  und  29  mm  transversal 
misst. 

Herr  Schnaudigel  demonstriert  das  Gullstrandsche  Oph¬ 
thalmoskop,  das  die  Zeisswerke  anfertigen. 

Herr  Schnaudigel  stellt  einen  56 jähr.  Mann  vor,  der  wegen 
Entzündung  des  linken  Auges  in  die  Augenklinik  eingewiesen  worden 
war.  Die  Schleimhaut  des  linken  Auges  war  chemotisch,  das  Seh¬ 
vermögen  mit  +  7  35’  weit  nach  vorne  zu  bemerkte  man  innen 

oben  einen  kugeligen  Tumor,  der  weit  in  den  Glaskörper  vorsprang 
und  einen  entsprechenden  Gesichtsfeldsausfall  verursachte.  Der  Manu 
litt  an  Aortitis  luetica,  Wassermann  positiv  (bei  Abfassung  des  vor-  t 
liegenden  Referates  lebte  der  Patient  nicht  mehr,  er  ist  an  De- 
compensatio  cordis  verstorben).  Der  Tumor  wurde  in  Anbetracht 
der  Chemose  als  Abhebung  der  Chorioidea  mitsamt  der  Netzhaut  , 
angesehen,  denn  er  war  völlig  durchleuchtbar.  Nach  17  Tagen  war 
ausser  langen,  strichförmigen  Pigmentierungen  der  Netzhaut  nichts 
mehr  zu  finden  und  die  Funktionen  waren  normal.  Das  Ungewöhn¬ 
liche  des  Falles  liegt  darin,  dass  5  Tage  nach  Abheilung  des  Pro¬ 
zesses  sich  genau  dasselbe  Krankheitsbild  am  rechten  Auge  ent¬ 
wickelte,  nach  Ausdehnung,  Lokalisierung  und  Aussehen  fast  ein 
Spiegelbild  des  Prozesses  links.  Auch  hier  trat  in  16  Tagen  völlige 
Heilung  ohne  weitere  therapeutische  Massnahmen  ein  und  auch  hier 
finden  sich  als  Reste  der  Entzündung  langgestreckte  Pigmentstreiien 
in  der  Retina.  Es  handelt  sich  somit  um  eine  doppelseitige,  nach¬ 
einander  aufgetretene  zirkumskripte  spezifische  Abhebung  der  Netz-  j 
haut-Aderhaut  von  kugeliger  Form  mit  rascher  Resorption  des  Ex¬ 
sudats  und  vollkommener  Rückkehr  der  Augenhäute  in  ihre  normale 
Lage. 

Herr  Schnaudigel  demonstriert  einen  Schnitt  durch  die  Linse 
des  Schweines,  der  sehr  schön  die  Konturen  der  Linsenfasern  etwa 
wie  bei  der  Versilberung  erkennen  lässt,  die  Linsen  waren  in  i 
Sublimat  gehärtet  und  dann  in  Schwefelwasserstoffwasser  oder 
Schwefelammonium  behandelt  worden. 

Diskussion:  Herr  Edinger. 


Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Januar  1913. 

Ueber  die  Hypophysis  cerebri. 

Herr  Wiedersheim  besprach  zunächst  die  äusseren  Form- 
und  Lageverhältnisse  der  Hypophyse  und  ging  dann  zu  einer  Schil¬ 
derung  ihrer  Genese  über.  Dabei  wurde  auf  die  prinzipielle  vei- 
schiedenheit  des  Vorder-  und  Hinterlappens  (Adenohypophy  sc 
und  Neurohypophyse),  sowie  auf  die  eventuelle  Persistenz 
des  Verbindungsganges  mit  dem  Pharynx,  bzw.  auf  die  dann  und 
wann  vorkommende  Hypophysis  pharyngea  hingewiesen. 

Nach  eingehender  Berücksichtigung  der  ferneren  Struktur¬ 
verhältnisse  aller  drei  Gebilde  wandte  sich  der  Vortragende  zu: 
stammesgeschichtlichen  Entwicklung  des  Organes.  Er  machte  aut 
die,  bei  gewissen  Fischen  dauernde,  offene  Verbindung  des 
Hypophysenganges  mit  der  Mundhöhle,  sowie  auf  die  zahlreichen 
Kommunikationen  des  dem  Vorderlappen  höherer  Vertebraten  ent¬ 
sprechenden  Drüsenabschnittes  mit  dem  Infundibularschlauch  (Neuro-, 
hypophyse  höherer  Vertebraten)  aufmerksam. 

Die  Entleerung  des  Sekretes  jener  Drüsenschläuche  an  das  betr. 
Lumen  der  Neurohypophyse  lässt  sich  bei  den  betr.  Fischen,  w.e 
z.  B.  bei  Polypterus  und  Calamoichthys,  aufs  deutlichste 
nachweisen. 

Zum  Schluss  wurde  noch  auf  den  Saccus  vasculosus  der 
Knochenfische  aufmerksam  gemacht  und  auf  Grund  der  Unter¬ 
suchungen  von  Boeke  und  Dammermann  die  Bedeutung  des¬ 
selben  als  ein  Sinnesorgan  („Tiefeorgan")  erörtert. 

Rückblickend  ergaben  sich  Parallelen  zwischen  Hypophyse  und 
Schilddrüse,  insofern  beide  Organe  in  der  phyletischen  Entwicklung 
der  Wirbeltiere  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  entkleidet  wurden 
und  allmählich  einen  Funktions Wechsel  durchmachten,  der  sie 
anderen  lebenswichtigen  Aufgaben  entgegenführte. 

Herr  A  s  c  li  o  f  f  bespricht  zunächst  die  feineren  morphologischen 
Veränderungen  während  des  Alterns,  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  gegenseitigen  Beziehungen  zwischen  dem  Vorder¬ 
lappen,  der  Intermediärzone  und  dem  Hinterlappen.  Während  der 
Vorderlappen  im  grossen  und  ganzen  unverändert  bleibt,  von  einer 
Wachstumsvergrösserung  abgesehen,  vollziehen  sich,  gleich  nach  der 
Geburt  beginnend,  die  wichtigsten  Veränderungen  in  der  inter¬ 
mediären  Zone,  indem  sich  der  epithelbekleidete  zystische  Spalt  in 
zahlreiche  kleinere  kolloidgefüllte  Bläschen  zerlegt.  Die  Epithelien 
dieser  Bläschen  wandeln  sich  aus  indifferenten  Zellen  in  eigenartige 
basophile  Elemente  um,  welche  —  wie  hauptsächlich  die  Unter¬ 
suchungen  von  Kohn,  Stumpf,  Tölken,  Vogel  gezeigt  haben  — 
mit  Beginn  der  Geschlechtsreife,  vereinzelt  auch  schon  früher,  in  den 
Hinterlappen  einwandern.  Diese  Einwanderung  dauert  während  des 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


783 


^  April  1913. 


zen  Lebens  an  und  erlischt  allmählich  im  Qreisenalter.  Sie  ist 
i  viduell  sehr  wechselnd.  Verschiedene  Autoren,  insbesondere 
ge  1  und  Jonnesco,  vertreten  die  sehr  naheliegende  Hypothese, 

I  ,  durch  Umwandlung  und  Zerfall  dieser  Zellen  Substanzen  inner- 
il)  des  Hinterlappens  frei  gemacht  werden,  welche  zum  Teil  die 

■  nnakologische  Wirkung  desselben  bedingen,  zum  Teil  als  Pigment¬ 
ierschläge  in  den  Neurogliazellen  in  die  Erscheinung  treten. 

igel  hat  auf  die  eigentümliche  Tatsache  aufmerksam  gemacht, 

1  s  bei  Schwangeren  das  Pigment  w  ieder  abnimmt,  vielleicht  infolge 
kerer  Durchströmung. 

Zweitens  erwähnt  der  Vortragende  die  Verschiede  n- 
i  t  e  n  der  Hypophysisstrukturen  beim  männ- 
hen  und  weiblichen  Geschlecht,  und  weist  vor  allem 
.  die  Arbeit  von  Erdheim  hin,  welcher  die  Wucherung  und 
Wandlung  der  Hauptzellen  zu  Schwangerschaftszellen  bei  Graviden 
i  hweisen  konnte.  Aus  diesen  Schwangerschaftsveränderungen 

■  dtiert  das  durchschnittliche  Ueberwiegen  des  Gewichts  der  weib- 
)  en  über  die  männliche  Hypophyse.  Der  Druckerscheinung  am 

ikus  während  der  Schwangerschaft  wird  kurz  Erwähnung  getan. 

Beziehungen  der  Schwangerschaftshypertrophie  der  Hypophyse 
/  den  Funktionspausen  des  Ovariums  sind  noch  nicht  einheitlich 
j  lärt. 

Endlich  schildert  Vortragender  kurz  die  pathologischen  Ver¬ 
zierungen,  besonders  die  Geschwulstbildung  der  Hypo- 
i  yse,  unter  denen  bestimmte  Gruppen  unterschieden  werden 
!-  inen :  einmal  die  Tumoren  des  Vorderlappens,  unter  denen  die 
l  inophilen  Strumen  insofern  eine  besondere  Bedeutung  haben,  als 
-  in  erster  Linie  das  Krankheitsbild  der  Akromegalie  auszulösen 
>  leinen.  Bei  Fehlen  solcher  Tumoren  muss  man  immer  an  Ge- 
m wülste  im  Keilbein  oder  am  Rachendach  denken,  wo  zum  Teil 
;  v  siologisch,  zum  Teil  pathologisch  Reste  des  Hypophysengangs 
r  unden  werden. 

Eine  zweite  Klasse  von  Geschwülsten  sind  die  sogen.  Hypo- 
;  \  senganggeschwiilste,  welche  sich  aus  epithelialen  Resten  des 
1  pophysenganges  im  Gebiet  des  Stieles  oder  der  intermediären  Zone 
.wickeln  und  aus  anscheinend  weniger  differenzierten  Stellen  be- 
:  hen.  Durch  die  Zerstörung  und  daraus  folgenden  Querschnitts- 
i  [erbrechungen  des  Stieles  scheinen  sie  in  erster  Linie  das  Bild  der 
I  strophia  adiposo-genitalis  hervorzurufen,  wobei  zwischen  den  Ein- 
ikungen  bei  jugendlichen  und  erwachsenen  Individuen  selbst- 
rständliche  Differenzen  bestehen. 

Endlich  wird  noch  auf  die  gerade  bei  Hypophysistumoren  wieder- 
11t  beobachtete  Glykosurie  hingewiesen,  die  wohl  auf  einer  Reizung 
s  Hinterlappens  durch  primäre  und  sekundäre  Tumoren  (Fall  von 
:<undärem  Karzinom  von  Simmonds  beschrieben)  zuriick- 
fiihren  sind. 

Herr  Straub  berichtet  über  die  experimentelle  Hypophysen- 
schung.  Demonstration  von  Bildern  der  Exstirpationsfolgen  an 
tir  jugendlichen  Tieren.  Wirksame  Substanzen  sind  zurzeit  nur  in 
n  Neurohypophysen  gefunden  worden  und  zwar  sind  es  nach 
uesten  Forschungen  Alkaloide,  die'  alle  zusammen  gleichen 
irkungscharakter  haben.  Dem  Wesen  nach  ist  die  Wirkung 
renalinähnlich,  unterscheidet  sich  von  dieser  aber  durch  die  lange 
luer.  Kinematographische  Demonstration  der  Pituitrinwirkung  auf 
utdruck  und  Atmung  (ähnlich  dem  anaphylaktischen  Schock)  und 
f  den  Uterus  (ähnlich  der  Mutterkornwirkung). 

Herr  Schlimpert:  Es  werden  besprochen:  einmal  die  Ein- 
irkungen  des  Genitales  auf  die  Hypophyse  (Einfluss  der  Schwanger¬ 
haft  und  Kastration)  und  zweitens  die  Veränderungen  des  Genitales 
i  Hypophysenerkrankungen  (Akromegalie,  Zwerg-  und  Riesen- 
uchs,  hypophysäre  Fettsucht). 

Drittens  werden  die  Erfahrungen  mit  Hypophysenextrakten  in 
r  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  erwähnt.  Die  Freiburger  Frauen- 
inik  verfügt  über  359  Fälle,  in  denen  Pituitrin  oder  Pituglandol  als 
ehenmittel  gegeben  wurde;  darunter  216  mal  als  einmalige  In- 
ktion,  davon  fielen  auf  die  Eröffnungsperiode  123  Injektionen. 
•  mal  w  ar  der  Erfolg  wahrscheinlich,  39  mal  möglich,  12  mal  un- 
ahrscheinlich.  81  Injektionen  wurden  in  der  Austreibungsperiode 
erabreicht.  Hier  war  ein  Erfolg  im  Sinne  der  Verstärkung  der 
eben  wahrscheinlich  in  43  Fällen,  möglich  in  32  Fällen,  unwahr- 
peinlich  in  6  Fällen.  Ein  wesentlicher  Unterschied  in  der  Wirkung 
on  Pituitrin  und  Pituglandol  konnte  nicht  festgestellt  werden.  Bei 
er  Beurteilung  der  Wehenbeeinflussung  ist  mit  grosser  Skepsis  vor- 
ugehen,  da  ja  normaliter  die  Wehen  bis  zum  Ende  der  Geburt  sich 
tigern  und  plötzliche  Aenderungen  der  Intensität  der  Wehen  auch 
hne  vorangegangene  Medikation  beobachtet  werden.  Sicher  ist, 
ass  die  Hypophysenextrakte  in  einem  hohen  Prozentsatz  der  Fälle 
irksam  sind.  Sicher  ist  es  aber  auch,  dass  sie  trotz  mehrfacher 
ijektion  vollständig  versagen  können.  Mit  dem  von  den  Höchster 
arbwerken  hergestellten  Hypophysin,  das  die  vier  wirksamsten 
■äsen  des  Neurohypophysenextraktes  in  reiner  Form  enthält,  wurden 
"  7  Fällen  Versuche  angestellt;  5  mal  war  die  Wirkung  auf  die 
'>ehen  günstig,  2  mal  blieb  sie  aus. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  Februar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Schmilinsky. 

Schriftführer :  Herr  Schaedel. 

Herr  O.  Schümm:  Ueber  Hämatin  im  Blutserum  Kranker. 

Auf  Grund  des  von  ihm  beobachteten  Vorkommens  einer  aus¬ 
gesprochenen  Hämatin  ämie  bei  toxischem  Blutkörperchenzerfall 
hat  Sch.  gemeinsam  mit  C.  H  e  g  1  e  r,  zum  Teil  auch  mit  H.  S  c  h  o  1 1  - 
müller  Untersuchungen  über  das  Vorkommen  von  gelöstem 
Hämatin  im  Blutserum  Kranker  ausgeführt  und  gibt  nunmehr  die 
genauere  Anweisung  für  die  Erkennung  des  Hämatins,  namentlich  in 
solchen  Fällen,  wo  das  Blutserum  neben  Hämatin  noch  Methämoglobin 
enthält. 

Bei  stärkerem  Hämatingehalt  zeigt  das  Serum  einen  Absorptions¬ 
streifen  im  Rot  auf  etwa  ßn  621.  Bei  Blutserum,  das  nur  Methämo¬ 
globin  enthielt,  fand  Sch.  den  Absorptionsstreifen  im  Rot  auf  ca.  /iß  634 
(Messungen  im  Gitterspektrömeter  bezw.  an  Gitterspektrogramnien). 

In  Fällen,  wo  das  Blutserum  neben  Methämoglobin  noch  reich¬ 
lich  Hämatin  enthielt,  hatte  der  Absorptionsstreifen  im  Rot  eine  ab 
weichende  mittlere  Lage,  z.  B.  auf  ca.  625 — 627  u.  ä.  Weiteren 
Aufschluss  ergibt  die  Prüfung  des  spektroskopischen  Verhaltens  nach 
Zusatz  geeigneter  Reagentien. 

Sch.  demonstriert  Spektrogramme  mehrerer  durch  den  Bacillus 
emphysematosus  (E.  Fraenke  1)  hervorgerufener  Fälle  von  Bak¬ 
teriämie,  die  von  Dr.  H.  Schottmüller  beobachtet  waren  und  in 
denen  Schümm  im  frischem  Serum  grössere  Mengen  von  Hämatin, 
z.  T.  neben  Methämoglobin  aufgefunden  hat.  (Autoreferat.) 

Herr  E.  Reye:  Ueber  Spondylitis  infectiosa. 

Herr  R.  demonstriert  das  Präparat  einer  Wirbelsäule  von  einem 
Mädchen  im  Alter  von  6)4  Wochen.  Das  Kind  war  in  der  ersten 
Zeit  ganz  gesund  gewesen,  in  den  letzten  2  Wochen  schrie  es. 
sobald  es  angefasst  oder  aufgehoben  wurde.  Einige  Tage  vor  dem 
Tode  wurde  es  sehr  kurzluftig.  Die  Sektion  ergab  eine  akute, 
durch  den  Staphylococcus  aureus  hervorgerufene, 
eitrige  Spondylitis  der  Brustwirbelsäule,  die  zu  einer 
völligen  Zerstörung  des  6.  Wirbelkörpers,  Komprimierung  des  Rücken¬ 
marks,  Gibbusbildung  und  Infektion  der  rechten  Pleura  (Empyem) 
geführt  hatte.  Im  Blut  ebenfalls  gelbe  Staphylokokken. 

Der  geschilderte  Fall  nimmt  eine  besondere  Stellung  ein  einmal 
wegen  des  ausserordentlich  foudroyanten  Verlaufes. 
Weiter  muss  das  Vorkommen  .  einer  derartigen  Erkrankung  im 
jüngsten  Säuglingsalter  als  ganz  aussergewöhnlich  be¬ 
zeichnet  werden.  Endlich  erscheint  das  Zustandekommen  der 
Infektion  von  besonderer  Bedeutung:  Die  Mutter  des 
Kindes  litt  an  einer  doppelseitigen  eitrigen  Mastitis,  trotzdem  hat  sie 
das  Kind  dauernd  gestillt.  Aus  diesem  Grunde  ist  man,  zumal  irgend¬ 
welche  lokale  eitrige  Prozesse  oder  anderweitige  infektiöse  Krank¬ 
heiten  bei  dem  Kinde  nicht  beobachtet  wurden,  zu  der  Annahme  be¬ 
rechtigt,  dass  das  infektiöse  Virus  mit  dem  Sekret  der  Brustdrüse 
resp.  beim  Anlegen  in  den  Körper  des  Kindes  gelangt  ist  und  auf 
diese  Weise  auf  dem  Wege  des  Digestionstraktus  eine  Ansiedelung 
der  Staphylokokken  im  Wirbelmark  zustande  gekommen  ist.  (Auto¬ 
referat.) 

Diskussion:  Herr  E.  Fraenkel  hebt  die  Foudroyanz 
des  Verlaufes  und  die  Hochgradigkeit  der  Zerstö¬ 
rung  in  dein  vorliegenden  Falle  hervor.  Er  hält  die  Feststellung 
für  wichtig,  dass  innerhalb  einer  so  kurzen  Zeit  —  das 
Kind  ist  i.  g.  nur  6  Wochen  alt  geworden  und  war  anfangs  ganz 
gesund  —  ein  ganzer  Wirbelkörper  zugrundegehen 
kann.  Fr.  hat  bei  den  von  ihm  im  Laufe  der  Jahre  untersuchten, 
tödlich  verlaufenen  Fällen  von  infektiöser  Wirbelentzündung  eine  der¬ 
artige  Destruktion  nie  beobachtet.  Seiner  Ansicht  nach  kann  die 
Kenntnis  dieser  Tatsache  unter  Umständen  eine  wichtige  Rolle  bei  der 
Entscheidung  der  Frage  eines  etwaigen  Zusammenhanges  zwischen 
vorangegangenem  Trauma  und  eitriger  Wirbelsäulenentzündung  spielen. 
Einige  der  Fr. sehen  Fälle  sind  nur  dadurch  entdeckt  worden,  dass  er 
es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  bei  allen  Fällen  von  sog. 
okkulter,  auch  durch  die  Sektion  nicht  aufgeklärter  Pyämie  und 
bei  ätiologisch  unklaren  Fällen  von  eitriger  Me¬ 
ningitis  regelmässig  die  Wirbelsäule  aufzusägen. 

Besonders  lehrreich  war  in  dieser  Beziehung  eine  durch  Staphylo¬ 
kokken  verursachte  eitrige  Meningitis,  als  deren  Ausgangspunkt  eine, 
namentlich  in  den  Lendenwirbeln  lokalisierte,  eitrige  Osteomyelitis 
angesehen  werden  musste.  Es  gelang  in  diesem  Falle,  auch  die  Ein¬ 
gangspforte  festzustellen.  Dem  Patienten  war  einige  Zeit  vor  dem 
Tode  beim  Fällen  eines  Baumes  dieser  auf  den  Fuss  gefallen  und 
hatte  zur  Vereiterung  des  Nagels  der  grossen  Zehe  geführt.  Lediglich 
durch  die  Durchsägung  der  Wirbelsäule  und  durch  das  Auffinden  von 
Eiterherden  in  einzelnen  Wirbeln  war  der  Fall  als  solcher,  sowie 
der  Zusammenhang  von  Unfall  und  tödlicher  Krankheit  aufgeklärt  und 
damit  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Hinterbliebenen  eine  Unfallrente 
zu  verschaffen. 

Es  braucht  aber  gar  nicht  immer  zu  makroskopisch  sichtbaren, 
eitrigen  Prozessen  in  den  Wirbeln  zu  kommen,  es  kann  sich  vielmehr 
— -  und  das  trifft  nach  den  Erfahrungen  von  Fr.  für  die  Mehrzahl 
der  Fälle  zu  —  um  nur  mikroskopisch  nachweisbare  Herde  im  Wirbel- 


784 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


mark  handeln,  die  dann  den  Ausgangspunkt  für  ausgedehnte  Meta¬ 
stasen  in  den  Organen  des  kleinen  und  grossen  Kreislaufes  abgehen 
können.  Ein  derartiges  Wirbelpräparat  wird  Vorgelegt. 

Ferner  die  Herren :  Plaut.  Halberstadt,  ö  r  ii  n  e  b  e  r  g, 
Oehlecker. 

Herr  E.  Fraenkel:  Röntgenologisches  über  kongenitale  Sy¬ 
philis  platter  Knochen.  (Erscheint  ausführlich  in  „Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenologie“.) 

Herr  v.  Bergmann:  Experimentelles  über  Darmbewegungen. 

Vortr.  berichtet  über  die  Resultate,  die  einerseits  durch  das 
experimentelle  Bauchfenster,  andererseits  durch  die  Röntgenunter¬ 
suchungen  am  Menschen  von  Katsch  auf  der  medizinischen  Ab¬ 
teilung  des  Altonaer  Krankenhauses  gewonnen  sind. 

Die  Methode  des  experimentellen  Bauchfensters  gibt  als  einzige 
der  bestehenden  die  Möglichkeit,  unter  physiologischen  Bedingungen 
die  Gesamtheit  der  Darmbewegungen  zu  erfassen.  Die  Arten  der 
Pendelbewegungen  am  Dünndarm,  die  Auffassung  der  gesamten  Roll¬ 
bewegungen,  die  Antiperistaltik  und  die  wurmartigen  Bewegungen  am 
Zoekum  und  Kolon,  über  die  Widersprüche  bestanden,  erfahren  ge¬ 
wisse  Klärungen,  ebenso  die  Art  der  Haustrenbewegungen,  ja  das 
zum  Teil  Funktionelle  der  Haustrenbildung  selbst.  Ebenfalls  ist  ein 
Urteil  über  die  Durchblutung  der  Därme  gewonnen. 

Im  ganzen  lässt  sich  sagen,  dass  die  Bewegungen  meist  in  allen 
ihren  Teilen  Vermehrung  oder  Herabsetzung  erfahren,  dass  die  Ver¬ 
hältnisse  also  für  praktische  Fragen  einfacher  liegen  als  aus  den 
analysierenden  Teiluntersuchungen  am  überlebenden  Darme  zu  er¬ 
warten  war.  Von  physikalischen  Einflüssen  hemmt  die  Kälte,  gleich¬ 
zeitig  mit  Verengerung  der  Blutgefässe,  fördert  die  Wärme  die  Be¬ 
wegungen,  gleichzeitig  Gefässerweiterung  im  Splanchnikusgebiet. 
Psychisch  Hemmung  durch  Unlustaffekte  (Schmerz),  Förderung  durch 
lustbetonte  Empfindungen  (Nahrungsaufnahme). 

Genauer  werden  besprochen  die  Einflüsse  durch  die  Pharmaka 
des  vegetativen  Nervensystems.  Pilokarpin  und  Physostigmin  (die 
Vagusreizer)  machen  gewaltige  Darmbewegungen  und  Darmspasmen, 
Atropin  (Vaguslähmer)  verringert  die  Bewegungen,  den  Tonus  und 
die  Haustreneinschnürungen,  Adrenalin  (Sympathikusreizer)  bewirkt 
momentanen,  vollkommenen  Stillstand  und  maximale  Blässe  des 
Darmtraktes.  Entspricht  dies  im  wesentlichen  den  Eigenschaften  des 
Vagus  als  Erreger  und  des  Sympathikus  als  Hemmer  des  Darmes, 
so  darf  doch  der  pharmakologische  Einfluss  nicht  so  schematisch 
aufgefasst  werden.  Durch  die  automatischen  Plexus  am  Darme  und 
ihre  Beeinflussung  durch  diese  Pharmaka  sind  die  Dinge  kompli¬ 
zierter. 

Eine  grosse  Reihe  von  Röntgen-Kolon-Bildern  des  Menschen, 
teils  durch  Klysma,  teils  durch  Metallbreizufuhr  per  os  gewonnen, 
zeigt  grosse  Uebereinstimmung  mit  jenen  experimentellen  Ergeb¬ 
nissen.  Die  Haustren  erscheinen  auch  hier  zum  Teil  als  etwas 
Funktionelles.  Auf  die  grossen  Kolonbewegungen  beim  Menschen 
und  den  retrograden  Transport  im  Kolon  wird  hingewiesen.  Es 
zeigt  sich  weiter  beim  durch  Atropin  beeinflussten  Kolon  noch  als 
Besonderheit,  dass  die  Valvula  ileocoecalis  sich  durch  Atropin  öffnen 
läst  und  so  eine  mächtige  Dünndarmfüllung  resultiert.  Es  fällt  auf, 
dass  unbeeinflusste  Därme  bei  spastisch  Obstipierten  aussehen  wie 
der  durch  Physostigmin  spastisch  gemachte  Darm  anderer  Individuen. 
Es  wird  zum  Schlüsse  darauf  hingewiesen,  dass  vermehrte  Vagus¬ 
oder  Sympathikusimpulse,  kurz,  dass  Gleichgewichtsstörungen  im 
vegetativen  System  überhaupt  einen  Einfluss  auf  die  Form  und  den 
Bewegungsmodus  des  Darmes  haben,  der  sich  zum  Teil  experimentell 
nachahmen  lässt  durch  die  Pharmaka  des  vegetativen  Systems. 

(Vergl.  auch  die  Referate  auf  S.  769  und  786  dieser  Nummer.) 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Rössle. 

Schriftführer :  Herr  Bennecke. 

(Schluss.) 

Herr  Berger:  2  Fälle  von  familiärer  amaurotischer  Idiotie. 

B.  berichtet  über  2  Geschwister  einer  nicht  jüdischen  Familie, 
von  denen  die  ältere  Schwester  mit  10  Jahren  an  Sehstörungen  und 
epileptischen  Anfällen  erkrankte.  Es  erfolgte  bei  ihr  im  Laufe  der 
Jahre  eine  vollständige  Erblindung  und  weitgehende  Verblödung. 
Im  19.  Lebensjahre  erlag  die  Patientin  einer  Schluckpneumonie  und 
bei  der  Obduktion  fand  sich  der  typische  Befund  einer  Schwellung 
und  Pigmenteinlagerung  in  fast  allen  Nervenzellen  des  Zentralnerven¬ 
systems.  Der  jetzt  14  jährige  Bruder  ist  seit  dem  8.  Lebensjahre 
erblindet,  leidet  seit  dem  12.  Lebensjahre  ebenfalls  an  Krampfanfällen 
und  einem  langsam  aber  stetig  zunehmenden  Rückgang  seiner 
geistigen  Kräfte,  der  aber  zurzeit  noch  keine  erheblichen  Grade  er¬ 
reicht  hat.  Bei  beiden  Geschwistern  fehlten  alle  Lähmungserschei¬ 
nungen,  jedoch  trat  bei  dem  noch  lebenden  Bruder  schon  sehr  früh 
auf  beiden  Seiten  das  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Phänomen  auf,  während  bei 
seiner  Schwester  objektive  Zeichen  einer  organischen  Läsion  des 
Nervensystems  dauernd  vermisst  wurden.  Die  Fälle  stehen  sowohl 
klinisch  als  auch  nach  dem  histopathologischen  Befund,  der  an  mikro- 


No.  l 

skopischen  Präparaten  demonstriert  wurde,  denen  Spielmeye 
am  nächsten.  Die  Wassermannreaktion  war  bei  den  daraufhin  iuik 
suchten  Familienmitgliedern  —  Mutter  und  Sohn  —  negativ. 

Diskussion:  Herr  Schäf.er:  Ich  habe  den  einen  d 
beiden  Fälle,  bei  dem  post  mortem  die  histologische  Untersuchu 
die  Art  der  seltenen  Erkrankung  feststellen  Hess,  bis  Oktober  lü 
mehrere  Jahre  in  unserer  Idiotenanstalt  beobachtet  und  damals  eben 
w  ie  der  Herr  Vortragende  ihn  als  einfache  zunehmende  epileptisc 
Demenz,  bei  der  infolge  Retinaerkrankung  allmählich  Erblindung  ei 
getreten  war,  angesehen. 

Herr  Stock:  Ich  habe  Gelegenheit  gehabt  3  solcher  Fälle  v 
amaurotischer  Idiotie  sowohl  klinisch  als  pathologisch-anatomisch 
untersuchen. 

Die  Verblödung  trat  auch  im  6. — 7.  Lebensjahre  ein,  die  bi 
blinilung  erfolgte  unter  dem  Bilde  der  Pigmentdegeneration  dl 
Retina.  In  einem  Falle  wanderte  kein  Pigment  in  die  Retina  ei 
man  musste  hier  die  Diagnose  einfache  Degeneration  der  Retina  oh 
Pigmentierung  stellen. 

Wenn  auch,  wie  in  neuerer  Zeit  Spielmeyer  anerkem 
diese  Form  der  amaurotischen  Idiotie  mit  der  von  Tay-Sacl 
beschriebenen  im  anatomischen  Befunde  im  Zentralnervensystem  v 
Gemeinsames  hat,  so  dass  man  diese  2  Erkrankungen  als  zusamnie 
gehörig  bezeichnen  muss,  so  möchte  ich  doch  darauf  Hinweise 
dass  sowohl  die  klinischen  als  pathologisch-anatomischen  Belum 
am  Auge  so  verschieden  sind,  dass  ich  doch  befürworten  möchi 
diese  Krankheitsbilder  zu  trennen. 

Bei  der  T  a  y  -  S  a  c  h  s  sehen  Form  gehen  primär  die  Gangliel 
zellen  der  Retina  zugrunde,  klinisch  unter  dem  Bild  der  Embolie  dj 
Zentralarterie,  bei  dieser  Form  sind  die  zuerst  betroffenen  Kiemen: 
die  Stäbchen  und  Zapfen. 

(Ich  weise  auf  meine  diesbezüglichen  Veröffentlichungen  in  d< 
Klinischen  Monatsblüttern  für  Augenheilkunde  und  in  dem  Beric 
der  ophthalmologischen  Gesellschaft  Heidelberg  hin.) 

Herr  Berger:  In  seinem  Schlusswort  weist  B.  darauf  h 
dass  diese  Form  der  Erkrankung  des  Zentralnervensystems,  c 
eigentlich  etwms  zu  Unrecht  den  Namen  der  Idiotie  führe,  nichts 
tun  habe  mit  den  sonst  als  Idiotie  bezeichneten  Fällen,  bei  dem 
angeborene  Entwicklungshemmungen  und  abgelaufene  Enzepha 
tiden  etc.  die  pathologisch-anatomische  Grundlage  bildeten. 

In  psychiatrischen  Kreisen  stehe  man  auf  dem  Standpunkt,  da 
namentlich  im  Hinblick  auf  den  übereinstimmenden  Befund  ein 
allgemein  verbreiteten  Nervenzellerkrankung,  trotz  des  von  Her 
Stock  hervorgehobenen  verschiedenen  Befundes  der  Retina  us 
die  Falle  von  Tay-Sachs  und  diejenigen  von  Spielmeye- 
Vogt  als  infantile  und  juvenile  Form  derselben  Krankheit,  ebi 
der  familiären  amaurotischen  Idiotie,  zuzurechnen  seien. 

Herr  Berger:  Traumatische  Läsion  des  Kleinhirns. 

B.  stellt  ein  14  jähriges  Mädchen  vor,  das  im  Juii  1911  auf  di 
Hinterkopf  fiel  und  damals  die  Erscheinungen  einer  schweren  Gehir 
erschütterung  hatte,  sie  bot  in  der  Folgezeit  die  typischen  Erseht, 
nungen  einer  schweren  Läsion  des  Kleinhirns  dar.  Es  besteht  jet 
noch  eine  schwere  Gehstörung,  horizontaler  Nystagmus,  eine  Pare 
des  rechten  Abduzens,  starke  Klopfempfindlichkeit  des  Hinterkopft 
Augenhintergrund,  Gehör  ohne  Störung,  die  Reaktion  des  Vestibula 
apparates  ist  erhalten,  am  rechten  Arm  lässt  sich  ein  Fehlen  d- 
B'arany sehen  Zeigereaktion  bei  kalorischem  und  Drehnystagim 
nachweisen,  so  dass  man  eine  Läsion  der  rechten  Kleinhirnhälf; 
annehmen  müsste.  Ataxie  und  Intensionstremor  der  linken  Hau 
Ataxie  des  linken  Beines,  das  beiderseits  nachweisbare  B  a  b  i  n  s  k 
sehe  Phänomen  legen  aber  den  Verdacht  nahe,  dass  vielleicht  aut 
das  Kleinhirn  in  grösserer  Ausdehnung  zertrümmert  wurde  und  lasst} 
es  angezeigt  erscheinen,  dass  bei  der  vorzunehmenden  Operativ 
auch  die  linke  Kleinhirnhälfte  einer  Besichtigung  zugänglich  g 
macht  wird. 

Im  Anschluss  an  diesen  Fall  berichtet  B.  über  einen  24jährigö 
Patienten  mit  einer  Zyste  in  der  rechten  Kleinhirnhälfte.  Die  Di. 
gnose  wurde  auf  einen  Tumor  der  linken  mittleren  Schädelgrube  g| 
stellt,  eine  Palliativtrepanation  über  dem  linken  Scheitelhöcki 
brachte  eine  wesentliche  Besserung  der  schweren  subjektiven  Bt 
sclnverden,  jedoch  verstarb  Pat.  2  Tage  nach  der  Operation  gar, 
plötzlich,  als  er  sich  im  Bette  aufrichtete.  Der  an  einem  Fronta 
schnitt  durch  Grosshirn  und  Kleinhirn  demonstrierte  Befund  zeigt 
dass  wmhl  der  beträchtliche,  vorwiegend  auf  der  rechten  Seite  en 
w ickelte  Hydrocephalus  internus  des  Grosshirns  die  falsche  Lokal: 
sation  bedingt  hatte.  Der  Gehirnschnitt  zeigt  auch,  dass  sein 
2  Tage  nach  der  Operation  an  der  Trepanationsstelle  eine  deutiiel 
Veränderung  in  der  Färbbarkeit  der  Markscheiden  eingetreten  is 
die  auf  eine  beginnende  Degeneration  an  der  Operationsstelle  troi 
des  aseptischen  Verlaufs  des  Eingriffs  im  vorliegenden  Falle  Hinweis 

Diskussion:  Herr  S  t  i  n  t  z  i  n  g  fragt  den  Vortragenden,  u 
sich  der  Druck  der  Spinalflüssigkeit  verhalten  habe.  Er  be* icht< 
über  eine  eigene  ktirzliche  Beobachtung  von  Kleinhirntumor,  bei  dp 
vermutlich  infolge  von  Einpressung  in  das  Foramen  magnuni 
der  Druck  des  Liquor  fast  gleich  Null  war.  Der  verbreiteten  Ansicl 
von  der  Gefährlichkeit  der  Lumbalpunktion  bei  Hirntumoren,  di 
auch  der  Vortragende  vertritt,  kann  er  auf  Grund  zahlreicher  Beol 
achtungen  entgegentreten.  Wenn  man  nur  die  Vorsicht  gebrauch' 
den  Druck  zu  messen  und  bei  der  Punkton  nie  unter  einen  Druc 


pril  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


785 


,  120  ccm  Wasser  herunterzugehen,  bei  niedrigerem  Druck  aber 
t  abzubrechen,  so  sei  die  für  diagnostische  Zwecke  sehr  wert- 
Methode  ungefährlich.  In  therapeutischer  Hinsicht  habe  sie 
lings  bei  Hirntumoren  nur  geringen  palliativen  Wert. 

Herr  Riedel  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  rasche  Zer- 
ng  der  Gehirnrinde  an  der  Trepanationsstelle  vielleicht  durch 
'Druck  des  Hydrozephalus  verursacht  sein  könne. 

Herr  Wrede  meint,  dass  die  Veränderungen  der  Hirnoberfläche 
er  Operationsstelle  durch  starkes  Vorquellen  des  Hirns  infolge 
hohen  Hirndrucks  entstanden  sind,  oder  vielleicht  durch  eine 
>onade  der  Operationsstelle. 

Herr  Berger:  In  dem  Schlusswort  gibt  B.  an,  dass  eine  Spinal¬ 
lion  in  beiden  Bällen  aus  dem  Grunde  nicht  vorgenommen 
en  sei,  da  er  dieselbe  nach  seinen  persönlichen  Erfahrungen  bei 
umoren,  namentlich  solchen  der  hinteren  Schädelgrube,  für  ge- 
icher  halte  als  die  Hirnpunktion,  welche  in  beiden  Fällen  aus- 
lrt  wurde. 

B.  kann  leider  nicht  angeben,  ob  die  Dura  an  der  Operations- 
■  wieder  genäht  worden  sei*);  von  einer  Punktion  an  der 
ationsstelle  könnten  nach  seinen  Erfahrungen  die  im  Mark- 
denpräparat  nachzuweisenden  Veränderungen,  die  sich  auf 
ere  Quadratzentimeter  der  Rindenoberfläche  erstrecken,  nicht 
ihren. 

Herr  Hegner:  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  der 
jlie  der  Zentralarterie. 

(Erscheint  als  Originalabhandlung  in  den  Klinischen  Monats- 
srn  für  Augenheilkunde.) 

Herr  Ahrens:  Ueber  Endoskopie. 

Vortr.  zeigt  absolut  durchsichtige  Gummiballons  von  verschie- 
ir  Grösse,  dieselben  werden  über  ein  Gastroskop  (Köl  liker), 
oskop  oder  Urethroskop  gestülpt,  abgebunden  und  in  die  zu  be- 
igende  Körperhöhle  eingeführt.  Wenn  der  Ballon  mit  Wasser 
Luft  aufgebläht  wird,  so  legt  sich  der  Gummi  der  Höhlenwand 
nd  man  kann  dieselbe,  bis  auf  kleine  Buchten,  genau  besichtigen. 
Verfahren  eignet  sich  für  alle  Höhlen,  die  sich  nicht  abschliessen 
nicht  klarspülen  lassen,  so  z.  B.  für  die  Harnblase,  wenn  eine 
1  vorhanden  ist,  für  den  Magen,  auch  von  einer  Fistel  aus  usw. 
Vorteil  ist  noch  der,  dass  der  Gummi  die  Höhlenwand  vor  Ver- 
ngen  durch  das  Instrument  mitschützt,  ferner  ein  Erhitzen  der- 
•n  durch  das  glühende  Lämpchen  unmöglich  macht. 

(Die  Ballons  macht  G.  Härtel  in  Berlin.) 

Diskussion:  Herr  Rössle:  Ich  möchte  den  Herrn  Vor- 
niden  fragen,  auf  welche  Weise  er  diese  Gummiblasen  steri- 
t,  und  ob  nicht  Gefahren  dadurch  entstehen  können,  dass  die 
en  in  den  Körperhöhlen  reissen,  z.  B.  in  der  Harnblase. 

Herr  Klauhammer:  Fall  von  puerperaler  Sepsis. 

22  jährige  Pat.,  welche  nach  ungestört  verlaufener  9  monatiger 
vangerschaft  zur  Entbindung  in  die  Klinik  aufgenommen  wurde, 
machte  einen  ganz  normalen  Partus  durch  und  blieb  zunächst 
Temperaturerhöhung.  Am  3.  Tage  post  partum  setzte  ein  hohes 
ttierend.es  Fieber  ein,  welches  bis  zu  dem  5 Vs  Wochen  post 
Jin  erfolgten  Exitus  anhielt.  Erklärung  dieser  Temperatur- 
egung  bot  diagnostische  Schwierigkeiten.  Keine  Lochiometra! 
Uterus  bildete  sich  gut  zurück,  Parametrien  und  Adnexe  ohne 
.  Befund.  Anfangs  bestand  eine  geringe  bronchopiieumonische 
ration  des  rechten  Unterlappens;  Pat.  war  ohne  irgendwelche 
.'Inverden.  Serumdiagnose  nach  Abderhalden  war  noch 
ochen  post  partum  stark  positiv.  Auf  Grund  einer  Veröffent- 
ng  von  Kausch  (Deutsch-med.  Wochenschr.  1912,  No.  35),  der 
•tige  Erfolge  von  der  Anwendung  grosser  Kollargoldosen  sah, 
breichten  wir  30  ccm  einer  2proz.  Lösung.  Eine  günstige  Wir- 
:  haben  wir  nicht  feststellen  können,  eher  waren  wir  geneigt,  die 
einsetzende  Verschlimmerung  in  dem  Befinden  der  Pat.  auf  das 
irgol  zurückzuführen.  Es  traten  Schüttelfröste  auf.  Es  Hessen 
zum  ersten  Male  im  Blute  hämolytische  Streptokokken  nach- 
>£■!•  Auftreten  einer  beiderseitigen  metastatischen  Ophthalmie, 
pfung  LHU.  (kein  freier  Erguss!)  Geräusche  an  den  Herzostien. 
us. 

Sektionsdiagnose:  Puerperale  lymphangitische  Sepsis,  metasta- 
ler  abgekapselter  Abszess  im  linken  Oberlappen;  fibrinös-eitrige 
;eitige  Pleuritis,  Dilatation  beider  Ventrikel. 

Herr  Erggelet:  Fall  von  metastatischer  Ophthalmie. 

Bei  dem  eben  besprochenen  Fall  von  Puerperalfieber  (Strepto- 
iämie  durch  hämolytische  Streptokokken)  brach  am  30.  Tag  p.  p. 
»eiden  Augen  eine  metastatische  Ophthalmie  aus,  die  am  37.  Tag 
■ag  vor  dem  Exitus)  links  zur  Perforation  der  Kornea  führte. 
Bei  der  anatomischen  Untersuchung  der  Bulbi,  die  von  Herrn 
•  Rössle  dem  Vortragenden  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  er¬ 
sieh  der  interessante  Befund,  dass  die  Metastase  in  beiden 
en  in  die  Iris  erfolgt  war,  während  in  der  Mehrzahl  der  meta- 
scheu  Ophthalmien  durch  Eitererreger  diese  auf  dem  Weg  der 
nalgefässe  eindringen.  Diese  Lokalisation  in  der  Retina  ist  um  so 
ölender,  als  sonst  gerade  die  Uvea  sich  mit  Vorliebe  an  allge- 
ien  Infektionskrankheiten  beteiligt  (Gelenkrheumatismus,  Lues, 
erkulose)  und  die  Retina  geschont  wird. 


)  Eine  nachträgliche  nochmalige  Einsicht  des  Sektionsprotokolls 
in  der  Tat  ergeben,  dass  eine  Naht  der  Dura  unterblieben  war. 


Im  rechten  Bulbus  ist  die  Iris  nekrotisch,  an  einer  Stelle  an  der 
Wurzel  eitrig  eingeschmolzen.  Dagegen  hat  die  Retina  ihre  Struktur 
auffallend  gut  bewahrt.  Im  übrigen  bietet  der  Bulbus  das  Bild  der 
schwersten  eitrigen  Panophthalmie.  Es  besteht  eine  Destruktions¬ 
luxation  der  Linse.  Sie  schwimmt  in  einem  Eitersee.  Ihre  Kapsel  ist 
zerstört  und  liegt  zusammengerollt  daneben.  Nach  rückwärts  im 
Glaskörper  nimmt  der  Umfang  der  Eiterung  ab.  Die  Vorderkammer 
ist  fast  völlig  mit  Eiter  gefüllt.  Die  nekrotische  Kornea  ist  stellen¬ 
weise  bis  auf  wenige  Lamellen  verdünnt.  Vom  Limbus  aus  dringt 
ringsum  eine  mehr  oder  weniger  dichte  Leukozyteninfiltration  in  die 
Hornhaut  ein. 

Die  Mikroorganismenfärbung  nach  Gram  weist  zahllose 
Streptokokken  nach,  und  zwar  häufen-  oder  zugweise  in  der  Iris; 
im  Glaskörper,  wo  sie  meist  in  Leukozytenleibern  liegen,  nehmen  sie 
nach  rückwärts  an  Zahl  ab.  In  der  Netzhaut  fanden  sich  keine,,  ein 
weiterer  Beweis  für  die  Annahme  über  die  Lokalisation  der  Meta¬ 
stase.  ln  grosser  Menge  haben  die  Kokken  die  Vorderkammer  über¬ 
schwemmt.  An  der  festen  Barriere  der  M.  descemeti  werden  sie  auf¬ 
gehalten.  Nur  in  der  Nähe  des  Lig.  pectinatum  sind  einige  kleine 
Züge  zwischen  die  ersten  Hornhautlamellen  eingedrungen. 

Am  linken  Auge  ist  der  Prozess  weiter  gegangen.  Vom  vorderen 
Bulbusabschnitt  sind  lediglich  Reste  der  Hornhaut  und  des  Ziliar¬ 
körpers  erhalten.  Iris  und  Linse  fehlen.  Der  Bulbus  ist  kollabiert. 
Die  Netzhaut  zeigt  auch  hier  auffallend  gut  erhaltene  Struktur.  Auch 
an  diesem  Auge  ist  demnach  die  Metastase  in  die  Iris  erfolgt.  — 
Demonstration  der  Präparate. 

Diskussion:  Herr  Stock:  Der  Vortragende  hat  vielleicht 
nicht  so  ganz  deutlich  zum  Ausdruck  gebracht,  dass  an  diesem  Falle 
besonders  interessant  ist  die  Lokalisation  der  Metastasen  in  der  Iris. 

Während  bei  der  Tuberulose  die  Erkrankung  sich  im  Auge  fast 
immer  in  der  Uvea  niederlässt,  findet  man  im  Gegensatz  dazu  die 
metastatische  Ophthalmie  durch  Eitererreger  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  ausgehend  von  der  Retina.  Man  hat  die  verschiedensten 
Theorien  aufgestellt,  warum  wohl  in  dem  einen  Falle  die  Uvea,  in 
dem  anderen  die  Retina  bevorzugt  wird.  Eine  ganz  befriedigende 
Erklärung  kann  man  aber  noch  nicht  geben. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Februar  1913. 

Herr  Flury:  Ueber  Trichinosis. 

Vortr.  berichtet  über  die  wesentlicheren  Ergebnisse  einer  Unter¬ 
suchung  über  das  Wesen  der  trichinösen  Infektion  vom  toxiko¬ 
logisch-chemischen  Standpunkt  aus.  Zum  Zwecke  der  Iso¬ 
lierung  giftiger  Substanzen  aus  den  Organen  und  Ausscheidungen 
trichinenkranker  Tiere  wurden  Meerschweinchen.  Kaninchen,  Katzen 
und  Hunde  mit  trichinösem  Material  infiziert  und  deren  Organe,  sowie 
das  Muskelfleisch  von  Ratten  und  Schweinen  mittels  chemischer  Me¬ 
thoden  verarbeitet.  Da  bei  den  ersten  orientierenden  Tierversuchen 
unter  den  äusserlich  wahrnehmbaren  Vergiftungserscheinungen  be¬ 
sonders  auffallende  Ermüdungssymptome  und  Störungen  der  Muskel¬ 
funktionen  in  den  Vordergrund  traten,  erschien  es  von  Interesse, 
den  Gehalt  der  trichinösen  Muskeln  an  dem  „Ermüdungsstoff“  Kreatin 
und  den  Muskelstarre  erregenden  Purinbasen  festzustellen.  Im 
Gegensatz  zu  der  erwarteten  Vermehrung  dieser  Substanzen  zeigte 
sich  jedoch  im  ersten  Stadium  der  Muskeltrichinose  eine  deutliche  Ver¬ 
minderung  des  Kreatins  und  der  Purinbasen.  Die  im  Anschluss  an 
diese  Beobachtung  unternommene  vollständige  chemische  Untersuchung 
stark  trichinöser  Muskeln  führte  zu  zahlreichen  neuen  und  inter¬ 
essanten  Befunden,  die  unsere  Kenntnis  der  chemischen  Pathologie  des 
Muskelgewebes  in  mehr  als  einer  Richtung  fördern.  Je  nach  dem 
Stadium  und  der  Intensität  der  trichinösen  Infektion  zeigen  sich  mehr 
oder  weniger  tiefgreifende  Veränderungen  in  der  chemischen 
Zusammensetzung  des  Muskels.  Der  Wassergehalt  des 
Muskels  ist  insbesondere  in  den  ersten  Wochen  beträchtlich  vermehrt 
und  demgemäss  die  Menge  der  festen  Bestandteile  herabgesetzt. 
Weiter  tritt  alsbald  ein  starker  Abfall  in  dem  Glykogengehalt  des 
Muskels  ein,  der  fast  bis  zum  völligen  Schwund  dieses  Kohlehydrats, 
nicht  nur  in  der  befallenen  Faser  und  ihrer  nächsten  Umgebung, 
sondern  auch  in  der  gesamten  Körpermuskulatur  führen  kann.  Bei 
der  Färbung  solcher  chemisch  als  fast  glykogenfrei  gefundenen 
Muskeln  mit  Best  scher  Karminlösung  zeigen  sich  nur  die  Trichinen 
in  ihrem  Hautmuskelschlauch  strotzend  mit  diesem  Reservestoff  ge¬ 
füllt.  Die  wasserlöslichen  Bestandteile,  die  sogen.  Extraktivstoffe, 
speziell  die  nicht  koagulierbaren  Anteile  derselben,  das  „Nicht- 
eiweiss“,  zeigen  deutliche  Vermehrung  auf  Kosten  des  Gehaltes  an 
Muskelfaser,  die  sich  in  manchen  Fällen  bis  auf  die  Hälfte  der 
normalen  Werte  reduziert  erweist.  Der  anfänglichen  Verringerung 
des  Kreatin-  und  Puringehaltes  kann  im  späteren  Verlauf  der  Trichi¬ 
nosis  eine  starke  lokale  Häufung  derselben  im  Muskel  folgen.  Wäh¬ 
rend  der  Gesamtstickstoff  vermindert  ist,  wird  der  Gehalt  an  Am¬ 
moniak  vermehrt  gefunden.  Auch  im  Gehalt  an  Milchsäure  und  flüch¬ 
tigen  Fettsäuren  werden  abnorm  hohe  Werte  gefunden,  desgleichen 
ist  die  direkt  durch  Titration  bestimmbare  Azidität  erheblich  grösser 
als  im  normalen  Muskel.  Auch  in  der  Leber  zeigt  sich  ein  weit 
geringerer  Gehalt  an  Glykogen,  dagegen  ein  viel  grösserer  Betrag 
von  Stickstoffsubstanz  als  bei  den  Kontrolltieren.  Der  Harn  weist 


786 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


anfangs  geringere  Mengen  von  Kreatinin  und  Purinen  als  der  bei 
gleicher  r.rnährung  vor  der  Infektion  gesammelte.  Später  werden 
diese  Stoffe  in  stark  vermehrter  Menge  ausgeschieden.  Ijlpi  der  Katze 
zeigte  sich  eine  starke  Zunahme  der  durch  Phosphorwolframsäure 
fällbaren  Basen,  des  Ammoniaks,  der  flüchtigen  Säuren,  der  Phenole 
und  des  Indikans.  Abgesehen  von  den  bekannten  morphologischen 
Veränderungen  des  Blutbildes  ist  der  Gehalt  des  Blutes  an  Wasser 
im  ersten  Stadium  auserordentlich  hoch,  es  besteht  starke  Hvdrämie. 
Durch  die  gesteigerte  Ueberschwemmung  mit  den  zur  Resorption 
kommenden  Zerfallsprodukten  des  Muskels  können  im  späteren 
Verlaufe  gerade  entgegengesetzte  Veränderungen  auftreten,  wobei 
das  spezifische  Gewicht  des  Serums  abnorm  hoch  wird  und  die 
Erythrozyten  eine  derartige  physikalisch-chemische  Veränderung  er¬ 
leiden,  dass  sie  sowohl  von  0,85  proz.  Kochsalzlösung  als  auch  von 
Ringerlösung  hämolysiert  werden.  Bei  einem  Dialyseversuch  er¬ 
starrte  das  Serum  eines  schwer  trichinösen  Kaninchens  zu  einer 
Gallerte.  Das  Serum  von  Katzen  und  Kaninchen  enthielt  grössere 
Mengen  von  Albumosen  und  Nukleoproteiden.  Auch  im  Gesamt¬ 
stoffwechsel  kommt  es  durch  den  Zerfall  von  Muskelsubstanz 
je  nach  dem  Grade  der  Retention,  Resorption  und  Ausscheidung  der 
Zerfallsprodukte  zu  eingreifenden  Veränderungen,  über  die  Vortr.  in 
Gemeinschaft  mit  Hermann  Groll  noch  ausführlicher  berichten  wird. 

Die  im  Anschluss  an  die  chemischen  Untersuchungen  angestellten 
Tierversuche  mit  den  Bestandteilen  normaler  und  trichinöser  Mus¬ 
keln  usw.  führten  zu  folgenden  in  toxikologischer  Hinsicht  be¬ 
deutsamen  Schlüssen.  Wie  bei  Menschen  zeigen  sich  auch  bei  Tieren, 
besonders  Fleischfressern  (Hunden  und  Katzen),  die  aus  der  mensch¬ 
lichen  Patholgie  bekannten  äusseren  Krankheitserscheinungen  von 
seiten  des  Muskel-  und  Nervensystems,  Eosinophilie  und,  wenigstens 
bei  Hunden  und  Katzen,  starke  Diazoreaktion  des  Harns.  Für  die 
heftigen  Schmerzen  im  Verlaufe  der  Trichinosis  sind  neben  den 
osmotischen  und  sonstigen  physikalischen  Störungen  im  Muskel  die 
lokal  reizend  wirkenden  freien  Säuren  und  wohl  auch 
die  in  vergrösserter  Menge  auftretenden  basischen  Abbauprodukte  und 
sonstigen  Zerfallsstoffe  des  trichinösen  Muskels  verantwortlich  zu 
machen.  Auch  die  Magen-  und  Darmerscheinungen  sind,  wenigstens 
zum  Teil,  auf  solche  lokal  reizende  Substanzen  zurückzuführen.  Die 
brettharten  Infiltrationen  der  Muskeln  sind  Wirkungen  von  freien 
P  u  r  i  n  e  n  und  anderen  chemisch  und  pharmakologisch  den  Purinen 
nahestehenden  Giften,  also  von  Substanzen  der  pharmakologischen 
Gruppe  des  Koffeins,  deren  Muskelstarre  erregende  Wirkung  allgemein 
bekannt  ist.  Daneben  handelt  es  sich  um  basische  Stoffe  mit 
kurarinartiger  Wirkung,  welche  die  motorischen  Nerven¬ 
endigungen  in  verschiedenem  Grade  lähmen  und  so  zu  der  bekannten 
ausserordentlichen  Erschöpfbarkeit  des  Muskels  beitragen.  Als  solche 
Verbindungen  kommen  vielleicht  in  erster  Linie  Zersetzungsprodukte 
des  Kreatins  (Guanidinderivate)  und  andere  Nerven-  und  Muskel¬ 
gifte  der  Pyridin-  und  Chinolinreihe  in  Betracht.  Ausser  diesen 
Substanzen  sind  im  trichinösen  Muskel  aber  auch  noch  kolloidale  und 
anscheinend  sehr  labile  Stoffe  vorhanden,  die  chemisch  zurzeit  noch 
nicht  genügend  charakterisierbar  sind,  deren  Gegenwart  sich  aber 
durch  die  stark  lähmende  Wirkung  beim  Tierversuch  feststellen  lässt. 
Alle  diese  Verbindungen  bilden  neben  den  hiehergehörigen  normalen 
Stoffwechselprodukten  des  Muskels  eine  umfangreiche  Gruppe  von 
„Ermüdungsstoffe  n“,  denen  sich  noch  eigenartige  Oedeme 
hervorrufende  Gifte  anreihen.  Abgesehen  von  den  Säuren 
lassen  sich  durch  kolloidale  Nukleinproteine  aus  trichinösen  Muskeln 
auf  experimentellem  Wege  an  Fröschen  und  auch  an  Hunden  starke 
Oedeme  erzeugen.  Für  das  Zustandekommen  der  Oedeme  ist  von 
grossen  Bedeutung  die  Auffindung  eines  Kapillargiftes  im 
trichinösen  Muskel,  das  zu  Darmblutungen,  Lungenblähung  und 
Lungenödem  führen  kann  und  höchstwahrscheinlich  die  Entstehung 
des  Frühödems,  der  Ekchymosen  und  sonstiger  hämorrhagischer 
Prozesse  bei  der  Trichinosis  bedingt.  Die  temperatu  r  stei¬ 
gernde  Wirkung  von  Extrakten  aus  trichinösen  Muskeln  ist  be¬ 
deutend  stärker  als  die  Wirkung  normaler  Muskelauszüge,  besonders 
wirksam  erwiesen  sich  die  kolloidalen  Anteile  derselben.  Bei  Beur¬ 
teilung  des  Blutbildes  und  der  Blutgiftwirkung  der  Trichinen, 
speziell  bei  kleinen  Tieren  (Ratten,  Meerschweinchen),  ist  auf  die 
chemischen  und  physikalischen  Veränderungen  des  Blutserums  be¬ 
sonderer  Wert  zu  legen.  , 

ln  biologischer  Hinsicht  ergaben  sich  folgende,  auch  für 
die  vergleichende  physiologisch-chemische  Forschung  verwertbare 
Resultate.  Die  Trichine  schliesst  sich  auch  nach  ihrer  Lebensweise 
eng  an  die  ihr  zoologisch  am  nächsten  verwandten  Darmhelmin¬ 
then  an,  zu  denen  sie  ja  auch  während  des  Stadiums  der  Darrn- 
trichinosis  unbedingt  gezählt  werden  muss.  Wie  bei  diesen,  z.  B.  den 
I  änien  und  Askariden,  ein  auffallend  grosser  Teil  (oft  ein  Drittel 
und  mehr)  der  gesamten  Körpertrockensubstanz  aus  Glykogen  be¬ 
steht,  so  sind  auch  die  !  richinen  durch  einen  hohen  Gehalt  an  diesem 
Stoff  ausgezeichnet.  Wie  bei  anderen  parasitisch  lebenden  Würmern 
spielt  also  auch  hier  der  Kohlehydratstoffwechsel  eine 
hervorragende  Rolle,  und  deshalb  findet  die  junge  Trichine  gerade  im 
Muskel  in  der  Periode  ihres  schnellen  Wachstums  günstige  Vor¬ 
bedingungen  zur  Befriedigung  dieses  Bedürfnisses.  Wegen  des  Man¬ 
gels  an  freiem  Sauerstoff  vollzieht  sich  nun  der  Stoffwechsel  aber 
auch  bei  der  Trichine  in  ganz  anderer  Weise  als  bei  den  frei  leben¬ 
den  Organismen  und  es  treten,  wie  dies  bei  Askaris  genau  studiert 
ist,  infolge  der  anoxybiotischen  Lebensweise  zahlreiche 


No. 

Produkte  unvollkommener  Verbrennung  auf,  unter  denen  im  Mm  i 
besonders  leicht  freie  Fettsäuren  nachzuweisen  sind,  die  : 
in  Ger  Umgegend  der  Parasiten  ansammeln  können.  Der  Isolier  <■ 
der  sonstigen  sicher  noch  gelieferten  Ausscheidungen  stell  n 
Schwierigkeiten  gegenüber,  da  diese  Verbindungen  wahrschein  i, 
zum  grössten  Teil  mit  den  intermediär  auftretenden  Produkten  s 
normalen  Stoffwechsels  des  Wirtes  identisch  sind.  Die  vielfach  .L 
kutierte  Frage,  warum  die  Trichine  gerade  im  Muskel  ihre  Entwi 
hmg  vollendet,  lässt  sich  jedenfalls  auf  Grund  der  experimentell 
wonnenen  Resultate  nunmehr  einfach  und  ungezwungen  beantwor  > 
Die  jungen  Trichinen  werden  nicht,  wie  früher  angenommen  wm 
auf  ihrer  Wanderung  in  den  „besonders  engen"  Kapillaren  des  Ml’ 
kels  festgehalten,  sondern  sie  bleiben,  veranlasst  durch  den  Seih, 
erhaltungstrieb,  in  diesem  Organ,  das,  vor  allem  infolge  eines  Gly„ 
gengehaltes,  den  eigenartigen  Lebensbedürfnissen  der  Parasiten  n 
besten  entspricht. 

Herr  Gerhardt:  Ueber  Störungen  der  Wasserbilanz  hei  Ht  - 
kranken. 

G.  berichtet  über  einige  Beobachtungen,  welche  den  prompL 
Erfolg  der  Karelischen  Milchkur  bei  Herzkranken  deutlich  . 
monstrieren.  Gegenüber  den  Darlegungen  einiger  neuerer  AuUh 
ist  zu  betonen,  dass  solche  gute  Wirkungen,  in  denen  das  Körn¬ 
gewicht  einmal  in  8  Tagen  um  17,5  kg  sank,  auch  ohne  Digitaliszugä: 
ja  mehrfach  nach  vorangehender  wochenlanger  erfolgloser  Digitak- 
behandlung,  erzielt  wurden. 

Für  die  Frage,  ob  Durstkuren  mehr  (nach  Oertels  Lehre)  s 
Herz  oder  mehr  (nach  modernerer  Auffassung)  die  Nieren  entlast), 
lassen  sich  folgende  Beobachtungen  verwerten. 

Zwei  Herzkranke  mit  mässiger  Kompensationsstörung  erluu 
nach  einmaliger  Zulage  von  1  Liter  Tee  eine  deutliche  Steigerung  ■ 
Störung:  es  blieb  nicht  nur  die  sonst  zu  erwartende  Vermehrung  r 
Urinmenge  aus,  sondern  die  Harnmenge  sank  am  Tag  nach  dem  ren- 
üchen  Trinken  auf  die  Hälfte  der  früheren  Höhe  herab. 

Die  hiedurch  nahegelegte  Vermutung,  dass  durch  solch  red¬ 
liches  Trinken  nicht  sowohl  die  Nieren,  als  vielmehr  das  Herz  stärlr 
belastet  und  überanstrengt  werde,  fand  eine  Bestätigung  in  folgeniin 
Fall:  Eine  Herzkranke,  welche  1  Liter  superponierte  Flüssigkeit  ■- 
tiniert  hatte,  schied  600  ccm  intravenös  injiziertes  Salzwasf 
prompt  aus. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Ber 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  31.  März  1913. 

Tagesordnung: 

Herr  v.  Bergmann  -  Altona  und  Herr  K  a  t  s  c  h  (a.  G.) :  Ue:r 
Darmbewegung  und  Darmform.  Experimentelles  und  Klinisches. 

Schon  früher  hat  B.  an  der  gleichen  Stelle  über  die  grosn 
Bewegungen  des  Kolon  gesprochen;  dies  ist  der  Grund,  warum  erin 
gleicher  Stelle  die  Fortsetzung  gibt.  Zur  Einführung  erwähnt  er.  djs 
die  Begriffe  Vagotonie  und  Sympathikotonie  sehr  viel  Konstruktiv 
enthalten,  da  in  der  Praxis  des  einzelnen  Falles  die  Symptome  e 
rein  sind.  Trotz  dieser  Bedenken  spricht  er  vom  Adrenalinsysin 
im  Sinne  eines  das  Sympathikussystem,  vom  Pilokarpin-  und  Choi- 
system  im  Sinne  eines  das  Vagussystem  beeinflussenden  Mittels. 

Am  Herzen  sind  die  Verhältnisse  des  Vagus-  und  Sympathik;- 
einflusses  am  meisten  studiert;  weniger  am  Darm:  der  Sympathi  s 
fungiert  hier  als  Hemmer  des  Darmes,  ejer  erweiterte  Vagus  als  Rei  r 
des  Darmes.  Eine  neue  Methode  erlaubt  hier  neue  Aufschlüsse:  ti 
Tier  gibt  das  sog.  „Bauchfenster“  (im  Verbindung  mit,  dem  Röntgi- 
verfahren)  ein  Bild  der  unter  dem  Einfluss  verschiedener  Mittel  jn 
Darme  sich  abspielenden  Vorgänge. 

Herr  Katsch  demonstriert  an  2  Kaninchen  die  von  ihm  anl- 
gebene  Methode  des  Bauchfensters.  Es  hat  vor  dem  Röntg*- 
verfahren  Vorzüge,  da  das  Röntgenverfahren  als  ein  indirektes  r 
die  Verschiebung  des  Inhalts  demonstriert.  Ein  synthetisches  V- 
fahren  wie  das  Bauchfenster  erlaubt  die  Analyse  von  bis  dahimi 
ihren  Komponenten  vollkommen  ungeklärten  Einflüssen,  wie  z. !- 
kleiner  und  grosser  Atropindosen.  Eine  solche  Analyse  durch  I- 
duktion  war  bisher  unmöglich,  da  die  auf  die  Reiz-  und  Heinmun- 
nerven  z.  B.  von  Atropin  ausgeübten  Effekte  sich  theoretisch  in  6- 
gegengesetzter  Richtung  bewegen  und  daher  sich  eigentlich  ;  - 
heben.  Am  Bauchfenster  sieht  man  die  Wirkung  verschiede) 
Agentien  auf  den  Darm,  wie  z.  B.  Abkühlung  die  Därme  blutljr 
macht  und  die  Bewegungen  hemmt,  während  z.  B.  durch  Fresn 
ausgelöste  psychische  Lufteffekte  die  Bewegungen  stark  vermehrt- 

Ueber  die  kleinen  Kolonbewegungen  ergibt  das  Bauchtens- 
folgendes:  Sie  bestehen  z.  T.  in  einem  langsamen  Fliessen  der  Haus- 
welche  langsam  die  Skybala  vorwärtsschieben.  Daneben  beste!' 
dann  noch  zahlreiche  andere  Bewegungen  der  Haustra,  die  er  1 
Kaninchen  und  Affen  demonstriert.  Die  Haustra  hält  Vortr.  für  rJ 
funktionelle,  nicht  anatomisch  begründete  Gebilde,  die  sich  irn  Bau- 
fenster  durchaus  frei  verschieben,  also  an  einer  Stelle  verschwind 
und  an  anderer  Stelle  sich  immer  von  neuem  bilden. 

Beim  Menschen  zeigen  Röntgenbilder,  dass  nach  Atropin  - 
Konfiguration  des  Colon  transversum  sich  ändert,  indem  der  To* 
der  Taeuie  nachlässt,  während  nach  Pilokarpin  die  Haustra  tief  tS 
schneiden,  was  auf  spastische  Kontraktion  zurückzuführen  ist.  $ 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


787 


ese  Phänomene  können  am  Darm  spontan  bisweilen  auftreten,  also 
ine  pharmakologische  Agenden,  doch  lassen  die  beiden  Phänomene 
ch  konstant  durch  die  genannten  Pharmaka  erzeugen.  Man  darf 
eileicht  annehmen,  dass  in  dem  betreffenden  Nervensysteme  ähn- 
he,  mit  der  Wirkung  dieser  Pharmaka  zu  analogisierende  Reize 
irsieren. 

Am  Röntgenbild  kann  man  noch  weitere  interessante  reststel- 
ngen  machen.  Atropin  sprengt  oft  den  tonischen  Verschluss  der 
alvula  Bauhini,  so  dass  Wismutbrei  in  den  Dünndarm  einläuft, 
drenalin  wieder  lässt  die  haustrale  Konfiguration  verstreichen.  In 
nem  Falle  spastischer  Obstipation  wurde  die  Stuhlbewegung  durch 
llokarpin  im  Gegensatz  zu  Atropin  beschleunigt,  was  darum  paradox: 
scheint,  da  es  schon  bestehende  spastische  Komponente  noch  mehr 
ermehrte. 

Zu  einer  Analyse  der  die  Obstipationen  bewirkenden  Vorgänge 
n  Darm  liegt  bisher  kein  genügendes  Material  vor.  Nach  den  Er- 
ibrungen  am  Bauchfenster  werden  durch  pharmakologische  und 
Mistige  Agentien  alle  Bewegungstypen  am  Darm  synchron  vermehrt, 
der  alle  gleichzeitig  vermindert.  (Vergleiche  auch  die  Referate  auf 
eite  769  und  784  dieser  Nummer.) 

Herr  M.  Senator:  Weiteres  über  ätiologische  Beziehungen 
wischen  Rheumatosen  und  nasalen  Erkrankungen. 

Vortr.  hatte  in  einem  vor  etwa  Jahresfrist  im  Ver.  f.  innere 
\ed.  gehaltenen  Vortrage  darauf  hingewiesen,  dass  als  Eingangs¬ 
forte  für  die  Gelenkrheumatismusinfektion  Nase  und  Nasenrachen- 
aum  in  Frage  kommt.  Die  sog.  Rheumatosen:  Erytheme,  Peliosis, 
;horea  minor  sind  ebenfalls  auf  Infektionen  beruhende  Krankheiten, 
ir  welche  ebenfalls  als  Eingangspforte  die  Nase  und  ihre  Anhangs- 
rgane  in  Betracht  kommen. 

Als  Beispiel  für  die  Beteiligung  dieser  Organe  am  Zustande- 
ommen  der  Infektion  führt  er  den  Fall  eines  lOjähr.  Mädchens  an, 
ei  dem  am  9.  Tage  nach  der  Entfernung  der  adenoiden  Vegetationen 
ine  Chorea  minor  eintrat.  Vortr.  lehnt  die  Annahme  eines  zufälligen 
lusammentreffens  ab. 

Die  Operation  der  Rachenmandel  ist  überhaupt  nicht  so  harmlos. 
Ge  manchesmal  angenommen  wird.  Es  treten  doch  öfter  einmal  In- 
ektionen  im  Anschluss  an  die  Operation  auf,  die  allerdings  meist 
eichter  Natur  sind. 

Vortr.  erwähnt  noch  einen  zweiten  analogen,  von  anderer  Seite 
•eobachteten  Fall.  Wenn  er  auch  wohl  weiss,  dass  so  vereinzelte 
alle  keinen  strikten  Beweis  für  den  von  ihm  angenommenen  Zu- 
ammenhang  darstellen,  glaubt  er  doch,  dass  sie  wohl  geeignet  sind, 
lie  Aufmerksamkeit  auf  die  von  ihm  angeschnittene  Frage  zu  lenken. 

Wolff-Eisner. 


Vissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  März  1913. 

Herr  Adler  bespricht  einen  Fall  von  Diabetes  insipidus  (21  jähri¬ 
ger  Mann),  der  an  pathologischen  Symptomen  eine  Polyurie  (4  bis 
f  Liter  Harn  von  der  Dichte  1005—1008)  und  eine  Polydypsie  aufwies, 
-’iir  venerische  Infektion  war  kein  Anhaltspunkt  vorhanden.  Die 
Wassermann  sehe  Reaktion  war  stark  positiv.  Mit  Rücksicht 
ruf  diesen  Befund  wurde  dem  Kranken  Salvarsan,  und  zwar  0,6  intra¬ 
venös  injiziert.  Ausserdem  bekam  der  Kranke  2,5  g  Jodnatrium  inner- 
ich  und  eine  Schmierkur  mit  Quecksilberresorbin.  Erfolg  der  Kur: 
Rückgang  der  Diurese  zur  Norm,  Steigerung  der  Harndichte  zur 
Rorm,  Körpergewichtszunahme  des  Patienten  von  58,7  zu  62,7  kg. 

Herr  Steiner  bespricht  die  Bedeutung  der  Schwebelaryngo¬ 
skopie  und  'demonstriert  ihre  Anwendung  an  einem  Falle. 

Herren  G  hon  und  Roinan:  Ueber  plasmazelluläre  Leukämie 
und  Pseudoleukäme. 

Mitteilung  von  2  Fällen  plasmazellulärer  Hyperplasie  des  lym- 
phatisch-hämatopoetischen  Apparates.  Fall  I:  Plasmazelluläre 
Pseudoleukämie  bei  einem  72  jährigen  Manne  mit  Lues  in  der  Ana¬ 
mnese.  Sektionsbefund:  Hyperplasie  des  lymphatisch-hämatopoe- 
tischen  Systems,  Residuen  von  Tuberkulose  in  den  Lungen,  mani¬ 
feste  Tuberkulose  der  Haut  und  zahlreiche  Bildungsanomalien.  Fall  II : 
Akute  plasmazelluläre  Leukämie  bei  einem  55  jährigen  Manne  mit 
Streptokokkenseptikämie.  Im  Blutbild  so  gut  wie  keine  gekörnten 
Elemente  und  keine  Normoblasten,  dagegen  bestanden  die  weissen 
Elemente  aus  Türk  sehen  Reizungszellen  und  Plasmazellen  (15  Proz.). 
Histologisch  vorwiegend  plasmazelluläre  Hyperplasie  der  Lymph¬ 
knoten  und  der  Milz  von  myeloischem  Wucherungstypus  wie  im 
1.  Falle,  aber  ohne  myeloische  Elemente.  Im  Knochenmark  keine 
Granulozyten,  sondern  dominierend  Plasmazellen.  Als  Nebenbefund 
ein  Kystadenom  des  Pankreas. 

Herr  Schleissner:  Scharlachinfektionsversuche  bei  Affen. 

S.  hat  an  Macacus-rhesus-Affen  Scharlachinfektionsversuche  vor- 
genommen,  bisher  im  ganzen,  die  Kontrollversuche  nicht  eingerechnet, 
22  Versuche,  von  denen  9  positiven  Erfolg  zeigten.  Als  Infektions¬ 
material  wurden  ausschliesslich  Reinkulturen  von  ’Scharlachstrepto- 
kokken  verwendet,  die  aus  Venaepunktionsblut,  aus  dem  Herzblut 
eines  foudroyant  verstorbenen  Scharlachfalles  und  aus  dem  Otitiseiter 
eines  schwer  scharlachkranken  Kindes  gewonnen  waren.  Die  In¬ 
fektion  erfolgte,  um  den  natürlichen  Verhältnissen  möglichst  nahe 
zu  kommen,  intraoral,  indem  die  Bouillonkulturen  mit  einem  Zerstäu¬ 
ber  den  Affen  als  feiner  Spray  auf  die  Tonsillen  und  in  die  Nase  ein¬ 


geblasen  wurden.  Die  Affen  erkrankten  nach  einer  Inkubationsfrist 
von  3 — 5  Tagen  mit  Fieber  bis  4U,7°.  Etwa  am  4.  Tage  zeigte  sich 
eine  follikuläre  Angina  und  zuweilen  ein  Enanthem;  ein  typisches 
Exanthetn  war  nie  deutlich  ausgesprochen;  später  zeigte  sich  auch 
rast  immer  Himbeerzunge  und  allgemeine  Drüsenschwellung.  Um  den 
10.  Tag  trat  Schuppung  im  Gesicht  und  an  den  Aussenflächen  der  Ohr¬ 
muscheln  auf,  noch  später  lamellöse  Desquamation  an  Handtellern 
und  Fussohlen,  die  zuweilen  ein  ganz  typisches  Bild  darbot.  Durch 
Einreibung  des  Rachensekretes  auf  die  Tonsillen  gesunder  Affen  ge¬ 
lang  es,  die  Krankheit  zu  übertragen.  Die  Fälle  zeigten  verschiedene 
Intensität,  keines  der  Tiere  starb.  Gegen  später  vorgenommene 
Scharlachstreptokokkeninfektionen  schienen  die  genesenen  Tiere 
immun,  doch  ist  die  Zahl  der  Versuche  hier  noch  viel  zu  gering. 

Hält  man  diese  Beobachtungen  neben  die  von  Bernhardt, 
Cantacuzene  und  L  e  v  a  d  i  t  i  und  Landsteiner  gemachten 
Mitteilungen,  die  mit  Organen  von  Scharlachkranken  bei  anthropoiden 
und  niederen  Affen  ein  identisches  Krankheitsbild  hervorgerufen 
hatten,  so  ist  es  als  sicher  anzusehen,  dass  es  sich  um  wirklichen 
Affenscharlach  handelt,  der  in  diesem  Falle  durch  Reinkulturen  von 
Streptokokken  erzeugt  war.  Nun  liegt  zwar  gegen  den  Streptokokkus 
das  Bedenken  vor,  dass  er  ja  auch  andere  Krankheiten  hervorruft, 
man  muss  sich  aber  von  dieser  rein  morphologischen  Anschauung  frei¬ 
machen,  da  doch  zwischen  septischen  und  Scharlachstreptokokke  i 
auch  schon  biologische  Differenzen  nachgewiesen  sind  (Foix  und 
Mallein,  Livierato,  Spiro,  Schleissner.  Schleissner 
und  Spät).  Auch  haben  ja  die  Impfungen  von  Qabritschewski 
mit  abgetöteten  Streptokokkenkulturen  beim  Menschen  vielfach  ein 
ganz  scharlachähnliches  Bild  erzeugt.  Auffällig  ist  es,  dass  die 
Streptokokken,  von  denen  der  eine  sogar  aus  einer  eitrigen  Otltfs 
stammte,  beim  Versuch  nicht  septische,  sondern  gerade  die  primären 
Scharlachsymptome  hervorriefen,  die  sonst  immer  dem  hypothe¬ 
tischen  Scharlacherreger  zugeschrieben  werden.  Versuche  mit  den 
bakterienfreien  Filtraten  von  Streptokokkenbouillonkulturen  Schar¬ 
lach  zu  erzeugen,  misslangen,  indessen  blieben  in  dieser  Reihe  auch 
die  Parallelversuche  mit  den  Kulturen  selbst  erfolglos. 

Schleissner  hält  angesichts  der  relativ  geringen  Zahl  der 
Versuche  vorläufig  mit  seinem  endgültigen  Urteil  noch  zurück,  er 
vermutet  zwar  danach,  dass  der  Streptokokkus  wirklich  der  Erreger 
der  Krankheit  ist,  hält  aber  die  beigebrachten  Beweise  noch  nicht  für 
ausreichend,  unbestreitbar  und  zwingend.  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  März  1913. 

Herr  P  u  c  h  e  r  -  Kladno :  Ueber  kriegschirurgische  Erfahrungen 
im  letzten  Balkankriege. 

Der  Vortr.  weist  zunächst  auf  die  erheblichen  Schwierigkeiten 
hin,  die  die  österreichische  Hilfsexpedition  des  „roten  Kreuzes“ 
(2  Aerzte,  10  Krankenschwestern,  reichliches  Sanitätsmaterial)  in 
der  Türkei  zu  überwinden  hatte,  bevor  sie  ihre  Tätigkeit  entfalten 
konnte.  Die  Expedition  führte  erst  nach  Saloniki  und  von  dort  nach 
kurzem  Aufenthalte  nach  Konstantinopel,  wo  sie  in  der  als  Notspital 
eingerichteten  Taschkischlikaserne  tätig  war.  Behandelt  wurden 
650  Verwundete,  von  denen  ca.  1  Proz.  starb,  67  Proz.  geheilt  und 
32  Proz.  invalid  wurden.  Das  Verhältnis  der  Verwundungen  durch 
Gewehrprojektile  zu  denen  durch  Geschützprojektile  war  58:42. 
70  Proz.  waren  Extremitätenverletzungen,  3  Proz.  Lungenschüsse 
(von  denen  alle  geheilt  wurden),  2  Proz.  Kopfschüsse  und  4  Proz. 
Bauchschüsse  kamen  zur  Beobachtung.  75  Proz.  aller  eingelieferten 
Verwundeten  waren  infiziert.  Alle  Frakturen  kompliziert.  Von 
4  Tetanusfällen  starb  einer.  Antitoxinbehandlung  erwies  sich  als 
wertlos. 

Die  Narkose  bei  den  (ausschliesslich  türkischen)  Verwundeten 
zeigte  auffallende  Erscheinungen.  Fehlendes  Exzitationsstadium, 
keinerlei  Ueblichkeiten  nach  dem  Erwachen.  Die  Therapie  war  mög¬ 
lichst  konservativ,  Jodtinktur  und  Mastisol  bewährten  sich  bestens. 
Peinlichste  Asepsis  (Gummihandschuhe).  Die  konservative  Behand¬ 
lung  erfordert  nachträglich  vielfach  plastische  Operationen,  derent¬ 
wegen  die  Patienten  viel  länger  in  Spitalbehandlung  bleiben  müssen, 
als  bei  weniger  konservativer  Behandlung.  Darin  liegt  nach  der 
Meinung  des  Vortr.  eine  gewisse  Gefahr,  da  die  für  den  Kriegsfall 
vorbereiteten  Spitäler  ev.  nicht  ausreichen  könnten.  Mit  Rücksicht 
auf  diesen  Umstand  müssten  die  Vorbereitungen  noch  erweitert  wer¬ 
den.  Die  kleinkalibrigen  Infanteriegewehre  erwiesen  sich  als  die 
humansten  Geschosse,  vielleicht  für  den  Kriegszweck  zu  human,  da 
doch  der  Verwundete  für  den  ganzen  Krieg  ausgeschaltet  sein  soll. 
Dagegen  stellen  sich  die  Geschützprojektile  als  fürchterliche  Ge¬ 
schosse  dar. 

Im  Anhänge  berichtet  Herr  P.  über  die  gemachten  Choiera- 
erfahrungen,  wobei  er  bemerkt,  dass  das  angewendete  Serum  keiner¬ 
lei  Erfolg  brachte. 

Die  freiwillige  Krankenpflege  durch  Frauen  bewährte  sich  nach 
der  Ansicht  des  Vortr.  nicht.  Für  das  allerwichtigste  hält  Herr  I 
die  primäre  Anlegung  eines  aseptischen  Verbandes  und  empfiehl 
Päckchen  mit  aseptischer  Gaze,  nicht  mit  imprägnierter. 

O.  \V  i  e  n  e  r. 


788 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  14. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.)  - 
Sitzung  vom  5.  D  e  z  e  m  b  e  r  1912. 

Vorsitzender:  Herr  J.  H  o  1  i  n  g  e  ri 
Schriftführer:  Herr  Aug.  Strauch. 

Herr  G.  Kolischer  hält  einen  Vortrag»  über  Nierenstein- 
operationen. 

Seitdem  man  gelernt  hat,  Nierensteine  zu  diagnostizieren,  findet 
man,  dass  das  Leiden  viel  häufiger  ist,  als  man  früher  allgemein  an¬ 
genommen  hatte.  Naturgemäss  wurden  die  Operationen  häufiger  und 
deren  Indikationen  schärfer  umschrieben.  Die  letzte  Instanz  für  die 
Sicherstellung  der  Diagnose  ist  das  Röntgenbild,  und  zwar  die  Ori¬ 
ginalplatte,  nicht  aber  eine  von  dieser  gewonnene  Photographie. 
Bei  unsicherem  Befunde  des  Bildes  wird  man  sich  natürlich  auf  di? 
klinischen  Erscheinungen  zu  stützen  haben,  vor  allem  auf  das  Ge¬ 
winnen  von  Blut  aus  dem  Ureter  mittels  des  Katheters.  Doch  muss 
die  Anwendung  desselben  unter  gewissen  Kautelen  geschehen  zur 
Vermeidung  von  Verletzungen,  die  künstlich  Blutabgang  erzeugen 
würden.  Schon  das  blosse  Liegen  des  Katheters  im  Ureter  durch 
längere  Zeit  kann  Blutung  verursachen.  K.  spricht  über  die  Lokali¬ 
sation  von  Steinen  mittels  Kollargol  und  der  Bleisonde  in  zweifel¬ 
haften  Fällen.  Sollte  das  Katheterisieren  des  Ureters  nicht  möglich 
sein,  so  macht  man  die  Diagnose  erst  nach  vollständiger  Blosslegung 
der  Niere  durch  Abtasten  des  Nierenbeckens  und  der  Niere  selbst. 
In  den  Operatiönsmethoden  ist  ein  Umschwung  der  Ideen  elngeVeten. 
Die  Eröffnung  des  Nierenbeckens  wurde  vielfach  verlassen-  und  die 
des  Parenchyms  zum  Auffinden  und  Entfernen  des  Steines 'mit  gutem 
Resultate  ausgeführt.  Doch  sind  die  postoperativen  Blutungen  und 
die  Zerstörung  des  Parenchyms  sehr  zu  fürchten.  Die  Blutungen 
können  das  Leben  des  Patienten  gefährden.  In  einigen  Fällen  musste 
die  Niere  später  entfernt  werden,  um  die  Patienten  zu  retten. 

Gefährliche  Nachblutungen  werden  besonders  begünstigt  durch 
den  Unfug  der  Gummidrainage,  indem  dieselbe  zu  Usureit  und  be¬ 
deutenden  Arrosionen  von  Arterien  führen  kann.  Bei  Nierensteinen 
mit  Infektion  ist  die  Spaltung  des  Nierenbeckens  die  Operation  der 
Wahl,  und  der  Spaltung  des  Nierenparenchyms  vorzuzienen  zur  Ver¬ 
meidung  der  Vernichtung  des  Nierengewebes  und  einer  Ausbreitung 
der  Infektion.  Die  Erfolge  sind  besser,  und  es  gelingt,  selbst  sehr 
grosse  Parenchymsteine  auf  diese  Weise  zu  entfernen.  Der  Blut¬ 
verlust  ist  gering,  die  Operation  ist  einfach  und  schnell  durchzuführen. 
Beim  Herumwühlen  in  der  Niere  mittels  Sektionsschnitten  ist  der 
Schock  sehr  gross.  Kolischer  sah  2  Patienten  durch  einen  auf 
diese  Weise  hervorgerufenen  Schock  zugrunde  gehen.  Handelt  es 
sich  um  sehr  grosse  Steine,  bei  denen  der  grösste  Teil  des  Gewebes 
zugrunde  gegangen  ist,  und  um  Infektion  der  ganzen  Niere,  dann  ist 
die  Nephrektomie  der  Nephrotomie  vorzuziehen.  Bei  Pyelotomie 
ist  der  Schnitt  in  der  Richtung  des  Nierenbeckens,  mit  Vorsicht  aus¬ 
geführt,  besser  als  die  bogenförmige  Schnittführung.  Sollte  infolge 
Brüchigkeit  des  Gewebes  bei  Entfernung  eines  grösseren  Steines 
das  Gewebe  einreissen,  so  kann  man  den  Defekt  mit  Oberflächen¬ 
gewebe  der  Niere  decken.  Bei  grösseren  Defekten  eignet  sich  die 
Lappenbildung  aus  der  fibrösen  Nierenkapsel.  Sitzt  der  Stein  höher 
oben  in  den  Kelchen,  so  gelingt  es  oft,  denselben  durch  vorsichtiges 
Massieren  herunter  zu  bringen,  wie  es  Kolischer  des  öfteren  ge¬ 
tan  hat,  ohne  Blutung  erzeugt  zu  haben. 

Von  grosser  Wichtigkeit  ist  die  Untersuchung  des  Ureters  auf 
Freisein  von  einem  Stein  oder  Fragment  nach  der  Nierenoperation. 
Bei  Obstruktion  des  Ureters  kann  man  den  Tod  des  Patienten  unter 
stürmischen  Erscheinungen  erleben,  wie  es  Kolischer  einmal  sah. 
10  Stunden  nach  einer  Steinoperation  durch  einen  Kollegen  bekam 
Pat.  heftige  Kolikanfälle.  Die  Temperatur  stieg  auf  103  Fahr.,  der 
Puls  wurde  sehr  frequent.  Nach  4  Tagen  Exitus.  Die  Sektion 
ergab  Verstopfung  des  Ureters  durch  einen  Stein, .der  etwa  10  cm 
unterhalb  der  Niere  eingeklemmt  war.  Perinephritis  mit  sehr  starkem 
Oedem  des  Fettgewebes  durch  Platzen  der  Nähte. 

Die  Indikationen  für  die  Pyelotomie,  Nierenspaltung  und 
Nephrektomie  sind  folgende:  Der  Beckenschnitt  ist  die  Operation  der 
Wahl,  die  man,  wo  immer  nur  möglich,  versuchen  soll.  Gelingt 
sie  nicht,  so  hat  der  Versuch  nichts  geschadet.  Bei  schwerer  Infek¬ 
tion  ist  die  Nephrektomie  zu  machen.  Die  Spaltung  der  Niere  ist 
nur  dann  vorzunehmen,  wenn  man  berechtigte  Befürchtung  hegt, 
dass  die  andere  Niere  die  Elimination  nicht  besorgen  wird;  doch  sind 
die  funktionellen  Prüfungsmethoden  leider  nicht  zuverlässig,  ln  der 
Nachbehandlung  ist  die  übermässige  Drainage  zu  verurteilen,  da  sie 
zur  Fistelbildung  führen  kann.  Das  stumpfe  Präparieren  zur  Frei¬ 
legung  der  Niere,  wie  es  von  den  Schweden  empfohlen  wird,  hat  K. 
nur  einmal,  und.  zwar  bei  einem  mageren  Manne  ausgeführt. 

Diskussion:  Het r  Emil  Ries  macht  einige  Bemerkungen 
zur  Methode  des  stumpfen  Präparierens  der  Muskeln.  Bei  Wander¬ 
nierenoperationen  sah  R.  Fälle,  bei  denen  das  Petit  sehe  Dreieck 
einen  sehr  bequemen  Zugang  zur  Niere  bot.  Unter  diesen  Um¬ 
ständen  kann  man  natürlich  ohne  viel  Muskeldurchtrennung  an  die 
Niere  herankommen.  Die  Nachblutungsgefahr  beim  Durchschneiden 
des  Nierenparenchyms  ist  gering,  wenn  der  Stein  lange  eingekeilt 
war,  so  dass  das  Becken  sehr  ausgeweitet  und  das  Nierengewebe 
verdünnt  ist.  R.  stimmt  mit  Kolischer  in  der  Beurteilung  der 
Drainage  und  Tamponade  zur  Blutstillung  überein.  Infolge  Kom- 


1  pression  der  Venen  wird  die  Blutung  durch  die  Tamponade  in  der 
I  Gegend  des  Nierenbeckens  eher  gesteigert.  Die  blutenden  Punkte 
I  der  Niere  nach  Sektionsschnitten  müssen,  wo  man  sie  sieht,  gründlich 
versorgt  werden.  Das  Radiogramm  hat  einen  wertvollen  Beitrag  zu 
liefern:  Wir  können  aus  Symptomen  Steine  erkennen,  aber  nicht 
wissen,  ob  e  i  n  Stein  vorhanden  ist  oder  ob  mehrere  vorhanden 
sind.  Zeigt  das  Röntgenbild  5  Steinschatten,  so  muss  man  bei  der 
Operation  für  5  Schatten  Rechenschaft  ablegen,  wie  es  z.  B.  bei 
einem  Knaben  der  Fall  war.  4  Steine  wurden  aus  dem  Nieren¬ 
becken  entfernt;  ohne  das  Röntgenbild  hätte  man  nicht  geahnt,  dass 
auch  ein  Parenchymstein  vorhanden  war.  Der  Knabe  genas. 

Herr  M.  Reichmann  pflichtet  Kolischer  in  der  Forderung 
nach  den  Originalplatten  zur  Diagnose  bei.  Es  ist  gutzuheissen,  dass 
die  hiesigen  Gerichte  nur  Originalplatten  anerkennen,  aber  nicht  die 
Photographieabdrücke.  In  fraglichen  Fällen  ist  stets  der  ganze 
Urogenitaltrakt  radiologisch  zu  untersuchen. 

Herr  Kolischer  (Schlusswort)  hat  noch  niemals  eine  Störung 
von  seiten  der  Nieren  gesehen,  die  sich  nicht  an  den  Ureteren- 
mündungen  verraten  würden,  sei  es  durch  Klaffen,  Oedem,  Injek¬ 
tion  etc.  Bei  latenten  Nierensteinen,  die  keine  Veränderungen  an 
den  Ureterenmündungen  zeigen,  würde  K.  nicht  operativ  Vorgehen. 
Aus  den  Veröffentlichungen  der  Schweden  geht  hervor,  dass  das 
stumpfe  Präparieren  der  Muskeln  zur  Freilegung  der  Nieren  unter 
Umständen  schwierig  sein  kann.  In  der  letzten  Zeit  mehren  sich  die 
Fälle,  bei  denen  Kollargol  schwere  Schädigungen  gesetzt  hat;  viel¬ 
leicht  aber  bloss  infolge  fehlerhafter  Technik  unter  zu  starkem  Druck 
(Spritzen),  Kollargol  soll  darum  nur,  wenn  dringend  nötig  und  dann 
nur  unter  massigem  Druck  (Heber)  verwendet  werden. 

Herr  Emil  Ries  berichtet  über  folgenden  Fall:  Frau.  Seit  einer 
vor  2  Jahren  von  einem  Kollegen  wegen  Myom  ausgeführten  Ope¬ 
ration  besteht  eine  Ureteren-Blasen-Scheidenfistel  mit  Zystitis. 
Ries  pflanzte  den  Ureter  in  die  Blase  ein  und  vernähte  nachher  die 
Scheidenfistel,  wobei  er  es  streng  vermied,  die  Naht  durch  die 
Blasenschleimhaut  zu  führen.  Nach  3  Monaten  klagte  die  Frau  über 
Urinbeschwerden.  Bei  der  Zystoskopie  fand  sich  ein  kleiner  Stein 
an  der  Stelle  der  früheren  Fistel.  Der  Stein  war  nach  3  Wochen 
grösser.  Entfernung  des  Steines  mittels  des  üperationszystoskops. 
Derselbe  enthielt  einen  Seidenfaden,  der  offenbar  in  die  Blase  hin¬ 
eingewandert  war. 

Herr  Kolischer  weist  im  Anschluss  an  diesen  Fall  auf  die 
merkwürdige,  nicht  so  seltene  Tatsache  hin,  dass  Seidenfäden  eine 
Neigung  haben,  aus  der  Umgebung  in  die  Blase  einzuwandern.  Man 
hat  diese  Beobachtung  besonders  bei  den  Massenligaturen  bei  der 
vaginalen  Hysterektomie  gemacht.  In  einem  Falle  hörte  Kolischer 
von  Einwandern  eines  Gazestückes  in  die  Blase. 

Herr  J.  Hol  in  ger  gibt  einen  kurzen  Bericht  über  den  inter¬ 
nationalen  Otologenkongress  in  Boston  im  August  1912. 

Er  spricht  über  die  von  Denker  aus  Halle  demonstrierten  Prä¬ 
parate  des  Gehörorganes  von  Papageien,  bei  denen  sich  sehr  deutlich 
eine  aus  Saiten  bestehende  Basilarmembran  nachweisen  lies,  wodurch 
die  frühere  Annahme,  dass  die  Vögel  keine  Basilarmembran  besässen, 
widerlegt  erscheint.  Der  Befund  ist  eine  wichtige  Stütze  für  die 
H  e  1  m  h  o  1 1  z  sehe  Theorie  und  besitzt  eine  grosse  Bedeutung  für  die 
Physiologie  und  Pathologie. 

Lin  Amerikaner  demonstrierte  zur  Frage  der  Otosklerose  eine 
Reihe  von  Photographien  von  Manasse  aus  Strassburg,  auf  Grund 
welcher  M.  behauptet,  dass  der  Prozess  entzündlicher  Natur  sei. 
S  i  ebenman  n,  der  Hauptvertreter  der  gegenteiligen  Ansicht, 
nämlich  der  Ansicht,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Entzündung,  sondern 
um  Wachstumsvorgänge  handelt,  wies  durch  seine  Präparate  nach, 
dass  Knorpelteile  in  der  Labyrinthkapsel  eingeschlossen  sind  und  dass 
sich  diese  in  spongiösen  Knochen  umwandeln.  Siebenmann 
zeigte,  dass  die  bei  Ma  nasses  Präparaten  sich  vorfindenden  Ver¬ 
dickungen  des  Periostes  Artefakte  seien,  indem  die  Präparate,  die 
niemals  frisch  waren,  postmortale  Quellungen  und  anderweitige  Ver¬ 
änderungen  aufwiesen.  Siebenmann,  der  stets  nur  ganz  frische, 
höchstens  3—5  Stunden  alte  Präparate  benutzt,  hat  niemals  diese 
Periostverdickungen  sehen  können. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Edinburgh  obstetrical  Society. 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1912. 

Eklampsie  und  Pseudoeklampsie. 

J.  Halliday  Croom  berichtet  über  einen  Fall,  welchen  er  als 
Pseudoeklampsie  registriert:  Eine  Il.-para  im  7.  Monat  der  Gravidität 
wurde  wegen  Krämpfe  und  Komas  von  2  tägiger  Dauer  mit  der  Dia¬ 
gnose  Eklampsie  vom  Hausarzt  in  die  Klinik  überwiesen.  Es  fand  sich 
aber  nichts  Abnormes  im  Urin;  andererseits  konnten  aus  der  Unter¬ 
suchung  der  Augen  und  der  Prüfung  auf  Nervenläsionen  keine  be¬ 
stimmten  diagnostischen  Anhaltspunkte  gewonnen  werden.  Erst  nach 
dem  Tode  klärte  sich  der  Fall  durch  den  Nachweis  eines  kleinapfel¬ 
sinengrossen  Cholesteatoms,  das  am  vorderen  Ende'  der  linken  Gross¬ 
hirnhemisphäre  gelegen  war,  auf.  Ein  Gegenstück  zu  diesem  Falle 
bildet  ein  zweiter,  bei  welchem  Eklampsie  durch  Meningitis  vor¬ 
getäuscht  wurde.  Nach  diesen  Erfahrungen  und  auf  Grund  von  ana¬ 
logen  Beobachtungen,  welche  bei  der  Diskussion  vorgebracht  wurden, 


;8.  April  1013. 


MUENCHENER  MEblZlNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


780 


bekennt  sich  Redner  zu  der  These,  dass  man  beim  Fehlen  von  Albu¬ 
minurie  jedenfalls  nicht  von  Eklampsie  sprechen  kann,  sondern 
etwaige  Symptome  dieser  Art  auf  andere  Ursachen  beziehen  muss. 

G.  R.  Livingston  verfügt  über  5  in  seiner  Landpraxis  be¬ 
obachtete  Fälle  von  Eklampsie.  Eine,  eine  Primipara,  wurde  tief 
<omatös  ins  Krankenhaus  verbracht,  wo  man  sie  für  verloren  ansah 
nid,  um  das  Kind  zu  retten,  den  Kaiserschnitt  ausführte.  Schliesslich 
<enas  die  Frau  doch  und  ist  seitdem  gesund.  Von  den  anderen  4 
iilieben  3  am  Leben  unter  Behandlung  mit  subkutanen  Injektionen  von 
Morphium  sulfuricum  (0,03  oder  mehr).  Tödlich  verlief  die  Krankheit 
nur  bei  einer  V.-para,  welche  bei  allen  4  vorherigen  Entbindungen 
uicli  eklamptisch  gewesen  war.  Redner  glaubt,  dass  die  Verwendung 
ron  Chloroform  in  diesem  Falle  an  dem  ungünstigen  Ausgange  schuld 
war.  Ph. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medicine. 

Sitzung  vom  7.  Januar  1913. 

Das  Brot  als  Träger  der  Diphtherie. 

Rene  Moreau  hat  Gelegenheit  gehabt,  eine  kleine  Diphtherie¬ 
epidemie  zu  beobachten,  deren  Aetiologie  eine  sehr  ungewöhnliche 
ist,  indem  sie  von  einem  Bäcker  auf  seine  Kundschaft,  der  er  Brot 
zugestellt  hat,  zuweilen  sogar  ohne  sie  gesehen  zu  haben,  übertragen 
wurde.  Diese  Epidemie  hat  11  Personen  ergriffen  und  4  Todesfälle 
verursacht.  Sie  war  nicht  auf  eine  Ortschaft  beschränkt,  sondern 
über  3,  4 — 6  km  voneinander  entfernte  verbreitet.  Diese  Ausbreitung 
ist  um  so  überraschender,  als  die  Diphtherie  in  keinem  dieser  Orte 
häufig  ist.  Ausserdem  ist  zu  bemerken,  dass  mehrere  Bäcker  diese 
Gegend  mit  Brot  versorgen,  dass  aber  alle  Kranken  ohne  Ausnahme 
Kundschaft  desselben  Bäckers  waren,  dessen  Frau  und  Tochter  zu¬ 
erst  ergriffen  waren.  M.  vermutet,  dass  auf  der  Oberfläche  der  Brote 
die  Diphtheriebazillen  ihre  Verbreitung  gefunden  haben.  Nachdem 
übrigens  die  verseuchten  Häuser  und  mit  besonderer  Sorgfalt  das  des 
Bäckers  desinfiziert  worden  sind,  war  die  Epidemie  vollkommen  er¬ 
loschen,  was  den  Verdacht  gegen  die  Behausung,  wo  der  Herd  sich 
entwickelt  und  von  wo  er  sich  weiter  verbreitet  hat,  bestärkt.  M. 
hält  sich  daher  für  vollkommen  berechtigt,  zu  erklären,  dass  Brot, 
welches  von  einer  mehr  weniger  schlecht  gehaltenen  und  von  Diph¬ 
therie  infizierten  Bäckerei  stammt,  die  Krankheit  auf  die  Konsumen¬ 
ten  übertragen  kann.  An  kleineren  Orten,  wo  die  Nachforschungen 
besser  gelingen  wie  in  den  grossen  Städten  und  die  Quelle  des 
Uebels  rascher  entdeckt  wird,  wird  es  daher  leichter  möglich  sein, 
dasselbe  wirksam  zu  bekämpfen.  Immerhin  ist  es  wichtig,  zu  wissen, 
dass  das  Brot  fähig  ist,  dem  Diphtheriebazillus  als  Träger  zu  dienen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Rechtsschutzverein  Münchener  Aerzte. 

Mitgliederversammlung  vom  18.  März  1913. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Schwertfeiner,  eröffnet  die  Sitzung 
und  erstattet  einen  kurzen  Bericht  über  das  verflossene  Vereinsjahr, 
aus  dem  hervorgeht,  dass  die  Geschäfte  ohne  Schwierigkeiten  erledigt 
wurden.  Ein  Beschluss  vom  15.  März  1912  betr.  Durchführung  eines 
prinzipiellen  Prozesses  (Haftung  der  Ehefrau  für  Bezahlung  von  Arzt¬ 
kosten  bei  Vermögenslosigkeit  des  Mannes)  musste  nicht  durchgeführt 
werden,  da  es  dem  Syndikus  gelungen  ist,  in  dem  betreffenden  Fall 
einen  günstigen  Vergleich  zu  schliessen.  Der  Verein  hat  einen  erfreu¬ 
lichen  Zuwachs  an  Mitgliedern  zu  verzeichnen,  deren  Anzahl  die  Zahl 
200  bereits  überschritten  hat. 

Der  Syndikus,  Herr  Rechtsanwalt  Dr.  Oestreich,  betont 
in  seinem  Bericht  den  Wert  des  Eintretens  des  Rechtsschutzvereins 
für  die  Relikten  verstorbener  Kollegen,  denen  die  Unannehmlichkeiten 
des  Eintreibens  von  Forderungen  abgenommen  wurden.  Die  Zahl  der 
überwiesenen  Liquidationen  hat  sich  fast  um  die  Hälfte  der  vorjähri¬ 
gen  Anfallsziffer  vermehrt.  Sie  betrjig  1698,  die  jenen  entsprechende 
Summe  belief  sich  auf  69  742  M.,  von  denen  mindestens  die  Hälfte  ein¬ 
gegangen  sind.  Ein  Teil  der  Forderungen  ist  naturgemäss  noch  nicht 
ganz  erledigt;  bei  einem  anderen  haben  die  Vereinsmitglieder  aus  ver¬ 
schiedenen  Gründen  in  eine  Reduktion  der  Ansätze,  bisweilen  auch  in 
einen  Verzicht  eingewilligt.  In  Anbetracht  dieser  Umstände  und  mit 
Rücksicht  auf  die  Tatsache,  dass  leider  ein  grosser  Teil  der  Forderungen 
erst  relativ  spät  (am  Ende  des  zweiten  Jahres)  oder  dann  dem  Verein 
überwiesen  wurden,  wenn  des  Schuldners  Aufenthalt  unbekannt  war, 
und  schliesslich  angesichts  der  wirtschaftlichen  Depression  muss  das 
Resultat  als  durchaus  günstig  bezeichnet  werden. 

In  der  Diskussion  betont  Herr  Hecht  die  Notwendigkeit  viertel¬ 
jährlicher  Rechnungsaufstellung,  wie  sie  vom  Aerztl.  Bezirksverein 
bereits  beschlossen  worden  ist;  ferner  solle  man  nochmals  ausdrücklich 
darauf  hinweisen,  dass  die  Herren  Kollegen  nicht  bis  kurz  vor  dem 
Verjährungstermin  mit  den  Ueberweisungen  warten  sollen,  weil  sonst 
am  Ende  des  Jahres  das  Syndikat  überlastet  wird  und  aus  äusseren 
Gründen  nicht  alle  Eingänge  noch  rechtzeitig  erledigt  werden  können. 

Der  Kassenwart,  Herr  Freudenberger,  sowie  Auf¬ 
sichtskommission,  Syndikus  und  Vorstand  erhalten  Entlastung, 
werden  wiedergewählt,  und  es  wird  ihnen  der  Dank  des  Vereins 
für  ihre  erfolgreichen  Bemühungen  ausgesprochen. 

Der  Schriftführer :  Nadoleczny. 


Verschiedenes. 

Rekrutierungsergebnisse  in  Frankreich  und  Deutschland. 

Die  in  Frankreich  in  Aussicht  stehende  Einführung  der  drei¬ 
jährigen  aktiven  Dienstzeit  hat  schon  vielfach  in  den 
Tageszeitungen  zu  Vergleichen  bezüglich  der  Rekrutierungs¬ 
ergebnisse  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  Anlass  gegeben, 
was  ja  naheliegend  ist.  Man  kann  aber  ziemlich  sicher  annehmen, 
dass  alle  bisherigen  Erörterungen  hierüber  mehr  oder  minder  mangel¬ 
haft  erscheinen,  da  Zahlen  oder  Statistiken  besonders  bezüglich 
Frankreichs  nur  sehr  schwer  oder  gar  nicht  erhältlich  sind.  Der 
kürzlich  erschienene  V.  Band  des  Lehrbuchs  der  Militärhygiene 
(Bibliothek  v.' Co  ler,  v.  Schjerning),  bearbeitet  von  Professor 
Oberstabsarzt  Dr.  H.  Schwiening,  bringt  die  Rekrutierungs¬ 
statistik  der  meisten  Kulturstaaten,  hievon  am  ausführlichsten  jene 
von  Deutschland,  Frankreich,  Oesterreich-Ungarn  und  Italien.  So 
einfach  es  scheint,  Vergleiche  zwischen  den  Ergebnissen  der  Rekru¬ 
tierung  in  Deutschland  und  Frankreich  anzustellen,  so  schwierig  sind 
dieselben;  denn  die  Grundlagen,  auf  denen  die  beiden  Statistiken 
aufgebaut  sind,  differieren  gar  sehr. 

Aus  nicht  näher  zu  erörternden  Gründen  wollen  wir  mit  der 
Zeit  nach  der  Errichtung  des  Deutschen  Reiches  beginnen.  In 
Deutschland  blieben  sich  die  gesetzlichen  Vorschriften  für  die  Taug¬ 
lichkeit  der  Militärpflichtigen  seit  40  Jahren  ziemlich  gleich.  In 
Frankreich  brachte  das  Wehrgesetz  vom  27.  VII.  72  eine  wesentlich 
veränderte  Rekrutierungsart,  indem  die  allgemeine  Wehrpflicht  zur 
Einführung  kam.  Bis  dahin  wurden  nur  so  viele  Wehrpflichtige 
untersucht,  als  man  eben  zum  erforderlichen  Rekrutenkontingent 
brauchte,  von  1872  ab  aber  müssen  alle  Wehrpflichtigen  untersucht 
werden.  Im  Gegensatz  zum  deutschen  Aushebungsverfahren 
(Musterung  und  Aushebung)  findet  in  Frankreich  nur  eine  Unter¬ 
suchung  statt,  was  auch  in  Deutschland  schon  einmal  geplant  war. 

Nicht  ausser  acht  zu  lassen  ist,  dass  in  Deutschland  die  drei¬ 
jährige  aktive  Dienstzeit  bis  zum  Jahre  1893  dauerte,  welches  Jahr 
die  zweijährige  für  die  nicht  berittenen  Waffen  brachte.  In  Frank¬ 
reich  hingegen  dauerte  die  aktive  Dienstpflicht  vom  Jahre  1872  bis 
zum  Jahre  1S39  5  Jahre,  von  da  ab  trat  die  dreijährige  Dienstzeit  mit 
Abschaffung  aller  Dispense  ein  mit  der  Einschränkung,  dass  solche, 
die  früher  Dispens  hatten,  nunmehr  1  Jahr  dienen  mussten.  Im 
Jahre  1905  wurde  die  zweijährige  Dienstzeit  eingeführt,  die  alle 
Befreiungen  aufhob,  indem  sogar  die  nur  für  den  Hilfsdienst  geeig¬ 
neten  Pflichtigen  nunmehr  dienen  müssen. 

Stellen  wir  nachstehend  die  Zahl  der  Wehrpflichtigen  in  den 
Jahren  1875 — 1899  nebeneinander;  leider  ist  es  nicht  möglich,  Jie 
Zahlen  weiter  zu  führen,  da  von  1899  ab  die  Freiwilligen  nicht  mehr 
nach  Jahresklassen  geführt  werden. 


Deutschland 

Frankreich 

Deutschland 

Frankreich 

1875 

343  284 

297  846 

1888 

419  099 

295  707 

1876 

356  729 

294  382 

1889 

441  099 

310  275 

1877 

381  637 

286  107 

1890 

435  039 

300  247 

1878 

394  062 

295  924 

1891 

392  951*) 

277  425 

1879 

404  180 

316  662 

1892 

465  433 

343  651 

1880 

393  015 

306  833 

1893 

476  644 

330  138 

1881 

385  374 

309  689 

1894 

485  390 

337  109 

1882 

388  131 

312951 

1895 

500  399 

331368 

1883 

405  052 

313  951 

1896 

513  191 

338  327 

1884 

404  085 

309  097 

1897 

520  068 

331  179 

1885 

402  171 

306  090 

1898 

513  669 

324  538 

1886 

421  929 

316  090 

1899 

517  547 

324  334 

1887 

411  154 

308  245 

1909: 

316  200 

*)  Krieg  1870/71. 


Aus  vorstehender  Tabelle  ist  deutlich  ersichtlich  und  wohl  schon 
ziemlich  allgemein  bekannt,  dass  die  Differenz,  die  in  den  70  er  Jahren 
noch  gering  war,  sich  immer  mehr  zu  gunsten  Deutschlands  steigerte. 

Nicht  uninteressant  ist  ein  Vergleich  beider  Länder  bezüglich 
der  Frage,  wie  viele  von  den  lebendgeborenen  Knaben  noch  nach 
20  Jahren  vorhanden  waren,  was  nachstehende  Zahlen  vor  Augen 
führen: 

Deutschland  Frankreich 

Geboren  in  den  Jahren:  Hievon  lebten  nach  20  Jahren: 

1872/76  56,3  Proz.  68,6  Proz. 

1877/80  '  58,3  „  67,5  ; 

Es  kommt  hier  deutlich  zum  Ausdruck,  dass  in  Frankreich  für 
die  genannten  Jahre  bessere  Lebensbedingungen  ausschlaggebend 
waren. 

Stellen  wir  nun  die  Tabellen  der  als  tauglich  mit  der  Waffe 
Befundenen  nebeneinander,  so  finden  wir: 

Deutschland  Frankreich 

1875—1887  durchschnittlich  42  Proz.  durchschnittlich  52  Proz. 

1888—1905  „  51  „  „  54  h 

1906-1910  „  54  .  *  75  , 

Die  auffallende  Steigerung  für  Frankreich  in  den  Jahren  1906 
bis  1910  erklärt,  sich  durch  das  Gesetz  vom  Jahre  1905. 

Im  Laufe  dpr  Jahre  hat  sich  in  Frankreich  das  Bedürfnis  ein¬ 
gestellt,  die  Anforderungen  an  die  Tauglichkeit  herabzusCtzeti,  um 
die  Zahl  der  einzustellenden  Rekruten  erhöjie/i  zu  können,  bedingt 
duich  den  dauernden  Rückgang  der  Geburten.  Durch  Gesetz  vom 


790 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


No.  14. 


2.  IV.  01  wurde  das  Minirnalmass  aufgehoben,  so  dass  Leute  unter 
154  cm  zujn  aktiven  Dienst  eingestellt  werden  konnten.  Durch  diese 
Massnahmen  steigerte  sich  die  Zahl  der  Tauglichen  im  Jahre  1902 
auf  87,3  Proz.!  Neue  Anforderungen  an  die  Ausnutzung  der  vor¬ 
handenen  Wehrpflichtigen  stellte  die  Einführung  der  zweijährigen 
Dienstzeit  im  Jahre  1905.  Die  Ciesamtzahl  der  zum  aktiven  Dienst 
mit  und  ohne  Waffe  eingestellten  Rekruten  belief  sich  1906/10  sogar 
auf  90,4  Proz.! 

„Dass  die  Heranziehung  eines  so  hohen  Prozentsatzes  der  ver¬ 
fügbaren  Kräfte,  sagt  Verf.,  nicht  in  einem  tatsächlich  so  überaus 
günstigen  Gesundheitszustand  der  französischen  männlichen  Jugend 
begründet  sein  kann,  sondern  nur  durch  die  Macht  der  Verhältnisse, 
d.  h.  den  Mangel  an  Wehrpflichtigen  im  Vergleich  zu  dem  auf¬ 
zubringenden  Rekrutenkontingent  bedingt  ist  und  nur  durch  eine  sehr 
erhebliche  Herabsetzung  der  an  den  einzelnen  Mann  zu  stellenden 
Anforderungen  erreicht  werden  kann,  leuchtet  ohne  weiteres  ein; 
man  kann  wohl  ohne  Uebertreibung  sagen,  dass  die  Anspannung  der 
Wehrkraft  bald  die  Grenze  des  Möglichen  erreicht  haben  wird  und 
man  darf  angesichts  der  weiteren  Abnahme  der  Geburten  und  damit 
des  verfügbaren  Ersatzes  gespannt  sein,  wie  sich  in  Zukunft  die  Ver¬ 
hältnisse  in  Frankreich  gestalten  werden,  ob  insbesondere  die 
zweijährige  Dienstzeit  sich  weiter  wird  durch¬ 
führen  'lasse  n.“ 

Auf  die  Folgen  für  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  einzugehen, 
ist  hier  nicht  der  Ort. 

Von  Interesse  ist  nun  ein  Vergleich  zwischen  den  einzelnen 
Fehlern  und  Gebrechen,  die  dienstuntauglich  machen,  und  da  ergibt 
sich  für  Frankreich  die  überraschende  Tatsache,  „dass  diejenigen 
Untauglichkeitsgründe,  über  deren  Einfluss  auf  die  Eignung  zum 
militärischen  Dienste  keine  Zweifel  bestehen  können,  wie  Geistes¬ 
krankheiten,  Epilepsie,  Kretinismus,  Lungenschwindsucht,  schwere 
Gebrauchsstörungen  der  Extremitäten,  Blindheit  usw.  keine  Abnahme, 
sondern  sogar  eine  Zunahme  aufweisen,  während  die  anderen  Krank¬ 
heiten  und  Körperfehler,  deren  Beurteilung  hinsichtlich  ihres  Ein¬ 
flusses  auf  die  Militärtauglichkeit  grösseren  Spielraum  darbietet,  im 
Laufe  der  Jahre  abgenommen  haben.  Es  bedarf  keines  besonderen 
Beweises,  dass  diese  Abnahme  zum  allergrössten  Teil  keine  tat¬ 
sächliche  ist,  sondern  nur  in  den  Aenderungen  der  Bestimmungen 
bzw.  der  Bewertung  der  einzelnen  Fehler  begründet  ist  und  dass 
diese  wiederum  in  der  Notwendigkeit  ihren  Grund  gehabt  haben,  aus 
dem  im  Verhältnis  zu  dem  erforderlichen  Rekrutenbedarf  nur  geringen 
Ersatz  möglichst  viel  Taugliche  herauszufinden.“ 

Höchst  lehrreich  wäre  es  nun,  zu  erfahren,  ob  dieser  hohe 
Prozentsatz  von  „Tauglichen“  den  Anforderungen  des  Dienstes  ge¬ 
recht  wird  oder  nicht,  d.  h.  ob  die  Erkrankungsziffern  die  gleichen 
oder  höhere  sind  als  in  anderen  Staaten.  Diese  Frage  kann  nun 
leider  nicht  beantwortet  werden,  da  im  französischen  Heere  ein  sehr 
giosser  Prozentsatz  als  schonungskrank  (malades  ä  la  chambre)  ge¬ 
führt  wird,  der  in  der  Heeressanitätsstatistik  nicht  erscheint.  Man 
wird  aber  nicht  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass  diese  unheim¬ 
liche  Menge  von  „Tauglichen“  auch  eine  entsprechende  Zahl  von 
Kranken  liefert.  Die  Statistik  lässt  sich  eben  auch  korrigieren  und 
frisieren.  Reh. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Fahrlässige  Tötung  durch  Verabreichung  über¬ 
mässiger  Mengen  von  Alkohol. 

Die  bekannte  Kausaltheorie  des  Reichsgerichts,  der  zufolge  als 
Ursache  jede  menschliche  Handlung  anzusehen  ist,  die  zu  dem  Ein¬ 
tritt  eines  bestimmten  Ereignisses  auch  nur  das  geringste  beiträgt, 
hat  Vor  kurzem  zu  einem  Urteil  geführt,  das  vom  Standpunkt  der 
sozialen  Hygiene  bemerkenswert  ist.  Wie’  der  Reichsgerichtsrat 
Dr.  Lobe  in  dem  Sächsischen  Archiv  für  Rechtspflege  1913,  S.  106 
berichtet,  hat  das  Reichsgericht  entschieden,  dass  die  Darreichung  von 
übermässigen  Alkoholmengen  an  einen  Trinker  als  fahrlässige  Tötung 
auf  Grund  des  §  222  StGB,  bestraft  werden  kann,  wenn  der  Potator 
daraufhin  an  Alkoholvergiftung  zugrunde  geht.  Um  die  Anwendung 
des  §  222  zu  rechtfertigen,  braucht  der  Alkoholkranke  zurzeit  der 
Darreichung  des  Getränkes  noch  nicht  ganz  unzurechnungsfähig  ge¬ 
wesen  sein,  es  genügt  ein  Zustand,  in  dem  durch  gewisse  Alkohol¬ 
mengen  die  1  runksucht  dominierend  geworden  sei  und  gebieterisch 
nach  weiteren  Giftdosen  verlangt. 

„Die  durch  die  Tätigkeit  des  Beschuldigten  an  und  für  sich 
begründete  volle  Ursächlichkeit  kann  durch  den  Umstand,  dass  auch 
andere  für  den  Erfolg  mitwirksam  geworden  sind,  nicht  zum  Weg- 
Ial|k°mmen  ’  j13*  das  R-ichsgericht  früher  ausgesprochen  (Entsch. 
d.  RG.  in  Strafsachen,  Bd.  1-  S.  374).  Das  neue  Urteil  ist  nur  ein 
Anwendungsfall  dieses  Grundsatzes.  Geht  das  Reichsgericht  einen 
Schritt  weiter  und  erkennt  es  an,  dass  Wirte,  die  Alkoholkranken 
geistige  Getränke  verabreichen,  trotzdem  sie  deren  Zustand  kennen, 
sich  auch  der  fahrlässigen  Körperverletzung  schuldig  machen  können, 
vvenu  krankhafte  Erscheinungen  aut  somatischem  oder  psychischem 
Gebiet  sich  einstellen,  so  hätte  die  Rechtsprechung  dem  Kampf  gegen 
den  Alkoholmissbrauch  einen  wertvollen  Dienst  geleistet,  der  um  so 
segensreicher  wäre,  als  gesetzliche  Aenderungen  in  weiter  Ferne 
stehen  und  die  hier  und  dort  erlassenen  matten  Polizeiverordnungen 
irgendwelche  Wirkungen  nicht  entfaltet  haben.  Da  die  Verletzung 
einer  Gewerbspflicht  vorläge,  hätte  die  Verfolgung  von  Amtswegen 
ejnzutreten  (§  230,  Abs.  2).  v.  H  e  n  t  i  g. 


Therapeutische  Notizen. 

Chlorsaures  Aluminium  bei  schwerem  Gelenkrheuma¬ 
tismus  in  2,5  proz.  Lösung  unter  Zusatz  von  10  Proz.  Liquor  Aluminis 
acetico-tartarici  zu  feuchten  Umschlägen  auf  die  betroffenen  Gelenkt 
sowie  zum  häufigen  Gurgeln  benützt,  hatte  in  8  Fällen  prompt  Fieber 
abfall  und  Heilung  in  wenigen  Tagen  zur  Folge  ohne  Anwendung 
irgend  eines  anderen  Mittels. 

Aluminiumsalze  erzielen  im  Protoplasma  der  Zellen  eine  grösser. 
Durchgängigkeit  für  sonst  unlösliche  Stoffe  (Max  Fluri  für  dir 
Pflanzenzelle);  die  Färbetechnik  benützt  diese  Eigenschaft  des  Alu¬ 
miniums  seit  langer  Zeit.  Das  in  relativ  grosser  Menge  freiwerdende 
und  eindringende  Chlor  wirkt  vermutlich  einerseits  auf  die  suppo- 
nierten  Erreger  des  Gelenkrheumatismus,  andererseits  erzielt  es  in  den 
Geweben  eine  starke  Hyperämie,  wie  man  sie  z.  B.  an  den  stark 
geröteten  Rachenpartien  nach  längerem  Gurgeln  sehen  kann.  Jeden¬ 
falls  ist  eine  Nachprüfung  an  grösserem  Material  angezeigt. 

Dr.  Wiedemann  - Strasskirchen. 

Die  Friedenthalschen  Gemüsepulver  haben  sielij 
nach  ’  den  Untersuchungen  von  L.  Langstein  und  K.  Kasso- 
witz-  Berlin  als  ein  brauchbares  Diätetikum  bewährt  (Ther.  Mon  - 
Hefte  12,  12).  Bei  vergleichenden  Stuhluntersuchungen  fand  sich  das 
Gemüsepulver  viel  besser  ausgenützt  als  das  unpräparierte  Oe-J 
müse.  Bei  Stoffwechseluntersuchungen  ergab  sich  eine  stark  positive 
Aschenbildung  bei  der  Darreichung  des  Spinatpulvers.  Man  gibt  die 
Gemüsepulver  am  besten  mit  der  gleichen  Menge  Mehl  und  der} 
halben  Menge  Zucker  zusammen  in  Milch  oder  Haferschleim.  Kr 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  7.  April  1913. 

' —  In  einer  an  der  Spitze  dieser  Nummer  erscheinenden  Arbeiij 
berichtet  Prof.  N  o  g  u  c  h  i  -  New  York  über  weitere  Untersuchunger 
über  das  Vorkommen  von  Spirochäten  im  Zentral¬ 
nervensystem.  Es  gelang  ihm  jetzt  auch  in  einem  Falle  von 
Tabes  der  Nachweis  der  Spirochäten  im  Rückenmark;  bei  Paralyse 
wurden  sie  in  200  untersuchten  Gehirnen  48  mal  gefunden.  Die  vor! 
N  o  g  u  c  h  i  angewandte  Technik  wird  ausführlich  beschrieben. 

—  Der  Geschäftsausschuss  des  Deutschen 
Aerztevereinsbundes  hat  am  30.  März  eine  Sitzung  in 
Leipzig  abgehalten,  in  der  beschlossen  wurde,  den  diesjähriger 
Aerztetag  in  der  Zeit  vom  3. — 5.  Juli  in  Elberfeld  abzuhalten.  Diq 
Tagesordnung  wurde  vorläufig  festgestellt.  In  der  gleichen  Sitzuni) 
wurde  eine  eindringliche  Erklärung  abgegeben  gegen  den  Abschluss 
von  Sonderabkommen  mit  Krankenkassen.  Erst  wenn  die  Ober 
Versicherungsämter  über  die  Statuten  der  Krankenkassen  entschieden 
haben  und  wenn  die  vom  Geschäftsausschuss  nunmehr  genehmigtet 
Musterverträge  in  der  Hand  der  Aerzte  sind,  kann  mit  Verhandlungen 
begonnen  werden,  die  in  engster  Fühlung  mit  der  Zentralorganisatioij 
zu  führen  sind. 

—  Die  Angelegenheit  des  Gisela-Kinderspitals  ii 
München,  das  in  Gefahr  war,  aufgelassen  zu  werden,  weil  derj 
Magistrat  sich  anfänglich  weigerte,  es  weiter  mit  Mitteln  zu  unter¬ 
stützen  (vergl.  die  Darlegung  in  No.  50,  S.  2790,  1912  d.  W.),  ist  jetzt 
in  der  denkbar  günstigsten  Weise  geregelt  worden,  indem  die  Stadl 
München  am  1.  d.  M.  den  Betrieb  des  Spitals  übernommen  hat  und  vor¬ 
erst  beabsichtigt,  es  mit  all  seinen  Attributen  (Ambulatorium,  Milde 
kiiehe,  Beratungsstelle,  Pflegerinnenschule)  in  unveränderter  Weise 
fortzuführen,  bis  die  ganze  Anstalt  in  einen  hiefiir  zu  errichtenden 
Pavillon  übergeführt  werden  kann. 

■ —  Am  5.  ds.  wurde  der  Neubau  des  A  u  g  u  s  t  e  -V  i  k  t  o  r  i  a  • 
Krankenhauses  Berlin-Weissensee  feierlich  einge¬ 
weiht.  Das  Krankenhaus  enthält  ca.  200  Betten.  Leitende  Aerztej 
sind  Dr.  v.  Domarus  für  die  innere,  Dr.  S  e  1  b  e  r  g  für  die  chirur¬ 
gische  Abteilung. 

—  Am  II.  ds.  Mts.  feiert  der  Senior  der  Nürnberger  Aerzte,  der 
hochgeschätzte  Frauenarzt  Hofrat  Dr.  Wilhelm  Merkel,  seiner; 
80.  Geburtstag. 

—  Während  der  chinesischen  Revolution,  also  von  Mitte  Ok¬ 
tober  1911  bis  Mitte  Februar  1912,  war  in  Hankou  von  den  deutscher. 
Marineärzten  und  dem  dort  ansässigen  deutschen  Arzte  ein  „Deutscher 
Lazarett  des  Roten  Kreuzes“  errichtet  und  verwaltet,  in  welchen 
gegen  400  verwundete  chinesische  Soldaten  und  Offiziere,  sowoh 
von  der  kaiserlichen,  wie  von  der  Revolutionsarmee,  verpflegt  unc 
behandelt  wurden.  Für  diese  Tätigkeit  hat  nunmehr  der  Vize¬ 
präsident  von  China,  der  ehemalige  Führer  der  Revolutionsparte 
General  Li  Yuen  Hung  eine  chinesische  „Rote  Kreuz- 
Medaille“  gestiftet  und  sie  am  15.  März  persönlich  verteilt  unter 
dankbarer  Anerkennung  der  von  den  Westländern  geleisteten  Tätig¬ 
keit.  Die  silberne  Medaille  erhielten  die  Marinestabsärzte 
Dr.  Gebecke  (S.M.S.  Leipzig),  Dr.  Kn  e  iss  (SMS.  Tiger) 
Dr.  Meyer  (S.M.S.  Luchs),  Dr.  Kosenbach  (S.M.S.  Iltis). 
Dr.  Liebau  (S.M.S.  Vaterland).  Ferner  der  deutsche  Arzt  von 
Hankou  Dr.  R  o  e  s  e.  (Dr.  Meyer  und  Dr.  Kosenbach  gehörten 
früher  der  bayerischen  Armee  an.)  Die  Sanitätsmannschaften  er¬ 
hielten  bronzene  Medaillen.  Die  Medaille  ist  ein  9  strahliger  von 
einem  Lorbeerkranz  umwundener  Stern  aus  Silber,  der  vorne  das 
rote  Kreuz  auf  weissem  Grunde  in  Email,  auf  der  Rückseite  das 
Bildnis  Li  Yuen  Hungs  trägt.  Die  Aufschrift  in  chinesischen. 


pril  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCH R I  FT. 


791 


k  ä  m  p  f  u  ii  g  des  Kurpfu  schert  u  m  s  statt,  in  der  sich  der 
geschäftsführende  Ausschuss  neu  konstituierte.  Es  wurden  gewählt: 
als  Vorsitzender  Prof.  Dr.  Bey.th.ien,  als  stellvertretender  Vor¬ 
sitzender  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Schmorl,  als  Schriftführer 
Dr.  Neustätte  r,  als  stellvertretende  Schriftführer  Dr.  Decker 
und  Dr.  H.  Weber,  als  Kassenführer  Dr.  E  g  e  r,  als  Beisitzer 
Exz.  Geh.  Medizinalrat  Dr.  Fiedler,  Medizinalrat  Dr.  Thierse  h, 
Prof.  Dr.  Rietschel,  Dr.  Weisswange,  Dr.  Leonhardt. 
Sämtliche  Herren  haben  ihren  Wohnsitz  in  Dresden.  Zuschriften 
werden  erbeten  an  den  Schriftführer  Nr.  N  e  u  s  t  ä  1 1  e  r,  Dresden- 
H  e  1 1  e  r  a  u,  auf  dem  Sand. 

—  Der  II.  Tag  der  Fttrsorgest  eilen  für  Lungen¬ 
kranke  wird  in  diesem  Jahr  vom  Deutschen  Zentralkomitee  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose  zum  22.  Oktober  nach  Berlin  einberufen 
werden  im  Anschluss  an  die  Internationale  Tuberkulosekonferenz. 
Auch  die  Tuberkuloseärzteversammlung  soll  mit  dieser 
Konferenz  verbunden  werden. 

—  Cholera.  Türkei.  Vom  12.  bis  17.  März  wurden  aus 
Konstantinopel  3  Erkrankungen  und  1  Todesfall  gemeldet.  —  Nieder¬ 
ländisch  Indien.  Zufolge  Mitteilung  vom  20.  Februar  sind  auf  Java 
124  Erkrankungen  (und  113  Todesfälle)  festgestellt  worden.  Die 
Stadt  Batavia  mit  ihrem  Hafen  Tandjong  Priok  ist  am  4.  Februar 
wieder  für  verseucht  erklärt  worden. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  8.  bis  14.  März  erkrankten  18  (und 
starben  7)  Personen.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  26.  Februar  bis 

II.  März  wurden  auf  Java  gemeldet  178  Erkrankungen  (und  215  Todes¬ 
fälle).  Für  die  Zeit  vom  12.  bis  25.  Februar  sind  nachträglich  aus 
Paree  4  Todesfälle  mitgeteilt  worden.  Insgesamt  sind  im  Dezember 
und  Januar  1056  Erkrankungen  (und  997  Todesfälle)  zur  Anzeige  ge¬ 
langt.  —  Hongkong.  Vom  9.  bis  22.  Februar  in  der  Kolonie  3  tödliche 
Erkrankungen,  davon  1  in  Viktoria.  —  Mauritius.  Vom  3.  Januar  bis 
6.  Februar  29  Erkrankungen  und  18  Todesfälle.  —  Brasilien,  ln 
Rio  de  Janeiro  vom  19.  Januar  bis  1.  Februar  6  Erkrankungen  und 
1  Todesfall.  —  Chile.  In  Antofagasta  ist  Anfang  Februar  1  Person 
an  der  Pest  gestorben. 

• —  ln  der  12.  Jahreswoche,  vom  16. — 22.  März  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Halberstadt  mit  27,7,  die  geringste  Altenessen  mit  3,0  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Ge¬ 
storbenen  starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Buer,  Hamborn,  Reckling¬ 
hausen.  v.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Dresden.  Der  dirigierende'  Arzt  der  städtischen  Heil-  und 
Pflegeanstalt,  Dr.  N  i  t  s  c  h  e,  ist  als  Oberarzt  und  stellvertretender 
Direktor  der  Landesanstalt'  Sonnenstein  in  den  Staatsdienst  über¬ 
nommen  worden. 

Düsseldorf.  Zum  ärztlichen  Direktor  der  städtischen  Kran¬ 
kenanstalten  ist  der  Generaloberarzt  Dr.  Wilhelm  C  1  a  s  s  e  n,  Divi¬ 
sionsarzt  der  30.  Division  und  Chefarzt  des  Garnisonslazaretts  1  in 
Strassburg  berufen,  (hk.) 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  B.  An  Stelle  des  nach  Strassburg  berufenen 
Prof.  Salge  waren  für  die  Professur  der  Kinderheilkunde  vor¬ 
geschlagen  :  I.  Nöggerath  -  Berlin,  II.  Hecker-  München, 

III.  V  o  g  t  -  Strassburg.  Nöggerath  wurde  ernannt. 

Kiel.  Prof.  Dr.  Otto  L  u  b  a  r  s  c  h  -  Düsseldorf  wurde  zum 
ordentlichen  Professor  und  Direktor  des  pathologischen  Instituts  an 
der  Universität  Kiel  ernannt,  (hk.) 

Königsberg.  Wie  wir  hören,  wird  Prof.  Dr.  Ernst  H  e  d  i  n  - 
g  e  r  -  Basel  dem  Rufe  nach  Königsberg  i.  Pr.  keine, Folge  leisten,  (hk.) 

München.  Geheimrat  Dr.  Franz  v.  S  o  x  h  l.e  t,  Professor  der 
Agrikulturchemie  an  der  technischen  Hochschule  und  Vorstand  (Jpr 
landwirtschaftlichen  Versuchsstation  für  Bayern  \yurde  auf  sein  An¬ 
suchen  von  der  Verpflichtung  Vorlesungen  abzuha!lteri,  enthoben.  An 
seiner  Stelle  wurde  Prof.  Dr.  Henkel  in  Weihenstephan  ernannt. 
Mit  S  o  x  h  1  e  t  tritt  einer  der  populärsten  Gelehrten  Münchens  von 
der  Lehrtätigkeit  zurück.  Sein  Name  ist  in  der  Medizin  nicht  min¬ 
der  bekannt  und  gefeiert  wie  auf  seinem  eigentlichen  Forschungs¬ 
gebiet.  Auf  die  von  ihm  herbeigeführte  Reform  der  Säuglings¬ 
ernährung  ist  bei  gerechter  Würdigung  ein  grosser  Teil  der  in  den 
letzten  25  Jahren  erzielten  Verminderung  der  Säuglingssterblichkeit 
zurückzuführen. 


ftzeichen  lautet  vorn:  Zur  Erinnerung  an  die  Revolution,  auf 
Rückseite:  Ueberreicht  von  Li  Yuen  Hung. 

—  Der  von  der  Arztenswitwe  Frau  Helene  Ober  reit  in  Lin- 
mit  einem  von  dem  verstorbenen  praktischen  Arzt  Dr.  Fritz1 
rreit  letztwillig  zu  diesem  Zweck  bestimmten  Kapitale  von 

10  M.  errichteten,  zu  Zuschüssen  für  Ferienkolonien  und  für 
lingspflege  sowie  zur  Beschaffung  einer  ärztlichen  Behandlung 
nbemittelte,  einer  Anstalts-  oder  ambulanten  Behandlung  bedürf¬ 
ender  bestimmten  „Dr.  Fritz  Oberreitschen  Jugend- 
,  o  r  g  e  s  t  i  f  t  u  n  g“  mit  dem  Sitze  in  Lindau  i.  B„  wurde  die 
i.  Genehmigung  erteilt. 

—  Dr.  Anton  Grossich  in  Fiume  erhielt  für  seine  Verdienste 
ie  aseptische  Wundbehandlung  durch  Einführung  des  Jodtinktur- 
ichs  das  Komthurkreuz  des  Italienischen  Kronenordens. 

-'In  der  Zeit  vom  21.  bis  26.  Juli  ds.  Js.  veranstaltet  die 
ner  Akademie  für  praktische  Medizin  wie  im  Vorjahre  einen 
tbildungskursus  für  Schulärzte. 

—  Das  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fort- 
ungs  wesen  in  Preussen  veranstaltet  im  Mai  d.  J.  wieder 
seitliche  Fortbildungskurse  für  praktische  Aerzte  in  Berlin  und 
inz  Brandenburg.  Es  finden  ferner  im  Juni  zwei  kurzfristige 
Zyklen  statt:  1.  vom  2.  bis  11.  Juni  in  Gemeinschaft  mit  dem 
■rin-Auguste-Victoria-Haus  zur  Bekämpfung  der  Säuglingssterb- 
jsit  und  dem  Seminar  für  soziale  Medizin  über:  Die  Fortschritte 

irztlichen  und  sozialen  Versorgung  des  gesunden  und  kranken 
lings;  2.  vom  19.  bis  28.  Juni  in  Gemeinschaft  mit  der  Dozenten- 
nigung  für  ärztliche  Ferienkurse:  Zyklus  von  Kursen  und  Vor- 
n  mit  Berücksichtigung  sämtlicher  Disziplinen.  Zur  Teilnahme 
;n  Fortbildungskursen  ist  jeder  Arzt  des  Stadtkreises  Berlin  und 
’rovinz  Brandenburg  gegen  Lösung  nicht  übertragbarer  Karten 
;htigt.  Die  Karten  sowie  die  Verzeichnisse  der  Fortbildungs- 
:  sind  im  Bureau  des  Kaiserin-Friedrich-Hauses  für  das  ärztliche 
lildungswesen  (Schalter  für  Kartenausgabe)  zu  erhalten,  wo  auch 
unft  über  die  Kurse  erteilt  wird  (nur  schriftlich,  oder  wochen- 
;h  9—2  Uhr  persönlich).  Beginn  der  neuen  Meldungen  am 
>ril.  Alle  Zuschriften  sind  zu  richten  an  das  Bureau  des  Zentral¬ 
tees,  NW.  6,  Luisenplatz  2 — 4  (Kaiserin-Friedrich-Haus  für  das 
iche  Fortbildungswesen). 

—  In  der  Zeit  vom  26.  Mai  bis  7.  Juni  1913  findet  wiederum 
r  akademischen  Kinderklinik  Düsseldorf  unter  Leitung  von  Prof. 
Schloss  man  n  ein  vierzehntägiger  Ausbildungs-  und  Fort¬ 
lungskursus  für  Aerzte  in  der  Physiologie,  P  a  - 
logie  und  Hygiene  des  Säuglingsalters  und  in 
Säuglingsfürsorge  statt.  Ausser  den  Vorlesungen  und 
Arbeiten  in  der  Klinik  und  im  Laboratorium  finden  auch  Be¬ 
igungen  moderner  Einrichtungen  in  der  Säuglingsfürsorge  in 
eldorf  und  den  benachbarten  Städten  statt.  Anmeldungen  und 
agen  sind  zu  richten  an  die  Geschäftsstelle  des  Vereins  für 
lingsfürsorge  im  Regierungsbezirk  Düsseldorf.  Düsseldorf,  Wer- 
rstrasse  150,  von  wo  auch  auf  Wunsch  Programme  kostenlos 
endet  werden.  Ausser  einer  Einschreibgebühr  von  30  M.  wird 
Honorar  nicht  erhoben. 

—  Vom  16.  II.  bis  8.  III.  1914  findet  an  der  psychiatrischen  Klinik 

11  n  c  h  e  n  der  nächste  psychiatrische  Fortbildungs- 
s  statt.  Als  Dozenten  beteiligen  sich  die  Herren:  Allers: 
nische  Pathologie  und  Dii^to-Therapie  der  Psychosen.  Brod- 
ln -Tübingen:  Topographische  Histologie  der  Grosshirnrinde, 
e  r  1  i  n :  Experimentelle  Psychologie.  Psychotherapie.  Kraepe- 
Psychiatrische  Klinik.  L  i  e  p  m  a  n  n  -  Berlin:  Ueber  aphasische, 
stische  und  apraktische  Störungen.  Plaut:  Liquor-  und  Serum- 
•suchungen.  Demonstrationen  zur  forensischen  Psychiatrie,  ein- 
esslich  der  psychiatrischen  Jugendfürsorge.  Rüdin:  Ueber  Ent- 
ig  und  über  Vererbung  geistiger  Störungen.  Spielmeyer: 
omische  Grundlagen  der  Geisteskrankheiten.  Weiler:  Psycho- 
alogische  Untersuchungsmethoden.  Zahl  der  Vorlesungsstunden 
,  100.  Die  genauere  Stundeneinteilung  wird  später  bekannt  ge- 
n.  Honorar  M.  61. — .  Anmeldungen  an  Herrn  Privatdozent 
arzt  Dr.  Rüdin,  Nussbaumstr.  7,  München.  Im  Herbst  1913 
t  kein  Fortbildungskurs  statt. 

—  Nach  dem  Rechenschaftsbericht  des  Vereins  zur  Unter- 
tzung  invalider  hilfsbedürftiger  Aerzte  und 
leidender  hinterbliebener  Aerztefamilien  in 

ern  für  das  47.  Verwaltungsjahr  1912  wurden  im  Berichtsjahre 
verzte  mit  einer  Gesamtsumme  von  27  620  M.  unterstützt:  die 
venkasse  unterstützte  74  Witwen  und  Waisen  mit  12  222  M.  und 
-ilte  ausserdem  1100  M.  als  Weihnachtsgabe.  Die  Zahl  der  Mit- 
er  des  Vereins  betrug  2748  (gegen  2742  im  Vorjahre),  die  Summe 
Einnahmen  betrug  86  492.92  M.  (darunter  27  805  M.  an  Mitglieder- 
ägen,  3430  M.  Staatszuschuss,  9689.25  M.  Geschenke),  die  Summe 
Ausgaben  72  448.86  M.,  das  Gesamtvermögen  beträgt  478  760  M. 
mal.  Infolge  der  starken  Steigerung  der  Anforderungen  musste 
r  die  Höchstsumme  der  Unterstützung,  die  früher  15 — 1800  M. 
einzelstehende,  2400  M.  für  verheiratete  Kollegen  betrug,  auf 
1300  bezw.  18 — 1900  M.  herabgesetzt  werden.  Als  Kreiskassiere 
len  neu  aufgestellt  Hofrat  Dr.  Franz  Zeit  ler  in  Straubing  für 
erbayern,  Dr.  Max  Fikentscher  in  Augsburg  für  Schwaben, 
iche  für  invalide  Aerzte  sind  an  Dr.  Friedrich  Merkel,  Nürn- 
•  Maxplatz  20,  Gesuche  für  Witwen-  und  Waisenunterstützung  an 
losef  Hollerbusch,  Fürth  i.  B.,  Mathildenstrasse  1  zu  richten. 

—  Am  9.  März  d.  J.  fand  in  Dresden  eine  Sitzung  des  Ge- 
vorstandes  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  Be- 


Bologna.  Der  bisherige  Privatdozent  in  Genua  Dr.  M.  P  a  z  z  i 
habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 
—  Dr.  A.  Ghedini  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  operative 
Medizin. 

Boston.  Dr.  R.  P.  S  t  r  o  n  g  wurde  zum  Professor  der  Tropen¬ 
krankheiten  an  der  Harvard-Universität  ernannt. 

Catania.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  Dr.  A.  D’U  r  s  o 
für  Anatomie  und  Dr.  G.  Z  u  r  r  i  a  für  externe  Pathologie. 

Lausanne.  Der  Privatdozent  für  Chirurgie  Dr.  H.  Vulliet 
wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt. 

Lemberg.  Der  Speziälarzt  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten 
Dr.  Anton  Cieszynski  -  München  ist  zum  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessor  der  Zahnheilkunde  an  der  Universität  Lemberg  ernannt  wor¬ 
den.  (hc.)  —  Privatdozent  Dr.  G.  Bickeles  (Neurologie)  er¬ 
hielt  den  Professortitel. 

Lille.  Dr.  L  a  m  b  e  r  t  wurde  zum  Professor  der  chirurgischen 
Klinik  ernannt. 

Montevideo.  Der  Professor  der  externen  Pathologie  Dr.  G. 
Afrizabalaga  wurde  zum  Professor  der  chirurgischen  Klinik, 


792 


der  Professor  der  operativen  Medizin  Dr.  J.  H.  Oliver  zum  Pro¬ 
fessor  der  externen  Pathologie  ernannt. 

Neapel.  Dr.  R.  L  e  1 1  i  e  r  i  und  Dr.  J.  S  c  a  1  o  n  e  habilitierten 
sich  als  Privatdozenten  für  externe  Pathologie. 

P  a  v  i  a.  Habilitiert:  DDr.  F.  Marcona  (medizinische  Patho¬ 
logie)  und  Q.  V  e  r  d  e  1 1  i  (Geburtshilfe  und  Gynäkologie). 

Philadelphia.  Dr.  R.  H.  S  k  i  1 1  e  r  n  wurde  zum  Professor 
der  Laryngologie  am  Medico-chirurgical  College,  der  Professor  am 
Jeiierson  Medical  College  Dr.  R.  C.  Rosenberger  zum  Professor 
der  Hygiene  am  Womans  Medical  College  ernannt. 

Prag.  Prof.  Dr.  R.  Schmidt  in  Innsbruck  wurde  an  Stelle 
des  verstorbenen  Prof.  P  r  i  b  r  a  m  zum  ordentlichen  Professor  der 
inneren  Medizin  an  der  deutschen  med.  Fakultät  ernannt. 

Rio  de  Janeiro.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Medi¬ 
zin  Dr.  A.  Austregesilo  wurde  zum  Professor  der  Klinik  der 
Nervenkrankheiten  ernannt. 

R  o  m.  Der  ausserordentliche  Professor  in  Modena  Dr.  R.  D  a  1 1  a 
Vedova  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Orthopädie 
ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  N.  P.  T  i  c  h  u  t  k  i  n,  Privatdozent  für  Histologie  und  Embryo¬ 
logie  an  der  militärmedizinischen  Akademie  zu  St.  Petersburg. 

Dr.  Ph.  H.  Hiss,  Professor  der  Bakteriologie  am  Columbia  Uni- 
versity  College  of  Physicians  and  Surgeons  zu  New  York. 

Dr.  Prince  A.  M  o  r  r  o  w,  früher  Professor  der  Krankheiten  des 
Urogenitalapparates  am  University  and  Bellevue  Hospital  Medical 
College  zu  New  York. 

Dr.  J.  R.  Lerne  n,  früher  Professor  der  Krankheiten  der  Re¬ 
spirationsorgane  an  der  Universität  St.  Louis. 

Dr.  J.  T.  Dun  n,  früher  Professor  der  Krankheiten  des  Rektum 
an  Kentucky  School  of  Medicine  zu  Louisville. 

Dr.  L  u  i  z  da  C  u  n  h  a  F  e  i  j  ö,  früher  Professor  der  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie  in  Rio  de  Janeiro. 

(Berichtigung.)  In  der  Arbeit:  Riibsamen,  „Klinisch¬ 
experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wirksamkeit  der  Wehen¬ 
mittel  in  der  Nachgeburtsperiode“  ist  auf  Seite  630  in  der  4.  und 
5.  Zeile  von  oben  links  statt  „dass  sich  atonische  Nachblutungen  mit 
Sekakornin  allein  nicht  beeinflussen  lassen“  zu  lesen  „dass  sich 
atonische  Nachblutungen  mit  Sekakornin  allein  nicht  sofort  be¬ 
einflussen  lassen“. 


Korrespondenz. 

Wir  werden  um  Aufnahme  nachstehender  Zuschrift  ersucht: 

„Die  Ausführungen  von  H.  Berger  in  Ihrer  Wochenschrift 
(„Zur  Psychologie  der  falschen  Literaturangaben“,  1913,  No.  12, 
S.  652),  sowie  diejenigen  von  K.  M  a  r  b  e  in  den  von  ihm  heraus¬ 
gegebenen  Fortschritten  der  Psychologie  (Bd.  I,  H.  1,  1912,  S.  6) 
geben  mir  Veranlassung  zu  den  nachstehenden  Bemerkungen,  welche 
ein  ähnliches  Gebiet  betreffen:  Es  handelt  sich  um  die  weitverbreitete 
Gewohnheit  der  Druckereien,  in  Zeitschriften,  Lehrbüchern  und 
wissenschaftlichen  Werken  nicht  nur  die  erste  Textseite,  sondern 
überhaupt  jede  Seite,  auf  welcher  ein  neuer  Abschnitt  oder  eine  neue 
Abhandlung  beginnt,  ohne  Seitenzahl  zu  lassen.  Ich  ver¬ 
mute,  dass  dieses  Weglassen  der  Seitenzahl  aus  Gründen  der 
Aesthetik  erfolgt.  Aber  ich  glaube,  dass  die  Nachteile  dieses 
Weglassens  die  Vorteile  bedeutend  überwiegen.  Denn  gerade  die 
erste  Seite  eines  Abschnittes  oder  einer  Abhandlung  möchte  man 
zitieren  und  ist,  da  die  Seitenzahl  nicht  angegeben  ist,  stets  genötigt, 
durch  Umblättern  sich  die  gewünschte  Seitenzahl  erst  zu  verschaffen. 
Wer  bei  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  viel  Literaturangaben 
machen  muss,  empfindet  diesen  Zeitverlust  manchmal  recht  störend. 
Ausserdem  besteht  die  Gefahr,  dass  Autoren,  welche  es  mit  der  Ge¬ 
nauigkeit  des  Zitierens  weniger  ernst  nehmen,  die  Angabe  der  Seiten¬ 
zahl  aus  diesem  Grunde  überhaupt  unterlassen. 

Ein  zweiter  hier  zu  nennender  Uebelstand  ist  glücklicherweise 
selten;  er  besteht  darin,  dass  manche  Zeitschriften  in  den,  einer  Ab¬ 
handlung  beigegebenen,  Separatabzügen  die  Seitenzahl,  wie  sie  der¬ 
jenigen  in  der  Zeitschrift  entspricht,  abändern  und  die  Paginierung 
im  Separatabzug  von  1  an  neu  beginnen  lassen.  Bei  Zeitschriften  mit 
sehr  grossem  Format,  bei  denen  der  Separatabzug  ein  bedeutend 
kleineres  Format  hat.  mag  diese  Umänderung  der  Seitennumerierung 
gerechtfertigt  sein.  Bei  Zeitschriften,  bei  denen  der  Separatabzug 
das  gleiche  Format  hat  wie  die  Zeitschrift  selbst,  wirkt  die  Abände¬ 
rung  der  Seitenzahl  nur  verwirrend.  Der  Separatabdruck  ist  dann 
für  die  Zwecke  eines  genauen  Zitierens  unbrauchbar,  wenn  man  nicht 
die  Zeitschrift  selbst  zur  Hand  nimmt  und  die  richtigen  Seitenzahlen 
sich  nachträgt. 

Vielleicht  geben,  irn  Interesse  eines  genauen  Zitierens.  die  vor¬ 
stehenden  Bemerkungen  einen  Anlass,  das  Paginieren  der  Zeitschrif¬ 
ten  und  der  Separatabdrücke  in  entsprechender  Weise  durch¬ 
zuführen.“  Prof.  Reichardt,  Psych.  Klinik,  Würzburg. 


Mitteilung  zu  der  Arbeit  von  Herrn  Dr.  M  a  g  n  u  s  -  Marburg  über 
„Wundbehandlung  mit  Zucker“. 

(Diese  Wochenschrift  1913,  No.  8,  S.  406.) 

Im  Hinblick  auf  die  obenbezeichnete  Arbeit  und  die  von  Herrn 
Dr.  Hoffmann- Dresden  in  No.  10  dieser  Wochenschrift  (S.  568) 


No.  4 

j  dazu  gegebene  Notiz  dürfte  der  Hinweis  von  historischem  Inter 
sein,  dass  Prof.  Lücke,  der  einstige  Direktor  der  chirurgis,  ' 
Klinik  in  Strassburg,  schon  vor  nahezu  30  Jahren  über  die  Anwenu 
|  des  Zuckers  in  der  Chirurgie  gesprochen  hat.  In  dem  Sitzungsbet  i 
des  Ortenauer  ärztlichen  Vereins  vom  9.  Oktober  1883  (Aerztl 
Mitteilungen  aus  Baden  1883,  No.  24,  S.  212)  heisst  es:  „Herr  i  , 
I  L  ii  c  k  e  spricht  über  die  erfolgreiche  Einführung  des  Zuckers  in 
antiseptischen  Verband.  Anfangs  wurde  Naphthalin  und  Jodoform  ii 
Zucker  versetzt  und  verdünnt;  es  stellte  sich  jedoch  heraus,  <5 
der  Zucker  für  sich  allein  die  Zwecke  eines  guten  Verbandniittelsr 
füllt,  so  dass  jetzt  schon  in  der  chirurgischen  Klinik  in  Strassburg  j, 
Zuckerverbände  allgemeine  Verwendung  finden.“ 

Dr.  B  a  r  b  o  -  Pforzheit 


Angestellten  Versicherung. 

Das  Generalsekretariat  des  L.  V.  lässt  den  Vertrauens-  und  h 
männern  des  Verbandes,  sowie  den  Vorständen  der  ärztlichen  Ver  > 
etc.  nachstehendes  Schreiben  zugehen: 

„Das  Direktorium  der  .Reichsversicherungsanstalt  für  : 
gestellte“  in  Berlin-Wilmersdorf  schlägt  zurzeit  einzelnen,  offei a 
von  den  Behörden  der  einzelnen  Bezirke  empfohlenen  Aerzten  ii 
widerrufliche  Uebertragung  einer  vertrauensärztlichen  Tätigkeit.! 
Bereiche  ihrer  Wohnsitze*  vor.  Infolgedessen  sind  aus  den  versdt 
densten  Teilen  des  Reiches  bereits  eine  grosse  Zahl  von  Anfragen; 
der  Verbandsleitung  über  die  Stellungnahme  hierzu  eingegangen, 
nehmen  daher  im  Einvernehmen  mit  dem  Vorsitzenden  des  Gescha 
ausschusses  Veranlassung  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Annahme  h 
artiger  Vertrauensarztstellen  als  dem  Beschluss  der  Hauptversan 
lung  des  Verbandes  vom  24.  November  1912,  wonach  jeder  praktih 
Arzt  als  Gutachter  zugelassen  werden  soll,  zuwiderlaufend,  nichtx 
fiirwortet  werden  kann,  zumal  das  Vorgehen  des  Direktoriums]] 
Bedeutung  einer  Monopolisierung  ärztlicher  Tätigkeit  und  damit  cc 
weiteren  Beschränkung  der  freien  Praxis  hat.  Im  übrigen  bleibtii 
vorläufige  Regelung  der  Frage  den  örtlichen  Organisationen  iili 
lassen  vorbehaltlich  allgemeiner  Regelung  durch  den  Aerztetag. 1 
diesem  Sinne  bitten  wir  den  Kollegen  Ihres  Bezirkes  Weisung  i 
kommen  zu  lassen.“ 


Zu  dem  Artikel 

Die  Anwendungsweise  des  Salvarsans  und  Neosalvarsans,  Iniio 

oder  Injektion 

von  Dr.  Stern-  Düsseldorf 
diese  Wochenschrift  No.  13,  S.  691 
schreibt  uns  Herr  Dr.  Duhnt  in  Brüssel,  dass  die  von  Sterine 
schriebene  Methode,  die  darin  besteht,  dass  konzentrierte  Lösu.e 
von  Salvarsan  mittels  der  Rekordspritze  in  die  Vene  injiziert  we  e 
und  dass  das  Salvarsan  in  der  Spritze  selbst  aufgelöst  wird,  heil 
von  ihm  am  1.  Februar  1913  in  Revue  Beige  d’Urologie  et  de  |i 
matolo-Syphiligraphie  veröffentlicht  wurde.  Die  den  Artikel  I.i 
hots  enthaltende  Nummer  liegt  uns  vor.  Re 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  12.  Jahreswoche  vom  16.  bis  22.  März  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildm: 
fehler  12  (71),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  3  (5),  Kindbettfieber  — 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  ( — ),  Scharlach— - 
Masern  u.  Röteln  3  (5),  Diphtherie  u.  Krupp  2  (1),  Keuchhusten  1 1 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  — 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundsu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  ( — ),  Starrkrampf  — 
Blutvergiftung  4  (1),  Tuberkul.  der  Lungen  24(31),  Tuberkul.  and.  r 
(auch  Skrofulöse)  —  (3;,  akute  allgem.  Miliartuberkulose  2  (—),  Lun:i 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  26  (14),  Influenza  —  (— ),  ve  r 
sehe  Krankh.  1  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckffe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wec  e 
fieber  usw.  —  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (3),  AlkolT 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  6  (4),  sonst.  Krakj 
d.  Atmungsorgane  8  (3),  organ.  Herzleiden  18  (16),  Herzschlag,  Hi 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  7  (6),  Arterienverkalin 
3  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  3  (4),  Gehirnschlag  A 
Geisteskrankh.  2  (3),  Krämpfe  d.  Kinder  2  (2),  sonst.  Krankh.  d.Ner* 
Systems  3  (6),  Atrophie  der  Kinder  — (1),  Brechdurchfall  3(1),  Ma  i 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  3  (3),  Blindd  n 
entzünd.  3  (3),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrü:  j 
Milz  3  (— ),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  7  (6),  Nierenentzünd.  - 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (3),  Krebs  17  (14),  s  s 
Neubildungen  —  (10;,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (— ),  Krankh'6 
Bewegungsorgane  —  (2),  Selbstmord  4  (2),  Mord,  Totschlag,  6 
Hinricht.  1  ( — ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  f  5 
and.  benannte  Todesursachen  4  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  r 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  199  (183). 


M  Die  eincreklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vnrwrve 

Verlag  von  J.  F  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Milhlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


le  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
immer  8ü  -4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
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MÜNCHENER 


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FOrrtie  Redaktion  Arnutfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  81/«— 1  Uhr 
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Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


).  15.  15.  April  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

is  der  Kgl.  chirurgischen  Klinik  zu  Berlin  (Geh.  Rat  B  i  e  r). 

Physiologische  Chirurgie. 

Von  Prof.  Rudolf  Klapp. 

Physiologische  Therapie. 

Die  Physiologie  als  Wissenschaft  hat  die  Aufgabe,  die 
bensvorgänge  wissenschaftlich  •  zu  analysieren;  sie  be¬ 
tränkt  sich  heute  nicht  mehr  wie  früher  auf  den  Menschen, 
>ssen  Lebensäusserungen  ursprünglich  ihr  einziges  Studium 
smachte,  sondern  sie  erstreckt  sich  jetzt  auch  auf  die 
lysiologie  der  Tiere  und  die  der  Pflanzen.  Mit  dieser  Ent- 
cklung  zur  allgemeinen  Physiologie  aber  wurde 
■  eine  freie  Wissenschaft,  die  nicht  mehr  wie  bisher  den 
uktischen  Bedürfnissen  der  Medizin  folgte,  sondern  sich 
fene  freiere  und  allgemein-physiologische  Probleme  stellte, 
mussten  die  Kliniker  ihre  eigenen  Physiologen  werden  und 
haben  in  der  Erkenntnis,  dass  die  Physiologie  mit  der 
latomie  die  natürlichen  wissenschaftlichen  Pfeiler  für  die 
Liktische  Medizin  darstellen,  schon  ausserordentlich  viel 
izelarbeit  geleistet. 

K  r  e  h  1  hat  in  seinem  bekannten  ausgezeichneten  Buch 
er  pathologische  Physiologie  das  Verhalten  der 
gane  unter  pathologischen  Verhältnissen  einer  eingehenden 
ürdigung  unterzogen  und  so  als  Analogon  zur  Physiologie 
r  normal  funktionierenden  Organe  die  Physiologie  in  der 
thologie  begründet.  Naturgemäss  hat  K  r  e  h  1  als  innerer 
iniker  die  Auswahl  des  Stoffes  „durch  die  Art  und  Weise 
stimmt,  wie  die  Vertretung  der  Medizin  auf  deutschen  Höch¬ 
sten  nach  der  Sitte  geregelt  ist“.  Dennoch  ist  das  Buch 
ineswegs  nur  für  den  inneren  Kliniker  von  Wert,  sondern 
ch  wir  Chirurgen  haben  allen  Grund,  besonders  die  Kapitel 
er  Infektion  und  Immunität,  über  das  Blut,  Verdauung, 
-her,  Nervenkrankheiten  etc.  zu  studieren  und  können  viel 
regung  daraus  schöpfen.  Es  wäre  gewiss  ein  Verdienst, 
nn  sich  ein  Chirurg  mit  dem  übrig  gebliebenen  Stoff,  soweit 
den  Chirurgen  speziell  angeht,  beschäftigte  und  als  Gegen- 
ick  zu  K  r  e  h  1  s  Buch  eine  chirurgisch-patho- 
gische  Physiologie*)  bearbeitete.  Wir  haben  ge- 
ss  ausgezeichnete  Arbeiten,  die  sich  mit  der  pathologischen 
ysiologie  der  einzelnen  Gewebe  beschäftigen,  diese  sind 
er  in  der  Literatur  oder  in  grösseren  speziellen  Werken  ver¬ 
ein  und  bedürfen  der  Zusammenfassung. 

Uns  drängt  sich  der  Wunsch,  eine  solche  chirurgisch- 
thologische  Physiologie  zu  besitzen  umsomehr  auf,  je  mehr 
r  die  Notwendigkeit  einsehen  müssen,  dass  sich  eine  richtige 
r  e  r  a  p  i  e  erst  auf  eingehender  Kenntnis  der  normalen  und 
ter  pathologischen  Bedingungen  stehenden  neu  geordneten 

ysiologischen  Verhältnisse  aufbauen  kann. 

- - - 

*)  Unter  chirurgischer  Physiologie  würde  ich  ver- 
tien  die  Lehre  von  den  physiologischen  Eigenschaften  und  Lebens- 
iingungen  der  Gewebe  und  Organe,  soweit  sie  den  Chirurgen 
-■ressieren,  und  zwar  deren  Physiologie  unter  normalen  wie  unter 
nologischen  Verhältnissen.  Dabei  würde  es  sich  also  um  das 
i  rurgische  Gegenstück  zu  Krehls  pathologischer,  d.  i. 
-rn-pathologischer  Physiologie  handeln,  was  hoffentlich  bald 
nen  Schreiber  findet. 

Neben  diese  chirurgische  Physiologie  möchte  ich  eine  physio- 
ische  Chirurgie  stellen,  unter  der  ich  die  Forderung  verstanden 
'Sen  möchte,  die  Chirurgie  in  ihrer  Ausübung  physiologisch  zu  ge¬ 
hen,  sie  würde  die  praktische  Konsequenz  physiologischen  Denkens 
1  Physiologisch-chirurgischer  Kenntnisse  in  der  Form  des  physio- 
ischen  Handelns  sein,  also  mit  einem  Wort  die  p  h  y  s  io¬ 
nische  Therapie  des  Chirurgen  umfassen. 

No.  15. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Wenn  nach  Krehls  Ansicht  die  Ursache  für  das  als 
krankhaft  bezeichnete  Verhalten  der  lebendigen  Substanz 
darin  zu  suchen  ist,  dass  sie  unter  abnormen  Bedingungen 
lebe  und  dass  es  ihren  regulatorischen  Fähigkeiten  nicht  ge¬ 
linge,  die  dadurch  erzeugten  Einwirkungen  vollständig  aus¬ 
zugleichen,  so  können  wir  an  der  Hand  dieser  Erklärung  das 
Wesen  und  die  Rolle  der  Therapie  etwa  folgendermassen 
präzisieren: 

Die  Therapie  soll  so  geleitet  werden,  dass 
die  regulatorischen  Fähigkeiten,  in  deren  Be¬ 
sitz  die  Zellen,  Organe,  Organsysteme  oder 
schliesslich  der  ganze  Mensch  ist,  möglichst 
zur  Geltung  kommen  können.  Sie  haben  die  Auf¬ 
gabe,  die  „Funktion  der  Elementarteile  der 
lebendigen  Substanz“  möglichst  zu  erhalten.  Man 
hat  das  früher  schon  vielfach  gefordert  und  Schonung  der 
„vitalen  Eigenschaften“  der  Gewebe  verlangt.  An  Stelle  des 
Namens  „Vitalität“  setzen  wir  aber  besser  „physiologische 
Bedingungen“,  da  hierdurch  das  Wesen  der  Sache  besser  aus¬ 
gedrückt  und  besser  verstanden  wird.  Nicht  immer  ist 
genügende  Rücksicht  auf  die  regulatorischen  Fähigkeiten  von 
Geweben  und  Organen  genommen  worden,  wenn  es  sich  um 
operative  Eingriffe  handelte.  Allmählich  aber  nähern  wir  uns 
mehr  und  mehr  auf  allen  Gebieten  —  mehr  oder  weniger  be¬ 
wusst  —  einer  physiologischen  Therapie  und  ich  möchte  glau¬ 
ben,  dass  wir  vor  allem  der  ’, physiologischen  Ide  e“, 
wenn  ich  so  sagen  darf,  unsere  Fortschritte  in  der  Chirurgie 
verdanken.  Das  möchte  ich  an  einer  Reihe  von  allgemein 
bekannten  Beispielen  illustrieren. 

Wenn  wir  noch  heute  zwischen  Antisepsis  und  Asepsis  zu 
wählen  hätten,  so  würden  wir  stets  der  Asepsis  den  Vorzug 
geben.  Doch  würden  uns  bei  dieser  Wahl  nicht  ausschliesslich 
die  Erwägungen  leiten,  dass  die  physikalische  Sterilisierung 
durch  Kochen  und  den  strömenden  Wasserdampf  sicherer  ist, 
als  die  chemische  Desinfektion,  sondern  die  Bevorzugung  der 
Asepsis  hätte  ihren  Grund  auch  darin,  dass  die  Antiseptica  die 
Gewebe  chemisch  schädigen,  was  bei  der  aseptischen  Wund¬ 
behandlung  fehlt.  Diese  Gründe  sind  ja  auch  historisch  für 
den  allgemeinen  Uebergang  von  der  Antisepsis  zur  Asepsis 
massgebend  gewesen.  Zunächst  hätte  ja  der  Wechsel  von  der 
einen  Methode  zur  anderen  nur  in  dem  Uebergang  der  che¬ 
mischen  zur  physikalischen  Desinfektion  sich  nur  auf  Instru¬ 
mente,  Verbandstoffe  und  Wäsche  zu  erstrecken  brauchen 
und  hat  es  auch  zum  Teil  getan,  aber  man  hat  bald  auch  die 
antiseptische  Behandlung  der  Wunden  fallen  lassen.  Die  anti¬ 
septische  Wundbehandlung  musste  der  physiologischen  asep¬ 
tischen  Wundbehandlung  weichen,  in  der  Hauptsache,  weil  der 
letzteren  die  chemischen  Schädigungen  der  ersteren  fehlten. 
Nur  auf  Grund  einer  physiologischen,  die  Gewebe  schonenden 
Wundbehandlung  konnten  die  Chirurgie  der  Bauchhöhle, 
Brusthöhle,  die  Transplantationen,  die  Gehirnchirurgie,  kurzum 
die  ganze  moderne  Chirurgie  entwickelt  werden. 

Im  allgemeinen  nimmt  man  an,  dass  wir  uns  heute  in  der 
aseptischen  Aera  befinden  und  will  damit  bezeichnen,  dass 
die  Asepsis  unserem  ganzen  chirurgischen  Handeln  den  Uni¬ 
versalstempel  aufdrückt.  Es  ist  richtig,  dass  wir  ohne  Asepsis 
nicht  auskommen  und  ebenso  selbstverständlich,  dass  die 
Chirurgie  ihre  jetzige  Höhe  nicht  ohne  die  Asepsis  hätte  er¬ 
klimmen  können.  Ich  hoffe  aber  dartun  zu  können,  dass  die 
Asepsis  nur  ein  allerdings  höchst  wichtiger  Unterfaktor  der 
physiologischen  Chirurgie  ist  und  dass  wir  unser  gesamtes 
chirurgisches  Denken  und  Handeln  nach  physiologischen  Ge¬ 
sichtspunkten  orientieren  müssen.  Es  wäre  viel  be¬ 
zeichnender,  wenn  wir  das  gegenwärtige 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


794 


No.  ] 


Stadium  der  Chirurgie  das  physiologische 
n  e  n  n  e  n  würde  n,  unter  welches,  wie  ich  nochmals  aus¬ 
drücklich  betonen  möchte,  die  Asepsis  als  am  meisten  physio¬ 
logische  Wundbehandlung  im  Sinne  eines  Teilfaktors  unter¬ 
zuordnen  wäre. 

Man  könnte  sich  nun  vorstellen,  dass  man  zwar  streng 
aseptisch  und  dabei  doch  sehr  unphysiologisch  und  un 
modern  operieren  könnte.  Das  lässt  sich  an  zahlreichen  Bei¬ 
spielen  erläutern.  Wodurch  hat  die  Bauchchirurgie  sich  so 
bedeutungsvoll  entwickeln  können?  Sind  es  Verbesserungen 
der  Asepsis  gewesen,  die  unsere  besseren  Resultate  herbei- 
gefiihrt  haben?  Ganz  gewiss  nicht,  wenn  wir  durch  Abdecken 
und  extraperitoneales  Operieren  auch  Fortschritte  erzielt 
haben.  Der  Grund  für  die  Entwicklung  ist  vor  allem 
in  der  verbesserten  physiologischen  Behandlung  zu  suchen. 
Ich  erinnere  an  das  Beispiel  der  diffusen  Peritonitis.  Wir 
verfuhren  früher  ausschliesslich  nach  dem  Grundsatz  „U  b  i 
p  u  s,  i  b  i  evacua“  und  spalteten  die  eitergefüllte  Bauch¬ 
höhle  wie  einen  Abszess  mit  grossen  Schnitten.  Der  Erfolg 
war  in  den  allermeisten  Fällen  gänzlich  negativ.  Man  lernte 
die  Eventration  bei  Laparotomien  als  erheblichen  Schaden 
kennen,  man  versuchte  die  Eventration  zu  beseitigen,  führte 
aus  diesem  und  anderen  Gründen  kleinere  Schnitte  aus.  Die 
Schnitte  wurden  dichter  vernäht,  die  Mikuliczsche  Tam¬ 
ponade  wurde  verlassen  und  schliesslich  beschränkte  man  sich 
auf  die  Verstopfung  der  Infektionsquelle,  Entfernung  des 
Exsudates  auf  trockenem  Wege  oder  durch  Spülung  und  ver¬ 
schloss  die  Bauchwunde  ganz  dicht  um  ein  in  das  kleine 
Becken  eingeführtes  Drain  oder  verzichtete  schliesslich  auch 
auf  dieses.  Der  ganze  zurückgelegte  Weg  wurde  stets  auf 
empirische  Weise  verbessert.  Wo  liegt  nun  die  Erklärung, 
der  Schlüssel  zu  den  besseren  Resultaten? 

Meiner  Ansicht  nach  hat  man  sich  auf  dem  Leidenswege 
der  Empirie,  wenn  auch  auf  Umwegen,  so  doch  immer  sicherer 
einer  Behandlung  genähert,  welche  die  physiologischen  Be¬ 
dingungen  erfüllt,  die  allein  die  Heilung  gewährleisten  können. 
Wegners  grundlegende  Versuche  hatten  den  Weg  vorge¬ 
zeichnet,  man  hat  sie  lange  gekannt,  aber  bei  der  diffusen  Peri¬ 
tonitis  nicht  danach  gehandelt,  weil  man  die  Wichtigkeit  der 
physiologischen  Bedingungen  und  ihrer  Erhaltung  noch  völlig 
verkannte.  W  e  g  n  e  r  ist  da  seiner  Zeit  weit  vorangeeilt.  Man 
hat  einen  prinzipiellen  Unterschied  zwischen  der  Behandlung 
der  gesunden  und  der  kranken  Bauchhöhle  gemacht,  was  zum 
Teil  berechtigt  war,  aber  viele  Fehler  zur  Folge  gehabt  hat.  Die 
physiologischen  Bedingungen  der  Bauch¬ 
höhle  können  auch  unter  pathologischen  Ver¬ 
hältnissen  nicht  ohne  Sc  h  a  d  e  n  vernach¬ 
lässigtwerden.  Alle  notwendigen  Eingriffe  müssen  diesen 
Rechnung  tragen.  Zu  den  physiologischen  Bedingungen  der 
gesunden  wie  der  kranken  Bauchhöhle,  unter  denen  sich  das 
Bauchfell  auf  der  Höhe  seiner  Leistungsfähig¬ 
keit  und  seiner  Abwehrkraft  befindet,  gehört  Ver¬ 
meidung  von  Schädigung  des  Bauchfells  durch  Freiliegen  wie 
Abkühlung  des  Bauchfells  selbst  und  des  ganzen  Körpers, 
Austrocknung  des  Bauchfells,  Eventration,  Vermeidung  che¬ 
mischer  Schädigung,  Tampon  und  Drain.  D  a  in  i  t  muss 
die  andere  Forderung:  Entleerung  des  Exsu¬ 
dats  und  Verstopfung  der  Infektionsquelle  in 
Einklanggebracht  werden.  Alle  nicht  mit  dem 
physiologischen  Wege  zu  vereinbarenden 
Vorschläge  waren  Fehlschläge  und  werden 
es  in  Zukunft  sein. 

Mit  der  Entleerung  des  Exsudates  und  der  Spülung  oder 
dem  trocknen  Austupfen  der  Bauchhöhle  —  die  Verstopfung  der 
Infektionsquelle  vorausgesetzt  —  ist  eigentlich  noch  recht 
wenig  getan.  Den  Löwenanteil  überlassen  wir  dem  Bauchfell. 
Bei  jedem  Verfahren  bleiben  sehr  grosse  Mengen  Infektions¬ 
material  und  Toxine  zurück.  Mit  diesen  muss  nun  das 
Bauchfell  und  der  ganze  Organismus  allein  fertig  werden, 
unsere  Macht  ist  mit  den  vorausgehenden  Eingriffen  in  der 
Hauptsache  erschöpft.  Mir  wundern  uns  beinahe  jetzt  schon 
nicht  mehr  darüber,  dass  das  Bauchfell  diese  Abwehr-  und 
Resorptionsfähigkeit  hat.  Sie  besteht  aber  auch  nur,  wenn 
wir  das  Bauchfell  beim  Eingriff  physiologisch  behandeln  und 
ihm  dann  seine  natürlichen  Bedingungen  wiedergeben.  Bei 


der  Behandlung  der  Peritonitis  könnte  man  viel  eher  auf  <j 
Asepsis  als  auf  die  Berücksichtigung  der  peritonealen  Leben 
bedingungen  verzichten! 

Gewöhnen  wir  uns  doch  daran,  alle  zur  Wahl  stehend*. 
Methoden  durch  die  kritische  Brille,  welche  Methode  physit 
logischer  ist,  zu  betrachten  und  danach  zu  wählen.  Bei  di 
Peritonitis  stand  z.  B.  die  Wahl  zwischen  dem  Vorgehen  w 
bei  einem  Abszess,  kreuzweise  oder  jedenfalls  breite  Spaltur 
mit  Offenlassen  der  Bauchhöhle  und  Verschluss  der  Band 
höhle.  Die  letztere  ist  empirisch  als  besser  erwiesen,  sie  w; 
auch  physiologischer  und  deshalb  vorzuziehen.  Wie  steht  i 
mit  Spülen  oder  trockener  Behandlung?  Welches  Mittel  i 
physiologischer?  Wenn  wir  ein  Mittel  zur  Spülung  hätte 
welches  wirklich  physiologisch  wäre,  d.  h.  weder  thermisc 
noch  chemisch  das  Bauchfell  angriffe,  so  wäre  gegen  d 
Spülung  nur  einzuwenden,  was  man  von  jeher  gegen  sie  gesaj 
hat,  dass  sie  Eiter  in  bis  dahin  freie  Teile  der  Bauchhöh 
bringen  kann.  Deshalb  sauge  ich  das  Exsudat  mit  eine: 
grossen  Saugrohr  aus,  ehe  ich  spüle  oder  trockne.  Die  Spii 
fliissigkeit  ist  aber  leider  nicht  physiologisch.  Sie  wird  mei, 
thermisch  indifferent  sein,  nicht  aber  chemisch.  Wir  habe: 
ja  leider  kein  ganz  physiologisches  Mittel  zur  Verfügung;  da1 
es  die  sogen,  „physiologische“  Kochsalzlösung  nicht  ist,  wisst] 
wir  seit  langem.  Ich  habe  immer  gehofft,  aus  den  Harri 
son-Carrel  sehen  Versuchen,  exzidierte  Gewebsstiickcht 
zu  weiterem  Wachstum  zu  veranlassen,  würde  als  praktische 
Ergebnis  eine  wirklich  physiologische  Flüssigkeit  herau: 
kommen,  die  wir  zu  Infusions-  und  Spülungszwecken  beniitzd 
könnten.  Scheinbar  ist  das  Blutserum  für  C  a  r  r  e  1  s  schör 
Versuche  die  brauchbarste  Ernährungsflüssigkeit,  die  dam 
als  die  physiologischste  erwiesen  ist.  Doch  ist  deren  Braucl 
barkeit  z.  B.  zu  Infusionszwecken  wegen  der  individuelle 
Differenz  der  Blutsera  leider  recht  fraglich. 

Es  ist  ganz  interessant,  der  Frage  nachzugehen,  ob  der, 
die  Ansicht  R  e  h  n  s  zu  Recht  besteht,  es  käme  bei  der  Bt 
handlung  der  diffusen  Peritonitis  vor  allem  auf  die  Wieder 
herstellung  des  abdominellen  Druckes  a 
Diese  Forderung  ist  berechtigt  und  als  physiologisch  anzi 
erkennen.  Stellen  wir  den  intraabdominellen  Druck  nach  B< 
endigung  des  Eingriffes  nicht  wieder  her,  lassen  wir  also  d 
Bauchhöhle  offen,  so  wird  der  Kreislauf  in  ganz  enormer  Web 
geschädigt.  Wir  wissen,  dass  sich  der  Mensch  in  die  Gefäs? 
seiner  Bauchhöhle  verbluten  kann.  Die  Druckentlastung  wir 
also  den  Kollaps  herbeiführen.  Die  Ansicht  Re  h  n  s  ist  sowc 
richtig,  aber  es  fragt  sich,  ob  seine  Erklärung  vollständig  is 
Das  ist  auf  das  stärkste  an  zu  zweifeln.  Die  Wiede 
herstellung  der  Druckverhältnisse  im  Bauch  ist  nur  ein  Unte 
faktor,  der  gewiss  nicht  zu  unterschätzen  ist,  mit  dem  wr 
aber  auf  der  anderen  Seite  nicht  auskommen.  Immerhin  h; 
uns  die,  wenn  auch  nicht  vollständige  Theorie  R  e  h  n  s  weite 
gebracht,  da  der  intraabdominelle  Druck  sich  nur  durch  wei 
gehenden  Verschluss  der  Bauchhöhle  erreichen  lässt.  1 
diesem  letzteren  aber  liegt  der  eigentliche  Fortschritt,  q 
durch  ihn  die  Bauchhöhle  als  ganzes  geschlossen  wird  un 
ihre  für  die  Entfaltung  höchster  Abwehrkraft  notwendige  Vo 
bedingung  erhält.  Neben  der  Wiederherstellung  norinak 
Druckverhältnisse  sind  es  die  Vermeidung  der  Abkiihlun: 
des  Wasserverlustes  und  die  Ermöglichung  der  Peristaltii 
also  höchst  wichtige  Momente,  welche  die  günstige  Wirkun 
des  Verschlusses  der  Laparotomiewunde  erklären.  Ich  glaub 
weiter,  dass  nur  eine  möglichst  geschlossene  Bauchhöhle  sei 
Hauptkampfmittel  in  genügender  Menge  und  Abwehrkra 
hervorbringen  kann.  Mit  einem  Worte,  wir  müssen  d  i 
physiologischen  Bedingungen  der  Bauch 
höhle  nach  dem  notwendigen  und  auch  auf  das  physio 
logische  Mass  beschränkten  Eingriff  wiederherstellen. 

In  gleicher  Weise  wie  die  Bauchchirurgie  hat  sich  di 
Chirurgie  der  Brusthöhle  seit  dem  Beginn  der  aseptische 
Aera  fast  ausschliesslich  durch  besseres  Verständnis  für  di 
uns  hier  entgegentretenden  physiologischen  Forderungen  gt 
hoben.  Hier  war  es  die  einfache,  aber  erfolgreiche  Ide 
Sauerbruchs,  die  bei  Eröffnung  des  Thoraxraunies  eil 
tretende  Veränderung  und  Verschlechterung  der  physic 
logischen  Verhältnisse,  den  Pneumothorax,  zu  vermeiden  un 
es  ist  sehr  anzuerkennen,  dass  Sauerbruch  an  seiner  erste 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


se,  die  Lunge  anzusaugen,  als  an  der  gewissenhaftesten 
itienmg  der  natürlichen  Druckdifferenz  festgehalten  hat. 

Bauchhöhle  und  Brusthöhle  zeigen  diese  Vorwärtsent- 
cklung  in  der  Physiologie  der  Behandlung  keineswegs  allein, 
ndern  wir  sehen  letztere  fast  auf  allen  Gebieten  der 
lirurgie,  ohne  dass  bisher  auf  das  Gemeinsame  hingewiesen 
irden  ist.  Ich  erinnere  hier  an  die  wesentlich  schonendere 
handlung  der  Gewebe  wie  der  Sehnenscheiden  und  Sehnen, 
r  Gelenke,  wie  sie  Bier  als  höchst  wichtiges  Hilfsmittel 
hen  der  Hyperämiebehandlung  einhergehen  lässt.  Auch  hier 
!l  man  keinen  Unterschied  zwischen  gesunder  und  kranker 
hncnscheide  konstruieren.  Was  man  einer  gesunden 
hnenscheide  nicht  zumuten  würde,  soll  man  auch  einer 
ankcn  nicht  zufügen.  Die  Forderung  der  gründlichen  Eiter- 
tleerung  muss  in  Einklang  gebracht  werden  mit  physio- 
tischer  Berücksichtigung  der  Eigenart  der  Sehne  und  ihrer 
iieidc.  Nur  unter  Gewährleistung  dieser  kann  sich  die 
hnenscheide  mit  Erfolg  gegen  Infektion  und  Toxine  wahren. 

Die  grosse  Aehnlichkeit,  die  in  dem  Fortschritt  der  physio- 
cischen,  auf  die  Eigenart  der  Gewebe  eingehenden  Behand- 
ig  auf  allen  Gebieten  obwaltet,  liegt  auf  der  Hand.  Keine 
aus  der  anderen  abgeleitet,  sondern  sie  sind  nebeneinander 
twickelt,  doch  haben  sie  miteinander  nahe  Fühlung,  das  ver¬ 
wende  Glied  ist  überall  erkennbar. 

Ausser  der  Eigenart  der  Gewebe  ist  das  Wesen  des 
chtigsten  chirurgisch-pathologischen  Lebensprozesses,  des 
gemeinen  Kampfmittels  „Entzündung“  immer  klarer  zur 
'kenntnis  gekommen.  Es  wird  Biers  unvergängliches 
rdienst  sein,  dass  er  die  physiologisch  wichtigen  Konse- 
enzen  für  die  Praxis  aus  dieser  Erkenntnis  gezogen  hat: 
ben  Schonung  der  Eigenart  der  Gewebe,  denen  die  Kräfte 
jr  höchsten  Leistungsfähigkeit  trotz  der  Entleerung  der 
;  ektionsstoffe  und  zugleich  durch  dieselbe  erhalten  bleiben 
issen,  die  Berücksichtigung  der  Physiologie  der  Entzündung 
tztere  verträgt  keine  Hemmung,  sondern  sie  erheischt  wo- 
iglich  noch  Steigerung  ihrer  Kampfmittel.  Nur  s  o 
innen  Entzündung  und  Gewebe  ihre  Pflicht 
n.  Was  wir  Aerzte  dabei  helfen  können,  ist 
w iss  wenig,  aber  dies  Wenige  richtig  getan 
t  besser,  als  das  frühere  Zuviel,  und  es  ist  erst 
:h  langem  Irregehen  gewonnen. 

Es  gewährt  einen  hohen  Genuss,  die  Entwicklung  der 
»dernen  Chirurgie  vom  Standpunkt  der  physiologischen 
arte  aus  zu  durchdenken.  Ueberall  wo  wir  einen  Fortschritt 
tstellen  müssen,  finden  wir  ihn  im  Sinne  p  h  y  s  i  o  lo¬ 
se  h  e  n  Fortschrittes. 

Ein  weiteres  schönes  Beispiel  für  die  Entwicklung  physio- 
ischer  Methoden  stellt  die  Geschichte  der  0  p  e  r  a  t  i  o  n  s  - 
h  n  i  1 1  e  dar.  Auf  diesem  wichtigen,  tagtäglich  begangenen 
biete  gibt  es  neben  der  Orientierung  auf  physiologische  Ge- 
htspunkte  nichts,  was  Einfluss  auf  Aenderung  und  Verbes- 
ung  älterer  Schnittrichtungen  und  Schnittmethoden  gehabt 
:te.  Wie  sich  der  vielgebrauchte  Appendixschnitt  im  Verlauf 
es  kurzen  Zeitraumes  geändert  hat,  ist  allgemein  bekannt, 
er  weshalb  stürzte  zunächst  eine  Methode  die  andere,  und 
shalb  hielten  schliesslich  die  meisten  an  dem  McBurney- 
ien  Schnitte  fest?  Weil  keine  frühere  Methode  so  genau 
3  die  letztere  nach  physiologischen  Gesichtspunkten  orien- 
rt  ist  und  wir  nicht  das  Recht  haben,  „dem  Wurmfortsatz 
iebe  die  gesunde  Bauchmuskulatur  dauernd  zu  verstümmeln“, 

3  Sprengel  treffend  sagt.  Wenn  man  sich  die  For- 
'ungen  kurz  zusammenhält,  die  vereinigt  werden  müssen, 
muss  einmal  eine  Oeffnung  in  die  Bauchwand  angelegt 
rden,  die  den  eigentlichen  Zweck  der  Operation  an  der 
pendix  ungehindert  zulässt,  dabei  aber  womöglich  so  ge¬ 
het  ist,  dass  sie  nicht  über  das  allergeringste  Mass  hinaus 
letzt  und  schädigt.  Die  erste  Forderung  wird  von  den 
isten  operierenden  Aerzten  gelöst,  die  zweite  ist  erst  all- 
hlich  herausgearbeitet  und  zwar,  was  besonders  hervorzu- 
ien  ist,  weniger  auf  empirischem,  als  auf  dem  Wege  ana- 
nischer  und  physiologischer  Arbeit.  Es  handelt  sich  bei  der 
eiten  Forderung  um  die  Schonung  der  Nerven  und  der'mög- 
ist  schonenden  Durchtrennung  der  Muskeln,  was  nur  in  der 
ngsnehtung  der  Muskulatur  etc.  zu  erzielen  ist.  Am  Masse  I 
Physiologischen  Vollkommenheit  gemessen,  unterliegt  so¬ 


gar  der  sonst  bestechende  und  gern  geübte  Pararektalschnitt 
Kämmerers  und  Len  n  anders  dem  McBurney- 
sciien  Schnitte  (K  ocher,  Ass  m  y)  und  zu  Fall  gebracht 
sind  die  früher  geradezu  dominierenden  Körperlängsschnitte 
und  viele  andere.  So  liegt  es  bei  den  Bauchschnitten  in  der 
Appendixgegend,  so  auch  bei  den  Laparotomieschnitten  in 
alien  Regionen.  Der  Uebergang  von  den  Körperlängsschnitten 
zu  den  Querschnitten  ist  durch  die  schöne  .  Erklärung 
Sprengels  auch  physiologisch  als  richtig  erhärtet  worden. 

Den  Bauchschnitten  reihen  sich  Schnitte  am  übrigen 
Körper  an.  Die  allgemeine  Orientierung,  wo  nicht  sonstige 
Rücksichten  geboten  sind,  geschieht  nach  Kochers  physio¬ 
logischem  Grundsatz  der  Spaltung  der  Haut  in  der  Faserrichtung. 
Wie  wesentlich  die  Erfüllung  dieser  Forderung  ist,  zeigen  die 
Narben,  die  dabei  strichförmig  bleiben,  andernfalls  sich  später 
weit  auseinanderziehen.  Ueberall  dieselbe  höchst  physio¬ 
logische  Regel,  sein  operatives  Ziel  mit  geringster  Verletzung 
zu  erreichen. 

In  der  Wundbehandlung  ist  die  Chirurgie,  auch  abgesehen 
von  der  Vermeidung  der  Antiseptika,  fortschreitend  physio¬ 
logischer  geworden.  Es  sei  da  nur  an  die  B  e  h  a  n  d  1  u  n  g  d  e  r 
Granulationen  erinnert.  Noch  vor  nicht  allzu  langer  Zeit 
war  das  Ausschaben  der  Granulationen  mit  dem  scharfen  Löffel 
eine  häufig  geübte  Gepflogenheit.  Man  wusste  wohl,  dass 
das  Granulationsgewebe  einen  wichtigen  provisorischen  Wund¬ 
schutz  darstellte,  der  nicht  nur  Bakterien,  sondern  auch 
vehementen  Giften  den  Eingang  zum  Allgemeinkörper  ver¬ 
v/ehrte.  Vielfach  war  es  aber  nicht  die  Kenntnis  dieser 
wichtigen  Aufgabe  des  Granulationsgewebes,  sondern  wieder¬ 
um  die  Empirie,  die  die  Nutzlosigkeit  und  Schädlichkeit  der 
Schabung  mit  dem  scharfen  Löffel  erwies.  Hätten  wir  früher 
physiologisch  denken  und  handeln  gelernt,  so  hätten  die 
Granulationen  schon  früher  Ruhe  vor  dem  scharfen  Löffel  ge¬ 
habt.  Auch  hier  gingen  die  schönen  physiologischen  Versuche, 
durch  welche  die  Grösse  des  Schutzes  der  Granulationen  klar 
dargetan  wurde,  der  Schlussfolgerung  für  die  Praxis  weit 
voraus. 

Aus  dem  Kapitel  der  Transplantationen  greife  ich  zur 
Illustration  nur  einen  kleinen  historischen  Ausschnitt,  den 
plastischen  Ersatz  der  Dura  heraus. 

Woolsey  legte  Goldfolien  zwischen  Gehirn  und  Galea.  Miss¬ 
erfolg. 

Parker  Harris,  McCosh,  James  gebrauchten  mit  gleichem 
Misserfolge  Silber-  und  P  1  a  t  i  n  f  o  1  i  e. 

Abbe  und  McCosh  benutzten  bei  einer  traumatischen  Epi¬ 
lepsie  ein  G  u  m  m  i  b  1  a  1 1.  Misserfolge. 

1898.  Freemann  machte  Tierexperimente  mit  Eihaut  zum 
Duraersatz. 

1903.  Hacker  gebraucht  Periost. 

1908.  Wulls  tein  experimentiert  mit  präpariertem  Hammel¬ 
darm. 

1909.  H  a  n  e  1  mit  Fischblasenkondom. 

Wul  Ist  ein  deckte  Defekte  verschiedener  Gewebe,  u.  a.  auch 
der  Dura,  mit  Haut.  Lexer  betont  1911,  dass  sich  Epidermislappen 
gar  nicht  zur  Transplantation  innerhalb  des  Körpers,  wie  z.  B.  bei 
Duradefekten,  eignen. 

1908/09.  Finsterer,  Fischer  und  v.  Saar  transpl  intieren 
Bruchsack  und  Hydrozelenhaut.  Die  Resultate  (Völker,  Köst¬ 
ling  etc.)  sollen  gut  sein,  Lexer  spricht  sich  sehr  ungünstig  aus,  da 
Verwachsungen  entstünden,  die  das  Resultat  trübten. 

Kirschner  experimentiert  mit  Faszientransplantation.  I.  Op  - 
ration  1910  von  Körte  mit  günstigem  Ausgang. 

Das  ist  ein  kurzer  Abriss  der  Geschichte  der  Dura- 
plastik.  Die  Dura  hat  den  physiologischen  Zweck  der  Isolierung. 
Fremdkörpertranspläntationen  führen  bestenfalls  zu  binde¬ 
gewebiger  Einkapselung  des  Transplantates,  Schwielenbildung. 
Der  Zweck  der  Operation,  die  Isolierung,  geht  durch  die  nar¬ 
bige  und  schwielige  Fixation  des  Gehirns  wieder  verloren. 
Also  viele  Mühe  umsonst,  da  nicht  physiologisch  gearbeitet 
wurde.  Den  Zweck  der  Isolierung  erreicht  man  nur  durch 
autoplastische  Faszien-  oder  Fettransplantation. 

Versuche  ich  zum  Schluss  zusammenzufassen,  so  glaube 
ich  an  allgemein  bekannten  Beispielen  gezeigt  zu  haben, 
welchen  grossen  Einfluss  physiologische  Ideen  und  Gesetze  auf 
unser  chirurgisches  Handeln  und  die  sich  daraus  ergebende  Re¬ 
sultate  haben.  Mehr  als  bisher  wäre  zu  wünschen,  dass  wir 
uns  bei  allem  und  jedem  in  der  Chirurgie  nach  dem  physiolo¬ 
gischen  Leitmotiv  orientieren.  Das  schliesst  auch  in  sich. 


706  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No. 


dass  wir  gegen  alle  tinphysiologischen  Vorschläge  Front 
machen  und  sie  nicht  zur  allgemeinen  Nachprüfung  kommen 
lassen  sollen. 

Wir  wissen  aus  der  Geschichte  der  Chirurgie,  dass  z.  B. 
die  Physiologie  der  Bauchhöhle  von  dem  genialen  Georg 
Wegencr  in  mustergültigster  Weise  experimentell  aufge¬ 
baut  war.  Jeder  Chirurg  kannte  Wegeners  Arbeit,  aber 
man  dachte  gar  nicht  daran,  die  Bedeutung  dieser  physio¬ 
logischen  Tatsachen  für  die  Praxis  der  Laparotomie  zu  ver¬ 
werten,  sondern  erst  empirisch  sind  wir  nach  und  nach 
man  denke  an  die  Geschichte  der  diffusen  Peritonitis  —  zu 
dem  Standpunkt  gekommen,  der  sich  nach  Wegeners  Ex¬ 
perimenten  weit  früher  hätte  gewinnen  lassen.  Auch  jetzt 
noch  fehlt  es  häufig  an  dem  vollen  Verständnis  für  physio¬ 
logische  Grundgesetze,  die  in  der  Chirurgie  eine  Rolle  spielen 
und  mit  der  Therapie  in  Einklang  gebracht  werden  müssen. 
Der  empirische  Weg  ist  von  grosser  Wichtigkeit  und  hat  uns 
stetig,  wenn  auch  langsam,  weitergeführt,  der  physiologische 
Weg  ist  besser,  weil  er  schneller  und  gerader  zum  Ziele  führt 
ohne  den  Zickzackkurs,  der  allem  empirisch  zu  erobernden 
anhängt. 

Schwierigkeiten  bleiben  uns  auch  bei  physiologischem 
Denken  und  Handeln  noch  übergenug.  Zu  erkennen,  was 
überhaupt  physiologisch  in  diesem  und  jenem  Falle  ist,  das 
physiologisch  wertvolle  vom  weniger  physiologischen  zu 
scheiden,  wird  oft  eine  einfache,  oft  aber  auch  eine  höchst 
schwierige  Aufgabe  sein,  zu  deren  Lösung  die  Empirie  und 
ihre  Bundesgenossin,  die  Kasuistik,  uns  stets  unentbehrlich 
bleiben  wird. 

Schliesslich  ist  bei  einer  physiologischen  Therapie  nicht 
zu  vergessen,  dass  wir  nicht  nur  die  bei  einem  operativen  Ein¬ 
griff  in  Betracht  kommenden  Gewebe  ihrer  Eigenart  ent¬ 
sprechend  behandeln,  sondern  jeder  Eingriff  soll  auch  dem 
ganzen  Menschen  angepasst  sein.  Die  Grösse  des  Eingriffes 
der  Qualität  des  Menschen  anzupassen,  ist  ein  höchst  physio¬ 
logischer  Grundsatz.  So  müssen  auch  alle  Schädigungen,  die 
wir  dem  Menschen  bei  der  Behandlung  notgedrungen  zufügen 
müssen,  z.  B.  die  Narkose,  physiologisch  sein  und  gerade  über 
die  physiologische  Narkose  liesse  sich  mancherlei  sagen.  Ob 
die  heutige  Form  der  Sauerstoffnarkose  oder  die  Kombination 
mit  Skopolamin,  Morphium  etc.  physiologisch  ist,  möchte  ich 
nicht  ohne  weiteres  bejahen. 


Aus  dem  Georg-Speyerhaus  (Direktor:  Exz.  Wirkl.  Geh.  Rat 
Prof.  Dr.  Ehrlich)  und  dem  neurologischen  Institut  in  Frank¬ 
furt  a.  M.  (Direktor:  Prof.  Dr.  E  d  i  n  g  e  r  ). 

Ueber  das  Verhalten  des  Nervensystems  gesunder 
Kaninchen  zu  hohen  Salvarsandosen. 

Von  Boris  Doinikow. 

Bekanntlich  sind  in  der  klinischen  Literatur  zahlreiche 
Fälle  beschrieben  worden,  in  welchen  nach  einer  einmaligen 
oder  mehreren  Salvarsaninjektionen  leichtere  oder  schwerere 
Symptome  seitens  des  Nervensystems  auftraten,  die  manchmal 
einen  tödlichen  Ausgang  hatten.  Es  erübrigt  sich  hier,  die 
diesbezügliche  klinische  und  pathologisch-anatomische  Litera¬ 
tur  zu  erörtern,  da  diese  bereits  in  zahlreichen  Arbeiten  zu¬ 
sammengestellt  und  kritisch  beleuchtet  ist.  Die  wichtigsten 
unter  diesen  Erscheinungen,  welche  wohl  einstweilen  nur  bei 
syphilitischen  Individuen  beobachtet  wurden,  sind:  1.  die  sog. 
Neurorezidive,  2.  Neuritiden  nach  wiederholten  hohen  Neo- 
salvarsandosen,  3.  Hirnschwellung,  4.  enzephalitische  Pro¬ 
zesse,  5.  Thrombenbildungen.  Von  den  Erscheinungen  seitens 
der  peripheren  Nervenstämme,  welche  auf  die  lokale  Wirkung 
bei  der  intramuskulären  Applikation  des  Salvarsans  zurück¬ 
zuführen  sind,  kann  bei  der  jetzt  überall  üblichen  intravenösen 
Injektion  abgesehen  werden.  Im  allgemeinen  geht  die  Mei¬ 
nung  dahin,  dass  es  sich  bei  den  sogen.  Neurorezidiven  um 
Rekrudeszenzen  syphilitischer  Prozesse  handelt.  Die  Neuri¬ 
tiden,  welche  nach  Neosalvarsan  beobachtet  wurden,  sind  auf 
die  zu  hohe  Dosierung  und  häufige  Applikation  des  damals 
noch  nicht  genügend  erprobten  Präparats  zurückzuführen 
(D  r  e  y  f  u  s).  Was  speziell  die  unter  3.  und  4.  angeführten 
Erscheinungen  anbetrifft,  welche  gewöhnlich  einige  Tage  nach 


intravenöser  Salvarsaninjektion  eintreten.  so  sind  im  all« 
meinen  die  Autoren  der  Meinung,  dass  es  sich  um  eine  K 
aktion  seitens  der  bereits  unter  der  Wirkung  des  syphilitisch 
Virus  veränderten  Gehirnsubstanz  handelte.  Manchmal  war 
es  offenbar  ausserdem  besonders  überempfindliche  Individn 
(Fischer).  Nach  v.  Marschalkö  und  Veszprem 
handelt  es  sich  in  diesen  Fällen  um  multiple  Hirnblutung», 
welche  durch  Thrombose  der  Hirngefässe  bedingt  werdt. 
Diese  Erscheinungen  sind  nach  den  genannten  Autoren  auf  <• 
toxische  Wirkung  des  Salvarsans  selbst  zurückzuführen  u! 
zwar  liegt  diesen  Vergiftungen  eine  zu  hohe  Dosierung 
gründe.  In  dieser  Auffassung  wurden  die  genannten  Autor: 
durch  ihre  Tierversuche  bekräftigt,  über  welche  weiter  unti 
kurz  berichtet  wird.  Im  Nervengewebe  selbst  fand  i 
v.  Marschalkö  und  Veszpremi  keine  gröberen  Vij- 
änderungen.  Das  spräche  nach  diesen  Autoren  eher  geg; 
die  Neurotropie  als  dafür. 

Es  ist  aber  auch  wiederholt  behauptet  worden,  dass  c-, 
Salvarsan  selbst  in  therapeutischen  Dosen  neurotrope  Eigt- 
schaften  haben  und  das  normale  Nervensystem  schädig: 
könne. 

Auf  Veranlassung  von  Exz.  Ehrlich  ist  im  neurolo- 
schen  Institut  die  Beantwortung  der  Frage  über  das  Verhall  i 
des  Nervensystems  gegenüber  Salvarsan  gemeinsam  mit  d>' 
Georg-Speyerhaus  in  Angriff  genommen  worden.  Hier  a| 
über  Versuche  an  Kaninchen,  weil  diese  zu  einem  Abschlis 
gebracht  werden  konnten,  berichtet  werden. 

Ausführliche  histologische  Untersuchungen  am  Tier  tilr 
das  Verhalten  des  gesamten  Nervensystems  fehlen  noch  he- 
zutage.  Einzelne  Teile  sind  untersucht,  so  die  Netzhaut  vn 
G  r  i  g  n  o  1  o 2),  der  N.  opticus  von  Igersheimer.  Ile 
starken  Veränderungen,  welche  G  r  i  g  n  o  1  o  an  der  Netzlut 
bei  Kaninchen  fand,  erklärt  Igersheimer3),  welcher  wecr 
da  noch  am  Sehnerven  selbst  Veränderungen  sah,  für  Kun- 
produkte.  Am  Optikus  von  intramuskulär  und  subkutan  - 
jizierten  Katzen  sah  er  allerdings  Veränderungen.  Beck) 
welcher  die  entkalkten  Köpfe  von  mit  Salvarsan  behandeli 
Mäusen  in  toto  schnitt,  fand  überhaupt  keine  Veränderung', 
v.  Marschalkö  und  Veszpremi  haben  im  Anschluss  r 
den  von  ihnen  beobachteten  Todesfall  nach  Salvarsan  Ti- 
versuche  angestellt,  um  die  toxische  Wirkung  des  Salvarsrs 
zu  beobachten.  An  einer  Reihe  von  Kaninchen,  welchen  letje 
Dosen  (0,11 — 0,18  g  pro  Kilogramm)  injiziert  wurden,  konnr 
sie  feststellen,  dass  die  Tiere  unter  ähnlichen  klinischen  5y- 
ptomen  wie  der  Mensch  (Bewusstlosigkeit,  Krämpfe)  starbi 
und  die  histologische  Untersuchung  wies  eine  genaue  Analen 
mit  den  Befunden  am  Menschen  auf.  Es  fanden  sich  pun  - 
förmige  Blutungen,  hauptsächlich  an  der  Gehirnbasis  u 
mikroskopisch:  Stase,  hyaline  Thrombose  und  Hämorrhagr 
ohne  Entzündung.  Diese  Hämorrhagien  waren  in  den  Bas¬ 
ganglien,  in  den  Hemisphären,  im  Kleinhirn  und  hauptsächll 
im  Pons  vorhanden.  Diese  Veränderungen  fanden  sich  ait 
in  solchen  Fällen,  in  welchen  die  Tiere  wenige  Stunden'  n:  1 
der  Injektion  zugrunde  gingen. 

Die  Versuche,  welche  den  vorliegenden  Ausführung 
zu  Grunde  liegen,  sind  an  25  Kaninchen  ausgeführt  wordi 
von  21  dieser  Tiere  ist  das  Nervensystem  untersucht  wordi 
Das  Salvarsan  resp.  Neosalvarsan  wurde  stets  intravenös  K 
zwar  gewöhnlich  2  tägig,  manchmal  auch  täglich  in  allmähl i 
steigenden  Dosen  injiziert  (0,025  g  bis  0,05  g  pro  Kilogram  > 
Dabei  wurden  in  vielen  Versuchen  den  Tieren  ganz  enon- 
Mengen  von  Salvarsan  resp.  Neosalvarsan  einverleibt  —  s 
6,85  g  Salvarsan  resp.  11g  Neosalvarsan  binnen  4XA  Monat) 
5  Tiere  erhielten  eine  einmalige  toxische  Dosis  (0,11  g  ' 
0,15  g  pro  Kilogramm).  Es  wurde  das  Zentralnervensystr 
(Grosshirn,  Kleinhirn,  Hirnstamm,  Rückenmark)  und  eine 
periphere  Nerven  (Ischiadikus  und  Tibialis)  untersucht.  L 
die  histologische  Untersuchung  wurde  die  N  iss  Ische  M 
thode  der  Nervenzellenfärbung,  die  Marchimethode,  Ft- 
färbungen  und  die  Alzheimer  sehen  Methoden  angewart 
welche  die  feinen  Veränderungen  der  gliösen  Strukturen,  1 


1)  Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.  1912. 

2)  Pathologica  1911,  zit.  nach  Igersheimer. 

3)  Zeitschr.  f.  Chemotherapie.  Bd.  I. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  1. 


April  191.3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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;hsenzylinder  und  der  Markscheiden  der  zentralen  Nerven- 
sern  deutlich  zu  Gesicht  bringen.  Gelegentlich  wurden  auch 
dere  Methoden  (Weigert  sehe  Fibrinfärbung  u.  a.)  ange¬ 
endet.  In  allen  Fällen  wurden  zahlreiche  Schnitte  mit 
imatoxylin-Eosin  zur  Aufdeckung  etwaiger  Blutungen  ge¬ 
bt. 

Im  Anfang  der  Versuche  erkrankten  mehrere  Tiere  (No.  1, 
3,  6.  7)  nacheinander  bereits  nach  wenigen  Injektionen  und 
igen  zugrunde  resp.  wurden  in  schwer  krankem  Zustande 
tötet.  Ein  Tier  (No.  2)  zeigte  dabei  eine  vollständige  Läh- 
ing  der  Hinterbeine  und  des  Rumpfes,  welche  3  Tage  vor 
in  Tode  auftraten.  Nun  zeigten  die  Sektionsbefunde  und  die 
kroskopische  Untersuchung,  dass  es  sich  um  Stallinfektionen 
ndelte.  In  3  Fällen  wurde  eine  Affektion  der  Zunge,  mei- 
_>ns  auch  des  Gaumens,  des  Rachens  und  der  Lungen  fest¬ 
stellt.  Es  fanden  sich  derbe,  gelblich  verfärbte,  exulzerierte, 
t  Eiter  und  käsigen  Massen  bedeckte  Knoten.  Mikro- 
opisch  zeigten  sich  diese  Herde  von  einem  dichten  Myzel 
m  Streptothrix  durchwachsen.  Im  Falle,  in  welchem  die 
hweren  Lähmungserscheinungen  eintraten,  wurde  ein 
osser  Abszess  in  den  tiefen  Rumpfmuskeln  festgestellt, 
elcher  auch  die  Körper  der  untersten  Dorsalwirbel  zerstört 
t.  Das  Rückenmark  war  auf  eine  längere  Strecke  erweicht, 
e  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass  es  sich  auch 
ir  um  eine  Streptothrixinfektion  handelte  (Mischinfektion,  es 
uden  sich  auch  zahlreiche  Kokken).  Im  Rückenmark  waren 
clit  bloss  die  nekrotischen  erweichten  Partien  von  einem 
:hten  Myzel  durchwachsen,  sondern  in  den  noch  relativ 
mig  alterierten  Teilen  des  Rückenmarkes,  im  Zentralkanal, 
Plexus  chorioideus  des  IV.  Ventrikels  zeigte  sich  das  üppig 
ichsende  Myzel.  Eine  eitrige  Meningitis  war  über  das  ganze 
ickenmark  und  einen  grossen  Teil  des  Grosshirns  aus¬ 
breitet.  Bei  den  anderen  drei  oben  erwähnten  Tieren 
igten  sich  am  Nervensystem  nur  Veränderungen  geringeren 
ades.  Im  Rückenmark  erschienen  nur  einige  kleine  Zellen 
i  Zentralkanal  und  im  Hinterhorn  leicht  verändert,  dagegen 
iren  in  den  motorischen  Vorderhornzellen  keine  Alterationen 
üirnehmbar.  Bei  einem  weiteren  Kaninchen  (No.  7),  welches 
ch  einigen  Salvarsaninjektionen  unter  rascher  Gewichts- 
nahme  einging,  zeigte  sich  bei  der  mikroskopischen  Unter- 
chung  eine  schwere  zerebrospinale  Meningitis.  In  der  stark 
nitrierten  Pia,  im  Zentralkanal,  in  den  adventitiellen  Gefäss- 
umen  fanden  sich  in  grossen  Mengen  sehr  feine  Kokken, 
■i  mehreren  nachher  eingegangenen  Kaninchen  im  Speyer- 
us  konnte  Herr  Dr.  G  o  n  d  e  r  ganz  ähnliche  Kokken  in  Aus- 
ichpräparaten  aus  dem  Knochenmark  feststellen.  Bei  einem 
üteren  Tier  (No.  8),  welches  unter  plötzlicher  Gewichts- 
nahme  einging,  wurde  eine  bakteriologische  Untersuchung 
der  nicht  gemacht.  Wahrscheinlich  handelte  es  sich  um  die- 
lbe  Epidemie. 

Abgesehen  von  diesen  Fällen,  in  welchen  es  sich  um  In- 
(tionen  handelte,  wurden  bei  Tieren,  welche  chronisch  (bis 
65  Injektionen)  injiziert  wurden,  keinerlei  Erscheinungen 
obachtet,  welche  auf  eine  toxische  Wirkung  hinweisen 
unten :  die  Tiere  waren  munter,  sie  nahmen  gewöhnlich 
ihrend  des  mehrere  Monate  dauernden  Versuchs  beträcht- 
h  an  Gewicht  zu.  Nur  eines  der  Tiere,  welches  während 
Monaten  43  Injektionen  erhielt  (Gesamtsumme  4,6  g  Sal- 
rsan)  und  vollständig  munter  war,  ging  plötzlich  zugrunde, 
e  mikroskopische  Untersuchung  des  Nervensystems  dieser 
ere  ergab  keinerlei  pathologische  Veränderungen.  Es  wur- 
n  keine  enzephalitischen  Prozesse,  Blutungen,  Thrombosen 
iunden.  Im  Nisslbild  konnten  an  den  Ganglienzellen  keine 
Weichlingen  vom  Aequivalentbild  festgestellt  werden,  wo- 
i  ausdrücklich  betont  werden  muss,  dass  nicht  nur  die 
ossen  Zellen,  sondern  verschiedene  Zelltypen  genau  unter¬ 
st  und  mit  entsprechenden  Kontrollpräparaten  verglichen 
arden.  Ebensowenig  zeigten  die  Glia  und  die  Gefässe  patho- 
nsche  Veränderungen.  An  Methylenblau-Eosinpräparaten 
1  z  h  e  i  m  e  r  sehe  Methode  V)  war  kein  körniger  Zerfall  dei¬ 
nen  Achsenzylinder,  wie  er  bei  subakuten  Arsenvergiftungen 
ittfindet,  vorhanden,  auch  die  feinen  gliösen  Strukturen 
igten  keine  Veränderungen.  Im  Marchipräparat  waren  keine 
-generationserscheinungen  an  markhaltigen  Nervenfasern 
chzuweisen.  Die  Menge  der  E  1  z  h  o  1  z  sehen  Körperchen 


(myelinartige  Abbauprodukte  der  Markscheide)  in  den  mark¬ 
haltigen  Fasern  bewegte  sich  in  physiologischen  Grenzen,  und 
wenn  auch  in  einzelnen  Fällen  ziemlich  beträchtliche  Mengen 
von  E  1  z  h  o  1  z  sehen  Körperchen  vorhanden  waren,  so  zeigen 
die  Kontrollpräparate,  dass  besonders  bei  älteren  Tieren  dies 
keine  Seltenheit  ist.  Auch  an  Fettfärbepräparaten  (Schar¬ 
lach  R)  konnten  keine  pathologischen  Lipoidablagerungen  fest¬ 
gestellt  werden.  Bei  den  älteren  Tieren  fanden  sich  zwar 
stets  Lipoidtropfen  in  Ganglienzellen  der  Hirnrinde  (insbeson¬ 
dere  des  Ammonshorns),  spärliche  Mengen  auch  in  den  Glia- 
und  Gefässadventitiazellen,  doch  zeigten  sich  beim  Vergleich 
mit  entsprechenden  Kontrollpräparaten  keine  Unterschiede. 
Im  Rückenmark  war  die  Menge  der  Lipoidtropfen  in  Ueber- 
einstimmung  mit  Kontrollpräparaten  noch  geringer.  Auch  die 
Nn.  optici,  welche  in  6  Fällen  untersucht  wurden,  zeigten 
keine  Veränderungen,  ebenfalls  auch  die  peripheren  Nerven, 
in  welchen  nur  bei  einigen  Tieren  die  Mengen  der  E  1  z  h  o  1  z  - 
sehen  Körperchen  ziemlich  erheblich  waren. 

Ueber  die  Befunde  bei  den  Kaninchen,  welche  eine  ein¬ 
malige  hohe  toxische  Dosis  (0,11—0,15  g  pro  Kilogramm)  er¬ 
hielten,  ist  kurz  folgendes  zu  sagen.  Die  Tiere  verhielten  sich 
nicht  ganz  gleichmässig:  während  viele  kurz  nach  der  Injektion 
von  0,11  g  pro  Kilogramm  eingingen,  überstanden  die  anderen 
auch  höhere  Dosen,  und  nach  einigen  Tagen,  in  welchen  die 
Tiere  matt  waren,  keine  Nahrung  nahmen  und  an  Gewicht 
stark  abnahmen,  erholten  sie  sich  binnen  kurzer  Zeit  unter 
Gewichtszunahme  wieder.  DasNervensystemwurde  an  5Tieren 
dieser  Versuchsreihe  untersucht.  Bei  einem  Tier  (No.  20), 
welches  ca.  3  Stunden  nach  der  Salvarsaninjektion  (0,12  g  pro 
Kilogramm)  einging,  zeigten  sich  folgende  Erscheinungen: 
kurz  nach  der  Injektion  trat  Mattigkeit  ein,  die  Atmung  war 
sehr  beschleunigt.  Bald  traten  wiederholte  tonisch-klonische 
Krämpfe  ein,  das  Tier  lag  auch  in  der  Zwischenzeit  auf  der 
Seite,  konnte  sich  nicht  erheben,  reagierte  nicht  auf  Reize. 
Unter  allmählich  steigender  Atmungsverlangsamung  trat  der 
Tod  ein.  Bei  der  Sektion  zeigte  sich  eine  starke  Hyperämie 
der  Meningen.  Beim  Zerlegen  des  fixierten  Gehirns  zeigten 
sich  makroskopisch  einzelne  etwa  nadelstichgrosse,  rötlich¬ 
braun  verfärbte  Punkte  in  der  weissen  Substanz  des  Klein¬ 
hirns,  einzelne  grössere  Extravasate  fanden  sich  in  der  Pia. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  an  Hämatoxylin-Eosin- 
präparaten  zeigte  im  Bereich  des  ganzen  Gehirns  eine  starke 
Hyperämie:  die  Gefässe  sind  grösstenteils  prall  mit  Blut  ge¬ 
füllt,  viele  Venen  der  Pia  sind  stark  erweitert.  Im  Bereich 
der  Grosshirnhämisphären  und  der  Basalganglien  finden  sich 
nirgends  Blutungen.  Nur  im  Kleinhirn  zeigen  sich  bereits  bei 
schwacher  Vergrösserung  zahlreiche  kleinere  und  grössere 
Hämorrhagien  und  zwar  hauptsächlich  in  der  weissen  Sub¬ 
stanz,  seltener  in  der  Molekularschicht.  Manchmal  sind  nur 
die  adventitiellen  (resp.  perivaskulären)  Räume  um  die  prall 
gefüllten  Gefässe  mit  roten  Blutkörperchen  angefüllt,  bei 
stärker  ausgedehnten  Blutungen  sieht  man,  dass  auch  im  zer¬ 
sprengten  nervösen  Gewebe  zahlreiche  rote  Blutkörperchen 
liegen.  Infiltrate  resp.  andere  reaktive  Erscheinungen  finden 
sich  nicht.  Auch  in  den  prall  gefüllten  Gefässen  des  Klein¬ 
hirns  konnten  keine  Anhaltspunkte  dafür  gefunden  werden, 
dass  es  sich  um  frische  Thromben  handelt:  es  konnten  keine 
Fibrinnetze,  Blutplättchen,  körnige  Massen  gefunden  werden, 
auch  konnten  keine  hyaline  Thromben,  wie  sie  v.  Mar¬ 
se  h  a  1  k  6  und  Veszpremi  beschreiben,  festgestellt  werden. 
Die  Leukozyten  zeigten  keine  karyorhektischen  Erschei¬ 
nungen,  die  roten  Blutkörperchen  keine  tinktoriellen  Besonder¬ 
heiten.  Das  ganze  Bild  sprach  vielmehr  dafür,  dass  es  sich 
um  starke  Stauungshyperämie  mit  Extravasaten  handelt,  wie 
dies  bei  vielen  Intoxikationen  vorkommt.  Auch  in  der  Pia 
fanden  sich  Extravasate,  doch  sind  diese  von  künstlichen  Blut¬ 
ergüssen,  welche  bei  der  Herausnahme  des  Gehirns  oft  Zu¬ 
standekommen,  mit  Sicherheit  nicht  zu  unterscheiden.  In  den 
Elementen  des  Nervenparenchyms  waren  keine  Verände¬ 
rungen  vorhanden.  Ein  anderes  Kaninchen  (No.  11),  welches  eine 
Einzeldosis  von  0,13  g  pro  Kilogramm  erhielt  und  während  der 
ersten  8  Tage  300  g  an  Gewicht  verlor,  die  ersten  Tage  sein- 
matt  war  und  kein  Futter  nahm,  erholte  sich  rasch  wieder 
und  zeigte,  nachdem  es  25  Tage  nach  der  Injektion  getötet 
wurde,  keine  deutlichen  Veränderungen  am  Nervensystem. 


798 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Vielleicht  waren  in  einzelnen  Nervenzellen  die  Kerne  leicht 
geschrumpft  und  intensiver  gefärbt,  einige  Zellfortsätze  leicht 
geschlängelt,  doch  sind  diese  Bilder  nicht  sicher  als  patho¬ 
logisch  zu  bezeichnen.  Es  fanden  sich  auch  nirgends  Herde,  ! 
welche  auf  stattgefundene  Hämorrhagicn  hinweisen  könnten. 
Bei  einem  dritten  Tier  (No.  24),  welches  eine  Dosis  von  0,1 1  g 
pro  Kilogramm  und  am  nächsten  Tage  eine  solche  von  0,02  g 
pro  Kilogramm  erhielt  und  nach  7  Tagen  getötet  wurde,  zeigte 
ein  Teil  der  Ganglienzellen  pathologische  Veränderungen.  Der  j 
Zellkörper  war  leicht  geschwellt,  die  färbbare  Substanz 
krümelig,  der  Kern  gebläht,  die  Kernkörperchen  intensiv  ge¬ 
färbt,  an  einigen  Zellen  traten  die  Axone  sehr  deutlich  hervor. 
Blutungen  waren  auch  bei  diesem  Tier  nicht  vorhanden. 

Ein  viertes  Tier  (No.  10),  welches  eine  Dosis  von  0,12  g  pro  kg 
erhielt  und  4  Tage  nach  der  Injektion  nachts  zugrunde  ging,  hatte 
wesentliche  Veränderungen  im  zentralen  Nervensystem,  welche 
zu  gutem  Teile  sicher  postmortaler  Natur  sind.  Im  Rücken¬ 
mark  zeigten  nur  wenige  Nervenzellen  ein  normales  Bild.  Die 
überwiegende  Mehrzahl  der  Ganglienzellen  erschien  blass  gefärbt, 
die  Kerne  waren  meistens  klein,  fast  ungefärbt,  nur  die  dunkel 
gefärbten  Kernkörperchen  traten  auf  dem  hellen  Untergrund  scharf 
hervor.  Die  Struktur  solcher  Zellen  war  verwaschen  und  stellte 
sich  als  feinkörnige,  blass  gefärbte  Masse  dar.  ln  vielen  Zellen  zeigten 
die  Zelleiber  grössere  und  kleinere  Lücken  und  hatten  eine  krümelig- 
wabige  Beschaffenheit  (Verflüssigung  der  Zelle).  Vielfach  waren  nur 
noch  Zellschatten  geblieben.  Die  Gliazellen,  welche  im  Nisslpräparat 
meistens  kleine  pyknotische  Kerne  und  einen  Zelleib  von  verschwom¬ 
mener  Struktur  hatten,  welcher  vom  Zellkern  durch  eine  Lücke 
getrennt  war,  erschienen  an  Alzheimer  sehen  Methylblau-Eosin- 
Präparaten  zum  grössten  Teile  in  verschiedenen  Stadien  der  amö¬ 
boiden  Umwandlung.  Nun  ist  für  die  Beurteilung  dieser  Befunde 
grosse  Vorsicht  geboten,  denn  es  handelt  sich  um  ein  Tier,  dessen 
Nervensystem  erst  viele  Stunden  nach  dem  Tode  fixiert  wurde.  Wie 
aber  die  Untersuchungen  von  S.  Rosental5)  zeigten,  treten  bei 
Tieren  mit  vollständig  normalem  Nervensystem  gelegentlich  schon 
innerhalb  12  Stunden  nach  dem  Tode  postmortale  Veränderungen  der 
Gliazellen  auf,  welche  mit  gewissen  Formen  der  amöboiden  Glia¬ 
zellen  vollkommen  übereinstimmen.  Neben  solchen  Erscheinungen  an 
der  Glia  treten  Verflüssigungsvorgänge  an  den  Nervenzellen  auf.  wie 
sie  oben  beschrieben  sind.  Blutungen  und  Thromben  fanden  sich  auch 
in  diesem  Falle  nirgends. 

Schliesslich  bei  einem  fünften  Kaninchen  (No.  25),  welches 
0.15  Salvarsan  in  2  Etappen  kurz  nacheinander  erhielt  und  in 
der  darauffolgenden  Nacht  (etwa  12 — 18  Stunden  nach  den 
Injektionen)  einging,  zeigte  sich  ein  sehr  ähnliches  Bild  wie 
beim  ersten  der  oben  geschilderten  vergifteten  Tiere  (No.  10). 
Ueberall  im  Gehirn  waren  die  Gefässe  prall  mit  Blut  gefüllt, 
nirgends  jedoch  konnten  Thrombenbildungen  nachgewiesen 
werden.  Sehr  spärliche  Blutungen  fanden  sich  nur  in  der 
weissen  Substanz  des  Kleinhirns, 

Diese  letzte  Versuchsreihe  zeigt,  dass  bei  mit  hohen,  zu¬ 
meist  letalen  Einzeldosen  vergifteten  Tieren  Veränderungen 
im  Nervensystem  auftreten  können.  Ob  es  sich  dabei  um  eine 
direkte  toxische  Schädigung  des  Nervensystems  handelt,  kann 
natürlich  auf  Grund  der  Untersuchung  des  Nervensystems 
allein  nicht  entschieden  werden.  Vor  allem  sind  es  aber  die 
Zirkulationsstörungen  und  die  Veränderungen  im  Gefäss- 
apparat  des  Gehirns,  welche  in  diesen  Fällen  häufig  auftreten 
und  als  starke  Stauungshyperämie  mit  Hämorrhagien  (in 
unseren  Fällen  nur  im  Kleinhirn)  sich  darstellen.  Dagegen 
konnten  keine  Thrombosen  der  Hirngefässe,  wie  sie  v.  Mar¬ 
se  h  a  1  k  6  und  Veszpremi  beschreiben,  gefunden  werden. 
Dennoch  bin  ich  der  Meinung,  dass  diese  Erscheinungen  mit 
denjenigen  übereinstimmen,  welche  bekanntlich  bei  verschie¬ 
denen  Intoxikationen  Vorkommen.  Andererseits  zeigen  einige 
Versuche,  dass  auch  bei  akuten  Intoxikationen  diese  Erschei¬ 
nungen  nicht  immer  vorhanden  sind  und  die  Todesursache  in 
diesen  Fällen  wahrscheinlich  eine  andere  sein  muss.  Erst  die 
Untersuchung  der  verschiedenen  lebenswichtigen  Organe, 
welche  von  anderer  Seite  ausgeführt  wird,  wird  wohl  die  Be¬ 
antwortung  dieser  Frage  ermöglichen. 

Bei  der  ersten  Versuchsanordnung,  auf  welche  wir  das 
Hauptgewicht  legten  und  bei  welcher  die  Einzeldosen  zu¬ 
nächst  etwa  den  therapeutischen  Dosen  entsprachen,  konnten 
dagegen  trotz  monatelang  fortgesetzter  Salvarsaninjektionen, 
wobei  ganz  enorme  Gesamtmengen  einverleibt  wurden,  weder 
in  der  Nervensubstanz,  noch  in  den  Gefässen  pathologische 
Veränderungen  nachgewiesen  werden. 


B)  Zeitschr.  f.  d.  gesamte  Neurologie  1911,  Bd.  7. 


No. 


Die  chemischen  Untersuchungen  von  Ullmann“)  haU 
ergeben,  dass  die  Nervensubstanz  nach  Salvarsanapplikat.i 
meist  überhaupt  kein  Arsen  oder  nur  selten  minimale,  quai . 
tativ  nicht  bestimmbare  Mengen  enthält,  die  wesentlich  kleii 
sind  als  die  nach  Applikation  von  anorganischen  Arsenv . 
bindungen.  Diese  Tatsache  spricht  nach  Ullmann  geg •, 
die  Neurotropie  des  Salvarsans,  und  zwar  gilt  dies  ins!, 
sondere  für  einmalige  oder  seltene  Salvarsanapplikationen  uj 
bei  intakten  Ausscheidungsorganen. 

Damit  steht  das  Gesamtresultat  der  vorstehenden  bis. 
logischen  Untersuchungen  in  guter  Uebereinstimmung.  \ 
hat  sich  ergeben,  dass  bei  gesunden  Kani. 
chen  auch  durch  sehr  lang  fortgesetzte  Ei. 
Verleihung  von  Salvarsan  dosen,  welche  d- 
Vielfache  therapeutisch  verwendeter  Dos 
sind,  keine  Veränderungen  am  Nerven systi- 
nachgewiesen  werden  können. 


Aus  der  Heidelberger  Universitäts-Hautklinik. 

Ueber  kombinierte  Behandlung  des  Lupus  mit  AI 
tuberkulin  und  Aurum-Kalium  cyanatum. 

Von  Prof.  Dr.  Bettmann. 

Die  Publikation  von  Bruck  und  Glück1)  über  \ 
Wirkungen  intravenöser  Infusionen  von  Aurum-Kalium  cya> 
tum  auf  tuberkulöse  und  syphilitische  Prozesse  der  Haut  a 
uns  Veranlassung,  das  Merck  sehe  Präparat  bei  einer  Re. 
von  Hautkranken  und  speziell  bei  Lupuspatienten  zu  v 
wenden.  Es  wäre  unvorsichtig,  heute  schon  ein  Urteil  «, 
rüber  zu  wagen,  in  welchem  Umfange  etwa  die  neue  Therai 
der  Lupusheilung  zugute  kommen  könnte,  zumal  das  Behaii 
lungsschema  von  Bruck  und  Glück  sicherlich  noch  i 
modifizieren  sein  wird.  Ich  möchte  mich  deshalb  zunäet 
darauf  beschränken,  hervorzuheben,  dass  auch  nach  unseji 
Beobachtungen  mit  der  Goldtherapie  zum  mindesten  e!; 
vorübergehende  günstige  Beeinflussung  des  Hautlupus  erzl 
werden  kann,  und  dass  auch  ein  Lupuskarzinom,  wie  einzei 
Fälle  von  Hautkrankheiten,  in  einer  Weise  reagierten,  i 
jedenfalls  zu  umfassenden  weiteren  Verwendungen  ermutn 
Mit  der  vorliegenden  Mitteilung  soll  auf  Beobachtungen  li 
gewiesen  werden,  die  sich  bei  der  kombinierten  Anwendn 
des  Golddoppelsalzes  mit  Alttuberkulin  bei  Lupuskran! i 
ergaben. 

Bruck  und  Glück  haben  in  ihrer  Arbeit  betont,  d. 
mit  dieser  kombinierten  Therapie  Wirkungen  zu  erzielen  siJ 
welche  diejenigen  der  Goldbehandlung  allein  wesentlich  ülr 
treffen-  Deshalb  gingen  wir  nach  einer  genügenden  Zi 
orientierender  Versuche,  bei  denen  ausschliesslich  das  Gei 
salz  verwendet  worden  war,  bei  Lupuskranken  zu  der  kqt 
binierten  Behandlung  über,  für  welche  uns  gerade  auch  ® 
zelne  Patienten  zur  Verfügung  standen,  die  mehr  oder  min: 
intensiv  mit  Alttuberkulin  vorbehandelt  waren. 

Bei  der  Anwendung  des  Aurum-Kalium  cyanatum  : 
folgten  wir  im  grossen  und  ganzen  die  von  Bruck  u 
G  1  ii  c  k  gegebenen  Anweisungen,  allerdings  mit  niedrige1 
Dosierung.  Wir  begannen  mit  der  Injektion  von  0,01  i 
mindestens  50  ccm  Wasser  und  stiegen  rasch  auf  0,03,  - 
welcher  Quantität  wir  blieben.  Die  Infusionen  erfolgten  i 
Abständen  von  mindestens  2  Tagen.  Unsere  Infusionstnethn 
entspricht  der  Breslauer,  und  auch  wir  glauben  uns  für  eh 
einwandfreie  Technik  und  die  Vermeidung  von  „Wass' 
fehiern“  verbürgen  zu  können. 

Die  Infusionen  verliefen  vollkommen  schmerzlos  und  ob 
lokale  Komplikationen  —  abgesehen  von  grossflächigen  Mat 
blutungen  in  der  Umgebung  der  Infusionsstelle,  die  sich  zio 
lieh  häufig,  speziell  nach  den  ersten  Infusionen,  einstell!  i 
Irgend  welche  praktische  Bedeutung  kommt  diesen  Blutung 
nicht  zu;  sie  sind  aber  aus  theoretischen  Gründen  beachte? 
wert.  Nur  ein  einziges  Mal  ist  —  bei  nunmehr  insgesamt  et: 
250  Anwendungen  —  die  Infusion  misslungen;  es  entwickb 


°)  Arch.  f.  Dermatol,  u.  Syph.  1912.  Bd.  114. 

*)  Bruck  und  Glück:  Ueber'die  Wirkung  von  intravenc' 
Infusionen  mit  Aurum-Kalium  cyanatum  (Merck)  bei  äusse 
Tuberkulose  und  Lues.  Miinch.  mcd.  Wochenschr.  1913,  No. 


5.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


799 


ch  ein  schmerzhaftes  subkutanes  Infiltrat,  das  ohne  weitere 
Dlgeerscheinungen  langsam  wieder  zurückging. 

In  der  Regel  kam  es  nach  den  Infusionen  zn  keinen  Tcm- 
.ratursteigerungen,  ziemlich  selten  zur  Erhöhung  um  einige 
ezigrade,  ein  einziges  Mal  auf  38,1  °.  Andere  allgemeine 
eaktionserscheinungen,  Erbrechen,  Durchfälle  usw.  haben 
ir  nicht  gesehen,  ebensowenig  Nierenreizungen.  Kurzum,  cs 
gaben  sich  keinerlei  Symptome,  welche  Bedenken  gegen  die 
nwendung  des  Goldpräparates  in  den  von  uns  benutzten 
uanten  hätten  erwecken  können. 

Von  den  so  und  in  der  Kombination  mit  Alttuberkulin  be- 
mdelten  Lupuskranken  hatte  eine  Patientin  eine  Larynx- 
berkulose,  in  einem  Falle  bestand  eine  tuberkulöse  Spitzen- 
fektion;  sonst  war  in  keinem  Falle  eine  innere  Tuberkulose 
eher  nachzuweisen.  Wir  haben  auch  in  keinem  Falle  im 
isammenhange  mit  der  Kur'  das  Aufflackern  einer,  viszeralen 
uberkulose  erlebt. 

Bis  jetzt  wurden  16  Lupuskranke  der  kombinierten  An¬ 
endung  des  Aurum-Kalium  cyanatum  mit  Alttuberkulin  unter- 
)gen.  Von  diesen  Patienten  haben  bis  jetzt  13  eine  voll- 
ändige  „Serie“  von  15  resp.  14  Qoldinfusionen  hinter  sich, 
:i  der  etwa  0,4  g  oder  wenig  mehr  Substanz  in  einem  Zeit- 
um  von  32  bis  43  Tagen  zur  Verwendung  kam. 

Die  Zahl  und  Stärke  der  Tuberkulininjektionen,  die  inner- 
ilb  dieses  Zeitraums  vorgenommen  wurden,  ist  im  einzelnen 
hr  verschieden;  ein  Teil  der  Patienten  war,- wie  schon  er¬ 
ahnt  wurde,  bereits  mit  Alttuberkulin  vorbehandelt. 

Unter  Umständen  wurde  versucht,  wenigstens  für  eine  ge- 
isse  Zeit  Tag  für  Tag  abwechselnd  jeweils  eine  Injektion 
‘S  einen  oder  des  anderen  Mittels  vorzunehmen. 

Wir  gehen  bei  der  Tuberkulinbehandlung  Lupöser,  die 
ir  in  der  Klinik  in  grossem  Umfange  ausiiben,  prinzipiell  so 
)r,  dass  wir  mit  sehr  kleinen  Quantitäten  (0,00001  Alttubcr- 
ilin)  beginnen  und  sehr  langsam  ansteigen;  Allgemein¬ 
aktionen  auf  Tuberkulin  sind  bei  dieser  Methode  selten,  und 
e  Lokalreaktion  des  Lupus  pflegt  nur  schwach  hervor- 
itreten.  Um  so  mehr  mussten  uns  die  Reaktionen  auffallen, 
e  sich  bei  der  Kombination  mit  dem  Qoldsalz  ergaben. 

Gewiss  ist  in  keinem  Falle  von  vorneherein  ein  Urteil 
irüber  möglich,  ob  im  Verlaufe  einer  noch  so  langsam  an- 
eigenden  Tuberkulinbehandlung  ein  bis  dahin  fieberfreier 
atient  auf  eine  erneute  Tuberkulininjektion  mit  einer  Allge- 
einreaktion  antwortet  und  welche  Höhe  das  Fieber  gewinnt; 
)er  es  widerspricht  unseren  allgemeinen  Erfahrungen  durch- 
is,  dass  von  den  16  Patienten,  die  mit  dem  Goldsalz  be- 
tndelt  worden  waren,  nur  2  keine  Allgemeinreaktion  auf  die 
erapeutischen  Tuberkulindosen  zeigten  und  dass  das  Fieber 
.‘i  8  Kranken  39  u  überstieg  und  selbst  40 0  erreichte. 

Dabei  erscheinen  uns  besonders  beachtenswert  Fälle,  in 
nen  schon  nach  wenigen  Auruminfusionen  auf  minimale 
nberkulininjektionen  hin  starke  Allgemeinreaktionen  auf- 
eten.  (So  beispielsweise  bei  der  22  jährigen  Lina  Sp.  nach 
r  zweiten  Aurumgabe  auf  0,00007  Alttuberkulin  40,1  °1.) 

Diese  Reaktionen  traten  prompt  im  Anschluss  an  Tuber- 
ilininjektionen  ein  und  liefen  in  typischer  Weise  schnell  ab. 
ir  haben  solche  schwere  Reaktionen  keineswegs  in  jedem 
nzelfalie  öfters  gesehen  und  es  war  uns  direkt  daran  gelegen, 
irch  Pausen  in  der  Tuberkulindarreichung  und  event.  durch 
erminderung  der  Dosis  einer  Wiederholung  derartig  kräftiger 
-filäge  vorzubeugen.  Immerhin  konnte  es  auch  so  erneut 
i  sehr  heftigen  Fieberreaktionen  kommen. 

Das  zeitliche  Einsetzen  und  der  Verlauf  charakterisierte 
esc  Erhebungen  als  Tuberkulinreaktionen,  nicht  etwa  als 
rspätete  Folgen  der  Auruminfusionen,  wie  sie  von  B  ruck 
id  Glück  auch  noch  am  2.  Tage  in  mässiger  Höhe  gesehen 
orden  sind;  man  dürfte  höchstens  an  Summierungen  denken, 
her  es  bleibt  dann  höchst  beachtenswert,  dass  niemals  eine 
uruminfusion  am  Tage  nach  einer  Tuberkulininjektion  zu 
■rgleichbaren  Fiebersteigerungen  führte  und  dass  solche  um- 
-kehrt  auf  Tuberkulininjektionen  eintraten,  auch  wenn  seit 
-r  letzten  Auruminfusion  mehrere  Tage  vergangen  waren, 
usserdem  handelte  es  sich  zum  Teil  um  Patienten,  die  früher 
hon  Tuberkulinkuren  mit  höheren  Dosen  ohne  vergleichbare 
eaktionen  durchgemacht  hatten,  oder  vor  dem  Beginn  der 


Aurumkiir  schon  innerhalb  der  jetzigen  Behandlungsreihe 
Tuberkulin  ohne  Reaktion  erhalten  hatten. 

Eine  genaue  Bearbeitung  unseres  Materials  soll  später 
erfolgen;  ich  möchte  deshalb  hier  darauf  verzichten,  einzelne 
Beispiele  herauszugreifen. 

So  wenig  wir  einen  einzelnen  Fall  oder  gar  eine  einzelne 
Reaktion  verwerten  möchten,  so  bestimmt  ergibt  sich  uns 
doch  aus  der  Gesamtheit  der  Fälle  und  dem  Vergleich  mit 
unseren  zahlreichen  in  gleicher  Weise  nur  mit  Tuberkulin  be¬ 
handelten  Patienten  der  Eindruck,  dass  unter  dem  Einfluss  der 
Uoldtherapie  viel  zahlreichere  und  schwerere  Tuberkulin¬ 
reaktionen  zustande  kamen,  als  wir  sie  sonst  zu  sehen  ge¬ 
wohnt  sind. 

Auch  sehr  intensive  Lokalreaktionen  der  lupösen 
Herde  ergaben  sich  —  schon  in  Parallele  zur  Allgemein¬ 
reaktion.  Allerdings  halte  ich  es  für  schwierig,  genauer  aus¬ 
einanderzuhalten,  wieviel  von  der  Lokalreaktion  dem  Tuber¬ 
kulin  und  wieviel  dem  Goldsalz  zuzuschreiben  sei.  Denn  auch 
bei  der  Anwendung  der  letzteren  allein  kommt  es  zur  lokalen 
Reaktion.  Diese  kann  verspätet  auftreten  (wie  B  ruck  und 
Glück  mitteilen,  noch  nach  48  Stunden)  und  sie  braucht 
noch  nicht  abgelanfen  zu  sein,  wenn  das  Tuberkulin  zur  Wir¬ 
kung  kommt. 

Erwähnen  möchte  ich  noch  starke  oder  selbst  kolossale 
Stichreaktionen  auf  Tuberkulin,  die  sich  zum  Teil  sehr 
langsam  zurückbildeten  oder  auch  bei  späteren  Tuberkulin¬ 
injektionen  mitreagierten.  Wir  sahen  sie  u.  a.  auch  bei 
Patienten,  die  frühere  Tuberkulinkuren  ohne  Stichreaktionen 
Überstunden  hatten  und  bei  denen  diese  nun  schon  nach 
wenigen  Goldinfusionen  hervortraten.  Auch  hier  lege  ich  den 
Nachdruck  nicht  auf  einzelne  Vorkommnisse,  sondern  auf  eine 
merkwürdige  Häufung  während  der  Goldbehandlung. 

An  die  Mitteilung  unserer  Beobachtungen  sollen  an  dieser 
Stelle  keine  ausführlichen  theoretischen  Erörterungen  ange- 
kniipft  werden.  Immerhin  drängen  sich  gewisse  Erwägungen 
auf.  Bruck  und  Glück  ziehen  eine  desinfizierende  Wir¬ 
kung  des  Goldsalzes  in  Betracht  und  schreiben  bei  der  Be¬ 
handlung  dem  Tuberkulin  eine  helfende  Bedeutung  als  „Leit¬ 
schiene“  zu.  Vielleicht  ist  das  gegenseitige  Wertverhältnis 
der  beiden  Mittel  eher  ein  umgekehrtes.  In  Anbetracht  der 
gesteigerten  Tuberkulinwirkungen,  die  wir  gesehen  haben, 
könnte  man  auf  die  immerhin  problematische  Annahme  der 
direkten  Einwirkung  des  Goldpräparates  auf  die  Tuberkel¬ 
bazillen  verzichten  und  seine  durch  Heubners  Unter¬ 
suchungen  festgestellte  Bedeutung  als  Kapillargift  für  wesent¬ 
lich  halten.  Wir  würden  also  das  Aurum-Kalium  cyanatum 
gewissermassen  als  die  „Leitschiene“  für  das  Tuberkulin  be¬ 
trachten.  Gerade  in  Bezug  auf  die  Gefässwirkungen  des  Gold¬ 
präparates  scheinen  mir  die  oben  erwähnten  Hautblutungen, 
die  wir  an  den  Infusionsstellen  gesehen  haben,  wenigstens  von 
bedingtem  Interesse  zu  sein.  Vielleicht  besteht  allerdings 
gerade  bei  Lupuskranken  an  und  für  sich  eine  grössere  Nei¬ 
gung  zu  traumatischen  Hautblutungen  •).  Allein  wir  haben 
beispielsweise  nach  Salvarsaninfusionen  bei  Lupösen,  die  mit 
der  gleichen  Technik  wie  die  Auruminfusionen  vorgenommen 
wurden,  keine  analogen  Blutungen  gesehen. 

Praktisch  ergibt  sich  aus  der  Kombination  des  Auruin- 
Kaliurn  cyanatum  mit  dem  Alttuberkulin  beim  Lupus  ein  thera¬ 
peutischer  Effekt,  der  denjenigen  des  Goldpräparates  allein 
deutlich  übertrifft,  und  der  beachtenswert  bleibt,  auch  wenn 
die  Methode  nicht  zur  definitiven  Heilung  führt.  Wir  haben 
den  Eindruck  gewonnen,  dass  es  durch  die  Kombination  ge¬ 
lingt,  die  Tuberkulinwirkung  zu  verstärken  und  diese  in  Fällen 
wieder  anzuregen,  in  denen  das  Tuberkulin  für  sich  allein  zu 
versagen  beginnt.  Aber  unsere  Beobachtungen  zeigen  auch, 
dass  man  dabei  auf  schwere  Tuberkulinreaktionen  gefasst  sein 
muss,  die  man  ja  nach  Möglichkeit  speziell  bei  inneren  Tuber¬ 
kulosen  zu  vermeiden  sucht.  Somit  könnten  sich  also  wieder¬ 
um  Bedenken  gegen  die  Anwendung  der  Methode  und  Ein¬ 
schränkungen  gerade  aus  Gründen  ergeben,  auf  denen  schliess¬ 
lich  vielleicht  zum  grössten  Teil  die  Wirksamkeit  jener  Be¬ 
handlung  beruht. 


-’)  cf.  Mayr:  Zur  Beurteilung  des  „R  u  m  p  e  1  -  Le  e  d  e“  sehen 
Scharlachphänomens.  Münch,  med.  Wochenschr.  1011.  No.  25. 


800 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15 


Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  in  München  (Vorstand:  Prof. 

v.  R  o  m  b  e  r  g.) 

Notiz  zur  Funktionsprüfung  der  Niere. 

Von  Prof.  S  c  h  I  a  y  e  r. 

Von  verschiedenen  Seiten  (U  1 1  m  a  n  n  bei  H.  Straus  s, 
Nonnenbruch  bei  D.  Gerhardt)  ist  erwähnt  worden, 
dass  intravenöse  Milchzuckerinjektion  zum  Zwecke  der 
Nierenfunktionsprüfung  Schüttelfrost  und  Fieber  hervorgerufen 
habe.  Auch  wir  haben  das  zu  Anfang  unserer  Untersuchungen 
einigemale  erlebt,  wie  bereits  in  der  ersten  Publikation  *)  ge¬ 
sagt.  Damals  glaubten  wir  dieses  Vorkommnis  auf  mehrfache 
Injektion  aus  einer  und  derselben  Lösung  zurückführen  zu 
müssen.  Inzwischen  haben  wir  erkannt,  dass  neben  dieser 
Forderung  noch  zwei  andere  Punkte  beachtet  werden  müssen, 
um  diese  Zufälle  zu  vermeiden.  Einmal  die  Beschaffenheit  des 
Milchzuckers  selbst.  Er  muss  in  einem  ülasgefäss  mit  einge¬ 
schliffenem  Stöpsel  vollkommen  trocken  aufbewahrt  werden 
und  von  Zeit  zu  Zeit  im  Trockenschrank  einige  Stunden  bei 
75u  erhitzt  werden.  Milchzucker  ist  ein  sehr  guter  Nährboden 
für  Schimmelpilze  etc.,  sobald  er  feucht  wird.  Da  er  etwas 
hygroskopisch  ist,  so  wird  das  bei  ungenügendem  Verschluss 
sehr  leicht  Vorkommen.  Die  nun  erfolgende  Pilzentwicklung 
verrät  sich  an  dem  Zusammenklumpen  und  einem  muffigen 
Geruch.  Solcher  Milchzucker  macht  —  intravenös  injiziert  — 
auch  wenn  er  sorgfältig  sterilisiert  ist  —  immer  Fieber.  Er 
muss  vernichtet  werden. 

Die  zweite  Ursache  des  Fiebers  kann  in  der  Sterilisation 
liegen.  Wir  haben  die  umständliche  und  nicht  ganz  zuver¬ 
lässige  Pasteurisation  aufgegeben  und  sind  zu  einstündigcr 
Sterilisation  im  Dampfbad  bei  100°  übergegangen.  Dabei  tritt 
keine  Bräunung  und  keine  Invertierung  ein,  wie  im  Trocken¬ 
schrank.  Aus  besonderer  Vorsicht  kann  man  am  Tage  vor 
der  Verwendung  4  ständige  Erhitzung  im  Trockenschrank  bei 
75 "  hinzufügen. 

Bei  dieser  Technik  haben  wir  seit  langem  nach  Hunderten 
von  Injektionen  kein  Fieber  mehr  gesehen. 

Nochmals  sei  gleichzeitig  darauf  hingewiesen,  dass  die 
einfache  qualitative  Verfolgung  der  Milchzuckeraus- 
scheidung  nicht  genügt;  das  hat  die  Erfahrung  bei  mehr  als 
300  Fällen  zur  Genüge  gezeigt.  Einfache  Nylanderproben 
können  aufs  gröblichste  täuschen,  sowohl  nach  der  einen  wie 
nach  der  anderen  Seite.  So  kann  Nylander  schon  nach 
6  Stunden  negativ  werden,  obwohl  die  Niere  zweifellos  hoch¬ 
gradig  geschädigt  ist.  Die  gleichzeitige  quantitative  Ver¬ 
folgung  vermag  die  Schädigung  ohne  weiteres  zu  demon¬ 
strieren,  indem  sie  zeigt,  dass  die  Niere  überhaupt  nur  10  bis 
15  Proz.  der  injizierten  Menge  wieder  zutage  fördert  (gegen¬ 
über  60 — 90  Proz.  normal).  Umgekehrt  beobachtet  man 
scheinbar  oder  zweifelhaft  positive  Nylanderreaktion  —  auch 
bei  Linksdrehung  des  Harns  —  recht  häufig,  besonders  nach 
Einnahme  einer  ganzen  Anzahl  von  Medikamenten,  wie  ja  be¬ 
kannt. 

Daher  bedürfen  alle  Schlüsse,  welche  auf  dem  Ausfall 
der  Nylanderprobe  allein  aufgebaut  sind,  der  Korrektur  und 
Nachprüfung  durch  quantitative  (polarimetrische)  Bestimmung. 
Noch  unsicherer  sind  Schlüsse,  welche  unter  weitgehender  Ab¬ 
weichung  von  unserer  Methodik  gewonnen  wurden.  Ein¬ 
gehende  Studien  am  Normaltier  haben  uns  veranlasst,  für  den 
Milchzucker  nur  die  intravenöse  Injektion  zu  empfehlen. 
Resultate,  welche  mit  intralumbarer  (R  o  w  n  t  r  e  e,  Fitz  und 
Geraghty,  Arch.  of  int.  Med.  1913,  Februar)  oder  sub¬ 
kutaner  Injektion  erhalten  wurden,  sind  daher  für  unsere  Ziele 
nicht  verwertbar  und  können  mit  unseren  Resultaten  nicht 
verglichen  werden. 

Endlich  sei  n  ochmals  darauf  hingewiesen,  dass  Milch¬ 
zucker-  und  Jodkaliprüfung  keine  Suffizienzprüfimgen  in  dem 
geläufigen  Sinne  sind.  Jeder  Vergleich  ihrer  Ausscheidung  mit 
den  Mitteln,  welche  heute  noch  diesen  Anspruch  machen, 
bleibt  daher  zwecklos,  wenn  von  diesem  Standpunkte  aus 
unternommen. 

Milchzucker-  und  Jodkaliausscheidung  sind  vielmehr 
Mittel  zur  Erkennung  der  Art  der  Schädigung  und  damit  der 
A  r  t  der  Funktionsstörung.  Aber  sie  sind  nicht  die  einzigen 

*)  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Med.  1910,  Bd.  101,  S.  345. 


Mittel  dazu,  sondern  nur  zwei  von  einer  Reihe  von  Prüflings 
mittein,  welche  gleiche  Ziele  erstreben.  Wir  benützen  heut; 
neben  ihnen  noch  vier  weitere:  Prüfung  der  Art  der  Kochsalz 
elimination  bei  Mehrbelastung,  Prüfung  der  Art  der  Wasser 
elimination  bei  Mehrbelastung,  Reaktion  der  Niere  auf  ein, 
bestimmte  Mahlzeit  und  endlich  Prüfung  der  Wirkung  voi 
Diureticis.  Je  nach  dem  Einzelfalle  wird  man  nur  einen  Tei 
dieser  Hilfsmittel  benötigen,  in  anderen  Fällen  aber  wird  ers 
auf  Grund  des  Ausfalles  von  allen  fünf  Methoden  ein  ein 
gehendes  und  klares  Bild  gewonnen,  wie  wir  es  für  Prognos' 
und  Therapie  so  dringend  bedürfen. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Kiel  (Direktor:  Professo 

Dr.  Lüthje). 

Ueber  allgemeine  und  lokale  Eosinophilie  bei  Ueber 
empfindlichkeit  gegen  organische  Arsenpräparate. 

Von  Privatdozent  Dr.  H.  Schlecht. 

Die  lokale  und  allgemeine  Bluteosinophilie  bei  den  vor 
schiedenartigsten  Hautaffektionen  ist  eine  seit  langem  be 
kannte,  ebenso  interessante,  wie  in  ihrer  Genese  und  bio 
logischen  Bedeutung  unaufgeklärte  Tatsache.  Es  würde  zt 
weit  führen,  hier  die  gesamte  Literatur  über  Eosinophilie  be 
Hautkrankheiten  aufzuführen,  wir  verweisen  auf  die  Lehr 
biieher  der  Hämatologie  und  die  ausführlichen  Zusammen 
Stellungen  bei  Meyer1),  S  t  ä  u  b  1  i 2)  und  Winkler3! 
Als  von  engerem  Interesse  für  die  vorliegenden  Unter 
suchungen  möchten  wir  nur  besonders  hinweisen  auf  di 
wiederholt  in  der  Literatur  wiederkehrenden  Feststellungei' 
dass  bei  einer  Reihe  von  Idiosynkrasien  gegen  bestimmt 
Nahrungsmittel  oder  Medikamente,  bei  den  hier  auftretende): 
urtikariellen  und  skarlatinösen  Exanthemen,  ferner  bei  gej 
wissen  Autointoxikationen  vom  Darm  aus  Eosinophilie  bcoh 
achtet  wird.  In  neuerer  Zeit 4)  hat  man  versucht,  diese  Affck 
tionen  unter  einem  gemeinsamen  Gesichtspunkt  zu  betrachtet 
indem  man  einmal  von  exsudativer  Diathese  sprach  und  zum  an 
deren  sie  zu  den  Manifestationen  der  Allergie  oderUeberempfind 
lichkeit  zählte,  anscheinend  mit  umsomehr  Berechtigung,  alj 
diese  Zustände  sich  mit  anderen,  in  dieses  Gebiet  zu  rechnen 
den  häufig  kombinieren  (Asthma  bronchiale,  Heufieber,  Darm 
krisen,  eosinophiler  Darmkatarrh,  Quincke  sches  Oedemj 
Auch  bei  diesen  wird  häufig  Eosinophilie  beobachte; 
S  t  ä  u  b  1  i 2 *)  spricht  direkt  von  einer  „eosinophilen  Diathese1 
während  wir  selbst  eher  geneigt  sind,  uns  der  zweiten  Auf 
fassung  zu  nähern,  umsomehr,  als  wir  experimentell  einen  Zu 
sammenhang  zwischen  allgemeiner  und  lokaler  Eosinophili 
und  der  Anaphylaxie  resp.  dem  parenteralen  Eiweissabba 
überhaupt  nachweisen  konnten s).  Ein  direkter  Beweis  fü 
die  Auffassung  gewisser  Arzneiexantheme  als  Ueber 
empfindlichkeitsreaktionen  schien  durch  die  Veröffentlichung 
von  Bruck0)  erbracht,  dem  es  durch  den  Nachwei 
passiver  Uebertragung  der  Anaphylaxie  für  Jodoform  rni 
dem  Serum  des  jodoformidiosynkrasischen  Patienten  auf  Meer 
schweinchen  zu  zeigen  gelang,  dass  die  Jodoformidiosynkrasi 
oft  eine  echte  anaphylaktische  Reaktion  des  Körpers  gegen 
über  dem  Jodoform  sei.  Allerdings  ist  diese  Anschauung  nrch 
unwidersprochen  geblieben  7). 

Von  diesen  allgemeinen  Gesichtspunkten  aus  seien  in 
folgenden  zwei  Fälle  von  Ueberempfindlichkeit  gegenübe 

3)  Meyer:  Die  klinische  Bedeutung  der  Eosinophilie.  Berli 
1905.  I 

2)  S  t  ä  u  b  1  i :  Die  klinische  Bedeutung  der  Eosinophilie.  Err 
d.  inn.  Med.  u.  Kinderheilk.,  Bd.  VI. 

3)  Winkler:  Lubarsch  u.  Ostertag:  Erg.  d.  Pathol.,  191 2 

4)  Moro:  Experimentelle  und  klinische  Ueberempfindlichkeii 
Lubarsch  u.  Ostertag:  Erg.  d.  Pathol.,  XIV,  1910.  —  Schiften 
heim:  Ueber  Anaphylaxie.  Jahresbericht  a.  d.  Erg.  d.  Immunitats 
Forsch.  1910.  —  Bloch:  Diathesen  in  der  Dermatologie.  Res 
28.  D.  Kongr.  f.  innere  Med.  1911. 

B)  Schlecht:  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  1909,  Bd.  98,  Arch.  f.  exr 
Pathol.  u.  Pharmakol.  1912,  Bd.  67  und  Schwenker:  Arch.  f.  exr 
Pathol.  u.  Pharmakol.  1912,  Bd.  68;  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  191- 
Bd.  108. 

°)  Bruck:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1910,  No.  12  und  42;  Arch 
f.  Dermat.  u.  Syphil.  1909,  Bd.  96. 

7)  Zieler:  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  S  und  30. 


5.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


801 


»rganischen  Arsenpräparaten  (Arsenophenylglyzin  und  Di- 
ixydiamidoarsenobenzol)  mitgeteilt,  die  beide  durch  das  Auf- 
reten  einer  ausgesprochenen  lokalen  und  allgemeinen  Eosino- 
ihilie  und  ausgebreiteter  Exantheme  ausgezeichnet  sind 8). 
lass  es  gegenüber  diesen  Präparaten  individuelle  Ueber- 
mpfindlichkeit  gibt,  ist  bereits  von  Ehrlich  betont,  wenn 
r  den  Rat  gab,  jeden  Menschen  vor  der  Behandlung  durch 
ine  Kutireaktion  auf  Ueberempfindlichkeit  zu  prüfen,  ein  Ver- 
ahren,  das  auch  von  N  e  i  s  s  e  r  empfohlen  wurde. 

Den  ersten  dieser  Fälle  konnte  ich  1908  an  der  Medi- 
inischen  Klinik  in  Breslau  (v.  Strümpell)  beobachten.  Die 
usführliche  Beschreibung  des  Falles  findet  sich  bei  Ne  iss  er: 
leiträge  zur  Pathologie  und  Therapie  der  Syphilis,  Berlin  1911.  Er 
,  urde  von  N  e  i  s  s  e  r  als  typische  Ueberempfindlichkeit  aufgefasst. 
:li  gebe  in  der  Hauptsache  einen  kurzen  Auszug  aus  unserer  Be¬ 
trachtung,  soweit  sie  für  die  Frage  der  Eosinophilie  von  Interesse  ist. 

Es  handelte  sich  um  eine  jugendliche  Patientin,  die  wegen  einer 
iisgedehnten  sekundären  Lues  mit  Arsenophenylglyzin  behandelt 
vurde.  Nach  Injektion  von  insgesamt  1,4  g  des  Mittels  innerhalb 
•on  9  Tagen  trat  ein  hochrotes,  makulöses,  z.  T.  kleinpapulöses, 
rösstenteils  konfluierendes  Exanthem  an  der  Innenseite  der  Ober- 
rme  und  Oberschenkel  auf  unter  Allgemeinerscheinungen  und  Fieber. 
Nachdem  das  Exanthem  nach  einigen  Tagen  geschwunden  war,  trat 
lach  einer  6.  Tage  später  erfolgten  Reinjektion  von  0,2  g  A.  unter 
chwersten  Allgemeinerscheinungen  ein  erneutes,  zunächst  skar- 
itinöses  Exanthem  auf,  das  später  zu  ausgesprochener  Blasenbildung 
ind  dann  zu  lamellöser  Abschuppung  der  Haut  in  grossen  Fetzen 
ührte.  Dabei  ausgesprochene  Anzeichen  einer  schweren  Allgemein- 
ergiftung,  zuletzt  hochgradiger  Ikterus  und  Exitus  unter  zunehmen- 
ler  Herzschwäche.  Uns  interessiert  hier  vor  allem  das  Blutbild. 
:s  zeigte  sich  nämlich,  wie  die  Tabelle  1  nachweist,  trotz  des  dauernd 
lohen  Fiebers  zwischen  38 — 40°  eine  ausgesprochene  eosinophile 
.eukozytose,  die  entsprechend  der  Schwere  des  Zustandes  zunahm. 


Tabelle  1. 


Jatum 

Gesamt- 

TiAnkn- 

Kmit.rn- 

Lym- 

Grosse 

Monn- 

Eosinophile 

Mast- 

Be-  • 

zyten- 

zahl 

phile 

pho- 

zyten 

nu¬ 

kleäre 

proz. 

absolut 

zellen 

merkungen 

:o.  V. 

8  000 

78,5 

13,0 

3,0 

5,5 

440 

0 

23.  V.  Injektion 

10.  V. 

12  000 

77,5 

8,5 

9,5 

4,5 

540 

0 

Ikterus  -f- 

11.  V. 

12  000 

76,5 

11,0 

6,0 

6,5 

780 

0 

1.  VI. 

15  000 

80,0 

14,0 

2,0 

3,0 

450 

0 

2.  VI. 

11  000 

78,0 

9,0 

3,0 

10,0 

1100 

1,0 

3.  VI. 

15  000 

69,0 

11.0 

7,0 

13,0 

1950 

0 

5.  VI. 

12  000 

59,0 

10,0 

11,0 

200 

2400 

0 

6.  VI. 

11000 

53,5 

16,5 

8,5 

20,0 

2200 

1,5 

7.  VI. 

25  000 

64,5 

22,0 

3,5 

10,0 

2500 

0 

Exitus  nachts 
2  Uhr 

Die  Autopsie  und  die  von  mir  ausgeführte  histologische  Unter¬ 
suchung  der  Organe  ergab  in  den  Organen  entzündliche  und  degenera- 
ive  Veränderungen,  wie  man  sie  bei  Arsenintoxikation  gelegentlich 
:u  sehen  gewohnt  ist.  In  der  Leber  fanden  sich  periportale  Ent- 
sündungsherde,  herdweise  Gewebsnekrose,  körnige  und  hochgradige 
ettige  Degeneration  des  Lebergewebes,  namentlich  in  der  Umgebung 
ier  Zentralvenen,  mit  Ikterus  und  Gallenstauung.  In  der  Niere 
eichte  Degenerationserscheinungen  an  den  Tubuli  contorti,  in  der 
-unge  Peribronchitis  mit  entzündlichem  Oedem,  in  der  Milz  starke 
;ntzündliche  Hyperämie  mit  geringer  myeloider  Umwandlung  bei 
itrophischen  Follikeln.  Im  Herzmuskel  interstitielle  entzündliche  Ver¬ 
änderungen  und  Degeneration  der  Muskelzellen  (Todesursache:  Myo- 
Jegeneratio  cordis).  Im  Darm:  Zeichen  eines  starken  toxischen 
Katarrhs  mit  Hyperämie,  Schwellung  der  Follikel,  schleimiger  De- 
ieneration  und  Desquamation  des  Epithels. 

Das  auffallendste  war  die  in  vielen  Organen  ausge¬ 
sprochene  Anhäufung  eosinophiler  Leukozyten.  In  der  Leber 
war  sie  sehr  stark  und  vor  allem  in  den  kleinzelligen  Infil¬ 
trationsherden  periportal  ausgesprochen,  in  den  Querschnitten 
der  Kapillaren  lagen  reichlich  eosinophile  Leukozyten.  Unter 
den  eosinophilen  Zellen  waren  einzelne  mit  grossem,  rundem 
Kern.  In  der  Milz,  in  der  Pulpa  und  in  der  Umgebung 
der  Follikel  fanden  sich  reichlich  neutrophile,  vor  allem 
aber  eosinophile  Leukozyten.  Im  Darm  zeigte  sich  aus¬ 


8)  Periphere  Bluteosinophilie  sah  ich  früher  zweimal  bei  leichten 
>alvarsanexanthemen  (bis  10  Proz.).  Bei  der  Vorstellung  des  Pat.  in 
der  Kieler  medizinischen  Gesellschaft  machte  Prof.  Bering 
darauf  aufmerksam,  dass  derartige  Exantheme  bei  überempfindlichen 
Pat.  an  der  Hautklinik  wiederholt  gesehen  wurden,  auch  mit  töd¬ 
lichem  Ausgang.  Man  fand  Eosinophilie  bis  zu  50 — 60  Proz.  Das 
Exanthem  ist  eine  Folge  des  Salvarsans,  scheint  aber  häufiger  bei 
gleichzeitiger  Hg.-Medikation  aufzutreten. 

No.  15. 


gesprochene  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  in  der  Um¬ 
gebung  der  geschwollenen  und  zellreichen  Follikel.  Knochen¬ 
mark  und  Haut  konnten  damals  leider  nicht  untersucht  werden. 

Den  zweiten  Fall  beobachteten  wir  vor  kurzem  an  der 
medizinischen  Klinik  in  Kiel.  Es  handelte  sich  um  ein  nach 
Salvarsanbehandlung  auftretendes  Exanthem,  das  in  seiner 
Form  und  Ausbreitung  durchaus  dem  oben  beschriebenen  ähn¬ 
lich  war;  ebenfalls  ein  zunächst  skarlatinöses,  kleinfleckiges, 
konfluierendes  Exanthem,  das  bald  zur  Bildung  kleiner  und 
grosser,  rasch  vereiternder  Bläschen  neigte  und  zuletzt  unter 
starker  grosslamelliger  Abschuppung  ausheilte.  Der  Verlauf 
war  hier  günstig.  Auch  in  diesem  Falle  konnten  wir  eine  aus¬ 
gesprochene  Bluteosinophilie  feststellen,  ausserdem  waren 
wir  in  der  Lage,  ein  Stückchen  Haut  zu  untersuchen  und 
hier  eine  hochgradige  lokale  Eosinophilie  fest¬ 
zustellen. 

Krankengeschichte:  E.  Z.,  43  Jahre  alter  Nieter.  In 
der  Ambulanz  der  Medizinischen  Klinik  wegen  Lues  III  mit  Salvarsan 
und  Kalomel  behandelt.  4,  7,  11  und  18.  XII.  je  0,4  Salvarsan;  am  4., 
7.,  16.  und  21.  0,02 — 0,04  Kalomel. 

Am  28.  XII.  Stomatitis  ulcerosa  und  skarlatinöses  Exanthem. 
Aufnahme  am  7.  Januar  1913.  Haut  des  ganzen  Körpers  entzündlich 
gerötet  mit  kleinster  Bläschenbildung,  besonders  an  dem  Handrücken, 
teilweise  skarlatinös  konfluierend,  teils  landkartenartig,  besonders  im 
Gesicht  einzelne  Stellen  freilassend.  Im  weiteren  Verlauf  zunächst 
Zunahme  des  ganz  konfluierenden,  stark  nässenden  Exanthems,  ausge¬ 
sprochene  Blasenbildung  mit  schnell  sich  trübendem  Inhalt  —  Borken¬ 
bildung  und  zuletzt  intensiver  Abschuppung  unter  Bildung  grosser 
Lamellen  und  Fetzen.  Temperatur  nur  anfangs  erhöht.  Im  Urin 
Eiweiss,  viel  Leukozyten  (alte  Zystitis)  ohne  Zylinder.  Zeitweise 
Gallenfarbstoff  und  Urobilin  schwach  positiv.  Ausgang  in  Heilung. 

Das  Verhalten  der  Leukozyten  ergibt  sich  aus  der 
Tabelle  2.  Das  auffälligste  Moment  ist  auch  hier  wieder  die 


Tabelle  2. 


a 

Gesamt- 

Leukozyten¬ 

zahl 

S  a 
£  -2 
o. 

l 

© 

ö 

o  P  ^ 

2  CG 

a  so 

c 

Eosinophile 

a 

© 

-4-3 

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©  O 

z5  a 

N 

© 

absol. 

CS3 

44» 

OO 

öS 

a 

8.  I. 

14  000 

Proz. 

80 

5,5 

6,5 

8 

1120 

0 

10.  I. 

15  000 

62 

22,5 

1,5 

14,5 

2175 

0 

12.  I. 

17  480 

65 

11,0 

8,5 

15,5 

2697 

0 

13.  I. 

17  000 

44,5 

18,0 

11,0 

26,5 

4335 

0 

2  Proz.  Plasmazellen. 

19.  I. 

16  500 

57,0 

6,6 

20,6 

20,3 

3349 

0 

1  Proz.  Myelozyten,  neutro- 

22.  I. 

15  000 

64,0 

5,0 

9,0 

20,0 

3000 

2,0 

phile  u.  ganz  vereinzelt  eosi¬ 
nophile  Myelozyt.,  0,6  Proz. 
Plasmazellen. 

Einzelne  Normoblasten,  verein- 

28.  I. 

9  800 

53,0 

13,0 

18,0 

15,5 

1419 

0,5 

zelte  neutr.  Myelozyt,  und 
Plasmazellen. 

7.  II. 

10  200 

51,0 

34,0 

8,5 

6,0 

612 

0,5 

Pat.  auf  seinenWunsch  entlassen. 

Exanthem  0.  Schuppung  fast 
beendet. 

ausgesprochene  eosinophile  Leukozytose.  Und  zwar  zeigt  sich 
zunächst  entsprechend  der  Ausdehnung  resp.  Zunahme  des 
Exanthems  ein  merklicher  Uebergang  aus  einer  neutrophilen 
Leukozytose  zum  Beginn  mit  geringer  Eosinophilie  in  eine 
zunehmende  Eosinophilie,  solange  das  Exanthem 
auf  der  Höhe  steht,  während  mit  dem  Nachlassen  des 
Ausschlages  auch  die  eosinophilen  Werte 
langsamabsinken.  In  der  Kurve  macht  sich  recht  deut¬ 
lich  bemerkbar  die  intensive  Reizwirkung  auf  das 
Knochenmark,  die  sich  einmal  in  dem  starken  Anwachsen 
der  grossen  Mononukleären  und  Uebergangsformen,  zum 
andern  auch  in  dem  Auftreten  einzelner  neutrophiler  und 
auch  eosinophiler  Myelozyten  und  Metamyelozyten 
dokumentiert.  Auch  das  Auftreten  einzelner  kernhalti¬ 
ger  Erythrozyten  spricht  in  diesem  Sinne.  Bemerkens¬ 
wert  ist  ferner  das  vermehrte  Auftreten  von  Plasmazellen  auf 
der  Höhe  der  Eosinophilie. 

Eine  Beobachtung  verdient  vielleicht  Erwähnung.  Die  eosino¬ 
philen  Zellen  des  peripheren  Blutes  waren  zum  Teil  typisch  aus¬ 
gebildete,  wohlerhaltene  eosinophile  Leukozyten,  wie  wir  sie 
gewöhnlich  im  Blut  sehen.  Eine  grosse  Reihe  dagegen  zeigte 
noch  deutlich  eine  stärkere  basophile  Quote,  be¬ 
stand  also  aus  wesentlich  jüngeren  Elementen, 
und  und  andere  wiederum  zeigten  in  ihrem  Protoplasma  auf- 

i 


MUHNcHRNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15. 


m 


fallend  viele  und  grosse  Lücken,  die  Granula 
waren  bedeutend  spärlic her  vorhanden  und  die 
Zellen  als  eosinophile  nur  noch  an  ihrem  typischen 
Kern  und  der  groben  Qualität  der  noch  vor¬ 
handenen  Granula  erkenntlich.  Es  machte  also 
den  Eindruck,  als  ob  diese  Zellen  in  irgend  einer  Weise,  viel¬ 
leicht  nach  Ausübung  einer  bestimmten  Funktion,  geschädigt 
seien. 

Am  12.  1.  wurden  verschiedene  H  a  u  t  b  1  ä.s  c  h  e  n  mit  einer 
sterilen  Spritze  angestochen  und  der  leicht  trübe  eitrige  Inhalt 
aspiriert.  In  Ausstrichpräparaten  ergab  sich,  dass  die  grosse  Masse 
der  Zellen  aus  polynukleären  Leukozyten  bestand,  dass  aber  doch 
eine  grosse  Menge,  etwa  Y  aller  Zellen,  eosinophile 
Leukozyten  waren.  Daneben  fanden  sich  einzelne  lympho- 
zytenähnhehe  Zellen  und  Epithelien.  Alle  Zellarten  waren  in  leb¬ 
haftem  Zerfall  begriffen;  die  eosinophilen,  soweit  es  sich  beurteilen 
Hess,  waren  alle  mehrkernig.  Zu  bemerken  ist,  dass  ganz  frische, 
noch  klarflüssige  Blasen  nicht  untersucht  werden  konnten,  in  unseren 
Abstrichen  fanden  sich  vereinzelt  Kokken.  Wie  die  spätere  Schnitt¬ 
untersuchung  zeigte,  gibt  es  kleine  Bläschen,  in  denen  das  Exsudat 
so  gut  wie  rein  eosinophil  ist. 

Am  14.  I.,  also  auf  der  Höhe  der  Bluteosinophilie, 
wurde  ein  kleines  Stückchen  Haut  exzidiert  und  mikroskopisch 
untersucht.  Die  kleine  Wunde  heilte  gut.  Die  Härtung  des  Haut¬ 
stückchens  erfolgte  in  4  proz.  Formalin  und  Alkohol,  die  Einbettung 
in  Paraffin.  Die  5 — 8 — 10 ß  dicken  Schnitte  wurden  mit  Häma- 
toxylin  -  Eosin,  mit  der  Oiemsa-Schnittfärbungs- 
m  e  t  h  o  d  e,  nach  der  kombinierten  panoptischen  Methode 
von  Pappenheim  und  der  Pyroninmethylgrün- 
methode  von  Pappen  heim  gefärbt. 

Bei  Betrachtung  der  Präparate9)  mit  schwacher  oder  mittel¬ 
starker  Vergrösserung  erkennt  man  eine  hochgradige  klein¬ 
zellige  Infiltration  des  subkutanen  Gewebes,  die  sich  auch 
auf  das  Korium  bis  zum  Strat.  Malpighi  hin  fortsetzt  und  ihren 
Anfang  in  der  obersten  muskulären  Schicht  nimmt.  Das  Binde¬ 
gewebe  scheint  gelockert  und  gequollen,  und  die  Bindegewebskerne 
vermehrt.  Schon  bei  dieser  Vergrösserung  erkennt  man,  dass  die 
Hauptmasse  der  die  Infiltration  bedingenden  Zellen  aus  zwei  Kate¬ 
gorien  sich  zusammensetzt:  einmal  aus  Rundzellen  vom  Ty¬ 
pus  der  kleinen  Lymphozyten,  zum  andern  aus  mehr- 
kernigen  Zellen,  die  eine  hochrote  Granulation 
zeigen.  Ausserdem  sieht  man,  dass  die  zellige  Infiltration  an  dem 
Strat.  Malpighi  nicht  haltmacht,  dass  vielmehr  die  Rundzellen 
und  vor  allem  die  granulierten  Zellen  zwischen  den  Zellen  des 
Strat.  Malpighi  hinein  und  hindurchwandern  bis  in  das  Strat.  lucidum 
und  corneum.  Die  Betrachtung  mit  Oelimmersion  ergibt,  dass  die 
grobgranulierten  Zellen  fast  ausschliesslich  aus 
echten  eosinophilen  Leukozyten  bestehen  und  in  Ge¬ 
meinschaft  mit  den  Lymphozyten  und  nur  wenigen  neutrophilen  Leuko¬ 
zyten  die  Subkutis  und  das  Korium  dicht  bevölkern.  Die  Zellen  des 
Strat.  spinosum  erscheinen  gequollen,  z.  T.  das  Kanalsystem  zwischen 
ihnen  vereitert  und  vakuolenähnlich  ausgebuchtet  und  darin  in  der 
Durchwanderung  begriffene,  reichliche  eosino¬ 
phile  Leukozyten.  Wie  schon  erwähnt,  finden  sich  neben  der 
hochgradigen  Eosinophilie  auch  reichlich  Zellen  vom  Typ  der  klein- 
lymphozyten,  daneben  aber  auch  grössere  einkernige  Formen  mit 
dichtem  Protoplasma,  die  schon  bei  Methylenblaufärbung  als  Pias- 
m  a  z  e  1 1  e  n  imponieren,  sich  auch  bei  Pyroninmethylgrünfärbung  als 
solche  dokumentieren.  Sie  sind  jedenfalls  auch  in  vermehrter  Menge 
anzutreffen.  Dagegen  waren  die  M  a  s  t  z  e  1 1  e  n  kaum  vermehrt. 

Die  eosinophilen  Zellen  waren,  soweit  sich  sicher  be¬ 
urteilen  liess,  alle  mehrkernig,  echte  eQsinophile  (oder  auch 
neutrophile)  Myelozyten  fanden  sich  nicht,  ebensowenig  sonstige 
Anhaltspunkte,  die  für  eine  lokale  Histogenese  der  eosino¬ 
philen  Zellen  hier  angesprochen  werden  konnte.  Dagegen  waren 
in  den  Querschnitten  der  Kapillaren  die  eosinophilen  Leukozyten  ent¬ 
schieden  vermehrt. 

Dass  die  eosinophilen  Zellen  nach  den  oberflächlichsten  Haut¬ 
schichten  durchwandern,  wurde  schon  erwähnt,  weniger  reichlich 
findet  man  Neutrophile  und  Lymphozyten  in  dem  Strat.  Malpighi. 
Es  scheint,  dass  hier  schon  im  Strat.  spinosum  und  granulosum 
ein  reichlicher  Zerfall  der  eosinophilen  Zellen  stattfindet,  wenig¬ 
stens  findet  man  reichlich  Zelltrümmer,  Kernfragmente  und  freie 
eosinophile  Granula.  Ein  grosser  Teil  gelangt  aber  bis 
unter  das  Korium  und  ist  hier  in  langen  Reihen  angeordnet.  Da, 
wo  die  oberste  Zellschicht  zu  Blasen  abgehoben  ist,  finden  sich  in 
diesen  zwei  Typen  der  Zellexsudation.  ln  einzelnen,  kleineren 
sieht  man  ausschliesslich  eosinophile  Zellen;  diese 
Bläschen  sind  klein  und  durchaus  in  der  Minderzahl,  die  grösseren 
enthalten  in  der  Hauptmasse  neutrophile  und  zu  Y  eosinophile  Zellen. 
In  diesen  äussersten  Schichten  zeigen  die  emigrierten  Zellen  inten¬ 
siven  Zellverfall. 

Wir  haben  also  als  im  wesentlichen  uns  interessierenden 
Befund  bei  zwei  gegen  Arsenpräparate  überempfindlichen 


9)  Die  Präparate  wurden  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  in 
der  Sitzung  vom  16.  I.  13  demonstriert. 


Individuen  eine  ausgesprochene  lokale  und  all¬ 
gemeine  Eosinophilie.  Wie  kommt  diese  zustande 
und  was  hat  diese  zu  bedeuten? 

Dass  die  Arsenpräparate  an  sich  die  Ursache 
einer  chemotaktischen  Anlockung  der  Eosinophilen  sein 
könnten,  ist  durchaus  unwahrscheinlich,  da  wir  bei  unkom¬ 
plizierten  Fällen  von  Behandlung  mit  diesen  keine  eosinophile 
Leukozytose  zu  sehen  gewöhnt  sind.  Wir  müssen  also  auf 
die  Vorgänge  selbst  zurückgreifen,  welche  die  Ueberempfind- 
lichkeitserscheinungen  im  Organismus  auslösen,  und  ver¬ 
suchen,  hier  einen  Anhaltspunkt  für  die  Genese  der  Eosino¬ 
philie  zu  finden,  umsomehr,  als  wir  an  anderer  Stelle  zeigen 
konnten,  dass  tatsächlich  bei  der  experimentellen  Ueber¬ 
empfindlichkeit  gegen  Eiweiss  eine  allgemeine  und  lokale 
Eosinophilie  in  durchaus  ähnlicher  Weise  auftreten  kann.  Zu¬ 
mal  die  Veränderungen  in  der  Haut  zeigten  bei  unseren 
Patienten  bezüglich  des  Verhaltens  der  Eosinophilen  ein! 
durchaus  ähnliches  Bild,  wie  wir  es  für  die  lokalanaphy¬ 
laktische  Reaktion,  das  A  r  t  h  u  s  sehe  Phänomen, 
nachweisen  konnten;  nur  war  bei  letzterer  das  Oedem  vielj 
stärker  ausgesprochen.  Die  Schwierigkeit  liegt  nur  darin,  wie 
wir  uns  die  Idiosynkrasie  oder  Ueberempfindlichkeit  bei  ge¬ 
wissen  Medikamenten  erklären  sollen.  Denn  alle  Versuche, 
hier  eine  Lösung  zu  bringen,  haben  nur  zur  Aufstellung  von 
Theorien  geführt,  deren  endgültiger  Beweis  noch  aussteht,  soj 
z.  B.  die  Auffassung  von  Bruck  und  M  o  r  o,  dass  die  Medi¬ 
kamente  auf  das  Körpereiweiss  „entarteignend“  wirken 
und  dadurch  zu  Ueberempfindlichkeit  führen.  Trotzdem  scheint 
uns  diese  Anschauung  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu 
haben,  auch  wenn  man  die  Versuche  Brucks  und  Klaus¬ 
ners  über  die  Möglichkeit  einer  passiven  Uebertragbarkeit 
der  Jodoformidosynkrasie  mit  Zieler  nicht  als  beweis¬ 
kräftig  ansehen  und  die  nach  Salvarsan  auftretenden  Ucber- 
empfindlichkeitserscheinungen  mit  letzterem  Autor  als  echte 
Idiosynkrasie  —  gesteigerte  Empfindlichkeit  und 
als  Effekt  einer  kumulierenden  Arsenwirkung  auf¬ 
fassen  will.  Die  Differenzen  liegen  wohl  in  der  Hauptsache 
begründet  in  der  Art  der  Aufassung  des  Begriffes  Ueber¬ 
empfindlichkeit  (Anaphylaxie).  Wenn  man  mit 
ihm  nur  die  Zustände  bezeichnen  will,  welche  dem  klassi-j 
sehen  anaphylaktischen  Versuche  entsprechen, 
so  wird  man  nicht  berechtigt  sein,  eine  grosse  Reihe  klinischer 
Erscheinungen  mit  ihr  in  Zusammenhang  zu  bringen,  wie  man 
es  heute  tut.  Auch  die  beiden  hier  mitgeteilten  Fälle  ver¬ 
halten  sich  ja  ganz  anders,  indem  bei  dem  ersten  schon  bei  in 
relativ  kurzen  Pausen  wiederholten  Arsendosen  ein  initialesj 
Exanthem  sich  entwickelte,  und  auch  bei  dem  zweiten  Fallt 
das  Exanthem  bei  fortlaufender  Dosierung  auftrat,  also 
nicht  in  der  speziellen  Anordnung  des  ana¬ 
phylaktischen  Versuchs.  Zudem  sind  auch  die  Ver¬ 
suche  Brucks,  die  Arsenüberempfindlichkeit  passiv  zu  über¬ 
tragen,  nicht  gelungen.  Anders  verhält  es  sich  dagegen,  wenn 
man  den  Begriff  der  Anaphylaxie  in  dem  weiten  Sinne 
fasst,  wie  es  ausführlich  insbesondere  von  Schittenhelm 
dargestellt  wird,  und  unter  diesem  Namen  alle  die  Folge¬ 
zustände  zusammenfasst,  die  durch  einen  parenteralen  Ei¬ 
weissabbau  überhaupt  hervorgerufen  werden,  sowie  die 
Krankheitsgruppen,  denen  allen  das  einheitliche  Moment  zu¬ 
kommt,  dass  die  Noxe  in  eiweissartigen  Stoffen  und  Eiweiss¬ 
abkömmlingen  resp.  in  den  Produkten  der  parenteralen  Ei¬ 
weissverdauung  oder  der  Eiweisshydrolyse  zu  suchen  ist 
(Schittenhel m).  Und  zwar  kommt  hier  nicht  nur  das 
art  f  r  e  m  d  e,  sondern  auch  das  arteigene  Eiweiss  in 
Frage,  d.  h.  die  Symptome  der  Ueberempfindlichkeit  würden 
nicht  nur  ausgelöst  durch  den  parenteral  erfolgenden  Abbau 
artfremden  Eiweisses,  sondern  auch  durch  den  (qualitativ 
oder  quantitativ)  gestörten  Abbau  des  arteigenen  Ei¬ 
weisses  (unter  Bildung  und  Uebertritt  blutfremder  und  organ¬ 
fremder  Körper  in  das  Blut  und  an  die  Organe).  So  hätten 
wir  uns  die  Ueberempfindlichkeitssymptome,  die  wir  bei  den 
Arzneiexanthemen  sehen,  zu  denken  als  Reaktionen  auf  die 
Schädigungen,  die  durch  die  Einführung  des  Medikamentes  am 
körpereigenen  Eiweiss  vor  sich  gehen,  resp.  ausgelöst  werden 
durch  die  Verbindungen,  welche  z.  B.  das  Arsen  mit  dem 
körpereigenen  Eiweiss  eingeht,  die  dann  als  blut-  und 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  -  WOCHENSCHRIFT. 


80,3 


April  1913. 


iganfremd  zirkulieren,  also  im  Bruckschen  Sinne  als 
tarteignetes“  Eiweiss  wirken.  Die  Ueberempfindlichkeit 
Körpeis  bestände  dann  zunächst  in  einer  primär  vor- 
denen  Widerstandsunfähigkeit  oder  Herabsetzung  des 
pereiw.isses  gegenüber  den  Arsenpräparaten  resp.  einer 
teigerten  Empfindlichkeit.  Ob  daneben,  wenn  einmal  die 
tktion  aufgetreten,  die  betreffenden  Körper  sich  gebildet 
en  und  zirkulieren,  nun  durch  diese  wieder  eine  „U  m  - 
mmung“  der  Körperzellen  im  allergischen  Sinne  erfolgt, 
für  die  Frage  der  Eosinophilie,  die  uns  hier  beschäftigt, 
inglos. 

Wir  haben  schon  früher  auseinandergesetzt,  dass  wir 
verschiedenen,  experimentellen  und  klinischen  Eosino- 
icn  einen  Zusammenhang  annehmen  und  beweisen  konnten 
den  Problemen  der  Anaphylaxie,  wobei  wir  die  Ana- 
ylaxie  in  dem  oben  erwähnten,  er  weiter- 
i  Sinne  aufgefasst  haben,  also  mit  den  Pro- 
nen  des  parenteralen  Abbaues  artfremden  oder  des 
änderten  Abbaues  arteigenen  Eiweisses  überhaupt. 
)erall  da,  wo  ein  parenteraler  Abbau  artfremden,  zuge- 
rten  Eiweisses  (wie  z.  B.  im  anaphylaktischen  Ver- 
he)  oder  ein  qualitativ  oder  quantitativ  veränderter  Abbau 
r  eine  Umwandlung  arteigenen  Eiweisses  stattfindet,  kann 
n  unter  Umständen  Eosinophilie  beob- 
hten10).  Dabei  haben  wohl  die  Eosinophilen  keine  aktive 
!e  bei  diesem  Abbau,  es  scheint  vielmehr,  dass  sie  durch 
timinte,  hierbei  auftretende  Abbauprodukte  (Toxine), 
en  Natur  noch  unbekannt  ist,  chemotaktisch  angelockt 
•den.  Wenn  wir  diese  Erklärungsversuche  auch  auf  die 
rnatosen  nach  gewissen  Medikamenten  anwenden 
len.  so  würde  sich  ergeben,  dass  es  infolge  der 
einigung  z.  B.  des  Arsens  mit  dem  Körpereiweiss  zur 
lung  von  Substanzen  kommen  kann,  die  ebenfalls 
motaktisch  auf .  die  Eosinophilen  wirken,  und  zwar  wird 
überall  da  erfolgen,  wo  das  Arsen  an  dem  Organ- 
p.  Zelleiweiss  angreift.  Daher  ist  auch  die  Eosinophilie  in 
n  den  Organen  sehr  stark,  wo  besonders  starke  degetie- 
ve  Veränderungen  vorhanden  waren  (Fall  1).  Die  starke 
inophilie  im  Blute  ist  entwder  so  zu  erklären,  dass  sie  eine 
sagere  Ueberfüllung  mit  Eosinophilen  infolge  der  erhöhten 
den  Anforderung  darstellt,  oder  aber,  dass  die  gewissen 
eine  oder,  allgemein  gesagt,  Eiweissabkömmlinge,  ins  Blut 
rgehen  und  hier  direkt  chemotaktisch  wirken.  Auch  für 
ö  Eosinophilie  der  Haut  bestehen  diese  beiden 
glichkeiten:  entweder  auch  hier  lokale  Zell-  resp. 
w  e  i  s  s  Schädigung  durch  das  Arsen  und  dadurch  lokal  he¬ 
gte  Eosinophilie  oder  Uebertritt  des  anderswo  gebildeten 
eins  aus  dem  Blut  in  die  Haut  und  eine  sekundäre  An¬ 
fang  der  Eosinophilen. 

Diese  Anschauung  über  die  beschriebene  Eosinophilie  bei 
)erempfindlichkeit  gegenüber  Arsenpräparaten  bietet  uns 
Möglichkeit,  auch  diese  und  ähnliche,  in  ihrem  Wesen  un¬ 
geklärten,  allgemeinen  und  lokalen  Eosinophilien  unter  dem 
gelegten  gemeinsamen  Gesichtspunkte  des 
hologisch  veränderten  Eiweissabbaues,  sei  es,  des  par- 
eralen  Abbaues  artfremden  oder  anormaler  regressiver 
änderungen  körpereigenen  Eiweisses,  zu  betrachten  und  zu 
rizieren. 


10)  So  z.  B.  die  Eosinophilie  in  der  Umgebung  von  Blutextra- 
aten,  nach  der  Einführung  von  Erythrozyten  in  die  Bauchhöhle,  in 
Umgebung  von  Tumoren  usw.  Wir  verweisen  auf  unsere  spätere 
■ührliche  Darlegung  (Schlecht:  1.  c.).  Bezüglich  der  Eosino¬ 
iein  der  Umgebung  maligner  Tumoren  findet  sich  eine  neuerliche 
G  ührliche  Darstellung  auf  Grund  eigener  Untere 
lungen  bei  Fischer  (Zieglers  Beiträge  z.  pathol.  Anatomie, 
.55,  1913).  Auch  er  kommt  zu  der  Anschauung,  dass  gewisse 
itstoffe  von  Ei  weissnatur,  welche  sich  bei  den  re- 
issiven  Vorgängen  in  den  Tumoren  bilden,  das  chemotaktische 
ns  für  die  Eosinophilen  darstellen.  Die  Lokalisation  in  der  Um- 
ung  der  Tumoren  spricht  in  gleichem  Sinne,  wie  es  Sehridde 
die  Bedeutung  der  Eosinophilen  bei  der  Entzündung  angenommen 
dafür,  dass  ihnen  bei  der  Bekämpfung  der  im  Bindegewebe  ver¬ 
ölen  Toxine  eine  Rolle  zukommt. 


Aus  der  Hautabteilung  in  Jena.  (Prof.  Spiethoff). 

Die  praktische  Verwendbarkeit  der  provozierenden 
Wirkung  des  Salvarsans. 

Von  Dr.  Kall,  Assistenzarzt. 

Die  positive  Wassermann  sehe  Reaktion  wird  jetzt 
wohl  von  den  meisten  Autoren  einem  klinisch  nachweisbaren 
Symptom  der  Lues  für  gleichwertig  erachtet.  Dass  aber  ein 
negativer  Wassermann  noch  keine  Ausheilung  bedeutet,  dass 
ein  negativer  Wassermann  bei  florider  Lues,  namentlich  in 
Fällen  von  Spätlues,  bestehen  kann,  dass  plötzliche  positive 
Schwankungen  eintreten,  ist  schon  lange  bekannt. 

Häufig  tritt  nun  an  den  Praktiker  die  Frage  heran,  ob  eine 
latente  Lues  mit  negativer  Wa.-R.  als  geheilt  zu  betrachten, 
oder' auch  die  Wa.-R.  zurzeit  nur  latent  ist.  Diesem  früheren 
unsicheren,  oft  verhängnisvoll  werdenden  Zustande  gegenüber 
ist  nun  durch  das  Salvarsan  ein  nicht  unbedeutender  Fort¬ 
schritt  erzielt. 

Wohl  allen  Salvarsantherapeuten  war  eine  ausgesprochen  provo¬ 
zierende  Wirkung  des  Mittels  aufgefallen,  insofern  sie  beobachten 
konnten,  dass  z.  B.  bei  primärer  Lues  in  einer  Reihe  von  Fällen 
der  vorher  negative  Wassermann  nach  der  ersten  Injektion  positiv 
umschlug.  Die  damit  bewiesene  provozierende  Wirkung  des  Sal¬ 
varsans  hat  Gennerich  weiter  nutzbar  gemacht  zur  Entscheidung 
der  Frage,  ob  eine  Lues  mit  negativer  Wa.-R.  zur  Zeit  latent  oder 
ausgeheilt  ist.  Gennerich  schlägt  vor,  diese  Provokation  mit 
Salvarsan  zweimal  auszuführen  und  zwar  nach  1—lA  und  nach 
2  Jahren  mit  fortlaufender.  14  tägiger  Kontrolle  des  Blutes. 

Ueber  das  Wesen  der  Wa.-R.  ist  man  bekanntlich  noch 
nicht  im  klaren.  Sie  ist  keine  spezifische,  von  den  Spirochäten 
selbst  hervorgerufene  Reaktion,  sondern  wird  durch  gewisse, 
im  Blute  kreisende  Reaktionsstoffe  des  Organismus  ausgelöst, 
mit  denen  dieser  auf  die  Infektion  antwortet.  Dieser  Er¬ 
klärungsversuch  macht  es  leicht  verständlich,  dass  im  Anfang 
des  I.  Stadiums  die  Reaktion  noch  negativ  ist. 

Aehnlich  kann  man  sich  das  negative  Ausschlagen  der 
Wa.-R.  in  manchen  Fällen  von  florider  Spätlues  erklären,  bei 
denen  die  Spirochäten  im  syphilitischen  Prozesse  eben  zu  ge¬ 
ring  sind,  oder  so  abgekapselt  liegen,  dass  keine  genügende 
Reaginbildung  oder  Ueberführung  dieser  Stoffe  in  die  Blut- 
bahn  mehr  erfolgt. 

Tritt  nun  Salvarsan  in  solchen  Fällen  an  die  Spirochäten, 
so  werden  diese  aufgescheucht  und  aktiviert.  Unter  seinem 
Einflüsse,  kommt  es  dann  oft  zur  Bildung  von  genügenden 
Reaginen  und  damit  zum  positiven  Ausschlag  der  Wa.-R. 

An  unserer  Klinik  wird  neben  der  Original-Wasserinanu- 
methode  stets  die  Stern  sehe  Modifikation  angestellt,  die 
bekanntlich  ein  schärferer  Gradmesser,  also  ein  feineres 
Reagens,  ist.  Denn  oft  sieht  man  neben  einem  deutlich  posi¬ 
tiven  Stern  noch  eine  negative  Original-Wa.-R.  Ersterer  tritt 
fast  immer  früher  auf  als  die  Original-Wa.-R.  Und  unter 
unserer  spezifischen  Behandlung  sehen  wir  fast  regelmässig 
die  Orig.-Wa.-R.  vor  der  Stern  sehen  Modifikation  negativ 
werden. 

Eine  schwache  Salvarsanbehandlung,  wie  sie  die  Provo¬ 
kationspritze  darstellt,  scheint  auch  klinische  Symptome 
schnell  auslösen  zu  können.  So  wurde  von  Meyer  ein  Fall 
beschrieben,  in  dem  eine  latente  Spätlues  mit  negativer 
Wa.-R.  auf  eine  kleine  Salvarsandosis  mit  einer  stürmischen 
Paralyse  und  positiver  Wa.-R.  antwortete  (Herdreaktion?). 

Die  Blutentnahme  nach  Provokationsspritzen  lässt  Prof. 
Spiethoff  gewöhnlich  am  L,  7.  und  14.  Tage  nach  der  In¬ 
fusion  machen.  Gennerich  schlägt  eine  14  tägige  kon¬ 
tinuierliche  Kontrolle  vor,  die  sich  aber  in  der  Praxis  kaum 
allgemein  durchführen  lässt. 

Wir  benutzen  hier  in  letzter  Zeit  ausschliesslich  Neosal- 
varsan,  vor  allem  wegen  der  Raschheit  der  Fertigstellung  der 
Lösung. 

1 .  In  einer  Reihe  von  primären  L  u  e  s  f  ä  1 1  e  n  m  i  t 
negativer  Seroreaktion  sieht  man  nach  der  ersten 
Salvarsaninfusion  oft  einen  plötzlichen  Umschlag  der  Sero¬ 
reaktion.  Auch  hier  wird  meist  die  Stern  sehe  Modifi¬ 
kation  vor  der  Orig.-Wa.-R.  positiv.  Am  prognostisch 
günstigsten  sind  die  Fälle  anzusehen,  wo  kein  Umschlag 
der  negativen  Seroreaktion  erfolgt.  Diese  Fälle  behandeln  wir 
mit  Salvarsan  allein  ohne  Kombination  mit  Quecksilber. 

2* 


804 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No. 


1.  A.,  21  Jahre,  Lues  I,  P.-A.,  Spir.  pall.  +.  Indol.  Drüsen. 

Infektion  vor  4  Wochen.  5.  VII.  12.  Wa.-R.  000,  St.  000.  6.  VII. 

0,75  N.-S.  =  0,5  S.  13.  VII.  1,05  N.-S.  =  0,7  S.  20.  VII.  Wa.-R.  000. 
St.  0  ++.  7.  VIII.  1,2  N.-S.  =  0,8  S.  17.  VIII.  1,05  N.-S.  =  0,7  S. 

19.  VIII.  Wa.-R.  000,  St.  000. 

Sofort  nach  der  1.  Salvarsaninfusion  hätten  wir  wahrscheinlich 
noch  einen  stärkeren  positiven  Ausschlag  erhalten. 

2.  H.  W,  30  Jahre,  Lues  I,  P.-A.,  indol.  Drüsen.  Infektion  un¬ 
bekannt.  3.  X.  12.  Wa.-R.  000,  St.  +  00,  0,6  N.-S.  =  0,4  S. 

11.  X.  Wa.-R.  +00,  St.  4 — I — H 

3.  M.  W.,  24  Jahre,  Lues  I,  P.-A.,  Spir.  pall.  +,  indol.  Leisten¬ 
drüsen.  Infektion  vor  6  Wochen.  6.  X.  Wa.-R.  00,  St.  0+.  20.  X. 
0,5  S.  sauer.  26.  X.  Wa.-R.  0H — K  St.  H — I — h 

4.  R.  A.,  28  Jahre,  Lues  I,  P.-A.  seit  14  Tagen  bestehend, 

Spir.  pall.  +,  indol.  Drüsen.  7.  XI.  Wa.-R.  000,  St.  000.  8.  XI. 

0,75  N.-S.  =  0,5  S.  10.  XI.  Wa.-R.  000,  ++  0. 

5.  K.  M.,  35  Jahre.  Lues  I,  P.-A.  seit  10  Tagen  bestehend, 

indol.  Drüsen.  16.  X.  12  Wa.-R.  000,  St.  000,  0,6  N.-S.  =  0,4  S. 

25.  X.  Wa.-R.  000,  St.  +++. 

6.  H.  P.,  51  Jahre,  Lues  I.  P.-A.,  indol.  Drüsen,  Infektion  vor 

3  Wochen.  12.  XI.  12.  Wa.-R.  000,  St.  000.  14.  XI.  0,6  N.-S. 

=  0,4  S.  21.  XI.  Wa.-R.  000,  St.  +00. 

7.  D.  D.,  23  Jahre,  Lues  I,  Erosion  am  Frenulum,  indol.  Drüsen, 
Infektion  unbekannt.  6.  I.  13.  Wa.-R.  000,  St.  000.  9.  I.  0,75  N.-S. 
=  0,5  S.  10.  I.  Wa.-R.  +0+,  St.  +0+.  13.  I.  Wa.-R,  -1 — | — (-, 
St.  +0+. 

8.  H.  C.,  26  Jahre,  Lues  1,  P.-A.,  Infektion  am  24.  XII.  24.  1. 
Wa.-R.  000,  St.  000.  27.  I.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  28.  I.  Wa.-R.  +++, 
St.  +0+. 

Dass  aber  auch  eine  positiv  ausfallende  Provokation  nicht 
sicher  beweisend  ist  und  zu  Trugschlüssen  verleiten  kann,  be¬ 
weist  folgender  Fall: 

9.  E.  E.,  49  Jahre.  Seit  etwa  3  Wochen  Anschwellung  des 

Gliedes,  nächtliche  Kopfschmerzen.  Beiderseitige  Skleradenitis, 
starkes  Oedem  des  Präputiums  und  der  Haut  des  Penis.  Das  distale 
Ende  des  Präputiums  ist  von  einem  Geschwür  mit  speckigen,  zer¬ 
nagten  Rändern  eingenommen,  das  von  einer  derben  Infiltration  um¬ 
geben  ist.  Spir.  pall.  0.  29.  I.  Wa.-R.  000,  St.  000,  S.  0,5  schw.  sauer. 

5.  II.  Wa.R.  ++,  St.  00.  12.  II.  S.  0,5  alk.  19.  II.  S.  0,5  alk. 

24.  II.  Wa.-R.  00,  St.  00. 

Auf  den  positiven  Ausfall  der  Orig.-Wa.-R.  hatten  wir  ange¬ 
nommen,  dass  es  sich  um  eine  Lues  handelt.  Merkwürdig  war  ja, 
dass  die  Orig.-Wa.-R.  vor  der  Stern  sehen  Modifikation  positiv 
wurde,  doch  kommt  dies  vereinzelt  vor.  Unsere  Diagnose  erwies  sich 
als  ein  Trugschluss.  Bei  der  Obduktion  fanden  sich  ein  Karzinom  bei¬ 
der  Leistendrüsen  und  Karzinommetastasen  in  den  Lungen.  Es  sind 
ja  auch  von  anderer  Seite  positive  Wa.-R.  bei  malignen  Tumoren  ver¬ 
einzelt  gefunden  worden  und  auch  hier  scheint  also  eine  Provokation 
der  nichtspezifischen  Reaktion  erfolgen  zu  können.  Bei  der  Differen¬ 
tialdiagnose  mit  malignen  Tumoren  scheint  daher  die  Provokation 
nicht  verlässlich  zu  sein. 

2.  Noch  nicht  behandelte  Fälle  von  II  und 
III.  Lues  mit  negativer  oder  zweifelhafter 
S  e  r  o  -  R.,  die  auf  eine  Salvarsanspritze  einen  positiven  Aus¬ 
fall  zeigten. 

1.  E.  J„  22.  Jahre,  Lues  II,  Plaques  muqueuses,  br.  näss.  Papeln. 
5.  VII.  Wa.-R.  000,  St.  000.  6.  VII.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  11.  VII. 
Wa.-R.  +0+  St.  00+. 

2.  T.,  42.  Jahre,  Spätlues  lat.  4.  XI.  10  Wa.-R.  000,  St.  00+. 
19.  XI.  S.  0,6  skap.  12.  XII.  0,5  venös  sauer.  13.  XII.  +++,  St.  +0. 

3.  B.  H.,  23  Jahre,  Lues  III.  Gummöse  Prozesse  des  weichen 

Gaumens.  11.  I.  Wa.-R.  000,  St.  000,  S.  0,4.  15.  I.  Wa.-R.  00+, 

St.  00++. 

4.  Gr.  Fr.,  28  Jahre,  Lues  III,  Zerstörung  des  knorpeligen  und 

knöchernen  Nasendaches.  Inf.  unbekannt.  26.  VIII.  12.  Wa.-R.  000, 
St.  000.  31.  VIII.  0,9  N.-S.  —  0,6  S.  1.  IX.  W.ü.-R.  00+,  St.  000. 

8.  IX.  Wa.-R.  000,  St.  +0. 

5.  St.  0.,  29  Jahre,  Lues  III,  alte  Perforation  des  Gaumens,  nicht 
spez.  behandelt.  27.  VIII.  XII.  Wa.-R.  0,  St.  0.  28.  VIII.  0,45  N.-S. 
=  0,3  S.  2.  IX.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  9.  IX.  1,05  N.-S.  =  0,7  S. 

12.  IX.  Wa.-R.  000,  St.  0++. 

6.  C.  A.,  36  Jahre,  Lues  III,  Ulcera  luet.  der  Unterschenkel. 

7  Frühgeburten.  31.  VII.  12.  Wa.-R.  0,  St.  ?.  6.  VIII.  0,75  N.-S. 

=  0,5  S.  7.  VIII.  Wa.-R.  +,  St.  +. 

7.  G.  M„  24  Jahre,  Lues  II.  Exanthem  im  Juni  1912.  Psoriasis 
palm.  luet.,  Schmierkuren.  3.  I.  Wa.-R.  000,  St.  +0+.  8. 1.  0,6  N.-S. 
=  0,4  S.  15.  I.  Wa.-R.  ±++,  St.  +++. 

8.  Gl.,  latente  Spätlues,  Inf.  1904,  mehrere  Hg-Kuren.  20.  V.  12. 
Wa.-R.  000,  St.  000.  30.  V.  0,5  S.  31.  V.  Wa.-R.  000,  St.  +++.  6.  VI. 
Wa.-R.  000,  St  000.  13.  VI.  Wa.-R.  000,  St.  +0+. 

Wie  wichtig  eine  Provokationsspritze  zur  Beurteilung 
eines  Falles  und  für  unser  therapeutisches  Verhalten  werden 
kann,  beweist 

Fall  10.  H.  A.,  14  Jahre.  Vater  1912  an  einer  Apoplexie  t. 
Auf  Grund  des  Obduktionsbefundes  Hess  die  Mutter  (siehe  3,  Fall  6) 


des  Pat.  ihr  Blut  untersuchen,  das  zunächst  einen  positiven  Ste, 
während  der  Kur  mit  Salvarsan  auch  einen  provozierten  positis  | 
Wassermann  ergab.  Der  Bruder  des  Pat.  mit  kongenitaler,  laten 
Lues  (Wa.-R.  ++,  St.  ++)  stand  hier  schon  in  Behandlung. 

Bei  Pat.  selbst  fanden  sich  klinisch  keine  Anzeichen  einer  k  . 
genitalen  Lues.  *26.  XI.  Wa.-R.  000,  St.  kompl.  1.  XII.  Wa.-R.  i 
St.  kompl.  2.  I.  13.  Wa.-R.  000,  St.  kompl.  4.  II.  Wa.-R.  000,  St.  i 
(nüchtern  geblieben).  12.  II.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  13.  II.  Wa.-R.  i 

St.  4 — b+. 

Wir  ersehen  hieraus,  von  welch  grossem  Werte 
Provokation  für  unser  therapeutisches  Handeln  ist.  Hat 
wir  uns  mit  der  Blutentnahme  begnügt,  oder  die  Wa.  . 
(Original)  allein  gemacht,  so  hätten  wir  die  kongenitale  Li-, 
nicht  erkannt  und  Pat.  wäre  unbehandelt  geblieben. 

3.  In  einer  Reihe  von  Fällen  ist  die  Wa.-R.  am  Ei.' 
der  Kur  stärker  positiv  als  am  Anfang  derselben.  Es  s  .1 
dies  vor  allem  Fälle  von  Spätlues,  oft  trotz  äusserst  inü- 
siver  Behandlung,  in  denen  aber  auch  Fälle,  die  nicht  inten  , 
genug  und  mit  verzettelten  Gaben  behandelt  wurden  :  i 
in  denen  durch  die  Aktivierung  der  Spirochäten  eine  stärk'. 
Reaktion  des  Organismus  und  Reaginbildung,  aber  noch  keic 
Heilung  erzielt  wurde. 

1.  M.  W.,  19  Jahre,  Lues  I,  P.-A.,  indol.  Drüsen,  Infekt! 
8.  VIII.  11.  14.  IX.  11.  0,6  S.  (auswärts).  2.  X.  Wa.-R.  000,  St.  {p 
3.  X.  0,5  S.  sauer.  6.  XI.  Wa.-R.  000,  St.  00+.  9.  XI.  Wa.-R.  01, 
St.  000.  Dann  0,9  S.  und  8  Kalomelinjektionen.  20.  I. 
Wa.-R.  000,  St.  000.  29.  I.  0,5  S.  3.  II.  Wa.-R.  ++,  St.  ++. 

2.  P.  P.,  42  Jahre,  Lues  lat.  III,  strahlige  Narben  am  Gaum 

Inf.  vor  20  Jahren.  9.  III.  12.  Wa.-R.  00,  St.  00.  10.  III.  0,4 ; 

14.  III.  0,4  S.  10.  IV.  Wa.-R.  00,  St.  ++,  0,4  S.  7.  VI.  Wa.-R. 
St.  ++.  12.  VI.  0,4  S.  10.  VII.  0,4  S.  20.  IX.  Wa.-R.  0+,  St 

Beide  Fälle  sind  zu  zögernd  behandelt. 

3.  Q.,  28  Jahre,  Spätlues  lat.,  1908  und  1909  Hg-Kuren.  i- 
fektion  vor  4  Jahren.  25.  I.  12.  Wa.-R.  000,  St.  00+.  Nach  5  Salv 
saninfusionen  (=  2,5  S.)  und  5  Kalomelinjektionen  (ä  0,06)  11.  III.. 
Wa.-R.  ++,  St.  ±+. 

4.  K.  P.,  42  Jahre,  Spätlues  lat.  23.  III.  12.  Wa.-R.  000,  St.  +  4 
Nach  4  Neosalvarsaninfus.  (5,4  N.-S.  =  3,6  S.)  25.  IV.  Wa.-R.  -r 
St.  ++0. 

Bei  diesem  Spätfall  war  nach  4  Infusionen  keine  negative  Wat 
zu  erwarten. 

5.  St.  J.,  29  Jahre,  Spätlues  lat.  Vor  4  Jahren  wegen  br.  niissi 
der  Papeln  hier  14  Injektionen  Arsazetin  und  Jod  innerlich.  Mai  1. 
in  der  Nervenklinik  wegen  Schmerzen  in  der  Lendengegend  und  i 
Potenz.  Letztere  besserte  sich  angeblich  auf  3  Infusionen  S.  ä  5 

27.  VII.  Spinalpunktion:  Druck  180.  Nonne  +++.  Zelm 

29.  VII.  Wa.-R.  000.  St.  000.^  Nach  7  Salvarsaninf.  (=4,2  . 
19.  IX.  Wa.-R.  000,  St.  +++.  Spinalpunktion:  Druck  240.  Nonn;. 
Zellzahl  — ^ — 

6.  H.  E.,  39  Jahre,  Mann  an  Apoplexie  +,  Spätlues  lat.  22.  II.E 
Wa.-R.  00,  St.  ++.  Nach  6  Salvarsaninfusionen  (2,4  S.)  und  9  Me. 
Oelinjektionen  (ä  0,15  Hg)  10.  VI.  Wa.-R.  +0+,  St.  +0+. 

7.  H.  B.,  39  Jahre,  Tabes  dorsalis,  Inf.  vor  20  Jahren,  Hg-Ktiü 
zuletzt  8  Wochen  geschmiert.  29.  VII.  12.  Wa.-R.  000,  St.  +00.  :i 
nalp. :  Druck  110.  Nonne  +++.  Zellzahl  116.  Nach  7  N.-S.h 
fusionen  (6,75  N.-S.  =  4,5  S.)  9.  X.  12  Wa.-R.  000,  St.  +++.  M 
nalp. :  Druck  120.  Nonne  +.  Zellzahl  10,7.  Nach  weiteren  8  N. . 
Infusionen  (7,2  N.-S.  =  4,8  S.)  10.  XII.  Wa.-R.  000,  St.  0++,  0,9  + 
=  0,6  S.  20.  I.  Wa.-R.  0++,  St.  +++. 

4.  In  einer  Reihe  von  Fällen  sicherer  Lues  mit  negati 
Seroreaktion  war  trotz  Provokation  kein  positiver  Ausfall  i 
erzwingen.  Es  sind  dies  Fälle  tertiärer  und  zerebraler  Lin 
Hier  wäre  also  auch  eine  negativ  ausfallende  Provokation 
spritze  für  die  Diagnose  nur  mit  Vorsicht  zu  verwerten. 

1.  M.  Ks.,  24  Jahre,  Lues  III,  Gaumenperforation.  Satteink 

8.  I.  13.  Wa.-R.  000,  St.  000.  9.  I.  0,6  N.-S  =  0,4  S.  10.  I.  Wa.-R.  11 
St.  000.  16.  I.  Wa.-R.  000,  St.  000,  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  231 

Wa.-R.  000,  St.  000. 

2.  L.  H.,  37  Jahre,  zerebrale  Lues,  Drüsen,  Patellarreflexe  - 
steigert,  Romberg  +,  viel  Kopfschmerzen,  Infekt,  unbek.  Spinr 
Wa.-R.  0.  Druck  250.  Nonne:  Opal.  Zellzahl  3.  23.  IX.  12.  Wa\ 
000,  St.  000.  2.  X.  0,3  N.-S.  =  0,2  S.  Hier  fehlt  die  sehr  wich:- 
Untersuchung  des  Blutes  nach  24  Stunden.  7.  X.  Wa.-R.  000,  St. 
Nach  weiteren  3  Neosalvarsaninfusionen  (2,25  N.-S.  =  1,5  S.).  26 ^ 
Wa.-R.  000,  St.  000. 

3.  G.  H.,  24  Jahre,  Lues  II,  kleinpapul.-makul.  Syphilid,  Skier  > 
nitis,  Inf.  15.  X.  10,  bisher  Schmierkur.  14.  XII.  10.  Wa.-R.  +  St. 
Bis  zum  12.  IX.  11  3,3  S.  subkutan  und  intramusk.  und  9  Asuroü 
12.  IX.  11.  Wa.-R.  00+,  St.  +++.  Bis  30.  III.  12  3,5  S.  ven.  c 
0,22  Kalomel.  13.  IV.  bis  13.  V.  10  Merc.-Oel  ä  0,1  Hg.  5. 
Wa.-R.  000,  St.  000.  10.  VII.  Wa.-R.  00+,  St.  000.  15.  VII.  Wa.-R.  11 
St.  0++.  9.  IX.  Wa.-R.  00,  St.  00. 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Während  der  Behandlungspause  trat  Kopf-  und  Nackendruck, 
ier  taumelnder  Gang  auf.  Es  war  uns  zunächst  zweifelhaft,  ob 
es  mit  einer  Salvarsanreizung  oder  zerebraler  Lues  mit  negativer 
o-R.  zu  tun  hatten.  14.  IX.  Spinalpunktion  ergab  erhöhten  Druck, 
st  nichts.  Vom  18.  IX.  bis  7.  XII.  12  9,3  N.-S.  =  6,2  S. 

Während  dieser  energischen  Behandlung  gingen  sämtliche  Er- 
einungen  rasch  zurück,  während  die  Sero-R.  trotz  neuer  Sal- 
sanzufuhr  stets  negativ  blieb.  Wir  hatten  es  also  hier  mit  einem 
seltenen  Fälle  von  Spätneurorezidiv  nach  guter  vorausgegangener 
mndlung  bei  schon  negativ  gewordener  S.-R.  zu  tun. 

5.  Provokationsspritzen  bei  unter  unserer  Behandlung 
;ativ  gewordenen  Luesfällen,  die  auf  Provokation  mit  Sal- 
san  einen  positiven  Ausschlag  zeigten. 

1.  G.  0.,  Lues  I,  P.-A.,  seit  3  Wochen  bestehend,  indol.  Leisten¬ 

sen,  Infektion  vor  6  Wochen.  23.  IV.  11.  Wa.-R.  +,  St.  — , 
0,4  alk.  ven.  27.  IV.  S.  0,4.  26.  V.  Wa.-R.  0,  St.  +,  S.  0,4. 

VI.  Wa.-R.  0,  St.  0.  24.  III.  12.  Wa.-R.  00,  St.  00.  3.  IV.  S.  0,5  (Pr.). 
V.  Wa.-R.  000,  St.  +++.  13.  IV.  Wa.-R.  000,  St.  000.  22.  IV. 
-R.  000.  St.  000. 

2.  M.  H.,  28  Jahre,  Lues  II  lat.,  Infektion  vor  1  Jahr.  März  1910: 
Hg.-Spritzen.  13.  X.  10.  Wa.-R.  +,  St.  +.  20.  X.  S.  0,5  ven. 
X.  S.  0,6  skap.  8.  XII.  Wa.-R.  0,  St.  ‘0.  20.  XII.  10  S.  0,5  ven. 
IX.  11.  Wa.-R.  00,  St.  00.  22.  IV.  12.  Wa.-R.  000,  St.  000.  11.  V. 
),5  (Pr.).  13.  V.  Wa.-R.  000,  St.  000.  20.  V.  Wa.-R.  000,  St.  00+. 
V.  Wa.-R.  00,  St.  00+. 

3.  M.  H.,  37  Jahre,  Lues  III,  Gaumenperforation,  Sattelnase,  ab¬ 

eilte  gummöse  Geschwüre.  Infektion  vor  14  Jahren,  mehrere 
mierkuren.  31.  VII.  11.  Wa.-R.  +,  St.  +.  Bis  17.  II.  12.  S.  3,4  gr. 
sstenteils  sauer  und  8  Hg.-Injektionen.  Sero-R.  seitdem  mehr- 
s  0.  22.  I.  13.  0,5  (Pr.).  23.  I.  Wa.-R.  000,  St.  000.  6.  II. 

,-R.,  00+,  St.  000. 

4.  H.  E.,  46  Jahre,  Lues  III,  tubero-serpig.  Syph.,  Infektion  1896. 
chmierkuren.  7.  IX.  11.  Wa.-R.  0.  St.  kompl.  9.  IX.  S.  0,5  sauer. 
IX.  S.  0,4  sauer.  19.  X.  Wa.-R.  +,  St.  +.  Bis  22.  VII.  12. 

5,0  alk.  und  20  Kalomelinj.  (ä  0,05).  16.  IX.  12.  Wa.-R.  000,. 

000.  13.  I.  13.  Wa.-R.  000,  St.  000.  22.  I.  13.  0,75  N.-S.  =  0,5  S., 
).  23.  I.  Wa.-R.  000,  St.  +0?+.  30.  I.  Wa.-R.  00+,  St.  00 

I.  Wa.-R.  000,  St.  000.  ‘ 

5.  R.  E„  49  Jahre,  Lues  III,  pap.  Syph.  Zahlreiche  Schmier-! 

in  und  viel  Jodkali.  Infektion  1906.  2.  )VII.  12  Wa.-R.  +++ 
+++.  Bis  27,  IX.  N.-S.  5,55  =  3,7  S.  +18  Merc.-Oel  ä  0,14  Hg 

19  Fibrolysininjektionen.  28.  IX.  12.  Wa.-R.  000,  St.  000.  14.  X. 

-R.  000,  St.  ±00.  28.  X.  Wa.-R.  000,  St.  000.  26.  XI.  Wa.-R.  000 
)0±.  6.  I.  13  Wa.-R.  000,  St.  000.  22.  I.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  (Pr.) 
I.  Wa.-R.  000,  St.  +0±.  29.  I.  0++,  St.  000. 

6.  B.  O.,  33  Jahre,  Lues  III.  Narbige  Veränderungen  des  Rachens, 

ldeckels  und  Larynx,  serpigin.  Narben.  Infektion  1907.  Mehrere 
mierkuren.  Frühjahr  1912  einmal  Salvarsan.  11.  VI.  12.  0,75  N.-b. 
0,5  S.  18.  VI.  Wa.-R.  +0,  St.  ++.  Nach  weiteren  7  Neo- 
arsaninfusionen  (6,45  N.-S.  =  4,3  S.)  +  10  Hg.-Injektionen 
3,1  Hg.)  9.  IX.  Wa.-R.  00,  St.  00.  10.  X.  Wa.-R.  0000,  St.  0000. 

I.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  (Pr.).  30.  I.  Wa.-R.  00+,  St.  0+0.  3.  II. 
-R.  000,  St.  000.  6.  II.  Wa.-R.  000,  St.  000. 

7.  W.,  40  Jahre,  Lues  II,  Roseola.  16.  IX.  10.  Wa.-R.  +,  St.  +, 

S.  sauer.  20.  IX.  0,6  S.  musc.  21.  IX.  11.  Wa.-R.  +,  St.  +. 
zum  16.  I.  12  2,5  S.  sauer  +  6  Kalomel  (ä  0,06).  Seitdem  5  mal 
ative  Sero.-R.  5.  II.  13.  0,75  N.-S.  =  0,5  S.  (Pr.).  6.  II. 

-R.  +00,  St.  000.  12.  II.  Wa.-R.  000,  St.  000.  19.  II.  Wa.-R.  000, 

000. 

8.  H.  P„  31  Jahre,  Lues  III  praecox.  Gummöse  Geschwüre  an 
len  Unterschenkeln.  Infektion  1909.  Bisher  Schmierkuren. 
.11.  Wa.-R. +,  St. +.  12.  X.  0,5  S.  16.  X.  0,6  S.  skap.  6.  XII. 
•-R.  0,  St.  0.  10.  XII.  0,5  S.  8.  VII.  12.  Wa.-R.  000,  St.  000. 

VII.  0,9  N.-S.  =  0,6  S.  (Pr.).  23.  VII.  Wa.-R.  000,  St.  0++. 
Fs  ist  dieser  letzte  Fall  nach  unseren  heutigen  Erfahrungen 
zu  schwach  behandelt. 

Da  wir  nun  in  der  Praxis  unmöglich  2  Wochen  lang  täg- 
i  unseren  Patienten  Blut  entnehmen  können,  schon  der 
ien  Kosten  wegen,  so  tritt  an  uns  die  Frage  heran,  an 
lchem  Tage  nach  einer  Provokationsspritze  am  besten  die 
tentnahme  zu  machen  ist. 

Es  scheint  sich  zumal  bei  Spätsyphilisformen  nur  um 
zdauernde  positive  Schwankungen  zu  handeln  und  da  ist 
^ehr  wichtig,  den  richtigen  Termin  zu  wählen. 

Nach  unseren  Erfahrungen  ist  der  erste  Tag  nach  der 
»vokationsspritze  der  wichtigste.  Nur  in  einem  Falle  war 
an  diesem  Tage  noch  negativ  und  eine  ganz  schwache 
itive  Schwankung  trat  erst  am  8.  Tage  auf.  Am  8.  Tage 
I  die  positiven  Ausschläge  schon  seltener  und  am  14.  Tage 
iCn  nur  noch  2  von  6  regelmässig  untersuchten  Fällen  einen 
itiven  Ausschlag.  Die  Reaginbildung  scheint  also  nach  der 
»vokation  langsam  wieder  abzuklingen.  Auch  möchten  wir 
1  Termin  der  Provokationsspritze  nach  den  Erfahrungen  an 
hiesigen  Hautklinik  früher  setzen  als  Gennerich.  Um 


805 


Rezidive  zu  vermeiden,  würden  wir  vorschlagen,  bei  stets 
negativem  Wassermann  die  Provokationsinjektion  schon  nach 
4 — 6  Monaten  vorzunehmen. 

Aus  unseren  Fällen  geht  ferner  hervor,  wie  wichtig  es  ist, 
die  Stern  sehe  Modifikation  neben  der  Orig.-Wa.-R.  auszu¬ 
führen.  Denn  die  Orig.-Wa.-R.  allein  würde  in  einem  grossen 
Prozentsatz  unserer  Provokations-Luesfällc  eine  negative 
Seroreaktion  bedeuten.  Wichtig  ist  es  ferner,  mit  mehreren 
Extrakten  die  Reaktion  anzustellen,  denn  häufig  sieht  man  mit 
dem  einen  oder  anderen,  sonst  guten  Extrakt  einen  negativen 
Ausfall,  während  die  übrigen  Extrakte  positiv  reagieren. 

Die  Provokationsmethode  ist  nach  unseren  Erfahrungen 
für  die  Praxis  sehr  zu  empfehlen  und  geradezu  unentbehrlich 
für  die  geworden,  die  sich  bei  dem  jetzigen  Kurregime  auf  den 
Boden  der  symptomatischen  Behandlung  stellen. 


„Vasocommotio  cerebri“,  ein  neuer  Symptomenkomplex 
von  Gehirnerscheinungen  schwerster  Art  nach  Salvarsan- 
infusionen,  eine  mittelbare  Folge  des  Wasserfehlers* *). 

Von  Dr.  Max  Müller,  dirigierendem  Arzt  der  Abteilung  für 

Hautkrankheiten  am  städtischen  Krankenhaus  zu  Metz. 

Mitten  in  einer  grösseren  Reihe  von  vollkommen  reak¬ 
tionslos  verlaufenen  Salvarsaninfusionen  habe  ich  am  31.  Juli 
des  abgelaufenen  Jahres  4  Salvarsaninjektionen  gemacht,  welche 
sämtlich  von  Magendarmerscheinungen  —  in  sehr  verschie¬ 
dener  Intensität  —  gefolgt  gewesen  sind.  Es  handelt  sich 
um  2  Paare  von  Infusionen;  Fall  1  und  2  stammen  aus  meiner 
Privatpraxis  und  sind  von  mir  selbst  infundiert  worden, 
während  die  zwei  anderen  Fälle  Patientinnen  meiner  Spital¬ 
abteilung  betreffen,  bei  denen  mein  Assistent,  Herr 
Dr.  Schneider,  der  die  Technik  vollkommen  einwandfrei 
beherrscht,  die  Infusionen  gemacht  hat. 

Fall  1  bekam  am  Tage  der  Infusion  drei  Durchfälle  ohne  irgend¬ 
welche  sonstige  Störungen.  Fall  2  hatte  bereits  3i4  Stunden  nach 
der  Infusion  eine  Temperatur  von  39,6  und  bekam  einen  ungemein 
schweren,  geradezu  bedrohlich  aussehenden  Zustand,  der  etwa  5  Tage 
lang  anhielt:  am  ersten  Tage  etwa  20  ganz  dünnflüssige,  diarrhoische 
Stuhlgänge  und  über  12  mal  Erbrechen  —  beides  in  den  folgenden 
Tagen  etwas  seltener  werdend:  dabei  Temperaturen  andauernd  zwi¬ 
schen  39,5  und  40,2.  Dazu  am  4.  Tage  ein  ganz  ungewöhnlich  reich¬ 
liches,  genau  wie  Scharlach  aussehendes  Exanthem,  das  —  zumal  bei 
den  hohen  Temperaturen  —  diagnostisch  von  einem  wirklichen 
Scharlach  kaum  mit  Sicherheit  zu  unterscheiden  war;  nachts  an¬ 
dauernd  schwerste  Fieberdelirien,  die  dauernde  Nachtwache  er¬ 
forderlich  machten;  erst  vom  6.  Tage  ab  allmählich  langsame  Rekon¬ 
valeszenz  bei  wegen  grosser  allgemeiner  Mattigkeit  noch  mehrere 
Tage  andauernder  Bettlägerigkeit. 

Der  3.  Fall  bekam  bei  nur  leichten  Temperatursteigerungen 
(38,2)  am  ersten  Tage  14  stark  diarrhoische  Stuhlgänge,  ohne  nennens¬ 
werte  Störung  des  Allgemeinbefindens. 

Der  4.  Fall,  der  Fall,  der  den  eigentlichen  Gegenstand  meiner 
Mitteilung  bildet,  betrifft  eine  ausserordentlich  kräftige  Puella 
publica  von  24  Jahren  und  82,5  kg  Körpergewicht,  die  am  13.  VII.  12 
wegen  einer  Gonorrhöe  auf  meine  Abteilung  aufgenommen  worden 
war.  Sie  hatte  etwa  6  Monate  zuvor  wegen  einer  damals  angeblich 
frischen  Luesinfektion  bereits  anderwärts  einmal  Salvarsan  intra¬ 
venös  völlig  reaktionslos  erhalten,  war  dann  nicht  mehr  behandelt 
worden,  hatte  bei  ihrer  Aufnahme  auf  meine  Abteilung  einen  „posi¬ 
tiven  Wassermann“,  weshalb  eine  kombinierte  Hg-  und  Salvarsan- 
behandlung  bei  ihr  eingeleitet  wurde.  Herz,  Augen  und  Ohren  ohne 
Besonderheiten.  Urin  frei  von  Eiweiss. 

14.  VII.  Beginn  einer  Hg-Kur  (Inunktionen  ä  4  g). 

20.  VII.  Salvarsan  intravenös  (0,3)  —  ohne  jede  Reaktion. 

31.  VII.  Salvarsan  0,4  intravenös. 

1.  VIII.  Hat  gestern  abend  4  mal  erbrochen,  kein  Fieber,  kein 
Durchfall.  Allgemeinbefinden  nicht  beeinträchtigt. 

2.  VIII.  Pat.  klagt  über  leichtes  Schwindelgefühl,  ist  aber  sonst 
völlig  in  Ordnung.  Ohne  irgend  welche  sonstige  Störungen  hält  das 
Schwindelgefühl  den  ganzen  Tag  über  an,  so  dass  ich  die  Wärterin 
anweise,  sie  solle  des  nachts  öfters  nach  der  Kranken  sehen. 

3.  VIII.  Nachdem  die  Pat.  noch  um  314  Uhr  morgens  der  nach 
ihrem  Befinden  sich  erkundigenden  Wärterin  gesagt  hat:  „Sie  können 
ruhig  schlafen  gehen,  es  ist  mir  zwar  noch  immer  etwas  schwindelig, 
aber  sonst  ganz  wohl“,  wurde  sie  gegen  614  Uhr  etwas  unruhig, 
soll  nach  den  Angabe  der  —  sehr  zuverlässigen  —  Wärterin  um 
6 %  Uhr  „am  ganzen  Körper  gezittert“  haben  und  ist  um  8  Uhr 
vollständig  bewusstlos. 


\ 

*)  Nach  einem  auf  der  84.  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  zu  Münster  i.  W.  (September  1912)  gehaltenen  Vortrage. 


806  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  $ 


Status  um  8  J4  Uhr:  Sensorium  vollständig  auf¬ 
gehoben,  reagiert  aui  Anruf  in  keiner  Weise.  Dagegen  stark 
erhöhte  Reflexerregbarkeit,  grosse  motorische 
Unruhe,  wirft  sich  andauernd  im  Bette  hin  und  her.  Leichte 
Parese  des  linken  Armes.  Die  Patientin  plaudert  fast  an¬ 
dauernd  in  vollkommen  affektloser,  jeder  Pointierung  entbehrender 
Weise  ein  völlig  unverständliches  Gewirr  von  Lauten  und  Silben  vor 
sich  hin.  Plötzlich  entsteht  unter  unseren  Augen  —  ausser  mir 
war  ein  neurologisch  sehr  erfahrener  Kollege,  den  ich  hinzugebeten 
hatte,  und  mein  Assistent  zugegen  —  eine  linksseitige  Fa- 
zialislähmungim  unteren  Fazialisgebiet  von  so  ausgesprochener 
Intensität,  wie  ich  sie  kaum  je  gesehen:  der  linke  Mundwinkel  hängt 
bei  vollständig  verstrichener  Nasolabialfalte  ganz  tief  herab,  so  dass 
zwischen  rechtem  und  linkem  Mundwinkel  eine  Höhendifferenz  von 
etwa  1,5  cm  besteht.  Während  wir  uns  zu  dreien  an  dem  Kranken¬ 
bett  über  den  Fall  und  etwaige  therapeutische  Massnahmen  unter¬ 
halten,  ist  diese  hochgradige  Fazialislähmung,  ebenso 
plötzlich  wie  sie  gekommen,  nachdem  sie  etwa 
20  Minuten  bestanden,  wieder  verschwunden.  Urin 
—  mit  Katheter  entleert  —  frei  von  Eiweiss,  Temp.  37,6,  Puls  96, 
gleich  — -  und  regelmässig. 

Therapie:  Subkutane  Kochsalzinfusion  von  900  ccm, 
ausserdem  Koffein  injektionen  und  Magnesia  usta,  das  ich, 
da  Pat.  vollkommen  bewusstlos  war  und  nicht  schlucken  konnte, 
per  clysma,  stiindl.  1  Esslöffel  in  etwa  100  ccm  CINa-Lösung  geben  Hess. 

Abends  6  Uhr:  Status  unverändert.  Sensorium  andauernd 
vollkommen  aufgehoben,  Pupillen  reagieren;  Urin  (wieder  mit  Ka¬ 
theter  entleert)  frei  von  Eiweiss,  Temp.  38,4,  Puls  96,  voll,  gleich- 
und  regelmässig. 

Lumbalpunktion  versucht,  aber  unmöglich 
wegen  überaus  grossen  Fettpolsters  und  allzugrossen  Widerstrebens 
der  ungemein  kräftigen  Person  (wir  konnten  zu  3  Männern  und  dazu 
2  Wärterinnen  die  Patientin  nicht  ausreichend  ruhig  halten);  Koffein¬ 
injektionen  und  Magnesia  usta  per  clysma  werden  fortgesetzt. 

4.  VIII.  Status  im  allgemeinen  unverändert;  Sensorium  fort¬ 
dauernd  aufgehoben,  nur  hat  man  hie  und  da  den  Eindruck,  als  ob 
die  Patientin  nur  sehr  fest  schliefe:  sie  schnarcht  zeitweise  und 
reagiert  auch  zeitweise  auf  stärkeren  Anruf  ein  wenig,  ohne  indessen 
ganz  zum  Bewusstsein  zu  kommen  und  ohne  ein  Wort  zu  sprechen. 
Temp.  38,6,  Puls  76,  von  mittlerer  Fülle,  gleich-  und  regelmässig 
Atmung  22  in  der  Minute,  regelmässig.  Urin  (durch  Katheter  entleert) 
frei  von  Eiweiss. 

Therapie:  nochmalige  subkutane  Kochsalzinfusion 
von  600  ccm;  K  0  f  f  e  i  n  injektionen  sowie  Magnesia  usta  per 
clysma  werden  fortdauernd  weitergegeben. 

6  Uhr  nachm.:  Pat.  macht  im  allgemeinen  vielleicht  einen 
etwas  besseren  Eindruck,  obwohl  sie  sich  noch  immer  andauernd 
in  vollkommener  Somnolenz  befindet.  'Gegen  6}4  Uhr  tritt  plötzlich 
eine  ganz  auffallende  Zyanose  des  ganzen  Gesichtes  auf,  die 
nach  Verlauf  von  einer  halben  Stunde  wieder  völlig  ver¬ 
schwunden  ist.  Gleichzeitig  mit  dem  Auftreten  der  Zyanose 
wird  plötzlich  bemerkt,  dass  die  Atmung  zeitweise  für  die  Dauer 
von  1- — 3  Atemzügen  aussetzt.  Die  Atmung  zeigt  in  ganz  typi¬ 
scher  Weise  das  C  h  e  y  n  e  -  S  t  0  k  e  s  sehe  Phänomen:  3  bis 
6  Atemzüge,  erst  sehr  tief,  allmählich  flacher  werdend  und  dann  für 
die  Dauer  von  1 — 3  Atemzügen  vollkommen  aussetzend.  Aber 
während  dieser  ganzen  Zeit  reagiert  die  Patientin  auf  stärkere  Reize 
(nasse  Tücher  plötzlich  auf  die  Brust  gelegt,  Aether  vor  die  Nase) 
schwach,  aber  deutlich  mit  Abwehrbewegungen.  Puls  zu  dieser 
Zeit  stark  verlangsamt,  zeitweise  bis  auf  56  herab,  zeigt  aber 
keineswegs  ausgesprochen  den  Charakter  des  Druckpulses.  Bei 
längerer  Beobachtung  fällt  nun  ein  ausserordentlich  be¬ 
merkenswertes  Phänomen  auf:  sowohl  das  Cheyne- 
Stokes  sehe  A  t  m  ungs  p  häno  m  e  n  wie  auch  die  Pulsfre¬ 
quenz  sind  von  einer  ganz  auffallenden  Labilität: 
Cheyne-Stokes  etwa  5  Minuten  lang  ganz  ausge¬ 
sprochen  deutlich,  und  dann  wieder  ist  die  Atmung 
einige  Minuten  lang  völlig  regelmässig,  zwar 
flach,  aber  ohne  Pausen,  18  in  der  Minute.  Und 
ebenso  der  Puls:  jetzt  eine  ganz  ausgesprochene 
Verl  an  gsainung  bis  auf  56  h  e  r  a  b  und  10  Minuten 
später  wieder  76.  Diese  ausserordentliche  Labili¬ 
tät  dieser  schweren  zerebralen  Symptome  wie¬ 
derholt  sich  andauernd  immer  wieder  von  neuem. 

Therapie:  K  0  f  f  e  i  n  injektionen,  hie  und  da,  soweit  es  mög¬ 
lich,  die  Patientin  zum  Schlucken  zu  veranlassen,  etwas  Sekt,  da¬ 
neben  Kiysmata  mit  Magnesia  usta  und  starke  Hautreize 
(plötzliche  Applikation  von  kalten,  nassen  Tüchern  auf  die  Brust). 

5.  VIII.,  9  Uhr  vorm:  Die  besprochene  Labilität 
in  dem  Rhythmus  der  Atmung  und  der  Pulsfrequenz 
hat  bis  gegen  4  Uhr  morgens,  also  im  ganzen  etwa 
10  Stunden  lang,  angehalten,  ist  aber  jetzt  nicht 
mehr  zu  konstatieren.  Somnolenz  dauert  weiter  an. 

6  Uhr  nachm.:  Nachdem  die  Patientin  nunmehr  über  zwei 
volle  Tage  andauernd  sich  in  tiefster  Somnolenz  befunden  hat,  dabei 
aber  zeitweise  (wenn  auch  selten)  auch  wieder  den  Eindruck  ge¬ 
macht  hat,  als  ob  sie  nur  tief  und  fest  schliefe  (Schnarchen!),  ist  sie 
gegen  5  Uhr  nachm,  erwacht,  hat  sich  mit  der  Wär¬ 
terin  unterhalten  und  allerlei  einfache  Fragen 


derselben  richtig  beantwortet.  Auf  meine  Frage, 
es  ihr  ginge,  antwortet  sie:  „ganz  gut“;  sie  fühlt  sich  sehr  m,j 
und  macht  den  Eindruck  etwa  wie  jemand,  der  aus  ei  1- 
langen  und  tiefen  Ohnmacht  erwacht  ist.  Sie  > 
keinerlei  Erinnerung  an  die  Vorgänge  der  letzt, 
zwei  Tage,  weiss  nichts  über  vorhanden  gewesene  Schmer 
anzugeben,  weiss  auch  von  den  beiden  subkutanen  Kochsalzinfusio  r 
sowie  von  dem  misslungenen  Versuch  der  Lumbalpunktion  abs  n 
nichts,  obwohl  sie  bei  diesen  Vorgängen  mit  ganz  enormen  Kori • 
kräften  heftigsten  Widerstand  geleistet  hatte. 

Sie  hat  kurz  nach  6  Uhr  nach  der  Bettpfanne  verlangt  und  t 
Fäzes  geformte,  völlig  weisse  Massen  (Magnesia  ust:; 
entleert. 

Abgesehen  von  grosser  Mattigkeit  klagt  sie  zurzeit  über  ni<b 
und  hat  grossen  Appetit. 

6.  VIII.  Patientin  hat  leidlich  gut  geschlafen,  fühlt  sich  nk 
immer  sehr  matt,  aber  sonst  wohl.  Puls  64  (!),  Resp.  22,  bei-; 
gleich-  und  regelmässig. 

7.  VIII.  Gut  geschlafen;  fortschreitendes  Wohlbefinden.  Ifc 
64  (!);  Resp.  21,  beides  gleich-  und  regelmässig. 

8.  VIII.  Puls  64  (!),  Resp.  21,  beides  gleich-  und  regelrnäsk 
Temperatur  ist  in  den  ganzen  letzten  Tagen  andauernd  normal  ; 
wesen. 

9.  VIII.  Patientin  ist  ausser  Bett.  Puls  72,  Resp.  23.  (Es  hat  „1 
nach  dem  Abklingen  der  schweren  Gehirn  ersch 
n  ungen  noch  volle  vier  Tage  eine  ausgesprochen 
leichte  Pulsverlangsamung  fortbest  a.n  de  n.) 

Wenn  wir  nun  das  Gesagte  überblicken,  so  ist  aus  dn 
selben  zweierlei  hervorzuheben: 

I.  Mitten  in  einer  grösseren  Reihe  von  vollkommen  rek 
tionslos  verlaufenen  Salvarsaninfusionen  habe  ich  am  31.  1 
4  Infusionen  gemacht  bezw.  durch  meinen  Assistenten  macfi 
lassen,  und  alle  vier  haben  Magendarmerscheinungen  s 
kommen  (Fall  1  und  4  sehr  leicht,  Fall  3  etwas  schwerer  u 
Falt  2  ausserordentlich  schwer).  Meiner  Ansicht  n:l 
zwingt  das  geradezu  zu  der  Annahme,  dass  diesen  Magi 
darmstörungen  eine  einheitliche,  gemeinsame  Ö 
Sache  zugrunde  gelegen  haben  muss.  Nun  haben  aber  1 
zu  diesen  Infusionen  verwendeten  Salvarsanampullen  nii 
die  gleiche  Kontrollnummer  gehabt,  der  infundierende  k. 
war  nicht  derselbe  (die  zwei  Privatpatienten  habe  ich  ses 
infundiert,  die  zwei  Spitalpatientinnen  mein  Assistent).  1 
verwendete  Instrumentarium  ist  nicht  das  gleiche  gewen 
und  auch  das  Hilfspersonal  war  nicht  das  gleiche,  —  kurz,) 
4  Infusionen  hatten  absolut  nichts  miteinander  gerne 
sam  als  die  verwendete  Kochsalzlösung,  1 
von  dem  gleichen  Apotheker  früh  morgens  destilliert  i< 
sterilisiert  und  dann  nach  9  Uhr  vormittags  zur  Hälfte  11 
meine  Spitalsabteilung,  zur  anderen  Hälfte  nach  einem  ande:; 
Krankenhaus,  in  dem  ich  meine  Privatpatienten  behandle,  e 
liefert  worden  ist.  Das  heisst  aber  nichts  anderes,  als  cs 
hier  die  Ursache  dieser  Magen-Darmstör ungi 
in  der  verwendeten  Kochsalzlösung  gesucht  wen 
muss,  mit  anderen  Worten,  es  kan  11  hier  nur  irgend  etu 
von  denjenigen  Dingen,  die  unter  dem  Namen  „W assc 
fehler“  zusammengefasst  werden,  als  Causa  movens  ii 
Frage  kommen.  Welcher  Art  des  genaueren  im  vorliegend 
Falle  dieser  wohl  als  zweifellos  vorhanden  gewesen  aru 
nehmende  „Wasserfehler“  gewesen  ist,  darüber  kann  ich  ii 
Urteil  leider  nicht  abgeben,  weil  die  von  den  Infusionen  ülis 
gebliebenen  Reste  der  Kochsalzlösung,  wie  das  ja  gewöhn:! 
geschieht,  bereits  weggegossen  waren,  als  die  Störungen  e 
den  Patienten  auftraten,  so  dass  eine  Untersuchung  der  Kn 
Salzlösung  nachträglich  nicht  mehr  möglich  war.  — 
merkenswert  ist  auch  die  ausserordentliche  Verschieden  i 
in  der  Intensität  der  in  den  vier  Fällen  aufgetretenen  MajF 
Darmstörungen;  ob  diese  Verschiedenheiten  darauf  zurüc 
geführt  werden  müssen,  dass  die  zu  supponierende  Nee 
welche  in  dem  Wasser  vorhanden  gewesen  sein  muss,  in  : 
einzelnen  Teilen  desselben  in  verschiedener  Menge  sich 
fanden  hat,  oder  aber  ob  diese  graduellen  Verschiedenhe  1 
m  individuellen  Verschiedenheiten  bei  den  vier  Patienten  ih’i 
Grund  haben,  das  lässt  sich  wohl  kaum  mit  Sicherheit  <t 
scheiden.  Eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  scheint  für  i< 
letztere  Annahme  zu  sprechen,  wenigstens  hat  mir  der  Pro* 
Patient  des  Falles  2,  der  die  allerschwersten  Magen-Dai 
Störungen  bekommen  hat,  nachträglich  angegeben,  dass  er 
reits  einige  Tage  vor  der  Infusion  „mit  seinem  Magen  m 
ganz  in  Ordnung“  gewesen  sei. 


15.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


807 


Das  wäre  also  das  eine,  was  aus  den  obigen  Ausführungen 
icrvorgehoben  zu  werden  verdient:  aus  dem  ganzen  Zu¬ 
sammenhänge  geht  mit  einer  kaum  anzuzweifelnden  Sicherheit 
icrvor,  dass  für  die  nach  jenen  vier  Salvarsaninfusionen  auf- 
betretenen  Magen-Darmstörungen  eine  gemeinschaft- 

i  c  h  e  Ursache  angenommen  werden  muss  und  dass  als 
olche  unter  den  geschilderten  Umständen  gar  nichts  anderes 

ii  Frage  kommen  kann  als  der  „W  asser  fehle  r“. 

II.  Und  weiterhin  erheischt  eine  besondere  Beleuchtung 
ler  oben  ausführlich  wiedergegebene  Decursus  morbi  in  dem 
zierten  jener  vier  Fälle.  Derselbe  stellt,  soweit  ich  die 
uteratur  übersehe,  ein  vollkommenes  Novum  dar: 
ienn  wenn  auch  jede  einzelne  der  oben  in  dem  Verlaufe  des 
'alles  geschilderten  Erscheinungen  etwas  längst  bekanntes  ist, 
;o  ist  doch  das  hervorstechendste  Moment  an  allen  jenen 
;chweren  zerebralen  Symptomen,  die  ungemein  auffallende, 
chnellc  Veränderlichkeit,  die  Labilität  der¬ 
selben,  etwas,  was  meines  Wissens  noch  nie  beschrieben 
.vorden  ist. 

(Ich  möchte  nicht  unterlassen,  ausdrücklich  zu  betonen, 
lass  an  der  tatsächlichen  Richtigkeit  der  Beobachtungen  gar 
iein  Zweifel  bestehen  kann;  wir  sind  fast  andauernd  drei,  ge- 
egentlich  auch  vier  Kollegen  zusammen  an  den  Beob¬ 
ichtungen  beteiligt  gewesen.) 

Wenn  wir  den  Verlauf  des  Falles  unter  Fortlassung  alles 
viebensächlichen  noch  einmal  kurz  rekapitulieren  sollen,  so 
taben  wir  also  nach  der  Infusion: 

Am  1.  Tage :  ViermalErbrechen  bei  sonst  völligem  Wohl- 

iefinden. 

Am  2.  Tage:  Vollkommen  ungestörtes  Allgemeinbefinden. 

Am  3.  Tage:  Leichtes  Schwindelgefühl  bei  sonst 
benfalls  ungestörtem  Wohlbefinden. 

Am  4.  Tage :  Ganz  plötzlich  früh  morgens  vollkommene 
Bewusstlosigkeit  mit  grosser  motorischer  Unruhe. 
Jm  9  Uhr  tritt  plötzlich  eine  ungewöhnlich  starke  links¬ 
eitige  Fazialislähmung  (unterer  Ast)  auf,  die  nach  etwa 
0  Minuten  plötzlich  wieder  verschwunden  ist.  Da¬ 
eben  leichte  Parese  des  linken  Armes. 

Am  5.  Tage:  Bei  andauernder  vollkommener  Sornno- 
enz  nachmittags  614  Uhr  plötzlich  starke  Zyanose  des 
iesichts,  die  nach  etwa  30  Minuten  wieder  verschwun- 
en  ist.  Ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  Auftreten  dieser  Zyanose: 
u ^gesprochenes  Cheyne-Stokessches  Atmungs- 
hänomen  und  starke  Pulsverlangsam  ung,  beides  in 
usserordentlich  auffallender  Labilität  etwa  10  Stunden 
n  h  a  1 1  e  n  d. 

Am  6.  Tage:  Vormittags  noch  fortbestehende  Somnolenz,  nach- 
littags  nach  5  Uhr  plötzliche  Lösung  des  schweren 
.rankheitsbildes:  Wiederkehr  des  Bewusstseins 
nd  Verschwinden  aller  Krankheitssymptome; 
tarke  Mattigkeit,  vollkommener  Erinnerungsdefekt  für  die  beiden 
itztvergangenen  Tage.  Als  einziges  Symptom  besteht  noch 
ine  Pulsverlangsamung. 

Am  7.  bis  9.  Tage:  Bei  sonst  vollkommen  wiederhergestelltem 
' ohlbefinden  besteht  eine  ausgesprochene  Pulsverlang- 
amung  weiter  fort,  die  erst 

am  10.  Tage  ebenfalls  verschwunden  ist. 

Das  Auffallendste  an  diesem  Verlaufe  bleibt  die  grosse 
- abilität  so  schwerer  zerebraler  Krankheitserscheinungen, 
vie  sie  die  F  a  z  i  a  1  i  s  1  ä  h  m  u  n  g,  die  Zyanose  des  Ge¬ 
ich  t  s,  das  Cheyne-Stokes sehe  Atmungsphäno- 
i e n  und  die  Pulsverlangsamung  darstellen. 

Wie  soll  man  sich  eine  solch  schnelle  Veränderlichkeit 
o  schwerer  Gehirnsymptome  erklären? 

Wir  sind  gewohnt,  bei  der  plötzlichen  Entstehung  einer 
azialislähmung  an  eine  Apoplexie  infolge  eines  thromboti- 
chen  oder  embolischen  Prozesses  oder  an  irgend  eine  patho- 
}gisch-anatomische,  organische  Veränderung  zu  denken, 
ie  an  irgend  einer  Stelle  auf  dem  Verlaufe  des  Nerven  sich 
usbildet  und  zu  einer  Funktionsstörung  desselben  führt,  sei 
s,  dass  es  sich  um  eine  Erkrankung  des  Nerven  selbst  handeln 
löge  oder  um  eine  Erkrankung  der  Umgebung  desselben,  die 
u  einer  Kompression  desselben  führt.  Von  einer  derartigen 
gendwie  gearteten  pathologisch-anatomischen  organischen 
eränderung  kann  in  unserem  Falle  natürlicherweise  gar 
eine  Rede  sein,  da  solche  organische  Veränderungen  sich 
i  doch  nicht  in  20  oder  30  Minuten  zurückbilden 
önnen.  Artgesichts  des  schnellen  Verschwin- 
ens  der  Fazialislähmung  kann  als  patho- 


|  genetisches  Moment  meiner  Ansicht  nach  gar 
n  i  c  t  h  s  anderes  in  Frage  kommen,  als  v  a  s  o  mo¬ 
to  r  is  c  h  e  S  t  ö  r  un  g  e  n,  sei  es  nun,  dass  es  sich  um 
spastisch-anämische  Zustände  handelt,  die  durch  ungenügende 
oder  gänzlich  unterbrochene  Ernährung  des  Nerven  an  irgend 
:  einer  Stelle  denselben  in  seiner  Funktion  beeinträchtigen,  oder 
dass  es  sich  um  hyperämische,  also  Dilatationsvorgänge  an 
den  Gefässen  handelt,  die  infolge  ihrer  Erweiterung  an  irgend 
einer  Stelle  zu  einer  Kompression  des  Nerven  führen  und  da- 
|  durch  zu  dem  gleichen  Endresultat,  einer  Funktionsstörung  im 
Nerven  Veranlassung  geben  können.  Solche  vasomotori¬ 
sche  Störungen  können  sich  naturgemäss  unter  g  ii  n  - 
s  t  i  g  e  n  Umständen  relativ  sehr  schnell  wieder  zu¬ 
rückbilden  und  dadurch  auch  die  durch  sie  verursachte 
Störung  in  der  Funktion  des  betroffenen  Nerven  wieder  zum 
Schwinden  kommen  lassen.  Durch  solche  vasomotori¬ 
sche  Störungen  aber  und  zwar  meiner  Ansicht  nach 
nur  durch  sie,  lassen  sich  auch  alle  übrigen  Er¬ 
scheinungen,  die  in  dem  Falle  zur  Beobachtung  ge¬ 
kommen  sind,  völlig  zwanglos  erklären:  sowohl  das 
Entstehen  der  Parese  des  linken  Armes  wie  auch 
das  Wiederverschwinden  derselben  nach  Verlauf 
einiger  Stunden;  ebenso  auch  die  plötzlich  aufgetre¬ 
tene  und  nach  etwa  einer  halben  Stunde  wiederver¬ 
schwundene  Zyanose  des  Gesichtes  sowie 
schliesslich  auch  das  Entstehen  des  Cheyne-Stokes- 
schen  Atmungsphänomens  und  der  Pulsverlang¬ 
samung  und  endlich  auch  das  mehrere  Stunden 
lang  andauernde,  immer  wieder  von  neuem  zu  beobachten 
gewesene  Wied  e.r  verschwinden  und  Wiederauf¬ 
treten,  die  Labilität  dieser  so  bedrohlich  aus¬ 
sehenden  Erscheinungen.  (Es  kommt  zwar  bei 
urämischen  und  anderen  ähnlichen  Zuständen  nicht  ganz  selten 
vor,  dass  ein  Cheyne-Stokes  sches  Atmungsphänomen 
sich  wieder  zurückbildet  und  in  Genesung  ausgeht;  eine  der¬ 
artige,  lang  andauernde  Labilität  solcher  schwerer  Erschei¬ 
nungen,  wie  sie  hier  zu  beobachten  war,  ist  aber  meines 
Wissens  bisher  noch  nie  beobachtet  oder  beschrieben  worden.) 

Der  besseren  Verständigung  halber  habe  ich  versucht,  dem 
durch  die  betonte  Labilität  seiner  Symptome  charakterisierten 
und  durch  vasomotorische  Störungen  verursachten  Krank¬ 
heitsbilde  einen  Namen  zu  geben  und  möchte  dasselbe  als 
„Vasocommotio  cerebri“  bezeichnen. 


Wenn  nun  nach  dem  Gesagten  der  beschriebene  Fall  an 
und  für  sich  ein  gewisses  Interesse  beanspruchen  darf;  so 
ist  meines  Erachtens  die  Bedeutung  des  Falles  damit  nicht  er¬ 
schöpft,  indem  derselbe  zu  einigen  Fragen  allgemeinerer  Natur 
Veranlassung  gibt,  die  ich  nicht  unterlassen  möchte,  hier 
wenigstens  kurz  anzudeuten,  da  der  Fall  mir  geeignet  erscheint, 
ein  grosses,  zurzeit  im  Vordergrund  des  Interesses  stehendes 
Gebiet,  die  Frage  nämlich,  wie  die  Encephalitis- 
haemorrhagica-Todesfälle  nach  Salvarsan 
zu  erklären  sind,  von  einer  ganz  neuen  Seite 
zu  beleuchten  und  diese  Frage  vielleicht 
wenigstens  einer  teilweisen  Klärung  ent¬ 
gegenzuführen. 

Indem  ich  mir  eine  detailliertere  Erörterung  der  hier  ein¬ 
schlägigen  Fragen  für  eine  andere  Gelegenheit  Vorbehalte, 
möchte  ich  hier  nur  mit  wenigen  Worten  die  Hauptsachen 
dessen,  worauf  es  mir  ankommt,  andeuten. 

Aus  mancherlei  bei  anderer  Gelegenheit  näher  zu  er¬ 
örternden  Gründen  bin  ich  zu  der  Auffassung  gelangt,  dass  die 
schweren  Gehirnerscheinungen  in  dem  geschilderten  Falle  als 
eine  —  mittelbare  —  Folge  der  vorausgegangenen  Magen- 
Darmerscheinungen  anzusehen  und  erst  durch  diese  bedingt 
sind.  Dann  wäre  aber  nach  dem  vorher  Gesagten  weiterhin 
anzunehmen,  dass  der  „W  a  s  s  e  r  f  e  h  1 e  r“  auch  als  eigent¬ 
liche  Grundursache  der  schweren  zerebralen 
Störungen  anzusehen  ist  —  in  mittelbarem  Zu¬ 
sammenhänge,  auf  dem  Umwege  über  die  Magen- 
Darmerscheinungen,  Nun  bestehen  aber  weiterhin 
zwischen  jener  „Vasocommotio  cerebri“  und  den  Fällen  von 
Encephalitis  haemorrhagica  offenbar  sowohl  klinisch  wie  — 
meiner  Ansicht  nach  —  auch  pathogenetisch  nur  graduelle 


808 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15 


Unterschiede.  Und  hieraus  würde  sich  die  fernere  Folgerung 
ergeben,  dass  auch  dieEncephalitishaemorrhagica 
mittelbar  auf  den  „W  asserfehler“  zurückzu¬ 
führen  sein  dürfte,  oder  —  vorsichtiger  ausgedrückt  — 
dass  der  „Wasserfehler“  eine  der  Ursachen  sein  dürfte, 
die  nach  Salvarsaninfusionen  gelegentlich  zur  Encephalitis 
haemorrhagica  führen  können. 

Nach  alledem  neige  ich  zu  der  Annahme, 
dass  der  „W  asserfehler“  zunächst  die  Magen- 
Darmstörungen  verursacht,  die  eine  Art  in¬ 
testinale  Autointoxikation  dar  stellen,  und 
dass  erst  diese  ihrerseits  —  durch  die  Bildung 
irgend  welcher  uns  zur  Zeit  nicht  bekannter 
toxischer  Substanzen  —  die  schweren  Ge¬ 
hirnerscheinungen  verursachen.  Diese  Ge¬ 
hirnerscheinungen  haben  ihre  Unterlage  zu¬ 
nächst  in  vasomotorischen  Störungen  („V aso- 
commotio  cerebr  i“)  und  sind,  solange  es  bei 
solchen  bleibt,  reparabel.  Sobald  diese 
vasomotorischen  Störungen  aber  gewisse 
zeitliche  oder  Intensitätsgrenzen  über¬ 
schreiten,  so  kommt  es  zu  Blutungen  in  die 
Gehirnsubstanz  und  zu  konsekutiven  Ent¬ 
zündungsvorgängen,  die  dann  nicht  mehr  re¬ 
parabel  sind  und  zum  Exitus  führen  (Encepha¬ 
litis  haemorrhagica). 

Diese  auf  den  ersten  Blick  vielleicht  etwas  befremdliche 
Auffassung  wird  an  Wahrscheinlichkeit  sicherlich  gewinnen, 
wenn  ich  hier  nur  kurz  daruf  hinweise,  dass  auch  sonst  — 
ganz  unabhängig  vom  Salvarsan  —  Magen-Darmstörungen 
durch  die  Vermittelung  einer  intestinalen  Autointoxikation  zu 
einer  Encephalitis  haemorrhagica,  ja  sogar  zu  Psychosen 
führen  können,  wie  in  der  neurologischen  Literatur  von  einer 
Reihe  von  Autoren  ausführlich  dargelegt  worden  ist.  Ins¬ 
besondere  ist  von  Sträussler1)  u.  2)  darauf  hingewiesen 
worden,  dass  „Störungen  in  der  Verdauungs¬ 
tätigkeit  in  der  Aetiologie  der  Encephalitis 
haemorrhagica  von  auffallender  Häufigkeit“ 
sind  und  dass  man  sie  „in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
unter  den  Frühsymptomen  der  Enzephalitis 
verzeichnet“  findet. 

Ob  meine  „Vasocommotio  cerebri“  von  selbst  oder  in¬ 
folge  der  eingeleiteten  Therapie  (subkutane  Kochsalz¬ 
injektionen  und  Magnesia  usta)  in  Heilung  ausgegangen  ist,  ist 
natürlich  kaum  mit  Sicherheit  zu  beurteilen.  Wie  überaus 
vorsichtig  man  in  dieser  Beziehung  sein  muss,  zeigt  gerade 
auch  die  in  meinem  Falle  versuchte,  aber  nicht  zur  Ausführung 
gelangte  Lumbalpunktion.  Wäre  sie  tatsächlich  gelungen,  so 
wäre  man  ohne  Zweifel  sehr  dazu  geneigt  gewesen,  gerade 
ihr  den  Hauptanteil  an  dem  glücklichen  Endausgange  zuzu¬ 
schreiben.  —  Dass  die  Magnesia  usta  an  letzterem  beteiligt 
gewesen  sei,  scheint  mir  schon  aus  dem  Grunde  sehr  zweifel¬ 
haft,  weil  sie  (wie  oben  bemerkt)  in  grossen  geformten  Massen 
wieder  entleert  und,  wenn  überhaupt,  so  jedenfalls  in  nur  sehr 
geringen  Mengen  resorbiert  worden  ist.  —  Dagegen  besteht 
sehr  wohl  die  Möglichkeit,  dass  grosse  Kochsalz¬ 
infusionen  in  der  Tat  ein  sehr  rationelles  Mittel 
zur  Behandlung  solch  er  Zustände  darstellen,  weil 
sie  eine  vielleicht  sehr  wesentliche  Verdünnung  der  suppo- 
nierten  toxischen  Substanzen  bewirken  und  gleichzeitig  zu 
einer  beschleunigten  Ausscheidung  derselben  anregen.  —  Und 
Koffeininjektionen  sind  zur  Stärkung  der  Herztätigkeit  gewiss 
wohl  ein  recht  geeignetes  Adjuvans.  Beides  sind  jedenfalls  so 
sicher  unschädliche  Massnahmen,  dass  ich  sie  unter  allen  Um¬ 
ständen  zur  Behandlung  solcher  Gehirnerscheinungen  —  mög¬ 
lichst  vom  ersten  Anfänge  an  —  dringend  anraten  möchte. 

Nachtrag  während  der  Drucklegung:  Nachdem  ich 
im  Monat  November  des  abgelaufenen  Jahres  in  einem  Falle  wieder 
einmal  nach  einer  Salvarsaninfusion  sehr  ausgesprochene  Magen¬ 
darmstörungen  gesehen  hatte,  sandte  ich  die  auf  meiner  Abteilung 
verwendete  Kochsalzlösung,  die  stets  am  selben  Morgen  frisch  destil¬ 
liert  und  sterilisiert  wird,  an  die  Höchster  Farbwerke,  vormals 


D  Sträussler:  Zur  Aetiologie  der  hämorrhagischen  Enzepha¬ 
litis.  Wiener  klin.  Wochenschr.  1902,  No.  3. 

2)  Sträussler:  Ueber  Encephalitis  haemorrhagica.  Jahr¬ 
bücher  f.  Psych.  u.  Neurol.  1902,  Bd.  21. 


Meister,  Lucius  &  Brüning  mit  der  Bitte,  die  Lösung  einer  eingehen 
den  Untersuchung  zu  unterwerfen.  Die  Höchster  Farbwerke  entsprächet 
obwohl  sie  derartige  Privatuntersuchungen  sonst  nicht  ausführei 
in  liebenswürdigstem  Entgegenkommen  meiner  Bitte,  wofür  ich  den 
selben  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  aussprecht 
Die  in  dem  wissenschaftlichen  chemischen  und  bakteriologische 
Laboratorium  der  Farbwerke  vorgenommene  Untersuchung  erga 
nun,  dass  die  Lösung  in  bakteriologischer  Beziehung  einwandfrei  \va: 
dass  sie  aber  Spuren  von  Kupfer  enthielt,  die  offenbar  vo 
dem  aus  Kupfer  bestehenden  Destillierapparate  herstammten,  der  vo 
meinem  Apotheker  benutzt  wurde.  Da  es  mir  nun  darum  zu  tu 
war,  festzustellen,  ob  dies  ein  zufälliger  einmaliger  oder  ein  rege! 
mässiger  Befund  war,  so  liess  ich  in  den  darauffolgenden  Wochen  i 
grösseren  Abständen  noch  dreimal  unsere  Kochsalzlösung  von  de 
Höchster  Farbwerken  untersuchen,  und  es  ergab  sich,  dass  dieselbi 
regelmässig,  wie  das  erstemal,  Spuren  von  Kupfer  enthielt 
In  der  letzten  der  zur  Untersuchung  eingesandten  Proben  fanden  sic 
aber  ausserdem  auch  Spuren  von  Blei.  Diese  letztere, 
können  nur  entweder  von  einer  Bleilötstelle  oder  aber  daher  stam! 
men,  dass  das  Zinn,  mit  welchem  die  kupferne  Kühlschlange  de 
Destillierapparates  verzinnt  ist,  durch  Beimischung  von  Blei  verj 
unreinigt  ist.  Es  wäre  nun  sehr  wohl  denkbar,  dass  diese  in  de, 
Lösung  enthaltenen  Spuren  von  Schwermetallen  auf  das  Salvarsa) 
als  Katalysatoren  wirkten  und  so  vielleicht  eine  Oxydation  oder  ein] 
sonstige  Umsetzung  des  chemisch  ja  so  ausserordentlich  labilen  Sali 
varsans  bewirkten.  Es  liegt  bekanntlich  gerade  im  Wesen  des  al 
„Katalyse“  bezeichneten  chemischen  Vorganges,  dass  schon  gering' 
Spuren  einer  Substanz  a  ausreichen,  um  eine  andere  Substanz  b  z 
zersetzen,  ohne  selbst  verändert  zu  werden.  Wenn  man  eine  solch' 
„Katalyse“  annimmt,  so  ist  eine  eventuelle  Zersetzung  des  Salvarsan: 
durch  so  minimale  Spuren  fremdartiger  Beimischungen  durchaus  nich! 
so  schwer  verständlich,  wie  Wahle  in  einer  jüngst  erschienenei 
Arbeit  aus  der  Kölner  Hautklinik  (Zwei  Fälle  von  Neosalvarsam 
Vergiftung,  diese  Wochenschrift,  No.  7)  meint.  Um  solche  fremd 
artige  Beimischungen  auszuschalten,  ist  es,  was  Ehrlich  bereit: 
seit  Monaten  angeraten  hat,  nur  notwendig,  einen  ausschliesslich  au 
Jenaer  Qlas  bestehenden  Destillierapparat  zu  benutzen,  wie  er  i 
jüngster  Zeit  von  mehreren  Fabriken  in  den  Handel  gebracht  wird 
Jenaer  Qlas  ist  hierbei  notwendig,  weil  anderes  Qlas  Silikate  in  da 
Destillat  übergehen  lassen  kann,  welche,  wie  es  scheint,  die  gleiche 
„katalytischen“  Wirkungen  auf  Salvarsanlösungen  ausüben  könnerl 


lieber  die  Indikationen  des  Kissinger  Neuen  „Luitpold 

Sprudels“. 

Von  Prof.  Dr.  C.  v.  D  a  p  p  e  r  -  S  a  a  1  f  e  1  s, 

Kgl.  Bayer.  Hofrat,  Grossherzogi.  Oldenb.  Geh.  Medizinalra 

und 

Dr.  E.  Jürgensen, 

mitleitender  Arzt  am  Sanatorium  Geheimrat  v.  Dapper. 

Den  reichen  •Kurmitteln,  die  Bad  Kissingen  in  seine 
Kochsalzquellen,  dem  rühmlich  bekannten  Rakoczy-,  Pandur 
und  Maxbrunnen,  sowie  den  beiden  Solequellen,  dem  Salinen 
sprudel  und  Schönbornsprudel  besitzt,  hat  sich  eine  weiter 
wertvolle  Quelle  angereiht.  Die  vor  einigen  Jahren  erbohrte 
in  ihrer  Schüttung  und  Zusammensetzung  jetzt  völlig  gleich 
mässige  Quelle,  der  neue  „Luitpold-Sprudel“  scheint  in  de 
Tat  berufen,  die  Indikationen  Kissingens  wesentlich  zu  er 
weitern. 

Ueber  die  geologischen  Einzelheiten  des  neuen  Sprudel 
und  über  die  von  dem  chemischen  Laboratorium  Freseniu 
in  Wiesbaden  im  Aufträge  des  Kgl.  bayr.  Finanzministerium' 
ausgeführte  Analyse  der  Quelle  wird  von  anderer  Seite  be 
richtet  werden. 

Wir  besitzen  nach  dieser  Analyse  in  der  neuen  Quell 
ein  für  Kissingen  neues  Kurmittel,  das  sich  von  den  bishe 
zu  Kurzwecken  verwendeten  wesentlich  unterscheidet.  Her 
vorzuheben  ist  der  sehr  hohe  Kohlensäuregehalt,  der  hoh 
Gehalt  an  Eisen  und  die  kleinen  Beimengungen  von  Arsei 
Aber  auch  die  übrigen  Bestandteile,  die  schwefelsauren  Salzt 
speziell  Natriumsulfat,  sowie  die  Hydrokarbonate,  besonder 
Kalzium  und  Magnesiumhydrokarbonate  ergeben  aussichts 
reiche  Verwendungsmöglichkeiten  zu  Trinkkuren.  De 
Kohlensäurereichtum  lässt  den  Sprudel  ausserdem  als  seh 
nützlich  bei  der  Bäderbehandlung  bestimmter  Herz-  und  Ge 
fässerkrankungen  erscheinen.  Die  Quelle  lässt  sich  demnac. 
sowohl  für  Trink-,  wie  für  Badekuren  verwenden. 

Für  das  Folgende  wurden  einzelne  für  den  neuen  Sprude 
geeignet  erscheinende  Indikationsgebiete  ausgewählt.  Di 
Resultate  seien  kurz  mitgeteilt.  Die  Versuche  wurden  in  de 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


5.  April  1913. 

[ - - - 

ihren  1912  und  1913  ausgeführt,  teils  an  der  I.  medizinischen 
linik  Wien  (Hofrat  Prof.  Dr.  v.  N  o  o  r  d  e  n),  teils  in  dem 
issinger  Sanatorium  von  Geheimrat  Prof.  v.  D  a  p  p  e  r.  In  der 
,  jener  Klinik  wurden  die  Versuche  sowohl  bei  Ambulanten, 
s  auch  stationären  Kranken  gemacht.  Die  Resultate,  die  bei 
.n  ambulatorisch  behandelten  Kranken  erzielt  wurden, 
aren  um  so  bemerkenswerter  als  diese  meistens  unter  den 
hwierigsten  äusseren  Verhältnissen  zu  leben  gezwungen 
aren.  Eine  gewisse  Schwierigkeit  für  die  Versuche  in  Wien 
gab  sich  aus  der  Notwendigkeit,  den  Brunnen  auf  Flaschen 
.■füllt  auf  weite  Bahnstrecken  im  Winter  zu  transportieren, 
ank  der  Sorgfalt,  die  die  Brunnenverwaltung  der  Ueber- 
illung  des  Sprudels  auf  Flaschen  zuteil  werden  liess,  konnten 
achteile  durch  den  Versand  vermieden  werden.  Es  empfiehlt 
ch  nur,  die  Flaschen  nach  dem  Transport  einige  Tage  lagern 
i  lassen. 

Wenden  wir  uns  den  Einzelversuchen  zu.  Der  Gehalt  an 
errokarbonate  und  das  an  Kalzium  in  Form  von  Kalzium- 
ydroarsenat  gebundene  Arsen  wiesen  in  erster  Linie  darauf 
in,  den  Sprudel  bei  Erkrankungen,  die  teils  direkt,  teils  in- 
irekt  auf  Störungen  seitens  der  hämatopoetischen  Organe 
irückzuführen  sind,  anzuwenden.  Das  weite  Gebiet  der 
nämien  verschiedenster  Provenienz,  Chlorose  etc.  fiel  in 
lesen  Bereich.  Die  meisten  Patienten  waren  recht  unter¬ 
nährte,  erholungsbedürftige  Frauen  und  Mädchen.  Soweit 
ie  Anamnese  nichts  Besonderes  bietet,  würde  es  zu  weit 
ihren,  jedesmal  Einzelheiten  anzuführen.  Wo  notwendig, 
'erden  sie  vermerkt  werden. 

Noch  einige  Worte  über  die  Form  der  Darreichung.  Es 
urden,  alter  praktischer  Erfahrung  folgend,  morgens  nüchtern 
—400  ccm  und  dann  abends  zwischen  5  und  6  Uhr  —  also 
löglichst  ebenfalls  bei  leerem  Magen  —  weitere  250—300  ccm 
es  Mineralwassers  verordnet  und  zwar  frisch,  wie  es  war. 
ie  Patienten  nahmen  das  angenehm  schmeckende  Wasser 
echt  gerne.  Magenstörungen  wurden  nicht  beobachtet. 

Die  Hämoglobinbestimmungen  sind  nach  Sahli,  die  Blut- 
örperchenzählungen  nach  der  üblichen  Methode  mit  der 
homa-Zeiss  sehen  Zählkammer  vorgenommen. 

F  a  1 1  1.  J.  H.,  14  Jahre,  Schulmädchen.  Apicitis  sin.  A  n  a  e  in  i  a 

:cund. 

Aufnahme:  3.  II:  12.  Ambulant  behandelt.  Hbg  52  Proz. 
rythrozyten  4  000  000,  Leukozyten  8000;  mikroskopisch  ohne  Be- 
mderheiten.  Körpergewicht  52  kg.  Entlassung:  Hbg  70  Proz. 
rythrozyten  5  240  000,  Leukozyten  9200.  Körpergewicht  55  kg. 
auer  der  Behandlung  30  Tage. 

F  a  1 1  2.  St.  B.,  24  Jahre,  Arbeiterin.  A  n  a  e  m  i  a  secund.  Ambu¬ 
nt  behandelt. 

Bei  der  Aufnahme:  Hbg  50  Proz.  Erythrozyten  4  800  000,  Leuko- 
rten  8000;  mikroskopisch  ohne  Besonderheiten.  Körpergewicht 
1  kg.  Entlassung:  Hbg  66  Proz.  Erythrozyten  5  300  000,  Leuko- 
>  fen  7100.  Körpergewicht  56  kg.  Behandlungsdauer  29  Tage. 

Fall  3.  J.  K.,  15  Jahre.  Leichte  linksseitige  Spitzentuberkulose, 
naemia  secund.  Ambulant  behandelt. 

Aufnahme:  Hbg  58  Proz.  Erythrozyten  5  200  000,  Leuko- 
vten  6000;  mikroskopisch  ohne  Besonderheiten.  Körpergewicht 
f>>5  kg.  Entlassung:  Hbg  80  Proz.  Erythrozyten  5  300  000,  Leuko- 
v teil  9000.  Körpergewicht  50,5  kg.  Behandlungsdauer  31  Tage. 

F  a  1 1  4.  A.  W„  19  Jahre,  Dienstmädchen.  Rachitis.  Anämie, 
inbulant  behandelt. 

Aufnahme:  Hbg  50  Proz.  Erythrozyten  3  800  000,  Leuko- 
vten  640(1;  mikroskopisch  normaler  Befund.  Körpergewicht  54  kg. 
ntlassung:  Hbg  70  Proz.  Erythrozyten  5  200  000,  Leukozyten  6400. 
orpergewicht  57,6  kg.  Behandlungsdauer  34  Tage. 

Die  Patientin  erholte  sich  während  der  Behandlung  aus- 
ezeichnet.  Die  Menses,  die  10  Monate  ausgeblieben  waren,  stellten 
ich  in  der  vierten  Behandlungswoche  wieder  ein. 

Fall  5.  R.  SK.,  23  Jahre,  Arbeiterin.  Rachitis,  Anämie, 
mbulant  behandelt. 

Aufnahme:  Hbg  52  Proz.  Erythrozyten  3  6S0  000,  Leuko- 
yten  9000.  Körpergewicht  42,5  kg.  Entlassung:  Hbg  65  Proz. 
rythrozyten  5  600  000,  Leukozyten  8000.  Körpergewicht  47  kg. 

chandlung  38  Tage. 

Auch  hier  hatten  sich  während  der  Behandlung  die 
Menses,  die  monatelang  ausgeblieben  waren,  wieder  ein- 
estellt.  Die  Patientin  erholte  sich  auch  unter  den  schlechten 
usseren  Verhältnissen,  unter  denen  sie  zu  leben  hatte,  recht 

ufriedenstellend. 

Es  sei  hier  hinzugefügt,  dass  bei  sämtlichen  Kranken  die 
'ckretioüsverhältnisse  des  Magens  durch  Probefrühstück  vor 
Lginn  und  am  Schluss  der  Brunnenkur  festgestellt  wurden. 

No.  15. 


809 

Da  die  gefundenen  Werte  von  den  normalen  nicht  abwichen 
und  sich  am  Schluss  der  Behandlung  nicht  geändert  hatten, 
sind  die  Einzelwertc  nicht  besonders  angeführt. 

In  den  folgenden  Fällen  verdienen,  abgesehen  von  den 
Blutbefunden,  die  mehrfach  kontrollierten  Magensäurewerte 
vor,  während  und  nach  der  Kur  einige  Beachtung.  Der  Ein¬ 
fluss  der  Mineralwassertrinkkuren  auf  die  Magensaftsekretion 
ist  bekannt  und  vielfach  nachgeprüft.  Es  würde  zu  weit 
führen,  auf  Einzelheiten  einzugehen.  Bezüglich  der  Methodik, 
deren  wir  uns  bedienen,  sei  auf  die  Arbeit  von  Fisch- 
mann1)  verwiesen,  in  der  alles  Wissenswerte  ausführlich 
beschrieben  ist.  Die  Darreichung  des  Brunnens  erfolgte  wie 
in  den  oben  beschriebenen  Fällen.  In  den  ersten  6  Tagen 
Hessen  wir  den  Brunnen  etwas  angewärmt  trinken,  später 
wurde  er  frisch,  wie  er  war,  genommen. 

Bezüglich  der  angegebenen  Werte  für  freie  Salzsäure  ist 
zu  bemerken,  dass  wir  für  die  nach  Probefrühstück  gefundenen 
Werte  die  Grenzwerte,  die  im  allgemeinen  zwischen  1  und 
3  Prorn.  liegen,  erheblich  niedriger  setzen.  Als  oberen  Wert 
etwa  1,4 — 1,5  Prom.,  als  untere  Normalwerte  für  freie  Salz¬ 
säure  etwa  0,7 — 0,8  Prom.  Wohlgemerkt,  gilt  das  nur  für  das 
Probefrühstück.  Es  hat  sich  uns  das  aus  den  Erfahrungen  der 
Praxis  ergeben.  Wir  rechnen  demnach  Fälle,  bei  denen  wir 
nach  Probefrühstück  für  freie  Salzsäure  mehr  als  1,4  Prom. 
finden,  schon  zu  den  Superaziden  und  treffen  darnach  unsere 
therapeutischen  Massnahmen.  Es  handelt  sich  ja  ohnehin  um 
relative  Werte. 

F a  1 1  6.  M.  H.,  32  Jahre.  Schneiderin.  Anämie,  Super¬ 
azidität.  Ambulant  behandelt. 

Anamnestisch  klagte  die  Kranke  über  seit  Jahren  andauernde 
Magenbeschwerden,  die  im  wesentlichen  dem  Bilde  einer  Super¬ 
azidität  entsprachen.  Es  bestand  ferner  Obstipation. 

Dem  Lebensalter  entsprechend  entwickelte  etwas  unterernährte 
Frau.  Haut  und  Schleimhäute  blass.  Brustorgane  in  Ordnung.  Die 
Abdominaluntersuchung  ergibt  talergrosse  umschriebene  Druck¬ 
empfindlichkeit  in  der  Pylorusgegend. 

Aufnahme:  Hbg  62  Proz.,  die  Zahl  der  roten  und  weissen  Blut¬ 
körperchen  entspricht  der  Norm,  ebenso  zeigte  die  mikroskopische 
Blutuntersuchung  normalen  Befund. 

Körpergewicht  57,5  kg. 

Magen:  morgens  nüchtern  ausgehebert  leer.  Nach  Probefriih- 
stiiek :  Freie  HCl  45  =  1,64  Prom.,  Qesamtazidität  55.  Inhalt  gut 
verdaut,  ohne  Besonderheiten. 

Im  Laufe  der  Beobachtung  blieben  die  Salzsäurewerte  in  den 
ersten  14  Tagen  fast  völlig  konstant,  um  in  der  dritten  Woche  auf 
1,09  Proz.  abzusinken. 

Bei  der  Entlassung  fanden  sich:  Frie  HCl  0,22  =  0,80  Prom., 
Gesamtazidität  35.  Blut:  Hbg  75  Proz.  Körpergewicht  59,6  kg. 
Behandlungsdauer  35  Tage. 

Die  Magenbeschwerden  waren  von  der  dritten  Behandlungs¬ 
woche  an  völlig  verschwunden.  Die  Kranke  wurde  im  besten  Wohl¬ 
sein  entlassen.  Selbstredend  war  von  jeglicher  medikamentösen  Be¬ 
handlung  abgesehen  worden. 

F  a  1 1  7.  M.  Pr„  43  Jahre  alt,  Arbeiterin.  Anämie,  Super- 
a  z  i  d  i  t  ä  t.  Anfangs  ambulant,  später  auf  Station  behandelt. 

Anamnestisch  ist  hervorzuheben:  Im  Alter  von  16  Jahren  Ulcus 
ventriculi,  das  vor  6  Jahren  rezidivierte.  Seit  einigen  Monaten  Druck 
in  der  Magengegend,  meist  etwa  2  Stunden  nach  den  Mahlzeiten, 
Sodbrennen,  Obstipatio. 

Mittelgrosse  dem  Alter  entsprechend  entwickelte  Frau.  Haut 
und  Schleimhäute  blass,  sonst  nicht  Auffälliges.  Die  Brustorgane  sind 
in  Ordnung.  Bauchdecken  sehr  schlaff,  bei  der  Palpation  findet  sich 
etwa  der  Höhe  des  Pylorus  entsprechend  geringe,  nicht  fest  zu 
umschreibende  Druckempfindlichkeit.  Das  kotgefüllte  Kolon  lässt 
sich  fast  in  seinem  ganzen  Verlauf  abtasten,  im  übrigen  normaler 
Befund. 

Blut:  Hbg  64  Proz.  Zahl  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen 
der  Norm  entsprechend. 

Körpergewicht  55,4  kg. 

Magen  nüchtern  ausgehebert  etwa  15  ccm  klare  Flüssigkeit,  die, 
wenig  sauer,  im  wesentlichen  aus  Schleim  besteht.  Nach  Probe- 
friihstiiek  findet  sich:  Frei  HCl  55  =  2,0  Prom.,  Gesamtazidität  67. 
Inhalt  gut  verdaut,  ohne  Besonderheiten. 

Im  Stuhl  Blut  nicht  nachzuweisen. 

Röntgenuntersuchung  des  Magens  (Bismutmahlzeit):  Etwa  eiru 
Hand  breit  unterhalb  der  Kardia  des  längsgedehnten  Magens  findet 
sich  eine  kleine  Einziehung,  die  auf  ein  Ulcus  hinweist.  Magen- 
motilität  regelrecht. 

Auch  hier  änderten  sich  in  den  ersten  Wochen  die  Salzsäure¬ 
werte  wenig,  erst  wieder  von  etwa  der  dritten  Woche  ab  sanken  die 


')  A.  Fisch  mann:  Prager  med.  Wochenschr.  XXXHf,  No.  48 
bis  49,  1908. 

3 


MUE’NC'IiENE'R  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  I 


Werte  für  freie  Salzsäure  auf  40  =  1,46  Prom.  und  weiterhin  auf  34 
=  1,24  Prom.  ab. 

Bei  der  Entlassung  fanden  sich:  Freie  Salzsäure  34  =  1,24  Prom., 
Gesamtazidität  52.  Blut:  Hbg  72  Proz.  Körpergewicht  56,6  kg. 
Behandlungsdauer  33  Tage.  Die  Superaziditätsbeschwer¬ 
den  waren  bei  der  Entlassung  völlig  geschwunden. 

Fall  8.  B.  V.,  34  Jahre,  verheiratet.  Gastroptose, 
Anämie.  Ambulant  behandelt. 

Anamnestisch  wurde  hauptsächlich  über  seit  Jahren  bestehende 
Magenbeschwerden  geklagt,  besonders  über  Erbrechen  von  sauren 
Schleimmassen.  Präzise  Angaben  wurden  nicht  gemacht. 

Aufnahme:  Mittelgrosse  gut  entwickelte  Frau  in  mittlerem  Er¬ 
nährungszustand.  Haut  und  Schleimhäute  blass,  sonst  keine  Be¬ 
sonderheiten.  Ueber  Herzspitze  und  Pulmonalis  leises  systolisches 
Hauchen,  Herzdämpfung  nicht  verbreitert.  Bei  der  Abdominalunter¬ 
suchung  findet  sich  geringgradige  Gastroptose,  sonst  nichts  Ausser- 
gewöhnliches. 

Erhöhte  Erregbarkeit  der  Vasomotoren  (Nachröten),  Patellar- 
reflexe  etwas  gesteigert,  im  übrigen  keine  besonderen  Störungen 
seitens  des  Nervensystems. 

Blut:  Hbg  52  Proz.  Erythrozyten  3  200  000,  Leukozyten  6160; 
mikroskopisch  ohne  besonderen  Befund. 

Magen:  nüchtern  lässt  sich  etwas  Schleim  exprimieren.  Nach 
Probefrühstück:  Freie  HCl  22  =  0,8  Prom.,  Gesamtazidität  42. 
Inhalt  gut  verdaut,  von  normaler  Beschaffenheit. 

Körpergewicht  51,5  kg. 

Im  Verlauf  der  Beobachtung  änderten  sich  die  Säurewerte  kaum 
nennenswert;  sie  bewegten  sich  im  ganzen  zwischen  22  =  0,8  Prom. 
und  27  =  0,28  Prom.  Dagegen  hörte  das  Erbrechen  von 
Schleimmassen  sehr  bald  auf. 

Bei  der  Entlassung  fanden  sich:  Blut:  Hbg  59  Proz.  Erythro¬ 
zyten  3  800  000,  Leukozyten  8200.  Körpergewicht  52,5  kg.  Behand¬ 
lungsdauer  35  Tage. 

F  a  1 1  9.  H.  K.,  23  Jahre,  Fabrikarbeiterin.  Superazidität, 
Anämie.  Ambulant  behandelt. 

Anamnestisch  im  wesentlichen  Superaziditätsbeschwerden, 
Neigung  zu  Obstipatio. 

Mittelgrosses  gut  entwickeltes  Mädchen,  etwas  blasse  Haut  und 
Schleimhäute.  Brustorgane  in  Ordnung.  Bei  der  Palpation  des 
Abdomens  findet  sich  die  Gegend  des  Pylorus  etwas  druckempfind¬ 
lich,  eine  genauere  Abgrenzung  ist  nicht  möglich. 

Blut:  Hbg  64  Proz.  Zahl  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen 
der  Norm  entsprechend. 

Magen:  nüchtern  völlig  leer.  Nach  Probefrühstück:  Freie  Salz¬ 
säure  50  =  1,82  Prom.,  Gesamtazidität  70.  Inhalt  gut  verdaut,  ohne 
Besonderheiten. 

Körpergewicht  49,3  kg. 

Auch  hier  trat  gegen  die  dritte  Beobachtungswoche  hin  ein  Ab¬ 
sinken  der  Werte  für  die  freie  Salzsäure  auf  45  =  1,64  Prom., 
40  =  1,46  Prom.,  30  =  1,09  Prom.  und  schliesslich  28  =  1,02  Prom.  ein. 

Bei  der  Entlassung  fand  sich:  Blut:  Hbg  70  Proz.  Magen:  Freie 
Salzsäure  28  =  1,02  Prom.,  Gesamtazidität  48.  Körpergewicht  49,5  kg. 
Die  Kranke  wurde  beschwerdefrei  aus  der  Behandlung  ent¬ 
lassen.  Behandlungsdauer  30  Tage. 

Fall  10.  V.  M.,  19  Jahre,  Dienstmädchen.  Chlorose, 
Superazidität.  Stationär  behandelt. 

Anamnestisch:  Klagen  über  Herzklopfen,  leichte  Ermüdbarkeit 
auch  nach  nicht  sehr  schwerer  körperlicher  Arbeit.  Menses  unregel¬ 
mässig.  Appetitlosigkeit,  Kopfschmerzen.  14  Tage  vor  der  Aufnahme 
Bronchialkatarrh.  Mutter  an  Lungentuberkulose  gestorben. 

Aufnahme:  Haut  und  sichtbare  Schleimhäute  auffallend  blass. 
Thyreoidea  im  ganzen  etwas  vergrössert.  Erhebliche  Unterernährung. 

Herz:  Ueber  Spitze  und  Pulmonalis  systolisches  Geräusch, 
zweiter  Ton  über  Aorta  und  Pulmonalis  akzentuiert.  Nonnensausen. 
Oithodiagraphisch  normal  konfigurierter  Herzschatten,  Herzbreite 
11  cm.  Herzaktion  frequent,  Puls  102,  gleichmässig  in  Füllung  und 
Schlagfolge. 

Blutdruck  103/96  (R  i  v  a  -  R  o  c  c  i). 

Lungenbefund  regelrecht. 

Blut:  Hbg  30  Proz.  Erythrozyten  2  880  000,  Leukozyten  4460, 
Polymorphkernige  59  Proz.,  Eosinophile  4  Proz.,  Mononukleäre 
2  Proz.,  Lymphozyten  42  Proz. 

Die  Erythrozyten  lassen  mikroskopisch  Veränderungen  nicht 
erkennen. 

Magen:  nüchtern  vollkommen  leer.  Nach  Probefrühstück:  Freie 
Salzsäure  55  ■=  2  Prom.,  Gesamtazidität  70. 

Orthodiagraphisch  findet  sich  ein  hochgradig  ptotischer,  durch 
Kollaps  der  schlaffen  Wand  der  Pars  cardiaca  einen  Sanduhrmagen 
vortäuschender  Magen. 

Corpus  uteri  etwas  hypoplastisch,  im  übrigen  normaler  Genital¬ 
befund. 

Körpergewicht  45,9  kg. 

Auch  hier  trat  im  Laufe  der  Beobachtung  ein  Absinken  der  Werte 
für  freie  Salzsäure,  ähnlich  wie  in  den  oben  angeführten  Fällen  ein. 
Der  Blutbefund  besserte  sich  ganz  wesentlich. 

Entlassung. 

Blut:  Hbg  50  Proz.  Erythrozyten  4  000  500,  Leukozyten  7500, 
Polymorphkernige  59  Proz.,  Eosinophile  5,66  Proz.,  Mononukleäre 
5,33  Proz.,  Lymphozyten  30  Proz. 


Nach  dem  letzten  Probefrühstück  fand  sich:  Freie  Salzsäure 
—  1,3  Prom.,  Gesamtazidität  64. 

Körpergewicht  55,2  kg  (gegenüber  45,9  kg  bei  der  Aufnahm 

Die  Kranke  w(u  rde  nach  40  tägiger  Behandlun 
in  bestem  Wohlsein  entlassen  und  ist  auch  bei  de 
schweren  Beruf  einer  Krankenpflegerin,  den  s i 
sich  inzwischen  gewählt  hat,  völlig  r  e  z  i  d  i  v  f  r  < 
g  e_b  lieben. 

Im  folgenden  seien  zwei  Fälle  angereiht,  bei  denen  nebc 
der  Anämie  Magenstörungen  zu  verzeichnen  waren  im  Sinr 
einer  Achylia  gastrica.  Es  interessierte  vor  allem,  zu  bi 
obachten,  ob  sich  etwa  unter  der  Einwirkung  der  Brunnenki 
die  Salzsäuresekretion  wieder  einstellte,  ähnlich  wie  Dap 
per2)  es  nicht  selten  bei  der  Anwendung  von  Rakoczy  sa 
Eine  Beobachtung,  die  unter  anderen  auch  von  Fischman 
bei  seinen  Untersuchungen  (in  der  oben  zitierten  Arbc 
pag.  13  ff.)  bestätigt  hat. 

Fall  11.  M.  G.,  21  Jahre,  Blumenbinderin.  Rachitis,  Anämi 
Achylia  gastrica.  Ambulant  behandelt. 

Mittelgrosses,  rachitisches,  ziemlich  unterernährtes,  lordotisc 
verkrümmtes  Mädchen. 

Anamnestisch  wird  über  Schmerz  in  der  Magengegend  geklas 
Beschwerden  ähnlich,  wie  wir  sie  oft  bei  Superazidität  höre- 
Präzisere  Angaben  sind  nicht  zu  erlangen.  Gelegentlich  Erbrecht 
von  etwas  Schleim.  Stuhl,  Menses  in  Ordnung. 

Zunge  dick  graugelb  belegt,  Fötor  ex  ore.  Gebiss  in  eine; 
schauderhaften  Zustand. 

Am  Herzen  findet  sich  über  Spitze  und  Pulmonalis  leises  syst 
lisches  Hauchen.  Herzgrenzen  regelrecht. 

Die  Abdominaluntersuchung  zeigt  nichts  Aussergewöhnliche 

Erheblich  gesteigerte  vasomotorische  Erregbarkeit,  Sehne 
reflexe  im  ganzen  gesteigert.  Pupillarreflexe  ohne  Besonderheitei 

Blut:  Hbg  49  Proz.  Erythrozyten  3  720  000,  Leukozyten  68ü< 
mikroskopisch  kein  besonderer  Befund. 

Magen:  nüchtern  leer.  Probefrühstiick:  Freie  HCl  0,  Gesair 
azidität  12.  Inhalt  schlecht  verdaut,  sehr  viel  Schleim  beigemen? 

Körpergewicht  53,1  kg. 

Wie  die  mehrfachen  Kontrollen  während  der  Beobachte 
zeigten,  änderten  sich  die  Sekretionsverhältnisse  des  Magens  wahrer; 
der  Brunnenkur  gar  nicht,  während  die  subjektiven  Mage 
beschwerden  sehr  bald  verschwanden. 

Bei  der  Entlassung  waren,  wie  gesagt,  die  Sekretionsverhäl 
nisse  des  Magens  unverändert. 

Blut:  Hbg  59  Proz.  Erythrozyten  4  000  000,  Leukozyten  62Ö 

Körpergewicht  56  kg. 

F a  1 1  12.  J.  R.,  30  Jahre,  Näherin.  Achylia  gastric 
Anämie.  Ambulant  behandelt. 

Anamnestisch:  Klagen  über  Appetitlosigkeit,  Erbrechen  vr 
Schleim,  manchmal  soll  auch  etwas  von  den  Speisen  mit  herau 
kommen,  Druck  in  der  Magengegend,  Durchfall. 

Ueber  mittelgrosse,  zart  gebaute  Frau  in  leidlichem  Ernährung 
zustand.  Mässige  Lordose.  Haut  und  sichtbare  Schleimhäute  se 
blass.  Sehr  schlechtes  Gebiss.  Zunge  schmutziggelb  belegt,  Föt 
ex  ore.  Vasomotorische  Erregbarkeit  erheblich  gesteigert,  ebenso  ö 
Patellarreflexe.  Sonst  kein  abnormer  Nervenbefund. 

Ausser  einem  leisen  systolischen  Hauchen  über  der  Herzspit: 
und  Pulmonalis,  bei  regelrechten  Herzgrenzen,  an  den  Brustorgam 
nichts  Besonderes. 

Bei  der  Untersuchung  der  Bauchorgane  lassen  sich  organiscl 
Veränderungen  am  Magen  nicht  erkennen. 

Blut:  Hbg  52  Proz.  Erythrozyten  2  600  000,  Leukozyten  7401 
mikroskopisch  keine  erkennbaren  Veränderungen  am  Blut. 

Magen:  nüchtern  leer.  Nach  Probefrühstück:  Freie  Salzsäure - 
Gesamtazidität  — .  Inhalt  mit  viel  Schleim  vermengt,  schlecht  ve 
daut,  sonst  ohne  Besonderheiten.  Normaler  Verlauf  der  Mage 
motilität.  Stuhluntersuchung  ohne  Befund. 

Körpergewicht  51,5  kg. 

Auch  hier  traten  während  der  Beobachtung  keine  Aenderungi 
in  der  Sekretion  des  Magens  ein.  Das  Ergebnis  der  Ausheberur 
nach  Probefrühstück  blieb  sich  stets  gleich. 

Bei  der  Entlassung  fand  sich:  Blut:  Hbg  72  Proz.,  Erythrozyh 
4  600  000,  Leukozyten  6000.  Magen:  Freie  Salzsäure  0,  Gesatr 
azidität  4.  Inhalt  schlecht  gekaut,  viel  Schleim.  Körpergewic 
54  kg.  Behandlungsdauer  32  Tage. 

Subjektiv  war  auch  in  diesem  Falle  eine  erhel 
liehe  Besserung  eingetreten,  das  Erbrechen  hört 
sehr  bald  völlig  auf,  ebenso  verschwanden  di 
Magen  beschwerden  und  Durchfälle  völlig. 

Im  weiteren  handelt  es  sich  um  einige  Fälle  von  sei 
hartnäckigen  katarrhalischen  Erkrankungen  des  Darmes,  d 


2)  Siehe  Carl  Dapper-Bad  Kissingen:  Ueber  den  Einfluss  d 
Kochsalzquellen  (Kissingen,  Homburg)  auf  den  Stoffwechsel  d 
Menschen.  5.  Heft  der  Sammlung  klinischer  Abhandlungen  üb 
Pathologie  und  Therapie  der  Stoffwechsel-  und  Ernährungsstörung 
Prof.  C.  v.  Noorden,  Berlin  1904. 


p.  April  191.1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ch  durch  lan^ce  Zeit  mit  sehr  schmerzhaften  Koliken  einher- 
' eilende  Durchfälle  kennzeichneten.  Die  Stühle  zeigten  Eiter¬ 
nd  Schleimbcimcngungen,  zeitweilig  auch  Blut.  Häufig  fand 
cli  reiner,  glasiger  Schleim. 

In  zwei  Fällen  von  in  Ostasien  aquirierter  Ruhr  waren 
möben  mit  Sicherheit  nachgewiesen.  Hier  wurden  morgens 
lichtem  150 — 300  ccm  gut  angewärmten  Sprudels  verab- 
.icht,  etwa  eine  Stunde  vor  dem  ersten  Frühstück.  Die 
'urchfiihrung  diätetischer  Vorschriften  wurde  selbstverständ- 
ch  sehr  streng  kontrolliert. 

Fall  13.  R.  H„  30  Jahre,  verheiratet.  Chronischer 

ickdarmkatarrh. 

Anamnestisch  ist  hervorzuheben:  Vor  5  Jahren  litt  die  Patientin 
onatelang  an  blutigen  Diarrhöen,  die  sehr  schmerzhaft  gewesen 
len.  Nach  jahrelanger  Pause  traten  vor  4  Monaten  nach  Diätfehler 
iederum  sehr  schmerzhafte  Durchfälle  auf,  etwa  6 — 10  schleimig- 
utige  Stühle  am  Tage.  Sehr  heftiger  Tenesmus.  Auf  Bettruhe  zeit¬ 
eise  Besserung,  die  aber  nie  angehalten  habe. 

Kleine  grazil  gebaute  Frau  in  elendem  Ernährungszustand.  Haut 
id  sichtbare  Schleimhäute  sehr  blass.  Zunge  graugelb  belegt. 

Brustorgane  in  Ordnung.  Bei  der  Palpation  des  Abdomens  lässt 
ch  das  Colon  descendens  vollkommen  abtasten,  es  ist  sehr  druck- 
npfindlich.  Bei  der  rektoskopischen  Untersuchung  findet  sich  die 
dileimhaut  hyperämisch,  aufgelockert,  mit  dickem,  glasigen  Schleim 
.'deckt,  knapp  über  dem  Sphincter  internus  finden  sich  auf  einem 
wa  8  cm  langen  Gebiet  mehrere  runde,  fingerkuppengrosse,  grau- 
“legte  Ulzera. 

Stuhl:  Blut  positiv. 

Mikroskopisch  gut  verdaut.  Leichte  Vermehrung  der  Gram- 
isitiven  Flora.  Auf  Drygalskyplatten  wachsen  ziemlich  grosse, 
iake,  rote  Kulturen,  die  ausschliesslich  aus  Gram-negativen  sehr 
■weglichen  Bazillen  bestehen.  (Bact.  coli  commun.) 

Blut:  Hbg  70  Proz.  Erythrozyten  4  920  000,  Leukozyten  9600, 
hymorphkernige  56,6  Proz.,  Lymphozyten  36,6  Proz.,  Eosinophile 
3  Proz.,  Mononukleäre  3,5  Proz. 

Körpergewicht  43  kg. 

Hier  wollten  wir  auf  eine  medikamentöse  Behandlung,  neben 
■m  Brunnen,  in  Anbetracht  der  im  unteren  Teil  des  Kolon  direkt 
igänglichen  Ulzera  doch  nicht  verzichten.  Es  wurden  in  den  ersten 
Behandlungstagen  abends  Dermatolklysmen  (50  ccm)  verabreicht, 
ie  Kranke  erholte  sich  auffallend  rasch.  Die  quälenden  Tenesmen 
lnvanden  sehr  bald,  die  Zahl  der  Stühle  ging  zurück.  Blut,  Schleim 
id  Eiterbeimengungen  waren  nach  14  Tagen  nicht  mehr  zu  beachten, 
ie  Kranke  wurde  nach  25  tägiger  Behandlung  in  bestem  Wohlsein 
itlassen. 

Bei  der  Entlassung  fand  sich :  Stuhl  völlig  normal.  Blut : 
bg  75  Proz.  Erythrozyten  5  200  000,  Leukozyten  8000.  Körper¬ 
wicht  46,5  kg. 

Fall  14.  Herr  v.  M.,  30  Jahre,  Militär.  Dysenterie- 
2  z  i  d  i  v. 

Anamnestisch:  1908  in  Ostasien  Ruhr  akquiriert,  die  vielfach, 
der  anderem  auch  mit  einer  Karlsbader  Kur,  behandelt,  März  1911 
id  Mai  1912  rezidivierte.  1910  Lues  mit  Salvarsan  behandelt, 
lagen  über  heftigen  Tenesmus,  häufige,  schleimig-eitrige,  oft  mit 
lut  vermischte  Stühle. 

Kräftig  gebauter,  gut  entwickelter  Mann,  in  gutem  Ernährungs- 
istande. 

Bei  der  Untersuchung  findet  sich  über  der  Aorta  leises  systolisch- 
astolisches  Geräusch.  Orthodiagraphisch  Verbreiterung  der  Aorta 
■cendens  bei  normalen  Herzmassen.  Blutdruck  der  Norm  ent- 
irechend.  Abdomen:  Das  strangförmige  Kolon  lässt  sich  in  seinem 
mzen  Verlauf  abtasten,  es  ist  nam&ntlich  im  absteigenden  Teil  sehr 
uckempfindlich.  Uebrige  Organe  ohne  Besonderheiten. 

Die  rektoskopische  Untersuchung  zeigt  oberhalb  des  Sphinkters 
‘ginnend  die  Schleimhaut  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  (d.  h.,  soweit- 
-  sich  eben  mit  dem  Rektoskop  verfolgen  lässt)  hyperämisch,  teil¬ 
eise  lassen  sich  kleine  punktförmige  Hämorrhagien  mit  Eiter- 
inktchen  wahrnehmen,  sehr  viel  glasiger  Schleim. 

Stuhl  mit  Blut,  Schleim  und  Eiter  vermengt,  breiig.  Mikro- 
opisch  gut  verdaut,  einzelne  Amöben  (Entamoeba  histolytica). 

Normaler  Blutbefund.  Körpergewicht  82  kg. 

Medikamentös  wurden  in  diesem  Falle  Albarginklysmen  (150  ccm) 
r  die  ersten  14  Tage  verordnet,  neben  dem  Brunnen,  der  wie  oben 
rabreicht  wurde. 

Nach  etwa  11  tägiger  Behandlung  trat  entschiedene  Besserung 
n,  die  Tenesmen  verloren  sich  mehr  und  mehr,  die  Zahl  der  Stühle 
:ig  von  6 — 8  auf  2  herunter.  Schleim,  Eiter  und  Blutbei- 
engungen  konnten  nicht  mehr  festgestellt  wer- 
en,  ebensowenig  Amöben. 

M.  wurde  nach  32  tägiger  Beobachtung  beschwerdefrei  ent- 
ssen.  Die  Schleimhaut  zeigte  sich  bei  der  Entlassung  noch  etwas 
reramisch,  war  aber  im  übrigen  normal. 

Lall  15.  Herr  S.,  39  Jahre,  Militär.  Colitis  chronic. 

Anamnestisch  ist  zu  bemerken:  Vor  8  Jahren  in  Ostasien  Ruhr- 
krankung,  seither  dauernd  Neigung  zu  Durchfall,  häufig  recht 
eilender  Tenesmus,  kolikartige  Leibschmerzen,  dabei  Schleimstühle, 


Sff 

die  zeitweilig  mit  etwas  Blut  vermengt  sind.  Im  vergangenen  Jahre 
kenn  Lebergang  in  die  Dopen  plötzliche  Verschlimmerung  mit  10  bis 
12  Stühlen  am  lag,  oft  vollkommene  Unfähigkeit,  den  Stuhl  zu  halten. 
Diese  anfallsweise  auftretenden  Durchfälle  haben  sich  mit  wenig 
Unterbrechung  fast  alle  3 — 4  Wochen  wiederholt,  trotz  sorgfältiger 
Diät. 

Die  Hauptbeschwerden  bestehen  zurzeit  in  quälenden  kolik¬ 
artigen  Leibschmerzen,  die  von  Durchfällen  begleitet  sind.  Etwa 
6 — 12  Stühle  täglich,  die  teils  rein  schleimig  sind,  manchmal  mit  Blut 
durchmengt. 

j  Mittelgrosser  im  ganzen  gut  entwickelter  Mann  in  leidlichem 
Ernährungszustand.  Zunge  graugelb  belegt.  Brustorgane  in  Ord¬ 
nung.  Bei  der  Untersuchung  des  Abdomens  lässt  sich  das  Kolon  fast 
in  seinem  ganzen  Verlauf  als  wurstförmiger  Strang  abtasten.  Das 
Colon  transversuni  sowie  die  Gegend  der  Flexura  sigmoidea  sind 
ganz  ausserordentlich  druckempfindlich. 

Die  reKtoskopische  Untersuchung  zeigt  eine  etwas  nyperämische, 
aufgelockerte  Schleimhaut,  vermehrte  Schleimbildung.  Der  mit  dem 
Rektoskop  zu  übersehende  Teil  des  Kolon  erscheint  im  ganzen 
spastisch  kontrahiert. 

Stuhl  kein  Blut  (bei  Hbg-freier  Diät),  mikroskopisch  gut  ver¬ 
daut,  etwas  Schleimbeimengung. 

Von  einer  medikamentösen  Behandlung  wurde  hier  abgesehen 
und  neben  geeigneten  physikalisch-diätetischen  Verordnungen 
Brunnen,  wie  in  den  vorhergehenden  Fällen  verabreicht.  Nach  etwa 
10  tägiger  Behandlung  war  entschieden  Besserung  zu  verzeichnen. 
Der  Tenesmus  war  fast  völlig  verschwunden,  die  Zahl  der  Stühle 
auf  1—2  zurückgegangen.  Zeitweilig  traten  noch  heftige  Kolikanfälle 
auf,  doch  waren  die  Anfälle  kürzer  und  nicht  von  Durchfällen  gefolgt; 
von  der  dritten  Woche  ab  war  die  Besserung  anhaltend,  das  spastisch 
kontrahierte  Kolon  Hess  in  seiner  Spannung  nach  und  zeigte  sich  der 
Palpation  gegenüber  nicht  mehr  so  empfindlich.  P  a  t.  wurde 
nach  38  tägiger  Behandlung  beschwerdefrei  ent¬ 
lassen. 

Schlussfolgerungen. 

Soweit  die  Anzahl  unserer  Versuche  ein  Urteil  gestatten, 
haben  wir  in  dem  neuen  „Luitpold-Sprudel“  bei  interner  An¬ 
wendung  ein  vorzügliches  Unterstützungsmittel  bei  der  Be¬ 
handlung  der  Chlorose  und  anämischer  Zustände  verschie¬ 
denster  Herkunft,  wie  das  der  Zusammensetzung  des  Brunnens 
nach  zu  erwarten  war. 

Auch  Hyperaziditäten  leichteren  Grades  wurden  günstig 
beeinflusst. 

Bei  der  Achylie  auf  nervöser  Basis  blieb  ein  Erfolg  aus, 
bezüglich  der  Aenderung  der  Sekretionsverhältnisse,  jedoch 
trat  jedesmal  bedeutende  Besserung  der  subjektiven  Be¬ 
schwerden  neben  Körpergewichtszunahme  ein. 

Bei  katarrhalischen  Erkrankungen  des  Darmes  kann  eben¬ 
falls  ein  günstiger  Einfluss  konstatiert  werden,  selbstverständ¬ 
lich  mit  einiger  Zurückhaltung,  da  bei  derartigen  Erkrankungen 
diätetische  Massnahmen  doch  die  Hauptrolle  spielen;  jeden¬ 
falls  hatten  wir  bei  unseren  Fällen  stets  einen  günstigen  Ein¬ 
druck  von  der  Mitwirkung  des  Brunnens  (warm  und  in  nicht 
zu  grossen  Mengen). 

Die  Frage  einer  Wirkung  bei  harnsaurer  Diathese  und  bei 
gichtischen  Erkrankungen  muss  noch  offen  gelassen  werden; 
dahinzielende  Untersuchungen  haben  uns  bis  jetzt  guten  Erfolg 
versprechende  Resultate  gegeben,  sollen  weitergeführt  und 
später  mit  weiteren  Untersuchungen  bei  Hyperazidität  ver¬ 
öffentlicht  werden. 

Ueber  die  Anwendung  des  Brunnens  zu  Badezwecken 
gilt  dasselbe  wie  bei  allen  Kohlensäurebädern.  Der  hohe 
Kohlensäuregehalt  des  Sprudels  lässt  ihn  zur  Behandlung  von 
Herz-  und  Gefässerkrankungen,  ferner  mannigfacher  Krank¬ 
heiten  des  Nervensystems  sehr  geeignet  erscheinen.  Es  ist 
sehr  willkommen,  eine  solche  salzarme,  stark  kohlensäure¬ 
haltige  Quelle  neben  den  bisherigen  wohlbewährten  Sol- 
sprudelbädern  zur  Behandlung  jener  Krankheiten  zur  Ver¬ 
fügung  zu  haben.  Wir  werden  den  CO^-Gehalt  der  Bäder 
besser  als  bisher  dosieren  und  falls  nötig  erheblich  über  das 
bisher  erreichte  Muss  steigern  können. 

Das  Wasser  des  neuen  Sprudels  ist  versandfähig  und 
eignet  sich  gut  zu  häuslichen  Kuren. 

Dass  man  weder  bei  Trink-  noch  bei  Badekuren  sich  auf 
die  Quelle  allein  verlassen  darf,  sondern  dass  eine  sorgsame 
ärztliche  Beaufsichtigung  und  dass  geeignete  diätetische  Mass- 
regeln  damit  verbunden  werden  müssen,  wenn  man  einesfalls 
guten  Erfolg  erreichen,  andernfalls  Nachteile  verhüten  will, 
bedarf  keiner  weiteren  Ausführung. 


3 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


612 


No.  lei 


Aus  der  grossherzogl.-mecklenburg.  Universitäts-Frauenklinik 
Rostock  (Direktor:  Qeh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  Sarwey). 

Vierlinge  und  Vierlingsmütter. 

Von  Privatdozent  Dr.  Hans  Hauser,  Oberarzt  der  Klinik. 


M.  H.!  Ich  kann  Ihnen  heute  über  ein  relativ  seltenes 
Vorkommnis,  nämlich  über  die  Geburt  lebender  und  annähernd 
lebensfähiger  Vierlinge,  berichten: 

Am  15.  XI.  11  wurde  uns  von  einer  Hebamme  eine  Vierlings¬ 
plazenta  iiberbracht  Die  Geburt  war  spontan,  ohne  Anwesenheit 
eines  Arztes  vor  sich  gegangen;  die  Hebamme  hatte  zwar  mehrfache 
Schwangerschaft  vermutet,  die  Geburt  war  aber  so  rasch  vonstatten 
gegangen,  dass  ein  Arzt  nicht  mehr  zugezogen  werden  konnte.  Die 
geburtshilfliche  Poliklinik  wird  von  der  gewissenhaften  und  intelli¬ 
genten  Hebamme  zugezogen,  um  die  Leute  zu  beruhigen,  da  schwere 
Molimina  graviditatis  bestanden  hatten. 

Es  handelt  sich  um  eine  29  jährige  V.-para,  polnische  Schnitterin. 
Die  Frau  hat  bisher  4  mal  spontan  Einlinge  geboren.  Die  letzte  Regel 
vor  der  eben  beendeten  Schwangerschaft  war  am  15.  bis  19.  Mai 
aufgetreten  und  entsprach  nach  Stärke  und  Dauer  den  sonstigen 
Menses.  Das  Befinden  der  Frau  war  in  den  ersten  10 — 12  Wochen 
der  Schwangerschaft  gut,  von  dieser  Zeit  ab  wurde  eine  abnorm 
rasche  und  für  den  Schwangerschaftstermin  unverhältnismässig 
grosse  Zunahme  des  Leibes  beobachtet.  In  den  letzten  3  Wochen  vor 
der  Geburt  waren  starke  Atemnot  und  Schmerzen  in  beiden  Hypo¬ 
chondrien  aufgetreten,  so  dass  Pat.  nahezu  arbeitsunfähig  war. 

Am  15.  XI.  11  um  5  Uhr  früh  begannen  die  Wehen,  die  bald  in 
regelmäsigen  Intervallen  von  8 — 10  Minuten  sich  folgten.  Um  11  Uhr 
15  Min.  vormittags  erfolgte  der  Blasensprung,  worauf  die  Kreissende 
sofort  kräftig  mitpresst,  so  dass  um  11  Uhr  30  Min.  vormittags  spon¬ 
tan  in  I.  HHL.  ein  Knabe  von  35  cm  Länge  und  1500  g  Gewicht  ge¬ 
boren  wird. 

11  Uhr  50  Min.  vormittags  springt  die  zweite  Blase  und  12  Uhr 
mittags  wird  spontan  in  I.  unvollkommener  Fusslage  ein 
Knabe  von  35  cm  und  1000  g  geboren. 

Nach  kurzer  Wehenpause  springt  12  Uhr  40  Min.  nachmittags  die 
dritte  Fruchtblase  und  12  Uhr  50  Min.  nachmittags  kommt  ein  Mäd¬ 
chen  von  34  cm  und  1000  g  spontan  in  II.  v  o  1 1  k  o  m  m  em  e  r 
Steiss  fusslage  zur  Welt. 

Sofort  anschliessend  erfolgt  um  1  Uhr  nachmittags  die  Geburt 
eines  35  cm  langen  und  1040  g  schweren  Mädchens  in  S  t  e  i  s  s  1  a  g  e. 

Die  Nachgeburtsperiode  verlief  trotz  der  kolossalen  Ueber- 
dehnung  des  Fruchthalters  und  dessen  sehr  rascher  Entleerung  ohne 
Störung  und  1  Uhr  20  Min.  nachmittags  wurden  auf  leichten  Druck 
die  Plazenten  in  toto  geboren. 

Am  16.  XI.,  2  Uhr  nachmittags,  suchte  ich  zusammen  mit  der 
Hebamme  die  Wöchnerin  auf,  um  eine  genaue  Anamnese  über  die 
hereditären  Verhältnisse  in  der  Familie  zu  erheben  und  die  Masse 
der  Kinder  zu  kontrollieren.  Ich  fand  eine  kräftige,  vollkommen  nor¬ 
mal  gebaute  Frau,  ohne  Polymastie,  Polydaktylie,  in  bestem  Wohl¬ 
befinden.  Mehrlinge  wurden  angeblich  in  der  Familie  sowohl  väter¬ 
licher-  wie  mütterlicherseits  nicht  beobachtet.  Der  Fundus  des  nor¬ 
malen,  einfachen  Uterus  stand  in  Nabelhöhe.  Ich  betone  den  normalen 
Genitalbefund,  da  bei  Mehrlingsmüttern  nicht  ganz  selten  Verdopp¬ 
lungen  am  Genitalapparat  gefunden  werden.  Die  Kinder  waren  leider 
in  den  seit  der  Geburt  verflossenen  25  Stunden  sämtlich  gestorben, 
und  zwar  das  3.  nach  2  Stunden,  tlas  4.  nach  16.  Stunden,  das  2.  nach 
19  Stunden  und  das  1.  nach  20  Stunden.  Der  Hauptgrund  hierfür  lag 
ia  sicherlich  in  der  Lebensschwäche  der  Kinder,  jedoch  wurde  der 
Exitus  höchst  wahrscheinlich  durch  die  fiir  frühgeborene  Kinder  mehr 
als  ungünstigen  Heizungs-  und  sonstigen  Verhältnisse  in  der  Schnit¬ 
terkaserne  beschleunigt.  In  einer  gut  eingerichteten  Anstalt  mit 
Couveuse,  geschultem  Pflegepersonal  etc.  wäre  es  wohl  denkbar  ge¬ 
wesen,  3  resp.  2  der  Kinder  am  Leben  zu  erhalten. 

Die  Kinder  wurden  nachgemessen  und  photographiert;  die 
Masse  erwiesen  sich  als  richtig  und  ich  gebe  sie  der  Uebersicht  halber 
hier  nochmals  im  Zusammenhang  an: 


I. 

II. 

III. 

IV. 


cT  \ 
c?  f 

9  \ 

9  ) 


zweieiig 

eineiig 


(  35  cm  lang, 
1  35  cm  lang, 
I  34  cm  lang, 
1  35  cm  lang, 


1500  g  schwer, 
1000  g  schwer, 
1000  g  schwer, 
1040  g  schwer. 


Die  Kinder  waren  somit  annähernd  gleich  gross  und  entsprachen 
sowohl  nach  Mass  und  Gewicht  als  auch  nach  den  sonstigen  An¬ 
zeichen  der  Reife  zirka  der  28.  Woche.  Berücksichtigt  man  die  durch¬ 
weg  geringere  Entwicklung  der  Mehrlinge,  so  mögen  die  Früchte 
eventuell  noch  30  Wochen  alt  sein. 

Die  Plazenten  sassen  dicht  beisammen  und  hatten  insgesamt 
eine  Längenausdehnung  von  33  cm,  bei  24  cm  grösster  Breite.  Das 
Gesamtgewicht  der  Nachgeburt  betrug  1340  g. 

Die  Kotyledonen  waren  von  normaler  Grösse;  Infarkte  oder 
Kalkeinlagerungen  fanden  sich  nicht.  Bald  nach  Ablieferung  der  Pla¬ 
zenta  an  die  Klinik  injizierte  ich  die  Gefässe  sämtlicher  Plazenten 
mit  gefärbter  Gelatine;  die  Bilder  geben  die  Resultate  leidlich  wieder. 
Es  lässt  sich  aus  der  Untersuchung  der  Nachgeburt  folgern,  dass  es 
sich  um  2  Zwillingspaare  mit  3  Plazenten  handelt,  das  eine  Paar  zwei- 


*)  Vortrag  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  zu  Rostock. 


eiig,  das  andere  eineiig,  und  zwar  monamniotisch.  Rekonstruiert  ma 
den  früheren  Situs  der  Plazenten  in  utero  und  vergleicht  hiemit  di 
Daten  der  Geburt,  so  ergibt  sich,  dass  die  beiden  Knaben  (I  und  1 
zweieiige  Zwillinge  sind,  während  die  beiden  Mädchen  (III  und  1\ 
einem  Ei  entstammen.  In  utero  sass  die  eineiige  Plazenta 
der  Mitte  und  oben,  zu  beiden  Seiten  und  je  etwas  tiefer  die  beide 
Plazenten  des  zweieiigen  Paares.  Die  Gefässbezirke  der  PI: 
zenten  I  und  II  stellen  absolut  in  sich  abgeschlossene  Bezirke  da 
ohne  irgendwelche  Anastomosenbildung  mit  den  Kreisläufen  di 
Doppelplazenta  III,  von  der  sie  vielmehr  jederseits  deutlich  und  scha 
getrennt  sind. 


Fig.  1. 


Die  Nachgeburt  der  beiden  eineiigen  Mädchen  bildet  e  i  n 
grosse  runde  Plazenta  mit  einem  Chorion  und  auch  n  t 
einem  Amnion.  Die  beiden  Nabelschnüre  C  und  D  i 

serieren  zentral,  ganz  dicht  beisammen  —  fast  als  e  i  n  Stamm 
und  sind  durch  eine  breite  Amnionbriicke  und  ausserdem  durch  eil 
Gefässanastomose  miteinander  verbunden.  Eine  Arterie  der  Nabe 
schnür  C  steht  mit  einer  Arterie  der  Schnur  D  durch  eine  fast  stric) 
nadeldicke  Anastomose  (cf.  Fig.  2  E)  in  Verbindung.  Es  gelingt  leien 
das  ganze  arterielle  System  der  Doppelplazenta  von  einer  Arter 
der  Schnur  C  aus  zu  injizieren,  ebenso  tritt  bei  Injektion  der  Vet 
der  einen  Schnur  reichlich  Injektionsmasse  in  das  venöse  Gebiet  d 
zweiten  eineiigen  Zwillings  über.  Es  besteht  also  je  eine  gros 
arterielle  und  venöse  Oberflächenanastomose  (cf.  Fig.  2  E  u J 
Daneben  finden  sich,  wie  später  noch  besprochen  wird,  eine  Reihe  v<i 
Kotyledonen,  die  beiden  Kindern  gemeinsam  angehörten.  Die! 
Zottentransfusionsströme  sind  ebenfalls  ziemlich  symmetrisch  a 
beide  Plazentaranteile  verteilt. 


Wir  haben  also  das  seltene  Vorkommnis,  dass  von  ein  tr 
derselben  Mutter  gleichzeitig  eineiige  und  zweieiige,  also  zw 
klinisch  und  entwicklungsgeschichtlich  vollkommen  vc 
schieden  zu  bewertende  Zwillingspaare  getragen  wurden.  1 
allgemeinen  ist  die  mehreiige  Mehrlingsschwangerschaft  t 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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5.  April  1913. 


eutcnd  häufiger  als  die  eineiige.  Nach  A  h  1  f  e  1  d  t  kommen 
uf  5.43  mehreiige  Zwillinge  1  mal  eineiige  und  von  den  cin- 
iigen  wiederum  sind  diejenigen  mit  nur  einem  gemeinsamen 
unnion  (Monamnioten)  sehr  viel  seltener,  als  die  mit  zwei 
mnien.  A  h  1  f  e  1  d  t  fand  bei  den  Eineiigen  das  Verhältnis 
er  Monamnioten  zu  den  Diamnioten  wie  1  :  60,  R  o  s  i  n  e  1 1  i 
:  46. 

Gestatten  Sie,  meine  Herren,  dass  ich  mit  einigen  Worten 
uf  die  verschiedenen  Möglichkeiten  der  Herkunft,  sowie  der 
ntstehung  der  beiden  Gruppen  (eineiige  und  mehreiige) 

ingehe. 

Für  die  zwei-  resp.  mehreiigen  Mehrlinge  liegt  beides  klar 
nd  einfach:  Sie  können  entweder  beiden  Ovarien  entstammen 
i  i  o  v  a  r  i  a  1),  oder  aus  einem  (monoovarial);  in  letz¬ 
tem  Falle  können  sie  wieder  aus  zwei  gleichzeitig  geplatzten 
ollikeln  stammen  (b  i  f  o  1 1  i  k  u  1  a  r),  oder  aus  einem  einzigen, 
nehreiigen  Follikel  (m  o  n  o  f  o  1 1  i  k  u  1  a  r).  Das  Vorkommen 
vvei-  und  mehreiiger  Follikel  ist  beim  Menschen  ein  nicht  all- 
u  seltener  Befund  und  ist  nach  Strass  mann,  Hellin 
.  a.  als  atavistisches  Merkmal  aufzufassen,  d.  h.  der  Ueber- 
ang  vom  multiparen  zum  uniparen  Geschöpf  ist  zurzeit  beim 
lenschlichen  Weibe  noch  nicht  vollkommen  abgeschlossen, 
us  eben  diesem  Grunde  ist  das  Vorkommen 
eiiger  Zwillinge  in  gewissen  Familien  erb- 
(i  c  h.  Es  ist  nicht  uninteressant,  dass  einzelne  grosse  Säuger 
i  diesem  Entwicklungsgänge  dem  Menschen  voraus  sind, 
eim  Pferde  z.  B.  ist  Zwillingsschwangerschaft  sehr  viel 
jdtener,  als  beim  Menschen,  nämlich  nur  1  :  400  und  die  Frau 
erhält  sich  zoologisch  in  diesem  Punkte  der  Kuh  am  ähn- 
;hsten,  bei  der  ebenfalls,  wie  beim  Menschen,  im  Durchschnitt 
e  Zwillingshäufigkeit  sich  auf  1  :  80  beläuft.  Dieselben  Mög- 
.-hkeiten  wie  für  2  eiige  Zwillinge  bestehen  natürlich  ebenso 
r  die  übrigen  mehreiigen  Mehrlinge  (3  eiige  Drillinge,  4  eiige 
ierlinge),  wobei  dann  noch  Kombinationen  möglich  sind. 

Ganz  anders  verhalten  sich  sowohl  klinisch,  als  auch  ent- 
icklungsgeschichtlich  die  eineiigen  Mehrlinge.  Ueber  ihre 
ntstehung  sind  wir  uns  heute  noch  nicht  klar.  Ich  möchte 
-r  Vollständigkeit  halber  die  einzelnen  diesbezüglichen  Hypo- 
lesen  hier  nur  kurz  streifen. 

Die  eineiigen  Mehrlinge  sind  den  Doppelbildungen  zuzu- 
ihlen.  Die  Vereinigung  besteht  für  gewöhnlich  beim  Men¬ 
dien  in  den  so  gut  wie  nie  fehlenden  Plazentargefässanasto- 
osen  (Chorio-Angiopagen).  Sie  müssen,  wie  schon  betont, 
onochoriat  sein,  und  sind  in  den  selteneren  Fällen 
ich  monamniot.  Die  meisten  Monamniotenmehrlinge  haben 
ürennte  Nabelschnüre,  doch  treffen  wir  lückenlos  die  ganze 
ufenleiter  der  fortschreitenden  Vereinigung  der  Mehrlinge 
s  zu  typischen  Doppelwesen  beim  Menschen;  zunächst 
innen  die  Nabelschnüre  eine  Strecke  weit  verwachsen  sein, 
h.  es  exstiert  nur  eine  Nabelschnur,  die  sich  zum  Schluss 
ich  gabelt,  so  dass  zwar  noch  2  getrennte  Früchte,  aber  nur 
ne  Nabelschnur  bestehen  (monofunikulare  Mehrlinge),  dann 
innen  bei  Bestehen  einer  Schnur  die  Früchte  nur  durch 
ne  Hautbrücke  verbunden  sein  oder  auch  so,  dass  nach 
lirurgischer  Durchtrennung  einer  bedeutenderen  Verwach- 
ng  ein  getrenntes  Leben  beider  Früchte  möglich  ist,  und 
hliesslich  kann  die  Vereinigung  derart  sein,  dass  eine  chirur- 
sche  Trennung  unmöglich  ist. 

Ueber  die  Entstehung  der  eineiigen  Mehrlinge  wissen  wir 
ute  noch  nichts  Sicheres.  Man  glaubte  das  Rätsel  gelöst  zu 
Ten  mit  dem  Bekanntwerden  von  Eiern  mit  mehreren  Keim¬ 
äschen,  wie  sie  beim  Menschen  von  Kölliker,  Döder- 
i  n,  v.  Franque,  v.  Schumacher  u.  a.  beobachtet 
urden.  Nun  entwickeln  sich  aus  derartigen  zweikernigen 
ern  nicht  so  ganz  selten  noch  2  getrennte  Follikel  (Stöckel, 
Schumacher,  Schwarz,  Rabl),  jedoch  sind  auch  in 
umgreifen  Follikeln  von  Rabl  einwandfrei  Eier  mit  2  Keim¬ 
äschen  beobachtet.  Diese  Tatsache  fördert  uns  jedoch  in 
r  Kenntnis  der  Genese  eineiiger  Mehrlinge  nicht;  denn, 
hmen  wir  an,  ein  solches  2  kerniges  Ei  würde  befruchtet, 
würden  an  2  Stellen  Richtungskörperchen  ausgestossen, 
Spermatozoen  würden  eindringen,  es  würden  sich  2  Fur- 
ungskugeln  und  damit  2  Chorien  und  2  Amnien  bilden 
ussen,  was  bei  eineiigen  Zwillingen  niemals  vorkommt, 
ue  weitere  Hypothese  baute  sich  auf  die  Möglichkeit  der 


Befruchtung  eines  Eies  durch  mehrere  Spermatozoen 
(Polyspermie)  auf.  Es  gelang  zwar,  experimentell  durch  che¬ 
mische  und  sonstige  Beeinflussung  (Narkotika,  Gifte)  der  Eier 
niederer  liere  ein  Eindringen  von  mehreren  Spermatozoen  in 
e  i  n  Ei,  also  Polyspermie,  zu  erzeugen  (H  e  r  t  w  i  g,  F  o  1  u.  a.). 
Es  müssen  sich  dann  mit  dem  einen  Eikern  mindestens 
zwei  Spermakerne  vereinigen  und  es  entsteht  statt  der  zwei¬ 
poligen  1  eilungsfigur  eine  4-  und  mehrpolige.  Daraus  wird 
aber  nach  Boveri  niemals  ein  normaler  Organismus,  viel¬ 
mehr  kommt  das  polysperme  Ei  nicht  über  das  Gastrula- 
stadium  hinaus. 

Das  wahrscheinlichste  ist,  dass  sich  in  einer  Frucht¬ 
anlage  zwei  Fruchthöfe  bilden  und  je  nachdem  die  Frucht¬ 
höfe  einander  sehr  nahe  oder  entfernter  liegen,  entstehen 
monomniate  oder  diamniate,  aber  immer  m  onochoriate 
Mehrlinge. 

Nun  sind  von  Kleinenberg,  Kopse  h,  Asheton 
u.  a.  auf  e  i  n  e  m  Ei  2  Areae  embryonales  und  doppelte  Qastru- 
lation  bei  Wirbellosen,  wie  bei  Wirbeltieren  beobachtet. 
Dies  sind  nach  Strassmann  „die  ersten  anatomischen 
Grundlagen  für  die  Entstehung  eineiiger  Zwillinge“. 

Den  Grund  für  diöse  Doppelanlage  kennen  wir  nicht.  Der 
doppelte  Entwicklungsvorgang  in  einem  Ei  kann  zum  selben 
Resultat  wie  die  doppelte  Ovulation,  zur  Geburt  zweier  extra¬ 
uterin  völlig  getrennter  Früchte,  oder  aber  zur  Bildung  von 
Doppelwesen,  „Missbildungen“,  führen. 

Noch  einige  Worte  über  das  klinische  und  morphologische 
Interesse  eineiiger  Mehrlinge  resp.  ihrer  Fruchthüllen.  Das 
Charakteristikum  dieser  extrauterin  getrennt  lebensfähigen 
Mehrlinge  ist,  wie  schon  bemerkt,  dass  sie  intrauterine  Doppel¬ 
bildungen  darstellen.  Die  intrauterine  Verbindung  wird  her¬ 
gestellt  durch  den  sogen.  3.  Kreislauf.  Es  kommen  hiebei 
2  Verbindungswege  in  Betracht: 

1.  Durch  Zottentransfusionsströme  (aus  den  Arterien  des 
einen  geht  das  Blut  durch  die  Zottenkapillaren  in  die  Venen 
des  zweiten,  oder  umgekehrt). 

2.  Durch  direkte  arterielle  und  venöse  Anastomosen,  ohne 
Umweg  über  die  Zotten. 

An  einigen  Plazenten  sind  beobachtet: 

1.  Multiple  Zottentransfusionen,  ohne  oberflächliche  Ana¬ 
stomosen. 

2.  Zottentransfusionen  und  dabei  1  selten  2  arterielle 
Oberflächenanastomosen. 

3.  Zottentransfusionen  und  zugleich  1  resp.  2  venöse 
Oberflächenanastomosen. 

4.  Zottentransfusion  und  zugleich  je  1  resp.  2  arterielle 
u  n  d  venöse  Anastomosen. 

In  unserem  Falle  besteht  eine  grosse  arterielle  (cf.  Fig.  2  E), 
eine  grosse  venöse  (cf.  Fig.  2  F)  Anastomose  und  einige 
symmetrisch  verteilte  Zottentransfusionen  (Fig.  2  ZZZ).  Beide 
Früchte  hielten  sich  in  unserem  Falle  das  Gleichgewicht  und 
sind  deshalb  auch  annähernd  gleichmässig  entwickelt.  Das 
ist  jedoch  keineswegs  immer  der  Fall,  im  Gegenteil.  Besteht 
Gleichgewicht  zwischen  den  durch  Anastomosen  vereinigten 
Mehrlingen,  so  entsteht  in  der  Mitte  der  kommunizierenden 
Kreisläufe  ein  sogen.  Zirkulationsäquator,  der  an  ver¬ 
schiedenen  Stellen  durch  die  Zottentransfusionsströme  durch¬ 
brochen  werden  kann.  Entwickeln  sich  die  beteiligten  Herzen 
durch  irgend  welche  Umstände  (günstigere  Lage  der  in  Frage 
kommenden  Plazentarabschnitte  zum  Uterus,  verschieden 
weite  Entfernung  der  Nabelschnurinsertionen  etc.)  ungleich, 
so  verschiebt  sich  der  Zirkulationsäquator,  wobei  jedoch  ein 
Ausgleich  noch  möglich  ist,  dadurch,  dass  der  benachteiligte 
Mehrling  Zotten  gewinnt,  oder,  dass  die  Anastomosen  sich 
den  veränderten  Verhältnissen  anpassen.  Tritt  ein  solcher 
Ausgleich  nicht  ein,  so  bekommt  der  begünstigte  Mehrling 
mehr  Blut,  er  entwickelt  sich  stärker,  sein  Herz  hypertrophiert 
und  erweitert  sich;  die  Plethora  und  vermehrte  Herzkraft  be¬ 
dingen  eine  verstärkte  Diurese  und  dadurch  Polyhydramnion; 
umgekehrt  verkümmert  der  benachteiligte  und  weist  meist 
Oligohydramnion  auf.  Häufig  stirbt  er  ab  und  wird  zum 
Foetus  compressus  resp.  papyraceus,  ja  es  können  bei  ent¬ 
sprechenden  Mehrlingen  neben  einer  ausgetragenen  voll  ent¬ 
wickelten  Frucht  zwei  und  mehr  Foetus  papyracei  gebildet 
werden. 


814 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15. 


Klinisch  ist  bei  der  Geburt  eineiiger  Mehrlinge  noch  zu  be¬ 
achten,  dass  es  unerlässlich  ist,  die  Nabelschnur  des  zuerst 
Geborenen  auch  plazentarwärts  zu  unterbinden,  da  sich  sonst 
die  übrigen  noch  in  utero  bet'indlichen  Früchte  aus  den  an¬ 
geführten  Gründen  durch  diese  Schnur  verbluten  könnten, 
worauf  schon  Portal,  D  e  1  a  m  o  1 1  e  u.  a.  aufmerksam 
machten. 

Die  Mehrlinge  sind  durchweg  geringer  entwickelt  als  Ein¬ 
linge,  und  zwar  steigert  sich  diese  Reduktion  ungefähr  pro¬ 
portional  ihrer  Anzahl;  gleichzeitig  mit  der  Anzahl  und  der 
dadurch  bedingten  körperlichen  Unterentwicklung  der  Früchte 
nimmt  ihre  Lebensfähigkeit  in  paralleler  Weise  ab.  Trotzdem 
sind  Fälle  von  lebenden  und  durchaus  lebensfähigen  Vier¬ 
lingen,  wenn  auch  nur  sehr  vereinzelt,  beschrieben.  Der 
Hauptgrund  des  verfrühten  Eintritts  der  Geburt  bei  den 
höheren  Graden  von  Mehrlingsschwangerschaft  beruht  einer¬ 
seits  auf  dem  Unvermögen  des  menschlichen  Organismus,  das 
für  den  Aufbau  von  drei  und  mehr  voll  entwickelten  Früchten 
notwendige  Material  aufzubringen,  und  dann  auf  dem  mit  fort¬ 
schreitender  Schwangerschaft  im  Uterus  eintretenden  Raum¬ 
mangel. 

Auch  bei  Mehrlingen  werden,  wie  bei  Einlingen,  absolut 
und  relativ  mehr  Knaben  geboren  als  Mädchen.  Bei  Zwil¬ 
lingen  ist  das  Verhältnis  Knaben  zu  Mädchen  =  1,05:  1  nach 
der  grossen  Veit-Meckel  sehen  Statistik.  Bei  Drillingen 
werden  noch  etwas  mehr  Knaben  geboren,  so  dass  also 
mit  steigender  Mehrlingszahl  der  Knabenüberschuss  abnimmt. 
Für  Vierlinge  fand  ich  das  Verhältnis  1,09:  1,  doch  ist  die  Zahl 
der  diesbezüglichen  Fälle  zu  klein,  um  bündige  Schlüsse  zu¬ 
zulassen. 

Die  Häufigkeit  der  Vierlingsgeburten  schwankt  innerhalb 
ziemlich  grosser  Grenzen.  Nach  den  amtlichen  Berliner  Auf¬ 
zeichnungen  kamen  dort  unter  den  in  74  Jahren  insgesamt 
beobachteten  1  971759  Geburten  3  mal  Vierlinge  vor,  also 
0,0015  mal  auf  1000  Geburten;  die  Drillingshäufigkeit  in  der¬ 
selben  Zeitspanne  belief  sich  auf  0,113  Prom.  und  die  Zwillings¬ 
häufigkeit  auf  11,1  Prom.  Zu  ähnlichen  Resultaten  kommen  in 
Beziehung  auf  Zwillinge  und  Drillinge  auch  andere  Statistiken, 
während  die  Häufigkeit  der  Vierlinge  in  ziemlich  erheblichen 
Grenzen  schwankt,  da  Vierlinge  nur  sehr  selten  beobachtet 
sind  und  somit  bald  auf  1000  resp.  10  000  Fälle  mehr  oder 
weniger  nur  ein  Fall  kommt.  Die  Häufigkeit  der  Mehrlings¬ 
schwangerschaft  ist  nach  P  u  e  c  h  ausschliesslich  abhängig 
von  der  Fruchtbarkeit  eines  Landes  resp.  Bezirkes  und 
schwankt  in  denselben  Grenzen,  als  diese  sich  verändert. 
Jeder  Einfluss  der  Rasse,  des  Klimas  etc.  wird  negiert.  Frank¬ 
reich  weist  dementsprechend  auch  die  geringste  Anzahl  von 
Mehrlingen  auf.  Ferner  prädisponieren  nach  Puech  viele 
und  rasch  aufeinanderfolgende  Geburten  eine  Frau  für  Mehr¬ 
lingsschwangerschaft.  (Plus  une  femme  a  eu  des  enfants,  ä 
intervalles  raprochees,  plus  eile  est  apte  ä  ces  anomalies 
physiologiques.)  Diese  Sätze  blieben  aber  keineswegs  un¬ 
angefochten,  jedoch  verbietet  Zeit  und  Rapm,  sämtliche  hier¬ 
hergehörigen  Hypothesen  zu  erörtern. 

Mehrfache  Schwangerschaft  kommt  bekannterrnassen  in 
einzelnen  Familien  wiederholt  vor  und  es  ist  eine  wissen¬ 
schaftlich  längst  festgestellte  Tatsache,  dass  die  Anlage 
zu  mehreiiger  Mehrlingsschwangerschaft 
erblich  ist,  wobei  die  Mutter  die  Trägerin  dieser  erblichen 
Anlage  ist  (s.  o.). 

Von  Bedeutung  für  die  mehrfache  Schwangerschaft  ist, 
wie  für  die  Fruchtbarkeit  überhaupt,  das  Alter  beider  Eltern. 
Das  mittlere  Alter  für  die  Erzeugung  von  Mehrlingen  wurde 
von  Duncan  und  Gö  liiert  festgestellt: 

a)  für  den  Vater  im  37.-38.  Lebensjahr, 

b)  für  die  Mutter  verschieden,  je  nachdem  es  sich  um 
die  Erzeugung  von  Zwillingen  oder  Drillingen  handelt;  für 
Vierlinge  sind  die  diesbezüglichen  Daten  bis  jetzt  noch  nicht 
aufgestellt  worden. 

Der  Höhepunkt  der  Zwillingsfruchtbarkeit  liegt  zwischen 
dem  25. — 29.  Lebensjahr  der  Mutter,  derjenige  für  Drillinge 
zwischen  dem  30. — 34.  Jahre.  Während  also  das  Alters¬ 
optimum  für  Einlinge  bei  den  Müttern  in  die  Jahre  zwischen 
20  und  25  fällt,  tritt  das  Optimum  der  Mehrlinge  erst  gegen 
das  30.  Jahr  hin  auf;  mit  anderen  Worten:  Die  Mütter  von 


Mehrlingen  sind  in  der  Regel  ältere  Mehrgebärende.  Die 
Zwillingsmütter  sind  durchschnittlich  jünger  als  die  Drillings¬ 
mütter,  nämlich  52,5  Proz.  von  ersteren  sind  unter  30  Jahre 
alt,  während  von  den  Drillingsmüttern  nur  35,3  Proz.  weniger 
als  30  Jahre  zählen.  Ferner  werden  die  Mehrlinge  in  der 
überwiegenden  Mehrzahl  von  Mehrgebärenden  ge¬ 
boren.  Verschiedene  Forscher  fanden  hierfür  ziemlich  über¬ 
einstimmende  Resultate. 

Für  Zwillinge  fand  Gö  liiert:  21,3  Proz.  l.-parae  und 
78,7  Proz.  Pluriparae,  Duncan:.  22,73  Proz.  I.-parac  und 
77,27  Proz.  Pluriparae. 

Für  Drillinge  fand  Mirabeau:  19,36  Proz.  I.-parae 
und  80,64  Proz.  Pluriparae. 

Ferner  zeigt  sich  bei  einem  Vergleich,  dass  die  Erst¬ 
gebärenden  unter  den  Drillingsmüttern  älter  sind,  als  die 
I.-parae  unter  den  Zwillingsmüttern. 

Es  interessierte  mich  nun,  zu  erfahren,  ob  auch  bei  Vier¬ 
lingsmüttern  ähnliches  sich  würde  nachweisen  lassen.  Ich 
prüfte  die  veröffentlichten  Fälle  von  Vierlingsgeburt,  soweit 
ich  die  entsprechende  Literatur  bekommen  konnte  resp.  soweit 
sich  hierin  die  entsprechenden  Daten  fanden,  auf  diese  Ge¬ 
sichtspunkte  hin. 

Dem  Alter  nach  waren  von  den  Vierlingsmüttern: 


24 

Jahre  .  .  . 

2 

31 

Jahre  .  .  . 

2 

38 

Jahre  . 

.  1 

25 

0 

32 

77  *  *  * 

3 

39 

7?  • 

•  2, 

26 

1 

33 

v  •  •  • 

0 

40 

7»  • 

0 

27 

0 

34 

7»  •  •  • 

1 

41 

17  • 

.  0' 

28 

2 

35 

7*  •  •  • 

0 

42 

77  • 

•  0 

29 

0 

36 

71  .  «  • 

3 

43 

71  • 

.  o 

30 

n  •  •  • 

1 

37 

v  •  •  • 

1 

44 

77  • 

.  1 

Es  waren  also  von  den  20  Vierlingsmüttern,  deren  Alter  an¬ 
gegeben  war,  14  =  70  Proz.  30  Jahre  und  über  30  Jahre  alt,  und  nur; 
30  Proz.  unter  30  Jahren.  Es  waren  unter  30  Jahre  alt: 


a)  von  den  Zwillingsmüttern:  52,0  Proz.  (Duncan), 

b)  von  den  Drillingsmüttern:  36,5  Proz.  (Duncan)  resp. 
35,3  Proz.  (Mirabeau), 

c)  von  den  Vierlingsmüttern:  30  Proz. 


Tabelle  1. 

(Nach  Strassmann:  v.  Winckels  Handbuch  1.  2.) 


Alter 

Zwillingsmütter 
(nach  Duncan) 

Drillingsmütter 
(nach  Mirabeau) 

Vierlingsmütter 

(Verfasser) 

Jahre 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

15-19 

1,32 

1,79 

0 

20—24 

19,74 

12,05 

10,00 

25-29 

31,39 

21,43 

15,00 

30-34 

29,04 

32,14 

35.00 

35—94 

14,97 

21,43 

35,00 

40—34 

3,18 

10,71 

5,00 

Bringen  wir  diese  Resultate  graphisch  zur  Darstellung 
so  sehen  wir,  dass  die  Vierlingshäufigkeit  unter  30  Jahrer 
gering  ist  gegenüber  der  Zwillings-  und  Drillingshäufigkeit 
dass  ferner  das  Maximum  bei  jener  auch  zwischen  dem  30.  unc 
40.  Jahre  erreicht  wird,  dass  es  jedoch  höher  steht  als  be 
Zwillingen  und  Drillingen  und  dass  es  sich  auch  im  nächster 
Quinquennium  auf  derselben  Höhe  behauptet,  um  dann  rascl 
abzusinken. 


Auch  die  Vierlinge  werden,  wie  die  Drillinge,  zum  grösste: 
Teil  von  Mehrgebärenden,  hauptsächlich  Vielgebären 
den  (Vl.-parae  und  Mehrgebärenden)  zur  Welt  gebracht 


5.  April  1913. 


815 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


as  \  erhältnis  der  Vierlinge  zu  Zwillingen  und  Drillingen  ge¬ 
altet  sich  in  dieser  Hinsicht  folgenderrnassen: 


Tabelle  2. 


'ahl  der  Geburten 

Zwillinge 
(nach  D  u  n  c  a  n) 

Drillinge 
(nach  Mirabeau) 

Vierlinge 
(nach  Verf.) 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

:>ara . 

-V.-para  (Mehr- 

22,73 

19,36 

9,52 

gebärende)  .  .  . 
-para  und  darüber 

4091 

45,16 

38,09 

(Vielgebärende)  . 

36,36 

35,48 

52,33 

Zusammenfassend  kommen  wir  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Die  Vierlingsmütter  sind  durchschnittlich  älter  als  die 
illingsmütter,  diese  wiederum  älter  als  die  Zwillingsmütter. 

2.  Die  Anzahl  der  Erstgebärenden  unter  den  Mehrlings- 
üttern  nimmt  mit  steigender  Zahl  der  Mehrlinge  ab. 

3.  Die  Vierlingsmütter  sind  in  der  überwiegenden  Mehr- 
hl  Vielgebärende  (Vl.-parae  und  darüber),  während  für 
villings-  und  Drillingsmütter  die  Mehrgebärenden  (Il.-parae 
5  V.-parae)  das  Hauptkontingent  stellen. 

Diese  Zahlen  sollen  nur  einen  allgemeinen  Ueberblick 
ben,  Anspruch  auf  statistische  Genauigkeit  können  und 
jllen  sie  nicht  machen,  da  ja  die  Zahl  der  beobachteten  Vier- 
gsgeburten  viel  zu  gering  ist,  als  dass  sie  mit  den  grossen 
hlen  bei  Drillingen  und  Zwillingen  verglichen  werden 
nnte. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhaus  Elbing. 

ptur  des  graviden  Uterus  nach  vorausgegangenem 
klassischen  Kaiserschnitt*). 

Von  Dr.  Schwarz,  dirigierender  Arzt. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wir  in  den  letzten 
zennien  in  der  Technik  des  klassischen  Kaiserschnittes 
sserordentliche  Fortschritte  gemacht  haben,  so  dass  man 
)hl  berechtigt  ist,  zu  sagen,  der  Kaiserschnitt  ist  bei  nicht 
izierten  Müttern  eine  beinahe  ungefährliche  Operation.  Auch 
Gefahr  der  Mutter  bei  einer  später  eintretenden  Entbindung 
t  sich  ganz  erheblich  vermindert.  Während  früher,  als  der 
_rus  noch  nicht  genäht,  sondern  offen  gelassen  wurde,  nach 
uckenberg  bei  nachfolgender  Schwangerschaft  oder 
burt  jeder  zweite  Uterus  rupturierte,  konnte  Olshausen 
Jahre  1895  sagen,  dass  ein  Zerreissen  der  Uterusnarbe  bei 
er  neuen  Schwangerschaft  oder  Geburt  ein  äusserst  sel- 
es  Vorkommnis  sei.  Olshausen  gibt  an,  dass  er  nach 
)  klassischen  Kaiserschnitten  nur  einmal  eine  Ruptur  des 
irus  erlebt  habe.  Er  sagt,  dass  bei  der  modernen  Technik 
Naht  ein  Zerreissen  des  Uterus  fast  ausgeschlossen  sei; 
sagt  sogar,  dass  der  Uterus  eher  an  einer  anderen  Stelle 
reissen  könne  als  an  der  Stelle  des  früheren  Kaiserschnittes. 
Die  Erfahrungen,  die  man  dann  mit  Schwangerschaften 
I  Geburten  mit  vorausgegangenem  klassischen  Kaiserschnitt 
nacht  hat.  waren  doch  wesentlich  andere.  Es  hat  sich 
ausgestellt,  dass  die  Ruptur  der  Kaiserschnittsnarbe  noch 
ht  so  sehr  zu  den  Seltenheiten  gehört,  wie  sie  uns  Ols¬ 
ten  geschildert  hat.  So  konnte  Dahlmann  im  Jahre 
0  in  der  Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
i^der  Literatur  21  Fälle  und  aus  seiner  eigenen  Beobachtung 
'älle  zusammenstellen,  wo  nach  klassischem  Kaiserschnitt 
erusnaht)  eine  Ruptur  der  Uterusnarbe  bei  einer  nach- 
jenden  Schwangerschaft  sich  ereignete. 

Meines  Erachtens  ist  die  Zahl  der  vorgekommenen  Uterus- 
'turen  nach  klassischem  Kaiserschnitt  eine  viel  grössere; 
grosser  Teil  ist  sicherlich  nicht  in  der  Literatur  nieder¬ 
st,  besonders  werden  es  wohl  die  für  die  Mutter  ungünstig 
laufenen  Fälle  sein,  die  der  Oeffentlichkeit  nicht  übergeben 
rden  sind.  Fällt  es  doch  auf,  dass  von  den  25  veröffent- 
iten  Fällen  dies  üble  Ereignis  nur  einmal  für  die  Trägerin 
einem  tödlichen  Ausgang  endigte. 

Wir  haben  in  unserem  Krankenhaus  Gelegenheit  gehabt, 
en  Fall  von  Spontanruptur  des  Uterus  nach  voraus- 

*)  Auszugsweise  vorgetragen  in  der  Sitzung  der  Nordost- 
tschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  zu  Bromberg  am  23.  März  1912. 


gegangenem  klassischen  Kaiserschnitt  zu  beobachten.  Ich 
gebe  in  kurzen  Zügen  die  Krankengeschichte  dieses  Falles 
wieder: 

Am  24.  XII.  07  wurde  die  26  jähr.  Arbeiterfrau  Henriette  Sch. 
in  unser  Krankenhaus  aufgenommen.  Sie  war  zum  ersten  Male 
uiavida  im  8.  Monat  und  hatte  vor  der  Einlieferung  3  schwere 
eklamptische  Anfälle.  Bei  der  Einlieferung  konnte  folgender  Befund 
ei  hoben  werden:  Die  Schwangere  ist  vollständig  bewusstlos,  tief 
komatös,  die  Atmung  ist  stark  röchelnd,  der  Kornealreflex  fehlt;  es 
besteht  eine  Schwangerschaft  im  8.  Monat.  An  den  Unter-  und  Ober¬ 
schenkeln  befinden  sich  sehr  starke  Oedeme.  Vulva  eng,  ebenso  die 
Vagina,  die  Portio  ist  zapfenförmig,  eben  für  den  Zeigefinger  durch¬ 
gängig;  die  Herztöne  des  Kindes  sind  zu  hören.  Der  Puls  der  Mutter 
ist  äusserst  frequent  und  klein.  Der  durch  den  Katheter  entleerte 
Urin  enthält  10  Prom.  Eiweiss. 

Da  die  Pat.  sich  in  grösster  Lebensgefahr  befand  und  eine 
Rettung  nur  möglich  war  durch  eine  schleunige  Entbindung,  ent¬ 
schlossen  wir  uns  zum  klassischen  Kaiserschnitt.  Wir  zogen  diese 
Operationsmethode  dem  vaginalen  Kaiserschnitt  vor,  weil  er  unseres 
Erachtens  rascher  ausführbar  war.  Bei  den  starken  Oedemen  und 
bei  der  Enge  der  Geschlechtsteile  wäre  ein  grosser  Schuc  hardt¬ 
scher  Schnitt  notwendig  gewesen,  um  den  vaginalen  Kaiserschnitt 
auszuführen.  Der  Schnitt  wurde  nun  oberhalb  des  Nabels  begonnen 
in  der  Mittellinie  und  umkreiste  links  den  Nabel.  Nach  Hervor¬ 
wälzung  des  Uterus  wurde  der  Fundusquerschnitt  gemacht  und  ein 
lebendes  Kind  entwickelt.  Die  Blutung  war  mässig,  der  Uterus 
kontrahierte  sich  sehr  gut.  Der  Uterusschnitt  wurde  so  genäht,  dass 
zunächst  durch  8  Knopfnähte  die  Muskularis  vereinigt  wurde,  dann 
wurde  darüber  eine  Schicht  von  muskulo-serösen  Nähten  gelegt,  dann 
kam  nochmals  eine  fortlaufende  Serosanaht.  Das  Nähmaterial  be¬ 
stand  aus  Katgut.  Schluss  der  Bauchhöhle.  Als  das  wichtigste  aus 
dem  Verlauf  ist  hervorzuheben,  dass  die  Pat.  in  der  Nacht  noch 
5  eklamptische  Anfälle  hatte.  Am  25.  erlangte  sie  das  Bewusstsein 
wieder.  Allmählich  besserte  sich  der  Zustand,  das  Sensorium  wurde 
immer  freier,  das  Eiweiss  ging  immer  mehr  zurück:  die  Temperatur 
stieg  am  3.  Tage  bis  auf  38,1.  Am  10.  Tage  nach  der  Operation 
Verbandwechsel.  An  den  Hautnähten  bestanden  einige  Stichkanal¬ 
eiterungen.  Im  übrigen  war  der  Verlauf  ein  normaler,  so  dass  die 
Entlassung  nach  31  Tagen  am  24.  I.  1908  erfolgen  konnte. 

Diese  Frau  wurde  am  5.  VII.  1911  wiederum  in  unser  Kranken¬ 
haus  aufgenommen.  Sie  gab  an,  dass  sie  am  2.  XII.  1910  zum  letzten 
Male  menstruiert  gewesen  sei:  sie  habe  Ende  Juni  Schmerzen  im 
Leibe  verspürt;  am  5.  Juli  früh  sei  starkes  Erbrechen  aufgetreten. 
Be:  der  Aufnahme  konnte  folgender  Befund  erhoben  werden: 

Der  Uterus  steht  dreiquerfingerbreit  unterhalb  des  Rippen¬ 
bogens:  das  Betasten  des  Bauches  ist  der  Pat.  sehr  schmerzhaft. 
Man  fühlt  durch  die  äussere  Untersuchung,  dass  es  sich  um  eine 
1.  Schädellage  handelt.  Die  innerliche  Unteruchung  ergibt,  dass  der 
Muttermund  völlig  geschlossen  ist,  die  Blase  steht.  Da  wir  uns  in 
der  Annahme  befanden,  dass  es  event.  zu  einer  Frühgeburt  kommen 
könnte,  so  verhielten  wir  uns  abwartend;  wegen  der  Schmerzen 
wurden  leichte  Narkosen  verabfolgt.  Der  Puls  war  bei  der  Auf¬ 
nahme  92,  die  Temperatur  36,8.  Am  5.  nachmittags  verspürte  die 
Schwangere  noch  deutliche  Kindsbewegungen.  Am  6.  Die  Schmerzen 
im  Bauch  nahmen  zu,  Puls  80,  voll  und  kräftig. 

Am  7.  früh  zeigte  sich  ein  völlig  verändertes  Krankheitsbild. 
Die  Kranke  hatte  einen  Puls  von  124,  der  Puls  war  klein.  Die  Kranke 
sieht  äusserst  blass  aus.  Der  Leib  ist  stark  gespannt,  der  Uterus  ist 
nicht  mehr  deutlich  zu  fühlen.  In  der  rechten  Unterbauchgegend 
besteht  eine  Dämpfung,  im  übrigen  besteht  überall  tympanitischer 
Schall  über  dem  Abdomen.  Da  eine  Ruptur  des  Uterus  in  der  Narbe 
vermutet  wird,  so  wird  sofort  zur  Laparotomie  geschritten. 

Bei  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigt  sich,  dass  das  ganze  Ei 
unversehrt  in  die  Bauchhöhle  getreten  war,  ausserdem  befand  sich 
noch  eine  Menge  geronnenen  und  flüssigen  Blutes  in  der  Bauchhöhle. 
Plazenta  und  Kind  wurden  aus  der  Bauchhöhle  entfernt.  Der  Uterus 
liegt  fest  kontrahiert  im  kleinen  Becken.  Beim  Hervorziehen  des¬ 
selben  zeigte  sich,  dass  am  Fundus  von  einem  Tubenwinkel  bis  zu 
dem  anderen  Tubenwinkel  die  Kaiserschnittnarbe  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  zerrissen  war.  Die  Wundränder  waren  unregelmässig 
zerfetzt,  Blutung  aus  dem  kontrahierten  Uterus  bestand  nicht;  der 
Uterus  wurde  supravaginal  amputiert,  die  Ovarien  werden  zurück¬ 
gelassen,  die  Bauchhöhle  geschlossen.  Abgesehen  davon,  dass  der 
Puls  am  3.  Tage  bis  auf  136  in  die  Höhe  ging  bei  einer  Temperatur 
von  38,2,  war  der  Verlauf  ein  völlig  glatter.  Die  Kranke  konnte  be¬ 
reits  am  31.  Juli  aus  dem  Krankenhause  entlassen  werden. 

Wenn  wir  nun  der  Ursache  nachgehen  wollen,  auf  die 
die  Ruptur  einer  solchen  Kaiserschnittsnarbe  zurückzuführen 
ist,  so  finden  wir,  dass  da  mannigfaltige  Momente  geltend 
gemacht  werden.  In  erster  Linie  hat  man  das  Nahtmaterial 
beschuldigt,  man  hat  gesagt,  Katgut  resorbiert  sich  zu  rasch 
und  ist  deshalb  für  eine  Uterusnaht  ungeeignet;  der  Seide  hat 
man  vorgeworfen,  dass  sie  zu  Fisteln  Veranlassung  gibt.  Die 
Durchsicht  der  Literatur  hat  mir  aber  gezeigt,  dass  diese 
Gründe  nicht  stichhaltig  sind.  Es  ist  ziemlich  gleichgültig  für 
die  Haltbarkeit  der  Naht,  ob  der  Uterus  mit  Seide,  Katgut  oder 


816 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Silkwormgut  genäht  wird.  Man  hat  auch  darauf  hingewiesen, 
dass  für  ein  gutes  Ueberstehen  einer  Schwangerschaft  nach 
vorausgegangenem  Kaiserschnitt  nicht  ohne  Bedeutung  ist, 
wie  lange  Zeit  zwischen  dem  Kaiserschnitt  und  der  Schwan¬ 
gerschaft  verstrichen  ist.  Die  Angaben  in  der  Literatur  in¬ 
dessen  zeigen  uns,  dass  die  Kaiserschnittsnarbe  häufig  bei  einer 
nachfolgenden  Geburt  sehr  gut  standhält,  wenn  1  Jahr  ver¬ 
flossen  ist,  dass  sie  aber  auch  einreissen  kann,  wenn  schon 
mehrere  Jahre  nach  dem  Kaiserschnitt  verstrichen  sind.  In 
unserem  Falle  waren  nach  dem  Kaiserschnitt  3 lA  Jahre  ver¬ 
flossen.  Auch  der  Insertion  der  Plazenta  wird  grosse  Be¬ 
deutung  beigelegt;  man  hat  gesagt,  dass  in  den  Fällen,  in  denen 
die  Plazenta  in  der  Nähe  der  Kaiserschnittsnarbe  inseriert, 
die  Gefahr  einer  Uterusruptur  besonders  gross  ist,  auch  dieser 
Einwand  hat  sich  nicht  als  stichhaltig  erwiesen. 

Dass  häufig  keine  feste  muskuläre  Vereinigung  der  Uterus¬ 
naht  zustande  kommt,  liegt  meines  Erachtens  in  der  Eigenart 
der  Wundverhältnisse  am  Uterus.  S  c  h  e  f  z  e  k  hat  mit  Recht 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  der  Naht  des  Uterus- 
muskcls  doch  erheblich  andere  Verhältnisse  vorliegen,  wie 
bei  der  Naht  eines  durchtrennten  Muskels  am  Arm  oder  am 
Bein.  Wird  ein  solcher  Muskel  genäht,  dann  wird  die  ganze 
Extremität  ruhiggestellt,  damit  eine  tadellose  prima  intentio 
erfolgen  kann.  Ein  so  genähter  Muskel  hält  jeder  an  ihn  ge¬ 
stellten  Arforderung  später  stand.  Anders  liegen  die  Verhält¬ 
nisse  am  Uterusmuskel.  Der  genähte  Uterus  befindet  sich 
nach  der  Geburt  in  beständiger  Rückentwicklung,  er  ist  in 
beständiger  Bewegung.  Häufig  kommt  es  auch  vor,  dass  die 
Zusammenziehung  des  Muskels  abwechselt  mit  atonischen 
Zuständen  des  Uterus.  Dass  auch  in  solchen  Fällen, 
auch  bei  ganz  fieberlosem,  glattem  Verlauf  eine  muskuläre 
Vereinigung  nicht  zustande  kommen  kann,  darf  uns  weiter 
nicht  wundernehmen. 

Der  2.  Punkt,  der  für  die  Haltbarkeit  der  Uterusnarbe  von 
grösster  Bedeutung  ist,  ist  der  völlig  normale  fieberlose  Ver¬ 
lauf  nach  dem  Kaiserschnitt.  Wert  sagt,  dass  man  bei  einem 
guten  fieberlosen  Verlauf  nach  einem  Kaiserschnitt  mit  Sicher¬ 
heit  darauf  rechnen  könne,  dass  die  Narbe  einer  nachfolgenden 
Schwangerschaft  und  Geburt  standhält. 

In  unserem  Falle  ist  der  Verlauf  nicht  ganz  fieberfrei  und 
normal  gewesen.  Wie  schon  erwähnt,  hatten  wir  nach  dem 
Kaiserschnitt  Temperatursteigerungen  bis  zu  38,2  infolge  einer 
Bauchdeckeneiterung;  ob  nun  auch  die  Wundheilung  an  der 
Uterusnaht  eine  nicht  völlig  einwandfreie  war,  lässt  sich  mit 
Sicherheit  nicht  entscheiden.  Die  Möglichkeit,  dass  sich  auch 
da  entziindlche  Prozesse  abgespielt  haben,  ist  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen. 

Die  Schnittführung  am  Uterus  ist  für  später  zustande 
kommende  Uterusrupturen  ziemlich  gleichgültig. 

Von  den  25  veröffentlichten  Fällen  ist  von  Dahlmann 
23  mal  die  Schnittrichtung  angegeben,  11  mal  ist  der  Schnitt 
an  der  Vorderseite  des  Uterus  gemacht  und  12  mal  der 
Fritsch  sehe  Fundusquerschnitt. 

Es  muss  auffallen,  dass  von  den  25  Müttern  mit  Uterus¬ 
rupturen  24  gerettet  werden  konnten;  das  ist  wohl  darauf 
zurückzuführen,  dass  der  grösste  Teil  dieser  Mütter  zurzeit 
der  Uterusruptur  sich  in  Krankenhäusern  resp.  in  Kliniken  be¬ 
fand;  denn  den  meisten  Müttern  wird  aufgegeben,  sich  bei  ein¬ 
tretender  Schwangerschaft  wieder  in  ein  Krankenhaus  zu  be¬ 
geben,  so  auch  bei  uns. 

Die  Prognose  für  das  Kind  muss  als  schlecht  bezeichnet 
werden.  In  einem  Teil  der  veröffentlichten  Fälle  befindet  sich 
das  Kind  im  Uterus,  wenn  aber,  wie  in  unserem  Falle,  jede 
Kreislaufsverbindung  zwischen  dem  Ei  und  der  Uteruswand 
aufgehoben  ist,  dann  ist  auf  die  Erhaltung  des  kindlichen 
Lebens  wohl  niemals  zu  rechnen.  Von  den  25  in  der  Literatur 
niedergelegten  Fällen  wird  eine  Kindersterblichkeit  von 
77,5  Proz.  angegeben. 

Nun  noch  ein  Wort  über  die  Behandlung. 

In  den  veröffentlichten  Fällen  ist  auf  zweierlei  Weise  ver¬ 
fahren  worden.  In  einem  Teil  der  Fälle  ist  die  Uterusnarbe 
angefrischt  und  wieder  genäht  worden,  in  dem  anderen  Teil 
ist  die  supravaginale  Amputation  des  Uterus  gemacht  worden. 

Meines  Erachtens  lässt  sich  eine  bestimmte  Regel  gar 
nicht  aufstellen.  Die  Eigenart  eines  jeden  Falles  muss  im 


No.  15. 


gegebenen  Moment  über  die  Wahl  des  geeigneten  Heilver¬ 
fahrens  entscheiden.  Im  allgemeinen  scheint  mir  die  Ent¬ 
fernung  des  Corpus  uteri  das  zweckmässigere  zu  sein,  denn  ein¬ 
mal  erscheint  es  doch  gewagt,  den  Uterus  in  dem  alten  nar¬ 
bigen  Gewebe  nochmals  zu  nähen,  dann  halte  ich  es  auch  für 
gewagt,  die  Trägerin  des  Uterus  der  Gefahr  einer  erneuten 
Schwangerschaft  und  event.  Uterusruptur  auszusetzen.  Lässt 
man  den  Uterus  der  Frau  zurück,  so  würde  ich  es  für  zweck¬ 
mässig  halten,  durch  Tubenresektion  die  Frau  zu  sterilisieren. 

Nun  möchte  ich  noch  in  einigen  Worten  auf  die  Frage  zu 
sprechen  kommen,  ob  man  den  korporalen  klassischen  Kaiser¬ 
schnitt  wegen  der  Gefahr  späterer  Uterusruptur  zu  gunsten 
des  extraperitonealen  Kaiserschnittes  nach  Frank-Lat zko 
einschränken  soll.  Die  Berichte,  die  über  Geburten  nach 
extraperitonealem  Kaiserschnitt  vorliegen,  lauten  verhältnis¬ 
mässig  günstig,  indes  ist  die  Zahl  —  es  sind  erst  70  Geburten 
nach  extraperitonealem  Kaiserschnitt  veröffentlicht  —  zu 
gering,  als  dass  man  immerhin  eine  so  bewährte  Operations¬ 
methode,  wie  sie  der  klassische  Kaiserschnitt  darstellt,  ver¬ 
werfen  sollte. 


Zur  Fremdkörperlokalisation  im  Auge. 

Von  Dr.  Max  Reichmann  in  Chicago. 

An  der  Hand  eines  Falles,  der  mir  im  November  1911  zur 
röntgenologischen  Untersuchung  von  Dr.  Frank  Allport, 
der  den  Fall  auch  im  Ophthalmie  Record,  Chicago,  Februar 
1912  veröffentlichte,  überwiesen  wurde,  möchte  ich  eine: 
Modifikation  der  Methode  von  Fürstenau  besprechen,  die 
mir  nicht  ohne  allgemeineres  Interesse  zu  sein  scheint. 

Ein  17  jähr.  Junge  wurde  vor  2  Jahren  am  rechten  Auge  von 
einem  Stahlsplitter  getroffen,  der  die  Kornea  und  Linse  perforierte, 
jedoch  nicht  im  Auge  verblieb.  Der  gesetzte  Katarakt  wurde  nach 
und  nach  absorbiert  und  Pat.  hatte  nach  Korrektur  eine  Sehkraft: 
von  20/20. 

Im  November  1911  wurde  nun  auch  das  linke  Auge  von  einem 
Stahlsplitter  getroffen,  der  das  obere  Lid,  die  Kornea,  Iris  und  die 
Linse  durchbohrte.  Ein  Riesenmagnet  verursachte  auch  nach  Durch- 
trennung  der  Sklera  keine  Reaktion,  so  dass  man  annahm,  dass  der 
Fremdkörper  hinter  dem  Bulbus  gelegen  sein  müsse. 

Eine  nach  der  Methode  von  K  o  e  h  1  e  r  gemachte  Aufnahme 
schien  diese  Ansicht  nicht  zu  bestätigen,  da  die  Platte  zwei  deut¬ 
liche,  nahezu  2  mm  voneinander  entfernte  Schatten  des  Stahlsplitters 
aufwies. 

Ich  ging  nun  daran,  mittels  der  Methode  von  Fürstenau  die 
Tiefenlage  des  Fremdkörpers  zu  bestimmen,  da  jedoch  diese  Methode 
bei  der  Lokalisation  von  Fremdkörpern  im  Auge  ziemlich  kompliziert! 
ist,  schlug  ich  folgendes  Verfahren  ein: 

Zunächst  wurde  mittels  Tastzirkels  die  Entfernung  zwischen 
der  Mitte  der  Pupille  und  einem  diametral  von  derselben  am  Okziput 
gelegenen  Punkte  gemessen.  Im  äusseren  Augenwinkel  wurde  eine 
kleine  Bleimarke  angebracht  und  nun  ein  oval  geschnittener  Zahn¬ 
film  mittels  Watte  und  einem  Zelluloidschilde  fest  auf  das  geschlossene 
Auge  aufgedrückt. 

Der  Kopf  wurde  nun  mit  zur  Brust  angezogenem  Kinn  mit  dem 
Gesichte  nach  abwärts  mittels  Sandsäcken  auf  einem  Polster  fixiert, 
die  Röhre  so  über  dem  am  Hinterhaupte  markierten  Punkte  zentriert, 
dass  die  Distanz  zwischen  Pupillenmitte  und  Antikathode  60  eni  be¬ 
trug  und  dann  in  üblicher  Weise  die  beiden  stereometrischen 
Aufnahmen  gemacht.  Starkstrominduktor.  ,  Rapidwasserkühlrohre 
Bauer  9,  12  M.-A.  sekundäre  Stromstärke,  30"  Expositionsdauer. 

Der  in  Glyzin  entwickelte  Film  zeigte  2  Schatten  des  Stall  - 
splitters,  deren  Distanz  mit  dem  Tiefenmesser  gemessen  26,5  mm  als 
Abstand  des  Fremdkörpers  von  dem  Film  ergab.  Ich  habe  den. 
Punkt  am  Hinterhaupte  nicht  mit  einer  Metallmarke  versehen,  da 
ich  bei  der  Kleinheit  des  Feldes  befürchten  musste,  dass  der  Schatten 
dieser  Marke  eventuell  mit  dem  Schatten  des  Fremdkörpers  zu¬ 
sammenfiele  und  überdies  die  seitliche  Distanz  approximativ  ^  durch 
eine  Messung  des  Abstandes  zwischen  dem  Schatten  des  Fremd¬ 
körpers  und  dem  Schatten  der  Bleimarke  am  äusseren  Augenwinkel 
bestimmt  werden  kann.  .  y 

Der  Abstand  des  Stahlsplitters  von  dem  Film  betrug,  wie  oben 
bemerkt.  26,5  mm.  2  mm  habe  ich  als  ungefähren  Abstand  des  Film« 
vom  Bulbus  angesetzt,  es  blieben  daher  24,5  mm  als  Abstand  des 
Fremdkörpers,  vorausgesetzt,  dass  die  Untersuchung  in  allen  Details 
richtig  war.  _ ... 

Da  nun  der  sagittale  Durchmesser  des  normalen,  völlig  ent¬ 
wickelten  Auges  zwischen  24  und  24,5  mm  schwankt,  und  wir  es 
hier  mit  einem  jugendlichen  Individuum  zu  tun  hatten,  war  die  An¬ 
nahme  vollkommen  gerechtfertigt,  dass  sich  der  Fremdkörper  hinter 
dem  Bulbus  befinden  müsse.  Ei 

Dass  dies  der  Fall  war,  sollte  sich  zum  Unglücke  für  den  rat. 
alsbald  zeigen.  Nach  einigen  fruchtlosen  Extraktionsversuchen  mittels 


S.  April  191.1. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


les  hinter  den  und  in  den  Bulbus  eingefiihrten  Magneten  stellten 
ich  nämlich  Zeichen  einer  purulenten  Ophthalmitis  ein.  die  die 
ofortige  Enukleation  notwendig  machten.  Dr.  A  1  lpor  t  fand  darauf 
len  Splitter  in  einem  kleinen  Exsudate,  das  der  hinteren  Wand 
es  Bulbus  anklebte.  Ich  habe  mich  bisher  bei  der  Untersuchung 
er  Fremdkörper  im  Auge  stets  auf  die  Methode  von  Köhler  in 
erbindung  mit  stereoskopischen  Aufnahmen  verlassen,  möchte  es 
her  jetzt  als  eine  Unterlassungssünde  bezeichnen,  wenn  ich  mich 
icht  in  jedem  Falle  auch  der  stereometrischen  Methode  bedienen 
<  iirde. 


uts  dein  Laboratorium  für  experimentelle  Pharmakologie  zu 

Strassburg  i.  Eis. 

leue  Apparate  zur  Messung  des  arteriellen  Blutdrucks 

beim  Menschen. 

Von  Dr.  Heinrich  von  Recklinghausen. 

Vorbemerku  n  g.  Vor  8  Jahren  habe  ich  einen  Appa- 
at  zur  Blutdruckmessung  am  Menschen  konstruiert  und  von 
ien  Strassburger  Firmen  J.  &  A.  Bosch  und  C.  &  E. 
Ureisguth  hersteilen  lassen  (Fig.  9),  der  zwar  tadellos 
rbeitet,  aber  etwas  gross  und  ziemlich  teuer  ist,  auch  einige 
Jebung  bis  zur  bequemen  Handhabung  erfordert.  Ich  hatte 
:iir  vorgenommen,  die  tunlichste  Beseitigung  dieser  mehr 
usserlichen  Mängel  andern  zu  überlassen.  Aber  ein  solches 
echnisches  Problem,  einmal  angeführt,  verstrickt  einen,  man 
nag  wollen  oder  nicht,  in  vielfache  Beziehungen  und  mora- 
sche  Verpflichtungen;  von  seiten  der  Kollegen  wie  der 
abrikanten  treten  Wünsche  an  einen  heran,  denen  man  sich 
uf  die  Dauer  nicht  entziehen  kann.  So  kommt  es,  dass  ich 
eute  über  neue  Blutdruckapparate  zu  berichten  habe,  welche 
bigen  Mängeln  abhelfen  sollen  und  wieder  der  Zusammen- 
rbeit  mit  den  zuvorgenannten  beiden  Firmen  ihre  Entstehung 
erdanken. 

Jedoch  sollen  die  neuen  Apparate  den  alten  nicht  ersetzen, 
ondern  nur  ergänzen.  Denn  um  jene  Mängel  zu  beseitigen, 
Hissten  wieder  andere  Unvollkommenheiten  in  den  Kauf  ge- 
ommen  werden,  und  so  wird,  je  nachdem  auf  welche  Eigen- 
chaften  in  dem  betreffenden  Fall  gerade  das  Hauptgewicht 
elegt  wird,  bald  der  eine,  bald  der  andere  Apparat  zweck- 
ntsprechender  sein.  Darüber  nämlich  müssen  wir  uns  klar 
/erden,  dass  die  übliche  Frage  nach  dem  idealen  Blutdruck- 
pparat  falsch  gestellt  ist.  Der  Verschiedenheit  der  in  der 
’raxis  vorkommenden  Anforderungen  kann  vielmehr  nur  eine 
Jehrzahl  von  Apparaten  gerecht  werden  und  nur  wo  eine 
’eihe  von  Modellen  vorhanden  ist,  kann  in  jedem  Falle  etwas 
anz  Zweckentsprechendes  gewählt  werden.  Ueber  eine 
olehe  Reihe  und  solche  Auswahl  will  ich  jetzt  berichten. 

I.  Die  an  den  Apparat  zu  stellenden  Anforderungen. 

Machen  wir  uns  zunächst  klar,  was  ein  ärztlicher  Blut¬ 
ruckmessapparat  überhaupt  leisten  soll.  Ich  setze  voraus, 
ass  der  Leser  über  das  Prinzip  der  arteriellen  Blutdruck¬ 
messung  bereits  Bescheid  weiss.  Ich  habe  das  in  dieser  Hin- 
icht  für  den  praktischen  Gebrauch  Wichtige  unlängst  kurz 
iisammengestellt  und  verweise  auf  diese  Abhandlung  (Medi- 
inische  Klinik  1910,  Beiheft  No.  8,  auch  von  den  oben  ge- 
annten  Firmen  zu  beziehen). 

Hier  sei  nur  folgendes  ganz  kurz  rekapituliert.  Wir 
lessen  stets  am  Oberarm  des  Patienten  als  der  dem  Herzen 
ächstgelegenen  brauchbaren  Messstelle  und  legen  zu  diesem 
wecke  einen  aufblasbaren  breiten  Schlauch,  eine  sogen. 
Manschette“  um  das  Glied.  Die  Manschette  wird  mit  Luft 
ufgeblasen  und  komprimiert  so  den  Arm  samt  seinen  Arterien, 
m  angeschlossenes  Manometer  zeigt  die  jeweilige  Höhe  des 
ompressionsdruckes  an.  Wir  erhalten  nun  den  systolischen 
»ruck  des  Pulses,  wenn  wir  das  Manometer  in  dem  Moment 
blesen,  wo  bei  steigendem  Druck  im  Apparat  der  Puls  peri- 
hcr  von  der  Manschette  eben  unfühlbar  wird  oder  in  dem 
loment,  wo  er  bei  iahendem  Druck  eben  wiederkehrt.  Dies 
t  die  palpatorische  Messung.  Ferner  beobachten  wir,  dass 
as  Manometer,  auch  wenn  wir  die  eingeblasene  Luftmenge 
»verändert  lassen,  ständig  kleine  Druckschwankungen  an- 
Ggt,  welche  mit  dem  Puls  isochron  sind.  Diese  „Oszil- 
itionen“  sind  innerhalb  eines  bestimmten  Druckbezirkes  be- 
mders  gross  und  die  obere  Grenze  dieser  „grossen  Oszil- 

No  15. 


817 

lationen  gibt  uns  den  systolischen  oder  maximalen,  die  untere 
den  diastolischen  oder  minimalen  Pulsdruck  an.  Das  ist  die 
oszillatorische  Messung. 

Welche  Anforderungen  stellen  nun  diese  Messungen  an 
unseren  Apparate  Der  Apparat  soll  uns  ermöglichen,  in  der 
Manschette  den  jeweils  gewünschten  Druck  herzustellen,  so¬ 
dann  diesen  Druck  ganz  gleichmässig  und  kontinuierlich  zu 
verändern,  denn  bei  stossweiser  Aendertmg  kann  man  die 
pulsatorischen  Oszillationen,  wie  leicht  begreiflich,  nicht  gut 
beobachten.  Der  Apparat  soll  ferner  gestatten,  ein  und  den¬ 
selben  Druck  eine  Zeitlang  festzuhalten.  Dies  nicht  nur  des¬ 
halb,  damit  man  durch  Beobachtung  mehrerer  Pulsschläge 
sich  über  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  des  peripheren 
Pulses  oder  einer  grossen  Oszillation  besser  Rechenschaft 
geben  kann,  sondern  auch  aus  folgendem  Grund:  Der  Puls, 
welchen  der  Arzt  zu  untersuchen  hat,  ist  häufig  ungleich- 
mässig.  Höhe  und  Druck  der  einzelnen  Pulsschläge  wechselt, 
und  in  einer  längeren  Beobachtungsreihe  können  wir  einen 
höchsten  systolischen  und  einen  tiefsten  systolischen,  einen 
höchsten  diastolischen  und  einen  tiefsten  diastolischen  Wert 
feststellen.  Um  aber  diese  verschiedenen  Werte  zu  unter¬ 
scheiden  und,  schon  vorher,  um  das  Vorhandensein  und  die 
Natur  etwaiger  Pulsungleichmässigkeiten  zu  konstatieren, 
müssen  wir  den  Druck  in  bestimmter  Höhe  festhalten.  Dann 
sind  wir  aber  auch  imstande,  noch  leichteste  Ungleichmässig- 
keiten  festzustellen,  welche  bei  der  blossen  Palpation  uns 
völlig  entgehen;  ein  solcher  Blutdruckmessapparat  ist  gleich¬ 
zeitig  das  feinste  Sphygmoskop. 

Um  nun  die  Höhe  der  einzelnen  Pulsschläge  exakt  wieder¬ 
geben,  den  raschen  pulsatorischen  Druckschwankungen  treu 
folgen  zu  können,  muss  das  Manometer  sich  momentan  ein¬ 
stellen,  es  darf  nicht  träge  sein.  Selbstverständlich  muss  es 
sich  nicht  nur  rasch,  sondern  auch  richtig  einstellen,  der  Fehler 
in  der  Angabe  darf  wenigstens  eine  gewisse  Grenze  nicht 
überschreiten.  Sodann  soll  das  Luftvolumen  des  ganzen 
Systems  möglichst  gering  •  sein,  damit  die  pulsatorischen 
Oszillationen  nicht  gedämpft  und  in  ihrer  Höhe  verkleinert 
werden.  Es  ist  ferner  erwünscht,  dass  wir  innerhalb  möglichst 
kurzer  Zeit  die  Manschette  aufblasen  und  wieder  entleeren 
können,  da  die  Kompression  als  solche  bei  längerer  Dauer  den 
Blutdruck  verändert.  Endlich  soll  zur  Bedienung  des  Ap¬ 
parates  nur  die  eine  Hand  nötig  sein,  damit  der  Arzt  die  andere 
am  Puls  des  Patienten  liegen  lassen  kann.  Dies  sind,  wenn 
ich  so  sagen  soll,  die  inneren  Qualitäten,  welche  wir  von 
unserem  Apparat  fordern  müssen.  Es  kommen  dazu  noch 
einige  Desiderata  mehr  äusserlicher  Art:  Einfachheit  und 
Solidität  der  Konstruktion,  leicht  erlernbare  Handhabung,  ge¬ 
ringes  Volumen  und  Gewicht,  billiger  Preis.  Sehen  wir  nun 
zu,  wie  diese  Anforderungen  befriedigt  werden  können. 

II.  Die  einzelnen  Apparatenteile. 

1.  I  n  s  t  r  u  m  eilte  zur  Druckerzeugung.  Jeder 
komplette  Apparat  besteht  aus  drei  Hauptteilen,  nämlich 
erstens  der  Manschette,  zweitens  dem  Instrument  zum  Auf¬ 
blasen,  d.  h.  zur  Erzeugung  von  Druckluft  und  endlich  drittens 
dem  Manometer  zur  Messung  des  erzeugten  Druckes. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Mittel  zur  Druckerzeugung. 
Ich  selbst  habe  bislang  eine  P  u  m  p  e  benutzt,  welche  eben 
so  schnell  wie  genau  jeden  gewünschten  Druck  herzustellen, 
zu  mehren  oder  zu  mindern  oder  festzuhalten  gestattet.  Diese 
Pumpe  hat  jedoch  den  Nachteil,  dass  sie  ziemlich  gross  und 
teuer  ist,  auch  muss  man  sich  auf  die  Handhabung  der  zu¬ 
gehörigen  Hähne  etwas  einüben. 

An  den  von  anderen  Autoren  angegebenen  Apparaten 
dient  meist  ein  Gummigebläse  zur  Druckerzeugung.  Der 
Gummiballon  ist  im  Vergleich  zur  Pumpe  klein,  leicht  und 
billig.  Dagegen  hat  er  wie  aller  Gummi  den  Nachteil  der 
kurzen  Lebensdauer.  Sodann  erfolgt  die  Druckvermehrung 
stets  in  einzelnen  Stössen;  denn  es  ist  unmöglich,  den  Ballon 
ganz  gleichmässig  zusammenzudrücken.  Daher  kann  die 
eigentliche  Messung  immer  nur  bei  fallendem,  nie  bei  steigen¬ 
dem  Druck  stattfinden,  was  immerhin  ein  Mangel  ist.  Um 
nun  den  Druck  gleichmässig  abfallen  zu  lassen,  hat  man  einen 
besonderen  Luftauslass  nötig,  denn  das  Gebläse  als  solches 
lässt,  dank  eines  vor  und  eines  hinter  dem  Ballon  angeordneten 

4 


8)8 


MUenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  15 


Ventils,  den  Luftstrom  immer  nur  in  einer  Richtung  durcli- 
treten.  Luftauslass  und  Ventile  stellten  bei  den  bisherigen 
Apparaten  immer  den  schwachen  Punkt  dar.  Denn  erstens 
waren  sie  stets  undicht  und  man  konnte  daher  den  Druck  nicht 
unverändert  festhalten.  was  doch,  wie  oben  auseinander¬ 
gesetzt,  zwecks  feinerer  Analyse  etwaiger  Pulsungleichmäs- 
sigkeiten  und  genauer  Messung  überhaupt  erforderlich  ist; 
nicht  selten  war  die  Undichtheit  so  gross,  dass  hohe  Drucke 
selbst  bei  eifrigstem  Pumpen  sich  auch  nicht  einmal  vorüber¬ 
gehend  erreichen  liessen.  Andererseits  gestattete  der  Luft¬ 
auslass  in  der  üblichen  Ausführung  weder  das  Tempo  des 


mitführbaren  Gummiballon  in  befriedigender  Weise  zu 

arbeiten. 

Das  Prinzip  des  neuen  Ventils  ist  folgendes  (vgl.  Fig.  1);  dk 
Luft  tritt  aus  einem  Zylinder  durch  ein  seitliches  Loch  aus.  Uebe; 
den  Zylinder  ist  ein  Gummimantel  gezogen,  welcher  das  Loch  ver 
schliesst.  Die  Dimensionen  sind  so  abgepasst,  dass  bei  dem  gering 
sten  Ueberdruck  vom  Ballon  her  der  Gummimantel  sich  weit  ab 
hebt,  dem  Luftstrom  ungehinderten  Durchtritt  gestattend,  dass  da 
gegen  bei  Ueberdruck  von  der  anderen  Seite  her  der  Guminimante 
auf  den  Zylinder  aufgepresst  und  in  .das  Loch  hineingedrückt  wird 
und  dadurch  rings  um  den  Lochrand  einen  dichten  Abschluss  bewirkt 
Das  eine  Ende  des  Gummimantels  ist  durch  einen  einer  Hutkrempt 


Fig.  3.  Kleines  Tonometer.  Aufsicht,  vereinfacht  und  schematisiert. 

An  den  in  eine  Vertiefung  der  Rückwand  hinausragenden  Rohrstutzen  r  wird  der  zu- 
führende  Schlauch  angeschlossen.  Von  da  gelangt  die  Druckluft  in  die  Bourdon-Röhre  bb’. 
Dies  ist  eine  dünnwandige  Hache  leicht  gebogene  Metallkapsel.  Die  Biegung  vermindert 
sich,  wenn  der  Druck  im  Innern  zunimmt.  Dadurch  bewegt  sich  das  freie  Ende  b’  nach 
rechts  und  zieht  den  kurzen  Arm  h’  des  um  die  Achse  H  drehbaren  Hebels  hh’  mit.  Der 
lange  Arm  h  zieht  den  Faden  f  nach  links  und  dieser  dreht  die  auf  der  Zeigerachse 
sitzende  Rolle  und  damit  den  Zeiger  selbst.  Eine  Uhrfederspirale  wirkt  auf  die  Zeiger¬ 
achse  in  umgekehrtem  Sinn  und  hält  so  den  Faden  stets  gespannt.  D  e  Hebelachse  H 
sitzt  in  dem  Drehrahmen  dd,  der  um  den  Stift  D  drehbar  ist.  Durch  Vortreiben  der 
Stc.lscliraube  s  wird  diese  Drehung  bewirkt  und  damit  der  Faden  f  gleichfalls  angezogen. 
Die  Druckleder  p  sorgt  dafür,  dass  der  Rahmen  stets  der  Stellschraube  anliegt.  Der  ge- 
uefte  Kopf  der  Stellschraube  ragt  ebenso  wie  der  Rohrstutzen  in  die  Vertiefung  der 
Ruckwand  hinaus  und  ist  von  dort  her  zugänglich,  b”  senkrechter  Querschnitt  der 

Bourdon-Röhre. 

Druckabfalles  so  fein  als  wünschenswert  zu  regulieren,  noch 
auch  den  Druck  rasch  ganz  aufzuheben,  was  doch  zwecks 
möglichster  Abkürzung  der  im  Arm  gesetzten  Zirkulations¬ 
störungen  erwünscht  ist.  Endlich  bedurfte  man  zur  Bedienung 
vielfach  beider  Hände:  eine  zum  Drehen  der  Schraube,  eine 
zum  Gegenhalten.  Nun  habe  ich  sowohl  Ventil  wie  Auslass 
nach  neuen  Prinzipien  so  konstruiert,  dass  alle  diese  Uebel- 
stände  beseitigt  sind.  Der  Mehrpreis  dieser  Neukonstruktion 
wird  durch  die  Vorteile,  wie  mich  dünkt,  reichlich  auf- 
gewogen.  So  ist  es  nunmehr  möglich,  auch  mit  dem  bequem 


Fig.  1.  Ventil-  und  Auslassstück,  Medianschnitt. 

Die  durchschnittenen  Metallteile  sind  schraffiert,  die  Oummiteile,  nämlich  das  Endstüc! 
des  Gummiballons  und  der  Gummimantel  nebst  Rand,  sind  punktiert  dargestellt,  dii 
kleine  Lederscheibe  des  Auslasses  ist  gleichfalls  punktiert  gezeichnet.  Die  Hauptfigu 
stellt  i  en  Auslass  geschlossen  dar,  die  Nebenfiguren  halb  und  ganz  geöffnet.  An  das  fre 
nach  oben  ragende  Rohrende  wird  der  zur  Manschette  und  zum  Tonometer  führend! 
Schlauch  angesteckt.  Doppelte  natürliche  Grösse. 

ähnlichen  Rand  verstärkt.  Dieser  Rand  wird  beim  Zusammen¬ 
schrauben  des  Instrumentes  festgeklemmt  und  hält  so  den  Gummi¬ 
mantel  in  seiner  Lage  und  dichtet  gleichzeitig  die  Verschraubungs¬ 
stelle  ab. 

Das  Prinzip  des  neuen  Auslasses  ist  folgendes:  die  Luft  tritt 
durch  einen  kleinen  Rohrstutzen  aus.  Ein  Lederscheibchen  kann  sich 
auf  die  Oeffnung  legen  und  diese  verschliessen.  Das  Leder  ist  so 
weich  gewählt,  dass  der  Rohrstutzen  sich  tief  in  dasselbe  eindrückt 
und  es  ringsherum  zu  einem  Wall  emporpresst.  Wenn  nun  durch 
Aufdrehen  der  Regulierschraube  das  Leder  von  der  Oeffnung  entfernt 
wird  und  die  Stirnfläche  des  Rohrstutzens  bereits  frei  liegt,  so  um- 
schliesst  doch  der  Lederwall  immer  noch  die  äussere  Rohrwand  uno 
lässt  für  den  Durchtritt  der  Luft  nur  einen  schmalen  Spalt  frei, 
welcher  mit  weiterem  Abrücken  der  Lederscheibe  allmählich  sich 
verbreitert.  Auf  diese  Weise  ist  eine  sehr  feine  Regulierung  der 
durchtretenden  Luftmenge  ermöglicht.  Sowie  aber  das  Leder¬ 
scheibchen  soweit  entfernt  ist,  dass  der  Wall  den  Rohrstutzen  nicht 
mehr  berührt,  ist  mit  einem  Mal  der  Luftdurchtritt  ganz  ungehindert. 


i.  April'  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


SD) 


ne  stählerne  Sprungfeder  sorgt  dafür,  dass  mit  dem  Zurückdrehen 
i  Regulierschraube  der  das  Leder  haltende  kleine  Teller  sich 
oinpt  von  dem  Rohrstutzen  abhebt.  Auslass  und  Ventil  sind  zu 
lern  Stück  verbunden.  Dies  Stück  wird  am  einen  Ende  des  Gummi- 
llons  angesteckt;  am  anderen,  freien  Ende  des  Ballons  befindet 
h  ein  Ventil  der  gewöhnlichen  primitiven  Konstruktion. 

Es  gibt  nun  aber  Fälle,  in  denen  die  bequeme  Mitfiihrbar- 
it  gar  keine  Rolle  spielt,  weil  der  Apparat  ein  für  allemal 
i  ärztlichen  Untersuchungszimmer  stehen  bleibt.  Dann  kann 
an  auf  einem  ganz  anderen  Wege  zum  Ziele  gelangen,  ln 
uen  Windkessel  wird  Luft  eingepumpt  und  bei  der 
essung  wird  mittels  eines  Regulierhahnes  aus  diesem  Vor- 
t  die  nötige  Menge  Druckluft  in  die  Manschette  hinüber¬ 
lassen.  Ein  zweiter  unmittelbar  neben  dem  ersten  an- 
■brachter  Regulierhahn  gestattet,  die  Luft  aus  der  Man- 
hette  ins  Freie  abzulassen.  Die  Hähne  sind  so  gebaut,  dass 
-  die  Schnelligkeit  des  Luftwechsels  und  damit  die  Schnellig- 
■it  der  Druckänderung  aufs  feinste  zu  regulieren  erlauben, 
lese  Arbeitsweise  ist  wohl  die  allerbequemste  und  einfachste, 
ibei  der  Apparat  solid  und  dauerhaft.  Letzteres  allerdings 
ir,  falls  die  Hähne  vorsichtig  gehandhabt  werden,  da  sonst 
efahr  besteht,  dass  Tonometer  und  Manschette  unversehens 
m  vollen  Druck  des  Windkessels  ausgesetzt  und  dadurch 
■schädigt  werden.  Die  Konstruktion  der  Hähne  beruht  auf 
■mselben  Prinzip  wie  die  des  oben  beschriebenen  Aus- 
sses. 

So  haben  wir  nun  drei  empfehlenswerte  Vorrichtungen 
ir  Druckerzeugung;  den  besonders  bequem  mitführbaren 
ummiballon,  den  nicht  mitführbaren,  aber  besonders  bequem 
:  handhabenden  und  sehr  dauerhaften,  freilich  auch  besondere 
ersieht  bei  der  Handhabung  erfordernden  Windkessel,  und 
idlich  zwischen  beiden  stehend,  beider  Vorzüge  bis  zu  einem 
■wissen  Grad  vereinigend  und  nur  zur  Erlernung  ein  wenig  I 
ehr  Zeit  beanspruchend,  die  Pumpe. 

I  '  * 

2.  Als  Instrumente  zur  Druckmessung  kon- 
irrieren  miteinander  das  Quecksilbermanometer  und  das 
astische  Manometer  oder  „Tonometer“.  Das  Queck- 
Ibermanometer  hat  den  Vorzug,  dass  es  wenig  kostet 
id,  einmal  richtig  geeicht  (hier  fehlt  es  freilich  öfters!),  ein 
r  allemal  richtig  zeigt.  Seine  Nachteile  sind,  dass  die  Queck- 
bersäule  wenig  bequem  zu  transportieren  und  abzulesen  ist, 

>r  allem  aber,  dass  sie  vermöge  ihrer  Trägheit  den  raschen 
ilsatorischen  Druckschwankungen  in  der  Manschette  nicht 
i  folgen  vermag.  Daher  ist  das  Quecksilbermanometer  im 
Igemeinen  weder  für  die  oszillatorische  Messung  noch  für 
is  Studium  der  Pulsungleichmässigkeiten  brauchbar. 

Hier  hilit  uns  das  Tonomete r,  d.  h.  das  mit  einer  ela- 
ischen  Metallkapsel  als  druckaufnehmendem  Organ  arbei- 
nde  Manometer.  Derartige  Instrumente  sind  schon  länger 

1  Gebrauch,  nur  waren  sie  meist  recht  wenig  zuverlässig, 
re  Angaben  ungenau  und  schwankend.  Dagegen  hat  das 
)r  8  Jahren  von  mir  in  Zusammenarbeit  mit  der  Firma 
&.  A.  Bosch  nach  neuen  Prinzipien  und  dabei  höchst  ein- 
ch  konstruierte  Tonometer  sich  als  sehr  exakt  und  konstant 
wiesen.  Die  Fehler  des  Instrumentes  sind  so  gering,  dass 

für  ärztliche  Zwecke  völlig  ausser  Betracht  bleiben.  Da 
ts  Instrument  jedoch  ziemlich  gross  und  schwer  ist,  er- 
rebten  wir  eine  Verkleinerung  und  zwar  haben  wir  gleich 
vei  neue  Modelle  ausgearbeitet:  das  „kleine  Modell“  hat 
nen  Durchmesser  von.  7  >2  cm  bei  4XA  cm  Höhe  und  220  g 
ewicht,  das  „mittlere  Modell“,  10 ]4  cm  Durchmesser  und 

2  cm  Höhe  bei  370  g  Gewicht,  während  diese  Masse  bei 
-‘in  alten  „grossen  Modell“  15 XA  cm,  6  cm  und  1450  g 
.‘tragen. 

Der  Preis  der  beiden  neuen  Modelle  ist  etwa  ein  Drittel 
adriger  als  der  des  alten  Instrumentes. 

Einige  kleine  Nachteile  mussten  dem  kleinen  Format  zu- 
•  be  freilich  in  den  Kauf  genommen  werden.  Die  Skala  des 
ittleren  und  besonders  des  kleinen  Modells  ist  nicht  ganz  so 
quem  abzulesen  wie  die  des  alten  grossen  Instrumentes,  die 
onstruktion  ist  ein  wenig  komplizierter,  die  einzelnen  Kon- 
ruktionsteile  sind  nicht  ohne  weiteres  übersehbar  und 
igänglich. 

Man  darf  erwarten,  dass  die  neuen  Modelle  an  Zuver- 
ssigkeit  und  Haltbarkeit  dem  alten,  das  sich  in  nunmehr 


8  jähriger  Probezeit  aufs  beste  bewährt  hat,  nicht  wesentlich 
nachstehen  werden.  Sind  sie  doch  auf  den  gleichen  mecha¬ 
nischen  Prinzipien  aufgebaut  und  unter  Benutzung  aller  bei 
dem  alten  Instrument  gemachten  Erfahrungen  durchgearbeitet 
worden.  Trotzdem  empfiehlt  es  sich  wohl,  sie  zumal  anfangs 
gelegentlich  durch  Vergleich  mit  einem  genau  geeichten 
Quecksilbermanometer  zu  prüfen.  Die  Firma  J.  &  A.  B  0  s  e  h 
ist  für  diese  Prüfungen  eigens  eingerichtet.  Jedem  Instrument 
wird  beim  Verkauf  von  der  Firma  ein  Prüfungsbericht  bei¬ 
gegeben  und  ebenso  wird  über  eine  etwaige  Nachprüfung  ein 
Protokoll  ausgestellt.  Der  Käufer  wolle  darauf  achten,  dass 
er  mit  jedem  Instrument  den  zugehörigen  Prüfungsbericht 
dieser  Firma  mitgeliefert  bekommt. 

Alle  unsere  Messapparate  zeigen  den  Druck  in  Zentimeter 
Wasser  oder,  was  das  gleiche  ist,  in  Gramm  pro  Quadratzenti¬ 
meter  oder  in  1hmo  Atmosphäre  an,  anstatt,  wie  früher  meist 
üblich,  in  Millimeter  Quecksilber.  Ich  habe  die  Gründe  hier¬ 
für  a.  a.  O.  ausführlich  auseinandergesetzt  und  wiederhole 
hier  nur  meine  Bitte,  es  möchten  alle  Beteiligten,  soweit  sie 
es  nicht  schon  getan  haben,  diese  einzig  rationelle  Masseinheit, 
der  die  Zukunft  gehört,  baldigst  adoptieren. 

3.  Als  Manschette  benütze  ich  in  allen  Fällen  ein  und 
dasselbe  Modell,  das  auf  Grund  theoretischer  Ueberlegungen 
und  vielfacher  Versuche  als  richtig  und  zweckmässig  erkannt 
wurde  (vgl.  darüber  Archiv  f.  exp.  Pathol.  u.  PharmakoL  55. 
1906,  S.  395  ff.  und  ferner  J.  Rieh.  Ewald,  Berliner  klin. 
Wochenschr.  1910,  No.  38,  S.  1733). 

4.  Auf  Grund  vorstehender  Ueberlegungen  würde  ich  nun¬ 
mehr  bei  Auswahl  eines  Blutdruckmessappa¬ 
rates  für  ärztliche  Zwecke  folgendermassen  verfahren: 
Handelt  es  sich  um  einen  stabilen  Apparat,  der  den  höchsten 
Anforderungen  genügen  soll  und  sind  die  Geldmittel  nicht 
beschränkt,  so  wähle  man  den  Windkessel  nebst  grossem 
oder  mittlerem  Tonometer.  Soll  bei  sonst  gleichen  Leistungen 
der  Apparat  gelegentlich  auf  ärztlichen  Hausbesuchen  mit¬ 
geführt  werden  können,  so  'ersetze  man  den  Kessel  durch 
unsere  alte  Pumpe.  Kommt  es  aber  wesentlich  auf  leichte 
Transportierbarkeit  an,  indem  der  Apparat  den  Arzt  regel¬ 
mässig  bei  seinen  Ausgängen  begleiten  soll,  so  wähle  man  das 
Gebläse  und  dazu  das  mittlere  oder  kleine  Tonometer  — 
letzteres,  falls  man  den  Apparat  in  die  Rocktasche  stecken 
will,  also  ausser  auf  geringes  Gewicht  auch  auf  kleinstes  For¬ 
mat  Wert  legt.  Diese  letzteren  Kombinationen  sind  zugleich 
wesentlich  billiger  als  die  ersterwähnten;  sie  stehen  ihnen  in 
der  Leistung  wenig  nach. 

Ist  endlich  Billigkeit  in  erster  Linie  gefordert,  dann  muss 
man  sich  mit  einem  Quecksilbermanometer  begnügen,  muss 
dann  freilich  auf  oszillatorische  Messung  und  auf  Syphgmo- 
skopie  verzichten.  Es  bleibt  dann  nur  noch  die  palpatorische 
Messung  des  systolischen  Druckes,  welche  aber  zur  Fest¬ 
stellung  erheblicher  Hypertonien  —  und  das  ist  einstweilen 
die  diagnostisch  wichtigste  Aufgabe  der  ärztlichen  Blutdruck¬ 
messung  — -  genügt.  Im  übrigen  kann  man  in  vielen  Fällen  den 
diastolischen  Druck  auch  mit  dem  Quecksilbermanometer 
messen  nach  der  von  Ehret  angegebenen  Methode  der 
Kubitalispalpation  oder  nach  der  auskultatorischen  Methode 
Korotkows.  Jedoch  sind  diese  Methoden  schwieriger  und 
weniger  sicher  als  die  oszillatorische  Messung.  Je  nachdem, 
ob  man  das  Quecksilbermanometer  nur  im  Hause  benützt,  oder 
aber  bei  der  Praxis  nach  Auswärts  mitzunehmen  beabsichtigt, 
wählt  man  ein  Instrument  mit  einfachem  offenen  Steigrohr 
oder  ein  solches,  in  welchem  sich  die  Quecksilbersäule  mittels 
Hähnen  abschliessen  lässt  (Modell  der  Firma  Streisguth, 
Apparat  von  Sahli).  Stets  aber  verlange  man  eine  Skala 
mit  Druckangabe  in  Zentimeter  Wasser.  Zur  Druckerzeugung 
benützt  man  den  Gummiballon,  welchen  ich  aber  trotz  der 
kleinen  Mehrkosten  stets  mit  dem  neuen  Ventil-  und  Auslass¬ 
stück  versehen  würde. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  die  neuen  Instrumente  und 
Instrumentenkombinationen  genauer  zu  beschreiben. 

(Schluss  folgt.) 


4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  15. 


820 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Aerzteordnung  und  Gesetz  über  die  Errichtung  einer 
Aerztekammer  und  ärztlicher  Ehrengerichte  im  Gross¬ 
herzogtum  Hessen. 

Die  Abteilung  für  öffentliche  Gesundheitspflege  des  Ministeriums 
des  Innern  beabsichtigt,  dem  ärztlichen  Zentralausschuss,  der  nach 
ureijähriger  Ruhepause  in  Kürze  wieder  von  der  Regierung 
einberufen  werden  soll,  den  Entwurf  einer  Aerzteordnung 
vorzulegen,  der  zunächst  den  ärztlichen  Kreisvereinen  des  Gross¬ 
herzogtums  zur  Vorberatung  überwiesen  wurde,  um  diesen  Gelegen¬ 
heit  zum  Stellen  von  Abänderungsvorschlägen  usw.  zu  geben. 

Hoffentlich  leuchtet  über  der  neuen  Vorlage  ein  günstigerer  Stern, 
wie  über  dem  dieselbe  Materie  behandelnden  Gesetzesentwurf,  der 
vor  13  Jahren  im  ärztlichen  Zentralausschuss  beraten  wurde,  darauf 
am  25.  März  1901  dem  Landtage  zugegangen  und  seit  dieser  Zeit  im 
Gesetzgebungsausschusse  dieser  Körperschaft  begraben  ist. 

Der  frühere  Gesetzesentwurf  gab  Bestimmungen  über  Standes- 
pilichten,  .über  Aerztekammern,  die  von  allen  in  einer  Provinz 
wohnenden  Aerzten  gebildet  werden  sollten,  und  über  Ehrengerichte 
für  die  Aerzte  des  Grossherzogtums,  während  die  neue  Vorlage  zu 
einer  Aerzteordnung  erweitert  worden  ist. 

Der  erste  Abschnitt  dieses  neuen  „E  n  t  w  u  r  f  s  zu  r 
Aerzteordnung“  handelt  in  11  Artikeln  von  den  allge¬ 
meinen  Berufspflichten,  der  z  w  e  i  t  e  Abschnitt  in 
16  Artikeln  von  der  Aerztekammer. 

Nach  dem  Beispiel  von  Preussen,  Baden  und  anderen  Bundes¬ 
staaten  stellt  die  Aerztekammer  die  von  den  Aerzten  des 
Landes  gewählte  und  staatlich  anerkannte  Ver¬ 
tretung  der  im  Grossherzogtum  tätigen  Aerzte  dar. 
Die  Aerztekammer  besteht  aus  19  von  den  Aerzten  des  Landes  in 
schriftlicher  und  geheimer  Abstimmung  gewählten  Mitgliedern  und 
einem  Vertreter  der  medizinischen  Fakultät  der  Landesuniversität. 
Die  Aerztekammer  soll  nach  dem  im  „Korrespondenzblatte  der  ärzt¬ 
lichen  Vereine  des  Grossherzogtums  Hessen"  vom  März  d.  J.  ver¬ 
öffentlichten  Regierungsentwurfe  berufen  sein: 

„1.  Die  Interessen  des  ärztlichen  Standes  wahrzunehmen,  bei  den 
Aufgaben  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  und  dem  Ausbau  des 
ärztlichen  Fortbildungswesens  mitzuarbeiten  und  Einrichtungen  zur 
Unterstützung  hilfsbedürftiger  Aerzte  und  Hinterbliebenen  von  Aerzten 
zu  treffen.“ 

„2.  Bei  der  Durchführung  der  Reichsversicherungsordnung 
mitzuwirken,  soweit  das  Verhältnis  der  Aerzte  zu  den  Versicherungs- 
trägern  i:i  Betracht  kommt.  Sie  kann  für  die  Aerzte  des  Gross¬ 
herzogtums,  die  für  Krankenkassen,  Berufsgenossenschaften  oder  die 
Landesversicherungsanstalt  tätig  sein  wollen.  Verträge  mit  den  Ver¬ 
sicherungsträgern  und  deren  Verbänden 'schliessen.  Bei  Streitigkeiten 
zwischen  Aerzten  und  Versicherungsträgern  über  den  Abschluss,  die 
Fortdauer  oder  die  Auslegung  von  Verträgen  soll  die  Aerztekammer 
auf  Anrufen  eines  der  Streitteile  zu  vermitteln  suchen.  Im  Einver¬ 
nehmen  mit  den  Versicherungsträgern  oder  deren  Verbänden  kann  die 
Aerztekammer  zur  Verhütung  oder  Beseitigung  von  Streitigkeiten 
Einigungskommissionen  einrichten  und  Massnahmen  treffen,  die  die 
erspriessliche  Ausübung  der  ärztlichen  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
Reichsversicherungsordnung  gewährleisten  sollen.“ 

Die  Aerztekammer  hat  das  Recht,  zur  Deckung  der  Kosten,  die 
durch  die  Wahlen  zur  Aerztekammer,  die  Geschäftsführung  der  Kam¬ 
mer,  die  Tätigkeit  der  Ehrengerichte  und  des  Ehrengerichtshofs  und 
durch  die  Unterstützung  bedürftiger  Aerzte  und  Hinterbliebenen  von 
Aerzten  entstehen,  auf  die  zur  Wahl  der  Karnmermitglieder  berechtig¬ 
ten  Aerzte  Umlagen  auszuschlagen. 

Die  Regierung  hat  ihrem  Gesetzesentwurf  Erläuterungen  voraus¬ 
geschickt.  Von  besonderer  Bedeutung  —  auch  über  die  Grenzen  des 
ürossherzogtums  hinaus  —  ist  es,  dass  in  diesen  Erläuterungen  aus¬ 
drücklich  die  Berechtigung  der  Kammer  anerkannt  wird,  mit  Versiche¬ 
rungsträgern  oder  deren  Verbänden  Verträge  abzuschliessen. 
die  für  alle  Aerzte  im  Grossherzogtum  bindend 
sind,  soweit  sie  für  den  Vertragschliessenden  tätig  sind,  und  dass 
schliesslich  die  gute  Durchführbarkeit  der  freien 
Aerzte  wähl  bei  den  Krankenkassen  hier  amtlich  be¬ 
stätigt  wird. 

Schon  vor  längerer  Zeit  hat  der  von  der  Gesamtheit  der  ärzt¬ 
lichen  Kreisvereine  des  Grossherzogtums  im  Jahre  1899  gegründete 
ärztliche  Landesverein  mit  dem  Verband  der  Krankenkassen  ein 
Schiedsgericht  zur  Beilegung  von  Streitigkeiten  über  die  Auslegung 
bestehender  Verträge  ins  Leben  gerufen.  Hieran  knüpfen  die  Er¬ 
läuterungen  in  sehr  anerkennender  Weise  an: 

„Es  wird  hoffentlich  auf  dem  hier  gewiesenen  Wege  gelingen, 
die  Schiedsgerichte  zu  Einigungskommissionen  zur  Verhütung  von 
Streitigkeiten  und  zum  Abschluss  von  Verträgen  bei  Einführung  der 
Reichsversicherungsordnung  zu  erweitern.  Dass  die  Aerzte  bereit 
sind,  mit  Krankenkassen  Verträge  zu  schliessen,  die  für  die  Kassen 
annehmbar  sind,  beweist  der  vor  kurzem  abgeschlossene  Vertrag 
zwischen  der  Reichspostverwaltung  und  dem  Leipziger  Verband,  Es 
ist  dann  weiter  die  Aufgabe  der  Aerztekammer,  Einrichtungen  zu 
treffen,  die  die  Durchführung  der  abgeschlossenen  Verträge  unter 
Wahrung  der  berechtigten  Interessen  der  Kassen  sichern.  Durch  die 


Erfahrung  ist  bewiesen  worden,  insbesondere  auch  im  Grossherzog- 
tum,  dass  mit  Hilfe  solcher  Einrichtungen  die  freie  Arztwahl  ohne 
finanzielle  Gefährdung  der  Krankenkassen  durchführbar  ist." 

Der  dritte  und  ausführlichste  Abschnitt  gibt  in  42  Ar¬ 
tikeln  die  Bestimmungen  über  die  ärztlichen  Ehrengerichte, 
denen  alle  im  Grossherzogtum  praktizierenden  Aerzte  unterstellt  sind, 
einerlei  ob  sie  einem  ärztlichen  Vereine  angehören  oder  nicht.  Aus 
genommen  sind  nur  die  aktiven  Militärärzte,  die  Militärärzte  des 
Beurlaubtenstandes  während  einer  Dienstleistung  und  die  beamtete  i 
Aerzte,  für  die  ein  geordnetes  staatliches  Disziplinarverfahren  besteht. 
Für  jede  der  3  Provinzen  soll  ein  ärztliches  Ehrengericht  in  der  Pro¬ 
vinzialhauptstadt  und  als  höhere  Instanz  für  das  ganze  Grossherzog- 
tum  ein  Ehrengerichtshof  in  Darmstadt  gebildet  werden. 

Die  Ehrengerichte  beschliessen  und  entscheiden  nach  Stimmen¬ 
mehrheit  in  der  Besetzung  von  5  Mitgliedern,  unter  denen  sich  ein 
rechtskundiges  Mitglied  befinden  muss.  Der  Ehrengerichtshof  bc- 
schliesst  und  entscheidet  nach  Stimmenmehrheit  in  der  Besetzung  von 
7  Mitgliedern,  unter  denen  sich  2  rechtskundige  Mitglieder  befinden 
müssen.  Die  ehrengerichtlichen  Strafen  sind:  1.  Warnung,  2.  Verweis. 
3.  Geldstrafe  bis  zu  3000  M„  4.  auf  Zeit  beschränkte  oder  dauernde 
Entziehung  des  Wahlrechts  und  der  Wählbarkeit  zur  Aerztekammer 
und  zu  den  Ehrengerichten.  — 

Wenn  der  vorliegende,  mit  grossem  Verständnis  ausgearbeitete 
Entwurf  den  schwierigen  und  durch  mancherlei  Klippen  gefährdeten 
Weg  zur  Erlangung  der  Gesetzeskraft  glücklich  zurückgelegt  haben 
wird,  so  bedeutet  dies  eine  einschneidende  Aenderung  der  ganzen 
Medizinalorganisation  des  Grossherzogtums. 

Bei  der  Neuordnung  des  hessischen  Medizinalwesens  im  Jahre 
1876  war  den  hessischen  Aerzten  sowohl  in  den  einzelnen  Kreis- 
vei  einen  als  in  dem  damals  ebenfalls  neugeschaffenen  ärztlichen  Zen¬ 
tralausschuss  zum  ersten  Male  eine  geordnete  Mitwirkung  zur  Förde¬ 
rung  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  und  zur  Wahrung  der  Inter¬ 
essen  des  ärztlichen  Standes  zugewiesen  worden. 

Mit  der  Schaffung  der  Aerztekammer  wird  sich  dies  nun  völlig 
ändern.  Die  Aufgaben,  die  seither  der  ärztliche  Zentralausschuss  zu 
erledigen  hatte,  werden  späterhin  die  Aerztekammer  beschäftigen,  und 
die  ärztlichen  Kreisvereine  werden  nach  Ausscheiden  aus  der  Medi¬ 
zinalorganisation  nur  mehr  den  Mittelpunkt  der  gemeinsamen  wissen¬ 
schaftlichen,  beruflichen  und  wirtschaftlichen  Bestrebungen  der 
Aerzte  in  den  einzelnen  Kreisen  bilden. 

—  1  ■  - 

Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen. 

Im  Frühjahr  1909  erregte  ein  Beschluss  des  ärztlichen  Bezirks- 
vereins  Leipzig-Land,  „dass  für  den  ärztlichen  Unterricht  bei  den 
freiwilligen  Sanitätskolonnen  des  Roten  Kreuzes  ein  Honorar  zu  for¬ 
dern  und  die  unentgeltliche  Leitung  und  Ausbildung  der  Kolonnen  als 
unstatthaft  zu  bezeichnen  sei“,  unter  den  deutschen  Kolonnenärzten 
mit  Recht  lebhafte  Opposition.  Auf  Anregung  des  Verf.  erklärten  zu¬ 
nächst  die  bayerischen  Kolonnenärzte,  dass  sie  die  unentgeltliche 
Dienstleistung  in  den  Kolonnen  nach  wie  vor  als  Ehrensache  betrach¬ 
ten  und  jeden  Versuch,  sie  zur  Annahme  eines  Honorars  zwingen  zu 
wollen,  energisch  bekämpfen  müssten.  Dieser  Erklärung  folgten  baid 
in  demselben  Sinne  gehaltene  Kundgebungen  der  brandenburgischen, 
ostpreussischen  und  mecklenburgischen  Kolonnenarztverbände,  denen 
sich  diejenigen  der  Hansastädte  Bremen  und  Lübeck  anreihten. 

Trotz  dieser  —  sicherlich  im  Geiste  der  überwältigenden  Mehr¬ 
zahl  der  deutschen  Kolonnenärzte  und  der  deutschen  Aerzteschaft 
überhaupt  —  abgegebenen  Proteste  forderte  der  Ae.  B.-V.  Leipzig- 
Land  in  No.  4  des  Korrespondenzblattes  der  ärztlichen  Kreis-  und  Be¬ 
zirksvereine  im  Königreiche  Sachsen  vom  15.  Februar  1910  die  dem 
Deutschen  Aerztevereinsbunde  angehörenden  Bezirksvereine  zur  Zu- 
stimmungserklärung  zu  folgendem  Anträge  auf: 

„Der  38.  Deutsche  Aerztetag  fordert  die  deutschen  Aerzte  auf. 
ärztliche  Tätigkeit  auch  in  solchen  Fällen  nur  gegen  Bezahlung 
auszuüben,  wo  es  sich  um  sog.  gemeinnützige  Unternehmungen, 
wie  Säuglingsfiirsorge.  Ausbildung  Roter-Kreuz-Kolonnen,  Sama¬ 
riterausbildung,  poliklinische  Tätigkeit  oder  ähnliches  handelt.“ 

Verf.  ist  damals  dem  Anträge  des  B.-V.  Leipzig-Land  in  einem 
in  No.  17  der  Münch,  med.  Wochenschr.  des  Jahres  1910  und  int. 
„Deutschen  Kolonnenführer"  veröffentlichten  kurzen  Aufsatze  ent¬ 
gegengetreten,  namentlich  soweit  derselbe  die  Tätigkeit  der  Aerzte 
in  den  freiwilligen  Sanitätskolonnen  berührte. 

Der  Antrag  des  genannten  B.-V.  scheint  damals  die  nötige  Unter¬ 
stützung  seitens  anderer  Bezirksvereine  nicht  gefunden  zu  haben- 
wenigstens  wurde  er  weder  in  der  Sitzung  des  Deutschen  Aerztetages 
vom  Jahre  1910  noch  in  den  beiden  folgenden  Jahren  diskutiert.  Die 
Erwartung  der  deutschen  Kolonnenärzte,  dass  die  in  dem  obenzitier¬ 
ten  Anträge  des  B.-V.  Leipzig-Land  zutage  tretende  Absicht,  durch 
die  Versagung  der  nötigen  Unterstützung  durch  andere  Standes¬ 
vereine  ein  für  allemal  vereitelt  würde,  hat  sich  aber  trotzdem  leider 
nicht  erfüllt.  Wie  die  Münch,  med.  Wochenschr.  in  No.  8  des  heurigen 
Jahrgangs  mitteilt,  wird  sich  der  nächste  Deutsche  Aerztetag  mit  dem 
Anträge  des  mehrfach  genannten  Vereins,  betreffend  die  Bezahlung 
der  ärztlichen  Tätigkeit  im  Rahmen  der  verschiedenen  gemeinnützi¬ 
gen,  humanitären  und  nationalen  Bestrebungen  befassen. 

Diese  Mitteilung  ist  wohl  geeignet,  zahlreiche  in  diesem  Sinne 
tätige  Vereine  und  Korporationen,  welche  auf  ärztliche  Unterstützung 


5.  April  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ngewiesen  sind,  zu  beunruhigen  und  Tausende  von  Aerzten,  welche 
n  der  Verwirklichung  der  im  Leipziger  Anträge  liegenden  Tendenz 
ine  schwere  Gefahr  für  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes,  für  die 
Einmütigkeit  der  deutschen  Aerzteschaft  und  für  den  Bestand  man- 
her  wohlbewährten,  zum  Wohle  des  Volkes  und  der  Armee  ge- 
chaffenen  Einrichtung  erblicken,  wiederholt  zur  schärfsten  Oppo- 
ition  herauszufordern. 

Unsere  heutige,  vom  sozialen  Geiste  regierte  Zeit  hat  den  Ge¬ 
ieinsinn  unseres  Volkes  in  staunenswertem  Masse  gefördert.  Dieser 
Erscheinung  verdanken  wir  eine  Reihe  von  Unternehmungen  und 
Schöpfungen,  welche  sämtlich  das  Ziel  verfolgen,  die  Leistungsfähig- 
eit  des  Volkes,  seine  Schaffenskraft  und  Wehrmacht  zu  heben  und 
ti  stärken.  Rote-Kreuz-Vereine,  Sanitätskolonnen,  Säuglingsfürsorge¬ 
tellen,  Jugendvereine,  Vereine  zur  Bekämpfung  des  Alkoholmiss¬ 
brauches  sind  alle  in  diesem  durchaus  nationalen  Sinne  tätig  und 
'ausende  von  Männern  und  Frauen  aller  Berufsstände  wetteifern  ohne 
Anspruch  auf  Ersatz  für  die  aufgewendete  Zeit  und  Mühe  mit- 
inander  in  der  Verfolgung  dieser  vaterländischen  Ideale.  Dass  dem 
rztlichen  Stande  aus  der  Fülle  der  sich  hierbei  notwendig  ergeben- 
len  Arbeit  ein  Hauptanteil  zufällt,  dass  ihm  ein  ganz  besonderes 
»fass  von  Opferwilligkeit,  Gemeinsinn  und  Hingabe  zugemutet  wird, 
ann  uns  Aerzte  nur  mit  dem  stolzen  Bewusstsein  unserer  Unentbehr- 
ichkeit  und  mit  dem  freudigen  Gefühle  erfüllen,  dass  wir  in  hervor- 
agender  Weise  berufen  sind,  an  grossen  vaterländischen  Aufgaben 
|ind  Zielen  mitarbeiten  zu  dürfen.  Keinesfalls  wollen  und  dürfen  wir 
\erzte  aus  solcher  im  allgemeinen  Interesse  geleisteten  Arbeit  ma- 
eriellen  Gewinn  beanspruchen.  Wollen  wir  uns,  indem  wir  allein 
lezahlung  wünschen  für  Dienste,  die  im  vaterländischen  Interesse 
releistet  werden,  von  allen  anderen  Ständen  beschämen  lassen?! 
ch  habe  schon  einmal  in  einem  früher  in  dieser  Sache  veröffentlichten 
Vufsatze  gesagt  und  wiederhole  hier  noch  einmal:  „Wer  diesen 
dealismus  nicht  besitzt,  wer  glaubt,  sich  für  alle  und  jede  Tätigkeit 
mf  gemeinnützigem  Gebiete  bar  bezahlen  lassen  zu  müssen,  möge 
•olchen  Unternehmungen  fernbleiben  und  niemand  wird  ihn  darum 
adeln!“ 

Mit  welchem  Rechte  aber  sollen  Aerzte,  welche  gemeinnützigen 
und  nationalen  Einrichtungen  bereitwillig  unentgeltliche  Dienste 
eisten,  von  andersdenkenden  Kollegen  zur  Entgegennahme  eines 
lonorars  gezwungen  werden?  Sollte  es  wirklich  Aerzte  geben, 
velche  in  der  unentgeltlichen  Dienstleistung  bei  Kolonnen,  Fürsorgen 
'der  anderen  gemeinnützigen  Unternehmungen  ein  standeswidriges 
erhalten  erblicken?  Oder  sollten  einzelne  Aerzte  der  Meinung  sein, 
lass  ihre  mit  der  Leitung  von  Kolonnen  oder  im  Fürsorgedienste 
ätigen  Kollegen  ihre  Statidesgenossen  durch  ihre  Tätigkeit  wirt- 
chaftlich  zu  schädigen  vermöchten?  Es  dürfte  schwer  sein,  für  eine 
nlche  Auffassung  Beweise  zu  erbringen.  Und  wenn  ja  da  und  dort 
lie  Tätigkeit  einzelner  Aerzte  auf  gemeinnützigem  Gebiet  zur  Er- 
eichung  persönlicher  Vorteile  ausgeniitzt  werden  sollte,  was  könnte 
lie  Forderung  eines  Honorars  daran  ändern? 

Dass  Fälle  eintreten  können,  in  denen  die  Aerzte  für  ihre  Tätig¬ 
et  in  der  gedachten  Richtung  eine  Bezahlung  ihrer  Dienstleistungen 
•erlangen  müssen,  ist  sicherlich  zuzugeben.  Wenn  diese  Tätigkeit 
■inen  Umfang  erreicht,  welcher  die  eigentliche  Berufstätigkeit  des 
\rztes  beeinträchtigt,  seine  Zeit  und  Kraft  in  erheblichem  Masse  in 
\nspruch  nimmt  und  seine  Einkünfte  zu  schmälern  geeignet  ist,  wird 
r  mit  Fug  und  Recht  und  ohne  dass  ihm  mangelnder  Gemeinsinn  zum 

•  orwurf  gemacht  werden  könnte,  eine  Entschädigung  beanspruchen 
(innen.  Derartige  vereinzelte  Fälle  können  aber  nie  und  nimmermehr 
lie  generelle  Forderung  der  Bezahlung  der  auf  gemeinnützigem  Felde 
atigen  Aerzte  rechtfertigen.  Die  letzteren  wünschen  sie  in  ihrer 
rossen  Mehrzahl  nicht  und  das  Publikum  würde  in  einer  derartigen 
orderung  einen  Mangel  an  Gemeinsinn  und  Vaterlandsliebe  erblicken. 

üit  der  Annahme  des  Antrages  des  B.-V.  Leipzig-Land  würde  also 
lie  deutsche  Aerzteschaft  erheblich  an  Ansehen  verlieren  und  der  im 
'orjahre  der  Einführung  der  neuen  Reichsversicherungsordnung  so 
bringend  nötigen  Einmütigkeit  der  Aerzte  ein  empfindlicher  Stoss 

•  ersetzt  werden. 

Die  Annahme  dieses  Antrages  würde  aber  auch  die  Existenz 
Türeicher  Sanitätskolonnen  und  Fürsorgestellen  ernstlich  bedrohen. 
'  erf.  ist  seit  20  Jahren  als  Kolonnenarzt  tätig  und  leitet  eine  Säug- 
ings-  und  Tuberkulosefürsorgestelle.  Angesichts  seiner  Wahr- 
lehmungen  über  die  finanzielle  Lage  dieser  seiner  Leitung  unter- 
'lellten  Institute  steht  er  nicht  an  zu  erklären,  dass  er  ein  Honorar 
ür  seine  denselben  gewidmete  Tätigkeit  nur  mit  dem  Gefühle  tiefster 
Beschämung  entgegennehmen  könnte.  Die  meisten  Sanitätskolonnen 
nid  Fürsorgestellen  arbeiten  mit  den  kärglichsten  Mitteln;  die 
vsteren  erhalten  keinen  staatlichen  Zuschuss,  sondern  sind  genötigt. 

.  Beschaffung  von  Lehrgegenständen  und  Ausrüstungsstücken 
i  lorderlichen  Mittel  jahraus  jahrein  m  notdürftiger  Weise  zusannnen- 
•ubringen;  die  letzteren  erhalten  wohl  meist  geringe  Zuwendungen 
ion  Staat.  Kreis  und  Gemeinde,  haben  wohl  auch  zuweilen  ver¬ 
mögende  Gönner  und  Freunde,  welche  ab  und  zu  einen  Geldbetrag 
'penden  —  trotzdem  reichen  ihre  Mittel  kaum  aus  für  die  Ertorder- 
usse  der  eigentlichen  Fürsorgeaufgaben.  Diese  Verhältnisse  treffen 
ivohl  im  ganzen  und  grossen  —  die  grossen  Städte  vielleicht  aus- 
s'enornmen  —  für  das  ganze  Reich  zu.  Wären  die  zahlreichen  in 
mttleren  und  kleinen  Städten  und  auf  dem  Lande  existierenden  Ko- 
“mien  und  „gemeinnützigen  Unternehmungen“  gezwungen,  ihren 
Aerzten  ein  den  Leistungen  derselben  entsprechendes  Honorar  zu 


zahlen,  so  würde  bald  eine  ganze  Reihe  dieser  bisher  so  ausserordent¬ 
lich  segensreich  wirkenden  Einrichtungen  den  Bankerott  erklären 
müssen.  Das  kann  und  darf  aber  die  Absicht  einer  grossziigig  den¬ 
kenden,  von  Patriotismus  beseelten  Aerzteschaft  nicht  sein. 

Eine  stattliche  Reihe  von  Kolonnenärzten,  welche  die  finanzielle 
Leistungsfähigkeit  der  freiwilligen  Sanitätskolonnen  wohl  am  besten 
zu  beurteilen  vermögen,  hat  bereits  im  Jahre  1909  unterschriftlich 
erklärt,  dass  sie  sich  das  Recht,  ohne  Entgelt  in  den  Kolonnen  tätig 
zu  sein,  nicht  nehmen  lassen  wird.  Die  grosse  Mehrheit  der  in 
anderen  „humanitären,  gemeinnützigen  und  nationalen“  Unter¬ 
nehmungen  tätigen  Kollegen  dürfte  auf  demselben  Standpunkte  stehen. 
Sie  alle  müssen  in  dem  Anträge  des  B.-V.  Leipzig-Land  einen  durch 
die  tatsächlichen  Verhältnisse  nicht  gerechtfertigten  Versuch  zur -Be¬ 
schränkung  ihres  freien  Willens  erblicken.  Ein  Antrag  aber,  welcher 
lediglich  einen  kleinen,  von  der  Majorität  der  Beteiligten  nicht  einmal 
gewünschten  materiellen  Gewinn  erstrebt,  im  übrigen  aber  die  Ge¬ 
fahr  in  sich  birgt,  Uneinigkeit  in  die  Reihen  der  Kollegen  zu 
tragen,  das  Ansehen  des  Aerztestandes  zu  schädigen  und  zahlreiche 
wertvolle  gemeinnützige  humanitäre  und  nationale  Einrichtungen  in 
ihrer  Existenzfähigkeit  zu  bedrohen,  kann  von  den  im  Deutschen 
Aerztetag  zusammentretenden  Delegierten  der  deutschen  ärztlichen 
Bezirksvereine  nicht  anders  als  durch  strikte  Ablehnung  erledigt 
werden.  Bezirksarzt  Dr.  P  ii  rckhauer  -  Dinkelsbühl. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Das  Gesundheitswesen  des  Preussischen  Staates  im  Jahre  1911 
bearbeitet  von  der  Medizinalabteilung  des  Ministeriums  des  Innern. 
547  Seiten  und  48  Seiten  Tabellen.  Berlin  1912.  S  c  h  ö  t  z.  Preis 

15  Mark. 

Der  vorliegende  Bericht  ist  ein  halbes  Jahr  früher  erschienen 
als  sonst,  was,  wie  er  mit  Recht  sagt,  mit  Rücksicht  auf  die  Be¬ 
deutung  des  veröffentlichten  Materiales  wünschenswert  war  und  auch 
in  Zukunft  soll  diese  rasche  Bearbeitung  erfolgen.  Rühmend  ist  her¬ 
vorzuheben,  dass  der  Bericht  nicht  nur  eingehend  über  die  Gesund¬ 
heitsverhältnisse,  sondern  auch  ausführlich  über  die  Massnahmen  und 
Erfolge  der  Gesundheitsverwaltung  Aufschluss  gibt. 

Bewegung  der  Bevölkerung.  Die  Geburtenzahl  hat  noch 
in  stärkerem  Masse  abgenommen,  als  bisher.  Sie  beträgt  nur  noch 
29  auf  1000  Einwohner  gegen  36  im  Jahre  1901.  Die  meisten  Ge¬ 
burten  hatte  Westpreussen  und  Posen  (36),  die  wenigsten  Branden¬ 
burg  (24)  und  Berlin  (20).  Und  dies,  trotzdem  die  Eheschlies¬ 
sungen  gegenüber  den  Vorjahren  sogar  etwas  zugenommen  haben. 
Da  nun  auch  die  Sterblichkeit  etwas  grösser  war,  17,2  gegen 
16,2  im  Vorjahre,  hatte  die  Bevölkerung  nur  einen  Ueber  schuss 
von  492  000  gegen  581  000  im  Jahre  1910,  also  um  15  Proz.  weniger. 
Der  Bericht  fügt  bei:  Die  erhöhte  Sterblichkeit  dürfte  nur  eine 
vorübergehende  Erscheinung  und  wohl  in  erster  Linie  auf  die  un¬ 
gewöhnliche  Hitze  des  Sommers  zurückzuführen  sein;  im  3.  Viertel 
jahre,  der  grössten  Hitzeperiode,  starben  rund  51  000  Menschen, 
darunter  über  37  000  Säuglinge  mehr,  als  im  Vorjahre.  Die  Sterb¬ 
lichkeit  in  den  33  Grossstädten  blieb  ansehnlich  unter  dem  Staats- 
durchschnitt  zurück. 

Die  Kindersterblichkeit  ist  auf  18,8  von  100  Lebendge¬ 
borenen  gestiegen  gegen  15,7  im  Vorjahre;  sie  war  genau  gleich  hoch 
in  Stadt-  und  Landgemeinden.  Auch  in  Kreisen,  wo  die  künstliche 
Ernährung  eine  Ausnahme  bildet,  nahm  sie  zu.  Am  günstigsten  war 
sie  in  Hessen-Nassau  (11,7),  am  ungünstigsten  in  Sachsen  (23,3). 

Selbstmorde  kamen  8422,  tödliche  U  n  g  1  ü  c  k.s  f  ä  1 1  e 

16  810  vor.  Beide  Zahlen  bleiben  sich  im  Laufe  der  Jahre  ^ziemlich 
gleich. 

Uebertragbare  Krankheiten.  Diese  haben  sich  gemehrt  mit 
Ausnahme  von  Fleckfieber,  Genickstarre  und  Rückfallfieber.  Fälle 
von  Cholera  kamen  nicht  vor.  Der  heisse  trockene  Sommer  ver¬ 
ursachte  besonders  die  Häufigkeit  von  Brechdurchfall  und  infolge 
mangelhafter  Trinkwasserversorgung  Typhusepidemien.  Der  Um¬ 
stand,  dass  nicht  auch  Typhusverdachtfälle  und  Lungentuberkulose 
anzeigepflichtig  sind,  machte  sich  öfters  wieder  störend  bemerkbar. 
Die  Anzeigepflicht  wird  von  zahlreichen  Aerzten  noch  se'nr  nachlässig 
erfüllt,  besonders  bei  Typhus  und  Scharlach,  und  die  Ortspolizei¬ 
behörden  geben  oft  die  Meldungen  sehr  verspätet  an  die  Kreisärzte 
weiter.  Dabei  wird  zugegeben,  dass  auch  die  Angaben  der  Todes¬ 
ursachen  in  den  standesamtlichen  Registern  da,  wo  die  Leichenschau 
nicht  obligatorisch  ist.  oft  ganz  willkürlich  und  falsch  sind.  Da¬ 
gegen  hat  sich  die  Ermittlung  der  ersten  Fälle  von  Typhus,  Ruhr, 
Kindbettfieber,  Genickstarre  und  spinaler  Kinderlähmung  in  jeder  Hin  ¬ 
sicht  bewährt.  Die  bakteriologischen  Untersuchungsämter  wurden  in 
steigendem  Masse,  aber  durchaus  noch  nicht  genügend,  in  Anspruch 
genommen,  namentlich  bezüglich  der  Nach-  und  Umgebungsunter¬ 
suchungen.  Die  Krankenabsonderung  durch  Ueberführung  in  die 
Krankenanstalten  nimmt  zu,  auch  bei  Tuberkulose. 

Das  Desinfektionswesen,  das  in  Preussen  schon  länger 
gut  ausgebildet  ist,  hat  noch  weitere  Fortschritte  gemacht.  Es 
w  urden  414  Desinfektoren  in  9  tägigen  Kursen  neu  ausgebildet,  292  in 
Wiederholungskursen.  Ausserdem  wurden  Sonderkurse  abgehalten; 
Krankenschwestern  werden  vielfach  zur  Desinfektion  ausgebildet. 
Trotzdem  ist  die  Desinfektion  am  Krankenbett  meist  noch  nicht  aus- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15. 


S  22 


reichend.  Eine  Besserung-  sollte  man  durch  allgemeinere  Uebernahme 
der  Kosten  durch  Gemeinde  oder  Kreis  erstreben.  (Ref.)  Als  recht 
wertvoll  hat  sich  die  Aufstellung  von  Gesundheitsauiseherinnen  in 
Hannover  und  Linden  gezeigt. 

Durch  die  Sachsengängerei  wurden  in  fast  alle  Bezirke 
übertragbare  Krankheiten,  namentlich  Typhus,  Pocken  und  Trachom 
von  ausländischen  Arbeitern  eingeschleppt  und  mehrfach  kam  es  zur 
Uebertragung  auf  die  einheimische  Bevölkerung. 

Von  Lepra  kamen  4  neue  Erkrankungen  vor  und  am  Ende  des 
Jahres  waren  20  Kranke  im  Lepraheim,  an  Pocken  230  Erkran¬ 
kungen  und  30  Todesfälle.  Davon  betrafen  über  1la  Ausländer.  Ab¬ 
gesehen  von  2  erst  im  Inkubationsstadium  Geimpften  ist  ein  Todes¬ 
fall  bei  Personen,  die  im  letzten  Jahrzehnt  geimpft  waren,  nicht  zu 
verzeichnen.  Eine  ausführliche  Tabelle  bespricht  alle  Fälle  und 
namentlich  ihre  Entstehung.  Die  vorschriftswidrige  Entziehung  von 
der  Impfung  hat  abgenommen;  sie  betraf  bei  Erstimpfungen  1,6  Proz. 

An  Diphtherie  starben  25  auf  100  000  Lebende  gegen  56  zu 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts.  Dabei  hat  die  Zahl  der  Erkrankungen 
seither  bedeutend  zugenommen,  soweit  man  dies  nach  den  nicht  ganz 
zuverlässigen  sanitätspolizeilichen  Meldungen  schliessen  kann.  Die 
bakteriologische  Diagnose  wird  noch  nicht  in  wünschenswertem 
Masse  benützt.  Schulepidemien  erwiesen  öfter  die  Notwendigkeit  der 
Ermittlung  von  Bazillenträgern.  Uebereinstimmend  wird  wieder  be¬ 
richtet,  dass  die  schlechten  Wohnungsverhältnisse  vornehmlich  ge¬ 
eignet  sind,  die  Verbreitung  zu  fördern.  Eine  grosse  Anzahl  von  Er¬ 
krankungen  liess  sich  im  Reg.-Bez.  Aurich  auf  eine  Bäckerei  zurück¬ 
führen.  Unter  den  Bekämpfungsmassregeln  steht  in  erster  Linie  die 
Absonderung  im  Krankenhaus  und  dann  die  Feststellung  der  Bazillen¬ 
träger,  namentlich  bei  Schulepidemien,  während  die  alleinige  Des¬ 
infektion  des  Schulzimmers  verfehlt  ist.  Es  wird  vielfach  geklagt, 
dass  das  Serum  zu  spät  oder  in  zu  geringen  Dosen  angewendet  wird, 
hauptsächlich  in  der  durchaus  unberechtigten  Furcht  vor  anaphy¬ 
laktischen  Erscheinungen.  Für  die  schützende  Serumwirkung 
finden  sich  in  den  Berichten  mehrere  treffende  Beispiele. 

Die  Meningitis  cerebrospinalis  verursachte  176  Er¬ 
krankungen  gegen  332  im  Vorjahre,  wie  sie  überhaupt  seit  1905  ab¬ 
nimmt.  Das  männliche  Geschlecht  ist  stärker  beteiligt,  auf  das 
Alter  über  20  Jahren  kamen  nur  1/g  der  Fälle.  111  Personen  sind 
gestorben. 

Kindbettfieber.  Es  starben  auf  10 000  Entbundene  34. 
Die  Sterblichkeit  ist  in  den  letzten  17  Jahren  im  ganzen  unverändert 
geblieben,  hat  sich  aber  in  den  Städten  auffallend  vermehrt,  um  7, 
in  den  Landgemeinden  um  16  vermindert.  Es  wird  zur  Erklärung 
jener  Zunahme  auf  die  ständige  Zunahme  der  Fehlgeburten  und  zwar 
der  absichtlich  herbeigeführten  hingewiesen.  Die  Meldepflicht  wird 
übrigens  auch  besser  befolgt.  Die  Zahl  der  strafbaren  Vergehen 
gegen  die  Hebammenvorschriften  ist  noch  ziemlich  gross. 

Das  Trachom  im  Osten  des  Staates  hat  nicht  wesentlich  ab¬ 
genommen  wegen  ständigen  Nachschubes  von  Kranken  aus  Russ¬ 
land.  Das  ist  umsomehr  zu  bedauern,  als  die  Krankheit  bis  in  den 
äussersten  Westen  verschleppt  wird  und  z.  B.  im  Reg.-Bez.  Arns¬ 
berg  555  Erkrankungen  angemeldet  wurden. 

An  Ruhr  starben  220  Personen.  Sie  trat  meist  gruppenweise, 
besonders  in  Irrenanstalten  auf.  Bei  der  Weiterverbreitung  spielte 
der  Kontakt  die  Hauptrolle.  Bei  den  schweren  Fällen  wird  man  mit 
ziemlicher  Sicherheit  auf  die  Anwesenheit  des  Shiga-Kruse-Bazillus 
schliessen  dürfen.  Bei  der  Frühdiagnose  ist  der  Stuhluntersuchung 
die  Agglutinationsprobe  vorzuziehen.  Systematische  Untersuchungen 
auf  Bazillenträger  hatten  aber  leider  nicht  denselben  durchschlagenden 
Erfolg,  wie  bei  Typhus. 

Typhus.  Die  Erkrankungen  haben  gegen  das  Vorjahr  wieder 
um  4757  zugenommen.  Gestorben  sind  2462,  d.  h.  6  auf  100  000  Le¬ 
bende,  die  meisten  zwischen  20  und  30  Jahren.  Die  Zunahme  ist  in 
erster  Linie  durch  mehrere  umfangreiche  Epidemien  bedingt.  So 
entstand  durch  mangelhaft  filtriertes  Wasser  in  Mülheim  a.  d.  Ruhr 
eine  Epidemie  in  den  Regierungsbezirken  Münster  und  Düsseldorf. 
Durch  die  bakteriologischen  Umgebungsuntersuchungen  konnten 
wieder  zahlreiche  Bazillenträger  ermittelt  werden;  andererseits 
hätte  manche  Epidemie  verhindert  oder  eingeschränkt  werden  können, 
wenn  rechtzeitig  untersucht  worden  wäre.  Neben  dem  Wasser  kam 
vor  allem  dem  Kontakt  eine  grosse  Rolle  bei  der  Verbreitung  zu, 
dann  auch  wieder  der  Milch,  namentlich  der  Gesellschaftsmolkereien. 
Eine  grössere  Epidemie  in  Lychen  wurde  durch  infiziertes  Bier, 
mehrere  Epidemien  durch  Metzgereien  herbeigeführt.  Im  Regierungs¬ 
bezirk  Potsdam  wurden  einige  Fälle  auf  Erdarbeiten  in  einem  seit 
Jahren  verseuchten  Grundstück  zurückgefiihrt. 

Von  Paratyphus  wurden  526  Erkrankungen  und  33  Todes¬ 
fälle  beobachtet.  Aetiologisch  war  vorwiegend  Nahrungsmittel¬ 
infektion,  daneben  erfolgte  die  Infektion  häufig  durch  Kontakt,  auch 
durch  Oberflächenwasser.  Sehr  lehrreich  ist  eine  Epidemie  in  Zell 
infolge  Verunreinigung  des  Leitungswassers,  bei  der  31  Fälle  fest¬ 
gestellt  sind,  wahrscheinlich  aber  gegen  200  vorkamen,  darunter 
keine  Kontaktinfektion.  Dagegen  kamen  aus  einer  in  Borkum  durch 
Nahrungsmittel  entstandenen  Epidemie  Verschleppungen  in  die  Re¬ 
gierungsbezirke  Münster  und  Düsseldorf  vor.  An  Fleisch-, 
Fisch-  und  Wurstvergiftung  kamen  im  ganzen  677  Er¬ 
krankungen  vor.  Sehr  oft  blieb  die  bakteriologische  Untersuchung 
negativ,  sonst  wurden  ausser  Paratyphus-  G  ä  r  t  n  e  r  sehe  und  Koli- 
bazillen,  einmal  nur  Proteus  gefunden. 


Die  Sterblichkeit  an  Scharlach  betrug  13  auf  100  000  Le¬ 
bende;  sie  war  die  geringste  seit  1898;  noch  nicht  1  Proz.  der  Todes¬ 
fälle  fällt  auf  das  Alter  über  20 'Jahren.  Oefter  war  große  Nach¬ 
lässigkeit,  namentlich  in  bezug  auf  Schulkinder,  an  der  weiten  Ver¬ 
breitung  schuld. 

Ueber  Syphilis  steht  der  Bericht  der  Heilanstalten  noch  aus. 
Im  ganzen  starben  894  an  übertragbaren  Geschlechtskrankheiten. 
Einzelne  Mitteilungen,  z.  B.  die  grosse  Zahl  der  Erkrankten  eines 
Arztes  in  Graudenz,  lassen  auf  die  weite  Verbreitung  derselben 
schliessen.  Ueber  die  Poliklinik  für  Geschlechtskranke  in  Frank¬ 
furt  a.  Oder  wird  gesagt:  einen  Rückgang  der  Krankheit  in  der  Stadt 
hat  sie  bisher  nicht  zur  Folge  gehabt,  immerhin  leistet  sie  durch 
sachgemässe  und  schnellere  Heilung  der  Kranken  viel  Gutes.  Da¬ 
gegen  wird  von  Berlin  berichtet,  dass  infolge  des  besseren  ärztlichen 
Dienstes  dort  seit  Yi  Jahre  die  Syphilis  unter  den  Dirnen  abzu- 
nehmen  scheint. 

Ueber  Trichinoseerkrankungen  wird  nur  aus  3  Re¬ 
gierungsbezirken  berichtet.  2  Fjpidemien  sind  durch  die  Fleisch¬ 
beschauer  verschuldet  gewesen. 

Die  61  219  Todesfälle  an  Tuberkulose  machten  eine  Sterb¬ 
lichkeit  von  151  auf  100  000  Lebende  gegen  283  im  Jahre  1890.  Sk 
erreicht  ihre  grösste  Höhe  wieder  vom  40.  Jahre  an  steigend  bis 
zum  70.,  bei  den  Frauen,  allein  berechnet  aber  schon  zwischen  25  und 
30  Jahren.  Das  erste  Maximum  im  1.  Lebensjahre  erreicht  dieses 
spätere  Maximum  nicht.  Mit  geringen  Verschiebungen  haben  wieder 
Berlin  und  die  Regierungsbezirke  Breslau,  Köln  und  Osnabrück  die 
grösste,  Allenstein,  Gumbinnen  und  Merseburg  die  geringste  Sterb¬ 
lichkeit.  Die  sanitätspolizeiliche  Meldung  der  Todesfälle  unterbleibt 
immer  noch  oft.  Die  Desinfektion  der  Wohnungen  nach  Todesfällen 
wird  sonst  nunmehr  in  allen  Bezirken  ausgeführt.  Auch  beim  Woh¬ 
nungswechsel  hat  sie  mehr  Eingang  gefunden,  da  viele  Kreise  und 
Gemeinden  die  Kosten  ganz  oder  teilweise  übernehmen.  Der  Unter¬ 
suchung  der  Lehrer  und  Schulkinder  wurde  vermehrte  Aufmerksam¬ 
keit  gewidmet.  Abhilfe  wurde  besonders  durch  Heilstättebehandlung 
der  Lehrer,  dann  durch  Beurlaubung  oder  Pensionierung  angestrebt. 
Im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  fand  der  „äusserst  wichtige  Faktor, 
die  Besserung  der  Wohnungsverhältnisse“,  besondere  Beachtung. 
Von  anderen  Massregeln  seien  namentlich  angeführt  Belehrungen  in 
den  Seminarien,  in  Lehrerversammlungen,  der  Gemeindeschwestern, 
dann  Fürsorgestellen,  Walderholungsstätten,  laufende  Desinfektionen. 
Doch  sei  auf  die  ausführlichen  Schilderungen  des  Berichtes  aus¬ 
drücklich  hingewiesen. 

Lupus.  Den  Schulärzten  wurde  aufgetragen,  auf  ihn  besonders 
zu  achten  und  die  Fälle  zur  Kenntnis  des  Schulleiters  und  der  Eltern 
zu  bringen.  In  verschiedenen  Kreisen  wurden  die  Kranken  gezählt. 
Es  waren  in  Hildesheim  45,  Kempen  38;  aber  manche  werden  dabei 
unbeachtet  geblieben  sein. 

Von  Milzbrand  wurden  197  Erkrankungen  und  20  Todesfälle 
gemeldet,  an  R  o  t  z  1.  Von  Maul-  u_n  d  Klauenseuche  kamen 
wieder  Uebertragungen  auf  Menschen  vor. 

Tollwut.  Von  Menschen  und  tollen  oder  verdächtigen  Tieren 
wurden  231  Personen  verletzt,  darunter  138  von  sicher  tollwutkrankeu 
Tieren.  Fast  alle  Verletzte  wurden  geimpft,  und  von  diesen  ist  nur 
1  gestorben  und  zwar  bevor  das  Schutzimpfungsverfariren  durch¬ 
geführt  war. 

Die  Influenza  war  wieder  verbreiteter;  es  starben  13  auf 
100  000  Lebende  (im  Jahre  1900  45).  In  etwa  Vio  der  tödlichen  Fälle 
werden  Herzkomplikationen  angegeben.  Ungefähr  dieselbe  Sterblich¬ 
keit  hatten  Masern,  während  Keuchhusten  20  hatte.  Von 
Malaria  wurde  auch  1911  grössere  Verbreitung  nur  im  Regierungs¬ 
bezirk  Aurich  beobachtet.  Von  Tetanus  werden  78  Fälle  und 
51  Todesfälle  gemeldet.  An  Brechdurchfall  sind  rund  21000 
mehr  gestorben  als  im  Vorjahre,  102  auf  100  000  Lebende.  „Ins¬ 
besondere  hat  die  langandauernde  Hitzeperiode  im  Sommer  dazu 
beigetragen.  Sicherlich  ist  ein  Teil  der  Erkrankungsfälle  als  Hitz- 
schlag  aufzufassen,  da  bei  den  schlechten  Wohnungen,  der  mangel¬ 
haften  Lüftung  und  der  unzweckmässigen  Einpackung  der  Kinder 
sehr  leicht  eine  lebensbedrohende  Wärmestauung  eintritt.“  Trotzdem 
zeigte  sich  daneben  ein  schätzender  Einfluss  des  Stillens. 

An  spinaler  Kinderlähmung  trat  ein  erheblicher  Rück¬ 
gang  ein;  es  gab  nur  121  Erkrankungen  und  22  Todesfälle,  in  grösserer 
Zahl  nur  im  Regierungsbezirk  Schleswig.  — 

An  Krebs  sind  29 473,  an  anderen  bösartigen  Neu¬ 
bildungen  3187  Personen  gestorben,  zusammen  81  auf  100  000 
Lebende;  an  Blinddarmentzündung  2547. 

Ortshygiene.  In  sämtlichen  Regierungsbezirken  wurden  auch 
1911  planmässige  Ortsbesichtigungen  von  den  Kreisärzten  vorge¬ 
nommen.  Die  Ausführung  der  Verbesserungsvorschläge  liess  aber, 
namentlich  im  Osten,  oft  zu  wünschen  übrig.  Nachahmenswert  wäre 
die  Verfügung  im  Regierungsbezirk  Stettin,  dass  die  Berichte  der 
Kreisärzte  über  die  Ortsbesichtigungen  vierteljährlich  durch  die 
Landräte  dem  Regierungspräsidenten  einzureichen  sind  behufs 
Prüfung,  ob  und  inwieweit  eine  Besserung  der  Mängel  stattgefunden 
hat.  ln  den  Städten  des  Regierungsbezirks  Minden  konnten  manche 
Wohnungen  nur  deshalb  nicht  geschlossen  werden,  weil  die  Be¬ 
wohner  sonst  obdachlos  geworden  wären,  ebenso  in  Rendsburg,  in 
den  Städten  des  Regierungsbezirks  Königsberg.  In  vielen  Regierungs¬ 
bezirken  findet  aber  noch  keine  geregelte  Wohnungsaufsicht  statt, 
wie  in  Potsdam.  Köslin.  Stralsund.  Stade.  Münster  und  dem  länd- 


I 


MUHNcHeNEr  MeHizin  iscHe  Wochenschrift. 


15.  April  19lo. 


823 


;  liehen  Teil  von  Osnabrück,  wo  sie  doch  wegen  der  stark  verbreiteten 
Tuberkulose  so  notwendig  wäre.  Wie  im  Berichte  des  Vorjahrs 
werden  die  vorhandenen  Missstände  freimütig  erwähnt,  z.  B.  dass 
ui  Breslau  der  Wohnungsinspektor  von  5374  besichtigten  Wohnungen 
h36  beanstanden  musste,  in  Duisburg  gar  1550  von  6555.  Im  Kreis 
lohannisburg  werden  die  Fenster  vielfach  von  vornherein  so  ge¬ 
arbeitet,  dass  sie  gar  nicht  geöffnet  werden  können. 

Es  ist  anzuerkennen,  dass  fleissig  an  der  Besserung  gearbeitet 
wird  und  zwar  an  vielen  Orten  mit  Erfolg.  Zahlreiche  gemeinnützige 
Bauvereine  stellten  billige  Wohnungen  her;  aber  leider  wird  nur  von 
\ltona  angeführt,  dass  Häuser  von  einer  Gartenbaugesellschaft  i  n 
E  r  b  b  a  u  errichtet  werden  und  von  Warne  (Münster),  dass  die  Ein¬ 
familienhäuser  als  Rentengüter  in  den  Besitz  der  Bewohner 
ibergehen  sollen.  Bezüglich  der  Bekämpfung  unserer  Wohnungsnot 
sei  auf  die  Bemerkungen  des  Referenten  bei  Besprechung  des  Be¬ 
richtes  für  1910  verwiesen  (diese  Wochenschrift  1912,  S.  2014). 

Wasserversorgung.  Die  grosse  Hitze  des  Jahres  führte 
an  vielen  Orten  Mangel  oder  doch  Verschlechterung  des  Wassers 
herbei.  So  musste  in  Dortmund  und  anderwärts  das  Trinkwasser 
mit  Chlorkalk  desinfiziert  werden.  Noch  immer  muss  in  vielen 
.legenden  grob  oder  gar  nicht  filtriertes  Oberflächenwasser  als  Trink¬ 
wasser  benützt  werden.  In  vielen  Ostseebädern  kommt  das  Wasser 
aus  Pumpen,  die  direkt  neben  Jauchegruben  stehen.  ' 

Beseitigung  der  Abfallstoffe.  Berlin  hat  dazu 
1/  560  ha  Land;  aber  viele  Kläranlagen  verschiedenster  Art  an 
uuleren  Orten  waren  ungenügend,  besonders  die  kleinen  Haus- 
<läranlagen.  Ueberhaupt  scheinen  die  Spülklosetts  ohne  regelrechte 
Kanalisation  ein  verbreitetes  Uebel  zu  sein;  ja  es  hat  sogar  die  Bau¬ 
polizei  in  Dortmund  die  Ableitung  des  Abortgrubeninhalts  in  die 
>trassengräben  bei  Benützung  eines  Absitzbeckens  empfohlen.  In 
Jen  meisten  vorwiegend  ländlichen  Regierungsbezirken,  nicht  nur 
Jes  Ostens,  fehlen  selbt  in  kleinen  Städten  in  vielen  Häusern  noch 
4borte,  und  wo  sie  vorhanden  sind,  sind  sie  mangelhaft.  Die  Ver¬ 
besserung  der  vielen  undichten  Düngerstätten  wird  allmählich,  z.  T. 
mit  Unterstützung  von  Vereinen  und  der  Kreise,  angestrebt. 

Nahrungsmittelhygiene.  Infolge  Ausdehnung  der  Kontrolle  auf 
Jas  ganze  Staatsgebiet  ist  ein  gewisser  Rückgang  der  Verstösse 
jegen  das  Nahrungsmittelgesetz  nicht  zu  verkennen.  Von  verschie- 
Jenen  Untersuchungsämtern  wird  geklagt,  dass  die  gerichtlichen 
^trafen  nicht  hoch  genug  seien.  Die  Proben  werden  am  besten  von 
\ngestellten  der  Untersuchungsämter  entnommen.  Die  „Ochsen-  und 
Bullenschlachtungen“  haben  um  11%  bzw.  12  Proz.  ab-,  die  Schweine- 
schlachtungen  um  14  Proz.  zugenommen.  —  An  Säuferwahnsinn 
starben  948  Personen,  wieder  mehr  als  im  Vorjahr,  während  die 
vorhergehenden  Jahre  einen  dauernden  Rückgang  gezeigt  hatten, 
m  allgemeinen  wird  eine  langsame,  aber  ständige  Abnahme  des 
Alkoholmissbrauchs  berichtet.  Der  Tabaksbrauch  nimmt  an  vielen 
)rten  bei  Jugendlichen  zu. 

Kinderhygiene.  Die  Stillhäufigkeit,  über  deren  Nutzen  wieder 
jinzelne  zahlenmässige  Angaben  gemacht  werden,  war  in  einzelnen 
legenden  recht  befriedigend.  So  wird  sie  für  2  Orte  im  Regierungs- 
jezirk  Bromberg  zu  98  Proz.  in  den  ersten  4  Monaten  angegeben; 
n  anderen  fehlt  es  noch  sehr;  z.  B.  in  der  Stadt  Tilsit  hatten  42  Proz. 
iller  auf  den  Impfterminen  anwesenden  Kinder  niemals  Muttermilch 
-/halten.  Die  Abgabe  von  Milch  an  die  Mütter  zu  Erhöhung  der 
'tillfähigkeit  wurde  vielfach  Veranlassung  zur  Aufgabe  des  Stillens, 
der  günstige  Einfluss  der  Belehrungen  trat  häufig  hervor.  Für  den 
Regierungsbezirk  Arnsberg  wird  der  Nutzen  der  Fürsorgeanstalten 
cahlenmässig  durch  die  geringere  Sterblichkeit  ihrer  Säuglinge  nach- 
tewiesen.  Säuglingsheime  und  Krippen  wurden  in  ansehnlicher  Zahl 
ieu  errichtet. 

Haltekinder.  Die  Berufsvormundschaft  wurde  in  ver¬ 
schiedenen  Landesteilen  eingeführt.  Eine  Schutzaltersgrenze  von 
1  Jahren  ist  aber  zu  niedrig  und  es  ist  zu  bedauern,  dass  die  Ver¬ 
waltungsstellen  in  Hannover  eine  Erhöhung  ablehnten.  Zu  einer 
ulgemein  genügenden  Aufsicht,  vor  allem  durch  den  Kreisarzt, 
scheinen  noch  vielfach  die  Vorbedingungen  zu  fehlen. 

ln  der  Schulhygiene  wird  über  erfreuliche  Verbesserungen  be¬ 
ichtet,  namentlich  bezüglich  der  Schulbauten,  der  Sauberkeit,  Unter¬ 
suchung  der  Kinder,  Zahnpflege.  Wegen  Diphtherie  wurden  die 
schulen  häufiger  geschlossen  als  früher  mit  Rücksicht  auf  die 
Bazillenträger.  In  der  Schularztfrage  sind  dagegen  im  Berichtsjahre 
n,r  geringe  Fortschritte  gemacht  worden. 

Gewerbehygiene.  Die  Gewerbeaufsicht  der  Medizinalbeamten 
car  1911  nicht  umfangreicher  als  früher.  Die  hygienische  Beschaffen¬ 
st  der  Arbeitsräume  wird  allmählich  besser;  grobe  Mängel  wurden 
iber  noch  immer  in  Betrieben  der  Nahrungsmittelgewerbe  ange- 
roffen.  Die  Einhaltung  des  Kinderschutzgesetzes  lässt  auch  noch 
mmer  zu  wünschen  übrig.  Unfalluntersuchungen  wurden  26950  vorge- 
lornmen.  In  den  grösseren  chemischen  Fabriken  des  Regierungs¬ 
bezirks  Merseburg  ist  zur  fortlaufenden  Beobachtung  der  Arbeiter  ein 
•esonderer  Fabrikarzt  mit  einem  Assistenzarzt  angestellt.  An  ver¬ 
miedenen  Orten  wurden  Speisehallen,  Erholungs-,  Baderäume, 
dbst  Büchereien  eingerichtet,  in  einigen  Fabriken  auch  Stillzimmer. 

Fürsorge  für  Kranke.  Besonders  auf  dem  Gebiete  der  Kriippel- 
ursorge  waren  Fortschritte  zu  verzeichnen  durch  zielbewusstes 
Vbeiten  grösserer  Verbände  und  der  Behörden. 

,  )  Gefängnisse.  Die  Sterblichkeit  an  Tuberkulose  beträgt  in  den 
-uciithäusern  nur  noch  0.3  Proz  Gier  Purchsehnittsbevölkenmg?i. 


und  der  Behauptung,  als  ob  unsere  Gefängnisse  als  Tuberkuloseherdc 
anzusehen  seien,  wird  —  für  die  Gegenwart  mit  Recht  — 
widersprochen.  Die  Gefängnisse  sind  in  hygienischer  Beziehung  im 
allgemeinen  der  Aufsicht  der  Kreisärzte  nicht  unterstellt  (was  ein 
entschiedener  Fehler  ist.  RefJ. 

Badewesen.  Ernste  Beachtung  verdienen  die  sich  häufenden  An¬ 
gaben  in  den  Bezirksberichten,  dass  des  öfteren  Badeanstalten  im 
Freien  wegen  Verunreinigung  der  Gewässer  geschlossen  werden 
mussten. 

Leichenschau.  Die  für  die  ganze  Rheinprovinz  seit  dem  1.  April 
bestehende  Leichenschau  hat  sich  gut  bewährt.  „Namentlich  hat 
man  im  Regierungsbezirk  Koblenz  über  die  Ausdehnung  der  Tuber¬ 
kulose  ein  ganz  anderes  Bild  gewonnen.“ 

Die  Zahl  der  Aerzte  beträgt  19  956.  Unter  den  3562  Voll- 
apotheken  waren  22  Proz.  privilegierte  und  54  Proz.  unver¬ 
äusserliche.  Karl  Kolb-  München. 

Vorträge  über  Herzkrankheiten  von  Privatdozent  Dr.  Max  Herz 

in  Wien.  Wien  1912.  Verlag  von  Moritz  Perles,  k.  u.  k.  Hofbuch¬ 
händler,  I.  Seilergasse  (Graben).  145  Seiten.  Preis  3  Kr.  60  H. 

Verfasser  veröffentlicht  hiemit  12  Vorträge,  welche  von  ihm 
1910  und  1911  vor  praktischen  Aerzten  gehalten  wurden.  Er  be¬ 
handelt  darin  die  funktionelle  Herzdiagnostik,  Herzneurosen,  Arterio¬ 
sklerose,  plötzliche  Zufälle  der  Herzkranken  und  die  erste  Hilfe, 
Eigenart  der  Herzklappenfehler,  Phrenokardie,  Herzschwäche,  Herz¬ 
beengung,  Aetiologie  und  Prophylaxe  sowie  verschiedenes  aus  dem 
Kapitel  der  Herztherapie,  naturgemäss  in  zum  Teil  aphoristisch  ge¬ 
haltener  Form.  Der  wesentliche  Inhalt  dieser  Vorträge  deckt  sich 
mit  dem,  was  Verfasser  in  seinem  kürzlich  veröffentlichten  Buche 
über  die  Herzkrankheiten  zur  Darstellung  gebracht  hat.  Wir  können 
daher  auf  unsere  Besprechung  des  letzteren  Werkes  in  No.  29  der 
Münchener  medizinischen  Wochenschrift  Bezug  nehmen. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Lehrbuch  der  spezifischen  Diagnostik  und  Therapie  der  Lungen¬ 
tuberkulose.  Für  Aerzte  und  Studierende  von  Dr.  Bandelier  und 
Dr.  Roepke.  Siebente,  gänzlich  umgearbeitete  Auflage.  Mit 
einem  Vorwort  von  Wirkl.  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  R.  Koch,  Exzellenz. 
Mit  25  Temperaturkurven  auf  7  lithographischen  Tafeln.  2  färb, 
lith.  Tafeln,  5  Textabbildungen.  Würzburg,  Curt  Kabftzsch, 
1913.  ^  Preis  brosch  Mk.  8.30,  geb.  Mk.  9.50. 

Ein  Buch,  das  4  Jahre  nach  seinem  Erscheinen  die  siebente  Auf¬ 
lage  erlebt,  das  in  der  gleichen.  Zeit  in  sieben  fremde  Sprachen  über¬ 
setzt  ist  und  in  der  englischen  und  russischen  Uebersetzung  in  zweiter 
Auflage  erscheint,  hat  nicht  nur  seine  Existenzberechtigung  nach¬ 
gewiesen,  sondern  ist  auch  schon  so  allgemein  bekannt  geworden, 
dass  es  keiner  weiteren  Empfehlung  mehr  bedarf.  Es  soll  also  hier 
nur  darauf  hingewiesen  sein,  dass  auch  die  neue  Auflage  sich  den 
vorhergegangenen  würdig  anschliesst.  Bei  dem  raschen  Wachstum 
der  Tuberkuloseliteratur  ist  es  besonders  dankenswert,  dass  die  Ver¬ 
fasser  sich  bemüht  haben,  durch  zusammenfassende  Kapitel  den 
nötigen  Platz  für  die  Berücksichtigung  der  neuen  Arbeiten  zu  ge¬ 
winnen.  Dr.  Karl  Ernst  Ranke. 

Prof.  Dr.  G.  Cor  net:  Die  akute  allgemeine  Miliartuberkulose. 

(Aus  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie  v.  Nothnagel.) 
Zweite  gänzlich  umgearbeitete  Auflage.  Wien  und  Leipzig  1913. 
Preis  2.30  M. 

In  der  üblichen  Einteilung,  Aetiologie,  pathologische  Anatomie, 
Symptome,  Verlauf,  Dauer,  Ausgang,  Diagnose  und  Prognose, 
Prophylaxe  und  Therapie  wird  die  Frage  umfassend  behandelt.  Es 
geht,  das  überrascht  bei  Cornet  nicht,  ohne  einige  Seitenhiebe  auf 
den  „kautschukartigen  Begriff  Disposition“  nicht  ab.  Aber  schliesslich 
werden  wir  uns  doch  hierüber  alle  verständigen. 

Interessant  ist  die  Darlegung,  dass  der  Befund  virulenter  Bazillen 
im  Blute  beim  lebenden  Phthisiker  bis  jetzt  nicht  sicher  erhoben 
worden  sei  und  dass  die  Annahme  einer  Vermehrung  solcher  Bazillen 
rein  spekulativ  sei.  Die  ganze  Frage  bedarf  noch  sehr  der  Klärung. 

Im  Verlaufe  unterscheidet  der  Verf.  3  Formen,  die  typhoide,  die 
pulmonale  und  die  meningeale,  und  hält,  wenn  auch  die  Prognose 
zweifellos  äusserst  ernst  ist,  doch  die  Miliartuberkulose  für  heilbar. 
Diesen  Satz  bezeichnet  er  mit  Recht  als  sehr  wichtig.  Für  die  Dia¬ 
gnose  kommen  in  Betracht  der  Nachweis  von  Tuberkelbazillen  im 
Blute  und  eventuell  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit,  Chorioideal- 
tuberkel,  Miliartuberkel  in  den  Schleimhäuten,  hohe  Viskosität  des 
Blutes.  Die  Kutanreaktion  lässt  im  Stiche,  während  das  Auftreten 
von  Hauttuberkuliden  wichtig  ist.  Auch  das  Röntgenbild  erlaubt 
weitgehende  Schlüsse.  Das  Literaturverzeichnis  umfasst  10  Seiten 
und  ist  höchst  sorgfältig  zusammengestellt. 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Gottfried  Trautmann:  Die  Krankheiten  der  Mundhöhle  und 
der  oberen  Luftwege  bei  Dermatosen  mit  Berücksichtigung  der 
Diiferentialdiagnose  gegenüber  der  Syphilis.  Zweite,  umgearbeitete 

und  erweiterte  Auflage.  Wiesbaden  1911.  Bergmann.  636  S. 
Preis  18  Mark. 

In  den  9  Jahren,  welche  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Auflage 
vergangen  sind,  hat  Verf.  einen  bewunderungswerten  Fleiss  an  dieses 
Buch  verwandt,  und  so  liegt  die  Neubearbeitung  nach  jeder  Richtung 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15 


S  24 


bedeutend  erweitert  jetzt  vor  uns.  Die  kleine  Monographie  hat  sich 
in  ein  Werk  verwandelt,  welches  uns  auf  Schritt  und  Tritt  in  de.i 
vielfach  verschlungenen  schwierigen  Wegen  der  Differentialdiagnose 
auf  diesem  Gebiete  unentbehrlich  sein  wird.  Durch  <11  Tabellen  und 
12  Abbildungen  hat  das  Buch  noch  mehr  an  Wert  gewonnen.  Als  ein 
Beispiel  der  gründlichen  Durcharbeitung  des  Stoffes,  welcher  auf 
einer  staunenswerten  Bewältigung  der  enorm  angeschwollenen  Li¬ 
teratur  und  der  grossen  eigenen  Erfahrung  des  Verf.  beruht,  will  ich 
nur  den  Pemphigus  anführen.  Auf  etwa  115  Seiten  wird  dessen 
allgemeine  Pathologie,  die  Literatur,  Statistik,  Verwechslung  mit  Lues, 
Symptomatologie,  Histologie,  Prognose,  Sektionsergebnisse.  Aetiologie 
und  Diagnostik  besprochen.  So  können  wir  hoffen,  dass  dieses  grund¬ 
legende  und  bisher  einzig  dastehende  Buch  bald  in  keiner  Bibliothek 
des  sich  ernst  mit  dem  einschlägigen  Gegenstände  beschäftigenden 
Arztes  fehlen  wird.  Verf.  hat  uns  ein  Nachschlagebuch  ersten  Ranges 
geschaffen,  für  welches  wir  ihm  nicht  dankbar  genug  sein  können. 

Max  Joseph-  Berlin. 

Dr.  Axel  R  e  y  n,  Direktor  der  Hautklinik  des  Finsen-Institutes 
zu  Kopenhagen:  Die  Finsenbehandlung,  ihre  Grundlage,  Technik  und 
Anwendung.  86  Figuren  im  Text.  Verlag  von  Hermann  Meusser, 
Berlin.  126  Seiten.  Preis  M.  6.20. 

Dieses  ausgezeichnete  kleine  Werk  des  bekannten  Forschers 
stellt  den  6.  Band  der  Bibliothek  des  physikalisch-medizinischen 
Technikers  dar.  Verfasser  behandelt  in  ihm  nicht  nur  die  Methode, 
welche  als  die  klassische  „Finsentherapie“,  z.  B.  des  Lupus,  allen  ge¬ 
läufig  ist,  sondern  auch  die  Rotlichtbehandlung  der  Pocken  und  die 
Anwendung  der  chemischen  Bogenlichtbäder  bei  inneren  Erkran¬ 
kungen. 

I.  Rotlichtbehandlung  und  ihre  Anwendung  bei  Pocken.  A)  Bio¬ 
logische  Grundlagen.  Wärme-  und  Lichterythem.  Nicht  ausschliess¬ 
lich  ultraviolette  Strahlen  üben  eine  Wirkung  auf  die  Haut  aus, 
sondern  auch  sichtbare  chemische  Strahlen.  Einfluss  der  Belichtung 
auf  die  Kapillaren.  B)  Einrichtung  des  roten  Zimmers.  C)  Behand- 
Umgsergebnisse  glänzend,  die  Technik  aber  schwierig. 

II.  Behandlung  von  Hautkrankheiten  mit  konzentrierten  chemi¬ 
schen  Lichtstrahlen. 

Reyn  bespricht  die  Behandlung  des  Lupus  vulgaris,  Tubercu¬ 
losis  cutis  verrucosa,  der  Verruca  tuberculosa,  des  Lupus  erythe¬ 
matodes,  des  Naevus  vascularis,  der  Akne,  der  Alopecia  areata,  der 
Röntgenatrophie,  des  Trachoms.  Naturgemäss  verweilt  er  am  läng¬ 
sten  beim  Lupus  vulgaris.  Ausführlichst  beschreibt  R.  den  Original- 
finsenapparat,  seine  Vorgänger  und  seine  Abänderungen,  seine  Art 
des  Gebrauches. 

Unter  den  Ersatzapparaten  erwähnt  er  den  von  L  o  r  t  e  t  und 
G  e  n  o  u  d,  die  Eisenlampe  von  Bang,  die  Kromayer  sehe  Quarz¬ 
lampe.  Er  sieht  diese  als  minderwertig  bezw.  ungeeignet  an.  Ich 
wundere  mich  hierüber.  Speziell  die  Quarzlampe  leistet  bei  der 
Behandlung  des  disseminierten  Lupus  so  wertvolles,  dass  ich  sie 
für  unentbehrlich  halten  möchte.  Vielleicht  ist  ihre  Tiefenwirkung 
nicht  so  gross,  dafür  ist  aber  die  Flächenwirkung  eine  um  so  ausge¬ 
dehntere,  sie  liefert  meiner  Erfahrung  nach  mindestens  eine  vor¬ 
zügliche  Vorbereitung  für  Finsen-  oder  Pyrogallusbehandlung. 

III.  Das  chemische  Bogenlichtbad.  Die  langdauernde  Hyperämie 
nach  Bestrahlung  mit  Kohlenbogenlicht  muss  die  Blutfülle  innerer 
Organe  verkleinern.  Damit  wird  beeinflusst  Respiration  und  Blut¬ 
druck.  Hierin  hat  man  die  Indikation  für  seine  Patienten  zu  suchen. 
Völlig  wesensverschieden  davon  sind  die  sog.  Lichtbäder,  die  nur 
eine  Abart  der  Schwitzkästen  darstellen. 

Das  Reyn  sehe  Buch  wird  jedem  mit  modernen  Hilfsmitteln 
arbeitenden  Arzte  unentbehrlich  sein.  Karl  T  a  e  g  e-Freiburg  i.  B. 

Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin,  77.  Band,  1.  u.  2.  Heft. 

1)  A.  Oszacki:  Leber  Enteiweissung  und  Reststickstoffbestim- 
mung  des  Blutes  und  seröser  Flüssigkeiten  mittels  des  Uranilazetates. 

(Aus  der  III.  med.  Klinik  in  Wien.) 

Uranilazetat  fällt  bei  neutraler  oder  ganz  schwach  alkalischer 
Reaktion  Eiweiss  und  Albumosen  vollständig  aus  dem  Serum  aus, 
während  die  übrigen  N-haltigen  Körper,  welche  zum  klinischen  Begriff 
des  Reststickstoffs  des  Blutes  beitragen,  nicht  gefällt  werden.  Zur 
Fällung  wird  das  Blutserum  auf  das  fünffache  verdünnt  und  dann  mit 
einer  der  ursprünglichen  Serummenge  gleichen  Quantität  VA  proz. 
Uranilazetates  versetzt;  im  Filtrat  wird  dann  N  nach  Kjeldahl 
entweder  unter  Zufügung  von  1  g  Uranilazetat  oder,  wie  sonst,  von 
Kupfersulfat  bestimmt.  Der  Durchschnitt  des  Reststickstoffs  in  dem 
Blutserum  von  chronischen  Nierenentzündungen  betrug  0,074  Proz,, 
bei  anderen  Krankheiten  0,042  Proz.;  die  höchsten  Werte  0,165  und 
0,210  Proz.  gehörten  Fällen  von  Nierenentzündungen  mit  äusserst 
schlechter  Prognose  an,  bestätigten  also  die  Ansicht  Hohlwegs, 
dass  hoher  Reststickstoff  bei  Nephritis  eine  schlechte  Prognose  gibt. 
Die  Bestimmung  der  einzelnen  Komponenten  des  Reststickstoffs  nach 
Pfaundler  ergab  in  einem  Fall  von  chronischer  Nephritis  einen 
hohen  Wert  für  den  Niederschlagstickstoff,  welcher  wahrscheinlich 
durch  Harnsäure  bedingt  war. 

2)  A.  Galambos  und  B.  Tausz:  Ueber  Eiweissstofiwechsel- 
störungen  bei  Diabetes  mellitus.  Das  Verhalten  der  Aminosäuren 
im  Urin  in  normalen  und  pathologischen  Zuständen.  (Aus  der  111.  med. 
Klinik  >n  Pest.) 


N.  wurde  nach  K  j  e  1  d  a  h  1,  die  Aminosäuren  durch  Forinol 
titrierung  nach  Henriquez-Sörensen,  NH3  nach  Krüger 
Reich-Schittenhelm  bestimmt.  Beim  Normalen  fanden  dr 
Verfasser  für  den  Aminosäuren-N  0,236 — 1,05  g  täglich,  auf  Gesamt-' 
gerechnet  1,58 — 4,35  Proz.  Bei  fieberhaften  Erkrankungen  waren  di 
Aminosäurenwerte  vermehrt,  besonders  bei  einer  schweren  Miliar 
tuberkulöse  mit  Fettdegeneration  der  Leber;  bei  anderen  schwere 
destruktiven  Formen  von  Tuberkulose  und  bei  Meningitis  cerebro 
spinalis  fanden  sich  normale  Werte.  Bei  Lebererkrankungen  fandet 
sich  sowohl  die  absoluten  als  die  prozentischen  Werte  des  Ammoniak 
und  die  Gesamt-N-Menge  innerhalb  normaler  Grenzen.  Die  Amino 
säuren  bewegten  sich  innerhalb  der  Grenzen  der  erhöhten  normaler 
und  in  geringem  Masse  vermehrten  Werte.  Eiweisszufuhr  verringert! 
in  2  Fällen  die  relativen  und  absoluten  Werte  der  Aminosäuren.  Bein 
Diabetes  waren  im  allgemeinen  die  Aminosäurewerte  erhöht,  ü 
schweren  Fällen  erhöhte  sich  bei  Zufuhr  grösserer  Eiweissmengei' 
Aminosäuren-N 

der  Quotient  Qesamt-N — oc*er  blteb  unverändert,  während  er  be 

leichten  Fällen  und  bei  normalen  und  bei  den  verschiedensten  andere 
Erkrankungen  dabei  abnimmt.  Die  NH3-Menge  nahm  während  de 
Hafertage  ab,  dagegen  nicht  die  absoluten  und  die  relativen  Amino 
säurewerte.  Die  Hyperaininosurie  ist  also  von  der  Glykosurie  uni 
abhängig,  und'  wird  nicht  wie  die  Ketonurie  durch  die  Verbrennun 
der  Kohlehydrate  beeinflusst.  Die  Ursache  der  Hyperaininosurie  bei 
schwerem  Diabetes  ist  nicht  durch  eine  Erkrankung  der  Leber,  son 
dern  wahrscheinlich  analog  der  Glykosurie  durch  eine  Erkrankung 
des  Pankreas  zu  erklären. 

3)  R.  Ehrmann:  Untersuchungen  über  die  Verdauung  de 
Amylazeen.  (I.  Mitteilung.)  (Aus  dem  med.-poliklin.  Institut  ii, 
Berlin.) 

Aeltere  Hunde  zeigen  eine  bessere  Ausnützung  der  Amylazeet 
als  junge.  Hunde  mit  makroskopisch  schlechter  Verwertung  (grö 
bereu  Resten  von  Kartoffeln  usw.)  können  doch  mikroskopisch  um 
chemisch  bei  gleicher  Nahrungszufuhr  eine  individuell  bessere  Aus 
nutzung  der  Amylazeen  zeigen.  Nach  Ausschaltung  des  Dickdarmi 
ist  die  Fleischausnützung  nicht  verschlechtert;  die  der  Amylazee 
aber  herabgesetzt.  Der  Kot  der  Fisteltiere  enthält  im  Gegensatz  zu 
normalen  Tieren,  Bilirubin  und  froschlaichartige  Dünndarmschleim 
flöckchen.  Die  Befunde  von  kleinen  Schleimflöckchen,  von  vermehr 
teil  Amylazeenresten  und  von  Bilirubin  in  den  Fäzes  können  dahej 
nicht  wie  herkömmlich  auf  eine  Erkrankung  des  Dünndarms  bezogei; 
werden,  sie  zeigen  vielmehr  eine  Ausschaltung  des  Dickdarms  beim 
Hunde  an;  ihre  diagnostische  Bedeutung  für  die  menschliche  Pathoj 
logie  bedarf  daher  neuer  weiterer  Untersuchungen. 

4)  R.  Ehr  mann  und  H.  W,  olff:  Untersuchungen  über  dii 
Verdauung  der  Amylazeen.  (II.  Mitteilung.)  (Aus  dem  med.-poli 
klinischen  Institut  in  Berlin.) 

Die  chemische  Ausnützung  der  verschiedenen  Amylazeen  (Kar 
toffeln,  Reis,  Haferflocken.  Reismehl,  lösliche  Stärke)  ist  abhängig 
von  der  zugeführten  Menge,  der  vorausgehenden  Zerkleinerung,  gan: 
überwiegend  aber  vom  vorhergehenden  Kochprozess.  Individuelle 
Verschiedenheiten  bestehen  auch  bei  gesunden  Individuen  (Hunden)' 
Bei  Uebergang  zur  Amylazeenkost  besteht  eine  allmählich  bessere 
Nahrungsverwertung.  Diese  Periode  besserer  Ausnützung  erreich 
nach  einer  Woche  ihren  Höhepunkt.  Gleichzeitig  damit  ändert  sich 
die  Darmflora,  die  Stäbchen  gewinnen  die  Oberhand  und  ihre  Fähig¬ 
keit,  sich  wie  Amylum  durch  Jod  zu  färben,  nimmt  zu.  Dieser  Pro 
zess  in  der  Umwandlung  der  jodophilen  Bakterienflora  scheint  eben 
falls  nach  ungefähr  einer  Woche  seinen  Höhepunkt  erreicht  zu  haben 
Ob  die  bessere  Ausnützung  der  Amylazeen  auf  der  Wirkung  allmäh 
lieh  sich  bildender  diastatischer  Fermente  der  Bakterien  beruht  oder 
aber  durch  eine  allmähliche  Einstellung  der  Bauchspeicheldrüse  au 
eine  stärkere  Sekretion  infolge  erhöhter  Inanspruchnahme  bewirk 
wird,  kann  vorläufig  nicht  entschieden  werden. 

5)  H.  Fronzig:  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Schmidt 
sehen  Kernprobe  zur  Pankreasfunktionsprüfung.  (Aus  dem  med. 
poliklinischen  Institut  in  Berlin.) 

Weder  Magensaft  noch  Darmsaft  mit  oder  ohne  Galle  üben  einet 
verdauenden  Einfluss  auf  Zellkerne  aus.  Der  Pankreassaft  allein  isi 
imstande  Keime  aufzulösen.  Basen  wie  NaOH,  KOH,  N'H.i  könnei 
schon  in  sehr  schwacher  Konzentration  Kerne  zerstören.  Bei  einet 
96  Stunden  nicht  überschreitenden  Fäulnis  werden  weder  Basen  noch 
andere  Stoffe  in  genügender  Menge  gebildet,  welche  die  Zellkern^ 
zum  Verschwinden  bringen  könnten.  Die  Schmidt  sehe  Kernprobq 
ist  also  theoretisch  wohl  begründet.  Das  Fehlen  von  Nuklease  int 
Pankreassaft  kann  nicht  gegen  die  Schmidtsche  Kernprobe  ange¬ 
führt  werden,  da  die  Zerstörung  der  Kerne  durch  das  Pankreatin  um 
nicht  durch  die  Nuklease  geschieht.  Die  Anwendung  von  kernhaltigen 
getrocknetem  Blut,  z.  B.  Frosch-  oder  Vogelblut,  statt  der  Rinds 
muskelstücke  gibt  die  gleichen  Resultate,  ist  aber  erheblich  einfacher; 

6)  A.  Mathies:  Vier  familiäre  Fälle  von  Neuromyxofibro- 
sarkomatosis.  (Aus  der  II.  med.  Abteilung  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

7)  D.  deVriesReiling h-Groningen:  Zur  Blutdruckmessung 

Das  Prinzip  der  Untersuchungsmethode  des  Verfassers  bestellt 

darin,  dass  sie  die  Veränderungen,  welche  peripher  von  der  Koni 
pressionsstelle  während  der  verschiedenen  Druckänderungen  in  der 
Blutdruckmanschette  im  Arme  stattfinden,  mittels  eines  Plethysmo- 


15.  April  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


825 


;raplicn  aufgeschrieben  werden.  Man  fängt  dann  an  mit  der  Auf- 
Schreibung  der  plethysmographischen  Kurve,  wenn  der  Manschetten- 
druck  sicher  höher  ist  als  der  maximale  Blutdruck  plus  dem  Arterien- 
vandwiderstand  (MBd  +  Aw),  lässt  dann  den  Druck  in  der  Man- 
.chette  ganz  allmählich  abnehmen,  sobald  der  Druck  kleiner  wird  als 
vlßd  +  Aw,  gelangt  etwas  Blut  in  den  Unterarm  und  die  Plethysmo- 
raphenkurve  steigt.  Wenn  man  dann  den  Druck  ganz  langsam 
veiter  erniedrigt,  kommt  ein  Moment,  in  dem  der  Plethysmographen- 
iehel  sinkt,  dieser  entspricht  dem  MB.  allein.  Der  Druckunterschied 
wischen  dem  1.  und  2.  Wert,  also  Aw.  Wenn  nun  der  Druck 
veiter  gesenkt  wird,  so  werden  die  einzelnen  pulsatorischeti  Schwan¬ 
kungen  der  Plethysmographen  immer  grösser,  weil  bei  jedem  Puls 
iann  mehr  Blut  in  den  Vorderarm  dringt,  bis  der  diastolische  Druck 
rreicht  ist.  Wenn  also  die  plethysmographische  Pulsation  die  maxi- 
nale  Exkursion  zeigt,  ist  der  minimale  Blutdruck  +  Aw  (mBd  +  Aw) 
rreicht.  Durch  Subtraktion  des  früher  gefundenen  Aw  erhält  man 
lann  den  mBd  allein.  Die  Bestimmung  des  Aw  erfordert  jedoch, 
lass  der  Blutdruck  selbst  nicht  während  oder  infolge  der  ganzen 
Vozedur  ansteigt;  ein  Anstieg  durch  die  Prozedur  lässt  sich  ver- 
neiden,  wenn  die  Kompressionsmanschette  nicht  um  den  Oberarm, 
.ondern  um  den  Radialpuls  angelegt  wird  und  als  Plethysmograph  der 
deine,  in  einem  von  der  Hand  fest  umschlossenen  Quinmiballou 
lestehende  W  i  e  r  s  m  a  sehe  angewendet  wird.  Absolute  einwand- 
reie  Zahlen  für  den  mBd  +  Aw  sind  mit  der  Methode  nicht  zu 
rewinnen;  relative  vielleicht  durch  Anlegung  der  Manschette  am 
'jjadialpuls.  Vielleicht  lässt  sich  mit  der  Methode  ein  Urteil  über 
lie  Herzfunktion  gewinnen  dadurch,  dass  am  linken  Oberarm  durch 
•inen  Manschettendruck  bekannte  Widerstände  dem  Kreislauf  einge- 
iigt  werden  und  ihr  Einfluss  auf  den  Blutdruck  dann  am  rechten  Arm 
estgestellt  wird. 

8)  V.  Qomolitsky:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  orthostati- 

;chen  Albuminurie.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  des  med.  Institutes  für 
'rauen  in  Petersburg.) 

Die  Versuche  und  Untersuchungen  des  Verfassers  ergaben,  dass 
raumatische  Schädigungen  als  ursächliches  Moment  der  orthosta- 
ischen  Albuminurie  keine  Rolle  spielen.  Auch  bei  Nephroptosen  ist 
nthostatische  Albuminurie  eine  seltene  Ausnahme.  Um  diese  auszu- 
ösen,  sind  ganz  besondere  Bedingungen  erforderlich,  vor  allem  eine 
günstige  Anlage,  eine  funktionelle  Minderwertigkeit  der  Niere,  here¬ 
litärer  Abkunft  oder  infolge  von  anderen  zur  Entkräftung  führenden 
Jrsachen  wie  z.  B.  der  Periode  des  intensivsten  Körperwachstums, 
rder  einer  Infektion.  Bei  derartiger  Disposition  wurde  in  einigen 
'allen  durch  Einhalten  der  unbeweglichen  vertikalen  Körperstellung 
Albuminurie  hervorgerufen,  welche  nach  Anlegen  einer  breiten  festen 
3andage  verschwand.  Die  Zurückführung  der  orthostatischen  Albu- 
ninurie  auf  eine  Lendenlordose  scheint  nicht  angängig;  bei  älteren 
^rsonen  ist  statt  der  Lendenlordose  infolge  von  Muskelschwäche 
lach  einer  leichten  kurzen  Infektion  eher  eine  Nierenschädigung  durch 
oxische  Ursachen  und  eine  funktionelle  Minderwertigkeit  der  Niere 
jei  vertikaler  Haltung  als  Ursache  anzusprechen.  Die  Bedeutung 
ler  Stauungserscheinungen  in  den  Venen  infolge  lordotischer  Kriim- 
nung  der  Lendenwirbelsäule,  welche  von  Jehle  angenommen  und 
lurch  geistreiche  Experimente  gestützt  ist,  erschöpft  die  Beziehungen 
ler  Lendenlordose  zur  Niere,  ihrer  Lage  und  den  sie  umgebenden 
Verven  und  Gefässen  noch  lange  nicht. 

9)  H.  Kar  äs:  Ueber  die  Canimidgereaktion.  (Aus  der  inneren 
Abteilung  des  Krankenhauses  Wola  in  Warschau.) 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

10)  C.  Oliva:  Einfluss  der  Chloroform-,  Aether-  und  Misch- 
larkose  auf  die  physikalisch-chemische  Beschaffenheit  des  Blutes. 

Aus  dem  ehern. -klin.  Laboratorium  des  med.-klin.  Institutes  in 

jenua.) 

Durch  die  Aethernarkose  wird  eine  Zunahme  des  Gefrierpunktes, 
der  Viskosität,  des  refraktometrischen  Index,  des  spezifischen  Ge¬ 
richtes  und  des  elektrischen  Leitungswiderstandes  und  eine  Abnahme 
der  Oberflächenspannung  im  Blutserum  erzielt,  beruhend  auf  einer 
Zunahme  der  Kolloide  oder  vielleicht  einer  Abnahme  der  Kristalloide 
im  Blute.  Die  Chloroformnarkose  verhält  sich  ähnlich,  ruft  jedoch 
die  Veränderungen  viel  weniger  konstant  hervor;  ebenso  die  Misch¬ 
narkose.  Die  stärker  narkotisierende  Wirkung  ist  also  nicht  durch 
die  physikalisch-chemischen  Veränderungen  des  Blutserums  zu  er¬ 
klären.  Lind  e  m  a  n  n  -  München. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose.  Band  19,  Heft  6. 

Dr.  med.  A.  Weber,  Geh.  Reg.-Rat,  Berlin:  Die  Bedeutung  der 
Rindertuberkulose  für  die  Entstehung  der  menschlichen  Tuberkulose. 

Der  interessante  Inhalt  dieser  Arbeit  wird  am  besten  durch  die 
Zusammenfassung  des  Verf.  selbst  angegeben.  „Viele  Wandlungen 
liat  bereits  die  Tuberkuloseforschung  durchgemacht,  und  auch  die  in 
den  letzten  Jahren  in  noch  nie  dagewesenem  Umfang  und  mit  ganz 
aussergewöhnlichem  Eifer  durchgeführten  Untersuchungen  haben  eine 
vollständige  Klärung  der  schwebenden  Fragen  noch  nicht  herbeizu- 
führen  vermocht. 

Manches  bleibt  noch  zu  tun  übrig.  Die  von  der  englischen 
Kommission  bei  Lupus  und  Pferdetuberkulose  gefundenen  abge¬ 
schwächten  Tuberkelbazillen  bedürfen  noch  der  Klärung,  auch  die 
Usher  vorliegenden  Fälle  von  Befund  boviner  Bazillen  bei  Lungen- 
Phthise  des  Menschen  sind  mangels  von  Obduktionsbefunden  noch 

'unvollständig. 


Aber  einen  grossen  Schritt  vorwärts  sind  wir  in  den  letzten 
Jahren  gekommen  und  auf  Grund  dieses  Fortschrittes  können  wir  die 
Frage,  welche  Bedeutung  der  Rindertuberkulose  für  die  Entstehung 
der  menschlichen  Tuberkulose  zukommt,  heute  dahin  beantworten: 

Die  Rindertuberkulose  bedeutet  für  die  menschliche  Gesundheit 
eine  nicht  zu  unterschätzende  Gefahr,  insofern,  als  sie,  auf  den 
Menschen  übertragen,  im  Kindesalter  eine  meist  unter  dem  Bilde  der 
Fütterungsinfektion  verlaufende,  gar  nicht  so  selten,  entweder  durch 
Generalisation  des  Krankheitsprozesses  oder  durch  schwere  lokale 
Veränderungen  zum  Tode  führende  Tuberkulose  hervorzurufen  im¬ 
stande  ist,  und  ausserdem  in  allerdings  sehr  seltenen  Fällen  unter  dem 
Bilde  so  ziemlich  jeder  anderen  Form  tuberkulöser  Erkrankung  bei 
Kindern  und  Erwachsenen  in  Erscheinung  treten  kann. 

Zum  Schutze  des  Einzelindividuums  sind  daher  die  Massnahmen 
gegen  die  vom  tuberkulösen  Rinde  drohende  Gefahr  nicht  ent¬ 
behrlich. 

Ein  anderer  Massstab  ist  jedoch  in  der  Beurteilung  der  Frage  an¬ 
zulegen,  sobald  es  sich  nicht  um  das  Einzelindividuum  und  die  zum 
Schutze  seiner  Gesundheit  erforderlichen  Massnahmen,  sondern  um 
ganze  Völker  und  die  Bekämpfung  der  diese  bedrohenden  Volks¬ 
seuchen  handelt,  ln  der  Epidemiologie  der  Tuberkulose  als  Volks¬ 
krankheit,  von  der  uns  ethnographisch-statistische  Beobachtungen  und 
Untersuchungen  ein  Bild  geben,  kommt  die  Rolle,  welche  die  Rinder¬ 
tuberkulose  für  die  Entstehung  der  Tuberkulose  des  Menschen  spielt, 
überhaupt  nicht  zum  Ausdruck,  sie  tritt  gegenüber  der  Bedeutung, 
welche  dem  tuberkulösen  Menschen  als  der  gefährlichsten  Infektions¬ 
quelle  zukommt,  vollkommen  in  den  Hintergrund. 

Beim  tuberkulösen  Menschen  hat  also  die  Bekämpfung  der 
Tuberkulose  als  Volkskrankheit,  wenn  sie  einen  in  die  Augen  sprin¬ 
genden  Erfolg  haben  soll,  einzusetzen.“ 

Dr.  H.  P  e  t  e  r  s  e  n  -  Kopenhagen :  Untersuchungen  über  Tuber¬ 
kelbazillen. 

Ein  Bericht  über  eine  Reihe  von  verschiedenen  Fragen  aus  dem 
Gebiete  der  Tuberkerlbazillen,  die  sich  zum  Referate  schlecht  eignen; 
konnten  sie  ja  auch  nur  in  24  einzelnen  Schlusssätzen  zusammen¬ 
gefasst  werden.  U  a.  bestätigten  die  Versuche  die  Römer  sehe  An¬ 
sicht  über  Immunität.  (Ein  Literaturverzeichnis  von  176  Nummern 
ist  angeschlossen,  es  muss  aber  der,  wie  es  scheint  überhandnehmende 
Brauch  als  unzulässig  bezeichnet  werden,  hierbei  nur  den  Namen  des 
Verfassers  und  die  Zeitschrift,  nicht  aber  den  Titel  der  betr.  Arbeit 
zu  nennen.) 

A.  Kirchenstein  -  Davos-Platz :  Einfluss  der  spezifischen 
I.K.-Therapie  C.  Spenglers-  auf  die  Entgiftung  des  tuberkulösen 
Organismus. 

Durch  I.K.  lässt  sich  eine  mehr  oder  weniger  starke  oder  voll¬ 
ständige  Entgiftung  des  Organismus  hersteilen.  Die  I.K.-Therapie 
ist  ein  passiv-aktives  Immunisationsverfahren  gegen  Tuberkulose. 

Rudolf  D  i  e  t  s  c  h  y  -  Allerheiligen  (Schweiz):  Zur  Diskussion 
über  die  Heilstätten  für  Kranke  des  Mittelstandes. 

Verf.  berichtet,  dass  in  seiner  Anstalt  sich  durch  die  gemeinsame 
Anwesenheit  von  Volksheilstätten-  und  Mittelstandskranken  keine 
Unannehmlichkeiten  gezeigt  haben.  (Ich  möchte  allerdings  an¬ 
nehmen,  dass  hierzu  die  schweizerischen  Verhältnisse  besonders  bei¬ 
tragen  und  dass  wir  solche  keinesfalls  ohne  weiteres  auf  unsere 
Bevölkerung  übertragen  dürfen.  L.) 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  13. 

Prof.  Karl  D  a  h  1  g  r  e  n  -  Gothenburg:  Modifikation  der  kom¬ 
binierten  Ooerationsmethode  bei  Cancer  recti. 

Verf.  schildert  seine  kombinierte  Operationsmethode,  nach 
welcher  er  in  zwei  Sitzungen  Mastdarmkrebse  operiert.  Zuerst 
erfolgt  von  einem  Bauchschnitt  aus  die  Mobilisierung  des  Darmes 
durch  Unterbindung  des  Mesocoloq  sigmoideum;  dann  Anlegung  eines 
Zoekalafters.  In  der  2.  Sitzung  wird  durch  einen  Sakralschnitt  das 
Steissbein  entfernt  und  das  Rektum  reseziert.  Dieses  zweizeitige 
Operieren  gestattet  die  Bestimmung  der  Operabilität  des  Tumors  und 
bietet  grössere  Garantie  gegen  Darmgangrän. 

Z.  S 1  a  w  i  n  s  k  i  -  Warschau :  Zur  Technik  des  beweglichen 
Stumpfes  bei  Amputationen. 

Der  vom  Verf.  angegebenen  Technik  liegt  das  Prinzip  zu  gründe, 
die  Muskelkraft  des  Pat.  als  Kraftmotor  zu  verwenden;  in  der  vor¬ 
liegenden  Arbeit  schildert  er,  wie  er  einen  beweglichen  Vorderarm¬ 
stumpf  erzielte,  indem  er  Streck-  und  Beugemuskulatur  des  Vorder¬ 
arms  einige  Zentimeter  lang  vom  Knochen  ablöste,  von  diesem  dann 
mitsamt  dem  Periost  je  3  cm  resezierte;  dann  wurde  der  M.  abduc. 
poll.  long.  freigelegt  und  an  der  Volarfläche  des  Radius  befestigt; 
ebenso  wurde  zwischen  die  Fragmente  der  Ulna  der  M.  flex.  ulnar, 
int.  gebracht  und  an  der  hinteren  Fläche  befestigt,  ferner  wurden  im 
Stumpfe  selbst  die  Enden  der  Streck-  und  Beugemuskeln  miteinander 
über  den  Knochen  vernäht. 

A.  Hofmann  -  Offenburg:  Zur  Frage  der  freien  Transplantation 
des  Peritoneums. 

Kurze  Erwiderung  auf  die  Bemerkung  Friedemanns  (in 
No.  8);  die  Tatsache,  dass  auch  ohne  Peritonisierung  glatter  Ileil- 
veilauf  möglich  ist,  spricht  nicht  gegen  die  Existenzberechtigung 
einer  freien  Transplantation  des  Peritoneums. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15. 


P.  B  a  b  i  t  z  k  i ;  Zw  Anästhesie  des  N.  ischiadicus. 

Verf.  macht  zu  seinem  Aufsatze  in  No.  7  noch  einige  wichtige 
Zusätze;  man  braucht  bei  Erwachsenen  ca.  20  ccm  3  proz.  Novokain¬ 
lösung,  von  der  man  bei  Verletzungen  5  ccm  in  den  N.  cruralis  und 
bis  zu  20  ccm  in  den  N.  ischiadicus  einspritzt;  bei  Operationen  muss 
auch  der  N.  obturatorius  und  der  N.  cutan.  fern,  anästhetisch  gemacht 
werden.  Als  Injektionsstelle  wählt  man  den  kürzesten  Weg  zum 
Einger,  der  am  Knochenrand  des  Foram.  ischiad.  maj.  liegt. 

Günther  -  Bielefeld :  Zur  Verwendung  der  Bolus  alba  bei  der 
liändedesinfektion. 

Verf.  hat  die  Verwendung  von  Bolus  alba  wieder  aufgegeben, 
weil  schon  nach  relativ  kurzem  Gebrauch  Rauhigkeit  und  Wund¬ 
werden  der  Haut  eintrat.  Demnach  sind  die  Beobachtungen  Bur¬ 
meisters,  dass  die  Haut  mehr  geschont  wird,  durch  diese  neuesten 
Erfahrungen  nicht  aufrecht  zu  erhalten.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  13,  1913. 

C.  R  u  b  n  e  r  -  Berlin :  Ueber  das  Elektrokariogramm  bei 
Schwangeren. 

Das  Resultat  der  an  5  Schwangeren  ausgeführten  Untersuchungen, 
die  vom  2.  bis  10.  Monat  regelmässig  elektrokardiographisch  kon¬ 
trolliert  wurden,  war  folgendes:  Es  traten  im  Elektrokardiogramm 
Vei  änderungen  auf,  die  sich  auf  ein  allmähliches  Ansteigen  der 
J-Zacke  und  ein  Grösserwerden  des  Ventrikelkoeffizienten  erstrecken. 
Dies  Ansteigen  der  J-Zacke  ist  vielleicht  auf  die  in  der  Gravidität 
eintretende  Querlagerung  des  Herzens  durch  den  wachsenden  Uterus 
zu  beziehen.  Der  Verlauf  der  A-,  F-  und  Jp-Zacken  bot  nichts  Be¬ 
sonderes. 

C.  U.  v.  K  1  e  i  n  -  Graudenz:  Uterus  bicornis  (supraseptus)  als 
Aetiologie  chronischer  Querlage.  (Sechs  eigene  Wendungen  in  einem, 
Sectio  caesarea  in  einem  anderen  Falle.) 

Im  1.  Falle,  27  jährige  Frau,  wurde  6  mal  bei  Querlage  die 
Wendung  gemacht  und  jedesmal  ein  lebendes  Kind  entwickelt.  Im 
2.  Falle,  38  jährige  Frau,  war  9  mal  wegen  Querlage  gewendet 
worden;  alle  Kinder  kamen  tot  zur  Welt.  Bei  der  10.  Gravidität 
machte  v.  K.  den  Kaiserschnitt  und  erzielte  ein  lebendes  Kind  und 
normales  Wochenbett. 

A.  S  o  1  o  w  i  j  -  Lemberg:  Ucber  die  Kontrolle  des  Verhaltens 
der  Gebärmutter  in  der  Nachgeburtsperiode  und  in  den  ersten  drei 
Stunden  nach  derselben. 

Das  von  Reich  und  Richter  empfohlene  „Halten“  der  Gebär¬ 
mutter  post  partum  ist  von  Ahlfeld  energisch  bekämpft  worden. 
S.  empfiehlt  einen  Mittelweg.  Er  legt  4  Finger  einer  Hand  oberhalb 
des  Fundus  uteri,  nicht  auf  den  Fundus,  und  kontrolliert  den  Uterus 
während  der  Nachgeburtsperiode  und  bis  zu  3  Stunden  nach  derselben. 

Der  Unterschied  von  der  Dubliner  Methode,  der  Reich  und 
Richter  das  Wort  reden,  bestellt  darin,  dass  jede  Einwirkung 
auf  den  Uterus  fortfällt. 

L.  P  r  o  c  h  o  w  n  i  c  k  -  Hamburg:  Apparat  zur  Beleuchtung  des 
Operationsfeldes  in  kleineren  Betrieben. 

Der  Apparat,  dessen  Beschreibung  und  Abbildung  im  Original 
nachzusehen  sind,  wird  von  den  Zeisswerken  in  Jena  geliefert. 

J.  K  o  1  i  n  s  k  i  -  Warschau :  Serviettenhalter  bei  Bauchhöhlen¬ 
operationen. 

Der  Apparat  soll  eine  Kontrolle  über  die  Zahl  der  bei  Bauch¬ 
höhlenoperationen  verwendeten  Servietten  ausüben  und  das  etwaige 
Verbleiben  dieser  in  der  Bauchhöhle  verhindern.  Zu  haben  bei  der 
Firma  J  o  d  1  o  w  s  k  i  <R  Krug  in  Warschau.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  55,  Heft  2.  Jahrgang  1913. 

9)  Georg  Herzog:  Zwei  primäre  Karzinome  auf  dem  Boden 
alter  tuberkulöser  Darmgeschwüre,  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Histo- 
genese  des  Karzinoms.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Leipzig.) 

Den  wenigen  in  der  Literatur  bekannten  Fällen  von  Darm¬ 
karzinom,  kombiniert  mit  Tuberkulose,  reiht  H.  eine  neue,  sehr 
interessante  Beobachtung  an  (47  jähr.  Mann  mit  teils  älterer  indu- 
rierter  teils  frischer  käsig-pneumonischer  Lungentuberkulose);  dort 
hatten  sich  an  zwei  Stellen  auf  dem  Boden  alter  strikturierender 
tuberkulöser  Darmgeschwüre  infolge  atypischer  regenerativer 
Wucherungsvorgängc  zwei  primäre  Karzinome  entwickelt,  die  auch 
zu  Metastasen  geführt  haben.  Die  eingehenden  mikroskopischen 
Details  aus  diesen  krebsigen  Stellen,  die  Uebergangsbilder  aus  den 
polypösen  Wucherungen  etc.  beweisen  deutlich,  dass  es  sich  hier 
um  die  Entstehung  von  Karzinomen  auf  dem  Boden  einer  chronischen 
Entzündung  handelt,  wobei  unbedingt  nur  eine  primäre  Umwandlung 
des  regenerativ  wuchernden  Darmepithels  in  Frage  kommen  kann 
und  jede  Annahme  einer  embryonalen  Keimversprengung  abgelehnt 
werden  muss! 

10)  G.  Warstat:  Ueber  das  multiple  Plasmazytoin  der 
Knochen.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Myelomfrage.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  in  Königsberg.) 

W .  stellt  die  einschlägigen  Fälle  aus  der  Literatur  zusammen 
und  berichtet  über  eine  eigene  Beobachtung  bei  einer  48  jähr.  Frau, 
bei  welcher  der  grösste  Te\  des  Knochensystems,  wie  ganz  besonders 
auch  das  Schädeldach  von  Myelomen  durchsetzt  war;  histologisch 


erweisen  sich  die  Geschwulstzellen  grossenteils  —  wenn  auch  nicht 
ausschliesslich  —  als  Plasmazellen. 

11)  Tomosaburo  Ogata:  Beiträge  zur  experimentell  erzeugten 
Leberzirrhose  und  zur  Pathogenese  des  Ikterus  mit  spezieller  Berück¬ 
sichtigung  der  Gallenkapillaren  bei  der  Unterebindung  des  Ductus 
choledochus  und  der  Ikterogenvergiftung.  (Aus  dem  Pathol  In¬ 
stitut  zu  Freburg  i.  B.) 

C.  hat  drei  Versuchsreihen  ausgeführt:  in  der  ersten  Hälite 
wurden  Choledochusunterbindungen  an  Meerschweinen,  Ratten. 
Mäusen,  Kaninchen,  Hunden,  Tauben  und  Fröschen  ausgeführt  und 
die  entstandenen  Folgen  histologisch  untersucht,  wie  auch  3  Fälle 
von  menschlichem  Stauungsikterus  mit  verwertet;  im  zweiten  Teil 
wurden  die  durch  subkutane  Ikterogenvergiftung  (eine  Dimethvl- 
pyrrolverbindung)  an  Mäusen,  Meerschweinchen.  Ratten  und  Ka¬ 
ninchen  beobachteten  Leberveränderungen  studiert,  während  im 
dritten  Teil  (subkutane,  intraperitoneale  oder  intravenöse)  Cliloro- 
formvergiftung  allein  sowie  mit  Streptokokken-  und  Koliinfektion 
kombiniert  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Leber  von  Hunden,  Kaninchen 
und  Ratten  untersucht  wurde. 

Die  gefundenen  zirrhotischen  Bindegewebswucherungen  und  die 
damit  verbundenen  Gallengangswucherungen  in  der  Leber  sind  nach 
O.  bei  Gallengangsunterbindung  als  primäre  Wucherungsvorgänge, 
bei  den  toxischen  Ikterusfällen  dagegen  als  regeneratorische 
Wucherungen  nach  Untergang  des  Parenchyms  aufzufassen.  Die 
Prozesse  verlaufen  bei  den  verschiedenen  Tierarten  verschieden, 
was  wichtig  ist  für  deren  Bewertung  im  Vergleich  zur  menschlichen 
Pathologie.  Beim  Stauungsikterus  unterscheidet  O.  zwei  Phasen: 
bei  der  ersten  erfolg:  nach  einfacher  Ektasie  der  Gallenkapillaren 
der  Durchtritt  der  flüssigen  Galle  durch  Filtration  in  die  peri¬ 
vaskulären  Lymph-  und  Blutwege,  bei  der  zweiten  werden  die  durch 
Eindickung  und  Niederschlagsbildung  erzeugten  Gallenzylinder  durch 
Ruptur  ausgestossen. 

12)  Derselbe:  Ueber  einen  Fall  von  septischem  Ikterus. 

(Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.) 

Aus  dem  histologischen  Befund  geht  hervor,  dass  im  vor¬ 
liegenden  Fall  (postoperative  Peritonitis)  der  „septische  Ikterus“  eine 
besondere  Form  des  mechanischen  Stauungsikterus  darstellt,  dadurch 
bedingt,  dass  die  sog.  intermediäre  Zone  der  Läppchen  durch  die 
Sepsis  nekrotisch  wurde,  während  im  erhaltenen  Zentrum  die 
Stagnation  der  Galle  eintrat  mit  all  ihren  Folgen  (Austritt  derselben 
und  Durchbruch  in  Lymph-  und  Blutkapillaren). 

13)  Friedrich  Vor  pah  1:  Ueber  Sinusthrombose  und  ihre  Be¬ 
ziehung  zu  Gehirn-  und  Pialblutungen.  (Aus  dem  Pathol.  Institut 
zu  Greifswald.) 

Auf  Grund  mehrerer  Beobachtungen  weist  V.  darauf  hin,  dass 
nicht  nur  eine  sog.  primäre  marantische  Sinusthrombose  zu  Pial¬ 
blutungen  und  hämorrhagischen  Rindenenzephalitis  führen  könnte, 
sondern  dass  gerade  umgekehrt  als  Folge  primärer  Piablutungen 
auch  Thrombosen  in  Pialvenen  und  in  dem  zugehörigen  Gebiet  des 
Sinus  longitudinalis  eintreten  können! 

14)  Hermann  Schridde:  Untersuchungen  zur  Entzündungs¬ 
frage.  Die  Entstehung  der  kleinzelligen  Infiltrate  in  der  Niere  bei 
Scharlach  und  Diphtherie.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  der  städtischen 
Krankenanstalten  in  Dortmund.) 

Nach  den  histologischen  Untersuchungen  des  Verf.  entstehen  die 
(bei  Scharlach  bereits  am  5.  Tag  auftretenden)  Lymphozyteninfiltrate 
durch  Auswanderung  hämatogener  Elemente  und  nicht  durch  Ver¬ 
mehrung  bereits  ortsansässiger  lymphozytoider  Zellen;  anfangs  treten 
die  Lymphozyten  auch  (mit  den  Toxinen)  in  die  Harnkanälchenlumina 
aus,  später  bleiben  sie  im  Interstitium  von  Rinde  und  Mark  liegen 
und  wandeln  sich  z.  T.  in  Plasmazellen  um.  S.  bezeichnet  dies  als 
einen  rein  exsudativen  Entzündungsvorgang;  später  wenn  die  Ab¬ 
kömmlinge  der  fixen  Bindegewebszellen  auftreten,  schwinden  die 
lymphoiden  Zellelemente,  es  kommt  dann  zur  Vernarbung 

Kleinere  Mitteilungen: 

1)  G.  B.  G  r  u  b  e  r  -  München:  Knochenbildung  in  einem  Magen¬ 
karzinom.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  des  städt.  Krankenhauses 

r.  d.  Isar.) 

Bei  der  histologischen  Untersuchung  eines  resezierten  Magen¬ 
karzinoms  fand  sich  im  Krebsstroma  mehrfach  metaplastische 
Knochenbildung  mit  An-  und  Abbau. 

2)  R.  K  r  e  t  z  -  Würzburg:  Ueber  experimentelle  Lokalisation 

der  Lungenembolie.  H.  Merkel-  Erlangen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  14,  1913. 

1)  I.  Boas- Berlin:  Die  Therapie  der  Magen-  und  Darm¬ 
blutungen. 

Die  Behandlung  der  Magen-  und  Darmblutungen  ist  eines  der 
wenigen  Gebiete,  die  fast  ausschliesslich  dem  Wirkungsbereiche  der 
inneren  Medizin  erhalten  geblieben  sind.  Eine  grosse  Rolle  spielt 
hierbei  zunächst  die  Prophylaxe.  Durch  Bettruhe  und  systematische 
Milchkur  (3 — 4  Liter  pro  Tag),  Trinken  von  Karlsbader  Wasser  soll 
vermieden  werden,  dass  aus  einer  okkulten  eine  manifeste  Blutung 
wird.  Die  Stillung  einer  manifesten  Blutung  wird  am  besten  durch 
möglichste  Nahrungsabstinenz  erreicht  und  Chlorkalziuminjektionen, 
wenn  die  Blutung  aus  dem  untersten  Darmabschnitt  erfolgt.  Die 
Nährklistiere  sind  nach  Ansicht  des  Verfassers  ziemlich  wertlos, 
zweckmässiger  ist  die  Zufuhr  von  Wasser  in  Gestalt  von  Tropf- 


5.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


827 


listieren  mit  physiologischer  Kochsalzlösung.  Im  allgemeinen  genügt 
Liter  in  24  Stunden.  Zusatz  von  15  Tropfen  1  prom.  Adrenalin- 
isung  erhöht  die  Wirkung. 

2)  C.  Nauwerck  und  L  ü  b  k  e  -  Chemnitz:  Gibt  es  eine 
allige  Peritonitis  ohne  Perforation  der  Gallenwege? 

Im  beschriebenen  Falle  Hess  sich  makroskopisch  absolut  keine 
’erforation  nachweisen,  selbst  die  Wasserprobe  fiel  negativ  aus 
ud  erst  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  stellte  sich  heraus, 
ass  tatsächlich  eine  zusammenhängende,  die  einzelnen  Schichten 
er  Gallenblase  quer  durchsetzende  Kontinuitätstrennung  bestanden 
atte,  die  mittlerweile  verklebt  war.  Dieser  Befund  erklärt  also  das 
.uftreten  einer  galligen  Peritonitis  ohne  makroskopisch  nachweisbare 
erforation. 

3)  Julius  C  i  t  r  o  n  -  Berlin:  Zur  Therapie  der  Angina  Plaut- 
incenti.  (Nach  einer  Demonstration  in  der  H  u  f  e  1  a  n  d  ischen  Ge- 

ellschaft.) 

Der  Verfasser  empfiehlt  in  schwierigen  Fällen  von  Angina  Plaut- 
incenti,  die  allgemeine  Salvarsanbehandlung  mit  einer  lokalen 
»pplikation  von  Salvarsanglyzerin  zu  verbinden,  um  mit  der  einen 
fethode  die  im  Gewebe  liegenden  Spirochäten  zu  erreichen,  während 
nit  der  Lokalapplikation  besonders  die  Spirochäten  in  den  toten 
fassen,  die  von  Blut  'und  Säftestrom  nicht  mehr  erreicht  werden, 
ernichtet  werden  sollen. 

4)  Kutscher-Berlin:  Ueber  die  Händedesinfektion  mit  Bolus- 
eiie  und  -pasta  nach  Liermann. 

Verfasser  kann  sich  dem  günstigen  Urteil  von  Küster  und 
ieisse  über  das  Liermann  sehe  Verfahren,  besonders  der  An- 
icht.  dass  es  der  reinen  Alkoholwaschung  überlegen  sei,  nach  seinen 
Erfahrungen  absolut  nicht  anschliessen. 

5)  Erich  Frank  und  Fritz  H  e  i  m  a  n  n  -  Breslau :  Ueber  Er- 
ahrungen  mit  der  Abderhalden  sehen  Fermentreaktion  beim 
(arzinom. 

Die  Verfasser  fanden,  dass  von  46  Uteruskarzinomen  45,  d.  i. 
•7,8  Proz.  der  Fälle  positiv  reagierten,  während  von  20  Normal- 
;eren  19,  d.  i.  95  Proz.  der  Fälle  negative  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe 
■ermentreaktion  ergaben. 

6)  Fr.  P  r  o  e  s  c  h  e  r  -  Pittsburgh,  Pa.,  U.S.A.:  Zur  Aetiologie 

ler  Tollwut. 

Der  Verfasser  hat  Mikroorganismen  gefunden,  die  er  für  die  Er- 
eger  der  Tollwut  hält:  der  endgültige  Beweis,  dass  sie  es  tatsächlich 
;ind.  wird  noch  durch  die  künstliche  Züchtung  und  Uebertragung 
ler  Reinkulturen  auf  Tiere  zu  erbringen  sein. 

7)  Georg  M  a  g  n  u  s  -  Marburg:  Konservierung  von  Dauer- 
iräparaten  in  konzentrierter  Zuckerlösung. 

Die  Versuche  ergeben,  dass  die  Konservierung  von  Dauer- 
Präparaten  in  konzentrierter  Zuckerlösung  nicht  nur  ein  sicheres, 
lilliges  und  bequemes  Verfahren  darstellt,  sondern  dass  auch  die 
Resultate  in  Bezug  auf  Erhaltung  der  natürlichen  Farben,  selbst  bei 
üarker  Belichtung,  auf  Gleichmässigkeit  und  auf  bleibende  Möglich¬ 
keit  der  mikroskopischen  Verarbeitung  durchaus  befriedigend  waren. 

8)  Peyton  R  o  u  s  s  und  James  B.  Murphy-  New  York :  Beob- 
ichtungen  an  einem  Hühnersarkom  und  seiner  filtrierbaren  Ursache. 

Den  Verfassern  ist  es  gelungen  zu  zeigen,  dass  ein  filtrierbares 
Agens  die  Ursache  eines  in  ihrem  Laboratorium  gezüchteten  Osteo- 
.‘hondrosarkoms  des  Huhnes  ist.  Das  dieses  Gewächs  hervor¬ 
ringende  Agens  erfordert,  gleich  dem  des  Spindelzellensarkoms,  zu 
-einer  Tätigkeit  eine  gleichzeitige  Zellzerstörung.  In  dem  von  ihm 
erzeugten  Gewächs  findet  sich  echtes  Knorpelgewebe. 

9)  W.  Brünn  und  G  o  1  d  b  e  r  g  -  Jerusalem:  Das  Zisternen- 
pioblem  bei  der  Bekämpfung  der  Malaria  in  Jerusalem. 

Durch  besondere  Vorrichtungen  versuchen  die  Verfasser  die 
Zisternen  gegen  die  Aussenluft  abzuschliessen,  um  das  Eindringen 
und  Brüten  der  Anophelesmücken  zu  verhüten.  Wenn  die  ersten 
Versuche  günstig  ausfallen,  soll  die  Zisternenabdichtung  in  grösserem 
Masse  aufgenommen  werden.  Dr.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  14,  1913. 

1)  Ludwig  E  d  i  n  g  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Funktion  des 

Kleinhirns. 

Vortrag,  gehalten  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinder¬ 
heilkunde  in  Berlin  am  24.  Februar  1913,  refer.  in  No.  9  (1913)  der 
Münch,  med.  Wochenschr. 

2)  Robert  Bär  äny- Wien:  Lokalisation  in  der  Rinde  der 
Kleinhirnhemisphären.  (Funktionsprüfung  und  Theorie.) 

Nach  den  in  der  gemeinsamen  Sitzung  vom  24.  Februar  1913 
ler  Berliner  Gesellschaften  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde 
und  Chirurgie  gehaltenen  Diskussionsbemerkungen  ergänzt,  refer.  in 
No.  9  (1913)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

3)  Paul  Uhlenhuth  und  Emil  E  m  m  e  r  i  ch  -  Strassburg: 
Ueber  das  Verhalten  des  Kaninchenhodens  bei  experimenteller 
Trypanosomen-  und  Spirochäteninfektion. 

Bei  der  experimentellen  Infektion  von  Kaninchen  entweder  direkt 
in  die  Hoden  oder  indirekt  in  die  Blutbahn  mit  den  Trypanosomen 
der  Dourine  und  Schlafkrankheit,  nicht  jedoch  mit  Nagana,  konnte 
eine  Anhäufung  von  Trypanosomen  im  Hoden  beobachtet  werden; 
diese  übertrifft  gelegentlich  sowohl  quantitativ  als  auch  in  der  Früh¬ 
zeitigkeit  des  Auftretens  den  Befund  in  anderen  Organen  und  im  Blut 


so  erheblich,  dass  das  Hodenpunktat  sehr  wohl  zu  einer  Frühdiagnose 
herangezogen  werden  kann. 

4)  E.  Rothe  Und  K.  Bierbaum  - Berlin :  Ueber  die  experi¬ 
mentelle  Erzeugung  von  Tuberkuloseantikörpern  beim  Rind;  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Tuberkuloseimmunisierung. 

In  schonender  Weise  mit  Alkohol  abgetötete  Tuberkelbazillen, 
in  genügender  Menge  injiziert,  rufen  sowohl  beim  Rind  als  anscheinend 
auch  beim  Pferde  die  Bildung  spezifischer  komplementbildender 
Ambozeptoren  und  Präzipitine  im  Blute  hervor.  Durch  wiederholte 
Injektionen  ist  es  möglich,  bei  Rindern  eine  Immunisierung  gegen 
nachfolgende  Perlsuchtinfektion  zu  erreichen.  In  vitro  kann  man  eine 
Herabsetzung  in  der  A%ulenz  der  Tuberkelbazillcn  durch  ein  Serum 
beobachten,  welches  reich  au  derartigen  künstlich  erzeugten  Ambo¬ 
zeptoren  und  Präzipitinen  ist. 

5)  Futidner-Bad  Altheide:  Ueber  den  Einfluss  intraabdomi¬ 
naler  Drucksteigerung  und  des  Füllungszustandes  des  Magens  auf  den 

Blutdruck. 

Wurde  künstlich  durch  Druck  von  aussen  auf  das  Abdomen  rein 
mechanisch  ein  Hochstand  des  Zwerchfells  herbeigeführt,  so  blieb 
doch  sowohl  bei  Herzgesunden  als  bei  den  allermeisten  Herzkranken 
jede  Beeinträchtigung  der  Atmung,  der  Pulszahl  oder  des  Blutdruckes 
aus.  Wurde  eine  Aufblähung  des  Magens  vorgenommen,  so  konnte 
bei  Herzkranken  und  nur  bei  der  Kohlensäureaufblähung  in  4  von 
9  Fällen  eine  Blutdrucksenkung  gesehen  werden.  Demgemäss  scheint 
es  sich  bei  Herzstörungen,  welche  nach  dem  Essen  auftreten,  weniger 
um  mechanische  als  um  reflektorische  Momente  zu  handeln.  Von  be¬ 
sonderem  Interesse  war  die  Tatsache,  dass  bei  Lufteinblasung  in  den 
Magen  in  den  weitaus  meisten  Fällen  eine  Senkung  des  Zwerch¬ 
fells  erfolgte. 

6)  P 1  e  h  n  -  Berlin:  Ein  Fall  von  Herzblock  mit  Adams- 
Stokes  schem  Symptomenkomplex. 

Nach  einem  Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinder¬ 
heilkunde  in  Berlin  am  3.  Februar  1913,  refer.  in  No.  6  (1913)  der 
Münch,  med.  Wochenschr. 

7)  H  u  b  e  r  -  Berlin  -  Schöneberg :  Ueber  die  Rückenmarksver¬ 
änderungen  bei  spinaler  progressiver  Muskelatrophie. 

Nach  einer  Demonstration  im  Verein  für  innere  Medizin  und 
Kinderheilkunde  in  Berlin  am  2.  Dezember  1912,  ref.  in  No.  50,  1912 
der  Münch,  med.  Wochenschr. 

8)  H.  L.  Richartz-Bad  Homburg:  Kohlehydratkuren  bei 
Diabetes. 

Theorie  und  Praxis  der  bekannten  Haferkur,  die  gerade  in 
schweren  Diabetesfällen  und  bei  solchen  leichter  Kranken,  bei  welchen 
unter  der  gewöhnlichen  Behandlung  mit  der  Glykosurie  nicht  gleich¬ 
zeitig  die  Azidose  abnimmt,  ihre  hervorragende,  in  ihrem  Wesen  noch 
reichlich  umstrittene  Wirkung  entfaltet,  v.  Noorden  empfiehlt  sie 
auch  bei  solchen  Diabetikern  in  Anwendung  zu  bringen,  welche  sich 
einer  Operation  unterziehen  müssen.  Von  besonderer  Wichtigkeit 
sind  die  den  Hafertagen  voraufgehenden  Gemüsetage.  Allfällig  auf¬ 
tretenden  Mehlödemen  muss  mit  Aussetzen  der  Kur,  wenn  nötig  mit 
Zuhilfenahme  von  Theocin  begegnet  werden. 

9)  P.  B  a  b  i  t  z  k  i  -  Kiew:  Zur  Anästhesierung  des  Plexus 
brachialis  nach  Knlenkampff. 

Verf.  musste  nach  der  Kulenkampff  sehen  Plexusanästhesie 
(15  ccm  3  proz.  Novokainlösung!)  eine  mehrere  Wochen  anhaltende 
Armlähmung  erleben.  Da  diese  nur  bis  zu  der  Stelle  des  Oberarmes 
reichte,  wo  der  E  s  m  a  r  c  h  sehe  Schlauch  angelegt  worden  war, 
wird  eine  schädliche  Schlauchwirkung  anzunehmen  sein. 

10)  A.  R  ieck- Altona-Hamburg:  Zur  Therapie  übermässig 
starker  menstrueller  Blutungen. 

Nach  einem  im  Hamburger  ärztlichen  Verein  am  14.  Januar  1913 
gehaltenen  Vortrage,  ref.  in  No.  4,  1913.  der  M.  med.  W. 

11)  M  e  h  1  i  ss- Hannover:  Trivalin. 

Trivalin  ist  eine  Kombination  von  Morphin-,  Koffein-  und  Kokain- 
valerianat.  Es  ist,  durchschnittlich  in  einer  Menge  von  1  ccm  der 
gebrauchsfertig  käuflichen  Lösung  subkutan  injiziert,  ein  gutes  Er¬ 
satzmittel  des  gewöhnlichen  Morphins  überall  da,  wo  dieses  schlecht 
vertragen  wird. 

12)  R.  P  o  1 1  a  n  d  -  Graz:  Die  Behandlung  gonorrhoischer  Pro¬ 
zesse  mit  Tannargentanstäbchen. 

Fettarm  von  der  Firma  Weil  in  Frankfurt  hergestellte  Tannar¬ 
gentanstäbchen  eignen  sich  vorzüglich  zur  Behandlung  der  chronischen 
Gonorrhöe  beim  Mann,  sowie  besonders  des  gonorrhoischen  Urethral¬ 
und  Zervixkatarrhs  bei  der  Frau;  auch  die  kindliche  Vaginalblennor- 
rhöe  wird  zweckmässig  damit  behandelt.  Es  vereinigt  sich  die  bak¬ 
terizide  Silber-  mit  der  adstringierenden  Tanninwirkung. 

13)  Paul  He  r  z  -  Berlin-Lichtenberg:  Ueber  feuchte  Umschläge 
bei  akuten  Erkrankungen. 

Verf.  ist  ein  Anhänger  des  feuchten  Verbandes  in  seinen  ver¬ 
schiedenen  Formen.  Die  entzündungswidrige  Wirkung  dürfte  im 
Grunde  als  eine  aktive  Hyperämiewirkung  zu  deuten  sein. 

14)  Friedrich  Schäfer-  Breslau :  Ein  Beitrag  zur  Wirkung  des 
per  os  genommenen  Quecksilbers. 

Ein  Patient  hatte  infolge  eines  Missverständnisses  8  Tage  lang 
je  3  g  Ungt.  hydrarg.  ein.  cum  Vasogeno  parat,  eingenommen,  sich 
mit  der  Saluferrinzahnpaste  eingeschmiert.  Ausser  einer  beginnenden 
Stomatis  mercurialis  keine  schädlichen  Folgen;  ausgedehnte  Roseola 
und  Reste  der  Tnitialsklerose  waren  in  diesen  8  Tagen  völlig  ver 
schwanden.  Baum-  N.  ’ichen. 


82S 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIr  I . 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  14.  H.  O  b  e  r  s  t  e  i  n  e  r  -  Wien :  Leber  pathologische  Ver¬ 
anlagung  am  Zentralnervensystem. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am  14.  III.  13. 

F.  Schenk-Prag:  Zur  Serodiagnostik  der  malignen  Ge¬ 
schwülste. 

Die  Nachprüfung  der  Methode  v.  D  u  n  g  e  r  n  s,  auch  nach  den 
zuletzt  gegebenen  Vorschriften  (Erhitzung  des  Serums  nach  Natron- 
laugenzusatz,  >2  Stunde  54°)  hat  ergeben,  dass  maligne  Tumoren  wohl 
häufiger  positiv  reagieren  als  normale  Fälle,  dass  aber  die  positive  Re¬ 
aktion  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  verwerten  ist,  indem  sie  auch 
bei  andersartig  Erkrankten  häufig  vorkommt. 

L.  Arzt  und  W.  Karl -Wien:  Zur  Kenntnis  der  biologischen 
Wirkungen  des  Radiums. 

Ergebnis  der  zahlreichen,  näher  beschriebenen  Versuche:  Die 
induzierte  Radioaktivität  besitzt  eine,  wenn  auch  schwache  bakteri¬ 
zide  Wirkung.  Bei  Bestrahlung  von  Lezithin,  insbesondere  in  Sub¬ 
stanz,  ergeben  sich  Differenzen  zwischen  dem  unbestraften  und  be¬ 
strahlten  Lezithin  in  Bezug  auf  die  Aktivierung  der  Kobragift¬ 
hämolyse.  Radium  in  Substanz  zeigt  eine  im  Tierversuch  nachweis¬ 
bare  bakterizide  Wirkung,  insofern  mit  bestrahlten  Trypanosomen 
infizierte  Tiere  innerhalb  11  Tagen  infektionsfrei  blieben,  die  Konfron¬ 
tiere  zugrunde  gingen. 

A.  G  1  ü  c  k  -  Breslau :  Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der 
„Idiosynkrasien“. 

Gegenüber  den  bei  anderen  Idiosynkrasien  zu  erhebenden  posi¬ 
tiven  Resultaten  konnte  bei  je  einem  Fall  von  Neosalvarsan-,  Kawa- 
Santal-  und  Primel-Idiosynkrasie  die  passive  Uebertragung  der  Ueber- 
empfindlichkeit  auf  das  Meerschweinchen  nicht  festgestellt  werden. 

J.  H  a  t  i  e  g  a  n  -  Klausenburg:  Die  klinische  Bedeutung  der 
Winkler-Schulz-Oxydasereaktion. 

ln  fünf  Fällen  chronischer  Myeloidleukämie  zeigten  nur  die 
Myeloblasten,  Myelozyten,  die  neutrophilen,  eosinophilen,  basophilen 
und  polymorphen  Zellen,  endlich  die  Metamyelozyten  die  positive 
Winkler  sehe  Reaktion;  dagegen  fehlte  letztere  bei  fünf  Fällen 
chronischer  Lymphadenoidleukämie  selbst  an  den  morphologisch 
kaum  von  den  Myeloblasten  abweichenden  Zellen.  Die  Win  kl  er¬ 
sehe  Reaktion  ist  eine  Eigentümlichkeit  der  Knochenmarkzellen 
(Granulozyten);  in  der  Differentialdiagnose  der  akuten  Leukämien  ist 
sie  von  hervorragender  Bedeutung  und  deshalb  ihre  Anwendung,  die 
auch  in  der  Praxis  leicht  durchführbar  ist,  ein  klinisches  Erfordernis. 
Bei  einer  Reihe  von  Infektionskrankheiten  zeigte  die  Reaktion  kein 
Abweichen  von  normalen  Verhältnissen. 

F.  Dautwitz-St.  Joachimsthal:  Vorrichtung  zur  portioneu¬ 
weisen  Entnahme  emanationshaltiger  Flüssigkeiten  und  Gase. 

Beschreibung  des  Apparates  mit  Abbildungen. 

R.  Lederer:  Bronchialmuskelkrampf  und  Spasmophilie. 

Entgegnung  an  K  a  s  s  o  w  i  t  z. 

J.  Haenisch  -  Hamburg:  Ueber  direkte  Irrigo-Radioskopie  des 
Kolons. 

Bemerkungen  zu  dem  Artikel  von  G.  S  c  h  w  a  r  z  in  No.  5. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  8/9.  L.  Haskovec:  Pseudogibbus  (Pseudokyphosis)  trau- 
maticus. 

Krankengeschichten.  In  einem  Falle  bestand  neben  den  Erschei¬ 
nungen  traumatischer  Neurasthenie  eine  abnorme  Haltung  der  Wir¬ 
belsäule  (zerviko-dorsale  und  lumbale  Kyphose)  mit  Einschränkung 
der  Muskelfunktion  ohne  nachweisbare  organische  Verletzung  der 
Wirbelsäule  oder  des  Rückenmarkes.  Der  Zustand  dürfte  dein  Gebiet 
der  hysterischen  Kontrakturen  nahestehen,  vielleicht  reflektorisch  mit 
einer  minimalen  Verletzung  der  Bänder  oder  Muskulatur  Zusammen¬ 
hängen.  Ein  zweiter  Fall  stellt  einen  der  Uebergänge  von  dem 
hysterischen  Pseudogibbus  zur  Kümmel  sehen  Kyphose  dar. 
Schliesslich  geht  Verf.  kurz  auf  die  bisweilen  im  Anschluss  an  eine 
Muskelzerrung  auftretenden  Lungenblutungen  ein. 

No.  8/9.  R.  B  1  o  c  h  -  Zborowitz :  Leber  eine  pseudotuberkulöse 
Affektion  der  Lunge. 

Verf.  erörtert  einige  Fälle,  welche  der  von  Krönig  beschrie¬ 
benen,  seither  nur  von  Blümel  (Münch,  med.  Wochenschr.  1908, 
No.  30)  bearbeiteten  einfachen,  nicht  tuberkulösen  Kollapsinduration 
der  rechten  Lungenspitze  infolge  chronisch  behinderter  Nasenalmung 
zugehöreh,  und  welche  daher  durch  entsprechende  operative  Ein¬ 
griffe  an  der  Nase  geheilt  oder  gebessert  werden.  Zu  verzeichnen 
ist  die  Behauptung  des  Verfassers,  dass  bei  aktiver  Lungentuber¬ 
kulose  niemals  ein  akuter  idiopathischer  Schnupfen  zu  beobachten  sei, 
woraus  sogar  wichtige  diagnostische  Schlüsse  zu  gewinnen  seien. 

No.  10.  K.  K  e  1 1  e  r  -  Pest :  Leber  Modiskop. 

1  ccm  Modiskop  enthält  0,02  g  Morph,  hydrochlor.,  0,03  g  Dionin 
und  0,00025  g  Skopolamin,  hydrobrom.  in  wässeriger  Lösung.  Nach 
den  Erfahrungen  auf  der  D  o  n  a  t  h  sehen  Abteilung  genügt  die  In¬ 
jektion  von  y*  ccm  fast  ausnahmslos,  um  auch  die  heftigsten 
Schmerzen  (z.  B.  bei  Knochensarkomen)  zu  beseitigen  und  eine 
Euphorie  herbeizuführen  und  zwar  ohne  schädliche  Nebenwirkung  und 
ohne  die  Notwendigkeit  steigender  Dosen  wegen  Angewöhnung. 

No.  11.  J.  S  o  r  g  o  -  Alland :  Leber  Behandlung  mit  künstlichem 
Pneumothorax. 

Ein  Anhänger  der  Methode,  vertritt  S.  seine  bereits  in  der  Münch. 


med.  W’ochenschr.  1912,  S.  1976  wiedergegebener.  Anschauungen. 
Neu  ist  die  Empfehlung  der  probeweisen  Anlegung  des  Pneumo¬ 
thorax  bei  gewissen,  sonst  aussichtslosen,  ohnehin  bettlägerigen 
Fällen,  bei  welchen  bisweilen  der  Zustand  der  zweiten  Lunge  wirk¬ 
lich  besser  ist,  als  die  von  der  kranken  Seite  übergeleiteten  Aus¬ 
kultationserscheinungen  annehmen  lassen.  Bei  einem  derartig  hoch¬ 
fiebernden,  heruntergekommenen  Kranken  ist  bis  jetzt  (4  Wochen) 
eine  ganz  beträchtliche  Besserung  zu  verzeichnen. 

<  No.  12.  St.  M  a  n  c  i  n  i  -  Livorno :  Leber  einen  mit  Cholera  kom¬ 
plizierten  Fall  von  Paratyphus  B. 

Die  Kombination  von  Cholera  mit  Paratyphus  scheint  noch  nicht 
beschrieben  zu  sein.  Die  Erscheinungen  der  Cholera  stellten  sich 
am  8.  Tag  des  Krankenhausaufenthaltes  ein  und  verdrängten  die  des 
Päratyphus  ganz,  wobei  als  erstes  Zeichen  ein  starkes  Absinken  der 
Temperatur  erfolgte.  An  dem  Blutbefund  war  das  Auftreten  einer 
ausgesprochenen  Hypoglobulie  im  Anfangsstadium  der  Choleraintoxi¬ 
kation  auffallend. 

No.  12.  J.  P  r  i  e  s  t  e  r  -  Poysdorf :  Mitteilungen  aus  der  Praxis. 

U.  a.  werden  folgende  Beobachtungen  beschrieben: 

a)  Von  einer  spezifischen  oder  einwandfreien  Heilwirkung  des 
Diphtherieheilserums  bei  Erysipel  hat  sich  P.  in  5  Fällen  nicht  über¬ 
zeugen  können. 

b)  Bei  dem  hartnäckigen  Nachsickern  von  Flüssigkeit  nach  der 
Bauchpunktion  war  die  Abklemmung  der  Punktionsstelle  mittels 
Michel  scher  Klammern  von  sofortigem  Erfolg. 

c)  In  einem  von  zwei  Fällen  war' bei  Pleuritis  exsudativa  die 
Autoserotherapie  mit  2  g  der  aspirierten  serösen  Flüssigkeit  von 
einem  raschen  Rückgang  des  Exsudates  gefolgt. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Laryngo-Rhinologie. 

Stanislaus  v.  Stein:  Acidum  pyrogallicum  oxydatum  (Pyro- 
gallolum  oxydatum,  Pyraloxin)  bei  Erkrankungen  des  Ohres,  der  Nass 
und  der  Kehle,  sowie  in  der  Therapie  der  Tuberkulose,  des  Krebses 
und  des  Sarkoms.  (Aus  der  Universitätsklinik  für  Ohren-,  Hals-  und 
Nasenleiden  in  Moskau,  gegründet  von  Frau  Julie  Basanowa.) 
(Zeitschr.  f.  Laryngol.,  Rhinol,  u.  ihre  Grenzgeb.,  Bd.  5,  H.  5.) 

Monatelanger  Gebrauch  von  Pyraloxin  hat  in  keinem  einzigen 
Falle  Intoxikationserscheinungen  verursacht,  ist  also  unschädlich. 
Acidum  pyrogallicum  oxydatum  ammoniatum  ist  vorzugsweise  ein 
inneres  Mittel,  welches  beim  Menschen  eine  therapeutische  Wirkung 
auf  den  Krebs  ausübt,  ihn  vernichtet  (Epithelioma  laryngis,  Haut¬ 
krebs),  seine  Entwicklung  hemmt  und  teilweise  Metastasen  vorbeug!. 
Der  erste  Angriffspunkt  ist  das  Lymphsystem.  Bei  tuberkulösen 
Kranken  muss  das  Mittel  mit  Vorsicht  angewandt  werden.  Es  ist 
ein  schwaches  Antiphlogistikum.  Pyraloxin  kann  in  Anbetracht  seiner 
Unschädlichkeit  (Tuberkulose  ausgeschlossen!)  im  mittleren  und  vor¬ 
gerückten  Alter  zur  prophylaktischen  Therapie  angewandt  werden, 
und  zwar  um  durch  periodischen  Gebrauch  (Kur)  im  Organismus 
möglicherweise  vorhandene  karzinomatöse  Herde  zu  vernichten.  Dies 
ist  besonders  für  multipare  Frauen  wichtig,  da  solche  am  meisten  zur 
Erkrankung  an  Uteruskrebs  geneigt  sind.  Pyraloxin  hebt  die  all¬ 
gemeine  Ernährung  und  führt  in  einigen  Fällen  zu  Obesitas. 

Felix  Miodowski:  Die  Lymphscheiden  des  Olfaktorius  als 
liifektionsweg  bei  rhinogenen  Hirnkomplikationen.  —  Komplikationen 
nach  K  i  1 1  i  a  n  scher  Septumresektion.  (Aus  der  Abteilung  für  Hals-, 
Nasen-  und  Ohrenkranke  am  Allerheiligenhospital  in  Breslau  [Prof. 
Brieger].)  (Ebenda.) 

Die  Annahme,  dass  die  rhinogenen  Hirnkomplikationen  die 
Lymphscheiden  des  Olfaktorius  als  Infektionsweg  benutzen,  war  bis¬ 
her  nicht  sicher  bewiesen,  sondern  nur  als  höchst  naheliegend  und 
wahrscheinlich  allseitig  vermutet  worden.  Nunmehr  ist  M.  an  einem 
typischen  Fall  der  mikroskopische  Nachweis  gelungen,  dass  diese 
Vermutung  zu  Recht  besteht.  Auch  der  Einwand,  dass  etwa  eine 
metastatische  Meningitis  durch  die  Olfaktoriusscheiden  nach  abwärts 
in  die  Nase  gestiegen  sei,  wird  durch  den  mikroskopischen  Befund 
widerlegt.  Wenn  man  prophylaktisch  bei  der  Operation  etwas  zur 
Vermeidung  derartiger  übler  Ausgänge  tun  kann,  so  scheint  es  nach 
M.s  Beobachtungen,  dass  man  eine  exakte,  nicht  unnötig  weit  hinaus¬ 
gehende  Schleimhautablösung  machen  soll  und  ferner  das  Operations¬ 
feld  nach  Möglichkeit  von  kleinen  und  kleinsten  Knochensplittern 
befreien,  da  diese  eine  lokale  reaktive  Entzündung  erzeugen  und 
unterhalten. 

Aurelius  Rethi:  Zur  Pathologie  und  Diagnose  der  Speichel- 
steine.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik  für  Hals-  und  Nasen¬ 
krankheiten  zu  Königsberg  [Direktor:  Prof.  Gerber].)  (Ebenda.) 

Oft  beruhen  schmerzhafte  Affektionen  des  Mundes  —  auch  an¬ 
fallsweise  auftretende  periodisch  wiederkehrende  Schmerzattacken  — 
auf  unerkannten  Speichclsteinen.  Vorwiegend  bilden  sie  sich  im  Aus¬ 
führungsgange  der  Submaxillardrüse,  dem  Ductus  Warthonianus. 
Mitunter  sind  sie  von  Schwellungen,  Entzündungen,  Eiterungen  be¬ 
gleitet.  Die  Entstehungsursache  ist  nicht  ganz  sicher,  wahrschein¬ 
lich  rühren  sie  von  chronischen  Katarrhen  und  Verengerungen  des 
Duktuslumens  her.  Die  Diagnose  kann  namentlich  bei  kleinen  Steinen 
oder  starker  Schwellung  oft  schwierig  sein:  neben  Palpation  von 
aussen  und  Sondierung  kommt  das  Röntgenverfahren  besonders  in 
Betracht.  Die  Therapie  besteht  in  Entfernung  der  Speichelsteine 
meist  nach  Inzision;  es  kann  auch  Entleerung  auf  natürlichem  Wege 
mittels  Abszess  und  Fisteleiterung  Vorkommen. 


5.  April  19 13. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


329 


Heino  H  a  r  m  s  -  Wilhelmshaven:  Ueber  Lupus  der  Zunge  und 
es  Kehlkopfes.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Kiel  (Direktor:  Geheim- 
tt  Prof.  Dr.  Melle  r ].)  (Ebenda,  H.  6.) 

In  neuerer  Zeit  wird  mit  Recht  dem  Lupus  der  Schleimhäute  er- 
ülite  Beachtung  geschenkt  (auch  Ref.  hat  mehrfach  auf  seine  Wich- 
gkeit  hingewiesen).  Er  ist  von  der  Tuberkulose  der  Schleimhäute 
'i  unterscheiden:  namentlich  ist  die  verschiedene  Lokalisation  beider 
emerkenswert.  Auch  Lues  kommt  differentialdiagnostisch  in  Be¬ 
acht.  Für  Lupus  spricht  gewöhnlich  ein  gleichzeitiger  Lupus 
nderer  Stellen,  z.  B.  der  benachbarten  Epidermis:  bei  Tuberkulose 
erden  meist  allgemeine  Erscheinungen,  z.  B.  Lungenphthise,  zu- 
!eich  bestehen.  Ferner  ist  Lupus  der  Schleimhäute,  besonders  der 
unge  und  des  Kehlkopfes,  gewöhnlich  schmerzlos,  \\  ährend  Tuber- 
ulose  starke  Beschwerden  und  Schmerz,  namentlich  beim  Schlucken, 
erursacht.  Zum  Schluss  bringt  H.  die  Beschreibung  und  Abbildung 
.nes  sehr  lehrreichen  Leichenpräparates  von  Lupus  der  Zunge  und 
es  Kehlkopfes. 

Arthur  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Zur  Kenntnis  der  akuten  miliaren 
harynxtuberkulose.  (Ebenda.) 

Gelegentlich  kommen  Fälle  vor,  in  denen  die  Tuberkulose  akut 
Is  isolierte  miliare  Form  im  Pharynx  entsteht;  sie  breitet  sich  als- 
ald  weiter  aus  und  hat  demnach  eine  ungünstige  Prognose.  Streng 
u  scheiden  sind  die  Formen,  in  denen  die  Rachentuberkulose  nur  die 
eilerscheinung  einer  akuten  allgemeinen  Tuberkulose  ist;  ebenso 
ehören  hier  nicht  die  Fälle  von  Mund-  und  Rachentuberkulose  her, 
ie  gegen  Ende  einer  Lungentuberkulose  das  Krankheitsbild  kompli¬ 
ieren.  Die  akute  miliare  Pharynxtuberkulose  ist  ein  in  sich  ab- 
eschlossenes  Krankheitsbild  mit  typischem  Verlauf  und  eigener 
’athogenese.  Das  Hauptsymptom  ist  der  Schluckschmerz,  durch 
eil  die  Nahrungsaufnahme  behindert  und  ein  schneller  Verfall  herbei- 
efiihrt  wird.  Die  Therapie  kann  nur  symptomatisch  sein. 

Alexander  Iwan  off:  Die  F.xstirpation  des  Aryknorpels  bei 
ehlkopfstenose.  (Aus  der  Basanowaschen  Klinik  für  Ohren-, 
lasen-  und  Halskrankheiten  an  der  Universität  in  Moskau.)  (Ebenda.) 

Um  bei  Medianstellung  der  Stimmbänder  mit  Atemstenose  (Posti- 
lusiähmung)  oder  Ankylose  im  Arygelenk  die  Beweglichkeit  des 
timmbandes  wieder  herzustellen,  hat  S.  versucht,  den  Aryknorpel 
-  bekanntlich  den  Bewegungsknorpel  des  Stimmbandes  —  zu  ex- 
tirpieren.  Er  macht  deshalb  die  Tracheotomie  und  Laryngofissur, 
eht  durch  die  klaffend  erhaltene  Wunde  in  das  Kehlkopfinnere  ein 
nd  löst  den  Knorpel  aus  seinen  natürlichen  Verbindungen.  Letzteres 
;t  mit  Schwierigkeiten  verknüpft.  Nachdem  er  die  Ausführbarkeit 
er  Operation  am  Tier  erprobt  hatte,  nahm  er  sie  in  gleicher  Weise 
n  einem  einschlägigen  Falle  vor;  sie  gelang  vollkommen,  nur  musste 
ur  besseren  Luftdurchgängigkeit  später  noch  der  mediale  Rand  des 
etreffenden  Stimmbandes  auf  intralaryngealem  Wege  reseziert  wer- 
en.  Danach  waren  Sprache  und  Atmung  des  operierten  Patienten, 
llerdings  nach  längerer  Nach-  oder  Hilfsbehandlung  mit  Bougie  etc. 
ufriedenstellend. 

Berthold  Müller:  Thymustod  und  Status  thymolymphaticus. 

Aus  der  Abteilung  für  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten  der  Stadt. 
Tankenanstalten  in  Dortmund  (Oberarzt:  San. -Rat  Dr.  Hans- 
erg].)  (Ebenda.) 

Bei  vielen  Fällen  von  sog.  Thymustod,  die  aus  anscheinend  völ- 
ger  Gesundheit  ganz  unerwartet  Kinder,  seltener  auch  Erwachsene, 
'efallen,  findet  sich  eine  vergrösserte  Thymusdrüse.  Man  hat  viel- 
ach  geglaubt,  dass  der  Tod  durch  Kompression  der  Trachea  infolge 
les  stärkeren  Thymusdrüsendruckes  entstehe.  M.  weist  die  Un- 
ichtigkeit  dieser  Annahme  nach,  da  der  Thymus  gar  nicht  solche 
truckkraft  entfalte  und  die  scheinbar  zusammengedrückte  Form  der 
.uftröhre  bei  Kindern  physiologisch  sei.  Vielmehr  handele  es  sich 
im  eine  fehlerhafte  Funktion  des  Thymus  und  organischer  Schädi- 
;ung  des  Gesamtorganismus;  hierbei  sei  nicht  die  makroskopische 
irösse  des  Thymus  massgebend,  sondern  ihr  mikroskopisch  nach- 
veisbares  Verhältnis  von  Rinde  und  Parenchym  zueinander.  Da 
.leichzeitig  Veränderungen  im  Lymphsystem  beobachtet  wurden, 
pricht  man  von  Status  thymolymphaticus.  Das  Gegengewicht  sei  in 
len  Nebennieren  und  ihren  Produkten  gegeben,  seien  diese  zu 
chwach,  so  erläge  der  Körper  der  Autointoxikation  vom  Thymus 
ius.  Die  Operation  sei  nur  das  auslösende  Moment. 

Ath.  A.  Zografides,  Vorstand  der  laryngo-rhino-otologischen 
Abteilung  der  städt.  Klinik  in  Piräus  (Athen) :  Die  Ozäna.  Ihr 
Aesen  und  ihre  Therapie.  (Monatsschr.  f.  Ohrenheilk.  u.  Laryngo- 
^hinologie,  46.  Jg.,  12.  H.) 

Z.  hält  die  Ozäna  für  eine  reine  Trophoneurose  des  1  rigeminus, 
vie  auch  andere  Autoren  behauptet  haben.  Vielleicht  werden  neuere 
Untersuchungen  die  Ursache  der  Krankheit  anderswohin  verlegen, 
■  orderhand  muss  zugegeben  werden,  dass  die  bisher  aufgestellten 
iheorien  (bazilläre  und  andere)  die  Frage  nicht  genügend  lösen.  Die 
üsher  beschriebenen  und  als  Krankheitserreger  angesehenen  Bazillen 
betrachtet  Z.  als  einfache  Begleiter,  die  in  keiner  Beziehung  zur 
Atrophie  stehen.  Vielleicht  tragen  sie  zu  dem  üblen  Geruch  bei,  aber 
lieser  ist  nicht  die  Grundkrankheit,  sondern  nur  ein  Symptom.  Z.s 
herapeutische  Methode  besteht  im  wesentlichen  in  der  leichten  An- 
■vendung  des  Galvanokauter  —  nach  vorheriger  mehrtägiger  Reini- 
:ung  der  Nasenhöhle  — ,  zwecks  milder  Hyperämisierung  der  Schleim¬ 
iaut  wegen  besserer  Durchblutung  und  Ernährung.  Danach  gibt  er 
lern  Pat.  zum  Selbstgebrauch  eine  2 — lOproz.  Kalomelsalbe.  Die  Re¬ 
sultate  seien  gut  und  dauerhaft  und  die  Anwendung  ist  einfach  und 
eicht:  die  Methode  habe  deshalb  mehr  Vorzüge  als  alle  bisherigen. 


Emil  Glas:  Clioanalbefnnde  bei  fehlender  Uvula.  (Aus  der  k.  k. 
Klinik  für  Hals-  und  Nasenkranke  in  Wien  | Vorstand:  Hofrat 
0.  ChiariJ.)  (Ebenda.) 

Wo  die  Uvula  fehlt  —  sei  es  angeborener  Mangel  oder  erwor¬ 
bener  Defekt  —  bilden  sich  bei  genügend  langem  Bestehen  starke 
Hypertrophien  der  hinteren  Nasenmuschelenden  und  starke  Schwel¬ 
lung  der  hinteren  Septumschleimhaut  aus.  U.  erklärt  dies  folgender- 
massen:  Infolge  des  Defektes  kann  die  Luft  mit  ihren  Keimen  um 
so  leichter  in  das  choanale  Gebiet  gelangen;  durch  die  dauernden 
Reizungen  kommt  es  zu  Entzündungen  und  Schwellungen  an  den  hin¬ 
teren  Muschelenden  und  dem  hinteren  Septumteil.  G.  beobachtete 
diese  Veränderungen  aber  nur  bei  intakter  Uvula.  Diese  Stenosierung 
des  Choanalgebietes  ist  wieder  Veranlassung  zur  Mundatmung,  wo¬ 
durch  die  Luft  mit  ihren  Keimen  um  so  leichter  in  die  retronasab 
Gegend  vorzudringen  vermag,  also  ein  Circulus  vitiosus  entsteht.  Da¬ 
her  würde  eine  Resektion  dieser  hypertrophischen  Partien  auch  keinen 
Erfolg  aufweisen,  da  die  primäre  Ursache  des  Uvuladefektes  nicht  be¬ 
stätigt  ist.  Andererseits  bilden  aber  auch  die  hinteren  Muschel¬ 
schwellungen  und  Septumhyperplasien  einen  Schutz  gegen  das  Ein¬ 
dringen  der  Infektionserreger  in  nasales  Gebiet,  weshalb  ihre  opera¬ 
tive  Entfernung  kontraindiziert  wäre. 

Charles  Prevost  G  r  a  y  s  o  n  -  Philadelphia:  Acht  Jahre  Chloro- 
formanästhesie  in  der  Nasen-  und  Halschirurgie.  (The  Laryngo- 
scope,  January  1913.) 

G.s  Erfahrungen  mit  Chloroform  sind  gut, -er  schiebt  alle  üblen 
Vorkommnisse  auf  Unachtsamkeit  und  Uebungsmangel;  kein  Zwi¬ 
schenfall  träte  ohne  vorhergehende  genügende  Warnungsanzeichen 
auf.  Auch  den  Methoden  der  lokalen  Anästhesie  haften  Mängel  an, 
wie  die  stete  Suche  nach  synthetischen  Ersatzmitteln  beweise;  auch 
sei  anfangs  nach  der  Einführung  des  Kokain  eine  Zeitlang  ein  starker 
Widerstand  und  grosse  Unzufriedenheit  bemerkbar  gewesen.  Auch 
diese  ungünstigen  Erfahrungen  von  damals  seien  auf  mangelnde 
Uebung  zurückzuführen  gewesen,  da  sie  heute  fast  geschwunden  seien 
G.  wünscht  sich  keine  angenehmere,  bessere  und  mehr  zufrieden¬ 
stellende  Methode.  (Er  dürfte  damit  ziemlich  vereinzelt  dastehen. 
Ref.) 

J.  H.  G  i  b  b  s  -  Edinburgh :  Einige  zahnärztliche  Gesichtspunkte 
aus  der  Rhinologie.  (The  Journal  of  Laryngology,  Rhinology  and 
Gtology,  March  1913.) 

G. ,  der  selbst  Zahnarzt  ist,  verweist  darauf,  dass  die  Beziehungen 
zwischen  Erkrankungen  der  Zähne  und  der  Nase  noch  nicht  genügend 
bearbeitet  seien,  zumal  sie  ziemlich  reichlich  und  nahe  sind.  Infolge 
der  engen  Nachbarschaft  und  embryologischen  Beziehung  bedingen 
Entwicklungsstörungen  des  einen  Teiles  auch  solche  des  anderen. 
Verletzungen,  namentlich  bei  der  Zahnextraktion,  können  wegen  der 
dünnen  Knochenzwischenwand  sehr  leicht  die  Nase  in  Mitleiden¬ 
schaft  ziehen,  und  umgekehrt.  Wegen  des  zusammenhängenden  Blut- 
und  Lymphgefässsystems  können  Infektionen  sehr  leicht  übertragen 
werden.  Tumoren  und  Zysten  des  einen  Gebietes  greifen  oft  in  das 
andere  über,  so  dringen  namentlich  kongenitale  Zahnwurzelzysten 
sehr  leicht  bis  zum  Nasenboden  vor  und  erscheinen  als  nasale 
Gebilde. 

J.  Guisez:  Ueber  einen  wenig  bekannten  Zwischenfall  der 
Rachen-  und  Gaumenmandeloperation:  Hinabfallen  der  Vegetationen 
und  Mandeln  in  die  Luftwege.  (Annales  des  Maladies  de  l’Oreille, 
du  Larynx,  du  Nez  et  du  Pharynx,  Bd.  38,  H.  11.) 

Mitunter  kommt  es  vor,  dass  bei  der  Operation  die  abge¬ 
schnittenen  Teile  der  Rachen-  und  Gaumenmandeln  in  die  tieferen 
Luftwege  hinabfallen  und  septische  Bronchopneumonie  oder  Er¬ 
stickung  verursachen.  Zur  Vermeidung  soll  man  während  der  Opera¬ 
tion  einen  Zungenspatel  hinten  im  Munde  gegen  die  hintere  Pharynx¬ 
wand  halten  und  ferner  sofort  nach  der  Operation  den  Kopf  des 
Kindes  energisch  nach  vorne  unten  beugen.  Ferner  soll  man  in  mög¬ 
lichst  aseptischer  Umgebung  arbeiten  und  die  Narkose  tunlichst  ver¬ 
meiden,  da  sie  naturgemäss  das  Hinabfallen  wegen  der  Aufhebung 
der  Reflexe  begünstigt. 

P.  B  1  a  n  1  u  e  t :  Das  Chloroform  in  der  Rhino-Pharyngologie. 

(Ebenda  H.  12.) 

Genaue  Abbildung  und  Beschreibung  der  modernen,  jetzt  unent¬ 
behrlich  gewordenen  Hilfsapparate  für  die  Chloroformnarkose  bei 
Eingriffen  im  Gebiet  der  oberen  Luftwege  wie  Kuhns  perorale 
Tubage  etc.  Darlegung  der  technischen  Einzelheiten. 

H.  de  Stella -Gent:  Einige  Betrachtungen  über  das  Fibrom 
des  Nasenrachens.  (Archives  internationales  de  Laryngologie,  d’Oto- 
logie  et  de  Rhinologie,  Bd.  34,  H.  3.) 

Da  häufig  sarkomatöse  Entartungen  bei  den  Fibromen  des 
Nasenrachens  Vorkommen  und  die  klinische  Untersuchung  nicht  immer 
sicheren  Aufschluss  gibt,  so  ist  stets  die  histologische  Untersuchung 
vorzunehmen.  Ergibt  sich  alsdann  eine  fibro-sarkomatöse  Mischge¬ 
schwulst,  so  ist  die  Entfernung  auf  natürlichem  Wege  unmöglich 
und  muss  auf  grosschirurgische  Weise  durch  Oberkiefer  und  Nase 
hindurch  vorgenommen  werden.  Handelt  es  sich  um  ein  reines 
Fibrom,  so  kann  man  die  Entfernung  auf  natürlichem  Wege.  d.  h. 
durch  den  Mund  versuchen;  wenn  die  Geschwulst  aber  gross  ist  und 
leicht  blutet  —  was  meistens  der  Fall  —  so  würde  der  natürliche 
Weg  nur  eine  unvollkommene  und  unverhältnismässig  blutige  Heraus¬ 
nahme  gestatten,  und  nicht  so  empfehlenswert  sein,  wie  die  gross¬ 
chirurgische  Operation  durch  Kiefer  und  Nase. 

Max  Senator-  Berlin. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  15. 


8.10 


Inauguraldissertationen.1) 

Auf  eine  hervorragende  Monographie  von  Marie  R  e  h  in  ii  ber 
die  gesetzlichen  Schutzmassnahmen  gegen  die  ge¬ 
werbliche  Bleivergiftung  in  den  europäischen 
Ländern  sei  an  dieser  Stelle  mit  besonderem  Nachdruck  hin¬ 
gewiesen.  Sie  umfasst  273  Seiten  und  bringt  auf  22  Seiten  ein  wohl 
lückenloses  Literaturverzeichnis.  Ausserdem  enthält  sie  eine 
tabellarische  Zusammenstellung  der  Gesetze,  Verordnungen,  Be¬ 
schlüsse  etc.  zum  Schutze  gegen  Bleierkrankungen,  welche  in  Belgien, 
Bulgarien,  Dänemark,  England,  Finnland,  Frankreich,  Italien,  Luxem¬ 
burg,  Niederlande,  Norwegen,  Oesterreich,  Portugal,  Rumänien,  Russ¬ 
land,  Schweden,  Schweiz,  Spanien  und  Ungarn  erlassen  wurden.  Die 
Arbeit,  welche  aus  dem  gerichtlich-medizinischen  Institut  Zürich 
(Prof.  Zangger)  hervorgegangen  ist  und  diesem  Institut  sowie  der 
Verfasserin  alle  Ehre  macht,  will  über  das  Aufschluss  geben,  was 
zum  Schutze  der  der  Bleivergiftungsgefahr  ausgesetzten  Arbeiter 
bis  jetzt  getan  wurde  und  was  in  Zukunft  noch  getan  werden  soll 
und  kann.  Sie  wird  allen  unentbehrlich  sein,  die  über  das  Titelthema 
arbeiten  oder  sich  damit  beschäftigen  müssen.  (Zürich  1912, 
273  +  Tabellen.  J.  J.  Meier.)  Fritz  Loeb. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Jena.  März  1913. 

Tubiasz  Stanislaw:  Klinisches  und  Histologisches  über  Meniskus¬ 
verletzungen. 

Förster  Hans:  Ein  Beitrag  zu  den  Dermoidzysten  des  Ovarium. 
A  1  e  x  a  n  d  r  o  w  i  c  z  Jerzy  Stanislaw :  Beiträge  zur  vergleichenden 
Physiologie  der  Verdauung.  I.  Zur  Kenntnis  der  Zellulose  und  des 
zelluloselösenden  Fermentes  im  Hepatopankreassaft  der  Schnecke 
(Helix  pomatia). 

Co  bet  Rudolf:  Ueber  die  Resorption  von  Magnesiumsulfatlösungen 
im  Dünndarm  und  die  Wirkungsweise  der  salinischen  Abführmittel. 

Universität  München.  März  1913. 

Müller  Max:  Zur  Therapie  der  Rektalprolapse. 

Waldvogel  Alfons:  Statistische  Bemerkungen  zu  den  Geburten 
in  der  Kgl.  Universitätsklinik  in  München  in  dem  Zeitraum  von 
1892 — 1912.  Ein  Beitrag  zu  den  Untersuchungen  über  Fruchtbar¬ 
keit. 

Hoefl  Hugo:  Phlegmonöse  Entzündung  der  Membrana  Chorii. 
Riemann  Georg :  Ueber  einen  Fall  von  Addison  scher  Krankheit 
nach  Trauma. 

Wassertrüdinger  Otto :  Ueber  das  Blutbild  bei  septischen  Er¬ 
krankungen. 

Monheim  Maria:  Menstruation  bei  Herzfehlern. 

Müller  Otto:  Ueber  vorübergehende  Arhythmien. 

Schäffer  Karl:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Menstruation  durch 
gynäkologische  Operation. 

Riedmeier  Gustav:  Ueber  einen  Fall  von  onkogenetischer  Total¬ 
inversion  des  Uterus. 

Schwaiblmair  Sigmund:  Myxofibroma  labii  majoris. 

Buch  holz  Arthur:  D’Arsonvalisation  bei  Tabes  dorsalis. 
Hafenbraedl  Franz  Xaver  Frhr.  v. :  Sectio  caesarea  vaginalis 
als  Methode  der  künstlichen  Fehl-  und  Frühgeburt. 

Schroeder  Herbert:  Placenta  praevia  und  vaginaler  Kaiserschnitt. 
Oberndorfer  Julius :  Scapulo-humerale  Form  der  Syringomyelie. 
Kasuistischer  Beitrag. 

Egger  Georg:  Die  mikrochemischen  Spermareaktionen  in  der  foren¬ 
sischen  Praxis. 

Ge  hm  Karl:  Kollargol  und  Hyperleukozytose. 

Bahlmann  Felix:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  der  Augenkomplikationen 
bei  Parotitis  epidemica. 

Dresen  Heinrich:  Klinische  Erscheinungen  der  Diphtherie  vor  und 
nach  der  Einführung  der  Serumtherapie. 

Koellisch  Marie  Louise:  Ueber  die  operative  Behandlung  der 
Bauchfelltuberkulose  und  ihre  Nachbehandlung. 

Krieger  Paul:  Zur  Kasuistik  der  Fremdkörper  in  der  Speiseröhre 
und  in  den  Luftwegen  und  deren  Behandlung. 

W  ebner  Philipp:  Tod  der  Mütter  in  der  Kgl.  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  zu  München  vom  1.  Januar  1897  bis  31.  Dezember  1911. 

Universität  Tübingen.  März  1913. 

Oester  len  Th.:  Zur  Frage  des  Herzschlagvolumens. 

Förster  Bl.:  Zur  Frage  des  Herzschlagvolumens. 

Universität  Würzburg.  März  1913. 

Berg  Peter:  Die  Madelungsche  Deformität  des  Handgelenkes. 
Dörfler  Hans:  Geschichte  des  Ikterus  catarrhalis. 

Lauer  Richard:  Ueber  die  anämisierende  Wirkung  des  Staphylo¬ 
kokkengiftes  und  die  Neutralisation  des  Giftes  durch  Immunserum. 
Weil  Wilhelm:  Experimentelle  Untersuchungen  über  den  Einfluss 
des  Jodoforms  und  Jods  auf  das  Blutbild. 


*)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26. — 29.  März  1913. 

(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  K  a  t  z  e  n  s  t  e  i  n.) 

II. 

Herr  Schloss  mann-  Tübingen :  Welchen  praktischen  Wert 
haben  Blutgerinnungsbestiminungen  fiir  die  Chirurgie? 

Die  Grundlage  zur  praktischen  Verwertung  von  Blutgerinnungs¬ 
bestimmungen  ist  das  Vorhandensein  eines  möglichst  einfach  zu  hand¬ 
habenden,  dabei  möglichst  genau  arbeitenden  Gerinnungsapparates. 
Redner  hält  für  die  Praxis  den  von  B  ii  r  k  e  r  angegebenen  für  am 
zweckmässigsten. 

Gerinnungsbestimmungen  sind  in  diagnostischer  Beziehung  chi¬ 
rurgisch  wertvoll  zur  Erkennung  verkappter  und  unvollständiger! 
Hämophiliefälle,  bei  denen  die  klinischen  Bluterscheinungen  mehr  oder 
weniger  fehlen,  trotzdem  Schwergerinnbarkeit  des  Blutes  vorhan-| 
den  ist. 

Als  differentialdiagnostisches  Hilfsmittel  für  klinisch  zweifelhafte 
Fälle  von  Hyper-  oder  Hypothyreoidismus  (Kocher)  bewährten  sich 
die  Gerinnungsuntersuchungen  des  Blutes  nicht.  Nur  bei  ausge¬ 
sprochenen  Fällen  von  Basedow  oder  Myxödem  fanden  sich  schwächt 
Gerinnungsveränderungen  in  dem  von  Kottmann  festgestelltenj 
Sinne. 

Prognostisch  sind  Gerinnungsbestimmungen  sehr  bedeutungsvoll' 
bei  chirurgischen  Eingriffen  bei  Cholämie.  Sie  geben  einen  guter, 
prognostischen  Anhalt  sowohl  für  die  allgemeine  Widerstandskraft 
des  cholämischen  Organismus  als  auch  für  die  Grösse  der  eventuell 
zu  erwartenden  Nachblutungsgefahren. 

Die  therapeutischen  Folgewirkungen  der  Gerinnungsunter-i 
suchungen  sind  bisher  praktisch  noch  wenig  befriedigend.  Mittel  zur 
allgemeinen  Beeinflussung  von  Gerinnungsstörungen  sind  durchaus 
unsicher  in  ihrer  Wirkung.  Fortschritte  hat  nur  die  lokale  Blut¬ 
stillung  gemacht  durch  Anwendung  gerinnungsfördernder  Gewebs- 
säfte.  Die  nach  der  Methode  des  Redners  steril  und  haltbar  be¬ 
reiteten  Presssäfte  aus  menschlichen  Strumen  und  tierischem  Orgati- 
gewebe  haben  ihre  gute  blutstillende  Wirkung  bei  parenchymatösen: 
Operationsblutungen  und  besonders  bei  Blutungen  infolge  krankhafter! 
Gerinnungsverhältnisse  bewährt. 

Herr  Wrede-Jena:  Ueber  Herzmassage. 

Bei  plötzlicher  Herzsynkope  bezweckt  die  direkte  Herzmassage 
zunächst  eine  Blutzirkulation,  durch  die  das  Chloroform  den  Gewebs¬ 
zellen  entrissen  werden  soll.  Dass  tatsächlich  eine  solche  Zirku¬ 
lation  möglich  ist,  hat  Vortr.  durch  ein  Experiment  erwiesen.  Beim 
toten  Hunde  wurde  eine  solche  Herzmassage  ausgeführt  und  ein 
Farbstoff  in  die  Vena  jugularis  injiziert.  Dieser  Farbstoff  konnte  in 
Arterien,  sowie  auch  in  der  Vena  portarum  nachgewiesen  werden. 

Weiterhin  soll  durch  die  Herzmassage  eine  mechanische  Er¬ 
regung  auf  das  Herz  ausgeübt  werden,  vor  allem  aber  soll  damit  eine 
Zirkulation  in  den  Gefässen  des  Herzens  erzielt  werden.  Die  Vor¬ 
bedingung  hierfür  ist,  dass  ein  hoher  Druck  in  der  Aorta  vorhanden 
ist,  damit  das  aus  dem  Herzen  ausströmende  Blut  nicht  nur  in 
diese,  sondern  auch  in  die  Herzgefälle  fliesst.  Diese  Druckerhöhung 
in  der  Aorta  wird  erreicht  durch  Hochlagerung,  Abbindung  der 
unteren  Extremitäten,  Injektion  von  Nebennierenpräparaten,  sowie 
auch  durch  Erregung  der  Medulla  oblongata. 

Sehr  wichtig  ist  die  künstliche  Atmung,  weil  hierdurch  vor 
allem  das  Narkotikum  eliminiert  wird.  Die  verschiedenen  Gewebe 
sind  verschieden  empfindlich  gegenüber  dem  Aussetzen  des  Blut¬ 
stromes.  Das  Grosshirn  kann  schätzungsweise  nur  15  Minuten  der 
Blutzirkulation  entbehren,  ohne  abzusterben,  während  das  Herz  bei, 
künstlicher  Durchblutung  noch  24  Stunden  nach  Aufhören  der  Blut¬ 
zirkulation  rhythmisch  zu  schlagen  beginnt.  Demnach  muss  spätestens 
10  Minuten  nach  Beginn  der  Herzsynkope  mit  der  Herzmassage  be¬ 
gonnen  werden  wegen  der  Gefahr  des  Gehirntodes.  Die  Herzmassage, 
muss  möglichst  lange  fortgesetzt  werden.  Vortr.  hat  bei  einem  Pa¬ 
tienten  noch  nach  1  Vi  Stunden  das  Auftreten  normaler  Herzkontrak¬ 
tionen  beobachtet.  Der  Kranke  ging  allerdings  gleichwohl  nach 
3  Tagen  unter  den  Erscheinungen  des  Herztodes  zugrunde.  Bei  der; 
Sektion  fanden  sich  zirkumskripte  Nekrosen,  die  Vortr.  auf  eine  zu' 
kräftige  Herzmassage  zurückführt.  Einschlägige  Experimente,  die 
noch  nicht  abgeschlossen  sind,  bestätigen  diese  Auffassung.  Auf 
Grund  dieser  Beobachtung  empfiehlt  Vortr.  in  allen  Fällen  schwerer 
Herzsynkope  die  Anwendung  der  direkten  Herzmassage. 

Herr  S  p  r  e n  g  e  1  -  Braunschweig:  Die  Wahl  des  Narkotikums 
bei  Operationen  wegen  akut  entzündlicher  Prozesse  in  der  Bauch¬ 
höhle.  ! 

Vortr.  geht  von  dem  in  den  Mitteilungen  von  Reichel  (1900) 
und  Amberger  (1909)  geschilderten  und  als  postoperative  Sepsis 
gedeuteten  Krankheitsbilde  aus,  bestehend  in  Ikterus,  Unruhe,  Schlaf¬ 
sucht,  Koma,  das. meist  zum  Exitus  führt,  ausnahmsweise  in  Heilung 
ausgeht.  Er  selbst  hat  es  in  einer  grösseren  Reihe  von  Fällen 
nach  Appendizitisoperationen  im  akuten  Stadium  gesehen  und  hält 
es  nach  den  Arbeiten  von  S  i  p  p  e  1,  S  t  i  e  r  1  i  n  u.  a.  für  zweifellos, 
dass  die  ursprüngliche  Deutung  des  Symptomenkomplexes  und  seiner 
anatomischen  Unterlage  (Verfettung  innerer  Organe,  Herz,  Nieren 
und  besonders  Leber)  unzutreffend  war,  dass  es  sich  vielmehr  um 
Chloroformspätwirkung  handelt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15.  April  1913. 

S.  hat,  nachdem  er  zu  dieser  Erkenntnis  gelangt  war,  hei  der 
Operation  entzündlicher  Erkrankungen  des  Abdomens  das  Chloroform 
irinzipiell  fortgelassen  und  seitdem  (Oktober  1911)  keinen  einzigen 
•inschlägigen  Fall  mehr  gesehen,  während  er  noch  von  Februar  bis 
:nde  September  1911  nicht  weniger  als  sechs  Fälle  (davon  drei  töa- 
ich)  beobachtet  hatte. 

Er  hält  das  Chloroform  für  diese  Krankheitsgruppe  für  absolut 
.ontraindiziert  und  empfiehlt  statt  dessen  die  zweifellos  für  diese 
•älle  ungefährlichere,  vielleicht  allgemein  zu  propagierende  Mor- 

ihiurn-Aethernarkose. 

Diskussion:  Herr  K  ii  m  m  e  1 1  -  Hamburg  empfiehlt  wärm- 
tens  die  Anwendung  der  intravenösen  Aethernarkose.  Er  hat  bei 
00  Fällen  nie  eine  Störung  gesehen. 

Herr  F  i  n  s  t  e  r  e  r  -  Wien  bestätigt  die  Anschauungen  Spreu- 
els.  Er  wendet  bei  entzündlichen  Bauchaffektionen  zur  Eröffnung 
ler  Bauchhöhle  die  Lokalanästhesie  an.  Bei  der  Eventration  wird 
in  leichter  Aetherrausch  ausgeführt. 

Herr  P  e  t  r  o  f  f  -  Petersburg  empfiehlt  die  intravenöse  Hedonal- 
larkose  in  allen  Fällen,  in  denen  die  Allgemeinnarkose  gefährlich  ist. 
;r  hat  sie  bis  jetzt  100  mal  angewandt. 

Herr  M  e  i  s  e  1  -  Konstanz  hat  schon  im  Jahre  1903  auf  die  Gefahr 
angewiesen,  die  das  Chloroform  bei  allen  peritonealen  Infektionen 
lat,  und  wendet  seitdem  nur  Aether  an.  Hierauf  führt  er  es  zurück, 
lass  er  in  den  letzten  200  Fällen  einer  akuten  Appendizitis  keinen 
iperativen  Todesfall  erlebt  hat. 

Herr  Stammler  -  Hamburg :  Behandlung  bösartiger  Ge- 
chwülste  mit  dem  eigenen  Tumorextrakt.  Demonstration  eines  ge¬ 
teilten  Falles. 

Demonstration  einer  65  jährigen  Patientin,  bei  der  ein  rezidi- 
ierendes  Uteruskarzinom  mit  Metastasen  durch  Behandlung  mit  dem 
igenen  Tumor  vollkommen  zum  Verschwinden  gebracht  wurde.  Der 
’umorextrakt  wurde  aus  einer  Drüsenmetastase  hergestellt  und  stellt 
inen  sterilen  wässerigen  Auszug  dar,  der  mit  etwas  Toluol  versetzt 
vurde.  Injiziert  wurde,  nachdem  das  Extrakt  zwei  Tage  der  Autolyse 
berlassen  war.  Vortr.  berichtet  über  seine  Erfahrungen  mit  dieser 
de:hode  und  erwähnt  einige  Fälle,  bei  denen  eine  deutliche  Ein¬ 
wirkung  auf  den  Tumor  zu  beobachten  war.  Ein  Fall  von  Schleim- 
rebs  des  Netzes  ist  sehr  gebessert.  Vortr.  erinnert  daran,  dass 
chon  einige  Fälle  publiziert  sind,  wo  maligne  Tumoren  durch  Be- 
andlung  mit  dem  eigenen  Tumorbrei  geheilt  wurden. 

Wenn  er  auch  dieser  Therapie  keine  allzugrosse  Bedeutung  bei¬ 
den  möchte,  so  empfiehlt  er  sie  doch  in  allen  Fällen,  wo  es 
löglich  ist,  steriles  identisches  Tumormaterial  zu  bekommen  und  in 
Kombination  mit  anderen  Methoden. 

Demonstrationsabend. 

Herr  A.  Frankel  -  Berlin :  Ein  Fall  von  hochsitzendem,  frei  be¬ 
weglichem  Karzinom  der  Flexur. 

Auf  Grund  des  Röntgenbefundes  hätte  der  Tumor  mit  guter 
’rognose  auf  abdominalem  Wege  entfernt  werden  können,  auf  Grund 
er  blossen  Digitalexploration  resezierte  der  Chirurg  das  Kreuzbein 
ifolge  von  Komplikationen  (Patient  war  Diabetiker).  Exitus. 

Die  Röntgenkinematographie  des  Magens  erlaubt  oft  Vorhersagen 
ber  die  Ausdehnung  und  Beweglichkeit  des  Tumors  und  damit  über 
ie  Operationsprognose.  Demonstration  von  Fällen,  darunter  eines, 
ti  welchem,  entfernt  von  dem  Pylorustumor,  noch  zwei  weitere 
Knotenpunkte  (an  der  Peristaltik  nicht  teilnehmende  Magenregionen) 
estgestellt  waren.  Die  Palpation,  selbst  nach  der  Laparotomie,  ergab 
eine  Unterlage  für  diesen  Befund;  erst  nach  der  Eröffnung  des 
Jagens  konnten  doch  Krebsknoten  palpiert  werden;  die  Röntgen- 
iagnostik  erwies  sich'  mithin  der  Probelaparotomie  überlegen  und  gab 
ie  Richtschnur  für  die  allein  zureichende  Operationsmethode,  die 
ubtotale  Resektion. 

Herr  Max  Cohn-  Berlin  berichtet  über  das  Ergebnis  seiner 
ystematischen  Untersuchungen  des  Wurmfortsatzes. 

Danach  zeigt  dieser  im  Verlauf  einer  Verdauungsperiode  weit- 
ehende  Eigenbewegungen,  er  wird  passiv  gefüllt,  entleert  sich  aktiv, 
ndert  seine  Gestalt  und  seine  Lage  mit  dem  Zoekum  und  zu 
iiesem  usw.  Viele  Operationsbefunde,  die  als  pathologisch  ange- 
ehen  wurden,  finden  sich  als  Phasen  während  einer  Verdauungs- 
ätigkeit.  Scharfe  Knickungen  scheinen  stets  pathologisch  zu  sein, 
benso  tagelanges  Gefülltbleiben. 

Herr  Schmieden:  Zur  operativen  Behandlung  der  schweren 
fbstipation. 

Unter  den  zahlreichen,  nach  Aetiologie  und  klinischem  Befund 
erschiedenen  Formen  der  chronischen  Obstipation  bieten  diejenigen 
ine  günstige  Prognose,  bei  welchen  man  durch  vorherige  exakte 
Röntgenuntersuchung  Sitz  und  Ursache  genau  ermitteln  und  eine 
ngisch  begründete  Operation  ausführen  kann.  Vortr.  kann  die  inte- 
essante  Beobachtung  eines  Falles  mitteilen,  bei  dem  es  sich  um 
ine  Mischform  von  schwerer,  über  das  ganze  Kolon  ausgedehnter 
Uonie  und  mässiger  Dilatation  (im  Sinne  Stier  lins)  mit  ange- 
nrener  enormer  Verlängerung  der  Dickdarmmesenterien  handelte; 
ler  Zustand  hatte  zu  schwerster,  seit  früher  Kindheit  begonnener 
nd  schliesslich  unerträglicher  Funktionsstörung  geführt.  Die  Rönt- 
lenuntersuchungen  zeigten,  dass  die  grossen  und  die  kleinen  Kolon- 
'ewegungen  nur  äusserst  schwach  vorhanden  waren,  und  dass  der 
lauptsächlichste,  tagelange  Aufenthalt  der  Kotmassen  im  Colon  trans- 
ersum  stattfand.  Vortr.  demonstriert  die  radiologische  Funktions- 


831 

Prüfung  vor  und  nach  der  Operation  und  erörtert  die  Beziehungen 
des  Leidens  zur  Hirschsprung  sehen  Krankheit. 

Da  bei  diesen  Fällen  eine  kausale  operative  Therapie  unmöglich 
ist,  so  muss  man  sich  mit  Anlegungen  neuer  Passagewege  behelfen; 
die  Pointe  solcher  Obstipationsoperationen  ist  es,  später  Rückstau¬ 
ungsbeschwerden  unmöglich  zu  machen.  Zur  Erreichung  dieses 
Zweckes  hat  Vortr.  im  vorliegenden  Falle  mit  vortrefflichem  Erfolge 
eine  doppelte  Anastomosierung  ausgeführt,  erstens  zwischen  den  Fuss- 
punkten  der  enorm  verlängerten  Flexura  sigmoidea  und  zweitens 
zwischen  dem  Colon  transversum  und  der  Kuppe  der  Sigmaschlinge. 
(Demonstration  der  vorhandenen  Verhältnisse  und  der  Operations¬ 
technik  an  Proektionsbildern.) 

Herr  J  o  s  e  f  -  Berlin:  Zystoskopische  Bilder  von  Bilharzia  der 
Blase. 

Man  sieht  die  Bilharziaeier  und  Granulationstumoren  in  der  Ge¬ 
stalt  des  Champignons  sowie  ulzeriert  in  Erdbeerform. 

Herr  Oehlecker  -  Hamburg :  Demonstration  einiger  interes¬ 
santer  und  seltener  Röntgenbildcr. 

Herr  E.  R  e  h  n  -  Frankfurt  berichtet  über  Experimente  zur  Phy¬ 
siologie  und  Pathologie  des  Perikards  aus  seinem  Laboratorium. 

Resektion  desselben  wird  ohne  Schaden  vertragen.  Resorption 
von  Kristalloiden  erfolgt  genau  wie  aus  der  Subkutis.  Geformte  Be¬ 
standteile  —  Tuschepartikel  und  Bakterien  —  wandern  durch  die 
Lymphwege  des  Mediastinums,  welches  überhaupt  ein  Sammelbecken 
für  die  Brustorgane  darstellt.  Daher  wird  es  auch  samt  seinen 
Drüsen  von  der  bakteriellen  Entzündung  der  genannten  Organe  er¬ 
griffen,  im  Gegensatz  zu  der  herrschenden  Lehrmeinung.  Perikarditis 
mit  Adhäsionen  wurde  erzielt  durch  Injektion  von  Jodtinktur  und 
Aleuronat,  aber  auch  von  Olivenöl;  durch  (Jodipin  und)  Sesamöl 
kann  diesen  Adhäsionen  vorgebeugt  werden.  Das  Pick  sehe  Syn¬ 
drom,  Zirrhose  bei  Perikarditis  konnte  experimentell  reproduziert 
werden,  es  erklärt  sich  durch  Einbeziehung  der  Cava  inferior  in  die 
Verwachsungen,  der  Blutstrom  geht  durch  die  Azygos,  und  nur  im 
Pfortadersystem  kommt  es  zur  gleichen  Stauung. 

Herr  C  o  e  n  e  n  -  Breslau  demonstriert  wichtige  Kriegsver¬ 
letzungen  in  Diapositiven,  die  er  zusammen  mit  Thom  -  Breslau 
während  des  Balkankrieges  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  in 
Athen  gesammelt  hat.  Die  gewebszerstörende  Wirkung  der  In¬ 
fanteriekugel  erkennt  man  an  der  scharfen  Begrenzung  der  Schuss- 
Öffnungen  in  den  Weichteilen  und  an  der  narbigen  Einziehung,  die  die 
Haut  bei  Haarseilschüssen  erleidet.  Die  Weichteilschüsse  am  Ober¬ 
arm  sind  nicht  selten  von  Lähmungen  der  Nerven  (N.  musculocuta- 
neus,  radialis,  medianus)  begleitet .  Ein  Patient  hatte  von  einem 
Sprenggeschoss  6  Schüsse  am  rechten  Arm  erhalten  und  eine  kom¬ 
plette  Muskulokutaneus-  und  Radialislähmung.  Die  Handschüsse  mit 
kleinem  volaren  Einschuss  und  sternförmigem  Ausschuss  am  Hand¬ 
rücken  und  Zerschmetterung  der  Mittelhandknochen  sind  typisch. 
Bei  den  Gelenkschüssen  fehlen  oft  alle  Erscheinungen,  es  treten  aber 
auch  fungusartige  Schwellungen  auf.  Im  Gegensatz  zu  dem  klein- 
kalibrigen  Mausergeschoss  ist  die  knochenzerstörende  Wirkung  der 
dicken  Martinikugel  viel  erheblicher,  so  dass  der  Knochen  in  grosser 
Ausdehnung  splittert  und  der  Gedanke  an  Dumdumgeschoss  auf- 
kommen  kann.  Schwere  Erfrierungen  an  den  Füssen  kamen  bei  der 
Belagerung  von  Janina  vor,  so  dass  ganze  Teile  der  Fiisse  sich 
gangränös  demarkierten.  Schüsse  durch  den  Stirnhirn-  und  Gesichts¬ 
schädel  machten  oft  gar  keine  Erscheinungen,  dagegen  traten  bei 
solchen  durch  das  Hinterhaupt  meist  hemianoptische  Störungen  in  den 
Vordergrund.  Die  Rumpfschüsse,  die  den  Thorax  und  die  Bauch¬ 
organe  in  langen  Schusskanälen  durchsetzten,  heilten  glatt.  Typisch 
sind  Durchschiessungen  eines  Armes  mit  Fraktur  und  des  Thorax. 
Dies  erklärt  sich  aus  der  Haltung  des  Körpers  bei  der  Anschlag¬ 
stellung.  In  der  Tibia,  Skapula,  Radius,  Kalkaneus  wurden  einfache 
Lochschüsse  beobachtet.  Aneurysmen  wurden  in  der  A.  radialis, 
brachialis.  tibialis  postica  und  zweimal  an  den  Vasa  femoralia  ge¬ 
sehen.  Bei  einem  hochgelegenen  arteriovenösen  Aneurysma  am  Ober¬ 
schenkel  wurde  nach  der  Exstirpation  der  Arteria  und  Vena  femoralis 
durch  die  implantierte  V.  saphena  mit  Erfolg  überbrückt  (23.  II.  1913). 
Rinnenschüsse  der  Röhrenknochen  und  solche,  bei  denen  die  Kugel 
im  Mark  stecken  geblieben  ist,  können  die  Symptome  einer  Osteo- 
mylitis  machen.  Die  intratrochanteren  und  suprakondylären  Schuss¬ 
frakturen  des  Oberschenkels  sind  häufig.  Zum  Schluss  wurden 
thebanische  Knochen  aus  der  Schlacht  bei  Chäronea  (Nationalmuseum 
in  Athen)  demonstriert,  an  denen  man  noch  die  Spuren  der  mazedoni¬ 
schen  Waffen  deutlich  erkennen  kann. 

Herr  Mühsam-  Berlin  zeigt  an  einer  grösseren  Zahl  vorzüg¬ 
licher  Bilder  die  Wirkung  von  Schussverletzungen  des  Gehirns  und 
Rückenmarks.  Der  Schusskanal  war  dadurch  bezeichnet,  dass  Auf¬ 
nahmen  von  vorn  und  von  hinten  gemacht  und  Aus-  und  Einschuss 
durch  kleine  Heftpflasterstücke  angedeutet  war. 

Herr  Goebel:  Projektionsvortrag  über  die  Einrichtung  des 
Roten  Kreuz-Lazaretts  in  Tripolis. 

Herr  B.  H  e  i  1  e  -  Wiesbaden :  Zur  Darstellung  des  Epidural¬ 
raumes. 

Vortr.  macht  seit  Jahren  Kochsalzeinspritzungen  in  den  Epidural- 
raum  zur  Beeinflussung  der  Wurzelischias.  Hierbei  fiel  ihm  auf,  dass 
die  Kranken  bei  der  Einspritzung  nur  über  einseitige  Schmerzen 
klagen.  Dies  war  der  Anlass,  die  Anatomie  des  Epiduralraumes  zu 
revidieren.  Vortr.  spritzte  eine  Emulsion  von  möglichst  hochprozenti¬ 
gem  Quecksilber  in  Terpentin  in  den  Epiduralraum,  und  da  ergab  sich, 
dass  die  einseitig  eingespritzte  Flüssigkeit  auch  tatsächlich  nur  halb- 


§32 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


seitig  den  Epiduralraum  ausfüllt.  Nach  der  bisherigen  anatomischen 
Vorstellung  war  der  Epiduralraum  ein  in  seinen  beiden  Hälften  frei 
kommunizierender  Raum,  der  nach  unten  frei  übergeht  in  den  Sakral¬ 
raum  und  oben  am  Hinterhauptsloch  endet.  Vortr.  fand,  dass  in 
Wirklichkeit  (er  bestätigte  dieses  Resultat  an  10  Leichen)  in  der  Mitte 
eine  Scheidewand  beide  Hälften  des  Epiduralraumes  trennt.  Diese 
Scheidewand  schliesst  sich  an  der  Vorderwand  des  Ligamentum 
longitudinale  posterius  an  und  wird  zum  Teil  nur  durch  eine  dünne 
Membran  dargestellt,  die  aber  funktionell  einen  absoluten  Abschluss 
beider  Hälften  gegeneinander  zustande  bringt.  Es  darf  allerdings  die 
Flüssigkeit  in  den  Epiduralraum  nicht  mit  starker  Gewalt  eingespritzt 
werden,  da  sonst  die  Scheidewand  nachgibt.  Nach  der  Demonstration 
des  Vortr.  gibt  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  der  Abschluss  des 
Epiduralraumes  nach  aussen  in  den  Intervertebrallöchern  nach.  Die 
eingespritzte  Flüssigkeit  drängt  an  den  austretenden  Nervenwurzeln 
den  Duraraum  weiter  hinaus,  bleibt  aber  immer  Im  Duraraum, 
während  im  eigentlichen  Sakralraum,  der  nach  unten  zu  die  Fort¬ 
setzung  des  Epiduralraumes  bildet,  unterhalb  des  zweiten  Sakral¬ 
wirbels  die  Flüssigkeit  durch  die  Foramina  sacralia  in  das  lockere 
Beckengewebe  hinaustritt.  Dies  erklärt,  warum  z.  B.  eine  Sakral¬ 
anästhesie  gut  auszuführen  ist.  weil  hier  die  Flüssigkeiten  auf  den 
peripheren  Teil  auserhalb  der  Wirbelsäule  im  Beckenbindegewebe 
wirken.  Reine  Epiduralanästhesien  dagegen  sind  bislang  kaum  er¬ 
zielt,  wenn  man  nicht  zugleich  andere  Narkotika  hinzufügte,  weil  die 
Flüssigkeiten  nur  innerhalb  des  epiduralen  Raumes  wirken,  hier  aber 
sind  die  durchtretenden  Nerven  durch  eine  Durascheide  stark  isoliert. 
Vortr.  zeigte,  dass  nach  seinen  Versuchen  etwa  10 — 15  ccm  Flüssig¬ 
keit,  die  in  den  Sakralkanal  eingespritzt  wird,  hinaufreicht  bis  zum 
untersten  Ende  der  Lendenwirbelsäule.  30  ccm  reichen  bis  zum 
oberen  Teil  der  Lendenwirbelsäule  und  50  ccm  reichen  ungefähr 
halbseitig  bis  zur  Höhe  der  Halswirbelsäule.  Der  Epiduralraum  endet 
nach  den  Demonstrationen  des  Vortr.  nach  oben  nicht,  wie  man  bis¬ 
lang  annahm,  am  Hinterhauptsloch,  sondern  setzt  sich,  wenn  auch  als 
sehr  schmaler  Spalt,  fort  bis  zum  Ansatz  des  Tentoriums  an  der  Schä¬ 
delbasis.  Vortr.  macht  auf  die  Bedeutung  der  geänderten  anatomi¬ 
schen  Vorstellung  des  Epiduralraumes  aufmerksam  und  besonders  auf 
die  Trennung  des  Epiduralraumes  für  die  beiden  Körperhälften.  Die 
Einspritzungen  in  den  Epiduralraum  lassen  sich  nach  der  Demonstra¬ 
tion  des  Vortr.  nicht  allein  vom  Sakralraum  aus  machen,  sondern  sind 
ebensogut  möglich  durch  die  Intervertebrallöcher.  Dies  hat  deshalb 
grössere  klinische  Bedeutung,  weil  man  auf  diese  Weise  direkt  Ner¬ 
vengebiete  mit  der  Einspritzung  treffen  kann,  die  man  vom  Sakral¬ 
kanal  aus  erst  sehr  indirekt  durch  die  hochsteigende  Flüssigkeit  be¬ 
einflussen  kann. 

Herr  P  e  r  t  h  e  s  -  Tübingen  demonstriert  als  Belegstücke  zu 
seinem  Vortrag  Präparate  von  Osteochondritis  deformans,  der  fälsch¬ 
lich  so  genannten  Arthritis  deformans  juvenilis. 

Herr  Muskens  -  Amsterdam  demonstriert  im  Namen  von  Herrn 
Krause-Berlin  3  Fälle  von  erfolgreich  operierter  traumatischer 
Epilepsie,  von  denen  2  bereits  über  3  Jahre  geheilt  sind. 

Herr  V  o  e  1  c  k  e  r  -  Heidelberg :  Demonstration  von  Pyelo¬ 
graphien. 

Die  Ureteren  werden  durch  schattengebende  Katheter  markiert. 
Das  Nierenbecken  in  einzelnen  Fällen  durch  Aufrollung  des  Katheters, 
in  anderen  durch  Kollargolinjektion.  Interessant  sind  2  Fälle  von 
Insuffizienz  des  Ureterverschlusses,  von  denen  der  eine  mit  Verdoppe¬ 
lung  des  einen  Ureters.  Bei  Verschluss  der  Harnröhren  und  Aufforde¬ 
rung  Harn  zu  lassen,  injizieren  diese  Kranken  selbst  von  der  Blase  aus 
Ureteren  und  Nierenbecken,  so  dass  die  kongenitale  Erweiterung 
des  ganzen  Harnapparates  sichtbar  wird. 

Herr  Brandes-  Kiel  berichtet  über  experimentelle  Unter¬ 
suchungen  aus  der  A  n  s  c  h  ii  t  z  sehen  Klinik,  welche  vorgenommen 
waren,  um  den  zeitlichen  Eintritt  der  durch  Inaktivi¬ 
tät  bedingten  Knochenatrophie  im  Röntgen  bilde 
festzustellen. 

Es  war  bei  Kaninchen  ein  Stück  der  Achillessehne  reseziert  wor¬ 
den,  um  die  Funktion  des  Fusses,  vor  allem  des  Kalkaneus  herab¬ 
zusetzen  und  den  Einfluss  dieser  Funktionsberaubung  auf  das 
Knochenskelett  in  verschiedenen  Versuchsserien  zu  studieren.  Ausser¬ 
dem  wurde  die  durch  Gipsverbände  bedingte  Immobilisationsatrophie 
am  Kaninchenfusse  ebenfalls  im  Röntgenbilde  untersucht.  Die  proji¬ 
zierten  Röntgenbilder  zeigen  das  auffallend  frühe  Verstehen  und  die 
weitere  Entwicklung  der  Inaktivitätsatrophie. 

Die  aus  den  verschiedenen  Untersuchungen  gewonnenen  Re¬ 
sultate  fasst  Brandes  in  folgende  Sätze  zusammen: 

1.  Der  Kaninchenkalkaneus  ist  ein  ausgezeichnetes  Objekt  für 
derartige  röntgenologische  Untersuchungen  über  Knochenatrophie. 
Voraussichtlich  lassen  sich  auf  diesem  Wege  auch  wertvolle  ver¬ 
gleichende  Resultate  über  die  verschiedenen  Atrophiefonneii  ge¬ 
winnen. 

2.  Die  Inaktivitätsatrophie  des  Knochens  kann  nicht  als  eine 
spät  eintretende  Form  der  Atrophie  charakterisiert  werden; 
an  geeigneten  Untersuchungsobjekten  lässt  schon  eine  einfache  Funk¬ 
tionsverminderung  eine  rapide  eintretende  und  schnell  fortschrei¬ 
tende  Knochenatrophie  des  Fussskeletts  in  Erscheinung  treten. 

3.  Auch  nach  Immobilisation  tritt  in  kurzer  Zeit  eine  Inaktivitäts¬ 
atrophie  am  Knochen  ein. 

4.  Die  in  diesen  Experimenten  gefundenen  Zeiten  des  Eintritts 
der  Inaktivitätsatrophie  sind  noch  kürzer  als  die  für  den  Menschen 


No.  15. 


angegebenen  Zeitwerte  des  Eintritts  der  akuten  reflektorischen 
Atrophie. 

5.  Nach  diesen  Ergebnissen  der  Experimente  scheint  die  sog. 
akute,  reflektorische,  trop'noneurotische  oder  entzündliche  Knochen- 
atrophie  der  Hauptstütze  ihres  Existenzbeweises  beraubt  zu  sein,  ge¬ 
nau  so  wie  auch  die  Existenz  einer  reflektorischen,  akuten  Muskel¬ 
atrophie  durch  die  Arbeiten  von  Schiff  und  Zack- Wien  erneut 
bezweifelt  werden  konnte. 

Herr  Axhausen  -  Berlin :  Ergebnisse  der  experimentell  freien 
Schleimhautüberpflanzung. 

Magen-  und  Blasenschleimhaut  bleiben  bei  autoplastischer  Ueber- 
pflanzung  erhalten.  Das  Epithel  breitet  sich  aus  und  schliesst  sich  zur 
Zyste  ab.  Homöoplastische  Transplantate  gehen  zugrunde. 

Herr  G  I  a  e  s  s  n  e  r  -  Berlin :  Zur  Entstehung  der  Coxa  vara. 

Es  handelt  sich  um  eine  Krankheit  des  Epiphysenknorpels;  der 
Parallelismus  der  Achsen  von  Schenkelhals  und  -köpf  wird  gestört, 
die  Kopfkappe  sinkt  allmählich  herab.  Durch  Redressement  und 
Fixierung  im  Gipsverband  gehen  die  Veränderungen  zurück. 


IX.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft 

in  Berlin  (Langenbeckhaus)  am  29.  und  30.  Mürz  1913. 

Berichterstatter:  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München 
(Eigener  Bericht.) 

II.  (Schluss.) 

2.  Anatomie  und  Physiologie. 

Herr  ü  r  o  e  d  e  1  (Frankfurt  a.  M.  und  Nauheim)  spricht  über  die 
Technik  der  röntgenanatomischen  Untersuchung  des  Herzens  und  der 
grossen  Gefässe  in  situ.  Er  hat  an  der  Leiche  in  situ  Herz  und  grosse) 
Gefässe  injiziert  und  Röntgenbilder  gemacht,  die  zum  Studium  der 
Herzfigur,  namentlich  auch  in  den  schrägen  Durchmessern,  sich  sehr 
gut  eignen.  Röntgenaufnahmen  eines  Herzens,  das  Mit  Watte  gefüllt 
und  gehärtet  war,  zeigten  deutlich  die  einzelnen  Höhlen.  Klappen  etc.; 
vor  der  Aufnahme  war  die  Watte  wieder  entfernt  worden. 

Herr  H  e  s  s  e  -  Utrecht  machte  Röntgenaufnahmen  vom  Brech- 
akt  des  Hundes.  Es  zeigte  sich,  dass  der  Mageninhalt  sich  im  Oeso¬ 
phagus  in  mehreren  getrennten  Portionen  vorschob,  welche  Auf-  uni 
Abwärtsbewegungen  machten. 

Herren  Madrakowski  und  Saba  t- Lemberg:  Experimentpll- 
röntgenologische  Untersuchungen  über  die  Innervation  des  Magen¬ 
darmkanals  und  über  die  Wirkung  des  Morphiums.  Hunde  wurden) 
mit  Bariumsulfatmahlzeit  durchleuchtet,  es  wurde  die  Magenperi- 
staltik,  der  Beginn  des  Uebertritts  ins  Duodenum  und  ins  Kolon, 
ferner  der  Zeitpunkt  der  völligen  Entleerung  des  Magens  festgestellt; 
unter  pathologisch  veränderten  Bedingungen;  die  Eiere  wurden  ctabei 
in  aufrechter  Stellung  erhalten.  Nach  Splanchnikusdurchschneidung 
war  die  Verweildauer  im  Magen  und  Dünndarm  unbedeutend  ver¬ 
kürzt,  nach  Vagusdurchschneidung  verlängert.  ^  Nach  Durchschnei- 
dung  der  postganglionären  Nerven,  die  vom  G.  coel.  und  niesen:, 
zum  Magen  ziehen,  traten  heftige,  sogar  blutige  Diarrhöen  auf.  Schon1 
nach  geringen  Morphiumgaben  war  die  Magentätigkeit  stark  herabd 
gesetzt,  er  zeigte  auch  deutliche  Gestaltveränderungen,  der  „Mor¬ 
phiummagen1“  bietet  ein  charakteristisches  Bild.  Die  Morplnuni- 
wirkung  wurde  'nach  Durchschneidung  aller  genannten  Nerven  teil¬ 
weise  ausgeschaltet;  sie  ist  sehr  kompliziert,  da  Morphium  auch 
zentral  auf  Splanchnikus,  G.  coeliacum  und  Ganglien  des  Auer¬ 
bach  sehen  Plexus  wirkt. 

In  der  Diskussion  bemerkt  Herr  Strauss  -  Berlin,  dass  die 
Ergebnisse  mit  seinen  Erfahrungen  an  Morphinisten  und  bei  gastri¬ 
schen  Krisen  nicht  übereinstimmen. 

Herr  G.  v.  B  e  r  g  m  a  n  n  -  Altona:  Einiges  Klinische  über  Darm¬ 
bewegungen  und  Darmform. 

Für  Darmspasmen  ist  im  Allgemeinen  mehr  eine  Vaguserregung, 
für  Darmlähmung  eine  Sympathikuserregung  Ursache;  doch  halten 
nicht  immer  die  beiden  Nerven  streng  einander  das  Gleichgewicht 
Nach  Gabe  von  Atropin  änderte  sich  die  Lage  des  Querkolons,  cs 
zeigte  eine  Einknickung,  wohl  infolge  von  Aenderung  des  Längs-j 
muskeltonus;  Physostigmin  erregt  die  Darmbewegung,  auch  die 
kleinen  haustralen  Bewegungen,  das  Bild  wird  unscharf  infolgedessen 
Nach  Gabe  von  Physostigmin  und  Pilokarpin  sieht  man  kolossale 
spastische  Einschnürungen.  Es  gibt  Menschen  mit  ständig  vermehrter 
Vagusinnervation;  man  sieht  dann  im  Wismutdarm  totale  Konstruk¬ 
tionen.  Den  gesunden  Darm  kann  man  durch  Vagusreizmittel  ui 
dieselbe  hypertonisch  innervierte  Form  bringen.  Nach  Atropin- 
gabe  sieht  man  fast  regelmässig  retrograde  Dünndarmfüllung  (Nach¬ 
lass  des  Tonus  der  Ba  uh  in  sehen  Klappe).  Nach  Pilokarplnj 
gäbe  zeigen  sich  tonische  Konstriktionen  grösserer  Partien.  Adre¬ 
nalin  erzeugt  eine  Art  grosse  Darmbewegung,  beim  Kaninchen  mehr 
grosse  Peristaltik,  beim  Affen  Kontraktionen  grosser  Abschnitte.  Naci 
Adrenalin  plus  Atropin  (Lähmung  des  einen  Nerven  und  Hemmung 
seines  Antagonisten)  bekommt  man  kleine  haustrale  Wellenkon.urei 
statt  der  schönen  Segmentgliederung.  .  ..  cr 

Herr  K  a  t  s  c  h  -  Altona:  Physiologisch-Pharmakologisches  uDet 
Darmbewegungen  und  Darmform. 

Beim  Affen  und  beim  Kaninchen  wurden  die  Darmbewegung' 
durch  ein  Zelluloidfenster  beobachtet.  Man  sieht  eine  fortschreitend. 
Bewegung  in  den  Haustren,  eine  Art  Fortfliessen  der  Haustren,  s< 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


833 


•  April  1913. 

ss  die  sichtbaren  queren  Qefässe  in  der  Darmwand  im  entgegen¬ 
setzten  Sinne  dieser  Bewegung  von  einem  Haustrum  aufs  andere 
wandern  scheinen.  Manches  spricht  dafür,  dass  es  beim  Menschen 
niich  ist.  Sieht  man  auf  Röntgenbildern  unscharfe  oder  doppelt 
nturierte  Haustra,  trotz  kurzer  Exposition,  so  spricht  dies  für 
e  derartige  Bewegung.  Die  unscharfen  Konturen  sind  auf  die 
fliehen  Flächen  der  Haustra  beschränkt  und  zwar  auf  bestimmte 
uppen.  Wenn  man  den  Darm  lähmt,  bleibt  das  „Haustrenfliessen“ 
längsten  erhalten.  Pausen  am  Zelluloidfenster  zeigen  die  grosse 
ränderlichkeit  der  Haustren.  Die  Haustren  des  Kolons 
heinen  etwas  rein  Funktionelles,  nicht  anatomisch 
viertes  zu  sein.  Form  und  Lage  des  ganzen  Kolons  kann  sich 
demselben  Menschen  bedeutend  ändern.  Nach  Atropingabe  senkt 
h  das  Transversum  infolge  von  Tonusänderung  der  Tänien.  Bei 
nselben  Menschen  erschien  nach  Atropingabe  die  Flexura  lienalis 
loziert,  wie  heruntergefallen,  das  Sigma  entsprechend  verlängert. 
;s  widerspricht  unserer  Vorstellung  von  der  festen,  unveränder- 
len  Form  dieser  Ligamente. 

3.  Forense  Medizin. 

Herr  B  u  c  k  y  -  Berlin:  Die  Feststellung  der  Todesursache  mit- 
st  Röntgenstrahlen  bei  einem  Fall  von  Mordverdacht. 

In  einer  vor  4  Jahren  begrabenen  Leiche  Hessen  sich  27  Blei- 
icke  nachweisen;  ihre  Anordnung  Hess  auch  Schlüsse  auf  die 
hussrichtung  zu. 

4.  Tierheilkunde, 

Herr  E  b  e  r  1  e  i  n  -  Berlin:  Die  Podotrochlitis  des  Pferdes  itn 
ntgenbilde. 

Das  von  alters  her  bekannte  Leiden  kann  durch  Röntgenbild 
der  differenziert  werden;  man  sieht,  wie  weit  der  Knochen  ausser 
n  Sehnen  und  dere  Bursa  podotrochlearis  beteiligt  ist  und  ob  der 
jozess  fortschreitet. 

5.  Aufnahmetechnik. 

Herr  Max  Cohn-  Berlin  zeigt  die  Erfolge  der  Anwendung  der 
ick  sehen  Wismutpaste  zur  Fisteldarstellung  auf  Röntgenbildern. 

Man  kann  die  verzweigten  Fistelgänge  sehr  schön  verfolgen 
:  :h  der  Niere  hin,  nach  einem  kariösen  Wirbel,  der  ganz  von  Fistel- 
ngen  umgeben  sein  kann;  ferner  in  die  Lunge  nach  Empyem- 

i  eration. 

Herr  Schmidt-  Berlin :  Schädelaufnahmen  in  3  Ebenen. 

Für  bestimmte  Projektillokalisationen  empfiehlt  Sch.  axiale  Auf- 
nmen,  von  oben  nach  unten  durch  den  Gesichtsschädel. 

In  der  Diskussion  wird  angeraten,  bei  Schädel- 
nf  nahmen  stets  Strahlenfilter  (Leder)  anzu¬ 
enden,  da  ab  und  zu  Hautschädigungen,  nament- 
:h  Haarausfall,  beobachtet  werden. 

6.  Therapie. 

Herr  Paul  Krause-  Berlin :  Ueber  eine  neue  Tiefenbestrahlung. 

K.  benützt  die  rückwärts  aus  der  Antikathode  austretenden . 
ahlen,  welche  sehr  hart  sind;  die  aus  einer  Nickelantikathode  aus- 
tenden  haben  eine  Härte  von  15  Wehnelt,  unabhängig  vom  Vakuum 
>r  Röhre.  Die  so  als  Filter  wirkende  Antikathode  wird  dicht  an  die 
iswand  eingebaut,  so  dass  man,  dicht  an  die  Haut  herangehend, 
rch  sehr  kleine  Blenden  hindurch  sehr  breite  Strahlenkegel  erhält; 
kleine  Blendenöffnung  braucht  für  die  nächste  Sitzung  nur  um  ein 
ringes  verschoben  zu  werden,  ohne  dass  sich  das  bestrahlte  Gebiet 
sentlich  verändert. 

Diskussion:  Herr  Walter-  Hamburg  empfiehlt  Versuch 
t  einer  Kühlvorrichtung,  Messung  der  Belastung  durch  Milliampere- 
ter,  der  Härte  durch  die  Funkenstrecke. 

Herr  Loose-  Bremen :  Röntgentherapie  juveniler  Menorrhagien. 
Die  Anwendung  der  Strahlen  auch  bei  Jugendlichen  ist  berechtigt, 
sgedehntere  Spätkontrollen  sind  noch  nötig.  Da  inan  oft  mit 
ativ  geringen  Dosen  auskommt,  so  soll  man  nicht  von  vornherein 
ien  Fall  mit  enormen  Strahlenquantitäten  angreifen.  Es  genügen 
ittelharte  Strahlen  in  massigen  Dosen. 

Diskussion:  Herr  v.  Gr  aff -Wien  hält  die  Anwendung  der 
ntgenstrahlen  für  schonender  als  die  Operation  (Kürettage).  Ein 
ttelweg  zwischen  den  extremen  Richtungen  der  Tiefentherapie 
ire  anzustreben.  —  Herr  H  e  ss  m  a  n  n  -  Berlin:  Gefahr  einer 
uernden  Funktionsschädigung  der  Ovarien  besteht  nicht;  Sterili - 
.ionsversuche  gelingen  ja  auch  schlecht.  Für  den  Erfolg  hält  H. 
ndestens  5  Bestrahlungsturnusse  in  3  monatlichen  Abständen  für 
twendig.  —  Herr  v.  Seuffert  -  München :  Der  Eingriff  der  inten- 
en  Bestrahlung  ist  schwer,  ist  aber  gerechtfertigt  durch  die 
liwere  des  Leidens.  Junge  Personen  mit  schweren  Dysmenorrhöen 
rden  zur  Crux  für  die  ganze  Familie.  Zum  Erfolg  sind  grosse 
ahlenmengen  nötig.  —  Herr  Siedentopf  sah  bei  3  Fällen  guten 
folg  durch  hohe  Dosen.  —  Herr  Mosenthal  -  Berlin  meint,  wir 
nnen  die  Gefahren  vielleicht  doch  noch  nicht  genügend.  Dauer- 
olge  sind  noch  abzuwarten.  —  Herr  Krause-  Bonn  erblickt  in 
nGauss  sehen  Wort  „R  ö  n  t  g  e  n  k  a  t  e  r“  einen  etwas  „burschi- 
sen"  Ausdruck  für  eine  ernste  Sache.  Er  beobachtete  nach  inten- 
er  Röntgenbestrahlung  einmal  eine  psychotische  Störung,  welche 
staltsbehandlung  erforderte,  bei  einer  zweiten  Patientin  6  Wochen 
ig  anhaltende  psychische  Depression. 


Herr  G.  B  a  u  m  m  -  Breslau :  Zur  Behandlung  der  Akne  vulgaris 
mit  Röntgenstrahlen. 

B.  empfiehlt  Bestrahlung  des  ganzen  Gesichtes  mit  Viertel¬ 
dosen  vom  Härtegrad  3—4  Benoist-Walter,  Wiederholung  alle 
14  Tage,  durch  mehrere  Monate  hindurch.  Anfangs  kommt  Ver¬ 
schlimmerung,  erst  nach  Monaten  der  Erfolg.  Pigmentierungen  treten 
fast  immer  auf,  werden  aber  gern  in  Kauf  genommen.  Rückfälle 
sind  häufig,  dann  muss  wieder  bestrahlt  werden.  Man  hilft  jugend¬ 
lichen  Individuen  jedenfalls  über  das  gefährliche  Alter  hinweg. 

Diskussion:  Herr  G  o  1 1  s  c  h  a  1  k  -  Stuttgart  hat  schon  vor 
10  Jahren  über  günstige  Erfolge  der  Röntgenbestrahlung  bei  Akne 
berichtet,  hat  jetzt  über  1000  Fälle  behandelt  und  nennt  die  Erfolge 
glänzend.  Auch  bei  Akne  rosacea  wirkte  Bestrahlung  sehr  gut.  Man 
geht  nicht  bis  zur  Erythemdosis,  sondern  nur  bis  zur  Leukozytose 
(6  x),  in  der  zweiten  Serie  geht  man  bis  zur  Hyperämiedosis  (8  x); 
dadurch  vermeidet  man  Pigmentierungen  und  Teleangiektasien.  Re¬ 
zidive  sah  er  nicht.  Er  nimmt  Wirkung  auf  die  Blutgefässe  an. 

7.  Apparate-Technik,  Physikalisches. 

Herr  Gocht-Halle:  Lumiereaufnahmen  arbeitender  Röntgen¬ 
röhren  mit  verschiedenem  Evakuationsgrad. 

Herr  B  u  c  k  y  -  Berlin  hat,  um  die  Sekundärstrahlen  des  Körpers 
abzublenden,  ein  System  kleinster,  aneinandergefügter  Röhrenblenden 
zwischen  Objekt  und  Platte  gebracht  und  erhält  so  von  dicken  Körper¬ 
teilen  scharfe  Details,  freilich  stört  der  gitterförmige  intensive 
Schatten  der  Blende  auf  dem  Bilde.  Die  Versuche  sind  theoretisch 
sehr  interessant. 

Herr  G  r  o  e  d  e  I  -  Nauheim  zeigt  seinen  verbesserten  Kinemato- 
graphen  und  dessen  Kombination  mit  dem  Elektrokardiographen. 
Auf  einem  5 — 6  m  langen  Filmband  werden  10  Aufnahmen  in  der 
Sekunde  gemacht. 

Herr  B  a  n  g  e  r  t  -  Berlin  zeigt  eine  neue  Methode  zur  Messung 
der  Intensität,  Dosis  und  Härte  der  Röntgenstrahlen.  Das  neue  Dosi¬ 
meter  beruht  auf  der  ionisierenden  Wirkung  der  Röntgenstrahlen. 
Ein  kleiner  Kondensator  wird  aufgeladen,  der  sich  in  einer  Bestrah¬ 
lungskammer  befindet;  es  wird  ihm  Ladung  weggenommen  und  durch 
Elektrometer  gemessen.  Ein  fester  Zeigerausschlag  ermöglicht  be¬ 
queme  Ablesung. 

Herr  W  a  1 1  e  r  -  Hamburg:  Ueber  die  Röntgenschutzwirkung  des 
Bleies  und  Bleiglases. 

Das  beste  Bleiglas  enthält  etwa  50  Proz.  Bleioxyd;  was  sonst 
im  Glas  ist,  schützt  fast  gar  nicht.  Zinn  ist  wegen  seines  geringen 
spez.  Gewichtes  als  Blende  geeignet,  aber  viel  teurer;  man  kann  Blei¬ 
platten  beiderseits  mit  Zinnfolie  b'edecken,  auch  an  Stelle  des  Lackes. 

Diskussion:  Herr  Krause-  Bonn  empfiehlt  als  Schutz¬ 
glas  für  Brillengläser  das  Hygatglas,  welches  "egen  ultraviolette 
und  Röntgenstrahlen  gut  schützt.  Als  Schutzstoff  rät  er,  neben  blei¬ 
haltigen  auch  solche  mit  Eisen,  Baryumsulfat  und  anderen  hoch- 
atomigen  billigen  Metallen  und  deren  Salzen  zu  verwenden;  einen 
solchen  mit  Eisensalzen  hat  er  von  Eschbaum  -  Bonn  hersteilen 
lassen;  Gefahr  der  chronischen  Bleivergiftung  (Berührung,  gasförmig) 
wird  hierdurch  vermieden.  ■ —  Herr  Christen-  Bern  zeigt  das 
Jontometer  (Reiniger,  Gebbert  &  Schall),  welches  die  Flächen¬ 
energie  zu  messen  gestattet. 

Herr  L  o  r  e  y  -  Hamburg  zeigt  einen  neuen  Apparat  für  stereo¬ 
skopische  Momentaufnahmen,  ferner  einen  transportablen  Röntgen¬ 
apparat  für  Aufnahmen  im  Krankenzimmer  (Seifert  &  Co.). 

Herr  1 1  g  n  e  r  -  Elbing  zeigt  ebenfalls  konstruktive  Neuerungen, 
insbesondere  Beiträge  zur  Zweifarbengläserstereoskopie. 

Herr  A  1  w  e  n  s  -  Frankfurt  a  M.:  Eine  neue  Methode  der  Rönt¬ 
gendurchleuchtung. 

Das  Problem,  auf  dem  Leuchtschirm  körperlich  zu 
sehen,  ist  mit  Dessauers  Reform-Wechselstrom-Apparat  nun 
praktisch  durchgeführt.  Zwei  Röhren  nebeneinander  scheinen  gleich¬ 
zeitig  zu  leuchten,  in  Wirklichkeit  leuchten  sie  abwechselnd  in  1/r,n 
Sekunden  Abstand  nacheinander  und  gleichzeitig  wird  maschinell 
mittels  einer  Brille  das  jeweils  zugehörige  Auge  durch  eine  Blende 
ausgeschaltet,  das  andere  freigegeben. 

Herr  D  e  s  s  a  u  e  r  -  Frankfurt  a.  M.  berichtet  a)  über  eine  neue 
Wechselstrom-Röntgenmaschine;  der  Nachteil  der  übrigen  Wechsel¬ 
strommaschinen,  dass  die  Entladungskurve  der  des  Induktors  un¬ 
ähnlich  ist,  wird  vermieden.  Durch  Herausholen  der  harten  Strah¬ 
lung  beim  Aufleuchten  der  Röhre  wird  der  Apparat  für  Tiefentherapie 
geeignet,  b)  Zur  Röntgenkinematographie:  er  führt  einen  Platten¬ 
wechselapparat  vor,  welcher  8  Aufnahmen  in  der  Sekunde,  mit  Blitz¬ 
apparat,  ermöglicht.  Herr  Amrhein  hat  dazu  eine  Vorrichtung  zur 
Röhrenverschiebung  während  des  Plattenfalles  angebracht,  so  dass 
eine  Röntgen-Stereokinematographie  möglich  ist. 

Herr  Bangert-  Berlin  spricht  über  einen  neuen  Gleichrichter¬ 
apparat  für  Schnell-  und  Einzelschlagaufnahmen  bei  direktem  Wech¬ 
selstromanschluss  (Siemens  &  Halske),  ferner  über  Röntgenröhren  mit 
Wolframantikathode.  Wolfram  ist  härter  und  billiger  als  Platin. 
Bei  Momentaufnahmen  sind  die  erzeugten  Strahlen  viel  härter  als 
bei  langsamer  Schaltung. 

Der  Kongress  nahm  ein  von  einer  Kommission  verfasstes  Merk¬ 
blatt  über  den  Gebrauch  von  Schutzmassregeln  an,  welches  weiteste 
Verbreitung  erhalten  soll  und  daher  auch  an  dieser  Stelle  seinen 
Zweck  erfüllen  möchte: 


83-4 


MUENCHENEK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Merkblatt  1913  der  D.  R.G. 

über  den 

Gebrauch  von  Schutzmassregeln  gegen  Röntgenstrahlen. 

1.  Die  öfter  wiederholte  Bestrahlung  irgendeines  Teiles 
des  menschlichen  Körpers  mit  Röntgenstrahlen  ist  gefährlich  und  hat 
auch  schon  mehrfach  zu  namhaften  Schädigungen,  ja  sogar  zum  Tode 
von  Röntgenärzten  und  anderen  häufig  mit  Röntgenstrahlen  ar¬ 
beitenden  Personen  geführt.  Deswegen  ist  es  unbedingt  nötig,  dass 
sowohl  derartige  Personen  selbst  wie  auch  eventuell  deren  Vor¬ 
gesetzte  oder  Arbeitgeber  darauf  sehen,  dass  in  ihren  Betrieben 
genügende  Schutzvorrichtungen  vorhanden  sind,  und  dass  alle  diese 
1  ersonen  auch  von  der  Notwendigkeit  und  dem  Gebrauche  dieser 
v  orrichtungen  genügend  unterrichtet  sind.  Letzteres  dürfte  am 
zweckmässigsten  dadurch  erreicht  werden,  dass  das  vorliegende 
Merkblatt  in  allen  derartigen  Betrieben  öffentlich  ausgehängt  wird. 

2.  Als  mindest  erforderlicher  Schutz  gegen  länger  dauernde 
Bestrahlung  gilt  eine  Bleischicht  von  2  mm  Dicke,  die  so  gross  ist 
und  so  angebracht  sein  muss,  dass  sie  mindestens  die  ganze  Person 
gegen  die  direkte  Bestrahlung  der  Röhre  abdefckt.  Das  Blei  ist 
seiner  Giftigkeit  wegen  beiderseits  mit  Deckmaterial,  wie  Holz, 
farbigem  Lack  oder  dergleichen,  zu  bekleiden. 

3.  D.as  Blei  der  Schutzschicht  kann  ganz  oder  teilweise  durch 
Bleigummi  oder  Bleiglas  für  Röntgenzwecke  ersetzt  werden,  jedoch 
muss  in  diesem  Falle  die  Dicke  dieser  Materialien,  entsprechend  ihrer 
geringeren  Schutzwirkung,  erheblich  grösser  genommen  werden  als 
beim  reinen  Blei,  bei  gutem  Bleigummi  nämlich  etwa  viermal  und 
bei  gutem  Bleiglas  etwa  fünf-  bis  zehnmal  so  dick,  d.  h.  also 
bezw.  8  und  10 — 20  mm.  Eine  Bekleidung  ist  bei  diesen  Stoffen 
nicht  nötig. 

4.  Auch  bei  Anwendung  einer  solchen  Schutzschicht  ist  es  emp- 
fehlenswert  —  zumal  wenn  es  sich  um  länger  dauernde  Bestrah- 
lungen  handelt  —  sich  soweit  als  möglich  von  der  im  Betriebe  befind¬ 
lichen  Röhre  zu  entfernen. 

5.  Der  beste  Schutz  wäre  zwar  ein  solcher,  bei  welchem  eine 
der  genannten  Schutzschichten  entweder  die  ganze  Röhre  als  Schutz¬ 
kasten  oder  den  ganzen  Untersucher  als  Schutzhütte  umgibt;  im 
Interesse  der  Beweglichkeit  der  Röhre  erscheint  es  jedoch  zweck¬ 
mässig,  den  Schutz  in  der  Weise  zu  bewirken,  dass  man  die  Röhre 
nur  mit  einer  Kappe  oder  einem  Kasten  von  etwa  ein  Viertel  der 
oben  angegebenen  Schutzwirkung  umgibt,  dann  aber  ausserdem  noch 
eine  Schutzwand  vorsieht,  hinter  welcher  sich  der  Untersucher 
während  des  grössten  Teiles  der  Arbeitszeit  der  Röhre  aufzu¬ 
halten  hat. 

6.  Auch  der  Durchleuchtungsschirm  und  die  übrigen,  im  direkten 
Strahlenkegel  der  Röhre  zu  benutzenden  Apparate,  wie  Härteskalen, 
Fokometer  und  dergl.  müssen  in  ihren  durchlässigen  Teilen  mit  einer 
Bleiglasschicht  hinterlegt  sein,  jedoch  braucht  dieselbe  in  diesen 
Fällen,  da  es  sich  meistens  nur  um  eine  vorübergehende  Benutzung 
handelt,  im  Interesse  der  Handlichkeit  nur  etwa  halb  so  dick  zu 
sein  wie  bei  der  für  den  dauernden  Schutz  bestimmten  Schicht,  d.  h. 
also  bei  gutem  Bleiglas  etwa  5— 10  mm. 

7.  Jede  der  unter  1  genannten  Personen  soll  ihre  Schutzvor¬ 
richtungen  möglichst  selbst  prüfen,  was  am  einfachsten  vermittelst 
einer  Durchleuchtung  oder  röntgenographischen  Aufnahme,  unter  Be¬ 
nutzung  einer  harten  Röntgenröhre,  geschieht. 

8.  Von  den  unter  1  genannten  Personen  darf  niemand  wieder¬ 
holt  als  Versuchsobjekt  zur  Beurteilung  der  Güte  eines  Röntgen¬ 
apparates  oder  einer  Röntgenröhre  verwandt  werden. 

9.  Jeder  Assistent,  Praktikant,  Volontär,  jede  Krankenschwester 
und  jeder  vom  übrigen  Hilfspersonal  hat  das  Recht,  die  Weisung, 
Röntgenarbeiten  ohne  genügende  Schutzvorrichtungen  auszuführen, 
abzulehnen.  Eine  solche  Weigerung  darf  niemals  den  Grund  zur 
Entlassung  bilden.  Dasselbe  gilt  für  das  Personal  von  Fabriken 
und  Magazinen,  die  Röntgenapparate,  -hilfsapparate  und  -röhren  an¬ 
fertigen  oder  verkaufen. 

Berichtigung:  Im  I.  Teil  des  Berichts  in  voriger  Nummer 
ist  beim  dritten  Vortrag  zu  lesen;  Herr  Krause -Bonn  (nicht  Jena). 


IV.  Internationaler  Kongress  für  Physiotherapie. 

ii. 

Sektion  IV.  Diätetik. 

Sitzung  vom  Freitag  den  28.  März  1913,  nachmittags. 

Referent :  K.  Reicher  -  Bad  Mergentheim. 

Ad.  Schmidt-  Halle  a/S. :  Die  rationelle  Einrichtung  der  Diät¬ 
küche  in  Krankenhäusern  und  Sanatorien. 

Die  Zentralisierung  des  Küchenbetriebes  in  Krankenhäusern  und 
Kliniken  verträgt  sich  nicht  mit  dem  Prinzip  der  Diätdifferenzierung. 
Eine  Zentralküche  ist  nur  rentabel,  wenn  sie  mit  wenigen  schema¬ 
tischen  Kostformen  arbeiten  kann.  Die  Lösung  des  Problems  liegt  in 
der  zuerst  von  Sternberg  verlangten  Einrichtung  einer  von  der 
Hauptküche  völig  getrennten  und  mit  den  inneren  Abteilungen  ver¬ 
bundenen  Diätküche.  Für  ein  Krankenhaus  mit  1000  Betten  benötigt 
man  eine  Diätküche  für  80  Kranke  und  für  eine  innere  Klinik  mit 
150—200  Betten  eine  solche  für  45—60  Kranke.  Die  Leitung  und  Be¬ 
aufsichtigung  der  Küche  muss  in  den  Händen  eines  Assistenzarztes 
liegen.  Der  Stationsarzt  bestimmt,  welche  von  seinen  Kranken  auf 


No.  R 

die  Diätküche  übernommen  werden  müssen  und  welche  Kost  de 
Einzelne  erhalten  soll.  Die  von  der  Diätküche  aus  zu  verarbeitende 
Kostnormen  müssen  die  Möglichkeit  kleiner  Variationen  offen  lasse! 
Die  Diätküche  in  Halle  unterscheidet  1.  eine  laktovegetarische  Kost 
form,  a)  mit  Salz,  b)  salzarm  (durchschnittlicher  NaCl-Gehalt  3  v 
für  Nephritiker,  Gichtiker  und  zum  Zwecke  der  Fäzesuntersuchun 
auf  okkultes  Blut.  2.  eine  Eiweissfettkost,  a)  mit  kohlehydratarme 
Gemüsen  für  Diabetiker,  b)  ohne  Gemüse  und  Kartoffel,  aber  mi 
Zucker  oder  dextrinisierten  Kohlehydraten  für  Gärungen  im  Danr 
3.  eine  gemischte  Schonungsdiät  für  Magendarmkranke.  4.  ein. 
flüssig-breiige  Kost  für  Fiebernde.  Typhus,  Magengeschwür  im  An 
fang  u.  dgl.  Weiterhin  werden  als  Spezialformen  geliefer 
Schmidtsche  Probekost,  purin-  und  salzfreie  Probekost,  Gemüse 
tage  für  Diabetiker,  Haferkur,  Probemittagessen,  Probeabendessen  eU 

Der  Mehrverbrauch  durch  die  Diätküche  beläuft  sich  auf  4,3  p; 
pro  Tag  und  Kopf.  Die  Betriebsunkosten  werden  zum  guten  Teil  ii 
der  Hauptküche  wieder  erspart,  indem  die  Extraverordnunger  da 
selbst  wegfallen. 

Die  Forderung  der  individualisierenden  Kost  muss  auch  in  def 
Sanatorien  noch  strenger  durchgeführt  werden. 

Die  Einrichtung  einer  Diätküche  ist  für  alle  grösseren  Sanatoriei' 
mit  gemischtem  Krankenbestand  dringend  notwendig,  kleinere  diä 
tetische  Anstalten  mit  ausschliesslich  diätbedürftigen  Kranken  brau 
chen  überhaupt  nur  eine,  und  zwar  eine  Diätküche. 

H.  Strauss  und  P.  J  a  c  o  b  s  o  h  n  -  Berlin :  Die  Ausblldum 
des  Pflegepersonals  in  diätetischer  Kochkunst. 

Strauss  und  Jacob  sohn  haben  Fortbildungskurse  in  diäte 
tischer  Kochkunst  für  Krankenpflegerinnen  im  Lette-Verein  einrichte: 
lassen,  welche  6 — 8  Wochen  dauern  und  im  Mai  und  Juni  abgehaite, 
werden,  da  die  Krankenpflegerinnen  in  dieser  Zeit  besser  aus  ihre 
Berufstätigkeit  abkömmlich  sind.  Es  wechselt  in  jeder  Woche  ei 
zweistündiger  ärztlicher  Vortrag  mit  einer  zweimaligen  praktische: 
Unterweisung  in  der  Lehrküche  ab.  Auch  in  Amerika,  England  um 
Frankreich  hat  man  neuerdings  der  Ausbildung  des  Pflegepersonal 
in  diätetischer  Kochkunst  mehr  Aufmerksamkeit  gewidmet 

Leva-Tarasp:  Die  anhydropische  Chlorretention  vom  Stand 
punkte  der  Therapie. 

Vortr.  untersuchte  einerseits  eine  grosse  Menge  menschliche 
Organe  auf  ihren  Kochsalz-  und  Wassergehalt  und  machte  anderer 
seits  ausgedehnte  Experimente  an  Kaninchen.  Aus  beiden  Unter 
suchungsreihen  geht  hervor,  dass  eine  trockene  Chlorretention  —  eim 
Chlorretention  ohne  gleichzeitige  Wasserretention  —  in  der  Tat  be 
steht  und  dass  bei  derselben  in  den  Organen  das  Doppelte  —  ii 
der  Haut  speziell  das  Dreifache  —  der  normal  vorhandenen  Kochsalz 
mengen  aufgespeichert  werden  kann.  Für  die  Therapie  ergeben  siel 
daraus  besondere  Forderungen,  die  auf  der  chlorarmen  Diät  und  au 
Darreichung  von  Brom  als  Würzersatz  beruhen. 

Sitzung  vom  Samstag,  dem  29.  März  1913,  vormittags 
Referent:  K.  Reich  er -Bad  Mergentheim. 

Minkowski  -  Breslau :  Die  Diätbehandlung  der  Gicht. 

M.  bespricht  die  theoretischen  Grundlagen  für  die  Ernährungs 
therapie  des  Gichtikers.  Die  gichtischen  Ablagerungen  bestehen  au: 
Mononatriumurat.  Im  Blute  der  Gichtiker  ist  in  der  Regel  Harnsäur» 
nachweisbar.  Nach  Wiechowski  und  Frank  kann  man  auc! 
schon  im  normalen  Blute,  bei  purinfreier  Ernährung,  Harnsäur» 
nachweisen.  Wir  müssen  daher  eine  Vermehrung  der  Harn 
säure  im  Blute  bei  Gichtischen  annehmen,  die  wahrscheinlic! 
das  Zustandekommen  der  Uratablagerungen  begünstigt.  Docl 
sind  damit  noch  nicht  die  letzten  Rätsel  der  Gichtfrage  gelöst  um 
müssen  hinter  der  Harnsäure  noch  tiefgreifende  Aenderungen  de 
Stoffwechselprozesse  vorhanden  sein,  die  wir  noch  nicht  kennen 
Gudzent  vertritt  den  Standpunkt,  dass  bei  der  Gicht  die  leichte 
löslichen  Salze  der  Laktamform  in  die  schwerer  lösliche  der  Laktim 
form  in  grösserer  Menge  übergehen. 

Von  prinzipieller  Wichtigkeit  ist  der  Befund  von  Schade  um 
Boden,  dass  die  Harnsäure  in  einer  kolloidalen  Form  auftreten  kann 
in  der  weit  grössere  Harnkonzentrationen,  als  sie  jemals  im  Körpe: 
irgendwo  gefunden  werden,  in  Lösung  gehalten  werden  können,  bi: 
zu  1  g  und  darüber  in  100  ccm.  Dieses  Kolloid  vermag  durch  eint 
Art  lockerer  physikalischer  Bindung,  sog.  Adsorption  gewisse  Menget 
Alkalien  zu  binden.  Gerade  die  Gegenwart  von  Alkalien  spielt  eint 
grosse  Rolle  bei  der  Bildung  dieser  kolloidalen  Harnsäure,  während 
zahlreiche  andere  im  Blut  enthaltene  Substanzen  durch  eine  Art  voi 
Schutzwirkung  den  Uebergang  des  Harnsäurekolloids  in  ionisierban 
Lösungen  und  seine  Ausfällung  hintanzuhalten  vermögen.  Diese  Tat 
Sachen  können  für  die  Pathologie  der  Gicht  eine  ausserordentliche 
Bedeutung  erlangen  und  uns  die  Wirksamkeit  der  Alkalien  in  einen 
neuen  Lichte  erscheinen  lassen.  Die  im  Harn  erscheinende  Harn 
säuremenge  kann  nicht  ohne  weiteres  als  Ausdruck  für  die  Grösse  de: 
Purinumsatzes  angesehen  werden,  denn  von  den  exogenen  Urinei' 
erscheint  immer  durchschnittlich  nur  M  in  der  Form  von  Harnsäure 
im  Urin.  B  r  u  g  s  c  h  und  Schittenhelm  nehmen  an,  dass  vor 
der  gebildeten  Harnsäure  der  grösste  Teil  durch  Urikolyse  zersetz 
wird  und  eine  Verzögerung  derselben  sowie  eine  Minderleistung 
aller  beim  Nukleinumsatz  beteiligter  Fermente  die  wesentlichste  Stö¬ 
rung  bei  der  Gicht  bildet.  Nach  Minkowski  bedarf  es  zur  Spal 
tung  der  Nukleinsäuren,  welche  ihrer  Struktur  nach  zu  den  Phosnha 
tiden  gehören,  zahlreicher  Spaltungen  und  Oxydationen  und  könntet 


15.  April  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


auch  noch  innerhalb  des  Verbandes'  der  Nukleinsäure  Abweichungen 
der  Harnsäureabspaltung  vor  sich  gehen.  M.  denkt  speziell  an  eine 
\rt  von  Nukleinsäureverbindung  der  Harnsäure.  Die  Ursache  für 
die  Anhäufung  der  Harnsäure  bei  der  Gicht  sieht  M.  in  einer  Re¬ 
tention  von  Harnsäure  im  Organismus.  Will  man  die  Ursache  der 
gichtischen  Harnsäureretention  in  den  Nieren  suchen,  so  müsste  man 
da  eine  Störung  besonderer  Art  annehmen.  Dafür  haben  wir  aber 
noch  keine  zwingenden  Beweise.  Auf  Grund  aller  unserer  Kenntnisse 
müssen  wir  die  Purinzufuhr  in  der  Nahrung  jedenfalls  beschränken. 
Während  Thymusdrüse,  Niere  und  Leber  ausserordentlich  reich  an 
Harnsäurevorstufen  sind,  sind  Milch,  Eier,  Kaviar,  Kartoffeln,  Brot, 
Gries-,  Reis  und  die  meisten  Obstsorten  als  purinarm  zu  bezeichnen, 
dagegen  enthalten  die  Hülsenfrüchte  und  das  Bier  nicht  unbeträcht¬ 
liche  Purinmengen  (1  Liter  Bayrisch  Bier  enthält  ungefähr  ebensoviele 
Purinkörper  wie  das  Fleisch).  Dagegen  gehen  die  in  Kaffee,  Thee  und 
Kakao  enthaltenen  Methylpurine  nicht  in  Harnsäure  über. 

G  a  r  r  o  d  -  London :  Die  Diät  des  Gichtikers  ist  nicht  bloss  nach 
Kalorien  und  Stickstoffmengen  zu  regulieren.  G.  zieht  in  praxi  eine 
purinarme  Kost  einer  purinfreien  vor,  da  letztere  nicht  lange  ohne 
Schaden  durchgeführt  werden  kann.  Ueberhaupt  bezweifelt  G„  ob 
die  praktischen  Erfolge  einer  diätetischen  Gichtbehandlung  wirklich 
so  gross  sind,  wie  wirklich  angenommen  wird. 

Le  G  e  n d  r  e  -  Paris:  G.  gibt  detaillierte  Vorschriften  über  die 
Behandlung  des  akuten  Gichtanfalles  und  der  anfallsfreien  Zeiten. 
Er  unterscheidet  dabei  speziell  einen  gastrohepatischen,  einen  pan- 
kreatiko-intestinalen,  einen  angionephritischen  und  einen  nervösen 
Typus. 

C  h  a  b  r  o  1  -  Vichy :  Die  Gichtbehandlung  in  Vichy. 

Ch.  widerrät  den  Gichtikern  Mineralbäder  und  Duschen  zu  ver¬ 
abreichen  und  führt  nur  eine  Trinkkur  durch,  die  gute  Resultate  gibt 

Sitzung  vom  Samstag,  den  29.  März  1913,  nachmittags. 

Referent :  K.  Reicher  -  Bad  Mergentheim. 

H.  S  c  h  a  u  m  a  n  n  -  Hamburg:  Einige  bisher  in  der  Physiologie 
und  Pathologie  der  Ernährung  noch  nicht  berücksichtigte  Faktoren. 

Reis  war  von  jeher  in  eine  unklare  Beziehung  zur  Aetiologie  der 
Beriberi  gebracht  worden.  Eyckmann  konnte  bei  Hühnern  durch 
langdauernde  Verfiitterung  von  geschliffenem,  d.  h.  seiner  sämtlichen 
Fruchthäute  beraubten  Reis  eine  Polyneuritis  hervorrufen,  welche 
vielfache  Aehnlichkeit  mit  der  menschlichen  Beriberi  aufwies.  Nicht¬ 
geschliffener  Reis  wirkt  nur  pathogen,  wenn  er  längere  Zeit  in 
Autoklaven  auf  110 — 120°  erhitzt  wird.  Auch  Fleisch  lässt  sich  durch 
Erhitzen  mit  Sodalösung  im  Autoklaven  in  eine  für  Hunde  pathogene 
Nahrung  verwandeln.  Auch  bei  anderen  Tierarten  gelingt  es  in  wech¬ 
selndem  Grade.  Reiskleie,  Erbsen  und  Bohnen  von  Phaseolus 
radiatus,  ebenso  Hefe  und  entfetteter  getrockneter  Stierhoden  wirken 
als  Zugaben  zu  einer  an  sich  pathogenen  Nahrung  in  relativ  kleinen 
Dosen  vorbeugend  und  heilend.  Bierhefe  genügt  schon  in  einmaliger 
geringer  Gabe,  um  schwer  gelähmte,  moribunde  Tiere  in  12 — 24  Stun¬ 
den  anscheinend  völlig  wiederherzustellen.  Funk  gelang  es  aus 
dem  alkoholischen  Auszug  der  Reiskleie  eine  kristallisierte  Stickstoff- 
base  zu  isolieren,  welche  schon  in  wenigen  Zentigrammen  die  durch 
einseitige  Ernährung  mit  poliertem  Reis  hervorgebrachten  Lähmungen 
zum  Schwinden  brachte.  Die  Nahrungsmittel,  welche  bei  Menschen 
Beriberi  und  bei  Tieren  Polyneuritis  hervorrufen.  veranlassen  gleich¬ 
zeitig  eine  tiefgehende  Störung  des  Phosphorstoffwechsels  und  insbe¬ 
sondere  eine  Abnahme  des  Phosphors  im  Gehirn  und  sonstigen  Ner¬ 
vengewebe  und  eine  verminderte  Ausscheidung  von  Phosphor  mit 
Kot  und  Harn.  Auf  den  Philppinen  sind  alle  Reisarten  mit  weniger 
als  0,4  Proz.  Phosphorpentoxyd  vom  Konsum  ausgeschlossen,  da  sonst 
bei  ihrer  Verwendung  als  Hauptnahrung  erfahrungsgemäss  Beriberi 
eintritt.  Die  in  den  Schutzstoffen  in  relativ  geringen  Mengen  ent¬ 
haltenen  und  wenig  stabilen  Stoffe  sind  in  den  meisten  Nahrungs¬ 
mitteln  vorhanden,  können  aber  durch  langes  Lagern  oder  anhaltendes 
Erhitzen,  wie  z.  B.  von  Milch  im  Soxhletapparat  oder  durch  längeres 
Erwärmen  auf  120°,  wie  dies  bei  den  Konserven  geschieht,  sowie 
auch  durch  Schimmel  zerstört  werden.  Durch  dieselbe  Ernährung 
kann  man  bei  einem  pflanzenfressenden  Säugetier  Skorbut,  bei  einem 
Omnivoren  Säugetier  eine  Mischform  von  Skorbut  und  Neuritis  und 
bei  Ziegen,  Affen,  Hühnern  und  Tauben  eine  beriberiähnliche  Krank¬ 
heit  hervorrufen.  Für  eine  dauernde  Erhaltung  des  tierischen  Or¬ 
ganismus  sind  ferner  nur  jene  Nahrungsmittel  geeignet,  deren  Eiweiss 
neben  aliphatischen  auch  eine  zureichende  Menge  zyklischer  Amino¬ 
säuren,  insbesondere  genügend  Tryptophan  und  Thyrosin  enthält. 

S  a  1  o  m  o  n  -  Wien :  Die  diätetische  Behandlung  der  Gallenstein¬ 
erkrankung. 

Die  diätetischen  Kautelen  bei  der  Cholelithiasis  im  Latenzstadium 
fallen  mit  denen  der  Hyperazidität  zusammen,  also  Vermeidung  aller 
minderwertigen  Nahrungsfette,  stark  pikanter  Gewürze,  grober  Kohl¬ 
arten,  ungekochter  Gemüsesorten,  besonders  fetter  Speisen,  Mayon¬ 
naisen,  Kaffee,  Alkoholika  etc.  Auch  vor  kalten  Getränken  ist  zu 
warnen.  Der  chronische  Gebrauch  der  Abführmittel  ist  dringend  zu 
widerraten,  dagegen  werden  ausgezeichnet  salinische  Abführmittel, 
Hunyadiwasser,  Karlsbader  Salz  etc.  vertragen.  Offenbar  besitzen 
wir  in  einer  gut  geregelten  Darmperistaltik  das  beste  Anregungs¬ 
mittel  für  den  Gallenstrom.  Zu  diesem  Zwecke  müssen  wir  bei  der 
gemischten  Kost  immer  genügend  grobvegetabilisches  Material,  so 
Grahambrot,  Gemüse  und  rohes  Obst  dem  Patienten  bieten.  Hart¬ 
näckige  Schmerzen  und  Fieberattacken  schwinden  oft  dauernd  nach 
der  Behandlung  der  Obstipation.  Der  oft  gerühmte  Erfolg  der 


835 


Traubenkuren  dürfte  ähnlich  Zustandekommen.  Die  Eiweisszufuhr 
ist  mit  Rücksicht  auf  das  Ansteigen  des  Cholesteringehaltes  der  Galle 
nach  reichlicher  Eiweissnahrung  vielleicht  etwas  einzuschränken. 

C.  Wegele-Bad  Königsborn  in  Westfalen:  Ueber  die  diäte¬ 
tische  Behandlung  gewisser  Formen  chronischer  Diarrhöe,  insbe¬ 
sondere  von  Indian  Sprue. 

Die  Krankheit,  auch  Aphthae  tropicae  genannt,  manifestiert  sich 
in  chronischen  Durchfällen,  wobei  es  zu  dünnbreiigen  oder  flüssigen 
gelbgrauen,  schaumigen,  penetrant  riechenden  Entleerungen  von 
saurer  Reaktion  kommt.  Mikroskopisch  finden  sich  massenhaft  Fett- 
und  Seifennadeln  sowie  Fetttropfen.  Damit  geht  eine  Bildung  von 
roten  Streifen  auf  Zunge  und  Mundschleimhaut  von  grosser  Empfind¬ 
lichkeit  und  grosser  Flüchtigkeit  einher.  Ausserdem  besteht  Sub¬ 
oder  Anazidität  des  Mageninhaltes  und  ein  fortschreitendes  Absinken 
des  Hämoglobingehaltes  der  Erythrozyten.  Der  Verlaui  ist  ein  ab¬ 
solut  chronischer,  über  Jahre  sich  erstreckender.  W.  hat  in  den 
letzten  Jahren  zwei  derartige  Fälle  beobachtet.  Verwendung  von 
rohen  Früchten  erwies  sich  besser  als  reine  Milchdiät,  speziell  frische 
Erdbeeren  und  Ananas  sind  zu  empfehlen.  Almählich  geht  man  zu 
leichten  Gemüsen  in  Püreeform  über.  Mit  dieser  Behandlung  konnte 
W.  bei  beiden  Patienten  sehr  gute  Erfolge  erzielen. 

Thoden  van  V  e  1  z  e  n  -  Joachimsthal  bei  Berlin:  Diätetische 
und  sonstige  Behandlung  des  Scharlach. 

Enthält  keine  neuen  Gesichtspunkte. 

B  a  m  b  e  r  g  e  r  -  Charlottenburg:  Probleme  der  Diätbehandlung 
des  Magengeschwürs. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XV.  Sitzung  vom  25.  Januar  1913. 

Herr  Friedrich  Haenel:  Ueber  Ulcus  duodeni. 

Bericht  über  26  innerhalb  von  8  Jahren  operierte  Fälle  von  Ulcus 
duodeni  (18  Männer  im  Durchschnittsalter  von  41  Jahren  und  8  Frauen 
im  Durchschnittsalter  von  38  Jahren). 

Die  Krankheit  ist  bei  uns  zweifellos  viel  seltener  als  in  England 
und  Amerika,  wenn  auch  bei  schärferer  Beachtung  der  charakteristi¬ 
schen  Symptome  und  bei  genauerer  Unterscheidung  zwischen  Ulcus 
pylori  und  duodeni  unsere  Zahlen  steigen  werden. 

Die  Aetiologie  des  Duodenalgeschwürs  ist  wie  die  des  Magen¬ 
geschwürs  noch  Gegenstand  der  Forschung.  Neuere  Beobachtungen 
und  Arbeiten,  auf  die  Redner  eingeht,  lassen  es  als  wahrscheinlich 
gelten,  dass  das  Leiden  als  sog.  zweite  Krankheit  aufzufassen  ist. 

Besprechung  der  Symptome  und  Diagnose. 

Der  chirurgische  Eingriff  ist  indiziert  bei  Versagen  der  internen 
Behandlung  im  Frühstadium,  ferner  bei  Rezidiven,  dann  bei  Blutungen, 
Stenosen,  Pylorospasmus  und  Perforation. 

In  den  H.schen  Fällen  wurde  2  mal  die  Exzision  des  Geschwürs, 
einmal  in  Verbindung  mit  Gastroenterostomie  ausgeführt,  ferner 
19  mal  die  Gastroenterostomie  (stets  Gastroenterostomia  retrocolica 
posterior),  darunter  5  mal  mit  Pylorusverschluss.  In  5  Perforations¬ 
fällen  wurde  nur  1  mal  mit  der  Naht  der  Perforation  die  Gastroentero¬ 
stomie  verbunden. 

Abgesehen  von  2  Perforationsfällen,  die  am  3.  bezw.  5.  Tag  nach 
der  Operation  starben,  sind  alle  Patienten  geheilt.  Von  15  Patienten 
liegen  Nachrichten  vor:  9  befinden  sich  wohl,  4  haben  leichte  Be¬ 
schwerden,  1  Fall  ist  nach  4  jährigem  Wohlbefinden  an  Influenzapneu¬ 
monie  gestorben,  1  Perforationsfall  nach  3  jährigem  guten  Zustand 
an  akutem  Ileus  gestorben. 

Diskussion:  Herr  Ke  Hing:  Man  mus  zugeben,  dass  es 
in  manchen  Fällen  leicht  und  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  gelingt, 
die  Diagnose  auf  Ulcus  duodeni  zu  stellen,  wenn  z.  B.  starke  Hyper- 
chlorhydrie  mit  Hungerschmerz  besteht,  Blutungen  durch  den  Darm 
nachweisbar  sind,  und  es  sich  um  junge  Patienten  handelt,  Mädchen 
unter  12,  Männer  unter  oder  im  Anfang  der  20  er  Jahre,  wo  Magen- 
ulcera  viel  seltener  sind,  ln  vielen  Fällen  ist  es  aber 
nicht  möglich,  das  Ulcus  des  Pylorus  vom  Ulcus  des 
Duodenum  an  den  Symptomen  zu  unterscheiden. 
Weder  der  Hungerschmerz,  noch  der  Druckpunkt  rechts  vom  Nabel, 
noch  die  Aziditätsverhältnisse  des  Magens,  und  auch  nicht  die  Rönt¬ 
genuntersuchung  vermögen  dann  Aufschluss  za  geben.  Man  kann  nur 
mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  diagnostizieren,  die  um  so 
grösser  wird,  je  jünger  der  betreffende  Patient  ist.  Am  ehesten  ge¬ 
lingt  es  noch,  ein  Duodenalulcus  von  einem  Pylorusulcus  zu  unter¬ 
scheiden,  wenn  Ausstrahlungen  der  Schmerzen  bestehen,  die  nach 
dem  MacBurney sehen  Punkte  hin  erfolgen.  Ausstrahlungen  nach 
dem  rechten  Oberschenkel,  welche  Ewald  angibt,  habe  ich  bei 
meinen  Fällen  nicht  beobachtet,  sondern  nur  diejenigen  nach  der 
Blinddarmgegend,  und  zwar  bei  Fällen,  wo  von  Appendizitis  keine 
Spur  war,  wie  die  Autopsie  ergab.  Solche  Ausstrahlungen  kommen 
nach  meinen  Erfahrungen  bei  Magengeschwür  nicht  so  charakte¬ 
ristisch  vor;  hingegen  sind  sie  beim  Gallensteinleiden  zu  finden.  In 
manchen  Fällen  kann  man  auch  nicht  die  Beschwerden  des  Duodenal¬ 
ulcus  von  den  Beschwerden,  wie  sie  bei  Gallensteinleiden  Vorkommen, 
trennen.  Das  ist  namentlich  dann  der  Fall,  wenn  kein  Ikterus  und 
keine  Blutungen  bestehen,  keine  geschwollene  Gallenblase  palpabel 
ist,  und  die  Beschwerden  im  Anschluss  an  die  Magenverdauung  auf- 
treten.  Die  Schwierigkeit  einer  Diagnose  in  solchen  Fällen  muss  ich 
Kehr,  H  ä  n  e  1  u.  a.  zugeben.  Dass  wir  die  Differentialdiagnose  in 


836 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  15. 


solchen  Fällen  nicht  stellen  können,  das  lässt  sich  aus  physiologischen 
Gründen  verständlich  machen.  Die  Beschwerden  bei  Duodenalulcus 
rühren  hauptsächlich  vom  Spasmus  her,  welcher  am  Pylorus  einsetzt, 
wenn  Salzsäure  von  bestimmtem  Gehalt  über  das  Ulcus  hinwegfliesst. 
Salzsäure  reizt  aber  auch,  wenn  sie  ins  Duodenum  eintritt.  die  Gallen¬ 
blase  zur  Kontraktion,  und  wenn  dieselbe  entzündet  oder  verwachsen 
ist,  so  können  unter  solchen  Umständen  krampfartige  Schmerzen  ent¬ 
stehen.  Dazu  kommt  noch,  dass  die  Verdünnung  des  Mageninhaltes 
durch  Trinken  und  erneute  Nahrungsaufnahme  ebenfalls  den  Salz¬ 
säuregehalt  herabsetzt,  und  in  gleicher  Weise  wie  auf  die  Gallenblase 
auch  auf  den  Pylorusreflex  beim  Duodenalgeschwür  wirken  kann. 
Auch  das  nächtliche  Auftreten  der  Schmerzen  kann  beiden  Prozessen 
gemeinsam  sein,  da  nachts  eine  lebhafte  Zirkulation  von  Galle  in  der 
Gallenblase  stattfindet,  wie  wir  aus  unseren  chirurgischen  Er¬ 
fahrungen  über  den  Ausfluss  von  Galle  aus  drainierten  Gallenblasen 
wissen.  Man  sieht,  dass  die  Differentialdiagnose  unter  Umständen 
darauf  hinauskommt,  dass  der  Patient  am  Schmerz  unterscheidet,  ob 
der  Pylorus  oder  die  Gallenblase  sich  kontrahiert,  was  aber  nicht  ge¬ 
lingt. 

Was  nun  meine  Erfahrungen  anbetrifft  über  die  Häufigkeit 
des  Vorkommens  von  Duodenalgeschwüren  im 
Verhältnis  zu  Magengeschwüren,  so  habe  ich  eine  Sta¬ 
tistik  aufgestellt  über  108  fortlaufende  Fälle,  die  wegen  Magen¬ 
geschwür  in  den  letzten  Jahren  von  mir  operiert  worden  sind.  Von 
diesen  hatten  15  Duodenalgeschwüre.  In  allen  Fällen  ist  das  Duo¬ 
denum  revidiert  worden,  und  es  wurden  nur  diejenigen  Fälle  als 
Duodenalgeschwür  gerechnet,  die  sich  auf  die  Duodenalwancf  be¬ 
schränkten,  nicht  aber  Pylorusgeschwüre,  die  auf  das  Duodenum  Über¬ 
griffen.  Die  Statistik  wird  ganz  anders,  wenn  man  Männer  und 
Frauen  getrennt  rechnet.  Auf  67  Männer  kamen  12  Duodenal¬ 
geschwüre  und  55  Magengeschwüre  —  also  1 : 4,6  —  auf  41  Frauen 
3  Duodenalgeschwüre  und  38  Magengeschwüre,  also  1 : 12.  Inter¬ 
essant  ist  auch  das  Alter  der  Patienten  mit  Duodenalgeschwüren. 
Die  Frauen  waren  alt:  7L>  Jahre,  42  Jahre  und  51  Jahre;  die  Männer 
hingegen  18  Jahre,  23  Jahre,  25  Jahre,  25  Jahre,  27  und  30  Jahre  — 
also  die  Hälfte  unter  30  Jahren.  Die  übrigen  waren  50 — 56  Jahre, 
und  einer  67  Jahre  alt.  Man  findet  also  das  Duodenalgeschwür  über¬ 
wiegend  bei  Männern,  besonders  im  jugendlichen  Alter. 

Die  Operationsmethode,  welche  ich  wählte,  bestand  in 
allen  Fällen  in  Gastroenterostomie  mit  Enteroanastomose,  Ueber- 
nähung  des  Geschwüres,  dann  Verschluss  des  Pylorus.  Letzteren 
2 mal  durch  Ausschaltung  des  Pylorus  nach  Eiseisberg,  sonst  mit 
Raffnähten,  wie  ich  sie  angegeben  habe,  und  mehrmals  durch  Ab¬ 
schnürung  des  Pylorus  durch  einen  locker  eingelegten  und  übernähten 
Faden.  Die  Enteroanastomose  scheint  mir  nützlich  zu  sein,  da  sie 
die  Ansammlung  von  salzsäurehaltigem  Magensaft  im  Duodenum  ver¬ 
meidet.  Gestorben  ist  an  der  Operation  keiner  von  den  Patienten: 
was  den  weiteren  Verlauf  anbetrifft,  so  habe  ich  in  2  Fällen  Nach¬ 
blutungen  gefunden,  bei  denen  es  dahingestellt  bleibt,  ob  sie  aus 
dem  Duodenum  stammten,  ferner  bei  2  Fällen  Rezidive  von  Magen¬ 
geschwür,  und  zwar  von  Geschwüren,  die  nachweislich  im  Magen 
sassen.  Bei  einem  dieser  Fälle  musste  eine  Nachoperation  ausgeführt 
werden,  weil  es  sich  um  ein  peptisches  Geschwür  an  der  Gastro- 
enteroanastomose  handelte.  Die  Fälle  sind  alle  beschwerdefrei  ge¬ 
worden,  mit  Ausnahme  von  einem.  Interessant  ist  auch,  dass  sich 
bei  2  Fällen  während  der  Operation  deutliche  Magengeschwürsnarben 
feststellen  Hessen.  Das  Resultat  war  in  bezug  auf  das 
Aufhören  der  Beschwerden  in  14  Fällen  sehr  gut. 
Einen  Unterschied  für  den  Erfolg  in  bezug  auf  die  Verschiedenartigkeit 
des  Pylorusverschlusses  habe  ich  nicht  feststellen  können. 

Es  entschliesen  sich  auch  nicht  alle  Leute  zur  Operation;  manche 
wünschen  intern  behandelt  zu  werden,  und  ich  habe  auch  von  der 
internen  Behandlung  keine  schlechten  Erfolge  ge¬ 
sehen.  Neben  einer  weichen  und  reizlosen  Diät  bevorzuge  ich 
hauptsächlich  ejne  Oelkur  (früh  nüchtern  zu  nehmen),  und  ausserdem 
Vichysalz,  das  ich  wochenlang  regelmässig  vor  den  Mahlzeiten 
nehmen  lasse.  Das  Einnehmen  vor  dem  Essen  ist  wichtig,  weil  da¬ 
durch  der  Salzsäuregehalt  im  Magen  vom  Duodenum  aus  reflektorisch 
herabgesetzt  wird,  wie  Bickel  nachgewiesen  hat.  Immerhin  er¬ 
innere  ich  mich  an  2  Fälle,  die  später  an  Perforation  nach  Aussetzung 
der  Kur  zugrunde  gegangen  sind. 

Ich  möchte  mir  noch  gestatten,  meine  Ansicht  über  einige  Kontro¬ 
versen  auszusprechen,  welche  zurzeit  die  Literatur  beschäftigen.  Was 
z.  B.  die  Häufigkeit  des  Ulcus  duodenr  in  den  ver¬ 
schiedenen  Ländern  anbetrifft,  so  findet  man  bei  ameri¬ 
kanischen  Autoren  grosse  Zahlen  für  Duodenalgeschwüre,  die  sich  mit 
unseren  deutschen  Verhältnissen  nicht  decken.  Da  muss  man  nun  in 
erster  Linie  berücksichtigen,  dass  die  Häufigkeit,  mit  der  man  Duo¬ 
denalulcus  bei  Operationen  findet,  meist  von  den  Indikationen  ab¬ 
hängt,  die  man  für  Operation  von  Magengeschwür  stellt..  Wenn 
man  nur  die  Geschwüre  operiert,  die  im  Pylorusteil  sitzen,  wie  das 
von  manchen  amerikanischen  Aerzten  empfohlen  wird,  welche  sagen, 
dass  bei  Geschwüren  im  Fundusteil  die  Operation  —  die  Gastroentero¬ 
stomie  — -  nichts  nütze  (ein  Standpunkt,  den  ich  übrigens  nicht  teile), 
so  findet  man  natürlich  viel  mehr  Duodenalgeschwüre  im  Vergleich  zu 
Magengeschwüren,  weil  dann  die  Fälle  von  Ulcus  an  der  kleinen 
Kurvatur  etc.  wegfallen.  Ich  habe  zum  Zweck  der  Diskussion  eine 
Zusammenstellung  von  meinen  30  letzten  Fällen  gemacht.  Ich  habe 
nur  Männer  gezählt,  um  gleichartiges  Material  zu  haben,  und  nur 
solche,  wo  das  Geschwür  am  Pylorusteil  resp.  in  der  Nähe  desselben 


sass.  Da  kamen  22  Fälle  von  Magengeschwür  auf  8  Fälle  von  Duo¬ 
denalgeschwür;  das  Verhältnis  ist  also  schon  1,1:3.  Wenn  man  nun 
viele  junge  Leute  operiert,  wie  in  Amerika  —  wo  die  Leute  sich  leich¬ 
ter  zur  Operation  entschliessen  als  bei  uns  —  so  wird  das  Verhältnis 
noch  günstiger  für  das  Duodenalgeschwür.  Und  dann  kommt  noch 
ein  Umstand  hinzu,  der  die  Statistik  zugunsten  des  Duodenal¬ 
geschwüres  beeinflussen  kann,  und  das  ist  folgender:  Oft  findet  man 
bei  Operationen  eine  starke  Kontraktion  des  Antrum  pylori,  und  wer 
nicht  genügend  physiologisch  gebildet  ist,  um  das  zu  wissen,  hält 
dann  diesen  Teil  für  den  Pylorus  selbst  und  rechnet  das  Pylorus- 
geschwür  zu  den  Duodenalgeschwüren.  Ob  und  in  welchem  Ümtang 
das  der  Fall  ist,  entzieht  sich  der  Kontrolle;  aber  dass  dieser  Um¬ 
stand  mitsprechen  kann,  das  halte  ich  für  wahrscheinlich.  Nun  kommt 
aber  noch  ein  weiterer  Faktor  dazu,  der  die  Duodenalgeschwüre  im 
Verhältnis  zu  den  Magengeschwüren  statistisch  in  den  Vordergrund 
schiebt,  und  das  ist  der,  dass  Duodenalgeschwüre  nicht  so  leicht 
karzinomatös  werden  als  Magengeschwüre.  Infolgedessen  scheiden 
alle  Magengeschwüre,  die  karzinomatös  werden,  in  der  Statistik  aus. 
beim  Vergleich  vom  Magengeschwür  zum  Duodenalgeschwür.  Es  ist 
schwer,  einen  Grund  anzugeben,  warum  es  der  Fall  ist,  dass  Duo¬ 
denalgeschwüre  seltener  karzinomatös  werden;  ich  glaube  aber,  der 
Grund  liegt  in  dem  Einfluss,  den  der  aktive  Pankreassaft  aui  die 
Duodenalgeschwüre  ausübt.  Er  macht  nämlich  die  Granulations- 
tläche  hyperämisch,  was  der  Entstehung  des  Karzinoms  nicht  günstig 
ist.  Dass  bei  Frauen  viel  weniger  Duodenalgeschwüre  Vorkommen 
im  Vergleich  zum  Magengeschwür,  liegt  wohl  daran,  dass  bei  Frauen 
eine  Ursache  zur  Entstehung  von  Magengeschwüren  vorkommt,  die 
bei  Männern  wegfällt,  für  Frauen  aber  sehr  häufig  ist  nach  meinen 
Beobachtungen.  Die  Geschwüre  entstehen  wahrscheinlich  hier  durch 
Gefässkrämpfe  nervöser  Art,  die  durch  Stoffwechselstörungen  verur¬ 
sacht  werden,  die  mit  der  Periode  und  dem  Klimakterium  im  Zu¬ 
sammenhang  stehen,  wobei  dahingestellt  bleiben  kann,  ob  du: 
Krämpfe  mehr  die  Gefässe  oder  nach  R  ö  s  s  1  e  die  Muscularis  mucosae 
betreffen.  So  entstandene  Geschwüre  sind  sehr  häufig,  und  infolge¬ 
dessen  verschieben  sie  die  Verhältnisse  zu  Ungunsten  des  Duodenal¬ 
geschwüres. 

Im  übrigen  glaube  ich  aber  nicht,  dass  die  ge¬ 
wöhnlichen  Duodenalgeschwüre  andere  Ursachen 
haben  als  die  Magengeschwüre,  und  ich  meine,  dass  i n 
der  Hauptsache  embolische  Prozesse  infektiöser 
Art  in  Frage  kommen,  die  von  irgendwelchen  In¬ 
fektionsherden  im  Körper  ausgehen  —  z,  B.  von  einer 
Appendizitis  —  und  welche  dannsekundär  entzündliche 
Prozesse  in  den  Lungen  machen  können;  von  hier 
aus  erfolgen  dann  weitere  neue  Embolien  in  den 
arteriellen  Kreislauf.  Alle  diese  Prozesse  können  natürlich 
ganz  latent  verlaufen,  und  das  erste  klinische  Symptom  kann  dieses 
sein,  dass  aus  dem  Infarkt  im  Duodenum  eine  Blutung  erfolgt.  Ge¬ 
langt  die  Embolie  in  den  Magenteil  der  Arteria  gastro-duodenalis,  so 
können,  wenn  Disposition  vorhanden  ist,  Pylorusgeschwüre  entstehen; 
geschieht  dies  in  den  Duodenalverzweigungen,  so  gibt  es  Duodenal¬ 
geschwüre.  Die  letzteren  entstehen  offenbar  leichter,  weil  die  Wan¬ 
dung  dünner  ist,  und  auch  die  Gefässversorgung  nicht  so  gut  is:. 
wie  beim  Magen,  wo  ausgebreitete  Anastomosen  bestehen.  Dass  nun 
gerade  in  jüngeren  Jahren,  von  den  zwanziger  Jahren  abwärts,  und 
bei  Leuten,  die  sonst  zu  Magengeschwüren  keine  Disposition  haben, 
Duodenalgeschwüre  so  häufig  sind,  das  erkläre  ich  mir  daraus,  dass 
solche  Embolien  wegen  der  sonstigen  guten  Konstitution  nicht  zu 
Magengeschwüren  führen.  Der  Prozess  kann  eben  nur  dort  auftreten, 
wo  die  anatomischen  Voraussetzungen  gegeben  sind. 

Es  ist  meine  Ansicht,  dass  die  Sonderstellung,  welche  die  Duo¬ 
denalgeschwüre  einnehmen  im  Vergleich  zu  den  Magengeschwüren, 
in  anatomischen  Einrichtungen,  aber  nicht  so  sehr  in  ätiologischen 
Momenten  ihren  Grund  hat. 

Das  Bestreben  der  Chirurgen,  die  Aufmerksamkeit  der  Aerzte 
auf  das  Duodenalgeschwür  zu  lenken,  ist  sicher  ein  Verdienst,  denn 
es  hält  dazu  an,  bei  den  Prozessen  in  der  rechten  Oberbauchgegend 
immer  daran  zu  denken,  dass  ein  beträchtlicher  Prozentsatz  von 
Duodenalgeschwüren  dabei  in  Frage  kommt,  die  bei  interner  Behand¬ 
lung  eine  schlechtere  Prognose  geben,  als  wenn  man  sie  durch  einen 
ungefährlichen  chirurgischen  Eingriff  zur  Ausheilung  bringt. 

Herr  W.  W  e  b  e  r :  Die  Vermutung,  dass  die  ungewöhnlich  grosse 
Zahl  der  Ulcera  in  Magen  und  Duodenum,  die  aus  England  und 
Amerika  berichtet  werden,  ihre  Ursachen  in  Eigentümlichkeiten  der 
in  beiden  Ländern  so  verwandten  Lebensweise  haben  könnte,  hat 
viel  für  sich,  aber  sie  erklärt  noch  nicht  die  auffällige  Verschiebung 
der  Zahlen  des  Ulcus  im  Magen  und  des  im  Duodenum  im  Verhältnis 
zueinander,  wie  sie  sich  z.  B.  im  Jahresbericht  von  1911  bei  den 
Gebrüdern  M  a  y  o  ausdrückt  (3  Duodenalgeschwüre  auf  1  Magen¬ 
geschwür!).  Vielleicht  hat  man  anderswo  noch  nicht  genügend  ge¬ 
lernt,  die  beiden  Arten  genau  auseinanderzuhalten.  Wenn  dem  so  ist, 
so  müssten  bereits  die  nächsten  Jahre  auch  bei  uns  eine  Bestätigung 
jener  amerikanisch-englischen  Zahlen  bringen. 

Die  Frage,  ob  man  bei  jedem  Duodenalgeschwür  bei  offenem  Py¬ 
lorus  zur  Gastroenterostomie  ohne  weiteres  die  Verengerung  oder 
Ausschaltung  des  Pylorus  hinzufügen  soll  —  eine  Frage,  die  heute 
von  Manchen  bejaht  wird,  hält  W.  nach  seinen  Erfahrungen  und 
denen  anderer  noch  keineswegs  für  entschieden. 

Herr  K  e  1 1  i  n  g  beantwortet  die  Frage  des  Herrn  Weber,  wie 
es  komme,  dass  bei  gewissen  amerikanischen  Autoren,  wie  z.  B.  den 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


5.  April  1913. 


Mayos,  das  Duodenalgeschwür  so  auffällig  im  Vergleich  zum 
Magengeschwür  überwiege,  dahin,  dass  äussere  Momente  hier  sehr 
nitsprechen.  Es  werden  solchen  Operateuren  von  Aerzten  und  auch 
on  Patienten  derartige  Kranke  zahlreich  zugewiesen,  weil  die  Be- 
chwerden  sehr  auffällig  und  die  operativen  Erfolge  sehr  günstig 
ind. 

Herr  Arnsperger:  Vom  Standpunkt  der  internen  Medizin 
.cinnen  wir  dem  Herrn  Vortragenden  bezüglich  der  Indikation  zur 
Iperation  völlig  zustimmen:  Bei  Erfolglosigkeit  der  inneren  Behand- 
ung  muss  die  Operation  empfohlen  werden  —  selbstverständlich  ab- 
:esehen  von  Komplikationen,  wie  Perforation,  die  sofortiges  Ein¬ 
reden  verlangen. 

In  der  Diagnostik  spielt  die  Röntgenuntersuchung  eine  immer 
vachsende  Rolle.  So  kann  bisweilen  ein  festgestellter  Druckpunkt 
enau  auf  das  Duodenum  lokalisiert  werden,  welches  ja  im  Röntgen- 
ülde  sicher  erkannt  werden  kann;  oder  man  findet  eine  Stenose  im 
orderen  Teil  des  Duodenum,  schliesslich  kann  das  Nischensymptom 
richtige  Aufschlüsse  geben. 

Herr  Hermann  Weber:  Die  Behandlung  der  Nervosität. 

Als  oberstes  Gesetz  für  die  Behandlung  der  Nervosität  gilt,  wie 
iberhaupt  für  jede  Therapie,  dies,  dass  dem  Kranken  auf  jeden  Fall 
.Ile  von  der  Wissenschaft  erforschten  und  praktisch  erprobten  Heil¬ 
nittel  zur  Verfügung  gestellt  werden;  die  Gegenwart  leidet  zum 
.rossen  Schaden  der  Kranken  viel  zu  sehr  an  Methoden,  Einseitig¬ 
sten,  Allheilmitteln.  Der  Heilplan  erstreckt  sich  nach  3  Richtungen: 
rstens  müssen  therapeutische  Massnahmen  getroffen  werden,  um  die 
Jrsachen  und  die  schädigenden  Einflüsse  zu  beseitigen,  unter  denen 
lie  Nervosität  entstanden  ist,  zweitens  sind  gegen  die  nervösen  Er¬ 
lernungen  selbst  die  geeigneten  Mittel  zur  Anwendung  zu  bringen 
ind  drittens  gilt  es,  den  Kranken  zu  einer  Lebensweise  zu  erziehen, 
>ei  der  die  Wiederkehr  der  Nervosität  nach  Möglichkeit  verhindert 
vird. 

Ererbte  Anlage  ist,  weil  es  sich  um  eine  Keimschädigung  handelt, 
licht  zu  beseitigen,  dagegen  kann  man  die  erworbene  Veranlagung 
ur  Nervosität  zugleich  mit  der  Krankheit,  z.  B.  dem  chlorotisch- 
inämischen  Zustand  während  der  Pubertät  vertreiben.  Arbeit,  so¬ 
wohl  geistige  wie  körperliche,  ist  kein  nervenschädigendes,  sondern 
in  nervenstärkendes  Moment;  Nervosität  durch  sog.  Ueberarbeitung 
'der  Ueberbürdung  gibt  es  nicht,  es  spielen  dabei  fast  ausnahmslos 
mdere  Ursachen  die  krankmachende  Rolle,  deren  Hauptvertreter  die 
olgenden  sind:  ungenügender  Schlaf,  Missbrauch  von  Alkohol  und 
Tabak,  Uebertreibung  und  Vergröberung  des  Sportes,  ferner  der 
interbrochene  Beischlaf,  in  einzelnen  Fällen  frustrane  Erregungen 
ind  geschlechtliche  Abstinenz,  seltener,  als  man  für  gewöhnlich  an- 
limmt,  die  Masturbation.  Gegen  diese  und  andere  erschöpfende  Ein- 
lüsse  hat  sich  die  ärztliche  Behandlung  zunächst  zu  wenden;  eine 
Ausschaltung  wird  oft  gelingen.  Schwerer  zu  bekämpfen  ist  der 
laupterzeuger  der  Nervosität:  die  Gemütsbewegungen,  die  in  un¬ 
geheurer  Mannigfaltigkeit,  oft  tief  verborgen  und  nur  mit  grosser 
Vliihe  und  Geduld  auffindbar,  den  Weg  zur  Heilung  versperren. 

Zur  Behebung  der  nervösen  Erscheinungen  selbst  ist  dem  Kran¬ 
en  in  erster  Linie  Ruhe  in  ausgedehntem  Masse  zu  verordnen,  eben¬ 
so  notwendig  bedarf  er  eines  vom  Arzte  sorgfältig  ausgearbeiteten 
Stundenplanes.  Lässt  sich  eine  Kur  zu  Hause  nicht  durchführen,  so 
st  die  Nervenheilanstalt  der  richtige  Ort;  blosser  Landaufenthalt 
i.  dergl.  nützt  zumeist  gar  nichts.  Die  arzneiliche  Behandlung  ist 
iurch  das  übermässige  Hervortreten  der  physikalisch-diätetischen 
leilmethoden  durchaus  zu  Unrecht  in  den  Hintergrund  getreten;  wir 
(önnen  durch  vernünftigen  Gebrauch  vornehmlich  der  Beruhigungs¬ 
nittel,  einschliesslich  des  Opiums,  und  der  Schlafmittel  ausserordent- 
ichen  Nutzen  für  nervöse  Kranke  erzielen.  Der  gewaltigen  Macht 
ier  Wasseranwendung  und  der  Elektrizität  werden  wir  uns  in  aus¬ 
giebiger  Weise  bedienen;  dass  es  sich  hierbei  nur  um  eine  sugge¬ 
stive  Wirkung  handele,  wie  manche  behaupten,  erscheint  nach  den 
Physiologischen  Vorgängen  als  ausgeschlossen.  Der  Gymnastik, 
mmentlich  in  Form  systematischer  Freiübungen  ist  ebenso  das  Wort 
su  reden  wie  der  Massage,  bei  der  der  unmittelbare  Einfluss  auf  das 
jehirn  von  grosser  Bedeutung  ist.  Die  Nervenpunktmassage  von 
Cornelius  muss  wegen  ihrer  gänzlich  unwissenschaftlichen  Be¬ 
kundung  und  einseitigen  Betonung  abgelehnt  werden.  Die  Ueber- 
treibungen  hinsichtlich  der  Diät  sind  auf  ein  vernünftiges  Mass  zu- 
ückzuschrauben;  im  allgemeinen  braucht  der  Nervöse  keine  beson¬ 
dere  Diät.  Dem  Nährsalzunfug  sollte  allgemein  entgegengetreten 
werden.  Auch  dem  übermässigen  Lufthunger  vieler  Nervöser  müssen 
wir  steuern,  wie  überhaupt  ein  Masshalten  bei  allen  Verordnungen 
''.u  verlangen  ist.  Das  gilt  auch  in  bezug  auf  die  Art  der  Kleidung. 

Den  Berichten  über  Beseitigung  von  allerhand  nervösen  Be¬ 
schwerden,  sogar  echter  Phobien,  durch  operative  Eingriffe  in  der 
^ase  möchte  man  vorläufig  einiges  Misstrauen  entgegenbringen. 

Die  Hauptarbeit  in  der  Behandlung  der  Nervosität  muss  die 
Psychotherapie  leisten.  Sie  wird  hauptsächlich  in  3  Formen  aus- 
sreübt,  als  suggestive  Therapie,  als  persuadierende  Therapie  und  als 
Behandlung  nach  Freud.  Die  erstere  ist  die  häufigste  und  hat 
ihren  Anteil  an  allen  bisher  erwähnten  Heilmitteln.  Selbständig  tritt 
sie  auf  als  Verbalsuggestion  und  sucht  hauptsächlich  unter  sog.  nicht¬ 
adäquaten  Bedingungen,  d.  h.  nicht  auf  logischem  Wege  durch 
Tründe,  sondern  vielmehr  durch  unmotivierte,  der  Wirklichkeit  nicht 
entsprechende  Vorstellungen  auf  den  nervösen  Krankheitsprozess 
einzuwirken.  Diese  Verbalsuggestion,  die  zugleich  Wachsuggestion 


83 1 


ist,  findet  ihre  Grenzen  häufig  an  einem  passiven  Widerstand  oder 
der  bewussten  Kritik  des  Kranken.  Deshalb  ist  die  Hypnose,  bei 
welcher  Urteilsvermögen  und  Willkür  ausgeschaltet,  die  Verarbei¬ 
tung  von  Vorstelleungen  im  Unterbewusstsein  aber  erhöht  wird,  das 
wertvollere  psychotherapeutische  Hilfsmittel.  Die  Erfolge  einer  rich¬ 
tig  angewendeten  hypnotischen  Behandlung  überraschen  immer  von 
neuem.  Die  vielfach  befürchtete  Schädigung  ist  für  den,  der  aus¬ 
zuwählen  und  mit  Vorsicht  ans  Werk  zu  gehen  gewohnt  ist,  nur  ein 
Gespenst.  Die  Technik  der  Hypnose  sei  so  einfach  wie  möglich. 
Die  anderen  suggestiven  Verfahren  treten  hinter  diesen  beiden  an 
Bedeutung  wesentlich  zurück.  Die  persuadierende  Therapie,  die  dar¬ 
nach  trachtet,  dem  Kranken  durch  Erörterung  seiner  Konflikte,  durch 
Aufklärung  und  Ueberredung  die  inneren  Widerstände  gegen  seine 
nervösen  Beschwerden  beizubringen,  werden  wir  oft  mit  gutem 
Nutzen  anwenden,  namentlich  da,  wo  der  Intellekt  des  Kranken  die 
Belehrung  verträgt,  wir  müssen  aber  der  Auffassung  und  Handhabung 
der  persuadierenden  Therapie,  wie  sie  sich  bei  D  u  b  o  i  s  findet,  die 
Berechtigung  versagen:  weder  beruht  das  Wesen  der  Nervosität  auf 
logischen  Irrtiimern,  noch  ist  die  Persuasion  das  einzige  Mittel, 
nervöse  Erscheinungen  zu  beseitigen.  D  u  b  o  i  s  ist,  wenn  auch  ein 
Meister  der  ärztlichen  Kunst,  so  doch  nur  das  Opfer  seiner  selbst¬ 
ersonnenen  und  einseitig  verhätschelten  „Methode“.  Die  psycho¬ 
therapeutischen  Behandlungen  nach  Freud,  sowohl  die  ältere 
kathartische  wie  die  spätere  psychoanalytische,  sind  heute,  vielfach 
in  wenig  erfreulicher  Weise,  der  Gegenstand  heftiger  Angriffe.  Ziehen 
wir  auch  hier  alle  Verallgemeinerungen,  Uebertreibungen  und  Ein¬ 
seitigkeiten  ab,  so  ist  unzweifelhaft,  dass  diese  Methoden  die  eingangs 
angeführten  Forderungen  von  wissenschaftlicher  Begründung  und 
praktischer  Erfahrung  erfüllen.  Sie  dürfen  also  dem  Kranken  nicht 
vorenthalten  werden  und  sind  in  einzelnen  Fällen  das  souveräne  Heil¬ 
mittel.  Nur  muss  verlangt  werden,  dass  derjenige,  welcher  diese 
Waffe  führen  will,  auch  zum  Gebrauche  fähig  sei;  dazu  gehört  nicht 
nur  Studium  und  Uebung,  sondern  auch  Geschick  und  Takt. 

Als  Appendix  der  Psychotherapie  ist  die  Beschäftigungstherapie 
zu  erwähnen.  Sie  ist  heute  gut  ausgebaut  und  kaum  mehr  zu  ent¬ 
behren.  Insbesondere  hat  sie  bei  der  Behandlung  der  chronischen 
Nervosität  im  Mittelpunkt  zu  stehen. 

Der  Erziehung  zu  einer  vernünftigen  Lebensweise  ist  der  grösste 
Wert  beizumessen.  Sie  muss  sich  nach  allen  Richtungen  hin  er¬ 
strecken  und  darf  letzten  Endes  das  folgende  nicht  vergessen:  Was 
ist  Nervosität?  Doch  wohl  eine  Art  Bankerotterklärung  gegenüber 
den  Ansprüchen,  die  an  das  einzelne  Individuum  die  Welt  und  das 
Individuum  an  sich  selber  stellt.  Daraus  erwachsen  dem  nervösen 
Menschen  die  fortwährenden  ‘  Konflikte.  Hier  den  Ausgleich  zu 
schaffen,  das  ist  die  Aufgabe  der  ärztlichen  Erziehung,  für  die  es 
freilich  keine  Systematik  gibt.  Immerhin  wäre  zweierlei  zu  bedenken. 
Der  Nervöse  leidet  am  meisten  unter  seiner  Insuffizienz.  Wir  müssen 
ihn  also  anleiten,  Selbstbescheidung  zu  üben  und  ihn  lehren,  nicht 
mehr  Ansprüche  an  seine  Arbeitsleistung  wie  an  seinen  Genuss  zu 
stellen,  als  es  seine  Nervenbeschaffenheit  verträgt.  Der  Schwindelige 
meidet  ganz  automatisch  den  Abgrund,  auch  der  Nervöse  muss  so 
weit  kommen,  dass  er  gewissermassen  unbewusst,  also  auch  ohne 
Schmerz  und  inneren  Konflikt  die  Grenzen  einhält,  die  ihm  gezogen 
sind.  Dadurch  wird  auch  der  Weg  frei  zur  Lebensfreude.  Denn 
diese  müssen  wir  zweitens  unseren  nervösen  Kranken  verschaffen. 
Die  Zunahme  der  Nervosität  steht  fraglos  in  irgend  einem  Zusammen¬ 
hänge  mit  dem  Mangel  positiver  Gefühle,  der  für  unsere  letzte  Ver¬ 
gangenheit  charakteristisch  ist.  Die  Geschichte  der  Völker  lehrt  es 
ebenso  wie  die  Psychologie,  dass  es  ohne  positive  Gefühle  keine  Tat 
und  keinen  Aufschwung  gibt.  Die  Freude  am  Leben,  an  den  Men¬ 
schen,  an  der  Welt  ist  einer  der  wichtigsten  Hebel,  den  wir  ansetzen 
können,  wenn  wir  den  Nervösen  zur  Ueberwindung  der  auf  seiner 
Bahn  nun  einmal  zahlreicher  auftretenden  Hindernisse  erziehen 
wollen.  Haben  wir  den  Kranken  so  weit  gefördert,  dass  er  mit  uns 
ausruft  „juvat  vivere!“,  so  dürfen  wir  uns  schmeicheln,  ihm  wirklich 
geholfen  zu  haben. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Erlangen. 

(Eigener  Bericht.) 

199.  Sitzung  vom  23.  Januar  1913. 

Herr  Hauck  demonstriert  eine  20jährige  Patientin  mit  Ade- 
noma  sebaceum.  In  symmetrischer  Anordnung  bestehen  an  der  Nase 
und  den  anliegenden  Wangenpartien,  an  Ober-  und  Unterlippe  sowie 
beiden  Mundwinkeln,  zahlreiche  besonders  in  den  Nasolabialfalten, 
sehr  dicht  stehende,  stecknadelspitz-  bis  stecknadelkopfgrosse,  lebhaft 
braunrot  gefärbte  Knötchen  und  kugelige  Gebilde.  Ausserdem  finden 
sich  in  den  befallenen  Hautpartien  sehr  reichliche  Teleangiektasien. 

Mikroskopisch  zeigten  sich  die  Talgdrüsen  wider  Erwarten  nicht 
vermehrt  oder  vergrössert,  ja  fehlten  in  einzelnen  Schnitten  voll¬ 
ständig.  Es  fand  sich  nur  das  Korium  im  Stratum  papillare  hyper- 
trophiert  und  besonders  eine  Hypertrophie  des  Bindegewebes.  Ferner 
war  noch  eine  Vermehrung  der  Kapillargefässe  zu  konstatieren. 

Es  handelt  sich  also  bei  der  Pat.  um  einen  Fall,  welcher  klinisch 
das  typische  Bild  des  Adenoma  sebaceum  bietet,  mikroskopisch  aber 
jegliche  Vergrösserung  oder  Vermehrung  der  Talgdrüsen  vermissen 
lässt.  Analoge  Fälle  sind  in  der  Literatur  bereits  einigemale  mit¬ 
geteilt  (Darier,  Balze  r)  und  wurde  deshalb  auch  von  Jadas- 
sohn  wie  Hallopeau  der  Vorschlag  gemacht,  das  Krankheits- 


838 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15. 


bilcl  des  Adenoma  sebaceum  in  die  Gruppe  der  Nävi  einzureihen. 
(Demonstration  mikroskopischer  Präparate.) 

Diskussion:  Herr  Merkel  und  Herr  K  ö  n  i  g  e  r. 

Herr  F.  Jarain  zeigt  einen  halbjährigen  Knaben  mit  ange¬ 
borener  Pylorusstenose  in  der  Rekonvaleszenz.  Das  am  23.  VIII.  12 
geborene  Kind  kam  am  23.  XI.  12  in  hochgradiger  Kachexie  bei 
einem  Gewicht  von  3025  g  in  klinische  Behandlung.  Der  26  jähr. 
Vater  ist  gesund,  die  23  jähr.  Mutter  war  schon  oft  magenleidend. 
Das  Kind,  das  vom  ersten  Lebenstage  an  viel  geschrieen  und  nach 
jeder  Mahlzeit  erbrochen  hat,  wurde  4  Wochen  lang  gestillt,  dann 
beinahe  stündlich  mit  ca.  80  ccm  Halbmilch  ernährt.  Bei  der  künst¬ 
lichen  Ernährung  nahm  das  Erbrechen  und  Schreien  noch  mehr  zu. 
Zu  Beginn  der  klinischen  Behandlung  unstillbares  Erbrechen.  Magen¬ 
steifung  und  sichtbare  Peristaltik  des  Magens  in  der  stark  vorge¬ 
wölbten  Oberbauchgegend,  Diastase  der  Rekti,  seltene,  spärliche, 
dunkelgelbe,  breiige  Stühle  (ca.  jeden  dritten  Tag),  welke,  dunkel 
und  leicht  gelblich  gefärbte  Haut.  Beim  Einführen  der  Magensonde 
(3  Stunden  nach  einer  Mahlzeit  von  80  ccm)  wird  zunächst  nach 
Ueberwinden  eines  leichten  Widerstandes  an  der  Kardia  mit  lautem 
Geräusch  reichlich  Luft  ausgestossen,  dann  beim  Tieferdringen  der 
Sonde  eine  Menge  von  30 — 50  ccm  relativ  fettreichen  und  eiweiss¬ 
armen  Mageninhalts  ausgepresst  (Gesamtazidität  30 — 40  ccm  1/io 
Norm.-NaOH).  In  der  ersten  Zeit  der  Beobachtung  geringe  Mengen 
freier  HCl  nachweisbar,  später  nicht  mehr;  Spuren  von  Milchsäure, 
starker  Fettsäuregeruch.  Die  Röntgenuntersuchung  ergibt:  lebhafte 
Magenperistaltik,  Rückstand  wismuthaltigen  Mageninhalts  noch  nach 
24  Stunden;  jedoch  schon  20  Minuten  nach  der  Füllung  Uebertritt 
wismuthhaltigen  Materials  in  den  Darm  (Momentbild!).  Vor  der 
Ausspülung:  grosser  Magen  mit  enormer  Luftblase;  nach  der  Aus¬ 
spülung  der  Magen  allseits  verkleinert,  namentlich  die  untere  Grenze 
gehoben  und  der  Luftgehalt  wesentlich  reduziert.  In  den  ersten  zwei 
Wochen  der  Beobachtung  sinkt  das  Gewicht  rasch  auf  2600  g,  um 
dann  längere  Zeit  stehen  zu  bleiben.  Bei  der  Behandlung  mit  täg¬ 
lichen  Magenspülungen  und  6  Mahlzeiten  von  50  ccm  Frauenmilch 
+  50  ccm  Halbmilch  wird  das  Erbrechen  seltener,  dagegen  treten 
schleimige  Stühle  auf  und  unter  bronchitischen  Störungen  Tem¬ 
peratursteigerungen.  Fettzulage  vermehrt  die  Häufigkeit  des  Er¬ 
brechens.  Dabei  sinkt  das  Gewicht  weiter  auf  2475  g.  Von  der 
6.  Behandlungswoche  ab  werden  bei  fortdauernden  Magenspülungen 
täglich  12  Mahlzeiten  von  je  30,  dann  45  und  50  ccm  Frauenmilch 
verabreicht.  Dabei  zunächst  langsames,  dann  rascheres  Ansteigen 
des  Gewichtes  und  Besserung  des  körperlichen  und  psychischen  All¬ 
gemeinzustandes.  Elektrische  Erregbarkeit  der  Nerven  niemals  er¬ 
höht.  Gewicht:  nach  der  8.  Behandlungswoche  2725g,  nach  der 
10.  Woche  3150  g,  nach  der  12.  Woche  3400  g,  nach  der  14.  Woche 
3600  g.  Dabei  Monothermie,  Magensteifung,  sichtbare  Peristaltik, 
Rückstand  bei  der  Magenspülung  von  15 — 35  ccm  drei  Stunden  nach 
der  letzten  Mahlzeit,  sowie  die  erwähnten  Veränderungen  im  Röntgen¬ 
bild  bleiben  auch  während  der  Rekonvaleszenz  bestehen.  Die  Stühle 
werden  2 — 3  mal  täglich  in  guter  Konsistenz  und  bei  normalem  Aus¬ 
sehen  entleert;  der  Urin  ist  frei  von  krankhaften  Bestandteilen. 
Erbrechen  tritt  in  grossen  mehrtägigen  Pausen  gelegentlich  noch  auf. 
Einmal  wird  noch  ein  Zustand  besonders  starker  Magensteifung  unter 
mächtiger  Luftansammlung  im  Magen  beobachtet  und  rasch  durch 
Sondierung  beseitigt.  Diesmal  war' der  Zustand  auch  von  Schmerzen 
begleitet,  die  nie  früher  beobachtet  wurden.  Später  gedeiht  das  Kind 
bei  einer  Mischung  gleicher  Teile  von  Frauenmilch  und  Eiweissmilch 
(Energiequotient  120!)  gut  weiter.  Die  Pylorusgegend  war  im  Beginn 
der  Behandlung  rechts  von  der  gesteiften  und  oft  durch  peristaltische 
Einschnürungen  geteilten  Magenblase  als  derber  Zapfen  zu  fühlen. 
Im  Röntgenbild  ist  eine  Abgrenzung  des  Antrum  pylori  bei  wismut- 
gefiilltem  Magen  von  dem  rundlichen  und  kürbisähnlich  gestalteten 
Hohlorgan  nicht  möglich. 

Das  Kind  zeigt  ausser  einer  kleinen  Nabelhernie,  einer  doppel¬ 
seitigen  Leistenhernie  und  der  Hochdrängung  des  Zwerchfells,  sowie 
einer  Neigung  zu  leichten  Gesichts-  und  Kopfhautekzemen,  keinerlei 
Veränderungen.  Die  von  Herrn  Prof.  Hauck  vorgenommene  Unter¬ 
suchung  des  Blutes  nach  Wassermann  ergab  zweimal  je  mit 
zwei  Extrakten  ein  positives,  mit  einem  Extrakt  ein  negatives  Re¬ 
sultat.  Bei  der  Mutter  ist  die  Wassermannreaktion  jedoch  negativ 
ausgefallen. 

Vortr.  bespricht  die  Diagnose  und  Symptomatologie  des  Krank¬ 
heitsbildes,  die  Chancen  der  chirurgischen  Behandlung  und  die  im 
vorliegenden  Falle  bisher  bewährte  interne  Therapie.  Für  diese  wer¬ 
den  empfohlen:  Häufige  Spülung  oder  auch  nur  Sondierung  des 
Magens  zur  Beseitigung  der  nicht  immer  genügend  durch  Aufstossen 
behobenen  Luftspannung  und  des  durch  seine  Fettanreicherung  nach¬ 
teilig  wirkenden  Magenrückstandes,  Ernährung  mit  Frauenmilch,  auch 
mit  Zusatz  von  Eiweissmilch  und  später  von  Mehlabkochungen  in 
häufigen  kleinen  Mahlzeiten  mit  Kalorienüberschuss.  Kontrolle  der 
Austreibungsmöglichkeit  von  Mageninhalt  nach  dem  Darm  hin  ist 
ausser  der  Stuhlbeobachtung  durch  die  Röntgenuntersuchung  möglich 
und  bei  kurzzeitigen  Röntgenaufnahmen  ohne  Gefahr  durchführbar. 
Sobald  der  wahrscheinlich  spastische  Widerstand  des  hypertrophi¬ 
schen  Pylorus  bezw.  des  Antrum  pylori  durch  kompensatorische 
Kräftigung  der  übrigen  Magenwandmuskulatur  und  deren  bessere 
Wirksamkeit  infolge  Nachlassens  der  vorwiegend  durch  Luft  be¬ 
dingten  Magenblähung  überwunden  werden  kann,  muss  die  quanti¬ 
tative  und  qualitative  Dosierung  der'  Nahrung  mit  besonderer  Vor¬ 
sicht  geschehen.  Ehe  sich  der  Darm  von  der  allgemeinen  Unter- 

\ 


ernährung  erholt  hat,  an  der  er  mit  allen  Geweben  teilnimmt,  droht 
dem  Kinde  eine  neue  Gefahr  in  der  alimentären  Intoxikation  oder 
doch  in  dyspeptischen  Störungen,  wie  sie  vorübergehend  auch  in 
diesem  Falle  aufgetreten  sind. 

Diskussion:  Herr  S  e  i  t  z  und  Herr  P  e  n  z  o  I  d  t. 

Herr  Seitz:  Demonstration  und  Erläuterung  verschiedener, 
z.  T.  operativ  gewonnener  Präparate. 

Diskussion:  Herr  Hauser  und  Herr  Merkel. 

Geschäftliches.  Kassenbericht.  Neuwahlen. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  29.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer:  Herr  Penkert. 

Herr  Hans  F  i  e  1  i  t  z  demonstriert  einige  Präparate  von 
Prostatahyper-  und  -atrophie.  Er  ist  für  Entfernung  der  Prostata, 
auch  wenn  nur  einzelne  Teile  hypertrophisch  sind,  spricht  sich  gegen 
die  Röntgenbestrahlung  der  Hoden  zur  Atrophisierung  der  Prostata 
aus.  F.  hat  die  Operation  in  letzter  Zeit  mit  sehr  gutem  Erfolge  im 
Chloräthylrausch  ausgeführt,  lässt  die  Pat.  am  ersten  Tage  aufstehen 
und  mit  der  F  r  e  y  e  r  sehen  Zelluloidkapsel  umhergehen.  (Demon¬ 
stration  eines  so  behandelten  Kranken  mit  der  Kapsel.) 

Diskussion:  Herr  Stieda  berichtet,  dass  auch  in  der 
chirurgischen  Klinik  die  sogen,  sexuellen  Operationen  bei  der 
Prostatahypertrophie  nicht  angewandt  werden.  Wenn  überhaupt 
operiert  werden  muss,  so  bevorzugt  St.  die  Prostatektomie  nach 
W  i  1  m  s.  Erstaunlich  ist  es,  dass  selbst  nach  Entfernung  eines 
Urethrastückes  von  3 — 4  cm  sich  die  Enden  der  Urethra  wieder  finden 
und  ein  gutes  Urinlassen  wieder  möglich  wird.  Im  Gegensatz  zum 
Vortragenden  empfiehlt  er  deshalb  doch  die  Einlegung  eines  Dauer¬ 
katheters  nach  der  Prostatektomie. 

Herr  K.  Loening  berichtet  über  einen  Fall  von  Salzsäure- 
vergiftung,  bei  dem  es  ziemlich  frühzeitig  zu  einer  hochgradigen 
Pylorusstenose  kam,  während  der  Oesophagus  gut  durchgängig  war. 
Eine  Erklärung  kann  vielleicht  darin  gefunden  werden,  dass  die  Salz¬ 
säure  bei  verhältnismässig  leerem  Magen  sich  oberhalb  des  Pylorus 
angesammelt  und  hier  längere  Zeit  eingewirkt  hatte. 

Weiter  demonstriert  Vortr.  einen  Fall  von  Gallertkrebs  der  Milz, 
welcher  wahrscheinlich  von  einem  kleinen  Krebs  am  Pankreaskopf 
seinen  Ausgang  genommen  hatte.  Die  Milz  hatte  die  Grösse  einer 
leukämischen  Milz  angenommen  und  fühlte  sich  auch  gleichmässig 
an,  da  die  Tumormassen  unter  der  Kapsel  lagen.  Klinisch  trat  ein 
starker  hämorrhagischer  Erguss  in  die  linke  Pleurahöhle  in  den 
Vordergrund.  Es  fehlten  aber  Metastasen  in  der  Lunge  oder  Pleura. 
Auch  ein  Fall  von  Darmkarzinom,  den  Vortr.  kurze  Zeit  vorher  in 
Behandlung  hatte,  verlief  mit  einem  hämorrhagischen  Pleuraexsudat, 
ohne  dass  in  der  Brusthöhle  Metastasen  gefunden  wurden.  Exsudate 
in  der  Brusthöhle  können  also  auch  hämorrhagisch  sein,  wenn  das 
Karzinom  in  der  Bauchhöhle,  besonders  in  der  Nähe  des  Zwerchfells 
sich  befindet. 

Schliesslich  wird  noch  ein  Fall  von  Polydaktylie  gezeigt,  bei 
welchem  die  beiden  Daumen  scherenförmig  gegeneinander  bewegt 
wurden;  der  Nebendaumen  allerdings  nicht  in  Opposition  gestellt 
werden  konnte. 

Diskussion:  Herr  Nentwig  bespricht  kurz  einen  im 
Garnisonlazarett  Breslau  beobachteten  Fall  eines  Selbstmord¬ 
versuches  durch  Trinken  von  Salzsäure.  Auch  in 
diesem  Fall  kam  es  nicht  zur  Oesophagusstriktur,  sondern  zum 
Pylorusverschluss,  durch  Verätzung.  Schon  nach  3  Wochen  musste 
laparotomiert  und  eine  Anastomose  zwischen  Magen  und  Darm  an¬ 
gelegt  werden.  Merkwürdig  an  dem  Fall  war,  dass  die  anfangs  gut 
durchgängige  Anastomose  sich  nach  14  Tagen  wahrscheinlich  infolge 
Narbenschrumpfung  im  Magen  wieder  schloss,  so  dass  erneut  eine 
Anastomose  angelegt  werden  musste.  Pat.  konnte  geheilt  entlassen 
werden. 

Herr  O.  Kn  eise:  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  moderner 
Urologie  (besonders  endovesikaler  Operationen).  (Demonstrations¬ 
vortrag.) 


Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  25.  Februar  1913. 

Herr  Freund:  Weitere  Beiträge  zum  nervösen  Mechanismus 
der  Wärmeregulation. 

Die  normale  Wärmeregulation  ist  geknüpft  an  die  Intaktheit 
eines  Bezirkes  im  Zentralnervensystem,  der  nach  oben  begrenzt  ist 
durch  einen  Schnitt,  der  durch  das  Zwischenhirn  geht,  aber  die  Regio 
subthalamica  ungeschädigt  lässt;  die  untere  Begrenzung  ist  das 
1.  Dorsalsegment. 

Ist  dieser  Bezirk  durchschnitten,  so  werden  die  Tiere  „poikilo- 
therm“;  wie  Stoffwechselversuche  lehren,  ist  bei  ihnen  keine  An¬ 
deutung  einer  chemischen  Wärmeregulation  gegen  Abkühlung  zu 


.  April  1013. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


]  Jen.  Darin  liegt  gerade  der  Unterschied  gegen  die  Regulations- 
:  rung  nach  Brustmarkdurchschneidungen,  bei  denen  lediglich  die 
I /sikalische  Regulation  geschädigt  ist. 

Für  die  Wärmebildung  kommen  Muskulatur  und  Unterleibsdrüsen 

Betracht. 

Der  Zusammenhang  der  Muskulatur  mit  dem  Nervensystem  ist 
die  Regulation  nicht  notwendig  (Wärmestich  und  aseptisches 
ber  am  kurarisierten  Iier  und  nach  Durchschneidung  der  peri- 
I :ren  Nerven;  Stoffwechseluntersuchung  .am  kurarisierten  Tier  und 
h  Nervendurchschneidung). 

Für  die  Innervation  der  Bauchdrüsen  kommen  die  3  Wege  des 
cus,  Splanchnikus  und  Grenzstrang  in  Betracht.  Vagus-  und 
anchnikusdurchschneidung  stört  die  Wärmeregulation  nicht 
rk lieh ;  es  muss  also  dem  Grenzstrang  die  Hauptrolle  beigemessen 
rden.  Wie  die  Brustmarkdurchtrennungen  bis  hinauf  zum  2.  Seg- 
i  ut  zeigen,  genügt  aber  bei  intakten  Vagi  die  obersten  Sympathikus- 

■  rzeln  zur  lntakterhaltung  der  chemischen  Regulation.  Jedoch  gelingt 
,  die  chemische  Regulation  eines  im  Brustmark  oberhalb  des 
i  )orsalsegments  durchschnittenen  Tieres  schwer  zu  schädigen,  wenn 
;  n  ausserdem  entweder  beide  Vagi  (unter  dem  Zwerchfell)  oder 

Wurzeln  Di  und  Cs  durchschneidet  oder  die  Ganglia  stellata 
(dirpiert. 

Fs  besteht  die  Möglichkeit,  dass  die  chemische  Regulation  nicht 
ickt  vom  Nervensystem,  sondern  auf  dem  Umweg  über  die  Drüsen 
innerer  Sekretion  auf  dem  Blutwege  vor  sich  gent. 

Herr  Fahrenkamp:  Ueber  das  Saitengalvanometer  und  seine 
Mische  Verwendung. 

Nach  einführenden  Erklärungen  über  die  Methodik  und  den  Wert 
.  normalen  Elektrokardiogramms  zeigt  der  Vortr.,  dass  das  Elektro- 
diogramm  imstande  gewesen  ist,  die  Arhythmia  perpetua  besser 
•  stündlich  zu  machen.  Im  Elektrokardiogramm  finden  sich  bei  der 
lythmia  perpetua  gewöhnlich  an  Stelle  der  normalen  P-Zacken 

■  ie  Oszillationen,  die  in  Analogie  mit  dem  Tierexperiment  den 
1  egungen  der  flimmernden  Vorhöfe  entsprechen  sollen.  Die  Fälle 

i  dauerndem  Vorhofflimmern  sind  wahrscheinlich  nicht  so  häufig, 
n  kann,  was  schon  lange  bekannt  ist,  an  demselben  Patienten  im 
!  ktrokardiogramm  bald  mehr  das  Bild  der  flimmernden  Vor- 
1  e,  bald  das  der  arhythmisch  frequent  schlagenden  Vorhöfe  erhalten 
i  langsamer  oder  beschleunigter  Ventrikeltätigkeit.  An  mehreren 
Lven  zeigt  der  Vortragende,  dass  bei  ein-  und  demselben  Patienten 
(  Vorhöfe  zu  verschiedenen  Zeiten  ein  ganz  verschiedenes  Bild 
Men.  Es  bestand  klinisch  eine  dauernde  Arhythmie  mit  gelegent- 
hen  tachykardischen  Anfällen.  Die  Vorhöfe  zeigten  einen  regel- 
rssigen  Rhythmus  von  240.  Die  Ventrikel  schlugen  arhythmisch. 
i  tachykardischen  Anfall  schlugen  dieVentrikel  in  einem  regelmässigen 
iythmus  von  240.  Derselbe  Kranke  zeigte  zu  anderer  Zeit  eine 
nythmische  Vorhofstachykardie  mit  langsamer  oder  frequenter 
Liythmischer  Ventrikeltätigkeit.  Endlich  konnte  man  nach  der 
Ihandlung  von  demselben  Patienten  ein  normales  Elektrokardio- 
Minm  erhalten.  An  zahlreichen  Kurven  zeigte  der  Vortragende, 
ms  bei  der  Arhythmia  perpetua  fliessende  Uebergänge  bestehen 
/ischen  Vorhofflimmern,  arhythmischen  Vorhofstachysystolien, 
i  thmischen  Vorhofstachysystolien  bei  langsam  oder  frequent 
klagendem  Ventrikel,  dass  diese  Rhythmusstörungen  zur  Norm 
.  iickkehren  können  und  dass  bis  zur  Wiedererlangung  einer  nor- 
i  len  Kurve  derselbe  Patient  alle  die  oben  angegebenen  Formen  der 
'  rhofstörungen  durchmachen  kann. 

Anschliessend  demonstriert  der  Vortragende  Kurven  von  Aktions- 
Körnen,  die  gewonnen  werden  konnten  von  dem  tonisch  kontra- 
1  rten,  im  Tetanus  befindliche  Skelettmuskel.  Er  vergleicht  die 
'  schiedenartige  Art  und  Rhythmik  der  Innervation  bei  der  äusser- 
[>  gleich  erscheinenden  Dauerkontraktion  des  Skelettmuskels  (Rectus 
iioris)  1.  bei  der  Willkürinnervation,  2.  im  Strychnintetanus  (Ratte), 
.bei  dem  tonischen  Krampfe  eines  Falles  von  Jackson  scher 

■  ilepsie,  4.  bei  einem  Wadenkrampf. 

Besonders  bemerkenswert  erscheint,  dass  der  im  tonischen 
Umpf  befindliche  Skelettmuskel  bei  der  J  a  c  k  s  o  n  -  Rinden- 
1  lepsie  12  gleichinässige  Impulse  in  der  Sekunde  erhält  und  dass 
( ser  Rhythmus  von  12  noch  längere  Zeit  in  der  Kurve  deutlich 
Vitbar  bleibt  und  von  einem  frequenteren  Rhythmus  abgelöst  wird. 
Monders  interessant  erscheint  dieser  Rhythmus  eines  von  der  Hirn- 
1  de  ausgehenden  Krampfes  im  Vergleich  zu  demjenigen,  den  die 
Mionsströme  bei  einem  Wadenkrampf  (Reflexkrampf)  darbieten, 

1  em  bei  dieser  Form  des  Tetanus  ziemlich  gleichmässige,  sich 
Msenlos  folgende  Oszillationen  —  in  einem  Rhythmus  von  ca.  50  in 
k  Sekunde  —  die  Kurve  ausfüllen. 

Herr  Riiben:  Ueber  Lokalisationsfehler  bei  Augenmuskel- 
1  mungen  und  bei  Fusionsbewegungen. 

Ueber  den  Einfluss  der  Augenbewegungen  auf  die  absolute 
^ahsation,  die  Richtung,  in  der  ein  Gegenstand  gesehen  wird,  stehen 
M  ™  wesentlichen  drei  Anschauungen  gegenüber,  die  sämtlich  die 
Malisationstänschungen  bei  Augenmuskellähmung  als  Beweis  für 
h  *n  Anspruch  nehmen.  Die  Anhänger  der  Innervations- 
j  Pj*ndungen  nehmen  einen  falschen  motorischen  Innervationsimpuls 
‘  Hering  und  Mach  eine  falsche  Richtung  der  Aufmerksamkeit; 
Jen  gegenüber  führt  James  die  Täuschung  auf  veränderte, 
'P he r  ausgelöste  Empfindungen  von  der  Stellung  des  Augapfels 
1  uck.  Sie  soll  durch  Mitbewegungen  des  zweiten  Auges  zustande 


kommen,  indem  sich  die  Lokalisation  des  gelähmten  Auges  nach  der 
ocs  in  Sclnelstellung  befindlichen  gesunden  richtet. 

•  t  jieser  Hypothese  lässt  sich  experimentell  prüfen.  Nach  ihr  muss 
o'E,,  ^ie  Lokalisation  des  gelähmten  Auges  ändern,  wenn  sich  die 
t  ung  des  gesunden  ändert.  Der  Versuch  wurde  so  ausgeführt, 
dass  in  einem  Falle  von  Abduzenslähmung  das  verdeckte,  gesunde 
uge  mit  einer  Pinzette  an  der  Konjunktiva  gefasst  und  gedreht 
\\uide.  An  sich  selbst  stellte  Rüben  ihn  in  der  Weise  an,  dass  ein 
Auge  ständig,  das  zweite  abwechselnd  mit  einer  Pinzette  fixiert 
\\uice.  Das  Resultat  war,  dass  der  Lokalisationsfehler  des  ge¬ 
lahmten  Auges  immer  genau  der  gleiche  blieb. 

Zm  Messung  des  Lokalisationsfehlers  diente  eine  besondere 
Anordnung  des  G  r  ä  f  e  sehen  Tastversuches.  Vor  das  zu  prüfende 
Auge  wircr  ein  Maddoxstab  gesetzt  und  der  Patient  aufgefordert,  mit 
einem  Stock  auf  den  Lichtstreif  zu  deuten,  als  welcher  ihm  eine 
Kerzenflamme  erscheint,  die  vor  einer  Tangentenskala  in  1  m  Ent¬ 
fernung  aufgestellt  ist. 

Gegen  James  sprechen  auch  die  Fälle  von  frischer,  un¬ 
komplizierter  Lähmung,  in  denen  auch  das  gesunde  Auge  falsch 
lokalisiert.  Diese  bisher  sehr  selten  beschriebene  Lokalisations- 
tauschung  wurde  in  2  Fällen  von  Abduzenslähmung  beobachtet.  Sie 
ist  nach  Rüben  eine  indirekte  Folge  der  Parese  am  anderen  Auge, 
der  einzigen  somatischen  Störung  und  beruht  sehr  wahrscheinlich 
auf  der  Nachwirkung  von  Fusionsbewegungen  im  Entwicklungs- 
Stadium  der  Parese.  Bei  letzteren  treten  infolge  gleicher  Kombination 
von  willkürlichen  und  unwillkürlichen  Bewegungen  die  gleichen 
Lokalisationsfehler  auf  wie  bei  Vorsetzen  eines  Prismas  vor  ein  Auge. 

Der  Einfluss  der  Fusionsinnervation  auf  die  Lokalisation  lässt 
sich  mit  Hilfe  des  oben  näher  beschriebenen  Tastversuches  unter¬ 
suchen.  Als  Beleg  für  Herings  Lehre  von  der  gleichmässigen 
Innervation  beider  Augen  kann  angeführt  werden,  dass  der  Lokali- 
sationsfehler  annähernd  gleich  der  Hälfte  der  prismatischen  Ab¬ 
lenkung  war.  Haben  sich  durch  Uebung  die  Handbewegungen  der 
veränderten  optischen  Lokalisation  angepasst,  so  besteht  noch 
längere  Zeit  nach  Fortnahme  des  Prismas  eine  Nachwirkung  der 
veränderten  Einstellung,  so  dass  ein  Tastfehler  nach  der  entgegen¬ 
gesetzten  Seite  gemacht  wird. 

Zum  Schluss  wird  kurz  angedeutet,  in  welcher  Weise  eine  Ver¬ 
bindung  zwischen  den  oben  skizzierten  Theorien  möglich  ist. 

(Ausführliche  Veröffentlichung  im  Gräfe  sehen  Archiv  für 
Ophthalmologie.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  24.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Eugen  Hopmann. 

Herr  F.  W.  H  o  p  m  a  n  n:  Ueber  einen  Fall  von  Pankreaszirrhose, 
der  mit  Durchfall  und  Abmagerung  einherging. 

-  u,Di^  Diagnose  einer  Pankreaserkrankung  wurde  gestellt  aus  dem 
Stuhlbefund,  einer  Steatorrhöe,  einer  Kreatorrhöe,  einer  Azotorrhöe. 
einer  Besserung  der  letzteren  durch  Pankreonmedikation,  dem  an¬ 
dauernden  Fehlen  resp.  der  starken  Herabsetzung  der  Diastase  im 
Stuhlfiltrat,  weiter  aus  dem  mehrfachen  Fehlen  von  Trypsin  im 
Mageninhalt  nach  Oelfriihstück. 

vortr.  betont  die  Wichtigkeit  der  Diastasepriifung  des  Stuhl¬ 
filtrates  und  schliesst  sich  der  Ansicht  Albus  an,  welcher  die 
Untersuchung  auf  Diastase  für  das  einwandfreieste  und  sicherste 
Verfahren  zur  Prüfung  einer  Pankreasinsuffizienz  hält. 

Im  Gegensatz  dazu  fiel  die  Untersuchung  auf  eiweisslösende  Fer¬ 
mente  im  Stuhlfiltrat  stets  positiv  aus.  Wir  sind  eben  nicht  in  der 
Lage,  das  eiweissverdauende  Ferment  des  Darmes,  das  Erepsin,  vom 
Trypsin  zu  trennen. 

Aus  dem  hohen  Urobilingehalt  des  Urins  (155  mg  pro  die  im 
Durchschnitt  von  7  Tagen)  schliesst  der  Vortragende  auf  beginnende 
Leberzirrhose  und  bemerkt,  dass,  da  von  den  pathologischen  Ana¬ 
tomen  Leber-  und  Pankreaszirrhose  des  öfteren  zusammen  gefunden 
werden,  die  Pankreaszirrhose  sehr  wohl  die  Ursache  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Leberzirrhose  durch  Resorption  von  Zersetzungsproduk¬ 
ten  im  Darm  bei  Fermentmangel  abgeben  kann. 

Herr  B.  Auerbach:  Ueber  gonorrhoische  Metastasen.  (Mit 
Demonstrationen.) 

Vortr.  entwickelt  historisch,  wie  die  schon  seit  lange  erkannten 
kausalen  Beziehungen  der  postgonorrhoischen  Erkrankungen  zur  Pri¬ 
märaffektion  seit  der  Entdeckung  des  Gonokokkus  durch  den  Nach¬ 
weis  dieser  Mikroben  in  den  Gelenkexsudaten,  in  den  endokarditischen 
Auflagerungen,  im  strömenden  Blut,  in  Abszessen,  einige  Male  sogar 
im  Exsudat  der  eitrigen  Meningitis  cerebralis  und  im  Lumbalpunktat 
geklärt  worden  sind,  so  dass  die  Meinung  ausgesprochen  wurde,  es 
müsse  in  jedem  Fall  von  metastatischer  Erkrankung  nach  Gonorrhöe 
der  Gonokokkennachweis  aus  dem  Blut  geführt  werden  können,  wenn 
zeitig  bei  Einsetzen  von  Fieber  und  mit  genügender  Blutmenge  unter¬ 
sucht  würde. 

Diese  Anschauung  findet  in  dem  immer  häufigeren  Nachweis  des 
Gonokokkus  in  den  Metastasen  und  im  strömenden  Blut,  besonders 
auch  durch  die  Reinkultur  von  Gonokokken  bei  Affektionen,  die  man 
bisher  nicht  diesem  oder  diesem  allein,  sondern  ihm  nur  in  Syrn- 

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biose  mit  anderen  Parasiten  zugestehen  wollte,  z.  B.  bei  diffuser  Peri¬ 
tonitis,  eine  gute  Stütze. 

Dem  Italiener  Lafaro  gelang  sogar  die  Kultivierung  aus  dem 
Blut  bei  chronischer  Urethritis  in  57,89  Proz.,  bei  Urethritis  mit  Epi- 
didymitis  in  75  Proz.:  Befunde,  die  in  Deutschland  meines  Wissens 
nicht  nachgeprüft  sind. 

Aber  es  bleiben  noch  schwere  metastatische  gonorrhoische  Pro¬ 
zesse  übrig,  bei  denen  heute  nur  die  banalen  Eitererreger  Strepto- 
und  Staphylokokken  allein  oder  zusammen  mit  dem  Gonokokkus  oder 
auch  keine  Mikroben  gefunden  werden,  ein  Umstand,  der  durch  die 
Empfindlichkeit  des  Gonokokkus  gegen  höhere  Temperaturen,  sein 
rasches  Verschwinden  in  Exsudaten  einerseits,  andererseits  durch  die 
durch  die  Schleimhauterkrankung  gesetzte  Disposition  zur  Einwande¬ 
rung  der  gewöhnlichen  pathogenen  Erreger  bedingt  ist. 

Der  Annahme,  dass  Gonotoxine  die  metastatischen  Prozesse  ver¬ 
anlassen,  steht  man  unter  dem  Eindruck  der  obigen  Erfahrungen 
heute  immer  skeptischer  gegenüber. 

Vortr.  berichtet  über  3  Fälle  durch  Gonorrhöe  entstandener 
Sepsis  bezw.  septischer  Endokarditis  aus  dem  Israel.  Krankenhaus 
im  letzten  Jahre. 

1.  Bei  einer  jungen  Frau,  wegen  gonorrhoischer  Arthritis  auf¬ 
genommen,  stellt  sich  nach  8  Tagen  pyämisches  Fieber  mit  Schüttel¬ 
frösten  ein.  Gonokokken  im  Urethralsekret,  nur  Staphylokokken  im 
Blut.  Systolisches  Geräusch  an  der  Herzspitze.  Hämorrhagische  Ne¬ 
phritis.  Tod  nach  5  Wochen.  Sektion:  Erbsengrosse  Vegetation, 
die  einen  kleinen  Defekt  umgibt,  auf  der  Mitralklappe;  darin  Staphylo¬ 
kokken. 

2.  Junger  Mann  von  21  Jahren,  seit  2  Tagen  hohes  Fieber  mit 
Schüttelfrost.  Im  Urin  Leukozyten  und  granulierte  Zylinder.  Grosse 
Exaltation,  Verwirrtheit.  Im  Blut  Streptokokken.  Exitus  nach 
3  Tagen.  Sektion:  Zahllose  miliare  Abszesse  auf  der  Lunge,  und 
darin  viele  Infarkte  mit  zentralem  grauen  miliaren  Herd.  Rechts¬ 
seitige  Pyelitis,  haselnussgrosser  Abszess  in  der  Marksubstanz,  Kon- 
vexitätsmeningits.  —  Ueber  den  Zeitpunkt  der  Gonorrhöe  wurde 
nichts  ermittelt. 

3.  Junger  Mann  von  17  Jahren.  Gonorrhöe  vor  2  Monaten,  liegt 
seit  7  Wochen  im  Krankenhaus.  Hohes  pyämisches  Fieber  mit  täg¬ 
lichen  Schüttelfrösten.  Lautes,  rauhes  systolisches  Geräusch  über 
dem  Sternalende  des  linken  4.  Rippenknorpels.  Grosse  Milz;  im  Blut 
Streptokokken. 

4.  Gonorrhoische  Myelitis.  28  jähriger  Mann,  vor  4  Wochen 
Gonorrhöe.  Innerhalb  4  Tagen  entwickelt  sich  völlige  Paraplegie  der 
Beine  und  Anästhesie,  die  bis  zum  Halse  fortschreitet,  schliesslich 
auch  Lähmung  der  Arme.  Lumbalpunktat  steril,  Febris  continua, 
Dekubitus,  Tod  nach  5  Wochen.  Sektion:  Totale  Zerstörung  und  Er¬ 
weichung  des  grössten  Teils  des  Querschnitts  im  Halsmark.  Nur 
im  rechten  Vorderhorn  noch  einzelne  Ganglienzellen.  Um  die  Ge- 
fässe  Leukozyten,  auch  in  den  anliegenden  Meningen. 

Bemerkenswert  ist  an  diesem  Fall,  wie  auch  bei  einem  andern 
von  sekundärem  Melanom  des  Rückenmarks,  das  Vortr.  auch  de¬ 
monstriert,  dass  Sehnenreflexe  in  vivo  nach  der  Bastian  sehen 
Regel  völlig  erloschen  waren,  trotzdem  das  Lumbalmark  makro-  und 
mikroskopisch  intakt  war. 


Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  März  1913. 

Herr  Lissauer:  Demonstration  makroskopischer  und  mikro¬ 
skopischer  Präparate  von  Mammatuberkulose. 

Herr  Puppe:  Priorität  der  Schädelbrüche. 

Der  Schädel  einer  Ermordeten  wird  demonstriert,  an  dessen 
Stirn-  und  Hinterhauptsbein  sich  Verletzungszentren  finden.  Von 
diesen  gehen  strahlenartig  Fissuren  aus.  Die  Fissuren,  die  von  der 
zuletzt  beigebrachten  Verletzung  ausgehen,  sind  wie  abgehackt  an 
der  Stelle,  wo  sie  auf  die  Fissuren  der  ersten  Verletzung  stossen. 

Herr  Puppe:  Zur  Kenntnis  der  Kleesalzvergiftung. 

Vortr.  berichtet  über  2  Fälle,  die  er  in  letzter  Zeit  beobachtete. 
Der  Tod  trat  fast  unmittelbar  nach  Einnahme  des  Giftes  ein.  Charak¬ 
teristisch  seien:  die  scharf  abgegrenzte  weisse  Verschorfung  des 
Oesophagus  und  die  Hyperämie  der  Magenschleimhaut.  Das  Blut 
wird  in  saures  Hämatin  umgewandelt.  In  beiden  Fällen  war  der 
Uterus  in  statu  menstruali. 

Herr  Jester:  Ueber  die  Ursachen  der  Sommersterblichkeit 
der  Säuglinge. 

Die  Todesfälle  in  Königsberg  in  den  heissen  Monaten  sind  in  den 
dichtbevölkerten  Stadtteilen  bei  weitem  am  häufigsten.  An  den 
heissesten  Tagen  ist  auch  die  Mortalität  am  grössten.  Vortr.  führt 
die  Ursache  auf  einen  direkten  Einfluss  der  Hitze  zurück.  Die  alte 
Ansicht  von  einer  bakteriellen  Zersetzung  der  Milch  sei  nicht  aufrecht 
Zu  erhalten,  da  Fälle  bekannt  sind,  wo  Kinder  von  einer  Mutter  mit 
eitriger  Mastitis  genährt  wurden,  ohne  Schaden  zu  nehmen.  Anderer¬ 
seits  blieben  Kinder,  die  einwandfreie  Brustmilch  bekamen,  von  der 
Sommersterblichkeit  nicht  verschont.  Die  Wohnungen,  in  denen  die 
meisten  Todesfälle  vorkamen,  waren  ausnahmslos  überhitzt  und 
schlecht  lüftbar.  Die  Kinder  selbst  waren  unvernünftig  warm  ein¬ 
gepackt.  Lässt  man  Kinder  längere  Zeit  in  Zimmern  mit  hohen  Tem¬ 
peraturen  (23°  C.).  so  treten  Temperatursteigerungen,  Schweiss- 


No.  1= 


ausbriiehe  und  Durchfälle  ein.  Entfernt  man  die  Kinder  aus  solche 
Räumen,  so  schwinden  die  Erscheinungen  sofort  wieder. 

Eine  weitere  wichtige  Rolle  spielt  die  Ueberernährung.  Die  Ar 
beitsfähigkeit  des  Magens  eines  Säuglings  wird  nur  zu  leicht  über 
schritten,  dazu  kommt,  dass  durch  die  Schweisssekretion  die  Magen 
Sekretion  darniederliegt. 

Den  angeführten  Ursachen  entsprechen  die  therapeutischen  Mas> 
nahmen. 

Herr  B  ent  hin:  Ueber  die  Bedeutung  des  Blutzuckers. 

Für  die  Entstehung  der  Schwangerschaftstoxikosen,  besonder 
der  Eklampsie  nimmt  man  Funktionsstörungen  der  L  eber  an.  Da  dies 
im  Kohlehydratstoffwechsel  eine  grosse  Bedeutung  hat,  so  hält  e 
Vortragender  für  wichtig,  systematische  Untersuchungen  über  da 
Verhalten  des  Blutzuckers  heranzuziehen.  Bei  gesunden  Frauen  fan 
B.  bei  sexueller  Indifferenz  im  Mittel  0,82  Proz.  Zucker  im  Gesamtblu 
Durch  die  Menstruation  tritt  keine  Aenderung  ein;  auch  zu  ver 
schiedenen  Zeiten  der  Gravidität  vorgenommene  Untersuchung: 
lassen  auf  eine  Störung  nicht  schliessen.  Bei  der  Gebürt  hingegei 
namentlich  bei  langer  und  schmerzhafter  Austreibungsperiode  kormr 
es  zu  einer  Hyperglykämie.  Durch  die  gesteigerte  Muskelarbeit  wir! 
augenscheinlich  viel  Zucker  verbraucht,  und  eine  gesteigerte  Abgab 
von  Zucker  aus  der  Leber  tritt  ein.  Im  Wochenbett  stellt  sich  de 
Normalzustand  alsbald  wieder  hier.  Nach  Abort  tritt  nur  eine  Hypei! 
glykämie  ein,  wenn  die  Blutung  plötzlich  eingesetzt  hatte;  bei  lang 
anhaltenden  Blutungen  ist  sogar  eine  Abnahme  des  Blutzuckers  zi 
verzeichnen.  Bei  der  Eklampsie  tritt  stets  eine  erhebliche  Steigerun 
•  ein,  im  Mittel  0,113  Proz.;  sie  wird  jedoch  nur  beobachtet,  wenn  dt: 
Blut  während  der  Anfälle  oder  zwischen  ihnen  entnommen  wir 
ein  Grund,  auch  hier  die  gesteigerte  Muskelarbeit  als  Grund  anzü 
nehmen.  Bei  einer  Funktionsstörung  der  Leber  müsste  die  Hype 
glykämie  auch  nach  dem  Aufhören  der  Anfälle  anhalten.  Die  Ai 
nähme,  dass  Funktionsänderungen  der  Nebenniere  und  Hypophys 
die  mit  den  Genitalfunktionen  in  Zusammenhang  stehen,  die  Ursacl 
der  Blutsteigerung  seien,  kann  deshalb  nicht  ausschlaggebend  sei 
weil  bei  festgestellter  Hypertrophie  dieser  Organe  keine  Verändtj 
rungen  in  der  Blutzuckerausscheidung  beobachtet  wurden. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  November  1912. 

Herr  Oberndorfer:  Luetische  Aortenerkrankung  und  Aortei 

Insuffizienz  (mit  Demonstrationen  und  Lichtbildern).  (Erschien  Münc, 
med.  Wochenschr.  1913,  No.  10.) 

Diskussion:  Herr  G.  B.  G  r  u  b  e  r :  Bei  Durchmusterung  dt 
Leichenmaterials  des  Krankenhauses  r.  d.  I.,  das  innerhalb  vc 
13  Jahren  zur  Obduktion  gelangte,  fand  ich  unter  rund  6000  Fällt 
4  Proz.  luetische  Aortenerkrankungen.  Seit  Anstellung  der  Wa: 
s  e  r  m  a  n  n  sehen  Reaktion  an  der  Leiche  hob  sich  die  Zahl  etwa 
so  dass  jetzt  ungefähr  4,5  Proz.  luetischer  Aortenerkrankungen  b 
uns  anfallen.  Unser  Sektionsmaterial  besteht  zu  54  Proz.  aus  Mä 
nern,  zu  46  Proz.  aus  Weibern.  Die  Aortenerkrankungen  verteilt 
sich  zwischen  Männern  und  Weibern  wie  54  zu  27.  Zu  deutlich 
Aneurysmabildung  war  es  bei  fast  ein  Viertel  der  Fälle  luetisch 
Aortenerkrankungen  gekommen  und  zwar  wieder  meist  bei  Männer 
Das  Alter,  in  dem  die  Erkrankung  gefunden  wird,  erstreckt  sich  mei 
über  den  Zeitraum  zwischen  dem  3.  und  6.  Lebensjahrzehnt.  L 
rein  atheromatösen  und  deformierenden  Aortenveränderungen  sind 
etwas  späteren  Lebensabschnitten  häufiger.  —  Die  Diagnose  d 
Aortitis  luetica,  die  zumeist  schon  makroskopisch  unschwer  geste 
werden  kann,  und  zu  deren  Sicherung  die  histologische  sowie  c 
serologische  Untersuchung  mit  bestem  Erfolg  dienen  kann,  lind 
abgesehen  von  den  bekannteren  Merkmalen  häufig  einen  Stiitzpun 
auch  noch  in  der  auffälligen  Veränderung  der  Aortenbulbus,  die  ni 
nach  Eröffnung  des  Herzbeutels  gewahrt.  Ausser  einer  sehr  stark 
Injektion  der  adventitiellen  Gewebsteile  nimmt  man  bereits  hier  vh 
fach  eine  Vorbuckelung  oder  ganz  flache  Ausbauchung  des  sonst  sch1 
und  gleichmässig  geschwungenen  Aortenrohres  wahr;  ausserdem 
die  perikardiale  Aussenhiille  des  Aortenbulbus  oftmals  wie  von  feint 
milchigen,  durchscheinenden  Schleiern  bedeckt,  die  nicht  selten  na 
der  Umschlagsstelle  des  Herzbeutels  als  Spangen  oder  Septen  zi 
parietalen  Blatt  herüberziehen  und  das  Zeichen  einer  produktiv 
Entzündung  der  Adventitia  sind,  also  nicht  streng  spezifisch  aufgefas 
werden  dürfen.  Die  reichliche  Gefässbildung  bei  dem  peri-  und  mes 
aortitischen  Entzündungsprozess  bemerkt  man  sehr  deutlich  auch  3 
senkrechten  Einschnitten  in  die  Aortenwand  —  im  Gegensatz  z 
Atherosklerose,  wo  diese  Erscheinungen  zwar  auch  möglich,  ab 
doch  geringer  sind.  —  Zweifellos  ist  in  der  Betätigung  der  Wasse 
mann  sehen  Reaktion  an  Leichenmaterial  ein  höchst  Schätzer 
wertes  Hilfsmittel  zur  Sicherung  der  Diagnose  gegeben.  An  unseri 
Institute  ist  sie  bis  jetzt  in  90  verdächtigen  oder  makroskopis 
sicheren  Autopsiefällen  angewandt  worden.  Nur  in  5  Fällen  war  d 
Ergebnis  negativ;  dieser  negative  Ausfall  spricht  nicht  gegen  Lut 
denn  gelegentlich  fanden  wir  auch  bei  fibröser,  ehemals  behandelt 
Larynxstenose  auf  luetischer  Basis,  die  zur  Tracheotomie  gefüh 
und  auch  nach  energisch  behandelter  Lues  III  mit  vernarbten  Lebt 
gummen  negative  Wassermann  sehe  Reaktion.  •  Die  Hälfte  c 
von  uns  serologisch  untersuchten  Aortitisfälle  habe  ich  auch  mikr 


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I  April  1913. 


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;  ipisclt  durchforscht,  ein  weiterer,  grosser  Teil  harrt  noch  der 
t  Versuchung.  Unsere  mikroskopischen  Erhebungen  decken  sich 
v  lig  mit  denen,  die  Herr  Prof.  Oberndorfer  soeben  vorgetragen. 
I  e  h  1  e  hat  neuerdings  in  einer  Diskussion  ausgesprochen,  dass 
listens  in  3  Proz.  aller  Aortitisfälle  solche  Erscheinungen  zu  finden 
.  mi,  die  man  als  Gumma  ansprechen  könne.  Vielleicht  ist  diese 
i  1  noch  zu  hoch.  Ich  glaube,  dass  mir  in  2  Fällen  die  Auffindung 
i  mikroskopisch  kleinen  Gummiherden  geglückt  ist.  Den  einen 
I  will  ich  Ihnen  kurz  vorweisen:  Sie  sehen  hier  das  Herz  eines 
ährigen  Mannes,  der  tot  im  Bett  gefunden  wurde,  nachdem  er 

1  Tage  vorher  in  der  Sprechstunde  eines  Arztes  wegen  Herz¬ 
ehwerden  sich  eingefunden  hatte.  Damals  liess  sich  eine  nicht 
ische  Pulsunregelmässigkeit  neben  Vergrösserung  beider  Ventrikel 

v  ;statieren.  Der  Mann  lebte  früher  in  den  Tropen  und  war  sehr 
izeitig  stark  ergraut.  Die  Obduktion  ergab  ein  vernarbtes  Leber- 

2  uma,  ein  grosses,  die  Gegend  des  H  i  s  sehen  Bündels  nicht  be- 
rendes.  Gumma  des  Herzseptums  und  ein  Aneurysma  der 

-  ;kwand  der  linken  Aortenklappentasche  gegen  die  Stelle 
Gummiknotens  hin  in  Grösse  einer  Walnuss.  Die  Aorta 
Jjt  im  aufsteigenden  Brustteil  die  Veränderungen  der  luetischen 
i-  und  Mesaortitis  in  Gemeinschaft  mit  Atherosklerose.  Die 
ipheren  Aortenabschnitte  sind  frei  geblieben.  Als  ich  hier  nahe 
n  Klappenring  die  Aorta  histologisch  untersuchte,  fand  ich  ein 
ines  Gumma  mit  zentraler  Nekrosierung  und  einer  Riesenzelle 
i  polarer  Kernanhäufung  in  der  Adventitia;  im  übrigen  zeigte  sich 
I  bekannte  an  Rund-  und  Plasmazellen  reiche,  oft  lymphomähnlich 
i  eordnete,  an  sprossende  Gefässe  angeschlossene  Granulations- 
:rebe,  das  von  aussen  her  senkrecht  die  Media  zu  durchbrechen 
;  eint.  —  Bei  einer  grösseren  Reihe  von  entsprechenden  Aorten 
:>e  ich  nach  Levaditi  den  Nachweis  von  Spirochäten  versucht 
aber  vergebens.  Experimentell  scheint  jedoch  neuerdings  V  a  n  - 

•  1 1  i  am  Kaninchen  analoge  Gefässveränderungen  durch  Spiro- 
:  tenimpfung  nahe  der  Impfungsstelle  hervorgerufen  zu  haben. 

nerhin  scheint  mir  für  den  Menschen  eine  Scheidung  —  wie 
;  Bollinger  vor  13  Jahren  in  der  Diskussion  zu  Straubs 
.  trag  auf  dem  deutschen  Naturforschertag  verlangte  —  zweck- 
:ssig:  man  soll,  wie  ich  glaube,  eine  seltene  gummöse  Form 
.t  einer  unendlich  häufigeren  Form  trennen.  Dies  wäre 
Form,  welche  Bollinger  wie  auch  andere  als  schwielige 
)  r  fibröse  bezeichnet  hat,  die  keine  Gummen,  wohl  aber  das  merk- 
rdige  Granulationsgewebe  in  den  äusseren  Häuten  der  Aorta  zeigt, 
'n  hat  (Straub)  diese  Organveränderung  geradezu  als  Aorten- 

■  rankung  der  Paralytischen  bezeichnet.  Tatsächlich  ist  das  Zu- 

•  tmentreffen  der  als  metaluetisch  bekannten  paralytischen  Gehirn- 
.  änderungen  mit  der  fibrösen  oder  produktiven  Peri-  und  Mes- 
i  titis  ungemein  häufig.  Als  Beispiel  möchte  ich  hiefür  eine  kleine 
'  ;ammenstellung  von  32  Obduktionen  an  paralytisch  erkrankten 

assen  der  Heil-  und  Pflegeanstalt  Eglfing  bzw.  unseres  Kranken- 
ises  anführen,  deren  Obduktion  durch  Herrn  Prof.  Duerck  oder 
:h  vorgenommen  worden  ist.  Es  handelte  sich  um  25  Männer, 
7  Weiber.  Davon  zeigten  20  Männer  und  2  Weiber  ( <T  80  Proz., 
28  Proz.)  eine  sichere  Aortitis.  Der  Unterschied  der  Beteiligung 
weiblichen  und  männlichen  Geschlechtes  an  der  Peri-  und  Mes- 
i  titis  luetica  gibt  uns  vielleicht  noch  einen  Hinweis  auf  die  Ent- 
mng  der  Aortenveränderung.  Es  scheinen  die  Druckschwankungen, 
;en  vor  allem  das  männliche  Kreislaufssystem  ausgesetzt  ist  —  sei 
durch  Körperanstrengung  bei  der  Arbeit,  sei  es  durch  toxische 
fliisse  — ,  die  Aorta  widerstandsloser  gegen  den  Angriff  der  Noxen 
v  machen,  welche  das  Bild  der  luetischen  bzw.  postluetischen 
rtenerkrankung  erzeugen.  Andererseits  führt,  wie  ja  auch  der 
Irr  Vortragende  erw'ähnt,  diese  Aortenerkrankung  besonders  schnell 
i.l  ausgiebig  zur  Degeneration  der  inneren  Aortenschichte,  zur 
rtensklerose  und  Atheromatose,  was  sich  in  der  häufigen  Kom- 
ation  der  beiden,  allgemein  pathologisch  ganz  verschieden  zu 
urteilenden  Prozesse  bekundet. 

Herr  K.  Francke  bestätigt  aus  seiner  Erfahrung  die  Aur- 
■llung  der  beiden  Vorredner,  dass  in  den  letzten  Jahrzehnten  die 
tische  Aortitis  wesentlich  häufiger  auftritt  wie  früher.  Ob  dies 
in  durch  das  Zurücktreten  anderer  Erkrankungen  und  das  Aelter- 
'  rden  der  Menschen  zu  erklären  ist,  ist  fraglich.  — •  Die  Diagnose 
ser  Leiden  kann  auch  noch  durch  andere  Symptome  gestützt 
Irden  als  die  angegebenen:  das  Vorkommen  anderer  Aeusserungen 

■  Syphilis  vor  dem  Auftreten  der  Aortitis  und  zugleich  mit  ihr  als 
rben  an  den  Geschlechtsteilen,  den  Schienbeinen,  Knochen- 
Ureibungen,  Erkrankungen  des  Nervensystems  wie  Defluvium  cap. 

zigsein  der  Glieder,  Augenleiden  und  Herdsymptome  im  Gehirn 
>en  dem  schon  erwähnten  gleichzeitigen  Vorkommen  von  tabischen 
1  paralytischen  Erscheinungen.  Objektiv  konnte  F.  meist  einen 
nckschmerz  über  den  erkrankten  Teilen  auf  der  Brustwand  be- 
iders  in  den  Interkostalräumen  feststellen.  Auch  durch  leichte 
chütterung  der  vorderen  Brustwand  wird  oft  ein  Schmerz  aus- 
öst.  Diese  älgeoskopischen  Untersuchungen  werden  viel  zu  sehr 
nachlässigt.  —  Therapeutisch  ist  zu  erwähnen,  dass,  wenn  zeitig 
i'Jg  geeignete  Kuren  einsetzen,  die  Prognosen  nicht  ungünstig 
d.  Selbst  faustgrosse  Aneurysmen  können  jahrelang  zum  Still- 
nd,  ja  sicher  auch  zum  Kleinerwerden  gebracht  werden.  F.  ist 
Jer  Lage,  2  Kranke  vorstellen  zu  können,  die  schon  jahrelang  ihre 
priinglich  faustgrossen,  jetzt  wesentlich  kleiner  gewordenen 
noren  an  der  Aorta  ascendens  und  an  der  Anonyma  tragen  mit 


wesentlich  verminderter  Pulsation.  Schon  vor  der  Salvarsanzeit 
erreichte  das  F.  durch  seine  Merkurichloridwaschungen,  die  den 
Vorteil  haben,  dass  die  massenhafte  Einverleibung  des  heftig  wir¬ 
kenden  HgCL>  nicht  plötzlich,  sondern  allmählich  durch  die  Haut  ge¬ 
schieht.  Uebrigens  ist  der  eine  Fall  bereits  seit  längerer  Zeit  auch 
mit  Salvarsan,  erst  intramuskulär,  dann  intravenös  behandelt  worden. 
Dem  anderen  Patienten  ging  es  lange  Zeit  gut,  so  dass  er  kein 
Salvarsan  nötig  hatte.  Jetzt  hat  er  sich  auch  zur  Infusion  gemeldet. 
F.  hofft  die  beiden  Fälle  hier  zeigen  zu  können. 

Herr  S  t  r  u  p  p  1  e  r :  Die  Diagnose  der  postsyphilitischen  Aorten- 
insuffizienz  kann  heute  frühzeitig  genug  und  ohne  Schwierigkeit  auch 
in  der  Praxis  gestellt  werden.  Die  Erkrankung  ist  auffallend  in  der 
Zunahme  begriffen. 

Ebenso  wie  von  der  Tabes  oder  der  Gehirnsyphilis,  die  be- 
kanntermassen  bei  zwei  Ehegatten  gemeinsam  Vorkommen  kann,  hat 
Str.  mm  wiederholt  und  zweifellos  auch  von  der  luetischen  Aortitis 
gesehen,  dass  sowohl  der  Mann  als  auch  die  Ehefrau  von  dem  näm¬ 
lichen  Leiden  befallen  waren.  Er  erhebt  deshalb  die  Forderung,  bei 
der  Konstatierung  der  luetischen  Aortenerkrankung  bei  einem  ver¬ 
heirateten  Patienten  jedesmal  auch  die  andere  Ehehälfte  zur  Kontrolle 
des  Herzens  unter  irgend  einem  Vorwände  sich  zu  bestellen  und 
eventuell  zur  Vornahme  der  Wassermannreaktion  zu  veranlassen. 
Nur  bei  solcher  Vorsicht  wird  eine  frühzeitige  Erkennung  des  Leidens 
und  sofortige  Behandlung  sich  ermöglichen  lassen.  Die  Prognose 
des  vorgeschrittenen  Leidens  ist  ja  leider  trotz  Salvarsan  und  übriger 
sachgemässer  Therapie  vielfach  mehr  als  problematisch,  was  im 
Gegensatz  zu  einer  etwas  zu  optimistischen  Auffassung  anderer 
Autoren  auf  Grund  der  Erfahrung  verschiedener  eigener,  ungünstig 
verlaufender  Fälle  nachdriicklichst  hervorgehoben  werden  muss. 

Sitzung  vom  4.  Dezember  1912. 

Herr  Bruegel:  Demonstration  von  Bewegungsvorgängen  am 
pathologischen  Magen  auf  Grund  röntgen-kinematographischer  Unter¬ 
suchungen.  (Erschien  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  4 ;  vergl. 
auch  No.  8  und  11.) 

Diskussion:  Herr  K  a  e  s  1 1  e  (siehe  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1913,  No.  7). 

Herr  Grashey:  Demonstration  von  Röntgenbildern. 

a)  lokale  Osteomalazie.  Bei  2  Frauen  im  Alter  von  53  und 
58  Jahren  entstand  ganz  allmählich  eine  Durchbiegung  der  oberen 
Hälfte  der  einen  Tibia  nach  vorne.  Röntgenbilder  zeigten  im  ver¬ 
dickten  Knochen  zahlreiche  kleinfleckige  Aufhellungen,  ossifizierende 
Periostitis.  Im  einen  Fall  konnte  die  Wassermann  sehe  Reaktion 
ausgeführt  werden  (negativ)  und  eine  Probeexzision  gemacht  werden, 
welche  die  histologische  Diagnose  Ostitis  fibrosa  lieferte.  Die 
Fälle  werden  von  Herrn  W.  Lee  de  nächstens  beschrieben. 

b)  Bilder  von  sog.  Periarthritis  humeroscapularis.  Von  der¬ 
selben  Patientin  habe  ich  hier  im  November  1910  ein  Schulterbild 
gezeigt  und  hervorgehoben,  dass  die  breiigen  Kalkablagerungen  bei 
der  Operation  sich  nicht  in  präformierten  Schleimbeuteln,  sondern  im 
Sehnengewebe  selbst  vorfanden.  Genau  so  war  es  auf  der  später 
operierten  anderen  Seite  und  auch  bei  mehreren  anderen  operierten 
Fällen  (vergl.  Röntgenkongress  1911).  Inzwischen  hat  Wrede 
gleichlautende  Befunde  veröffentlicht.  Bei  der  erwähnten  Patientin 
habe  ich  später  wegen  Schmerzen  am  Trochanter  major  die  Hüfte 
röntgenographiert,  analoge  „Schleimbeutelschatten“  erhalten  und  bei 
der  Operation  die  Kalkniederschläge  i  n  der  Sehne  des  M.  glutaeus 
medius  gefunden. 

c)  Fall  von  „Köhler scher  Knochenerkrankung“,  d.  h.  zu 

kleiner,  gegliederter  Schatten  des  Os  naviculare  pedis.  Bei  dem 
6  jährigen  Knaben  war  der  Befund  nach  leichterer  Kontusion  des 
Fusses  erhalten,  noch  ausgesprochener  am  nicht  verletzten  Fuss; 
hier  war  Trauma  ausgeschlossen;  es  lag  offenbar  gegliederte  Anlage 
des  Navikularekerns  vor,  wie  wir  sie  ja  bei  anderen  Knochen,  z.  B. 
Erbsenbein,  Olekranon,  oberem  Tibiaepiphysenfortsatz  etc.  auch 
finden.  Eine  Zertrümmerung  des  von  dickem  Knorpel  bedeckten 
Knochens  für  sich  allein,  ohne  Schädigung  der  Nachbarknochen,  ist 
überhaupt  unwahrscheinlich. 

Herr  Petri:  Biologische  Diagnose  der  Schwangerschaft. 

(Erschien  im  Zentralblatt  für  Gynäkologie.) 


Naturwissenschaft!.- medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  S  e  k  t  i  o  n.) 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  7.  Februar  1913. 

Herr  Lichtenberg:  Beiträge  zur  Chirurgie  der  Ureteren  und 
des  Nierenbeckens. 

Sitzung  vom  21.  Februar  1913. 

Herr  Chiari:  Zur  Kenntnis  der  gutartigen  Pylorushypertrophie. 

Der  Begriff  der  gutartigen  Pylorushypertrophie  wird  für  gewöhn¬ 
lich  sehr  weit  gefasst  und  darunter  jede  Verdickung  der  Wand  der 
Pars  pylorica,  die  nicht  durch  ein  Neoplasma  bedingt  ist,  verstanden. 
Sie  kann,  sekundär  auftreten,  namentlich  nach  peptischer  Ulzeration 
oder  Aefzung  oder  sie  kann  eine  idiopathische  sein.  Von  letzterer 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  15. 


lassen  sich,  abgesehen  von  der  reinen  Schleimhautverdickung  bei 
Gastritis  catarrlialis  chronica  und  der  reinen  Serosaverdickung  bei 
Peritonitis,  4  Formen  unterscheiden. 

Die  erste  Form  ist  die  sog.  Hypertrophie  von  C  r  u  v  e  i  1  h  i  e  r, 
die  auf  eine  chronische  Entzündung  der  Submukosa  zurückzuführen 
ist  und  am  besten  nach  Krompecher  mit  dem  Namen  einer  Skle¬ 
rose  resp.  Sklerostenose  bezeichnet  wird. 

Als  zweite  Form  kann  genannt  werden  die  von  Länderer  und 
Maier  beschriebene  angeborene  Stenose  des  Schleimhautrohres  des 
Pylorus  bei  Erwachsenen,  häufig  kombiniert  mit  Muskelhypertrophie. 
Von  dieser  Form  erwähnt  der  Vortragende  einen  neuen  Fall  von 
einem  45jährigen  Manne,  bei  dem  eine  nach  Stern  sog.  relative 
Enge  des  Ostium  pyloricum  durch  hinzugetretenen  Katarrh  so  stark 
geworden  war,  dass  der  Pylorus  reseziert  werden  musste. 

Eine  dritte  Form  wird  dargestellt  durch  die  hypertrophische 
Pylorusstenose  beim  Säugling,  welche  zuerst  von  Hirsch  Sprung 
erkannt  wurde  und  auf  eine  kongenitale  Bildungsanomalie  zurück¬ 
zuführen  ist.  Von  dieser  Form  werden  3  Fälle  eigener  Beobachtung 
besprochen. 

Die  vierte  Form  endlich,  die  aus  der  schon  öfters  gesehenen 
spontanen  „Heilung“  von  Fällen  der  dritten  Form  a  priori  vermutet 
werden  kann,  ist  die  rein  muskuläre  Pylorushypertrophie  beim  Er¬ 
wachsenen.  Ueber  diese  Form  finden  sich  nur  sehr  spärliche  Angaben 
in  der  Literatur  und  wird  daher  ein  einschlägiger  Fall  von  einem 
70  jährigen  Mann  eingehender  geschildert.  Ohne  dass  während  des 
Lebens  Symptome  seitens  des  Oesophagus  und  Magens  vorhanden 
gewesen  waren,  fand  sich  bei  der  Sektion  mächtige  muskuläre  Hyper¬ 
trophie  des  Oesophagus  und  der  Pars  pylorica  ventriculi  ohne 
Stenose. 

Diskussion:  Die  Herren  Cahn,  Ledder  h  ose,  C  h  i  a  r  i, 
Seyderhelm  und  G  u  1  e  k  e. 

Herr  Vogt:  Ueber  Pneumonie. 

Vortr.  bespricht  die  Frage,  ob  es  möglich  ist,  aus  dem  Sammel¬ 
begriff  der  Pneumonie  Krankheitsbilder  herauszuschälen,  die  eine 
ätiologische  und  zugleich  eine  klinische  Einheit  darstellen.  Diese 
Aufgabe  hat  zunächst  mit  der  Schwierigkeit  zu  rechnen,  dass  die 
Feststellung  des  Infektionserregers  im  einzelnen  Falle  durchaus  nicht 
immer  leicht  gelingt.  Das  Sputum  ist  stets  der  Gefahr  ausgesetzt, 
dass  ihm  Infektionserreger  aus  der  Mund-  und  Rachenhöhle  beige¬ 
mengt  werden,  wo  Bakterien,  die  als  Erreger  von  Pneumonien  in 
Frage  kommen  können,  ganz  gewöhnlich  reichlich  vertreten  sind. 
Die  gleiche  Fehlerquelle  macht  sich,  wie  Norris  und  Pappen¬ 
heimer  gezeigt  haben,  auch  bei  bakteriologischer  Untersuchung 
des  Bronchialinhaltes  nach  dem  Tode  geltend.  Die  bisherigen  Unter¬ 
suchungen  auf  diesem  Gebiete,  soweit  sie  aus  früheren  Jahren 
stammen,  haben  vielfach  keine  Rücksicht  auf  das  Vorkommen  von 
Influenzabazillen  genommen.  Pneumokokken  lösen  als  Erreger  der 
fibrinösen  lobären  Pneumonien  ein  typisches,  auch  klinisch  wohl¬ 
charakterisiertes  Krankheitsbild  aus;  dagegen  ist  ihre  Bedeutung  als 
Erreger  von  Bronchopneumonien  noch  zweifelhaft.  Als  solche  ver¬ 
dienen  wohl,  abgesehen  von  Influenzabazillen,  besonders  Strepto¬ 
kokken  und  Staphylokokken  angesehen  zu  werden,  wobei  die  Sta¬ 
phylokokken  anscheinend  die  Neigung  zu  eitriger  Einschmelzung  des 
Gewebes  bekunden.  Friedländerpneumonien  sind  klinisch  durch 
Malignität  ausgezeichnet,  sie  scheinet!  besonders  häufig  in  Gangrän 
auszugehen  und  führen  auch  zu  charakteristischen  anatomischen  Ver¬ 
änderungen.  Infektionen  der  Lunge  mit  Influenzabazillen  haben  nach 
den  Untersuchungen  des  Vortragenden  mit  Brückner  und 
Gaehtgens  sowie  denen  von  E.  Holt  und  seinen  Mitarbeitern 
im  Kindesalter  grosse  Bedeutung  wegen  der  Häufigkeit  ihres  Vor¬ 
kommens  und  der  Malignität  der  durch  sie  ausgelösten  Pneumonien. 
Klinisch  sind  die  Influenzapneumonien  ausserdem  ausgezeichnet 
durch  die  Neigung  zu  protrahiertem  Verlauf  und  zum  Ausgang  in 
chronische  Erkankung.  Die  Eigentümlichkeiten  der  einzelnen  Pneu¬ 
monieerreger  treten  besonders  rein  im  Experiment  zutage,  wie  aus 
den  Versuchen  von  Meitzer.  Lamar  und  Wollstein  über 
künstliche  Erzeugung  von  Pneumonien  hervorgeht.  Damit  ist  ein 
wertvoller  neuer  Weg  zum  Studium  wichtiger  Fragen  eröffnet.  — 
Gegenüber  der  Bedeutung  der  Infektionserreger  für  den  Ablauf  der 
Lungenerkrankungen  wird  die  konstitutionelle  Beschaffenheit  des  Pa¬ 
tienten  meist  zu  wenig  gewürdigt.  Gerade  dem  Kinderarzt  muss 
die  Beziehung  der  Ernährung  zur  ResistQnz  gegen  Infektionskrank¬ 
heiten  auffallen.  Daneben  ist  die  Beschaffenheit  des  Nervensystems 
zu  beachten.  Krämpfe  im  Beginn  einer  Infektionskrankheit  z.  B. 
stellen  meist  nicht  die  Aeusserung  bestimmter  Infektionserreger  dar, 
sondern  treten  bei  einzelnen  Individuen  bei  jeder  Art  von  Infektion 
auf.  Dasselbe  gilt  für  Delirien  und  wenigstens  in  einem  Teile  der 
Fälle  auch  für  besonders  hohe  Temperaturanstiege  und  für  Kollapse. 
Die  Einwirkung  einer  Reihe  verschiedenartiger  Infektionserreger  auf 
der  einen  und  die  individuell  verschiedene  Beschaffenheit  des  Or¬ 
ganismus  auf  der  anderen  Seite  lassen  die  Vielgestaltigkeit  der 
Krankheitsbilder,  unter  denmi  die  Pneumonie  beim  Menschen  auf- 
■treten  kann,  verständlich  erscheinen. 

Diskussion:  Die  Herren  Uhlenhutb  und  Vogt. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Dezember  1912. 

Vorsitzender :  Herr  J.  H  o  1  i  n  g  e  r. 

Schriftführer:  Herr  A.  Strauch. 

Herr  Ch.  S.  Williamson:  Demonstrationen. 

Herr  Carl  Beck  hält  einen  Vortrag  über:  Das  Schicksal  der 
Fremdkörper  in  der  Abdominalhöhle. 

Kleine,  stumpfe  Körper,  wie  Kerne,  gehen  meist  unbemerkt  ah. 
Nur  ausnahmsweise  führen  sie  zu  pathologischen  Zuständen,  ln 
einem  Falle  sah  Beck  z.  B.  zwei  Pflaumenkerne,  in  einem  anderen 
Falle  eine  Beere  in  einem  Appendixeitersack.  Es  wird  folgender 
interessante  Fall  berichtet:  Patient  mit  Darmobstruktion  und  Peri¬ 
tonitis  infolge  Perforation.  Es  wurde  eine  Kotfistel  angelegt.  Das 
Röntgenbild  ergab  in  der  Flexura  sigmoidea  einen  Fremdkörper,  der1 
sich  als  ein  falsches  Gebiss  erwies.  Der  Patient  wusste  nichts  davon,! 
dass  er  ein  Gebiss  verschluckt  hatte.  Aber  er  erinnerte  sich,  dass  er 
im  deutsch-französischen  Kriege  in  einer  Schlacht  einen  Hieb  ins1 
Gesicht  bekam  und  dass  er  bewusstlos  zusammenbrach.  Nach  denn 
Erwachen  aus  der  Bewusstlosigkeit  bemerkte  er,  dass  ihm  sein 
künstliches  Gebiss  fehlte,  ahnte  aber  nicht,  dass  er  dasselbe  ver¬ 
schluckt  hatte  Erst  nach  dreissig  Jahren  waren  die  Erschei¬ 
nungen  von  Darmobstruktion  aufgetreten. 

In  einem  anderen  Falle  war  ein  Murphyknopf  durchgeeitert  und 
hat  sich  in  einem  Sack  ausserhalb  des  Darmes  auf  der  Darmbein- 
schaufel  etabliert,  wo  er  durch  13  Jahre  ohne  Beschwerden  verblieb.1 

Unlängst  hat  Beck  einen  Fall  wegen  Leberabszess  operier!; 
doch  musste  wegen  Fortbestehens  des  Fiebers  eine  zweite  Operation, 
vorgenommen  werden.  Von  dem  ausgeheilten  subphrenischen! 
Abszess  führte  eine  Schwiele  zur  Appendix.  Dort  fand  sich  in 
einem  kleinen  Abszess  nahe  einer  Perforationsöffnung  eine  quer- 
gestellte  Nadel. 

Es  wird  ein.  Patient  (Böhme)  mit  folgender* 
Krankengeschichte  vorgestellt:  Patient  wurde  mit  dem 
Bilde  einer  Appendizitis  in  das  Cook  County-Hospital  aufgenommen. 
Das  Röntgenbild  zeigte  Fremdkörper  im  Magen.  Patient  teilte  mit. 
dass  er  seit  5  Jahren  infolge  von  Wetten  129  Taschenmesser  ver¬ 
schluckt  habe.  Diese  Messer  gingen  in  der  Regel  am  2.  oder  3.  Tag 
ab,  einige  aber  erst  nach  3 — 15  Monaten.  An  manchen  Tagen  habe 
er  bis  7  Messer  verschluckt.  Bei  der  Operation  vor  einigen  Wochen 
fand  Beck  im  Magen  neunzehn  Taschenmesser  und 
einen  Silberdollar.  Eines  dieses  Messer  war  halb  geöffnet, 
dessen  Spitze  sich  in  die  Magenwand  der  Pars  pylorica  eingebohrt 
und  ein  Ulcus  verursacht  hatte.  Wahrscheinlich  hatte  dieses  halb 
geöffnete  und  verankerte  Messer  die  Passage  der  anderen  Messer 
verhindert.  Die  Magenwand  zeigte  um  die  Fremdkörper  eine  sehr 
starke  Verdickung  und  beträchtliche  Granulationen.  Dieser  Fall  dient 
Beck  zum  Anlass,  über  Ulcus  ventriculi  durch  mecha¬ 
nische  Insulte  infolge  Fremdkörper  zu  Sprechern  Erst  unlängst 
fand  er  wieder  im  Grunde  eines  kleinen  Magengeschwüres  einen 
Glasscherben,  der  offenbar  die  Ursache  des  Geschwüres  war. 

Diskussion:  Herr  A.  J.  Ochsn  er  findet,  dass  man  mit 
der  B  i  1 1  r  o  t  h  sehen  Methode  der  Kartoffelfütterung  zur  Entfernung 
von  Fremdkörpern  aus  dem  Magendarm  meist  auskommt;  darum  ist 
nur  sehr  selten  eine  Operation  nötig.  Zu  wiederholten  Malen  wurden 
—  wie  auch  er  es  erlebt  hat  —  Murphyknöpfe  jahrelang  zuriiek- 
behalten,  ohne  dass  besondere  Beschwerden  bestanden  hätten. 
Folgender  Fall  wird  berichtet:  Eine  Frau  verschluckte  eine  Nadel, 
die  mit  einem  Metallschmetterling  verziert  war.  Die  verschiedenen 
Teile  der  Nadel  gingen  ab,  nicht  aber  die  Nadel  selbst.  Dieselbe 
verursachte  zu  wiederholten  Malen  Perforationen  mit  lokalen  Peri¬ 
tonitiden  an  den  verschiedensten  Stellen  des  Abdomens,  die  immer 
wieder  zurückgingen,  bis  schliesslich  die  Nadel  in  das  Rektum  durch¬ 
brach  und  von  hier  entfernt  w'urde. 

Nicht  gar  so  selten  sah  Ochsn  er  Magengeschwüre  infolge 
von  spitzigen  Gegenständen.  In  einem  Falle  perforierte  ein  Knochen¬ 
stück  die  Magenwand  und  drang  durch  die  Bauchdecken  bis  unter 
die  Haut.  In  einer  Anzahl  von  Fällen  fand  er  in  der  Appendix  Schrot¬ 
körner,  Gallensteine  oder  Stecknadeln  vor.  Einmal  kam  eine  ver¬ 
schluckte  Nähnadel  infolge  Perforation  durch  die  Bauchwand  zum 
Vorschein  und  konnte  so  leicht  entfernt  werden.  Diese  Fälle  zeigen, 
dass  der  Magendarm  imstande  ist,  meist  die  Fremdkörper  auf  eine 
Weise  zu  entfernen,  welche  das  Leben  des  Patienten  nicht  gefährdet. 
Nur  diejenigen  Fälle  sah  Ochsner  zugrunde  gehen,  bei  denen 
Fremdkörper  durch  ihre  G  r  ö  s  s  e  eine  Darmobstruktion  erzeugt 
hatten. 

Herr  A.  Zimmer  mann:  Die  Passage  durch  die  Kardia  ist 
das  Mass  für  die  Grösse  des  Fremdkörpers.  Hat  derselbe  einmal 
die  enge  Kardia  passiert,  so  wird  der  Chirurg  selten  Anlass  haben, 
operath  einzugreifen.  Hingegen  werden  Fremdkörper,  welche  sich 
unterhalb  dieser  engen  Passage  bilden  (wie  Gallensteine)  und  so 
durch  ihre  Grösse  Obstruktion  herbeiführen,  viel  häufiger  Anlass  zur 
chirurgischen  Entfernung  geben. 

Dass  Fremdkörper  in  der  Kardia  gerne  hängen  bleiben,  zeigt  der 
folgende  Fall:  Bei  einem  Kinde  musste  wTegen  einer  Laugenverätzung 
mit  Stenosierung  des  Oesophagus  bis  zum  Magen  hinunter  eine 
Magenfistel  angelegt  werden.  Später,  im  erwachsenen  Alter  er- 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


ankte  die  Person  plötzlich  an  Peritonitis,  die  tödlich  endete.  Die 
ktion  zeigte  einen  Hühnerknochen,  der  durch  die  Kardia  in  die 
mchhöhle  perforiert  war.  Verhältnismässig  gutartig  sind  die  Haar- 
sclnviilste  im  Magen,  wovon  Zimmermann  einen  zur  Operation 
kommenen  Fall  beobachtet  hat.  Nicht  nur  infolge  von  Wetten  oder 
berufsmässiger  Weise  werden  Messer,  Schwerter  usw.  geschluckt, 
immer  mann  kannte  einen  Einjährig-Freiwilligen  (Jurist)  in 
■utschland,  der  zur  Unterhaltung  seiner  Kameraden  Stücke  von 
Ilern  oder  Kohle  abzubeissen  und  zu  verschlucken  pflegte;  dabei 
nie  etwas  passiert 

Herr  C  Beck  (Schlusswort)  berichtet  über  ein  hysterisches 
ädchen,  aus  dessen  Magen  ein  Filztumor  entfernt  wurde.  Es  be- 
mden  ausser  allgemeinen  Magenbeschwerden  auch  Blutungen,  die, 
ie  die  Operation  zeigte,  nicht  aus  einem  Geschwür  stammten, 
ndern  diffus  waren.  Ein  sehr  interessantes  Beispiel  des  Wanderns 
’n  spitzen  Fremdkörpern  aus  dem  Magendarm  ist  Liickes  Fall, 
welchem  sich  ein  Taschenmesser  durch  die  Haut  gearbeitet  hat 
d  so  entfernt  werden  konnte. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Royal  Society  of  Medicine,  Surgical  Section. 

Sitzung  vom  10.  Dezember  1912. 

Ueber  Drahtgeflechteinpflanzung  (Filigran). 

L.  McQa  vin  berichtet  über  seine  Resultate  bei  der  Radikal- 
handlung  von  Hernien  unter  Verwendung  von  Filigraneinlage¬ 
ngen.  Bei  einem  Krankenmaterial  von  263  Leistenhernien  und 
Bauch-  und  Nabelbrüchen  hat  er  166  Operationen  nach  diesem  Ver- 
hren  ausgeführt;  unter  diesen  Fällen  handelte  es  sich  40  mal  um 
luch-  resp.  Nabelhernie  und  um  106  Patienten  mit  Inguinalhernie, 
m  denen  20  beiderseitig  operiert  wurden.  Die  Ventro-umbilical- 
rnien  betrafen,  wie  man  erwarten  wird,  in  der  Mehrzahl  (36) 
auen,  und  es  wurden  auch  6  Frauen  wegen  Leistenhernie  operiert. 
;r  älteste  Patient  stand  im  72.  Jahre.  Als  Indikationen  für  die  Ver- 
endung  des  Filigrans  werden  angeführt:  Ungewöhnlicher  Umfang 
s  Bruches,  langes  Bestehen  desselben,  vorgeschrittenes  Alter  des 
itienten,  Gewebsatrophie  infolge  von  Druck  des  Bruchbandes,  un- 
wöhnliche  Weite  des  Leistenkanals  und  auch  das  Obwalten  be- 
nderer,  durch  die  Berufstätigkeit  bedingter  körperlicher  Anstren- 
ingen.  Bei  2  Fällen  trat  ein  Rezidiv  ein,  einmal  als  Foige  von 
:psis  und  das  andere  Mal  als  Folge  des  Aufsetzens  des  Filigrans 
if  das  extraperitoneale  Fettgewebe.  Beide  Patienten  sind  seitdem 
folgreich  wieder  operiert  worden.  Im  allgemeinen  bewirkten  die 
rahtgeflechte  keine  besonderen  Störungen;  in  der  Regel  können 
e  nach  kurzer  Zeit  nicht  anders  als  e in  bloc  wieder  entfernt  wer- 
n.  Die  Gefahr  einer  Sepsis  ist  gegenüber  dem  sonstigen  Opera- 
rnsverfahren  um  ein  weniges  gesteigert,  und  7  Fälle  dieser  Serie 
aren  mit  Eiterbildung  kompliziert.  Nach  überstandener  Suppuration 
idet  man  das  Filigran  wieder  fester  als  sonst  eingewachsen,  und 
an  tut  gut,  es  an  Ort  und  Stelle  zu  belassen.  Die  nach  Wurmfort- 
tzabszessen  entstandenen  Hernien  bieten  erhebliche  Schwierigkeiten 
r  die  Bedeckung  mit  Muskulatur,  und  diese  ventralen  Hernien  er- 
iben  auch  eine  wesentlich  schlechtere  Mortalität  (10  Proz.)  als  die 
nstenhernien  mit  0,9  Proz.  Bei  dem  von  Redner  benutzten  Draht- 
:flecht  sind  die  Maschen  0,3  cm  weit;  es  erhält  durch  eine  zentrale 
ld  zwei  laterale  longitudinal  eingefügte  Drähte  noch  eine  Stütze 
ctra.  Bei  inguinalen  Brüchen  werden  zwei  solche  Filigrane  an¬ 
legt,  um  einen  Durchgang  für  den  Funikulus  zu  schaffen. 

J.  Hutchinson  konstatiert,  dass  die  Filigranbehandlung  die 
perationsgefahr  entschieden  steigert;  für  manche  Fälle  dürfte  aber 
e  Methode  angezeigt  sein. 

S.  B  o  y  d  hat  seit  einiger  Zeit  Versuche  mit  der  Verwendung 
ni  Kodakfilmen  an  Stelle  des  Filigrans  angestellt,  die  Resultate  sind 
>er  noch  nicht  als  endgültig  anzusehen. 

B  a  r  k  e  r  findet  die  Filigranmethode  für  Leistenhernien,  die 
>ch  immer  durch  eine  Bassinioperation  bewältigt  werden  können, 
cht  angebracht. 

Ec  des  verwendet  Filigran  nur  bei  grossen  Bauchhernien;  er 
it  gelegentlich  dasselbe  direkt  auf  die  Darmwand  angelegt. 

oyal  Society  of  Medicine,  Section  of  Balneology  and 

Cliraatology. 

Sitzung  vom  12.  Dezember  1912. 

Ueber  Cholelithiasis. 

W.  B  a  i  n  führt  aus,  dass  die  Tätigkeit  von  Mikroben,  welche 
tzt  als  ätiologisches  Moment  bei  der  Entstehung  von  Gallensteinen 
emlich  allgemein  in  den  Vordergrund  gestellt  wird,  nicht  bei  allen 
allen  ausschlaggebend  sein  könne.  Er  weist  auf  den  Abdominal- 
phus  hin  zum  Beweise,  dass  trotz  Anwesenheit  von  reichlichen 
azillenmengen  eine  üallensteinbildung  auch  unterbleiben  kann.  Als 
litwirkende  Faktoren  bei  der  Cholelithiasis  nennt  er  Stagnieren  der 
alle  in  der  Gallenblase.  Gemütsdepression  durch  Sorgen  und  Auf¬ 
gungen  und  ferner  Verdauungsstörungen.  Die  möglichst  frühzeitige 
rkennung  des  Leidens  ist  von  grosser  Bedeutung,  weil  alsdann  eine 
ledikamentöse  Behandlung  noch  Aussicht  auf  Erfolg  bietet.  Zu  den 
sten  Symptomen  gehören  Störungen  von  wenig  präziser  Art:  Dys- 


843 


pepsie  mit  erheblicher  Entwicklung  von  Darmgasen,  Gefühl  von  Span¬ 
nung  und  Schwere  in  der  Magengegend,  saures  Aufstossen,  belegte 
Zunge,  ein  sich  eine  halbe  bis  eine  Stunde  nach  der  Nahrungsaufnahme 
i  einstellender  Schmerz  im  Epigastrium,  wobei  eine  deutliche  Idiosyn¬ 
krasie  gegen  bestimmte  Speisen  sich  oft  nachweisen  lässt,  Müdigkeit 
und  Schläfrigkeit  sowie  auch  ein  durchaus  nicht  konstantes  Gefühl 
von  Druck  im  rechten  Hypochondrium.  Ein  sehr  beweiskräftiges  Mo¬ 
ment  ist  die  niemals  fehlende  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasen¬ 
gegend.  Die  Therapie  hat  sich  in  erster  Linie  auf  die  Hebung  der 
Verdauungstätigkeit  zu  richten,  denn  man  weiss  jetzt,  dass  ein  Kon- 
|  krement  sich  unter  aseptischen  Verhältnissen  in  der  Gallenblase  unter 
j  der  Einwirkung  von  gesunder  Galle  auflöst.  Erst  nach  Herstellung 
von  normalen  Verdauungsvorgängen  kommen  Mittel  wie  Colalin  und 
|  Urotropin  zur  Anwendung. 

E.  S  o  1 1  y  erkennt  den  Wert  der  medizinischen  und  balneo- 
logischen  Behandlung  für  Cholezystitis  und  sonstige  als  Kompli¬ 
kationen  der  Cholelithiasis  auftretenden  Affektionen  an,  doch  hält  er 
!  bei  Fällen  mit  sicher  nachweisbaren  Gallensteinen  einen  operativen 
Eingriff  für  die  einzige  rationelle  Therapie. 

R.  Ackerley  weist  darauf  hin,  dass  bei  den  niederen  Tier¬ 
gattungen  Gallensteine  kaum  Vorkommen.  Bei  1400  Obduktionen, 
welche  seit  1908  im  Zoologischen  Garten  zu  London  an  Säugetieren 
i  ausgeführt  worden  sind,  fand  man  sie  nur  bei  5  Tieren.  Er  betont 
die  Bedeutung  der  in  vieler  Hinsicht  unzweckmässigen  Lebensweise 
der  heutigen  Menschheit. 

J.  H.  Keay  bestätigt  aus  seiner  eigenen  persönlichen  Erfahrung 
die  Richtigkeit  des  von  B  a  i  n  entworfenen  Krankheitsbildes.  Die 
medikamentöse  Behandlung  könne,  falls  sie  rechtzeitig  und  zweck¬ 
entsprechend  eingeleitet  werde,  sehr  wohl  zur  Heilung  führen.  Er 
selbst  ist  nach  Behandlung  in  Karlsbad  jetzt  seit  vielen  Jahren  ge¬ 
sund  geblieben. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  6.  Januar  1913. 

Neuer  Beitrag  zum  Studium  der  Pathogenese  der  tuberkulösen  In¬ 
fektion. 

C  a  1  m  e  1 1  e  und  Guerin  glauben,  dass  die  bisher  von  den 
Verfechtern  der  beiden  Theorien  über  die  Infektionswege  der 
Tuberkulose  (durch  die  Verdauungswege  resp.  die  Atmungsorgane) 
vorgenommenen  Experimente  den  Fehler  haben,  künstliche  Wege 
(Eingabe  per  os  durch  die  Sonde,  forcierte  Einatmung  oder  durch 
Aufenthalt  in  einer  mit  tuberkulösen  Keimen  überfüllten  Luft)  ein¬ 
geschlagen  zu  haben  und  dass  diese  grundverschieden  von  den  Be¬ 
dingungen  der  natürlichen  Infektion  sind.  Um  nun  eine  solche 
zustande  zu  bringen,  haben  C.  und  G.  5  Kühe,  die  Träger  tuberkulöser 
Lungenaifektionen  waren,  in  einem  gewöhnlichen  Stall  untergebracht, 
und  etwas  getrennt  von  ihnen,  aber  so,  dass  deren  Exkremente  über¬ 
all  hingelangen  konnten,  10  bretonische,  10  Monate  alte  Färsen,  die 
keine  Spur  von  Tuberkulose  aufwiesen.  Uebereinstimmend  mit  den 
positiven  Ergebnissen  früherer  Untersuchungen  wurde  nun  fest¬ 
gestellt,  dass  die  Exkremente  jeder  der  5  tuberkulösen  Kühe  für 
Meerschweinchen  infektiös  waren.  Um  die  Chancen  der  Infektion 
gleichmässig  zu  gestalten,  wurden  jedes  Monat  die  Plätze  der  5  tuber¬ 
kulösen  Kühe  gewechselt.  Das  Experiment  währte  il  Monate,  dann 
wurden  die  bretonischen  Färsen  der  Tuberkulinprobe  unterzogen  und 
keine  einzige  ist  der  Infektion  entgangen.  Die  Sektion  ergab  bei 
der  Hälfte  dieser  Tiere  (5)  noch  sichtbare  tuberkulöse  Veränderungen, 
während  von  den  5  anderen  3  Mesenterial-,  Mediastinal-,  Bronchial¬ 
drüsen  zeigten,  welche,  titriert  usw.,  bei  Meerschweinchen  Tuber¬ 
kulose  verschiedenen  Grades  hervorriefen.  Für  C.  und  G.  ist  somit 
der  Beweis  erbracht,  dass  unter  den  natürlichen  Ansteckungsbedin¬ 
gungen  zuerst  eine  Allgemeininfektion  des  Lymphsystems  ist  und  die¬ 
selbe  ziemlich  lange  Zeit  den  eigentlichen  tuberkulösen  Erscheinungen 
vorhergeht,  wenn  auch  dieselben  nicht  regelmässig  als  makroskopisch 
sichtbare  Veränderungen  nachfolgen.  Es  scheint  also,  dass  die  Patho¬ 
genese  der  Tuberkulose  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  jener  der  Rotz¬ 
krankheit  hat;  der  intestinale  Ursprung  des  Lungenrotzes  wird  aber 
nicht  mehr  bezweifelt. 

Sitzung  vom  20.  J  a  n  u  a  r  1913. 

Die  Schutzimpfung  gegen  Typhus  bei  der  Flotteumannschaft. 

Chantemesse  wurde  am  5.  April  1912  vom  Marineminister 
(Delcasse)  beauftragt,  die  fakultative  Schutzimpfung  gegen 
Typhus  bei  den  Angestellten  der  Marine  und  den  Hafenarbeitern  mit 
dem  von  ihm  hergestellten  Impfstoff  auszuführen.  Ch.  ist  der  Her¬ 
stellungsart  der  sterilisierten  Vakzine  mit  Erhitzung  und  Kon¬ 
servierung  in  Kreosotemulsion,  welche  vor  zufälliger  Verunreinigung 
schützt,  treu  geblieben.  Die  Resultate  der  in  Cherburg,  Brest,  Tou¬ 
lon,  auf  den  Schulschiffen  des  Mittelmeers  usw.,  den  Schiffen  der 
3  grossen  und  2  kleinen  Escadres  in  Diego-Suarez,  Algier,  Oran,  Bi- 
serta  usw.  ausgeführten  Impfungen  sind  folgende;  Der  grössere  Teil 
dieser  Flottenmannschaft  hat  sich  der  Typhusschutzimpfung  nicht 
unterzogen  und  vom  5.  April  bis  Ende  Dezembei  1912  542  Fälle  von 
Typhus  und  118  von  gastrischem  Fieber  gehabt,  3107  Personen  hin¬ 
gegen,  die  niemals  Typhus  hatten,  liessen  sich  impfen.  Unter  diesen. 


MUENCE1ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


M4 


die,  gemischt  mit  den  Nichtgeimpften  und  unter  den  ganz  gleichen 
Bedingungen  wie  diese  lebten  und  arbeiteten,  kam  nicht  ein  einziger 
Fall  von  Typhus  und  nur  einer  von  gastrischem  Fieber,  der  natürlich 
zur  Heilung  kam,  vor,  während  bei  den  Nichtgeimpften  die  Morbidität 
ca.  1  Proz.  betrug.  Aehnlich  günstig  für  die  Typhusschutzimpfung 
lautete  der  Bericht  über  die  Ausführung  derselben  bei  den  Marine¬ 
angehörigen  der  Vereinigten  Staaten  (auf  dem  Kongress  zu  Wa¬ 
shington,  Sept.  1912).  Die  übereinstimmenden,  aus  allen  Ländern  der 
Welt  kommenden  Berichte,  so  schliesst  Ch.t  berechtigen  zu  der  Hoff¬ 
nung,  dass  unser  Jahrhundert  allmählich  den  Typhus  dank  der  Imp¬ 
fung  aus  den  zivilisierten  Ländern  wird  verschwinden  sehen,  ebenso 
wie  das  19.  Jahrhundert  die  Blattern  verschwinden  sah. 

Academie  de  inedicine. 

Sitzung  vom  21.  Januar  1913. 

Kirmisson  berichtet  über  eine  Arbeit  von  Pousson- 
Nantes:  lieber  gleichzeitiges  Vorkommen  der  Hernia  epigastrica  und 
Magenulcus  und  -karzinoni,  ihre  Häufigkeit  und  den  daraus  zu  ziehen¬ 
den  Schlüssen.  Diese  Koinzidenz  hat  demnach  nicht  nur  pro¬ 
gnostische  Bedeutung,  sondern  noch  grössere  für  die  Behandlung. 
In  solchen  Fällen  darf  man  sich  nicht  mit  der  Radikalkur  der  Her¬ 
nien  begnügen,  sondern  muss  eine  Explorativlaparotomie  anschliessen, 
die  eine  entsprechende  Radikalentfernung  der  gleichzeitigen  Magen¬ 
erkrankung  ermöglicht. 


I.  Kongress  Medizinstudierender  in  Frankreich. 

(I.  congress  de  la  federation  des  etudiants  en  medicine.) 

Der  Ende  März  in  Paris  tagende  I.  Kongress  der  französischen 
Medizinstudiergnden  nahm  als  1.  Resolution  an,  dass  im  Prinzip  die 
Stellung  der  „intern  des  höpitaux“  (entspricht  ungefähr 'einem  Mittel¬ 
ding  zwischen  unseren  Assistenten-  und  Praktikantenstellen)  den 
Franzosen  Vorbehalten  sein  sollen.  Der  2.  Antrag  fordert,  dass  nach 
wie  vorher  das  Absolutorium  die  Bedingung  zur  Inskription  in  die 
medizinische  Fakultät  ist.  Der  Krankenhausdienst  soll  überall  abge¬ 
leistet  werden  können  oder  soll  wenigstens  auch  auf  andere  Ab¬ 
teilungen,  als  auf  solche,  die  offiziell  bisher  das  Praktikantenjahr 
eingeführt  hatten,  ausgedehnt  werden,  um  einen  Ausgleich  herbeizu¬ 
führen.  Beim  Praktischen  soll  die  eigentliche  Medizin  vor  ihren  Hilfs¬ 
disziplinen  immer  den  Vorzug  haben. 

Die  klinischen  Prüfungen  sollen  gegenüber  den  allzu  zahl¬ 
reichen  theoretischen  vermehrt  werden. 

Am  wichtigsten  war  wohl  die  Stellungnahme  der  Medizin¬ 
studierenden  zur  Einführung  der  3  jährigen  Dienstzeit  und  in  gewissem 
Sinne  mit  der  damit  verbundenen  Ausländerfrage.  Einmütig  haben 
die  Mediziner  erklärt,  wollten  sie  das  Beispiel  der  patriotischen  Unter¬ 
werfung  unter  das  Gesetz  geben,  sie  wollten  keinerlei  Vergünstigung 
und  wollten  alle  Lasten,  die  durch  Einführung  der  3  jährigen  Dienst¬ 
zeit  veranlasst  würden,  ohne  Einschränkung  auf  sich  nehmen.  Die 
Mediziner  mit  12  Semestern  sollen  ihr  2.  und  3.  Jahr  als  Hilfsärzte 
abdienen.  Vor  dem  Abgang  vom  Regiment  soll  es  gestattet  sein  die 
Examina  abzulegen.  Die  Frist  bis  zur  Stellung  beim  Militär  soll 
bis  zum  27.  Jahr  verlängert  werden. 

Zur  Ausländerfrage  wurde  folgende  Stellung  genommen: 

1.  Niemand  kann  in  Frankreich  den  ärztlichen  Beruf  ausüben, 
wenn  er  nicht  staatlich  approbiert  und  Doktor  der  Medizin  ist. 

2.  Niemand  kann  sich  inskribieren  lassen  mit  der  Absicht,  die 
staatliche  Approbation  zu  erlangen,  wenn  er  nicht  Franzose  oder 
naturalisierter  Franzose  ist. 

3.  Universitätsdiplom  kann  nicht  in  staatliche  Approbation  um¬ 
gewandelt  werden. 

4.  Ausländer  dürfen  in  Frankreich  nur  praktizieren,  wenn  sie  2 
oder  3  Jahre  gedient  haben,  im  Falle  sie  jünger  als  32  Jahre  sind. 

Gleichzeitiger  Militärdienst  und  Fortsetzung  der  Studien  solle, 
da  nachteilig  für  beide,  nicht  gestattet  sein. 

Die  Zahl  der  Studierenden  an  den  grossen  Universitäten  soll  be¬ 
schränkt  sein,  die  Ueberzahl  der  Mediziner  sollen  an  die  anderen 
Universitäten  verwiesen  werden. 


Verein  Bayerischer  Psychiater. 

Vorläufige  Einladung  zur  Jahresversammlung 
in  München  am  27.  und  28.  Juni  1913. 

Referat:  Die  paranoiden  Erkrankungen. 

Referenten:  Herr  Oberarzt  Dr.  v.  H  ö  s  s  1  i  n  -  Eglfing  und  Herr 
Privatdozent  Dr.  St  r  a  n  s  ky  -  Wien. 

Angemeldet  ist  ferner  bereits  ein  Vortrag  von  Herrn  Prof.  Dr. 
K  r  ä  p  e  1  i  n  -  München :  Ueber  Hysterie. 

Herr  Direktor  Dr.  B 1  ach  ia  n  -  Haar  lädt  zum  Besuche  der 
neuen  oberbayer.  Anstalt  Haar  ein. 

Anmeldung  von  Vorträgen  an  einen  der  Unterzeichneten  bis 
31.  Mai  1913  erbeten. 

März  1913. 

Rehm  Vocke 

München  12  Neu-Friedenheim.  Eglfing  bei  München. 


Verschiedenes. 

Prinzregent-Luitpold-Genesungshelm  in  Tölz. 

Es  ist  in  den  Kreisen  der  praktischen  Aerzte  noch  wenig  bekannt, 
dass  seit  Sommer  1911  sich  in  unserem  herrlich  gelegenen  Tölz  eine 
neugeschaffene  Genesungsstätte  für  unsere  Kranken,  soweit  es  sich 
um  augenkranke  arme  oder  minderbemittelte  Kinder  handelt,  aui- 
getan  hat.  Es  möge  daher  gestattet  sein,  durch  einige  orientierende 
Zeilen  die  Herren  Kollegen  auf  das  Prinzregent-Luitpold-Genesungs- 
heim  aufmerksam  zu  machen.  Der  Initiative  des  im  August  1912  ver¬ 
storbenen  Herrn  Geheimrats  Dr.  Eversbusch,  damals  Direktor 
der  kgl.  Universitäts-Augenklinik  in  München,  entsprang  die  Idee, 
für  die  Gesundung  augenkranker  Kinder  eine  viel  weitergreifende 1 
Fürsorge  zu  treffen,  als  dies  bisher  dem  damals  noch  mit  relativ ! 
bescheidenen  Mitteln  arbeitenden  „v.  R  o  t  h  m  u  n  d  sehen  Unter- 1 
stützungsverein  für  arme  Augenkranke“,  dessen  erster  Vorstand’ 
Eversbusch  damals  war,  möglich  gewesen  war.  Es  gelang  der ! 
ganz  ausserordentlichen  Tatkraft  und  erstaunlichen  Unermüdlichkeit 
speziell  dieses  Mannes  in  geradezu  unglaublich  kurzer  Zeit,  grossei 
Summen  von  edlen  Spendern  für  ein  solches  Unternehmen  zusammen- 1 
zubringen,  und  es  gelang  vor  allem  seiner  bewährten  Erfahrung  und 
opferwilligen  Tätigkeit,  in  unserem  bayerischen  Gebirge  einen  Platz  i 
zu  wählen,  welcher  es  ermöglicht,  besonders  auch  die  natürlichen  j 
Heilfaktoren  in  vollstem  Masse  mit  der  übrigen  sachgemässen  Be¬ 
handlung  augenkranker,  der  Rekonvaleszenz  bedürftigen  Kinder  zu! 
vereinigen.  Bereits  1911  wurde  in  einem  kleinen,  von  Evers¬ 
busch  mit  relativ  kleinen  Mitteln  zweckmässig  umgestalteten  i 
Hause,  das  auf  dem  Südabhang  eines  Hügels,  nahe  bei  Tölz,  im  An-( 
gesicht  der  Bergkette  und  des  Isartales  steht,  mit  einem  provi¬ 
sorischen  Betriebe  begonnen.  Schon  im  Laufe  des  nächsten  Sommers) 
kamen  ca.  70  augenkranke  Kinder  in  einzelnen  Gruppen  von  ca.  15 
in  diesem  kleinen  Hause  zur  Aufnahme  und  Verpflegung.  Nachdem, 
unter  der  Mitwirkung  vieler  Gönner  und  Gönnerinnen,  beson-J 
ders  auch  Sr.  Kgl.  Hoheit  des  verewigten  Prinzregenten  Luit-j 
pold  die  zunächst  für  den  Bau  nötigen  Mittel  gesichert 
waren,  wurde  unter  der  uneigennützigen  Mitwirkung  des  be¬ 
kannten  Münchener  Architekten  Professor  Dr.  Gabriel  v.  Seidl, 
am  17.  Mai  1912  mit  dem  Neubau  des  „Prinz-Regent-Luitpold- 
Genesungsheims“  begonnen.  Nun  erhebt  sich  inmitten  eines  ca.  51.^- 
werk  grossen  Wiesengrundstückes,  in  nächster  Nähe  des  ursprüng¬ 
lichen  kleinen  Heimes,  ein  sehr  stattlicher,  grosser  Bau,  welcher I 
unter  der  Führung  des  städtischen  Baumeisters  von  Tölz,  Herrn 
F  r  e  i  s  1,  nun  schon  einige  Zeit  unter  Dach  ist  und  nunmehr  seine 
innere  Ausgestaltung  erfährt.  Nach  Eröffnung  des  neuen  Hauses  ist 
geplant,  den  Betrieb  zu  erweitern  und  für  die  gleichzeitige  Ver¬ 
pflegung  von  30  Kindern  einzurichten.  Es  soll  ein  ganzjährlicher • 
Betrieb  durchgeführt  werden,  da  bekanntlich  mit  Winterkuren  auch 
bei  diesen  Kategorien  von  Kranken  anderwärts,  z.  B.  im  badischen. 
Schwarzwald,  günstige  Erfahrungen  gemacht  worden  sind.  Der  Neu¬ 
bau  liegt  etwa  700  m  über  dem  Meere  nördlich  von  der  Stadt  Tölz, 
der  Sonne  und  Luft  in  besonders  günstiger  Weise  zugänglich.  Di. 
Stadt  Tölz  hat  in  höchst  dankenswerter  Weise  einen  eingefriedeten 
Schutzwald  alten  Bestandes,  12  Tagwerk  gross,  dauernd  und  unent¬ 
geltlich  für  die  Pfleglinge  des  Heims  zur  Verfügung  gestellt,  die; 
städtische  Quellwasserleitung  liefert  treffliches  Trinkwasser,  die 
Aktiengesellschaft  der  Krankenheiler  und  Heilbrunner  Jodquellen  ge¬ 
währt  unentgeltlich  alle  im  Bade  Tölz-Krankenheil  zur  Verwendung 
kommenden  Kurmittel  für  Bäder-  und  Trinkkuren.  Die  ärztliche  1 
Ueberwachung  der  untergebrachten  Kinder  hat  bereits  1911  den 
kgl.  Bezirksarzt  von  Tölz,  Herr  Medizinalrat  Dr.  Fortner  in 
dankenswerter  Weise  übernommen  Die  Führung  des  Haushaltes  und; 
die  spezielle  Pflege  der  Kinder  ist  in  die  Hände  von  Schwestern  vom 
Roten  Kreuz  unter  der  Leitung  der  Oberin  v.  Dobeneck  gelegt.) 
So  sind  wohl  alle  Bedingungen  gegeben,  um  für  die  aufgenommenen’ 
augenkranken  resp.  rekonvaleszenten  Kinder  günstige  He’ilurfgs-: 
resultate  zu  erzielen.  Bis  zur  Eröffnung  des  neuen  Heimes,  welche 
frühestens  in  den  Wintermonaten  laufenden  Jahres,  jedenfalls  aber 
für  Beginn  1914  in  Aussicht  genommen  ist,  wird  der  Betrieb  im  alten 
Hause  weitergeführt.  Da  die  Herren  Kollegen  doch  in  erster  Linie' 
berufen  sind,  an  der  Einweisung  von  Kindern  mitzuwirken,  so  sei 
hierüber  noch  folgendes  bemerkt:  das  alte,  für  1913  .zu  belegende; 
Haus  bietet  gleichzeitig  Raum  für  etwa  10  grössere  und  7  kleinere; 
Kinder  im  Alter  von  4  bis  etwa  14  Jahren.  Die  Kurdauer  ist  im  all¬ 
gemeinen  auf  etwa  6  Wochen  vorgesehen.  Nach  Eröffnung  des 
Prinzregent-Luitpold-Genesungsheim  ist,  wie  erwähnt,  die  gleich¬ 
zeitige  Aufnahme  von  30  Kindern  möglich.  Die  Anmeldung  soll  itn 
Interesse  eines  geregelten  Betriebes  und  einer  zweckentsprechenden 
Einteilung  der  Pfleglingsgruppen  möglichst  frühzeitig  erfolgen  und 
zwar  unter  Beilage  eines  ärztlichen,  bezw.  augenärztlichen  Zeug-  ' 
nisses.  Für  den  Fall,  dass  eine  ganze  oder  teilweise  Freistelle  an- 
gestrebt  wird,  ist  in  der  Regel  auch  ein  amtlich  beglaubigtes  Dürftig¬ 
keitszeugnis  beizubringen.  Die  Aufnahmegesuche  sind  zu  richten  an 
den  1.  Vorsitzenden  des  A.  v.  R  o  t  h  m  u  n  d  sehen  Unterstützungs¬ 
vereins  für  arme  Augenkranke,  als  welcher  der  Geh.  Rat  Dr.  v.  Hess 
in  München,  Direktor  der  kgl.  Universitäts-Augenklinik  an  die  Stelle 
des  Herrn  Geheimrats  Eversbusch  getreten  ist,  und  können 
zweckmässig  an  Frau  Oberin  v.  Dobeneck,  München,  Mathilden¬ 
strasse  2  a  eingesandt  werden.  Der  Verpflegsatz-  für  das  einzelne 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


845 


[  April  191.4. 

i  d  beträgt  fiir  gewöhnlich  2  Mark  für  den  Tag,  Vereine  können 
der  schon  zum  Satze  von  10  Mark  pro  Woche  im  Heim  unter- 
tgen.  Es  werden  Kinder  jeder  Konfession  aufgenommen. 

Wenn  auch  durch  die  unermüdliche  Werbetätigkeit  des  Herrn 
l.  Rat  Eversbusch  und  die  ausserordentliche  Förderung,  welche 
n  Unternehmen  durch  Freiherrn  Wilhelm  v.  P  e  c  h  m  a  n  n  in 
uchen,  den  Direktor  der  Bayerischen  Handelsbank,  unausgesetzt 
eil  wird,  die  Baukosten  für  das  Heim  vollständig  gedeckt  sind,  und 
die  Betriebskosten  bereits  eine  sehr  respektable  Summe  dauernd 
lergestellt  ist,  so  bedarf  doch  der  geplante  ganzjährige  Betrieb 
:h  weiterer-  reichlicher  Mittel,  welche  erst  auf  dem  Wege  frei- 
liger  Spenden  und  Schenkungen  aufzubringen  sind. 

Da  die  Herren  Kollegen  ja  oft  in  der  Lage  sind,  hochherzige 
nschen  auf  so  humane  Unternehmungen  aufmerksam  zu  machen, 
bietet  sich  ihnen  die  Gelegenheit,  nicht  nur  durch  Zuweisung  von 
.'glingen,  sondern  auch  durch  sonstige  verständnisvolle  Förderung 
i  an  diesem  ausserordentlich  segensvollen  Werke  zu  beteiligen. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

tistik  der  Tollwutschutziinpfungen  am  Institut  Pasteur  von  Samara 

di»-  Jahre  1886 — 1910  (Annales  de  Tinstitut  Pasteur,  Juli  1912.) 

Nach  dem  Berichte  von  Acker  wurden  in  der  Zeit  vom  2.  Juli 
6  bis  31.  Dezember  1910  (also  in  24 Vi  Jahren)  20  185  Personen  am 
lannten  Institute  behandelt.  Unter  diesen  befinden  sich  1909  Per¬ 
len,  die  nicht  gebissen  wurden,  aber  mit  wutkranken  Tieren  in 
endwelche  Berührung  gekommen  sind,  93  Personen,  die  von  ge- 
lden  Tieren,  wie  später  erkannt  wurde,  gebissen  wurden,  und 
183  Personen,  die  von  wutkranken  oder  -verdächtigen  Tieren  ge¬ 
sell  wurden.  Von  letzteren  starben  228  —  1,25  Proz.,  nach  Abzug 
jenigen  aber,  die  in  den  ersten  14  Tagen  nach  Beendigung  der 
handlung  (63)  und  mehr  als  14  Tage  nach  der  letzten  Einimpfung 
rben  (105),  verringert  sich  die  Sterblichkeit  auf  0,58  Proz.  Tabel- 
ische  Uebersicht  je  nach  dem  Grade  der  Sicherheit  des  Bisses  — 
8779  konnte  die  Tollwut  des  beissenden  Tieres  weder  experi- 
ntell  noch  durch  veterinärärztliche  Untersuchung  festgestellt  wer- 
i,  wenn  sie  auch  in  zwei  Drittel  dieser  Fälle  die  näheren  Um- 
nde  als  wahrscheinlich  annehmen  liessen  — ,  nach  der  Art  der 
ssenden  Tiere  (Hunde,  Katzen,  Wölfe  und  andere  Tiere)  und  der 
■Ile  der  Bisse,  ebenso  wie  nach  der  jeder  diesen  3  Gruppen  ent¬ 
gehenden  Mortalität.  Nur  bei  219  Fällen  konnte  die  Inkubations- 
iode  der  Tollwut  festgestellt  werden:  in  48  Proz.  betrug  sie  20  bis 
Tage,  in  21  40 — 60,  in  9,6  Proz.  weniger  wie  20  Tage,  so  dass 
Proz.  in  den  ersten  2  dem  Bisse  folgenden  Monaten  von  Tollwut 
griffen  wurden;  weniger  wie  13  Tage  war  die  Inkubation  in  1, 
niger  wie  14  in  2  Fällen,  nur  bei  dreien  währte  sie  länger  wie 
Jahr.  St. 

Nach  der  offiziellen  Statistik  betrug  die  Zahl  der  Medizin- 
udier  enden  in  Frankreich  am  15.  Januar  1913  an  den 
dizinischen  Fakultäten  8247,  davon  7400  m„  847  w.;  Franzosen 
>7  m.,  358  w.,  Ausländer  803  m.,  489  w.;  an  den  medizinischen 
liulen  1497,  davon  1287  m.,  210  w.;  Franzosen  1258  m.,  201  w., 
sländer  29  m„  9  w.  Insgesamt  9744,  davon  8687  m„  1057  w.,  Fran¬ 
sen  7855  m.,  559  w.,  Ausländer  832  m.,  498  w.  Paris  zählte  4211 
idierende,  Lyon  1055,  Bordeaux  751,  Montpellier  699,  Toulouse  346, 
ncy  306,  Lille  285,  Algier  156;  von  den  medizinischen  Schulen  war 
besuchteste  Nantes  mit  255,  dann  folgten  Marseille  (245),  Rennes 
:8),  Limoges  (52),  Grenoble  (20).  Unter  den  Ausländern  waren  die 
ssen  am  stärksten  vertreten  mit  831,  davon  585  in  Paris,  132  in 
>ntpellier,  dann  folgten  die  Türken  mit  85,  Bulgaren  mit  67,  Ru¬ 
inen  mit  59;  Engländer  studierten  13  in  Paris,  Griechen  24,  Süd- 
lerikaner  20  in  Paris.  Deutschland  ist  nicht  erwähnt;  die  Japaner 
ihren  fort,  wie  im  Vorjahre  durch  ihre  Abwesenheit  zu  glänzen 
d  Deutschland  vorzuziehen.“ 

Aus  den  Parlamenten. 

Preussisches  Abgeordnetenhaus. 

Bei  der  zweiten  Lesung  des  Etats  der  Universitäten  war  wie- 
rum  von  der  Ausländerfrage  und  von  dem  Klinikerstreik  die  Rede, 
ne  dass  etwas  wesentlich  Neues  beigebracht  wurde.  Mit  warmen 
orten  rühmte  Herr  von  den  Osten  den  vorzüglichen  Eindruck, 
n  er  bei  Gelegenheit  der  Berliner  Klinikerversammlung  von  dem 
äste,  der  in  der  Studentenschaft  herrscht,  gewonnen  hatte;  im 
gensatz  zu  Herrn  Kaufmann,  der  in  der  Zunahme  der  Ge- 
dlechtskrankheiten  bei  der  studierenden  Jugend  ein  beklagens- 
.rtes  Symptom  mangelnder  Selbstbeherrschung  sieht.  Mehrfach 
trden  Wünsche  über  die  Schaffung  neuer  Ordinariate  ausge¬ 
rochen,  denen  der  Minister  Entgegenkommen  in  Aussicht  stellte, 
weit  ein  Lehrbedürfnis  vorliege;  ferner  wurde  eine  stärkere 
iranziehung  der  Privatdozenten  zur  Lehrtätigkeit  und  ihre  Er- 
nnung  zu  Extraordinarien  gewünscht.  Einen  sehr  beachtenswerten 
»rschlag,  der  in  gleicher  Weise  der  Ausgestaltung  des  medizinischen 
iterrichtes  wie  der  Ausnutzung  brach  liegender  Lehrkräfte 
rnen  soll,  machte  Herr  M  u  g  d  a  n.  Er  wünschte,  dass  der 
nische  Unterricht  durch  seminaristisch-technische  Uebungen  ergänzt 
-‘rde;  diese  können  aber  nicht  von  dem  Ordinarius  für  100 — 150 
d  mehr  Schüler  allein  geleitet  werden.  Dagegen  sind  genug  Extra- 
Jinarien  und  Privatdozenten  vorhanden,  die  in  kleineren  Gruppen 
hr  erfolgreich  .unterrichten  könnten;  nur  müssten  sie  auch  das 


Recht  haben,  Praktikantenscheine  zu  geben.  Damit  wäre  die  Ueber- 
füllungsfrage  an  den  klinischen  Instituten  und  zu  einem  Teil  auch 
die  Ausländerfrage  gelöst.  Ferner  regte  Herr  M  u  g  d  a  n  eine  Aen- 
derung  der  Bestimmungen  über  das  praktische  Jahr  an.  Dass  die 
Tätigkeit  der  Medizinalpraktikanten  meist  so  wenig  erspriesslich  ist, 
habe  seinen  Grund  darin,  dass  er  ohne  Verantwortung  arbeite;  er 
wisse,  dass  eventuelle  Fehler  von  dem  Assistenten  korrigiert  werden. 
Dagegen  lehre  die  Erfahrung,  dass  die  jungen  Aerzte.  die  aufs  Land 
gehen  und  gar  keinen  Helfer  in  der  Nähe  haben,  gerade  weil  sie 
sich  ihrer  schweren  Verantwortung  bewusst  sind,  keine  Fehler 
machen.  Dem  Medizinalpraktikanten  sollte  daher,  wie  auch  von 
P  a  r  t  s  c  h  -  Breslau  vorgeschlagen  ist,  nach  dem  Staatsexamen  eine 
Approbation  für  eine  ärztliche  Tätigkeit  in  Krankenhäusern  und  nach 
Ableistung  des  praktischen  Jahres  die  grosse  Approbation  erteilt 
werden.  Eine  weitere  Aussprache  über  diese  Vorschläge  fand  nicht 
statt.  Erwähnenswert  ist  noch  eine  Anregung  des  Herrn  v.  S  a  - 
v  i  g  n  y,  den  jungen  Leuten  in  der  Oberprima  durch  einen  Univer¬ 
sitätslehrer  Vorträge  halten  zu  lassen  über  die  Aussichten,  die  die  ein¬ 
zelnen  akademischen  Berufe  ihnen  bieten.  An  diesen  Vorträgen 
könnten  auch  die  Väter  teilnehmen.  Damit  könnte  man  vielleicht  der 
immer  stärker  zunehmenden  Ueberfiillung  mit  mehr  Aussicht  auf 
Erfolg  steuern  als  durch  die  Warnungen  in  den  Zeitungen  und  in  den 
Parlamenten;  denn  diese  Warnungen  würden  meist  doch  nicht  be¬ 
achtet.  AL  K. 

Therapeutische  Notizen. 

Bei  der  Behandlung  der  Gonorrhöe  hat  man  nach 
Karl  B  r  u  c  k  -  Breslau  zwei  Leitsätze  zu  befolgen: 

1.  Abtötung  der  Gonokokken  ohne  Steigerung  oder  Beseitigung 
der  Schleimhautentzündung; 

2)  Bekämpfung  der  übrig  bleibenden  klinischen  Symptome. 

Zu  der  ersteren  rein  bakteriziden  Behandlung  eignen  sich  am 
besten  die  Silbereiweissverbindungen  (Protargol,  Argonin  usw.).  Zu 
der  zweiten  adstringierenden  Behandlung  nehme  man  Argentum 
nitricum,  Ichthargan,  Albargin,  Argentamin.  Man  beschliesse  die 
Behandlung  mit  rein  adstringierenden  Mitteln:  Zincum  sulfuricum, 
Wismut,  Alaun. 

Die  Injektionen  sollen  nach  N  e  i  s  s  e  r  als  Dauerinjektionen  ge¬ 
geben  werden:  täglich  4  mal  je  20  Minuten  mit  Pause  von 
2  Minuten. 

Balsamika  können  die  Behandlung  unterstützen.  Eine  aus¬ 
schliesslich  interne  Behandlung  der  Gonorrhöe  muss  als  ein  Kunst¬ 
fehler  bezeichnet  werden  (!).  (Ther.  Mon.-Hefte  13,  1.)  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  14.  April  1913. 

—  Am  11.  ds.  Mts.  feiert  der  Senior  der  Nürnberger  Aerzte, 
Hofrat  Dr.  Wilhelm  Merkel,  seinen  80.  Geburtstag.  1833  in  Nürn¬ 
berg  geboren,  absolvierte  er  nach  Studien  in  Erlangen,  Leipzig,  Prag 
und  Wien  das  Staatsexamen  mit  Auszeichnung  1856  in  Erlangen  und 
erhielt,  nachdem  er  ein  Jahr  noch  zu  seiner  weiteren  Ausbildung  im 
Ausland  zugebracht  hatte,  seine  erste  Anstellung  1857  in  Burgfarn¬ 
bach,  von  wo  er  1860  nach  erfolgreicher  Tätigkeit  nach  Nürnberg 
übersiedelte.  Seine  Neigung  für  Geburtshilfe  führte  ihn  von  selbst  zur 
gynäkologischen  Tätigkeit,  in  der  er  es  durch  ernstes  eigenes  Stu¬ 
dium  zur  hohen  Vollendung  brachte,  so  dass  er,  um  operative  Praxis 
ausüben  zu  können,  eine  eigene,  die  erste,  gynäkologische  Klinik  in 
Nürnberg  gründete,  in  der  er  bald  die  ersten  Laparotomien  mit  so 
viel  Glück  als  Geschick  ausführte.  Obwohl  er  neben  seiner  Spe¬ 
zialität  die  allgemeine  Praxis  nie  aufgab,  erfreute  er  sich  bei  den 
Kollegen  des  grössten  Vertrauens,  so  dass  er  lange  Jahre  der  vielbe¬ 
gehrte  Operateur  und  Konsiliararzt  verblieb.  Seine  grosse  persönliche 
Liebenswürdigkeit,  sein  feines  konziliantes  Wesen,  wie  sein  freund¬ 
liches  Entgegenkommen  gegen  jüngere,  aufkommende  Kollegen  ge¬ 
wannen  und  erhielten  ihm  die  Zuneigung  aller  Aerzte.  Die  des 
Publikums  besass  er  im  reichsten  Masse.  Auch  im  ärztlichen  Vereins¬ 
leben  hat  er  sich  betätigt.  Er  teilte  im  Aerztlichen  Verein  von  seinen 
wissenschaftlichen  und  praktischen  Erfahrungen  gern  und  viel  mit, 
war  auch  zur  Leitung  des  Vereins  berufen,  und  hat  fiir  den  Pensions¬ 
verein  wie  für  den  Aerztlichen  Invalidenverein  lange  Jahre  mit  ge¬ 
sorgt  und  gearbeitet. 

Erst  vor  wenigen  Jahren  hat  der  geistig  frische  und  lebendige 
Kollege  die  Klinik  ganz  seinem  Sohne  Dr.  Friedrich  Merkel  über¬ 
geben  und  sich  aus  der  Praxis  ins  Privatleben  zurückgezogen.  Ausser 
seinem  direkten  Nachfolger  sind  noch  zwei  seiner  Söhne  seinen 
Fussstapfen  gefolgt,  einer  als  Kgl.  Bezirksarzt  in  Nürnberg,  der  andere 
als  Magen-Darm-Spezialist  in  Stuttgart. 

Wir  wünschen  dem  hochverehrten  Kollegen  einen  gesunden 
glücklichen  Lebensabend,  den  er  sich  reichlich  verdient  hat. 

—  ln  einem  Streit  zwischen  Krankenkassenvorstand  und  Chirur¬ 
gischer  Gesellschaft  in  Breslau  hat  das  Ministerium  für  geistliche 
und  Unterrichtsanstalten  entschieden,  dass  in  den  Universitäts¬ 
polikliniken  an  sich  nur  unbemittelte  Kranke  be¬ 
handelt  werden  dürfen,  dass  Krankenkassenpatien¬ 
ten  als  Unbemittelte  nicht  anzusehen  sind,  da  für  sie 
die  Krankenkassen  einzutreten  verpflichtet  sind.  Sofern  im  Einzel- 
f alle  im  unterrichtlicheri  Interesse  eine  poliklinische  Behandlung  von 
Krankenkassenpatienten  stattfindet,  ist  von  seiten  der  Universitäts- 
I  polikliniken  die  Erstattung  der  ihnen  erwachsenden  eigenen  Unkosten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


M(t 


No.  15 


(fiir  Stellung  des  ärztlichen  etc.  Personals  und  der  Einrichtungen, 
für  Medizin,  Verbandmaterial,  Bäder,  elektrische  Beleuchtung  u.  dgl.) 
miter  der  Bezeichnung  „Kurkosten“  zu  fordern.  Ein  besonderes  „ärzt¬ 
liches“  Honorar  darf  daneben  nicht  liquidiert  werden. 

Das  hessische  Ministerium  des  Innern,  Abteilung  für  öffent¬ 
liche  Gesundheitspflege,  hat  dem  demnächst  einzuberufenden  ärzt¬ 
lichen  Zentralausschuss  den  Entwurf  einer  Aerzteord- 
n  u  n  g  mit  einem  Gesetz  über  Errichtung  einer  Aerzte- 
Kammer  und  Einsetzung  von  ärztlichen  Ehren¬ 
gerichten  zur  Beratung  vorgelegt.  Die  Bestimmungen  des 
preussischen  und  badischen  Gesetzes  sind  in  vielen  Punkten  in  dem 
vorgelegten  Entwurf  übernommen  worden. 

Der  Soemmering  -  Preis,  der  alle  -4  Jahre  für  eine  her¬ 
vorragende.  Arbeit  auf  physiologischem  Gebiete  verteilt  wird,  wurde 
von  der  S  e  n  c  k  e  n  b  e  r  g  scheu  naturforschenden  Gesellschaft  in 
Frankfurt  a.  M.  Prof.  Correns  in  Münster  (Westfalen)  für  eine 
Arbeit  über  „Vererbung“  verliehen.  Ausserdem  waren  für  den  Preis 
noch  in  Frage  gekommen  Prof.  Goldmann  in  Freiburg  (Breisgau) 
und  Prof.  K  a  I  i  s  c  h  e  r  in  Berlin  für  eine  Arbeit  „Ueber  Dressur- 
methoden  an  Tieren“. 

Vor  dem  Obersten  Landesgericht  in  München  kam  die  Re¬ 
vision  des  Kurpfuschers  Gg.  Mend  in  Wiirzburg  zur  Verhandlung, 
der  vom  Landgericht  Wiirzburg  wegen  fortgesetzten  Vergehens  des 
Betruges  zu  3  Monaten  Gefängnis  verurteilt  worden  war.  Zur  Be¬ 
gründung  der  Revision  führte  der  Verteidiger  aus,  der  Sachverstän¬ 
dige  habe  den  Angeklagten  für  „so  saudumm“  erklärt,  dass  er  an 
seine  Kur  selbst  glaube,  damit  sei  der  gute  Glaube  des  M.  und  das 
Fehlen  einer  rechtswidrigen  Absicht  festgestellt.  Die  Revision  wurde 
verworfen. 

-  Als  „Association  internationale  de  Periectiomiement  Scienti- 
nque  et  Medical“  bezeichnet  sich  seit  einiger  Zeit  die  Vereinigung 
fiir  ärztliche  Reisen  unter  der  Leitung  des  Herrn  B  a  z  o  t.  Das 
Internationale  Komitee  für  das  ärztliche  Fortbil¬ 
dungswesen  steht  in  keinem  Zusammenhänge  mit  der  genannten 
privaten  Reisevereinigung. 

—  Der  Einladung  eines  vorbereitenden  Ausschusses  für  Grün¬ 
dung  eines  badeärztlichen  Standesvereins  bei  Gelegenheit  der  Tagung 
der  Baineologischen  Gesellschaft  war  eine  grosse  Zahl  reichsdeutscher 
Badeärzte  gefolgt.  Ein  von  L  a  c  h  m  a  n  n  -  Landeck  erstatteter  ein¬ 
leitender  Bericht  regte  einen  lebhaften  Meinungsaustausch  an,  in  dem 
der  allgemeine  Wunsch  und  das  Bedürfnis  zutage  trat,  die  gemein¬ 
samen  Interessen  auch  durch  eine  besondere  Organisation  vertreten 
zu  sehen,  die  in  wirtschaftlichen  Fragen  Anschluss  bei  dem  Leipziger 
Verbände  suchen  wird.  So  wurde  denn  die  Gründung  des  Stan¬ 
desvereins  der  reichsdeutsch  en  Badeärzte  be¬ 
schlossen,  dem  sofort  fast  alle  Anwesenden  als  Mitglieder  beitrateu. 
Zum  Vorsitzenden  wurde  Geheimrat  R  ö  c  h  1  i  n  g  -  Misdroy,  zurri 
Schriftführer  Lach  mann  -  Landeck,  zum  Schatzmeister  Stemm- 
ler-  Ems  gewählt.  Der  dem  Vorstande  zur  Seite  stehende  Beirat 
setzt  sich  aus  12  angesehenen  Badeärzten  aus  allen  Teilen  des 
Deutschen  Reiches  zusammen.  Aufgabe  des  neuen  Vereins  wird  es 
nun  sein,  neben  manchen  wirtschaftlichen  Angelegenheiten,  die  die 
Zukunft  bringen  dürfte,  vor  allem  verschiedene  Standesfragen,  welche 
die  Stellung  der  Badeärzte  gegenüber  den  Hausärzten,  den  Badever¬ 
waltungen  usw.  betreffen,  zu  regeln.  Zum  Vereinsorgan  wurde  die 
Zeitschrift  für  Balneologie  gewählt. 

—  Die  2.  ordentliche  Mitgliederversammlung  des  Bayeri¬ 
schen  Landesverbandes  zur  Bekämpfung  der  Tu¬ 
berkulose  e.  V.  findet  am  20.  April  1913  in  Augsburg  statt.  Tages¬ 
ordnung:  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Bayerischen  Landesverbandes 
zur  Bekämpfung  der  7  uberkulose  und  die  in  Bayern  bestehenden  Ein¬ 
richtungen  zur  Tuberkulosebekämpfung.  (Berichterstatter:  Hofrat 
Dr.  Ferd.  M  a  y  -  München.)  Ueber  offene  Tuberkulose  im  Nahrungs¬ 
mittelgewerbe.  (Berichterstatter :  Hofrat  Dr.  Frankenburger- 
Niirnberg.)  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Augsburg.  (Bericht¬ 
erstatter  :  Polizeiarzt  Dr.  Schuster-  Augsburg.) 

—  Die  dritte  internationale  Konferenz  für 
Krebsforschung  findet  in  Brüssel,  vom  1.  bis  zum  5.  August  1913 
statt.  Verhandlungsgegenstände:  1.  Die  Anwendung  der  physi¬ 
kalisch-chemischen  Verfahren  bei  der  Behandlung  des  Krebses.  An¬ 
wendung  chemischer  Mittel  nach  Radikaloperationen.  2.  Vakzinations- 
therapie  der  Geschwülste.  3.  Statistik  der  Krebskrankheit.  Oertliche 
Verbreitung.  4.  Einrichtung  für  die  Fürsorge  Krebskranker.  (Für¬ 
sorgestellen  usw.)  5.  Pflege  der  Krebskranken  und  Unterricht  in 
^ser  Pflege.  6.  Bericht  über  den  Stand  der  Krebsforschung  und 
Krebsbekämpfung  in  den  einzelnen  Ländern,  unter  Vorlage  der  be¬ 
treffenden  Drucksachen,  Schriften  für  Aerzte,  Merkblätter  fürs  Volk  usw. 

~  »Vereinigung  zur  Förderung  des  Hebammenwesens“  hält 
am  Dienstag,  den  13.  Mai  in  Halle,  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik, 
ihre  6.  Versammlung  ab.  Als  Hauptthemata  kommen  zur  Ver¬ 
handlung:  1.  Wiederholungskurse  und  Nachprüfungen,  2.  Organisation 
der  Hebammenschulen. 

...  ~  Jahresversammlung  des  ärztlichen  Provinzialverbandes 

Niederbayern  rindet  am  Montag,  den  21.  April  1913  in  Plattling  statt. 

~T  9er  !■  Italienische  Kongress  für  medizinische 
K  a  d  !  o  1  o  g  i  e,  veranstaltet  von  der  im  Januar  d.  J.  gegründeten 
Italienischen  Gesellschaft  für  medizinische  Radiologie,  \\;ird  im  Okto¬ 
ber  d.  J.  in  Mailand  abgehalten  werden.  Die  Hauptthemata  des  Kon¬ 
gresses  sind.  1.  Die  lntensivstromapparate  in  der  röntgenologischen 
I  echnik  (Ref.:  M  a  r  a  g  1  i  a  n  o-  Genua);  2.  Die  radiologische  Unter¬ 
suchung  des  Schädels  (Ref.:  B  u 's  t  i  -  Bologna),  3.  Die  Radiologie  des 


Darmes  (Ref.:  I  a  n  d  oj  a  -  Neapel);  4.  Die  Röntgen-  und  die  Radium 
therapie  in  der  Gynäkologie  (Ref.:  B  e  r  t  o  1  o  1 1  i  -  Turin).  Vorträg 
sind  bis  spätestens  31.  August  beim  Generalsekretär  des  Kongresse- 
Dr.  Felice  Perussia,  Mailand,  Foro  Bonaparte  61.  anzumelden. 

--  Im  Verlag  von  C.  fl.  Beck  in  München  erschien:  Reichs 
Versicherungsordnung  vom  19.,  Juli  1911  nebst  dem  Ein 
fiihrungsgesetz.  Handausgabe  mit  Einleitung,  Erläuterungen,  Anbau 
und  Sachregister  von  Prof.  Dr.  Fritz  S  t  i  e  r  -  S  o  m  1  o.  Preis  M.  8.5i 
»Wer  ist’ s?“  von  Hermann  A.  L.  Degener,  ein  Zeit 
genossen-Lexikon,  enthaltend  Biographien  nebst  Bibliographien  An 
gaben  über  Herkunft,  Familie,  Lebenslauf,  Werke  etc.,  ist  in  Un 
rund  3800  neue  Aufnahmen  vermehrter  Ausgabe  im  Verlag  ’  voi 
H.  A.  Ludwig  Degener  in  Leipzig  erschienen.  Preis  geh.  M.  12.5t 

—  Cholera.  Türkei.  Vom  18.  bis  24.  März  wurde  am 
Konstantinopel  1  Erkrankung  gemeldet.  —  Straits  Settlements,  h 
Singanore  in  der  Zeit  vom  18.  Januar  bis  15.  Februar  1  Cholerafa'l 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  15.  bis  21.  März  erkrankteii  8  (um 
starben  8)  Personen.  —  Britisch  Ostindien,  ln  den  beiden  Wochei 
vom  23.  Februar  bis  8.  März  erkrankten  10  538  +  10  827  und  starbei 
8942  'V  9008  Personen  an  der  Pest.  —  Britisch  Ostafrika.  Vom  6.  bi 
26.  Februar  sind  aus  Mombassa  5,  aus  Nairobi  und  Kisumu  je  4  E: 
krankungen  gemeldet  worden;  von  ihnen  sind  insgesamt  11  tödlich 
verlaufen.  Ein  Teil  von  der  Insel  und  Stadt  Mombassa  ist  an 
15.  Februar  von  neuem  für  pestverseucht  erklärt  worden.  An  Bore 
eines  auf  dem  Viktoriasee  verkehrenden  Dampfers  wurden  pes; 
infizierte  Ratten  gefunden.  —  Ecuador.  Im  Januar  in  Duran  2  Fr 
krankungen  (und  1  Todesfall),  in  Milagro  4  (— ). 

—  In  der  13.  Jahreswoche,  vom  23.--29.  März  1913,  hatten  voi 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkei 
Görlitz  mit  25,4,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit  3,6  Todesfall« 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorben« 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Pirmasens,  an  Diphtherie  und  Krupt 
in  Bottrop,  Hof,  an  Keuchhusten  in  Regensburg.  V.  d.  K.  O.-A. 
(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  Prof.  Dr.  J.  Strasburger  wurde  zum  Direktor 
der  neu  zu  begründenden  medizinischen  Poliklinik  und  des  Thera¬ 
peutikums  in  Frankfurt  a.  M.  berufen.  —  Der  Privatdozent  für  Chi 
rurgie,  Prof.  Dr.  H.  Coenen,  ist  zum  Ehrenmitglied  der  medi¬ 
zinischen  Gesellschaft  in  Athen  ernannt  worden. 

Kiel.  Privatdozent  Dr.  L.  Michaud,  Oberarzt  der  medi¬ 
zinischen  Klinik,  folgte  einem  Rufe  des  Deutschen  Roten  Kreuzes  zui 
Leitung  eines  Lazaretts  nach  Serbien. 

Köln.  Geh.  Rat  Bardenheuer  tritt  von  der  Leitung  des 
Liirgerhospitals  und  der  Professur  fiir  Chirurgie  an  der  Akademie 
zurück.  Zugleich  hat  er  dem  Biirgerhospital  seine  umfangreiche! 
Bibliothek  zum  Geschenk  gemacht. 

K  ö  n  i  g  s  b  e  r  g  i.  Pr.  Ernannt  wurde  der  ordentliche  Professor; 
Dr.  Franz  Hof  mann  von  der  deutschen  Universität  in  Prag  zun 
ordentlichen  Professor  und  Direktor  des  physiologischen  Instituts  ii 
Königsberg  i  Pr.  als  Nachfolger  des  Geh.  Med.-Rats  Prof.  L  Her¬ 
mann.  (hk.) 

München.  Prof.  Dr.  Hermann  Diirck  hat  den  Ruf  für  die 
Professur  fiir  Allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie  au 
der  Akademie  fiir  praktische  Mediziii  sowie  die  Leitung  des  patho¬ 
logischen  Instituts  der  städtischen  Krankenanstalten  in  Köln  a.  Rli. 
abgelehnt,  (hk.) 

Rostock.  Zu  Geheimen  Medizinalräten  wurden  ernannt  die 
I  rofessoren  P  f  e  i  f  f  e  r  (Hygiene),  Körner  (Ohren-  und  Kehlkopi- 
krankheiten),  Müller  (Chirurgie)  und  Peters  (Augenheilkunde). 

Graz.  Dem  Privatddozenten  für  Augenheilkunde  Dr.  Rigobert 
i  ossek  wurde  der  Titel  eines  ausserordentlichen  Universitäts¬ 
professors  verliehen. 

Lemberg.  Der  Privatdozent  Dr.  Josef  Markovsky  wurde 
zum  ordentlichen  Professor  der  Anatomie  ernannt. 

Padua.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  DDr.  U.  Bara- 
tozzi  und  A.  Farini  für  medizinische  Pathologie,  R.  Cecca  und 
G.  Marchetti  fiir  externe  Pathologie,  A.  Me  gar  di  für  Augen¬ 
heilkunde  und  F.  Silvestri  für  Kinderheilkunde. 

Par  m  a.  Dr.  B.  B  a  c  c  h  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
tin  gerichtliche  Medizin. 

Pisa.  Dr.  G.  Bernardi  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
im  externe  Pathologie. 

P  r  a  ff-  Dr-  V.  Guttmann  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
liir  Oto-Rhino-Laryngologie  an  der  tschechischen  med.  Fakultät. 

Turin.  Dr.  C.  Provera  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
fiir  Chirurgie  und  operative  Medizin. 

(Todesfälle.) 

Ueber  Obermedizinalrat  Egger,  dessen  Tod  auf  S.  736  d.  Wo. 
von  uns  gemeldet  wurde,  wird  uns  noch  geschrieben; 

Dr.  Joseph  Georg  Egger,  als  Sohn  des  Apothekers  Anton 
L  g  g c  i  zu  Kelheim  am  24.  Dezember  1824  geboren,  siedelte  1829 
mit  seinen  Eltern  nach  Passau  über  und  machte  dort  seinen  elemen- 
taien  und  gymnasialen  Schulbesuch  durch.  Nach  Absolvierung  des 
Studiums  der  Medizin  an  der  Universität  München  im  Jahre  1847 
setzte  er  seine  Studien  in  Wien  bei  Skoda,  Rokitansky, 
C  z  e  r  m  a  k,  Hebra,  in  Prag  bei  Obpolzer,  Arlt,  Scanzoni, 

I  i  1 11  a  und  Dietrich  fort.  Hieran  reiht  sich  ein  Jahr  Assistenten¬ 
dienst  am  städtischen  Krankenhause  in  Landshut,  welches  unter 
Leitung  von  Medizinalrat  Dr.  Hoff  mann  und  Dr.  Finsterlin 
stand.  Nach  dem  im  Jahre  1S40  bestandenen  Staatsexamen  erlangte 


MUENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


8-47 


.  April  1913. 


die  Doktorpromotion  und  wurde  am  25.  Juli  1849  von  der  Kgl.  Re- 
iung  von  Niederbayern  zum  praktischen  Arzte  in  Ortenburg  in 
ederbayern  ernannt.  Nach  10  jähriger  praktischer  Tätigkeit  an 
sem  Orte  erfolgte  die  Ernennung  zum  praktischen  Arzte  in  Fassau. 
Iche  Funktion  bei  gleichzeitiger  bahnärztlicher  Tätigkeit  für  die 
itiou  Fassau  bei  der  Ostbahn,  dann  bayerischen  Staatsbahn,  sowie 
[  der  österreichischen  Bahn  fortgesetzt  wurde  bis  zur  staatliche.! 
Stellung  als  Bezirksarzt  1.  Kl.  für  das  Bezirksamt  Fassau  1  mit 
igistrat  Fassau  vom  1.  Nov.  1871.  Aus  dem  Verkehr  mit  den  im 
zirksverein  Fassau  tätigen  Aerzten  erwuchs  durch  Dr.  Egger 
ceregt  eine  medizinisch-statistische  Verwertung  der  aus  der  Praxis 
wonnenen  Ergebnisse,  welche  allmählich  auf  den  ganzen  Regie- 
igsbezirk  Niederbayern  sich  ausdehnte  und  in  der  medizinischen 
\tistik  von  Bayern  durch  die  Zeitschrift  des  Kgl.  bayerischen 
itistischen  Bureaus  veröffentlicht  wurde.  Der  naturwissenschaft- 
ne  Verein  Fassau  wurde  durch  Anlegung  und  Erhaltung  von  Samin- 
igen  durch  Dr.  Egger  als  Sekretär  und  später  als  Vorstand  in 
:em  Bestand  gefördert  und  durch  abendliche  Vorträge  über  natur- 
ssenschaftliche  Themata  für  die  Bevölkerung  nutzbringend  gc- 
dtet.  ln  den  Jahresberichten  des  Vereins  wurden  Abhandlungen 
n  Dr.  E.  veröffentlicht,  unter  anderen  eine  medizinische  Topo- 
iphie  und  Ethnographie  von  Niederbayern,  eine  Statistik  der  Stadt 
ssau,  eine  Abhandlung  über  die  Malaria,  welche  in  einem  Teile 
n  Ober-  und  Niederbayern  im  Jahre  1844  herrschte.  Vom  Jahre  1871 
Bezirksarzt  in  Passau,  widmete  E.  seine  Sorgfalt  der  Verbesserung 
r  örtlichen  Sanitätsverhältnisse  in  der  Medizinalpolizei,  in  denFried- 
fen,  der  Wohnungsreinlichkeit,  Kanalisation,  Wasserversorgung, 
■lche  Tätigkeit  durch  die  Zugehörigkeit  zum  Gemeindekollegium, 
welches  ihn  das  Vertrauen  der  Mitbürger  brachte,  wesentliche 
rderung  fand.  Am  ärztlichen  Vereinsleben  rege  beteiligt  wirkte 
.  E.  jahrelang  als  Vorstand  des  ärztlichen  Bezirksvereins  in 
ssau,  als  Delegierter  zum  Obermedizinalausschuss  und  Vorstand 
r  Aerztekammer.  Seinem  Bemühen  gelang  es,  für  die  Morbiditäts- 
itistik  auch  die  anderen  Regierungskreise  zu  interessieren. 

Aus  diesem  reichen  ärztlichen,  amtsärztlichen  und  politischen 
irkungskreise  zum  Kreismedizinalrat  von  Oberfranken  1881  ab- 
rufen,  ernannte  ihn  die  Stadt  Passau  zum  Ehrenbürger,  verschiedene 
icine  zum  Ehrenmitglied.  Die  Bearbeitung  der  von  oberfränkischen 
d  niederbayerischen  Aerzten  gesammelten  statistischen  Krank- 
itenbeobachvungen  fand  in  Bayreuth  und  nach  seiner  Versetzung 
ch  Landshut  zur  Regierung  von  Niederbayern  im  Oktober  1886 
e  Fortsetzung. 

Während  des  10  jährigen  Wirkens  als  praktischer  Arzt  in  Orteu- 
rg  veranlasste  ihn  die  Mannigfaltigkeit  geologischer  Aufschlüsse 
t  reichen  Versteinerungen  zum  Studium  der  Geologie  und  zur 
mmlung  der  dort  im  Gebiete  der  Landpraxis  erworbenen  Fund- 
icke,  welche  später  der  paläontologischen  Abteilung  der  Staats- 
mmlung  in  München  einverleibt  w'urden.  Die  wissenschaftliche 
rwertung  des  Gesammelten  wmrde  in  Abhandlungen  über  die 
raminiferen  und  Ostrakoden  der  Miozänschichten  von  Ortenburg 
neuen  Jahrbuch  für  Geologie,  eine  Beschreibung  der  Petrefakten 
s  Jura  von  Ortenburg  im  Jahresbericht  des  naturhistorischen 
reins  in  Passau  veröffentlicht;  ausserdem  wurden  geschrieben: 
ä8:  Der  Jurakalk  von  Ortenburg  und  seine  Versteinerungen;  1859; 
n  Gebirgsprofil  von  der  Felsenwmnd  am  Löwen;  1860;  Ein  Granit- 
dling  —  der  Diatemeermergel  von  Habiihl.  Im  Jahre  1893  er- 
hienen:  Die  Foraminiferen  aus  Meeresgrundproben  gelotet  von 
74-1876  von  S.  M.  Schiff  Gazelle  —  mit  vielen  Tafeln  gezeichnet 
ch  den  mikroskopisch  sich  ergebenden  Gestaltungen;  1902:  Der 
iu  der  Orbitolinen  und  verwandter  Formen,  mit  6  Tafeln  und 
gänzung  zum  Studium  der  Fo-raminiferenfamilie  der  Obitaliniden; 
38:  Die  Mikrofauna  der  Kreideschichten  des  westlichen  bayerischen 
aldes  und  des  Gebietes  um  Regensburg;  1910:  Ostrakoden  und 
'raminiferen  des  FJybrunner  Kreidemergels  in  der  Umgebung  von 
gensburg;  1909:  Foraminiferen  der  Seewmner  Kreideschichten. 

Am  24.  August  1897  wurde  Dr.  Egger  zum  Mitglied  der 
liserlich  Leop.  Carol.  Deutschen  Akademie  der  Naturforscher  in 
die  ernannt. 

Verliehen  wunden  ihm  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  St.  Michaels¬ 
dens  ä.  S.,  der  Kgl.  preussische  Kronenorden  4.  Klasse  mit  dem 
ten  Kreuz  auf  wmissem  Felde,  sowie  verschiedene  Ehrenzeichen 
freiwillige  Krankenpflege  Verwendeter  und  Gefangener  in  den 

hren  1870—71. 

Obermedizinalrat  Dr.  Egger  verschied  am  22.  März  1913  zu 

Indien. 

(Berichtigu  nge  n.) 

In  der  in  No.  14,  S.  739  erschienenen  Arbeit  von  Prof.  N  o  g  u  c  h  i : 
iudien  über  den  Nachweis  der  Spirochaete  p  a !  - 
daim  Zentralnervensystem  bei  der  progressiven 
aralyse  und  bei  Tabes  dorsalis  erhalten  wir  nachträg- 
h  folgende  Anmerkungen,  die  auf  S.  738,  rechte  Spalte  einzufügen 
id,  und  zwar  zu  Zeile  28  von  unten  zu  Silbernitratlösungen  *) : 

*)  Falls  die  einfache  Silberlösung  nur  unvollkommen  imprägniert, 
setze  man  mit  Vorteil  10  Proz.  Pyridin  zu. 

Zu  Zeile  24  von  unten  zu  Formalin’**): 

**)  Statt  des  Formalin  kann  man  auch  nach  Levaditi-Ma- 
’uelian  15  Proz.  Pyridin  und  10  Proz.  Azeton  zusetzen. 


Korrespondenz. 

Zur  Einführung  der  neuen  Krankenversicherung. 

Die  von  der  Krankenkassenkommission  des  Deutschen  Aerzte- 
vereinsbundes  ausgearbeiteten  und  vom  Geschäftsausschuss  ge¬ 
nehmigten  Musterverträge  sind  jetzt  in  der  Buchhandlung  des 
Leipziger  Verbandes  erschienen  und  können  von  dieser  bezogen  wer¬ 
den.  Sie  enthalten  das  Mindestmass  dessen,  was  wir  Aerzte  in  un¬ 
seren  Beziehungen  zu  den  Krankenkassen  von  diesen  fordern  müssen 
und  sind  in  ihren  Einzelheiten  den  Beschlüssen  der  Acrztetage,  insbe¬ 
sondere  denen  des  Stuttgarter  Aerztetages,  gleichzeitig  aber  auch 
den  Bestimmungen  der  vom  Reichskanzler  erlassenen  Muster¬ 
satzungen  für  Krankenkassen  angepasst.  Wir  empfehlen  den  Herren 
Kollegen,  besonders  den  Vorsitzenden  der  kassenärztlichen  Lokal¬ 
organisationen  und  der  Vertragsprüfungskommissionen  das  Studium 
der  Musterverträge  und  bitten  sie  nach  diesem  Muster  jetzt  schon 
Vertragsentwürfe  für  den  Abschluss  mit  den  für  sie  in  Betracht 
kommenden  Krankenkassen  vorzubereiten.  Aber  nur  vorzube¬ 
reiten.  Wir  warnen  dringend  und  immer  wieder  davor,  etwa  jetzt 
schon  sich  in  Verhandlungen  mit  den  Kassenvorständen  einzulassen. 
Die  Kassen  müssen  erst  ihre  Statuten  neu  errichten  und  deren  Ge¬ 
nehmigung,  vor  allem  aber  ihre  fernere  Zulassung  überhaupt  ab- 
warten,  ehe  sie  imstande  sind,  ihrerseits  Abmachungen,  die  für  die  Zu¬ 
kunft  tatsächlich  Wert  haben,  zu  treffen.  Es  empfiehlt  sich  aber,  die 
Kassenvorstände  auf  die  Musterverträge  hinzuweisen  und  ihnen  an¬ 
heimzugeben,  deren  Bestimmungen  bei  der  Aufstellung  der  Kassen- 
satzungeu  Rechnung  zu  tragen.  Auf  keinen  Fall  dürfen  jetzt  schon 
Verträge  abgeschlossen  oder  —  auch  nicht  unter  Vorbehalt 
—  unterzeichnet  werden.  Wer  das  tut,  gefährdet  das  vom  Stutt¬ 
garter  Aerztetag  beschlossene  einheitliche,  gleichzeitige,  gleichmässige 
und  geschlossene  Vorgehen.  Im  Interesse  eines  solchen  liegt  es  auch, 
dass  laufende  Verträge  nicht  über  den  31.  Dezember  d.  J.  in  Kraft 
bleiben  und  deshalb  sind  alle  kündbaren  Verträge  unbedingt  recht¬ 
zeitig  für  den  letzten  Tag  1913  zu  kündigen. 

Dr.  D  i  p  p  e, 

Vorsitzender  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes. 

Dr.  Hartmann, 

Vorsitzender  des  Leipziger  Verbandes. 


Erfahrungen  mit  dem  Skopolamindämmerschlaf. 

Im  Eingänge  meiner  Arbeit  über  Pantopon-Skopolamin-Anästhesie 
aus  der  Krecke sehen  Privatklinik  in  No.  12  der  Wochenschrift  sind 
2  Krankengeschichten  mitgeteilt  w'orden,  die  früher  schon  von  Herrn 
Dr.  Baum  in  einer  aus  der  gleichen  Klinik  hervorgegangenen  Arbeit 
veröffentlicht  worden  sind.  Bei  der  Wiedergabe  der  Kranken¬ 
geschichten  ist  auf  die  Quelle  wiederholt  hingewiesen.  Um  keine 
Missverständnisse  entstehen  zu  lassen,  möchte  ich  mitteilen,  dass 
auch  die  beiden  an  die  Krankengeschichten  angeschlossenen  kurzen 
kritischen  Bemerkungen  der  Baum  sehen  Arbeit  in  dem  Krecke- 
schen  Jahresberichte  entnommen  sind.  Dr.  Hans  Reichel. 


Auf  dem  zu  Ostern  l.J.  zu  Monaco  abgehaltenen  9.  internationalen 
Zoologenkongress  hat  Prof.  Dexler-Prag  nachstehende  Erklärung, 
betreffend  die  Elberfelder  „denkenden“  Pferde,  zur  Verlesung  ge¬ 
bracht: 

Erklärung. 

Vor  mehr  als  einem  Jahre  ist  Herr  Krall  aus  Elberfeld  mit 
einem  Buche  an  die  Oeffentlichkeit  getreten,  in  welchem  die  selb¬ 
ständige  Denkfähigkeit  dreier  von  ihm  beobachteter  resp.  erzogener 
Pferde  behauptet  wmrde,  die  namentlich  in  rechnerischer  Hinsicht  er¬ 
heblich  über  das  Durchschnittsmass  menschlicher  Leitungen  hinaus¬ 
ginge.  K  r  a  1 1  s  Anschauungen  fanden  neben  sonstiger  eifriger  An¬ 
hängerschaft  namentlich  im  Herbste  1912  gewichtige  Unterstützung 
durch  ein  zustimmendes  Gutachten  der  3  Zoologen  Ziegler,  Sara- 
sin  und  Krämer,  die  jede  Zeichengebung,  wie  1904  beim  „klugen“ 
Hans,  als  ausgeschlossen  erklärten  und  neuerdings  durch  die  Be¬ 
gründung  einer  gleichgerichteten  „Gesellschaft  für  experimentelle 
Tierpsychologie“. 

Die  dem  Entwicklungsgedanken  völlig  zuwdderlaufende,  mit  den 
bisherigen  Ergebnissen  der  wissenschaftlichen  Sinnesphysiologie  und 
Psychologie  der  Tiere  unvereinbaren,  durch  keine  exakte  Methodik 
gestützten  Lehren  K  r  a  1 1  s  und  seiner  Anhänger  gewinnen  in  Deutsch¬ 
land  wachsende  Verbreitung,  obwohl  bis  zum  heutigen  Tage  keine 
den  Grundsätzen  kritischer  Beobachtung  entsprechende  Nachprüfung 
stattgefunden  hat  und  keinerlei  beweiskräftige  Experimente  bekannt 
geworden  sind. 

Da  eine  weitere  widerspruchslose  Hinnahme  dieser  Bewegung 
geeignet  erscheint,  das  neuaufblühende  und  ohnehin  noch  vielum¬ 
strittene  Forschungsgebiet  der  Tierpsychologie  auf  lange  hinaus  zu 
diskreditieren,  sehen  sich  die  Unterfertigten  zu  folgender  Erklärung 
veranlasst ; 

„Die  Angaben  und  theoretischen  Schlüsse  Zieglers,  Sara- 
s  i  n  s  und  Krämers  in  Sachen  der  Kral  Ischen  Pferde  müssen 
von  den  Unterzeichneten  so  lange  als  unerwiesen  und  höchst  un¬ 
wahrscheinlich  bezeichnet  w’erden,  solange  ihnen  nicht  allgemein 
zugängliche  Protokolle  über  die  Untersuchungen  unterlegt  werden,  die 


848 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No. 


den  modernen  Anforderungen  tierpsychologischer  Forschung  und 
sinnesphysiologischer  Methodik  entsprechen.  Eine  erspriessliche  Dis¬ 
kussion  des  Themas  der  „rechnenden  Pferde“  wird  nur  dann  möglich, 
wenn  Herr  Krall  die  betreffenden  Tiere  zum  Zwecke  der  durchaus 
notwendigen  Nachprüfung  unter  Anwendung  exakter  Methoden  der 
experimentellen  Physiologie  und  Psychologie  völlig  frei  zur  Verfügung 
stellt,  also  auch  in  die  Hände  jener  Forscher  gibt,  die  sich  angesichts 
des  bisher  vorliegenden  Materiales  offen  als  Gegner  der  Krall  sehen 
Auffassungen  bekennen  müssen.“ 

K.  B  ü  h  1  e  r  -  Bonn,  A.  B  e  t  h  e  -  Strassburg,  G.  Brandes- 
Dresden,  H.  D  ex  ler -Prag,  F.  D  o  f  1  e  i  n  -  Freiburg  i.  B.,  M.  Ett¬ 
ling  e  r  -  München,  A.  F  o  r  e  1  -  Yvorne,  L.  Freund  -  Prag,  W.  K  ii  - 
k  e  n  t  h  a  1  -  Breslau,  0.  Lipmann  -  Berlin,  St.  v.  M  a  d  a  y  -  Prag, 
.1.  M  a  r  e  k  -  Pest,  G.  Nicolai-  Berlin,  H.  Poll-  Berlin,  H.  Scha  u- 
i  n  s  1  a  n  d  -  Bremen,  P.  S  c  h  o  1 1 1  ä  n  d  e  r  -  Rovigno,  R.  Semon- 
München,  J.  W.  Spengel  -  Giessen,  C.  Thesing  -  Leipzig, 
A.  v.  Tschermak  -  Wien,  E.  Wasmann  -  Valkenburgh,  K. 
W  i  g  g  e  -  Düsseldorf,  W.  W  u  n  d  t  -  Leipzig,  C.Zimmer-  München.“' 


Amtliches. 

(Bayern.) 

No.  5022  b  5.  München,  2.  April  1913. 

Kgl.  Staatsministerium  des  Innern. 

An  die  Kgl.  Regierungen,  Kammern  des  Innern. 

Betreff : 

Die  Verhandlungen  der  Aerztekaminern  im  Jahre  1912. 

Auf  die  Verhandlungen  der  bayerischen .  Aerztekammern  vom 
4.  November  1912  ergeht  nach  Einvernahme  des  Kgl.  Obermedizinal¬ 
ausschusses  nachstehender  Bescheid: 

I.  Sämtliche  Kammern  stellen  die  Bitte,  die  Staatsregierung  möge 
bei  dem  Bundesrate  den  Antrag  stellen,  dass  ausländischen  Aerzten 
die  Ausübung  der  Praxis  im  Deutschen  Reiche  in  jeder  Form  und 
unter  jeder  Bezeichnung  verboten  wird,  unbeschadet  der  für  Grenz¬ 
bezirke  bestehenden  Vereinbarungen  mit  Nachbarländern.  Das  Kgl. 
Staatsministerium  des  Innern  ist  bezüglich  dieses  Antrags  mit  der 
Reichsleitung  ins  Benehmen  getreten.  Entsprechend  einem  von 
6  Kammern  eingereichten  Zusatzantrage  hat  das  Kgl.  Staatsinini- 
sterium  des  Innern  die  Distriktspolizeibehörden  angewiesen,  aus¬ 
ländische  Aerzte  bei  der  Anmeldung  zur  Niederlassung  darauf  auf¬ 
merksam  zu  machen,  dass  sie  den  Titel  „Arzt“  oder  einen  ähnlichen 
Titel  nicht  führen  dürfen  und  dass  die  Apotheken  starkwirkende  Arz¬ 
neien  (Anlage  der  K.  VO.  vom  22.  Juli  1896,  GVB1.  S.  517  und  Nach¬ 
träge)  nur  auf  schriftliche  Anweisung  eines  in  Deutschland  approbier¬ 
ten  Arztes  abgeben  dürfen.  Auch  die  Apotheker  in  den  Grossstädten 
und  Badeorten  wurden  darauf  hingewiesen,  dass  die  Abgabe  stark¬ 
wirkender  Arzneien  auf  Anweisung  ausländischer,  nicht  in  Deutsch¬ 
land  approbierter  Aerzte  unzulässig  ist. 

II.  Sämtliche  Kammern  mit  Ausnahme  der  Kammer  der  Ober¬ 
pfalz  und  von  Oberfranken  haben  ihre  Ausschüsse  mit  der  Beratung 
über  eine  Neufassung  der  K.  VO.  vom  9.  Juli  1895  über  die  Bildung 
von  Aerztekammern  und  ärztlichen  Bezirksvereinen  betraut.  Hiezu 
wird  schon  jetzt  bemerkt,  dass  eine  Neubearbeitung  der  Verordnung 
wegen  ihres  Zusammenhanges  mit  dem  ehrengerichtlichen  Verfahren 
bis  zur  Schaffung  einer  gesetzlichen  Ehrengerichtsordnung  zurück¬ 
zustellen  sein  wird. 

III.  Die  Kammer  von  Oberbayern  hat  4  Anträge  gestellt,  die  den 
Verkehr  mit  Arzneimitteln  betreffen. 

1.  Ueber  die  Aufstellung  einer  Liste  jener  Arzneimittel,  die 
ausserhalb  der  Apotheken  feilgehalten  und  verkauft  werden  dürfen, 
schweben  Verhandlungen  zwischen  der  bayerischen  Staatsregierung 
und  der  Reichsleitung. 

2.  Bezüglich  des  Antrages,  die  Liste  der  Geheimmittel  häufiger 
und  regelmässig  nachzuprüfen  und  zu  ergänzen,  wurde  ebenfalls  mit 
der  Reichsleitung  ins  Benehmen  getreten. 

3.  Die  Erlassung  öffentlicher  Warnungen  vor  schwindelhaften 
Arznei-  und  sonstigen  Heilmitteln  wird  in  Erwägung  gezogen  werden. 

4.  Der  Antrag  auf  Errichtung  einer  besonderen  Stelle  zur  Nach¬ 
prüfung  von  Geheimmitteln,  neuen  Arzneimitteln  usw.  wird  einer 
näheren  Würdigung  unterstellt  werden,  wenn  feststeht,  dass  nicht  von 
Reichs  wegen  eine  ähnliche  Einrichtung  getroffen  wird. 

IV.  Zu  den  von  den  Kammern  von  Oberbayern  und  der  Ober¬ 
pfalz  vorgeschlagenen  Aenderungen  der  Gebührenordnung  für  ärzt¬ 
liche  Dienstleistungen  in  der  Privatpraxis  wird  den  Kammern  anheim¬ 
gegeben,  auf  Grund  einer  Beratung  der  Kammerausschüsse  dem  Kgl 
Staatsministerium  des  Innern  gemeinsame  Vorschläge  zu  unterbreiten. 

V.  und  VI.  Der  Antrag  der  Kammer  von  Oberbayern  auf  Er¬ 
höhung  der  Gebühren  für  Zeugen  und  Sachverständige  wurde  dem 
Kgl.  Staatsministerium  der  Justiz  übermittelt;  ebenso  der  Antrag  der 
Kammer  der  Pfalz,  es  sollen  bei  Verurteilungen  wegen  Zuwiderhand¬ 
lung  gegen  das  Nahrungsmittelgesetz  und  seine  Nebengesetze  die 
Urteile  häufiger  als  bisher  veröffentlicht  werden.  Dem  weiteren  An¬ 
träge  der  gleichen  Kammer,  das  Ergebnis  von  Musterungen  der 
Nahrungsmittelgeschäfte  öffentlich  bekannt  zu  geben,  kann  nicht  ent¬ 
sprochen  werden. 

VII.  Die  Kammer  von  Oberbayern  bittet  um  ein  Dienstsiegel. 
Dem  Wunsche  wird  bei  einer  Neubearbeitung  der  K.  VO.  über  die 


Bildung  von  Aerztekammern  und  Bezirksvereinen  nähergetreten  wt 
den,  soferne  sich  die  übrigen  Kammern  anschliessen. 

VIII.  Für  die  von  der  Kammer  von  Oberfranken  vorgeschlagei 
Aufnahme  des  Tetanusserums  unter  die  Mittel,  die  in  jeder  Apothel 
vorhanden  sein  müssen,  besteht  nach  dem  Gutachten  des  Kgl.  Obe 
medizinalausschusses  kein  hinreichendes  Bedürfnis. 

gez.  Dr.  Freiherr  v.  Soden. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  Februar  1913. 


Iststärke  des  Heeres: 


70168  Mann,  193  Kadetten,  149  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unterofhz 

Vorschule 

1.  Bestand  waren 

am  31.  Januar  1913 : 

1456 

7 

7  • 

1  im  Lazarett: 

1525 

6 

6 

2.  Zugang: 

im  Revier : 

1454 

— 

l  in  Summa: 

2979 

6 

6 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

4435 

13 

13 1 

°/oo  der  Iststärke: 

63,2 

67,4 

87, 

dienstfähig: 

2499 

5 

8  j 

°/oo  der  Erkrankten: 

563,5 

384,6 

615,4 

gestorben: 

16 

— 

•Zoo  der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 

3,6 

— 

— 

mit  Versorgung: 

12 

— 

— 

3.  Abgang:  < 

ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 

3 

— 

-  , 

Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese- 

ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen: 

40 

anderweitig: 

102 

— 

—  ] 

in  Summa: 

2672 

5 

8 

4.  Bestand 
bleiben  am 
28.  Febr.  1913: 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 

1763 

25,1 

8 

41,5 

5 

33,  d 

davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 

1342 

421 

8 

5 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  aj 
Lungenentzündung  4,  epidemischer  Genickstarre  2,  Paratyphus 
Gelenkrheumatismus  1,  Herzmuskelentzündung  1,  Bluterkrankin 
(Hämophilie)  1,  perniziöser  Anämie  1,  Hirnhautentzündung  1,  Blinl 
darmentziindung  1,  Bauchfellentzündung  1,  Milzzerreissung  1  ui 
Schussverletzung  des  Kopfes  (durch  einen  Zivilisten)  1. 

Ausserhalb  der  militärärztlichen  Behandlung  starben  2  Mail 
infolge  Selbstmord  (1  Erschiessen,  1  Sturz  in  die  Tiefe). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  i: 
Monat  Februar  18  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  13.  Jahreswoche  vom  23.  bis  29.  März  1913. 

Bevölkerungszahl  622000, 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung 
fehler  15  (12 ‘j,  Altersschw.  (über  60  Jahre)  —  (3),  Kindbettfieber  —  (- 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  —  (- 
Masern  u.  Röteln  2  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  5  (2),  Keuchhusten  3  (1 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  — (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  1  (- 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswt 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  Starrkrampf  —  H 
Blutvergiftung  3  (4),  Tuberkul.  der  Lungen  21  (24),  Tuberkul.  and.  Or 
(auch  Skrofulöse)  5  ( — ),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  1  (2),  Lunge 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  13  (26),  Influenza  —  (— ),  venei 
sehe  Krankh.  3  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechse 
fieber  usw.  1  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (1),  Alkoholi 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  3  (6),  sonst.  Krank 
d.  Atmungsorgane  1  (8),  Organ.  Herzleiden  22  (18),  Herzschlag,  Her 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  1  (7),  Arterienverkalkur 
5  (3),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  6  (3),  Gehirnschlag  5  (1 
Geisteskranke  —  (2),  Krämpfe  d.  Kinder  4  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Nerve 
Systems  4  (3),  Atrophie  der  Kinder  3  (— ),  Brechdurchfall  2  (3),  Mage 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  6  (3),  Blinddarr 
entzünd.  1  (3),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  2  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  10  (7),  Nierenentzünd.  6  (3 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  2  (3),  Krebs  8  (17),  son: 
Neubildungen  4  ( — ),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.  T 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  5  (4),  Mord,  Totschlag,  aui 
Hinricht.  2  (1),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  5  (< 
and.  benannte  Todesursachen  2  (4),  Todesursache  nicht  (genau)  ai 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  185  (199). 


Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwochi 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


>ic  Mfinchtner  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
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MÜNCHENER 


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Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


o.  16.  22.  April  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

ns  der  Universitäts-Frauenklinik  Erlangen  (Vorstand:  Prof. 

S  e  i  t  z). 

Ueber  galvanische  Nervenmuskelerregbarkeit  in  der 
Schwangerschaft  und  über  Schwangerschaftstetanie. 

Von  L.  S  e  i  t  z. 

Aus  der  Vereinigung  der  mütterlichen  Eizelle  und  der  für 
ie  Mutter  körperfremden  männlichen  Keimzelle  entwickelt 
ich  das  befruchtete  Ei  und  tritt  mit  seiner  Ansiedelung  in  der 
herusschleimhaut  in  Beziehungen  zum  mütterlichen  Organis- 
ius.  Man  hat  sich  früher  das  Verhältnis  von  Mutter  und  Kind 
o  vorgestellt,  dass  die  Mutter  nur  gibt  und  das  Kind  nur 
mpfängt.  Wenn  diese  Ansicht  naturgemäss  auch  der  Haupt¬ 
ache  nach  zutrifft,  so  ist  die  Auffassung  doch  zu  einseitig; 
enn  es  ist  leicht  verständlich,  dass  bei  dem  innigen  Kontakte 
er  beiden  Lebewesen  der  Fötus  ausser  der  Abgabe  seiner 
toffwechselschlacken  auch  noch  sonst  Rückwirkungen  auf 
en  mütterlichen  Körper  ausüben  wird.  Nicht  anders  als  durch 
Ital-plazentare  Rückwirkungen  sind  alle  die  merkwürdigen 
eränderungen  zu  verstehen,  die  sich  häufig  vom  ersten  Tage 
er  Empfängnis  ab  im  weiblichen  Körper  vollziehen.  Ich 
rauche  nur  an  die  Entstellung  des  Gesichtsausdruckes,  die 
ormveränderungen  des  Körpers,  das  Wachstum  der  Brüste, 
as  Auftreten  der  Hautpigmentierungen,  die  Bildung  der 
Isteophyten,  an  die  kleinen  und  grossen  Schwangerschafts- 
eschwerden  zu  erinnern,  die  in  ihrer  typischen  Ausbildung 
äufig  schon  klinisch  etwas  für  Schwangerschaft  Spezifisches 
ufweisen. 

In  neuester  Zeit  wurde  namentlich  den  Drüsen  mit  innerer 
■ekretion,  die  eine  so  wichtige  Rolle  in  der  Regulation  der 
'toffwechselvorgänge  spielen,  eine  erhöhte  Aufmerksamkeit 
ugewendet  und  die  histologischen  Untersuchungen  ergaben, 
ass  sie  regelmässig  Veränderungen  meist  hypertrophischer 
latur  aufweisen,  die  in  ihrer  morphologischen  Eigenart  für 
inzelne  Drüsen,  z.  B.  für  die  Hypophyse,  als  für  die 
’Chwangerschaft  spezifisch  erachtet  werden  müssen. 

Solche  Veränderungen  können  nur  durch  chemische 
orrelation  zwischen  Fötus-Plazenta  einer-  und  mütterlichem 
Irganismus  andererseits  zustande  kommen.  Die  rein  nervös- 
eflektorische  Theorie  hat  heute  ihre  lang  behauptete  Vorherr- 
chaft  damit  endgültig  verloren. 

In  das  Kapitel  der  Schwangerschaftsveränderungen  gc- 
ehört  auch  die  seit  langem  bekannte  nervöse  Reizbar- 
eit  Schwangerer.  Zum  ersten  Male  suchten J) 
l  •  u  m  reich  und  Z  u  n  t  z  dem  Problem  auf  Grund  von 
ierexperimenten  näherzutreten;  die  Autoren  legten  bei 
Kaninchen  das  Gehirn  frei  und  konnten  feststehen,  dass  das 
Jehirn  schwangerer  Tiere  auf  geringere  Dosen  von  Kreatinin 
eagiert  als  nichtträchtiger  und  sie  schlossen  aus  den  Experi¬ 
nenten,  dass  das  Nervensystem  in  der  Schwangerschaft 
dichter  erregbar  ist. 

Auf  anderem  Wege  suchte  Neu  m  a  n  n  :)  sich  eine  Vor- 
teliung  von  der  erhöhten  Erregbarkeit  Schwangerer  zu 
’ilden :  Er  prüfte  die  Sehnenreflexe  hei  einer  grossen  Anzahl 
roti  Schwangeren  und  kam  zu  dem  Resultat,  dass  in  der 
weiten  Hälfte  der  Schwangerschaft  die  Sehnenreflexe  ge¬ 
tigert  sind  und  zwar  um  so  lebhafter,  je  näher  die  Frauen 
lern  Ende  der  Schwangerschaft  sind;  ganz  besonders  stark 
st  che  Steigerung  unter  der  Geburt;  im  Wochenbett  sinkt  die 


')  B  1  n  m  r  e  i  c  h  und  Z  untzi  Areh.  f.  Qyn.  1902. 
2)  Ne  u  mann:  Zentralbl.  f.  Qyn.  1905. 

No.  16. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Erregbarkeit  wiederum  ab.  Die  Steigerung  der  Sehnenreflexe 
beruht  auf  einem  Wegfall  zentraler  Hemmungen  und  so  weisen 
die  Resultate  der  Untersuchungen  Neumanns  darauf  hin, 
dass  die  zentralen  Impulse  in  der  Schwangerschaft  eine  Ver¬ 
änderung  erfahren.  Die  Sehnenreflexe  sind  aber  ein  gar 
vieldeutiges  Symptom;  die  Abschätzung,  ob  eine  geringe 
Steigerung  vorhanden  ist,  unterliegt  so  stark  dem  subjektiven 
Ermessen  des  Einzelnen,  dass  irgendwie  bindende  Rück¬ 
schlüsse  aus  dem  Phänomen  sich  nicht  ziehen  lassen.  So 
unvollkommen  die  Methoden  von  Neumann  und  die  Ex¬ 
perimente  von  B  1  u  m  r  e  i  c  h  und  Z  u  n  t  z  sind,  so  weisen  sie 
doch  mit  aller  Deutlichkeit  darauf  hin,  dass  in  der  Schwanger¬ 
schaft  in  der  Tat  die  nervöse  Erregbarkeit  erhöht  ist. 

Auf  einer  anderen  Linie  liegt  die  nervöse  Erregbarkeit, 
an  deren  Prüfung  ich  mich  gemacht  habe.  Es  ist  seit  den 
ersten  Untersuchungen  über  Tetanie  wiederholt  die  Beob¬ 
achtung  gemacht  worden,  dass  von  dieser  Krankheit  relativ 
häufig  Schwangere  befallen  werden;  das  charakteristische 
dieser  Erkrankung  besteht  bekanntlich  in  einer  erhöhten 
mechanischen  und  elektrischen  Erregbar¬ 
keit  der  peripheren  Nerven.  Da  sich  in  der 
Schwangerschaft,  wie  kaum  in  einem  anderen  Zustande  das 
physiologische  auf  das  engste  mit  dem  pathologischen  berührt, 
so  lag  der  Gedanke  nahe  zu  prüfen,  ob  nicht  bereits  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  in  der.  Schwangerschaft  eine  gewisse 
Steigerung  der  nervösen  Erregbarkeit  sich  nachweisen  lässt. 
Wegen  seiner  feinen  Abstufbarkeit  und  der  Genauigkeit  der 
Resultate  schien  mir  zur  Prüfung  der  Frage  der  galva¬ 
nische  Strom  besonders  geeignet.  Ich  beauftragte 
Fräulein  T  h  i  e  r  r  y  3)  und  später  Herrn  K  n  o  1 1 4)  mit  der 
Prüfung  der  galvanischen  Erregbarkeit  in  der  Schwanger¬ 
schaft;  beide  haben  sich  der  Aufgabe  mit  grösster  Hingebung 
gewidmet  und  sind  unabhängig  voneinander  zu  völlig  über¬ 
einstimmenden  Resultaten  gekommen. 

Will  man  brauchbare  Resultate  bei  der  galvanischen 
Prüfung  erhalten,  so  müssen  die  Untersuchungen  von  ein  und 
derselben  Person  vorgenommen  werden,  immer  genau  die 
nämliche  Technik  beobachtet  werden,  an  der  nämlichen  Stelle, 
mit  der  gleichen  Durchfeuchtung  der  Elektroden,  am  besten 
auch  zur  gleichen  Tageszeit,  in  regelmässigen  Intervallen,  am 
besten  alle  2 — 4  Tage. 

Die  in  der  Literatur  z.  B.  von  S  t  i  n  t  z  i  n  g  angegebenen 
Standardzahlen  für  die  normale  galvanische  Erregbarkeit 
schienen  uns  nicht  hinreichend,  da  sie  vielfach  bei  Individuen 
verschiedenen  Alters  und  Geschlechtes  gewonnen  wurden.  Um 
brauchbare  Vergleichswerte  von  nichtschwangeren  weiblichen 
Personen  zu  bekommen,  untersuchte  Fräulein  T  h  i  e  r  r  y  40 
gesunde  weibliche  Personen,  zum  grössten  Teil  Hebammen¬ 
schülerinnen  und  fand,  dass  am  Nervus  medianus  die  Kathoden- 
schliessungszuckung  im  Mittel  bei  1,3  M.  A.  eintrat  und  dass 
nur  in  10  Proz.  der  Wert  unter  0,9  M.  A.  herabsinkt.  Bei 
70  Schwangeren,  die  meist  in  den  letzten  Monaten  der 
Schwangerschaft  standen,  trat  dagegen  in  80  Proz.  die  Ka.  S.Z. 
unter  0,9  M.  A.  ein.  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  bei  der 
Mehrzahl  aller  Schwangeren  in  den  letzten 
Monaten  der  Schwangerschaft  eine  erhöhte 
galvanische  Erregbarkeit  der  Nerven  be¬ 
steht.  Diese  Erregbarkeit  erfährt  unter  der  Geburt 
regelmässig  eine  weitere  Steigerung  und  auch 


s)  Die  ausführliche  Mitteilung  wird  nächstens  in  der  Zeitschr. 
f.  Geb.  u.  Qyn.  erscheinen. 

")  Die  Untersuchungen  von  K  n  o  1 1  werden  in  einer  Erlanger 
Dissertation  veröffentlicht. 


1 


&50  MUEHCHeNE^  MgblZINiSCHE  WOCHENSCHRIFT.  Nu.  ||, 


die  Fälle,  welche  während  der  Schwangerschaft  keine  Er¬ 
höhung  der  Erregbarkeit  aufwiesen,  reagieren  unter  der  Ge¬ 
burt  bereits  auf  schwachen  Strom.  Dieses  Verhalten  ist  ab¬ 
solut  gesctz massig.  Wir  haben  das  in  mehr  als  120 
systematisch  durchgeführten  Untersuchungen  stets  wiederum 
festgestellt.  In  rund  10  Proz.  der  Fälle  ist  die  Erregbarkeit 
der  Nerven  unter  der  Geburt  so  gesteigert  und  weist  solche 
Werte  auf,  wie  sie  sonst  nur  bei  der  Tetanie  beobachtet 
werden.  Wiederholt  trat  die  Ka.  S.Z.  unter  der  Geburt  bei 
0.3 — 0,2  sogar  0,1  M.  A.  ein.  Die  übrigen  Phasen  des  galva¬ 
nischen  Stromes  zeigten  ebenfalls  dementsprechende  Er¬ 
niedrigungen.  Im  Wochenbett  sank  die  Erreg¬ 
barkeit  wiederum  ab  und  zeigte  regelmässige 
oder  nur  gering  erniedrigte  Werte. 

Als  Beispiel  diene  folgender  Fall: 


Datum 

Ka.  S.  Z. 

An.  Oe.  Z. 

An.  S.  Z. 

Ka.  S.  Te. 

2.  V. 

1,8 

4.2 

3,6 

-  - 

10.  V. 

1,6 

3,8 

3,2 

— 

20.  V. 

L5 

3,4 

2,5 

— 

29.  V. 

1,4 

2,6 

3,2 

— 

3.  VI. 

1,0 

1,8 

1  2 

— 

13.  VI. 

0,5 

2,2 

1,0 

4,0 

15.  VI. 

0,6 

2,0 

1,2 

17.  VI. 

0,4 

1,8 

1,2 

— 

20.  VI. 

0,3 

1,8 

1,0 

5,0 

Part.  25.  VI. 

0.3 

1,4 

1,0 

4,0 

29.  VI. 

2.  VII. 

0,ö 

1,6 

2,8 

3,6 

2,5 

2,0 

Die  beiliegende  Kurve  zeigt  den  typischen  Verlauf  der 
Ka.  S.Z. 


Partus 


Keiner  der  Fälle  zeigte  manifeste  Erscheinungen  einer 
Tetanie,  noch  auch  zeigten  sich  Anzeichen,  die  auf  das  Be¬ 
stehen  einer  latenten  Tetanie  hinweisen.  Da  bisher  eine  der¬ 
artige  Steigerung  der  galvanischen  Erregbarkeit  bei  keiner 
anderen  Krankheit  in  dieser  Form  festgestellt  worden  ist,  als 
bei  der  Tetanie,  so  kann  nach  den  Resultaten  der  galvanischen 
Prüfung  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  rund  10  Proz. 
aller  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft  und  unter 
der  Geburt  befindlichen  Frauen  in  einem  subtetanischen  Zu¬ 
stande  sich  befinden.  Unter  der  Gesamtzahl  sind  -4  Eklamp- 
tische,  zwei  von  ihnen  weisen  subtetanische  Werte,  die 
anderen  aber  eher  höhere  als  Durchschnittswerte  auf.  Es 
lässt  sich  daraus  wohl  der  Schluss  ziehen,  dass  bei  der 
Eklampsie  in  der  Regel  keine  abnorme  galvanische  Erreg¬ 
barkeit  besteht  und  dass  aus  diesem  Grunde  die  Eklampsie  und 
die  Schwangerschaftstetanie  keine  identischen  Krankheiten 
sind,  wie  das  V  a  s  a  1 1  e  auf  Grund  von  Tierexperimenten  an¬ 
genommen  hat. 

Da  keine  der  Personen  Anzeichen  einer  Krankheit  oder 
grösseres  Unbehagen  zeigten,  so  hat  man  zunächst  den  Ein¬ 
druck,  dass  die  Untersuchungen  lediglich  rein  theoretisches 
Interesse  haben.  Eine  kürzlich  gemachte  Beobachtung  hat 
mich  aber  in  dieser  Annahme  doch  schwankend  gemacht  und 
ich  möchte  der  Frage  auf  Grund  dieser  Beobachtung  eine 
gewisse  praktische  Bedeutung  nicht  absprechen.  Die  Beob¬ 
achtung  ist  folgende: 

K.  H.,  31  Jahre  alte  V.-üebärende. 

31  jährige,  sonst  völlig  gesunde  V.-Schwangere,  ohne  nervöse 
Symptome,  ohne  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Lunge,  keine 
Struma. 

Die  drei  ersten  Schwangerschaften  ohne  Besonderheiten.  Die 
vierte  Schwangerschaft  endigte  mit  einem  Abortus  von  ca.  7  Wochen. 
\\  ährend  der  kurzen  Zeit  der  Schwangerschaft  beobachtete  die 
Schwangere  ein  leichtes  Pelzigsein  der  Fiisse,  das  sie  früher  nie 
gehabt  habe  und  auffallende  Atemnot,  die  sie  beim  Gehen  wiederholt 
zum  Stillstehen  veranlasste. 

In  dieser  Schwangerschaft  klagte  sie  von  den  ersten  Tagen  der 
Gravidität  an  in  der  Früh  beim  Herausgehen  aus  dem  Bett  und  beim 
Auftreten  für  die  Dauer  von  '/>  Minute  über  Kribbelnu  n  dein  Ge¬ 


fühl  von  Pelz-igsein  an  der  Fusssohle,  auch  stellte  siel 
wiederum  leichte  Atemnot  beim  Gehen  aber  auch  bei  Bettruhi 
ein,  so  dass  sie  nur  mit  erhöhtem  Oberkörper  liegen  konnte.  Zirk, 
8  Wochen  nach  der  Konzeption  erwachte  sie  plötzlich  aus  den 
Schlaf,  verspürte  sehr  grosse  Uebelkeit,  starkes  Herzklopfen,  Atem 
not,  musste  sich  aufsetzen.  Der  Puls  ist  100,  während  er  sons 
72  Schläge  zeigte,  das  Arterienrohr  stark  gespannt.  Im  Gesicht' 
treten  ein  paar  rasche  Zuckungen  auf.  Das  Bewusstsein  ist  voll 
ständig  frei.  Der  Zustand  dauert  ca.  10  Sekunden,  dann  stellt  sici 
Zittern  in  den  beiden  Beinen  ein,  besonders  rechts,  um 
als  dieses  nachgelassen,  greift  das  Zittern  (klonisch« 
Zuckungen)  auch  auf  die  Arme  über.  Das  Zittern  dauei 
ca.  8  Minuten.  Das  Gesicht  ist  dabei  stark  gerötet.  In  der  nämliche' 
Nacht  wiederholt  sich  der  Anfall  in  rudimentärer  Form,  beschränk 
sich  auf  Uebelkeit  und  leichte  Zuckungen  in  den  Armen  und  Beinen 
Die  Harnuntersuchung  ergibt  kein  Eiweiss.  Kopfschmerzen  be 
stehen  nicht. 

Im  4.  Monat  der  Schwangerschaft  tritt  wiederum  ein  Anfall  vo'l 
Uebelkeit  und  Atemnot  ein:  der  Daumen  der  linken  Han; 
ist  für  einige  Augenblicke  an  die  übrige  Hand  heran 
gezogen. 

Im  6.  Monat  tritt  nach  einer  grösseren  Anstrengung  ln  der  Nach 
wiederum  heftige  Atemnot,  Herzklopfen,  Pelzigsein  der  Füsse  und 
Hände,  Zittern  im  linken  Arm  auf.  Die  Untersuchung  ergibt:  da 
Fazialisphänornen  ist  in  leichtem  Grade  vorhanden 
Trousseau  und  andere  Tetaniesymptome  können  nicht  ausgelös 
werden;  die  galvanische  Erregbarkeit  des  Mediami 
ergibt  bereits  bei  0,2  die  Kathodenschliessungs 
zuck  u  n  g. 

In  der  Zwischenzeit  sind  wieder  Tage  und  Wochen  fast  völlige« 
Wohlbefindens:  nur  tritt  beim  Gehen  leicht  Atemnot  ein,  wie  auc 
bei  Bettruhe.  Der  Schlaf  ist  dadurch  zeitweise  gestört.  Die  Patient! 
steht  zurzeit  noch  in  Beobachtung. 

Es  kann  nach  diesen  Symptomen  und  nach  dem  Ausfall 
der  galvanischen  Prüfung  kaum  einem  Zweifel  unterliegen 
dass  es  sich  um  eine  etwas  eigentümliche  Form  de 
Tetanie  handelt,  deren  Symptome  im  Anfang  wegen  ihre 
wenig  ausgesprochenen  Eigenart  als  rein  nervöse  Schwangen 
Schaftsbeschwerden  gedeutet  wurden.  Zuerst  stand  die  Atem 
not  im  Vordergrund;  es  wurde  die  Diagnose  auf  asthmatisch] 
Beschwerden  gestellt.  Erst  als  das  krampfhafte  Zittern  in  dei 
Beinen  und  Armen  und  das  Heranziehen  des  Daumens  an  di« 
Hand  sich  einstellte,  wurde  der  Verdacht  auf  einen  tetanisches 
Zustand  gelenkt,  dessen  Anwesenheit  durch  die  Prüfung  de 
galvanischen  Erregbarkeit  als  sichergestellt  angesehen  werdei 
kann.  Damit  entpuppen  sich  das  nervöse  Asthma  und  di« 
anderen  scheinbar  nervösen  Beschwerden  als  Folgen  des  sub 
.tetanischen  Zustandes.  Ich  bin  überzeugt,  dass  öfters  Hinte 
scheinbar  nervösen  Symptomen  sich  subtetanische  Zuständj 
verbergen  und  es  ist  daher  angezeigt,  in  Zukunft  mehr  als  wij 
bisher  auf  diese  Erscheinungen  zu  achten. 

Dank  der  Forschungen  der  letzten  Jahre  sind  wir  übe 
die  Genese  der  Tetanie  gut  unterrichtet.  Sie  beruht,  da 
kann  man  jetzt  als  sichergestellte  Erkenntnis  ansehen,  an 
einer  Insuffizienz  der  Epithelkörperchen.  Dieser  Satz  gilt  auc! 
für  die  Schwangerschaftstetanie.  Es  lässt  sich  im  Tier 
experiment  sehr  schön  nachweisen,  dass  die  Schwangerschai 
an  die  Leistungsfähigkeit  der  Epithelkörperchen  erhöhte  An 
forderungen  stellt.  Verschiedene  Autoren,  unter  denen  nanient 
lieh  V  a  s  s  a  1  e  Adler  und  T  h  a  1  e  r  ")  zu  nennen  sind 
konnten  feststellen,  dass  partiell  parathyreoektomierte  Ratten 
die  trotz  der  teilweisen  Entfernung  der  Epithelkörpercher 
keine  manifesten  Erscheinungen  von  Tetanie  zeigten,  alsbalc 
tetanisch  wurden,  wenn  eine  Gravidität  eintrat.  Nach  den 
Wurfe  verschwanden  die  tetanischen  Symptome  wieder; 
Auch  beim  Menschen  ist  wiederholt  ein  derartiger  Eintrit 
in  der  Schwangerschaft,  Verschwinden  nach  der  Geburt  unc 
Rezidivieren  bei  erneuter  Schwangerschaft  beobachte 
worden. 

Die  Schwangerschaftstetanie  unterscheide 
sich  nach  den  Berichten  der  Literatur  von  der  gewöhnliche! 
Form  durch  ihre  besondere  Schwere.  Rund  6  Proz.  der  Fäll« 
erlagen  der  Krankheit  in  der  Schwangerschaft.  Mehr  als  be 
den  anderen  Tetanien  stellen  sich  auch  bei  der  Schwanger 
schaftstetanie  Krämpfe  in  den  Respirationsmuskeln 
ein.  Es  sind  hauptsächlich  die  Bronchialmuskeln,  doch  werdet 


’’)  Vassale:  Aich.  ital.  de  Biol.  1S96,  T.  25  u.  26. 

'  )  Adler  und  T  hole  r :  Zeitschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.  1908.  Bd.  62 
S.  194. 


April  1913. 


Ml  iENCHENER  MEDI/JNIsU  IE  \\  OCHENSCHRIFT 


8v5 1 


ich  die  Kehlkopfmuskeln  in  Form  des  Laryngospasmus  nicht 

•ltcn  befallen. 

Das  Vorherrschen  von  asthmatischen  Beschwerden  bei 
ichteren  Fällen  von  1  etanie  und  subtetanischen  Zuständen 
ird  man  bei  dieser  Eigenart  der  Schwangerschaftstetanie 

icr  verständlich  finden. 

Um  die  Genese  dieser  Schwangerschaftsbcschwerden  an- 
ideuten.  möchte  ich  in  Analogie  mit  den  Thyreotoxikosen  die 
m  der  Parathyreoidea  ausgehenden  Symptome  als  P  a  r  a  - 
lyreoto xikose  bezeichnen. 

W  ir  sind  demnach  bisher  imstande,  aus  dem  allgemeinen 
ld  unbestimmten  Begriffe  der  nervösen  Schwangerschafts- 
'schwerden  2  Symptomenkomplexe  in  ihrer  klinischen  Eigen- 
t  und  in  ihrer  Genese  schärfer  herauszuheben.  Es  sind  das 
e  Thyreotoxikosen,  die  in  ihren  leichteren  Formen  früher 
st  regelmässig  verkannt  wurden  und  die  unter  dem  ge- 
hilderten  klinischen  Bilde  verlaufenden  Parathyreotoxi- 
isen. 

Therapeutisch  hat  sich  bei  unserer  Beobachtung  ain  besten 
:ttruhe  bewährt.  Die  schmerzhaften  Krämpfe  wurden  durch 
Imtopon  günstig  beeinflusst.  Thyreoidin,  das  bei  Tetanie  empfohlen 
urde,  war  von  fraglicher  Wirkung.  Versuche  mit  Extrakt  der 
Hthelkörperchen  sind  noch  nicht  abgeschlossen. 

Wir  wissen  bisher  noch  nicht,  welcher  chemische 
toff  es  ist  und  ob  es  ein  einheitlicher  Stoff  ist,  der  die 
etanie  hervorruft.  Fuchs  hat  auf  die  Aehnlichkeit  des 
emptomenkoinplexes  von  Tetanie  und  Ergotismus  hinge- 
iesen  und  ist  geneigt,  sie  auf  der  nämlichen  Grundlage  ent- 
anden  anzusehen,  und  B  i  e  d  1 7)  hat  mit  gutem  Grunde  die 
jnnutung  ausgesprochen,  dass  es  das  im  Sekale  vorhandene 
Imidazolyläthylamin  ist,  das  auch  die  Tetaniesymptome  her- 
>rruft.  Diese  chemische  Substanz  wirkt  stark  auf  die  B  r  o  n- 
tialmuskeln  ein;  sie  hat  aber  auch,  wie  wir  in  einer 
össeren  Anzahl  von  Untersuchungen  während  der  Geburt 
it  dem  Präparate  ebenfalls  feststellen  konnten,  eine  starke 
ontr  aktionserregende  Wirkung  auf  den 
terus.  Wenn  die  Ansicht  Biedls  sich  als  richtig  er- 
eisen  sollte,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  anzunehmen,  dass 
e  so  gesetzmässig  eintretende  Erhöhung  der  galvanischen 
irvenerregbarkeit  am  Ende  der  Schwangerschaft,  die  unter 
r  Geburt  regelmässig  das  Maximum  erreicht,  durch  den 
mlichen  oder  einen  ähnlichen  Stoff  ausgelöst  wird  und  dass 
eser  im  Körper  notwendig  ist,  um  die  Wehentätigkeit  in 
mg  zu  bringen.  Dass  es  chemische,  im  Blute  kreisende 
ibstanzen  sind,  die  den  Geburtseintritt  bewirken,  darüber 
nn  nach  den  parabiotischen  Versuchen  von  Sauerbruch 
id  Heide8)  und  nach  dem  Ausfall  verschiedener  bib¬ 
lischer  Untersuchungen  kaum  ein  Zweifel  mehr  bestehen. 

■  wird  sich  im  wesentlichen  in  Zuuknft  mehr  um  die  Frage 
ndeln,  die  Herkunft  dieser  Substanzen  und  ihre  Zusammen¬ 
hang  genauer  zu  erforschen. 

Schlusssätze. 

1.  Es  besteht  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft 
i  80  Proz.  aller  Schwangeren  eine  leichte  Steigerung  der 
lvanischen  Erregbarkeit,  die  unter  der  Geburt  den  höchsten 
ad  erreicht  und  im  Wochenbett  wiederum  zurückgeht.  In 
nd  10  Proz.  aller  Gebärenden  sind  die  Werte  für  die  Ka.  S.Z. 

gering,  dass  man  bereits  von  einem  subtetanischen  Zu- 
mde  sprechen  muss. 

2.  Es  gibt  in  der  Schwangerschaft  eigentümliche  Anfälle 
n  Asthma,  vielfach  verbunden  mit  Uebelkeit  und  Zittern  in 
n  Extremitäten,  die  auf  einem  latent  tetanischen  Zustand 
ruhen  (Parathyreotoxikosen). 

T  Zwischen  den  subtetanischen  Zuständen  bei  scheinbar ! 
mg  ungestörter  Schwangerschaft,  den  latent  tetanischen 
tnmatischen  Anfällen  und  anderen  Symptomen  und  der 
mifesten  Schwangerschaftstetanie  finden  sich  alle  Ueber- . 

nge. 


.  -  .  I 

Nie  dl:  Innere  Sekretion  191U. 

)  saufirbruc  h  und  Heide:  Münch,  ined.  Wochenschr.  1911. 


Die  allgemeine  Asthenie  des  Bindegewebes  in  ihren 
Beziehungen  zur  Wundheilung  und  Narbenbildung. 

Von  Prof.  Dr.  K.  Vogel  in  Dortmund. 

Ich  habe  kürzlich  eine  Methode  der  Nephropexie  ver¬ 
öffentlicht,  die  die  Niere  vermittelst  ihrer  eigenen  Kapsel  an 
der  All.  Rippe  aufhängt.  Veranlassung  zu  dieser  Methode 
war  die  Ueberzeugung,  dass  bei  den  weitaus  meisten  Wander¬ 
nierenträgern  abnorme  Verhältnisse  des  gesamten  Körper¬ 
bindegewebes  vorlägen,  ein  Zustand  von  Minderwertigkeit 
dieses  Stratums,  der  sich  —  so  nahm  ich  an  —  auch  auf 
Narben  erstreckte,  die  Produkte  des  Bindegewebes  und 
selbst  bindegewebiger  Natur  sind.  Ich  glaubte  dem  Narben¬ 
gewebe  bei  diesen  Personen  nicht  die  genügende  Festigkeit 
Zutrauen  zu  können,  um  es  als  Suspensorium  für  das  reponierte 
Organ  zu  beanspruchen,  und  empfahl  daher  die  oben  erwähnte 
Methode,  die  die  Narbe  als  Fixator  der  Niere  ausschaltet  und 
nur  die  Rippe  und  die  resistente  Kapsel  benutzt. 

Die  Erwägungen  über  Insuffizienz  des  Bindegewebes  und 
der  Narbe  bei  gewissen  Menschen  waren  das  Produkt  von 
Beobachtungen,  die  ich  seit  9  Jahren  angestellt  habe.  An¬ 
geregt  wurde  ich  zu  denselben  im  Jahre  1904  in  Bonn  von 
meinem  damaligen  Chef,  Herrn  Geheimrat  Bier.  Derselbe 
hatte  schon  länger  die  Ueberzeugung  und  gab  derselben  zu 
wiederholten  Malen  Ausdruck,  dass  gewisse  Leiden  binde¬ 
gewebiger  Organe  und  Gewebe  nicht  Organerkrankungen, 
sondern  der  Ausdruck  eines  Allgemeinleidens  seien.  Wir 
rechneten  zu  diesen  Erkrankungen  alle  „statischen  Be¬ 
lastungsdeformitäten  (Skoliose,  Coxa  vara,  Genu  valgum, 
Pes  planus),  dann  Hernien,  Varizen,  Varikozelen,  Hämor¬ 
rhoiden,  alle  Ptosen  und  Prolapse,  in  gewissem  Grade  auch 
Emphysem  und  Hängebauch“. 

Dem  Aufträge  meines  verehrten  Chefs,  diesen  Dingen  ein¬ 
mal  nachzugehen,  bin  ich  damals  zunächst  nachgekommen  in  der 
Weise,  dass  ich  in  den  Altersasylen  von  Bonn  und  Cöln  die 
Insassen  untersuchte,  um  festzustellen,  wie  das  Verhältnis  sei 
zwischen  dem  vereinzelten  Auftreten  jener  Affektionen  und 
der  Koinzidenz  mehrerer  derselben  bei  demselben  Individuum; 
ein  Ueberwiegen  gehäuften  Auftretens  bei  derselben  Person 
schien  uns  für  die  Annahme  zu  sprechen,  dass  in  der  Tat  diese 
Leiden  Teilerscheinungen  einer  Gesamtaffektion  des  Organis¬ 
mus  seien.  Ich  wählte  damals  absichtlich  möglichst  ältere 
Personen  zu  meinen  Untersuchungen,  weil  sie  reichere  Aus¬ 
beute  versprachen,  indem  die  in  Betracht  kommenden  Affek¬ 
tionen  zum  Teil  gewissermassen  Verschleisserscheinungen 
sind,  die  im  Alter  sich  deutlich  zeigen,  während  bei  jungen 
Leuten  sie  noch  nicht  in  die  Erscheinung  getreten  sind,  ob¬ 
gleich  das  Grundleiden  in  der  Anlage  wohl  vorhanden  sein 
kann.  Auch  deshalb  sind  derartige  Asylinsassen  wohl  am 
geeignetsten  zu  solchen  Feststellungen,  weil  sie  meist  den 
ärmeren  Bevölkerungsschichten  entstammen,  die  aus  den  ver¬ 
schiedensten  Gründen  ihren  Körper  schneller  abnutzen  als 
besser  Situierte,  die  sich  schonen  und  pflegen  können.  Letz¬ 
tere  mögen  vielfach  die  Anlage  zur  Bindegewebsschwäche 
haben,  ohne  dass  sie  in  Form  jener  Leiden  zum  Ausdruck 
kommt. 

Ich  habe  damals  meine  Beobachtungen  veröffentlicht  und 
kann  darauf  verweisen. 

Das  Resultat  war:  Bei  108  Männern  fanden  sich  Platt- 
füsse  M  68  mal,  Genu  valgum  6  mal,  Skoliose  45  mal,  Varizen 
89 mal,  Varikozele  3mal,  Hämorrhoiden  14mal,  Hernien  84mal, 
Hängebauch  6  mal,  Enteroptose  30  mal,  Emphysem  20  mal. 
Bei  103  Frauen  waren:  Plattfiisse  52  mal,  Genu  valgum  2  mal, 
Coxa  vära  1  mal,  Skoliose  56  mal,  Varizen  61  mal,  Hämor¬ 
rhoiden  6  mal,  Hernien  39  mal,  Hängebauch  11  mal,  Prolapsus 
uteri  17  mal,  Prolapsus  recti  3  mal,  Enteroptose  14  mal,  Em¬ 
physem  4  mal.  Die  Verteilung  der  einzelnen  Leiden  auf  die 
verschiedenen  untersuchten  Personen  ergibt  eine  Tabelle. 

Vereinzelt  kamen  nur  vor  bei  Männern  6  mal  Plattfuss, 

3  mal  Varizen,  5  mal  Hernien,  bei  Frauen  6  mal  Plattfuss,  4  mal 
Skoliose,  2  mal  Varizen,  6  mal  Hernien. 

„Im  allgemeinen  ergibt  sich  jedenfalls,  dass  bei  Personen 
mit  abnorm  „schwachem“  Bindegewebe  als  Folge  äusserer 


J)  Die  doppelseitigen  Affektionen  sind  nur  einmal  gerechnet. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


$52 


No.  1 


schädigender  Einflüsse  zuerst  bei  Männern  Varizen,  Plattflisse 
und  Hernien,  bei  Frauen  Varizen,  Plattfüsse  und  Skoliose  auf- 
treten,  denen  sich  bei  verstärkter  Disposition  resp.  ver¬ 
mehrter  äusserer  Einwirkung  Enteroptose,  Emphysem,  Pro¬ 
laps  usw.  zugesellen.“ 

Ich  habe  seit  jener  Veröffentlichung  mein  Beobachtungs¬ 
material  erweitert  auf  etwa  500  Patienten.  Im  Industriegebiet 
scheinen  sich,  wohl  infolge  der  vielfach  schwereren  Arbeit,  die 
Menschen  schneller  abzunutzen,  vielleicht  spielt  auch  die  starke 
Durchsetzung  der  Arbeiterbevölkerung  daselbst  mit  Elementen 
südlicher  Herkunft  eine  Rolle,  jedenfalls  sieht  man  eine  Reihe 
jener  Affektionen  hier  viel  öfter  bei  relativ  jungen  Menschen 
als  in  der  Cöln-Bonner  Gegend. 

Ich  will  nicht  die  Einzelheiten  hier  nochmals  bringen;  im 
grossen  ganzen  war  das  Resultat  ziemlich  das  gleiche,  wie 
bei  der  früheren  kleineren  Beobachtungsreihe.  Bei  Männern 
traten  die  Varizen  und  Hernien  noch  mehr  hervor,  an¬ 
scheinend  als  Folge  der  schwereren  Arbeit,  besonders  bei 
Hüttenarbeitern  und  Bergleuten.  Letztere  arbeiten  viel  in  ge¬ 
bückter  Stellung,  wodurch  der  intraabdominale  Druck  erhöht 
wird,  der  wohl  gerade  zu  Hernien  und  Varizen  besonders 
disponiert.  Auch  Enteroptose  ist  nicht  selten.  Im  ganzen 
fand  ich  bei  Patienten,  die  überhaupt  an  „Bindegewebs¬ 
schwäche“  litten,  nur  etwa  30  Proz.,  bei  denen  nur  e  i  n 
Leiden  sich  zeigte.  Die  übrigen  70  Proz.  zeigten  eine  Häufung 
von  mehreren  Affektionen,  teilweise  in  sehr  eklatanter  Form. 
Ich  will  nur  zur  Illustration  einige  Beispiele  anführen. 

1.  A.  Th.,  16  Jahre  alt;  blasser,  kümmerlicher  Junge,  Buch- 
di  uckerlehrling,  muss  den  ganzen  Tag  stehen.  Pedes  plani,  Genua 
valga,  Skoliose,  doppelseitige  Leistenhernie. 

2.  H.  M.,  17  Jahre  alt;  lang  aufgeschossener  blasser  Mensch. 
Rechtsseitige  Dorsalskoliose,  rechtsseitige  Coxa  vara  und  Genu  re- 
curvatum,  sehr  lockere  Kniee,  beiderseits  Pedes  plani.  doppelseitige 
Leistenhernie;  muss  ebenfalls  als  Friseur  viel  stehen. 

3.  K.  Gk.,  40  Jahr  alt.  Doppelseitige  Varizen,  Hämorrhoiden, 
doppelseitige  grosse  Leistenbrüche,  Pedes  plani,  Enteroptose  (r.  Niere, 
Magen,  Kolon). 

4.  W.  Fr.,  25  Jahre  alt,  noch  knabenhaft,  sehr  blass.  Rechts¬ 
seitige  Hernia  ing.,  beiderseits  Genua  valga  und  Pedes  plani. 

5.  W.  J„  28  Jahre  alt.  Varizen,  Ulc.  cruris,  Hängebauch,  Gastro- 
ptose,  doppelseitige  Leistenhernie,  Hämorrhoiden. 

6.  M.  H.,  17  Jahre  alt.  Blasser  Junge.  Skoliose,  Genu  valgum, 
Pedes  plani,  rechtsseitige  Hernia  ing. 

7.  W.  .1.,  35  Jahre  alt.  Skoliose,  Coxa  vara,  Genu  valgum,  Pedes 
plani,  Hernia  ing.  dupl. 

8.  A.  B.,  30  Jahre  alt.  Varizen,  Ulc.  crur.,  Ped.  plan.,  rechts¬ 
seitiges  Genu  valg.,  Coxa  vara  dupl.,  Hängebauch  mit  starken 
Vanektasien,  doppelseitige  sehr  grosse  Bruchpforten,  Gastroptose, 
blaue  Füsse  und  Hände. 

9.  B.  F.,  53  Jahre  alt.  Haemorrh.,  Prol.  recti,  Varizen,  Variko¬ 
zele,  Pedes  plani,  Hern.  ing.  dupl.,  Skoliose,  Gastroptose,  Koloptose. 

10.  L.  W.,  40  Jahre  alt.  Hern.  ing.  dupl.,  Genua  valga,  Pedes  plani 
Coxa  vara  sin.,  Skoliose,  Varizen,  Enteroptose,  blaue  Hände. 

11.  A.  W.,  17  Jahre  alt.  Wegen  Gastroptose  und  -ektasie  wird 
Gastroenteroanastomie  gemacht.  Doppelseitige  Pedes  plani,  Hern, 
ing.  dupl.,  Skoliose. 

12.  K.  G.,  16  Jahre  alt.  Sehr  blass;  Gastroptose,  sehr  schlaffe 
Bauchdecken,  doppelseitige  Hern,  ing.,  Pedes  plani,  blaue  Hände, 
starke  Sclnveissfüsse. 

13.  M.  H.,  16  Jahre  alt,  Friseurlehrling.  Skoliose.  Hern.  ing.  dupl., 
Pedes  plani  und  Genua  recurv. 

14.  K.  A„  40  Jahre.  Hern.  ing.  dupl.,  Varizen,  Varikozele, 
Hämorrhoiden,  starke  Kyphoskoliose. 

15.  G.  A.,  50  Jahre.  Varizen,  Ulc.  crur.,  Hern.  ing.  dextr.,  Gastro- 
ektasie  und  Gastroptose,  Pedes  plani. 

16.  B.  H.,  24  Jahre  alt,  Bäcker,  Varizen,  Hern.  ing.  dupl.,  Genua 
valga,  Pedes  plani,  Gastroptose,  blasse  Haut. 

17.  L.  B.,  31  Jahre  alt.  Gastroptose  und  Ektasie,  Hängebauch, 
Hern.  ing.  dupl.,  Varizen,  Ped.  plani. 

18.  K.  St.,  21  Jahre  alt.  Varizen,  Hern.  ing.  dupl.,  Haemorrh. 

19.  H.  M.,  50  Jahre  alt,  Emphysem,  Coxa  var.  et  Genu  valg.  dextr., 
Pedes  plani,  Skoliose. 

20.  W.  C.,  52  Jahre  alt.  Hern.  ing.  sin.,  Hern,  umbil.,  Emphysem, 
Kyphoskoliose,  Gastroptose,  Hämorrhoiden,  Varizen,  Pedes  plani. 

21.  M.  A.,  24  Jahre  alt,  Skoliose,  Pedes  plan.,  Genua  valga, 
Hämorrhoiden. 

22.  R.  A„  70  Jahre  alt.  Varizen,  Hämorrhoiden,  Ped.  plani, 
Hern.  ing.  dextr.,  Hern,  femor.  dupl.,  die  Blase  fasst  leicht  800  ccm. 

23.  Sch.  M.,  37  Jahre  alt.  Ulc.  crur.,  Varizen,  Hern.  ing.  dupl., 
Skoliose,  Enteroptose,  Ped.  plani. 

24.  B.  A.,  36  Jahre  alt.  Sehr  blass,  starke  Pedes  plani,  starke 
Varizen,  Hern.  ing.  dupl..  Skoliose,  Hängebauch,  Genua  valg.  dupl. 

25.  L.  M.,  60  Jahre.  Sehr  blass,  Varizen,  Ped.  plan.,  Hernia  ing. 
sin.,  Gastroptose,  Skoliose. 


26.  E.  C.,  29  Jahre.  Hämorrhoiden,  Enteroptose,  Hern.  ing.  dup 
Varizen,  Ulcera  cruris. 

27.  G.  P.,  17  Jahre  alt.  Skoliose,  Pedes  plani,  doppels.  Hern,  in 

28.  P.  W.,  60  Jahre  alt.  Nabelhernie,  Hern.  ing.  dupl.,  Varize 
Varikozele,  Skoliose,  starker  Hängebauch,  Ped.  plan. 

29.  L.  A.,  20  Jahre  alt.  Ulc.  crur.,  Varizen,  Hern.  ing.  dupl., 
plani. 

Dies  sind  männliche  Patienten,  durchgehends  Arbeiter;  ich  reil 
noch  einige  weibliche  an: 

30.  A.  L„  30  Jahre  alt.  Hern,  epigastr.,  starke  Dehiszenz  d 
Rekti,  Prolapsus  uteri,  Gastroptose,  Varizen. 

31.  Frau  Sch.,  26  Jahre.  Hern.  ing.  dupl.,  kolossaler  Prolar 
uteri,  Gastroptose,  Koloptose,  Varizen,  Hämorrhoiden,  Pedes  plai 

32.  Frau  C.  A„  70  Jahre.  Prol.  uteri,  Enteroptosis  univer 
Genua  valga,  Varizen,  Ulc.  crur.,  Hämorrhoiden,  Skoliose,  Her 
ing.  et  crur.  dupl. 

33.  Frau  St.,  27  Jahre  alt.  Prolaps,  uteri,  sehr  starke  Gastropto: 
Ren.  mob.  dextr.,  Varizen,  Hämorrhoiden. 

34.  Frau  Sch.,  35  Jahre.  Prol.  uteri,  Hern.  ing.  dupl.,  Hern,  cri 
dextr.,  Enteroptose,  Ped.  plani. 

35.  Frau  T„  24  Jahre  alt.  Hern,  umbil.,  Varizen,  Ped.  pia 
Enteroptose. 

36.  Frau  H.,  21  Jahre.  Kyphoskoliose,  Hern.  ing.  dupl.,  Ped 
plan.,  Varizen. 

Mit  der  Aufzählung  dieser  Beispiele  kann  ich  mich  wc 
begnügen,  ich  könnte  ihre  Zahl  vervielfältigen  und  habe  nie 
einmal  die  eklatantesten  Fälle  hier  aufgeführt.  Besonde 
beachtenswert  ist  das  vielfach  jugendliche  Alter  d 
betroffenen  Patienten.  Ich  habe  in  den  letzten  7  Jahr« 
mehr  Männer  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt  als  Fraut 
weil  ich  4  Jahre  das  hiesige  Brüder-Kranftenhail 
leitete,  in  das  nur  männliche  Patienten  aufgenommen  werde 
Das  weibliche  Material  entstammt  meiner  Sprechstunde 
Praxis,  dem  St.  Johanneshospital  und  Dortmund« 
Sanatorium  hierselbst,  dessen  chirurgische  Abteilung 
ich  jetzt  leite. 

Die  Literatur  ergibt  über  unser  Thema  nur  wenig  Ai 
beute.  Wohl  wird  ja  stets  bei  Erörterungen,  z.  B.  über  die  l 
Sachen  der  statischen  Belastungsdifformitäten  hervorgehoben,  da 
neben  der  äusseren  Veranlassung,  die  das  betr.  Leiden  auslöst,  ga 
zweifellos  eine  „persönliche  Disposition  vorhanden  st 
muss,  weil  es  sonst  nicht  zu  erklären  sei,  warum  z.  B.  von  so  viel 
Kellnern,  die  alle  denselben  Schädlichkeiten  ausgesetzt  sind,  n 
wenige  an  Plattfüssen,  von  vielen  Bäckern  nur  einzelne  an  Ge 
valgum  erkranken  usw.  Auch  gibt  es  einzelne  Beobachter,  die  die 
„Disposition“  erstrecken  auf  die  Aetiologie  von  Weichtei 
anomalien,  Varizen,  Prolapsen.  Hernien  etc.  Es  wird  auch  hin« 
wiesen  auf  Erschlaffung  und  Widerstandslosigkeit  der  einzelnen  (' 
webe,  die  erblich  sei. 

Volk  mann  sagt  z.  B.  in  Bezug  auf  Personen  mit  Knoche 
difformitäten:  „Man  findet  bei  solchen  Individuen  auch  am  übrig 
Körper  Erscheinungen,  die  auf  eine  gestörte  Reproduktion,  vt 
minderte  Energie  des  Gewebes,  der  Blutbeschaffenheit  usw.  hi 
deuten." 

Nach  Fischer  haben  schon  Nasse,  Lebert,  C.  O.  Web 
die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  Vorbedingung  zur  Venekta1 
„in  einer  abnormen  Beschaffenheit,  in  einer  individuellen  oder  t 
erbten  Schwäche  der  Gefässwandungen  zu  suchen  sind“.  Lebe 
sagt:  „Es  ist  festgehalten,  dass  in  vielen  Fällen  eine  allgemei 
Venenerweiterung  .  .  .  der  Ausdruck  eines  Allgemeinzustandes  is 
Fischer  betont  des  öfteren  das  gemeinsame  Vorkommen  v 
Uterusprolapsen  und  Hernien  bei  anämischen  oder  senil  atrophisch 
Personen,  oft  auf  Grund  ererbter  Anlage.  Er  führt,  ebenso  w 
D  o  r  a  n,  C  h  a  u  p  n  e  y  s,  Mayer,  ganze  Familien  und  Stammham 
mil  dieser  ererbten  Disposition  zu  Hernien  und  Prolaps  an. 

Die  Disposition  zur  Hernie  ist  anerkannt  erblich.  W  e  r  n  h 
sagt,  dass  die  Ursache  „in  einer  allgemeinen  und  lokalen  Dispositi« 
in  einem  pathologischen  Zustande  der  Eingeweide  und  ihrer  Befes 
gungsmittel  und  weniger  in  der  Wirkung  der  äusseren  Veranlassu 
zu  suchen  ist.“  W.  bespricht  noch  die  Konfiguration  des  Bauch 
bei  Herniösen;  es  ist  oft  ein  Hängebauch;  dieser  ist  nach  W.  au 
nicht  allein  ein  Produkt  des  Innendruckes  bei  Muskelschwäche,  sc 
dern  auch  ein  Ausdruck  allgemeiner  Schlaffheit  der  Gewebe,  Faszi« 
Sehnen,  Peritoneum  etc.  Auch  Miiller-Warneck,  der  wiech 
holt  das  Zusammentreffen  von  Gastrektasie  und  Wanderniere  l 
obachtete,  betont  ätiologisch  „die  schlaffe  Entwicklung  des  pe 
tonealen  Ueberzuges  sowie  des  perinephritischen  Gewebes“. 

Einige  neuere  Arbeiten,  die  sich  mit  dem  Gegenstände  1 
schäftigen,  liegen  meist  auf  dem  Gebiete  der  internen  Medizin.  N 
Klapp  weist  auf  die  chirurgischen  Leiden  hin,  die  aus  der  Degenei 
tion  des  Stütz-  und  Bindegewebes,  welche  er  als  Folge  der  Kuli 
ansieht,  entstehen  Varizen  etc.  Als  zweiten  ätiologischen  Faktor  i 
das  Zustandekommen  dieser  Leiden  sieht  bekanntlich  Klanp  1 
aufrechte  Körperhaltung  an,  die  das  mangelhaft  resistente  Stii 
und  Bindegewebe  solcher  Astheniker  relativ  zu  stark  beanspruc 
und  es  insuffizient  mache.  Einer  der  erfahrensten  Beobachter  c 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ischlägigen  Verhältnisse,  insbesondere  soweit  sie  ins  Gebiet  der 
erneu  Medizin  fallen,  ist  Stiller.  Stiller  hat  in  mehreren 
beiten  seine  Beobachtungen  niedergelegt  und  sie  in  seinem  Buche 
ie  asthenische  Konstitutionskrankheit“  zusammengefasst. 

Stiller  bezeichnet  das  Grundleiden  derartig  kranker  Individuen 
Asthenia  universalis  oder  Morbus  asthenicus  und  hält  sie  mit  Recht 
:ht  nur  für  angeboren,  sondern  sogar  für  erblich.  Als  „Stigma“ 
die  Asthenie  hat  er  bekanntlich  die  Costa  decima  fluctuans  be¬ 
ehret.  Stiller  erwähnt  auch  das  Auftreten  einiger  chirurgischer 
ektionen  wie  Varikozele  und  Leistenhernie,  geht  im  übrigen  aber 
;t  ausschliesslich  auf  die  Beziehungen  zwischen  Atonie,  speziell 
teroptose,  und  internen  Leiden,  Magendyspepsie.  Neurasthenie  usw. 
i.  Diese  bilden  auch  den  Hauptinhalt  der  Arbeit  von  Zweig. 

Systematische  Untersuchungen  analog  den  mehligen  habe  ich  in 
r  Literatur  nicht  finden  können.  Auch  Strom  eye  r,  der  wohl 
erst  die  einschlägigen  Verhältnisse  beobachtet  und  eine  Reihe  jener 
Sektionen  als  zusammengehörig  und  aus  einer  Ursache  erh¬ 
ängend  hingestellt  hat,  geht  nur  in  der  Einleitung  zu  seiner  Arbeit 
t  wenigen  Worten  auf  Einzelheiten  ein.  Er  stellt  eine  ganze  Gruppe 
n  Affektionen  zusammen,  die  er  als  gemeinsame  Folgen  der  „Atonie 
r  Gewebe“  erklärt,  wobei  er  sich  allerdings  nicht  genau  an  das 
ndegewebe  hält,  sondern  auch  von  Erschlaffung  „der  Haut,  der 
hleimhaut  und  der  Muskeln“  redet.  Er  führt  als  hierhin  gehörig  an: 
rolapsus  ani,  vaginae,  Prol.  uteri,  das  Ektropium  senile,  die 
epharoptose,  die  Skoliosen,  die  Hernien,  den  Valgus.  das  Genu 
lgum,  varum  et  recurvatum,  vielleicht  die  Luxatio  congenita,  die 
bituellen  Luxationen,  nach  manchen  die  Varizes,  teilweise  die 
leurysmen“.  Ektropium,  Blepharoptose  und  besonders  die  Luxatio 
ngenita  (coxae?)  gehören  wohl  nicht  hierhin;  in  den  anderen 
llen  können  wir  aber  wohl  Stromeyer  Recht  geben.  Str.  be- 
läftigt  sich  weiter  in  seiner  Arbeit  fast  nur  mit  der  Therapie  jener 
iden,  die  natürlich  im  Sinne  der  damaligen  Zeit  behandelt  wird. 

Ich  selbst  habe  später  das  zweifellos  interessante  Thema 
cht  aus  dem  Auge  verloren.  Als  ich  in  Dortmund  am 
iiderkrankenhause  ein  recht  grosses  Unfall-,  insbesondere 
akturmaterial  in  Behandlung  bekam,  habe  ich  meine  Be¬ 
iachtungen  ausgedehnt  auf  die  Heilung  der  Knochenbrüche 
id  ihre  Beziehungen  zur  Bindegewebsschwäche.  Ich  ging 
ibei  von  dem  Gedanken  aus,  dass  Menschen,  die  an  der  an- 
•nommenen  allgemeinen  Bindegewebsdyskrasie  leiden,  doch 
ler  Wahrscheinlichkeit  nach  diese  Minderwertig¬ 
en  auch  äussern  werden  in  Form  mangelhaf- 
r Reparatur  - und  Restitutionsfähigkeit  des 
indegewebes  und  dass  das  in  erster  Linie  bei 
er  Wundheilung  des  Hauptrepräsentanten 
es  geformten  Bindegewebes,  des  knöcher- 
en  Skeletts,  zum  Ausdruck  kommen  würde. 

Ich  stellte  mir  die  Aufgabe,  zu  untersuchen,  ob  eine  un- 
tllkommene  Wundheilung  der  Knochen,  also  verzögerte, 
lalitativ  oder  quantitativ  unvollkommene  Kallusbildung  nicht 
ich  in  vielen  Fällen  der  Ausdruck  einer  derartigen  allge- 
einen  Bindegewebsdyskrasie  ist. 

Ich  habe  das  Resultat  dieser  damaligen  Beobachtungen 
:röffentlicht.  In  11  Krankengeschichten  konnte  ich  wohl  den 
ahrscheinlichkeitsbeweis  liefern,  dass  in  der  Tat  nicht  selten 
:i  Personen  mit  sichtlich  verzögerter  oder  mangelhafter 
allusbildung  trotz  fehlender  sonstiger  Veranlassung  (allge- 
eine  Schwäche,  konstitutionelle  Krankheiten  —  Lues,  Dia- 
ites  etc.)  sich  ausgesprochene  Anzeichen  von  Bindegewebs- 
hwäche  vorfanden.  Die  Fälle  wurden  genau  untersucht  und 
ntgenographisch  kontrolliert.  Nach  Monaten  zeigte  sich  noch 
eine  Spur  von  Kallus,  mehrfach  trat  eine  echte  Pseud- 
throse  ein.  Die  Allgemeinuntersuchung  ergab  dann  stets 
e  Koinzidenz,  oft  einer  ganzen  Reihe  der 
ben  erwähnten  Bindegewebsschwächen,  die 
h  als  Anzeichen  der  allgemeinen  Bindegewebsdyskrasie  be- 
ichnete.  Das  Beweismaterial  war  klein,  da  ich  mit  Ab- 
~ht  nur  ganz  einwandfreie  Fälle  verwandt  habe.  Auch  wäre 
wohl  grösser  gewesen,  wenn  mehr  alte  Leute  unter  den 
atienten  sich  befunden  hätten.  Die  Arbeiter,  die  das  Haupt- 
intingent  der  Frakturpatienten  stellen,  sind  meist  jung, 
anche  von  ihnen  mögen  die  Anlage  zur  Bindegewebsdys- 
asie  besitzen  und.  wenn  sie  einmal  älter  sind,  auch  zum 
usdruck  bringen,  ohne  dass  jetzt,  zur  Zeit  der  Fraktur,  die 
isseren  Anzeichen  schon  deutlich  sind.  Trotzdem  glaube  ich 
rnials  schon  den  Wahrscheinlichkeitsbeweis  geliefert  zu 
tben  dafür,  dass  in  vielen  Fällen  eine  verzögerte 
allusbildung  ursächlich  zusammenhängt 
it  einer  pathologischen  Beschaffenheit  des 


853 


gesamten  Körper  bindegewebes  des  betreffenden 
Individuum  s“. 

Sichere  Beweise  hierfür  kann  ein  einzelner  Beobachter 
wohl  kaum  liefern;  ich  habe  daher  damals  schon  zur  Nach¬ 
beobachtung  aufgefordert,  habe  aber  in  der  seitherigen  Lite¬ 
ratur  nichts  Einschlägiges  gefunden. 

Meine  persönlichen  Beobachtungen  habe  ich  natürlich  fort¬ 
gesetzt,  soweit  sich  mir  das  Material  bot.  Auch  bei  sorg¬ 
fältigster  Auswahl  der  Fälle  konnte  ich  noch  bei  einer  nicht 
geringen  Anzahl  von  Frakturen  mit  deutlich  verlangsamter 
Kallusbildung  eine  Koinzidenz  von  mehr  oder  weniger  Binde¬ 
gewebsschwächen  bei  dem  betreffenden  Individuum  kon¬ 
statieren.  Ich  will  nur  einige  Beispiele  hier  anführen: 

37.  A.  T.,  27  Jahre  alt.  Eract.  cruris  sin.  wird  mit  Extension 
und  nachher  mit  Gipsverbänden  behandelt.  Die  Fraktur  ist  nach 
4  Monaten  noch  ziemlich  lose,  das  Röntgenbild  zeigt  keinen  Kallus. 
Nach  6  Monaten  ist  der  Bruch  fest. 

Pat.  leidet^  an  starken  Pedes  plani,  doppelseitigem  Leistenbruch, 
rechtseitigem  Schenkelbruch,  Gastroptose,  etwas  Skoliose. 

38.  J.  M„  39  Jahre  alt.  Fract.  fibulae,  nach  2J4  Monaten  noch 
kaum  Kallus  im  Röntgenbilde  zu  sehen.  Pat.  hat  starke  Varizen, 
Pedes  plani,  Hernia  ing.  dupl..  Gastroptose,  blaue  Hände. 

39.  P.  M„  29  Jahre.  Pat.  kommt  mit  ausgebildeter  Pseud- 
arthrose  der  rechten  Tibia  ins  Krankenhaus,  die  durch  Knochen¬ 
naht  geheilt  wird.  Festigkeit  erst  nach  5  Monaten.  Er  leidet  an 
doppelseitigen  Varizen,  doppelseitiger  Leistenhernienanlage,  doppel¬ 
seitigen  Pedes  plani,  Hämorrhoiden,  Skoliose. 

40.  A.  H.,  37  Jahre  alt.  Kommt  nur  zur  Begutachtung.  Mit 
starker  Dislokation  geheilte  Femurfraktur,  wegen  deren  er  30  Wochen 
im  Krankenhause  war.  Leidet  an  Varizen,  Hämorrhoiden,  Genua 
recurvata,  Skoliose,  Hängebauch,  Gastroptose. 

4L  H.  Chr.,  56  Jahre  alt.  Zur  Begutachtung.  Fractura  cruris, 
anderwärts  behandelt,  6  Monate  alt,  noch  nicht  absolut  fest.  Pat. 
hat  sehr  starke  Varizen,  Hämorrhoiden,  starkes  Genu  recurvatum 
sin.,  Pedes  plani,  Skoliose,  Gastroptose,  Hern.  ing.  dupl. 

42.  St.  F„  23  Jahre  alt.  Fract.  femoris,  wird  erst  nach  22  Wo¬ 
chen  fest.  Pat.  hat  Pedes  plani,  Skoliose,  weite  Bruchpforten, 
Gastrektasie  und  Ptose,  Blässe  der  Haut. 

43.  C.  S.,  30  Jahre.  Fractura  pelvis,  die  linke  Schaufel  ist  ober¬ 
halb  der  Pfanne  abgebrochen.  Nach  10  Wochen  noch  lose.  Im 
Röntgenbild  kein  Kallus  zu  sehen,  Pat.  leidet  an  Varizen,  Varikozele, 
Pedes  plani,  Hern.  ing.  dupl.,  Gastroptose. 

44.  G.  W.,  18  Jahre  alt.  Wird  wegen  doppelseitiger  Genua  valga 
operiert  (lineäre  Osteotomia  supracondylica).  Sehr  langsame  Heilung. 
Nach  18  Wochen  ist  die  linke  Seite  noch  night  fest.  Blasser,  zarter, 
junger  Mensch,  leidet  ausser  den  Genua  valga  noch  an  Pedes  plani, 
doppelseitiger  Hernienanlage,  etwas  Coxa  vara  beiderseits. 

45.  W.  H.,  21  Jahre  alt.  Zur  Begutachtung.  Hat  vor  1  Jahr  einen 
Beckenbruch  erlitten.  Jetzt  noch  erhebliche  Schmerzen  bei  seitlichem 
Druck  auf  die  Christae  ilei,  das  Becken  scheint  etwas  zu  federn. 
Pat.  hat  doppelseitigen  Leistenbruch,  doppelseitige  Pedes  plani, 
Skoliose,  etwas  Varizen,  Blässe  der  Haut. 

46.  H.  G.,  25  Jahre  alt.  Zur  Begutachtung.  Hat  röntgenographisch 
sichtbare  Pseudarthrose  der  linken  Fibula  5  cm  oberhalb  dem  Knöchel, 
in  sehr  guter  Fragmentstellung.  Fraktur  vor  2  Jahren.  Leidet  an 
doppelseitigen  Varizen,  Hämorrhoiden,  rechtseitigem  Pes  planus, 
weite  Bruchpforten. 

47.  Br.  Joh.,  36  Jahre  alt.  Resectio  genu  wegen  Fungus.  Heilung 
per  primam  int.,  trotzdem  ist  nach  J4  Jahr  der  Knochen  noch  nicht 
fest.  Pat.  hat  doppelseitige  Leistenhernien,  etwas  Kyphoskoliose, 
Hämorrhoiden. 

48.  L.  W.,  21  Jahre  alt.  Fract.  crur.  sin.  braucht  bis  zum  Fest¬ 
werden  11  Wochen.  Langer  schmaler  Mensch,  blass,  hat  Skoliose, 
doppelseitige  Hernia  ing.,  doppelseitige  Pedes  plani. 

49.  L.  R„  27  Jahre  alt.  Fractura  cruris  dextr.  Trotz  sehr  guter 
Adaption  nach  10  Wochen  noch  lose.  Lnkseitige  Hernia  ing.,  doppel¬ 
seitige  Varizen,  linkseitig  Ped.  planus. 

Aus  dem  an  sich  geringen  Material  weiblicher  Patienten  nur 
zwei  Beispiele: 

50.  Frau  B.,  70  Jahre  alt.  Fractura  cruris,  nach  15  Wochen 
noch  vollkommen  lose.  Enteroptose,  Kyphoskoliose,  Varizen,  Uterus¬ 
prolaps,  Pedes  plani. 

51.  Frau  D.,  47  Jahre  alt.  Fract.  cruris  sin.  ist  nach  13  Wochen 
noch  ohne  jeden  Kallus.  Die  Patientin  zeigt  an  ihrem  Körper  unge¬ 
fähr  alle  Bindegewebsschwächen,  die  sich  denken  lassen:  Kypho¬ 
skoliose,  Genu  recurvat.  sin.,  Pedes  plani,  Varizen,  Hämorrhoiden, 
Hängebauch,  Enteroptose  (Niere,  Magen,  Kolon),  Uterusprolaps. 

Ich  begnüge  mich  mit  diesen  Fällen.  Sie  sind  sorgfältig 
ausgewählt  und  röntgenographisch  kontrolliert.  Es  sind  keine 
komplizierten  Frakturen  verwertet,  ebensowenig  solche  mit 
starker  Dislokation  oder  sonstigen  Momenten,  die  die  Heilung 
verzögern.  Das  Material  dürfte  also  immerhin  eine  gewisse 
Beweiskraft  für  meine  Behauptung,  dass  die  Bindegewebs¬ 
dyskrasie  die  Ursache  für  eine  mangelhafte  Kallusbildung  sein 
kann,  beanspruchen  können. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


354 


Von  diesen  Beobachtungen  bei  der  Knochenwundheilung 
aus  war  es  nur  e  i  n  Schritt  bis  zur  Untersuchung  der 
W  u  n  d  h  e  i  1  u  n  g  im  allgemeinen,  also  auch  der 
W  e  i  c  h  t  e  i  1  e,  und  ihren  Beziehungen  zur  Binde¬ 
gewebsschwäche.  Diese  Wundheilung  geschieht  per 
primam  oder  per  secundam  intentionem.  Bei  beiden  Formen 
ist  die  dominierende  Rolle  des  Bindegewebes  bekannt,  nicht 
nur  bei  den  Wunden  des  Bindegewebes  selbst,  sondern  fast 
aller  anderen  Gewebe  ausser  dem  Epithel.  Die  binde¬ 
gewebigen  Elemente  des  den  Defekt  begrenzenden  Ge¬ 
webes  sorgen  in  erster  Linie  sowohl  für  die  direkte  Vereini¬ 
gung  bei  der  prima  intentio,  als  auch  für  die  Produktion  des 
..Granulationsgewebes“  bei  der  sekundären  Heilung.  Analog 
den  Beobachtungen  bei  der  Knochenwundheilung  können  wir 
meines  Erachtens  recht  wohl  die  Möglichkeit  annehmen,  dass 
bei  allgemeiner  Minderwertigkeit  des  Binde¬ 
gewebes  auch  1 .  die  Heilung  der  W  e  i  c  h  teil- 
wunden  mangelhaft  sei,  sei  es,  dass  sie  abnorm  lang¬ 
sam  von  statten  geht,  sei  es,  dass  sie  sich  gegen  Störungen 
mechanischer  oder  vielleicht  auch  infektiöser  Art  vermindert 
resistent  zeigt;  2.  das  Produkt  der  Wundheilung, 
die  Narbe,  sich  als  mangelhaft,  als  weniger  fest  erweist. 

Ich  habe  auf  diese  Beobachtungen  noch  nicht  lange  Zeit 
verwandt,  kann  aber  doch  auch  hier  schon  einiges  klinisches 
Material  bringen: 

52.  Anna  St.,  45  Jahre  alt.  Rechtsseitige  Wanderniere,  die  wegen 
erheblicher  Beschwerden  operiert  wird,  und  zwar  nach  meinem 
neuen,  eingangs  erwähnten  Verfahren.  Die  Wunde  wird  mit  Aus¬ 
nahme  eines  Drains  ganz  genäht,  und  zwar  mit  Katgut  in  mehreren 
Schichten.  Anscheinend  primäre  Heilung.  Am  14.  Tage  steht  Patien¬ 
tin  auf.  Am  nächsten  Tage  zeigt  sich,  dass  die  ganze  Wunde  zu 
zwei  Drittel  ihrer  Längenausdehnung  wieder  auseinandergegangen 
ist.  Dann  erfolgt  langsame  sekundäre  Ausheilung.  Die  Niere  ist  an 
der  ihr  zugewiesenen  Stelle  geblieben  und  Patientin  ist  dauernd  be¬ 
schwerdefrei.  Sie  leidet  ausser  ihrer  Wanderniere  an  Enteroptose 
(Magen,  Kolon),  Prolaps,  uteri  massigen  Grades,  Kyphoskoliose. 
Hängebauch,  Varizen,  etwas  Genua  valga,  doppelseitiger  Leisten¬ 
hernie. 

53.  Frau  A.  G.,  47  Jahre  alt,  wird  wegen  Nabelhernie  operiert; 
starke  Dchiszenz  der  Rekti,  die  aufgesucht  und  durch  Naht  vereinigt 
werden.  Naht  des  Peritoneums,  der  Muskeln,  der  Faszie  und  der 
Haut  mit  Katgut.  Mehrere  durchgreifende  Seidennähte,  die  aussen 
auf  einem  Gazebausch  geknüpft  werden.  Primäre  Heilung  bis  zum 
12.  Tage,  wo  Pat.  unerlaubterweise  aufsteht.  Dabei  reisst  die  ganze 
Wunde  bis  aufs  Peritoneum,  dessen  Naht  hält.  Die  übrigen  Schich¬ 
ten  werden  von  neuem  genäht,  diesmal  mit  Seide.  Drei  Seiden¬ 
knopfnähte  stossen  sich  nachträglich  aus,  im  übrigen  erfolgt  Heilung. 
Pat.  bekommt  nach  einem  Jahre  ein  wallnussgrosses  Rezidiv  unter¬ 
halb  des  Nabels.  Eine  nochmalige  Operation  lehnt  sie  ab.  Sie  hat 
starken  Hängebauch,  Enteroptose  (Magen,  Kolon),  Uterusprolaps,  sehr 
schlaffe  Vagina,  linksseitige  Schenkelhernie,  Varizen  und  Pedes  plani. 

Nur  diese  beiden  Beispiele  für  mangelhafte  primäre  Wund- 
heilung  ohne  Infektion  habe  ich  beobachtet. 

Schlechte  Granulationsbild ung  bei  der  s  e  - 
cunda  intentio  sieht  man  ja  nicht  selten;  ich  will  nur 
wenige  Fälle  kurz  skizzieren,  in  denen  mir  ein  ursächlicher 
Zusammenhang  mit  der  Bindegewebsatonie  vorzuliegen  schien. 

54.  A.  Jo.,  25  Jahre  alt.  Tiefer  Gewebsdefekt  der  Wade  durch 
Verbrennung.  Sehr  schlechte  Granulationen,  die  Wunde  ist  stets 
schmierig  belegt,  ganz  langsam  füllt  sich  der  Defekt  so  weit,  dass 
er  transplantiert  werden  kann.  Zweimalige  Transplantation  nach 
l'hiersch  versagt  ebenfalls;  es  findet  keine  Anheilung  der  Haut¬ 
läppchen  statt.  Erst  nach  7  Monaten  ist  die  etwa  doppeltfiinfmark- 
stiiekgrosse  Wunde  überhäutet.  Pat.  leidet  an  Varizen,  Pedes  plani, 
doppelseitiger  Leistenhernie. 

55.  B.  Feld.,  50  Jahre  alt.  Pat.  leidet  an  Fistula  ani,  die  ge¬ 
spalten  wird.  Die  Wunde  heilt  sehr  langsam,  ist  stets  schmierig  be¬ 
legt;  nach  10  Wochen  ist  kaum  ein  nennenswerter  Fortschritt  zu  kon¬ 
statieren.  Pat.  wird  entlassen  und  zeigt  sich  nicht  wieder. 

Er  leidet  an  Hämorrhoiden,  Varizen,  Enteroptose,  doppelseitiger 
Leistenhernie  und  Pedes  plani. 

56.  Kind  V.,  9  Jahre  alt.  Wunde  der  rechten  Wade,  entstanden 
durch  Ueberfahren  mit  folgender  Nekrose  der  Haut  und  des  Unter¬ 
hautzellgewebes  bis  auf  cüe  Faszie.  Nach  4  Monaten  ist  der  an  Vo¬ 
lumen  höchstens  eigrosse  Substanzdefekt  noch  nicht  ausgefüllt,  Granu¬ 
lationen  blass  und  schlapp.  Transplantation  heilt  erst  beim  zweiten 
Mal  teilweise,  dann  geht  die  Ueberhäutung  langsam  vonstatten. 

Zartes  blasses  Kind,  beiderseits  weite  Bruchpforten,  etwas  Sko¬ 
liose.  ln  der  Aszendenz  sind  Hämorrhoiden,  Varizen,  Hernien  und 
krumme  Rücken  vielfach  vertreten. 

57.  A.  T.,  27  Jahre  alt.  Bursitis  praepat.  acuta,  die  gespalten  und 
tamponiert  wird.  Nach  8  Monaten  ist  die  Wunde  noch  nicht  heil; 


eine  Sekundarnaht  wird  abgeleimt.  Pat.  geht  vor  vollendeter  Heilung 
nach  Hause.  Granulationen  immer  sehr  schlaff.  Pat.  leidet  an  Pedes 
plani,  Genua  valga  mässigen  Grades,  linksseitiger  Leistenhernie. 

Für  mangelhafte  Resistenz  der  Narben  führe  ich  folgende 
Beispiele  an: 

58.  Frau  Kl.,  40  Jahre  alt.  Ist  vor  6  Jahren  zuerst  wegen  Nabel¬ 
bruch  operiert  worden.  Glatte  Heilung,  aber  bald  Narbenhernie,  die 
dann  in  den  nächsten  Jahren  noch  dreimal  anderwärts  operiert  wurde. 
Jetzt  hat  sie  wieder  ein  Rezidiv  in  grosser  Ausdehnung.  —  Aus¬ 
gedehnte  Freilegung  der  Rekti.  Naht  derselben,  des  Peritoneums,  der 
raszien  und  der  Haut  in  5  Schichten  mit  Seide.  Prima  intentio.  Pat 
leidet  an  Hängebauch  (Adaption  der  Rekti  daher  leicht),  Enteroptose 
Varizen,  Pedes  plani,  etwas  Skoliose. 

59.  Frau  H.,  50-  Jahre  alt.  Wird  zum  dritten  Mal  in  4  Jahren  ai 
Laparozele  nach  primärer  Nabelbruchoperation  operiert.  Stets  prima 
intentio,  aber  bald  sich  entwickelndes  Rezidiv.  Sie  leidet  an  Enteren 
ptose,  Hängebauch,  Uterusprolaps,  Varizen,  Hämorrhoiden,  Kypho-1 
skoliose. 

60.  Frau  St.,  44  Jahre  alt.  Will  zuerst  vor  8  Jahren  wegen 
„Darmverschluss“  laparotomiert  sein,  nach  2  Jahren  wurde  ein1 
Bauchbruch  operiert,  der  jetzt  wieder  vorhanden  ist.  Sie  leidet  ai! 
Varizen,  Pedes  plani,  Enteroptose  und  Hängebauch. 

61.  Frau  Fr.,  46  Jahre  alt;  in  der  Sprechstunde  beobachtet! 
Hat  grosse  Laparozele  nach  vor  5  Jahren  vorgenommener  Ovari 
ektomie.  Sie-  leidet  an  Hängebauch.  Enteroptose,  Prolapsus  uteri 
sehr  starken  Varizen,  Pedes  plani,  Kyphoskoliose. 

62.  Frau  St.,  28  Jahre  alt,  in  der  Sprechstunde  beobachtet,  ls 
in  5  Jahren  viermal  laparotomiert  worden,  zuerst  wegen  Uteruspro-. 
laps.  Der  Uterus  vmrde  ventrofixiert  und  befindet  sich  auch  jetz 
noch  an  der  ihm  angewiesenen  Stelle.  Oberhalb  ist  in  der  Narbe  eine 
7  cm  lange  Bruchpforte.  Pat.  hat  erhebliche  Beschwerden,  an¬ 
scheinend  von  Verwachsungen.  Drei  Versuche,  die  Laparozele  optra 
tiv  zu  heilen,  sind  fehlgeschlagen,  indem  bald  Rezidive  eintraten 
Jetzt  will  sie  den  Uterus  exstirpiert  haben,  wreil  sie  ihre  Beschwerden 
von  diesem  herleitet. 

Sie  hat  eine  sehr  schlaffe  Vaginalwand,  Hängebauch,  üastroptosi 
und  rechtsseitige  Nephroptose,  Varizen  und  etwas  Genua  valga.  weite 
Leistenbruchpforten. 

Mit  diesen  Beispielen  sind  die  eklatantesten  Fälle,  die  ic 
beobachtete,  erschöpft;  ich  betone  nur  auch  hier,  dass  be 
allen  diesen  Personen  andere  Ursachen  für  die  mangelhaft 
Heilung,  besonders  Störungen  der  prima  intentio,  aiiszuj 
schliessen  waren.  Wie  weit  die  Technik  der  früher  ander, 
wärts  vorgenommenen  Operationen  bei  den  zuletzt  genannte 
Patientinnen  etwa  für  die  Rezidive  anzuschuldigen  wärt 
entzieht  sich  natürlich  meiner  Beurteilung. 

Ich  möchte  für  meine  Person  aus  meinen  Beobachtungc 
den  Schluss  ziehen,  dass  recht  wohl  ein  kausale 
Zusammenhang  bestehen  kann  zwischen  all 
gemeiner  Bindegewebsdyskrasie  und  man 
g  e  1  h  a  f  t  e  r  Wundheilung  r  e  s  p.  der  P  r  o  d  u  k  t  i  o 
vermindert  resistenter  Narben. 

Ich  bilde  mir  nicht  ein,  für  diese  Theorie  strikte  Beweis 
geliefert  zu  haben,  dazu  ist  mein  Beobachtungsmaterial  vk 
zu  klein;  wohl  aber  glaube  ich,  dass  es  ausreicht,  um  die  Bitt 
an  die  Fachgenossen  zu  begründen,  einmal  mehr  als  es  bis¬ 
her  geschehen  ist,  auf  diese  Dinge  zu  achten;  das  kann  nicl 
nur  der  Krankenhausarzt,  sondern  besonders  auch  der  Prak 
tiker  in  der  Sprechstunde  und  am  Krankenbett.  Besonder 
möchte  ich  auch  glauben,  dass  die  Militärärzte  manchen  Bt 
trag  liefern  könnten.  Die  Sache  hat  nicht  nur  theoretische! 
sondern  auch  praktisches  Interesse;  ich  verweise  auf  meine 
Vorschlag  der  Wandernierenoperation. 

Ich  habe  mehrere  Jahre  hindurch,  besonders  bei  meine 
oben  zitierten  Frakturpatienten,  auch  Blutuntersuchunge 
machen  lassen,  von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  doch  and 
die  Blutbestandteile  selbst,  nicht  nur  die  Blutgefässe,  der 
Bindegewebe  nahestehen  und  bei  Asthenikern  pathologisc 
verändert  sein  könnten.  Stiller  u.  a.  weisen  ja  auch  ai 
diesen  Punkt  hin,  ebenso  spricht  die  Blässe  der  Haut  b< 
vielen  derartigen  Patienten  dafür,  vielleicht  auch  die  oft  b( 
obachtete  Zyanose  und  Kälte  der  Extremitäten.  Leider  fehlt 
mir  sowohl  die  Zeit  als  auch  die  nötigen  Vorkenntnisse  ii 
eine  genaue  systematische  Untersuchung  der  Blutbestandteil 
um  zu  einem  verwertbaren  Resultat  zu  kommen.  Aus  diese)] 
Grunde  habe  ich  auch  mikroskopische  Untersuchungen  dt 
exzidierten  als  pathologisch  angenommenen  Narben  untei 
lassen;  das  möge  den  Berufspathologen  überlassen  werde 
Man  könnte  sich  wohl  denken,  dass  z.  B.  die  elastischen  Faser 
sich  gegenüber  der  normalen  Narbe  different  verhielten. 


!?.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ueber  die  Beschaffenheit  der  Wimdgranulationen  bei 
tonie  könnten  ähnliche  Untersuchungen,  wie  sie  R  e  i  n  b  a  c  h 
igestellt  hat,  Aufschluss  geben. 

Therapeutische  Schlussfolgerungen  habe  ich  ausser 
einer  Wandernierenoperation  aus  meinen  Beobachtungen 
irläufig  nicht  gezogen.  Bezüglich  der  Radikaloperation  der 
auchhernien  liegt  in  denselben  wohl  eine  Empfehlung  der 
astischen  Methoden,  z.  B.  der  K  o  e  n  i  g  sehen  Verlötung, 
.'geniiber  der  einfachen  Naht.  Im  allgemeinen  könnte  man 
ohl  die  Konsequenz  ziehen,  ausgesprochene  Astheniker  nach 
■r  Laparotomie  längere  Bettruhe  einhalten  zu  lassen,  kein 
i  schnell  resorbierbares  Material  zu  den  Nähten  zu  ver¬ 
enden,  überhaupt  bei  diesen  Patienten  alle  Sicherheitsmass- 
ihmen,  die  eine  glatte  Wundheilung  und  gute  Narbenbildung 
:währleisten,  besonders  zu  akzentuieren. 

Auch  dürfte  wohl  nahe  liegen,  die  Prognose  bei  diesen 
enschen  besonders  vorsichtig  zu  stellen,  vor  allem  bezüg- 
:h  der  Zeit  der  Heilung,  z.  B.  bei  Frakturen  und  bei  Pro¬ 
ssen,  die  auf  sekundäre  Wundheilung  angewiesen  sind. 

Zum  Schluss  betone  ich  nochmals,  dass  der  Zweck  dieser 
einer  Veröffentlichung  nicht  ist,  die  in  ihr  aufgeführten  Mo- 
ente  als  bewiesene  Tatsachen  hinzustellen,  sondern  nur,  eine 
lregung  zu  geben  zu  weiterem  Studium  der  Frage  von  der 
tonie  des  Bindegewebes  und  ihrer  Bedeutung  für  die  Wund- 
•ilung  und  Narbe. 

Literatur. 

Klapp:  Funkt.  Behandlung  der  Skoliose.  II.  Aufl.  Jena, 
scher,  1910.  —  Stiller:  Die  asth.  Konstitutionskrankheit.  Stutt- 
rt,  Enke,  1907.  —  E.  Stromeyer:  Ueber  Atonie  fibr.  Gewebe 
d  deren  Rückbildung.  Inaug.-Diss.,  Würzburg  1840.  —  K.  Vogel: 
r  Pathologie  d.  Bindegew.  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,No.31.— 
srselbe:  Ueber  Frakturheilung  etc.  Deutsche  Z.  f.  Chirurgie, 

I.  91.  —  Derselbe:  Zur  Oper.  d.  Wanderniere.  Zentralbl.  f. 
iir.  1912,  No.  41.  —  Die  übrige  zitierte  Literatur  ist  in  diesen  Ar- 
iten  vermerkt. 


is  der  chirurgischen  Universitätsklinik  Hofrat  Höchen  eg  g 

in  Wien. 

iber  die  Freilegung  inoperabler  Magenkarzinome  zur 
Röntgenbestrahlung  und  die  damit  erzielten  Erfolge. 

Von  Dr.  Hans  Finsterer,  Assistent  der  Klinik. 

Mit  der  Einführung  der  Röntgenuntersuchung  bei  Magen¬ 
krankungen  haben  wir  zwar  ein  leistungsfähiges  diagno- 
sches  Hilfsmittel  für  eine  frühe  Diagnose  des  Magenkarzi- 
'ins  gewonnen;  trotzdem  aber  ist  die  Zahl  der  bei  der 
nischen  und  radiologischen  Untersuchung  noch  als  wahr- 
heinlich  radikal  operabel  anzusprechenden  Fälle  noch  immer 
ie  erschreckend  kleine  (nach  H  a  u  d  e  k  30  Proz.).  Wenn 
eh  heute  durch  die  Einführung  des  kombinierten  Anästhe- 
.'rungsverfahrens  (Lokalanästhesie  für  die  Laparotomie,  zur 
obilisierung  des  Magens  event.  ganz  geringe  Mengen  Aether) 
egen  Ausschaltung  des  Operationsschocks,  besser  gesagt 
s  Narkose-(Chloroform)-schocks,  die  Indikationen  zur  Radi¬ 
loperation  bedeutend  sich  erweitern  lassen,  wie  ich  in  einer 
igst  erschienenen  Arbeit  ausführen  konnte,  so  bleiben  noch 
mer  zahlreiche  Fälle  übrig,  denen  wir,  weil  lokal  inoperabel, 
anlich  ohnmächtig  gegenüberstehen,  denen  bei  bestehenden 
enosenerscheinungen  durch  die  Gastroenterostomie  nur  eine 
nz  vorübergehende  Erleichterung  verschafft  werden  kann. 

Angeregt  durch  die  von  Czerny  auf  der  Naturforscher- 
rsammlung  in  Karlsruhe  vorgestellten  Fälle  von  Magen- 
rzinomen,  die  nach  erfolgter  Vorlagerung  durch  Röntgen¬ 
strahlung  günstig  beeinflusst  worden  waren,  habe  ich  an 
r  Klinik  Höchen  egg  ebenfalls  die  Vorlagerung  der 
agenkarzinome  versucht.  Obwohl  das  Verfahren  bereits 
47  von  Beck  empfohlen  worden  war,  so  liegen  doch  nur 
-ht  spärliche  Berichte  darüber  vor.  Aus  dem  Samariter- 
use  in  Heidelberg  berichten  Werner  und  Caan  über 
Vorlagerungen  bei  inoperablen  Magenkarzinomen,  und 
zerny  stellte  1911  2  weitere  Fälle  vor.  Lex  er  demoli¬ 
erte  November  1911  zwei  günstig  beeinflusste  Fälle  von 
»genkarzinomen.  An  der  Klinik  v.  Eiseisberg  wurde 
ch  R  a  n  z  i  die  Vorlagerung  in  4  Fällen  ohne  wesentlichen 
felg  ausgeführt.  Ein  vollständiges  Versagen  der  Therapie 


855 


mag  für  manche  Station  der  Grund  gewesen  sein,  ihre  nega 
tiven  Resultate  nicht  weiter  mitzuteilen. 

Da  ich  in  einigen  Fällen  ganz  unerwartete  Erfolge  erzielt 
habe,  so  möchte  ich  meine  Erfahrungen  kurz  mitteilen,  und 
damit  mich  der  Forderung  Werners,  die  Vorlagerung  und 
Freilegung  öfter  anzuführen,  neuerdings  anschliessen. 

Vorausschicken  möchte  ich,  dass  ich  eine  neue  Tech¬ 
nik  der  V  o  r  1  a  g  e  r  u  n  g,  die  von  der  von  Werner  und 
Caan  beschriebenen  wesentlich  abweicht,  zur  Anwendung 
brachte,  welche  ich  zum  grössten  Feil  auch  für  die  besonders 
günstigen  Resultate  verantwortlich  machen  möchte.  An  der 
C  z  e  r  n  y  sehen  Klinik  wird  das  Karzinom  durch  die  me¬ 
diane  Laparotomie  freigelegt,  hierauf  mobilisiert,  vor 
die  Wunde  gezogen  und  nach  Vernähung  des  Peritoneum 
parietale  mit  der  Haut  in  den  Defekt  der  Bauchwand  durch 
Silkwormnähte  eingenäht;  nur  bei  den  die  Magenwand  diffus 
infiltrierenden  Karzinomen  wird  statt  des  Längsschnittes  ein 
Querschnitt  4  Finger  oberhalb  des  Nabels  zur  Freilegung  des 
Tumors  ausgeführt.  Werner  und  Caan  geben  selbst  zu, 
dass  mit  dieser  Methode  es  nicht  möglich  ist,  eine  voll¬ 
kommene  Freilegung  des  Tumors  zu  erzielen,  wenn  er  der 
hinteren  Magenwand  angehört  und  fixiert  ist. 

Um  auch  diese  Fälle  noch  einer  erfolgreichen  Röntgen¬ 
bestrahlung  zugänglich  zu  machen,  habe  ich  ein  neues,  sehr 
radikales  Verfahren  der  Freilegung  eingeschlagen,  das  darin 
besteht,  dass  nach  der  medianen  Laparotomie  in 
Lokalanästhesie  und  Feststellung  des  Befundes  zuerst  eine 
Gastroenterostomie  möglichst  weit  nach  links  gegen  den 
Fundus  zu  angelegt  wird,  hierauf  beide  Musculi  recti 
2 — 3  Querfinger  über  Nabel  höhe,  samt  dem 
Peritoneum  parietale  bis  zum  Rippenbogen 
quer  durchtrennt  werde n,  wodurch  ein  sehr  grosser 
rhombischer  Defekt  der  vorderen  Bauchwand  resultiert,  in 
dem  fast  der  ganze  Magen,  ausgenommen  der  linke  Anteil  der 
grossen  Kurvatur  und  der  Fundus  frei  vorliegt. 

Damit  die  Leber  nicht  die  kleine  Kurvatur  und  besonders 
das  kleine  Netz  verdecke,  müssen  beide  Leber  lappen 
an  den  Rippenbogen  durch  grosse  U - N ä h t e 
fixiert  werden,  die  mit  dicker  Seide  nach  Zurück¬ 
präparieren  der  Haut  bis  zum  Rippenbogen  subkutan  an¬ 
gelegt  werden.  Ein  Vernähen  des  Peritoneum  parietale  mit 
der  Haut,  wie  es  Werner  und  Caan  üben,  ist  überflüssig, 
ebenso  ein  Annähen  des  Magens  selbst.  Zur  Erzielung  von 
Adhäsionen  wird  ein  Jodoformgazestreifen  zwischen  Peri¬ 
toneum  parietale  und  Duodenum  links  bzw.  Colon  transversum 
und  Milz  rechts  eingelegt.  Das  Ligamentum  gastrocoli- 
cum  soll  wegen  der  zahlreichen  Drüsen  ebenfalls 
f  r  e  i  g  e  1  e  g  t  bleiben.  Um  den  Magen  möglichst  weit 
mit  seiner  kleinen  Kurvatur  herabzudrängen,  wird  dann  ein 
grosser  steriler  Gazestreifen  zwischen  Magen  und  Leber  auf 
das  kleine  Netz  gelegt  und  hier  durch  den  Kompressionsver¬ 
band  fixiert  gehalten.  Damit  die  beiden  oberen  Hautecken, 
die  ja  weniger  zurückweichen  als  die  durchschnittenen  Mus¬ 
keln  mit  ihref  Scheide,  sich  nicht  zu  früh  wieder  über  den 
Magen  legen,  empfiehlt  es  sich,  diese  Ecken  zum  Teil  ganz 
wegzuschneiden.  Auf  diese  Weise  liegt  mm  der  ganze  karzi- 
nomatöse  Magen  samt  kleinem  Netz  und  Ligam.  gastro- 
colicum  bloss,  nur  der  linke  Anteil  kommt  mit  der  Gastro¬ 
enterostomie  intraperitoneal  zu  liegen.  Das  Anlegen 
einer  Gastroenterostomie  halte  ich  in  al  1  e n 
Fällen  für  zweckmässig,  a  u  c  h  d  an  n  w  e  n  n 
keine  Pylorusstenose  besteht.  Die  Jodoformgaze¬ 
streifen  werden  am  5.-6.  Tage  entfernt,  da  zu  dieser  Zeit 
genügend  Adhäsionen  ausgebildet  sind;  bei  zu  frühem  Ent¬ 
fernen  besteht  natürlich  die  Gefahr  einer  Peritonitis. 

Von  dieser  ausgiebigen  Durchschneidung 
b  e  i  d  e  r  M.  r  e  c  t  i  habe  ich  weder  unmittelbare 
noch  spätere  Nachteile  gesehen.  Obwohl  der 
Defekt  der  Bauchwand  sehr  gross  war,  so  kam  es  doch  in 
keinem  Falle  zu  einem  Prolaps  des  Dar m e s 
oder  zu  einer  Peritonitis.  Allerdings  ist  es  not¬ 
wendig,  nach  Bedecken  des  vorliegenden  Magens  mit  steriler 
Gaze  einen  exakten  Heftpflasterverband  darüber  anzulegen 
und  diesen  ausserdem  noch  durch  eine  Flanellbauchbinde  zu 
sichern.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  es  auch,  dass  die 


856 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


Patienten  nach  der  Operation  nicht  erbrechen.  Das  erreicht 
man  am  besten  durch  Ausschaltung  der  Chloroformnarkose 
durch  die  Lokalanästhesie  eventuell  unterstützt  von  einem 
kurzen  Aetherrausch  zur  Orientierung  über  die  Ausbreitung 
des  Karzinoms. 

Auch  konnte  ich  von  der  Rektusdurchschneidung 
einen  dauernden  Schaden  bisher  nicht  sehen.  Der  grosse  De¬ 
fekt  verkleinert  sich  langsam  durch  narbige  Vereinigung  der 
Muskelstümpfe  bzw. Muskelscheiden  und  allmähliche  Schrump¬ 
fung  der  Narbe,  die  Mitte  des  Defektes  aber  wird  von  dem  vor¬ 
liegenden  Magen  eingenommen,  der  sich  unter  der  Röntgen¬ 
bestrahlung  mit  dem  Zurückgehen  des  Tumors  mit  einer  mäch¬ 
tigen  Schicht  von  Granulationsgewebe  bedeckt,  das  nun  vom 
Rande  her  allmählich  sich  epithelisiert.  Schliesslich  resul¬ 
tiert  eine  kreuzförmige  Hautnarbe,  die  in  der  Mitte  in  un¬ 
gefähr  Handtellergrösse  die  überhäutete  vordere  Magenwand 
enthält.  Um  bei  der  Arbeit  einer  weiteren  Vorwölbung  vor¬ 
zubeugen,  genügt  das  Tragen  einer  gut  sitzenden  Bauch¬ 
binde.  Damit  können  die  Patienten  wieder  arbeitsfähig 
werden.  Mein  erster  Patient,  bei  dem  ich  die  Freilegung 
nach  dieser  Methode  vor  Jahren  ausgeführt  habe,  konnte 
nach  6  Monaten  wieder  ohne  Beschwerden  seine  Arbeiten 
verrichten  (Pat.  ist  ein  Bauer).  Auch  die  übrigen  3  gebes¬ 
serten  Pat.  haben  keine  Beschwerden  beim  Gehen  oder  beim 
Aufsetzen,  verrichten  ebenfalls  leichte  Arbeiten. 

Die  Bedenken,  die  R  a  n  z  i  gelegentlich  meiner  letzten 
Demonstration  ausgesprochen  hat,  dass  die  Fixierung  des 
Karzinoms  nach  hinten  die  Verlagerung  unmöglich  machen 
könne,  und  dass  damit  das  Indikationsgebiet  für  die  Röntgen¬ 
behandlung  wesentlich  eingeengt  werde,  dürften  wohl  für  die 
früher  geübte  Methode  des  Vorziehens  des  Tumors  und  Ein¬ 
nähen  in  die  mediane  Laparotomiewunde  zu  Recht  bestehen. 
Für  die  breite  Durchtrennung  der  beiden  Musculi  recti  aber 
fallen  sie  unbedingt  weg,  da  der  Magentumor  nie- 
rn  als  vor  gezogen,  sondern  in  situ  belassen 
w  i  r  d.  Durch  die  vordere  Magenwand  hindurch  aber  kann 
man  auch  Karzinome  der  hinteren  Magenwand  erfolgreich 
bestrahlen.  Das  beweist  mein  erster  Fall;  denn  hier  musste 
wenigstens  das  Wachstum  des  Karzinoms  aufgehalten  worden 
sein,  da  die  ganz  nahe  an  der  Grenze  des  Karzinoms  angelegte 
Gastroenterostomie  bis  heute,  also  mehr  als  1/4  Jahre,  nicht 
vom  Karzinom  ergriffen  wurde,  sondern  vollständig  durch¬ 
gängig  geblieben  ist.  Die  von  H  a  u  d  e  k  in  der  Diskussion 
in  Erwägung  gezogene  Aufklappung  des  linken 
Rippenbogens  wird  wohl  fast  immer  entbehrlich  sein; 
denn  wir  können  ja  bei  hinaufgenähter  Leber  durch  Schief¬ 
stellung  der  Röhre  selbst  die  Kardia  von  unten  nach  oben 
bestrahlen. 

Die  Röntgenbestrahlung  des  vorgelagerten  Kar¬ 
zinoms,  die  im  Röntgeninstitut  der  Klinik  unser  Röntgeni- 
sarius,  Herr  Koller,  unter  ärztlicher  Ueberwachung  durch¬ 
führt,  wird  am  Ende  der  ersten  Woche  begonnen.  Da  man  an¬ 
fangs  nicht  zu  kleine  Dosen  verabreichen  soll  wegen  Begün¬ 
stigung  des  Wachstums  des  Karzinoms  durch  dieselben,  an¬ 
dererseits  grosse  Dosen  anfangs  leicht  zu  Nekrosen  führen 
können,  warte  ich  mit  dem  Beginn  der  Bestrahlung  mindestens 
eine  Woche,  weil  dann  die  freiliegende  Serosa  des  Magens 
sich  bereits  mit  Granulationen  bedeckt  hat.  Die  Bestrahlung 
erfolgt  anfangs  mit  weichen  Röhren  mit  einer  Fokusdistanz 
von  ca.  20 — 25  cm,  mit  einer  Intensität  von  1 — 1/4  H.  Nach 
8 — 10  Bestrahlungen,  die  in  Zeitabständen  von  3 — 4  Tagen 
erfolgen,  wird  allmählich  die  Dosis  gesteigert.  Die  Umgebung 
der  Vorlagerung  ist  dabei  mit  Bleiplatten  geschützt,  die  Haut 
darunter  ausserdem  mit  Zinkpasta  dick  bedeckt,  was  augen¬ 
scheinlich  einen  günstigen  Einfluss  auf  die  Verhütung  von 
Hautschädigungen  hat.  Ist  der  vorgelagerte  Tumor  nicht  mehr 
palpabel,  die  Magenwand  von  einer  dicken,  lebhaften  Granu- 
lationsschichte  bedeckt,  die  vom  Rande  her  epidermisiert  wird, 
dann  wird  das  Abdomen,  speziell  auch  die  Lebergegend  unter 
Verwendung  eines  doppelten  Glasfilters  mit  härteren  Röhren 
bestrahlt  mit  einer  Intensität  bis  zu  5  H.  Diese  Bestrahlungen 
erfolgen  anfangs  jede  Woche,  später  alle  2  Wochen.  Weitere 
Beobachtungen  müssen  entscheiden,  wie  lange  diese  Be¬ 
strahlung  fortgesetzt  werden  muss,  um  ohne  Schädigung  des 
Patienten  ein  Wiederwachsen  des  Karzinoms  zu  verhindern. 


Der  erste  Fall,  der  anfangs  schon  vielleicht  zu  vorsichtig  be¬ 
strahlt  wurde  (  nur  6  mal  mit  je  1  H)  kam  nach  dem  Ver¬ 
schwinden  des  Tumors  und  der  Verheilung  des  Defektes 
wegen  der  grossen  Entfernung  nur  zu  selten  zur  ambu¬ 
latorischen  Behandlung,  so  dass  die  Bestrahlung  in  diesem 
Falle  als  eine  ungenügende  bezeichnet  werden  muss;  nach 
■■’/ 4  Jahren  Wohlbefinden  traten  Lebermetastasen  auf. 

Im  folgenden  möchte  ich  die  Krankengeschichten  der 
7  bisher  mit  Freilegung  und  Röntgenbestrahlung  behandelten 
Fälle  von  Magenkarzinom  kurz  mitteilen. 

1.  59jähr.  Bauer  mit  Magenbeschwerden  seit  3  Monaten,  Ab¬ 
magerung,  Erbrechen  nur  bei  groben  Speisen,  unter  dem  rechten 
Rippenbogen  ein  unverschieblicher  Tumor  palpabel.  Gewicht  58  kg 
Nach  dem  Magen-  und  Röntgenbefund  klinische  Diagnose:  Karzinom. 

3.  XI.  1911  Operation  in  Lokalanästhesie  (Dr.  Finsterer),, 
zur  Orientierung  kurze  Aethernarkose :  faustgrosser  Tumor  der  kleinen 
Kurvatur,  im  präpylorischen  Anteile  zirkulär,  Pylorus  frei;  Tumor 
von  kleinhöckeriger  Oberfläche  mit  Bildung  von  Knötchen  unter  der 
Serosa,  frei  beweglich,  die  hintere  Magenwand  vollständig  vom 
Tumor  eingenommen  bis  zum  Oesophagus  hinauf;  harte  Drüsen  im 
kleinen  Netze  bis  über  die  Kardia  hinauf.  Resektion  wegen 
Uebergreifens  des  Karzinoms  auf  den  Oesophagus 
unmöglich,  ebenso  die  hintere' Gastroenterostomie, 
daher  Gastroenterostomia  retrocol.  anterior  nach  Brenner  weit 
gegen  den  Fundus  zu.  Freilegung  des  Tumors  mittels  Durch¬ 
schneidung  beider  Musculi  recti  bis  zum  Rippenbogen,  Fixation  der 
Leber  an  den  Rippenbogen,  Tamponade. 

Vom  10.  Tage  an  Bestrahlung  des  Tumors  mit  weicher  Röhre 
(je  1  H.),  die  6  mal  wiederholt  wird  in  Zeitabständen  von  4  Tagen; 
darauf  rasche  Besserung  des  Appetites  und  Allgemeinbefindens;  der 
früher  palpable  Tumor  verschwindet,  der  Defekt  der  Bauchwand: 
verkleinert  sich  rasch.  Nach  4  Wochen  entlassen. 

Wohlbefinden;  Ende  Mai  wird  Pat.  mit  einer  Gewichtszunahme 
von  15  kg  ohne  nachweisbaren  Tumor  vorgestellt  (Wiener  klin. 
Wochenschr.  1912,  No.  23).  Dann  im  Mai  und  Juni  nach  3  Be¬ 
strahlungen  mit  je  2  U.  Wohlbefinden  bis  Januar  1913,  dann  wieder 
Gewichtsabnahme,  Kachexie:  Ende  Februar  deutliche  Leber- 
metastasen  nachweisbar,  ausserdem  Kardiastenose,  während  die 
Gastroenterostomie  gut  funktioniert.  Pat.  entzieht  sich  der  weiteren 
Behandlung,  ist  aber  derzeit  (nach  18  Monaten)  noch  am  Leben. 

2.  51  jähr.  Mann.  Am  18.  III.  1911  Resektion  (Dr.  Finsterer), 
eines  Karzinoms  des  präpylorischen  Anteiles,  das  mit  der  Leber  und 
Gallenblase  verwachsen  war;  Methode  Billroth  II;  glatter  Verlauf; 
Heilung;  darauf  Gewichtszunahme.  Im  September  1911  unter  Ver¬ 
dacht  eines  Narbenrezidives  in  der  Laparotomiewunde  Aufbahni 
an  die  Klinik,  gutes  Aussehen.  2.  Operation  in  Lokalanästhesie. 
Ligaturabszesse  um  die  Seidennähte  der  Faszie,  ausserdem  Ver¬ 
knöcherung  in  der  Laparotomiewunde  um  den' 
Nabel  herum;  histologisch  kein  Karzinom:  der  Magenstumpi 
vollkommen  in  Ordnung. 

Am  4.  VI.  1912  mit  Lebermetastasen  aufgenommen.  Sehr  starke 
Abmagerung,  bedeutende  Kachexie,  Leber  vergrössert,  höckerig, 
reicht  rechts  bis  2  Querfinger  unter  Nabelhöhe. 

7.  VI.  3.  Operation  (Dr.  Finsterer)  in  Lokalanästhesie:  Kreuz¬ 
schnitt.  Es  findet  sich  eine  enorme  Metastase  im  linken  Leberlappen, 
der  so  vergrössert  ist,  dass  er  bis  2  Querfinger  unter  Nabelhöhe 
herabreicht,  nach  links  bis  zur  Milz.  Magenstumpf  klein,  hier  keir 
Rezidiv;  Abdichtung  mit  Jodoformgaze. 

Röntgenbestrahlung  vom  14.  VI.  bis  2.  VIII.  15  mal  mit  je  1U  H. 
nach  4  Wochen  zeigen  die  Metastasen  vorne  nur  die  Hälfte  dei 
früheren  Grösse,  die  Lebergrenze  reicht  in  der  Mittellinie  nur  bb 
3  Querfinger  über  Nabelhöhe;  Appetit  sehr  gut,  Aussehen  besser 
subjektives  Wohlbefinden;  später  aber  doch  zunehmender  Verial 
und  Exitus  an  Pneumonie  nach  10  Wochen.  Sektion:  Magen  fre 
von  Rezidiv,  ausserordentlich  grosse  Metastasen  in  der  Leber;  in 
Bereiche  der  vorgelagerten  Metastase  ausgedehnte  Nekrosen  de: 
Karzinomgewebes,  während  die  anderen  Metastasen  unbeeinflusst 
sind.  Emphysem  der  Lungen,  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  sehe  Pneumonie  in 
rechten  Oberlappen  mit  fibrinöser  Pleuritis. 

3.  50jährige  Frau  mit  Magenbeschwerden;  seit  1  Jahre  stark: 
Abmagerung,  Kachexie;  bedeutende  Rückstände,  Milchsäure  positiv 

3.  Oktober  1912  Operation  in  Lokalanästhesie  (Dr.  F  i  n  s  t  e  r  e  r) 
Karzinom  der  kleinen  Kurvatur  auf  das  Duodenum  und  das  Liga 
mentum  hepatoduodenale  übergreifend,  von  kleinhöckeriger  Ober 
fläche,  Drüsen  im  kleinen  Netz  bis  zum  Oesophagus  infiltriert,  ebens» 
die  Drüsen  im  Ligamentum  gastrocolicum;  der  Tumor  hat  den  rechtet 
Anteil  des  Mesocolon  transversum  bereits  durchwuchert,  zeigt  wiede 
die  charakteristische  höckerige  Oberfläche.  Resektion  wegen  Lieber 
greifens  des  Tumors  aut  das  Lig.  hepatoduodenale  unmöglich:  hinten 
Gastroenterostomie  weit  nach  links  gegen  den  Fundus  zu:  typisch» 
Freilegung.  Exstirpation  von  Drüsen,  die  makroskopisch  erkrank 
aussehen,  mikroskopisch  aber  nur  chronische  Entzündung  zeigen 

Vollkommen  reaktionsloser  Verlauf,  kein  Erbrechen;  vom  7.  Tag« 
an  Röntgenbestrahlung  jeden  3. — 4.  Tag  mit  je  1  H.;  rasche  Gram: 
lationsbildung  über  dem  vorgelagerten  Magen.  Nach  6  Wochen  ffli 
l  fast  ganz  epitheliasiertem  Magen  entlassen;  Wohlbefinden,  Gewichts 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


April  1913. 


nähme  4  kg,  Tumor  nicht  mehr  palpabel.  Am  21.  il.  1913  demon- 
riert  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft  der  Aerzte;  Gewichtszunahme 
kg;  sehr  gutes  Aussehen;  kein  Tumor  palpabel.  Bis  jetzt  22  Be- 
rahlungen  mit  33  H.  Die  Bestrahlung  wird  alle  2  Wochen  wiederholt. 

4.  54  jähr.  Frau  mit  Magenbeschwerden  seit  4  Monaten,  Ab- 
agerung  (Gewicht  48  kg),  zeitweises  Erbrechen,  hochgradige 
ichexie:  l'umor  unterhalb  des  Proc.  xyphoideus  palpabel. 

4.  X.  1912  Operation  (Dr.  Finsterer)  in  Lokalanästhesie; 
ustgrosses  Karzinom  der  kleinen  Kurvatur,  auf  das  Duodenum  über¬ 
eifend;  ausgedehnte  Drüseninfiltration  bis  zur  Kardia;  Mesokolon 
eit  fixiert,  Drüsen  im  Lig  gastrocolicum,  Infiltration  des  kleinen 
tzes  bis  zur  Leberpforte.  Radikaloperation  unmöglich,  die  palliative 

isektion  wegen  Uebergreifens  auf  das  Lig.  hepatoduodenale  un- 
;her,  daher  hintere  Gastroenterostomie  und  Freilegung  des  Magens, 
vstirpation  von  Drüsen  aus  dem  Lig.  gastrocolicum.  H  i  s  t  o  - 
gisch:  Adenokarzinom. 

Verlauf  gut,  vom  6.  Tage  an  Röntgenbestrahlung  jeden  4.  Tag; 
•r  Magen  von  Granulationen  bedeckt;  nach  6  Wochen  mit  granu- 
render  Wunde  und  gutem  Allgemeinbefinden  in  ambulatorische  Be- 
ndlung  entlassen;  Appetit  sehr  gut,  Kachexie  bedeutend  zurück- 
gangen.  Bis  zum  18.  III.  1913  29  Bestrahlungen  mit  zusammen 
H.  Gewichtszunahme  11  kg. 

5.  35  jähr.  Mann,  stets  gesund,  bemerkt  seit  4  Wochen  eine  iasch 
achsende  Geschwulst  der  Oberbauchgegend;  starke  Abmagerung, 
ier  keine  Magenbeschwerden.  Kugeliger  Tumor  im  Epigastrium, 
iter  die  Rippenbogen  verschwindend,  bis  zum  Nabel  reichend. 

XU.  1912  Laparotomie  (Dr.  Schleinzer)  in  Narkose.  Faust- 
osse  Metastase  am  vorderen  Rande  des  linken  Leberlappens, 
ehrere  Metastasen  im  rechten  Leberlappen;  nur  kronenstückgrosses 
irzinom  der  kleinen  Kurvatur,  Drüsen  im  kleinen  Netz.  Typische 
eilegung  der  Leber  und  der  kleinen  Kurvatur  des  Magens.  Röntgen¬ 
strahlung  vom  20.  XII.  bis  19.  I.  13  10 mal  mit  zusammen  15  II.; 
nz  vorübergehende  Besserung  des  Allgemeinbefindens,  Ver¬ 
einerung  der  Leber  nur  in  geringem  Grade  nachweisbar.  Unter 
nehmender  Kachexie  nach  6  Wochen  Exitus.  Obduktion: 
irzinom  der  Gallenblase  mit  ausgedehnten  Metastasen  in  der  Leber, 
etastase  am  Magen  mit  Ulzeration  und  Durchbruch  ins  Magenlumen. 

6.  67  jähr.  Frau,  seit  5  Jahren  magenleidend,  in  der  letzten  Zeit 
irke  Abmagerung  (Gewicht  39  kg);  sehr  kachektisch;  grosser 
imor,  das  ganze  Epigastrium  einnehmend.  21.  Dez.  1912  Operation 

Lokalanästhesie  (Dr.  Finsterer);  ausgedehntes  Karzinom  der 
einen  Kurvatur,  bis  zur  Leberpforte  reichend,  fast  den  ganzen 
agen  einnehmend,  Mesokolon  durchwuchert,  Drüsen  im  kleinen  Netz 
id  Lig.  gastrocolicum,  Metastasen  in  der  Leber;  eine  Gastro- 
terostomie  wegen  Ausdehnung  des  Tumors  unmöglich;  typische 
eilegung;  Anlegen  einer  Jejunostomie  am  lateralen  Rande 
s  linken  M.  rectus  unter  Nabelhöhe  von  einer  eigenen  Inzision  aus. 

Vom  9.  Tage  an  Röntgenbestrahlung;  da  die  Patientin  den  Druck 
r  Bleiblenden  wegen  Schwäche  nicht  lange  verträgt,  nur  kurze 
.‘Strahlungen  4  mal  mit  zusammen  3  H.;  zunehmende  Kachexie; 
irombophlebitis;  nach  4  Wochen  Exitus.  Sektion;  Ulzeriertes 
irzinom  des  Magens,  ausgedehnte  Metastasen  in  den  retroperi- 
nealen  Drüsen,  in  der  Leber  und  Pleura;  Aspirationspneumonie  in 
iden  Unterlappen,  chronisches  Lungenemphysem,  Degeneration  des 
;rzfleisches;  Atrophie  des  Gehirnes,  chronischer  äusserer  und 
nerer  Hydrozephalus. 

7.  46  jähr.  Bauer,  seit  6  Monaten  krank.  Schmerzen,  Erbrechen 
i  groben  Speisen,  Abmagerung.  Gewicht  50  kg.  Deutlich  palpabler 
nnor  unter  dem  rechten  Rippenbogen;  keine  freie  Salzsäure,  Milch- 
ure  positiv.  13.  XII.  1912  Operation  (Dr.  Schleinzer)  in  Nar- 
>se.  Grosses  Karzinom  der  kleinen  Kurvatur,  im  präpylorischen 
heile  zirkulär;  Pylorus  selbst  frei;  Tumor  aui  das  Pankreas  über¬ 
eifend,  an  der  kleinen  Kurvatur  fast  bis  zur  Kardia  reichend;  aus¬ 
dehnte  Drüsenmetastasen  im  kleinen  Netz  und  Lig.  gastrocolicum; 
is  demselben  Exstirpation  von  Drüsen;  dann  hintere  Gastro- 
iterostomie  weit  gegen  den  Fundus  zu;  Freilegung  in  typischer 
eise.  Histologischer  Befund  der  Drüsen :  Adeno- 
irzinom.  Bestrahlung  vom  10.  Tage  an  in  gewöhnlicher  Weise, 
s  18.  III.  1913  25  Bestrahlungen  mit  zusammen  44  H.  Befinden  aus¬ 
zeichnet;  vorliegender  Magen  vollkommen  epithelialisiert,  kein 
nnor  mehr  palpabel;  Kachexie  vollkommen  geschwun- 
-ii,  blühendes  Aussehen,  Gewichtszunahme  um  Dkg  (früher  50,  jetzt 

kg). 

In  2  weiteren  Fällen  (58  jähr.  Frau,  45  jähr.  Mann)  von  Frei- 
gung  konnte,  da  die  Kranken  im  Anschlüsse  an  die  Operation 
arben,  die  Bestrahlung  nicht  durchgeführt  werden. 

Unter  den  7  Fällen  von  Freilegung  sind  4m  al  ganz 
es  Tumors  zu  verzeichnen  (No.  1,  3,  4,  7),  während  in 
:n  übrigen  3  Fällen  kein  oder  wenigstens  kein  nennenswerter 
n'olg  erzielt  werden  konnte.  In  beiden  nicht  bestrahlten  Fällen 
ar  das  Leiden  bereits  zu  weit  vorgeschritten,  so  dass  von 
nfang  an  kaum  auf  einen  Erfolg  zu  hoffen  war.  Die  Freilegung 
Ibst  hatte  im  ersten  Falle  sicher  keinen  ungünstigen  Einfluss. 
Herdings  hätte  man  durch  Anlegen  einer  Gastroenterostomie 
ich  ohne  bestehende  Stenose  das  infolge  der  Tamponade  ein¬ 
etende  Erbrechen  vermeiden  und  durch  sofortige  und  aus- 

No.  16. 


857 


giebige  Nahrungszufuhr  das  Allgemeinbefinden  heben  können. 
Im  anderen  Falle  wurde  der  Exitus  durch  die  Operation  beschleu¬ 
nigt.  Bei  der  Ausdehnung  des  Karzinoms  wurde  die  Gastro¬ 
enterostomie  als  Rctrocolica  anterior  hoch  hinauf  gegen  den 
Fundus  gemacht  werden.  Es  kam  trotz  kurzer  Schlinge  zur 
Ausbildung  eines  echten  Circulus  vitiosus.  Da  ich  als  Ursache 
für  das  Erbrechen  in  erster  Linie  eine  Kompression  der  Ana- 
stomose  durch  die  Tamponade  annehmen  musste,  so  entfernte 
ich  dieselbe  bereits  am  2.  Tage.  Infolge  des  anhaltenden  Er¬ 
brechens  wurden  in  der  Nacht  Dünndarmschlingen  heraus¬ 
gepresst,  die  am  nächsten  Morgen  direkt  auf  der  Haut  unter 
dem  Verbände  angetroffen  wurden.  Der  Fall  zeigt  jedenfalls, 
dass  man  bei  so  grosser  Ausdehnung  des  Karzinoms  besser 
von  einer  Gastroenterostomie  absieht  und  statt  dessen  eine 
Jejunostomie  anlegt  zur  sofortigen  Ernährung,  wie  in 
Fall  6,  dass  andererseits  die  Streifen  vor  Ausbil¬ 
dunggenügender  Adhäsionen  nicht  gelockert 
werden  dürfen. 

ln  zwei  Fällen  (5  und  6)  waren  bei  der  Operation 
bereits  grosse  Lebermetastasen  vorhanden,  in  letztem  Falle 
bei  fast  diffuser  Infiltration  des  Magens.  Die  Bestrahlung 
konnte  in  diesem  Falle  zu  wenig  energisch  durchgeführt 
werden,  so  dass  kein  Erfolg  zu  verzeichnen  war.  Im  Falle  5 
hingegen  war  ebenso  wie  im  Falle  2  (Lebermetastasen  nach 
Magenresektion)  eine  vorübergehende  günstige 
Beeinflussung  in  der  Weise  zu  verzeichnen,  dass  die 
Grösse  des  Lebertumors  abnahm,  bedingt  durch  die  auch  histo¬ 
logisch  nachweisbaren  Nekrosen  des  Karzinoms,  dass  anderer¬ 
seits  der  Appetit  sich  ganz  wesentlich  hob,  da  ein  Patient 
(No.  2)  speziell  nach  mehreren  Wochen  der  Bestrahlung  über 
häufigen  Hunger  klagte.  Dass  aber  in  diesen  Fällen  kein 
länger  dauernder  Erfolg  eintreten  konnte,  darf  nicht  wunder¬ 
nehmen,  wenn  man  bedenkt,  dass  auch  bei  der  breiten  Er¬ 
öffnung  der  Bauchdecken  nach  meiner  Methode  nur  der  vor¬ 
dere  Rand  der  dicken  Leber  der  Strahlenwirkung  direkt  aus¬ 
gesetzt  ist,  während  die  konvexe  obere  und  die  hintere  Leber¬ 
fläche  von  aktiven  Strahlen  nicht  mehr  erreicht  werden 
können,  so  dass  hier  die  Metastasen  unbeeinflusst  weiter 
wachsen.  Magenkarzinome  mit  ausgedehnten 
Lebermetastasen  versprechen  daher  keinen 
nennenswerten  Erfolg.  Das  gleiche  gilt  wohl  auch 
von  den  Peritonealmetastasen,  die  ja  der  direkten 
Bestrahlung  ebenso  wenig  zugänglich  gemacht  werden  können. 
Wenn  Czerny  trotzdem  berichtet,  dass  in  einem  Falle  bei 
der  Relaparotomie  die  früher  nachgewiesenen  Peritonealmeta¬ 
stasen  nicht  mehr  gefunden  wurden,  so  können  wir  uns  das 
nur  durch  die  direkte  Tiefenwirkung  der  Röntgenbestrahlung 
erklären,  die  natürlich  auch  ohne  Freilegung  des  Tumors  er¬ 
zielt  werden  kann. 

In  4  Fällen  konnte  eine  auffallende  Besserung 
erzielt  werden,  die  wir  sonst  bei  den  so  weit  vorgeschrittenen, 
daher  nicht  mehr  resezierbaren  Fällen  von  Magenkarzinomen 
auch  nach  der  Gastroenterostomie  nicht  sehen.  Ich 
gebe  gerne  zu,  dass  ein  Teil  des  Erfolges  sicher  auf  die 
besseren  Abflussbedingungen  durch  die  Anastomose  zurück¬ 
zuführen  ist;  doch  ist  dabei  zu  berücksichtigen  dass  in 
2  Fällen  (No.  1  u.  7)  de  r  Pylorus  überhaupt  voll¬ 
ständig  frei  war,  in  den  2  anderen  Fällen  das  von  der 
kleinen  Kurvatur  ausgehende  Karzinom  zwar  auf  das  Duo¬ 
denum  übergegriffen  hatte,  aber  nur  auf  der  oberen  Seite,  ohne 
zirkulär  zu  sein.  Unter  diesen  Umständen  sehen  aber  viele 
Chirurgen  von  einer  Gastroenterostomie  ab,  weil  von  ihr  nicht 
viel  zu  erhoffen  ist. 

Obwohl  also  in  diesen  Fällen  durch  das  Leiden  an  sich 
kein  zwingender  Grund  für  eine  Anastomose  vorhanden  ist, 
so  möchte  ich  doch  empfehlen,  in  allen  Fällen 
von  Freilegung  auch  ohne  bestehende  Py¬ 
lorusstenose  die  Gastroenterostomie  anzu¬ 
legen,  wenn  sie  überhaupt  noch  ausführbar 
ist  und  zwar  möglichst  weit  nach  links  gegen 
den  Fundus  zu.  Durch  die  Tamponade  über  dem  Duo¬ 
denum  wird  dasselbe  vorübergehend  komprimiert,  die  zur  Ab¬ 
schliessung  der  Bauchhöhle  hervorgerufenen  Adhäsionen 
können  eine  dauernde  Stenose  setzen,  so  dass  man  ge¬ 
zwungen  sein  kann,  unter  weit  schwierigeren  Verhältnissen 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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sekundär  eine  Anastomose  anzulegen.  Andererseits  ist  zu 
gewärtigen,  dass  durch  die  breite  Freilegung  eines  so  grossen 
Magenteiles  und  die  sekundäre  Verwachsung  die  Peristaltik 
ungünstig  beeinflusst  werden  kann.  Legt  man  aber  die 
Gastroenterostomie  weit  nach  links  an,  so  kommt  dieser  Teil 
des  Magens  auch  bei  meiner  Methode  der  Freilegung  noch 
intraperitoneal  zu  liegen,  so  dass  keine  Passagestörung  auf- 
tritt,  was  ich  auch  in  keinem  der  Fälle  auch  nur  vorüber¬ 
gehend  beobachten  konnte.  Schliesslich  wird  infolge  der  Ana¬ 
stomose  das  Karzinom  durch  die  Speisen  weniger  gereizt. 

Wenn  auch  durch  die  Gastroenterostomie  allein  eine 
Lebensverlängerung  erzielt  werden  kann,  so  ist  sie  in  den 
vorgeschrittenen  Fällen  doch  keine  nennenswerte.  Die  von 
Kausch  angegebene  durchschnittliche  Dauer  von  6,4  Monaten 
lässt  sich  nicht  verallgemeinern.  Von  seinen  67  Fällen  lebten 
44  weniger  als  ein  halbes  Jahr.  Es  kommt  eben  ganz  darauf 
an,  wie  weit  die  Grenzen  der  Resektion  gezogen  werden. 
Wenn  v.  Cackovic  bei  einem  Materiale  von  340  Karzi¬ 
nomen  unter  110  Operationen  nur  6  Resektionen  gegenüber 
85  Gastroenterostomien  verzeichnet,  so  ist  es  klar,  dass  bei 
den  letzteren  wegen  der  kleinen  stenosierenden,  aber  aus 
irgend  einem  Grunde  nicht  mehr  resezierten  Karzinome  des 
Pylorus  die  durchschnittliche  Lebensdauer  eine  viel  längere 
sein  kann.  Seit  November  1911  habe  ich  an  der  Klinik' 
Hochenegg  ausser  den  mitgeteilten  Fällen  31  mal  wegen 
Magenkarzinom  operiert,  darunter  waren  5  Probelaparotomien, 

3  Jejunostomien,  9  Gastroenterostomien  und  14  Resektionen. 
Bei  letzteren  habe  ich,  wie  an  anderer  Stelle  ganz  kurz  aus¬ 
geführt  wurde,  seit  der  Einführung  der  Lokalanästhesie,  auch 
nicht  mehr  radikal  operable  Fälle  der  palliativen  Re¬ 
sektion  unterworfen.  Dadurch  wird  es  auch  erklärlich,  dass 
ich  unter  den  9  Gastroenterostomien  eine  viel  kürzere  Lebens¬ 
dauer  zu  verzeichnen  habe  (2—4  Monate),  da  die  Fälle  eben 
schon  zu  weit  vorgeschritten  waren.  Aus  diesem  Grunde 
kennen  wir  im  L,  3.  und  4.  Falle  von  einer  bis  heute  an¬ 
haltenden  wesentlichen  Lebensverlängerung  (6—18  Monaten) 
sprechen,  die  durch  die  Gastroenterostomie  allein  sicher  nicht 
erklärt  werden  kann. 

Die  histologische  Untersuchung  ergab  in 
2  Fällen  Adenokarzinom  in  den  exstirpierten  Drüsen, 
wodurch  die  klinische  Diagnose  einwandfrei  gesichert  er¬ 
scheint.  Im  ersten  Falle  wurde  gelegentlich  der  Demon¬ 
stration  die  Richtigkeit  der  klinischen  und  Operationsdiagnose 
bezweifelt,  weil  eine  Probeexzision  aus  dem  Tumor  nicht 
ausgeführt  worden  war.  Der  w  e  i  t  e  r  e  Verlauf  mit  dem 
Auftreten  von  Lebermetastasen  nach  1/4  Jahren  hat  doch  die 
Richtigkeit  derselben  bewiesen.  Im  3.  Falle  war  bei  der  histo¬ 
logischen  Untersuchung  der  exstirpierten  Drüsen,  die  makro¬ 
skopisch  als  karzinomatös  anzusprechen  waren,  nur  chroni- 
nische  Entzündung  gefunden  worden.  Die  klinischen  Befunde 
und  vor  allem  das  Aussehen  des  Tumors  lassen  aber  keinen 
Zweifel  obwalten,  dass  es  sich  auch  hier  um  ein  Karzinom 
gehandelt  hat.  Wir  müssen  darin  einen  neuen  Beweis  dafür 
erblicken,  dass  Drüseninfiltration  bis  zur  Kardia 
hinauf  keine  Kontrain  dika't  io  n  gegen  die  Re¬ 
sektion  abgeben  soll,  wie  es  heute  noch  von  vielen 
Chirurgen  gehalten  wird. 

Wer  die  Diagnose  Karzinom  in  diesen  Fällen  trotzdem 
bezweifelt,  der  muss  dann  ein  grosses  kallöses  Ulcus 
annehmen.  Bei  der  extrapylorischen  Lage  wird  eine  Heilung 
desselben  durch  die  einfache  Gastroenterostomie  geleugnet 
und  deshalb  die  Resektion  desselben  verlangt,  die  bei  be¬ 
stehenden  Verwachsungen  sehr  schwierig  und  gefährlich 
werden  kann.  Hier  könnte  dann  die  Vorlagerung 
des  kallösen  Ulcus  die  Resektion  vollkommen 
ersetzen.  Nach  den  Erfahrungen  der  Klinik  Hochenegg 
können  wir  der  Gastroenterostomie  durchaus  nicht  jeden 
Wert  beim  kallösen  Ulcus  absprechen,  so  dass  ich  heute 
wenigstens  noch  nicht  für  die  prinzipielle  Vorlagerung  eines 
sicher  kallösen  Ulcus,  das  nicht  reseziert  werden  kann,  ein- 
treten  möchte.  Besteht  aber  auch  nur  der  geringste  kli¬ 
nische  Verdacht  auf  maligne  Degeneration  des 
kallösen  Ulcus,  dann  tritt  meiner  Ansicht  nach  für  den  Fall, 
als  die  Resektion  technisch  nicht  ausführbar  ist,  die  Frei¬ 
legung  des  Ulcus  unbedingt  in  ihre  Rechte.  Freilich  können 


Erfolge  in  solchen  Fällen  nicht  als  Beweis  für  die  Wirkung  der 
Röntgenstrahlen  auf  das  Karzinom  betrachtet  werden. 

Eine  Probeexzision  aus  dem  Tumor  zur 
Sicherung  der  Diagnose  soll  unter  allen  Um¬ 
ständen  vermieden  werden.  Handelt  es  sich  um 
ein  makroskopisch  bereits  in  Form  von  charakteristischen 
kleinen  Knoten  bis  unter  die  Serosa  vordringendes  Karzinom, 
dann  könnte  allerdings  auch  die  oberflächlichste  Exzision  zu 
einem  positiven  Ergebnisse  führen;  hier  aber  wird  sie  durch 
das  charakteristische  Aussehen  des  Tumors  unnötig.  Liegt 
hingegen  ein  karzinomatös  gewordenes  kallöses  Ulcus  vor, 
so  muss  die  Probeexzision  in  die  Tiefe  gehen  und  auch  da 
hängt  es  vom  Zufall  ab,  ob  man  gerade  die  maligen  degene¬ 
rierten  Stellen  trifft  oder  nicht. 

Mit  der  Verletzung  der  Serosa,  ganz  besonders  aber  den 
erkrankten  Muskelschicht  ist  die  Gefahr  einer  Magen-1 
fistelbild  ung  gegeben,  wodurch  dem  Kranken  direkt 
geschadet  werden  kann.  Deshalb  glaube  ich,  dass  esj 
durchaus  nicht  den  Gesetzen  der  wahren  Humanität  ent¬ 
spricht,  wenn  man  nur  deshalb,  um  den  Fall  wissenschaftlich 
wo  möglich  einwandfrei  zu  gestalten,  durch  eine  Probeexzision 
den  Patienten,  der  doch  vor  allem  geheilt  werden  will,  der 
Gefahr  einer  Magenfistel  aussetzt. 

Während  von  Czerny  in  der  letzten  Zeit  in  3  Fällen1 
die  Bildung  einer  M  a  g  e  n  f  i  s  t  e  1  nach  der-  Vorlagerung  be-j 
obachtet  wurde  und  auch  an  der  v.  Eiseisberg  scheu 
Klinik  nach  R  a  n  z  i  unter  4  Vorlagerungen  das  unangenehme 
Ereignis  einmal  aufgetreten  war,  habe  ich  eine  Magen-j 
fistel  bisher  nie  beobachtet.  Ich  glaube,  dass  hie- 
ftir  2  Umstände  entscheidend  sind:  1.  dass  jegliche  Verletzung 
des  den  Tumor  bedeckenden  Peritoneum  durch  tiefgreifende) 
Fixationsnähte  oder  gar  durch  eine  Probeexzision  vermieden 
wird,  2.  dass  die  Bestrahlung  anfangs  sehr  vorsichtig  mit 
kleineren  Dosen  (1/4  H  pro  Sitzung)  durchgeführt  wird,  als 
sie  an  der  Czerny  sehen  Klinik  üblich  sind,  wo  nach 
Werner  und  Caan  bis  zu  8  H  pro  Sitzung  appliziert 
werden.  Dadurch  kann  es  allerdings  gelegentlich  zur  nekro-i 
tisierenden  Wirkung  statt  zu  einer  einfachen  Rückbildung  der 
Krebszellen  allein  mit  Bildung  eines  skirrhösen  Bindegewebes 
kommen.  Inwieweit  dabei  die  Natur  des  Karzinoms  (medul¬ 
läres  Adenokarzinom  oder  Skirrhus)  eine  Rolle  spielt,  da; 
müssen  weitere  Beobachtungen  entscheiden.  In  meinen  Fälier 
handelte  es  sich  niemals  um  einen  Skirrhus,  sondern  un- 
weiche  Tumoren  (histologisch:  Adenokarzinom). 

Die  bisherigen  Erfolge  der  Freilegung  des  Karzinoms  zur 
Röntgenbehandlung  berechtigen  nur  dazu,  dieselbe  als  eine 
leistungsfähige  Palliativbehandlung  zu  be¬ 
zeichnen.  Denn  die  Beobachtungszeit  ist  eine  viel  zu  kurze 
um  von  einer  Heilung  zu  sprechen.  Nach  Czerny  befand 
sich  ein  Fall  1/4  Jahr  nach  der  Vorlagerung  noch  vollkommer 
wohl.  In  meinem  ersten  Falle  sind  ebenfalls  1/4  Jahre  ver¬ 
strichen;  da  hier  die  Bestrahlung  zu  wenig  intensiv  war  (in 
ganzen  nur  12  H),  der  Patient  sich  nur  selten  ambulatoriscl 
zur  Bestrahlung  an  der  Klinik  einfand,  so  kam  es  nach  einem 
Wohlbefinden  durch  5U  Jahre  zum  Auftreten  von  Lebermeta 
stasen  bei  relativ  noch  leidlichem  Befinden.  In  2  weiterer 
Fällen  sind  erst  6  Monate  verstrichen;  das  Befinden  ist  eil 
ausgezeichnetes.  Wir  haben  deshalb  bis  auf  wei¬ 
teres  die  Verpflichtung,  die  Resektion  de; 
Karzinoms  unbedingt  auszuführen,  wenn  sie 
technisch  überhaupt  noch  möglich  ist. 

Sollte  durch  einen  mehr  als  5  Jahre  andauernden  Erfolg 
mittels  Freilegung  und  Röntgenbestrahlung  bei  Magenkarzinorr 
der  Beweis  für  die  Leistungsfähigkeit  dieser  Methode  einmal 
erbracht  werden  können,  dann  könnte  an  manchen  Stationei 
immerhin  noch  eine  hohe  Mortalität  aufweisende  Pylorus- 
resektion  durch  die  einfachere  Gastroenterostomie  mit  Frei¬ 
legung  des  Tumors  zur  Röntgenbestrahlung  eingeschränk1 
werden.  Das  gilt  ganz  besonders  für  jene  Stationen,  wo  eine 
Pylorusresektion  wegen  mangelnder  Assistenz  oder  aus  einen 
anderen  Grunde  auch  heute  noch  nicht  als  ein  gefährlicher  Ein¬ 
griff  betrachtet,  und  deshalb  bei  eröffneter  Bauchhöhle  durcl 
die  einfache  Gastroenterostomie  ersetzt  wird.  In  dieser 
Fällen  kann  die  Freilegung  zur  Röntgenbestrahlung  nach  der 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


850 


April  1913. 

cliriebenen  Methode  sicher  sehr  viel  leisten,  und  ist  deshalb 
nicht  ausgeführter  Resektion  unbedingt  zu  empfehlen. 

Es  ist  naheliegend,  auch  auf  andere  Karzinome  diese  ener- 
:he  Methode  der  Freilegung  zu  übertragen.  Ganz  beson- 
$  eignen  werden  sich  hierzu  die  inoperablen  Karzinome  des 
kdarms  überhaupt,  besonders  aber  des  Zoekums,  wo  selbst 
Auftreten  einer  Darmfistel  an  der  Stelle  des  Tumors  nicht 
Bedeutung  hat,  wie  eine  Magenfistel,  da  sie  einerseits  einer 
einer  anderen  Ursache  angelegten  Kolostomie  gleichwertig 
d,  andererseits  dieselbe  durch  die  totale  Darmausschaltung 
li  Höchen  egg  ganz  bedeutungslos  werden  kann.  Bis¬ 
haben  wir  an  der  Klinik  keine  geeigneten  Fälle  zur  Be- 
dlung  bekommen  ,da  resezierbare  Tumoren  vorläufig  noch 
ier  exstirpiert  wurden.  Wir  werden  aber  die  Freilegung 
jedem  inoperablen  Dickdarmkarzinom  versuchen.  Das 
tche  gilt  auch  den  inoperablen  Rektumkarzinomen. 

Da  wir  nun  bei  der  Resektion  niemals  mit  Bestimmt¬ 
behaupten  können,  alle,  auch  die  kleinsten  erkrankten 
sen  entfernt  zu  haben,  so  erhebt  sich  die  Frage,  ob  wir 
'ukunft  nicht  die  Zahl  der  Rezidiven  durch  eine  nacli- 
gende  energische  Röntgenbestrahlung 
ibsetzen  können.  Aus  der  sehr  interessanten  Arbeit  von 
choff,  Krönig  und  Gauss  geht  hervor,  dass  eine 
kbildung  des  Magenkarzinoms  schon  ohne  Vorlagerung 
:h  energische  Bestrahlung  durch  die  Bauchdecken  zu  er- 
•n  ist.  Daher  können  wir  auch  von  der  Tiefenbestrahlung 
i  erfolgter  Resektion  eine  Zerstörung  etwa  noch  zurück- 
iebener  Karzinomreste  in  den  Drüsen  erwarten.  Sicherer 
1  man  allerdings  nach  den  mitgeteilten  Erfahrungen  mit 
Freilegung  gehen.  Da  aber  Magen-  und  Darmnähte  be¬ 
glich  nur  innerhalb  des  Peritonealkavums  glatt  verheilen, 
Grd  man  besonders  in  den  Fällen,  wo  es  sich  nach  der 
iehnung  eher  um  eine  palliative  als  eine  radikale  Resektion 
Magens  handeln  dürfte,  am  besten  in  der  Weise  Vorgehen, 
man  nach  erfolgter  Resektion  zuerst  das  Abdomen 
Ikommen  s  c  h  1  i  e  s  s  t  und  erst  nach  erfolgter 
Tu  n  g  der  Magennaht  den  ganzen  Lymph- 
irk  um  das  Pankreas  bis  zur  Leberpforte 
1  längs  der  grossen  Gefässe  durch  den  hier 
iirworteten  K  r  e  u  z  s  c  h  n  i  1 1  breit  zur  R  ö  n  t  - 
ibestrahlung  freilegt. 

Daneben  kann  auch  die  von  Czerny  besonders  befür- 
tete  Chemotherapie  erprobt  und  gleichzeitig  an¬ 
endet  werden.  Wenn  auch  durch  eine  derartige  Kombi¬ 
in  wirksamer  Faktoren  die  Entscheidung  der  Frage, 
.hem  der  Hauptwert  zukomme,  erschwert  wird,  so  kann 
i  für  den  einzelnen  Kranken  damit  am  meisten  geleistet 
Jen. 

Ich  möchte  meine  Erfahrungen  über  die  Behandlung  des 
enkarzinoms  kurz  zusammenfassen: 

1.  Die  Resektion  des  Karzinoms  ist  überall 
zuführen,  wo  sie  technisch  überhaupt 
h  möglich  ist.  Bei  Anwendung  der  Lokal- 
sthesie  statt  der  Allgemeinnarkose  . können  die  all- 
Tnen  Kontraindikationen  (schlechter  Ernährungszustand, 

-  und  Lungenerkrankungen)  fast  ganz  wegfallen. 

2-  Nach  der  Resektion  weit  vorgeschrittener  Karzinome 
on  der  einfachen  Tiefenbestrahlung  oder  besser 
der  sekundären  Freilegung  des  Operations- 
üns  zur  Röntgenbestrahlung  behufs  Zerstörung  von  Krebs¬ 
en  in  den  zurückgebliebenen  kleinen  Drüsen  eine  Ver¬ 
dung  der  Zahl  der  Rezidiven  und  Lebermetastasen  zu 
trten. 

T  Bei  den  inoperablen  Karzinomen  sollte 
einfache  Probelaparotomie  durch  die 
ilegung  des  erkrankten  Magens  und 
•ier  Umgebung  durch  die  beschriebene 
thode  ersetzt  werden.  Dabei  soll  in  jedem 
1  e,  wenn  möglich,  eine  Gastroenterostomie 
gegen  den  Fundus  zu,  wenn  diese  nicht  mehr  ausführbar 
eine  Jejunostomie  zur  Ausschaltung  des  vorge- 
ten  Magens  angelegt  werden.  Mit  meiner  M  e  - 
de  der  Freilegung  können  auch  fixierte 
Gnome  der  hinteren  Magenwand  noch 
algreich  behandelt  werden. 


4.  Zm  Verhütung  von  Magen  fisteln  muss  jede  Ver¬ 
letzung  der  Serosa  des  Magens  durch  Nähte  oder  Probe¬ 
exzision  vermieden  werden,  andererseits  die  Bestrahlung  an¬ 
fangs  nur  mit  mittleren  Dosen  (1 — 2  H)  ausgeführt  werden. 

5.  Die  Röntgenbehandlung  soll  durch  lange  Zeit  fortgesetzt 
werden,  kann  später  durch  die  Chemotherapie  wirksam  unter¬ 
stützt  werden. 

Literatur. 

,  G  h°U,  Ki  einig  und  Q  a  u  s  s:  Zur  Frage  der  Beeinfluss- 
barkeit  tiefliegender  Krebse  durch  strahlende  Energie.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1913,  No.  7  u.  8.  — •  2.  C.  Beck:  Ueber  Kombinations¬ 
behandlung  bei  bösartigen  Neubildungen.  Berliner  klin.  Wochenschr. 

No.  42,  S.  1335.  —  3.  v.  C  a  c  k  o  v  i  c:  Die  chirurgische  Therapie 
des  Magenkarzinoms.  Lijecnicki  vijestnik  1911.  No.  5,  6  Ref 
Zentralbl.  f.  Chirurgie  1912,  No.  1,  S.  27.  —  4.  C  z  e  r  n  y :  Die  Therapie 
des  Krebses.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1911,  No.  44,  S.  2021  — 
5.  Derselbe:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  3,  S.  168  und 
No.  41,  S.  2209.  —  6.  Finsterer:  Lokalanästhesie  bei  Magen¬ 
operationen  (Gastroenterostomien,  Resektionen).  Beiträge  z  klin 
Chirurgie  1912,  Bd.81,  S.  266.  —  7.  D  e  r  s  e  1  b  e:  Wiener  klin  Wochen¬ 
schrift  1912,  No.  23,  S.  897  und  1913,  No.  9,  S.  351.  —  8.  Haudek- 
Wiener  klinische  Wochenschrift  1913,  No.  9,  S.  353.  —  9.  Kausch" 
Handbuch  der  praktischen  Chirurgie,  111.  Bd,  S.  310.  —  10.  Lex  er' 
Münchener  medizinische  Wochenschrift  1911,  No.  51.  S.  2770  — 
11.  Ranzi:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  23,  S.  898  und  1913, 
No.  9,  S.  353.  12.  W  ei  ner  und  Caan:  Ueber  die  Vorlagerung 

intiaabdomineller  Organe  zur  Röntgenbestrahlung.  Münch  med 
Wochenschr.  1911,  No.  11,  S.  553. 


Aus  dem  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung  der  Uni¬ 
versität  Heidelberg  (Direktor:  Wirkl.  Geh.  Rat  Prof.  Czerny). 

Ueber  Erzeugung  von  Komplementbindungsreaktionen 
durch  Zusatz  von  chemischen  Substanzen  zum  normalen 

Serum. 

Von  Dr.  Erich  Rominger,  Assistenzarzt  an  der  med. 

Poliklinik. 

Auf  Anregung  von  Herrn  Prof.  v.  D  ungern  versuchte 
ich  durch  Zusätze  von  bestimmten  chemischen  Körpern  zu 
einem  normalen  Serum  dasselbe  so  zu  verändern,  dass  es  mit 
einem  Extrakt  die  betr.  Komplementbindungsreaktion  gäbe, 
mit  anderen  Worten,  die  Komplementablenkungsreaktionen  zu 
imitieren.  Dies  gelang  mir  mit  verschiedenen  chemischen 
Körpern.  Untersucht  wurden  von  mir:  Stearinsäure,  Palmitin¬ 
säure,  Oelsäure,  Ameisensäure,  Essigsäure,  Propionsäure, 
Buttersäure,  Valeriansäure,  Kapronsäure,  Oxalsäure,  Aepfel- 
säure,  Weinsäure,  Milchsäure,  Salzsäure,  Borsäure,  Glykokoll, 
Alanin,  Leuzin,  Myristinsäure,  chondroitinschwefelsaures 
Kalium,  Ammoniumchlorid,  Paraldehyd,  Formalin,  Aethyl- 
alkohol,  Methylalkohol,  Amylalkohol,  Heptylalkohol,  Chole- 
stearin,  Glykose,  Fruktose,  Galaktose,  Saccharose,  Laktose, 
Maltose,  Dextrin,  Gummiarabikum,  Glykogen,  Inulin  und 
Amylum. 

Als  Extrakte  benützte  ich  wie  bei  der  Wasserma  n  n  - 
sehen  Reaktion  Meerschweinchenherzextrakt,  wie  bei  der 
Tumorreaktion  nach  v.  Düngern  Paralyse-Blutextrakt  und 
zur  Tuberkulosereaktion  ein  Gemenge  von  Tuberkulin  und  von 
Extrakt  aus  tuberkulösem  Gewebe  nach  Hammer. 

Die  Herstellung  der  Extrakte  ist  folgende: 

Paralyseblutextrakt.  Paralyseblut  wird  3—4  mal  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  gewaschen,  dann  das  letzte  Waschwässer 
mit  der  Kapillare  sorgfältig  abgehoben.  Der  zurückbleibende  Blut¬ 
körperchenbrei  wird  mit  Azeton  (Merck)  im  Verhältnis  1 : 20  ver¬ 
setzt;  nach  etwa  8  tägigem  Stehen  bei  Zimmertemperatur  und  öfterem 
Umschütteln  filtriert  und  das  Filtrat  bei  37°  im  Brutschrank  bis  zur 
eben  eingetretenen  Trockne  verdunstet.  Der  Trockenrückstand  wird 
im  Verhältnis  1 :  100  in  Methylalkohol  gelöst.  Diese  Stammlösung 
wird  dann  im  Verhältnis  1 :  10  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
versetzt,  hierauf  auf  Eigenhemmung  geprüft  und  nach  Vergleich  mit 
bekannten  Sera  und  Extrakten  die  wirksamste  Dosis  zur  Reaktion 
bestimmt. 

Tuberkuloseextrakt.  Tuberkulöses  Gewebe  wird  mechanisch 
aufs  feinste  zerkleinert  und  mit  Azeton  1:20  extrahiert  und  voll¬ 
kommen  analog  der  Herstellung  des  Paralyseblutextraktes  weiter 
verfahren.  Nfch  Versetzen  der  Stammlösung  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  im  Verhältnis  1:10  wird  auf  9  Teile  dieser  Emulsion 
1  Teil  Alttuberkulin  (Koch)  zugefügt.  Hierauf  Prüfung  auf  Eigen¬ 
hemmung  und  Ausprobieren  der  günstigsten  Reaktionsdosis. 

Meerschweinchenherzextrakt.  Meerschweinchenherz  wird  me¬ 
chanisch  aufs  feinste  zerkleinert  und  mit  Azeton  1 : 20  extrahiert  und 

2* 


866 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No. 


vollkommen  analog  der  Herstellung  des  Paralyseblutextraktes  weiter 

verfahren. 

Jede  Substanz  wurde  zunächst  in  bestimmter  Verdünnung 
ich  ging  von  der  1  prorn.  Lösung  aus  —  auf  ihre  event. 
Eigenhemmung  der  Hämolyse  untersucht.  War  diese  be¬ 
stimmt,  so  nahm  ich  zum  Versuch  eine  sicher  eigenhemmungs- 
freie  Verdünnung.  Zur  Anstellung  der  Reaktionen  mit  den 
erwähnten  3  Extrakten  wurde  eine  bestimmte  Serummenge 
—  ich  nahm  Vio  —  mit  abgestuften  Mengen  der  Substanz¬ 
verdünnung  zusammengebracht,  lA  Stunde  bei  56°  im  Wasser¬ 
bad  gehalten,  also  inaktiviert  und  hierauf  mit  1  ccm  Kom¬ 
plementverdünnung  (Meerschweinchenserum  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  im  Verhältnis  1  : 20)  versetzt.  In 
jedes  Röhrchen  kam  dann  die  gleiche,  als  optimal  bekannte 
Menge  des  betreffenden  Extraktes  als  Antigen  und  hierauf 
nach  1  Stunde  bei  37  0  im  Brutschrank  je  1  ccm  5  proz.  Auf¬ 
schwemmung  von  doppelt  sensibilisiertem  Rinderblut.  Zu 
diesem  Versuch  waren  nun  eine  Reihe  von  Kontrollen  nötig. 

Zunächst  musste  erwiesen  werden,  dass  die  Substanz 
allein  in  der  zum  Versuch  verwendeten  Verdünnung  die  Hämo¬ 
lyse  nicht  hemmte.  Dies  geschah  durch  den  oben  erwähnten 
Vorversuch. 

Zweitens  musste  festgestellt  werden,  ob  das  mit  der  Sub¬ 
stanzverdünnung  versetzte  Serum  ohne  Extrakt  (Antigen) 
etwa  hemmte  und  es  wurden  hierzu  einmal  die  einfache,  dann 
die  doppelte  Menge  von  Serum  —  in  meinem  Versuch  Vio  und 
" / 1 o  —  und  Substanz  ohne  Antigen  mit  dem  hämolytischen 
System  angesetzt. 

Drittens  musste  die  Substanzverdünnung  ohne  Serum  mit 
dem  betreffenden  Extrakt  und  dem  hämolytischen  System  zu¬ 
sammengebracht  werden,  um  zu  zeigen,  ob  etwa  Substanz 
+  Extrakt  die  Hämolyse  beeinträchtigten. 

Zuletzt  wurde  dann  das  Serum  ohne  Substanzzusatz  mit 
dem  Extrakt  und  dem  hämolytischen  System  —  also  die  ge¬ 
wöhnliche  Wassermann  sehe-,  Tumor-  bezw.  Tuber¬ 
kulosereaktion  —  angesetzt,  um  sicher  zu  sein,  dass  das  ver¬ 
wendete  normale  Serum  negativ  reagierte. 

Bei  diesen  Versuchen  fand  ich,  dass  mit  Kohlehydraten 
versetzte  normale  Sera  eine  deutliche  positive  und  einwand¬ 
freie  Reaktion  mit  Blutextrakt,  nicht  aber  mit  Meerschwein¬ 
chenherzextrakt  und  Tuberkuloseextrakt  gaben.  Durch  Zu-' 
Sätze  von  gewissen  Säuren  entstanden  dagegen  positive 
Wassermann  sehe  und  Tuberkulosereaktionen,  während 
Komplementbindung  mit  Blutextrakt  nicht  zu  konstatieren  war. 
Von  den  Kohlehydraten  reagierten  Glukose,  Fruktose,  Galak¬ 
tose,  Saccharose,  Laktose,  Maltose,  Dextrin,  Gummiarabikum, 
Glykogen,  Inulin  und  Amylum  mit  Paralyseblutextrakt  positiv. 

Von  den  Säuren  liessen  sich  mit  den  Fettsäuren  Ameisen¬ 
säure,  Palmitinsäure  und  Stearinsäure  positive  Reaktionen  mit 
Meerschweinchenherzextrakt  erzeugen.  Mit  Tuberkulose¬ 
extrakt  reagierten  die  Fettsäuren,  Essigsäure  und  Propion¬ 
säure  positiv,  ausserdem  die  Borsäure.  Die  Aepfelsäure  gab 
positive  Wassermann  sehe  und  Tuberkulosereaktion. 

Wie  bereits  mitgeteilt  wurde  (v.  Düngern:  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  52,  1912)  wird  die  Komplementbin¬ 
dungsreaktion  mit  Paralyseblutextrakt  spezifischer  für  Tu¬ 
moren  nach  Zusatz  einer  geeigneten  Menge  Natronlauge  zum 
Serum  und  Erwärmen  desselben  K  Stunde  auf  54  °.  Ich  fügte 
Jäher  bei  meinen  imitierten  Sera  ebenfalls  Lauge  zu  und  er¬ 
hitzte  das  Gemisch  von  Serum,  Substanz  und  Lauge  und  er¬ 
hielt  positiven  Ausfall  der  Reaktion  in  gleichem  Grade  wie 
bei  der  Kontrollreihe  ohne  Lauge.  Während  nun  bei  dem 
I  umorserum  die  Reaktion  auch  ohne  Erwärmen  des  Serums 
gut  positiv  ist,  bekam  ich  mit  dem  imitierten  Serum  hei 
Laugenzusatz  ohne  Erwärmen  viel  schwächer  positiven  Aus¬ 
fall.  Dasselbe  Resultat  erhielt  ich  bei  nachträglichem  Zusatz 
von  Lauge  zu  dem  mit  Substanz  zusammen  erwärmten  Nor¬ 
malserum. 

ln  dem  folgenden  Schema  führe  ich  zur  besseren  Ueber- 
sichtlichkeit  die  genauen  Daten  meiner  Versuchsanordnung  für 
die  Reaktion  mit  Paralyseblutextrakt  an.  Neben  dem  Versuch 
sind  sämtliche  Kontrollen  aufgeführt.  Die  in  dem  mitgeteilten 
Versuch  verwendete  Substanz  ist  Maltose.  Das  +  Zeichen 
bedeutet  Hemmung,  das  —  Zeichen  Lösung  bei  der  Hämolyse. 

Wenn  es  also  gelingt  durch  Zusätze  bestimmter  chemi¬ 
scher  Körper  Sera  so  zu  verändern,  dass  sie  in  spezifischer 


1 

9 

3 

4 

5 

6  1 

7 

s 

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Normales  Serum  .  .  .  . 

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1  Stunde  bei  37°  gehalten  ; 

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Derselbe  Versuch  ohne 

Vast.  Erwärmen  bei  54° 

+ 

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Normales  Serum  .... 

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Derselbe  Versuch  ohne 

92  st.  Erwärmen  bei  54" 

4- 

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Normales  Serum  .... 

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1  Stunde  bei  37 0  gehalten 

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Derselbe  Versuch  ohne 

9a  st.  Erwärmen  bei  54° 

— 

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Substanzverdünnung  .  . 

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Blutextrakt  ....  . 

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1  Stunde  bei  37  0  gehalten 

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Blutkörperchen  -f-  Ambo- 

zeptor  . 

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Derselbe  Versuch  ohne 

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Vast.  Erwärmen  bei  54° 

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Substanzverdünnunir  .  . 

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Kompleraentverdünnung  . 
1  Stunde  bei  37°  gehalten 
Blutkörperchen  -f-  Ambo- 

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— 

Weise  mit  bestimmten  Extrakten  vermehrte  Komplemt:- 
bindungsreaktion  geben,  so  beweist  dies,  dass  die  Ko 
plementbindungsreaktionen  bei  den  Kra߬ 
heiten  Syphilis,  Karzinom  und  Tuberkulös 
nicht  auf  einer  Antikörperbildung  zu  b- 
ruhen  brauchen,  sondern  vielleicht  sein 
dadurch  bedingt  werden,  dass  abnorme  Su- 
stanzen  aus  dem  krankhaft  veränderten  < i • 
webe  in  das  Blut  gelangen. 


Aus  der  Königl.  Universitäts-Frauenklinik  München 
(Direktor:  Geheimrat  Dr.  D  ö  d  e  r  1  e  i  n). 

Die  Behandlung  der  Vorderhauptslagen*). 

Von  Oberarzt  Dr.  L  e  h  1  e,  kommandiert  zur  Klinik. 

Die  Vorderhauptslage  ist  eine  relativ  seltene  Lage.  ÜD 
30  914  in  der  Zeit  von  1884 — 1908,  also  in  25  Jahren  in  1 
Münchener  Frauenklinik  stattgehabten  Geburten  fanden  4 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Münchener  gynäkologischen  Oe 
schart  am  12.  XII.  1912. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


j  April 


1913. 


320  mal  (=  1,04  Proz.)  Vorderhauptslagen  *).  Unter  den 
Müttern  waren  149  Primiparae,  171  Pluriparae;  erstere 
liehen  sich  also  zu  letzteren  wie  100  :  120.  Unter  den 
Mehrgebärenden  befanden  sich:  131  Mehrgebärende  im 
;ren  Sinne  (II.— IV.-p.)  und  40  Vielgebärende.  Die  Mehr- 
irenden  waren  also,  und  darin  stimmen  auch  die  anderen 
>ren  überein,  nur  im  geringen  Uebergewicht  über  die  Erst- 
irenden.  Weichteilschwierigkeiten  können  demnach  nicht 
eigentliche  Ursache  der  Vorderhauptslage  sein,  sonst 
en  wohl  die  Erstgebärenden  in  der  Mehrzahl  vertreten. 
Was  sonst  die  ätiologischen  Momente  für  das  Zustandc- 
men  der  Vorderhauptslagen  betrifft,  so  liegen  die  Ver¬ 
russe  an  der  Hand  unseres  Materials  folgendermassen: 
i  typischer  Fall  von  abnormer  Beckenweite  bei  normalem 
if,  was  häufig  als  Ursache  angegeben  ist,  ist  nicht  ver- 
kt.  Auch  für  die  Beckenverengerungen  finden  sich  ausser 
m  Fall  von  ausgesprochenem  Trichterbecken  keine  An- 
jn.  In  zwei  Fällen  ist  eine  abnorm  starke  Entwicklung 
Vorspringen  der  Spinae  ischii  und  stark  vorspringende 
■  era  ischii  mit  der  Entstehung  der  Vorderhauptslage  in 
immenhang  gebracht  worden.  Bei  der  Prüfung  der  ätio- 
>chen  Faktoren,  die  von  den  bei  der  Geburt  beteiligten 
terlichen  Weichteilen  ausgehen  können,  hat  Nagel  fest- 
ellt,  dass  die  Erstgebärenden  über  30  Jahre  mit  47,65  Proz. 
reten  waren.  Auch  hieraus  ist  wieder  ersichtlich,  dass  die 
chteile  der  Mutter  es  nicht  sind,  die  die  Vorderhauptslage 
instigen.  Die  vielfach  beschuldigten  Lageanomalien  des 
us  sind  ebenfalls  berücksichtigt  worden:  ausser  4  Fällen 
Hängebauch,  wovon  einer  den  Fall  mit  dem  Trichter¬ 
ten  betrifft,  finden  sich  keine  Notizen.  Schlaffheit  des 
cenbodens  und  alte,  nicht  genähte  Dammrisse  sind  in 
illen  angeführt. 

Die  Hauptrolle  bei  der  Entstehung  der  Vorderhauptslage 
int  weniger  die  Mutter,  als  vielmehr  das  Kind  selbst  zu 
len.  Früchte  mit  kleinem  und  mittlerem  Gewicht  sind  in 
überwiegenden  Mehrzahl,  in  84,3  Proz.  vermerkt,  während 
se  Kinder  —  über  3500  g  —  mit  normal  grossem  oder 
•grossem  Kopf  ziemlich  selten  sind,  sie  sind  nur  in 
Proz.  vertreten.  Wenn  kleine  Köpfe  mit  vorzugsweise 
ier  Kopfform  in  Vorderhauptslage  sich  einstellen,  so  ist 
ohne  weiteres  verständlich,  sie  können  schliesslich  in 
r  Lage  den  Geburtskanal  passieren;  für  die  grossen 
idel  wird  man  die  Erklärung  in  einem  abnorm  grossen 
erstand  suchen  müssen. 

Schliesslich  sollen  auch  noch  die  Fruchtanhänge  die  Ent- 
ung  der  Vorderhauptslage  begünstigen.  Besondere  An- 
;punkte  in  dieser  Beziehung  konnten  nicht  festgestellt 

den. 

Was  die  Prognose  der  Vorderhauptslagen  angeht,  so  er- 
>  sie  sich  als  eine  relativ  günstige.  In  77  Proz.  der  Fälle 
igte  die  spontane  Ausstossung  der  Frucht,  die  übrigen 
Proz.  bedurften  eines  operativen  Eingriffes.  65  mal 
Proz.)  wurde  die  Zange,  4  mal  (1,2  Proz.)  die  Wendung 
Extraktion,  5  mal  (1,6  Proz.)  nach  Wendung  die  Per¬ 
bon  des  nachfolgenden  Kopfes  angewandt. 

Was  die  Schädigungen  des  Kindes  durch  die  Geburt  in 
ierhauptslage  im  allgemeinen  anlangt,  so  steht  die  Asphyxie 
/ordergrund.  Bei  unseren  320  in  Vorderhauptslage  ge- 
ncn  Kindern  waren  57  mehr  oder  weniger  hochgradig 
o/ktisch.  In  einem  Falle  waren  die  angestellten  Wieder- 
bungsversuche  erfolglos.  An  Todesfällen  der  in  Vorder- 
'tslage  geborenen  Früchte  sind  55  vermerkt,  d.  i.  17,1  Proz.: 
urden  tot  geboren,  23  starben  nach  der  Geburt.  Von  den 
tot  geborenen  Kindern  sind  9  mazeriert  zur  Welt  ge- 
men;  in  einem  Falle  wurde  der  Tod  der  Frucht  mit  der 
inpsie  der  Mutter  in  Zusammenhang  gebracht.  Die  Ur- 
e  des  Absterbens  der  übrigen  22  Kinder  muss  der  anor- 
n  Lage  und  der  damit  verbundenen  Geburtsschwierigkeit 
Last  gelegt  werden.  Bei  den  23  nach  der  Geburt  Ge- 
’enen  handelte  es  sich  bei  15  um  nicht  ausgetragene, 
nsschwache  Kinder,  bei  8  muss  der  Tod  als  die  Folge  des 
urtstraumas  angesehen  werden. 

8o  sind  es  30  Todesfälle  (=  9,4  Proz.),  für  welche  direkt 
indirekt  der  Verlauf  der  Geburt  in  Vorderhauptslage 

')  Nagel:  Inaug.-Diss.  München  1910. 


861 


anzuschuldigen  ist.  Wenn  diese  Zahl  auch  auf  den  ersten 
Blick  hoch  erscheint,  so  ist  hiezu  zu  bemerken,  dass  eben  in 
ihr  nicht  nur  die  in  der  Geburt  abgestorbenen  Kinder  zu  ver¬ 
stehen  sind.  Es  sind  vielmehr  auch  diejenigen  Todesfälle  eiii- 
gerechnet,  die  im  Anschluss  an  das  Geburtstrauma  in  den 
ersten  3- — 4  lagen  nach  der  Geburt  sich  ereignet  haben.  Ich 
denke  hier  vor  allem  an  die  Gehirnblutungen,  auf  die  Ben¬ 
ne  c  k  e,  Seitz  u.  a.  unser  Augenmerk  gelenkt  haben.  Auch 
in  hiesiger  Klinik  wird  in  jedem  einzelnen  Falle  von  unklarer 
Todesursache  im  Anschluss  an  die  Geburt  der  Schädel  in  Ge¬ 
frierschnitte  zerlegt  und  fast  immer  lassen  sich  dann  Blutextra- 
vasate  nachweisen,  sei  es  nun  in  Form  des  Cephalohaematoma 
internum  oder  in  der  erst  in  der  jüngsten  Zeit  richtig  be¬ 
werteten  Form  der  Tentoriumrisse.  Es  sei  hier  darauf  hin¬ 
gewiesen,  in  welch  ausgezeichneter  Weise  die  Methode  der 
Gefrierschnitte  die  Ausdehnung  der  Blutung  und  ihr  Verhältnis 
zu  den  einzelnen  Gehirnpartien  demonstriert. 

Um  nun  auf  die  65  Fälle,  bei  welchen  die  Geburt  mit  der 
Zange  beendigt  wurde,  wieder  zurückzukommen,  so  war  die 
Entwicklung  in  Vorderhauptslage  58  mal,  also  in  überwiegen¬ 
der  Zahl  der  Fälle,  ohne  weiteres  möglich.  In  7  Fällen  jedoch 
gelang  die  Zangenextraktion  nicht.  Diese  auffallende  Tat¬ 
sache,  dass  in  58  Fällen  die  Entwicklung  gelingt  und  in  7  Fällen 
nicht,  fordert  eine  Erklärung.  Kinder  mit  breiten  Vorder¬ 
köpfen  und  Beckenanomalien  sind  wohl  in  erster  Linie  zu  be¬ 
schuldigen.  Man  könnte  sich  z.  B.  sehr  wohl  vorstellen,  dass 
bei  einem  spitzen  Schambogen  die  breite  Stirn  sich  nicht  nach 
vorn  drehen  lässt.  Ein  spitzer  Schambogen  ist  besonders  bei 
infantilen  und  allgemein  verengten  Becken  anzutreffen. 

Bei  der  Unmöglichkeit,  das  Kind  in  Vorderhauptslage  zu 
entwickeln,  kann  für  den  Geburtshelfer  die  Situation  recht 
schwierig  werden,  besonders  wenn  im  Interesse  von  Mutter 
und  Kind  die  Geburt  sofort  beendet  werden  muss.  Für  den¬ 
jenigen,  der  sich  darauf  versteift,  das  Kind  in  Vorderhaupts¬ 
lage  zu  extrahieren,  bleibt  nur  die  Perforation  des  lebenden 
Kindes,  da  es  in  den  in  Rede  stehenden  seltenen  Fällen  eben 
trotz  Anwendung  stärkster  zulässiger  Gewalt  nicht  gelang, 
die  Stirn  unter  die  Symphyse  zu  drehen  und  als  Hypomochlion 
zu  benützen.  Für  diese  Fälle  hat  ja  allerdings  Scanzoni2) 
einen  Ausweg  gezeigt,  die  Rettung  des  Kindes  zu  ermöglichen. 

Aber  das  Verfahren  Scanzoni s,  die  doppelte  Anlegung 
der  Zange  zur  Verbesserung  der  Kopfstellung,  erfreut  sich 
keiner  grossen  Beliebtheit  und  Verbreitung.  Die  Gründe 
liegen  wohl  darin,  dass  einzelne  Autoren  mit  der  Operation 
schlechte  Erfahrungen  gemacht  haben.  Dies  hat  aber  nicht 
seinen  Grund  in  der  Operation  an  sich,  sondern  in  einer  un¬ 
zweckmässigen  Auswahl  der  Fälle.  Wenn  man  die  Operation 
in  jedem  Falle  von  Vorderhauptslage  ausführt,  oder  die  von 
Scanzoni  selbst  verlangten  Vorbedingungen  nicht  streng 
im  Auge  behält,  wird  man  selbstverständlich  Misserfolge  zu 
verzeichnen  haben. 

Scanzoni  setzt  1.  eine  ganz  genaue  Diagnose  der  Kopfstellung 
voraus.  Ist  eine  genaue  Ermittlung  der  Stellung  wegen  einer  starken 
Geburtsgeschwulst  oder  aus  sonst  einem  Grunde  nicht  möglich,  so 
muss  man  auf  jede  Ausführung  einer  Drehung  verzichten.  Es  ist 
klar,  dass  man  bei  einer  Verwechslung  der  Fontanellen  dem  Kopfe 
eine  für  seinen  Durchtritt  durch  das  Becken  noch  ungünstigere 
Stellung  gibt,  als  die  ursprüngliche  war.  Wird  z.  B.  das  links  stehende 
Hinterhaupt  irrtümlicherweise  nach  rechts  stehend  angenommen,  so 
wird  die  mit  der  Zange  ausgeführte  Drehung  nicht  das  Hinterhaupt 
nach  vorne  bewegen,  sondern  die  Stirne  hinter  die  Schambeine 
bringen.  Das  aber  bedeutet  für  die  Extraktion  eine  grössere 
Schwierigkeit  als  sie  vordem  war.  2.  fordert  Scanzoni  Appli¬ 
kationsmöglichkeit  der  Zange  an  beiden  Seiten  des  Kopfes.  Steht  der 
Kopf  noch  hoch,  im  Bereiche  des  Beckeneingangs,  so  wird  diese 
Applikation  der  Zange  nicht  nur  sehr  schwer  und  gefahrvoll  sein, 
sondern  das  ganze  Verfahren  ist  dann  überhaupt  kontraindiziert. 
Der  Kopf  muss  vielmehr  mit  seiner  grössten  Zirkumferenz  in  die 
untere  Hälfte  der  Beckenhöhle  herabgetreten  sein,  der  Kopf  muss  in 
der  sogen.  Beckenenge  stehen.  Bekanntlich  beginnen  die  natürlichen 
Rotationen  des  Kopfes  um  seine  senkrechte  Achse  erst,  wenn  die 
schrägen  und  der  gerade  Durchmesser  grösser  sind  als  der  quere 
und  das  ist  in  der  Beckenenge  der  Fall.  Die  künstlichen  Rotationen, 
die  nichts  anderes  als  die  Nachahmung  der  natürlichen  sein  sollen, 
dürfen  darum  auch  nicht  früher  ausgeführt  werden.  Das  ist  die 
3.  unerlässliche  Bedingung  für  die  Zulässigkeit  der  Operation.  Das 


’)  Scanzoni:  Lehrbuch  der  Geburtshilfe,  III.  Bd. 


862  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _  _  No.  l 


Ausserachtlassen  dieses  wichtigsten  Punktes  mag  für  manchen 
( iebur tshelfer  der  Grund  des  Misserfolges  des  Verfahrens  ge¬ 
wesen  sein. 

Als  4.  und  letzte  allgemeine  Regel  verlangt  S  c  a  n  z  o  n  i  den 
Ausschluss  von  Beckenanomalien  in  den  unteren  Abschnitten,  sei  es 
in  einem  schrägen  Durchmesser  oder  im  geraden  Durchmesser. 

Sind  diese  vier  Momente  genauestens  geprüft  und  ist  in  der 
Diagnose  ein  Irrtum  auszuschliesseh,  erst  dann  darf  zur  Ausführung 
der  Operation  geschritten  werden. 

Scanzonis  Verfahren  ist  dann  folgendes: 

Die  Zange  wird  an  den  biparietalen  Durchmesser  des  Kopfes 
gelegt.  Steht  der  Kopf  mit  nach  vorne  und  links  gekehrter  Stirne 
so,  dass  die  Pfeilnaht  von  links  vorn  nach  rechts  hinten,  also  im 
ersten  schrägen  Durchmesser  verläuft,  so  wird  der  linke  Löffel  nach 
links  hinten  vor  die  linke  Symphysis  sacroiliaca  gebracht,  der  rechte 
Löffel  kommt  nach  rechts  vorn  hinter  das  rechte  Foramen  obtura- 
torium.  Die  Zange  liegt  somit  im  zweiten  schrägen  Durchmesser 
über  beiden  Scheitelbeinen,  ihr  Schloss  und  ihre  konkaven  Ränder 
und  Spitzen  sind  nach  links,  nach  der  daselbst  befindlichen  Stirne 
gerichtet.  Durch  die  nun  folgende  von  rechts  nach  links  gerichtete, 
das  Achtel  eines  Kreises  beschreibende  Drehung  muss  das  Hinter¬ 
haupt  von  hinten  etwa  an  die  Mitte  der  rechten  Seitenwand  des 
Beckens  bewegt  werden.  Dabei  wird  gleichzeitig  ein  Zug  nach  links 
hinten  unten  (Fritsch)  ausgeführt.  Nach  Vollendung  der  Drehung 
ist  die  Stellung  des  Kopfes  so,  dass  die  früher  nach  links  und  vorne 
gerichtete  Stirne  jetzt  an  der  Mitte  der  linken,  das  Hinterhaupt  an 
der  Mitte  der  rechten  Seitenwand  des  Beckens  steht.  Die  Pfeilnaht 
verläuft  quer,  die  Zange  liegt  annähernd  im  Geraden,  der  linke  Löffel 
in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeines,  der  rechte  beinahe  hinter  der 
Schambeinfuge.  Nun  werden  die  beiden  Zangenblätter  abgenommen 
und  an  den  im  „tiefen  Querstand“  befindlichen  Kopf  angelegt.  Der 
linke  Löffel  kommt  hinter  das  linke  Foramen  obturatorium,  der  rechte 
vor  die  rechte  Symphisis  sacroiliaca,  so  dass  die  Zange  im  ersten 
schrägen  Durchmesser  mit  dem  Schloss  nach  rechts  liegt,  worauf 
durch  die  neuerliche  Drehung  von  links  nach  rechts,  demnach  im 
Sinne  des  Uhrzeigers,  das  Hinterhaupt  vollends  unter  den  Scham¬ 
bogen  gebracht  wird,  also:  „der  an  das  Hinterhaupt  kommende  Löffel 
kommt  an  die  hintere  Beckenwand  und  der  über  eine  Seite  des 
Gesichts  kommende  Löffel  an  die  vordere  Beckenwand  zu  liegen. 
Steht  das  Hinterhaupt  rechts,  so  kommt  der  rechte  Löffel  an  das 
Hinterhaupt,  also  der  rechte  Löffel  nach  rechts  hinten,  der  linke  Löffel 
nach  links  vorne.“  (D  ö  d  e  r  1  e  i  n.) 

Manche  Autoren  sehen  in  diesem  Verfahren  eine  Gefahr 
sowohl  für  die  Mutter  als  für  das  Kind  und  halten  die  Ope¬ 
rationstechnik  für  zu  schwierig.  Ueber  die  Berechtigung 
dieser  Einwände  sich  ein  Urteil  an  unserem  Material  zu  bilden, 
ist  nicht  schwer,  ln  den  7  Fällen,  bei  welchen  die  Vorder¬ 
hauptszange  nicht  zum  Ziele  führt,  war  die  Operation  nach 
S  c  a  n  z  o  n  i  durchweg  von  gutem  Erfolge  begleitet.  Alle 
7  Mütter  und  alle  7  Kinder  konnten  gesund  entlassen  werden. 
Von  den  schweren  Weichteilverletzungen,  die  als  Argumentum 
gegen  die  Operation  ins  Feld  geführt  werden,  konnte  nichts 
bemerkt  werden,  obwohl  drei  alte  Erstgebärende  sich  darunter 
befanden:  eine  31jährige  I.-para  erlitt  einen  unbedeutenden 
oberflächlichen  Schleimhautriss  des  linken  Labium  majus,  eine 
37  jährige  I.-para  einen  Dammriss  I. — II.0  und  einen  2  cm 
langen  Zervixriss,  bei  einer  31  jährigen  I.-para  blieb  der  Damm 
intakt.  Ein  ausgezeichneter  Erfolg,  wenn  man  bedenkt,  dass 
vorher  forcierte  Entbindungsversuche  in  Vorderhauptslage 
gemacht  worden  sind.  Diese  Tatsache  springt  um  so  mehr  in 
die  Augen,  als  bei  den  sämtlichen  320  Geburten  in  Vorder¬ 
hauptslage  insgesamt  98  (30,7  Proz.)  zum  Teil  leichtere,  zum 
Teil  schwerere  und  sehr  schwere  Weichteilverlctzungen  er¬ 
litten.  Bei  den  Spontangeburten  war  bei  den  Erstgebärenden 
16  mal  ein  Dammriss  I.°,  13  mal  II.0  und  einmal  ein  solcher 
111.".  bei  den  Mehrgebärenden  16  mal  ein  Dammriss  I.°  und 
2  mal  II.0  verzeichnet.  Bei  den  operativ  beendigten  Ge¬ 
burten  kam  bei  den  Primiparae  ein  Dammriss  1°  12  mal,  ein 
solcher  II.0  17  mal  vor.  4  mal  handelte  es  sich  um  einen  kom¬ 
pletten  Dammriss  III.0.  Bei  den  Pluriparae  fand  sich  ein 
Dammriss  I.°  2  mal,  II.0  3  mal. 

Was  die  angebliche  Schwierigkeit  der  Technik  anlangt, 
so  wird  sie  wohl  manchen  Arzt  der  allgemeinen  Praxis  von 
der  Operation  abhalten,  ihn  zum  mindesten  nicht  ermutigen, 
die  Operation  auszuführen.  Fehling  warnt  geradezu  die 
jungen  Aerzte,  sie  an  der  Lebenden  zu  probieren.  In  Wirk¬ 
lichkeit  ist  die  Operation  gar  nicht  so  schwer,  wie  es  scheinen 
möchte,  wenn  man  manche  umständliche  Beschreibung  der 
Technik  liest  und  bei  einigermassen  vorsichtigem  Umgehen 
mit  der  Zange  ist  sie,  wie  unsere  Erfahrungen  zeigen,  völlig 
ungefährlich. 


D  ö  d  e  r  1  e  i  n  3)  ist  warm  für  die  schon  halb  vergesset 
und  in  Misskredit  geratene  Operationsmethode  eingetrete 
Weit  entfernt,  sie  als  die  regelmässige  Entbindung  bei  Vorde 
hauptslage  anzusehen,  will  er  sie  vielmehr  lediglich  reservie 
wissen  „für  diejenigen  Fälle,  in  welchen  im  Geburtsverla 
selbst  schon  die  Schwierigkeit  des  Durchtrittes  eines 
Vorderhauptslage  befindlichen  Kopfes  durch  lange  Geburt 
dauer,  ungenügendes  Vorrücken  des  in  das  Becken  eii 
getretenen  Kopfes  zum  Ausdruck  kommt  und  der  Versuch,  d^ 
Kopf  in  Vorderhauptslage  zu  entwickeln,  scheitert“.  „1 
werden  dies  gewiss“,  fährt  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  fort,  „keineswe.t 
häufige  Fälle  sein,  aber  wo  diese  Erfahrung  gemacht  werde 
muss,  da  wird  die  S  c  a  n  z  o  n  i  sehe  Operation  gleich  segen! 
reich,  sie  allein  ist  es,  die  dann  die  Perforation  des  lebende 
Kindes  umgehen  hilft.“ 

Zu  der  Reihe  der  günstigen  Erfahrungen  Dö  der  lein' 
gesellt  sich  ein  weiterer  selbst  erlebter  und  im  Privathau:; 
operierter  Fall,  über  den  ich  kurz  berichten  möchte. 

Es  handelte  sich  um  eine  28  jährige  lll.-para  am  Ende  dj 
Schwangerschaft.  Die  Fruchtblase  war  seit  24  Stunden  gesprungd 
der  Muttermund  war  vollkommen  erweitert,  der  Kopf  stand  mit  sein] 
grössten  Zirkumferenz  in  der  Beckenenge,  die  grosse  Fontanelle  lin' 
vorn,  die  kleine  rechts  hinten,  die  Pfeilnaht  im  I.  schrägen  Durcj 
messer:  eine  II.  Vorderhauptslage.  Das  Becken  war  normal.  Di 
Frau  kreisste  seit  2  Tagen,  fieberte  bis  38,6  und  war  am  Ende  ihr] 
Kräfte  angelangt.  Das  Kind  war  gefährdet,  die  Herztöne  schwanke 
zwischen  80  und  100  Schlägen  in  der  Minute,  es  ging  helli 
Mekonium  ab. 

Eine  exspektative  Behandlung  der  Geburt  konnte  nicht  mehr 
Frage  kommen.  Es  bestand  eine  vitale  Indikation  zur  sofortigen  En 
bindung  sowohl  von  seiten  des  Kindes  als  von  Seite  der  Mutter. 

Ich  versuchte  zunächst  die  kombinierte  äussere  und  inne> 
Drehung  der  Frucht  nach  Fehling4). 

Fehling  hat  bekanntlich  eine  eigene  Art  der  Umwandlung  zi 
Verbesserung  der  Kopfstellung  methodisch  ausgebildet.  Diese  beste! 
darin,  dass  durch  kombinierte  Handgriffe  der  tiefstehende  Kopf 
eine  andere  Stellung,  z  B.  bei  Vorderhauptslage  in  Hinterhauptsias 
übergeführt  wird. 

So  geht  F  e  h  1  i  n  g  bei  I.  Vorderhauptslage  mit  der  rechten  Hai; 
in  die  Scheide  ein,  hakt  mit  2  Fingern  in  die  Gegend  der  grosse! 
Fontanelle  ein,  falls  dies  nicht  gelingt  in  die  Pfeilnaht,  und  sucht  tu 
die  Stirne  nach  hinten  zu  schieben.  Ist  die  Drehung  soweit  gelunge 
dass  die  kleine  Fontanelle  ohne  Mühe  zu  erreichen  ist,  so  wird  dun 
Einhacken  von  2  Fingern  in  diese  die  Drehung  fortgesetzt.  D 
vordere  Schulter  des  Kindes  muss  dabei  nach  der  Mittellinie  und  vd 
da  nach  rechts  gebracht  werden.  Es  drückt  also  bei  I.  Vorderhaupt 
läge  die  linke  Hand  die  Schulter  nach  der  Mitte  und  von  da  nac 
rechts.  Die  Lagerung  der  Kreissenden  spielt  dabei  eine  nicht  u 
wesentliche  Rolle.  Die  Kreissende  wird  auf  die  Seite  des  kindlichi 
Bauches,  also  bei  I.  Lage  auf  die  rechte  Seite  gebracht.  Für  ein 
II.  Vordcrhauptslage  ändert  sich  die  Ausführung  entsprechend. 

Gelingt  diese  Drehung  nicht  beim  erstenmal,  so  verlangt  Felj 
1  i  n  g,  dass  sie  einige  Male  wiederholt  wird.  Kommt  eine  Welr 
so  lässt  Fehling  die  Frau  mitpressen,  damit  sich  die  Progressi 
bewegung  mit  dieser  II.  Hauptdrehung  verbindet.  Narkose  rät  d< 
Autor  an  nur  bei  sehr  ängstlichen  und  empfindlichen  Frauen  m 
dann,  wenn  beim  Versagen  der  Drehung  die  Geburt  sofort  mit  d> 
Zange  beendigt  werden  muss. 

Nicht  unerwähnt  sei,  dass  Fehling  diese  kombinierte  Drehui 
der  Frucht  neben  den  Vorderhauptslagen  auch  für  indiziert  hält  f 
Hinterhauptslagen  bei  tiefem  Querstand  und  bei  Schrägstand  di 
Pfeilnaht,  ferner  bei  Gesichtslagen  zur  Drehung  des  Kinns  nac 
vorne.  Der  Zweck  der  Fehling  sehen  Methode  in  allen  Fällen  i: 
einerseits  einen  Fortschritt  der  Geburt  zu  bewirken,  andererseits  u 
eine  günstige  Schädelstellung  für  die  Anlegung  der  Zange  zu  g 
winnen. 

In  dem  in  Frage  stehenden  Falle  gelang  die  Method 
Fehlings  nicht.  Ich  glaube,  dieses  Misslingen  weniger  der 
Verfahren  zur  Last  legen  zu  dürfen,  sondern  vielmehr  auf  de 
Umstand  Wert  legen  zu  müssen,  dass  es  sich  um  einen  grosse 
brachyzephalen  Schädel  handelte.  Fehling  meint,  dass  di 
brachyzephalen  Schädel  es  vielleicht  sind,  die  sich  nie! 
drehen  lassen.  Es  wird  sich  daher  die  Frage  erheben  müsset 
für  welche  Fälle  sich  die  Fehling  sehe  Methode  besondet 
eignet  oder  ob  sie  für  alle  Fälle  brauchbar  ist.  Erfahrunge, 
liegen  nicht  in  grosser  Zahl  vor.  Nur  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z5)  be 
richtet  von  4  Fällen,  in  welchen  dieser  Handgriff  von  F.rfol 

3)  D  öderl  ein:  Leitfaden  für  den  geburtshilflichen  Operation' 
kurs,  I. — X.  Auflage. 

4)  Fehling:  Die  operative  Geburtshilfe  der  Praxis  und  Klini 

Ä)  Winternitz:  Württemberg,  mediz.  Korrespondenzbla! 

Bd.  LXXX,  No.  8. 


,  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


863 


:  krönt  war.  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z  sieht  den  Wert  dieser  Art  der 
Inwandlung  darin,  dass  es  möglich  wird,  auf  unschädliche 
eise  die  Geburt  zu  Ende  zu  bringen  und  der  schweren 
ngenanlegung  bei  Vorderhauptslage  aus  dem  Wege  zu 

■  hen.  An  hiesiger  Klinik  wurde  dieses  Verfahren  in  3  Fällen 
ii  Eisenreich  mit  Erfolg  angewandt. 

Nachdem,  wie  bereits  gesagt,  diese  Methode  in  unserem  Falle 
ht  zum  Ziele  führte,  die  Frau  aber  entbunden  werden  musste,  so 
inte  zunächst  nichts  anderes  als  die  Entwicklung  des  Kindes  mit 
Zange  in  Vorderhauptslage  in  Betracht  kommen.  Auch  dieser 
-such  war  umsonst.  Es  war  ganz  unmöglich,  trotz  Aufbietung 
ganzen  zulässigen  Kraft,  den  Kopf,  so  wie  er  stand,  zu  extra- 
ren.  Es  blieb  nur  mehr  übrig,  die  Zange  als  ein  Werkzeug  zur 
rbesserung  der  Stellung  des  Kopfes  zu  benutzen  und  die  zwei- 
tige  Anlegung  der  Zange  nach  S  c  a  n  z  o  n  i  auszuführen.  Wie  in 
i  oben  erwähnten  7  Fällen,  so  bot  auch  hier  die  S  c  a  n  z  o  n  i  sehe 
eration  noch  die  einzige  Möglichkeit,  das  Leben  des  Kindes  zu 
teil.  Die  Operation  gelang  spielend:  in  ein  paar  Minuten  war  ein 
leicht  asphyktisches  Kind  mit  einem  Gewicht  von  4250  g  und 
er  Länge  von  53  cm  und  ohne  jede  Weichteilverletzung  der  Mutter 
rahiert.  Die  Temperatur  sank  zur  Norm  zurück  und  nach  8  Tagen 
inten  Mutter  und  Kind  gesund  entlassen  werden. 

Kurz  zusammengefasst  war  die  Situation  die,  dass  zur 
burt  ein  übergrosses  Kind  stand  mit  brachyzephalem 
hädel  bei  normalem  Becken.  Die  Fehling  sehe  Um- 
mdlung  war  vergeblich  versucht  worden,  in  Vorderhaupts- 
;e  liess  sich  der  Kopf  nicht  entwickeln,  es  bestand  absolute 
likation,  die  Geburt  zu  beenden  und  man  hatte  nur  die  Wahl 
ischen  der  Perforation  des  lebenden  Kindes  und  der 

■  a  n  z  o  n  i  sehen  Operation. 

Der  Zweck  meiner  Mitteilung  ist,  die  Geburtshelfer  erneut 
f  die  Vorzüge  dieser  viel  zu  wenig  beachteten  Operation 
imerksarn  zu  machen,  die  aber  durchaus  nicht  als  die  regel- 
issige  Operation  für  alle  Vorderhauptslagen  empfohlen  sei. 
3  zweckmässigste  Behandlung  der  Vorderhauptslagen,  wie 
sich  an  der  Münchener  Universitäts-Frauenklinik  am  besten 
währt  hat,  ist  vielmehr: 

1.  Möglichst  langes,  exspektatives  Verhalten.  Dabei  er¬ 
folgen  77  Proz.  Spontangeburten. 

2.  Versuch  der  kombinierten  äusseren  und  inneren  Dre¬ 
hung  der  Frucht  nach  Fehling  unter  Zuhilfenahme 
einer  entsprechenden  Lagerung  der  Kreissenden. 

3.  Im  Falle  des  Misslingens  der  Fehling  sehen  Methode 
Entwicklung  des  Kindes  in  Vorderhauptslage. 

4.  Beim  Versagen  dieser  3  Punkte  in  den  seltenen  Rest¬ 
fällen  die  S  c  a  n  z  o  n  i  sehe  Operation. 

Bei  der  Durchführung  dieser  4  Möglichkeiten  wird  dann 
'hl  in  fast  allen  Fällen  von  Vorderhauptslagen  die  unsym- 
thische  Operation  der  Perforation  des  lebenden  Kindes  sich 
igehen  lassen. 


s  der  med.  Klinik  in  Halle  a.  S.  (Direktor:  Geh.  Medizinal¬ 
rat  Prof.  Ad.  Schmidt). 

Ueber  atrophische  Myotonie. 

Von  Privatdozent  Dr.  Grün  d. 

Als  in  den  90  er  Jahren  die  ersten  Fälle  bekannt  wurden, 
i  denen  Erscheinungen  der  Myotonie  mit  Muskelatrophien 
rbunden  waren,  hielt  man  das  Zusammentreffen  für  eine  zu- 
lige  Kombination.  J.  Hoffmann1)  konnte  demgegenüber 
chweisen,  dass  Muskelatrophien  bei  T  h  o  m  s  e  n  scher 
ankheit  gar  nicht  so  selten  sind,  er  schätzte,  dass  sie  in  etwa 
3roz.  der  Fälle  vorkämen.  Eine  besondere  Gesetzmässigkeit 
der  Ausbreitung  der  atrophischen  Prozesse  glaubte  er  aber 
sdrücklich  ablehnen  zu  müssen,  abgesehen  davon,  dass  keine 
sondere  Neigung  zur  Erkrankung  der  kleinen,  an  den  Extre- 
tätenenden  gelegenen  Muskeln  vorhanden  sei. 

Es  ist  fraglos,  dass  Hoffmann  nach  dem  ihm  damals 
r  Verfügung  stehenden  Materiale  recht  hatte.  Gerade  die 
\  frühesten  publizierten  einschlägigen  Fälle  sind  stark 
ferent  untereinander.  Aber  die  Folgezeit  hat  gelehrt,  dass 
en  derjenige  Typus,  der  in  den  beiden  eigenen  Beobach¬ 
ten  Hoffmanns  hervortrat,  sich  besonders  häufig  findet. 

e  i  n  e  r  t 2)  und  unabhängig  von  ihm  Batten  und  G  i  b  b  3) 

')  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  18,  p.  198. 

'•  Ibidem.  37,  p.  38  (daselbst  Literatur). 

3)  Brain  1909,  p.  187,  Lancet  1909,  11,  p.  1486. 


haben  fast  gleichzeitig  auf  Grund  einer  Anzahl  eigener  Beob¬ 
achtungen  und  des  inzwischen  bekannt  gewordenen  weiteren 
Materials  die  Anschauung  gewonnen,  dass  die  Ausbreitung  und 
Entwicklung  der  Atrophie  in  der  Regel  gewissen  Gesetzen 
folge,  die  von  denen  bei  Muskelatrophien  anderer  Genese  ver¬ 
schieden  sind. 

Während  nun  Hoffmann  und  S  t  e  i  n  e  r  t  die  Myotonie 
als  das  Primäre  ansahen,  war  Batten  geneigt,  die  Myo¬ 
pathie  als  die  wesentliche  Erscheinung  anzusprechen.  Neuer¬ 
dings  hat  dann  Hirschfeld1)  und  in  allerjüngster  Zeit  be¬ 
sonders  Curschmann* 5 6)  die  Meinung  vertreten,  dass  die 
atrophische  Myotonie  eine  Erkrankung  sui  generis  sei,  nicht 
nur  eine  Abart  einer  der  beiden  Komponenten,  die  sie  zu¬ 
sammensetzen.  Die  gleiche  Anschauung  habe  ich  noch  vor 
dem  Erscheinen  der  Curschmann  sehen  Arbeit  auf  dem 
diesjährigen  Kongress  mitteldeutscher  Psychiater  und  Neuro¬ 
logen  °)  vertreten. 

Wenn  ich  im  folgenden  die  Fälle  mitteile,  die  mich  zu 
dieser  Ansicht  geführt  haben,  so  geschieht  es  nicht  nur  des¬ 
wegen,  weil  ich  die  Kasuistik  dieser  interessanten  Krankheit 
um  4  neue  Beobachtungen  bereichern  kann,  sondern  auch  weil 
ich  der  Ansicht  bin,  dass  die  atrophische  Myotonie  eine  Er¬ 
krankung  ist,  die  an  Häufigkeit  und  klinischer  Bedeutung  kaum 
hinter  den  bekannten  Myopathien  anderer  Genese  zurücksteht. 
Wenn  sie  relativ  selten  diagnostiziert  wird,  so  liegt  das  daran, 
dass  sie  zu  wenig  bekannt  ist  und  dass  sie  in  den  weniger 
hochgradigen  Fällen  nur  dann  gefunden  werden  kann,  wenn 
man  die  typischen  Symptome  kennt  und  an  sie  denkt.  Auch 
Curschmann  äussert  sich  über  die  Ursache  der  rela¬ 
tiven  Häufigkeit  der  atrophischen  Myotonie  in  seinem  Beob¬ 
achtungskreise  in  ähnlichem  Sinne. 

Im  folgenden  führe  ich  die  Fälle  in  der  Reihenfolge  an, 
wie  ich  sie  beobachtet  habe. 

F  a  1 1  I.  G.  L.,  45  jähriger  Privatmann  aus  Leuna.  Aufgenommen 
in  die  Medizinische  Klinik  am  6.  VI.  12. 

Anamnese:  Die  eigenen  Angaben  des  Pat.  sind  bei  seiner 
psychischen  Beschränktheit,  auf. die  später  noch  zurückzukommen 
sein  wird,  höchst  dürftig.  Er  kann  nur  sagen,  dass  er  seit  dem 
19.  Lebensjahre  Reissen  in-  Armen  und  Beinen  hat.  Seit  etwa  10  bis 
12  Jahren  bemerkt  er,  dass  ihm  abends,  wenn  er  sich  hinlegt,  der 
Kopf  nach  hinten  fällt.  Seit  etwa  8  Wochen  ist  er  leichter  müde 
wie  sonst  und  hat  stärkeres  Reissen,  deswegen  suchte  er  die 
Klinik  auf. 

Die  Mutter  des  Pat.  machte  folgende  Angaben:  Ihr  erster  Mann, 
der  Vater  des  Pat.,  zeigte  keinerlei  Abmagerung  und  Bewegungs¬ 
störung.  Ein  Bruder  von  ihm  (also  Onkel  des  Pat.)  soll  nicht  so  ge¬ 
lenkig  gewesen  sein,  „die  Gelenke  gaben  nicht  nach“.  3  rechte  Ge¬ 
schwister  des  Pat.  starben  klein,  in  der  ganzen  Verwandtschaft  ist 
keine  ähnliche  Erkrankung  vorgekommen. 

Pat.  war  schon  als  Kind  schwächlich,  soll  mit  14  Jahv  die 
Krämpfe  gehabt  haben,  lernte  aber  normal  laufen.  Auf  der  Schule 
mangelte  es  in  allem,  er  schlief  immer  in  der  Schule,  konnte  nur  kra¬ 
kelig  schreiben,  konnte  zwar  mit  anderen  Kindern  spielen,  aber  nicht 
turnen.  Schon  vor  20  Jahren  ging  die  Mutter  mit  ihm  zum  Professor, 
der  konnte  aber  nichts  finden.  Seit  etwa  20  Jahren  schleift  .er  mit 
dem  Fuss  am  Boden.  In  den  letzten  10 — 15  Jahren  trat  Schwäche 
in  den  Händen  auf,  seit  6 — 8  Jahren  fällt  ihm  manchmal  der  Kopf 
hintenüber.  Der  Hals  ist  dünner  geworden;  früher  trug  er  Kragen¬ 
weite  37,  jetzt  nur  35  und  auch  diese  ist  ihm  zu  weit.  Das  Gesicht 
ist  eingefallen.  Die  Sprache  ist  undeutlicher  geworden  seit  4  bis 
5  Jahren;  er  „kullert“  dabei.  Alle  Angaben  der  Mutter  sind  be¬ 
sonders  soweit  sie  zeitliche  Verhältnisse  anlangen,  höchst  unsicher, 
man  hat  das  Gefühl,  dass  ihr  die  einzelnen  Veränderungen  kaum 
aufgefallen  sind. 

Stat.  praes. :  Mittelgrosser  Mann  von  normalem  Knochenbau, 
in  gutem  Ernährungszustand,  62,5  kg  Gewicht. 

Innere  Organe  ohne  krankhaften  Befund. 

Hoden  kaum  taubeneigross,  Membrum  ziemlich  klein. 

Psyche:  Starke  geistige  Beschränktheit.  In 
seinem  nächsten  Interessenkreise  ist  er  leidlich  bewandert,  darüber 
hinaus  ganz  unorientiert.  So  hat  er  von  Berlin  noch  nie  etwas  ge¬ 
hört,  nicht  einmal  den  Namen,  weiss  nicht  wie  der  Kaiser  heisst. 
Rechnen  leidlich,  Affekt  etwas  stumpf.  Er  ist  immer  still  und 
freundlich. 

Seitens  der  Sinnesorgane  keine  Störungen,  keine  Linsen¬ 
trübungen,  Pupillen  reagieren  normal. 

Motilität  abgesehen  von  den  myotonischen  Erscheinungen: 
Augenmuskeln  normal  beweglich.  Die  gesamte  Gesichtsmuskulatur 
bewegt  sich  nur  wenig,  die  Mimik  ist  m  a  n  g  e  1  h  a  f  t,  Stirn  kann 


*)  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurol.  u.  Psych.,  V,  p.  682. 

5)  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk..  45,  p.  161. 

6)  Halle,  27.  Okt.  1912. 


864 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  16. 


fast  «ar  nicht  bewegt  werden,  der  Augenschluss  ist  matt  und 
leicht  zu  überwinden;  Zähne  zeigen,  Lachen,  Pfeifen  geht 
leidlich,  aber  alle  Muskelbewegungen  sind  unvollkommen.  Dabei 
verdeckt  das  normale  Fettpolster  eine  ev.  vorhandene  Atrophie 
grossentejls.  Kaumuskulatur  etwas  schwächer  als  normal;  Zunge, 
Gaumensegel  intakt. 

Die  Sprache  ist  etwas  näselnd  und  verwaschen, 
namentlich  wenn  Pat.  sich  gehen  lässt.  Wenn  er  aufgefordert  wird, 
sich  Mühe  zu  geben,  spricht  er  deutlich  und  mit  ziemlich  guter 
Artikulation.  Laryngoskopisch  rücken  die  Stimmbänder  etwas  träge 
aneinander,  keine  deutliche  Parese.  Schlucken  gut. 

Die  Mm.  sternocleidomastoidei  beiderseits  sind  zu 
bleistiftstarken  Bündeln  zusammen  geschrumpft 


Abb.  I. 


und  in  der  Funktion  nahezu  aufgehoben.  Beim  Aufsetzen  aus  dem 
Liegen  bleibt  der  Kopf  zurück,  fällt  nach  hinten  und  wird  mit  einem 
schleudernden  Ruck  nach  vorne  gebracht  (vgl.  Abb.  1).  Pat.  kann 
das  Kinn  fast  gar  nicht  gegen  die  Brust  drücken.  Es  scheint,  dass 
jedenfalls  auch  die  Mm.  sterno-hyoidei  und  sterno-thyreoidei,  wahr¬ 
scheinlich  aber  auch  die  tiefe  vordere  Halsmuskulatur 
in  der  Funktion  erheblich  herabgesetzt  sind. 

Nackenmuskulatur  annähernd  intakt.  Schultermuskulatur  voll¬ 
kommen  normal  und  kräftig  entwickelt.  Oberarmmuskulatur  in  der 
groben  Kraft  kaum  herabgesetzt,  am  ehesten  noch  der  M.  biceps. 

M.  supinator  longus  beiderseits  geschwunden. 
Vorderarmbeuger  stark  paretisch,  weniger  auch  die 
Strecker.  Händedruck  am  Dynamometer  nicht  messbar. 

Die  Kleinhandmuskulatur  ist  links  deutlich,  rechts  in  geringem 
Grade  abgemagert.  Opposition  des  1.  und  5.  Fingers  links  schlecht, 
rechts  ziemlich  normal. 

Rücken-  und  Bauchmuskeln  gut.  Aufsetzen  geht  gut,  sobald  der 
Kopf  unterstützt  wird. 

Hilft-  und  Oberschenkelmuskeln  intakt,  Wade  etwas  weniger 
entwickelt,  aber  kräftig.  Peroneusgebiet  beiderseits  stark 
paretisch. 

MyotonischeErscheinungen:Willkürlich:Im  Be¬ 
reiche  der  Hirnnerven  höchstens  in  der  Zunge  angedeutet,  aber  nicht 
sicher,  ebensowenig  in  Rumpf-,  Schulter-  und  Oberarmmuskulatur. 
Beim  Händedruck  deutliche  Nachdauer  der  Kontraktion  für  mehrere 
Sekunden,  so  dass  die  Faust  nur  langsam  mit  Mühe  geöffnet  wird. 
Weniger  deutliche,  aber  sichere  Kontraktionsnachdauer  in  Ober¬ 
schenkel  und  Wade.  Beim  Gang  keine  deutliche  myotonische  Störung. 

Mechanische  myotonische  Reaktion:  In  der  Zunge 
sehr  deutliche  Dellenbildung  beim  Beklopfen  mit  dem  Perkussions¬ 
hammer,  für  mehrere  Sekunden;  Gesichtsmuskulatur  nichts  sicheres, 
ebensowenig  in  Rumpf-,  Schulter-  und  Oberarmmuskulatur;  Vorder¬ 
armstrecker  deutliche  Reaktion,  Beuger  weniger.  Ausgesprochen 
sind  Daumen  und  Kleinfingerballen  beteiligt:  beim  Beklopfen  mit  dem 
Perkussionshammer  tritt  eine  träge,  sehr  ausgiebige  Bewegung  der 
Muskeln  ein,  die  10 — 15  Sekunden  lang  in  der  Kontraktionsstellüng 
verharren.  Oberschenkel  schwache.  Wade  keine  Reaktion,  keine 
Dellenbildung  beim  Beklopfen,  dagegen  deutliche  Reaktion  in  der 
Fussmuskulatur. 

Elektrisch):  Myotonische  Reaktion  bei  indirekter 
fa  radischer  Reizung  im  Fazialis  deutlich,  Ulnaris,  Medianus 
und  Radialis  schwach,  im  Peroneusgebiet  angedeutet,  überall  nur  bei 
erheblich  überminimalen  Strömen.  Erregbarkeit  deutlich  herabge¬ 
setzt,  besonders  im  Peroneus  und  Radialis. 


')  Sämtliche  mitgeteilten  Erregbarkeitsverhältnisse  sind  genau 
quantitativ  geprüft,  auf  die  Wiedergabe  der  Zahlen  verzichte  ich, 
um  Raum  zu  sparen. 


Indirekte  galvanische  Reizung  ergibt  normales 
Zuckungsgesetz,  keinen  AnOeTe,  keinen  frühzeitigen  KaSTe. 

Die  direkte  faradische  Erregbarkeit  ist  nicht  nur  in  den 
atrophischen  Gebieten,  sondern  in  fast  der  gesamten  Muskulatur  stark 
herabgesetzt  (auch  in  Oberschenkel  und  Wade).  Zuckungsnachdauer  bei 
stärkeren  Strömen  im  Gebiet  des  Mundfazialis  deutlich,  in  der  Zunge 
nur  sehr  undeutlich,  ferner  im  M.  sternocleidomastoideus  und  in  der 
Handmuskulatur  von  40  Rollenabst,  an;  in  der  unteren  Extremität 
nirgends. 

Galvanisch  direkt  ist  die  Erregbarkeit  nirgends  ge¬ 
steigert,  alle  minimalen  Zuckungen  sind  kurz,  solange  der  Strom 
nicht  dauernd  eingeschaltet  wird.  Bei  stärkeren  Strömen  deutliche 
myotonische  Nachdauer  im  Gebiet  des  Mundfazialis,  M.  biceps.  Vor¬ 
derarmbeugern  und  -Streckern,  besonders  deutlich  in  den  Handballen¬ 
muskeln,  schwach  in  Peroneusgebiet  und  Wade.  Bei  dauernder 
Schliessung  des  galvanischen  Stromes  tritt  schon  bei  minimalen  Strö¬ 
men  eine  allmählich  anschwellende  tonische  Kontraktion  ein,  bei 
Unterbrechung  des  Stromes  besonders  deutliche  Nachdauer  (Daumen¬ 
ballen  KaSZ  4,2  M.-A.,  AnSZ  4,6  kurz.  Tonische  Kontraktionsnach¬ 
dauer  nach  längerem  Stromschluss  für  die  Anode  schon  bei  4,6,  für 
die  Kathode  bei  5,4  M.-A.). 

Keine  rhythmischen  Wellen  bei  konstanter  Durchströmung. 

Nirgends  fibrilläre  Zuckungen  oder  Muskelwogen. 

Sensibilität  intakt. 

Sehnenreflexe  sämtlich  erloschen.  Bauchreflexe  lebhaft.  Plan¬ 
tarreflexe  sehr  schwach. 

Kein  Romberg.  Keine  Ataxie. 

Die  Mutter  des  Pat.  zeigte  keinerlei  Atrophien,  keine  Anzeichen 
von  Myotonie,  auch  nicht  beim  Beklopfen  der  Zunge. 

F  a  1 1  II.  W.  Pf.,  22  jähriger  Fabrikarbeiter  aus  Chemnitz.  Aui- 
genommen  in  die  Klinik  am  26.  VI.  1912. 

Anamnese:  Ueber  die  Familiengeschichte  siehe  bei  Fall  IV. 

Pat.  kommt  wegen  Husten  und  allgemeiner  Mattigkeit  seit 
14  Tagen,  will  vor  14  Wochen  eine  Lungenentzündung  durchgemacht 
und  deswegen  in  Chemnitz  im  Krankenhause  gelegen  haben.  Ueber | 
die  uns  interessierende  Krankheit  kann  er  nur  ganz  dürftige  Angaben 
machen:  Er  war  stets  schwächlich,  konnte  deswegen  in  der  Schule 
nicht  turnen.  Schon  seit  der  Schulzeit  kann  er,  wenn  er  etwas  fest 
angefasst  hat,  die  Hände  nicht  sofort  aufbekommen.  Die  Sprache  soll 
immer  undeutlich  gewesen  sein,  Störungen  des  Ganges  hat  er  nicht 
beobachtet. 

Seine  Mutter  (vergl.  Fall  IV)  macht  folgende  Angaben:  Als  Pat. 
einige  Jahre  in  die  Schule  ging,  etwa  mit  dem  10.  Jahre,  merkte  sie, 
dass  er  ungeschickt  zufasste,  die  Hände  nicht  aufbrachte,  das  Gesicht 
magerte  ab;  mit  den  Beinen  konnte  er  schon  damals  nicht  recht  vor¬ 
wärts.  Auch  die  Sprache  war  schon  damals  schlecht.  Er  kam  aui 
der  Schule  .nicht  fort,  vergass  alles,  lernte  nicht  lesen  und  nur  wenig 
schreiben,  ln  letzter  Zeit  keine  wesentliche  Aenderung. 

S  t  a  t.  praes. :  Mittelgross,  im  allgemeinen  wenig  entwickelte 
Muskulatur,  geringes  Fettpolster.  44,8  kg  Gewicht. 

Innere  Organe  ohne  krankhafte  Veränderungen. 

Hoden  etwas  klein,  aber  nicht  ausgesprochen  atrophisch. 

Nervensystem:  Psyche:  Pat.  ist  in  allen  Aeusserungen  lang¬ 
sam,  muss  sich  lange  besinnen,  ist  nur  in  seinem  nächsten  Interessen¬ 
kreise  orientiert,  weiss 
nicht,  wie  der  Kaiser 
heisst,  hat  von  Bis¬ 
marck  nie  etwas  ge¬ 
hört.  Er  kann  nur 
einstellige  Zahlen  ad¬ 
dieren,  weiss  nicht,  wie¬ 
viel  3  X  4  ist.  Affekt 
stumpf. 

Sinnesorgane  ohne 
Besonderheiten.  Keine 
Linsentrübungen.  Pu¬ 
pillen  reagieren  normal. 

Motilität:  Augen¬ 
muskeln  normal. 

Gesichtsmuskulatur 
im  ganzen  schlaff,  G  e  - 
sicht  masken¬ 
artig,  tief  einge¬ 
fallen,  Unterlippe 
hervorstehend.  Mini¬ 
male  Mimik.  Stirn¬ 
runzeln  fehlt.  Augen 
können  nur  ganz  kraft¬ 
los  geschlossen  werden. 

Gebiet  des  Mundfazialis 
etwas  besser,  aber  auch 
hochgradig  paretisch. 

(Abb.  2  beim  Versuch 
zu  lachen.) 

Zunge  stark  atrophisch,  schlaff  und  runzelig, 
fühlt  sich  abnorm  weich  an. 

Kaumuskulatur  deutlich  paretisch;  Gaumensegel 
schlaff,  aber  nicht  deutlich  gelähmt.  Schlucken  gut. 


2.  April  1913.  _ •_ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Sprache  näselnd  und  verschwommen;  wenn  sich  Pat.  gehen 
sst,  ist  er  kaum  zu  verstehen,  auf  Ermahnung  ist  die  Sprache  wesent- 
;h  besser;  Artikulation  ziemlich  gut.  Laryngoskopisch  kein  sicherer 

ithologischer  Befund. 

Hals  eigentümlich  zylindrisch,  Kehlkopf  weit  hervortretend.  M. 
ternocleidomastoideus  beiderseits  bis  auf  b  1  e  i  - 
tift dicke  Reste  geschwunden,  links  in  höherem  Grade 
s  rechts.  Es  besteht  auch  Schwäche  der  tiefen  Hals- 
uskulatur:  der  Kopf  fällt  beim  Aufrichten  tief  in  den  Nacken 
id  wird  nur  mit  einem  Ruck  nach  vorn  gebracht.  Halsumfang 

cm. 

Nackenmuskeln  ziemlich  kräftig.  Schultergürtel  ganz  intakt, 
iin.  triceps  und  biceps  kräftig,  aber  mager.  M.  Supinator  1  o  n  - 
us  links  fehlend,  rechts  in  Spuren  erhalten. 

Vorderarme  sehr  mager:  deutliche  Parese  der  Streck- 
mskulatur.  Beugemuskulatur  etwas  besser.  Hände- 
uck  am  Dynamometer  nicht  messbar.  Kleinhandmuskeln  nicht  be- 
inders  kräftig,  aber  nicht  sicher  paretisch. 

Rückenmuskulatur  ziemlich  kräftig.  Baue  h  m  u  s  k  e  1  n  g  e  - 
c  h  w  ä  c  h  t,  besonders  die  oberen  Partien  des  M.  rectus  abdominis 
\;abel  tritt  beim  Aufrichten  nach  unten.  Aufrichten  auch  nach  Unter- 
ützung  des  Kopfes  sehr  mühsam). 

Hiiftmuskulatur  und  Oberschenkel  ganz  intakt  und  gut  ent- 
lckelt.  Wade  kräftig.  Peroneusgebiet  beiderseits 
ist  ganz  gelähmt.  Im  Stehen  nimmt  Pat.  eine  eigentümlich 
irnüberhängende  Haltung  ein  mit  durchgedrückten  Knien  und  ge- 
ider  Wirbelsäule,  so  dass  man  den  Eindruck  hat,  er  müsste  nach 
irn  fallen  (offenbar  kompensatorische  Haltung  wegen  der  Schwäche 
;r  vorderen  Hals-  und  Rumpfmuskeln).  Typischer  Steppergang. 

Myotonische  Erscheinungen:  Willkürlich:  Ge- 
cht  und  Zunge  gar  nicht.  Mm.  deltoideus,  pectoralis  major  an¬ 
deutet,  Bizeps  deutlich.  Beim  Händeschluss  ausgesprochene  Nach¬ 
her  der  Kontraktion  (5 — 10  Min.).  Beim  Oeffnen  Ueberstreckung 
;r  Finger  zwischen  Grund-  und  Mittelphalange,  die  auch  sonst 
was  vorhanden  ist.  Ferner  sehr  deutlich  im  Daumenballen,  Ober¬ 
henkel  und  Wade,  im  Gang  nicht  ausgesprochen. 

Mechanisch:  Zunge  sehr  deutlich,  ebenso  Handballenmusku- 
tur.  Oberschenkel  und  Wade  (Dellenbildung  von  5—10  Sekunden). 

Elektrisch:  Faradisch  indirekt  myotonische  Re¬ 
hion  im  Fazialis  und  Akzessorius  nicht,  dagegen  im  Radialis, 
Inaris  und  Medianus  bei  Anwendung  von  etwas  überminimalen 
römen.  Im  Peroneus  beiderseits  starke  Kontraktionsnachdauer,  da- 
■’gen  im  Tibialis  nur  schwach,  im  Kruralis  fast  gar  nicht.  Die  Er- 
gbarkeit  ist  weit  weniger  herabgesetzt  als  beim  vorigen  Patienten, 
ich  sprechen  die  Muskeln  entsprechend  der  Parese  auch  bei  stär¬ 
ken  Strömen  unvollkommen  an.  Vom  N.  peroneus  aus  sprechen  die 
m.  peronei  noch  deutlich  an,  die  anderen  Muskeln  links  schlecht, 
•chts  gar  nicht. 

Indirekt  galvanisch  im  Radialis  und  Ulnaris  normales 
ickungsgesetz. 

Direkt  faradisch:  myotonische  Reaktion  in  den  Armen 
i  gleichen  Ausbreitungsgebiet  wie  indirekt  faradisch;  ausserdem  in 
r  Zunge,  aber  nur  ganz  schwach,  und  im  M.  sternocleidomastoideus. 
erabsetzung  der  Erregbarkeit  in  den  unteren  Extremitäten.  Wade 
id  Peroneusgebiet  sprechen  auch  bei  0  Rollenabstand  nicht  an. 

Direkt  galvanisch:  Erregbarkeit  nirgends  gesteigert,  im 
eroneusgebiet  etwas  herabgesetzt.  Alle  Zuckungen  mit  minimalen 
römen  sind  kurz,  wenn  der  Strom  nicht  länger  eingeschaltet  wird, 
ei  stärkeren  Strömen  Zuckungsnachdauer  im  Fazialisgebiet  undeut- 
:h,  in  der  Zunge  nicht,  dagegen  deutlich  im  M.  sternocleidomastoi- 
•us,  Bizeps,  Vorderarmbeugern  (dagegen  nicht  in  den  Streckern): 
hr  ausgesprochen  in  Daumenballen,  Wade  und  den  Mm.  peronei. 
eniger  in  den  Mm.  vastis.  Tonisch  zunehmende  Wirkung  dauernd 
■schlossener  schwacher  Ströme,  wie  bei  Fall  I  im  Daumenballen, 
rner  in  Wade  und  M.  peroneus,  dann  besonders  schöne  Nach- 
uier. 

Kein  rhythmisches  Wogen  bei  konstanter  Durchströmung,  keine 
yasthenische  Reaktion.  Nirgends  fibrilläre  Zuckungen  oder  Myo- 

vmie. 

Reflexe:  Armreflexe  fehlen,  Bauchreflexe  sehr  lebhaft,  Kre- 
asterreflexe  schwach,  Patellarreflex  links  deutlich,  rechts  eben  mit 
ndrassik  nachweisbar.  Achillessehnenreflex  links  plus,  rechts 
bwach.  Plantarreflexe  schwach.  Sensibilität  intakt.  Kein  Romberg. 

Fall  III.  L.  Pf.,  28 jähriger  Anstreicher  aus  Chemnitz,  Bruder 
s  vorigen.  Aufgenommen  am  26.  VII.  1912. 

(  Anamnese:  Ueber  die  Familiengeschichte  siehe  Fall  IV.  Pat. 
Gt  sich  gesund,  ist  nur  zwecks  Untersuchung  aufgenommen. 

Die  ersten  Erscheinungen  will  er  zwischen  dem  16.  und 
'■  Lebensjahre  bemerkt  haben:  wenn  er  Brot  mit  dem  Messer 
hnitt,  konnte  er  das  Messer  nicht  loslassen.  Vom  Militär  frei 
andsturm  mit  Waffe).  Mit  22  Jahren  Bleikolik,  die  sich  seitdem 
ter  wiederholt  hat.  Seitdem  ist  er  schmalbäckig,  auch  der  Hals 
t  dünner  geworden.  Früher  trug  er  Kragenweite  37,  jetzt  35.  Auch 
e  Hände  sind  weniger  kräftig  wie  früher.  Gelegentlich  spürt  er 
was  Steifigkeit  bei  den  ersten  Griffen,  im  ganzen  ist  er  aber  durch 
in  Leiden  wenig  behindert. 

Demgegenüber  gibt  seine  Mutter  an,  dass  er  schon  als  Kind 
mier  ungeschickt  zufasste,  die  Hand  nicht  aufbrachte.  Mit  10  Jahren, 
ichdeni  er  die  Masern  durchgemacht  hatte,  wurde  das  ganze  Ge- 

No.  16. 


sicht  schmal  und  die  Unterlippe  dick.  In  der  Schule  hat  er  gut  ge¬ 
lernt. 

S  t  a  t.  praes. :  Kleiner  Mann  von  im  allgemeinen  dürftig  ent¬ 
wickelter  Muskulatur  und  geringem  Fettpolster.  Starke  Glatze.  Ge¬ 
wicht  44,8  kg. 

Innere  Organe,  abgesehen  von  einer  geringen  Vergrösserung  der 
Herzdämpfung  nach  links  und  einem  leisen  systolischen  Geräusch  an 
der  Spitze  normal.  Hoden  normal  entwickelt. 

Nervensystem:  Psyche  ohne  Störung. 

Sinnesorgane  ohne  Besonderhit.  Keine  Linsentrübungen.  Pu¬ 
pillen  reagieren  normal. 

Motilität:  Augenmuskeln  intakt.  Gesicht  maske,n- 
artig,  eingefallen;  geringe  Mimik;  Augenschluss  kraftlos; 
Unterlippe  vorstehend;  Mundfazialis  besser  als  bei  seinem  Bruder, 
aber  auch  nicht  ganz  intakt. 

Zunge  stark  atrophisch,  runzelig  und  schlaff, 
immerhin  besser  entwickelt  wie  bei  seinem  Bruder.  Kaumuskulatur 
kaum  beeinträchtigt.  Sprache  deutlich,  wird  aber,  wenn  Pat.  einige 
Zeit  spricht,  leicht  verwaschen. 

Hals  dünn.  Umfang  29%  cm.  M.  sternocleidomastoi- 
deusbeiderseitsaufbleistiftdickeBündel  zusammen¬ 
geschrumpft.  Beim  Aufsitzen  sinkt  der  Kopf  nur  wenig  nach  hinten, 
die  tiefen  Halsmuskeln  sind  offenbar  intakt;  Nackenmuskulatur  und 
Schultergürtel  ganz  intakt.  Oberarmmuskulatur  ziemlich  kräftig, 
ebenso  der  M.  supinator  longus  beiderseits. 

Streckmuskeln  der  Vorderarme  leidlich  kräftig,  Beuge¬ 
muskulatur  entschieden  stärker  geschwächt.  Hände¬ 
druck  am  Dynamometer  nicht  messbar. 

Rückenmuskulatur  gut,  Bauchmuskeln  wenig  geschwächt,  Beine 
völlig  intakt. 

Myotonische  Erscheinungen :  Willkürlich:  Beim  Hände¬ 
druck  sehr  ausgesprochen  (bis  10  Sek.),  beim  Oeffnen  der  Hand 
Ueberstreckung  zwischen  Grund-  und  Mittelphalange  der  Finger; 
ferner  deutliche  Kontraktionsnachdauer  in  Wade  und  Oberschenkel¬ 
streckmuskulatur,  sonst  aber  nirgends.  Gang  im  Beginn  wenig  ge¬ 
hemmt. 

Mechanisch:  In  der  Zunge,  Handmuskeln,  Wade  und  M. 
quadriceps. 

Die  elektrische  Untersuchung  konnte  wegen  grosser  Emp¬ 
findlichkeit  des  Pat.  nur  in  den  Hauptzügen  durchgeführt  werden: 
Indirekt  faradisch:  Myotonische  Reaktion  im  Fazialis  nicht 
zu  erhalten,  dagegen  deutlich  im  Ulnaris,  Medianus  und  Radialis, 
ebenso  von  den  Hauptnervenstämmen  der  unteren  Extremitäten  aus. 
Erregbarkeit  normal.  Zunge  auch  direkt  faradisch  ohne  Zuckungs¬ 
nachdauer. 

Indirekt  galvanisch  vom  Radialis  und  Ulnaris  normales 
Zuckungsgesetz. 

Direkt  galvanisch:  Alle  Minimalzuckungen  bei  kurz¬ 
dauernder  Stromeinschaltung  kurz.  Zuckungsnachdauer  im  gleichen 
Gebiet  wie  bei  der  indirekten  faradischen  Erregung. 

Kein  rhythmisches  Wogen  bei  konstanter  Durchströmung. 

Keine  fibrillären  Zuckungen.  Gelegentlich  tritt  beim  Lösen  einer 
tonischen  Kontraktion  an  der  Wade  etwas  Flimmern  ein,  dagegen 
keine  spontane  Myokymie. 

Reflexe  intakt,  ebenso  Sensibilität. 

Fall  IV.  M.  Pf.,  47jährige  Malersfrau  aus  Chemnitz.  Mutter 
von  II  und  III.  Aufgenommen  am  25.  IX.  1912. 

Anamnese:  Pat.  sucht  die  Klinik  auf  wegen  eines  Anfalls  von 
Gallensteinkolik. 

Ueber  die  Familiengeschichte  gibt  sie  folgende  Auskunft:  Ihr 
(unehelicher)  Vater  soll  mit  der  rechten  Hand  nichts  haben  machen 
können,  sah  aber  sonst  wie  andere  Leute  aus.  Ferner  soll  ein  Gross¬ 
onkel  väterlicherseits  mit  30  Jahren  gelähmt  gewesen  sein,  konnte 
nicht  gehen  und  zitterte  mit  den  Händen.  Im  übrigen  ist  in  der 
Aszendenz  nichts  von  irgendwelchen  Nervenkrankheiten  nachweis¬ 
bar.  Von  den  Kindern  der  Pat.  sind  der  älteste  und  jüngste  Sohn 
die  oben  beschriebenen  Fälle  II  und  III.  Die  zwischen  beiden  ge¬ 
borenen  Kinder,  1  Sohn  und  1  Tochter  sind  gesund,  ebenso  2  Kinder 
der  letzteren.  Der  genannte  Sohn  hat  1907/09  beim  Militär  gedient 
und  noch  im  vorigen  Jahr  eine  Uebung  gemacht. 

Pat.  selbst  will  als  Kind  ganz  normal  gewesen  sein.  Mit  dem 
18.  Jahre  bemerkte  sie  beim  Ziegenmelken,  dass  sie  mit  der  Hand 
nicht  recht  zufassen  konnte,  beim  Brotschneiden  konnte  sie  die 
Hand  nicht  recht  aufmachen.  Schon  damals  soll  auch  etwas  Schwäche 
in  den  Händen  aufgetreten  sein.  Abmagerung  ist  ihr  kaum  aufgefallen, 
höchstens  in  den  Armen  in  den  letzten  Jahren.  Im  Gesicht  fiel  ihr 
auf,  dass  die  Unterlippe  in  letzter  Zeit  dicker  wurde.  Ferner  hat  sie 
bisweilen  beim  plötzlichen  Aufstehen  vom  Stuhle  Steifigkeitsgefühl  in 
den  Beinen,  aber  keine  stärkere  Störung.  Im  übrigen  stets  gesund, 
nur  im  Frühjahr  einen  Kolikanfall  wie  jetzt. 

Stat.  praes.:  Ziemlich  kleine  Frau  von  mittlerem  Knochenbau, 
mittlerem  Fettpolster  und  im  allgemeinen  ziemlich  dürftiger  Muskula¬ 
tur.  Innere  Organe  abgesehen  von  einer  erheblichen  Druckempfind¬ 
lichkeit  der  Leber  ohne  pathologischen  Befund. 

Nervensystem:  Psyche:  Pat.  macht  einen  etwas  leicht  erreg¬ 
baren,  überempfindlichen  Eindruck,  zeigt  aber  keine  stärkeren  Stö¬ 
rungen.  Sinnesorgane  ohne  Besonderheit.  Keine  Linsentrübungen. 
Pupillen  reagieren  normal. 


3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  R 


866 


Motilität:  Augenmuskeln  intakt.  Das  Gesicht  ist  etwas 
starr,  die  Mimik  spärlich,  doch  fällt  die  Störung  auf  den 
ersten  Blick  wenig  auf.  Der  Augenschluss  ist  kraftlos,  kann  leicht 
überwunden  werden,  Unterlippe  deutlich  gewulstet.  (Abb.  3.) 

Die  Zunge  ist  etwas  atrophisch,  besonders  beim  Zu- 
fiihlen  fällt  ihre  Schlaffheit  auf.  Gaumensegel  intakt.  Kaumuskeln 

nicht  deutlich  gestört. 
Schlucken  normal. 
Sprache  etwas  mono¬ 
ton  und  gelegentlich 
leicht  verwaschen. 
Alle  Störungen  sind 
noch  erheblich  ge¬ 
ringer  als  bei  Fall  III. 
M.  sternoclei'- 
domastoideus 
beiderseits  wenig 
überbleistiftdick. 
Beim  Aufsetzen  fällt 
der  Kopf  etwas  nach 
hinten.  Tiefe  Hals- 
muskulatur  anschei¬ 
nend  ohne  Störung. 

Nacken, Schulter, 
Oberarme,  Muse.  Su¬ 
pinator  longus  intakt. 
Lange  Strecker  der 
Vorderame  kaum  pa- 
retisch,  dagegen  deut¬ 
lich  die  lan gen  Fin¬ 
gerbeuger.  Klein¬ 
fingermuskeln  wenig 
schwächer  als  nor¬ 
mal.  Die  Vorderarme 
sind  im  Verhältnis  zu 
den  Oberarmen  ab¬ 
gemagert,  auch  die 
Kleinhandmuskel 
dürftig  entwickelt. 

Rumpf  und  un¬ 
tere  Extremitäten 
gänzlich  intakt.  Wa¬ 
den  eher  etwas  hy¬ 
pervoluminös. 

Myotonische  Erscheinungen :  Willkürlich  nur  beim 
Händedruck,  besonders  im  IV.  Finger  der  rechten  Hand,  ferner  in 
Wade  und  Oberschenkelstreckmuskulatur.  Ueberall  beträgt  die  Kon- 
traktionsnachdauer  nur  2 — 3  Sek. 

Mechanisch  sehr  deutlich  in  Zunge,  Kleinhandmuskeln  und 
Wade,  weniger  auch  in  der  Vorderarmmuskulatur  und  den  Muse, 
vasti. 

Elektrisch:  Indirekt  faradisch:'Im  Gesicht  keine 
myotonische  Reaktion,  dagegen  im  M.  sternocleidomastoideus  und  von 
den  Hauptstämmen  der  oberen  Extremität  aus,  angedeutet  auch  im 
Nerv,  peroneus.  Erregbarkeit  normal. 

Indirekt  galvanisch:  Normales  Zuckungsgesetz.  Erreg¬ 
barkeit  normal. 

Direkt  faradisch:  Myotonische  Reaktion  etwa  im  gleichen 
Ausbreitungsgebiet  wie  indirekt  faradisch.  Wirklich  ausgesprochen, 
aber  nur  in  der  Daumenballenmuskulatur. 

Direkt  galvanisch:  Myotonische  Reaktion  in  der  Zunge 
angedeutet,  ferner  in  der  Vorderarmmuskulatur  und  Handballen,  aber 
auch  in  letzterem  nur  1 — 2  Sek.,  viel  schwächer  als  bei  mechanischer 
Erregung.  An  den  Beinen  nur  in  der  Wade  angedeutet.  Ueberall 
Nachdauer  erst  bei  stärkeren  Strömen,  Zuckungen  bei  schwächeren 
Strömen  durchaus  kurz. 

Keine  fibrillären  Zuckungen.  Reflexe  intakt,  auch  an  den  Vorder¬ 
armen  Sensibilität  normal. 

Die  obenerwähnte  Tochter  der  Patientin  habe  ich  untersucht, 
ebenso  deren  beide  Kinder,  und  völlig  frei  von  myotonischen  und 
atrophischen  Symptomen  gefunden,  den  zweiten  Sohn  konnte  ich  lei¬ 
der  nicht  zur  Untersuchung  bekommen.  (Schluss  folgt.) 


Ueber  Halslymphdrüsentuberkulose  in  ihrer  Beziehung 
zu  den  Tonsillen  und  zur  Lunge*). 

Von  Dr.  Gottfried  Trautmann  in  München. 

Noch  im  Jahre  1864/65  konnte  Virchow  sagen: 

„Worin  es  begründet  liegt,  dass  Tuberkulose  der  Tonsillen  und 
der  Zungenbalgdrüsen  nicht  beobachtet  worden  ist,  vermag  ich  nicht 
zu  sagen,  möglicherweise  ist  es  nur  ein  Mangel  an  Untersuchung.  In¬ 
dessen,  wenn  sie  auch  gefunden  werden  sollte,  so  müsste  sie  doch 
so  selten  sein,  dass  eine  Art  von  Immunität  für  diese  Organe  bean¬ 
sprucht  werden  kann.“ 


*)  Nach  einem  am  10.  Februar  1913  in  der  Laryngo-otolog.  Ge¬ 
sellschaft  München  gegebenen  Bericht. 


In  der  Tat  hat  es  sich,  wie  Otto  Seifert  1899  hervor 
hebt,  um  einen  Mangel  an  Untersuchung  gehandelt.  Dem 
spätere  Autoren  konnten  die  Existenz  der  Tonsillartuberkulos. 
feststellen. 

Zunächst  waren  es  Fälle,  die  ihre  Entstehung  einer  Auto 
infektion  verdankten,  indem  der  Lungentuberkulose  mit  seinen 
eigenen  tuberkelbazillenhaltigen  Sputum  seine  Gaumenmandel! 
infizierte  und  von  diesen  aus  die  Erkrankung  in  weitere  Bahnei 
propagierte.  Damit  fiel  auch  die  mutmassliche  Immunität  de 
Tonsillen  gegenüber  der  Tuberkulose  in  sich  zusammen. 

Es  lag  nun  nahe,  anzunehmen,  dass  auch  die  Tonsillei 
neben  vielen  anderen  eine  Eingangspforte  der  Tuberkulös» 
in  den  menschlichen  Organismus  darstellen  könnten,  dass  als<j 
dortselbst  ein  sogen,  tuberkulöser  Pri m ä r a f f e k 
entstünde. 

Diese  Annahme  wurde  zum  erstenmal  im  Jahre  1879  vor 
Orth  durch  den  Nachweis  einer  primären  T  o  n  s  i  1 1  a  r 
tuberkulöse  experimentell  und  im  Anschluss  durch  eint 
ganze  Reihe  von  Untersuchungsbefunden  verschiedenste! 
Autoren  bestätigt.  (Literatur  bei  Seifert  1899,  Grobe 
1905,  Traut  mann  1903  und  1911.)  Es  war  daraufhin  natiir 
lieh  sehr  verlockend,  die  Lungentuberkulose  von  den 
Tonsillarprimäraffekt  aus  entstehen  zu  lassen  um 
von  der  Frühbehandlung  des  letzteren  sich  grosse  Erfolge  zi 
versprechen. 

Für  andere  Erkrankungen  galten  ja  die  Tonsillen  schon 
seit  langer  Zeit  (vide  bei  E.  Bloch  1899,  Grober  1905, 
Hans  Bachhammer  1910,  Heinrich  Meier  191 1,  T  r  a  u  t 
mann  1903  und  1911)  als  Eingangspforte,  ich  erwähne  nui 
Rheumatismus,  Endokarditis,  Nephritis,  Appendizitis,  Pleuritis 
Poliomyelitis,  Sepsis  u.  a.,  warum  sollte  also  bei  der  Lungen 
tuberkulöse  nicht  auch  ein  gleicher  Entstehungsmodus  mög 
lieh  sein? 

Diese  Hypothese  bekam  eine  Stütze  durch  die  experi-l 
mentellen  Ergebnisse  Gr  obers  (1905): 

„Die  Versuche  haben  zuerst  gezeigt,  dass,  wie  ander» 
Autoren  angenommen  haben,  korpuskulare  Elemente 
Tuschekörnchen  wie  Mikroorganismen  von  den  Tonsille» 
in  die  Halslymphdrüsen  gelangen  können.“  Der  Autor  wil 
aber  weiterhin  die  neue  Tatsache  festgestellt  haben 
„dass  von  den  Halslymphdrüsen  direkte  Weg») 
auf  die  Pleura  und  an  die  Lunge  führen,  un» 
zwa[  gerade  an  derjenigen  Stelle,  wo  der  hau 
figste  Sitz  der  primären  Ansiedelung  der  Tu 
berkelbazillen  in  der  Lunge  sich  finde  t.“  Daram 
scheint  Grober  hervorzugehen,  „dass  die  Spitzentuber¬ 
kulose  auf  diesem  Wege  von  den  Tonsille m  übe» 
Halslymphdrüsen  und  Pleuraverwachsungen 
(lympho-pleurogen)  zu  der  Lungenspitze  ent 
stehen  kann“,  und  dieser  Infektionsweg  soll  im  Vergleich  zi 
anderen  der  meist  begangene  sein,  was  die  klinische  Beobachtung 
i  eichlich  bestätige.“ 

Diese  Auffassung  der  Phthisiogenese  fand  in  B  e  i  t  z  k  t 
1906  einen  Kritiker,  in  Most  1908  aber  einen  Autor,  der  die 
Möglichkeit  eines  solchen  Infektionsweges  ablehnen  zu  miissei 
glaubt: 

Nach  seinen  anatomischen  Untersuch  uingeu 
und  pathologisch-anatomischen  wie  klinischen 
Erfahrungen  gibt  es  keine  Lymphbahnen,  welch» 
von  den  Halsorganen  zur  Lunge  führen  und  die  In¬ 
fektion  der  letzteren  vermitteln  könnten.  „Eben¬ 
sowenig  existieren  Lymphbahnen,  welche  von  der 
Halsorgane  in  oder  von  den  Abdominalorganen  aus 
direkt  zur  Lunge  oder  den  tracheo-bronchialeij 
Drüsen  führen.  Der  einzige,  anatomisch  gangbar» 
Weg  dorthin  ist  der,  den  alle  Lymphe  geht,  näm¬ 
lich  von  den  Quellgebieten  über  die  regionäre:' 
DrüsenzumVenensystemunddurchdieobereHohl- 
vene,  das  rechte  Herz  und  den  kleinen  Kreislau i 
zur  Lunge  und  von  da  aus  auf  lymphogenem  Wege' 
zu  den  tracheo-bronchialen  Drüse m.  Es  ist  nicht  aus¬ 
geschlossen,  dass  auf  diesem  Wege  auch  die  Lungen-  und  Bronchial¬ 
drüsentuberkulose  mitunter,  aber  wohl  nur  selten,  vermittelt  wird: 
denn  er  bedeutet  einen  Umweg,  auf  welchem  der  Tuberkelbazillus' 
viele  Kämpfe  mit  den  Schutzvorrichtungen  des  Organismus  (Lytnph- 
drüsen  und  Blut)  zu  überwinden  hätte  und  denen  er  oft  genug  unter¬ 
liegen  wird.“  Für  die  Entstehung  der  Lungentuberkulose  bietet  nach 
Most  die  Inhalationstheorie  die  ungezwungenste  und  beste  Er¬ 
klärung. 

Daraus  geht  hervor,  dass  unter  Umständen  einmal  von 
tuberkulösen  Halslymphdrüsen  aus  durch  das  Venen- 


Abb.  3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


867 


\)2.  April  1913. 


,  y  s  t  e  m  zur  Lunge  eine  Infektion  als  möglich  gedacht  werden 
cann,  also  auch  von  den  Tonsillen  aus,  dass  dieser  Weg 
taktisch  aber  kaum  in  Betracht  kommt.  Eine  Infektion  von 
len  Halslymphdrüsen  aus  zur  Lunge  auf  dem  Lymph- 
vege  ist  aber  undenkbar,  weil  es  einen  solchen  nicht  gibt. 

Wesentlich  anders  steht  es  mit  den  tuberkulösen  Hals- 
ymphdriisen.  Diese  sind  nach  Most  die  Manifestation 
in  er  sekundären  Tuberkulose,  welche  durch  eine 
nvasion  der  Bazillen  vom  Quellgebiet  jener  Drüsen  aus  ver¬ 
pacht  worden  ist.  Dieses  Quellgebiet  ist,  abgesehen  von  der 
iusseren  Haut,  die  die  Infektion  in  den  seltensten  Fällen  zu 
ermitteln  scheint,  „das  ganze  Schleimhautgebiet 
om  Nasen-  und  Mundeingang  angefangen, 
iis  hinab  zum  Kehlkopf  und  zum  unteren 
5  h  a  r  y  n  x  t  e  i  1“. 

Für  eine  Infektion  von  seiten  des  Kehlkopfinner n,  des 
.ehlkopfeingamgs  und  des  Zungen  grün  des  spricht  sehr 
v  enig  Positives.  Zahndurchbruch  und  Zahnkaries 
ommen  als  Invasionspforten  bei  den  tuberkulösen  Halsdrüsen  nicht 
l  Frage,  erst  bei  Ergriffensein  der  Alveole  oder  der  Kiefer- 
c  h  1  e  i  m  h  a  u  t  können  sich  einer  tuberkulösen  Infektion  die  Wege 
ffnen,  obwohl  letztere  in  der  Aetiologie  der  Halsdrüsentuberkulose 
eine  bedeutende  Rolle  zu  spielen  scheint.  Nach  Most  weist  etwa 
in  Drittel  der  Fälle  von  Halsdrüsentuberkulose  auf  die  Lymphquell- 
ebiete  der  vorderen  Qesichtspartie  als  Infektionsquelle  hin,  und  zwar 
ind  es  hier  die  sog.  skrofulösen  Entzündungen  und  Ekzeme  der 
äsen-,  Mund-  und  Augengegend. 

Am  häufigsten  aber  vermittelt  die  Infektion 
er  Halslymphdrüsen  der  Waldeyersche  lympha- 
lsche  Rachenring  und  von  diesem  in  allererster 
inie  die  Qaumentonsillen.  Diese  sind  die  expo- 
iertesten  Posten  dieses  ganzen  Quellgebietes 
n d  bieten  normalerweise  schon  bestehende  Epi¬ 
hellücken,  an  denen  eine  Infektion  am  leichtesten 
rfolgenkann.  Zu  beachten  ist  auch  die  Darstellung  der  Lymph- 
ege,  wie  sie  L.  Q  r  ü  n  w  a  1  d  auf  Grund  eigener  Untersuchungen 
rst  kürzlich  gegeben  hat. 

In  praktischer  Beziehung  wird  man  nun  auf  Grund 
ieser  Tatsachen  bei  bestehender  Halsdrüse  n- 
uberkulose  sein  Augenmerk  auf  die  oberen  Luft-  und 
Trdauungswege  und  in  diesen  auf  die  Tonsillen  als 
nvasionspforte  der  Tuberkelbazillen  richten  müssen.  D  i  e 
Behandlung  darf  sich  also  nicht  auf  die 
.ntfernung  der  tuberkulösen  Lymphdrüsen 
llein  beschränken,  sondern  der  Primär - 
ffekt,  von  dem  aus  auf  dem  Lymphwege 
mmer  wieder  neue  Drüsen  erkranken,  muss 
ehandelt  werden.  Es  ist  aber  in  Betracht  zu  ziehen, 
ass  ein  solcher  klinisch  sehr  häufig  nicht  in  Erscheinung 
itt,  dass  vielmehr  die  Tonsille  ganz  normal  erscheinen  kann, 
msomehr,  wenn  sie  von  der  glatten  Plica  triangularis  in 
rosser  Ausdehnung  überzogen  ist:  und  doch  ist  die  betreffende 
onsille  tuberkulös.  Ein  Fall,  der  sich,  wenn  man  von  jetzt 
b  darauf  achtet,  sicher  vervielfachen  lässt,  möge  zur  Illu¬ 
tration  dienen. 

Es  handelte  sich  um  ein  11  jähriges  lungengesundes  Mädchen 
iit  guten  Zähnen,  das  seit  ca.  A.  Jahr  einen  linkseitigen  kinderfaust¬ 
rossen  tuberkulösen  Halslymphdrüsenabszess  hatte.  Bei  der  Spal- 
mg  entleerte  sich  eine  Unmenge  rahmigen  Eiters.  Die  Inzisions¬ 
unde  verheilte  in  der  Folge  bis  auf  eine  Fistel,  die  in  die  Tiefe 
hrte.  Infolgedessen  wurde  nochmals  eröffnet  und  aus  der  Tiefe, 
sbesondere  in  der  Gegend  des  Jugular Venenzusammenflusses,  eine 
ienge  verkäster  Lymphdrüsen  exstirpiert.  Am  nächsten  Tage  wurde 
e  Ektomie  der  ganz  gesund  erscheinenden,  von  der  Plica  triangu- 
ris  zum  grössten  Teile  überzogenen  linken  Tonsille  angeschlossen, 
ie  im  pathologischen  Institute  ausgeführte  mikroskopische  Unter- 
ichung  (Prof.  Schmincke)  ergab  typische  Epitheloidzellen- 
iberkel,  teilweise  mit  L  a  n  g  h  a  n  s  sehen  Riesenzellen. 

Hieraus  allein  ergibt  sich  schon  in  prophylaktischer  Hin- 
cht  die  Wichtigkeit  der  Mundhöhlenhygiene,  noch  mehr  die 
er  sachgemässen  Behandlung  der  akuten  und  chronischen 
onsillitis,  insbesondere  der  Kinder. 

Dass  eine  kranke  Tonsille,  von  anderen  Infektionen 
bgesehen,  für  die  Tuberkulose  eine  besonders  günstige  Ein- 
angspforte  darstellt,  bedarf  wohl  keines  ausdrücklichen  Hin¬ 
eises.  In  solchen  Fällen  wird  man  meist  mit  einfachen  Ein¬ 
riffen  auskommen.  Für  den  übrigen  lymphatischen  Rachen- 
ng  gilt  das  gleiche. 

Bei  bestehender  Tuberkulose  der  Hals- 
vmphdrüsen  aber  halte  ich  ausser  deren 


Entfernung  unter  allen  Umständen  die  totale 
Exstirpation  der  korrespondierenden  Ton¬ 
sille  für  indiziert.  Die  Streitfrage,  ob  Totalexstirpation 
oder  nicht  bei  anderen  Tonsillarerkrankungcn,  bleibt  hiebei 
ganz  unberührt. 

Noch  1905  hat  sich  Grober  dahin  ausgesprochen,  dass’ 
es  nicht  möglich  sei,  ausser  durch  einen  grösseren  gefähr¬ 
licheren  Eingriff,  die  Mandel  ganz  zu  entfernen.  Das  Ton- 
sillenmassacre  der  letzten  Jahre,  gegen  das  sich  John 
R,  Mac  k  e  n  z  i  e  erst  kürzlich  mit  gewichtigen  Gründen 
wendete,  lässt  auch  heute  noch  die  Tonsillektomie  in  ihren 
zahlreichen  Varianten  nicht  als  eine  harmlose  und  technisch 
einfache  Sache  erscheinen.  Es  kommt  aber  nach  meinen  Er¬ 
fahrungen  ausschliesslich  die  extrakapsuläre  Total¬ 
exstirpation  in  Betracht,  welche,  die  Indikation  voraus¬ 
gesetzt,  bei  Beherrschung  der  anatomischen  Verhältnisse  und 
der  Technik,  auf  die  ich  später  noch  zurückkommen  werde, 
die  sichersten  Chancen  bietet  und  eine  segensreiche  Operation 
darstellt. 

Literatur. 

Bachhammer  Hans:  Einiges  über  Tonsillitis  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  anderen  Erkrankungen.  Archiv  für  Laryngol.  etc.  1910, 
XXIII,  3.  —  Beitzke:  Ueber  den  Weg  der  Tuberkelbazillen  von 
der  Mund-  resp.  Rachenhöhle  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Verhältnisse  beim  Kinde.  Virchows  Archiv  1906,  Bd.  184,  H.  1.  — 
Bloch  E. :  Die  Krankheiten  der  Gaumenmandeln.  Heymanns  Hand¬ 
buch  der  Laryngol.  etc.  1899.  Bd.  II,  p.  548  ff.  —  Grober  J.:  Die 
Tonsillen  als  Eintrittspforten  für  Krankheitserreger,  besonders  für  den 
Tuberkelbazillus.  Klinisches  Jahrbuch,  XIV.  Bd.,  Jena  1905,  Gustav 
Fischer.  —  Grünwald  L.:  Die  Krankheiten  der  Mundhöhle,  des 
Rachens  und  der  Nase.  3.  Auflage.  Teil  l:  Lehrbuch.  Lehmanns  med. 
Handatlanten.  Bd.  IV.,  1.  Teil.  München  1912.  —  Mackenzie 
John  R.:  The  Massacre  of  the  Tonsil.  Maryland  Medical  Journal, 
September  1912.  —  Meier  Heinrich :  Beziehungen  der  Mandel¬ 
entzündung  zu  inneren  Erkrankungen.  Aerztl.  Verein  München, 
Sitzung  vom  11.  Januar  1911.  —  Most  A.:  Die  Topographie  des 
Lymphgefässapparates  des  menschlichen  Körpers  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  den  Infektionswegen  der  Tuberkulose.  Bibliotheca 
medica.  Abteilung  C:  Pathologie  und  patholog.  Anatomie.  Heraus- 
gegebem  von  E.  P  o  n  f  i  c  k.  C.  'Heft  21.  Stuttgart  1908,  E.  Nägele. 
—  Orth:  Experimentelle  Untersuchungen  über  Fütterungstuber- 
kulose.  Virchows  Archiv  1879,  Bd.  76.  —  Seifert  Otto:  Tuber¬ 
kulose  der  Tonsillen.  Heymanns  Handbuch  der  Laryngologie  etc. 
1899,  Bd.  II,  pag.  741.  —  Trautmann  Gottfried:  Bedeutung  der 
nasalen  Atmung  in  ihrer  Schutz-  und  Heilwirkung  auf  Krankheiten. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1903,  No.  13.  —  Derselbe:  Tuberkulose, 
pag.  484  ff.  in  die  Krankheiten  der  Mundhöhle  etc.  Wiesbaden  1911, 
Bergmann.  —  Virchow:  Die  krankhaften  Geschwülste,  1864/65. 


Pemphigus  malignus,  durch  einmalige  intravenöse 
Blutinjektion  geheilt. 

Von  Dr.  G.  Praetorius  in  Hannover. 

Die  in  den  Jahren  1910  und  1911  von  Mayer  und 
L  i  n  s  e  r  veröffentlichten  Berichte  über  Heilung  verschiedener 
Hautkrankheiten  durch  Injektion  normalen  menschlichen 
Serums,  speziell  schwerer  Schwangerschaftsdermatosen  und 
chronischer  Urtikaria  haben  anscheinend  nicht  allgemein  die 
ihnen  gebührende  Beachtung  gefunden.  Und  doch  war  das 
wenige,  was  von  anderer  Seite  darüber  berichtet  war,  meist 
geeignet,  die  Befunde  der  genannten  Forscher  zu  bestätigen 
und  zu  erweitern.  Besonders  erfreulich  war,  dass  die 
L  i  n  s  e  r  sehe  Methode  auch  bei  ganz  schweren  Erkrankungen, 
denen  wir  sonst  völlig  machtlos  gegenüberstanden,  einen 
deutlichen  Erfolg  hatte,  insbesondere  beim  Pemphigus.  — - 
H  e  u  c  k,  der  kürzlich  (Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  Heft  48) 
einen  Bericht  über  umfassendere  Versuche  veröffentlichte,  er¬ 
wähnt  u.  a.  auch  einen  Fall  von  Pemphigus,  der  durch  34  In¬ 
jektionen  von  je  10 — 30  ccm  normalen  Menschenserums,  wenn 
auch  nicht  geheilt,  so  doch  erheblich  gebessert  wurde. 

Ich  möchte  mir  nun  erlauben,  im  folgenden  kurz  über 
einen  Fall  von  schwerstem  Pemphigus  zu  berichten, 
dessen  völlige  und  bis  jetzt  (über  8  Monate)  dauernde 
Heilung  mir  durch  eine  einmalige  intravenöse  Injektion 
von  20  ccm  nicht  defibrinierten  frischen  nor¬ 
malen  Menschenblutes  gelang. 

Es  handelte  sich  um  eine  48  jährige  Frau,  die  seit  2  Jahren  an 
einem  schweren,  fortwährend  rezidivierenden  Pemphigus  litt.  Nur 
einmal  war  für  mehrere  Monate  eine  erhebliche  Remission  einge- 

3* 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


treten,  aber  auch  während  dieser  Zeit  hatten  dauernd  einzelne  Blasen 
an  Händen  und  Armen  bestanden.  Seit  ca.  34  Jahr  waren  wieder 
die  schwersten  Schübe  ununterbrochen  aufeinander  gefolgt.  Alle 
Mittel,  auch  Salvarsan,  hatten  bei  der  Kranken,  die  sich  dauernd 
in  ärztlicher  Behandlung  befand,  völlig  versagt.  Ich  sah  die  Kranke 
zuerst  am  4.  Juli  1912.  Sie  war  damals  in  einem  ganz  jammervollen 
Zustande.  Der  ganze  Körper  war  von  grossen  Blasen,  wunden  Stel¬ 
len  und  erythematösen  Flecken  völlig  bedeckt.  Die  früher  zeitweilig 
stark  mitbefallene  Mundschleimhaut  war  z.  Z.  fast  völlig  frei.  Pa¬ 
tientin,  die  bis  zum  Skelett  abgemagert  war,  litt  unbeschreiblich. 
Es  bestand  dauernd  massiges  hohes  Fieber,  zeitweise  mit  Delirien; 
dabei  Schlaflosigkeit,  schwere  Durchfälle  usw.  Die  Kranke,  die  sich 
nur  mühsam  bewegen  konnte,  hatte  seit  über  2  Monaten  ihr  Zimmer 
nicht  mehr  verlassen. 

Es  handelte  sich  also  um  einen  seit  langem  ärztlicherseits  be¬ 
obachteten  Fall  von  schwerstem  chronischen  Pemphigus,  dessen  Pro¬ 
gnose  bei  der  bisher  üblichen  symptomatischen  Behandlung  denkbar 
schlecht  gewesen  wäre.  Da  die  Kranke  nicht  zu  bewegen  war,  sich 
in  ein  Krankenhaus  zu  begeben,  wäre  es  sehr  umständlich  gewesen, 
nach  der  L  i  n  s  e  r  sehen  Originalvorschrift  (Defibrinieren,  Zentri¬ 
fugieren  usw.)  zu  verfahren.  Ausserdem  hätte  das  Serum  während 
des  Transportes  nach  der  ziemlich  weitabgelegenen  Wohnung  der 
Kranken  unter  Umständen  bereits  erheblich  an  Wirksamkeit  verloren. 
Ich  injizierte  ihr  deshalb  am  14.  VII.  20  ccm  Blut,  das  ich  ihrem 
Mann  entnommen  hatte,  ohne  weitere  Verarbeitung  sofort  in  die  Kubi- 
talvene.  Der  kleine  Eingriff,  der  nur  wenige  Sekunden  dauerte, 
wurde  ohne  Nebenerscheinungen  vertragen.  Nur  2 — 3  Tage  be¬ 
lästigte  ein  kleines  Infiltrat  an  der  Injektionsstelle  die  Kranke 
unerheblich  (vermutlich  war  ein  Teil  des  Blutes  perivenös  depo¬ 
niert  worden).  Der  Heileffekt  war  ganz  erstaunlich.  Am  3.  Tage 
nahmen  die  Krankheitserscheinungen  rapide  ab  und  nach  kaum 
einer  Woche  war  alles  verheilt.  Die  Kranke  erholte 
sich  zusehends,  konnte  schon  nach  8  Tagen  allein  ausgehen 
und  nach  3  Wochen  eine  Reise  antreten.  Bis  heute  — -  fast 
8  Monate  nach  der  Injektion  —  ist  nicht  das  geringste  Krank¬ 
heitszeichen  wieder  aufgetreten.  Die  Haut  des  ganzen  Kör¬ 
pers  erscheint  völlig  normal.  Die  Patientin  fühlt  sich  durchaus 
wohl,  hat  18  Pfund  zugenommen,  trotz  eines  gleichzeitig  seit 
ca.  15  Jahren  bestehenden  schweren  Lungenleidens.  Jede  lokale  Be¬ 
handlung  war  unterblieben. 

Dieser  rapide  und  dauernde  Erfolg  durch  eine  ein¬ 
malige  Blutinjektion  übertrifft  die  durch  wiederholte  Serum¬ 
injektionen  erzielten  Resultate  so  erheblich,  dass  es  mir  schwer 
fallt,  an  einen  Zufall  zu  glauben.  Natürlich  sind  aus  eine  m 
Falle  keine  weitgehenden  Schlüsse  erlaubt.  Da  mir  kein 
weiteres  Material  zur  Verfügung  steht,  wäre  ich  für  Nach¬ 
prüfungen  von  anderer  Seite  sehr  dankbar. 

Vorausgesetzt,  dass  sich  dies  Verhalten  als  konstant 
erweisen  sollte,  kämen  zur  Erklärung  mehrere  Möglichkeiten 
in  Betracht.  —  Man  könnte  etwa  annehmen,  die  wirksamen 
Stoffe  seien  nur  teilweise  im  Serum  enthalten,  zum  anderen 
Teil  aber  in  den  B  1  u  t  z  e  1 1  e  n  und  im  Plasma. 

Ferner  wäre  daran  zu  denken,  dass  die  erwähnten  Stoffe 
zwar  hauptsächlich  im  Serum  enthalten  wären,  jedoch  von 
den  Blutzellen  gebildet  würden,  dass  ferner  die  injizierten 
Blutzellen  des  gesunden  auch  im  kranken  Organismus  wenig¬ 
stens  eine  Zeitlang  lebendig  und  arbeitsfähig  blieben,  dass 
also  gewissermassen  eine  Transplantation  von  Blutzellen  statt¬ 
fände.  (Dies  wäre  jedoch  nur  bei  intravenöser  Applikation 
anzunehmen;  bei  subkutaner  beweist  ja  die  bald  eintretende 
Verfärbung  an  der  Injektionsstelle  aufs  deutlichste  den  Zerfall 
zum  mindesten  der  roten  Blutkörperchen.)  Man  würde  als¬ 
dann  dem  Kranken  nicht  nur  das  fertige  chemische  Agens 
einverleiben,  sondern  gleichzeitig  die  lebenden  Zellen,  die  für 
dessen  dauernde  Produktion  sorgte. 

Die  erwähnten  Heilstoffe  könnte  man  sich  ihrem  Wesen 
nach  etwa  als  Schutzfermente  im  Sinne  Abderhaldens 
vorstellen,  deren  Aufgabe  der  weitere  Abbau  irgendwelcher 
schädlicher  Stoffwechselzwischenprodukte  oder  etwa  die  Zer¬ 
störung  anormaler  Sekrete  von  sogen.  Drüsen  mit  innerer 
Sekretion  wäre. 

In  der  Vermutung,  dass  bei  allen  Fällen,  wo  überhaupt  die  In¬ 
jektion  von  Serum  indiziert  ist,  die  Verwendung  des  gesamten 
undefibrinierten  Blutes  vorzuziehen  sei,  hat  mich  kürzlich  die 
Beobachtung  einer  schweren  Hämophilie  bestärkt.  Eine 
starke,  bereits  5  Wochen  lang  bestehende  Harnröhren¬ 
blutung  bei  einem  typischen  Hämophilen  (aus  belasteter  Fa¬ 
milie),  die  weder  auf  Pferdeserum  noch  Gelatine  reagierte,  stand 
nach  3  maliger  Injektion  von  je  15  ccm  frischen  Menschenblutes.  (Die 
beiden  ersten  Injektionen  waren  subkutan,  die  letzte  teilweise  intra¬ 
venös  ausgeführt).  Der  Patient  hat  noch  jetzt  (6  Wochen  nach  der 
Injektion)  nicht  die  geringste  Neigung  zu  verlangsamter  Blutgerinnung. 
Ich  habe  ihm  in  letzter  Zeit  —  bei  der  Behandlung  einer  überaus 


schwierig  passierbaren  Striktur  —  mehrfach  eine  Schleimhautver¬ 
letzung  beigebracht,  die  im  Moment  heftig  blutete;  aber  jedesmal 
stand  die  Blutung  nach  wenigen  Minuten  von  selbst. 

Es  ist  mir  mm  von  kollegialer  Seite  mehrfach  zu  be¬ 
denken  gegeben,  ob  bei  intravenöser  Applikation  nicht  de- 
fibrinierten  Blutes  nicht  die  Gefahr  einer  Embolie  zu  be¬ 
fürchten  sei.  Ich  glaube,  diese  Gefahr  besteht  bei  schnellem 
Arbeiten  und  bei  Verwendung  dünner  Kanülen,  die  irgendwie 
grössere  Koagula  eben  nicht  passieren  lassen,  nicht.  Dass  ganz 
kleine  Koagula  völlig  gefahrlos  in  die  Blutbahn  eintreten 
können,  davon  habe  ich  mich  bei  Hunderten  von  Salvarsan- 
infusionen  überzeugt.  Wie  oft  stockt  da  der  Abfluss  der  In¬ 
jektionsflüssigkeit  momentan,  um  dann  mit  einem  plötzlichen 
Ruck  wieder  einzusetzen.  Das  ist  doch  nur  so  zu  erklären, 
dass  ungelöste  Partikelchen  oder  Koagula  vorübergehend  die 
Kanüle  verstopfen,  um  dann  in  die  Blutbahn  gepresst  zu 
werden.  Ich  habe  noch  nie  auch  nur  den  geringsten  Nachteil 
davon  gesehen.  —  Uebrigens  ist  meines  Wissens  die  direkte 
intravenöse  Injektion  undefibrinierten  Blutes  auch  von  Inter¬ 
nisten  (z.  B.  bei  perniziöser  Anämie  gelegentlich  ohne  Schaden 
angewandt  worden. 

Ich  glaube  also,  da  mir  persönlich  weiteres  Material,  wie 
gesagt,  leider  nicht  zur  Verfügung  steht,  unbesorgt  zu  weiterer 
Nachprüfung  meiner  bescheidenen  Ergebnisse  auffordern  zu 
dürfen,  zumal  die  beschriebene  Methode  den  Vorzug  grösster 
Einfachheit  und  leichtester  Durchführbarkeit  besitzt. 


Aus  dem  Garnisonlazarett  Leipzig. 

Ein  ungewöhnliches  Repositionshindernis  bei  typischem 
Knöchelbruch  mit  Luxation  des  Fusses  nach  aussen. 


Von  Stabsarzt  Dr.  Wilhelm  Wolf. 


Zahlreich  sind  bereits  die  Verletzungen,  die  dadurch  ver¬ 
ursacht  wurden,  dass  zum  Halten  von  Luftschiffen  bestimmte 
Soldaten  von  dem  durch  die  Gewalt  des  Sturmes  nach  oben 
gerissenen  Fahrzeug  mit  hochgehoben  wurden  und  beim 
schliesslichen  Loslassen  des  Haltetaus  aus  mehr  oder  weniger 


grosser  Höhe  herabstürzten. 

Soldat  B.  des  106.  Regiments  hatte  sich  freiwillig  zum  Halten 
des  Parsivalballons  gemeldet,  der  am  25.  V.  12  auf  dem  Sportplatz 
in  Leipzig-Lindenau  landete.  Da  heftiger  Wind  herrschte,  riss  sich 
der  Ballon  los,  verschiedene  Kommandos  „Loslassen“,  „Festhalten'' 
wurden  durcheinander  gerufen,  B.  wusste  infolgedessen  nicht,  was  tun 
und  hielt  die  Halteleine  krampfhaft  fest.  Plötzlich  fühlte  er  sich 
mehrere  Meter  hochgehoben  (die  Angaben  über  die  Höhe  schwankten, 
wie  stets  bei  solchen  Gelegenheiten,  beträchtlich),  deshalb  liess  er 
nunmehr  los  und  stürzte  zu  Boden.  Sofort  spürte  er  einen  heftigen’ 
Schmerz  im  linken  Fussgelenk.  Von  Samaritern  wurde  er  umgehend 
mit  dem  Sanitätsautomobil  ins  Lazarett  befördert. 

Hier  wurde  eine  typische  Malle- 
olenfraktur  mit  Luxation  des  Fusses 
nach  aussen  festgestellt,  und  zwar 
hatte,  wie  das  Röntgenbild  zeigte, 
der  Tallus  die  Malleolengabel  voll¬ 
ständig  verlassen  (vergleiche  Ab¬ 
bildungen). 


Bei  dem  sofort  in  Narkose  eingeleiteten  Repositionsmanöver 
machte  sich  ein  federnder  Widerstand  im  Gelenk  störend  bemerkbar, 
nichtsdestoweniger  hatte  ich  das  Gefühl,  als  ob  der  Fuss  richtig 
stehen  müsste.  Ich  legte  einen  Gips  verband  in  der  üblichen  Weise  an. 
doch  zeigte  die  am  nächsten  Tage  vorgenommene  Kontrollröntgen- 
aufnahme,  dass  der  Talus  immer  noch  ausserhalb  der  Malleolen¬ 
gabel  stand.  Nunmehr  wiederholte  Repositionsversuche  änderten  an 
der  Situation  nichts,  es  war  also  offenbar  ein  Repositionshindernis 


2.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


us  dem  Laboratorium  für  experimentelle  Pharmakologie  zu 
Strassburg  i.  Eis. 

eue  Apparate  zur  Messung  des  arteriellen  Blutdrucks 

beim  Menschen. 


Von  Dr.  Heinrich  von  Recklinghausen. 

(Schluss.) 


ti  Gelenk  vorhanden,  das  nur  nach  Eröffnung  des  Gelenkes  be- 
sitigt  werden  konnte. 

Da  noch  die  Abheilung  eines  am  inneren  Knöchel  sitzenden 
truckgeschwürs  abgewartet  werden  sollte,  wurde  die  Arthrotomie 
rst  am  13.  VI.  12  vorgenommen. 

Nach  Eröffnung  des  Gelenkes  auf  der  Innenseite  zeigte  sich  hiei  - 
■i,  dass  die  flache  Sehne  des  Musculus  tibialis  anterior  hinter  den 
alus  luxiert  war  und  somit  mitten  durch  das  Gelenk  lief,  so  dass  sie 
ch  beim  jedesmaligen  Versuch,  den  Talus  in  die  Malleolengabel  zu 
rücken,  wie  ein  vorgespanntes  Seil  ihm  hindernd  in  den  Weg  legte, 
icht  ohne  Mühe  gelang  es,  die  luxierte  Sehne  mit  dem  Elevatorium 
ier  die  Trochlea  des  Talus  hinwegzuhebeln,  worauf  die  Reposition 
-istandslos  gelang. 

Leider  wurde  die  Heilung  durch  eine  länger  dauernde  Eiterung, 
ie  offenbar  durch  Infektion  von  seiten  des  noch  nicht  ganz  ver¬ 
erbten  Druckgeschwürs  am  inneren  Knöchel  veranlasst  war,  ver¬ 
wert,  doch  war  das  Endresultat  schliesslich  für  die  Schwere  der 
erletzung  ein  recht  gutes.  Die  Dienstfähigkeit  konnte  allerdings 
cht  erhalten  bleiben,  da  immerhin  eine  gewisse  Steifigkeit  im  Fuss- 
?lenk  zurückblieb. 

Meines  Wissens  ist  ein  Fall,  wo  sich  die  Sehne  des  Muse, 
bialis  anterior  der  Reposition  eines  im  Talokruralgelenk 
ixlerten  Fusses  hindernd  in  den  Weg  legte,  noch  nicht  be- 
chrieben. 

Das  Verhalten  der  Tibialissehne  erinnert  lebhaft  an  das 
er  Sehne  des  Flexor  pollicis  longus  bei  der  Luxation  des 
»aumens  im  Metakarpophalangealgelenk.  Wie  sich  hier  die 
ehne  hinter  dem  Köpfchen  des  ersten  Metakarpalknochens  J 
erhakt  und  die  Grundphalanx  des  Daumens  nicht  ins  Gelenk 
mtreten  lässt,  so  verhakte  sich  in  unserem  Fall  die  Tibialis- 
ehne  hinter  der  Trochlea  des  Talus  und  machte  die  Reposition 
uf  unblutigem  Wege  zur  Unmöglichkeit. 

Der  Seltenheit  des  Ereignisses  wegen  glaubte  ich  auf 
iteresse  für  Mitteilung  des  Falles  zu  stossen. 

_ 


Schwankungen  erzielt  werden  sollen,  der  Luftraum  innerhalb  des 
Apparates  möglichst  gering  sein  muss.  Ausserdem  kann  es  bei 
zu  ^osen  Anliegen  der  Manschette  dazu  kommen,  dass  beim 
Aufblasen  der  Gummi  sich  unter  der  Leinwand  hernienartig  vor¬ 
wölbt  und  schliesslich  platzt.  Natürlich  soll  die  Manschette  auch 
nicht  so  eng  anliegen,  dass  sie  bereits  in  unaufgeblasenem  Zustand 
Stauung  —  kenntlich  durch  Blauwerden  des  Unterarms  —  bewirkt. 
Erfahrungsgemäss  kommt  dies  aber  nur  selten  vor,  während  es  einem 
leicht  passiert,  dass  man  zu  lose  anlegt  und  infolgedessen  bei  der 
oszillatorischen  Messung  schlechte  Resultate  erhält.  Der  Prüfstein 
für  knappes  Anliegen  der  Manschette  ist  der,  dass  man  zwischen  Arm 
und  Manschette  weder  am  oberen  noch  am  unteren  Rand  wesentliche 
Spalten  klaffen  fühlt.  Um  ein  straffes  Anliegen  der  Manschette  zu 
erzielen,  verfährt  man  am  besten  folgendermassen:  Nachdem  die 
Manschette  lose  um  den  Arm  des  Patienten  herumgeführt  ist,  setzen 
beide  Hände  gleichmässig  den  dritten  und  vierten  Finger  auf  den 
von  Leinwand  nicht  bedeckten  schmalen  inneren  Gummirand  der 
Manschette,  während  die  Daumen  und  Zeigefinger  den  äusseren  Rand 
der  Manschette  erfassen  und  ihn  fest  anziehend  über  den  inneren  Rand 
hinüberlegen  und  diesen  dadurch  fixieren.  Beim  Zuschnallen  zieht 
man  den  hierzu  dienenden  Gurt  noch  einmal  recht  fest  an,  wobei  man 
mit  der  an  der  Schnalle  angenähten  Strippe  gegenhält.  Da  der  Ober¬ 
arm  fast  niemals  zylindrisch,  sondern  stets  mehr  oder  weniger  ko¬ 
nisch  geformt  ist  —  der  Umfang  des-  oberen  Drittels  ist  grösser  als 
der  des  unteren  so  ist  auch  die  Manschette  konisch  anzulegen, 
d.  h.  die  umgelegte  Manschette  soll  nicht  einen  Zylindermantel, 


Fig.  6.  Messung  mit  Gebläse  und  kleinem  Tonometer  (erste  Kombination). 

sondern  einen  Ausschnitt  aus  einem  Kegelmantel  darstellen.  Bei  dem 
Anlegen  ist  ferner  darauf  zu  achten,  dass  die  innere  Kante  der  Man¬ 
schette  (der  schmale  freie  Gummirand)  von  dem  überliegenden 
Manschettenstück  in  ganzer  Höhe  gedeckt  wird. 

Damit  beim  Aufblasen  die  Randteile  der  Manschette  möglichst 
wenig  nachgeben,  kann  man  ausser  dem  bereits  liegenden  Gurt  ober¬ 
halb  und  unterhalb  desselben  nachträglich  noch  je  einen  weiteren 
Hilfsgurt  anlegen.  Dies  empfiehlt  sich  stets,  wenn  man  genaue  oszilla- 
torische  Bestimmungen  zu  machen  wünscht,  und  ferner  dann,  wenn 
der  Oberarm  sehr  dick  oder  stark  konisch  und  deshalb  für  die 
Messung  ungünstig  geformt  ist.  Auch  die  Hilfsgurte  sind  möglichst 
fest  anzuziehen. 

Nachdem  die  Manschette  angelegt  ist,  stellt  man  das  Tonometer 
so  auf,  dass  man  es  in  bester  Beleuchtung  bequem  vor  Augen  hat. 
Man  drückt  zu  diesem  Zweck  das  Instrument  mit  der  gewünschten 
Neigung  in  den  Lederring  hinein,  in  welchem  es  in  jeder  Position 
stehen  bleibt.  Falls  der  Zeiger  nicht  auf  Null  einsteht,  wird  er  durch 
Drehen  der  in  einer  Vertiefung  der  Rückwand  angebrachten  Schraube 
eingestellt.  Falls  man  ganz  genaue  Messungen  zu  machen  wünscht, 
empfiehlt' es  sich,  vor  der  Einstellung  das  Instrument  vorübergehend 
hohem  Druck  auszusetzen  und  den  Zeiger  ein-  oder  zweimal  die  ganze 
Skala  überstreichen  zu  lassen.  Auch  achte  man  in  solchem  Fall  beim 
Schrägstellen  des  Instrumentes  darauf,  dass  die  Symmetrieebene 
stets  senkrecht  bleibt,  da  andernfalls  der  Nullpunkt  sich  ein  wenig 
verschiebt.  Doch  kann  man  sich  diesen  Umstand  auch  zu  nutze 
machen,  um  einen  geringen  Einstellungsfehler  ohne  Zuhilfenahme 
der  Einstellungsschraube  zu  korrigieren.  —  Drucke,  welche  über  die 
Grenzwerte  der  Skala  hinausgehen,  sind  streng  zu  vermeiden,  des¬ 
gleichen  sehr  plötzliche  Druckänderungen,  bei  welchen  der  Zeiger  in 
lebhafte  Eigenschwankungen  gerät.  Das  ganze  Instrument  ist 
vor  Stössen  zu  bewahren.  Diese  Bemerkungen  gelten  gleichfalls  für 
die  beiden  anderen  Tonometermodelle. 

Sodann  ergreift  der  Arzt  mit  der  linken  Hand  den  Radialpuls 
des  Patienten,  mit  der  rechten  den  Gummiballon,  wobei  Daumen  und 


III.  Die  fertigen  Apparate  und  ihre  Handhabung. 

1.  Erste  Kombination:  Gummiballon  und  kleines 
onometer.  Dieser  Apparat  ist  der  kleinste  von  allen.  Er  kann 
einem  rollenförmigen  Lederfutteral  von  9  cm  Durchmesser  und 
:i  cm  Länge  verpackt  und  allenfalls  in  der  Rocktasche  mitgeführt 
erden.  Das  Gewicht  inkl.  Futteral  beträgt  %  kg.  Gummiballon, 
onometer  und  Manschette  sind  mittels  eines  kleinen  Dreiwegs  ein 
r  allemal  miteinander  verbunden.  Die  Verbindungsschläuche  sind 
ckwandig  und  haben  einen  lichten  Durchmesser  von  etwa  2Vs  mm. 
er  zur  Manschette  führende  Schlauch  enthält  ein  metallenes  Schalt- 


g-  T  Erste  Kombination:  Gebläse,  kleines  Tonometer,  Fig.  5.  Erste  Kombination, 
Manschette.  verpackt. 


ück  und  misst  im  ganzen  50  cm,  der  zum  Tonometer  ist  25,  der  zum 

ebläse  20  cm  lang. 

Die  Manschette  wird  um  die  Mitte  des  linken  Oberarms  gelegt, 
nd  zwar  so,  dass  der  ausführende  Gummischlauch  nach  abwärts 
Jistal)  schaut  und  etwa  auf  die  Aussenseite  des  Bizeps  zu  liegen 
ommt.  Der  Arm  soll  beim  Anlegen  und  während  der  Messung  im 
llenbogengelenk  nahezu  gestreckt  gehalten  werden,  die  Muskulatur 
öllig  erschlafft  sein.  Die  Manschette  soll  den  Weichteilen  straff  an- 
igen.  Besonders  bei  der  oszillatorischen  Messung  ist  ein  knappes 
nliegen  von  Wichtigkeit,  weil,  wenn  grosse  pulsatorische  Druck- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


870 


Zeigefinger,  den  Hals  des  Ballons  umgreifend,  sich  auf  die  Auslass- 
schraubc  legen.  Der  Auslass  wird  durch  leichtes  Anziehen  der 
Schraube  geschlossen  —  festes  Anziehen  ist  überflüssig  und  durch¬ 
aus  zu  vermeiden  —  und  dann  wird  durch  ein  paar  Kompressions- 
stösse  im  System  ein  so  hoher  Druck  erzeugt,  dass  der  Puls  ver¬ 
schwindet.  Nun  wird  die  Auslassschraube  soweit  gelockert,  dass  der 
Druck  langsam  wieder  absinkt.  In  dem  Moment,  wo  der  Puls  an 
der  Palpationsstelle  wieder  erscheint,  liest  man  am  Manometer  den 
systolischen  Pulsdruck  ab.  Sodann  öffnet  man  die  Schraube  so  weit, 
dass  der  Druck  schnellstens  auf  Null  absinkt  und  der  Patient  von 
der  Kompression  befreit  ist;  die  palpatorische  Messung  ist  beendet. 

Um  oszillatorisch  den  diastolischen  Pulsdruck  zu  messen,  stellt 
man  zunächst  auf  den  ungefähren  mittleren  Blutdruck  ein  und  richtet 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  grossen  Oszillationen,  welche  jetzt  der 
Zeiger  des  Instrumentes  bei  jedem  Pulsschlag  ausführt.  Sodann 
lässt  man  den  Druck  langsam  absinken  und  achtet  darauf,  wie 
plötzlich  die  grossen  pulsatorischen  Schwankungen  erheblich  klei¬ 
neren  Ausschlägen  Platz  machen.  Den  untersten  Punkt,  bis  zu 
welchem  die  grossen  Oszillationen  herabreichen,  notiert  man  als 
diastolischen  Pulsdruck.  In  analoger  Weise  bestimmt  man  die  obere 
Grenze  der  grossen  Oszillationen  und  damit  den  oszillatorisch  ge¬ 
messenen  systolischen  Pulsdruck.  Die  untere  Grenze  der  grossen 
Oszillationen  ist  oft  auch  noch  durch  einen  Wechsel  im  Rhythmus 
der  Oszillationen  gekennzeichnet;  die  Zeigerbewegung  oberhalb  des 
diastolischen  Punktes  ist  ruckweise  schlagend,  unterhalb  mehr  eben- 
mässig  und  gleichförmig.  Natürlich  kann  man,  wenn  man  etwas 
rasch  arbeitet,  verschiedene  Messungen  miteinander  kombinieren, 
ohne  jedesmal  dazwischen  den  Druck  auf  Null  absinken  zu  lassen. 
Um  etwaige  Pulsungleichmässigkeiten  festzustellen  und  zu  studieren, 
lässt  man  den  Druck  an  der  unteren  Grenze  der  grossen  Oszilla¬ 
tionen  eine  Zeitlang  konstant.  Weitere  Einzelheiten  und  nützliche 
Winke  wolle  man  in  der  oben  zitierten  Abhandlung  (Mediz.  Klinik 
1910,  Beiheft  8)  nachlesen. 

Zum  Transport  wird  die  Manschette  um  den  Gummiballon  und 
die  zusammengelegten  Schläuche  herumgewickelt  und  festgeschnürt, 
und  dann  werden  Manschette  und  Tonometer  in  das  Futteral  ge¬ 
packt.  Die  Skala  des  Tonometers  schaut  dabei  nach  aussen,  die 
Rückwand  mit  dem  Schlauchansatz  nach  innen,  d.  h.  nach  der  Man¬ 
schette  zu;  der  Lederring  ist  glatt  um  das  Tonometer  herumgelegt. 
Wird  der  Apparat  eine  Zeitlang  nicht  benutzt,  so  empfiehlt  es  sich 
im  Interesse  besserer  Erhaltung  des  Gummis,  Manschette  und 
Schläuche  flach  auszulegen  und,  etwa  in  einer  gutschliessemden 
Schachtel,  vor  Wärme  und  Luftwechsel  geschützt  aufzuheben. 

Prüfung  des  Apparates.  Um  die  Dichtheit  des  Ap¬ 
parates  zu  prüfen,  kneift  man  den  in  die  Manschette  führenden 
Schlauch  ab,  schliesst  den  Auslass,  erzeugt  Druck  und  beobachtet  die 
spontan  stattfindende  Druckverminderung  am  Tonometer  unter  Kon¬ 
trolle  der  Uhr.  Die  spontane  Druckverminderung  soll  bei  einem 
mittleren  Druck  von  etwa  200  cm  Wasser  nicht  mehr  als  1  cm 
in  der  Sekunde  betragen.  Dabei  achte  man  darauf,  dass  die  lose 
Manschette  niemals  hohem  Druck  ausgesetzt  wird.  Hat  man  sie  je¬ 
doch  bei  der  Prüfung  auf  einen  dem  Arm  ähnlichen  Gegenstand, 
etwa  auf  eine  gewöhnliche  Weinflasche  aufgeschnallt,  so  bedarf  es 
dieser  Vorsicht  nicht  mehr.  Um  bei  zu  starkem  Absinken  des  Druckes 
den  Ort  der  Undichtheit  zu  ermitteln,  kneift  man  abwechselnd  einen 
und  den  anderen  Schlauch  ab  und  sieht  zu,  wie  das  Absinken  da¬ 
durch  beeinflusst  wird.  Ferner  kann  man  sämtliche  Gummiteile  samt 
Gebläse  ins  Wasser  tauchen,  wobei  undichte  Stellen  sich  durch  her¬ 
vorperlende  Luftblasen  verraten.  Dabei  ist  jedoch  darauf  zu  achten, 
dass  das  hintere  (freie)  Ende  des  Gummiballons  nicht  unter  Wasser 
kommt  und  darauf,  dass  im  System  ständig  Ueberdruck  vorhanden 
ist,  damit  kein  Wasser  in  den  Apparat  eindringen  kann. 

Will  man  das  Ventil-  und  Auslassstück  noch  exakter  prüfen,  so 
verfährt  man  folgendermassen :  Man  trennt  den  Gummiballon  ab, 
entfernt  die  Manschette  und  schliesst  statt  der  letzteren  eine  leere 
1  Literflasche  an  und  ausserdem  ein  beliebiges  anderes  Gebläse,  mit 
welchem  man  einen  Druck  von  etwa  200  cm  Wasser  im  System 
erzeugt.  Dann  taucht  man  das  freie  Ende  des  Ventil-  una  Auslass¬ 
stückes  ein  wenig  unter  Wasser  und  beobachtet  die  Zahl  der  aus¬ 
tretenden  Luftblasen.  Ihre  Zahl  soll  bei  einem  Druck  von  200  cm 
nicht  mehr  als  12  in  der  Minute  betragen.  Mit  der  gleichen  An¬ 
ordnung  prüft  man  ferner  die  Durchlässigkeit  des  Auslasses.  Eine 
Druckverminderung  von  1  cm  pro  Sekunde  bei  200  cm  absolutem 
Druck  soll  erst  dann  eintreten,  wenn  man  die  Auslassschraube  um 
wenigstens  eine  Vierteldrehung  (=  90°)  geöffnet  hat.  Dagegen  soll 
bei  U/xfacher  Drehung  der  Druck  innerhalb  höchstens  4  Sekunden 
von  200  cm  auf  0  absinken.  Der  mit  sanftem  Druck  geschlossene  Auslass 
muss  luftdicht  schliessen.  Die  Durchlässigkeit  des  Ventils  prüft  man 
indem  man  das  Ventil-  und  Auslassstück  umgekehrt  an  das  aus  Tono¬ 
meter,  1  Literflasche  und  Gebläse  bestehende  System  anschliesst 
und  Druck  erzeugt.  Dann  soll  der  Druck  auch  bei  lebhaftestem 
Pumpen  nicht  wesentlich  über  100  cm  steigen. 

Arbeitet  das  Ventil  unbefriedigend,  so  wird  das  gewöhnlich 
daran  liegen,  dass  der  Gummimantel  ausgedient  hat.  Ersatzstücke 
können  von  der  Firma  C.  &  E.  Streisguth  bezogen  werden.  Um 
das  Ersatzstück  einzuführen,  trennt  man  den  Gummiballon  von  dem 
Ventil-  und  Auslassstück  und  schraubt  den  grossen  gerieften  Ring 
ab,  wodurch  das  Stück  sich  öffnet.  Am  besten  aber  wird  man  wohl 
in  solchem  Fall  das  ganze  Ventil-  und  Auslassstück  an  die  Firma 


einsenden  und  Gummimantel  und  Gummiballon  gleichzeitig  er¬ 
neuern  lassen.  Ueber  die  Prüfung  des  Tonometers  siehe  Ab¬ 
schnitt  II,  2. 

2.  Zweite  Kombination;  Gummiballon  und  mitt¬ 
leres  Tonometer.  Dieser  Apparat  ist  nur  wenig  grösser  und 
schwerer  als  der  vorher  besprochene.  Er  wiegt  in  einer  Segeltuch- 
tasche  verpackt  etwa  1  kg  und  misst  etwa  19  X  15  X  7  cm,  kann  also 
nicht  als  Ganzes  in  den  Rock  gesteckt,  aber  sehr  bequem  in  der 
Hand  transportiert  werden.  Ausserdem  können  die  einzelnen  Teile 
jeder  für  sich  in  je  einer  Rocktasche  getragen  werden. 


Fig.  7.  Zweite  Kombination:  Gebläse,  mittleres  Fig.  8.  Zweite  Kombination, 

Tonometer,  Manschette.  verpackt. 

Das  mittlere  Tonometer  befindet  sich  in  einem  Lederetui,  aus 
welchem  es  überhaupt  nicht  herausgenommen  werden  soll.  Das  Etui 
misst  13  X  12  X  4%  cm.  Die  Einstellschraube  ist  an  der  Seitenwand 
links  oben  angebracht.  Wenn  man  die  Klappe  des  Etuis  nach  hinten 
umschlägt,  bekommt  das  Instrument  eine  leicht  geneigte,  für  die 
Ablesung  bequeme  Lage. 

Die  Schlauchverbindungen  sind  dieselben  wie  bei  der  vorigen 
Kombination,  nur  ist  der  zum  Tonometer  führende  Schlauch  auf  40  cm 
verlängert.  Soll  der  Apparat  verpackt  werden,  so  wird  die  Man¬ 
schette  eng  um  das  Tonometer  herumgelegt  und  festgeschnallt. 
Hierauf  wird  erst  der  Gummiballon  mit  den  Schläuchen  in  die  Segcl- 
tuchtasche  gesenkt,  dann  das  Tonometer  mit  der  Manschette.  Den 
Griff  des  Tonometeretuis  lässt  man  durch  den  in  der  Tasche  an¬ 
gebrachten  Schlitz  nach  aussen  herausstehen  und  an  diesem  Griff 
wird  der  ganze  Apparat  getragen.  Da  die  Manschette  beim  Vei- 
packen  weniger  stark  gedrückt  wird  als  bei  der  vorigen  Kombination, 
so  darf  sie  eher  längere  Zeit  verpackt  aufbewahrt  werden.  Wenn 
man,  statt  den  Apparat  als  Ganzes  zu  transportieren,  es  vorzieht,  die 
einzelnen  Teile  getrennt  in  die  Rocktaschen  zu  stecken,  dann  emp¬ 
fiehlt  es  sich,  statt  des  einfachen  Dreiwegs  einen  solchen  mit  Ver¬ 
schraubung  zu  verwenden,  der  das  Verbinden  und  Trennen  der  Teile 
wesentlich  erleichtert.  Im  übrigen  gilt  für  die  Handhabung  dieses 
Apparates  das  gleiche  wie  für  den  vorigen. 

3.  Dritte  und  vierte  Kombination;  Pumpe  und 
mittleres  Tonometer,  Pumpe  und  grosses  Tono¬ 
meter;  letzteres  ist  die  alte  von  mir  vor  7  Jahren  angegebene 


Zusammenstellung.  Diese  Kombinationen  sind  schwerer  und  volumi¬ 
nöser  als  die  vorhergehenden,  dafür  ist  das  Arbeiten  mit  der  Pumpe 
sehr  angenehm  und  die  Manschette  in  dem  grossen  Futteral  der 
Pumpe  dauernd  gut  aufgehoben.  Alles  was  man  zur  Handhabung 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


871 


Behandlung  der  Pumpe  wissen  muss,  ist  in  den  oben  angeführten 
ilikationen  nachzulesen.  Die  Pumpe  ist  60  cm  lang.  Das  Gewicht 
fertig  zum  Transport  verpackten  kompletten  Apparates  beträgt 
dem  mittleren  Tonometer  etwa  2  kg,  mit  dem  grossen  Tono- 
;er  nahe  an  4  kg. 

4  Fünfte  und  sechste  Kombination:  Windkessel 
d  mittleres  Tonometer,  Windkessel  und  grosses 
nometer.  Der  Windkessel  fasst  etwa  3  Liter.  Er  ist  mit  einer 

Pumpe  verbunden- 
welche  durch  eine 
Kurbel  betätigt  wird. 
Er  darf  bis  auf  P/a 
Atmosphären  Druck 
aufgepumpt  werden. 
Der  Druck  kann  an 
einem  kleinen  Mano¬ 
meter  abgelesen  wer¬ 
den.  Auf  dem  glei¬ 
chen  Brett  mit  dem 
Windkessel  sind  die 
beiden  Regulierhähne 
montiert,  sowie  das 
Gestell,  welches  das 
Tonometer  aufnimmt. 
Vom  Windkessel 
führt  ein  starker  mit 
Einlage versehener 
Gummischlauch  zu 
dem  Einlasshahn.Von 
diesem  führt  ein 
gewöhnlicher  dick- 
ldiger  Schlauch  zum  Auslasshahn,  von  diesem  ein  Schlauch  zum 
'  ometer,  ein  anderer  zur  Manschette.  Letztere  Schlauchverbin- 
g  enthält  ein  metallenes  Schaltstück  und  ist  im  ganzen  etwa  60  cm 

i  * 

Uni  mit  dem  Apparat  zu  arbeiten,  stellt  ihn  der  Arzt  auf  einen 
lt  zu  breiten  rechteckigen  Tisch  und  setzt  sich  gerade  davor, 


Fig.  11.  Messung  mit  Windkessel  (sechste  Kombination). 


m  er  dem  T  onometer  die  für  die  Ablesung  bequemste  Neigung 
Den  Patienten  lässt  er  an  der  gegenüberliegenden  Tischseite 
is  links  vom  Apparat  Platz  nehmen  und  den  entblössten  linken 
bequem  auf  den  Tisch  legen.  Damit  der  Oberarm  etwa  in 
-höhe  zu  liegen  kommt,  ist  gegebenenfalls  noch  ein  Kissen  oder 
leichen  unter  den  Arm  zu  legen. 

Hierauf  wird  die  Manschette  angelegt.  Dann  ergreift  der  Arzt 
der  linken  Hand  den  Radialpuls  des  Patienten,  mit  der  rechten 
ent  er  die  Regulierhähne.  Der  Windkessel  ist  schon  vorher  auf- 
impt  worden.  Durch  Oeffnen  des  Einlasshahnes  wird  die  Man- 
tte  bis  zu  dem  gewünschten  Druck  aufgeblasen,  durch  Oeffnen 
Auslasshahnes  wieder  entleert.  Je  nachdem  wie  stark  man  die 
ne  öffnet,  geht  die  Füllung  und  Entleerung  langsamer  oder 
eher  von  siatten.  Durch  Verschluss  beider  Hähne  hält  man  den 
:k  konstant.  Dm  ch  etwas  stärkeres  Oeffnen  des  Auslasshahnes 
nach  vollendeter  Messung  der  Druck  in  der  Manschette  schnell- 
s  bis  auf  Null  abgesenkt.  Man  kann  genau  wie  bei  der  Pumpe 
ahl  bei  steigendem  wie  bei  fallendem  Druck  ablesen.  Im  übrigen 
s  man  sich  nach  den  oben  bereits  gegebenen  Vorschriften  bzw. 
den  ausführlichen  Anweisungen  in  der  früher  zitierten  grösseren 
ikation  S.  235  ff. 

Dabei  ist  auf  folgendes  sorgfältig  zu  achten:  Ehe  man  einen 
1  öffnet,  muss  der  andere  geschlossen  sein.  Niemals  darf  man 
Einlasshahn  so  stark  öffnen,  dass  der  Druck  in  Tonometer  und 
schette  über  den  Höchstpunkt  der  Skala,  d.  h.  über  400  cm  Wasser 
t,  da  sonst  diese  Teile  beschädigt  werden.  Man  mache  es  sich 
r  zum  Gesetz,  nie  an  der  Einlassschraube  zu  drehen,  ohne  dass  I 


10.  Sechste  Kombination':  Windkessel  mit  Regulier¬ 
en,  grosses  Tonometer,  Manschette.  Am  Windkessel 
:h  die  kleine  Füllpumpe  mit  Handkurbel  und  oben 
das  kleine  Manometer. 


man  den  1  onometerzeiger  beobachtet  und  nie  den  Windkessel  auf- 
zupumpen,  wenn  nicht  der  Einlasshahn  geschlossen  ist.  Auch  emp- 
lehlt  es  sich,  bei  den  ersten  Messungen  den  Windkessel  bloss  auf 
10  ■Atmosphären  =  400  cm  Wasser  aufzupumpen,  da  dann  selbst  eine 
etwaige  verkehrte  Manipulation  keinen  Schaden  anrichten  kann. 

Die  Regulierhähne  sollen  spielend  gehandhabt  werden;  festes 
Anziehen  derselben  ist  überflüssig  und  eventuell  schädlich.  Die 
Regulierhähne  sind  nach  gleichem  Prinzip  wie  der  zuvor  beschrie¬ 
bene  Auslass  gebaut  (vgl.  II,  1).  Der  Einlasshahn  ist  ausserdem  mit 
einer  Stopfbüchse,  wie  sie  bei  den  Wasserleitungshähnen  üblich  sind, 
versehen. 

Der  Apparat  ist  tunlichst  vor  Staub  zu  schützen  und  soll  des¬ 
wegen  bei  Nichtbenützung  stets  mit  dem  zugehörigen  Kastensturz 
bedeckt  werden.  Die  Pumpe  des  Windkessels  ist  etwa  alle  8  Tage 
zu  ölen  und  zwar  ist  in  die  beiden  Oellöcher  der  horizontalen  Welle, 
in  den  Kopf  der  Pleuelstange  sowie  in  den  Kolben  je  ein  Tropfen 
guten  Nähmaschinenöls  einzubringen.  Die  Dimensionen  des  gesamten 
zugedeckten  Apparates  betragen  36  X  38  X  38  cm,  das  Gewicht  etwa 
10  kg.  Der  Apparat  ist  also,  wenn  auch  zum  Mitführen  auf  der  Haus¬ 
praxis  nicht  geeignet,  doch  ohne  Schwierigkeit  zu  transportieren. 

Prüfung  des  Apparates.  Man  prüft  die  Dichtheit  des 
Apparates,  indem  man  zunächst  feststellt,  dass  der  im  Windkessel 
erzeugte  Druck  bei  geschlossenem  Einlasshähn  innerhalb  von  Stunden 
nicht  oder  nur  unbedeutend  absinkt.  Sodann  setzt  man  durch  vor¬ 
übergehendes  Oeffnen  des  Einlasshahnes  bei  geschlossenem  Auslass¬ 
hahn  das  Schlauchsystem  samt  Tonometer  unter  Druck,  nachdem  man 
den  Schlauch  zur  Manschette  abgeklemmt  oder  aber  die  Manschette 
um  einen  zylindrischen  Gegenstand  herum  ..angelegt“  und  fest- 
geschniirt  hat.  Der  Druck  soll  konstant  bleiben  oder  doch  nur  ganz 
langsam  sich  vermindern.  Ein  Absinken  des  Druckes  um  1  Proz. 
pro  Sekunde  bei  abgeklemmter  Manschette  und  geschlossenen  Hähnen 
ist  jedenfalls  praktisch  ohne  Bedeutung.  Der  Sitz  einer  etwaigen 
Undichtheit  wird  durch  vorübergehendes  Abklemmen  der  einzelnen 
Schläuche  oder  durch  Eintauchen  der  vom  Stativbrett  losgeschraubten 
Hähne  samt  Schläuchen  unter  Wasser  festgestellt,  wobei  undichte 
Stellen  durch  aufsteigende  Luftblasen  sich  verraten.  Dabei  muss  man 
jedoch  Sorge  tragen,  dass  kein  Wasser  in  den  Apparat  eindringt  und 
die  stählernen  Sprungfedern  der  Hähne  rosten  macht.  Meistens  wird 
die  etwaige  Undichtheit  an  der  Stopfbüchse  des  Einlasshahnes  ihren 
Sitz  haben.  Um  hier  nachzuhelfen,  schraubt  man  den  Teil,  in  dem 
die  Handschraube  sitzt,  los  und  zieht  den  nunmehr  freiliegenden 
Stopfbüchsendeckel  etwas  nach  oder  bringt,  nachdem  man  ihn  ganz 
gelöst  hat,  etwas  dickes  Vaselin  ih  die  Stopfbüchse  ein.  Doch  darf 
man  den  Stopfbüchsendeckel  nicht  so  fest  anziehen,  dass  der  durch 
die  Büchse  durchgehende  Führungsstab  unbeweglich  wird.  Beim 
Wiederzusammenschrauben  des  Hahnes  achte  man  darauf,  dass  die 
Handschraube  herausgedreht  ist,  weil  sonst  die  Lederscheibe  zer¬ 
drückt  oder  gar  der  Führungsstab  verbogen  werden  könnte. 

Um  zu  prüfen,  ob  die  Regulierhähne  die  richtige  Durchlässigkeit 
besitzen,  schliesst  man  statt  der  Manschette  eine  1  Literflasche  an, 
stellt  im  Windkessel  einen  Druck  von  V:>  Atmosphäre,  in  Tonometer 
und  Flasche  einen  solchen  von  200  cm  Wasser  her.  Nachdem  man 
sich  von  der  Dichtheit  des  Systems  überzeugt  hat,  probiert  man  aus, 
wie  weit  man  den  Einlasshahn  öffnen  muss,  damit  der  Druck  um 
etwa  1  cm  pro  Sekunde  steigt  oder  den  Auslasshahn  öffnen  muss, 
damit  er  um  ebensoviel  sinkt.  Die  benötigte  Oeffnung  soll  jedesmal 
wenigstens  eine  Achteldrehung  (—  45  °)  betragen.  Oeffnet  man  den 
Auslasshahn  um  anderthalb  Drehungen,  so  soll  der  Druck  in  höchstens 
4  Sekunden  von  200  cm  auf  0  absinken. 


Lieber  die  Ursache  der  Beriberikrankheit. 

Von  Prof  Dr.  C.  Eijkman  in  Utrecht. 

Wielands  Vortrag  über  Beriberi,  in  No.  13  dieser  Wochen¬ 
schrift,  veranlasst  mich  zu  einer  Richtigstellung.  Es  wird  mir  näm¬ 
lich  von  ihm  die  Annahme  zugeschrieben,  dass  sich  beim  Lagern 
des  Reises  durch  die  Tätigkeit  eines  Mikroorganismus  ein  Gift  bilde, 
das  durch  einen  Bestandteil  der  Reiskleie  neutralisiert  werde. 

Wie  das  bedauerlicherweise  öfters  vorkommt,  handelt  es  sich 
hier  um  eine  irrtümliche  Angabe,  welche  sich  in  der  Literatur  fort¬ 
schleppt,  weil  der  Referent  versäumt,  auf  die  Originalliteratur  zurück¬ 
zugreifen.  Ich  brauche  ihr  nur  folgendes  Zitat  aus  meiner  Abhand¬ 
lung  in  Virchows  Archiv  (Bd.  148,  1897,  S.  526)  entgegenzusetzen: 
„Dass  die  in  Rede  stehende  Krankheit  zurückzuführen  sei  auf  Fütte¬ 
rung  mit  überaltem,  verlegenem,  etwa  nach  dem  Schälen  von  einem 
pflanzlichen  oder  tierischen  Parasiten  infiziertem  Reis,  konnte  dem¬ 
nach  mit  Bestimmtheit  ausgeschlossen  werden1“. 

Ich  habe  zwar  damals  die  in  der  Beriberiliteratur  schon  altbe¬ 
kannte  Giftfrage  angeschnitten  und  dabei  nicht  nur  an  ein  Gift  im 
Reis  gedacht,  sondern  auch  die  Möglichkeit  erwogen,  ob  vielleicht 
im  Körper  selbst,  entweder  im  Darmkanal  oder  durch  die  chemischen 
Prozesse  des  Stoffwechsels  ein  Toxin  gebildet  werde.  Für  keine 
dieser  Möglichkeiten  fand  ich  aber,  wie  ich  gleich  mitteilte,  ge¬ 
nügende  Anhaltspunkte  und  bin  denn  auch  bei  meinen  späteren 
Untersuchungen  (Arch.  f.  Hyg.,  Bd.  58,  1906)  nicht  weiter  darauf 
eingegangen,  sondern  habe  mich  ganz  der  Frage  nach  der  Natur  der 
Schutzstoffe  zugewandt. 


872 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16, 


Was  die  „Teilhungertheorie“  anbetrifft,  diese  ist,  lange  vor 
Nocht  und  Schaumann,  ganz  bestimmt  von  Q  r  i  j  n  s  ausge¬ 
sprochen  (Gen.  Tijdschr.  v.  Ned.  Indie,  1901).  Aber  auch  wenn  man 
dieser  Theorie  huldigt,  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  es  sich  i  n 
letzter  Instanz  doch  um  ein  Nervengift  handelt,  welches  z.  B. 
infolge  des  gestörten  Stoffwechsels  gebildet  werden  könnte. 

Schliesslich  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  Vordermans 
grundlegende  Beobachtungen  nicht  —  wie  es  nach  Wielands  Dar¬ 
stellung  den  Anschein  hat  —  vor  und  unabhängig  von  meinen  Tier¬ 
versuchen,  sondern  im  Anschluss  daran  und  auf  meine  Anregung  hin 
angestellt  worden  sind  und  ein  logisches  Ganzes  damit  bilden  (Virch. 
Archiv,  Bd.  149,  1897,  S.  523). 


Die  Beeinflussung  von  Lungenerkrankungen  durch  künst¬ 
liche  Lähmung  des  Zwerchfells  (Phrenikotomie). 

Entgegnung  auf  Sauerbruchs  Aufsatz  in  No.  12  dieser 

Wochenschrift. 

Von  Dionys  Hellin. 

Der  bereits  von  S  t  ii  r  t  z,  dann  von  Schepelmann  ge¬ 
machte  Vorschlag  wird  jetzt  wieder  von  neuem  von  Sauerbruch 
inauguriert.  In  seinem  Aufsatz  sagt  Sauerbruch:  „Vor  allem 
konnte  S  t  ii  r  t  z  eine  von  Ii  e  1 1  i  n  aufgestellte  Behauptung,  dass  die 
gelähmte  Zwerchfellhälfte  eine  Mitbewegung  mit  der  gesunden  zeige, 
als  unrichtig  zuriickweisen.“  Ich  schliesse  daraus,  dass  Sauer- 
b  r  u  c  h  meine  zweite  Entgegnung  *)  auf  den  zweiten  S  t  ii  r  t  z  sehen 
Aufsatz  nicht  gelesen  hat. 

Zwei  Grundfehler  haften  diesem  Vorschlag  Stürtz-Schepel- 
mann-Sauerbruch  an.  Erstens  die  Annahme,  dass  nach  Phre¬ 
nikusdurchschneidung  die  entsprechende  Zwerchfellhälfte  sich  nicht 
bewegt.  Sauerbruch  zitiert  u.  a.  d  e  1  a  C  a  m  p  als  denjenigen 
Autor,  der  die  Nichtbeteiligung  des  Zwerchfells  an  der  Respiration 
nach  Phrenikusdurchschneidung  beschrieb,  während  gerade  de  la 
Camp  es  war,  der  bewies,  dass  die  Durchschneidung  beider  Phrenizi 
nicht  einer  totalen  Zwerchfellähmung  entspricht,  und  dass  bei  ein¬ 
seitiger  Phrenikusdurchschneidung  sich  keine  Differenz  zwischen 
beiden  Zwerchfellhälften  nachweisen  lässt.  Dass  de  la  Camp  nicht 
der  einzige  ist,  der  diese  Ansicht  äusserte,  beweist  die  von  mir  in 
der  Deutschen  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31  angegebene  Literatur, 
wo  auch  die  Unzuverlässigkeit  der  Röntgenaufnahmen  für  unsere 
Frage  erörtert  wird. 

Ausserdem  bewegt  sich  dabei  nach  S  t  ii  r  t  z  und  S  c  h  e  p  e  1  - 
m  a  n  n  die  gesunde  Zwerchfellhälfte  um  so  ausgiebiger,  wodurch 
auch  die  affizierte  Zwerchfellhälfte  stärkeren  Zerrungen  ausgesetzt 
ist.  Uebrigens  würden  auch  pleuritische  Adhäsionen  im  Unterlappen¬ 
gebiet  die  vorgeschlagene  Therapie  illusorisch  machen,  und  Stürtz 
hat  diese  Behandlung  gerade  für  die  Fälle  von  Adhäsionen  im  Unter¬ 
lappen  empfohlen. 

Aber  auch  wenn  wir  einen  dauernden  Stillstand  der  betreffenden 
Zwerchfellhälfte  nach  Phrenikusdurchschneidung  zugeben  würden, 
wäre  damit  der  zweite  Grundfehler  des  Stürtz  sehen  Vorschlages 
nicht  beseitigt.  Die  Vorstellung,  dass  bei  Lähmung  einer  Zwerch¬ 
fellhälfte  die  respiratorischen  Volumenschwankungen  der  betreffenden 
Lunge  erheblich  herabgesetzt  werden,  ist  physiologisch  unrichtig,  denn 
für  das  gelähmte  Zwerchfell  treten  vikariierend  andere  Thorax¬ 
muskeln  ein,  und  es  ist  für  den  Kranken  ohne  Belang,  nach  welcher 
Richtung  hin  seine  kranke  Lunge  gedehnt  wird.  Meiner  Ansicht  nach 
fällt  damit  der  Zweck  der  Operation  in  nichts  zusammen.  Die 
operativen  Resultate  Stürtz’  und  Sauerbruchs  machen  keinen 
Anspruch  auf  Beweiskraft. 

Nach  wie  vor  halte  ich  also  den  Vorschlag  für  verfehlt. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Der  Arzt  in  der  Rechtsprechung. 

Von  Regierungsrat  Paul  Kaestner  in  Berlin-Neubabels¬ 
berg. 

II. 

Zur  Frage  der  Strafbarkeit  der  —  wenn  auch  auf  aus¬ 
ländische  Approbation  hindeutenden  —  Beilegung  der  Be¬ 
zeichnung  als  Arzt  hat  das  Kammergericht  im  Urteil  vom 
18.  November  1912  (Min.-Blatt  f.  Med.-Angel.  1913,  S.  22)  sehr  be¬ 
stimmt  Stellung  genommen.  Nach  §  147,  No.  3  Reichs-Gewerbe- 
Ordnung  ist  strafbar:  wer,  ohne  hierzu  approbiert  zu  sein,  sich 

entweder  als  Arzt  (Wundarzt,  Augenarzt,  Geburtshelfer, 
Zahnarzt,  Tierarzt)  bezeichnet 

oder  sich  einen  ähnlichen  Titel  beilegt,  durch  den  der  Glaube 
erweckt  wird,  der  Inhaber  desselben  sei  eine  geprüfte  Medizinal¬ 
person.  Das  Urteil  erörtert  die  Frage:  verstösst  die  Bezeichnung  als 
„russischer  Zahnarzt“  (Arzt  usw.)  und  als  „Zahnarzt“  (Arzt  usw.) 
„approbiert  in  Russland  und  Amerika“  gegen  die  erste  Alternative 
dieses  Strafgesetzes? 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31. 


In  der  Rechtsprechung  und  Literatur  stehen  sich  zwei  Ansichten 
gegenüber.  Nach  der  ersten,  vertreten  vom  II.  und  III.  Strafsenat 
des  Reichsgerichts,  vom  preussischen  Oberverwaltungsgericht,  vom 
bayerischen  Obersten  Landesgericht,  von  den  Oberlandesgerichten 
München  und  Braunschweig  und  vom  grössten  Teil  der  Literatur,  ist 
die  Anwendbarkeit  der  Straf  Vorschrift  dann  ausgeschlossen,  wenn 
sich  aus  den  gebrauchten  Bezeichnungen  ergibt,  dass  der  Täter  eine 
inländische  Approbation  als  Arzt  nicht  behaupten  will.  —  Nach  der 
zweiten  Auffassung,  vertreten  vom  IV.  Strafsenat  des  Reichsgerichts, 
vom  Kammergericht,  den  Oberlandesgerichten  Naumburg,  Darmstadt! 
Köln,  Celle,  Jena,  Hamburg,  soll  dagegen  durch  die  erste  Alternative 
des  Gesetzes  der  Gebrauch  der  Bezeichnung  „Arzt“  (usw.)  schlecht¬ 
hin  zugunsten  der  im  Inlande  Approbierten  geschützt  und  die  Straf¬ 
barkeit  dadurch  nicht  ausgeschlossen  sein,  dass  der  Täter  der  Be¬ 
zeichnung  als  „Arzt“  einen  Zusatz  irgendwelcher  Art  hinzufügt. 

An  dieser  zweiten,  strengeren  Auffassung  hält  das  Kamme 
gericht  entschieden  fest 

1.  weil  sie  allein  dem  klaren  Wortlaut  und  Sinne  des  Gesetzes, 
entspricht.  Die  Vorschrift  will  den  Arzttitel  und  die  anderen  hinzu- 
gefügten  Bezeichnungen  schlechthin  zugunsten  der  in  Deutschland) 
approbierten  Personen  schützen.  Nur  diese  sind  —  von  etwaigen 
internationalen  Vereinbarungen,  wie  sie  z.  B.  mit  Oesterreich-Ungarn 
besteht,  abgesehen  —  Aerzte,  Zahnärzte  usw.  im  Sinne  des  deutschen 
öffentlichen  Rechts.  Hätte  das  Gesetz  die  Führung  der  im  Aus¬ 
lande  erworbenen  Titel  gestatten  wollen,  so  hätte  es  eine  Strat 
bestimmung  gegen  den  Missbrauch  dieser  Bezeichnungen  hinzu¬ 
gefügt. 

2.  weil  sie  allein  dem  Zwecke  des  Gesetzes  entspricht.  Fr  geh: 
dahin,  vor  allem  das  ungebildete  Publikum  zu  schützen,  das  siel: 
nur  an  den  Titel  „Arzt“  usw.  hält,  die  auf  eine  ausländische  Appro¬ 
bation  hindeutenden  Zusätze  aber  nicht  liest  oder  nicht  versteht. 

3.  weil  die  entgegenstehende  Ansicht  auch  einen  Widerspruch 
insofern  enthält,  als  sie  annimmt,  es  könne  auch  in  den  Fällen,  wc 
ein  auf  ausländische  Approbation  hindeutender  und  damit  das  Vor¬ 
handensein  einer  inländischen  Approbation  an¬ 
geblich  verneinender  Zusatz  gemacht  wird,  doch  die 
Möglichkeit  einer  Bestrafung  nach  der  zweiten  Alternative  bestehen; 
nach  welcher  sich  strafbar  macht,  wer  sich  einen  arztähnlichen  Lite 
beilegt,  durch  welchen  der  Glaube  erweckt  wird,  der  Inhaberse 
eine  (im  I  n  1  a n  d e)  approbierte  Medizinalperson. 

4)  weil  nur  die  strenge  Auffassung  einen  klaren  Rechtszustanc 
gewährleistet,  während  die  entgegengesetzte  Ansicht  künstliche 
Unterscheidungen  und  schwierige  Untersuchungen  nötig  macht,  wie 
sie  die  Feststellung  der  zweiten  Alternative  erfordert.  Die  Wider 
Sprüche,  welche  sich  hierbei  ergeben,  sind  geeignet,  den  Hauptzwecl 
des  Gesetzes  zu  gefährden,  den  Schutz  des  ungebildeten  Publikums* 
welches  den  griechischen  Ausdruck  „diplomiert“  so  wenig  wie.  de: 
lateinischen  „approbiert“  versteht  und  sich  nur  an  die  deutsche  Be 
Zeichnung  „Arzt“  hält.  — 

Der  prakt.  Arzt  Dr.  A.  war  von  B.  mit  der  ärztlichen  Behänd 
lung  der  infolge  Geschlechtsverkehrs  mit  B.  erkrankten  F.  beauftrag; 
und  gebeten,  den  Grund  der  Erkrankung  den  Eltern  der  F.  nicht  mit 
zuteilen.  Als  B.  die  Kosten  der  Behandlung  nicht  zahlte,  verlangt: 
Dr.  A.  sie  von  dem  Vater  der  F.  und  schrieb  diesem  dann  einen  Brief 
in  dem  er  zu  bedenken  gab,  dass  er  im  Prozesse  auch  Dinge  zu 
Sprache  bringen  müsse,  über  die  er  bisher  auf  Verlangen  des  B.  um 
seiner  Tochter  geschwiegen  habe;  er  müsse  aber  stark  bezweifeln 
ob  dies  der  Ehre  seiner  Tochter  zuträglich  sein  würde.  Als  de 
Vater  der  F.  auch  jetzt  nicht  zahlte,  unterrichtete  Dr.  A.  einen  Rechts 
anwalt  über  die  ganze  Sachlage  und  dieser  erhob  Klage  mit  der  Be 
gründung,  „B.  habe  Dr.  A.  mitgeteilt,  dass  er  die  Tochter  seine: 
früheren  Logiswirtes,  die  minderjährige  F.,  vor  einiger  Zeit  deflorier 

habe  und _ “  Dr.  A.  ist  wegen  Bedrohung  und  wegen  Bruchs  de 

ärztlichen  Schweigepflicht  strafgerichtlich  verurteil 
(Urteil  des  Reichsgerichts  vom  14.  November  1912:  Jurist.  Wochen 
Schrift  1913,  S.  159).  Dr.  A.  hat  vor  dem  Reichsgericht  geltend  ge 
macht:  1.  sei  darin,  dass  er  seinen  Prozessbevollmächtigten  von  de 
wahren  Sachlage  unterrichtete,  keine  Offenbarung  eines  Privatgeheim 
nisses  zu  finden,  da  dieser  selbst  zur  Verschwiegenheit  verpflichte 
sei;  und  2.  sei  er  zur  Offenbarung  befugt  gewesen,  da  er  nur  auf  dies: 
Weise  habe  hoffen  dürfen  zur  Befriedigung  seines  berechtigten  An, 
spruchs  auf  Zahlung  seines  ärztlichen  Honorars  zu  kommen.  Zu 
ergab  das  Vorderurteil,  dass  die  Tatsache  eines  Geschlechtsverkehr 
des  B.  und  der  F.  dem  Rechtsanwalt  nicht  als  Privatgeheimnis  an 
vertraut  war,  denn  sie  war  nicht  mit  der  ausdrücklichen  Auflage  mit 
geteilt,  sie  geheimzuhalten,  vielmehr  ging  nach  der  tatsächlichen  Fest 
Stellung  des  Urteils  Dr.  A.  bei  ihrer  Bekanntgabe  an  den  Rechts 
anwalt  davon  aus,  dass  dieser  alles  ihm  Mitgeteilte  zur  Begriindun: 
der  Klage  in  der  mündlichen  Verhandlung  verwerten  werde.  Dein 
nach  bestand  für  den  Rechtsanwalt  auch  keine  Schweigepflicht.  Vo 
dem  Verhältnis  zwischen  Dr.  A.  und  seinem  Rechtsanwalt  konnte  abe 
abgesehen  werden,  denn  der  §  300  StGB,  schützt  den  Anvertrauen: 
den  (B)  gegen  jede  unbefugte  Mitteilung  seines  Privatgeheimnissc 
an  Dritte,  soweit  die  Schweigepflicht  besteht.  Zu  2  aber  führte  da 
Reichsgericht  aus,  Dr.  A.  sei.  wenn  er  die  Tatsache  des  Geschlechts 
Verkehrs  zwischen  B.  und  F.  bei  Ausübung  seiner  ärztlichen  Tätig 
keit,  kraft  seines  Standes  oder  Gewerbes,  anvertraut  erhielt,  nac 
dem  Grundgedanken  des  §  300  zur  Verschwiegenheit  gegenüber  jeder 
mann  verpflichtet  gewesen.  Ob  diese  allgemeine  Schweige 
Pflicht  des  Arztes  ausnahmsweise  wegfalle,  wenn  und  sowei 


MUENCHeNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


SIS 


k  April  19lo. 


bei  ihrer  strengen  Einhaltung  ausserstande  wäre,  im  Streitfälle 
ine  Honoraransprüche  gerichtlich  wirksam  zu  verfolgen,  bedürfe  in 
esein  Falle  keiner  Erörterung.  Denn  die  Strafkammer  habe  gegen- 
>er  Dr.  A.  ohne  Rechtsirrtum  verneint,  dass  zur  Begründung  seiner 
age  die  Offenbarung  jenes  Geheimnisses  geboten  oder  auch  nur 
rdcrlich  gewesen  sei.  Dr.  A.  sei  nicht  im  Zweifel  gewesen,  dass 
r  Begiindung  seines  Anspruchs  gegen  den  Vater  der  F.  die  Offen¬ 
rung  des  ihm  anvertrauten  Privatgeheimnisses  durchaus  nicht  not¬ 
endig  war.  Die  Strafkammer  habe  damit  in  schlüssiger  Weise  ver- 
int,  dass  Dr.  A.  sich  irrtümlicherweise  für  befugt  gehalten  hätte,  das 
.‘heimnis  zu  verraten.  Es  seien  also  die  Tatbestandsmerkmale  des 
300  einwandfrei  nachgewiesen.  Dem  Briefe  des  Dr.  A.  an  den  Vater 
r  F.  habe  die  Strafkammer  in  einer  das  Reichsgericht  bindenden 
eise  die  Auslegung  gegeben,  es  sei  in  ihm  mit  der  später  voll- 
genen  unbefugten  Offenbarung  des  Privatgeheimnisses,  Grund  der 
krankung  der  F.,  gedroht.  Damit  sei  auch  die  Drohung  mit  einem 
■rgehen  (§  240  StGB.)  rechtsirrtumsfrei  nachgewiesen.  — 

Die  Klägerin  hat  den  beklagten  Arzt,  der  sie  zwecks  Beseitigung 
m  Talgdrüsenentzündungen  im  Gesicht  ärztlich  behandelt  und  dabei 
U  galvanokaustische  Methode  angewandt  hat,  wegen  fahrlässig 
ilerhafter,  kunstwidriger  Behandlung  auf  Schadensersatz  in  An¬ 
ruch  genommen,  und  zwar  insbesondere  auf  Ersatz  des  ihr  durch 
hmerzen  und  durch  dauernde  Entstellung  erwachsenen  nicht  ver- 
»gensrechtlichen  Schadens.  Der  Beklagte  meint,  ihm  könne,  da  er 
e  damals  noch  minderjährige  Klägerin  mit  Zustimmung  ihrer  Eltern 
handelt  habe,  höchstens  die  Verletzung  einer  Vertragspflicht,  nicht 
le  unerlaubte  Handlung  zur  Last  gelegt  werden.  Der  Arzt 
i  f  t  e  t  aber  für  eine  Körperverletzung  durch  Kunst- 
hler  auch  aus  unerlaubter  Handlung  (Urteil  des 
:ichsgerichts  vom  14.  März  1912:  Seufferts  Archiv  1912,  S.  101). 
if  Grund  des  Sachverständigengutachtens  ist  als  Kunstfehle  r, 
;  Verstoss  gegen  die  Grundsätze  der  medizinischen  Wissenschaft, 
^gestellt,  dass  der  Beklagte  zur  Heilung  des  an  sich  harmlosen 
idens  der  Klägerin  eine  ungeeignete  Behandlungsmethode  wählte 
d,  indem  er  mit  der  durch  den  elektrischen  Strom  glühend  gemach- 
i  Punktionsnadel  nicht  nur  die  obere  Gewebeschicht  brannte,  diese 
Thode  in  durchaus  fehlerhafter  Weise  ausführte,  obwohl  er  sich  bei 
liger  Prüfung  sagen  musste,  dass  eine  Narbenbildung  durch  das 
fe  Brennen  verursacht  werden  müsse;  dadurch  habe  er  der  Klä¬ 
rin  nutzloserweise  Schmerzen  bereitet  und  ihre  Entstellung  her- 
igefiihrt.  Durch  diese  Fahrlässigkeit  hat  der  Beklagte  nicht  nur 
le  Vertragspflicht  verletzt,  sondern  zugleich  auch  eine  unerlaubte 
mdlung  begangen.  Der  Arzt  ist  kraft  seines  Berufes  verpflichtet, 
i  der  Behandlung  Kunstfehler  zu  vermeiden,  einerlei  ob  er  in  einem 
.■rtragsverhältnis  zu  dem  behandelten  Kranken  steht  oder  nicht, 
haftet  nach  §  823  Abs.  1  BGB.,  wenn  er  unter  Verletzung  dieser 
rufspflicht  das  Leben,  den  Körper  oder  die  Gesundheit  wider- 
ehtlich  verletzt,  dem  Verletzten  auf  Schadenersatz,  insbesondere 
ch  auf  Ersatz  des  nichtvermögensrechtlichen  Schadens  gemäss 
847  B.G.B.  Die  Widerrechtlichkeit  und  damit  die  Haftbarkeit  des 
ztes  aus  §  823  ist  nur  ausgeschlossen  wenn  und  insoweit  der 
anke  oder  sein  gesetzlicher  Vertreter  in  die  Verletzung  eingewilligi 
t.  Mit  dem  zur  Beseitigung  der  Talgdrüsenentzündung  nicht  er- 
■derlichen  schmerzhaften  zu  tiefen  Brennen  und  der  dadurch  ver¬ 
suchten  Entstellung  der  Klägerin  waren  aber  die  Klägerin  und  ihre 
tern  nicht  einverstanden.  — 

Gutsbesitzer  G.,  der  bei  der  klagenden  Versicherungsgesellschaft 
gen  Unfall  versichert  war,  erlitt  einen  Rippenbruch  und  eine 
iterleibsverletzung  und  wurde  im  Aufträge  der  Klägerin  durch 
en  beklagten  Vertrauensarzt  einer  Untersuchung  mit 
öntgenbestrahlung  unterzogen,  durch  die  eine  Verbrennung 
Rücken  herbeigeführt  wurde.  Die  Versicherungsgesellschaft  war 
fErsatz  des  ihm  durch  den  Unfall  und  die  Verbrennung 
itstandenen  Schadens  von  G.  mit  Erfolg  in  Anspruch  ge- 
mmen  und  verlangte  von  ihrem  beklagten  Vertrauensarzt  aus  dem 
t  ihm  abgeschlossenen  Dienstvertrage  Erstattung  des  dem  G.  wegen 
r  Verbrennung  bezahlten  Betrages  in  Höhe  von  4300  M.  Das 
ichsgericht  hat  durch  Urteil  vom  1.  Oktober  1912  (Jurist.  Wochen- 
lrift  1913,  S.  32)  mit  dem  Breslauer  Oberlandesgericht  die  Klage 
gewiesen.  Die  Annahme,  dass  den  Beklagten  der  Vorwurf  der 
hrlässigkeit  bei  Vornahme  der  Röntgenbestrahlung  nicht  treffe, 
se  keinen  Rechtsirrtum  erkennen.  Die  Anwendung  der  Bestrahlung 
i  nach  dem  Gutachten  des  Sachverständigen  eine  durchaus  ent- 
rechende  Massregel  gewesen,  die  sich  im  Rahmen  des  dem  Be- 
igten  erteilten  Untersuchungsauftrages  hielt.  Die  Art  der  Aus- 
irung  der  Bestrahlung  sei  nach  dem  massgebenden  Stande  der 
issenschaft  und  Technik  keine  schuldhafte  gewesen.  Der  vom  Be- 
igten  benutzte  Apparat  sei  von  guter  Beschaffenheit,  die  Körper- 
schaffenheit  des  Patienten  habe  zu  besonderer  Vorsicht  keinen 
lass  geboten,  die  Expositionsdauer  bei  den  einzelnen  fünf  Be- 
ahlungsarten  sei  nicht  zu  beanstanden.  Die  Reaktion  des  mensch- 
len  Körpers  auf  die  Röntgenstrahlen  und  damit  die  Gefährdungs- 
>glichkeit  durch  dieselben  hänge  nach  den  Gutachten  nicht  nur  von 
r  Expositionsdauer,  sondern  allgemein  von  der  Quantität  und  der 
alität  der  Strahlen  ab,  deren  Wirkung  neben  der  Expositions- 
uer  in. gleich  erheblicher  Weise  durch  die  Entfernung  des  Rohres 
n  der  Haut  und  durch  die  Belastung  des  Rohres  (Stromintensität, 
terbrechungszahl,  Induktor)  bestimmt  werde.  Aus  etwaiger  Nicht- 
ücksichtigung  dieser  für  die  Wirkung  der  Bestrahlung  erheblichen 
Stände  könne  dem  Beklagten  kein  .Vorwurf  gemacht  werden,  weil 

No.  16 


zur  fraglichen  Zeit  die  Ansicht  der  Aerzte  über  die  für  die  Stärke 
und  Gefährlichkeit  der  Bestrahlung  massgebenden  Faktoren  noch  nicht 
geklärt  gewesen  sei.  —  Unzutreffend  sei  die  Rüge,  dass  Beklagter 
der  ihm  obliegenden  Exkulpationspflicht  nicht  nachgekommen  sei. 
Möge  man  auch  dem  Aerzte  die  Pflicht  auferlegen,  angesichts  einer 
gelegentlich  seiner  Behandlung  eingetretenen  Verletzung  die  Anwen¬ 
dung  der  erforderlichen  Sorgfalt  darzutun,  so  habe  er  doch  dieser 
Pflicht  mit  der  Darlegung  genügt,  dass  der  eingetretene  Erfolg  auch 
ohne  sein  Verschulden  herbeigeführt  sein  könne;  die  Unmöglichkeit, 
die  Ursache  einer  Verletzung  sicher  festzustellen,  dürfe  nicht  zu 
Lasten  des  Arztes  gehen.  —  Daraus,  dass  Beklagter  der  Klägerin 
keine  Mitteilung  über  die  Möglichkeit  einer  mit  der  Bestrahlung  ver¬ 
bundenen  körperlichen  Beschädigung  des  G.  gemacht  habe,  könne 
schon  deshalb  ein  kausales  Verschulden  des  Beklagten  nicht  abgeleitet 
werden,  weil  der  Beklagte  nach  tatsächlicher  Feststellung  des  Vor¬ 
derrichters  mit  der  Erteilung  der  Zustimmung  der  Klägerin  rechnen 
durfte.  — 

Die  zuletzt  berührte  Frage,  ob  der  Arzt  den  Kranken 
auf  die  möglichen  Gefahren  der  Operation  aufmerk¬ 
sam  machen  muss,  behandelt  das  Reichsgericht  in  einer  wich¬ 
tigen  Entscheidung  vom  1.  März  1912  (Seufferts  Archiv  1912,  S.  395) 
und  erörtert  dabei  die  Beweislast  bei  schädlichen  Fol¬ 
gen  einer  Operation.  Der  Beklagte  litt  infolge  von  Knochen¬ 
wucherungen  (Exostosen)  im  rechten  Gehörgang  an  Störungen  der 
Hörfähigkeit  dieses  Ohres  und  begab  sich  auf  den  ärztlichen  Rat, 
die  Wucherungen  wegmeisseln  zu  lassen,  in  die  Behandlung  des 
Klägers.  Der  Kläger  entfernte  zunächst  die  an  der  hinteren  Gehör¬ 
wand  befindliche  Wucherung.  Dabei  fiel  ein  abgemeisselter  Knochen¬ 
splitter  vor  das  Trommelfell;  dessen  Entfernung  gelang  auch  bei  der 
zweiten  Operation,  bei  der  die  Wucherung  an  der  vorderen  Gehör¬ 
wand  entfernt  wurde,  nicht.  Mit  Einwilligung  des  Beklagten  nahm 
Kläger  wegen  der  Gefahr,  die  das  Belassen  des  Knochensplitters  im 
inneren  Gehörgange  bringen  könne,  eine  Operation  zu  dessen  Ent¬ 
fernung  in  der  Narkose  vor.  Infolge  dieser  letzten  Operation  stellte 
sich  bei  dem  Beklagten  eine  Lähmung  des  Gesichts-  und  Gehörs¬ 
nerven  der  rechten  Kopfseite  ein;  die  letztere  hatte  dauernde  Taub¬ 
heit  des  Beklagten  auf  dem  rechten  Ohre  zur  Folge.  Die  Lähmungs¬ 
erscheinungen  waren,  wie  das  Berufungsgericht  für  erwiesen  erachtet, 
durch  eine  ihrer  Art  nach  nicht  näher  zu  bestimmende  innere  Ver¬ 
letzung  des  Ohres  bei  der  letzten  Operation  verursacht.  Das  Reichs¬ 
gericht  hat  die  Klage  des  Arztes  auf  Vergütung  für  seine  ärztlichen 
Dienstleistungen  als  begründet  erklärt,  die  Widerklage  des  Be’  lagten 
auf  Ersatz  des  ihm  entstandenen  Schadens  zurückgewiesen  und  dem 
abweichenden  Urteil  des  Berufungsgerichtes  gegenüber  insbesondere 
ausgeführt:  Die  Annahme  einer  Verpflichtung  des  Arztes,  den  Kranken 
auf  alle  möglicherweise  bei  einer  angeratenen  Operation  entstehenden 
nachteiligen  Folgen  aufmerksam  zu  machen,  lasse  sich  weder  aus  der 
Uebung  der  pflichtgetreuen  und  sorgfältigen  Vertreter  des  ärzt¬ 
lichen  Berufes  noch  aus  inneren  Gründen  herleiten.  Eine  umfassende 
Belehrung  des  Kranken  über  alle  möglichen  nachteiligen  Folgen  der 
Operation  würde  nicht  selten  sogar  falsch  sein,  weil  sie  den  Kranken 
von  einer  zweckmässigen  Behandlung  abschrecke  oder  ihn  unnötig 
in  nachteilige  Angst  und  Erregung  versetze.  Auch  die  besondere 
Lage  des  vorliegenden  Falles  rechtfertige  nicht  die  Annahme  einer 
solchen  Verpflichtung  des  Klägers,  da  die  Gefahr  des  Misserfolges 
nach  dem  Sachverständigengutachten  fernlag  und  das  ungünstige  Er¬ 
gebnis  durch  das  Zusammentreffen  unglücklicher  Ereignisse  herbeige¬ 
führt  wurde.  —  Zur  Annahme  eines  Kunstfehlers  aber  ge¬ 
lange  das  Berufungsgericht  durch  rechtsirrtümliche  Verteilung 
der  Beweislast.  Wie  man  auch  grundsätzlich  die  Verteilung 
der  Beweislast  in  Fällen  der  vorliegenden  Art  regeln  möge,  keines¬ 
falls  könne  die  Unmöglichkeit,  die  Ursache  einer  bei  der  Operation 
sich  ereignenden  Verletzung  des  Kranken  sicher  festzustellen,  zu 
Lasten  des  Arztes  gehen.  Auch  der  operierende  Arzt  werde  unter 
Umständen  nicht  bestimmt  angeben  können,  wodurch  die  Verletzung 
herbeigeführt  sei,  werde  jedenfalls  vielfach  ausserstande  sein,  die 
Richtigkeit  seiner  Meinung  im  Streitfälle  zu  beweisen.  Auch  die 
Assistenten  könnten  vielfach  nicht  jede  Bewegung  des  Arztes  so 
genau  verfolgen,  dass  sie  ein  Urteil  abzugeben  vermöchten.  Auch 
der  geschickteste  Arzt  arbeite  nicht  mit  der  Sicherheit  einer  Maschine; 
trotz  aller  Fähigkeit  und  Sorgfalt  des  Operateurs  könne  ein  Griff,  ein 
Schnitt  oder  Stich  misslingen,  der  regelmässig  gelinge.  Alle  nach¬ 
teiligen  Folgen,  die  im  allgemeinen  nicht  eintreten,  sich  aber  im 
F.inzelfalle  ohne  jedes  Verschulden  des  Arztes  an  die  Operation 
knüpften,  würden  nach  der  Auffassung  des  Berufungsgerichtes  vorn 
Arzte  zu  verantworten  sein,  wenn  ihm  nicht  der  positive  Beweis 
seines  Nichtverschuldens  gelinge,  ein  Beweis,  der  schlechterdings 
nicht  zu  führen  sei.  Solche  Verantwortung  könne  aber  selbstver¬ 
ständlich  dem  Arzte  nicht  aufgebiirdet  werden.  Die  Rücksichtnahme 
auf  den  Kranken  und  eine  vermeintliche  Unbilligkeit,  von  ihm  den 
Beweis  des  Verschuldens  zu  fordern,  könne  die  abweichende  Auf¬ 
fassung  des  Berufungsgerichtes  nicht  rechtfertigen.  Bei  schwereren 
Operationen  seien  regelmässig  sachverständige  Zeugen  zugegen,  durch 
deren  Vernehmung  die  Sachlage,  soweit  es  überhaupt  möglich  sei, 
aufgeklärt  werden  könne.  Vielfach  werde  der  Sachverständige  auch 
aus  dem  objektiven  Befund  auf  ein  Verschulden  des  Operateurs 
schliessen  können.  Endlich  werde  das  Unterlassen  einer  genügenden 
Aufklärung  der  Ursachen  der  Verletzung  bei  freier  Beweiswürdigung 
unter  Umständen  zu  Ungunsten  des  Arztes  zu  verwerten  sein.  Der 
Kranke  sei  also  keineswegs  schutzlos. 


4 


MULNCHENLR  MEDIZINISCHE  WOCHE^SCHfetgl  _  \(,  |( 


Die  Frage  der  Haltung  der  üemeinden  für  Verschul-  I 
den  der  Aerzte  und  des  Pflegepersonals  ihrer  Kran¬ 
kenanstalten  behandelt  Rechtsanwalt  Dr.  K  i  e  s  e  1 -Berlin  im 
Pretiss.  Verwaltungsblatt  (XXXIV,  S.  181)  im  Gegensatz  zur  Recht¬ 
sprechung  des  Reichsgerichtes.  Dieses  (Entsch.  Bd.  64,  S.  235)  geht 
davon  aus,  „dass  die  Haftpflicht  der  Gemeinde  für  etwaige  Versehen 
ihres  Krankenpflegepersonals  sich  verschieden  gestalten  kann,  je 
nachdem  die  Aufnahme  des  Patienten  auf  Grund  einer  öffentlich- 
rechtlichen  Fürsorgepflicht  oder  auf  Grund  des  Vertrages  mit  einer 
Zahlungspflichtigen  Privatperson  erfolgt".  Habe  der  Patient  etwas 
gezahlt,  so  bestehe  zwischen  ihm  und  der  Gemeinde  ein  Vertrag,  die 
Haftung  der  Stadt  sei  also  aus  §  278  B.G.B.  zu  bejahen;  sei  der 
Patient  dagegen  unentgeltlich,  etwa  im  Wege  der  öffentlichen  Armen¬ 
pflege,  aufgenommen,  so  sei  ein  Vertragsverhältnis  nicht  gegeben 
und  die  Haftung  bestimme  sich  daher  lediglich  aus  §  831  B.G.B. 
Diese  Entscheidung  wird  als  dem  sozialen  Empfinden  und  den  Grund¬ 
sätzen  kommunaler  Krankenhauspflege  widersprechend,  bekämpft 
und  insbesondere  die  rechtliche  Natur  der  Zahlung,  die  der  Patient 
bei  seiner  Aufnahme  in  ein  gemeinnützigen  Charakter  tragendes, 
Gewinnabsichten  nicht  verfolgendes,  vielmehr  nur  durch  erhebliche 
Zuschüsse  aus  kommunalen  Mitteln  unterhaltenes  kommunales 
Krankenhaus  leistet,  mit  dem  Ergebnis  untersucht,  dass  ihr  privat¬ 
rechtlicher  Charakter  verneint  und  damit  die  Anwendung  des 
S  278  B.G.B.  ausgeschlossen  wird.  Im  Anschluss  an  eine  grund¬ 
sätzliche  Entscheidung  des  Obersten  Gerichtshofes  in  Wien  vom 
5.  März  1912  (Jurist.  Blätter  Bd.  41,  Beil,  zu  No.  21,  S.  249) 
wird  ausgeführt,  dass  diese  Zahlung  nicht  die  Begleichung  einer 
privatrechtlichen  Schuld,  sondern  die  Entrichtung  einer  Gebühr,  eines 
öffentlich-rechtlichen  Entgelts  für  die  Benutzung  einer  von  der  Ge¬ 
meinde  im  öffentlichen  Interesse  unterhaltenen  Veranstaltung  sei. 
Wer  Krankenhausgebühr  zahle,  dokumentiere  damit  nicht  den  Willen 
auf  Abschluss  eines  Dienstvertrages,  sondern  entrichte  „die  einseitig 
befohlene  Gegenleistung  für  eine  beanspruchte  öffentliche  Leistung". 
Die  Haftung  bestimme  sich  daher  nur  nach  §  831  B.G.B.,  d.  h.  sie 
müsse  verneint  werden,  wenn  die  Gemeinde  den  Nachweis  führen 
könne,  dass  sie  bei  der  Auswahl  der  Aerzte  und  des  Pflegepersonals 
sowie  bei  der  Beschaffung  der  Arzneien  usw.  die  im  Verkehr  er¬ 
forderliche  Sorgfalt  beobachtet  habe. 

Ein  im  vorletzten  Bande  der  Entscheidungen  des  Reichsgerichtes 
in  Zivilsachen  (78  d.  19)  veröffentlichtes  Urteil  behandelt  die  oft  ge¬ 
stellte  Frage:  Bildet  für  einen  Arzt,  der  eine  Stelle  als  Kassen¬ 
arzt  einer  Krankenkasse  übernommen  hat,  der  Umstand,  dass  die 
Uebernahme  einer  solchen  Stelle  von  der  Mehrzahl  der  deutschen 
Aerzte  für  standesunwürdig  gehalten  wird  und  dass  er  sich  nach¬ 
träglich  von  der  Richtigkeit  dieses  Standpunktes  überzeugt,  einen 
wichtigen  Grund  zur  Kündigung  des  Vertragsver¬ 
hältnisses?  Das  Reichsgericht  hat  die  Frage  verneint.  Ob  ein 
„wichtiger  Grund"  im  Sinne  des  §  626  B.G.B.  im  einzelnen  Falle  vor¬ 
liegt,  ist  wesentlich  Tatfrage  und  in  der  Revisionsinstanz  darf  nur 
nachgeprüft  werden,  ob  in  abstracto  ein  bestimmtes  Handeln,  eine 
bestimmte  Eigenschaft  oder  ein  bestimmtes  Ereignis  einen  wichtigen 
Grund  zur  vorzeitigen  Auflösung  des  Dienstverhältnisses  bilden  kann. 
Bei  der  Beurteilung  der  Wichtigkeit  des  Grundes  ist  ein  anderer 
Massstab  anzulegen,  wenn  es  sich  um  eine  Person  handelt,  die 
Dienste  höherer  Art  zu  leisten  hat  als  wenn  es  sich  um  die  Person 
eines  zu  einfachen,  mehr  mechanischen  Dienstleistungen  Ver¬ 
pflichteten  handelt.  Das  Berufungsgericht  hat  aber  die  in  dieser 
Beziehung  zugunsten  des  beklagten  Arztes  zu  berücksichtigenden  Um¬ 
stände  als  nicht  erheblich  ins  Gewicht  fallend  angesehen  gegenüber 
dem  öffentlichen  Interesse,  das  an  der  Erfüllung  der  dem  klagen¬ 
den  Krankenkassenverband  zugewiesenen,  die  Allgemeinheit  be¬ 
rührenden  Aufgaben  besteht,  deren  Lösung  von  der  Innehaltung  aer 
mit  den  Aerzten  geschlossenen  -  Verträge  wesentlich  abhängt.  Mit 
Recht  ist  auf  die  Notwendigkeit  der  Wahrung  der  Vertragstreue  ent¬ 
scheidendes  Gewicht  gelegt.  Auch  darin,  dass  das  Berufungsgericht 
in  der  Aenderung  der  inneren  Ueberzeugung  des  Beklagten  einen 
wichtigen  Grund  nicht  erblickt  hat,  ist  ein  Rechtsverstoss  nicht  zu 
finden.  Ein  blosser  Gesinnungswechsel  des  Vertragschliessenden, 
eine  Aenderung  seiner  Ueberzeugung  in  der  Richtung,  dass  er  den  Ab¬ 
schluss  des  Vertrages,  der  ihm  früher  unbedenklich  erschien,  jetzt 
nach  gründlicherer  Ueberlegung  als  unehrenhaft  ansieht,  kann  einen 
wichtigen,  zu  sofortiger  Lösung  des  Vertragsverhältnisses  berechti¬ 
genden  Grund  jedenfalls  dann  nicht  abgeben,  wenn  dabei  nur  Um¬ 
stände  in  Betracht  kommen,  die  bereits  zur  Zeit  des  Abschlusses  des 
Vertrages  Vorlagen,  dem  Vertragschliessenden  bekannt  waren  und 
von  ihm  in  ihrer  Bedeutung  und  Tragweite  gewürdigt  werden 
konnten. 

Hierhin  gehört  auch  das  Urteil  des  Reichsgerichts  vom  17.  De¬ 
zember  1912  (Warneyer:  Rechtsprechung  d.  Reichger.  1913, 

S.  121).  Dr.  A.  war  zurzeit  des  sog.  Aerztestreiks  in  N.  als  Kassen¬ 
arzt  durch  Vertrag  vom  8.  VI.  10  für  die  Zeit  vom  15.  VI.  10  bis 
15.  VI.  18  gegen  10  000  M.  Jahresgehalt  angestellt.  Er  hat  die  Stellung 
nicht  angetreten  und  Kläger  verlangt  die  für  Verweigerung  der  Ver¬ 
tragserfüllung  vereinbarte  Vertragsstrafe  von  12  000  M.  Dr.  A.  hat 
in  der  Verhandlung  vor  dem  Reichsgericht  als  wichtigen  Grund  für 
sofortigen  Rücktritt  vom  Vertrage  geltend  gemacht,  er  habe  dem 
Leipziger  Verbände  sein  Ehrenwort  gegeben,  keine  „Konfliktsstelle“ 
anzunehmen.  Ihm  habe  ferner  Ueberlastung  mit  Arbeit  gedroht,  da 
der  Kläger  zu  wenig  Aerzte  angestellt  habe.  Ein  Teil  dieser  Aerzte 
sei  nach  Persönlichkeit  und  Leistungsfähigkeit  nicht  einwandfrei. 


einer  von  ihnen  habe  die  Stellung  unter  Ehrenwortsbruch  dem  Leip¬ 
ziger  Verbände  gegenüber  angenommen.  Das  Reichsgericht  hat  du 
Revision  des  Dr.  A.  zurückgewiesen.  Das  Oberlandesgericht  leugnt 
nicht  etwa,  dass  ein  Grund  zu  fristloser  Kündigung  gegeben  sei; 
könne,  wenn  der  Vertragserfüllung  ein  Ehrenwort  des  Schuldnern 
entgegensteht.  Das  Oberlandesgericht  gehe  vielmehr  —  ob  mit  Recht 
könne  dahingestellt  bleiben  offenbar  davon  aus.  dass  bei  solcher 
Sachlage  fristlose  Kündigung  an  sich  zulässig  sein  könne.  Es  versage 
diese  Befugnis  aber  dem  Beklagten,  weil  das  Ehrenwort  schon  durch 
den  Vertragsschluss  gebrochen  sei.  Dies  sei  eine  rein  tatsächliche 
und  nicht  rechtsirrtümliche  Erwägung.  Mit  Unrecht  verlange  die  Re¬ 
vision  für  den  Beklagten  Befugnis  und  Gelegenheit,  die  Folgen  des 
Wortbruchs  durch  Vertragsbruch  gegenüber  dem  Kläger  zu  beseiti¬ 
gen.  Dass  Dr.  A.  diese  Folgen  zu  beseitigen  wünsche,  sei  verständ¬ 
lich,  aber  sein  nachheriger  Sinnesänderung  entsprechender  Wunsch] 
müsse  der  Rücksicht  auf  die  Notwendigkeit  der  Vertragstreue  wei¬ 
chen.  Im  übrigen  verweist  das  Berufungsgericht  den  Dr.  A.  auf  Än- 
rufung  der  Aufsichtsbehörde  und  mit  ihm  konnte  das  Reichsgericht 
auch  aus  seinen  weiteren  Ausführungen  einen  ausreichenden  Kiindi- 
gungsgrund  nicht  entnehmen.  — 

Unter  welchen  Umständen  ist  in  dem  Beschluss  eines 
ärztlichen  Standesvereins,  durch  den  seinen  Mit¬ 
gliedern  der  berufliche  Verkehr  mit  einem  dem 
Vereine  nicht  an  ge  hören  den  Arzte  verboten  wird, 
ein  Verstoss  gegen  die  guten  Sitten  zu  erblicken?  Das  grundsätzlich 
wichtige  Urteil  des  Reichsgerichts  zu  dieser  Frage  vom- 8.  Februar 
1912  ist  im  neuesten  Bande  der  Entscheidungen  des  Reichsgerichts] 
in- Zivilsachen  (79,  S.  17)  abgedruckt.  Der  Kläger  Dr.  A  wurde  von; 
Dr.  B.  in  N.  als  Assistent  angenommen  und  liess  sich  später  mit  Zu¬ 
stimmung  des  Dr.  B.  in  N.  selbständig  nieder.  Der  beklagte  ärztliche 
Bezirksverein  hatte  den  Dr.  B.  vor  Jahren  aus  dem  Verein  aus¬ 
geschlossen.  Mit  einem  ausgeschlossenen  Arzt  ist  nach  den  Vereins-, 
Satzungen  jeder  kollegiale  Verkehr,  insbesondere  der  Verkehr  zu 
Konsultations-  und  Operationszwecken  zu  vermeiden,  dringende  Fälle 
ausgenommen.  In  gleicher  Weise  soll  gegen  die  ausserhalb  des) 
Vereins  stehenden  Aerzte  vorgegangen  werden,  falls  ihr  Verhalten! 
dies  notwendig  erscheinen  lässt.  Der  Vereinsvorsitzende  eröffnete 
dem  Dr.  A.,  der  dem  Verein  nicht  beigetreten  war,  dass  er  sich 
durch  den  Verkehr  mit  Dr.  B.  denselben  Folgen  aussetze  wie 
Dr.  B.  und  nach  längerem  Briefwechsel  wurde  dann  vom  Verein  tat¬ 
sächlich  den  Vereinsmitgliedern  der  kollegiale  Verkehr  auch  mit 
Dr.  A.  verboten,  so  lange  Dr.  A.  den  Verkehr  mit  Dr.  B.  nicht  aufgebe. 
Die  Liste  der  durch  ihn  vom  kollegialen  Verkehr  ausgeschlossenen 
Aerzte  teilte  der  Verein  den  benachbarten  Fakultäten  und  Kranken¬ 
häusern  sowie  den  staatlichen  Bahn-,  Post-  und  Forstkrankenkassen 
mit.  Dr.  A.  erhob  jetzt  Klage  auf  Aufhebung  dieses  Verkehrsverbotes. 
Landgericht  und  Oberlandesgericht  wiesen  die  Klage  ab,  das  Reichs¬ 
gericht  indessen  hob  das  Berufungsurteil  auf.  Es  gab  zu,  dass  einem 
ärztlichen  Verein,  der  wie  der  beklagte  Verein  nach  seinen  Satzungen 
und  der  ihm  durch  die  staatliche  Anerkennung  zugewiesenen  Stellung 
Hüter  der  ärztlichen  Standesehre  sei  und  die  Interessen  des  ärzt¬ 
lichen  Standes  innerhalb  seines  Bezirks  wahren  solle,  auch  berechtigt 
sein  muss,  zur  Erfüllung  seiner  Aufgabe  gegen  einen  Arzt,  mag  er 
Vereinsmitgied  sein  oder  nicht,  strenge,  seine  ärztliche  Betätigung 
j  schädigende  Massregeln  zu  ergreifen  und  wenn  nötig  in  der  Oeffent- 
lichkeit  von  ihm  abzurücken.  Aber  gerade  diese,  dem  beklagten  Verein 
eigene  Aufgabe  und  Stellung  und  die  Macht,  die  ihm  vermöge  der 
Zahl  seiner  Mitglieder,  der  Stärke  seiner  Organisation  und  des  Rück¬ 
halts  an  dem  Leipziger  Verband  gegenüber  dem  einzelnen  Arzte  zu 
Gebote  stehe,  lege  ihm  die  Pflicht  auf,  bei  solchem  Vorgehen  be¬ 
sonnen  und  massvoll  zu  verfahren  und  unter  billiger  Berücksichtigung 
der  berechtigten  Interessen  des  Betroffenen  jede  Massnahme  zu  ver¬ 
meiden,  die  der  Ausübung  seines  der  gemeinen  Wohlfahrt  dienenden 
Berufs  in  einer  durch  die  gegebene  Sachlage  nicht  unbedingt  ge¬ 
botenen  Weise  Schranken  auferlegt  oder  Hindernisse  bereitet.  Von 
diesem  Standpunkte  aus  aber  könne  nach  den  Feststellungen  des 
Vorderrichters  das  Vorgehen  des  Vereins  gegen  Dr.  A.  nicht  als 
gerechtfertigt  oder  auch  nur  als  sittlich  erlaubt  oder  erträglich  er¬ 
achtet  werden.  Ein  derartig  schwerer  Eingriff  in  die  gesellschaft¬ 
lichen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Dr.  A.  würde  zulässig 
nur  dann  gewesen  sein,  wenn  das  über  ihn  verhängte  Verkehrsverbot 
auf  triftigen  Gründen  beruhte.  Ob  dies  der  Fall  gewesen,  habe  das 
Berufungsgericht  nicht  prüfen  zu  müssen  geglaubt,  weil  nach  den 
unwiderlegten  Angaben  des  beklagten  Vereins  Dr.  B.  sein  bei  Ab¬ 
tretung  seiner  Praxis  in  N.  gegebenes  Ehrenwort  gebrochen  habe, 
nach  N.  nicht  zurückzukehren  und  dort  keine  Praxis  mehr  auszuüben. 
Die  hiernach  berechtigte  Isolierung  des  Dr.  B.  sei  aber  nur  durchführ¬ 
bar,  wenn  auch  vereinsfremde  Aerzte.  die  das  Verkehrsverbot  nicht 
beachteten,  ausgeschlossen  würden.  Das  Ziel  des  Vereins  sei  also 
nicht  sittenwidrig  gewesen  und  Dr.  A.,  der  die  Lage  habe  übersehen 
müssen,  habe  auf  eigene  Gefahr  gehandelt,  wenn  er  sich  dem  Ver¬ 
femten  anschloss.  Gewiss  seien  —  so  führt  das  Reichsgericht  dem¬ 
gegenüber  aus  —  Fälle  denkbar,  wo  schon  der  gesellschaftliche  oder 
berufliche  Verkehr  eines  Arztes  mit  einem  Berufsgenossen  von 
makelhafter  Vergangenheit  oder  anrüchiger  Lebensführung  oder  Bc- 
rufsbetätigung  die  Standeswürde  verletzen  und  ein  Einschreiten  der 
Standesvertretung  erfordern  könne.  Dr.  A.  habe  aber  bestritten,  dass 
Dr.  B.  sich  gegen  die  Standesehre  vergangen  habe  und  da  müsse, 
weil  die  Ausstossung  des  Klägers,  der  selbst  keine  ehrenrührige  oder 
I  standesunwürdige  Handlung  beging,  sich  zunächst  als  rechtwidrig 


22.  April  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


md  unerlaubt  darstelle,  der  beklasrte  Verein  den  Gegenbeweis  führen, 
lass  die  Massnahme  von  guten  Gründen  getragen  und  sittlich  zu- 
ässig  gewesen  sei.  Würde  die  erneute  Verhandlung  ergeben,  dass 
ler  Verkehr  des  Dr.  A.  mit  Dr.  B.  keine  Verletzung  der  Standesehre 
’ildete,  so  müsste  die  Verrufserklärung  als  sittlich  unerlaubt  und  als 
instatthafter  Ausfluss  eines  Machtgefühls  erscheinen,  das  den  beklag¬ 
en  Verein  zu  beherrschen  scheine.  Dass  dieser  Verein  den  strengen 
Ausschluss  des  Dr.  B.  nicht  durchführen  könne,  wenn  er  nicht  zu 
Mitteln  wie  die  Verrufserklärung  greife,  könne  ihm  für  sich  allein 
ioch  nicht  die  Befugnis  geben,  fremde  Existenzen  durch  gesellschaft- 
iche  Aechtung  und  wirtschaftliche  Schädigung  aufs  Spiel  zu  setzen.  — 
Zur  Frage  der  Eintragungsfähigkeit  der  kasseti- 
ärztlichen  Vereine  liegen  verschiedene  landgerichtliche  Be- 
chliisse  vor;  das  Kammergericht  hat  bisher  noch  nicht  gesprochen. 
Jas  Landgericht  Stettin  hat  nach  einem  in  den  „Aerztl.  Mit¬ 
eilungen“  1913,  S.  122  mitgeteilten  Beschlüsse  vom  22.  Januar  1913 
rkannt,  dass  der  Zweck  des  Vereins  der  Kassenärzte  für  Stettin  und 
Jmgegend  nicht  „auf  einen  wirtschaftlichen  Geschäftsbetrieb  Re¬ 
ichtet  (§  22  BGB.s)  und  die  Eintragung  in  das  Vereinsregister  daher 
licht  unzulässig  sei.  Allerdings  lasse  die  Satzung  erkennen,  dass  der 
erein  „an  Stelle  der  einzelnen  Aerzte  den  Abschluss  und  die  Kündi- 
:ung  der  Verträge  über  die  ärztliche  Versorgung  der  Mitglieder  der 
(rankenkassen  vollzieht  und  sich  die  Durchführung  der  Verträge 
.»gelegen  sein  lässt“  und  dass  nach  einer  Anzahl  von  Einzelbestim- 
nungen  der  Verein  als  geschlossene  Wirtschaftsmacht  den  Kassen 
.egenübersteht.  Allein  dies  genüge  nicht,  um  anzunehmen,  dass  der 
'.weck  des  Vereins  auf  einen  wirtschaftlichen  Geschäftsbetrieb  Re¬ 
ichtet  sei.  Das  Landgericht  vertrete  vielmehr  den  Standpunkt,  dass 
ierufsvereine,  gerichtet  auf  Wahrnehmung  der  gemeinsamen  Inter- 
ssen  der  Berufsgenossen,  eintragungsfähig  sind,  soweit  sie  nicht 
len  Charakter  von  Produktivgenossenschaften  oder  Versicherungs- 
esellschaften  auf  Gegenseitigkeit  an  sich  tragen.  —  Ebenso  haben 
as  Landgericht  M  a  r  b  u  r  g  und  das  Landgericht  B  r  e  m  e  n  („Aerztl. 
Mitteilungen“  1913,  S.  5/6)  die  Meinung  vertreten,  dass  Vereine  der 
Kassenärzte  nicht  solche  Vereine  seien,  deren  Zweck  auf  einen  wirt¬ 
schaftlichen  Geschäftsbetrieb  gerichtet  ist.  Ein  „wirtschaftlicher  Ge- 
chäftsbetrieb  liege  nur  dann  vor,  wenn  der  Verein  in  seinem  Namen 
leschäfte  schlossen  wolle,  um  für  sich  selbst  oder  doch  für  seine 
Mitglieder  einen  wirtschaftlichen  Nutzen  zu  erzielen.  Der  kassenärzt- 
che  Verein  wolle  zwar  nach  seinem  Statut  wirtschaftliche  Vorteile 
eben  den  bloss  ideellen  Zwecken  für  seine  Mitglieder  erstreben, 
llein  er  wolle  jene  Vorteile  nicht  dadurch  erzielen,  dass  er  selbst 
leschäfte  betreibe.  Geschäfte  für  sich  abschliesse,  sondern  lediglich 
adurch,  dass  er  bei  Abschluss  von  Verträgen  seiner  Mitglieder  deren 
(echte  wahrnehme  und  sie  vertrete.  Er  habe  daher  keinen  wirt- 
chaftlichen  Geschäftsbetrieb  zum  Zweck.  — 

Ueber  die  Frage,  unter  welchen  Voraussetzungen  eine  VV  a  r  - 
ung  vor  einem  öffentlich  angepriesenen  Heil- 
littel  zulässig  sei,  entschied  das  Oberverwaltungsgericht  am 
2.  Oktober  1912  (Min. -Blatt  f.  Mediz. -Angel.  S.  411)  anlässlich  einer 
Sekanntmachung  des  Regierungspräsidenten  in  E.  im  Amtsblatt,  durch 
ie  vor  dem  Ankauf  eines  von  einer  Fabrik  chemisch-pharmazeu- 
scher  Präparate  vertriebenen  Antidiabetikum  gewarnt  wurde.  Die 
abrik  hatte  gegen  den  Regierungspräsidenten  und  gegen  den  bei  der 
gl.  Regierung  in  E.  angestellten  Regierungs-  und  Medizinalrat  Scha- 
ensersatzklage  mit  der  Behauptung  angestrengt,  dass  das  Mittel  in 
ahllosen  Fällen  von  praktischen  Aerzten  erprobt  und  erfolgreich 
ngewandt  sei  und  dass  der  Regierungs-  und  Medizinalrat  ausreichend 
orgfältige  Untersuchungen  und  Erprobungen  des  Mittels  nicht  vor- 
enommen  habe.  Der  zugunsten  der  in  Anspruch  genommenen  Be¬ 
raten  mit  der  Behauptung,  dass  ihnen  der  Vorwurf  der  Unterlassung 
iner  ihnen  obliegenden  Amtshandlung  nicht  gemacht  werden  könne, 
rhobene  Konflikt  ist  vom  Oberverwaltungsgericht  für  begründet  er- 
lärt.  Die  auf  Veranlassung  des  Regierungs-  und  Medizinalrats  durch 
as  Nahrungsmitteluntersuchungsamt  in  E.  vorgenommene  chemische 
nalyse  des  Heilmittels  in  Verbindung  mit  der  vorgeschriebenen  Au- 
abe  über  seine  Zusammensetzung  durch  den  Verfertiger  selbst  müsse 
ls  ausreichende  Grundlage  angesehen  werden,  um  ein  Urteil  darüber 
u  gewinnen,  ob  das  Heilmittel  nach  dem  Stande  der  wissenschaft- 
chen  Forschung  und  Erfahrung  die  ihm  zugeschriebene  Heilwirkung 
i  bezug  auf  eine  bestimmte  Krankheit  wirklich  besitze  oder  nicht, 
ur  Abgabe  eines  derartigen  Urteils  seien  die  Regierungs-  und  Medi- 
malräte  kraft  ihres  Amtes  berufen.  Ein  Vorwurf  gegen  den  Beklag- 
.‘u  aus  dem  von  ihm  erstatteten  Gutachten  würde  nur  dann  begrün¬ 
et  sein,  wenn  er  wichtige  Punkte  übersehen  oder  sich  mit  den  durch 
ie  Wissenschaft  gewonnenen  Ergebnissen  in  bewusster  oder  fahr¬ 
iger  Weise  in  Widerspruch  gesetzt  hätte.  Der  Forderung  der 
lägtrin,  dass  ein  Gutachten  über  die  Wirkung  eines  Heilmittels  von 
em  Beklagten  erst  auf  Grund  eigener  Erprobung  an  Kranken  hätte 
bgegeben  werden  dürfen,  stehe  entgegen,  dass  es  nicht  Sache  des 
egierungs-  und  Medizinalrats  sein  könne,  in  derartigen  Fällen  selbst 
ntersuchungen  vorzunehmen,  sondern  dass  er  sich  darauf  beschrän- 
tn  müsse,  die  Ergebnisse  der  Wissenschaft  zu  verwerten.  Ganz 
bgesehen  davon  ferner,  dass  günstigen  Urteilen  einzelner  Aerzte 
in  sehr  entschiedener  Widerspruch  von  anderer  ärztlicher  Seite 
egeniiberstehe.  komme  es  nicht  darauf  an,  wie'  andere  Aerzte  über 
as  Mittel  denken,  sondern  lediglich  darauf,  ob  der  Beklagte  zu 
äinem  Urteil  nach  wissenschaftlichen  Grundsätzen  berechtigt  ge¬ 
wesen  sei  und  sich  nach  diesen  von  der  Richtigkeit  seines  Gut- 
ehtens  habe  überzeugt  halten  dürfen. 


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Ein  in  der  Berliner  „Apotheker-Zeitung“  (1913,  S.  52)  wieder- 
gegebenes  Urteil  des  Reichsgerichts  vom  22.  November  1912  be- 
landelt  einen  Revers,  den  sich  die  beklagten  württembergischen 
Krankenkassen  von  den  Kassenärzten  über  die  Verwendung 
wo  i  t  g  e  s  c  h  ii  t  z  t  e  r  Arzneimittel,  so  des  vom  Kläger  in 
den  Handel  gebrachten  „Pyrenol“  ausstellen  Hessen.  Die  Beklagten 
bestimmten  nach  dem  Urteil  den  Arzt  reversalisch.  für  alle  Fälle, 
in  denen  ei  Pyrenol  ohne  Hinzufügung  des  Namens  des  Fabrikanten 
und  des  Zeichens  N.  ß.  verordnet,  den  Apotheker  zur  Abgabe  des 
Ersatzmittels  zu  ermächtigen  und  sie  verpflichteten  den  Apotheker, 
von  dieser  Ermächtigung  Gebrauch  zu  machen,  indem  sie  ihm  sogar 
zusicherten,  für  alle  zivil-  und  strafrechtlichen  Folgen  aufkommen  zu 
wollen,  die  ihm  aus  der  Durchführung  des  Reverses  erwachsen  soll— 
teil.  Ein  solches  Vei fahren  verstösst  nach  dem  reichsgerichtlichen 
Urteil  gegen  die  guten  Sitten  und  macht  gemäss  §  826  BGB.s  scha¬ 
densersatzpflichtig.  Das  vom  Kläger  in  den  Handel  gebrachte 
„1  jienol  habe  sich  seit  Jahren  unter  diesem  Namen  einen  gewissen 
Ruf  erworben.  Dieser  wurde  in  den  Reihen  der  Kassenmitglieder  da¬ 
durch  beeinträchtigt,  dass  den  Kranken  etwas  als  Pyrenol  oder  als 
ihm  gleichwertig  verabfolgt  werde,  dessen  Gleichwertigkeit  nicht  fest¬ 
stehe,  auch  nicht  feststellbar  sei,  weil  der  Kläger  nicht  genötigt  wer¬ 
den  könne,  das  Geheimnis  der  Herstellung  zu  offenbaren.  Das  von 
den  Beklagten  vertretene  Interesse  der  Krankenkassen  erfordere  es 
nicht,  dass  das  Ersatzmittel  im  Rezept  als  Pyrenol  bezeichnet  werde. 
Dieses  Interesse  werde  hinreichend  gewahrt,  wenn  dem  Arzte,  so¬ 
weit  der  Krankheitsfall  es  gestatte,  die  Verordnung  des  Ersatzmittels 
zur  Pflicht  gemacht  werde.  Es  sei  deshalb  nicht  ersichtlich,  was  den 
für  den  Kläger  schädigenden  Missbrauch  der  Bezeichnung  seines  Heil¬ 
mittels  zu  rechtfertigen  vermöchte.  — 

Die  Berliner  „Apotheker-Zeitung“  (1913,  S.  131)  teilt  ein  Urteil 
der  Bonner  Strafkammer  vom  8.  Februar  d.  J.  mit,  durch  das  ein 
Apotheker  wegen  Betruges  in  fünf  Fällen  bestraft  ist.  Der 
Apotheker  war  Hersteller  der  sog.  Paraischen  Klostermittel“  und 
hatte  in  Zeitungsanzeigen  angekündigt,  dass  er  Flechten  aller  Art 
heile,  dann  auch  auf  Anfragen  vier  oder  fünf  dieser  aus  unschädlichen, 
aber  auch  wirkungslosen  Stoffen  zusammengesetzten  Mittel  ver¬ 
ordnet.  In  der  Verhandlung  sprachen  sich  mehrere  Zeugen  für  die 
Güte  und  den  Erfolg  der  Mittel  aus.  Die  Sachverständigen,  unter 
ihnen  ein  Apotheker,  ein  Hochschullehrer  für  Chemie  und  ein  Medi¬ 
ziner,  waren  anderer  Ansicht.  Der  medizinische  Sachverständige 
betonte  besonders,  der  Apotheker  müsse  wissen,  dass  man  nicht  alle 
Krankheiten  mit  einem  Mittel  heilen  könne,  er  habe  auch  ver¬ 
werfliche  Fernbehandlung  getrieben.  Die  Strafkammer  verurteilte 
wegen  Betruges  unter  Annahme  mildernder  Umstände  zu  1000  M. 
Geldstrafe. 


Schliesslich  ist  hier  von  Interesse  die  reichsgesetzliche  Erledigung 
eines  Streites  zwischen  der  Buchhandlung  des  Verbandes 
der  Aerzte  Deutschlands  als  Klägerin  und  dem  Börsen¬ 
verein  der  deutschen  Buchhändler  als  Beklagten.  Der  Börsenverein 
hatte  1910  ein  Rundschreiben  an  seine  Mitglieder  und  andere  Ver¬ 
leger  gesandt,  in  dem  mitgeteilt  wurde,  die  Buchhandlung  des  Leip¬ 
ziger  Verbandes  dürfe  für  den  Verkehr  des  deutschen  Buchhandels 
mit  dem  Publikum  nicht  als  buchhändlerischer  Betrieb  betrachtet 
werden,  da  sie  ihren  Geschäftsgewinn  an  die  Mitglieder  des  Ver¬ 
bandes,  der  die  Buchhandlung  betreibt,  in  einer  Weise  verteile,  die 
als  unzulässige  Rabattgewährung  zu  betrachten  sei.  Ihr  sei  deshalb 
der  Bezug  des  Börsenblattes,  dessen  Benutzung  zu  Inseraten  und  die 
Benutzung  aller  Vereinseinrichtungen  zu  untersagen.  Der  Leipziger 
Verband  hatte  verlangt,  dass  dem  Börsenverein  die  Aufstellung  und 
Verbreitung  dieser  Behauptung  untersagt  werde  und  dass  er  sie 
seinen  Mitgliedern  gegenüber  widerrufe.  Er  ist  mit  diesem  Antrag 
auch  bei  dem  Reichsgerichte  durchgedrungen.  Darin,  dass  der  Ver¬ 
band  den  Geschäftsgewinn  der  Buchhandlung  zur  Erhöhung  ihres 
Betriebskapitals,  möglicherweise  auch  zur  Deckung  der  der  Verbands¬ 
kasse  buchmässig  gutgeschriebenen  Summen  sowie  zur  Ueberlassung 
an  die  Stellenvermittlung  und  Witwen-  und  Waisenkasse  verwende, 
sei  eine  Zuwendung  von  „Rabatt“  in  der  rechts-  und  verkehrsiiblicheu 
Bedeutung  dieses  Wertes  nicht  zu  erblicken.  (Urteil  vom  14.  De¬ 
zember  1912,  Deutsche  Juristen-Zeitung  1913,  S.  235.) 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Das  Ulcus  duodeni  chronicum  und  seine  Behandlung1*). 

Von  Prof.  C).  Witzei,  Geheimer  Medizinalrat  in  Düsseldorf. 

In  den  letzten  Jahren  haben  die  Chirurgen  sowohl  als  die  Inter¬ 
nisten  ihre  Anschauungen  und  Erfahrungen  über  das  Ulcus  duodeni 
einer  Revision  unterwerfen  müssen  —  Von  jenseits  des  Kanals 
und  des  Ozeans  kam  die  Kunde  von  der  ungemeinen  Häufig¬ 
keit  des  Leidens  —  es  soll  zweimal  so  häufig  sein  als  das  Ulcus 
gastricum  —  und  seiner  grossen  Bedeutung  für  die  Pathologie  des 
Magendarmkanals,  besonders  auch  in  seinem  ersten,  von  den  grossen 
Komplikationen  freien  Stadium.  —  Von  den  auch  sonst  recht  vor- 


°)  Vortrag,  gehalten  in  der  Med.  Gesellschaft  zu  Düsseldorf  am 
3.  März  1913. 


4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


S76 


urteilsfrei  sich  gebenden  Brüdern  Mayo  (Rochester)  ausgehend 
wurden  die  Berichte  zunächst  etwas  ungläubig  aufgenommen,  indes 
sehr  bald  durch  kritische  Besucher  bei  ihnen  und  bei  Moynihan 
(Leeds)  durchaus  bestätigt.  Gleich  den  französischen  Chirurgen  haben 
wir  da  geradezu  eine  Ueberraschung  erlebt,  und  diese  blieb  zunächst 
so  gross,  dass  man  glaubte,  eine  besondere  Disposition  der  angel¬ 
sächsischen  Rasse  annehmen  zu  müssen.  Heute  wissen  wir,  dass  die 
Affektion  auch  bei  uns  mit  grosser  Häufigkeit  vorkommt,  dass  wir 
unter  falscher  Auffassung  eine  ihrer  Folgen  als  gutartige  „Pylorus¬ 
stenose“  oft  operiert,  Perforationen  des  Duodenums  als  solche  des 
Magens  angesehen  haben. 

Wenn  ein  Mann  in  den  dreissiger  oder  vierziger  Jahren,  der 
unter  wechselnden  Diagnosen  und  meist  von  verschiedenen  Aerzten 
jahrelang  wegen  Magenbeschwerden  behandelt  wurde,  stets  nur  vor¬ 
übergehende  Minderung  oder  Beseitigung  seiner  Beschwerden  erfuhr, 
und  immer  „nervöser“  wurde,  über  Schmerzen  klagt,  die  einige 
Stunden  nach  der  Hauptmahlzeit  im  Oberbauch  auftreten,  durch 
Nahrungszufuhr  und  Alkalien  gemindert  werden  oder  schwinden, 
dann  soll  man  —  auch  ohne  den  Kranken  zu  sehen!  —  die  Diagnose 
auf  Ulcus  duodeni  stellen  dürfen  und  für  die  Behandlung  nicht  fehl¬ 
gehen.  Im  ganzen  stimmt  das.  Selbstredend  kommt  das  Leiden 
auch  in  früheren  oder  späteren  Jahren  und  auch  beim  weiblichen 
Geschlechte  vor. 

Das  Ulcus  duodeni  chronicum  (das  akute  nach  äusseren  Ver¬ 
brennungen  und  bei  schweren  Infektionen,  wohl  embolisch  bedingt, 
auftretende  kommt  hier  nicht  zur  Betrachtung)  steht  genetisch 
auf  derselben  Stelle,  wie  das  Ulcus  gastricum.  Es  sitzt  fast  ohne 
Ausnahme  oberhalb  der  Einmündung  der  Gänge  der  Leber  und  der 
Bauchspeicheldrüse,  mit  der  Entfernung  von  der  Vater  sehen 
Papille  an  Häufigkeit  zunehmend,  also  besonders  in  unmittelbarer 
Nähe  des  Pylorusringes,  mehr  vorn  als  hinten.  Es  kann  nach  den 
allseitigen  Untersuchungen  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  das  Ulcus 
duodeni  nicht  nur  gewöhnlich  mit  Superazidität  einhergeht, 
sondern,  wie  das  Ulcus  gastricum  pepticum,  durch  diese  bedingt  ist. 
Die  Uebersäuerung  des  Inhaltes  ist  aber  oben  am  Pylorus,  entfernt 
von  der  Papille  am  stärksten,  sie  nimmt  zur  Papille  hin  infolge  der 
Alkaleszenz  der  Galle  und  des  Bauchspeichels  ab  und  verschwindet 
unterhalb  derselben.  Moynihan  stellt  den  Satz  auf,  dass  jede 
stärkere  rezidivierende  Hyperchlorhydrie  beweisend  für  das  Ulcus 
duodeni  sei.  „Recurrent  severe  hyperchlorhydria  is  duodenal  ulcer.“ 
M.  operierte  nie  einen  solchen  Fall,  ohne  das  erwartete  Ulcus  duodeni 
zu  finden.  In  den  Zwischenzeiten  der  „rekurrenten“  Hyperchlor¬ 
hydrie  werden  auch  normale  Säureverhältnisse  bei  vorhandenem 
Ulcus  duodeni  gefunden.  Es  besteht  brennendes,  saures  Aufstossen; 
die  Regurgitation  ist  anormal,  die  Azidität  kann  normal  sein.  —  Im 
übrigen  sind  die  Kranken  bei  gutem  Appetit.  Sie  verlieren  selbst  in 
Jahren  beim  nicht  komplizierten  Ulcus  duodeni  nicht  an  Gewicht, 
da  sie,  auch  zur  Schmerzlinderung,  ergiebig  Nahrung  nehmen,  Ob 
Abusus  des  Alkohols,  des  Tabaks,  ob  gewohnheitsmässige  Ueber- 
hast  beim  Essen  Ursachen  dafür  sind,  dass  das  männliche  Geschlecht 
mehr  befallen  wird  —  ungefähr  dreimal  so  häufig  als  das  weibliche 
müsste  erst  noch  erwiesen  werden.  Vielleicht  bereiten  die  genannten 
üblen  Gewohnheiten  mit  anderen  die  abnorme  sekretorische  Funktion 
des  Magens  vor. 

Für  die  Vermutung  und  die  Diagnose  des  Ulcus  duodeni  am 
meisten  Bedeutung  hat  der  Schmer  z,  nach  Auftreten  und  Art.  Die 
Kranken  leiden  oft  Jahrzehnte  hindurch,  „schon  das  ganze  Leben 
lang“,  mit  längeren  und  kürzeren  Intervallen  besseren  Befindens, 
Anfänglich  nur  als  unangenehmer  Druck  oder  Spannung  im  Epi- 
gastrium  empfunden,  wird  der  Schmerz  zu  einem  regelmässigen,  täg¬ 
lich  einmal  nach  der  Hauptmahlzeit  auftretenden,  dann  zu  einem 
durch  jede  grössere  Nahrungsaufnahme  herbeigeführten.  Er  stellt  sich 
meist  3  Stunden  nach  der  Mahlzeit,  nachmittags,  um  Mitternacht  ein 
bei  festen  Substanzen,  schneller  bei  Zuführung  von  Flüssigkeiten.  — 
Immer  wieder  wird  beim  Befragen  —  und  dies  muss  bei  der  aus¬ 
schlaggebenden  Bedeutung  des  Examens  sehr  vorsichtig  geschehen!  — 
von  den  Kranken  angegeben,  dass  der  Schmerz  beginnt  „wenn  sie 
anfangen  Hunger  zu  bekommen“;  Hunger  pain,  Hunger  schmerz. 
Gasiges  Aufstossen,  brennende  saure  Regurgitation  aus  dem  ge¬ 
blähten,  gespannten  Magen  pflegt  dabei  zu  sein  und  Erleichterung  zu 
bringen.  —  Bald  lehrt  die  Erfahrung,  dass  eine  reichliche  Nachmittags¬ 
mahlzeit  hilft,  dass  gegen  den  mitternächtigen  Schmerz  Kakes  auf 
dem  Nachttisch  stehen  müssen.  Zuweilen  erfolgt  während  des  An¬ 
falles  plötzlich  starke  Absonderung  von  Speichel;  das  Schlucken  des¬ 
selben  bringt  Linderung.  —  Qualifiziert  wird  der  Schmerz  verschieden, 
als  brennend,  nagend,  bohrend;  er  ist  auf  das  Epigastrium  beschränkt 
oder  zieht  zum  Rücken  nach  hinten  oder  auch  rechts  um  den  Leib 
herum.  Der  Pylorospasmus  äussert  sich  als  eine  Art  von  Kolik  mit 
Exazerbation  und  Remission.  —  Erst  in  späteren  Stadien  tritt  auch 
defensive  Spannung  auf  etwas  nach  rechts  oben  vom  Nabel 
im  Rektus,  bei  zarter  vorsichtiger,  links  und  rechts  vergleichender 
Betastung  objektiv  wahrnehmbar.  Sie  deutet  auf  eine  Beteiligung  des 
Serosaiiberzuges  hin.  —  Im  Intervall  ist  hier  wohl  auch  ein  schmerz¬ 
hafter  Druckpunkt  vorhanden. 

Bemerkenswert  ist  fast  für  alle  Fälle  die  Periodizität  der 
Krisen.  Auf  die  Anfälle  folgen  mit  und  ohne  Behandlung  (für  die 
Würdigung  dieser  von  Bedeutung!)  mehrwöchige  bis  monatelange 
Perioden  einer  fast  vollkommenen  Gesundheit.  —  Es  sind  Erkältungen 
angeschuldigt  worden  für  die  grössere  Häufigkeit  der  Anfälle  während 


der  Wintermonate.  Die  Kranken  befinden  sich  besser  im  Sommer; 
einzelne  waren  durch  Jahre  hindurch  frei  bei  Aufenthalt  in  den 
Tropen.  —  Selbst  erkrankte  englische  Aerzte  stellten  an  sich  den 
ungünstigen  Einfluss  körperlicher  und  geistiger  Ueberanstrengung,  den 
günstigen  des  Sports  und  des  Aufenthaltes  in  freier  Luft  fest.  Dieser 
Wechsel  gibt  besonders  Anlass  zu  der  vielfach  lange  festgehaltenen 
Annahme  eines  „nervöse  n“  Magenleidens  mit  der  bedauerlichen 
Folge  einer  Behandlung,  durch  welche  viele  Jahre  des  Lebens,  oft 
die  besten  und  wichtigsten,  nahezu  vollkommen  verloren  gehen, 
welche  durch  rationelle  Therapie  gewonnen  sein  könnten. 

Bei  einer  solchen,  trotz  aller  Qual  fast  glücklichen  Ausprägung 
des  Krankheitsbildes  kann  wohl  mit  Recht  verlangt  werden, 
dass  der  Arzt  bei  periodischen,  von  der  Nahrungszufuhr  zeitlich  ab¬ 
hängigen  Schmerzen  der  Oberbauchgegend  neben  dem  U.  gastr.  und 
der  Cholelithiasis  an  das  U.  duod.  denkt.  Die  Differentialdiagnose  ist 
doch  nicht  allzuschwer  bei  guter  Anamnese  und  Beobachtung.  Tritt 
ohne  weiteres  erkennbar,  offensichtig  Blut  im  Stuhl  auf,  dann  kommen 
nur  noch  das  U.  gastr.  und  das  U.  duod.  in  Betracht.  Das  Auftreten 
des  Schmerzes  sofort  bei  der  Nahrungszufuhr  wird  für  das  erstere 
ebenso  charakteristisch  bleiben,  als  die  oben  geschilderte  Art  für 
das  U.  duod.  —  Dass  Abweichungen  Vorkommen,  besonders  auch  ein 
anfänglich  fast  symptomloser  Verlauf,  wissen  wir  längst  für  das 
U.  gastr.  aus  den  überraschenden  Perforationen  des  U.  gastr., 
wo  die  klassischen  Symptome  fehlten.  Das  gleiche  ist  für  das 
U.  duod.  bereits  festgestelit.  —  Das  anscheinend  später  nicht  seltene 
Uebergreifen  des  ulzerativen  Prozesses  über  den  Pylorus  hinaus, 
magenwärts  bringt  Komplexe  der  Symptome  des  U.  duod.  und  des 
U.  gastr.,  Hämatemesis  und  Meläna,  peristaltischen  und  Hunger¬ 
schmerz  usw. 

Das  U.  duod.  ist  durch  Medikation  und  besonders  durch  Diät 
gut  zu  beeinflussen  und  so  der  Heilung  fähig,  wie  das  in  seiner 
Wesenheit  nicht  verschiedene  U.  gastr.  Seine  Lage  jenseits  des 
Pylorus abschlusses  bringt  für  die  EinwirKung  auf  den 
Heilungsverlauf  eine  besondere  Schwierigkeit,  die  aber  gutgemacln 
wird  durch  ein  auxilium  a  tergo,  die  Wirkung  der  Galle 
und  des  Bauch  speich  eis.  Eine  Steigerung  dieser 
Wirkung  im  Sinne  stärkerer  Entsäuerung  wäre 
therapeutisch  sehr  wohl  zu  erstreben.  Nehmen  doch 
französische  Autoren  eine  „biliäre  und  pankreatische  Insuffizienz“ 
(Subikterus,  Indikanurie,  mangelhafte  Fettverdauung)  als  Mitursache 
des  U.  duod.  an.  Dieselbe  ist  indes  wohl  bedingt  erst  durch  Ueber¬ 
greifen  des  entzündlichen  Prozesses  auf  die  Gänge. 

Für  die  Wirksamkeit  einer  internen  Therapie,  die  diätetisch  und 
medikamentös  von  oben  her  eingeleitet  wird,  ist  Voraussetzung,  dass 
nur  die  Barriere  des  physiologischen  Pylorus- 
abschlusses  zu  überwinden  ist,  nahezu  aussichtslos  wird  die¬ 
selbe,  wenn  sie  mit  Pylorospasmus  zu  kämpfen  hat.  Die  von 
Codmann  betonte  anatomische  Analogie  der  Verhältnisse  mit 
denen  der  F  i  s  s  u  r  a  ani  beleuchtet  hell  die  Eigenart  des  klinischen 
Bildes;  sie  ist  bedeutungsvoll  für  die  Wahl  der  Behandlungsmittel. 
Leichenuntersuchungen  und  auch  einige  Befunde  an  Lebenden  im 
Beginne  der  Affektion  zeigten  das  Geschwür,  oft  schwer  zu  ent¬ 
decken,  in  der  Tiefe  der  Schleimhautfalten  unmittelbar  am  Pylorus. 
C.  gibt  die  Abbildung  eines  Falles,  in  dem  das  Ulcus  bei  ge¬ 
schlossenem  Pylorus  vom  erweiterten  Duodenum  aus  gesehen  durch¬ 
aus  in  seiner  Form  und  seiner  Lage,  versteckt  zwischen  den  radiär 
gestellten  Schleimhautfalten,  der  Fissura  ani  gleicht.  Dann  aber  be¬ 
greift  sich  eine  Intermission  des  Schmerzes  beim  ruhenden,  wenn 
auch  geschlossenen  Pylorus,  der  in  starkem  Anfall  auftretende 
Krampfschmerz  bei  der  Passagedehnung,  bei  kräftigem  Druck  auf  den 
Pföitner  während  der  Untersuchung.  Die  Erschwerung  für  die  Hei¬ 
lung  ist  dieselbe,  wie  bei  der  Fissura  ani.  —  Bei  dieser  Fissura 
pylori  duodenalis  kommt  so  ein  neues  Moment  zu  dem  Sym- 
ptomenkomplex  des  U.  duod.,  welcher  im  übrigen  in  seiner  früher  ge¬ 
schilderten  typischen  Ausprägung  an  den  parapylorischen  Sitz  ge¬ 
bunden  zu  sein  scheint.  —  Eine  sorgfältige  Gegenüberstellung  der 
anamnestischen  Erhebung  und  des  Befundes  bei  der  Operation  in 
jedem  Einzelfalle  wird,  wie  bei  der  Cholelithiasis,  das  Bild  des 
U.  duodeni  zu  einem  immer  prägnanteren  machen.  Insonderheit 
werden  wir  dann  das  Ulcus  fissurale  duodeni  sicher  zu  erkennen 
lernen  müssen,  um  den  Kranken  durch  frühzeitigen  Eingriff  die  unnütze 
Sonderqual  abkürzen  zu  kennen. 

Die  Frage  der  Behandlung  des  U.  duod.  wird  zur  Zeit  mit 
gleichem  Eifer  von  intern-medizinischer  und  von  chirurgischer  Seite 
erwogen.  Mag  uns  der  öde  Grenzstreit  erspart  bleiben,  wie  er  für 
die  Appendizitis  und  die  Cholelithiasis  entstand.  Das  Ulcus  duodeni 
non  complicatum,  auf  welches  sich  die  bisherige  Erörterung  bezieht, 
muss  zunächst  durchaus  Gegenstand  einer  von  Klarheit  über  Ur¬ 
sprung  und  Verlauf  der  Affektion  geleiteten  inneren  Medikation  sein, 
denn  es  kann  durch  dieselbe  zur  sicheren  Ausheilung  gebracht 
werden.  Insuffizient  wird  sie  aber  gegenüber  dem  mechanischen 
Momente  des  spastischen  Verschlusses  des  Pylorus,  gegenüber  der 
späteren  Konsequenz  der  narbigen  Stenose.  Hier  muss  der  Chirurg 
durch  die  Ausschaltungsoperation  den  Heilerfolg  der  Arbeit  des 
Internisten  erst  ermöglichen.  Die  Komplikationen  durch  wiederholte 
erschöpfende  oder  durch  abundante  Blutung,  durch  Perforation  d°sGe- 
schwüres  können  selbstredend  wirksam  nur  mit  chirurgischen  Mitteln 
bekämpft  werden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


>.  April  1913. 


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Wenden  wir  uns  zur  Erörterung  der  chirurgischen  Auf- 
'ibe,  zunächst  für  das  unkomplizierte,  der  inneren 
edikation  trotzende  U.  duod.  Es  ergibt  sich  nach  dem 
ustehenden,  dass  es  sich  nur  um  eine  sichere  Ausschaltung 
jj s  Pylorus  und  des  oberen  Duodenalabschnittes 
ndeln  darf.  Die  Geschwürsexzision  mit  nachfolgendem 
istischen  Verschluss  erfüllt  nicht  das,  was  der  Internist  als  Unter- 
itzung  bezw.  zur  Ermöglichung  seiner  Massnahmen  fordern  muss. 

bedarf  auch  nicht  der  Hinzufügung  der  Exzision  zu  einer  guten 
isschaltungsoperation.  Nur  eine  äussere  Uebernähung.  zugleich  im 
nne  der  Verengerung  des  erkrankten  Abschnittes  ausgeführt,  mag  bei 
ichcn,  die  eine  Perforation  befürchten  lassen  und  bei  den  stark 
jtenden  Geschwüren,  also  eigentlich  nur  bei  Komplikationen,  an¬ 
bracht  sein.  Im  übrigen  führen  wir  die  bei  uns  übliche  Art  der 
astroenterostomose  aus,  die  durch  ihre  Sonderart  Sicher- 
it  für  die  Erreichung  vollkommener  Ausschaltung  bietet. 

Unsere  Methode  der  Gastroenterostomose  wurde  ursprünglich 
r  Verhütung  des  Circulus  vitiosus  ausgeführt  und  hat  sich  in  dieser 
nsicht  so  sicher  bewährt,  dass  wir  nur  in  einzelnen  unter  mehreren 
inderten  von  Fällen  anders  verfuhren,  da  wo  äusserste  Abkürzung 
s  Eingriffes  allein  diesen  erlaubt  sein  liess  angesichts  der  hoch- 
adig  reduzierten  Widerstandsfähigkeit.  Wir  legen  an  der.H  i  n  t  e  r  - 
:ite  des  Magens  an  tiefster  Stelle  ein  recht  grosses 
och  an,  die  Bildung  einer  Schlinge  des  Jejunums  oberhalb  der 
liffnung  vermeidend,  also  möglichst  nahe  an  dessen  Austritt 
s  der  Fossa  duodenojejunalis  anastomosierend.  Die  Sonderheit 
steht  in  der  vorherigen  Einlegung  eines  Schlauches,  der  vorn  mit 
hrägkanalbildung  durch  den  pylorischen  Teil  des  Magens  einge- 
acht  und  in  den  abführenden  Schenkel  des  Darmes  geführt  wird. 

dient  zur  Auffüllung,  Ausdehnung  desselben  gleich  nach  der  Ope- 
tion  und  zur  Wegleitung.  So  wird  der  Circulus  vitiosus  verhütet, 
d  zugleich  die  sofortige  Ernährung  des  Kranken  ermöglicht.  Das 
ssere  Ende  des  Schlauches  wird  durch  ein  Knopfloch  in  den  Bauch- 
cken  rechts  oben  neben  dem  Bauchschnitte  geführt  und  hier  durch 
ihte  befestigt.  Die  Abknickung  der  Pars  pylorica  und  ihre  hohe 
xierung  schliesst  jedes  Eindringen  von  Mageninhalt  in  das  Duo- 
num  dauernd  aus.  Es  herrscht  dann  mechanische  und  physio- 
tische  Ruhe  im  oberen  erkrankten  Duodenalteil.  Ausser  dem  Eigen- 
kret  kommt  nur  noch  Bauchspeichel  und  Galle  von  unten  her  in 
sselbe  hinein;  die  gewünschten  Verhältnisse  für  die  Ulcusheilung 
ld  geschaffen.  Für  die  Superazidität  im  Magen  kann  die  anfänglich 
starke,  später  geringe,  aber  oft  dauernd  nachweisbare  Regurgi- 
:ion  der  Galle  und  des  Bauchspeichels  durch  die  Neostomose  nur 
n  Nutzen  sein. 

Nach  erfolgter  Wundheilung  hat  durchaus  die  Tätigkeit  des  Inter¬ 
nen  einzusetzen.  Sie  hat  besonders  auch  die  Entstehung  des 
Icus  pepticum  je  j  uni  in  Nachbarschaft  der  Neostomose  zu 
rhiiten,  welches  genetisch  durchaus  dem  U.gastr.  und  U.  duod.  gleich¬ 
et,  durch  Natrondarreichung.  Bis  zu  sicherem  Ausgleich  der  für  das 
duod.  ursächlichen  Magenstörungen  und  auch  der  umgekehrt  beding- 
i  Eolgezustände  muss  der  Operierte  Gegenstand  einer  sorgfältigen 
;dizinisch-diätetischen  Behandlung  sein.  Dann  aber  sind  die  Erfolge 
im  U.  duod.  so  glänzende,  das  die  von  jahrelang  wechselnder  Er- 
ankung  und  Krankheitsbereitschaft  befreiten  früheren  Patienten  zu 
geisterten  Propagandisten  für  das  Handeln  ihrer  Aerzte  werden. 

Die  Gefahr  des  Eingriffes,  welcher  ein  Hindernis  für  Mechanik 
d  Physiologie  der  Behandlung  sicher  wegräumt,  ist  an  sich  für  die 
samte  Bilanz  des  ärztlichen  Handelns  ausserordentlich  gering, 
nen  rechtzeitig  operierten  Patienten  mit  Ulcus  duodeni  non  com- 
catum  verliert  man  nicht.  Die  rechtzeitige  Erwägung 
's  Eingriffes  ist  aber  hier  umsomehr  strenges 
ebot  ärztlicher  Pflicht,  als  dasU.  duod.  in  seinen 
om  plikationen  ausserordentlich  gefährlich  und 
ckisch  ist,  viel  mehr  als  das  U.  gastr. 

In  dem  ersten  komplikationsfreien  Stadium  des  U.  duod.  finden 
r  bei  der  Operation  oft  gar  keine  äusserlich  am  Darme,  ohne  Er- 
nung  desselben,  wahrnehmbaren  Veränderungen.  Bei  der  Fissura 
lorica  duodenaiis  zieht  sich  der  Pylorus  bei  festem  Zufassen  zu 
ier  portioähnlichen  Härte  zusammen;  —  man  fühlt  sonst  nach  rechts 
n  der  Vena  pylorica1)  eine  scheibenförmige,  auch  bei  der  Be- 
stung  von  hinten  her  kraterförmige  Infiltration.  —  Später  dann 
teil  umschriebene  entzündliche  Veränderungen  des  peritonealen 
berzuges  auf.  Mit  weiterem  Fortschreiten  des  Ulcus  im  Innern 
s  Darmes  nehmen  dieselben  zu:  weisse,  oft  nabelförmig  vertiefte 
:rten  mit  radiären  Ausstrahlungen,  Verwachsungen  mit  den  Nach- 
rorganen  besonders  mit  der  Gallenblase  zeigen  tiefergehende 
eröse  Prozesse  an,  die  zur  geschwürigen  Zerstörung  an  der  Leber, 
'i  Pankreas  zur  Perforation  in  benachbarte  Hohlräume  führen 
tinen.  Mit  Fixationen,  Verzerrungen,  Einschnürungen  des  Duo- 
nums  sind  sie  verbunden.  Es  kommt  unter  vielerlei  Gestalt,  mit 
ug-,  Zwerchsack-,  Brückenbildung  duodenahvärts  von  der  Vena 

*)  Für  die  Lokalisierung  des  U.  duod.  bzw.  seiner  Narbe  ist  von 
tscheidender  Bedeutung  geworden  der  Hinweis  der  anglo-ameri- 
nischen  Chirurgen,  dass  die  Vena  pylorica,  ein  fast  stets  sehr 
utlich  ausgeprägter  Ast,  der  quer  über  den  Pylorus  aufsteigt,  als 
here  Marke  genau  die  Grenze  zwischen  Magen  und 
11  °  d  e  n  u  m  bezeichnet.  Alles  was  rechts  von  dieser  Vena  pylorica 
gi  ist  duodenal,  alles  was  links  davon  liegt  gehört  dem  Magen  an. 


pylorica  aber  auch  mit  geschwulstartigem  Hinübergreifen  über  den 
Pylorus  magenwärts  zur  „gutartigen  Pylorusstenose“. 
Wir  werden  immer  mehr  durch  den  Befund  bei  den  in  den  letzten 
Jahren  ausgeführten  Operationen  dazu  geführt,  dass  wahrscheinlich 
der  weitaus  grösste  Teil  der  Fälle  von  narbiger  Verengerung  des 
Pylorus,  die  wir  bisher  operiert  haben,  bei  Beachtung  der  Venen¬ 
grenze  als  durch  U.  duod.  hervorgerufen  bezeichnet  werden  muss. 

Da  wir  unter  solchen  Verhältnissen  von  der  Eröffnung  des 
Magens  und  Duodenums  meist  absehen,  können  wir  auf  Grund  des 
operativen  Befundes  darüber  nicht  berichten,  ob  unter  zunehmender 
Stenosierung  in  diesen  späten  Stadien  das  Geschwür  innen  ausheilen 
kann.  Wahrscheinlich  ist  das  weder  an  sich  noch  nach  der  Er¬ 
innerung  an  die  Befunde  aus  der  Zeit,  wo  wir  nach  Heinecke- 
Mikulicz  die  Pyloroplastik  wegen  Narbenstenose  machten 2). 
Dass  aber  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Wahrscheinlichkeit  des  Fort¬ 
bestehens  der  Ulzeration  die  Ausschaltung  des  Pylorus  bald  und  nicht 
erst  nach  Erschöpfung  des  Kranken  durch  die  Gastrektasie  und  ihre 
Spülbehandlung  geschehen  sollte,  bedarf  nach  den  vorzüglichen 
Resultaten  der  von  einer  sorgfältigen  inneren  Therapie  gefolgten 
Gastroenterostomose  keiner  Erörterung.  Der  durch  Vernarbung  einer 
parapylorischen  Ulzeration  ektatische  Magen  kann  ohne  Neostomose 
nicht  zu  normaler  Grösse  und  Funktion  zurückkommen,  auch  nicht 
bei  häufigster  künstlicher  Entleerung  mit  Spülung. 

Durch  die  Spülungen  des  ektatischen  Magens  nach  unserer  Er¬ 
fahrung  in  erster  Linie  veranlasst  (gleichmässig  bei  beginnender  und 
bei  lange  bestehender  Erweiterung)  erfolgen  die  Hämorrhagien 
aus  dem  U.  duod.,  welche,  in  einem  Drittel  der  Fälle 
a  u  f  t  re  t  e  n  d,  durch  ihre  stete  Wiederkehr  eine  hoch¬ 
gradige  Erschöpfung  herbeiführen.  Sie  sind  noch 
weniger  durch  innere  Mittel  zu  beherrschen  als  die  entsprechenden 
Magenblutungen  und  bilden  eine  auch  von  den  Internisten  bereits 
durchaus  anerkannte  Indikation  für  den  chirurgischen  Eingriff.  Die 
mit  der  schnell  aufeinanderfolgenden  Füllung  und  Entleerung  ver¬ 
bundenen  Zerrungen  der  narbig  fixierten  Teile  erklärt  die  Einreissung 
dpr  fest  eingebetteten,  sich  nicht  durch  Retraktion  schliessenden  Ge- 
fässe  bei  den  Spülungen.  —  Wiederholt  mussten  wir  an  wachsbleichen 
Menschen  operieren,  denen  wir  kaum  einige  Tropfen  Aether  zu  geben 
wagten,  nachdem  ihnen  Spülungen  „nichts  geholfen  hatten“.  Sie  hatten 
ihnen  gewiss  geschadet.  —  Die  gleiche  Erfahrung  von  dem  üblen  Erfolge 
der  Spülungen  beim  U.  duod.  findet  sich  mehrfach  in  den  Diskussionen 
betont.  So  muss  auch  aus  Gründen  einer  Verhütung  dieser  er¬ 
schöpfenden  Hämorrhagien  schon  beginnende  Ektasie  beim  U. 
duod.  auf  jeden  Fall  Indikation  zur  Gastroenterostomose  sein. 
Man  wird  ihr  gern  eine  Verengerungsnaht  am  erkrankten  Duodenal¬ 
teil  zur  Kompression  der  Gefässe  hinzufügen.  Die  abundante 
Hämorrhagie  („b  r  u  t  a  1  e  Hämorrhagie  der  französischen 
Autoren),  bei  welchen  der  Kranke  sich  in  den  Darm  ausblutet,  er¬ 
folgte  oft  ohne  die  Warnung  durch  kleine  Darmblutungen  bei  Arrosion 
grösserer  Gefässstämme,  in  der  Hälfte  der  Fälle  durch  Eröffnung  der 
im  derben  Geschwürsgrunde  eröffneten  Art.  pancreatico-duodenalis, 
seltener  der  anderen  duodenalen  Aeste.  Aber  auch  die  Art.  hepatica 
selbst  und  die  Vena  portarum  wurden  eröffnet  gefunden.  Wenn  nicht 
die  Erholung  etwas  abgewartet  werden  kann,  muss  mit  ringförmig 
einstülpender  Naht  ein  Verschluss  des  freien  Duodenums  oberhalb  der 
Papilla  Vateri  und  event.  auch  ein  solcher  am  Pylorusteil  des  Magens 
ausgeführt  werden.  Eine  Gastroenterostomose.  mit  grösster  Schnellig¬ 
keit  ausgeführt,  hat  zu  folgen.  Erfolgreich  durchgeführt  zählt  der 
Eingriff  zu  den  schönsten  Erinnerungen  des  Arztes.  —  Es  darf  wohl 
die  Warnung  hier  Platz  finden,  niemals  bei  abundanter  duodenaler 
wie  bei  sonstiger  interner  Blutung  die  Blutmasse  durch  Infusionen 
zu  vermehren  und  die  Herzpumpe  anzuregen,  bevor  die  Blutung 
in  loco  gestillt,  der  „Morsus  diaboli“  sicher  geschlossen  ist. 

Die  Perforation  des  U.  duod.  erfolgt  entweder  in  ab¬ 
schliessende  periduodenitische  Verwachsungen  hinein 
durch  eine  allmähliche  Penetration  der  Darmwand  oder  brüsk 
in  die  freie  Bauchhöhle  hinein.  —  Der  periduodeni- 
t  i  s  c  h  e,  früher  meist  als  perigastritisch  angesehene  Abszess  ist 
viel  häufiger  als  man  im  allgemeinen  annimmt.  Er  findet  sich  nicht 
nur  im  oberen  Wetterwinkel  des  Bauches:  auch  der  paranephritische, 
der  in  der  Zoekalgegend,  im  kleinen  Becken  gefundene  chronische 
Abszess,  besonders  häufig  aber  der  subphrenische  Abszess  führt  bei 
sorgfältigem  Vorgehen  zum  perforierten  Duodenum  und  macht  später 
zu  seiner  Ausheilung  eine  Magen-Dünndarmanastomosierung  not¬ 
wendig.  —  Fisteln  der  vorderen  und  der  rechten  Bauchgegend,  die. 
durch  Verätzung  der  Umgebung  auffallend,  jeder  Therapie  trotzen, 
lassen  eingenommenes  Kohlenpulver  schnell  austreten  und  erweisen 
sich,  zur  Wegweisung  mit  Methylenblau  injiziert,  bei  ihrer  Verfolgung 
als  duodenal,  die  gleiche  Indikation  zur  Beseitigung  stellend.  Am 
Duodenum  selbst  braucht  nichts  operativ  zu  geschehen.  Seine 
ulzeröse  Oeffnung  wird  bei  breiter  Tamponade  durch  Granulationen 
geschlossen;  das  ganze  erkrankte  Stück  in  der  Narbe  erdrückt. 

Die  freie  plötzliche  Perforation  eines  Duodenal¬ 
geschwüres  erfolgt  —  zumeist  vorn  -•  durch  die  dünne  Wand  des 
- — 

®)  Die  Eröffnung  führen  wir  nur  dann  aus,  wenn  wir  Grund 
haben,  über  den  Charakter  der  Geschwürsbildung,  seine  Neigung  zur 
malignen  Degeneration  Klarheit  zu  schaffen.  Diese  kommt 
aber  nur  ganz  ausnahmsweise  am  Duodenalgeschwür  selbst  vor. 
Beim  Uebergreifen  auf  den  Magen  wurde  Karzinombildung  gesehen. 


878 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


Darmes  viel  leichter  und  häufiger  als  die  freie  Magenperforation. 
Jeden  Kranken  mit  U.  duod.  auch  im  ersten  Stadium  bedrohend,  ist 
sie  in  10  P  r  o  z.  der  F  ä  1 1  e  z  u  erwarte  n!  —  Zuweilen  gehen 
dem  Durchbruch  etwas  stärkere  örtliche  Schmerzen  warnend  voraus; 
oder  er  erfolgt  ohne  dies  bei  einer  brüsken  Bewegung,  bei  starkem 
Husten,  bei  einem  Stosse  gegen  den  Bauch  und  zwar  mit  einem 
Schmerze,  dem  nichts  gleichkommt  an  Intensität,  ln  jähem  Schock 
stürzt  der  Patient,  wie  von  einem  Messerstiche  getroffen,  zusammen. 
Die  vordere  Bauchwand  wird  infolge  des  Austrittes  differenter 
Flüssigkeit  hart  wie  ein  Brett  und  nimmt  an  der  Atmung  nicht  mehr 
teil.  Jede  Bewegung,  selbst  das  Sprechen  wird  vermieden;  das 
Gesicht  des  Kranken  ist  totenblass,  verzerrt.  In  trügerischer  Weise 
erholt  sich  der  Kranke  wohl  noch  für  einige  Stunden  aus  dem  Schock, 
um  dann  mit  schnell  zunehmendem  Kollaps  die  Zeichen  der  allgemeinen 
Peritonitis  zu  bieten.  Die  Temperatur  steigt;  der  Puls  wird  kleiner, 
frequenter. 

Für  die  Operation  der  akuten  Perforation  gilt  es  besonders, 
Wärme  zu  sparen,  schnell  in  das  Abdomen  hinein,  noch  schneller 
aus  demselben  heraus  zu  kommen.  Durch  Geruch  und  Aussehen 
charakterisiert  sich  das  Ergossene  meist  ohne  weiteres  als  „Magen¬ 
inhalt“.  Das  Loch  findet  sich  zumeist  vorn  neben  dem  Pylorus, 
bei  Druck  tritt  wohl  auch  noch  flüssiger,  gasiger  Inhalt  aus. 
Es  wird  mit  einigen  Stichen  übernäht.  Dann  wird  in  zartester  Weise, 
ohne  viel  Wischen,  mit  feuchten  Kompressen  das  zwischen  die  Darm¬ 
schlingen  Ergossene  aufgenommen,  die  von  uns  angegebene  Tam¬ 
ponade  mit  eingelegten  Kugeldrains  aus  Glas  ausgeführt,  wie  sie 
Janssen  in  dieser  Wochenschrift  beschrieb  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1909,  No.  25,  26)  und  unter  Förderung  der  Selbstausspü- 
lung  nachbehandelt.  —  Die  Prognose  hängt  durchaus  von  dem 
Zeitpunkte  des  Eingriffes  ab. 

Die  Diagnose  der  intestinalen  Perforation  ist  wohl  unter  solchen 
Umständen  sofort  zu  stellen.  Wir  denken  dann  immer  erst  an  die 
Appendix,  dann  an  das  Duodenum  noch  vor  dem  Magen.  ZuweiPn 
wird  gleich  die  Magengegend  als  Sitz  des  mit  furchtbarer  Heftigkeit 
aufgetretenen  Schmelzes  bezeichnet.  Hier  schneiden  wir  dann  mit 
„fliegendem  Messer“  ein  und  nähen  dann  mit  „fliegender  Nadel“. 
In  den  ersten  12  Stunden  lassen  sich  bei  der  relativ  geringen  In¬ 
fektiosität  des  Ausgetretenen  fast  alle  Kranken  retten.  Rapid  sinkt 
dann  die  Aussicht  auf  guten  Erfolg  nach  dem  Einsetzen  der  Peri¬ 
tonitis  und  ist  nach  24  Stunden  gleich  Null.  —  Wenn  bei  leerem  Magen 
nur  wenig  austrat  und  ein  nur  kleines  Loch  schnell  durch  den  „treuen 
Ekkehard“  des  Peritoneums,  durch  das  Netz  abgeschlossen  werden 
konnte,  dann  verläuft  die  „subakute“  Perforation  weniger 
stürmisch.  —  Das  dem  geretteten  Kranken  verbleibende  U.  duod. 
bedarf  selbstredend  der  weiteren  Behandlung. 

Das  vorstehende  Bild  vom  Verlaufe  des  Duodenalgeschwürs  und 
seiner  Behandlung  wurde  auf  Grund  schnell  wachsender  eigener 
Erfahrungen  und  mit  Nutzung  der  vorhandenen  Literatur  entworfen. — - 
ln  den  Fortbildungskursen  schien  es  stets  das  ganz  besondere 
Interesse  zu  erregen  und  vielfach  die  Erinnerung  an  vergangene  Irr- 
tümer  und  Unterlassungen  wachzurufen,  die  Erinnerungen  an  Kranke, 
die  —  wie  Ricard  und  P  a  u  c  h  e  t  in  dem  vortrefflichen  Referat 
für  den  französischen  Chirurgenkongress  1910  sagen  —  unter  den 
verschiedensten  Diagnosen  „etikettiert“  (Dyspepsie,  Hyperchlor- 
hydrie,  gastrische  Neurasthenie,  Gastralgie,  Cholezystitis.  Appendi¬ 
zitis)  sich  trösteten  und  resigniert  mit  ihrem  Schicksal  blieben  bis 
zu  dem  Tage,  an  dem  sie  an  einer  der  Komplikationen  oder  an 
prämaturem  Greisentume  starben.  —  Eine  ausserordentliche  För¬ 
derung  erfuhr  die  Frage  durch  die  Verhandlungen  der  französischen 
Chirurgen,  erhoffen  wir  ein  weiteres  durch  die  bevorstehenden  Ver¬ 
handlungen  in  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

42.  Jahresbericht  des  K.  Medizinalkolleeiutns  über  das  Medizinal¬ 
wesen  im  Königreich  Sachsen  1910.  353  Seiten  und  79  Seiten 

Tabellen  und  Verordnungen.  Leipzig,  Vogel.  1912. 

Der  neue  Band  zeigt  die  gewohnte  Reichhaltigkeit  des  Inhalts; 
wie  die  früheren  legt  er  ein  Hauptgewicht  auf  die  bis  ins  einzelne 
gehenden  Feststellungen  und  Massnahmen  der  Medizinal- 
Verwaltung,  so  dass  er  Amtsärzten  und  allen  Aerzten  mit  Sinn 
für  öffentliche  Gesundheitspflege  reiche  Belehrung  für  die  tägliche 
Arbeit  gibt. 

Oeffentliche  Gesundheitsverhältnisse.  Die  mittlere  Bevölkerung 
betrug  4  871  000.  Auf  1000  Einwohner  kamen  27,2  Geburten  (auf 
dem  Lande  29,6)  gegen  30,8  in  Preussen  und  15,1  Todesfälle 
gegen  16,1  in  Preussen,  19  in  Bayern.  Der  Geburtenrückgang, 
ziemlich  gleichgross  in  Stadt  und  Land,  war  noch  bedeutender  als  im 
Vorjahr  und  infolgedessen  ist  die  Bevölkerungszunahme  auf  1,21  Proz. 
zurückgegangen,  ln  den  ländlichen  Bezirken  hatte  Glauchau  die 
grösste  Sterblichkeit  (20,4),  die  geringste  Dresden-Neustadt  (12,7). 
Von  den  3  Grossstädten  hatte  Leipzig  18,7,  aber  Chemnitz  nur  14,9, 
Dresden  13,1. 

Die  Säuglingssterblichkeit  betrug  auf  1UÜ  Lebend¬ 
geborene  17,4  gegen  18,8  im  Vorjahr  und  25,7  im  Jahre  1905.  (ln 
Preussen  1910  15,7,  in  Bayern  20,2.)  Diese  Abnahme  ist  gewiss  zum 
Teil  eine  Folge  der  grossen  Bemühungen  zur  Besserung  der  l.ebens¬ 


verhältnisse  der  Säuglinge.  Nach  den  Hebammenberichten  machten 
fast  in  allen  Bezirken  die  Stillenden  6(1—90  Proz.  der  Entbundenen 
aus,  wovon  weitaus  der  grösste  Teil  bis  zu  6  Wochen  und  länger 
stillte,  in  Bautzen  90,3  Proz.,  davon  80  über  6  Wochen.  In  der  Stadt 
Scbnitz  wurde  eine  Mutterschaftsversicherung  eingeführt  mit  einem 
städtischen  Zuschuss  von  jährlich  3000  M.  und  Beiträgen  von 
Industriellen.  Dadurch  sind  verhältnismässig  grosse  Leistungen 
möglich,  obwohl  der  Monatsbeitrag  der  Frauen  nur  Vs  M.  beträgt. 
Es  können  alle  weiblichen  Personen  beitreten,  deren  eigenes  oder 
Familieneinkommen  nicht  1900  M.  übersteigt. 

Das  Krankenpflegepersonal  ist  seit  1909  der  Beaufsichtigung  der 
Bezirksärzte  unterstellt.  Ausser  dem  Personal  in  den  Landes¬ 
anstalten  usw.  übten  in  15  Bezirken  etwa  1600  Personen  die  Kranken¬ 
pflege  berufsmässig  aus.  Das  Desinfektions  wesen  hat  einige 
Fortschritte  gemacht.  Die  Desinfektionsschule  hielt  3  Ausbildungs- ; 
kurse  von  je  11  Tagen.  In  21  Bezirken  waren  520  Desinfektoren 
tätig,  wovon  aber  noch  nicht  die  Hälfte  gut  ausgebildet  war.  Häufig 
werden  unzweckmässige  Apparate  benützt.  Die  Bevölkerung  wendet! 
noch  viel  zu  selten  die  Desinfektion  an,  weil  sie  die  Kosten  scheut. 
Dresden  übernahm  daher  mit  Recht  °h  der  70  000  Mark  betragende!! 
Kosten.  Bemerkenswert  ist  der  Vorschlag  des  Bezirksarztes 
von  Sebnitz,  dass  in  jeder  Gemeinde  geeignete  Absonderungsräumi 
zur  Verfügung  gestellt  würden,  in  denen  ansteckende  Kranke  mit  den 
Angehörigen  untergebracht  werden  mussten.  Die  Tätigkeit  der  i 
Gesundheitsausschüsse  wird  anerkannt;  sie  wurden  in  manchen  Be-i 
zirken  auch  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  verwendet.  Die  Zahl 
der  Aerzte  ist  um  23  auf  242  gestiegen;  Apotheken  gab  es  35!. 

Todesursachen  und  namentlich  Infektionskrankheiten. 

Von  den  Todesfällen  wurden  70,7  Proz.  „ärztlich  beglaubig;' 
(noch  1901  nur  57).  Eine  Zusammenstellung  der  Todesfälle  auf 
10  000  Einwohner  zeigt  die  grosse  Abnahme  der  hauptsächlichen  in- 
fektionskrankheiten  seit  der  Periode  1873/5  bis  zum  Jahre  1910:  bei, 
Diphtherie  von  7,7  (in  den  Jahren  1881/5  sogar  17,5  )  auf  2,3,  Keuch¬ 
husten  von  2,2  auf  1,1,  Scharlach  6,4  auf  0,6,  Masern  1,8  auf  0.9,1 
Typhus  4,6  auf  0,2,  Tuberkulose  23,1  auf  12,3.  Seit  dem  Vorjahr  istj 
nur  bei  Typhus  ein  erheblicher  Rückgang  eingetreten.  —  Bei  Krebs 
wird  seit  jener  1.  Periode  eine  Steigerung  von  6,0  auf  9,4  angegeben. 

In  den  bakteriologischen  Anstalten  wurden  11000 
Untersuchungen  bei  Diphtherie,  9000  bei  Tuberkulose,  2000  bei  Typhus 
vorgenommen. 

Von  Pocken  wurden  nur  3.  von  Trachom  5  Erkrankungen 
gemeldet.  Im  Bezirk  Pirna  sind  3  Cholera  erkrankungen  vor¬ 
gekommen,  als  deren  Ausgangspunkt  Elbwasser  vermutet  wird.  An 
epidemischer  Genickstarre  starben  9,  an  Tetanus  2, 
an  Malaria  4  Personen.  Von  Paratyphus  sind  mehrere 
Epidemien  beobachtet  worden,  eine  in  Leipzig  ging  von  einer  grossen 
Fleischerei  aus,  die  selbst  wieder  von  einer  anderen  durch  einen 
Fleischergesellen  infiziert  worden  zu  sein  scheint.  Im  Bezirk  Meissen 
erkrankten  11  an  epidemischer  Ruhr  mit  1  Todesfall. 

Bei  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  war  immer  wieder, 
auszustellen,  dass  die  von  den  behandelnden  Aerzten  beim  Vorliegen 
einer  hochgradigen  Gefährdung  der  Umgebung  und  beim  Wohnungs¬ 
wechsel  der  Kranken  zu  erstattenden  Anzeigen  ganz  ungenügend 
eingingen.  An  Kindbettfieber  starben  228;  die  Sterblichkeit 
ist  in  den  letzten  Jahren  fast  unverändert  geblieben.  Geschlechts¬ 
krankheiten  wurden  178  mal  als  Todesursachen  angegeben.  Die 
Zahl  der  daran  in  öffentlichen  Krankenanstalten  Behandelten  ist  seit; 
1895  von  2687  auf  4715  gestiegen.  Von  Tollwut  kam  keine,  von, 
Milzbrand  10  Erkrankungen  vor,  von  Aktin  omykose 
4  Todesfälle. 

Nahrungs-  und  Genussmittel.  Die  meisten  Beanstandungen 

kamen  bei  Wein  und  Milch  vor.  Von  den  Schlachttieren  waren 
7,8  Proz.  tuberkulös. 

Die  Wasserversorgung  bessert  sich.  Die  Brunnenrevisionen 
werden  als  mühevolle  Arbeit  für  die  Bezirksärzte  erklärt;  trotzdem 
müsse  diese  Tätigkeit  als  eine  für  die  Allgemeinheit  üusserst  nutz¬ 
bringende  angesehen  werden. 

Bei  der  Bau-  und  Wohnungspolizei  ist  die  Mitwirkung  der  Be¬ 
zirksärzte  im  ganzen  Lande  eine  gleichmässigere  geworden,  aber, 
immer  noch  keine  genügende,  oft  erst  eine  nachträgliche,  wenn  grobe. 
Verfehlungen  bei  Neubauten  schon  gemacht  sind.  Bei  unserem 
Wohnungsmissständen  und  den  oft  nur  als  Mindestforderungen  anzu-J 
sehenden  Vorschriften  selbst  neuer  Bauordnungen  ist  es  anerkennens¬ 
wert,  dass  die  Be'zirksärzte  von  Leipzig  und  Dresden  gegen  die 
(auch  anderwärts  überall  versuchte)  Durchbrechung  der  Bauord¬ 
nung  namentlich  bezüglich  der  Erleichterung  der  Herstellung  von! 
Dachwohnungen  (mit  Erfolg?)  eintraten.  —  Der  Erlass  von  Wohnungs¬ 
ordnungen  hat  die  geringsten  Fortschritte  gemacht.  In  Leipzig  hat 
man  wegen  Mangel  an  Kleinwohnungen  darauf  verzichtet  und  in 
Sebrutz  konnte  wegen  Wohnungsnot  nicht  einmal  ein  Schlafstellen-, 
regulativ  aufgestellt  werden.  In  Leipzig  standen  nur  1,45  Proz.,  in 
Dresden  nur  1,1  Proz.,  in  den  Arbeitervierteln  bis  herunter  zu 
U,3  Proz.  der  vorhandenen  Wohnungen  leer.  Das  sehr  tätige  Woh¬ 
nungsamt  in  Dresden  fand  bei  über  12  000  Besichtigungen  in  30  Prot 
zu  beanstandende  Mängel.  Kinderreiche  Familien  mussten  in 
städtischen  Anstalten  untergebracht  werden.  Zur  Abhilfe  wurde 
vom  Stadtrate  Vs  Million  Mark  zur  Förderung  des  Kleinwohnung? 
baues  bereit  gehalten  und  im  übrigen  Dispensationen  bei  der  Woh- 


\pni  iyio. 


MUENüHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


8  70 


i  igsaufsicht,  bei  Dachgeschossausbauten  befürwortet.  Die  gemein- 
:  zige  Bautätigkeit  hat  nach  dem  Bericht  an  zahlreichen  Orten  zur 
lderung  der  ungünstigen  Wnhnungs Verhältnisse  erheblich  bei- 

:  ragen. 

Reinhaltung  von  Boden,  Wasser  und  Luit.  Die  Abortgruben  und 
I  ugstätten  auf  dem  Lande  sind  immer  noch  das  Schmerzenskind  der 
zirksärzte.  An  vielen  Orten  fehlt  es  überhaupt  noch  an  Jauche- 
.  iben  oder  sie  sind  durchlässig;  dagegen  werden  die  Kläreinrich- 
gen  von  Leipzig  und  Dresden  als  mustergültig  erklärt,  ln  Leipzig 
.  olgt  die  Klärung  auf  chemisch-mechanische  Weise,  durch  inter¬ 
tierende  Bodeninfiltration  und  in  den  biologischen  Versuchsklär- 
agen;  in  Dresden  findet  aber  nach  der  Beschreibung  nur  rein 
chanische  Reinigung  statt.  Aus  einem  Gutachten  des  Landes- 
dizinalkollegiums  scheint  hervorzugehen,  dass  dieses  selbst  das 
wasser  unterhalb  der  Weiseritzmündung  für  den  Gemeingebrauch 
auglich  hält. 

Gewerbehygiene.  Die  Gewerbeaufsicht  lässt  anscheinend, 
::  in  Preussen,  noch  zu  wünschen  übrig.  Die  Mitarbeit  der  Be¬ 
tsärzte  war  wieder  eine  erhebliche  und  vielseitige,  aber  mehrere 
zirksärzte  sprechen  direkt  ihr  Bedauern  aus,  dass  gemeinschaft- 
le  Revisionen  mit  Gewerbeinspektoren  nicht  vorgekommen  seien, 
kamen  wieder  viele  Bleierkrankungen  vor;  in  Chemnitz-Stadt 
rden  47,  in  Dresden-Stadt  108,  in  Leipzig-Stadt  sogar  233  gemeldet, 
i  denen  aber  vielleicht  viele  keine  Bleivergiftungen  waren.  Be¬ 
rkenswert  sind  die  Versuche  des  Leipziger  hygienischen  Instituts 
r  die  Gefahren  bei  Bearbeitung  von  Zelluloidwaren. 

Die  Schulhygiene  machte  recht  erfreuliche  Fortschritte,  nament- 
.  bezüglich  der  schulärztlichen  Tätigkeit.  In  Chemnitz  wurden 
chulärzte  im  Hauptamt  angestellt.  In  Dresden  wurde  ihre  Tätig- 
jt  erweitert,  aber  trotzdem  den  Schulärzten  nicht  Sitz  und  Stimme 
Schulausschuss  gegeben,  nur  ihrem  Vorsitzenden  gegebenenfalls 
5  beratende  Stimme.  Ueber  die  Anstellung  von  Schulärzten  an 
irer-  und  Lehrerinnenseminaren  wird  zwar  das  Gutachten  des 
'dizinalkollegiums,  ebenso  zum  Gesetzentwurf  über  das  höhere 
■  dchenschulwesen  eine  Eingabe  der  Leipziger  Aerztekammer  mit- 
;  eilt,  aber  nicht  die  folgende  Entscheidung. 

Die  150  öffentlichen  Krankenanstalten  hatten  11  707  Betten  mit 
derer  Belegzeit  von  252  Tagen.  Gestorben  sind  8  Vs  Proz.  der 
landelten.  Es  gibt  13  Fürsorgestellen  für  Lungenkranke;  die 
■sdener  wurde  von  4581,  die  Leipziger  von  2162,  die  Chemnitzer 
3621  Personen  besucht,  ln  Dresden  und  Leipzig  bestehen  Für¬ 
gestellen  für  Alkoholkranke,  an  verschiedenen  Orten  Mutter-  und 
iglingsfürsorgestellen,  in  Dresden  im  ganzen  59  Anstalten  für 
derfiirsorge.  Die  Landesheil-  und  Pflegeanstalten  für  Geistes- 
uke  (abgesehen  von  den  Anstalten  der  Städte  Leipzig  und  Dresden) 
ten  zu  Beginn  des  Jahres  5143  Kranke.  Sie  genügen  so  wenig, 
s  viele  heilbare  Geisteskranke  nicht  zuerst  in  diese,  sondern 
ndere  mehr  oder  weniger  ungenügende  Anstalten  gebracht  werden 
;sen.  (Wie  anderswo.  Ref.)  Die  Krankheitsdauer  bis  zur  Auf- 
me  war  nur  bei  28  Proz.  geringer,  als  !4  Jahr.  An  Lungentuber¬ 
ose  sind  nur  28  Verpflegte  (0,6  Proz.  der  Durchschnittsbevölke- 
i)  gestorben. 

Ziehkinder.  Ihre  Sterblichkeit  war  in  den  Städten  wesentlich 
er  als  in  den  Landbezirken;  sie  hat  aber  eine  wesentliche  Ab- 
derung  gerade  in  jenen  gefunden,  was  auf  die  energische  Unter- 
zung  aller  die  Säuglingspflege  betreffenden  Bestrebungen  zuriiek- 
ihren  sein  dürfte.  Sie  fiel  in  Chemnitz  und  Zwickau  auf  nahezu 
Hälfte  des  Vorjahres.  F.s  wurde  besonders  auf  tuberkulöse  Er- 
lkungen  der  Kinder,  der  Ziehmütter  und  ihrer  Angehörigen  ge- 
tet.  In  Dresden  wird  die  Aufsicht  von  5  Aerzten  und  17  fest- 
üdeten  Pflegerinnen  ausgeübt,  wurde  auf  a  1 1  e  unehelichen  Kinder 
jedehnt  und  erstreckte  sich  Ende  des  Jahres  auf  5369  Kinder, 
chliesslich  770  eheliche.  Die  Pflegerinnen  machten  gegen 
00  Hausbesuche.  Das  Fürsorgeamt  hat  Bestimmungen  über  die 
ufsichtigung  syphilitischer  Kinder  aufgestellt  und  die  zu  treffendmi 
■snahmen  festgelegt.  Gerade  aus  Rücksicht  darauf  sind  alle 
glmgc  im  ersten  Vierteljahr  2  mal  dem  Arzt  vorzustellen  und 
14  Tage  von  der  Pflegerin  zu  besuchen,  ln  Leipzig,  das  bekannt- 
zuerst  mustergültige  Einrichtungen  besass,  erstreckt  sich  die 
>icht  auf  9323  Kinder.  Seit  1900  sind  weit  über  2  Millionen  Mark 
-rstützungskosten  von  den  ausserehelichen  Vätern  eingezogen 
den. 

Gefängnisse.  Im  Zuchthaus  Waldheim  war  die  Sterblichkeit 
den  Männern  1  Proz.,  im  besonderen  die  an  Tuberkulose  Vs  Proz. 
Die  Einführung  der  Obligatorischen  Leichenschau  hat  keine  Fort- 
itte  gemacht.  In  den  4  Leichenverbrennungsanlagen  wurden 
Verbrennungen  vorgenommen.  Karl  K  o  1  b  -  München. 

L.  Plate:  Vererbungslehre.  Leipzig,  W.  Engelmann,  1913. 

1 8. — . 

Das  Anwachsen  des  Interesses  für  Vererbungsfragen  ist  auch 
Fernerstehenden  deutlich.  Wir  Aerzte  werden  häufig  davon  be- 
t.  denn  das  Publikum  fragt  nach  der  Möglichkeit  der  Belastung 
jetzt  erkrankten  und  nach  der  Möglichkeit  erblicher  Uebertragung 
künftige  Generationen.  Keines  der  bisher  erschienenen  Lehr- 
ier  der  Vererbungswissenschaft  wendet  sich  so  stark  an  den  Prak- 
.  das  sind  wir  Aerzte  und  die  Tierzüchter,  wie  das  Platesche. 
ist  für  Studierende,  Aerzte  und  Züchter  geschrieben,  und 
r  mo  besonderer  Berücksichtigung  des  Menschen.  Plate  trägt 


die  Ergebnisse  der  experimentellen  Vererbungsforschuiig,  zu  denen  i 
selbst  so  viel  beigetragen  hat,  vor,  indem  er  immerfort  Beziehungen 
zum  Menschen  sucht.  Vieles  von  dem,  was  bei  Einzelligen,  Pflanzen 
und  niederen  Tieren  klar  ist  oder  scheint,  kann  es  bei  den  höheren 
Heren  und  beim  Menschen  nicht  sein,  denn  die  Einzelheiten  der 
histologischen  Verhältnisse  und  die  Funktionen  der  einzelnen  Gewebe¬ 
zellen  und  deren  Elemente  sind  unserer  genauen  Erkenntnis  vor¬ 
läufig  noch  entrückt.  Anderes  wird  hell  beleuchtet  und  verständlich. 
Plate  ist  Zoologe,  kein  Mediziner :  in  den  Fragen  der  Vererbung 
von  Krankheiten  steht  er  daher  ganz  auf  dem  Boden  desjenigen 
Materiales,  das  die  Aerzte  gesammelt  haben.  Aber  auch  er  ist  der 
Ansicht,  das  hier  gründliche  Sichtung  und  umfassende  Sammlung 
vor  allem  not  tut.  Darin  sehe  ich  den  Hauptvorzug  des  prächtigen 
Lehrbuches,  dass  es  gerade  beim  Arzt  die  Lust  zu  scharfer 
kritischer  Betrachtung  dieser  oft  oberflächlich  und  leicht  be¬ 
handelten  Fragen  weckt.  Es  ist  nicht  alles  Vererbung,  was  uns  so 
scheinen  mag,  und  doch  steckt  sie  sicher  hinter  vielem  dort,  wo 
wir  es  noch  nicht  wissen.  Hier  weiter  zu  arbeiten,  liegt  im  Sinne 
des  Fortbestandes  der  Rasse  und  der  Menschen  überhaupt.  Dazu 
gibt  Plate  gute  Anweisung.  Freilich  mag  uns  der  Neid  überkommen, 
wenn  wir  erfahren,  was  in  anderen  Ländern  germanischer  Zunge,  in 
England,  Amerika  und  neuerdings  Schweden,  von  privater  Seite  und 
von  Staatswegen  zur  Förderung  dieser  Forschungen  getan  wird: 
hoffen  darf  man,  dass  auch  in  Deutschland  einst  andere  Zeiten 
kommen,  die  diesen  freundlicher  und  hilireicher  gegenüberstehen  als 
die  heutige.  Dazu  kann  das  Platesche  Buch,  das  in  recht  viele 
Arzthände  kommen  sollte,  beitragen.  —  Sein  Inhalt  besteht  aus  den 
allgemeinen  Tatsachen  über  Vererbung,  den  Erfahrungen  bei  Ver¬ 
erbung  eines,  dann  mehrerer  Merkmale,  bei  Abweichungen  von  der 
typischen  Vererbung,  der  Vererbung  des  Geschlechtes;  dann  wird  ein¬ 
gehend  die  Vererbung  beim  Menschen  behandelt.  Den  Abschluss 
bilden  die  theoretischen  Probleme  der  Vererbungslehre,  insbesondere 
der  Mendelismus  und  die  Abstammungslehre,  endlich  die  praktische 
Bedeutung  des  Mendelismus  und  verwandter  Anschauungen  für  die 
Fier-  und  Ptlanzenzucht.  Kluger  Weise  hat  Plate  die  praktische 
Bedeutung  der  Vererbungslehre  für  den  Menschen  dem  ärztlichen 
Rassenhygieniker  überlassen,  der  einst  diesem  wichtigsten  Kapitel 
den  Abschluss  geben  wird. 

Die  Sprache  des  Bucnes  ist  klar  und  eindringlich,  die  Abbildungen, 
namentlich  auch  zahlreiche  Stammbäume,  vortrefflich. 

J.  Grober-  Jena. 

Handbuch  der  gesamten  Therapie  in  sieben  Bänden,  Heraus¬ 
gegeben  von  Dr.  F.  P  e  n  z  o  I  d  t,  Professor  in  Erlangen  und  Dr.  R. 
Stintzing,  Professor  in  Jena.  Vierte  umgearbeitete  Auflage. 
Dreiundzwanzigste  (Schluss-)  Lieferung.  Mit  57  teils  farbigen  Ab¬ 
bildungen  im  Text.  Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena.  1912. 
Inhalt:  Band  VII,  Bogen  25  bis  Schluss.  Preis  M.  4.50. 

Die  hiemit  vorliegende  Schlusslieferung  enthält  den  Abschluss 
über  die  Behandlung  der  Funktionsstörungen  der  Fortpflanzungstätig¬ 
keit  von  B  a  i  s  c  h  -  München,  welcher  auch  eine  Besprechung  der 
Therapie  der  sog.  allgemeinen  Genitalneurose  beisteuert.  Die  Be¬ 
handlung  der  Lageveränderung  der  weiblichen  Geschlechtsorgane 
ist  von  C.  Menge-  Heidelberg,  jene  der  Verletzungen  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane  von  M.  Neu-  Heidelberg  zur  Darstellung  über¬ 
nommen  worden.  Die  Behandlung  der  Geschwülste  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane,  endlich  jene  der  Erkrankungen  und  Verletzungen 
der  weiblichen  Blase,  Harnleiter  und  Harnröhre  hat  B.  K  r  ö  n  i  g  - 
Freiburg  i.  Br.  in  eingehender  Weise  bearbeitet.  Als  Anhang  der 
Schlusslieferung  bezw.  des  Bandes  IV  des  Handbuches  ist  noch  ein- 
gefiigt  die  Behandlung  des  Hitzschlages  und  Sonnenstiches  von 
Dr.  F.  Trembur  -  Köln. 

Hiemit  liegt  die  vierte  umgearbeitete  Auflage  des  bekannten 
grossen  Werkes  vollständig  vor  und  man  darf  wohl  unter  allge¬ 
meiner  Zustimmung  feststellen,  dass  die  weitere  Ausdehnung,  welche 
dem  Handbuch  in  seiner  jetzigen  Form  durch  Hereinziehung  auch 
der  operativen  Therapie  von  den  Herausgebern  gegeben  worden  ist, 
den  Wert  und  die  allgemeine  Wertschätzung  des  grossen  Werkes 
noch  erhöht  hat.  So  ist  es  ein  würdiges  Denkmal  des  Standes  der 
medizinischen  Wissenschaft  unserer  Zeit  geworden. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Lehrbuch  der  Militärhygiene,  herausgegeben  von  den  Oberstabs 
ärzten  Prof.  Dr.  H,  Bise  hoff,  Dr.  W.  Hoff  mann  und  Dr.  H. 
Schwiening,  Bibi.  v.  Coler  —  v.  Schjerning.  V.  Band: 
Militärsanitätsstatistik.  Mit  31  Karten  im  Text.  Berlin  1913,  Verlag 
von  August  H  i  r  s  c  h  w  a  1  d.  Preis  10  Mark. 

Ein  600  Seiten  starkes  Buch,  das  nur  3  Abschnitte  hat,  wovon 
der  erste  und  zugleich  kürzeste  eine  Uebersicht  über  die  Geschichte, 
Theorie  und  Technik  der  Statistik,  der  zweite  fast  300  Seiten  starke 
die  Rekrutierungsstatistik  der  meisten  Kulturländer  und  der  letzte 
nahezu  ebenso  starke  die  Heeressanitätsstatistik  umfasst. 

Prof  Schwiening  hatte  ganz  recht,  wenn  er  seiner  Arbeit 
eine  Geschichte  und  Theorie  der  Statistik  vorausschickt;  denn  gar 
mancher,  der  unter  Statistik  nur  eine  Zusammenstellung  von  möglichst 
vielen  Zahlen  versteht,  wird  hiedurch  eines  Besseren  belehrt. 

Die  Rekrutierungsstatistik  behandelt  am  intensivsten  jene  von 
Deutschland  und  zwar  von  den  verschiedensten  Gesichtspunkten, 
hieran  anschliessend  jene  von  Oesterreich-Ungarn.  Frankreich  und 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


880 


Italien  unter  Angabe  der  Grundlagen,  auf  denen  die  Statistik  aufge-  I 
baut  ist.  Die  übrigen  europäischen  Staaten  sind  verhältnismässig  kurz 
abgehandelt:  über  Russland  kann  Verf.  nur  eine  Seite  bringen,  -da 
nur  für  einige  Jahre  kurze  Angaben  in  den  internationalen  Beiträgen 
zur  Heeresstatistk  vorliegen  und  diese  nur  etwa  30  Proz.  aller  unter¬ 
suchten  Leute  umfassen!  Spanien,  Portugal,  die  Balkanstaaten  fehlen 
ganz,  jedenfalls  mangels  vorhandener  Grundlagen.  Es  lassen  sich 
deshalb  nur  zwischen  Deutschland,  Frankreich,  Oesterreich-Ungarn 
und  Italien  Vergleiche  anstellen.  England  und  die  Vereinigten  Staaten 
mit  ihrem  Werbesystem  scheiden  selbstverständlich  aus. 

Die  Heeressanitätsstatistik,  d.  h.  die  Statistik  der  Erkrankungen 
und  Todesfälle  der  aktiven  Soldaten,  sowie  der  Entlassungen  wegen 
Dienstunbi  auchbarkeit  brachte  ausserordentliche  Schwierigkeiten  mit 
sich,  da  die  Form  und  der  Inhalt  der  Sanitätsberichte  der  verschie¬ 
denen  Heere  sehr  differiert,  so  dass  Vergleiche  nur  mit  sehr  grosser 
Vorsicht  anzustellen  sind.  Schon  die  Berechnung  der  Iststärke,  die 
Rapporte  über  die  Leichtkranken,  ja  sogar  die  Berechnung  der  Todes¬ 
fälle  weichen  in  den  verschiedenen  Staaten  ganz  erheblich  von 
einander  ab.  Trotz  der  „permanenten  militärärztlichen  Kommission 
zur  Vereinheitlichung  der  Mihtärsanitätsstatistik“  vom  Jahre  1894 
wurde  immer  noch  keine  Einheit  erzielt,  was  man  auf  diesem  eigent¬ 
lich  neutralen  Gebiete  nicht  erwarten  sollte. 

Bei  all  diesen  Schwierigkeiten  ist  es  dem  Bearbeiter  doch  ge¬ 
lungen,  einen  Ueberblick  über  die  Rekrutierungs-  und  Heeressanitäts- 
sratistik  der  meisten  Kulturstaaten  zu  geben,  ein  Werk  zu  schaffen, 
das  bis  jetzt  als  einziges  einem  wirklich  bestandenen  Bedürfnisse  ab¬ 
hilft  und  das  in  gewissem  Sinne  auch  hohen  kulturgeschichtlichen 
Wert  hat.  Wenn  auch  30  Kartogramme  die  Uebersicht  über  die 
Rekrutierungsstatistik  ungemein  erleichtern,  so  darf  doch  der  Wunscn 
angefügt  werden,  dass  bei  einer  Neuauflage  auch  die  Heeressanitäts¬ 
statistik  mit  möglichst  vielen  Kurven  versehen  werde.  Das  Werk 
wird  nicht  bloss  in  militärischen,  sondern  auch  zweifelsohne  in  Zivil¬ 
kreisen  zahlreiche  Leser  finden  und  vielen  Statistikern  hochwill¬ 
kommen  sein.  Reh. 

Jahrbuch  der  praktischen  Medzin.  Kritischer  Jahresbericht  für 
Fortbildung  der  praktischen  Aerzte.  Unter  Mitwirkung  von  Dr.  ü. 
MamlocK  herausgegeben  von  Prof.  Dr.  J.  S  c  h  w  a  1  b  e,  Geh.  Sani¬ 
tätsrat  in  Berlin.  Jahrgang  1912  mit  47  Abbildungen.  Stuttgart  1912. 
Verlag  von  F.  E  n  c  k  e.  621  Seiten.  Preis  14  Mark. 

Mit  gewohnter  Pünktlichkeit  erscheint  auch  diesesmal  das 
Schwalbe  sehe  Jahrbuch,  unter  dessen  Mitarbeiterschaft  einige 
Veränderungen  zu  verzeichnen  sind,  indem  Prof.  W  e  b  e  r  -  Chemnitz 
die  Krankheiten  des  Nervensystems,  Prof.  Erich  M  e  y  e  r  -  Strassburg 
die  Blutkrankheiten,  Prof.  Groenouw  die  Augenkrankheiten  und 
Prof.  Weichardt  -  Erlangen  das  öffentliche  Sanitätswesen  über¬ 
nommen  haben.  Im  übrigen  ist  die  längst  bewährte  Einteilung  des 
Stoffes  dieselbe  geblieben.  Die  Referate  zeichnen  sich  wie  früher 
durch  ihre  Prägnanz  in  vorteilhafter  Weise  aus,  so  dass  der  prak¬ 
tische  Arzt  in  der  Tat  an  diesem  Handbuch  einen  zuverlässigen  Rat¬ 
geber  an  der  Hand  hat,  welcher  ihm  gerade  auch  für  literarische 
Arbeiten  in  grosser  Schnelligkeit  alle  wünschenswerte  Orientierung 
ermöglicht.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Sanitätsrat  Dr.  E  i  c  h  h  o  i  f :  Praktische  Kosmetik  für  Aerzte  und 
gebildete  Laien.  Dritte  Auflage.  Franz  D  e  u  t  i  c  k  e.  Leipzig-Wien. 
282  Seiten.  Preis  M.  7.50. 

Der  Umstand,  dass  dieses  vor  10  Jahren  in  zweiter  Auflage  er¬ 
schienene  Buch  jetzt  eine  dritte  erleben  durfte,  spricht  für  die  Aus¬ 
dehnung  seines  Leserkreises.  Ich  glaube,  dass  es  für  „gebildete 
Laien“  und  auch  Aerzte,  welche  sich  schnell  in  Kosmetikfragen 
unterrichten  wollen,  ganz  geeignet  ist.  Dem  Spezialarzt  wird  es 
weniger  nützlich  sein,  er  wird  sich  mehr  zu  seinen  Lehrbüchern  hin¬ 
gezogen  fühlen.  Die  neueren  Behandlungsmethoden  der  Licht-,  Elek- 
trizitäts-,  Radium-  und  Röntgentherapie  sind  zwar  des  öfteren  er¬ 
wähnt,  aber  auf  ihre  Technik  ist  so  wenig  eingegangen,  dass  der 
wenig  erfahrene  Arzt  mit  dem  Hinweis  auf  sie  sich  kaum  begnügen 
dürfte.  Hingegen  wird  ein  jeder  die  grosse  Anzahl  von  Rezepten  mit 
Freuden  begriissen.  Auf  dem  Gebiete  der  Kosmetik  kann  das  Ar¬ 
senal  der  Heilmittel  gar  nicht  gross  genug  sein. 

Karl  T  a  e  g  e  -  Freiburg  i.  B. 

Max  Hesses  Bücherei  des  modernen  Wissens.  Abteilung  A. 
Hausbücher  zur  Erhaltung  der  Gesundheit.  Herausgegeben  im  Auf¬ 
träge  des  Verbandes  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer 
wirtschaftlichen  Interessen  von  K.  Be  e  r  w a  1  d  -  Berlin  und 
H.  D  i  p  p  e  -  Leipzig.  Preis  pro  Band  geb.  M.  1.35.  Leipzig,  Hesse. 

Band  I:  Kurt  Wolf,  Oeffentliche  und  persönliche  Gesundheits¬ 
pflege  in  ihrer  Bedeutung  für  den  Einzelnen. 

Band  III:  Hugo  Dippe,  Die  wichtigsten  angeborenen  Krank¬ 
heitsanlagen,  ihre  Bedeutung  und  Bekämpfung. 

Band  X :  Peter  B  e  r  g  e  1 1,  Chemische  Probleme  in  der  Gesund¬ 
heitslehre. 

Band  XI:  O.  W  a  1  k  h  o  f  i,  Zahn-  und  Mundpflege. 

Band  XV :  Heinrich  Rose  n.  Das  Blut  und  seine  Bedeutung  für 
Gesundheit  und  Krankheit. 

Die  vom  Leipziger  Verband  herausgegebenen,  von  hervor¬ 
ragenden  ärztlichen  Autoren  bearbeiteten  Hausbücher  bezwecken  die 
Volksgesundheit  zu  erhalten,  die  Lebensführung  des  Einzelnen  zu 


No.  16. 


regeln,  die  Lebensfreude  mit  der  persönlichen  Gesundheit,  als  der 
einzigen  Duelle  von  Glück  und  Wohlstand,  zu  steigern,  durch  Ver¬ 
breitung  positiven  Wissens  Aengstlichikeit  zu  bannen  und  die  Wege 
zu  zielbewusster  Ausnützung  des  Lebens  zu  zeigen.  Die  obigen 
Namen  bieten  schon  von  vorneherein  Gewähr  für  ausgezeichnete 
Ausarbeit  der  einschlägigen  Materien,  die  in  leichtfasslicher  Dar¬ 
stellung  der  Allgemeinheit  näher  gebracht  werden.  Es  ist  den 
Büchlein,  noch  dazu  bei  ihrem  billigen  Preis  (M.  1.35  geb.)  zum  Nutzen 
des  deutschen  Volkes  die  allerweiteste  Verbreitung  zu  wünschen. 

Gottfried  Trautmann  -  München. 

Neueste  Journaliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  109. Band,  Lund 

2.  Heft. 

C.  Hirsch:  Nekrolog  auf  W.  E  b  s  t  e  i  n. 

A.  Spuler  und  A.  Schittenhelm:  Ueber  die  Herkunft  der 
sog.  „Kern-“  r.  „Zellschollen*“  bei  lymphatischer  Leukämie  und  die 
Natur  der  eosinophilen  Zellen,  zugleich  ein  Beitrag  zur  diagnostischen 
Knocheiimarkspunktion.  (Aus  dem  anatomischen  Institut  und  der  ' 
medizinischen  Klinik  in  Erlangen.) 

Die  als  „Zellschollen“  bezeichneten  Gebilde,  wie  man  sie  nament¬ 
lich  im  Blute  lymphatischer  Leukämien  findet,  entstehen  aus  Lympho-  • 
zyten  mit  relativ  pyknotischen  Kernen  durch  Platzen  des  Zellkernes 
und  Mischung  seiner  Bestandteile  mit  denen  des  Zellenleibes.  Diese 
Formen  von  Lymphozyten  darstellenden  Zellen  entstammen  den 
Lymphdriisen.  ln  den  Lymphdrüsen  finden  sich  nicht  schärfer  abge- : 
grenzte,  durch  in  Gruppen  auftretende  Mitosen  charakterisierte  Ver¬ 
mehrungszentren,  welche  beweisen,  dass  die  Lymphozyten  an  Ort  und 
Stelle  gebildet  werden.  Es  zeigte  sich  deutlich  der  Zusammenhan.; 
von  Blutzerfall  und  Bildung  von  eosinophilen  Leukozyten,  diese  ent-' 
stammen  also  nicht  dem  Knochenmark.  Knochenmarkspunktionen ! 
gestatten  einen  direkten  Einblick  in  die  myeloischen  Prozesse,  haben! 
also  diagnostischen  Wert;  hiezu  wäre  beim  Erwachsenen  die  Tibia 
an  ihrer  medialen  Seite  5  cm  vom  oberen  oder  unteren  Ende  ent-; 
fernt  zu  durchbohren. 

K.  Oczesalski  und  St.  Sterling:  Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  den  Einfluss  der  Blutentziehungen  und  subperitonealen 
Blutinjektionen  auf  die  Zahl  und  Resistenz  der  roten  Blutkörperchen. 

(Aus  der  inneren  Abteilung  des  Kindlein- Jesu-Krankenhauses  in  War¬ 
schau.) 

Blutentziehungen,  sogar  grosse,  aber  in  nicht  zu  kleinen  Zeit¬ 
abständen  ausgeführt,  bringen  dem  tierischen  Organismus  nicht  nur 
keinen  Schaden,  sondern  rufen  noch  eine  Vermehrung  der  Erythro¬ 
zytenresistenz  hervor.  Die  Aderlässe  in  Verbindung  mit  Injektionen' 
des  eigenen  Blutes  bringen  dem  gesunden  Tiere  keinen  Schaden,' 
steigern  dagegen  die  Resistenz  und  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen. 
Die  Aderlässe  in  Verbindung  mit  Injektionen  des  eigenen  Blutes  be¬ 
einflussen  beim  anämischen  Tiere  das  Blut  im  positiven  Sinne,  rufem 
also  eine  Vermehrung  des  Hb.,  der  Zahl  der  Erythrozyten  und  ihrer 
Resistenz  hervor.  Derartige  Eingriffe  könnten  bei  Anämie  unten 
streng  antiseptischen  Kautelen  eine  therapeutische  Verwendung  finden. 
Aderlässe  verbunden  mit  Injektionen  fremden  Blutes  wirken  gleich¬ 
falls  im  positiven  Sinne  auf  das  Blutbild,  verlangen  aber  einen  Blut¬ 
spender.  Das  Auftreten  von  Hämolysine  unter  dem  Einfluss  dieser 
Versuche  liess  sich  nicht  konstatieren. 

S.  I  s  a  a  c  und  E.  Handrick:  Ueber  Beziehungen  anämischer 
Zustände  zum  Kohlehydratstoffwechsel.  (Aus  der  inneren  Abteilung 
des  städtischen  Krankenhauses  in  Wiesbaden.) 

Bei  schweren  Anämien  findet  sich  eine  beträchtliche  Erhöhung 
des  Blutzuckergehaltes,  die  wohl  in  Parallele  mit  der  Fieberhyper¬ 
glykämie  zu  setzen  ist.  Eine  befriedigende  Erklärung  für  diese 
Hyperglykämie  der  Anämischen  ist  zur  Zeit  nicht  möglich,  es  könnte 
sich  um  eine  Störung  der  Zuckerverbrennung  in  den  Muskeln  handeln 
und  das  hieraus  resultierende  Zuckerbedürfnis  könnte  ähnlich  wie 
beim  Diabetes  einen  dauernden  Reiz  auf  die  Leber  im  Sinne  einer 
vermehrten  Zuckermobilisierung  ausiiben,  oder  Störung  der  inneren 
Pankreassekreton,  erhöhte  Zuckerdichtigkeit  der  Nieren  etc.  könnten 
als  auslösende  Ursache  in  Betracht  kommen.  Sicher  ist,  dass  bei 
Mensch  und  Tier  die  roten  Blutkörperchen  meist  zuckerhaltig  sind, 
und  dass  auch  bei  Hyperglykämie  ein  gewisser  Ausgleich  im  Zucker-, 
gehalt  der  Körperchen  und  des  Plasmas  zustande  kommen  kann. 

W.  Knoll:  Morphologische  Beiträge  zu  den  Beziehungen  zwi¬ 
schen  Organismus  und  Tuberkuloseerreger.  (Aus  der  Zuger  Volks¬ 
heilstätte  „Sanatorium  Adelheid“,  Unterträgeri,  Schweiz.)  (Mit 
Tafel  I.) 

In  einer  Reihe  von  Fällen,  wo  schwere  Allgemeinerscheinungen 
zurücktreten  und  das  Leiden  auf  einzelne  Herde  beschränkt  er¬ 
scheint,  findet  sich  neben  den  „säurefesten  Stäbchen“  eine  granuläre 
Form  des  Tuberkulosevirus,  die  färberisch  fixierbar  ist.  (Einzelkörner 
mit  rot  färbbarer  Komponente  oder  ohne  solche.)  Der  Kern  der, 
Tuberkulosefrage  ist  ein  biologischer,  wobei  die  biologischen  Rela¬ 
tionen  zwischen  infiziertem  Individuum  und  infizierendem  Agens  stets 
besonders  zu  berücksichtigen  sind. 

Th.  Groedel  und  Fr.  Groedel:  Kombinierte  röntgen* 
kinematographische  und  elektrokardiographische  Herzuntersuchung. 
(Aus  dem  Sanatorium  Groedel  in  Bad  Nauheim.)  (Mit  24  Abbil¬ 
dungen.) 

Durch  Kombination  der  Röntgenkinematographie  mit  der  elektro- 
kardiographischen  Herzuntersuchung  lässt  sich  einwandfrei  ermitteln, 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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elcher  Phase  der  Herzbewegung  die  einzelnen  Aufnahmen  der 
nematographischen  Serie  angehören  und  ein  Einblick  in  die  mechani- 
hen  Oeschehnisse  am  Herzen  im  uneröffneten  Thorax  während  des 
erlaufes  der  einzelnen  Zackengruppen  des  Elektrokardiogramms  ge- 
innen.  Die  Einzelergebnisse  sind  nachzulesen. 

J.  Bauer  und  F.  Heim:  Lieber  Röntgenbefunde  bei  Kropf- 
rzen.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  der  k.  k.  Universität  Inns- 
uck.)  (Mit  3  Abbildungen.) 

Bei  Kropfherzen  und  zwar  sowohl  bei  der  erethischen,  als  auch 
j;i  der  torpiden  und  mechanischen  Form  desselben  findet  sich  im 
öntgenbilde  folgende  Konfiguration:  Vorwölbung  des  linken  mittleren 
erzschattenbogens,  vorwiegend  dessen  oberen  Anteiles  (Pulmonalis- 
igens).  lebhafte  Pulsation  desselben,  sowie  des  ganzen  linken  Herz- 
ndes,  Aorta  hochstehend,  häufig  schmal,  die  Herzspitze  meist  plump, 
ibei  die  grösste  quere  Herzbreite  den  normalen  Durchschnittswert 
der  Regel  nicht  überragend,  im  Gegenteil,  sogar  häufig  nicht  er¬ 
gehend.  Diese  Herzkonfiguration  ist  durch  Persistenz  jugendlicher 
erhältnisse  und  erworbene  Formveränderung  durch  Herzmuskel- 
:hädigung  zu  erklären. 

H.  Ellern:  Ein  Beitrag  zum  ätiologischen  Studium  des  Diabetes 

sipidus.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  des  städtischen  Kranken- 
ruses  Frankfurt  a.  M.-Sachsenhausen.) 

Die  üblichen  Unterscheidungsmerkmale  zwischen  der  sog.  pn- 
lären  Polydipsie,  die  häufig  leicht  heilbar  sein  soll,  und  der  sog. 
imären  Polyurie  (Bradyurie  —  Tachyurie,  das  Verhältnis  der  Urin- 
lenge  zu  der  Flüssigkeitszufuhr,  die  Perspiration,  der  Wassergehalt 
i es  Blutes,  der  Erfolg  der  Wasserentziehung)  besitzen  keine  aus- 
;hlaggebende  diagnostische  Bedeutung.  Der  einfachste  Weg  zur 
lärung  ist  die  sorgfältige  Analyse  der  Durstempfindung  des  be¬ 
eilenden  Kranken,  wobei  bisweilen  der  Wasserentziehungsversuch 
neu  schönen  therapeutischen  Erfolg  bringt.  Jedenfalls  ist  die  Frage: 
olydipsie  oder  Polyurie  im  Einzelfalle  wichtiger  als  die  Versuche, 
^iie  renale,  zerebrale,  nervöse,  luetische  etc.  Polyurie  von  einander 
u  trennen  bezw.  die  sog.  innere  Sekretion  zur  Erklärung  heran- 
uziehen. 

J.  Schürer:  Ueber  die  Bedeutung  der  Antikörper  bei  der 

uberkulose.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Heidelberg.) 

Kaninchen  wurden  durch  eine  Infektion  mit  humanen  Tuberkel- 
azillen  überempfindlich  gemacht  und  dann  mit  Koch  scher  Ba- 
illenemulsion  oder  albumosenfreiem  Tuberkulin  nachbehandelt.  Nach- 
em  Antikörper  im  Blutserum  aufgetreten  waren,  wurden  die  Ver- 
ucnstiere  mit  virulenten  Tuberkelbazillen  reinfiziert.  Zwischen  den 
nmunisierten  Tieren  und  den  Kontrollieren  bestand  kein  Unterschied, 
ie  intravenös  infizierten  Tiere  starben  zwischen  dem  18.  und  26.  Tage 
amtlich  an  Miliartuberkulose,  mit  Serum  vorbehandelte  Tiere  starben 
ei  intraperitonealer  Infektion  sogar  früher  als  die  Kontrollen.  Jeden- 
tlls  kann  bei  der  Tuberkulose  aus  dem  Auftreten  von  Agglutininen, 
räzipitinen,  komplementbindenden  Stoffen  und  Bakteriotropinen  kein 
cbluss  auf  den  erreichten  Grad  der  Immunität  gezogen  werden. 

0.  David:  Die  therapeutische  Verwertung  sauerstoffarmer 
uft  bei  Anämien.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  Halle 
.  S.) 

Aehnlich  wie  durch  das  Höhenklima  gelingt  es  auch  durch 
iigliche,  1 — 2  stündige  Atmung  von  Os-armer  Luft  in  einer  dazu 
onstruierten  Kammer,  beim  Versuchstier  wie  beim  Menschen  das 
ilutbild  zu  beeinflussen.  Einfache  Anämien  zeigen  eine  ziemlich 
leichmässige  Zunahme  von  roten  Blutkörperchen  und  Hb.  Bei 
hweren  Anämien  von  perniziösem  Charakter  fiel  der  Färbeindex 
regen  der  guten  Erythropoiese  anfangs,  stieg  jedoch  bald  wieder, 
la  auch  die  Hb.-Biidung  angeregt  wurde.  Entgegengesetzt  ver- 
ielten  sich  die  Chlorosen,  bei  denen  infolge  der  Zunahme  von  roten 
Blutkörperchen  und  der  schleppenden  Produktion  von  Farbstoff  der 
ärbeindex  herabgesetzt  blieb. 

0.  Lerch:  Ueber  eine  neue  Perkussionsmethode.  (Aus  dem 
athologischen  Institut  des  Königin-Augusta-Hospitals  in  Berlin.)  (Mit 
s  Abbildungen.) 

Bei  dieser  neuen  Perkussionsmethode,  die  der  Verfasser  als 
allperkussion  bezeichnet,  werden  Hammer  und  Plessimeter 
erwendet,  doch  statt  des  Schlages  ein  Fall.  Der  Verf.  behauptet, 
lass  mit  der  Fallperkussion,  die  leicht  und  schnell  zu  erlernen  sei, 
hsolut  genaue  Resultate  erzielt  werden,  und  dass  damit  anatomische 
»etails,  z.  B.  die  kindliche  Thymus,  Herzbeutel,  grosse  Gefässe, 
deren)  erhalten  würden,  wie  mit  keiner  anderen  Perkussionsmethode, 
inzelheiten  sind  nachzulesen. 

F.  L  o  m  m  e  1 :  Ueber  die  sog.  „B  a  n  t  i  sehe  Krankheit“  und  den 

lämolytischen  Ikterus.  (Aus  der  medizinischen  Poliklinik  zu  Jena.) 

Die  Pathologie  der  Splenomegalien  mit  Anämie  und  Ikterus  be¬ 
endet  sich  noch  in  einem  unfertigen  Stadium.  Bei  einem  28  jährigen 
Aanne  mit  sog.  Morb.  Banti  ergab  die  Stoffwechseluntersuchung 
meinen  Anhaltspunkt  für  splenogene  Intoxikation.  W.-R.  — ,  osmoti¬ 
sche  Resistenz  der  Erythrozyten  normal.  In  einem  2.  Falle  gab  erst 
las  Auftauchen  eines  ebenfalls  anämischen  und  ikterischen  Kindes  bei 
ler  zweifelhaften  Diagnose  der  Mutter  den  Entscheid  zugunsten  der 
hagnose  „hereditärer  hämolytischer  Ikterus“. 

R.  Reinhardt:  Ueber  das  Verhältnis  von  CCU-Ausscheidung 
oir  Atemgrösse  beim  Lungenemphysem.  (Aus  der  medizinischen  Kli¬ 
nk  in  Heidelberg.)  (Mit  1  Kurve.) 

Der  Emphysematiker  atmet  in  der  Minute  eine  um  50  Proz. 
grössere  Luftmenge  als  der  Gesunde.  Die  erhöhte  Lüftung  der 
-unge  erfolgt  durch  Vermehrung  der  Frequenz  und  eine  Vertiefung 


des  einzelnen  Atemzuges.  Der  COü-Gehalt  der  Exspirationsluft  ist 
beim  Emphysematiker  herabgesetzt;  mit  der  gleichen  Luitmeng 
atmet  der  Emphysematiker  weniger  C02  aus  als  der  Gesunde.  Dabei 
ist  aber  die  absolute  CCL-Ausscheidung  durchschnittlich  höher  als 
beim  Gesunden,  vielleicht  ein  Ausdruck  erhöhter  Muskelarbeit  bei  der 
angestrengten  Atmung.  Die  Vitalkapazität  ist  herabgesetzt.  Bei 
erhöhter  Anforderung  an  die  Atemtätigkeit  durch  Einatmung  CO2- 
haltiger  Luft  ergibt  sich  eine  Insuffizienz  der  Atemmechanik,  die 
ihren  Ausdruck  in  einer  ungenügenden  CO-Ausscheidung  findet.  Die 
Vertiefung  der  Atmung  erfolgt  durchschnittlich  erst  bei  etwas  höherem 
CCL-Gehalt  der  Inspirationsluft.  Der  einzelne  Atemzug  erreicht  dabei 
durchschnittlich  nicht  die  Werte  des  Normalen,  die  Frequenz  verhält 
sich  annähernd  normal.  Für  die  Ateminsuffizienz  kommt  die  Thorax¬ 
starre  in  Betracht,  die  stets  mit  einer  Kyphose  der  Wirbelsäule 
verbunden  ist  und  zu  einer  Fixierung  des  Brustkorbes  in  einer 
oben  inspiratorischen,  nach  unten  exspiratorischen  Stellung  führt, 
ferner  der  Elastizitätsverlust  des  Lungengewebes,  destruktive  Pro¬ 
zesse,  bindegewebige  Induration,  Bronchitis.  Durch  alle  diese  Mo¬ 
mente  ist  die  Atmung  bedeutend  erschwert. 

Bam  berge  r  -  Kronach. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Band  XXV,  Heft  3. 

1912.  Herausgegeben  von  L.  B  rau  e  r -Eppendorf. 

Siegfried  B  r  0  t  z  e  n  -  Lungenheilstätte  Beelitz :  Die  Kuhn  sehe 
Lungensaugmaske. 

Bericht  über  Erfahrungen  an  118  Patienten  (60  M.  und  80  Fr.) 
aller  3  Stadien.  Die  Maske  wurde  anfangs  3  mal  täglich  %  Stunde, 
nach  je  5  Tagen  3  mal  V»  Stunde  resp.  %  Stunden  angewandt.  Ueber 
1  Stunde  wurde  gewöhnlich  nicht  hinausgegangen.  Die  Maske  ist 
in  den  ersten  Tagen  den  Patienten  ziemlich  lästig  und  ruft  Luftmangel, 
Halsschmerzen,  Schläfendruck  hervor.  Nach  ca.  4  Tagen  bleiben 
diese  Erscheinungen  weg.  Die  Gefahr  des  Eintritts  einer  Lungen¬ 
blutung  ist  nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen.  Im  übrigen  aber 
kräftigt  die  Maske  die  Atemmuskulatur  und  den  Brustkorb  (Ver- 
grösserung  des  Brustumfangs).  Die  Atmung  wird  verlangsamt,  der 
Hustenreiz  vermindert,  die  Bazillen  schwanden  in  3/5  aller  positiven 
Fälle.  Ein  Auftreten  von  Bazillen  während  der  Maskenbehandlung 
ist  nie  beobachtet  worden.  Appetit  und  Körpergewicht  werden  ge¬ 
hoben,  ebenso  der  Hämoglobingehalt.  In  leichteren  Fällen  trat  keine 
Veränderung  des  objektiven  Befundes  ein,  in  mittelschweren  wurde 
ein  deutliches  Nachlassen  der  Rasselgeräusche  beobachtet,  schwere 
Fälle  blieben  unbeeinflusst.  Die  Haupterfolge  wurden  erzielt  bei 
akuter  und  chronischer  Bronchitis,  bei  chronischen  Pneumonien  und 
Pleuritiden  und  Asthma  bronchiale 

Arthur  B  a  11  i  a  n  0  -  Genua:  Ueber  einen  Fall  von  primärer 
Tuberkulose  der  Samenkanälchen  des  Hodens  und  des  Nebenhodens. 

Bei  der  histologischen  Untersuchung  des  durch  Operation  ent¬ 
fernten  Hodens  wurden  die  Tuberkelbazillen  ausschliesslich  in  den 
nekrotischen  Epithelien  der  erkrankten  Samenkanälchen  gefunden, 
so  dass  man  annehmen  muss,  dass  die  Erkrankung  des  Hodens  von 
dort  ihren  Ausgang  nahm.  Dieser  Befund  legt  auch  die  Annahme 
nahe,  dass  die  Bazillen  von  aussen  her  durch  die  Urethra,  Prostata 
in  die  Samenblasen  und  den  Samenleiter  eingedrungen  sein  müssen. 
Der  Ausgang  dieser  Erkrankung  ist  entweder  Verkäsung  und  Zer¬ 
störung  des  Organs  oder  wenn  die  Widerstandskraft  des  Körpers 
grösser  ist,  klinische  Heilung  unter  dem  Bilde  der  Orchitis  fibrosa. 

Karl  Dietl:  Die  Entwicklung  der  Tuberkulinempfindlichkeit 
im  Inkubationsstadium  der  Tuberkulose.  (Aus  dem  Kinderspital  der 
Wiener  allgemeinen  Poliklinik.) 

Ein  12  jähriger  Knabe  wurde  im  März  1912  aufgenommen  und 
zeigte  wiederholt  negative  kutane  und  subkutane  Tuberkulinproben. 
Er  lag  in  der  Zeit  vom  21.  VI.  bis  2.  VII.  mit  einem  Phthisiker  zu¬ 
sammen.  Bestimmte  Umstände  erlauben  mit  grösster  Wahrschein¬ 
lichkeit  die  Annahme,  dass  die  Infektion  zwischen  dem  24.  und  28.  VI. 
erfolgt  ist.  Am  16.  VII.  wurde  zum  erstenmal  eine  positive  Stich¬ 
reaktion  auf  1  mg  Tuberkulin  beobachtet.  Auf  grössere  Dosen  wäre 
wohl  schon  früher  eine  Reaktion  eingetreten.  Der  erste  positive 
Pirquet  wurde  am  30.  VII.  beobachtet.  Von  da  ab  (3. — 27.  VIII.)  stieg 
die  Empfindlichkeit  rasch  bis  zu  einem  sehr  hohen  Grade  an.  Nach 
v.  Pirquet  hängt  das  Auftreten  der  ersten  Krankheitserscheinungen 
zusammen  mit  dem  ziemlich  plötzlichen  Auftreten  resp.  dem  er¬ 
reichten  Höchstgrade  antikörperähnlicher  Substanzen.  Krankheits¬ 
erscheinungen  irgendwelcher  Art  fehlten  im  vorliegenden  Fall,  aber 
nach  dem  Auftreten  des  Pirquet  gemessen  kann  man  die  Zeit  vom 
Ende  VI.  bis  Anfang  VIII.  als  Inkubationszeit  des  vorliegenden  Falles 
bezeichnen.  Bereits  in  diesem  Stadium  besteht  also  eine  spezifische 
Umstimmung  des  Organismus. 

Zick  (Basler  Heilstätte)  Davos:  Ueber  einen  in  seiner  Ent¬ 
stehungsweise  eigenartigen  Fall  von  Stickstoffembolie. 

Bei  einer  Patientin,  bei  der  am  6.  VII.  12  ein  partieller  Pneumo¬ 
thorax  nach  Forlanini  angelegt  war,  wurde  am  10.  VII.  eine 
erneute  Punktion  vorgenommen.  Die  Nadel  drang  ohne  Schwierig¬ 
keiten  in  die  kleine  Gasblase  der  ersten  Operation  ein;  das  Mano¬ 
meter  zeigte  einen  Druck  von  — 1/0.  Es  wurde  langsam  N  ein¬ 
gelassen,  aber  sogleich  trat  stärkeres  Druckgefühl  auf  und  nach 
200  ccm  zeigte  das  Manometer  +  12.  Der  Druck  ging  nicht  herunter, 
deshalb  Unterbrechung  der  Operation.  Kurz  nachdem  die  Nadel 
herausgezogen  war,  kollabierte  die  Patientin,  bekam  klonische 


882 _ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _  No.  16. 


Krämpfe  und  verfiel  in  ein  Koma,  dem  sie  am  folgenden  Abend  erlag. 
Nach  dem  Ergebnis  der  Sektion  ist  eine  Lungenverletzung  und  ein 
Einstich  in  ein  grösseres  Pleuragefäss  auszuschliessen,  vielmehr  muss 
angenommen  werden,  dass  die  Embolie  von  einem  Qefäss  der 
Thoraxweichteile  vor  sich  gegangen  ist.  Die  Nadel  hatte  dieses 
Qefäss  wohl  perforiert  und  so  lange  sie  darin  stack,  die  Embolie 
verhindert.  Als  sie  dann  herausgezogen  wurde,  drang  die  unter 
beträchtlichem  Druck  stehende  Luft  in  das  Qefäss  ein.  Der  Ausgang 
einer  Embolie  hängt  von  der  Menge  des  eingetretenen  Gases  und 
namentlich  von  dem  Zustand  des  Herzens  ab. 

P.  Schlippe  -  Darmstadt. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 
83.  Band,  2.  Heft.  Tübingen,  Laupp,  1913. 

Aus  der  Tübinger  Klinik  berichten  Prof.  B  1  a  u  e  1  und  A.  Reich 
über  Versuche  über  künstliche  Kropferzeugung.  Sie  haben  an  Ratten, 
die  aus  kropffreier  Gegend  (Berlin)  stammen,  den  Einfluss  der  Trän¬ 
kung  mit  Wasser  aus  Wurmlingen  und  Hirschau  (woselbst  Kropf 
endemisch  bei  ca.  88  Proz.  der  Kinder  beobachtet  wird)  und  den 
Effekt  an  den  Rattenschilddrüsen  in  grösseren  Versuchsreihen  auch 
histologisch  verfolgt,  auch  mit  gekochtem  Wasser  und  Tübinger 
Wasser  getränkten  Tieren  verglichen.  Im  allgemeinen  fanden  sie 
die  B  i  r  c  h  e  r  sehen  Resultate  bestätigt,  die  geologische  Wasser¬ 
theorie  kann  jedoch  noch  nicht  als  einwandfrei  gelten,  jedenfalls 
bringt  Wasser  aus  den  betr.  Orten  (kropfbehaftete  Keuperregion) 
bei  Ratten  kropfartige  Veränderungen  hervor,  die  strumigene  Eigen¬ 
schaft  des  betr.  Wassers  ist  aber  erheblich  schwächer  als  die  aus 
den  von  B  i  r  c  h  e  r  untersuchten  klassischen  Kropfgegenden  der 
Schweiz. 

Aus  dem  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf  berichtet  Hauch 
über  Spätblutungen  bei  Appendizitis  im  Anschluss  an  4  betr.  Todes¬ 
fälle  der  letzten  Jahre,  er  unterscheidet  betr.  dieser  Komplikation 
Arrosionsblutungen,  wie  sie  bei  appendizitischen  Abszessen  an  der 
A.  iliaca  und  anderen  Gefässen  Vorkommen  und  deren  er  mehrere  aus 
der  Literatur  erwähnt,  und  Magen-  und  Darmblutungen  (2  der  mit¬ 
geteilten  Fälle  sind  Blutungen  aus  typischen  Duodenalgeschwüren) 
und  geht  auf  deren  ätiologischen  Zusammenhang  mit  der  Appendizitis 
(nervöse  Einflüsse,  Narkose,  Verschleppung  von  Thromben,  In¬ 
farkte  etc.)  näher  ein.  Durch  frühe  Operation  wird  jedenfalls  die  Zahl 
der  schweren  Fälle  und  damit  auch  das  Eintreten  der  oft  verhängnis¬ 
vollen  Komplikation  der  Spätblutungen  verhütet. 

Aus  dem  St.  Elisabethen-Krankenhause  zu  Alkmaar  bespricht 
J.  M.  van  Dam  die  radikale  Behandlung  angeborener  Blasen¬ 
divertikel  und  teilt  im  Anschluss  an  einen  erfolgreich  transvesikal 
operierten  Fall  und  mit  Berücksichtigung  von  16  Fällen  aus  der 
Literatur  seine  Ansicht  dahingehend  mit,  dass  man  die  vorderen  und 
seitlichen  Blasendivertikel  (ohne  Ureter  in  der  Wand)  extravesikal 
von  vorn  operieren  soll,  die  hinteren  rein  transvesikal,  auch  die  seit¬ 
lichen  Divertikel  (mit  Ureter  in  der  Wand)  sollen,  wenn  sie  extra¬ 
vesikal  von  vorn  nicht  operiert  werden  können,  kombiniert  oder 
transvesikal  operiert  werden.  Divertikel,  die  infolge  zu  inniger  Ver¬ 
wachsung  mit  der  Umgebung  nicht  zu  exstirpieren  sind,  werden  am 
besten  nach  der  abgeänderten  P  o  u  s  s  o  n  sehen  Methode  behandelt. 

Aus  der  Greifswalder  Klinik  bespricht  Rob.  Hassel  die  Mund- 
bodendermoide  (Entwicklungsgeschichtliches,  Diagnostisches  und 
Therapeutisches)  im  Anschluss  an  einen  näher  mitgeteilten  Fall  eines 
vom  Mundboden  aus  exstirpierten  submentalen  echten  Dermoids  bei 
28jähr.  Mann.  H.  warnt  unter  Anführung  von  3  Fällen  vor  Inzision 
oder  Punktion,  wenn  man  nicht  die  Exstirpation  unmittelbar  an- 
schliesst.  Nur  die  totale  Exstirpation  ist  die  richtige  Therapie,  lokale 
Anästhesie  genügt  dazu  im  allgemeinen.  Je  nach  der  Lage  der  Ge¬ 
schwulst  wird  man  den  Schnitt  sublingual  oder  submental  führen, 
wenn  das  submentale  Dermoid  mit  dem  Zungenbein  verwachsen, 
Ist  die  Ausschälung  von  der  Mundhöhle  aus  zu  sehr  erschwert;  kann 
man  die  Adhäsionen  vorher  nicht  konstatieren  und  findet  solche 
erst  bei  der  Operation  von  der  Mundhöhle  aus.  so  kann  man  einen 
kleinen  Schnitt  oberhalb  des  Zungenbeins  hinzufügen,  um  leichter  die 
Verwachsungen  lösen  zu  können,  immerhin  hat  die  Operation  von  der 
Mundhöhle  aus  die  Gefahr,  dass  die  grosse  und  tiefe  Wunde  nicht 
aseptisch  bleibt,  ev.  kann  ein  Drain  nach  der  Unterkinngegend  ein¬ 
gelegt  werden.  Häufige  Spülungen  mit  Wasserstoffsuperoxyd  sind 
nach  der  Operation  vorteilhaft. 

Aus  dem  Kgl.  Krankenstift  zu  Zwickau  berichtet  W.  Hering 
über  Luxationen  im  Kniegelenk  und  teilt  3  typische  Fälle  mit  Röntgen¬ 
befund  etc.  näher  mit,  die  durch  gleiche  Ursache  (Aufstossen  mit  dem 
Förderstuhl  im  Bergwerk)  entstanden  und  von  denen  2  wegen  Zer- 
reissung  der  Poplitea,  Gangrän  des  Unterschenkels  (1  nach  versuchtet 
Gefässnaht)  zur  Amputation  führten.  In  einem  4.  Fall  geschah  die 
Luxation  (ebenfalls  der  Tibia  nach  vorn)  durch  Vorwärtsfallen  bei 
Schreiten  auf  dem  Feld.  Hier  traten  keine  Zirkulationsstörungen 
nach  der  Reposition  ein. 

Aus  dem  Diakonissenhaus  Paulinenstift  zu  Wiesbaden  berichtet 
Alfr.  L.  M  a  t  h  e  y  über  sog.  eingeklemmte  Hernien  der  Adnexe.  Er 
geht  auf  die  ätiologischen  Symptome  etc.  der  häufig  angeb.  Hernien 
näher  ein,  bespricht  die  Stieldrehung  und  Infarcierung  der  Adnexe 
in  solchen  Fällen.  Bei  der  Operation  ist  d  >r  Leistenkanal  weit  herauf 
zu  spalten  und  der  Bruchring  zu  erweitern,  um  gute  Freilegung 
des  Stieles  zu  ermöglichen.  Ergibt  sich  eine  Resektion  der  Adnexe 
als  notwendig,  so  geschieht  sie  nach  allgemeinen  Regeln,  bei  doppel¬ 


seitiger  Hernie  resp.  doppelseitiger  Einklemmung  dürfte  nie  die  totale 
Resektion  in  so  jugendlichem  Alter  gemacht  werden. 

Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Frankfurt  behandelt  K.  Prop- 
p  i  n  g  die  Regenerierung  des  Choledochus  nach  Einlegen  eines  T- 
Rohres  und  teilt  einen  Fall  näher  mit,  bei  dem  nach  Cholezystektomie 
der  supraduodenale  Choledochusabschnitt  von  strikturierender  Ent¬ 
zündung  befallen  wurde,  die  zu  Obliteration  des  Ganges  und  kom¬ 
pletter  Gallenfistel  führte.  Bei  der  Relaparotomie  wurde  die  steno- 
sierte  Partie  durch  die  Schenkel  eines  T-Rohres  überbrückt  (4  cm 
lang),  bald  nach  der  künstlichen  Choledochusbildung  trat  von  neuem 
Ikterus  auf,  der  nach  2'A  Jahren  zur  zweiten  Relaparotomie  führte, 
bei  der  sich  eine  neue  Stenose  im  Bereich  der  Leberpforte  fand.  Der 
neugebildete  Choledochus  war  völlig  durchgängig  und  unterschied 
sich  in  seiner  Epithelauskleidung  nicht  von  einem  normalen  Gallen¬ 
gang.  Auch  in  einem  Falle  von  Defekt  des  retroduodenalen  Cholc- 
dochus  hat  sich  Pr.  das  T-Rohr  als  temporäre  Prothese  bewährt. 
Nach  Pr.  ist  diese  Methode  der  Protheseneinlagerung  in  Notfällen, 
wenn  die  direkte  Vereinigung  des  Gallengangsstumpfes  oder  des 
Gallengangs  mit  dem  Darm  nicht  ausführbar,  durchaus  rationell. 

Aus  der  Prager  Klinik  gibt  Wilhelm  Jarosc.hy  einen  Beitrag 
zur  Kenntnis  des  klinischen  Bildes  der  Chondrodystrophia  ioetalis. 
Er  geht  auf  diese  angeborene  Systemerkrankung  des  Skeletts,  die 
vielfach  mit  fötaler  Rhachitis  zusammengeworfen  werde,  sich  aber 
histologisch  und  klinisch  davon  unterscheidet,  näher  ein  und  teil» 
Fälle  chondrodystrophischen  Zwergwuchses  bei  4  Fällen  (in  2  Genera¬ 
tionen)  näher  mit,  bespricht  die  Veränderungen  am  Schädel  und 
Rumpf,  Becken  und  Extremitäten  unter  Beigabe  entsprechender  Ab¬ 
bildungen  und  Röntgenphotographien. 

J.  H.  Z  a  a  i  j  e  r  berichtet  aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Leiden 
über  erfolgreiche  transpleurale  Resektion  eines  Kardiakarzinoms,  die 
bisher  nur  von  Wendel  und  Sauerbruch  ausgeführt  wurde. 
An  rein  abdominelle  Operation  ist  nicht  zu  denken,  wenn  das  Kar¬ 
zinom  bis  in  den  Diaphragmaring  hinaufgeht.  Z.  bespricht  die  Sauer¬ 
bruch  sehe  Einstülpungsmethode  und  seine  eigene  Art  des  Vorgehens 
(zweizeitig)  unter  Benützung  von  Ueberdruck.  Z.  ist  der  Ansicht, 
dass  durch  den  betr.  Fall  die  Möglichkeit  der  transpleuralen  Re¬ 
sektion  des  Karzinoms  der  Kardia  und  der  alleruntersten  Teile  der 
Speiseröhre  erwiesen  ist. 

Osk.  Bernhard  berichtet  aus  St.  Moritz  über  Verletzungen 
beim  Wintersport  (Erfahrungen  im  Obereneadin  in  den  Wintern  1886 
bis  1913).  Er  bespricht  die  beobachteten  Verletzungen  beim  Schlitt¬ 
schuhlaufen,  Hokey  und  Curling,  beim  Schlitteln  und  Fahren  mit 
Skeleton  und  Bobsleigh  sowie  beim  Skilaufen  und  teilt  unter  Mit¬ 
teilungen  von  Skizzen  der  Röntgenbilder  eine  grosse  Anzahl  typischer 
Frakturen  sowie  einzelner  schwerer  innerer  Verletzungen  (Nieren¬ 
ruptur  etc.)  kurz  mit.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  14. 

Arthur  Schlesinger  -  Berlin ;  Zur  Vereinfachung  der  Frenul- 
körperextraktion. 

Verf.  hat  die  Technik  der  Fremdkörperextraktion  noch  weiter 
vereinfacht,  indem  er  alle  komplizierten  Hilfsmittel  (ausser  dem 
Röntgenschirm)  entbehren  kann:  er  markiert  mit  Tinte  die  Projektion 
des  Fremdkörpers  auf  der  zu-  und  abgewendeten  Seite  des  Gliedes, 
bringt  dann  das  Glied  in  eine  andere  Ebene  und  markiert  ebenso  die 
Projektion  auf  der  äusseren  Haut;  der  Schnittpunkt  der  Verbindungs¬ 
linien  von  2  zusammengehörigen  Punkten  ist  die  Stelle  des  Fremd¬ 
körpers.  (Mit  1  Abbildung.) 

N.  K  a  e  f  e  r  -  Odessa ;  Appendectomia  subserosa. 

Verf.  empfiehlt  die  Appendectomia  subserosa  als  Methode  der 
Wahl  für  alle  Fälle  subseröser  Lage  des  Wurmfortsatzes  und  warnt 
vor  der  „Ausschaltung“  der  Appendix  (nach  Kofmann)“. 

L.  Moszkowicz  -  Wien-Döbling :  Diagnostik  und  Therapie 
bei  Gangraena  pedis. 

Verf.  verteidigt  kurz  seine  Methode  und  betont  gegenüber 
Borchardt  (No.  9),  dass  das  Anlegen  einer  Gummibinde  gar  nicht 
nötig  ist;  es  genügt,  das  kranke  Bein  1 — 2  Minuten  hochzuhalten 
und  dann  wieder  horizontal  zu  legen.  So  erzielt  er  den  gleichen 
Wechsel  der  Durchblutung  wie  Borchardt  durch  sein  Wechselbad. 
Demnach  kann  jede  Form  von  Hyperämie  als  Massstab  dafür  dienen, 
wie  viel  Blut  und  bis  zu  welcher  Höhe  es  dem  kranken  Bein  zu¬ 
geführt  werden  kann;  nur  bei  der  durch  Wärmezufuhr  erzeugten 
Hyperämie  ist  grosse  Vorsicht  am  Platze  wegen  der  Gefahr  der 
Verbrennung. 

Richard  F  r  a  n  k  -  Kaschau:  Zur  Behandlung  beginnender 
Gangrän. 

Verf.  schildert  kurz  einen  Fall  von  Erfrierung  3.  Grades,  bei  dem 
die  Wechselbäder  nach  Borchardt  sich  vorzüglich  bewährten  und 
die  beginnende  Gangrän  verhüteten.  E.  H  e  i  m  -  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  14.  1913. 

A.  Z  i  n  s  s  e  r  -  Berlin :  Ueber  die  Toxizität  des  menschlichen 
Harnes  im  puerperalen  Zustand  und  bei  Eklampsie. 

Z.  hat  die  Untersuchungen  von  R.  Franz  und  P.  Esch  nach¬ 
geprüft,  die  sich  mit  der  Giftigkeit  des  Harnes  von  Gebärenden  und 
Eklamptischen  beschäftigt  haben.  Ersterer  folgerte  sowohl  für 
normal  Gebärende  wie  für  Eklamptische  eine  akute  Eiweisszerfalls¬ 
toxikose  mit  Ansteigen  der  Toxizität  im  Urin,  letzterer  fand  nur  den 
Urin  Eklamptischer  giftig.  Z.s  Untersuchungen  bestätigten  die  Be- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


>  April  1913. 


883 


i  le  von  Esch  für  den  Urin  von  Schwangeren,  Kreissenden  und 
tehnerinnen;  er  konnte  aber  auch  in  9  Eklampsiefällen  keine  Harn- 
i  zität  nachweisen,  womit  die  Annahme  einer  Eiweisszerfalls- 
i  kose  für  die  Eklampsie  ebenfalls  entfällt. 

M.  Kuwasoye  -  Kiel :  Ueber  die  Einwirkungen  der  Röntgen- 
hlen  auf  die  Eihäute. 

K.  fand  bei  Tierversuchen  (Meerschweinchen),  dass  eine  ein- 
r  zweimalige  Bestrahlung  auf  die  Eihäute  keinerlei  anatomisch 
lweisbare  schädliche  Wirkung  ausiibte,  trotzdem  die  Gravidität 
iber  der  Hälfte  der  Fälle  geschädigt  wurde.  K.  führt  dies  auf 
ädigungen  der  fötalen  Leber  und  Milz  zurück. 

E.  V  o  g  t  -  Dresden:  Ueber  ein  unter  der  Geburt  entstandenes 
;  chdeckenhämatom. 

21  jährige  Il.-para,  die  im  Anschluss  an  eine  Spontangeburt  ein 
terales  Hämatom  derRecti  abdom.  bekam,  das  unter  resorbierender 
;  andlung  7  Wochen  post  part.  wieder  verschwunden  war.  Es 
b  nur  eine  breite  Rektusdiastase  zurück.  Die  Aetiologie  blieb 
kel.  In  2  Fällen  von  Stöckel  war  starker  Husten  als  Ursache 
i  egeben. 

H.  Sieber-  Grunewald-Schmargendorf :  Zur  Skopolaminfrage. 
S.  hat  schon  vor  5  Jahren  energisch  vor  der  Harmlosigkeit  auch 

Rheidener  Skopolamingaben  gewarnt  (Zentralbl.  f.  Gyn.  1908, 
24),  was  damals  von  der  Tübinger  Klinik  bestritten  wurde,  jetzt 
i  von  ihr  zugegeben  worden  ist.  (Zentralbl.  f.  Gyn.  1913,  No.  21.) 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  59.  Bd.,  5.  und  6.  Heft. 

1)  G.  C  a  r  o  n  i  a:  Weiterer  Beitrag  zur  Leishmaniaanämie.  (Aus 
;  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  Palermo.) 

Aus  den  37  selbstbeobachteten  Fällen  ergibt  sich  u.  a. :  Das 
len  herrscht  vorzugsweise  unter  den  Landarbeitern  und  überhaupt 
rr  den  Personen,  die  auf  dem  Lande  oder  in  kleinen  Ortschaften 
ingen  Räumen  und  in  Berührung  mit  allen  möglichen  Haustieren  zu 
n  gezwungen  sind.  Es  entwickelt  sich  am  leichtesten  in  den  Win- 
und  Fiiihjahrsmonaten,  seltener  im  Sommer  und  Herbst.  Bevor- 
:  ist  das  2.  Lebensjahr,  Die  Dauer  der  Krankheit  schwankt  zwi¬ 
rn  3 — 6  Monaten,  sie  kann  sich  auch  ausnahmsweise  jahrelang  hin¬ 
ein  Nach  der  Intensität  der  Symptome  können  3  Stadien  unter- 
:eden  werden.  Im  1.  Stadium  zeigen  die  Kinder  ziemlich  guten 
emeinzustand  mit  unregelmässigem  mehr  oder  weniger  starkem 
>er,  geringem  oder  stärkerem  Milztumor;  im  Blut  leichte  Oligo- 
iiämie  und  Oligochromämie,  Leukopenie.  Im  2.  S  t  a  d  i  u  m  Blässe 
Haut  und  sichtbaren  Schleimhäute,  unregelmässiges  Fieber, 
nomegalie,  vergrösserte  Leber,  Blut  wie  im  1.  Stadium.  Das 
'tadium  zeigt  starke  Abmagerung,  kachektische  Hautfarbe, 
es,  unregelmässiges  Fieber  und  weitere  Steigerung  der  Oligo- 
lämie,  Oligochromämie  und  Leukopenie;  ferner  finden  sich  ulzera- 
Enteritis,  Noma,  Karies  der  Kiefer,  Nephritis.  Der  Ausgang  der 
nkheit  ist  fast  immer  tödlich;  von  37  Fällen  heilten  2. 
Epidemiologisch  charakterisieren  sich  die  Fälle  dadurch,  dass 
meisten  von  einer  kleinen  Gruppe  von  Ortschaften  geliefert  wur- 
welche  eine  einzige  Gemeinde  bilden  und  in  geringer  Entfernung 
einander  liegen.  Bezüglich  der  Uebertragung  lässt  sich 
ig  Sicheres  sagen;  Wanzen  und  Hunde  kommen  als  Vermittler 
er  mit  in  Betracht. 

’2)  A.  O.  K  a  r  n  i  t  z  k  y  -  Warschau :  Zur  Einführung  in  das  Stu- 
l  der  Pädiatrie. 

Antrittsvorlesung,  zum  Referat  nicht  geeignet. 

3)  Adolf  Baginsky  -  Berlin :  Zwei  Referate  für  den  Kongress 
Hygiene  und  Demographie  in  Washington  1911. 

I.  Hygiene  of  city  Infants  and  Babies. 

Von  den  aufgestellten  Thesen  sind  die  wichtigsten: 

Armut  und  Unwissenheit  sind  die  wesentlichsten  Störer  und  Ver- 
>er  kindlicher  Gesundheit  und  kindlichen  Lebens;  gegen  diese 
ide  sind  die  hygienischen  Massnahmen  zu  richten,  um  einen  er¬ 
reichen  Kampf  zu  führen. 

Bereits  auf  dem  Gebiete  der  Säuglingspflege  sind  Mass- 
nen  zu  treffen: 

Durch  Einführung  von  Mutterschutz,  Mutterschaftsversicherung, 
-h  frühzeitige  Belehrung  über  Kinderpflege,  die  schon  in  den  Fort- 
ungsschulen  der  weiblichen  Jugend  stattzufinden  hat;  überdies 
:h  Ausbildung  von  Kinderpflegerinnen  in  Pflegeschulen. 

Der  Säuglingsschutz  der  Unehelichen  ist  auf  dem  Wege  gesetz- 
:r  Pflichtvormundschaft  zu  erreichen.  Fürsorgestellen  mit  Be- 
ung  der  Mütter,  Kinderasyle,  Kinderkrippen,  Ausbildung  von  Kin- 
iflegerinnen  sind  die  privaten  und  öffentlichen  sozialen  Hilfsmittel, 
welchen  die  Pflichtvormundschaft  verbunden  werden  kann. 

Es  ist  der  Zersplitterung  sozialer  Hilfsarbeit  in  der  Kinder-  und 
mdpflege  durch  Einrichtung  von  Zentralämtern  vorzubeugen. 

Die  Gefährdung  der  Stadtkinder  durch  das  städtische  Milieu  hat 
iso  in  den  baulichen  Verhältnissen,  den  fehlerhaften  Wohnungen, 
den  mannigfachen  sozialen  Schäden  ihren  Grund,  und  die  Be- 
pfung  muss  nach  beiden  Seiten  hin  in  Angriff  genommen  werden. 
Für  die  Kinder  im  Vorschul  -  und  Schulalter  sind  fal¬ 
le  Einrichtungen  zum  Schutze  der  Gesundheit  zu  treffen: 
Aerztlich  überwachte  Kindergärten  und  Spielschulen,  normale 
ilbauten,  Kinderschulen,  Einführung  von  Schulärzten,  Spielplätze, 
eanstalten;  zweckmässige  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten, 
elung  der  Kinderarbeit,  Kinderheilanstalten. 


2.  Kinderkrankheiten  während  des  Schuliebens. 

Die  Schlussthesen  lauten: 

Unter  dem  Einfluss  des  Schullebens  kommt  bei  Kindern  eine 
Reihe  von  beachtenswerten  Krankheitsvorgängen  vor.  Es  gibt  einen 
Symptomenkomplex,  welcher  als  „Uebermüdun  g“  oder  „Ueber- 
arbeitung“  (overwork)  bezeichnet  werden  muss  und  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  Schulleistungen  entsteht;  man  darf  ihn  nicht  lediglich  auf 
kongenitale  oder  anderweitig  erworbene  Neurasthenie  oder  Psycho¬ 
pathie  der  Kinder  zurückführen. 

Die  Myopie,  welche  sich  im  Schulleben  der  Kinder  entwickelt, 
ist  keine  bösartige  Form  der  Augenanomalie  und  kann  durch  gute 
Schuleinrichtungen  auf  einen  geringen  Grad  des  Vorkommens  redu¬ 
ziert  werden.  Die  Wirbelsäulenverkrümmungen,  welche 
sich  im  Schulalter  entwickeln,  sind  lediglich  die  Folge  zu  vieler  Sitz¬ 
arbeit  und  insbesondere  der  zu  ausgedehnten  Schreibarbeit  der  Kin¬ 
der.  Die  Verbesserung  der  Methoden  des  Unterrichts  und  der  Schul¬ 
pläne  kann  dazu  beitragen,  der  Erkrankung  vorzubeugen. 

Gegen  die  Infektionskrankheiten,  auch  gegen  Tuberkulose,  ver¬ 
mag  eine  sorgsame  hygienische  Ueberwachung  der  Schule  durch 
Schulärzte  und  hygienisch  ausgebildete  Schulinspektoren  einen  rela¬ 
tiven  Schutz  zu  schaffen;  notwendige  Ergänzung  hierzu  ist  überdies 
die  Verbreitung  hygienischer  Kenntnisse  im  Volke  selbst. 

4)  Artur  Keller-  Berlin:  Bericht  über  den  ersten  Kongress  der 
Association  internationale  de  Pädiatrie.  Paris  7.  bis  10.  Oktober  1912. 

Hecker-  München. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  XI,  No.  11,  1913. 

1)  Prof.  Arthur  S  c  h  1  o  s  s  m  a  n  n  -  Düsseldorf :  Erfahrungen  und 
Gedanken  über  Anstaltsbehandlung  der  Säuglinge.  (Ein  Beitrag  zur 
Lehre  der  Säuglingsfürsorge.) 

Nach  einer  allgemeinen  Einleitung,  in  welcher  der  A.utor  an 
einem  einfachen  Beispiel  zeigt,  wie  viel  mehr  an  öffentlichen  Mitteln 
indirekt  später  für  die  am  Leben  erhaltenen  Säuglinge  auf¬ 
gewendet  werden  müssen,  als  direkt  für  die  Massregeln,  die  zu 
ihrer  Erhaltung  nötig  waren,  —  bespricht  er  die  Verhältnisse  des 
Düsseldorfer  Säuglingsasyles.  Er  stellt  die  Periode  vor  1906,  in 
welcher  es  an  einer  dichten  ärztlichen  Ueberwachung  fehlte,  gegen¬ 
über  der  Periode  von  diesem  Jahre  ab.  Seit  dieser  Zeit  nämlich  ist 
die  ärztliche  Versorgung  der  Asylkinder  den  an  der  Säuglingsklinik 
tätigen  Herren  anvertraut,  im  übrigen  sind  bis  auf  geringe 
Aenderungen  die  Verhältnisse  ganz  die  alten  geblieben;  die  Ernährung 
ist  fast  ausnahmslos  eine  unnatürliche.  Schlossmann  führte  im 
Asyl  das  Prinzip  durch:  „das  kränke  Kind  ins  Krankenhaus“,  d.  h. 
jeder  Säugling,  der  irgend  ein  anormales  Verhalten  zeigt,  wird  für 
die  Dauer  der  Erkrankung  in  die  Kinderklinik  überführt,  kommt  aber 
nach  seiner  Genesung  wieder  ins  Asyl  zurück.  Es  gelang  auf  diese 
Weise,  die  Sterblichkeit  des  Pflegehauses,  in  dem  mehr  als  70  Proz. 
der  Aufgenommenen  starben,  auf  ca.  16  Proz.  herunterzusetzen.  In 
der  Säuglingsabteilung  der  Schlossmann  sehen  Kinderklinik 
starben  70  Proz.  der  Kinder,  die  überhaupt  mit  Tod  abgingen,  vor 
Ablauf  der  ersten  Woche  des  Krankenhausaufenthaltes.  Schloss- 
mann  wirft  diesen  Tatsachen  gegenüber  die  Frage  auf,  ob  es  wirklich 
heute  noch  einen  Hospitalismus  gibt.  Er  selbst  verbindet  mit 
diesem  Begriff  durchaus  nichts  Mystisches,  zerlegt  ihn  vielmehr  in 
4  Komponenten,  von  denen  jede  einzelne  der  Betrachtung  und  der 
Beeinflussung  zugängig  ist.  Der  Hospitalismus  setzt  sich  nämlich 
zusammen  aus  einer  Unzulänglichkeit  1.  des  Arztes,  2.  der  Pflege, 

3.  der  Einrichtungen,  4.  der  Nahrung.  Das  Schicksal  der  Säuglinge 
gestaltet  sich,  je  nachdem  diese  4  Komponenten  mit-  oder  gegen¬ 
einander  arbeiten.  „Unsere  ganze  heutige  Säuglingspathologie,  so¬ 
weit  es  sich  um  die  zurzeit  herrschenden  Anschauungen  über  die 
Störungen  der  Ernährung  und  des  Stoffwechsels  handelt,  basiert  auf 
Kunstprodukten  oder  vielmehr  auf  Versuchsprodukten  der  Anstalts- 
behandlung.“  Schlossmann  bespricht  nun  weiter  die  von  ihm 
genannten  Unzulänglichkeiten  in  der  Versorgung  der  Säuglinge. 
Diese  Abschnitte,  aus  deren  jedem  der  wohlbekannte  Organisator 
spricht,  können  im  einzelnen  hier  nicht  referiert  werden,  wohl  aber 
sei  auf  ihren  Inhalt  nachdrücklich  verwiesen. 

2)  Prof.  Engel:  Die  Wirkung  der  mechanischen  Erschütterung 
auf  die  Frauenmilch.  (Aus  der  akademischen  Kinderklinik  in  Düssel¬ 
dorf.  Direktor:  Prof.  Schlossmann.) 

Die  Frauenmilch  wird  während  des  Schütteins  sauer.  Gleichzeitig 
tritt  eine  Gerinnung  (feine  Flockenbildung)  ein.  Die  Veränderungen  sind 
in  den  ersten  Stunden  sehr  intensiv,  später  viel  geringer;  von  der 
3. — 4.  Stunde  an  schreitet  nur  noch  die  Azidität  langsam  weiter.  Um 
diese  Schüttelwirkung  zu  ermöglichen,  ist  die  Anwesenheit  des 
Fettes  in  der  Milch  unbedingt  notwendig. 

3)  R.  P.  von  de  K  a  s  t  e  1 1  e  -  Leiden:  Ueber  den  Einfluss  des 
künstlichen  Pneumothorax  auf  die  Atemmechanik  des  Kindes.  (Aus 
der  Universität-Kinderklinik  zu  Strassburg.) 

Untersuchungen  mit  dem  Hü  rthle  sehen  Pneumographen.  l:s 
war  dem  Autor  nur  möglich,  den  Einfluss  der  Nacnfüllungen.  nicht 
aber  der  ersten  Anlegung  des  Pneumothorax  zu  studieren.  Die  Ver¬ 
suche  erstreckten  sich  auf  6  Kinder  im  Alter  von  1% — 14  Jahren. 
Wiedergabe  der  Resultate  in  einer  Reihe  von  Tabellen.  In  der  Regel 
zeigen  die  Kinder,  bei  denen  ein  Pneumothorax  angelegt  wurde,  eine 
höhere  Atemfrequenz,  eine  kleinere  Atemtiefe  und  eine  grössere 
absolute  Atemgrösse  als  normale  Kinder  desselben  Alters. 


884 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  16. 


4)  Prof.  Hermann  B  r  ü  n  i  n  g  -  Rostock:  Die  Säuglingssterblich- 
!  eil  im  Grossherzogtum  Mecklenburg-Schwerin  im  Jahre  1911. 

Statistische  Arbeit  mit  zahlreichen  Kurven  und  Tabellen.  Die 
hohe  Sommersterblichkeit  des  Jahres  1911  betraf  weniger  die  grossen 
Städte  als  das  Land  und  die  kleinsten  Ortschaften.  Die  Zunahme  der 
Säuglingssterblichkeit  in  Mecklenburg  ist  auf  das  Steigen  der  Säug¬ 
lingsmortalität  auf  dem  Lande  zurückzuführen. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 

Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten.  50.  Bd., 
3.  Heft,  1913. 

Paul  K  i  r  c  h  b  e  r  g  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Frage  der  Häuiigkeit 
der  Wassermannreaktion  im  Liquor  cerebrospinalis  bei  Paralyse. 

(Aus  der  städtischen  Irrenanstalt  Frankfurt  a.  M.) 

Bei  100  Paralysefällen  ergab  die  Wassermann  sehe  Reaktion 
in  78  Proz.  der  Fälle  positive  Reaktion  im  Liquor,  in  93 '  Proz. 
der  Fälle  positive  Reaktion  im  Blut. 

Otto  Klieneberger:  Enzephalomyelitis  nach  Pocken  (zu¬ 
gleich  ein  Beitrag  zu  den  Erkrankungen  der  Drüsen  mit  innerer 
Sekretion).  (Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  Königsberg.) 

Eine  von  Haus  aus  minderwertige  weibliche  Person  erkrankte 
im  Anschluss  an  Pocken  an  einer  plötzlich  einsetzenden  motorischen 
Aphasie  und  Lähmung  des  rechten  Armes,  sowie  des  linken  Beines. 
Schnelle  Rückbildung  der  aphasischen  Störung  nach  17  Tagen,  all¬ 
mähliche,  aber  nicht  vollständige  Rückbildung  der  Lähmungen.  6  bis 
7  Jahre  später  Auftreten  eines  schnell-  und  feinschlägigen  Zitterns  im 
rechten  Arm,  das  bald  auf  den  linken  Arm.  die  Beine  und  schliesslich 
den  ganzen  Körper  übergreift;  allmähliche  Zunahme  des  Zitterns, 
vorübergehende,  einige  Jahre  anhaltende  Besserung.  Wieder  einige 
Jahre  später  Wachstumsstörungen:  Grösser-  und  Dickerwerden  der 
Hände.  Klagen  über  Zittern,  Schwäche  und  Unsicherheit,  Kopf¬ 
schmerzen,  Schwindel  und  Ohrensausen,  reissende  und  lanzinierende 
Schmerzen  im  Körper.  Herzklopfen,  gesteigerte  gemütliche  Erregbar¬ 
keit  und  Neigung  zu  Diarrhöen  und  vermehrter  Transpiration. 

Die  Untersuchung  ergab :  pastöses  Aussehen,  teigige  weiche  Kon¬ 
sistenz  der  Wangen  und  oberen  Lider,  ödematöse  Schwellung  der 
Fusgelenke  und  des  unteren  Drittels  der  Unterschenkel,  elephantiasis¬ 
artige  Beschaffenheit  der  Hände,  schnell-  und  feinschlägiges  Zittern 
des  Kopfes,  des  rechten  Armes  und  —  etwas  weniger  —  des  ganzen 
Körpers,  das  beim  Sprechen  und  jeder  Bewegung  zunimmt,  Zittern, 
Verlangsamung  und  Schwerfälligkeit  der  Sprache,  Verlangsamung  und 
leichte  Unsicherheit  aller  Bewegungen,  dauernde  leichte  krampfhafte 
Anspannung  der  Nackenmuskulatur,  allgemeine  Spasmen,  besonders 
im  rechten  Arm  und  linken  Bein,  Parese  des  rechten  Arms  und  der 
Beine,  links  mehr  als  rechts,  Steigerung  der  Periostreflexe  an  den 
Armen,  rechts  stärker  als  links,  Steigerung  der  Sehnenreflexerreg¬ 
barkeit,  erhöhte  Muskelerregbarkeit,  sehr  ausgesprochenes  Fazialis- 
phänomen,  Schreckhaftigkeit  und  gesteigerte  gemütliche  Erregbarkeit. 

Felix  Stern:  Beiträge  zur  Klinik  hysterischer  Situationspsy- 
chosen.  (Aus  der  Kgl.  psychiatrischen  und  Nervenklinik  zu  Kiel.) 

Hysterische  Situationspsychosen  sind  Krankheitszustände,  die 
zumeist  bei  psychopathisch  veranlagten  Individuen  unter  dem  Ein¬ 
fluss  einer  misslichen  Situation  entstehen,  generell  heilbar  sind  und 
oft  bei  Wechsel  der  Situation  eine  sehr  auffallende  Besserung  er¬ 
fahren. 

Sie  sind  namentlich  unter  den  Erkrankungen  der  Untersuchungs¬ 
haft  sehr  häufig  vertreten,  es  muss  an  sie  gedacht  werden,  auch 
wenn  das  Symptomenbild  völlig  dem  einer  katatonen  oder  epilepti¬ 
schen  Psychose  gleicht,  selbst  wenn  Krampfanfälle  von  epileptischem 
Charakter  vorausgegangen  sind. 

Hysterische  Antezedentien  können  völlig  fehlen. 

In  der  Genese  spielt  neben  der  Wirkung  stürmischer  Affekte  der 
Krankheitswunsch  oft  eine  erhebliche  Rolle. 

Symptomatologisch  überwiegen  die  akut  verlaufenden  Stupor¬ 
oder  Verwirrtheitszustände;  von  leichter  Einengung  bis  zu  tiefer 
Trübung  des  Sensoriums  finden  sich  hier  alle  Uebergänge.  Bei  mehr 
chronischem  Verlauf  pflegt  meist  ein  mehrfacher  Wechsel  des  Zu¬ 
standsbildes  einzutreten. 

In  den  leichteren  Formen  ist  meist  zu  erkennen,  dass  der  Be¬ 
wusstseinsinhalt  durch  ängstliche  Affekte  beherrscht  wird.  Aber 
auch  bei  schwereren  Bewusstseinsstörungen  lässt  sich  öfters  der 
Nachweis  affektbetonter  Vorstellungskomplexe  erbringen:  die  de- 
liriösen  Formen  können  den  Charakter  der  Reminiszenzdelirien  an¬ 
nehmen;  Andeutungen  hiervon  findet  man  öfters  sogar  im  Stupor. 

Fast  alle  einigermassen  intensiven  Störungen  heilen  mit  Hinter¬ 
lassung  einer  Amnesie  aus. 

In  der  Differentialdiagnose  gegenüber  Katatonie  ist  auf  den 
akuten  Beginn,  die  Beeinflussbarkeit  ganzer  Krankheitsphasen  durch 
äussere  Umstände,  theatralische  oder  affektierte  Färbung  des  Zu¬ 
standsbildes.  das  Fehlen  von  Störungen  des  Allgemeinbefindens,  be¬ 
züglich  des  Stupors  auch  auf  das  Erhaltenbleiben  des  Sinnes  für  Be¬ 
quemlichkeit,  den  charakteristischen  stupiden  oder  kummervollen  Ge¬ 
sichtsausdruck,  vielleicht  auch  das  Festhalten  an  bestimmten  Vor¬ 
stellungen  der  Erinnerung  Gewicht  zu  legen. 

Reine  Simulation  ist  auch  bei  dem  Auftreten  vortäuschungsver¬ 
dächtiger  Symptome  unwahrscheinlich;  nicht  selten  ist  dagegen  Kom¬ 
bination  von  echten  psychischen  und  simulierten  Störungen. 

Die  Prognose  der  Psychosen  ist  eine  exquisit  günstige;  eine 


Beeinträchtigung  der  geistigen  Funktionen  im  späteren  Leben  wird 
durch  sie  generell  in  keiner  Beziehung  bedingt. 

M.  S.  M  a  r  g  u  1  i  s:  Ueber  ependyinäre  Gliomatose  der  Hirnven¬ 
trikel.  (Aus  der  Nervenabteilung  des  Alt-Ekatherina-Krankenhauses 
in  Moskau.)  Mit  11  Textfiguren. 

Auf  Grund  von  7  interessanten  Fällen  kommt  Verf.  zu  folgenden 
Schlüssen: 

Das  anatomische  Bild  der  ependymären  Gliomatose  besteht  in 
einer  Hyperplasie  der  ependymären  Veintrikelbedeckung  und  in  dei 
Entwicklung  in  seinen  Wänden,  hauptsächlich  der  Seitenventrikel  undi 
im  Gebiet  des  Nucleus  caudatus  eigentümlicher  Herde  gliomatöser 
Wucherungen  verschiedenen  Alters.  In  der  Rinde,  teilweise  in  der 
subkortikalen  Substanz  wird  eine  bedeutende  Proliferation  des  Glia- 
gewebes,  der  Kerne  und  der  peripheren  kortikalen  Gliaschicht  kon¬ 
statiert.  Die  ependymäre  Gliomatose  ist  eine  Herdlokalisation  eines 
allgemeinen  proliferativen  gliösen  Prozesses.  Sie  findet  sich  auch  bei 
anderen  proliferativen  gliösen  Prozessen  im  Gehirn  und  ist  der) 
Chaslin  sehen  Sklerose  in  der  Rinde  analog.  Veränderungen  der 
Gefässwände  entzündlichen  Charakters  werden  in  den  Herden  der 
ependymären  Gliomatose  nicht  gefunden. 

Die  Vielseitigkeit  des  klinischen  Bildes  hängt  von  der  Einwirkung 
des  allgemeinen  gliösen  Prozesses  auf  die  gesamte  Gehirnmassc  mit 
besonderer  Lokalisation  an  einzelnen  Stellen  derselben  ab. 

Die  ependymäre  Gliomatose  ist  ein  primärer  Prozess,  der  nicht 
auf  einen  teratologischen  Fund  zurückgeführt  werden  kann.  Es  han¬ 
delt  sich  um  einen  produktiven  und  progressiven  Prozess,  wofür  auch 
das  Vorhandensein  von  Herden  verschiedenen  Alters  spricht. 

Die  Genesis  der  ependymären  Gliomatose  steht  in  enger  Be¬ 
ziehung  zur  Ursache  eines  allgemeinen  proliferativen  gliösen  Pro¬ 
zesses  und  kann  infektiöser  oder  toxischer  Natur  sein.  Das  schädi¬ 
gende  Moment  ruft  gleichzeitig  mit  den  Erscheinungen  der  allgemeine; 
Gliosis  ependymäre  Herdwucherungen  in  den  Wänden  des  Hirnven¬ 
trikels  hervor. 

W.  M.  van  der  S  c  h  e  e  r  -  Meerenberg  (Holland) :  Osteo- 
malacie  und  Psychose.  Hierzu  Tafel  XX — XXIX  und  2  Textfiguren 
(Schluss  folgt.) 

18.  Versammlung  mitteldeutscher  Psychiater  und  Neurologen  ir 
Halle  a/S.  am  27.  Oktober  1912. 

Offizieller  Bericht. 

Nachtrag  zum  Bericht  über  die  37.  Wanderversammlung  de: 
Siidwestdeutschen  Neurologen  und  Irrenärzte  in  Baden-Baden  arr 
8.  und  9.  Juni  1912. 

Referate.  —  Kleinere  Mitteilungen. 

Germanus  F  1  a  t  a  u  -  Dresden. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  15,  1913. 

1)  A.  W  e  s  t  p  h  a  1  -  Bonn :  Ueber  die  Behandlung  der  progres 
siven  Paralyse. 

Für  die  nichtspezifischen  Behandlungsmethoden  ist  ebensoweni. 
wie  für  die  spezifischen  bisher  der  Beweis  erbracht  worden,  dass  sie 
auf  die  Dauer  das  Fortschreiten  des  paralytischen  Prozesses  zu  ver 
hindern  imstande  sind.  Ob  diese  Behandlungsmethoden,  vereinzel 
oder  in  Kombination  angewandt,  den  Weg  für  Remissionen  zu  ebne« 
imstande  sind  oder  vorübergehende  Besserungen  hervorzurufen,  dar! 
über  können  erst  weitere  Erfahrungen  entscheiden. 

2)  Joachimsthal  -  Berlin :  lieber  A  b  o  1 1  s  Methode  der  Be 
handlung  seitlicher  Rückgratsverkrümmungen.  (Nach  einer  Demon 
stration  auf  dem  12.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für  orthoi 
pädische  Chirurgie  am  24.  März  1913.) 

Cf.  Spezialreferat  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

3)  Walter  A  r  n  o  1  d  i  -  Berlin :  Der  prozentuale  Chlorgehalt  de 
Blutserums  bei  kochsalzarmer  und  kochsalzreicher  fleischfreier  br 
nährung  sowie  bei  verschiedener  Flüssigkeitszufuhr. 

Bei  kochsalzarmer  fleischfreier  Ernährung  hat  der  Organismu 
die  Tendenz,  den  prozentualen  Cl-Gehalt  des  Blutserums  zu  erhöhen 
um  so  stärker,  je  länger  die  kochsalzarme  Kost  beibehalten  wird. 

Bei  kochsalzreicher  fleischfreier  Ernährung  und  Wassermang- 
kommt  es  zu  einer  Verminderung  des  prozentualen  Cl-Gehaltes  de. 
Serums.  (Die  Urinmenge  nimmt  hierbei  gegenüber  der  kochsalzarmc 
Periode  ab.)  d 

Bei  kochsalzreicher  fleischfreier  Ernährung  und  Wasserüber 
schuss  erhöht  sich  gegenüber  der  kochsalzarmen  Periode  der  prozen 
tuale  Cl-Gehalt  des  Serums.  (Die  Urinmenge  nimmt  gleichzeitig  zu. 

Der  Uebergang  in  diesem  Verhalten  bei  geringer  bzw.  reichliche 
Wasserzufuhr  liegt  bei  einem  Flüssigkeitsquantum  von  etwa  24  bi 
25  ccm  pro  die  und  pro  Kilogramm  Körpergewicht. 

4)  Emil  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Wiesbaden :  Quantitative  Eiweissbestim 
immgen  im  Urin  für  den  praktischen  Arzt. 

Die  Esbach  sehe  Methode  ist  wegen  ihrer  Unsicherheit  un 
der  auch  bei  sorgfältigster  Beobachtung  aller  Vorsichtsmassregeln  i 
hohem  Masse  unrichtigen  Angaben  vollständig  zu  verwerfen.  Sie  hu 
auch  keinen  approximativen  Wert.  Die  mit  ihr  erhaltenen  Resultat 
sind  völlig  wertlos.  Brauchbare  Methoden  sind  die  von  CI  a  u  diu 
angegebene  und  die  von  Verfasser  beschriebene  Modifikation  de 
T  s  u  c  h  i  y  a  sehen  Methode  der  Fällung  mit  Phosphorwolframsäur. 

5)  H  u  b  e  r  -  Berlin-Schörieberg:  Ueber  die  Blutveränderuiige 
bei  Ikterus  haemolyticus.  (Nach  einem  Vortrag  in  der  Berliner  mei 
Gesellschaft  am  8.  Januar  1913.) 

cf.  pag.  106  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 


:  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


6)  M.  M  o  s  s  e  -  Berlin:  Zur  Frage  des  hämolytischen  Ikterus. 
Gh  Diskussionsbemerkungen  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am 

anuar  1913.) 

cf.  pag.  106  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

7)  A.  E  p  h  r  a  i  m  -  Breslau :  Beiträge  zur  endoskopischen  Dia- 
itik  und  Therapie  endothorakischer  Tumoren.  (Nach  einem  Vor- 
,  gehalten  in  der  med.  Sektion  der  Schlesischen  Gesellschaft  für 
rlündische  Kultur  am  31.  Januar  1913.) 

Kasuistischer  Beitrag. 

N)  Gustav  F  r  e  u  d  e  n  t  h  a  1  -  Peine :  Ein  (neuer)  Kunstgriff  zur 
hitigen)  Erweiterung  des  grad-verengten  Beckens. 

Verfasser  empfiehlt  allen  Praktikern  einen  einfachen  Handgriff 
einschlägigen  Fällen  (Beckenverengung)  zur  Nachprüfung.  Es 
den  hierbei  von  Arzt  und  Hebmme  je  ein  Knie  (Unterschenkel 
i  aussen)  bei  jeder  Wehe  mit  aller  Kraft  nach  der  Mitte  des 
:hes  zu  möglichst  an  diesen  angepresst. 

9)  Wilhelm  Gessner  -  Olvenstedt-Magdeburg :  Ueber  die  Wir- 
J  des  Phosphors  im  Phosphorlebertran  bei  Rachitis  als  In¬ 
itiator. 

Sammelreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  15,  1913. 

1)  Grober- Jena:  Allgemeine  Behandlung  der  Infektions- 

ikheiten. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  Hermann  T  a  c  h  a  u  -  Berlin:  Ueber  den  Zuckergehalt  des 

es. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  in 
in  am  3.  Februar  1913,  refer.  in  No.  6  (1913)  der  Münch,  med. 
.henschrift. 

3)  Wolfgang  H  e  u  b  n  e  r  -  Göttingen:  Zur  „Chemotherapie“  der 
erkulose  mit  Gold. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Adolf  Fel  dt  in  No.  12  (1913) 
er  Wochenschrift. 

4)  H.  Leo -Bonn:  Ueber  die  Wirkung  von  Kampferwasser. 
Bemerkungen  zu  der  vom  Verf.  in  No.  13  (1913)  dieser  Wochen- 
ift  veröffentlichten  Arbeit. 

5)  M  e  r  r  e  m  -  Königsberg  i.  Pr.:  Appendizitis  und  Para- 

us  B. 

Ein  Soldat,  der  unter  den  Erscheinungen  einer  akuten  Appendi- 
erkrankt  war,  ging  trotz  anfänglicher  Besserung  nach  der 
ration,  die  einen  perforierten  gangränösen  Wurmfortsatz  zutage 
arte,  unter  dem  Bilde  einer  Sepsis,  der  sich  zum  Schlüsse  auch 
i  das  der  eiterigen  Peritonitis  zugesellte,  zugrunde.  Die  Sektion 
b  Gangrän  des  Zoekum  und  aufsteigenden  Kolon  mit  drei 
orationen  in  dem  letzteren,  eiterige  Pylephlebitis.  In  der  aut 
Doppelte  der  normalen  Grösse  angeschwollenen  Milz  fanden  sich 
ityphus  B-Bazillen  in  Reinkultur,  obwohl  die  Widalreaktion 
tiv  gewesen  war. 

6)  E.  v.  G  i  e  r  k  e  -  Karlsruhe:  Ueber  eigenlösende  Eigenschaften 
Meerschweinchenserums. 

Die  von  Stern  nach  mehrfacher  Blutentziehung  beobachtete 
nschaft  des  Serums  jüngerer  Meerschweinchen,  Hammelblut- 
erchen  auch  ohne  Ambozeptor  zu  lösen,  wird  häufig  auch  bei 
Serum  tuberkulöser  Tiere  gesehen.  Es  dürfte  sich  hierbei  also 
ejeht  um  eine  Kachexiewirkung  handeln. 

7)  Fritz  L  a  d  e  -  Hamburg:  Erfahrungen  mit  der  Hermann- 
utzschen  Syphilisreaktion  an  600  Fällen. 

Die  mit  der  Hermann-Peru  tz  sehen  Reaktion  gewonnenen 
■rsuchungsresultate  lassen  den  Schluss  zu,  dass  die  genannte 
'.ode  bei  latenter  Lues  und  dort,  wo  Lues  nicht  vorhanden  ist, 
Wa.-R.  gleichwertig  ist,  dass  sie  fliese  bei  fraglicher  oder  sicherer 
:  ai}  Genauigkeit  übertrifft.  Wo  also  die  Inanspruchnahme  eines 
logischen  Institutes  nicht  angängig  ist,  mag  man  sich  ruhig  an 
fusflockungsreaktion  halten. 

8)  Oskar  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg:  Die  neue  Verbandbehandlung 
Skoliose  nach  Abbott. 

Verf.  beschreibt  auf  Grund  eigener  bei  Abbott  in  Portland 
annener  Anschauung  und  eigener  bisher  sich  auf  etwa  25  Sko- 
nfalle  erstreckender  Erfahrungen  die  neue  von  Abbott 
°h lene  Behandlung  der  Skoliose  im  Gipsverband,  zu  dessen  An- 
ig  die  Zuhilfenahme  eines  Abbott  sehen  Lagerungstisches 
igänglich  ist.  Leitender  Gedanke  dabei  ist,  den  Gipsverband  so 
legen,  dass  die  Wirbelsäule  in  Kyphose  und  in  Ueberkorrektur 
seitlichen  Biegung  nach  der  bisher  konkaven  Seite  fixiert  ist. 
wird  ebensowohl  durch  geeignete  Lagerung,  Herabziehung  dei¬ 
ner  auf  der  konvexen,  Heraufziehung  auf  der  konkaven  Seite, 
urch  zweckentsprechende  Polsterung  erreicht,  die  noch  während 
Nachbehandlung  durch  geeignet  angebrachte  Fenster  (ein  grosses 
der  bisherigen  Konkavität,  je  ein  kleineres  über  der  Mitte  der 
t,  über  der  vorderen  und  hinteren  Axillarlinie  der  bisher  kon- 
n  Seite)  nach  Bedürfnis  eingelegt  oder  entfernt  werden  kann, 
rend  des  Tragens  des  Gipsverbandes  ist  ausgiebige  Atein- 
nastik  erforderlich;  nach  der  Abnahme  des  Verbandes  ist  das 
er:  eines  Stützkorsetts  ratsam.  Die  fernere  Nachbehandlung  ist 
der  bisher  geübten  kaum  wesentlich  verschieden.  Es  ist 
fellos,  dass  mit  diesem  neuen  Verfahren  „Umkrümmungen  der 
lelsäule  erreicht  werden  können,  die  bis  dahin  vollständig  un- 
ich  waren“;  die  zahlreichen  beigegebenen  Photographien  lassen 
ueutlich  erkennen. 


885 


Die  spastische  Lähmung  im  Kindes- 

fiir  innere  Medizin  und  Kinder- 
1913,  refer.  in  No.  8  (1913)  der 


9)  K.  Biesalski  - Berlin 
alter  und  ihre  Behandlung. 

Nach  einem  Vortrage  im  Verein 
heilkunde  in  Berlin  am  17.  Februar 
Münch,  med.  Wochenschr. 

10)  Heim  ich  H  e  i  n  1  e  i  n  -  Nürnberg:  Zur  Aetiologie  und  Therapie 
des  Genu  valgum. 

Bei  einem  15  jährigen  Lehrling,  der  weder  eine  tuberkulöse 
Anamnese  noch  die  Zeichen  einer  überstandenen  Rachitis  hatte,  fand 
sich  als  Ursache  eines  hochgradigen,  mit  zunehmenden  Schmerzen 
vC!  bundenen  Genu  valgum  bei  der  Operation  ein  gänseeigrosses 
Angiofibrom  des  \astus  medialis  in  dessen  unterem  Ende.  Exstir- 
pation  der  Geschwulst  und  zweckentsprechend  angelegte  Naht,  sowie 
Nachbehandlung  mit  Gips-  und  Schienenverbänden  führte  zur  Be¬ 
seitigung  des  Genu  valgum  mit  Ausbildung  nahezu  völliger  Be¬ 
weglichkeit  des  Kniegelenkes.  Man  erkennt  also  die  erhebliche 
I  ransformationskraft  des  Knochens  nach  Wiederherstellung  normalen 
Muskelzuges  und  normaler  Muskelspannung. 

11)  H.  Maas-Berlin:  Die  kongenitale  Vorderarmsynostose. 

7  Monate  altes  Mädchen  mit  kongenitaler  Synostose  zwischen 
den  proximalen  Enden  von  Ulna  und  Radius  linkerseits,  eine  intrau¬ 
terine  Belastungsdeformität.  Klinisch  Pronationsstellung  mit 
Supinationsunmöglichkeit;  auf  dem  Röntgenbilde  Luxation  des  Radius- 
kopfchens  (nach  Melchior  der  primäre  Vorgang),  Verbreiterung 
der  Ulnaepiphyse  und  in  der  Synostose  deutliche  Erkennbarkeit  der 
beiden  Knochenlinien.  Therapie  einstweilen  wenig  ausslchtsvoll. 

.  I-1  Robert  H  e  r  z  e  n  b  e  r  g  -  Moskau :  Ueber  sogenannte  Nabel- 
steme. 

Nabelkonkremente  entstehen  als  Produkt  einer  Anhäufung  von 
desquamierten  Hautbestandteilen  und  Sekretstauung,  zumal  wenn  es 
zu  einer  reaktiven  Entzündung,  einer  Nabelphlegmone  kommt;  meist 
entwickelt  sich  der  Prozess  in  der  Nabelfurche,  in  dem  hier  näher 
beschriebenen  Fall  fand  sich  der  Nabelstein  jedoch  in  der  Dicke  des 
Nabels  selber,  vermutlich  in  einem  nicht  obliterierten  Reste  des 
Ductus  omphalomesentericus.  Die  Entstehungsweise  bringt  es  mit 
sich,  dass  die  Verwechselung  mit  einer  vereiterten  Dermoidzvste 
Vorkommen  kann. 

.  ,  13)  Bley- Wiesbaden:  Ein  neues  Instrument  zum  Oeffnen  der 
testen  Verbände,  speziell  der  Gipsverbände. 

Zwei  Modifikationen  des  Hasselmann  sehen  Gipshebel¬ 
messers,  die  eine  für  den  praktischen  Arzt,  die  andere  für  den 
Chirurgen  und  Orthopäden  bestimmt.  2  Abbildungen. 

Baum-  München. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

E.  F  Ln  g  e  r  -  Wien:  Quecksilber  und  Salvarsan. 

F.  erörtert  die  Wirkungsart  der  gebräuchlichen  Antisyphilitika 
mit  besonderem  Bezug  auf  die  Verschiedenheit  der  Virulenzverhält- 
nisse  und  die  anscheinend  wichtigere  verschiedene  Reaktions-  und 
Abwehrfahigkeit  des  Organismus  und  der  einzelnen  Organe  in  den 
einzelnen  Krankheitsstadien.  Ausführlich  besprochen  werden  die  bis- 
hei  veröffentlichten  Salvarsanschädigungen.  Im  ganzen  geht  F.s 
Ui  teil  dahin,  dass  im  Primärstadium  sich  das  Salvarsan,  stets  mit 
Quecksilber  verbunden,  zur  Abortivbehandlung  von  Sklerosen  mit 
negativer  Wassermannscher  Reaktioii  vorzüglich  eignet,  ebenso 
mi  1  ertiärstadium  zur  Erzielung  rascher  Erfolge.  Dagegen  soll  bei 
Sklerosen  mit  positiver  Wassermannscher  Reaktion,  ebenso  im 
Sekundärstadium  die  Salvarsanbehandlung  besser  unterbleiben.  Je- 
doch  lässt  sich  auch  bei  dieser  Indikationsstellung  das  Auftreten  einer 
Encephalitis  haemorrhagica  nicht  sicher  vermeiden.  Inwieweit  die 
Entstehung  meta-  und  paraluetischer  Prozesse  (Paralyse,  Tabes, 
Aortitis)  durch  Salvarsan  beeinflusst  wird,  ist  gegenwärtig  noch 
ganz  ungeklärt. 

J.  v.  Wiczkowski  -  Lemberg :  Beitrag  zur  Lehre  über  die 
Leukämie. 

Verf.  teilt  vorläufig  mit,  dass  es  ihm  gelungen  ist,  bei  einem 
Huhn,  dem  2  ccm  des  Pleuraexsudates  von  einem  Leukämiekraiiken 
injiziert  wurden,  in  dem  Blut  ein  Ueberwiegen  der  grossen  Lympho¬ 
zyten  herbeizufiihren,  ganz  ähnlich  dem  Blutbild  des  Kranken,  ab¬ 
weichend  von  dem  Bild  der  Hühnerleukämie.  Ausserdem  fand  sich 
eine  starke  Vergrösserung  der  Milz  und  Leber  mit  zahlreichen 
lymphoidalen  Herden  in  letzterer.  Hühner,  welche  mit  dem  Blut 
bezw.  mit  der  Emulsion  einer  exstirpierten  Drüse  des  Kranken 
intravenös  injiziert  wurden,  blieben  gesund. 

F.  Deutsch  und  O.  Hoff  mann  -  Wien :  Untersuchungen 
über  das  Verhalten  des  vegetativen  Nervensystems  bei  tuberkulösen 
Erkrankungen  der  Lunge. 

Zur  kurzen  Wiedergabe  'nicht  geeignet. 

J.  Sohn-Lemberg:  Ueber  die  Beeinflussung  des  Stoffwechsels 
durch  Benzol  samt  Bemerkungen  über  seine  Darreichung  bei  der 
Leukämie. 

Stoffwechselversuche  an  drei  Nichtleukämischen  und  bei  einer 
myeloiden  Leukämie.  In  Kürze  ergab  die  Untersuchung,  nachdem 
3 — 5  Tage  hindurch  je  4 — 5g  Benzol  gegeben  waren:  Ansteigen  des 
neutralen  Schwefels  im  Verhältnis  zu  den  Sulfaten  auf  20—30  Proz. 
(statt  7 — 15  Proz.),  Herabsetzung  des  Harnstoffstickstoffcs  gegenüber 
dem  Gesamtstickstoff,_  geringe  Vermehrung  der  Ammoniakmenge. 
Weiter  trat  bei  drei  Fällen  Eiweiss  im  Harn  auf.  Da  nach  Benzol- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  li 


SS6 


darreichung  ausserdem  Uebelkeit,  Aufstossen,  Appetitlosigkeit,  ev. 
sogar  blutiges  Erbrechen  auftreten  kann  und  da  die  einzige  deutliche 
Wirkung,  die  Herabsetzung  der  weissen  Blutkörperchen,  bei  Leukämi¬ 
schen  dem  Anscheine  nach  keine  wirkliche,  sondern  nur  eine  schein¬ 
bare  ist  (P  a  p  p  e  n  h  e  i  m),  ist  vor  der  Benzoldarreichung,  nament¬ 
lich  in  grösseren  Dosen  und  auf  längere  Zeit,  zu  warnen. 

K.  Byloff-Wien:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Aneurysmen  der 
Bauchaorta. 

Krankengeschichte  eines  im  Leben  richtig  diagnostizierten  Falles. 
Bemerkungen  zur  Differentialdiagnose. 

St.  Skudro  -  Krakau :  Ueber  den  Einfluss  der  Ouecksilber- 
präparate  auf  das  Wachstum  der  Mäusekarzinome. 

Ein  Einfluss  auf  die  Resorption  der  geimpften  Tumoren  liess 
sich  weder  bei  der  inneren  Darreichung  von  Sublimat,  noch  von 
subkutanen  Injektionen  desselben,  noch  von  Einreibung  der  grauen 
Salbe  in  die  Impfstelle  und  in  die  Umgebung  des  Tumors  Nach¬ 
weisen. 

H.  S  c  h  r  ö  d  e  r  -  Düsseldorf :  Das  klinische  Bild  der  Pest  bei 
Prokopius. 

Die  Wiedergabe  der  von  Prokopius  gegebenen  Schilderung 
einer  Epidemie  in  Konstantinopel  (542  nach  Christi  Geburt)  schliesst 
sich  an  einen  Aufsatz  des  Verf.  (Miinch.  med.  Wochenschr.  1911, 
No.  11)  über  die  Pest  in  Athen  (431  vor  Christi  Geburt)  an. 

Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

H.  Charlton  Bastian:  Ueber  weitere  Experimente  über  den 
Ursprung  des  Lebens.  (Bilder.)  (B.  M.  J.,  30.  XI.  12.) 

Verf.  ist  ein  Anhänger  'der  Generatio  spontanea.  Durch  lang¬ 
dauernde  Inkubation  steriler  Lösungen  in  hermetisch  verschlossenen 
Röhren  gelang  ihm  schon  früher  die  Erzeugung  von  niedrigen  Lebe¬ 
wesen.  Er  hat  seither  eine  grosse  Zahl  weiterer  Versuche  mit  dem 
gleichen  Resultate  angestellt  und  wendet  sich  in  der  vorliegenden  Ar¬ 
beit  gegen  die  wichtigsten  Einwürfe  seiner  zahlreichen  Kritiker.  Die 
interessanten  Einzelheiten  sind  im  Original  nachzulesen. 

Arthur  Keith:  Die  funktionelle  Natur  des  Zoekum  und  der 
Appendix.  (Bilder.)  (Ibidem.) 

Moderne  Autoren  (Barclay  Smith,  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f,  Arbut- 
not  La  ne  u.  a.)  betrachten  den  Dickdarm  und  die  Appendix  als  funk¬ 
tionslose  und  für  den  Menschen  gefährliche  Organe.  Auf  Grund  ver¬ 
gleichend-anatomischer  Studien  kann  Verf.  dieser  Auffassung  nicht 
beipflichten.  Das  Zoekum  des  Menschen  und  der  Tiere  hat  alle  ana¬ 
tomischen  Charaktere  eines  funktionstüchtigen,  zweckmässigen  und 
der  variablen  Natur  der  Diät  angepassten  Organs.  Die  Ileozoekal- 
klappe  ist  mit  einem  Sphinkter  ausgestattet,  der  unter  nervöser  Kon¬ 
trolle  steht  und  die  im  Ileum  durch  Enzyme  vor  sich  gehende  Ver¬ 
dauung  streng  von  der  bakteriellen  Verdauung  des  Zoekum  scheidet. 
Aehnliches  gilt  von  der  Appendix.  Die  vergleichende  Anatomie  zeigt, 
dass  derselbe  nicht  ein  rudimentäres  Organ  ist,  sondern  einen  spe¬ 
zialisierten  Teil  des  Zoekum  darstellt,  dessen  Funktionen  vor¬ 
derhand  unklar  sind.  Die  grosse  Häufigkeit  der  Erkrankungen  dieser 
Organe  ist  nicht  auf  den  vermeintlichen  rudimentären  Charakter  der¬ 
selben  zurückzuführen,  sondern  auf  den  Charakter  der  Diät,  der  sich 
in  neuerer  Zeit  so  rasch  geändert  hat,  dass  eine  Anpassung  der 
Organe  an  die  veränderten  Bedingungen  nicht  möglich  war.  In  dieser 
Hinsicht  ist  interessant,  dass  Schimpansen,  die  in  Gefangenschaft 
leben  und  menschliche  Diät  erhalten,  häufig  an  Appendizitis  sterben. 

Edward  Haiford  Ross:  Ein  intrazellulärer  Parasit,  der  sich  in 
Spirochäten  umwandelt,  etc.  (Tafel.)  (B.  M.  J.,  14.  XII.  12.) 

S.  d.  Ref.  in  d.  W.  No.  1,  S.  34. 

Allan  Kinghorn  und  Warrington  Yorke:  Der  Einfluss  me¬ 
teorologischer  Bedingungen  auf  das  Trypanosoma  Rhodesiense  in  der 
Glossina  morsitans.  (Ibidem.) 

Nachtrag  zu  einer  früheren  Arbeit.  Die  Entwicklung  des  T.  in 
der  Fliege  wird  durch  hohe  Temperaturen  günstig,  durch  niedrige  un¬ 
günstig  beeinflusst.  Ein  Temperaturoptimum  ist  nur  für  die  zweite 
Hälfte  des  Entwicklungszyklus  nötig,  die  erste  Hälfte  kann  auch  bei 
niedrigen  Temperaturen  ungestört  vor  sich  gehen.  In  Fliegen,  die 
ungünstigen  klimatischen  Verhältnissen  ausgesetzt  sind,  bleiben  die 
unvollkommen  entwickelten  Parasiten  für  mindestens  60  Tage  lebens¬ 
fähig.  Dies  erklärt  die  von  verschiedenen  Beobachtern  gefundenen 
äusserst  langen  Latenzperioden  des  Trypanosoma  in  der  Glossina. 
Die  relative  Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  hat  keinen  Einfluss  auf  die 
Entwicklung. 

Herbert  Henry:  Das  „infektiöse  Körnchen“,  als  das  erste  Sta¬ 
dium  in  der  Entwicklung  der  Hämogregarinen.  (Bilder.)  (Ibidem.) 

Verf.  hat  das  von  Balfour  bei  der  Hiihnerspirochätose  be¬ 
schriebene  infektiöse  Körnchen  auch  bei  den  Hämogregarinen  der 
Fische  beobachtet  und  konnte  dessen  Weiterentwicklung  zu  aus¬ 
gewachsenen  Parasiten  feststellen. 

James  Mackenzie:  Ueber  einige  Erscheinungen  am  gesunden 
Herzen  junger  Individuen,  die  häufig  als  eine  Indikation  zur  Behand¬ 
lung  missgedeutet  werden.  (Kurven.)  (B.  M.  .1.,  21.  XII.  12.) 

Sehr  instruktive  Arbeit.  Dieser  Fehler  wird  von  der  Mehrzahl 
der  Aerzte  häufig  begangen  und  beruht  auf  der  Verwirrung,  die  auf 
dem  Gebiete  der  Herzpathologie  und  Symptomatik  bis  vor  kurzem 
noch  vorherrschte.  Irregularitäten  und  Geräusche  werden  ohne  wei¬ 
teres  als  Zeichen  schwerer  Erkrankungen  aufgefasst  und  ihre  Träger 
von  Lebensversicherungen  abgewiesen  oder  von  gewissen  Berufen 


I  ausgeschlossen.  Auf  Grund  jahrelanger  Erfahrungen  und  eingehende 
'  Studiums  hat  Verf.  gefunden,  dass  eine  gewisse  Form  von  Unrege 
mässigkeit  der  Herzaktion  bei  jungen  Leuten  so  häufig  und  bedei 
tungslos  ist,  dass  man  sie  als  physiologisch  bezeichnen  kann.  $ 
zeichnet  sich  durch  eine  wechselnde  Länge  der  diastolischen  Phas 
aus  und  kann  durch  Auskultation  erkannt  werden.  Auch  funktionel 
Geräusche  werden  oft  falsch  gedeutet.  Zur  richtigen  Beurteilung  vc 
Herzfällen  überhaupt  genügt  die  Feststellung  der  Grössenverhältnisi 
und  •von  Geräuschen  nicht;  die  Hauptsache  ist  die  funktionelle  Pri 
fung  des  Herzmuskels,  die  bei  der  Erziehung  der  Aerzte  bisher  immt 
vernachlässigt  wurde.  Verf.  unterscheidet  4  Formen  von  Herzirregi 
larität:  1.  den  Pulsus  alternans  bei  hochgradigen  Erschöpfung: 
zuständen  des  Herzmuskels,  2.  die  Irregularität  bei  der  Vorhoüibri 
lation,  3.  die  Extrasystole  bei  gesunden  Erwachsenen  und  gewisse 
Herzerkrankungen  und  4.  den  obenerwähnten  jugendlichen  Typus. 

Felix  Rood:  Die  regionäre  Anästhesie.  (Bilder.)  (Ibidem 

Die  Lösung  (214  proz.  Novokain)  wird  proximal  vom  Operation:; 
felde  in  die  Nachbarschaft  des  versorgenden  Nerven  eingespritzt.  Vo 
bedingungen  sind  genaue  anatomische  Kenntnisse  und  die  leichte  Zi 
gänglichkeit  des  Nerven.  Am  besten  sind  Stellen,  wo  derselbe  de 
Knochen  oder  der  tiefen  Faszie  aufliegt.  Zwischen  der  Muskulati 
eingebettete  Abschnitte  eignen  sich  dagegen  nicht.  Die  Methode  h; 
den  Vorteil,  dass  sie  auch  bei  entzündlichen  Veränderungen  anwern 
bar  ist  und  die  anatomische  Uebersicht  im  Operationsfelde  nicht  g., 
stört  wird.  Die  Unempfindlichkeit  dauert  gewöhnlich  mehrere  Sttnl 
den.  Ein  besonders  günstiges  Feld  sind  die  Operationen  am  Thora) 
(Empyeme,  Lungenabszesse,  Pyoperikardium,  Dekostalisation  etc ! 

William  Ewart:  Die  präoperative  Diagnose  der  Appendiziti: 
Demonstration  einer  neuen  Methode  durch  Perkussion  der  Riicksei 
des  Körpers.  (Mehrere  Figuren.)  (B.  M.  J.,  28.  XII.  12.) 

Normalerweise  erhält  man  bei  Perkussion  des  Sakrum  und  d< 
Darmbeinteller  einen  resonanten  Schall  und  zwei,  den  hinteren  Tub 
rositäten  des  Ileum  entsprechende  Gebiete  mit  relativer  Dämpfun 
Diese  Dämpfung  ist  z.  T.  durch  die  Lage  der  grossen  Blutgefässe  b< 
dingt  und  auf  der  rechten  Seite  (Appendix)  deutlicher  als  links. 
Fällen  von  Appendizitis  ist  die  rechtzeitige  Dämpfung  intensiver  ui 
greift  auf  das  Ileum  und  Sakrum  über.  Dieses  Symptom  ist  ganz  b 
sonders  bei  retrozaekalen  Veränderungen  und  Abszessen,  die  von  di 
abdominalen  Seite  her  oft  schwer  zu  diagnostizieren  sind,  au 
gesprochen  und  daher  wertvoll.  Nach  der  Operation  verschwind: 
die  rechtseitige  Dämpfung  vollkommen  oder  gibt,  was  seltener  vo 
kommt,  einen  tympanitischen  Perkussionsschall.  Zurückbleiben  ein: 
gedämpften  Gebietes  nach  der  Operation  weist  auf  Unvollständig^! 
derselben  und  Komplikationen  (z.  B.  Abszess)  hin. 

A.  Mearns  Fraser  und  Hilda  Clark:  Die  städtischen  Tuberk 
linambulatorien.  (Lancet,  3.  VIII.  12.) 

Interessante  Beschreibung  des  Arbeitsplanes  des  von  der  Stadj 
Verwaltung  in  Portsmouth  errichteten  Tuberkulindispensariums  uii 
Bericht  über  dessen  2  jährige  Tätigkeit  (Tabellen).  Den  vielfache 
üblen  Prophezeiungen  zuwider  hat  sich  gezeigt,  dass  diese  Art  dj 
Tuberkulinbehandlung  gute  Resultate  gibt.  Es  wurden  etwa  84  Pro 
Besserungen  erzielt.  Schlechte  Folgen  wurden  nie  beobachtet.  Di 
Tuberkulindispensarien  allein  reichen  im  Kampfe  gegen  die  Tube! 
kulose  natürlich  nicht  aus,  jedenfalls  ermöglichen  sie  aber  eine  erfotj 
reiche  und  billige  Behandlung  für  einen  grossen  Teil  der  Tube 
kulösen.  Die  dadurch  gemachten  Ersparnisse  kommen  der  Behan: 
lung  der  schwereren  Fälle  in  Sanatorien  etc.  zugute.  Die  Tuberkuli 
ambulatorien  müssen,  um  ihrer  Bestimmung  vollauf  gerecht  zu  we 
den,  die  Zentrale  bilden,  von  welcher  aus  die  ganze  Maschinerie  dj 
Tuberkulosebekämpfung  in  Bewegung  gesetzt  werden  kann.  Dazu  i1 
ihre  Kooperation  mit  Spitälern.  Sanatorien,  öffentlichen  Wohlfahrt 
anstalten  etc.  nötig. 

Charles  R  u  s  s :  Einige  Beobachtungen  über  syphilitische  Ser 

(Ibidem.) 

Werden  gewaschene  rote  Blutkörperchen  des  Menschen  mit  ein, 
Lösung  von  Eisenchlorid  in  normaler  NaCl  zusammengebracht,  > 
tritt  sofort  Agglutination  ein,  die  für  lange  Zeit  anhält.  Gibt  man  2 
dieser  Lösung  normales  Serum,  so  wird  die  Agglutination  aufgehobe 
Ein  diesbezüglicher  Vergleich  zwischen  normalen  und  syphilitische 
Seris  ergab,  dass  letztere  diese  inhibitorische  Kraft  in  bedeutei, 
höherem  Grade  besitzen.  Verf.  hat  eine  Versuchstechnik  au. 
gearbeitet,  die  eventuell  zur  Diagnose  verwendet  werden  kan: 
Näheres  siehe  im  Original. 

Leonard  Rogers:  Der  diagnostische  und  prognostische  We 
der  Leukozytenzählungen  bei  der  Leberzirrhose.  (Tabellen.)  (La 
cet,  10.  VIII.  12.) 

Die  Krankheit  ist  in  Kalkutta  überaus  häufig,  nach  Sektion 
Statistiken  etwa  7  mal  häufiger  als  in  Berlin.  Alkohol  und  Syphil 
kommen  in  ätiologischer  Hinsicht  nicht  in  Frage.  Die  Ursache  b. 
der  Mehrzahl  der  Fälle  sind  chronisch  entzündliche  Veränderung 
im  Darmtrakte  infolge  chronischer  Dysenterie,  die  in  Indien  sehr  hä1, 
fig  vorkommt,  während  andere  Fälle  auf  Kala-Azar  zurückzuführt) 
sind.  Eine  Leukozytose  ist  bei  der  gewöhnlichen  Zirrhose  häufig  un 
wenn  hochgradig,  von  schlechter  Prognose.  Solche  Fälle  sind  v 
operativen  Behandlung  ungeeignet.  Eine  Leukopenie  spricht  dafi 
dass  die  Zirrhose  sich  auf  Grund  einer  Kala-Azar-Infektion  eit 
wickelt  hat. 

T.  Wingate  Todd:  Die  vaskulären  Symptome  der  Zervikalripp 

(Bild.)  (Ibidem.) 


MÜKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


887 


2.  April  1913. 

Die  Symptome  sind  Zyanose  und  Külte  des  affizierten  Armes, 
edem  der  Hand  und  nervöse  Erscheinungen.  Die  gewöhnliche  Er- 
ärung  derselben  durch  Druck  auf  die  Arteria  subclavia  ist  un- 
ilünglich.  Klinische  und  anatomische  Beobachtungen  weisen  auf  die 
ophische  Natur  der  Symptome  hin.  Es  besteht  eine  Läsion  der 
mpathischen  Fasern  im  unteren  Abschnitt  des  Plexus  brachialis. 

Charles  A.  Balance:  Epitheltransplantationen,  als  Mittel  zur 
cheren  und  raschen  Ausheilung  der  Höhlen,  die  nach  kompletten 
astoidoperationen  Zurückbleiben.  (Bilder.)  (Lancet,  17.  VIII.  12.) 

Die  gewöhnliche  Methode  ist  die  Tamponade.  Dieselbe  ist 
isserst  schmerzhaft  und  führt  nur  nach  monatelanger  Dauer  zur 
asgranulation  der  Knochenhöhle.  Verf.  verwendet  seit  1900 
h  i  e  r  s  c  h  sehe  Epithellappen  zur  Ueberdeckung  des  Knochens.  Die 
orteile  dieser  Methode  sind:  1.  rasche  Heilung  der  ganzen  Wunde, 
Schmerzlosigkeit  während  der  Nachbehandlung  und  Vermeidung 
m  Infektionen,  3.  Abkürzung  der  Nachbehandlung  durch  den  Spe- 
ialisten  und  4.  Verbesserung  der  Hörkraft  in  mindestens  75  Proz. 
r  Fälle.  Näheres  und  Technik  der  Methode  siehe  im  Original. 

H.  H.  Sampson:  Die  operative  Behandlung  der  einfachen  Frak- 
ren  der  langen  Röhrenknochen  bei  Kindern.  (Bilder.)  (Ibidem.) 

Verf.  ist  für  die  sofortige  —  blutige  —  Operation  dieser  Fälle, 
ie  Resultate  der  Methode  sind  bei  guter  Technik  und  Vermeidung 
>n  Infektion  besser  als  bei  den  bisher  gebräuchlichen  Verfahren, 
ortalität:  0. 

Q.  Carrington  Pur  vis:  Eine  neue  Methode  zum  Nachweis  des 
acillus  coli  im  Wasser.  (Ibidem,) 

Das  Wesentliche  der  Methode  ist  der  Zusatz  von  Natr.  salicyl. 
ir  Nährbouillon  und  Inkubation  der  Kulturen  bei  42°  C.  Es  wachsen 
inn  nur  der  Bac.  coli  und  eventuell  Subtilis,  die  jedoch  unter- 
hieden  werden  können.  Bacillus  Typh.  wird  durch  Natr.  salicyl. 
,2—0,25  Proz.)  völlig  inhibiert.  Näheres  siehe  im  Original. 

F.  J.  P  o  p  u  t  o  n  und  Alexander  P  a  y  n  e :  Weiterer  Beitrag  zum 
udium  der  Aetiologie  der  Appendizitis,  als  Folge  einer  Blutkrank- 
it  etc.  (Ibidem.) 

Typischer  Fall  von  akuter  Appendizitis  mit  gleichzeitiger  Er- 
ankung  der  rechten  Gaumenmandel.  Bakteriologische  Unter- 
chungen  ergaben  in  beiden  Organen  die  Anwesenheit  von  Strepto- 
plokokken.  Diese  Beobachtungen  und  eine  Reihe  von  Tierexperi¬ 
enten  weisen  darauf  hin,  dass  durch  eine  Invasion  des  Blutstromes 
it  Streptokokken  von  einer  entzündeten  Tonsille  aus  Appendizitis 
‘rursacht  werden  kann. 

W.  Broughton-Alcock:  Die  Typhusmpfung  mit  sensibili- 
arten,  lebenden  Typhusbazillen.  (Lancet,  24.  VIII.  1912.) 

Verf.  sensibilisiert  lebende  Typhuskulturen  mit  Antityphus¬ 
rum  von  Pferden  und  stellt  eine  Vakzine  her,  die  sich  bei  Affen 
»esredka)  und  Menschen  vortrefflich  bewährt  hat.  Dose:  500 
s  750  Millionen.  Nach  7 — 9  Tagen  wird  das  Doppelte  der  ur- 
'riinglichen  Dose  verabreicht.  Dieke  Vakzine  ist  mit  dem  durch 
ununisierte  Kalbslymphe  modifizierten  Virus  der  Blattern  vergleich- 
ir.  Die  sensibilisierten  Bazillen  bleiben  für  etwa  4  Monate  am 
?ben,  die  Technik  ist  einfach  (siehe  Original).  Abgesehen  von  einer 
ringfiigigen  lokalen  Reaktion  führt  die  Impfung  zu  keinen  üblen 
scheinungen  —  ein  Vorteil  gegenüber  der  Wright-Leishman- 
:hen  Vakzine.  Das  Serum  der  geimpften  Personen  zeigt  weder 
implementablenkung  noch  Agglutination,  dagegen  ist  die  Phago- 
tose  vermehrt.  Es  kommt  ausserdem  wahrscheinlich  zur  Bildung 
iti-endotoxischer  Substanzen. 

John  Fraser  und  J.  P.  McGowan:  lieber  eine  Methode 
r  Vakzinebehandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose.  (Ibidem.) 

Verfasser  verwenden  an  Stelle  des  käuflichen  Tuberkulins  das 
berkulöse  Material  des  zu  behandelnden  Kranken  zur  Herstellung 
r  Vakzine.  Die  tuberkulösen  Massen  (mit  Vorliebe  käsiges  Ma- 
rial)  werden  durch  Verreiben  mit  NaCl  emulsifiziert  und  die  iiber- 
ändige  Flüssigkeit  durch  Hitze  sterilisiert.  Anfangsdose  5 — 10  cmm. 
rnz  besonders  bei  Drüsentuberkulose  waren  die  Erfolge  besser  una 
ompter,  als  beim  gebräuchlichen  T.R.  Schwierigkeiten  bereitet  die 
andardisierung  und  Dosierung.  10  Krankengeschichten. 

Ethel  M.  N.  Williams:  Die  Natur  der  Kolonbazillurie. 
ädern.) 

Verf.  untersuchte  den  Urin  von  70  nicht  ausgewählten  Kranken 
ler  allgemeinen  Praxis  auf  Kolonbazillen.  Bei  der  Gruppe  A  (44  F.) 
ndelte  es  sich  um  langdauernde  Intestinalstörungen,  während  bei  der 
’uppe  B  (26  F.)  solche  fehlten.  Kolonbazillurie  wurde  nur  bei  den 
steren  und  zwar  in  16  Fällen  (36  Proz.)  gefunden.  Das  häufigste 
mptom  war  vermehrter  Harndrang;  zystitische  Erscheinungen 
hiten  fast  durchwegs.  Mit  Besserung  der  Darmbeschwerden  ver- 
nwanden  die  Bazillen  fast  immer  aus  dem  Urin.  Diese  Beobach- 
ngen  beweisen,  dass  die  Infektion  der  Blase  mit  dem  B.  coli  durch 
-  Darmwand  hindurch  erfolgt. 

_ J.  G.  Greenfield:  lieber  den  Wert  der  Quantitativen  Eiweiss¬ 
stimmung  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  etc.  (Tabellen.)  (Lancet, 
IX.  1912.) 

Verf.  fand  einen  hohen  Eiweissgehalt  (spontane  Koagulation)  und 
•lbfärbung  (Xanthochromie)  bei  Fällen  von  Meningeal-  und  Spinal¬ 
moren,  sowie  syphilitischen  Paraplegien.  Der  Befund  ist  besonders 
i  letzteren  als  Indikation  zur  Operation  aufzufassen.  Man  findet  in 
leben  Fällen  Fliissigkc.tszysten,  die  tumorähnlich  auf  das  Rücken- 
ark  pressen.  In  diagnostischer  Hinsicht  kommen  ausser  syphi- 
ischen  Prozessen  in  Betracht:  Spinaltumoren  und  andere  Kom¬ 


pressionsparaplegien  (Pott sehe  Krankheit, Frakturen, Luxationen  etc.). 
Auch  bei  der  Pachymeningitis  cervicalis  hypertrophica  kommen  äl 
liehe  Befunde  zur  Beobachtung. 

Egbert  M  or  1  an  d :  Die  quantitative  Kutireaktion  (Quanti- 

P I  r  q  u  e  t  =  QP).  (Bilder  und  Tabellen.)  (Ibidem.) 

Vereinfachung  der  von  Ellermann  und  Erlandsen  an¬ 
gegebenen  Methode.  Es  ist  eine  1,  4,  16  und  64  proz.  Alttuberkulin¬ 
losung  notig.  Nach  24  resp.  48  Stunden  wird  der  Durchmesser  der 
einzelnen  Papeln  gemessen  und  aufnotiert.  Es  wird  nun  zuerst  die 
durchschnittliche  Grösse  der  Papeln  (Papelgrösse)  und  dann 
die  durchschnittliche  Differenz  zwischen  den  48  und  24  Stun¬ 
den  alten  Papeln  berechnet.  Durch  Nachsehen  auf  einer  für  die 
\  ei  schiedenen  Papelgrössen  und  -differenzen  ausgearbeiteten  Zah'°n- 
tabelle  (siehe  Original)  findet  man  den  Wert  von  QP.  Die  Messung 
der  Papeln  ist  bei  einiger  Uebung  leicht.  Verf.  betrachtet  einen  OP 
von  100  und  darüber  als  Zeichen  einer  aktiven  Tuberkulose,  an¬ 
dererseits  sprechen  Werte  von  50  und  darunter  für  eine  ausgeheilte 
und  latente  Krankheit.  Während  der  Behandlung  sinkt  OP  bei  gün¬ 
stigen  Fällen  sehr  bald  unter  100.  Kranke  mit  hohem  QP  müssen  zu 
Anfang  mit  kleinen  T.-Dosen  behandelt  werden. 

Paul  B.  Roth:  Die  Behandlung  des  Plattfusses.  (Bilder.) 
(Ibidem.) 

Ausser  Eversion  des  Fusses  beim  Gehen  und  gymnastischen 
Uebungen  empfiehlt  Verf.  das  Tragen  von  Stiefeln,  deren  Sohlen  und 
Haken  an  der  Innenseite  höher  sind  als  an  der  Aussenseite.  Platt- 
fusseinlagen  sind  unnötig. 

Knowlton  und  E.  H.  Starling:  Ueber  die  Natur  des  pan- 
kreatischen  Diabetes.  (Lancet,  21.  IX.  12.) 

Die  Verfasser  bestimmten  den  Zuckerverbrauch  des  überlebenden 
Herzens  von  normalen  und  pankreaslosen  Hunden  und  fanden,  dass 
bei  letzteren  der  Zuckerverbrauch  ein  bedeutend  geringerer  ist. 
Weitere  Untersuchungen  scheinen  darauf  hinzudeuten,  dass  das  Pan¬ 
kreas  ein  Hormon  produziert,  welches  im  Blute  kreist  und  für  die 
Ausnützung  und  Assimilation  des  Zuckers  durch  die  Gewebszellen 
nötig  ist. 

H.  C.  L.  N  o  e  1  und  H.  S.  Souttar:  Die  intravenöse  Injektion 
von  Paraldehyd,  (Ibidem.) 

Die  Lösung  besteht  aus  gleichen  Teilen  Paraldehyd  und  Aether 
(5 — 15  ccm)  in  150  ccm  NaCl-Lösung.  Bewusstlosigkeit  und  Schlaf 
treten  in  sehr  kurzer  Zeit  auf.  Auch  die  Ausscheidung  durch  die 
Lungen  erfolgt  sehr  rasch  Die  Methode  eignet  sich  für  kurze  Opera¬ 
tionen  und  als  Hypnotikum  bei  Herz-  und  Lungenkranken  und  soll 
gefahrlos  sein. 

J.  Liddell:  Die  Beziehungen  zwischen  der  Wanderniere  und 
der  chronischen  Kolitis.  (Ibidem.) 

Beide  Affektionen  bestehen  überaus  häufig  nebeneinander.  Die 
Fälle  von  Wanderniere  ohne  gleichzeitige  Kolitis  sind  nach  Ansicht 
des  Verfassers  geradezu  selten.  Er  hält  die  Kolitis  für  primär  und 
führt  die  Beweglichkeit  der  Niere  auf  die  Autointoxikation  (Schwund 
des  Nierenfettes)  zurück. 

Mit  der  Besserung  der  Darmaffektion  (Spülungen  mit  Harrogate-- 
wasser,  Massage,  Diät)  gelingt  es  häufig,  die  Fixation  der  Niere  an 
normaler  Stelle  zu  erreichen. 

S.  Roodhouse  Gloyne:  Ueber  die  Joussetsche  Methode 
zum  Nachweis  des  Tuberkelbazillus  in  pleuritischen  Exsudaten. 

(Ibidem.) 

Nach  Koagulation  der  Flüssigkeit  wird  das  Gerinnsel  im  Brut¬ 
schrank  mit  Pepsin  verdaut  und  zentrifugiert  und  das  Sediment  mit 
kalter  Karbolfuchsinlösung  nach  G  a  b  b  e  t  gefärbt.  J  o  u  s  s  e  1 1  hat 
bei  23  Fällen  keinen  Versager  erlebt.  Verf.  hat  die  Methode  bei 
9  Fällen  von  sicherer  Pleuritis  tuberculosa  angewendet  und  nur 
3  mal  (33,3  Proz.)  ein  positives  Resultat  erzielt. 

F.  J.  McCann:  Die  Technik  der  ausgedehnteren  abdominellen 
Operationen  beim  Uteruskrebs.  (Ibidem.) 

Interessante  Arbeit,  in  welcher  Verfasser  die  von  ihm  geübten 
Modifikationen  der  W  e  r  t  h  e  i  m  sehen  Operation  eingehend  be¬ 
schreibt.  Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

T.  Bodley  Scott  und  G.  Bodley  Scott:  Ein  Bericht  über  die 
Behandlung  von  bakteriellen  Infektionen  mit  autogenen  Vakzinen. 
(Ibidem.) 

Am  wertvollsten  ist  die  Vakzinetherapie  bei  der  chronischen 
Urethritis,  die  nach  Gonorrhöe  auftritt,  und  bei  den  auf  Pneumonie 
folgenden  chronischen  Bronchitiden.  (Schluss  folgt.) 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Berlin.  März  1913. 

Hoppe  Fritz:  Ueber  die  chronische  ankylosierende  Entzündung  der 
Wirbelsäule. 

Ettinger  Jacob  Owsei:  Ueber  die  kontinuierliche  Untersuchung 
des  Verdauungsablaufs  nach  E  w  a  1  d  -  B  o  a  s  schein  Probe¬ 
frühstück. 

v.  He  rt  lei  n  Joseph:  Ueber  die  Therapie  des  Lupus  vulgaris. 

Gutt  mann  Eugen:  Ueber  die  Aktinomykose  der  Speicheldrüsen 
unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Glandulae  submaxillaris 
und  sublingualis. 

Powlowski  Aphraim:  Die  Erfolge  der  Hafermehlkur  bei  Diabetes. 

Zimkin  Israel-Behr:  Analyse  der  Störungen  bei  der  Prüfung 
Geisteskranker  iijach  der  E  b  b  i  n  g  h  a  u  s  scheu  Kombinations¬ 
methode. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


888 


Schapiro  Israel:  Zur  Kenntnis  der  Pyrogallolvergiftung. 

Schütz  Charlotte:  Klinische  Beiträge  zur  Frage  der  Blutgerinnung. 

T  r  a  1 1  e  r  o  Marcello :  Ueber  das  Verhalten  der  Muscularis  mucosae 
der  Magenschleimhautinseln  im  Oesophagus. 

Loewy  Erwin:  Beitrag  zum  Verhalten  des  Kremasterreflexes  bei 
funktionellen  und  organischen  Nervenkrankheiten  inkl.  Psychosen. 

Rabinowitsch  Peter :  Steisstumoren  als  Geburtshindernis. 

Tschuchurjan  Georg:  Ueber  den  Rückfluss  von  Duodenalinhalt 
in  den  Magen  und  seine  diagnostische  Bedeutung  für  die  Duodenai- 
stenosc. 

Feist-Wollheim  Hans :  Ueber  aufsteigende  sekundäre  Degene¬ 
rationen  der  Hinter-  und  Seitenstränge  im  Anschluss  an  einen  Fall 
von  Querschnittserkrankung  des  Zervikalmarks. 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Moskau. 

(Eigener  Bericht.) 

Moskau,  im  März  1013. 

Die  Reform  der  militärmedizinischen  Akademie. 

In  der  russischen  Gesellschaft  hat  sich  durch  vielfältige  Er¬ 
fahrung  die  Ueberzeugung  befestigt,  dass  wenn  die  Machthaber  daran 
schreiten,  irgend  eine  öffentliche  Institution,  die  noch  Spuren  freier 
Geistesregung  erkennen  lässt,  zu  reformieren,  dies  für  die  be¬ 
treffende,  oder  vielmehr  betroffene  Institution  ein  grosses  Unglück 
bedeute.  Eine  neue  Bestätigung  fand  diese  Anschauung  in  dem 
Schicksal  der  Petersburger  militärmedizinischen  Akademie,  für  die 
bereits  der  erste  Beginn  der  von  der  Regierung  eingeleiteten  Reformen 
verhängnisvoll  geworden  ist. 

Wählend  gegenwärtig  die  Zeitungen  alltäglich  spaltenlange  Be¬ 
richte  über  die  Vorgänge  in  und  an  der  militärmedizinischen  Akademie 
Iningeii,  hat  die  Tagespresse  bis  vor  kurzem  wohl  kaum  je  Ver¬ 
anlassung  gehabt,  sich  mit  dieser  Hochschule  näher  zu  befassen. 
Alles  ging  dort  seit  Jahren  seinen  gewohnten,  geordneten,  ruhigen 
Gang.  Die  Professoren  dozierten  und  examinierten,  die  Studenten 
studierten,  absolvierten  und  promovierten.  Von  den  letzteren  waren 
nur  die  Stipendiaten  des  Militärressorts  verpflichtet,  nach  Erlangung 
des  Doktorgrades  eine  bestimmte  Anzahl  von  Jahren  im  Heer  als 
Militärärzte  zu  dienen;  alle  übrigen  hingegen,  die  keine  Stipendien 
bezogen  und  keine  Neigung  zum  Militärdienst  verspürten,  waren 
einfache  Mediziner  wie  die  Studierenden  der  sonstigen  medizinischen 
Fakultäten.  Trotzdem  war  die  Akademie  dem  Kriegsminister 
unmittelbar  unterstellt,  und  dieser  Umstand  verlieh  ihr  gegen¬ 
über  anderen  Lehranstalten  des  Militärressorts  ein  gewisses  äusseres 
Prestige  und  eine  erhöhte  Rangstellung.  An  ihrer  Spitze  stand  ein 
vom  Professorenkollegium  aus  dessen  Mitte  erwählter  und  zu- 
ständigenorts  bestätigter  Rektor,  hier  „Chef“  genannt.  Der  Lehr¬ 
körper  zählte  unter  seinen  Mitgliedern  viele  hervorragende  Forscher 
und  Gelehrte  von  europäischem  Ruf.  Die  Professoren  genossen  bei 
den  Studenten  eine  hohe  Autorität,  weshalb  es  ihnen  auch  nicht  allzu 
schwer  fiel,  während  der  von  Zeit  zu  Zeit  durch  die  russischen  Hoch¬ 
schulen  dahinbrausenden  Wirren  den  Uebereifer  der  akademischen 
Jugend  zu  zügeln  und  sie  von  der  Teilnahme  an  politischen  Mani¬ 
festationen  nach  Möglichkeit  zurückzuhalten.  Zum  Teil  diesem  Ein¬ 
flüsse,  vornehmlich  jedoch  dem  sittlichen  Ernst  der  Studierenden, 
ihrem  lebendigen  Pflichtgefühl  und  dem  Bewusstsein  der  ihrer 
harrenden  verantwortungsvollen  Berufstätigkeit  ist  es  zu  verdanken, 
dass  in  der  Akademie  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  keine 
Unruhen  vorkamen,  und  die  Mediziner  weder  durch  Streik  noch  durch 
sonstige  Demonstrationen  den  Unterricht  irgendwie  störten  oder  gar 
unterbrachen.  Die  militärmedizinische  Akademie  war  die  einzige 
russische  Lehranstalt,  die  von  Studentenwirren  verschont  blieb. 

Obwohl  bei  einer  derartigen  Sachlage  auch  für  den  wohl¬ 
gesinntesten  Untertanenverstand  nicht  der  geringste  Grund  zu  einer 
„Reform“  ersichtlich  war,  begannen  doch  seit  vorigem  Herbst  Nach¬ 
richten  in  die  Oeffentlichkeit  zu  dringen,  die  Regierung  plane 
insgeheim  eine  Umgestaltung  der  Akademie.  Die  Regierung 
finde  nämlich,  in  der  militärmedizinischen  Akademie  sei  viel  zu  viel 
Medizin  und  viel  zu  wenig  Disziplin.  Zweck  der  ins  Auge  gefassten 
Reorganisation  sei  nun,  die  Medizin  möglichst  zu  reduzieren  und  die 
militärische  Disziplin,  sowie  den  Geist  der  Subordination  möglichst 
zu  heben.  Zu  diesem  Behufe  werde  einerseits  beabsichtigt,  die 
Akademie  in  eine  Fachschule  für  die  Heranbildung  von  Soldaten¬ 
ärzten  zu  verwandeln.  Die  für  Soldatenärzte  natürlich  überflüssigen 
Kliniken  und  Lehrstühle  für  Kinderheilkunde,  Gynäkologie,  Geburts¬ 
hilfe  werden  abgeschafft.  Andererseits  soll  diese  Medizinschule  im 
Interesse  der  Disziplin  den  Charakter  einer  geschlossenen  militärischen 
Lehranstalt  mit  einem  Internat  für  die  Zöglinge  der  jüngeren  Semester 
erhalten  und  nicht  mehr  direkt  dem  Kriegsminister,  sondern  dem 
Militärsanitätsinspektor  unterstellt  sein.  Die  Leitung  der  Anstalt 
werde  sich  nicht  in  den  Händen  eines  von  den  Professoren  gewählten 
Rektors,  sondern  eines  von  der  Regierung  ernannten  Beamten  be¬ 
finden.  Damit  die  Studenten  sich  nicht  mehr  als  akademische  Bürger 
fühlen,  gedenke  man  sie  in  Hinsicht  der  militärischen  Subordination 
den  Zöglingen  der  Junkerschulen  oder  den  Schülern  der  Kadetten¬ 
korps  gleichzustellen.  Alle  diese  Reformen  sollen  ohne  jegliche 


Heranziehung  und  Beteiligung  des  Professoren¬ 
kollegiums  ausgearbeitet  und  beraten  und  mit  Umgehung 
der  gesetzgebenden  Körperschaften  im  Verordnungs¬ 
wege  durchgeführt  werden. 

So  ungeheuerlich  diese  Gerüchte  von  der  drohenden  Militari¬ 
sierung  und  Degradierung  der  Akademie  und  der  geplanten  Schaffung 
von  Aerzten  zweiter  Güte  für  die  Armee  auch  klangen,  so  wurden 
sie  doch  nicht  offiziell  dementiert,  sondern  traten  immer  hartnäckiger, 
immer  bestimmter  auf.  ln  ihrem  schmerzlichen  Erstaunen  trösteten 
sich  Professoren  wie  Studenten  mit  dem  Gedanken,  diese  Zeitungs¬ 
nachrichten  seien  wohl  entweder  unwahr  oder  zum  mindesten  sehr 
übertrieben. 

Dieser  Trost  erwies  sich  leider  als  illusorisch,  die  Hoffnung,  der 
Kelch  werde  vorübergehen,  als  trügerisch.  Mit  Anbruch  des  Winters 
begann  für  die  Akademie  eine  Aera  der  Reformen,  die  Schlag  auf 
Schlag  erfolgten.  Den  Reigen  eröffnete  ein  Erlass  des  Kriegs-1 
ministeriums  vom  14.  November  1912  (a.  St.)  betr.  die  von  den 
Studenten  der  Akademie  zu  erweisenden  militärischen  Ehren¬ 
bezeigungen.  Gemäss  diesem  Erlass  haben  die  Studierenden  den 1 
Armee-  und  Marineoffizieren  sämtlicher  Rangstufen  Honneurs  zu  er¬ 
weisen,  dem  Militärsanitätsinspektor  und  dem  Chef  der  Akademie1 
noch  durch  Frontmachen.  Im  Falle  der  Verletzung  der  im  Erlass  ent¬ 
haltenen  Vorschriften  dürfen  die  Studenten  nicht  verhaftet  werde:., 
sondern  die  Offiziere  müssen  sich  darauf  beschränken,  den  Schul 
digen  zur  Rede  zu  stellen  und  seinen  Namen  zur  Kenntnis  der  aka¬ 
demischen  Behörde  zu  bringen.  Im  Erlass  ist  ausdrücklich  erwähnt, 
dass  in  Hinsicht  der  Ehrenbezeigungen  und  der  Verantwortung  für 
ihre  Unterlassung  die  Studierenden  der  Akademie  den  Kadetten 
gleichgesetzt  sind. 

Als  der  Erlass  bekannt  gegeben  wurde,  bemächtigte  sich  der 
Studenten  der  Akademie  eine  tiefgehende  Erregung.  Obwohl; 
Studentenversammlungen  an  den  russischen  Hochschulen  strengstens 
verboten  sind,  wurde  sofort  eine  Versammlung  einberufen,  die  den 
Beschluss  fasste,  zum  Zeichen  des  Protestes  den  Besuch  der  Vor¬ 
lesungen  und  Kliniken  für  drei  Tage  einzustellen  und  trotz  der  An-j 
drohung  von  Repressalien  sich  dem  neuen  Erlass  solange  nicht  zu 
fügen,  bis  er  in  einem  der  Stellung  der  Studenten  der  Akademie  mehr: 
entsprechenden  Sinne  abgeändert  würde.  Der  proklamierte  drei¬ 
tägige  Proteststreik  verlief  vollkommen  ruhig,  ohne  jegliche  Aus¬ 
schreitungen;  irgend  einen  Erfolg  hatte  er  natürlich  nicht. 

Nicht  weniger  konsterniert  durch  die  gänzlich  unvorhergesehene 
Reform  war  das  Professorenkollegium.  Ein  Teil  der  Professoren 
sprach  sich  für  die  Notwendigkeit  einer  Abänderung,  ein  Teil  hin¬ 
gegen  für  die  völlige  Aufhebung  des  Erlasses  aus.  Der  Chef  der' 
Akademie,  Prof.  W  e  1  j  a  m  i  n  o  w,  legte  sein  Amt  nieder,  und  an 
seiner  Stelle  wurde  Prof.  Belliarminow  mit  der  Leitung  der. 
Anstalt  zeitweilig  betraut. 

Gleich  seit  dem  ersten  Tage  der  Bekanntgabe  des  Ministerial¬ 
erlasses  betr.  die  Ehrenbezeigungen  führte  dieser  zu  einer  Reihe  von 
Zusammenstössen  zwischen  Studenten  und  Offizieren.  Die  Studenten 
der  Akademie  unterlassen  entweder  das  Griissen  oder  erwiesen  beim 
besten  Willen  die  Honneurs  aus  Ungewohnheit  nicht  ganz  vorschrifts- 
mässig.  Die  Offiziere  dagegen,  insbesondere  die  jungen  und  jüngsten! 
Armeeoffiziere,  machten  sich  einen  Sport  daraus,  auf  das  Griissen, 
der  Studenten  mit  aller  nur  möglichen  Strenge  zu  achten  und  diese 
fühlen  zu  lassen,  dass  sie  nunmehr  zu  Kadetten  degradiert  seien. 
Dabei  kam  es  von  seiten  der  Offiziere  wiederholt  zu  Ueberschrei- 
tungen  ihrer  Machtbefugnisse.  Trotzdem  der  Erlass  vorschrieb, 
Studenten  nicht  zu  verhaften,  Hessen  sie  die  Offiziere  dennoch  auf 
die  Kommandantur  bringen  oder  ins  Polizeirevier  abfiihren.  In  einem 
Falle  bestand  der  Offizier  mit  dem  Revolver  in  der  Hand  darauf,  dass 
der  schuldige  Student  ins  Polizeirevier  geschleppt  werde,  in  einem 
anderen  wurde  ein  Student  von  einem  Offizier  mit  Hilfe  gerade  vor¬ 
beigehender  Soldaten  verhaftet.  Als  ein  Student  im  Strassenbahn- 
wagen  Platz  nahm,  stellte  ihn  ein  im  Wagen  befindlicher  Offizier  zur 
Rede,  wieso  er  es  wage,  ohne  seine  Erlaubnis  sich  dort  zu  setzen, 
und  verlangte  vom  Studenten,  er  möge  den  inneren  Wagenabteil  so¬ 
fort  verlassen.  Der  Student  erklärte  diese  Forderung  für  ungesetzlich 
und  nannte  seinen  Namen,  damit  der  Offizier  der  akademischen  Be¬ 
hörde  von  dem  Vorfall  Mitteilung  machen  könnte.  —  Ein  mit  einer 
Dame  den  Newsky  Prospekt  passierender  Student  griisst  den  ihm; 
begegnenden  Leutnant.  Dieser  hält  ihn  jedoch  an  mit  den  Worten: 
„Sie  grüssen  nicht  so  wie  es  nötig  ist:  wiederholen  Sie  es  noch-i 
einmal!“  Der  Student  griisste  nochmals.  „Haben  Sie  es  nun  ka¬ 
piert,  wie  man  die  Honneurs  zu  erweisen  hat?“,  fragt  der  Leutnant. 
Der  Student  legte  die  Hand  an  die  Kopfbedeckung  und  entschuldigt 
sich.  Der  Offizier  gibt  sich  aber  noch  nicht  zufrieden  und  verlangt 
die  Vorweisung  der  Legitimationskarte.  Der  Student  überreicht  seine 
Karte  und  ersucht  auch  den  Offizier  um  Nennung  seines  Namens. 
Dieser  verweigert  es.  Der  Student  bittet  nun  den  Offizier,  sich  mit 
ihm  zusammen  in  einer  Droschke  zum  Platzkommandeur  begeben  zu 
wollen.  Der  Oifizier  erklärt,  er  werde  doch  nicht  mit  dem  ersten 
besten  zusammen  fahren,  ruft  einen  Schutzmann  herbei,  überliefert 
ihm  den  Studenten  und  fährt  selbst  davon.  —  Dergleichen  täglich  sich 
häufende  Reibereien  und  Zusammenstösse,  hatten  eine  immer  mehr 
wachsende  gegenseitige  Erbitterung  zwischen  Studenten  und  Offi¬ 
zieren  zur  Folge. 

Unterdessen  reifte  die  nächste  Reform  heran.  Auf  Allerhöchsten 
Befehl  vom  7.  Dezember  1912  wurde  die  militär-medizinische  Aka- 


>  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


889 


iie  dein  Obermilitärsanitätsinspektor  unterstellt  und  dieser  damit 
uftragt,  ein  neues  Statut  der  Akad.mie  aut  den  vom  Kriegsrat 
i  erzeit  genehmigten  Qrundlagen  auszuarbeiten  urm  zur  Bestätigung 
zulegen.  Diese  Massnahme  bedeutete  eine  weitere  Erniedrigung 
Akademie.  Durch  sie  verlor  der  Chef  der  Anstalt  das  Recht, 
littelbar  dem  Kriegsminister  Vortrag  zu  halten,  und  der  Verkehr 
dem  Ministerium  musste  sich  von  nun  an  durch  Vermittelung  des 
itätsinspektors  vollziehen.  Jetzt  reichte  auch  Prof.  Belli- 
ninow  seinen  Abschied  ein  und  bat,  ihn  seines  Amtes  zu  eilt¬ 
en. 

Die  Zusammenstösse  zwischen  Studenten  und  Offizieren  dauerten 
■s  ununterbrochen  fort.  Jeder  Tag  brachte  neue  Zwischenfälle, 
diese  bildeten  eine  ständige  umfangreiche  Publikation  in  der 
;  onik  der  Zeitungen.  Ueber  die  Studierenden,  die  sich  in  Sachen 
Ehrenbezeigungen  Vergehen  zuschulden  kommen  Hessen,  wurden 
Disziplinarwege  Arreststrafen  verhängt,  ln  ganz  kurzer  Zeit 
:  en  bereits  40  Studenten  Freiheitsstrafen  zu  verbiissen.  Die  Stu¬ 
ten  fügten  sich  zuletzt  in  das  Unvermeidliche  und  gaben  zum 
«teil  Teil  ihre  Resistenz  auf.  Sie  schreckten  nicht  so  sehr  vor 
Strafen,  als  vor  den  ihrer  Alma  mater  drohenden  „Reformen“ 
ick  und  wollten  keine  weitere  Veranlassung  für  solche  bieten, 
r  trotz  dieser  Nachgiebigkeit  hörten  die  Rencontres  nicht  auf. 
h  dem  Unbefangenen  drängte  sich  unwillkürlich  der  Gedanke  auf, 
j>  die  Offiziere  systematisch  auf  die  Zöglinge  der  Akademie  Jagd 
lien,  um  sie  irgend  welcher  Vergehungen  gegen  die  Regeln  der 
tärischen  Ehrenbezeigung  zu  überführen.  Wie  dem  auch  sein 
hte,  jedenfalls  hielt  es  der  Obermilitärsanitätsinspektor,  der  neu 
mnte  Vorgesetzte  der  Akademie,  für  angebracht,  den  Weg  der 
armen  wieder  zu  betreten.  Durch  Erlass  vom  24.  Dezember 
<5  verfügte  er  die  Bildung  eines  besonderen  Disziplinarkomitees 
Studentenangelegenheiten.  Das  Disziplinarkomitee,  dem  der 
f  der  Akademie  als  Vorsitzender  und  je  drei  Professoren  und 
«Offiziere  als  Mitglieder  angehören,  hat  zur  Aufgabe,  das  Ver- 
en  der  Studierenden  in  und  ausserhalb  der  Akademie  zu  iiber- 
hen,  das  Gewähren  von  Stipendien  und  sonstigen  Unterstützungen 
diesem  Verhalten  und  von  der  Aufführung  der  betreffenden  Stil¬ 
en  abhängig  zu  machen  und  ihre  Vergehen  zu  ahnden. 

Das  Diziplinarkomitee  begann  mit  unerhörter  Härte  vorzugehen, 
irend  bisher  die  Höchststrafe  für  Verletzung  der  Ehrenbezeigungs- 
.chriften  drei  Tage  Arrest  auf  der  Wache  betragen  hatte,  wurden 
nehr  bedeutend  längere  Freiheitsstrafen  zudiktiert.  Aber  das 
ütee  beschränkte  sich  nicht  darauf,  die  Studenten  für  geraumere 
einzusperren,  sondern  beschloss,  ihnen  ausserdem  auch  die 
pendien  zu  entziehen.  So  wurde  ein  Student  wegen 
Weigerung  der  Honneurs  zu  7  Tagen  Arrest  und  zur  Entziehung 
Stipendiums  für  einen  Monat  verurteilt.  Ein  anderer  Student 
e  eine  noch  empfindlichere  Strafe  zu  erdulden:  20  Tage  Arrest 
Verlust  der  Stipendiengelder  für  2  Monate.  Die  Zahl  der  Ver- 
eten  nahm  immer  mehr  zu,  und  da  auf  der  Wache  der  Kom- 
dantur  kein  Platz  für  alle  da  war,  so  musste  ein  Teil  der  Stu- 
en  die  Strafe  in  der  Peter-Paulsfestung  abbüssen. 

Die  Reformen  nahmen  ihren  Fortgang.  Anfangs  Februar  1913 
de  die  Demission  Prof.  Belliarminows  genehmigt,  und  an 
er  Stelle  der  Bezirkssanitätsinspektor  des  Petersburger  Militär- 
rks  Dr.  Makkawejew  zum  Chef  der  Akademie  ernannt,  ein 
■nter,  der  dem  Professorenkollegium  der  Akademie  nie  angehört 
überhaupt  bis  dahin  mit  dieser  Hochschule  nicht  das  mindeste  zu 
gehabt  hat.  Seit  dem  mehr  als  hundertjährgen  Bestehen  der 
alt  war  dies  der  erste  Fall,  dass  eine  der  Akademie  völlig  fern 
ende  Person  an  ihre  Spitze  berufen  wurde. 

Die  Konflikte  wegen  der  militärischen  Ehrenbezeigung  ver¬ 
raten  sich  immer  mehr.  Die  Offiziere  schienen  sich  die  —  aller- 
s  nicht  zutreffende  —  Auffassung  angeeignet  zu  haben,  der  Erlass 
Kriegsministers  habe  die  Studenten  in  gemeine  Soldaten  ver- 
delt,  die  allen  Befehlen  unweigerlich  Folge  zu  leisten  hätten.  Sie 
hmen  sich  auch  dementsprechend,  erwiderten  nicht  den  Gruss  der 
lenten,  Hessen  sie  in  Haft  nehmen,  fuhren  sie  herrschend  und 
off  an,  erlaubten  sich  sogar  beleidigende  Ausdrücke.  Stets  hatten 
die  Studenten  Strafen  zu  erdulden,  während  die  Offiziere,  die  in 
ikundiger  Weise  ihre  Machtbefugnisse  überschritten,  niemals  zur 
mtwortung  gezogen  wurden. 

Da  ereignete  sich  ein  Vorfall,  der  auf  die  Seelenstimmung  der 
eilten  ein  grelles  Licht  warf.  Der  Student  Morkowin  erwies 
t  die  Honneurs  dem  ihm  auf  der  Strasse  begegnenden  Hauptmann 
amanow.  Dieser  stellte  ihn  in  grober  Manier  zur  Rede, 
brach  der  so  lange  verhaltene  und  mühsam  bekämpfte  Groll 
h,  und  der  Student,  seiner  nicht  mehr  mächtig,  versetzte  dem 
atmann  eine  Ohrfeige.  Der  Offizier  zog  darauf  blank  und 
ete  dem  Studenten  den  Schädel. 

Blutüberströmt  und  bewusstlos  wurde  Morkowin  in  die 
irgische  Klinik  eingeliefert.  Am  nächsten  Tage  erschienen  in  der 
k  zwei  Offiziere,  die  vom  Hauptmann  Salamanow  an  Mor- 
;r>n  eine  Herausforderung  zum  Zweikampf  iiberbrachteii.  Die 
indanten  wurden  vom  Direktor  der  chirurgischen  Klinik  Prof, 
dorow  empfangen,  der  ihnen  kategorisch  erklärte,  er  könne 
'cm  Schwerverletzten,  dem  soeben  drei  grosse  Knochensplitter 
den  Schädelknochen  entfernt  worden  seien,  niemanden  den  Zu¬ 
gestatten,  auch  sei  es  unmöglich,  einen  Totkranken  zum  Duell 
uszufordern.  Die  Offiziere  entfernten  sich. 


Der  blutige  Vorfall  rief  unter  den  Studenten  der  Akademie  die 
heftigste  Erregung  hervor.  Sie  veranstalteten  wiederum  ohne  Ge¬ 
nehmigung  der  Obrigkeit  eine  allgemeine  Versammlung,  auf  welcher 
folgende  Resolution  einmütig  gefasst  wurde:  1.  die  Studentenschaft 
drückt  nochmals  ihren  Protest  gegen  die  Handhabung  des  Erlasses 
betr.  die  militärischen  Ehrenbezeigungen  aus;  2.  sie  protestiert  ferner 
gegen  das  Vorgehen  der  Militärsanitätsverwaltung,  die  au  die  Spitze 
der  Akademie  einen  Beamten  ohne  wissenschaftliche  Oualifikation 
berufen  hat;  3.  sie  beschliesst,  den  Kommilitonen,  die  Repressalien 
zu  erdulden  haben,  aus  freiwilligen  Beiträgen  materielle  Unter¬ 
stützung  zu  gewähren;  4.  sie  ersucht  um  Abänderung  des  Erlasses 
betr.  der  Ehrenbezeigungen;  5.  angesichts  der  Herausforderung  des 
Studenten  Morkowin  durch  den  Hauptmann  Salamanow  zum 
Zweikampf  betont  die  Studentenschaft  auf  das  entschiedenste  ihr  ab¬ 
lehnendes  Verhalten  zum  Duell,  das  der  ärztlichen  Ethik  wie  dem 
gesunden  Menschenverstand  widerspricht.  Ferner  beschloss  die  Ver¬ 
sammlung  dem  Kommilitonen  Morkowin  anlässlich  des  traurigen 
Zwischenfalles  ihr  Beileid  auszudrücken,  sodann  an  die  Reichsduma 
zu  appellieren,  um  die  Aufmerksamkeit  der  Volksvertreter  auf  die 
durch  die  letzten  Reformen  und  Vorgänge  in  der  militärmedizinischen 
Akademie  geschaffene  Lage  zu  lenken,  und  akzeptierte  endlich  den 
Beschluss,  zum  Zeichen  des  Protestes  für  den  4.  März  den  Besuch 
der  Vorlesungen  und  Kliniken  einzustellen. 

Die  Ereignisse  in  der  Akademie  fanden  einen  Widerhall  in  den 
übrigen  Hochschulen  Russlands.  An  den  meisten  höheren  Lehr¬ 
anstalten  fanden  Studentenversammlungen  statt,  die  einen  eintägigen 
Proteststreik  proklamierten  und  durchführten  und  an  die  Kameraden 
an  der  Akademie  Sympathiekundgebungen  übersandten. 

Der  eintägige  Proteststreik  an  der  militärmedizinischen  Aka¬ 
demie  verlief  den  4.  März  vollkommen  friedlich,  ohne  jeden  Zwischen¬ 
fall.  Am  5.  März  füllten  sich  die  Hörsäle,  Institute  und  Kliniken 
wieder,  und  der  Unterricht  nahm  überall  seinen  normalen  Fortgang. 
Um  Zusammenstösse  mit  den  Offizieren  wegen  der  Honneurs  zu  ver¬ 
meiden,  übten  zahlreiche  Studierende  die  Vorsicht,  die  Strassen  nicht 
in  Uniform,  sondern  in  Zivilkleidern  zu  betreten. 

Doch  nichts  half.  Das  Verhänignis  nahte  unaufhaltsam  raschen 
Schrittes.  Am  7.  März  passierte  in  später  Nacht  der  Student  der 
Akademie  Piroljanz  den  Liteiny-Prospekt.  Drei  Junker  der 
militärpyrotechnischen  Schule,  die  ihn  erblickten,  begannen  ihn  zu 
verfolgen  und  auf  alle  mögliche  Weise  sich  über  ihn  lustig  zu  machen. 
Sie  richteten  an  die  Adresse  des  Studenten  allerlei  beleidigende 
Scherze,  foppten  ihn  mit  der  Erniedrigung  der  Akademie  und  ihrer 
Zöglinge,  gingen  schliesslich  zu  Beschimpfungen  über.  Piroljanz, 
der  dies  eine  Weile  geduldig  angehört  hatte,  bat  die  Junker,  ihn 
doch  ruhig  seines  Weges  gehen  zu  lassen.  Die  Junker  belästigten 
ihn  jedoch  in  der  gröblichsten  Weise  weiter,  es  kam  zu  einem  hef¬ 
tigen  Wortwechsel,  die  drei  Junker  stürzten  sich  auf  den  Studenten, 
schlugen  ihn  zu  Boden,  begannen  ihn  unbarmherzig  zu  prügeln,  wobei 
einer  von  den  Junkern  den  Säbel  zog  und  auf  den  am  Boden  wehrlos 
Liegenden  loshieb.  Fast  verblutet  wurde  der  Student  von  Passanten 
den  Junkern  entrissen  und  ins  Krankenhaus  gebracht,  wo  sein  Zu¬ 
stand  als  lebensgefährlich  befunden  wurde. 

Am  9.  März  rief  die  Studentenschaft  der  Akademie  nun  zum 
3.  Male  eine  allgemeine  Versammlung  ein.  In  Anbetracht  der  letzten 
Vorgänge  und  des  Umstandes,  dass  die  Studenten  zum  Gespött  sogar 
in  den  Augen  der  Junker  werden,  beschloss  die  Studentenschaft  die 
militärischen  Abzeichen,  Kokarden  und  Epauletten,  abzulegen  und  so 
lange  zu  streiken,  bis  die  Vorschriften  über  die  Ehrenbezeigungen 
abgeändert  oder  aufgehoben  würden. 

Am  Abend  desselben  Tages  beorderten  die  Professoren  der  Aka¬ 
demie  an  den  neuernannten  Chef  der  Anstalt  Dr.  Makkawejew 
den  wissenschaftlichen  Sekretär  (Prosektor)  der  Akademie  Prof, 
lljin  mit  der  Bitte,  auf  den  11.  März  eine  ausserordentliche  Sitzung 
des  Professorenkollegiums  einberufen  zu  wollen,  um  die  Frage  zu 
beraten,  inwiefern  die  Professoren  dem  Chef  bei  der  Beschwichtigung 
der  Wirren,  sowie  bei  der  Regelung  der  Verhältnisse  ihre  Mit¬ 
wirkung  erweisen  und  ihm  nützlich  sein  könnten.  Die  Bitte  wurde 
abschlägig  beschieden. 

Am  12.  März  wurde  auf  Befehl  des  Kriegs¬ 
ministers  die  militär  medizinische  Akademie  für 
unbestimmte  Zeit  geschlossen  und  sämtliche 
Studierende  relegiert. 

Als  mehrere  Tage  später  die  Veröffentlichung  des  neue  n, 
soeben  Allerhöchst  bestätigten  Statuts  der  Akademie  erfolgte, 
durch  welches  die  militärmedizinische  Akademie,  diese  beste  medi¬ 
zinische  Fakultät  Russlands,  endgültig  militarisiert,  degra¬ 
diert  und  der  letzten  Reste  von  Autonomie  be¬ 
raubt  wurde,  da  versammelten  sich  vor  der  Akademie  ihre  ehe¬ 
maligen  Zöglinge,  nahmen  von  einander  Abschied,  entblössten  ihre 
Häupter  und  sangen  ein  Requiem  ihrer  heissgeliebten,  meuchlings 
dahingemordeten  Alma  mater.  Viele  Studenten  weinten.  Die  an¬ 
wesenden  Mititärärzte,  Zöglinge  derselben  Alma  mater,  konnten  sich 
ebenfalls  der  Tränen  nicht  enthalten.  Vorübergehende  Passanten 
nahmen  ihre  Hüte  ab.  Traurig  verhallten  die  Klänge  des  Requiem. 
Sodann  zerstreute  sich  die  Menge. 

Dr.  A.  D  w  o  r  e  t  z  k  y. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26.-29.  März  1913. 

(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  Katzenstei ».) 

III. 

2.  Hanpttlicma:  Ulcus  duodeni. 

RefereVit:  Herr  K  ii  1 1  n  e  r  -  Breslau. 

Auf  Grund  seiner  eigenen  Erfahrungen  sowie  einer  Rundfrage 
an  SU  Chirurgen,  die  S00  Fälle  ergibt,  bespricht  Ref.  die  wichtigsten 
Tragen  zur  Pathologie  und  Therapie  des  Ulcus  duodeni.  Die  schein¬ 
baren  Widersprüche  zwischen  den  deutschen  und  anglo-amerikani- 
schen  Zahlen  lösen  sich  bei  gebührender  Berücksichtigung  der  Ver¬ 
hältnisse  (dort  Zusammenströmen  der  Fälle  in  wenige  Hände,  hier 
Operation  nur  in  vorgeschrittenen  Stadien)  restlos  auf.  Die  Vor¬ 
bedingungen  der  Entstehung  eines  akuten  Ulcus  duodeni:  Laparotomie, 
Appendizitis,  septische  Infektion  usw.,  zu  denen  nach  den  Erfahrungen 
in  seiner  Klinik  auch  die  Amputationen  hinzukommen,  gelten  zum  Teil 
auch  für  das  chronische  Ulcus,  wiewohl  hier  verschiedene  Bedenken 
stattfinden.  Von  der  Symptomatologie  wird  seit  Moynihan  die 
Anamnese  in  den  Vordergrund  gerückt.  Der  Hungerschmerz,  gleich¬ 
bedeutend  mit  dem  Spätschmerz  und  dem  Nachtschmerz  und  die 
Periodizität.  Die  Schmerzen  beruhen  auf  Pylorospasmus  und  sind  in 
ihrer  Eigenart  nicht  streng  pathognomonisch.  Ulcus  ventriculi  und 
Karzinome  können  sie  auch  bewirken. 

Konstanter  ist  die  Periodizität  als  Ausdruck  von  Heilungsvor¬ 
gängen  und  Rezidiven  —  daher  auch  das  Fehlen  okkulter  Blutungen 
im  Intervall. 

An  objektiven  Symptomen  ist  in  letzter  Zeit  einiges  ermittelt 
worden.  Die  Hyperchlorhydrie  ist  nicht  konstant,  auch  nicht  über¬ 
wiegend  häufig.  Achlorhydrie  kommt  vor.  Wichtige^  ist  die  Hyper¬ 
sekretion,  auch  im  nüchternen  Magen.  Die  Motilität  zeigt  inter¬ 
mittierende  Insuffizienzen,  transitorische  12  Stunden-Retention 
(Kamp).  Okkultes  Blut  kann  selbst  im  floriden  Stadium  fehlen. 
Der  spontane  Schmerz  wird  ins  Epigastrium,  meistens  wenig  rechts 
von  der  Mittellinie  verlegt.  Der  Druckschmerz  sitzt  an  gleicher 
Stelle,  noch  häufiger  ist  die  Empfindlichkeit  diffus.  Sichtbar  und  tast¬ 
bar  sind  nach  der  Laparotomie  nur  die  Geschwüre  der  Vorderwand, 
daher  ist  die  Eröffnung  des  Duodenums  für  den  tastenden  Finger 
notwendig  (W  i  1  m  s).  Komplikationen  sind  sehr  häufig,  so  dass 
Simmonds  z.  B.  das  Ulcus  duodeni  in  70  Proz.  als  Todesursache 
(Blutung,  Perforation)  findet,  das  Ulcus  ventriculi  dagegen  meistens 
als  Nebenbefund.  Als  Grenze  zwischen  Magen  und  Duodenum  ist 
(zwar  nicht  für  wissenschaftliche,  aber  für  praktische  Zwecke)  die 
Mayo  sehe  Vene  ausreichend.  Die  Unterscheidung  des  Ulcus  pylori 
vom  Ulcus  duodeni  ist  wegen  der  Verschiedenheit  der  Prognose  von 
Wichtigkeit. 

Die  Heilungstendenz  ist  gering,  vernarbte  Ulcera  duodeni  sind 
sehr  selten.  Die  Behandlung  muss,  so  lange  die  Erfolge  der  inneren 
I  herapie  unsicher  bleiben,  eine  chirurgische  sein,  und  zwar  seltener 
eine  direkte,  da  die  Resektion  nur  bei  Geschwüren  der  Vorderwand 
möglich  ist,  dort  gefährlich  ist  und  selbst  da  gegen  Rezidiv  nicht 
schützt,  als  eine  indirekte.  Von  den  indirekten  Methoden  bewirkt  die 
Gastroenterostomie  beim.  Fehlen  der  Stenosen  keine  ausreichende 
Ausschaltung.  Daher  ist  sie  durch  künstliche  Stenosierung  zu  er¬ 
gänzen.  Die  Uebernähung  des  Geschwürs  nebst  Raffung  von  Moy¬ 
nihan  befriedigt  nicht  allgemein  und  zeigt  sich  im  Experiment  unzu¬ 
länglich.  Aehnliches  gilt  von  der  Fadenumschnürung.  Auch  die  von 
I  appeiner  experimentell  geprüfte  W  i  1  m  s  sehe  Faszienstreifen¬ 
schnürung  scheint  nicht  ganz  sicher.  Ideal  ist  die  Durchtrennung 
des  Pylorus  nach  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g,  doch  gibt  sie  eine  Erhöhung  der 
Operationsmortalität  um  10  Proz.  der  Operierten  und  schützt  nicht 
gegen  Nachblutung.  Sie  ist  daher  nur  da  auszuführen,  wo  sie  tech¬ 
nisch  einfach  ist.  In  allen  Fällen  ist  eine  systematische  Nachbehand¬ 
lung  notwendig.  Von  den  Komplikationen  erfordert  die  Perforation 
eine  Frühbehandlung.  Schon  nach  48  Stunden  ist  die  Operation  aus¬ 
sichtslos.  Die  Gastroenterostomie  ist  je  nach  den  Umständen  primär 
oder  sekundär  anzuschliessen.  Die  Behandlung  der  Blutung  erfolgt 
nach  denselben  Prinzipien  wie  beim  Magengeschwür;  nur  mittel¬ 
schwere  oder  rezidivierende  leichte  Fälle  sind  zur  Operation  ge¬ 
eignet.  Die  Exzision  des  Ulcus  verbietet  sich  meistens  durch  dessen 
Sitz  an  der  Hinterwand. 

Herr  van  den  Velden  -  Düsseldorf :  Pharmakotherapeutisches 
zur  Behandlung  des  Magen-Duodenalgeschwürs. 

Durch  intravenöse  Injektion  von  5  ccm  einer  5 — 10  proz.  Koch¬ 
salzlösung  kann  man  prompt  eine  Beschleunigung  der  Blutgerinnung 
und  häufig  eine  Sistierung  von  Blutungen  erreichen.  Die  Injektion  von 
Gelatine  oder  artfremdem  Eiweiss  vermehrt  den  Fibrogengehalt  des 
Blutes  auf  mehrere  Tage  und  ist  als  Vorbereitung  zum  Eingriff  emp¬ 
fehlenswert.  Die  Opiate  stellen  den  Magen  nicht  ruhig,  sondern  ver¬ 
mehren  seinen  1  onus  und  führen  bei  erkranktem  Magen  direkt 
Schmerzen  herbei.  Will  man  sie  unter  diesen  Umständen  anwenden, 
so  muss  man  den  Vagotonus  durch  Atropinisierung  ausschalten. 

Herr  G.  v.  Bergmann  -  Altona:  Ulcus  duodeni  und  vegetatives 
Nervensystem. 

v.  Bergman  n  betont  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Referen¬ 
ten,  dass  die  Seltenheit  der  Diagnose  Ulcus  duodeni  in  Deutschland 


kaum  auf  geographische  Verhältnisse  zu  beziehen  ist.  Er  sah  ii 
'V\  Jahren  in  Altona  30  durch  Operation  oder  Melaena  sichergestelltt 
Fälle,  im  ganzen  musste  40  mal  die  Diagnose  gestellt  werden.  Dit 
meisten,  früher  nicht  diagnostizierten  Fälle  sind  als  Allgemeinneurost;] 
oder  Organneurosen  aufgefasst  worden.  Untersucht  man  die  Kran 
ken  mit  Ulcus  duodeni  genau,  so  findet  sich  in  der  Tat  auffallend  häu 
fig  eine  ganze  Reihe  neurotischer  Zeichen.  Nebenher  wird  die  dia 
gnostische  Bedeutung  des  duodenalen  Druckpunktes  und  der  Unter 
Scheidung  von  Schmerz  bei  Magenentleerung  (2 — 5  Stunden  pos 
coenam)  und  Hungerschmerz  (z.  B.  nächtlicher)  betont,  beides  ineis 
Pylorospasmus. 

Es  werden  an  der  Hand  von  25  Röntgenbildern  erwiesener  Ulcer; 
duodeni  die  charakteristischen,  wenn  auch  nicht  pathognomonisch  ent 
scheidenden  Befunde  demonstriert.  An  v.  B.s  Abteilung  haben  West 
P  h  a  1  und  Katsch  eine  Gliederung  der  Ulcera  duodeni  derart  vor 
genommen,  dass  zwei  Extreme,  die  „hyperperistaltischen“  und  die 
„maximalsekretorischen  Ulcera“,  zu  unterscheiden  wären.  Nebei 
diesen  reinen  Formen,  Mischformen  beider  Typen.  Der  „maximal 
sekretorische“  Typ  kann  absolut  unter  dem  Bilde  der  Gastrosukor 
rhöe  (R  e  i  c  h  m  a  n  n  sehe  Krankheit)  verlaufen,  also  unter  dem  Bild; 
einer  klassischen  sekretorischen  Magenneurose. 

Nicht  nur  am  Magen  finden  sich  aber  die  Zeichen  gestörter  Motili¬ 
tät  und  Sekretion  in  allen  nur  möglichen  Kombinationen,  sondern 
auch  sonst  im  viszeralen  Nervensystem  vor.  Von  30  in  diesem  Sinnt! 
genau  untersuchten  Fällen  werden  die  Befunde  tabellarisch  demon¬ 
striert,  um  die  Häufigkeit  der  sog.  „Stigmata  des  vegetativen  Nerven¬ 
systems“  zu  beweisen.  Dabei  ist  zu  betonen,  dass  sowohl  Zeicher 
geänderter  Sympathikuseinstellung  (z.  B.  Glanzauge,  weite  Pupille 
als  auch  solche,  die  auf  den  Vagus  bezogen  werden  (z.  B.  Hypersekre 
tion,  Bradykardie  usw.),  beim  selben  Kranken  vorhanden  sind,  in  bun 
ter  Mischung.  Es  ist  keine  Rede  von  isolierten  Vagus-  und  Sym¬ 
pathikuserkrankungen.  Der  Vortragende  will  es  ausdrücklich  ver 
meiden,  für  die  Tatsache,  dass  Neurosen  mit  dem  Ulcus  pepficuir: 
(es  gilt  ganz  das  Gleiche  für  das  Ulcus  ventriculi)  so  häufig  zusammen 
Vorkommen,  den  Kausalnexus  hier  zu  erörtern.  Nach  seiner  Hypo¬ 
these  ist  die  Neurose  oft  das  Primäre,  die  anatomische  Erkrankung 
(das  Ulcus)  das  Sekundäre.  Jedenfalls  ist  es  aber  an  der  Zeit,  siet 
klar  zu  machen,  dass  der  andere  Kausalnexus,  der  anscheinend  willi¬ 
ger  angenommen  wird,  ebenfalls  blosse  Hypothese  ist  Es  muss  ersl 
ein  Verständnis  dafür  angebahnt  werden,  wie  es  möglich  ist,  dass  eir 
linsengrosses  Ulcus  am  Duodenum  beispielsweise  Pylorospasmus  mii 
kolossalsten  Schmerzen  und  Saftsekretionen  von  einem  halben  Lite' 
und  mehr  erzeugt,  ausserdem  noch  auch  ausserhalb  der  Schmerzen 
etwa  vermehrte  Schweisssekretion,  Blähhals  oder  ein  Glanzauge,  uir. 
ganz  beliebige  Beispiele  zu  nennen. 

Der  Kausalnexus  ist  in  beiden  Fällen  heute  noch  hypothetisch 
Die  häufige  Koinzidenz  aber  von  Symptomen,  die 
zum  vegetativen  Nervensystem  Beziehung  haben 
und  von  Ulcus  duodeni  ist  auf  Grund  des  vorgeleg 
teil  Belegmaterials  Tatsache. 

Herr  Gundermann  bespricht  kurz  die  Experimente  Fried 
r  i  c  h  s  und  Engelhardts  über  Erzeugung  von  Magengeschwürei 
durch  Netzgefässunterbindung,  sodann  die  Versuche  Payrs,  der 
durch  Injektion  ätzender  Flüssigkeiten  in  die  Magengefässe  Ge¬ 
schwürsbildungen  hervorgerufen  hat.  G.  konstatiert  dabei,  dass  diese 
Autoren  bei  ihren  Versuchstieren  auch  Leberveränderungen  be¬ 
obachteten. 

Die  Beziehungen  der  Leber  zur  Gerinnbarkeit  des  Blutes  in- 
Verein  mit  den  experimentellen  Ergebnissen  vorgenannter  Autorer 
brachten  ihn  auf  den  Gedanken,  den  Versuch  zu  machen,  durch  par¬ 
tielle  Pfortaderausschaltung  Magen-  resp.  Darmgeschwüre  zu  er¬ 
zeugen.  Durch  Unterbindung  des  linken  Pfortaderhauptastes  erhieli 
er  bei  Kaninchen  ausnahmslos  zahlreiche,  akute  Magengeschwüre,  ir 
einzelnen  Fällen  auch  Duodenalgeschwüre.  Die  meisten  Tiere  starber 
in  den  ersten  48  Stunden.  An  den  überlebenden  Versuchstieren,  die 
in  verschiedenen  Zeitintervallen  nach  der  Operation  getötet  wurden 
war  eine  starke  Tendenz  zur  Geschwürsheilung  erkennbar.  Immerim 
fand  Gundermann  nach  22  Tagen  noch  ein  nicht  vernarbtes  und 
wie  die  Gewebsneubildung  bewies,  chronisches  Geschwür  an  det 
kleinen  Kurvatur. 

Die  vom  Pfortaderkreislauf  abgeschnittenen  Leberlappen  zeigtet, 
das  Bild  einfacher  Atrophie,  keine  Nekrose.  Der  normal  versorgt- 
Leberrest  zeigte  rasche  kompensatorische  Hypertrophie. 

G.  bespricht  dann  die  verschiedenen  in  Betracht  kommender* 
Möglichkeiten  der  Geschwürsbildung  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass 
allein  in  dem  des  Pfortaderblutes  beraubten  Leberteile  die  Quelle  det 
Veränderung  in  der  Magen-  und  Darmwand  zu  suchen  sei.  Nach 
seiner  Ansicht  handelt  es  sich  um  toxisch  wirkende  Stoffe,  die  in  det 
normalen  Leberzelle  bereits  vorgebildet  sind,  die  von  der  normal  funk¬ 
tionierenden  Zelle  aber  zurückgehalten  bzw.  weiterverarbeitet  wer¬ 
den.  Aus  dem  Umstande,  dass  er  durch  Injektion  von  Leberextrakl 
gleichfalls  Magengeschwüre  und  Darmblutungen  erzeugen  konnte,  fol¬ 
gert  G.,  dass  von  der  toten  Leberzelle  ähnliche  Substanzen  abgegeber 
werden,  wie  von  der  das  Pfortaderblut  enbehrenden. 

Nach  Anführung  mehrerer  Beispiele  aus  der  menschlichen  Patho¬ 
logie,  die  seine  Ansicht  über  den  Zusammenhang  von  Leberschädigum 
und  Magen-  und  Darmgeschwüren  stützen  sollen,  bespricht  G-  noch 
einen  Fall,  in  welchem  es  ihm  gelungen  ist,  auch  beim  Hunde  durch 
partielle  Pfortaderausschaltung  mehrere  Duodenalgeschwüre  zu  er¬ 
zeugen. 


12.  April  1913.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Infolge  der  Analogie  zwischen  Mensch  und  Tier  hält  G.  es  für 
Wahrscheinlich,  dass  auch  das  menschliche  Ulcus  ventriculi  et  duodeni 
eine  Ursache  hat  in  einer  Dysfunktion  der  Leber. 

Herr  Haudek  -  Wien  führt  folgende  Röntgenbefunde  hei  Ulcus 

uodeni  an: 

1.  Die  Duodenalstenose,  die  als  Folgeerscheinung  — 
iarbe  —  oder  als  Begleiterscheinung  —  Spasmus  —  eines  Geschwürs 
uftreten  kann.  Stenosen  werden  zumeist  im  unteren  Anteile  des 
luodenums  gefunden. 

2.  Persistierende  Schatten  im  oberen  Duo- 
enum.  Ein  grosser  persistierender  Schatten  im  oberen  Duodenum 
ann  durch  eine  Stenose,  durch  Taschenbildung  infolge  eines  Ulcus, 
owie  bei  abnorm  starker  Knickung  des  Duodenums  durch  Entziin- 
ung  Vorkommen,  doch  ist  seine  Unterscheidung  von  der  normalen 
Sulbusfüllung  schwierig.  Die  Pars  superior  kann  nämlich  auch,  ohne 
ass  eine  pathologische  Veränderung  vorliegt,  gegen  die  Pars  descen- 
ens  stark  abgeknickt  sein,  sie  verläuft  bei  tiefstehendem  Pylorus 
icht  horizontal,  sondern  steil  aufsteigend,  dann  ist  die  Pars  superior 
it  stark  entfaltet  und  lange  Zeit  gefüllt. 

3.  D  i  e  Ni  s  c  h  e  ist  ein  gewöhnlich  sehr  kleiner  Wismutschatten 
usserhalb  der  normalen  Duodenalfüllung,  der  den  Krater  eines  tief¬ 
reifenden  Geschwürs  ausfüllt. 

4.  Ein  umschriebener  Druckpunkt,  der  sich  genau 
uf  das  Duodenum,  gewöhnlich  auf  die  Pars  superior  projiziert. 

5.  Abnorm  schnelles  Uebertreten  von  Magen- 
ii  halt  in  das  Duodenum,  das  namentlich  unmittelbar  nach 
«ahrungsaufnahme  deutlich  ist  und  dem  Bilde  einer  Pylorusinsuf- 
zienz  gleicht.  Die  Entleerungszeit  ist  häufig  verkürzt;  manchmal 
ommt  es  zu  einer  Verzögerung  der  Austreibung  der  letzten  Por- 
onen  und  Rückständen  nach  6  Stunden.  Beträchtliche  Retention 
nd  Dilatation  des  Magens  wird  nie  beobachtet. 

6.  Die  Magenperistaltik  ist  zumeist  sehr  tief, 
er  Tonus  häufig  verstärkt. 

7.  Pylorusfixation.  Der  Magen  liegt  gelegentlich  auf- 
allend  schräg,  die  passive  Verschieblichkeit  der  Pars  pylorica  ist 
ermindert  oder  aufgehoben,  doch  kann  auch  Perigastritis  oder  Peri- 
holezystitis  den  gleichen  Befund  hervorrufen. 

8.  Die  Röntgenbefunde,  die  bei  Magengeschwü¬ 
ren  Vorkommen,  fehle  n.  Die  Resultate  der  Röntgenunter- 
uchung  können  folgendermassen  verwertet  werden: 

a)  Positive  Befunde  können  die  Diagnose  unterstützen,  gelegent- 
ch  auch  sichern;  doch  ist  die  Verlässlichkeit  und  Eindeutigkeit  der 
’öntgenbefunde  bei  Ulcus  duodeni  keine  so  grosse  wie  die  der  posi- 
ven  Befunde  des  Magengeschwürs. 

b)  Ein  normaler  Röntgenbefund  des  Magens  und  Duodenums 
estattet  niemals,  Ulcus  duodeni  auszuschliessen.  Ist  nach  dem  klini- 
chen  Befunde,  z.  B.  Magenblutungen,  Ulcusbeschwerden,  Hyper- 
zidität  ein  flaches  Ulcus  anzunehmen,  so  spricht  ein  normaler 
'öntgenbefund,  insbesondere  das  Fehlen  von  Retention  im  Magen 
afiir,  dass  das  vermutete  Ulcus  eher  im  Duodenum  sitzt  als  im 
lagen. 

c)  bei  normaler  oder  beschleunigter  Magenentleerung  erscheint  die 
losse  Ausführung  der  Gastroenterostomie  zu  widerraten,  selbst  wenn 
as  Ulcus  bei  der  Operation  am  Pylorus  gefunden  wird,  ohne  dass 
er  Magen  dilatiert  ist,  da  die  radiologische  Erfahrung  in  Ueberein- 
timmung  mit  der  klinischen  lehrt,  dass  in  solchen  Fällen  die  Speisen 
ach  der  Gastroenterostomie  zum  grössten  Teile  den  Magen  durch 
en  alten  Ausgang  verlassen.  Für  solche  Fälle  empfiehlt  sich  die 
inzuriigung  der  Ausschaltung  oder  Verengerung  des  Pylorus. 

Herr  R  i  c  h  t  e  r  -  Berlin  betont  die  Wichtigkeit  von  Adhäsionen 
nd  eventuell  durch  diese  herbeigeführten  Spasmen.  Erstere  sollen 
urch  Dickdarmbakterien  bewirkt  werden.  Das  Nervensystem  ist 
on  wesentlichem  Einfluss,  wie  er  an  einem  Falle  erläutert,  in  wei¬ 
tem  bei  gleichbleibendem  anatomischen  Befund  Symptome  auftraten, 
ach  Probelaparotomie  auf  viele  Jahre  verschwanden  und  nach 
ingerer  Pause  wiederkehrten. 

Herr  v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck  bespricht  an  der  Hand  von  drei 
iit  gutem  Erfolge  operierten  Fällen  von  Ulcus  pepticuni  jejuni  nach 
astroenterostomie  diese  postoperative  Spätkomplikation  der  Gastro- 
nterostomie.  Sie  ist  häufiger,  als  man  annehmen  möchte.  Wenn  es 
iele  Chirurgen  gibt,  welche  diese  Komplikation  am  eigenen  Material 
ie  gesehen  haben,  so  beweist  das  nicht,  dass  sie  nicht  doch  auch 
leera  peptica  jejuni  nach  ihren  Gastroenterostomien  hatten.  Viele 
ieser  Patienten  gehen  nämlich  nicht  mehr  zu  dem  Chirurgen  zurück, 
er  bei  ihnen  die  Gastroenterostomie  ausgeführt  hat,  sondern  wenden 
ch  einem  zweiten  Chirurgen  zu,  weil  sie  durch  die  Operation  des 
sten  nicht  die  gesuchte  Hilfe  fanden.  So  hatte  v.  Habe  rer  im 
anzen  5  mal  Gelegenheit,  bei  Ulcus  pepticurn  postoperativum  zu 
itervenieren,  während  nur  2  Fälle  auch  primär  von  ihm  operiert 
aren.  Man  muss  zwischen  dem  Ulcus  am  Gastroenterostomiering 
nd  dem  Ulcus  pepticurn  jejuni  unterscheiden,  da  manche  Erklärung 
!r  das  erstere  (Nekrosen  im  Bereiche  der  Schleimhautnaht,  kleine 
ahtabszesse  im  Schleimhautring  usw.),  für  das  Ulcus  pepticurn  je- 
mi  nicht  ausreicht.  Zudem  werden  manche  sekundäre  Verände- 
mgen  des  Gastroenterostomieringes  ganz  fälschlich  einem  Ulcus 
■ptlcum  ieiuni  in  die  Schuhe  geschoben.  Hierher  gehören  viele  von 
-ui  sekundären  Veränderungen  des  Gastroenterostomieringes,  wie  sie 
R.  nach  Knopfanastomosen  oder  nach  Anastomosen  mit  Naht  auf- 
eten.  wobei  die  Anastomose  im  Verhältnis  zur  Wandhypertrophie 
es  Magens  von  vornherein  zu  klein  angelegt  war.  v.  Haberer 


hat  im  letzten  Jahre  3  solcher  Fälle  zu  operieren  Gelegenheit  gehabt, 
in  denen  es  sich  um  einfache  Verengerungen  von  Gastroenterostomic- 
fisteln  handelte,  und  bei  denen  jede  Spur  von  irgendwelchen  frischeren 
oder  älteren  Entzündungserscheinungen  fehlte.  Bedenkt  man  nun  die 
allgemein  anerkannte  Hartnäckigkeit  und  Torpidität  des  Ulcus  pepti- 
cum  postoperativum,  so  ist  man  angesichts  vollständig  negativer 
Befunde  am  Gastroenterostomiering  wohl  nicht  berechtigt,  von  einem 
abgelaufenen  Ulcus  pepticurn  zu  sprechen.  Diese  Fälle  gehören  viel¬ 
mehr  in  die  Fragen  der  Technik,  womit  natürlich  nicht  gesagt  sein 
soll,  dass  ein  Ulcus  pepticurn  nicht  auch  zur  Verengerung  der  Gastro¬ 
enterostomie  führen  kann.  Aber  man  wird  dann,  wenn  schon  nicht 
mehr  das  frische  Ulcus,  so  doch  die  Residuen  eines  Ulcus  am  heraus¬ 
geschnittenen  Anastomosenring  finden.  Ueber  die  letzte  Ursache  des 
Ulcus  pepticurn  jejuni  wissen  wir  nichts  Sicheres,  sondern  sind  dies¬ 
bezüglich  mehr  oder  minder  auf  Hypothesen  angewiesen.  Sicher  ist 
bloss,  dass  der  Hyperazidität  des  Magensaftes  dabei  eine  ausschlag¬ 
gebende  Bedeutung  zukommt. 

Die  3  von  v.  Haberer  operierten  Fälle  von  Ulcus  pepticurn 
jejuni  betrafen  Männer  von  29,  30  und  36  Jahren,  welche  laut  Ana¬ 
mnese  (alle  3)  jahrelang  an  typischen,  und  zwar  schweren  Symptomen 
von  Magenulcus  litten,  ehe  sie  in  chirurgische  Behandlung  kamen. 
In  allen  3  Fällen  wurde  bei  der  Operation  ein  Ulcus  am  Pylorus  ge¬ 
funden  und  deshalb  die  Gastroenterostomie  ausgeführt,  die  Operation 
war  in  allen  3  Fällen  von  anderen  Operateuren  ausgeführt  worden, 
doch  konnte  ermittelt  werden,  dass  jedesmal  eine  Gastroenterostomia 
retrocolica  posterior  mit  kürzester  Schlinge  angelegt  worden  war. 
Nur  ein  Patient  fühlte  sich  zunächst  wohl,  bekam  aber  nach  %  Jahren 
wieder  starke  Magenbeschwerden.  Die  beiden  übrigen  Patienten 
waren  trotz  der  Gastroenterostomie  nicht  beschwerdefrei  geworden, 
sondern  blieben  ungebessert.  Der  eine  von  ihnen  kam  nach  einem 
Jahre  wegen  zunehmender  Beschwerden  zu  v.  Haberer.  Die 
Diagnose  konnte  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  Ulcus  pepticurn 
jejuni  gestellt  werden.  Bei  der  Laparotomie  fand  sich  bei  vollständig 
zartem  Gastro°nterostomiering  ein  Ulcus  pepticurn  jejuni  genau  gegen¬ 
über  der  Gastroenterostomie.  Das  Ulcus  war  im  Begriffe  zu  per¬ 
forieren,  so  dass  nur  seine  Resektion  in  Frage  kommen  konnte.  Diese 
war  durch  die  Gastroenterostomie  mit  kurzer  Schlinge  sehr  kompli¬ 
ziert,  weil  dadurch  die  Resektion  bis  hart  an  die  Duodenojejunal- 
grenze  heranging,  was  die  folgende  Versorgung  dieses  Darmteiles 
recht  sehr  erschwerte.  Dazu  kam  noch  die  weithinreichende  Infil¬ 
tration  im  Mesenterium,  welche,  durch  das  Ulcus  hervorgerufen, 
die  anatomische  Orientierung  beeinträchtigte.  Die  Resektion  musste 
wegen  der  weitreichenden  entzündlichen  Infiltration  den  ganzen 
pylorischen  Magenabschnitt  inklusive  Gastroenterostomiefistel  und 
die  zur  Gastroenterostomie  verwendete  erste  Jejunumschlinge  um¬ 
fassen.  Dabei  konnte  nun  allerdings  auch  das  alte  Pylorusgeschwiir 
entfernt  werden.  Die  Versorgung  wurde  in  der  Weise  ausgeführt, 
dass  kardialer  Magenbürzel  und  Duodenum  blind  vernäht  wurden, 
während  von  den  beiden  Darmlumina  das  unmittelbar  dem  Duodenum 
benachbarte  End-zu-Seit  in  das  Jejunum,  das  Lumen  des  Jejunums 
End-zu-Seit  in  den  Magen  zwecks  Herstellung  einer  neuen  Gastro¬ 
enterostomie  eingepflanzt  wurde,  so  dass  jetzt  eine  Gastroentero¬ 
stomie  nach  der  Y-Methode  resultierte.  Glatte  Heilung,  Patient  seit¬ 
her  3  Monate  vollständig  beschwerdefrei. 

Der  zweite  Patient,  30  Jahre  alt,  war  wegen  Ulcus  pylori  gastro- 
enterostomiert  worden,  und  nachher  3A  Jahre  beschwerdefrei  ge¬ 
wesen.  Dann  wieder  starke  Beschwerden.  Diagnose:  Ulcus  pep- 
cum  jejuni.  v.  Haberer  laparotomierte.  fand  das  Ulcus  am  Pylorus 
vernarbt,  Gastroenterostomie  zart,  aber  ihr  genau  gegenüber  im 
Jejunum  am  Mesenterialansatz  ein  ins  Mesenterium  penetrierendes 
Ulcus  pepticurn,  das  auch  mit  dem  Colon  und  Mesocolon  transversum 
bereits  innig  verwachsen  war.  Am  Magen  konnte  sich  v.  Haberer 
in  diesem  Fall  mit  der  partiellen  Resektion  begnügen,  da  das  Pylorus- 
ulcus  bereits  vernarbt  war.  Hingegen  musste  ausser  der  zur  Gastro¬ 
enterostomie  verwendeten  Jeiunumschlinge,  die  das  Ulcus  pepticurn 
trug,  auch  noch  ein  grosses  Stück  des  Colon  transversum  reseziert 
werden.  Versorgung  von  Magen  und  Dünndarmlumina  in  ähnlicher 
Weise,  wie  im  ersten  Fall,  die  Kolonstümpfe  werden  blind  vernäht 
und  dann  eine  seitliche  Kolokolostomie  hinzugefügt.  Glatte  Heilung, 
Patient  seither  2  Monate  vollständig  beschwerdefrei. 

Der  dritte  Patient  hat  insofern  die  komplizierteste  Kranken¬ 
geschichte,  als  er  bereits  1905  wegen  eines  blutenden  Ulcus  pylori 
gastroenterostomiert  worden  war.  Die  Anastomose,  mit  Knopf  aus¬ 
geführt,  hatte  sich  verengert,  der  Patient  seine  alten  Beschwerden 
behalten.  Das  Ulcus  blieb  offen.  Oktober  1911  zum  ersten  Male 
von  v.  Haberer  laparotomiert.  Schweres  kallöses  Ulcus,  am  Py¬ 
lorus  starke  Stenose,  Gastroenterostomie  hochgradig  verengert,  aber 
ihr  Ring  ganz  zart.  Ablösung  der  Schlinge  und  neue  hintere  Gastro¬ 
enterostomie  mit  kürzester  Schlinge.  Zunächst  glänzende  Erholung, 
seit  Mai  1912  wieder  starke  Beschwerden  und  Blutung.  Februar 
1913  unter  Diagnose  eines  Ulcus  pepticurn  jejuni  wieder  von  v.  Ha¬ 
berer  laparotomiert.  Ulcus  am  Pylorus  scheint  in  Ausheilung, 
Gastroenterostomie  weit  und  zart,  im  Jejunum  genau  gegenüber  der 
Gastroenterostomie  ein  ins  Mesenterium  bereits  perforiertes  Ulcus 
jejuni.  Resektion  nur  unter  querer  Resektion  des  ganzen,  die  Gastro¬ 
enterostomie  tragenden  , Magenabschnittes  möglich.  Ulcus  am  Pylorus 
bleibt  unberührt,  wird  nach  Art  der  unilateralen  Pylorusausschal 
tung  versorgt.  Magendarmnähte  genau  so.  wie  im  ersten  Fall.  Hei¬ 
lung  nach  kleinem  Bauchdeckenabszess.  Patient  seit  der  Operation 
beschwerdefrei. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


Die  guten  Ausgänge  in  diesen  3  Fällen  berechtigen  zur  Emp¬ 
fehlung  der  Radikaloperation  des  Ulcus  pepticuni  jejuni  in  so  schwei- 
liegenden  Fällen,  wenngleich  man  ja  nach  einem  so  schweren  Eingriff 
leider  das  missliche  Gefühl  hat,  mit  dem  Ulcus  nicht  auch  die  Dis¬ 
position  zum  Rezidiv  herausgeschnitten  zu  haben.  Vielleicht  hilft  a,ber 
doch  die  beträchtliche  Nervendurchschneidung  bei  der  Resektion  die 
Gefahr  des  Rezidivs  herabsetzen.  Für  die  Frage  nach  der  Aetiologie 
kann  aus  den  mitgeteilten  Beobachtungen  nichts  Positives  abgeleitet 
werden;  immerhin  ist  es  v.Haberer  aufgefallen,  dass  alle  3  Patien¬ 
ten  so  lange  an  Ulcusbesclnverden  gelitten  haben,  ehe  sie  überhaupt 
zur  Operation  kamen.  Es  wäre  immerhin  denkbar,  dass  bei  dem  be¬ 
kannten  Circulus  vitiosus,  der  zwischen  Ulcus  und  Hyperazidität  be¬ 
steht,  dadurch  auch  die  Disposition  zum  Ulcus  pepticum  jejuni  erhöht 
würde.  Daraus  würde  sich  allerdings  dann  logischerweise  die  For¬ 
derung  nach  möglichst  frühzeitiger  und  möglichst  radikaler  Operation 
des  Magenulcus  ergeben.  Sehr  wesentlich  ist  strengste,  interne  Nach¬ 
behandlung  aller  am  Magen  Operierter. 

Herr  S  c  h  m  i  e  de  n  -  Berlin:  Der  Vortr.  hat  in  Biers  Klinik 
Studien  über  die  Pathogenese  .des  Duodenalgeschwürs  gemacht  und 
glaubt,  dass  hierfür  die  operative  Autopsie  verbunden  mit  der  kli¬ 
nischen  Beobachtung  die  besten  Aufschlüsse  zu  geben  imstande  ist. 
Er  hält  den  radiologisch  so  häufig  beim  Duodenal- 
geschwür  nachweisbaren  konstanten  Wismut¬ 
schatten  im  obersten  Teile  des  Duodenums  für 
einen  wichtigen  Hinweis  auf  die  Aetiologie  des 
Ulcus  duodenale.  Das  Duodenum  soll  den  Inhalt  sehr  rasch 
passieren  lassen;  dauernde  Anwesenheit  sauren  Speisebreis  führt  zu 
Reizung  und  Geschwürsbildung  an  hierfür  prädisponierten  Stellen. 
In  erster  Linie  führt  die  Formveränderung  des  Magens  im  Sinne  der 
Ptose  zu  scharfwinkliger  Knickung  im  Gebiet  der  Pars  superior  duo- 
deni  und  zur  Inhaltsretention;  andererseits  verhindert  diese  Knickung 
den  Eintritt  der  neutralisierenden  alkalischen  Darmsäfte  in  den  oberen 
Duodenalteil.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  erscheint  das  Duodenal¬ 
geschwür  indirekt  abhängig  von  d=r  aufrechten  Körperhaltung  des 
Menschen.  Auch  bei  dem  zweiten  Haupttypus  der  Formveränderung 
des  Magens  beim  Ulcus  duodeni,  bei  der  Rechtsfixation  des  Pylorus 
muss  diese  Lageveränderung  der  Pylorusgegend  nach  den  Beobach¬ 
tungen  des  Vortr.  zunächst  nicht  als  die  Folge,  sondern  als  dis  ein¬ 
leitende  präexistierende  Ursache  des  Duodenalgeschwürs  betrachtet 
werden.  Auch  hierbei  lassen  sich  abnorme  konstante  Duodenalfül¬ 
lungen  nachweisen.  Es  handelt  sich  dabei  um  perikolitische  und  peri- 
cholezystitische  Verwachsungsstränge,  welche  die  Motilitätsstörung 
des  Pylorusgebietes  herbeiführen.  Es  fehlt  in  solchen  Fällen  die 
peristaltische  Selbstreinigung  des  Duodenums.  Ein  einmal  vorhan¬ 
denes  peptisches  Geschwür  hält  dann  später  stets  saure  Inhaltsmassen 
in  seiner  Tiefe  zurück.  Bei  der  Be  trachtung  dieser  Ver¬ 
änderungen  ist  also  bisher  Ursache  und  Wirkung 
verwechselt  worden. 

Analogien  zu  dem  beschriebenen  Entstehungsmodus  finden  sich 
reichlich  im  übrigen  Darmkanal.  Der  Vortr.  zweifelt  nicht  daran, 
dass  bei  sorgfältiger  Anwendung  des  Röntgenverfahrens  und  bei 
kritischer  Beobachtung  des  operativen  Befundes  die  Operateure  bald 
diese  Auffassung  bestätigen  werden,  und  erinnert  daran,  dass  auch 
andere  Begleiterscheinungen  des  Magen-  und  Duodenalgeschwürs, 
so  die  digestive  Hypersekretion  und  Hyperazidität  und  vor  allem 
auch  nach  v.  Bergmanns  Ansicht  die  spastischen  Zustände  im 
Geschwürsgebiet  nicht  mehr  allein  als  ein  Symptom  der  Erkrankung 
betrachtet  werden  dürfen,  sondern  dass  sie  an  ihrer  Entstehung  ur¬ 
sächlich  beteiligt  sind. 

Herr  F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Königsberg  bespricht  P  a  n  k  r  e  a  s  affek- 
tionen  (ungewöhnlich  grosse  Steinbildung,  Pankreatitis)  und 
seltenere  Affektionen  des  Duodenums  (Karzino  m, 
P  o  1  y  p  o  s  i  s,  Divertikelbildung)  in  ihrer  Bedeutung  für  die 
Differentialdiagnose  des  Ulcus  duodeni,  auf  Grund  von  16  Fällen 
eigener  Beobachtung.  (An  der  Königsberger  Klinik  kamen  in  dem 
Zeitraum  von  \'/>  Jahren  auf  193  Magen-  und  Duodenaloperationen 
nur  5  Ulcera  duodeni  und  2  Karzinome.)  Bei  seinen  Fällen  von  Duo- 
denalulcus  ist  immer  die  lange  Dauer  des  vorausgegangenen  Krank¬ 
seins.  fast  ausnahmslos  als  „Magen“leiden  bezeichnet,  durchschnitt¬ 
lich  häufiger  als  sonst  berichtet,  Erbrechen,  fast  regelmässig  nächt¬ 
licher  Schmerz,  hin  und  wieder  die  selbst  beobachtete  Abmagerung 
aufgefallen.  Stenosenerscheinungen  und  Blutbrechen  fanden  sich 
namentlich  beim  Duodenalkarzinom:  bluthaltige  Stühle  auch  beim 
Duodenalulcus.  Das  Symptom  des  ..Hungerschmerzes“  trat  ihm  beim 
Ulcus  nur  vereinzelt  entgegen,  das  der  Duodenalblähung 
wurde  häufiger  bei  gleichzeitigen  oder  isolierten  Affektionen  des  Pan¬ 
kreas  (Pankreatitis,  Pankreasstein.  Pankreasdermoid)  beobachtet. 
Unter  14  Fällen  von  Ulcus  und  Karzinom  des  Duodenums  fand  sich 
6  mal,  und  zwar  3  mal  bei  Ulcus,  eine  Mitbeteiligung  des  Pankreas. 
Die  von  ihm  beobachteten  6  Karzinome  des  Duodenums  gingen  in 
2  Fällen  mit  lebenbedrohender  Rückwirkung  auf  Choledochus  (Melan- 
ikterus,  Pankreasnekrose)  und  Pankreatikus  einher.  Ausserdem  be¬ 
richtet  Friedrich  über  2  Fälle,  wo  ein  grosses  Divertikel 
des  Duodenums  hart  an  d  r  Choledochusmiindung,  bzw.  ein  unge¬ 
wöhnlich  grosser  (3,9  X  3  cm)  Pan  k  r  e'a  s  s  t  e  i  n  tödliche 
Komplikationen  herbeiführten. 

Herr  Bier-  Berlin  hat  das  Ulcus  duodeni  zuerst  häufiger,  dann 
auch  richtiger  diagnostizieren  gelernt  Auf  okkulte  Blutungen  legt 
er  grossen  Wert,  fast  stets  führt  er  die  Gastroenterostomie  aus  und 
verschliesst  den  Pylorus  nach  verschiedenen  Methoden,  ohne  von 


irgendeiner  befriedigt  zu  .sein.  Bei  einer  Relaparotomie  nach  Ver¬ 
schluss  mittels  Faszienstreifen  sah  er  perigastrische  Schwielen. 
Gegenwärtig  zieht  er  die  Einfaltung  nach  M  o  y  n  i  h  a  n  vor.  Die 
Resektion  vermeidet  er  wegen  der  Schwierigkeit  der  Stumpiver- 
sorgung. 

Herr  K  o  1  b  -  Heidelberg  berichtet  über  18  Fälle  von  Umschnü¬ 
rung  mit  autoplastischem  Material.  9  mindestens  6  Monate  alte  Fälle 
wurden  röntgenologisch  nachuntersucht  mit  bestem  Ergebnis  für  di 
Methode.  Der  Streifen  aus  Fascia  lata  —  eventuell  einmal  auch  aus 
Netz  —  soll  3  cm  breit  sein  und  nicht  übermässig  angespannt  werden. 

Herr  V  o  e  1  c  k  e  r  -  Heidelberg:  Der  Circulus  vitiosus  kommt 
nach  seiner  Ueberzeugung  durch  kleine  technische  Fehler  zustande. 
Um  ihn  zu  vermeiden  markiert  man  sich  die  Stelle,  wo  der  Magen 
die  Plica  duodeno-jejunalis  berührt  und  legt  von  da  aus  die  Ver¬ 
bindung  steil  nach  oben  an.  Nach  der  Reposition  resultiert  dann  ein 
völlig  ungeknickter  Verlauf;  wollte  man  bei  dem  eventrierten  Magen 
die  Verbindung  anlegen.  so  würde  man  nach  der  Reposition  Ab¬ 
knickungen  erhalten. 

Herr  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r  -  Stuttgart :  Die  angeblichen  Schwierig¬ 
keiten  der  Pylorusausschaltung  nach  v.  Eiseisberg  fallen  fort, 
wenn  man  8  cm  oberhalb  des  Pylorus  durchtrennt.  Er  selbst  hat 
8  Ausschaltungen,  3  Resektionen  und  3  Gastroenterostomien  wegen 
Ulcus  duodeni  ausgeführt,  ohne  in  dieser  Serie  einen  Todesfall  zu 
zählen. 

Herr  K  e  1 1  i  ti  g  -  Dresden :  Die  Differentialdiagnose  zwischen 
Ulcus  pylori  und  Ulcus  duodeni  ist  nicht  ausführbar,  ebensowenig  di: 
Abgrenzung  gegen  Cholezystitis.  Gegen  Blutungen  —  er  hat  2  Nach¬ 
blutungen  gesehen  —  empfiehlt  er  Auflegen  von  Sandsäcken  und  Auf¬ 
blähung  des  Kolons. 

Herr  B  o  i  t  -  Königsberg :  Auch  das  Symptom  der  Blutungen  ist 
unsicher.  Sie  können,  wie  ein  Fall  von  ihm  zeigt,  kapillären  Ur¬ 
sprungs  sein,  ohne  dass  Ulcus  da  ist.  Die  Gastroenterostomie  gibt 
selbst  da,  wo  alle  klinischen  Symptome  vorhanden  sind,  kein  beson¬ 
deres  Resultat;  er  macht  daher  Probelaparotomien  und  macht  ein¬ 
fach  wieder  zu,  wenn  er  nicht  selbst  das  Ulcus  sieht. 

Herr  Adolf  S  c  h  m  i  d  t  -  Halle  a.  S.:  Zur  Operation  kommen 
meist  nur  vorgeschrittene  Fälle,  kallöse  Ulcera  duodeni.  Diesen 
müssen  aber  Schleimhautulcera  vorattsgehen,  deren  Frühdiagnose 
anzustreben  ist.  Hier  liegt  der  Wert  der  Säurebestimmungen.  Hvper- 
chlorh^drie  und  Hypersekretion,  deren  Unterscheidung  undurchführ¬ 
bar  ist,  indem  beide  ein  Missverhältnis  zwischen  Sekretion  und  Ab¬ 
fuhr  ausdriieken,  müssen  den  Verdacht  auf  Ulcus  lenken;  bloss  ner¬ 
vös  sind  sie  niemals,  können  dagegen  auf  einem  Katarrh  beruhen. 
Vielleicht  wird  die  Röntgenuntersuchung  hier  weiterführen  können. 
Was  bei  dem  häufigen  Zusammentreffen  nervöser  Symptome  und 
Ulcus  auch  ursprünglich  Ursache  und  was  Wirkung  sein  mag,  jeden¬ 
falls  bilden  beide  einen  Circulus  vitiosus.  Es  liegt  ein  Widerspruch 
darin,  wenn  man  auf  Grund  pathologisch-anatomischer  Statistiken  die 
Heilungsmöglichkeit  des  Ulcus  duodeni  bestreitet  (dabei  weiss  man 
doch,  dass  Schleimhautulcera  spurlos  verschwinden  können)  und 
andererseits  die  Remissionen  im  Krankheitsverlauf  auf  Heilungspro 
zesse  zurückführt.  Redner  ist  überzeugt,  dass  Schleimhautulcera 
unter  fachgemässer  interner  Behandlung  auch  im  Duodenum  häufig 
ausheilen,  und  betont,  dass  die  Unmöglichkeit,  den  Erfolg  der  Thera¬ 
pie  von  spontanen  Remissionen  zu  unterscheiden,  die  chirurgische 
Behandlung  in  dem  gleichen  Grade  trifft  wie  die  internistische. 

Herr  A.  T  h  i  e  s  -  Giessen :  Behandlung  akuter  chirurgischer  In¬ 
fektionen  mit  rhythmischer  Stauung. 

Auf  Grund  physiologischer  Ueberlegungen  empfiehlt  Vortr.  bei 
akuten  Entzündungen  anstatt  nach  der  Empfehlung  Biers  ununter¬ 
brochen  über  den  grössten  Teil  des  Tages  zu  stauen,  eine  häufig 
unterbrochene  Stauung,  etwa  derart,  dass  1—2  Minuten  gestaut, 
ebensolange  die  Stauung  ausgesetzt  wird,  wiederum  eine  Stauphase 
einsetzt  usw. 

Djese  „rhythmische“  Stauung  erzielt  er  mit  einem  Apparat,  der 
unter  Zugrundelegung  des  P  e  r  t  h  e  s  sehen  Dauerstauapparates  kon¬ 
struiert  ist.  Mit  ihm  lässt  sich  ein  beliebiger  Rhythmus  in  der  Stau¬ 
ung  erzielen. 

Die  Methode  hat  folgende  Vorzüge  vor  der  Dauerstauung;  Man 
kann  die  rhythmische  Stauung  ohne  längere  Unterbrechung  über 
viele  Tage  hin  anwenden.  Es  bildet  sich  auch  bei  intensiver,  lang- 
dauernder  Stauung  kein  so  starkes  Oedem,  dass  die  Entstehung  der 
Hyperämie  beeinträchtigt  wird,  wie  dieses  bei  der  gleichnuissigen 
Dauerstauung  der  Fall  ist.  Die  gestaute  Extremität  bleibt  stets 
warm.  Die  Endothelzellen  der  Kapillaren  werden  offenbar  geschont, 
da  sie  immer  wieder  mit  frischem  Blut  in  Berührung  kommen.  Sie 
sind  daher  ihrer  Aufgabe,  die  Toxine  zu  binden,  mehr  gewachsen. 
Es  tritt  kein  „Stauungsfieber“  auf,  das  man  sonst  nach  Lösung 
der  Staubinde  wohl  beachtet.  Man  kann  die  rhythmische  Stauung 
auch  bei  Patienten  anwenden,  bei  denen  Sensibilitätsstörungen  be¬ 
stehen.  Auch  kleine  Kinder  können  ununterbrachen  über  viele  Tage 
gestaut  werden.  Die  rhythmische  Stauung  hat  sich  in  einer  Reihe 
von  Fällen  akuter  Entzündung  gut  bewährt. 

Herr  V  o  r  s  c  h  ü  t  z  -  Köln :  Behandlung  septischer  Prozesse 
durch  Darreichung  von  Alkalien. 

Die  Darreichung  der  Alkalien  bei  septischen  Prozessen  auf  Grund 
der  im  Körper  auftretenden  Säuren  und  der  physiologischen  Wirkung 
der  Alkalien  wurde  seit  Jahren  in  der  chirurgischen  Klinik  von  Herrn 
Geheimrat  T  i  1  m  a  n  n  vorgenommen,  indem  bei  schweren  Eiterungen 
mit  septischem  Charakter  hohe  Alkalidosen  verabreicht  wurden. 


12.  April  1913. 


MU  EN  CH  EN  ER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


893 


10-20  g  bei  Erwachsenen,  5 —  10  g  bei  Kindern.  Um  im  Experiment 
Jie  Anschauung  am  lebenden  Tier  zu  beweisen,  welche  von  E  h  r  - 
•  lieh  an  Serumplatten  schon  im  Jahre  1890  auf  Grund  seiner  Ex¬ 
perimente  ausgesprochen  wurde,  dass  die  bakterizide  Kraft  des  Blutes 
abhängig  sei  von  seinen  Salzen,  wurde  das  Blut  von  Kaninchen  an- 
resäuert  und  dann  eine  bestimmte  Menge  Rizin  eingespritzt.  Hierbei 
'eigte  sich  —  es  wurden  50  ccm  einer  Vio-Normalsalzlösung  einge- 
iihrt  — ,  dass  das  so  angesäuerte  Blut  nicht  imstande  war,  dieselbe 
Wenge  Gift  zu  binden  als  das  normale  Blut.  Wenn  man  durch  ent-  } 
sprechende  Mengen  Alkali  die  Ansäuerung  behob,  blieben  die  Tiere 
im  Leben. 

Die  günstigen  Erfolge  der  Alkalien  beruhen  I.  auf  ihrer  kata¬ 
lytischen  Wirkung,  2.  auf  Wasserzuriickhaltung  im  Gewebe  (Tur- 
reszenz,  Oedem),  3.  auf  ihrer  Nierenwirkung,  indem  eine  starke 
Vermehrung  des  Urins  auftritt,  4.  auf  der  starken  Sekretion  der 
Drüsen,  die  für  den  Verdauungstraktus  einen  grösseren  Appetit  be¬ 
deuten,  5.  in  der  Erhöhung  des  Blutdruckes. 


34.  Baineologenkongress 

zu  Berlin  vom  26  — 30.  März  1913. 

Referent:  Dr.  Max  Hirsch  in  Bad  Salzschlirf. 

Protektorat :  Prinz  August  Wilhelm  von  Preussen. 

Vorsitzender :  Geheimrat  Prof.  Brieger  -  Berlin. 

1. 

ln  der  gemeinsamen  Sitzung  mit  den  übrigen  Sektionen  des  Inter¬ 
nationalen  Kongresses  für  Physiotherapie  erstatteten  Herr  Odried 
M  ü  1 1  e  r  -  Tübingen,  Herr  V  a  q  u  e  z  -  Paris  und  Herr  Emil  Zan¬ 
der-Stockholm  Referate  über  die  physikalische  Behandlung  der 

Kreislaufstörungen. 

Herr  Otfried  Müller-  Tübingen  referierte  über  Balneotherapie 
der  Kreislaufstörungen.  Er  führte  aus,  dass  die  wissenschaftliche 
Begründung  der  Balneotherapie  der  Kreislaufstörungen  erst  der  Neu¬ 
zeit  zu  verdanken  ist,  aber  doch  ziemlich  gut  geklärt  wurde.  Als  I 
wichtigste  Badeform  bei  Kreislaufstörungen  sieht  er  die  kühlen 
kohlensäurehaltigen  Solbäder  an.  Während  die  Kohlensäure  und  das 
Salz  auf  die  Herztätigkeit  einwirkten,  könne  man  durch  verschiedene 
Dosierung  der  Temperatur  die  Blutgefässe  erweitern  oder  verengern 
und  dadurch  das  Herz  üben  oder  schonen.  Der  Gehalt  an 
Kohlensäure  und  an  Salz  sowie  die  Höhe  der  Temperatur  gestatten 
genaue  Abstufungen.  Kühle,  kohlensäurehaltige  Bäder  verlangsamen 
die  Herztätigkeit,  steigern  den  Blutdruck,  kontrahieren  die  peripheren 
Arterien  und  erweitern  die  grossen  Blutgefässe,  während  zugleich 
durch  eine  Vertiefung  der  Atmung  die  Zirkulation  in  den  Venen 
gefördert  wird.  Diese  Art  von  Bädern  ist  als  eine  Gymnastik  des 
Herzens  anzusehen.  Dabei  hält  der  dichte  Mantel  von  Kohlensäure 
im  Organismus  Kohlensäure  zurück.  Warme  Kohlensäurebäder  be¬ 
einflussen  das  Herz  in  gleicher  Weise,  aber  die  Arterien  in  umge¬ 
kehrtem  Sinne;  die  grossen  Adern  erhalten  wenig  Blut,  die  peri¬ 
pheren  Arterien  aber  eine  grosse  Menge.  Infolgedessen  wird  das 
Herz  entlastet.  In  der  Therapie  soll  man  von  den  sog.  in¬ 
differenten  Kohlensäurebädern  ausgehen  und  sie  modifizieren,  je  nach¬ 
dem  man  das  Herz  schonen  oder  üben  will.  Die  Kohlensäurebäder 
stellen  bedeutende  Ansprüche  an  den  Organismus  und  sollen  ärzt¬ 
licherseits  sorgfältig  überwacht  werden.  Die  Hauskuren  der  Kohlen¬ 
säurebäder  ohne  ärztliche  Ueberwachung  und  ohne  ärztliche  Ver¬ 
ordnung  richten  viel  Unheil  an. 

Herr  Vaauez- Paris  setzte  die  Diättherapie  der  Kreislaufstö¬ 
rungen  auseinander.  Eine  prophylaktische  Diät  bei  Herz-  und  Gefäss^ 
krankheiten  ist  nur  möglich  in  den  Fällen  von  dauernd  erhöhtem 
Blutdruck  infolge  von  Nierenerkrankungen  und  Arterienverkalkung. 
Während  sich  durch  Nahrungsmittel  im  allgemeinen  eine  Steigerung 
des  Blutdruckes  nicht  nachweisen  lässt,  wirkt  der  Alkohol  auf  ihn  er¬ 
höhend  ein.  Daher  ist  es  bei  der  ausgesprochenen  Arteriosklerose 
durchaus  zweckmässig,  den  Alkohol  möglichst  einzuschränken, 
ferner  empfiehlt  sich  in  solchen  Fällen  zur  Entlastung  des  Gefäss- 
systems  die  Nahrungsmengen  so  gering  wie  möglich  zu  gestalten, 
sowie  wenig  Fleisch  und  möglichst  salzarme  Speisen  zu  geben.  Wäh¬ 
rend  bei  Herzkrankheiten  geringeren  Grades  eine  besondere  Diätbe¬ 
handlung  nicht  nötig  ist,  empfiehlt  sich  in  schweren  Fällen  die  Ein¬ 
schränkung  von  Fleisch,  die  Einschiebung  von  Milchtagen  und  vor 
allem  die  Vermeidung  von  übermässiger  Flüssigkeitszufuhr.  Bei  Herz¬ 
erkrankungen  auf  der  Basis  von  Nierenstörungen  ist  die  von  W  i  d  a  1 
und  S  trau  ss  empfohlene  kochsalzfreie  Diät  innezuhalten. 

.  Herr  Emil  Zander-  Stockholm  machte  die  Kinesitherapie  der 
Kreislaufstörungen  zum  Gegenstände  seines  Referates.  Gerade  in 
Schweden  hätte  man  bei  Kreislaufstörungen  der  Gymnastik  ein 
grosses  Interesse  entgegengebracht,  seitdem  der  Laie  L  i  n  g  auf 
eirund  empirischer  Erfahrungen  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt  hat. 
Die  schwedische  Methode  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  die 
aktive  und  passive  Bewegung  günstig  kombiniert,  von  denen  die 
erstere  in  den  Gelenken,  die  letztere  in  den  Geweben  vor  sich  geht. 
Die  einfachste  und  beste  Form  der  passiven  Gymnastik  ist  die  Mas¬ 
sage,  welche  den  Blutumlauf  befördert  und  dadurch  die  Herzarbeit 
erleichtert.  Auch  ist  sie  imstande,  Stauungen  zu  beseitigen  und 
lokale  Oedeme  günstig  zu  beeinflussen  Eine  besondere  Form  der 
Passiven  Gymnastik  sind  die  gymnastischen  Respirationsbewegungen, 
die  darauf  basieren,  dass  die  Blutmenge  in  den  Lungen  bei  der  Ein- 


und  Ausatmung  einen  wesentlichen  Unterschied  aufweist  und  die  Re¬ 
spirationstätigkeit  ein  Ansaugen  und  Austreiben  des  Blutes  hervor- 
uitt,  das  ähnlich  wirkt  wie  Massage.  Auch  aktive  Bewegungen 
können  den  Blutlauf  beeinflussen.  Da  der  arbeitende  Muskel  mehr 
Blut  beansprucht  als  der  ruhende,  ist  die  Muskeltätigkeit  gleichbe¬ 
deutend  mit  einer  Blutableitung  von  den  inneren  Organen  nach  den 
Extremitäten  Dass  körperliche  Arbeit  das  Herz  belastet,  ist  ohne 
Zweifel,  abei  sicherlich  nicht  in  dem  Masse  wie  Herzklappenfehler, 
i  Arbeit  und  Kiankheit  verlangen  eine  bessere  Versorgung  der  Organe 
mit  Sauei stoff  und  dadurch  eine  erheblichere  Beförderung  des  Blutes 
zu  ihnen,  so  dass  auch  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  Arbeit  und 
Krankheit  an  das  Herz  grössere  Anforderungen  stellen,  dessen  Fähig¬ 
keit  dui  ch  die  Uebung  gesteigert  wird.  Die  Kompensationsfähigkeit 
wild  auch  in  der  Muskulatur  erhöht,  da  in  dem  trainierten  Muskel 
die  Blutgefässe  besser  reagieren  als  im  untrainierten.  Jedoch  lässt 
sich  das  Training  beim  Kranken  nicht  so  durchführen  wie  beim  Ge¬ 
sunden.  Die  erste  Bewegungsart  beim  Kranken  ist  das  Gehen,  dem 
sich  die  Schwung-  bezw.  Förderungsbewegungen  am  Zweckmässig- 
sten  anschliessen.  Sie  müssen  sich  aber  vor  allen  Dingen  an  die  Kraft 
des  Patienten  anschliessen,  sodass  die  richtige  Dosierung  des  Wider¬ 
standes  Sache  des  Arztes  ist. 

Herr  Landouzy-  Paris  und  Herr  H  e  i  t  z  -  Royat  erstatten 
das  Referat  über  die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Balneo¬ 
therapie  und  betonten,  dass  Fortschritte  in  der  Balneotherapie  nur 
dann  möglich  sind,  wenn  sie  den  klinischen  Untersuchungsmethoden 
folgen.  Bei  den  Blutuntersuchungen  kommt  es  nicht  nur  auf  die 
Zählung  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen  und  auf  ihre  Form 
an,  sondern  auch  auf  die  Viskosität.  Erkrankungen  der  Nerven,  der 
Verdauungsorgane  und  der  Stoffwechselstörungen  erforderten  die  Be¬ 
stimmung  des  Kaloriengehaltes  der  Nahrungsmittel.  Bei  Erkran¬ 
kungen  des  Herz-  und  Gefässsystem.s  kommen  sphygmographische 
und  plethysmographische  Untersuchungen,  Bestimmungen  des  maxi¬ 
malen  und  minimalen  Blutdruckes,  Oszillometrie,  Orthodiagraphie 
und  Elektrokardiographie  in  Frage.  Letztere  Methode  scheint  die 
Zukunft  für  sich  zu  haben. 

Herr  S  t  r  a  s  s  e  r  -  Kaltenleutgeben  bei  Wien  gab  in  seinem  Re¬ 
ferat  über  die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Hydrotherapie  einen 
Ueberblick  über  die  von  Winternitz  ins  Leben  gerufene  Frage, 
deren  Schwierigkeit  darin  liegt,  dass  man  die  physiologischen  Wir¬ 
kungen  der  thermisch-mechanischen  Reize  schwer  analysieren  kann. 
Die  Hydrotherapie  ausschliesslich  als  eine  Reizmethode  anzusehen, 
ist  nicht  richtig,  da  vielfach  die  Korrelation  der  einzelnen  Organe  es 
mit  sich  bringt...  dass  die  Steigerung  der  Funktion  des  einen  Organs 
die  Hemmung  der  Tätigkeit  eines  anderen  mit  sich  bringt.  Die  Do¬ 
sierung  der  Reize  muss  in  der  Hydrotherapie  besonders  sorgfältig 
vorgenommen  werden.  Besonders  ist  davor  zu  warnen,  hypothetische 
Befunde  auf  die  Praxis  übertragen  zu  wollen. 

Herr  Cohn  heim  -  Heidelberg  sprach  über  die  physiologische 
Wirkung  des  Höhenklimas.  Er  stellte  fest,  dass  hinsichtlich  der 
Wasserabgabe  prinzipielle  Unterschiede  zwischen  kleinen  und  grös¬ 
seren  Tieren  bezw.  den  Menschen  bestehen.  Bei  ersteren  kommt  es 
zu  einer  Konzentrierung  des  Blutes  und  infolgedessen  zu  einer  Ver¬ 
mehrung  der  Blutkörperchen.  Die  Neubildung  von  roten  Blutkörper¬ 
chen  und  von  Hämoglobin  tritt  bei  blutarmen  oder  künstlich  blutarm 
gemachten  Tieren  viel  schneller  ein,  als  bei  gesunden,  wo  sie  erst 
nach  einigen  Wochen  deutlich  wird,  aber  dann  hohe  Werte  erreichen 
kann. 

Herr  S  t  a  e  h  e  1  i  n  -  Basel  teilte  seine  Erfahrungen  über  den 
Einfluss  der  täglichen  Luftdruckschwankungen  auf  den  Blutdruck 

mit,  die  er  an  Patienten  mit  stationärer  Lungentuberkulose  gemacht 
hat.  Das  Sinken  des  Luftdruckes  hatte  bei  ihnen  meist  ein  Herunter¬ 
gehen  des  Blutdruckes  zur  Folge,  dessen  Ursache  noch  nicht  fest 
gestellt  ist. 

Herr  S  t  r  u  b  e  1 1  -  Dresden  erstattet  sein  Referat  über  die  Be¬ 
einflussung  der  Blutverteilung  durch  physikalische  Massnahmen.  Be¬ 
sonders  hob  er  hervor,  dass  man  im  normalen  Kreislauf  2  grosse  Ab¬ 
schnitte  zu  unterscheiden  hat,  die  stark  elastischen  Körperarterien 
mit  einer  hochgradigen  Spannung  und  Blutüberfüllung  und  anderer¬ 
seits  die  Körpervenen  und  Lungengefässe  mit  einer  geringeren 
Elastizität  und  einem  niedrigeren  Blutdruck.  Wenn  nun  das  Herz  ge¬ 
schwächt  wird,  dann  ändert  sich  die  Blutverteilung  dahin,  dass  die 
Lungengefässe  und  Venen  eine  Ueberfiillung  zeigen  und  auf  das  rechte 
Herz  ungünstig  einwirken.  Subjektiv  zeigte  sich  eine  Verschlechte¬ 
rung  der  Atmung,  Dyspnoe  und  das  Symptomenbild  der  Lunge-n- 
schwellung.  Die  pathologische  Blutverteilung  lässt  sich  therapeutisch 
am  besten  durch  physikalische  Massnahmen  beeinflussen,  und  zwar 
erstrebt  man  eine  Verringerung  der  gesamten  Blutmenge,  eine  Ver¬ 
änderung  der  Tätigkeit  der  beiden  Herzhälften  und  eine  Verminderung 
der  Widerstände.  Die  Herabsetzung  der  Blutmenge  geschieht  am 
besten  durch  einen  Aderlass  oder  Einschränkung  der  Flüssigkeits¬ 
zufuhr.  Die  Herzfunktion  wird,  besonders  bei  Steigerungen  des  Blut¬ 
drucks,  am  besten  beeinflusst  durch  das  Wechselstrombad  und  Kohlen¬ 
säurebäder,  wie  Vortragender  an  den  künstlichen  Kohlensäurebädern 
nach  Dr.  Zucker  festgestellt  hat,  die  er  unbedenklich  in  einer 
höheren  Temperatur  verabreicht,  als  heute  im  allgemeinen  üblich  ist. 

Herr  Nicolai-  Berlin  sprach  über  die  Bedeutung  der  Elektro¬ 
kardiographie  für  die  Beurteilung  herztherapeutischer  Massnahmen 
und  betonte,  dass  man  bei  organischen  Fehlern  das  Herz  mehr 
schonen,  bei  nervösen  Herzkrankheiten  dagegen  die  Uebung  in  den 
Vordergrund  rücken  müsse.  Für  die  Differenzierung  zwischen  funk- 


894 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  16. 


tioneüen  und  organischen  Herzleiden  ist  die  Elektrokardiographie  ein 
ausgezeichnetes  Hilfsmittel. 

Herr  Schwenkenbecher  -  Frankfurt  a.  M.  berichtet  über 
die  Bedeutung  von  Schwitzkuren  bei  inneren  Krankheiten,  deren  Wert 
hauptsächlich  in  der  Herabsetzung  von  Schmerzen,  Beseitigung  von 
Katarrhen  und  Eliminierung  von  toxischen  Stoffen  besteht.  Während 
in  Japan  und  in  Russland  die  Schwitzbäder  als  Erholungsmittel  seit 
langer  Zeit  in  hohem  Ansehen  stehen,  wurden  sie  in  Deutschland  aus¬ 
giebig  für  therapeutische  Zwecke  benutzt,  und  zwar  früher  bedeu¬ 
tend  mehr  als  jetzt.  Ihre  Anwendung  bei  Infektionskrankheiten,  be¬ 
sonders  bei  der  Cholera  hat  man  aufgegeben,  namentlich  da  sie  bei 
übertriebener  Anwendung  vielfach  zu  Kollapszuständen  führten. 
Heute  steht  man  auf  dem  Standpunkte,  in  der  Anwendung  der 
Schwitzprozeduren  möglichst  milde  vorzugehen.  Bei  dieser  Anwen¬ 
dung  leisten  sie  ausgezeichnete  Dienste  in  der  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  Bronchitis,  der  Pneumonie,  der  Malaria  und  verschiedener 
Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Qefässe. 

Herr  R  o  t  h  s  c  h  i  1  d  -  Soden  a.  Taunus  teilte  chemothera¬ 
peutische  Erfahrungen  bei  der  Behandlung  Tuberkulöser  mit.  Vor¬ 
tragender  stellte  fest,  dass  es  bis  jetzt  durch  chemische  Mittel  noch 
nicht  gelungen  ist,  die  K  o  c  h  sehen  Tuberkelbazillen  im  menschlichen 
Körper  abzutöten.  Das  ist  aber  eine  wichtige  Bedingung  der  Thera¬ 
pie.  Das  Tuberkulin  neutralisiert  nur  die  Stoffwechsel-  und  Zerfalls¬ 
produkte  der  Tuberkelbazillen,  ist  aber  nicht  imstande,  die  Bazillen 
selbst  zu  schädigen  oder  zu  töten.  Das  ist  nur  auf  chemischem  Wege 
möglich.  Nachdem  Vortragender  als  Erster  den  Zusammenhang  der 
Selbstheilungsvorgänge  der  Tuberkulose  völlig  klargestellt  hat,  ge¬ 
langte  er  zu  der  Ueberzeugung,  man  könne  die  Tuberkulose  erst 
dann  heilen,  wenn  man  die  Tuberkulinbehandlung  mit  einer  Inangriff¬ 
nahme  der  Tuberkelbazillen  selbst  auf  chemischem  Wege  kombiniert. 
Als  bestes  chemisches  Mittel  sieht  er  das  Jodoform  an,  das  sich  be¬ 
reits  in  der  Therapie  der  chirurgischen  Tuberkulose  so- ausgezeichnet 
bewährt  hat.  Diese  Kombination  von  Tuberkulin  und  Jodoform  dürfte 
sicherlich  in  der  Therapie  der  Tuberkulose  eine  hervorragende  Rolle 
spielen. 

Herr  Strasburger  -  Breslau  sprach  über  die  Einwirkung  von 
thermischen  Hautreizen  auf  das  Gehirnvolumen  von  Menschen,  wie 
er  bei  2  Personen  mit  Schädeldefekt  feststellen  konnte.  Es  zeigte  sich 
die  interessante  Tatsache,  dass  zwischen  den  Blutgefässen  des  Ge¬ 
hirns  und  in  der  Körperoberfläche  weder  durchgängige  Beziehungen 
noch  ein  besonderer  Antagonismus  bestehen  und  dass  die  Verhält¬ 
nisse  da  äusserst  kompliziert  sind.  Die  Blutgefässe  des  Gehirns  zeig¬ 
ten  vor  allem  eine  weitgehende  Selbständigkeit. 


IV.  Internationaler  Kongress  für  Physiotherapie. 

HI. 

Sitzung  vom  28.  März  1913,  vormittags. 

Salle-  Berlin :  Zur  biologischen  Wirkung  von  Thorium  X. 

S.  berichtet  über  gemeinsam  mit  v.  Domarus  durchgeführte 
Untersuchungen  über  die  Wirkung  von  Thorium-X-Lösungen  auf  die 
Adrenalinsekretion.  Im  Tierexperiment  lässt  sich  nachweisen,  dass 
die  Chromaffinität  der  Nebennieren  bei  Einverleibung  kleiner  Dosen 
gesteigert,  durch  grosse  Dosen  dagegen  sehr  stark  verringert  wird. 
Grosse  Dosen  bewirken  auch  andere,  degenerative  Prozesse 
(Schrumpfung,  Vakuolisierung)  der  Markzellen;  ausserdem  wurden 
auch  starke  Blutungen  im  Mark  beobachtet.  Die  Veränderungen  der 
Nebennierenrinde  bestehen  in  Degeneration  der  Zona  reticularis  und 
Vergrösserung  des  Lipoidgehaltes  (kleine  Dosen),  resp.  Lipoidver¬ 
armung  (grosse  Dosen).  Auch  die  kolorimetrische  Prüfung  des 
Nebennierenextraktes  Thorium-vergifteter  Tiere  weist  auf  einen 
gegen  die  Norm  verringerten  Adrenalingehalt  hin.  Der  biologische 
Nachweis  von  Adrenalin  im  Blut  ergibt  im  Anfang  der  Thorium¬ 
wirkung  eine  Erhöhung,  später  eine  Verringerung  des  Adrenalin¬ 
gehaltes.  Diesen  Befunden  entsprechend  reagiert  der  Blutdruck  auf 
subkutane  Thorium-X-Injektionen  (Kaninchen)  zuerst  mit  einer  Er¬ 
höhung  und  dann  mit  einer  konsekutiven,  je  nach  der  Dosis  mehr 
oder  weniger  starken  Blutdrucksenkung.  Dieser  Verlauf  der  Blut¬ 
druckkurve  steht  in  Uebereinstimmung  mit  den  vorgetragenen  Be¬ 
funden,  nach  denen  das  Thorium  X  zuerst  reizend,  später,  besonders 
bei  grossen  Dosen  hemmend  auf  die  Funktion  des  Adrenalsystems 
wirkt.  Selbstverständlich  handelt  es  sich  nur  um  die  Feststellung 
eines  Faktors  in  der  komplexen  Erscheinung  der  durch  Thorium  be¬ 
dingten  Blutdruckerniedrigung. 

P  i  n  c  u  s  s  o  h  n  -  Berlin :  Ueber  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  den 
Stoffwechsel. 

Während  die  Wirkung  des  Lichtes  auf  den  allgemeinen  Stoff¬ 
wechsel  wiederholt  Gegenstand  der  Untersuchungen  gewesen  ist, 
ist  über  die  chemische  Umsetzung  der  Stoffe  im  Tierkörper  unter  dem 
Einfluss  der  Lichtstrahlen  fast  nichts  bekannt.  Um  diesen  Einfluss 
zu  prüfen,  wählte  Vortragender  den  Stoffwechsel  der  Purinsubstanzen. 
Um  eine  möglichst  hohe  Lichtwirkung  zu  erzielen,  wurden  weisse 
Hunde  mit  dem  fluoreszierenden  Farbstoff  Eosin  sensibilisiert  und 
intensiver  Bestrahlung  durch  elektrisches  Bogenlicht  ausgesetzt. 
Unter  dieser  Behandlung  ergab  sich  eine  sehr  wesentliche,  nach  Art 
und  Dauer  der  Bestrahlung  wechselnde  Beeinflussung  des  Purin¬ 
stoffwechsels.  Auch  der  Eiweissstoffwechsel  ist  verändert,  wenn 
auch  die  Versuche  hierüber  noch  nicht  abgeschlossen  sind.  Orien¬ 


tierende  Vei  suche  am  Menschen  berechtigen  zu  der  Erwartung,  dass 
auch  hier  der  Purinstoffwechsel,  der  bekanntlich  besonders  bei  der 
Gicht  eine  Rolle  spielt,  planmässig  beeinflusst  werden  kann. 

Bach-Elster:  Ueber  die  Demonstration  der  Quarzquecksilber¬ 
lampe  „Künstliche  Höhensonne“. 

B.  erläutert  die  technische  Einrichtung  der  von  ihm  angegebenen 
Quarzquecksilberlampe  „Künstliche  Höhensonne“  und  seine  Methode 
der  Allgemeinbestrahlungen  mit  ultraviolettem  Licht. 

F.  W  e  i  g  e  r  t  -  Berlin:  Die  Liclitenergie  und  ihre  chemischen 
Wirkungen. 

Zum  Zustandekommen  einer  spezifischen  Lichtreaktion  muss  das 
Licht  von  den  reagierenden  Bestandteilen  absorbiert  werden  (photo¬ 
chemisches  Absorptionsgesetz).  Man  kann  zwischen  arbeitsspeichern- 
den  und  arbeitsleistenden  photochemischen  Reaktionen  unterscheiden. 
Vortr.  demonstriert  dann  eine  Reihe  ausserordentlich  instruktiver  Ex¬ 
perimente,  welche  die  Wirkungen  der  Lichtenergie  klar  vor  Augen 
führen. 

D  e  g  r  a  i  s  -  Paris:  Behandlung  des  Rhinophynta  mit  Radium. 

Bei  3  Fällen  von  Rhinophyma,  und  zwar  2  Fällen  der  glandu¬ 
lären  Form,  zeigten  sich  unter  dem  Einflüsse  des  Radiums  sehr 
schöne  Rückbildungen  des  Nasenumfanges  und  der  Drüsen  nach  Appli¬ 
kation  von  Radiumsulfat  durch  4  mal  12  Stunden. 

G  i  r  a  u  d  -  Paris-Chantilly :  Studien  über  die  Absorption  der 
Radiumstrahlen  durch  einige  organische  Substanzen. 

Die  exakte  Kenntnis  der  Absorptionskoeffizienten  ist  äusserst 
wichtig;  sie  erlaubt  uns  bei  genauer  Messung  der  Entfernung  des  be¬ 
strahlten  Gewebes  die  in  den  verschiedenen  Schichten  zur  Absorption 
gelangenden  Energiemengen  zu  bestimmen. 

Mesernitzky  -  Petersburg:  Neuere  Untersuchungen  über  die 
Anwendung  der  Radiumemanation  bei  Gichtikern. 

Unter  158  Fällen  von  Gicht  sah  M.  in  den  wenigsten  Fällen  eine 
vollständige  Heilung,  d.  h.  ein  vollständiges  Verschwinden  aller  Tophi, 
dagegen  vielfach  eine  Rückkehr  des  endogenen  und  exogenen  Purin¬ 
stoffwechsels  zur  Norm.  Vortr.  bevorzugt  die  innere  Emanations¬ 
einführung  unter  Ansteigen  von  300 — 10  000  ME.  Die  Kuren  dauerten 
6 — 12  Wochen.  Der  Prozentsatz  der  Geheilten  beträgt  28,5  Proz.,  die 
längste  Rezidivfreiheit  2  Jahre.  Die  Erklärung  des  therapeutischen 
Effektes  ist  noch  strittig. 

J.  P  u  j  a  d  o  r  -  Barcelona:  Das  Benzinlicht  bei  der  Diagnose  der 
Meningitis  und  anderer  Kinderkrankheiten. 

Sitzung  vom  28.  März  1913,  nachmittags. 

Stefan  Meyer- Wien:  Radioaktive  Normalmasse  und  Mess¬ 
methodik. 

Erst  im  Jahre  1912  konnte  auf  dem  Kongress  in  Brüssel  eine 
Einigung  über  das  Radiumnormalmass  erzielt  werden.  Der  Grund 
des  14  jährigen  Suchens  nach  einer  Präzisionsmessung  lag  in  der 
Schwierigkeit,  vollkommen  reine  Präparate  herzustellen  und  anderer¬ 
seits  in  dem  Fehlen  einer  Messmethode  mit  einer  Genauigkeit  von 
mindestens  5,0  Prom.  Durch  die  Arbeiten  von  Frau  M.  Curie  in  Paris 
und  Hönigschmidt  in  Wien  wurde  ein  Standardpräparat  herge¬ 
stellt  und  auch  in  den  Instituten  zu  Manchester.  Paris  und  Wien  die 
Messmethoden  ausserordentlich  verfeinert.  Das  Präparat  von  Frau 
Curie  befindet  sich  in  Paris  als  internationaler  Radiumstandard  in 
Verwahrung  und  ein  zweiter  Standard  in  der  Kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Wien.  Das  Radium  hat  ein  Atomgewicht  von 
226,0  und  eine  Wärmeentwicklung,  welche  für  1  g  Radium  samt  seinen 
ersten  Zerfallsprodukten  bis  Radium  C  stündlich  bei  Absorption  aller 
seiner  a-,  ß-  und  y-Strahlen  138  g  Kalorien  beträgt.  Vortr.  beschreibt 
dann  die  verschiedenen  Methoden  für  Präzisionsmessungen,  unter 
denen  die  elektrischen  am  geeignetsten  erscheinen. 

d’Arsonval  -  Paris :  Einige  alte  Experimente  in  der  Hoch¬ 
frequenz. 

Vortr.  demonstriert  die  ursprünglich  recht  primitiven  Apparate, 
die  er  zu  seinen  ersten  Versuchen  verwendete;  sie  haben  dann  später 
zur  Konstruktion  der  Apparate  für  drahtlose  Telegraphie  den  Anstoss 
gegeben.  Im  Anschluss  hieran  gibt  A.  einen  Ueberblick  über  die 
Anwendungsweise  der  Hochfrequenzströme  bei  den  verschiedenen 
Indikationen. 

Sieveking  -  Karlsruhe :  Ueber  Quellenmessung. 

Vortr.  berichtet  eingehend  über  die  Technik,  die  bei  der  Mes¬ 
sung  der  Radioaktivität  von  Heilquellen  angewendet  wird  und  demon¬ 
striert  vergleichende  Tabellen  über  den  Radiumgehalt  der  einzelnen 
Quellen,  insbesondere  von  Baden-Baden. 

Prof.  Markwald  - Berlin :  Demonstrationen  über  die  Zerfall¬ 
theorie  der  radioaktiven  Elemente. 

Experimentelle  Demonstrationen  der  Lebensdauer  der  verschie¬ 
denen  Emanationen  des  Radiums,  Thoriums  und  Aktinums  und  von 
deren  Zerfallsprodukten. 

Nogier-Lyon:  Das  Radiochromoskop,  ein  Apparat,  welcher 
eine  exakte  und  unter  immer  vergleichbaren  Bedingungen  erfolgende 
Schätzung  der  Röntgenstrahlen  gestattet. 

Delherme  -  Paris :  Behandlung  der  Ischias  mit  Radium. 

Von  den  ersten  Sitzungen  an  verringerten  sich  die  Schmerz¬ 
anfälle.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  nützt  auch  eine  längerdauernde 
Radiumbehandlung  nichts. 

Delherme  -  Paris :  Die  tetanische  Reaktion  bei  der  Thom¬ 
son  sehen  Krankheit. 


'  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


895 


Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  H  e  n  o  p. 

Schriftführer :  Herr  F  e  1  g  n  e  r. 

Herr  Grüneberg  zeigt  ein  neunjähriges  Mädchen,  bei  dem 
einigen  Tagen  die  Symptome  -der  kindlichen  Tetanie  plötzlich 
i  getreten  sind.  Das  Kind  ist  seit  einem  Jahre  wegen  skrofulo- 
t  erkulöse r  Erkrankung  in  stationärer  Behandlung  des  Kinder- 
i  pitals.  In  den  letzten  Monaten  unbeeinflussbare  Durchfälle. 

Vor  3  lagen  plötzlich  Auftreten  von  tonischen  Krämpfen  in  den 
i  uen  und  oberen  Extremitäten  und  in  den  Gesichtsmuskeln,  so  dass 
Mund  in  Pfeiferstellung  krampfhaft  gehalten  wird.  Auf  leiseste 
iihrung  ist  das  Fazialisphänomen  in  intensivster  Weise,  und  auch 
Medianusphänomen,  auszulösen.  Die  elektrische  Uebererregbar- 
ist  bis  0,2  Milliampere  gesteigert. 

Die  Patientin  ist  in  ihrem  zweiten  Lebensjahre  schon  einmal 
:  Hospital  wegen  Rachitis  und  Tetanie  behandelt  worden.  Das 
te  Auftreten  der  neuen  Erscheinungen  ist  nach  Ansicht  G.s  nicht 
ein  Rückstand  der  vor  Jahren  beobachteten  Tetanie  zu  betrachten. 
Reicht  sind  die  ganz  akuten  schweren  Erscheinungen  durch  eine 
:  che  tuberkulöse  Embolie  in  ein  Epithelkörperchen  hervorgerufen. 

G.  knüpft  hieran  einige  Bemerkungen  über  die  therapeutische 
:  influssung  der  Tetanie  durch  die  Ernährung. 

Herr  Hueter  demonstriert  die  Präparate  zweier  Gehirn- 
i  loren. 

1.  Endotheliom  des  rechten  Stirnhirns. 

52  jähriger  Insasse,  seit  langen  Jahren  völlig  erblindet,  psychisch 
lt  klar,  Inkontinenz  von  Blase  und  Mastdarm.  Taumeln  beim 
i sitzen  im  Bett,  Gehen  und  Stehen  unmöglich,  Fehlen  der  Patellar- 
cüxe,  Euphorie,  mangelndes  Krankheitsgefühl,  Witzelsucht,  Rigidität 
Körpermuskulatur,  Nystagmus.  Auf  Grund  des  Symptomen- 
iplexes  wurde  die  Diagnose  auf  Stirnhirntumor  gestellt  (Dr.  Ci  m  - 

Die  Obduktion  ergab  einen  apfelgrossen  Tumor  des  rechten 
nhirns.  Die  weichen  Hirnhäute  sind  über  dem  Tumor  in  grosser 
i  dehnung  infiltriert.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab 
dotheliom  mit  zahlreichen  hyalinen,  konzentrisch  gestreiften 

Lein. 

2.  Teratom  der  Zirbeldrüse. 

Der  Kranke,  19  Jahre  alt,  bis  Weihnachten  gesund  gewesen,  er- 
nkte  mit  Schwindel,  Kopfschmerzen,  Erbrechen,  Störungen  des 
js,  zuletzt  traten  Krampfanfälle  der  oberen  Extremitäten  auf. 

Die  Obduktion  ergab  Hydrozephalus  internus  und  einen  Tumor 
Epiphyse.  Diese,  in  eine  taubeneigrosse  abgerundete  Geschwulst 
wandelt,  hat  sich  am  Boden  des  dritten  Ventrikels  ein  tiefes  Bett 
raben  und  Druckatrophie  der  Corpora  quadrigemina  hervorge- 
1  n-  Mikroskopisch  erwies  sich  die  Geschwulst  als  Teratom.  Von 
in  einigen  Fällen  von  Teratom  der  Zirbel  beobachteten  Stoff- 
■  :hsel-  und  Entwicklungsstörungen  (Adiposität,  Riesenwuchs,  ab- 
me  Entwicklung  der  Genitalien)  war  nichts  nachweisbar. 

Herr  v.  Bergmann:  Einiges  über  funktionelle  Herzdiagnostik. 

I  Teil.) 

Es  wird  das  Energometerprinzip  als  Ergänzung  des  I.  Teiles 
;es  Vortrages  (s.  vorige  Sitzung)  kurz  besprochen  und  die  An- 
ldung  des  Energometers  durch  Herrn  Dr.  Hapke  demonstriert. 
Der  Vortragende  wendet  sich  mm  zu  gewissen  diagnostischen 
therapeutischen  Bestrebungen,  die  von  E.  A  1  b  r  e  c  h  t  -  Oeyn- 
sen  inauguriert  worden  sind.  Die  sog.  „Atmungsreaktion  des 
1  zens‘‘  ist  die  Prüfung  der  Herztätigkeit  bei  veränderten  Be¬ 
dungen  im  kleinen  Kreislauf.  Es  wird  nur  der  „erste  Hauptver- 
i  besprochen:  schnelle  Inspiration  (I.  Phase),  inspiratorischer 
'stand  (2.  Phase),  Exspiration  mit  folgenden  normalen  Bewegungen 
Nachwirkungsperiode  (3.  und  4.  Phase).  Die  Einflüsse  auf  das 
1  z  sind  in  jeder  Phase  gesondert  theoretisch  weiter  zu  studieren. 

die  Gesichtspunkte  der  Praxis  wird  nur  empirisch  festgestellt, 

;  'n  der  Norm  die  Frequenz  des  Herzschlages  in  den  verschiedenen 
sen  sich  verhält;  ausserdem  ist  zu  achten  auf  artifizielle  Pulsa- 
en,  Auftreten  von  Geräuschen  oder  von  Unregelmässigkeiten  des 
-  ^Schlages. .  Es  wurde  von  Herrn  Dr.  Hapke  am  grossen 
nkenmaterial  ermittelt,  dass  in  der  Tat  bei  organischen  Verände- 
'?en  am  Herzen  bestimmte  Abweichungen  dieser  Herzreaktionen 
;r  häufig  zu  beobachten  sind,  während  vom  klinischen  Standpunkte 
sonst  sicher  normale  Herzen  wesentliche  Abweichungen  nur  selten 
en. 

Diese  Untersuchungsmethode  nach  Alb  recht  kann  also  neben 
eren  für  diagnostische  Ueberlegungen  sicher  mit  Vorteil  ver- 

idet  werden. 

Wesentlichere  Effekte  auf  den  kleinen  Kreislauf  und  das  Herz 
inaupt  werden  erzielt  durch  Aenderungen  des  intrapulmonalen 
ckes  während  der  Respirationsphasen,  etwa  mit  dem  Waiden- 
rg  sehen  Respirationsapparat.  So  kann  die  normale  Wirkung, 
ehe  die  Exspiration  (durch  den  positiven  Druck)  auf  die  Blutfülle 
Meinen  Kreislaufes  hat,  durch  Ausatmung  in  verdünnte  Luft  (also 
ativen  Druck)  geradezu  umgekehrt  werden.  Ebenso  handelt  es 
i  um  eine  Umkehr  normaler  Verhältnisse,  wenn  in  der  Inspiration, 
tur  gewöhnlich  negativen  Druck  erzeugt,  komprimierte  Luft  ein- 


ver.  intrapulmonaler  Druck  zustande 
ip  ,  ■  an  kann  die  Blutfülle  im  keinen  Kreislauf  also  in  einer 

i  i’1"^  vei  schieben,  die  zunächst  stärkere  Blutansammlungen  in 
den  Lungen  ei  reicht  (sog.  Retentionsstadium)  und  umgekehrt  eine 

aSS6u-’  der  ein  ZuvieI  an  Blllt  >m  kleinen  Kreislauf 
zum  linken  Herzen  hmubergedrückt  wird  (Kompressionsstadium).  Es 

pSr,iPiCf  »J®  ?s  1°  yf.esentljche  Einflüsse  auf  die  Zirkulation  überhaupt 
erzielt  werden,  Einflüsse,  deren  Bestehen  subjektiv  sehr  oft  als  wohl- 

Är%tn,Kratlke?  m'}  BesHmmtheit  angegeben  wird  und  die 
objektiv  ( fcnergometei )  sich  beweisen  lassen 

Sind  diese  Einflüsse  von  anhaltender  Wirkung,  so  wäre  eine 
I  hcrapie  gegeben,  die  uns  neue  Wege  öffnet,  im  Gegensatz  zu  den 
bisherigen  Methoden,  die,  soweit  sie  „Uebungstherapie“  für  das  Herz 
sind,  anrechtbaren  Wert  haben,  soweit  sie  medikamentös  sind,  fast 
ausschliesslich  Behandlungsmittel  dekompensierter  Herzen  darstellen. 
Ls  bestände  die  Möglichkeit  einer  Schonungsbehandlung  der  ein¬ 
zelnen  Herzteile,  ehe  die  Arbeitsunfähigkeit  dieser  Herzteile  (De¬ 
kompensation)  eingetreten  ist. 

Die  Untersuchungen  auf  diesem  Gebiete  sind  ermutigend  Be¬ 
hauptungen  aber  bezüglich  Dauerwirkungen  können  noch  nicht  auf- 
gestellt  werden. 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XVI.  Sitzung  vom  1.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmaltz. 

Herr  Johannes  Rupprechl:  Demonstration  eines  Falles  von 
Mikrophthalmus  congenitus. 

14  jähriges  Mädchen.  Familien-  und  persönliche  Anamnese 
ohne  Befund. 

Das  rechte  Auge  zeigt  eine  Myopsie  von  10,0  D.  und  einen 
ganz  kleinen  sogen.  Konus  nach  unten  an  der  Papille.  Sonst  völlig 
normal.  S.:  —10,0,  D.  =  °/12. 

Das  linke  Auge  bietet  das  Bild  des  kongenitalen  Mikroph¬ 
thalmus:  Bulbus  wesentlich  kleiner  als  rechter.  Hornhautdurch¬ 
messer  6,5— 7  mm  (gegen  11  mm  rechts).  Die  kleine  Hornhaut  ist 
vollkommen  klar.  Ins  hellgrau-grün  gefärbt.  Leichte  Irregularitäten 
deS  Pupülan-andes,  aber  keine  Synechien.  Keine  Lichtreaktion. 
Medien  völlig  klar.  Ophthalmoskopisch  ausgedehntes,  typisch  nach 
unten  gelegenes  Kolobom  der  Aderhaut  mit  Einschluss  des  Seh¬ 
nerven.  Es  besteht  eine  sehr  hochgradige  Myopie  von  über  25  D 
Das  Auge  ist  völlig  blind  (kein  Lichtschein). 

Herr  Best:  Zur  Technik  der  Staroperation.  (Kurze  Mitteilung.) 

Vortragender  verwirft-  den  üblichen  Starschnitt  mit  G raefe¬ 
schem  Messer  und  Konjunktivallappen,  da  durch  Zug  von  rückwärts 
7  undflachen  entstehen,  die  ein  g  1  a  1 1  e  s  Anlegen  der  Ränder  bei  der 
Vernarbung  verhindern.  Wenn  man  sich  vorstellt,  dass  der  Chirurg 
die  Haut  in  ähnlicher  Weise  durchstäche  und  von  rückwärts  das 
Messet  durchzöge,  sogar  noch  unter  der  Epidermis  weiterführte,  so 
sieht  man  leicht  ein,  wie  unzweckmässig  der  Augenarzt  bei  dem 
Starschnitt  handelt.  Vortragender  operiert  deshalb  alle  Stare,  auch 
den  Altersstar,  mit  der  Lanze.  Weill  hat  zu  gleicher  Zeit  dasselbe 
Vertahren  empfohlen.  Während  Weill  den  Schnitt  beim  Aus¬ 
ziehen  der  Lanze  erweitert,  operiert  Best  mit  einer  sehr  breiten 
Lanze,  die  von  W  i  n  d  1  e  r  -  Berlin  hergestellt  wird.  Vorzüge  des 
Verfahrens  sind:  ausserordentlich  abgekürzter  Heilungsverlauf  und 
fast  fehlender  Wundastigmatismus. 

Diskussion: 

Herr  F.  Schanz:  Er  selbst  hat  schon  immer  bei  gewissen  Star¬ 
formen  den  Schnitt  mit  der  gewöhnlichen  Lanze  ausgeführt.  Er  ge¬ 
braucht  die  Lanze  aber  nur,  wenn  mit  Sicherheit  auf  einen  kleinen 
Kern  zu  rechnen  ist.  Man  findet  einen  solchen  bei  Patienten,  die  Ende 
der  40-  bis  Anfang  der  50ger  zur  Staroperation  kommen.  Bei 
älteren  Patienten  hat  man  mit  grossen  Kernen  zu  rechnen.  Bei 
solchen  Staren  operiert  Schanz  mit  dem  Gräfe  sehen  Messer 
und  sucht  den  Schnitt  so  zu  legen,  dass  der  untere  Wundrand  der 
Hornhaut  sich  fortsetzt  in  einen  Bindehautlappen.  Der  Bindehaut¬ 
lappen  beschleunigt  den  Wundschluss.  Ohne  Bindehautlappen  sind 
die  Wundflächen  nur  schmale  Gewebssäume,  die  nicht  exakt  aut'ein- 
\nderliegen,  weil  der  Druck  des  Lides,  die  Bewegung  des  Aug¬ 
apfels  die  Lage  des  unteren  Wundrandes  zum  oberen  verändert, 
ebenso  verändert  das  Abfliessen  des  Kammerwassers  die  Lage  der 
Wundränder  zueinander.  Hat  man  an  dem  Hornhautlappen  noch  einen 
Streifen  Bindehaut,  so  werden  die  Wundflächen  grösser,  sie  ver¬ 
kleben  rasch.  Dadurch  aber,  dass  der  Bindehautlappen  rasch  an¬ 
klebt,  werden  die  Hornhautwundflächen  besser  aneinander  gefügt  und 
aneinander  gehalten,  die  Wundsprengungen,  Infektionen,  Irisvorfälle 
werden  dadurch  sicher  vermindert. 

Herr  Rupprecht  legt  gern  den  Konjunktivallappen  an,  weil 
es  dann  eine  grössere  Wundfläche  gibt,  die  rascher  verkleben  kann. 
Die  Kornealwundränder  sind  sehr  schmal  und  beim  Pressen  oder 
Druck  mit  dem  Lide  kann  es  leicht  zum  Klaffen  der  Wunde  kommen. 

Herr  W.  Lothar  Meyer  ist  ebenfalls  ein  Anhänger  der  Kon¬ 
junktivallappenmethode  wegen  der  besseren  Kohärenz  der  Wunde. 
Der  Hornhautlappen  ist  starr  und  verschiebt  sich  ohne  Bindehaut¬ 
lappen  viel  leichter.  Letzterer  verklebt  rasch  und  schliesst  die 
Wunde  sicher.  Auch  heilt  der  Bindehautlappen  sehr  rasch  auf.  Dem 


896 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1( 


linearen  Schnitt  mit  der  Lanze  würde  er  gern  zustimmen,  hat  aber 
das  Bedenken,  dass  dabei  oberhalb  des  Schnittes  ein  flornhaut- 
zwickel  stehen  bleibt,  um  so  grösser,  je  grösser  der  Schnitt  ist; 
dort  kann  sich  die  Linse  dann  verfangen,  so  dass  es  zu  Unannehmlich¬ 
keiten  kommt.  Er  selbst  hat  bisher  bei  Altersstar  den  Lanzenschnitt 
nicht  angewendet. 

Herr  Joh.  Rupprecht  fragt,  wie  alt  die  nach  der  empfohlenen 
Methode  operierten  Kranken  waren;  bei  älteren  Leuten  ist  der  Kern 
der  Linse  viel  grösser  und  es  ist  zweifelhaft,  ob  die  Methode  auch 
für  ältere  Patienten  geeignet  ist. 

Herr  Qeis  fragt  den  Vortragenden,  ob  er  mit  der  Methode  ohne 
Iridektomie  auskommt. 

Herr  F.  Schanz:  Gerade  für  Fälle,  die  man  ohne  Iridektomie 
operieren  will,  empfiehlt  sich  der  Schnitt  mit  der  Lanze.  Bei  kleinen 
Kei  nen  ist  die  Extraktion  leicht.  Die  Iris  lässt  sich  gut  zurücklegen. 
Irisvorfälle  sind  nicht  zu  fürchten,  da  die  Lanzenwunde  rascher  ver¬ 
klebt,  als  die  mit  dem  G  r  ä  f  e  sehen  Messer  angelegte,  die  Wunden 
verheilen  ebenso  rasch  wie  die  bei  den  Iridektomien. 

Herr  Best  (Schlusswort) :  Hinsichtlich  des  Einwandes,  der 
Lanzenschnitt  reiche  nicht  aus,  ist  zuzugeben,  dass  die  schmale  Lanze 
von  Weill  manchmal  nicht  zulangt;  Best  selbst  musste  früher 
machmal  den  Lanzenschnitt  mit  der  Schere  erweitern.  Weill  da¬ 
gegen  brauchte  unter  50  Fällen  nur  2  mal  zu  erweitern.  Es  wurden 
wahllos  alte  und  junge  Leute  operiert;  im  wesentlichen  handelte  es 
sich  sogar  um  Alterspatienten,  nicht  etwa  nur  um  jugendliche  Stare. 

Schon  in  der  vorantiseptischen  Zeit  ist  der  Star  —  von  Weber 
in  Darmstadt  —  mit  der  Lanze  operiert  worden;  wegen  der  ver¬ 
meintlich  grösseren  Infektionsgefahr  wurde  die  Methode  dann  wieder 
verlassen. 

Mit  der  neueren,  von  Best  angegebenen  Lanze  kann  man 
Schnitte  bis  11  mm  machen.  Die  Lanze  wird  von>Windler  in 
Berlin  hergestellt.  Ein  Zwickel  in  der  Hornhaut  entsteht  nicht;  die 
Wunde  liegt  vielmehr  in  ganzer  Ausdehnung  im  Limbus. 

Was  den  Schutz  des  Bindehautlappens  betrifft,  so  sieht  B.  nicht 
ein,  dass  ein  grosser  Lappen  rascher  verkleben  soll  als  ein  kleiner. 
Kleine  Wunden  heilen  doch  rascher  als  grosse.  Wenn  man  den 
ersten  Verbandwechsel  am  selben  Abend  vornimmt,  findet  man  in 
90  Proz.  die  Vorderkammer  noch  nicht  wieder  hergestellt. 

Herr  R  i  e  t  s  c  h  e  1 :  Ueber  Diathesen, 

Nach  einleitenden  Bemerkungen  über  die  historische  Entwicklung 
des  Begriffes  und  des  Krankheitsbildes  der  exsudativen  Diathese 
geht  R.  näher  auf  das  klinische  Bild  der  exsudativen  Diathese 
A.  Czernys  ein.  Der  grosse  Fortschritt  liegt  in  der  Betonung  des 
innern  konstitutionellen  Momentes.  Ob  es  allerdings  wirklich  heute 
schon  möglich  ist,  ein  einheitliches  klinisches  Bild  auf  gemeinsamer 
pathogenetischer  Grundlage  zu  zeichnen,  wie  es  A.  Czerny  will, 
erscheint  R.  zweifelhaft.  Im  Gegenteil  spricht  nach  R.  theoretische 
Ueberlegung,  wie  klinische  Erfahrung  dafür,  dass  die  verschiedensten 
pathogenetischen  Momente  die  Symptome  der  „exsudativen  Diathese“ 
auslösen  können.  Da  uns  die  „innere  Ursache“  noch  völlig  unbekannt 
ist,  ist  eine  eigentliche  kausale  Therapie  noch  nicht  möglich,  sondern 
nur  eine  empirische.  So  bedeutend  der  Einfluss  der  Ernährung  auf 
die  exsudative  Diathese  voraussichtlich  ist,  so  bauen  sich  die  Richt¬ 
linien,  die  heute  dafür  gegeben  werden,  immer  noch  mehr  auf  sub¬ 
jektive  Eindrücke,  als  auf  objektive  Tatsachen  auf.  Ausführliche,  be¬ 
weisende  Krankengeschichten  fehlen  noch  völlig.  Es  scheint  sehr 
wahrscheinlich,  dass  grosse  Einseitigkeiten  in  der  Ernährung 
(Mästung,  Unterernährung,  Bevorzugung  gewisser  Nährstoffe)  un¬ 
günstig  wirken  können.  Ein  Schema  der  Ernährung  aber,  wie  es 
kürzlich  Klotz  forderte,  ist  abzulehnen.  Die  Bedeutung  der  Infektion 
als  primäres  bzw.  pathogenetisches  Moment  zur  Manifestation  ge¬ 
wisser  Krankheitsbilder,  die  Czerny  unter  die  exsudative  Diathese 
rechnet,  wird  vielleicht  unterschätzt.  In  Zukunft  muss  versucht 
werden,  den  grossen  Begriff  der  exsudativen  Diathese  dadurch  besser 
zu  fassen,  dass  ausführliche  Familienkrankengeschichten  gesammelt 
werden.  Nur  so  wird  es  möglich  sein,  auch  für  die  Therapie  noch 
bessere  Richtlinien  zu  gewinnen. 

(Wird  ausführlich  an  anderer  Stelle  erscheinen.) 

Herr  Galewsky:  Ueber  Diathesen. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  8.  April  1913. 

Vorsitzender:  Herr  D  e  n  e  k  e. 

Herr  Kafka:  Demonstration  der  Abderhalden  sehen 
Schwangerschaftsdiagnose. 

Vortr.  hat  auch  den  Lio.uor  cerebrospinalis  von  Graviden  am 
Schwangerschaftsende  geprüft,  aber  keine  Ninhydrin-  oder  Biuret- 
reaktion  gebenden  Fermente  gefunden.  Aehnlic'n  hat  er  den  Liquor 
von  Paralytikern,  deren  Serum  Gehirn  stark  abbaut,  auf  Schutz¬ 
fermente  gegen  Gehirn  untersucht,  solche  aber  nicht  gefunden. 

Herr  Hegen  er:  9  jähr.  Knabe  von  einer  otogenen  Osteo- 
phlebitispyämie  durch  Warzenfortsatzaufmeisselung  geheilt.  Ver¬ 
lauf:  Angina.  Otitis  media,  Spontanperforation,  Absinken  des  Fiebers, 
nach  8  Tagen  kurzdauernde  Ohrenschmerzen,  septisches  Fieber,  Ver¬ 
dacht  auf  Miliartuberkulose.  Schmerzen  im  Unterkiefer,  Nacken. 


Leistendrüsen,  schwerer  Allgemeinzustand,  Trommelfell  kupierrc 
Radiärinjektion:  als  Ausdruck  einer  Tiefeneiterung.  Operation,  Ab 
sinken  der  Temperatur.  Heilung. 

Herr  W  e  y  g  a  n  d  t:  a)  13  jähr.  Knabe  mit  infantiler  Paralysj  ai 
Grund  angeborener  Syphilis.  Geistiger  Schwachsinn;  Scapula  sca 
phoides,  dysgenitale  Form  des  Infaiitilismus.  Eunuchoider  Habitu; 
Riesenwuchs  der  Beine,  144  cm  Köfperlänge,  Nabel  89  cm  hoch,  Kopi 
umfang  51,5. 

b)  36  jähr.  Mann  mit  angeborenem  Schwachsinn  mit  Dysgeni 
talismus,  dabei  symptomatische  Epilepsie  und  zeitweilige  psychisch 
Erregung  mit  Sinnestäuschungen.  Der  Körperbau  hat  feminine  Zügi 
die  sekundären  Geschlechtscharaktere  sind  unentwickelt,  anscheinen 
ist  in  Korrespondenz  mit  den  verkümmerten  Hoden  die  Hypophysi 
vergrössert. 

c)  20  jähr.  Mädchen.  136  cm  lang,  tiefstehende  erethische  Idioti 
mit  Dysgenitalismus,  Zwergwuchs  und  spastischer  Paraparese  beide 
Fiisse.  Der  Fall  erinnert  an  die  von  Bourneville  beschriebene 
seltenen  Fälle  von  Nanisme  diplegique. 

Herr  Küinmell:  39jährige  Frau,  bei  der  die  Totalexstirpatio 
der  karzinomatösen  Blase  ausgeführt  ist.  K.  bespricht  die  verschie¬ 
denen  Methoden  der  Ureter  Versorgung,  ln  diesem  Falle  hat 
K.  eine  neue  Methode  mit  gutem  Erfolge  versucht.  Die  Uretere 
wurden  über  der  Symphyse  neben  der  Operationswunde,  ungefähr  : 
der  Entfernung  der  normalen  Ureteren  von  einander,  implantier. 
Die  Ureterenkatheter  blieben  als  Dauerkatheter  einige  Wochen  Heger 
bis  eine  feste  Verheilung  der  Ureterenstümpfe  in  der  Haut  erziel 
war  und  die  Infektion  des  Nierenbeckens  verschwunden  war.  Di 
Pat.  trägt  ein  Rezeptakulum,  das  mit  einem  Gürtel  fixiert  wird.  De 
Urin  wird  durch  zwei,  mehrere  Zentimeter  lang  in  die  Uretere 
geschobene  dünne  Gummiröhrchen  gesammelt.  Auf  diese  Weise  wir 
auch  die  gefürchtete  Strikturbildung  der  eingenähten  Ureteren  vert 
mieden. 

Vortrag  des  Herrn  Prochownick:  Beitrag  zur  gynäkologi 
sehen  Röntgenbehandlung. 

Vortr.  hat  von  1908 — 1912  60  Fälle  mit  Albers-Schönben 
und  Haenisch  behandelt,  alle  mit  Hamburger  Technik  und  wii 
aus  eigener  Erfahrung  berichten,  ob  die  Methode  reif  für  die  Praxi 
ist.  Nach  einem  historischen  Ueberblick  über  die  verschiedener.  Be 
handlungsmethoden  (Ergotininjektionen,  Operation,  Apostoli,  d’Arson 
val)  bespricht  Vortr.  seine  Indikationen  und  die  Resultate. 

Er  hat  auf  Grund  früherer  Erfahrungen  verzichtet  auf  Halb 
erfolge  (Oligomennorrhöen)  und  auf  Röntgenbehandlung  aller  Fraue 
unter  40  Jahren;  ausgeschlossen  ferner  alle  einigermassen  sichen 
submuköse,  inkarzerierte  und  stärkere  Blasenbeschwerden  verur 
sachende  Tumoren.  Grösse  und  Lagerung  der  Myome,  Anämie  un- 
Myomherz  waren  keine  Kontraindikationen.  Von  180  beobachtete 
Myomen  fallen  22  fort,  die,  submukös  oder  gestielt,  leicht  entfern 
werden  konnten.  Von  158  waren  60  unter  40  Jahren,  sie  wurden  i 
verschiedener  Weise  operativ  geheilt,  von  den  übrigen  98  zwische 
40  und  55  Jahren  kamen  23  spontan  in  die  Klimax.  30  wurden  operier! 
45  wurden  bestrahlt.  Von  denselben  scheiden  3  aus,  weil  Kompli 
kationen  eine  Operation  verlangten.  Von  den  Restlichen  ist  nu 
einmal  ein  Versager  zu  verzeichnen.  Bei  den  übrigen  40  trat  rac 
verschieden  langer  Bestrahlung  die  Menopause  ein  (12  Fälle  über  . 
10  weitere  über  2  Jahre  lang  schon  beobachtet).  Ein  Weiter-  oJe 
Wiederwachsen  ist  nicht  erfolgt.  In  Einzelfällen  erfolgte  der  Schwur, 
rapide,  bei  den  meisten  langsamer.  Aber  das  Gesamttempo  de 
Tumorschwundes  ist  ausgesprochen  schneller  als  früher  nach  Kastra 
tion,  noch  schärfer  ist  der  Kontrast  zu  den  23  spontan  in  die  Klima 
eingetretenen.  Nach  Vortr.  Ansicht  besteht  ein  Zusammenhang  zwi 
sehen  Behandlungsdauer  und  Tumorschwund:  d.  h.  je  kürzer  di 
Dauer,  umso  schneller  der  Schwund.  Hier  liegt  der  Angelpunkt  fü 
die  Zukunft,  umsomehr,  als  eine  direkte  Wirkung  der  Strahlen  au 
die  Zellen  bezw.  das  Bindegewebe  der  Geschwülste  immer  mell 
sicher  wird.  Vollen  Erfolg  weist  die  Bestrahlung  in  der  Behandlun 
der  Klimaxblutungen  auf.  Die  Methode  ist  alles  in  allem  als  reif  fii 
die  Praxis  zu  bezeichnen. 

Diskussion:  Herr  M  a  1 1  h  a  e  i  ist  mit  der  objektiven  Dar 
Stellung  und  Kritik  der  Vortragenden  sehr  einverstanden,  wendet  sic 
gegen  den  einseitigen  Fanatismus  der  Freiburger.  Auch  in  de 
Indikationsstellung  möchte  M.  nur  sehr  streng  die  Fälle  aussuchet 
Die  Entscheidung,  ob  ein  Myom  submukös  ist  oder  nicht,  st  m 
nur  durch  Austastung  (Gefahr  der  Infektion!)  zu  stellen.  Die  Spat 
folgen  der  Röntgenstrahlen  sind  auch  noch  nicht  genug  bekannt 
daher  kann  man  nicht  sagen,  ob  nicht  durch  die  forcierte  Freiburge 
Technik  Blutalterationen  (Leukozytose),  Schädigungen  von  Herz  un 
Gefässen  sich  später  geltend  machen.  Ausgezeichnet  wirksam  ua 
gegen  sind  die  Röntgenstrahlen  bei  den  klimakterischen  und  pra 
klimakterischen  Blutungen. 

Herr  R  i  e  c  k  hebt  die  Vorzüge  der  Defundatio  vaginalis  gegen 
über  der  langdauernden,  vielfach  von  Röntgenkater  gefolgten  Rmü 
gentherapie  hervor  sowohl  bezüglich  der  Metropathien  (auch  vo 
K  r  ö  n  i  g  hauptsächlich  vom  Kostenstandpunkt  anerkannt)  als  auc 
der  Myome  Mackenrodts  Fundusamputation)  wo  es  angängr 
ist.  Hauptfeld  der  Röntgentherapie,  die  bei  jüngeren  Frauen  unsiche 
in  der  Wirkung  keine  verlangte  Sterilität  und  Oligorrhöe  garantiere 
und  keine  uterine  Dysmenorrhöe  beseitigen  kann,  sollten  die  g- 
tährdeten  Myomkranken  sein  einschliesslich  der  submukösen,  wer 
der  exakten  Uterusdauertamponade  an  sich  und  in  Kombination  im 
dem  Röntgenverfahren. 


Vpril  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


897 


Herr  Spaeth  ist  im  allgemeinen  mit  dem  Rüntgönverfahreu 
i  den.  wenn  auch  die  lange  Dauer  unangenehm  ist.  Deswegen 
;  er  auch  grössere  Strahlenmengen,  wenn  auch  noch  nicht  die  in 
urg  üblichen  enormen  Dosen.  Demonstration  von  Ovarien,  die 
Röntgenbestrahlung  degeneriert  sind. 

Herr  Cal  mann  referiert  über  einen  Fall  von  Verjauchung  und 
ose  submuköser  Myome  nach  Röntgenbehandlung,  die  zu 
erster  Erkrankung  und  6  Wochen  nach  der  unter  ungünstigsten 
iltnissen  ausgeführten  Operation  zum  Tode  führte.  Der  Verlauf 
:  tit  für  einen  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen  der  Nekrose 
der  Röntgenbehandlung;  aber  selbst  wenn  inan  von  diesem  ab- 
so  ist  durch  die  Bestrahlung  der  richtige  Moment  für  die  durch 
tarken  ursprünglichen  Menorrhagien  durchaus  indizierte  Opera¬ 
verpasst  worden. 

Ferner  die  Herren  Rüder  und  Haenisch,  von  denen  insbe¬ 
ere  vor  zu  grossen  Dosen  gewarnt  wird,  zumal  allmählich  Spät- 
ädigungen  bekannt  werden.  Werner. 


ogische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Februar  1913. 

Herr  He  gier:  Bemerkungen  zur  diabetischen  Lipämie. 

Ein  23  jähriger  kräftiger  Mann  war  vor  2  Jahren  an  Diabetes 
mkt  und  im  April  1912  wegen  Xanthoma  diabetic.  im  Eppen- 
r  Krankenhause  behandelt  worden.  Damals  fand  sich  im  Blut, 
einer  täglichen  Zuckerausscheidung  von  anfänglich  280,  später 
Dextrose,  ein  Zuckerwert  von  0,3  Proz.;  die  Menge  des  Gesamt- 
>  im  Blut  betrug  1,33  Proz.,  die  des  Cholesteringehaltes  0,27  Proz. 
Kranke  wurde  Januar  1913  mit  beginnendem  Coma  diabeticum 
er  aufgenommen.  Die  Xanthome  waren  wieder  stärker  ent- 
elt;  es  fiel  auf,  dass  der  Oberkiefer  etwas  plump  und  vor- 
loben  war,  die  Hände  und  Fiisse  ebenfalls  plumpe  Form  auf- 
en;  Lippen  wulstig,  Zunge  nicht  vergrössert,  keine  Sehstörungen, 
n  letzten  Tagen  vor  dem  Tod  hochgradige  Cilykosurie:  13  000  Urin 
)  Proz.  =  780  g  Zucker,  und  16  400  Urin  mit  5,3  Proz.  =  870  g 
er  pro  Tag.  Im  Augenhintergrund  exquisite  Lipämie  zu  er- 
en:  die  Gefässe  heben  sich  als  silberweisse  Streifen  aufs  deut- 
te  ab.  Blutzuckergehalt  0,62  Proz.;  Gehalt  des  Blutes  an  Ge- 
t  fett  20  Proz.,  an  Cholesterin  1,06  Proz.  Im  Blutserum  33  Proz. 
ett  (!)  (die  Analyse  wurde  von  Herrn  Schümm  ausgeführt), 
er  enorme  Fettgehalt  ist  bisher  einzigartig  in  der  Literatur.  Bei 
Obduktion  fand  sich  eine  zirkumskripte  Pankreasnekrose  und 
Hypophysentumor.  —  Besprechung  der  Ursachen  und  Formen 
Lipämie.  Die  diabetische  Lipämie  ist  nach  des  Vortragenden 
lrungen  bei  weitem  nicht  so  häufig,  als  nach  manchen  Veröffent- 
ngen  der  letzten  Zeit  anzunehmen  wäre:  unter  180  Fällen  von 
etes  in  den  Jahren  1910 — 1912,  von  welchen  69  starben  und 
iduziert  wurden,  fanden  sich  nur  2  Fälle,  obwohl  bei  den  meisten 
ken  zwecks  Blutzuckerbestimmung  etc.  eine  Blutentnahme  ge- 
lt  worden  war.  (Autoreferat.) 

Herr  Fraenkel:  Demonstrationen  zu  Lipaemia  diabetica. 

In  Uebereinstimmung  mit  Herrn  H  e  g  1  e  r  möchte  ich  die 
sse  Seltenheit  derartiger  Fälle  von  Lipämie 
Diabetes  betonen.  Es  ist  der  3.  Fall  dieser  Art,  den  ich  iiber- 
t  gesehen  habe.  Besonders  in  die  Augen  fallend  ist  auch  bei 
Sektion  das  Aussehen  des  Blutes,  wie  Sie  sich  an  dem 
!t  der  Reagenzgläser  überzeugen  können. 

Von  inneren  Organen  sind  es  ganz  besonders  die  Nieren,  an 
n  man  die  Diagnose  der  Lipämie  sehr  gut  mit  blossem  Auge 
m  kann.  Merkwürdigerweise  habe  ich  über  diesen  Befund  keine 
iben  gefunden,  auch  nicht  in  dem,  durch  einen  gleichfalls  recht 
n  Fettgehalt  des  Blutes  ausgezeichneten,  im  Jahre  1903  von 
“  i  s  c  h  e  r,  damals  in  Bonn,  beschriebenen  Fall  diabetischer 
mie.  Erfahrenen  Pathologen,  denen  ich  bei  Besuchen  in  meinem 
tut  die  Nieren  zeigte,  waren  diese  Bilder  unbekannt. 

Ich  zeige  Ihnen  die  Nieren  eines  im  Jahre  1910  obduzierten 
:s  und  des  in  diesem  Jahre  zur  Sektion  gekommenen,  auf  den 
die  Mitteilungen  des  Herrn  He  gier  bezogen.  Sie  werden  er- 
ien,  dass  das  Aussehen  der  Nieren  in  beiden  Fällen  absolut 
tisch  ist. 

Die  wahrnehmbaren  Veränderungen  spielen  sich  im 
eich  der  Grenzschicht  und  der  benachbarten 
tien  der  Markkegel  ab  und  präsentieren  sich  als 
uweisse,  gegen  die  Basis  der  Markkegel  kon- 
gierende,  gegen  die  Rinde  hin  sich  ziemlich 
ch  verlierende  Streifen,  die  scharf  gegen  das  eigent- 
:  Nierenparenchym  abstechen. 

Sehr  deutlich  heben  sich  die  prall  mit  dem  in  i  Ich  äh  n- 
len  Inhalt  gefüllten  Gefässe  an  der  Oberfläche 
Herzens  von  dem  blassrot  gefärbten  Myokard  ab  (Demon- 
tion).  Für  die  Konservierung  des  Herzens  habe  ich  den  Kunst- 
angewendet  und  empfehle  ihn  für  ähnliche  Fälle,  die  grossen 
'gefässe  abzubinden  und  das  Herz  un eröffnet  in  die 
•jervierungsfliissigkeit  zu  legen. 

Sehr  eigenartig  erschien  die  F  ä  r  b  u  n  g  der  Lungen-  und 
z  sc  h  n  i  1 1  f  1  ä  c  h  e,  die  an  ein  blasses  Zinnoberrot  erinnert. 


Liner  besonderen  Erwähnung  wert  erscheint  der  B  e  f  ü  n  d  a  n 
der  Netzhaut.  Hier  lassen  sich,  genau  wie  in  dem  Im  Jahre  1910 
sezierten  Fall,  die  als  silberweisse  Fäden  von  der  Papille  aus  ver¬ 
laufenden  Gefässe  bis  nahe  an  den  Aequator  bulbi  verfolgen,  und 
besonders  schön  gestaltete  sich  der  Anblick,  wenn  die  weisse  Flüssig¬ 
keitssäule  streckenweise  durch  blutroten  Inhalt  unterbrochen  war. 

Es  wurden  dann  farbige  Mikrophotogramme  von  Nieren,  Leber, 
Milz  und  Haut  gezeigt,  die  von  Gefrierschnitten  formolgefärbter 
Stücke  der  genannten  Organe  hergestellt  und  nach  der  Herx- 
heimer  sehen  Fettfärbungsmethode  tingiert  waren/  Die  Präparate 
machen  den  Eindruck  von  gut  gelungenen  Injektionspräparaten, 
namentlich  an  Leber  und  Nieren. 

Es  wird  darauf  hingewiesen,  dass  die  Lipämie  als  solche 
mit  dem  Coma  diabeticum  nichts  zu  tun  hat,  dass  auch 
von  einer  Verstopfung  der  Gefässbahn  durch  das  fetthaltige  Blut  keine 
Rede  und  eine  Analogie  oder  IdentifizierungmitFett- 
embolien  zurückzu  weisen  sei. 

Ueber  die  Ursache  der  Lipämie  beim  Diabetes,  besonders  einer 
so  hochgradigen,  wie  sie  hier  bestanden  habe,  wissen  wir  leider 
nichts.  Die  von  B.  Fischer  seinerzeit  vertretene  Anschauung, 
dass  der  Mangel  eines  lipolytischen  Ferments  im  Blute  dafür  ver¬ 
antwortlich  zu  machen  sei,  muss  fallen  gelassen  werden,  da  die 
Existenz  eines  solchen  Ferments  nicht  bewiesen  sei. 

Hervorheben  muss  ich  noch  die  bei  der  Sektion  festgestellte 
Anwesenheit  eines  grossen  Hypophysistumors.  Er  hatte 
sich  gar  nicht  nach  dem  Türkensattel  hin  entwickelt,  sondern  er¬ 
streckte  sich,  auch  die  Optizi  nicht  beeinträchtigend,  nach  vorn 
zwischen  die  einander  zugekehrten  Flächen  der  Nierenlappen  und 
zeigte  auf  dem  Durchschnitt  ein  ziemlich  gleichmässig  rötlichbraunes 
Aussehen.  Histologisch  kann  man  ihn  als  Hypophysisstruma  charak¬ 
terisieren.  Die  zelligen  Elemente  scheinen  in  der  Hauptsache  den 
sogen.  Hauptzellen  anzugehören,  jedenfalls  ist  es  mir  bisher  nicht 
gelungen,  irgendwie  eosinophile  Körnung  nachzuweisen.  Ueber  einen 
etwaigen  Zusammenhang  dieses  3:2  cm  messenden  Tumors  mit  den, 
auch  für  einen  Fall  von  Diabetes  abnorm  hohen  Urinmengen  enthalte 
ich  mich  jeden  Urteils.  (Autoreferat.) 

Herr  O.  Schümm:  Zur  Frage  der  Lipämie. 

Es  ist  namentlich  von  Klemperer  und  Umber  darauf  auf¬ 
merksam  gemacht  worden,  dass  an  dem  erhöhten  Gehalt  des  Blutes 
Diabetischer  an  fettartigen  Stoffen  in  auffallendem  Grade  die  Nicht- 
fette,  besonders  das  Cholesterin,  beteiligt  seien.  Es  scheint,  dass 
das  Blut  Diabetischer  in  der  Tat  oft  diese  Eigentümlichkeit  aufweist. 

Fr.  Weil  hat  kürzlich  bei  einem  Falle  von  Nephritis  Lipämie 
beobachtet,  wobei  das  Blut,  ebenfalls  einen  relativ  hohen  Gehalt  an 
Cholesterin  besass. 

Offenbar  beeinflusst  durch  die  Abhandlung  Klemperers  wirft 
W  e  i  1  die  Frage  auf,  ob  es  eine  echte  pathologische  Lipämie  gäbe. 
Auf  Grund  eigener  Untersuchungen  an  insgesamt  3  Fällen  von  hoch¬ 
gradiger  Lipämie  muss  ich  mich  dahin  aussprechen,  dass  fraglos  Fälle 
von  Diabetes  Vorkommen,  bei  denen  die  milchige  Beschaffenheit  des 
Blutes  in  der  Hauptsache  durch  den  enormen  Gehalt  an  echtem  Fett 
bedingt  wird.  Das  wird  ja  auch  durch  den  eben  besprochenen  Fall 
einwandfrei  bewiesen.  —  Wie  Herr  Dr.  H  e  g  1  e  r  schon  anführte, 
fand  ich  in  100  g  frischem  Vollblut  19,6  g  Petrolätherextrakt 
(=  Petrolätherauszug  des  Aetherextrakts).  Davon  waren  rund  18,5  g 
verseifbar,  also  echtes  Fett,  während  nur  1,06  g  =  Vis  des 
Petrolätherextraktes  aus  Cholesterin  bestand. 
Hier  ergab  also  nicht  nur  die  makroskopische,  sondern  auch  die 
chemische  Prüfung  das  Bestehen  einer  echten  Lipämie. 

Es  wäre  erwünscht,  dass  möglichst  in  allen  Fällen  von  aus¬ 
gesprochen  milchiger  Beschaffenheit  des  Serums  das  Verhältnis  von 
echtem  Fett  zu  den  Lipoiden  (Cholesterin,  Lezithin)  festgestellt  und 
der  Befund  nach  dem  Ueberwiegen  des  einen  oder  anderen  Bestand¬ 
teils  als  Lipämie,  Cholesterinämie  oder  Lezithinämie  präzisiert  würde. 

Für  klinische  Zwecke  dürfte  die  einfache  und  eingebürgerte  Be¬ 
zeichnung  Lipämie  im  allgemeinen  genügen,  nur  müsste  man  zur 
näheren  Kennzeichnung  der  chemischen  Verhältnisse  die  Verhältnis¬ 
zahl  für  Fett,  Cholesterin  und  event.  Lezithin  hinzufügen,  z.  B.  für 
den  vorliegenden  Fall:  „Lipämie  (19,6 Proz.),  Cholesterin:  Fett  =  Vis“. 

Von  welchem  Cholesteringehalt  an  man  eine  pathologische 
Cholesterinvermehrung  annehmen  darf,  ist  nicht  genau  bekannt,  da 
nur  wenige  verlässliche  Cholesterinbestimmungen  bei  Gesunden  aus¬ 
geführt  sind.  (Demonstration  der  aus  10  g  Blut  abgeschiedenen 
Mengen  von  echtem  Fett  und  Cholesterin.)  (Autoreferat.) 

Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  v.  Bergmann: 
Experimentelles  über  Darmbewegung. 

Herr  Schmilinsky:  Schlüsse  für  die  Praxis  dürfen  aus  den 
interessanten  Beobachtungen  des  Vortragenden  bei  den  verwickelten 
Verhältnissen  im  menschlichen  Körper  gewiss  nur  mit  Vorsicht  ge¬ 
macht  werden.  S.  hat  antiperistaltische  Bewegungen  im  Kolon  bei 
Obstipationen  einige  Male  röntgenologisch  nachweisen  können,  ebenso 
das  Eindringen  des  Baryumbreies  in  den  Dünndarm,  letzteres  be¬ 
sonders  bei  Druck  auf  das  Colon  ascendens.  Auch  aus  anderen 
klinischen  Beobachtungen  kann  man  auf  Antiperistaltik  schliessen. 
Bemerkenswert  sind  neuere  Beobachtungen  von  R  o  i  t  h,  nach  denen 
vom  Zoekum  bis  zur  Mitte  des  Colon  transversum  neben  Isoperi¬ 
staltik  Antiperistaltik  einhergeht,  während  von  der  Mitte  des  Trans¬ 
versum  bis  zur  Flexura  sigmoidea  nur  Isoperistaltik  herrscht.  Im 


898 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Colon  sigmoideum  und  Rektum  können  dagegen  auf  isoperistaltische 
wie  auf  antiperistaltische  Reize  neben  isoperistaltischen  Wellen  auch 
antiperistaltische  ausgelöst  werden.  Letztere  vermögen  bis  zum 
Zoekum  hinaufzugehen;  Beweis:  Zoekumblähung  und  Zoekum- 
gesch würe  bei  tiefer  Kolonstenose,  wo  dicht  oberhalb  der  Stenose 
der  Darm  leer  gefunden  werden  kann;  ferner  der  Versuch  von 
L  a  n  z.  der  eine  Stunde  vor  einer  Appendektomie  Lykopodiumsamen- 
aufschwemmung  ins  Rektum  eingoss  und  die  Samen  im  Appendix 
wiederfand.  Auch  bei  willkürlicher  Hemmung  der  Defäkation  und 
beim  Klistier  kann  eine  Antiperistaltik  eine  Rolle  spielen.  (Auto¬ 
referat.) 

Herr  S.  Möller;  Im  Anschluss  an  die  Diskussionsbemerkungen 
des  Herrn  Schmilinsky  über  die  Bedeutung  der  Antiperistaltik 
ist  der  vor  einigen  Monaten  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
publizierte  Fall  von  A  1  b  r  e  c  h  t  bemerkenswert.  Einer  Patientin,  die 
wegen  schwerster  Obstipation  mit  grossem  Zoekaltumor  operiert 
wurde,  war  eine  Jejunosigmoidanastomose  angelegt  worden.  Da  aber 
nach  einiger  Zeit  der  Zoekaltumor  wieder  auftrat,  wurde  die  ab¬ 
führende  Dünndarmschlinge  geschlossen.  Trotzdem  nun  der  Kot 
vom  Dünndarm  nur  direkt  in  das  Sigmoideum  entleert  wurde,  traten 
nach  einigen  Monaten  wieder  starke  Beschwerden  auf,  gleichzeitig 
mit  grossem  Zoekaltumor.  Der  Kot  konnte  nur  auf  dem  Wege  der 
Antiperistaltik  vom  Sigma  aus  zurück  durch  das  ganze  Kolon  trans¬ 
portiert  worden  sein.  (Autoreferat.) 

Die  Bauchdeckenfenstermethode  von  Katsch  und  Berg¬ 
mann  wird  sicherlich  in  manchen  Punkten  eine  Ergänzung  unserer 
bisherigen  Kenntnisse  speziell  hinsichtlich  der  Erkenntnis  der  nor¬ 
malen  Bewegungsvorgänge  des  Darmes  ermöglichen.  Sie  hat  zwar 
einerseits  Vorteile  dadurch,  dass  sie  eine  direkte  Inspektion  des 
Darmes  lange  Zeit  hindurch  ermöglicht,  aber  andererseits  ist  daran 
zu  denken,  dass  sie  nur  das  Zusammenspiel  der  verschiedenen  peri¬ 
staltischen  Bewegungen  gibt  und  dass  eine  genauere  Analyse  der 
einzelnen  Erscheinungen  erschwert  st.  Genau  so  wie  in  mancher 
Beziehung  die  Röntgenaufnahme  uns  feinere  Einzelheiten  gibt  als  die 
Beobachtung  am  Schirm;  wo  wir  nur  kürzere  Zeit  beobachten  können 
und  das  Auge  nicht  alle  Einzelheiten  so  schnell  erfassen  kann,  wird 
auch  bei  dieser  Methode  es  ein  gewisser  Nachteil  bleiben,  dass  die 
Bewegungen  etc.  nicht  festgehalten  werden  können.  Speziell  hin¬ 
sichtlich  der  Wirkung  der  Pharmaka  und  der  Analyse  ihres  Einflusses 
auf  die  Darmtätigkeit  wird  wohl  die  Magnus  sehe  Methodik,  die 
ja  auch  Herr  v.  Bergmann  erwähnt  hat,  von  grosser  Bedeutung 
bleiben.  Sie  ermöglicht  eine  getrennte  graphische  Aufzeichnung  der 
Bewegung  der  Längsmuskulatur  und  Ringmuskulatur  unter  Isolierung 
der  beiden  Schichten  nach  Entfernung  des  Auerbach  sehen  Plexus 
an  jedem  Darmabschnitt  und  speziell  auch  bei  Applikation  der  ein¬ 
zelnen  Pharmaka  (Demonstration  zweier  Kurven  über  Adrenalin- 
wirkung  auf  den  Darm).  Gerade  in  der  letzten  Zeit  hat  Magnus 
selbst  der  inzwischen  verschiedene  andere  Methoden,  speziell  auch 
die  Röntgenmethode  bei  seinen  Dannversuchen  augewendet  hat, 
unter  einigen  Modifikationen  —  er  verwendet  jetzt  eine  andere 
Flüssigkeitsmischung,  die  T  h  y  rode  sehe  Flüssigkeit  —  auf  diese 
Methode  zurückgegriffen.  Die  K  a  t  s  c  h  -  v.  Bergmann  sehe 
Fenstermethode  wird  demnach,  speziell  hinsichtlich  der  normalen 
Darmbewegungen  hinsichtlich  des  Einflusses  psychischer  Reize  etc., 
wertvolle  Ergänzungen  unserer  Kenntnisse  ermöglichen,  aber  hin¬ 
sichtlich  der  Analyse  der  Wirkungen  der  Pharmaka  die  Magnus- 
sche  Methodik  nicht  ersetzen  können.  (Autoreferat.) 

Herr  Heg  ler:  Für  die  direkte  Beobachtung  von  Darmbewe¬ 
gungen  beim  Menschen  lässt  sich  die  Laparoskopie  nach  Jacobaeus 
oftmals  mit  Erfolg  verwenden.  In  Fällen,  wo  ein  beträchtlicher 
Aszites  durch  Punktion  entleert  und  teilweise  durch  Luftnachfiillung 
ersetzt  wurde,  liegen  die  Verhältnisse  vermutlich  anders,  „physio¬ 
logischer“,  als  im  Tierexperiment,  wo  durch  plötzliches  Einbringen 
von  Luft  in  die  vorher  gesunde  Peritonealhöhle  eine  Darmlähmung 
ausgelöst  wird.  Das  Bild,  das  bei  der  Laparoskopie  von  den  Därmen 
und  deren  Bewegungen  erhalten  wird,  ist  ein  sehr  deutliches,  es  liegt 
nahe,  die  Einwirkung  verschiedener  Pharmaka  auf  den  Darm  auch 
mit  dieser  Methode  zu  studieren.  (Autoreferat.) 

Herr  v.  Bergman  n  (Schlusswort) :  Er  betont,  dass  mit  voller 
Absicht  klinische  Schlussfolgerungen  nicht  gezogen  worden  sind, 
sondern  er  sich  lediglich  begnügt  habe,  auf  die  Bedeutung  der  Be¬ 
funde  für  klinische  Fragen  hinzuweisen.  Er  bekämpft  es,  dass 
namentlich  von  seiten  einiger  Röntgenspezialisten  auf  Grund  ihrer 
Befunde  über  Darmbewegungen  die  Lehre  von  der  Genese  der  Ob¬ 
stipation  schon  als  restlos  aufgeteilt  hingestellt  wird.  Das  wird  am 
Beispiel  der  Antiperistaltik  erläutert.  Wenn  Herr  Schmilinsky 
darin  recht  hat,  dass  selbst  fast  bis  zur  Ampulle  gelangte  Stuhl¬ 
massen  zurücktransportiert  werden  können,  so  darf  doch  nicht  jener 
Rückwärtstransport  in  den  Mittelpunkt  der  ganzen  Obstipationslehre 
gestellt  werden.  Im  Vortrage  sollte  vor  allem  eine  Beziehung  betont 
werden:  der  Einfluss  von  Vagus  und  Sympathikus  (auch  der  Nerven- 
plexussysteme  des  Darmes)  auf  Bewegung  und  namentlich  auch  auf 
die  Form  des  Darmes.  Diese  Prüfung  geschah  mittels  der  Pharmaka 
des  vegetativen  Nervensystems.  Die  Abstimmung  dieser  Nerven¬ 
systeme  zueinander  ist  in  letzter  Linie  wesentlich  mitbeteiligt  am 
Kottransport,  also  auch  zum  Beispiel  für  das  Obstipationsproblem 
durchaus  zu  berücksichtigen. 

Nochmals  wird  klargestellt  gegenüber  den  Bemerkungen  des 


No.  1 

Herrn  Möller,  dass  die  analysierende,  physiologische  Methode  .i 
überlebenden  Darm,  so  wichtig  sie  ist,  uns  klinisch  keinerlei  Schliis 
erlaubt,  wenn  nicht  die  synthetische  Methodik,  d.  h.  die  Beobachtui 
unter  streng  physiologischen  Versuchsbedingungen  am  lebend* 
Tiere  (Bauchfenster  von  Katsch)  als  entscheidende  Beobachtui 
herangezogen  wird.  Gerade  das  Studium  der  Pharmaka  des  veg 
tativen  Systems  in  ihrem  Einfluss  auf  Kolonform  und  Kolo 
bewegung  bietet  im  Tierexperiment  nur  bei  dieser  Versuch 
anordnung  Analogien,  die  für  das  entsprechende  Studium  a 
Menschen  (Röntgenmethodik)  brauchbar  sind;  das  wird  am  Beispi 
der  Atropinwirkung  klargelegt,  die  am  überlebenden  Darm  su 
von  so  vielen  Faktoren  abhängig  erweist,  dass  wir  kliniscli  Verwer 
bares  nicht  erfahren.  Aber  am  lebenden  Darm  von  Tier  ui 
Mensch  zeigt  sie  sich  interessanterweise  gerade  als  die  Wirkuni 
welche  der  Praktiker  längst  vom  Atropin  mit  Recht  angenommen  h; 
(Autoreferat.) 

Herr  Allard:  Zur  Diagnose  des  Ulcus  duodeni. 

Unter  Besprechung  der  verschiedenen  Symptome,  die  als  mell 
oder  weniger  charakteristisch  für  Ulcus  duodeni  gelten,  teilt  du 
Vortr.  eine  einfache  Methode  mit,  die  in  verdächtigen  Fällen  ü 
Diagnose  zu  stützen  geeignet  erscheint:  es  ist  das  der  Blutnachwe 
in  dem  nach  Oelprobefrühstiick  gewonnenen  Riicktiusssalt  aus  de! 
Duodenum,  wenn  der  Magen  sonst  blutfrei  gefunden  wird.  Zur  El 
läuterung  dienen  einige  einschlägige  Krankengeschichten,  insbescmdei 
die  eines  durch  Obduktion  gesicherten  Falles,  bei  dem  der  Blutnaci 
weis  im  so  gewonnenen  Duodenalinhalt  das  einzige  Symptom  einet 
sonst  latenten  Duodenalgeschwürs  war.  Der  Vortrag  erscheint  aui 
fiihrlich  in  der  Med.  Klinik.  (Autoreferat.) 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  v  o  in  4.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  r  c  h  a  n  d. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Sick  gibt  eine  von  dem  Verfahren  des  Herrn  Payr  aH 
weichende  Operationsmethode  der  abstehendem  Ohren  im  Anschluß 
an  die  Payr  sehen  Demonstrationen  in  der  vorigen  Sitzung  an. 

Herr  Rolly:  Das  Verhalten  des  Blutzuckers  bei  Gesunden  un 
Kranken. 

Die  Blutzuckerbestimmung  setzt  sich  aus  zwei  Abschnitten  zi 
sammen:  1.  der  Enteiweissung  und  2.  der  eigentlichen  Zuckerbi 
Stimmung.  Die  Enteiweissung  wird  am  besten  mit  kolloidalem  F.isei 
hydroxyd  unter  Zusatz  von  Mononatriumphosphat  vorgenomine: 
Bei  der  eigentlichen  Blutzuckerbestimmung  hat  R.,  der  alle  dies 
Untersuchungen  gemeinsam  mit  Fr.  Oppermann  ausführte,  die  Bet 
tramdsche  Methode  mit  verschiedenen  Abänderungen  angewand 
Bei  Kontrollanalysen  mit  dieser  Methode  bekamen  R.  und  0.  ausgt 
zeichnet  übereinstimmende  Werte,  welche  sie  bei  keiner  anderen  Mt 
thode  erhalten  konnten.  Die  kolorimetrischen  Methoden  der  Zucket 
bestimmung  ergeben  bei  Kontrollanalysen  keine  übereinstimmende 
Zahlen,  namentlich  ist  die  von  Reicher  und  Stein  angegeben 
Methode  ganz  unsicher  und  bei  wissenschaftlichen  Untersuchung^ 
nicht  zu  gebrauchen. 

Mittels  der  modifizierten  Bertrand sehen  Methode  schwankt 
der  Gesamtblutzuckergehalt  bei  gesunden  Menschen  im  nüchterne 
Zustande  zwischen  0,06 — 0,09  Proz.,  der  Plasmazuckergehalt  zwische 
0,08—0,1 1  Proz.  Die  Angabe  von  Schirokauer,  dass  der  Plasnr. 
zucker  stets  höher  als  der  Gesamtblutzucker  sei,  konnte  nicht  ix 
stätigt  werden.  Es  genügt  nicht,  wenn  man  wissenschaftliche  Untef 
suchungen  des  Kohlehydratstoffwechsels  machen  und  einen  genaue 
Einblick  in  den  letzten  gewinnen  will,  nur  den  Plasmazucker  zu  anah 
sieren,  sondern  es  ist  stets  daneben  noch  der  Gesamtblutzucker  un 
das  Volumen  der  Blutkörperchen  zu  bestimmen,  woraus  alsdann  au 
sehr  einfache  Weise  der  Zuckergehalt  der  Blutkörperchen  berechnt 
werden  kann.  Da  schon  physiologischerweise  der  Blutzuckergehu 
durch  die  Aussentemperatur,  durch  Bewegungen  und  Nahrungsau 
nähme  Schwankungen  aufweisen  kann,  so  wurde  das  Blut  zur  Bin 
zuckerbestimmung  stets  morgens  noch  bei  Bettruhe  nüchtern  aus  G 
gestauten  Vena  median,  cubiti  bei  den  Patienten  steril  entnomme 
und  zur  Verhütung  von  Gerinnung  mit  etwas  Fluornatrium  sofot 
versetzt. 

Bei  künstlicher,  durch  Glühlichtbäder  beim  normalen  Mensche 
wie  beim  Zuckerkranken  hervorgerufener  Hyperthermie  wurde  m 
dem  Steigen  der  Körpertemperatur  eine  Zunahme  des  Blutzucker, 
und  beim  Sinken  der  Temperatur  eine  Abnahme  desselben  gefunde 
Da  aber  in  allen  Versuchen  der  Zuckergehalt  des  Gesamtblutes  mel 
als  der  des  Plasmas  bei  der  Temperatursteigerung  in  die  Höhe  gib 
und  alsdann  beim  Absinken  der  Temperatur  der  erstere  wieder  i 
höherem  Masse  als  der  Plasmazucker  herunterging,  so  müssen  sic 
die  Blutkörperchen  während  des  Temperaturanstieges  mehr  als  du 
Blutplasma  mit  Zucker  angereichert  und  den  Zucker  beim  Al 
sinken  der  Körpertemperatur  auch  in  erhöhtem  Masse  an  das  Blu 
Plasma  abgegeben  haben.  Es  wird  demnach  die  Hyperglykämie  b< 
künstlicher  Temperaturerhöhung  in  ihrem  Verlauf  hauptsächlich  durc 
den  wechselnden  Zuckergehalt  der  Blutkörperchen  infolge  eine 
aktiven  Tätigkeit  derselben  charakteristisch  beeinflusst. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


. ,  April  1913. 

Bei  den  fieberhaften  Erkrankungen  des  Menschen  kommt  es  in 
v  Regel  zu  einem  z.  T.  beträchtlichen  Grad  von  Zuckeranreicherung 
i  Blute,  doch  geht  dieser  nicht  Darallel  der  Höhe  der  Temperatur. 
I;  Ursache  dieser  Hyperglykämie  ist  z.  T.  in  einer  Wirkung  der 
I  perthermie,  zum  Teil  in  einer  Einwirkung  der  Bakterientoxine  zu 
•hen.  Bei  solchen  fieberhaften  Erkrankungen,  welche  mit  einer 
I  Spnoe  einhergehen,  kann  die  Letztere  ebenfalls  ursächlich  au  dem 
äandekommen  der  Hyperglykämie  beteiligt  sein,  da  bei  dyspnoi- 
!  ien  Zuständen  auch  ohne  eine  gleichzeitig  bestehende  Infektion  eine 
)  perglykämie  nachzuweisen  ist.  Neben  den  bakteriellen  Toxinen 
d  auch  giftige  Stoffe  anderer  Herkunft  imstande,  den  Blutzucker- 
,  ialt  zu  erhöhen. 

Besteht  bei  einer  Nierenentzündung  des  Menschen  eine  Hyper- 
,  kämie.  so  ist  dieselbe  nicht  durch  die  Nierenentzündung  an  sich, 
!  ](iern  durch  die  unter  Umständen  zu  gleicher  Zeit  bestehende 
teriosklerose.  Dyspnoe,  Urämie  oder  durch  eine  Wirkung  von 
i  ektiösen  oder  anderen  Toxinen  hervorgerufen. 

Eine  Abhängigkeit  der  Hyperglykämie  von  der  Hypertension 
! mte  trotz  der  gegenteiligen  Resultate  Neubauers  nicht  fest- 
i  stellt  werden. 

Bei  schwerem  Anämien,  schweren  Basedow-  und  Karzinom- 
linken,  Eklampsien,  Skorbut,  bei  einem  Teil  von  Gehirnerkran- 
f ngen,  bei  Myasthenikern  etc.  wurde  ein  erhöhter  Blutzuckergehalt 
i  tgestellt.  Bei  der  Myasthenie  dürfte  die  Erhöhung  wahrscheinlich 
durch  bedingt  sein,  dass  die  Muskeln  abnorm  wenig  oxydieren, 
hrend  die  Hyperglykämie  bei  den  übrigen  Krankheiten  wohl  durch 
e,  durch  ein  toxisches  Agens  bedingte  stärkere  Qlykogenmobili- 
ion  ihre  Ursache  haben  dürfte. 

Bei  der  Addison  sehen  Erkrankung  des  Menschen  werden 
ilenfalls  nur  in  einem  Teil  der  Fälle  wegen  Ausfalls  des  Neben- 
;  rensekretes  abnorm  niedrige  Blutzuckerwerte  gefunden,  weil  die 
:  dieser  Krankheit  gewöhnlich  noch  nebenbei  bestehenden  infek- 
tsen  (Tb.'.  Fieber)  Momente  eine  Erniedrigung  des  Blutzuckers 
m decken  können.  Für  die  Diagnose  dieser  Krankheit  gibt  daher 
Bestimmung  des  Blutzuckers  keinen  sicherem  Anhaltspunkt. 
Bei  Leber-Mageti-Darmerkrankungen  kommt  es  nur  dann  zu 
er  Erhöhung  des  Blutzuckers,  wenn  nebenbei  toxische  Momente 
Urzinom,  Dyspnoe,  Eiterung,  Fieber,  komatöser  Zustand  usw.)  mit- 
rken. 

Bei  allen  Fällen  von  Diabetes  mellitus  mit  Ausnahme  eines  eili¬ 
gen  wurde  ein  manchmal  auffallend  erhöhter  Blutzuckergehalt  test- 
:  stellt.  Ein  strenger  Parallelismus  zwischen  der  Höhe  der  Zucker- 
isscheidung  und  dem  Grade  der  Hyperglykämie  oder  der  Schwere 
,r  Erkrankung  besteht  nicht.  Mit  dem  Auftreten  des  diabetischen 
1  mas  erfolgt  ein  plötzliches  Emporschnellen  des  BlutzuckereehalGs, 
ihrend  der  mit  dein  Urin  ausgeschiedene  Zucker  gleichbleibt  oder 
Srar  noch  heruntergeht.  Man  gewinnt  den  Eindruck,  als  ob  man  es 
■r  in  erster  Linie  mit  einer  funktionellen  Niereninsuffizienz  zu  tun 
ibe,  da  zu  gleicher  Zeit  auch  noch  eine  Minderausscheidung  von 
uren  etc.  dabei  stattfindet.  Nur  bei  einem  Diabetiker  war  keine 
perglykämie,  weder  im  nüchternen  Zustande  noch  nach  Zufuhr 
n  Dextrose  oder  anderer  Nahrung  zu  sehen. 

Da  bei  diesem  Diabetiker  nach  Zufuhr  von  Dextrose  oder  Brot 
i  Glykosurie  anstieg,  so  ist  er  nicht  als  ein  „renaler“  zu  be- 
iclinen,  sondern  es  handelt  sich  bei  demselben  auch  nach  den  klini - 
ien  Symptomen  um  einen  leichten  Fall  von  Diabetes  mell.,  bei 
•lchem  aber  die  Nieren  gegenüber  Zucker  derart  abnorm  empfindlich 
nd,  dass  sie  sofort,  nachdem  der  Zuckergehalt  im  Blute  einen  ge- 
ssen  Prozentsatz  erreicht,  mit  einer  sehr  raschen  Zuckeraus- 
leiduug  reagieren.  Ob -diese  Befunde  zu  Beginn  eines  Diabetes 
II.  häufiger  anzutreffen  sind,  wie  v.  N  o  o  r  d  e  n  meint,  hält  Roll  y 
unwahrscheinlich,  glaubt  vielmehr,  dass  im  Verlauf  eines  Diabetes 
ne  Hyperglykämie  der  Glykosurie  zeitlich  gewöhnlich  voraüfgehen 

•  rfte. 

Ueberhaupt  ist  sowohl  bei  mehreren  als  auch  bei  einem  einzelnen 
Ile  zu  verschiedenen  Zeiten  die  Niere  verschieden  zuckerdicht 
a.  hat  R.  einmal  die  Beobachtung  gemacht,  dass  an  2  Hafermehl¬ 
en  bei  einem  Diabetiker  nur  wenig  Zucker  im  Urin  ausgeschieden 
irde.  während  an  den  folgenden  Tagen  mit  Gemüse-Fett-Eiweiss- 
s.  (also  keine  Kohlehydrate)  eine  starke  Harnflut  mit  hoher  Zucker- 
LjSscheidung  einsetzte.  Es  muss  demnach  während  der  Hafermehl- 
■re  Zucker  und  Wasser  im  Körper  des  Pat.  aufgespeichert  wor- 
u  sein. 

Gibt  man  einem  Diabetiker  an  den  Mehltagen  zu  dem  Mehl 
-ischeiweiss,  so  kommt  es  häufig  zu  einer  stärkeren  Glykosurie, 

•  wenn  man  demselben  di“  gleiche  Menge  Mehl  und  Pflanzenei weiss 
cht.  Da  es  jedoch  nach  Fleischdarreichung  nicht  zu  einer  stärkeren 
perglykämie  als  nach  Pilanzeneiweiss  kommt,  so  muss  unbedingt 
ich  das  Fleisch  die  Fixation  des  Mehles  als  Glykogen  im  Körper 

:  decht  beeinflusst  werden.  Es  werden  durch  das  Fleisch  die  Nieren 
gleicher  Zeit  für  Zucker  durchlässiger,  weswegen  wohl  eine  er¬ 
bte  Glykosurie,  aber  keine  höhere  Hyperglykämie  nach  Fleisch- 
hrung  auftritt. 

Nur  beim  schweren  Diabetiker  führt  eine  Eiweisskost  zu  einer 
Perglykämie,  nicht  beim  leichten  Diabetiker,  nicht  beim  normalen 
eschen  und  auch  nicht  beim  Pflanzenfresser  (Ziege). 

(Schluss  folgt.) 


899 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  Dezember  1912. 

Der  Vorsitzende  hält  einen  Nachruf  auf  Se.  Kgl.  Hoheit  Prinz- 
Regent  Luitpold  von  Bayern. 

Herr  M.  Wassermann  stellt  einen  Fall  von  Labyrinm- 
eiterung  vor,  mit  starker  Gleichgewichtsstörung  und  Schwindel, 
Nystagmus  nach  der  gesunden  Seite,  Taubheit  auf  dem  kranken  Ohr 
und  erheblicher  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  des  erkrankten 
Labyrinths. 

Herr  Kiclleuthner:  lieber  den  Wert  der  endovesikalen 
Operationsmethoden. 

(Erscheint  unter  den  Originalien  dieser  Nummer.) 

Herr  v.  K  u  t  s  c  h  e  r  a  -  Innsbruck  (a.  G.):  Gegen  die  Wasser¬ 
ätiologie  des  Kropfes.  ( Erschien  Münch,  med.  Wochenschr.  1913, 
No.  8.) 

Diskussion:  Herr  S  i  1 1  m  a  n  n:  M.  H.l  Das  zum  mindesten 
haben  wir  aus  dem  Vortrage  gelernt,  dass  die  Aetiologie  des  Kropfes 
und  des  Kretinismus  aller  Voraussicht  nach  keine  einheitliche 
sein  wird. 

Die  medizinische  Wissenschaft  ist  fast  immer  in  die  Irre  ge¬ 
gangen,  wenn  sie  für  ein  einheitliches  Krankheitsbild  nur  eine  einzige 
Aetiologie  gelten  lassen  wollte;  sehr  oft  sehen  wir  die  gleiche  Krank¬ 
heit  durch  verschiedene  Ursachen  hervorgerufen. 

Deswegen  bitte  ich,  Ihnen  eine  Ansicht  über  die  Aetiologie  des 
Kropfes  vortragen  zu  dürfen,  die  meines  Erachtens  für  eine  Reihe 
von  Fällen  Geltung  hat:  Es  ist  mir  die  verhältnismässig  grosse  Zahl 
von  Kropf-  und  Basedowkranken  in  einem  Flachlande  des  nordöst¬ 
lichen  Europa,  in  den  baltischen  Provinzen,  aufgefallen,  vor  allem  das 
Vorkommen  von  familiärem  Basedow.  So  weit  ich  mir  ein  Urteil 
bilden  konnte,  zeigt  sich  diese  Krankheit  vorwiegend  in  der  ger¬ 
manischen  Oberschichte  des  Landes,  von  einem  häufigeren  Vor¬ 
kommen  in  den  Unterschichten,  bei  den  indigenen  Volksstämmen, 
ist  mir  nichts  bekannt  geworden.  Nun  hat  die  deutsche  Oberschicht 
seit  700 — 800  Jahren  ihre  Rasse  rein  erhalten,  sie  war  also,  inmitten 
von  Fremdrassen,  gezwungen,  vorwiegend  unter  sich  Heiraten  ein¬ 
zugehen,  sie  hat  sich  nur  sehr  wenig  fremdes  Blut  zugeführt.  Die 
Folge  davon  ist,  dass  die  Familien  der  Oberschichte  in  weitgehendem 
Masse  miteinander  blutsverwandt  geworden  sind. 

Eine  zweite  Beobachtung,  die  mir  von  Tierzüchtern  wird  be¬ 
stätigt  werden  können,  ist  die:  Nimmt  man  eine  junge,  aber  schon 
typisch  und  konstant  gewordene  Tierrasse  —  Rassekonstanz  in  ver¬ 
hältnismässig  kurzer  Zeit  wird  nur  durch  häufige  und  immer  wieder¬ 
holte  Inzucht  erreicht  —  und  paart  innerhalb  dieser  Rasse  hoch¬ 
gezüchtete  Blutstämme,  dann  kann  man  erleben,  dass  in  einem  Wurfe 
z.  B.  neben  einem  oder  zwei  Individuen,  die  eine  Fortentwicklung 
der  Rassekennzeichen  in  der  vorn  Züchter  beabsichtigten  Steigerung 
aufweisen,  mehrere  mit  schweren  Degenerationserscheinungen  auf- 
treten.  Zu  diesen  Degenerationserscheinungen  gehört  in  erster  Linie 
Kropfbildung,  meist  auch  mit  psychischer  Degeneration  oder 
Anomalien  des  Knochenwachstums  —  daneben  Pigmentverlust  und 
ähnliche,  die  hier  nicht  zur  Sprache  stehen.  Ich  habe  meine  Beob 
achtungen  angestellt  an  Foxterriers,  einer  Rasse,  die  erst  seit  zirka 
40 — 50  Jahren  als  konstant  angesehen  werden  kann  und  habe  wieder¬ 
holt  aus  einem  und  demselben  Wurfe  einen  rasslich  hervorragenden, 
4  kropfige  Welpen  gezüchtet. 

Stellt  man  neben  diese  Beobachtungen  aus  der  Menschen-  und 
Tierzucht  die  Ueberlegung,  dass  viele  der  „Kropfgegenden“  welt- 
und  verkehrsabgeschiedene  Gebirgstäler  sind,  deren  Bewohner,  be¬ 
sonders  in  früherer  Zeit,  wenig  oder  gar  kein  Konnubium  mit  der 
weiteren  Umgegend  hatten,  in  denen  also  Inzucht  herrschte,  so  wird 
man  nicht  weit  fehl  gehen,  wenn  man  als  Aetiologie  für  viele  Fälle 
von  Kropf,  Kretinismus  und  Basedow  die  „Inzuchtsdegeneration“ 
beschuldigt. 

Herr  Ma  d  le  n  e  r  -  Kempten:  Bei  uns  im  Algäu  ist  der  Kropf 
sehr  verbreitet.  25 — 30  Proz.  unserer  Schulkinder  haben  vergrösserte 
Schilddrüsen  (gegen  11 — 13  Proz.  der  Münchener  Schulkinder),  auch 
die  Gestellungspflichtigen  zeigen  einen  hohen  Prozentsatz.  Bezüglich 
der  Aetiologie  vermag  ich  nichts  positives  zu  sagen,  nur  negatives 
insofern,  als  für  das  Algäu,  das  die  verschiedenartigsten  geologischen 
Formationen  aufweist  (Trias,  Jura,  Kreide.  Tertiär  und  Quartär) 
keinerlei  Einfluss  der  einen  oder  anderen  Gesteinsart  auf  die  Ent¬ 
stehung  des  Kropfes  zu  erkennen  ist. 

Die  heute  von  den  meisten  Forschern  geteilte  Ansicht,  dass  im 
Wasser  die  schädliche  Noxe  liege,  ist,  so  vieles  für  sie  spricht,  nicht 
einwandfrei  sichergestellt  und  die  Gründe,  die  der  Herr  Vortragende 
für  seine  Wohmmgstheorie  heute  vorgebracht  hat,  sind  so  zahlreich 
und  gewichtig,  dass  eine  Nachprüfung  von  dem  Wohnungsgesichts- 
punkt  aus  dringend  erwünscht  ist. 

Herr  v.  Kutschera  (Schlusswort):  Die  Rassenfrage  spielt 
beim  Kropf  und  Kretinismus  zweifellos  eine  Rolle,  welche  ich  dahin 
auffasse,  dass  gewisse  Rassen  dafür  disponieren,  während  andere 
immun  sind.  In  Vorarlberg  ist  Kropf  und  Kretinismus  überall  dort 
zu  finden,  wo  vor  500  Jahren  Bewohner  des  stark  verseuchten  Kanton 
Wallis  eingewandert  sind,  die  bis  heute  ihre  Sitten  und  Gebräuche 
und  auch  die  körperliche  Eigenart  bewahrt  haben,  so  dass  sie  von 
weitem  als  Walliser  kenntlich  sind.  Dagegen  sind  dort  die  Rhüto- 


900  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ No.  1 


romancn  im  Montafon  immun.  Im  Vintschgau  sind  dagegen  die 
Romanen  im  obersten  Teile  des  Tales  stark  verseucht,  die  Goten 
dagegen  im  Burggrafenamte  Meran  immun. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  H  o  1  i  n  g  e  r. 

Schriftführer:  Herr  A.  Strauch. 

Herr  Emil  Beck:  Demonstrationen. 

Herr  H.  Gr  adle  hält  einen  Vortrag  über  den  Blutbefund  bei 
sympathischer  Ophthalmie. 

Die  Gegenwart  von  lymphozytischen  Infiltrationen  bei  sym¬ 
pathischer  Ophthalmie  veranlasste  ü  r  a  d  1  e  1909  Blutuntersuchungen 
bei  dieser  Erkrankung  vorzunehmen,  wozu  ihm  das  Material  auf  der 
Augenklinik  Elschnig  in  Prag  zur  Verfügung  stand. 

Dabei  fand  sich  regelmässig  eine  starke  Vermehrung  der 
Lymphozyten  und  eine  massige  Vermehrung  der  grossen  Mono¬ 
nuklearen  im  zirkulierenden  Blut.  Dieser  auffallende  Befund  fehlte 
stets  bei  nicht  traumatischen  Iridozyklitiden  oder  bei  perforierenden 
Verletzungen  ohne  Iridozyklitis.  G  r  a  d  1  e  ist  geneigt,  der  Lympho¬ 
zytose  eine  diagnostische  und  prognostische  Bedeutung  zuzuschreiben, 
insofern  als  das  Fehlen  derselben  auf  die  Abwesenheit  einer  Gefahr, 
die  Gegenwart  derselben  aber  auf  eine  bevorstehende  Gefahr  einer 
sympathischen  Ophthalmie  hinweise. 

Im  ersleren  Falle  sei  die  Enukleation  des  verletzten  Auges  nicht 
nötig. 

Diskussion:  Herr  Abele:  Wir  sind  noch  sehr  im  Dunklen 
über  das  Wesen  und  die  Ursache  der  sympathischen  Ophthalmie. 
Englische  Autoren  haben  ähnliche  Blutbilder  wie  die  Gradles  ge¬ 
funden.  Die  Aehnlichkeit  mit  den  Blutbefunden  bei  Infektionen  liess 
einen  gewissen  Erfolg  von  einer  Allgemeinbehandlung  erwarten. 
In  der  Tat  wurden  von  Jones  und  Browning  in  2  Fällen  nach 
Salvarsan  rasche  Erfolge  erzielt:  auch  das  Blutbild  ging  fast  zur 
Norm  zurück.  Leider  waren  die  Erfolge  nur  temporär.  Wenn  man 
auch  aus  den  spärlichen  vorliegenden  Berichten  keinen  weiteren 
Schluss  ziehen  kann,  so  muss  doch  unser  Bestreben  sein,  solche 
Forschungen  für  die  Therapie  verwertbar  zu  machen. 

Herr  Josef  Beck  meint,  die  mononukleäre  Leukozytose  in 
Gradles  Fällen  möge  ein  zufälliger  Befund  gewesen  sein,  bedingt 
durch  eine  anderweitige  Erkrankung.  Beck  hat  bei  Asthma  und 
Hydrorrhoea  nasalis  ebenfalls  Lymphozytose  gefunden. 

Herr  Holinger  spricht  über  die  Pigmentansammlungen  im 
Ohrlabyrinth,  welche  bei  sympathischer  Ophthalmie  Veränderungen 
zeigen  solle.  Die  Angaben,  dass  als  Folgeerscheinung  einer  sym¬ 
pathischen  Ophthalmie  Schwerhörigkeit  auftreten  könne,  ist  mit 
grösster  Vorsicht  aufzunehmen,  denn  Leute,  welche  in  einer  Sinnes¬ 
sphäre  leiden,  verfallen  leicht  darauf,  auch  andere  Sinne  zu  be¬ 
schuldigen.  So  glauben  z.  B.  Leute  mit  Verlust  des  Geruches  oft 
auch  den  Geschmacksinn  verloren  zu  haben. 

Herr  Gr  adle  (Schlusswort):  Den  temporären  positiven  Er¬ 
folgen  der  Salvarsanbehandlung  bei  sympathischer  Ophthalmie  stehen 
Misserfolge  gegenüber.  Da  ein  normaler  Blutbefund  in  Fällen,  bei 
denen  man  an  die  Möglichkeit  einer  sympathischen  Ophthalmie  denken 
muss,  die  Abwesenheit  einer  Gefahr  anzeigt,  so  wird  wohl  manches 
Auge  gerettet  werden  können,  das  sonst  enukleiert  worden  wäre 
aus  Furcht  vor  sympathischer  Erkrankung  des  anderen. 

G  r  a  d  1  e  hat  bei  seinen  Fällen  komplizierende  Krankheiten, 
welche  Lymphozytose  erzeugen,  ausschliessen  können.  Fälle  von 
Taubheit  in  Zusammenhang  mit  sympathischer  Ophthalmie  wurden 
von  Peters  aus  Rostock  und  Komoto  aus  Japan  berichtet. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  4.  April  1913. 

Privatdozent  Dr.  Bäräny:  Latente  Deviation  der  Augen  und 
Vorbeizeigen  des  Kopfes  bei  Hemiplegie  und  Epilepsie. 

In  Fällen  von  Hemiplegie  oder  Erweichung  im  Bereiche  der 
inneren  Kapsel  (subkortikaler  Herd)  wird  bekanntlich  die  Deviation 
coniugee  (Prevost)  beobachtet:  Kopf  und  Augen  drehen  sich  nach 
dem  Krankheitsherd  hin,  „der  Kranke  sieht  sich  seinen  Herd  an“. 
Das  ist  nur  der  Fall,  wenn  der  Kranke  bewusstlos  ist  oder  schläft, 
der  wache  Kranke  überwindet  diese  Deviation,  er  kann  seine  Augen 
bis  zur  Mitte  der  anderen  (gesunden)  Seite  bewegen,  aber  nicht 
dai  über  hinaus,  es  besteht  eine  Blicklähmung  nach  der  gesunden 
Seite.  Diese  Deviation  nach  der  Seite  des  Herdes  ist,  wie  später 
Landouzy  und  G  r  a  s  s  e  t  zeigten,  ein  Zeichen  der  Lähmung  des 
rechts  gelegenen  Zentrums  für  die  Linkswendung.  Dieses  Zentrum 
kann  auch  gereizt  sein  (epileptischer  Anfall),  dann  wird  man  eine 
Verdrehung  von  Kopf  und  Augen  nach  links  beobachten,  nur  so  lange, 
als  diese  Reizung  anhält.  Man  weiss  ferner,  dass  bei  einer  solchen 
Kapselhemiplegie  mit  einem  Herde  auf  einer  Seite  die  besagte 


Blicklähmung  nach  einigen  Tagen  schwindet.  Man  erklärte  dies  d: 
mit,  dass  die  Fasern  für  den  Blick  nach  links  nicht  alle  gelähmt  seie 
Wir  haben  zwei  Zentren  für  die  Wendung  des  Blickes  nach  di 
Gegenseite,  das  eine,  welches  Kopf  und  Augen  zugleich  wendet,  sit 
in  der  Frontalregiori,  ein  zweites  sitzt  aber  im  Okzipitalhirn,  d; 
Zentrum,  welches  die  Augen  allein  nach  der  Gegenseite  wend. 
Mag  also  die  Erklärung  für  viele  Fälle  gelten,  so  gibt  es  auch  Fiil 
mit  kompletter  Zerstörung  der  inneren  Kapsel  und  auch  bei  dies*, 
verschwindet  die  Blicklähmung.  Da  war  eine  Lücke  der  Erklärui 
vorhanden,  welche  Lücke  der  Vortr.  ausgefüllt  zu  haben  glaubt. 

Er  hat  bisher  6  Fälle  von  Hemiplegie  vom  Anfang  an  gen, 
beobachtet  und  nachstehende  übereinstimmende  Befunde  erhaltei 
Er  supponiert  wieder  einen  rechtsseitigen  Herd.  Anfangs  bestai 
also  die  Prevost  sehe  Deviation  der  Augen  und  des  Blickes  nai 
rechts  und  die  Blicklähmung  nach  links,  ln  allen  Fällen  bestar 
ferner  ein  ganz  leichter  Nystagmus  nach  der  Seite  des  Herdes,  d 
sich  —  was  der  Vortr.  ausfiihrt  —  vom  reflektorischen  vestibulart 
Nystagmus  unterscheidet.  Nach  einigen  Tagen  schwand  die  Blic', 
lähmung.  Liess  man  aber  die  Augen  schliessen,  oder  liess  man  du 
Kranken  in  die  gewöhnlich  bestehende  Somnolenz  zurücksinken,  . 
beobachtete  man  eine  Deviation  der  Augen  zur  Seite  der  gelähmti 
Glieder,  also  nach  links  hin.  Wie  kommt  nun  diese  Deviation  „vo 
Herde  weg“  zustande?  Die  Erklärung  ist  nach  dem  Vortr.  ei; 
einfache. 

Geradeso  wie  sich  erst  nach  Stunden  oder  Tagen  nach  d' 
Attacke  eine  Reflexsteigerung  in  den  gelähmten  Gliedern  einstellt,  i 
dem  die  subkortikalen  Zentren  eine  Tonuserhöhung  erfahren,  eben 
miisen  wir  annehmen,  dass  das  subkortikale  Blickzentrum  für  d 
Linkswendung,  dessen  kortikale  Versorgung  zerstört  wurde,  nun 
die  sogen.  Isolierungsveränderung  (Munk),  in  einen  Zustan 
gesteigerten  Tonus  gerät.  Dadurch  werden  die  Augen  K 
reits  ohne  willkürliche  Innervation  nach  links  gewendet,  die  besäe 
Blicklähmung  nach  links  ist  geschwunden. 

Daraus  zog  der  Vortr.  den  Schluss,  dass  sich  bei  alten  Heu 
plegien  eine  latente  Deviation  zur  Seite  der  gelähmten  Glied 
(nach  links  hin)  öfters  werde  finden  lassen.  Tatsächlich  hat  er  die 
latente  Deviation  unter  50  daraufhin  untersuchten  Fällen  von  Hen 
plegie  25  mal  (latente  Deviation  zur  Seite  der  gelähmten  Gliede 
konstatiert.  Der  Vortr.  erörtert  ausführlich  die  Art  seiner  Unte 
suchung:  kräftiges  Schliessenlassen  der  Augen,  Emporziehen  d< 
oberen  Lides  (bei  fortgesetztem  Augenschluss  der  beiden  Lider)  j 
die  Höhe,  bis  man  gerade  den  unteren  Rand  der  Iris  des  nach  ai 
wärts  bewegten  Auges  (Bellsches  Phänomen)  zu  sehen  b 
kommt. 

Ausser  bei  der  Hemiplegie  hat  der  Vortr.  die  Deviation  der  Aug 
auch  bei  der  Epilepsie  gefunden.  Unter  57  daraufhin  untersucht' 
Epileptikern  fand  er  19  mal  eine  ausgesprochene  Deviation  der  Aug 
nach  einer  Seite.  Ferner  untersuchte  er  250  „sogenannte“  Norma 
und  fand  bei  diesen  11  mal  eine  ausgesprochene  Deviation  der  Aug 
nach  der  Seite  hin.  Freilich  waren  die  sogen.  Normalen  Fälle  vi 
progressiver  Paralyse,  Alkoholismus  chron.,  Arteriosklerose,  Vitiu 
cordis,  Hysterie  etc.,  in  allen  11  Fällen  war  also  die  Möglichkt 
eines  Hirnherdes  gegeben. 

Der  Vortr.  bespricht  noch  ein  zweites  Symptom  bei  diesen  Füll 
von  Hemiplegie  und  Epilepsie,  nämlich  das  Vorbeizeigen  des  Köpft 
das  er  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  beobachtet.  Er  fand,  da 
auch  bei  alten  Hemiplegikern  eine  ganz  leichte  Deviation  des  Kopi 
zur  Seite  des  Herdes  (Prevost)  nachweisbar  sei.  Er  zeigt  dies 
Symptom  in  einem  Falle,  bei  welchem  es  ausnahmsweise  noch  sta 
ausgesprochen  ist.  Dieses  Vorbeizeigen  des  Kopfes  fand  er  auch  i 
Epileptikern.  Unter  den  19  Fällen  von  Epilepsie  mit  Deviation  d 
Augen  fand  er  bei  11  Fällen  auch  das  Vorbeizeigen  des  Kopfes.  D 
Vortr.  zeigt  noch  ein  Zeigeinstrument  zur  Prüfung  dieser  Deviati 
des  Kopfes  und  erwähnt  die  bei  diesen  Untersuchungen  zu  b 
achtenden  Vorsichtsmassregeln. 

Dr.  Robert  Vogel  zeigt  ein  Magenmyoin,  welches  auf  d 
chirurgischen  Abteilung  des  Prof.  F  ö  d  e  r  1  von  der  Pars  pylori 
durch  Resektion  des  Magens  entfernt  wurde.  Die  66  Jahre  a! 
Frau  ist  vollkommen  genesen. 

Dr.  v.  Khautz  jun.  demonstriert  einen  3% jährigen  Knaben  n 
einem  aus  der  linken  Orbita  herauswuchernden,  apfelgrossen  Ne! 
hautgliom. 

Dr.  S.  E  r  d  h  e  i  m  stellt  aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  Pr 1 
Alex.  Fraenkel  einen  interessanten  Fall  von  kolossaler  Gravir 
tätshypertrophie  beider  Mammae  und  zweier  akzessorischer  Bru: 
drüsen  vor.  Die  Mammae  stellen  unförmliche  Tumoren  dar,  die  u< 
über  den  Nabel  herunterhängen.  Die  zwei  akzessorischen  Bru: 
drüsen  sitzen  in  der  rechten  Achselhöhle  (walnussgrosser,  weich 
Knoten),  die  zweite  als  kopfgrosser  Tumor  in  der  linken  Brust. 

Dr.  Breuer  demonstriert  aus  der  Abteilung  des  Po 
Schnitzler  einen  Fall  von  sogen,  eisenharter  Struma.  Heist 
keit,  Atemnot,  Erstickungsanfälle  führten  den  24jähr.  Patienten  i 
Spital.  Hier  fand  man  in  der  Schilddrüsengegend  eine  kleinapf' 
grosse,  ungewöhnlich  derbe  Geschwulst,  linksseitige  Rekurrei 
lähmung  etc.  Es  wurde  eine  Anzahl  von  Scheiben  aus  dem  Turn 
herausgeschnitten,  die  Wunde  offen  gelassen,  da  man  doch  nie 
sicher  war,  ob  man  es  nicht  mit  einem  malignen  Tumor  zu  tun  hai 
Die  histologische  Untersuchung  zeigte,  dass  nur  schwielig-entziin 
liehe  Veränderungen  vorhanden  waren,  der  Operierte  ist  auch  vo 
kommen  genesen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


901 


.  April  1913. 

Privatdozent  Dr.  Hans  Lorenz  zeigt  ein  Operationspräparat, 
len  operativ  entfernten,  chronischen  Volvolus  des  Sromanum,  der 
letzt  zu  vollkommenem  Verschluss  geführt  hat. 

Assistent  Dr.  M  a  r  s  c  h  i  k  bespricht,  unter  Demonstration  eines 
lies,  die  erfolgreiche  Röntgenbehandlung  maligner  Tumoren  nach 
kochleation  des  Neugebildes. 

Dr.  K  o  f  1  e  r  stellt  einen  Mann  mit  kompliziertem  Kiefer- 
hlenempyein  dentalen  Ursprungs  vor. 

Prof.  N  o  b  1  demonstriert  über  Ersuchen  des  Prof.  Dr.  li. 
oguchi  in  New  York  ein  histologisches  Präparat,  welches  der 
mrinde  eines  Falles  von  Dementia  paralytica  entstammt  und  einen 
ichlichen  Gehalt  von  Spirochäten  aufweist.  (Siehe  Münch,  med. 
ochenschr.  No.  14,  1913.) 

Dr.  A.  Löwit  zeigt  zwei  Uterusmyome,  welche  durch  ein 
irpuskarzinom  resp.  durch  Nekrose  kompliziert  waren.  Die  zwei 
äparate  sollen,  worauf  sein  Chef,  Primarius  Fleischman  n, 
hon  aufmerksam  machte,  auf  die  Schwierigkeit  der  Abgrenzung  der 
dikation  zwischen  radiologischer  und  operativer  Myomtherapie 
weisen. 


\us  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medicine. 

Sitzung  vom  28.  Januar  1913. 

uersuchungen  über  die  chemische  Zusammensetzung  des  Leber¬ 
karzinoms.  Die  anorganischen  Substanzen. 

A.  R  o  b  i  n  zeigt,  dass  die  Krebsleber  reicher  an  anorganischen 
ibstanzen  wird.  Diese  Zunahme  an  Mineralsalzen  betrifft  vor  allem 
losphor,  Natrium,  Kalium,  Magnesium  und  Silicium.  Es  scheint,  dass 
a  Krebstätigkeit  das  Natrium  ausnützt,  während  die  tuberkulöse 
itigkeit  Kalium  gebraucht.  Die  Tatsache,  dass  das  krebsig  ent- 
tete  Lebergewebe  gewisse  Mineralbestandteile  fixiert,  öffnet  den 
erapeuiischen  Untersuchungen  einen  bestimmten  Weg.  Man  weiss 
reits,  dass  es  Jod,  Arsenik  in  organischer  Verbindung  und  Seleniuin 
iert.  Es  ist  daher  die  Hoffnung  berechtigt,  dass  es  durch  klinische 
d  experimentelle  Untersuchungen  gelingen  wird,  das  anorganische 
inzip  zu  entdecken,  welches  mit  den  Fixationsmitteln,  die  imstande 
id,  sich  den  Rezeptoren  der  die  Krebszelle  bildenden  chemischen 
ibstanzen  anzupassen,  ausgestattet  ist  und  fähig  sein  wird,  auf  diese 
rebszelle)  eine  modifizierende  und  therapeutische  Wirkung  aus- 
iiben.  In  diesem  Sinne  will  R.  weitere  Untersuchungen  vornehmen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Münchener  Aerzteverein  für  freie  Arztwahl. 

Sitzung  vom  11.  April  1913. 

Einlauf.  Geschäftliche  Mitteilungen:  Hervorgehoben  sei  eine 
arnung  vor  der  Annahme  von  Vertrauensarztstellungen  bei  der  An- 
stelltenversicherung. 

Der  Geschäftsführer,  Herr  Scholl,  erstattet  den  Kassen- 
dGeschäftsbericht  und  erhält  Entlastung.  Aus  dem  Bericht 
ht  u.  a.  hervor,  dass  das  Gesamtvermögen  des  Vereins  am  1.  1.  13 
.  225  471.55  betrug.  Die  Einnahmen  erreichten  eine  Höhe  von 
.  68  121.09,  die  Ausgaben  beliefen  sich  auf  M.  29  050.59.  Die  Re- 
sion  der  Kasse  und  der  Bücher,  welche  durch  die  ehrenamtlich 
wählten  Revisoren,  sowie  durch  die  Süddeutsche  Treuhandgesell¬ 
haft  der  Bayer.  Hypotheken-  und  Wechselbank  geprüft  wurden, 
b  zu  keinerlei  Beanstandung  Anlass.  Der  Mitgliederstand  des 
:reins  stieg  von  512  auf  524  Mitglieder.  Der  Verein  stand  mit 
Krankenkassen  im  Vertragsverhältnis:  2  Ortskrankenkassen,  6  Ge- 
Jindekrankenversicherungen,  1  Sanitätsverband,  29  Betriebskranken- 
ssen,  7  Innungskrankenkassen,  4  freie  Hilfskassen,  9  Tariikranken- 
issen.  Die  Zahl  der  Versicherten  betrug  ungefähr  265  000.  An 
morar  wurde  eingenommen  M.  1  451  704. —  und  zwar  M.  40  518. — 
ehr  als  im  Vorjahr.  Das  Durchschnittshonorar  1912  betrug 
.  2630. — .  Das  Verhältnis  zu  den  Krankenkassen  kann  als  ein  gutes 
zeichnet  werden. 

Herr  Hecht  berichtet  über  die  Thesen  der  ärztlichen  Etiketten- 

immission. 

1  Reklamen  an  öffentlichen  Orten  oder  Lokalen  (Trambahnen, 
akatsäulen,  Lichtbilder.  Reklamemarken  usw.)  sind  unzulässig  (be- 
nntgegeben  im  „Bayer.  Aerztl.  Korrespondenzblatt“  1912,  No.  24). 
instimmig  angenommen.) 

2.  Schilder  sollen  im  allgemeinen  nur  am  Hause  der  Berufsaus- 
>ung  angebracht  werden.  Die  Anbringung  weiterer  Schilder  an 
ideren  Stellen  kann  in  besonderen  Fällen  nach  Prüfung  durch  die 
)rstandschaft  genehmigt  werden.  Kommentar:  z.  B.  bei  Wohnung 
enger  Seitenstrasse  ein  zweites  Schild  an  der  Ecke  der  Einmündung 
die  Hauptstrasse.  (Einstimmig  angenommen.) 

3.  Wohnt  der  Arzt  nicht  am  Ort  der  Berufsausübung,  so  ist  die 
ibringung  eines  kleinen  Schildes  am  Hause  der  Privatwohnung,  in 
r  keine  Berufstätigkeit  ausgeübt  wird,  statthaft;  dieses  Schild  darf 
dessen  nur  den  Namen  ohne  Angabe  etwaiger  praktischer  oder 
ezialärztlicher  Tätigkeit,  keinen  Hinweis  auf  den  Ort  der  Berufsaus- 
uing  und  keine  Angabe  der  Sprechstundenzeit  etc.  enthalten.  Da¬ 


gegen  ist  auf  dem  Schild  am  Orte  der  Berufsausübung  ein  Hinweis 
auf  die  Privatwohnung  statthaft.  (Wurde  gegen  2  Stimmen  ange¬ 
nommen.) 

4.  Ob  ein  Schild  seiner  Art  und  Grösse  nach  standeswiirdig  und 
daher  zulässig  ist,  muss  von  Fall  zu  Fall  beurteilt  werden.  Kom¬ 
mentar:  Das  ärztliche  Schild  soll  nicht  marktschreierisch  wirken.  Da 
auffallende  Wirkung  nicht  nur  von  der  Natur  und  Form  des  Schildes 
(Grösse,  verschiedener  Farbendruck  usw.)  abhängig  ist,  sondern  auch 
von  der  Umgebung,  innerhalb  der  das  Schild  angebracht  ist,  so  lässt 
sich  für  ein  den  guten  Sitten  entsprechendes  Schild  keine  Norm 
aufstellen. 

5.  Der  Text  des  Schildes  soll  nur  die  „Spezialität“,  jedoch  keine 
Angaben  über  Behandlungsmethoden  oder  Spezifizierung  einzelner 
Krankheiten  enthalten.  Ausnahmefälle  unterliegen  der  Genehmigung 
der  Vorstandschaft.  Kommentar:  z.  B.  „Massage  bei  Frauenleiden“, 
Massagebehandlung“.  „Krebsbehandlung“.  „Gicht,  Zucker“  etc.  (Ein¬ 
stimmig  angenommen.) 

6.  Bei  Wohnungsveränderungen  soll  das  „Hinweisschild“  an  der 
alten  Wohnung  nicht  länger  als  ein  Jahr  verbleiben.  Kommentar: 
Zeitlich  etwaige  Rücksicht  auf  Neuerscheinen  von  Adressbuch  und 
Telephonverzeichnis.  (Einstimmig  angenommen.) 

7.  Die  Bezeichnung  „Poliklinik“,  „Ambulatorium“  oder  ähnliches 
ist  unstatthaft;  die  Führung  eines  derartigen  Institutes  ist  nur  für 
Lehrzwecke  erlaubt. 

Gemeinsam  mit  Punkt  7  wurde  ein  Antrag  Selz  besprochen, 
welcher  lautet:  Bei  Neuauflage  des  Mitgliederverzeichnisses  des 
M.  Ae.  V.  f.  fr.  A.-W.  soll  die  Aufführung  der  Sprechstunde  der 
Privatärzte  als  Privatambulatorium  in  Wegfall  kommen.  Hierüber 
entspann  sich  eine  lange  Diskusison,  an  der  sich  insbesondere  Herr 
Kronacher  beteiligte,  welcher  gegen  die  Fassung  von  Punkt  7 
sprach  und  wünschte,  dass  die  letzte  These  zuriickgestellt  würde. 
Auch  Herr  K  r  e  c  k  e  war  dagegen,  das  man  jüngeren  Kollegen  die 
Möglichkeit  der  Betätigung  in  der  Armenpraxis  erschwere.  Dem¬ 
gegenüber  betonen  die  Herren  Hecht,  Kustermann  und  K  a  s  1 1 
die  Gefahren  des  Poliklinikenwesens.  Herr  Krecke  billigt  den  An¬ 
trag  Selz,  wünscht  aber,  dass  man  nicht  in  die  Verhältnisse  der 
Privatpraxis  übergreife  (These  7).  Auch  Herr  Nassauer  möchte 
nicht  allzu  engherzig  vorgehen.  Herr  S  a  c  k  i  weist  darauf  hin,  dass 
die  Frage  bereits  in  der  Standesordnung  erledigt,  im  übrigen  aber 
nicht  so  bedeutungsvoll  sei,  da  der  Andrang  zu  den  Ambulatorien 
nicht  gross  ist.  Schliesslich  wurde  der  Antrag  Selz  mit  allen  gegen 
2  Stimmen  bei  einer  Stimmenthaltung  angenommen,  die  These  7  mit 
allen  gegen  4  Stimmen  bei  2  Stimmenthaltungen;  worauf  Herr  Hecht 
den  Antrag  stellt,  die  Thesen  den  3  Münchener  Standesvereinen  zu¬ 
zustellen  mit  einem  Begleitschreiben  dahin  lautend,  dass  die  Komis- 
sion  nur  eine  beratende  sei,  ohne  Kompetenzen,  und  mit  der  Bitte  um 
Besprechung  und  Meinungsäusserung.  (Angenommen.) 

Der  Vorsitzende,  Herr  Lukas,  schlägt  vor,  den  Vertrag  mit 
dem  Bayer,  ärztl.  Korrespondenzblatt  zu  kündigen,  das  Blatt  aber  im 
Abonnementsverhältnis  weiter  zu  behalten,  da  der  Vertrag  dem  Verein 
keine  Vorteile  biete.  Dieser  Vorschlag  wurde  von  Herrn  Artur 
M  u  e  1 1  e  r  unterstützt,  von  den  Herren  F.  Bauer,  Epstein  und 
S  t  e  r  n  t  e  1  d  bekämpft.  Schliesslich  gelangte  ein  Antrag  Hecht 
gegen  2  Stimmen  zur  Annahme,  wonach  die  Vorstandschaft  beauftragt 
wird,  den  bestehenden  Vertrag  mit  dem  Bayer,  ärztl.  Korrespondenz¬ 
blatt  zu  kündigen  und  einen  neuen  Vertrag  abzuschliessen,  der  zu¬ 
nächst  von  Vorstandschafl,  Verlag  und  Schriftleitung  vorbereitet 
wird  und  zu  dem  die  Mitgliederversammlung  der  Vorstandschaft  ihre 
Vorschläge  übermitteln  soll.  Der  neue  Vertrag  ist  der  nächsten  Mit¬ 
gliederversammlung  zur  Genehmigung  vorzulegen. 

Zum  Schluss  berichtet  Herr  F  o  g  t  über  die  Enquete  betr. 
Karenzzeit,  welche  mit  Rücksicht  auf  die  Direktiven  des  Geschäfts¬ 
ausschusses  eingeleitet  wurde.  Das  Ergebnis  war,  dass  nur  etwa 
50  Proz.  der  Mitglieder  die  Frage  beantwortet  hat.  Für  Aufhebung 
waren  74,  gegen  Aufhebung  173  und  zwar  schlankweg  dafür  70, 
dagegen  nur  52,  eine  Mittelgruppe  von  122  war  für  Abschaffung  der 
Karenzzeit  unter  Bedingungen  wie  allgemeine  Einführung  der  freien 
Arztwahl  in  Deutschland  oder  in  Grossstädten  bezw.  allgemeine 
Aufhebung  der  Karenzzeit.  Die  Begründungen  waren  vielartig  aber 
nicht  neu.  Für  die  Beibehaltung  der  Karenzzeit  wurden  mehr  prak¬ 
tische,  für  deren  Aufhebung  mehr  theoretische  (prinzipielle)  Gründe 
angeführt.  Es  ergab  sich  also,  dass  eine  Beschlussfassung  zur  Zeit 
nicht  opportun  sei,  da  die  Aufhebung  der  Karenzzeit  jetzt  doch  nicht 
erreicht  werden  kann. 

Diskussion:  Herr  Epstein  tritt  für  Aufhebung  der  Karenz¬ 
zeit  ein  und  wünscht,  dass  man  sich  von  Seiten  der  Vorstandschaft 
nicht  mit  dem  Resultat  der  Enquete  beruhigt,  das  ihn  nicht  erstaunt. 

Herr  Lukas  hält  es  für  richtiger,  nunmehr  die  Kollegen  auf¬ 
zuklären  bis  der  Augenblick  für  eine  Beschlussfassung  geeignet  er¬ 
scheint.  Herr  F.  Bauer  ist  auch  für  Aufhebung  der  Karenzzeit 
und  wünscht  auch  ein  schärferes  Vorgehen  der  Vorstandschaft  be¬ 
züglich  der  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  den  Armenärzten 
und  bei  staatlichen  Kassen.  Herr  Lukas  berichtet  über  die  in  dieser 
Richtung  unternommenen  Schritte.  Die  Verhandlungen  schweben  zum 
Teil  noch,  denn  zur  Zeit  ist  es  richtiger  Vorbereitungen  zu  treffen 
und  Verträge  zu  verschieben  bis  zur  Einführung  der  R.-V.-O, 

Schluss  der  Sitzung  12  Uhr.  Präsenzliste  66  Mitglieder. 


902  _  Ml  ENCHENEg  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^  _  N0.  1 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Nastin,  ein  von  D  e  y  c  k  e  angegebener,  aus  Streptothrix  leproi- 
des  gewonnener  bakterieller  Fettkörper,  wurde  von  Dr.  M.  Ru¬ 
dolph  in  Estrella  do  Sul  in  Brasilien  bei  Lepra  angewandt,  und 
zwar  in  der  von  K  a  1 1  e  &  C  o.  in  Biebrich  hergestellten  Kombination 
mit  Benzoylchlorid,  Nastin  B.  Dieses  Präparat  kommt  in  3  Stärken, 
Nastin  Bo,  Bi  und  Ba  in  den  Handel;  die  klassische  Lösung  ist  Bi,  wo¬ 
von  anfangs  wöchentlich  einmal  1  ccm  injiziert  wird,  später  alle 
8  Tage  2  ccm.  Bei  5  von  6  Fällen  erzielte  R.  ein  gutes  Resultat, 
einer  dieser  5  Fälle  kann  als  geheilt  bezeichnet  werden.  R.  legte 
eine  Druckschrift  über  seine  Resultate  dem  7.  Brasilianischen  Medi¬ 
zinisch-chirurgischen  Kongress  vor;  in  der  anschliessenden  Diskussion 
wurden  die  guten  Erfolge  des  Nastin  bestätigt,  während  die  Ver¬ 
suche  mit  Salvarsan  keine  oder  nur  vorübergehende  Erfolge  erzielt 
hatten.  (Max  Rudolph;  Einiges  zur  Leprabehandlung 
mit  Nastin.  Archiv.  Brasil,  de  Medicina  1  PI 2,  No.  3.)  R.  S. 

Ein  Doppelhörrohr  mit  Massstab  und  abnehm¬ 
barem  Perkussionshammer  von  Stabsarzt  Dr.  Hecker- 
Berlin.  Am  unteren  Ende  eines  Stethoskops  der  üblichen  Form, 
dessen  Hörmuschel  aus  Kautschuk,  dessen  Schaft  aus  Metall  besteht, 
ist  ein  kurzer  Rohransatz  angebracht,  über  den  ein  am  anderen  Ende 
mit  einer  Olive  armierter  Gummischlauch  gestreift  wird.  Auf  dem 
Schaft  ist  ein  Zentimetermass  eingraviert  und  mittels  Klemmschraube 
ein  abnehmbarer  Perkussionshammer  sicher  befestigt.  Die  Hand¬ 
habung  des  Instruments  bei  der  Auskultation  ist,  abgesehen  davon, 
dass  der  Schlauch  mit  seiner  Olive  in  den  einen  äusseren  Gehörgang 
hineingesteckt  wird,  die  des  gewöhnlichen  Hörrohrs.  Durch  Ein¬ 
schaltung  beider  Ohren  in  den  Hörakt  wird  die  Deutlichkeit  der  Aus¬ 
kultationserscheinungen  ausserordentlich  erhöht.  Ein  weiterer  Vor¬ 
teil  ist  der,  dass  der  Untersucher  gegen  den  Lärm  der  Umgebung  ge¬ 
schützt  ist.  Zu  beziehen  durch  Louis  &  H.  Loewenstein,  Berlin, 
Ziegelstrasse.  (Medizinische  Klinik,  No.  14.)  (Autoreferat.) 

Zeozonprä  parate  sind  von  C.  M  a  n  n  i  c  h  -  Göttingen 
angegebene  Schutzmittel  gegen  die  Einwirkung  der 
ultravioletten  Strahlen  auf  die  Haut  (Ther.  Monats¬ 
hefte  13,  2).  M.  ging  bei  seinen  Untersuchungen  davon  aus,  dass 
das  einzige  farblose  Absorptionsmittel  für  die  ultravioletten  Strahlen 
das  A  e  s  k  u  1  i  n  ist.  Bei  den  weiteren  Untersuchungen  ergab  sich, 
dass  das  Spaltprodukt  Aeskuletin  ultraviolettes  Licht  noch  stärker 
absorbiert.  Aehnlich  wirken  ferner  gewisse  Kumarinderivate,  und 
als  vornehmlich  brauchbar  erwiesen  sich  das  /LMethylumbelliferon 
und  die  /LUmbelliferonessigsäure.  Beide  Substanzen  sind  farblos  und 
in  grosser  Verdünnung  (1:10  000)  wirksam.  Aus  ihnen  wurden 
salbenartige  aufstreichbare  Lichtfilter  hergestellt,  eben  die  oben 
genannten  Zeozon-  und  Ultrazeozonpräparate.  Beide  Präparate  haben 
sich  gegen  Gletscherbrand,  selbst  gegen  Bräunung  der  Haut  bestens 
bewährt.  Kr. 

In  verdienstvoller  Weise  tritt  G  ö  p  p  e  r  t  -  Göttingen  für  die 
Pflege  des  muskelschwachen  Rückens  im  Spiel- 
und  Schulalter  ein  (Ther.  Monatshefte  13,  2).  G.  zeigt,  wie  den 
Kindern  das  Muskelgefühl  verloren  geht,  und  wie  sich  dazu 
grimassenartige  Verzerrungen  der  Muskulatur  gesellen  können.  Die 
ärztliche  Aufgabe  demgegenüber  besteht  in  der  Sorge  für  Wieder¬ 
gewinnung  des  richtigen  Muskelgefühles,  in  Uebungen  zur  längeren 
Einhaltung  der  richtigen  Stellung,  in  der  Mobilisierung  etwaiger  Ver¬ 
steifungen,  in  der  Förderung  der  Beweglichkeit  des  Schultergürtels, 
in  der  Vermeidung  von  Ueberanstrenguhg. 

Zu  all  diesen  Forderungen  dienen  gewisse  Uebungen:  Einnehmen 
der  bestmöglichsten  Haltung  in  leicht  vorübergebeugter  Stellung, 
Aufrichten  aus  liegender  Stellung  in  Rücken-  und  Bauchlage  mit  über 
den  Kopf  oder  auf  dem  Rücken  gekreuzten  Armen,  Mobilisierung  der 
Wirbelsäule  durch  Einstemmen  der  Hand  von  hinten  her  auf  den 
Rippenbuckel,  Mobilisierung  des  Schultergürtels. 

Jegliche  Ueberanstrengung  ebensowie  lange  Spaziergänge  sind 
bei  all  diesen  Uebungen  zu  vermeiden.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  21.  April  1913. 

Die  in  No.  11  vom  18.  März  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
unter  Missbilligung  des  Beispiels  des  „Zentralblatts  für  die 
gesamte  Chirurgie  und  deren  Grenzgebiete“  und  des  „Zen¬ 
tralblatts  für  die  gesamte  Gynäkologie  und  Ge¬ 
burtshilfe  und  deren  Grenzgebiete“  (beide  im  Verlag  von 
J.  Springer  in  Berlin  erscheinend)  gegebene  Anregung,  es  möge 
von  seiten  der  medizinischen  Bibliotheken  und  anderer  Interessenten 
dahin  gewirkt  werden,  dass  mit  einem  bestimmten  Umfang 
und  einem  bestimmten  Jahrespreis  solcher  Zeitschriften 
gerechnet  werden  könne,  hat  der  Vereinigung  der  medi¬ 
zinischen  Verleger,  die  am  18.  April  1913  in  Leipzig  tagte, 
Anlass  zu  folgender  Erklärung  gegeben: 

„Die  in  der  Sitzung  der  Vereinigung  der  medizinischen  Ver¬ 
leger  anwesenden  Mitglieder  erkennen  einmütig  die  Notwendigkeit 


an,  dass  der  Umfang  und  der  Preis  von  regelmässig  erscheinend« 
Zeitschriften  auf  dem  Umschlag  dieser  Zeitschriften  und  bei  d« 
sonstigen  Ankündigungen  deutlich  erkennbar  anzugeben  ist." 

—  Auf  Einladung  des  Kgl.  Bayr.  Finanzministeriums  findet  b: 
kanntlich  am  9.  und  10.  Mai  eine  Besichtigung  des  kgl.  Bades  Reiche: 
Hall  statt.  Diejenigen  Kollegen,  welche  sich  noch  an  dieser  Besicht 
gung  zu  beteiligen  wünschen,  werden  ersucht,  sich  umgehend  in  d 
im  Aerztlichen  Verein,  Altheimereck  20.  aufliegende  Liste  einzutrage 
Teilnehmerkarte  10  M.  (Uebernachten,  Verpflegung  inbegriffen;  Extr; 
zug  hin  und  zurück  steht  kostenlos  zur  Verfügung.) 

—  Man  schreibt  uns  aus  Wien:  Vielbesprochen  wird  in  dt 
ärztlichen  Kreisen  Wiens  ein  neuerlicher  Erlass  der  niederöste 
reichischen  Statthalterei.  Der  Erlass  verfügt,  dass  ein  Kranker,  b 
welchem  ein  operativer  Eingriff  unbedingt  und  schnellstens  erfordt 
lieh  ist,  sofort  in  einem  Spitale  aufgenommen  werden  müsse.  D< 
behandelnde  Arzt  wird  angewiesen,  den  Spitalzettel  mit  dem  Ve 
merk  zu  versehen:  „Wegen  lebensrettender  Operation  dringend  sp 
talsbedürftig.“  In  einem  grossen  Bezirke  Wiens  jenseits  der  Dona 
erkrankte  vor  einigen  Wochen  die  Frau  eines  Arbeiters  und  der  bi! 
handelnde  Arzt  stellte  die  Diagnose  auf  Blinddarmentzündung,  f 
schrieb  den  Spitalzettel,  betonte  in  demselben  die  Dringlichkeit  de 
Falles,  intervenierte  selbst  bei  dem  Polizeikommissariate,  um  d 
Frau  rasch  auf  eine  chirurgische  Abteilung  zu  bringen.  Die  „Zentra 
auskunftsstelle“  teilte  nach  Stunden  dem  Polizeikommissariat  ihm 
dass  in  allen  staatlichen  Krankenanstalten  Wiens  momentan  kein  eiil 
ziges  Spitalbett  frei  sei,  man  möge  am  nächsten  Morgen  wieder  an 
fragen  etc.  Am  nächsten  Tage  wurde  die  Schwerkranke  auf  ein 
chirurgische  Abteilung  gebracht,  doch  war  sie  schon  bewusstlos;  dl 
Operation  ergab  diffuse  Peritonitis  und  eine  starke  Blutung  in  de 
Bauchraum.  Die  Operierte  starb,  ehe  sie  aus  der  Narkose  erwacht 
Dieser  unendlich  traurige  Fall,  der  durch  die  Anzeige  des  Spitalsleiteii 
der  n.-ö.  Statthalterei  zur  Kenntnis  gebracht  wurde,  rüttelte  d 
Bürokraten  auf  und  veranlasste  sie,  an  die  Aerzte  Wiens  obigeii  E; 
lass  zu  richten,  der  natürlich  nicht  viel  helfen  wird  und  helfen  kan 
da  es  ja  nicht  das  erstemal  vorkommt,  dass  Schwerkranke  in  Wie 
verderben  und  sterben,  ohne  wegen  unserer  leidigen  Spitalsmispr 
wegen  des  intensiven  Mangels  an  Krankenbetten,  in  einem  öffentliche 
Spitale  unterzukommen.  Und  so  wird  bei  uns  „fortgewui steif.  - 
Herr  Prof.  Dr.  R.  Kraus,  Leiter  im  serotherapeutischen  Institute  de; 
Prof.  P  a  1 1  a  u  f,  folgt  einem  ehrenvollen  Rufe  nach  Argentinien,  u: 
dort  ein  neu  errichtetes  staatliches  bakteriologisches  Institut  zu  leite 
An  dessen  Stelle  wurde  nun  Dr.  Bruno  Bussen,  ein  ebenfalls  sei 
tüchtiger  Bakteriologe,  der  sich  auch  in  der  Bekämpfung  endemische 
Seuchen  mehrfach  bewährt  hat,  berufen.  —  Ein  Erlass  des  k.  k.  Min 
steriums  des  Innern  an  alle  politischen  Landesbehörden  will  das  Vel 
hältnis  der  landesfürstlichen  Amtsärzte  (Bezirksärzte)  zu  den  Krai 
kenkassen  regeln.  Ein  lf.  Amtsarzt  hatte  mit  Zustimmung  seine 
politischen  Landesbehörde  eine  Stelle  als  Staatsbahn-Krankenkassei 
arzt  angenommen.  Die  zuständige  Aerztekammer  machte  dem  Min 
steriuin  des  Innern  hierüber  Vorstellung  und  dieses  fand  die  Eingah 
vollkommen  berechtigt.  Das  Ministerium  sagt  in  dem  Erlasse:  „Dnrcj 
die  Uebernahme  der  Staatsbahn-Krankenkassenpraxis  gelangen  dij 
staatlichen  Sanitätsorgane  zur  Bahnverwaltung,  deren  sanitäre  Eil 
richtungen  sie  zu  überwachen  haben,  in  ein  gewisses  Abhängigkeit: 
Verhältnis,  welches  geeignet  erscheint,  sie  gegenüber  der  Bahnve* 
waltung  in  ihrer  amtlichen  Aufsichtstätigkeit  zu  beeinflussen.  Aue 
ist  es  nicht  im  Interesse  der  staatlichen  Sanitätsverwaltung  gelege: 
dass  sich  ihre  amtlichen  Organe  mit  den  praktischen  Aerzten,  ai 
deren  Mitwirkung  sie  bei  der  Ausübung  ihrer  dienstlichen  Oblieget 
heiten  vielfach  angewiesen  sind,  in  einen  dem  gegenseitigen  Einvetj 
nehmen  abträglichen  Mitbewerb  auf  dem  Gebiete  der  Krankenkassen 
Praxis  überhaupt  einlassen.  Auf  Grund  dieser  Erwägungen  wird  di 
k.  k.  Statthalterei  (Landesregierung)  eingeladen,  in  Hinkunft  Bewill 
gungen  zur  Uebernahme  von  Krankenkassenstellen  an  Amtsärzt 
nicht  mehr  zu  erteilen  und  jenen  Sanitätsorganen,  welche  det 
zeit  derartige  Stellen  versehen,  im  Interesse  einer  wirksamen  Dienst 
leistung  nahezulegen,  diese  Stellen  insbesondere  dann  zurück 
z  u  1  e  g  e  n,  wenn  andere  Aerzte  zur  Uebernahme  derselben  zur  Vei 
fiigung  stehen.“  Wir  müssen  gestehen,  dass  uns  dieser  Ministern 
erlass  recht  gut  gefällt,  er  würde  uns  noch  besser  gefallen,  wenn  wi 
gleichzeitig  erführen,  dass  das  Ministerium  seine  Amtsärzte  besse. 
und  zwar  so  gut  honoriert,  dass  sie  auf  eine  Mehrarbeit  in  der  Kra: 
kenkassenpraxis  gerne  verzichten. 

—  Wie  die  „Fit.  Ztg.“  mitteilt,  wurde  gegen  den  bekannten  Imp’ 
gegner  und  Naturarzt  Dr.  Spohr  nach  langer  Voruntersuchung  An 
klage  wegen  fahrlässiger  Tötung  in  einem  Falle,  wegen  fahrlässige 
Körperverletzung  in  mehreren  Fällen  und  wegen  Uebertretung  de 
Seuchengesetzes  von  der  Staatsanwaltschaft  Anklage  erhoben.  Uebe 
die  Rolle  des  Dr.  S  p  o  h  r  bei  der  vorjährigen  Frankfurter  Pocker 
epidemie  haben  wir  im  vorigen  Jahrgang  dieser  Wochenschrift  be: 
richtet. 

Die  Preisaufgabe  der  Dr.  Heinrich  Brock-  Stiftung  de 
Baineologischen  Gesellschaft  lautet :  „Bedeut  u  n 
u  nd  Durchführung  einer  rationellen  K  r  a  n  k  e  n  d  i  ä 
in  Kurorte  n“.  Der  Preis  beträgt  M.  800.—.  Die  Arbeiten  sin 
bis  zum  1.  Januar  1914  an  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Briegci 
Berlin  N.  24,  Ziegelstr.  18/19,  einzusenden.  Die  Arbeiten  müssen  m> 
einem  Motto  versehen  sein,  welches  auf  einem  dabei  einzureichende 
Briefkuvert,  in  dem  eingeschlossen  sich  der  Name  des  Verfasser 
befinden  soll,  zu  stehen  hat. 


i  April  191.1. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


,()r$ 


-  Preisausschreiben.  Die  „Vereinigung  Karlsbader 
\  zte"  in  Karlsbad  erlässt  ein  Preisausschreiben  mit  dem  Thema: 
,  e  Behandlung  des  Diabetes  mellitus  mit  besonderer  Beriicksichti- 
.  g  der  Balneotherapie“.  Es  sollen  5000  Kr.  zu  1—3  Preisen  ver¬ 
niet  werden.  Der  Einlieferungstermin  für  die  Arbeiten,  welche  in 
.  :r  beliebigen  Sprache  abgefasst  sein  können,  ist  der  31.  Dezember 
f.  Auskünfte  erteilt  die  „Vereinigung  Karlsbader  Aerzte".  (hk.) 

—  Aui  dem  letzten  Röntge  nkongress  ist  von  dem  Vor- 
.  enden' Im  m  e  1  m  a  n  n  -  Berlin  angeregt,  von  Zeit  zu  Zeit  rönt- 
;  alogische  Studienreisen  zu  veranstalten.  Eine  grosse  Reihe  von 
<  itgenlaboratoriumbesitzern  hat  sich  bereit  erklärt,  die  Teilnehmer 
i  ;er  Studienreisen  bei  sich  zu  empfangen.  Die  erste  dieser  Reisen 
.<  J  vom  15.  bis  20.  September  dieses  Jahres  nach  Wien  unter- 

rnien  werden.  Vom  Ausschuss  der  Deutschen  Röntgengesellschaft 
eine  Studienreisekommission  erwählt,  der  die  Herren  Eber  lein, 
vy-Dorn  und  Immelmann  angehören.  Alle  die  Reise  he¬ 
ilenden  Anfragen  sind  an  den  letzteren,  Berlin.  Liitzowstr.  72  zu 
den. 

—  Das  vorläufige  Programm  der  vom  21.  bis  26.  September  in 
■n  stattfindenden  85.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
scher  und  Aerzte  enthält  folgende  Vorträge:  in  der  ersten 

.  emeinen  Versammlung:  F.  R  i  n  n  e  -  Leipzig:  Das  Wesen  der  kri- 
■  linen  Materie  vom  Standpunkt  des  Mineralogen,  H.  v.  S  e  e  1  i  g  e  r  - 
i achen:  Moderne  Astronomie;  in  der  Gesamtsitzung  der  medi- 
;  sehen  Hauptgruppe :  Bro.dma  n  n  -  Tübingen  :  Neuere  For- 
uingsergebnisse  der  Hirnanatomie.  Re  ich -Wien:  Anatomie  des 
3  ;engangapparates,  Rothfeld  -  Wien :  Physiologie  des  Bogen- 
;  gapparates,  Bär  ä  n  y  -  Wien:  Klinik  des  Bogengangapparates;  in 
i  Gesamtsitzung  der  naturwissenschaftlichen  Hauptgruppe: 
1  W i e  ne  r  -  Darmstadt :  Wesen  und  Aufgaben  der  Mathematik. 
\  S  t  e  u  e  r  -  Innsbruck :  Ziele  und  Wege  biologischer  Mittelmeer- 
:  chung;  in  der  gemeinsamen  Sitzung  beider  Hauptgruppen:  K.  Rit- 
i  v.  H  e  s  s  -  München :  Der  optische  Sinn  der  Tiere,  Ö.  Lum  m  e  r  - 
3slau:  Das  Sehen,  E.  Dole  za  1 -Wien  und  Exz.  A.  v,  Hiibl- 
Ln:  Photogrammetrie;  in  der  zweiten  allgemeinen  Sitzung:  E.  Ei¬ 
ner -Freiburg  i.  Br.:  Das  Rassenprolilem,  Mat  Neuburger- 
'“11:  Gedenkrede  auf  Joh.  Christ.  Reil  (t  1813),  Othenio  Abel- 
J  ere  Wege  phylogenetischer  Forschung:  in  der  Abteilung  24  Psych- 
a ie  und  Neurologie,  2S  Dermatologie  und  Syphilidologie :  Thema: 
des  und  Paralse;  in  der  Abteilung  30  Militärsanitätswesen  und 
.Hygiene  usw. :  San. -Inspektor  Dr.  Hektor  Weiss:  Pellagra- 
i'ämpfung  in  Tirol,  Statth.-Rat  Dr.  E.  v.  C  e  1  e  b  r  i  n  i  -  Triest : 
I  ariabekämpfung  im  Küstenland.  Eine  Ausstellung,  welche  zum 
ma  hat:  Die  Photographie  in  ihrer  Anwendung  auf  Naturwissen- 
c  aft  und  Medizin,  wird  vorbereitet.  Im  Anschluss  an  die  Tagung 
«d  eine  5 — 6  tägige  Reise  nach  Dalmatien  geplant,  wenn  sich  eine 
iigende  Zahl  von  Teilnehmern  meldet.  Die  interessantesten  Punkte 
dalmatinischen  Küste  sollen  berührt  werden:  Sebenico,  Spalato, 
Lusa,  Bocche  di  Cattaro.  Kosten  200 — 250  K.  Anfragen  und  An- 
r düngen  sind  abgesondert  bis  15.  Mai  an  die  Geschäftsstelle: 
“n,  I.  Universität.  Dekanat  der  medizinischen  Fakultät,  zu  richten, 
inehmer  an  der  Versammlung  kann  jeder  werden,  der  sich  für 
uirwissenchaft  oder  Medizin  interessiert.  Für  die  Teilnehmerkarte 
ü  25  Kronen  zu  entrichten,  wovon  aber  für  die  Mitglieder  der  Ge¬ 
schäft  der  Jahresbeitrag  in  Abzug  gebracht  wird.  Ausserdem  wer- 
Damenkarten  zum  Preis  von  8  Kronen  ausgegeben.  Den  Teil- 
'mern,  die  rechtzeitig  ihre  Teilnehmerkarte  lösen,  steht  auf  den 
- ien  der  k.  k.  Staatsbahnen  und  der  Südbahn  für  die  Fahrt  nach 
’  n  und  zurück  eine  ca.  20 — 30  proz.  Ermässigung  des  Fahrpreises 
\ussicht.  Die  Geschäftsführung  liegt  in  den  Händen  der  Herren 
‘  i.  Dr.  F.  Becke,  Wien,  I.  Universitätsplatz  2,  und  Prof.  Dr.  C. 

:  r.  v.  Pirquet,  Wien,  VIII.  Alserstrasse  21. 

—  Die  Hauptversammlung  der  Deutschen  Ge¬ 
lschaft  für  Volksbäder  findet  am  30.  April  1913  in  Bres- 

;  statt.  Vorträge:  1.  Ueber  Nutzen  und  Schaden  von  Bädern  bei 
under  und  kranker  Haut:  Prof.  Dr.  Carl  Bruck,  Oberarzt  der 
Universitätsklinik  für  Hautkrankheiten  in  Breslau.  2.  Die  Ueber- 
r:ung  von  Augenkrankheiten  in  Berliner  Volksbadeanstalten:  Pri- 
.iozeiit  Dr.  H.  L  i  e  f  m  a  n  n  in  Berlin-Grunewald.  3.  Deutsche 
■ierhygiene  im  Mittelalter  (mit  Lichtbildern):  Dr.  med.  H.  Koe- 
.sfeld  in  Breslau.  4.  Der  jetzige  Stand  der  Volksbäderversor- 
g  in  England  (mit  Lichtbildern):  Dr.  Carl  Prausnitz,  Privat- 
' ent  für  Hygiene  und  Leiter  der  Wutschutzabteilung  am  Kgl.  Hygie- 
hen  Institut  der  Universität  in  Breslau.  5.  Die  Bedeutung  der 
der  für  Technik  und  Industrie:  Prof.  Dr.  R.  Scheller,  Privat- 
1  ent  an  der  Universität  in  Breslau.  6.  Die  badetechnische  Einrich- 
l?  des  Stadtbades  Mülheim  a.  d.  Ruhr:  Klaus,  städtischer  In- 
1  ieur  in  Mülheim  a.  d.  Ruhr. 

—  Der  Kursus  über  „Diagnostik.  Pathologie  und  Therapie  der 
nkheiten  des  Herzens  und  der  Gefässe“  welcher  unter  Leitung 

Frof.  Aug.  Hoff  man  n  alljährlich  an  der  Medizinischen  Klinik 
1  Düsseldorfer  Akademie  für  praktische  Medizin  abgehalten  wird, 

J  auch  in  diesem  Jahre  zum  6.  Male  in  der  Zeit  vom  20.  bis  29.  Ok- 
;r  stattfinden.  Auskunft  erteilt  das  Sekretariat  der  Akademie, 
Drenstrasse. 

—  Im  Auftrag  der  ärztlichen  Lokalkommission  Oldenburg  er- 
- en  bei  C.  Kabitzsch  in  Würzburg  ein  Taschenbuch  phar- 
'zeutischer  Spezialitäten  (Original-  und  Krankenkassen- 
‘N'ungen),  von  Dr.  Hügel.  Preis  M.  2.80.  Das  Taschenbuch  ent- 


halt  um  Mittel,  deren  genaue  Zusammensetzung  bekannt  ist,  dagegen 
nicht  Mittel,  die  auf  der  Geheimmittelliste  stehen  oder  die  als  Schwin- 
cLlrrnttel  bekannt  geworden  sind,  und  gibt  Zusammensetzung,  Art  der 
ackung.  Namen  des  Fabrikanten,  Gebrauchsanweisung  und  Ver¬ 
kaufspreis  an. 


i  .  H  a  r  t 1  e  b  e  n,  Wien  und  Leipzig,  erschien  als  Bd.  36 

dci  Chemisch-technischen  Bibliothek :  Medizinische  Spe¬ 
zi  a  1  i  t  a  t  e  n.  Line  Sammlung  der  meisten  bis  jetzt  bekannten  und 
untersuchten  Geheimmittel  und  Spezialitäten  nach  den  bewährtesten 
Cheintkei n.  \onC.  F.  Capaun-Karlowa.  4.  vermehrte  und  mit 
vollständigem  Register  versehene  Auflage,  von  Dr.  pharm.  Max 
v.  W  a  1  d  h  e  i  rn.  Preis  5  M.  Die  neue  Auflage  enthält  ca.  3600  Prä¬ 
parate  gegen  1000  der  1.  Auflage. 

—  Cholera.  In  Konstantinopel  wurden  vom  25.  bis  31  März 
4  Erkrankungen  und  1  Todesfall  festgestellt. 

—  Pest.  Türkei.  In  Djedda  sind  vom  10.  bis  30.  März  7  töd¬ 
lich  verlaufene  Pestfälle  gemeldet  worden.  —  Aegypten  Vom  22 
bis  28.  März  erkrankten  22  (und  starben  21)  Personen.  —  China.  An¬ 
fang  Februar  ist  die  Pest  in  Pakhoi  mit  besorgniserregender  Heftig¬ 
keit  aufgetreten;  es  sollen  dort  unter  den  20—25  000  Einwohnern 
täglich  10 — 12  Todesfälle  vorgekornmen  sein. 

—  In  der  14.  Jahreswoche,  vom  30.  März  bis  5.  April  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Bamberg  mit  27,4.  die  geringste  Berlin-Wilmersdorf  mit  7,0 
I  odesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Zabrze,  am  Masern  und  Röteln  in 
Mainz,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Bamberg,  Mülheim  a.  Rh.,  Rheydt, 
an  Keuchhusten  in  Hof.  (v.  d.  K.  G.-A.) 

(H  ochse  hulnach  richte  n.) 

Berlin.  Geheimrat  Prof.  Dr.  Otto  Hildebrand,  Direktor 
der  chirurgischen  Klinik  und  Poliklinik  im  Chariteekrankenhause  in 
Berlin  ist  zum  ordentlichen  Mitgliede  der  Wissenschaftlichen  Depu¬ 
tation  für  das  Medizinalwesen  ernannt,  (hk.) 

Heidelberg.  Der  a.  o.  Professor  und  Vorstand  der  bio¬ 
logisch-chemischen  Abteilung  am  Krebsinstitut  Dr.  Emil  Frhr. 
v.  Düngern  wurde  zum  Direktor  des  neugegriindeten  Instituts  für 
experimentelle  Krebsforschung  zu  Hamburg-Eppendorf  berufen,  (hk.) 

Jena.  Für  Ohrenheilkunde  habilitierte  sich  der  Assistent  an  der 
Ohrenklinik  Dr,  Johannes  Zange  mit  einer  Probevorlesung  über  das 
schallempfindliche  Organ  im  inneren  Ohr.  (hk.) 

Königsberg  i.  Pr.  Der  Privatdozent  für  Neurologie  und 
Psychiatrie  Dr.  Otto  Klieneberger  wurde  als  Nachfolger  von 
Prof.  Eiche  lb  erg  zum  Oberarzt  an  der  psychiatrischen  und  Ner- 
venklinik  in  Göttingen  berufen  und  wird  sich  ebenda  als  Privatdozem 
habilitieren,  (hk.) 

Marburg.  Der  Abteilungsvorsteher  am  Institut  für  Hygiene 
und  experimentelle  Therapie  der  Universität  Marburg  Dr.  Johannes 
Z  e  i  s  s  1  e  r  wurde  zum  Vorsteher  der  bakteriologisch-serologischen 
Untersuchungsstelle  am  städt.  Krankenhause  in  Altona  berufen,  (hk.) 

M  ü  n  c  h  e  n.  Dr.  Eberhard  V  e  i  e  1,  bisher  Privatdozent  an  der 
Universität  Tübingen,  ist  als  Privatdozent  für  innere  Medizin  in  der 
Münchener  medizinischen  Fakultät  zugelassen  worden,  (hk.) 

Strassburg.  Der  Direktor  der  dermatologischen  Klinik, 
Prof.  Dr.  Wolff,  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Wiirzburg.  Dr.  Joh.  Kölln  er  wurde  zum  1.  Assistenten 
der  Universitäts-Augenklinik  ernannt  und  als  Privatdozent  für  Augen¬ 
heilkunde  zugelassen. 

Algier.  Dr.  A  r  g  a  u  d  wurde  zum  Professor  der  Histologie 
ernannt. 

Liverpool.  Dr.  J.  W.  W.  Stephens  wurde  an  Stelle  von 
Sir  Ronald  Ross  zum  Professor  der  Tropenkrankheiten  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  Th.  P  e  r  r  i  n,  Privatdozent  für  Urologie  in  Lausanne. 

Dr.  S.  Gern  well,  Professor  der  medizinischen  Klinik  in 
Glasgow. 

Dr.  Jordan  Lloyd,  Professor  der  Chirurgie  in  Birmingham. 

Dr.  Algernon  T.  B  r  i  s  t  o  w,  Professor  der  chirurgischen  Klinik 
am  Long  Island  College  Hospital  zu  Brooklyn. 

Dr.  T.  E.  M  o  r  e  t,  ausserordentlicher  Professor  der  Augenheil¬ 
kunde  zu  Buenos  Aires. 


Korrespondenz. 

Noch  einmal  die  „ärztliche  Reklame  in  Amerika". 

Mein  in  No  3,  Jahrg.  1913  dieser  Wochenschrift  erschienener 
Artikel  über  Amerika  enthält,  wie  schon  der  Titel  sagt,  Eindrücke, 
die  sich  mir  während  der  14.  deutschen  ärztlichen  Studienreise  boten. 
Es  ist  selbstverständlich,  und  ich  habe  es  ausserdem  in  dem  Artikel 
selbst  betont,  dass  es  sich  dabei  nur  um  flüchtige  Umblicke  handelt, 
denn  niemand  kann  erwarten,  dass  es  möglich  sei,  im  Laufe  weniger 
Wochen  ein  solch  ausgedehntes  Gebiet,  wie  wir  es  besuchten,  anders 
als  oberflächlich  kennen  zu  lernen.  Der  allgemeine  Eindruck,  den 
die  dortigen  ärztlichen  Verhältnisse  auf  mich  machten,  war  der  denk¬ 
bar  günstigste  und  das  „Journal  of  the  American  Medical  Association“ 
sagt  bei  Besprechung  meines  Artikels  auch:  „Seine  Eindrücke  in  be¬ 
zug  auf  die  medizinischen  Verhältnisse  in  Amerika  und  den  ameri¬ 
kanischen  Charakter  im  allgemeinen  scheinen  sehr  günstige  gewesen 
zu  sein.“ 


004 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aber  etwas,  was  nicht  nur  mir,  sondern  auch  anderen  Kollegen 
unangenehm  auffiel,  war  die  ausserordentlich  grosse  Zahl  von  ärzt¬ 
lichen  Reklameanzeigen,  die  sowohl  in  den  medizinischen,  als  belle¬ 
tristischen  Zeitungen  und  Zeitschriften  enthalten  waren,  und  zwar 
nicht  nur  in  der  Landessprache,  sondern  in  Deutsch,  Französisch, 
Italienisch  etc.  ln  meinem  Artikel  habe  ich  einige  dieser  Anzeigen 
zitiert  und  die  „American  Med.  Association“  zu  der  Abwehrbewegung 
beglückwünscht,  welche  sie  gegen  die  üble  Gewohnheit  der  ärztlichen 
Reklame,  sowie  gegen  das  andere,  in  Amerika  ebenfalls  weitver¬ 
breitete  Uebel,  die  Geheimmittel,  eingeleitet  häbe. 

Zu  meiner  Ueberraschung  hat  nun  mein  Artikel  eine  Berichtigung 
von  seiten  des  Präsidenten  eben  der  „American  Med.  Association“ 
provoziert.  In  dieser,  in  No.  11  unserer  Wochenschrift  veröffent¬ 
lichten  Berichtigung  wird  gesagt,  die  in  den  amerikanischen  Zeitungen 

enthaltenen  Reklamen  seien  Anzeigen  von  . Quacksalbern.  Ich 

stimme,  wie  natiirgemäss  jeder  anständige  Arzt,  gewiss  vollständig 
mit  Herrn  Jacobi  darin  überein,  dass  es  eines  approbierten  Arztes 
unwürdig  ist,  derartige  Anzeigen,  wie  ich  und  andere  Teilnehmer  der 
Studienreise  sie  gelesen  haben,  in  den  Zeitungen  zu  veröffentlichen. 
Unverständlich  ist  mir  aber  der  zweite  Teil  der  Berichtigung.  Herr 
Jacobi  behauptet  da:  „Wenn  Herr  Galli  von  einer  Abwehr¬ 
bewegung  spricht,  welche  hier  eingeleitet  ist,  so  ist  er  im  Irrtum. 
Eine  Abwehr  ist  nicht  nötig  und  existiert  nicht.“  Aus  allem,  was  ich 
auf  meiner  Reise  in  Amerika  gehört  und  was  ich  in  dem  prächtigen 
Sitz  der  „American  Med.  Association“  in  Chicago  selbst  gesehen  hatte, 
wo  u.  a.  eine  eigene  Abteilung,  die  sog.  „Testimonal  File“  eingerichtet 
ist  *),  musste  ich  den  gegenteiligen  Schluss  ziehen.  Und  dass  ich 
mich  nicht  im  Irrtum  befand,  sah  ich  auch  aus  einer  der  letzten 
Nummern  des  offiziellen  Organs  der  „American  Med.  Association“, 
die  einen  interessanten  Artikel  über:  „The  United  Doctors“  enthält; 
einen  Artikel,  der  doch  offensichtlich  keinen  anderen  Zweck  hat  als 
den,  eine  Vereinigung  von  Aerzten  zu  bekämpfen,  die  sich,  von  einem 
besonderen  Impresario  geleitet,  für  mehr  oder  weniger  lange  Zeit 
(Wochen  bis  Monate)  in  den  geeignetsten,  wichtigsten  Städten  auf¬ 
hält  und  durch  marktschreierische  Anzeigen  von  neuen,  wunder¬ 
vollen  Behandlungs-  und  Untersuchungssystemen,  die  sie  mit  Hilfe 
ebenso  neuer  und  nur  von  ihnen  benützter  Instrumente  erzielen,  das 
Publikum  an  sich  lockt  und  dessen  Leichtgläubigkeit  und  Unkennt¬ 
nis  ausbeutet. 

Auch  eine  andere  Behauptung  des  Herrn  Jacobi  dürfte  kaum 
bedingungslose  Gültigkeit  haben.  Er  sagt:  „Es  ist  ganz  unmöglich, 
dass  irgendein  Arzt  auf  seinem  Schild  oder  auf  seiner  Karte  seine 
Spezialität:  Nervenarzt,  Kinderarzt,  Frauenarzt,  Chirurg,  oder  irgend¬ 
etwas  der  Art  anzeigen  wird.“  Dass  dies  aber  möglich  ist,  hat  jeder 
Teilnehmer  der  Studienreise  beim  Passieren  der  langen  Strassen  der 
amerikanischen  Städte  gesehen,  in  denen  oft  eine  nicht  geringe  An¬ 
zahl  von  Aerzteschildern  die  Bezeichnung  „Dr.  Osteopath“  trägt. 

Ausserdem  enthält  die  Nummer  des  offiziellen  Organs  der  „Ameri- 
Med.  Association“  vom  1.  März  1913  auf  S.  24  die  Reproduktion  einer 
Visitkarte,  die  so  lautet: 


Sprechstunde : 

8  - 12  Vormittag. 
2— S  Nachmittag. 


Jede  Anfrage  wird  prompt 
und  aufmerksam  beantwortet. 


John  Doe,  M.S  M.D.  Ph.D. 

Physician  and  Surgeon 

Member  Calivada  State  Medical  Society 
Member  American  Medical  Association. 
Member  International  Medical  Congress  (Berlin) 
Fellow  American  Academy  of  Medicine 
Delegate  to  International  Congress  of  Hygiene,  etc. 


Offices:  6!2  E.  Elmst. 
Telephone:  Burwood  82 


ROLLINS,  CAV. 


Die  Zeitschrift  schreibt  dazu:  „Vor  einigen  Jahren  veröffent 
lichten  wir  die  Karten  einiger  Aerzte  und  wir  werden  auch  in  näch¬ 
ster  Zeit  einige  mehr  produzieren.  Wir  tun  dies  mit  abgeändertem 
Namen  und  Adresse,  denn  unsere  Absicht  ist  nicht,  den  betreffenden 
Arzt  öffentlich  blosszustellen,  sondern  den  schlechten  Geschmack  zu 
kennzeichnen,  der  für  die  Karte  verantwortlich  ist.“ 

Ich  glaube  endlich  auch  nicht,  dass  der  in  Deutschland  und  auch 
anderswo  übliche  Brauch,  in  würdiger,  d.  h.  nicht  reklamehafter  Art 
bekannt  zu  geben,  dass  Dr.  A.  von  seiner  Reise  oder  den  Ferien 
zurückgekehrt  sei,  wie  Herr  Jacobi  sagt  „Erstaunen  oder  Spott“ 
verdient.  Jedermann  begreift  doch,  dass  schon  die  Rücksicht  auf  die 
Patienten  das  erfordert. 

Bordighera,  28.  111.  13.  Prof.  Galli. 


*)  The  „Testimonal  File“  which  is  in  the  same  department,  con- 
tains  the  namcs  of  thosc  physicians,  who  make  a  pratice  of  writrng 
testimonials  for  proprietary  products.  There  are  over  sixteen  thou- 
sand  cards  in  this  file,  and  while  most  of  the  names  it  contains  are 
for  testimonials  each  to  a  single  product,  a  large  number  have  more 
than  one.  Some  individuals  have  as  many  as  twentyfive  or  thirty 
preparations  against  their  names.  The  number  of  new  names  added 
each  year,  fortunately,  is  steadily  decreasing.  —  Der  Beschreibung 
von  „The  Home  of  the  American  Med.  Association“  entnommen 
(S.  17). 


No.  5. 


Erklärung. 

Die  Firma  Ko  pp  und  Joseph  legt  der  Verpackung  jl>, 
Kohlensäurebäder  einen  Prospekt  über  dieselben  bei,  in  welchem« 
der  2.  Seite  in  dickem  Druck,  so  dass  sich  dieser  Text  von  :T 
übrigen  hervorhebt,  folgendes  steht: 

„Auf  dem  im  Frühjahr  1909  zu  Berlin  tagenden  Balneoloi  i 
kongress  wurden  unsere  Kohlensäurebäder  Marke  „Zeo“  in  ei  n 
Referat  des  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Beerwaldt  als  die  ben 
aller  Systeme  anerkannt.“ 

Ich  habe  niemals  eine  solche  Behauptung  getan;  vielmehr  lael 
der  Text  in  meinem  Vortrag,  den  ich  im  März  auf  dem  ßalneolom 
kongress  in  Berlin  „Ueber  das  Verhalten  der  Kohlensäure  in  kii.t 
liehen  und  natürlichen  Kohlensäurebädern“  gehalten  habe  n 
welchen  die  Firma  Ko  pp  und  Joseph  in  dieser  Weise  für 
verwertet,  folgendermassen : 

„Von  den  verschiedenen  Systemen  der  Kohlensaurere 
haben  wir  bisher  nicht  in  Betracht  gezogen  die  mit  Hilfe  e: 
Rieselapparates  der  Firma  Fischer  und  Kiefer  hergestelir 
welches  Manko  wir  in  nächster  Zeit  ausgleichen  werden,  in 
den  anderen  schienen  uns  für  unsere  Zwecke  die  besten  e 
jenigen  von  Ko  pp  und  Joseph,  weil  sie  ein  sauberes  i, 
gaben,  auch  fast  übereinstimmende  Zusammensetzung  zeigten,  t« 
wir  haben  daher  zu  unseren  Untersuchungen  dieses  System  s 
schliesslich  benutzt.“ 

Ich  habe  also  weder  von  Kohlensäurebädern  „Marke  Zec  e 
sprochen,  noch  dieselben  als  die  „besten  aller  Systeme“  anerkau 
vielmehr  ausdrücklich  die  künstlichen  Kohlensäurebäder,  welche  ii 
Hilfe  eines  Rieselapparates  hergestellt  werden,  ausgenommen,  tj 
ist  nur  gesagt  worden,  dass  uns  für  unsere  Zwecke  diejenigen  oi 
Kopp  und  Joseph  die  besten  schienen,  d.  h.  für  die  Zwiki 
unserer  Arbeit,  welche  eine  rein  chemische  Arbeit  war  und  ii 
welcher  keine  therapeutischen  Versuche  verbunden  waren.  )j 
Firma  Kopp  und  Joseph  war  also  durch  nichts  berechtigt  i| 
ihrer  Reklame,  welche  allein  für  das  badende  Publikum  bestimm); 
und  diesem  die  Kohlensäurebäder  der  Firma  für  Badezwecke 
sonders  empfehlen  soll,  meinen  Namen  in  der  geschehenen  Weis  z 
gebrauchen.  Dieser  Uebergriff  wird  um  so  grösser,  wenn  maine 
denkt,  dass  das  Resultat  meiner  Untersuchungen  zu  ungunstenle 
künstlichen  Kohlensäurebäder  ausfiel,  welche  den  natürlichenir 
Verhalten  der  Kohlensäure  nachstehen.  Die  Firma  Kopp  n 
Joseph  hat  aber  diese  Tatsache  als  für  ihre  Reklame  ungeeiu 
ganz  ignoriert  und  in  dem  Prospekt  nach  jener  dick  gedruckten  Sill 
in  der  sie  mich  zitiert,  ihre  Kohlensäurebäder  nicht  nur  den  n;u 
liehen  Mineralquellen  von  Nauheim,  Kissingen,  Franzensbad  ti 
gleichgestellt,  sondern  sogar  übergeordnet,  weil  man  diese  ßädez 
jeder  Jahreszeit  im  eigenen  Heim  gebrauchen  könne.  Also  mein  u 
trag  mit  der  Tendenz  gegen  künstliche  Kohlensäurebäder  wird  it 
zur  Empfehlung  für  künstliche  Kohlensäurebäder  verwendet, ei 
Verhalten,  zu  dessen  Charakterisierung  ich  wohl  nichts  weiter  hin 
zufügen  habe.  Ich  habe  der  Firma  verboten,  sich  meines  Narr 
noch  ferner  in  der  bisherigen  Weise  zu  bedienen. 

K.  B  e  e  r  w  a  1. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  14.  Jahreswoche  vom  30.  März  bis  5.  April  191 
Bevölkerungszahl  622  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildig 
fehler  10  (151),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  4  (—),  Kindbettfieber  — 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  — 
Masern  u.  Röteln  2  (2),  Diphtherie  u.  Krupp  —  (5),  Keuchhusten  2 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  — (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  -0 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hund:" 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  4  ( — ),  Starrkrampf  — - 
Blutvergiftung  2  (3),  Tuberkul.  der  Lungen  28(21),  Tuberkul.  and.  r 
(auch Skrofulöse)  4  (5',  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —(1),  Luie 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  17  (13),  Influenza  —  ( — ),  ve:r 
sehe  Krankh.  1  (3),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfi  e 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahleppilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wec  e 
fieber  usw.  —  (1),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  3  (2),  AlkoPi 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  2  (3),  sonst.  Kr: k 
d.  Atmungsorgane  2  (1),  organ.  Herzleiden  23  (22),  Herzschlag,  H: 
lähmung(ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  8  (1),  Arterienverkabr 
2  (5),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  5  (6),  Gehirnschlag  ,,: 
Geisteskrankh.  —  ( — ),  Krämpfe  d.  Kinder  3  (4),  sonst.  Krankh.  d.  Nei^i 
Systems  2  (4),  Atrophie  der  Kinder  1  (3),  Brechdurchfall  — (2),  Misi 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  5  (6),  Blinddn 
entzünd.  2  (1),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrü  > 
Milz  2  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (10),  Nierenentzünd.  J 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (2),  Krebs  15  (8),  s*s 
Neubildungen  5  (4i,  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (— ),  KrankP1 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  3  (5),  Mord,  Totschlag,  ft 
Hinricht.  2  (2  >,  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen 
and.  benannte  Todesursachen  2  (2),  Todesursache  nicht  (genaue 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (-—)• 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  182  (185). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorweg 


Verlas  von  J.  F.  Lehmann  ln  München.  —  Druck  von  E.  Mtlhlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


-Münchener  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
mftng  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
■4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
arige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


mer  ! 
— .  e 


MÜNCHENER 


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Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


17.  29.  April  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

der  Kgl.  gynäkolog.  Universitäts-Poliklinik  in  München. 

tgenbehandlung  bei  Karzinom  des  Uterus,  der  Mamma 
und  der  Ovarien*). 

Von  Professor  Dr.  Gustav  Klein. 

In  den  Jahren  1904  bis  1907  hat  mein  damaliger  Privat¬ 
stent  Dr.  Hermann  Eltze  auf  meine  Veranlassung  und 
mir  in  mehreren  Fällen  Uteruskarzinome  mit  Röntgen- 
hlen  behandelt.  Dr.  Eltze  hat  darüber  in  der  Festschrift 
Franz  v.  W  i  n  c  k  e  1  „Alte  und  neue  Gynäkologie“  im 
•e  1907  berichtet  und  folgende  Ergebnisse  festgestellt: 

„K autorisierte  Karzinome  und  frühzeitig  be¬ 
itete  (d.  h.  röntgenisierte)  Rezidive  nach  Koi- 
tomien  werden  durch  die  Röntgenstr  a-h  len  an 
er  raschen  Ausbreitung  gehemmt.  Schmerzen 
Jauchung  werden  während  der  Behandlung 
ernd  vermindert. 

Das  den  Karzinomherd  umgebende  Bindegewebe  wird  durch  das 
genisieren  derber,  es  bildet  oft  gleichsam  einen  Mantel  oder 
1 1,  der  vielleicht  dazu  beiträgt,  das  Fortschreiten  des 
z  i  n  o  m  s  eine  Zeitlang  zu  hemme  n. 

Die  Lebensdauer  der  Frauen  mit  inoperablem  Kollumkarzinom 
Uterus  kann  dadurch  vielleicht  manchmal  verlängert  werden. 
Eine  Heilung  des  Kollumkarzinoms  des  Uterus  trat  durch  das 
genisieren  nicht  ein.“ 

Die  Arbeit  und  die  Ergebnisse  sind,  soweit  mir  bekannt,  in  den 
en  Jahren  von  keinem  einzigen  der  Untersucher  erwähnt  wor- 
die  sich  mit  der  gleichen  Therapie  befasst  haben.  Vor  uns  hat, 
es  Wissens,  nur  J.  Deutsch  (Münch,  med.  Wochenschr.  1904, 
>46)  einen  ähnlichen  Fall  veröffentlicht  und  darüber  geschrieben: 
:h  bei  einem  Falle  von  inoperablem  Uteruskarzinom  mit  starken 
jngen  und  jauchendem  Gewebszerfall  konnte  ich  sowohl  Besse- 
des  letzteren,  als  auch  durch  Zurückgehen  der  Ausbreitungen  in 
beiderseitigen  Parametrien  und  im  Douglas  nach  60  Bestrah¬ 
en  innerhalb  5  Monaten  ein  Nachlassen  der  dadurch  bedingten 
hwerden  feststellen.“ 

Wenn  auch  Deutsch  die  Priorität  der  früheren  P  u  b  1  i  k  a  - 
a  in  Anspruch  nehmen  kann,  habe  ich  doch  mit  Eltze,  un- 
ngig  von  Deutsch,  und  vor  Erscheinen  seiner  Publikation,  mit 
r  Behandlung  begonnen;  noch  wichtiger  erscheint  es  mir  aber, 
unsere  Behandlung  zum  ersten  Male  beim  Uteruskarzinom  den 
eis  erbrachte,  dass  das  Karzinom  an  der  Ausbreitung 
emmt  und  mit  einem  derben  bindegewebigen 
utel  oder  Wall  umgeben  wird. 

Trotzdem  alle  Autoren  der  letzten  Jahre  diese  Arbeit  unerwähnt 
n,  muss  ich  für  uns  unbedingt  die  Priorität  dieser  Ergebnisse  in 
>ruch  nehmen.  Neuere  Untersuchungen  von  seiten  anderer 
ren1)  ebenso  wie  an  den  Patientinnen  meiner  Privatpraxis  und 
kgl.  gynäkologischen  Poliklinik  in  München  haben  diese  Be- 
htung  nicht  nur  klinisch  sondern  auch  mikroskopisch  bestätigt. 
Zur  Erklärung  der  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  selbst  auf  tief- 
nde  Karzinome  habe  ich  folgende  Theorie  aufgestellt:  Die  An- 
len  mehren  sich,  dass  es  verschiedene  Karzinomursachen  gibt, 
st  vielleicht  unrichtig,  nur  den  oder  einen  Karzinomerreger  zu 
en.  Auffällig  ist  z.  B.  das  durch  Röntgenstrahlen  erzeugte  Kar- 
n.  Zur  Erklärung  kann  sowohl  eine  physikalische  Wirkung  der 
genstrahlen  herangezogen  werden,  als  auch  die  Möglichkeit,  dass 
•m  geschädigten  Gewebe  der  oder  die  Karzinomerreger  einen  gut 
ereiteten  Boden  fanden. 

Andere  Karzinome  sollen  nach  verschiedenen  Untersuchern 
h  Parasiten  erzeugt  werden.  Schon  im  Jahre  1892  habe  ich  die 
litationsthese  aufgestellt:  „Die  Entstehung  von  Karzinommeta- 


*)  Vergl.  G.  Kleins  Diskussion  zu  Döderleins  Vortrag: 
!er  Radiotherapie  in  der  Gynäkologie,  insbesondere  beim  Uterus- 
■nom“.  Münchener  ärztlicher  Verein,  26.  II.  1913;  ferner  Vortrag 
äeins  in  der  Münch,  gynäkolog.  Gesellschaft  am  13.  III.  1913. 
’)  A  s  c  h  o  f  f,  K  r  ö  n  i  g  und  G  a  u  s  s :  Zur  Frage  der  Beeinfluss¬ 
et  tiefliegender  Krebse  durch  strahlende  Energie.  Münch,  med. 
uenschr.  1913,  No.  7.  —  Döderlein:  Münch,  gynäkol.  Ges., 
•  1913  und  Münch,  ärztl.  Verehr  26.  II.  1913. 

No.  17. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

stasen  erklärt  sich  am  einfachsten  durch  die  Annahme  einer  para¬ 
sitären  Entstehung  des  Karzinoms“.  Im  Jahre  1903  habe  ich  in  der 
Munch,  med.  Wochenschr.  No.  11  u.  12  in  einem  Aufsatz  „Die  opera¬ 
tive  Behandlung  des  Gebärmutterkrebses“  folgendes  unter  dem  Ka¬ 
pitel  „Aetiologie  des  Karzinoms“  ausgeführt:  „Aehnlich  wie  es  von 
Pettenkofer  für  die  Cholera  geschehen  ist,  lässt  sich  für  das 
Karzinom  eine  dreifache  Grundlage  annehmen: 

1. eine  Alters  disposition  (zeitliche  Disposition). 

2.  eine  örtliche  Disposition  des  Gewebes,  z.  B. 
Schädigung,  Verletzung,  Einrisse  usw., 

3.  das  unbekannte  X,  der  Erreger. 

Dazu  kommt  noch  die  endemische  Häufung  von  Karzinomen, 
oder  wie  wir  heute  sagen  dürfen,  die  geographische  Disposition,  so 
dass  es  Karzinomhäuser,  -Strassen,  ja  -Ortschaften  gibt.  Am  ein¬ 
fachsten  erscheint  die  theoretische  Erklärung,  dass  es  sich  um  lokale 
Zustände  handelt,  welche  das  Gedeihen  des  supponierten  Karziriom- 
erregers  ausserhalb  des  menschlichen  Organismus  begünstigen.“  Be¬ 
kanntlich  hat  eine  grosse  Zahl  von  Untersuchern  im  Karzinom  Zell¬ 
einschlüsse  nachgewiesen,  welche  von  ihnen  als  Karzinomerreger  ge¬ 
deutet  wurden;  z.  B.  E.  v.  Leyden,  Feinberg.  Behla,  Leo¬ 
pold  usw. 

Solche  Einschlüsse  kann  man  fast  regelmässig  in  Kankroiden 
finden,  besonders  in  der  Mitte  der  Krebsperlen.  Die  Mehrzahl  der 
pathologischen  Anatomen  erklärt  sie  durch  Zerfall  von  Zellen,  Pyk- 
nose  usw.  Nach  meiner  Ansicht  spricht  unbedingt  dagegen  der  Um¬ 
stand,  dass  diese  Zelleinschlüsse  eine  spezifische  Färbbarkeit  haben, 
dass  sie  mit  manchen  Farben  viel  schärfer  färbbar  sind,  als  die  um¬ 
gebenden  Epithelien.  dass  sie  einen  anderen  Bau  als  die  Epithelien 
zeigen  usw.  Auffallend  sind  auch  besonders  in  Kankroiden  die 
massenhaften  stark  färbbaren  Körner  zwischen  den  Epithelien.  Da¬ 
mit  ist  natürlich  nicht  bewiesen,  dass  es  sich  wirklich  um  den  Krebs¬ 
erreger  handelt.  Bekannt  sind  in  der  jüngsten  Zeit  die  Unter¬ 
suchungen  von  F  i  b  i  g  e  r  -  Kopenhagen  geworden,  über  welche  ich 
bisher  nur  kurze  Berichte  in  den  Tageszeitungen  fand.  Er  konnte 
durch  Verfiitterung  von  Küchenschaben  im  Magen  von  Ratten  echte 
Karzinome  erzeugen,  und  zwar  nach  seiner  Ansicht  durch  Ueber- 
tragung  eines  Fadenwurms. 

Diese  Theorien  und  Tatsachen  können  vielleicht  für  die 
Erklärung  der  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  das  Karzinom 
Anwendung  finden:  Nach  meiner  Vermutung  werden  durch 
die  Röntgenstrahlen  hauptsächlich  der  oder  die  Karzinom¬ 
erreger  geschädigt  und  vernichtet.  Fehlt  dann  dieser  Wachs¬ 
tumsreiz,  so  gewinnen  die  umgebenden  Leukozyten  und  Ge- 
webssäfte  die  Oberhand.  Schon  unter  gewöhnlichen  Verhält¬ 
nissen  ist  bekanntlich  das  Karzinom  von  einem  Wall  von 
Leukozyten  umgeben.  Ich  nenne  diese  Zone  die  Kampf¬ 
zone.  Das  Karzinomepithei  wird  von  der  mächtig  wuchern¬ 
den  Kampfzone  eingehüllt  und  unter  günstigen  Umständen 
zum  Zerfall  gebracht,  während  die  Kampfzone  diesen  nekro¬ 
tischen  Herd  umhüllt  und  später  resorbiert.  Wir  sind  sicher 
berechtigt,  die  mikroskopische  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
auf  Karzinome  theoretisch  so  aufzufassen. 


Im  Jahre  1911  hat  Manfred  Fränkel  in  seinem  Buche: 
„Die  Röntgenstrahlen  in  der  Gynäkologie“,  in  welchem  er 
ebenfalls  meine  und  Eltzes  Ergebnisse  nicht  einmal  zitiert, 
über  das  Kapitel  4  über  die  Karzinombehandlung  durch 
Röntgenstrahlen  die  Eingangsworte  gesetzt:  „Lasciate  ogni 
speranza  voi  ch’entrate“. 

Das  hat  sich  gründlich  geändert  in  dem  kurzen  Zeitraum 
von  2  Jahren.  Wir  dürfen  heute  eher  sagen:  „Habt  volle 
Hoffnung,  die  ihr  operiert  und  röntgenisiert  seid“. 

An  der  gynäkologischen  Poliklinik  in  München  habe  ich 
mit  Dr.  Hirsch  und  Dr.  Monheim  im  Jahre  1911  die 
Röntgenbehandlung  des  Uteruskarzinoms  mit  den  neuen  und 
so  vielfach  verbesserten  Apparaten  unserer  Zeit  aufge¬ 
nommen2).  Unsere  Ergebnisse  sind  zum  Teil  überraschend 

2)  Herrn  Dr.  Hirsch  und  Fräulein  Dr.  Monheim  bin  ich  für 
die  grosse  Sorgfalt,  mit  welcher  sie  die  verantwortliche  Behandlung 

1 


MUfeNcBENER  MEDiZiNiSChiE  WOCHENSCHRIFT. 


0o(> 


No.  ? 


gute  und  gehen  über  das  hinaus,  was  wir  1904—1907  erreicht 
hatten.  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  hat  aus  der  Münchener  Frauenklinik 
über  einen  Fall  von  merkwürdiger  Besserung  eines  Uterus- 
karzinoras  durch  Röntgenstrahlen  und  Mesothorium  in  der 
Münchener  Gynäkologischen  Gesellschaft  am  23.  I.  13  be¬ 
richtet.  Die  Ergebnisse  an  der  kgl.  gynäkologischen  Poliklinik 
sind  in  kurzem  folgende:  Vom  Mai  1911  bis  März  1913  wurden 
21  Patientinnen  wegen  Uteruskarzinoms  röntgenisiert  und 
zwar  12  Patentinnen  nach  Exstirpation  des  karzinomatösen 
Uterus  und  9  Patientinnen  bei  inoperablem  Uteruskarzinom. 
Dazu  kommen  noch  1  Mammakarzinom  und  5  Ovarial- 
karzinome.  Ueber  die  Ovarialkarzinome  wird  Herr 
Dr.  B  r  u  e  g  e  1  berichten,  da  er  die  ersten  beiden  Fälle  auf 
meine  Veranlassung  gemeinsam  mit  Herrn  Dr.  Kästle 
röntgenisiert  hat.  Die  weiteren  3  Fälle  von  Ovarialkarzitiom 
wurden  in  der  gynäkologischen  Poliklinik  röntgenisiert.  ln 
allen  Fällen  war  ein  günstiger  Einfluss  der  Röntgenstrahlen 
auf  das  Ovarialkarzinom  unverkennbar:  Langsameres  Wachs¬ 
tum,  langsamere  Bildung  des  Aszites  nach  Punktionen,  derbere 
Struktur  des  Tumors. 

Unter  den  21  röntgenisierten  Uteruskarzinomen  der  letzten 
2  Jahre  sind  folgende  3  Fälle  bemerkenswert;  für  eine  end¬ 
gültige  Beurteilung  muss  jedoch  in  allen  Fällen  noch  eine 
entsprechende  Zahl  von  Jahren  abgewartet  werden. 

Fall  1,  Röntgenbuch  No.  87:  49  jährige  Frau,  Carcinoma  cervi- 
cis,  Wertheims  Radikaloperation  im  Januar  1912.  Rezidive  in 
der  Scheidennarbe  im  Juli  und  Oktober  1912,  beide  Male  exkoch¬ 
leiert,  kauterisiert  und  mikroskopisch  als  Karzinom  nachgewiesen. 
Röntgenbestrahlung  mit  entsprechenden  Pausen  vom  26.  Juli  1912  bis 
6.  März  1913.  238  Lichtminuten,  240  x.  Ende  Februar  1913  rezi- 
d  i  v  f  r  e  i. 

Fall  9,  Röntgenbuch  No.  88:  48  jährige  Frau,  Adenoma  malignuin 
cervicis,  das  linke  Parametrium  bis  an  die  Beckenwand  mit  Tumor 
angefüllt;  Exkochleation  und  Kauterisation  15.  Februar  1912.  Rönt¬ 
genbehandlung  31.  VII.  12  bis  18.  1.  13,  104  Lichtminuten,  96  x.  Am 
15.  Februar  1913  kein  jauchendes  Karzinom,  sondern  von  derbem 
Bindegewebe  umwaliter  Tumor,  welcher  nicht  mehr  das 
ganze  linke  Parametrium  ausfüllt,  sondern  von  der  Beckenwand  ab- 
geriickt  ist. 

Ferner  Fall  10,  Röntgenbuch  No.  58:  49  jähr.  Frau,  Carcinoma 
cervicis,  abdominale  Radikaloperation  8.  Januar  1912.  Bestrahlung 
12.  März  1912  bis  24.  Februar  1913,  135  Lichtminuten,  118  x.  Nach 
der  Operation  bestand  noch  Infiltration  und  Resistenz  links;  im  März 
1913  keine  Resistenz  oder  Infiltration  nachweis- 
b  a  r.  Es  muss  natürlich  zugegeben  werden,  dass  es  sich  hier  auch  um 
eine  entzündliche  Infiltration  gehandelt  haben  kann;  ebenso,  dass  in 
früheren  Fällen  auch  mit  Exkochleation  und  Kauterisation  bei  wieder¬ 
holter  Anwendung  das  Karzinom  weitgehend  zurückgedrängt,  über¬ 
narbt  und  das  Allgemeinbefinden  erheblich  gebessert  wurde,  ja.  dass 
in  einigen  Fällen  sogar  Heilung  eingetreten  ist. 

Ueberhaupt  ähnelt  das  Bild  nach  Röntgenbehandlung 
weitgehend  dem  nach  Exkochleation  und  Kauterisation;  das 
trifft  auch  für  das  Mesothorium  zu,  soweit  ich  aus  dem  von 
D  ö  d  e  r  1  e  i  n  publizierten  Falle  darüber  Kenntnis  habe. 

Aber  jeder,  der  Karzinome  mit  Röntgenstrahlen  (offenbar 
auch  mit  anderen  Strahlen  ähnlicher  Art)  behandelt  hat,  ist 
überrascht  von  dem  günstigen  Einfluss  der  Strahlen¬ 
behandlung. 

Am  nächsten  liegt  heute  noch  eine  Kombination  ver¬ 
schiedener  Behandlungen.  Bekanntlich  kombiniert  v.  Czerny 
die  chemische  Behandlung  mit  der  Strahlenbehandlung.  Für 
den  Gynäkologen  empfiehlt  es  sich  offenbar,  in  operablen 
Fällen  das  karzinomatöse  Organ  mit  der  erkrankten  Um¬ 
gebung  zu  exstirpieren  und  dann  sofort  mit  der  prophy¬ 
laktischen  Röntgenbehandlung  zu  beginnen.  Es  ist  ja 
naheliegend,  dass  es  den  Röntgenstrahlen  leichter  gelingen 
wird,  mikroskopisch  kleine  Reste  des  Karzinoms  zu  zerstören. 
Aber  selbst  bei  inoperablem  Karzinom  bietet  heute  die  Kom¬ 
bination  des  Exkochleierens  und  Kauterisierens  mit  nach¬ 
folgender  Röntgenbehandlung  die  Aussicht  auf  günstige  Beein¬ 
flussung.  So  hat  auch  Dr.  Christoph  Müller-  Immenstadt, 
früher  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.,  Juli  1912,  No.  28, 
und  in  der  Strahlcntherapie,  Band  II,  Heft  1,  1913,  unter 
5  Uteruskarzinomen  2  Fälle  günstig  beeinflusst. 


ohne  jede  erhebliche  Schädigung  der  Kranken  und  trotz  der  grossen 
Arbeitslast  der  gynäkologischen  Poliklinik  gleichsam  im  Nebenamte 
durchgeführt  haben,  zu  grossem  Danke  verpflichtet.  —  Der  Apparat 
stammt  aus  den  Polyphos  werken  des  Herrn  Dr.  Rosen- 
t  h  a  !  in  München. 


Die  mikroskopischen  Präparate  von  einigen  unserer  h|; 
sollen  den  auffallend  günstigen  Einfluss  der  Röntgenstrai-i 
dartun  (die  Originalpräparate  wurden  in  der  Miincht  ■ 
Gynäkologischen  Gesellschaft,  13.  März  1913,  durch  Min 
Projektion  vorgeführt). 


Mammakarzino  m :  Die  Operationen  wurden  n 
mir,  die  Röntgenisation  auf  meine  Bitte  durch  die  He  >] 
Dr.  Br  uege  1  und  Dr.  Kästle  ausgeführt. 


18.  IX.  19U7.  Amputation  der  linken  Mamma;  mikio&kopi h 
Adenokarzinom.  Darnach  wiederholt  Exstirpation  von  Knötchen 
Bereiche  der  Narbe  und  zwar  20.  XI.  1909,  16.  IV.  1910,  2.  111.  p 
Alle  Knötchen  zeigten  ohne  jeden  Zweifel  Adenokarzinom  und  /  i 
bis  in  die  tiefsten  Schichten  der  Brustmuskeln.  Zwischen  den  n 
zelnen  Operationen  und  darnach  Röntgenbehandlung.  Am  9.  XII.  ] 
letzte  Exstirpation  eines  Knötchens,  welches  kein  Karzinn 
sondern  einige  vielleicht  als  zerfallende  Epithelien  zu  deutende  Ze 
im  Bindegewebe  nachwies.  22.  II.  1913.  Kein  Rezidiv, 
auf  der  Unterlage  frei  verschieblich.  Wenn  man  eine  Zeit 
5  Jahren  zugrunde  legt,  ist  diese  Patientin  5'A  Jahre  nach  der  Man  i 
amputation  rezidivfrei,  also  trotz  dreimaliger  Metasta 
geheilt. 


Aehnliche  Erfolge  sind  bei  Mammakarzinom  auch  o 
anderer  Seite  beschrieben  worden.  Bekanntlich  sind  oji 
flächliche  Karzinome  den  Röntgenstrahlcn  leichter  zug;g 
lieh;  um  so  höher  ist  die  Wirkung  der  Röntgenstrahlei^n 
folgenden  Falle  anzuschlagen. 


Bei  der  oben  erwähnten  Patientin  No.  1,  Röntgenbuch  Nok 
war  im  Januar  1912  der  Uterus  mit  Zervixkarzinom  abdominal 
fernt  worden.  Sowohl  der  Uterus  als  die  beiden  Rezidive  im  u 
1912  und  Oktober  1912  zeigten  Karzinom  (Mikroprojektion  der  n 
Präparate).  Nach  längerer  Röntgenbehandlung  war  die  Pati  ti 
im  Februar  1913  rezidivfrei. 


1907  hatte  Eltze  über  unsere  7  röntgenisierten  lii 
von  inoperablem  Vulva-  und  Uterushalskarzinom  bericL 
dazu  kommen  von  1911 — 1913  noch  12  Fälle  von  prophyl 
tischer  Röntgenisation  nach  Exstirpation  des  kr/ 
n’omatösen  Uterus  und  9  Fälle  von  Röntgenisation  i  n  o  je 
r  ab  ler  Halskarzinome;  im  ganzen  also  sind  es  .27  Fälle  o 


Halskarzinom  und  1  Vnlvakarzinom. 

Bei  unseren  Fällen  von  Uteruskarzinom  kann  wegen  I. 
Kürze  der  Zeit  noch  nicht  von  absoluter  Dauerheilung r< 
sprochen  werden.  Die  besten  Erfolge  werden  wir  viellei 
auch  nicht  durch  Röntgenisieren  inoperabler  Karzinome,  >r 
dern  durch  Röntgenisieren  nach  Totalexstirpation  oder  Rd 
kaloperation  erzielen.  Nachdrücklich  müssen  aber  beide  l< 
thoden  fortgesetzt  werden. 

Wir  stehen  ja  erst  am  Beginne  der  Anwendung  k 
Strahlentherapie  auf  die  Karzinome  des  Uterus  und  amh 
tiefliegender  Organe.  Was  hier  für  den  Uterus  gilt,  wird  '>1 
auch  für  die  Karzinome  der  Speiseröhre,  des  Magh 
Darmes  etc.  gelten,  wofür  die  Ergebnisse  Christoph  M  ii  1 1  r 
und  anderer  Untersucher  sprechen. 

Auch  für  die  Gynäkologie  eröffnen  sich  neue  Wege  n 
wir  stehen  offenbar  am  Anfänge  einer  Umwälzung  k 
Karzinombehandlung. 


Aus  der  Kgl.  Poliklinik  für  Frauenleiden  zu  Miinche 
(Vorstand:  Prof.  Dr.  G.  Klein). 

Die  Röntgentherapie  bei  Myomen  und  Fibrosis  ute 

Von  Dr.  Georg  Hirsch,  I.  Assistent. 

Von  allen  Seiten  werden  jetzt  die  Erfolge  mitgeteilt, jJi 
an  den  verschiedenen  Röntgenlaboratorien  mit  der  Röntu 
therapie  in  der  Gynäkologie  erzielt  wurden.  Wohl  aus 
diesen  Veröffentlichungen  geht  hervor,  dass  wir  heute  n 
stände  sind,  eine  Reihe  von  Krankheiten  der  weibli«  c 
Genitalien  zu  heilen  oder  wenigstens  günstig  zu  beeinfluß 
Doch  glaube  ich,  ist  die  Frage  der  Röntgentherapie  in 11 
Gynäkologie  schon  deswegen  noch  nicht  völlig  spracLi 
weil  wir  vor  allem  über  die  Dauererfolge  der  gehe e 
und  gebesserten  Fälle  noch  kein  endgültiges  Urteil  ha-'1 
Auch  sind  wir  über  die  schädlichen  Neben  -  und  Spi 
Wirkungen  der  Röntgenstrahlen  auf  den  menschliv 


*)  Vortiag,  gehalten  in  der  Münchener  gynäkologischen  ücJ 
schaft  am  13.  III.  13.  Erscheint  ausführlich  in  den  Fortschritt 
auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCH F.  WOCHENSCHRIFT. 


April  I9li. 

ganismus  nicht  völlig  aufgeklärt,  wir  können  auch  nicht 
.'1  darüber  wissen,  da  ja  erst  wenige  Jahre  verflossen  sind, 
it  mit  der  intensiveren  Bestrahlung  nach  dem  Vorbild  der 
erburger  Klinik  begonnen  wurde.  Inwieweit  ausser  der 
anken  Zelle  auch  die  gesunde  Zelle  des  Körpers  durch  die 
intgenstrahlen  geschädigt  wird,  muss  erst  die  Zukunft 
iren;  eine  Erfahrung  von  1,  2  Jahren  kann  da  nicht 
nügen. 

So  lange  wir  noch  nicht  wissen,  welche  Dauer-  oder 
ätschädigungen  die  potenzierten  Strahlenmengen  auf  den 
ganismus  und  seine  Funktionen  ausüben,  so  lange  müssen 
r  von  dem  Grundsatz  ausgehen,  dass  jedes  zu  Viel  auch 
lädlich  auf  gesunde  Zellen  wirken  kann.  Und  darum 
lies  Aufgabe  jedes  Röntgenologen  sein,  dem 
rganismus  nur  so  viel  Strahlendosis  zuzu- 
u  t  e  n,  a  1  s  zur  Erreichung  des  Zieles,  das  man 
: h  setzt,  gerade  und  unbedingt  nötig  ist. 

In  der  neuen  Poliklinik  für  Frauenleiden  in  München  haben 
r  mit  der  Röntgentherapie  im  Mai  1911,  also  vor  kaum 
Jahren,  begonnen.  Im  ganzen  wurden  bis  jetzt  von  Frau 
.  Monheim  und  mir  150  Frauen  wegen  der  verschieden- 
■n  Leiden  bestrahlt.  Während  dieser  Zeit  haben  wir  uns, 
e  ja  wohl  die  Mehrzahl  der  Röntgenologen,,  eine  gewisse 
1  b  s  t  ä  n d i g  c  Entwicklung  der  Technik  und 
■r  Methoden  angeeignet  und  haben  allmählich  unsere 
fahrungen  zu  einer  Methode  ausgebaut,  die  wir  für  völlig 
sreichend  erachten,  und  die  auch  in  ihren  Folgen  unseren 
forderungen  entspricht.  Deshalb  können  wir  uns  auch  nicht 
Ischliessen,  zu  einer  anderen  Methode  iiberzugehen,  die 
’ar  über  noch  bessere  Resultate  berichtet,  der  wir  aber 
rläufig  noch  skeptisch  gegenüber  stehen  müssen. 

Wir  arbeiten  in  der  Kgl.  Poliklinik  für  Frauenleiden  in  München 
dem  Universalapparat  der  Firma  Polyphos  in  München,  mit 
n  wir  ausserordentlich  zufrieden  sind.  Der  Apparat  ist  also  kein 
.jzialapparat,  sondern  wird  von  verschiedenen  poliklinischen  Ab¬ 
ungen  sowohl  zu  therapeutischen  als  auch  zu  Durcbleuchtungs- 
1  Photographiezwecken  benützt.  Hiebei  möchte  ich  betonen,  dass 
absolut  nicht  ein  bestimmter  Apparat  ist,  mit  dem  allein 
n  hervorragende  Tiefenwirkungen  erzielen  kann.  Im  grossen  und 
izen  wird  es  ziemlich  gleich  sein,  von  welcher  Firma  der  Apparat 
iefert  ist,  wenn  er  nur  konstante  Verhältnisse  gibt, 
s  R  ö  h  r  enmaterial  schont  und  den  nötigen  sekun- 
re in  Strom  liefert.  Diese  Bedingungen  erfiilt  der  Poly- 
>s-Universalapparat  vollkommen.  Er  ist  ein  Oleichstromapparat 
Induktorium.  Als  Unterbrecher  benützten  wir  in  den  ersten  Mo- 
en  einen  Quecksilber-Rotationsunterbrecher  und  dann,  als  wir  eine 
lere  Belastung  der  Röhren  wählten,  den  elektrolytischen  Unter- 
cher  nach  Polyphos-Simon.  ln  der  letzten  Zeit  arbeiteten 
wiederholt  mit  einem  Doppelunterbrecher  (Rhvthmeur),  der  es 
löglicht,  eine  noch  höhere  Belastung  zu  erreichen  (ca.  5—7  M.-A.). 
Röhrenmaterial  verwenden  wir  vorzugsweise  die  Müller  sehen 
isserkiihlröhren  (Rapidröhren),  aber  auch  mit  den  Gundelach- 
ven  und  der  neuen  P  o  1  y  p  h  o  s  -  Tiefentherapieröhre  haben  wir 
e  Erfahrungen  gemacht.  Was  die  Härte  der  Röhren  betrifft,  so 
i  ich  als  bekannt  voraussetzen,  dass  für  die  Tiefentherapie  nur 
te  Strahlen  in  Betracht  kommen;  die  weichen  Strahlen  sind  wegen 
Gefahr  der  Hautschädigung  gefürchtet.  Weichere  Röhren  wenden 
nur  dann  an,  wenn  wir  oberflächliche  Partien  treffen  wollen, 
B.  bei  Pruritus  vulvae  und  vaginal  bei  Portiokarzinomen.  Als 
er  zur  Absorption  der  weichen  Strahlen  benützten  wir  lange  Zeit 
laches  bezw.  doppelt  gefaltetes  Leder.  Erst  vor  etwa  4  Monaten 
gen  wir,  als  eine  Patientin  ein  Erythem  ersten  Grades  bekam,  das 
rdings  nach  5  Tagen  wieder  verschwunden  war.  zu  dem  von 
u  s  s  wieder  eingeführten  A  1  u  m  i  n  i  u  m  f  i  1 1  e  r  über  (2  mm 
ke)  Zur  Messung  der  verabreichten  Dosis  benützen  wir  aus- 
liesslich  die  Saboureaud-Noirc-Holzknecht sehen  Ba- 
n-Platin-Zyanürtabletten,  die  sich  unter  dem  Einfluss  der  Röntgen- 
ihlen  bräunen.  Die  Einheit  1  H  (Holzknecht)  beträgt  nach  der 
eil  boeck  sehen  Skala  etwa  2  x.  Der  Haut-Fokus-Abstand  be- 
g  aniangs  nach  Albers-Schönberg  etwa  38  cm.  Nach  Ein- 
r’ang  des  Aluminiumfilters  haben  wir  die  Distanz  auf  25  cm  ver- 
tert. 

Dies  ist  in  kurzen  Zügen  die  angewandte  Technik;  die 
it  wick  lang  derselben  will  ich  an  der  Hand  des  Ma¬ 
iais  selbst  erläutern.  Von  den  150  insgesamt  bestrahlten 
tientinnen  war  der  Grund  in 

46  Fällen:  Myome, 

35  Fällen:  Fibrosis  Uteri  etc. 

Die  übrigen  Ursachen  sind  aus  der  atn  Schluss  beigefügten 
Samtübersicht  zu  entnehmen. 


A.  M  y  o  m  e. 

Während  der  2  Jahre,  die  wir  uns  mit  der  Röntgen¬ 
therapie  befassten,  haben  wir  3  unter  sich  verschiedene  Me¬ 
thoden  angewandt.  Von  anfangs  nur  ganz  vorsichtigen  Dosen 
sind  wir  allmählich  zu  immer  höheren  Dosen  übergegangen. 
Etwa  10  Monate  lang  haben  wir  im  allgemeinen  nur  nach  der 
von  Albers-Schönberg  angegebenen  Methode  ge¬ 
arbeitet  und  damit  16  Myompatientinnen  behandelt.  Von 
April  bis  Juli  1912  bestrahlten  wir  6  Patientinnen  nach  einer 
Methode,  die  zwischen  der  A  1  b  e  r  s  -  S  c  h  ö  n  b  e  r  g  sehen 
und  unserer  neuen  Methode  steht.  Im  Juli  1912  führten  wir 
dann  eine  Methode  ein,  die  wir  im  grossen  und  ganzen  bis 
heute  beibehalten  haben,  da  sie  in  ihren  Erfolgen  vollkommen 
unseren  Anforderungen  genügt.  Diese  Methode  ist,  wie  ich 
hier  feststellen  möchte,  grundverschieden  von  der  von 
Albers-Schönberg  angegebenen  und  weicht  von  der 
Freiburger  Methode  hauptsächlich  in  der  Frage  der 
Felderbestrahlung  und  der  verabreichten  Strahlendosis  ab. 

1.  Albers-Schönberg  sehe  Methode :  16  Fälle. 

(Mai  1911  bis  April  1912.) 

Der  Fokus-Hautabstand  betrug  38  cm,  als  Filter  diente 
einfaches  Leder.  Die  Belastung  der  Röhren  betrug  anfangs, 
als  wir  nur  mit  Quecksilber-Rotationsunterbrecher  arbeiten 
konnten,  0,5— 1,5  M.A.  Dadurch  erreichten  wir  natürlich  in 
viel  kürzerer  Zeit  eine  höhere  Dosis.  Wir  wählten  gleich  von 
Anfang  an  die  2  Felderbestrahlung.  Eine  Serie  bestand  aus 
4  Einzelbestrahlungen,  an  4  Tagen  hintereinander  gegeben,  ab¬ 
wechselnd  links  und  rechts.  Dann  warteten  wir  meist  den 
Erfolg  der  nächsten  Menses  ab,  bevor  mit  der  2.  Serie  be¬ 
gonnen  wurde.  Die  Dosis  betrug  pro  Einzelbestrahlung  un¬ 
gefähr  2  x,  die  Gesamtdosis  innerhalb  eines  Monats  also  nur 
8—10  x. 

Auf  diese  Weise  zog  sich  natürlich  die  Behandlung  bis 
zum  Erfolg  meist  viele  Monate. hinaus.  Einige  Patientinnen  (3) 
schien  auch  die  lange  Dauer  der  Behandlung  abgeschreckt  zu 
haben,  sie  blieben  aus,  2  davon  Hessen  sich  von  anderer  Seite 
operieren.  Bei  4  weiteren  Patientinnen  verschlimmerte  sich 
während  der  Bestrahlung  der  Zustand  derart,  dass  man  zur 
Operation  schritt.  Bei  2  Frauen  verschwanden  die  vorher 
bestandenen  Beschwerden  und  die  Menses  gingen  auf  die 
Norm  zurück;  die  Patientinnen  wollten  deshalb  nicht  weiter¬ 
bestrahlt  werden.  7  Frauen  wurden  amenorrhoisch,  aller¬ 
dings  einige  erst  durch  Weiterbestrahlung  mit  den  neueren 
Methoden.  Von  den  7  amenorrhoischen  Frauen  blieben  aber 
nur  4  dauernd  ohne  Blutung  (d.  h.  bis  heute);  3  Patientinnen 
bekamen  nach  vorübergehender  Amenorrhoe  (4—7  Monate) 
wieder  Blutungen  und  wurden  nach  der  neuen  Methode 
wiederbestrahlt,  mit  dem  Erfolg,  dass  2  davon  jetzt  seit  einigen 
Monaten  wieder  amenorrhoisch  sind.  In  fast  allen  Fällen  von 
Amenorrhoe  ist  auch  die  Grösse  des  Tumors  mehr  oder 
weniger  zurückgegangen,  in  2  Fällen  ist  der  Uterus  kaum 
mehr  vergrössert. 

II.  Uebergangsmetho.de:  6  Fälle. 

(April  bis  Juli  1912.) 

Der  Haut-Fokusabstand  wurde  um  einige  Zentimeter  ver¬ 
mindert.  Statt  der  2  Felderbestrahlung  führten  wir  die  3  Fel- 
derbestrahlung  ein,  rechts,  Mitte,  links.  Es  wurde  im  Durch¬ 
schnitt  ein  Feld  von  der  Grösse  8:  10  cm  je  nach  Grösse  und 
Umfang  des  Abdomens  der  Patientin  den  Strahlen  ausgesetzt. 
Doch  gaben  wir  in  einer  Serie  noch  nicht  mehr  als  5—7  Einzel¬ 
bestrahlungen  zu  je  2—3  x,  also  etwa  15—20  x  pro  Serie.  Das 
Intervall  zwischen  2  Serien  wurde  auf  3  Wochen  gekürzt. 
Entsprechend  der  höheren  Dosis  waren  auch  die  Erfolge  be¬ 
deutend  bessere.  Von  den  6  Patientinnen,  die  nach  dieser 
Uebergangsmethode  bestrahlt  wurden,  sind  heute  noch 
4  amenorrhoisch,  bei  der  5.  Frau  sind  die  Menses,  wie  sie  uns 
schrieb  „regelmässig  und  richtig“.  Das  Schicksal  der  6.  Pa¬ 
tientin  ist  mir  unbekannt,  da  sie  nach  der  2.  Serie  nichts  mehr 
von  sich  hören  liess.  Die  Durchschnittsdauer  der  Behandlung 
betrug  bei  den  amenorrhoischen  Fällen  ca.  2  lA  Monate,  die 
verabreichte  Strahlendosis  schwankte  zwischen  33  x  und 
116  x. 


i 


908 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


111.  Neue  eigene  Methode:  24  Fälle  (+  3  refraktäre 
Fälle  der  I.  Methode). 

(Seit  Juli  1912.) 

Die  3  Felderbestrahlung  wurde  beibehalten,  nur  wurde 
die  Zahl  der  Einzelbestrahlungen  auf  9  erhöht,  und  zwar 
werden  an  3  aufeinanderfolgenden  Tagen  je  3  Bestrahlungen 
rechts,  Mitte,  links  gegeben.  Auf  jedes  einzelne  Feld  wird  an 
diesen  3  Tagen  nicht  ganz  eine  Erythemdosis,  etwa  8 — 9  x 
appliziert,  also  im  ganzen  in  einer  Serie  ca.  24 — 27  x.  Ferner 
wurde  das  Intervall  auf  14—16  Tage  ermässigt,  so  dass  wir 
womöglich  zwischen  2  Menses  immer  2  Serien  bekamen. 
Nach  Einführung  des  Aluminiumfilters  (Dezember  1912)  wurde 
die  Haut-Fokusdistanz  auf  25  cm  reduziert  (3Felder-Nah- 
b  e  s  t  r  a  h  1  u  n  gl).  Unsere  jetzige  Methode  ist  also  von  der’ 
früheren  Albers-Schönberg  sehen  Methode,  obwohl  auf 
diese  aufgebaut,  grundverschieden  und  weicht  von  der  Frei¬ 
burger  Methode,  wie  bereits  erwähnt,  vor  allem  in  der  Frage 
der  Felderbestrahlung  ab. 

Mit  dieser  Methode  wurden  bis  heute  27  Myomfrauen 
(darunter  3  refraktäre  Fälle  der  1.  Methode)  behandelt.  Hie¬ 
von  stehen  11  Frauen  erst  seit  kurzer  Zeit  in  Behandlung. 

1  Patientin  muss  ausgeschieden  werden;  sie  ist  ovariotomiert 
und  wird  nur  bestrahlt,  um  den  myomatösen  Tumor  schneller 
zum  Schrumpfen  zu  bringen.  Von  den  aus  der  Behandlung  ent¬ 
lassenen  15  Frauen  sind  13amenorrhoisch  und  2  o  1  i  g  o- 
menorrhoisch;  diese  beiden  Frauen  haben  keinerlei  Be¬ 
schwerden  mehr  und  wurden  absichtlich  wegen  ihres 
verhältnismässig  jugendlichen  Alters  nicht  bis  zur  Amenorrhoe 
bestrahlt.  Wir  haben  also  nach  unserer  neuen 
Methode  bis  jetzt  keinen  einzigen  Misserfolg 
zu  verzeichnen.  Die  Durchschnittsdosis  der  amenor- 
rhoischen  Patientinnen  schwankte  zwischen  42  x  und  129  x. 
Was  die  Dauer  der  Behandlung  anlangt,  so  wurde  die 
Amenorrhoe  im  Durchschnitt  in  1  % — 2  Monaten  erreicht. 

B.  Fibrosis  uteri  (klimakterische  Blutungen,  Myofibrosis, 
hämorrhagische  Metropathie) :  35  Fälle. 

Bezüglich  der  Technik  verweise  ich  auf  das  früher  Ge¬ 
sagte.  Ich  brauche  hier  nicht  nach  verschiedenen  Methoden 
zu  trennen,  weil  ja  bekanntermassen  die  klimakterischen 
Blutungen  durch  die  Röntgenstrahlen  viel  leichter  zu  beein¬ 
flussen  sind  als  die  Myomblutungen,  es  braucht  hier  kein  be¬ 
stimmtes  System  verfolgt  werden.  In.  vielen  Fällen  bedarf  es 
nur  eines  Anstosses,  einer  einzigen  Serie,  um  die  Blutungen 
dauernd  zum  Stillstand  zu  bringen.  Selbstverständlich  be¬ 
nötigten  die  ersten  Fälle  wegen  der  geringeren  Dosen  ver¬ 
hältnismässig  längere  Zeit  bis  zum  Erfolge.  Von  den  35  hierher 
gehörigen  Fällen  wurden  trotzdem  3  Frauen  operiert,  teils 
weil  es  die  Patientinnen  selbst  wünschten,  teils  aus  sozialen 
Rücksichten,  als  nach  2 — 3  Serien  noch  kein  wesentlicher  Er¬ 
folg  eintrat.  In  allen  3  Fällen  handelte  es  sich  auffallender¬ 
weise  um  eine  Endometritis  polyposa  cystica.  Zweifellos  sind 
die  Blutungen  infolge  polypöser  Veränderung  der  Uterus¬ 
schleimhaut  durch  Röntgenstrahlen  viel  langsamer  zu  beein¬ 
flussen,  als  die  Blutungen  bei  atrophischer  Mukosa.  Von  den 
32  übrigen  Frauen  haben  sich  4  der  Behandlung  entzogen, 
von  2,  deren  Blutungen  nachgelassen  hatten,  ist  mir  das  Dauer¬ 
resultat  nicht  bekannt;  5  Patientinnen  stehen  noch  in  Behand¬ 
lung,  bei  3  Frauen  begnügten  wir  uns  mit  einer  Oligo¬ 
menorrhoe,  bei  den  übrigen  18  ist  die  Amenorrhoe  eingetreten, 
die  bei  allen  bis  heute  anhielt. 


Aus  diesen  Zahlen  und  Erfolgen  geht  wohl 
deutlich  hervor,  dass  wir  heutzutage  im¬ 
stande  sind,  bei  jeder  Frau,  gleichviel  wel¬ 
chen  Alters,  durch  die  Röntgenstrahlen  die 
Ovarien  zu  zerstören,  d.  h.  die  Amenorrhoe 
herbeizuführen.  Ich  habe  die  Durchschnittsdosis,  die 
wir  zur  Erzielung  der  Amenorrhoe  bei  20  amenorrhoischen 
Myomfällen  und  18  amenorrhoischen  Fibrosisfällen  benötigten, 
zusammengerechnet  und  gefunden,  dass  eine  Myompatientin 
im  Durchschnitt  81  x  und  eine  Fibrosispatientin  im  Durch¬ 
schnitt  40  x  bis  zur  Amenorrhoe  benötigte.  So  sehr  wir  die 
grossen  Verdienste  der  Freiburger  Klinik  anerkennen,  so 


müssen  wir  doch  einwenden,  dass  die  vielen  Hunder¬ 
und  Tausende  von  x,  die  durch  die  Vielfelde. 
bestrahlung  dem  Organismus  zugemutt 
werden,  zum  mindesten  oft  unnötig  sir. 
Warum  sollen  wir  eine  Dosis  von  1000  und  no  i 
mehr  x  in  den  Körper  schicken,  wenn  wir  d  u  - 
selbe  Ziel  mit  einer  wesentlich  geringer  i 
Dosis  erreichen? 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  eine  Uebersichtstabc 
über  die  Erfolge  aller  in  der  Kgl.  Poliklinik  für  Frauenlek  i 
zu  München  seit  Mai  1911  bestrahlten  Fälle  anfügen. 

Uebersicht  der  150  in  der  Kgl.  Poliklinik  für  Frauenleiden  zu  Müncl  i 
mit  Röntgenstrahlen  behandelten  Fälle  (Mai  1911  bis  März  19;, 


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I.  Karzinome  26  (bez.  34)  nämlich:  21  Uteruskarzinome  und5  0i 
rialkarzinome  (ferner  1  Vulva-  und  1  Mammakarzinom  . 
6  bis  1907  röntgenis.  inoperable  Uteruskarzinome). 


II.  Myome  46 . 

4 

20 

6 

4 

11 

III.  Fibrosis  uteri  35  .... 

4 

18 

3 

3 

5 

IV.  Menorrhagien  6  .  ... 

2 

— 

2 

— 

— 

geheilt 

gebess. 

Misserf. 

V.  Dysmenorrhoe  10  ...  . 

2 

2 

2 

4 

VI.  Dysmenorrhoe . 

3 

5 

8 

-p  Menorrhagien  .... 

— 

13 

3 

16 

(2  Hy.!) 

VII.  Pruritus  vulvae  5  .  .  .  . 

3 

1 

—  1 

(Go.!) 

VIII.  Pyosalpinx  -p  parametr. 

Exsudat  3 . 

2 

1 

IX.  Tbc.  (1  Mamma,  2  Peri- 

toneum)  3 . 

1 

1 

1 

Ueber  die  Beeinflussung  der  Agglutinierbarkeit  u 
Typhusbazillen  durch  den  Alkaligehalt  des  Nährbodes 

Von  Stabsarzt  Dr.  Riemer,  Privatdozent  für  Hygiene  r 
der  Universität  zu  Rostock. 

In  der  nachfolgenden  Mitteilung  möchte  ich  einen  für  k 
Agglutination  des  Typhusbazillus  bemerkenswerten  Einfit: 
der  Reaktion  des  Nährbodens  erwähnen,  der  meines  Eracht i- 
auch  eine  praktische  Bedeutung  besitzt. 

Bei  der  Prüfung  einer  Typhuskultur  auf  Reinheit  du;l 
Ausstreichen  auf  Lackmusmilchzuckernutroseagar  nach  D 
galski-Conradi  fand  ich,  dass  die  zur  Entwicklung  > 
langten  Kolonien  von  einem  Typhusimmunserum,  das  ar 
Herausfinden  von  Typhusbazillenkolonien  aus  Stuhlausstricir 
regelmässig  verwendet  wurde,  bei  der  orientierenden  Aggli 
nation  auf  dem  Objektträger  (Verreiben  der  Typhusbazi'i 
in  einem  Tropfen  der  Serumverdünnung  auf  dem  Objektträgr 
nicht  deutlich  agglutiniert  wurden.  Zunächst  dachte  ich,  di¬ 
es  sich  in  der  Tat  nicht  um  einen  Typhusbazillenstamm  ln 
delte.  Die  fragliche  Kultur  wurde  jedoch  näher  geprüft,  k 
es  konnte  festgestellt  werden,  dass  sie  in  Bezug  auf  Wachst 
auf  den  verschiedenen  differentialdiagnostisch  in  Betrar 
kommenden  Nährböden  allen  Anforderungen  an  eine  TypL 
bazillenkultur  entsprach.  Die  auf  gewöhnlichem  Agar  . 
wachsene  Kultur  wurde  durch  dasselbe  Serum,  gegen  welch 
sie  sich  vorher  in  Bezug  auf  Agglutination  resistent  gezu 
hatte,  auf  dem  Objektträger  schnell  und  vollständig  aggli; 
niert.  Dieses  auffällige  Verhalten  der  Kultur  konnte  demn  1 
nicht  durch  eine  Verunreinigung  derselben  und  auch  n:i 
durch  Unbrauchbarkeit  des  benutzten  Serums,  sondern  al  i 
durch  eine  besondere  Beschaffenheit  des  Drigalskiagars  bedi: 
gewesen  sein.  Es  lag  der  Gedanke  nahe,  dass  das  Ausbleiu 
der  Agglutination  durch  die  Reaktion  des  Lackmusagars  ver¬ 
ursacht  worden  war.  In  der  Tat  zeigte  auch  die  Lackrrr 
agarplatte  eine  starke  Blaufärbung,  die  nur  von  einem  ho  r 
Alkaligehalte  herrühren  konnte,  da  Kristallviolett  nicht  zu'- 
setzt  worden  war.  Zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  tatsäch  1 
der  Alkaligehalt  des  Nährbodens  eine  agglutinationshemmeü 
Wirkung  ausübt,  wurde  folgender  Versuch  angestellt: 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


909 


Zu  je  5  ccm  gewöhnlichen  Nähragars  wurden  steigende  Mengen 
■  i  Alkali,  konzentrierte  Sodalösung,  zugesetzt  und  zwar  dem  1.  Röhr¬ 
en  0,05  ccm.  dem  2.  0.1  ccm  und  dem  3.  0,15  ccm.  Auf  Röhrchen 
jmd  2  entwickelten  sich  die  Typhusbazillen  sehr  gut;  im  Röhrchen  3 
:  ,!i  das  Wachstum  aus.  Bei  Anstellung  der  orientierenden  Agglu- 
afion  wurden  die  Typhusbazillen  von  Röhrchen  1  noch  gut,  die 
i  2  dagegen  nicht  mehr  deutlich  agglutiniert.  Bei  einem  2.  Ver- 
he  wurde  eine  genauere  Bestimmung  des  Alkaligehaltes  des  Nähr- 
!ens  durch  Austitrierung  unter  Benützung  von  Phenolphthalein  ah 
likator  vorgenommen.  Zu  je  5  ccm  gewöhnlichen  Nähragars,  vo.t 
n  100  ccm  2,0  ccm  1h  n  NaaCOs  bis  zum  Phenolphthaleinneutral- 
ikte  benötigten,  wurden  zugesetzt:  a)  0,2  ccm  V i  n  Na.-CCL, 
0,25  ccm  1h  n  NasCOs,  c)  0,3  ccm  1h  n  NaaCO.i. 

Auf  a)  und  b)  zeigte  sich  gutes,  von  dem  auf  gewöhnlichem 
ar  nicht  unterschiedenes  Wachstum,  während  auf  c)  ein  schwä- 
rer  Pilzrasen  entwickelt  war.  Bei  der  Prüfung  der  Typhus- 
'illen  wie  bei  dem  1.  Versuche  wurden  die  von  a)  und  b)  schwächer 
die  von  gewöhnlichem  Agar,  die  von  c)  überhaupt  nicht  deutlich 
hlutiniert. 

Nach  dem  Ausfall  dieser  beiden  Versuche  schien  dem  Al- 
ligehalte  des  Nährbodens  für  die  Agglutination  der  Typhus¬ 
zillen  eine  gewisse  Bedeutung  zuzukommen  und  eine  ge¬ 
liere  Prüfung  dieser  Erscheinung  gerechtfertigt. 

Bei  der  Durchmusterung  der  Literatur  nach  Veröffent- 
hungen,  die  für  diese  Frage  in  Betracht  kommen,  habe  ich 
r  2  grössere  Arbeiten  finden  können,  die  sich  eingehender 
t  der  Beeinflussung  der  Agglutination  der  Typhusbazillen 
reh  bestimmte  äussere  Einwirkungen  beschäftigen. 

In  einer  grösseren  Abhandlung  „Ueber  die  Beeinflussung  der 
dutinierbarkeit  von  Bakterien,  insbesondere  von  Typhusbazillen“ 
ichtet  Kirstein1)  auch  über  Versuche  an  Typhusbazillen,  die 
stark  alkalischem  Agar  gezüchtet  waren.  Von  6  auf  diese  Weise 
rüften  Typhusstämmen  zeigten  2  eine  ganz  geringe  Herabsetzung 
Agglutinationsfähigkeit  (1:1200  und  1:1000  statt  1:1500);  die 
uderen  wurden  gar  nicht  beeinflusst.  Er  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
ss  wohl  bei  einzelnen  Stämmen  eine  mangelhafte  Entwicklung 
labilen  Gruppe  der  agglutinablen  Substanz  auf  stark  alkalischem 
irboden  eintreten  kann,  dass  jedoch  ein  vollkommener  Verlust  der 
dutinierbarkeit  bei  Züchtung  auf  stark  alkalischem  Nährboden 
nigstens  unter  den  beschriebenen  Bedingungen  unwahrscheinlich 
cheint.“  Erst  bei  Züchtung  von  Typhusbazillen  auf  0,2  oroz. 
IH-Agar,  die  durch  den  Aufenthalt  in  der  Bauchhöhle  von  Meer- 
weinchen  gegenüber  den  Agglutininen  unempfindlich  geworden 
ren,  gelang  ihm  bei  2  Stämmen  eine  Herabsetzung  der  Agglu- 
itionsfähigkeit  auf  den  100.  bezw.  10.  Teil.  Doch  Hess  sich  eine 
minderung  derselben  nur  bis  zur  8.  Generation  erhalten. 

Ferner  erwähnt  H  i  r  s  c  h  b  r  u  c  h  2)  in  einer  grösseren  Arbeit 
Ter  die  experimentelle  Herabsetzung  der  Agglutinierbarkeit 
n  Typhusbazillus“  diese  Versuche  von  Kirstein  und  fügt  noch 
-n  eigenen  Versuch  hinzu,  bei  dem  er  eine  Aenderung  des  Titers 
.-s  Typhusbazillenstammes  durch  Züchtung  auf  alkalischem  Nälir- 
len  nicht  erzielen  konnte.  Weiterhin  führt  er  noch  an,  dass  es 
rchetti  gelungen  sein  soll,  in  Glyzerinbouillon  mit  Sodazusatz 
der  agglutinable  Typhusbazillen  zu  züchten. 

Von  Untersuchungen  anderer  Autoren  in  dieser  Richtung 
)e  ich  in  der  Literatur  nichts  finden  können,  und  ich  hoffe 
:h,  trotz  der  fast  unübersehbaren  Zahl  der  Arbeiten  über 
i  Typhusbazillus  keine  hierfür  in  Betracht  kommende  Ver- 
Jntlichung  übersehen  zu  haben. 

In  den  nachfolgenden  Untersuchungen  kam  es  mir  darauf 
durch  Ermittelung  des  Agglutinationstiters  von  Typhtts- 
dllen,  die  auf  verschieden  stark  alkalischem  Agar  gezüchtet 
ren,  festzustellen,  ob  und  inwieweit  der  Alkaligehalt  eine 
rabsetzung  des  Titers  herbeiführt. 

Versuchsanordnung. 

Bei  allen  den  Untersuchungen,  bei  welchen  exakte  Titerbestim- 
igen  u.  ä.  in  Frage  kommen,  halte  ich.  schon  um  eine  Nach¬ 
ens  zu  erleichtern,  eine  möglichst  genaue  Angabe  der  ange- 
idten  Arbeitsmethode  für  zweckmässig. 

Als  Nährboden  für  die  Züchtung  der  Typhusbazillen  wurde 
r  verwandt,  weil  sie  sich  von  diesem  am  reinsten  gewinnen 
etu  Da  an  die  Möglichkeit  gedacht  werden  musste,  dass  mit 
iiöhe  des  Alkaligehaltes  auch  eine  verschieden  starke  Beein- 
-unig  der  Agglutinationsfähigkeit  einhergehen  könnte,  so  wurden 
rböden  mit  verschieden  hohem  Alkalizusatze  verwandt,  um  gleich- 
'g  ein  Bild  von  den  Abstufungen  der  Agglutinationsbeeinflussuug 
gewinnen. 

Die  Alkalisierung  der  Nährböden  geschah  nach  Ermittelung  der 
i'tion  durch  Titrierung  gegen  Phenolphthalein  als  Indikator  durch 
Vz  der  berechneten  Menge  von  Normal-Sodalösung.  Es  wurden 
ende  4  Alkaliabstufungen  gewählt: 


')  Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  46. 

'  Archiv  für  Hygiene,  Bd.  56. 


Nährboden  A,  gegen  Phenolphthalein  neutral. 

Nährboden  B,  100  ccm  enthalten  2  ccm  Vi  n  NasCOs  über  dem 
Phenolphthaleinneutralpunkt. 

Nähiboden  C,  100  ccm  mit  4  ccm  1/i  n  NasCOs  über  dem  Phenol- 
phthaleinneutralpunkt. 

Nährboden  D,  gewöhnliches  Nähragar  (gegen  Lackmus  leicht 
alkahsch,  aber  sauer  gegen  Phenolphthalein).  Meistens  benötigten 
100  ccm  Nährboden  2  ccm  */i  n  NasCOs  bis  zum  Phenolphthalein¬ 
neutralpunkte. 

Nach  dem  Alkalizusatze  wurden  die  Nährböden  ohne  eine  noch¬ 
malige  Sterilisation  steril  in  Reagenzröhren  abgefüllt.  Als  aggluti¬ 
nierendes  Serum  wurde  ein  hochwertiges  Kaninchenserum  verwandt, 
dessen  liter  aus  der  Tabelle  1  ersichtlich  ist.  Die  Herstellung  der 
Serumverdünnungen  geschah  in  Reagenzgläsern  von  gewöhnlicher 
Form;  es  wurden  Verdünnungen  von  1:200,  400,  800  usw.  angefertigt. 
In  diese  Serumverdünnungen  wurde  nun  nicht  das  Bakterienmaterial 
direkt  mittelst  einer  sog.  Normalöse  hineingetan,  sondern  bestimmte 
Mengen  einer  Typhusbazillenaufschwemmung  hinzugefügt.  Auf  die 
Herstellung  der  letzteren  ist  m.  E.  grosse  Sorgfalt  zu  verwenden 
wenn  man  einigermassen  brauchbare  und  gleichmässige  Ergebnisse 
erzielen  will.  Da  Typhusbazillen,  die  auf  verschieden  stark  alkalischen 
Nährböden  gezüchtet  waren,  in  Bezug  auf  ihre  Agglutinationsfähigkeit 
miteinander  verglichen  werden  sollten,  so  mussten  die  Aufschwem¬ 
mungen  von  den  einzelnen  Nährböden  möglichst  gleiche  Bakterien¬ 
mengen  enthalten;  denn  es  ist  für  den  Ausfall  einer  Agglutination 
bei  makroskopischer  Betrachtung,  wie  jeder  Fachmann  aus  Erfahrung 
weiss,  nicht  gleichgültig,  ob  einer  bestimmten  Menge  agglutinierender 
Substanz,  namentlich  in  den  höheren  Serumverdünmingen,  eine  grosse 
oder  kleine  Menge  agglutinabler  Substanz,  d.  h.  Bakterien,  zugesetzt 
wird. 

fm  ersteren  Falle  wird  infolge  eines  Ueberschusses  der  agglu- 
tinablen  Substanz  die  Agglutination  undeutlich  oder  überhaupt  nicht 
erkennbar  sein.  Nichtbeachtung  dieses  Umstandes  kann  leicht  zu  un¬ 
richtigen  Schlussfolgerungen  führen.  Die  Forderung,  von  einer  Bak¬ 
terienart,  die  auf  verschiedenen  Nährböden  gezüchtet  ist,  gleich  dichte 
Bakterienaufschwemmuiigen  herzustellen,  ist  schwer  zu  erfüllen,  da 
es  an  einem  brauchbaren  Massstabe  für  die  Vergleichung  fehlt.  Der 
Wege  zur  Gewinnung  gleich  dichter  Bakterienaufschwemmungen  gibt 
es  verschiedene.  Es  ist  einmal  möglich,  durch  Keimzählung  mittelst 
der  Plattenmethode  den  Bakteriengehalt  zu  bestimmen.  Ferner  lässt 
sich  mit  Flilfe  des  1  h  o  m  a  -  Z  e  i  s  s  sehen  Zählapparates  für  Blut¬ 
körperchen  die  Zahl  der  Bakterien  direkt  ermitteln.  Auch  habe  ich 
in  einer  Veröffentlichung  „über  die -Beurteilung  des  Wertes  der  Agglu¬ 
tination  für  die  Diagnose  der  Rotzkrankheit  des  Pferdes“3)  vorge¬ 
schlagen,  den  Abdampfrückstand  derartiger  Bakterienaufschwem¬ 
mungen  zu  bestimmen,  um  einen  objektiven  Massstab  für  die  Dichte 
derselben  zu  jeder  Zeit  zur  Verfügung  zu  haben.  Die  Herstellung 
nach  diesen  3  Methoden  ist  jedoch  sehr  zeitraubend.  Ich  habe  mich 
deswegen  in  diesem  Falle  einer  einfacheren  Methode  bedient,  nämlich 
einer .  optischen  Prüfung  der  Bakterienaufschwemmungen  nach  dem 
Prinzips  des  F  e  s  e  r  sehen  Laktoskops  (Milchprüfungsinstrument),  die 
nach  meinen  Erfahrungen  ein  schnelles  Arbeiten  gestattet  und  auch 
sehr  brauchbare  Resultate  gibt.  Man  geht  am  zweckmässigsten  in 
der  Weise  vor,  dass  man  sich  auf  steifem,  weissem  Kartenpapier  ein 
System  von  verschieden  dicken  und  in  verschieden  weiten  Abständen 
gezogenen  schwarzen  Linien  herstellt  und  diese  Karten  an  der  Rück¬ 
wand  eines  Reagensglasgestelles  befestigt.  Die  in  gleichweiten  Re¬ 
agenzgläsern  befindlichen  Bakterienaufschwemmungen  werden  in  das 
Gestell  hineingestellt  und  ihre  Dichte  nach  dem  Durchschimmern  der 
schwarzen  Linien  entweder  bei  auffallendem  Tageslicht  oder  bei  einer 
durchscheinenden  künstlichen  Lichtquelle  ermittelt.  Nach  der  dünn¬ 
sten  Aufschwemmung  werden  die  anderen  durch  Zugeben  von  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  eingestellt. 

Das  Agglutinationsergebnis  wurde,  soweit  es  nicht  mit  blossem 
Auge  erkennbar  war,  mit  Hilfe  einer  Lupe  abgelesen,  und  zwar  einmal 
nach  2  ständigem  Aufenthalte  der  Reagenzröhren  im  Brutschränke  und 
dann  nach  20  ständigem  Stehen  bei  Zimmertemperatur  nach  Ablauf 
der  Reaktion. 

Der  Prüfung  auf  den  obenerwähnten  4  Nährbodenarten  wurden 
10  verschieden  alte  und  beliebig  ausgewählte  Typhusstämme  unter¬ 
zogen,  darunter  1  Stamm,  1907,  der  dadurch  bemerkenswert  ist,  dass 
er  sich  auf  gewöhnlichem  Nähragar  5  Jahre  lebensfähig  erhalten  hat, 
ohne  während  dieser  Zeit  abgeimpft  zu  sein.  Diese  ausserordentlich 
lange  Konservierung  der  Lebensfähigkeit  einer  Typbusbazillenkultur 
auf  Agar  ist  dadurch  ermöglicht  worden,  dass  nach  Entwicklung  des 
Pilzrasens  während  eines  24  ständigen  Aufenthaltes  im  Brutschränke 
das  Kulturröhrchen  sofort  mit  Schellack  luftdicht  verschlossen,  in 
einem  mit  schwarzem  Papier  umhüllten  Glasgefässe  aufgestellt  und 
bei  Zimmertemperatur  in  einem  dunkeln  Schranke  aufbewahrt  ist.  In¬ 
wieweit  sich  auch  andere  Krankheitserreger  ähnlich  lange  auf  die¬ 
selbe  Weise  lebensfähig  erhalten  lassen,  müssen  weitere  Versuche 
lehren. 

Die  Abimpfung  der  Typhusbazillenstämme  wurde  möglichst  täg¬ 
lich  vorgenommen,  in  der  Weise,  dass  von  Nährboden  A  wieder  auf  A, 
von  B  auf  B  usw.  übertragen  und  die  IV.  und  X.  Generation  einer 
Agglutinationsprüfung  unterzogen  wurde. 


3)  Berl.  Tierärztl.  Wochenschr.  1905.  S.  637. 


'  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  II 


yi  n 


Versuche. 

In  der  nachstehenden  Tabelle  1  sind  die  Agglutinations¬ 
grenzen  der  Typhusbazillen  von  den  verschiedenen  Nähr¬ 
böden  in  den  drei  genannten  Generationen  übersichtlich  zu¬ 
sammengestellt.  Von  der  Mitteilung  der  Agglutinations¬ 
resultate  in  den  einzelnen  Serumverdiinnungen  (1:200,  1:400 
usw.)  habe  ich  abgesehen,  da  die  Uebersichten  einen  verhält¬ 
nismässig  zu  grossen  Raum  in  Anspruch  genommen  hätten. 
Allerdings  musste  so  auch  auf  die  Darstellung  der  Aggluti¬ 
nationsstärke,  die  sich  sehr  gut  durch  die  Zahl  der  Kreuze 
ausdrücken  lässt,  verzichtet  werden. 


Tabelle  1. 


«2  g 

3  E 

c 
£  c 

Nährboden  A 

Nährboden  B 

Nährboden  C 

Nährboden  D 
(normal) 

J=  c 

S.o 
o  'S 

Agglutination  nach 

Agglutination  nach 

Agglutination  nach 

Agglutination  nach 

H  w 

u 

2  Std. 

20  Std. 

2  Std. 

20  Std. 

2  Std. 

20  Std. 

2  Std. 

20  Std. 

1907 

I 

1 

2  400 

1  : 

4  800 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1 

19  200 

V 

1 

4  80!) 

1  : 

9  6(0 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  2  400 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1 

19  200 

X 

1 

19  200 

1  : 

38  400 

1  :  19  200 

1  :  38  400 

1  :  19  200 

1  :  38  400 

1  :  19  200 

1 

38  400 

1 

1 

9  600 

1  : 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  9  600 

1 

19  200 

6290 

V 

1 

4  800 

1 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

i  :  4  800 

I 

19  200 

X 

1 

9  6  0 

1  : 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  20n 

1  :  19  200 

1 

38  400 

1 

1 

:  9  600 

1  : 

19  200 

1  :  9  600 

1  :  19  201 

1  :  9  600 

1  :  19  200 

1  :  9  600 

1 

.9  200 

10138 

V 

I 

:  9  600 

1 

38  400 

1  :  9  600 

1  :  38  400 

1  :  9  600 

1  :  38  400 

1  :  9  600 

1 

38  400 

X 

1 

:  9  600 

1 

19  200 

1  :  9  600 

1  :  19  200 

1  :  9  600 

1  :  1 9  200 

1  :  9  600 

I 

19  200 

I 

1 

:  4  800 

1 

38  4C0 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1 

38  400 

11102 

V 

1 

:  19  207 

1 

19  200 

1  :  4  8  0 

1  :  9  600 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  38  400 

1 

38  400 

X 

I 

:  9  600 

1 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  9  600 

1 

19  200 

I 

1 

:  4  800 

1 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  1  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1 

76  800 

11137 

V 

1 

:  4  800 

1 

19  200 

t  :  4  8C0 

1  :  9  600 

1  :  1  200 

1  :  4  800 

1  :  4  800 

1 

19  200 

X 

1 

:  4  810 

1 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  4  80. 

1  :  19  200 

(  :  19  200 

1 

38  400 

I 

1 

:  4  800 

1 

4  800 

1  :  1  200 

1  :  2  400 

1  :  600 

1  :  600 

1  :  19  200 

1 

38  400 

11182 

V 

1 

:  2  400 

1 

9  600 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1  :  4  800 

1 

38  400  1 

X 

1 

:  9  600 

1 

9  600 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  19  200 

1 

38  400 

T 

1 

:  4  800 

1 

9  600 

1  :  4  800 

1  :  4  800 

1  :  1  200 

1  :  2  400 

1  :  19  200 

1 

19  200 

14131 

V 

l 

:  9  600 

1 

19  200 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1 

19  200 

X 

1 

:  2  400 

1 

38  400 

1  :  2  400 

l  :  4  800 

1  :  4  800 

1  :  38  400 

1  :  9  600 

1 

38  400 

I 

1 

:  4  800 

1 

9  600 

1  :  9  607 

1  :  19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  19  200 

1 

19  200 

14437 

V 

l 

:  9  600 

1 

19  200 

1  :  4  800 

1  :  19  200 

1  :  4  800 

1  :  9  600 

1  :  9  600 

1 

19  200 

X 

1 

:  9  600 

1 

38  400 

1  :  9  600 

1  :  38  400 

1  :  9  600 

1  :  38  400 

1  :  19  200 

1 

38  40  1 

1 

1 

:  1  200 

■!i 

1  200 

1  :  1  200 

1  :  2  400 

1  :  1  200 

1  :  1  200 

1  :  9  600 

1 

:  19  200 

11026 

V 

1 

:  2  400 

i 

4  800 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1  :  2  400 

1  :  9  600 

1  :  4  800 

1 

:  19  200 

X 

nicht  geprüft 

I 

1 

:  9  600 

|i 

19  200|l  :  9  600 

1  :  19  200|l  :  2  400 

1  :  4  800 |l  :  19  200 

1 

:  38  4C0 

10146 

V 

X 

nicht  geprüft 
>> 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ergibt  sich,  dass  von  den 
10  geprüften  Typhusbazillenstämmen  9  eine  deutliche  Herab¬ 
setzung  ihrer  Agglutination  erkennen  lassen.  Der  besseren 
Uebersicht  wegen  habe  ich  die  Stärke  der  Agglutinationsver¬ 
minderung  durch  die  Nährböden  A,  B  und  C  in  Vergleichung 
mit  dem  Titer  auf  Nährboden  D  durch  einfache  Zahlen  in  der 
Tabelle  2  ausgedrückt. 

Vergleicht  man  nun  den  Einfluss  der  drei  stärker  alkali¬ 
schen  Nährböden  auf  die  Agglutinabilität  der  Typhusbazillen, 
so  ist  fast  durchgehends  die  stärkste  Wirkung  von  dem  am 
stärksten  alkalischen  Nährboden  erkennbar;  doch  lässt  sich 
ein  bestimmtes  Zahlenverhältnis  für  das  Wachsen  der  Aggluti¬ 
nationshemmung  mit  dem  steigenden  Alkaligehalte  nicht  auf¬ 
stellen.  Die  Abschwächung  bei  den  einzelnen  Typhusbazillen- 
stämmen  ist  verschieden  gross.  Im  allgemeinen  erreicht  sie 
keine  besonders  hohen  Werte;  meistens  beträgt  sie  nur  den 
4. — 8.  Teil  des  Agglutinationswertes,  der  bei  Typhusbazillen 
von  gewöhnlichem  Nährboden  erreicht  wird.  Bei  2  Stämmen 
sinkt  sie  jedoch  auf  den  16.  und  bei  einem  sogar  auf  den 
64.  Teil  herab.  Eine  völlige  Aufhebung  der  Agglutinabilität 
konnte  bei  keinem  Stamme  erzielt  werden.  Bei  einem 
Stamme  war  überhaupt  keine  Wirkung  des  Alkalis  nach¬ 
weisbar.  Es  sind  in  den  Tabellen  1  und  2  auch  noch  die  Titer¬ 
grenzen  und  die  Zahlen  der  Agglutinationsverminderung  nach 
verschiedenen  Beobachtungszeiten,  nach  2  und  20  Stunden, 
aufgezeichnet.  Ich  habe  dabei  daran  gedacht,  dass  es  sich  bei 
den  auf  alkalischen  Nährböden  gezüchteten  Typhusbazillen 
nur  um  eine  Agglutinationsvcrlangsamung  handeln  könnte,  die 
nach  vollständigem  Ablaufe  der  Reaktion  ausgeglichen  wäre. 
Ein  Blick  auf  die  Tabellen  zeigt  jedoch,  dass  im  grossen  und 
ganzen  das  Verhältnis  der  Titergrenzen  in  den  Beobachtungs¬ 
zeiten  konstant  bleibt.  Nach  2  Stunden  ist  die  Reaktion  ge¬ 
wöhnlich  noch  nicht  beendet;  der  Titer  ist  nach  20  Stunden 
ausnahmslos  höher  und  zwar  in  allen  4  Agglutinationsserien 
einer  Generation  meist  gleichmässig  gestiegen. 


Tabelle  2. 


Typhusstämme 

Generationen 

Nährboden  A 

Nährboden  B 

Nährboden  C 

Agglutinations¬ 
verminderung  nach 

Agglutinations¬ 
verminderung  nach 

Agglutinations¬ 
verminderung  nach 

2  Std.  |  20  Std. 
um  das 

2  Std.  |  20  Std. 
um  das 

2  Std  !  20  Std 

um  das 

1907 

I 

V 

X 

8  fache 

2  „ 

4  fache 

2  .” 

8  fache 

2  „ 

4  fache 

2  „ 

8  fache 

4  .” 

4  fach» 

8 .« 

6290 

I 

V 

X 

2  fache 

2  fache 

2  fache 

4  fache 

2  fache 

2  „ 

2  fache 

I  ” 

4  ., 

2  fach« 
4  „ 

2  „ 

10138 

I 

V 

X 

“h 

T" 

-r 

~ 

~ 

11102 

I 

V 

X 

2  fache 

2 

2  fache 

2  fache 

8  „ 

2  „ 

2  fache 

4  „ 

2  „ 

4  fache 

8  „ 

2  „ 

8  facluj 
4  n 

11137 

I 

V 

X 

4  fache 

4  fache 

4  fache 

2  fache 

4  fache 

4  facho 

8  fache 

2  „  * 
2  „ 

16  fache 

4  „ 

4  „ 

16  facli 
4  „i 
2 

11182 

I 

V 

X 

4  fache 

2  „ 

2  ,. 

8  fache 

4  „ 

4  „ 

16  fache 

2  „ 

4  „ 

16  fache 

4  „ 

2  ,. 

32  fache 

2  „ 

4  „ 

64  fach 
4  „ 

2  * 

14131 

I 

V 

X 

4  fache 

4  fache 

2  fache 

4  fache 

4  „ 

4  ,. 

4  fache 

2  „ 

8  „ 

16  fache 

4  „ 

2  „ 

8  fach 

4  J 

14437 

I 

V 

X 

4  fache 

2  fache 

2  fache 

2  fache 

2  „ 

2  „ 

~T“ 

4  fache 

2  „ 

2  „ 

2  fach 
9 

-  » 

~  i 

11026 

I 

V 

8  fache 

2  „ 

16  fache 

4  „ 

8  fache 

2  „ 

8  fache 

2  „ 

8  fache 

2  „ 

16  facli 

1  2 

10146 

I 

2  fache 

2  fache 

2  fache 

2  fache 

i  8  fache  8  fach 

Betrachtet  man  nun  weiter  die  Agglutinationsfähigkeit  & 
Typhusbazillen  in  den  einzelnen  Generationen  (I.,  V.,  X.),  ) 
fällt  auf,  dass  fast  alle  Stämme  die  stärkste  Beeinflussung  i 
der  I.  Generation  aufweisen.  Ich  hatte  erwartet,  dass  li 
weiterer  Fortimpfung  auf  den  alkalischen  Nährböden  ei: 
Steigerung  der  Resistenz  der  Typhusbazillen  gegen  die  A- 
glutinine  des  Serums  eintreten  würde.  Das  Gegenteil  lt 
sich  jedoch  bei  den  Versuchen  ergeben;  die  Mehrzahl  c 
Stämme  zeigt  eine  Abnahme  der  Hemmung  gegen  c 
X.  Generation  hin.  Bei  einem  Stamme  ist  in  der  X.  Gencratii 
überhaupt  keine  Agglutinationsabnahme  mehr  benierkb 
Dieses  Ergebnis  würde  sich  auch  mit  den  Resultaten  deckt, 
die  K  i  r  s  t  e  i  n  bei  der  Agglutinationsprüfung  der  inagglu- 
nablen  Exsudatbakterien,  die  auf  stark  alkalischem  Nährao 
fortgezüchtet  wurden,  gefunden  hat.  Es  Hess  sich  die  anfar.s 
starke  Herabsetzung  der  Agglutinabilität  bei  2  Stämmen  rr 
bis  zur  5.  Ueberimpfung  halten. 

Der  Agglutinationstiter  der  Typhusbazillen  vom  Näl- 
boden  D  (normale  Reaktion)  weist  bei  den  einzelnen  Stämmi 
in  den  einzelnen  Generationen  deutliche  Schwankungen  i 
Bezug  auf  seine  Höhe  auf.  Eigentlich  sollte  man  erwart', 
dass,  wenn  er  nicht  gleich  bleibt,  doch  eine  gewisse  Gese- 
mässigkeit  in  einer  Zu-  oder  Abnahme  zu  finden  sei.  Die  T 
belle  1  ergibt  jedoch,  dass  dieses  nicht  der  Fall  ist.  Bei  einig : 
Stämmen  hält  sich  der  Titer  bis  zur  X.  Generation  in  gleich 
Höhe,  bei  anderen  sinkt  er  ab,  und  bei  anderen  steigt  er  ;. 
Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  zu  bemerken,  dass  - 
Schwankungen  zum  grössten  Teil  wohl  durch  verschied’ 
dichte  Bakterienaufschwemmungen  bedingt  sind.  Die  Bazilk- 
abschwenmiungen  von  den  verschiedenen  Nährböden  wurt’ 
stets  nur  innerhalb  einer  Generation  nach  dem  zu  Anfang  1 
schriebenen  Verfahren  genau  aufeinander  eingestellt. 

Wenn  nun  schon  eine  Abnahme  der  Agglutinatioi - 
abschwächung  bei  Weiterzüchtung  der  Typhusbazillen  M 
alkalischem  Nährboden  feststellbar  war,  so  konnte  sie  jede 
sofort  vollständig  beseitigt  werden  bei  Uebertragung  auf  !■■ 
wohnliche,  gegen  Lackmus  leicht  alkalisch  reagierendes  Ag  • 
Es  bleibt  sich  gleich,  ob  die  Abimpfung  von  dem  alkalisch 
Nährboden  sofort  nach  der  1.  oder  nach  späteren  Generation 
vorgenommen  wird. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  911 

Aus  dem  Hygieneinstitut  der  Universität  Zürich  (Direktor: 


April  1913. 


Die  Herabsetzung  der  Agglutinabilität  der  Typhusbazillen 
:h  Züchtung  auf  stark  alkalischem  Agar  bestizt  aber  auch 
praktische  Bedeutung.  Sie  verdient  z.  B.  Berücksichti¬ 
ge  bei  Anstellung  der  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion.  Das  Blut 
Typhuskranken  hat  zu  der  Zeit,  in  welcher  es  in  der  Mehr- 
der  Fälle  zur  Untersuchung  eingeschickt  wird,  noch 
en  hohen  Agglutinationstiter;  die  Titergrenze  wird  häufig 
>n  bei  einer  Verdünnung  von  1 : 200  zu  finden  sein.  Werden 
Anstellung  der  Reaktion  Typhusbazillen  verwandt,  die  auf 
k  alkalischem  Agar  eine  Agglutinationsabschwächung  er- 
und  nimmt  man  an,  dass  diese  nur  den  4.  Teil  des  Titers 
Typhusbazillen  von  normalem  Agar  beträgt,  so  würde  in 
angeführten  Beispiel  nur  noch  in  einer  Verdünnung  von 
)  eine  Agglutination  erkennbar  sein  und  damit  die  sonst 
ere  Diagnose  in  Zweifel  gezogen  werden. 

Auch  die  Auffindung  von  Typhusbazillenkolonien  in  Stuhl- 
arichen  kann  durch  diese  Agglutinationsabschwächung 
hwert  werden.  Obwohl  man  stets  verdächtige  Kolonien 
lpfen  und  weiter  prüfen  wird,  auch  wenn  sie  zunächst 
t  gleich  agglutiniert  werden,  so  kann  doch,  besonders  bei 
as  atypischem  Aussehen  von  Typhusbazillenkolonien  das 
len  der  Agglutination  leicht  auch  den  Grund  abgeben,  eine 
ere  Untersuchung  zu  unterlassen.  Ein  derartiger  Alkali- 
tlt  der  Nährböden,  wie  er  bei  den  obigen  Versuchen  an- 
andt  worden  ist,  und  der  ausserdem  eine  wesentliche  Ent- 
dungshemmung  des  Typhusbazillus  nicht  bedingt,  wird  in 
seren  Instituten,  in  denen  die  Nährbodenbereitung  nicht 
dig  in  einer  Hand  liegen  und  genau  überwacht  werden 
1.  öfter  Vorkommen,  als  man  anzunehmen  geneigt  ist. 
Ferner  ist  meines  Erachtens  auch  daran  zu  denken,  dass 
Teil  der  als  schwer  agglutinabel  bezeichneten  Typhus- 
llenstämme  bei  Züchtungen  aus  Stuhlausstrichen  usw. 
e  Eigenschaft  durch  das  Wachstum  auf  stark  alkalischem 
r  erworben  haben  kann. 

Weiterhin  schien  es  mir  noch  wissenswert  zu  sein,  wie 
die  nahen  Verwandten  des  Typhusbazillus,  die  Para- 
msbazillen  A  und  B,  auf  diesen  alkalischen  Nährböden  ver- 

;n. 

Bei  dem  Typus  A  konnte  ebenso  wie  bei  den  Typlius- 
llen  eine  Agglutinationsabschwächung  festgestellt  werden, 
geprüfte  Stamm  zeigte  folgendes  Verhalten  auf  den  ein¬ 
en  Nährböden  und  in  den  verschiedenen  Generationen. 


Tabelle  3. 


Nährboden  A 

Nährboden  B 

Nährboden  C 

Nährboden  D 

arglutination  nach 

Agglutination  nach 

Agglutination  nach 

Agglutination  nach 

!  Std.  | 

20  Std. 

2  Std.  20  Std. 

2  Std. 

20  Std. 

2  Std.  |  20  Std. 

:  2  400 

1  :  4  800 

1  :  2  400  i  1  :  2  400 

1  :  1  200 

1  : 1  200 

1 

1  :  4  800  1:9  600 

:  2  400 

1  :  4  S00 

1  :  1  200  1  :  4  800 

1  :  600 

1  :  2  400 

1  :  2  400  1  :  4  800 

:  2  400 

1  :  4  800 

1  :  2  400  1  :  4  800 

1  :  2  400 

1  :  4  800 

1  :  2  400  1  :  4  800 

Auch  hier  stellte  sich  ein  Ausgleich  der  Differenzen  in  der 

ieneration  ein. 

Bei  Paratyphusbazillen  B  war  dagegen  eine  Einwirkung 
alkalischen  Agars  nicht  nachweisbar.  Sollte  sich  dieses 
'alten  des  Paratyphusbazillus  A  bei  Nachprüfung  an 
ren  Stämmen  bestätigen,  so  könnte  es  bei  der  Unter- 
idung  beider  Typen  differentialdiagnostisch  verwertet 
Jen. 

Zusamiaenlassun  g. 

1.  Von  10  Typhusbazillenstämmen  zeigten  9  auf  stärker 
lischem  Nähragar  (2 — 4  ccm  1/m  NasCOa  über  dem 
lolphthaleinneutralpunkt  auf  100  ccm  Nährboden)  eine 
liehe  Verminderung  ihrer  Agglutinabilität. 

-■  Diese  Agglutinationsverminderung  lässt  sich  durch 
terzüchten  auf  stark  alkalischem  Nähragar  nicht  Ver¬ 
ven,  sondern  wird  bei  einzelnen  Stämmen  wieder  aus- 
ichen. 

b  Die  Ueberimpfung  der  Typhusbazillen  von  alkalischem 
gewöhnliches  Nähragar  stellt  meistens  bereits  in  der 
encration  die  frühere  Agglutinationsfähigkeit  wieder  her. 
4.  Paratyphusbazillen  vom  Typus  A  scheinen  sich  auf 
v  alkalischem  Agar  wie  Typhusbazillen  zu  verhalten, 
i'end  der  Typus  B  nicht  beeinflusst  wird. 


Prof.  Dr.  W.  S  i  1  b  e  r  s  c  h  m  i  d  t). 

Lieber  eine  Komplementbindungsreaktion  bei  angebornem 
Schwachsinn  und  anderen  degenerativen  Zuständen  des 
Zentralnervensystems. 

Von  Hans  Froesch. 

Im  Laufe  der  letzten  Jahre  sind  in  verschiedenen  Ländern 
mit  Hilfe  der  Wassermann  sehen  Reaktion  Unter¬ 
suchungen  veranstaltet  worden  über  die  Rolle  der  Syphilis 
beim  angeborenen  Schwachsinn.  Die  statistischen  Resultate 
und  die  daraus  gezogenen  Schlüsse  waren  dabei  recht  ab¬ 
weichende.  So  fanden  die  Franzosen  Raviart,  Breton, 
Petit,  Gay  et  und  Cannae1)  in  Lille  bei  246  Schwach¬ 
sinnigen  76  mal  positive  Wa.R.,  also  bei  ca.  30  Proz..  Sie 
ziehen  daraus  den  Schluss,  dass  die  ätiologische  Rolle  der 
Syphilis  bei  den  Schwachsinnsformen  bisher  unterschätzt 
worden  sei.  Demgegenüber  fanden  die  Dänen  Thomsen. 
Boas,  H  j  o  r  t  und  L  e  s  c  h  1  y  -)  bei  2061  Schwachsinnigen 
nur  in  1,5  Proz.  der  Fälle  positive  Wa.R.  Sie  bestreiten,  dass 
die  Syphilis  in  der  Aetiologie  des  Schwachsinns  eine  grössere 
Rolle  spiele,  als  man  bis  jetzt  angenommen  habe.  Die  übrigen 
Autoren,  wie  Kellner,  C 1  c  m  e  n  z,  Brückner  und 
R  autenbe  r  g *),  Atwood4),  Dean5)  u.  a.  erhielten 
Zahlen,  die  sich  zwischen  diesen  beiden  Extremen  bewegen, 
aber  alle  näher  der  unteren  Grenze.  Am  höchsten  brachte 
es  D  e  a  n  mit  15,4  Proz. 

Eine  analoge  Untersuchung  haben  nun  Herr  Dr.  F  r  e  y. 
Oberarzt  der  inneren  Abteilung  des  Kantonspitals  Aarau  und 
sein  Assistent  Herr  Dr.  J  a  f  f  e  für  den  Kanton  Aargau  unter¬ 
nommen.  Die  Seren  haben  sie  zum  grössten  Teil  dem 
Hygieneinstitut  Zürich  zur  Untersuchung  überwiesen.  Wir 
hatten  so  Gelegenheit,  zusammen  mit  einer  Anzahl  von  Seren, 
die  wir  uns  später  durch  die  liebenswürdige  Vermittlung 
anderer  Aerzte  verschafften,  im  ganzen  102  F  ä  1 1  e  v  o  n  a  n  - 
geborenem  Schwachsinn  und  10  Seren  von 
bildungsfähigen  Taubstummen  serologisch  zu 
untersuchen  und  mit  einer  grösseren  Anzahl  anderer  Seren 
zu  vergleichen.  Deutlich  positive  Wa.R.  fanden 
wir  nur  in  einem  Falle.  Dagegen  machten  wir 
die  interessante  Beobachtung,  dass  es  in  über  50  Proz. 
der  Fälle  von  Schwachsinn  zu  einer  mehr  oder  weniger 
leichten  Hemmung  der  Hämolyse  kam,  die  uns  sogleich  als 
etwas  eigenartiges  auffiel,  und  die  wir  nicht  als  positive  Wa.R. 
auffassen  und  berichten  konnten.  Meistens  zeigte  nur  ein 
Extrakt  (gewöhnlich  der  alkoholische  Leberextrakt)  mit  der 
stärkeren  Dosis,  seltener  mit  beiden  Dosen,  hie  und  da  aber 
auch  mehrere  Extrakte  diese  leichte  Hemmung,  die  nach 
längerem  Stehen  der  Röhrchen  sich  als  deutliche  Kuppen¬ 
bildung  äusserte. 

Im  Verlaufe  meiner  Bestrebungen,  diesen  auffallenden  Be¬ 
fund  zu  analysieren,  ist  es  mir  dann  gelungen,  mit  Hilfe 
eines  künstlichen  Lipoidgemisches  in  all  den 
Fällen,  die  bei  der  Wa.R.  zur  Kuppenbildung  geführt  hatten, 
und  auch  in  einem  Teil  der  Fälle,  die  nicht  gehemmt  hatten, 
eine  starke  Komplementbindungsreaktion  zu  erzielen.  Dieses 
künstliche  Lipoidgemisch  besteht  aus  2  Proin.  Cholesterin 
(K  a  h  1  b  a  u  m),  1  Prorn.  Lezithin  (Merck)  und  1  Prom.  Natr. 
oleinic.  (K  a  h  1  b  a  u  m)  in  absolutem  Alkohol.  Cholesterin  und 
ölsaures  Natrium  müssen  in  warmem  Alkohol  gelöst  werden. 
Ich  habe  mir  das  Gemisch  jeweilen  frisch  aus  1  proz.  Stamm¬ 
lösungen  hergestellt,  die  sich  bei  Zimmertemperatur  und  in 
-  1  ]  fr 

1)  Raviart,  Breton,  Petit,  G  a  y  e  t  und  Cannae: 
Alienation  mentale  et  Reaction  de  Wassermann.  Revue  de  mcdecine, 
Bd.  28  und  Presse  medicale  1908. 

2)  Thomsen,  Boas,  Hjort  und  Le  sch  ly:  Eine  Unter- 
;  suchung  der  Schwachsinnigen,  Epileptischen,  Blinden  und  Taub¬ 
stummen  Dänemarks  mit  Wassermannreaktion.  Berliner  klin. 

j  Wochenschr.  1911. 

3)  Kellner,  Clemenz,  Brückner  und  Rautenberg: 
Wassermann  sehe  Reaktion  bei  Idiotie.  Deutsche  med.  Wochen- 

[  Schrift  1909. 

4)  A  t  w  0  0  d :  Idiocy  and  hereditary  Syphilis  (Study  of  204  cases 
with  ser.  diagn.  test).  Journ.  of  Americ.  med.  Association  1910. 

5)  Dean:  Lancet  1910  (zit.  nach  Kellner  usw.). 


912 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Dunkelheit  ziemlich  lange  brauchbar  aufbewahren  lassen. 
Das  Lipoidgeniisch  wird  im  Verhältnis  von  1:10  mit  physio¬ 
logischer  NaCl  verdünnt,  indem  man  es  unter  fortwährendem 
Umriihren  langsam  einträufelt.  Die  Versuche  mit  diesem 
Reagens  wurden  immer  parallel  zu  der  Wa.R.  ausgeführt, 
unter  Benutzung  des  gleichen  Komplementes,  hämolytischen 
Ambozeptors  und  Hammelblutes,  wie  auch  der  gleichen  NaCl- 
Lösungen.  Das  Lipoidgemisch  zeigt  noch  Selbsthemmung  bei 
einer  Dosis  von  0,03  ccm.  Normale  Seren  wirken  dieser 
Selbsthemmung  mehr  oder  weniger  intensiv  entgegen.  In 
einem  Falle  ging  das  so  weit,  dass  noch  bei  0,06  Antigen 
völlige  Hämolyse  eintrat.  Es  handelt  sich  dabei  nicht  etwa 
um  die  Wirkung  der  Normalambozeptoren  der  Seren.  Das 
ergaben  schon  die  Kontrollen  ohne  hämolytischen  Ambozeptor: 
sie  zeigten  in  diesen  und  anderen  Fällen  keine  Spur  von 
Hämolyse.  Zur  Sicherheit  habe  ich  aber  noch  besondere  Ver¬ 
suche  mit  Absorption  der  Normalambozeptoren  angestellt.  Ich 
Hess  das  verdünnte  Serum  bei  37.°  oder  bei  Zimmertemperatur 
auf  unsensibilisiertes  Hammelblut  einwirken.  In  keinem 
Falle  wurde  das  Serum  dadurch  wesentlich  verändert.  Ich 
habe,  um  auch  diese  Wirkung  der  Seren  beobachten  zu 
können,  meine  Versuche  immer  mit  4  Dosen  „Antigen“  ange¬ 
stellt:  0,04,  0,02,  0,01  und  0,005  ccm.  Für  das  Endresultat  mass¬ 
gebend  waren  aber  nur  die  2  letzten  Dosen. 

In  nachstehender  Tabelle  gebe  ich  eine  Zusammenstellung 
aller  mit  Wa.R.  und  N.  untersuchten  Fälle  von  Schwachsinn. 
(Mit  N.,  „Neuroreaktion“,  bezeichne  ich  der  Kürze  halber  in 
der  Folge  die  Reaktion  mit  dem  beschriebenen  Lipoidgemisch.) 
In  die  untere  Abteilung  dieser  Tabelle  sind  die  untersuchten 
Fälle  von  Taubstummheit,  Epilepsie,  Poliomyelitis  und  De¬ 
mentia  praecox  eingetragen.  In  dieser  Tabelle  enthalten  die 
ersten  2  Kolonnen  die  Fälle,  bei  denen  die  Wa.R.  in  der 
Intensität  mit  der  „Neuroreaktion“  übereinstimmt,  die  mittleren 
4  die  Fälle  mit  teilweiser  Uebereinstimmung,  die  letzten  3  die 
Fälle  mit  stark  von  einander  abweichenden  Reaktionen. 


Tabelle  1. 

W  ++  =  W.-R.  stark  positiv,  wenn  mindestens  2  Extrakte 
stark  hemmen. 

W  =  W.-R.  schwach  positiv,  wenn  ein  Extrakt  mit  beiden 
Dosen  hemmt,  die  beiden  anderen  Extrakte  ev.  nur  mit  einer  Dosis, 
oder  ein  Extrakt  gar  nicht,  oder  wenn  endlich  alle  Antigene  nur  mit 
der  starken  Dosis  hemmen. 

WK  =  W.-Kuppe,  wenn  einer  oder  mehrere  Extrakte  mit  einer 
oder  beiden  Dosen  schwach  hemmen. 

W  —  =  W.-R.  negativ,  wenn  nirgends  Hemmung  eintritt. 

N  ++  =  starke  „Neuroreaktion“,  wenn  0,015  und  0,005  komplett 
oder  sehr  stark  hemmen. 

N  +  =  schwache  „Neuroreaktion“  wenn  0,01  noch  stark  hemmt, 
0,005  nicht  mehr  oder  schwach. 

NK  =  N.-Kuppe,  wenn  0,01  und  unter  Umständen  auch  0,005 
schwach  hemmen. 

N —  =  negative  „Neuroreaktion“,  wenn  bei  0,01  und  0,005  völlige 
Hämolyse  eintritt. 


w++ 
N  -H- 

w— 

N  — 

w- 

NK 

WK 

N-f 

4-1 

w-i- 
N  H — (- 

w+4- 
N  — 

w— 

N++ 

WK 

N++ 

Sum¬ 

ma 

Idiotie  u.  Imbezillität 

1 

7 

2 

13 

2 

17 

40 

82 

Kretinismus  .  .  . 

2 

2 

1 

1 

6 

Littlesche  Krankheit 

2 

2 

Turmschädel  .  .  . 

1 

3 

4 

Mikrozephalie  .  . 

1 

1 

Hydrozephalie  .  . 

1 

1 

1 

10 

2 

2 

15 

2 

18 

46 

96 

Taubstummheit  . 

3 

4 

2 

1 

10 

Epilepsie  .... 

2 

4 

2 

1 

3 

2 

14 

Poliomyelitis  .  .  . 

1 

1 

2 

4 

Dementia  praecox  . 

2 

9 

1 

12 

Von  den  96  Fällen  von  Schwachsinn  ergaben  demnach: 


W.-R.  ++  N.  ++ 
W.-R.  —  N.  — 

W.-R.  —  N.  Kuppe 
W.-R.  Kuppe  N.  + 
W.-R.  —  N.  + 

W.-R.  +  N.  ++ 
W.-R.  —  N.  ++ 
W.-R.  Kuppe  N.  +4- 


1  Fall  =  1  Proz. 
10  Fälle  =  10  Proz. 

2  Fälle  =  2  Proz. 
2  Fälle  =  2  Proz. 

15  Fälle  =  15  Proz. 
2  Fälle  =  2  Proz. 
18  Fälle  =  19  Proz. 
46  Fälle  =  48  Proz. 


Stark  positive  „Neuroreaktionen“  N. +T  ohne  Lues¬ 
reaktion  gaben  im  ganzen  67  Proz.  der  Fälle  oder  69  Proz., 


No. 

denn  die  2  Fälle  von  schwach  positiver  Wa.R.  sind  vermutlh 
auch  nichts  weiteres  als  ausgesprochene  aber  unspezifis  e 
Kuppenreaktionen.  Die  „Neuroreaktion“  wie  auch  die  Kupp  . 
reaktion  bei  der  Wa.R.  zeigten  sich  atn  häufigsten  in  m 
jugendlichen  Altersstufen:  im  I.  Dezennium  reagierten  95  Pr 
im  II.  70  Proz.,  im  III.  50  Proz.  positiv.  Das  Verhalten  r 
bildungsfähigen  Taubstummen  ist  aus  der  Tabelle  ersichtl  i 

Nach  diesen  Ergebnissen  lag  es  nahe,  auch  andere 
Kränkungen  des  Zentralnervensystems  auf  die  „NeuroreaktL 
zu  prüfen. 

Die  14  Fälle  von  Epilepsie  ergaben  8  N.  ++,  2  da'] 
positiven  Wa.R.  und  2  N. +.  Von  den  Fällen  mit  stark  pij. 
tiver  N.  gaben  2  Kuppen  bei  der  Wa.R. 

Ferner  wurden  untersucht: 

Poliomyelitis  acuta:  4  Fälle : 

N  ++  W.-R.  Kuppe  2 

N  ++  W.-R.  —  1 

N  —  W.-R.  ++  1  (Vater  Paralyse). 

Gehirnblutung:  4  Fälle : 

N  ++  W.-R.  —  1.  Frische  Blutung. 

N  +T  W.-R.  ++  ].  Frische  Blutung. 

N  +  W.-R.  +  1.  Frische  Blutung. 

N  —  W.-R.  —  1.  Alte  Blutung. 

Multiple  Sklerose:  1  Fall  N  ++  W.-R.  — . 

Spinale  Myatrophie:  1  Fall  N  +  W.-R.  — . 

Myelitis:  1  Fall  N  ++  W.-R.  — . 

Paralysis  spastica:  1  Fall  N  +  W.-R.  — . 

Tumor  cerebri:  3  Fälle : 

N  +  W.-R.  Kuppe  1  Fall. 

N  +  W.-R.  +  1  Fall. 

N  —  W.-R.  —  1  Fall. 

Dementia  praecox:  12  Fälle : 

N  ++  W.-R.  —  1  Fall. 

N  ++  W.-R.  ++  2  Fälle. 

N  Kuppe  W.-R.  —  9  Fälle. 

Alkoholismus.  Delirium  tremens:  2  Fälle : 

N  ++  W.-R.  —  1  Fall. 

N  +  W.-R.  —  1  Fall. 

Pseudotabes  alcoholica:  1  Fall : 

N  ++  W.-R.  Kuppe. 

Verletzungen  des  Zentralnervensystems. 

Frische  Quetschung  des  Stirnhirns:  N  —  W.-R. - 

Extradurales  Hämatom:  N  —  W.-R.  — . 

Wirbelfraktur  mit  Querläsion:  4  Wochen  alt:  Nt 
W.-R.  — . 

B  i  1 1  o  r  f  und  Schidorski“)  geben  in  einer  Arlit 
die  erschien,  während  unsere  Untersuchungen  im  Ga 3 
waren,  an,  dass  sie  bei  Tieren  durch  Zertrümmerung  Jipd 
reicher  Organe  wie  Leber  und  Gehirn  positive  Wa.R.  erzeg 
haben,  ausgehend  von  einem  Befund,  den  sie  in  einem  F h 
von  extramedullärem  Tumor  des  Rückenmarks  erhoben  hat  n 
Sie  vermuten  als  Ursache  Resorption  von  Lipoiden  ob 
Bildung  von  Lipase.  Die  Reaktion  verschwand  bei  ihren  V 
suchen  rasch  wieder.  AuFähnliche  Weise  dürfte  auch  die  ’>i 
Schottmüller6 7 * * *)  während  des  akuten  Stadiums  der  Pcg 
myelitis  beschriebene  positive  Wa.R.  zustande  kommen.  - 
wäre  daher  von  grossem  Interesse,  Verletzungen  und  Erkri 
klingen  des  Zentralnervensystems  systematisch  in  verscb 
denen  Zeitabständen  auf  Wa.R.  und  N.  zu  prüfen. 

Auch  ich  habe  als  Ursache  der  „Neuroreaktion“  ® 
Störung  im  Lipoidstoffwechsel  vermutet  und  dahinziele h 
Versuche  angestellt.  So  habe  ich  Seren,  die  stark  positives 
gaben  (darunter  ein  Serum,  das  noch  in  der  Menge  von  v 
mit  0,01  „Antigen“  und  in  der  Menge  von  0,1  noch  mit  0.) 
„Antigen“  stark  hemmte)  mit  kaltem  und  warmem  Aether,  i 
Petroläther  und  mit  Benzin,  also  mit  lipoidlösenden  Substanz 
ausgeschiittelt,  ohne  dass  ich  eine  Verminderung  der  hemnu 
den  Kraft  hätte  beobachten  können.  Sie  hemmten  sogar  mn 
her  eine  Spur  stärker,  was  ich  auf  leichte,  durch  den  Pro/ 
des  Ausschüttelns  entstandene  Trübungen  zurückführte  (Gloi 
lintriibungen?  beginnende  Koagulation?).  Die  Seifen,  de  i 
nach  den  Versuchen  von  Friede  mann  und  Rozc 


6)  A.  Bittorf  und  H.  Schidorsky:  Experimentelle  Ur?r 
suchungen  über  das  Wesen  der  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehen  Reaki11 
Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  42. 

7)  H.  Schottmüller:  Der  Liquor  cerebrospinalis  bei  * 

fektionskrankheiten,  insbesondere  im  Zusammenhang  mit 

W  a  s  s  e  r  m  an  nschen  Reaktion  bei  Poliomyelitis  epidemica.  Mit  n 

med.  Wochenschrift  1912  (Sept.)r- 


April  1913 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


913 


a  1 1 s)  eine  grosse  Bedeutung  für  die  antikomplementärc 
irkung  des  Serumglobulins  zukommt,  lassen  sich  allerdings 
it  diesen  Lösungsmitteln  nicht  extrahieren.  Auch  Seren, 
keine  positive  Wa.R.  gaben,  wurden  durch  das  Aus- 
hütteln  nicht  wesentlich  beeinflusst.  Während  bei  den  er¬ 
ahnten  Beobachtungen  von  B  i  1 1  o  r  f  und  Schidorski 
d  von  Schottmüller  die  Wa.R.  nur  vorübergehend, 
rz  nach  dem  Trauma,  resp.  dem  Beginn  der  Erkrankung 
[trat,  ist  die  „Neuroreaktion“  bei  den  oben  angeführten 
ankheitsfällen  lange  Zeit,  oft  Jahre  und  Jahrzehnte  nach 
.■ginn  der  Erkrankung  nachweisbar.  Damit  ist  aber  nicht 
sagt,  dass  nicht  auch  bei  jenen  Versuchen  und  Beobach- 
ngen  eine  dauernde  Veränderung  in  Form  einer  Umstimmung 
s  Stoffwechsels  (vielleicht  des  Lipoidstoffwechsels)  resul- 
rt,  die  später  nur  nicht  mehr  durch  die  bei  der  Wassermann¬ 
aktion  üblichen  Antigene  nachweisbar  ist,  oder  höchstens 
eh  zu  Kuppenbildung  führt,  die  aber  mit  dem  künstlichen 
poidgemisch  noch  starke  Ausschläge  geben  kann.  Dafür 
rechen  deutlich  die  Beobachtungen  bei  der  Poliomyelitis,  die 
ch  S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r,  wie  erwähnt,  nur  im  fieberhaften 
adium  positive  Wa.R.  gibt,  während  ich  in  späteren  Stadien 
irke  N.,  in  2  Fällen  auch  Kuppenbildungen  bei  der  Wa.R. 
sehen  habe.  Fälle  von  Poliomyelitis  im  fieberhaften  Stadium 
mden  mir  leider  nicht  zur  Verfügung.  Dafür,  dass  es  in- 
ge  von  Resorption  von  Gehirnsubstanz  zu  einer  Umstim- 
mg  des  Organismus  kommen  kann,  sprechen  auch  die  Ver- 
che  von  S  e  1 1  e  i "),  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r  10)  u.  a.,  denen  es 
lungen  ist,  Ueberempfindlichkeit  gegen  körpereigenes  Ge- 
:he,  speziell  auch  gegen  Gehirnsubstanz  zu  erzeugen.  Ob 
d:eser  Umstimmung  Fermente  im  Sinne  der  Schutzfermente 
u  Heilner  und  Abderhalden11),  oder  Schutzkörper 
n  Ambozeptorcharakter  beteiligt  sind,  muss  dahingestellt 
üben.  Es  erscheint  mir  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  in 
;ser  Richtung  die  Lösung  einiger  der  dunkelsten  Probleme 
r  Neuropathologie  zu  suchen  ist.  Ich  denke  dabei  u.  a.  an 
■  Epilepsie.  Aber  auch  die  Pathogenese  der  Idiotie  dürfte 
f  diesem  Wege  unserem  Verständnis  näher  gerückt  werden. 
i  will  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  mehrere  der  Seren  mit 
sitiver  N.  zweimal  untersucht  worden  sind,  beide  Male  mit 
m  gleichen  Erfolg.  Nur  ein  Serum  eines  Idioten  zeigte  ein- 
il  Kuppenreaktion  bei  der  Wa.R.,  das  andere  Mal  nicht, 
er  beide  Male  starke  N.  Aktive  Seren  hemmen  etwas,  aber 
r  unerheblich,  intensiver  als  inaktivierte.  Die  Reaktion 
irde  auch  mit  einer  grossen  Anzahl  von  Seren  angestellt, 
uns  von  Aerzten  zur  Luesdiagnose  eingesandt  worden 
id.  Ueber  ihr  Verhalten  und  den  Grad  der  Uebereinstim- 
ing  mit  der  originären  Wa.R.  orientiert  die  folgende  Tabelle. 


Paralyse,  Tabes  und  A  m  m  e  n  werden  in  dieser 
belle  wegen  ihres  eigentümlichen  Verhaltens  gesondert 
{geführt.  Die  ersten  4  Kolonnen  enthalten  die  Fälle,  bei 
nen  die  Wa.R.  und  die  N.  völlig  übereinstimmen,  die  folgen- 
n  7  Kolonnen  die  Fälle  mit  teilweiser  Uebereinstimung,  die 
zten  3  Kolonnen  die  Fälle  mit  ganz  abweichenden 
aktionen. 


)  U.  Friedemann  und  H.  Ro  zenblatt:  Ueber  die  Be- 
1  ungen  zwischen  den  Seifen  des  Serums  und  den  antikomplemen- 
en.  Eigenschaften  der  Serumglobuline.  Zeitschr.  f.  Immunitäts- 

schung,  Bd.  14,  1912. 

)  J-  Seilei:  Die  Empfindlichkeit  der  Organismen  gegen  die 
Pereigenen  Eiweisskörper  (Homästhesie).  Berliner  Klin.  Wochen- 

nft  1910. 

,.  )  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r  und  Vertes:  Auslösung  von  Ueber- 
Piindlichkeitserscheinungen  durch  körpereigene  Eiweisssubstanzen 
ihre  klinische  Bedeutung.  Miinch.  med.  Wochenschr.  1912. 

)  E.  Abderhalden:  Die  Schutzfermente  des  tierischen 
ganismus.  Berlin  1912.  Jul.  Springer. 

No.  17. 


Proz. 


Von  den  geprüften  290  Seren  ergaben  also 
völlige  Uebereinstimmung  von  Wa.R.  und  N.  210  — 72,4 

teilweise  Uebereinstimmung . 63  =  21,7 

völlig  abweichendes  Resultat  17  =  5,8  ! 

(Von  den  129  Seren,  mit  starker  oder  schwacher  Wa.R., 
gaben  1 19  auch  bei  der  „Neuroreaktion“  starke  oder  schwache 
Hemmungen.) 


Von  den  1 1  Fällen  mit  negativer  Wa.R.  (resp.  Kuppe),  da¬ 
gegen  starker  N.,  hatten  5  in  der  Anamnese  Lues,  einer  Irido¬ 
zyklitis,  einer  Lungentuberkulose,  einer  phagedänische  Ulcera 
mollia,  einer  endlich  stellte  sich  nachträglich  als  Epilepsie 
heraus. 


Die  Fälle  von  Paralyse  und  Tabes  haben  mich  insofern 
enttäuscht,  als  ich  eine  besonders  starke  Neuroreaktion  er¬ 
wartete  und  statt  dessen  fast  durchweg  eine  N.  fand,  die 
schwächer  war  als  die  Wa.R. 


Von  6  Ammen  gaben  2  N  ++  und  W.-R.  — ,  1  N  +  W  -R  — 
1  N-Kuppe  W.-R.  —  und  2  N  —  und  W.-R.  — . 

Hier  könnte  Resorption  der  Milch  in  Betracht  kommen, 
die  ja  auch  Lipoide  enthält. 

Von  Interesse  ist  die  „Neuroreaktion“  hauptsächlich  für 
die  Biologie  und  die  Neurologie.  Für  praktisch  diagnostische 
Zwecke  ist  weniger  von  ihr  zu  erwarten,  hauptsächlich  des¬ 
halb,  weil  ja  alle  die  in  Frage  kommenden  Krankheiten  kli¬ 
nisch  leicht  zu  diagnostizieren  sind.  Immerhin  wäre  es  denk¬ 
bar,  dass  sie  bei  angeborenem  Schwachsinn  im  frühesten 
Kindesalter,  wo  eine  Diagnose  oft  recht  schwer  zu  stellen  ist, 
mit  Nutzen  herangezogen  werden  könnte.  Ausserdem  bietet 
die  „Neuroreaktion“  aber  auch  ein  gewisses  Interesse  für  die 
Theorie  der  Wassermann  sehen  Reaktion.  Sie  beweist, 
dass  mit  Hilfe  eines  wohldefinierten  Lipoidgemisches  bei 
Krankheiten,  bei  denen  ein  parasitäres  Virus  überhaupt  nicht 
in  Frage  kommt,  eine  der  Wassermann  sehen  Reaktion 
ganz  analoge  Komplementbindung  erzielt  werden  kann.  Das 
gleiche  Lipoidgemisch  gibt  auch  Komplementbindung  mit  der 
Melu  zahl  der  Luesseren.  Das.  scheint  mir  ein  neues  und  kräf¬ 
tiges  Argument  zu  Gunsten  der  physikalisch-chemischen 
Therorie  der  Wa.R.  zu  sein. 

Auch  andere  Beobachtungen,  die  ich  im  Verlaufe  meiner 
Untersuchungen  machen  konnte,  lassen  sich  nur  im  Sinne 
dieser  Theorie  deuten.  Ich  habe  z.  B.  meinem  Lipoidgemisch 
in  der  Absicht,  es  zu  verbessern,  d.  h.  es  für  die  Neuro¬ 
reaktion  spezifischer  zu  machen  (womöglich  auf  Kosten  seiner 
komplementbindenden  Kraft  mit  Luesseren)  noch  andere  Li¬ 
poide,  speziell  Gehirnlipoide,  wie  Cephalein,  Cerebrin  und 
Protagon  hinzugefügt.  Das  Gemisch  ist  dadurch  sowohl  für 
die  Wa.R.  als  auch  für  die  N.  wesentlich  schwächer  ge¬ 
worden,  trotzdem  der  Gehalt  an  den  ursprünglichen  Lipoiden 
und  damit  an  Rezeptoren  im  Sinne  der  Seitenkettentheorie  der 
gleiche  geblieben  ist.  Auch  der  Umstand,  dass  einzelne  For¬ 
scher  [K  o  1 1  e  und  S  t  i  n  e  r 12)]  mit  den  azetonlös¬ 
lichen  Lipoiden  die  besten  Resultate  erzielen,  während 
andere  [N  o  g  u  c  h  i 13)]  gerade  den  azetonunlöslichen 
den  Vorzug  geben,  lässt  sich  nur  so  erklären,  dass  weniger 
die  chemische  Konstitution  als  vielmehr  die  physikalischen 
Eigenschaften  der  suspendierten  Extraktteilchen,  d.  h.  ihre 
Grösse  und  elektrische  Ladung  für  die  Komplementbindungs¬ 
reaktion  massgebend  sind  [s.  P.  Schmidt 14)]. 

Die  Möglichkeit  der  Mitwirkung  von  Pallidaantigen  und 
Pallidaantikörper  bei  der  Wa.R.  lässt  sich  ja  nicht  von  der 
Hand  weisen,  aber  jedenfalls  spielt  dieser  Mechanismus  nach 
allem  was  wir  wissen,  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle.  Das 
ergibt  sich  auch  deutlich  aus  den  Versuchen  von  Noguchi13), 
der  mit  Pallidaextrakt  aus  Reinkulturen  und  aus  syphilitischen 
Kaninchenhoden  als  Antigen  bei  Luetikern  keine  Komplement- 


'■)  Rolle  und  Stiner:  Die  Verwendung  von  Azetonextrakten 
zur  Serumdiagnostik  der  Syphilis.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1911. 
Stiner:  Weitere  Erfahrungen  über  Verwendung  von  Azetonextrakt 
bei  der  Serumdiagnostik  der  Syphilis.  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schrift  1912  (Dez.). 

!:i)  H.  Noguchi:  Journ.  of  exp.  Med.  1909. 

n)  P.  Schmidt:  Studien  über  das  Wesen  der  Wasser¬ 
mann  sehen  Reaktion.  Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  69. 

15)  H.  Noguchi:  Kulturelle  und  immunisatorische  Differen¬ 
zierung  zwischen  Spirochaete  pallida,  refringens,  microdentium  und 
macrodentium.  Zeitschr.  f.  Immunitätsforschung  1912. 


2 


914  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _  No.  ! 


bindung  erzielen  konnte.  Auch  wurden  die  für  die  Wa.R.  ge¬ 
wöhnlich  verwendeten  Extrakte  durch  Pallidaextraktzusatz 
nicht  verbessert.  Dagegen  ist  es  ihm  mit  dem  gleichen 
Pallidaextrakt  gelungen,  bei  gewissen  Syphilitikern  eine  aller¬ 
gische  Hautreaktion  zu  erzielen.  Auch  die  Tatsache,  dass  eine 
ganze  Anzahl  anderer  nicht  luetischer  Affektionen  positive 
Wa.R.  ergeben  können,  ist  nicht  geeignet,  die  streng  spe¬ 
zifische  Auffassung  dieser  Reaktion  im  Sinne  einer  Antigen- 
Antikörperreaktion  zu  stützen. 

Mit  Rücksicht  auf  die  in  dieser  Arbeit  niedergelegten  Be¬ 
funde  muss  auch  bei  den  Spätstadien  der  Poliomyelitis  und 
überhaupt  bei  Krankheiten  mit  Einschmelzung  von  Nerven- 
substanz  bei  der  Deutung  der  Wa.R.  zu  grosser  Vorsicht  ge¬ 
mahnt  werden.  Nach  meinen  Erfahrunge  halte  ich  es  z.  B. 
für  sehr  wahrscheinlich,  dass  in  den  zu  Beginn  unserer  Arbeit 
zitierten  Statistiken,  die  sich  mit  der  Rolle  der  Syphilis  bei 
der  Idiotie  beschäftigen,  eine  ganze  Anzahl  von  Hemmungen 
als  auf  Syphilis  beruhend  rubriziert  worden  sind,  die  nichts 
mit  Syphilis  zu  tun  haben.  Wenn  es  schon  unter  Beobachtung 
aller  Kautelen  in  50  Proz.  der  Fälle  von  Schwachsinn  bei  der 
Wa.R.  zu  deutlichen  Hemmungen  der  Hämolyse  kommen  kann, 
so  ist  es  klar,  dass  geringfügige  Abweichungen  in  der  Ver¬ 
suchsanordnung  oder  in  der  Beschaffenheit  der  an  der  Re¬ 
aktion  beteiligten  Faktoren  zu  starken  Hemmungen  führen 
können,  die  dann  als  positive  Wa.R.  gedeutet  werden.  In 
diesem  Sinne  würde  z.  B.  in  den  Fällen,  die  mit  Kuppenbildung 
einhergehen,  schon  eine  geringe  Steigerung  der  Extrakt  - 
mengen  wirken.  Aber  auch  die  Beschaffenheit  der  Extrakte 
selbst  ist  von  grosser  Wichtigkeit.  Die  Extrakte  zeigen  ja 
alle  ohne  Ausnahme  individuelle  Verschiedenheiten,  was  auch 
gar  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  da  sie  von  individuell  ver¬ 
schiedenen  und  verschieden  erkrankten  Organen  stammen. 
So  kann  denn  gelegentlich  ein  Extrakt  in  seinem  physikalisch¬ 
chemischen  Verhalten  sich  unserem  Lipoidgemisch  nähern 
und  ähnliche  Reaktionen  geben.  Eine  andere  Quelle  der  Un¬ 
sicherheit  ist  das  Komplement.  Ist  dieses  einmal  besonders 
leicht  deviabel,  so  kann  auch  dadurch  wieder  eine  stärkere 
Hemmung  zustande  kommen  und  Lues  vorgetäuscht  werden. 
Zu  beachten  ist  dabei,  dass  die  Deviabilität  des  Komplementes 
nur  für  ganz  bestimmte  Extrakte  gesteigert  sein  kann.  Am 
Züricher  Institut  werden  grundsätzlich  nur  ganz  deutliche 
Reaktionen  als  positiv  berichtet.  Ist  die  Reaktion  schwach, 
so  wird  sie  als  fraglich  bezeichnet  und  Wiederholung  der 
Untersuchung  empfohlen. 

Zusammenfassung. 

Es  ist  gelungen,  mit  Hilfe  eines  künstlichen  Lipoid- 
gcmisches  (Cholesterin-Lecithin- Natrium  oleinic.  in  bestimm¬ 
tem  Verhältnis)  bei  angeborenen  Schwachsinnsformen,  sowie 
bei  anderen  organischen  Krankheiten  des  Zentralnerven¬ 
systems,  Komplementbindung  zu  erzielen.  Ein  grosser  Teil 
dieser  Fälle  zeigte  auch  bei  der  Wassermann  sehen  Re¬ 
aktion  schwache  Hemmung  der  Hämolyse,  die  nicht  als  durch 
Lues  bedingt  angesehen  werden  konnte. 

Das  gleiche  Lipoidgemisch  gab  auch  mit  der  Mehrzahl  der 
Luesseren  Komplementbindung,  mit  anderen  Seren  nur  aus¬ 
nahmsweise.  Diese  Reaktion  ist  also  für  gewisse  Erkran¬ 
kungen  des  Zentralnervensystems  charakteristisch,  wenn  auch 
nicht  streng  spezifisch. 

Die  Häufigkeit  der  Reaktion  bei  den  erwähnten  Krank¬ 
heiten  spricht  für  das  Vorhandensein  einer  Umstimmung  des 
Stoffwechsels,  die  zu  dem  Krankheitsprozess  in  einem  ursäch¬ 
lichen  Verhältnis  steht. 

Qanz  besonders  hervorzuheben  sind  die  Beziehungen 
dieser  Reaktion  zur  Wassermann  sehen  Syphilisreaktion. 
In  einer  ganzen  Anzahl  von  Fällen,  die  mit  dem  Lipoidgemisch 
einen  starken  Ausschlag  gaben,  zeigten  sich  aueji  bei  der 
Wassermann  sehen  Reaktion  schwache  Hemmungen, 
trotzdem  für  die  Annahme  einer  syphilitischen  Infektion  keine 
weiteren  Anhaltspunkte  Vorlagen.  Es  ergibt  sich  hieraus  die 
Mahnung  zur  Vorsicht  bei  der  Verwertung  der  Wasser- 
m  a  n  n  sehen  Reaktion  bei  organischen  Krankheiten  des 
Zentralnervensystems.  Und  zwar  ist  Vorsicht  um  so  mehr 
geboten,  je  näher  die  Untersuchung  dem  Beginn  der  Er¬ 
krankung  liegt. 


Aus  der  serologischen  Abteilung  (Prof.  v.  Dünger  n),  d 
Instituts  für  experimentelle  Krebsforschung  (Geh.  Rat  Pr 
Dr.  Czerny,  Exzellenz). 

Ueber  Serodiagnostik  der  Geschwülste  mittelst 
Komplementablenkungsreaktion. 

Von  Dr.  J.  H  a  1  p  e  r  n,  Assistent. 

Im  Anschluss  an  die  von  v.  Dünger  n  veröffentlicht 
Fälle  möchte  ich  an  dieser  Stelle  über  Resultate  berichte 
die  ich  mit  seiner  Tumorreaktion  erzielt  habe.  Was  i 
Technik  anbetrifft,  so  verweise  ich,  um  Wiederholungen 
vermeiden,  auf  die  Publikationen  v.  Du  ngerns1)2)3),  sov 
P  e  t  r  i  d  i  s’ 4). 

In  einem  Zeitraum  vom  15.  Dezember  bis  zum  25.  Febru 
sind  von  mir  Sera  von  300  Patienten  untersucht  worden,  ex 
der  Fälle,  welche  von  der  chirurgischen  Klinik  geschickt  u 
von  Dr.  P  e  t  r  i  d  i  s  demnächst  veröffentlicht  werden.  I 
Blutproben  werden  uns  von  den  hiesigen  Universitätsklinik!, 
sowie  von  auswärts  zugesandt,  ferner  wird  das  Material  d 
Samariterhauses  untersucht.  Eine  Auswahl  der  Fälle  wi 
also  in  keiner  Weise  getroffen.  Auf  den  Zetteln,  welche  d 
Blutproben  beigefügt  werden,  sind  in  der  Mehrzahl  der  Fä 
nur  die  Namen  der  betreffenden  Patienten  angegeben.  I 
klinischen  Diagnosen  werden  uns  erst  nachträglich  mitgete 

In  123  Fällen  waren  die  Diagnosen  unsicher,  d.  h.  r 
Fragezeichen  versehen  oder  die  Differentialdiagnose  schwank 
zwischen  2  Erkrankungen.  Es  bleiben  somit  177  Fälle, 
denen  sichere  klinische  Diagnosen  gestellt  bezw.  erfahr 
werden  konnten  und  zwar  sind  sie  bei  der  überwiegend! 
Mehrzahl  der  Geschwulstkranken  durch  Operation  bez 
Obduktion  und  mikroskopische  Untersuchung  bestät 
worden.  Von  den  177  Fällen  stammen  79  Sera  von  Karzirio 
kranken  und  zwar  verteilen  sich  die  Karzinome  auf  die  vi 
schiedenen  Organe  folgendermassen: 


Magen 

15 

darunter  positiv 

14  (13) 

Lippe 

2 

darunter  po- 
2 

Oesophagus 

3 

3 

Nase 

2 

2 

Vulva 

3 

3 

Kolon 

5 

4 

Mamma 

13 

11 

Unterkiefer 

1 

1  I 

Zunge 

7 

7 

Parotis 

1 

1 

Uterus 

5 

4 

Gl.  thyreoidea 

3 

3 

Ovarien 

1 

1 

Prostata 

1 

1 

Pharynx 

3 

3 

Gallenblase 

2 

0 

Penis 

1 

1 

Rektum 

10 

9 

Wirbelsäule 

1 

1 

79 

71  (i 

In  11  Fällen  wurden  wiederholte  Untersuchungen  vo 
genommen;  sie  ergaben  immer  dasselbe  Resultat;  nur 
einem  Falle  von  Magenkarzinom  ergab  die  Reaktion  zuerst  < 
negatives,  zum  zweiten  Mal  ein  positives  Resultat.  Es  i 
uns  auf,  dass  es  sich  bei  den  Karzinomfällen,  welche  nega. 
reagierten,  häufig  um  ausgedehnte  Krebsgeschwülste  r 
zahlreichen  Metastasen  gehandelt  hat. 

Unter  den  übrigen  Tumoren  reagierten  von  6  Epitheliomen  t. 
positiv,  von  6  Sarkomen  4,  von  5  Lymphosarkomen  3.  Ferner  wurii 
Sera  von  Patienten  mit  folgenden  Tumoren  untersucht:  1  Struma  (- 
2  Fibrome  ( — ),  1  Hypernephrom  (+),  2  Myome  (+),  1  Dermoid  (- 

1  Osteom  (+).  Von  2  Fällen  mit  malignen  Lymphomen  ergab  der  e 
ein  negatives,  der  andere  ein  positives  Resultat.  Ein  Fall,  bei  welch! 
die  Diagnose  „multiple  Drüsenschwellungen“  lautete,  fiel  positiv  a 

2  Fälle  von  Hodgkin  scher  Erkrankung  haben  negativ  reagit 
Von  12  Blutproben,  die  mit  der  Diagnose  „Tumor“  eingeschickt  w 
den  (3  im  Abdomen,  1  in  der  Leber,  1  in  der  Niere,  1  im  Uter 

I  im  Gehirn,  2  am  Halse,  1  in  der  Harnblase,  1  am  Siebbein)  gal 

II  positives  Resultat.  Es  wären  noch  22  Fälle  zu  erwähnen, 
welchen  starker  Verdacht  auf  Karzinom  bestand  (Lokalisation:  12 r 
Magen,  5  mal  Darm.  2  mal  Rektum,  1  mal  Hals,  1  mal  Gallenbla 
1  mal  Leber),  von  ihnen  haben  20  positiv  reagiert. 

Wenn  wir  nun  zur  Besprechung  der  Fälle  übergehen,  1 
welchen  das  Blut  von  sicher  nicht  tumorkranken  Patient 
stammte,  so  ergibt  sich,  dass  von  56  solchen  Fällen  52  nega 
reagierten. 

Unter  diesen  Fällen  befinden  sich  solche  mit  Parotisabszess  ( 
Pneumonie  (1),  Pleuritis  exsudativa  (1),  Typhus  abdominalis  (I),  P 
laps  (1),  Dilatatio  ventriculi  (1),  Diabetes  insip.  (3),  Cholezystitis  (• 


D  v.  Düngern:  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  2,  1912. 

2)  1.  c.  No.  20,  1912. 

3)  I.  c.  No.  52,  1912. 

I  ±  4)  Petridis:  Lyon  Chirurgical,  1.  Februar  1913. 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


915 


ündlicher  Tumor  in  der  Halsregion  (1),  Tuberkulose  des  Ster- 
s  (1).  Endokarditis  (1),  tuberkulöse  Drüsen  am  Halse  (1),  Tbc. 
mnum  (0,  Myokarditis  (3),  Lues  (8),  Interkostalneuralgie, 
roenteritis  (2).  Korouarsklerose  (1).  Morbus  Banti  (2).  Lym- 
enitis  cervicalis  (l),  Hämorrhoiden  (1),  Chronische  Mastitis  (2), 
liziöse  Anämie  (1),  Lupus  (3),  Gastroptose  (1),  Pachy- 
ngitis  spinalis  (1),  Myotonia  congenita  (1),  Prostatahyper- 
:ije  (2),  Cholelithiasis  (2),  Pankreatitis  (1),  progressive  Para- 
(1),  chronische  Nephritis  und  Urämie  (1),  Arteriosklerose  (2), 
ma  (1).  Ulcus  duodeni  (1),  Angina  (2). 

Was  die  4  Fälle  betrifft,  welche  positiv  reagierten,  so  handelte 
ch  2  mal  um  Patienten,  bei  welchen  Verdacht  auf  Magenkarzinom 
ind  (Anazidität,  Abmagerung.  Magenbeschwerden  etc.),  bei  der 
lelaparotomie  jedoch  kein  Tumor  zu  palpieren  war.  Bei  dem 
dl  vermutete  man  auf  Grund  der  klinischen  Untersuchungen  Car- 
na  vesicae  fellcae.  bei  der  Operation  wurden  aber  nur  Gallen- 
e  gefunden.  Endlich  der  4.  Fall  betrifft  einen  Patienten  mit 
irer  Diagnose,  bei  dem  Pentosurie  und  Thyreoidismus  festge- 
wurde.  In  einem  Falle  von  ausgedehnter  Tuberkulose  des 
oneums  ist  die  Tumorreaktion  schwach  positiv  ausgefallen. 

Wenn  ich  die  Resultate  kurz  zusammenfasse,  so  ergibt 
,  dass  man  von  300  untersuchten  Fällen  bei  177  sichere 
tnosen  erfahren  konnte,  und  zwar  befanden  sich  darunter 
(arzinome  und  42  andere  Tumoren  (je  21  benigne  und 
gne)  und  andererseits  56  sicher  nicht  tumorkranke 
enten.  Von  den  79  Karzinomfällen  haben  71  positiv 
iert,  d.  h.  89,8  Proz.  Wenn  man  die  Fälle  mit  anderen 
gnen  Geschwülsten  hinzuzählt,  so  ergibt  sich,  dass  die 
ktion  in  86  Proz.  positiv  ausgefallen  ist.  Die  Sera  von 
56  nicht  tumorkranken  Patienten  haben  in  52  Fällen 
itiv  reagiert,  was  92,8  Proz.  entspricht. 

Die  letzten  Zahlen  beweisen,  dass  die  überwiegende  Mehr- 
von  nicht  tumorkranken  Patienten  ein  negatives  Resultat 
>t.  Um  so  auffallender  war  für  uns  die  Beobachtung,  dass 
Tumorreaktion  bei  einem  vollständig  gesunden  Herrn, 
en  Mutter  an  Carzinoma  mamtnae  erkrankt  war,  positiv 
efallen  ist.  In  einem  2.  Falle  wurde  die  Tumorreaktion 
dem  Serum  der  ganz  gesunden  Tochter  einer  Patentin 
nalignen  Lymphomen  angestellt  —  ebenfalls  mit  positivem 
iltat.  Ob  es  sich  in  diesen  Fällen  um  eine  Disposition  zu 
inorn  handelt  oder  ob  eine  unbekannte  Infektion  vorliegt, 
ielleicht  mit  malignen  Tumoren  etwas  zu  tun  hat,  so  dass 
betreffenden  sich  also  in  präkanzerösem  Stadium  befinden 
len,  lässt  sich  bei  dem  jetzigen  Stand  unserer  Kenntnisse 
die  Aetiologie  der  malignen  Geschwülste  nicht  ent- 
iden. 

Die  Resultate  unserer  Statistik  beweisen,  dass  die  von 
1  u  n  g  e  r  n  sehe  Tumorreaktion  zwar  nicht  mit  absoluter 
erheit  die  Frage  entscheiden  lässt,  ob  ein  maligner  Tumor 
egt,  aber  geeignet  ist,  unsere  Diagnostik  der  malignen 
oren  unter  entsprechender  Würdigung  der  klinischen 
ptome  wesentlich  zu  unterstützen. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau 
(Direktor:  Geheimrat  Prof.  Dr.  O.  Kiistner). 

Bewertung  der  Abderhaldenschen  Schwanger¬ 
schaftsreaktion. 

Privatdozent  Dr.  Fritz  H  e  im  a  n  n,  Assistent  der  Klinik. 

Die  Zuverlässigkeit  der  von  Abderhalden  ange- 
üen  Schwangerschaftsreaktion  ist  in  der  Literatur  ver- 
dentlich  angezweifelt  worden,  und  hier  und  da  erheben 
einzelne  Stimmen,  die  die  Reaktion  als  unbrauchbar  ab- 
m.  Da  F  r  a  n  k  und  ich  als  erste  eine  Nachprüfung  der 
tion  vorgenommen  haben,  so  will  ich,  da  gerade  in  aller- 
r  Zeit  von  mancher  Seite  der  Stab  über  der  Reaktion 
ochen  worden  ist,  ein  Wort  zu  ihren  Gunsten  einlegen. 
^verständlich  haben  wir  seit  unserer  letzten  Publikation 
mdig  daran  gearbeitet,  so  dass  wir  jetzt  über  ein  Material 
über  100  Fällen  verfügen.  Von  vornherein  möchte  ich 
ien,  dass  es  sich  hierbei  nur  um  die  reine  Schwanger¬ 
tsreaktion  handelt,  und  dass  ich  auf  alle  Modifikationen, 
es  die  zu  untersuchenden  Sera,  mag  es  die  dafür  an- 
ndeten  Substrate  betreffen,  nicht  eingehe.  In  den  meisten 
n  waren  es  Frauen,  bei  denen  die  Periode  einmal  fort¬ 
an  war,  und  klinisch  die  event.  Schwangerschaft  nicht 
lostiziert  werden  konnte.  Auf  die  Technik  komme  ich 


hier  nicht  zu  sprechen.  Abderhalden  hat  ja  in  letzter 
Zeit  ganz  besonderen  Wert  darauf  gelegt  und  in  einer  Anzahl 
von  Publikationen  sie  ausführlich  geschildert.  Und  das  ist 
besonders  zu  betonen,  dass  man  sich  streng  an  die  Abder¬ 
halden  sehen  Vorschriften  halten  muss,  wenn  man  das  Ge¬ 
lingen  der  Reaktion  nicht  in  Frage  stellen  will.  Die  einzelnen 
Mengen,  die  Abderhalden  für  die  Reagcntien  angegeben 
hat,  sollen  sorgsamst  beobachtet  werden,  steriles  Arbeiten, 
richtige  Brutschranktemperatur  etc.  müssen  gefordert  werden, 
und  erst  dann,  wenn  man  alle  Bedingungen  erfüllt  hat,  darf 
man  sich  ein  Urteil  über  die  Methode  erlauben.  Wir  selbst 
haben  ja  auch  in  der  ersten  Zeit  mit  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  gehabt,  aber  durch  strengstes  Einhalten  der  Vor¬ 
schriften  sind  wir  heute  dazu  gekommen,  die  Zuverlässigkeit 
der  Methode  vollkommen  anzuerkennen.  Es  kann  natürlich 
auch  einmal  ein  Versager  Vorkommen,  das  ist  selbstverständ¬ 
lich;  denn  es  gibt  in  der  Medizin  keine  Reaktionen  oder 
Symptome,  die  wir  unter  scheinbar  gleichen  Bedingungen 
jedesmal  mit  tödlicher  Sicherheit  wieder  antreffen;  hierbei 
muss  aber  bemerkt  werden,  dass  wir  in  solchen  Fällen  stets 
eine  positive  Reaktion  bei  fehlender  Gravidität,  niemals 
einen  negativen  Ausfall  bei  vorhandener  Schwangerschaft 
sahen.  Unsere  ersten  Untersuchungen  waren  ja  noch  infolge 
der  Biuretreaktion  recht  schwierig;  seitdem  jedoch  Abder¬ 
halden  das  Ninhydrin  zum  Nachweis  der  Peptone  empfohlen 
hat,  sind  die  Schwierigkeiten  erheblich  zurückgegangen. 

Ich  bin  der  Ueberzeugung,  dass  die  Abderhalden- 
sche  Schwangerschaftsreaktion  schon  heute  für  die  Praxis  von 
hoher  Bedeutung  ist,  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Unter¬ 
suchungen  in  wissenschaftlichen  Laboratorien  in  verlässlicher 
Weise  ausgeführt  werden,  ähnlich  wie  es  bereits  bei  anderen 
serologischen  Reaktionen  der  Fall  ist.  Unter  diesen  Be¬ 
dingungen  kann  die  Reaktion  auch  für  das  früheste  Stadium 
der  Schwangerschaft  als  völlig  zuverlässig  angesehen  werden. 


Zur  Diagnose  und  Behandlung  des  chronischen 
Ulcus  pylori. 

Von  Dr.  med.  Faulhaber,  Spezialarzt  für  innere  Krank¬ 
heiten  und  Privatdozent  für  Röntgenologie  in  Würzburg. 

So  alt  wie  die  Diagnose  des  Ulcus  ventriculi  selbst,  ist 
auch  die  Forderung,  man  solle  nicht  nur  die  Anwesenheit, 
sondern  auch  den  Sitz  des  Geschwürs  im  Magen 
eruieren.  Wenigstens  wird  in  allen  alten  und  neuen  Lehr¬ 
büchern  der  Magenkrankheiten  dieses  ungemein  exakt  aus¬ 
sehende  Postulat  aufgestellt.  Leider  sind  die  Angaben  der 
Lehrbücher,  auf  welchem  Wege  man  diese  Forderung  erfüllen 
könne,  viel  weniger  präzise,  als  die  Forderung  selbst.  Von  den 
älteren  Angaben,  dass  Steigerung  oder  Nachlass  der  Schmer¬ 
zen  in  bestimmten  Körperlagen  Rückschlüsse  auf  die  Lokali¬ 
sation  machen  lassen,  oder  dass  Rückenschmerz  mehr  für 
Sitz  an  der  Hinterwand  spreche  u.  ähnl.,  hat  die  Praxis  er¬ 
wiesen,  dass  sie  unrichtig  sind.  v.  L  e  u  b  e  hat  schon 
gesagt,  dass  der  Sitz  des  Ulcus  in  den  selten¬ 
sten  Fällen  diagnostizier  bar  sei.  Nur  bezüglich 
des  Ulcus  cardiae  hat  er  angegeben,  dass  es  sich  durch  einen 
unmittelbar  an  die  Ingestion  anschliessenden  Schmerz  aus¬ 
zeichne.  Riegel,  v.  Tabor  a  und  andere  Autoren  sind  ähn¬ 
licher  Ansicht.  Boas  sagt  in  der  neuesten  Auflage  1911  seines 
bekannten  Lehrbuches :  „Der  Sitz  des  Geschwürs 
lässt  sich  in  vielen  Fällen  aus  dem  Ort  der 
schmerzhaften  Zone  vermuten,  aber  keines¬ 
wegs  mit  Sicherheit  bestimmen.  Für  das  Ulcus 
am  Pylorus  spricht  die  Lokalisation  des  Schmerzes  mehr 
rechts  von  der  Mittellinie,  das  Auftreten  des  Schmerzes  1  bis 
2  Stunden  nach  der  Nahrungsaufnahme,  zeitweilige  Retention 
von  Nahrungsmitteln“.  Bezüglich  des  Ulcus  cardiae  ist  er  der 
L  e  li  b  e  sehen  Meinung.  Auch  die  Chirurgen  haben  nicht  viel 
positives  Material  für  die  topische  Ulcusdiagnose  beigebracht. 

Riedel1)  hält  rechtsseitigen  Magenschmerz  für  Ulcus 
pylori,  linksseitigen  für  Ulcus  der  kleinen  Kurvatur  sprechend. 
Schmerz  in  der  Mittellinie  selbst  hat  er  bei  präpylorischen 
Geschwüren  an  der  Vorderwand,  bei  Sitz  an  der  Hinterwand 


D  Zitiert  nach  Crämer:  Das  runde  Magengeschwür,  S.  23. 

2* 


-T, 


91ö 


MÜENüHENER  MEblZiNISCHE  WOCHeNSCHRIF  !'. 


N 


o.  i 


sowie  bei  Verwachsungen  mit  dem  Pankreas  gefunden. 
C 1  a  i  r  m  o  n  t !)  glaubt  in  neuester  Zeit  —  auf  Grund  von 
Operationsbefunden  —  dem  zeitlichen  Auftreten  der  Schmerzen 
nach  der  Ingestion  Bedeutung  zusprechen  zu  sollen:  trat  der 
Schmerz  schon  während  des  Essens  auf,  so  fand  er  das  Ge¬ 
schwür  in  der  Nähe  der  Kardia,  kam  er  nach  A  Stunde,  so 
sass  das  Geschwür  in  der  Magenmitte,  kam  er  später,  so  lag 
ein  Ulcus,  ad  pylorum  vor. 

Ich  kann  nicht  umhin,  beiden  Angaben  nur  einen  sehr 
bescheidenen  Wert  für  die  Sitzdiagnose  zuzuerkennen.  Gegen¬ 
über  Riedel  ist  zu  bemerken,  dass  die  Grösse  und  Lage  des 
Magens  unter  physiologischen  und  mehr  noch  unter  patho¬ 
logischen  Bedingungen  solche  Schwankungen  zeigt,  dass  eine 
Lokalisierung  des  ulzerativen  Prozesses  aus  der  Lage  des 
Schmerzpunktes  zur  Mittellinie  unmöglich  erscheint.  Und  die 
Angaben  C  1  a  i  r  m  o  n  t  s  kann  ich  wenigstens  an  meinem 
eigenen  Material,  das  ebenfalls  vielfach  operativ  behandelt 
wurde,  durchaus  nicht  bestätigen.  Dass  penetrierende  Ulcera 
der  Pars  media  erst  2  Stunden  nach  der  Mahlzeit  Schmerz 
erzeugten,  ist  bei  mir  keine  Seltenheit. 

So  ist  also,  trotzdem  die  Forderung  der  Lokaldiagnose 
mit  Recht  immer  wieder  aufgestellt  wird,  die  positive  dia¬ 
gnostische  Ausbeute,  die  wir  bezüglich  des  Sitzes  eines  Ulcus 
ventriculi  aus  den  Angaben  der  Autoren  erzielen,  eine  recht 
dürftige. 

Nun  ist,  wie  wir  alle  wissen,  in  diesem  Punkte  in  den 
letzten  2—3  Jahren  eine  Wandlung  eingetreten  durch  den  von 
Reiche,  Hau  deck  und  dem  Verfasser  entdeckten 
röntgenologischen  Symptomenkomplex  des  kallösen 
und  penetrierenden  Ulcus.  Hier  ist  zum  ersten  Mal 3)  die  obige 
Forderung  in  weitgehendem  Masse  verwirklicht:  Sicherer 
Nachweis  der  Ulzeration  und  scharfe  Lokalisation. 
Allerdings  betrifft  diese  Möglichkeit  des  Nachweises  nur  eine 
Minderzahl  aller  vorkommenden  Ulcera  und  nicht  mehr  ein¬ 
fache,  sondern  solche  Geschwüre,  die  bereits  zu  Kompli¬ 
kationen  geführt  haben.  Das  ist  in  gewissem  Sinne  sicherlich 
ein  Gewinn,  indem  es  gelingt,  diese  Ulcera  durch  die  Röntgen¬ 
untersuchung  auszusondern  und  der  wohl  einzig  richtigen 
chirurgischen  Behandlung  zuzuführen. 

Für  die  weit  zahlreicheren  übrigen  Magengeschwüre 
müssen  wir  uns  aber,  nachdem  die  frühere  Hoffnung,  sie  eben¬ 
falls  auf  röntgenologischem  Wege  direkt  nachzuweisen,  sich 
immer  mehr  als  trügerisch  erwiesen  hat,  mit  der  Diagnose 
Ulcus  zufrieden  geben  und  auf  die  topische  Diagnose  ver¬ 
zichten.  Eine  Lokalisation  scheint  davon  in  gewissem  Sinne 
eine  Ausnahme  zu  machen:  es  ist  das  Ulcus  pylori.  Eine  Am¬ 
zahl  von  diagnostischen  Zeichen  sind  von  den  Autoren  als  für 
diese  Lokalisation  sprechend  angegeben  und  zum  grössten 
Teil  von  uns  oben  aufgeführt  worden.  Sie  sind  aber  aner- 
kanntermassen  alle  unsicher.  Nur  ein  einziges  davon 
kann  meines  Erachtens  wirkliche  Bedeutung  beanspruchen: 
die  zeitweilige  Stagnation.  Es  ist  aber  klar,  dass 
ein  so  grobes  Symptom  sich  nur  in  einer  kleinen  Minderzahl 
der  Pylorusulcera  finden  wird  und  dass,  wenn  wir  erst  auf 
dieses  Zeichen  warten,  die  grösste  Mehrzahl  der  Pylorus- 
geschwüre  unerkannt  bleiben  muss. 

Ich  möchte  nun  im  nachfolgenden  dar  tun, 
dass  wir  auch  ohne  dieses  grobe  Symptom 
die  topische  Diagnose  des  Pylorusgeschwürs 
in  fast  allen  Fällen  mit  wünschenswerter 
Sicherheit  machen  können. 

Seit  Jahren  beschäftige  ich  mich  mit  Vorliebe  praktisch 
mit  der  Diagnose  des  Ulcus  ventriculi  und  benütze  alle  mo¬ 
dernen  klinischen  und  röntgenologischen  Hilfsmittel  dazu,  auf 
möglichst  objektivem  Wege  zur  Erkennung  des  Magen¬ 
geschwürs  gelangen.  Durch  das  eingehende  vergleichende 
Studium  meiner  Fälle,  sowie  durch  eine  Anzahl  von  Ope¬ 
rationen  ist  es  mir  immer  mehr  klar  geworden,  dass  das 
Ulcus  pylori  sich  aus  der  Zahl  der  übrigen 

2)  C 1  a  i  r  m  o  n  t  und  Haudek:  Die  Bedeutung  der  Magen¬ 
radiologie  für  die  Chirurgie,  S.  37. 

s)  Inzwischen  ist  es  durch  die  Vervollkommnung  des  Gastro¬ 
skops  Elsner  gelungen,  Ulcera  direkt  zu  sehen;  ob  aber  diese  ein¬ 
greifende  Methode  in  der  Ulcusdiagnose  eine  praktische  Rolle  spielen 
wird,  möchte  ich  —  trotzdem  es  sehr  prekär  ist,  zu  prophezeien  — 
einigermassen  bezweifeln. 


Magen  ulcera  durch  einen  scharf  Umrissen 
Komplex  von  im  wesentlichen  objektiv 
S  y  m  p  t  o  m  e  n  a  b  s  o  n  dorn  lass  t.  Durch  Beacht 
dieses  Symptomenkomplexes  lernte  ich  auch  schliesslich  i 
Diagnose  in  Fällen  mit  atypischen  s u b j e k t i \ 
S  y  m  p  t  o  m  e  n  richtig  machen,  wie  die  operative 
stätigung  zeigte.  I 

Es  sei  mir  gestattet,  für  meine  Fliese  im  Nachfolgen 
eingehenden  Beweis  zu  versuchen.  Ich  lege  hier  nicht  ni 
ganzes  Beobachtungsmaterial,  sondern  nur  die  Fälle  der  let;: 
2  %  Jahre  zu  Grunde,  weil  die  früheren  Beobachtungen 
manchen  wichtigen  Punkten  lückenhaft  waren,  indem  ehen 
Erkenntnis  der  Bedeutung  der  einzelnen  Symptome  sich 
dem  Chaos  der  Beobachtungen  erst  richtig  herauskristl 
sieren  musste.  Es  handelt  sich  hier  ausschliesslich  um  Pri 
Patienten,  den  mittleren  bzw.  besseren  Ständen  angehörig, 
mir  znm  grossen  Teil  von  ihren  Hausärzten  zur  speziei 
Magenuntersuchung  überwiesen  waren.  Meine  therapu 
sehen  Verordnungen  wurden  meist  unter  Leitung  der  H, 
ärzte  durchgeführt.  32  genaue  Beobachtungen  stehen  mir 
diese  Weise  zur  Verfügung,  bei  denen  ich  die  Diagnose 
Ulcus  pylori  gestellt  habe,  8  davon  habe  ich  operieren  lat 
(6  von  Geh.  Rat  E  n  d  e  r  1  c  n,  2  von  Prof.  Hotz);  bei  sä 
liehen  hat  die  Operation  die  Diagnose  in  vollem  Umfang 
stätigt  (siehe  Tabelle!).  ( 

An  die  Spitze  möchte  ich  als  Paradigma  einen  Fall 
chronischem  Ulcus  pylori  setzen,  der  den  von  mir  oben 
wähnten  Symptomenkomplex  in  klassischer  Weise  aufwt 


Beobachtung  1  (Fall  31).  L.  M.,  29  Jahre,  verlieh; 
Frau,  leidet  seit  6 — 7  Jahren  periodisch  an  Magenschmev 
d.  h.  es  wechseln  längere  Intervalle,  wo  Patientin  gänzlich» 
sclnverdefrei  ist,  mit  Zeiten  (gewöhnlich  mehrere  Wochen)  ab,. 
Patientin  täglich  Schmerzen  hat.  Die  Schmerzen  treten  gewoh 
%  Stunden  nach  dem  Essen  auf.  Hie  und  da  auch  Erbrechen  (rji 
„Wasser“).  Die  Beschwerden  werden  in  den  ersten  2 — 3  Jal 
von  den  Aerzten  als  nervös  aufgefasst.  Späterhin  war  die 
einmal  während  der  ganzen  Dauer  einer  Gravid; 
völlig  beschwerdefrei  und  konnte  alles  essen.» 
einigen  Wochen  wieder  täglich  starke  Schmerzen  und  öfters 
„Wasser“erbrechen. 

Die  Magenuntersuchung  ergab:  früh  nüchtern  100  ccm  ru 
Magensaft,  makroskopisch  und  mikroskopisch  ohne  Speisebenneup 
Keine  Sarzine.  Freie  HCl  =  32;  Ges.-Azid.  42.  Nach  Probefrüha 
200  ccm  zweischichtiger  Mageninhalt  expri- 
miert;  freie  HCl  =  69,  Ges.-Azid.  82.  Mikro¬ 
skopisch  ohne  pathologische  Beimengung. 

Es  wurde  am  gleichen  Abend  ein  Probe¬ 
abendessen  verabreicht,  bestehend  aus  Suppe, 

Beefsteak,  Kartoffelbrei,  Weissbrot  und  ein 
Schüsselchen  Preisselbeeren;  12  Stunden  spä¬ 
ter,  am  anderen  Morgen,  wurden  70  ccm  HC1- 
haltiger  reiner  Magensaft  exprimiert:  nachfol¬ 
gende  Magenspülung  zeigen  den  Magen  frei  , 
von  Speiseresten.  Weder  im  Spülwasser,  noch 
im  exprimierten  Magensaft  fanden  sich  mikro¬ 
skopisch  Speisereste. 

Die  Röntgenuntersuchung  ergab  einen 
ptotischen  und  etwas  atonischen  Magen,  ohne 
sonstige  Abnormität;  speziell  keine  üeschwiirs- 
nische,  keinen  Sanduhrmagen.  Eine  Inter¬ 
mediärschicht  zeigte  sich  sofort  nach  Genuss 
der  Bariumahlzeit 3*)  ausgebildet.  Sehr  leb¬ 
hafte,  vertiefte  Peristaltik  an  der  grossen  Kur¬ 
vatur.  Antrumperistaltik  in  normaler  Weise 
verlaufend  (Fig.  1).  6  Stunden  später,  nachdem 
inzwischen  Patientin  geiastet,  massiger  Rest 
(Fig.2);  nach  12StundenMagen  von  Barium  leer. 

Auf  diesen  Befund  hin  stellte  ich  die  Diagnose;  Ulcus  pj 


Fig.  i. 

Röutgenogrammi 
siehe  Beobacht»; 
(Fall  31). 


litiH  pmnfQlil  Hpr  Patiprit-in  rli«  Onpr^tirm  Hipsolhp 


Fig.  2. 

Schirmpause;  siehe  Beobachtung  1  (Fall  31). 


Hotz  ausgeführt  und  bestätigte  die  Diagnose.  Das  Ulcus  v, 
reseziert.  Am  ausgeschnittenen  Präparat  zeigte  sich  dasselbe  ?' 
am  Pylorus  sitzend,  nicht  kallös,  aber  etwas  induriert,  von  der  O  ■ 
etwa  einer  Erbse.  Patientin  wurde  nach  2  Wochen  geheilt  untl 
schwerdefrei  entlassen. 


3*)  Ich  habe  in  meiner  1912  erschienenen  Monographie : 
Röntgendiagnostik  der  Magenkrankheiten“  (Albus  Samn1 
zwangt.  Abh.,  M  a  r  h  o  1  d,  Halle  a.  S.)  von  der  Verwendung 
Barium  sulfuricum  abgeraten,  da  ich  in  der  Hälfte  der  Falle  r 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


917 


In  der  Anamnese  des  vorstehenden  Falles  ist  eine  rnani- 
c  Magenblutung,  welche  natürlich  die  Beurteilung  des 
es  zu  erleichtern  scheint;  das  ist  rein  zufällig  und  nur 
ensächlich  und  ich  lege  auf  diesen  anamnesti- 
len  Behelf  gar  kein  Gewicht  für  die  D  i  a  - 
ose;  in  28  von  meinen  32  Fällen  fehlte  die  Blutung. 
Damit  will  ich  natürlich  nicht  sagen,  dass  ich  das  Vor- 
nnen  der  manifesten  oder  den  Nachweis  der  okkulten  Blu- 
ien  für  die  Diagnose  des  Ulcus  für  bedeutungslos  halte; 
Gegenteil,  ich  schätze  die  drei  altbekannten  Kardinal- 
iptome:  Schmerzen,  Blutung,  Erbrechen  für  die  Ulcus- 
;nose  aufs  höchste  ein;  nur  leisten  sie  nichts  für  die  in 
j:e  stehende  Lokaldiagnose  des  Ulcus  ad  py- 
u  m.  Für  die  letztere  möchte  ich  den  drei  erstgenannten 
li  drei  weitere  Symptome  einfiigen,  nämlich: 

1.  Periodizität, 

2.  kontinuierliche  Hyper  Sekretion, 

3.  Pylorospasmus. 

Es  ist  seit  langem  bekannt,  dass  manche  chronische 
gengeschwiire  durch  ein  Perioden  weises  Auftreten 
Schmerzen  ausgezeichnet  sind,  zwischen  denen  wochen¬ 
monatelange  Intervalle,  wo  Patient  frei  von  allen  Be¬ 
hörden  ist,  Vorkommen.  Es  erscheint  gezwungen,  der- 
ge  Erscheinungen  als  Heilungsvorgänge  auszudeuten,  denen 
icr  wieder  Rezidive  folgen 'Sollten,  und  ich  halte  diese 
tung  mit  Crämer,  Minkowski  u.  a.  auch  für  durch¬ 
falsch.  Eine  Erklärung,  warum  in  manchen  Fällen  diese 
'ung  zum  Latentwerden  periodisch  hervortritt,  in  anderen 
der  nicht,  vermögen  wir  allerdings  heutzutage  noch  nicht 
geben.  Es  muss  uns  vorerst  die  Tatsache  genügen.  Diese 
■  r  i  o  d  i  z  i  t  ä  t“,  welche  sich  meiner  Erfahrung  nach  bei 
a  möglichen  Formen 4)  und  Lokalisationen  des  Magen- 
;hwürs  finden  kann,  kommt  aber  bei  keiner  L  o  - 
i s a  t  i  o  n  so  häufig,  ja  man  kann  beinahe  sagen  rcgel- 
sig  vor,  wie  beim  Ulcus  pylori.  Soweit  ich 
ss,  hat  noch  niemand  auf  diesen  Punkt  aufmerksam  ge¬ 
ht.  Das  Pylorusgeschwür  gleicht  hierin  durchaus  dem 
denalulcus,  aus  dessen  Symptomatologie  ich  auch  die  obige 
eichnung  entlehnt  habe. 

In  ausgesprochener  Weise,  d.  h.  dass  längere  gänzlich 
schwer  defreie  Intervalle,  wo  die  Patienten 
lentlich  schwere  Speisen  ungestraft  essen  können,  vor- 
lmen,  fand  sich  das  Symptom  der  Periodizität  in  der 
mnese  von  meinen  32  Fällen  19  mal,  in  angedeuteter 
ise,  d.  h.  dass  periodisch  stärkere  Remissionen  der  Be- 
verden  erfolgen,  4  mal.  Nur  in  9  Fällen  wurden  ständige 
chwerden  angegeben;  bei  3  von  diesen  erklärt  sich  das 
len  der  Remissionen  wohl  aus  dem  Befund,  indem  bei 
n  dauernde  oder  zeitweilige  Stagnation  nachgewiesen 
de.  (Bei  einem  derselben  war  die  letztere  durch  eine 
iige  Pylorusstenose,  die  sich  neben  dem  Pylorusulcus  fand, 
ingt,  wie  die  Operation  zeigte.)  Es  bleiben  also  nur  eigent- 
6  von  32  Fällen  übrig,  welche  das  Symptom  der  Periodi- 
t  nicht  zeigten,  denen  3—4  mal  so  viel  positive  Fälle  ent- 
cnstehen  (siehe  Tabelle!). 

Die  Aufstellung  der  kontinuierlichen  Hypersekre- 
1  als  Symptom  des  Ulcus  pylori  ist  nicht  neu,  sondern  bereits 
schrieb  Fi  einer  in  seinem  bekannten  Lehrbuch:  „Kontinuier- 
Saftsekretion,  d.  h.  der  Nachweis  einer  nennenswerten  Menge 
flüssigen,  freie  HC!  enthaltenden  Inhalts  im  nüchternen  Magm 
1  eine  schon  aus  anderen  Erscheinungen  angenommene  Ge- 


Jige  Uebelkeit  danach  hatte  auftreten  sehen.  Diese  Erfahrungen 
gen  sich  nur  auf  das  M  e  r  c  k  sehe  Präparat:  „Barium  sulfuricum 
cipitatuin  purum“.  Seit  das  Merck  sehe  „B  arium  sul  f  u  r  i  - 
'■  P  u  r  i  s  s  i  m  um  für  Röntge  nuntersuc  h  unge  n“  im 
lei  ist,  verwende  ich  dieses  mit  bestem  Erfolg  und  ohne  jemals 
einigste  üble  Nachwirkung  davon  gesehen  zu  haben.  Nur  neben- 
DH  ich  erwähnen,  dass  1Ü0  g  davon  —  entgegen  den  in  der  Litera- 
agegebenen  höheren  Zahlen  -  für  eine  Magenfüllung  mir  in  allen 
'!>  ausreichend  erscheint. 

')  So  beobachtete  ich  dies  in  eklatanter  Weise  bei  einem  kallös- 
trierenden  Ulcus  der  Pars  media,  das  ich  1910  beschrieben  habe 
ich.  tned.  Wochenschr.  1910,  No.  40,  Fall  3).  Die  Pat.  war  näch¬ 
st  1  Jahr  lang  ganz  beschwerdefrei.  Kürzlich  wurde  sie  wieder- 
'ou  mir  untersucht  und  der  gleiche  Röntgenbefund  erhoben;  nur 
üie  Grösse  der  üeschwiirsnische  verdoppelt.  Die  Operation  er- 
Magenpankreasgeschwiir. 


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....  .  ,  Operationsbefund  und  Bemerkungen:  >)  Kleines  Ulcus  pylori.  s)  Ulcus  pylori  3  Markstückgross  3)  Kleines  Ulcus  pylori,  p  Klinischer  Untersuchungsbefund,  durch  den  Hausarzt  festgestellt.  Kallöses  Ulcus  pylori 

)  Klinischer  Untersuchuugsoefund,  durch  den  Hausarzt  festgestellt.  7)  Kleines  Ulcus  pylori.  8)  Narbe  +  Ulcus  Simplex  ani  Pylorus.  ,J)  Kleines  Ulcus  pylori.  w)  Kleines,  aber  leicht  induriertes  Ulcus  pylori. 


918 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


schwürsdiagnose  bekräftigen.  Gleichzeitig  deutet  dieser 
Befund  auf  Sitz  des  Geschwürs  nahe  am  Pylorus..." 

Mit  dieser  Ansicht  aber  steht  F  1  e  i  n  e  r,  wie  die  Durchsicht  der 
neueren  Magenlehrbücher  zeigt,  anscheinend  ziemlich  allein.  Zu¬ 
gegeben  wird  von  allen  Autoren  nur,  dass  der  Magensaftfluss  häufig 
mit  einem  Ulcus  ventriculi  (ohne  Angabe  der  Lokalisation) 
kombiniert  vorkommt. 

v.  Tabora  (Riegels  Lehrbuch  der  Magenkrankheiten,  1908, 
II.  Teil,  S.  83)  betont  das  öftere  Zusammentreffen  von  Ektasie, 
Magensaftfluss  und  Ulcus  „insbesondere  bei  Sitz  desselben 
am  Pylorus“;  er  sagt,  dass  es  hier  oft  schwer  zu  entscheiden  sei, 
was  primär,  was  sekundär  sei  und  denkt  sich  den  Zusammenhang 
verschieden.  Von  Pylorusulcus  und  Hypersekretion  sagt  er,  dass  sie 
keineswegs  konstant  zusammen  Vorkommen. 

Elsner  (Lehrbuch  der  Magenkrankheiten,  1909,  S.  323)  sagt, 
dass  die  Hypersekretion  weitaus  am  häufigsten  die  Begleiterschei¬ 
nung  eines  manifest  oder  latent  bestehenden  Ulcus  vemtri- 
c  u  1  i  sei. 

Boas  (Lehrbuch  der  Magenkrankheiten,  1911,  S.  501)  sagt,  dass 
es  bei  lange  bestehendem  Magensaftfluss  häufig  zu  Ulcus  komme  und 
zwar  sowohl  zu  pylorischem,  als  auch  extrapylorischem.  Die  konti¬ 
nuierliche  Magensaftabscheidung  trage  zur  chronischen  Etablierung 
des  Ulcus  bei  und  verhindere  seine  Vernarbung. 

Strümpell  (Spezielle  Pathologie  und  Therapie  1912,  S.  553) 
sagt,  dass  bei  Ulcus  (ohne  nähere  Angabe  der  Lokalisation)  fast 
immer  Superazidität  und  Supersekretion  des  Magensaftes  vor¬ 
handen  sei. 

Aus  der  Konstatierung  des  kontinuierlichen  Magensaftflusses 
allein  ziehen  also  die  meisten  Autoren,  wenn  sie  Grund  haben,  ein 
Magengeschwür  anzunehmen,  keine  Schlüsse  auf  die  Lo¬ 
kalisation.  Mit  Recht,  denn  sicherlich  ist  die  oben  angeführte 
Ansicht  F 1  e  i  n  e  r  s  viel  zu  weitgehend.  Ich  könnte  —  wenn 
sich  das  nicht  schon  durch  die  gegenteilige  Ansicht  der  angeführten 
Autoritäten  erübrigte  —  zum  Beweise  dafür  eine  Reihe  operativ  be¬ 
stätigter  Fälle  nennen,  wo  bei  starker  Hypersekretion  das  Ulcus  in 
der  Mitte  des  Magens  zu  konstatieren  war.  Für  Skeptiker,  die 
die  Möglichkeit  eines  zweiten  Ulcus  am  Pylorus  als  nicht  widerlegt 
bezeichnen,  muss  ich  bemerken,  dass  der  Pylorus  in  ein  paar  dieser 
Fälle  am  Resektionspräparat  normal  befunden  wurde. 

Meine  eigene  Erfahrung  über  das  Verhältnis  der  Hyper¬ 
sekretion  zum  Ulcus,  speziell  zum  Pylorusgeschwür  ist  die, 
dass  die  Hypersekretion  bei  einer  grösseren  Anzahl  der 
Magenulcera  beliebiger  Lokalisation  sich  finden 
kann5).  Ganz  überwiegend  häufig,  ja  mit  einer 
gewissen  Regelmässigkeit,  ist  sie  aber  beim 
Ulcuspylorizu  konstatieren.  Von  meinen  32  Kran¬ 
ken  (siehe  Tabelle)  fand  sich  das  Symptom  in  28  Fällen.  In 
den  übrigen  vieren  konnte  die  Prüfung  auf  kontinuierliche 
Hypersekretion  aus  äusseren  Gründen  nicht  ausgeführt  wer¬ 
den.  3  davon  zeigten  Stagnation.  Die  Sekretmenge,  die 
sich  aus  dem  nüchternen  Magen  exprimieren  liess,  und  die 
natürlich  stets  stark  HCl-  und  pepsinhaltig  war,  betrug  in 
allen  Fällen  mehr  als  20  ccm;  bei  16  Kranken  war  sie  20  bis 
50  ccm  (bezeichnet  in  der  Tabelle  mit  +),  bei  6:  50 — 100  ccm 
(++),  bei  den  Testierenden  6:  100 — 200  ccm  (+H — b).  Fast 
immer  wurde  der  Befund  durch  nochmalige  Untersuchung  am 
darauffolgenden  Tag  oder  zu  späteren  Terminen  kontrolliert. 

Der  Befund  der  Hypersekretion  war  auch  in  den  meisten 
Fällen  in  dem  nach  Probefrühstück  ausgeheberten  Inhalt  zu  er¬ 
heben:  es  fanden  sich  abnorm  grosse  Mengen  eines  zwei¬ 
schichtigen  Inhalts. 

Hyperazidität  wurde  natürlich  ebenfalls  sehr  häufig  ge¬ 
funden;  wenn  wir  die  Werte  für  freie  HCl  von  50  ab  als 
hyperazid  nehmen:  21  mal. 

So  häufig  nun  das  Symptom  der  kontinuierlichen  Hyper¬ 
sekretion  sich  beim  Ulcus  pylori  findet,  charakteristisch 
für  diese  Ule uslokalisation  wird  es  erst  im 
Verein  mit  dem  folgenden  Symptom,  dem  exakten 
Nachweis  des  vorhandenen  Pylorospasmus. 

Mit  dem  Begriff  des  Pylorospasmus  geht  es  heute  noch 
ähnlich  wie  früher  mit  dem  Begriff  der  Magenatonie:  ver¬ 
schiedene  Autoren  verstehen  ganz  verschiedene  Dinge  da¬ 
runter.  Aber  während  wir  heutzutage  die  peristolische  von 
der  peristaltischen  Atonie  scharf  trennen,  wird  zurzeit  die 
spastische  Konti- aktion  des  Magenpförtners 
selbst  und  die  zeitweilige  tonische  Kontrak¬ 


5)  Ich  halte  mit  Bor  gbjärg,  Elsner  u.  a.  die  Hypersekretion 
für  die  Folge  der  Ulzeration.  Warum  aber  lange  nicht  alle  Ulcera 
Hypersekretion  aufweisen  und  unter  welchen  Bedingungen  ein  sol¬ 
cher  Reizzustand  der  Drüsen  auftritt,  bleibt  vorderhand  noch  un¬ 
erklärt. 


No. 


t i o n  der  Pars  pylorica  nicht  genügend  auseinan 
gehalten.  Daraus  erklären  sich  auch  die  verschiedenen 
gaben  der  Autoren  über  Aetiologie,  Symptomatologie  , 
Häufigkeit  dieses  Zustandes  von  selbst. 

Nur  die  tonische  Kontraktion  der  Pars  pylorica. 
welche  die  Bezeichnung  Pylorospasmus  schlecht  gewählt 
scheint,  macht  einen  unter  günstigen  Bedingungen  zeitwr 
fühlbaren  Tumor  und  nur  auf  diesen  beziehen  sich  die  Mit  j 
hingen  von  chirurgischer  Seite  (Schnitzler,  Jonnes 
M  a  n  a  s  s  e  u.  A.)  Er  ist  sicherlich  ein  seltenes  Leiden. 

Der  Pylorospasmus  dagegen  im  eigentlichen  Sinne 
Wortes,  wie  wir  ihn  hier  meinen,  kann  natürlich  nicht  i 
piert,  sondern  ähnlich  wie  der  Kardiospasmus  nur  an  sei: 
Folgeerscheinungen  erkannt  werden.  Diese  müssen  sich 
erster  Linie  in  Bezug  auf  die  Entleerung  des  Magens  zeiji 
denn  es  ist  klar,  dass  ein  länger  dauernder  Pylorospasmus. 
wobei  sich  also  der  Pylorus  weit  seltener  als  in  der  Ni 
öffnet,  für  die  Motilität  nicht  gleichgültig  sein  kann. 

Die  Vorstellung  eines  Krampfes  des  Magenpförtners 
Kussmaul  in  die  Pathologie  eingeführt.  Sie  ist  ein  u 
wendiges  Postulat  für  diejenigen  Fälle,  wo  bei  klinisch  > 
ausgebildeter  Pylorusstenose  der  Pförtner  anatomisch  nl 
oder  nicht  so  beträchtlich  stenosiert  erscheint,  um  i 
schweren  Zeichen  der  Retention  völlig  zu  erklären.  Und 
wohl  Strümpell  diese  Annahme  als  unerwiesen  bezeichn 
obwohl  ferner  noch  niemand  den  Pyloruskrampf  direkt  \ 
Lebenden  mit  seinen  Sinnen  hat  wahrnehmen  können,  gilt  d: 
den  meisten  Autoren  das  Vorkommen  der  durch  Pförtji 
krampf  verursachten  oder  der  spastischen  Pylori; 
Stenose  für  zweifellos.  Abgesehen  von  der  kongenit; 
Pylorusstenose,  die  hier  ausser  Betracht  bleiben  soll,  sind  L 
die  Vorstellungen  der  Autoren  über  die  Genese  der  spastisch 
Pförtnerverengerung  verschieden.  Eine  Reihe  von  Auto: 
wie  Boas,  Elsner,  Cohnheim  u.a.  glauben,  dass  der i 
„funktionellen  sive  relativen“  Pylorusstenose  führet 
Pförtnerkrampf  rein  reflektorisch  durch  eine  anatu 
sehe  Läsion  der  Schleimhaut  dortselbst  entstehe,  also  du 
Ulcus  und  selbst  durch  Erosionen  und  Fissuren  ohne, 
Elsner  mit  Bezug  auf  die  beiden  letzteren  sagte,  „e. 
anderen  Anhaltspunkt  für  diese  Annahme  zu  besitzen,  alsl 
Analogie  mit  entsprechenden  Krampfzuständen  am  Sphiiu 
ani  oder  der  Kardia“.  Andere  Autoren  hinwiederum, 
z.  B.  v.  Tabora  glauben,  dass  die  spastische  Stenose  du 
Hypersekretion  verursacht  sei.  K  r  e  h  1  (Pathol.  Physiolcn 
hält  beide  Möglichkeiten  für  vorliegend.  Ich  selbst  möt' 
mich  der  ersterwähnten  Auffassung  anschliessen,  nach  welei 
der  Pylorospasmus  direkt  auf  reflektorischem  Wege  durchl 
anatomische  Läsion,  das  Ulcus  pylori,  erzeugt  wird.  Zur  ' 
griindung  dieser  Anschauung  soll  weiter  unten  das  Nötige 1 
sagt  werden. 

Der  Pylorospasmus  muss  nun  keineswegs  immer  i 
Zeichen  der  spastischen  Pylorusstenose  im  Gefolge  ha 
sondern  es  ist  einleuchtend,  dass  er  je  nach  seiner  Inten: 
alle  Grade  der  Motilitätsstörung  von  einfacher  Verzögen 
der  Entleerung  bis  zur  schwersten  Stauungsinsuffizienz  1 
dingen  kann. 

Wie  schliessen  wir  aber  umgekehrt  aus  dem  Nachweis' 
Motilitätsstörung  auf  den  Pylorospasmus  als  Ursache 
selben? 

Geht  die  Störung  in  der  Magenentleerung  so  weit,  u 
bereits  makroskopische  Stagnation  nachweisbar  ist,  dam 
nach  neueren  Anschauungen,  die  besonders  die  Chirurgie  in 
gurieren  half,  die  Annahme  eines  Hindernisses 
Pylorus  sicher.  Es  kann  also  für  diese  Fälle  sich  nur  uml 
Entscheidung  der  Frage  handeln,  ob  dieses  funktionell  c< 
organisch  ist.  Mit  Boas  halte  ich  eine  solche  Entscheidun 
vielen  Fällen  für  recht  schwierig;  sie  ist  aber  doch  auf  1 
nischem  Wege  nicht  so  selten  möglich. 

Beweisend  für  spastische  Stenose  dürfte  hier  das  schwank  < 
Verhalten  in  der  Motilitätsstörung  bei  Untersuchung,  insbesonderd 
Abwechslung  der  makroskopischen  mit  mikroskopischer  Stagna 
oder  mit  blossem  Magensaftabfluss  sein,  gegenüber  den  mehr  stal- 
Verhältnissen  bei  organischer  Pylorusstenose.  Ferner  möchte- 
hier  dem  Sarzinebefund  einige  Bedeutung  zusprechen,  Fehlen  < 
Sarzine  spricht  einigermassen  gegen  narbige  Pylorusstenose,  s 
f  ü  r  Spasmus. 


).  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


919 


Nicht  mehr  möglich  auf  rein  klinischem  Wege  ist  aber  die 
iagnose  des  Pylorospasmus,  sobald  er  nur  Insuffizienz 
Grades  verursacht.  Wir  sind  eben  dann  ausserstande,  die 
iufige  Motilitätsverzögerung  durch  Myasthenie  und  andere 
istände  sicher  auszuschliessen.  Hier  springt  aber  helfend 
o  röntgenologische  Untersuchung  ein,  worauf 
li  als  erster  hingewiesen  habe.  Ich  stellte  1911  den  Satz  auf: 
ne  Motilitätsstörung  (auch  eine  leichtere, 
lsuffizienz  I.  Grades)  charakterisiert  sich 
I s  durch  Pylorospasmus  (weitergefasst :  durch  ein 
indernis  am  Pylorus)  bedingt,  wenn  eine  normale, 
cherer  aber  noch,  wenn  eine  abnorm  1  e  b  - 
af t e  oder  vertiefte  Peristaltik  röntgeno- 
igisch  nachzuweisen  ist. 

Dabei  wurde  von  mir  die  Motilitätsuntersuchung  anfangs 
isschliesslich  klinisch  vorgenommen,  indem  durch  eine 
Stunden  nach  Verabreichung  der  L  e  u  b  e  -  R  i  e  g  e  1  sehen 
obemahlzeit  ausgeführte  Spülung  der  Nachweis  mehr 
eniger  bedeutender  Retenta  erbracht  wurde.  Erst  die  ge- 
öhnlich  tags  darauf  vorgenommene  Röntgenuntersuchung 
ib  Auskunft  über  die  Peristaltik. 

Seit  1912  aber  geschieht  auch  bei  mir  die  Motilitätsprüfung 
ich  dem  Vorgang  Haudeks  nur  mehr  auf  röntgenologi- 
liem  Wege. 

Haudek  hat  das  grosse  Verdienst,  die  röntgenologische 
otilitätsprüfung  praktisch  ausgestaltet  und  als  erster  an 
lern  imponierend  grossen  Material  (7000  Fälle  bis  April  1912) 
stematisch  angewendet  zu  haben.  Zwei  Neuerungen  führte 
r  Wiener  Röntgenologe  ein,  die  sich  als  äusserst  schätzens- 
ert  erwiesen:  1.  die  Frist  von  6  Stunden,  2.  das  Doppel¬ 
uhlzeitverfahren. 

Der  Magen  entledigt  sich  einer  Rieder  sehen  Mahlzeit 
ch  früheren  Untersuchungen  (J  o  1  a  s  s  e,  Kästle  u.  a.) 
rchschnittlich  in  3  Stunden.  Die  Frist  von  6  Stunden,  die 
a  u  d  e  k  nach  Genuss  der  Riedermahlzeit  verstreichen 
tst,  ehe  er  röntgenologisch  nach  Resten  fahndet,  ist  mit 
-cht  so  gewählt,  dass  etwaige  physiologische  Schwan¬ 
ngen  in  der  Entleerungszeit  noch  unter  diese  Grenze  fallen. 

Ein  östündiger  Rest  hat  so  unter  allen  Umständen 
3  Bedeutung  einer  erheblichen  Motilitätsver- 
>  g  e  r  u  n  g,  zumal  wenn  man  —  wie  ich  dies  stets  tue, 
ihrend  Haudek  dies  nicht  ausdrücklich  zu  verlangen 
heint  —  in  der  Zwischenzeit  den  Patienten  absolut 
s  t  e  n  lässt  und  nur  einen  Brei  von  Barium,  Wasser  und 
ondamin  verwendet,  dessen  Aufenthaltsdauer  im  Magen 
her  noch  etwas  kürzer  als  3  Stunden  anzunehmen  ist,  da 
die  Digestionskraft  des  Organs  weniger  beansprucht  als 
»ntrast  milch  brei. 

Das  Doppelmahlzeitverfahren,  das  die  Motilitäts-  und  die 
nstige  Röntgenuntersuchung  des  Magens  auf  einen  Akt 
sannnenzieht,  muss  mit  Recht  als  eine  grosse  Zeitersparnis 
d  Bequemlichkeit  für  den  Arzt  bezeichnet  werden.  Es  ist 
ch  für  klinische  Patienten  die  gegebene  Methode.  Weniger 
erdings  für  die  Ambulanz,  wo  Patient  in  den  meisten  Fällen 
angemeldet  zur  Röntgenuntersuchung  kommen  wird;  we- 
,rer  auch  für  die  Privatpraxis,  da  der  Patient  es  gewöhnlich 
rzieht,  den  Brei  nur  einmal  zu  essen  und  lieber  auf  die 
itersparnis  für  sich  und  den  Arzt  zu  verzichten. 

Die  röntgenologische  Motilitätsprüfung  nach  der  Methode 
a  u  d  e  k  s  vorgenommen,  erlaubt  uns  nun  nach  meiner  Er- 
’i'ung  auch  die  leichteren  Grade  der  Motilitätsstörung 
rch  Pylorospasmus  mit  Sicherheit  zu  erkennen. 

Grössere  6  ständige  Reste  bis  zu  Yz  der  Riedermahlzeit 
rechen  —  darin  möchte  ich  H  a  u  d  e  k  durchaus  ber¬ 
ichten  —  ohne  weiteres  und  mit  Sicherheit  für  ein  Passage- 
ulernis  am  Pylorus  und  zwar  Spasmus  oder  organische 
-nose.  Das  ist  eigentlich  selbstverständlich,  da  in  solchen 
Hen  sich  klinisch  immer  bereits  Stagnation  nachweisen 
■st.  Der  Entscheid  für  Spasmus  hat  hier  auf  klinischem 
ege  nach  den  oben  gegebenen  Regeln  zu  geschehen. 
Kleinere  östündige  Reste  —  klinisch  der 
torischen  Insuffizienz  I.  Grades  ent- 
rechend  —  bedeuten  aber  Pylorospasmus 
st  dann,  wenn  der  Nachweis  einer  minde- 
cns  normalen,  besser  noch  der  einer  be¬ 


sonders  intensiven  Peristaltik  erbracht 
w  i  r  d.  Auf  letzteren  Punkt  lege  ich  das  Hauptgewicht.  Er 
gestattet  auch  sofort  die  Differentialdiagnose  gegenüber  den 
durch  Atonie  entstandenen  Motilitätsverzögerungen.  Denn 
eine  normale  oder  gesteigerte  Peristaltik  erscheint  wenig  ver¬ 
einbar  mit  der  Annahme  einer  primären  Muskelschwäche  des 
Magens  und  vor  allen  Dingen:  sie  muss  auch  den  Effekt 
einer  normalen  Entleerung  haben.  (Schluss  folgt.) 


Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  Würzburg 
(Direktor:  Geh.  Rat  E  n  d  e  r  1  e  r:). 

Bemerkungen  über  Dünndarmstenose*). 

Von  Dr.  Johannes  E.  Schmidt,  Privatdozent. 

Da  die  Erscheinungen  der  Dünndarmstenosen  besonders 
durch  die  Arbeiten  von  Leichtenstern,  N  o  t  n  a  g  e  1, 
Sklodowski  u.  a.  im  allgemeinen  klargestellt  sind,  erübrigt 
es  sich,  auf  das  gesamte  klinische  Bild  dieser  Stenosen  ein¬ 
zugehen,  es  sei  nur  erlaubt,  einige  Punkte,  besonders  über  die 
Aetiologie  und  den  Röntgenbefund  herauszuheben,  über  welch 
letzteren  bisher  nur  vereinzelte  Beobachtungen  vorliegen, 
so  von  Bacher1),  Kienböck2),  Levy-Dorn3), 
Schwarz4)  und  Novak5). 

Zunächst  kurz  die  Krankengeschichte  eines  einschlägigen 
Falles,  den  wir  mit  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Magnus  zu¬ 
sammen  beobachten  konnten. 

Die  Pat.  wurde  zuerst  vor  6  Jahren  klinisch  beobachtet;  sie 
war  damals  12  Jahre  alt,  aus  gesunder  Familie  stammend  war  sie 
selbst  nie  krank  gewesen.  Seit  längerer  Zeit  klagte  sie  über  leichte 
Darmbesch werden,  Uebligkeit,  und  machte  infolgedessen  eine  Band¬ 
wurmkur  durch;  der  Wurm  soll  auch  vollständig  abgegangen  sein, 
die  Beschwerden  wurden  aber  nicht  besser,  sie  klagte  über  kolik¬ 
artige  Schmerzen  und  Kollern  im  I.eib,  Aufstossen,  ab  und  zu  Er¬ 
brechen  schleimiger  Massen,  Auftreibung  des  Leibes.  Unter  Regelung 
der  Diät  und  des  Stuhlgangs  trat  Besserung  ein;  es  wurde  damals 
nur  die  Diagnose  Anaemia  levis*  nervositas,  obstipatio  gemacht. 

Als  die  Pat.  jetzt  wieder  eintrat,  hatte  sie  im  wesentlichen  noch 
oder  wieder  die  gleichen  Beschwerden,  kolikartige  Schmerzen  in 
ganz  unregelmässigen  Intervallen,  gelegentlich  Erbrechen,  das  jedoch 
nie  kotig  war,  Stuhlgang  etwas  angehalten;  der  Appetit  war  dabei 
ganz  gut. 

Status:  Magere,  etwas  blasse  Pat.;  kleine  derbe  Drüsen  unter 
dem  Kieferwinkel,  Thorax  etwas  flach,  Herzbefund  ohne  Besonder¬ 
heiten,  Lungengrenzen  entsprechend,  allenthalben  Vestikuläratmen, 
über  der  rechten  Spitze  leicht  verschärftes  Exspirium.  Der  Leib  ist 
etwas  aufgetrieben,  gibt  im  Liegen  allenthalben  tympanitischen 
Schall.  Beim  Aufsetzen  Dämpfung  in  der  unteren  Bauchregion,  bei 
starker  Beckenhochlagerung  Dämpfung  in  der  oberen  Bauchregion, 
bei  Palpation  starke  Plätschergeräusche  mit  metallischem  Klang,  die 
anscheinend  nur  in  der  Magengegend  nicht  direkt  auslösbar  sind. 
Milz  und  Leber  nicht  palpabel.  Die  Magenspülung  ergibt  keine  alten 
Restbestände,  die  Magenfüllung  mit  Wasser  ergibt  normale  Quan¬ 
titäten.  Die  Tuberkulosereaktion  war  vor  6  Jahren  negativ,  jetzt 
deutlich  positiv! 

Die  Beobachtung  des  Abdomens  ergibt  zeitweilige  leichtere, 
durch  peristaltische  Wellen  bedingte  Oberflächenverschiebungen, 
dann  aber  auch  von  Zeit  zu  Zeit  in  ganz  unregelmässigen  Abständen 
und  durch  äussere  Reize  nicht  recht  auslösbar,  plötzlich  einsetzende, 
starke,  quer  verlaufende  breite  Streifungen,  die  anscheinend  von  links 
nach  rechts  verlaufen,  unterhalb  des  Nabels  gelegen  sind,  deren  Be¬ 
ginn  die  Pat.  selbst  angibt.  Sie  empfindet  dabei  einen  starken  kolik- 
artigen  Schmerz,  der  nach  einigen  Sekunden  unter  Verschwinden  der 
Steifung  und  starkem  kollernden  Geräusch  aufhört. 

Es  war  somit  die  Diagnose  einer  Stenose  des  Magendarmtraktus 
gegeben,  aber  die  Erscheinungen  der  gesteigerten  Peristaltik  können 
ja  sowohl  am  Magen,  wie  am  Dünn-  und  Dickdarm  beobachtet 
werden.  Am  Magen  pflegt  allerdings  das  intensive  Kodern  zu  fehlen. 
Gegen  eine  Stenose  des  Magens  oder  des  Duodenums  sprach  das 
seltene  Erbrechen,  das  seiner  ganzen  Art  nach  am  ehesten  als  ein 
reflektorisch  ausgelöstes  zu  betrachten  war,  nicht  aber  als  das  direkte 
Erbrechen  des  gestauten  Inhaltes.  Gegen  eine  Stenose  im  Dickdarm 
sprach  der  immerhin  relativ  regelmässige  und  an  sich  unveränderte 
Stuhl.  Weiterhin  geklärt  wurden  die  Verhältnisse  erst  durch  die 
Röntgenuntersuchungen. 


*)  Nach  einem  in  der  Physikalisch-medizinischen  Gesellschaft 
zu  Würzburg  gehaltenen  Vortrage. 

’)  Wiener  klin.  Wochenschr.  1909,  No.  29. 

■j  Berliner  Röntgenkongress  1911. 

3)  Ibidem. 

')  Wiener  klin.  Wochenschr.  1911,  No.  40. 

5)  Ibidem  1911,  No.  52. 


92  0 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Sie  zeigte  einmal,  dass  der  Magen  sich  in  normaler  Weise  und 
Form  entfaltete,  dass  auch  die  Entleerung  sehr  schnell  einsetzte, 
wie  die  erste  Aufnahme  etwa  eine  halbe  Stunde  nach  Beginn  der 
Fütterung  zeigt.  Man  sieht  hier  (Fig.  1)  an  einigen  der  obersten 
Dünndarmschlingen,  die  allerdings  in  ihrer  Breite  vielleicht  schon 
etwas  über  die  Norm  hinausgehen,  sehr  schön  die  für  den  Dünndarm 
typischen  Fiederungen,  die  durch  die  K  e  r  k  r  i  n  g  sehen  Falten  be¬ 
dingt  werden.  Daneben  zeigt  sich  nun  ein  ganz  eigentümliches 
Moment,  ein  quer  verlaufender  Flüssigkeitsspiegel,  der  beim  Bewegen 
deutliche  Wellen  schlügt  und  der  von  einer  grossen  Qasblase  über¬ 
lagert  wird. 


Die  zweite  Aufnahme  nach  6  Stunden  (Fig.  2), zeigt,  dass  der 
Magen  sich  bis  auf  einen  kleinen  Rest  entleert  hat,  neben  breiten 
unregelmässigen,  nur  zum  Teil  grobe  Fiederung  zeigenden  Schatten¬ 
ballen  findet  sich  eine  ausserordentlich  ausgedehnte  Dünndarm¬ 
schlinge,  stark  mit  Wismut  gefüllt,  jedoch  ohne  die  deutliche 
Fiederung.  Im  Zoekum  sind  eben  einige  Schattenmassen,  durch  die 
haustrenartige  Einschnürungen  kenntlich,  zu  bemerken.  An  zwei 
verschiedenen  Stellen  links  oben  und  rechts  neben  der  Becken¬ 
schaufel  sind  kleinere  Flüssigkeitsspiegel  mit  darüberstehenden  Gas¬ 
blasen  zu  bemerken. 

Die  dritte  Aufnahme  nach  24  Stunden  ergibt  links  oben  eine 
grosse  luftgefüllte  Höhle,  zeigt  in  der  linken  Beckenschaufel  und  in 
einer  tief  im  kleinen  Becken  liegenden  stark  erweiterten  Dünndarm¬ 
schlinge  sedimentiert  den  scliattengebenden  Brei;  ausserdem  ist  das 
Zoekum  stark  gefüllt,  sowie  Schatten  im  Colon  ascendens  und  Trans- 
versum.  Ein  Fliissigkeitsspiegel  ist  auf  dieser  Platte  nur  undeutlich 
zu  erkennen. 

Die  Durchleuchtung  vor  dem  Schirm  nach  Aufblähen  des  Dick¬ 
darms  ergab  wiederum  einen  jetzt  in  der  Mitte  stehenden  und  das 
luftgefüllte  Zoekum  deutlich  überschneidenden  grossen  Fltissigkeits- 
spiegel,  grössere  Schattenmengen  nur  noch  in  der  Flexur  und  im 
Rektum.  Somit  musste  die  Diagnose  auf  eine  hochgradige  Stenose 
des  mittleren  oder  unteren  Dünndarms  gestellt  werden.  Die  Operation 
(Prof.  En  der  len)  ergab  eine  hochgradig  erweiterte,  dabei  derb 
und  etwas  schlaff  sich  anfühlende  Schlinge  des  mittleren  Dünndarms 
von  fast  1  m  Länge,  an  deren  Ende  eine  unbedeutendere  Ein¬ 
schnürung  und  etwa  10  cm  weiterhin  eine  hochgradige,  sehr  derbe, 
äusserlich  etwas  entzündet  erscheinende  Stenose  sich  fand.  Es  wurde 
der  Darm  oberhalb  der  stärkeren  Erweiterungen,  sowie  unterhalb 
der  Stenose  vermittels  der  Darmquetsche  durchtrennt,  abgebunden 
und  durch  doppelte  Tabaksbeutelnaht  eingestülpt.  Der  dazwischen 
liegende  Teil  von  etwa  1  m  Länge  an  der  Radix  mesenterii  abgetrennt 
und  entfernt.  Alsdann  wurde  eine  Seit-zu-Seit-Anastomose  zwischen 
zu-  und  abführendem  Stück  angelegt.  Am  16.  Tage  nach  der 
Operation  konnte  die  Pat.  völlig  geheilt  und  beschwerdefrei  ent¬ 
lassen  werden. 

Fassen  wir  zusammen  was  aus  den  wenigen  vorliegenden 
Fällen  von  Röntgenuntersuchung  bei  Dünndarmstenose  zu  er¬ 
sehen  ist,  so  können  wir  3  Phasen  unterscheiden,  die  wohl 
durch  die  Stärke  der  Stenose  bedingt  sind:  Bei  schwächerer 
Stenose  Verbreiterung  der  normalerweise  etwa  nur  finger¬ 
dicken  Schattenstreifen  des  Dünndarms,  dazu  Verzögerung  der 
Entleerung  und  gelegentlich  die  Beobachtung  lebhafter  Form¬ 
veränderungen  der  Schatten,  jedoch  ohne  definitiven  Beför¬ 
derungseffekt.  Bei  stärkerer  Stenose  Auftreten  von  Gas¬ 
blasen  über  den  stagnierenden  Massen,  sie  kommen  normaler¬ 
weise  nicht  im  Dünndarm  vor.  Bei  den  hochgradigen  Fällen 
endlich  finden  sich  auch  ohne  schattengebende  Mahlzeiten 
Flüssigkeitsspiegel  mit  grossen  Gasblasen  darüber,  wovon 
unser  Fall  eine  ausgezeichnete  Vorstellung  gibt. 

Flüssigkeitsansammlungen  und  Luftblasen  können  ge¬ 
legentlich  auch  im  Dickdarm  Vorkommen,  aber  der  Flüssig¬ 
keitsspiegel  zeigt  meistens  nicht  so  leichte  und  ausgiebige 
Wellenbewegungen  wie  im  Dünndarm.  Andererseits  kann 


No.  1 


auch  eine  Stenose  des  Dickdarms  auf  die  untere  Dünndarn 
Partie  zurückwirken,  wie  wir  bei  einem  Tumor  des  Ouerkoloi 
ausgedehnte  Stase  des  schattengebenden  Breies  noch  na, 
17  Stunden  im  Ileum  boebachten  konnten,  bei  gleichzeitig, 
hochgradiger  Verbreiterung  des  Schattens  der  gestauL 
Massen.  Besonders  betont  sei  auch  nochmals,  dass  die  soti 
für  den  Dünndarm  typische  Fiederung  bei  starker  Dilatatic 
wie  in  unserem  Falle  fehlen  kann,  weil  die  Kerkr ingschi 
Falten  ganz  verstrichen  sind.  Das  darf  also  nicht  zu  dem  Ir 
tum  verleiten,  dass  man  Dickdarm  vor  sich  habe.  Die  Beol 
achtung  des  sukzessiven  Einrückens  und  Vorrückens  des  Wi 
mutbreies  im  Dickdarm  oder  auch  die  Aufblähung  des  g., 
samten  Dickdarms,  wie  dies  in  unserem  Falle  geschah,  las 
die  Trennung  zwischen  Dick-  und  Dünndarm  sehr  wo: 
durchführen. 

Was  den  Inhalt  der  dilatierten  Schlinge  anbetrifft,  1 
fanden  sich  bei  der  Operation,  obgleich  die  Patientin  seit  del 
Abend  vorher  nichts  mehr  bekommen  hatte,  fast  4  Liter  Inhä 
in  derselben,  was  die  recht  beträchtliche  Stauung  gut  illj 
striert.  Sklodowski“)  wundert  sich  darüber,  dass  b 
solchen  Fällen  von  chronischer  Stauung  keine  Autointox 
kationen  beobachtet  werden.  Es  kann  hier  auf  die  Frag 
nicht  näher  eingegangen  werden,  sondern  sei  nur  bemerk 
dass  es  dazu  wohl  kaum  kommt,  solange  die  Leber  mit  ihre: 
Gefässsystem  vollständig  funktioniert.  Dass  aber  der  gestau 
Darminhalt  keineswegs  immer  besonders  giftig  zu  sei 
braucht,  geht  wohl  aus  folgenden  Befunden  hervor,  die  He 
Dr.  M  a  g  n  u  s  durch  Untersuchung  des  Inhaltes  erhebe 
konnte. 

In  100  ccm  Darminhalt  war  0,3332  g  N,  0,02079  g  Formoltiti 
d.  h.  Aminosäure  =  N.  Indikan  mässig  stark  positiv.  Auf  Agü 
platten  keine  Delle.  In  Seidenpepton  erst  nach  3  Tagen  ein  Niedq 
schlag  von  Tyrosin,  also  kein  stark  wirksames  tryptisches  Ferme} 
Injizierte  man  einem  Kaninchen  von  ca.  1200  g  bis  8  ccm  intraveni 
so  ergab  sich  keinerlei  akut  toxische  Wirksamkeit,  weniger  rto! 
als  bei  normalem  Darminhalt.  Im  Blutdruckversuch  trat  keine  plöf 
liehe  Senkung  auf  (wie  sonst  stets  bei  Darminhalt  aus  allen  Teilet 
sondern  ein.  ganz  allmähliches  Heruntergehen. 

Wir  waren  bei  der  Durchleuchtung  in  der  Lage,  noch  eit 
Beobachtung  zu  machen,  die  wohl  geeignet  ist,  die  Anschauin 
S  k  1  o  d  o  w  s  k  i  s  zu  bestätigen,  dass  bei  starker  Stenose  d 
gegen  Ende  der  starken  Kontraktionswelle  bezw.  Steifiu; 
auftretende  Kollern  nicht  davon  herrührt,  dass  der  Inhalt  n 
durch  die  Stenose  durchgetrieben  ist,  sondern,  dass  er  dah 
wenigstens  zum  grössten  Teile  rückwärts  entweicht,  soba 
der  Druck  von  hinten  her  nachlässt.  Wir  sahen  nämlich  dt 
grossen  Flüssigkeitsspiegel,  während  die  Patentin  angab  „jet: 
kommts“,  plötzlich  in  starke  Schwankungen  geraten,  eini: 
Momente  verwischt  bleiben,  dann  trat  das  Kollern  auf  u» 
der  Flüssigkeitsspiegel  stellte  sich  so  gut  wie  unverände: 
wieder  her  ohne  tiefer  gerückt  zu  sein. 

Während  also  die  Diagnose  der  chronischen  Düundarr 
Stenose  speziell  unter  Zuhilfenahme  auch  der  Röntgentechn 
so  gut  wie  sicher  zu  stellen  ist,  verhält  es  sich  mit  der  Aeti- 
logie  der  Stenosen  oft  nicht  ganz  so  einfach. 

Wir  unterscheiden  die  angeborenen  und  erworben  i 
Stenosen. 

Was  die  ersteren  anbelangt,  so  stehen  sich  neben  viel: 
für  einzelne  Fälle  ersonnenen  Erklärungsursachen  und  nebj 
der  gewiss  für  eine  Reihe  von  Fällen  verantwortlich 
machenden  fötalen  Peritonitis  2  Hypothesen  gegenüber,  c 
zu  generalisieren  versuchen.  Zunächst  die  auf  Befund 
'I'  a  n  d  1  e  r  s  aufgebaute  Anschauung  K  r  e  u  t  e  r  s *  7),  dass  - 
in  Friihentwicklungsstadien  des  Darmkanals  zu  vorübergehe 
den  epithelialen,  mehr  oder  minder  vollkommenen  Verlegung) 
des  Lumens  kommt  und  dass  es  bei  ungenügender  Rückbildu 
dieses  Vorganges  zum  dauernden  Verschluss  bezw.  z 
Stenose  des  Darmlumens  kommen  kann. 

Tandler  hatte  diesen  Prozess  speziell  am  Duodem 
beobachtet  und  die  Hypothese  der  daraus  entspringend. 
Hemmungsmissbildung  für  das  Duodenum  aufgestellt,  wahre) 
K  r  e  u  t  e  r  sie  für  den  gesamten  Darm  zu  generalisier 
suchte. 


®)  Mitteil.  a.  d.  Qrenzgeb..  Bd.  V,  1900. 

7)  Deutsche  Zeitschr.  1.  Chirurgie,  Bd.  75,  1905. 


Fig.  2. 


'•April  19  b.  _ MUENCHENER  ME&12INlSCriE_WüCHENSCHRlFT. 


Demgegenüber  betonte  Forssner8),  dass  die  Miss¬ 
lang  dadurch  zustande  käme,  dass  die  Vorstadien  der 
ittenbildung  bisweilen  in  einer  Entwicklungsphase  auftreten, 
der  das  Lumen  durch  Epithel  obliteriert  ist  und  dass  das 
esenchym  dabei  quer  durch  das  Epithel  hindurchwachse, 
e  vorübergehende  Verlegung  des  Darmlumens  im  Laufe  der 
itwicklung  ist  nach  ihm  nicht  als  konstant  anzusehen,  son- 
rn  nur  die  intensive  Epithelproliferation,  die  völlige  Ver¬ 
messung,  also  eine  gelegentliche  Variante  dieser  Erschei- 
ng.  Seine  Auffassung  und  seine  Ausführungen  haben  etwas 
tir  einleuchtendes.  Es  kann  hier  auf  die  Hypothese  nicht 
ater  eingegangen  werden,  gewiss  aber  sind  Faktoren  beider 
pothesen  zusammen  für  die  Erscheinung  der  Atresie  und 
cnose  verantwortlich  zu  machen,  denn  ohne  die  Epithel- 
icherung  hat  das  Mesenchym  gewiss  nicht  die  Möglichkeit, 
der  von  F  o  r  ssner  angegebenen  Weise  zu  wuchern. 

Demgegenüber  stehen  die  erworbenen  inneren  Stenosen 
dingt  durch  Traumen,  Einklemmungen  und  ulzerative  Pro- 
sse,  unter  ihnen  obenan  die  Tuberkulose.  Die  durch 
senterie  und  Typhus  bedingten  Stenosen  gehören  zu  den 
issen  Seltenheiten;  Lues  scheint  im  Dünndarm  überhaupt 
;ht  zu  einer  zirkulären  Striktur  zu  führen.  Im  Verhältnis  zur 
•samtmenge  der  Darmtuberkulosen  sind  Strukturen  auch 
ativ  selten.  Eisenhardt  fand  unter  1000  Sektionen 
1  mal  Darmtuberkulose  bei  gleichzeitiger  Lungentuberkulose, 
:h  nur  9  mal  unter  35  Fällen  von  vollkommener  oder  un- 
ilkonnnener  Vernarbung  bestand  eine  Stenose,  wobei  zu¬ 
ist  die  Zoekalgegend  befallen  war. 

Während  wir  über  alle  diese  Dinge  hinreichend  unter- 
htet  sind,  mangelt  es  an  Kenntnissen  über  das,  was  aus 
jeborenen  Stenosen  späterhin  wird,  hauptsächlich  wohl  des- 
b,  weil  die  allermeisten  bald  nach  der  Geburt  zugrunde 
len.  Und  doch  ist  zum  mindesten  theoretisch  anzunehmen, 
ss  auch  Fälle,  bei  denen  die  Stenose  nicht  zu  hochgradig  ist, 
iterleben.  Der  flüssige  Dünndarminhalt  wird  dabei  lange 
t,  ohne  besondere  Erscheinungen  zu  machen,  passieren 
inen,  bis  ein  akzidentelles  Moment  (Fremdkörper,  Entzün¬ 
den)  die  Stenose  hochgradiger  macht  und  dann  stärkere 
scheinungen,  wenn  nicht  Ileus  auftreten.  Unser  Fall  ist  viel- 
:ht  hierher  zu  rechnen. 

Makroskopisch  zeigt  das  resezierte  Stück  (Fig.  3)  bei  einer  Länge 
i  116  cm  einen  grössten  Umfang  von  28  cm,  oberhalb  der  Stenose 
;essen.  Es  bestehen  zwei  Stenosen,  eine  obere  nur  als  Ein¬ 


Fig.  3. 

iurung  an  dem  sonst  stark  diktierten  Darm  deutlich  markiert, 
jedoch  kein  Passagehindernis  bildet.  Dicht  oberhalb  derselben 
en  sich  zwei  quer  und  frei  durch  das  Lumen  ziehende,  mit  Schleim¬ 
bedeckte  Gewebsbalken.  Die  etwa  10  cm  tiefer  gelegene  zweite 
tose  bildet  das  eigentliche  Darmhindernis,  sie  zeigt  bei  äusserst 
Wandung  kaum  noch  ein  spaltförmiges  gewundenes  Lumen 
scheu  den  polypös  erscheinenden  Schleimhautmassen.  Daneben 
etjsichjm  Mesenterialansatz  eine  derbe,  anscheinend  stark  ver- 

J  Archiv  f.  klin.  Chirurgie,  Bd.  1007  1912. 

No.  17. 


änderte  Lymphdriise.  Mikroskopisch  zeigt  der  Darm  oberhalb  der 
eisten  -tenose  an  den  am  stärksten  diktierten  Stellen  eine  Schleim- 
raut,  deren  Zotten  weit  voneinander  stehen,  die  Drüsen  sind  kurz 
und  spärlich,  das  Epithel  gegen  die  Stenose  zu  reichlich  von 
Leukozyten  durchwandert,  eine  stärkere  Verbecherung  des  Epi¬ 
thels  ist  nicht  zu  bemerken.  Die  gesamte  Muskulatur  ist 
stark  verdickt,  die  elastischen  Fasern,  besonders  aber  irr  der 
Muscukns  mucosae  vermehrt.  Gleichwohl  ist  die  Muskulatur 
nicht  so  stark  verdickt  trotz  der  bereits  jahrelang  bestehenden 
Stenose,  wie  beispielsweise  diejenige  des  Dickdarms  bei  einem  Falle 
von -Hirsch  sprungscher  Krankheit  eines  5  jährigen  Knaben,  den 
wir  beobachten  konnten.  Etwa  50  cm  oberhalb  der  Stenose  ist  die 
Schleimhaut  wieder  durchaus  normal  gestaltet,  die  Muskulatur  aber 
noch  wesentlich  verdickt. 

Während  direkt  unterhalb  der  Stenose  durchaus  normale  Ver¬ 
hältnisse  bestehen,  finden  sich  an  dieser  selbst  polypöse  Wucherungen, 
die  grossenteils  von  Epithel  bedeckt  sind,  das  stellenweise  in  seinen 
Drusen  stark  verzogen  und  verschoben  erscheint,  auch  reichlich  von 
Leukozyten  durchwandert  wird,  aber  in  Summa  relativ  wohl  erhalten 
ist.  Nur  wenige  ganz  kurze  Strecken  zeigen  sich  an  der  Oberfläche 
von  Epithel  entblösst,  es  tritt  hier  direkt  Granuktionsgewebe  zum 
Lu  l)1.'1,  setir  ,reichlicher  Kapillarbildung  zutage.  Auch  da,  wo  das 
Obermichenepithel  erhalten  ist,  wird  die  Submukosa  zum  Teil  von 
granulationsartigem  Gewebe  gebildet,  an  anderen  Stellen  dagegen 
zeigt  es  nur  einen  starken  Zellreichtum,  wie  er  bei  chronisch  ent¬ 
zündlichen  Vorgängen  am  Darm  mehr  oder  minder  immer  zu  beob¬ 
achten  ist,  neben  Leukozyten,  Eosinophilenzellen,  sehr  reichlich 
Plasmazellen,  Mastzellen  usw.  Die  Muskulatur  ist  gleichfalls  stark 
durchsetzt  von  derartigen  Zellen,  ist  zum  Teil  in  grösseren  Bündeln 
gespalten,  allenthalben  hypertrophisch.  Die  Serosa  ist  im  allgemeinen 
aufgelockert  und  mässig  stark  gequollen.  Als  Besonderheiten  finden 
sich  nun  teils  submukös,  teils  subserös  typische  Tuberkel  eingelagert 
mit  zentraler  Nekrose  und  Riesenzellen,  gerade  auch  an  den  Steilen 
an  denen  die  Schleimhaut  relativ  wohl  erhalten  ist.  Die  vorher  ge¬ 
nannte,  dem  Darm  anliegende  Lymphdriise  zeigt  ebenfalls  typische 
1  uberkeln,  nicht  dagegen  eine  der  an  der  Mesenterialwurzel  ge¬ 
legenen,  massig  geschwollenen  rötlichen,  weichen  Drüsen  deren  eine 
mitexstirpiert  wurde. 

Es  handelt  sich  also  um  eine  Tuberkulose.  Aber  wir 
finden  erstens  eine  relativ  frische  floride  Tuberkulose  ohne 
allzuweit  gehende  allgemeine  Zerstörung.  Die  weiteren 
Mesenterialdrüsen  dabei  anscheinend  frei  von  Tuberkulose. 
Nun  bestanden  aber  bereits  vor  6  Jahren  die  Darmbe¬ 
schwerden  fast  in  der  gleichen  Weise  wie  jetzt.  Die  Tuber¬ 
kulinreaktion  war  damals  bemerkenswerterweise  negativ, 
jetzt  deutlich  positiv  und  endlich  finden  wir  noch  im  Bereich 


Muskelbündel 


1  I 

V 

Brunnersche  Drüsen 


Fig.  4. 

der  oberen  Stenose  die  zwei  merkwürdigen  Gewebsbalken 
durch  das  Darmlumen  ziehen  an  einer  Stelle,  die  gar  keine 
Entzündungserscheinungen  oder  Narben  aufweist.  Diese 
(cf.  Fig.  4)  sind  mit  normalem  Dünndarmepithel  und  durch¬ 
aus  differenzierten  Drüsen  versehen,  fm  Innern  zeigen  sic 

3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


922 


Submukosa  und  etwas  Muskulatur,  besonders  auffallend  ist 
der  Befund  eines  Haufens  typischer  Brunner  scher  Drüsen 
in  einer  Reihe  von  Schnitten  aus  einem  dieser  Balken.  Auch 
in  der  Darmwand,  nahe  den  Fusspunkten  der  Balken  finden 
sich  einzelne  derartige  Drüsen.  Ja  es  finden  sich  auch  solche 
an  der  zweiten  Stenose  eingelagert.  Wir  haben  Brunner- 
sche  Drüsen  unter  einem  grossen  Dünndarmmaterial  nur  noch 
einmal  an  ungehörigen  Stellen  gefunden  und  das  war  wieder¬ 
um  an  einer  Stenose  des  Jejunum,  die  wir  auf  dem  patholo¬ 
gischen  Institut  des  Krankenhauses  Friedrichstadt  zu  Dresden 
zu  untersuchen  Gelegenheit  hatten. 

Es  handelt  sich  um  einen  51  jährigen  Pat.,  der  sonst  im  all¬ 
gemeinen  gesund  war  und  5  gesunde  Kinder  hat,  die  Frau  starb  an 
der  Schwindsucht.  Etwa  4  Wochen  vor  dem  Eintritt  war  bei  dem 
Patienten  häufiges  Erbrechen  aufgetreten,  meist  bitter  und  gelb  ge¬ 
färbt;  vielfaches  Aufstossen,  zunehmendes  Erbrechen,  dabei  sehr 
starker  Appetit.  Er  wird  mit  der  Diagnose  Dünndarmstenose  ope¬ 
riert.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  resezierten  Stückes  er¬ 
gab  folgendes:  Die  Schleimhaut  der  stenosierten  Partie,  die  ca.  5  cm 
lang  ist,  zeigt  lang  ausgezogene,  etwas  polypöse,  mit  Schleimhaut 
bedeckte,  stark  infiltrierte  Zotten,  stellenweise  liegt  auch  epithel¬ 
beraubtes  Granulationsgewebe  direkt  an  der  Oberfläche.  Die  stark 
verdickten  Schichten  der  Submukosa,  Muskularis  und  Serosa  zeigen 
allenthalben  die  Erscheinungen  einer  chronischen  Entzündung,  Zell¬ 
infiltrate  zwischen  den  aufgesplitterten  Zügen  der  spezifischen  Ge¬ 
webe.  Weder  Tuberkulose  noch  Lues  war  irgendwie  nachweisbar. 

Was  den  Fall  aber  hervorhebt,  ist  der  Befund  zahlreicher 
B  r  u  n  n  e  r  scher  Drüsen,  in  die  die  Darmdrüsen  basal  über¬ 
gehen.  Sie  sind  bedeutend  zahlreicher  und  konstanter  als  in 
dem  vorher  geschilderten  Falle.  Als  typisch  sind  sie  kennt¬ 
lich  durch  ihr  feinwabiges,  helles  Protoplasma,  ihre  rand¬ 
ständig  gelegenen  Kerne,  sowie  dadurch,  dass  sie  keine  Muci- 
karminreaktion  geben. 

Wir  wissen,  dass  speziell  das  Magenepithel  unter  ab¬ 
normen  Lebensbedingungen  Neigung  zu  Metaplasie  besitzt. 
Es  bilden  sich  dann  typische  Darmdrüsen.  Auch  kommen  im 
Dickdarm  gelegentlich  an  besonderen  Stellen  nicht  orts- 
angehörige  Epithelien,  nämlich  Panethsche  Zellen  vor. 
Aber  der  Befund  von  Brunner  sehen  Drüsen  wurde  unseres 
Wissens  bisher  nicht  erhoben  und  an  einem  grossen  Diinn- 
darmmaterial  von  uns  sonst  auch  nicht  beobachtet.  Es  ist 
nicht  anzunehmen,  dass  die  für  das  Erscheinen  der  vorher 
genannten  Epithelien  zutreffenden  Anschauungen  auch  für 
diese  Bildungen  gelten.  Vielmehr  scheint  uns  ein  kongenitales 
abnormes  Verhalten  annehmbar,  wofür  im  ersten  Falle  auch 
die  frei  durch  das  Lumen  ziehenden  Gewebsbalken  sprechen. 
Es  sind  die  Befunde  vielleicht  so  zu  erklären,  dass  ähnlich  wie 
versprengte  Pankreasanlagen,  worauf  uns  Professor  H  e  1 1  y 
aufmerksam  machte,  hier  die  Anlagen  Brunner  scher 
Drüsen  vom  Duodenum  bei  der  Weiterentwicklung  des 
Darmes  mit  den  Stenosenanlagen  heruntergewandert  sind; 
werden  doch  gerade  die  für  die  kongenitalen  Stenosen  in  Be¬ 
tracht  kommenden  Kausalmomente  besonders  am  Duodenum 
beobachtet. 

Wenn  also  in  den  beiden  geschilderten  Fällen  auch  sekun¬ 
därere  Momente,  in  dem  einen  unspezifische  chronische  und 
frische  Entzündung,  in  dem  anderen  neben  chronischer  Ent¬ 
zündung  die  Tuberkulose  als  auslösend  für  die  klinischen  Er¬ 
scheinungen  der  Stenose  zu  betrachten  sind,  so  glauben  wir 
doch  daneben  noch  eine  kongenitale  Anlage  für  die  Ver¬ 
engerung  annehmen  zu  sollen. 


Aus  dem  Frauenspital  Baselstadt  (Direktor:  Prof.  Dr.  v.  Herff). 

Ein  Fall  von  tödlicher  Peritonitis  nach  Laminariadilatation. 

Von  Dr.  Paul  H  ü  s  s  y,  Oberassistenzarzt. 

Bei  der  Beliebtheit,  die  sich  vielerorts  noch  die  Laminaria¬ 
dilatation  erfreut,  ist  es  gewiss  nicht  ohne  Interesse,  den 
folgenden  Fall  kurz  mitzuteilen. 

Es  handelt  sich  um  eine  45  jährige  Frau.  Menses  in  der  letzten 
Zeit  unregelmässig.  Zwischenhinein  mehr  weniger  starke  Blutungen. 
Der  vom  Hausarzt  zugezogene  Spezialarzt  stellte  die  Diagnose  auf 
Uterus  myomatosus  +  Abortus  imminens.  Sekalepräparate  erfolglos. 
Deshalb  Versuch  der  Tamponade.  Auch  dies  ohne  die  gewünschte 
Wirkung.  Nun  legte  der  Hausarzt  einen  Laminariastift  ein.  Bald 
darauf  heftiger  Schüttelfrost  mit  folgenden  sehr  hohen  Temperaturen. 
Spitaleintritt.  Status:  Blasse  Frau  mit  ängstlichem  Gesichtsausdruck, 
Facies  hippocratica  angedeutet.  Brüste  ohne  Kolostrum.  Abdomen 


druckempfindlich,  besonders  in  den  unteren  Partien  gespannt.  Va 
ohne  livide  Verfärbung.  Kollum  lang,  geschlossen.  Uterus 
grössert,  namentlich  nach  links  hart  und  höckrig  anzufühlen. 

Klinische  Diagnose:  Myoma  uteri  -p  beginnende  Peritoniti: 

Man  entschliesst  sich  zur  sofortigen  Operation,  zumal  der 
dacht  auf  eine  Perforation,  die  ja  auch  durch  einen  Quellstift  i 
stehen  kann,  vorhanden  war.  Suprasymphysärer  Faszienquersc 
nach  Pfannen  stiel.  Nach  Eröffnung  des  Peritoneums  c 
etwas  dünner,  gelblicher  Eiter  vor;  die  nächstliegenden  Darmschlii 
sind  gebläht,  teilweise  verklebt  und  mit  Fibrin  belegt.  Es  ist  : 
wie  vermutet,  bereits  eine  Peritonitis  vorhanden.  Zurückschi  i 
der  Därme  mit  sterilen  Kompressen  und  Freilegen  des  Uterus  i 
der  Adnexe.  Die  Tubenenden  sind  stark  gerötet,  das  rechte  mit 
Umgebung  verklebt,  Appendix  frei.  Totalexstirpation  des  Ut 
und  der  Adnexe.  Drainage  nach  der  Bauchwunde  und  nach 
Scheide.  Wasserstoffsuperoxyd  in  die  Bauchhöhle.  Am  näcl 
Tage  Zunahme  der  Temperatur,  Steigerung  der  Pulsfrequenz, 
sehr  gespannt  und  aufgetrieben.  Dyspnoe.  Pituglandol.  Dis 
(Kombination  von  Digalen  und  Strophanthin),  Peristaltin.  Trota 
kein  Abgang  von  Winden  und  zunehmender  Verfall.  Am  2. 
post  operat.  Exitus.  Bakteriologisch  zeigte  sich  folgendes: 
Uterus  und  Tuben  wurde  nach  der  Operation  steril  Sekret  entnom 
In  beiden  Kulturen  wuchsen  stark  hämolysierende,  langke 
Streptokokken  mit  grossem  hämolytischem  Hofe. 

Zweifellos  handelt  es  sich  hier  um  eine  aufsteigendq 
fektion  von  der  Zervix  aus.  Die  Ursache  kann  in  ni 
anderm  als  in  der  Laminariadilatation  liegen;  auch  wird 
Scheidentamponade  begünstigend  gewirkt  haben.  In  sä 
Monographie  über  die  eitrigen  Entzündungen  des  Eile 
gibt  S  c  h  r  i  d  d  e  an,  dass  er  die  geringfügigsten  entzündlh 
Veränderungen  in  den  Tuben  als  Folge  der  Einlegung 
Laminariastiften  gesehen  habe.  Denselben  Befund  ko 
auch  Amersbach  unabhängig  von  ihm  erheben.  Schri' 
hatte  Gelegenheit,  7  einschlägige  Fälle  zu  beobachten.  In  ; 
war  nach  Einleitung  des  künstlichen  Abortes  in  der  Fra 
klinik  zur  Verhinderung  weiterer  Schwangerschaften  die: 
stirpation  der  Tuben  vorgenommen  worden.  Die  entz; 
liehen  Erscheinungen  sind  nach  Ansicht  Schriddes 
wenig  virulente  Eitererreger  zurückzuführen,  die  von 
Uterushöhle  in  die  Eileiter  gekommen  sind.  Durch  den: 
nischen  Eingriff  wird  eine  Entzündung  im  Uterus  gesetzt: 
entweder  direkt  oder  auf  dem  Lymphwege  auf  die  T  i 
übergeht.  In  letzter  Zeit  hat  auch  A  s  c  h  o  f  f  zu  dieser  Fi 
Stellung  genommen.  Er  untersuchte  eine  grosse  Ar: 
Tuben,  die  als  angeblich  normal  bei  der  Tubensterilisatior. 
wonnen  worden  waren.  In  vielen  Fällen  konnte  die  mi 
skopische  Untersuchung  einen  floriden  eitrigen  Katarrh 
Eileiter  nachweisen.  In  allen  Fällen  hatte  Schwangerst 
bestanden  und  der  künstliche  Abort  war  durch  Einlegen 
Laminariastiften  herbeigerufen  worden.  Durchschnn 
24  Stunden  nach  Einlegen  dieser  Stifte  hatte  die  Tubenst 
sation  stattgefunden.  Der  eitrige  Katarrh  musste  als 
letzter  Linie  auf  die  Einlegung  der  Laminariastifte  bez: 
werden  und  hatte  sich  in  relativ  kurzer  Zeit,  24  Stundei 
dieser  Höhe  entwickelt.  Im  ganzen  verfügt  Aschoff 
38  einschlägige  Untersuchungen.  In  21  Fällen  fanden  sich 
Zeichen  des  eitrigen  Katarrhs  oder  der  eitrigen  Wandlymp 
gitis,  also  in  55  Proz.  Amersbach  berichtete  über 
interessanten  Befunde  auf  dem  oberrheinischen  Gynäkolu 
tag  in  Baden-Baden  1910.  In  der  richtigen  Erkenntnis  d 
Tatsachen  hat  sich  Prof.  v.  Herff  stets  vor  der  Lamin 
dilatation  gehütet.  Ein  einziges  Mal  während  seiner  12 
hiesigen  Tätigkeit  hat  er  diesen  Eingriff  versucht.  Es  han 
sich  um  Abortreste  bei  Uterus  bicornis,  und  es  galt, 
gravide  Horn  festzustellen.  Diese  Frau  ist  nachher  an  Fm: 
pulmonum  gestorben.  Seither  kamen  nur  noch  die  Heg 
sehen  Metalldilatatoren  zur  Verwendung.  Wir  alle  sind 
damit  ausgekommen.  Es  beweist  unsere  Mitteilung,  » 
offenbar  die  Keime,  die  zur  Tubenentzündung  Veranlaß 
geben,  durchaus  nicht  immer  harmlosen  Charakter  tiv 
Die  hämolytischen  Streptokokken,  die  von  der  Zervix 
durch  das  Cavum  uteri  in  die  Tuben  wanderten,  zeigten 
äusserst  virulentes  Verhalten.  Eine  putride  Endometritis 
nicht  vorhanden;  dazu  wäre  gar  keine  Zeit  gewesen,  h 
glaublich  kurzer  Zeit  war  es  zur  Infektion  des  Periton»: 
gekommen,  gegen  welche  die  sofort  einsetzende  Theil 
machtlos  war.  In  den  Freiburger  Fällen  ist  nie  eine  Perito 
entstanden,  wohl  weil  die  Tuben  im  Anschlüsse  an  die 
leitung  des  künstlichen  Abortes  entfernt  wurden,  so  dassl 


April  1913. 


MüencHener  Medizinische  wochenschrifi  . 


(eimeii  der  Weg  zum  Bauchfell  abgeschnitten  war.  Andern¬ 
eils  handelte  es  sich  offenbar  stets  um  Keime  mit  geringer 
Virulenz.  Dass  eitrige  Tubenentzündungen  nach  Laminaria- 
lilatation  Vorkommen,  haben  Aschoff,  Schridde  und 
hre  Schüler  einwandfrei  nachgewiesen.  Dass  es  sich  in  diesen 
'allen  meist  um  schwach  virulente  Mikroorganismen  handelte, 
st  Zufall.  Wenn  einmal  ein  sehr  angriffskräftiger  Keim  im 
Spiele  ist,  dann  laufen  die  behandelten  Frauen  höchste  Gefahr, 
las  zeigt  deutlich  unser  Fall.  In  anderen  Fällen,  die  Professor 
.  Her  ff  in  der  Privatpraxis  sah,  entstanden  zum  Teil  sehr 
ehwere  Peleozellulitiden.  Daher  ist  grösste  Vorsicht  bei  An- 
vendung  der  Laminariastifte  geboten,  am  besten  wären  sie 
ranz  auszuschalten,  wie  auch  die  Tamponade  und  an  ihre 
Stelle  die  H  e  g  a  r  sehen  Metalldilatatoren  zu  setzen,  die  ein- 
vandfrei  sterilisierbar  sind  und  die  im  Spiegel  kaum  Scheiden- 
;eiine  in  die  Uterushöhle  verschleppen  können.  Zu  einer 
mderen  Ansicht  gelangte  S  t  r  a  u  s  s  aus  der  W  a  1 1  h  a  r  d  - 
chen  Klinik  auf  Grund  einer  bakteriologischen  Studie.  In 
;  Fällen,  wo  nach  vorausgegangener  Laminariadilatation  der 
Jterus  vaginal  ausgeräumt  wurde,  fanden  sich  keine  klinischen 
leichen  einer  Salpingitis.  Er  gibt  diesen  klinisch  bedeutungslos 
/erlaufenden  Tubenentzündungen  den  Namen  bakterio- 

oxische  Salpingitiden.  S  t  r  a  u  s  s  betrachtet  als  Vorzüge  der 
„aminariadilatation  gegenüber  der  Dilatation  mit  Metall- 
lilatatoren  die  Umgehung  der  Narkose  und  die  Garantie  des 
iekretabflusses.  Diesen  Vorteilen  gegenüber  wäre  der  Nach¬ 
eil  der  Aszension  von  Scheidenkeimen  leicht  in  Kauf  zu 
lehnien.  Wir  vermögen  diesem  Gedankengange  nach  dem 
ben  Dargelegten  nicht  Folge  zu  leisten,  obgleich  wir  zugeben 
liissen,  dass  natürlich  durchaus  nicht  immer  die  Laminaria- 
ilatation  von  schlimmen  Folgen  begleitet  sein  muss.  Was 
ie  Narkose  bei  der  Metalldilatation  anbetrifft,  so  müssen  wir 
emerken,  dass  wir  alle  Dilatationen  nur  im  Skopolamin- 
’antopon-Dämmerschlaf  auszuführen  gewohnt  sind. 

Literatur. 

1.  Amersbach:  Monatsschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  32,  H.  4.  — 
Aschoff:  Med.  Klinik  1911,  H.  1,  S.  11.  —  3.  v.  H  e  r  f  f :  Zentral- 
latt  f.  Gyn.  1908,  S.  1425.  —  4.  Schridde:  Entzündungen  des 
ileiters.  Jena  1910.  —  5.  Strauss:  Zeitschr.  f.  Geb.  u.  Gyn., 
d.  LXX,  H.  1,  S.  136. 


Ein  neues  Herzplessimeter. 

on  Dr.  B.  L  e  w  i  n  s  o  h  n,  Chefarzt  des  Sanatoriums  für 
Herzkranke  in  Altheide. 

Wiewohl  die  Zahl  der  Plessimeter  sehr  gross  ist  und  die  Formen 
ngemein  variieren,  gibt  es  Aerzte,  denen  die  bisher  zur  Verfügung 
:ehendcn  Instrumente  für  gewisse  Fälle  nicht  genügen,  da  ja  Ge- 
ohnheit,  Uebung  und  Gefühl  dabei  eine  Rolle  spielen.  Da  wo  für 
ie  spezielle  Herzdiagnostik  die  feinen  differenzierenden  Perkussions- 
►ethoden  indiziert  sind,  wird  das  neue,  von  mir  erdachte  und  ver- 
andte  Plessimeter  in  vielen  Fällen  genaue  Herzgrenzen  bequemer 
ad  müheloser  liefern,  als  andere.  Das  einfache  Instrument,  mit  dem 
lan  die  Plessimeter-Fingerperkussion  ausführt,  ist  ein  4Vs  cm  hoher, 
bgeschnittener  Kegel  aus  Hartgummi,  dessen  basale  Kreisfläche 
inen  Durchmesser  von  2  cm  hat,  während  die  obere  kleine  Fläche 
n  Kreis  mit  einem  Durchmesser  von  0,4 — 0,5  cm  ist.  Das  Instrument 
gnet  sich  besonders  gut  und  bequem  für  die  G  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  sehe 
chwellenwertperkussion,  weil  der  lange  Hartgummikegel  den 

leisesten  Fingerschlag  merklich  ver¬ 
stärkt,  und  man  demgemäss  auch 
den  denkbar  leisesten  Perkussions¬ 
schlag  noch  immer  sehr  deutlich 
herzipiert.  Ich  selbst  und  mit  mir 
alle  Aerzte,  denen  ich  bisher  dieses 
Plessimeter  demonstriert  habe,  be¬ 
tonen  die  Deutlichkeit  des  durch  die 
chwellenwertperkussion  hervorgerufenen  Schalles.  Ich  möchte  des- 
üb  das  Instrument  als  Schwellenwertplessimeter  bezeichnen.  Es 
ignet  sich  für  eine  genaue  Feststellung1  4 der  Herzgrenzen,  der 
efässstämme,  des  bei  Sklerose  so  häufig  stärker  ausgebildeten  und 
usgewölbten  Aortenbogens,  der  Erweiterungen  (gleichförmige  und 
leurysmatische)  der  Aorta,  Dilatationen  der  Vorhöfe  und  Ven- 
ikel  etc.  —  Ich  perkutiere  mit  diesem  Kegel  die  Herzverhältnisse 
imer  viel  leichter  und  bequemer  als  mit  Finger-Finger  oder  anderen 
inger-Plessimeterperkussionen  heraus.  Selbstverständlich  habe  ich 
e  meisten  Fälle  röntgenologisch  nachkontrolliert.  Man  perkutiert 
Jnächst,  indem  man  die  breite  Fläche  auf  die  Brustwand  setzt  und 
l‘f  die  kleine  Fläche  klopft;  da,  wo  es  auf  recht  eng  zu  um- 
chreibende  Stellen  ankommt,  verwendet  man  es  umgekehrt 


923 

(Aortenbogen,  Pulmonalis).  —  Für  die  Perkussion  der  übrigen  Or¬ 
gane  (Lunge,  Leber  etc.)  eignet  sich  der  Kegel  weniger,  da  er  über 
der  Lunge  und  über  den  weichen  Decken  des  Abdomens  etc.  nicht 
genügend  stark  differenzierte  Schallqualitäten  gibt.  Das  Plessimeter 
ist  eben  ein  spezielles  Herzplessimeter  für  leise  Per¬ 
kussion,  also  ein  Schwellenwertplessimeter. 

Anmerkung.  Das  Schwellenwertplessimeter  ist  zum  Preise 
von  1  Mark  zu  beziehen  durch  Mahrt&Hoerningin  Göttingen, 
durch  B.  B.  Cassel  in  Frankfurt  a.  M.  und  vom  Medizinischen 
Warenhaus  in  Berlin. 


Aus  der  med.  Klinik  in  Halle  a.  S.  (Direktor:  Geh.  Medizinal¬ 
rat  Prof.  Ad.  Schmidt). 

Ueber  atrophische  Myotonie. 

Von  Privatdozent  Dr.  Grund. 

(Schluss.) 

Die  Aehnlichkeit  der  beschriebenen  Fälle  untereinander 
springt  in  die  Augen,  gleichzeitig  aber  auch,  dass  gewisse 
Unterschiede  zwischen  ihnen  vorhanden  sind,  dass  die 
Schwere  der  Krankheit  nicht  in  allen  Fällen  dieselbe  ist.  Be¬ 
schäftigen  wir  uns  zunächst  mit  der  Muskelatrophie!  Um 
das  Gesetzmässige  kurz  überblicken  und  mit  dem  in  der 
Literatur  Beschriebenen  vergleichen  zu  können,  gebe  ich 
im  Folgenden  eine  kurze  tabellarische  Uebersicht  der  dys¬ 
trophischen  Symptome,  wobei  die  Anzahl  der  Kreuze  der 
Schwere  der  Störungen  entspricht. 


Muskelgruppe 

G.  L. 

W.  Pf. 

L.  Pf. 

M.  Pf. 
(Mutter) 

Gesicht . 

-H- 

+++ 

++ 

+ 

Kaumuskulatur . 

+ 

Sp. 

++ 

Zunge  . 

— 

+++ 

-f" 

M.  sternocleidomastoideus  . 

++ 

++ 

++ 

++ 

Tiefe  Halsmuskeln  .... 

+ 

+ 

Nacken,  Schulter . 

_ 

_ 

Oberarm . 

Sp. 

— 

_ 

_ 

M.  Supinator  longus  .... 

H — i- 

+ 

— 

— 

Vorderam-  Streckmuskulatur 

•  + 

_| — 

Sp. 

Sp. 

do.  Beugemuskulatur 

++ 

+ 

+ 

+ 

Sp. 

Kleinhandmuskulatur  .  .  . 

“f" 

Sp. 

Sp. 

Bauch . 

+ 

Sp. 

Rücken,  Hüfte,  Oberschen¬ 
kel,  Wade . 

Peroneusgebiet  . 

+ 

++ 

— 

— 

Vergleichen  wir  mit  dieser  Tabelle  dasjenige,  was  von  den 
beiden  Autoren,  die  zuerst  auf  eine  gesetzmässige  Ausbreitung 
der  Muskelatrophien  in  den  hierhergehörigen  Fällen  aufmerk¬ 
sam  machten,  als  das  Typische  bezeichnet  worden  ist! 
S  t  e  i  n  e  r  t  nennt  als  charakteristisch  für  die  voll  entwickelten 
Fälle  das  Befallensein  des  Handvorderarmgebietes,  der 
Sternokleidomuskeln  und  des  Gesichtes,  wobei  die  einzelnen 
Muskelgruppen  in  dieser  Reihenfolge  ergriffen  zu  werden 
pflegen.  Andere  Muskeln  werden  meist  erst  später  befallen, 
manchmal  allerdings  auch  schon  frühzeitig.  Auch  unter  den 
in  zweiter  Linie  stehenden  Muskeln  atrophieren  einige  be¬ 
sonders  gerne,  so  die  Muskeln  der  unteren  Extremitäten  und 
Kaumuskeln.  Schliesslich  können  fast  alle  Muskeln  des  Kör¬ 
pers  an  der  Erkrankung  teilnehmen.  Batten  gibt  eine 
ähnliche  Darstellung;  er  hebt  aber  die  drei  erstgenannten 
Muskelgebiete  nicht  so  scharf  heraus  wie  S  t  e  i  n  e  r  t,  sondern 
stellt  sie  mit  den  von  S  t  e  i  n  e  r  t  in  zweiter  Linie  genannten 
Gruppen  gleich. 

Ein  Blick  auf  die  obige  Tabelle  lehrt,  dass  in  eine 
Fällein  den  prinzipiellen?  unkten  mit  den  An¬ 
se  hau  ungen  Steinerts  voll  übereinstimmen. 
Bei  allen  vier  sind  ausgesprochen  erkrankt:  Gesichts¬ 
muskulatur,  Mm.  sternocleidomastoidei  und 
ein  Teil  der  Vorderarm muskeln.  Wenn  man  ledig¬ 
lich  diese  Gruppen  ins  Auge  fasst,  ist  der  Befund  bei  allen 
vier  Patienten  ein  auffallend  gleichmässiger;  zwischen  den 
leichteren  und  schwereren  besteht  allerdings  ein  gradueller 
Unterschied,  er  ist  aber  nicht  sehr  bedeutend.  Ueberall  das¬ 
selbe  maskenartige  Gesicht  mit  unvollkommener  Mimik  und 
Schlaffheit  der  willkürlichen  Bewegungen,  besonders  des 
Augenschlusses;  der  M.  sternocleidomastoideus  ist  selbst  beim 
leichtesten  Falle  fast  völlig  geschwunden;  und  die  Abmagerung 

3* 


924 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No. 


und  Schwäche  des  Vorderarmes,  besonders  der  langen  Finger¬ 
beuger,  ist  stets  vorhanden,  aber  auch  nicht  so  hochgradig, 
dass  die  Funktion  völlig  aufgehoben  wäre.  Ebenso  stimmen 
alle  Fälle  darin  überein,  dass  diejenigen  Muskelgruppen  ganz 
oder  nahezu  ganz  frei  sind,  die  auch  nach  der  Zu¬ 
sammenstellung  Steinerts  nur  dann  erkranken,  wenn  die 
Atrophie  sich  schliesslich  auf  alle  Muskeln  ausgebreitet  hat: 
Schulter-,  Oberarm-  und  Rückenmuskulatur. 
Dazu  kommt  für  meine  Fälle  übereinstimmend,  dass  einige 
Muskelgebiete  frei  sind,  die  von  früheren  Beobachtern  ver¬ 
einzelt  schon  relativ  frühzeitig  befallen  gefunden  wurden, 
nämlich  Hüft-,  Oberschenkel  -  und  Wadenmusku¬ 
latur.  Die  Oberschenkelmuskulatur  ist  besonders  in  den 
Fällen  Battens  fast  regelmässig  erkrankt  gewesen. 

Die  Variation  meiner  Fälle  untereinander  liegt  auf  dem 
Gebiete  derjenigen  Muskelgruppen,  die  nach  der  S  t  e  i  n  e  r  t  - 
sehen  Zusammenstellung  zwar  oft  befallen  werden  können, 
deren  Erkrankung  aber  nicht  notwendig  zum  typischen  Bilde 
der  atrophischen  Myotonie  gehört.  Es  ist  besonders  inter¬ 
essant,  die  drei  der  gleichen  Familie  angehörenden  Fälle  hierin 
miteinander  zu  vergleichen:  in  den  charakteristischen 
Punkten  waren  sie  sich  sehr  ähnlich,  hier  finden  sich  erheb¬ 
liche  Differenzen.  Dabei  ist  die  Mutter  der  leichteste  Fall, 
bei  ihr  sind  fast  nur  die  obengenannten  typischen  Gebiete 
befallen;  schwerer  ist  schon  der  älteste  Sohn  erkrankt,  am 
meisten  der  jüngste.  Wegen  der  Einzelheiten  verweise  ich 
auf  die  Krankengeschichten  und  die  Tabelle  und  will  hier  nur 
die  wichtigsten  Punkte  zusammenstellen.  Uebereinstimmend 
mit  den  früheren  Beobachtungen  finden  sich  erkrankt 
einmal  gewisse  der  bulbären  Region  angehörige 
Muskeln,  die  Kaumuskeln  und  einzelne  zur  Sprach- 
b  i  1  d  u  n  g  notwendige  Gaumen-  und  Kehlkopfmuskeln,  so  dass 
eine  eigentümlich  verwaschene  undeutliche  und  tonlose 
Sprache  zustande  kommt,  ferner  der  M.  supinator  ion- 
gus,  die  Kleinhandmuskulatur  und  endlich  die  vom 
Nerv,  peroneus  versorgten  Muskeln. 

Auf  das  Verhalten  einiger  Muskelgruppen  muss  ich  noch 
besonders  eingehen.  In  den  drei  der  gleichen  Familie  ange¬ 
hörenden  Fällen  fand  sich  übereinstimmend  eine  Zungen- 
a  t  r  o  p  h  i  e,  bei  dem  jüngsten  Sohn  sehr  hochgradig,  aber 
auch  bei  der  Mutter  erkennbar.  Das  ist  gegenüber  Cursch- 
mann  hervorzuheben,  der  die  Meinung  vertritt,  die  Zunge 
atrophiere  nie.  Auch  in  der  Literatur  finden  sich  übrigens 
vereinzelte  ähnliche  Fälle  [Lortat-Jacob  et  Thaons), 
S  t  e  i  n  e  r  t,  Fall  VI8  9)]. 

Ferner  ist  in  den  früheren  Beobachtungen  nicht  der 
tiefen  Halsmuskulatur  gedacht  worden.  Sie  war  in 
den  beiden  schwersten  meiner  Fälle  entschieden  schwer  er¬ 
krankt,  der  Funktionsausfall  der  Mm.  sternocleidomastoidei 
allein  kann  ein  derartiges  Hintenübersinken  des  Kopfes,  wie  es 
diese  beiden  Fälle  in  geradezu  beängstigendem  Grade  zeigten, 
allein  nicht  hervorrufen.  Das  geht  schon  daraus  hervor,  dass 
dieser  Muskel  sich  bei  allen  Fällen  fast  ganz  gleich  verhielt; 
das  Zurückbleiben  des  Kopfes  beim  Aufsitzen  aber  war  in  den 
beiden  leichteren  Fällen  nur  unbedeutend  und  gar  nicht  zu 
vergleichen  mit  der  Haltlosigkeit  der  anderen  Fälle. 

Interessant  ist  ferner  das  Verhältnis  der  Atrophie  der 
Vorderarmstrecker  zu  derjenigen  der  Vorderarm¬ 
beuger.  Aus  Gründen,  auf  die  später  noch  kurz  zurück¬ 
zukommen  sein  wird,  ist  von  Curschmann  10)  früher  da¬ 
rauf  hingewiesen  worden,  dass  die  Strecker  stärker  atrophisch 
und  paretisch  sind  als  die  Beuger.  In  drei  unter  meinen 
Fällen  war  das  Verhältnis  sicher  umgekehrt,  derart,  dass  die 
Beuger  auch  stärker  atrophisch  waren,  In 
dieser  Hinsicht  stimmten  übrigens  auch  die  Beobachtungen 
Hoffmanns11)  mit  den  meinigen  überein. 

Die  isolierte  Beteiligung  der  Bauchmuskeln  in  zwei 
meiner  Fälle  möchte  ich  als  ungewöhnlich  ebenfalls  kurz  her¬ 
vorheben. 

Ehe  ich  zur  genauen  Schilderung  der  myotonischen  Er¬ 
scheinungen  übergehe,  möchte  ich  noch  kurz  eine  Reihe 


8)  Arch.  de  neurol.  1905,  p,  132. 

9)  L  c. 

10)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905,  p.  37. 

u)  1.  c 


anderer  Symptome  erwähnen,  die  sich  insofern  den  Musk 
atrophien  anschliessen,  als  es  sich  auch  hier  um  Symptoi 
einer  Atrophie  oder  Degeneration  bzw.  mangelhafte  Entwic 
lung  handelt. 

Dahin  gehört  einmal  die  Hodenatrophie,  die  sicli 
einem  meiner  Fälle  hochgradig,  in  einem  zweiten  schwäch 
ausgebildet  fand.  Aehnliches  haben  auch  S  t  e  i  n  e  i 
C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  u.  a.  beobachtet. 

Die  Mangelhaftigkeit  des  Haupthaares,  auf  die  ebenfa 
schon  früher  aufmerksam  gemacht  worden  ist,  findet  sich  n 
in  einem  meiner  Fälle. 

Katarakt,  dessen  Vorkommen  bei  atrophischer  My 
tonie  erst  neuerdings  von  H  o  f  f  m  a  n  n  1S)  genauer  behänd 
worden  ist,  war  in  keinem  der  Fälle  vorhanden.  Auch  Syj 
ptome,  die  mit  Sicherheit  auf  Degeneration  der  Hintersträn 
zu  beziehen  wären,  wie  sie  von  S  t  e  i  n  e  r  t  zuerst  1' 
schrieben  worden  sind,  fanden  sich  nicht,  wenn  auch  c 
Fehlen  der  Patellarreflexe  in  Fall  1  auffallend  war. 

Dagegen  möchte  ich  noch  auf  einen  Punkt  hinweisen,  i 
dem  ich  nicht  glaube,  dass  es  sich  um  eine  ganz  zufälli 
Kombination  handelt,  nämlich  auf  die  starke  psychisejj 
Minderwertigkeit  meiner  beiden  ersten  Fälle.  Zweit' 
los  handelt  es  sich  um  eine  angeborene  oder  schon  friihzei 
in  der  Entwicklung  hervorgetretene  Störung,  wie  aus  den  f* 
gaben  der  Eltern  klar  hervorgeht.  Aehnliches  ist  auch  v 
anderen  Beobachtern  gelegentlich  mitgeteilt  worden,  so  v 
Curschmann13)  für  seinen  Fall  1.  Besonders  ist  der  Fä 
38,  39  und  40  E  r  b  s  14)  zu  gedenken,  die  im  Einklang  mit  eit 
kurzen  Bemerkung  von  Hoff  mann12)  dem  Bilde  der  atrop 
sehen  Myotonie  zuzurechnen  sein  werden.  Man  könnte  v 
sucht  sein,  dieses  Symptom  mit  den  sonstigen  Erscheinung 
von  Degeneration  oder  mangelhafter  Entwicklung  in  Parall 
zu  setzen. 

Es  bliebe  jetzt  die  zweite  Hauptgruppe  der  Erscheinung 
zu  besprechen,  die  das  Krankheitsbild  der  atrophischen  My! 
tonie  zusammensetzen,  die  Symptome  der  Myotonie. 

Willkürliche  Innervation  ruft  sie  in  al) 
Fällen  deutlich  hervor  beim  Händedruck;  sonst  sind  al 
aktive  Bewegungen  nur  in  beschränktem  Masse  geeignet,  1 
typische  Nachdauer  der  Kontraktion  zu  erzeugen,  am  ehes'i 
noch  in  Wade  und  Oberschenkel.  Die  schwere  allgeme 
Steifigkeit  im  Beginne  jeder  Bewegung,  die  wir  beim  gewöl 
liehen  Thomsen  finden  und  die  das  Krankheitsbild  dort  so  cl 
rakteristisch  macht,  ist  hier  nicht  zu  beobachten.  Im  all) 
meinen  stimmt  das  überein  mit  dem,  was  auch  andere  Autor 
berichten;  auf  Einzelheiten  will  ich  nicht  eingehen’. 

Demgegenüber  ist  die  mechanische  myoton 
sehe  Reaktion  meistens  weit  leichter  hervorzurufen,  g: 
besonders  schön  stets  in  der  Daumenballenmuskulatur  und  \ 
allem  in  der  Zunge.  Die  lange  stehen  bleibende  Delle  bc 
Beklopfen  der  Zunge  mit  dem  Perkussionshammer  ist  bei  d 
atrophischen  Myotonie  auch  von  anderen  Autoren,  soweit 
darauf  geachtet  haben  (leider  sind  das  nicht  alle),  niemals  v 
misst  worden.  Ueberhaupt  möchte  ich  für  rein  di 
gnos tische  Zwecke  auf  die  mechanische  my 
tonische  Reaktion  den  grössten  Wert  I  e  g  j 
Nur  selten  ist  auf  elektrischem  Wege  eine  Zuckungsdai 
noch  zu  erzielen,  wenn  sie  mechanisch  nicht  zustande  korrö 
oft  aber  ist  umgekehrt  die  mechanische  Reaktion  deutlr 
während  die  elektrische  fehlt  oder  nur  schwach  auszulösen  il 
Besonders  ausgesprochen  fand  sich  das  in  meinen  Fällen 
der  Zunge,  die  zweimal  auf  andere  Weise  überhaupt  kei’ 
myotonische  Reaktion  erkennen  liess.  Auch  die  zeitliche  Aj 
dehnung  der  Kontraktionsdauer  war  in  Fall  IV  stets  bei  mecl 
nischer  Reizung  am  längsten. 

Auf  Einzelheiten  der  elektrischen  myoto  n 
sehen  Reaktion  ausführlich  einzugehen,  scheint  mir  li 
nicht  der  Ort  zu  sein.  Im  allgemeinen  lässt  sich  sagen,  d. 
die  direkte  galvanische  Reizung  in  der  Regel  ebenso,  wie 
der  gewöhnlichen  Form  der  Myotonie  am  besten  geeignet  i 
sie  hervorzurufen.  Aber  auch  da  ist  die  Reaktion  nur  in 
schränkter  Ausdehnung  wirklich  schön,  am  meisten  noch 1 


12)  Gräfes  Archiv  f.  Ophthalmol.,  81.  p.  512. 

13)  1.  c. 

w)  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  45,  p.  529. 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


925 


r  Kleinhandmuskulatur,  gelegentlich  auch  in  der  Wade.  In 
r  Kleinhandmuskulatur  zeigt  sich  oft  die  Erscheinung,  dass 
Ibst  minimale  Ströme  eine  tetaniforme  Kontraktion  her¬ 
rrufen,  solange  sie  geschlossen  sind15).  Ich  möchte  mit 
:sem  von  St  e  i  n  e  r  t  genauer  beschriebenen  Symptom  in 
mittelbaren  Zusammenhang  bringen  den  schon  von  Erb 
obachteten  Einfluss  des  länger  dauernden  Stromschlusses 
i  den  Nachweis  auch  der  Zuckungsnachdauer :  weil  bei  der 
.otonie  der  längere  Schluss  auch  schwächerer  galvanischer 
öme  bereits  zu  einem  Schliessungstetanus  führt,  deswegen 
die  Einwirkung  des  dauernden  Stromschlusses  eine  inten- 
ere  und  bringt  eher  Zuckungsnachdauer  hervor,  als  ein  nach 
•  Schliessung  bald  unterbrochener  Strom.  Hier  zwei  ver¬ 
miedene  Erscheinungen  anzunehmen,  ist  meines  Erachtens 
berechtigt;  es  handelt  sich  nur  um  graduelle  Unterschiede. 

Diese  Neigung  zu  tonischer  Kontraktion  bei  länger  dauern- 
n  Stromschluss  möchte  ich  auch  als  Hauptursache  dafür 
;ehen,  dass  die  Trennung  der  myotonischen  Re- 
tion  von  der  Entartungsreaktion  ziemlich  oft 
nvierigkeiten  gemacht  hat.  Wenn  man  mit  minimalen 
ömen  reizt  und  den  Strom  sofort  wieder  unterbricht,  dann 
r  wenigstens  in  den  von  mir  beobachteten  Fällen  die 
-kung  auch  bei  direkter  Applikation  des  galvanischen 
omes  kurz;  bei  der  Entartungsreaktion  wird  die  Trägheit 
Zuckung  durch  kurzen  Stromschluss  allerdings  auch  be- 
flusst,  aber  nicht  aufgehoben. 

Myasthenische  Reaktion  oder  AnOeTe  und  sonstige  Er- 
einungen  von  Tetanie,  wie  sie  von  anderer  Seite  in  ver- 
zelten  Fällen  gefunden  wurden,  konnte  ich  nicht  nach- 
isen.  Ebensowenig  war  die  neurotonische  Reaktion  Re- 
iks  nachzuweisen,  die  ich  bei  einem  früher  beobachteten 
le  mit  verwerten  konnte,  um  ihn  mit  Wahrscheinlichkeit 

1  der  Myotonie  abzutrennen16).  Die  Erregbarkeit  war 
ist  nur  dem  Grade  der  Atrophie  entsprechend  herabgesetzt, 
st  normal;  bei  einigen  Fällen  fand  sich  aber  eine  darüber 
ausgehende  Erregbarkeitsherabsetzung  für  direkte  faradi- 
e  Reizung. 

Auf  kontralaterale  Mitbewegungen,  wie  sie  Cursch- 
n  n  früher  und  neuerdings  wieder  beobachtet  hat,  habe  ich 
it  besonders  geachtet. 

Mit  dieser  Schilderung  wäre  das  Krankheitsbild  der  atro¬ 
phen  Myotonie  im  wesentlichen  erschöpft.  Dass  i  n  d  e  r 
sbreitung  der  Atrophie  und  in  vielem 
deren  sonst  eine  hohe  Gesetzmässigkeit 
waltet,  dürfte  klar  hervorgetreten  sein.  Soweit  muss 
mich  also  den  Anschauungen  S  t  e  i  n  e  r  t  s  entschieden 
chliessen.  Es  fragt  sich  nun:  soll  man  noch  einen  Schritt 
tergehen  als  S  t  e  i  n  e  r  t,  der  die  atrophische  Myotonie 
der  gewöhnlichen  Th.omsen  sehen  Krankheit  nicht  los- 
ennt,  sondern  sie  nach  dem  Vorgänge  von  Hoffman n 
als  eine  sekundäre  Weiterentwicklung  derselben  auf¬ 
isst  hat?  Soll  man  nicht  die  atrophische 
otonie  als  eine  selbständige  Erkrankung 
f  f  a  s  s  e  n  ? 

Dass  die  mancherlei  mit  Myotonie  keinen  ersichtlichen 
ammenhang  aufweisenden  Besonderheiten  im  Krankheits- 
e  der  atrophischen  Myotonie  eine  derartige  Trennung  sehr 
e  legen,  ist  von  Curschmann  mit  Recht  hervorgehoben 
"den.  Die  endgültige  Entscheidung  kann  aber  nur  durch 
ung  folgender  Frage  gebracht  werden:  Sind  Ueber- 
nge  von  der  gewöhnlichen  Thomsen  sehen  Krankheit 
atrophischen  Myotonie,  wie  wir  sie  im  Falle  der  Richtig- 
der  älteren  Auffassung  öfter  beobachten  müssten,  in  ent¬ 
gehender  Zahl  sicher  festgestellt  oder  nicht?  Und  darauf 
’S  entschieden  mit  Nein  geantwortet  werden.  Es  muss 

2  Prinzipiell  daran  festgehalten  werden,  dass  solche  Ueber- 
ge  nicht  aus  anamnestischen  Angaben  der  Patienten  er- 
’ossen  werden  dürfen,  sondern  nur  auf  Grund  eigener  Be¬ 
eidung.  Wenn  die  myotonischen  ebenso  wie  die  atro¬ 
phen  Symptome  der  beginnenden  atrophischen  Myotonie 
>  Arzte,  der  nicht  genau  mit  ihnen  Bescheid  weiss,  oft  ent- 

5)  Etwas  Aehnliches  findet  sich  übrigens  auch  manchmal  bei  der 
üchLXVi? r  U  n  ^e'tsc*ir>  Nervenheilk.,  Bd.  35,  S.  20S, 

1#)  D.  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  42,  p.  109. 


gehen,  so  ist  das  sicher  in  demselben  und  noch  erhöhten  Masse 
bet  den  Patienten  selbst  der  Fall.  Gesichtsatrophien,  fehlen- 
der  M.  steinoclcido  kommen  diesen  kaum  zum  Bewusstsein 
und  die  Schwäche  der  Vorderarmbeuger  wird  oft  verdeckt 
durch  die  myotonischen  Störungen  des  Handschlusses;  dass 
andererseits  myotonische  Störungen  den  Erkrankten  und  be¬ 
sonders  deren  Angehörigen  entgehen  können,  braucht  nicht 
besonders  erörtert  zu  werden.  Also  alle  Deduktionen,  die 
auf  Grund  anamnestischer  Angaben  das  isolierte  frühere  Auf- 
ti  eten  von  Myotonie  im  einzelnen  Falle  erschliessen  wollen, 
müssen  piinzipiell  verworfen  werden;  ebenso  natürlich  die 
gegenteiligen  Schlüsse,  die  z.  B.  Batten  auf  Grund  seines 
Materials  aufstellen  zu  können  glaubt,  so  dass  er  die  Dys¬ 
trophie  als  das  Primäre  erklärt.  Dann  bleibt  von  tat¬ 
sächlichem  Anhalt  für  derartige  Ueber- 
gänge  ausserordentlich  wenig  übrig,  nämlich 
nur  der  eine  Fall  Jansen1');  und  es  ist  klar,  dass  ein  Fall 
gegenüber  der  grossen  Zahl  von  Fällen,  in  denen  ein  der¬ 
artiger  Uebergang  nach  obiger  Anschauung  eigentlich  hätte 
stattfinden  müssen,  wenig  besagt:  wenn  eine  Krankheit  sich 
aus  2  Komponenten  zusammensetzt,  so  kann  sehr  wohl  die 
eine  einmal  eher  in  Erscheinung  treten,  als  die  andere,  ohne 
dass  damit  gesagt  ist,  dass  die  zweite  nur  sekundär  aus  ihr 
hervorgeht;  es  kann  auch  dann  noch  das  wahre  Wesen  der 
Krankheit  in  einer  übergeordneten  gemeinschaftlichen  Ursache 
zu  suchen  sei. 

Nun  wäre  es  möglich,  dass  derartige  Uebergänge  des¬ 
wegen  so  selten  beobachtet  worden  sind,  weil  sie  so  langsam 
vor  sich  gehen,  dass  sie  von  der  direkten  ärztlichen  Unter¬ 
suchung  schwer  gefasst  werden  können.  Der  Uebergang 
müsste  aber,  wenn  die  ältere  Anschauung  zu  Recht  besteht, 
noch  in  einer  zweiten  Form  gefunden  werden  können.  Die 
l’homsensche  Krankheit  ist  exquisit  hereditär.  Wenn  sie 
in  gewissen  Fällen  in  die  atrophische  Myotonie  übergeht, 
so  m  ii  s  s  t  e  n  Beobachtungen  vorliegen,  dass  i  n  der 
gleichen  Familie,  besonders  in  verschie¬ 
denen  Generationen,  Fälle  reiner  Thomsen- 
scher  Krankheit  neben  solchen  atrophischer 
Myotonie  vor  kämen.  Um  etwas  derartiges  nachzu¬ 
weisen,  müssen  wir  aber  auch  wieder  verlangen,  dass  nur 
direkte  ärztliche  Beobachtungen  verwertet  werden:  anam¬ 
nestische  Angaben  der  Patienten  genügen  in  keinem  Falle. 
Das  Ergebnis  ist  wieder  ein  rein  negatives:  in  der  älteren 
Literatur  sind  mehrere  Geschwisterpaare  beschrieben  worden, 
die  aber  alle  mit  der  Myotonie  gleichzeitig  auch  schon  die 
atrophischen  Symptome  aufwiesen.  Wichtiger  aber  noch  sind 
Beobachtungen,  die  2  Generationen  umfassen,  weil  hier  wegen 
des  verschiedenen  Alters  der  Patienten  und  wegen  des  Wech¬ 
sels  der  Schwere  der  Erkrankung  in  verschiedenen  Gene¬ 
rationen  am  ehesten  verschiedene  Entwicklungsstufen  neben¬ 
einander  gefunden  werden  müssten.  Bis  vor  kurzem  waren 
solche  Untersuchungen  mehrerer  Generationen  nicht  bekannt; 
es  handelte  sich  stets  um  anamnestische  Angaben.  Erst  vor 
kurzem  hat  dann  Curschmann18)  eine  Familie  mitgeteilt  von 
2  Gliedern  der  älteren  und  einem  Glied  der  jüngeren  Gene¬ 
ration:  alle  drei  gehören  der  atrophischen  Myotonie  an,  nicht 
der  reinen  Thomsen  sehen  Krankheit.  Dasselbe  gilt  nun 
von  meinen  Fällen.  Hier  liegen  ein  Fall  der  älteren  Generation 
und  zwei  der  jüngeren  vor:  auch  hier  zwar  verschiedene  Ent¬ 
wicklungsstufen,  aber  überall  Myotonie  und  Atro¬ 
phie  am  gleichen  Falle  innig  gemischt.  Also 
kein  Anhalt  dafür,  dass  ein  Uebergang  in  dem  genannten 
Sinne  möglich  ist!  Fasse  ich  alles  zusammen,  so  muss  ich 
mich  auf  Grund  meiner  Beobachtungen  ebenso  wie  Cursch¬ 
mann  auf  Grund  der  seinen,  und  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  mehr  aus 
theoretischen  Erwägungen  heraus  dahin  aussprechen,  dass 
die  atrophische  Myotonie  eine  selbständige 
Erkrankung  ist,  nicht  nur  ein  Sekundä'rsta- 
dium  der  Thomsenschen  Krankheit. 

Einige  kurze  Bemerkungen  sind  noch  über  den  verschie¬ 
denen  Entwicklungsgrad  der  Krankheit  bei  den  einzelnen 
Familienmitgliedern  zu  machen.  Die  beiden  Söhne  scheinen 
jünger  erkrankt  zu  sein,  als  die  Mutter,  nämlich  mit  10  Jahren 


17)  Schultze:  D.  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  25,  p.  1. 

18)  1.  c.  ibidem  45,  pag.  161. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _ _ No-  U, 


gegenüber  18  Jahren  bei  dieser.  Das  würde  für  eine  pro¬ 
gressiv  frühere  Erkrankung  der  jüngeren 
Generation  sprechen,  im  Sinne  der  Beobachtungen  von 
Heilbronner19)  bei  chronischer  Chorea.  In  den  Cursch- 
rnann  sehen  Fällen  war  es  ähnlich.  Ausserdem  hat  in  der 
von  mir  beobachteten  Familie  die  Erkrankung  in  der  jüngeren 
Generation  an  Schwere  entschieden  zugenomen,  während  bei 
Curschmann  etwas  ähnliches  nicht  vorlag. 

Die  Frage  nach  dem  Wesen  und  der  Ursache  der  atrophi¬ 
schen  Myotonie,  eine  Frage,  die  sich  zum  Schlüsse  aufdrängen 
muss,  will  ich  nur  kurz  streifen.  Wir  sind  in  der  Erkenntnis 
des  Wesens  der  myotonischen  Störung  auch  heute  trotz  der 
Zunahme  an  Einzelkenntnissen  prinzipiell  nicht  viel  über  das 
hinausgekommen,  was  E  r  b  in  seiner  bahnbrechenden  Arbeit 
über  die  T h  o m  sen  sehe  Krankheit  niedergelegt  hat.  Es  ist 
von  besonderem  Interesse,  dass  sich  in  der  atrophischen 
Myotonie  die  beiden  Muskelerkrankungen  zusammengefunden 
zu  haben  scheinen,  für  die  Erb  trotz  des  fehlenden  Befundes 
seitens  des  Nervensystems  stets  die  Möglichkeit  eines  neuro- 
pathischen  Ursprungs  offengelassen  hat.  In  welcher  Weise 
Myotonie  und  Atrophie  ursächlich  verknüpft  sind,  ist  noch 
ganz  fraglich;  jedenfalls  sind  sie  in  meinen  Beobachtungen 
auch  lokal  so  innig  miteinander  vergesellschaftet  (in  den  Hand¬ 
beugern  und  der  Zunge),  dass  ich  einen  Antagonismus  in 
diesen  beiden  Störungen,  wie  er  zeitweilig  von  Cur  sch¬ 
ul  a  n  n  -°)  vertreten  worden  ist,  nicht  erblicken  kann. 


zu  niedrige  Werte  erhalten  haben.  Es  liesse  sich  dieser  Fehler  natür¬ 
lich  sehr  leicht  vermeiden,  wenn  man,  wie  wir  es  früher  getan  haben, 
als  wir  noch  den  Quincke  sehen  Apparat  benützten,  den  Schlauen 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung  füllte.  Dann  ist  jedoch  die  nach¬ 
trägliche  Untersuchung  des  Liquors  eine  sehr  missliche  Sache,  da  man 
nie  weiss,  inwieweit  sich  dieser  mit  dem  Liquor  vermischt  hat. 

Ein  zweiter,  nicht  unbeträchtlicher  Mangel  des  alten  Quincke 
sehen  Apparates  ist  der,  dass  der  Schlauch,  wie  oben  schon  ange¬ 
deutet,  durch  das  immer  wieder  erneute  Sterilisieren  im  heisse 
Dampf  oder  kochenden  Wasser  sich  verändert,  und  zwar  nicht  nur 
weiter  sondern  vor  allem  auch  länger  wird:  Ein  62,5cm  langer  um 
4,2  mm  weiter  Schlauch  mass  nach  mehrstündigem,  gelindem  Kochei 
66,0  cm  und  hatte  eine  Weite  von  4,9  mm!  Es  lassen  sich  also  di. 
mit  einem  derartigen  Apparate  erzielten  Resultate  nicht  einmal  untei, 
sich  ohne  Bedenken  vergleichen.  Schliesslich  ist  es  noch  ein  Nachteil 
dass  das  Ablesen  des  Druckes,  wozu  noch  eine  weitere  Assistenz 
nötig  wird,  nichts  weniger  als  leicht  ist,  ja  ganz  unmöglich  wird,  wem 
der  Druck  die  von  Dreyfuss  angewandte  Länge  von  350  mm  über 
schreitet,  was  bei  allen  Formen  von  Meningitis,  Hydrozephalus  um 
Tumoren  gewiss  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehört. 

Alle  die  erwähnten  Fehlerquellen,  denen  die  Resultate  der  ge 
nannten  Autoren  ausgesetzt  waren,  sind  an  dem  von  mir  konstruierte) 
und  in  dieser  Wochenschrift  No.  9,  1912  näher  beschriebenen  Apparat 
so  gut  wie  ganz  ausgeschlossen.  Ich  zweifle  daher  keinen  Augenblick 
dass  die  in  unseren  Arbeiten  niedergelegten  Druckwerte  des  Liquor 
grösseren  Anspruch  auf  Exaktheit  haben,  als  die  dei  genannte! 
Autoren.  Wir  müssen  daher  darauf  bestehen  bleiben,  dass  in  weit 
aus  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  syphilitischen  und  metasyplnlitische 
Erkrankungen  auf  intravenöse  Salvarsaninjektionen  eine  Drucker 
höhung  des  Liquor  cerebrospinalis  in  der  von  uns  näher  beschriebene 
Weise  erfolgt. 


Ans  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena  (Direktor:  Geh.  Rat  Prof. 

Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g.) 

Zur  Druckbestimmung  des  Liquor  cerebrospinalis. 

Von  Privatdozent  Dr.  v.  Reichmann,  Assistenzarzt  der 

Klinik. 

In  No.  9  und  10  dieser  Wochenschrift  betonen  A 1 1  m  a  n  n  und 
Dreyfus  an  verschiedenen  Stellen  ihrer  Arbeit  über  „Salvarsan 
und  Liquor  cerebrospinalis  bei  Frühsyphilis . . .“,  dass  sie  auf  den 
Druck  des  Liquors  nicht  allzuviel  Wert  legen,  ziehen  aber  trotz¬ 
dem  aus  ihren  Druckbestimmungen  Schlüsse.  Da  diese  mit  den  von 
Spiethoff  und  mir  erhaltenen  Ergebnissen  in  Widerspruch  stehen, 
sehe  ich  mich  genötigt,  dazu  Stellung  zu  nehmen.  Zum  Voraus  möchte 
ich  bemerken,  dass  auch  unser  ganzes  Material  nur  von  mir  selbst 
und  stets  unter  den  gleichen  Bedingungen  untersucht  wurde.  Um 
möglichst  objektiv  zu  verfahren,  liess  ich  mir  die  Diagnose  eines  je¬ 
weiligen  Falles  immer  erst  nach  Ablieferung  des  Punktionsresultates 
mitteilen,  und  zwar  führte  ich  die  Spinalpunktion  nicht  nur  bei  lue¬ 
tischen  und  metaluetischen  aus,  sondern  bei  allen  Kranken,  wo  sie 
überhaupt  aus  diagnostischen  und  therapeutischen  Gründen  in  Be¬ 
tracht  kam.  Wenn  wir  nun  zu  anderen  Resultaten  als  Altmann 
und  Dreyfus  gekommen  sind,  so  kann  es  nur  an  der  verschiedenen 
Technik  liegen. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort  auf  alle  Mängel  des  ursprünglichen 
Quincke  sehen  Lumbalpunktionsapparates  einzugehen,  den  die 
beiden  Autoren  verwenden,  auf  die  ausser  vielen  anderen  auch  ich1) 
wiederholt  hingewiesen  habe,  vielmehr  will  ich  nur  mit  wenigen 
Worten  auf  die  Fehler  zurückkommen,  die  ihm  als  Druckmessinstru¬ 
ment  anhaften. 

Abgesehen  davon,  dass  es  fast  nie  gelingt,  die  Verbindung  der 
Q  u  i  n  c  k  e  sehen  Nadel  mit  dem  Schlauch  ohne  Verlust  einiger 
Tropfen  Liquors  herzustellen,  was  zumal  dann  für  die  Druckbestim¬ 
mung  von  Bedeutung  werden  kann,  wenn  aus  irgendwelchen  Gründen 
(Verstopfung  der  Nadel)  während  der  Punktion  der  Mandrin  in  die 
Nadel  wieder  eingeführt,  der  Schlauch  daher  zuerst  mit  Vorsicht  ab¬ 
genommen  und  dann  wieder  angesetzt  werden  muss,  so  sehe  ich  den 
Hauptnachteil  des  Apparates  in  dem  zur  Verwendung  kommenden 
langen  Schlauch.  Dreyfus  verwendet  einen  solchen  von  35  cm 
Länge.  Nehmen  wir  an,  seine  Weite  betrüge  5  mm,  was  bei  einem 
schon  längere  Zeit  im  Gebrauch  befindlichen  Schlauch  eher  zu  niedrig 
gegriffen  sein  dürfte  (in  seiner  Arbeit,  erschienen  in  No,  47,  1912  dieser 
Wochenschrift  ist  darüber  nichts  angegeben),  so  fasst  ein  solcher, 
wie  leicht  auszurechnen  ist,  samt  Nadel  mindestens  6,5  ccm.  Es 
wird  also  nicht  der  Druck  des  Liquors,  sondern  der  eines  solchen 
—  6,5  ccm  bestimmt. 

Bei  starker  Drucksteigerung  kann  der  dadurch  bedingte  Fehler 
irrelevant  sein,  nicht  aber  bei  einem  normalen  von  120  mm  Wasser 
oder  gering  erhöhtem  Druck,  zumal  diese  6,5  ccm  von  der  Gesamt¬ 
menge  des  Liquors  einen  grossen  Prozentsatz  einnehmen  können.  Die 
beiden  Autoren  müssen  daher  im  Verhältnis  zu  unseren  Resultaten 

1!')  Heilbronner:  Arch.  f.  Psychiatrie  u.  Nervenheilk.,  36. 

20)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905. 

*)  Zur  Technik  der  Lumbalpunktion.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1912,  No.  9.  —  Der  Wert  und  die  Gefahren  der  Lumbalpunktion. 
Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurol.  u.  Psych.,  Bd.  XL  H.  5, 


Vom  Kriegsschauplatz  in  Montenegro. 

Von  Dr.  E.  v.  D  ü  r  i  n  g. 


Nach  den  Kämpfen  am  7.-9.  Februar  bei  Skutari,  am  Bardanjo 
war  in  Montenegro  grosser  Mangel  an  ärztlicher  Hilfe.  Wie  am  dt 
übrigen  Balkankriegsschauplätzen  waren  auch  in  Montenegro  fa 
alle  Aerzte  und  Missionen  des  Roten  Kreuzes  nach  Abschluss  dt, 
Waffenstillstandes  abgereist.  Auf  dem  Kriegsschauplatz  selbst  wa 
soviel  ich  weiss,  nur  mehr  die  Schweizerabteilung  des  Roten  Kreuz 
unter  der  Leitung  des  ausgezeichneten  Chirurgen  Dr.  v.  Feye 
In  Podgoritza  wirkte  eine  sehr  zahlreiche,  vorzüglich  ausgeruste 
italienische  Abteilung  des  Roten  Kreuzes,  von  denen  die  Kasernen  : 
Lazaretten  umgewandelt  waren;  1600  Verwundete  wurden  dort  ve 
pflegt.  In  Cetinje  selbst  waren  eine  tschechische  Abteilung,  e 
russischer,  ein  holländischer  Arzt  und  der  bei  C  z  e  r  n  y  ausgebilde 
in  Deutschland  approbierte  chirurgische  Chefarzt  des  Damlo-Hosi 
tals  Dr.  Matanovic.  Für  mehr  als  3500  Verwundete  in  3  lag 
ist  diese  Zahl  von  Aerzten  nicht  viel!  —  Mich  traf  in  Ragusa,  wo  i 
mich  zur  Erholung  aufhielt,  ein  Telegramm  unseres  deutschen  <i 
sandten,  Exzellenz  v.  Eckardt,  am  11.  Februar.  Am  nächst 
Tage  begab  ich  mich  über  Cattaro  nach  Cetinje.  An  Bord  t 
Dampfers  traf  ich  drei  Aerzte  aus  Ragusa,  die  mit  zwei  Kranke 
Schwestern,  ebenfalls  auf  ein  Telegramm  der  Königin  sich  naji 

Cetinje  begaben.  ...  .  j 

Bei  unserer  Ankunft  fanden  wir  alle  zur  Verfügung  stehend 
Räumlichkeiten,  alle  öffentlichen  Gebäude,  Kasernen,  Schult 
Ministerien,  Theater  voller  Verwundeter.  Wie  sie  vom  Kriegssch, 
platz  kamen,  meist  mit  dem  ersten  Notverbande,  ungereinigt,  lag 
sie  auf  eilig  bereiteten  Strohmatratzen  auf  der  Erde.  Trotz  ubj 
menschlicher  Anstrengungen  der  vorhandenen  Aerzte,  war  es  utim' 

Te»i1  rlpr  pincrpliptPr V 


I  JMi  n-Dumcon 


wundeteil  anzusehen. 

Ehe  ich  meine  geringen  kriegschirurgischen  Erfahrungen, 
zu  dem  von  kompetenterer  Seite  aus  massenhafter,  längerer  Be< 
achtung  mitgeteilten  nichts  Neues  hinzufügen  können,  wiederge 
möchte  ich  zwei  Fragen  erörtern,  die  von  allgemeinem  Interesse  st¬ 
ich  sagte,  dass  die  Verwundeten  durchweg  in  dem  Zustande  e 
geliefert  waren  —  nach  mehrtägigem  Transport,  zum  Teil  eng  e 
gepfercht  in  Wagen,  Lastautomobile  usw.,  wie  sie  vom  Kriegssch 
platz  kamen,  d.  h.  also  in  einem  sehr  schmutzigen  Zustande,  n 
ist  gleich  die  Frage  nach  der  sich  freiwillig  bietenden  Hüte 
erörtern.  Die  allerungünstigsten  Urteile  sind,  durch  die  zum 
skandalösen  Erfahrungen  berechtigt,  über  die  freiwillige  weiblul 
Krankenpflege  ausgesprochen  worden.  Die  Hilfe,  die  man  braui 
ist  eine  andere,  als  die  meisten  freiwilligen  Pflegerinnen  sich  v 
gestellt  haben  und  als  die,  zu  der  die  Samariterkurse  Anleitung  ge  - 
und  Erwartungen  erwecken.  Die  schon  sehr  schwierige  Einnchb! 
der  Verpflegung  so  massenhafter  Menschen  (Cetinje  hat  ca.  4 
Podgoritza  3000  Einwohner!)  in  kleinen  Orten,  die  für  die  . 
Schaffung  der  Lebensmittel  im  gewöhnlichen  Leben  schon  besond 
Verhältnisse  bieten,  ist  schon  eine  grosse  Leistung.  Ich  muss  sag 
dass  in  Cetinje  hier  von  Reich  und  Arm,  Vornehm  und  Gering, 
heimischen  und  Fremden  in  wenigen  Stunden  eine  sehr  gut  arbeite 
Einrichtung  getroffen  war;  diese  Tätigkeit  liegt  den  Frauen,  und  f 
Organisatorin  unter  ihnen,  besonders  wenn  sie  auch  gesellschan 


>  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


927 


tjrität  hat,  vermag  hier  vorzügliches  zu  leisten.  Dann  aber  kommt 
Tätigkeit,  die  starke  Nerven,  grosse  Aufopferung  erfordert;  viele 
:  uen  und  Mädchen  können  einfach  den  Ekel  nicht  überwinden, 
ist  das  Reinigen  der  mit  achttägigem  Schmutz,  (vielleicht  viel 
r  bei  den  im  Lager  seit  Monaten  liegenden  Soldaten!),  Blutkrusten 
oft  mit  Ungeziefer  bedeckten  Verwundeten,  Hände  und  Fiisse 
dien,  die  dick  mit  Kot  überzogene  Anal-  und  Oberschenkelgegend 
reinigeTi,  das  Herbringen  von  Nachtgeschirren,  das  Leeren  der¬ 
en,  der  furchtbare  Geruch,  der  sich  trotz  alles  Lüftens  in  den 
cn  Tagen  entwickelt,  ehe  man  alle  gereinigt,  alle  verbunden  hat  — 
sind  Anforderungen,  auf  die  in  Samariterkursen  nicht  vorbereitet 
.  j,  und  die  gerade  in  den  ersten  Tagen  das  nötigste  sind,  das, 
iir  eben  die  Hände  fehlen.  Blutungen  zu  stillen,  dazu  braucht 
!  kaum  die  freiwilligen  Pflegerinnen,  Beine  und  Arme  halten, 
rumente  darreichen,  zu  verbinden  —  das  kommt  später  — ,  aber 
elementaren  Erfordernisse  machen  in  der  ersten  Zeit  die  aller- 
,sten  Schwierigkeiten,  besonders  wenn,  wie  auf  dem  monte- 
rinischen  Kriegsschauplätze  und  in  den  Unterkunftsräumen 
e  s,  aber  auch  alles  improvisiert  werden  muss.  Gut  eingerichtete, 
allem  in  Personen  und  Sachen  ausgerüstete  Rote  Kreuzkolonnen 
nen  dem  Massenandrang  der  Schlachttage  gegenüber  Verhältnis¬ 
se  versagen  —  aber  sie  haben  doch  für  begrenzte  Mengen  alles 
sie  brauchen  — ,  nur  diese  elementaren  Hilfen  fehlen  auch  ihnen. 

’  iter  kommt  dann  die  Aufsicht  und  Pflege  in  den  Krankensälen, 
geschulte  Personal  ist  im  Operationssaal,  beim  Verbände  so  un¬ 
ehrlich,  dass  man  im  Krankensaal  improvisierte,  freiwillige  Hilfe 
Licht.  Da  hapert  es  wieder.  Zu  beurteilen,  ob  ein  Verwundeter 
:e  braucht,  den  wirklich  schwer  Leidenden  von  den  Anspruchs- 
en,  stets  Stöhnenden,  Wimmernden,  Klagenden  zu  unterscheiden 
;eht  über  das  Unterscheidungsvermögen  und  über  die  Nerven  der 
steil  Frauen  und  vieler  Männer.  Wie  viele  unnütze  Bemühung 
irend  schon  an  und  für  sich  übermenschlicher  Anstrengung  wird 
durch  zweckloses  Rufen  nach  dem  Arzte  verursacht.  Anderer¬ 
es:  wie  unmöglich  ist  es,  sich  auf  die  Angaben  dieser  Pflegerinnen 
r  Zustand,  Fieber,  Schlaf,  Entleerungen,  Nahrungsaufnahme.  Zu- 
ld  des  Verbandes  schwerer  Patienten  zu  verlassen.  Das  macht 
wie  gesagt,  übermenschlichen  Anstrengungen  der  ersten  Tage 
den  Arzt  noch  schwerer. 

Nun  kommen  noch  die  richtigen  Salonpflegerinnen,  denen  die 
westernmiitze,  die  Rote  Kreuzbinde  und  später  das  Blumen¬ 
teilen,  Vorlesen,  Flirten  die  wichtigsten  Aufgaben  zu  sein  scheinen, 
muss  aber  ausdrücklich  betonen,  dass  ich  von  dieser  letzten  Sorte 
Montenegro  nichts  gesehen  habe.  Auf  den  anderen  Kriegs¬ 
auplätzen  des  Balkans  mag  dieser  Typ  der  „Levantinerinnen-1 
it  lästig  gewesen  sein.  Wir  hatten  nur  Schwierigkeiten  in  bezug 
die  Kräfte,  die  imstande  waren,  die  erstgenannten  unappetitlichen 
nste  auf  sich  zu  nehmen,  und  litten  unter  einigen  jener  nervösen 
sichtsdamen  in  den  Krankensälen.  Eine  recht  deutliche,  jedes 
sverständnis  ausschliessende  Auseinandersetzung  liess  diese  Sorte 
i  Helferinnen  entweder  verschwinden  oder  besserte  sie  rasch, 
idriicklich  muss  ich  sogar  betonen,  dass  meine  Helferinnen  sich 
h  ersten  Augenblick  an  ausgezeichnet  bewährten,  keinerlei 
derie  zeigten,  sich  jeder  Arbeit  unterzogen.  Selbst  die 
tizessinnen  waren  überall  und  waren  dadurch  sehr  nützlich,  dass 
tlicherseits  geäusserte  Wünsche  durch  ihre  Autorität,  soweit  es 
dich  war.  eine  sofortige  Erfüllung  fanden.  Allerdings  —  geschulte 
e,  Betten,  Desinfektionsapparate,  Operationstische  und  -räume, 
s,  Schienen  etc.  konnten  sie  auch  nicht  schaffen!  Aber  nach 
agen  hatten  wir  alles  improvisiert  und  der  Dienst  funktionierte 
züglich!  —  Ich  habe  den  Eindruck  bekommen  durch  das,  was 
an  anderen  Punkten  und  bei  jüngeren  sehr  tüchtigen  Aerzten  sah, 
ob  unsere  so  höchst  vollkommenen  Einrichtungen  die  Fähigkeit 
i  Improvisieren,  sich  unter  den  Bedingungen  eines  Feldzuges  in 
ungünstigen  Verhältnissen  schnell  zu  helfen,  nicht  recht  zur  Ent- 
kelung  kommen  lassen.  Wer  mit  Baracken,  allem  Instrumentarium 
1  Apparaten,  Betten,  Verbandzeug,  Krankenwärtern  und  Pflegerinnen 
mdwo  ein  Lazarett  einrichtet,  wird  zunächst  die  Notwendigkeit 
Improvisierens  nicht  so  empfinden.  Aber  es  wird  bei  Massen- 
trang  sich  oft  das  Improvisieren  vieler  Dinge  nötig  sein.  Und 
r  komme  ich  zur  zweiten  Frage:  Werden  bei  uns,  in  einem  Kriege 
eier  mit  allen  Erfordernissen  von  vorneherein  versehener  Armeen, 
Bedingungen  nach  einer  grossen  Schlacht  wesentlich  andere  sein, 
'  hier?  Hier  handelte  es  sich  um  Verhältnisse,  die  im  Vergleich 
dem,  was  wir  zu  erwarten  hätten,  fast  komisch  kleine  sind  —  ein 
id  mit  noch  nicht  200  000  Einwohnern,  ein  Heer  von  25  000  Mann, 
luste  von  4000  Mann  —  und  doch  waren  die  ersten  Tage  furchtbar, 
Ansprüche  über  Menschenkraft.  Wenn  es  sich  nun  im  modernen 
ege  um  die  sehr  wahrscheinlichen  Verluste  von  50 — 60  000  Mann 
einem,  in  wenigen  Tagen  handelt?  Ich  glaube  Hände,  Nerven 
i  Platz  zum  Unterbringen  der  Verwundeten  sind  die  drei  Dinge, 
auch  bei  uns  nicht  ausreichen!  Maschinengewehre  fegen  ganze 
upagnien  fort!  (Die  Bataillone  der  Montenegriner  bestehen  aus 
nilien  von  einem  Bataillon  in  Nikschiret  sollen  von  100  Mann 
hrig  geblieben  sein,  eine  Familie  soll  46  Männer  verloren  haben!) 
i  grosser  Vorteil  sind,  gerade  bei  der  Art  der  heutigen  Ver- 
ndungen,  die  aseptischen  Verbandpäckchen.  Da  jeder  Soldat  mit 
-kchen  versehen  ist,  kann  es  wenigstens  an  Verband  nicht  fehlen, 
er  die  Hände  zum  Verbinden  und  die  Rückschaffung  und  Unter- 
ngung  von  solchen  Massen  Verwundeter?! 


Ganz  wenige  Worte  über  die  Arten  der  Verwundungen.  Dass 
die  kleinkalibrigen  Gewehre  ausserordentlich  günstige  Bedingungen 
für  Heilung  der  Wunden  schaffen,  ist  bekannt.  Lungenschüsse  waren 
zum  grossen  Teil  in  kurzer  Zeit  geheilt  ohne  Komplikationen.  Von 
15  Lungenschüssen,  die  ich  beobachtet  habe,  ist  einer,  mit  Zer¬ 
schmetterung  mehrerer  Rippen,  trotz  Operation  an  Pyothorax  zu¬ 
grunde  gegangen;  2  Verwundete  hatten  ein  begrenztes  Exsudat,  die 
übrigen  waren  nach  8  Tagen  reaktionslos  geheilt.  Schädelschüsse 
heilen  vielfach  ohne  jede  Folgeerscheinungen.  So  sah  ich  ein 
15  jähriges  Mädchen,  das  Munition  und  Proviant  in  die  vordersten 
Reihen  der  Kämpfer  getragen  hatte,  mit  einem  Schädelschuss,  von 
der  Stirn  zum  Hinterhaupt,  reaktionslos  geheilt. 

Die  uns  zukommenden  Wunden  —  5— 8  Tage  nach  der  Schlacht  — 
waren  durchweg  entweder  so  gut  wie  geheilt  oder  verjaucht!  Gleich¬ 
wohl  sind  verhältnismässig  sehr  wenig  Sekundäramputationen  ge¬ 
macht  worden.  Selbst  in  Fällen,  in  denen  ich  bestimmt  auf  einen 
ungünstigen  Ausgang  rechnete,  bei  kolossalen  Splitterfrakturen, 
Gelenkvereiterungen  gelang  die  Erhaltung  der  verletzten  Glied¬ 
massen.  Schwere  pyämische  Erscheinungen  waren  äusserst  selten. 
Infektionskrankheiten  —  Dysenterie  und  Typhus  —  besonders 
letzterer,  nahmen  in  der  letzten  Zeit  trotz  aller  Isolierungen  zu;  in 
Podgoritza  lagen  200  Fälle.  —  Die  Montenegriner  sind  durchweg 
prachtvolle  Menschen,  gesund  und  kräftig;  unter  den  Verwundeten 
waren  Knaben  von  15  und  Greise  von  70  Jahren;  15  Proz.  der 
G  e  s  a  m  t  bevölkerung  sind  unter  den  Waffen!  — 

Die  Jodtinktur  ist  jedenfalls  gerade  unter  Kriegsbedingungen  ein 
glänzendes  Antiseptikum;  aber  in  Laienhänden  (Pfleger  und 
Pflegerinnen)  wird  doch  viel  Missbrauch  damit  getrieben.  Die  eitrigen 
Dermatitiden,  die  bei  wiederholter  Anwendung  durch  Jodtinktur 
hervorgerufen  werden,  sind  sehr  lästig. 

Ausserordentlich  erschwert  ist  die  Behandlung  bei  Fehlen  der 
Betten!  Am  ersten  Tage  mussten  wir  alles,  Untersuchungen,  Ver¬ 
bandwechsel,  auf  der  Erde  kniend  vornehmen!  Da  ohne  Betten 
Extensionsverbände  nicht  anzulegen  waren,  Gips  fehlte,  musste  man 
zu  Pappverbänden  mit  Organtinbriden  greifen  —  es  ging  auch  recht 
gut  und  die  Resultate  waren  nicht  schlecht. 

Entsetzlich  sind  die  Verletzungen  durch  die  Maschinengewehre 
und  durch  die  doch  immer  noch  vorkommenden  Explosivstoffe.  Ein 
17  jähriger  Jüngling  hatte  11  Schüsse  eines  Maschinengewehrs,  alle 
von  hinten;  6  Kugeln  hatten  gestreift,  eine  zweihandtellergrosse  tiefe 
Muskelwunde  auf  dem  Rücken  gerissen,  4  Kugeln  staken  im  Becken, 
mit  Zerschmetterung  des  Os  iliacum.  Er  ist  an  Erschöpfung  am 
20.  Tage  zugrunde  gegangen. 

Nach  den  Eindrücken  und  Erfahrungen,  die  ich  in  Montenegro 
gewonnen  habe,  muss  ich  sagen,  dass  bei  uns  für  den  Ernstfall  viel 
weitere  Kreise  für  die  schwierigste,  nichtärztliche,  Hilfe  vor¬ 
bereitet  und  gewonnen  werden  müssen.  Es  will  mir  scheinen,  als 
wären  für  diesen  Zweck  die,  doch  auch  wohl  etwas  „sportsmässig“ 
betriebenen  Samariterkurse  ungeeignet!  Zum  Helfer  beim  Verbinden 
und  Operieren  sind  nachher  während  des  Bedarfes  solche  Kräfte,  die 
es  überhaupt  psychisch  aushalten  können,  meist  beim  Vorhandensein 
geschulten  Personals  rasch  abzurichten! 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Fortschritte  in  der  Behandlung  des  Diabetes  mellitus*). 

Von  Dr.  Grober,  a.  o.  Professor  der  inneren  Medizin  in  Jena. 

M.  H.!  Die  Fortschritte  der  Lehre  vom  Stoffwechsel,  die  die 
letzten  Jahre  gebracht  haben,  beziehen  sich,  nachdem  wir  über  die 
Zufuhr  von  Brennwerten  in  der  Nahrung  und  über  die  Ausscheidung 
der  Verbrennungsprodukte  allmählich  immer  genauer  unterrichtet 
sind,  mehr  auf  die  Vorgänge  der  chemischen  Umwandlung  der  ein¬ 
geführten  Stoffe  im  Körper,'  während  sie  sich  auf  dem  Wege  von 
einem  Organ  zum  anderen  befinden.  Man  hat  dafür  den  bezeichnen¬ 
den  Ausdruck  des  intermediären  Stoffwechsels  geprägt. 
Unsere  Erkenntnisse  sind  im  wahren  Sinne  des  Wortes  von  aussen 
nach  innen  gedrungen. 

Diese  Veränderung  unserer  Anschauungen,  die  dem  chemischen 
Geschehen  innerhalb  der  einzelnen  Organe  und  in  der  sie  verbinden¬ 
den  Blutbahn  den  Hauptwert  bei-  und  jedenfalls  z.  Z.  das  Hauptziel 
der  Forschung  dorthin  verlegt,  auch  die  Aufklärung  noch  ungelöster 
und  sehr  wichtiger  Fragen  des  Stoffwechsels  dort  erwartet,  findet 
auch  in  unserem  Standpunkte  gegenüber  der  Zuckerkrankheit  eine 
sehr  offensichtliche  Verdeutlichung.  Diese  erhielt  ihren  Namen  von 
der  Ausscheidung  des  süss  schmeckenden  Traubenzuckers  durch  die 
Nieren  und  lange  Zeit  hat  man  hierin,  wenn  nicht  die  Krankheit, 
so  doch  ihr  Hauptsymptom  gesehen,  dessen  Beseitigung  die  alleinige 
Aufgabe  der  Behandlung  sein  müsse,  von  dem  aus  auch  die  anderen 
Erscheinungen  nach  Möglichkeit  erklärt  werden  sollten.  Mit  der 
zunehmenden  Erkenntnis  der  Verhältnisse  des  Kohlehydratstoff¬ 
wechsels  im  Körper  und  des  intermediären  Stoffwechsels  der  zu¬ 
meist  eingeführten  Stärke  (was  alles  wegen  des  verhältnismässig 

*)  Vortrag,  gehalten  am  0.  III.  1913  in  der  Vereinigung  für 
ärztliche  Fortbildung.  Ortsgruppe  Augsburg. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  r 


9Z8 


einfachen  Aufbaues  des  Kohlehydratrnoleküls  eher  erforscht  wurde 
als  die  gleichen,  uns  heute  noch  zum  grossen  Teile  verborgenen 
Verhältnisse  bei  den  Fetten,  besonders  aber  den  Eiweissen)  hat  der 
Harnzucker  seine  Bedeutung  zugunsten  des  Blutzuckers  einge- 
biisst;  denn  wir  haben  gelernt,  dass  der  letztere  die  Hauptbedingung 
für  den  ersteren  darstellt.  Seine  Höhe  suchen  wir  zu  erkennen,  ihn 
wünschen  wir  zu  beeinflussen. 


NAHRUNG 

Stärke  u.Zucker 


Ci.Bernard's 

Centrum 

fördert  Nebennieren 


Thyreoidea 

hemmt  Pa ncreas 


Y 

Nebennieren 

Fördert  Zuckerbildung 


DARM  + 

Zucker  v 

Pancreas 


hemmt  Zuckerbildung 

LEBER 

GLykogen 


BLUT 


MUSKELN 


Zucker 


NIEREN 


Zucker 


Zucker 


verbrannt 


Fig.  1. 

Schicksal  der  Nahrungskohlehydrate  nach 

v.  N  o  o  r  d  c  n. 

Die  Kohlehydrate  der  Nahrung  werden  (Fig.  1)  durch  den  Mundspei¬ 
chel,  die  diabetischen  Fermente  des  Pankreas  der  Darmschleimhaut  und 
der  Darmbakterienflora  in  Traubenzucker  umgewandelt,  der  einen  der 
wichtigsten  Bestandteile  des  Körpers  darstellt,  weil  er  vorwiegend 
die  Quelle  der  Verbrennung,  d.  h.  der  Energieentwicklung  der  Organe 
und-  Qewebe  ist.  Da  sowohl  Eiweisse,  Fette  wie  Kohlenhydrate 
vom  Körper  in  Traubenzucker  verwandelt  werden  können,  so  stellt 
er  gewissermassen  die  Wechselmünze  im  Betriebe  des  Organismus 
dar.  Aus  der  Darmschleimhaut  gelangt  der  aufgesogene  Zucker  im 
Lauf  der  Darmportalgefässe  zur  Leber.  Die  einzelnen  Organe  des 
Körpers  sind  stets  zuckerhungrig;  sie  würden  den  etwa  direkt  in 
den  allgemeinen  Kreislauf  geführten  Zucker  sofort  an  sich  reissen; 
eine  ungleichmässige,  man  kann  sagen  ungerechte,  Verteilung  des 
Zuckers  wäre  die  leicht  verständliche  Folge.  Die  Leber,  das  grosse 
chemische  Laboratorium  des  Körpers,  dient  als  Regulator.  Sie  nimmt 
den  Traubenzucker  auf,  gibt  davon  nur  soviel  an  den  allgemeinen 
Kreislauf  ab,  dass  der  Bedarf  der  Organe  gleichmässig  gedeckt  wird 
ur.d  stapelt  das  übrige  in  einer  leicht  löslichen  Form,  als  Glykogen, 
auf.  Sinkt  durch  Verbrauch  in  den  Organen  die  Menge,  oder  wie 
man  sich  vom  Bilde  eines  Flüssigkeits-Quecksilbermanometers  her 
gewöhnt  hat,  zu  sagen,  der  „Spiegel“  des  Blutzuckers  unter  den 
Normalwert,  der  etwa  bei  1  Prom.  gelegen  ist,  so  gibt  die  gesunde 
Leber  von  ihrem  Glykogen  so  viel  Traubenzucker  ab,  dass  der 
Normalwert  des  Blutzuckers  wieder  erreicht  wird.  Alle  Organe 
haben  so  je  nach  ihrer  Energieentwicklung  Einfluss  auf  die  Abgabe 
des  Leberkohlehydrats  an  das  Blut.  Aber  wir  haben  durch  klinische 
und  experimentelle  Erfahrungen  noch  neben  dem  Zuckerverbrauch  der 
Organe  und  der  später  weiter  zu  besprechenden  Zuckerausscheidung 
durch  die  Nieren  andere  Einflüsse  kennen  gelernt,  die  die  Höhe  des 
Blutzuckerspiegels  verändern  können.  Das  Pankreas,  genauer  dessen 
inneres  Sekret,  hemmt  die  Zuckerbildung  aus  dem  Leberglykogen. 
Sein  Wegfall  lässt  den  Blutzucker  ansteigen,  es  kommt  zum  Pankreas¬ 
diabetes.  Das  Sekret  der  Schilddrüse  wirkt  antagonistisch  zum  Pan¬ 
kreassekret:  ihre  Ueberfunktion  lässt  gleichfalls  leichter  als  normal 
Zucker  aus  dem  Leberglykogen  entstehen.  Ich  brauche  nur  an  die 
Beziehungen  zwischen  Glykosurie  und  Basedow  scher  Krankheit 
erinnern.  Fördernden  Einfluss  auf  die  Zuckermobilisation  hat  da¬ 
gegen  das  Sekret  der  Nebennieren:  Injektion  von  Adrenalin  ruft 
Glykosurie  hervor.  Die  Sekretion  der  Nebennieren  wird  aber  durch 
eine  von  CI.  B  e  r  n  a  r  d  entdeckte  Stelle  des  Bodens  der  4.  Gehirn¬ 
kammer  angeregt:  deren  Reizung,  die  sog.  Piqüre,  lässt,  indirekt 


ausgeschieden 

l 

HARN 

Zucker 


durch  die  Nebennieren,  wie  wir  jetzt  annehmen,  den  Blutzucker  at 
steigen  und  führt  zu  Glykosurie. 

Wir  sehen  also,  dass  der  Zuckerspiegel  des  normalen  Blute 
einer  Reihe  von  Einflüssen  unterworfen  ist,  die  zum  Teil  bekam 
sind,  zum  anderen  noch  näher  ertorscht  werden  müssen.  Er  i 
freilich  vor  allem  vom  Verbrauch  der  Organe  abhängig.  Braucht, 
sie  viel  zur  Energieentwicklung.  so  wird  zunächst  der  Blutzuck; 
angegriffen,  sein  Spiegel  sinkt  also,  so  z.  B.  nach  starker  körperlich; 
Arbeit.  Aber  die  Leber  ergänzt  das  Fehlende  bald,  und,  wie  al 
Organfunktionen,  einmal  in  Gang  gesetzt,  mit  ihren  Wellen  ai 
schwellen  und  das  Mass  des  Geforderten  zunächst  übersteigen,  L 
sonders  wenn  es  sich  um  eine  noch  nicht  einkoordinierte  Leistui; 
handelt,  so  gibt  sie  häufig,  vielleicht  auch  unter  dem  individutj 
wechselnden  Einfluss  der  obengenannten  Faktoren,  mehr  ab  als  ve' 
braucht  wird.  So  pflegt  z.  B.  in  kühler  Umgebung  der  Blutzucke 
Spiegel  zu  steigen,  weil  die  zur  Wärmeergänzung  benötigte  Menq 
des  Zuckers  gering  ist  und  von  der  Leber  im  Uebermass  e] 
setzt  wird. 

Wie  in  allen  anderen  Organen,  so  wird  auch  in  der  Niere  Zuck, 
zur  Organarbeit  verbraucht.  Ausserdem  wird  er  als  BlutbestandU 
an  dem  Filter  der  Nieren  vorbeigeführt:  je  nach  der  verschieden; 
Dichtigkeit  des  Filters  kann  Zucker  durch  dasselbe  in  den  Harn  übt 
gehen. 

Die  Menge  des  Harnzuckers  hängt  neben  dem  Spiegel  des  Blui 
zuckers  von  der  Beschaffenheit  der  Nieren  ab.  Ist  das  Filter  b 
sonders  dicht,  so  kann  der  Blutzucker  hoch,  und  trotzdem  im  Ha; 
kein  Zucker  vorhanden  sein;  ist  es  undicht,  so  kann  auch  bei  no 
malern  Blutzuckerspiegel  Zucker  im  Urin  ausgeschieden  werden.  T) 
normale  Dichtigkeit  des  Nierenfilters,  die  übrigens  individuell  inne 
halb  gewisser  Grenzen  verschieden  ist,  hat  zur  Folge,  dass  bei  eine 
Blutzuckergehalt  von  1  Prom.  kein  merkbarer  Abfluss  von  Zuck 
durch  den  Harn  stattfindet.  Steigt  der  Blutzucker  wie  bei  reichlich 
Zufuhr  von  Traubenzucker  in  der  Nahrung,  so  lässt  auch  die  norma 
Niere  Zucker  in  den  Urin  übergehen  (Glykosuria  e  sacharo,  cventin 
ex  amylo). 

Wie  liegen  diese  Verhältnisse  beim  Diabetes?  Abgesehen  v< 
wenigen  Fällen,  die  als  renaler  Diabetes  bezeichnet  wurden,  zei 
das  Nierenfilter  für  Zucker  anfangs  normale  Dichtigkeit, 
schwereren  Fällen  kann  sich  dieselbe  später  verändern.  Der  Bin 
zucker  aber  ist  beim  Diabetes  fast  immer  gesteigert  und  zwar  kar 
er  bis  zum  Zehnfachen  des  normalen  Wertes  und  darüber  ai 
wachsen.  Der  Harnzucker  ist  also  erst  die  Folge  des  Blutzucker, 
diesen  müssen  wir,  wenn  wir  die  Krankheit  bekämpfen  wollen, 
seinen  Ursachen  aufsuchen  und  seine  Steigerung  vermindern.  1 
kann  sich  bei  der  Erhöhung  des  Blutzuckers  um  eine  den  Gewcra 
zellen  fehlende  Fähigkeit  handeln,  den  Zucker  zu  verbrennen,  oder  u 
eine  zu  reichliche  Zuckerbildung,  v.  Noorden  hat  neuerdin; 
die  letztere  Anschauung  ausgesprochen  und  gestützt;  viele  ande 
Kliniker  sind  der  Anschauung,  dass  der  Zucker  im  Blute  weg; 
mangelnder  Verbrennung  gestaut  würde.  Vielleicht  finden  sich  bei. 
Vorgänge  nebeneinander,  dem  Grade  nach  verschieden  stark,  a 
Ursache  der  Hyperglykämie. 

Wir  haben  oben  die  Organeinflüsse  und  Beziehungen  besproche 
die  den  Zuckerstoffwechsel  fördern  oder  hemmen.  Selbstverständli 
drängt  sich  die  Frage  auf,  wie  es  unter  Benutzung  dieser  Wege  d 
lingen  könne,  den  Diabetes  zu  behandeln.  Freilich  ist  auch  der  krau 
hafte  Zuckerstoffwechsel,  genauer,  die  Steigerung  des  Blutzucker 
nur  ein  Symptom  der  Krankheit,  nicht  die  Krankheit  selbst,  aber  doj 
das  Entscheidende  für  viele  klinisch  wichtige  Veränderungen, 
lässt  sich  z.  B.  aus  der  die  Zuckerabgabe  der  Leber  hemmend. 
Eigenschaft  des  Pankreas  eine  Begründung  der  Verwendung  dies; 
Drüsengewebes  zur  Diabetesbehandlung  ableiten.  Inwieweit  c 
anderen  Organe  der  inneren  Sekretion  oder  ihre  Sekrete  dabei  Vt 
Wendung  finden  können,  ist  noch  unsicher.  Ausgeschlossen  ist  t 
Möglichkeit  ihres  Erfolges  nicht.  Eine  solche  Verringerung  d 
Zuckerabgabe  wird  aber  in  viel  radikalerer  Weise  zu  U 
reichen  sein,  wenn  man  die  Einfuhr  von  Zuckerbildnern,  al 
von  KH.  (Kohlehydraten),  überhaupt  einschränkt.  Diese  ß| 
handlungsdauer  erfüllt  zudem  noch  eine  viel  allgemeinere  u> 
als  wirksamer  erkannte  Forderung  der  Therapie:  die  Schonur 
der  erkrankten  Funktion.  Dieses  Prinzip,  dem  wir  also  vt 
gleichem  Wert  nur  das  nach  ihm  anzuwendende  Prinzip  der  Uebu; 
der  Funktion  an  die  Seite  stellen  können,  muss  bei  jeder  Behandln* 
eines  Falles  der  Zuckerkrankheit  in  erster  Linie  in  Anwendiu 
kommen. 

Schonen  können  wir  nur  dann  eine  Funktion,  wenn  wir  dj 
Grenze  dessen  kennen,  was  sie  noch  leisten  kann;  denn  unsere  Ai 
gäbe  muss  es  sein,  dafür  zu  sorgen,  dass  sie,  um  geschont  und  dan 
gestärkt  zu  werden,  weniger  leistet,  als  das,  wozu  sie  noch  eben  ii 
stände  ist.  Die  Bestimmung  dieser  Grenze  ist  beim  Diabetes  d 
erste  Erfordernis  der  Behandlung;  es  ist  festzustellen,  wie  vr 
Zuckerbildner  dem  Körper  zugeführt  werden  können,  ohne  dass  eii 
Zuckerstauung  im  Körper  auftritt.  Als  Mass  für  die  Zuckerstauui 
wählen  wir  meist  die  Menge  des  im  Harn  ausgeschiedenen  Traube 
zuckers.  Wir  haben  vorher  gesehen,  dass  der  Blutzuckerspieg 
einen  wichtigeren  Anhalt  bieten  würde,  doch  sind  die  Bestimmung 
methoden  desselben,  obwohl  sie  sehr  verbessert  und  erleichtert  wo 
den  sind,  noch  nicht  so  beschaffen,  dass  man  sie  jederzeit  und  an  jede 
Ort,  vor  allem  aber  nicht  gut  täglich  anwenden  kann.  Aus  diese 
Grunde  ist  vorläufig  die  Harhzuckerbestimmung,  obwohl  sie  ke 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


htiges  Bild  der  Funktionsleistung  geben  kann,  an  erster  Stelle  als 
;ignet  für  die  Prüfung  der  Funktion  zu  nennen. 

Die  praktische  Durchführung  der  Toleranzprüfung  ist  für  den, 
die  Grundsätze  des  Stoffwechsels  kennt,  sehr  einfach.  Dem  Kran- 
i  wird  eine  Hauptkost  verabfolgt,  die  KH.-frei  ist,  ihr  wird  eine 
üimmte  Menge  KH„  und  zwar  erfahrungsgemäss  am  besten  zu- 
:hst  in  einer  F  o  r  m,  also  z.  B.  als  Semmel,  zugefügt.  Früher 
man  dabei  mit  kleinen  Mengen  KH.  angefangen  und  ist  zu  grösse- 
i  aufgestiegen.  Seitdem  man  die  Gefahren  der  plötzlichen  KH.- 
tziehung  kennen  gelernt  hat,  gibt  man  am  1.  Tage  100  g,  am  2. 
g,  am  3.  60  g  Semmel  usw.  weniger,  bis  der  Harn  des  ganzen  Tages 
ie  Zucker  entleert  wird.  3U  der  so  bestimmten  Menge  KH.,  die 
n  als  die  Toleranzgrenze  bezeichnet,  werden  dann  während  der 
renden  diabetischen  Behandlung  als  Maximum  gewährt,  '2U  der¬ 
ben  stellt  den  täglichen  Durchschnitt  dar.  Die  Kost  der  eigent- 
>,en  Behandlungszeit  wird  ebenfalls  aus  der  KH.-freien  Hauptkost 
i  der  Nebenkost  zusammengesetzt:  v.  No orden  hat  mit  seinen 
.gezeichneten  Aeauivalenttabellen  uns  in  den  Stand  gesetzt,  von 
i  gebräuchlichen  KH.-haltigen  Nahrungsmitteln  die  Mengen,  die 
?0  g  Semmel  entsprechen,  leicht  aufzufinden.  Hat  man  z.  B.  einen 
1  von  Diabetes  zu  behandeln,  bei  dem  die  Toleranzgrenze  mit  80  g 
nmel  erreicht  wird,  so  wird  man  ihm  vorschreiben,  täglich  zwi- 
en  40—60  g  Semmel  oder  Aequivalente  davon  der  Hauptkost,  die 
iirlich  für  sein  Körpergewicht  die  nötigen  Kalorien  enthalten  muss, 

| ist  aber  nach  Wahl  des  Kranken  aus  KH.-freien  Nahrungsmitteln 
ammengesetzt  sein  kann,  hinzuzufügen.  Der  Erfolg  der  Behandlung 
1  die  Richtigkeit  des  Schonungsprinzips  zeigt  sich  darin,  dass  nach 
8  Wochen  eine  erneute  Toleranzprüfung  die  Funktionsgrenze  jetzt 
ht  mehr  bei  80,  sondern  bei  120  oder  gar  noch  mehr  Gramm 
nmel  ergeben  kann.  Auch  ein  solcher  Erfolg  darf  nicht  veranlassen, 
n  Kranken  nun  etwa  völlige  Freiheit  in  der  Wahl  der  Nahrungsmittel 
lassen,  sondern  dem  Schonungsprinzip  in  der  Ernährung  ist  das 
planmässigen  Uebu;ng  der  Funktion  beizugesellen:  im  be¬ 
sehenen  Fall  werden  nun  nicht  etwa  120,  sondern  60  bis  höchstens 
g  Semmel  resp.  Aequivalente  davon  zugemessen,  und  später  in 
icher  Weise  steigend  fortgefahren.  Das  erfordert  freilich  nicht  nur 
Juld,  Sorgfalt  und  Einsicht  vom  Arzte,  sondern  auch  vom  Kran- 
i,  dessen  Mitarbeit  nicht  entbehrt  werden  kann.  Nicht  alle  Dia- 
iker  sind  auf  die  Dauer  geneigt,  sich  solcher  Behandlung  zu  unter- 
hen.  Dennoch  gibt  der  Erfolg  dem  Verfahren  recht;  denn  nur 
solche  Weise  gelingt  es,  die  Genesung  und  Besserung  der  Kran- 
i  zu  erreichen.  (Fig.  2.) 


100 

60 

60 

40 

20 

00 

80 

100 

80 

60 

V 

^■vj 

N 

Fig.  2. 

Z  =  g  Zucker 
pro  Tag. 

U  =  Urinmenge. 

A  =  Azetonkörper. 

K—  =  kohlehydrat¬ 
freie  Kost  mit 
Semmelzulage 
in  g. 

n  =  g  Natr.  bicar- 
bonic.  pro  Tag. 


Aber  nicht  alle  Fälle  von  Zuckerkrankheit  verhalten  sich  so  wie 
n  beschrieben.  Bei  vielen  führt  auch  die  gänzliche  Weglassung 
KH.  in  der  Nahrung  nicht  zur  Zuckerfreiheit  des  Urins.  Wird 
Harn  auch  nach  mehreren  (bis  zu  8)  Tagen  solcher  Kost  nicht 
kerfrei,  so  ist  das  nur  so  zu  erklären,  dass  der  Körper,  der  den 
Ter  als  Scheidemünze  des  Stoffwechsels  notwendig  braucht,  ihn 
i  aus  den  Eiweissen  und  Fetten  der  Nahrung  selbst  herstellt,  offen¬ 


in  erheblicher  Menge,  aber  auch  den  aus  jenen  Stoffen  hergestell- 
Zucker  nicht  verbrennt.  (Fig.  3.)  Wenn  erst  nach  einigen  Tagen 
-freier  Kost  Zuckerfreiheit  des  Harns  erreicht  wird,  so  handelt  es 
wohl  um  den  Verbrauch  eines  im  Körper  noch  angesammelten 

No.  17. 


929 

KH.-Lagers;  wir  dürfen  dabei  an  das  Glykogen  der  Leber  und  beson¬ 
ders  der  Muskeln  denken.  (Fig.  4.) 


Praktische  Erfahrungen  haben  immer  wieder  gezeigt,  dass  die 
wesentlichsten  Zuckerbildner  in  diesen  schweren  Fällen  die  Fiweiss- 
körper  sind.  Diese  aus  der  Nahrung  zu  entfernen  ist  natürlich  nur 
auf  einige  Tage  möglich.  Eine  Beköstigung  mit  Fett  allein  ist  beim 
Menschen  für  mehr  als  einige  Mahlzeiten  so  gut  wie  ausgeschlossen. 
Fett  lässt  sich  aber  ausgezeichnet  in  den  zellulosereichen  eiweiss-  und 
kohlehydratarmen  Gemüsen  unterbringen,  ohne  dass  der  Kranke 
davon  Beschwerden  hat.  Diese  „Gemüsef ettage“  haben  die 
früher  üblichen  „Hungertage“,  die  man  zur  Erreichung  der 
Zuckerfreiheit  des  Harns  anzuwenden  pflegte,  fast  völlig  verdrängt. 
Die  Hungertage,  an  denen  nur  Getränke.  Kaffee,  Thee,  Milch,  Wasser, 
gestattet  waren,  beeinflussen  das  Körpergewicht  des  schweren  Dia¬ 
betikers  recht  ungünstig.  Abnahme  der  lebenden  Substanz  bedeutet 
aber  bei  den  meist  fettarmen  Kranken  eine  sehr  grosse  Gefahr.  Daher 
sind  die  Gemüsefettage,  die  reichliche  Kalorien  unterzubringen  ge¬ 
statten,  den  Hungertagen  vorzuziehen.  Die  Kranken  gewöhnen  sich 
meist  sehr  gut  daran,  sodass  man  sie  zu  mehreren  nacheinander  an¬ 
ordnen  und  wiederholen  kann.  Die  Kost  ist  durchaus  nicht  notwendi¬ 
gerweise  einförmig;  freilich  gehören  küchentechnische  und  kuli¬ 
narische  Kenntnis  des  Arztes,  die  aber  bei  dem  Siegeszuge  der  Diä¬ 
tetik  sicher  immer  weitere  Fortschritte  machen  wird,  sowie  Ver¬ 
ständnis  und  Eifer  der  Hausfrau  dazu.  Von  grünem  Gemüse  und  Sa¬ 
latkräutern  ist  eine  grosse  Menge  gestattet,  zu  ihrer  Zubereitung 
lässt  sich  Butter,  Speck  und  Oel  verwenden;  auch  die  vom  Koch- 
und  Bratfleisch  genommenen  Fettmengen  sind  trefflich  dazu  brauch¬ 
bar.  Im  einzelnen  muss  hier  auf  die  bekannten  Tabellen  von 
v.  No  orden  und  Schwenkenbecher  über  die  Zusammen¬ 
setzung  der  rohen  und  tischfertigen  Nahrungsmittel  verwiesen  wer¬ 
den.  In  der  Verwendung  der  Gewürze  ist  der  Kranke  nicht  wesent¬ 
lich  behindert.  Essig,  Salz,  Liebigs  Fleischextrakt,  Bouillon  von 
fettem  Fleisch  können,  ebenso  wie  Fruchtsaucen  ohne  Zucker  ge¬ 
braucht  werden.  Dazu  lassen  sich  die  bei  den  Hungertagen  schon 
genannten  Getränke  reichen.  H.  Lüthje  gibt  folgenden  Speise¬ 
zettel:  8  Uhr  Spargel,  10  Uhr  Spinat,  1  Uhr  Rotkraut,  4  Uhr  Wirsing¬ 
kohl,  7  Uhr  Blumenkohl  mit  je  50  g  Butter.  250  g  Butter  ent¬ 
halten  etwa  2000  Kalorien!  Salate  sind  hierbei  noch  nicht 
berücksichtigt.  Die  Aufnahme  grösserer  Fettmengen  wird  durch 
gleichzeitigen  Alkohol  genuss  recht  erleichtert.  Aus  diesem  Grunde 
darf  man  wohl  sagen,  dass  die  rationelle  Behandlung  des  Diabetes 
ohne  Alkohol  nicht  gut  möglich  ist.  Die  giftige  Wirkung  tritt  hinter 
der  nützlichen  zurück,  ausserdem  kommt  der  hohe  Brennwert  des 
Alkohols  gleichfalls  mit  in  Betracht.  In  einzelnen  Fällen  be¬ 
gegnet  man  jedoch  einem  unüberwindlichen  Widerwillen  gegen  das 
reichliche  Fett;  hier  ist  der  Zusatz  von  einigen  Eiern  oder  von  ge¬ 
ringen  Mengen  Pflanzeneiweiss  erlaubt.  Die  mitunter  auftretenden 
Diarrhöen  werden  durch  Opium  in  kleinen  Dosen,  am  besten  von  An¬ 
fang  an,  bekämpft.  (Fig.  5.) 


Die  grosse  Gefahr  der  Entziehung  der  KH.  liegt  beim  Diabetiker 
in  der  Bildung  der  Azetonkörper,  die  den  Geweben  Ammoniak 
und  fixes  Alkali  entziehen,  das  diese,  da  alle  unsere  Zellen  an  eine 

4 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


alkalische  Umwelt  gebunden  sind,  nur  unter  schweren  Krank¬ 
heitserscheinungen  entbehren  können,  die  man  unter  der  Bezeichnung 
,.A  z  i  d  o  s  i  s“  (obwohl  das  Blut  auch  in  ihren  höchsten  Graden  nie¬ 
mals  sauer  wird),  im  Endpunkt  als  „Coma  diabeticum“  zusammen¬ 
fasst.  Auch  ohne  KH.-Entziehung  treten  die  Azetonkörper  bei  den 
schweren  Fällen  von  Diabetes  häufig  auf.  Dann  soll  man  mit  der 
Entziehung  der  KH.  ganz  besonders  vorsichtig  sein,  die  Menge  der 
ausgeschiedenen  Azetonkörper  bestimmen  und  nur  schrittweise  von 
oben  nach  unten  Vorgehen,  indem  man  jeden  Tag  bereit  sein  muss, 
wieder  mehr  KH.  zuzulegen.  Ausserdem  muss  dem  Körper  in  Spei¬ 
sen  und  Getränken  in  solcher  Menge  Alkali  (Na  bicarbon.)  zugeführt 
werden,  dass  der  Urin  neutral  oder  alkalisch  entleert  wird;  das  ist 
eine  vorzügliche  Kontrolle  der  drohenden  Azidosis.  Es  genügen  dazu 
in  einem  Falle  20,  im  anderen  aber  vielleicht  erst  120  g.  Ja  es  gibt 
Fälle,  denen  man  täglich  ein  halbes  Pfund  Natr.  bicarb.  zuführen  muss, 
um  das  gewünschte  Ziel  zu  ereichen.  Die  Erfolge  der  Azidosis- 
bekämpfung  mit  Alkaligaben  sind  vortrefflich;  es  gelingt  nicht  selten, 
sogar  komatöse  Erscheinungen  damit  rückgängig  zu  machen;  auch 
im  bewusstlosen  Zustande  ist  durch  rektale  und  intravenöse  An¬ 
wendung  noch  ein  glücklicher  Ausgang  möglich.  Freilich  kann  die 
Alkalitherapie  nur  das  Leben  verlängern,  nicht  das  Leiden  in  seinem 
Lauf  beeinflussen. 

Die  Bildung  der  Azetonkörper  erfolgt  offenbar,  obwohl  sie  be¬ 
sonders  aus  den  sog.  niederen  Fettsäuren  entstehen,  dann  in  sehr 
grosser  Menge,  wenn  die  Nahrung  vorwiegend’  aus  Eiweisskörpern 
besteht.  Auch  darin  ist  also  ein  wichtiger  Vorteil  der  „Fettgemüse¬ 
tage“  zu  sehen,  dass  die  Veranlassung  zur  Ketonurie  hier  aus¬ 
geschaltet  wird. 

Aber  auch  mit  ihnen  gelingt  es  in  schweren  Fällen  nicht  immer, 
den  Harn  zucker-  und  azetonfrei  zu  machen.  Im  Anschluss  an  alte 
Erfahrungen  und  nach  einer  mehr  zufälligen  Beobachtung,  deren 
richtige  Deutung  er  der  ausgezeichneten  Kontrolle  seiner  Diabetes¬ 
fälle  zu  danken  hat,  fand  v.  N  o  o  r  d  e  n,  dass  die  verschiedenen 
Arten  von  KH.  verschieden  zuckerbildend  wirken  und  dass  ins¬ 
besondere  die  Haferstärke  im  diabetischen  Organismus  die 
Zuckererzeugung  stark  herabsetze.  Das  liegt  vielleicht  an  eigen¬ 
artigen  Einwirkungen  der  Haferstärke  auf  das  Protoplasma,  viel¬ 
leicht  aber  auch  an  einer  gewissen  „Unverarbeitbarkeit“  derselben, 
obgleich  eine  Gewichtsabnahme  auch  bei  ihrer  ausschliesslichen  An¬ 
wendung  nicht  beobachtet  zu  werden  pflegt.  Die  von  v.  Noorden 
eingeführten  Hafertage  haben  oft  eine  zauberhafte  Wirkung,  be¬ 
sonders  dann,  wenn  sie  mit  Gemüsefettagen  zu  Gruppen  vereinigt 
werden,  v.  Noorden  selbst  hat  aber  auch  schon  vorgeschlagen, 
dass  in  leichteren  Fällen  nur  ein  einzelner  Tag  in  der  Woche  als 
Hafertag  verwendet,  oder  z.  B.  ein  Gericht  an  jedem  Tag  aus  Hafer¬ 
stärke  bereitet  werde.  In  schwereren  Fällen  geht  man  so  vor,  dass 
dem  vergeblichen  Versuch,  mit  KH.-freier  Kost  den  Harnzucker  zu 
vertreiben,  3 — 4  Fettgemüsetage  folgen,  dann  2 — 3  Hafertage,  die 
wieder  von  Fettgemüsetagen  gefolgt  werden,  danach  tritt  die  KH.- 
freie  Kost  wieder  in  Kraft.  Hat  die  erste  solche  Kur  nicht  alles  Azeton 
und  allen  Zucker  beseitigt,  so  mag  man  nach  2 — 3  Wochen,  bei  sicherer 
Beobachtung  und  Kontrolle  der  Kranken  auch  schon  vorher,  dieselbe 
wiederholen.  Namentlich  verdient  diese  Art  der  antidiabetischen  Be¬ 
handlung  häufige  Anwendung  bei  allen  Komplikationen  der  schwereren 
Formen,  auch  vor  Operationen.  Man  benutzt  am  besten  ein  gutes  Hafer¬ 
präparat.  Ich  verwende  ausschliesslich  die  deutschen  Hohen¬ 
lohe  sehen  Haferflocken  und  habe  keinen  Anlass  gefunden,  ein  aus¬ 
ländisches  Erzeugnis  zu  bevorzugen.  Man  braucht  täglich  etwa 
250  g.  Diese  werden  in  möglichst  mannigfaltiger  Weise  mit  Hilfe 
der  gleichen  Menge  Butter,  den  vorher  genannten  Gewürzen  und  im 
Notfälle  auch  mit  geringen  Mengen  Pflanzeneiweiss  zu  5 — 7  Mahl¬ 
zeiten  zubereitet.  Man  braucht  auch  hier  kulinarische  Kenntnisse; 
mehrere  Rezepte  hierzu  sind  in  den  Kochbüchern  für  Zuckerkranke 
angegeben,  die  der  Hausfrau  empfohlen  werden  sollten.  Ich  habe 
gefunden,  dass  die  meisten  Kranken  die  Hafersuppen  bevorzugen, 
andere  lieben  die  festere  Form  des  Porridge  mehr,  noch  andere  die 
Puddingform.  Neuerdings  sind  auch  andere  Stärkearten  als  die 
Zucker-  und  Azetonkörperbildung  hemmend  erkannt  worden.  Dahin 
gehört  z.  B.  das  Bananen  mehl,  das  auch  mir  günstige  Erfolge 


Fig.  6. 


Legende  wie 
Fig.  2. 


geliefert  hat.  Leider  ist  es  zurzeit  noch  schwer  erhältlich.  Bei  der 
Verwendung  der  ausgereiften  Frucht  hatte  ich  nicht  so  günstige  Er¬ 
folge.  (Fig.  6,  die  sich  direkt  an  Fig.  5  anschliesst.)  Man 


wird  jede  Abwechslung  in  den  Hafertagen  natürlich  im  Inte 
esse  der  besseren  Erträglichkeit  für  die  Kranken  gern  begrüsst 
Aber  auch  ganz  im  allgemeinen  möchte  ich  mit  Lüthje  betone 
dass,  nachdem  einmal  der  besondere  Wert  der  Haferstärke  als  sich 
erkannt  worden  ist,  gar  nicht  genug  Gebrauch  von  diesen  KH.-Art 
gemacht  werden  kann,  auch  innerhalb  der  sonstigen  Behandlung  d 
Kranken.  Man  tut  ihnen  ja  damit  auch  den  grössten  Gefallen,  de 
unglücklicherweise  verlangt  der  Diabetiker  nach  nichts  so  sehnlu 
als  nach  den  KH.,  und  um  so  sehnlicher,  je  schwerer  der  Fall  i 
Unsere  Nährmittelfabriken  sollten  hier  einsetzen  und  statt  der  He 
Stellung  von  „KH. -armen  Nahrungsmitteln“  mit  stark  wechselnde 
KH. -Gehalt  lieber  die  genannten  Stärkearten  zur  Bereitung  von  wir 
lichem  Brot  mit  konstantem  KH.-  und  E.-Gehalt  verwenden. 

Ohne  Zweifel  hat  die  zunehmende  Erkenntnis  der  chemisch 
Vorgänge  bei  der  Zuckerkrankheit  die  Indikationen  bei  der  Behau 
lung  vermehrt.  Immer  pflegt  die  bessere  diagnostische  Einsicht  au 
Fortschritte  der  Therapie  zu  bedingen.  Die  Zahl  der  verschieden' 
Verlaufsarten  und  Komplikationen  ist  gerade  bei  dieser  Kränkln, 
recht  gross;  ja,  wenn  man  die  Fälle  genau  durcharbeitet,  ist  kai 
einer  dem  anderen  gleich.  Dennoch  lassen  sich  Gruppen  mit  bese 
deren  Erscheinungen  bilden.  Wir  unterscheiden  vor  allem  c 
leichte  und  die  schwere  Form;  mit  Recht,  denn  der  fettleibige  Skier 
tiker,  der  mit  60  Jahren  einen  Diabetes  bekommt,  weist  einen  ga 
anderen  Verlauf  der  Krankheit  auf  als  ein  in  jungen  Jahren  von  a 
Krankheit  befallener  Mensch.  Freilich  kann  auch  die  leichte  ehr 
nische  Form  jederzeit  in  die  schwere  Umschlägen  und  langsam  og 
akut  zum  Tode  führen.  Unsere  Aufgabe  ist  es,  das  nach  Möglic 
keit  durch  Schonung  und  Stärkung  der  Funktion  zu  verhüten. 

Einige  Komplikations-  und  Verlaufsarten  sind  für  die  Erkennu 
und  Behandlung  von  besonderer  Bedeutung.  Bei  manchen  Fäll 
der  schweren  Form  beobachtet  man,  dass  das  Blut  der  Kranken  st. 
in  2  Schichten  (Serum  und  Blutkörperchen)  sich  in  3  absetzt,  da 
das  Serum  des  Diabetikerblutes  milchig  getrübt  ist.  Diese  Trübuf 
rührt  vom  aufrahmenden  Fett  her,  das  in  kleinen,  nur  mit  dti 
Ultramikroskop  sichtbaren  Tröpfchen  im  Blut  enthalten  ist.  Der  nej 
male  Fettgehalt  des  Blutes  beträgt  1  Proz.;  reichliche  Zufuhr  v] 
Fett  lässt  ihn  anwachsen,  gelegentlich  bis  zu  2  Proz.  Bei  Zuckt! 
kranken  kann  er  5,  ja  10  Proz.  und  darüber  betragen.  Reichlic!1 
Fettzufuhr  erhöht  ihn  hier  nicht.  Daraus  geht  schon  hervor,  dass ; 
sich  um  ganz  andere  Quellen  des  Fettes  als  bei  normalen  Individuli 
handelt:  das  Blutfett  selbst  stellt  sicher  den  geringsten  Teil  da:. 
G.  Klemperer  hat  gezeigt,  dass  das  Fett  der  zerfallenden  Zelli 
die  Lipoide,  das  Cholestearin  u.  a.,  an  der  Lipämie  beteiligt  siil 
Die  Erscheinung  berechtigt  nicht  etwa  zur  Einschränkung  der  Fel 
Zufuhr  im  Verlauf  der  Behandlung.  Ich  habe  mich  wiederholt  dav| 
überzeugt,  das  Fettgemiisetage  mit  250 — 300g  Butter  den  Fettgeh: 
des  lipämischen  Blutes  beim  Diabetiker  gar  nicht  beeinflussen.  D 
Lipämie  entspricht  nicht  etwa  eine  mangelhafte  Fähigkeit,  das  Fett  i 
verarbeiten.  Man  darf  also  die  Lipämiker  ohne  besondere  Massregh 
der  gleichen  Behandlungsart  unterwerfen  wie  die  anderen  Diabetik. 
Mit  der  Abnahme  der  Azidosis  und  der  Azetonkörperausscheidu,, 
pflegt  sich  die  Blutfettmenge  dieser  Kranken  zu  verringern.  Es  ! 
also  wohl  ein  Zusammenhang  zwischen  beiden  Erscheinungen  walt 
scheinlich,  der  auch  dadurch  nahegelegt  wird,  dass  die  Fette  die  kei- 
genen  Substanzen  sind. 

Nur  einmal  habe  ich  die  Lipämie  mit  einer  verminderten  A'- 
saugung  der  Fette  im  Darm,  der  sog.  „Steatorrhöe“  gemeinsam  a- 
treten  gesehen,  die  sonst  in  den  schwereren  Fällen  von  Diabetes  nid 
so  ganz  selten  ist,  wenigstens  in  ihren  geringen  Graden.  Es  handi 
sich,  wie  die  gleichzeitig  nachweisbare  Azotorrhöe  (das  Nichtverdai- 
werden  der  Zellkerne  des  Muskelfleisches)  beweist,  um  eine  f- 
suffizienz  des  Pankreas.  Der  Stuhl  solcher  Kranken  zeigt  schon  du 
Auge  grosse  Mengen  an  der  Luft  erstarrenden  Fettes;  er  pflegt  si 
ferner  durch  einen  höchst  widerwärtigen,  ausgesprochen  aashafti 
Geruch  auszuzeichnen.  Hier  bedeutet  die  mangelhafte  Fettaufnah* 
natürlich  einen  schweren  Kalorienverlust  und  man  würde  die: 
Kranken  geradezu  Hungers  sterben  lassen,  wenn  man  sie  ei- 
sprechend  den  obigen  Regeln  mit  viel  Fett  ernähren  wollte.  Die 
Fälle  sind  mit  den  Fällen  von  Diabetes  bei  Kindern  die  schwerstj 
Prüfsteine  für  die  diätetische  Kunst  des  Arztes.  Bei  ihnen  ist  : 
eine  ganz  freie  Diät  am  nützlichsten.  Jeder  Versuch  mit  qualitativ: 
Beschränkung  kann  dabei  zu  Schädigungen  führen.  Man  muss  L 
ganz  besonders  genau  kontrollieren.  In  einzelnen  Fällen  habe  f 
übrigens  mit  der  Verabreichung  von  Pankreon,  Pankreaspräparau 
und  Pankreassubstanz  gute  Erfolge  gehabt,  d.  h.  die  im  Stuhl  e  - 
haltene  Fettmenge  wurde  bei  gleicher  Zufuhr  kleiner. 

Eine  der  unerfreulichsten  Komplikationen  des  Diabetes  ist  <£ 
am  häufigsten  im  Endstadium  der  leichteren.  Jedenfalls  der  chronisch) 
Formen  bei  älteren  Leuten  auftretende  diabetische  Gangrän, 
scheint  als  auslösende  Ursache  die  Atherosklerose  eine  wichti 
Rolle  zu  spielen.  Die  geringe  spontane  Heilungstendenz  der  d 
befischen  Gangrän  ist  ebenso  bekannt  wie  die  schlechte  Prognci 
grösserer  chirurgischer  Eingriffe  an  Zuckerkranken.  Zwischen  Scy 
und  Charybdis  soll  der  Arzt,  so  lange  noch  kein  Periculum  in  mo 
vor  allem  auf  die  Stoffwechselstörung  einzuwirken  versuchen.  Al 
auch  nach  der  sofort  nötig  gewordenen  Operation  ist  die  Einleitu 
einer  strengen  diätetischen  Kur,  am  besten  mit  Einschaltung  von  Fe 
Gemüse-  und  Hafertagen,  dringend  erforderlich.  Bei  akuten,  von  d! 
diabetischen  Stoffwechselstörung  abhängigen  Komplikationen  sie; 
inan  danach  oft  Besserung,  gelegentlich  auch  gänzlichen  Riickgar 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


931 


t  den  chronischen  Prozessen  aber  ist  das  nur  in  sehr  seltenen  Fällen 
rofien.  Gleichwohl  ist  doch  zu  empiehlen,  bei  der  diabetischen 
■  nds,  des  Katarakt  u.  a.,  stets  eine  antidiabetische  Behandlung  zu 
i  snchen.  In  solchen  Fällen  ist  es  auch  richtiger,  nach  stattge- 
S  lerer  Toleranzorüiung,  wenn  überhaupt  noch  KH.  vertragen  wer- 
.  ohne  dass  Zucker  ausgeschieden  wird,  nicht  2/*—  *A  der  ge- 
r  fecen  tolerierten  KH.  zu  erlauben,  sondern  bei  %—%  stehen  zu 
:  ben  und  womöglich  hierbei  Haier-  und  Bananenstärke  zu  bevor- 
en.  Im  allgemeinen  muss  aber  vor  zu  günstiger  Prognose  der 
!  t-  oder  paradiabetischen  chronischen  Erkrankungen  gewarnt 

Eire  der  wenigst  bedeutungsvollen  Komplikationen  der  Zucker- 
i  ikheit  scheint  die  Nephritis  zu  sein.  Wenn  wir  uns  aber  der  Rolle 
Niere  als  des  Stauwehres  des  Blutzuckers  erinnern,  so  ist  klar, 

:  5  eine  Funktionsstörung  des  Organs  hierin  zu  einem  Abfluss  des 
;  tznckers  in  den  Harn  oder  im  anderen  Fall  zu  einer  Ansammlung 
Zuckers  im  Blute  führen  kann,  die  Glykosurie  und  andererseits 
[  e  Glykosurie  Hyperglykämie  mit  ihren  pseudodiabetischen  Folgen 
,  zutiuschen  vermag.  Wir  kennen  diese  Verhältnisse  im  Experiment 
:  eingehend,  wissen  wir  doch  auch,  dass  das  Prinzip  des  sog. 
ridzindiabetes  in  der  Erniedrigung  des  Stauwehres  der  Niere 
-gen  ist.  In  der  Klinik  aber  fehlt  uns  noch  die  breitere  Grundlage. 

Vorkommen  eines  renalen  Diabetes,  worunter  man  eine  renal 
ingte  Glykosurie  oder  Hyperglykämie  —  deren  eine  das  Gegenteil 
i  anderen  —  verstehen  kann,  ist  noch  nicht  absolut  sichergestellt: 

;  h  spricht  manches  dafür.  Es  fehlt  vorläufig  noch  eine  grössere 
sehe  Erfahrung  über  den  Zuckerstoffwechsel  bei  Nephritikern:  und 
über  den  Zuckerspiegel  des  Blutes  bei  anderen  Funktions¬ 
engen  und  Erkrankungen  der  Nieren  sind  wir  noch  wenig  unter- 
tet  Der  rein  renale  Diabetes  ist  natürlich  von  der  Nahrungszufuhr 
: hängiger  als  ein  echter  Diabetes. 

res  gibt  nun  noch  eine  andere  Form  der  Zuckerkrankheit,  bei  der 
gleiche  der  Fall  ist,  die  sich  nicht  immer  im  Rechenexempel 
n  lässt,  und  die  entsprechend  der  grösseren  Häufigkeit  der 
nikrankheit  in  bestimmten  Volksschichten  häufiger  vorzukommen 
•  VSir  wissen,  dass  der  Zuckerstoffwechsel  vom  Nervensystem 
beeinflusst  werden  kann.  Nach  Schreck,  starken  psychischen 
irücken  treten  auch  beim  Gesunden  explosive  Glykosurien  auf. 
sich  dabei  der  Blutzucker  verhält,  ist  noch  nicht  ganz  genau 
Wahrscheinlich  ist  er  vermehrt.  Bei  irritablem  Ner- 
system  sind  solche  Glykosurien  viel  häufiger.  Diabetiker  mit 
:hzeitiger  funktioneller  Erkrankung  des  Zentralnervensystems 
en  auch  bei  gleichbleibender  Ernährung  oft  äusserst  labile  Ver¬ 
risse  des  Zuckerstoffwechsels.  Hier  steht  die  Behandlung  der 
‘esc  in  erster  Reihe;  es  gelingt  manchmal,  selbst  bei  völlig  freier 
:.  solche  Leute  zuckerfrei  zu  machen.  Suggestive  Behandlungs- 
'-Men  sind  dabei  von  besonders  auffälligem  Erfolg,  der  natürlich 
Träger  der  Suggestion,  wozu  ich  kürzlich,  bei  einem  fanatischen 
verschiedener  Geheimmittel,  pulverisierte  Kreide  mit 
■sein  Nutzen  verwendete,  gutgeschrieben  wird.  Das  sind  die 
iäefälle  der  Kurpfuscher  und  Gesundbeter,  die  wir  wirklich  nicht 
?  haben,  ihnen  zu  überlassen.  Sie  sind,  namentlich  bei  jüngeren 
tasteten  Leuten,  gar  nicht  so  selten  und  leicht  daran  kenntlich, 

-  nervöse  Erscheinungen  anderer  Art  abwechselnd  mit  den  echten 
tuschen  Symptomen  in  den  Vordergrund  der  Klagen  der  Kranken 
-n  end  das  die  diätetische  Behandlung  meist  ohne  wesentlichen 
-  ■>  auf  den  Zuckerstoffwechsel  bleibt.  Natürlich  muss  der 
entliehe  Betrug  ausgeschaltet  werden. 

Für  jeden,  dem  das  Prinzip  der  diabetischen  Stoffwechselstörung 
icm  ist  ist  es  ohne  weiteres  klar,  dass  es  vielleicht  Arznei- 
t  e  1  geben  kann,  die  auf  diesem  oder  jenem  Wege  eine  Normali-  ! 
tag  der  Zuckerbildung  und  -abgabe  - —  durch  das  Nervensystem 
von  den  Drüsen  der  inneren  Sekretion  aus  —  herbeizuführen 
dass  aber  die  so  tiefgreifende  Störung  einer  Grundleistung 
Protoplasmas  nicht  mit  Arzneimitteln  geheilt  werden  kann,  Wir 
vielleicht  ersetzen,  was  fehlt:  Lepine  nimmt  an,  dass  dem 
ttiker  ein  glykolytisches  Ferment  mangelt.  Er  versucht,  es  in 
~  von  Hefepräparaten  zuzuführen;  aber  gestörte  organische  Funk¬ 
in  lassen  sich  nur  durch  Schonung  und  Uebung,  nicht  durch 
■-cimittel  wieder  herstellen,  durch  Ersatz  nur  vorübergehend 
ern.  Das  ist  ein  Grundsatz  der  allgemeinen  Therapie,  dessen 
| ährting  wir  vor  allem  O.  Rosenbach  zu  danken  haben.  Er 
e  .a°ch  an  anderer  Stelle  der  Therapie,  nicht  nur  der  inneren 
.zin.  weit  mehr  Berücksichtigung  finden  als  heute.  Damit  ergibt 
von  seihst  dass  wir  mit  Arzneimitteln,  mögen  Opium.  Brom  und 
'in  das  Nervensystem.  Jambul  die  Leber.  Pankreon  den  Darm, 
idrüsensabstanz  das  Pankreas  beeinflussen,  immer  nur  eine  rein 
~:oma tische  Hilie  bringen,  die  zudem  wegen  der  Gewöhnung  nicht 
e  an  dauern  kann.  Wir  schädigen  damit  sogar  die  Organfunktion. 

71  uie  möglichen  Erfolge  der  Schonung  und  Uebung  so  ausge- 
"t£t  uerden.  Das  würde  auch  dann  zutreffen,  wenn  Lepine 
u  behielte,  und  ein  glykolytisches  Ferment  in  den  Organismus  in 
sam?r  Beschaffenheit  eingeführt  würde:  re  vera  würde  die  Funk- 
der  Zuckerverbrennung  dadurch  noch  mehr  zur  Untätigkeit  ver- 
:  werden  und  darüber  verloren  gehen  und  atrophieren. 
uh  selbst  verwende  nur  die  beiden  erstgenannten  Arzneien  und 
T.nur  -anit  wenn  erhebliche  nervöse  Störungen  die  Mitbeteiligung 
cie  Finwirkung  des  Nervensystems  auf  die  Zuckerbildung  ver- 
!  -*r  lassen. 

*'ecn  wir,  wie  wir  gesehen  haben,  nach  mancher  Richtung  Fort-  : 


schritte  in  der  Behandlung  des  Diabetes  mellitus  gemacht  haben,  so 
dart  man  zum  Schluss  wohl  die  Frage  stellen,  wie  denn  heute  die 
b  r  o  g  n  ose  der  Krankheit  im  allgemeinen  anzusehen  ist.  Ich  meine 
nach  eigenen  Ertahrungen  —  und  ich  glaube  mich  dabei  mit  v.  N  o  o  r- 
d  e  n  und  L  ü  t  h  j  e  einig  zu  sehen  — ,  dass  sie  wirklich  besser  ge- 
w  orden  ist.  Habe  ich  doch  selbst  mehrfach  gesehen,  dass  Leute  auch 
mit  mittelschwerem  Diabetes  bei  den  Toleranzprüfungen,  die  in  Ab¬ 
ständen  von  mehreren  Monaten  z.  B.  5  Jahre  lang  vorgenommen 
wurden,  nach  einer  Behandlung,  die  den  oben  dargelegten  Grund¬ 
sätzen  entspricht,  ihre  KH.-Verbrennungsgrenze  von  0  bis  auf  150, 
la  in  dinem  Falle  bis  auf  180  g  KH.  steigerten.  Das  ist  eine  so  grosse 
Menge,  dass  selbst  mit  %  davon  ein  Kulturmensch  ohne  jede  wesent¬ 
liche  Beschwerde  auskommen  kann.  Wenn  er  dabei  keinen  Zucker 
ausscheidet,  körperlich  und  geistig  durchaus  leistungsfähig  ist  und 
bleibt,  so  bedeutet  das  eine  Gesundung,  wenn  vielleicht  auch 
nicht  Heilung  für  alle  Zeiten  und  Umstände.  Mit  dieser  Art  Ge¬ 
sundheit  müssen  sich  aber  sehr  viele  Menschen  abfinden  und  fühlen 
sich  dabei  nicht  krank.  In  einigen  dieser  Fälle  trat  bei  der  ersten  KH.- 
Entziehung  bereits  Azeton  im  Harn  auf;  sie  dürfen  also  mindestens 
als  mittelschwere  Fälle  bezeichnet  werden.  Bei  Kranken  freilich,  die 
bei  freier  Kost  Azeton,  oder  bei  strenger  Kost  viel  Azeton  aus- 
scheiden,  habe  ich  eine  solche  Gesundung  noch  nicht  beobachtet. 
Sie  ist  hier  auch  unwahrscheinlich.  Bei  den  leichteren  Kranken  kann 
man  sie  wenigstens  erhoffen.  Man  soll  sie  aber  auch  in  Aussicht 
stellen,  weil  das  oft  das  einzige  Mittel  ist,  den  Kranken  die  nötige 
Energie  zur  Durchführung  der  Behandlung  einzuflössen.  Viele  Dia¬ 
betiker  sind  wenig  willenskräftig  —  Omnis  diabeticus  mendax  —  aber 
ohne  eigene  energische  Mitarbeit.  Selbstzucht  und  Kontrolle,  die  auf 
der  nötigen  Einsicht  in  die  krankhaften  Vorgänge  und  auf  dem  Ver¬ 
trauen  zu  ihrem  Arzt  beruhen  muss,  ist  eine  rationelle  Behandlung 
nicht  durchzuführen.  Dazu  kommt  als  Bedingung  freilich  noch  eine 
gewisse  soziale  Lage,  die  es  gestattet,  diätetische  Aufwendungen  zu 
machen.  Denn  die  Diabetikerkost  ist  w-egen  der  Ausschliessung  der 
billigen  KH.  verhältnismässig  teuer.  Am  schlechtesten  ist  wie  bei 
allen  chronischen  Krankheiten  der  Mittelstand  daran:  für  den  Ver¬ 
sicherungspflichtigen  ist  wenigstens  bis  zu  einer  gewissen  Dauer  der 
Krankheit  gesorgt.  Es  sollte  aber  auch  den  Diabetikern  der  letzteren 
Klasse,  die  sich  auf  dem  für  sie  Jahre  dauernden  Wege  zur  Heilung 
befinden,  die  Erzielung  derselben  durch  einen  dauernden  Zuschuss 
zu  ihrer  Lebenshaltung,  seitens  der  Krankenkasse  oder  der  Versiche¬ 
rungsanstalten  ermöglicht  werden,  wrobei  freilich  die  Frage  zu  stellen 
ist,  ob  sie  die  Summe  wirklich  dazu  und  rationell  verwenden  würden. 
Entsprechend  der  Besserung  der  Prognose  der  leichteren  Diabetes¬ 
fälle  wird  nach  Weiland  die  Frage  der  Lebensversicherungsfähig¬ 
keit  jetzt  anders  als  früher,  wo  stets  glatte  Ablehnung  erfolgte,  und 
zwar  bedingt  beiahend  beantwortet.  Das  Risiko  ist  offenbar  den 
Gesellschaften  nicht  mehr  stets  zu  gross. 

Auch  die  Prognose  der  wirklich  schworen  Fälle  hat  sich  wenig¬ 
stens  in  soweit  gebessert,  als  es  bei  entsprechender  Behandlung  ge¬ 
lingt,  das  Leben  der  Kranken,  w-enn  auch  unter  Opfern  und  Ent¬ 
behrungen.  zu  verlängern,  manchmal  um  Jahre.  Auch  das  wird  dem 
Arzte  eine  Genugtuung  sein,  wenn  er  sieht,  wie  seine  auf  exakteste 
Forschung  gegründete  Therapie  da  Hilfe  bringen  kann,  wo  die  ärzt¬ 
liche  Kunst  früher  versagen  musste,  wreil  unser  Wissen  noch  nicht 
so  weit  reichte.  Förderung  der  medizinischen  Wissenschaft  und 
Fortschritte  der  Heilkunde  gehören  engstens  zusammen. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Dr.  Otto  Manz:  Die  chirurgischen  Untersuchungsarten.  Jena. 
Prof.  Dr.  Geb  eie:  Die  chirurgischen  Untersuchungsmethoden, 

München. 

In  No.  30  dieser  Wochenschrift  vom  Jahrgange  1912  wrurde  über 
Gebeies  Buch,  das  1912  bei  Lehmann  in  München  erschienen 
ist,  von  mir  in  Kürze  referiert  und  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass 
es  eine  Lücke  in  der  chirurgischen  Literatur  ausfülle. 

Aus  dieser  Aeusserung  könnte,  wie  mir  von  beteiligter  Seite 
bedeutet  wurde,  die  Auffassung  entstehen,  als  ob  über  obiges  Thema 
vor  dem  Erscheinen  von  G  e  b  e  1  e  s  Buch  überhaupt  noch  nichts 
geschrieben  worden  wäre.  Dem  ist  jedoch  nicht  so,  worauf  auch 
Gebele  selbst  hinweist;  denn  das  Buch  von  O.  Manz,  das  bereits 
im  Jahre  1904  bei  Fischer  in  Jena  verlegt  wrurde,  behandelt,  wie 
ja  schon  der  Titel  besagt,  das  gleiche  Thema  und  w^ar  mir  wohl 
bekannt. 

Zur  Klärung  allenfallsiger  Missverständnisse  möchte  ich  daher 
im  Nachtrage  zu  meinem  Referate  bemerken,  dass  das  Buch  von 
Manz  die  chirurgischen  Untersuchungsarten  in  grösster  Ausführ¬ 
lichkeit  und  Gründlichkeit  behandelt,  so  dass,  wer  sich  in  diese 
Materie  vertiefen  will,  hier  die  einschlägigen  Fragen  in  erschöpfender 
Weise  berücksichtigt  findet,  während  Gebeies  Buch,  das,  wie  ein 
eingehender  Vergleich  ergibt,  sich  in  einzelnen  Kapiteln  an  Manz’ 
Buch  anlehnt,  in  seiner  Kürze  mehr  zur  Einführung  in  dieses  Gebiet 
dienlich  ist. 

Manz’  Buch  ist  also  auf  dem  Gebiete  der  chirurgischen  Unter¬ 
suchungsarten  das  grundlegende  Werk,  Gebeies  Buch  ein  den 
Studierenden  in  dieses  Gebiet  einleitendes  Kompendium,  das  in  dieser 
Form,  zudem  es  auch  die  in  neuerer  Zeit  eingeführten  Untersuchungs¬ 
methoden,  wie  Serodiagnostik,  Endoskopie,  Radiographie  etc.  be- 


932 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


rücksichtigt,  eine  Lücke  in  der  bisher  vorhandenen  Literatur 
ausfiillt.  Klaussner. 

Dr.  Wilh.  Wechsel  mann:  Ueber  die  Pathogenese  der  Sal- 

varsantodeslälle.  Verlag  Urban  &  Schwarzenberg.  Preis 
4  Mark.  84  Seiten. 

Nicht  nur  jeder  Salvarsantherapeut,  sondern  jeder  Arzt,  welcher 
sich  für  die  Salvarsantherapie  interessiert,  sollte  die  Wechsel- 
m  a  n  n  sehen  Auseinandersetzungen  lesen.  Ist  es  dem  Verfasser  auch 
nicht  gelungen,  wie  er  selbst  sagt,  für  die  eingetretenen  Todesfälle 
eine  einheitliche  Erklärung  zu  geben,  so  führen  seine  Erörterungen 
doch  zu  greifbaren  Empfehlungen,  welche  in  so  scharf  umrissener 
Form  manchem  von  uns  neu  sein  dürften  und  die  zum  Nachdenken 
anregen  müssen.  Allerdings  werden  sie  wohl  auch  in  manchem  das 
Dogma  von  der  Richtigkeit  seiner  Behandlungsart  ins  Wanken 
bringen  und  sein  „Schema“  erschüttern.  Hoffentlich  bilden  sich 
nicht  zwei  Salvarsanschulen  heraus.  Je  grösser  die  Meinungsver¬ 
schiedenheit  der  Hauptbeteiligten,  desto  geringer  die  Neigung  der 
Aerztemasse,  zum  Salvarsan  zu  greifen  und  desto  heftiger  demnach 
auch  die  Abneigung  der  Kranken,  sich  damit  behandeln  zu  lassen. 

Wechselmann  hat  die  Mitteilungen  über  142  Todesfälle  ge¬ 
sammelt,  denen  eine  Salvarsanbehandlung  in  irgend  einer  Form  voran¬ 
ging.  Unter  diesen  befindet  sich  eine  grosse  Zahl,  die  von  vorn¬ 
herein  vom  Salvarsankonto  gestrichen  werden  könnte  —  Miliar¬ 
tuberkulose,  paralytischer  Anfall,  Sturz  aus  dem  Fenster  u.  dergl. 
Die  Restfälle  hat  er,  so  gut  es  ging,  zu  analysieren  versucht  und 
kommt  dabei  zu  einem  Fundamentalsatz:  Gleichzeitige  Anwendung 
von  Salvarsan  und  schwerer  Quecksilbertherapie  ist  gefährlich!  Will 
man  kombiniert  behandeln,  so  darf  das  Quecksilber  erst  tagelang 
nach  Aussetzen  des  Salvarsan  vorsichtig  gegeben  werden,  nicht  um¬ 
gekehrt! 

23  mal  Exitus  bei  125  Patienten,  die  vor  der  letzten  intravenösen 
Salvarsanspritze  Quecksilber  bekamen. 

Als  Grund  für  seine  Warnung  spricht  er  die  Erfahrung  an,  dass 
Quecksilber  ein  Nierenschädigungsmittel  sei,  in  dem  Sinne,  dass  die 
Anurie  bezw.  Oligurie  ein  hervorstechendes  Symptom  der  akuten 
Hg-Vergiftung  sei.  Des  weiteren  wirke  das  Salvarsan  auf  die  Nieren¬ 
funktion  ähnlich  dem  Arsen:  es  schädige  sowohl  die  Dilatation  wie  die 
Kontraktionsfähigkeit  der  Niere  unter  Erlöschen  der  Diurese.  Wird 
sich  diese  extremste  Beeinflussung  wohl  auch  nur  im  Experiment 
ermitteln  lassen,  so  kann  gelegentlich  doch  schon  eine  an  sich  ge¬ 
ringe  Schädigung  verhängnisvoll  werden,  besonders  dann,  wenn  die 
Nierengefässe  schon  durch  andere  Gifte  —  z.  B.  Quecksilber  — ■  in 
ihrer  Funktion  gelitten  haben.  Man  verstehe,  dass  solche  Nieren 
noch  das  erstemal  mit  der  Salvarsanausscheidung  fertig  werden,  aber 
durch  diese  Belastung  eine  solche  Funktionsschädigung  der  Gefässe 
erleiden  können,  dass  bei  der  zweiten  Injektion  die  Ausscheidung  des 
Salvarsans  und  der  harnfähigen  Substanzen  eine  wesentliche  Störung 
erfährt.  Während  bei  normaler  Nierentätigkeit  das  Salvarsan  in 
wenigen  Stunden  aus  dem  Blute  verschwinde,  könne  es  im  un¬ 
günstigen  Falle,  längere  Zeit  zurückgehalten  werden  und  dann  könne 
die  Bildung  von  einem  Oxydationsprodukt  (Ehrlich)  eintreten, 
welches  viel  toxischer  sei  als  Salvarsan.  und  das  ein  spezielles  Nieren¬ 
gift  sei. 

Und  deshalb  —  so  stellt  W.  seinen  zweiten  Satz  auf  — -  hat 
man  bei  der  intravenösen  Injektion  seine  Aufmerksamkeit  in  vor¬ 
derster  Reihe  auf  die  Nierenfunktion  zu  richten:  nicht  nur  auf  Gehalt 
des  Harns  auf  Eiweiss  oder  Zylinder,  sondern  auf  seine  Tagesmenge. 
Bei  36  Todesfällen  nach  intravenösen  Injektionen  ergab  die  Sektion 
Nierenerkrankungen. 

Ein  weiterer  Anteil  der  Unglücksfälle  ist  sicher  auf  mangelhafte 
Technik  zurückzuführen, 

Dank  W.s  Arbeit  ist  der  „Wasserfehler“  ja  jetzt  ausgeschaltet: 
aber  es  ist  in  stark  saurer  und  auch  überalkalisierter  Lösung  ge¬ 
spritzt  worden,  es  sind  nicht  frische  Lösungen  verwendet  worden  usw. 

Auch  daran  mahnt  W„  dass  bei  jedem  neuen  Falle  das  Salvarsan 
tastend,  in  kleinen  Dosen,  dem  Falle  angepasst  werde,  und  bei 
Wiederholungen  Rücksicht  genommen  werde  auf  den  sog.  ana¬ 
phylaktoiden  Zustand  des  Patienten. 

Erst  wenn  all  diese  Punkte  beobachtet  werden,  könne  die  feinere 
wissenschaftliche  Durchforschung  eines  scheinbar  so  einfachen,  in 
Wahrheit  aber  höchst  komplizierten  Vorganges,  wie  der  Salvarsantod, 
beginnen.  Karl  T  a  e  g  e  -  Ereiburg  i.  B. 

Vergleichend-diagnostischer  Atlas  der  Hautkrankheiten  und  der 
Syphilide,  einschliessend  die  der  Haut  angrenzenden  Schleimhäute 

von  Prof.  S.  Ehrmann.  a.  ö.  Professor  der  Dermatologie  und 
Syphilidologie  an  der  k.  k.  Universität,  Vorstand  der  Dermato¬ 
logischen  Abteilung  des  k.  k.  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Wien. 
Verlag  von  Gustav  Fischer,  Jena.  Preis  50  M. 

Wie  Ehr  mann  in  der  Vorrede  sagt,  gehen  die  ersten  An¬ 
fänge  des  Entstehens  dieses  Atlas  in  die  ersten  Zeiten  seiner  Tätig¬ 
keit  als  Privatdozent  zurück.  Bei  spärlich  fliessendem  Material 
musste  er  seine  Zuflucht  zum  Bilde  nehmen.  Diese  Bilder  zu  Serien 
vereinigt,  dienten  ihm  als  Ergänzung  des  lebenden  Materials:  damals 
schon  mit  der  ausgesprochenen  Absicht  von  ihm  gesammelt,  einen 
vergleichend-diagnostischen  Atlas  herauszugeben. 

Der  Atlas  soll  nun  dem  praktischen  Zwecke  der  Diagnosen¬ 
stellung  dienen,  deshalb  gruppiert  E.  auch  die  Krankheitsbilder  nach 
äusseren  Merkmalen,  nicht  nach  ihiem  pathologischen  Zusammenhang. 


No.  1 


Bei  weitem  überwiegend  ist  das  Aquarell,  da  dieses  nach  E.s  A 
sicht  die  Weichheit,  die  Transparenz  des  Fleisches  und  das  Farbe 
spiel  der  vom  momentanen  Lichteinfall  abhängigen  farbigen  Schatt< 
und  Kontrastwirkungen  im  allgemeinen  viel  besser  wiedergibt  als  d 
Moulage. 

Die  Art  der  Anlage  des  so  bedeutenden  Werkes  wird  v< 
jedem  praktischen  Arzte  mit  Freude  begriisst  werden.  Der  Text  i 
überaus  klar  und  zeugt  von  der  grossen  Erfahrung  des  Verfassers, 
mehr  ich  jedoch  geneigt  bin,  der  ausserordentlich  grossen  ArFx. 
E.s,  seinem  Geschick,  dem  ärztlichen  Gedächnis  zu  Hilfe  zu  kommt 
seiner  Fähigkeit  Krankheitsbilder  zu  schildern  und  übersichtlich  z 
sammenzufassen,  vollste  Würdigung  zu  schenken,  desto  mehr  füll 
ich  mich  andererseits  auch  gezwungen,  zu  meinem  wirklichen  Lei 
wesen,  an  den  Bildern  mit  Ausstellungen  nicht  zurückzuhalten. 

Mag  der  ausgebildete  Dermatologe  vielleicht  nach  den  meist* 
Abbildungen,  ohne  die  Unterschrift  zu  lesen,  die  Diagnose  steif 
können,  der  unerfahrenere  Arzt  wird  oftmals  nach  diesen  Bilde- 
die  entsprechende  Erkrankung  seiner  Patienten  nicht  erkenn; 
können. 

Der  Grundfehler  des  Atlas  ist  zu  suchen  in  dem  Nachteile  d 
Dreifarbendruckes:  dem  häufigen  Ueberwiegen  einzelner  Farbe 
vornehmlich  des  Gelb  oder  Blau.  Es  gibt  Postkarten,  welche  auf  d' 
ersten  Blick  sehr  bestechend  erscheinen,  sie  schwelgen  in  dt 
schönsten  Tönen:  aber  sie  sind  nicht  naturgetreu.  Und  wenn 
auch  sagt,  dass  die  Bilder  unter  seiner  steten  Korrektur,  v 
Zeichnung  und 'Farbengebung  angeht,  von  seinen  Künstlern  ausgetiili 
worden  seien  und  er  für  sie  auch  volle  Verantwortung  iibernehn 
so  genügt  dies  doch  nicht,  ebensowenig  wie  die  Korrektur  dj 
Plattenabzüge  hinreicht:  auch  der  Maschinendruck  muss  unter  Au 
sicht  erfolgen,  da  der  Arzt  ganz  anders  sieht  als  der  Reproduzei! 

Müssen  doch  Künstler  wie  Krön  er,  Baretta,  Fiweisk 
Jansen,  Vogelbacher  oft  genug  ihre  Moulagen  nach  den  Ai 
gaben  ihrer  Klinikleiter  umarbeiten:  diese  haben  eben  an  de: 
sehen  gelernt  als  jene. 

Im  Gegensatz  zu  der  E  h  r  m  a  n  n  sehen  Ansicht  von  den  Vo 
zügen  des  Aquarells  finde  ich  seine  Bilder  nach  Moulagen  als  q 
relativ  besten. 

Es  dürfte  wohl  auch  dem  Fachmann  schwer  fallen,  auf  Tafel 
das  Ekzema  in  seborrhoico  zu  erkennen;  die  Zunge  in  Fig.  2  d 
Tafel  XXVII  sieht  zu  blau  aus;  die  Schleimhauttafeln  im  allgemein 
sind  nicht  gut  geraten.  Die  Darstellung  gleichmässiger  Fläche 
erkrankungen  scheint  nicht  möglich  zu  sein  (z.  B.  Erythema  solar 
Fig.  3  Tafel  XXXV  Erythroderma  ist  übertrieben  blauviolett,  Ur 
caria  rubra  Tafel  XI  zu  dunkel.  Urticaria  gyrata  Tafel  XLI  sie 
eher  wie  ein  Syphilid  aus,  Psoriasis  Tafel  LVII  ist  schwer  zu  d- 
gnostizieren;  Maculae  syphiliticae  Tafel  XL1II  ist  zu  gelb.  Dageg) 
sind  einwandfrei  Roseola  syphilitica  Tafel  XLM,  Pityriasis  rose 
Ekzema  seborrhoicum  und  andere. 

Der  Atlas  wird  sicherlich  seinen  Weg  in  die  Bibliotheken  c 
Dermatologen  finden  und  wird  seinen  Besitzern  ein  getreuer  E- 
rater  sein:  Dem  praktischen  Arzte  wird  er  verwertbare  dermal! 
logische  Erinnerungsbilder  in  geringerem  Masse  einprägen. 

Karl  T  a  eg  e  -  Freiburg  i.  B. 

Eugenics  Laboratory  Memoirs  XVII.  A  Second  Study  of  Extrer 
Alcoholism  in  Adults,  With  Special  Reference  to  the  Home-OfiT 
Inebriate  Reformatory  Data.  By  David  Heron,  D.Sc.  Galton  Resear 
Fellow.  Francis  G  a  1 1  o  n  Laboratory  for  National  Eugeni, 
London,  by  Dulau  and  Co.  1912. 

Wie  in  der  hier  schon  referierten  ersten  Mitteilung  über  d; 
gleiche  Thema  (Preliminary  Study  of  Extreme  Alcoholism  in  Adult, 
ist  das  Material  auch  der  vorliegenden  sehr  eingehenden  statistisch! 
Abhandlung  den  Berichten  über  die  Insassen  von  Trinkerheilstätti 
(Reformatories)  entnommen,  im  speziellen  dem  Anual  Report  1909 
the  Inspector  under  the  Inebriates  Acts,  Cd.  5799  (1911),  pp.  55  1. 
93  des  Dr.  Branthwait.  Die  Angaben  beziehen  sich  auf  1/ 
Männer  und  865  Frauen,  die  innerhalb  dreier  Jahre  Aufnahme  » 
funden  haben.  Die  zunächst  überraschende  Geschlechtsvertcilung 
die  für  England  typische.  Zu  ihrer  Erklärung  wird  daraui  b- 
gewiesen,  dass  in  Trinkerheilstätten  vorwiegend  rückfällige  Alkoh  - 
Verbrecher  aufgenommen  werden,  dass  aber  gerade  unter  den  Rüc- 
fälligen  die  Frauen  ganz  allgemein  überwiegen.  Unter  je  100  mai¬ 
lichen  und  weiblichen  Alkoholvergehen  sind  je  63  Männer  u 
je  49  Frauen  das  erstemal  überführt  (first  offender).  Umgekehrt  sij 
unter  100  000  männlichen  Alkoholvergehen  nur  7,  die  mehr  ;• 
hundertmal  vorbestraft  sind,  während  sich  unter  der  gleichen  Z 
von  Frauen  194  derartiger  immer  wieder  Rückfälliger  finden,  ab 
nahezu  28  mal  soviel.  Von  allgemeinem  Interesse  ist  die  S 
merkung,  dass  die  Gesamtsterblichkeit  in  der  Anstalt  hinter  derjenig 
der  gleichen  Altersklassen  in  der  allgemeinen  Bevölkerung  betriicl 
lieh  zurückbleibt.  Dasselbe,  d.  h.  also  eine  geringere  Sterblichk 
der  Trinker  als  in  der  Gesamtbevölkerung  zeigte  sich  beim  Krc 
und  ganz  besonders  auffallend  bei  der  Phthise  (6  beobachtete  gegt 
über  34  rechnungsmässigen  Todesfällen).  Diese  niedrige  Sterblichk 
an  Phthise  sei  zum  Teil  wohl  der  Auswahl  vor  Aufnahme  in  d 
Trinkerasyl  zuzuschreiben.  Da  sie  sich  aber  aucn  in  ändert 
Material  gezeigt  hat,  ist  von  P  e  a  r  s  o  n  zur  Erklärung  angenomm 
worden,  dass  der  kräftigere  Teil  der  Bevölkerung  mehr  zum  Alkol 
neige. 


9,  April  1913. _  MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  933 


Eingehende  statistische  Berechnungen,  vor  allem  Korrelations- 
i  »effizienten,  sind  an  dem  Material  der  865  weiblichen  Trinker  vor- 
enommen.  Ba  sie  für  derartige  Arbeiten  vorbildlich  sind,  sei  hier 
usdriicklich  auf  sie  hingewiesen.  Als  Hauptresultate  wird  von 
eron  angegeben:  1.  zwei  Drittel  der  weiblichen  Trinker,  beurteilt 

1  der  Anstalt,  also  nicht  unter  dem  Einfluss  des  Alkohols,  sind 
sychisch  abnorm.  Dabei  zeigt  sich  der  gleiche  Prozentsatz  an 
eisteskranken  bei  den  erstmaligen  Alkoholvergehen  wie  bei  den 
ickfälligen.  2.  Nur  ganz  wenige  der  beobachteten  Trinkerinnen 
aren  während  der  Beobachtungszeit  besserungsfähig.  3.  Wie  andere 
egenerierende,  hatten  die  Trinkerinnen  nicht  kleinere,  sondern 
rössere  Familien  als  die  gesunden.  4.  Durch  die  bisherige  Ver- 
irgung  in  Trinkerheilstätten  ist  die  Zahl  der  Alkoholvergehen  noch 
cht  merklich  beeinflusst  worden.  Zum  Schluss  werden  Vorschläge 

| ir  eine  wirksamere  Bekämpfung  der  Trunksucht  gemacht,  neben 
enjenigen  einer  Aenderung  der  bestehenden  Gesetze  vor  allem  ein 
eneralregister  of  Inebriates.  Da  die  Trunksucht  schon  sehr  früh 
id  zum  Teil  noch  innerhalb  der  Schulzeit  beginnt,  müssen  auch  die 
chulbehörden  sich  mit  ihrer  Bekämpfung  beschäftigen. 

Dr.  Karl  Ernst  Ranke. 

Dr.  Magn.  Hirschfeld:  Vierteljahresbericht  des  wissen- 
haftlichen  humanitären  Komitees.  Leipzig,  S  p  o  h  r.  Preis  7.50  M. 

Die  Lektüre  der  Berichte  gibt  einen  genauen  Einblick  in  die 
isserordentliche  Verbreitung  der  psychosexueilen  Abnormitäten  in 
len  Ländern  und  zu  allen  Zeiten.  Die  Wiedergabe  zahlreicher 
erichtsverhandlungen  zeigt  die  ungeheuere  Schädlichkeit  des  §  175, 
as  dem  ein  riesiges  Wachstum  des  Erpressertums,  Selbstmorde, 
loralische  und  soziale  Existenzvernichtungen  in  grosser  Menge 
.gvorgehen.  Der  Ausmerzung  oder  Milderung  dieses  Paragraphen 
i\v.  der  Schutzalterfrage  sind  viele  Aeusserungen  grosser  Autoritäten 
dieser  Frage  gewidmet. 

In  einem  interessanten  Aufsatz  geht  H.  auf  den  Begriff  „Wider- 
itürlichkeit“  ein,  der  nur  aus  einer  falschen,  auf  dem  Kausalitäts- 
id  Utilitätsbedürfnis  unserer  Zeit  fussenden  Auffassung  der  Liebe 
:sultiert.  Nicht  Fortpflanzung,  sondern  Lust-  und  Lebenssteigerung 
:  der  Zweck  der  Liebe,  die  in  diesem  Sinne  auch  gleichgeschlechtlich 
id  deshalb  nicht  widernatürlich  sein  kann.  Für  das  Angeborensein 
-T  Homosexualität  werden  in  einer  eingehenden  Arbeit  12  Haupt- 
iinde  aufgeführt:  Die  Frühzeitigkeit  ihres  Auftretens,  ihre  Charakter- 
seinflussung  schon  vor  der  Pubertät,  die  homosexuelle  Richtung 
übst  der  Träume,  Uebereinstimmung  des  erotisch  reizenden  Typus 
ite  et  post  pubertatem,  individuelle  Sonderheit  der  ganzen  homo- 
ixuellen  Persönlichkeit,  die  Analogie  der  homo-  mit  den  hetero- 
:xuellen  Begleiterscheinungen,  die  Unausrottbarkeit,  die  Vererb- 
arkeit,  ihre  Ubiquität  zu  allen  Zeiten,  Unmöglichkeit  ihrer  Er¬ 
erbung. 

Ausführliche  Besprechungen  der  neu  erschienenen  einschlägigen 
iteratur  vervollständigen  die  Uebersicht  über  das  Gebiet  der 
‘xuellen  Zwischenstufen  und  der  ganzen  Sexualpsychologie  und 
isychiatrie.  P.  Lissmann  -  München. 

»ericht  über  urologische  Forschungsergebnisse  aus  dein 

2.  Halbjahr  1912. 

Von  Privatdozent  Dr.  Kielleut  hner  in  München. 

Von  den  neuerschienenen  grösseren  Werken  der  letzten  Zeit  seien 
or  allem  hervorgehoben  das  an  dieser  Stelle  schon  besprochene 
Traitment  d’urgence  des  maladies  des  organs  Genito-Urinaires“ 
on  J.  und  P.  F  i  o  1 1  e.  Des  weiteren  sei  auf  das  neu  erschienene 
-ehrbuch  der  Zystophotographie“  von  Fromme  und  Ringleb, 
af  „Das  Röntgenverfahren  bei  Erkrankungen  der  Harnorgane“  von 
.  Im  ine  1  mann  und  auf  die  „Travaux  de  Chirurgie  anatomo- 
iniquc“  (Voies  urinaires)  von  H.  Hartmann  hingewiesen.  Ueber 
e  soll  in  den  nächsten  Heften  dieser  Wochenschrift  berichtet  wer- 
sn.  —  Aus  Paris  endlich  kommt  aus  der  Feder  von  L  e  g  u  e  u, 
a  p  i  n  und  Maingot  ein  Werk  über  „L’exploration  radiographique 

2  l’appareil  urinaire“.  Als  dritte  neue  Zeitschrift  auf  dem  Gebiete 
nserer  Spezialwissenschaft  ist  mit  dem  Beginn  des  neuen  Jahres 
e  „Zeitschrift  für  urologische  Chirurgie“  erschienen.  Herausgeber 
ud  B.  K  r  ö  n  i  g  -  Freiburg  i.  B„  H.  K  ii  m  m  e  1 1  -  Hamburg, 

■  v.  L  i  c  h  t  e  n  b  e  r  g  -  Strassburg  i.  E.,  F.  V  o  e  1  c  k  e  r  -  Heidel- 
2rg,  H.  W  i  1  d  b  o  1  z  -  Bern.  Die  Zeitschrift  erscheint  in  zwanglosen 
eiten  und  soll  für  die  bisher  in  den  chirurgischen  Zeitschriften  zer¬ 
rten  urologischen  Arbeiten  als  einheitliche  Sammelstelle  dienen, 
usserdem  soll  das,  was  praktisch  und  wissenschaftlich  für  die 
hirurgie  der  Harnorgane  geleistet  wird,  hier  in  der  Form  von 
igebnisarbeiten  zusammengefügt  werden. 

Ueber  seine  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der 
iere  n  steinkrankheit  berichtet  A.  Pousson  in  Lyon  in 
-in  Journ.  d’urol.,  August  1912,  „Traitement  chirurgical  des  calculs 
u  rein“.  Nach  42  Eingriffen  bei  38  Nierensteinkranken  starben 
Patienten  und  zwar  4  im  direkten  Anschluss  an  den  Eingriff,  3  erst 
ehrere  Monate  später.  Bemerkenswert  ist,  dass  die  Todesfälle  nur 
ranke  mit  infizierten  Nierensteinen  betrafen.  Unter  16  asep- 
ischen  Nierensteinen  war  nur  einmal  die  Nephrektomie  indiziert 
id  zwar  bei  einer  hydronephrotlschen  Steinniere.  Von  den  übrigen 
>  Fällen  wurde  11  mal  die  Nephrolithotomie  und  4  mal  die  Pyelo- 
thotomie  vorgenommen.  Die  Frage,  ob  Pyelotomie  oder  Nephro¬ 


tomie  gemacht  werden  sollte,  allein  durch  die  Röntgenphotographie 
vor  der  Operation  zu  lösen,  ist  in  vielen  Fällen  unmöglich.  Erst  die 
unmittelbare,  bei  der  Operation  vorgenommene  Palpation,  die  sich 
nacheinander  auf  Nierensubstanz,  Becken  und  Kelche  erstrecken 
muss,  wird  den  richtigen  Weg  weisen.  Nach  des  Verf.  Erfahrungen 
dürfen  nur  regelmässig  geformte,  nicht  zu  grosse,  nicht  entzündlich 
verwachsene  und  nicht  verästelte  Konkremente  durch  den  Nieren¬ 
beckenschnitt  entfernt  werden.  Sehr  kleine  Steine  können  leicht  in 
die  Kelche  hineinschlüpfen  und  müssen  häufig  durch  Nephrotomie 
operiert  werden.  Bei  genauer  Nierenbeckennaht  ist  keine  Fistel  zu 
befürchten.  Nach  22  Operationen  von  septischer  Steinniere 
starben  unmittelbar  nach  dem  Eingriff  6  Patienten.  Pyelonephritis 
calculosa,  sowie  kalkulöser  Abszess  der  Niere  erfordern  die  Neph¬ 
rektomie,  die  einfache  kalkulöse  Pyelitis  die  Nephrotomie  oder,  wenn 
es  gelingt,  die  meist  bestehenden  Verwachsungen  zu  lösen,  auch  die 
Pyelotomie. 

Manch  neuen  Gesichtspunkt  über  das  Thema  „Nierentuber- 
kulose“  bringt  R  o  v  s  i  n  g  -  Kopenhagen  in  den  „Annales  of 
Surgery“,  Okt.  1912,  („Tuberculosis  of  the  kidney“).  Sowohl  in  Fällen 
von  leichter  und  auch  vorgeschrittener  Tuberkulose  kann  nach  R.s 
Erfahrungen  im  Harn  das  Eiweiss  fehlen  (?).  Zur  Sicherung  der 
Diagnose  einer  Nierentuberkulose,  die  häufig  genug  noch  immer  zu 
spät  erkannt  und  als  Nephritis,  Zystitis  und  Pyelitis  behandelt  wird, 
muss  der  Harnleiterkatheterismus,  sowie  die  mikroskopische  und 
bakteriologische  Untersuchung  des  getrennt  und  steril  aufgefangenen 
Harnes  gefordert  werden.  Bei  Blasenschrumpfung  oder  bei  narbiger 
Striktur  der  Harnleiter  befürwortet  Verf.  die  probatorische  Frei¬ 
legung  beider  Nieren.  Wir  hören,  dass  er  kein  Freund  der  funk¬ 
tionellen  Untersuchungen  ist;  er  verwirft  die  Untersuchung  auf  Harn¬ 
stoff,  die  Feststellung  des  Blutgefrierpunktes,  wie  die  Phloridzin¬ 
probe.  Eine  bestehende  Blasentuberkulose,  die  nach  der  Operation 
der  kranken  Niere  nicht  zur  Ausheilung  kommt,  behandelt  R.  auf 
folgende  Weise:  Nach  Ausspülung  der  Blase  mit  sterilem  Wasser 
wird  solange  mit  6  proz.  Karbolsäurelösung  gespült,  bis  die  Lösung 
klar  abfliesst.  Bei  Aufklärung  des  Harnes  werden  die  Spülungen, 
die  schmerzhaft  sind,  und  deswegen  erst  nach  Vorbehandlung  der 
Blase  mit  Eukain  gemacht  werden  sollen,  nur  in  längeren  Zwischen¬ 
räumen  wiederholt,  bei  gesundeter  Schleimhaut  gänzlich  ausgesetzt. 
Bei  beiderseitig  bestehender  Tuberkulose  der  Nieren  wird  als 
Palliativverfahren  das  Anlegen  einer  doppelseitigen  Harnleiterfistel 
empfohlen. 

Einen  Beitrag  zur  Frühoperationsfrage  der 
Nieren  tuberkulöse  liefert  Ref.  in  den  Fol.  urol.,  Nov.  1912. 
(K  i  e  lleuthner  -  München :  Genügt  der  Nachweis  von  Tuberkel¬ 
bazillen  in  dem  durch  Ureterenkatheterismus  gewonnenen  Harn  zur 
Diagnose  der  Nierentuberkulose?)  Er  weist,  gestützt  auf  zahlreiche 
exakte  Untersuchungen  darauf  hin,  dass  die  tuberkulöse  Bazillurie, 
wenn  auch  verhältnismässig  selten,  bei  Lungentuberkulose  vorkommt, 
ohne  dass  bei  genauester  makroskopischer  und  mikroskopischer 
Prüfung  der  Nieren  sich  ein  spezifischer  Herd  im  Harnsystem  findet. 
Eine,  wenn  auch  geringe,  Albuminurie  war  in  positiven  Fällen  eines 
Durchtritts  von  Bakterien  immer  vorhanden.  Das  Vorhandensein 
von  Tuberkelbazillen  zusammen  mit  einem  positiven  Eiweissbefund 
im  einseitig  aufgefangenen  Harn  darf  demnach  nicht  Grund  für  die 
Annahme  einer  wirklichen  Nierentuberkulose  sein;  wegen  eines  der¬ 
artigen  Befundes  darf  diese  Niere  nicht  entfernt  werden.  Zur  Dia¬ 
gnose  einer  chirurgischen  Nierentuberkulose  gehört  die  be¬ 
kannte  Trias:  positiver  Bazillennachweis,  Leukozyten  und  Erythro¬ 
zyten,  die  Zeichen  eines  destruktiven  Prozesses.  Fällt  bei  nach¬ 
gewiesener  chirurgischer  Nierentuberkulose  der  einen  Seite  der  Tier¬ 
versuch,  der  mit  dem  katheterisierten,  eiter-  und  blutzellenfreien, 
aber  eiweisshaltigen  Harn  der  anderen  Seite  angestellt  wurde,  positiv 
aus,  so  zögere  man  nicht  mit  der  Entfernung  des  zugrunde  ge¬ 
gangenen  Schwesterorgans,  da  erfahrungsgemäss  sowohl  Albuminurie 
der  Testierenden  Niere  als  auch  Durchtritt  der  Bakterien  ver¬ 
schwindet.  K.  weist  in  seinen  Ausführungen  demnach  auf  die  Mög¬ 
lichkeit  eines  Durchtrittes  von  Tuberkelbazillen  durch  eine  nicht 
tuberkulös  erkrankte  Niere  hin.  Derartige  Fälle  erfordern  eine  stete 
Beobachtung  des  Arztes,  da  auch  eine  chirurgische  Nierentuberkulose 
mit  diesen  Erscheinungen  beginnen  kann. 

Beiträge  „zur  Frage  der  Röntgendiagnostik  der 
Nierentuberkulose,  speziell  der  sogenannten  Kitt- 
niere“  veröffentlicht  G.  S  ö  d  e  r  1  u  n  t  -  Upsala  in  dem  Fol.  Urol, 
Bd.  7,  2.  Verf.  teilt  einige  Fälle  von  Nierentuberkulose  mit,  bei  denen 
eine  sichere  Lokaldiagnose  erst  auf  Grund  der  Röntgenuntersuchung 
gestellt  werden  konnte,  nachdem  die  üblichen  Untersuchungsmethoden 
ein  unsicheres  Resultat  ergeben  hatten.  Der  Ureterenkatheterismus 
war  in  allen  diesen  Fällen  wegen  hochgradiger  Blasenschrumpfung 
unmöglich  gewesen.  In  2  Fällen  handelte  es  sich  um  eine  sogen, 
typische  totale  Kittniere;  das  Röntgenbild  war  hier  sehr  charak¬ 
teristisch  und  erlaubte  eine  genaue  Bestimmung  der  Ausbreitung  des 
tuberkulösen  Prozesses  in  den  betreffenden  Nieren.  Verf.  glaubt,  der 
Röntgenuntersuchung  in  dieser  Hinsicht  einen  grossen  Wert  zu¬ 
erkennen  zu  müssen.  Die  Anwendbarkeit  der  Methode  ist  zwar 
durch  den  Umstand  eingeschränkt,  dass  nur  weit  vorgeschrittene 
Nierentuberkulosen  hinreichende  Veränderungen  auf  der  Röntgenplatte 
ergeben.  Doch  ist  zu  berücksichtigen,  dass  es  vor  allem  eben  die 
weit  vorgeschrittenen  Fälle  sind,  welche  zu  Blasenveränderungen  zu 
führen  pflegen,  derart,  dass  der  Ureterenkatheterismus  unmöglich  ist. 


934 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17. 


Eine  der  meist  diskutierten  und  wenigst  gelösten  Fragen  aus 
der  Chirurgie  der  Harnorgane  ist  die  Frage  der  Nieren¬ 
becken-  und  Harnleiternaht.  P.  und  L.  B  a  z  y  -  Paris 
teilen  in  dem  Journ.  d’Urol.,  Nov.  1912  ihre  diesbezüglichen  Er¬ 
fahrungen,  die  sie  bei  derartig  genähten  Kranken  machen  konnten, 
mit.  (Faut-il  suturer  les  incisions  du  bassinet  et  de  l’uretere?) 
9  mal  war  nach  der  Naht  der  Erfolg  ein  schneller  und  durch  keinerlei 
Komplikationen  verzögerter.  5  Operierten  wurde  das  Nierenbecken 
nicht  genäht;  es  bestand  in  diesen  Fällen  einige  Tage  Ausfliessen 
des  Harns  durch  die  Fistelnder  Erfolg  war  jedoch  immer  ein  voll¬ 
ständiger;  bei  infizierten  Fällen  sind  die  Verfasser  im  Gegensatz  zu 
Marion,  der  die  Nierenbeckennaht  hier  rät,  der  Ansicht,  diese  zu 
unterlassen,  da  sich  leicht  eine  starke  Narbenbildung  einstellt.  Sie 
raten  hier  das  Becken  zu  drainieren  und  in  den  ersten  Tagen  vor¬ 
sichtig  auszuspülen.  Für  wichtig  halten  sie  die  Beckennaht  bei  fett¬ 
leibigen  Personen  und  bei  stark  freigelegtem  und  der  Ernährung  be¬ 
raubtem  Harnleiter.  Die  Naht  hat  keineswegs  die  Nachteile,  die  ihr 
ab  und  zu  vorgeworfen  werden:  Verengerungen  treten  nicht  auf,  da 
man  die  Mukosa  nicht  in  die  Naht  mit  einbezieht;  auch  die  Blutung 
ist  keineswegs  zu  befürchten.  Zusammenfassend  fordern  die  Autoren, 
die  Naht  immer  dann  anzuwenden,  wenn  sie  irgend  möglich  ist;  man 
verzichte  darauf,  wenn  sie  technisch  schwierig  oder  gefährlich  ist. 
Die  Infektion  des  Nierenbeckens  ist  kein  Gegengrund  gegen  die  Naht; 
erscheint  die  Eiterung  ernst,  so  wende  man  zweckmässigerweise  die 
Drainage  an,  die  eine  gute  Sicherheit  bietet. 

Die  Frage  der  „chirurgischen  Behandlung  der 
Nephritis“  hat  sich  G.  D.  C  e  s  a  r  -  Basel  zum  Vorwurf  seines 
zusammenfassenden  Vortrages  gemacht.  (Sammlung  klinischer  Vor¬ 
träge  No.  666,  von  Volkmann.)  Der  Verf.  bringt  zunächst  eine 
erschöpfende  Zusammenstellung  aller  experimentellen  und  klinischen 
Erfahrungen  über  die  Wirkung  und  Bedeutung  der  Nierenenthiilsung, 
über  die  bereits  eine  recht  bedeutende  Literatur  vorliegt.  Die  Tier¬ 
versuche  ergaben  allerdings  bis^  jetzt  noch  kein  einheitliches  Resultat. 
Nichtsdestoweniger  darf  als  sicher  gelten,  dass  in  manchen,  leider 
nicht  regelmässig  zu  nennenden  Fällen  es  nach  der  einfachen  De- 
kapsulation  zur  Bildung  von  neuen  und  genügenden  Kollateralbahnen 
kommen  kann;  derselbe  Erfolg  lässt  sich  auch  bei  der  Einhüllung  der 
Niere  in  das  grosse  Netz  erzielen.  Beim  Menschen  wird  nur  selten 
sich  nach  der  Dekapsulation  ein  erheblicher  Kollateralkreislauf  ein¬ 
stellen;  dagegen  ist  der  günstige  Einfluss  dieser  Operation  bei  akuten 
und  chronischen  Nephritiden  nicht  zu  leugnen.  Die  Nephritis  selbst 
wird  dadurch  keineswegs  geheilt;  nur  vorübergehende  Besserungen 
sind  zu  verzeichnen.  Dagegen  sind  die  Zeichen  des  herabgesetzten 
intrarenalen  Druckes,  wie  Besserung  der  Diurese,  Beseitigung  kolik¬ 
artiger  Schmerzen  und  Verminderung  der  Eiweissausscheidung  un¬ 
verkennbar.  Die  Nierenenthülsung  ist  nach  den  heutigen  Erfahrungen 
durchaus  berechtigt  bei  Nephritiden,  die  mit  starker  Oligurie  bzw. 
Anurie,  mit  Hämaturie  oder  anhaltenden  Schmerzen  einhergehen. 
Hier  war  der  Eingriff  schon  häufig  von  lebensrettender  Wirkung.  Die 
Frage,  ob  bei  nicht  fortgeschrittener  Nierenentzündung  sich  dauernd 
günstige  Resultate  erzielen  lassen,  ist  bei  der  geringen  Anzahl  dies¬ 
bezüglicher  exakter  Beobachtungen  bis  heute  noch  ungeklärt. 

In  der  neugegründeten  Berliner  Urologischen  Gesellschaft  hielt 
E.  B  e  e  r  -  Newr  York  (als  Gast)  einen  recht  interessanten  Vortrag 
über  die  neue  Art  der  „Behandlung  gutartiger  Papillome 
der  Harnblase  mit  dem  durch  ein  Ureterzystoskop 
ein  geführten  Oudin-Hochfrequenzstro  m“.  Zeitschr. 
f.  Urol.,  Bd.  VI,  H.  12.  Die  erfolgreiche,  operative  Ausrottung 
papillärer  Gewächse  in  der  Harnblase  gehört  zu  den  schwersten  Auf¬ 
gaben  der  Chirurgie.  Die  Häufigkeit  von  Rezidiven  ist  eine  ganz 
ausserordentliche.  In  den  letzten  Jahren  beginnt  man  einzuseheu, 
dass  man  in  geeigneten  Fällen  die  besten  Erfolge  hat,  wenn  man  die 
Blasenpapillome  auf  intraurethralem  Wege  in  Angriff  nimmt.  Von 
der  absoluten  Richtigkeit  dieses  letzteren  Gesichtspunktes  überzeugt, 
versuchte  nun  B.  eine  Zerstörung  gutartiger  Papillome  der  Harnblase 
durch  den  sogen.  O  u  d  i  n  sehen  Hochfrequenzstrom  herbeizuführen, 
indem  er  eine  Elektrode  durch  die  Katheterrinne  eines  Ureteren- 
zystoskops  einführte  und  den  Strom  direkt  auf  das  Gewächs  leitete. 
Die  unmittelbaren  sichtbaren  Wirkungen  sind  überraschend.  Wenn 
die  Anwendungsstelle  oberflächlich  liegt,  kann  man  ein  rasches 
Weisswerden  und  Sicheinrollen  des  Tumors  bemerken;  an  der  Stelle, 
wo  die  Elektrodenspitze  liegt,  werden  die  Gewebe  geschwärzt.  Nur 
selten  folgt  darauf  Blutung,  eine  Wiederanwendung  des  Stroms  an 
derselben  Stelle  bringt  diese  gewöhnlich  zum  Stehen.  Nachdem  der 
Patient  den  nekrotischen  Tumor  ausgestossen  hat,  kann  die  Basis 
weitere  kurze  Behandlung  nötig  machen,  um  jeden  Tumorrest,  wie 
oben  erwähnt,  zu  zerstören.  Die  Patienten  sollen  von  Zeit  zu  Zeit 
sorgfältig  zystoskopiert  werden  und,  falls  irgendwelche  verdächtige 
Gewebe  sichtbar  sind,  in  der  gleichen  Sitzung  durch  den  Strom  be¬ 
handelt  werden.  Auf  diesem  Wege  ist  zu  hoffen,  ausgezeichnete  und 
bleibende  Erfolge,  zu  erhalten. 

Die  Veröffentlichungen  der  letzten  Jahre  über  das  Kapitel 
Prostatahypertrophie  befassten  sich  hauptsächlich  mit 
anatomisch-chirurgischen  Forschungen.  In  neuester  Zeit  hat  diese 
Erkrankung  des  Greisenalters  auch  vom  biologischen  Stand¬ 
punkte  aus  Bearbeitungen  erfahren;  ich  erinnere  nur  an  die  schönen- 
Versuche  von  Götzel-Prag  u.  a.  Auch  von  französischer  Seite 
wird  nun  die  Frage  beleuchtet,  ob  die  adenomatöse  Geschwulst. 
—  i.  e.  Prostatahypertrophie  —  imstande  ist,  eine  lokale  wie  auch* 


allgemeine  toxische  Wirkung,  die  wir  bisher,  nicht  kannten,  hervor¬ 
zubringen.  F.  Legueu  und  B.  Gaillardos  - Paris  veröffent¬ 
lichten  im  Journ.  d’Urol.  II,  1,  1912  höchst  interessante  diesbezügliche 
Versuche  und  Beobachtungen  an  Pferden  und  Hunden.  (Toxicite 
general  des  extraits  de  prostate  hypertrophiee.)  Die  Verschiedenheit 
der  Toxizität  der  einzelnen  Prostatasekrete  ist  ganz  ausserordentlich; 
während  von  der  normalen  Hundeprostata  man  2  g  Extrakt  pro  Kilo¬ 
gramm  Tier  ohne  irgendwelchen  schädlichen  Einfluss  einspritzen 
kann,  ist  schon  eine  Gabe  von  0,5 — 1,0  Extrakt  einer  hypertrophischen 
Drüse  des  Hundes  wie  auch  des  Menschen  genügend,  um  sehr  schwere 
toxische  Erscheinungen  hervorzuheben.  Diese  toxischen  Erschei¬ 
nungen  bestehen  in  sehr  starker  Herabsetzung  des  Blutdruckes  und 
in  Respirationsstörungen,  die  bis  zum  Atemstillstand  sich  steigern 
können.  Zu  beachten  ist  dabei,  dass  durch  die  Extrakte  anderer 
adenomatös  entarteter  Organe  (Uterus,  Mamma)  selbst  bei  doppelt 
so  grossen  Dosen  keinerlei  toxische  Wirkung  eintritt.  Es  ist  demnach 
erwiesen,  dass  es  nur  die  hypertrophierte  Drüse  des  Hundes 
wie  auch  des  Menschen  ist,  welche  derartige  toxische  Eigenschaften, 
besitzt.  Demzufolge  entfernt  man  durch  die  Prostatektomie  nicht  nur! 
ein  Organ,  das  durch  seine  Grösse  bzw.  seinen  Sitz  ein  mechanisches 
Hindernis  für  die  Blasenentleerung  bildet,  sondern  man  beseitigt  zu¬ 
gleich  auch  etwas,  das  durch  lokale  und  allgemeine  Toxizität  für  den 
Träger  von  Schaden  sein  kann.  Nach  den  Folgerungen  der  Verfasser 
ist  dabei  hauptsächlich  an  eine  gestörte  Kontraktilität  der  Blasen¬ 
muskulatur  wie  auch  an  toxische  Einflüsse  auf  das  Herz  zu  denken, 
eine  klinische  Beobachtung,  die  bereits  vor  Jahren  Bock -München 
in  einer  Monographie  über  Herzkrankheiten  mitgeteilt  hat. 

Ueber  den  „Zeitpunkt,  wann  ein  Prostatiker  ope¬ 
riert  werden  s  o  1 1?“  gibt  Fenney  im  Americ.  Journ.  of  Urol, 
Juli  1912  seine  Meinung  ab.  Nach  seiner  Ansicht  muss  der  Prostatiker 
der  zweiten  Periode,  nicht  wie  gewöhnlich  der  dritten,  der  Ope¬ 
ration  zugeführt  werden.  Seine  Gründe  dafür  sind  folgende:  Eine 
spontane  Besserung  ist  nicht  wahrscheinlich,  im  Gegenteil  spricht 
die  Erfahrung  für  eine  fortschreitende  Verschlimmerung  dieser  Er¬ 
krankung,  wenn  sie  einmal  schon  in  dem  Stadium  ist,  das  durch 
Retention  von  Harn  charakterisiert  ist.  Die  Nieren  sind  zu  dieser 
Zeit  meist  noch  in  gutem  Zustande,  ein  Punkt,  der  für  den  glücklichen 
Ausgang  der  Operation  nicht  zu  unterschätzen  ist.  Die  Mikro¬ 
organismen  haben  gewöhnlich  noch  nicht  ihr  Werk  in  der  Blase  be¬ 
gonnen.  Ist  die  Hypertrophie  gutartig,  bewahrt  die  Operation  den 
Kranken  vor  dem  gefährlichen  und  zugleich  äusserst  lästigen, 
dauernden  Katheterismus;  ist  sie  bösartig,  so  bietet  der  frühzeitige 
Eingriff  die  einzig  mögliche  Hilfe.  In  der  zweiten  Periode  ist  es  noch 
möglich,  eine  „ideale“  Prostatektomie  auszuführen:  die  Entfernung 
der  Drüse  in  einer  einzigen  Sitzung  und  Nachbehandlung  mit  Verweil¬ 
katheter  bei  vollständigem  Nahtverschluss  der  Blase.  Die  Chancen 
des  Erfolgs  sind  die  bestmöglichsten,  weil  die  Mortalität  mit  dem 
Alter  der  Kranken  wächst.  Die  unglücklichen  Zufälle,  die  dem 
chirurgischen  Eingriff  zugeschrieben  werden,  sind  in  fast  allen  Fällen 
auf  den  Allgemeinzustand  des  Patienten  im  Moment  der  Operation 
zu  beziehen.  Lange  Zeit  palliativ  und  innerlich  behandelt,  kommen 
diese  Kranken  viel  zu  spät  zum  Chirurgen.  Die  Kranken  dagegen, 
welche  in  der  zweiten  Periode  sich  operieren  liessen,  haben  die 
besten  Aussichten,  vollständig  geheilt  zu  werden. 

Die  Ansichten  der  verschiedenen  Autoren  über  den  vesikalen 
Prostatismus  oder  über  den  „Prostatismus  ohne  Prostata“ 
stellt  G.  Marion-Paris  in  kritischer  Weise  im  Journ.  d’urol.  II, 
Heft  4,  1912  zusammen.  __  (Existe-t-il  un  prostatisme  vesical  des 
prostatiques  sans  prostate?)  M.  für  seine  Person  zweifelt  durchaus 
an  der  Existenz  dieser  Erkrankungsform,  da  er  noch  niemals  einen 
sicheren  Fall  der  obengenannten  Art  gesehen  hat.  Er  glaubt,  dass 
es  sich  in  ähnlichen  Fällen  immer  um  Täuschungen  handelt.  In  diese 
Kategorien  werden  Kranke  eingereiht  mit  Miktionsstörungen  infolge 
Erkrankungen  des  Nervensystems;  namentlich  sind  es  die  „faux 
urinaires“,  wie  sie  bei  Tabes  Vorkommen.  Es  werden  eingereiht 
ferner  die  sogen.  Prostatiker  ohne  Prostata,  die  jedoch  trotzdem 
wirkliche  Prostatiker  mit  Prostata  sind;  meist  ist  die  Hypertrophie 
der  Drüse  nur  sehr  gering,  gegen  die  Blase  zu  ausgebildet,  und  den 
gewöhnlichen  Untersuchungsmethoden  nicht  gut  zugänglich.  Es  be¬ 
steht  eben  kein  bestimmtes  Verhältnis  zwischen  dem  Grade  der 
Hypertrophie  und  der  Stärke  der  funktionellen  Störungen.  Endlich 
werden  im  oben  erwähnten  Sammelbegriff  Kranke  einbezogen,  die 
anscheinend  an  vesikalem  Prostatismus  leiden,  in  Wahrheit  jedoch 
Blasen-  und  Harnröhrenaffektionen  aufweisen.  Die  angeführten  zahl¬ 
reichen  persönlichen  Beobachtungen  sind  besonders  in  therapeutischer ; 
Hinsicht  bemerkenswert,  da  die  Patienten  durch  einen  ungefährlichen 
chirurgischen  Eingriff  in  allen  Fällen  von  Selbstkatheterismus  befreit 
und  der  Heilung  zugeführt  werden  konnten.  Eine  sichere  Diagnose 
war  in  manchen  Fällen  erst  bei  eröffneter  Blase  zu  stellen. 

Seine  Erfahrungen  und  Ansichten  über  den  Wert  der  Zystoskopie 
bei  Hypertrophie  der  Prostata  teilt  G.  Marion-  Paris  in  dem 
Journ.  d’urol.,  Juli  1912  mit  („la  cystoscopie  Hans  l’hypertrophie  de 
la  prostate“).  Obwohl  die  Zystoskopie  bei  dieser  Erkrankung 
manchmal  eine  gewisse  Reizung,  ja  sogar  wirkliche  Beschwerden 
hervorrufen  kann,  sollte  sie  trotzdem  nicht  unterlassen  werden;  denn 
man  ist  niemals  ganz  sicher,  ob  sich  nicht  neben  der  Hypertrophie 
noch  ein  Tumor  oder  ein  Stein  findet.  Ueber  den  Ursprung  einer 
Hämaturie,  einer  Pyurie,  wie  sie  häufig  hier  auftreten,  wird  der 
Blasenspiegel  uns  sicheren  Aufschluss  erteilen.  Eine  Kontraindikation 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


935 


9.  April  1913. 


ildet  der  nicht  infizierte  Prostatiker  der  ersten  Periode,  den  auch 
ur  zu  katheterisieren  wir  uns  ja  in  gleicher  Weise  hüten.  Je  weniger 
ich  die  Blase  entleert,  um  so  leichter  ist  sie  infiziert;  auch  Blutungen 
iid  akute  Retention  sind  zu  fürchten.  Aus  diesem  Grunde  sollten 
rostatiker  niemals  am  Tage  der  Untersuchung  reisen;  es  ist  durchaus 
weckmässig,  diese  Patienten  mehrere  Stunden  Bettruhe  einhalten 
u  lassen  und  sie  wenigstens  24  Stunden  genau  zu  überwachen. 

Ueber  ein  praktisch  höchst  wichtiges  Kapitel,  „Ueoer  zysto- 
k  op  i  sc  he  Irrtümer“  sprach  am  5.  Ungarischen  Chirurgen- 
ongress  F.  Weiss-Pest.  (Zeitschr.  f.  Urol.,  Bd.  6,  Heft  11.)  Sie 
oinmen  vor  zwischen  Cystitis  chronica  und  Neubildungen,  nicht  nur 
um,  wenn  stark  zystische  Blasen  auch  durch  lange  Spülungen  nicht 
;iu  werden  und  ein  klares  Sehen  erschwert  ist,  sondern  insbesondere, 
enn  die  Blasenwand  selbst  starke  Verdickungen  und  Wulstungen 
jfweist,  die  vollkommen  körperlich  sind;  wenn  die  Geschwulst  ver- 
iltnismässig  flach,  die  Schleimhautvorsprünge  relativ  erhaben  sind, 
um  man  kaum  einen  Unterschied  finden,  ob  man  es  mit  einer  Ge- 
;hwulst  oder  den  Produkten  einer  intensiven  chronischen  Ent- 
indung  zu  tun  hat.  Ist  man  mit  dem  Prisma  der  Schleimhaut  ziem- 
_'h  nahe,  so  trägt  die  künstliche  Vergrösserung  dazu  bei,  den  Ein¬ 
ruck  eines  Tumors  bei  bestehender  Blasenentzündung  zu  ver- 
ärken.  Aehnlich  ist  es  mit  den  Tumoren  der  Nachbarschaft,  welche 
e  Blasenschleimhaut  tumorartig  vorstülpen.  Tumoren  der  Prostata 
innen,  wie  alle  Tumoren  der  Nachbarschaft,  durch  die  Blase  durch- 
achsen,  zu  Blutungen  aus  der  Blase,  zu  Zystitis  Veranlassung  geben 
ad  sowohl  ihren  klinischen  Symptomen,  als  auch  ihrem  zystischen 
ilde  nach  zu  Irrtiimern  führen.  Häufig  sind  Irrtümer  mit  Blut- 
:-agulum.  So  sind  manche  Fälle  schon  beschrieben  worden,  in  denen 
ne  blutige  Schleimhautfalte  für  einen  Tumor  angesehen  wurde, 
ingetrocknete  Blutgerinnsel,  die  ganz  fest  sind,  können,  wenn  sie 
m de  oder  ovale  Form  haben,  einen  Stein  vortäuschen;  ebenso 
3nnen  sich  dicke  Eiterinassen  zu  einer  steinartigen  Masse  formen. 

| -im  mehrmaligen  Sehen  kann  man  die  Farbe  der  Blutgerinnsel 
larakteristisch  braun  bis  ledergelb,  die  Eiterflocken  als  blendend 
eiss  erkennen.  Als  Unterschied  gilt  bei  Eitermassen  die  locker 
-fügte  Oberfläche,  die  nie  bei  Steinen  vorkommt  und  die  Ein¬ 
übungen  und  total  geglättete  Oberfläche  der  Blutkoagula,  wie  sie 
deine  niemals  zeigen.  Das  Hervorheben  dieser  Irrtümer  zeigt  nicht, 
iss  die  Zystoskopie  eine  Methode  von  strittigem  Werte  sei,  sondern 
e  gibt  im  Gegenteil  nur  Gelegenheit,  die  Lernenden  vor  solchen 
rtiimern  zu  schützen  und  führt  uns  insbesondere  vor  Augen,  welche 
ombinationen  wir  bei  der  Deutung  der  gesehenen  Bilder  in  Betracht 
eben  sollen,  ehe  wir  die  Diagnose  stellen. 

Fine  kleine  Abhandlung  über  „Hämaturi e“  bringt  M.  Harp- 
ter  in  Ohio  in  dem  Americ.  Journ.  of  Urolog.,  Nov.  1912,  Bd.  8. 
in  Drittel  der  sogen,  essentiellen  renalen  Hämaturien  sind  ohne 
vveifel  auf  eine  übersehene  Tuberkulose  zu  beziehen.  In  allen  Fällen 
du  Hämaturie  ist  es  notwendig,  vor  allem  nach  der  Quelle  derselben 
i  sehen.  Die  Zystoskopie  gibt  hier  die  besten  Aufschlüsse.  Die 
rt  und  Weise  der  Blutung  hat  keinen  diagnostischen  Wert,  weder 
e  stärkere  oder  geringere  Tingierung  noch  das  Vorhandensein 
urmartiger  Gerinnsel,  noch  der  terminale  oder  totale  Charakter: 
an  sieht  totale  Hämaturien,  deren  Ursprung  die  Prostata,  die  Blase 
ler  die  Niere  sein  kann;  in  der  gleichen  Weise  sieht  man  terminale 
lutungen  bei  Läsionen  des  Blasenhalses,  der  Prostata,  bei  Tumoren 
■  r  Blase  und  bei  geschwungen  Prozessen  des  Trigonums.  Nach 
-r  Statistik  ist  die  Hämaturie  das  erste  sichtbare  Zeichen  eines 
ererikarzinoms;  weniger  häufig  ist  dies  bei  Hypernephrom  der  Fall, 
er  i  umor  ist  jedoch,  wenn  sie  auftritt,  in  allen  Fällen  schon  im 
emlich  weit  vorgeschrittenen  Stadium.  Bei  der  Steinkrankheit 
eten  neben  der  Hämaturie  meist  noch  Schmerzen  auf;  jedoch  können 
ich  diese  vollständig  fehlen  und  die  Kalkulosis  der  Niere  ein  zu- 
Ihger  Obduktionsbefund  sein;  in  zweifelhaften  Fällen  geben  Radio- 
:opie  und  Zystoskopie  Aufschluss. 

Ueber  die  Entzündung  des  Colliculus  seminalis 
nd  seine  Folgen  gibt  P.  Orlowski  -  Berlin  seine  Erfah¬ 
ren  in  dem  Journ.  d’urol.  No.  6,  1912.  Er  wies  nach,  dass  die 
vpertrophie  des  Kollikulus  unabhängig  von  Prostatitis  und  Gonorrhöe 
dingt  sein  kann  durch  eine  lokale,  von  sexuellen  Reizungen  hervor- 
rufene  Entzündung,  und  schwere  Folgeerscheinungen,  wie  Impotenz 
id  Ljaculatio  praecox  nach  sich  ziehen  kann.  Die  Ursache  dieser 
hzündung  ist  die  Störung  des  Tonus  in  den  Blutgefässen;  durch 
-izungen  und  protrahierte  Erektionen  geraten  letztere  in  einen  Zu- 
md  von  Ermüdung  und  verlieren  ihre  Elastizität.  Als  die  häufigsten 
Sachen  sind  Coitus  interruptus,  unbefriedigte  Libido,  Masturbation, 
utus  repetitus  und  retentus,  viel  seltener  Gonorrhöe  anzuschuldigen. 
t  Entzündung  des  Veru  montanum  zeigt  sich  zunächst  in  Hyper- 
!“e>  dann  in  Exsudation  und  Infiltration  und  führt  schliesslich  zur 
vpertrophie.  Bisweilen  gesellt  sich  hiezu  ein  schleimig-eiteriger 
isfluss,  welcher  für  postgonorrhoischen  Katarrh  oder  Prostatorrhoe 
halten  werden  kann.  Steigt  die  Entzündung  zur  Blase  auf,  so  ent- 
ickelt  sich  Nachträufeln,  Urindrang  und  Tenesmus  ohne  Schmerzen, 
ich  auf  die  Testis  kann  sich  die  Entzündung  fortpflanzen  und  er- 
ugt  dann  bei  jeder  Erregung  schmerzhafte  Schwellungen.  Fälle 
äser  Art  heilte  0.  durch  lokale  Behandlung.  Der  Kollikulus  wird 
erst  mit  20proz.  Argentumlösung  verätzt,  wodurch  er  abschwillt 
a  dann  8  Tage  später  ein-  oder  zweimal  nach  5  tägigem  Intervall 
erflächlich  mit  dem  Galvanokauter  verschorft.  Auf  eine  eventuelle 
irnretention  und  Epididymitis,  die  nicht  vermieden  werden  können, 
id  die  Patienten  schon  vorher  aufmerksam  zu  machen. 


In  der  Therapie  der  Harnorgane  wurde  die  Kampfersäure  zufolge 
ihrer,  die  Harnzersetzung  hintanhaltenden  und  bakteriziden  Eigen¬ 
schaften  vielfach  empfohlen.  Besonders  schätzenswert  ist  sie  auch 
wegen  ihrer  Fähigkeit,  in  vielen  Fällen  die  alkalische  Reaktion  des 
Harns  in  die  saure  umzuwandeln.  Mit  dem  altbekannten  Hexa¬ 
methylentetramin  zusammen  wurde  dieses  Harndesinfiziens  als  kom¬ 
biniertes  Salz  hergestellt.  Das  kampfersaure  Hexamethylentetramin 
gelangt  unter  dem  Namen  Amphotropin  in  den  Verkehr.  Es 
bewährte  sich  nach  G.  F  i  s  c  h  e  r  s  -  Pest  Mitteilungen  aus  der 
v.  T  e  1  e  k  y  sehen  Klinik  („Ueber  ein  neues  Harnantiseptikum“,  Fol. 
Urol.,  Bd.  7,  No.  3)  als  ein  ganz  vorzügliches  Mittel  bei  Erkrankungen 
des  Harnsystems  (mit  Ausnahme  der  Tuberkulose).  Es  weist  eine 
intensivere  Wirkung  auf  als  die  bisherigen  Harndesinfizientien. 
Nebenwirkungen  wurden  nicht  beobachtet.  Dosis  0,5—1  g,  dreimal 
täglich,  am  bequemsten  in  Form  von  Pastillen. 


Neueste  Journaliteratur. 

Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 

1913,  Heft  4. 

G.  Marinesco  -  Bukarest :  Behandlung  syphilitischer  Erkran¬ 
kungen  des  Nervensystems  mittelst  intraarachnoidealer  Injektion  von 
Neosalvarsan. 

Beschreibung  von  13  Fällen,  bei  denen  Verf.  intradurale  In¬ 
jektionen  von  Neosalvarsan  machte  und  zwar  4  ccm  einer  Lösung 
von  Neosalvarsan  0,1  auf  80  ccm  Wasser,  was  einer  Menge  von  0,005 
auf  1  ccm  entspricht.  Es  waren  Kranke  mit  Tabes  (6),  luetischer 
Meningomyelitis  (2),  Paralyse  (4),  luetischer  Muskelatrophie  (1), 
Syringomyelie.  Der  Erfolg  war  gering  bei  einigen  Fällen  (Paralyse), 
schlecht  bei  der  Mehrzahl,  da  Kopfschmerzen,  Fieber,  häufig  Urin- 
retention,  Verschlimmerung  des  Allgemeinzustandes,  vor  allem  der 
Motilität,  trophische  Störungen,  gastrische  Krisen,  Amaurose  auf¬ 
traten.  Eine  direkte  schädliche  Einwirkung  auf  das  Rückenmark 
war  in  einem  Fall  sicher. 

A.  S  c  h  m  i  d  t  -  Halle:  Diätetische  Zeitfragen. 

Verf.  erörtert  kurz,  wie  sehr  sich  unsere  Ansichten  über  die 
diätetische  Behandlung  einzelner  Krankheiten  geändert  haben  (Kohle¬ 
hydratkuren  bei  Diabetes,  Lenhartzsche  Kur,  Ka  reilkur)  und 
geht  dann  näher  auf  die  Frage  der  Diätküchen  und  der  künstlichen 
Nährpräparate  ein.  In  der  Diätküche  der  Halleschen  Klinik  gibt 
es  5  Standardkostformen:  1.  die  Schmidt  sehe  Probe¬ 
kost,  2.  eine  laktovegetarische  Form  (mit  Salz  und  salzarm),  3.  eine 
Eiweissfettkost  (mit  kohlehydratarmen  Gemüsen  und  ohne  Gemüse, 
aber  mit  kleinen  Mengen  Zucker  oder  dextrinisierten  Kohlehydraten 
für  Gärungen  im  Darm),  4.  eine  gemischte  Schonungsdiät  für  Magen¬ 
kranke,  5.  flüssig-breiige  Kost.  Für  die  Magenverdaulichkeit  ist  die 
mechanische  Zubereitung  der  Speisen  am  wichtigsten,  d.  h.  die 
Angreifbarkeit  durch  den  Magensaft,  für  die  Darmverdaulichkeit 
kommen  mannigfache  Faktoren  in  Betracht.  Von  künstlichen  Nähr¬ 
präparaten  fehlen  uns  noch  ein  leicht  verdauliches  schmackhaftes 
Fleischeiweiss  und  ein  feinkörniges  Stärkepräparat.  Einen  Fortschritt 
bedeuten  Friedenthals  pulverisierte  trockene  Gemüse  und 
Klopfers  M  a  t  e  r  n  a,  ein  Nährpräparat  aus  Getreidekörnern  mit 
allen  Salzen  und  den  Zellfermenten  in  natürlichem  Zustand. 

L.  Mann-  Breslau :  Die  Elektrotherapie  der  Lähmungen  und 
Muskelatrophien. 

Ueberblick  über  das  Gebiet  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
neueren  Forschungen. 

L  a  m  p  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  prognostische  Bedeutung 
der  tlaierkuren. 

Verf.  gibt  einen  Ueberblick  über  203  Fälle,  die  er  seit  1909  mit 
Haferkur  behandelt  hat  und  beschreibt  dann  mit  Tabellen  10  Fälle, 
aus  denen  hervorgeht,  dass  bei  genauer  Beobachtung  der  Haferkur 
aus  deren  Erfolg  die  Prognose  gestellt  werden  kann,  wenn  andere 
Diätformen  noch  keinen  prägnanten  Ausschlag  geben.  Er  glaubt,  dass 
die  Amylummoleküle  des  Hafers  wohl  eine  besondere  Struktur  be¬ 
sitzen  und  dass  sich  daraus  die  bessere  Resorption  und  die  feineren 
Schwankungen  beim  Diabetiker  herleiten. 

R.  Ehrmann:  Zur  diätetischen  Therapie  der  chronischen 
Pankreaserkrankungen.  (Med.  Poliklinik  Berlin.) 

Fleisch  und  Butter  müssen  in  der  Nahrung  möglichst  einge¬ 
schränkt  werden  (jedes  unter  %  Pfund),  Milch  und  Mehlspeisen 
werden  gut  ausgenutzt,  Gemüse  und  Kompotte  soll  man  wenig  geben. 
Bei  Pankreasfisteln  ist  zu  beachten,  dass  Salzsäure  die  Pankreas¬ 
sekretion  stark  anregt,  ebenso  Mehlspeisen  und  Brot,  während 
Natriumbikarbonat  und  Fleisch  und  Fette  die  Sekretion  hemmen  resp. 
wenig  anregen. 

W.  Alexander -Berlin:  Die  Fortschritte  der  physikalischen 
Therapie  bei  Trigeminusneuralgie,  einschliesslich  der  Injektions- 
methoden. 

Uebersichtsreferat  über  die  seit  1909  erschienenen  Arbeiten. 
Literaturverzeichnis  von  102  Nummern.  L.  J  a  c  o  b  -  Wiirzburg. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  121.  Band,  3. — 4.  Heft. 
Februar  1913. 

Tatsuo  Eguchi:  Zur  Kenntnis  der  traumatischen  Epilepsie 
nach  Kopfverletzungen  im  Japanisch-Russischen  Kriege. 

Von  den  im  Japanisch-Russischen  Kriege  ins  Reservelazarett 
Eingelieferten  trat  bei  ca.  3  Proz.  der  Kopfverletzungen  traumatische 


936 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17. 


Epilepsie  auf.  Zuweilen  wurde  durch  Verletzung  der  Knochen  und 
der  Dura  mater  die  Epilepsie  hervorgerufen. 

Gewöhnlich  entsteht  die  traumatische  Epilepsie  nach  Ver¬ 
letzungen  erst  später:  nach  bereits  eingetretener  Narbenbildung,  häufi¬ 
ger  bei  sagittalen  Schüssen  als  bei  Querschüssen. 

An  Medulla  oblongata,  Pons  und  Kleinhirn  wurden  keine  Ver¬ 
änderungen  gefunden.  Die  Tatsache,  dass  bei  Deckung  des  Knochen¬ 
defektes  nur  mit  einem  Weichteillappen  auch  die  Epilepsie  entsteht, 
widerspricht  der  Ko  eher  sehen  Theorie.  Als  Ursache  fanden  sich: 
Verwachsungen  der  Knochen  oder  Haut  mit  Dura  oder  Gehirn,  Ver¬ 
dickung  der  Schädelinnenfläche,  Zysten,  Abszesse,  Aneurysma, 
Fremdkörper,  Knochenstücke.  Alle  Patienten  hatten  eine  nervöse 
Disposition,  ln  90,9  Proz.  wurde  Heilung  durch  Operation  erzielt. 
Der  operative  Eingriff  richtet  sich  nach  der  anatomischen  Ursache 
der  Epilepsie.  War  die  Entfernung  von  Fremdkörpern  ohne  Resultat, 
so  wurde  die  Exzision  des  primär  krampfenden  Zentrums  vor¬ 
genommen. 

Emmerich  Gergö:  Subkutanes  Emphysem  nach  Laparotomien. 

(Aus  der  1.  chirurgischen  Klinik  der  Kgl.  ung.  Universität  in  Pest.) 

Im  ersten  Fall  entstand  8  Tage  nach  einer  Gastroenterostomie 
an  beiden  Seiten  der  Wunde,  vierfingerbreit  vom  Wundrande  ent¬ 
fernt,  ein  subkutanes  Emphysem  in  der  Grösse  einer  Handfläche, 
Sekretion  einer  serösen  Flüssigkeit,  subfebrile  Temperatur,  Ausbrei¬ 
tung  nach  einigen  Tagen,  dann  Rückgang. 

Im  zweiten  Fall  bildete  sich  nach  Operation  einer  Hydrocele 
hernialis  unter  hohen  Temperatursteigerungen  oberhalb  der  Wunde 
ein  handtellergrosses  Emphysem  aus,  das  dann  verschwand  bei 
Primärheilung  der  Wunde. 

Der  erste  Fall  ist  wohl  sicher  auf  anaerobe  Bakterien  zurück¬ 
zuführen,  während  im  zweiten  Fall  auch  die  Möglichkeit  einer  mecha¬ 
nischen  Entstehung  gegeben  ist.  Literaturzusammenstellung. 

Heinz  Neu:  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  bei  chirurgischer 
Tuberkulose, 

Ein  Sammelreferat;  dem  Untertitel  „kritische  Darstellung“  ist 
sehr  wenig  Rechnung  getragen. 

E.  A.  Delfino:  Ueber  eine  peripankreatische  zwischen  den 
Blättern  des  Mesocolon  transversum  entstandene  Zyste.  (Aus  dem 
Institut  für  spezielle  chirurgische  Pathologie  der  Kgl.  Universität  in 
Genua.) 

Der  48  jährige  Patient  erlitt  vor  31  Jahren  eine  schwere  Bauch- 
quetschung,  seit  2  Monaten  Magendarmbeschwerden,  es  findet  sich 
ein  grosser  zystischer  Tumor  im  Epigastrium.  Auf  Grund  der  klini¬ 
schen  und  Stoffwechseluntersuchung  wird  eine  Affektion  der  Bauch¬ 
speicheldrüse  ausgeschlossen  und  die  Diagnose:  Zyste  der  peri- 
pankreatischen  Gegend,  entwickelt  ins  Colon  transversum,  gestellt; 
durch  Operation  wurde  die  Diagnose  bestätigt.  Vernähung  der  Zyste 
mit  der  Bauchwunde  und  Drainage,  Heilung.  Die  Zystenwand  ist 
ohne  Epithel,  zeigt  altes  dichtes  Bindegewebe,  mit  kleinen  Blu¬ 
tungen.  Im  Zysteninhalt  keines  der  Pankreasfermente.  Literatur. 

M.  zur  Verth  und  K.  Scheele:  Induratio  penis  plastica. 

Die  Arbeit  geht  aus  von  3  gut  beobachteten  Fällen  der  Bier- 
sehen  Klinik.  Mit  diesen  umfasst  die  Literatur  100  Fälle.  Das  Leiden 
entsteht  meistens  im  höheren  Alter,  es  entwickeln  sich  unter  der  un¬ 
veränderten,  gut  verschieblichen  Haut  am  Rücken  des  Gliedes  knor¬ 
pelharte  Bindegewebsplatten,  die  am  Septum  oft  mit  der  Tunica  der 
Schwellkörper  verwachsen  sind;  auch  kann  das  Septum  allein  er¬ 
kranken;  später  kann  die  Bindegewebswucherung  auf  die  Schwell¬ 
körper  übergehen,  es  können  Verkalkung  und  Verknöcherung  in  den 
Platten  auftreten.  Bei  der  Erektion  treten  Beschwerden  auf;  Schmer¬ 
zen,  Verkrümmungen,  unvollständige  Erektion,  Impotentia  coeundi, 
Alteration  des  Seelenlebens.  Aetiologisch  wichtig  für  die  in  der 
Fascia  penis  gelegene  Induration  sind  Elastikaveränderungen,  analog 
den  Veränderungen  der  elastischen  Elemente  der  Blutgefässe  etc. 
Als  schädigende  Momente  wirken  äussere  Ursachen  (Traumen  etc.), 
innere  Ursachen  (Alter,  Gicht,  Diabetes  etc.),  Syphilis,  chronische 
Orchitis,  Nikotin,  Alkohol.  Die  beste  Behandlung  ist  die  sorgfältige 
Exstirpation  mit  dem  Rückenteil  der  Fascia  penis. 

Edwin  Pfister:  Beiträge  zur  Histologie  der  ägyptischen  Bla¬ 
sensteine.  (Aus  dem  pathologischen  Institut  der  städt.  Krankenhauses 
in  Wiesbaden.) 

Pfister  untersuchte  34  ägyptische  Blasensteine  histologisch 
(Schliffe  oder  Erweichung  bzw.  Auflösung  in  Salzsäure,  Kalilauge, 
Antiformin  oder  Formalin  und  Fixierung  und  Härtung  in  Zelloidin) : 
der  sichere  Nachweis  von  Bilharziaeiern  gelang  nur  3  mal,  mit  Wahr¬ 
scheinlichkeit  ebenfalls  nur  3  mal.  Die  bisher  vielfach  vertretene  An¬ 
sicht,  nach  der  die  mit  Bilharziasis  in  Verbindung  zu  bringenden 
Harnsteine  meistens  als  „Fremdkörpersteine“  aufzufassen  sind,  ist 
nicht  haltbar,  die  Mehrzahl  muss  als  „Entzündungssteine“  aufgefasst 
werden.  Im  Anhang  eine  ausführliche  Bibliographie  über  die  ägyp¬ 
tische  Urolithiasis. 

G.  Koga:  Zur  Therapie  der  Spontangangrän  an  den  Extremi¬ 
täten.  (Aus  der  Kaiserl.  chirurgischen  Universitätsklinik  Kyoto, 
Japan.) 

13  Fälle  von  Spontangangrän  bei  Männern  im  Alter  von  24  bis 
48  Jahren.  Aetiologisch  war  nichts  Sicheres  zu  eruieren  (Zucker 
negativ,  Wassermann  negativ).  Die  Blutviskosität  der  Patienten  war 
bei  der  Aufnahme  in  der  Regel  erhöht  und  sank  durch  Infusion  einer 
Kochsalz-  bzw.  Ringerlösung  zur  Norm  herab.  Mit  der  Erniedrigung 
der  Viskosität  besserten  sich  die  Symptome  zusehends.  Der  Eintritt 
der  Hyperämie  bei  den  M  o  s  k  o  w  i  c  z  sehen  Versuchen  erfolgte  in 


um  so  kürzerer  Zeit,  je  mehr  Infusionen  man  machte.  Die  Heil¬ 
wirkung  der  Infusion  auf  die  Spontangangrän  scheint  von  längerer 
Dauer  zu  sein. 

C.  B  o  e  h  m :  Zur  Kasuistik  der  Stichverletzungen  des  Herzens. 

(Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  zu 
Schleswig.) 

Es  gelang,  die  Stichwunde  an  der  Vorderwand  des  rechten  Ven¬ 
trikels  zu  nähen,  die  Ausstichöffnung  in  der  Hinterwand  des  linker, 
Ventrikels  und  in  der  Pleurahöhle  wurde  nicht  gefunden,  aus  ihr  ver¬ 
blutete  sich  der  Patient. 

Erfreulich  ist  es,  dass  in  letzter  Zeit  die  Publikationen  über  un¬ 
günstigen  Ausgang  bei  der  operativen  Versorgung  Herzverletzter  sieh 
mehren,  da  dadurch  die  Statistik  über  die  Erfolge  der  Herznaht  rich¬ 
tiggestellt  wird. 

E.  Schottländer  -  Barmen :  Ein  interessanter  Fall  von  Ober¬ 
kiefersarkom. 

Ein  kleinzelliges  periostales  Sarkom,  das  klinisch  als  Epulis  im¬ 
ponierte;  partielle  Resektion.  F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Paderborn. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  15. 

Franz  v.  Fink;  Ueber  plastischen  Ersatz  der  Speiseröhre. 

Verf.  hat  ein  Verfahren  ausgedacht  und  einmal  angewendet,! 
welches  den  Magenkörper,  den  Pylorus  und  den  horizontalen  Ast  des 
Duodenum  zum  Ersatz  der  Speiseröhre  verwendet,  während  der  Fun¬ 
dus  die  Funktion  der  Verdauung  des  Magens  zu  übernehmen  hat.  Die 
Technik  ist  eingehend  mitgeteilt;  aus  dem  Sektionsbefund  geht  her¬ 
vor,  dass  Magen  und  Duodenum  ganz  geeignetes  Material  für  eine 
Plastik  des  Oesophagus  abgeben. 

E.  P  a  y  r  -  Leipzig:  Zur  Nahtsicherung  bei  der  Pyelolithotomie. 

Verf.  weist  einige  Behauptungen  Bastian  ellis  (in  No.  12)1 
als  unzutreffend  kurz  zurück. 

Perthes  - Tübingen :  Ueber  modellierende  Osteotomie  bei 
Plattfüssen  mit  schwerer  Knochendeformität. 

Verf.  hat  für  Plattfüsse  mit  schwerer  Knochendeformität  eine| 
Operationsmethode  ersonnen,  die  auf  die  mechanische  Belastung  des) 
Fussgewölbes  besondere  Rücksicht  nimmt  und  geeignet  erscheint, 
besonders  die  Abduktion  der  vorderen  Fusshälfte  zu  beseitigen.  Er; 
entnimmt  aus  dem  deformierten  Os  navicutare  einen  Keil  mit  der 
Basis  nach  unten  und  innen  und  pflanzt  ihn  in  einen  Osteotomiespalt 
ein,  der  in  dem  vorderen  Kalkaneusabschnitt  angelegt  wird;  dadurch, 
dass  dabei  die  Basis  nach  aussen,  die  Schneide  nach  innen  zu  liegen 
kommt,  muss  die  abduzierte  vordere  Fusshälfte  in  Adduktion  herüber¬ 
gedrängt  werden.  Der  Gang  der  Operation  ist  genau  geschildert  und 
durch  Abbildungen  erläutert.  Verf.s  Resultate  ermutigen  entschieden 
zur  weiteren  Nachprüfung  dieser  neuen  Methode;  sie  hat  den  grosser 
Vorzug,  dass  an  Knochensubstanz  nichts  verloren  geht  und  die  fin¬ 
den  elastischen  Gang  wichtigen  Gelenke  nicht  veröden. 

E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  37 
Heft  1. 

1)  Z  w  e  i  f  e  1  -  Leipzig :  Ueber  die  Behandlung  der  Eklampsie 

Eine  übersichtliche  Besprechung. 

Nach  einem  geschichtlichen  Ueebrblick  über  die  Behandlung  dei 
Eklampsie  führt  Verf.  aus,  aus  welchen  Gründen  er  in  der  Behänd-; 
lung  wieder  exspektativ  geworden  ist.  Im  grossen  und  ganzen  ist  Z 
Anhänger  des  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  sehen  Verfahrens,  nur  warnt  er  vor 
dem  Einflössen  von  Flüssigkeiten  in  den  Mund  Bewusstloser  wegen 
der  Gefahr  der  Schluckpneumonien.  Auf  84  Eklampsien  kommen 
5  Todesfälle,  die  letzten  64  Fälle  sind  alle  genesen.  Morbidität  der 
Kinder  20,3  Proz.  gegen  36  Proz.  früher.  Auf  die  Entleerung  de: 
Uterus  und  die  Frühentbindung  kommt  es  nicht  an.  Wichtig  ist 
das  Blut  durch  Aderlass  zu  verdünnen  und  dia¬ 
phoretische  Massnahmen  zu  unterlassen,  heisse  Bäder,  Eislappen 
Senfteige  u.  a„  sowie  operative  Massnahmen  und  ähnliche  Reize 
werden  vermieden. 

2)  Waldstein  -  Wien :  Ueber  B  r  e  u  s  sehe  Molen  uih 
retinierte  Eier  im  allgemeinen. 

Genaue  makroskopische  und  mikroskopische  Beschreibung  einej 
Fleischmole  (durchblutetes  Ei)  und  einer  Breusschen  Mole 
(aneurysmatisches  Ei).  Eine  Betrachtung  der  klinischen  Verhältnisse 
legt  es  nahe,  den  Beginn  des  Abortes  bei  Aneurysmamolen  in  die  Zei' 
zu  verlegen,  in  der  die  Frauen  anfangen  zu  bluten  und  eine  Ver¬ 
kleinerung  der  Gebärmutter  stattfindet.  Verf.  versuchte  im  Experi 
ment  das  Ueberleben  einzelner  Zellen  und  Zellkomplexe  bei  der 
Molen  zu  wiederholen,  was  ihm  auch  gelang.  Die  Gewebe  sind  im¬ 
stande,  in  verschiedener  Weise  den  Tod  des  Individuums  zu  über¬ 
leben.  Näheres  über  die  interessanten  Ergebnisse  ist  im  Origina' 
nachzulesen. 

3)  D  a  n  i  e  1  -  Jassy :  Die  elefantiastische  Tuberkulose  der  Vulva 
(primäre  tuberkulöse  Elefantiasis). 

Neben  einer  kutanen  (Lupus  der  Vulva)  und  einer  einfache! 
ulzerös-hypertrophischen  Form  gibt  es  nach  der  Einteilung  von  Veri 
noch  die  hypertrophische  oder  elefantiastische  Form.  Diese  ist  die; 
seltenste  und  ist  charakterisiert  durch  Hypertrophie  und  ein  hartes 
elefantiastisches  Oedem  der  kranken  Organe.  Trotz  der  Rezidiv', 
und  der  schlechten  operativen  Resultate  ist  die  ausgedehnte  Ent¬ 
fernung  der  kranken  Masse  in  einem  Stück  zu  empfehlen. 


).  April  1913. 


MUF.NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


4)  Br  et  Schneider  -  Leipzig :  Ueber  die  Ursachen,  die 
lerapie  und  die  forensische  Bedeutung  der  violenten  Gebärmutter- 

rletzungen. 

Auf  Grund  von  4  einschlägigen  Fällen  ist  Verf.  der  Ansicht,  dass 
den  Fällen  von  violenten  Rupturen,  die  mit  grösster  Wahrschein- 
hkeit  noch  nicht  infiziert  sind,  die  Naht  des  Risses  der  Total- 
stirpation  vorzuziehen  sei.  Die  instrumenteile  Perforation  eines 
sunden  Uterus  ist  als  ein  technischer  Kunstfehler  anzusehen,  die 
les  kranken  oder  senil-atrophischen  jedoch  nicht,  nur  muss  das 
ferlose“  Verschwinden  der  Instrumente  sofort  erkannt  werden. 
i  jede  grössere  künstliche  Perforation  ist  sofort  die  Laparotomie 
zuschliessen,  um  den  Riss  zu  schliessen  und  event;  Blutung  zu 
llen.  Bei  infizierten  Fällen  ist  die  Totalexstirpation  vorzunehmen. 

5)  Sarateanu  und  V  e  1  i  c  a  n  -  Bukarest:  Die  Wasser- 
annsche  Reaktion  in  der  Schwangerschaft  der  Frauen  und  bei 
öchnerinnen. 

Die  sonst  sehr  brauchbare  Methode  gibt  nicht  bei  allen  luetischen 
hwangeren  Frauen  und  Wöchnerinnen  ein  absolut  sicheres  posi- 
es  Resultat,  so  dass  ein  negatives  Resultat  keine  sicheren  Schlüsse 
lässt.  Die  W  a  slse  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  beweist,  dass,  die 
.izeration  der  toten  und  vorzeitig  geborenen  Früchte  in  den  meisten 
llen  eine  luetische  ist.  Die  Zahl  der  Vorgeburten  (mit  spezifischem 
larakter)  bewirkt,  dass  die  Intensität  der  Reaktion  im  allgemeinen 
ikt,  ohne  aber  einen  sicheren  regelmässigen  Einfluss  darauf  zu 
ben. 

6)  C  o  h  n  -  Greifswald :  Die  innersekretorischen  Beziehungen 

rischen  Mamma  und  Ovarium. 

Als  das  Hauptergebnis  der  bisherigen  Beobachtungen  über  diese 
Ziehungen  ist  zu  vermerken,  dass  ein  positiver  Einfluss  des  Eier- 
>cks  nur  auf  die  Entwicklung  der  Brustdrüse  besteht,  dass  dagegen 
r  die  Funktion  der  Mamma  nicht  nur  keine  positive,  sondern  sogar 
ne  antagonistische  Wirkung  von  seiten  der  Ovarien  zu  konsta- 
■ren  ist. 

7)  V  ogt- Dresden:  Zur  Kenntnis  der  Weichteildefekte  am  Kopfe 
nigeborener. 

Die  Entstehungsweise  der  meist  rundlichen  oder  strahlenartigen 
ibstanzverluste  ist  unbedingt  anmiogen.  Durch  Entzündung  des 
nnion  kommt  es  zur  Verwachsung  mit  der  Fruchtanlage,  im 
eiteren  Verlaufe  kommt  es  durch  Dehnung  zur  Ausbildung  der 
liden  Simoner  f  sehen  Bänder  oder  der  hohlen  A  h  1  f  e  1  d  sehen 
nnionstränge.  Die  Bänder  zerreissen  in  der  Regel  und  schrumpfen, 
r  die  Entwicklung  der  Weichteile  an  der  Stelle  der  Infektion 
rd  gehemmt. 

8)  Bleeck-Bonn:  Ueber  Extraduralanästhesie  für  chirurgische 
d  gynäkologische  Operationen. 

Verf.  verwandte  eine  2  proz.  Novokainlösung  mit  Natron  bicarb. 
d  4—5  Tropfen  Adrenalinlösung  und  stieg  in  dem  Novokaingehalt 
>  28  ccm  einer  2  proz.  Lösung.  Unter  50  Fällen  wurde  19  mal  die 
lalationsnarkose  notwendig.  Wichtig  ist,  dass  man  sich  jedesmal 
von  überzeugt,  dass  die  Spitze  der  Nadel  extradural  liegt.  Die 
orie  Anästhesie“  ist  unter  Umständen  gefährlich  und  Verf.  warnt 
r  höheren  Gaben,  wie  0,4  Novokain  pro  dosi.  Die  Kombination 
t  tiefem  Dämmerschlaf  hält  Verf.  für  unnötig,  da  man  im  tiefen 
immerschlaf  allein  alle  Operationen  ausführen  kann. 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 


Zentralblatt  fiir  Gynäkologie,  No.  15,  1913. 


Fr.  v.  N  e  u  ge  b  a  u  e  r  -  Warschau :  Ueber  eine  Geourt  5  Jahre 
eh  vorausgegangener  Piccolioperation  wegen  puerperaler  Uterus- 
•  ersion. 

v.  N.  berichtet  über  einen  Fall  einer  19  jährigen  Frau,  die  nach 
ler  Spontangeburt  eine  Inversio  uteri  durch  Zug  an  der  Nabel¬ 
tmur  seitens  der  Hebamme  bekommen  hatte.  Nach  vergeblichen 
;positionsversuchen  mit  dem  Kolpeurynter  operierte  v.  N.  nach 
iccoli.  d.  h.  Spaltung  der  hinteren  Uter.uswand  und  darauf- 
gende  Reposition.  Die  Frau  genas  glatt,  wurde  5  Jahre  später 
eder  gravid  und  machte  eine  normale  Geburt  und  normales 
ochenbett  durch.  Die  Plazenta  bestand  aus  zwei  Lappen,  sogen. 
Partita,  v.  N.  fragt,  ob  dies  in  einem  Kausalverhältnis  zu  der 
raufgeangenen  Hysterostomia  posterior  steht? 

E.  Langes- Kiel:  Intraperitoneale  Verblutung  intra  partum 
olge  von  Venenruptur  des  Uterus. 

Eine  32  jährige  Frau,  Il.-para,  fühlte  während  der  6  Wochen 
te  terrninum  beginnenden  Geburt  plötzlich  einen  inneren  Schmerz, 
s  Gefühl  einer  inneren  Zerreissung.  Zugleich  trat  starker  Kollaps 
i  und  alle  Zeichen  innerer  Verblutung.  Die  Laparotomie  ergab  ein 
'nnigstückgrosses  Loch  in  der  Uterusserosa  hinten  an  der  Seiten- 
nte  des  Uterus  in  der  Höhe  des  inneren  Muttermundes.  Exitus 
Munden  später.  Die  Sektion  ergab,  dass  es  sich  um  die  Ruptur 
ler  Krossen,  dünnwandigen,  varikös  erweiterten  Vene  dicht  untfer 
1  Mrosa  gehandelt  hatte. 

H  i  c  ke  -  Gelsenkirchen:  Myom  der  Vagina. 

36  jährige  Frau  mit  einem  grossen  Fibromyom  der  vorderen 
ginalw  and,  das  nach  Spaltung  der  letzteren  entfernt  wurde. 

t.  Kaufmann:  Zur  Frage  der  transperitonealen  zervikalen 
erusentleerung. 

K.  machte  die  genannte  Operation  bei  einer  36  jährigen  Frau, 
an  I  lazentarretention  nach  Abort  und  einer  kleinen  Ovarialzyste 
Er  »hebt  die  Vorzüge  vor  einem  Korpusschnitt  hervor. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


9.57 


Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Band  77,  Heft  3. 

12)  F.  Lust:  Die  Durchlässigkeit  des  Magcudarmkanales  für 
heterologes  Eiweiss  bei  ernährungsgestörten  Säuglingen.  (Klinische 
und  experimentelle  Untersuchungen.)  (Aus  der  Universitäts-Kinder¬ 
klinik  in  Heidelberg  | Direktor :  Prof.  E.  Moro|.)  (Mit  24  Tabellen.) 

Die  Untersuchungen  wurden  mit  Hiihnereiweiss  an  100  Säug¬ 
lingen,  sowohl  gesunden  wie  ernährungsgestörten  verschiedenen  Gra¬ 
des  angestellt.  Die  Kontrolle  der  Darmresistenz  gegen  heterologes. 
mtrastomachal  eingeführtes  Eiweiss  wurde  im  Harn  mit  der  Präzipi¬ 
tationsmethode  mit  Antihühnerserum,  gelegentlich  auch  mit  der  Ana¬ 
phylaxieprüfung  vorgenommen.  Bei  12  darmgesunden  Säuglingen 
konnte  Lust  55—60  g  als  obere  Grenze  feststellen,  ohne  dass  es 
zur  Resorption  kleinster  Mengen  Eiereiweiss  kommt.  Bei  den  ein¬ 
fachen  Dyspepsien  lassen  sich  schon  Andeutungen  feststclien,  dass  die 
Darmwand  gegenüber  eingeführtem  heterologen  Eiweiss  nicht  so 
widerstandfähig  ist.  Dagegen  konnte  Verf.  bei  den  schweren  akuten 
Ernährungsstörungen  bei  sämtlichen  Kindern  dieser  Gruppe  mit  kon¬ 
stanter  Regelmässigkeit  die  Ausscheidung  von  Hiihnereiweiss  im  Urin 
konstatieren,  woraus  eine  beträchtliche  Funktionsschädigung  der 
Magendarmwandung  geschlossen  werden  darf.  Bei  den  chronischen 
Ernährungsstörungen  konnte  in  etwa  a/3  der  Fälle  die  Ausscheidung 
von  per  os  eingeführtem  Hiihnereiweiss  im  Harn  konstatiert  werden. 
Aus  den  im  Stadium  der  „Reparation“  vorgenommenen  Unter¬ 
suchungen  geht  hervor,  dass  die  Schleimhaut  des  Darmes  keineswegs 
irreparabel  gestört  ist,  sondern  mit  der  Zeit  ihre  normale  Leistungs¬ 
fähigkeit  wiedergewimien  kann.  (Schluss  im  nächsten  Heft.) 

13)  M.  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien :  Ueber  Rachitis.  III.  Rachitis  bei 
Neugeborenen.  (Mit  16  Abbildungen  im  Text.)  (Fortsetzung.) 

Studie,  in  der  Verf.  gegenüber  anderen  Autoren  seine  Auffassung 
der  angeborenen  Rachitis  verteidigt;  zu  kurzem  Referat  nicht  ge¬ 
eignet. 

14)  E  F  r  a  n  k  -  Rendsburg :  Die  Anwendung  der  Molketherapie 
bei  ruhrartigen  Darmkatarrhen  und  ihre  Erfolge.  (Aus  der  Universi¬ 
täts-Kinderklinik  zu  Göttingen  [Direktor:  Prof.  F.  Göppertl.) 
(Fortsetzung.) 

Krankengeschichten. 

Kleine  Mitteilungen. 

1.  M.  v.  B  i  e  h  1  e  r  -  Warschau  :  Ein  Beitrag  zur  Heine- 
M  e  d  i  n  sehen  Krankheit  im  Königreich  Polen  im  Jahre  1911. 

2.  W.  B  e  y  e  r  -  Berlin:  Zur  Frage  der  Wirksamkeit  des  Diph- 
therieserums  bei  Beteiligung  des  Nervensystems  etc.  Entgegnung 
auf  die  Bemerkung  von  H.  Kleinschmidt  in  Heft  1. 

Literäturbericht,  zusammengestellt  von  A.  Niemann  -  Berlin. 
—  Buchbesprechungen.  O.  Rommel-  München. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

71.  Band,  4.  Heft. 

A.  v.  Konschegg:  Ueber  Beziehungen  zwischen  Herzmittel- 
und  physiologischer  Kationenwirkung.  (Pharmakol.  Institut  Graz.) 

Da  die  Salze  der  Riugerlösung  für  die  normale  Herztätigkeit  von 
grosser  Bedeutung  sind,  ihre  Wirkung  und  die  event.  Ersetzlichkeit 
durch  der  Wirkung  nach  ihnen  nahestehende  Körper  noch  unbekannt 
ist,  machte  Verf.  Versuche  darüber,  ob  Kalzium  durch  Digitaliskörper 
ersetzbar  ist.  Ebenso  wurde  der  Einfluss  von  Kalium.  Kampfer  und 
Koffein  untersucht.  Es  fand  sich,  dass  Strophanthin  am  kalzium¬ 
freien  Herzen  noch  wirkt,  aber  nicht  mehr,  wenn  das  Herz  kalzium- 
und  kalifrei  gemacht  ist.  Es  ist  also  kein  voller  Ersatz  des  Kalziums. 
Seine  Wirkung  ist  der  des  Kaliums  antagonistisch:  es  hebt  eine  Ver¬ 
giftung  durch  Kaliüberschuss  auf.  Andrerseits  tritt  beim  Fehlen  von 
Kalium  der  Strophanthinstillstand  früher  ein  und  er  kann  durch 
Kalium  behoben  werden.  Die  Wirkung  von  Adrenalin,  Kamp- 
f  e  r  und  Koffein  ist  dagegen  an  die  Gegenwart  von  Kalzium  ge¬ 
bunden. 

S.  W  i  1  e  n  k  o :  Ueber  die  Ursache  des  Adrenalindiabetes. 

(Pharm.  Institut  Graz.) 

Verf.  wollte  die  Frage  entscheiden,  ob  die  Adrenalinwirkuug 
primär  auf  gesteigerter  Glykogenmobiiisierung  oder  auf  geschädigtem 
Zuckerverbrauch  beruht.  Er  machte  zu  diesem  Zwecke  Versuche  am 
überlebenden  Herzen,  das  bekanntlich  normaler  Weise  Zucker  zu  zer¬ 
stören  vermag.  Beim  adrenalinvergifteten  Tier  wurde  nur  ein  ge¬ 
ringer  Bruchteil  der  Zuckermenge  verbraucht,  die  das  normale  Ka- 
ninchenherz  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  schädigen.  Bei  Ver¬ 
suchen  am  normalen  Herzen  wurde  durch  Adrenalinzusatz  zur  Durch¬ 
strömungsflüssigkeit  jedoch  der  Zuckerverbrauch  gesteigert.  Es  wird 
also  nicht  die  zuckerzerstürende  Kraft  des  Herzens  durch  das 
Adrenalin  direkt  geschädigt,  sondern  das  Adrenalin  wirkt  indirekt 
durch  Angriff  auf  ein  anderes  Organ.  Es  vermindert  primär  die 
zuckerzerstörende  Kraft  des  Organismus,  die  Gewebe  sind  im  Zucker¬ 
hunger  und  es  treten  sekundär  die  Mechanismen  ein,  die  auch  physio¬ 
logisch  in  diesem  Falle  tätig  sind:  die  Glykogendepots  werden  mobili¬ 
siert,  es  tritt  Hyperglykämie  und  schliesslich  Glykosurie  ein. 

R.  B  o  e  h  m :  Ueber  die  Wirkungen  des  Veratrin  und  Proto- 
veratrin.  (Pharmakol.  Institut  Leipzig.) 

Ausführliche  toxikologische  Untersuchungen,  zu  kurzem  Referat 
nicht  geeignet. 

M.  Cloetta:  Ueber  die  Wirkung  des  Skopolamins. 

Polemik  gegen  C  u  s  h  n  y. 

.1.  Bordet  und  L.  Delange:  Betrachtungen  über  die  Rolle 
der  Lipoide  bei  der  Blutgerinnung.  (Institut  Pasteur  in  BriisselA 


938 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17. 


Die  Untersuchungen  von  Zak  und  von  Al.  Schmidt  haben 
die  Wichtigkeit  der  Lipoide  bei  der  Blutgerinnung  gezeigt.  Nach 
Untersuchungen  der  Verfasser  sind  diese  Lipoide  mit  der  als  Thrombo- 
kinase  oder  Zytozym  bezeichneten  Vorstufe  des  Fibrinfermentes 
identisch.  Die  Thrombokinase  erzeugt  beim  Vermischen  mit  Serum 
erhebliche  Fibrinfermentmengen.  Die  gleiche  Eigenschaft  zeigten 
Lipoidextrakte,  die  die  Verf.  aus  Muskelgewebe,  Pepton  oder  Blut¬ 
plättchen  herstellten.  Eine  sehr  geringe  Menge  dieser  Lipoide  ge¬ 
nügte,  um  bei  Serumanwesenheit  eine  grosse  Menge  ausserst  wirk¬ 
samen  Fibrinfermentes  zu  bilden. 

E  v  K  >naf  fl -Lenz  und  E.  P.  Pick:  Ueber  das  Verhalten 
der  piasteine  im  Tierkörper.  I.  Mitteilung.  Die  Beziehungen  der 
Piasteine  zur  Peptonvergiftung.  (Pharmakol.  Institut  Wien.) 

Die  Piasteine.  peptische,  den  genuinen  ungespaltenen  Eiweiss¬ 
körpern  ähnliche  Körper,  die  durch  Einwirkung  von  Labferment  au 
peptische  Eiweissspaltprodukte  entstehen,  sind  in  ihrem  biologischen 
Verhalten  noch  unbekannt.  Die  Verf.  untersuchtem  ob  durch  die 
Plasteinbildung  eine  Entgiftung  des  vorher  giftigen  Peptongemenges 
eintritt  und  wie  die,  nach  der  Entfernung  der  Piasteine  zuruckbleiben¬ 
den  Spaltprodukte  biologisch  wirken  Sie  fanden,  dass  unter  dem 
Einfluss  von  Pepsinsalzsäure  aus  konzentrierten  Losungen  gittigei 
Verdauungsprodukte  ganz  ungiftige  höhermolekulare  Eiweissprodukte 
entstehen.  Vielleicht  kann  auch  im  Tierkörper  ein  analoger  Vorgang 
stattfinden.  Der  Prozess  ist  reversibel,  es  werden  durch  die  Pepsin- 
verdauung  aus  den  ungiftigen  Plasteinen  wieder  charakteristisch  gütig 
wirkende  Eiw'eissspaltprodukte.  Mit  tiefer  abgebautem  Eiweiss 
(Trypton,  Erepton,  Leberautolysat)  gelang  es  nicht.  Plastmne  darzu- 
stellen,  es  müssen  die  höhermolekularen  Produkte  überwiegen. 

H.  Beutner  und  M.  Bürger:  Zur  Lipoidchemie  des  Blutes. 
II.  Ueber  die  Zusammensetzung  der  Stromata  menschlicher  Ery¬ 
throzyten  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Lipoide.  u  tadt. 

Krankenhaus  Charlottenburg.)  „  ,  ,  ,  R1llt 

Die  Verfasser  hab“ii  die  Phosphatide  der  Exti akte  dei  Blut- 
körperchenstromata  annähernd  quantitativ  bestimmt  und  nach  ihren 
Löslichkeitsverhältnissen  in  den  verschiedenen  Medien  grupmeit. 
Ausserdem  wurden  N,  P  und  Cholesterin  bestimmt.  Aus  den  Diffe¬ 
renzen  die  sie  bei  den  einzelnen  Krankheiten  (Diabetes,  Chlorose, 
1  ues  Karzinom  etc.)  fanden,  konnten  noch  keine  Schlüsse  gezogen 
werden,  jedoch  scheint  es  nach  den  bisherigen  Ergebnissen  aussichts¬ 
reich,  diese  Differenzen  in  der  Zusammensetzung  der  Stromahpoide  zu 
verfolgen  und  genauer  zu  präzisieren.  Es  wird  so  dm  Grundlage 
geschaffen,  die  es  ermöglicht,  eine  Modifikation  der  Funktionen  dei 
blutbereitenden  Organe  zu  erkennen.  L.  J  a  c  o  b  -  Wurzburg. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  16,  1913. 

1)  W.  Zangemeister-Marburg,  a.  L.:  Ueber  puerperale 
Uterusinversion. 

Klinischer  Vortrag.  ,  » 

2)  A  r  ne  th- Münster  i.  W.:  Die  Thorium  X-Wirkung  auf  das 

Blutzellenleben.  (Schluss  folgt.)  ...  .  ..  .  , 

3)  Ernst  Frankel-  Bonn :  Tuberkelbazillen  im  stromenden  Blut. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Antiforminsedim  ant¬ 
ausstrichpräparates  auf  das  Vorhandensein  von  Tuberkelbazillen  ge-  j 
nügt  allein  nicht;  die  Meerschweinchenimpfung  wird  auch  weiterhin 
nicht  vermisst  werden  können. 

4)  G.  S  h  i  b  a  y  a  m  a  -  Tokio :  Ueber  die  Wirkung  von  Serum 

und  Toxin  bei  rektaler  Anwendung. 

Rektale  Einspritzung  defibrinierten  Ziegenblutes  führte  im 
Kaninchenserum  zur  Entwicklung  von  Hämolysin  und  Präzipitin. 
Tuberkulin  und  Diphtherietoxin  wurden  vom  Rektum  nut  in  so 
unbedeutenden  Mengen  resorbiert,  dass  aucR  bei  Einspritzung  des 
Vielfachen  einer  subkutan  letalen  Dosis  der  I  od  des  Versuchstieres 
nicht  eintrat.  Diphtherie-,  ebenso  wie  Cholera-  und  Typhuspferde¬ 
sera  erfahren  offenbar  im  Rektum  eine  eingreifende  Veränderung  und 
vermögen  unter  diesen  Umständen  nicht  mehr,  den  eingespritzten 
Tieren  eine  passive  Immunität  zu  verleihen. 

5)  M.  Nemmser-St.  Petersburg:  Wiederholte  Seruminjek- 
tionen  und  Ueberempfindlichkeit  (Serumaiiaphylaxie). 

Die  Zusammenstellung  von  1002  Diphtheriekrankengeschichten 
aus  den  Jahren  189G — 1900,  wo  von  Anaphylaxie  noch  nichts  bekannt 
war,  ergab,  dass  trotz  mehrfacher  Seruminjektionen  mit  einer  je¬ 
weiligen  Zwischenzeit  von  mindestens  12  Tagen,  abgesehen  von  ge¬ 
legentlichen  Serumexanthemen,  niemals  irgendwelche  anaphylaxie- 
verdächtige  Erscheinungen  beobachtet  worden  sind.  11  Kranke, 
welche  in  den  ersten  24  Stunden  nach  d°r  Seruminiektion  starben, 
erlagen  offensichtlich  der  Schwere  der  Diphther ieiniektion. 

6)  N.  A  n  i  t  s  c  h  k  o  w  -  St.  Petersburg:  Die  pathologischen  Ver¬ 
änderungen  innerer  Organe  bei  experimenteller  Cholesterinester¬ 
verfettung. 

Weiden  Kaninchen  lange  Zeit  hindurch  mit  Hühnereigelb,  Gehirn¬ 
substanz  oder  sogar  reinem  Cholesterin  gefüttert,  so  kommt  es  zu 
einer  Anhäufung  von  anisotropen  Cholesterinverbindungen,  die  ihrer¬ 
seits  eine  weitgehende  Veränderung  in  der  Leber,  den  Gefäss- 
wandungen,  der  Milz,  dem  Knochenmarke  und  den  Lymphdrüsen  zur 
Folge  hat.  Die  Bilder,  welche  man  bei  der  experimentellen  Chole¬ 
sterinesterverfettung  in  der  Aorta  des  Kaninchens  gewinnt,  haben 
eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  denen  der  menschlichen  Atherosklerose. 
Daraus  ergibt  sich  der  Schluss,  dass  pathogenetisch  beide  Erkran¬ 
kungen  möglicherweise  denselben  Ursprung  nehmen,  von  einer 
Störung  des  Cholesterinstoffwechsels. 


7)  R  e  u  s  s  -  Chemnitz:  Hernia  diaphragmatica  oder  einseitiger 
Zwerchfellhochstand. 

Der  Röntgenbefund  eines  46  jährigen  Arbeiters  mit  anschliessend 
an  einen  Unfall  plötzlich  aufgetretenen  Herz-  und  Atembeschwerden 
(linke  Zwerchfellkuppe  in  der  Höhe  der  3.  Rippe,  14  cm  breite 
Begrenzungslinie,  darunter  deutliche  Magenblase,  blitzartige  Zuckung 
bei  elektrischer  Phrenikusreizung)  muss  die  Diagnose  auf  einen 
„linksseitigen“,  durch  Unfall  herbeigeführten  Zwerchfellhochstand 
stellen  lassen,  obwohl  nach  König  die  traumatische  Entstehung  weit 
eher  für  eine  Zwerchfellhernie  spricht. 

8)  0.  Harzbecher  -  Berlin:  Ueber  die  Entstehung  der  Hernia 
pectinea. 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  13.  Januar 
1913,  refer.  in  No.  3  (1913)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

9)  v.  G  a  z  a  -  Leipzig-Gohlis:  Gewebsnekrose  und  arterielle 
Arrosionsblutung  nach  Anwendung  alter  Novokainlösungen  zur  In- 
filtrationsanästhsie. 

Behufs  Zahnextraktion  aus  dem  Oberkiefer  eines  21  jährigen 
gesunden  Mädchens  wurde  zur  Anästhesierung  eine  mehrere  Wochen 
alte  2  proz.  Novokainlösung  eingespritzt;  die  Anästhesie  war  voll¬ 
kommen.  Alsbald  Entwicklung  eines  kolossalen  Oedems  der  einen 
Gesichtshälfte;  3  Wochen  nach  der  Extraktion  eine  heftige,  sich  nach 
weiteren  8  Tagen  noch  einmal  wiederholende  und  nur  schwer  zu 
stillende  Blutung  aus  der  Art.  palatina  major;  Ausstossung  eines 
kleinen  Sequesters  aus  dem  harten  Gaumen  mit  zeitweiliger  Kom¬ 
munikation  zwischen  Mund  und  Nase;  wochenlang  dauernde  An¬ 
ästhesie  der  ganzen  inneren  Gaumenseite.  Verf.  schiebt  die  nektroli- 
sierende  Wirkung  nicht  auf  zersetztes  Novokain,  sondern  auf  Bak¬ 
terientoxine. 

10)  Hans  Reinhard-  Osnabrück :  Zur  medikamentösen  Be¬ 
handlung  der  Wehenschwäche  während  der  Geburt. 

Die  wiederholt  beobachtete  und  für  das  Kind  oft  verhängnis¬ 
volle,  nach  der  Einspritzung  von  Hypophysenextrakten  auftretende 
Erscheinung  des  Tetanus  Uteri  hat  Veranlassung  gegeben,  bei  Selten-! 
heit  und  Schwäche  der  Wehen  wieder  ein  Sekalepräparat.  das 
Sekalan-Golaz  in  einer  Dosis  von  0,5  intraglutäal  zu  injizieren; 
der  Erfolg  war,  nötigenfalls  bei  Wiederholung  der  Einspritzung,  be¬ 
friedigend,  frei  von  schädlichen  Nebnwirkungen.  Zwei  Versager 
wurden  in  Fällen  gesehen,  wo  vorher  bereits  Pituglandolinjektionenl 
w  irkungslos  geblieben  waren.  * 

11)  Johann  Lang- Prag:  Zur  Therapie  der  Entzündungen  im 
Mund,  Rachen  und  Kehlkopf. 

Bei  Angina  lacunaris  und  catarrhalis,  bei  beginnender  Peri¬ 
tonsillitis  phlegmonosa,  bei  Stomatitis  aphthosa,  akuter  und  chro¬ 
nischer  Laryngitis  haben  sich  das  Pyozyaneoprotein  und  die  dasselbe 
enthaltenden  Anginatabletten  aufs  beste  bewährt. 

12)  Alex  F  o  r  b  ä  t  -  Ofen-Pest :  Ueber  „Splitter“  im  Sputum  von 
Phthisikern. 

Den  „Splittern“  im  tuberkulösen  Sputum,  die  durchaus  ueber 
wohlgeformten  Tuberkelbazillen  gesehen  werden,  kommt  eine  irgend¬ 
wie  besondere  Bedeutung  nicht  zu. 

13)  Miguel  Conto-Rio  de  Janeiro:  Die  Febris  intermittem 
perennis  der  Colitis  inucosa. 

Das  als  Begleiterscheinung  einer  Colitis  nrucosa  auftretende 
durch  einen  schleichenden  Verlauf  und  die  endlose  Dauer  aus 
gezeichnete  intermittierende  Fieber,  das  oft  zu  Missdeutungen,  zui| 
Diagnose  einer  latenten  uberkulose  u.  ähnl.  Veranlassung  gibt,  ver¬ 
schwändet  nur,  sobald  die  Colitis  durch  geeignete  Massnahmen  ge 
heilt  ist. 

14)  Heinrich  R  o  s  e  n  h  a  u  p  t  -  Frankfurt  a.  M.:  Die  medikamen 
tose  Behandlung  des  nervösen  Erbrechens  im  frühen  Kindesalter. 

In  Fällen  von  nervösem  Erbrechen  kleiner  Kinder  hat  Verf 
vorzügliche  Erfolge  durch  die  Verabreichung  von  Anästhesin  iij 
2 — 3  proz.  gummöser  Lösung  10  Minuten  vor  den  Mahlzeit°n  ge 
sehen.  Wertvoll  kann  dies  Verfahren  unter  Umständen  auch  zu 
Differentialdiagnose  gegenüber  dem  vom  Gehirn  aus  verursachte’ 
Erbrechen  sein,  das  natürlich  vom  Anästhesin  unbeeinflusst  bleibt. 

15)  A.  D  e  s  t  o  i  t  -  Montreux  :  Höhenklima  und  Diabetes. 

Uebersichtsreferat.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  $ 

S.  Stöcker  jun.  -Luzern:  Ueber  die  Aetiologie  und  Therapi 
der  Osteomalazie  und  Rachitis. 

Liegt  die  Ursache  der  Osteomalazie  und  Rachitis  in  einer  yer 
mehrten  Tätigkeit  der  Ovarien,  so  muss  durch  vermehrte  Zutuli 
der  inneren  Sekrete  dieser  die  Krankheit  erzeugt  werden  könnei 
Bei  einem  Kalb  implantierte  Verf.  Ovarien  von  Tieren,  die  einma 
geworfen  hatten,  in  das  präperitoneale  Gewrebe,  bei  einem  männ 
iichen  Hunde  frische  Hoden.  Beide  Tiere  erkrankten  in  den  folgen 
den  Wochen  unter  allen  klinischen  schweren  Symptomen  de 
Rachitis;  bei  dem  Hunde  konnten  auch  charakteristische  mikro 
skopische  Veränderungen  der  Knochen  festgestellt  werden.  Ver¬ 
nimmt  an,  dass  durch  verminderte  Tätigkeit  einer  Drüse  mit  innere 
Sekretion  vermehrte  Tätigkeit  einer  anderen  hervorgerufen  werde 
kann  oder  umgekehrt.  Veranlasst  man  die  Antagonisten  zu  stärkere 
Tätigkeit  und  stellt  so  das  Gleichgewicht  wieder  her,  so  kann  H°ilun 
eintreten.  So  hat  bei  Osteomalazie  Bossi  mit  Adrenalin,  Bab  nr 
Hypophysenextrakt,  Verf.  selbst  mit  Tlyreoidin  Erfolge  erziel 
Auch  die  Milch  kastrierter  Kühe  hat  günstige  Einwirkung  gehab 
wie  auch  in  2  Fällen  des  Verf.  mit  Rachitis. 


)  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


939 


K.  Bol  lag:  Zur  Kenntnis  des  arteriomesenterialen  Darra- 

,  Schlusses  (Bezirksspital  Interlaken). 

Ausführliche  Beschreibung  eines  Falles,  bei  dem  die  Diagnose 
der  Operation  gestellt  war.  Wesentlich  begünstigt  war  die 
stehung  der  Krankheit,  die  hier  chronischen  Verlauf  mit 
odenweisem  Erbrechen  zeigte,  durch  eine  schwere  Lordose, 
jn  Einfluss  noch  durch  das  Auftreten  einer  Schenkelhalsfraktur 
mehrt  wurde,  die  die  Pat.  zur  Bettruhe  nötigte.  Trotz  Operation 
tus  letalis  durch  Rezidiv.  L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  16.  S.  F  r  ä  n  k  e  1  und  P.  Kirschbaum:  lieber  Adigan, 

neues  Digitalispräparat. 

Das  Adigan  ist  ein  durch  Ausfällung  des  Digitonins  und  der 
oninartigen  Körper  (durch  Cholesterin)  gewonnenes  gereinigtes 
italispräparat.  Injektionen  an  Fröschen  ergaben,  dass  bei  diesem 
iparat  der  Herzstillstand  in  Systole  erfolgte,  bei  ungenügend  ge- 
’igten  Präparaten  aber  in  Diastole;  bei  letzteren  fanden  sich  auch 
:;iisse  in  den  Lymphsack,  ferner  schwere  gastrische  Vergiftungs¬ 
cheinungen  in  Form  äusserst  gesteigerter  Antiperistaltik;  bei  dem 
uen  Präparat  fehlten  diese.  Die  klinische  Prüfung  des  Adigans 
gte  völlige  Wirksamkeit  bei  Fehlen  der  den  Saponinsubstanzen 
enen  Nebenwirkungen. 

J.  B  a  u  e  r  -  Innsbruck :  Heber  organabbauende  Fermente  im 
um  bei  endemischem  Kropf. 

Schlusssätze:  Bei  endemischem  Kropf  finden  sich  häufig  Schild¬ 
sengewebe  abbauende  Fermente  im  Serum.  In  solchen  Gegenden 
len  sich  solche  Fermente  auch  bei  einzelnen  Menschen  ohne 
lisch  nachweisbare  Vergrösserung  der  Schilddrüse,  bei  denen  aber 
der  Regel  verschiedene  Erscheinungen  auf  eine  gestörte  Funktion 
Schilddrüse  deuten.  Daher  würde  besser  von  einer  endemischen 
:  sthyreose  gesprochen  werden.  Die  Menge  des  Schilddrüsen¬ 
webe  abbauenden  Fermentes  entspricht  nicht  der  Intensität  und 
hl  der  thyreotoxischen  Symptome  und  Ausfallserscheinungen  der 
hilddrüse. 

M.  Hesse -Wien:  Ueber  Verwendung  von  aktivem  und  in- 
tivem  Serum  bei  dem  Komplementablenkungsversuch. 

Hauptresultate:  Von  189  sicher  nicht  Luetischen  reagierte  das 
rum  aktiv  und  inaktiv  negativ.  Unter  293  sicher  Luetischen 
igierten  248  aktiv  und  inaktiv  positiv,  30  aktiv  und  inaktiv  negativ, 
gegen  reagierten  12  aktiv  positiv,  inaktiv  negativ  (3  Sekundär- 
philis,  2  Sklerosen,  4  Gumma,  3  maligne  Lues).  In  einzelnen 
er  3)  Fällen  kommt  auch  umgekehrt  eine  aktiv  negative,  inaktiv 
sitive  Reaktion  vor.  Im  allgemeinen  ist  daher  die  aktive  Methode 
:ht  nur  ebenso,  sondern  noch  sicherer  als  die  inaktive  Methode. 

P.  C 1  a  i  r  m  o  n  t  -  Wien:  Kriegschirurgische  Erfahrungen.  (Vor¬ 
tragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am  31.  I.  13.) 

Nicht  unerwähnt  sei  die  Forderung,  dass  die  Aerzte  in  perio- 
ichen  Kursen,  die  als  Dienstleistungen  angerechnet  werden,  eine 
sondere  kriegschirurgische  Ausbildung  erfahren  sollen  und  die 
irderung,  möglichst  zahlreiche  und  tüchtige  Berufspflegerinneu 
ranzubilden,  da  nach  C.s  Erfahrungen  die  freiwilligen  Pflegerinnen 
4  ausnahmslos  volständig  versagten. 

R.  S  t  e  i  n  e  r  -  Wien;  Mitteilungen  über  einen  Fall  von 
irschsprung  scher  Krankheit. 

Beschreibung  eines  Falles.  Mit  Wahrscheinlichkeit  liess  sich 
demselben  eine  durch  entzündliche  Infiltration  herbeigeführte 
hädigung  der  Darmwand  (Dehnung  bzw.  Atrophie)  mit  nach- 
Igender  Ausbildung  eines  Megalokolons  annehmen,  auf  Grund  eines 
ädisponierenden  Makrokolons  und  Megasigmoideums.  Durch 
stematische  Entleerung  des  Darmes,  hohe  Einläufe,  Nux  vomica, 
ropininjektionen,  vorsichtige  Massage  und  Faradisation  wurde 
esentliche  Besserung  erzielt. 

E.  F  e  r  r  a  r  i  und  L.  U  r  i  z  i  o  -  T riest :  Die  Meiostagminreaktion 
:i  Verwendung  von  Lezithinextrakten. 

Nachdem  die  Verfasser  die  Verwendbarkeit  der  Azetonauszüge 
is  Lezithin  zur  Meiostagminreaktion  (im  übrigen  die  Methode 
öhlers  und  Lugers  einhaltend)  bestätigt  gefunden  hatten, 
achten  sie  Versuche  mit  alkoholischen  Auszügen  und  fanden,  vom 
ethyl-  bis  Amylalkohol  ansteigend,  eine  Zunahme  der  Ausschläge 
:i  Karzinom;  namentlich  die  mit  Amylalkohol  erzielten  Resultate 
’ertreffen  erheblich  die  mit  den  Azetonextrakten  gewonnenen, 
eiter  war  festzustellen,  dass  die  Sera  längere  Zeit  ihre  spezifischen 
igenschaften  behielten;  ferner  konnte  an  Leichenseris  nachgewiesen 
erden,  dass  die  Meiostagminreaktion  keine  vitale  Reaktion  ist, 
mderii  auch  das  einwandfreie  Material  pathologischer  Institute  zu 
ntersuchungen  über  die  Reaktion  sich  heranziehen  lässt. 

M.  N  e  u  b  ii  r  g  e  r  -  Wien:  Joh.  Peter  Frank  und  die  Neuro- 
ithologie. 

Wiener  klinisch-therapeutische  Wochenschrift. 

No.  2.  B.  B  o  u  c  e  k  -  Podebrad :  Meine  Behandlungsmethode 

er  Ischias. 

B.  empfiehlt  vor  allem  die  tägliche  Faradisation  des  Beines  mit 
uiskelstarkem  Strome  mit  unmittelbar  folgender  Bewegung,  welche 
'  nach  dem  Stadium  zwischen  einigen  Schritten  und  längeren 
paziergängen  schwankt.  Die  Bettruhe  ist  bei  leichter  Kranken 
^glichst  zu  meiden.  Lokal  wird  ein  Fell  mit  der  Haarseite  auf¬ 


gelegt.  Bäder  jeder  Art  werden  gemieden.  Die  Erfolge  sollen  bei 
frühzeitiger  Behandlung  gut  sein. 

No.  3.  W.  Göbel-Köln:  Zur  operativen  Behandlung  der 
B  a  n  t  i  sehen  Krankheit. 

Krankengeschichten  zweier  Fälle,  wo  seit  langer  Zeit  ein  Milz¬ 
tumor  im  Krankheitsbild  dominierte  ohne  nachweisbare  Erkrankung 
der  Leber,  mit  entsprechenden  histologischen  Veränderungen  der 
Milz.  Der  eine  Fall  wurde  durch  die  Exstirpation  der  Milz  geheilt, 
der  andere  starb  nach  12  Tagen  an  Pneumonie.  Solche  Fälle,  für 
die  auch  der  Erfolg  der  Operation  bezeichnend  ist,  verdienen  durch 
eine  eigene  Krankheitsbezeichnung  zusammengefasst  zu  werden  und 
entsprechen  im  wesentlichen  dem  von  B  a  n  t  i  aufgestellten  Krank¬ 
heitsbilde;  es  mag  daher  wenigstens  einstweilen  der  Begriff  der 
B  a  n  t  i  sehen  Krankheit  bestehen  bleiben. 

No.  4/5.  R.  Fischl-Prag:  Tetanie  und  tetanoide  Zustände 
int  Kindesalter. 

Uebersicht.  Zum  Schluss  würdigt  F.  die  günstige  therapeutische 
Wirkung  des  Phosphorlebertrans. 

No.  6.  A.  M  o  e  1 1  e  r  -  Berlin:  Beitrag  zur  Frage  der  Immuni¬ 
sierung  und  Behandlung  der  menschlichen  Tuberkulose  mit  lebenden 
Kaltblütertuberkelbazillen. 

Verf.  berichtet  über  die  Verwendbarkeit  der  von  ihm  ange¬ 
wandten  und  empfohlenen  Blindschleichentuberkelbazillen  und  ihre 
Vorzüge  gegenüber  den  Friedmannschen  Schildkrötentuberkulose¬ 
bazillen,  zugleich  mit  einem  Protest  gegen  den  Versuch  Fried¬ 
main  ns,  durch  Patent  da?s  Gebiet  der  Behandlung  der  Tuberkulose 
mit  lebenden  Bakterien  zu  monopolisieren. 

No.  7.  H.  U 1  r  i  ch  -  Heilstätte  Müllrose:  Die  ambulante  Behand¬ 
lung  der  Lungentuberkulose  mit  Tuberkulin. 

Die  Ausführungen  schliessen  mit  dem  Satze,  dass  bei  den 
grossen  Schwierigkeiten  einer  sachgemässen  Tuberkulinbehandlung 
und  der  völligen  Unsicherheit  des  Erfolges  die  ausgedehnte  An¬ 
wendung  dieses  Verfahrens  in  der  ambulanten  Praxis  entschieden 
nicht  zu  empfehlen  sei. 

No.  7.  H.  Schricker-  Mülheim :  Der  derzeitige  Stand  der 
Hormonaltherapie. 

Anschliessend  an  11  Krankengeschichten  erklärt  Sch.  die  Indi¬ 
kation  für  die  Hormonalbehandlung,  welche  in  Krankenanstalten  unter 
aller  Vorsicht  zu  geschehen  hat,  für  berechtigt  a)  bei  Fällen  hart¬ 
näckigster  Obstipation  beim  Versagen  aller'  anderen  Mittel,  b)  bei 
postoperativen  und  reflektorischen  Darmlähmungen,  wo  andere  Mittel, 
besonders  die  Glühlichtbogenbehandlung  vergeblich  angewandt 
werden.  Dabei  ist  die  Herzkraft  durch  Digalen  und  Kampfer  zu  unter¬ 
stützen.  Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

(Schluss.) 

A.  S.  Woodwark  und  R.  L.  Mackenzie  Wallis:  Die  Be¬ 
ziehungen  zwischen  der  Magensekretion  und  der  Arthritis  deformans. 

(Tabellen.)  (Lancet  5.  X.  12.) 

Chemische  Untersuchungen  bei  10  Fällen.  Bei  allen  fanden 
sich,  als  typische  Veränderungen,  eine  Verminderung  oder  ein  gänz¬ 
licher  Mangel  der  freien  HCl  und  des  Pepsins.  Behandlung  mit  HCl 
und  Pepsin  führte  zur  Besserung  der  Magen-  und  Gelenkbeschwerden. 

Ernest  W.  Hey  Groves:  Ueber  das  Nahtmaterial  und  die 
Technik  bei  der  Drahtung  von  Knochen  etc.  (Bilder.)  (Ibidem.) 

Verf.  bespricht  die  Nachteile  des  gewöhnlich  verwendeten  Ma¬ 
teriales.  Beim  Silber  sind  dieselben:  Bildung  von  Schwefelsilber, 
häufiges  Zerreissen  und  Abbrechen  des  Drahtes  mit  Dislokation  der 
Fragmente  und  geringe  Zugkraft  des  Materials.  Beim  Alumiuium- 
bronzedraht  wirkt  die  Bildung  einer  grünen  Cu-Verbindung  in  den 
Geweben  sehr  störend  auf  die  Heilung.  Verfasser  verwendet  ver¬ 
zinnten  Eisendraht.  Derselbe  hat  eine  bedeutend  höhere  Zugkraft. 
Oxydation  ist  völlig  gefahrlos.  Er  hält  die  gewöhnliche  Methode  bei 
der  Patellarfraktur  (vertikale  Drahtung)  für  mechanisch  schlecht  und 
empfiehlt  je  einen  Draht  horizontal  durch  das  obere  und  untere 
Fragment  zu  legen  und  kranzförmig  zu  knoten. 

J.  W.  H.  Houghton:  Die  Spinalanalgesie.  (Ibidem.) 

Bericht  über  400  Fälle;  kein  Versager.  Verf.  empfiehlt  die  B  a  r  - 
ker  sehe  Lösung  (5  Proz.  Stovain-  und  Glukose).  Dieselbe  ist  spe¬ 
zifisch  schwerer  als  die  Zerebrospinalflüssigkeit.  Durch  Lagerungs¬ 
wechsel  des  Pat.  unmittelbar  vor  der  Injektion  kann  man  die  Stovain- 
lösung  lokalisieren  und  dadurch  die  Höhe  der  Analgesie  willkürlich 
beeinflussen. 

Albert  M.  Martin:  Die  Verletzungen  der  Semilunarknorpel. 
(Lancet  19.  X.  12.) 

449  operierte  Fälle.  62,8  Proz.  derselben  kamen  bei  Kohlen¬ 
bergwerksarbeitern,  18  Proz.  bei  Fussballspielern  vor.  Die  Verletzung 
bestand  fast  immer  in  einer  partiellen  Abreissung  des  Knorpels 
(95,5  Proz.)  und  zwar  handelte  es  sich  in  92  Proz.  um  den  Meniscus 
internus,  in  8  Proz.  um  den  M.  externtrs,  was  durch  die  Natur  der 
anatomischen  Verhältnisse  bedingt  zu  sein  scheint.  Zur  Zeit  des 
Unfalles  treten  auf:  grosse  Schmerzen,  plötzliche  Fixation  des  Ge¬ 
lenkes  in  Beugestellung  und  ebenso  plötzliche  Wiederherstellung  der 
Beweglichkeit  nach  Manipulationen;  viele  Fälle  kommen  aber  ers i 
nach  Wochen  und  Monaten  zur  Beobachtung  und  sind  auf  Grund  der 
Anamnese  diagnostizierbar.  Typisch  sind  die  wiederholten  Anfälle 
von  Gelenksfixation  und  Druckschmerzen  auf  der  inneren  resp.  äusse¬ 
ren  Seite  der  Patella.  Die  konservative  Behandlung  hält  Veri.  nur 


040 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


fiir  selten  angczeigt.  Er  eröffnet  das  Gelenk  durch  einen  horizontalen 
Schnitt  an  der  Seite  der  Kniescheibe  und  entfernt  den  Ranzen  Me¬ 
niskus.  Pie  Kranken  erhalten  nach  der  Operation  keine  Schiene 
und  dürfen  das  Knie  so  früh  als  möglich  bewegen.  Rückkehr  zur 
Arbeit  erfolgt  gewöhnlich  nach  6 — 12  Wochen. 

Gustav  Mann  und  John  G.  Gage:  Ueber  die  Veränderungen 
im  Blute  nach  der  Nahrungsaufnahme.  (1  farbige  Tafel.)  (Ibidem.) 

Interessante  zellphysiologische  Arbeit.  Während  der  Verdau¬ 
ung  kommt  es  zu  einer  Zunahme  in  der  Färbbarkeit  aller  Zellkerne 
des  Blutes.  Der  Zytoplasmaring  der  Lymphozyten  wird  schmäler,  die 
Granula  der  Leukozyten  nehmen  an  Grösse  und  Zahl  ab,  auch  die 
Leukozyten  selbst  scheinen  etwas  kleiner  zu  werden.  Erklärungs¬ 
versuche  dieser  Einrichtungen  und  übrige  Details  siehe  im  Original. 

Bernarnd  Hudson:  Der  praktische  Wert  der  Vakzinebehand- 
lung  bei  der  Lungentuberkulose.  (Lancet,  26.  X.  12.) 

400  Fälle.  Bei  Mischinfektionen  kann  die  Vakzinebehandlung  von 
grossem  Werte  sein  (Verminderung  des  Sputum,  Besserung  des  All¬ 
gemeinzustandes  etc.),  allerdings  ist  die  Ausfindigmachung  des  ver¬ 
ursachenden  Mikrorganismus  unter  der  grossen  Zahl  anderer 
Bakterien  sehr  schwer  oder  oft  unmöglich.  Dahe  die  zahlreichen  Ver¬ 
sager  (70 — 80  Proz.).  Am  günstigsten  waren  die  Erfolge  bei  Microc. 
catarrhalis-,  B.  Friedländer-  und  Streptokokkeninfektionen. 

Albert  .1.  Wal  ton:  Die  operative  Behandlung  der  Frakturen. 
(Figuren.)  (Ibidem.) 

Verf.  unterscheidet  4  Gruppen:  1.  Fälle,  bei  denen  sofort  ope¬ 
riert  werden  muss:  Misslingen  der  Einrichtung  des  Bruches,  Inter¬ 
position  von  Weichteilen  etc.;  2.  Fälle,  bei  welchen  wahr  schein 
lieh  operiert  werden  muss:  Gelenksfrakturen,  T-  und  Y-Brüche; 
3.  nach  Fehlschlagen  anderer  Methoden;  4.  Fälle,  bei  denen  eine 
Operation  nicht  angezeigt  ist:  Frakturen  ohne  Separation  der  Frag¬ 
mente.  —  Bei  der  Operation  ist  die  peinlichste  Asepsis  nötig. 
Berührung  mit  dem  Finger  ist  zu  vermeiden,  daher  Instrumente  mit 
I  a  n  g e  n  Stielen.  Bei  Querfrakturen  verwendet  Verf.  die  Lane- 
schen  Stahlplatten.  Die  Schrauben  —  mindestens  3  an  der  Zahl  - 
dürfen  nur  in  der  Kompakta  des  Knochens  liegen  und  nicht  in  die 
Markhöhle  hineinragen.  Bei  schiefen  Brüchen  sind  Stahlplatten 
weniger  geeignet,  Verf.  verwendet  Drahtschlingen  zur  Fixation  der 
Fragmente  und  kerbt  den  Knochen  zur  Aufnahme  des  Drahtes 
leicht  ein. 

Carey  Coombs,  Reginald  Müller  und  E.  H.  Kettle:  Die 
Histologie  des  experimentellen  Rheumatismus.  (Mikrophotographien.) 
(Lancet,  2.  XI.  12.) 

Kaninchen  wurden  mit  Streptokokken,  die  bei  Fällen  von  akutem 
Gelenkrheumatismus  gezüchtet  worden  waren,  inokuliert  und  ent¬ 
wickelten  typische  rheumatische  Affektionen  (Arthritis,  Karditis  etc.). 
Histologische  Untersuchungen  ergaben  die  Identität  der  Verände¬ 
rungen  beim  Kaninchen  mit  denjenigen  des  menschlichen  Rheumatis¬ 
mus.  Diese  Befunde  sprechen  dafür,  dass  der  von  Poynton  und 
Paine  beschriebene  Diplostreptokokkus  tatsächlich  der  Erreger 
des  Rheumatismus  ist. 

Samuel  West:  Ueber  Respirationsneurosen.  (Kurven.)  (Lan¬ 
cet,  16.  XI.  12.) 

Die  normale  Atmung  erfolgt  von  2  Zentren  aus:  a)  Zentrum  in 
der  Medulla  (automatische  Respiration  —  diaphragmatischer  Typus) 
und  b)  Zentrum  in  der  Gehirnrinde  (willkürliche  Respiration  —  kosta¬ 
ler  Typus).  Die  Respirationsneurosen  teilen  sich  in  solche  mit  Dys¬ 
pnoe  und  Zyanose  (Asthma,  Laryngismus  stridulus,  Keuchhusten)  und 
solche  ohne  Dyspnoe  und  Zyanose  (paroxysmale  Tachypnoe,  Luft¬ 
hunger  bei  Diabetes  und  Urämie,  C  h  e  y  n  e  -  S  t  o  k  e  s  sehe  Respira¬ 
tion).  Das  Asthma  ist  eine  Erkrankung  der  kortikalen  Atmungs¬ 
zentren,  somit  eine  zentrale  Respirationsneurose.  Es  ist  in  dieser  Hin¬ 
sicht  mit  der  Epilepsie  in  eine  Parallele  zu  setzen.  Dasselbe  gilt  auch 
von  allen  übrigen  Respirationsneurosen. 

Sir  Frederic  Eve:  Ueber  die  Behandlung  der  Sarkome  der 
langen  Röhrenknochen.  (Ibidem.) 

Die  Malignität  der  periostalen  und  in  etwas  geringerem  Aus¬ 
masse  der  zentralen  Rund-  und  Spindelzellensarkome  ist  gross.  Sie 
erfordern  ausgedehnte  Amputationen  und  geben  eine  schlechte  Pro¬ 
gnose.  Myeloidsarkome  sind  mit  gewissen  Einschränkungen  als  be¬ 
nigne  Neubildungen  zu  betrachten.  Ihre  Lieblingslokalisation  ist:  das 
obere  Ende  der  Tibia  und  Fibula,  das  untere  Ende  des  Femur  und 
Radius  und  der  Humeruskopf.  Am  günstigsten  sind  Tumoren  der 
Tibia,  Fibula  und  des  Radius  (Ausschälung  oder  Resektion),  Femur- 
und  Humerusmyelome  sind  bösartiger,  metastasieren  nicht  selten  und 
erfordern  Amputation.  Die  persönlichen  Erfahrungen  des  Verf.  mit 
Coley scher  Flüssigkeit  zur  Behandlung  von  Sarkomen  und  Ver¬ 
hütung  von  Rezidiven  sind  schlechte. 

Sir  R.  Douglas  Po  well:  Das  kardio-vaskuläre  System  bei  der 
Lungentuberkulose.  (Bilder.)  (Lancet,  23.  XI.  12.) 

Die  Pulsfrequenz  ist  fast  immer  erhöht,  der  Puls  klein.  Lang¬ 
same  Pulse  sind  von  günstiger  Prognose  und  sprechen  in  zweifelhaften 
Fällen  gegen  Tuberkulose.  Der  Blutdruck  ist  bei  akuten  Fällen  niedri¬ 
ger  als  normal,  kann  aber  bei  chronischen  und  latenten  Erkrankungen 
normale  Werte  erreichen.  Körperbewegungen  führen  im  akuten  Sta- 
üium  zu  einer  Senkung,  im  latenten  Stadium  zu  einer  Steigerung  des 
Druckes.  Das  Herz  wird  bei  der  Tuberkulose  gewöhnlich  als  klein, 
atrophisch  und  degeneriert  beschrieben.  Dies  stimmt  mit  den  Er¬ 
fahrungen  des  Verf.  nicht  überein.  Nach  seiner  Ansicht  sind  der 
niedrige  Blutdruck  und  die  hohe  Pulszahl  nicht  die  Folgen  einer  Herz¬ 
schwäche,  sondern  auf  Toxinwirkung  zurückzuführen.  Interessant  ist 


No.  17. 

die  bei  einseitiger  latenter  Tuberkulose  manchmal  auftretende  grosse 
Irritabilität  des  Herzens.  Es  handelt  sich  dabei  um  geschrumpfte 
fibröse  Lungen  mit  Verlagerung  des  Herzens,  das  von  starren  Ver¬ 
wachsungen  umgeben  und  eingeengt  wird.  Von  grosser  praktischer 
Bedeutung  ist  der  Einfluss  der  Zirkulation  auf  die  Autoinokulation  bei 
Tuberkulösen,  da  auf  ihr  die  von  Paterson  geübte  Therapie  mit 
graduierter  Arbeit  beruht. 

Thomas  Lewis:  Die  klinische  Bedeutung  der  verschiedenen 
Formen  der  regulären  Tachykardie.  (Bilder.)  (Ibidem.) 

Es  gibt  3  Formen:  1.  Die  Tachykardie  des  physio¬ 
logischen  Typus  (Körperbewegungen,  psychische  Aufregung. 
Fieber,  Alkohol,  Tuberkulose,  Basedow  etc.)  ist  ausgezeichnet  durch 
eine  Vermehrung  der  normalerweise  vom  Nodus  sinoauricularis  aus¬ 
gehenden  Impulse  und  durch  die  Partizipation  des  ganzen  Herzens 
am  beschleunigten  Rhythmus.  Klinisch  feststellbar  ist  diese  Form 
durch  den  Einfluss  von  Ruhe  (Verlangsamung)  und  Bewegungen  (Be¬ 
schleunigung).  2.  Die  Tachykardie  des  pathologischen 
Typus:  a)  die  einfache  paroxysmale  Tachykardie 
und  b)  das  Vorhofsflattern  (auricular  flutter).  Charakte-I 
ristisch  für  die  pathologische  Form  sind:  die  Entstehung  der  Impulse 
in  einem  anormalen  Zentrum  (Vorhof),  das  paroxysmale  Auftreten 
der  Tachykardie,  ihr  abruptes  Auftreten  und  Aufhören  und  das  Aus¬ 
bleiben  von  Aenderungen  der  Schlagfrequenz  beim  Liegen,  Stehen, 
nach  Bewegungen  etc.  Das  Vorhofsflattern  unterscheidet  sich  von 
der  einfachen  Tachykardie  durch  die  exzessive  Beschleunigung 
der  Vorhofskontraktion  (200 — 335  pro  Minute),  durch  eine  gewöhnlich 
um  die  Hälfte  langsamere  Schlagfolge  der  Ventrikel  und  durch  den 
häufigen  Uebergang  der  Affektion  in  Vorhofsfibrillation  (Digitaliswir-I 
kung).  Die  Ursache  der  physiologischen  Tachykardie  liegt  aussei -j 
halb,  diejenige  der  pathologischen  innerhalb  des  Herzens.  Tödlicher 
Ausgang  im  Anfalle  ist  bei  der  einfachen  pathologischen  Tachykardie1 
selten;  die  Prognose  der  Krankheit  selbst  hängt  vom  Zustande  des! 
Herzens  ab.  Die  Therapie  besteht  während  des  Anfalles  in  Ruhe,  Eis-i 
beutel.  Digitalin,  Strophantin,  Brom.  Chloral  und  Opium,  in  den 
Zwischenpausen  ist  das  Augenmerk  auf  die  möglichst  lange  Erhaltung 
der  Herzkraft  zu  lenken.  Die  Prognose  und  Therapie  des  „Vorhof¬ 
flatterns“  sind  ähnlich.  Die  Anfälle  dieser  Affektion  zeichnen  sich  je¬ 
doch  durch  ihre  äusserst  lange  Daupr  (Monate  und  Jahre)  aus  und 
zwingen  den  Kranken  zur  absoluten  Ruhe.  Volle  Dosen  von  Digitale 
sind  indiziert.  Man  erzielt  dadurch  fast  ausnahmslos  ein  betracht-, 
liebes  Sinken  der  Ventrikelfrequenz. 

E.  D.  W.  Greig:  Ueber  das  Vorkommen  des  Choieravibrh  in 
den  Gallenwegen.  (Ibidem.) 

Bakteriologische  Untersuchung  der  Galle  bei  271  Cholera¬ 
sektionen.  81  positive  Resultate.  Die  Befunde  sind  in  Zusammen¬ 
hang  mit  der  Frage  der  Cholera-„carriers“  wichtig. 

John  W.  D.  M  e  g  a  w:  Ueber  die  Leonard  Roger  sehe  Methode 
bei  der  Behandlung  der  Cholera.  (Ibidem.) 

Die  Methode  besteht  in  der  intravenösen  Infusion  hypertonischer; 
Salzlösungen  und  der  innerlichen  Verabreichung  von  Kal.  hypermang. 
Die  Erfahrungen  sprechen  für  den  grossen  lebensrettenden  Wert  der! 
Methode. 

A.  T.  Tatlow:  Jejunostomie  in  Verbindung  mit  Gastroentero¬ 
stomie  zur  Behandlung  chronischer  Magengeschwüre.  (Bild.)  (Ibi-I 

dem.) 

Bei  chronischen  Geschwüren  der  hinteren  Magenwand  führt  diel 
Gastroenterostomie  allein  oft  nur  zu  vorübergehender  Besserung 
Verf.  empfiehlt,  die  Roux  sehe  Y-Operation  mit  einer  Jejunostomiej 
zu  kombinieren  und  den  Kranken  nachher  für  längere  Zeit  per  jejun.i 
zu  ernähren.  2  Fälle.  Technik  siehe  im  Original. 

Thomas  Wilson:  Zysten  der  Appendix  vermiformis:  ein  Bei¬ 
trag  zur  Kenntnis  des  Pseudomyxoma  peritonei  (Werth).  (Mikro¬ 
photographien.)  (Ibidem.) 

Diese  seltene,  früher  unter  dem  Namen  Kolloidkrebs  des  P.  be¬ 
kannte  Affektion  entsteht  gewöhnlich  aufGrund  multilokulärerOvarial- 
zysten.  es  kommen  aber  auch  Fälle  vor,  in  denen  Zysten  der  Appen¬ 
dix  vermiformis  die  primäre  Ursache  sind.  Beschreibung  von! 
2  Fällen. 

Arthur  J.  Wallace:  Die  Unterdrückung  der  Konvulsionen  bei 
der  Eklampsie.  (Lancet,  7.  XII.  12.) 

Verf.  hat  bei  2  Fällen  von  Eklampsie  -die  bei  der  Behandlung  des; 
Tetanus  bekannten  intraduralen  Magn.-sulf.-Injektionen  gemacht  und 
dadurch  längere  anfallsfreie  Pausen  und  schliesslich  Heilung  erziel! 

H.  B  a  y  o  n :  Epithelproliferationen,  herbeigeführt  durch  Injek¬ 
tionen  von  Gaswerksteer.  (2  Mikrophotographien.)  (Ibidem.) 

Injektionen  von  Gaswerksteer  führten  bei  Kaninchen  zu  karzi 
nomähnlichen  Epithelwucherungen.  Andere  Teersorten  (blast  furna-l 
cetar)  besitzen  diese  Fähigkeit  nicht. 

W.  C.  Lyons:  Eine  neue  Form  von  Tuberkulin  (TF)  etc.  (Ibi¬ 
dem.) 

Alttuberkulin  enthält  nach  Ansicht  des  Verf.  eine  Substanz,  die 
auch  bei  völlig  gesunden  Individuen,  deren  Haut  nicht  gegen  Tuber¬ 
kulose  sensibilisiert  ist,  positive  Reaktionen  hervorruft.  Zur  Ent¬ 
fernung  dieser  Substanz  wird  das  Alttuberkulin  mehrfach  mit  Alko¬ 
hol  präzipitiert  und  filtriert.  Eine  10  proz.  Lösung  des  Filtrates  (TF) 
wird  zur  intrakutanen  Stichreaktion  verwendet  und  gibt  nur  bei  tat¬ 
sächlich  tuberkulösen  Individuen  eine  positive  Reaktion.  Auch  thera¬ 
peutisch  hat  sich  TF  gut  bewährt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


).  April  1913. 


941 


Claude  Lillingston:  Weitere  Beobachtungen  über  die  Be- 
nidlung  der  Phthise  mit  künstlichem  Pneumothorax.  (Lancet, 
I.  XII.  12.) 

Am  geeignetsten  sind  einseitige  Fälle;  eine  massige  Erkrankung 
;r  anderen  Lunge  bildet  aber  keine  absolute  Kontraindikation.  Ob¬ 
eration  der  Pleurahöhle  durch  Verwachsungen  und  daher  Unmög- 
.likeit  der  Operation  ist  selten.  Frische  Adhäsionen  lassen  sich 
irch  häufige  Injektionen  kleiner  N-Mengen  lösen.  Plötzlicher  Tod 
ährend  der  Insufflation  ist  auf  Pleuralreflex  oder  öasembolie  zu¬ 
ckzuführen.  Die  Gefahr  ist  aber  bei  einiger  Vorsicht  nicht  gross, 
ie  Gaszufuhr  muss  sofrt  abgeschnitten  werden,  wenn  die  typischen 
-/dilatorischen  Bewegungen  im  Manometer  aufhören.  Verf.  hat  bis- 
r  18  schwere  Fälle  von  Tuberkulose  im  III.  Stadium  behandelt. 
Kranke  sind  gestorben,  bei  den  übrigen  ist  die  Krankheit  zum  Still¬ 
ande  gekommen.  Er  führt  den  guten  Erfolg  der  Methode  auf  die 
isolute  Immobilisation  und  verbesserte  Drainage  der  Lunge  zurück. 

Arthur  Whitfield:  Eine  Schnellkur  der  Pediculi  capitis.  (Ibi- 
.■m.) 

Die  Haare  werden  10  Minuten  lang  in  Karbolsäure  (1:40)  ge- 
aschen.  Verf.  verwendet  diese  Methode  seit  12  Jahren  und  hat 

■  e  Rezidive  erlebt. 

jSir  Almroth  W  right  (im  Verein  mit  W.  Parry  Morgan, 

Coleb  rook  und  R.  W.  Dodgson):  Lieber  die  Pharmako- 
erapie  der  Pneumokokkeninfektionen.  (Lancet,  14.  und  21.  XII.  12.) 

Experimentell-klinische  Arbeit  über  den  Wert  des  Aethylhydro- 
ipreinhydrochlorat  (Morgenroth)  bei  Pneumokokkeninfektioneil 
r  Tiere  und  des  Menschen.  Das  Präparat  hat  sich  bei  Mäusen 
irtrefflich  bewährt  und  ruft  auch  im  Blute  des  Menschen  einen 
lezifisch  bakteriziden  Zustand  hervor,  trotzdem  hat  es  bei  der 
enschlichen  Pneumonie  bisher  versagt.  Aehnlich  wie  Atoxyl  und 
rsazetin  ist  die  Morgenroth  sehe  Substanz  optiko-neurotroD 
miblyopie,  Optikusatrophie).  Näheres  siehe  im  Original. 

Herbert  J.  Paterson:  Ist  das  Magengeschwür  ein  häufiger 
orläufer  des  Krebses?  (Lancet  21.  XII.  12.) 

Dass  Krebs  in  einem  Magengeschwür  entstehen  k  a  n  n,  ist  un- 
ugbar;  es  erscheint  aber  zum  Mindesten  zweifelhaft,  ob  dies  wirk- 
:h  so  häufig  vorkommt,  wie  von  verschiedenen  Autoren  behauptet 
ird  (nach  Wilson -  McCarthy  62  Proz.).  Zur  Stütze  der  ver- 
eintlichen  Ulcusätiologie  dient  häufig  die  Anamnese  der  Krebs¬ 
anken.  Angaben  über  langjährige  dyspeptische  Beschwerden  wer- 
:n  ohne  weiteres  als  durch  Ulcera  verursacht  gedeutet.  Wer  die 
;hwierigkeiten  der  Ulcusdiagnose  kennt,  weiss  aber,  wie  unbe- 
chtigt  solche  Rückschlüsse  sind.  Ausserdem  wird  vergessen,  dass 
■r  Krebs  nicht  selten  einen  recht  protrahierten  Verlauf  nimmt  und 
(ner  die  dyspeptischen  Beschwerden  in  der  Anamnese  bereits  durch 
is  Ca  selbst  verursacht  sein  können.  Krebs  und  Ulcus  können 
rner,  wie  Operationen  und  Sektionsbefunde  beweisen,  unabhängig 
in  einander,  im  gleichen  Magen  auftreten.  Von  pathologischer  Seite 
ird  auf  das  Vorkommen  krebsartig  degenerierter  Geschwüre  hinge- 
iesen,  nach  Ansicht  des  Verfassers  besteht  aber  die  Möglichkeit, 
iss  solche  Ulcera  von  Anfang  an  bereits  Krebse  sind.  2  Tat- 
chen  sprechen  sogar  direkt  gegen  die  Häufigkeit  der  Ulcusätiologie. 
■stens  die  grosse  Häufigkeit  des  Duodenalulcus  im  Vergleich  zur 
ossen  Seltenheit  des  Duodenalkrebses  und  ihre  verschiedene  Lokali- 
tion  (Ulcus  im  I.,  Ca.  im  II.  D.-Abschnitt)  und  zweitens  die  grosse 
dtenheit  von.  Ca  nach  Ulcusgastroenterostomien  (1  Proz.). 

Charles  Singer;  Die  sekretorische  Tätigkeit  des  Magens  bei 
illen  vou  chronischer  Appendizitis  mit  gastrischen  Symptomen, 
'abeilen. )  (Ibidem.) 

19  Fälle.  Schlusssätze:  Die  chronische  Appendizitis  ist  häufig  mit 
strischen  Symptomen  verbunden.  Nur  bei  einem  Teil  dieser  Fälle 
.ndelt  es  sich  um  Magen-  oder  Duodenalgeschwüre,  eine  Störung 
r  sekretorischen  Funktionen  des  Magens  kommt  aber  bei  allen 
>r  und  zwar  wurden  beobachtet:  Hyper-  oder  Hyposekretion  der 
J  und  des  Pepsins,  die  Anwesenheit  eines  peptolytischen  Fermentes 
id  die  Erhöhung  des  N-Faktors.  Die  Ursache  sind  wahrscheinlich 
•\ische,  im  Blute  kreisende  Substanzen.  Entfernung  der  Appendix 
hrt  nicht  ausnahmslos  zur  Heilung  oder  Besserung  der  Beschwerden. 

W.  Arbuthnot  La  ne:  Die  chronische  Darmstase.  (Figuren.) 
üdem.) 

Siehe  auch  frühere  Referate  in  dieser  Wochenschrift.  Verf.  ist 
r  Ansicht,  dass  die  durch  Darmstase  verursachte  Autointoxikation 
i  der  Aetiologie  der  chirurgischen  Tuberkulose,  Arthritis  defor- 
ans,  chronischen  Nephritis  etc.  eine  grosse  Rolle  spielt.  Selbst  in 
dien  von  Trigeminusneuralgie  und  Basedow  hat  er  durch  Ausschal- 
ng  des  Dickdarmes  Heilung  erzielt.  Die  Hauptstätte  der  Toxin- 
sorption  ist  nicht  der  Dickdarm,  sondern  der  obere  Dünndarm,  es 

■  rf  aber  nicht  vergessen  werden,  dass  das  Passagehindernis  im 
inndarm  (Knickung  der  Fl.  duodenojejunalis)  nur  auf  Grund  einer 
ase  im  Dickdarm  sich  entwickeln  kann  und  somit  sekundärer  Natur 

Um  die  Knickung  am  Dünndarm  zu  beheben,  näht  Verf.  nach 
isung  von  Verwachsungen  und  Bändern  den  obersten  Teil  des 
junum  an  die  hintere  Fläche  des  Mesocolon  transversum  an. 

T.  A.  Openshaw  und  Paul  B.  Roth:  Die  Behandlung  der 
ottschen  Krankheit.  (Figuren.)  (Ibidem.) 

116  Fälle  aus  der  orthopädischen  Abteilung  des  Londonhospitals, 
is  Verfahren  der  Verfasser  ist  ein  strikte  konservatives  und  besteht 
der  absoluten  Ruhestellung,  bis  Heilung  eingetreten  ist,  und  Ver¬ 
eidung  aller  operativen  Eingriffe  mit  Ausnahme  der  unumgänglich 
’t'-gen.  Zur  Immobilisation  dient  eine  doppelte  Hiiftschiene  nach 


1  h  o  m  a  s  mit  verstellbaren  Teilen1  für  Kopf  und  Fiisse.  Die  Vor¬ 
teile  derselben  sind:  jahrelange  Gebrauchsfähigkeit  des  Apparates, 
leichte  Zugänglichkeit  des  erkrankten  leiles  zur  Untersuchung  und 
operativen  Massnahmen,  grosse  Reinlichkeit,  Vermeidung  von  De¬ 
kubitus  und  Freibleiben  des  Thorax.  Später  erhalten  die  Kranken 
em  poroplastisches  Korsett  mit  Stahlschienen  und  dürfen  herum¬ 
gehen.  Bei  den  Fällen  der  Verf.  sind  Abszesse  und  Paraplegien  im 
Schienenstadium  der  Behandlung  nie  aufgetreten.  Forcierte 
Versuche  zur  Korrektion  der  Deformität  sind  nicht  ratsam.  Abszesse 
werden  in  der  Regel  allein  gelassen  und  verschwinden  nicht  selten 
von  selbst.  Bei  drohendem  Durchbruch  wird  aspiriert.  Spontan 
durchgebrochene  Abszesse  und  Fisteln  werden  mit  Gaze  überdeckt 
und  nur  äusserst  selten  exploriert  oder  ausgekratzt.  Symptome  einer 
beginnenden  Paraplegie  werden  mit  Immobilisation  und  Abszess- 
aspiration  behandelt  und  verschwinden  gewöhnlich.  Laminektomie 
war  bei  den  Fällen  der  Verfasser  nie  nötig. 

A.  G.  Haynes  Lovell:  Die  Vakzinebehandlung  des  Heufiebers. 
(Ibidem.) 

5  Kranke  mit  positiver  Ophthalmoreaktion  wurden  mit  Pollen¬ 
toxinvakzine  behandelt  und  gebessert.  Die  idealsten  Erfolge  erzielt 
man  durch  eine  vor  der  Heufieberperiode  beginnende  prophylak¬ 
tische  Kur.  \ 

H.  Morriston  Davies:  Ueber  die  vollständige  Entfernung  pleu- 
ritischer  Ergüsse  durch  die  Regelung  des  intrathorakalen  Druckes 
während  der  Aspiration  mit  Sauerstoffeinblasungen.  (Röntgenbilder.) 
(Lancet  28.  XII.  2.) 

Aspiriert  wird  im  8.  Interkostalraum  in  der  mittleren  Axillarlinie. 
Sobald  der  Patient  hustet  und  über  Schmerzen  klagt,  wird  im  5.  Inter¬ 
kostalraum  mit  einem  Stockmann  sehen  Apparate  0  eingelassen. 
Es  gelingt  auf  diese  Weise,  das  Exsudat  völlig  und  schmerzlos  zu 
beseitigen  und  die  Lunge  röntgenologischen  Untersuchungen  zugäng¬ 
lich  zu  machen.  Nach  ca.  60  Stunden  ist  der  O  absorbiert,  es  bleibt 
aber  infolge  Gasaustausches  noch  etwas  N  und  COs  in  der  Brust¬ 
höhle  zurück.  Diese  Gase  werden  viel  langsamer  absorbiert  und 
tragen  durch  ständigen  Zug  zur  Expansion  der  kollabierten  Lunge  bei. 

C.  E.  Green:  Eine  Studie  über  die  lokale  Häufigkeit  des 
Krebses  in  Nairnshire  (Schottland).  (Karte  der  Grafschaft  Nairn- 
shire.)  (Ibidem.) 

Verf.  bringt  den  Krebs  mit  der  Natur  des  Brennmaterials  zu¬ 
sammen.  Wo  Kohle  verwendet  wird,  ist  das  Karzinom  häutig, 
während  es  in  Distrikten,  wo  ausschliesslich  anderes  Material 
(Torf  etc.)  verbrannt  wird,  so  gut  wie  unbekannt  ist.  Möglicher¬ 
weise  spielt  der  Schwefelgehalt  der  Kohle  eine  Rolle;  Torf  ist 
schwefelfrei. 

F.  F.  Strother  Smith-:  Die  Extraktion  der  Linse  in  der 
Kapsel.  (Ibidem.) 

In  Bezug  auf  die  Resultate  ist  das  S  m  i  t  h  sehe  Verfahren  der 
älteren  Methode  überlegen,  erfordert  aber  eine  viel  grössere  Uebung 
und  die  Mithilfe  eines  speziell  geschulten  Assistenten.  Aus  Beschrei¬ 
bungen  kann  man  die  Methode  nicht  erlernen.  Nichterfüllung  dieser 
Vorbedingungen  führt  häufig  zu  üblen  Zwischenfällen  und  zur  unge¬ 
rechten  Verdammung  der  wertvollen  Methode. 

John  Fraser:  Bemerkungen  über  die  Lokalisation  der  Läsionen 
bei  der  Knochentuberkulose.  (Tafeln.)  (Edinb.  med.  Jourri.  No.  1912.) 

Anatomische  und  pathologische  Untersuchungen.  Die  Infektion 
wird  durch  das  arterielle  Blut  getragen  und  gelangt  zunächst  in  den 
an  der  Umschlagstelle  der  Synovialmembran  gelegenen  Arterien¬ 
kranz.  Von  da  aus  erkrankt  dann  entweder  das  Gelenk  (allgemeine 
Synovialtuberkel)  oder  der  Knochen.  Ob  die  Epi-  oder  Metaphyse 
erkrankt,  hängt  von  den  anatomischen  Beziehungen  dieser  zur  Urn- 
schlagstelle  der  Synovialhaut  und  von  der  An-  oder  Abwesenheit 
perforierender  Gefässe  ab.  In  den  Diaphysen  ist  der  tuberkulöse 
Prozess  osteomyelitischer  Natur,  die  Infektion  erfolgt  auf  dem  Wege 
der  ernährenden  Arterie  (Endarteriitis  tuberculosa  chronica). 

J.  W.  Struthers:  Das  perforierte  Duodenalgeschwür.  (Edinb. 
Med.  Journ.  Dezember  1912.) 

Analyse  von  27  Fällen,  darunter  1  Frau.  Alter:  14—69  Jahre. 
20  Kranke  standen  im  Alter  von  30 — 60  Jahren.  Bei  17  enthielt  die 
Anamnese  Angaben  über  chronische  Dyspepsie  schwererer  Natur 
—  Hungerschmerz  war  selten  — ,  die  übrigen  10  hatten  vor  dem 
Durchbruch  entweder  nur  an  trivialen  Beschwerden  gelitten  oder 
waren  anscheinend  völlig  gesund  gewesen.  Eine  negative  Anamnese 
berechtigt  daher  nicht  zur  Ausschliessung  der  Diagnose  einer  Per¬ 
foration  (Vorkommen  latenter  Geschwüre).  Typische  prämoni- 
torische  Zeichen  der  Perforation  gibt  es  nicht.  Die  Symptome  der 
Perforation  selbst  sind  immer  charakteristisch,  nicht  selten  be¬ 
steht  jedoch  z.  Z.  der  Spitalsaufnahme  eine  spontane  oder  durch  Mor¬ 
phium  erzeugte  reaktive  Besserung,  wodurch  die  Diagnose  verwischt 
wird  (Verwechslung  mit  Appendizitis  —  3  Fälle).  Bei  4  Kranken,  die 
sich  z.  Z.  der  Operation  so  vollständig  erholt  hatten,  dass  man  die 
Richtigkeit  der  Diagnose  hätte  anzweifeln  können,  waren  die  Per¬ 
forationen  sehr  klein  und  durch  Adhäsionen  oder  das  ödematöse 
Bauchfell  verschlossen.  Zur  Narkose  eignet  sich  am  besten  Chloro¬ 
form.  Morphiuminjektionen  sind  nicht  ratsam.  Die  Perforation  sass 
bei  allen  Fällen  an  der  Vorderfläche  des  I.  Duodenalabschnittes, 
2)4 — 4  cm  vom  Pylorus  entfernt,  und  war  bezüglich  ihrer  Grösse 
nicht  proportional  zur  Länge  der  Zeit  bis  zur  Operation.  Das 
Exsudat  enthielt  nur  selten  erkennbare  Nahrungsbestandteile:  der 
Erguss  von  Magen-Darminhalt  ist  wahrscheinlich  nie  gross,  da  die 
Peristaltik  frühzeitig  aufhört.  Das  operative  Verfahren  bestand  in 


)42  MUENCHENLR  Ml.ni/.IM-uii  w  ( ICHENSCHRIFI .  _  Mo.  i 


der  Verschliessung  des  Loches  mit  Katgutnähten  —  Exzision  des 
Geschwüres  ist  nicht  zu  empfehlen  —  und  womöglich  einer  hinteren 
Gastroenterostomie  (17  Fälle).  Von  den  übrigen  25  starben  5  (da¬ 
runter  fanden  sich  3,  bei  denen  die  Operation  mehr  als  24  Stunden 
nach  der  Perforation  gemacht  wurde).  20  sind  gegenwärtig  am 
Leben:  und  zwar  sind  17  völlig  beschwerdefrei  und  3.  bei  denen 
keine  Gastroenterostomie  gemacht  werden  konnte,  wieder  ulcuskrank.  j 

William  Guy  und  Stuart  Ross:  Lachgas  und  Sauerstoff  als 
Anästhetikum  für  zahnärztliche  und  chirurgische  Zwecke.  (Bilder.) 
(Ibidem.) 

Diese  Form  der  Narkose  ist  äusserst  bequem  und  völlig  unge¬ 
fährlich,  wurde  aber  bisher  mangels  eines  geeigneten  Apparates  nur 
wenig  beachtet.  Verf.  beschreiben  nun  einen  solchen.  Details  siehe 
im  Original. 

W.  T.  Ri  teil  ie:  Das  Vorhofflattern  („Auricular  Flutter“). 

(Kurven.)  (Ibidem.) 

Krankengeschichten  mit  elektrokardiographischen  Kurven.  Unter 
Vorhofflattern  versteht  man  die  anfallsweise  beschleunigte  rhyth¬ 
mische  und  koordinierte  Kontraktion  des  Vorhofes  (etwa  270  per  Min.) 
bei  Fällen  von  auriculo-ventrikularem  Herzblock.  Die  Erkrankung 
bevorzugt  das  männliche  Geschlecht.  Herzschwäche  ist  bei  allen 
Fällen  nachweisbar,  bei  mehr  als  der  Hälfte  liegen  Mitralfehler  vor. 
Auch  bei  akuten  und  chronischen  Degenerationen  des  Herzmuskels, 
akuter  Toxämie  (Chloroform)  und  Syphilis  wurde  die  Veränderung 
beobachtet.  Die  genauere  Ursache  ist  unbekannt,  scheint  aber 
wahrscheinlich  nicht  durch  einen  diffusen,  sondern  lokali¬ 
sierten  pathologischen  Prozess  bedingt  zu  sein.  Symptomato- 
logisch  sind  4  Gruppen  zu  unterscheiden  (siehe  OriginaL).  Die  un¬ 
mittelbare  Prognose  ist  bei  Fällen  ohne  Zeichen  organischer  Herz¬ 
fehler  und  hochgradiger  Herzschwäche  gut.  Grosse  Dosen  von 
Digitalis  und  Strophantus  führen  zuerst  zur  Vorhofsfibrillation  und 
dann  zur  Wiederaufnahme  des  physiologischen  Rhythmus.  P.  D. 

Inauguraldissertationen.’) 

Ernst  Flach-  Brandenburg  a.  d.  Havel  teilt  die  an  der  Kieler 
Chirurg.  Klinik  angestellten  experimentellen  Unter- 
suchungen  über  die  Röntgen  diagn  ose  frischet 
Rippeninfraktionen  mit  (25  Fälle)  und  zeigt,  dass  die 
grösste  Mehrzahl  aller  frischen  Rippeninfraktionen  durch  Röntgeno- 
gramme  nicht  zur  Darstellung  gebracht  werden  kann,  weil  die  Auf¬ 
nahmebedingungen  bei  den  natürlichen  Thoraxverhältnissen  überaus 
ungünstig  und  die  darstellbaren  Knochenveränderungen  zu  gering 
sind.  (Kiel  1913,  26  S.,  Schmidt  &  Klaunig.) 

U  e  b  e  r  K  o  1 1  a  r  g  o  1  und  Hyperleukozytose  be¬ 
richtet  Karl  Gehm-  Kohlgrub:  Mag  man  Kollargol  intravenös,  rektal 
oder  sonstwie  anwenden,  meist  stellt  sich  als  regelmässige  .  olge 
eine  von  gewissen  Faktoren  abhängige  und  daher  quantitativ  ver¬ 
schieden  starke  Hyperleukozytose  ein,  deren  Auftreten  wichtig  ist, 
da  sie  vorzüglich  auf  jene  Zellart  sich  erstreckt,  deren  Hauptaufgabe 
die  Reinigung  des  Blutes  im  besonderen,  des  Körpers  im  allgemeinen 
von  schädlichen  Substanzen  oder  Gebilden  ist.  Ihre  Bedeutung  für 
die  Ausheilung  von  Infektionsprozessen  ist  nicht  zu  unterschätzen, 
wenn  sie  auch  nicht  das  einzig  wirksame  Prinzip  speziell  der  Kollar- 
golbehandlung  darstellt,  bei  welcher  gewisse  andere,  zum  Teil  noch 
fragliche  Wirkungen  des  kolloidalen  Silbers  beteiligt  sind,  die  jedoch 
nur  eine  qualitativ  begrenzte  Wirkung  und  Brauchbarkeit  haben. 
Ein  sicheres  Heilmittel  ist  Kollargol  nicht  gegen  Infektionen,  da  die 
einmal  in  den  Körper  eingedrungenen  Bakterien  nicht  direkt  beeinflusst 
weiden  können.  Ein  Erfolg  lässt  sich  daher  in  solchen  Fällen  nur 
insofern  erwarten,  als  die  Hyperleukozytose  eventuell  bakteriell 
wirkt,  während  zugleich  die  Katalyse  die  Elimination  der  Bakterien¬ 
gifte  beschleunigen  hilft.  Bei  septischen  Prozessen  kann  daher  nur 
von  einem  therapeutischen  Versuch  gesprochen  werden,  während  bei 
lokalen  Infektionen  mit  Toxämien  ein  Erfolg  mit  ziemlicher  Sicherheit 
erwartet  werden  kann.  (München  1913,  45  S.,  Dr.  C.  Wolf  &  Sohn.) 

Fritz  L  o  e  b. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Heidelberg.  März  1913. 

Köhler  Ludwig:  Histologische  Untersuchungen  am  kongenital- 
luetischen  Zahnkeim. 

Roepert  Wilhelm:  Ueber  familiäres  und  hereditäres  Vorkommen 
der  Enuresis  nocturna. 

B  c  1 1  i  n  g  e  r  Wilhelm :  Blutuntersuchungen  bei  Thyreotoxikosen. 
Mortier  Margarethe:  Ueber  Adhäsionen  nach  Kaiserschnitt,  zu¬ 
gleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  queren  Fundalschnitt  (nach 
Fritsch). 

Simonson  Semen:  Die  schmerzstillende  Wirkung  der  Rötitgen- 
und  Radiumstrahlen. 

Hirschberg  Otto:  Ueber  Operationen  mit  elektrischem  Licht¬ 
bogen  und  Elektrokaustik  bei  malignen  Geschwülsten. 


l)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin 

zu  Wiesbaden  vom  15. — 18.  April  1913. 

Referent :  K.  Reicher-  Bad  Mergentheim. 

I. 

Eröffnungsrede :  Penzoldt  -  Erlangen. 

P.,  der  Vorsitzende  dieser  Tagung,  gedenkt  der  Verstorben 
dieses  Jahres,  hebt  mit  Genugtuung  hervor,  dass  die  Zahl  der  M 
glieder  und  der  Vortragenden  ständig  im  Wachsen  begriffen  und  c 
Kongress  nunmehr  in  Vollkraft  in  das  4.  Jahrzehnt  seines  Bestehe 
eintritt. 

Die  stark  angefeindete  Arzneimittelkommission  hat  als  Erfol 
zu  verzeichnen,  dass  viele  Firmen  ihre  Anzeigen  den  Grundsatz 
des  Kongresses  angepasst  haben  und  es  ist  zu  hoffen,  dass  au 
Arzneimittelprüfungsanstalten  zum  Nutzen  der  Aerzte  und  zu 
Schutze  der  hilfesuchenden  Menschheit  gegründet  werden. 

Noch  grössere  Erfolge  sind  der  Zentralkommission  besclnedi 
gewesen,  die  als  ein  mächtiges  Bollwerk  zum  Schutze  der  Einhl 
der  inneren  Medizin  das  Zentralblatt  ins  Leben  gerufen  hat.  D 
Zahl  der  Publikationen  in  der  inneren  Medizin  ist  ins  Unendlic 
gewachsen,  behufs  Einschränkung  der  Veröffentlichungen  empfiehlt 
nur  ausgereifte  Arbeiten  mit  grossen  Untersuchungsreihen  zu  pubi 
zieren,  die  kleinen  Einzelpublikationen  sollten  von  den  führend 
Männern  zurückgehalten  werden. 

Wesen  und  Behandlung  des  Fiebers. 

1.  Referent:  Hans  H.  M  e  y  e  r  -  Yvien: 

Die  Erwärmung  ist  das  Ergebnis  chemischer,  die  Wärmeabga 
physikalischer  Prozesse.  Verliefen  beide  unabhängig  von  einand, 
sc  würde  die  Temperatur  des  Körpers  auf-  und  abschwanken  z\t 
schem  einem  die  Aussentemperatur  nur  wenig  übersteigenden  Mi: 
mum  und  dem  höchsten  noch  mit  dem  Leben  verträglichen  Wärir 
grad  (42°  C)  als  Maximum.  Bleibt  die  Körpertemperatut  bestand 
gleich,  so  muss  zwischen  beiden  Vorgängen  eine  Wärmeregulati 
bestehen.  Dieser  zentrale  Temperaturregulator  liegt  im  Gehirn; 
dieser  intakt,  so  bleibt  die  Körpertemperatur  konstant,  mögen  au 
an  der  Wärmebildung  und  an  der  Wärmeabgabe  beträcl 
liehe  Aenderungen  nach  oben  oder  nach  unten  vorgenommi 
werden.  Der  normale  Regulationsapparat  ist  beim  Menseln 
auf  rund  37°  C  abgestimmt,  im  Fieber  ist  er  auf  eine  r 
norm  hohe  Temperatur  (38 — 42°  C)  eingestellt  und  wird  dur. 
Antipyretika  wieder  auf  37  0  zurückgestellt.  Man  kann  sich  di 
ganzen  Apparat  als  2  örtlich  vielleicht  getrennte,  korrela 
miteinander  gekuppelte  Zentren  vorstellen,  als  ein  thermogenetisch 
d.  h.  wärmespeicherndes,  bsw.  temperatursteigerndes  und  ein  thern- 
lytisches,  d.  h.  temperaturminderndes,  kurz  als  ein  Wärme-  ul 
als  ein  Kühlzentrum.  Beide  Zentren  können  von  der  Peripherie  1' 
reflektorisch  vorübergehend  erregt  werden  und  zwar  reguliert  c 
Organismus  mit  Gegenaktion  schon  bei  nur  drohender,  durch  <; 
Hautempfindung  angekündigter  Abkühlung  oder  Ueberhitzung.  E; 
Wärmezentrum  kann  auch  reflektorisch  gehemmt  werden  und  zw 
durch  starke  Hautreize  wie  Sinapismen.  Beide  Zentren  sind  aber  am 
unmittelbar  erregbar  oder  zu  beruhigen,  Erwärmung  des  Wärm 
Zentrums  erregt  Sinken  der  Temperatur.  Abkühlung  fieberhafte  l 
höhung. 

Das  Aronsohn-Sachs  sehe  Wärmezentrum  ist  im  riet: 
im  Zustande  einer  erhöhten  Erregbarkeit,  das  antagonistische  Kü- 
Zentrum  ist  dabei  automatisch  gehemmt.  Das  Wärmezentrum  ist  nid 
nur  mechanisch  und  elektrisch  direkt  erregbar,  sondern  auch  reflc- 
torisch  und  chemisch,  z.  B.  durch  NaCl,  parenteral  beigebrachtes  a- 
rremdes  Eiweiss,  Albumosen,  andere  Eiweissabbauprodukte,  daruir 
auch  das  Anaphylatoxin.  Toxine  von  Mikroparasiten,  Adrenalin  e. 
Da  letzteres  das  sympathische  Nervensystem  erregend  oder  sensib- 
sierend  beeinflusst,  wird  wohl  auch  das  Wärmezentrum  demselln 
angehören.  Dazu  stimmt  auch,  dass  bei  Basedow  eine  grosse  Neigu: 
zu  Temperatursteigerungen  besteht:  nämlich  auch  das  Schilddrüse 
hormon  steigert  die  Erregbarkeit  des  sympathischen  Nervensyster- 
Das  Kühlzentrum  wird  wohl  autonomer  Natur  sein,  damit  stimi. 
dass  Erreger  des  autonomen  Systems  wie  Pikrotoxin.  Santon, 
Digitalin  auch  einen  typischen  Temperaturabfall  durch  Erregung  <S 
Kühlzentren  bewirken. 

Bei  mangelhafter  Thyreoideafunktion  oder  der  Pars  anterior  c 
Hypophyse  besteht  Neigung  zu  subnormaler  Temperatur  als  Ausdru: 
einer  verminderten  Erregbarkeit  des  Wärmezentrums.  Die  Aussen- 
tung  des  Wärmezentrums  bei  Winterschläfern  scheint  auch  aut  A  ■ 
fallerscheinungen  von  Seiten  der  Hypophyse  zu  beruhen. 

Im  Fieber  ist  das  Kühlzentrum  gehemmt,  das  Wärmezentrr 
aber  übererregbar,  d.  h.  erst  durch  eine  höhere  Temperatur  :j 
normal  zu  beruhigen.  Bei  übererregbarem  Wärmezentrum  tritt  natu 
lieh  auch  leichter  als  in  der  Norm  Erschöpfung  ein.  Bei  starl 
Badeabkühlung  vermag  der  Fiebernde  daher  nicht  seine  hohe  Ltge 
wärme  konstant  zu  erhalten,  er  wird  dadurch  auf  Stunden,  oer  < 
sunde  nur  für  Minuten  abgekühlt.  Das  Chinin  schränkt  schon 
kleinen  Gaben  den  Eiweissabbau  ein,  am  Gesunden  wird  dies  ausi 
glichen,  beim  Fiebernden  drückt  Chinin  aber  die  Temperatur  herum  ■ 
es  ist  also  ein  leichtes  Narkotikum  des  Wärmezentrums,  ein  stärker 
der  Alkohol  und  Chloral. 


|  >9.  April  li>13. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


<>43 


Als  Gegenstück  dazu  wirken  andere  Gifte  wie  Pikrotoxin  etc. 
iurch  Erregung  des  Kühlzentrums,  ebenso  die  Bulbärgifte  Veratrin, 
Akonitin  und  Digitalin.  Die  Entfieberung  wird  schonender  durch 
Wittel  herbeigeführt,  die  die  Wärmeproduktion  ein- 
;c  h  r  ä  n  k  e  n,  während  Antipyrin.  Azetanilid  und  Salizylate,  welche 
Jie  Wärmeabgabe  erhöhen,  leicht  Schwächezustände  zur 
Folge  haben. 

2.  Referent :  L.  K  r  e  h  1  -  Heidelberg : 

Der  homöotherme  Organismus  besitzt  Einrichtungen  für  die 
irhaltung  der  Eigenwärme,  welche  im  Gehirn  zwischen  dem  frontalen 
rinde  des  Thalamus  und  den  Vierhiigeln  liegen  Tiere,  die  unmittelbar 
unter  diesen  Stellen  an  den  Vierhiigeln  durchschnitten  werden,  be¬ 
sitzen  nicht  mehr  die  Fähigkeit  der  Regulierung.  Nach  Trennung 
,on  Vorderhirn  und  Streifenkörper  an  den  kaudalen  Partien  bleibt 
iie  Wärmeregulation  erhalten.  Die  Unversehrtheit  einer  Hälfte  ge- 
liigt  für  die  Erhaltung  der  Funktion.  Die  regulierenden  Vorrich- 
ungen  sind  von  zahlreichen  anderen  Stellen  des  Hirns  leicht  zu  be¬ 
einflussen.  Die  Auffassung  des  Fiebers  als  eines  Erregungszustandes 
ies  thermoregulatorischen  Apparates  setzt  voraus,  dass  beim  Ge¬ 
sunden  und  beim  Fiebernden  qualitativ  gleiche  energetische  Vor¬ 
ränge  ablaufen. 

ln  der  Regel  befindet  sich  der  Fiebernde  im  Zustande  mehr  oder 
weniger  starker  Unterernährung.  Im  reinen  Hunger  beteiligt  sich 
las  Eiweiss  am  Kraftwechsel  mit  15—20  Proz.,  der  übrige  Teil  kommt 
luf  Rechnung  von  Kohlehydraten  und  Fetten.  Nach  Grafe  be¬ 
stehen  für  das  Fieber  nun  ganz  analoge  Verhältnisse,  nur  bei  lange 
währendem  Fieber  sinkt  der  Eiweissquotient  viel  tiefer.  Der  Stoff¬ 
wechsel  des  Fiebernden  ist  also  qualitativ  von  dem  in  Unterernährung 
mündlichen  Menschen  nicht  verschieden  und  der  Annahme  eines  Er- 
egungszustandes  der  Thermoregulatoren  steht  nichts  im  Wege. 

Auch  bei  der  Wärmeabgabe  bestehen  prinzipiell  keine  Ab¬ 
weichungen  von  der  Norm.  In  Bezug  auf  Stoffzerfall  beteiligen  sich 
die  Äiuskeln  in  der  Norm  sowohl  als  auch  an  der  febrilen  Wärme- 
noduktion,  so  kann  man  bei  kurarisierten  Tieren  aseptisches  Fieber 
5.  B.  durch  NaCl-Injektion  hervorrufen.  Ebenso  gelingt  an  ihnen  der 
AVärmestich.  Aber  auch  die  grossen  Unterleibsdrüsen  haben  Be¬ 
deutung  für  die  fieberhafte  Wärmeproduktion  (Notwendigkeit  des 
dlykogengehaltes  der  Leber  für  Piqüre  und  Fieber).  Im  Hunger 
\ommt  aseptisches  Fieber  nicht  zustande.  Bei  Tieren  mit  durch¬ 
schnittenem  Brustmark  (bis  hinauf  zu  d2)  ist  die  Regulationsbreite 
lerabgesetzt.  Nach  Durchschneidungen  des  Brustmarks  bei  cs 
zwischen  Hals-  und  Brustmark  ist  die  Regulierfähigkeit  völlig  auf- 
jehoben.  Erzeugung  von  aseptischem  Fieber  und  Wärmestich  ge- 
ingen  dann  nicht  mehr  Kranke  mit  ähnlichen  Läsionen  des  Hals- 
narkes  zeigen  nicht  selten  besonders  hohe  Temperatursteigerungen. 
Gleiche  Verhältnisse  wie  bei  Durchtrennung  des  Halsmarkes  be¬ 
stehen  bei  Durchschneidung  des  Brustmarkes  am  4.  Segment  mit 
beiderseitiger  Entfernung  des  Ganglion  stellatum  oder  bei  gleich- 
ieitiger  Resektion  der  Nervi  vagi.  Bei  ihnen  kann  man  weder 
mittels  Wärmestich  noch  auf  aseptisch-chemischem  Wege  Fieber 
lervorrufen. 

Dem  Grenzstrang  spricht  auch  K.  eine  grosse  Bedeutung  für  die 
vVärmeregulation  und  das  Fieber  zu  (Adrenalinfieber,  Hyperglykämie 
bei  Fieber,  Temperaturabfall  bei  Ausfall  der  Nebennieren).  Im 
Zwischenhirn  erzeugte  Erregungen  gehen  auf  sympathischen  Bahnen 
edenfalls  auch  zu  den  Drüsen  mit  innerer  Sekretion.  Die  Entstehung 
v'on  Fieber  ist  fast  immer  auf  Zerfall  von  Eiweiss  im  Organismus 
jurückzuführen,  so  bei  bakteriellen  Infektionen,  Kochsalzfieber  etc. 
die  Blutplättchen,  welche  besonders  leicht  zerfallen  und  dabei  un- 
gemein  leicht  Fieber  erzeugen,  spielen  möglicherweise  bei  der  Genese 
les  Fiebers  auch  eine  Rolle.  Von  einem  einheitlichen  pyrogenen 
vörper  kann  man  noch  nicht  reden.  Die  fiebererzeugenden  Sub¬ 
stanzen  müssen  aber  jedenfalls  eine  Konstitution  haben,  die  sie  zur 
Bildung  von  Antitoxinen  befähigt.  Viele  Fiebernde  lassen  sich  durch 
eichliche  Nahrungszufuhr  annähernd  oder  völlig  im  Energiegleich- 
tewichte  halten.  Man  kommt  dabei  mit  mittleren  Gaben  Eiweiss  bei 
eichlicher  Kohlehydratnahrung  aus.  Immerhin  erweisen  sich  beim 
nebernden  40 — 50  Nettokalorien  als  notwendig.  Forcierte  Anwen- 
lung  von  kaltem  Wasser  stellt  an  den  Energieverbrauch  der  Kranken 
licht  zu  unterschätzende  Anforderungen  und  ist  daher  bei  Fiebernden 
iuzuschränken.  Die  schlechte  Sitte,  gegen  jede  Temperatursteigerung 
sofort  mit  Antipyretizis  vorzugehen,  ist  glücklicherweise  jetzt  ver- 
assen.  Mit  vorsichtigen  Dosen  von  Pyramidon  kann  man  allerdings 
iei  Typhösen  viel  Nutzen  stiften. 

A.  Schittenhelm-Königsberg:  Anaphylaxie  und  Fieber. 

Injiziert  man  einem  Tier  eine  kleine  Menge  artfremden  Eiweisses 
Jarenteral  und  macht  nach  ca.  14  Tagen  eine  Reinjektion,  so  entsteht 
ler  anaphylaktische  Schock  des  Meerschweinchens  mit  Temperatur-' 
md  Leukozytensturz,  Atemnot.  Lungenblähung  und  Aufhebung  der 
Mutgerinnung.  Bei  leichterem  Verlauf  der  anaphylaktischen  Erkran- 
mng  entstehen  Fieber,  Leukozytose,  Blutdrucksenkung,  vermehrte 
-ymphströmung  etc.  Je  nach  der  Menge  der  reinjizierten  Dosis  kann 
nan  Fieber  oder  Kollapstemperatur  hervorrufen.  Schwierig  ist  die 
Erklärung  des  gesamten  Symptomenkomplexes.  Nach  den  Versuchen 
on  Biedl  und  Kraus  mit  Wittepepton  erklärt  sich  scheinbar  der 
ranze  Prozess  durch  parenterale  Verdauung.  Wittepepton  ist 
edoch  ein  Gemisch  der  verschiedensten  Eiweissabbaustufen  .  und 
enthält  u.  a.  das  niedrig  molekulare  Vasodilatin  und  hochmole- 
culare  höchst  giftige  Eiweissspaltungsprodukte.  Zum  genauen 
-tudiiun  der  Anaphylaxie  muss  man  aber  gut  charakterisier¬ 


bare  isolierte  Körper  verwenden.  Die  zusammengesetzten  Ei¬ 
weisskörper,  wie  Nukleoproteide,  Nukleohistone  etc.  beein¬ 
flussen  den  Organismus  kaum.  Sehr  stark  dagegen  die  abgetrennten 
Eiweisskomponenten,  wie  das  Histon  und  das  Protamin.  Die  Gift¬ 
wirkung  wird  wieder  aufgehoben,  wenn  man  sie  mit  anderen  Sub¬ 
stanzen  kuppelt,  ähnlich  wie  Wittepepton  durch  Pepsin  zu  Plasteiu 
verwandelt  seine  Wirkung  verliert.  Vielleicht  spielt  diese  natürliche 
Entgiftung  auch  im  Organismus  eine  Rolle.  Bei  allen  diesen  Sub¬ 
stanzen,  ähnlich  wie  bei  den  basischen  Abbauprodukten  Histamin  und 
Methylguanidin  fehlen  einige  Kardinalsymptome  der  Anaphylaxie,  wie 
die  Aufhebung  der  Blutgerinnung  und  die  Erzeugung  der  Eosinophilie, 
auch  sind  hiebei  viel  grössere  Quantitäten  notwendig  als  bei  Serum- 
reinjektionen.  Durch  parenterale  Einverleibung  von  artfremdem  Ei¬ 
weiss  wird  der  Organismus  zur  Abgabe  von  Schutzfermenten  an 
das  Blut  behufs  Aufspaltung  desselben  veranlasst,  ehe  noch  durch  Re¬ 
injektion  Anaphylaxie  ausgelöst  werden  kann.  Die  parenterale  Ver¬ 
dauung  bietet  demnach  keineswegs  eine  erschöpfende  Erklärung  der 
Anaphylaxie.  Nach  Friedberger  soll  ein  einheitliches  Anaphyla- 
toxin  als  intermediäres  Abbauprodukt  aus  den  verschiedensten  Ei¬ 
weisskörpern  entstehen  und  die  spezifischen  Antikörper  das  Eiweiss 
über  diese  Zwischenstufe  hinaus  in  ungiftige  Spaltprodukte  zerlegen. 
Die  Giftwirkung  ist  aber  viel  geringer  als  bei  den  minimalen  Mengen 
des  Anaphylaxieversuches.  Ungeachtet  der  Sensibilsierung  des  Or¬ 
ganismus  durch  Bakterieneiweiss  kann  auch  primär  bei  Infektionen 
eine  hohe  Giftwirkung  durch  Spaltprodukte  der  Bakterien  entstehen. 
Die  Bakterienproteine  rufen  aber  spezielle  Symptomenkomplexe  her¬ 
vor,  die  für  die  einzelnen  Bakterien  variieren,  ebenso  sind  die  ent¬ 
stehenden  Immunkörper  streng  spezifisch.  Bei  Malaria  sind  aus¬ 
schliesslich  die  Sporulationsformen  die  Träger  des  Fieberagens.  Beim 
Rückfallfieber  entsteht  der  Fiebertypus  dadurch,  dass  in  der  fieber¬ 
freien  Periode  spezifisch  bakterizide  Stoffe  im  Blute  kreisen.  Nach 
ihrer  Abnahme  beginnt  das  Fieber  von  neuem.  All  diese  Befunde 
sprechen  gpgen  die  Erklärung  des  infektiösen  Fiebers  durch  ein  ein¬ 
heitliches  Gift.  Bei  einer  natürlichen  Infektion  sieht  man  auch  kaum 
jemals  Vergiftungsbilder,  welche  mit  dem  anaphylaktischen  Schock 
auch  nur  entfernte  Aehnlichkeit  aufweisen.  Es  könnten  vielmehr 
Aenderungen  im  kolloidalen  Gleichgewicht  des  Blutes  die  anaphylak¬ 
tischen  Erscheinungen  hervorrufen,  zumal  durch  Schütteln  von 
ungiftigen  Seren  mit  Kaolin,  Kieselgur  etc.  diese  in  hochgiftige  um¬ 
gewandelt  werden,  ebenso  durch  Behandlung  mit  kolloidaler  Kiesel¬ 
säure.  Nebstbei  erhöhen  sich  bei  diesen  Prozeduren  die  vasokon- 
struktorischen  Fähigkeiten  der  Seren  durch  Desaggregation.  Hierher 
gehört  auch  die  Erzeugung  von  Fieber  oder  Kollaps  durch  intravenöse 
Injektion  von  feinsten  Paraffinsuspensionen,  das  Fieber  bei  Messing- 
giessern  sowie  nach  Einatmung'  von  Zink  und  anderen  Schwermetall¬ 
dämpfen.  Nichtsdestoweniger  hat  die  Anaphylaxie  uns  einen  tieferen 
Einblick  in  die  Pathologie  des  Eiweissabbaues  gewährt. 

Vorträge. 

G  r  a  f  e  -  Heidelberg:  Ueber  das  Verhalten  des  Eiweissminimums 
beim  experimentellen  Fieber. 

Im  Fieber  des  Menschen  spielt  bei  der  Steigerung  der  Eiweiss¬ 
verbrennung  eine  toxische  Komponente  in  der  Regel  keine  Rolle. 
Vielmehr  ist  sie  ungefähr  die  gleiche  wie  im  Hunger.  Dafür  spricht 
die  Erhaltung  von  Hochfiebernden  im  N-Gleichgewicht  mit  eiweiss¬ 
armer  Kost.  G.  untersuchte  nun,  welche  Veränderungen  in  der  N-Aus- 
scheidung  eintreten,  wenn  ein  Tier,  dessen  Stoffwechsel  durch  starke 
Ueberernährung  mit  Kohlehydraten  auf  das  Eiweissminimum  ein¬ 
gestellt  ist,  in  fiebernden  Zustand  versetzt  wird.  Bei  gleichbleibender 
starker  Ueberernährung  mit  Kohlehydraten  trat  in  der  Fieberperiode 
entweder  gar  keine  Steigerung  oder  eine  so  geringfügige  ein.  wie  sie 
der  Steigerung  der  Gesamtverbrennung  durch  das  Fieber  entsprach. 
Höhere  Werte  werden  nur  erhalten,  wenn  die  Tiere  während  des 
Fiebers  weniger  Kohlehydrate  erhalten  wie  während  der  Vorperiode. 
Anhaltspunkte  für  einen  toxischen  Einfluss  des  Fiebers  auf  den  Ei¬ 
weissstoffwechsel  lassen  sich  also  nicht  feststellen. 

C  i  t  r  o  n  und  L  e  s  c  h  k  e  -  Berlin :  Experimentelle  Beiträge  zur 
Frage  der  Beziehungen  zwischen  Nervensystem  und  Infekt  beim 
Fieber. 

Wurden  durch  Ausschaltung  des  Mittelhirns  poikilotherm  ge¬ 
machte  Tiere  mit  Trypanosomen  infiziert,  so  bekamen  sie  keine 
Temperatursteigerung,  die  Infektion  selbst  blieb  dabei  ganz  unbeein¬ 
flusst.  Wurde  die  Operation  bei  bereits  infizierten  Tieren  ausgeführt, 
so  sank  die  Temperatur  der  Tiere.  Schaltet  man  also  das  Mittelhirn 
aus,  so  tritt  keine  Temperaturerhöhung  mehr  ein.  Berechtigt  ist  die 
Anwendung  nur  derjenigen  Antipyretika,  welche  wie  das  Chinin  bei 
Malaria  und  das  Salvarsan  bei  Rekurrens  nicht  den  Reiz  auf  das 
Wärmezentrum  ausschalten,  sondern  auch  das  primum  movens  be¬ 
seitigen.  Bei  den  Anaphylaxieversuchen  können  Antigen  und  Anti¬ 
körper  wechseln.  Gemeinsam  ist,  dass  stets  Komplement  bei  dem 
Anaphylaxieversuch  verschwindet.  Die  Komplementbindung  kann 
auch  durch  Kolloide  verschiedenster  Art  Zustandekommen.  Ein  Teil 
der  aseptischen  Fieberformen  lässt  sich  wohl  auch  so  erklären,  dass 
j  durch  Einspritzung  von  Paraffin  u.  dergl.  Komplementverarmung  und 
infolgedessen  ein  Gift  entsteht. 

Fräulein  Rahel  Hirsch:  Anaphylatoxinfieber  und  Gesamt¬ 
energie-  und  Stoff  Umsatz. 

Das  durch  Trypanosomen  erzeugte  Infektionsfieber  führt  beim 
Hunde  wie  beim  Kaninchen  zu  gesteigerter  Wärmeproduktion,  in  ge¬ 
ringerem  Grade  Wärmestichhyperthermie.  Beim  Anaphylatoxinfieber 


944 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17 


dagegen  findet  man  selbst  bei  41  0  eine  Einschränkung  des  Gesamt¬ 
umsatzes.  Daraus  geht  hervor,  dass  das  Anaphylatoxin  nur  ein  Sta¬ 
dium  im  Fieber  darstellt  und  dass  die  Stoffwechselvorgänge  unabhän¬ 
gig  von  der  Fiebertemperatur  verlaufen  können.  Mit  Chinin  kann 
man  den  auf  der  Höhe  des  Fiebers  bedeutend  gesteigerten  Gesamt¬ 
stoff-  und  Energieumsatz  'wieder  auf  normale  Werte  herabdrücken 
und  stark  negative  Bilanzen  in  positive  umwandeln.  Sowohl  bei  der 
Erhöhung  als  bei  der  Einschränkung  des  Stoffumsatzes  in  Fieber  ist 
der  Eiweiss-  und  der  Fettumsatz  beteiligt.  Im  Fieber  kommt  es  zu 
einer  beträchtlichen  Steigerung  der  Harnsäureausscheidung,  welche 
sich  im  Gegensätze  zu  den  Kontrolltagen  des  gesunden  Tieres  durch 
Chinin  nicht  verringern  lässt. 


(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  Katzenstein.) 

IV. 

Herr  Ch.  Girard-Genf:  Dysphagia  und  Dyspnoe  lusoria. 

Als  Dysphagia  lusoria  bezeichnete  der  englische  Arzt  Bayford 
vor  ungefähr  einem  Jahrhundert  die  Dysphagie,  welche  entsteht, 
wenn  die  Arteria  subclavia  dextra  auf  der  linken  Seite  des  Aorten¬ 
bogens  entspringt  und  als  Subclavia  dextra  recurrens,  zwischen 
Speiseröhre  und  Wirbelsäule  oder  Trachea,  quer  verläuft,  um  zur 
rechten  oberen  Extremität  zu  gelangen.  Der  Druck  des  Gefässes  auf 
den  Oesophagus,  namentlich  bei  starker  Arterienfüllung,  kann  Schling¬ 
beschwerden  verursachen.  Diese  Dysphagia  lusoria  (ex  lusu  naturae, 
wie  man  damals  die  angeborenen  Anomalien  nannte)  ist  in  Vergessen¬ 
heit  geraten,  nachdem  eine  Reihe  von  Autoren  das  Vorkommen  eines 
solchen  Zustandes  leugneten.  Im  Jahre  1880  äusserte  sich  Franz 
K  ö  n  i  g  dahin,  dass  es  in  der  damaligen  neueren  Literatur  kein  ein¬ 
ziges  verbürgtes  Beispiel  dieser  Art  gebe. 

G.  hat  jedoch  in  den  letzten  Jahren  Gelegenheit  gehabt,  2  Fälle 
von  Dysphagia  lusoria  zu  beobachten  und  operativ  zu  behandeln. 
Aber  diese  Fälle  zeichneten  sich  dadurch  aus,  dass  die  Arteria  sub¬ 
clavia  recurrens  nicht  hinter  der  Trachea  oder  dem  Oesophagus,  son¬ 
dern,  was  viel  seltener  ist,  prätracheal  verlief,  so  dass  es  nicht  nur 
zu  einer  Dysphagie  infolge  indirekten  Druckes,  sondern  auch,  durch 
direkte  Kompression  der  Luftröhre,  zu  einer  Dyspnoe  lusoria  ge¬ 
kommen  ist. 

In  einem  Fall,  Frau  von  22  Jahren,  bestand  ausserdem  noch  die 
Thymusdrüse.  Die  Diagnose  war  übrigens  darauf  gestellt  worden. 
Bei  der  Exstirpation  des  ziemlich  dünnen  Thymus  musste  man 
sich  überzeugen,  dass  die  Druckerscheinungen  durch  die  Anwesen¬ 
heit  der  Drüse  nicht  erklärlich  seien.  Beim  weiteren  Nachforschen 
fand  sich,  auf  der  Trachea  direkt  aufliegend,  die  quer  verlaufende 
Arteria  subclavia  dextra  recurrens.  Durch  eine  Arteriopexie  gegen 
das  Manubrium,  Umschlingung  des  Gefässes  mittels  eines  gestielten 
Streifens  aus  dem  sehnigen  Rande  des  linken  Musculus  sternomastoi- 
deus  mit  Naht  des  freien  Endes  am  unteren  Ansatz  des  rechten  Sterno- 
mastoideus  konnte  die  Arterie  von  der  Trachea  entfernt  gehalten  wer¬ 
den.  Die  Patientin  ist  sofort  von  ihren  Beschwerden  befreit  worden. 

Im  anderen  Falle  (48  jähriger  Mann)  waren  früher  die  vorhan¬ 
denen  Erscheinungen  von  Tracheostenose  und  Dysphagie  auf  die  An¬ 
wesenheit  eines  bilateralen  Kropfes  zurückgeführt  worden.  Ein 
Chirurg  entfernte  die  eine  Kropfhälfte,  aber  unter  Zurücklassung  einer 
Stimmbandlähmung  (Rekurrensverletzung)  und  ohne  jede  Besserung 
der  Beschwerden. 

Ein  anderer  Chirurg  entfernte  später  den  grössten  Teil  der 
anderen  Kropfhälfte,  ebenfalls  ohne  Erfolg.  Darauf  trat  eine  aus¬ 
gesprochene  Cachexia  thyreoipriva  ein. 

ü.  entschloss  sich,  den  Patienten  operativ  zu  behandeln,  in  der 
Absicht,  durch  sukzessive  Eingriffe  zuerst  die  Cachexia  thyreoipriva 
durch  Implantation  von  gesundem  Schilddrüsengewebe  vor  der  Luft¬ 
röhre  zu  heben,  dann  eine  Anastomose  des  Stumpfes  vom  Nervus 
recurrens  mit  dem  Nervus  descendens  hypoglossi  vorzunehmen  und 
zuletzt  die  vermeintlich  durch  Kropfdruck  entstandene  Tracheal¬ 
stenose  plastisch  zu  korrigieren.  Der  letzte  Eingriff  wurde  nicht  aus¬ 
geführt,  weil  als  Ursache  der  Schluck-  und  Atmungsbeschwerden  der 
abnorme  Verlauf  der  Arteria  subclavia  dextra  vorgefunden  wurde. 
Eine  Arteriopexie  half  auch  hier  in  vollkommener  Weise,  soweit  es 
sich  nur  um  die  Dysphagie  handelte.  Die  Dyspnoe  hingegen  wurde  in 
diesem  Falle  nur  auf  einige  Monate  gebessert  und  stellte  sich  später 
wieder  ein,  so  dass  Patient  in  einer  anderen  Stadt,  wo  er  sich 
damals  aufhielt,  schliesslich  tracheotomiert  werden  musste.  Offenbar 
war  beim  Alter  des  Patienten  die  von  narbigen  Geweben  umgebene 
Trachea  ausserstande,  sich  zu  erholen. 

Herr  T i  e g  e  1  -  Dortmund:  Ueber  Spontanheilung  von  Lungen¬ 
wunden. 

Ein  Fall  von  sehr  schwerer  Lungenruptur,  bei  welchem  eigentlich 
alle  Indikationen  für  eine  breite  Thorakotomie  und  Nahtversorgung 
der  Lungenwunde  gegeben  waren  (erheblicher  Hämothorax,  Span- 
nungspneumothorax  und  hochgradiges  Zellgewebsemphysem,  das 
schliesslich  auch  auf  das  Mediastinum  Übergriff),  kam  ohne  jeden 
grösseren  Eingriff  zur  Ausheilung. 

Das  interstitielle  Emphysem,  das  bereits  zu  Erstickungsnot  ge¬ 
führt  hate,  wurde  zwei  Tage  lang  ständig  abgesaugt,  und  zwar  von 


einem  kleinen  Schnitt  im  Jugulum  aus,  über  welchen  eine  mit  eine: 
Wasserstrahlsaugpumpe  in  Verbindung  gebrachte  Bi  ersehe  Saug 
glocke  gestülpt  wurde.  Der  starke  Hämo-  und  Pneumothorax  wurT 
durch  ein  in  Lokalanästhesie  eingelegtes  Ventildrain  beseitigt.  Dei 
Verlauf  war  ein  fieberfreier.  In  kurzer  Zeit  erfolgte  völlige  Wieder 
Herstellung. 

Die  Beobachtung  dieses  Falles  regte  dazu  an,  der  Frage  dei 
Spontanheilung  von  Lungenwunden  experimentell  näher  zu  treten 
Es  wurden  bei  33  Hunden  sehr  ausgedehnte  Riss-  und  Schnittver 
letzungen  der  Lungen  gesetzt,  die  nicht  versorgt  wurden.  Die  an 
fangs  meist  sehr  abundante  Blutung  kam  auffallend  rasch  spontai 
zum  Stillstand.  Die  Lungenwunden  verklebten  im  Verlauf  einige: 
Tage  so  fest,  dass  sie  bei  Aufblähung  der  Lungen  Druckwerte  voti 
30 — 60  mm  Hg  aushielten.  Die  Resultate  waren  gleich  günstige  he 
primärem  Schluss  der  Pleura-  wie  der  Ventildrainage,  bei  glatten 
aseptischen  Verlauf  wie  bei  eintretender  Infektion. 

Die  grosse  Tendenz  der  Lungenwunden  zur  Spontanheilung,  die 
in  vorliegenden  Versuchen  festgestellt  wurde,  und  die  auch  klinisch 
nicht  selten  sich  beobachten  lässt,  spricht  sehr  zugunsten  eines  mein' 
konservativen  Vorgehens. 

Diskussion:  Herr  Burckhardt  -  Berlin  hat  experimentell 
Studien  über  die  Infektionsempfänglichkeit  in  der  Brusthöhle  mi( 
und  ohne  Pneumothorax  ausgeführt  und  festgestellt,  dass  beim  Vor 
handensein  eines  Pneumothorax  eine  grosse  Prädisposition  für  ln 
fektionen  besteht.  Die  praktischen  Folgerungen  ergeben  sich  vmj 
selbst. 

Herr  G  u  1  e  k  e  -  Strassburg  berichtet  über  penetrierende  Brust 
Bauchwunden.  Im  Gegensatz  zur  reinen  Bauchverletzung  ist  be 
diesen  kombinierten  Wunden  ein  langsamer,  kräftiger  Puls  infolge 
Vagusreizung  vorhanden.  Auch  andere  für  Bauchverletzung  charak 
teristische  Symptome  versagen  hierbei  oft.  Während  man  bei  Thorax-} 
Verletzungen  sich  abwartend  verhalten  kann,  muss  man  bei  dieser 
kombinierten  Wunden  operativ  Vorgehen,  da  sonst  die  Prognose 
äusserst  ungünstig  ist.  Es  empfiehlt  sich  das  transpleurale  Vorgehen, 
da  die  Naht  des  meist  verletzten  Zwerchfells  von  der  Pleuraseite  au~ 
leichter  ausführbar  ist.  Bei  vier  einschlägigen  Verletzungen  hat 
Vortr.  zweimal  die  Thorakolaparotomie  und  zweimal  die  Laparotomie, 
ausgeführt  .  Einmal  handelte  es  sich  um  eine  Schussverletzung  des 
Herzens  und  Milzverletzung.  Ausgang  in  Heilung.  Im  zweiten  Fallt] 
lag  eine  Peritonitis  infolge  Stichverletzung  mit  einem  Stockdeger 
vor,  der  im  siebenten  linken  Interkostalraum  eingedrungen  war  uni 
den  Magen  quer  durchbohrt  hatte.  Trotz  des  Eingriffes  war  die 
Peritonitis  nicht  mehr  aufzuhalten. 

Herr  S  c  h  u  m  a  c  h  e  r  -  Zürich :  Vortr.  hat  in  zwei  protrahiert 
verlaufenden  Fällen  von  Lungenembolie  als  diagnostisch  be¬ 
merkenswertes  Symptom  ein  Klappen  des  zweiten  Pulmonaltonesi 
sowie  eine  Vergrösserung  des  rechten  Herzens  festgestellt.  Dk 
Diagnose  der  Embolie  ist  häufig  recht  schwierig,  da  dieselben  Sym 
ptome  bei  plötzlich  eintretender  innerer  heftiger  Blutung,  sowie  auc! 
bei  Myodegeneratio  cordis  auftreten  können.  In  zwei  Fällen  ein 
schlägiger  Art  wurde  auf  Grund  einer  solchen  Diagnose  die  Tren¬ 
del  e  n  b  u  r  g  sehe  Operation  ausgeführt. 

Vortragender  unterscheidet  drei  Arten  von  Lungenembolie: 

1.  Die  momentan  zum  Tode  führende  Embolie,  meist  bedingt 
durch  den  enormen  Schock,  da  hierbei  nur  eine  partielle  Verstopfung 
der  Pulmonalis  gefunden  werden  kann. 

2.  Die  in  einigen  Minuten  zum  Tode  führende  Embolie.  Hierbei 
findet  ein  vollkommener  Verschluss  der  Pulmonalis  und  damit  eine 
Trennung  des  kleinen  vom  grossen  Kreislauf,  sowie  eine  Ueber 
dehnung  des  rechten  Herzens  statt. 

3.  Die  protrahiert  verlaufende  Embolie.  Die  meisten  Fälle  ver¬ 
laufen  in  dieser  Weise.  Es  findet  hierbei  primär  der  Verschluss  nui 
eines  Hauptastes  und  eines  Nebenastes  statt,  und  nur  allmahlicl 
wird  die  ganze  Pulmonalis  verstopft. 

Von  diesen  Arten  der  Embolie  ist  die  Möglichkeit  der  Iren 
delenburg sehen  Operation  abhängig.  Bei  den  momentan  zun 
Tode  führenden  Fällen  kommt  sie  nicht  in  Betracht,  am  günstigster 
liegen  die  Fälle,  wo  ein  Embolus  die  ganze  Pulmonalis  verstopf: 
Indessen  ist  hier  die  Zeit  zum  Eingreifen  meist  zu  kurz.  Bei  dei 
allmählich  zur  vollkommenen  Verstopfung  führenden  Fällen  ist  di^ 
Frage  der  Operation  deshalb  so  schwierig,  weil  sie  klinisch  nicht 
immer  von  den  Fällen  zu  unterscheiden  sind,  die  spontan  zur  Aus 
heilung  führen.  Die  Operation  sollte  dann  ausgeführt  werden,  wem' 
trotz  innerer  Behandlung  eine  Besserung  der  Symptome  nicht  statt- 
findet. 

Herr  Läwen  -  Leipzig  hat  mehrfach  die  Trendelen  bu  ru¬ 
sche  Operation  gemacht,  jedoch  stets  ohne  Erfolg,  weil  sie  um 
bei  Moribunden  ausgeführt  wurde.  Statt  der  von  Trendelen 
bürg  empfohlenen  und  sehr  gefährlichen  temporären  Abschnürung 
der  Art.  pulmonalis  und  der  Aorta  empfiehlt  er,  vermittels  des 
R  e  h  n  sehen  Handgriffes  die  beiden  Venae  cavae  zu  komprimieren 
da  hierdurch  eine  Entlastung  des  rechten  Herzens  stattfindet.  Weiter¬ 
hin  empfiehlt  er  die  Anwendung  der  künstlichen  Atmung,  die  Iniektioi 
von  Adrenalin  ins  Herz,  jedoch  die  Vermeidung  der  Herzmassage 

Herr  S  c  h  m  i  d  -  Prag  schlägt  auf  Grund  von  Leichenversuchei 
vor,  das  Herz  vermittels  Trennung  des  Sternums  freizulegen. 

Herr  Rehn  -  Frankfurt  durchtrennte  in  einem  Falle  das  Sternum 
von  unten  her  und  klemmte  die  Venen  in  der  besprochenen  Weise 
ab,  ohne  jedoch  den  Patienten  retten  zu  können. 


42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26. — 29.  März  1913. 


April  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


945 


Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Rostock  demonstriert  Modelle,  aus  Filz  darge- 
lt.  mit  deren  Hilfe  sich  in  sehr  anschaulicher  Weise  zu  Lehr-  und 
mngszwecken  plastische  Operationen  darstellen  lassen. 

Herr  Z  o n  d  e  k  -  Berlin:  Zur  Lehre  von  der  Struktur  des 

ichenkallus. 

Während  Julius  Wolff  die  Knochenstruktur  nach  voll¬ 
ster  Heilung  festgestellt  hat,  hat  Z.  diese  Strukturverhältnisse 
Verlaufe  der  Heilung  untersucht.  Der  Vortragende  berichtet 
r  seine  neuen  einschlägigen  Untersuchungen  und  die  Bedeutung 
Befunde  für  die  Vorgänge  in  der  Frakturheilung  und  die  Mass- 
inen  bei  der  Frakturbehandlung. 

Herr  F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Königsberg  bespricht,  unter  Vorstellung  des 
sprechenden  Kranken,  die  bemerkenswerte  Rückwirkung  einer  aus- 
ehnten  Brustwandresektion  auf  bestehendes  hochgradiges  Lungen- 
jhysem.  Ein  54  jähriger  russischer  Kranker  (Kutscher  von  Beruf! 
hochgradigem  Lungenemphys°m  mit  Thoraxstarre  kam  zur  Auf- 
me  wegen  periostalen  Rippensarkoms,  welches  vom 
.‘iten  Intel  kostalraum  bis  zur  vierten  Rippe  rechts  als  zusammen- 
gender,  massiger,  fester  Tumor  sich  umgrenzen  Hess.  Das 
ltgenbild  zeigte  in  der  Lunge-  keine  Tumormetastasen,  zahlreiche 
kalkte  Hilusdrüsen.  In  örtlicher  Anästhesie  und  unter  Druck- 
erenz  wurde  zur  Tumorentfernung  die  Brustwand  aufgeklappt:  Das 
istwandloch  umfasste  den  Bereich  der  dritten,  vierten,  fünften, 
hsten  Rippe  rechts,  je  2  cm  lange  Rippenresektion,  hatte  also  die 
isse  von  rund  120— 150  qcm.  Die  Tumormasse  hatte  die  Pleura 
talis  nach  innen  vorgebeult.  Ein  schmaler,  bandartiger  Adhäsions- 
;ifen  führte  gegen  die  respiratorisch  auf-  und  niedergehende  Lunge, 
der  Lungenbasis  dieses  Streifens  finden  sich  mehrere  Metastasen 
Tumors  in  der  Lunge.  Die  Lunge  wird  vorgewälzt  und  ist  im 
igen  metastasenfrei.  Daher  wird  der  Metastasenherd  aus  der 
ige  ausgeschnitten,  die  Lungenwunde  genäht,  die  Lunge  selbst  in 
Brustwandlücke  nicht  eingenäht,  sondern  ihrem  freien  Spiel 
Hassen,  der  über  dem  Tumor  abtrennbare  Hautlappen  wieder  dicht 
genäht,  so  dass  nach  Luftaustreibung  aus  dem  Thorax  das  ganze 
mdgebiet  vollkommen  geschlossen  ist.  Rasch  überwundene,  doch 
tliche  pneumonische  Reaktion  im  Operationsgebiet  der  Lunge;  im 
igen  reaktionslose  Heilung  per  primam.  In  den  der  Operation 
senden  Wochen  der  Beobachtung  macht  sich  eine  ganz  auffällige 
iserung  der  Emphysembeschwerden  bemerkbar.  Das  Zusammen- 
:fen  kann  natürlich  ein  zufälliges  sein.  Doch  gibt  Friedrich, 
aller  Reserve,  der  Vorstellung  Ausdruck,  dass  hier  durch  An- 
ung  der  grossen  Brustwandlücke,  in  der  sich  die  in-  und  exspira- 
ischen  Bewegungen  der  Lunge  extensiv  verfolgen  lassen  (Vor- 
hung  und  tiefes  Einziehen),  ähnliche  Verhältnisse  geschaffen  wor- 
i  sein  könnten,  wie  durch  die  Rippendurchschneidung  oder 
Sektion  im  Freund  sehen  Sinne:  mit  der  freieren  Bewegung  eines 
sseren  Lungenabschnittes  fällt  ein  Teil  des  beim  Emphysem  be¬ 
llenden  Widerstandes  für  den  Pulmonalkreislauf  fort.  Die  ganze 
vägung  würde  im  Einklang  stehen  mit  der  von  Friedrich  ent¬ 
gelten  Theorie  zur  Erklärung  des  operativen  Erfolges  beim  Em- 
sem  mit  rhoraxstarre,  wie  sie  zum  Chirurgenkongress  1911  von 
i  e  d  r  i  c  h  entwickelt  wurde,  und  wie  sie  von  pathologiscli-ana- 
lischer  Seite  (Kaufmann)  in  Sumitas  Arbeit  adoptiert  wor- 
i  ist. 

Herr  K  I  a  pp  -  Berlin:  Ueber  einen  neuen  Ueberdruckaoparat. 

K.  hat  den  Vorversuch  gemacht,  die  bisher  nicht  völlig  ge- 
:en  Forderungen  bei  seiner  Konstruktion  zu  berücksichtigen,  und 
ar  hauptsächlich  die  Vermeidung  des  Erbrechens  und  die  Ver- 
idung  der  Aufblähung  des  Magens.  Diese  beiden  Forderungen  sind 
lurcli  gelöst,  dass  die  Luft  durch  zwei  in  die  Nase  eingesteckte 
stische  Röhrchen  eingeblasen  und  eine  Magensonde  in  den  Magen 
geführt  wird.  Nach  dem  Prinzip  der  kommunizierenden  Röhren 
d  eine  Ansammlung  von  Luft  im  Magen  verhindert,  der  Magen¬ 
alt  fliesst  durch  den  Katheter  ab.  Im  übrigen  ist  auf  möglichste 
nfachheit  Rücksicht  genommen.  Der  Luftdruck  wird  durch 
en  Blasebalg  erzeugt,  die  Gleichmässigkeit  des  Luftstroirrs  durch 
en  am  Anfang  und  Ende  der  Schlauchleitung  eingeschalteten 
stischen  Beutel  gewährleistet. 

Plastische  Chirurgie. 

Herr  Hildebrand  -  Berlin :  Ueber  die  Behandlung  der  Fazialis- 
mung  mit  Muskelplastik. 

Ein  junges  Mädchen  litt  infolge  einer  Ohrenoperation  an  einer 
dalislähmung,  zu  deren  Heilung  schon  vorher  neun  Operationen  der 
schiedensten  Art  ausgeführt  worden  waren.  Vortr.  hat  durch  Ver- 
erung  der  sternalen  Partie  des  Sternokleidomastoideus  an  den 
ndwinkel  eine  wesentliche  Besserung  des  Zustandes  zu  erzielen 
mocht.  Die  Patientin  wird  demonstriert. 

Herr  S  t  e i  n  -  Wiesbaden:  Operative  Korrektur  der  Fazialis- 
mung. 

Vortr.  hat  in  einem  Falle,  in  welchem  ohne  Erfolg  von  anderer 
t(i.eh'2  Nervenplastik  bei  kompletter,  seit  vielen  Jahren  bestehen- 
Fazialislähmung  versucht  worden  war,  die  kosmetische  Korrektur 
Leidens  durch  eine  freie  Faszienplastik  vorgenonmieu. 
aus  der  Oberschenkelfaszie  präparierter  20  cm  langer  und  2  cm 
iter  Faszienstreifen  wurde  von  der  Jochbeingegend  her  mit  einem 
■oiideren  Instrument  durch  die  Wange  zu  dem  Mundwinkel  der 
ahmten  Seite  geführt  und  von  dort  wieder  durch  die  Wange 
h  dem  Jochbogen  zurückgeleitet.  Auf  diese  Weise  wurde  der 
anl  längende  Mundwinkel  mit  Hilfe  der  Faszie  an  dem  Joch  bogen 


äufgehängt.  Am  Mundwinkel  war  als  Voroperation  3  Wochen  vor 
V'df nähme  des  Haupteingriffs  ein  kleines  subkutanes  Paraffindepot 
geschaffen  worden,  welches  dem  um  dasselbe  herumgeführten  Fas¬ 
zienstreifen  als  Widerlager  diente.  Der  Erfolg  der  Operation  war  gut 
und  hat  sich  bisher  ein  Jahr  lang  erhalten.  Die  Operation  eignet  sich 
sowohl  für  Fälle,  in  denen  eine  Heilung  der  kompletten  Fazialis¬ 
lähmung  auf  andere  Weise  nicht  gelang,  als  auch  als  Ersatz  dieser 
Methoden,  solange  sichere  chirurgische  Methoden  zur  Heilung  der 
Lähmung  noch  nicht  zur  Verfügung  stehen.  In  psychischer  Be¬ 
ziehung  ist  der  Eingriff  ausserordentlich  wirksam,  und  in  sozialer  Hin¬ 
sicht  ist  er  in  vielen  Fällen  sehr  vorteilhaft. 

Diskussion:  Herr  K  o  f  m  a  n  n  -  Odessa  hat  in  einem  Falle 
von  Ostitis  fibrosa  der  rechten  Augenhöhle  durch  plastische  Operation 
eine  wesentliche  Besserung  erzielt. 

Herr  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau  berichtet  über  Dauerresultate  der 
Transplantation  an  der  Leiche  und  dem  Affen.  Demonstration  zweier 
Präparate  von  Hüftgelenkstransplantation  aus  der  Leiche.  Im 
ersten  Falle  war  einer  Leiche  35  Stunden  nach  dem  Tode  der  Hüft¬ 
gelenkskopf  entnommen  und  einem  Menschen,  dem  wegen  Chondro¬ 
sarkoms  der  Schenkelhalskopf  entfernt  worden  war.  implantiert  wor¬ 
den.  Der  Fall  wurde  vor  2  Jahren  demonstriert  und  ging  1  Jahr 
1  Monat  nach  Ausführung  der  Transplantation  an  Lungenmetastasen 
zugrunde.  Im  zweiten  Falle  musste  wegen  Lokalrezidivs  die  Ex¬ 
artikulation  im  Hüftgelenk  vorgenommen  werden,  das  Transplantat 
war  einer  Leiche  3  Stunden  nach  dem  Tode  entnommen  und  hatte 
3  Jahre  2  Monate  funktioniert.  Der  Befund  war  in  beiden  Fällen 
der  gleiche:  der  Knochen  war  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
tot  und  wurde  vom  lebenden  Knochen  langsam  substituiert.  Ganz 
besonders  auffallend  war  die  innige  und  funktionell  richtige  Ver¬ 
wachsung  der  Muskulatur  mit  dem  toten  Knochen. 

Weiterhin  demonstriert  Vortr.  ein  Kind,  bei  dem  er  vor  einem 
Jahre  wegen  kongenitalen  Defektes  der  Fibula  die  Fibula  eines  Affen 
implantiert  hat.  Die  Affenfibula  ist,  wie  die  Demonstration  von  Rönt¬ 
genbildern  ergibt,  vollkommen  eingeheilt. 

Herr  L  e  x  e  r  -  Jena  hat  2  mal  Leichengelenke  transplantiert.  In 
einem  Falle  trat  eine  Infektion  ein,  und  im  zweiten  Falle,  bei  dem 
das  Kniegelenk  eines  Hingerichteten  kurz  nach  dem  Tode  verwendet 
wurde,  nahm  L.  infolge  der  schlechten  Funktion  sekundär  die  Re¬ 
sektion  des  transplantierten  Gelenks  wieder  vor.  Bei  der  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  des  Präparates  ergab  sich,  dass  der  Knochen 
tot  war.  Die  Fragestellung  dreht  sich  aber  nicht  darum,  ob  die  trans¬ 
plantierten  Knochen  am  Leben  sind,  sondern  ob  ihre  Resorption  nicht 
so  rasch  vonstatten  geht,  dass  .ihre  Tragfähigkeit  darunter  leidet. 
Die  besten  Aussichten  ergeben  immer  noch  die  homoplastischen 
Transplantationen.  Aber  auch  diese  versagen,  wenn  der  Empfänger 
tuberkulös  oder  luetisch  ist.  Die  Heteroplastik  macht  deswegen  so 
grosse  Schwierigkeiten,  weil  die  Eiweissarten  der  verschiedenen  In¬ 
dividuen  verschieden  sind.  An  seiner  Klinik  sind  erfolgreiche  Ver¬ 
suche  im  Gange,  durch  entsprechende  Vorbehandlung  des  Blutserums 
auch  die  Heteroplastik  praktisch  durchführbar  zu  gestalten. 

Herr  Lexer-Jena  berichtet  über  einen  neuen  Fall  von 
idealer  Aneurysmaoperation,  welcher  nach  den  von  ihm 
1907  aufgestellten  Regeln  operiert  worden  ist.  Zur  Erhaltung  des 
Kreislaufs  in  normalen  Bahnen  wurde  nach  vollkommener  Ent¬ 
fernung  des  oberhalb  des  Leistenbandes  beginnenden  und  bis  unter¬ 
halb  der  Arteria  proiunda  herabreichenden  spindelförmigen  Aneurys¬ 
mas  der  Gefässdefekt  durch  ein  8  cm  langes  Stück  der  Vena  saphena 
ersetzt.  Die  stark  durch  Atherosklerose  veränderte  Wand  der  Arterie 
Hess  die  Fäden  der  fortlaufenden  Naht  nach  Carrel  durchschneiden. 
Dagegen  bewährte  sich  ausgezeichnet  die  fortlaufende  a  u  s  s  t  ii  1  - 
pende  Matratzen  naht,  deren  Fäden  nicht  nur  gut  hielten,  son¬ 
dern  auch  jede  Blutung  verwehrten.  Der  starke  Lumenunterschied  des 
Venenstückes  und  der  erweiterten  Arterie  bot  bei  der  Naht  weniger 
Schwierigkeit.  Der  glänzende  Erfolg  zeigt  auch,  dass  eine  Erweite¬ 
rung  des  Venenstückes  wie  im  Experiment  eingetreten  sein  muss. 
Der  Fall,  ein  62  jähriger  Mann,  bringt  den  sicheren  Beweis,  dass  das 
eingepflanzte  Stück  gut  durchgängig  geblieben  ist,  denn  die  ebenso 
kräftig  wie  auf  der  anderen  Seite  pulsierenden  Fussarterien  verlieren 
sofort  ihren  Puls,  wenn  die  Arteria  femoralis  im  Gebiete  des  Ersatz¬ 
stückes  komprimiert  wird.  Der  vor  %  Jahren  operierte  Patient  ist 
vollkommen  beschwerdefrei. 

Herr  Coenen  -  Breslau  hat  bei  einem  hochsitzenden  arterio¬ 
venösen  Aneurysma  des  Oberschenkels  durch  einen  MauseYschuss, 
da  kein  hinreichender  Kollateralkreislauf  vorhanden  war.  nach  Ex¬ 
stirpation  des  Aneurysmas  die  Kontinuität  der  Gefässbahn  der  re¬ 
sezierten  Arterie  und  Vene  wiederhergestellt  durch  Implantation  der 
Vena  saphena  vom  anderen  Bein  (23.  II.  1913).  Der  Erfolg  war  voll¬ 
kommen,  der  Puls  in  der  Arteria  dorsalis  pedis  gut  fühlbar.  Trotz 
der  vielen  Manipulationen  in  der  Wunde,  die  die  4  Gefässnähte  er¬ 
forderten,  trat  keine  Wundstörung  ein. 

Herr  Je  ge  r -Berlin  demonstriert  einen  Hund  mit  beiderseitiger 
Verpflanzung  der  Nierenvenen  10  Monate  post  operationem.  Nieren¬ 
funktion  völlig  normal.  Ferner  zeigt  er  einen  Hund,  dem  vor  3  Mona¬ 
ten  ein  Stück  seiner  Aorta  abdominalis  durch  ein  solches  seiner 
eigenen  Karotis  in  der  Weise  ersetzt  worden  ist,  dass  aus  letzterer 
durch  eine  plastische  Operation  ein  weites  Gefässstiick  gebildet  und 
letzteres  zum  Ersatz  der  Aorta  verwendet  wurde.  Demonstration 
von  Präparaten  (sämtlich  von  Hunden,  die  die  Operation  um  längere 
Zeit  überlebt  haben):  1.  nach  Operationen,  wie  eben  beschrieben: 
2.  Uebcrbriickung  einer  Ligatnrstelle  der  Vena  cava  durch  ein  Stück 


946  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ No.  ] 


der  Vena  jugularis  desselben  Tieres;  3.  End-zu-Seit-Implantation  einer 
durchschnittenen  Arteria  anonyma  in  die  Arteria  pulmonalis  (künst¬ 
licher  Botanischer  Gang);  4.  End-zu-End-Anastomose  zwischen 
dem  zentralen  Ende  einer  durchschnittenen  Arteria  anonyma  und  dem 
peripheren  der  durchschnittenen  linken  Arteria  pulmonalis;  5.  freie 
Implantation  eines  Endes  der  herausgeschnittenen  klappenhaltigen 
Vena  jugularis  in  die  linke  Herzhöhle,  des  anderen  in  den  Aorten¬ 
bogen. 

Herr  Röpke-  Barmen :  Ueber  die  Verwendung  freitransplantier¬ 
ten  Fettes  in  der  Gelenkchirurgie. 

Vortr.  hat  seit  seinen  ersten  Mitteilungen  über  die  Verwendung 
ireitransplantierten  Fettes  in  der  Knochen-  und  Gelenkchirurgie  aut 
der  Naturforscherversammlung  in  Karlsruhe  im  Jahre  1911  klinisch 
und  experimentell  mit  diesem  Material  weitergearbeitet.  Die  klini¬ 
schen  Beobachtungen  haben  ergeben,  dass  der  freitransplantierte 
Eettlappen  selbst  bis  zu  Handtellergrösse  ohne  Wundstörung  in  den 
Gelenken  zur  Einheilung  gelangt.  Die  spezielle  funktionelle  In¬ 
anspruchnahme  des  Fettlappens  im  Gelenk  bedingt  ein  anderes  End¬ 
ergebnis  der  Regenerationsvorgänge  im  Fettlappen,  als  wenn  er  ins 
Subkutangewebe  verpflanzt  worden  ist,  indem  die  Neubildung  von 
Bindegewebe  zwischen  den  lastenden  und  sich  bewegenden  Knochen¬ 
enden  mehr  in  den  Vordergrund  tritt.  Dort  aber,  wo  bei  der  funktio¬ 
neilen  Inanspruchnahme  Fettgewebe  bestehen  bleiben  kann,  findet 
Sich  nach  anfänglichen  Degenerationsvorgängen  nach  etwa 
24  Wochen  wieder  normales  Fettgewebe.  Ueber  die  feineren  histo¬ 
logischen  Vorgänge  wird  an  anderer  Stelle  berichtet  werden. 

Mit  der  Interposition  eines  freien  Fettlappens  sind  von  Röpke 
13  Gelenke  operiert  worden.  Sie  verteilen  sich  auf  Finger,  Hand, 
Ellenbogen-,  Schulter-,  Hiift-  und  Kniegelenk  bei  Fällen,  die  wegen 
veralteter  Luxation  synostotischer  und  fibrös  ankylotischer  Gelenke 
zur  Behandlung  kamen.  Am  Ellenbogengelenk  soll  vom  Kocher- 
Schnitt  aus  operiert  werden.  Die  Einheilung  erfolgte  in  allen  Fällen 
primär.  Die  funktionellen  Resultate  sind  gut. 

Auch  auf  dem  Gebiet  der  operativen  Behandlung  der  Gelenk¬ 
tuberkulose  hat  Vortr.  die  freie  Fetttransplantation  angewandt  und 
hier  wie  in  den  anderen  Fällen  neben  primärer  Heilung  ein  gutes 
funktionelles  Resultat  erzielt.  Am  Hüftgelenk  wurde  nach  Ent¬ 
fernung  der  erkrankten  Kapsel,  nach  Ausräumung  der  Pflanne  und 
Abtragung  des  erkrankten  Kopfes  der  Rest  des  Halses  modelliert,  der 
Pfannenraum  mit  einem  grossen  Fettlappen  ausgefüllt  und  hier  wie  in 
allen  anderen  Fällen  das  Gelenk  primär  geschlossen,  das  Gelenk  im 
Gipsverband  auf  3  Wochen  ruhiggestellt.  Danach  beginnen  aktive 
Bewegungen,  die  allmählich  mit  anderen  orthopädischen  Massnahmen 
kombiniert  werden.  Robuste  Bewegungen  sind  in  den  ersten  Wochen 
zu  unterlassen,  um  keine  Nachblutungen  beim  Losreissen  der  Lappen 
und  Störungen  der  aktiven  Bewegungsübungen  zu  veranlassen.  Am 
Kniegelenk  ist  von  2  seitlichen,  nach  hinten  konvexen  Bogenschnitten 
aus,  nach  T-förmiger  Spaltung  der  Faszie  Abtrennen  der  Seitenbänder 
von  den  Femurepikondylen,  die  erkrankte  Kapsel  exstirpiert,  die  Ge¬ 
lenkfläche  der  Patella,  der  Femur-  und  Tibiakondyien  bogenförmig 
abgetragen,  eine  Fossa  intercondylica  am  Femur,  eine  Aushöhlung 
der  Tibiakondyien  und  eine  Eminentia  capitata  wiederhergestellt,  das 
Femur  mit  einem  handtellergrossen  Fettlappen  überzogen,  ein  eben¬ 
solcher  in  das  Lager  des  oberen  Rezessus  durch  Nähte  fixiert,  die 
Seitenbänder  angenäht  und  das  Gelenk  geschlossen.  Nach  3  Wochen 
dauerndem  Gipsverband  Beginn  der  aktiven  Bewegungen  und  Mas¬ 
sage  der  sehr  atrophischen  Streckmuskulatur.  Die  Stellung  des 
Beines  ist  ausgezeichnet,  und  da  der  Streckapparat  bei  der  Operation 
in  keiner  Weise  geschädigt  ist.  kann  das  Bein  bereits  nach  8  Wochen 
in  Strecksteilung  gehoben  werden,  im  Pendelapparat  ist  zu  dieser  Zeit 
eine  Beugung  bis  zu  etwa  45°  bereits  möglich. 

ln  einem  Falle  mit  Ellenbogengelenktuberkulose  mit  alten  Fistel¬ 
narben  hat  sich  die  freie  Fettinterposition  ebenfalls  sehr  gut  bewährt. 

Vortr.  empfiehlt  auf  Grund  seiner  klinischen  und  experimentellen 
Beobachtungen  den  freitransplantierten  Fettlappen  als  ausgezeichnetes 
Interpositionsmaterial  in  der  Gelenkchirurgie,  auch  bei  noch  bestehen¬ 
der  Tuberkulose. 

Herr  Fr.  K  ö  n  i  g  -  Marburg  a.  L. :  Klinische  und  experimentelle 
Beobachtungen  über  Elfenbeinimplantation. 

Im  Anschluss  an  früher  erfolgreiche  Implantationen  (Unterkiefer, 
Oberarm)  berichtet  K.  über  Einheilung  und  Technik.  Bei  guter 
Asepsis  treten  Knochen-  und  Weichteile  in  innigste  Beziehung  zum 
Elfenbein,  das  sogar  vom  Knochen  durchwachsen  und  substituiert 
wird.  Weichteile  besonders  wichtig.  Wenn,  wie  es  vorkommt,  ein 
grosser  Bluterguss  zu  fistulösem  Durchbruch  geführt  hat,  so  vermag 
eine  Umhüllung  des  Elfenbeins  mit  sekundärer  Muskelplastik  die  Fistel 
zum  Schluss  zu  bringen.  Bei  Infektion  ist  das  ausgeschlossen. 

Sichere  Verankerung  der  Elfenbeineinlagen  mit  dem  Knochen, 
innigste  Umhüllung  mit  den  forgfältig  zu  schliessenden  Weichteilen  ist 
Bedingung.  Die  grossen  Gelenke  machen  besondere  Schwierigkeiten; 
hier  können  vielleicht  die  Muskeln  direkt  an  die  Elfenbeinprothese 
vernäht  werden. 

Zu  den  erfolgreichen  Fällen  —  der  1912  vorgestellte  von  Elfen- 
beinkieferimplantation  ist  geheilt  geblieben  fügt  K.  einen  weiteren. 
Die  mitgebrachte  Patientin  trägt  seit  einem  Jahre  einen  Elfenbein¬ 
ersatz  eines  grossen  Teiles  des  Gelenks  (Trochlea  samt  handbreitem 
Stück  des  unteren  Humerus)  im  rechten  Ellbogen.  Sie  bewegt  das 
schmerzlose  Gelenk,  kann  mit  dem  Arm  heben,  es  besteht  keine 
Fistel. 

K.  empfiehlt  erneut  das  Elfenbein  bei  Frakturen,  bei  Knochen¬ 


defekten,  einschliesslich  Gelenkenden,  zu  implantieren.  Eine  grösst 
Arbeit  wird  die  genaueren  Daten  liefern. 

Herr  Eden- Jena:  Tendo-  und  Neurolysis  mit  Fettplastik. 

In  der  L  e  x  e  r  sehen  Klinik  wurde  in  6  einschlägigen  Fäll 
durch  Autoplastik  Fett  zur  Tendo-  und  Neurolysis  benutzt.  Bei  j 
Tendolysis  handelte  es  sich  um  eine  sekundäre  Verwachsung  d 
Extensorensehnen,  bei  der  durch  Fetttransplantation  eine  vo 
kommene  Streckfähigkeit  erzielt  wurde.  Bei  den  4  Fällen  von  Neur 
lysis  konnte  einer  nicht  nachuntersucht  werden,  und  einer  ist  er 
vor  4  Wochen  operiert.  In  den  beiden  übrigen  Fällen  handelte 
sich  um  eine  Medianuslähmung,  die  durch  Salvarsaninjektion  er 
standen  war,  und  um  eine  Radialislähmung  nach  Radiusfraktur, 
beiden  Fällen  wurde  durch  Lösung  der  Nerven  aus  den  Veiwac 
sungen  und  Umhüllung  mit  Fett  eine  Heilung  der  Lähmung  erzie 

Herr  Rehn  -  Jena  demonstriert  Patienten  aus  der  L  e  x  e  r  sehr 
Klinik,  bei  denen  durch  autoplastische  Sehnentransplantation  ei: 
Heilung  von  Sehnenverletzungen  erzielt  wurde. 

Es  wurden  im  ganzen  8  Patienten  operiert,  von  denen  4  demoj 
striert  werden  konnten. 

1.  Verletzung  der  Strecksehne  des  Zeigefingers  und  Sekunda 
Infektion.  Transplantation  der  Sehne  des  Palmaris  longus.  2.  Vei 
letzung  der  Strecksehne  des  zweiten,  dritten,  vierten  und  fünfti 
Fingers  mit  sekundärer  Infektion.  Ersatz  durch  die  Sehne  des  Exte 
sor  communis  vom  Fusse.  3.  Verletzung  der  Beugesehnen  des  viert* 
und  fünften  Fingers  mit  sekundärer  Infektion.  Ersatz  durch  die  Seh 
des  Palmaris  longus. 

in  sämtlichen  3  Fällen  vollkommene  Resultate. 

Im  4.  Fall  waren  beide  Beugesehnen  des  vierten  Fingers  vej 
loren  gegangen  und  durch  den  Palmaris  longus  ersetzt  worden.  R: 
sultat  fast  vollkommen. 

Herr  S  c  h  m  i  e  d  e  n  -  Berlin:  Ersatz  von  Unterkieferdefekten. 

Der  Vortr.  hat  sehr  viel  Gelegenheit  gehabt,  Erfahrungen  üb 
die  freie  Knochenverpflanzung  zu  sammeln,  und  bevo 
zugt  dieses  Verfahren  auch  für  den  Ersatz  von  Kontinuitätsdefekb 
des  Unterkiefers.  Er  zeigt  einen  Patienten,  dem  durch  Knoche: 
eiterung  mit  Sequesterbildung  fast  der  ganze  linksseitig 
horizontale  Unterkieferast  verloren  gegangen  war  und  bei  de: 
Operationen  von  anderer  Hand  zur  Wiederherstellung  der  Kontinuitj 
des  Knochens  versagt  hatten.  Mit  Prothesenbehandlung  war  nick 
mehr  zu  erreichen,  da  kaum  noch  Zähne  vorhanden  waren.  Unter  Vd 
legung  einer  schematischen  Zeichnung  erörtert  Vortr.,  wie  er  dur 
6  feste  Drahtnähte  eine  starke  Knochenspange  zum  Ersatz  des  D 
fektes  einfügte,  nachdem  die  stark  atrophischen  Stümpfe  unter  pei 
licher  Vermeidung  einer  Eröffnung  der  Mundhöhle  freigelegt  wäre! 
Während  der  Operation  und  später  bis  zum  Festwerden  des  Implanta 
wurde  durch  eine  von  Prof.  Schröder  angefertigte  Prothese  d 
richtige  Stellung  des  ganzen  Unterkiefers  garantiert.  Ideale  He 
lung  mit  voller  knöcherner  Festigkeit.  In  einem  zwt 
ten  Falle  von  traumatischem  Defekt  des  Unterkiefer 
wurde  ebenfalls  die  freie  Knochenplastik  angewandt  mit  Einsetzui 
eines  ganz  besonders  nach  Modell  geformten  Knochenstückes  aus  d 
Tibia,  welches  durch  seine  Gestalt  eine  Spreizung  der  zu  der  tyi 
sehen  Dislokation  der  losen  Unterkieferfragmente  neigenden  Stümp 
gewährleistete.  In  dieser  Stellung  wurde  das  an  einer  Zeichnui 
illustrierte  Knochenersatzstück  mit  Drahtnähten  fest  fixiert.  Leid: 
verstarb  der  Kranke  vor  der  Heilung  an  Pneumonie. 

Der  Vortr.  fordert,  Unterkieferdefekte  nach  Möglichkeit  dun 
freie  Knochenverpflanzung  zu  decken,  die  beim  Geschlossenbleibt 
der  Mundhöhle  während  der  Operation  beste  Chancen  für  Einheilu 
und  spätere  knöcherne  Festigkeit  bieten.  Die  Knochenstücke  müsst 
durch  absolut  sichere  Drahtnähte  eine  primäre,  hochgradige  Festi 
keit  erlangen  und  müssen  sorgfältig  nach  Form  zugeschnitten  sei 
Während  und  längere  Zeit  nach  der  Operation  muss  eine  Prothe1 
für  Normalstellung  der  Unterkieferfragmente  Sorge  tragen. 

Herr  Hayward  -  Berlin  berichtet  über  4  Fälle  von  Fetttran 
plantation  aus  der  Bier  sehen  Klinik.  Es  handelte  sich  hiebei  u 
teilweise  oder  vollkommene  Entfernung  der  Mamma  wegen  gutartig 
Affektion,  bei  denen  der  Defekt  durch  autoplastische  Fetttranspla 
tation  ersetzt  worden  war. 

Das  kosmetische  Resultat  war,  wie  die  Demonstration  ergab,  e 
gutes. 

Herr  Ach- München:  Faszientransplantation  zum  Zwecke  d 
Rektopexie  und  Nephropexie. 

Bei  der  Rektopexie  geht  Vortr.  dermassen  vor,  dass  er  mitte 
suprasymphysären  Querschnittes  bei  Beckenhochlagerung  und  sta 
kem  Anziehen  des  Colon  pelvinum  den  Douglas  freilegt.  Nach  Inzisi« 
der  Peritoneums  mobilisiert  er  ringsherum  das  Rektum  sehr  weit  na 
unten  bis  in  die  Nähe  des  Sphinkters,  ausserdem  dringt  er  \u 
zwischen  Scheide  und  Rektum  nach  unten  vor.  Nun  entnimmt  er  de 
Oberschenkel  einen  etwa  25  cm  langen,  8  cm  breiten  Lappen  d* 
Fascia  lata  und  überträgt  ihn  als  Fixationsmaterial  für  das  Rektu 
und  die  Vagina.  Der  unten  längsgespaltene  Lappen  wird  mit  de 
einen  Streifen  hinten  um  das  Rektum  fast  zirkulär  herumgeführt  ui 
mit  einer  grösseren  Anzahl  von  Nähten  am  Rektum  fixiert.  D' 
andere  Streifen  wird  vorne  zwischen  Rektum  und  Vagina  weit  nat 
unten  gebracht  und  mit  seinen  freien  Rändern  zunächst  am  Rektu 
und  dann  auch  an  der  oberen  Hälfte  der  Vagina  fixiert.  Um  A 
häsionen  vorzubeugen,  wird  der  Faszienlappen  extraperitoneal  g 
lagert,  und  zwar  derart,  dass  das  Peritoneum  nach  Herauspräparier* 
und  Zurücklagern  des  rechten  Ureters  durch  das  rechte  Ligament« 


?9.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


947 


atum  bis  zum  horizontalen  Schambeinast  unterminiert  wird.  Hier 
vird  nun  der  Faszicnlappen,  nachdem  durch  starkes  Anziehen  des- 
.elben  Rektum  und  Vagina  so  weit  als  möglich  nach  oben  gezogen 
ind,  mit  einer  Reihe  von  Knopfnähten  am  Cooper  sehen  Ligament 
ixiert.  Der  freistehende  Rand  wird  nun  abermals  extraperitoneal  in 
lie  Hauchdeckenwunde  verlagert  und  hier  an  der  Muskulatur  mit 
Nähten  fixiert. 

Nach  dieser  Methode  hat  Vortr.  vor  %  Jahr  eine  Patientin  mit 
lochgradigem  Mastdarm-  und  Scheidenprolaps  operiert.  Der  Faszien¬ 
appen  heilte  glatt  ein,  und  die  Patientin  ist  trotz  des  ausserordentlich 
Erweiterten  geschwächten  Beckenbodens  rezidivfrei. 

Zum  Zwecke  der  Nephropexie  hat  Vortr.  ebenfalls  als  Fixations- 
uaterial  einen  Faszienlappen  verwendet.  Der  Gang  der  Operation 
var  folgender: 

Freilegen  der  Niere  mit  Simon  schem  Lendenschnitt  und  Luxa- 
lon  derselben.  Hierauf  wird  an  der  vorderen  wie  an  der  hinteren 
•lache  der  Niere  eine  etwa  7  cm  lange  Inzision  durch  die  Capsula 
ibrosa  stumpf  von  dem  Nierenparenchym  von  einer  Inzision  über  die 
(onvexitäat  der  Niere  zur  anderen  Inz.ision  abgelöst.  Einen  etwa 
,‘Ü  cm  langen  und  6  cm  breiten,  dem  Oberschenkel  entnommenen 
-'ascia-lata-Lappen  zieht  man  nun  von  einer  Inzision  zur  anderen 
mter  der  Capsula  fibrosa  hindurch  und  vernäht  die  beiden  Inzisionen, 
ndem  man  hierbei  gleichzeitig  den  Faszienlappen  mit  jeder  einzelnen 
'Iaht  zweimal  durchsticht.  Als  Endresultat  hat  man  nun  die  in  ihrem 
>.psula-fibrosa-Sack  vollständig  eingehüllte  Niere  mit  einem  derben 
•orderen  und  hinteren  Zügel,  die  sich  zur  Fixation  sehr  gut  eignen, 
(ach  Reposition  der  Nierer  werden  diese  Zügel  an  das  tiefe  wie  an  das 
»berflächliche  Blatt  der  Fascia  lumbodorsalis  fixiert. 

Vortr.  hatte  bis  jetzt  Gelegenheit,  bei  10  Patienten  die  erwähnte 
dethode  durchzuführen.  Die  ersten  Operationen  liegen  schon  fast 
’  Jahre  zurück.  Die  Faszienlappen  heilten  in  allen  Fällen  glatt  ein. 
'er  operative  Erfolg  ist  in  allen  10  Fällen  ein  vollständiger,  es 
vurde  keine  Niere  mehr  mobil,  der  kurative  Erfolg  ist  in  allen  bis  auf 
inen  Fall  vorhanden,  hier  handelte  es  sich  um  eine  Hysterica,  die 
war  eine  Besserung  zugibt,  aber  nicht  geheilt  ist. 


34.  Baineologenkongress 

zu  Berlin  vom  26.— 30.  März  1913. 

Referent:  Dr.  Max  Hirsch  in  Bad  Salzschlirf. 

Protektorat :  Prinz  August  Wilhelm  von  Preussen. 

Vorsitzender:  Geheimrat  Prof.  B  r  i  e  g  e  r  -  Berlin. 

II. 

Von  aktuellem  Interesse  waren  die  Referate  über  die  Diät  in 
(urorten,  welche  Herr  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin,  Herr  Pariser  -  Hom- 
>urg  v.  d.  H.  und  Herr  L  i  n  o  s  s  i  e  r  -  Vichy  erstatteten. 
r  Herr  Straus s  betonte,  dass  man  der  rationellen  Diät  in  den 
(urorten  immer  noch  kein  genügendes  Interesse  entgegenbringt,  so 
ehr  auch  diese  Frage  hervorgehoben  worden  sei  Abgesehen  davon, 
lass  in  den  Kurorten  überhaupt  eine  Verpflegungsreform  zu  wiin- 
chen  ist,  vor  allem  in  dem  Sinne,  dass  man  den  Fleischgenuss  ein- 
chrünkt  und  das  Gemüse  mehr  berücksichtigt,  müssten  besonders 
n  solchen  Badeorten,  die  bestimmte  Krankheitsgruppen  als  Indika- 
lonen  bezeichnen,  die  Möglichkeit  gegeben  sein,  eine  rationelle,  der 
vrankheit  entsprechende  Diät  zu  erhalten.  Es  handelt  sich  vorzüg- 
ich  um  Krankheiten  der  Verdauungsorgane,  Diabetes,  Gicht  und 
herenkrankheiten.  Zum  Schluss  gibt  Referent  Mittel  und  Wege  an, 
vie  man  eine  rationelle  Diät  in  den  Kurorten  durchführt. 

Herr  Pariser  wies  auf  die  praktischen  Schwierigkeiten  einer 
a\  eckrnässigen  Diät  in  den  Kurorten  hin,  die  hauptsächlich  von  den 
lotehers,  Pensionsinhabern,  Köchen  und  sonstigen  Gastronomen  aus- 
.ingen.  Eine  rationelle  Kurdiät  ist  nur  dann  möglich,  wenn  ausser 
lern  Arzt  und  Patienten,  die  heute  den  Wert  der  Diät  für  die  Kran- 
.enbehandlung  hochschätzen,  auch  die  Gastronomen  mittun.  Dass 
ine  rationelle  Krankendiät  in  den  Kurorten  durchgeführt  wird,  liegt 
m  Interesse  der  Badeverwaltungen  wie  der  Aerzte.  In  kleinen  Kur- 
Tten  genügt  der  persönliche  Einfluss  der  Aerzte  vollkommen.  In 
:rösseren  Kurorten  müssen  aber  besondere  Mittel  und  Wege  ge¬ 
linden  werden.  Karlsbad  hat  es  dadurch  versucht,  dass  es  Koch- 
■  urse  für  Aerzte  einrichtete,  Salzbrunn  durch  Kochkurse  für  Logier- 
niusbesitzer,  Salzschlirf  durch  Belehrung  über  die  Bedeutung  der 
hat  und  ihrer  Technik  in  der  Badezeitung,  Homburg  und  Kissingen 
lurch  bestimmte  Diätvorschriften. 

Herr  Linossier  wies  auf  die  Fortschritte  bin,  welche  die 
wissenschaftliche  Diät  in  den  Kurorten  Frankreichs  gemacht  hat. 

In  Anschluss  an  diese  Referate  entwickelte  sich  eine  lebhafte 
nskussion,  in  der  eine  von  Herrn  S  t  r  a  u  s  s  eingebrachte  Resolu- 
!on  angenommen  wurde,  dass  von  massgebender  ärztlicher  Seite  die 
Durchführung  einer  rationellen  Diät  in  den  Kurorten  für  absolut  er- 
orderlich  erklärte,  und  dass  die  Aerzte  ihre  Patienten  nur  in  solche 
vurorte  schicken  sollten,  die  das  ernste  Bestreben  zeigen,  die  Kranken 
'ach  wissenschaftlichen  Prinzipien  zu  ernähren. 

Herr  Schrumpf- St.  Moritz  berichtete  über  die  chronischen 
'ahrungsmittelvergiftungen  in  den  Kurorten,  die  sich  in  der  Form  von 
’armkatarrhen  und  leichten  Ptomainvergiftungen  zeigten,  welche 
hauptsächlich  dadurch  hervorgerufen  würden,  dass  man  in  ab- 
clegenen  Kurorten  die  Nahrungsmittel  nur  schwer  in  frischem  Zu- 
tande  erhalte. 


Herr  Best -Rostock  erklärte  die  Wirkungsweise  von  salinischen 
Abführmitteln  und  zeigte,  dass  die  physiologischen  Kochsalzlösungen 
und  diejenigen  Mineralsalzwässer,  deren  Salzkonzentration  der 
physiologischen  Kochsalzlösung  entspricht,  den  Magen  am  schnellsten 
vei  lassen  und  auch  den  Weg  durch  den  Darm  sehr  schnell  nehmen. 
Die  salinischen  Abführmittel  wirkten  nicht  nur  dadurch,  dass  sie  den 
Kot  vei  dünnten,  sondern  auch  durch  Hervorrufen  einer  erregteren 
Peristaltik. 

Herr  L  e  w  i  n  s  o  h  n  -  Altheide  sprach  zur  klinisch-balneologi- 
schen  Therapie  der  Kreislaufstörungen  und  betonte  den  Wert  der  Kom¬ 
bination  von  Kohlensäurebädern  mit  Ruhebehandlung.  Die  vielfach 
unzureichende  Gelegenheit,  nach  Kohlensäurebädern  ruhen  zu  können, 
verbietet  die  Anwendung  dieser  therapeutisch  wichtigen  Massnahmen 
bei  schwereren  Herzkranken,  die  in  solchen  Kurorten,  wo  Kohlen¬ 
säurebäder  sind,  am  besten  im  Sanatorium  untergebracht  werden. 

Herr  Reicher-  Mergentheim  gab  wertvolle  Beiträge  zur  Klinik 
und  Balneotherapie  des  latenten  Diabetes.  Er  hob  hervor,  dass  es 
viele  Fälle  von  Diabetes  gibt,  bei  denen  sich  der  Zucker  nicht  im 
Harn  nachweisen  lässt,  dagegen  nach  der  Reicher-Stein  sehen 
Methode  im  Blut.  Diese  Fälle  von  Diabetes  rufen  vielfach  diabetische 
Sekundärsymptome  hervor,  wie  Ischias,  Nervenschmerzen.  Furunku¬ 
lose,  Karbunkel,  Ekzeme,  Zahnfleischerkrankungen,  Linsentrübungen, 
unmotivierte  Gewichtsstürze  etc.  Die  antidiabetische  Behandlungen^ 
diätetischen  Massnahmen  und  Trinkkuren  beeinflussen  den  latenten 
Diabetes  ausgezeichnet,  wie  Vortragender  an  der  Mergentheimer 
Karlsquelle  nachweisen  konnte. 

Herr  Eduard  W  e  i  s  z  -  Pistyan  sprach  über  die  Temperatur¬ 
verhältnisse  kranker  Gelenke.  Er  stellte  die  Möglichkeit  in  Abrede, 
differentialdiagnostisch  auf  dem  Wege  lokaler  Temperaturmessungen 
zwischen  Tuberkulose  und  Rheumatismus  unterscheiden  zu  können. 
Bei  allen  Gelenkerkrankungen  ist  die  gesteigerte  Hauttemperatur  iiber 
ihnen  ein  Zeichen  dafür,  dass  die  Heilung  noch  nicht  vollständig  er¬ 
folgt  ist  oder  Nachschübe  drohen.  Die  Therapie  muss  besonders  vor¬ 
sichtig  gehandhabt  werden.  Vortragender  erinnerte  noch  an  die  von 
ihm  angegebene  Tatsache,  dass  selbst  benachbarte  Hautstellen  sich 
sowohl  unter  physiologischen  als  auch  pathologischen  Verhältnissen 
thermisch  individuell  verhalten. 

Herr  Krone-  Soden/Werra  teilte  praktische  vergleichende  Er¬ 
fahrungen  in  der  Balneotherapie  der  Kreislaufstörungen  im  Kohlen¬ 
säurestahlbad  und  im  Solbad  mit.  Ein  Vergleich  der  verschiedenen 
Bädergruppen  ergab, ^  dass  Kohlensäurestahlbäder,  kohlensaure  Sol¬ 
bäder  und  einfache  Solbäder  das  kranke  Herz  günstig  beeinflussten. 
Unterschiede  zwischen  den  einzelnen  Bädergruppen  sind  durch  die 
Aetiologie  der  Erkrankung  gegeben.  In  grossen  Zügen  lässt  sich 
sagen,  dass  man  anämische  Herzkrankheiten  am  besten  mit  Kohlen¬ 
säurestahlbädern  behandelt,  skrofulöse  und  solche  Herzleiden,  die 
durch  Affektionen  der  Atmungsorgane  und  Rheumatismus  bedingt 
sind,  mit  kohlensauren  oder  einfachen  Solbädern  am  besten  beein¬ 
flusst,  während  bei  Arteriosklerose  die  einfachen  Solbäder  indiziert 
sind. 

Herr  S  c  h  ü  t  z  e  -  Kosen  besprach  die  Behandlung  der  Tuberku¬ 
lose  mit  Kalzium-Ichthyol.  Nachdem  Vortragender  jahrelang  die  Be¬ 
einflussung  fieberhafter  Infektionskrankheiten  mit  Kalziumchlorid¬ 
lösungen  studiert  hat,  kam  er  bei  dem  Suchen  nach  einer  reizlosen 
neutralen  Kalklösung  für  die  Behandlung  der  Tuberkulose  auf  den 
Gedanken,  eine  Ichthyollösung  anzuwenden.  Dabei  stellten  sich  keine 
Reizerscheinungen  ein,  wobei  die  Beeinflussung  der  Tuberkulose 
eine  ganz  besonders  gute  war.  Die  Temperatur  fiel  ab,  das  Gewicht 
nahm  zu.  Nachtschweisse,  Husten  und  Auswurf  verschwanden.  Die 
Leukozyten  zeigten  zahlreiche  eingeschlossene  Tuberkelbazillen. 
Diese  Erscheinung  ist  als  Wirkung  des  Kalkes  anzusehen,  der  die 
Fresslust  der  Leukozyten  steigert,  wie  schon  von  anderer  Seite  nach¬ 
gewiesen  wurde. 

Herr  Goldschmidt  -  Reichenhall  berichtete  über  die  neueste 
Therapie  bei  Asthmaanfällen  und  betonte,  dass  man  vielfach  Erschei¬ 
nungen  als  Asthma  bezeichnet,  die  gar  kein  Asthma  sind,  besonders 
chronische  Bronchitiden.  Die  Diagnose  Asthma  darf  nur  nach  sorg¬ 
fältiger  Untersuchung  des  Sekretes  gestellt  werden. 

Herr  S  i  e  b  e  1 1  -  Flinsberg  teilte  seine  Beobachtungen  über  das 
Verhalten  des  Blutdruckes  im  Mittelgebirge  mit.  Das  Klima  des 
Mittelgebirges  allein  ist  ohne  jede  andere  Behandlung  imstande,  den 
erhöhten  Blutdruck  der  Arteriosklerotiker  herabzusetzen  und  anderer¬ 
seits  den  Blutdruck  der  Anämischen  zu  steigern.  Allerdings  genügt 
hierfür  die  übliche  Kurdauer  von  4 — 6  Wochen  nicht,  wenn  auch 
der  Hämoglobingehalt  zu  normalen  Werten  gelangt. 

Herr  H  i  r  s  c  h  -  Salzschlirf  unterzog  die  Frage  der  Arterioskle¬ 
rose  vor  dem  30.  Lebensjahre  einer  eingehenden  Kritik  und  gab  der 
Ansicht  Ausdruck,  dass  die  in  der  Literatur  angegebenen  Fälle  von 
Arteriosklerose  in  der  frühesten  Kindheit  wohl  sicher  zum  grössten 
Teil  keine  Arteriosklerose  waren,  sondern  nervöse  Erscheinungen. 
Ebenso  dürfte  die  Arteriosklerose  der  Pubertätszeit  nicht  als  sicher 
aufzufassen  sein.  Dagegen  ist  die  Arteriosklerose  zwischen  dem  20. 
und  30.  Lebensjahr  viel  häufiger  vorhanden,  als  man  gewöhnlich  an¬ 
nimmt.  Es  muss  erstrebt  werden,  die  Diagnose  der  Arteriosklerose 
so  früh  wie  möglich  zu  stellen  und  die  Behandlung  möglichst  früh¬ 
zeitig  einzuleiten,  um  die  Prognose  der  Krankheit  günstiger  zu  ge¬ 
stalten. 

Herr  Rheinboldt  -  Kissingen  gab  Methodologisches  zur  Mine¬ 
ralwassertherapie  der  habituellen  Obstipation  an.  ln  dieser  Frage 

fehlt  es'  vielfach  an  einer  rationellen  Dosierung  auf  physiologischer 


948 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17. 


Basis.  Es  ist  für  die  Praxis  durchaus  notwendig,  mit  den  grossen 
Dosen  zu  brechen,  welche  einen  augenblicklichen  Erfolg  der  Brunnen¬ 
kuren  Vortäuschen,  aber  den  Darm  schliesslich  doch  schädigen.  Man 
sollte  nur  solche  Dosen  anwenden,  welche  eben  ausreichten,  um  einen 
Stuhlgang  zu  erzielen. 

Herr  V  o  1 1  in  e  r  -  Kreuznach  berichtete  über  Kinderheilstätten 
in  Sol-  und  Seebädern  und  betonte  die  Notwendigkeit  der  Für¬ 
sorge  für  skrofulöse  Kinder  mit  Drüsenschwellungen,  bei  denen  man 
mit  der  Prophylaxe  viel  erreichen  kann.  Die  Schulärzte  sollten  es  als 
eine  ihrer  wichtigsten  Aufgaben  ansehen,  die  richtige  Auswahl  unter 
den  Kindern,  die  nach  den  Sol-  und  Seebädern  geschickt  werden 
sollen,  zu  treffen,  eine  Frage,  die  von  den  verschiedensten  Faktoren 
abhängt. 

Herr  Stemraler- Ems  teilte  s°ine  Erfahruntren  über  die  aktive 
Pneumatotherapie  der  Residuen  von  Pleuritis  mit.  Es  gelingt  mit 
diesem  Verfahren,  die  Schwartenbildungen  und  Verwachsungen  nach 
der  Pleuritis  zu  vermeiden,  wenn  man  es  so  früh  wie  möglich  in  An¬ 
wendung  bringt  und  möglichst  individualisierend  vorgeht. 

Herr  Klotz-  Tübingen  empfahl  das  Hypophysenextrakt  zur  Be¬ 
handlung  der  akuten  Blutdrucksenkungen,  da  es  eine  lebhafte  Kon¬ 
traktion  der  kleinsten  Blutgefässe  und  dadurch  eine  Steigerung  des 
Blutdrucks  hervorruft,  wobei  gleichzeitig  die  Herztätigkeit  gesteigert 
wird.  Das  Präparat  kommt  überall  da  in  Frage,  wo  eine  Blutdruck¬ 
senkung  infolge  von  Gefässerschlaffung  im  Splanchnikusgebiet  vor¬ 
handen  ist,  z.  B.  bei  akuten  Blutverlusten,  operativem  Schock  und 
toxischen  Blutdrucksenkungen.  Die  Kombination  mit  intravenöser 
Kochsalzinfusion  erhöht  die  Wirkung  des  Präparates  bedeutend. 

Herr  Röchling-  Misdroy  erörterte  die  veränderte  Bewertung 
des  deutschen  See-  und  Küstenklimas.  Er  verwirft  den  allgemeinen 
Brauch,  das  Klima  eines  Kurortes  einseitig  nach  der  Luftwärme  zu 
bestimmen  und  empfiehlt  die  Beobachtung  von  Sonnenbestrahlung, 
Luftfeuchtigkeit  und  vor  allem  Luftbewegung.  Klimatische  Unter¬ 
suchungen  unter  diesem  Gesichtspunkte  werden  jetzt  an  der  deutschen 
Küste  ausgeführt. 

Herr  Nicolas-  Westerland  a.  Sylt  sprach  über  den  Einfluss 
von  Nordseekuren  auf  das  Asthma.  Er  zeigte  an  den  Patientinnen 
aus  dem  Hanseatischen  Genesungsheim,  welche  12  Jahre  lang  be¬ 
obachtet  wurden,  die  günstige  Einwirkung  der  Nordsee  auf  das 
Asthma,  besonders  bei  denjenigen  Patientinnen,  die  zu  Hause  unter 
hygienisch  ungünstigen  Verhältnissen  lebten. 

Herr  F  r  a  n  k  e  n  h  ä  ii  s  e  r  -  Berlin  referierte  über  die  Grunil- 
züee  einer  vergleichenden  Klimatik  der  Kurorte,  deren  Notwendigkeit 
er  hervorhob.  Zur  Bestimmung  eines  der  wichtigsten,  aber  nicht  ge¬ 
nügend  beachteten  klimatischen  Faktors,  nämlich  der  Geschwindig¬ 
keit,  mit  welcher  die  Atmosphäre  dem  Menschen  die  Körperwärme 
entzieht,  hat  er  das  Homöotherm  angegeben. 

Herr  L  i  I  i  e  n  s  t  e  i  n  -  Nauheim  betonte  die  Bedeutung  der  von 
ihm  eingeführten  PhHiostas“  als  physikalisches  Heilmittel  bei  Kreis¬ 
laufstörungen.  Der  Phlebostat  wird  einivemale  je  1 — 2  Minuten  lang 
an  beide  Arme  angelegt:  er  steigert  den  Druck  wesentlich  und  schafft 
eine  Erleichterung  der  Tätigkeit  des  rechten  Ventrikels,  die  sich  in 
einer  Vertiefung  der  Atmung.  Verminderung  der  Atemfrenuenz,  Ver¬ 
langsamung  des  Pulses  und  Abnahme  der  Zvanose  kenntlich  macht. 

Herr  B  r  a  u  e  r  -  Hamburg  besprach  eingehend  die  Technik  der 
Entfettung  extrem  Ueberernährter.  Es  gelang  ihm  in  einem  exorbi¬ 
tanten  Falle  eine  Gewichtsabnahme  von  200  Pfd.  zu  erzielen.  Das 
Wesentliche  bei  der  starken  Entfettung  extrem  überernährter  Per¬ 
sonen  liegt  darin,  verschiedene  Mittel  zu  verschiedenen  Zeiten  anzu¬ 
wenden,  den  Fall  sorgfältig  zu  studieren  und  zu  beobachten.  Im 
grossen  und  ganzen  lassen  sich  in  der  Behandlung  3  Stadien  unter¬ 
scheiden.  Zunächst  wird  8  Tage  lang  die  Karellkur  angewandt.  In 
dieser  Zeit  werden  erhebliche  Gewichtsabnahmen  erzielt.  Im  zweiten 
Stadium  beginnt  er  ganz  allmählich  das  Herz  zu  üben,  indem  er  mit 
langsamsten  Bewegungen  anfängt  und  sie  allmählich  steigert.  Zu 
gleicher  Zeit  reguliert  er  die  Ernährung,  die  besonders  in  dieser  Zeit 
möglichst  salzarm  sein  muss.  Im  dritten  Stadium  traten  energische 
Herzübung  und  Arbeit  in  den  Vordergrund.  Die  Ernährung  muss  salz¬ 
frei  sein.  In  di°setn  Stadium  können  auch  je  nach  dej'  Lage  der 
Dinge  Mineralwasserkuren  und  andere  Heilmittel  zur  Anwendung 
kommen. 

Herr  Wvbauw  -  Spa  teilte  seine  Versuche  an  einem  Kreislauf¬ 
modell  mit  Hinsicht  auf  die  Kohlensäurebäder  mit.  Die  Wirkung  des 
Kohlensäurebades  hängt  nicht  nur  von  den  Eigenschaften  des  Bades 
ab,  sondern  auch  von  dpm  Zustande  des  Patienten.  Deshalb  hat  Vor¬ 
tragender  an  einem  künstlichen  Modell  mit  gläsernen  Röhren  und 
rhvthmisch  unterbrochenem  Zuf|uss  Versuche  mit  Kohlensäurebädern 
gemacht,  um  die  psvchischen  Momente  auszusehalten  und  die  reine 
Wirkung  des  Bades  studieren  zu  können.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass 
die  auf  den  Rlutdruek  wirksamen  Faktoren  bei  den  einzelnen  Pa¬ 
tienten  verschieden  einwirken  müssen  und  dass  die  Gefässknntraktion 
nicht  immer  identisch  ist  mit  einer  Vermehrung  der  Herzarbeit. 

Herr  Kuhn-  Sehlachtensee  berichtete  darüber,  dass  er  b°i  Re¬ 
kruten  vielfach  leichtere  Fälle  von  BaseOowerkrankung  beobachtet 
hat  und  dass  diese  Fälle  gerade  beim  Militärdienst  eine  Besserung 
erfuhren. 

H°rr  Bruns-  Marburg  a.  d.  Lahn  sprach  über  die  weitere  Aus¬ 
gestaltung  der  Ilnlerdrnckatmiin«,  die  sich  in  der  Behandlung  der 
Atmungs-  und  Kreislaufstörungen  ausserordentlich  bewährt  bat.  Das 
Prinzip  hesteht  darin  dass  man  eine  dauernde  Orw-Wliffcröii"  zwi¬ 
schen  dem  Lurftdrtick  auf  der  Aussenfläche  des  Körpers  und  dem 


künstlich  herabgesetzten  Druck  im  Lungeninnern  schafft,  wodurch  eine 
Erweiterung  der  Strombahn  des  Lungenkreislaufes  entsteht,  weiche 
die  Tätigkeit  des  rechten  Herzens  erleichtert.  Infolgedessen  ist  sie 
angezeigt  bei  Störungen  der  Atmungsorgane  und  damit  verbundener 
Ueberlastungen  des  kleinen  Kreislaufes  sowie  bei  einer  Reihe  vor 
Herzkrankheiten,  wie  Mitralfehlern,  Koronarsklerose  und  Fettherz. 
Bei  Anämien  hat  sich  eine  Steigerung  des  Hämoglobingehaltes  unter 
dem  Einfluss  der  Unterdruckatmung  gezeigt,  die  heim  Bronchi.il- 
asthma  eine  gute  Methode  der  Atmungsgymnastik  darstellt. 

Herr  Hirsch-  Nauheim  konnte  in  seinem  Vortrag  zur  Be¬ 
handlung  von  Herzschwäche  und  Kreislaufstörungen  mit  der  Bruns- 
schen  Unterdruckatmung  die  Angaben  von  Bruns  bestätigen  und 
ergänzen.  Schon  früher  hat  Vortragender  bei  allen  Formen  von| 
Herzschwäche  die  Tiefatmung  empfohlen,  die  durch  das  Brunssche 
Verfahren  einen  wesentlichen  Ausbau  erfahren  hat.  Bei  Herz-! 
schwäche  zeigt  sich  unter  der  Anwendung  der  Unterdruckatmung 
eine  Besserung  sämtlicher  subjektiver  und  objektiver  Symptome.) 

Herr  Pick-  Berlin  behandelt  die  Dysbasia  angiosklerotica.  bei 
der  es  auf  eine  Beeinflussung  der  Viskosität  des  Blutes  und  eine 
bessere  Ernährung  der  erkrankten  Extremität  mit  Blut  ankommt, 
durch  eine  Kombination  von  Unterdruckatmung  mit  Jodinhalatiop. 
indem  er  trockene  Jodnebel  durch  Wasser  leitet  und  inhalieren  lässt, 
wobei  die  Erschwerung  der  Einatmung  durch  das  Wasser  den  Unter¬ 
drück  ersetzt. 

Herr  v.  Bergmann  und  Herr  H  a  p  k  e  -  Altona  haben  in  der 
Kreislauftherapie  bei  veränderten  Druckverhältnissen  der  Lungen! 
die  von  A  1  b  r  e  c  h  t  empfohlene  Kombination  von  Unter-  und  Leber¬ 
druck  angewandt  und  objektiv  eine  Besserung  feststellen  können, 
die  allerdings  nicht  allzulange  anhält.  Da  das  Verfahren  als  eine 
ausgezeichnete  Schonungstherapie  des  Herzens  anzusprechen  ist,  emp¬ 
fiehlt  es  sich  vor  allen  Dingen,  sie  überall  da  prophylaktisch  anzu-| 
wenden,  wo  eine  Dekomn°nsiation  d°s  Herzens  droht. 

Herr  F.  Meyer-  Kissingen  sprach  über  den  gastrokardiaUn 
Symptomenkomplex,  der  durch  den  Hochstand  des  linken  Zwerchfells 
hervorgerufen  wird  und  bei  labilem  Herzen  einen  Zustand  von  Atem¬ 
not-  Blutdruckerhöhune  und  Pulsunregelmässigkeit  hervorruft.  Der; 
Hochstand  des  Zwerchfells  wird  veranlasst  durch  Gasansammlimgen 
im  Magen.  Dementsprechend  kommt  es  bei  der  Therapie  hauptsäch-; 
lieh  darauf  an.  den  Verdauungskanal  zu  beeinflussen  und  die  vasodila- 
1  tatorischen  Mittel  erst  an  zweiter  Stelle  zu  verwenden. 

Herr  Wiszwianski  -  Charlottenburg  berichtete  über  die; 
manuelle  Behandlung  des  Kopfschmerzes,  besonders  durch  Nerven- 
massage.  Das  von  Cornelius  eingeführte  Verfahren  besteht  darin, 
die  über  den  ganzen  Körper  zerstreuten  Nervenpunkte  aufzusucher» 
und  durch  eine  besonders  ausgearbeitete  Form  von  Massage  zu  be-1 
ruhigen.  Die  Nervenpunkte  sind  beim  Kopfschmerz  und  namentlich 
b°i  der  Migräne  nicht  an  irgend  einen  anatomischen  Sitz  gebunden.; 
sondern  über  den  ganzen  Körper  verstreut. 

Herr  Fürstenberg  -  Berlin  untersuchte  den  Einfluss  ver¬ 
schiedener  physikalischer  Massnahmen  auf  die  Körpertemperatur 
des  Menschen  und  konnte  feststellen,  dass  di’  Diathermie  einen  An¬ 
stieg  der  durch  sie  beeinflussten  Körperpartie  hervorruft.  Am  stärk¬ 
sten  ist  der  Temperaturanstieg  in  der  lokal  erwärmten  Körper¬ 
region.  Er  geht  aber  nicht  parallel  der  Verstärkung  der  gegebenen 
Stromintensität.  AU  Grund  dafür  sieht  er  Regulationsvorgänee  au. 
die  bei  stärkerer  Wärmeintensität  von  der  Haut  aus  reflektorisch 
ausgelöst  werden. 

Mit  grosser  Spannung  wurde  die  Radiumsitzung  erwartet,  auf 
der  die  gelegentlich  des  vorigen  Baineologenkongresses  gewünschte) 
Nachprüfung  der  Frage,  ob  die  Radiumemanation  besser  durch  die  In¬ 
halationskur  oder  durch  die  Trinkkur  in  das  menschliche  Blut  ge¬ 
lange.  zur  Erörterung  kommen  sollte. 

Herr  Mache  und  Herr  Suess-Wien  untersuchten  die  viel- 
umstrittene  Frage  und  schickten  einen  Bericht  ein,  der  von  dem  Vor¬ 
sitzenden  verlesen  wurde.  In  diesem  Bericht  wurden  die  Versuehs- 
anordnungen  und  Messmethoden  eingehend  dargestellt  und  der  Schluss 
gezogen,  dass  vom  physikalischen  Standpunkt  aus  beide  Methoden; 
geeignet  erscheinen,  dem  Blut  Radiumemanation  zuzuführen  und  darin 
eine  längere  Zeit  hindurch  zu  erhalten.  Die  Entscheidung,  welche, 
von  den  beiden  Methoden  vorzuziehen  sei,  legen  sie  in  die  Hände  deij 
Mediziner,  glauben  aber,  dass  die  Inhalationsmethode  eine  exaktere 
Dosierung  zuliesse.  während  die  Trinkkuren  infolge  ihrer  grossen  Be¬ 
quemlichkeit  und  der  geringeren  Kosten  ihrer  Anwendung  bevorzugt 
zu  werden  verdienen. 

Die  Untersuchungen  in  dem  Radiologischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Heidelberg  von  Geheimrat  Lenard  wurden  von  Herrn 
Ramsauer  und  Herrn  Holthusen  angestellt.  Herr  Ram- 
sauer  übernahm  den  physikalischen  Teil  der  Arbeit  und  begründete 
eine  einwandfreie  Methode,  welche  die  prinzipiellen  Fehler  nach 
Möglichkeit  vermied.  Vor  allem  wurde  erstrebt,  die  Aktivierung  im 
Emanatorium  und  Thermostaten,  di°  Entnahme  des  Blutes,  die  voll¬ 
ständige  Entaktivierung  und  die  Messmethode  so  einwandfrei  wie 
möglich  zu  gestalten.  Auf  dieser  Basis  suchte  Herr  H  o  1 1  h  u  s  e  il  die 
absoluten  Werte  des  Absorotionskoeffizienten  festzustellen.  Bei  nor¬ 
malem  Blut  schwankten  die  Resultate  zwischen  0.295  und  0.325  bei 
völliger  Unabhängigkeit  vom  Partialdruck,  während  die  extremen 
Wert0  bei  An;Mui°  und  Polvzvtbämie  zwischen  0  22  und  0.17 
schwankten.  Entscheidend  war  der  Gehalt  an  roten  Blutkörperchen. 

Tm  A lisch  1  ii nn  P°f°r'>fo  foilto  f~Jprr  P.  I,  3  7  ZI  T  U  S  -i 

Berlin  seine  Ansicht  über  das  Verhalten  der  radioaktiven  Stoffe  im 


9.  April  I9li 


MUF.NüiiRNRR  MEDIZINISCH  f!  WOCHENSCHRIFT. 


919 


rganismus  mit  und  hob  besonders  hervor,  dass  hinsichtlich  der  Blut- 
iireicherung  und  der  Zerstörung  der  Blutharnsäure  durch  die  Radium- 
iianation  ein  grosser  Teil  der  früheren  Anschauungen  als  wider- 
gt  anzusehen  ist.  Nach  seiner  Ansicht,  die  viele  Anhänger  ge- 
inden  hat,  kann  das  Radiuinenianatorium  mit  seinen  minimalen 
osen  nicht  die  Wirkung  hervorrufen,  die  man  angegeben  hat.  Die 
manation  ist  jedenfalls  nicht  imstande,  die  Trinkkur  zu  ersetzen, 
ler  gar  an  die  Stelle  einer  Badeortkur  zu  treten.  Wir  können  thera- 
eutisch  nur  mit  grossen  Dosen  von  Emanation  etwas  erzielen,  sollen 
ns  aber  vor  Ueberschreitungen  der  Dosis  hüten,  wenn  wir  Gift- 
irkungen  vermeiden  wollen,  die  sich  in  Hyperämie  und  Blutungen  in 
ineren  Organen  äussern.  Das  Thorium  ist  insofern  wirksamer  und 
ifferenter,  weil  es  in  den  Organen  zum  weitaus  grössten  Teil  aufgc- 
raucht  wird,  während  von  der  Emanation  ein  grosser  Teil  den 
örper  ungenützt  verlässt. 

Herr  K I  s  c  h  -  Marienbad  betonte  die  IJebersehätzung  der  Radio- 
ktivität  als  Potenz  der  Heilquellen.  Die  Radioaktivität  ist  nach 
einer  Erfahrung  und  Beurteilung  nicht  imstande,  die  anerkannten 
hemischen  und  physikalischen  Heilquellen  in  den  Hintergrund  zu 
langen.  Es  ist  falsch,  den  Wert  der  Quellen  nach  dem  Orade  der 
adioaktivität  bemessen  zu  wollen.  Brunnenwasser  enthält  oft  mehr 
inheiten  als  anerkannte  Heilquellen,  die  mitunter  einen  auffallend 
eringen  Emanationsgehalt  zeigen.  Unsere  bekannten  radioaktiven 
luellen  enthalten  meist  auch  nur  solche  Mengen  von  Einheiten,  dass 
ie  weder  zu  Trink-  noch  zu  Badekuren  geeignet  sind  und  sich  auch 
ur  Speisung  von  kompliziert  angelegten  Emanatorien  nicht  eignen, 
ede  Heilquelle  ist  eine  Individualität  und  muss  als  Ganzes  betrachtet 
erden,  aber  nicht  nach  diesem  oder  jenem  Bestandteil,  sondern 
ach  der  Art  ihrer  Zusammensetzung  und  nach  ihren  Eigenschaften. 

Herr  Kernen-  Kreuznach  teilte  seine  Blutuntersuchmigen  bei 
er  Radiumtherapie  mit  und  zeigte  die  Ueberlegenheit  der  Trink- 
uren  gegenüber  dein  Emanatorium.  Die  bei  der  lnhalations^ur  aufge- 
ommene  Emanationsmenge  beträgt  1/s — lA  der  im  Luftliter  ent- 
altenen  Emanation.  Wohl  zeigt  sich  bei  der  Inhalation  im  Einana- 
jrium  eine  grössere  Ansammlung  radioaktiven  Niederschlages  auf 
er  Haut,  aber  keine  Vermehrung  an  Emanation  im  Blut.  Auch  die 
ataphorese  ist  nicht  imstande,  die  Emanation  in  den  Körper  dringen 
u  lassen.  Bei  Bädern  und  Kompressen  erfolgt  eine  Diffusion  von 
’.adium  durch  die  Haut. 

Herr  E  n  g  e  1  m  a  n  n  -  Kreuznach  sprach  über  die  Verteilung  von 
ladiumsalz-  und  Radiumemanationslösungen  nach  Einführung  in  die 

ilutbahn.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  eine  Aehnlichkeit  hinsichtlich 
eider  Methoden  besteht,  intraarteriell  injizierte  Radiumsalzlösungen 
leiben  in  erheblicher  Menge  in  den  von  der  betreffenden  Arterie 
ersorgten  Geweben  zurück,  während  der  Rest  sich  im  Körper  ver- 
eilt  und  das  Blut  bald  frei  wird.  Man  wird  daher  die  intraarteriellen 
Sektionen  überall  empfehlen,  wo  man  auf  bestimmte  Körpergegenden 
itensiv  einwirken  will,  etwa  bei  gynäkologischen  Erkrankungen. 

Herr  K  i  o  n  k  a  -  Jena  teilte  pharmakologische  Wirkungen  der 
ladiumemanation  mit.  Unter  dem  Einflüsse  der  Emanation  konnte 
r  eine  Förderung  des  Wachstums  der  grünen  Pflanzenteile  und  eine 
iemmung  des  Wurzelwaehstums  nachweisen.  Andere  Versuche 
eigten  eine  Hemmung  der  Leukozyteneinwanderung  unter  der  Ein- 
.irkung  von  ausserordentlich  verdünnten  Radiumemanationslösungen, 
ie  sich  übrigens  auch  bei  stark  verdünnten  Baryumlösungen  zeigten. 

Die  cege  Diskussion  über  die  Radiumfrage  zeigte,  dass  im  Ver- 
leich  zum  vorigen  Jahre  auf  diesem  Gebiete  vielerlei  geklärt  wurde 
nd  manche  Uebertreibung  als  eliminiert  anzusehen  ist. 

Herr  Rothschuh- Aachen  zeigte  die  Einwirkung  der  Thermal- 
uschemassage  auf  die  einzelnen  Urinbestandteile,  die  sich  praktisch 
>ei  einer  grösseren  Reihe  von  Krankheiten  bewährt  hat  und  eine 
Weigerung  der  Stoffwechselvorgänge  erkennen  lässt. 

Herr  G  ü  n  z  e  1  -  Soden  a.  T.  lieferte  einen  Beitrag  zur  Base- 
low  sehen  Krankheit,  die  er  als  einen  Reizzustand  des  Sympatikus- 
:eflechtes  ansieht  und  deshalb  die  L  e  d  u  c  sehen  Ströme  anwendet, 
reiche  eine  Herabsetzung  der  Sensibilität  hervorrufen. 

Herr  Schulhof-  Heviz  besprach  die  rheumatische  Poly- 
leuritis,  deren  Symptome  hauptsächlich  der  sensiblen  Sphäre  ange¬ 
boren,  wobei  allerdings  auch  motorische  Erscheinungen  nachweisbar 
ind-  Die  Erkrankung  zeigt  einerseits  die  Tendenz  zur  raschen  Bes- 
erung,  andererseits  auch  zu  Rezidiven.  Sie  lässt  sich  leicht  mit 
oxischen  und  arteriosklerotischen  Neuritiden  verwechseln  und  wird 
un  besten  im  Thermalbad  mit  Galvanisation  und  Zandergymnastik 
»ehandelt. 

Herr  Bosänyi-Pest  sprach  über  Wandlungen  in  den  An- 

ichten  über  den  Rheumatismus,  den  man  als  eine  Infektion  ansehen 
nuss.  Eine  rationelle  Behandlung  ist  nur  dann  möglich,  wenn  man 
he  Krankheitsursache  erforschen  und  eliminieren  kann.  Auch  hin- 
ichtlicli  der  harnsauren  Diathese  sind  noch  genaue  Erforschungen  des 
Jegriffes  zu  erstreben. 

Herr  Karo-Berlin  sprach  über  die  Pathologie  und  Therapie 

ler  Nierensteinerkrankung,  die  mit  Störungen  des  Stoffwechsels  in 
Jeziehungen  steht.  Die  genaue  Zusammensetzung  des  Steines  ist 
ür  die  Behandlung  sehr  wichtig,  da  es  namentlich  hinsichtlich  der 
üätbehandlung  durchaus  verschieden  ist.  ob  es  sich  um  Harnsäure 
'der  Phosphate  oder  Oxalate  handelt.  Die  chirurgischen  Indikationen 
ind  sorgfältig  festgestellt. 

Herr  D  r  e  u  w  -  Berlin  demonstrierte  in  seinem  Vortrage  über 
lydrovibration  seinen  Vibrationsmassageapparat  „Vibrette“,  der  nicht 
hircli  emen  Motor  betrieben  wird,  sondern  durch  Wasserdruck  und 


an  jeden  Wasserleitungshahn  angeschlossen  werden  kann.  Nach 
demselben  Prinzip  stellte  er  auch  Duschemassageapparate  her  und 
demonstrierte  deren  Modelle. 

Herr  S  c  h  m  1  n  c  k  e-Elster  stellte  vergleichende  Untersuchungen 
über  die  1  emperaturwirkung  der  Wasser-,  Kohlensäure-  und  Moor¬ 
bäder  an,  aus  denen  sicti  ergab,  dass  Moor-  und  Kohlensaurebäder 
die  Körpertemperatur  stärker  herabsetzen  als  Wasserbäder,  ln  den 
Kohlensäurebädern  von  20 u  sieht  er  ein  ausgezeichnetes  Mittel  zur 
Herabsetzung  von  Fiebertemperaturen. 

Herr  S e  1  i g -  Franzensbad  berichtete  über  seine  experimentellen 
Studien  zur  Beeinflussung  des  Blutdruckes.  Er  iand,  dass  physi¬ 
kalische  Massnahmen  wie  Kohlensäurebäder,  Dampfbäder.  Halbbäder 
rascher  imstande  sind,  den  Blutdruck  zu  beeinrlussen  als  medika¬ 
mentöse  Massnahmen,  unter  denen  das  Jod  im  Tierversuch  erst  bei 
grossen,  fast  tödlich  wirkenden  Dosen  den  Blutdruck  sinken  lässt. 

Herr  Nenadovics  -  Franzensbad  machte  Mitteilungen  zur  Me¬ 
thodik  der  Kohlensäurebäder,  deren  Wirkung  abhängig  ist  von  dem 
Gehalt  an  Kohlensäure  und  der  Temperatur.  Bei  der  Dosierung  der 
kohlensauren  Bäder  soll  man  so  vorgehen,  dass  man  zunächst  Kohlen¬ 
säurebäder  von  indifferenter  Temperatur  gibt  und  dann  nicht  gleich¬ 
zeitig  den  Kohlensäuregehalt  und  den  Temperaturgrad  wechselt,  son¬ 
dern  zuerst  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  die  Kohlensäure  hinzusetzt, 
dann  die  Temperatur  herabsetzt.  Zur  bequemen  Regulierung  dieser 
beiden  Faktoren  hat  Vortragender  ein  Verfahren  zur  indirekten  Ab¬ 
kühlung  des  Bades  angegeben. 

Herr  Schrumpf- St.  Moritz  berichtete  über  die  Tuberkulose¬ 
frage  an  der  Riviera  und  rügt  das  Vertuschungssystem,  das  an  der 
Riviera  hinsichtlich  der  Aufnahme  von  Tuberkulösen  herrscht,  und 
die  damit  im  Zusammenhang  stehende  Vernachlässigung  der  Hygiene. 
Nach  aussenhin  wird  immer  angegeben,  an  der  Riviera  seien  keine 
Tuberkulösen,  und  deswegen  brauche  nicht  desinfiziert  zu  werden, 
während  in  der  Tat  die  Hotels  und  Pensionen  in  Unmenge  tuberkulös 
Erkrankte  beherbergen.  An  diesem  Vertuschungssystem  sind  neben 
den  Hoteliers  namentlich  die  Behörden  schuld.  Man  sollte  daher 
Patienten,  besonders  Rekonvaleszenten,  bei  denen  die  Infektionsgefahr 
erhöht  ist,  erst  dann  an  die  Riviera  schicken,  wenn  auf  dem  Gebiete 
eine  Besserung  eingetreten  ist. 

Herr  H  a  v  a  s  -  Pistyan  sprach  über  die  funktionelle  Kontrolle  bei 
Thermalbadekuren,  die  in  einer  sorgfältigen  Beobachtung  von  Puls 
und  Blutdruck  besteht.  Eine  einmalige  Ueberanstrengung  zeigt  sich 
in  einer  Blutdrucksenkung,  in  unregelmässigem  und  beschleunigtem 
Puls  sowie  in  Zyanose  und  Dyspnoe,  während  fortgesetzte  Ueberan¬ 
strengung  nervöse  Störungen  hervorruft  sowie  eine  Verschlimmerung 
des  objektiven  Befundes  der  Kreislauforgane. 

Herr  v.  Dalmädy  -  Pest'  untersuchte  an  Tieren  den  Einfluss 
physikalischer  Massnahmen  auf  die  Erscheinung  der  vitalen  Färbung. 
Er  färbte  Tiere  mit  Trypanblau  und  unterzog  sie  Abkiihlungsproze- 
duren  und  Röntgenstrahlen.  Beide  Massnahmen  veränderten  das 
Nierenparenchym  nicht.  Dagegen  riefen  hyperämisierende  Eingriffe 
sofort  eine  Blaufärbung  der  Einwirkungsstelle  hervor.  Ein  Beweis 
für  diese  Wirkungsart  ist  bis  jetzt  noch  nicht  erbracht  worden. 

Der  letzte  Vortragende  Herr  Farkas-  Pest  setzte  die  Ur¬ 
sachen  der  Schlaflosigkeit  und  ihre  physikalische  Therapie  aus¬ 
einander. 

Der  nächste  Balneologenkongress  wird  Anfang  März  1914  in 
Hamburg  tagen.  Die  Einladung  dazu  überbrachte  im  Aufträge  des 
Hamburger  Senats  Herr  Prof.  Brauer. 


IV.  Internationaler  Kongress  für  Physiotherapie. 

IV. 

Sektion  II,  C.  Röntgentherapie. 

Referent :  K.  Reicher-  Bad  Mergentheim. 

Sitzung  vom  Donnerstag,  den  28.  März  1913,  nachmittags. 

K  ii  p  f  e  r  1  e  -  Freiburg:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Röntgenbehandlung  der  Lungentuberkulose. 

Intravenös  mit  Tuberkelbazillen  infizierte  Kaninchen  zeigen  nach 
Bestrahlung  mit  harten  Röhren  (System  Dessauer)  gegenüber  den 
Kontrolltieren  ausgedehnten  Ersatz  der  Tuberkeln  und  des  tuber¬ 
kulösen  Granulationsgewebes  durch  breite  Bindegewebsziige. 

Diskussion:  Manfred  Frankel-  Charlottenburg  berichtet 
über  eigene  günstige  Erfahrungen  mit  Röntgenbehandlung  bei  Lungen- 
mid  Bauchfelltuberkulose. 

W  o  m  m  e  1  s  d  o  r  f  -  Berlin:  Ueber  mehrplattige  Kondensator¬ 
maschinen. 

Der  im  Vorjahre  demonstrierte,  bedeutend  verbesserte  Apparat 
eignet  sich  für  chirurgisch-diagnostische  Zwecke,  besonders  im  Kriege. 

Sitzung  vom  Freitag,  den  29.  März  1913,  vormittags. 

Referent :  K.  Reicher-  Bad  Mergentheim. 

Deane  B  u  t  s  c  h  e  r  -  London:  The  Rational  of  Röntgen-  and 
Radium-Therapy. 

Allgemeine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  für  eine  ratio¬ 
nelle  Therapie  wichtigsten  Gesichtspunkte. 

M  o  r  t  o  n  -  London :  Die  Anwendung  von  Filtern  in  der  Radio¬ 
therapie. 

Stofffilter,  mit  wolframssaurem  Natrium  getränkt,  eignen  sich  am 
besten  zur  Abblendung  der  Sekundärstrahlen. 


950 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17 


Z  i  in  m  e  r  n  -  Paris  und  Cottenot  -  Paris :  Röntgenbehandlung 
bei  Hyperfunktion  von  Organen  mit  innerer  Sekretion. 

Z.  demonstriert  histologische  Präparate  von  X-b'estrahlten  Neben¬ 
nieren. 

\\  e  r  n  e  r  -  Heidelberg :  Radiotherapie  der  Geschwülste. 

W.  hat  bei  3500  Patienten  harte  gefilterte  Strahlen  bei  nicht 
zu  jriossei  rokus-f fautdistanz  bevorzugt,  ev.  operative  Freilegung  des 
1 Timors  behufs  Schonung  der  Haut.  Der  Tumorschwund  geht  unter 
Schrumpfung  und  Verflüssigung  vor  sich,  welch  letztere  die  Gefahr 
der  Intoxikation  und  Metastasierung  in  sich  birgt.  Die  radioaktiven  ! 
Substanzen  ermöglichen  das  Eindringen  in  verschiedene  Körperhöhlen 
Als  Sensibilisator  verwendet  W.  borsaures  Cholin.  Bei  Epitheliomen 
winden  90  Proz.  Heilungen  erzielt,  bei  171  vorgeschrittenen  inneren 
1  umoren  12  Proz.  Besserungen. 

Beclere  et  Jaugeot  -  Paris :  Radiotherapie  der  Hypophysen¬ 
tumoren  bei  Akromegalie. 

4  Fälle  von  Akromegalie  mit  Ueberwiegen  von  Sehstörungen  sind 
bei  Bestrahlung  von  der  Mundhöhle,  den  Stirnhöckern  oder  den  | 
Schläfen  her  deutlich  gebessert  worden. 

W  i  c  h  m  a  n  n  -  Hamburg :  Die  moderne  Behandlung  des  Haut¬ 
krebses. 

W.  hat  unter  100  Fällen  von  Hautkrebs  ganz  oberflächliche, 
kleine  Epitheliome  mit  verschiedenen  Methoden  geheilt,  bei  tief¬ 
liegenden  Epitheliomen  der  Haut  ist  die  Abtragung  der  erkrankten 
Haut  mit  der  Forestschen  Nadel  erforderlich  und  ausserdem  chi- 
i  urgische  Eingriffe  verschiedener  Art.  Richtige  Kombination  ver¬ 
schiedener  Methoden  zeitigt  die  besten  Erfolge. 

5  t  i  c  k  e  r  -  Berlin  :  Radium-  und  Elektrotherapie. 

Zur  Erhöhung  der  Wirkung  einer  Radiumbromid-  oder  Meso¬ 
thoriumkapsel  eignet  sich  Ladung  derselben  mit  negativer  Elektrizität 
und  Isolierung  des  Patienten  auf  einem  Stuhl. 

v.  S  e  u  f  f  e  r  t  -  München  :  Die  Erfahrungen  der  Kgl.  Elniversitäts- 
Frauenklinik  München  (D  öd  er  lein)  mit  der  Mesothorium-  und 
Röntgenbehandlung  der  Uteruskarzinome. 

/ortr.  kombiniert  grosse  Röntgendosen,  von  der  Vagina  aus 
appliziert,  mit  Mesothoriumbehandlung  und  erzielt  damit  eine  Lokali¬ 
sierung  des  infiltrativen  Wachstums  und  weitgehenden  Ersatz  der 
Karzinomzellen  durch  Bindegewebe.  Hervorzuheben  ist  die  blut¬ 
stillende  und  die  temperaturerhöhende  Wirkung  des  Mesothorium. 

Sektion  II,  C.  Röntgentherapie. 

Referent :  K.  Reicher  -  Bad  Mergentheim 
Sitzung  vom  Samstag,  den  29.  März  1913,  vormittags. 

I.  Referent:  A  I  b  e  r  s  -  S  c  h  ö  n  b  e  r  g  -  Hamburg :  Gynäkolo¬ 
gische  Tiefentherapie. 

Vortr.  stellt  mit  Genugtuung  fest,  dass  die  Myombehandlung  mit 
Röntgenstrahlem  heute  allgemein  durchgedrungen  ist  und  selbst  ausge-  j 
blutete  Patientinnen  heute  mit  Erfolg  bestrahlt  werden.  A.  hat  in 
45  Proz.  der  Fälle  Verkleinerung,  in  18  Proz.  Verschwinden  der 
Myome  gesehen.  —  Andauernd  niedrige  Hb. -Werte  trotz  Aufhören  der 
Blutungen  erwecken  den  Verdacht  auf  maligne  Neubildung,  gleich¬ 
zeitig  bestehender  Fluor  albus  geht  oft  zurück.  —  Zu  beachten  sind 
etwa  auftretende  Müdigkeit,  Leukozytose  und  Hautschädigung^n,  be¬ 
sonders  Spätulzera,  nicht  minder  mahnen  französische  Mitteilungen 
über  Atrophien  der  Magen-Darmdrüsen  sowie  der  blutbildenden  Or¬ 
gane  im  Gefolge  langdauernder  Röntgenbestrahlung  zur  Vorsicht.  — 
Der  längste  Dauererfolg  beträgt  bei  A.  4—4Vs  Jahre. 

IL  Referent:  G  a  u  s  s  -  Freiburg. 

G.  verwendet  im  Gegensätze  zu  Albers-Schönberg 
folgende  Technik:  Felderbestrahlung,  Einschaltung  von  3 — 4mm 
dicken  Aliiminiuinfiltern,  Nahbestrahlung. 

Die  Methode  der  Zukunft  ist  die  Kombination  von  Mesothorium 
und  Röntgenbestrahlung,  wenn  sich  nicht  späterhin  Schädigungen 
heraussteilen  sollten. 

Manfred  F  r  ä  n  k  e  1  -  Charlottenburg:  Die  Technik  der  Tiefen¬ 
bestrahlung. 

E.  hat  Spätschädigungen  nach  3  resp.  4  Monaten  gesehen.  Vortr. 
verwendet  eine  12-Felder-Nahbestrahlung  bei  gleichzeitiger  Expo¬ 
nierung  von  Rücken-  und  Bauchfläche.  Mesothorium  wirkt  in  Kom¬ 
bination  mit  X-Strahlen  besser  als  allein. 

Röntgendosimetrie :  1.  Referent :  K  i  e  n  b  ö  c  k  -  Wien,  II.  Referent : 
Heinz  B  a  u  e  r  -  Berlin: 

1.  Empfiehlt  K.  für  die  Praxis  die  Kombination  von  seinen  Streifen 
mit  Sabouraud-Noire. 

..  scJöagt  für  genaue  Messungen  eine  neue  Röhre  vor,  welche 
möglichst  günstige  Verhältnisse  für  die  Erzeugung  von  charakteristi¬ 
schen  Sekundärstrahlen  mit  fast  homogenen  Strahlenfeldern  schafft, 
un  anderei  \Veg  wäre  bei  Einführung  von  konstanter  Gleichstrom¬ 
spannung  für  den  Röhrenbetrieb  gangbar. 

lh.  C  h  r  i  s  t  e  n  -  Bern :  Die  physikalischen  Grundlagen  für  die 
Dosierung  der  Rontgenstrahlen. 

„...  ,^'e  bisher  gebräuchlichen  Reagenzkörper  messen  weder  die 
r lachenenergie,  noch  die  Dosis.  Bei  zu  harten  Röhren  messen  sie 
erstere  zu  klein,  letztere  zu  gross.  Mit  Hilfe  des  Jontoquantimeters 
kann  man  die  Mächenenergie,  d.  h.  auf  die  Flächeneinheit  fallende 
L  on tgenenei  giemenge  unabhängig  vom  Härtegrad  messen,  da  die  Ioni¬ 
sierung  der  Luft  unabhängig  vom  Härtegrad,  aber  proportional  der 
Intensität  der  Strahlung  ist. 


B  u  c  k  y  -  Berlin:  Ueber  die  optisch-korrekte  Ablesung  Vm 
Farben  Veränderungen  bei  Röntgenstrahlendosimetern. 

Da  man  Helligkeitsunterschiede  schärfer  differenzieren  kann  ah 
Farben,  bewirkt  B.  durch  Vorschaltung  einer  grünen  Scheibe  das* 
man  die  Farbenunterschiede  des  Teint  A  und  B  bei  Sabouraud-Noir 
als  Helligkeitsdifferenzen  wahrnimmt. 


Sektion  ii,  A.  Elektrotherapie. 

Referent:  K.  Reich  er- Bad  Mergentheim. 
Sitzung  vom  Donnerstag,  den  27.  März,  vormittags 


Zur  Behandlung  mii 


A.  Laqueur  und  W.  Laqueur  -  Berlin 
Hochfrequenzströmen. 

Vortr.  betonen  die  Wichtigkeit  einer  exakten  Angabe  der  Tech, 
mk  und  einer  in  bezug  auf  Stromstärke,  Spannung.  Funkenstrecke  etc 
mdmdualisierenden  Behandlung.  Abgesehen  von  den  suggestive.' 

omenten  lassen  sich  vielfach  objektive  Veränderungen  infolge  cl»  • 
d  Arsonvalisation  nachweisen.  Hautjucken  bei  verschiedenen  l)^- 
umtosen  wurde  sehr  günstig  beeinflusst,  hartnäckiger  ist  nervöse.] 
Bruritus.  Auch  bei  Psoriasis  wurden  vereinzelt  Erfolge  beobachtet 
I  abische  Krisen  werden  auffällig  gebessert,  ebenso  Parästhesien  un  i 
Neuralgien  verschiedener  Provenienz.  Depressive  Formen  von  Neu 1 
rosen  smd  für  die  d’Arsonvalisation  geeignet,  besonders  nervös^ 
Schlaflosigkeit,  bei  der  die  Besserung  oft  erst  nach  der  5  bis 
10.  Sitzung  beginnt. 

Pathologisch  erhöhter  Blutdruck  bei  Präsklerose,  Arterio¬ 
sklerose,  Nephritis  etc.  wird  unter  allmählichem  Absinken  vielfach 
andauernd  erniedrigt.  Bei  klimakterischen  Beschwerden  und  Base-I 
dow  wrd  über  subjektive  Besserungen  berichtet. 

v.  Z  e  y  n  e  k  -  Prag:  Die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der 
Thermopenetration  (Diathermie). 

Nach  einem  geschichtlichen  Rückblick  über  d’A  r  s  o  n  v  a  1  s  und 
Nernsts  grundlegende  Arbeiten  wird  die  Thermopenetration  als1 
eine  eigene  Disziplin  erklärt  mit  Rücksicht  darauf,  dass  Ströme  ge- 
linger  Spannung  und  möglichst  geringer  stromloser  Intervalle  (Quao-! 
titatsstrome)  durch  spezielle  Apparate  geliefert  werden.  Man  unter¬ 
scheidet  die  lokale  Diathermie  und  die  Durchwärmung  zur  Beeinflus- 
sul’g,  es  Stoffwechsels.  Es  ist  sehr  schwierig,  theoretisch  die  Grosse! 
und  Lokalisation  der  Wärmezufuhr  zu  bestimmen.  Die  in  den  G;-l 
weben  gebildete  Wärme  ist  wohl  nur  Stromwärme  (Joulesehei 
Warme).  Bei  Tiefenerwärmungen  muss  man  Verbrennungen  sorg- 
talug  vermeiden,  z.  B.  bei  den  für  die  Diathermie  angegebenen  Schei-i 
den-  und  Mastdarmspekulis.  Die  Wärmeregulierung  des  Organismus; 
setzt  nach  anfänglicher  Erhöhung  der  Körpertemperatur  um  0,5  "i 
rasch  ein. 

D  u  r  i  g  und  G  rau  haben  eine  Stoffwechselsteigerung  nach 
endothermal  zugeführter  Wärme  beobachtet,  Bergonie  dagegen 
und  Ref  eine  Verminderung  der  Kohlensäureproduktion.  Z.  weist! 
auch  auf  die  Beziehung  der  Diathermie  zu  fiebertheoretischen  Pro¬ 
blemen  hin  und  auf  die  vollkommen  negativen  Versuche,  durch  Hoch-j 
n  equenzströme  geringer  Spannung  bei  Verhinderung  von  Ueber- 
er wärmung  Bakterien,  Enzyme  oder  sonstige  chemische  Prozessei 
zu  beeinflussen.  Wir  dürfen  uns  damit  zufrieden  geben,  dass  eben  die! 
Energiedegradation,  d.  h.  die  Wärmebildung,  unserem  Organismus 
therapeutisch  wertvoll  sein  kann. 

J.  B  e  r  g  o  n  i  e  -  Bordeaux :  Die  thermische  Wirkung  der  Hoch- 
trequenzströme,  ihre  Anwendung  und  ihre  klinischen  Resultate. 

pi  a  '  ,ke*°j *  *3e'  Besprechung  der  Form  und  des  Materials  der! 
Elektroden,  des  Kondensatorbettes  und  des  Solenoids,  dass  er  und 
seine  Mitarbeiter  weder  an  Menschen  noch  an  Tieren  je  schädliche' 
Wirkung  der  Hochfrequenzströme  gesehen  haben.  Die  „Elektro-j 
Koagulation  Doyens  eignet  sich  vor  und  während  der  Operation, 
maligner  1  umoren  zur  Erschwerung  des  Keimtransportes  (infolge  von 
Koagulationsverschluss  der  Gefässe).  Die  lokale  Wirkung  ist  eine] 
tiefgehendere  als  bei  der  B  i  e  r  sehen  Stauung,  die  Diathermie  gib! 
^  Resultate  bei  Pleuritiden  und  gonorrhoischen  Infektionen  ! 

Mit  Rücksicht  darauf,  dass  Diathermie  die  COs-Produktion  herab- 
setzt,  kann  sie  nach  langdauernder  Narkose,  schweren  Blutungen  etc  ] 
lebensrettend  wirken.  B.  will  nicht  die  Nahrung  durch  Elektrizität 
ersetzen,  sondern  bloss  bei  allgemeinem  Marasmus  die  tägliche  Ration! 
der  Nahrung  ein  wenig  ergänzen.  Ein  27  jähriger  Mann  mit  hoch¬ 
gradigem  Marasmus  wurde  nach  35  Tagen  (2  mal  täglich  40  Minuten 
Diathermie  bei  1,5  Ampere)  geheilt  und  nahm  14  kg  an  Gewicht  zu 

B  u  c  k  y  - Berlin:  Zur  Technik  der  Diathermieströme. 

B.  bespricht  die  Formen  und  Applikationsarten  der  Elektroden1 
und  betont,  dass  das  zu  erhitzende  Organ  fast  die  gesamte  Jou  lö¬ 
sche  Wärme  durchgeschickt  erhalten  muss. 

Diskussion:  Nagelschmidt  -  Berlin,  J  e  1 1  i  n  e  k  -  Wien, 
Tobias-Berlin,  Mann-Breslau,  D’A  r  s  o  n  v  a  1-Paris,  Schnee- 
Berlin,  S  1  a  v  i  k  -  Prag,  Bergonie  -  Bordeaux. 

O.  L  i  b  o  1 1  e  -  Brüssel :  Die  Therapie  der  Herzaffektionen  mit 
Resonator-Effluvien. 

Die  Stromabnahme  geschieht  vom  oberen  Ende  des  Oudin 
sehen  einpoligen  Resonators,  eine  Pinselelektrode  kommt  auf  die 
Herzgegend  und  eine  grosse  Platte  zur  Erdung  auf  den  Rücken.  —  ; 
Arteriosklerose,  Angina  pectoris  und  Raucherbeschwerden  werden 
dauernd  gebessert. 

De  Keating-Hart  -  Marseille :  1.  Die  Behandlung  des  ope¬ 
rablen  Krebses  durch  Fulguration. 


April  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


951 


Nach  radikaler  Operation  wird  die  Wunde  mit  kräftigen  Hoch- 

-  iiienzfunken  nachbehandelt. 

2.  Die  Behandlung  von  inoperablem  Krebs  mit  Thermoradio- 

apie. 

Der  Tumor  wird  gleichzeitig  elektrisch  durchwärmt  und  mit 
itgenstrahlen  behandelt  (Projektionsbilder). 

z  u  n  g  vom  Freitag,  den  28.  März  1913,  vormittags. 

A  1  b  a  n  u  s  -  Hamburg:  Lieber  Behandlung  von  Nasen-,  Raeiien- 
Kehlkopftuberkulose  mit  Hochfrequenzströmen. 

A.  durchtrennt  mit  der  diathermischen  Forest  sehen  Nadel 
ches  Gewebe  und  Knorpel  und  fulguriert  auch  flächenhaft.  Mit 
;er  „kalten  Kaustik“  kann  man  Lupus  ebenso  wie  tiefe  Geschwüre 
Reinigung  und  Heilung  bringen. 

Frankenhäuser  -  Baden-Baden-Berlin :  Leber  den  derzei- 
n  Stand  der  Jontophorese  resp.  elektrolytischen  Therapie. 

Das  Anwendungsgebiet  der  perkutanen  Einverleibung  von 
ürolyten  durch  Ionenwanderung  nach  dem  Fa  raday  sehen  Ge- 
,  wird  ständig  grösser.  Es  werden  die  Wirkungen  der  verschie- 
en  Kationen  besprochen  und  die  Einführung  organischer  Kationen 
Kokain,  Eukain.  Novokain  und  Adrenalin  behufs  Anästhesierung 
w.  Anämisierung  erwähnt.  —  Von  Anionen  können  Chlor,  Brom 
Jod  in  grösseren  Quantitäten  durch  Elektrophorese  zugeführt  wer- 
.  Auch  Heilquellen,  namentlich  Arsenquellen,  lassen  sich  zur 
tophorese  benützen. 

Das  Elektrodenmetall  darf  nirgends  direkten  Kontakt  mit  der 
t  besitzen,  sonst  entstehen  Verätzungen.  Es  werden  endlich  die 
ziehen  Indikationen  für  die  verschiedenen  Anionen  und  Kationen 
ahnt,  u.  a.  die  Einführung  des  Salizylions  in  rheumatisch  erkrankte 
nike,  des  Jodions  in  geschwollene  Lymphdriisen. 

Diskussion:  Zanietowski  -  Krakau,  Toby  Cohn-  Berlin 
Mann-  Breslau. 

M  a  n  n  -  Breslau :  Elektrotherapie  der  Neuralgien. 

Man  muss  ableitende  oder  revulsive  Methoden  unterscheiden, 
che  langdauernde  Erhöhung  der  Nervenerregbarkeit  hinterlassen 
daher  bei  Hyperästhesie  kontraindiziert  erscheinen  (faradischer 
sei  oder  Bürstenelektrode,  Hochfrequenzfunke)  und  sedative,  die 
egbarkeit  vermindernde  Applikationen,  für  die  sich  nach  neuen 
chauungen  stabile  Kathode  ebenso  eignet  wie  Anode.  M.  ver- 
idet  5 — 15  A.  im  Gesicht  und  20 — 40  M.-A.  an  den  Extremitäten  bei 
;er  Sitzungsdauer.  (L  e  du  c  scher  Strom,  elektrostatischer  Wind, 
hfrequenzeffluvien,  Hochfrequenzfunke).  Diathermie  ev.  mit  Gal- 
isation  kombiniert,  eignet  sich  auch  vorzüglich  für  die  Behand- 
:  von  Neuralgien.  Die  Elektrotherapie  der  Neuralgien  ist  als  eine 
logische  anzusehen  und  gegen  ihre  Herabsetzung  in  Lewan- 
iv  s  k  i  s  Neurologie  Stellung  zu  nehmen. 

Diskussion:  S  c  h  n  e  e  -  Berlin.  Z  i  m  m  e  r  n  -  Paris,  Toby 
hu-  Berlin,  S  1  a  v  i  k  -  Prag,  Zanietowski  -  Krakau. 

S  c  h  n  e  e  -  Frankfurt  a.  M.:Eine  neue  Anwendung  des  elektri- 
än  Vierzellenbades. 

Sch.  bespricht  einen  mit  Dessauer  konstruierten  Schalt- 
arat,  die  Jontophorese,  Kondensatorentladungen  und  die  An- 
gung  von  elektrischen  Heizkörpern  zur  Erhaltung  konstanter 
iperaturen  im  Vierzellenbad. 

Howard-Humphris  -  London :  Die  Behandlung  pathologi- 
:r  Blutdruckverhältnisse  durch  die  moderne  Elektrotherapie. 

Bei  pathologisch  gesteigertem  Blutdruck  wendet  H.  Hoch- 
uenzströme  mit  Stromstärken  bis  zu  2,5  Amp.  und  Kondensator¬ 
erfolgreich  an. 

zung  vom  Samstag,  den  29.  März  1913,  vormittags. 

Th.  S.  F  1  a  t  a  u  -  Berlin:  Physiotherapie  der  funktionellen 
imstörungen. 

F.,  dem  der  Hauptanteil  an  dem  Ausbau  der  physikalischen  Be¬ 
eilung  der  Stimmstörungen  gebührt,  benutzt  neuestens  hochge¬ 
inte  hochfrequente  Ströme,  bei  denen  die  Periodenzahl  sich  genau 
immen  lässt.  Ein  eigens  dazu  konstruierter  Quecksilberstrahlen- 
rbrecher  gestattet  eine  Variierung  der  Kontaktdauer  in  weiten 
nzen.  Die  Entladungsfunkenstrecke  des  B  e  e  z  sehen  Hoch- 
uenzapparates  wird  als  eine  Reihe  weisser  Punkte  auf  einem 
lispiegel  sichtbar.  Mittels  einer  anderen  Apparatur  von  Siemens  cc 
,ke  (eine  Sirene  wird  vor  einem  Elektromagneten  rotiert)  werden 
>me  von  hoher  Frequenz  und  niedriger  Spannung  geliefert,  deren 
odenzahl  mittels  des  Zungenfrequenzmessers  bestimmt  wird.  - 
diesem  wird  der  Ton  gleichzeitig  gehört  und  seine  Schwingungs- 
abgelesen.  —  Es  werden  bei  der  elektromechanischen  Behanu- 
nach  F.  entweder  gleich  hohe  Töne  verwendet  wie  die  inten- 
ten  gestörten  des  Patienten,  oder  solche,  die  im  Oktavenver- 
tiis  zu  ihnen  stehen. 

Zanietowski  -  Krakau :  Leber  den  derzeitigen  Stand  der 
densatortherapie  im  Lichte  der  modernen  Literatur  und  eigener 
'liehe.  . 

Die  Methode  der  Kondensatorentladungen  lässt  sich  für  die 
mostik  und  Therapie  ausserordentlich  gut  verwerten. 

Berger- Veifa-Werke-Aschaffenburg  demonstriert  einen  Um- 
alapparat  für  Anwendung  von  Kondensatorentladungen  verschie- 
r  Wellenlänge.  ,  _  ,  ,  ,  , . 

Diskussion:  Libotte  -  Brüssel,  Schnee-  Frankf  urt  a.  M„ 

-  i  r  e  r  a  -  S  a  1  s  e  -  Barcelona  hat  gute  Resultate  von  Galvani¬ 


sation  und  Faradisation  der  Blinddarmgegend  bei  Appendizitis  ge¬ 
sehen,  eine  Erfahrung,  die  Libotte-  Brüssel  bestätigt. 

H  o  e  h  I  -  Chemnitz :  Leber  das  Prinzip  und  die  therapeutische 
Verwendung  des  „Osciliators“  und  des  „Lndostaten“.4 

Der  Oscillator  stellt  ein  neues  Verfahren  zur  Verwendung  der 
Wechselstrombehandlung  dar,  indem  er  die  feinste  Abstufung  der 
Tourenzahl  zwischen  50  und  2000  in  der  Minute  gestattet.  —  Die 
Wirkung  der  Ströme  äussert  sich  in  rhythmischer  Kontraktion  dev 
Muskulatur  ohne  Schmerzempfindung,  also  in  genau  dosierbarer 
Muskelarbeit. 

Der  Undostat  erzeugt  rhyhtmisch  an-  und  abschwellende  Ströme 
dadurch,  dass  ein  Flüssigkeitswiderstand  periodisch  verstärkt  und 
geschwächt  wird. 

C  a  r  u  1 1  a  -  I3arcelona  hat  vermittelst  der  ßergonie  scheu 
Methode  der  allgemeinen  Faradisation  bei  Fettleibigkeit  das  Körper¬ 
gewicht -eines  Patienten  von  174  auf  108  kg  ohne  Schädigung  des 
Allgemeinbefindens  heruntergebracht.  Der  Effekt  blieb  ein  dauernder. 

Diskussion:  Cirera  -  Barcelona,  Schnee-  Frankfurt 
a.  M.  schlägt  das  Vierzellenbad  für  gleiche  Zwecke  vor.  Libotte- 
Brüssel,  Kaufmann  -  Paris. 


Naturwissenschaft!. -medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

Sektion  für  Heilkunde. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Lexer. 

Schriftführer:  Herr  Ben  necke. 

Herr  Böhm:  a)  Demonstration  eines  Falles  von  überzähliger 

4.  Pulmonalklappe. 

b)  Demonstration  einer  gegen  den  Blutstrom  gerichteten  Klappen- 
büdung  der  gesunden  Intima  der  unteren  Bauchaorta. 

Herr  Böhm:  Leber  Dünndarmkarzinoide. 

Vortragender  bespricht  an  Hand  der  Literatur  den  augenblick¬ 
lichen  Stand  der  strittigen  Frage,  ob  die  Karzinoide  als  Choristoine 
aufzufassen  oder  ob  sie  den  Krebsen  zuzurechnen  sind.  In  einem 
eigenen  Fall  hatte  ein  karzinoider  Tumor  des  unteren  Jejunum  zu 
Stenose  des  Darmes,  Ileus  und  tödlicher  Peritonitis  geführt.  Vortr. 
glaubt,  dass  es  sich  in  dem  vorliegenden  Falle  nicht  um  ein  malign 
entartetes  Karzinoid  handelt,  sonders  schliesst  sich  der  Auffassung 
Saltykows  an,  dass  auch  die  in  der  Muscularis  externa  Vor¬ 
gefundenen  Zellnester  Teile  des  wuchernden  Choristoms  darstellen. 

Heri  Pfreimbter:  Leber  sog.  angeborene  Wassersucht. 

Vortragender  demonstriert  einen  9  monatigen  Fötus,  bei  dem  sich 
neben  anderen  Missbildungen  (Pseudohermaphroditismus,  Polydak¬ 
tylie,  abnorme  Lungenlappungen,  rs.  Nierendefekt)  eine  Persistenz 
der  Blutbildung  in  Leber  und  Milz  nachweisen  Hess.  Da  sich  eine 
Schwellung  dieser  beiden  Organe  und  Ergüsse  in  den  Körperhöhlen 
fanden,  ist  der  Fall  den  von  Schridde  unter  dem  Namen  der 
angeborenen  allgemeinen  Wassersucht  zuerst  beschriebenen  Krank¬ 
heitsbildern  zuzurechnen,  eine  Auffassung,  die  durch  die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  von  Leber  und  Milz  sich  bestätigt. 

Leber:  Extra-  und  intrakapilläre  Megalo-  und  Myeloblastenherde 
zwischen  den  stark  verdrängten  Leberzellbalken,  vornehmlich  reich¬ 
liche  eosinophile  Myelozyten,  auch  Knochenmarksriesenzellen:  Hämo- 
siderose  in  Form  von  fast  ausschliesslich  in  den  Leberzellkernen 
abgelagertem  eisenhaltigen  Pigment. 

Milz:  vorwiegend  Megalo-  und  Myeloblasten  und  -zyten  in  der 
Pulpa,  Follikel  sehr  spärlich,  grösstenteils  aus  Lymphoblasten  be¬ 
stehend.  Von  Syphilis  Hess  sich  nichts  nachweisen,  weder  bei  Mutter 
noch  Kind.  Bei  der  Mutter  sollen  während  der  Schwangerschaft 
Oedeme  bestanden  haben,  die  Plazenta  soll  mehr  als  1  kg  gewogen 
haben;  bei  nachträglicher  Untersuchung  erwies  sich  der  Urin  der 
Mutter  als  eiweissfrei. 

Diskussion:  Herr  Rössle:  So  lange  das  strömende  Blut 
von  solchen  Fällen  noch  nicht  auf  seine  Zusammensetzung  geprüft  ist, 
ist  die  vorliegende  Krankheit  nicht  mit  Sicherheit  zu  benennen. 
Jedoch  dürfte  die  Bezeichnung  „angeborene  Wassersucht“  das  We¬ 
sentliche  nicht  treffen,  weil  offenbar,  wie  im  vorliegenden  Falle,  die 
Ergüsse  sehr  gering  sein  können.  Man  muss  vorläufig  die  Differential¬ 
diagnose  „angeborene  perniziöse  Anämie“  und  „angeborene  Leukämie“ 
zulassen.  In  allen  Organen  sind  histologisch  im  Kapillarblutlaui 
Blutelemente  der  leukoblastischen  und  erythroblastischen  Reihe  zu 
bemerken.  Ein  sehr  bedeutsamer  Befund  scheint  mir  die  von  Herrn 
Pfreimbter  festgestellte  ausschliessliche  positive  Eisenreaktion 
an  den  Leberzellkernen  zu  sein.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  es  sich 
bei  einer  offenbar  so  tiefgreifenden  pathologischen  Veränderung  des 
Eisenstoffwechsels  um  eine  chemische  Missbildung  und  den  wichtig¬ 
sten  Befund  des  ganzen  vorliegenden  Falles  handelt. 

Herr  Schüssler:  Leber  die  Beziehungen  der  Lymphogranulo¬ 
matose  zur  Tuberkulose. 

Seit  Sternbergs  Beschreibung  „einer  eigenartigen,  unter  dem 
Bilde  der  Pseudoleukämie  verlaufenden  Tuberkulose  des  lympha¬ 
tischen  Apparates“  ist  die  Frage  nach  der  Aetiologie  der  Lympho¬ 
granulomatose  bis  heute  ohne  endgültige  Lösung  geblieben.  Zahl¬ 
reiche  Mikroorganismen  wurden  als  Erreger  angesprochen,  auch  eine 
Mischinfektion  durch  modifizierte  und  abgeschwächte  Toxine  ver¬ 
schiedener  Bakterien  angenommen  (Bend  a).  Die  heute  vor- 


_ _  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIEI. 


herrschende  Ansicht  über  die  Natur  der  Lymphogranulomatose  ist 
die,  dass  cs  sich  bei  ihr  um  eine  chronisch  verlaufende  Infektion 
handle. 

Oer  von  Frankel  und  M  u  c  h  erhobene  Befund  von  M  u  c  h  - 
sehen  Granula  in  Antiforminpräparaten  von  lymphogranulomatösen 
Organen  veranlasst  sie  zu  dem  Schlüsse,  die  Lymphogranulomatose 
sei  eine  Infektionskrankheit,  „die  durch  granuläre  Stäbchen  hervor¬ 
gerufen  sei,  die  dem  Tuberkulosevirus  zum  mindesten  sehr  nahe 
stehen“.  Aber  nicht  nur  die  granuläre,  sondern  auch  die  säurefeste 
Form  des  Tuberkulosevirus  wurde  teils  vereinzelt  (0.  Mcye  r).  teils 
als  fast  regelmässiger  Befund  nachgewiesen  (L  ö  f  f  e  1  m  a  n  n).  Das 
gemeinsame  Vorkommen  von  Granula  und  Tuberkelbazillen  wurde 
auch  in  folgendem  Falle  festgestellt: 

Ein  6  Jahre  alter  Knabe  wurde  wegen  Kräfteverfalls,  Leibes¬ 
schwellung  und  Fieber  im  Erfurter  Krankenhause  aufgenommen 
(Ende  Oktober  1912).  Als  wesentlicher  Befund  wurden  grosse  mul- 
tipleDriisenschwellungen  sowie  Milz-  und  Leberschwellung  festgestellt. 
3  Monate  nach  Beginn  der  ersten  Erscheinungen  erfolgte  der  Exitus 
letalis. 

Bei  der  Sektion  fand  sich  die  für  Lymphogranulomatose  typische 
Bauernwurstmilz,  Herde  in  der  Leber  und  ein  Uebergreifen  der 
Lymphogranulomatose  von  den  kolossalen  Bronchialdrüsen  aus  auf 
die  Lunge.  Mikroskopisch  fand  sich  das  charakteristische  Granula¬ 
tionsgewebe  mit  allerdings  nur  spärlichen  Sternberg  sehen  Riesen¬ 
zellen,  in  der  Leber  eine  dichteste  Miliargranulo¬ 
matose,  die  einen  besonders  wichtigen  und  interessanten  Befund 
darstellt.  Tuberkulose  fand  sich  nirgends. 

In  den  Antiforminpräparaten  waren  mittels  der  verschärften 
Gramfärbung  darstellbare  Körner  in  stäbchenförmigem  Verbände,  aber 
auch  (nach  der  W  e  i  s  s  sehen  Methode  gefärbt)  mt  ihnen  kombinierte 
Tuberkelbazillen  nachzuweisen.  Ein  Kaninchen  und  zwei  Meer¬ 
schweinchen,  die  mit  zerriebenem  Drüsenmaterial  geimpft  wurden, 
zeigten  bei  der  Sektion  übereinstimmend  verkäsende;  typische  Tuber¬ 
kulose  ohne  Riesenzellen.  In  Organabstrichen  fanden  sich  den  obigen 
entsprechende  Granula  in  grossen  Mengen,  in  meist  intrazellulärer  An¬ 
ordnung,  und  wiederum,  auch  in  Schnittpräparaten,  Tuberkelbazillen, 
in  deren  Enden  meist  je  ein  Granulum  lag.  Weiterverimpfung  auf  eine 
zweite  Meerschweinchenreihe  ergab  im  wesentlichen  dieselben  Re¬ 
sultate.  Eine  fibröse,  von  vielen  Untersuchern  im  Tierversuche 
konstatierte  Tuberkulose  bestand  nirgends. 

Ehe  nicht  eine  experimentelle  Uebertragung  der  Lymphogranulo¬ 
matose  im  Tierversuch  gelungen  ist,  darf  man  auf  Grund  ähnlicher 
Befunde  wie  des  obigen  nur  der  Vermutung  Ausdruck  geben, 
dass  die  Lymphogranulomatose  nichts  anderes  ist  als  eine  Form 
der  Tuberkulose. 

Diskussion:  Herr  Lexer:  Es  fällt  dem  Kliniker  schwer,  an 
einen  Zusammenhang  der  Lymphogranulomatose  mit  der  Tuberkulose 
zu  glauben.  Wohl  ist  bekannt,  dass  die  Tuberkulose  der  Lyinph- 
drüsen  unter  dem  Bilde  der  „malignen  Lymphome“  verlaufen  kann, 
aber  die  ganze  Krankheit  verläuft  gewöhnlich  unter  einem  so  eigen¬ 
artigen  Bilde,  ich  erinnere  nur  an  die  raschen  Rezidive  nach  Opera¬ 
tionen,  dass  man  klinisch  an  der  Abgrenzung  der  Krankheit  von  der 
Tuberkulose  festhalten  muss.  Im  übrigen  wäre  vom  sprachlichen 
Standpunkte  aus  ein  besserer  Name  an  Stelle  der  „Lymphogranulo¬ 
matose“  sehr  zu  empfehlen. 

Herr  Rössle:  Die  Beobachtungen  des  Herrn  Vortragenden  sind 
entschieden  geeignet,  die  Meinung  von  der  innigen  Beziehung  der 
Lymphogranulomatose  zur  Tuberkulose,  um  nicht  zu  sagen  die  ätio¬ 
logische  Identität,  zu  unterstützen.  Würde  in  dem  von  ihm  mitgeteil¬ 
ten  Falle  die  Milz,  wie  so  manchmal  in  Fällen  von  Lymphogranulo¬ 
matose,  nicht  die  typische  Schnittfläche  der  Bauernwurstmilz  gezeigt 
haben,  so  hätte  man  ohne  weiteres  den  Fall  für  eine  sichere  kindliche 
Tuberkulose  gehalten.  Auch  histologisch  ist  hier  bei  schwacher  Ver- 
grösserung  in  der  Leber  das  Bild  der  miliaren  Tuberkulose  vor¬ 
getäuscht,  und  erst  bei  genauerer  Betrachtung  erkennt  man  deut¬ 
lich,  dass  es  sich  um  eine  miliare  Granulöse  von  typischer  Struktur 
des  Granulationsgewebes  mit  Sternberg  sehen  Zellen  handelt. 
Ich  möchte  mir  noch  erlauben,  eine  eigene  experimentelle  Erfahrung 
über  Lymphogranulomatose  und  ausserdem  zwei  Befunde  mitzuteilen, 
welche  geeignet  sind,  dazu  zu  mahnen,  bei  Beurteilung  des  Impf¬ 
resultates  grösste  Vorsicht  walten  zu  lassen.  Im  ersten  Falle  handelt 
es  sich  um  eine  Lymphogranulomatose  bei  einem  414  jährigen  Kna¬ 
ben  (S.  N.  716/09  und  E.  N.  353/09).  Mit  Brei  von  zerriebenen  Lymph¬ 
knoten  wurde  ein  Meerschweinchen  geimpft,  zwei  Monate  darauf  ge¬ 
tötet,  und  es  fand  sich  der  Impfstelle  entsprechend  eine  tuberkulös 
veränderte  Lymphdrüse,  bei  der  das  tuberkulöse  Granulationsgewebe 
einen  auffällig  fibrösen  Charakter  aufwies,  eine  Beobachtung,  die 
schon  von  Fraenkel  gemacht  wurde;  sonst  war  keine  Tuber¬ 
kulose  in  den  Organen  des  Meerschweinchens.  Die  zweite  Erfahrung 
ist  folgende:  In  einem  Falle  von  Lymphdriisensarkomatose  wurden 
die  Meerschweinchen,  welche  früher  mit  Material  von  gewöhnlicher 
tuberkulöser  Skrofulöse  geimpft  worden  waren,  nachträglich  mit  Mate¬ 
rial  von  dieser  Lymphosarkomatose  (nicht  Lymphogranulomatose) 
nachgeimpft,  um  festzustellen,  ob  das  betreffende  zuerst  fraglich  echte 
Lymphosarkom  allergische  Symptome  auszulösen  vermochte.  Dies 
war  nicht  der  Fall.  Diese  Methode,  welche  in  diesem  Fall  von  echtem 
Sarkom  im  Stich  Hess,  ist  aber  vielleicht  sonst  geeignet,  über  die  ver¬ 
wandtschaftlichen  Beziehungen  von  Lymphogranulomatose  und 
Tuberkulose  etwas  auszusagen.  Die  dritte  Erfahrung  betrifft  Ueber- 


impfung  eines  Rundzellensarkoms  auf  Meerschweinchen  in  ein 
Falle  (S.  N.  120/10),  in  dem  das  Sarkom  ähnliche  Nekrosen  \ 
Tuberkulose  und  Granulomatose  aufwies.  Es  ergab  sich  eine  ■ 
wohnliche  Impftuberkulose  bei  den  behandelten  Meerschweine!: 
ohne  dass  die  nekrotischen  Herde  des  Sarkoms  histologisch  iiberha 
an  tuberkulöse  Verkäsung  erinnert  hätten,  vielmehr  handelte  es  s 
nach  dem  mikroskopischen  Bilde  um  gewöhnliche  Geschvu 
nekrosen.  Es  mag  dieser  Fall,  da  tuberkulöse  Veränderungen  his 
logisch  fehlten,  und  die  Impfung  eine  Tuberkulose  zur  Folge  hatte,  . 
Vorsicht  für  die  Fälle  dienen,  in  denen  bei  Lymphogranulomatose  e'ci 
Tuberkulose  im  Impfversuch  erhalten  wird.  Bei  der  letzteren  V 
suchsreihe  wurde  nebenbei  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  Im 
tuberkulöse  ausblieb  bei  allen  denjenigen  Tieren,  welche  mitAntiforn 
behandeltes  Material  eingespritzt  erhalten  hatten,  während  genuii 
Material  (ohne  Antiforminbehandlung)  Tuberkulose  erzeugt  hat 
Bei  der  heutigen  Einschätzung  der  Antiforminmethode  ist  es  vi 
leicht  angebracht,  darauf  hinzuweisen,  dass  das  Antiformin  für 
Lebensfähigkeit  des  Impfmateriales  doch  nicht  so  gleichgültig  si 
kann. 

Herr  Schiissler:  Ueber  Selbstheilungsvorgänge  in  Krebs 

Vortragender  erinnert  an  das  zuerst  von  Becher  als  Spont; 
Heilung  aufgefasste  Auftreten  von  Riesenzellen  im  anliegenden  Strol 
und  ihre  phagozytäre  Tätigkeit  in  Kankroiden.  Die  Beseitigung 
1  lornperlen  durch  Phagozytose  ist  zwar  ein  Vorgang,  der  sich  ges: 
au  sich  in  Nekrobiose  befindliches  Material  richtet,  aber  na 
Orth  doch  als  eine  Art  von  Heilung  zu  bezeichnen  ist,  weil  da« 
ein  Teil  des  Tumors  vernichtet  wird.  Erläuterung  dieser  Proze: 
durch  Demonstration  von  Präparaten: 

1.  eines  klinisch  latent  gebliebenen  Oesophaguskarz 
n  o  m  s,  das  exzessive  Verhornung  infolge  ganz  geringgradiger  Ai 
plasie  zeigt.  Daneben  als  sekundäre  Erscheinung  Fremdkörperries, 
zellen  im  Stroma  und  Zerteilung  und  Phagozytose  der  Hornperl 

2.  eines  Leukoplakiekarzinoms,  in  dessen  Met 
s  t  a  s  e  n  dieselben  Vorgänge  sich  abspielen  wie  im  primären  Tun 
und  wie  unter  1.  berichtet  wurde. 

3.  eines  Platte  nepithelkarzinomes  vom  Kiefer  (v 
1.  und  2.). 

4.  der  Pleura  eines  an  Magenkarzinom  Verstorben- 
die  makroskopisch  Metastasen  zu  tragen  schien;  mikroskopisch  lki 
ein  junges  Granulationsgewebe  vor,  in  dessen  Umgebung  sich  st 
krebsverdächtige  Zellen  finden.  Augenscheinlich  handelt  es  sich  i: 
das  Endstadium  der  Zerstörung  eines  kleinen  Krebsherdes  dur: 
rasche  entzündliche  Reaktion  des  umgebenden  Gewebes.  Audi 
Ursachen  für  die  Erregung  einer  Entzündung  waren  auszuschliess- 
da  ein  unmittelbar  daneben  gelegener  Lymphknoten  und  das  Lungt 
gewebe  keinerlei  Veränderungen  zeigen. 

5.  eines  Stimmbandkarzinoms  (zum  Vergleich),  dess 
Zapfen  teilweise  von  Vakuolen  durchsetzt  sind.  In  diesen  sieht  m 
zahlreiche  Leukozyten,  die  augenscheinlich  einen  Auflösungsvorga: 
in  den  Krebszapfen  einleiten.  Daneben  entstehen  in  den  Lücken  a 
Krebszellen  durch  krankhafte  Abänderung  der  eingeleiteten  Zc 
teilungen  plasmodienartige  vielkernige  epitheliale  Riesenzellen. 

Herr  Rössle:  Ueber  die  Hypophyse  nach  Kastration. 

Die  Beziehungen  zwischen  Hypophyse  und  Genitale  sind  wechs 
seitige;  dafür  sprechen  einerseits  die  Erfahrungen  bei  Akromega' 
Dystrophia  adiposo-genitalis,  ferner  Cushings  und  Asch  ne 
experimentelle  Ergebnisse  bei  Hypophysenexstirpation  (weitgeheif 
Atrophie  des  Genitalapparates),  andererseits  umgekehrt  bei  primäil 
Veränderungen  der  Genitalien  die  jedesmal  mehr  oder  minder  ty 
sehen  Veränderungen  der  Hypophysis,  so  die  Schwangerschaf1 
Hypertrophie  (Comte,  Erdheim  und  Stumme)  und  die  v| 
läufig  erst  bei  Tieren  genauer  studierten  Hypophysenveränderungi 
nach  Kastration  (F  i  c  h  e  r  a,  K  o  1  d  e).  Für  den  Menschen  ist  die  V' 
grösserung  der  Hypophysis  nach  Kastration  bekannt  durch  die  M 
teilungen  von  Tandler  und  Gross  über  Erweiterung  der  Sei 
turcica  im  Röntgenbild  und  am  Skelett  von  Eunuchen  und  Skopzi 
Mikroskopisch  liegen  nur  vereinzelte  Beobachtungen  von  Jutaf 
Kon  (6  Fälle)  und  Kol  de  (1  Fall)  vor.  An  einem  grösser; 
menschlichen  Material  (101  Hypophysen,  davon  23  von  länger 
4  Wochen  kastriert  gewesenen  Frauen)  wurde  nun  diese  Frage  untt 
sucht.  Es  ergab  sich,  dass  eine  wesentliche  und  in  Kontrollen  nie 
vorkommende  Gewichtsvermehrung  von  Hypophysen  nach  Kastrati; 
unter  den  Bedingungen,  unter  denen  bei  uns  die  Kastration  ausgefiil 
wird,  nicht  regelmässig  festzustellen  ist.  Dies  hängt  zum  grossen  T 
mit  dem  Alter  und  dem  kachektischen  Körperzustand  derjetiigji 
Personen  zusammen,  bei  denen  sich  die  Ausschneidung  der  Keimdrii 
als  notwendig  erweist.  Findet  diese  im  Klimakterium  statt,  so  si 
überhaupt  makroskopisch  und  mikroskopisch  im  allgemeinen  tT 
wenig  Veränderungen  am  Hirnanhang  festzustellen,  während  1 
jugendlichen  Personen  die  Hypophysis  schon  in  kurzer  Zeit  seit 
bei  erheblichen  Allgemeinerkrankungen  (z.  B.  schwerer  Tuberkulös 
auf  die  Entfernung  der  Ovarien  oder  der  gesamten  Genitai-  u 
Beckenorgane  reagiert.  Die  histologische  Veränderung  besteht 
einer  Ueberwucherung  der  Hauptzellen  und  insbesondere  der  bas 
philen  Zellen  durch  die  Eosinophilen.  Es  fällt  dabei  nicht  nur  die  ’L 
und  Grösse  der  letzteren  auf,  sondern  vor  allem  auch  ihre  Hetei 
topie,  d.  h.  ihr  reichliches  Vorkommen  in  Teilen  der  Hypophysis, 
denen  sie  sonst  nicht  oder  nur  in  geringer  Anzahl  angetroffen  werdj 
so  z.  B.  in  den  vordersten  und  Randteilen  des  Vorderlappens.  1 


.  April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


953 


rüch  der  näheren  Einzelheiten,  welche  sich  in  histologischer  Hin- 
lit  ergeben  haben,  die  Frage  der  Umwandlung  der  einzelnen  Zell¬ 
en  beim  Zustandekommen  dieser  Eosinozytose,  ferner  der  Einfluss 
n  Krankheiten  wie  Basedow  sehe  Erkrankung  und  Osteomalazie 
t  das  Bild  der  Kastration  am  Drüsenlappen  der  Hypophysis  sei 
d:e  ausführliche  Arbeit  verwiesen. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Marchand. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

(Schluss.) 

Herr  Weddy-Poenicke:  Demonstration  von  Ner  verl¬ 
inken. 

1.  Bei  diesem  55  jährigen  Fabrikschuhmacher  K.  H.  stellten  sich 
Juni  1912  allmählich  zunehmende  Zitterbewegungen  des 
chten  Armes  ein.  Zugleich  nahm  der  Kopf  allmählich 
ne  stark  nach  hinten  und  etwas  nach  links  ge- 
elitete  Haltung  ein.  Auch  der  Oberkörper  ist  im 
uzen  etwas  nach  hinten  geneigt.  Der  Kranke  hat 
her  viele  Jahre  an  Gelenkrheumatismus  gelitten,  sonst  ist  die  Ana- 
ese  o.  B.  Die  Zitterbewegungen  der  rechten  Hand,  die,  im  ganzen 
;ehen,  wohl  sogleich  an  Paralysis  agitans  denken  lassen,  haben  bei 
lauerer  Betrachtung  doch  mancherlei  von  dem  typischen  Bilde  ab- 
ichendes.  Es  besteht  zunächst  überhaupt  kein  Tremor  der  Finger 
bst,  es  besteht  auch  nicht  die  charakteristische  Pfötchenstellung, 
idern  es  handelt  sich  um  rhythmische  Oszillationen  der  ganzen  Ex- 
mität. '  Ferner  bewirken  passive  oder  intendierte  Bewegungen  bei 
Paralysis  agitans  in  der  Regel  eine  Abnahme  des  Tumors, 
hrend  hier  im  Gegenteil  ein  deutlicher  Intentionstremor  besteht, 

•  sich  von  dem  der  multiplen  Sklerose  in  nichts  unterscheidet, 
erdings  ist  von  Gerhardt  und  Oppenheim  darauf  hin- 
viesen  worden,  dass  das  Zittern  der  Paral.  agitans  durchaus  dem 

multiplen  Sklerose  gleichen  könne.  Ferner  besteht  der  Tremor 
h  im  Schlaf  hier  unverändert  fort.  Die  Zahl  der  Schwingungen  he¬ 
gt  —  mit  dem  Kymographion  aufgenommen  —  6.4  in  der  Sekunde, 
s  für  die  Diagnose  der  Paralysis  agitans  ausschlaggebende  Sym- 
m,  die  Rigidität  der  Muskeln  —  die  sich  von  den  Spasmen  bei 

Pyramidenbahnerkrankung  durch  den 
gleichmässigen,  „wächsernen“  Wider¬ 
stand  bei  passiven  Bewegungen  unter¬ 
scheidet  — ,  ist  in  den  Extremitäten  nicht 
mit  Sicherheit  zu  konstatieren;  im  rech¬ 
ten  Handgelenk  ist  es  vielleicht  in 
schwachem  Grade  vorhanden.  Dagegen 
werden  wir  die  eigenartige  Haltung  des 
Kopfes  wohl  auf  die  Rigidität  der  be¬ 
treffenden  Muskeln  zurückführen  dürfen. 

Das  Bild,  das  der  Kranke  bietet, 
weicht  besonders  auch  in  Hinsicht  auf  die 
Körperhaltung  durchaus  von  dem  typi¬ 
schen  Bilde  der  Paralysis  agitans  ab.  ln 
der  Literatur  sind  zunächst  einige  Fälle 
beschrieben,  die  nicht  den  häufigen  Fle¬ 
xionstypus.  sondern  den  Extensions¬ 
typus  darbieten,  indem  wohl  der  Kopf 
nach  vorn,  der  Rumpf  dagegen  nach  hin¬ 
ten  geneigt  war.  Fälle,  in  denen  wie 
hier,  nicht  nur  der  Oberkörper,  son¬ 
dern  auch  der  Kopf  nach  hinten 
geneigt  war,  hat  Vortragender  in 
Literatur  nur  4  auffinden  können.  Den  ersten  beschrieb 
-Stphal  1879,  dann  folgten  später  noch  einige  Franzosen.  Dafür, 
s  es  sich  hier  um  eine  seltene  Form,  den  Extensions- 
Pus  der  Paralysis  agitans  handelt,  spricht  auch  die  Be- 
gungsarmut  und  Verlangsamung  der  willkürlichen  Bewegungen, 
sich  auch  auf  die  Sprache  erstreckt,  so  dass  immer  erst  eine  ge- 
,Se  Zeit  vergeht,  ehe  der  Kranke  imstande  ist,  zu  sprechen. 
Störungen  des  Gleichgewichts  beim  Gehen  im  Sinne  der  Pro- 
r  Retropulsion  bestehen  nicht;  der  Gang  ist  langsam,  jedoch  gleich¬ 
es  und  wird  nicht  überstürzt.  Dagegen  besteht  ein  gewisser 
id  von  Lateropulsion,  besonders  nach  der  rechten  Seite. 

Diüerentialdiagnostisch  dürfen  wir  die  multiple  Sklerose  schon  in 
sicht  auf  das  Alter  des  Patienten  wohl  sicher  ausschalten,  ebenso 
traumatische  Neurose,  da  ein  Trauma  nicht  vorliegt.  Dagegen 
;bt  Vortragender,  dass  man  bei  den  mancherlei  Eigentümlichkeiten 
Otterbewegungen  und  der  Kopfhaltung  doch  auch  an  einen 
m  o  r  denken  müsse.  Für  die  Lokalisation  kämen  dann  wohl 
allem  die  Kerne  des  Seh-  und  Streifenhügels  in  Betracht,  deren 
ion  ein  der  Paralysis  agitans  ähnliches  Symptomenbild  bewirken 

•  wenn  man  nicht  mit  W  e  r  n  i  c  k  e  an  eine  Erkrankung  des  Klein- 
is  denken  wolle. 

2.  Dieser  59  jährige  Arbeiter  E.  F.  hat  im  Februar  1909  einen 
all  erlitten,  indem  er  von  einem  Wagen  gegen  die  Brust-  und 
ichwattd  gestossen  wurde,  so  dass  er  auf  den  Rücken  fiel.  Er 


arbeitete  zunächst  weiter.  Nach  2  Tagen  stellten  sich  Schmerzen  im 
Kreuz  und  der  linken  Seite  ein,  die  bei  Bewegungen  und  Anstren¬ 
gungen  zunehmen  und  noch  heute  bestehen.  Zugleich  entwickelte 
sich,  allmählich  zunehmend,  eine  Verkrümmung  der  Wirbelsäule,  und 
seit  ca.  1  Jahr  bietet  der  Kranke  das  Bild,  das  wir  jetzt  sehen:  die 
Wirbelsäule  in  toto  —  mit  Ausschluss  der  Halswirbel  — 
stark  kyphotisch  verkrümmt. 

Den  chronischen  Vertebralrheumatismus,  die  Spondylitis 
d  e  f  o  r  in  a  n  s,  also  die  der  Arthritis  deformans  entsprechende  Er¬ 
krankung  der  Wirbelsäule,  dürfen  wir  wohl  ohne  weiteres  aus- 
schliessen,  da  der  Zusammenhang  mit  dem  Unfall  zu  sehr  in  die  Augen 
springt.  Es  käme  differentialdiagnostisch  dann  weiterhin  jene  Form 
der  chronischen  Arthritis  in  Betracht,  die  als  chronische  ankylo¬ 
sierende  Spondylitis  oder  als  Strümpell-Mariesche  Krank¬ 
heit  bekannt  ist.  Auch  bei  dieser  Krankheit  ist  ein  Flexions-  und 
Extensionstypus  zu  unterscheiden;  doch  kommt  es  auch  bei  dem  Fle¬ 
xionstypus  dieser  Krankheit  wohl  niemals  zu  einer  so  hochgradigen 
Neigung  des  Rumpfes  gegen  die  unteren  Extremitäten  wie  hier;  es 
kommt  auch  nicht  zu  einer  Kyphose  der  ganzen  Wirbelsäule,  die  viel¬ 
mehr  zum  grössten  Teil  gerade  gestreckt,  wenn  auch  nach  vorn  ge¬ 
neigt  wird,  während  nur  der  Zervikalteil  kyphotisch  gekrümmt  ist. 
Dann  ist  die  Str.-M.sche  Affektion  doch  vorzugsweise  eine  Erkran¬ 
kung  des  jugendlichen  Alters  und  ätiologisch  wird  jetzt  fast  ausnahms¬ 
los  eine  infektiöse  Ursache  angenommen.  Die  ganz  spezifischen  Lä¬ 
sionen,  die  es  gestatten,  die  Strümpell-Marie  sehe  Krankheit 
auch  pathologisch-anatomisch  von  den  anderen  Erkrankungen  der 
Wirbelsäule  abzugrenzen,  sind  die  Verknöcherung  der  Bänder,  in¬ 
sonderheit  der  Ligamenta  flava  und  der  Zwischenwirbelscheiben.  Die 
Röntgenaufnahmen  lassen  jedoch  erkennen,  dass  die  Zwischenwirbel¬ 
scheiben  durchsichtiger  sind  als  die  Wirbelkörper  und  dass  die  Längs¬ 
bänder  nicht  undurchsichtig  erscheinen.  Die  Str.-M.sche  Affektion 
ist  von  ausgesprochen  progressivem  Charakter  und  es  kommt  all¬ 
mählich  auch  zu  einer  vollkommenen  Steifigkeit  des  Halses  und  zu 
einer  Ankylose  der  Hüften,  in  leichterem  Grade  auch  der  Schultern 
und  Sternoklavikulargelenke,  während  die  übrigen  Gelenke  fast  stets 
verschont  bleiben.  Alle  diese  genannten  Gelenke  sind  hier  voll¬ 
kommen  frei.  Wir  finden  bei  dem  Kranken  auch  nicht  die  cha¬ 
rakteristische  Abplattung  des  Rumpfes  von  vorn  nach  hinten,  es 
besteht  keine  Ankylose  der  Rippen. 

Vortr.  glaubt,  dass  in  die  engere  Wahl  nur  zwei  Erkrankungen 
zu  stellen  sind,  einmal  die  ankylotische  Steifheit  der 
Wirbelsäule  von  Bechterew  und  andererseits  die  Hy¬ 
sterie. 

Die  von  Bechterew  beschriebene  ankylotische  Steifheit  der 
Wirbelsäule  ist  wohl  von  der  Str.-M. sehen  Krankheit  durchaus  zu 
trennen.  Bechterew  versteht  unter  ihr  eine  sich  allmählich 
entwickelnde  chronische  Arthritis,  die  sich  ganz  auf  die  Wirbelsäule 
beschränkt  und  die  grossen  Nachbargelenke,  die  Schulter  und  Hüft¬ 
gelenke  durchaus  frei  lässt.  Sie  führt  zu  einer  ausgesprochenen  Ky¬ 
phose  und  geht  mit  Schmerzen  einher.  Aetiologisch  macht  er  neben 
der  Heredität  und  der  Syphilis  vor  allem  das  Trauma  verantwortlich. 
Nach  verschiedenen  Autoren  handelt  es  sich  wahrscheinlich  um  eine 
chronische  Entzündung  der  kleinen  Wirbelgelenke,  die  zur  Ankylose 
führt.  Die  Schmerzen  über  die  der  Patient  klagt,  die  seit  geraumer 
Zeit  auch  in  die  Oberschenkel  ausstrahlen,  könnten  ja  sehr  wohi 
als  Wurzelsymptome  anzusprechen  sein.  In  ganz  seltenen  Fällen 
soll  es  bei  der  Bechterew  sehen  Krankheit  auch  zu  einer  Kom¬ 
pression  des  Rückenmarks  kommen.  Da  der  Patient  seit  dem 
Jahre  1911  an  unfreiwilligem  Urinabgang  leidet,  so  könnte  hierin 
wohl  ein  Symptome  einer  medullären  Kompression  zu  erblicken  sein. 
Andererseits  ist  freilich  ausser  diesem  Symptom  seit  nunmehr 
1/4  Jahren  kein  anderes  Zeichen  hinzugetreten,  das  für  ein  Fort¬ 
schreiten  der  genannten  Schädigung  des  Rückenmarks  spräche,  in¬ 
sonderheit  keine  motorischen  oder  spastischen  Lähmungen  oder 
Paresen  und  keine  Störung  der  Reflexe. 

Diese  Tatsache  weist  darauf  hin,  dass  dieses  Symptom  viel¬ 
leicht  doch  hysterischer  Natur  sein  könnte,  dass  es  sich  also  um 
einen  der  allerdings  wohl  sehr  seltenen  —  von  einigen  Autoren  auch 
überhaupt  bestrittenen  —  Fälle  von  hysterischer  Lähmung  des 
Schliessmuskels  handeln  könnte,  bei  der  vielleicht  auch  eine  Hyper¬ 
ästhesie  der  Blasenschleimhaut  eine  Rolle  spielt. 

Da  der  Kranke  auch  mancherlei  psychopathische  Züge  aufweist, 
z.  B.  Beeinträchtigungsideen  und  da  auf  dem  Röntgenbild  ein  sicheres 
Zeichen  einer  Erkrankung  der  kleinen  Wirbelgelenke  nicht  zu  er¬ 
kennen  ist.  so  wäre  also  immerhin  in  Konkurrenz  mit  der  Bech¬ 
terew  sehen  Krankheit  daran  zu  denken,  dass  sich  bei  einem 
psychisch  minderwertigen  Individuum  infolge  tonischer  Kontrakturen 
der  Beugemuskeln  der  Wirbelsäule  eine  kyphotische  Verkrümmung 
derselben  entwickelt  hat,  die  ihrem  Wesen  nach  der  Hysterie  zuzu¬ 
rechnen  wäre. 

Vortr.  glaubt,  dass  eine  sichere  Entscheidung,  ob  es 
sich  um  die  Bechterewsche  Krankheit  oder  um  Hy¬ 
sterie  handelt,  nicht  möglich  ist.  Von  grosser  Bedeutung 
in  differentialdiagnostischer  Hinsicht  könnte  die  Chloroformnarkosc 
werden;  doch  hat  sich  Patient  noch  nicht  entschliessen  können,  die¬ 
selbe  vornehmen  zu  lassen. 

3.  Die  42jährige  Invalidin  M.  B.  bietet  kurz  folgenden  Befund; 
Pupillen  lichtstarr,  leicht  entzündet,  Konvergenzreaktion  gut.  An  den 
linkseitigen  Extremitäten  ist  der  Patellar-  und  Achillessehnenreflex 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  17 


erloschen,  es  besteht  Hypotonie,  an  (Jen  rechtseitigen  Extremitäten 
dagegen  lebhafter  Patellar-  und  Vorderarmreflex,  während  der 
Achillessehnenreflex  auch  fehlt,  es  besteht  Hypertonie,  ferner  An¬ 
deutung  des  B  a  b  i  n  s  k  i  sehen  Symptoms.  Ausserdem  zeigt  nun  die 
rechte  obere  Extremität  eine  lokalisierte  Atrophie  des  Daumen,ballens, 
des  Kleinfingerballens  und  der  Interossei.  eine  Erschwerung  der  Ab¬ 
duktion  und  Opposition  des  Daumens,  sowie  der  Spreizung  der  Finger 
und  den  Affenhandtypus  der  Stellung  des  ersten  Metakarpus. 

Aus  der  Krankengeschichte  seien  kurz  folgende  Etappen  ange¬ 
führt  : 

Die  Patientin  ist  seit  vielen  Jahren  an  Tabes  dorsal  is  er¬ 
krankt.  Vor  3  Jahren  trat  eine  rechtseitige  Hemiplegie  auf,  die 
die  Wiederkehr  des  erloschenen  rechten  Patellar- 
reflexes  mit  sich  brachte. 

Seit  etwa  1  Jahre  entwickelt  sich  nun  etwas  Neues,  nämlich  die 
genannte  Atrophie  der  Muskeln  des  Daumen-  und 
Klei  n  fingerballe  ns  und  der  Interossei.  Auch  nach 
Hemiplegien  können  ja  —  abgesehen  von  der  Inaktivitätsatrophie  — 
im  Anschluss  an  die  allgemeine  Qehirnerkrankung  Atrophien  ein- 
treten;  dieselben  sind  jedoch  nicht  so  lokalisiert  wie  hier  und  zeigen 
wenn  überhaupt  und  sehr  selten  —  erst  nach  vielen  Jahren  eine 
Herabsetzung  der  faradischen  und  galvanischen  Erregbarkeit,  die 
hier  vorhanden  ist. 

Da  für  eine  Neuritis  der  peripheren  Nerven  keine  Anhaltspunkte 
vorhanden  sind  —  es  bestehen  weder  Schmerzen,  noch  Druckpunkte 
oder  Sensibilitätsstörungen  und  da  die  ausgesprochene  Einseitigkeit 
des  Prozesses  gegen  eine  progressive  Muskelatrophie  spricht,  die 
ja  gleichfalls  eine  ausserordentlich  seltene  Komplikation  bedeuten 
würde,  so  werden  wir  zu  der  Annahme  gelangen,  dass  es  sich  um 
eine  Erkrankung  der  vorderen  Wurzeln  handelt,  die  zu  der  der 
hinteren  Wurzeln  im  Laufe  der  Jahre  hinzugetreten  ist,  also  um 
einen  seltenen  Fall  von  amyotrop bischer  Tabes. 

Diskussion:  Herr  Dumas  frägt,  warum  im  ersten  Falle 
Hysterie  nicht  in  Betracht  komme. 

Herr  Weddy-Poe  nicke:  Eine  Hysterie  ist  wohl  deshalb 
auszuschliessen,  weil  jede  anderen  Merkmale  derselben  bei  dem  nun 
55  Jahre  alten  Manne  vollständig  fehlen,  weil  der  Tremor  ferner 
suggestiven  Einwirkungen  gegenüber  vollkommen  unbeeinflussbar  ist 
und  auch  im  Schlaf  unverändert  fortbesteht. 

Herr  v.  Niessl-Mayendorf  frägt,  ob  sich  das  Leiden 
allmählich  entwickelt  habe. 

Herr^  Weddy-Poe  nicke:  Allmählich. 

Herr  v.  Niessl-Mayendorf:  Der  vom  Vortragenden  vor¬ 
gestellte  Fall  bietet  das  typische  Bild  einer  Kleinhirnerkrankung. 
De  Beschränkung  des  Schütteltremors  mit  den  grossen  Oszillationen 
auf  eine  obere  Extremität,  die  Steigerung  desselben  bei  intendierten 
Bewegungen,  seine  Unbeeinflussbarkeit  durch  den  Schlaf  sprechen  für 
den  organischen  Charakter  der  Erkrankung  und  sind  für  Erkran¬ 
kungen  des  Kleinhirns  oder  für  dessen  Verbindungen  mit  dem  Gross- 
hirn  vielfach  charakteristisch.  Ausserdem  spricht  für  eine  Lokali¬ 
sation  in  das  Kleinhirn  der  tonische  Kontraktionszustand  der  Hals- 
und  Kopfmuskeln  derselben  Seite  und  die  anarthritische,  zuweilen 
skandierende  Sprachstörung.  Endlich  ist  der  Gang  entschieden 
zerebellar  - ataktisch  (Zick-Zack-Gang).  Ueber  gelegent¬ 
liche  Schwindelerscheinungen  wurde  von  dem  Patienten  gleichfalls 
geklagt.  Gegen  Paralysis  agitans  spricht  das  Fehlen  des  allgemeinen 
Rigors  und  der  Retro-  und  Propulsionsbewegungen  beim  Gange. 

Herr  Wed  dy -Poe  nicke:  Daran,  dass  eine  organische  Er¬ 
krankung  vorliegt,  kann  allerdings  wohl  kein  Zweifel  sein.  Dagegen 
dürfte  ein  Tremor  wie  dieser,  der  sich  auf  eine  obere  Extremität 
beschränkt  und  nun  schon  seit  9  Monaten  Tag  und  Nacht  unverändert 
anhält,  ohne  dass  eine  Parese  hinzugetreten  wäre, 
doch  gewiss  nicht  als  die  typische  Begleiterscheinung  eines  Zere¬ 
bellartumors  anzusprechen  sein.  Ferner  dürfte,  wenn  wir  einen 
tonischen  Kontraktionszustand  annehmen  wollten,  nicht  ein  solcher 
derselben  Seite  vorliegen;  es  würde  sich  ja  einmal,  da  der  Kopf 
nach  hinten  gebeugt  ist,  um  den  beiderseitigen  Kukullaris  oder 
Splenius,  dann  aber,  da  auch  eine  Neigung  des  Kopfes  nach  links 
besteht  und  das  Kinn  dabei  nach  rechts  oben  gewendet  ist,  um  den 
Sternocleido-mastoideus  der  anderen  Seite  handeln.  Weiterhin  kann 
man  von  einer  wirklichen  zerebellaren  Ataxie  doch  wohl  nicht 
sprechen,  weder  von  statischer,  noch  von  lokomotorischer.  Es  ist 
nicht  das  charakteristische  Hin-  und  Hertaumeln,  sondern  ein  Ab¬ 
weichen  nach  der  Seite,  besonders  der  rechten,  im  Sinne  der  Latero- 
pulsion.  Es  fehlt  auch  das  so  häufig  bei  Kleinhirntumoren  beobachtete 
Auftreten  von  Parese  der  Extremitäten  eiimr  Seite  mit  Hypertonie, 
es  fehlt  die  von  dem  Vorredner  erwähnte  Adindochokinesis,  es  fehlt 
der  charakteristische  Kleinhirnschwindel,  es  fehlt  der  Nystagmus,  cs 
fehlen  jegliche  Symptome  seitens  der  Hirnnerven  und  es  fehlen  Allge- 
meinerscheinungen.  insonderheit  besteht  kein  Kopfschmerz;  die 
Sehnenreflexe  zeigen  keine  wesentliche  Veränderung.  Die  Sprache 
ist  doch  wohl  nicht  als  skandierend  zu  bezeichn“!!,  sie  erscheint 
nur  etwas  verlangsamt  und  es  dauert  oft  eine  gewisse  Zeit,  ehe 
der  Kranke  zum  Sprechen  kommt.  Vor  allem  aber  hat  sich  im  Laufe 
der  neun  Monate  noch  keine  Veränderung  des  Augenhintergrundes 
entwickelt.  Es  ImstGit  keine  Stauungspapille,  die  ja  gerade  bei  Tu¬ 
moren  der  hinteren  Schädelgrube  ein  fast  nie  fehlendes  Svmntom  ist. 
Nach  alled?m  dürfen  wir  sagen,  dass  man  in  unserem  Falle  von 


dem  typischen  Bild  einer  Kleinhirnerkrankun 

wohl  nicht  sprechen  kan  n. 

Herr  V  ö  r  n  e  r  demonstriert  einige  geheilte  Fälle  von  Krebs 
kranken. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  8.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Matth  es. 

Schriftführer :  Herr  Sardemann. 

Herr  Tuczek:  Differentialdiagnose  der  jugendlichen  Verblij 
dungsprozesse. 

Ausgehend  von  dem  diagnostischen  Interesse,  welches  di 
jugendlichen  Verblödungsprozesse  wegen  ihrer  wissenschaftliche! 
Stellung  und  ihrer  praktischen  Bedeutung  bieten,  resümiert  T.  dii 
historische  Entwicklung  der  Dementia-praecox-Frage,  die  ihrer 
gegenwärtigen  Abschluss  in  der  Aufstellung  der  Gruppe  der  Schi;, 
phrenien  findet. 

Eingehend  werden  die,  alle  Formen  zusammenfassende! 
Grundstörungen  erörtert:  die  intellektuellen  Ausfallserschei 
nungen  (Störungen  der  Assoziationstätigkeit)  und  die  affektiven  Ausl 
fallserscheinungen  (Gemütsabstumpfung),  sowie  die  Folgen  diese» 
Störungen  für  das  Handeln  der  Kranken. 

Es  w'erden  sodann  die  akzessorischen  Symptome  be 
sprochen,  vvelche  in  grosser  Zahl  und  buntem,  oft  plötzlichem  Wech 
sei  die  Grundstörungen  verdecken  und  vorübergehend  dem  Zustands 
bild  das  Gepräge  geben:  die  heiteren,  depressiven  Verwirrtheit-, 
zustände;  der  katatonische  Symptomenkomplex  mit  den  Ersehe i 
nungen  der  Spannung,  Hemmung,  Sperrung,  des  Negativismus,  de 
„Autismus“,  der  Stereotypien,  Manieren,  der  motorischen  Suggestibili 
tät,  der  Automatismen,  des  Stupors,  der  Erregung;  die  Sinnestäu 
schungen  und  Wahnideen;  die  „Anfälle“;  die  neurotischen  Begleit 
erscheinungen. 

Die  Einteilung  in  Untergruppen  (einfache  schizophrene  Verblöj 
düng,  Hebephrenie,  Katatonie,  Paranoid)  wird  skizziert,  die  ver 
schiedenen  Verlaufsarten  und  Ausgänge  werden  geschildert. 

Eingehend  werden  sodann  die  diagnostischen  Schwierigkeitei 
und  die  bei  der  Differentialdiagnose  zu  berücksichtigenden  allgemeine! 
Gesichtspunkte  erörtert;  sodann  die  wesentlichsten  differeutialdia 
gnostischen  Merkmale  gegenüber  der  Imbezillität,  den  psychopathi 
sehen  Konstitutionen,  dem  manisch-depressiven  Irresein,  dem  Alko 
holismus,  der  Paranoia,  der  Epilepsie,  der  Hysterie,  der  Chorea,  dei 
progressiven  Paralyse,  der  Simulation. 

Ausführlich  wird  auf  die  praktische  Wichtigkeit  und  die  Schwie¬ 
rigkeit  der  Diagnose  der  leichteren,  rudimentären,  latenten  Forme) 
und  der  Residuärdefekte  der  „Genesenen“  eingegangen,  zumal  in 
solchen  Fällen,  welche  nicht  in  die  Anstalten  kommen  und  vielfac! 
nicht  diagnostiziert  oder  vorbeidiagnostiziert  werden. 

Herr  Bonhoff:  Ueber  einen  Befund  bei  Plaut-Vincent 
scher  Angina. 

M.  H.!  In  dem  hiesigen  Untersuchungsamt  für  ansteckend. 
Krankheiten  haben  wir  in  den  letzten  Jahren  in  steigendem  Masse 
Fälle  von  Anginen  zu  untersuchen  gehabt,  in  denen  sich  der  vot 
Plaut  und  Vincent  zuerst  erhobene  Befund  von  spindelförmiger 
Bazillen  und  Spirochäten  als  Erkennungsmerkmal  bei  der  mUro- 
skopischen  Untersuchung  zeigte.  Es  handelt  sich  dabei  bekanntlicl 
um  ein  Krankheitsbild,  bei  welchem  Membranen  auf  den  Tonsillen 
vielleicht  auch  dem  Zäpfchen  gebildet  werden,  die  Unterkieferdriisei 
sich  entzünden,  auch  mehr  oder  weniger  schwere  AllgemGnerschei 
nungen  beobachtet  werden.  Charakteristisch  für  manche  Fälle  ist  di 
Verfärbung  der  Membranen,  ein  spezifischer  übler  Geruch  aus  den 
Munde.  In  vielen  Fällen  kommt  es  unter  der  Membran  zu  eine: 
oberflächlichen  Geschwürsbildung,  derart,  dass  nach  künstlicher  Ent 
fernung  der  Membran  die  nichtblutende  Fläche  neue  Membranen  er 
zeugt,  die  unter  Umständen  erst  nach  Tagen  oder  Wochen  ah 
gestossen  werden.  In  gar  nicht  seltenen  Fällen  kommt  es  aber  aucl 
zur  Vereiterung  der  Lymphdrüsen,  zu  Abszessen  unter  der  Rachen 
Schleimhaut,  wobei  beträchtliche  Allgemeinerscheinungen  und  eine 
ziemlich  lange  Dauer  der  Erkrankung  eintreten  können.  Auch  Todes¬ 
fälle  an  dieser  Angina  sind  beobachtet. 

Bei  diesen  Krankheitsfällen  wird  der  Diphtheriebazillus  stet- 
vermisst,  wenn  nicht  gleichzeitig  eine  diphtherische  Infektion  vor¬ 
liegt.  Das  für  die  Erscheinungen  typische  mikroskopische  Bild  is 
vielmehr  gekennzeichnet  durch  die  oben  schon  erwähnten  spindel 
förmigen  Stäbchen  und  Spirochäten,  die  in  mehr  oder  weniger  grosse: 
Zahl,  zuweilen  fast  ohne  Begleitbakterien,  meist  vergesellschaftet  mi 
Stäbchen  und  Kokken  und  etwaigen  sonstigen  Vertretern  der  Mund¬ 
flora  in  den  Ausstrichpräparaten  gefunden  werden.  Wie  bekannt 
hat  man  diese  spindelförmigen  Stäbchen  zunächst  als  die  Ursaclu 
der  Krankheit,  später,  als  der  Nachweis  ihres  Vorhandenseins  ii 
jeder  normalen  Mundschleimhaut  erbracht  war,  ihre  Symbiose  mi; 
den  Spirochäten  als  ätiologisches  Moment  bezichtigt.  Letztere  An¬ 
schauung  war  ja  auch  die  unseres  Kollegen  Hess,  der  vor  Jahrei 
hier  im  ärztlichen  Verein  in  einem  klinischen  Vortrage  Symptome  um 
mikroskopische  Befunde  bei  Plaut-Vincent  scher  Angina  genaue: 
geschildert  hat.  Seit  Mühle  ns  die  Kultur  des  spindelförmigen  Ba¬ 
zillus  und  der  Spirochäte  gelungen  ist,  seit  mit  diesen  Reinkulturen 
und  den  Gemischen  derselben  experimentelle  Impfungen  vorgenomnio 


April  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


955 


•  den  konnten,  die  ohne  jedes  Ergebnis  verliefen,  ist  der  Glaube 
l  die  ursächliche  Bedeutung  dieser  Gebilde  erschüttert.  Umsomehr, 
i  man  die  spindelförmigen  Bazillen,  die  seit  Vincent  als  die 
iptträger  der  Aetiologie  gelten,  seither  nicht  bloss  in  der  nor- 
,  en  Mundhöhle,  in  den  Lakunen  (Jer  Tonsillen,  sondern  auch  bei 
ercn  Krankheitsprozessen,  in  diarrhoischcn  Stühlen,  bei  Ulcus 
le  neben  dem  eigentlichen  Erreger,  dem  Unna-Ducre  y  sehen 
illus.  ferner  bei  Balanitis  erosiva  etc.  gefunden  hat.  Es  handelt 
demnach  bei  den  spindelförmigen  Bazillen  und  den  Spirochäten 
Nosoparasiten,  die  wahrscheinlich  auf  dem  Boden  der  durch  andere 
iliisse  erzeugten  Entzündung  besonders  gute  Bedingungen  ihrer 
mehrung  finden. 

Mit  Feststellung  dieser  Tatsache  verlieren  wir  nun  aber  eigent- 
das  Recht,  aus  dem  Vorhandensein  der  spindelförmigen  Ba- 
•n  und  Spirochäten  die  Diagnose  Angina  Vincenti  auszusprechen, 
ligstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade.  Denn  eine  Vermehrung 
Vincent  scheu  Bazillen  und  der  Zahnspirochäten  kann  bei  ätio- 
sch  ganz  verschieden  bedingten  Entzündungen  der  Rachenschi  Mm- 
t  eintreten.  Es  fragt  sich,  ob  das  Krankheitsbild  überhaupt  ütio- 
sch  noch  einheitlich  aufgefasst  werden  kann.  Für  die  Entschei- 
g  im  letzteren  Sinne  spricht  allerdings  mit  einer  gewissen  Sicher- 
das  Krankheitsbild,  das  immer  mit  geringen  Abweichungen  das- 
>e  bleibt. 

Vielleicht  lässt  sich  mikroskopisch  oder  durch  Kultur  etwas 
eres  Spezifisches  nachweisen!  Zu  Untersuchungen  nach  dieser 
S  ltuug  wurde  ich  besonders  angeregt  durch  die  Uebersendung  eines 
chwürseiters,  den  Herr  Kollege  v.  Behm  aus  Kassel  am  II.  De- 
iber  1912  zur  Untersuchung  auf  Tuberkelbazillen  dem  hiesigen 
ersuchungsamt  einschickte.  Leider  liess  sich  über  die  Symptome 
Erkrankung  gar  nichts  feststellen.  Auf  dem  der  Sendung  beige- 
enen  Zettel  stand  nur:  Eiter  von  einem  Ulcus  an  der  Tonsille 
rührend.  Unsere  Bitte  um  einige  Notizen  aus  der  Krankenge¬ 
lde  und  um  eventuelle  Wiederholung  der  Einsendung  blieb,  wie 
in  den  Untersuchungsämtern  ja  zur  täglichen  Erfahrung  geworden 
unbeantwortet.  —  Die  mikroskopische  Untersuchung  dieses 
rs  nun  zeigte  geradezu  unglaubliche  Mengen  von  Spirochäten 
fusiformen  Bazillen,  in  dicken  Zöpfchen  vereinigt,  daneben  so 
uge  andere  Bakterien  (Diplokokken),  dass  ich  beschloss,  den  oft 
geblich  unternommenen  Versuch  der  Reinzüchtung  beider  Arten 
h  einmal  zu  wiederholen.  Das  Resultat  dieses  Versuches  war 
den  Spirochäten  auch  jetzt  negativ.  Sie  hielten  sich  zwar  in 
em  sterilem  menschlichen  Blutserum  wochenlang,  besonders  in 
Röhrchen,  in  welchen  sich  keine  Entwicklung  von  Streptokokken 
damit  keine  Säuerung  des  Nährbodens  zeigte.  Eine  Vermehrung 
selben  trat  aber  weder  hier  noch  in  anaerob  gehaltenen  Trauben- 
ker-Agarröhrchen  oder  -platten,  die  mit  menschlichem  oder  tieri- 
-m  Blutserum  versetzt  waren,  ein.  Dagegen  kamen  auf  den  letzt - 
annten  Nährböden  recht  zahlreiche  Kolonien  von  fusiformen  Ba- 
n  zur  Entwicklung:  merkwürdigerweise  indessen  nicht  nur  auf  an¬ 
dern  Wege.  Die  weitere  Untersuchung  der  isolierten  Art  hat  dann 
.'ben,  dass  diese  Bakterien  auf  zuckerhaltigen  Nährböden  sehr  gut, 
ui  auch  langsam,  bei  Sauerstoffzutritt  wachsen.  Dass  es  sich  um 
forme  Bazillen  handelt,  geht  aus  mikroskopischen  Präparaten 
Kultur  nicht  ohne  weiteres  hervor.  Immerhin  findet  man  in  jedem 
hen  Deckglasausstrich  einige  Formen  mit  deutlich  zugespitzten 
en  und  einer  Verdickung  der  Mitte,  die  auch  zwei  stärker  ge- 
•te  Stellen,  je  eine  zu  beiden  Seiten  der  Mitte,  auf  weisen.  Hnupt- 
llich  aber  sind  schlanke,  verhältnismässig  kurze  Stäbchen  mit  ge- 
er  Krümmung  über  die  Längsachse  vorhanden.  Die  Kulturen  sind 
Mäuse  und  Meerschweinchen  ohne  jede  pathogene  Wirkung, 
nen  ursprünglichen  Glauben,  damit  zum  ersten  Male  aerob  wach¬ 
te  Spindelbazillen  in  Händen  zu  haben,  muss  ich  nach  Durchsicht 
einschlägigen  Literatur  aufgeben:  es  sind  bereits  ein-  oder  zwei- 
solche  aerobe  Spindelbazillen  gefunden  worden. 

Es  würde  sich  nicht  gelohnt  haben,  Ihre  Aufmerksamkeit  wegen 
es  Befundes  in  Anspruch  zu  nehmen.  Was  mich  bewog,  hier 
te  vor  Ihnen  das  Wort  zu  ergreifen,  ist  folgendes:  In  den  Prü¬ 
den  aus  dem  Eiter  des  vor  Herrn  v.  Behm  behandelten  Falles 
ich  bei  genauerer  Durchmusterung,  besonders  schön  in  den  nach 
-.msa  gefärbten,  neben  und  zwischen  den  rotviolett  gefärbten, 
ahnten  Bakterien  rundliche,  meist  ganz  schwach  hellblau  gefärbte, 
enscheinlich  ganz  dünne  Scheiben  verschiedener  Grösse,  von  2  ti 
zu  etwa  4  fi  im  Durchmesser,  die  ich  zunächst  für  Protoplasma- 
e  zugrunde  gegangener  Leuko-  oder  Lymphozyten  hielt,  bis  die 
>se  Zahl  dieser  Gebilde,  die  Tatsache  des  guten  Zustandes  aller 
landenen  Eiterzellen  mich  an  dieser  Deutung  irre  werden  liess. 
sich  dieselben  Gebilde  bei  darauf  gerichteter  Untersuchung  auch 
räparaten  von  früheren  Fällen  und  in  zwei  gerade  an  diesem 
e  eingegangenen  weiteren  Anginen  mit  fusiformen  Bazillen  und 
ochäten  fanden,  wurde  die  genaue  Untersuchung  der  angelegten 
uren  auf  diese  oder  ihnen  ähnliche  Formen  zur  Pflicht.  Schon 
ier  war  mir  bei  der  Durchsicht  der  Platten  und  Röhrchen  die 
>se,  zu  den  wenigen  im  mikroskopischen  Präparat  sichtbaren 
okokken  gar  nicht  im  Verhältnis  stehende  Zahl  von  Kokken- 
»nien  auf  allen,  nicht  nur  auf  einzelnen  Nährböden  aufgefalleu. 
er  diesen  Streptokokkenkolonien  fanden  sich  solche,  deren  ein- 
e  Kokken  bei  der  Färbung  mit  Methylenblau  den  Farbstoff  inten- 
aufgenommen  hatten,  ganz  gleichinässig,  ohne  irgendwelche  Be- 
Jerheiten.  Bei  einigen  anderen  dieser  Kolonien,  die  besonders 
's  und  zähe  zusammenhaftend  waren,  fiel  auf,  dass  die  einzelnen 


Glieder  der  Kolonie  sehr  gross  waren,  etwas  lanzettförmig  nach 
beiden  Enoen  zugespitzt:  den  Farbstoff  hatten  diese  Formen  nur  an 
der  Peripherie  und  in  einem  kleinen  Körnchen  im  Inneren,  dessen 
Lage  verschieden  war,  aufgenommen,  das  ganze  übrige  Protoplasma 
war  schwach  grau  verfärbt,  wie  bei  längere  Zeit  abgestorbenen  bezw 
der  Plasmolyse  unterworfenen  Kulturen. 

Die  letztgenannte  Art  von  „Kokken"  habe  ich  nun  auch  bei  den 
spateren,  von  uns  als  Angina  Vincenti  diagnostizierten  Fällen  regel¬ 
mässig  zur  Entwicklung  kommen  sehen.  Es  handelt  sich  um  aerob 
und  anaerob,  im  letzteren  Falle  aber  leichter  und  üppiger  wachsend ' 
Mikroorganismen,  die,  soviel  man  bisher  feststellen  konnte,  nur  bei 
Bi  uttemperatur  und  nur  auf  mit  menschlichem  Serum  versetzten 
Traubenzuckeragar  gedeihen.  Sie  sind  im  Ganzen  ziemlich  schwer 
zur  Entwicklung  zu  bringen,  wachsen  erst  vom  Ende  des  zweiten 
Tages  nach  der  Aussaat  an,  selbst  bei  sehr  reichlicher  Ueberimpfung 
kommen  immer  nur  einige  wenige  Kolonien  zur  Ausbildung,  wie  hier 
auf  dem  herumgereichten  Röhrchen,  an  dem  Sie  auqh  das  eigentümliche 
Wachstum  von  der  beimpften  Oberfläche  in  die  Tiefe  des  Nährbodens 
hinein  beobachten  können.  Ueber  die  sonstigen  Eigenschaften  dieser 
Mikrobenart  vermag  ich  vorläufig  nicht  viel  mitzuteilen.  Für  Meer¬ 
schweinchen  scheint  sie  avirulent  zu  sein,  weisse  Mäuse  gehen  bei 
intraperitonealer  Impfung  unter  den  Erscheinungen  einer  Strepto¬ 
kokkensepsis  schnell  zugrunde.  —  Wenn  ich  schon  heute  in  Ihrem 
Kreise  über  diesen  Befujjd  gesprochen  habe,  so  geschah  es  haupt¬ 
sächlich,  um  Ihnen  die  Bitte  vortragen  zu  können,  mir  einschlägiges 
Material,  das  Ihnen  vielleicht  in  nächster  Zeit  in  die  Hände  gelangt, 
wenn  irgend  möglich,  zur  genauen  Untersuchung  zu  Verfügung  zu 
stellen. 

Herr  O.  Bruns:  Zur  Kasuistik  der  Kaudatumoren. 

Der  vorgestellte  Kranke  hatte  von  1905—1911  ischiatische 
Beschwerden  (mit  Unterbrechungen)  bald  rechts,  bald  links,  endlich 
doppelseitig.  Nach  einer  unblutigen  Ischiadikusdehnung  in  Lumbal¬ 
anästhesie  trat  Schwäche  in  den  Beinen  auf.  Heute  (Februar  191.1) 
sind  bei  dem  Kranken  zu  konstatieren :  Reithosenamisthesie  bis  zum 
unteren  Drittel  des  Oberschenkels,  Parese  der  Wadenmuskulatur  mit 
Störungen  der  elektrischen  Erregbarkeit,  Incontinentia  urinae  et  alvi. 
Störungen  der  Potenz.  Es  handelt  sich  demnach  um  eine  Affektion 
des  Lumbosakralmarkes  oder  der  zur  Cauda  equina  ausgezogenen 
Wurzelzone  dieser  Segmente. 

Für  eine  Affektion  der  Cauda  equina  sprechen  der  langsame 
Aufbau  des  Symptomenkomplexes.  die  heftigen  Schmerzen  im 
Ischiadikusgebiet,  das  späte  Auftreten  der  Sensibilitätsstörung,  die 
Entwicklung  der  motorischen  Lähmungserscheinungen  nach  der 
Schmerzperiode,  das  allmähliche  Fortschreiten  der  Störung  der  Potenz, 
der  Blasen-  und  Mastdarmfunktion. 

Da  Knochenveränderungen  an  der  Wirbelsäule  fehlen,  Lues  und 
Tuberkulose  auszuschliessen  sind,  ferner  die  Entwicklung  des  Pro¬ 
zesses  eine  sehr  langsame  war,  so  ist  die  Annahme,  dass  es  sich 
um  einen  benignen  intraduraleii  Tumor  der  Cauda  equina  handelt, 
sehr  wahrscheinlich. 

Herr  Hildebrand  bespricht  die  Differentialdiagnose  zwischen 
Eventeratio  und  Hernia  diaphragmatica. 

Er  zeigt  zunächst  Röntgenbilder  eines  Falles  von  Eventeratio, 
bei  dem  die  Diagnose  durch  Sektion  sichergestellt  ist,  und  darauf 
Bilder  einer  Hernia  diaphragmatica.  Die  letztere  war  infolge  eines 
Unfalles  mitstanden.  Auf  den  Röntgenbildprn  sieht  man,  wie  sich 
aus  der  Zwerchfellkuppe  eine  halbkugelige  Blase  erhebt,  welche  auf 
den  einzelnen  Bildern  verschiedenen  Inhalt  aufweist;  einmal  enthält 
sie  Darmschlingen,  ein  anderes  Mal  den  Magen. 

Vor  dem  Durchleuchtungsschirm  bewegte  sich  die  Blase  beim 
Einatmen  zunächst  mit  dem  Zwerchfell  nach  unten,  dann  stieg  ihr 
oberer  Rand  aber  wieder  deutlich  nach  oben  und  die  ganze  Blase 
wurde  grösser;  man  sah,  wie  der  Inhalt  des  Bauches  durch  den 
Zwerchfellspalt  in  die  Brust  eingesogen  werde.  Besonders  deutlich 
wurde  das,  wenn  man  den  Patienten  Mund  und  Nase  verschliessen 
liess  und  nun  aufforderte,  Einatmungsbewegungen  zu  machen. 

Vortr.  zeigte  2  Platten,  von  denen  eine  vor  der  Einatmung,  die 
andere  nach  der  Einatmung  aufgenommen  war;  man  erkennt  deutlich 
den  Unterschied  in  der  Grösse  der  Hernie. 

Ferner  zeigt  H.  eine  Lungenaufnahme  eines  an  Bronchiektasien 
leidenden  Mannes.  Die  Erweiterungen  der  Bronchien  sind  vorzüg¬ 
lich  zur  Darstellung  gekommen.  Der  ganze  rechte  Unterlappen  ist 
durchsetzt  mit  Hohlräumen  und  sieht  fast  wie  ein  Schwamm  aus: 
man  erkennt  deutlich  auch  längsverlaufende,  spindelförmig  erweiterte 
Bronchen. 

Weiter  demonstriert  H.  Röntgenbilder  je  eines  Falles  von  Osteo¬ 
genesis  imperfecta  und  Chondrodystrophie.  Er  bespricht  ganz  kurz 
die  charakteristischen  Unterschiede  zwischen  beiden  Krankheiten. 

Hierauf  stellt  H.  einen  jungen  Mann  vor,  der  imstande  ist, 
willkürlich  die  Serrati  beiderseits  zu  erschlaffen,  so  dass  er  eine 
doppelseitige  Serratuslähmung  Vortäuschen  kann.  Er  kann  die  Serrati 
auf  beiden  Seiten  zugleich  oder  auf  einer  Seite  allein  erschlaffen 
Es  besteht  sicher  keine  Lähmung  und  auch  keine  Schwäche  der 
Serrati,  sie  sind  im  Gegenteil  ausserordentlich  kräftig. 

Zum  Schlüsse  demonstriert  H.  die  äusseren  und  inneren  Geni¬ 
talien  eines  männlichen  Scheinzwitters. 


956 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  15.  Januar  1913. 

Herr  Mader:  M.  H.!  Ich  möchte  Ihnen  heute  kurz  einen  Fall 
von  doppelseitiger  angeborener  Missbildung  des  Gehörorgans  vor¬ 
stellen.  Es  handelt  sich  um  dieses  11  jährige  Mädchen,  bei  dem  beide 
Gehörgänge  völlig  verschlossen  und  beide  Ohrmuscheln  verkümmert 
sind.  Während  einseitige  Missbildung  öfter  vorkommt,  ist  Doppel- 
seitigkeit  eine  Seltenheit.  Das  Kind  wurde  mir  von  den  Eltern  ge¬ 
bracht  zur  Vornahme  eines  Operationsversuches,  ob  es  nicht  möglich 
wäre,  das  Hörvermögen,  das  ein  leidliches  sei,  zu  verbessern.  Bei 
der  Untersuchung  stellte  sich  heraus,  dass  rechts  in  der  Tat  eine 
inässig  gute  Hörfähigkeit  trotz  der  völligen  Atresia  vorhanden  ist, 
links  dagegen  fast  Taubheit  besteht.  Unter  diesen  Umständen  war 
der  gewünschte  Operationsversuch  auf  dem  rechten  Ohre  wohl  an¬ 
gezeigt  und  habe  ich  denselben  vor  einigen  Jahren  unternommen. 
Es  wurde  hinter  dem  Ohre  aufgemacht,  da,  wo  der  Ohrenarzt  zu 
Hause  ist  und  die  Orientierung  am  besten  möglich  schien.  Als  Haupt¬ 
orientierungspunkt  gilt  uns  bekanntlich  die  Spina  supra  meatum.  Eine 
solche  fand  sich  denn  auch  schwach  entwickelt  vor  und  merk¬ 
würdigerweise  zog  von  ihr  aus  eine  etwa  2  mm  breite  Knochen¬ 
spange,  etwa  2%  cm  lang,  nach  vorne  und  oben  über  eine  seichte 
Vertiefung  hinweg.  Diese  seichte  Vertiefung  im  Knochen  entsprach 
der  Stelle,  wo  der  knöcherne  Gehörgang  sein  soll.  Derselbe  war 
aber  hier  leider  nicht  vorhanden,  es  bestand  also  neben  dem  Weich¬ 
teilverschluss  auch  völlige  knöcherne  Atresie.  Ich  entschloss  mich 
deshalb,  die  Operation  aufzugeben  und  wieder  zuzunähen.  Es  haben 
nämlich  alle  bisherigen  Versuche,  einen  knöchernen  Gehörgang  in 
solchen  Fällen  künstlich  herzustellen  und  offen  zu  halten,  mit  Miss¬ 
erfolgen  geendet,  einige  sind  sogar  schlecht  ausgegangen.  Auch  der 
zuletzt  voii  Scheibe  eingeschlagene  Weg,  eine  Daueröffnung  am 
Warzenfortsatz  nach  Eröffnung  des  Antrums  anzulegen,  war  nur  von 
geringem  Erfolg,  so  dass  mir  eine  Wiederholung  nicht  angezeigt 
schien,  besonders  in  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dass  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  von  knöcherner  Atresie  auch  das  Mittelohr  ent¬ 
weder  ganz  fehlt  oder  nur  rudimentär  entwickelt  ist.  Man  wird 
sich  also  bei  dem  Kind  mit  dem  natürlichen  Hörvermögen  begnügen 
müssen  und  darauf  zu  sehen  haben,  dass  dasselbe,  sowie  die  Sprache, 
gut  entwickelt  wird. 

Herr  Spielmeyer:  Spastische  Lähmungen  bei  intakter  Pyra¬ 
midenbahn. 

Vortr.  berichtet  über  das  Ergebnis  weiterer  Untersuchungen  über 
die  von  ihm  benannte  intra  kortikale  Hemiplegie  (und  Para¬ 
plegie),  d.  h.  über  die  residuären  resp.  chronischen  Lähmungen  bei 
intakter  Pyramidenbahn.  Aehnlich  wie  in  dem  von  ihm  zuerst  be¬ 
schriebenen  Falle  (Münch,  med.  Wochenschr.  1906)  ist  auch  bei  allen 
anderen  derartigen  Beobachtungen  der  Mechanismus  für  das  Zu¬ 
standekommen  der  Lähmung:  die  Ausschaltung  der  Pyramidenneurose 
aus  seinen  kortikalen  Verbänden,  sowie  die  Erkrankung  von  „Neu¬ 
rosen“,  die  der  Pyramidenbahn  übergeordnet  sind.  Verschieden¬ 
artige  Prozesse  können  solche  intrakortikale  Lähmungen  zur  Folge 
haben,  so  z.  B.  zur  Epilepsie  gehörige  Krankheiten  mit  Halb¬ 
seitenerscheinungen  (Redlich),  ferner  diffuse  Rindener¬ 
krankungen  des  Rückbildungsalters  (Vortragender) 
und  besonders  Entwicklungshemmungen  (Idiotie,  zere¬ 
brale  Kinderlähmung  fH  ö  s  t  e  r  m  a  n  n]).  Auch  bei  der  Paralyse 
spielt  dieser  Entstehungsmechanismus  mitunter  eine  Rolle  bei  dem  Zu¬ 
standekommen  spastischer  Lähmungen. 

Herr  M.  Isserlin:  Ueber  Psychoanalyse. 

Vortr.  gibt  einen  zusammenfassenden  Auszug  aus  an  anderen 
Stellen  publizierten  Darlegungen  (vgl.  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurol.  und 
Psychiatr.  I,  52,  1910;  Ergebn.  d.  Neurol.  und  Psychiatr.  —  heraus¬ 
gegeben  von  Bing  und  Vogt  —  I,  1.  1911;  Jahreskurse  f.  ärztl. 
Fortbildung.  Maiheft  1913  —  München,  Lehmanns  Verlag;  Zentralbl. 
f.  Nervenheilkunde  u.  Psychiatrie  1907,  S.  329.) 

Diskussion:  Herr  Loewenfeld  bemerkt,  dass  es  heut¬ 
zutage  schwieriger  als  je  ist,  eine  Uebersicht  über  den  Stand  der 
Psychoanalyse  zu  geben,  da  die  Ansichten  der  Aerzte,  welche  sich 
mit  diesem  Wissensgebiete  beschäftigen  und  es  praktisch  verwerten, 
zum  Teil  sehr  erheblich  voneinander  abweichen.  Dies  hat  auch  in 
den  Spaltungen  seinen  Ausdruck  gefunden,  welche  in  neuerer  Zeit 
in  der  psychoanalytischen  Vereinigung  in  Wien  eingetreten  sind. 
1911  hat  sich  mit  Adler,  einem  der  bedeutendsten  Schüler  Freuds, 
eine  Gruppe  von  Psychoanalytikern  abgesondert  und  einen  eigenen 
Verein  gebildet  und  im  verflossenen  Jahre  sah  sich  Freud  ver¬ 
anlasst,  sich  von  S  t  e  k  e  1,  seinem  früher  eifrigsten  Anhänger,  los¬ 
zusagen.  Besonders  bemerkenswert  sind  die  Differenzen  zwischen 
den  Anschauungen  Freuds  und  Adlers.  Letzterer  ist  durch  seine 
psychoanalytischen  Studien  dahin  gelangt,  Fundamentalsätze  der 
Freudschen  Lehre  als  irrtümlich  zu  bezeichnen,  speziell  die  An¬ 
nahmen  Freuds  bezüglich  des  sexuellen  Inhalts  des  verdrängten 
Vorstellungsmaterials  als  auf  einer  Täuschung  beruhend  zu  erklären. 
Die  vermeintlichen  sexuellen  Kindheitserlebnisse  der  Neurotiker, 
denen  so  grosse  pathogene  Bedeutung  beigelegt  wird,  sollen  sich  nach 
Adler  als  Fiktion,  Erinnerungsfälschungen  oder  symbolische  Dar¬ 
stellungen  nicht  sexueller  Wünsche  erweisen,  was  A.  speziell  in  Bezug 
auf  den  so  viel  besprochenen  Inzestkomplex  betont.  Trotz  aller  Un¬ 
klarheit,  welche  über  die  therapeutischen  Erfolge  und  die  Wirkungs- 


No.  ]j 

weise  der  Psychoanalyse  besteht,  hat  L.  den  Eindruck,  dass 
manchen  Fällen  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen  dem  Schwind 
der  Symptome  und  dem  angewandten  Verfahren  nicht  in  Abrede 
stellen  ist  und  im  grossen  und  ganzen  bei  Hysterie  ungleich  nu 
durch  Psychoanalyse  sich  erreichen  lässt  als  bei  der  Zwangsneuro 
Ob  man  die  Freud  sehen  Theorien  mehr  oder  weniger  anfechtt 
erachtet,  jedenfalls  muss  zugegeben  werden,  dass  sie  einen  Kern  v 
grosser  wissenschaftlicher  wie  praktischer  Bedeutung  enthalten:  < 
Tatsache,  dass  eine  Reihe  neurotischer  und  psychotischer  Symptoi 
mit  unter-  oder  unbewussten  Vorstellungen  zusammenhängt  und  ( 
Aufdeckung  dieser  therapeutisch  wirksam  werden  kann.  Es  wi 
immer  ein  Verdienst  Freuds  bleiben,  unsere  Aufmerksamkeit  ; 
diesen  Tatbestand  nachhaltig  gelenkt  zu  haben. 


Würzburger  Aerzteabend. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Januar  1913. 

Herr  Gerhardt  demonstriert: 

1.  Eine  50  jährige  Frau  mit  Supraorbitaliieuralgie,  die  lange  'L\ 
mit  verschiedenerlei  Nervinis  erfolglos  behandelt  war,  und  im  Spi 
durch  Kokainbehandlung  der  nur  leicht  geschwollenen  Nasenschleii 
haut  rasch  geheilt  wurde. 

2.  Einen  Pat.  mit  Leberzirrhose  und  mächtigem  Aszites,  dl 
bereits  zum  4.  Mal  auf  Kalomel  mit  mächtiger  Diurese  reagiert.  wii 
rend  alle  anderen  Diuretika,  aber  auch  subkutane  Kalomel-  oder  Pr 
zipitatbehandlung,  erfolglos  blieben. 

3.  Eine  Herzkranke  mit  kardialer  Zirrhose,  die  gegen  ande 
Diuretika  (inkl.  Kalomel)  refraktär  war,  aber  auf  Tartarus  (15  g  pl 
die)  starke  Diurese  bekam. 

4.  Einen  schon  vor  1  Jahr  demonstrierten  Pat.  mit  chronisch 
Perikarditis,  dem  damals  wiederholt  über  1  Liter  Exsudat  entlee 
wurde;  er  hat  seitdem  mit  seinem  Perikardialerguss  schwere  Aroc 
geleistet,  kommt  jetzt  wegen  Stauungsszirrhose  und  Aszites. 

5.  Einen  Pleuritiskranken,  der  4  Wochen  nach  Krankheitsherd: 
noch  hoch  fieberte  und  dadurch  den  Verdacht  eines  Empyems  waej 
rief;  der  Erguss  erwies  sich  aber  als  serös  und  das  Fieber  klar 
innerhalb  zweier  Wochen  langsam  ab. 

6.  Rechter  Pleuraerguss  bei  einem  Pat.,  dem  vor  2  Jahren  d 
linke  Schultergürtel  wegen  rezidivierenden  Oberarmsarkoms  er 
fernt  worden  war  und  der  sich  seither  wohlgefühlt  hatte.  Das  Mis 
Verhältnis  zwischen  Grösse  der  Dämpfung  und  Verkleinerung  d! 
Seite,  ferner  eine  breite  Dämpfung  über  dem  Manubrium  wiesl 
(trotz  der  serösen  Beschaffenheit  des  Ergusses)  auf  die  sarkomato 
Natur  der  Pleuritis  hin. 

7.  4  Fälle  von  günstig  verlaufener  Staphylokokkensepsi 

a)  AeltereFrau  mit  akuten  Darmbeschwerden  undDiarrhöe,  anfan] 
Verdacht  auf  Appendizitis,  dann  auf  Typhus.  Langsames  Abkling* 
des  Fiebers. 

b)  25  jährige  Pat.,  die  wegen  chronischen  Gelenkrheumatism 
im  Spital  lag  und  eine  klinisch  ganz  leichte  interkurrente  Angii 
akquirierte;  während  der  Angina  (Maximaltemperatur  38,3)  Staphylj 
kokken  im  Blut. 

c)  23  jährige  Pat.,  die  vor  2  Jahren  wegen  Gelenkrheumatism 
mit  schwerer  Peri-  und  Endokarditis,  Pleuritis,  Nephritis  und  monat 
langem  septischen  Fieber  auf  der  Klinik  gelegen  hatt,  sich  dar 
2  Jahre  lang  ganz  wohl  fühlte,  nur  leichte  Beschwerden  durch  dt 
zurückgebliebenen  Herzfehler  hatte,  und  nun  mit  frischem  Gelen 
rheumatismus  wiederkam.  Da  damals  Staphylokokken  im  Blut  nac| 
gewiesen  waren,  fürchtete  man  diesmal  eine  maligne  rekurriereni 
Endokarditis.  Dieser  Erwartung  entgegen  heilte  der  Rheumatisnr 
prompt  auf  Salizylsäure,  und  am  Herzen  traten  keinerlei  neue  Stj 
rungen  auf. 

d)  35  jähriger  Landwirt,  vor  Jahren  Rheumatismus,  militärfr 
wegen  rheumatischen  Herzfehlers,  aber  immer  arbeitsfähig,  kam  vi 
1  Jahr  mit  zirkumskripter  Lungengangrän  in  die  Klinik,  die  nach  rec 
bedrohlichen  Wochen,  nach  Aushusten  eines  Lungensequesters  i 
Lauf  eines  halben  Jahres  heilte;  Pat.  trat  jetzt  wegen  typischen  0 
lenkrheumatismus  ein.  Unvollkommene  Salizylreaktion,  Staphyk 
kokken  in  Blut  und  Harn,  Herz  deutlich  nach  links  verbreitert  (v< 
J-2  Jahr  kaum  die  Mammillarlinie  überschreitend).  Bei  rein  exspekt; 
tiver  Behandlung  Abfieberung  und  Rückgang  aller  Erscheinung 
(ausser  der  alten  Bronchitis)  innerhalb  von  14  Tagen. 

e)  Im  Anschluss  an  diese  Fälle,  welche  die  nahen  Bezieh  inißa 
zwischen  Gelenkrheumatismus  und  Sepsis  illustrieren,  wird  die  Kun 
eines  jungen  Pat.  mit  Osteomyelitis  des  Femur  gezeigt,  der  unter  Fij 
ber  an  Hiift-  und  Knieschmerz  erkrankt  war  und  anfänglich  als  Rhei 
matismus  aufgefasst  worden  war.  Bei  ihm  sank  die  Temperati 
auf  Salizylsäure  prompt  ab,  trotzdem  es  sich  hier  sicher  um  Seps 
und  nicht  um  Gelenkrheumatismus  handelte. 

5.  3  Fälle  von  Aphasie: 

a)  65  jährige  Frau  mit  sensorischer  Aphasie  infolge  arteriosklcn 
tischer  Erweichung. 

b)  35  jähr.  Frau,  die  seit  lange  leicht  Herzklopfen  bekan 
aber  immer  arbeitsfähig  war;  am  8.  Tage  des  Wochenbettes  plötzlic 
Hemiplegie  und  totale  motorische  Aphasie.  Hier  war  die  Hirnenibol 
das  einzige  Zeichen  der  rekurrierenden  (später  durch  die  Sektion  bd 
stätigten  Endocarditis  puerperalis. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


957 


|  April  1913. 


c)  Einen  von  Koll.  E  n  d  e  r  1  e  n  mit  Glück  operierten  Fall  von 
iituinor;  die  Hauptsymptome  waren:  Aphasie,  motorische  Parese 
jl  Taubheitsgefühl  im  rechten  Arm,  linkseitiger  Stirnkopfschmerz, 
I  cks  on  sehe  Anfälle  mit  konjugierter  Deviation  nach  rechts.  Nach 
Operation  bildete  sich  die  Lähmung  im  rechten  Arm  ziemlich 
:h,  die  Aphasie  viel  langsamer  zurück. 

Die  Diagnose  hatte  anfangs  Schwierigkeiten  gemacht,  weil  die 
zlich  aufgetretene  Aphasie  sich  rasch  wieder  vollständig  zuriiek- 
ete  und  die  Stauungspapille  damals  noch  fehlte. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  11.  April  1913. 

Prof.  X  o  b  I  stellt  einen  Fall  von  universellem  Haarschwund  vor. 
Mann  hatte  bis  vor  wenigen  Wochen  einen  üppigen  Haarbestand, 
erlitt  ein  schweres  psychisches  Trauma,  indem  er  als  Motorführer 
Strassenbahn  einen  Zusammenstoss  mit  einem  Automobil  hatte, 
e  dabei  körperlich  verletzt  worden  zu  sein  und  ohne  auch  später 
■nd  eine  Störung,  Anzeichen  einer  traumatischen  Neurose  oder 
gl.  aufzuweisen.  Man  führt  diese  Form  der  neurotischen  Alopecie 
eine,  vom  vasomotorischen  Zentrum  bedingte,  vorübergehende 
culationsstörung  in  den  kleinsten  arteriellen  Hautgefässen  zurück. 
Dr.  M.  Weil  stellt  einen  Fall  von  Angiosarkom  des  Pharynx 
Sarkom  der  Haut  vor. 

Dr.  E.  Spitzer  zeigt  einen  Kranken  mit  einem  Exanthem,  das 
als  Purpura  urticans  bezeichnet  (linsengrosse,  scharlachrote 
ioreszenzen  am  Stamm  und  Genitale,  Blutaustritte  aus  den  Ge¬ 
ien,  dabei  starkes  Jucken). 

Privatdozent  Dr.  Arthur  Schüller  berichtet  über  Beobach¬ 
ten  von  interkraniellen  Verkalkungsherden,  welche  schon  in  vivo 
Hilfe  der  Röntgenstrahlen  erhoben  werden  konnten.  Er  be¬ 
eilt  eingehend  die  Kalkkonkretionen  in  der  Zirbeldrüse,  die  Ver- 
vungsherde  in  Pacchioni  sehen  Granulationen,  in  Hypophysen- 
noren  und  Endotheliomen,  die  Verknöcherungen  der  Falx,  die  Kalk- 
de  in  Narben  nach  traumatischen  Erweichungen  und  Abszessen, 
ie  in  den  Wänden  von  Zysten  und  Aneurysmen  etc.  Zum  Schlüsse 
d  die  hohe  klinische  Bedeutung  des  röntgenographischen  Nach- 
j  ses  von  intrakraniellen  Verkalkungsherden  dargetan. 

Dr.  Vogel  demonstriert  zwei  Leberpräparate.  In  dem  einen 
ie  handelte  es  sich  um  eine  Perforationsperitonitis  durch  Ruptur 
ler  Galle nga m gektasie  bei  Cholezystitis.  Solche  Rup- 
:n  dürften  häufiger  Vorkommen,  sie  erklären  in  vielen  Fällen  die 
.  galligen  Peritonitiden  ohne  Perforation  der  Gallenwege,  wie  sie 
C 1  a  i  r  m  o  n  t  und  v.  Haberer  beschrieben,  von  vielen  Autoren, 
auch  von  Prof.  Kolisko  in  Wien,  völlig  bestritten  werden. 
:h  im  zweiten  Präparate  (Choledochusverschluss  etc.)  sieht  man 
der  Unterfläche  des  linken  Leberlappens  sehr  deutlich  solche 
lengangektasien. 

Prof.  P  a  1  macht  im  Zusammenhang  mit  seinem  Vortrag  „Ueber 
Wirkung  des  Opiums,  seiner  Komponenten  und  Ersatzpräparate“ 
November  1912)  Mitteilung  über  experimentelle  und  klinische 
dien  über  die  Wirkung  des  Papaverin.  Die  Untersuchungen  haben 
eigt,  dass  das  Papaverin  den  Tonus  der  glatten  Muskulatur  herab- 
X.  Seine  Wirkung  tritt  besonders  nacb'  tonuserregenden  Giften 
vor.  Es  gilt  dies  nicht  nur  für  den  Darin  (Popper  und 
a  n  k  1),  sondern  für  den  ganzen  Verdauungstrakt,  für  die  Bronchial- 
;kulatur,  Harnblase  und  Uterus  (gravid  und  virginell).  Papaverin 
:t  den  normalen  Blutdruck  wenig,  dagegen  den  durch  Adrenalin 
r  Pituitrin  erhöhten  rasch  herab.  Dieser  plötzliche  Abfall  kann 
h  zum  Stillstand  des  Kreislaufes  führen.  Papaverin  setzt  den 
3lg  reflektorischer  Reize  auf  die  Gefässe  und  die  glatte  Muskulatur 
ab.  Die  tonusherabsetzende  Wirkung  ist  von  der  Hemmung,  z.  B. 
ch  Adrenalin,  verschieden. 

In  k  1  i  n  i  s  c.h  - 1  h  e  r  a  p  e  u  t  i  s  c  h  e  r  Anwendung  erwies 
i  das  Papaverin  wirksam:  1.  gegen  den  Bronchospasmus  bei 
hma  bronchiale.  2.  bei  Krampfzuständen  im  Bereiche  des  Ver- 
ungstraktes:  Kardiospasmus,  Hyperemesis,  Hyperaziditätsbe- 
werden,  gastrische  Krisen,  Erbrechen  nach  Morphin,  sowie  bei 
stischen  Darmzuständen.  Papaverin  bietet  die  Möglichkeit  der 
salen  Behandlung  gewisser,  durch  den  Krampf  glatter  Muskel- 
rn  erzeugter  Schmerzzustände  und  vielleicht  dadurch  auch 
tnostischer  Direktiven.  Papaverin  wirkt  auch  beim  Menschen 
h weisbar  blutdruckherabsetzend  bei  erhöhtem  Druck.  Dem  PaDa- 
m  kommt,  abgesehen  von  seiner  selbständigen  Wirkung,  eine  be- 
Jere  Bedeutung  zu  in  Kombinationen,  worauf  seine  Rolle  im  Opium 
veist.  Aus  der  Zusammensetzung  des  Opiums  haben  wir  noch 
iche  Lehre  zu  ziehen. 

Ur.  Hans  Januschke:  Ueber  Entzündungshemmung. 

,  Experimentelle  Untersuchungen  an  Kaninchen,  sowie  z,  T.  fremde, 

•  eigene  klinische  Beobachtungen  haben  zu  folgenden  Ergebnissen 

ihrt: 

L  Die  akute  flüssige  Exsudation  bei  der  entzündlichen  Senföl- 
mosis  des  Kaninchenauges  kann  nach  A.  N.  Bruce  verhütet 
den  durch  medikamentöse  Lokalanästhesie  der 
dehaut  oder  durch  Degeneration  der  Trigeminus- 
ern  nach  Nervendurchschneidung. 


2.  Die  Senfölchemosis  wird  ferner  sehr  abgeschwächt  und  ver¬ 
zögert  durch  tiefe  allgemeine  Narkose  der  Versuchstiere  mittels 
Magnesiumsulfat,  C  h  o  r  a  1  h  y  d  r  a  t  oder  A  e  t  h  e  r. 

3.  Durch  subkutane  Injektion  von  antipyretisch  und  analgetisch 
wirkenden  Substanzen,  wie  Morphin,  A  n  t  i  p  y  r  i  n,  s  a  1  i  z  y  1  - 
saurem  Natrium,  Chinin  und  —  nach  Starkenstein  und 
Wiechowski  —  von  A  t  o  p  h  a  n. 

4.  Auch  durch  andere  Beruhigungsmittel  des  Nervensystems,  z.  B. 
Natriumbromid. 

5.  Die  Hemmung  des  Entzündungsapparates  findet  unabhängig 
von  der  Narkose  des  Zentralnervensystems  statt. 

6.  Die  Senfölchemosis  kann  schliesslich  noch  gehemmt  werden 
durch  Abdichtung  der  Gefässwände  mittels  subkutaner  Injektion  von 
Kalzium-  oder  Magnesiumsalzen  oder  von  Adrenalin 
(hypothetische  Erklärung). 

7.  Fast  über  sämtliche  im  Experiment  geprüfte  Substanzen  liegen 
Beobachtungen  aus  der  menschlichen  Klinik  und  Therapie  vor,  wonach 
dieselben  befähigt  sind,  in  bestimmten  Gefässprovinzen 
und  gegen  gewisse  Entzündungserreger  antiphlogistisch 
zu  wirken. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Association  of  Registered  Medical  Women. 

Sitzung  vom  7.  Januar  1913. 

Die  Verwendung  von  Skopolamin  und  Morphium  bei  Entbindungen. 

Frl.  C.  Long  hat  bei  15  Fällen  in  der  Privatpraxis  die  Injektion 
von  Skopolamin  und  Morphium  mit  gutem  Erfolge  angewandt.  Eine 
Verzögerung  des  Geburtsaktes  über  die  durchschnittliche  Zeitdauer 
hinaus  war  dabei  nicht  zu  konstatieren,  und  die  Kinder  schienen 
keinen  Nachteil  davon  erlitten  zu  haben,  wenn  auch  einige  einen  ge¬ 
wissen  Grad  von  Zyanose  zuerst  erkennen  Hessen.  Jedenfalls  ist  zu 
raten,  vom  Morphium  nur  eine  einmalige  Dosis  (0,01)  zu  geben  und 
dann  nur  das  Skopolamin  nach  Bedarf  mehrmals  zu  verabreichen. 
Englische  Autoren  haben  die  Gefahren  der  Methode  entschieden  über¬ 
trieben. 

Frau  M.  Haar  bleicher  teilt  Beobachtungen  mit  aus  der 
Krönigschen  Klinik  in  Freiburg.  Wo  keine  Kontraindikation  be¬ 
steht  (primäre  Wehenschwäche,  allgemeine  Kachexie,  Placenta  prae¬ 
via  etc.),  erhalten  die  Kreissenden  nach  eigener  Wahl  die  Injektionen, 
und  bei  etwa  76  Proz.  der  Injizierten  war  das  Resultat  ein  typisch 
günstiges.  Sobald  die  Wehen  mit  Regelmässigkeit  sich  einstellen  und 
quälend  empfunden  werden,  wird  mit  den  Einspritzungen  angefangem 
Obwohl  die  Gebärenden  beim  Einsetzen  einer  Wehe  wieder  zu  sich 
kamen  und  auf  Fragen  antworteten,  bestand  nachher  keine  Erinne¬ 
rung  an  überstandene  Schmerzen.  Etwa  13  Proz.  der  Kinder  kamen 
asphyktisch  zur  Welt;  allerdings  war  dies  durchaus  nicht  in  allen 
Fällen  der  Wirkung  des  Medikamentes  zuzuschreiben. 

Frl.  M.  D.  Berry  berichtet,  dass  in  der  Klinik  der  Gebrüder 
Mayo  in  Rochester  (Minnesota)  alle  Narkosen  mittels  Aethers  nach 
der  offenen  Methode  ausgeführt  werden.  Bei  Magenoperationen  wird 
eine  halbe  Stunde  vorher  0,01  Morphium  subkutan  gegeben.  Im 
Durchschnitt  wird  für  eine  Narkose  von  30 — 50  Minuten  nur  etwa 
120  ccm  Aether  verbraucht. 

Royal  Society  ol  Medicine,  Pathological  Section. 

Sitzung  vom  21.  Januar  1913. 

Die  Umwandlung  von  nicht-pathogenen  Bakterien  in  pathogene 

Organismen. 

D.  Embleton  und  F.  H.  Thiele  haben  eine  grössere  Reihe 
von  Versuchen  auf  diesem  Gebiete  angestellt,  wobei  es  ihnen  gelungen 
ist,  Septikämie  bei  Tieren  mittels  nicht-pathogener  Bakterien  hervor¬ 
zurufen.  Sie  führen  aus,  dass  man  zwei  Hauptgruppen  unter  den 
benignen  Bakterien  unterscheiden  kann:  zur  ersten  gehören  solche 
Mikroorganismen,  welche,  wie  B.  mycoides,  Smegmae,  Phlei,  Septi¬ 
kämie  nur  dann  erzeugen,  wenn  sie  Tieren  -beigebracht  werden, 
welche  vorher  durch  Injektion  von  abgetöteten  homologen  Bakterien 
sensibilisiert  worden  sind.  Zur  zweiten  Gruppe  gehören  diejengen, 
welche  in  noch  so  grossen  Mengen  in  dieser  Weise  appliziert  wir¬ 
kungslos  bleiben,  dagegen  eine  pathogene  Wirkung  entfalten,  wenn 
man  sie  in  einem  Medium  den  Versuchstieren  beibringt,  welches  den 
Zutritt  und  die  Gegenwirkung  der  in  dem  Tierkörper  vorhandenen 
Antikörper  hindert  und  verzögert.  Solche  Medien  sind  hypertonische 
Salzlösungen  und  starke  Gelatinemischung,  welche  an  sich  dem  Tiere 
ja  unschädlich  sind.  Mit  diesen  Mitteln  haben  Redner  mit  B.  Hoff- 
mannii,  B.  cyanogenes,  Sarcina  lutea  und  Proteus  Zenkeri  Septi¬ 
kämie  erzeugt  und  die  Wirksamkeit  der  Bakterien  durch  den  Nach¬ 
weis  derselben  in  der  Milz  und  dem  Herzblut  erwiesen.  Diese  aus 
den  infizierten  Tieren  wieder  gewonnenen  Bakterien  zeigten  sich  als¬ 
dann  bei  weiteren  Versuchen  als  pathogen  auch  ohne  weitere  Bei¬ 
hilfen  und  auch  für  andere  als  die  zuerst  behandelten  Tierarten.  Fer¬ 
ner  wurde  eine  Kultur  von  B.  mycoides  an  eine  Temperatur  von 
37°  C  gewöhnt,  und  beim  Inokulieren  einer  Agarkultur  desselben  auf 
ein  vorher  sensibilisiertes  Meerschweinchen  entstand  eine  dem  Milz¬ 
brand  ganz  ähnliche  Septikämie.  Die  von  dem  Versuchstier  ge¬ 
wonnenen  Bakterien  waren  nun  pathogen  auch  für  normale  Meer¬ 
schweinchen  sowie  für  Ratten  und  Kaninchen.  An  dem  Mikroorganis- 


MUBNcHENfcfc  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


988 


No.  l 


mus  selbst  war  äl>er  insofern  eine  Aenderung  vorgegangen,  als  der¬ 
selbe  seine  Wimper  eingebiisst  und  eine  Kapsel  entwickelt  hatte. 
Letztere,  die  als  eine  protoplasmatische  Ausscheidung  beschrieben 
wird,  ist  nach  Auffassung  der  Vortragenden  die  Ursache  der  Patho¬ 
genität,  indem  sic  das  Bakterium  gegen  die  Einwirkung  der  normalen 
Antikörper  im  tierischen  Organismus  schützt.  Bei  analoger  Ver¬ 
wendung  von  B.  Phlei  und  B.  Smegmae  liess  sich  bei  normalen  Meer¬ 
schweinchen  und  Kaninchen  eine  Art  miliare  Tuberkulose  hervor- 
rufen.  Redner  legen  dar,  dass  die  toxischen  Substanzen  der  Bakterien 
ireigemacht  werden  und  zur  Wirksamkeit  befähigt  werden  durch  den 
Einfluss  der  im  I  ierkörper  vorhandenen  Antikörper,  und  dass  manche 
Bakterienarten  nur  dann  eine  pathogene  Wirkung  entfalten,  wenn 
die  Menge  des  zur  Verfügung  stehenden  Antikörpers  abnorm  ge¬ 
steigert  ist,  andere  Arten  umgekehrt  dann,  wenn  die  Antikörpertätig¬ 
keit  herabgesetzt  ist. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Soci6te  niedicales  des  hopitaux. 

Sitzung  vom  17.  und  24.  Januar  1913. 

Behandlung  schwangerer  syphilitischer  Frauen  mit  Salvarsan. 

Jeanselme  liess  seit  2  Jahren  alle  ins  Spital  gebrachten 
syphilitischen  schwangeren  Frauen  nur  mit  Salvarsan  und  ohne  Bei¬ 
fügung  irgend  eines  anderen  Mittels  behandeln.  Die  meisten  haben 
4 — 6  intravenöse  Injektionen  in  einwöchentlichen  Zwischenräumen 
bekommen,  die  erste  mit  0,3,  die  folgenden  mit  0,4  cg,  mit  einer  nie¬ 
deren  Dosis  (0,2 — 0,15)  aber,  wenn  der  Zustand  der  Nieren  zu  wün¬ 
schen  übrig  liess.  Alle  14  Frauen,  die  im  Verlaufe  der  Schwanger¬ 
schaft  Zeichen  frischer  Syphilis  aufwiesen  (Schanker,  Roseola, 
Schleimhautplaques)  haben  zur  rechten  Zeit  lebende  Kinder  von  meist 
normalem  Gewicht  geboren;  keines  dieser  Kinder,  die  mehrere  Monate 
hindurch  beobachtet  werden  konnten,  haben  heredo-syphititische  Stig¬ 
mata  gezeigt.  2  Frauen,  deren  Syphilis  älteren  Datums  war  und 
früher  zahlreiche  Fehlgeburten  hatten,  konnten  dank  der  Salvarsan- 
behandlung  ihre  Schwangerschaft  normal  zu  Ende  führen.  Diese 
Resultate  sind  jenen  der  Quecksilber-  oder  Mischbehandlung  sicher 
überlegen:  Salvarsan,  mit  Vorsicht  angewandt,  ist  der  Schwangeren 
nicht  nur  unschädlich,  sondern  hat  auf  die  Schwangerschaft  den 
glücklichsten  Einfluss. 

De  Beurmann,  Mouneyrat  und  Tano  n  bringen  eine 
chemische,  experimentelle  und  klinische  Studie  über  2  neue  Ar¬ 
senikpräparate  1116  und  1151,  welche  alle  Vorteile  des  Sal- 
varsans  und  Neosalvarsans  ohne  deren  Nachteile  und  Gefahren  zu 
haben  scheinen.  Diese  Substanzen  wirken  sehr  energisch  bei  den 
Tieren  als  Trypanosomen  und  Spirillen  tötende  und  beim  Menschen 
als  antisyphilitische  Mittel  sowohl  gegen  den  Schanker,  wie  gegen 
die  Sekundär-  und  Tertiärerscheinungen.  Sie  haben  den  Vorteil, 
nicht  gefässerweiternd  zu  wirken  und  daher  keine  oder  nur  geringe 
neurotrope  Wirkung  zu  haben.  Es  sind  daher  die  sekundären  und 
tertiären  Kongestiverscheinungen,  welche  meist  die  Salvarsantodes- 
fälle  bewirkt  haben,  noch  die  Nervenzufälle,  die  dem  Salvarsan  zu¬ 
geschrieben  werden,  nicht  zu  befürchten.  1116  und  1151  wurden  in 
der  Dosis  von  0,4 — 0,5  g  und  höher  in  l,2proz.  kohlensaurer  Natron¬ 
lösung  angewandt.  Diese  Substanzen  können  auch  in  Form  einer  Oel- 
suspension  intramuskulär  injiziert  werden;  der  Schmerz,  welchen 
diese  intramuskulären  Injektionen  hervorrufen,  ist  zuweilen  ziemlich 
heftig  und  anhaltend,  aber  niemals  folgt  Nekrose  oder  Eiterung. 

Duf.our  stellt  einen  Fall  von  Pagetscher  Krankheit, 
eine  80jährige  Frau  betreffend,  die  eine  positive  Wasser- 
man  lisch  e  Reaktion  ergab,  vor.  Im  Alter  von  6S  Jahren 
hatte  bei  der  Frau  die  Krankheit  begonnen  und  besonders  an  den 
Unterextremitäten  zu  heftigen  Schmerzen  geführt.  Trotz  ihres  hohen 
Alters  hat  Patientin  3  intravenöse  Injektionen  Neosalvarsan 
(von  0,2,  0,4  und  0,45  g)  mit  entsprechenden  Zwischenräumen  er¬ 
halten:  die  Schmerzen  sind  vollständig  verschwunden  und  erhebliche 
Besserung  eingetreten.  Es  scheint  daher  D.,  dass  die  Natur  dieser 
Krankheit  durch  die  Blutuntersuchung  und  die  Behandlung  er¬ 
wiesen  sei. 

Souques,  Barre  und  P  a  s  t  e  u  r  -  V  a  1 1  a  r  y  -  Ra  d  o  t  brin¬ 
gen  5  eigene  Beobachtungen  von  Pagets  Knochenkrankheit  mit 
positiver  Wassermannscher  Reaktion  in  3  und  negativer  in 
2  Fällen.  Sie  sind  der  Ansicht,  dass  die  systematische  Untersuchung 
nach  \\  assermann  bei  allen  neuen  Fällen  von  Pagets  Krank¬ 
heit  angezeigt  sei  und,  wenn  die  Statistik  eine  genügend  hohe  Zahl 
erreicht  habe,  damit  vielleicht  die  noch  so  vielumstrittene  Natur 
dieser  Krankheit  ihre  Aufklärung  finden  Würde. 

Zum  syphilitischen  Ursprung  der  Sydenham  sehen  Chorea. 

Grenet  und  S  e  d  i  1 1  o  t  stellen  2  mit  Chorea  behaftete  Mäd¬ 
chen  vor;  bei  der  einen  keine  Anzeichen  von  Syphilis,  Wassermann 
negativ,  auch  bei  Vater  und  Mutter.  Ein  Beweis,  dass  Chorea  ohne 
jede  syphilitische  Spur  Vorkommen  kann.  Bei  dem  zweiten  Falle  ist 
die  Syphilis  unzweifelhaft:  allgemeine  Paralyse  des  Vaters,  vorzeitige 
Entbindung  der  Mutter.  Stigmata  und  Iritis,  durch  Quecksilber  ge¬ 
bessert.  und  positiver  Wassermann  bei  dem  Kinde.  Was  diesem  Falle 
eine  ganz  besondere  Bedeutung  verleiht,  ist  die  Tatsache,  dass  die 
Chorea  nicht  nur  bei  einer  ererbt-syphilitischen,  sondern  bei  einer 


solchen,  wo  die  syphilitischen  Erscheinungen  noch  in  ihrem  Volk 
Verlaufe  (Iritis)  sind,  sich  entwickelt  hat.  Diesem  und  ähnliche 
Fällen  gegenüber  kann  man  sich  des  Eindruckes  nicht  entschlaf 
dass  die  Syphilis  gegenüber  der  Chorea  eine  prädisponierende  m 
sogar  ganz  bestimmende  Rolle  spiele. 

Acadeinie  de  niediciiie. 

Sitzung  vom  4.  Februar  1913. 

Die  Rückbildung  prognostisch  schwerer  Neubildungen  unter  dem  Ei; 

flusse  von  Radium. 

Dominici  macht,  zugleich  im  Namen  von  Henri  Chero 
und  R  ubens  -  Du  vai,  eine  diesbezügliche  Mitteilung.  Die  Radiun 
behandlung  hat  regelmässig  tiefgehende  Angiome  (Qefässgeschwiilsh 
und  häufig  oberflächliche  Karzinome  zur  Heilung  gebracht.  Bei  de 
tiefliegenden  Karzinomen  hatte  die  Radiumbehandlung  eine  rein  palli; 
tive  Wirkung,  indem  in  den  meisten  Fällen  vorübergehende  Besserur 
eintrat.  Immerhin  schien  aber  in  manchen  Fällen  von  Karzinomen  dt 
Parotis,  des  Halses,  des  Uterus  diese  Besserung  einer  Heilung  gleri 
zukommen,  indem  der  vollständige  (klinische)  Rückgang  der  B< 
schwerden  seit  3 — 4  Jahren  anhält.  Trotz  dieser  günstigen  Wirkun 
ausschliesslicher  Radiumanwendung  erklären  Berichterstatter  dod 
dass  es  am  zweckmässigsten  sei,  dieses  therapeutische  Mittel  m 
chirurgischen  Eingriffen  zu  kombinieren. 

Acadeinie  des  Sciences. 

.Sitzung  vom  27.  Januar  1913. 

Zur  Reinigung  der  Austern  von  Bakterien  in  filtriertem  Meerwasse 

Bodin  und  F.  Chevrel  nahmen  Austern,  die  aus  verschiedene 
Parks  stammten  und  bei  welchen  allen  der  Bacillus  coli  commwn 
nachgewiesen  wurde,  und  brachten  sie  in  filtriertes  (künstliches 
Meerwasser.  In  allen  Versuchsreihen  waren  die  Resultate  ganz  ai:t 
löge:  die  Reinigung  der  Austern  von  Bakterien  vollzieht  sich  rase! 
vom  2.  Tage  an  nimmt  die  Zahl  der  infizierten  Tiere  rasch  ab,  dan 
vollzieht  sich  die  Reinigung  langsamer  und  ist  nach  5  Tagen  eine  vol 
ständige.  Auch  die  Reinigung  von  Typhusbazillen,  mit  welchen  di 
Austern  künstlich  infiziert  waren,  wurde  in  einer  weiteren  Versucii: 
reihe  nach  Umlauf  von  3  Tagen  festgestellt.  Diese  Experimente  bt 
kräftigen  also  jene  von  Faber-Domergue,  so  dass  die  auf  gt 
nanntem  Wege  gereinigten  Austern  ohne  Gefahr  genossen  werde 
können.  Damit  ist  auf  einfache  Weise  das  Problem  gelöst,  durc 
Austerngenuss  bewirkte  Infektionen  zu  verhüten,  was  sowohl  für  di 
öffentliche  Gesundheit  wie  die  Interessen  der  Austernindustrie  s 
wichtig  ist. 

Die  anaeroben  Bakterien  beim  Typhus. 

Loris-Melikoff  hat  die  Bakterienflora,  welche  de 
E  b  e  r  t  h  sehen  Bazillus  begleitet,  genau  untersucht  und  gefuudei 
dass  es  neben  demselben  besonders  einen  anaeroben  Mikroorganisnir 
im  Verlaufe  mancher  Typhusformen  gibt,  der  ganz  spezielle  morplu 
logische,  biologische  und  chemische  Eigenschaften  besitzt,  von  ,\ 
Satellitis  genannt,  in  die  Gruppe  zwischen  B.  perfringens  und  B.  sporc 
genes  (septischer  Vibrio)  gestellt  wird  und  dem  Typhus  ein  spezielle 
klinisches  Bild  verleiht.  In  nahezu  50  Fällen,  bei  gesunden  oder  m 
anderen  Darmaffektionen  behafteten  Individuen  wurde  dieser  Bazi 
I us  niemals  gefunden.  Man  müsste  also  beim  Typhus  2  verschieden 
Formen  annehmen,  die  eine  (septikämische)  auf  die  Wirkung  de 
E  b  e  r  t  h  sehen  Bazillus  zurückzuführen,  der  im  allgemeinen  Blu 
kreislaufe  oder  den  blutbereitenden  Organen  leben  kann,  die  anden 
nekrotisierender  Typus,  der  nur  in  der  Ileozoekalgegend  vorkomn 
und  durch  den  beschriebenen  anaeroben  Mikroorganismus  verursael 
wird.  Zuweilen  gibt  der  eine  dieser  beiden  pathologischen  Voi 
gänge  der  Krankheit  einen  speziellen  klinischen  Verlauf. 

Sitzung  vom  13.  Februar  1910. 

Die  grössere  Sterblichkeit  des  männlichen  Geschlechts. 

Die  Statistiker  halten  es  gegenwärtig  für  erwiesen,  dass  di 
Knaben  in  grösserer  Menge  sterben  wie  die  Mädchen  und  zwar  s< 
wohl  während  des  intrauterinen  Lebens  wie  nach  der  Geburt.  Pi 
nard  und  Magna  n  haben  nun  an  dem  Material  der  Klinik  Bau 
delocque,  das  für  die  Zeit  von  1891—1911  die  Summe  von  52 6^ 
Geburten  umfasst,  nach  den  Ursachen  dieser  Erscheinung  gefahndt 
und  fanden,  dass  nur  w  ährend  und  nach  der  Geburt  mehr  Knabe 
wie  Mädchen  starben,  im  Verlaufe  der  Schwangerschaft  (intrauterii 
diese  Zahl  aber  eine  ziemlich  gleichbleibende  war.  P.  und  M.  glaube 
nun  den  Grund  für  jene  grössere  Sterblichkeit  der  Knaben  im  höhere 
Gewichte  derselben  sehen  zu  müssen.  Der  Fötus  leidet  während  dt 
Entbindung  in  dem  Sinne,  dass  er  einem  sehr  energischen  Traum 
Widerstand  leisten  muss  und  dieses  Trauma  ist  beinahe  der  einzig 
Faktor,  der  für  sein  Leben  verhängnisvoll  sein  kann.  Die  stärkere 
Knaben  erleiden  einen  intensiveren  Druck  während  des  Durchtritt 
durch  die  Genitalwege  und  sind  dadurch  weniger  widerstandsfähig 
Sie  sterben  während  der  Entbindung  oder,  wenn  noch  lebend  geborei 
bald  danach,  wenn  sich  nicht  rasch  ihr  Allgemeinzustand  besser 
P  i  n  a  r  d  kämpft  schon  seit  20  Jahren  gegen  das  geburtshilflich 
Trauma  und  hofft  in  Anbetracht  der  bereits  erzielten  Resultate,  e 
noch  auf  ein  denkbar  niederes  Mass  zu  reduzieren. 


April  1913.  MUfeKcHfeNfefe  medizinische  Wochenschrift. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Sehr  verdienstliche  Mitteilungen  über  die  myko¬ 
tische  Untersuchung  der  Kinder  me  hie  veröffent- 
bt  Hugo  K  ü  h  1  in  der  „pharmazeutischen  Zentralhalle",  5-1.  Jahrg.. 
6  vom  6.  Februar  1913.  Er  ventiliert  zunächst  die  Frage,  „ob  die 
Handel  befindlichen  Kindermehle  keimarm  sind,  und  ob  die  etwa 
rhandenen  Keime  zu  Bedenken  Veranlassung  geben  können“.  Er 
t  4  verschiedene  Marken  bakteriologisch  untersucht:  1.  Kaisers 
n  der  mehl  (7  Proben),  2.  Kufekes  Kinder  mehl  (4  Pro- 
n),  3.  N  e  s  1 1  e  s  Kindermehl  (5  Proben),  4.  Dr.  'I'  h  e  i  n  - 
r  d  t  s  1  n  f  a  n  t  i  n  a  (5  Proben),  I  n  f  a  n  t  i  n  a  m  i  1  c  h  f  r  e  i 
Proben),  Dr.  Thein  ha  rdts  lösliche  Kindernahrung 
ältere  Proben).  Von  Kaisers  Kindermehl  waren  2  Proben  in 
er  Packung,  alle  anderen  Proben  aller  Präparate  in  gut  schliessen- 
n  Originalverpackungen.  Das  überraschende  Resultat  der  myko- 
.ischeit  und  bakteriologischen  Untersuchungen  Kiihls  ist:  1.  Kai- 
rs  Kinder  mehl,  a)  in  loser  Packung;  stark  verunreinigt 
ich  Mucor,  Penicillium  und  Bakterien.  Unter  letzteren  namentlich 
ptonisierende  Bakterien  und  Bacillus  mesentericus  vulgatus  Flügge, 
in  Originaldosen,  die  nicht  geöffnet  waren;  2  Proben  zeigten  die- 
ben  Verunreinigungen;  3  weitere  Proben  boten  keinen  Anlass  zu 
anstandungen.  —  „Es  wäre  zu  rigoros",  sagt  der  Autor,  „wollte 
in  von  einem  Handelspräparat  absolute  Keimfreiheit  verlangen,  zu- 
d  wenn  dieses  durch  Kochen  zubereitet  wird.  Die  Kuhmilch  ist 
ch  keineswegs  keimfrei,  sie  wird  durch  Pasteurisieren  oder  Auf- 
chen  keimarm  gemacht.  So  lange  es  sich  um  ein  unwesentliches 
’rkominen  harmloser  pflanzlicher  Mikroorganismen  handelt,  liegt 
in  Grund  zur  Beanstandung  vor.  Es  ist  natürlich  aus  hygienischen 
iinden  durchaus  unzulässig,  Kindermehle  in  Beutelform  in  den  Han- 
1  zu  bringen  und  auf  die  Beutel  den  Vermerk  zu  drucken:  Vor  Ver- 
nd  in  der  Fabrik  sterilisiert.“  —  2.  K u  f  e  k  e  s  K  i  n  d  e  r  m  e  hl.  ln 
ter  Probe  wurden  geringe  Mengen  bis  Spuren  von  Schimmel¬ 
ten  und  milchsäuernde  Bazillen  nachgewiesen,  2  Proben  enthielten 
sserdem  peptonisierende,  das  geronnene  Milcheiweiss  auflösende 
kterien  und  Koli.  Eine  vierte  Probe  enthielt  nur  einige  harmlose 
ime.  —  3.  Nestles  Kindermehl.  2  Proben  waren  stark  ver¬ 
einigt  durch  Schimmelsporen,  Mucor  und  Penicillium,  auch  wur- 
n  peptonisierende  sowie  Aerogenesbakterien  und  Bacillus  mesen- 
icus  nachgewiesen.  Eine  dritte  Probe  war  fast  steril,  eine  vierte 
[hielt  durchaus  harmlose  Mikroorganismen.  —  Dr.  Theinhardts 
fantina  enthielt  in  2  von  5  Fällen  oeptonisierende,  in  1  Fall 
libakterien.  Infantina  milchfrei  und  sogar  2  ältere  Handelspreisen, 
i  noch  die  Bezeichnung  trugen  „Dr.  Theinhardts  lösliche  Kinder- 
hrung“  gaben  „erfreulicherweise  zu  bakteriologischen  Bedenken 
ine  Veranlassung.“  „Die  Kindernährmittelfabriken  sollten  mehr  als 
bislang  der  Fall  ist,  die  Errungenschaften  der  Hygiene  sich  zu 
itzen  machen.“  Fr.  L. 

Das  vielgeschmähte  Monokel  wird  von  R.  Halben-  Berlin 
geeignete  Fälle  angelegentlich  empfohlen  (Ther.  Mon. -Hefte  13,  3). 
is  Einglas  ist  überall  da  zulässig,  wo  die  zweiseitige  Korrektion 
:ht  mehr  leistet  als  die  einseitige.  Bei  Erwachsenen  ist  die 
nrektion  die  richtigste,  die  ihnen  mit  den  einfachsten  Mitteln  ein 
bjektiv  voll  befriedigendes  Sehvermögen  gewährleistet.  '  Dahin  ge- 
ren  alle  leichteren  Grade  von  Myopie,  Hyperopie  und  Presbyopie, 
ber  Refraktionsdifferenzen  von  3  D  soll  man  dabei  zunächst  nicht 
lausgehen. 

Das  Monokel  ist  ausgezeichnet  durch  seine  Billigkeit,  Bequem- 
hkeit,  Handlichkeit,  Haltbarkeit  und  Einfachheit.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  26.  April  1913.*) 

--  Die  Gesellschaft  Deutscher  Naturforscher 
id  Aerzte  hat  an  die  Vorstände  der  deutschen  und  deutsch- 
terreichischen  naturwissenschaftlichen  und  medizinischen  Vereine 
i  Rundschreiben  gerichtet,  in  dem  die  Anregung  zu  einem  plan- 
issigen  wissenschaftlichen  Zusammenarbeiten  dieser  Vereine  mit 
r  Naturforscherversammlung  zum  Zwecke  einer  Vereinfachung  des 
utschen  nationalen  Kongresswesens  gegeben  wird.  Es  wird  Vor¬ 
schlägen,  dass  die  genannten  Vereine  ihre  Jahresversammlungen 
Je.  einem  Jahre  für  sich  allein,  im  zweiten  Jahre  aber  in  Gemein- 
’-aU  mit  den  anderen  Gesellschaften  auf  der  Versammlung  Deutscher 
lurtorscher  und  Aerzte  abhalten.  Es  würden  dann  in  dem  einen 
te  hauptsächlich  die  Sonderfragen  einer  jeden  Einzelwissenschaft 
i  Beratung  zu  stellen  sein,  während  in  jedem  zweiten  Jahre  auf 
r  aann  nur  alle  zwei  Jahre  tagenden  Naturforscherversammlung 
;  “Tagen  heraten  würden,  an  denen  die  Gesamtheit  aller  Natur¬ 
scher  und  Aerzte  oder  grössere  Gruppen  Interesse  haben.  Es 
irde  aber  auch  jede  Gesellschaft  noch  Zeit  haben,  Spezialvorträge 

c>  Die  vorliegende  Nummer  musste  wegen  des  Christi  Himtnel- 
[rtstages  in  der  nächsten  Woche  mit  Rücksicht  auf  die  über  Leipzig 
'“ende  Auflage  früher  fertiggestellt  werden. 


in  grösserer  Zahl  halten  zu  lassen  und  ihre  geschäftlichen  Angelegen¬ 
heiten  zu  ordnen.  Den  Arbeitsplan  einer  so  mit  den  Jahresversamm¬ 
lungen  der  einzelnen  Vereine  verbundenen  Naturforscherversammlung 
denkt  man  sich  etwa  so:  am  Sonntag  die  verschiedenen  Vorstands¬ 
und  Ausschusssitzungen;  am  Montag,  Dienstag  und  Mittwoch  vor¬ 
mittags  dje  allgemeinen  Sitzungen  und  die  gemeinsame  Sitzung  beider 
Hauptgruppen,  nachmittags  Einzelsitzungen  der  Hauptgruppen; 
Donnerstag  bis  Sonnabend  Abteilungssitzungen  und  Exkursionen. 
Dieser  Plan,  der  den  Einzelgesellschaften  im  Rahmen  der  Abteilungs¬ 
sitzungen  reichlich  Zeit  lässt  zur  Erledigung  ihrer  eigenen  Vorträge, 
soll  gelegentlich  der  85.  Naturforscherversammlung  in  Wien  in  einer 
Sitzung  des  vom  Vorstand  der  Naturforschergesellschaft  eingesetzten 
Ausschusses  (dem  von  Medizinern  die  Herren  H.  H.  Meyer- Wien, 
Fr.  v.  M  ü  1 1  e  r  -  München  und  W.  H  i  s  -  Berlin  angehören)  mit  den 
Allgeordneten  der  Vereine  beraten  werden. 

Es  leuchtet  ein,  dass  diese  Vorschläge  eine  wesentliche  Er¬ 
leichterung  der  herrschenden  Kongressnot  bringen  und  dass  auch  die 
Einzelgesellschaften  in  der  Möglichkeit  der  Erfüllung  ihrer  wissen¬ 
schaftlichen  Aufgaben  nicht  verkürzt,  sondern  nur  gefördert  werden 
würden.  Eher  könnten  Freunde  der  Naturforscherversammlung  Be¬ 
denken  haben,  ob  nicht  die  Bedeutung  dieser  altberühmten  Ver¬ 
sammlung  durch  Verzicht  auf  die  jährlichen  Tagungen  vermindert 
werden  wird.  Das  wäre  auf  jeden  Fall  zu  vermeiden;  man  darf  aber 
w  ohl  annehmen,  dass  der  Ausfall  an  Zahl  der  Versammlungen  durch 
den  Gewinn  an  wissenschaftlichem  Gehalt  reichlich  aufgewogen 
werden  wird.  Noch  andere  Bedenken  liegen  nahe.  So  wird  vor 
allem  durch  die  Verschmelzung  mit  den  Einzelkongressen  die  Teil¬ 
nehmerzahl  der  Naturforscherversammlung  so  sehr  anwachsen,  dass 
nur  noch  in  ganz  grossen  Städten  die  nötigen  Versammlungsräume 
aufzutreiben  sein  werden.  Schliesslich  wird  auch  diese  Schwierigkeit 
nicht  unüberwindlich  sein.  In  der  Tat  wird  alles  auf  den  Versuch 
ankommen.  Die  Vorteile,  die  der  Vorschlag  des  Vorstandes  der 
Naturforscherversammlung  verspricht,  sind  so  gross,  dass  es  für 
beide  Teile  gerechtfertigt  erscheint,  diesen  Versuch  zu  w'agen. 

Der  Kongress  für  innere  Medizin  wird  in  der  vorberatenden 
Sitzung  in  Wien  durch  einen  Abgeordneten  vertreten  sein.  Bei  der 
jüngsten  Kongresstagung  in  Wiesbaden  wurde  der  Vorschlag  der 
Naturforscherversammlung  vielfach  und  meist  sympathisch  be¬ 
sprochen,  ohne  dass  man  sich  seine  Schwierigkeiten  und  Bedenken 
verhehlt  hätte. 

—  Der  Entwurf  zum  Robert  Koch-Denkmal,  der  von  dem 
Berliner  Bildhauer  Prof.  T  u  a  i  1 1  o  n  im  Aufträge  des  Denkmals¬ 
komitees  fertiggestellt  worden  ist,  hat  —  mit  einer  geringen  Aende- 
rung  —  die  Zustimmung  des  Kaisers  erhalten.  Auch  die  Wahl  des 
Luisenplatzes  für  die  Aufstellung  des  Monuments  ist  vom  Kaiser  ge¬ 
billigt  werden.  Für  den  Denkmalsfonds  sind  in  letzter  Zeit  wieder 
zahlreiche  Beiträge  eingegangen,  u.  a.  vom  Grossherzog  von 
Mecklenburg-Schw'-erin,  vom  preussischen  Minister  des  Innern,  von 
den  Bahnärztlichen  Vereinen  Deutschlands,  von  verschiedenen  Firmen 
der  durch  Kochs  Arbeiten  wesentlich  geförderten  mikroskopischen 
und  bakteriologischen  Technik  (L  a  u  t  e  u  s  c  h  1  ä  g  e  r  -  Berlin, 
L  e  i  t  z  -  Wetzlar,  Ze  iss- Jena).  Besonders  reiche  Spenden  sind 
aus  den  deutschen  Kolonien  (Deutsch-Ostafrika,  Deutsch-Westafrika. 
Samoa)  eingegangen,  für  deren  gesundheitliche  Erschliessung  Koch 
ja  so  viel  getan  hat.  Weitere  Beiträge  nimmt  das  Bankhaus 
von  Mendelssohn  &  Co.,  Berlin  W.,  entgegen;  Auskünfte  durch 
den  Schriftführer  Dr.  Alfred  Bruc  k,  Berlin  SW.,  Markgrafenstr.  87. 

Nach  dem  Jahresbericht  der  Deutschen  Heil¬ 
stätte  für  minderbemittelte  Lungenkranke  in 
Davos  für  das  Jahr  1912  wies  die  Heilstätte  am  1.  Januar  1912 
einen  Bestand  von  140  Kranken  auf.  Neu  aufgenommen  wurden  im 
Laufe  des  Jahres  256  Patienten  (156  m„  100  w.).  Die  Zahl  der  Ver- 
pfiegungstage  betrug  51  194.  Nach  dem  Erkrankungszustande  der 
Lungen  gehörten  28,12  Proz.  der  im  Jahre  1912  entlassenen  256  Pa¬ 
tienten  dem  I.,  31,25  Proz.  dein  II.,  40,63  Proz.  dem  III.  Stadium  an. 
Die  Behandlungsdauer  betrug  im  Durchschnitt  209  Tage;  von  den 
Entlassenen  w’aren  gebessert  207,  und  zwar  139  arbeitsfähig,  48  teil¬ 
weise  arbeitsfähig,  20  nicht  arbeitsfähig,  32  blieben  ungebessert, 
12  haben  sich  verschlechtert,  5  starben.  Der  Neubau  der  Nieder¬ 
lassung  der  Deutschen  Heilstätte  im  Kanton  Tessin  Villa  di  Agra 
soll  im  Herbst  1913  im  Rohbau  fertig  stehen  und  im  Herbst  1914 
eröffnet  werden.  Wie  gross  das  Bedürfnis  nach  einer  derartigen 
Heilstätte  ist  und  wie  wenig  die  Davoser  Anstalt  ihm  entsprechen 
kann,  geht  daraus  hervor,  dass  851  minderbemittelte  und  bedürftige 
Lungenkranke  aus  den  gebildeten  Ständen  um  Aufnahme  baten,  von 
denen  nur  250  aufgenommen  werden  konnten.  Die  Heilstätte  ist  voll¬ 
ständig  aus  freiwilligen  Beiträgen  ins  Leben  gerufen  und  auf  die 
Unterstützung  aus  der  Heimat  angewiesen,  die  ihr  auch  im  Jahre  1913 
in  reichem  Masse  zuteil  werden  möge! 

-  Der  Dresdner  Arzt  Dr.  med.  Deppe,  der  sich  besonders  um 
die  Errichtung  der  Walderholungsstätten  in  Dresden  und  Umgebung 
und  um  den  Dresdner  Samariterverein  grosse  Verdienste  erworben 
hat,  wuirde  vom  Reichskolonialamt  zur  Leitung  des  grossen  Kranken¬ 
hauses  in  Tanga  ih  Ostafrika  berufen.  Das  Krankenhaus  hat 
300  Betten. 

-  Vom  1. — 5.  August  d.  J.  findet  zu  Brüssel  die  3.  Inter¬ 
nationale  Konferenz  für  Krebsforschung  statt.  Zui 
Beratung  kommen  folgende  Themata:  1.  Die  Anwendung  der  physi¬ 
kalisch-chemischen  Verfahren  bei  der  Behandlung  des  Krebses.  An¬ 
wendung  chemischer  Mittel  nach  Radikaloperationen.  —  2.  Vak- 


960 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


zinationstherapie  der  Geschwülste.  —  3.  Statistik  der  Krebskrankheit. 
Oertliche  Verbreitung.  — =  4.  Einrichtung  für  die  Fürsorge  Krebs¬ 
kranker  (Fürsorgestellen  usw.).  Pflege  der  Krebskranken  und  Unter¬ 
richt  in  dieser  Pflege.  —  5.  Bericht  über  den  Stand  der  Krebs¬ 
forschung  und  Krebsbekämpfung  in  den  einzelnen  Ländern,  unter 
Vorlage  der  betreffenden  Drucksachen,  Schriften  für  Aerzte,  Merk¬ 
blätter  fürs  Volk  usw.  —  Die  Organisation  der  Konferenz  liegt  in 
den  Händen  der  Belgischen  Kommission  für  Krebsforschung 
(Dr.  Heuseval,  Brüssel,  Palais  du  Cinquantenaire). 

—  Die  20.  Versammlung  des  Vereins  Deutscher 
Laryngologen  findet  zu  Stuttgart  am  Mittwoch  den  7.  und 
Donnerstag  den  8.  Mai  1913  statt. 

—  Der  23.  Kongress  der  Irrenärzte  und  Neuro¬ 
logen  Frankreichs  und  der  Länder  französischer  Zunge  findet 
vom  1. — 6.  August  d.  J.  in  Le  Puy  statt. 

—  Ein  Kongress  für  Sportphysiologie  und  Sport¬ 
psychologie  findet  vom  5.  bis  11.  Mai  1913  in  Lausanne  statt. 

—  Im  Verlag  von  Kabitzsch  in  Wiirzburg  erschien  „Beiträge 
zur  Klinik  der  Infektionskrankheiten  und  zur  Immunitätsforschung“ 
(mit  Ausschluss  der  Tuberkulose),  herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  L.  Brauer,  unter  Redaktion  von  Dr.  H.  Schottmüller, 
Dr.  H.  Much  und  Dr.  H.  Liidke,  I.  Band,  1.  Heft.  Die  Beiträge 
sind  als  Parallelorgan  zu  den  „Beiträgen  zur  Klinik  der  Tuberkulose“ 
gedacht,  mit  denen  sie  durch  den  gemeinsamen  Haupttitel  „Klinische 
Beiträge“  verbunden  sind.  Sie  erscheinen  in  Bänden  von  je  30  bis 
35  Bogen  zum  Preis  von  20  M.  und  zwar  zwanglos  in  Heften. 

—  Cholera.  Türkei.  In  Konstantinopel  wurden  vom  1.  bis 
7.  April  2  Erkrankungen,  vom  S.  bis  14.  April  1  Erkrankung  und 
1  Todesfall  und  nachträglich  für  den  30.  März  1  Erkrankung  an¬ 
gezeigt.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore  wurden  in  der  Zeit  vom 
16.  Februar  bis  13.  März  5  Cholerafälle  festgestellt.  Ausserdem  sollen 
nach  einer  Mitteilung  vom  20.  März  auf  einem  Dampfer  während 
seiner  Anwesenheit  in  dem  Hafen  von  Singapore  12  Todesfälle  an 
Cholera  unter  einem  Transport  chinesischer  Soldaten  aus  Tibet  vor¬ 
gekommen  sein.  Ferner  soll  derselben  Mitteilung  zufolge  an  der 
Westküste  der  Malayischen  Halbinsel  der  Ausbruch  einer  Cholera¬ 
epidemie  zu  befürchten  sein. 

—  Pest.  Türkei.  In  Djedda  sind  vom  31.  März  bis  12.  April 
16  Erkrankungen  und  14  Todesfälle  an  der  Pest  gemeldet  worden.  — 
Aegypten.  Vom  29.  März  bis  4.  April  erkrankten  26  (und  starben  8) 
Personen.  —  Britisch  Ostindien.  In  den  beiden  Wochen  vom  9.  bis 
22.  März  erkrankten  11  603  +  9449  und  starben  10  098  +  8176  Per¬ 
sonen  an  der  Pest.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  12.  bis  25.  März 
wurden  auf  Java  gemeldet:  Aus  dem  Bezirke  Malang  141  Erkran¬ 
kungen  (und  141  Todesfälle),  aus  Kediri  29  (26),  aus  Madioen  16 
—  darunter  1  eines  Europäers  (15),  ferner  aus  Paree  19  Fälle,  aus 
Soerabaia  5  und  aus  Toeloengagoeng  1.  Für  die  Zeit  vom  26.  Februar 
bis  11.  März  sind  nachträglich  aus  Paree  2  Erkrankungen  und  1  Todes¬ 
fall  mitgeteilt  worden.  —  Britisch  Ostafrika.  Die  Gesamtzahl  der 
im  1.  Vierteljahr  1913  gemeldeten  Erkrankungsfälle  betrug  in  Nai¬ 
robi  16,  in  Kisumu  9,  in  Mombassa  7,  in  Dagoretti  und  Kyambu  je  1, 
zusammen  34;  hiervon  hatten  29  einen  tödlichen  Verlauf  genommen. 
Ausser  diesen  zur  Kenntnis  der  Behörden  gelangten  Fällen  sollen 
aber,  wie  amtlicherseits  zugegeben  wird,  weitere  Erkrankungen, 
zumal  an  kleinen  und  entlegenen  Plätzen,  vorgekommen  sein.  — • 
Brasilien.  In  Bahia  vom  9.  Februar  bis  8.  März  7  Erkrankungen  und 
3  Todesfälle,  in  Pernambuco  vom  16.  bis  31.  Januar  2  Todesfälle.  — 
Argentinien.  In  Herrera,  einem  kleinen  Orte  im  Südosten  der  Provinz 
Er.tre  Rios,  34  Stunde  Eisenbahnfahrt  von  dem  argentinischen  Hafen 
Concepcion  del  Uruguay,  ist  am  22.  Februar  die  Pest  festgestellt 
worden.  Es  sollen  im  ganzen  9  Personen  erkrankt  sein,  von  denen  6, 
darunter  der  Bahnhofsvorsteher,  gestorben  sind.  Nach  den  letzten 
Nachrichten  ist  die  Seuche  auf  ihren  Herd  beschränkt  geblieben  und 
bereits  erloschen  oder  dem  Erlöschen  nahe. 

—  In  der  15.  Jahreswoche,  vom  6. — 12.  April  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Freiburg  i.  B.  mit  25,8,  die  geringste  Rüstringen  mit  4,1  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Mülheim  a.  Rh.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Dem  Privatdozenten  und  Leiter  der  Abteilung  für 
soziale  Hygiene  am  Hygienischen  Institut  Dr.  Alfred  ü  r  o  t  j  a  h  n 
wurde  der  Titel  Professor  verliehen. 

Jena.  Dr.  Zange  wurde  für  das  Fach  der  Otologie  und 
Rhino-Laryngolog;e  mit  einer  Habilitationsschrift:  „Die  Entstehung 
der  tympanogenen  Labyrinthitis“  als  Privatdozent  zugelassen. 

Rostock.  Prof.  Schwalbe,  Direktor  des  pathologischen 
Instituts,  hat  einen  Ruf  nach  Königsberg  als  Nachfolger  des  Prof. 
Henke  erhalten. 

Bahia.  Dr.  D.  Ramos  wurde  zum  Professor  der  internen 
Pathologie  ernannt. 

Genua.  Der  bisherige  Privatdozent  in  Modena  Dr.  R.  P  a  r  d  o 
habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Augenheilkunde. 

Graz.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Ohrenheilkunde 
Dr.  J.  Habermann  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Klausenburg.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Bio¬ 
logie  Dr.  E.  Veress  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Lemberg.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Laryngologie 
und  Otologie  Dr.  A.  Jurasz  wurde  zum  ordentlichen  Professor 
ernannt, 


Madrid.  Prof.  Dr.  Porpela  in  Grenada  wurde  zum  Pn 
fessor  der  Anatomie  in  Madrid  ernannt. 

Neapel.  Habilitiert :  DDr.  M.  Candela  (medizinische  Path< 
logie),  A.  B  i  a  n  c  o  und  F.  C  a  p  a  1  d  o  (Oto-Rhino-Laryngologie 

Padua.  Dr.  L.  De  Gaetani  habilitierte  sich  als  Priva 
dozent  für  Anatomie. 

Rom.  Habilitiert:  DDr.  A.  Cuzzi  (Geburtshilfe  und  Gyn; 
kologie),  M.  Amante  (Unfallkrankheiten),  F.  Traetta-Mosc 
(biologische  Chemie). 

Turin.  Der  bisherige  Privatdozent  in  Genua  Dr.  F.  G  r  i  g  n  o  1 
habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Augenheilkunde. 

Wien.  Habilitiert:  DDr.  A.  Müller  und  W.  Neu  man 
(innere  Medizin),  R.  Stern  (Neurologie),  R.  Neurath  (Kinde 
heilkunde). 


Korrespondenz. 

Herr  Dr.  Klotz,  Kinderarzt  und  Arzt  am  Kinderheim  Lewei 
berg  in  Schwerin,  ersucht  uns  mitzuteilen,  dass  die  von  der  Firn) 
K  o  p  p  und  Joseph  in  Berlin  erfolgte  reklamehafte  Benutzun1 
seiner  Arbeit  in  der  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  2  „Zu 
Therapie  der  Peritonitis  tuberculosa.  Ueber  Verhütung  des  Sonne 
erythems  durch  Zeozonpaste“  ohne  sein  Wissen  und  ohnj 
seine  Einwilligung  erfolgt  ist.  Sein  Ersuchen,  den  Aerztei 
die  das  fragliche  Reklamezirkular  erhielten,  mitzuteilen,  dass  die  Bti 
nutzung  der  Publikation  des  Herrn  Dr.  Klotz  zu  Reklamezweckc 
ohne  sein  Wissen  erfolgt  sei,  habe  die  Firma  abgelehnt  und  sich  m. 
zur  gelegentlichen  Korrektur  des  „Irrtums“  bereit  erklärt,  durq 
welchen  in  der  Reklameschrift  von  Sonnen  ekzem  statt  von  Sonneij 
erythem  die  Rede  ist  und  der  zur  Anpreisung  des  Zeozon  als  aut 
ekzematöses  Mittel  Anlass  gibt. 


Zur  Mitteilung  von  Herrn  Dr.  B  a  r  b  o  -  Pforzheim  über  die  „W  une 
Behandlung  mit  Zucker“.  (Diese  Wochenschrift  1913,  No.  14,  S.  792 
Zweifellos  ist  die  Notiz  von  historischem  Interesse,  und  dd 
Bericht  über  die  Sitzung  des  „Ortenauer  ärztlichen  Vereins“  vor 
9.  Oktober  1883  ist  mir  in  der  Tat  entgangen.  Dagegen  möchte  ic 
jedoch  bemerken,  dass  die  beiden  von  mir  zitierten  Arbeiten  voj 
Fischer  (Zentralbl.  f.  Chir.  1883,  No.  34  und  Deutsche  Zeitschr. 
Chir.  1885)  überschrieben  sind:  „Aus  der  chirurgischen  Universität" 
klinik  in  Strassburg“,  dass  beide  Aufsätze  die  Resultate  der  Lücke 
sehen  Wundbehandlung  mit  Zucker  enthalten,  und  dass  sie  wol 
dasselbe  bringen  wie  die  historisch  interessante  Mitteilung  von  Herr 
Dr.  B  a  r  b  o  -  Pforzheim.  Ich  habe  die  beiden  Arbeiten  nicht  m] 
zitiert,  sondern  auch  inhaltlich  verwertet,  einiges  sogar  wörtücj 
angeführt.  Hätte  Herr  Dr.  B  a  r  b  o  -  Pforzheim  sich  mit  meine« 
Aufsatz  noch  etwas  gründlicher  beschäftigt,  so  hätte  er  zweifellc 
diese  Entdeckung  selber  gemacht,  durch  welche  sich  seine  eigen« 
an  sich  gut  gemeinte  Publikation  erübrigt. 

Dr.  Magnus-  Marburg,  i 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  Mönchen 

während  der  15.  Jahreswoche  vom  6.  bis  12.  April  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung 
fehler  12  (10l),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  8  (4),  Kindbettfieber  1  (— 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  1  (— 
Masern  u.  Röteln  2  (2),  Diphtherie  u.  Krupp  —  ( — ),  Keuchhusten  —  (1 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  -  (— 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (4),  Starrkrampf  —  (— 
Blutvergiftung  2  (2),  Tuberkul.  der  Lungen  23(28),  Tuberkul.  and.  Or 
(auch  Skrofulöse)  3  (4),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (— ),  Lungei 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  16  (17),  Influenza  —  (— ),  vener 
sehe  Krankh.  3  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebe 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechse 
fieber  usw.  —  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  4  (3),  Alkoholi: 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  d.  Atmungsorg.  4  (2),  sonst.  Krank 
d.  Atmungsorgane  1  (2),  organ.  Herzleiden  22  (23),  Herzschlag,  Her: 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  3  (8),  Arterienverkalkun 
6  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  8  (5),  Gehirnschlag  8  (9 
Geisteskrankh.  1  ( — ),  Krämpfe  d.  Kinder  2  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Nervei 
Systems  3  (2),  Atrophie  der  Kinder  2  (1),  Brechdurchfall  —  (— ),  Magei 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  8  (5),  Blinddarn 
entzünd.  4  (2),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  i 
Milz  3  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (3),  Nierenentzünd.  2  (4 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (1),  Krebs  14  (15),  sons 
Neubildungen  6  (5),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (1),  Krankh.  df 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  5  (3),  Mord,  Totschlag,  auc 
Hinricht.  —  [2),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  4  (3 
and.  benannte  Todesursachen  1  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  at 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  186  (182). 

‘)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Muhlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


iMBnchcner  Medlzlnltche  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Prell  der  einzelnen 
mtner  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

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brige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  i 
f  ürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  81/«— 1  Uhr. 
Pür  Abonnement  an  I.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theaunerstraase  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


18.  6.  Mai  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i.  Br, 
(Direktor:  Geheimrat  Prof.  Dr.  Krönig). 

Zur  thyreogenen  Aetiologie  der  hämorrhagischen 
Metropathieen. 

Von  Dr.  E.  Sehrt. 

Schon  seit  langem  sind  die  Beziehungen  der  Schilddrüse 
n  Genitale  bekannt.  In  seinem  erschöpfenden  Buch  über 
opf  und  Kretinismus  hat  S.  Taussig  eingehend  die 
lilddriisenschwellungen  beim  weiblichen  Geschlechte  be- 
ochen.  Nach  ihm  hat  schon  Rösch  hervorgehoben,  dass 
übergehende  Schilddrüsenschwellungen  zurzeit  der  Menses, 
izeption  und  Schwangerschaft,  oder  bei  Erkrankungen  der 
uellen  Sphäre  eintreten  könnten.  Im  Volksglauben  spielt 
se  Tatsache  insofern  eine  Rolle,  als  man  in  südlichen 
idern  den  Hals  junger  Ehefrauen  vor  und  nach  der  Hocli- 
:snacht  misst,  anscheinend  um  die  stattgehabte  Konzeption 
istatieren  zu  können 

Weiter  hat  nach  Taussig,  dem  ich  im  Nachstehenden  folge, 
wson  über  20  Fälle  von  Hypertrophie  der  Schilddrüse,  die  sich 
irend  der  Schwangerschaft  entwickelt  hatte,  berichtet. 

In  ähnlichem  Sinne  äussern  sich  Allen  Thomson  und  Sloan 
bert  (nach  Eiseisberg). 

Lange  hat  eingehende  Untersuchung  bei  248  Schwangeren 
cropffreien  Gegenden  angestellt.  Er  fand  136  mal  eine  Vergrös- 
ing  der  ganzen  Schilddrüse,  oder  mindestens  eines  Driisenlappens, 
zwar  trat  die  Vergrösserung  im  5. — 6.  Monat  der  Schwanger¬ 
dt  gewöhnlich  auf.  Auch  Freund  hat  unter  50  Schwangeren 
lal  eine  Schilddrüsenschwellung  beobachtet.  Engelhorn  hat 
?00  Graviden  120  mal  eine  deutliche  Schwellung  gesehen  und  hält 
es,  ähnlich  wie  Lange,  für  eine  physiologische  Schwanger- 
litserschekiung.  Er  fand  bei  Kaninchen,  so  oft  ein  frisches  Corpus 
um  im  Ovarium  vorhanden  war,  die  Schilddrüse  angeschwollen. 
Hand  seiner  Tierversuche  und  Leichenuntersuchungen  kommt 
gelhorn  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Hypertrophie  der  Schild- 
>e  durch  den  Ausfall  der  ovarialen  Funktion  bedingt  ist.  M.  Lange 
chtet,  dass  trächtige  Katzen  zur  Erhaltung  ihrer  Gesundheit  ein 
iseres  Schilddrüsenquantum  benötigen  als  n  i  c  h  t  trächtige  Katzem, 
v.  Bardeleben  fand,  dass  die  Schilddrüse  bei  brünstigen 
ichen  und  trächtigen  Hündinnen  geschwollen  ist.  B  i  r  c  h  e  r  er- 
int  den  Fall  einer  39  jährigen,  aus  einer  kropffreien  Gegend 
imenden  Frau,  bei  der  sich  im  Anschluss  an  ein  Uterusmyom  eine 
ima  entwickelt  hatte.  Nach  Entfernung  des  Myoms  schwand 
i  der  Kropf.  Bei  einem  weiterem  Fall  B  i  r  c  h  e  r  s  handelte  es 
um  ein  28  jähriges  Mädchen,  das  an  atypischen  Uterusblutungen 
und  hei  dem  sich  ebenfalls  eine  diffuse  parenchymatöse  Struma 
gebildet  hatte. 

Eiseisberg  stellte  fest,  dass  nach  Thyreoidektomie  beim  Tier 
Qenitalorgane  atrophieren.  L  a  n  z  berichtete,  dass  nach  Thyreoid- 
imie  junge  Zicklein  in  der  Folge  nicht  fortpflanzungsfähig  wurden, 
einige  4  jährige  Ziegen  in  ihrem  Fortpflanzungsvermögen  sich  als 

iziert  erwiesen. 

Auf  der  anderen  Seite  behauptet  schon  H  i  e  r  o  k  1  e  s,  dass  ver- 
uttene  Tiere  niemals  einen  Kropf  bekommen.  Uebrigens  fehlt 
i  Taussig  auch  beim  Menschen  während  der  Cachexia  strumi- 
a  die  Fortpflanzungsfähigkeit.  Sie  soll  auf  Schilddrüsenmedikation 

derkehren. 

Der  Tierpathologie  ist  es  seit  langem  bekannt,  dass  kastrierte 
e  ausserordentlich  kleine  Schilddrüsen  besitzen  und  Tandler 
de  diese  Tatsache  beim  Menschen  durch  seine  interessanten  Unter- 
uingen  an  den  S  k  o  p  z  e  n  Pests  fest. 

Die  Erfahrungen  der  Röntgen-  und  Radiumbestrahlungen  an  der 
igen  Frauenklinik  zeigen,  dass  bei  Uterusbestrahlungen  Strumen 
irem  Volumen  abnehmen.  Umgekehrt  konnte  beobachtet  werden, 

'  Strumenbestrahlungen  einen  Einfluss  auf  das  Genitale  besitzen. 
Aus  all  dem  Gesagten  gehen  die  nahen  Beziehungen 
sehen  Schilddrüse  und  Genitale  im  allgemeinen  klar  her- 
•  Die  Erfahrungen  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion 
sen  nun  im  Besonderen  deutlich  auf  einen  Zusammenhang 
No.  18. 


zwischen  Schilddrüse  und  Uterusblutungen  hin.  —  Die  zwei 
grossen  Hauptgruppen  von  Schilddrüsenfunktionsstörungen, 
die  wir  heute  scharf  voneinander  trennen,  sind  die  Hyper¬ 
und  die  Hypofunktion.  Hyper  Sekretion  (+  Dys- 
thyreosis)  findet  sich  beim  Basedow,  Hypo¬ 
funktion  bei  Kretinismus,  Myxödem  bei  der 
Cachexia  strumipriva.  Aus  B  i  e  d  I  s  bekanntem 
Buch  ergeben  sich  klar  die  grossen  Unterschiede  dieser  beiden 
Krankheitsgruppen  in  Bezug  auf  das  Verhalten  der  Uterus¬ 
blutung  :  Beim  Basedow  kommt  es  zur  Cessatio 
mensium  (82  Proz.  sind  nach  Kocher  amenor- 
r  h  o  i  s  c  h  und  oligorrhoisch),  während  bei 
Frauen  mit  Athyreosis  die  Menorrhagien  zu 
den  nie  fehlenden  Symptomen  gehören. 
Schwangerschaft  kann  wohl  eintreten,  sie  verschlimmert  aber 
auffällig  alle  Krankheitserscheinungen. 

Hertoghes  Verdienst  ist  es  nun  weiter,  darauf  auf¬ 
merksam  gemacht  zu  haben,  dass  es  abortive  Arten,  Formes 
frustes  des  Myxödems  gibt,  die  er  als  Hypothyreoidie  benigne 
chronique  bezeichnet  und  die  sich  ihrem  inneren  Wesen  nach 
eng  an  das  typische  Myxödem  anschliessen,  und  dem  nach 
partieller  Kropfexstirpation  auftretenden  Myxoedema  p.- 
operat.  frustrum  an  die  Seite  gestellt  werden  können.  Auch 
in  diesen  verkappten  Fällen  von  Myxödem,  die  sich  wahr¬ 
scheinlich  häufiger  finden  als  .man  glaubt,  treten  neben  ein¬ 
zelnen  Teilsymptomen  des  Myxödems  (trophische  und  vaso¬ 
motorische  Störungen  der  Haut,  Fehlen  der  Schweiss- 
sekretion,  Ausfallen  der  Haare),  die  Funktionsalterationen  der 
Genitalien,  die  Menorrhagien  in  den  Vordergrund. 
Levi-Rothschild  geben  unter  den  interkurrenten  Krank¬ 
heitszuständen,  welche  auf  eine  Störung  der  Schilddrüsen- 
funktion  hinweisen,  an:  Leichtigkeit  der  Autoinfektion,  Mi¬ 
gräne,  periodisches  Erbrechen,  Menstruationsstö¬ 
rungen,  Neigung  zu  Blutungen. 

Taussig  verfügt  über  eine  eigene  Beobachtung,  wo 
bei  einem  Mädchen  im  Anschluss  an  die  Ausbildung  eines 
Kropfes  die  Menses  s  i  s  t  i  e  r  t  e  n.  Es  sei  erwähnt,  dass 
S  c  h  i  c  k  e  1  e  (Referat  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1911, 
S.  2355)  ausspricht,  dass  bei  den  bei  der  Menstruation  sich  ab¬ 
spielenden  Vorgängen  auch  innersekretorische  Organe,  wie 
Schilddrüse  etc.  wohl  teilnehmen;  die  Menstruation  scheint  ihm 
der  Ausdruck  einer  periodischen  Hormonwirkung  zu  sein.  In 
seiner  eingehenden  Arbeit  über  das  Blutbild  bei  der  Cachexia 
strumipriva  macht  endlich  Kocher  auf  die  Forme  fruste  des 
Myxödems  aufmerksam.  Er  sagt,  dass  bei  vielen  Anämischen, 
die  jahrelang  mit  allen  möglichen  Eisen-  und  Arsenpräparaten 
erfolglos  behandelt  wurden,  es  sich  nicht  selten  um  einen 
Hypofunktionszustand  der  Schilddrüse  handelt,  da  durch  alle 
diese  Präparate  fehlendes  Thyreoidalsekret  nicht  ersetzt 
werden  kann.  Thyreoidingaben  führen  ungeahnte  Erfolge  bei 
solchen  Patienten  herbei. 

Gerade  im  Anschluss  an  diese  Kocher  sehen  Beob¬ 
achtungen,  zumal  anämische  Frauen  sehr  häufig  unter 
schweren  Menstruationsblutungen  zu  leiden  haben,  und  aus 
all  den  anderen  erwähnten  Zusammenhängen  zwischen 
Schilddrüse  und  Menstruationsstörungen  ergab  sich  der  Ge¬ 
danke,  Untersuchungen  darüber  anzustellen, 
wie  weit  vielleicht  Schilddrüsenfunktions¬ 
störungen  bei  den  Menorrhagien  der  Frauen 
überhaupt  eine  Rolle  spielen.  Bekanntlich  findet 
sich  bei  jenen  schweren  Menorrhagien  nicht  selten  ein  palpa- 
torisch  ganz  normaler  Uterus,  oder  ein  etwas  vergrössertes 
oder  verkleinertes  derbes  Organ.  Früher  hat  man  viele  dieser 
Fälle  mit  dem  Namen  „metritischer  Uterus“  bezeichnet. 

l 


962 


Müenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


No.  II 


Anatomische  Untersuchungen  haben,  wie  ja  zur  Genüge  be¬ 
kannt  ist,  Anhaltspunkte  für  die  Ursachen  der  Menorrhagien 
nicht  finden  können.  —  Die  Untersuchungen  erschienen  umso¬ 
mehr  gegeben,  als  man  heutzutage  imstande  ist,  sich  sicher 
ein  klares  Bild  von  dem  Zustand  der  Schilddrüsenfunktion  zu 
machen. 

Einer  der  ersten,  die  sich  praktisch  mit  der  Frage  der 
Schilddrüsenfunktionsdiagnose  beschäftigt  hat,  ist  der  Chirurg 
Kocher.  Er  stellte  fest,  dass  das  Blut  der  Cachexia  strumi- 
priva,  wie  der  Myxödematösen,  also  der  Individuen,  die  eine 
Unterfunktion  der  Schilddrüse  besitzen,  ein  ausge¬ 
prägtes  Verhalten  zeigt.  Er  fand,  dass  ebenso  wie  bei  der 
hypersekretorischen  Erkrankung  der  Schilddrüse,  dem  Base¬ 
dow,  die  Unterfunktion  sich  durch  eine  rela¬ 
tive  neutrophile  Leukopenie  und  durch  eine 
relative  oder  absolute  Lymphozytose  im 
wesentlichen  charakterisiert.  Das,-  was  die 
beiden  Krankheitsbilder  der  Hyper-  und 
Hypofunktion  der  Schilddrüse  aber  unter¬ 
scheidet,  ist  die  Gerinnbarkeit  des  Blutes. 
Dieselbe  ist  beim  Basedow  verzögert,  bei 
hypofunktionellen  Zuständen  dagegen  be¬ 
schleunigt.  An  und  für  sich  kann  man  keinem  Kropf  an- 
sehen,  ob  sich  sein  Träger  im  Zustande  der  Hypo-  oder  der 
Hypersekretion  befindet. 

Die  Kocher  sehen  Untersuchungen  ergaben  nun,  dass 
unter  155  Fällen  von  herabgesetzter  Schilddrüsenfunktion 
(Myxödem,  Cachexia  strumipriva)  26  mal,  also  in  1k  der  Fälle 
keine  Leukopenie  vorhanden  war.  9  Fälle  Hessen  die  Lympho¬ 
zytose  vermissen.  Der  Grad  der  absoluten  Leukopenie  dieser 
immerhin  ausgesprochenen  Fälle  von  Hypothyreose  war  ein 
mässiger,  bis  6000  als  Höchstgrenze.  Die  Lymphozyten  be¬ 
wegten  sich  überwiegend  zwischen  30  40  Proz.,  die  Eosino¬ 
philie  blieb  in  normalen  Grenzen,  Mastzellen  bewegten  sich 
zwischen  0,2— 0,4.  Die  Gerinnungszeit,  die  mit  dem  K  o  1 1  - 
m  a  n  n  sehen  Koaguloviskosimeter  gemessen  wurde,  bei  dem 
die  normale  Gerinnungszeit  bei  der  18.  Minute  liegt,  war  auf 
15,  14,  12,  in  einzelnen  schweren  Fällen  auf  6  herabgesunken. 
Bei  Basedow  trat  die  Gerinnung  erst  nach  der  24.  Minute  ein. 

In  Gemeinschaft  mit  Fräulein  cand.  med.  M.  P.  S  o  m  m  e  r, 
mit  der  ich  an  anderer  Stelle  eingehend  über  unsere  Unter¬ 
suchungsresultate  berichten  werde,  habe  ich  in  einer  Anzahl 
von  im  ganzen  34  pathologischen  Fällen  das  Verhalten  des 
Blutes  untersucht.  Verwendet  wurde  Armvenenblut  und  das 
Schultz  sehe  Blutgerinnungsröhrchen,  bei  dem  der  Ein¬ 
tritt  der  Gerinnung  für  Normale  bei  der  9. — 10.  Minute  liegt; 
ausserdem  wurde  die  innere  Reibung  (Viskosität)  mit  dem 
neuen  Determann  sehen  Viskosimeter  bestimmt.  Die 
Blutuntersuchung,  Zählung  und  Bestimmung  der  prozentualen 
Verteilung  wurde  nach  den  üblichen  hämatologischen  Me¬ 
thoden  vorgenommen.  Untersucht  wurden  3  Kategorien: 

1.  20  reine  Fälle1)  von  hämorrhagischen  Metropathien. 
Meistens  wurde  palpatorisch  und  durch  Sondierung  ein  derber, 
etwas  vergrösserter  Uterus  festgestellt,  oder  es  fand  sich  ein 
scheinbar  normales  Organ. 

2.  14  Fälle  von  verschiedenartigen  gynäkologischen  Er¬ 
krankungen,  bei  denen  Blutungen  bestehen  oder  früher  be¬ 
standen. 

3.  Einige  Fälle  mit  normalem  Menstruationstypus;  diese 
zeigten  den  üblichen  Gerinnungseintritt  bei  oder  nach  der 
10.  Minute. 

Von  den  20  reinen  Metropathien  fehlte  nur  in  4  Fällen 
eine  relative  neutrophile  Leukopenie.  Die 
relative  neutrophile  Leukopenie  bewegte 
sich  in  den  übrigen  16  Fällen  zwischen  45  und 
68  Proz.  gegen  75  Proz.  des  Normalen.  In 
13  Fällen  fand  sich  eine  zum  Teil  hochgradige 
Lymphozytose  bis  50  Proz.,  gegen  20  Proz.  bis 
24  P  r  o  z.  d  e  r  N  o  r  m.  In  dem  einen  Fall  von  mangelnder 
Lymphozytose  konnte  eine  hochgradige  Eosinophilie, 
10,2  Proz.,  in  2  weiteren  derartigen  Fällen  ein  hochgradiger 
Prozentsatz  der  Mononukleären  und  Uebergangsformen  11,2 


T  In  zwei  Fällen  sind  einmal  chronisch-endometri- 
tisebe  Veränderungen,  das  andere  Mal  adenomatöse  Be- 
SCharfenheit  der  Mukosa  mikroskopisch  festgestellt. 


bezw.  9,3  Proz.  konstatiert  werden.  Die  Uebereinstimmun 
mit  den  Kocher  sehen  Befunden  ist  um  so  auffälliger,  a 
unter  seinen  9  Fällen  (von  155),  in  denen  die  Lymphozytom 
fehlte,  einmal  eine  auffallende  Eosinophilie  (16  Proz.)  m 
einmal  ein  ungewöhnlich  starker  Prozentsatz  (14  Proz.)  vc 
Uebergangsformen  notiert  werden  konnte.  Der  Grad  der  a! 
soluten  Leukopenie  war  ebenfalls,  ganz  ähnlich  den  Kocher 
sehen  Befunden,  ein  mässiger.  Kocher  stellte  in  den  wei 
aus  meisten  Fällen  bis  6000  Leukozyten  gegen  7000  der  Nori 
fest.  In  unseren  Fällen  fanden  sich  12  mal  u  n  t  e  r  6000  bez\ 
5000  Leukozyten,  in  3  Fällen  unter  7000,  in  6  Fällen  üb* 
7000.  1  Fall  wurde  daraufhin  nicht  untersucht. 

Der  Gerinnungseintritt  war  in  19  vo 
20  Fällen  auf  8 — 4  Minuten  im  Gegensatz  zu* 
9. — 10.  Minute  der  Norm  herabgesetzt. 

Die  Viskosität  war  (3 — 4,  7,  5  Yt ,  6,  6,  7,  4,  5, 
5,  8,  7,  7,  7,  6,  AVi ,  7,  7,  4lA ,  6  Minuten)  häufig  herab 
gesetzt,  sogar  bis  2,5  gegen  5  der  Norm.  D 
Herabsetzung  der  Viskosität  ging  meistens  parallel  mit  de 
Hämoglobingehalt  des  Blutes,  wie  es  auch  schon  von  andere 
(Determann)  festgestellt  wurde.  Zusammenfassend  si 
hervorgehoben: 

Von  20  unkomplizierten,  reinen  F ä  1 1  e n  v ol 
Metropathie  fanden  sich  13 mal  alle  ausge 
sprochenen  Zeichen  einer  Hypofunktion  d  et 
Schilddrüse.  Von  den  anderen  7  Fällen  wa 
6 mal  die  Gerinnungszeit  deutlich  nach  unte 
verschoben,  nur  fehlte  das  eine  Mal  eine  rela 
tive  neutrophile  Leukopenie  und  das  ander 
Mal  eine  Lymphozytose. 

In  den  letzteren  Fällen  konnte  hie  und  da  eine  sehr  starl- 
Eosinophilie  bezw.  ein  hochgradiger  Prozentsatz  der  Mcn< 
nukleären  und  Uebergangsform  konstatiert  werden.  —  Wer 
man  bedenkt,  dass  sich  gerade  durch  kleinste  Stoffwech.se 
Verschiebungen  die  Zusammensetzung  der  Bluteiemen 
schnell  ändern  kann,  dass  ferner  die  Hämatologie,  w 
Kocher  richtig  bemerkt,  uns  zurzeit  noch  keinen  Aufschlii 
darüber  geben  kann,  ob  die  grossen  Mononukleären  und  Uebe! 
gangsformen  sicher  den  Leuko-  oder  Lymphozyten  zuzurechm 
sind,  begreift  man  auf  der  einen  Seite  die  Schwierigkeiten  ur 
Grösse  der  Fehlerquellen,  denen  diese  Untersuchungen  au| 
gesetzt  sind,  auf  der  anderen  Seite  dürfte  das  Fehlen  ein« 
einzelnen  Teilsymptoms  der  Diagnose  nicht  zu  schwer  ii 
Gewicht  fallen.  Um  so  auffallender  sind  unsere  Resultate,  d 
sich  in  ganz  merkwürdiger  Weise  an  die  K  o  c  h  e  r  sehen  B 
funde  bei  ausgesprochener  Cachexia  strumipriva,  ah 
bei  relativ  schwerer  Schilddrüsenfunktionsstörung  at 
lehnen,  als  es  sich  bei  den  blutenden  Frauen  doch  u 
sehr  verkappte  Fälle  von  abortiven  Formen  dt 
Myxödems  handeln  dürfte.  Die  meisten  zeigen  ausser  der  hi' 
im  Schwarzwald  sehr  häufig  vorhandenen  Schilddriisenvet 
grösserung,  die  nicht  gegen  Hypofunktion  spricht,  eit 
durch  ihre  schweren  Blutungen  bedingte  Anämie. 

Nach  den  obigen  Untersuchungen  scheii 
die  Annahme  zum  mindesten  nahe  zu  liege 
dass  die  Störungen  der  Beziehungen  zw 
sehen  Schilddrüse  und  Ovarium  vielleic! 
der  Grund  für  die  anatomisch  bis  jetzt  unei 
klärten  Blutungen  sind,  dass  es  sich  b  t 
manchen  Fällen  von  Metropathia  haemoi 
rhagica  um  abortive  Formen  des  Myxödem 
handelt.  Weitere  ausgedehnte  Untersuchungen  müsst 
natürlich  über  diesen  Stoff  noch  angestellt  werden.  —  Es  sei  ii 
bezug  auf  die  Untersuchungsresultate  der  anderen  Fälle  e 
wähnt,  dass  Myome  (wie  auch  A  1  b  r  e  c  h  t  mitteilt),  Eiwei 
im  Urin  (Hydräinie,  Oedeme)  hoher  Blutzuckergehalt,  Röntgei 
Radiumbestrahlung  etc.  die  Gerinnung  des  Blutes  zu  ver 
zögern  scheinen.  Einmal  fand  sich  bei  Blutung  in  d< 
Schwangerschaft  und  bei  Placenta  praevia  eine  au 
gesprochene  Beschleunigung  der  Gerinnbark  ei 
—  Beim  Normalen  konnte  ein  Einfluss  der  Menses  im  Situ 
der  Gerinnungsverzögerung  (ähnlich  Hasslir 
g  e  r  s  Befunden)  festgestellt  werden.  — 

Im  Laufe  unserer  Untersuchungen  wurden  wir  auf  die  au 
fallenden  Parallelen  die  zwischen  dem  Unterfunktionszustanc 


.  Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


%3 


.  •  Schilddrüse  xeu  ctoyrjv,  der  I  etanie,  einerseits  und  der 
[dainpsie  andererseits  bestehen,  hingeleitet.  Bei  dem 
lklen,  durchaus  noch  problematischen  Wesen  der  let2t- 
.  nannten  Krankheit  wird  es  verständlich  erscheinen,  auf 
se  Dinge  hinzuweisen,  auch  wenn  wir  Untersuchungen  an 
lamptischcn  bei  dem  ausserordentlich  seltenen  Vorkommen 
Eklampsie  in  hiesiger  Gegend  nach  der  genannten  Richtung 
noch  nicht  vornehmen  konnten. 

Aus  den  interessanten  Untersuchungen  H  a  1  s  t  e  d  s  geht 
vor,  dass  tetanische  Krämpfe  in  der  Gravidität  und  vor  der 
hurt  allem  Anschein  nach  in  einer  Unterfunktion  der  Schild- 
tse  (oder  besser  gesagt  des  Schilddrüsenkomplexes: 
h  i  1  d  d  r  ii  s  e  +  Epithelkörperchen)  ihren  Grund  haben, 
ilste  d  beobachtete  bei  einer  Hündin,  die  infolge 
er  durchgemachten  halbseitigen  Entfernung  der  Schild- 
ise  nur  noch  über  einen  Lappen  verfügte,  die  dann 
ch  einen  Hund  trächtig  wurde,  dem  ebenfalls 
eine  Hälfte  der  Schilddrüse  und  zwei  Fünftel  der 
leren  weggenommen  waren,  kurz  vor  dem  Wurfe  3  bis 
etanische  Anfälle  am  Tage.  Mit  Beendigung  des  Wurfes, 
dem  lebensunfähige  Junge  geboren  wurden,  hörten  die  An- 
e  auf.  B  i  e  d  1  weist  darauf  hin,  dass  sich  nach  partieller 
-athyreoidektomie  ein  Tier  in  einem  Zustand  der  laten- 
n  Tetanie  befinden  kann.  Nach  ihm  beobachtete  V  a  s  - 
le  eine  solche  Tetanie  bei  einer  Hündin,  der  drei  Epithel- 
per  entfernt  worden  waren,  die  auch  dann  an  einer  passa- 
en  Tetanie  erkrankt  war.  Im  Anschluss  an  eine  Geburt 
Monate  nach  der  Operation  stellte  sich  bei  dem  in  der 
tvidiiät  vollkommen  symptomfrei  gewesenen  Tiere  eine 
were  Tetanie  (bei^  reichlicher  Milchabsonderung)  ein,  die 
t  durch  reichliche  Zufuhr  von  Schilddrüsensubstanz  geheilt 
rden  konnte.  —  Auch  Adler  und  T  h  a  1  e  r  haben  festgc- 
lt,  dass,  sobald  anscheinend  völlig  gesunde,  teilweise  para- 
reoidektomierte  Tiere  schwanger  werden,  zugleich  mit  der 
ividität  ein  Ausbruch  der  Tetanie  erfolgen  kann.  Fromme 
inte  durch  Injektion  von  Plazentarsaft  bei  solchen  Tieren 
2  Tetanie  hervorrufen.  B  i  e  d  1  berichtet  dann  in  Bezug 
den  Menschen:  „Es  sind  in  der  Literatur  Fälle  beschrieben, 
welchen  nach  einer  Strumektomie  ein  Zustand  latenter 
anie  angenommen  werden  musste,  denn  durch  gewisse  aus- 
■nde  Momente,  vor  allem  in  der  Gravidität,  ist  die  Tetanie 
üfest  geworden.  B  i  e  d  1  erwähnt  dann  die  zweite  Tetanie- 
n,  die  unter  dem  Namen  der  Maternitätstetanie  schon 
,re  bekannt  ist.  Er  sagt:  „Nachdem  wir  im  Tierversuch 
en,  dass  nach  partiellen  Parathyreoidektomien,  die  völlig 
iptomlos  überstanden  werden,  eine  Schwangerschaft  oder 
Laktation  zum  Ausbruch  der  Tetanie  führen  kann,  i  s  t 
r  Schluss  naheliegend,  dass  auch  beim 
"sehen  eine  latent  vorhandene  Epithel- 
rpercheninsuffizienz  die  Basis  bildet,  auf 
lcher  durch  Veränderungen  in  der  Tätig- 
‘  t  der  G  e  n  e  r  a  t  i  o  n  s  o  r  g  a  n  e  und  dadurch  g  e  - 
.zte.  Stoffwechselalteration  die  manifeste 
tanie  ausgelöst  werden  kann.  In  Ermangelung 
erer  anatomischer  Untersuchungen  bei  dieser  Tetanieform 
Menschen  können  wir  allerdings  nicht  entscheiden,  ob 
postulierte  Unzulänglichkeit  dieser  Organe  als  anatomi- 
-r  Defekt  schon  von  vornherein  bestand,  oder  erst  als  Aus- 
;k  der  im  weiblichen  Organismus  eingetretenen  Verände¬ 
ren  entstanden  ist.“ 

Zurzeit  liegen  übrigens  2  Fälle  vor.  in  denen  wichtige  liisto- 
che  Befunde  in  dein  Epithelkörperchen  bei  Schwangerschafts- 
iien  erhoben  worden  sind,  ln  dem  einen  Falle  (von  Haber- 
J)  landen  sich  in  den  Epithelkörperchen  streifige  Narben  und 
opische  Degeneration  des  umgebenden  Parenchyms.  Ein  drittes 
lelkörperchen  war  fast  vollkommen  bindegewebig  umgewandelt, 
in  dem  2.  Fall  (von  Kehrer)  konnte  nur  ein  Epithelkörperchen 
iden  werden,  das  durch  Blutung  fast  völlig  zerstört  war. 

Nach  Seitz  wollen  P  o  1 1  e  t  und  K  e  r  v  i  1 1  y  auch  bei  der 
mpsie  Schilddrüsenveränderungen  an  der  Leiche  gefunden  haben, 
steht  Seitz  diesen  Untersuchungen  skeptisch  gegenüber, 
t  z  selbst  erwähnt  eigene  Untersuchungen  der  Epithelkörperchen 
-klamptischen.  Er  konnte  in  5  Fällen  nur  normale  Grösse  und 
histologische  Veränderung  feststellen.  Allerdings  waren 
chromophilen  Zellen  auffallend  schlecht  ent- 
kelt.  —  Die  Tatsache,  dass  sowohl  bei  der  Schwangerschafts- 
ae  wie  bei  Eklampsie  relativ  selten  Veränderungen  gefunden 
lei.,  beweist  übrigens  n.  F..  durchaus  nicht,  dass  die  Funktion 


ufpY«:  ^anv  J11 -ht  ,gestört  war>  da  man  sehr  häufig  histo- 

l°ng  *  l  t  h  e  V  ®  ü  a  in  d  e  r  u  n  g  e  n  an  Organen  bei  sch  w  eren 

wie  d  J  ni“  h« i  °n  u  n  g.e, 11  n  1  S  h  t  findet.  Zumal  es  bei  einer  Drüse 
wie  der  Glandula  thyreoidea,  wie  Seitz  richtig  bemerkt,  besonders 
schwierig  sein  durfte  histologisch  aus  Zell-  oder  Sekretveränderungen 
bindende  Schlüsse  zu  ziehen.  KC“ 


Was  das  Krankheitsbild  der  Schwangerschafts- 
t  e  t  a  n  i  e  betrifft,  so  sagt  Seitz:  „Die  Schwangerschafts¬ 
tetanie  zeichnet  sich  durch  besondere  Schwere  der  Symptome 
aus,  die  Krämpfe  sind  auf  viele  Muskelgruppen  ausgedehnt  und 
sind  ausserordentlich  schmerzhaft.  Wiederholt  sind  auch  die 
Respirationsmuskeln  miterkrankt  und  der  gefürchtete  Laryngo- 
spasmus  ist  nicht  allzu  selten  beobachtet.  Auch  leichte 
Bewusstseinsstörungen  kommen  vo  r.“ 

Aus  allem  geht  hervor,  dass  die  Insuffi¬ 
zienz  des  Schilddrüsenkomplexes,  mag  sie 
nun  als  einzelnes  Glied  in  der  Ursachen  kette 
der  Schwangerschaftstetanie  aufgefasst 
wer  den  oder  als  Hauptursache,  die  Bedingung 
a  b  g  i  b  t  für  die  Entstehung  einer  Krankheit, 
die  in  ihren  äusseren  Symptomen  eine  grosse 
Aehnlichkeit  mit  der  Schwangerschaftsek¬ 
lampsie  besitzt,  und  von  der  sich  frägt,  ob  sie 
nicht  a  u  c  hin  ihreminneren  Wesen  ihr  ausser¬ 
ordentlich  nahesteht.  W enn  als  ein  wesent¬ 
liches  Unterscheidungsmerkmal  zwischen 
Tetanie  und  Eklampsie  die  Erhaltung  des  Be¬ 
wusstseins  bei  der  er  steren  immer  hervor - 
gehoben  wird,  so  muss  doch  betont  werden, 
dass  in  schwersten,  zum  Tode  führenden  Te¬ 
taniefällen  mit  Steigerung  der  Schwere  der 
Anfälle  gegen  das  Ende  zu  immer  Bewusst¬ 
losigkeit  einzutreten  pflegt.  Die  Frage  ist 
durchaus  noch  nicht  sicher  beantwortet,  ob 
es  sich  bei  diesen  Dingen  um  prinzipielle 
oder  nur  graduelle  Unterschiede,  die  bedingt 
sein  können  durch  die.  Schwere  der  Vergift- 
tung  des  einzelnen  Falles,  handelt.  Wenn  durch 
sichei  weitvolle  klinische  Beobachtungen  beide  Krankheits¬ 
gruppen  seit  langem  getrennt  werden,  so  wollen  wir  uns  doch 
erinnern,  dass  eine  derartige  Trennung  im  letzten  Grunde 
immer  nur  eine  subjektiv  künstliche  in  Bezug  auf  eine 
Schlussfolgerung  quoad  aetiologiam  sein  wird,  so  lange  es 
nicht  gelungen  ist,  positiv  greifbare  ana¬ 
tomische  oder  andersartige  prinzipielle 
Unterschiede  zwischen  diesen  Erkrankungen 
festzustellen. 


Das  ist  bisher  nicht  mit  der  gewünschten 
Sicherheit  geschehen. 

Nicht  ganz  unwichtig  dürfte  ferner  das  Verhalten 
der  Nieren  bei  Ausfall  der  Schilddrüsen- 
f  u  n  k  t  i  o  n  sein.  Umsomehr,  als  auch  hierin  eine  gewisse 
Parallele  zu  den  bei  der  Eklampsie  meistens  vorhandenen  Ei¬ 
weissausscheidungen  und  Nierenläsionen  gesehen  werden 
könnte.  So  führt  B  i  e  d  1  unter  den  bei  Ausfall  der  Schild¬ 
drüsentätigkeit  auftretenden  schweren  Störungen,  die*  nach 
Blum  nur  als  Vergiftungen  gedeutet  werden  können  (akute 
Tetanie,  Kachexie  etc.),  auch  die  interstitielleNephri- 
t  i  s  an.  — -  Ferner  konnte  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r  nach  B  i  e  d  1  bei 
jungen  Kaninchen  nach  Exstirpation  der  Schilddrüse  mit  Er¬ 
haltung  der  äusseren  Epithelkörper  an  den  Nieren  eine 
Vakuolisierung  und  degenerative  Verände¬ 
rung  an  den  Epithelzellen  der  gewundenen 
Harnkanälchen  feststellen.  Chemisch  wurde  der  Urin 
dieser  Tiere  nicht  untersucht. 

Von  grossem  Interesse  erscheinen  weiter  die  Mitteilungen 
von  Herrgott,  Frühinsholz  und  Jeandelize,  die 
über  Fälle  von  Myxödem  berichten,  bei  denen  Eklampsie  auf¬ 
getreten  war.  Seitz  meint,  dass  bei  der  Seltenheit  des 
Myxödems  überhaupt  und  der  Schwangerschaft  bei  diesem 
Zustande  diese  Fälle  in  der  Tat  auffallend  sind.  (Dieses  muss 
insofern  ergänzt  werden,  als  wir  heute  wissen,  dass  abortive 
Formen  des  Myxödems  durchaus  nicht  selten  zu  sein  scheinen, 
sondern  besonders  nach  den  Kocher  sehen  und  Her- 
thoge  sehen  Untersuchungen  sicher  öfter  Vorkommen.) 
Uebrigens  gibt  Seit  z,  der  den  Radikalstandpunkt  vertritt, 


l* 


964 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


dass  die  thyreogene  Theorie  der  Eklampsie  unhaltbar  ist,  zu, 
dass  man  sich  dem  Eindruck  nicht  ver- 
schliessen  kann,  dass  die  Hypofunktion  der 
Schilddrüse  eine  Prädisposition  zum  Aus¬ 
bruch  der  Eklampsie  abgeben  kann. 

Ein  weiterer  Punkt,  der  bei  unseren  Untersuchungen  auf 
die  Eklampsie  hinwies,  ist,  dass  die  Gerinnbarkeit  des 
Blutes,  wie  Jarzew  (Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1913,  No.  9) 
berichtet,  erhöht  ist.  —  Von  grösstem  Interesse  erscheinen 
auch  die  Versuche  Mayers  zu  sein.  Mayer  konnte  durch 
Injektion  von  normalem  Schwangerenserum  bei  einem  an 
schweren  eklamptischen  Anfällen  leidenden  Neugeborenen  die 
Anfälle  coupieren.  Prof.  Mayer  hatte  die  Güte,  mir  mit- 
zuteilen,  dass  er  auch  bei  eklamptischen  Frauen  durch 
Injektion  von  ca.  30  ccm  Serum  die  gleichen  Resultate  ver¬ 
zeichnen  konnte.  Mayer  nimmt  an,  dass  es  sich  bei  der 
Eklampsie  um  eine  schwere  Vergiftung  des  Organismus 
handelt,  und  dass  das  in  dem  normalen  Serum  vorhandene 
Gegengift  eine  heilende  Wirkung  ausübt.  Diese  Theorie 
schliesst  nicht  aus,  dass  es  sich  vielleicht  bei  dem 
entgiftenden  Agens  des  normalen  Schwangerenserums  um 
Thyreoidalsekret,  dem  ja  bekanntlich  von  vielen  Seiten  ent¬ 
giftende  Eigenschaften  zugesprochen  werden,  handelt.  Wenn 
andererseits  die  gleichen  Injektionen  nicht  von  dem  ge¬ 
wünschten  Erfolg  begleitet  waren,  so  braucht  das  nicht  gegen 
Mayers  Resultate  zu  sprechen,  denn  es  würde  natürlich 
darauf  ankommen,  dass  die  normale  Schwangere,  von  der  das 
Serum  stammt,  auch  unter  normalen  Schilddrüsenfunktionen 
steht. 

Wenn  auch  diese  Betrachtungen,  die 
zweifellos  noch  weiter  gestützt  werden 
könnten,  nur  auf  eine  zurzeit  durchaus  noch 
problematische  und  nicht  im  entferntesten 
etwa  sicher  begründete  Theorie  der  Eklampsie 
hin  weisen  sollen,  so  wird  man  in  Zukunft  viel¬ 
leicht  doch  gut  tun,  bei  der  Eklampsie  auf  den 
Zustand  der  Schilddrüsenfunktion  zu  achten, 
zumal  wir  heutzutage  durch  die  wichtigen 
Kocherschen  Untersuchungen  an  einwand¬ 
freiem  Material  in  der  Lage  sind,  einen  Hypo- 
funktions  zustand  der  Schilddrüse,  der  sich 
neben  dem  Blutbild  wesentlich  durch  eine 
Gerinnungsbeschleunigung  des  Blutes  do¬ 
kumentiert,  sicher  feststellen  zu  können.  Umsomehr 
möchten  wir  dazu  raten,  als  wir  unter  unseren  reinen  Fällen 
von  hämorrhagischer  Metropathie  den  Fall  eines  22  jährigen 
Mädchens  notieren  konnten,  das  seit  seiner  vor  3  Jahren  durch¬ 
gemachten  Entbindung  an  schweren  Blutungen  leidet.  Es  fan¬ 
den  sich  die  Zeichen  einer  hochgradigen  Unterfunk¬ 
tion  der  Schilddrüse.  Der  Eintritt  der  Gerinnung 
war  auf  5  herabgesetzt,  es  bestand  neben 
einer  relativen  neutrophilen  Leukopenie  von 
45  Proz.  eine  Lymphozytose  von  48  Pro  z.  im 
Gegensatz  zu  20 — 25  Proz.  beim  Normalen!  Bei 
der  Geburt,  bei  der  das  Mädchen  spontan 
Zwillinge  geboren  hat,  hatte  sie  eine  4tägige 
Eklampsie  durchgemacht! 

Auch  die  Frage  des  habituellen  Aborts  könnte 
unter  Umständen  durch  genaue  Untersuchungen  der  Schild¬ 
drüsenfunktion  einschlägiger  Fälle  eine  neue  Beleuchtung  er¬ 
fahren.  Von  grossem  Interesse  erscheint  jedenfalls  W  e  i  1  s 
Mitteilung  nach  dieser  Richtung.  Weil  sah  bei  3  strumösen 
Frauen,  die  seit  4,  7  bzw.  3  Jahren  steril  verheiratet  waren, 
nach  Jodothyringaben  prompt  Konzeption  eintreten.  Schild- 
driisenfunktionsuntersuchungen  sind  in  diesen  Fällen  leider 
nicht  gemacht  worden.  Nach  T  a  u  s  s  i  g  soll  ferner,  wie 
schon  erwähnt,  die  bei  Cachexia  strumipriva  fehlende 
Fortpflanzungsfähigkeit  durch  Schilddrüsenmedikation  z  u  - 
r  ii  c  k  k  e  h  r  e  n.  —  Wenn  man  manche  Formen  von  Sterilität 
als  ein  fortgesetztes  Abortieren  in  frühesten  Stadien  a-uf- 
fassen  kann,  könnte  man  in  einer  gestörten  Schilddrüsen¬ 
funktion  vielleicht  die  Ursache  dieser  habituellen  Aborte  für 
manche  Fälle  vermuten.  Jedenfalls  lenkt  die  bekannte  Tat¬ 
sache  aus  der  Pathologie  des  Kretinismus  (T  a  u  s  s  i  g),  dass 
die  Kretinenmutter  zuerst  einige  Male  zu  abortieren  und  später 


erst  lebensfähige  Kinder  zu  gebären  pflegt,  zu  solchen  Bt 
trachtungen  hin.  Auch  mag  der  Umstand,  dass  bei  manche 
habituell  abortierenden  Frauen  nicht  selten  die  Diagnose  ei 
infantilen  Uterus  gestellt  werden,  kann,  die  ihrersei 
nach  all  unseren  Erfahrungen  den  Schluss  auf  eine  relati 
unentwickelte  Schilddrüse  involviert,  ebenfalls  in  diese) 
Sinne  sprechen.  —  Dass  viele  habituelle  Aborte  sicherlic 
nicht  luetischer  Natur  sind,  darüber  wird  man  sich  ja  i 
letzter  Zeit  immer  mehr  klar.  —  Vielleicht  vermögen  Schik 
driisenfunktionsuntersuchungen  bei  geeigneten  Fällen  nac 
dieser  Richtung  hin  ein  zurzeit  noch  dunkles  Gebiet  zu  e:i 
hellen. 

Literatur. 

1.  Alb  recht:  Die  Bestimmung  der  Blutgerinnung  vor  gyn. 
kologischen  Operationen.  Ref.  der  Münch.  gynäk.  Geselischal 

23.  V.  1912  (Zentralbl.  f.  Gyn.  No.  9,  1913).  —  2.  Biedl:  Inneij 
Sekretion.  Verlag  von  Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin  19!j 

-  3.  Jarzew:  Ueber  Pathogenese  und  Behandlung  der  Eklampsi 
Zentralbl.  f.  Gyn.  1913,  No.  9.  —  4.  Mayer:  Ueber  die  Heilung  di 
Eklampsie  durch  intralumbale  Injektion  von  normalem  Schwangere] 
serum.  Ebenda.  —  5.  Schi  ekele:  Die  Lehre  der  Menstruation.  R,. 
der  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Karlsrulj 

24.  — 29.  IX.  1911.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911.  pag.  2355. 

6.  Weil:  Schilddrüsenpräparate  gegen  Sterilität?  Münch,  me 
Wochenschr.  1912,  No.  42,  pag.  2283.  —  7.  Taussig:  Kropt  uri 
Kretinismus.  Verlag  von  Fischer,  Jena  1912.  —  8.  Schult 
Technik  und  Ergebnisse  meiner  Blutgerinnungsmethode.  Münch,  me 
Wochenschr.  1913,  H.  1.  —  9.  Kocher:  Das  Blutbild  bei  Kachex 
strumipriva.  Archiv  r.  kliri.  Chirurgie,  Bd.  99.  —  10.  Seitz:  D 
Störungen  der  inneren  Sekretion  in  ihren  Beziehungen  z 
Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett.  Verhandlungen  d 
deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  in  Halle,  XV,  1. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Augenklinik  zu  Greifswald 
(Direktor :  Professor  Dr.  P.  Röme  r). 

Experimentelle  und  klinische  Versuche  über  Chemotherap 
bei  der  Diplobazilleninfektion  des  menschlichen  Auges' 

Von  Privatdozent  Dr.  H.  Gebb,  Oberarzt  der  Klinik. 

In  jedem  normalen  menschlichen  Bindehautsack  komb 
eine  Reihe  von  Bakterien  vor,  darunter  am  häufigster;  d< 
Staphylococcus  albus  und  der  Xerosebazillus,  weniger  häuf 
der  Pneumokokkus  und  der  Diplobazillus.  Diese  Bakterie 
führen  unter  gewissen  Umständen  zu  Entzündungen  d< 
Bindehaut  akuter  oder  chronischer  Natur;  des  öfteren  verai 
lassen  sie  auch  Komplikationen  am  Auge,  indem  sie  zur  1 
fektion  der  Hornhaut,  z.  B.  dem  Ulcus  serpens,  dem  Diplobazi 
lengeschwür  und  anderem  führen.  Ganz  besonders  werden  d 
Bakterien  der  Bindehaut  bei  den  intraokularen  Operation« 
gefürchtet;  hierbei  werden  nämlich  gelegentlich  während  d' 
Schnittführung  vereinzelte  Mikroorganismen  in  das  Auge 
innere  verschleppt  und  können  auf  diese  Weise  intraokula 
Infektionen,  ja  Panophthalmie  auslösen. 

Die  Bekämpfung  der  im  Bindehautsack  vorkommendt 
Bakterien  erfolgt  durch  Reinigung  mit  verschiedenen  De 
infizientien  wie  Bor-Sublimat-Oxyzyanatlösungen  und  durc 
Einträufeln  von  Zink-Protargol-  und  Höllensteintropfen.  Die: 
therapeutischen  Massnahmen  vermögen  auch  bis  zu  eine 
.gewissen  Grad  die  Zahl  der  auf  der  Konjunktiva  lebende 
Keime  zu  verringern  und  damit  eine  Reihe  von  konjunktivalt 
Beschwerden  zu  mildern,  vollständig  beseitigen  aber  lass); 
sich  die  Bakterien  damit  aus  dem  Bindehautsack  nicht,  obwo, 
es  gerade  für  den  Ausgang  jedes  intraokularen  Eingriffes  na 
wendig  wäre,  ein,  wenn  auch  nur  kurz  vorübergehende 
steriles  Operationsfeld  zu  haben. 

Letztere  Erwägung  war  der  Ausgangspunkt  einer  gro 
seren  experimentellen  und  klinischen  Arbeit,  die  vor  einig1 
Zeit  an  der  hiesigen  Augenklinik  von  Prof.  Römer,  Dr.  Lot 
lein  und  mir  ausgeführt  wurde. 

Bekanntlich  sind  die  Anilinfarbstoffe  der  Ausgangspun 
der  modernen  Chemotherapie.  Es  liegt  bis  jetzt  auch  eit 
Reihe  von  Arbeiten  von  den  verschiedensten  Autoren  vor. 
denen  über  chemotherapeutische  Versuche  mit  Anilinfan 
stoffen  berichtet  wird. 


*)  Ausführlichere  Wiedergabe  eines  in  der  Versammlung  ä 
Ophthalmologischen  Gesellschaft  zu  Heidelberg  1912  gehaltenen  vo 
träges. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mai  1913. 


Auch  die  Augenheilkunde  verfügt  über  derartige  Ver- 
?  he.  Im  Jahre  1890  veröffentlichte  St  i  Hing  eine  Arbeit 
>r  die  Wirkung  von  Anilinfarbstoffen  bei  den  verschiedenen 
tzündungsformen  am  Auge.  S  t  i  1 1  i  n  g  war  zu  dem  Rc- 
tat  gekommen,  dass  ein  von  ihm  angegebenes  Farben- 
uisch,  das  Pyoktanin,  in  der  Augenheilkunde  mit  Erfolg 
wandt  werden  könne.  Die  Nachprüfungen  dieser  Stilling¬ 
en  Angaben  fielen  ausserordentlich  verschieden  aus.  Wie- 
it  die  sich  stark  widersprechenden  Resultate  der  einzelnen 
toren  durch  die  Verwendungsbreite  des  Pyoktanins  wie  sie 
i  1 1  i  n  g  angegeben  hat  oder  durch  die  Art  der  Nach¬ 
fungen  selbst  bedingt  sind,  mag  dahingestellt  sein.  Soviel 
sicher,  dass  das  Pyoktanin  heutzutage  in  der  Augenheil- 
ide  kaum  noch  Verwendung  findet. 

Da  aber  die  bakteriologische  Forschung  speziell  die  des 
dehautsackes  seit  dieser  S  t  i  1 1  i  n  g  sehen  Arbeit  gewaltige 
tschritte  gemacht  hat,  seitdem  wir  kennen  gelernt  haben, 
s  ausser  dem  Staphylokokkus,  den  man  zu  S  t  i  1 1  i  n  g  s 
ten  im  Bindehautsack  allein  kulturell  nachweisen  konnte, 
h  eine  grosse  Reihe  anderer  Bakterien  vorkommt,  so  war 
vom  modernen  chemotherapeutischen  Standpunkt  aus  des 
ines  wert,  einmal  die  Wirkung  der  Anilinfarbstoffe  auf  die 
zeit  bekannten  wichtigsten  Bakterienarten  des  Auges 
nen  zu  lernen. 

Unsere  Untersuchungen  auf  diesem  Gebiet  zeitigten  in 
I  senschaftlicher  und  praktischer  Hinsicht  sehr  interessante 
.ebnisse.  Mir  selbst  fiel  hierbei  die  Aufgabe  zu,  festzu- 
len.  welche  Anilinfarbstoffe  den  Staphylococcus  albus  und 
Diplobazillus  in  ihrem  Wachstum  zu  beeinflussen  vermögen, 
ln  meinen  heutigen  Ausführungen  berichte  ich  nur  über 
Ergebnisse  der  Bekämpfung  des  Diplobazillus. 

Der  Morax-Axenfeld  sehe  Diplobazillus  ist  in  der 
rwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  der  Erreger  der  chro- 
■hen  Bindehautentzündung.  Wir  finden  ihn  hierbei  in 
70 — 80  Proz.  der  Fälle.  Das  Krankheitsbild  der  Diplo- 
illenkonjunktivitis  ist  dadurch  charakterisiert,  dass  neben 
iser  Hyperämie  der  Schleimhaut,  Fremdkörpergefühl  und 
•gendlichem  Verklebtsein  der  Lider  besonders  auch  die 
winkel  im  weiteren  Verlauf  der  Erkrankung  bläulichrot 
färbt  sind,  und  dass  sich  an  dieser  Stelle  sogar  Rhagaden 
en  können.  Sind  die  Lidwinkel  an  der  Bindehautentziin- 
g  beteiligt,  so  bezeichnen  wir  diesen  Zustand  auch  als 
ljunctivitis  angularis.  Auf  der  Hornhaut  veranlasst  der 
lobazillus  das  sogen.  Diplobazillengeschwiir,  ein  dem  Ulcus 
)ens  sehr  ähnliches  und  meist  nur  durch  die  bakterio- 
sche  Untersuchung  davon  zu  unterscheidendes  Krank- 
sbild. 

Nachdem  ich  mir  von  einer  Diplobazilleninfektion  der 
dehaut  eine  Reinkultur  dieses  Erregers  gezüchtet  hatte, 
arm  ich  den  experimentellen  Teil  meiner  Untersuchungen 
iit.  dass  ich  festzustellen  versuchte,  welche  von  den  uns 
Verfügung  stehenden  60,  in  Wasser  löslichen  Anilinfarb- 
fen  den  Diplobazillus  in  vitro  zu  beeinflussen  vermögen. 

Die  Versuchsanordnung  gestaltete  sich  wie  folgt:  1  ccm 
Farbstofflösung  wird  mit  1  ccm  Diplobazillenbouillon- 
ur  gemischt.  Von  diesem  Gemisch  wird  nach  verschieden 
Cer  Zeit  (2,5 — 30  Min.)  eine  Kultur  auf  Löfflers  Schräg- 
im  angelegt  und  das  Resultat  nach  24  resp.  48  Stunden 
elesen. 

Tabelle  1  gibt  Auskunft  über  die  Versuchsanordnung  und 
it  gleichzeitig  als  Beispiel  für  die  verschiedenartige  Wir- 
g  der  Farbstoffe  auf  den  Diplobazillus. 


Tabelle  1. 


Methylwasser¬ 

blau 

Reinblau 

Toluidinblau 

2,5' 

5' 

10' 

20' 

30' 

2,5' 

5'  10' 

20'  30‘ 

2,5'|  5' 

10' 

20'  30' 

100 

+ 

+ 

d- 

+ 

+ 

0 

0  0 

o  ;  o 

0  1  0 

0 

0  0 

1000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  + 

+  o 

0  0 

0 

0  0 

10  000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  1  + 

d-  + 

+  !  0 

0 

0  0 

100  000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  + 

■4“  + 

+  + 

+. 

+  0 

1  000  000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  1  + 

+  + 

+  !  + 

-1- 

d-  4- 

VGr  ersehen  daraus,  dass  beispielsweise  unter  den  blauen 
infarbstoffen  solche  vorhanden  sind,  die  selbst  in  einer 


965 


Konzentration  von  1  :  100  nach  30  Minuten  das  Wachstum  des 
genannten  Erregers  nicht  beeinflussen,  z.  B.  das  Methyl¬ 
wasserblau,  während  das  Reinblau  in  der  gleichen  Konzen¬ 
tration  schon  nach  2,5  Min.  wirksam  ist,  und  das  Toluidin- 
blau  noch  in  einer  Konzentration  von  1  :  100  000  nach  30  Min. 
und  in  einer  Verdünnung  von  1  :  10  000  schon  nach  5  Min.  den 
Diplobazillus  nicht  mehr  auskeimen  lässt. 

Durch  diese  Reagenzglasversuche  liess  sich  der  Nachweis 
erbringen,  dass  eine  Anzahl  von  Anilinfarbstoffen  eine  gewisse 
spezifische  Affinität  zu  dem  Diplobazillus  hat,  d.  h.  der  be¬ 
treffende  Farbstoff  und  der  Diplobazillus  gehen  eine  solche 
chemische  Verbindung  ein,  wodurch  die  Lebensfähigkeit  dieses 
Erregers  aufgehoben  wird. 

Unter  den  60  Farbstoffen  konnte  ich  36  mit  einer  mehr 
oder  minder  starken  Affinität  zu  dem  Diplobazillus  feststellen. 

Mit  Recht  wird  man  die  Frage  aufwerfen,  ob  die  gegen 
den  Diplobazillus  wirksamen  Anilinfarbstoffe  alkalischen  oder 
sauren  Charakter  haben?  Die  diesbezüglichen  Feststellungen 
ergaben,  dass  sowohl  saure  wie  alkalische  Anilinfarbstoffe  den 
Diplobazillus  beeinflussen,  dass  also  die  Wirksamkeit  der 
Anilinfarbstoffe  auf  den  Diplobazillus  nicht  an  ihren  chemischen 
Charakter  gebunden  ist. 

Tabelle  2. 


Die  gegen  den  Diplobazillen  stark  wirksamen  Anilinfarbstoffe 
nach  ihrem  chemischen  Charakter  zusammengestellt: 


Basisch 

sauer 

Methylenblau  B. 

Safranin 

Alkaliblau 

Toluidinblau 

Gentianaviolett 

Reinblau 

Viktoriablau 

Hofmannsviolett 

Rotblau 

Auramin 

Methylviolett  3B 

Wasserblau 

Brillantgrün 

Methvlviolett 

Azoflavin  2 

Jodgrün 

Malachitgrün 

Chrysoidin 

Magdalarot 

Viktoriagelb 
Tropaeolin  00 

Rose  bengale 
Brillantschwarz  B 

Die  Wirksamkeit  der  Farbstoffe  auf  den  Diplobazillus  ist 
verschieden.  Wir  haben  solche,  die  keinerlei  Beeinflussung 
des  Mikroorganismus  veranlassen,  andere  wiederum  nur  eine 
ganz  schwache  Wirkung  ausüben,  und  ein  dritter  Teil  zeigt 
eine  ganz  bedeutende  Beeinflussung  des  Diplobazillus. 

Zu  meinen  weiteren  Studien  wählte  ich  nur  solche  Farb¬ 
stoffe,  die  noch  in  verhältnismässig  starken  Verdünnungen  eine 
deutliche  Wirkung  auf  den  Diplobazillus  erkennen  liessen. 

Nachdem  ich  im  Reagenzglas  die  Wirkungen  der  ein¬ 
zelnen  Farbstoffe  auf  den  genannten  Erreger  nochmals  ge¬ 
nauer  geprüft  hatte,  speziell  ob  schon  nach  wenigen 
Sekunden  eine  Beeinflussung  der  Lebensfähigkeit  des 
Diplobazillus  möglich  ist,  und  sich  in  der  Tat  ergeben  hatte, 
dass  in  aller  kürzester  Zeit  der  Erreger  dem  Farbstoff  gegen¬ 
über  erliegt,  so  war  es  notwendig  festzustellen,  ob  auch  im 
Bindehautsack  des  Kaninchens  eine  Abtötung  des  Diplobazillus 
durch  die  betreffenden  Anilinfarbstoffe  erfolgt. 

Zu  diesem  Zwecke  wurde  in  beide  Bindehautsäcke  des 
Versuchstieres  eine  Oese  der  Diplobazillenbouillonkultur  ge¬ 
bracht.  Gleich  darauf  instillierte  ich  in  ein  Auge  einen  Tropfen 
der  Farbstofflösung,  während  das  zweite  Auge  als  Kontroll- 
auge  mit  einem  Tropfen  physiologischer  Kochsalzlösung  be¬ 
handelt  wurde.  Danach  erfolgte  eine  mehrmalige  Abimpfung 
aus  beiden  Bindehautsäcken  —  ohne  Berührung  der  Lidränder 
—  auf  Löfflers  Schrägserum. 

Wie  man  aus  Tabelle  3  ersehen  kann,  ist  man  tatsächlich 
in  der  Lage,  die  in  den  Bindehautsack  gebrachten  Diplo¬ 
bazillen  mittels  gewisser  spezifisch  wirkender  Anilinfarbstoffe 
derart  anzugreifen,  dass  sie  auf  dem  künstlichen  Nährboden 
nicht  mehr  zur  Entwicklung  kommen,  während  die  des  Kon- 
trollauges  durchaus  normales  Wachstum  zeigen. 


Tabelle  3.  Brillantgrün. 


1  : 1000 

1  :  5000 

1  : 10  000 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

vor  nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor  nach 

vor  nach 

vor 

nach 

Diplob.  — 

Dipl. 

Dipl. 

Dipl. 

— 

Dipl.  Dipl. 

Dipl.  1  — 

Dipl. 

Dipl. 

Staphyl.  — 

Stapln 

Stapln 

- 

Staph.  Stapln 

Stapln;  — 

St-pli. 

Stapln 

966 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Toluidinblau. 


1:100 

1  :500 

1  : 

1000 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

behänd.  Auge 

Kontrollauge 

vor  nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor  !  nach 

Yor  nach 

vor  nach 

Diplob.  — 
Staphyl.  Staph. 

Dipl. 

Staph. 

Dipl. 

Staph. 

Dipl. 

Staph. 

Staph. 

Dipl.  Dipl. 
Staph.  Staph. 

Dipl  !  - 

Dipl.  Dipl. 
Staph.  Staph. 

Ehe  ich  zu  den  Versuchen  am  Menschen  überging,  war  es 
notwendig,  festzustellen,  wie  weit  die  in  vitro  und  im  Tier¬ 
versuch  als  wirksam  gefundenen  Farbstoffe  das  Auge  reizten. 

Ich  ging  hierzu  wiederum  vom  Tierversuch  aus  und  suchte 
zu  ermitteln,  welche  Farbstoffverdünnungen  auf  die  tierische 
Schleimhaut  eine  Reizwirkung  ausüben.  Die  mehrtägige  Kon¬ 
trolle  ergab,  dass  die  Wirkungen  der  Farbstoffe  je  nach  ihrem 
chemischen  Charakter  differieren  bei  Verwendung  von  Sub¬ 
stanz  oder  in  konzentriertester  Lösung,  dass  aber  auch  inner¬ 
halb  der  beiden  Gruppen,  der  basischen  und  der  sauren  Farb¬ 
stoffe,  eine  verschiedene  Wirkung  der  einzelnen  Farbstoffe 
besteht.  So  fand  ich  Anilinfarbstoffe,  die  selbst  in  konzen¬ 
trierter  Form  die  Schleimhaut  absolut  nicht  beeinflussten, 
während  andere  wieder  in  gleicher  Konzentration  schon  nach 
wenigen  Minuten  einen  ziemlich  heftigen  Reizzustand  am  Auge 
auslösten.  Versuche  dieser  Art  sind  in  früheren  Jahren  von 
G  r  a  e  f  1  i  n  und  Vogt  angestellt  worden,  und  bestätigen 
meine  Befunde  die  Ergebnisse  dieser  Forscher.  Diese  Befunde 
haben  aber  bei  Verwendung  stark  verdünnter  Lösungen, 
wenigstens  wie  meine  Versuche  am  Menschen  ergaben,  keine 
Geltung.  Es  zeigte  sich  nämlich  im  Verlauf  meiner  diesbezüg¬ 
lichen  Untersuchungen,  dass  sowohl  basische  Farbstoffe  die 
Konjunktiva  nicht  oder  doch  nur  sehr  wenig  reizten  als  auch 
saure  Anilinfarbstoffe  merkliche  subjektive  und  objektive  Ver¬ 
änderungen  an  dem  betr.  Auge  auslösten,  wie  folgende  Bei¬ 
spiele  lehren: 

Tabelle  4. 


Methylenblau  B,  basisch 

Brillantschwarz,  sauer 

Kon¬ 

zen¬ 

tration 

momentane 

Wirkung 

nach  24  Stdn. 

Kon¬ 

zen¬ 

tration 

momentane  Wirkung 

nach  24  Stdn. 

1:1000 
1  gtt. 
1:500 
1  gtt. 

reizlos 

gut  vertragen 

1:5000 
1  gtt. 

leichtes  Brennen 

keine  Reiz¬ 
erscheinungen 

do. 

do. 

1:1000 
1  gtt. 

deutliches  Brennen, 
etwas  Tränenträufeln, 
leichte  Injektion 

do. 

1 : 100 
1  gtt. 

do. 

do. 

1 :  500 
1  gtt. 

wegen  Reizerschei¬ 
nungen  durch 

1  : 1000  nicht 
weiter  versucht 

1  :50 
1  gtt. 

do. 

leichte 

Hyperämie 

1  :  100 
1  gtt. 

Auf  diese  Tierversuche  baut  sich  die  Grundlage  zum  Auf¬ 
finden  der  Dosis  tolerata  der  einzelnen  Farbstoffe  beim 
Menschen  auf.  Ich  ermittelte  zunächst,  ausgehend  von  den 
schwächsten  Verdünnungen  der  einzelnen  Anilinfarbstoffe,  wo 
die  Grenze  der  Reizwirkung  eines  Tropfens  des  betreffenden 
Farbstoffes  auf  die  menschliche  Bindehaut  lag  und  konnte  fest¬ 
stellen.  dass  die  Dosis  tolerata  der  einzelnen  Farbstoffarten 
noch  innerhalb  der  Grenze  der  Wirksamkeit  des  betreffenden 
Farbstoffes  auf  die  Lebensfähigkeit  des  Diplobazillus  lag.  Von 
den  auf  diese  Weise  gefundenen  Verdünnungen  der  einzelnen 
Farbstoffarten  liess  ich  mir  von  der  Firma  Grübler  in 
Leipzig  eine  Mischung  herstellen  —  soweit  dies  chemisch 
möglich  war  —  und  dieses  Farbengemisch  zeigte  im  Tier¬ 
versuch  eine  prompte  Einwirkung  auf  die  Lebensfähigkeit  des 
in  Frage  stehenden  Mikroorganismus  und  erwies  sich  im 
weiteren  Verlauf  für  Tier-  und  Menschenauge  als  durchaus 
unschädlich.  Es  sei  hier  bemerkt,  dass  die  einzelnen  Menschen 
die  Wirkung  eines  Tropfens  der  genannten  Farbstoffmischung 
verschieden  angaben.  Die  einen  äusserten  keinerlei  Be¬ 
schwerden  beim  Einträufeln,  auch  zeigte  sich  keinerlei  Reiz¬ 
wirkung  an  dem  Augapfel.  Andere  wiederum  gaben  nach 
kurzer  Zeit  ein  deutliches  Brennen  an,  auch  beobachtete  ich 
stellenweise  eine  geringe  konjunktivale  Hyperämie,  die  aber 
nach  wenigen  Stunden  wieder  verschwunden  war. 

Welcher  Art  die  Wirkung  des  Farbstoffes  auf  den  Diplo- 
bazillus  ist,  ob  hemmend  oder  abtötend,  kann  ich  bestimmt 


No.  11! 


nicht  beantworten.  Ich  habe  eine  grosse  Anzahl  diesbezm 
licher  Versuche  angestellt  und  neige  zur  Annahme,  dass  t 
sich  im  vorliegenden  Fall  um  eine  abtötende  Wirkung  auf  de 
Diplobazillus  handelt.  Ich  kann  der  Ansicht  von  Vogt  nie! 
beistimmen,  wenigstens  nicht,  was  die  antibakterielle  Wirkur 
der  Anilinfarbstoffe  auf  den  Diplobazillus  betrifft.  Vog 
glaubt  annehmen  zu  müssen,  dass  die  antibakterielle  Kraft  di 
Farbstoffe  mit  ihrer  Basizität  parallel  läuft;  Tabelle  2  gil 
Aufschluss,  dass  auch  sauere  Farbstoffe  antibakteriell  wirken 

Der  günstige  Ausfall  dieser  experimentellen  Untei 
suchungen  veranlasste  mich,  auch  bei  Patienten  mit  Dipli 
bazilleninfektion  der  Bindehaut  und  Hornhaut  den  Farbsto 
zu  versuchen.  Ich  verfüge  bis  jetzt  über  eine  grosse  Anzai; 
von  Diplobazilleninfektionen  der  Bindehaut,  über  mehren 
Fälle  von  Blepharitis  angularis  und  über  -1  Patienten  m 
Diplobazillengeschwiiren. 

Die  Erfolge  bei  der  Diplobazillenerkrankung  der  Binde 
haut  und  der  Lider  waren  überraschend.  Die  meisten  diese 
Kranken  waren  innerhalb  weniger  Tage  beschwerdefrei  ur 
die  Entzündungserscheinungen  waren  auch  objektiv  deutiic 
zurückgegangen,  zum  Teil  in  dieser  Zeit  schon  verschwände: 
Die  bei  der  Entlassung  aus  der  Behandlung  vorgenommene 
bakteriologischen  Untersuchungen  ergaben  in  den  meiste 
Fällen  nur  das  Wachstum  vereinzelter  Staphylokokken,  nk 
mals  konnte  ich  Diplobazillen  kulturell  nachweisen.  Bei  de 
Diplobaziilengeschwüren  war  der  Erfolg  nicht  so  regelmässi: 
ein  Teil  heilte  unter  Anwendung  des  Farbstoffes  prompt  air 
während  bei  den  anderen  keinerlei  Beeinflussung  des  Hort 
hautprozesses  festzustellen  war. 

Es  bestätigen  diese  klinischen  Versuche  durchaus  d 
Resultate  meiner  experimentellen  Untersuchungen.  Es  mm' 
sich  aber,  und  das  muss  besonders  hervorgehoben  werde 
um  eine  reine  oder  fast  reine  Diplobazilleninfektion  handel 
denn  wie  aus  meinen  Untersuchungen  hervorgeht,  lassen  si< 
die  anderen  im  Bindehautsack  vorkommenden  Bakterienartc 
mittels  der  gegen  den  Diplobazillus  wirksamen  Farbstoffe  nid 
beeinflussen,  bis  zu  einem  gewissen  Grad  allerdings  nur  d( 
Staphylococcus  albus,  während  der  Pneumokokkus  und  dt 
Xerosebazillus  dem  für  den  Diplobazillus  in  Frage  kommende 
Farbstoff  gegenüber  keinerlei  Veränderungen  in  ihrer  Lebeiv 
fähigkeit  zeigten. 

Nun  war  es  für  mich  noch  interessant  zu  wissen,  wiewej 
ein  Unterschied  zwischen  meinem  Farbengemisch  und  de 
von  S  t  i  1 1  i  n  g  angegebenen  Pyoktanin  bestand.  S  t  i  1 1  i  n 
hat  zwei  Arten  von  Pyoktanin  angegeben,  nämlich  das  Pyol 
taninum  coeruleum  und  das  Pyoktaninum  aureum.  ! 
einzelnen  pharmakologischen  Lehrbüchern  wird  das  Pyol! 
taninum  aureum  besonders  in  der  Augenheilkunde  empföhle 
Diesbezüglich  angestellte  Versuche  ergaben,  dass  das  Pyol 
taninum  aureum  den  Diplobazillus  in  seinem  Wachstum  kau 
beeinflusst.  Mehrmals  konnte  ich  beobachten,  dass  der 
nannte  Erreger  selbst  nach  mehrstündlichem  Zusammensej 
mit  der  Farbstofflösung  in  seinem  Wachstum  nicht  beeinflus 
wurde.  Anders  dagegen  wirkte  das  Pyoktaninum  coeruleur 
Dies  zeigte  die  gleich  starke  Wirkung  auf  den  Dipli 
bazillus,  wie  das  von  mir  benützte  Farbengemisc 
Auch  wird  dadurch  die  Schleimhaut  des  Auges  niema 
|  ernstlich  lädiert.  Die  schon  oben  erwähnte  grosse  Ve 
schiedenheit  der  Resultate  der  einzelnen  Autoren  mit  Pyol 
tanin  bei  Entzündungserscheinungen  am  Auge  glaube  ich  a, 
folgende  Punkte  zurückführen  zu  müssen.  Zunächst  ist  zu  e 
wähnen,  dass  das  Pyoktaninum  aureum,  das  speziell  für  d 
Augenheilkunde  empfohlen  wurde,  gegen  den  Diplobazillu 
den  Erreger  der  am  häufigsten  vorkommenden  Bindehau 
entzündung,  nur  wenig  oder  gar  nicht  wirksam  ist.  Es  habe 
also  alle  die  Autoren,  die  mit  dem  Pyoktaninum  aureum  g' 
arbeitet  haben,  in  der  Mehrzahl  ihrer  Fälle  von  chronisch! 
Bindehautentzündung  Misserfolge  gesehen,  ja  sehen  müsse 
Andererseits  wieder  wirkt  das  Pyoktaninum  coeruleum  gegt 
keinen  anderen  der  hauptsächlichsten  Erreger  von  Bindehai! 
entziindungen  als  gegen  den  Diplobazillus;  daher  wurden  d 
durch  den  Staphylokokkus,  den  Pneumokokkus  und  dt 
Xerosebazillus  hervorgerufenen  Bindehautleiden  kaum  odi 
gar  nicht  beeinflusst.  Erfolge  haben  daher  in  den  frühere 
Jahren  nur  diejenigen  Autoren  gesehen,  die  das  Pyoktanin'! 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


967 


lerulemn  anwandten,  und  wenn  es  sich  um  eine  durch  den 
miais  noch  nicht  bekannten  Diplobazillus  hervorgerufene 
indehautinfektion  handelte. 

Krankengeschichten  möchte  ich  an  dieser  Stelle  nicht  un- 
hren.  Ich  verweise  auf  meinen  in  der  Versammlung  der 
jhthalmologischen  Gesellschaft  Heidelberg  1912  gehaltenen 
esbeziiglichen  Vortrag. 

Der  Erfolg  mit  Anilinfarbstoffen  ist  bei  dem  konjunktivalen 
tz  der  Diplobazilleninfektion  bei  weitem  zuverlässiger  als 
im  Diplobazillengeschwür.  Ich  erkläre  mir  das  so,  dass  auf 
r  Konjunktiva  ein  Zusammentreffen  von  Farbstoff  und 
izillus  ziemlich  unvermeidlich  ist,  ähnlich  wie  im  Reagenz- 
as.  während  bei  den  Hornhautgeschwüren  der  Erreger  sich 
den  Hornhautlamellen  oder  in  der  um  das  Hornhautgeschwür 
Bernden  Leukozytenansammlung  gegen  eine  Berührung  mit 
m  Farbstoff  gesichert  hat. 

Die  Anwendung  des  Farbstoffes  kann  in  flüssiger  und  in 
ilbcnform  erfolgen,  und  ging  ich  in  der  Weise  vor,  dass  ich 
n  Morgen  und  Mittag  einen  Tropfen  der  Farbstofflösung  in 
n  Bindehautsack  und  auf  die  Lidränder  geben  liess,  während 
n  Abend  eine  schwache  Farbstoffsalbe  in  den  Bindehaut- 
ck  gestrichen  wurde. 

Diese  experimentellen  und  klinischen  Versuche  über  die 
irkung  von  Anilinfarbstoffen  auf  den  Diplobazillus  sind  noch 
:ht  völlig  abgeschlossen.  Ich  möchte  sie  deshalb  aber  jetzt 
hon  veröffentlichen,  weil  die  an  der  hiesigen  Augenklinik 
gestellten  klinischen  Versuche  sehr  zufriedenstellend  atis- 
fallen  sind  und  umsomehr  zur  Fortsetzung  der  Versuche 
mutigen,  als  wir  serumtherapeutisch  der  Diplobazilleninfek- 
in,  wenigstens  wie  die  bis  jetzt  vorliegenden  experimentellen 
ersuche  ergeben,  doch  nicht  beikommen  können,  und  an- 
rerseits  die  bekanntesten  und  gebräuchlichsten  Desinfizien- 
■n  auch  im  Stiche  lassen,  wie  Tabelle  5  lehrt. 

Tabelle  5. 

schling  von  1  ccm  Diplobazillenkultur  +  1  ccm  des  Desinfiziens. 


nach  1‘ 

nach  5' 

Hydrarg.  bichlorat.  1 : 1000  .  . 

0 

0 

Hydrarg.  oxycyan.  1 : 1000  .  . 

0 

Käl.  permang.  .  1 : 1000  •  .  . 

+ 

Zink.  sulf.  1la  proz . 

+ 

Zink.  sulf.  lproz . 

+ 

Collyr.  adstring . 

+ 

Natr.  biborac.  4  proz . 

+ 

Sophol  5 proz . 

4- 

Protargol  20  proz . 

4“ 

Argent.  nitr.  Viproz . 

+ 

Argent.  nitric.  1  proz . 

+ 

Pyoktan.  coer.  1  :  500  .... 

0 

Farbstoff  von  Grübler  .  .  . 

i 

0 

Kontrolle  . 

+ 

+ 

is  dem  pharmakologischen  Institut  der  Universität  Basel 
(Professor  A.  J  a  q  u  e  t). 

influss  der  Digitalis  auf  die  Erholung  des  Herzens 
nach  Muskelarbeit. 

Von  Dr.  E.  B  e  r  n  o  u  1 1  i,  Assistent  des  Instituts. 

Wir  wissen,  dass  die  Digitaliswirkung  eine  krankhafte 
rztätigkeit  bessern  kann,  indem  sie  durch  Kräftigung  der 
rzmuskelkontraktion,  durch  Regulierung  einer  Arrhythmie 
d  durch  Verlangsamung  einer  erhöhten  Pulsfrequenz  die 
ergie  des  Kreislaufs  steigert.  Unter  Digitaliswirkung  erholt 
h  das  insuffiziente  Herz  und  kann  wieder  suffizient  werden, 
gegen  wissen  wir,  dass  die  absolute  Kraft  des  Herzmuskels 
ich  die  Digitalis  nicht  gesteigert  wird.  Aus  den  Versuchen 
n  Williams  Ul  am  isolierten  Froschherzen  ersehen  wir, 
ss  das  Herz  unter.,  Wirkung  der  Digitaliskörper  wohl  aus- 
biger  zu  pumpen  vermag,  dass  es  aber  nicht  imstande  ist, 
ien  höheren  Widerstand  zu  überwinden  als  ohne  Digitalis, 
blieb  noch  übrig,  zu  untersuchen,  ob  die  Digitalispräparate 
anderer  Weise  auf  den  Herzmuskel  tonisierend  einwirken, 
lern  vielleicht  unter  ihrem  Einfluss  der  Muskel  auf  eine  ge- 
nene  Arbeit  weniger  intensiv  reagiert  und  sich  von  der  Er- 
'dung  schneller  erholt.  Für  das  kranke  Herz  ist  von  klini¬ 


scher  Seite  wiederholt  auf  eine  solche  kräftigende  Wirkung 
hingewiesen  worden;  so  nimmt  z.  B.  Wenckebach  [2]  an, 
dass  sich  der  Einfluss  auf  die  Kontraktilität  darin  zeigt,  dass 
die  Digitalis  die  Kraft  des  Herzens  vergrössert  und  auch  eine 
günstige  Wirkung  auf  den  Muskeltonus  ausübt. 

Die  Versuche  von  H.  Christ  [3]  und  A.  S  t  ä  h  e  1  i  n  [4] 
haben  uns  eine  bequeme  Methode  an  die  Hand  gegeben  zur 
Untersuchung  der  Empfindlichkeit  des  Herzens  auf  Muskel¬ 
arbeit  und  zum  Studium  des  Erholungsvorganges.  S  t  ä  h  e  1  i  n 
hat  eine  ganze  Reihe  von  Gesunden  und  Kranken  am  Tret- 
ergostaten  arbeiten  lassen,  er  bestimmte  die  Pulsbeschleuni¬ 
gung  sowie  die  Veränderungen  der  Pulsform,  die  nach  einer 
bestimmten  Arbeitsleistung  auftraten  und  stellte  dann  durch 
Aufnahme  von  Pulskurven  in  regelmässigen  Zeitabständen  den 
Erholungsvorgang  fest.  Wir  haben  nach  einer  ähnlichen  Me¬ 
thode  in  einer  Anzahl  von  Fällen  den  Einfluss  der  Muskel¬ 
arbeit  vor  und  während  der  Digitaliswirkung  untersucht  und 
möchten  uns  erlauben,  hier  in  Kürze  die  Resultate  der  Unter¬ 
suchung  mitzuteilen. 

An  Stelle  des  von  S  t  ä  h  e  1  i  n  benützten  Tretergostaten, 
der  infolge  seiner  Umständlichkeit  für  die  Praxis  weniger  ge¬ 
eignet  ist,  haben  wir  ein  neues  einfacheres,  ebenfalls  von 
Professor  J  a  q  u  e  t  konstruiertes  Modell *)  benützt,  das  an 
Leistungsfähigkeit  dem  früheren  Apparat  in  keiner  Weise 
nachsteht.  Wir  geben  zunächst  eine  kurze  Beschreibung 
dieses  Tretergostaten. 

Wie  aus  der  Abbildung  zu  ersehen  ist,  sind  an  einer  schweren 
Fussplatte  2  Lagerböcke  festgeschraubt,  welche  eine  Stahlwelle 
tragen.  Auf  dieser  Achse  ist  in  der  Mitte  eine  Riemenscheibe  auf¬ 
gesteckt,  welche  durch  2  Trethebel  mit  Hilfe  von  Bremsschuhen  in 
Drehung  versetzt  werden  kann.  Diese  Trethebel  sind  beidseitig  der 
Riemenscheibe  auf  derselben  Achse  aufgesetzt  und  stehen  in  Verbin¬ 
dung  mit  den  Bremsschuhen,  von  denen  2  auf  jeder  Seite  am  inneren 
Kranz  der  Riemenscheibe  ansetzen.  Wird  ein  Trethebel  —  in  unserer 
Abbildung  der  linke  —  durch  das  Körpergewicht  heruntergedrückt,  so 
stemmen  sich  die  Brems¬ 
schuhe  dieser  Seite  gegen 
die  Riemenscheibe  und 
drehen  dieselbe  um  einen 
gewissen  Betrag  um  ihre 
Achse.  Wird  dann  das 
Körpergewicht  auf  das 
andere  Bein  verlegt,  so 
geht  der  unbelastete  Tret¬ 
hebel  vermittelst  einer 
Feder,  die  seiner  Schwer¬ 
kraft  entgegenwirkt,  wie¬ 
der  in  die  Höhe,  wobei 
die  Bremsschuhe  lose  zu¬ 
rückgleiten. 

Wird  in  dieser  Weise 
abwechselnd  der  eine 
Trethebel  hinunterge¬ 
drückt,  während  der  an¬ 
dere  heraufgeht,  so  wird 
die  Riemenscheibe  in 
gleichsinnige  Umdrehung 
versetzt.  Dieser  Drehung 
wird  ein  Widerstand  ent¬ 
gegengesetzt  durch  ein 
Bremsband,  das  um  die 
Riemenscheibe  gelegt  ist. 

Dasselbe  ist  einerseits  an 
einer  Brücke  an  dem  Ap¬ 
parat  befestigt,  am  an¬ 
deren  Ende  mit  einem 
Spannhebel  und  Laufge¬ 
wicht  versehen,  durch 
dessen  Verschiebung  der 
Widerstand  beliebig  ver¬ 
ändert  werden  kann. 

Mit  Hilfe  dieses  Tret¬ 
ergostaten  kann  eine  Be¬ 
wegung  ausgeführt  wer¬ 
den,  die  derjenigen  beim  Treppensteigen  ähnlich  ist.  Bei  jedem 
Schritt  muss  das  Körpergewicht  wieder  aktiv  um  diejenige  Höhe  ge¬ 
hoben  werden,  um  die  der  Trethebel  passiv  durch  die  Körperschwere 
gesunken  ist.  Die  Höhe  einer  Hebung  beträgt  20  cm,  das  macht  für 
einen  Doppelschritt  also  40  cm.  Ein  Hubzähler,  der  durch  einen  der 
Trethebel  betätigt  wird,  registriert  die  Anzahl  der  geleisteten  Tret¬ 
bewegungen.  Die  Arbeitsleistung  wird  in  einfacher  Weise  in  Kilo¬ 
grammeter  umgerechnet  durch  das  Produkt:  Körpergewicht  X  An¬ 
zahl  der  Tretungen  X  0,4.  Die  Erlernung  der  Tretbewegung  ist  keine 


’)  Zu  beziehen  von  der  Firma  A.  0.  James  J  a  q  u  e  t,  Basel. 


968 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


schwierige;  zur  Erleichterung  der  Erhaltung  des  Gleichgewichtes  ist 
eine  Haltestange  am  Apparat  angebracht.  Die  Geschwindigkeit  der 
Bewegung  kann  mit  Hilfe  des  Laufgewichtes  leicht  reguliert  werden. 

Die  Versuchsanordnung  war  folgende :  Als  Versuchs¬ 
personen  dienten  4  gesunde  Männer  im  Alter  von  22 — 28  Jahren.  Bei 
allen  4  Personen  wurden  zunächst  tägliche  Uebungen  am  Tretergo- 
staten  gemacht,  bei  denen  die  gleiche  Arbeit  geleistet  wurde,  wie  an 
den  späteren  eigentlichen  Versuchstagen.  Diese  Uebungen  wurden 
so  lange  fortgesetzt,  bis  allmähliche  Gewöhnung  an  die  Arbeit  ein¬ 
getreten  war,  die  sich  daran  erkennen  liess,  dass  an  verschiedenen 
Tagen  am  Ende  derselben  Zeitintervalle  nach  Arbeit  annähernd  über¬ 
einstimmende  Pulsfrequenzen  beobachtet  wurden.  Bei  unseren  Ver¬ 
suchspersonen  dauerte  es  etwa  eine  Woche,  bis  hinreichende-  Ge¬ 
wöhnung  eingetreten  war.  Wir  schrieben  dann  während  3  Tagen 
Pulskurven  auf;  darauf  wurde  unter  Fortsetzung  der  täglichen 
Uebungen  während  weiterer  3  Tage  ein  Digitalispräparat  gegeben 
und  unmittelbar  nach  Aussetzen  des  Mittels  nahmen  wir  wieder 
Sphygmogratnme  auf.  Endlich  konnten  wir  bei  Versuchsperson  I 
und  11  noch  je  eine  Kurve  aufnehmen,  nachdem  die  Digitaliswirkung 
völlig  abgeklungen  war.  * 


Versuch  IV :  Arbeit  365  Tretungen  bei  68,5  kg  Körpergewicl 
=  10  000  kgm,  die  in  16 — 18  Minuten  geleistet  wurden.  Vom  3.  Tag 
der  Aufnahme  des  Digitalisinfuses  an  wurden  während  3  Tagen  Ku; 
ven  aufgezeichnet. 


OiaauxA.  1 


"(XAA/sxX.  II  ■ 


Sämtliche  Sphygmogramme  wurden  zuerst  in  Bezug  a 
die  Pulsfreqenz  ausgezählt  und  die  Resultate  in  Tabellen  zi 
sammengestellt.  Ein  Vergleich  der  Pulsfrequenzen  unmitti 
bar  nach  der  Arbeit,  sowie  nach  2,  5,  10  etc.  Minuten,  zeigt 
an  den  Tagen  vor  und  nach  Abklingen  der  Digitalis wirkun 
gut  übereinstimmende  Zahlen.  Statt  die  ganzen  Tabelle! 
wiederzugeben,  welche  die  Auszählungen  von  übe 
250  Sphygmogrammen  enthalten,  bechränken  wir  uns  darau 
hier  Mittelwerte  zu  geben,  und  zwar  in  Form  von  Kurven 
bei  denen  die  Zeiten  als  Abszissen,  die  Pulsfrequenzen  aij 
Ordinaten  aufgetragen  sind.  Wir  dürfen  das  um  so  eher  tuu 
als  die  Einzelwerte  der  verschiedenen  Versuche  eine  sehr  gut] 
Uebereinstimmung  aufweisen  und  nur  wenig  vom  Mittelweitl 

abweichen.  Ai 


150 

150 

130 

120 

110 

100 


60 

70 

60 

50 

50 


non 

ns! 

\\ 

* 

—  Unm 

ittelb.n. Digitoxin 

\\ 

...  Spät 

?re  Wirkung 

— 

■s 

$ 

Lj 

Arbeit 

• «... 

'** 

- 

. 

.  '  ~ 

—  Jrruurnun? 

0  2'  5'  W  15'  20' 


110 

100 

90 

60 

70 

60 

50 


normal  . 

Digitoxinwirkung 

\\ 

Nach / 

Arbeit 

120  i 


100 \ 
90- 


50, 


0  2'  5'  10'  15'  20' 


30' 


i 

—  normo 

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_ 

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-  Un mitteli 

nDigitoxin 

vV 

■  Späte/ 

| 

1 

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r-,  1 

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u  Rühe 

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0  2'  5' 


10' 


15' 


20' 


30' 


\ A'VIVU'tv  IV 


110 

100 

90 

80 

70 

60 


normal 

Digitaliswirkung 

Nach / 

Ubeit 

150 

160 

130 

120 

110 

100 

90 

60 

70 


50 

50 


1 

- f-  normal 

\\ 

U 

— 

■  Coffeh 

wirkuno  am  7.  Tag 

\\ 

MitteiausDIagen 

A 

\ 

V-.  ' 

Nach 

Arbeit 

— X 

- — = 

— : - 

- ! 

— 

. 

J rufet 

diese  Weise 
wurde  die  no- 
male  Erholung^ 
kurve  als  ausge 
zogene  Linie  da 
gestellt. 

Während  dt 
Digitaliswirkun 
trat  in  Versuch 
und  III  am  erste 
Tage  nach  Aus 
setzen  der  Digj 
talis  ein  etwr 
frequenterer  Pu 
auf  als  am  2.  un 


0  2'  5'  10'  15'  20' 


30' 


0  2'  5' 


10' 


15'  20' 


Die  Pulskurven  wurden  mit  dem  J  a  q  u  e  t  sehen  Sphygmo- 
graphen  (Modell  1910)  in  sitzender  Stellung  aufgenommen,  und  zwar 
jeweilen  1 — 2  Kurven  vor  der  Arbeit,  nachdem  die  Versuchsperson 
eine  Viertelstunde  ruhig  gesessen  hatte,  dann  eine  unmittelbar,  d.  h. 
15  Sekunden  nach  Beendigung  der  Arbeit  und  weitere  Sphygmo¬ 
gramme  2,  5,  10,  15,  20  und  30  Minuten  nach  Arbeit.  Nur  in  Ver¬ 
such  III  setzten  wir  die  Beobachtung  nur  20  Minuten  lang  fort. 

Als  Digitalispräparat  benützten  wir  in  Versuch  I — III  Digitoxin 
Merck,  von  dem  im  ganzen  3  mg  in  9  Einzeldosen  auf  3  Tage  ver¬ 
teilt  gegeben  wurden.  Die  Arbeitsversuche  wurden  bei  nüchternem 
Magen  morgens  6  Uhr  ausgeführt.  Bei  Versuch  IV  kam  ein  Blätter- 
infus  zur  Verwendung,  und  zwar  so,  dass  während  4  Tagen  täglich 
ein  Infus  1 : 100  gegeben  wurde,  im  ganzen  also  von  4  g  Blättern. 
Dieser  letzte  Versuch  wurde  jeweils  morgens  11  Uhr  vorgenommen. 

Im  einzelnen  ist  noch  folgendes  zu  den  Versuchen  zu  be¬ 
merken  : 

Versuch  I:  Tägliche  Arbeitsleistung  100  Tretungen  bei  73  kg 
Körpergewicht  =  20  400  kgm  in  27 — 28  Minuten.  Digitoxin  3  mg. 
Unmittelbar  nach  Aussetzen  des  Mittels  Kurven  am  1.,  2.  und  4.  Tag, 
welche  Digitaliswirkung  zeigen,  dann  weitere  Kurven  am  6.,  19.  und 
20.  Tage,  welche  wieder  mit  den  Sphymogrammen  vor  Digitalis¬ 
darreichung  übereinstimmen. 

Versuch  II:  Arbeit  700  Tretungen  bei  57,5  kg  Körpergewicht 
=  16  100  kgm  in  22 — 25  Minuten.  Auch  hier  Kurven  vor  und  nach 
Abklingen  der  Digitalwirkung,  während  der  Wirkung  nur  2  Ver¬ 
suche  am  1.  und  4.  Tage  nach  Aussetzen  des  Mittels. 

Versuch  III:  Arbeit  450  Tretungen  bei  71  kg  Körpergewicht 
=  12  800  kgm  in  13 — 14  Minuten.  Während  der  Digitoxinwirkung 
Kurven  am  1.,  2.  und  3.  Tag. 


3.  bzw.  4.  Tage.  Dieser  erste  Tag  wurde  darin; 
besonders  durch  eine  Linie  mit  Punkten  mi 
Strichen  dargestellt.  Der  2.  und  3.  bzw.  4.  Ta 
dagegen  zeigte  wieder  genügende  Uebereinstirrj 
mung.  Es  wurde  deswegen  das  Mittel  ge 
nommen  und  als  punktierte  Linie  bezeichne 
Ebenso  stimmten  die  beiden  Tage  der  Digitalis 
Wirkung  bei  Versuch  II  und  die  drei  Tage  bc 
Versuch  IV  gut  überein.  Auch  hier  wurde  dal 
Mittel  durch  eine  punktierte  Linie  dargestellt. 

Ausser  diesen  Beobachtungen  der  Pulsfra 
quenz  wurden  dann  eine  grosse  Anzahl  voj 
Sphymogrammen  mit  Hilfe  des  Kurvenanalysa 
tors  genau  ausgemessen  und  in  Bezug  auf  di 
Regelmässigkeit  des  Pulses,  die  Bewegunge1 
der  Basallinie,  die  Höhe  der  Ordinaten  und  di 
Pulsspannung  miteinander  verglichen. 
Resultat:  In  Versuch  I,  III  und  IV  sehen  wir  zunäclu 


30' 


in  der  Ruhe  eine  mehr  oder  weniger  deutliche  Pulsverlans: 
sanuing,  gleichzeitig  wird  der  Puls  grösser,  zeigt  aber  sota 
keine  Veränderungen  der  Form  oder  des  Rhythmus.  F  r  aeni 
k  e  1  [5],  der  an  einer  grossen  Zahl  von  Herzgesunden  Ver 
suche  mit  Strophanthus  anstellte,  beobachtete  fast  regelmässi, 
diese  Pulsverlangsamung,  während  der  Blutdruck  dabei  unve: 
ändert  gefunden  wurde. 

Die  Erholungskurven  nach  Muskelarbeit  lassen  nirgend 
sehr  auffallende  Unterschiede  zwischen  der  Normalkurve  un' 
der  Kurve  unter  Digitaliswirkung  erkennen.  In  Versuch 
und  III  sehen  wir  am  ersten  Tag  nach  Aussetzen  der  Digital! 
einen  etwas  kleineren  und  frequenteren  Puls,  der  aber  an  de. 
folgenden  Tagen  zur  Norm,  bzw.  in  Versuch  I  unter  dieselb 
zurückgekehrt  ist.  Im  ganzen  sind  diese  Unterschiede  in  de 
Pulsfrequenz,  wie  aus  den  Zeichnungen  zu  ersehen  ist,  rech 
unbedeutende.  Die  genaue  Pulsanalyse  bestätigte  dies.  Aue 
in  Bezug  auf  die  Pulsformen,  die  bei  den  entsprechende, 
Sphygmogrammen  miteinander  verglichen  wurden,  Hessen  sic 
nirgends  sichere  Unterschiede  vor  und  nach  Digitalisbehand 
lung  erkennen.  Der  Rhythmus  endlich  zeigte  ebenfalls  kein 
grösseren  Unregelmässigkeiten  nach  der  Digitalisierung,  al 
sie  schon  normalerweise  bestanden  hatten. 

Das  Ergebnis  der  angestellten  Versuche  kann  also  dalli 
zusammengefasst  werden,  dass  ein  Unterschied  in  de 


k  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


: r li o  1  u ii g  des  Herzens  nach  dosierter  M  u  s  - 
(cclarbeit  vor  und  nach  D  i  g  i  t  a  1  i  s  d  a  r  r  e  i  c  h  u  n  g 
licht  bestellt.  Die  Reaktion  des  Herzens  auf  Arbeit 
deibt  die  gleiche  und  eine  Verkürzung  der  Erholungszeit  tritt 

licht  ein. 

Vergleichsweise  wurde  bei  der  ersten  Versuchsperson 
loch  ein  Versuch  mit  Koffein  angeschlossen.  Die  Arbeits- 
eistung  betrug  wie  bei  Versuch  I  20  400  kgm  in  27—28  Mi¬ 
mten.  Während  der  drei  Versuchstage  wurden  je  1,5  g  Cof- 
eimim  natr.-benz.  in  5  Einzeldosen  eingenommen.  Die 
(offeinwirkung  (siehe  Versuch  V)  zeigte  sich  sowohl  in  der 
?uhe,  als  auch  beim  Arbeitsversuch  besonders  deutlich  am 
■rsten  Tag,  indem  der  einzelne  Puls  langsamer  und  voller 
vurde.  Die  Erholungskurve  wurde  dadurch  in  keiner  Weise 
.erändert. 

Wir  kommen  also  zum  Schluss,  dass  die  Digitaliswirkung 
vorzugsweise,  wenn  nicht  ausschliesslich  am  insuffizienten 
lerzmuskel  offenbar  wird,  indem  sie  den  mangelhaft  sich  zu- 
mmmenziehenden  Muskel  zu  kräftigeren  Kontraktionen  an¬ 
egt.  Der  gesunde  Herzmuskel  aber  wird  durch  Digitalisdar- 
eichung  in  seiner  Leistungsfähigkeit  nicht  beeinflusst.  Die 
figitalis  ist  kein  Herztonikum  im  gewöhnlichen  Sinn  des 
Portes.  Eine  kräftigende  Wirkung,  etwa  im  Hinblick  auf 
irössere  Leistungen,  die  dem  Herzen  zugemutet  werden  sollen, 
st  demnach  für  gesunde  Herzen  und  gut  kompensierte  Herz- 
ehler  nicht  zu  erwarten.  Auch  die  prophylaktische  Digitalis- 
,  erabreichung  in  der  Chirurgie,  in  den  Fällen,  wo  postope- 
utive  Pneumonien  zu  befürchten  sind,  scheint  nicht  begründet 
m  sein,  zumal  wir  ja  durch  die  intravenöse  Injektion  beim 
■rsten  Auftreten  einer  Störung  das  Herz  sofort  unter  Digitalis- 
.virkung  bringen  können. 

Bei  denjenigen  Herzen  dagegen,  bei  denen  Anzeichen  einer 
beginnenden  Insuffizienz  vorliegen,  werden  Digitalispräparate 
n  den  meisten  Fällen  indiziert  sein.  Aber  auch  da  dürfen  wir 
lie  günstige  Wirkung  nur  erwarten,  wenn  die  Medikation  mit 
ibsoluter  Schonung  des  Herzens  durch  Bettruhe  verbunden 
vird.  Auch  ein  insuffizientes  Herz  wird  unter  Digitalis  nicht 
esistenter;  es  kann  sich  nicht  erholen,  solange  ihm  die  gleiche 
\rbeitsleistung,  die  zur  Dekompensation  geführt  hat,  weiter 
aigemutet  wird.  Dasselbe  lehren  uns  auch  die  nicht  allzu 
.ebenen  Beobachtungen,  wonach  sich  die  Digitalis  nach  der 
erstmaligen  Verabreichung  völlig  unwirksam  zeigt,  während 
•ie  beim  zweiten  oder  dritten  Versuch,  nachdem  das  Herz  Zeit 
'-ur  Erholung  hatte,  ihre  volle  Wirksamkeit  entfaltet. 

Literatur. 

1.  Williams:  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.  1880.  Bd.  13. 
-2.  Wenckebach:  The  effects  of  Digitalis  on  the  human  lieart. 
british  Medical  Association,  London  1910.  —  3.  H.  Christ:  Ueber 
len  Einfluss  der  Muskelarbeit  auf  die  Herztätigkeit.  Deutsch.  Arch.  f. 
;lin.  Med.,  Bd.  LIII,  H.  1  u.  2,  1894.  —  4.  A.  Stähelin:  Ueber 
lern  Einfluss  der  Muskelarbeit  auf  die  Herztätigkeit  etc.  Deutsch, 
irch.  f.  klin.  Med,  Bd.  LIX,  H.  1  u.  2,  1898.  —  5.  E  r  a  e  n  k  e  1 :  Münch, 
led.  Wochenschr.  1905,  S.  1537. 


Ueber  den  Wert  der  intravesikalen  Operationen.  ) 

Von  Privatdozent  Dr.  Kielleuthner  in  München. 

M.  H.l  Zwei  Methoden  sind  es,  welche  bei  Er¬ 
krankungen  der  Blase,  die  einen  operativen  Eingriff  erfordern, 
n  Betracht  kommen:  die  blutige  Eröffnung  der  Blase,  und  die 
i n b  1  u t i g e,  endovesikale  Behandlung.  Ich  habe 
's  mir  zur  Aufgabe  gestellt,  Ihnen,  m.  H„  in  Kürze  über 
etztere  Behandlungsart  zu  berichten,  über  ihren  Wert,  über 
hre  Leistungsfähigkeit. 

Wir  müssen  hier  drei  Gruppen  unterscheiden,  welche  eine 
ntervention  auf  den  natürlichen  Wegen  erfordern  können;  das 
md  vor  allem  die  Steine,  dann  die  Fremdkörper  und 
ndlich  die  Tumoren. 

Ueber  den  Wert  der  Steinzertrümmerung,  die  Litho- 
r  i  p  s  i  e,  ist  heute  wohl  nicht  mehr  zu  streiten.  Sie  ist  das 
lemeingut  wohl  aller  Chirurgen  geworden  und  muss  in  ge- 
1  bten  Händen  als  eine  fast  ungefährliche,  durchaus  sichere 
Iperation  bezeichnet  werden.  Zu  dieser  Auffassung  hat  vor 
Hem  die  Einführung  der  Zystoskopie  beigetragen,  die  sowohl 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  München.  Dez.  1912. 

No.  18. 


969 


Grösse,  Form  und  Lage  des  Steins  aufs  genaueste  erkennen 
lässt,  als  auch  eine  Orientierung  über  den  Zustand  der  Blase 
gestattet.  Dann  hat  auch  wesentlich  die  Verbesserung  der 
I  cchnik,  die  wir  besonders  B  i  g  c  1  o  w  zn  verdanken  haben, 
das  ihrige  zur  Verbreitung  und  Wertschätzung  der  Litlio- 
tripsie  beigetragen.  Endlich  hat  die  ausgebildete  Asepsis  ein 
gut  Teil  der  Gefährlichkeit  des  Eingriffes  genommen.  Es  ist 
unser  Bestreben,  anstatt  in  mehreren  Sitzungen,  die  Stein- 
zertrümmenmg  in  einer  Sitzung  zu  beendigen  und  alle  Splitter 
zu  entfernen;  dadurch  ist  auch  die  Gefahr  beseitigt,  welche  der 
Blase  durch  das  Liegenbleiben  von  Splittern  entstand,  nämlich 
eine  stärkere  Blutung.  Dieser  Fortschritt  ist  besonders  der 
Verbesserung  des  Instrumentariums  zu  verdanken.  Die  In¬ 
strumente  werden  stärker  gebaut,  und  sind  gefenstert,  damit 
der  Staub  sich  nicht  zu  stark  in  den  beiden  Löffeln  festsetzen 
kann.  Weiterhin  wird  jetzt  sofort  mit  der  Aspirationspumpe 
das  Herausspülen  der  Splitter  angeschlossen.  Die  Grösse  des 
Kalibers  dieses  Metallkatheters  erlaubt  die  Entfernung  noch 
ganz  bedeutender  Steinsplitter.  Endlich  ist  es  die  Gewohnheit 
der  meisten  Operateure,  durch  ein  Spiilzystoskop  sofort  nach 
dem  Eingriff  die  Blase  zu  revidieren,  um  sich  zu  vergewissern, 
ob  nicht  noch  Teile  des  Steines  vergessen  worden  sind. 

Die  Vorteile,  welche  dieser  Operationsmethode  ihren 
Vorzug  geben,  liegen  auf  der  Hand;  vor  allem  ihre  relative 
Ungefährlichkeit;  nach  den  neuesten  Statistiken  hat  die  Litho- 
tripsie  eine  Mortalität  von  1  Proz.,  die  der  Sectio  alta  eine 
Mortalität  von  6  Proz.  Als  zweiter  Vorzug  ist  die  geringe 
Genesungsdauer  zu  nennen.  Während  bei  der  Eröffnung  von 
oben  mit  einem  Krankenlager  von  10 — 17  Tagen  gerechnet 
werden  muss,  können  die  Patienten  gewöhnlich  nach  der 
Steinzertrümmerung  schon  nach  3  Tagen  die  Anstalt  ver¬ 
lassen.  Es  ist  erklärlich,  dass  dieser  Umstand  für  die  Pati¬ 
enten  bestechend  ist,  und  daraus  ist  die  Vorliebe  der  meisten 
für  diesen  Eingriff  ersichtlich.  Endlich  bietet  die  Narkose  noch 
manche  Vorteile:  in  vielen  Fällen  von  kleinen  Steinen  ist  es 
möglich,  die  Entfernung  der  Steine  unter  Lokalanästhesie  vor¬ 
zunehmen.  Zur  endovesikalen  Entfernung  ganz  kleiner  Kon¬ 
kremente  bedarf  es  überhaupt  keiner  Narkose;  die  ganze 
Operation  besteht  in  dem  Herausspülen  mittels  des  Evakuators. 

Natürlich  sind  dieser  Operation  auch  ihre  Grenzen  ge¬ 
zogen;  sie  sind  einmal  in  der  Grösse  der  Steine  gegeben. 
Steine  mit  einem  Durchmesser  von  ca.  5  cm  sollten  nicht  mehr 
zertrümmert  werden;  es  dauert  diese  Operation  zu  lange,  und 
es  ist  nicht  sicher,  ob  in  einer  Sitzung  ein  so  grosser  Stein 
zertrümmert  werden  kann.  Endlich  behindert  die  Grösse  des 
Steins  die  sichere  und  zarte  Führung  des  Instrumentes  in  der 
Blase.  Weniger  hindernd  ist  bei  der  trefflichen  Ausführung 
der  heutigen  Instrumente  die  Härte  der  Steine.  Immerhin  gibt 
es  jedoch  Fälle,  wo  dem  Erfolg  dieses  Eingriffes  durch  die  che¬ 
mische  Zusammensetzung  ein  Hindernis  gesetzt  sein  kann.  So 
sehen  Sie  hier  zwei  Steine,  von  denen  .der  eine  durchschnitten 
ist:  Aussen  Phosphate,  dann  eine  starke  Schale  von  Oxalat, 
innen  ein  harnsaurer  Kern.  Ich  habe  versucht,  diese  beiden 
Steine  zu  zertrümmern;  die  Schwierigkeit  der  Zertrümmerung 
zusammen  mit  der  immerhin  beträchtlichen  Grösse  der  beiden 
Steine  veranlassten  mich,  die  Lithotripsie  abzubrechen  und 
die  Steine  mittels  Sectio  zu  entfernen.  Hier  möchte  ich  auch 
noch  der  Divertikelsteine  gedenken,  die  eine  Gegenanzeige 
für  die  Lithotripsie  bilden  und  von  denen  Sie  hier  ein  Exemplar 
sehen.  Es  handelte  sich  um  einen  nicht  zu  alten  Herrn,  bei 
dem  ich  bei  der  Zystoskopie  einen  Blasenstein  fand.  Wie  Sie 
hier  noch  am  Steine  sehen,  versuchte  ich,  ihn  zu  fassen  und 
an  den  Scheitel  der  Blase  zu  legen.  Das  misslang.  Bei  der 
angeschlossenen  Sectio  alta  fand  sich,  dass  ein  beträchtlicher 
Teil  des  Steines  in  einem  Divertikel  eingebettet  war.  Auch 
die  Konfiguration  der  Blase,  wie  sie  durch  die  Prostata  be¬ 
dingt  ist,  bildet  manchmal  einen  Hinderungsgrund  für  die  Aus¬ 
führung  der  Steinzertrümmerung.  Nehmen  Sie  an,  die  Blase 
habe  einen  sehr  stark  ausgebildeten  Recessus  retro-prostati- 
cus,  in  dem  die  Steine  liegen.  Es  ist  in  solchen  Fällen  sehr 
schwierig,  ja  sogar  unmöglich,  sie  in  dieser  Nische  zu  fassen 
und  herauszuheben.  Allerdings  gibt  es  Instrumente,  welche 
einen  sehr  langen  und  geraden  Schnabel  haben,  um  auch  dieser 
Möglichkeit  zu  begegnen.  Allein  es  sind  genug  Fälle  bekannt, 
wo  bei  ähnlich  gelagerten  Verhältnissen  die  Sectio  alta  ge- 


070 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1{ 


macht  werden  musste.  Zweckmässigerweise  wird  natürlich 
dann  die  Prostatektomie  der  Lithotomie  angeschlossen.  End- 
licli  kann  auch  der  starre  Inhalt  der  Steine  ein  Hindernis  für 
diese  Operation  bilden.  Ich  zeige  Ihnen  hier  einen  Stein,  der 
sich  um  eine  eingeführte  Haarnadel  gebildet  hat.  Eine  Stein- 
zertriimmerung  hier  auszuführen,  ist  unmöglich,  da  die  offen¬ 
liegende  Nadel  sicher  schwere  Verletzungen  der  Blase  setzen 
würde.  Hier  tritt  die  Röntgenphotographie  in  ihre 
Rechte,  welche  uns  wohl  den  richtigen  Weg  weisen  wird,  die 
Eröffnung  der  Blase  von  oben. 

Natürlich  sind  noch  einige  Vorbedingungen  für 
diesen  endovesikalen  Eingriff  nötig:  vor  allem  muss  das  Ori- 
ficium  urethrae  und  die  Harnröhre  für  die  Instrumente  ge¬ 
nügend  weit  sein.  Ferner  soll  die  Blase  eine  gewisse  Ka¬ 
pazität  besitzen,  die  nicht  unter  100  ccm  betragen  soll,  da  die 
Gefahr  von  Verletzungen  beim  Sinken  derselben  eine  recht 
grosse  wird.  Dann  sollte  der  Zustand  der  Nieren  ein  guter 
sein;  wenn  sie  auch  nicht  anatomisch  gesund  sind,  so  sollten 
sie  doch  funktionell  genügende  Werte  geben.  Endlich  bilden 
noch  die  akuten  eitrigen  Infektionen  der  Niere,  Tumoren  und 
tuberkulöse  Geschwüre  der  Blase  und  ausserordentlich  akute 
Zystitiden  ein  Kontraindikation. 

Noch  ein  paar  Worte  zur  Frage  der  Rezidive.  Die  Litho- 
tripsie  ist  in  dieser  Hinsicht  der  Sectio  alta  vollständig  gleich¬ 
wertig.  Es  kann  ebenso  einem  Operateur  passieren,  dass  er 
bei  der  blutigen  Eröffnung  der  Blase  ein  kleines  Konkrement 
in  einer  durch  Trabekel  gebildeten  Nische  zurücklässt,  wie  es 
sich  ereignen  kann,  dass  er  kleine  Steintrümmer  nicht  eva¬ 
kuiert.  Bei  beiden  Operationen  ist  eben  peinlichste  Aufmerk¬ 
samkeit  notwendig. 

Nach  all  diesem  muss  die  Litholapaxie  als  die  Ideal- 
operation  der  Blasensteine  angesehen  werden,  die  in  der 
grössten  Mehrzahl  aller  Fälle  anzuwenden  ist. 

Ich  gehe  nun,  m.  EI.,  über  zur  endovesikalen  Be¬ 
handlung  der  Fremdkörper.  Der  Umstand,  dass 
jeder  Fremdkörper  schon  durch  seine  blosse  Anwesenheit  in 
der  Blase  eine  ständige  Reizung  der  Wandungen  bedingt, 
macht  eine  schnelle  Entfernung  zur  Pflicht.  Die  Fremdkörper 
können  zum  Teil  durch  die  Blasenwand  selbst  eingedrungen 
sein,  wie  Tupfer,  Fäden,  Instrumente,  oder,  wie  gewöhnlich 
per  vias  naturales  in  dieses  Organ  gekommen  sein.  Zwei 
Möglichkeiten  kommen  hier  bei  der  Beurteilung  in  Betracht: 
entweder  liegt  der  Fremdkörper  frei  in  der  Blase  oder  er  ist 
an  einem  bestimmten  Punkte  der  Blase  fixiert.  Dann  müssen 
wir  unterscheiden,  ob  es  sicli  um  kleine  oder  grosse,  starre 
oder  weiche,  kurze  oder  lange  Körper  handelt. 

Wenn  wir  kleine  freie  Fremdkörper  finden,  die  die  Blase 
nicht  von  selbst  wieder  ausgestossen  hat,  so  wählen  wir  zu¬ 
erst  die  Aspiration  mittels  der  Steinpumpe.  Auf  diese  Weise 
lassen  sich  weiche  Fremdkörper  wie  Blätter,  Blumenstiele,  die 
an  dem  Auge  des  Katheters  festgesaugt  werden,  extrahieren. 
•Gelingt  dies  nicht,  so  nehmen  wir  den  Lithotriptor,  um  sie  auf 
diese  Weise  zu  ergreifen  und  zu  entfernen.  Beim  Weibe  ist 
es  zweckmässig,  neben  dem  eingeführten  Zystoskop  ein  kleines 
Fassinstrument  in  die  Blase  einzuführen,  um  den  Fremdkörper 
zu  ergreifen.  Gelingt  dies  auch  auf  diese  Weise  nicht,  so 
nehme  man  seine  Zuflucht  zum  Operationszystoskop.  Man 
kann  mit  Hilfe  der  Zange  unter  Kontrolle  des  Auges  dann  in 
den  allermeisten  Fällen  den  Körper  fassen.  Mit  den  ange¬ 
führten  Methoden  lassen  sich  auch  grössere,  biegsame  Fremd- 
köiper,  wie  Bougies,  Filiforms  und  Katheter  entfernen. 

Wenn  es  sich  um  einen  an  die  Blasenwand  fixierten 
Fremdkörper  handelt,  so  ist  von  vorneherein  die  Verwendung 
des  Operationszystoskopes  indiziert.  Meist  handelt  es  sich 
ja  um  Fäden,  die  nach  einer  Operation  der  Blase  oder  in  ihrer 
Nähe  gegen  das  Blasenkavum  zu  flottieren.  Eine  kleine  Zange 
wird  leicht  die  Schlinge  aus  der  Schleimhaut  ziehen  können. 

Bei  inkrustierten  Fremdkörpern  ist  die  Hauptfrage, 
welcher  Art  der  Kern  des  Konkrementes  sei.  Katheterstücke 
und  ähnliche  Dinge  werden  sich  leicht  durch  den  Lithotriptor 
zertrümmern  lassen.  Nicht  so,  wenn  Nadeln  den  Kern  bilden. 
Sie  könnten  schwere  Verletzungen  der  Blase  setzen.  Hier 
tritt  dann  die  Sectio  alta  in  ihre  Rechte. 

Endlich  möchte  ich  mit  ein  paar  Worten  auf  die  Ex¬ 
traktion  der  starren  Instrumente  eingehen.  Sie 


müssen  in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle  durch  die  Er 
Öffnung  der  Blase  entfernt  werden.  Grosse  eingewandert 
Knochenstücke  (nach  Beckenbrüchen),  Stecknadeln  Nähnadelr 
Hückelnadeln,  Glasthermometer,  würden  bei  der  Extraktio 
die  Blase  stark  schädigen.  Ausgenommen  davon  sind  Haar 
nadeln,  wie  sie  in  der  Blase  des  Weibes  ab  und  zu  gefunde 
werden.  Mit  dem  Endoskop  ä  la  Vision  directe  stellt  man  sic 
am  besten  die  Krümmung  der  Haarnadel  ein  und  sucht  di 
Nadel,  die,  wie  gewöhnlich,  mit  den  Spitzen  nach  unten  z 
steht,  in  der  Blase  mit  einem  Häckchen  umzudrehen  und  s 
zu  entfernen;  natürlich  muss  die  Blase  eine  genügende  Ka 
pazität  besitzen.  Sie  sehen  hier  die  Röntgenphotographi 
der  Blase  eines  6  jährigen  Mädchens,  dem  der  ebenso  alt 
Bruder  eine  Haarnadel  in  die  Blase  gesteckt  hatte.  Wege 
der  geringen  Kapazität  war  es  nicht  mehr  möglich,  die  Nadt 
per  vias  naturales  zu  entfernen;  das  Kind  musste  sich  de 
Operation  unterziehen. 

Während  für  die  Blasensteine  die  endovesikale  Method 
der  Lithotripsie  schon  lange  die  Methode  der  Wahl  ist,  ha 
sich  die  endovesikale  Behandlung  der  Blasen 
t  u  m  o  r  e  n  erst  ganz  langsam  eingebürgert.  Der  Grund  hie 
für  ist  ein  zweifacher:  einmal  ist  das  Instrumentarium  ziemlic 
umfangreich  und  kompliziert,  und  dann  bieten  sich  auc 
Schwierigkeiten,  nicht  nur  im  Gebrauch  der  Instrumente,  son 
dern  auch  in  der  Beurteilung  der  Tumoren.  Ich  zeige  Ihne 
hier  die  beiden  Typen  der  Operationszystoskope:  das  flexihl 
und  das  starre  System.  Hier  sehen  Sie  die  Brenner.  Mit  de 
Schlinge  wird  der  Tumor  abgetragen,  mit  dem  Kauter  de 
Grund  verschorft. 

Hier  möchte  ich  auf  zwei  pathologisch-anatomische  Tat 
Sachen  aufmerksam  machen,  die  für  unser  therapeutische 
Vorgehen  wichtig  erscheinen.  Für  die  endovesikalen  Opc 
rationen  sollten  nur  gutartige  Tumoren,  also  Pa 
pillome,  in  Betracht  kommen.  Leider  ist  es  aber  nicht  mögj 
lieh,  aus  dem  blossen  Aspekt  in  jedem  Falle  sicher  di 
Benignität  der  Tumoren  zu  erkennen.  Es  sind  von  vei 
schiedenen  Seiten  Serienschnitte  solcher  Papillome  gemacl 
worden,  die  klar  bewiesen,  dass,  obwohl  der  Tumor  in  de 
oberen  Partien  gutartig  war,  er  doch  in  den  Basalteile 
atypische  Wucherungen  zeigte;  derartige  Geschwülste  sin 
radikal  mit  dem  Messer  zu  entfernen.  Andererseits  haben  - 
und  das  ist  der  2.  Punkt  —  sogen,  gutartige  Tumoren  der  Blas 
besonders  bei  Exstirpation  durch  Sectio  alta  eine  exquisit 
Tendenz,  zu  rezidivieren,  teils  an  den  alten  Insertionsstelle! 
teils  an  neuen  Punkten  der  Blase.  Die  Frage  der  Rezidiv 
freiheit  ist  also  in  keiner  Weise  durch  die  blutige  Operatio 
gelöst.  Im  Gegenteil:  nach  den  Erfahrungen  der  beste. 
Kenner  dieser  Methode  (N  i  t  z  e,  C  a  s  p  e  r)  scheint  die  ende 
vesikale  Methode  weniger  Rezidive  zu  geben  als  die  Secti 
alta. 

Die  Vorzüge  der  endovesikalen  Methode  vor  der  Secti 
sind  mancherlei:  einmal  die  grosse  Ungefährlichkeit.  Di 
Operationsgefahr  ist  bei  einigermassen  besonnenem  Vorgthe 
gleich  Null,  die  Gefahr  der  Narkose  und  des  langen  Kranken 
lagers  fällt  weg,  da  der  kleine  Eingriff  im  Privathause  ge 
macht  werden  kann.  Ferner  ist  diese  Methode  bei  Rezidi 
vierung  des  Tumors  häufig  anwendbar,  was  von  der  Secti' 
alta  nicht  gesagt  werden  kann.  Drittens  wird  man  viel  besse 
als  bei  eröffneter  Blase  die  kleinsten  Exkreszenzen,  welch 
in  der  Flüssigkeit  flottieren,  sehen  und  abtragen  können. 

Es  sind  natürlich  auch  dieser  Methode  Grenzen  ge 
setzt:  einmal  in  der  Grösse  des  zu  operierenden  Tumors.  E 
sollten  gewöhnlich  keine  grösseren  Tumoren  angegange 
werden  als  bis  zur  Walnussgrösse.  Sie  können  je  nach  de 
Verhältnissen  in  1 — 4  Sitzungen  abgetragen  und  verschon 
werden.  Auch  die  Form  des  Tumors  ist  ausschlaggebend 
Gestielte  Tumoren  lassen  sich  viel  besser  operieren,  als  breit 
basig  aufsitzende.  Letztere  erwecken  überdies  immer  de 
Verdacht  eines  malignen  Tumors,  der  ja  von  dieser  Behänd 
lung  ausgeschlossen  werden  sollte.  Auch  der  Sitz  des  Tumor 
muss  berücksichtigt  werden.  Wenn  der  Tumor  ganz  ar 
Blasenausgang  sich  entwickelt  hat,  kann  er  mit  der  Schling 
nicht  gut  gefasst  werden,  weil  das  Auge  des  Zystoskops  sic. 
noch  in  der  hinteren  Harnröhre  befindet.  Endlich  setzt  aucl 
wie  bei  allen  zystoskopischen  Eingriffen,  eine  enge  Passag 


MUENCHE  NER  MEDIZI  NISCHE  WO  CH  ENS  CHR I  FT. 


toi  1013. 


i  Harnröhre  und  eine  schlechte  Ausdehnbarkeit  der  Blase 
i  Methode  Grenzen. 

Noch  ein  paar  Worte  über  eine  ganz  neue  Art  der  Be- 
:  dlung,  die  von  Amerika  aus  inauguriert  wurde  und  die 
:  sehr  günstige  Resultate  zu  geben  scheint  bei  multiplen 
inen  Tumoren.  Es  wird  hier  mit  Hilfe  eines  gewöhnlichen 
terzystoskops  durch  ein  dünnes  Kabel  der  sogen.  0  u  d  i  n  - 
. :  Strom,  ein  Hochfrequenzstrom,  auf  den  Tumor  unter 
ung  des  Auges  gebracht  und  der  Tumor  so  verödet.  Die 
virkungsdauer  beträgt  je  nach  Lage  des  Falles  10  bis 
Sekunden.  Die  Wirkung  geht  stark  in  die  Tiefe  und  hat, 
ich  mich  selbst  überzeugt  habe,  ausgezeichnete  Erfolge, 
lieber  die  Leistungsfähigkeit  der  endovesikalen  Methode 
eht  demnach  heute  kein  Zweifel  mehr.  Was  die  Steine 
Fremdkörper  anlangt,  so  ist  sie  heute  Gemeingut  aller 
-urgen  geworden.  Für  gutartige  kleine  Tumoren  der 
;e  ist  sie  die  Operation  der  Wahl.  Ich  bin  der  sicheren 
erzeugung,  dass  mit  fortschreitender  Verbesserung  und 
eich  Vereinfachung  des  Instrumentariums  die  endovesikale 
lorbehandlung  immer  mehr  und  mehr  an  Boden  gewinnt. 


Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Heidelberg 

(Direktor:  Prof.  Moro). 

ber  die  erfolgreiche  Behandlung  von  haemophilen 
Blutungen  mittels  des  Thermokauters. 

Von  Dr.  Hans  Hahn. 

Die  Behandlung  von  Schleimhaut-  oder  Weichteilblutungen 
lmmophiler  Grundlage  gehört  zu  den  unangenehmsten 
raben  des  Arztes.  Nicht  selten  steht  er  diesen  Ereignissen 
htlos  und  als  resignierter  Zuschauer  gegenüber.  Die 
;he  Therapie  durch  Kompression  und  Tamponade,  die  Ver¬ 
dung  von  Adrenalin,  die  Aetzung  mit  Argentum  nitr.  oder 
ichen  Mitteln,  die  Injektion  von  Gelatine  und  Kalksalzen 
t  oft  nicht  oder  erst  nach  längerem  Zuwarten  zum  Ziele, 
fig  kommt  die  Blutung  erst  durch  Sinken  des  Blutdruckes 
itan  zum  Stillstand.  Der  Anblick  des  ausgebluteten 
iken  ist  dann  aber  so  wenig  erfreulich,  dass  das  Gefühl 
therapeutischen  Unzulänglichkeit  noch  lange  Zeit  näch¬ 
st.  Denn  auch  die  in  den  letzten  Jahren  inaugurierte 
imbehandlung  der  Hämophilie  in  Form  der  subkutanen 
lokalen  Applikation,  die  Einspritzung  von  nativem 
schenblut  versagen  nicht  selten  gerade  in  den  schweren 
;n  oder  liefern  keinen  überzeugenden  Beweis  ihrer  Wirk- 
keit.  Es  ist  deshalb  nicht  unangebracht,  wenn  ich  an 
er  Stelle  auf  Grund  von  zwei  überraschenden  Erfolgen 
hämophilen  Blutungen  als  einfaches  und  auch  in  der  Haus- 
-is  brauchbares  Mittel  auf  die  Kauterisation  auf- 
ksam  mache;  sie  verdient  um  so  mehr  der  Empfehlung, 
sie  in  den  meisten  Lehrbüchern  der  Kinderheilkunde  und 
inneren  Medizin  unter  den  Behandlungsmethoden  nicht 
eführt  wird. 

Die  Anwendung  des  Thermokauters  bei  hämophilen  Blu- 
en  klingt  zunächst  paradox,  da  man  eigentlich  annehmen 
e,  dass  durch  das  Glüheisen  erst  recht  neue  Gefässe  er- 
it  werden  und  dann  die  entgegengesetzte  Wirkung  von 
erzielt  wird,  was  man  beabsichtigt.  Der  prompte  Erfolg 
eist  aber  das  Gegenteil.  Schwere  Blutungen,  die  allen 
suchen,  sie  zu  stillen,  getrotzt  hatten,  hörten  augenblick- 
nach  der  Kauterisation  auf.  Unter  dem  gesetzten  Schorf 
ossen  sich  die  Wunden  rasch.  Die  Wirksamkeit  des 
rtnokauters  beruht  wahrscheinlich  darauf,  dass  unter  dem 
■  uss  der  Hitze  der  Gefässinhalt  koaguliert  und  die  Throrn- 
nldung  infolge  von  Veränderungen  an  der  Gefässwand  be¬ 
zögt  wird.  Vielleicht  werden  auch  bei  der  Nekrose  des 
rebes  Stoffe  frei,  welche  die  Blutgerinnung  erleichtern. 
Der  Erfolg  der  Kauterisation  geht  aus  den  folgenden 
ikengeschichten  hervor: 

1.  Heinrich  D.,  1%  Jahre  alt,  3.  eheliches  Kind,  ohne  spezifische 
iphile  Anamnese.  Mutter  kann  freilich  über  die  Familienverhäl- 
:  nicht  viel  angeben,  weil  ihre  Eltern  in  ihrem  zweiten  Lebens¬ 
gestorben  und  sie  selbst  später  in  Pflege  kam.  Das  Kind  ist  in 
Klinik  schon  seit  längerer  Zeit  als  hämophil  bekannt,  hat  die 
ulanz  im  Dezember  1911  wegen  einer  Hautblutung  auf  dem 
n  Handrücken  aufgesucht. 


‘  971 


25  VI  bisfniahVH  *?9?2C  wegen  multipler  Hautblutungen  vom 

-7  u  n '  •  Aufnahme  8*  XI.  12  wegen  unstillbarer  Blutung  aus  dem 
Zahnfleisch  der  vorderen  oberen  Schneidezähne.  Die  Blutung  ist 
4  1  age  vor  der  Aufnahme  durch  einen  Fall  auf  den  Mund  auf¬ 
getreten. 

8  XI.  Kind  sehr  blass;  die  Verätzung  durch  Eisenchloridlösung 
und  Druckverband  über  die  Oberlippe  ist  erfolglos.  Das  Kind  reibt 
und  saugt  mit  der  Zunge  die  gebildeten  Schorfe  wieder  ab. 

XL,  abends:  Injektion  von  1  ccm  Diphtherieserum. 

9.  XL,  morgens:  Injektion  von  11  ccm  sterilem  Pferdeserum, 
mittags  subkutane  Injektion  von  40  ccm  Gelatine.  —  Das  Kind  er¬ 
bricht  nach  dem  Trinken  blutige  Massen;  Stühle  sind  dünn,  mit 
Blutbeimengungen. 

10.  XI.  Per  os  werden  5  Blatt  Gelatine  (in  Milch  und  Wasser 
gelost)  verabreicht.  Temperatur  bis  39,6.  Kind  extrem  blass,  Puls 
klein  und  frequent. 

11.  XI.  Die  Blutung  dauert  den  Tag  über  fort.  Kind  fast  puls¬ 
los,  schläft  sehr  viel,  reagiert  kaum  auf  Anruf.  Das  Kind  wird  bei 
der  (ersten)  Visite  als  moribund  aufgegeben.  Nachts  11  Uhr  als 
ultimum  refugium  Verschorfung  der  blutenden 
Za  hniflei;  Schwunde  mit  dem  Thermokauter.  Die 
Blutung  steht  sofort.  Um  ein  Abheben  des  Schorfes  zu  verhindern, 
wird  ein  straffer  Verband  über  die  Oberlippe  gelegt;  ausserdem 
werden  15  ccm  frisches  Menschenblut  intraglutäal  injiziert. 

12.  XI.  Blutung  hat  sich  seit  der  Kauterisation  nicht  mehr 
wiederholt. 

13.  XI.  Kind  sieht  besser  aus,  das  Erbrechen  hat  nachgelassen. 

15.  XI.  Kind  munter,  sitzt  im  Bett  auf.  Seit  gestern  Oedeme 

an  Händen  und  Füssen. 

28.  XI.  Pat.  ist  öfters  ausser  Bett.  Gesichtsfarbe  bessert  sich 
allmählich.  Die  Oedeme  sind  geschwunden. 

6.  XII.  Zur  Anregung  der  Blutbildung  Injektion  von  10  ccm  nor¬ 
malen  frischen  Menschenblutes. 

11.  XII.  Kind  wird  in  befriedigendem  Zustande  mit  relativ  guter 
Gesichtsfarbe  nach  Haus  entlassen. 

2.  Hans  B.,  2Vi  Jahre  alt.  Mutter  stammt  aus  einer  Bluterfamilie, 
ein  Vetter  ging  Sommer  1911  im  Alter  von  8  Jahren  infolge  einer 
Verblutung,  die  im  Anschluss  an  ein  Zahnziehen  entstanden  war, 
zugrunde.  Pat.  stand  wegen  seiner  Neigung  zu  Blutungen,  die  be¬ 
sonders  an  den  Unterextremitäten  und  den  unteren  Teilen  des 
Rumpfes  zum  Teil  als  Petechien,  zum  Teil  als  Hämatome  im  Unter¬ 
hautzellgewebe  in  grösseren  Schüben  auftraten,  wiederholt  in  Be¬ 
handlung  der  Ambulanz  der  Klinik.  Wegen  einer  Zahnfleischblutung, 
die  am  25.  III.  12  im  Anschluss  an  einen  Fall  sich  entwickelt  hatte 
und  weder  vom  behandelnden  Arzt  noch  in  der  Ambulanz  durch 
Aetzung  mit  Arg.  nitr.  und  Verabreichung  von  Gelatine  und  Calc. 
lact.  gestillt  werden  konnte,  wurde  am  28.  III.  12  eine  Aufnahme  in 
die  Klinik  nötig.  Trotz  verschiedener  Massnahmen  (Kompressions¬ 
verband,  Tamponade  mit  Gazestreifen,  die  mit  Adrenalin  getränkt 
waren,  Einspritzung  von  Diphtherieserum)  kommt  die  Blutung  erst 
am  5.  Tage  nach  der  Aufnahme  spontan  zum  Stillstand.  Das  Kind 
sah  sehr  blass  aus,  erholte  sich  aber  in  relativ  kurzer  Zeit  nach  dem 
Blutverlust.  Am  2.  I.  13  9  Uhr  vorm,  zog  sich  Pat.  beim  Spielen  mit 
einem  kleinen  scharfen  Blechstück  eine  ungefähr  bohnengrosse  ge¬ 
lappte  Wunde  am  rechten  Daumen  zu.  Vom  Hausarzt,  der  die 
Blutung  durch  Abschnürung  und  Kompressionsverband  nicht  zum 
Stehen  bringen  konnte,  wird  das  Kind  am  2.  I.  nachm.  6  Uhr  der 
Klinik  überwiesen.  Der  angelegte  Verband  ist  vollständig  durch¬ 
blutet,  das  Blut  rieselt  aus  den  Kapillaren  hervor.  In  Erinnerung  an 
den  prompten  Erfolg  beim  ersten  Fall  wird  die  Wunde  in  der  Ambulanz 
sofort  kauterisiert;  die  Blutung  steht  auch  hier  augenblicklich.  Das 
Kind  wird  mit  einem  leichten  Schutzverband  nach  Haus  entlassen; 
innerhalb  von  8  Tagen  ist  die  Wunde  verheilt. 


Aus  der  akademischen  Kinderklinik  zu  Köln  a.  Rh. 

(Direktor:  Prof.  Dr.  Siegert). 

Ein  Fall  schwerster  Melaena  neonatorum  geheilt  durch 
Injektion  von  defibriniertem  Menschenblut. 

Von  Albert  Merckens. 

Ein  Krankheitssymptom,  dessen  Aetiologie  bisher  noch  in 
keiner  Weise  sicher  festgelegt  ist,  das  neben  Lues  und  Sepsis 
noch  lokalisierte  Erkrankungen  des  Herzens,  des  Gefäss- 
systems  und  des  Magendarmtraktus  als  ätiologisches  Moment 
gelegentlich  in  der  Anamnese  erkennen  lässt,  ist  die  Melaena 
neonatorum.  So  unsicher  die  Ursache  dieser  für  die  Neu¬ 
geborenen  äusserst  gefährlichen  Erkrankung  ist,  ebenso 
zweifelhaft  sind  auch  die  Erfolge,  die  man  mit  den  bisherigen 
therapeutischen  Mitteln  erzielt  hat.  Liquor  ferri  sesquichlorati, 
Extractum  secalis  cornuti,  Chlorkalzium,  selbst  die  manchmal 
überraschend  schnell  wirkende  Injektion  von  steriler  Gelatine 
Hessen  in  ernsten  Fällen  der  Reihe  nach  manchmal  im  Stich. 

2* 


972  ,  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No. 


Aeltere  Autoren  sprechen  von  einer  Mortalität  von  50  bis 
80  Proz.,  und  nach  Silbermann  ist  die  Sterblichkeit  trotz 
der  Gelatinetherapie  bei  Melaena  etwa  44  Proz.  Bei  diesei 
doch  immerhin  noch  erschreckend  hohen  Mortalitätsziffer  ist 
jedes  neue  therapeutische  Mittel,  das  einigermassen  Erfolg 
versprechen  könnte,  mit  Freuden  zu  begriissen,  zumal  dann, 
wenn  es  nicht  nur  von  der  Klinik,  sondern  auch  von  jedem 
praktischen  Arzte  leicht  angewandt  werden  kann. 

Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  bei  Anämien  anor¬ 
male  Vorgänge  an  dem  Knochenmark  sich  abspielen,  Vor¬ 
gänge,  die  aber  durch  geeignete  Behandlung  wieder  zur 
Norm  zurückzubringen  sind,  hat  M  o  r  a  w  i  t  z  die  bis  dahin 
vernachlässigt  gewesene  Injektion  von  defibriniertem  Meu- 
schenblut  wieder  zu  Ehren  gebracht.  Das  Blut  eines  Ge¬ 
sunden,  sagt  er,  ist  imstande,  das  noch  reaktionsfähige,  aber 
geschwächte  Knochenmark  zu  neuer  Tätigkeit  anzuregen. 

In  seinem  Artikel  über  die  Behandlung  schwerer  Anämien  mit 
Bluttransfusion  warnt  er  ernstlich  vor  der  sofortigen  intravaskulären 
Transfusion  frisch  defibrinierten  Blutes,  da  sich  infolge  des  Ferment¬ 
reichtums  des  frischen  Blutes  leicht  Thromben  bilden  können,  die 
schädliche  Nebenwirkungen  event.  den  Tod  zur  Folge  haben  können. 
Die  Gefahr  dieser  intravaskulären  Thrombenbildung,  die  bei  kurzem 
Defibrinierakt  eine  grosse  ist,  wird  dadurch  verringert,  ja  fast  be¬ 
seitigt,  dass  man  lange  genug,  etwa  15  Minuten  lang  defibriniert,  und 
nicht  unmittelbar  nach  dem  Defibrinieren,  sondern  erst  nach  Verlauf 
von  20 — 30  Minuten  injiziert.  Diese  Warnung  Morawitz’  konnte 
auch  Moldovan  am  Tierexperiment  bestätigen.  Während  er  bei 
sofortiger  Transfusion  von  arteigenem  defibriniertem  Blut  in  die  Ohr- 
vene  von  Kaninchen  unter  den  Erscheinungen  der  Dyspnoe  und 
heftiger  Krämpfe  akuten  Tod  sah  und  bei  der  Sektion  Thromben¬ 
bildungen  in  den  grossen  Gefässen  konstatieren  konnte,  verlief  die 
Injektion  dann,  wenn  er  lange  genug  defibrinierte  und  nach  dem 
Defibrinierakt  etwa  % — Stunde  wartete,  vollständig  reaktionslos. 
Nach  Schultz  ist  die  Gefahr  der  Bluttransfusion  von  Mensch  zu 
Mensch  bei  dem  oben  genannten  korrekten  Verfahren  sehr  gering. 
Die  hie  und  da  auftretenden  Oedeme  und  Kollapserscheinungen  hält 
er  für  bedingt  durch  lokale  Schädigungen  der  Kapillaren  und  nicht 
durch  Thrombose. 

ln  neuester  Zeit  haben  nun  verschiedene  Autoren  über  glänzende 
Resultate  berichtet,  die  sie  durch  die  Injektion  defibrinierten 
Menschenblutes  bei  schweren  Blutungen  zu  verzeichnen  hatten. 
Diese  Beobachter  sagten  sich,  dass  parenchymatöse  Blutungen,  die 
keine  klare  Ursache  haben,  in  erster  Linie  bedingt  sind  durch  eine 
anormale  mangelhafte  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes,  und  dass  man 
bestrebt  sein  müsse,  in  solchen  Fällen  die  Gerinnung  des  Blutes 
therapeutisch  zu  unterstützen.  Schloss  und  Commiskey 
empfehlen  zur  Bekämpfung  der  Hämophilie  der  Neugeborenen, 
und  zwär  der  Hämophilie,  die  auf  verzögerter  Blutgerinnung 
beruht,  als  beste  Behandlung  stets  die  subkutane  Blut¬ 
einspritzung.  Rubin  beschreibt  einen  Fall  von  äusserst 
hartnäckiger  hämorrhagischer  Diathese  bei  einer  50  jährigen 
Frau,  der  aller  medikamentösen  Behandlung  bisher  trotzte,  und  den 
er  durch  3  mal  wiederholte  intramuskuläre  Injektion  von  je  40  ccm 
defibrinierten  Menschenblutes  überraschend  schnell  zur  Heilung 
brachte.  John  sah  ebenfalls  von  dieser  Behandlungsmethode  bei 
6  Fällen  von  typhösen  Darmblutungen,  bei  je  einem  Fall  von  hämor¬ 
rhagischer  Diathese  und  perniziöser  Anämie  ausserordentlich 
günstige  Resultate. 

Es  haben  diese  Autoren  der  intramuskulären  Injektion, 
die  doch  im  Prinzip  dasselbe  ist  wie  die  intravaskuläre  Trans¬ 
fusion,  den  Vorzug  gegeben,  um  sicher  die  event.  doch  einmal 
auftretende  Möglichkeit  einer  Thronibenbildung  zu  vermeiden. 
Mit  wenigen  Worten  sei  die  Gerinnungstheorie  des  Blutes  be¬ 
rührt.  Bekanntlich  sind  zwei  Stoffe  für  die  Gerinnung  des 
Blutes  erforderlich,  das  Fibrinogen  und  das  Thrombin.  Das 
Fibrinogen  ist  im  Blutplasma  als  solches  vorhanden,  dagegen 
muss  sich  das  Thrombin  nach  M  o  r  a  w  i  t  z  aus  3  verschie¬ 
denen  Substanzen  bilden,  aus  Thrombogen,  Thrombokinase 
und  Kalksalzen.  Eine  Störung  in  diesem  Prozess  führt  natür¬ 
lich  zu  einer  mangelhaften  Gerinnbarkeit  des  Blutes.  Für 
die  Melaena  neonatorum  hat  Whipple  experimentell  ge¬ 
zeigt,  dass  der  Fibrinogengehalt  normal  ist,  dass  dagegen  ein 
Mangel  an  Thrombin  die  Ursache  der  Blutungen  ist,  da  auf 
Zusatz  von  Thrombin  die  Blutungen  sistierten. 

Dass  nun  das  Blut  gesunder  Menschen  dieses  Thrombin 
enthält  und,  in  den  Organismus  eines  an  Melaena  erkrankten 
Kindes  eingeführt,  eine  normale  Gerinnung  des  Blutes  herbei¬ 
führen  könnte,  ist  ein  naheliegender  Schluss.  Wie  die  Medi¬ 
kation  wirkt,  ob  das  einverleibte  Blut  als  solches  direkt  nor¬ 
male  Gerinnung  bewirkt,  oder  erst  indirekt  eine  normale 
Thrombinbildung  anregt,  ist  noch  nicht  erwiesen. 


1909  veröffentlichten  S  w  a  i  n,  Jackson  und  Murp 
gemeinschaftlich  ein  von  ihnen  bei  Melaena  zuerst  angewandtes  ' 
fahren  direkter  Bluttransfusion.  Die  Radialarterie  des  Vaters  wi 
direkt  mit  der  Femoralvene  des  Neugeborenen  durch  Kanüle 
bunden  und  eine  geringe  Menge  des  väterlichen  Blutes  übergelt 
Die  Blutungen  standen  und  rasche  Heilung  trat  ein.  Dieses 
sprechende  Verfahren  wandte  mit  dem  gleichen  Erfolge  Mos* 
thal  an.  Im  letzten  Heft  der  Münchener  medizinischen  Wocl 
Schrift,  Jahrgang  1912,  berichtet  Franz  aus  der  Grazer  Frai 
klinik  über  5  Fälle  von  Melaena  neonatorum,  die  mit  subkun 
Injektion  von  Nabelschnurblutserum  alle  geheilt  wurden,  wobei 
angenehme  Nebenerscheinungen  nicht  zur  Beobachtung  kamen. 

Die  intramuskuläre  Injektionstherapie  von  defibrinier 
Menschenblut  haben  wir  nun  kürzlich  bei  einem  Fall  schw 
ster  Melaena  angewandt  und  uns  von  dem  geradezu  ül 
raschend  schnellen  Erfolg  überzeugen  können.  Wir  sine 
folgender  Weise  vorgegangen:  Aus  der  Armvene  eines 
wachsenen  wurden  etwa  25 — 30  ccm  Blut  entnommen, 
sterilem  Erlemneyerkölbchen,  in  dem  sich  sterile  ü 
perlen  befanden,  aufgefangen  und  durch  Schütteln  ej 
15  Minuten  lang  defibriniert.  Von  diesem  defibrinierten  1 
wurden  12  ccm  nach  lA  Stunde  dem  Neugeborenen  mitj 
Pravazspritze  in  die  Glutäalmuskulatur  eingespritzt. 

Der  Anschaulichkeit  halber  sei  mir  gestattet,  in  Kürze  e| 
Auszug  aus  der  Krankengeschichte  zu  geben. 

Anamnese:  Kind  Fr.,  geb.  20.  XI.  1912. 

Eltern  angeblich  gesund,  desgleichen  3  Geschwister.  Mutte» 
Wochenbett.  IV.  Kind,  bekam  Brust  und  soll  gut  getrunken  ha! 
In  der  Nacht  vom  22.  zum  23.  November  fiel  der  Mutter  die  abm 
Blässe  des  Kindes  auf,  und  morgens  waren  die  Windeln  mit  schw 
rotem  Blut  stark  durchtränkt.  Aus  dem  Anus  entleerten  sich  reich 
blutige  Massen  während  des  ganzen  Vormittags. 

23.  XI.  12  3  Uhr  p.  m.  Einlieferung  in  die  Klinik. 

Status:  Ausgetragenes  Neugeborenes.  Zeichen  der  Reife 

handen.  Fettpolster  normal.  Gewebsturgor  gut.  Die  Hautfarbe! 
ganzen  Körpers,  insbesondere  die  Gesichtsfarbe  und  die  der  s 
baren  Schleimhäute  ist  auffallend  blass.  Die  Augenlider  sird  lc. 
ödematös  geschwollen,  ln  den  Windeln  liegen  reichlich  hie  um 
zu  dicken  Klumpen  geronnene  schwarzrote  Gerinnsel,  die  von  bl 
rotem  Hofe  umgeben  sind.  Aus  dem  Anus  quellen  unaufhörlich  di 
flüssige  schwarzbraune  bis  rote  Massen,  die  zum  Teil  noch 
frischrotem  Blut  vermengt  sind.  Puls:  eben  fühlbar,  klein  und  i 
Herzaktion  regelmässig.  Töne  leise.  Atmung  etwas  oberfläch: 
aber  sonst  gut.  Die  sonstigen  Organe  zeigen  absolut  normalen 
fund,  nur  hat  das  Kind  noch  eine  Missbildung  am  Genitale,  die  k 
Beziehungen  zu  dem  jetzigen  Zustand  hat.  Temperatur  34,5.  Uri 
Eiweiss:  Spuren.  Zucker  +. 

Therapie:  4  Uhr  p.  m.  intramuskuläre  Injektion  von  12 
defibriniertem  Menschenblut.  Wärmeflasche.  Eisgekühlte  Fra 
milch  in  kleinen  Mengen. 

Verlauf:  Abends  8  Uhr:  Die  profusen  Blutungen  aus  dem 
haben  aufgehört.  Das  Kind  nimmt  Nahrung.  Temperatur  37, ü. 

24.  XI.  Im  Laufe  des  Tages  werden  2  Stühle  entleert.  I 
Stühle  sind  pechschwarz,  ins  grünliche  schillernd,  und  enthalten  j 
frisches  Blut  mehr.  Die  chemische  Blutprobe  mit  beiden  Stühle! 
positiv.  Nahrungsaufnahme  befriedigend.  Gewicht  2670. 
peratur  morgens  37,5,  abends  36,7. 

25.  XI.  Kein  Stuhl.  Die  Gesichtsfarbe  und  die  Farbe  der  iibi: 
Körperhaut  ist  nicht  mehr  so  blass,  die  Schleimhäute,  besonder: 
der  Lippen,  sind  mässig  gut  durchblutet.  Kind  schreit  kr, 
Nahrungsaufnahme  gut.  Gewicht  2720.  Temperatur  morgens  j 
abends  36,7. 

Blutuntersuchung:  Hämoglobingehalt  nach  Autenrij 

46  Proz.,  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  1  150  000,  neutrophile  Le. 
zyten  30  Proz.,  eosinophile  Leukozyten  5  Proz.,  grosse  Lymphoz 
12  Proz.,  kleine  Lymphozyten  52  Proz.,  Normoblasten  1  Proz. 

26.  XI.  Kein  Stuhl.  Status  idem.  Gewicht  2750.  Tempe 
morgens  36,9,  abends  36,7. 

27.  XI.  Morgens  6  Uhr  30  Min.  a.  m.  nach  2  Tagen  erste  S 
entleerung.  Der  Stuhl  ist  von  braungelblicher  Farbe,  enthält  k'i 
Schleim;  makroskopisch  sieht  man  nur  noch  einzelne  Spuren 
Blut.  Die  chemische.  Blutprobe  ist  schwach  positiv.  Das  Bein 
ist  dauernd  gut.  Nahrungsaufnahme  befriedigend.  Gewicht 
Temperatur  morgens  37,0,  abends  36,8. 

28.  XI.  Das  Kind  macht  den  Eindruck  eines  gut  gedeihe 
gesunden  Brustkindes.  Abends  6  Uhr  Stuhlentleerung.  Der 
hat  die  Beschaffenheit  eines  normalen  guten  gelblichen  Bruststi 
in  dem  makroskopisch  nicht  mehr  die  geringsten  Spuren  von 
zu  sehen  sind.  Auch  die  chemische  Blutprobe  ist  absolut  nej 
Gewicht  2750.  Temperatur  morgens  37,3,  abends  36,9. 

29.  XI.  Der  gute  Zustand  und  das  normale  Gedeihen  halte 
Ein  Stuhl  von  normaler  gelblicher  Farbe,  in  dem  chemisch  kein 

j  nachweisbar  ist.  Urin  o.  B. 

Blutuntersuchung:  Hämoglobingehalt  nach  Autenr 

50  Proz.,  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  2  390  000,  neutrophile  Le 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


973 


lai  1913. 


i  26  Proz.,  eosinophile  Leukozyten  8  Proz.,  grosse  Lymphozyten 
roz..  kleine  Lymphozyten  44  Proz.,  Uebergangsformen  1  Proz., 
:  zellen  2  Proz. 

Gewicht  2740.  Entlassung  des  Kindes. 

Nachuntersuchung:  Nach  3  Wochen,  am  21.  XII.  12  stellt  die 
i  er  das  Kind  wieder  vor  und  gibt  an,  dass  das  Kind  gut  an  der 
t  trinke,  munter  sei,  und  dass  die  Stühle  stets  von  normaler 
icher  Farbe  seien.  Blutungen  seien  nie  mehr  aufgetreten. 
<tiv  befindet  sich  das  Kind  in  einem  tadellosen  Zustand  und  wiegt 
2,  hat  also  in  3  Wochen  460  g  zugenommen. 

Die  Blutuntersuchung  ergab :  Hämoglobingehalt  nach  Aulen- 
h  60  Proz.,  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  3  290  000,  Zahl  der 
;en  Blutkörperchen  9500,  neutrophile  Leukozyten  14  Proz., 

;  ophile  Leukozyten  2  Proz.,  grosse  Lymphozyten  18  Proz.,  kleine 
rhozyten  66  Proz. 

Wie  hat  man  sich  nun  den  Erfolg  der  therapeutischen 
ikation  zu  denken?  Das  an  Melaena  erkrankte  Neu- 
rene  hatte,  offenbar  unter  einem  Mangel  an  Thrombin 
.nd,  die  normale  Gerinnbarkeit  seines  Blutes  verloren, 
gedessen  kam  es  zu  ständigen  Blutungen  aus  den  Schleim¬ 
en,  namentlich  aus  denen  des  Darmes.  Durch  die  Zufuhr 
.  gesundem  defibrinierten  Menschenblut  wurden  dem  Or- 
smus  Blutgerinnungsfermente  mitgeteilt,  die  entweder 
tt  eine  bessere  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  hervor« 
fen  oder  indirekt  zur  Bildung  von  Thrombin  Anregung 
ben  haben. 

Interessant  ist  noch  der  Blutbefund  in  Bezug  auf  den 
oglobingehalt  und  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen,  der 
de  im  Gegensatz  zu  den  Beobachtungen  von  Bennecke 
.  Während  dieser  Autor  im  unmittelbaren  Anschluss  an 
Transfusion  von  defibriniertem  Menschenblut  bei  perni- 
t  Anämie  ein  Sinken  des  Hämoglobingehaltes  und  der 
n  Blutkörperchen  konstatieren  konnte,  sahen  wir  hier  vom 
mnkte  der  Injektion  ab  ein  stetiges  Ansteigen  dieser 


te,  wie  die 

Tabelle  zeigt. 

Datum 

H  ämoglobingehalt 

Zahl  der  roten  Blutkörperchen 

23.  XI. 

Injektion 

25.  XI. 

46  Proz. 

1  150  000 

29.  XI. 

50  , 

2  390  000 

21.  XII. 

60  , 

3  290  000 

Der  speziellere  Blutbefund  der  farblosen  Zellen  lässt  ein 
;es  Ueberwiegen  der  Lymphozyten  erkennen,  das  be- 
i  ers  deutlich  bei  der  letzten  Zählung  hervortritt  und  die 
lalen  Grenzen  etwa  um  15 — 20  Proz.  überschreitet,  und 
dementsprechende  Verminderung  der  neutrophil  ge- 
ten  Leukozyten. 

Dieser  Erfolg  der  Injektion  von  defibriniertem  Menschen- 
lässt  diese  Behandlungsmethode  bei  allgemeinen  schweren 
ingen,  wo  die  Gefahr  einer  totalen  Verblutung  vorhanden 
ls  beachtens-  und  nachprüfungswert  erscheinen,  vor  allem 
er  Melaena,  die  hier  wohl  zum  ersten  Mal  und  mit  bestem 
g  so  angegangen  wurde. 

Literatur. 

len  n  ecke:  Ueber  unsere  Misserfolge  mit  der  Bluttransfusion 
erniziöser  Anämie.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912.  —  Feer: 
mch  der  Kinderheilkunde.  —  Franz:  Serumtherapie  bei 
na.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912.  —  Hammersten: 
ologische  Chemie.  —  John:  Ueber  therapeutische  Erfolge  bei 
ngen,  hämorrhagischer  Diathese  und  perniziöser  Anämie  durch 
ion  von  Serum  bzw.  defibriniertem  Blut  Gesunder.  Münch. 
Wochenschr.  1912.  —  M  o  1  d  a  v  a  u :  Ueber  die  Wirkungen 
askulärer  Injektionen  frischen  defibrinierten  Blutes  und  ihre 
hungen  zur  Frage  der  Transfusion.  Deutsche  med.  Wochen- 
t  1910.  —  Pfaundler-Schlossmann:  Lehrbuch  der 
rheilkunde.  —  Schloss  and  Commiskey:  The  etiology 
reatment  of  the  socalled  hemorrhagic  disease  of  the  newborn. 

.  Journ.  Dis.  Children,  April  1912.  —  Rubin:  Ueber  einen  Fall 
äckiger  hämorrhagischer  Diathese,  geheilt  durch  Injektion  de- 
erten  Blutes.  Münch.  med.  Wochenschr.  1912.  —  Whipple: 
rrhagie  disease  septicemia,  melena  neonatorum  hepatic  cirrhosis. 
of.  int.  med.  1912. 


Oberösterreichische  Landes-Frauenklinik  Linz  a.  Donau 
(Primararzt:  Prof.  Dr.  H.  Sch  mit). 

Klinische  Versuche  mit  wehenanregenden  Mitteln*). 

Von  Sekundararzt  Dr.  Franz  Ertl. 


Nach  den  neueren  Anschauungen  sind  in  den  Mutterkorn- 
und  Hypophysenpräparaten,  als  deren  Repräsentanten  Seka- 
kornin  und  Pituitrin  resp.  Pituglandol  gelten,  sehr  ähnliche 
chemische  Prinzipien  wirksam.  Man  glaubt,  diese  in  den 
sympathomyometrischen  Aminen  gefunden  zu  haben,  die  als 
Abbauprodukte  der  Eiweissarten  aufzufassen  wären. 

(Trotzdem  ist  die  Wirkungsweise  der  Mutterkorn-  und 
Hypophysenpräparate  nicht  ganz  gleich.) 

Im  Frauenspital  Basel  wurde  unter  Leitung  H  e  r  f  f  s  mit  kleinen 
Dosen  Sekakornin,  verabfolgt  in  jedem  Stadium  der  Geburt,  sehr 
günstige  Resultate  erzielt.  Selbst  bei  noch  nicht  entfalteter  Zervix, 
bei  noch  erhaltener  Blase,  bei  normalem  wie  auch  verengtem  Becken, 
wurde  bei  Wehenschwäche  Sekakornin  in  Dosen  von  0,25 — 0,5  sub¬ 
kutan  injiziert.  Niemals  hatten  v.  H  e  r  f  f  und  Hell  —  wie  es  in  der 
Arbeit  heisst  —  einen  dauernden  Tetanus  uteri  mit  Schädigung  des 
Kindes  zu, beklagen  gehabt.  In  82,2  Proz.  trat  nach  Sekakornin  bei 
Wehenschwäche  Spontangeburt  auf.  Unter  162  Fällen  starben  zwar 
10  Kinder,  d.  i.  6,2  Proz.,  jedoch  ist  auch  in  diesen  10  Fällen  die 
Wirkung  des  Sekale  nicht  als  Todesursache  anzusehen,  da  andere 
üble  Zufälle  (Placenta  praevia,  Hirnblutung  nach  Forzeps,  Nabel¬ 
schnurvorfall,  vorzeitige  Lösung  der  Plazenta,  Staphylokokken¬ 
bakteriämie  des  Kindes,  3  fache  Nabelschnurumschlingung  um  den 
Hals,  enges  Becken)  Vorlagen. 

Obwohl  sich  Sekakornin  in  kleinen  Dosen  als  gutes  Wehenmittel 
erwies,  konnte  eine  wesentliche  Verminderung  der  Zangenoperationen 
nicht  beobachtet  werden,  was  wohl  darauf  zurückzuführen  ist,  dass 
im  Frauenspital  Basel  in  den  letzten  10  Jahren  ohnedies  bei 
14  538  Geburten  im  ganzen  nur  2,3  Proz.  Zangen  angelegt  wurden, 
welche  Zahl  sich  wohl  nicht  mehr  tiefer  herabdrücken  lassen  wird. 

Interessant  ist  die  Gegenüberstellung  der  Wirkungsweise  der 
beiden  Mittel  Sekakornin  und  Pituglandol. 

Beide  Mittel  steigern  die  Wehenfrequenz.  Das  Sekakornin  wirkt 
meist  innerhalb  10 — 15  Minuten  post  injectionem,  seine  Wirkungs¬ 
dauer  ist  zirka  3  Stunden  (schwer  lösliches  Präparat).  Nach  Pitu- 
glandolinjektion  setzt  die  Wirkung  meist  zwischen  5 — 10  Minuten  ein 
und  dauert  meistens  2,  seltener  3  Stunden.  Beide  Mittel  wirken 
jedoch  nur,  wenn  schon  Wehen  vorhanden  waren.  Also  ist  ihre 
Wirkung  unsicher  während  der  Schwangerschaft,  wie  im  allerersten 
Beginn  der  Geburt.  Dem  Pituglandol  ist  eigentümlich,  dass  in  der 
Nachgeburtsperiode  öfter  schwere  Atonien  auftreten.  Sekakornin 
kann  in  seltenen  Fällen  auch  in  geringen  Dosen  einen  Wehensturm, 
ja  sogar  einen  Tetanus  uteri  hervorrufen.  (2  Fälle  von  Hofbauer 
publiziert  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  22),  aber  auch  nach 
Pituglandol  kann  gelegentlich  Wehensturm  auftreten.  Auch  kommen 
nach  Hypophysenpräparaten,  allerdings  ziemlich  selten,  Nebenerschei¬ 
nungen  vor,  wie:  allgemeines  Unbehagen,  Schweissausbruch,  Ohren¬ 
sausen,  Herzklopfen,  Schwindel,  die  als  Folgen  der  blutdrucksteigern¬ 
den  Komponente  aufzufassen  sein  mögen. 

Ein  Vergleich  der  Wirkungskraft  des  Pituglandols  zu  der  des 
Sekakornins,  führt  zu  dem  Verhältnis  ca.  1:4,  d.  h.  das  Pituglandol 
ist  ca.  viermal  schwächer  als  Sekakornin.  Dies  letztere  bleibt  das 
souveräne  Mittel  in  der  Nachgeburtsperiode  zur  Bekämpfung  der 
Gebärmutterlähmungen. 


*)  Nach  einem  am  5.  Dezember  1912  in  der  Ortsgruppe  Linz  des 
Vereins  der  Aerzte  von  Oberösterreich  gehaltenen  Vortrage. 


Obwohl  es  seit  jeher  ein  Bestreben  der  Geburtshelfer  ge¬ 
wesen  ist,  durch  Mittel  der  verschiedensten  Art,  den  wehen¬ 
schwachen  Uterus  zu  beeinflussen,  so  konnte  keines  der  bisher 
als  kontraktionsauslösend  und  wehenerregend  bekannten 
Mittel  wie:  Secale  cornutum,  Chinin,  Pilokarpin,  Zimt,  Borax, 
Zucker,  Salizylsäure  einen  allgemein  anerkannten  Wert  in 
der  Geburtshilfe  behaupten.  Namentlich  die  Mutterkornprä¬ 
parate,  deren  sichere  Wirkung  auf  die  glatte  Muskulatur  des 
Uterus  allgemein  bekannt  ist,  wurden  in  Betreff  ihrer  An¬ 
wendung  während  der  Eröffnungs-  und  Austreibungszeit  fast 
allseits  abgelehnt  —  was  seinen  Grund  darin  hat,  dass  Sekale- 
präparate,  in  grösseren  Dosen  verabfolgt,  keine  regelrechten 
Wehen  mit  Wehenpausen,  sondern  einen  Gebärmutterkrampf 
bewirken. 

Es  ist  ein  Verdienst  von  Otto  v.  Her  ff  und  Luis  Hell, 
in  einer  im  Archiv  für  Gynäkologie,  Band  97,  Heft  3  er¬ 
schienenen  Arbeit  über  Sekakornin,  die  Frage  der  wehen¬ 
anregenden  Mittel  auf  Grund  zahlreicher  Versuche  neu  an¬ 
geschnitten  und  namentlich  die  Wirkungen  der  heutzutage 
aktuellen  Mittel,  wie  Sekakornin  und  Pituglandol,  exakt  nach¬ 
geprüft  zu  haben. 


974 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  I 


Vorsicht  ist  geboten,  das  Sekakornin  anzuwenden  in  der  Geburt 
bei  schwachen,  aber  regelmässigen  häufigen  Wehen,  weil  dies 
leicht  zu  einem  Wehensturm  führen  kann.  Zu  empfehlen  ist  die  An¬ 
wendung  des  Sekakornins  in  der  Geburt  bei  Wehenschwäche,  welche 
mit  seltenen  Wehen  einhergeht. 

Sehr  lehrreich  ist  auch  eine  Arbeit,  welche  aus  dem  Stuttgarter 
Wöchnerinnenheim  von  Dr.  Ernst  Heimann  über  ein  syn¬ 
thetisches  Sekaleersatzpräparat,  namens  Systo- 
g  e  n  (erzeugt  von  Firma  La  Zyma,  Aigle,  Schweiz)  auch  unter 
dem  Namen  Tokosin,  jetzt  unter  dem  Namen  Uteramin  ausgegeben, 
erschienen  ist.  Systogen  stellt  das  Tyrosamin  oder  Paraoxyphenyl- 
äthylaminum  hydrochloricum  dar  und  lässt  sich  aus  dem  Tyrosinkern 
(einem  Albuminderivat)  ableiten.  Es  wird  aus  Seide  dargestellt  und 
hat  eine  blutdruckerhöhende  und  uteruskontrahierende  Wirkung. 

1  ccm  einer  Vz  proz.  Lösung  des  Systogens  entspricht  der  Wir¬ 
kung  von  2  g -Mutterkorn  in  frischem  Zustande.  Heimann  be¬ 
richtet  über  208  Fälle,  in  denen  er  das  Präparat  nach  der  Geburt  des 
Kindes  oder  unmittelbar  vor  derselben  gegeben  hat  und  sah  hierauf 
immer  starke,  dauernde  Kontraktion  des  Uterus,  die  schon 
V» — 5  Minuten  nach  der  Injektion  zu  konstatieren  war.  Auch  intern 
hat  Heimann  dieses  Präparat  angewendet  in  Dosen  von  Va — 1  ccm 
3  mal  täglich  und  sah  auch  in  gynäkologischen  Fällen  bei  starken 
Metrorrhagien  guten  Erfolg,  so  dass  er  Systogen  für  einen  voll¬ 
ständigen  Ersatz  des  Secale  cornutum  hält 

Auf  der  Landes-Frauenklinik  in  Linz  wurden  Versuche 
mit  Pituitrin,  Pituglandol,  Sekakornin,  Systogen  und  Glan- 
duitrin  gemacht. 

Ueber  das  Pituitrin  (hergestellt  von  der  Firma  Parke, 
Davis  &  Co.)  hat  bereits  Prof.  S  c  h  m  i  t  in  einem  Vortrage  be¬ 
richtet  (Bemerkungen  über  den  Gebrauch  des  Pituitrin  in  der  Geburts¬ 
hilfe.  Aerztl.  Reformzeitung,  Folge  4  des  Jahrganges  1912).  Es  war 
Pituitrin  bei  27  Fällen  in  der  Eröifnungs-  und  Austreibungsperiode 
gegeben  worden  und  zwar  in  19  Fällen  mit  sehr  gutem  Erfolge,  6  mal 
mit  geringem  Effekt,  wobei  bemerkt  werden  muss,  dass  in  3  von 
den  6  Fällen  die  geringe  Wirkung  nicht  auf  das  Konto  des  Pituitrins 
geschrieben  werden  konnte,  weil  bei  Anwendung  des  Mittels  ver¬ 
gessen  worden  war,  die  in  Alkohol  gelegene  Spritze  vor  der  Injektion 
mit  sterilem  Wasser  durchzuspülen.  Wirkliche  Versager  hatten  wir 
bei  diesem  Medikamente  nur  2. 

Angewendet  wurde  in  der  Regel  1  ccm,  selten  nur  eine  halbe 
Spritze  voll.  Beginn  der  Wirkung  5 — 10  Minuten  nach  der  Injektion. 

Pituglandol  wurde  in  35  Fällen  gegeben.  (Wirkungszeit 
ca.  5 — 10  Minuten,  Wirkungsdauer  nach  der  Injektion  2 — 3  Stunden. 
In  Fällen  von  W'ehenschwäche  in  der  Eröffnungs-  und  Austreibungs¬ 
periode  der  Geburt  angewendet.) 

I.  In  20  Fällen  kam  das  Mittel  zu  promptem  Erfolge.  Mittlere 
Dosis  war  2  ccm,  jedoch  sah  man  auch  von  1  ccm  schon  Erfolge, 
wie  auch  3  ccm  auf  einmal  ohne  Nachteile  verabfolgt  werden 
konnten J).  Unter  diesen  Fällen  musste  3  mal  nach  Abgang  der 
Plazenta  Sekakornin  subkutan  gegeben  werden  (Atonia  uteri  post 
partum).  In  einem  Falle  wurde  aus  demselben  Grunde  Systogen 
und  in  einem  anderen  Sekakornin  und  da  dieses  nicht  genügend 
wirkte,  eine  halbe  Stunde  später  3  ccm  Systogen  verabfolgt. 

II.  In  9  Fällen  zeitigte  Pituglandol  (Dosis  1 — 2  ccm)  nur  teil¬ 
weisen  Erfolg,  indem  post  injectionem  temporäre  Wehen  auftraten, 
aber  neuerlicher  Wehenstillstand  eintrat.  Es  war  dies  bei  Fällen  mit 
noch  nicht  eröffneten  Weichteilen  (2  Fälle:  Braxton-Hicks-Wendung 
bei  Placenta  praevia,  Metreuryse  zur  Einleitung  der  Frühgeburt), 
ferner  in  3  Fällen,  wo  wegen  Gefahr  für  Mutter  und  Kind  die  Geburt 
beendet  werden  musste  (hoher  Forzeps,  Beckenausgangszange, 
Peiforation  am  toten  Kind).  Und  endlich  in  4  Fällen,  in  denen  wegen 
Abklingens  der  Wirkung  des  Pituglandols  Sekakornin  in  geringen 
Dosen  gegeben  wurde,  und  diesem  Mittel  der  Erfolg  der  Wehen- 
anregung  zugeschrieben  werden  musste. 

III.  Versager  mit  Pituglandol  wurden  6  beobachtet  (Dosis 
1 — 2 — 3  ccm)  und  zwar  bei  nicht  eröffneten  Weichteilen  und  keinen 
vorausgegangenen  Wehen.  (Metreuryse,  2  mal  vorzeitiger  Blasen¬ 
sprung,  Braxton-Hicks-Wendung,  vorzeitige  Lösung  des  regelrecht 
sitzenden  Fruchtkuchens,  und  1  mal  bei  tiefem  Querstand,  in  letzterem 
Falle  wurde,  wegen  vollständigem  Wehenstillstand  auch  nach  Pitu¬ 
glandol,  die  Zange  gemacht.) 

Sekakornin  wurde  in  44  Fällen  gegeben.  Wirkungszeit 
15 — 20 — 30  Minuten  nach  der  Injektion.  Die  Wirkung  setzte  all¬ 
mählich  ein,  verstärkte  sich  am  meisten  1 — 2  Stunden  post  injectionem, 
um  nach  ca.  4 — 5  Stunden  wieder  aufzuhören. 

A.  Als  uterustetanisierendes  Mittel  in  der  Nachgeburtsperiode 
(Dosis  1 — 2  g  subkutan).  In  14  Fällen  prompter  Erfolg,  andauernde 
gute  Uteruskontraktion. 

B.  Prophylaktisch  vor  Laparotomie  bei  Sectio  caesarea  wurde 
verabfolgt  je  1  ccm  Sekakornin,  einige  Minuten  vor  dem  Hautschnitt. 
In  3  Fällen,  immer  mit  gutem  Erfolge  (Pr.-No.  697,  803,  826  ex  1912). 
Bei  einem  der  Kaiserschnittfälle,  wo  es  sich  um  eine  heftige  Eklampsie, 
bei  unvollständig  eröffneten  Weichteilen  handelte,  trat  in  der  Nacht, 


*)  Hier  muss  bemerkt  werden,  dass  Pituglandol  nur  halb  so  stark 
ist  als  Pituitrin  und  Glanduitrin;  denn  1  ccm  Pituglandol  entspricht 
nur  0,1  g  des  Infundibularteiles  der  frischen  Hypophyse,  während 
bei  Pituitrin  und  Glanduitrin  1  ccm  0.2  g  der  frischen  Drüse  entspricht. 


2  Stunden  nach  der  Operation,  eine  neuerliche  Blutung  auf,  die  ; 
2  g  Sekakornin  steht  (eine  ungünstige  Beeinflussung  der  eklamptisch 
Krämpfe  durch  Sekakornin  konnte  nicht  beobachtet  werden). 

C.  Als  wehenanregendes  Mittel  in  der  Austreibungsperiode 
26  Fällen  (Dosis  0,3 — 0,4 — 0,5  ccm  subkutan)  immer  mit  Erfolg. 

Unter  diesen  Fällen  sind  2,  bei  denen  die  Kinder  asphyktis 
zur  Welt  kamen,  aber  wieder  belebt  wurden.  In  6  Fällen  wur 
wegen  Gefahr  für  das  Kind  der  Forzeps  angelegt.  In  einem  F 
(Pr.-No.  841)  starb  das  Kind  5  Minuten  nach  der  Geburt  an  Asphyx 
infolge  heftig  auftretender  und  langdauernder  Wehen  nach  0,5  ci 
Sekakornin,  welches  X  Stunden  vor  der  Geburt  gegeben  word 
war.  In  3  anderen  Fällen,  bei  denen  auch  Sekakorninmedikati 
erfolgt  war,  starben  die  Kinder  auf  Grund  anderer  Geburtstraum 
(Pr.-No.  650/1912  Partus  protractus  [3  Tage  dauernd]  bei  40 jährig 
XlV.-para;  Pr.-No.  765  rachitisches  Trichterbecken,  35jährige  Prir 
para,  Einleitung  der  Frühgeburt,  Geburtsdauer  3  Tage,  Steisslac 
Pr.-No.  852  21  jährige  I.-para,  allgemein  gleichmässig  vereng 
Becken,  hohe  Zange;  Kind  stirbt  infolge  meningealer  Blutung.) 

In  diesen  3  Fällen  hatte  Sekakornin  in  Dosen  von  je  0,5  c> 
regelmässige  Wehen  ausgelöst,  niemals  einen  Uteruskrampf  erzeu 

D.  Als  Versager  verdient  ein  Fall  (Pr.-No.  705/1912)  erwiil 
zu  werden,  bei  dem  Sekakornin,  1  ccm,  nach  Abgang  der  Nacj 
gebürt  versagte.  Es  handelte  sich  um  eine  43  jährige  XlV.-para, 
bei  der  Aufnahme  leicht  blutete,  doch  bestand  trotz  Eröffnung  ci 
Weichteile,  Wehenschwäche.  Sie  erhält  2  ccm  Pituglandol,-  10  fj 
nuten  später  kräftige  Wehen,  20  Minuten  später  Geburt  des  Kind 
Hierauf  Atonia  uteri,  obwohl  die  Plazenta  spontan  abging.  1  c 
Sekakornin  bringt  die  Blutung  nicht  zum  Stillstand,  so  dass  14  Stur 
später  3  ccm  Systogen  gegeben  werden,  worauf  sich  der  L'tei 
kontrahiert  und  die  Blutung  steht. 

Systogen2)  (para  Oxyphenyläthylamin  hydrochloricu 
Tokosin,  Tyramin,  Uteramin,  wie  die  anderen  Laboratoriumsnarr 
heissen)  wurde  in  20  Fällen  gegeben.  Eintritt  der  Wirkung  5—10  f 
nuten  nach  der  Injektion.  Dauer  der  Wirkung  ca.  3  Stunden.  Do; 
1 — 2 — 3  g  subkutan. 

I.  Als  uterustetanisierendes  Mittel  in  der  Nachgeburtsperir 
mit  Erfolg  in  14  Fällen.  Darunter  1  Fall  (Pr.-No.  761),  bei  dem 
Wochenbett,  am  Tage  nach  der  Geburt,  eine  Blutung  von  ziemlid 
Stärke  auftrat,  die  aber  auf  3  ccm  Systogen  prompt  zum  Stillstai 
gebracht  wurde. 

II.  In  einem  Falle  (Pr.-No.  731/1912),  bei  dem  wegen  Blutu; 
Expressio  placentae  nötig  war,  stillen  2  ccm  Systogen  die  Blutu, 
nur  temporär,  1  Stunde  später  neuerliche  Atonie,  trotz  2  ccm  Sei 
kornin.  Bei  der  Uterusaustastung  fanden  sich  Deziduareste;  nai 
Uterustamponade  stand  die  Blutung.  Diesen  Fall  kann  man  weg 
Retention  von  Eiresten  nicht  als  unbedingten  Versager  auffass 

III.  Systogen  als  wehenanregendes  Mittel  in  der  Eröffnung 
und  Austreibungsperiode  ergab  in  5  Fällen  Versager.  Dosis  M*— 2 cc 

Nach  diesen  Ergebnissen  scheint  Systogen n 
in  der  Nachgeburtsperiode,  nach  vollkommen 
Entleerung  des  Uterus  wirksam  zu  sein. 

Glanduitrin  (Extractum  glandulae  Pituitariae  sterilisatui 
Dosis  1  ccm  des  wässerigen  Extraktes  subkutan  entspricht  0,2; 
des  infundibulären  Anteils  der  frischen  Hypophyse. 

I.  Als  wehenerregendes  Mittel  in  der  Eröffnungs-  und  Ai 
treibungsperiode  in  7  Fällen  bei  Wehenstillstand  und  Wehenschwäc 
mit  sehr  promptem  Erfolge  angewendet.  Niemals  eine  Nachblutn 
nach  Abgang  der  Plazenta.  Die  Kinder  kamen  alle  lebensfrisch  ; 
Welt.  Wirkungszeit  schwankt  zwischen  4 — 8  Minuten  nach  c 
Injektion.  Es  setzte  in  einigen  Fällen  geradezu  ein  Wehensturm  e; 
die  Wirkung  hielt  bis  zur  Geburt  an,  welche  meist  sehr  prompt  m: 
der  Injektion  erfolgte.  Die  Zeit  zwischen  Injektion  und  Geb ; 
schwankt  zwischen  10  Minuten  bis  V/z  Stunden. 

II.  In  einem  Falle  (Pr.-No.  613/1912)  ergab  Glanduitrin  ein 
Versager.  Es  handelte  sich  um  eine  27  jährige  Ill.-para  mit  st 
engem  Becken.  (Frühere  Geburten  waren  Kraniotomien.)  Einleitt: 
der  künstlichen  Frühgeburt  durch  Tamponade.  Am  2.  Tage  1  c; 
Glanduitrin,  das  nur  temporär  Wehen  erzeugte.  Auch  am  4.  Ta. 
an  dem  Metreuryse  gemacht  wurde,  hatte  1  ccm  Glanduitrin  kein 
Erfolg.  Am  5.  Tage  0,3  Sekakornin,  nach  3  Stunden  konnte  1 
Wendung  gemacht  werden.  Kind  stirbt  nach  der  Geburt  infoi; 
meningealen  Blutergusses.  (Geburtstraumen  bei  der  manuel 
Extraktion.) 

Nach  den  Beobachtungen  in  der  Landes-Frauenklir 
Linz  ergibt  sich: 

1.  Pituitrin  hatte  in  92,6  Proz.  unter  den  27  Anwt 
düngen  in  der  1.  und  2.  Geburtszeit  Wirkung  und  zwar  gute 
Erfolg  in  70,4  Proz.  und  geringen  Effekt  in  22,22  Prc. 
7,4  Proz.  Versager.  (Dosis  1  ccm.) 

2.  Pituglandol,  verwendet  in  35  Fällen  in  der  F 
öffnungs  - und  Austrittsperiode,  wurde  in  83  Pro 
erfolgreich  angewendet  (in  57  Proz.  mit  promptem,  in  26  Prc 

2)  Dieses  Präparat,  welches  unter  dem  Namen  Uteram 
erst  in  den  Handel  gekommen  ist,  wurde  uns  von  der  Fin 
..Chemische  Fabrik  Zyma“  zu  Versuchszwecken  zur  Verfügung  f 

stellt. 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


975 


it  teilweisem  Erfolg).  (Dosis  1—3  ccm.)  In  17  Proz.  der 
Ule  versagte  es.  (Dosis  1 — 3  ccm.) 

3.  Sekakornin  in  15  Fällen  der  Nachgeburtsperiode 
d  in  3  Fällen  vor  Sectio  caesarea  angewandt,  zeigte  in 
,2  Proz.  Erfolg,  blieb  in  5,8  Proz.  ohne  Erfolg  (Dosis  1  bis 
ccm),  als  wehenanregendes  Mittel  wurde  es  in  der 
röffnungs-  und  Austreibungszeit  in  26  Fällen, 
imer  mit  Erfolg  angewandt.  (Dosis  0,3— 0,5  ccm!) 

4.  Systogcn  in  der  Nachgeburtsperiode  an¬ 
wandt  wirkte  in  15  Fällen  erfolgreich,  in  1  Fall  versagend, 
h.  94  Proz.  Erfolg  zu  6  Proz.  Versager  (Dosis  1—3  g);  in 
r  Eröffmmgs-  und  Austreibungsperiode  versagte  es  in  allen 
Fällen.  (Dosis  XA — 2  ccm.) 

5.  Glanduitrin  in  8  Fällen  der  Eröffnungs-  und  Aus¬ 
übungszeit  angewandt,  wirkte  in  7  Fällen,  in  1  Fall  ver- 
gte  es,  d.  i.  85  Proz.  Erfolg,  15  Proz.  Versager, 
osis  1  ccm.) 

Resümee:  Pituitrin  (P  a  r  k  e,  D  a  v  i  s  &  Co.)  und 
ituglandol  (La  Roche)  bewährten  sich  eben- 
i  wie  Glanduitrin  (Richter  - Pest)  als  wehen- 
lregende  Mittel  bei  Wehenschwäche  in  der 
-öffnungs-  und  Austreibungsperiode. 

Sekakornin  (La  Roche)  und  Systogen  (Zyma- 
gle)  sind  sehr  brauchbare  Mittel  bei  Wehen- 
hwäche  (Atonia  uteri),  in  der  Nachgeburts- 
Triode. 

Sekakornin  eignet  sich  in  geringen  Dosen 
ishöchstens  0,5  ccm)  auchaiswehen  er  regen  - 
:s  Mittel  bei  Wehenschwäche  in  der  E  r  - 
fnungs-  und  Austreibungsperiode  der 
1 2  b  u  r  t. 


s  der  chirurgisch-orthopädischen  Abteilung  der  Universitäts- 
lderklinik  Graz  (Leiter  der  Abteilung:  Prof.  Dr.  H.  Spitzy). 

Ein  Instrument  zur  radikalen  Phimosenbeseitigung. 

Von  Professor  Dr.  Hans  Spitzy. 

Am  Chirurgenkongress  1912  demonstrierte  ich  ein  Instru- 
nt  zur  unblutigen  Operation  der  Phimose;  es  ist  analog 
en  Instrumenten,  deren  man  sich  zur  unblutigen  Durch- 
2tschung  anderer  Organe  bedient  (Darmquetschen,  Isthmus- 
eschen  bei  der  Schilddrüsenamputation,  allmähliche  Durch- 
Jtschung  bei  Syndaktylie). 

Bei  der  Phimose  ist  die  Aufgabe  dadurch  erschwert,  dass 
sich  um  die  Schaffung  einer  möglichst  grossen  Oeffnung 
ie  Verletzung  der  im  Präputialsacke  liegenden  Glans 
idelt.  Die  Aufgabe  ist  dadurch  gelöst,  dass  die  quetschende 
lge  aus  drei  Branchen  besteht:  einem  olivenförmigen  Mittel- 
ck,  um  das  sich  die  zwei  Branchen  der  Zange  schliessen. 
rd  das  Mittelstück  (nach  eventuell  notwendiger  gewaltsamer 
hnung  der  Vorhautöffnung  mittels  der  spitzen  Zangen- 
inchen)  mit  seinem  verjüngten  Ende  in  den  Vorhautsack 
geschoben  und  die  Zange  darüber  geschlossen,  so  wird 
‘ch  das  Anpressen  der  Zangenbranchen  gegen  das  Mittei¬ 
ck  ein  beliebig  grosses  Stück  der  Vorhaut  weggeklemmt; 
ses  kann  bei  liegender  Zange  knapp  über  der  Zange 
dem  Messer  oder  Paquelin  abgetragen  werden,  die  Wunde 
d  im  ersten  Falle  mit  Jodtinktur  bestrichen,  die  Zange 
■h  einigen  Minuten  (ca.  3—5)  abgenommen  und  die  Wunde 
in  mit  sterilem  Oel  übergossen.  Bei  guter  Qualität  der 
ige  ist  das  innere  Blatt  jetzt  derart  an  das  äussere  gedrückt, 
■s  keinerlei  Blutung  erfolgt. 

Am  zweckmässigsten  ist  es,  bei  weitgeöffneten  Branchen, 
Mittelstück  vom  Frenulum  aus  gegen  den  Sulkus  so  einzu- 
ren,  dass  die  Spitze  gegen  die  Mitte  des  Sulkus  gerichtet 
die  Längsachse  der  Olive  steht  dann  in  der  Sagittalebene. 
das  Präputium  sehr  lang,  so  kann  auch  der  hintere  Teil  mit 
ti  Frenulum  über  die  Olive  zu  gestülpt  werden,  doch  wird 
'  seltener  nötig  sein  und  kann  bei  dem  derberen  Gewebe 
dieser  Stelle  wegen  nicht  völliger  Abklemmung  es  leichter 
einer  nachträglichen  kleinen  Blutung  kommen.  Sonst  hat 
n  es  völlig  in  der  Hand,  durch  grössere  oder  geringere 
irägstellung  des  Instrumentes  das  abzuklemmende  Stück 
1  dadurch  die  Grösse  der  zu  erzielenden  Oeffnung  zu 
lilieren. 


Die  Vorteile  bestehen  hauptsächlich  darin,  dass  die  Vor¬ 
nahme  dieser  Operation  einen  ausserordentlich  geringen  Ein- 
grifi  bedeutet.  Da  sehr  häufig  die  Hernien  kleiner  Kinder  mit 
einer  bestehenden  Phimose  in  Kausalnexus  stehen,  muss  bei 
dei  Hernienoperation  auch  die  Phimose  beseitigt  werden. 
Jede  der  sonstigen  Methoden  würde  aber  eine  wesentliche 
Komplikation  und  Verlängerung  der  sehr  kurzzeitigen,  bei 
Säuglingen  oft  ohne  Narkose  und  Lokalanästhesie  ausgeführten 
Radikaloperation  der  Leistenhernien  nach  Kocher  be¬ 
deuten,  während  die  Abklemmung  rasch  und  ohne  weitere 
Schädigung  bis  auf  den  kurzen  Schmerz  bei  der  Abklemmung 
durchführbar  ist. 

Durch  blosse  Stellung  bezw.  Neigung  des  Instrumentes 
kann  das  Operationsresultat  so  bestimmt  werden,  dass  an¬ 
nähernd  natürliche  Verhältnisse  geschaffen  werden,  die  weder 
einer  rituellen  Beschneidung  ähneln,  noch  durch  unschöne 
Lappenbildung  sich  unangenehm  bemerkbar  machen.  Die 
Quetschnähte  halten 
bei  guter  Zange,  der 
Quetschschorf  fällt 
nach  einigen  Tagen  ab, 
die  Wunde  sieht  schon 
nach  kurzer  Zeit  so 
aus,  wie  der  natürliche 
Uebergang  von  der 
Schleimhaut  zur  äus¬ 
seren  Haut.  Durch  das 
Aufträufeln  von  Oel 
wird  die  Wunde  vor 
Benässtwerden  bei 
kleinen  Kindern  ge¬ 
schützt,  ausserdem 
wird  der  brennende 
Schmerz  beim  Be¬ 
nässtwerden  mit  Urin 
dadurch  sehr  gemil¬ 
dert.  Nach  4  Tagen 
kann  ein  Salbenfleck, 
mit  indifferenter  Salbe 
bestrichen,  gegeben 
werden,  bis  zur  voll¬ 
ständigen  Heilung. 

Eventuell  sich  er¬ 
gebende  Schwierig¬ 
keiten  oder  Zwischen¬ 
fälle  lassen  sich  bei 
sorgfältiger  Anwen¬ 
dung  und  tadel¬ 
losem  Instrument 
vermeiden,  doch  seien 
sie,  wie  sie  die  Er¬ 
fahrung  von  mehreren 
hundert  Anwendungs¬ 
fällen  und  4  jährigem 
Gebrauch  mir  gezeigt 
hat,  hier  angegeben: 

1.  Man  fasse  beim 
Einschieben  der  Olive 
immer  die  Vorhaut  ge¬ 
nau  an  der  Uebergangsstelle  zwischen  Schleimhaut  und 
äusserer  Haut  mit  einer  scharfen  Pinzette,  sonst  rollt  sich  die 
äussere  Haut  ein  und  das  innere  Blatt  bleibt  ungespalten. 

2.  Man  überkorrigiere  immer,  lege  die  Oeffnung  grösser 
bezw.  schräger  an,  als  nachträglich  nötig,  da  sie  sich  bei  der 
Narbenbildung  um  ca.  14  verkleinert;  besonders  wenn  die 
Glans  bedeckt  bleibt.  Am  leichtesten  gelingen  die  Fälle,  bei 
welchen  die  Abklemmungsfurche  parallel  dem  Sulcus  coro- 
narius  so  angelegt  wird,  dass"  die  Glans  bis  zu  einem  Drittel 
freiliegt. 

3.  Sind  flächenhafte  Verwachsungen  vorhanden,  so  löse 
man  sie  vor  der  Abklemmung  nach  der  gewaltsamen  Dehnung, 
die  mit  den  verjüngten  Spitzen  der  äusseren  Branchen  vor- 
genommen  werden  kann.  Nach  der  Abklemmung  ist  jede 
Manipulation  zu  unterlassen,  da  sonst  die  Quetschnähte  auf¬ 
gehen. 


g  »v,, _ - - -  « 


976 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18. 


•4.  Man  kontrolliere  immer  vor  der  Operation,  ob  die  Zange 
exakt  schliesst,  sonst  bekommt  man  nach  Entfernung  der 
Zange  Nachblutungen.  Am  leichtesten  am  Frenulum,  wenn 
man  dasselbe  mitentfernen  muss,  oder  diesem  gegenüber  bei 
der  Dorsalarterie.  Entstehende  Blutungen  werden  am  besten 
sogleich  durch  eine  Umstechung  gestillt,  da  sie  bei  unruhigen 
Kindern  sonst  oft  erst  nach  grösserem  Blutverlust  zu  stehen 
kommen. 

5.  Bei  grossen  Kindern  oder  Erwachsenen  muss  auch  das 
Instrument  entsprechend  grösser  sein.  Die  kleinste  Nummer 
genügt  bis  zum  3.  und  4.  Jahre.  Es  sind  nur  zwei  Grössen  im 
allgemeinen  notwendig,  da  ja  nicht  die  ganze  Olive  eingeführt 
zu  werden  braucht;  bei  einem  Säugling  aber  würde  das  Han¬ 
tieren  mit  dem  grossen  Instrument  die  Ausführungsschnellig¬ 
keit  behindern. 

In  letzter  Zeit  führte  ich  auch  an  Erwachsenen  die  un¬ 
blutige  Abklemmung  mit  tadellosem  kosmetischen  und  funk¬ 
tioneilen  Erfolg  durch;  zur  lokalen  Anästhesie  genügte  das 
Füllen  des  Vorderhautsackes  mit  einer  lOproz.  Novokain¬ 
lösung,  um  das  Einstellen  des  Instrumentes  frei  zu  machen; 
da  die  Abklemmung  nur  ein  momentaner  Schmerz  ist,  der 
nach  der  Durchquetschung  sofort  aufhört,  halte  ich  eine 
weitere  Anästhesierung  für  überflüssig,  doch  ist  gegen  eine 
regionäre  Anästhesie  oder  Aether rausch  nicht  einzu wenden; 
nur  eine  Infiltrationsanästhesie  des  Präputiums  würde  die 
Hantierung  mit  dem  Instrumente,  vielleicht  auch  die  Durch¬ 
quetschung  erschweren. 

Das  Instrument  ist  in  tadelloser  Ausführung  bei  M.  Schaerer- 
Bern  und  A.  B  r  o  z  -  Graz  erhältlich. 


Ueber  eine  verbesserte  Methode  der  Konservierung 
anatomischer  Objekte. 

Von  L.  J  o  r  e  s  in  Köln. 

Nachdem  der  jüngere  B  1  u  m  0  darauf  hingewiesen  hatte, 
dass  formal  ingehärtete  Präparate,  wenn  sie  in  Alkohol  ge¬ 
bracht  werden,  eine  Wiederkehr  der  Blutfarbe  zeigen,  haben 
Melnikow-Raswedenkow* 2),  ich3)  und  K  a  i  s  er¬ 
lin  g  4)  ungefähr  gleichzeitig  und  unabhängig  voneinander 
Methoden  veröffentlicht,  nach  denen  eine  Konservierung  ana¬ 
tomischer  Präparate  mit  Erhaltung  einer  der  natürlichen  Blut¬ 
farbe  sehr  nahestehenden  Färbung  möglich  ist.  Pick5)  und 
Weste nhöffer6)  haben  Modifikationen  dieser  Verfahren 
angegeben. 

Die  Konservierungsmethoden  waren  von  den  drei  Ur¬ 
hebern  empirisch  ausgebildet  und  das  gleiche  Prinzip  liegt 
ihnen  allen  zugrunde.  Dieses  Prinzip  wurde  aber  erst  nach¬ 
träglich  wissenschaftlich  begründet  und  zwar  hat,  nach¬ 
dem  Kaiserling8)  schon  spektroskopische  Untersuchungen 
beschrieben  hatte,  Puppe7)  gezeigt,  dass  durch  Ein¬ 
wirkung  des  Formalins,  unterstützt  von  der  Anwesenheit 
alkalischer  Salze,  der  in  den  Präparaten  vorhandene  Blut¬ 
farbstoff  in  saures  Hämatin  umgewandelt  wird,  und  dass  durch 
die  weitere  Behandlung  des  Objektes  mit  Alkohol  aus  dem 
sauren  Hämatin  alkalisches  entsteht,  welches  eine  dem  Hämo¬ 
globin  ähnliche  Farbe  besitzt.  Die  3.  Lösung  dient  zur  Kon¬ 
servierung  des  Hämatins  und  zur  Aufhellung  des  Präparates. 

Nun  hat  Puppe  seiner  Zeit  (1898)  schon  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  es  besser  sei,  statt  des  alkalischen  Hämatins 
das  Hämochromogen  als  Surrogat  des  ursprünglichen  Blut¬ 
farbstoffes  zu  nehmen.  „Es  ist  leicht  darzustellen,  sein  Rot  hat 
einen  prachtvoll  leuchtenden  Ton  und  ich  glaube  wohl,  sagt 
Pupp  e,  dass  derartige  Präparate,  die  auch  mit  Formaldehyd 
vorbehandelt  sein  können,  gewiss  recht  schöne  Bilder  liefern 
können.“ 

Es  ist  mir  gelungen,  Präparate  herzustellen,  in  denen 
durch  Zusatz  eines  Reduktionsmittels  und  zwar  des  Chloral- 

r)  Zit.  nach  Westenhoeffer,  Salkowski-Festschrift. 

2)  Zentralbl.  f.  Pathol.  1896.  —  Zieglers  Beitr.,  Bd.  19,  1897.  — 
Zentralbl.  f.  Pathol.  1897. 

3)  Zentralbl.  f.  Pathol.  1896. 

4)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1896. 

5)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1900. 

°)  Salkowski-Festschrift. 

7)  Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Med.,  3.  Folge,  Bd.  17. 

8)  Virchows  Arch.,  Bd.  147. 


hydrats  zur  Salzformalinmischung  Hämochromogen  erzeugt 
wird. 

Ich  benutze  die  von  Pick  angegebene  Modifikation 
meiner  Salzformalinmischung,  die  mir  stets  gute  Resultate 
gegeben  hat.  Ob  auch  die  Kaiserling  sehe  Salzformalin- 
lösung  +  Chloralhydrat  gute  Präparate  liefert,  habe  ich  nicht 
ausprobiert.  Es  ist  aber  wahrscheinlich. 

Die  Färbung  der  Präparate  bleibt  nach  dem  Einbringen  in 
die  Konservierungsflüssigkeit  bestehen,  wird  sogar  noch  etwas 
leuchtender.  Bringt  man  Blut  mit  der  Konservierungsflüssig¬ 
keit  zusammen  und  untersucht  nach  einiger  Zeit  aus  dieser 
Mischung  eine  Verdünnung  im  Spektroskop,  so  zeigen  sich  die, 
für  Hämochromogen  in  alkalischer  Lösung  charakteristischen 
Absorptionsstreifen  zwischen  D  und  E,  sowie  zwischen 
E  und  b. 

Den  theoretischen  Voraussetzungen  entsprechend,  zeigt 
die  Methode  auch  praktische  Vorzüge.  Die  Färbung  der  Prä¬ 
parate  wird  wirkungsvoller  und  glänzender  als  nach  den  bis¬ 
herigen  Verfahren  und  vor  allem,  sie  kommt  der  natürlichen 
Blutfarbe  sehr  nahe.  Insbesondere  gibt  die  neue  Methode- 
die  blauroten  Färbungen  gut  wieder.  Auch  die  durch  Fett 
und  lipoide  Substanzen  bedingten  Färbungen  werden  gut 
erhalten.  Vorteilhaft  ist,  dass  die  Organe  die  Blutfarbe  nicht 
vorübergehend  verlieren.  Sie  können  also  aus  der  ersten! 
Lösung  heraus  nach  Stunden  und  Tagen  gut  demonstriert 
werden.  Ferner  tritt  auf  den  nach  der  Härtung  angelegten 
Durchschnitten  die  Färbung  ausgezeichnet  hervor. 

Die  Farbe  der  Präparate  ist  in  der  ersten  Lösung  nicht 
haltbar,  man  lässt  die  Objekte  daher  nicht  länger  darin,  als 
zur  Durchhärtung  notwendig  ist,  aber  es  können  auch  grössere 
Objekte  vollkommen  durchgehärtet  werden.  Nach  dem  Härten} 
in  der  ersten  Lösung  ist  ein  gründliches  Auswässern  der 
Präparate  erforderlich,  ehe  sie  in  die  Glyzerin-Natrium- 
-  aceticum-Lösung  kommen.  Bei  ungenügender  Wässerung  wird] 
die  Farbe  der  Präparate  nach  einiger  Zeit  schmutzig  bräunlich. 
Solche  Objekte  können  durch  Behandlung  mit  Alkohol  aller¬ 
dings  noch  gerettet  werden,  erlangen  aber  nicht  ihren  früheren] 
Glanz  wieder.  Meine  ältesten,  mit  der  modifizierten  Methode 
hergestellten  Präparate  sind  über  1  Jahr  alt  und  haben  sich 
ganz  unverändert  erhalten. 

Zu  mikroskopischer  Untersuchung  sind  Präparate  in  jedem 
Stadium  gut  verwendbar. 

Die  Vorschrift  für  die  Ausführung  der  Methode  kujz  zu-] 
sammengefasst,  lautet  also: 

I.  Härtung  der  Objekte  in  einer  Lösung  von: 

5  Teilen  künstlichen  Karlsbader  Salzes, 

5  Teilen  Formol, 

5  Teilen  Chloralhydrat  (konz.  wässerige  Lösung)  und 

100  Teilen  Wasser. 

Die  Flüssigkeit  kann  mehrfach  gebraucht  werden. 

II.  Gründliches  Wässern  (6  Stunden  und  mehr). 

III.  Einbringen  in  eine  Lösung  von  Kalium  (Natrium)  aceticum  3U, 
Glyzerin  60,  Wasser  100. 


Erysipel  und  Tätowierung. 

Von  Dr.  Ernst  Sehrwald  in  Strassburg  i.  Eis. 

Die  Wundrose  hat  im  allgemeinen  die  Eigentümlichkeit, 
in  scharf  geschlossener  Front  weiterzuschreiten.  Nur  wo 
Spannung  und  Spaltbarkeit  der  Haut  ihr  bequeme  Laufgräben 
eröffnet,  werden  von  dem  geradlinigen  Entzündungswall  aus 
zackige  und  flammenförmige  Ausläufer  in  das  Vorgelände  vor¬ 
getrieben  und  erst  später  rückt  das  Gros  der  Kokken  nach,  um 
auch  hier  das  gesamte  Hautgebiet  zu  besetzen.  Seltener 
schreitet  die  Rose  sprungweise  fort  und  nimmt  plötzlich  eine 
weit  vorgeschobene  Insel  in  Besitz,  während  das  Zwischen¬ 
gebiet  noch  völlig  unberührt  erscheint.  Was  diese  Ab¬ 
weichung  von  der  üblichen  Kampfweise  veranlasst  und  wes¬ 
halb  gerade  eine  bestimmte  Hautinsel  so  vorzeitig  ergriffen 
wird,  lässt  sich  wohl  in  den  meisten  Fällen  nicht  ermitteln. 

Besitzt  diese  Hautinsel  aber  besondere  Eigentümlich¬ 
keiten,  so  ermöglichen  es  diese  unter  Umständen,  einen  Ein¬ 
blick  in  diese  scheinbare  Laune  bei  der  Ausbreitung  des 
Erysipels  zu  gewinnen.  Eine  ganz  sonderbare  Laune  beob¬ 
achtete  ich  bei  einem  Fall  von  Rose.  Die  Erysipelkokken 
zeigten  sich  hier  in  einer  Weise  wählerisch,  dass  man  ver- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


977 


Mai  1913. 


cht  sein  konnte,  ihnen  eine  Art  künstlerischen  Geschmack 
zuschreiben. 

Es  handelte  sich  um  ein  sehr  schweres  Erysipel,  das  von  einem 
miikel  im  Nacken  ausging  und  sich  schnell  über  den  ganzen  Rumpf, 
ils  und  Kopf  ausbreitete.  Es  verlief  mit  ausgesprochenen,  all¬ 
meinen  Störungen  und  bedrohlichen  Erscheinungen  von  seiten  der 
ngen,  des  Darms  und  Gehirns.  Am  11.  Tag  schritt  es  auf  die 
:hte  Schulter  fort,  drang  aber  hier  nicht  gleichmässig  vor,  sondern 
chte  sehr  unerwartet  einen  weiten  Satz  herunter  auf  den  rechten 
m  und  zwar  suchte  es  sich  hier  nicht  eine  beliebige  Insel  aus 
idern  erwählte  sich  die  Stelle  am  Arm,  die  mit  einer  schön  blau 
il  roten  1  ätowierung  geschmückt  war.  Aber  es  begnügte  sich  nicht 
rnit,  sein  Wohlgefallen  an  dieser  Art  barbarischer  Malerei  durch 
nen  vorzeitigen  Besuch  kund  zu  tun,  sondern  es  traf  zwischen 
a  beiden  Farben  des  Gemäldes  wieder  eine  scharfe  Auswahl. 

Während  es  die  blauen  Flächen  völlig  unbeachtet  und  unberührt 
ss,  stürzte  es  sich  um  so  heftiger  auf  die  roten  Stellen,  die  vor¬ 
egend  die  Mitte  der  Tätowierung  einnahmen.  Diese  Stellen  ent- 
ldeten  sich  so  intensiv,  dass  sie  nicht  nur  stark  anschwollen  und 
s  der  Ebene  der  Haut  hervortraten,  sondern  in  kurzer  Zeit  sich 
llständig  mit  kleinen  und  grösseren  Blasen  bedeckten. 

Erst  3  Tage  später,  als  die  heftige  Entzündung  der  roten  Felder 
eder  im  Abklingen  war,  rückte  nun  auch  die  Hauptmacht  des 
ysipels  bis  an  die  Tätowierung  heran,  überzog  aber  im  Gegensatz 
ihren  Vorposten  die  roten  und  blauen  Stellen  jetzt  unterschiedslos 
gleicher  Stärke.  Ein  paar  Tage  später  kam  die  schwere  Infektion 
lleicht  mit  infolge  der  zweimaligen  Serumeinspritzung,  zum  Stehen 
j  gelängte  schliesslich  zur  vollen  Heilung.  Auch  die  tätowierten 
Men  gewannen  völlig  wieder  das  Aussehen,  wie  vor  der  Ervsiüel- 
acke. 

Unwillkürlich  fragt  man  sich  bei  dieser  Beobachtung,  was 
t  die  Erysipelkokken  veranlasst,  sich  wie  wilde  Stiere  auf 
5  noch  weit  entfernt  liegenden  roten  Felder  zu  stürzen  und 
diesen  so  ungewöhnlich  heftig  zu  hausen. 

Sind  diese  Kokken  etwa  imstande,  Farben  zu  unter- 
heiden  und  haben  sie  vielleicht  eine  Vorliebe  gerade  für 
»t?  Das  wäre  ja  denkbar,  da  eine  Reihe  von  Bakterien  eine 
wisse  Lichtempfindlichkeit  besitzen  oder  auf  die  Einwirkung 
rschiedener  Farben  doch  verschieden  reagieren.  Bisher 
ir  von  den  Erysipelkokken  allerdings  nicht  bekannt,  dass 
lichtempfindlich  sind,  noch  weniger,  dass  sie  eine  Vorliebe 
Kot  besitzen.  Andere  Tatsachen  sprechen  auch  nicht  ge- 
ie  für  diese  Annahme.  Die  Erysipelkokken  müssten  dann 
ch  andere  Stellen  der  Körperoberfläche,  die  rot  gefärbt  sind, 
Vorzügen  und  besonders  heftig  heimsuchen,  so  die  Lippen 
d  Wangen.  Das  ist  aber  wohl  noch  nicht  beobachtet 
>rden.  Auch  müssten  sie  von  dem  roten  Blut  in  den  Haut- 
PiUaren  angelockt  werden.  Sie  vermeiden  aber  gerade  die 
itgefässe  und  halten  sich  an  die  ungefärbten  Lymphspalten 
d  Lymphwege  der  Haut.  Zudem  müssten  die  Kokken  die 
:  tätowierten  Stellen  schon  auf  eine  Entfernung  von  20  bis 
cm  erkannt  und  ausgewählt  haben  und  das  wird  man  doch 
»hl  nicht  für  möglich  halten. 

Wenn  die  Kokken  nicht  durch  das  Rot  angelockt  sind,  so 
»re  das  Gegenteil  denkbar,  dass  sie  vielleicht  blaufeindlich 
artet  sind  und  sich  auf  der  Flucht  vor  dem  Blau  nach  den 
:en  Stellen  gerettet  haben.  Im  allgemeinen  äussert  sich  ja 
■  Lichtempfindlichkeit  der  Bakterien  darin,  dass  sie  durch 
:  Einwirkung  des  Lichtes  geschädigt  werden,  und  zwar  ist 
:  Schädigung  um  so  heftiger,  je  kurzwelliger  die  Licht¬ 
ahlen  sind.  Das  schädlichste  Licht  für  die  Bakterien  ist 
iier  das  blaue  und  violette  und  es  wäre  ohne  weiteres  ver- 
ndlicli,  dass  die  Kokken  die  für  sie  schädlichen  blauen 
-  len  vermeiden.  Diese  Scheu  vor  dem  Blau  findet  man  ja 
tar  bei  viel  höher  organisierten  Wesen,  wie  z.  B.  bei  den 
egen.  Die  Kavalleristen  streichen  daher  die  Fensterscheiben 
ihren  Pferdeställen  blau  an,  nicht  aus  Aberglauben,  wie 
mche  meinen,  sondern  weil  sich  die  Beobachtung  immer 
a  neuem  bestätigt  hat,  dass  die  lästigen  Fliegen  die  blauen 
die  meiden. 

Die  Kokken  würden  dann  die  roten  Stellen  nicht  deshalb 
gesucht  haben,  weil  sie  rot  gefärbt  sind,  sondern  weil  die 
e  Farbe  viel  weniger  kurzwellige  Strahlen  durchlässt  und 
i  Kokken  dadurch  in  dem  dunklen,  roten  Schatten  einen 
heren  und  ungefährlichen  Aufenthalt  gewährt.  Dann 
ssten  aber  auch  andere  Stellen  der  Haut,  die  das  Licht 
werer  durchlassen  oder  aus  anderen  Gründen  in  tiefem 
latten  liegen,  besonders  früh  und  heftig  von  der  Wund- 
e  befallen  werden,  so  stärker  pigmentierte  Stellen,  wie 
No.  18. 


Sommersprossen,  Muttermäler  usw.,  dann  behaarte  Teile  und 
vor  allen  Dingen  alle  Körperflächen,  die  auf  der  Bettunter¬ 
lage  unmittelbar  aufliegen  und  dadurch  von  jedem  Lichtzutritt 
sicher  abgeschlossen  sind.  Aber  auch  hiervon  ist  nichts  be¬ 
kannt.  Das  hell  beleuchtete  Gesicht  wird  nicht  weniger  heftig 
von  der  Rose  ergriffen,  wie  der  behaarte  Kopf  oder  wie  der 
Rücken,  der  fast  nie  im  Bett  einen  Lichtstrahl  erhält. 

Dass  in  unserem  Fall  nicht  das  Blau  und  Rot  durch  seine 
optischen  Eigenschaften,  also  durch  die  Wellenlänge  seines 
Lichtes  verschieden  auf  die  Erysipelkokken  wirkte,  ergab  sich 
übrigens  ohne  weiteres  daraus,  dass  die  betreffenden  Teile  von 
der  lichtundurchlässigen  Bettdecke  umhüllt  waren,  so  dass  sie 
sich  in  voller  Finsternis  befanden,  in  der  es  überhaupt  keine 
Farben  und  Farbenwirkungen  gibt. 

Da  die  gefärbten  Stellen  keine  optische  Wirkung  auf  die 
Kokken  äussern  konnten,  erhebt  sich  die  Frage,  ob  sie  viel¬ 
leicht  einen  chemischen  Einfluss  auf  die  Bakterien  auszuüben 
vermochten  und  so  die  merkwürdige  Auswahl  bedingten. 

Fast  allgemein  wird  für  die  roten  Stellen  beim  Tätowieren 
wohl  Zinnober  verwendet  und  für  die  blauen  Stellen  Kohle. 
Die  Kohle  gibt  an  sich  ja  nur  eine  schwarze  Färbung,  sobald 
sie  aber  von  einer  dicken  Lage  weissen  oder  farblosen  Ge¬ 
webes  überdeckt  ist,  erscheint  sie  blau.  Man  tätowiert  daher 
auf  weisse  Hornhauttrübungen  sowohl  die  schwarze  Pupille 
mit  Kohle  ein,  wie  die  umgebende,  blaue  Iris,  nur  muss  die 
schwarze  Farbe  hier  mehr  verdünnt  sein  oder  in  tiefere  Ge- 
webslagen  gebracht  werden. 

Sowohl  die  Kohle,  wie  das  Einfach-Schwefel-Quecksilber, 
der  Zinnober,  HgS,  ist  im  reinen  Zustand  chemisch  fast  völlig 
indifferent,  da  beide  in  den  üblichen  Lösungsmitteln  fast  un¬ 
löslich  sind.  So  lässt  sich  z.  B.  der  Zinnober  weder  in  Salz¬ 
säure,  noch  Salpetersäure  auflösen,  sondern  nur  in  der  Mi¬ 
schung  beider,  dem  Königswasser,  und  die  Kohle  löst  sich 
bekanntlich  noch  viel  schwerer.  Beide  Stoffe  können  daher 
in  reinem  Zustand  auf  die  Haut  und  Kokken  keinerlei  chemi¬ 
sche  Wirkung  ausüben. 

In  der  Regel  sind  aber  beide  Stoffe  nicht  rein.  Versuche 
an  der  Hornhaut  haben  gezeigt,  dass  die  Kohle  heftige  Rei¬ 
zungen  hervorrufen  kann  und  nur  in  der  Form  der  echten, 
chinesischen  Tusche  wirklich  indifferent  ist.  Tusche  wird  nun 
wohl  meist  bei  Tätowierungen  verwandt.  Ist  der  Zinnober, 
wie  in  der  Regel,  durch  Sublimation  gereinigt  worden,  so 
werden  ihm  leicht  noch  Zersetzungsprodukte  oder  Stoffe,  aus 
denen  er  sich  bildete,  anhaften  können,  also  Quecksilberver¬ 
bindungen  und  Schwefelverbindungen.  Beide,  zumal  die 
Quecksilberverbindungen,  sind  nun  aber  ein  starkes  Gift  für 
die  Bakterien  und,  wenn  wirklich  die  beiden  Farbstoffe  einen 
chemischen  Einfluss  auf  die  Bakterien  ausüben,  so  könnte  er 
nur  darin  bestehen,  dass  die  Kokken  die  roten  Stellen  mit  den 
stark  giftigen  Quecksilberverbindungen  vermeiden  und  sich 
in  den  harmloseren  blauen,  kohlegefärbten  Feldern  ansiedeln. 
Es  war  aber  das  Gegenteil  der  Fall  und  eine  chemische  Ein¬ 
wirkung  der  Farbstoffe  lässt  sich  somit  gleichfalls  aus- 
schliessen. 

Sie  ist  von  vorneherein  auch  nicht  wahrscheinlich.  Waren 
wirklich  die  beiden  verwendeten  Farben  unrein,  so  mussten 
durch  den  dauernden  Lymphstrom  doch  bald  alle  löslichen 
Verunreinigungen  weggeführt  und  die  Farbstoffe  ausge¬ 
waschen  und  ausgelaugt  werden,  bis  nur  noch  chemisch  in¬ 
differente,  unlösliche  Stoffe  zurückgeblieben  waren.  Da  die 
Ausführung  der  Tätowierung  weit  zurück  lag,  war  diese  Reini¬ 
gung  der  Farbstoffe  längst  vollendet  und  ein  chemischer  Ein¬ 
fluss  von  dieser  Seite  nicht  mehr  zu  erwarten. 

Wenn  die  benutzten  Farbstoffe  optisch  und  chemisch  nicht 
imstande  waren,  die  auffällige  Auswahl,  die  von  den  Erysipel¬ 
kokken  zwischen  ihnen  getroffen  war,  zu  erklären,  so  bleibt 
nur  ihre  physikalische  Beschaffenheit  noch  als  Ursache  übrig. 

Bei  der  Tätowierung  werden  unlösliche  Farbpartikel  in 
das  Gewebe  der  Haut  eingelagert.  Sie  verlegen  hier  zum  Teil 
die  Lymphspalten  und  Lymphwege  und  können  die  Rinnsale 
für  die  Lymphe  so  verengen,  dass  die  Mikroorganismen  nicht 
mehr  hindurch  zu  schlüpfen  vermögen,  sondern  wie  von  einem 
Filter  zurückgehalten  und  aufgespeichert  werden.  Die  ange¬ 
häuften  Mikroorganismen  können  dann  an  solchen  Stellen  eine 
besonders  heftige  Reaktion  hervorrufen. 


3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRlFt. 


No.  D. 


97<S 


Es  tragt  sich  nun,  ob  die  Zinnoberteilchen  die  Lymphwege 
stark  verengen  und  die  Kohlenteilchen  viel  weniger  oder  gar 
nicht,  wie  es  nach  der  verschiedenen  Art  der  Reaktion  scheint. 
Sehr  feine  Teilchen  von  beiden  Farbstoffen  werden  wohl 
überhaupt  in  dem  Gewebe  der  Haut  sich  nicht  dauernd  ab¬ 
lagern  können,  da  der  Lymphstrom  sie  einfach  weiter  spült 
bis  zu  den  nächsten  Lymphdriisen  und  weil  die  weissen  Blut¬ 
körperchen,  wie  fleissige  Ameisen,  sie  aufladen  und  gleichfalls 
wegschleppen.  Besonders  grosse  und  grobe  Partikel  werden 
gleichfalls  für  die  Filterwirkung  nicht  in  Betracht  kommen. 
Sie  verlegen  die  Lymphwege  so  vollständig,  dass  überhaupt 
keine  Lymphe  mehr  hindurchfliesst  und  daher  auch  kein  Ab- 
filtrieren  von  Bakterien  aus  der  Lymphe  stattfinden  kann.  Es 
wird  daher  nur  eine  eng  begrenzte,  mittlere  Grösse  von  Farb- 
partikeln  übrig  bleiben,  die  bloss  so  weit  die  Lymphkanäle 
verengen,  dass  noch  Flüssigkeit  vorbeiströmen  kann.  Die 
Grösse  dieser  Teilchen  muss  beim  Zinnober,  wie  bei  der  Kohle 
annähernd  gleich  sein.  Wären  die  Kohlenteilchen  wesentlich 
kleiner,  so  wären  sie  fortgespült  worden,  waren  sie  erheb¬ 
lich  grösser,  so  mussten  sie  durch  lokale  Lymphstauung  eine 
ödematöse  Anschwellung  bewirken.  Beides  war  aber  nicht 
der  Fall,  wie  das  Verhalten  der  blau  gefärbten  Stellen  zeigte. 
Es  ist  somit  nicht  wahrscheinlich,  dass  ein  wesentlicher 
Grössenunterschied  zwischen  den  Körnern  der  blauen  und 
roten  Farbe  bestand.  Da  beide  Farben  aus  dem  gasförmigen 
Zustand  sich  ausgeschieden  hatten,  der  Zinnober  bei  der  Reini¬ 
gung  durch  die  Sublimation  und  die  Kohle  als  Russ  bei  der 
unvollkommenen  Verbrennung  von  Kohlenwasserstoffen,  so 
ist  auch  von  vorneherein  kein  wesentlicher  Grössenunterschied 
der  Körner  bei  beiden  Farben  zu  erwarten. 

Aus  all  dem  lässt  sich  schlossen,  dass  die  zwei  Farben 
als  solche  an  der  eigentümlichen  klinischen  Erscheinung  über¬ 
haupt  nicht  unmittelbar  Schuld  sind  und  dass  wohl  mehr 
sekundäre  Verhältnisse  und  Veränderungen  hierbei  eine  Rolle 
spielen.  Dass  im  Gebiet  der  roten  Farbe  die  Streptokokken 
aufgehalten,  abfiltriert  und  aufgehäuft  worden  waren,  ist  wohl 
ziemlich  wahrscheinlich.  Die  Lymphwege  mussten  hier  eine 
Verengerung  erfahren  haben  und  dieser  Vorgang  musste  durch 
die  Tätowierung  verursacht  worden  sein.  Der  blosse  mecha¬ 
nische  Reiz  der  zahlreichen  kleinen  Einstiche  konnte  die  Ver¬ 
engerung  nicht  bedingt  haben,  da  sie  an  den  ebenso  arg  ge- 
stichelten  blauen  Stellen  ausgeblieben  war.  Die  Schuld  musste 
also  am  Farbstoff  liegen.  Jedes  rote  Farbpartikelchen  hatte 
wohl  in  seiner  nächsten  Umgebung  eine  ganz  lokale  Ent¬ 
zündung  hervorgerufen,  die  schliesslich  mit  einer  Binde¬ 
webswucherung  und  der  Einhüllung  des  Farbkörnchens  in  ein 
minimales  Käpselchen  endete.  Diese  vielen  kleinen  Ent- 
zündungs-  und  später  Verdichtungsherde  bewirkten  die  Ein¬ 
engung  der  Lymphströmchen. 

Entweder  war  der  Zinnober  an  sich  nicht  chemisch  rein, 
sondern  enthielt  noch  teilweise  lösliche,  reizende  Bei¬ 
mengungen,  vielleicht  Verbindungen  seiner  beiden  Kom¬ 
ponenten  des  Schwefels  und  Quecksilbers,  oder  das  Zinnober¬ 
molekül  erfuhr  im  Körper  einen  Angriff  durch  spaltende  Ele¬ 
mente,  vielleicht  fermentativer  Natur,  und  spaltete  einzelne 
Schwefel-  und  Quecksilberatome  ab,  die  auch  nach  der  Ab¬ 
sättigung  durch  das  Körpereiweiss  noch  reizend  genug 
wirkten,  um  leichte  Entzündung  in  ihrer  nächsten  Nähe  zu 
machen. 

Nachdem  diese  gelösten  Bestandteile  des  Schwefel- 
Quecksilbers  allmählich  von  der  Lymphe  fortgespült  waren 
und  die  reaktive  Entzündung  und  ihre  Bindegewebswucherung 
die  Farbpartikel  gegen  weitere  Angriffe  von  seiten  der  Körper¬ 
säfte  abgeschlossen  hatte,  hörte  die  Entzündung  auf  und 
erfolgte  die  Heilung  der  zahlreichen  kleinen  Stichwunden.  Die 
völlig  unlöslichen  und  daher  reizlosen  Kohlenteilchen  in  den 
blauen  Feldern  heilten  dagegen  sofort  und  ohne  reaktive  Ent¬ 
zündung  im  Hautgewebe  ein  und  verursachten  hier  auch  keine 
Bindegewebswucherung  und  Verengerung  der  Lymphwege, 
die  imstande  gewesen  wäre,  die  Kokken  der  Wundrose  zu¬ 
rückzuhalten. 

Ist  diese  Auffassung  richtig,  so  müssten  auch  andere  Bak¬ 
terien  unter  Umständen  in  ähnlicher  Weise  sich  gegen  die  ver¬ 
schiedenen  Farben  der  Tätowierung  ungleich  verhalten.  In 
de?  Tat  hat  man  wenigstens  bei  einer  Sorte  von  Krankheits¬ 


erregern  eine  völlig  entsprechende  Beobachtung  machen 
können,  das  ist  bei  den  Spirochäten  der  Syphilis. 

Flor  a  n  g  e  fand  in  einem  Fall,  dass  das  papulöse  Ex¬ 
anthem  der  Syphilis  gerade  an  den  roten  Stellen  der  Täto¬ 
wierung  auftrat,  während  die  blauen  Stellen  von  Exanthem  frei 
blieben.  (Denn.  Zeitschr.  Bd.  16.  H.  12).  Er  schliesst  daraus, 
dass  die  am  meisten  gereizten  Stellen  am  heftigsten  auf  du 
Lues  reagieren,  was  mit  obiger  Beobachtung  und  Erklärung 
übereinstimmt. 

Allerdings  hat  Flor  a  n  g  e  noch  einen  zweiten  Fall  be¬ 
obachtet,  der  genau  das  entgegengesetzte  Verhalten  zeigte. 
Hier  blieben  die  mit  Zinnober  tätowierten  Stellen  frei,  während; 
sich  die  syphilitischen  Papeln  gerade  an  den  blauen  Stellen 
zahlreich  fanden,  ln  diesem  Fall  war  anscheinend  der  zur 
Tätowierung  benutzte  Zinnober  rein  gewesen  und  hatte 
keinerlei  Zersetzung  erfahren,  während  die  Kohle  oder  Tuscht 
unrein  war  und  wie  so  häufig,  wenn  nicht  reine,  chinesische 
Tusche  verwandt  wird,  zu  entzündlichen  Reizungen  gefiihr, 
hatte. 

Lag  in  dem  Rosefall  wirklich  ein  Abfiltrieren  von  Kokken 
vor  infolge  von  Erschwerung  der  Lymphströmung,  so  mussten 
auch  andere  Beeinträchtigungen  der  Lytnphzirkulation  ähn¬ 
liche  versprengte  Erysipelinseln  erzeugen  können.  Es  giebi 
nun  Vorkommnisse,  die  man  durchaus  in  diesem  Sinne  deuten 
kann. 

Zuweilen  erhält  man  bei  der  Wundrose  nach  subkutanen 
Einspritzungen  an  völlig  gesunden  Hautstellen  auch  bei  voll¬ 
ster  Wahrung  der  Asepsis  sehr  bald  ein  inselförmiges  Erysipel 
das  das  Infiltrationsgebiet  der  Einspritzung  umfasst,  an¬ 
scheinend  aber  durchaus  nicht  von  der  Stichstelle  ausgeht 
sondern  von  der  Peripherie  des  Infiltrationstumors.  Vor¬ 
bedingung  ist,  dass  die  Injektionsflüssigkeit  nur  sehr  langsan 
resorbiert  wird,  längere  Zeit  als  Geschwulst  nachweisbai 
bleibt  und,  wie  aus  dem  Bestehenbleiben  der  Geschwulst  her¬ 
vorgeht,  den  Flüssigkeitsabfluss  an  dieser  Stelle  zeitweise  er¬ 
schwert.  Dass  eine  solche  Stelle  mit  behinderter  Lymph 
Strömung  dann  gleichfalls  als  Bakterienfilter  wirken  kann,  is 
ja  leicht  verständlich. 

Da  bei  dem  tätowierten  Patienten  die  Hauptmasse  des 
Erysipels  nach  2 — 3  Tagen  in  ihrem  Vormarsch  von  dei 
Schulter  her  die  tätowierte  Stelle  erreichte  und  nun  in  gleiches 
Weise  die  roten  und  blauen  Felder  der  Zeichnung  ergriff,  dar 
man  wohl  schliessen,  dass  an  den  blauen  Stellen  durchaus 
keine  Unempfindlichkeit  gegen  die  Streptokokken  und  aucl 
kein  voller  Verschluss  der  Lymphwege  oder  eine  fiir  dis 
Kokken  schädigende  Beschaffenheit  der  Farbe  vorlag,  worin 
das  anfängliche  Freibleiben  der  blauen  Bezirke  ja  hättil 
denken  lassen. 


Aus  dem  öffentlichen  Krankenhause  Deutsch-Liebau. 

Direkte  Behandlung  der  tuberkulösen  Peritonitis  mit 

Jodpräparaten. 

Von  Dr.  Anselm  Falkner,  Primararzt. 

Arthur  Hof  mann  hat  voriges  Jahr  in  dieser  Wochen 
Schrift  (No.  10)  4  Fälle  von  tuberkulöser  Peritonitis  ver 
öffentlicht,  die  durch  ausgedehnte  Pinselung  des  Bauchfell: 
mit  lOproz.  Jodtinktur  zu  überraschend  schneller  Heilung  ge 
langten.  Nicht  lange  darauf  erhob  Tschmarke  seim 
warnende  Stimme  gegen  die  Berührung  des  Peritoneums  rni 
Jodtinktur,  weil  er  die  Zunahme  der  adhäsiven  Peritonitidei 
mit  der  Verbreitung  der  Jodtinkturpinselung  in  Verbindung 
bringen  möchte  und  in  einem  genauer  ausgeführten  Falle  aucl 
einen  unmittelbaren  Zusammenhang  herstellen  zu  könnei 
glaubte.  Payr  und  H  o  f  m  a  n  n  dagegen  verwenden  du 
Jodtinktur  gern  bei  Operationen  am  Magendarmtrakt,  gc 
stalten  dadurch  den  Heilungsverlauf  günstiger,  und  die  pen 
tonealen  Reizungen  lassen  sich  auf  ein  Minimum  reduzieren 
Auch  F  r  i  t  s  c  h  e  hat  nie  eine  Schädigung  oder  toxische  Mur 
kung  gesehen;  postoperativer  Adhäsionsileus  sei  nicht  zi 
befürchten. 

In  folgendem  sind  3  Fälle  von  tuberkulöser  Peritonitr 
wiedergegeben,  die  ebenfalls  mit  bestem  Erfolg  mit  Jod  -- 
in  verschiedener  Form  —  behandelt  wurden.  Wenn  auch  du 
Laparotomie  an  und  für  sich  bekanntermassen  sehr  gute  Er- 


Mai  191.1 


MUENcHENfcR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


979 


bnisse  zeigt,  so  weist  doch  schon  H  o  f  m  a  n  n  auf  die  auf¬ 
lende  Verkürzung  der  Heilungsdauer  durch  die  Jodpinselung 
i  "nd  möglicherweise  ist  durch  Wahl  bestimmter  Jod- 
äparate  die  theoretisch  gewiss  nicht  zu  leugnende  Gefahr 
r  Adhäsionen  zu  mindern. 

12  jähr.  Knabe  Schi.  R.,  Prot. -No.  594.  Seit  Wochen  Schmerzen  im 
titen  Unterbauch,  angeblich  seit  einer  Turnstunde.  Tumor  der 
tzoekalgegcnd,  Aszites,  leichter  Husten  bei  anscheinend  freien 
rigen.  hektischer  Fiebertypus;  Pirquet  schwach  positiv.  Lapa- 
omie.  Der  Tumor  entpuppt  sich  als  walzenförmig  verbackenes 
tz,  Appendix  normal.  Miliare  Knötchen  überall  verstreut, 
iselung  mit  Jodtinktur,  Schluss  der  Bauchwunde  Bei  der  Ent- 
sung  in  häusliche  Pflege  —  3  Wochen  später  —  Aszites  ge¬ 
wunden,  leichter  Meteorismus,  kein  Fieber. 

Bei  der  Nachuntersuchung  über  1  Jahr  post  op.  ergab  sich  ein 
patorisch  und  perkutorisch  vollkommen  normales  Abdomen;  auch 
st  tadelloses  Wohlbefinden  und  von  den  Eltern  besonders  hervor- 
lobener  Appetit.  Irgend  welche  Störungen,  die  man  auf  Adhä- 
neii  hatte  beziehen  können,  wurden  während  dieser  Zeit  nicht 
ibachtet. 

I5  jähr  Knabe  W  N„  Prot.-No.  231.  Erster  Spitalaufenthalt  im 
nmer  1910  wegen  Caries  vertebr.;  Gipskorsett,  Heilung  Zweite 
landlung  von  10  IV.  bis  2.  VI.  1912.  Schmerzen  im  Bauch,  hohes 
her  (bis  40  ).  Derber,  sehr  empfindlicher  Tumor  in  der  Appendix- 
end,  Knötchen  im  Douglas.  Starker  Kräfteverfall.  Laparotomie 
lbt  eine  schwartige  Peritonitis,  Appendix  ganz  verbacken.  Mit 
,'ksicht  auf  den  schlechten  Allgemeinzustand  wird  von  einer 
Lkaloperation  Abstand  genommen  und  auf  den  Tumor  und 
11  ™  6  Proz-  Jodvasogen  reichlich  gegossen  (ca.  30  g)  und  die 
ichhohle  geschlossen.  Jodipinklysmen.  Geheilt  entlassen,  stellt 
sich  anfangs  1913  wieder  vor.  Ernährungszustand  ausgezeichnet, 
ebliche  Gewichtszunahme  15  Kilo,  im  Abdomen  nichts  Abnormes 
hzuweisen. 

12jähix  Mädchen  Ph.  M.,  Prot.-No.  65S  wird  mit  Pleuritis  tub.  lat. 
und  tuberkulösem  Aszites  aufgenommen;  Krankheitsdauer  angeb- 
A  .och.en-  Pleuritis  wird  wegen  Verdrängungserscueinungen 
ktiert,  das  Abdomen  mit  Laparotomie  eröffnet  und  der  Aszites 
elassen;  sodann  wird  ein  mit  Jodtinktur  getränkter  Streifen  hydro- 
er  Gaze  in  das  Abdomen  eingeführt  und  nach  allen  Richtungen 
egt.  dann  wieder  herausgezogen.  In  den  nächsten  Tagen  leichter 
eonsmus  und  Schmerzen.  Ohne  nachweisbaren  Aszites  in  ge- 
enem  Kraftezustand  und  Appetit  entlassen.  Lungenbefund  negativ. 

Die  drei  Fälle,  zwei  „nasse“  und  eine  „trockene“  Peri- 
iitis,  zeigen  analog  denen  Hofmanns,  eine  verkürzte 
ilungsdauer  und  —  bisher  —  keine  Schädigungen.  In  den 
;sen  Fällen  wurde  die  Jodtinktur,  bei  dem  trockenen  Jod- 
>ogen  verwendet,  ausserdem  die  Wirkung  durch  Jodipin- 
smen  unterstützt.  Trotz  des  vernichtenden  Urteils 
•vsings  über  die  Jodtinktur  ist  mit  Bier  sicher  eine 
«ende  Wirkung  des  Jods  auf  die  tuberkulösen  Gewebe  an- 
lehmen.  Es  wäre  nur  zu  erwägen,  ob  nicht  andere  Vehikel 
Jods  bei  den  von  vornherein- adhäsiven  Formen  durch  ihre 
:e  Substanz  (Jodipin!)  sich  besser  eignen,  wozu  noch 
iterc  Erfahrungen  zu  sammeln  sind. 


)er  Behandlung  „mit  Hetoleinträufelung“  bei  Iritis. 

Von  Dr.  Paul  Cohn,  Augenarzt  in  Mannheim. 

Vor  6  Jahren  wurde  unsererseits  in  der  Münch,  med. 
»chenschrift,  Jahrgang  1906,  No.  25,  über  Behandlung  mit 
ol  in  2  Fällen  von  Keratitis  parenchymatosa  berichtet  In 

’e,u  Jrbeit  wurde  die  Einführung  der  Länderer  sehen 
olbehandlung  in  die  Augenheilkunde  durch  Pflüger  be~ 
ochen,  welcher  im  Jahre  1901  in  den  klinischen  Monats¬ 
tern  für  Augenheilkunde  über  seine  Erfolge  mit  Hetol  als 
konjunktivale  Injektion  genauen  Aufschluss  gab.  Damals 
ute  in  der  Literatur  eine  Veröffentlichung  von  Darier  aus 
t  Jahre  1903  erwähnt  werden,  welcher  die  Pflüger  sehe 
ktion  anwandte.  Auch  hatte  schon  Groenouwzu  dieser 
in  dem  Handbuch  Gräf  e-Sämisch’  auf  die  Pflüger - 
e  Arbeit  verwiesen. 

In  unserer  Arbeit  aus  dem  Jahre  1906  wurde  der  auf- 
'tid  gute  Erfolg  mit  Hetol  bei  Keratitis  parenchymatosa 
mildert  und  „die  Einträufelung  von  Hetol  in 

Konjunktiv a“  in  geeigneten  Fällen  erstmalig  all¬ 
sten. 

Seitdem  wurde  Hetol  von  verschiedenen  Augenärzten 
ewendet,  was  aus  der  Diskussion  in  dem  Lissaboner  Kon- 
?s  ,m  APril  1906  hervorgeht,  an  dessen  3.  Tage  die  intra- 
•are  I  uberkulose  als  III.  Hauptthema  behandelt  wurde 


An  demselben  konnte  C  r  a  m  e  r  -  Kottbus  von  guten  Tuber- 
kulmerfolgcn  berichten,  gab  aber  auch  an,  dass  er  mit  Hetol- 
mjektionen,  wie  sie  Pflüger  vorgeschlagen  hat,  günstigen 
p  tolg  ei  zielte.  V  0  s  s  i  u  s  -  Giessen  führte  an,  dass  er  eben¬ 
falls  mit  Hetol  subkonjunktival  Erfolge  gesehen  hat,  Wicker- 

VerPZ-  Krakau  stimmte  Gramer  vollkommen  bei,  was 
die  Wirkung  von  Hetoleinspritzungen  anbetrifft. 

In  den  letzten  6  Jahren  wurde  unsererseits  mannigfache 
Li  lahrung  über  Hetol  bei  Augenerkrankungen  gewonnen  und 
kann  gesagt  werden,  dass  Hetol  bei  bestimmten  Leiden,  be¬ 
sonders  tuberkulösen  Ursprungs,  uns  unentbehrlich  gewor¬ 
den  ist. 

ln  dieser  Arbeit  soll  über  Behandlung  mit  Hetoleinträu- 
ft lung  bei  einigen  Ei  krankungen  von  Iritis  berichtet  werden. 

Nachtragend  sei  noch  erwähnt,  dass  H  e  u  s  s  e  r  in  seiner 
Arbeit  über  die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Zimtsäure 
(Hetol),  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte,  Jahrgang 
1902,  No.  1,  den  guten  Erfolg  mit  Hetolinjektion  bei  einem  Fall 
von  tuberkulöser  Iritis  erwähnte,  welcher  Fall  auch  von 
Haab  und  Dönz  mitbeobachtet  wurde;  ferner  ist  in  der 
Al beit  von  Goldschmidt;  Beiträge  zur  intravenösen 
Hetolbehandlung  bei  Tuberkulose,  in  den  Beiträgen  zur  Klinik 
der  Tuberkulose,  8.  Bd„  2.  Heft,  eine  Zuschrift  von  Wicker- 
kiewicz  über  gute  Erfolge  mit  Hetol  angegeben.  Schon 
Länderer  hatte  sich  in  der  Berliner  Klinik,  März  1901,  ge- 
äussert:  „Ueber  die  Tuberkulose  der  Sinnesorgane  fehlen  mir 
genügende  Erfahrungen.  Nach  den  wenigen  Fällen  scheint  die 
Hetolbehandlung  ein  gutes  Adjuvans  in  der  spezialistischen 
Behandlung  der  skrofulösen  Keratitiden  etc.  zu  sein.  Die  Mit¬ 
teilung  eines  Kollegen,  der  einen  Iristuberkel  hat  zurückgehen 
sehen,  soll  nicht  angezweifelt  werden.“ 

In  dem  ersten  Fall  handelte  es  sich  um  einen  24  jährigen  jungen 
Mann,  der  am  IS.  Febr.  1908  mit  einer  Iritis  serosa  am  rechten  Auge 
in  Behandlung  kam,  die  schon  6  Wochen  lang  bestand.  Derselbe 
hatte  5  Jahre  zuvor  eine  linksseitige  eitrige  Pleuritis  durchgemacht 
!,  .VT  e'ne  Fistelnarbe  links  im  F.pigastrium  zurückgeblieben, 
von  früherer  Lues  war  nichts  sicheres  festzustellen.  Blutentnahmen 
nach  Wassermann  werden  unsererseits  erst  seit  2%  Jahren 
vorgenommen.  Es  wurde  damals  Inunktionskur  mit  Jodkalium  ange- 
oidnet  und  zwar  in  äusserst  vorsichtiger  Weise,  um  ex  juvantibus 
der  Aetiologie  näher  treten  zu  können.  Im  Urin  zeigte  sich  keinerlei 
Veränderung.  Doch  unter  der  eingeleiteten  Behandlung  trat  keinerlei 
Veibesserung  des  Zustandes  auf,  im  Gegenteil,  die  Präzipitat-  und 
Exsudatmassen  vermehrten  sich  zusehends,  weshalo  am  22.  April  zur 
Ergriindung  der  Krankheitsursache  Alttuberkulin  eingespritzt  wurde 
und  zwar  nur  Vi«  mg.  Tags  darauf  war  rechts  oben  aussen  am 
inneren  Irisrand  ein  hellgraues  Knötchen  in  der  Iris  nachweisbar 
welches  reichlich  von  Gefässen  versorgt  wurde.  Patient  gab  an  dass 
er  Abends  zuvor  sich  recht  matt  gefühlt  habe,  weshalb  er  die  Tem¬ 
peraturmessung,  die  vorher  immer  ein  normales  Resultat  ergeben, 
tortgelassen  hätte.  Die  Reaktion  erschien  uns  als  eine  so  sichere', 
dass  wir  von  weiteren  Tuberkulininjektionen  Abstand  nehmen 
konnten  und  beschlossen  wir.  die  Einträufelung  mit  Hetol,  die  wir 
schon  vorher  begonnen  hatten,  desto  intensiver  fortzusetzen.  Mit  der 
Bildung  des  Irisknötchens  wurden  auch  am  Glaskörper  ziemlich  reich¬ 
lich  Flocken  nachgewiesen.  Seit  dieser  Zeit  bildeten  sich  keine  Nach¬ 
schübe  von  Präzipitaten  mehr  und  am  21.  Juli  war  das  Knötchen 
bereits  schon  gefässlos  und  geschrumpft  am  Irisrande  zu  sehen,  am 
28.  Juli  waren  keine  Glaskörperflocken  mehr  nachweisbar,  am 
24.  August  befanden  sich  die  Präzipitate  in  guter  Resorption,  am 
23.  November  waren  dieselben  fast  ganz  geschwunden.  Am  8  Dez 
war  die  Sehschärfe  des  rechten  Auges  eine  völlig  normale,  ebenso 
am  2.  Januar  1909,  wo  sich  noch  spärliche  Präzipitatreste  zeigten, 
an  der  Stelle  des  Irisknötchens  war  noch  eine  kleine  Narbe  festzu¬ 
stellen.  Später  sagte  mir  Patient  wiederholt,  dass  das  Auge  ganz 
normal  geworden  sei  und  sich  nichts  wieder  gezeigt  habe. 

Es  dürfte  sich  also  hier  in  diesem  Falle  um  eine  tuberkulöse  Iritis 
gehandelt  haben,  die  duich  Hetoleinträufelungen  zur  völligen  Aus¬ 
heilung  gekommen  ist. 

Ein  weiterer  Fall  von  Iritis,  bei  dem  sich  die  Hetolbehandlung 
bewährte,  kam  am  10.  Mai  1911  in  Behandlung.  Die  Patientin  war 
ein  49  jähriges  Fräulein.  Dieselbe  gab  an,  dass  die  Erkrankung  des 
linken  Auges  erst  seit  8  Tagen  bestände,  doch  die  Krankheit  musste 
schon  langei  schleichend  bestehen,  da  die  Synechien  sich  unten  nicht 
mehr  völlig  sprengen  liessen.  Es  wurden  Klagen  über  Rheumatismus 
angegeben,  am  Nacken,  an  Schultern  und  Armen  und  zwar  seit 
10  Jahren,  ohne  dass  jedoch  ein  Gelenkrheumatismus  aufgetreten 
\vai,  auch  wurde  über  Husten  geklagt.  Die  Blutuntersuchung  nach 
Wassermann  ergab  ein  negatives  Resultat.  Es  wurde  zunächst 
Aspirin  verordnet  und  trotz  negativen  Wassermann  versucht  fest¬ 
zustellen,  wie  sich  die  Iritis  gegenüber  einer  milden  Inunktionskur 
erhalten  würde,  doch  trotz  der  Behandlung  verstärkte  sich  zeitweise 
die  Injektion,  am  21.  Juni  traten  sogar  reichliche  Präzipitate  auf, 


3* 


980 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18. 


trotzdem  man  in  dieser  Zeit  schon  eine  Einwirkung  durch  die  Inunk- 
tionskur  hätte  sehen  müssen.  Es  wurde  am  23.  Juni  von  einer  Fort¬ 
setzung  der  Hg-Kur  Abstand  genommen,  ebenso  von  einer  Fortsetzung 
einer  antirheumatischen  Behandlung  und  am  25.  Juni  mit  einer  Ein¬ 
träufelung  mit  Hetol  in  steigenden  Dosen  angefangen.  Der  Erfolg 
war  ein  auffallend  schneller.  Am  7.  Juli  war  die  Injektion  völlig 
geschwunden  und  die  Präzipitate  waren  bereits  in  Rückbildung. 
Auf  näheres  Befragen  stellte  es  sich  heraus,  dass  der  Husten  schon 
über  1  Jahr  bestand,  eine  Schwester  war  im  Alter  von  22  Jahren  an 
Phthisis  pulmonum  gestorben,  ein  Bruder  von  9  Jahren  an  Gehirn¬ 
entzündung.  Am  12.  August  waren  nur  noch  2  kleine  Präzipitat¬ 
stellen  nachweisbar  und  am  10.  Sept.  waren  dieselben  völlig  ge¬ 
schwunden.  Am  24.  Sept.  wurde  Patientin  geheilt  aus  der  Behand¬ 
lung  entlassen,  die  Sehschärfe  war  eine  völlig  normale  geworden. 
Im  Jahre  darauf,  am  27.  Juli  und  am  30.  Sept.  1912  konnte  Patientin 
wegen  einer  Konjunktivitis  untersucht  werden;  es  waren  keine  Nach¬ 
schübe  von  Iritis  eingetreten,  die  Sehschärfe  war  normal  ge¬ 
blieben. 

Auch  in  diesem  Falle  dürfte  es  sich  um  eine  plastisch-seröse  Iritis 
mit  wahrscheinlich  tuberkulöser  Aetiologie  gehandelt  haben,  die 
durch  Hetoleinträufelung  völlig  geheilt  wurde. 

Ein  weiterer  Fall  und  zwar  ein  sehr  typischer  von  Iritis  kam 
am  21.  Dez.  1910  in  Behandlung.  Es  war  ein  sehr  schwerer  Fall  bei 
einer  jungen  Frau  im  Alter  von  32  Jahren.  Der  ganze  untere 
Pupillenrand  des  linken  Auges  wurde  von  einem  grossen,  breiten 
Knoten  eingenommen,  ferner  war  noch  ein  zweiter  Knoten  oben 
aussen  vorhanden.  Es  bestand  eine  ausgedehnte  vaskuläre  Makula 
im  inneren  oberen  Quadranten  der  Kornea.  Die  Stirn  zeigte  ein  aus¬ 
gedehntes  Ekzem.  An  der  rechten  Halsseite  war  ein  über  hühnerei¬ 
grosses,  sehr  entstellendes  Drüsenpaket,  auch  links  war  Drüsen¬ 
schwellung  vorhanden.  Die  Sehschärfe  des  linken  Auges  war  nur 
Finger  knapp  1  Meter.  Die  Untersuchung  nach  Wassermann 
ergab  ein  negatives  Resultat.  Es  bestanden  auch  oben  und  aussen 
noch  Synechien,  die  sich  sprengen  Hessen,  doch  das  Gebiet  der  beiden 
Knoten  war  so  fest  mit  der  Linsenkapsel  verwachsen,  dass  eine 
Sprengung  unmöglich  war.  Patientin  gab  an,  dass  die  Entzündung 
erst  seit  5  Wochen  bestand,  doch  bestand  dieselbe  wohl  schon 
länger,  wenn  auch  im  schleichenden  Zustand.  Auch  gab  Patientin 
an,  schon  seit  V\  Jahren  an  Lungenkatarrh  zu  leiden  und  mit  Sirolin 
(einem  Guajakolpräparat)  behandelt  worden  zu  sein,  sie  habe  noch 
jetzt  einen  sehr  hartnäckigen  trockenen  Husten  . 

Es  wurde  sofort  mit  Hetoleinträufelungen  in  die  Konjunktiva  in 
steigender  Dosis  vorgegangen  und  in  Anbetracht  des  sehr  klaren 
Falles  von  jeder  anderen  Therapie  Abstand  genommen.  Am 
3.  Jan.  1911  war  die  Sehschärfe  schon  auf  5  Meter  gestiegen,  am 
10.  Jan.  auf  5/so  und  am  17.  Jan.  auf  5/ 15.  Der  untere  grössere  Knoten 
hatte  sich  in  zwei  getrennt,  dieselben  waren  von  weisser  Farbe  und 
in  der  Iris  waren  Gefässe  nachweisbar,  die  nach  den  Knötchen  hin¬ 
zogen,  auch  an  dem  weissen  Knötchen  oben  aussen  waren  an  seiner 
Basis  Gefässe  nachweisbar.  Schon  am  20.  Jan.  war  der  Husten  ge¬ 
schwunden  und  Hess  sich  auch  schon  etwas  vom  Augenhintergrund 
nachweisen,  am  15.  Febr.  war  die  Sehschärfe  schon  auf  5/o  gestiegen, 
am  2.  März  war  der  Augenhintergrund  deutlich  zu  erkennen,  das 
Ekzem  an  der  Stirn  war  geheilt.  Am  8.  März  war  die  Injektion  ge¬ 
schwunden,  die  Sehschärfe  eine  vollkommene,  der  Hintergrund  schön 
klar  zu  erkennen.  Am  26.  März  waren  nur  noch  Reste  von  den 
Knötchen  nachweisbar,  dieselben  hatten  sich  zum  grössten  Teil  in 
ein  weissflockiges  Narbengewebe  verwandelt  Patientin  gab  an,  dass 
ihr  Bruder  an  einem  Auge  eine  ähnliche  Krankheit  durchgemacht  hat 
und  an  diesem  Auge  völlig  erblindet  ist,  über  die  Pupille  hätte  sich 
eine  weisse  Haut  gezogen. 

Am  14.  und  23.  Mai  1912  zeigte  sich  Patientin  wieder.  Die  linke 
Pupille  war  von  etwas  ovaler  Form,  die  rechtsseitige  Drüsen¬ 
schwellung  war  geringer.  Die  Sehschärfe  war  mit  dem  linken  Auge 
5/*,  in  der  Nähe  wurde  links  Snellen  0,4  in  Leseweite  gelesen.  Die 
linke  Pupille  reagierte  gut,  bis  auf  die  untere  Partie,  wo  Synechien 
mit  der  vorderen  Kapsel  mit  Schwartenbildung  bestanden,  oben  und 
aussen  waren  einige  Fusspunkte  von  Synechien  nachweisbar.  Die 
Schwartenbildung  war  von  weissgrauer  Beschaffenheit,  von  Knötchen 
war  nichts  mehr  nachweisbar.  Patientin  gab  damals  an,  dass  ihr 
3  jähriger  Knabe  wegen  Lupus  in  Behandlung  sei. 

Darauf  kam  am  26.  Sept.  1912  Patientin  erneut  in  Behandlung. 
Das  linke  Auge  war  nach  Angabe  seit  3  Wochen  wieder  erkrankt. 
Links  oben  am  Pupillenrand  war  ein  frisches  Knötchen  nachweisbar; 
im  übrigen  waren  nur  Synechien  und  Exsudat-  und  Pigmentreste  vor¬ 
handen.  Es  wurde  wieder  mit  Hetoleinträufelung  in  steigender  Dosis 
vorgegangen.  Die  Heilung  schritt  auch  dieses  Mal  schnell  vorwärts. 
Seit  dem  21.  Oktober  wurden  auch  Tabletten  ,  eines  Zimtsäure¬ 
präparates  Eibon  eingenommen.  Am  19.  Dezember  wurde  folgender 
Befund  konstatiert.  Die  Sehschärfe  am  linken  Auge  war  eine  voll¬ 
kommene.  Das  Drüsenpaket  rechts  war  nicht  mehr  entstellend,  es 
war  früher  hühnereigross  und  jetzt  kaum  walnussgross.  Seit 
Januar  1911  hat  Patientin  keinen  Husten  mehr  gehabt.  Das  Knötchen, 
das  sich  gebildet  hatte,  hatte  sich  in  Narbengewebe  umgewandelt,  die 
Injektion  war  völlig  geschwunden. 

In  diesem  schweren  Falle  handelte  es  sich  offenbar  um  Ver- 
.  Schmelzung  von  miliaren  Tuberkeln,  um  sogen,  konglobierte  Tuberkel, 
und  kann  man  daher  schon  von  einer  tuberkulösen  Granulations¬ 


geschwulst  sprechen  und  ist  absichtlich  von  diagnostischer  Tuber¬ 
kulininjektion  Abstand  genommen  worden;  war  doch  die  Diagnose 
der  tuberkulösen  Iritis  klar  und  wurde  eine  Exazerbation  durch 
Tuberkulin  gefürchtet.  Die  Ausheilung  durch  Hetol  war  eine  gute, 
wenn  auch  hier  ein  Rückfall  eintrat;  allerdings  hatte  Patientin  sich 
sehr  frühzeitig  der  ersten  Behandlung  entzogen. 

Wenn  man  die  Statistik  über  die  Ausheilung  der  tuber¬ 
kulösen  Iritis,  wie  sie  Qroenouw  in  der  2.  Auflage  des 
Handbuches  Gräfe-Sämisch  aufgestellt  hat,  in  Betracht  zieht, 
so  gibt  derselbe  bei  der  disseminierten  Form,  d.  h.  der 
Knötchenform,  an,  dass  43  Proz.  dieser  Augen  noch  ein  ge¬ 
wisses,  wenn  auch  zum  Teil  sehr  geringes  Sehvermögen, 
wieder  erlangten,  bei  9  Proz.  blieb  der  völlig  erblindete  Aug¬ 
apfel  erhalten  und  bei  48  Proz.  wurde  der  Bulbus  enukleiert 
oder  extrahiert.  Erheblich  schlechter  stellen  sich  die  gleichen 
Zahlen  bei  der  tuberkulösen  Granulationsgeschwulst,  nämlich, 
auf  5  Proz.  Heilungen,  6  Proz.  Erblindungen  und  89  Proz. 
völlige  Verluste  des  Augapfels.  Bei  der  Gesamtzahl  aller  Fälle 
von  tuberkulöser  Iritis  und  Zyklitis  ergaben  sich  nur  26  Proz. 
Heilungen,  d.  h.  Erhaltung  einer  wenn  auch  nur  geringen  Seh 
schärfe,  9  Proz.  Erblindungen  bei  erhaltenem  Augapfel  und 
65  Proz.  Verluste  infolge  Enukleation  oder  Exenteration.  In! 
den  günstig  verlaufenden  Fällen  erreichte  die  Sehschärfe  zu¬ 
weilen  wieder  ihre  frühere  Höhe,  meist  blieb  sie  jedoch  mehr 
oder  weniger  herabgesetzt,  ein  Teil  der  Augen  behielt  nur  noch 
Lichtempfindung  übrig. 

In  Anbetracht  dieser  trüben  Statistik  ist  die  gute  Aus¬ 
heilung  der  geschilderten  Fälle  „durch  Einträufelung 
von  Hetol  in  die  Konjunktiva“  auffallend  und  wäre 
es  zu  wünschen,  wenn  diese  Therapie  daher  allgemeine  Ver¬ 
breitung  fände. 

Was  die  Ausführung  anlangt,  so  wurde  Hetol  2—5  proz 
angewandt,  die  Tropfenzahl  mit  längerer  Anwendung  ver¬ 
mehrt  und  die  Einträufelung  zirka  ein  über  den  anderen  Tag 
ausgeführt.  Die  Lösung  wurde  mit  Zusatz  von  1  Proz.  Noyp-j 
kain  in  physiologischer  Kochsalzlösung  hergestellt.  Vor  dem 
Hetol  wurde  ein  Tropfen  3  proz.  Kokain  gegeben. 


Eine  Fehlerquelle  beim  Ablesen  der  Sabourand-Noire 

Tabletten. 

Von  Dr.  A.  G  u  n  s  e  1 1  in  Strassburg. 

.  Bekanntlich  bildet  die  Bariumplatincyanürtablette,  wie  sie  Sa- 
boaraud  und  N  o  i  r  e  angegeben  haben,  die  Grundlage  für  jede 
Dosierungsmethode  der  Röntgenstrahlen,  und  keiner  .anderen  Methode 
ist  es  bisher  gelungen,  sie  zu  ersetzen.  Es  ist  aber  bisher  zu  wenig 
Gewicht  auf  eine  Fehlerquelle  gelegt  worden,  welche  diesem  Ver¬ 
fahren  innewohnt  und  welche  in  dem  Mangel  einer  einheitlichen  Be¬ 
leuchtung  beim  Ablesen  derselben  begründet  ist.  Die  Bariumplatin- 
cyaniirtablette  hat  ausser  dem  reflektorischen  Licht,  das  sie  aussendet 
noch  ein  eigenes  Fluoreszenzlicht,  während  dieses  der  Testfarbe  fehlt 
Eins  Lichtquelle  erregt  nun  diese  Fluoreszenzeigenfarbe  umsomehr,  ji 
mehr  blaue  Strahlen  sie' enthält. '  Das  S  a  b  o  u  r  a  u  !d  sehe  Instrumen 
ist  nun  für  eine  Ablesung  bei  Tageslicht  geeicht,  einer  Lichtquelle 
welche  viel  blaue  Strahlen  und  diese  nicht  immer  in  gleicher,  Sen¬ 
dern  mit  der  Tageszeit,  der  Jahreszeit,  der  geographischen  Breitt 
und  dem  Aussehen  des  Himmels  wechselnder  Menge  enthält  Is 
der  Himmel  bedeckt,  so  ist  das  Licht  weisslich,  bei  unbedeckten 
Himmel  blau.  In  einem  nach  dem  Hofe  zu  oder  in  einer  enge: 
Strasse  gelegenen  Zimmer  sind  die  Lichtverhältnisse  ebenfalls  ganz 
andere,  als  wenn  das  Röntgenzimmer  auf  einen  weiten  Platz  sieht 
von  dem  aus  das  Licht  breit  einströmen  kann. 

Mit  der  wechselnden  Helligkeit  wechselt  aber  auch  der  Gehah 
des  Tageslichtes  an  blauen  Strahlen.  Je  ärmer  aber  das  Licht  ai 
blauen  Strahlen  ist,  um  so  weniger  wird  die  Fluoreszenzfarbe  der 
Pastille  erregt  und  um  so  dunkler  erscheint  sie.  Man  wird  also  in 
Winter,  an  Regentagen  und  im  Norden  eine  zu  geringe  Dosis  appli¬ 
zieren.  im  Sommer,  an  hoch  gelegenen  Plätzen  und  im  Süden,  des¬ 
gleichen  an  sonnigen  Tagen  sieht  die  Tablette  heller  aus  und  niat 
wird  leicht  eine  zu  hohe  Dosis  verabreichen.  Regaud  und  No¬ 
gier1)  haben  eine  Baryumplatincyantirtablette  des  B  o  r  d  i  e  r  scher 
Chromoradiometers  bei  blauem  Himmel  bis  zur  Teinte  I  bestrahlt 
welche  der  Teinte  B  von  Sabouraud  und  N  o  i  r  e.  also  einer  Dose 
von  5  H  entspricht.  Betrachtet  man  diese  Tablette  an  einem  Regen¬ 
tage,  so  entspricht  ihre  Farbe  der  Teinte  II  Bordier,  d.  h.  8  n 
Das  sind  Schwankungen,  welche  man  bei  der  Dosierung  nicht  ver¬ 
nachlässigen  darf,  besonders  wenn  man  mit  geeichter  Röhre  arbeite1 
und  diese  nur  in  grösseren  Abständen  eicht. 


1)  Arch.  d’Electricite  Medicale  1911,  p.  458  und  Comptes  rendu! 
Assoc.  franq.  pour  l’Avancement  de  Sciences.  Kongress,  Dijon 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


981 


Aber  auch  wenn  man,  wie  die  Kieler  Schule,  bei  jeder  Bestrah¬ 
lt  eine  Tablette  abliest,  spielt  dieser  Fehler  eine  nicht  zu  unter- 
lätzende  Rolle.  Dazu  kommt,  dass  gerade  bei  dieser  Me¬ 
ide  das  üebundensein  ans  Tageslicht  überaus  lästig  empfunden 
rd,  besonders  zur  Winterszeit,  wo  ein  Arbeiten  bei  künstlichem 
:ht  schwer  zu  umgehen  ist. 


Versucht  man  aber  die  Tablette  bei  künstlichem  Lichte  abzu- 
en,  so  wird  man  sofort  sehen,  dass  je  nach  der  Lichtquelle  die 
i'be  der  Tablette  in  enormer  Weise  schwankt.  Die  ebenerwähnte, 
blauem  Himmel  eine  Dosis  von  5  H  anzeigende  Tablette  zeigt  im 
issen  Lichte  einer  Nernstlampe  die  Teinte  III  Bordier  a),  welche 
H  entspricht,  und  im  gelben  Lichte  einer  Kohlenfadenglühbirne 
rar  die  Teinte  IV  Bordier,  d.  h.  20  H. 

Es  hat  nun  bisher  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  eine  konstante 
htquelle  zu  finden  (C  e  r  e  s  o  1  e,  Bordier),  welche  möglichst 
n  Tageslicht  entspricht.  Ein  wirklich  brauchbares  Instrument 
uif  erst  N  o  g  i  e  r  -  Lyon2  3)  im  vorigen  Jahre,  und  in  neuester  Zeit 
auch  das  Institut  für  Strahlenbehandlung  der  Kieler  dermato- 
ischen  Klinik  (Dr.  Hans  Meyer)  ein  ähnliches  Instrument  publi- 
rt4). 


Das  erstere,  von  No  gier  angegebene  Instrument,  hat  den 
'Ssen  Vorzug,  dass  es  für  alle  gebräuchlichen  Dosimeter  sich  eignet, 
vohl  das  in  Frankreich  in  Gebrauch  befindliche  Dosimeter  von 
rdier  als  das  in  Deutschland  verbreitete  von  Sabouraud- 
i  r  e,  desgleichen  die  Holzknecht  sehe  Skala  können  mit  dem- 
aen  abgelesen  werden.  Auch  beim  Gebrauche  letzterer,  welche 
nur  bei  künstlichem  Lichte  abgelesen  werden  soll,  ist  es  ein  Vor- 
.  eine  ständig  gleich  starke  und  immer  im  gleichen  Abstand  be- 
Hiche  Lichtquelle  zu  haben.  Nach  folgenden  Prinzipien  konstruierte 
gier  seinen  „Radiochromoskop“  genannten  Apparat:  Er  be¬ 
llte  sich,  die  Pastille  und  die  Vergleichsfarbe  mit  einer  Lichtquelle 
beleuchten,  welche  die  Fluoreszenz  des  Bariumplatincyaniirs  nicht 
egte.  Die  Ablesung  erfolgt  dann,  wie  wenn  man  für  einen  Augen- 
k  der  Pastille  das  Bariumplatincyanür  entzogen  hätte.  Ferner 
Ute  er  Pastille  und  Testfarbe  durch  ein  blaugriines  Glas  beobach- 
,  welches  beiden  diejenigen  Farben  wiedergibt,  welche  sie  bei 
leslicht  hätten,  unter  fast  vollständiger  Unterdrückung  der  durch 
Fluoreszenzlicht  bedingten  Farbennuance. 

Als  Lichtquelle  wurde  hierzu  eine  Kohlenfadenglühlampe  am  ge- 
letsten  befunden.  Dieselbe  gibt  ein  gelbliches  Licht,  während  die 
tallfadenlampen  ein  zu  weisses,  an  violetten  und  ultravioletten 
ihlen  zu  reiches  Licht  produzieren.  Als  blaues  Glas  verwendet 
gier  eine  genau  auf  ihre  Durchlässigkeit  geprüfte  2  mm  dicke 
sscheibe,  welche  bis  zu  3,341  Angströmeinheiten  einer  Quecksilber- 
rzlarnpe  passieren  lässt,  aber  alle  anderen  Strahlen  ausschaltet. 

1  man  nun  an  diesem  Instrument  das  Bo  rdier  sehe  Radiometer 

ablesen,  so  vergleicht  man 
erst  die  Tablette  mit  der 
Skala  im  gelben  Lichte  der 
Kohlenfadenglühlampe.  In 
diesem  Lichte  erscheint  die 
Tablette  genau  3  mal  dunkler 
als  sie  in  Wirklichkeit  ist. 
Dann  wird  nochmals,  dies¬ 
mal  mit  dazwischengeschal¬ 
teter  Blauscheibe,  abge¬ 
lesen,  wobei  man  die  rich¬ 
tige  Dosis  findet.  Beide 
Werte  kontrollieren  sich  also 
gegenseitig. 

Das  in  Deutschland  un¬ 
gleich  mehr  gebrauchte  S  a  - 
t  bouraud  sehe  Radiometer 

wird  nur  im  Blaulicht  abge- 
ipijk  lesen.  Die  Farben  erschei- 

^  nen  dann  wie  im  Tageslicht. 

Die  Holzknechtsche  Skala 
hingegen  wird  nur  im  gelben 
Lichte  nach  Ausschaltung  d^r 
en  Glasscheibe  abgelesen.  Der  Apparat  (s.  Fig.)  hat  eine  kompen- 
e  Form  und  lässt  sich  auf  jeden  Tisch  stellen.  Ich  habe  es  prak- 
ier  befunden,  denselben  auf  einem  photographischen  Stativ  zu 
stigen.  Die  Blauglasscheibe  eines  jeden  Instruments  ist  spektro- 
)isch  geprüft  und  ein  Eichschein  wird  mitgegeben.  Ich  habe  das 
ument  seit  mehreren  Monaten  in  Gebrauch  und  möchte  nicht 
r  zur  Ablesung  im  stets  wechselnden  Tageslicht  zurückkehren. 
Dass  übrigens  ein  solches  Instrument  tatsächlich  einem  Bedürfnis 
prach,  zeigt  der  Umstand,  dass  ausser  aus  dem  Institut  für 
nientherapie  in  Kiel  ein  ähnliches  Instrument  in  allerneuester 
noch  von  Bucky  angegeben  worden  ist  (Internat.  Kongress 
Physiotherapie,  Berlin  1913). 


2)  R  e  g  a  u  d  und  N  o  g  i  e  r  1.  c. 

Arch.  d’Electricite  Medicale  1912,  10.  Oktober,  No.  343. 

)  R.  Krüger:  Beitrag  zur  Anwendung  des  Sabouraud- 

n  Dosimeters. 


Aus  der  chirurgisch-urologischen  Privatklinik  von  Dr.  A, 
Freudenberg  in  Berlin. 

Ein  elektrisches  Beckendammheizkissen  in  Badehosen¬ 
form. 

Von  Dr.  A.  Freudenberg. 

Ich  habe  von  der  bekannten  Fabrik  Elektrischer  Apparate 
von  Dr.  Richard  Heilbrun  in  Berlin  W  ein  elektrisches 
Heizkissen  in  Badehosenform  anfertigen  lassen,  das  den 
unteren  Teil  des  Bauches  und  des  Rückens  sowie  den  Damm 
gleichzeitig  erwärmt  und  daher  in  allen  Fällen,  in  denen  man 
eine  Wäimewirkung  auf  die  Organe  des  Beckens  oder  des 
Dammes,  beim  Manne  wie  bei  der  Frau,  ausiiben  will,  mit 
Vorteil  anwendbar  ist. 

Das  Heizkissen  hat,  wie  aus  der  Abbildung  ersichtlich,  die  Form 
der  bekannten  dreieckigen  Badehose;  es  ist  aus  einem  Ueberzuge 

aus  wärmebeständigem  Gummistoff  versehen,  über  den  auswechsel¬ 
bare  und  waschbare 
Leinenüberzüge  ge¬ 
zogen  werden.Beim 
Anlegen  legt  sich 
der  Patient  mit  dem 
unteren  Teile  des 
Rückens  auf  den 
hinteren  Teil  des 
Kissens,  worauf  der 
vordere  nach  vorn 
auf  den  Bauch  ge¬ 
klappt  und  dort  mit 
einem  an  dem 
Kissen  befindlichen, 
durchLeinenschlau- 
fen  gehenden  Lei¬ 
nenband  und  einer 
(abknöpfbaren) 

Schnalle  befestigt 
wird.  Das  Kissen 
sitzt  dann,  genau 
wie  eine  Badehose, 
so  fest,  dass  Patient 
es  nicht  nur  im  Bett,  sondern  auch  auf  einem  Stuhl  sitzend  ge¬ 
brauchen,  ja  sogar  damit  stehen  kann,  ohne  dass  es  abgleitet. 

Die  elektrische  Einrichtung  ist  dieselbe  wie  bei  den  anderen  Heiz¬ 
kissen  der  Firma.  Wie  diese,  trägt  es  im  Innern  zwei  Sicherungen, 
die  durch  automatisches  Ausschalten  des  Stromes  eine  zu  starke 
Erhitzung  des  Kissens  verhindern,  und  an  der  die  Verbindung  mit 
dem  Wandkontakt  herstellenden  Leitungsschnur  den  der  Firma  ge¬ 
schützten  Drehschalter,  welcher  Ausschaltung  resp.  Einschaltung  in 
drei  verschiedenen  Heizstärken  gestattet  und  durch  welchen  mittels 
einfachen  Drehens  des  oberen  gegen  den  unteren  Teil  die  Temperatur 
ohne  weiteres  auch  vom  Patienten  selbst  reguliert  werden  kann.  Die 
Heizstärke  3  ist  im  allgemeinen  nur  zum  schnellen  Anheizen  des 
Kissens  zu  verwenden,  während  für  die  dauernde  Wärmewirkung 
Stellung  1  oder  2  in  Betracht  kommen.  0  bedeutet  vollständige  Aus¬ 
schaltung  des  Stromes. 

Das  Kissen  ist  sowohl  für  Wechselstrom  wie  Gleichstrom  mit 
den  üblichen  Spannungen  (110,  150,  220  Volt)  verwendar.  Die 
innere  elektrische  Einrichtung  (Stärke  des  sich  erhitzenden  Drahtes) 
muss  aber  für  die  verschiedenen  Spannungen  verschieden  sein,  so 
dass  der  Käufer  angeben  muss,  für  welche  Spannung  er  ein  Heiz¬ 
kissen  haben  will.  Der  Elektrizitätsverbrauch  und  dementsprechend 
die  Betriebskosten  des  Kissens  sind  übrigens  ausserordentlich  gering. 

Beim  Anlegen  des  Kissens  ist  darauf  zu  achten,  dass  der  die 
Sicherungen  enthaltende,  mit  „vorn“  bezeichnete  Teil  des  Kissens 
(und  entsprechend  auch  des  Ueberzuges)  auch  wirklich  nach  vorn, 
also  auf  den  Bauch  des  Patienten  zu  liegen  kommt  da  sonst  die 
erwähnten  Sicherungen  im  Rücken  des  Patienten  einen  unangenehmen 
Druck  ausüben  könnten. 

Will  man  das  Heizkissen  mit  feuchter  Wärme  anwenden,  so 
legt  man  vor  dem  Anlegen  desselben  eine  entsprechend  geformte 
feuchte  Kompresse  auf  die  Haut  des  Patienten  oder  lässt  ihn  vorher 
eine  gewöhnliche  dreieckige  Badehose,  die  man  anfeuchtet,  anzieheh. 
Nötig  ist  das  aber  nicht,  da  unter  dem  Heizkissen  in  der  Regel  eine 
so  starke  lokale  Schweissentwicklung  stattfindet,  dass  auch  so  eine 
feuchte  Wärme  zustande  kommt. 

Zum  Urinieren  braucht  der  Patient  nur  den  vorderen  Teil  herab¬ 
zuklappen,  um  ihn  nach  Verrichtung  seines  Bedürfnisses  wieder  nach 
vorn  zu  befestigen.  Im  übrigen  wird  aber  das  Kissen  neuerdings 
auch  mit  einem  Längsschlitz  am  Dammteil  geliefert,  durch  den  evont. 
der  männliche  Patient  den  Penis  einfach  herausziehen  kann.  Der 
Hauptzweck  des  Schlitzes  ist  aber,  dass  er  gestattet,  bei  liegendem 
Heizkissen  gleichzeitig  einen  Verweilkatheter  tragen  zu  lassen  oder 
aber  einen  Heizkörper  in  Scheide  oder  Mastdarm  (eUktrischer  Heiz¬ 
apparat  oder  von  warmen  Wasser  durchströmter  Psychrophor)  ein¬ 
zulegen. 


Elektrisches  BeckendammhePkissen  in  Badehosenform 
nach  Dr.  A.  Freudenberg. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18. 


982 


Seine  Indikation  kann  das  Beckendammheizkissen  bei  allen  ent¬ 
zündlichen  Erkrankungen  des  Beckens  und  des  Dammes  finden,  so  bei 
Entzündungen  der  Blase,  der  Prostata,  der  Samenblasen, 
der  Cowper  scheu  Drüsen,  der  Hoden,  bei  entzündeten 
Hämorrhoiden,  sowie  Proktitis  und  S  i  g  m  o  i  d  i  t  i  s,  bei 
weiblichen  Adnexentzündungen  etc.,  aber  auch,  da 
es  genügend  weit  hinaufreicht,  in  Fällen,  wo  man  auf  die  Blinddarm¬ 
gegend  eine  Heizwirkung  ausiiben  will,  wie  bei  Residuen  von 
Appendizitis. 

Das  Kissen  hat  sich  mir  im  Laufe  von  mehr  als  einem  Jahre, 
in  welchem  ich  es  in  meiner  Klinik  reichlich  in  Anwendung  gezogen, 
sehr  gut  bewährt. 


Bad  Reichenhall. 

Zu  dem  am  9.  und  10.  Mai  stattfindenden  Besuche  bayerischer 

Aerzte. 

Von  Dr.  Gustav  Orten  au  in  Bad  Reichenhall-Nervi. 

Der  9.  Mai  bedeutet  für  Bad  Reichenhall  ein  grosses  Ereignis. 
Zum  ersten  Male  seit  Bestehen  des  Bades  erscheinen  dort  bayerische 
Aerzte  sozusagen  in  offizieller  Weise.  Für  die  Anregung  und  Lin- 
ladung  zu  diesem  Besuche  gebührt  dem  Kgl.  Finanzministerium  ganz 
besonderer  Dank.  Zeigt  es  doch  damit,  wie  es  die  hohe  Bedeutung 
dieses  hervorragendsten  Vertreters  der  Alpenkurorte  zu  würdigen 
weiss  und  welche  Wichtigkeit  es  der  Besichtigung  durch  bayerische 
Kollegen  beimisst. 

Es  möchte  scheinen,  als  sei  gerade  eine  Aufforderung  an  die 
bayerischen  Praktiker,  sich  Reichenhall  anzusehen,  zum  mindesten 
überflüssig,  da  sie  alle  den  Kurort  gewiss  kennen.  Allein  dem  ist 
nicht  so:  gerade  in  Bayern  war  er  bisher  am  wenigsten  gekannt  und 
gewürdigt  worden.  Der  Seher  gilt  eben  nichts  im  Vaterlande. 

Darum  ist  uns  Reichenhallern  die  von  Seite  der  Staatsregierung 
gebotene  Gelegenheit  doppelt  willkommen,  zu  zeigen,  was  wir  sind 
und  was  wir  zu  bieten  vermögen. 

Den  Herren  Kollegen  mögen  die  nachfolgenden  Zeilen  ein  Will- 
kommgruss  sein  und  ihnen  zugleich  als  bescheidener  Führer  dessen 
dienen,  was  sie  in  Reichenhall  zu  sehen  haben. 

Das  Klima  deckt  sich  im  allgemeinen  mit  dem  Gebirgsklima 
überhaupt,  doch  hat  das  Saalachtal  einige  Besonderheiten,  auf  die 
hingewiesen  werden  muss.  Der  Kranz  der  im  Durchschnitte  gegen 
2000  m  hohen  Berge  verhindert  ein  Eindringen  kalter  Luftströmungen; 
infolgedessen  ist  das  Jahresmittel  um  fast  1 0  höher  als  dem  Orte 
seiner  geographischen  Lage  nach  zukäme.  Die  Wolkenbildung  ist 
während  der  Sommermonate  eine  ausserordentlich  reiche,  die  Folge 
davon  sind  die  bekannten  Reichenhaller  Regen.  Man  glaube  jedoch 
nicht,  dass  Reichenhall  mehr  Regentage  aufweise  als  sonst  das  Ge¬ 
birge;  die  Regenmenge,  die  jedesmal  fällt,  ist  nur  grösser  als  sonstwo. 
Aber  dank  der  grossen  Durchlässigkeit  des  Bodens  —  Alpenmuschel¬ 
kalk  —  trocknen  die  Wege  auch  nach  den  stärksten  Regengüssen 
rasch  ab.  Die  geringen  Tagesschwankungen  der  Luftwärme  in  Ver¬ 
bindung  mit  der  höheren  relativen  Feuchtigkeit  verleihen  der  Luft  eine 
ungewöhnliche  Milde.  Dieser  tun  auch  die  vielen  Regen  keinen  Ein¬ 
trag,  weil  sie  nur  geringe  Luftabkühlung  mit  sich  bringen,  nicht  von 
Winden  begleitet  sind  und  auch  niemals  mit  Nebeln  vergesellschaftet 
sind.  Den  Heilerfolgen  sind  sie  förderlich,  während  längere  regenarme 
Perioden,  wie  wir  sie  beispielsweise  im  extrem  trockenen  Jahre  1911 
zu  verzeichnen  hatten,  die  Temperatur  so  hoch  steigen  lassen  und 
auch  die  sonst  vorhandene  wohltätige  Nachtabkühlung  in  einem 
solchen  Grade  verhindern,  dass  subjektives  und  objektives  Wohlbe¬ 
finden  darunter  leiden. 

Sehr  charakteristisch  ist  für  unser  Tal  der  schöne,  wolkenlose 
und  milde  Herbst,  der  in  10  Jahren  mindestens  7  mal  eintritt,  und  bis 
tief  in  den  Oktober  hinein  ausgiebige  Luftkuren  gestattet. 

Die  Entwicklung  Reichenhalls  ist  eine  in  gerader  Linie  auf- 
steigende  gewesen.  Als  einfaches  Solbad  mit  Molkenkuranstalt  in  den 
Vierziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  von  einem  Laien  ge¬ 
gründet,  ist  es  heute  ein  auf  der  Höhe  der  Zeit  stehender  Kurort 
mit  ausgezeichneten  Unterkunftsverhältnissen,  mit  allen  hygienischen 
Grundbedingungen,  Kanalisation.  Wasserleitung,  mit  allen  Hilfsmitteln 
der  Behandlung  für  die  Erkrankungen  der  Atmungsorgane,  für  jene 
des  Herzens  und  mit  erstklassigen  hydrotherapeutischen  Einrichtungen 
versehen. 

An  erster  Stelle  unter  den  Kurmitteln  muss  jenes  genannt  werden, 
das  für  Reichenhall  beinahe  spezifisch  ist,  die  pneumatische 
Kammer.  Nicht  nur,  weil  hier  die  grösste  Anlage  der  Welt  — 
4  Anstalten  —  vorhanden  ist,  in  der  200  Personen  zu  gleicher  Zeit 
Sitzungen  gebrauchen  können,  sondern  ganz  besonders  aus  dem 
Grunde,  weil  die  Einrichtung  als  mustergültig  bezeichnet  werden 
darf.  Als  mustergültig  in  Bezug  auf  Grösse  der  Einzelkammern,  auf 
den  für  den  Einzelnen  zur  Verfügung  stehenden  Raum,  auf  die  Ge¬ 
nauigkeit  der  Regelung  von  Druck  und  Luftwärme  und  nicht  zuletzt 
auf  die  Lufterneuerung.  Es  wird  bei  der  Erzeugung  höheren  Luft¬ 
druckes  (bis  zu  350  mm  Hg-Ueberdruck)  nach  den  von  G.  v.  L  i  e  b  i  g 
festgelegten  Grundsätzen  verfahren;  nicht  durch  Verminderung  des 
Luftabflusses  steigt  der  Druck,  sondern  durch  Erhöhung  der  Zufuhr. 
Es  bedarf  keiner  besonderen  Erwähnung,  dass  in  die  Kammern  nur 
filtrierte  Luft  eindringt.  Sie  dringt  in  kontinuierlichem  Strome  durch 
2  Rohre  ein,  von  denen  das  eine  erwärmt,  das  andere  abgekühlt 
wird,  so  dass  die  Temperatur  nach  Bedarf  abgestuft  werden  kann. 


!  Die  Kammern  sind  aus  massivem  Materiale  erbaut,  entweder  mit 
Wänden  aus  starkem  Eisenblech  oder  aus  mächtigen  Eisengittern 
mit  Portlandbeton  (Monier  sches  System),  sie  haben  aber  gleich¬ 
wohl  mit  den  alten  finsteren  Glocken  von  ehedem  nichts  gemein,  durcu 
grosse  breite  Fenster  dringt  eine  Flut  von  Licht  herein,  so  dass  der 
Kranke  nicht  nur  zweckentsprechend,  sondern  sogar  bequem  uni 
fast  gemütlich  untergebracht  ist.  Die  VA  Stunden,  die  eine  Sitzung 
währt:  25  Minuten  Druckanstieg,  45  Minuten  Hochdruck,  35  Minuten 
Druckabfall,  bedeuten  darum  keine  Anstrengung.  Jede  einzelne  An¬ 
stalt  steht  unter  der  ständigen  Aufsicht  eines  Reichenhaller  Arztes, 
dem  insbesondere  die  regelmässige  Prüfung  der  Innenluft  in  den 
Kammern  obliegt. 

Was  die  Einrichtungen  für  Inhalatione  n  betrifft,  so  haben 
wir  10  grosse  Anstalten.  Sie  alle  sind  vom  höchsten  hygienischen 
Komfort  umgeben  und  von  einer  Mannigfaltigkeit  und  Reichhaltigkeit 
wie  vielleicht  sonst  nirgends.  Wir  haben  nur  zu  nennen  die  Systeme: 
Bulling  Claar,  Jahr,  Reif,  Reitz,  Wassmuth,  die  bekanntlich  alle  zur 
Zerstäubung  von  flüssigen  Stoffen  dienen.  Diese  Verstäubung  wird 
entweder  durch  Aspiration  oder  durch  Druckluft  oder  durch  Anprall 
an  feste  Scheiben  bewirkt.  In  den  Rauminhalationen,  zu  allermeist 
Einzelkabinen,  sind  die  Wände  von  abwaschbarem  Materiale,  di*. 
Fussböden  von  Asphalt. 

Die  Apparate  zur  Inhalation  durch  Mund  und  Nase  bestehen  in 
ihrer  Gesamtheit  aus  leicht  zu  reinigendem  Materiale.  Die  Tische 
sind  aus  englischem  Email  mit  spiilbaren  Vertiefungen  zur  Weg¬ 
schaffung  des  Sputums.  Die  zur  Verwendung  kommenden  Ansatz¬ 
stücke  für  Mund  und  Nase  sind  aus  Milchglas  und  Gummi  und  leicht 
desinfizierbar.  Es  braucht  nicht  betont  zu  werden,  dass  jedoch  eine 
Desinfektion  sich  erübrigt,  weil  jeder  Inhalierende  seine  eigenen  An¬ 
satzstücke  besitzen  muss. 

Die  zu  den  Einatmungen  verwendeten  Arzneistoffe  sind  ver¬ 
wiegend  unsere  Sole  in  1,  2,  3  und  4  proz.  Lösung  und  Derivate 
von  Latsche  (Zwergföhre.  Pinus  pumilio).  Bei  der  Apparatinhala¬ 
tion  kommt  vielfach  das  Heer  der  anderen  Medikamente  zur  An¬ 
wendung. 

Auch  das  bei  der  Zelluloseherstellung  als  Nebenerzeugnis  an¬ 
fallende  Lignosulfit  wird  in  einer  besonderen  Anstalt  zu  Ein¬ 
atmungen  gebraucht. 

Pneumatische  Inhalationen  mittels  des  Apparates  von 
Dupont-Mathieu  stehen  den  Kranken  zur  Verfügung,  bei  denen 
die  Kammern  kontraindiziert  sind. 

Auch  ein  Radiumemanatorium  fehlt  nicht. 

Es  dürfte  bekannt  sein,  dass  Reichenhall  zu  denjenigen  Kurorten 
gehört,  die  ein  Gradierhaus  besitzen.  Vor  wenigen  Jahren 
musste  das  alte,  seit  vielen  Jahrzehnten  stehende  Gradierhaus  abge¬ 
tragen  werden.  An  seine  Stelle  wurde  von  Seite  des  Kgl.  Finanz¬ 
ministeriums  ein  neues  errichtet,  das  einen  vollkommenen  Bruch  mir 
der  Vergangenheit  darstellt.  Das  unschöne  rohe  Holzgerüste  vor 
einst  hat  einem  gefälligen,  architektonisch  hübsch  gegliederten  Bar 
Platz  gemacht.  Ein  breiter  gedeckter  Vorbau  umgibt  ihn  auf  beider 
Längsseiten.  Auf  diese  Weise  ist  etwas  völlig  Neues  entstanden 
Die  starke  Verdunstung  der  Sole  in  die  Umgebung  und  die  dadu'Ti 
bedingte  Abkühlung  ist  fortgefallen,  die  Luft  ist  unbewegter  und 
fliesst  langsamer  nach  aussen  ab,  sehr  zum  Vorteil  des  Ganzen 
Früher  waren  frische  Reizungen  der  Schleimhäute  überaus  häufig 
umsomehr,  als  viele  auswärtige  Kollegen  ihren  Kranken  das  Gradier¬ 
haus  als  das  Hauptkurmittel,  wenn  nicht  als  das  einzige,  empfahlen 
ohne  auf  die  Besonderheit  des  Einzelfalles  immer  genügend  Rück¬ 
sicht  zu  nehmen.  Beim  Gradierhaus  kommt  es  nicht  so  fast  zu  feine: 
Zerstäubung  von  Sole  als  vielmehr  unter  starker  Ozonentwicklung  zui 
Versprühung  grösserer  Tropfen,  welche  die  Luft  mit  mikrosvopischei 
Salzkristallen  erfüllen.  Es  handelt  sich  also  nicht  um  eigentlich» 
Inhalation,  obgleich  das  Gradierhaus  die  ursprünglichste  Form  der 
selben  darstellen  mag.  I 

Die  Entwicklung  des  Kurortes  Reichenhall  hat  von  den  Sol 
b  ädern  ihren  Ausgang  genommen.  Kein  Wunder,  dass  im  Kur 
leben  auch  heute  noch  die  Solbäder  eine  grosse  Rolle  spielen.  Voi 
den  zahlreichen  Salzauellen,  die  im  Quellenbau  zutage  treten,  wirr 
ausschliesslich  die  Edelsole  zu  Badezwecken  verwandt.  Sie  entlud 
wie  bekannt  zwischen  21 — 24  Proz.  Kochsalz  und  ist  als  fast  gesättigt» 
Salzlösung  anzusehen,  sie  ist  stark  radioaktiv.  Ihr  starker  Salzg’ha! 
bringt  es  mit  sich,  dass  sie  nicht  ungemischt  zur  Verwendung  ge 
langen  kann.  Die  erforderliche  Konzentration  pflegen  wir  nach  Pro 
zetiten  anzugeben,  die  an  der  Hand  der  amtlichen  Tabellen  für  jedt 
einzelne  unserer  stets  geeichten  Wannen  leicht  zu  bereiten  ist 
Der  höchste  Durchschnittsgehalt  pflegt  zwischen  3 — 5  Proz.  zi 
schwanken.  Die  früher  vielfach  üblichen  schwachen  Konzentration“' 
von  nicht  mehr  als  'A  oder  A  Proz.  sind  als  unwirksam  längst  am 
gegeben  worden. 

Weitere  Badezusätze  sind  Latschenextrakt  und  M  u  1 1  e r 
lauge.  Es  dürfte  nicht  allgemein  bekannt  sein,  dass  die  Reichen 
haller  Mutterlauge,  auf  die  zuerst  G.  v.  Liebig  aufmerksam  ge 
macht  hat,  der  Kreuznacher  durchaus  analog  zusammengesetzt  is 
und  dieselben  Wirkungen  entfaltet.  Die  Heilanzeigen  beider  Mutter 
laugen  decken  sich  völlig. 

In  ganz  besonderem  Masse  wird  in  Reichenhall  H  y  d  r  o  t  h  e  r  a 
p  i  e  getrieben.  Unsere  Anstalten  sind  mit  allen  einschlägigen  Hins 
rnitteln  unserer  Zeit  ausgerüstet.  Die  am  häufigsten  geübte  An¬ 
wendungsweise  ist  das  Halbbad,  aber  auch  Abreibungen  und  Pusche' 
in  ihren  mannigfachen  Formen  sowie  elektrische  Lichtbäder  werde» 
nicht  vernachlässigt.  Das  Badepersonal  ist  geschult  wie  in  de» 


Mai  1913. 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


983 


‘Steil  geschlossenen  Anstalten  und  verdient  den  ausgezeichneten  Ruf, 
in  es  sich  iin  Laufe  der  Jahre  errungen  hat. 

Dass  Lohtanninbäder,  Moorbäder  und  Fango- 
pplikationen  sowie  elektrische  Bäder  vorhanden  sind, 
i  nur  nebenher  erwähnt. 

Wichtiger  ist  der  Hinweis,  dass  von  Kohlensäurebädern 
jedem  Jahre  ausgedehnterer  Gebrauch  gemacht  wird.  Wir  ver¬ 
enden  jene  Systeme,  die  das  Badewasser  mit  Kohlensäure  irnpräg- 
eren  und  es  kohlensäurehaltig  in  die  Wanne  eintreten  lassen.  Eine 
t,  die  dem  natürlichen  Kohlensäurebad  ausserordentlich  nahekommt. 
Sauerstoffbäder  sind  gleichfalls  vertreten. 

Ein  allen  Anforderungen  entsprechendes  mediko-mechani- 
; h e s  Institut  ist  ebenfalls  zu  erwähnen.  Die  wichtigsten 
jparate  für  aktive  und  namentlich  passive  Gymnastik  sind  ver¬ 
teil,  vor  allem  sei  des  Boghean  sehen  Atemstuhles  ge- 
cht. 

Zur  Trinkkur  wurde  in  Reichenhall  ursprünglich  nur  die  Molke, 
neben  Kräutersaft  aus  Alpenkräutern  in  Gebrauch  gezogen,  später 
m  dann  mit  Kohlensäure  versetzte  Trinksole  hinzu.  Da  es  uns 
>her  an  einer  natürlichen  Trinkquelle  gebrach,  so  spielte  die  Trink- 
r  hier  eine  geringere  Rolle  als  anderswo.  Meist  wurden  fremde 
ineralwässer  mit  Molke  vermischt  in  Anwendung  gezogen.  Wir 
ben  jetzt  eine  Trinkquelle,  die  Carolusquelle.  Sie  ist 
die  Trinkhalle  geleitet,  die  einen  Teil  der  im  vorigen 
hre  dank  der  Fürsorge  der  Regierung  erbauten  monumentalen 
andelhalle  bildet.  Diese  Quelle  ist  eine  kalte  Kochsalzauelle  von 
issiger  Konzentration  und  hat  einen  dementsprechenden  Wirkungs¬ 
reich. 

Die  Heilanzeigen  unseres  Bades  ergeben  sich  aus  dem  Ge- 
gten  für  den  Arzt  von  selbst. 

Es  sind  5  grössere  Krankheitsgruppen,  die  in  Betracht  kommen. 

1.  Allgemeine  Erkrankungen,  solche  des  Blutes,  des  Stoff- 
echsels  und  der  Nerven. 

Akute  und  chronische  Anämien,  die  verschiedenen  Er- 
lieinungsformen  der  Gicht,  Fälle  von  akutem  Muskelrheu- 
itisinus  werden  durch  das  Klima  und  die  Sol°-  und  Latschen¬ 
der  günstig  beeinflusst.  Für  nervöse  Zustände,  für  frische 
Ile  von  Neurasthenie,  weniger  für  lange  eingewurzelte  Formen, 
leichtere  Fälle  von  Tabes  kommen  namentlich  die  Monate  Mai, 
erste  Hälfte  des  Juni  und  vor  allem  die  Herbstmonate  in  Be¬ 
icht,  während  der  Sommer  weniger  günstig  wirkt.  Die  Luft  ist 
zu  weich  und  erschlaffend. 

2.  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  G  e  f  ä  s  s  e. 
Neben  neuen  mannigfachen  beschriebenen  Kurmitteln  ist  es  vor 

ein  die  Uebungskur  im  Gelände  (Terrainkur),  für  welche 
Bedingungen  im  reichsten  Masse  gegeben  sind.  Es  dari  daran 
nnert  werden,  dass  die  Anlage  und  Einteilung  der  Wege  seinerzeit 
n  Oertel  selbst  vorgenommen  wurde.  In  der  Tat  mehrt  sich 
Zahl  der  Kranken  dieser  Kategorie  von  Jahr  ztt  Jahr. 

3.  Erkrankungen  der  Drüsen  und  Knochen. 

Die  Skrofulöse  in  all  ihren  Erscheinungsformen  findet  hier  aus- 
'eichnete  Heilungsbedingungen.  Die  Sole-  und  Mutterlaugenbäder 
ben  sich  da  einen  ausgezeichneten  Ruf  erworben,  der  durch  die. 
illosen  Bäder  ähnlicher  Art  nicht  geschmälert  worden  ist. 

4.  Erkrankungen  der  weiblichen  Unterleibs- 
gane. 

Dass  Endometriden,  chronische  Exsudate  der  Adnexe  durch 
>ere  Sole  und  Mutterlauge,  trotz  ihres  geringen  Gehaltes  au  Radium, 
uiso  rasch  zur  Resorption  angeregt  werden  als  in  Kreuznach. 
)en  die  Erfahrungen  der  allerletzten  Jahre  deutlich  gezeigt. 

5.  Erkrankungen  der  Luftwege. 

Die  vorzüglichen  klimatischen  Eigenschaften  unseres  Tales,  vor 
m  die  geringen  Temperaturschwankungen,  die  den  Aufenthalt  im 
den  auch  bei  ungünstiger  Witterung  ohne  Beschwerden  erlauben, 
rken  auf  Katarrhe  des  ganzen  Respirationstraktus  vorzüglich 
isernd  und  heilend  ein.  Bei  Rhinitis,  Pharyngitis  und 
nit  zusammenhängender  Otitis,  bei  Laryngitis  zeigt  sich 
i  deutlich.  Die  klimatischen  Faktoren  werden  aufs  wirkungsvollste 
cii  die  Inhalationen  ergänzt,  weil  eben  die  vernebelten  Arznei- 
ffe  bis  in  die  feinsten  Bronchiolen  dringen.  Darüber  kann  nach 
:  Ergebnissen  zahlreicher  Untersuchet'  kein  Zweifel  sein. 

ln  früheren  Jahrzehnten  waren  unter  unseren  Kranken  Lungen- 
inke  stark  vertreten.  Die  Kurerfolge  waren  die  besten.  Seitdem 
Anstaltsbehandlung  sich  den  ersten  Platz  errungen  hat,  suchen 
berkulöse  Reichenhall  nicht  mehr  auf.  Ich  erwähne  das  aus-  i 
icklich,  weil  unter  den  Herren  Kollegen  noch  vielfach  die  An-  [ 
auung  besteht,  als  seien  die  Verhältnisse  noch  heute  so  wie  vor 
ein  Menschenalter. 

Ein  besonderes  Wort  ist  noch  dem  A  s  t  h  m  a,  dem  Emphyse  in 
1  der  chronischen  Bronchitis  zu  widmen.  Ich  habe  schon 
u  angeführt,  dass  Reichenhall  die  grösste  Anlage  von  pneuma- 
-’hen  Kammern  in  der  Welt  besitzt.  Es  hat  von  jeher  die  meisten 
mken  dieser  Art  versammelt  und  sieht  ihre  Anzahl  von  Jahr  zu 
ir  steigern.  Das  allein  lässt  schon  darauf  schliessen,  dass  Erfolge  i 
handen  sein  müssen.  Um  so  auffallender  muss  es  erscheinen, 
un  in  der  neueren  Literatur  über  Asthma  der  pneumatischen 
inner  fast  gar  nicht  gedacht  wird.  So  hat  sie  Stähelin  in 
-in  Fortbildungsvortrag  (Jahreskurse  für  ärztliche  Fortbildung, 
iruar  1912)  überhaupt  nicht  erwähnt.  Aus  dem  Aufsatze  des  i 


gleichen  Verfassers  (Jahreskurse,  Februar  1913),  wo  er  von  den  Ver¬ 
suchen  von  R  o  m  a  n  o  f  f,  Cloetta  und  Bruns  spricht,  könnte 
der  Schluss  gezogen  werden,  als  verschlechtere  der  erhöhte  Druck 
unter  allen  Umständen  die  Zirkulation  in  der  Lunge.  Stähelin 
zieht  zur  Stütze  seiner  Anschauung  allerdings  nur  die  Versuche  au 
ßschnittenen  Lunge  heran,  und  lässt  die  Einwirkung  des 
ei  höhten  Druckes  in  vivo  unberücksichtigt,  allein,  um  Missverständ¬ 
nisse  zu  vermeiden,  verdient  es  doch  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  die  Untersuchungen  von  Lange,  v.  Vivenot,  Lazarus, 
Z  a  d  e  c  k  und  nicht  zuletzt  v.  L  i  e  b  i  g,  wenn  sie  auch  lange  zuriiek- 
Hegen,  doch  einwandfrei  dargetan  haben,  dass  unter  dem  erhöhten 
Druck  der  Kammer  von  nicht  ganz  2  Atmosphären  die  Blutmenge  im 
grossen  Kreisläufe  abnimmt  und  gegen  die  Lunge  abströmt.  Die 
Lunge  wird  also  in  der  Kammer  besser  durchblutet  als  unter  dem 
gev  öhiilichen  Drucke.  Und  daraus  ist  auch  die  therapeutische  Ein- 
wiikung  auf  bronchiale  Katarrhe  und  dadurch  bedingte  asthmatische 
Zustände,  welche  die  ärztliche  Erfahrung  zweifellos  festgestellt  hat, 
vor  allem  zu  erklären. 

Wenn  vom  heutigen  Reichenhall  mit  seiner  reichen  Fülle  von 
medizinischen  Hilfsmitteln  die  Rede  ist,  so  darf  nicht  vergessen 
werden,  eines  Mannes  zu  gedenken,  der  ihm  die  Arbeitskraft  seines 
Lebens  gewidmet  hat,  und  als  der  wissenschaftliche  Begründer  des 
Ortes  anzusehen  ist.  Ich  meine  G.  v.  L  i  e  b  i  g.  Wenn  unsere 
Kammern  heute  ein  präzis  arbeitendes  Instrument  sind,  wenn  wir 
über  ihre  Heilanzeigen  und  Gegenanzeigen  aufgeklärt  sind  und  ihre 
hauptsächlichsten  physiologischen  Wirkungen  kennen,  so  verdanken 
wir  das  mit  in  erster  Linie  diesem  ausgezeichneten  Manne,  der  fast 
40  Jahre  als  Arzt  in  unserer  Stadt  tätig  war.  Eine  Fülle  von  fein 
durchdachten  und  sorgsam  ausgearbeiteten  Abhandlungen  (mehr  als 
60)  über  Reichenhall,  sein  Klima,  seine  Kureinrichtungen  und  Heil¬ 
erfolge  sind  aus  seiner  Feder  hervorgegangen.  Heute  sind  sie  frei¬ 
lich  zum  grössten  Teile  vergessen,  aber  zur  Zeit  ihres  Erscheinens 
waren  sie  es,  die  vor  allen  anderen  in  der  ärztlichen  wissenschaft¬ 
lichen  Welt  den  Namen  Reichenhall  bekannt  gemacht  haben. 


Zur  Diagnose  und  Behandlung  des  chronischen 
Ulcus  pylori. 

Von  Dr.  med.  Faulhaber,  Spezialarzt  für  innere  Krank¬ 
heiten  und  Privatdozent  für  Röntgenologie  in  Würzburg. 

(Schluss.) 

Der  eben  angegebene  Syndrom:  6  stiindiger  kleiner  Rest 
bei  normaler  oder  verstärkter  Peristaltik  ist  nun  meiner  An¬ 
sicht  nach  pathognomonisch  für  Pylorospasmus 
leichteren  Qrades;  ich  gehe  aber  noch  weiter  zu 
behaupten,  dass  er  in  den  meisten  Fällen  das 
Vorhandensein  eines  Ulcus  oder  einer 
Schleimhautläsion  am  Pylorus  selbst  oder 
in  dessen  nächster  Nähe  erweist. 

Mit  dieser  Ansicht  stelle  ich  mich  in  zwei  wichtigen 
Punkten  in  scharfen  Gegensatz  zu  Hau  de  k: 

1.  behauptet  letzterer,  dass  6-Stundenreste  auch  allein 
durch  Hyperazidität  Vorkommen, 

2.  nimmt  Hau  dek  bekanntlich  an,  dass  jedes,  auch  das 
pylorusferne  Ulcus  Motilitätsstörung  durch  Pylorospas¬ 
mus  erzeuge. 

ad  1.  Haudeck  sagt  nicht,  dass  bei  jede  m  Falle  von  Hyper¬ 
azidität  Hypomotilität  bestehen  muss.  Er  glaubt,  dass  zur  Hyper¬ 
azidität  noch  eine  hypothetische  ..spastische  Disposition“  hinzu¬ 
kommen  müsse,  um  die  Motilitätsstörung  hervorzubringen.  Dass 
diese  „spastische  Disposition“  in  naher  Beziehung  zur  Erosion  und 
zum  Ulcus  steht,  spricht  Hau  deck  selbst  aus,  ja  er  scheint  mir 
die  Möglichkeit  einer  latent  bestehenden  anatomischen  Schleimhaut¬ 
veränderung  dadurch  zuzugeben,  dass  er  die  Differentialdiagnose  der 
bestehenden  anatomischen  Veränderung  und  der  hochgradigen  Dis¬ 
position  hiezu  für  nicht  besonders  wichtig  erklärt.  Aus  allem  geht 
hervor,  dass  es  sich  hier  nicht  um  die  einfache  (essen¬ 
tielle).  H  y  p  e  r  a  z  i  d  i  t  ä  t,  sondern  nur  um  die  symptomatische 
handeln  kann  und  dass  also  in  seinen  Fällen  anatomische  Schleim- 
hautveränderungen  keineswegs  ausgeschlossen  waren. 

Durch  die  Hyperazidität  allein,  d.  h.  durch  die  essentielle 
Form  wird  keine  bemerkenswerte  Motilitätsverzögerung  herbei¬ 
geführt.  Das  klinische  Bild  dieser  Erkrankung  ist  auch  nach  der 
Seite  der  Motilität  so  wohl  studiert,  dass  ein  gegenteiliges  Verhalten 
längst  bekannt  wäre.  Die  Autoren  aber  geben  einmütig  an.  dass  die 
Motilität  bei  Hyperazidität  gewöhnlich  normal  sei.  Dort,  wo  eine 
Verzögerung  derselben  nachgewiesen  ist,  sei  sie  durch  gleichzeitige 
Atonie,  mit  der  die  Hyperazidität  nicht  selten  vergesellschaftet  ist, 
bedingt. 

Es  ist  ja  zuzugeben,  dass  eine  Verzögerung  der  Austreibungszeit 
—  durch  Verstärkung  des  Pylörusschlussreflexes  —  die  Folge  der 
Hyperazidität  sein  muss.  Da  aber  die  Austreibungszeit  ein  sehr  kom¬ 
plexer  Vorgang  ist,  in  dem  noch  eine  Reihe  anderer  Faktoren  die 
Motilität  beeinflussen,  so  lässt  sich  die  Wirkung  der  Hyperazidität  im 


984 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  IS. 


Einzelfall  nicht  klar  überblicken.  Jedenfalls  ist  die  Verzögerung  der 
Magenentleerung  unbeträchtlich  und  noch  im  Bereich  der  physio¬ 
logischen  Schwankungen  gelegen.  Sicherlich  geht  sie  nicht  so  weit, 
dass  die  klinischen  Erscheinungen  der  motorischen  Insuffizienz 
I.  Grades  oder  die  röntgenologischen  Zeichen  des  6-Stundenrestes  auf- 
treten. 

Ich  habe  mich  im  abgelaufenen  Jahre  ganz  besonders  für  die 
Motilitätsbestimmung  bei  einfacher  Hyperazidität,  d.  h..  wenn  ich 
Grund  hatte,  ein  Ulcus  auszuschliessen,  interessiert  und  dieselbe  nach 
der  H  a  u  d  e  k  sehen  Methode  vorgenommen.  Niemals  habe  ich 
dabei  einen  6-Stundenrest  nachweisen  können.  10  der  prägnantesten 
Beobachtungen  führe  ich  hier  an. 


Name, 

Alter  und  Geschlecht 

Probefrühstück 

Magenform,  etc. 

Magen  leor 
nach 

fr.  HCl. 

Ges.  A. 

B.  S-,  67  J.,  weiblich 

70 

90 

sehr  stark  ptot. 

4  Std. 

K.  G.,  54  J.,  männlich 

65 

86 

normal 

3  Std. 

J.  H ,  58  J.,  männlich 

69 

86 

massig  ptot. 

3  Std. 

S.  A.,  56  J.,  männlich 

66 

78 

normal 

31/a  Std. 

L.  K.,  53  J.,  männlich 

61 

77 

3  Std. 

G.  N,  40  J.,  weiblich 

66 

81 

23U  Std. 

M.  S.,  34  J.,  männlich 

66 

76 

stark  ptot.  u.aton. 

4  Std. 

R.  S.,  49  J.,  männlich 

58 

76 

normal 

3  Std. 

A.  H.,  40  J,,  männlich 

70 

86 

leicht  ptot. 

3  Std. 

K.  G.,  26  J.,  männlich 

60 

78 

ptotisch 

3  Vs  Std. 

ad.  2.  Gegen  den  Satz  Haudeks,  dass  auch  das  pylorus- 
ferne  Geschwür  durch  Pylorospasmus  fast  stets  zu  groben  Rück¬ 
ständen  nach  6  Stunden  führe,  habe  ich  bereits  vor  Jahresfrist5'*) 
mich  gewendet.  Ich  weiss  nicht,  ob  H  a  u  d  e  k  diesen  Satz  heute 
noch  aufrecht  erhält;  jedenfalls  besteht  meine  damalige  Argumentation 
dagegen  noch  völlig  zu  Recht.  Die  H  a  u  d  e  k  sehe  Ansicht  ist  von 
einer  Reihe  von  Autoren,  wie  es  scheint,  unbesehen  akzeptiert  wor¬ 
den,  doch  haben  sich  im  letzten  Jahre  auch  vereinzelte  Stimmen 
(H  ä  n  i  s  c  h  u.  a.)  dagegen  erhoben.  Dass  sie  falsch  ist,  haben  mich 
15  (noch  unveröffentlichte)  in  den  letzten  2  Jahren  von  mir  rönt¬ 
genologisch  sicher  nachgewiesene  kallöse  und  zum  Teil  penetrierende  j 
Ulcera  der  Pars  media  gelehrt/  Nur  in  einem  einzigen  dieser  Fälle  I 
war  ein  6  und  sogar  20  ständiger,  allerdings  sehr  kleiner  Rest  nach¬ 
zuweisen;  in  allen  übrigen  Fällen  war  klinisch  keine  Mo- 
tilitätsverzögerung  zu  konstatieren  bzw.  war  der  Magen  nach 
6  Stunden  von  Barium  völlig  entleert.  In  einer  Anzahl 
dieser  Fälle  ist  die  Diagnose  überdies  noch  durch  Operation  bestätigt; 
es  sei  mir  gestattet,  davon  3  aus  der  jüngsten  Zeit  stammende  Be¬ 
obachtungen  anzuführen. 

Beobachtung  2.  B.  Sch.,  51jährige  Frau.  Seit  5  Jahren 
Magenbeschwerden  (Schmerzen,  hie  und  da  Erbrechen). 

Befund:  Nüchtern  der  Magen  leer.  Probefrühstück;  freie  HCl 
=  62.  Ges.-Azid.  =  92.  Mikrosk.  normal.  Röntg.  Magen  stark  pto- 
tisch,  ohne  sonstige  Formänderung;  an  der  kleinen  Kurvatur  Nische 
mit  Andeutung  von  Gasblase  darüber  (siehe  Fig.  3).  Motilitäts- 
prüf ung :  Magen  nach  6  Stunden  völlig  entleert.  Ope¬ 
ration  23.  X.  12  (Geh.  Rat  En  der  len:  Kallöses  Ulcus  der  kleinen 
Kurvatur;  Grund  von  Pankreasgewebe  gebildet;  Durchmesser  1  cm. 
Tiefe  %  cm.  Der  ganze  Ulcustumor  war  etwa  walnussgross.  Keine 
sonstigen  perigastrischen  Adhäsionen.  Zirkuläre  Resektion.  Geheilt. 


Fig.  3.  Röntgenogrammpause, 
siehe  Beobachtung  2. 

51  jährige  Frau.  Vorfüllung  mit  Barium¬ 
wasser,  dann  Riedermahlzeit. 


Fig.  4.  Röntgenogrammpause, 
siehe  Beobachtung  3. 

35  jährige  Frau.  Vorfüllung  mit  Barium¬ 
wasser,  sodann  Riedermahlzeit. 
Schräge  Aufnahme  von  1.  h.  nach  r.  v. 


Beobachtung  3.  Chr.  W.,  35 jährige  Frau.  Seit  ca.  7  Jahren 
Magenbeschwerden.  Starke  Schmerzen  erst  seit  3—4  Wochen.  Hie 
und  da  Erbrechen.  Befund:  Nüchtern  30  ccm  stark  HCl-haltiger 
Magensaft,  mikroskopisch  ohne  Speisereste  oder  pathologische  Bei¬ 
mengungen.  Probefrühstück:  freie  HCl  =  54,  Ges.-Azid.  =  78. 


Röntg,  starker  ptotischer  und  atonischer  Magen  ohne  sonstige  Form¬ 
veränderung.  Bei  leichter  Drehung  nach  links  kommt  eine  typische 
runde  Nische  mit  Gasblase  zum  Vorschein  (siehe  Fig.  4).  Molilitäts- 
prüfung:  Magen  nach  bereits  4  Stunden  von  Barium 
völlig  entleert.  Operation  (26.  X.  12,  Geh.  Rat  Enderlen): 
Kallöses  Ulcus  der  Magenmitte  an  der  Hinterwand  in  nächster  Nähe 
der  kleinen  Kurvatur,  ins  Pankreas  penetriert.  Keine  sonstigen  peri- 
gastritischen  Adhäsionen.  Zirkuläre  Resektion.  Heilung. 


Beobachtung  4.  Seit  12  Jahren  magenleidend;  häufig  sehr 
starke  Kardialgien. 

Befund:  Früh  nüchtern  nach  Probeabendessen  mit  Preisselbeeren 
ein  paar  Kubikzentimeter  saurer  Inhalt  mit  einigen  Preiselbeeren  ex- 
primiert;  Kongo  nicht  gebläut.  Mikroskopisch:  unverdaute  Muskel¬ 
fasern,  Sarzine  nicht  vorhanden.  Probefrühstück:  freie  HCl  =  2 i, 
Ges.-Azid.  =  46.  Nochmaliges  Probefrühstück  am  nächsten  Tag 
ergab  freie  HCl  24,  Ges.-Azid.  =  60.  Röntg.:  Leicht  ptotischer 
Magen  mit  mässiger  Sanduhrenge,  ent¬ 
sprechend  der  Pars  media.  Dortselbst 
an  der  kleinen  Kurvatur  Nische  mit 
kleiner  Gasblase ;  an  der  grossen  Kur- 
vatur  perigastritische  Zacken.  Pars  hori- 
zontalis  super,  duodeni  sehr  stark  aus¬ 
gedehnt  (siehe  Fig.  5).  Motilitätspriifung: 

Nach  6  Stunden  mässiger  Rest:  nach 
20  Stunden  minimaler  Rest.  Operation 
(15.  XI.  12,  Geh.  Rat  Enderlen): 

Grosses  Magenpankreasgeschwür,  peri¬ 
gastritische  Adhäsionen.  Pylorus  frei. 

Anfangsteil  des  Duodenums  ausser¬ 
ordentlich  erweitert.  Eine  Ursache  für 
diese  Erweiterung  fand  sich  nicht.  Duo¬ 
denalgeschwür  war  nicht  vorhanden. 

Zirkuläre  Resektion.  Heilung. 

Diese  3  Beobachtungen  sind  für  den 
Entscheid  der  ganzen  Frage  ausser- , 
ordentlich  wichtig.  Im  ersten  Fall  trotz  ; 

Ulcus,  Ptose  und  starker  Hyper¬ 
azidität  kein  6-Stundenrest;  im  zweiten 

Fall  trotz  Ulcus,  starker  Ptose,  peristolischer  Atonie, 
Hypersekretion  und  Hyperazidität  sogar  Ent¬ 
leerung  in  4  Stunden.  Im  3.  Fall  aber  bei  sehr  geringen 
Säure  werten,  ohne  Hypersekretion,  starke  Verzögerung  der 
Entleerung,  sogar  geringe  makroskopische  Stagnation. 

Zu  letzterer  Beobachtung  habe  ich  vor  einem  Jahr  einen  Parallel¬ 
fall  gesehen,  welcher  in  meiner  Röntgendiagnostik  der  Magenkrank¬ 
heiten  °)  abgebildet  ist.  Es  handelte  sich  um  ein  Doppelulcus  der 
Pars  media,  welches  eine  grosse  Penetrationshöhle  in  die  Leber  tind 
eine  kleine  ins  Pankreas  gesetzt  hatte.  Der  palpable  Ulcustumor 
war  fast  gänseeigross.  Bei  subaziden  Werten  nach  Prob:- 
frühstück  (freie  HCl  =  12,  Ges.-Azid.  =  36)  war  geringe  makro¬ 
skopische  Stagnation  nachzuweisen.  Die  Operation  (Resektion,  Geh. 
Rat  Enderlen)  zeigte  den  Pylorus  normal. 


Fig.  5.  Röntgenogrammpause, 
siehe  Beobachtung  4. 
Riedermahlzeit 


Eine  sogar  starke  Motilitätsverzögerung  kann  also  bei  kallösem, 
penetrierendem  Ulcus  der  Pars  media  unzweifelhaft  Vorkommen. 
Sie  ist  aber  —  das  möchte  ich  im  Gegensatz  zu  Haudeck 
sagen  —  nicht  allzuhäufig,  findet  sich  nur  bei  s  e  h ' 
schweren  pathologisch-anatomischen  Verände¬ 
rungen  durch  das  Ulcus  (grosse  Penetrationen, 
starke  Perigastritis,  grosser  Ulcustumor)  und  ent¬ 
steht  sicherlich  nicht  durch  Pylorospasmus.  Demi 
ein  Pylorospasmus  bei  pylorusfernem  Ulcus  wäre  nur  durch  be¬ 
gleitende  Hypersekretion  bzw.  Hyperazidität  zu  erklären.  In  meinen 
beiden  Fällen  fand  sich  aber  normale  bzw.  Subazidität.  Die  Ent¬ 
leerungsverzögerung  muss  vielmehr  aus  rein  mechanischen 
Momenten  erklärt  werden.  Ein  Magen,  der  in  ausgedehnter 
Weise  an  seiner  kleinen  Kufvatur  in  die  Umgebung  eingemauert 
ist,  entbehrt  der  Bewegungsmöglichkeit  so  sehr,  dass  die  Schwierig¬ 
keit  seiner  Entleerung  verständlich  ist.  Kleinere  kallöse  Ulcera 
machen  in  dieser  Beziehung  nicht  viel  aus  und  einfache  Ulcera 
schon  gar  nichts.  Auch  S  t  i  e  r  1  i  n  hat  neuerdings  für  die  Motilitäts¬ 
verzögerung  bei  Ulcus  der  kleinen  Kurvatur  das  mechanische  Mo¬ 
ment  wenigstens  für  manche  Fälle  gelten  lassen,  wenn  er  sich  auch 
von  der  Haudek  sehen  Anschauung  noch  nicht  ganz  emanzipiert 
hat  Er  fragt,  ob  nicht  vielleicht  zur  Motilitätsverzögerung  hier 
„ausser  einem  durch  Hyperazidität  bedingten  Pylorospasmus  in 
manchen  Fällen  eine  narbig-spastische  Verziehung  des  Pylorus  zu 
einem  mehr  oder  weniger  nach  oben  gerichteten  Schlitz  beitragen 
könnte.  Eine  solche  Verziehung  müsste  in  höheren  Graden  durch 
leichte  Abknickung,  in  geringeren  durch  Störung  des  Oeffnungs- 
mechanismus  des  Pförtners  ein  Passagehindernis  veranlassen". 
S  t  r  a  u  s  s  und  Brandenstein0*)  haben  schon  1  Jahr  vorher 
bei  einem  ihrer  Fälle  von  Ulcus  der  Pars  media  die  Entleerurgs- 
verzögerung  aus  rein  mechanischen  Momenten  (Verziehung  des  Py¬ 
lorus  durch  Adhäsionen  „Perigastritis  deformans“)  erklärt. 

Aber  jetzt  kommt  die  angebliche  Fernwirkung  des  extrapylori- 
schen  Ulcus  auf  den  Pförtner  durch  die  begleitende  Hyperazidität 


5*)  Die  Röntgendiagnostik  der  Magenkrankheiten,  C.  Mar- 
hold,  Halle  a.  S.,  1912,  S.  29. 


°)  1.  c.  S.  4L  Fig.  10. 

**)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1911,  No.  28. 


Aai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


985 


.  Hypersekretion!  Die  letztere  soll  ja  Pylorospasmus  erzeugen 
dadurch  zur  Motilitätsverzögerung  Anlass  werden.  Da  ist  vor 
1  Dingen  gegen  11  a  u  d  e  k  zu  sagen,  dass  das  pylorusferne 
is  durchaus  nicht  immer  mit  Hypersekretion  einhergeht  und 
solche  Geschwüre  mit  normaler,  ja  mit  Subazidität  gar  nichts  sel- 
s  sind.  Zweitens  aber  bestreite  ich  entschieden,  dass 
lypersekretion  bezw.  Hyperazidität  für  sich  allein  Pylorospasmus 
.  Motilitätsstörung  verursacht.  Hier  befinde  ich  mich  allerdings 
iegensatz  zu  namhaften  Klinikern.  Dass  Hypersekretion  (gemeint 
hier  nur  immer  die  kontinuierliche)  und  motorische  In- 
zienz  bis  zur  Stagnation  häufig  zusammen  Vorkommen  ist  noto- 
l.  Es  ist  aber  ebenso  bekannt,  dass  die  Motilität  bei  Hyper- 
etion  nicht  so  selten  auch  normal  ist.  Warum  ist  sie  einmal  nor¬ 
ein  andermal  schwer  gestört?  Wenn  sie  für  sich  allein 
lorospasmus  erzeugte,  müsste  sie  doch  in  allen 
len  gestört  sein. 

Nun  ist  ja  das  häufige  Vorkommen  noch  einer  dritten  Begleit- 
heinung,  des  Ulcus,  zusammen  mit  Hypersekretion  und  Pyloro- 
mus  von  allen  Autoren  zugegeben.  Einzelne  gehen  sogar  so  weit, 
edem  Falle  von  Hypersekretion  ein  Ulcus  anzunehmen.  Wie 
diese  Trias:  Ulcus,  Hypersekretion  und  Pylorospasmus  bzw. 
ilitätsstörung  untereinander  zusammenhängt,  was  das  Primäre, 
das  Sekundäre  ist,  darüber  gibt  es  fast  soviel  Ansichten  als 
ibinationen  möglich  sind.  Ich  selbst  halte  mit  Borgbjärg, 
i  u  u.  a.  das  Ulcus  für  das  Primäre,  die  Hypersekretion  für  das  Se- 
iäre.  Ob  man  aber  dieser  Ansicht  ist  oder  mit  Boas  u.  a.  der 
ekehrten,  dass  die  Hypersekretion  das  Ulcus  verursacht,  soviel 
heint  mir  sicher,  dass  die  Motilitätsstörung  nur  vom 
is,  und  zwar  nur  von  dessen  Sitz  am  Pylorus  ab- 
lgt.  So  lassen  sich  die  Fälle,  wo  bei  Ulcus  und  Hypersekretion 
Motilität  intakt  ist,  einfach  durch  extrapylorischen  Geschwürssitz, 
andererseits  das  nicht  seltene  Vorkommen  von  Ulcus,  Hyper- 
etion  und  Motilitätsstörung  durch  die  Häufigkeit  gerade  der 
rischen  Ulcera  erklären.  Der  gleichen  Ansicht  ist  auch  Boas7). 
Dass  ein  extrapylorisches  Ulcus  trotz  begleitender  Hypersekre- 
bzw.  Hyperazidität  keine  Motilitätsstörung  bewirkt,  das  geht 
t  nur  aus  den  eben  gegebenen  Darlegungen  hervor,  sondern  das 
eisen  auch  in  schönster  Weise  die  2  oben  angeführten  Beobach¬ 
en  2  und  3,  wo  kleine  kallöse  Ulcus  der  Pars  media  im  Verein 
Hypersekretion  und  Hyperazidität  und  sogar  mit  Ptose  und  Atonie 
e  Verzögerung  der  Magenentleerung  bewirkten.  Operativ  aller- 
s  nicht  bestätigt  sind  die  10  Fälle  aus  dem  Jahre  1912,  die  in 
istehender  kleiner  Tabelle  aufgeführt  sind,  wo  die  Ulcusdiagnose 
:h  manifeste  oder  okkulte  Blutung  wenigstens  klinisch  sicher  ist 
wo  trotz  Hypersekretion  keine  Motilitätsstörung  vorhanden  war. 


Name, 

Blutung 

Kontinuierl. 

Hyper¬ 

sekretion 

Probefrühstück 

Röntgen¬ 

ologische 

r  u.  Geschlecht 

manifest 

okkult 

fr.  HCl 

Ges.  A. 

Motilitäts- 

prüfung 

,  29  J.,  männl. 

+ 

+ 

+ 

66 

78 

nach  6Std. 
leer 

,  22  J.,  weibl. 

,  53  J.,  männl. 

— 

+ 

4- 

68 

92 

— 

+ 

+ 

62 

76 

54  J.,  männl. 

+ 

? 

+ 

70 

78 

.,  29  J.,  männl. 

4* 

60 

79 

,  42  J.,  männl. 

— 

Digestive 

Hypersekr. 

54 

79 

» 

.,  26  J.,  männl. 

— 

+ 

4- 

64 

87 

,  27  J.,  männl. 

— 

+ 

4- 

62 

82 

41  J.,  weibl. 

— 

4~ 

+ 

55 

9Q 

,  45  J.,  männl. 

— 

+ 

4-4- 

79 

89 

yy 

Die  Annahme  Haudeks,  „dass  ein  noch  so  kleines  Ulcus 
Magenkörpers  durch  den  hiebei  gewöhnlich  vorkommenden 
)rospasmus  fast  stets  zu  groben  Rückständen  nach  6  Stunden 
t“,  muss  also  abgelehnt  werden.  Ein  Ulcus  führt 
dann  zur  Motilitätsverzögerung  durch  Pyloro- 
LSmus,  wenn  es  am  Pylorus  oder  in  dessen  nach- 
r  Nähe  sitzt.  Umgekehrt  lässt  sich  durch  den 
chweis  des  Pylorospasmus  auf  Sitz  des  Ulcus 
Pylorus  schliessen. 

Diese  meine  Ansicht  ist  nun  keineswegs  neu,  sondern, 
m  sie  auch  heute  noch  weit  davon  entfernt  ist,  allgemein 
rkannt  zu  sein,  so  haben  doch  eine  Anzahl  namhafter 
oren  wie  A  1  b  u,  Borgbjärg  u.  a.  die  gleiche  oder  eine 
z  ähnliche  Auffassung.  Jene  Autoren  brauchen  allerdings, 
sicher  auf  ein  spastisches  Hindernis  am  Pylorus  schliessen 
können,  den  Nachweis  der  zeitweiligen  hochgradigen 
zur  Stagnation  gehenden)  Motilitätsstörung,  ein 
nptom,  das  aber  nur  bei  einer  kleinen  Minderzahl  der 
orusulcera  vorhanden  ist.  Dass  demgegenüber 
ine  Methode,  den  Pylorospasmus  schon  an 
ier  geringen  Motilitätsstörung  (Insuffi- 
-  n  z  I.  Grades)  aus  dem  mit  der  Hypomotilität 
n  t  r a s t i e r e n d e n  Verhalten  der  röntgeno- 

7)  1.  c.  S.  501. 

No.  18. 


logischen  Peristaltik  zu  erkennen,  den  Kreis 
der  diagnostizierbaren  Pylorusgeschwüre 
ausserordentlich  erweitern,  bezw.  diese 
Krankheit  schon  in  einem  früheren  Stadium 
erkennen  lassen  wird,  ist  leicht  verständlich. 

Ich  muss,  um  vollständig  zu  sein,  hier  erwähnen,  dass 
Borgbjärg  auch  den  Nachweis  der  mikroskopischen 
Stagnation  bereits  für  die  Annahme  des  Pylorospasmus 
und  damit  eines  Ulcus  pylori  für  genügend  hält.  Meinen 
eigenen  Erfahrungen  nach  bin  ich  geneigt,  diesem  Autor  zu¬ 
zustimmen  und  eine  Beobachtung,  wie  Lewinski8), 
Kemp,  Bamberger  u.  a.,  die  das  Symptom  auch  bei 
Gesunden  fanden,  habe  ich  niemals  machen  können.  Aber 
das  Borgbjärg  sehe  Symptom  ist  nicht  häufig;  ich  fand 
es  unter  meinen  32  Fällen  nur  4  mal  und  die  Möglichkeit  einer 
Täuschung  ist  dabei  gegeben;  man  vergleiche  damit  die  Sicher¬ 
heit  der  röntgenologischen  Prüfung  auf  Pylorospasmus. 

Wenn  wir  also  das  B  o  r  g  b  j  ä  r  g  sehe  Symptom  als 
charakteristisch  für  Pylorusgeschwiir  gelten  lassen  wollen,  so 
wären  von  meinen  32  Fällen  4  plus  3  Fälle,  in  denen  dauernde 
bzw.  zeitweilige  Stagnation  bestand,  erkennbar  gewesen,  die 
übrigen  25  Fälle  (darunter  5  durch  Operation  verifizierte) 
konnten  erst  durch  den  oben  von  mir  angegebenen  Sym- 
ptomenkomplex  diagnostiziert  werden. 

Die  T  e  c  h  n  i  k  der  Prüfung  auf  vorhandenen  Pyloro¬ 
spasmus  ist  überaus  einfach.  Sie  geschieht  röntgenologisch: 

1.  durch  Konstatierung  eines  6-Stundenrestes; 

2.  durch  Beobachtung  von  Tiefe,  Rhythmus  und  Richtung' 
der  Peristaltik  am  gefüllten  Magen. 

Die  Peristaltik  kann  zwar  meistens  auch  noch  am  6-Stundenrest 
studiert  werden;  sicherer  jedoch  erscheint  die  Beobachtung  am 
vollgefüllten  Magen. 

Obzwar  bei  6-Stundenrest  schon  eine  normale  tiefe  und 
frequente  Peristaltik  zur  Annahme  des  Pylorospasmus  aus¬ 
reichend  erscheint,  ist  natürlich  einer  nach  Tiefe  und  Häufig¬ 
keit  vermehrten  Peristaltik  eine  erhöhte  Bedeutung  bei¬ 
zumessen.  Die  Vertiefung  der  Wellen  ist  hierbei  häufig;  sie 
fand  sich  in  20  meiner  Fälle.  Bereits  1908  habe  ich  die  An¬ 
gabe  gemacht,  dass  vertiefte  Peristaltik  ein  Zeichen  von 
Pylorusstenose  sei;  ich  muss  das  heute  dahin  erweitern,  dass 
ich  sage:  ein  Zeichen  für  ein  Hindernis  am  Py¬ 
lorus.  Von  Holzknecht  ist  allerdings  gesagt  worden, 
dass  vertiefte  Peristaltik  sich  auch  bei  Magenneurosen  finde. 
Wer  aber  weiss,  auf  wie  schwachen  Füssen  manchmal  die 
Diagnose  Magenneurose  steht,  wird  diesem  Einwand  nicht 
allzuviel  Bedeutung  beimessen. 

Wichtig  und  häufig  (23  mal  unter  meinen  Fällen)  ist  auch 
die  abnorm  lebhafte  Peristaltik  (Tachyperistaltik),  wo  zwei 
und  mehr  Wellen  gleichzeitig  an  den  Kurvaturen  sichtbar  sind 
(siehe  Fig.  6).  Und  pathognomonisch  endlich  für  eine  orga¬ 
nische  Veränderung  des  Pylorus  bzw.  der  Pars  pylorica  ist, 
wie  ich  Jonas,  H  o  1  z  k  n  e  c  h  t  u.  a.  zustimmen  muss,  die 
umgekehrte  Richtung  der  Wellen,  die  A  n  t  i  p  e  r  i  s  t  a  1 1  i  k. 
Leider  ist  das  Symptom  nicht  häufig;  ich  konnte  es  unter 
meinen  Fällen  nur  2  mal  konstatieren  (siehe  Fig.  6). 


a) 


b) 


Fig.  6.  Schirmpause  von  Fall  19. 

Peristaltik  an  der  grossen  Kurvatur  beobachtet  am  6std.  Rest. 

a)  Tachyperistaltik;  gleichzeitiges  Auftreten  von  3  Wellen. 

b)  Tiefe  antiperistaltische  Welle. 


Von  sonstigen  röntgenologischen  Befunden  ist  zu  er¬ 
wähnen,  dass  bei  einem  k  a  1 1  ö  s  e  n  Ulcus  am  Pylorus  von 
einigermassen  bemerkenswerter  Grösse  (über  walnussgross) 
auch  eine  Schattenaussparung  zu  erwarten  ist.  Für  die  Er¬ 
kennung  derselben  aber  bestehen  bei  atonischen  und  dik¬ 
tierten  Magen  dieselben  Schwierigkeiten,  die  ich  schon  in 
meiner  Röntgendiagnostik  der  Magenkrankheiten  (S.  57  ff.)  bei 
der  Diagnose  der  kleinen  stenosierten  Pyloruskarzinome  ge¬ 
schildert  habe.  Ein  walnussgrosses  kallöses  Ulcus  pylori 
(Fall  21)  hat  sich  mir  nicht  als  Schattenaussparung  bemerkbar 
gemacht  (d.  h.  es  wurde  nur  als  einfaches  Ulcus  pylori  dia- 

8)  Zitiert  nach  Boas:  Lehrbuch  der  Magenkrankheiten,  1911, 
S.  503. 


4 


986 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


gnostiziert).  Dagegen  hat  ein  andermal  ein  viel  kleineres 
Ulcus  (Fall  32),  das  nicht  kallös  war,  sondern  vom  operieren¬ 
den  Chirurgen  nur  als  leicht  induriert  bezeichnet  wurde,  bei 
sonst  normaler  Magenform  und  -grosse  eine  typische 
Schattenaussparung  verursacht.  Es  muss  hier  die  entzünd¬ 
liche  Infiltration  doch  in  grösserem  Umkreis  des  Ulcus  bis  in 
die  Muskulatur  hineingereicht  haben  und  diese  starr  und  be¬ 
wegungsunfähig  gemacht  haben  (siehe  Fig.  7). 


Fig.  7.  Schirmpausen  von  Fall  32. 

J3  Füllung  früh  nüchtern  mit  Bariumwasser. 
Schattenaussparung  und  peristaltische  Formänderungen 
des  kaudalen  Magenteils. 


Der  röntgenologisch  zu  konstatierenden  Magengrösse 
kann  ich  für  die  Diagnose  des  Ulcus  pylori  in  den  meisten 
Fällen  keinerlei  Bedeutung  beimessen.  Dass  die  Magengrösse 
bei  vielen  Pylorusgeschwiiren  keine  Veränderung  erleidet,  ist 
bei  der  geringgradigen  Störung  der  Motilität  nicht  weiter  ver¬ 
wunderlich.  In  der  Hälfte  meiner  Fälle  ist  die  Magengrösse 
durchaus  normal  gewesen.  Die  leichte  Dilatation,  die,  zu¬ 
meist  mit  Ptose  und  Atonie  vergesellschaftet  in  einer  Reihe  der 
übrigen  Fälle  vorhanden  war,  könnte  man  ja  geneigt  sein,  auf 
das  Konto  der  Motilitätsverzögerung  zu  setzen,  wenn  sie 
bei  Atonie  nicht  so  häufig  auch  unter  normalen  Entleerungs¬ 
verhältnissen  sich  finden  würde.  Stark  dilatiert  fand 
sich  der  Magen  nur  bei  vorhandener  Stagnation. 

Die  Magen  form  endlich,  ob  Holzknecht,  Rieder,  Ptose 
oder  Atonie,  ist  für  die  Diagnose  von  keiner  Wichtigkeit. 


Solange  der  Begriff  der  Grenzgebiete  zwischen 
innerer  Medizin  und  Chirurgie  existiert,  hat  das  chronische 
Ulcus  ventriculi  zu  diesen  gehört.  Vor  20  Jahren,  nachdem 
man  sich  bereits  über  ein  Jahrzehnt  mit  Magenchirurgie  be¬ 
schäftigt  hatte,  war  der  chirurgische  Anteil  dieses  Grenzlandes 
noch  sehr  klein.  Das  hing  natürlich  damit  zusammen,  dass  bei 
chirurgischer  Behandlung  die  Zahl  der  Misserfolge  anfangs 
infolge  mangelhafter  Technik  und  unrichtiger  Indikations¬ 
stellung  noch  gross  war.  Später  hat  die  wachsende  Erfahrung 
nicht  nur  diese  Mängel  beseitigt,  sondern  auch  durch  die  wert¬ 
volle  Autopsie  in  vivo  unsere  Kenntnisse  über  die  Pathologie 
und  Therapie  des  chronischen  Magengeschwürs  erweitert. 
Und  so  sahen  wir  allmählich  eine  bedeutende  Grenzver¬ 
schiebung  im  Sinne  einer  Vergrösserung  des  chirurgischen 
Anteils  eintreten.  Es  ist  nicht  abzusehen,  wann  diese  Gebiets¬ 
erweiterung  beendet  sein  wird.  Hand  in  Hand  mit  ihr  geht 
natürlich  das  Bestreben,  das  neuokkupierte  Land  möglichst 
scharf  zu  umgrenzen.  Und  der  Gang  der  Entwicklung  drängt 
darauf  hinaus,  das  chronische  Ulcus  ventriculi  möglichst  scharf 
zu  scheiden  in  das  chirurgische  und  das  interne 
Ulcus. 

Die  Einführung  der  Röntgenuntersuchung 
in  die  Ulcusdiagnose  hat  diese  Scheidung  in 
vielen  Fällen  bereits  erleichtert  und  sie  tut 
dies  weiter,  indem  sie,  wie  ich  in  obigen  Aus¬ 
führungen  gezeigt  zu  haben  glaube,  wesent¬ 
lich  dazu  beiträgt,  die  Diagnose  des  Ulcus  py¬ 
lori  zu  fördern.  Denn  das  Ulcus  pylori  ist  ein 
Leiden,  das  in  den  meisten  Fällen  zweck  mas¬ 
sige  i-  chirurgisch  als  intern  behandelt  wird, 
das  jedenfalls  aber  als  relative  Indikation 
zu  chirurgischem  Eingreifen  gelten  sollte. 

Unser  früherer  Glaube  in  die  leichte  Heilbarkeit  der 
Magenulzera  auf  internem  Wege  ist  in  der  letzten  Zeit  über¬ 
haupt  einigermassen  erschüttert  worden.  Unter  Ulcus  ver¬ 
stehe  ich  hier  aber  natürlich  nur  das  echte  progrediente  chro¬ 
nische  Magengeschwür  und  nicht  jeden  beliebigen  Substanz¬ 
verlust  der  Schleimhaut,  wie  z.  B.  eine  peptische  Erosion.  Von 
diesen  ist  es  durch  zahlreiche  Tierexperimente  sicher,  dass  sie 
in  sehr  kurzer  Zeit  und  in  vollkommener  Weise  ausheilen.  Die 
Reparationsfähigkeit  der  Magenschleimhaut  ist  sehr  gross,  so 
gross,  dass  es  geradezu  seine  Schwierigkeiten  hat,  experi¬ 


Noj 

mentell  echte  chronische  Ulcera  zu  erzeugen.  Diese  ab* 
zeichnen  sich  durch  Torpidität  und  eine  äusserst  gerim 
Hcilungstendenz  aus  und  können  sich  beim  Menschen  naci 
gewiesenermassen  über  Jahre  und  Jahrzehnte  erstrecke 
Sicherlich  heilt  das  Magengeschwür  in  zahlreichen  Fällt 
spontan  bzw.  auf  internem  Wege  aus,  wie  der  nicht  seltei 
Befund  von  Ulcusnarben  bei  Obduktionen  zeigt.  Immerh 
ist  aber  die  Verhältniszahl  der  gefundenen  Narben  zu  der  di 
floriden  Geschwüre  sehr  auffallend.  G  r  u  b  e  r B)  fand  z.  1 
am  Münchener  Material  bei  5884  Sektionen  der  Jahre  18< 
bis  1912  238  chronische  Ulcera  und  nur  107  Narben.  Lur 
und  Bert  och9 10)  am  Dresdner  Material  der  letzten  10  Jahi 
auf  8629  Sektionen  148  Ulcera  und  236  Narben.  Wenn  d; 
chronische  Ulcus  eine  in  relativ  kurzer  Zeit  heilbare  Kranl 
heit  wäre,  dann  müsste  doch  die  gefunden 
Narbenzahl  ein  M  u 1 1  i  p 1 u  m  der  noch  f  1  o  r  i  d  e 
Ulcera  sein.  Nun  ist  allerdings  zuzugeben,  dass  gai 
oberflächliche  Ulcera  ohne  makroskopische  Narbe  heilt 
können,  und  dass,  wenn  man  nicht  ganz  speziell  dara 
achtet,  eine  zarte  Narbe  bei  makroskopischer  Besichtigui 
übersehen  werden  kann.  Auf  der  anderen  Seite  i 
aber  kürzlich  von  G  r  u  b  e  r  betont  worden,  wie  schwi 
es  unter  Umständen  ist,  rein  makroskopisch  die  Frag 
ob  eine  wirkliche  Ulcus  narbe  vorliegt,  zu  entscheide 
Er  fand  manchmal,  wenn  er  glaubte,  ein  vernarbte 
geheiltes  Ulcus  vor  sich  zu  haben,  doch  bei  der  mikn 
skopischen  Untersuchung  noch  ein  chronisches  Ulcus,  das  zei 
tral  noch  nicht  vernarbt  war.  Allerdings  bezieht  sich  d 
G  r  u  b  e  r  sehe  Angabe  nur  auf  das  peptische  Duodena 
geschwür;  beim  Magengeschwür  mögen  aber  ähnliche  Ve 
hältnisse  obwalten. 

Wenn  wir  die  Frage  des  Heilungsprozentsatzes  a 
klinischem  Wege  zu  entscheiden  suchen,  so  liegen  hie 
über  eine  grössere  Anzahl  Statistiken  mit  sehr  verschieden* 
Resultaten  vor.  Ewald11)  sah  nach  interner  Behandlur 
unter  123  Fällen  75  Proz.  Heilungen,  L  e  u  b  e 11).  unter  4< 
Patienten  74  Proz.  Heilungen.  Kümmell  betont  mit  Rech 
dass  es  sehr  darauf  ankommt,  was  man  hier  unter  Heilur 
versteht,  ob  nur  die  momentane  Beseitigung  der  Beschwerde 
oder  jahrelang  dauernde  völlige  Beschwerdefreiheit. 

Spätere  Nachuntersuchungen  könnten  jedenfalls  d; 
scheinbar  günstige  Resultat  ins  Gegenteil  verkehren.  So  far 
Warren11)  an  125  von  187  behandelten  Patienten  m 
45  Heilungen,  54  mal  „Rezidiv“;  die  übrigen  waren  sogar  r 
Perforation  und  Ulcuskarzinom  gestorben. 

Die  Beurteilung  des  Heileffektes  unserer  therapeutisch* 
Massnahmen  ist  beim  chronischen  Ulcus  ventriculi  deswegt 
so  schwierig,  weil  dasselbe  bekanntermassen  latent  für  sein* 
Träger  bestehen  kann.  Und  der  klinische  Verlauf  manch« 
Ulcera  zeichnet  sich  geradezu  aus  durch  längere  oder  kürzet 
Perioden  der  Latenz,  was  ich  oben  als  ganz  beson 
ders  charakteristisch  für  das  Pylorusge 
schwiir  angegeben  habe.  Häufig  fällt  nun  der  Begir 
einer  solchen  Latenzperiode  mit  der  eingeleiteten  Kur  zi 
sammen  und  man  ist  dann  natürlich  versucht,  das  als  Heilur 
auszudeuten.  Bis  die  spätere  Wiederkehr  der  Beschwerd* 
uns  eines  Besseren  belehrt.  Gerade  das  Ulcus  pylori  muss  v 
den  schwerst  heilbaren  Magengeschwüren  gezählt  werde 
ln  den  der  Arbeit  zugrunde  liegenden  Fällen  betrug  d 
Durchschnittsdauer  der  anamnestisch  angebenen  (meist  nt 
periodisch  vorhandenen)  Magenbeschwerden  7  Jahre.  Da  < 
sich  um  der  besseren  und  guten  Klientel  angehörige  Patient* 
handelt,  waren  in  vielen  Fällen  sachgemässe  Ulcuskuren  eil 
oder  mehrfach  durchgeführt  worden.  In  allen  Fällen  ab« 
waren  die  Beschwerden  früher  oder  später  doch  wiedei 
gekehrt. 

Ich  habe  nun,  um  selbst  ein  Bild  über  den  Effekt  d« 
internen  und  chirurgischen  Behandlung  des  Pylorusulcus  i 
bekommen,  8  meiner  Fälle  operieren  lassen,  die  übrigen  eint 
internen  Ulcuskur  nach  Leube-Lenhartz  unterzöge 


9)  Gr  über:  Mitt.  a.  d.  Grenzgeb.,  Bd.  25,  H.  3,  1912. 

10)  Zitiert  nach  Lindner:  Münch,  med.  Wochenschr.  191 
No.  10  u.  11. 

“)  Zitiert  nach  Kümmell:  D.  med.  Wochenschr.  1912,  No. 

u.  10. 


VLERIE  HERVORRAGENDER  ARZTE  UND  NATURFORSCHER. 


RNOLD 


ELLER, 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  32  r,  1913. 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


987 


Mai  1913. 


ircli  einen  eingehenden  Fragebogen,  den  ich  kürzlich  ver- 
ndt  habe  und  den  sämtliche  Patienten  mit  Ausnahme  eines 
izigen  ausgefiillt  zurücksandten,  erhielt  ich  gute  Auskunft 
er  den  weiteren  Verlauf  der  Krankheit. 

Ueber  das  Resultat  der  chirurgischen  Behandlung  kann 
in  Urteil  heute  noch  kein  sicheres  sein.  Denn  die  Zahl 
r  Fälle  ist  hiefür  noch  viel  zu  klein  und  die  meisten  der¬ 
ben  (5)  sind  erst  im  Jahre  1912  operiert,  so  dass  also  die 
obachtungszeit  für  die  Frage  einer  Dauerheilung  noch  zu 
rz  ist.  2  der  Ulcera  sind  über  2  Jahre,  1  über  VA  Jahre 
eriert.  Alle  3  wurden  gastroenterostomiert  und  sind 
uernd  beschwerdefrei;  einer  aber  hat  doch  2  Jahre  post 
>  erationem  noch  eine  schwere  manifeste  Blutung  (Meläna) 
rchgemacht.  Die  5  im  Jahre  1912  operierten  Fälle  (3  Gastro- 
.  terostomien,  2  Pylorusresektionen)  sind  gleichfalls  alle  be- 
lwerdefrei,  wie  gesagt  aber  erlaube  ich  mir  über  die  Frage 
•  r  Heilung  noch  kein  Urteil. 

Ein  ganz  bestimmtes  und  zwar  ungün- 
iges  Urteil  aber  habe  ich  über  den  Erfolg 
: r  internen  Behandlung  erlangt.  Ich  will  hier 
;  nächst  nur  die  15  im  Jahre  1910  und  1911  beobachteten 
Ile  betrachten;  von  diesen  sind  nach  Beendigung  der  Ulcus- 
Ir  nur  3  dauernd,  d.  h.  über  Jahr  und  Tag  beschwerdefrei 
blieben;  bei  den  übrigen  12  sind  die  Beschwer¬ 
en  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  in 
■nau  der  gleichen  Weise  wiedergekehrt, 
isgesprochene  Periodizität,  wo  sie  vorher 
trhanden  war,  blieb  auch  nachher  bestehen. 

Die  im  Jahre  1912  intern  behandelten  8  Fälle  können  für 
i:  Beurteilung  der  Heilungsfrage  nicht  in  Betracht  kommen; 
nnerhin  ist  bemerkenswert,  dass  3  dieser  Fälle  selbst 
li  dieser  kurzen  Beobachtungsdauer  als  sicher  unge- 
i  1 1  zu  bezeichnen  sind.  Die  übrigen  5  bezeichneten  sich 
1  jetzt  als  frei  bezw.  fast  frei  von  Beschwerden. 

Die  objektive  Betrachtung  der  Dauerresultate  der  internen 
i  handlung  des  chronischen  Ulcus  pylori  ergibt,  also  ein 
cht  deprimierendes  Resultat:  Sicherlich 
bis  3A  der  Fälle  bleiben  ungeheilt. 

Die  schlechte  Heilungstendenz  gerade  des  Ulcus  pylori 
ja  auch  verständlich,  da  durch  den  begleitenden  Pyloro- 
i rsmus  die  Hypersekretion  vermehrt  wird,  die  ihrerseits 
eder  zur  chronischen  Etablierung  des  Geschwürs  beisteuert; 
Circulus  vitiosus,  wie  er  unheilvoller  nicht  gedacht  werden 
an. 

Dieser  Zirkel  muss  an  einer  Stelle  durchbrochen  werden, 
dikal  und  dauernd  kann  dies  nur  auf  eine  Weise  geschehen: 
rch  Operation.  Ob  aber  die  Gastroenterostomie  hier  ge- 
?t,  oder  ob  zweckmässiger  die  Resektion  auszuführen  ist, 
Entscheidung  dieser  Frage  muss  ich  den  Fachchirurgen 
erlassen. 

Jedenfalls  möchte  ich  das  chronische  Ulcus 
Tori  als  relative  Indikation  zur  Operation 
zeichnen.  Nicht  nur  im  Hinblick  auf  die  bekannten  Ulcus- 
iahren  und  auf  die  Möglichkeit  des  Eintrittes  der  dauernden 
nosierung  des  Pylorus,  sondern  hauptsächlich  wegen  seiner 
)rmen  Chronizität,  die  den  meisten  internen  Heilungsmass- 
unen  trotzt. 

Zusammenfassung. 

1.  Das  chronische  Ulcus  pylori  ist  durch  einen  wohl- 
irissenen  Symptomenkomplex  ausgezeichnet,  der  in  den 
isten  Fällen  seine  Lokaldiagnose  gestattet.  Ausser  den  be- 
mten  Symptomen  des  Magengeschwürs  überhaupt,  Kar- 
lgie,  Blutung  (manifeste  oder  okkulte),  Erbrechen  etc.  sind 
r  3  weitere  wichtige  Symptome  massgebend  für  die  topische 
ignose : 

a)  Periodizität  der  Beschwerden, 

b)  Kontinuierliche  Hypersekretion, 

c)  Pylorospasmus. 

2.  Das  Symptom  des  Pylorospasmus  findet  sich  nicht 
pylorusfernem  Geschwür,  sondern  nur  bei  Lokalisation  des 

:us  am  Pylorus  oder  in  nächster  Nähe  desselben. 

3.  Der  Pylorospasmus  kann  auch  aus  leichten  Motili- 
sstörungen  (motorische  Insuffizienz  nur  I.  Grades)  durch  die 
ügenologische  Untersuchung  mit  Sicherheit  erkannt  werden. 


4.  Da  die  interne  Behandlung  beim  Ulcus  pylori  in  über 
■’/a  der  Fälle  versagt,  muss  diese  Krankheit  als  relative  Indi¬ 
kation  zu  chirurgischem  Eingreifen  angesehen  werden. 


Arnold  Heller. 

Um  Mitternacht  des  31.  Januar  nahm  ein  sanfter  Tod  den 
Geheimen  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Arnold  Heller  von  der 
Stätte  seiner  mehr  als  40  jährigen  unermüdlichen  Tätigkeit, 
der  Leitung  des  Pathologischen  Instituts  der  Universität  Kiel. 
Eine  zwei  Tage  vorher  ausgeführte  Operation  konnte  zwar 
die  Ursache,  nicht  aber  die  Folgen  eines  bis  zum  Einsetzen 
der  bedrohlichen  Erscheinungen  wohl  bereits  längere  Zeit 
latent  vorhandenen  Strangulationsileus  nach  früherer  Appen¬ 
dizitis  beseitigen.  Der  schnelle  Ausgang  bewahrte  den  Ver¬ 
storbenen  vor  längerem,  qualvollerem  Leiden:  die  Sektion 
ergab  als  Nebenbefund  ein  Ileumkarzinom,  das  bereits  Meta¬ 
stasen  in  Zwerchfell  und  Gallenblasenwand  gemacht  hatte. 
Darin  lag  für  alle,  die  dem  Schaffensfreudigen,  die  Jahre  nicht 
als  Last  Empfindenden  nahe  gestanden,  das  Tröstende  und 
Versöhnende  bei  dem  plötzlichen  Verluste,  dass  ihn  der  Tod, 
wie  er  es  sich  gewünscht,  aufsuchte  im  Berufe,  ihn  nicht  nur 
herausriss  mitten  aus  der  vollen  Arbeit  seiner  Lehrtätigkeit, 
die  ihm  immer  das  Höchste  war,  sondern  ihm  auch  die  Feder 
aus  der  Hand  nahm  kurz  vor  dem  Abschluss  zweier  Arbeiten, 
denen  er  sich  in  den  letzten  Monaten  mit  besonderer  Neigung 
hingegeben:  Studien  über  die  Regenerationsfähigkeit  des  Herz¬ 
muskels  nach  Schädigung  durch  Bakterientoxine,  vornehmlich 
bei  der  Diphtherie,  und  der  Vorbereitung  der  zweiten,  er¬ 
weiterten  Auflage  seiner  Sektionstechnik. 

Arnold  Ludwig  Gottlieb  Heller  wurde  als  Sohn  des 
Pfarrers  zu  Kleinheubach  am  Main  am  1.  Mai  1840  geboren. 
Nachdem  er  das  Gymnasium  in  Bayreuth  durchlaufen,  musste 
er  der  Wiederherstellung  seiner  damals  schwer  bedrohten 
Gesundheit  ein  Jahr  völliger  Schonung  widmen,  so  dass  er 
erst  zum  Wintersemester  1861/62  die  Universität  Erlangen  be¬ 
ziehen  konnte.  Hier,  wo  sein  Grossvater  mütterlicherseits, 
Karl  v.Raume  r,  als  Professor  der  Pädagogik  gewirkt  hatte, 
befriedigte  der  junge  Mediziner  neben  seinen  Fachstudien 
historische  und  literarhistorische  Neigungen  bei  seinem  Onkel 
Rudolph  v.  Raume  r.  Vier  Semester  später  finden  wir 
ihn  in  Berlin.  Bereits  hier  trat  nach  Ausweis  seiner  dortigen 
Exmatrikel  eine  vorwiegende  Beschäftigung  mit  dem  Spezial¬ 
fache  auf,  das  er  sich  später  zum  Lebensberufe  erkor,  der 
pathologischen  Anatomie;  während  seiner  vier  Berliner  Se¬ 
mester  war  er  aufs  eifrigste  bei  Virchow  tätig.  Die  Unter¬ 
weisung  bei  diesem  Grossmeister  seines  Faches,  die  klinische 
Ausbildung  unter  Männern  wie  Traube  und  F  r  e  r  i  c  h  s 
und  schliesslich  auf  ganz  anderem,  nicht  medizinischen  Ge¬ 
biete,  der  anregende,  dem  jungen  Manne  so  vielseitige  Ge¬ 
legenheit  zur  Berührung  mit  wissenschaftlich,  politisch  und 
künstlerisch  hervorragenden  Persönlichkeiten  gebende  Ver¬ 
kehr  im  Hause  des  Historikers  Friedrich  v.  R aumer,  seines 
Grossoheims,  gehörten  zu  den  am  lebendigsten  bewahrten  Er¬ 
innerungen  an  seine  Berliner  Studienjahre.  Nach  Erlangen 
zurückgekehrt,  wurde  er  bereits  als  Student  Assistent  bei 
Friedrich  Albert  Zenker,  promovierte  1866  mit  einer  unter 
ihm  angefertigten  Dissertation  „Ueber  multiple  Neurome“  und 
bestand  in  München  1867  das  Staatsexamen.  1868  führte  ihn 
eine  Studienreise  nach  Wien,  wo  er  besonders  bei  Roki¬ 
tansky  arbeitete,  eine  weitere  Reise  1871  nach  England, 
um  die  dortigen  medizinischen  Anstalten,  Sammlungen  und  die 
Art  des  Unterrichtes  besonders  in  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie  kennen  zu  lernen. 

Dieser  Lehrgang  erfuhr  Unterbrechungen  durch  die 
Kriege:  1866  war  er  Bataillonsarzt  im  III.  Bayer.  Infanterie¬ 
regiment;  war  von  Juli  bis  Dezember  1870  stellvertretender 
Leiter  der  Chiurgischen  Klinik  in  Erlangen  und  während  der 
Monate  Februar  und  März  1871  dirigierender  Arzt  des  zweiten 
bayerischen  Spitalzuges. 

Bei  Zenker  hatte  er  sich  1869  mit  einer  experimen¬ 
tellen  Arbeit  „Untersuchungen  über  die  feineren  Vorgänge  bei 
der  Entzündung“  die  Venia  legendi  erworben.  Ursprünglich 
'  als  Habilitationsschrift  geplante,  bereits  1867  abgeschlossen 

4* 


988 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


vorliegende  positive  Resultate  einer  experimentellen  Prüfung 
der  Tuberkelfrage  kamen  —  durch  mancherlei  Umstände  auf¬ 
geschoben  —  schliesslich  gar  nicht  mehr  zur  Veröffentlichung, 
da  mittlerweile  die  Arbeiten  von  Cohnheim-Fränkel 
und  Waldenburg  mit  den  gleichen  Ergebnissen  bekannt 
gegeben  worden  waren.  Die  Entzündungsarbeit  Hellers 
brachte  neben  einer  Bestätigung  der  Angaben  v.  Reckling¬ 
hausens  und  C  o  h  n  h  e  i  m  s,  die  bei  der  Entzündung  auf¬ 
tretenden  Eiterkörperchen  seien  aus  den  intakten  Blutgefässen 
ausgewanderte  farblose  Blutzellen,  noch  das  Ergebnis  des  Rück¬ 
transportes  der  emigrierten  Leukozyten  in  die  Zirkulation  durch 
Vermittelung  der  Lymphwege,  brachte  ferner  eine  Ablehnung  der 
Beteiligung  der  Leukozyten  bei  der  Qewebsregeneration  und 
schliesslich  als  erste  Behauptung  von  der  Spezifität  des  Re¬ 
generationsprozesses  überhaupt  die  These  „Die  Regeneration 
epithelialer  Gebilde  geschieht  durch  die  Wucherung  der  schon 
vorhandenen  Epithelien“.  Bei  diesen  Untersuchungen  gelang 
Heller  die  Entdeckung  der  selbständigen  rhythmischen 
Kontraktionen  der  mesenterialen  Lymphgefässe,  eine  Beob¬ 
achtung,  die  auch  deshalb  hier  angeführt  sein  möge,  weil  sie, 
obwohl  seinerzeit  in  die  Lehrbücher  der  Physiologie  über¬ 
nommen,  doch  so  völlig  in  Vergessenheit  geriet,  dass  sie  1911 
—  42  .Jahre  später  —  von  anderer  Seite  als  völliges  Novum 
bekannt  gegeben  wurde.  Für  Heller  selbst  war  sie  der  Aus¬ 
gangspunkt  für  neue  Studien,  die  er  während  eines  in  den 
Sommer  1871  fallenden  Aufenthaltes  im  physiologischen  In¬ 
stitute  Karl  Ludwigs  in  Leipzig  betrieb;  er  unterzog  die 
Blutgefässversorgung  des  Dünndarms  besonders  im  Zotten¬ 
gebiet  beim  Menschen  und  einer  Reihe  verschiedener  Säuge¬ 
tiere  einer  vergleichenden  Untersuchung. 

Zum  1.  Oktober  1872  folgte  er  dem  Rufe  der  Kieler 
Fakultät  und  übernahm  die  infolge  von  Julius  Cohnheims 
Uebersiedlung  nach  Breslau  frei  gewordene  Lehrkanzel  für 
pathologische  Anatomie.  Für  ihn,  den  Anfänger  nach  so  be¬ 
rühmtem  Vorgänger,  wahrlich  kein  leichtes  Amt.  Nicht  leicht 
auch  schon  einer  Reihe  äusserer  Momente  wegen:  die  Stadt, 
damals  noch  klein,  Bevölkerung  und  auch  Aerzteschaft  dem 
Gedanken  einer  Obduktion  noch  fremd  gegenüberstehend,  das 
Sammlungsmaterial  äusserst  spärlich,  so  war  denn,  um  Hel¬ 
lers  eigenen  Worten  in  der  Universitätschronik  beim  Rück¬ 
blick  auf  die  25  ersten  Jahre  seiner  Amtsführung  zu  folgen, 
die  Geschichte  des  Instituts  eine  wahre  Leidensgeschichte. 
Und  blieb  es  noch  für  ein  weiteres  Jahrzehnt!  Bis  ihm  endlich 
nach  35  Jahren  der  Wirksamkeit  in  dem  kleinen,  engen,  nur 
immer  von  Zeit  zu  Zeit  durch  Flickwerk  über  die  Not  des 
Augenblicks  hinweggebrachten  Häuschen  die  Verbesserung 
kam  durch  die  Uebersiedlung  in  das  neue  Institut,  von  ihm 
bis  in  das  kleinste  mit  liebevoller  Sorgfalt  durchdacht  und, 
seiner  so  durchaus  praktischen  und  den  Errungenschaften  neu¬ 
zeitlicher  Technik  stets  zugewandten  Natur  entsprechend, 
mustergültig  angelegt.  Es  wird  immer  eines  von  Hellers 
grössten  Verdiensten  bleiben,  sich  im  Ringen  mit  den 
schwierigen  äusseren  Verhältnissen  seiner  Arbeitsstätte  die 
Freudigkeit  im  Wirken  bewahrt  zu  haben.  Ja,  vielleicht  darf 
behauptet  werden,  dass  eben  dieser  Kampf  mit  den  er¬ 
schwerenden  Umständen  in  ihm  selbst  die  Kräfte  und  Eigen¬ 
heiten  seiner  Art  entwickelte  und  steigerte,  die  ihn  so  hervor¬ 
ragend  befähigten  zum  Lehrer  gerade  seines  Fachs.  Eine  bis 
ins  einzelne  hinein  gegliederte  Arbeits-  und  Unterrichts¬ 
methodik  erwuchs  auf  dem  Grunde  sorgfältigster  anatomischer 
Beobachtung,  scharfer  Kritik,  peinlicher  Genauigkeit  in  Form 
und  Ausdruck,  klarer  Darstellung  und  Festlegung  selbst  zur 
Zeit  nebensächlich  erscheinender  Einzelbefunde.  Diese  Art, 
der  alles  Verschwommene  und  Halbe  verhasst  war,  die  jede 
Unterlassung  sah  und  rügte,  war  nicht  immer  bequem;  aber 
sie  riss  doch  anfänglich  widerstrebende  Naturen  mit  durch  die 
Kraft  des  Beispiels,  weckte  das  Empfinden,  nacheifern  zu 
müssen,  in  Jedem,  der  die  Hintansetzung  eigener  Schonung 
und  Bequemlichkeit  selbst  in  den  Tagen  des  Alters  und  der 
Krankheit,  auch  der  letzten,  sah.  Das  Bewusstsein,  über¬ 
nommener  Pflicht  nachkommen  zu  müssen,  konnte  Heller 
für  seine  Person  steigern  bis  zur  Starrheit.  Das  Vorkommnis, 
so  bezeichnend  für  ihn,  liegt  fast  ein  Jahrzehnt  zurück,  aber 
es  steht  wohl  noch  allen  im  Gedächtnis,  die  es  erlebten:  eine 
Sitzung  der  Kieler  Medizinischen  Gesellschaft,  Hauptvor¬ 


No.  i;| 


tragender  H  e  1 1  e  r,  in  Vortrag  und  Diskussion  über  das  Thein 
„mehrfache  Krebse“  lebhaft  und  klar  wie  immer.  Erst  Taj 
darauf,  als  die  Kunde  von  einer  eingreifenden  Bauchoperatic 
die  Stadt  durchdrang,  erfuhren  seine  Hörer,  dass  ein  Schwt 
kranker  zu  ihnen  gesprochen,  den  der  Krankenwagen  voi 
Vortragspult  fort  in  das  Krankenhaus  hatte  holen  müssen. 

Trotz  des  Eifers,  mit  dem  Heller  seine  Kräfte  imnn 
den  Anforderungen  des  Unterrichts  sowohl  in  der  Ausbildur 
der  Studierenden  wie  in  der  Fortbildung  der  Aerzte  widmet 
kam  die  Forschung  nicht  zu  kurz.  Von  seinen  Arbeiten  könne 
hier  nur  die  wichtigeren  erwähnt  werden.  Eng  verknüpft  i: 
Hellers  Namen  mit  der  Lehre  von  der  rückläufigen  Emboli 
Lagen  auch  bereits  anatomische  Beobachtungen  dieser  A 
vor,  so  beginnt  doch  die  experimentelle  Begründung  diese1 
Begriffes  erst  mit  ihm.  Denn  gegen  die  Versuche  vcj 
M  a  g  e  n  d  i  e  und  von  Cruveilhier,  die  Quecksilber  in  d 
Jugularvenen  einbrachten,  konnte  mit  Recht  der  Einwand  et 
hoben  werden,  dass  der  Befund  der  Quecksilberkügelchen  i 
den  Lebervenen  kein  Beweis  für  rückläufige  Strömungen  dt 
Blutes  sei,  dass  er  vielmehr  entsprechend  dem  hohen  spe 
zifischen  Gewichte  des  angewandten  Stoffes  nichts  ändert) 
darstelle  als  eine  Senkung.  Deshalb  benutzte  Helle! 
Weizengries,  dessen  feine  Körner  durch  einen  dünnen  Uebei 
zug  von  Kanadabalsam  quellungsunfähig  gemacht  wordt 
waren.  Durch  wenige  rhythmische  Kompressionen  de 
Thorax  wurden  am  Versuchstier  die  Bedingungen  hergesteli 
in  denen  Heller  als  erster  neben  der  Insuffizienz  der  Tr' 
kuspidalis  die  wichtigsten  ursächlichen  Momente  für  das  Zi 
standekommen  rückläufiger  Strömungen  sah:  alle  mit  Huster 
stössen  verbundenen  Erkrankungen  der  Atmungsorgane,  fernes 
das  Emphysem,  Ergüsse  in  die  Pleurahöhlen  und  intrathor. 
kale  Geschwülste  jeder  Art.  Die  sämtlichen  Beobachtung^ 
der  Folgezeit  haben  seiner  Auffassung  recht  gegeben. 

In  Beiträgen  zur  Lehre  vom  Soor  legte  er  Beobachtung?, 
nieder,  die  die  Erklärung  abgaben  für  jene  Fälle  von  metr' 
statischen  Soorabszessen,  wie  sie  Zenker  und  R  i  b  b  e  r 
im  Gehirn,  S  c  h  m  o  r  1  in  den  Nieren  gefunden.  Es  gelan 
ihm  in  einer  Reihe  von  Fällen  der  Nachweis  des  Einwachser; 
in  das  subepitheliale  Bindegewebe,  ja  sogar  des  Einbruchs 
Blutgefässe  mit  Thrombenbildung  darin.  Die  Frage,  ob  nicl 
gar  der  Soorpilz  am  Orte  seiner  Erstansiedelung  als  Schrit 
macher  für  Eitererreger  und  deren  Verschleppung  im  Kreislai 
tätig  sei,  wird  gleichfalls  in  dieser  Arbeit  erörtert. 

Klarheit  über  das  anatomische  Schicksal  atelektatischi 
Lungenabschnitte  bringt  eine  andere  Arbeit  Hellers.  B 
konnte  feststellen,  dass  derartige  nicht  nachträglich  zur  En 
faltung  kommende  Teile  der  Lungen  Neugeborener  eine  Ve; 
ödung  ihres  alveolaren,  eine  Hypertrophie  ihres  bronchiale 
Anteils  erfahren,  es  kommt  zur  Bildung  der  atelektatische 
Bronchiektasien  wie  er  sie  nennt. 

Für  das  Handbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therap 
von  Z  i  e  m  s  s  e  n  schrieb  Heller  die  Abschnitte  über  die  b 
vasionskrankheiten  —  eine  von  ihm  zum  Unterschiede  gegeJ 
über  den  Infektionskrankheiten  geprägte  Bezeichnung  für  <T 
durch  das  Eindringen  tierischer  Parasiten  in  die  Geweti 
bedingten  Schädigungen  —  und  über  die  Schmarotzer  de 
Leber  und  des  Darms.  Der  Inhalt  dieser  Kapitel  ist  aue 
heute  noch  lesenswert,  wie  er  auch  viele  Jahre  hindurc 
wegen  der  reizvollen  Darstellung,  die  der  Vortragende  dei; 
spröden  Stoffe  zu  geben  wusste,  eine  der  beliebtesten  offen 
liehen  Vorlesungen  des  Verstorbenen  war.  Auch  in  eine 
kleinen,  dem  Verständnis  des  Laienpublikums  angepasste 
Monographie  hat  Heller  den  Gegenstand  behandelt. 

Ueber  den  engeren  Kreis  der  Fachgenossen  hinaus  dran 
Hellers  Name  durch  den  Kampf,  den  er  um  die  Anerkei; 
nung  der  Häufigkeit  primärer  Darmtuberkulose  führen  musst' 
R.  Koch  hatte  1901  auf  dem  Londoner  Kongress  zur  B( 
kämpfung  der  Tuberkulose  die  Ansicht  geäussert,  dass  Fleisc 
tuberkulöser  Schlachttiere  und  Milch  tuberkulöser  Kühe  a 
Quelle  für  die  Tuberkulose  des  Menschen  nur  sehr  nebei 
sächlich  in  Betracht  kämen,  da  sonst  die  Häufigkeit  der  pr 
mären  Tuberkuloseinfektion  des  Menschen  durch  den  Vei 
dauungskanal,  insbesondere  bei  Kindern  eine  sehr  hohe  sei 
müsse;  sie  sei  aber  nach  seinen  und  anderer  Erfahrunge 
etwas  sehr  seltenes.  Sofort  konnte  Heller  auf  Grund  seine 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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f).  Mai  1913. 


(enau  registrierten  Sektionsmaterials  diese  Behauptungen  als 
rrig  erweisen  und  es  für  ganz  unberechtigt  erklären,  die  be¬ 
gehenden,  gegen  eine  Uebertragung  der  Rindertuberkulose  auf 
Jen  Menschen  getroffenen  Vorsichtsmassregeln  aufzuheben. 
Helion  einmal  hatte  Heller  seine  warnende  Stimme  im 
(ampte  gegen  diese  schlimmste  aller  Volksseuchen  erhoben  in 
inem  Referate,  das  er  im  Aufträge  des  Deutschen  Vereins  für 
iffentliche  Gesundheitspflege  1889  zu  Strassburg  erstattete. 
:s  ist  viel  zu  wenig  bekannt  geworden,  dass  die  ganze 
noderne  Bekämpfung  der  Tuberkulose  als  Volksseuche  auf 
lieses  Referat  Hellers  zurückgeführt  werden  muss.  Die 
on  ihm  darin  vorgeschlagenen  Massregeln  gaben  dem 
ireussischen  Kultusminister  v.  Gossler  Veranlassung,  die 
.vissenschaftliche  Deputation  für  das  Medizinalwesen  zu  hören; 
;ie  erklärte  sämtliche  der  von  Heller  gemachten  Vorschläge 
iir  der  Ausführung  wert.  Mit  dem  daraufhin  erfolgenden 
vlinisterialerlass,  der  Melde-  und  Desinfektionspflicht  ern¬ 
ährte,  war  der  Kampf  gegen  die  ungehinderte  Verbreitung 
Jer  Tuberkulose  eröffnet. 

Mit  bewundernswerter  Zähigkeit  hat  Heller  stets  alles, 
vas  er  einmal  als  richtig  erkannt,  kraftvoll  vertreten  und 
Adder  die  ablehnende  Haltung  der  Gegner  verteidigt.  Der 
^ehre  von  den  syphilitischen  Erkrankungen  der  Aorta,  die 
dch  aufbaute  auf  den  Arbeiten  seines  langjährigen  Mit- 
trbeiters  Döhle,  nach  18  jährigem  Kampfe  zum  endlichen 
■Hege  verholfen  zu  haben,  durfte  er  sich  als  unbestrittenes 
v  erdienst  anrechnen.  W  a  s  s  e  r  m  a  n  sehe  Reaktion  und 
Spirochätenbefund  in  der  erkrankten  Aortenwand  haben  das 
oestätigt,  was  die  Kieler  Schule  seit  dem  Jahre  1885  auf  Grund 
des  anamnestischen,  des  Sektions-  und  vor  allem  des  histo- 
ogischen  Befundes  gelehrt. 

Hellers  Anteilnahme  an  sämtlichen  Vorgängen  all¬ 
gemein-medizinischer  Bedeutung  lässt  es  auch  verstehen, 
venn  er  der  durch  die  moderne  Unfallgesetzgebung  ange¬ 
egten  Fragestellung  nach  der  traumatischen  Entstehung 
tinerer  Krankheiten  in  eigenen  und  seiner  Schüler  Arbeiten 
;ein  Interesse  zuwendete.  Pfortaderthrombose  und  Trauma, 
Bedeutung  des  Traumas  für  die  Entstehung  des  Aorten- 
ineurysmas  und  anderes  mehr  muss  hier  angeführt  werden, 
mmer  und  immer  hat  er  im  Unterricht  die  Bedeutung  der 
)Ozialen  Medizin  und  ihre  Beziehungen  zur  pathologischen 
\natomie  betont.  So  war  es  auch  verständlich,  wenn  ihn  die 
geringere  Wertung  nicht  befriedigte,  die  sein  Lehrfach  in  der 
leuen  Prüfungsordnung  für  Aerzte  erfahren,  wenn  er  für  die 
Notwendigkeit  der  gesetzlichen  Einführung  von  Verwaltungs- 
Sektionen  eintrat,  schon  allein  deshalb,  um  den  Gerichtsärzten 
;ine  häufigere  Uebung  und  eine  grössere  Erfahrung  zu  ver¬ 
schaffen. 

Wie  Heller  all  sein  medizinisches  Handeln  nie  und 
limmer  vom  einseitigen  Standpunkte  des  Spezialfaches  ab- 
eitete,  in  Vorlesung  und  Prüfung  stets  die  engste  Fühlung  mit 
ler  Klinik  hervortreten  Hess,  so  war  er  auch  bestrebt,  sein 
eiches  Wissen  und  Können  einem  grösseren  Kreise  nutzbar 
’.u  machen.  13  Jahre  lang  war  er  ein  eifriges  Mitglied  der 
Stadtverordnetenversammlung  Kiels  und  hat  dem  Gemein- 
•vohle  in  den  seinem  Berufe  entsprechenden  Kommissionen 
vertvolle  Dienste  geleistet.  Ein  überzeugter  Anhänger  des 
Selbstverwaltungsrechtes  der  Hochschulen  hat  er  auch  als 
Glied  der  akademischen  Körperschaften  eine  vielseitige  Tätig¬ 
et  entfaltet.  In  über  40  jähriger  Zugehörigkeit  zur  Christiana- 
Vbertina  verkörperte  er  förmlich  die  Tradition  der  Universität 
nid  hat  in  mehr  als  einer  Frage  allein  schon  dank  seiner 
(enntnis  des  historischen  Werdens  ihr  Recht  und  Interesse 
vahrzunehmen  Gelegenheit  gefunden.  Zweimal  berief  ihn  das 
Vertrauen  seiner  Kollegen  zu  dem  höchsten  akademischen 
'.hrenamte,  dem  des  Rektors  der  Universität. 

Als  Vertreter  des  Senats  in  der  Kommission  zur  För- 
lerung  der  Leibesübungen  der  Studierenden  hat  Heller, 
mmer  ein  Freund  des  Wortes  „mens  sana  in  corpore  sano“, 
iel  für  die  körperliche  Ertüchtigung  der  akademischen  Jugend 
cetan,  hat  als  Protektor  der  Wandervogelbewegung,  als  Vor- 
itzender  des  Kieler  Renn-  und  Reitervereins,  er,  der  selbst 
ils  über  70-Jähriger  noch  in  flottem  Sprunge  die  Hürde  nahm, 
gesundem  Sport  durch  Wort  und  Beispiel  die  Wege  ge¬ 
wiesen . 


Wer  dem  schlichten,  in  der  ganzen  Erscheinung  und  der 
Art  sich  zu  geben,  einfachen  und  anspruchslosen  Manne  näher 
treten  durfte,  der  merkte  gar  bald,  dass  die  kühle  Ab¬ 
geschlossenheit,  die  er  annehmen  konnte,  nur  die  Form  der 
Ablehnung  war  für  das,  was  er  als  feiner  Kenner  auch  der 
menschlichen  Seele  als  oberflächlich  und  hohl  ansprach,  dass 
hingegen  der,  der  sein  Vertrauen  genoss,  seiner  wohlwollen¬ 
den  Gesinnung  für  immer  sicher  sein  durfte;  den  zog  er  in  sein 
Haus,  Hess  ihn,  selber  stets  geistig  in  vielseitiger  Weise  an¬ 
geregt  und  anregend,  teilnehmen  an  dem,  was  ihm  nach  der 
Arbeit  des  Berufes  Quelle  der  Freude  und  des  Genusses  war. 
So  hat  er  mit  seiner  reichen  Sprachbegabung  gar  manchem 
seiner  Assistenten  zur  Kenntnis  der  Sprache  Dantes  und 
Ariosts  verholfen.  Dann  konnte  er,  dem  die  Schatten  des 
Lebens  nicht  erspart  geblieben  waren  und  dem  erst  spät  ein 
kurzes  aber  volles  Glück  erblüht  war,  die  ganze  sonnige 
Heiterkeit  seiner  gütigen  Art  zeigen,  dass  mancher  den 
strengen  Lehrer  und  Meister  nicht  wieder  zu  erkennen  meinte. 

So  traf  uns  alle  schwer  der  Verlust  des  Mannes,  auf  den 
wohl  das  Wort  passte: 

Weite  Welt  und  breites  Leben, 

Langer  Jahre  redlich  Streben, 

Stets  geforscht  und  stets  gegründet. 

Nie  geschlossen,  oft  geründet, 

Aeltestes  bewahrt  mit  Treue, 

Freundlich  aufgefasstes  Neue, 

Heitern  Sinn  und  reine  Zwecke: 

Nun!  man  kommt  wohl  eine  Strecke. 

Arthur  W  i  1  k  e  -  Kiel. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Fr.  Sigmund:  Physiologische  Histologie  des  Menschen-  und 
Säugetierkörpers.  Lief.  5.  Organe  der  Atmung;  Organe 
der  Harnbildung  und  -ausscheidung.  2.  Aufl.  355  S. 
Mit  einer  Mappe  von  10  Präparaten.  Preis  10  M.  (Subskr.-Preis 
9.50  M. 

Die  5.  Lieferung  der  Sigmundschen  Histologie  hält  sich  in 
Bezug  auf  Ausstattung  des  kleinen  Erklärungsheftchens  sowohl  wie 
der  beigegebenen  Präparate  auf  der  schon  früher  charakterisierten 
Stufe  einer  lobenswerten  Mittelmässigkeit.  In  der  textlichen  Dar¬ 
stellung  überwiegt  die  Physiologie  vor  der  sehr  stiefmütterlich  be¬ 
handelten  mikroskopischen  Anatomie.  Die  Präparate  sind  sämtlich 
nur  als  mittelmässig  zu  bezeichnen;  als  bedauerlicher  Irrtum  muss  es 
aber  gebrandmarkt  werden,  wenn  S.  die  durch  Konservierung  und 
Einbettung  entstandenen  Kontinuitätstrennungen  in  den  Präparaten 
für  mit  Bindegewebe  erfüllte  Räume  ansieht,  wie  im  Präparat  von 
der  Harnblase  des  Rindes.  Nach  der  Abbildung  (Fig.  4)  zu  urteilen, 
würde  zwischen  innerer  und  mittlerer  Muskellage  eine  ganz  dicke 
Bindegewebsschicht  liegen,  in  Wirklichkeit  ein  künstlicher  Spalt  im 
Präparat,  in  dem  einzelne  Bindegewebezellen  verzerrt  und  gedehnt 
liegen!  S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

N.  K.  Corning:  Lehrbuch  der  topographischen  Anatomie  für 
Studierende  und  Aerzte.  Wiesbaden,  Bergmann,  1913.  4.  Auf¬ 

lage.  808  S.,  667  Abb.  Preis  16.60  M. 

Schon  nach  lYz  Jahren  ist  der  3.  Auflage  dieses  vortrefflichen 
und  beliebten  Lehrbuches  die  4.  Auflage  gefolgt.  In  dem  Abbildungs¬ 
material  und  in  der  Textanordnung  sind  keine  Aenderungen  ein¬ 
getreten.  Vereinzelte  Fehler  wurden  ausgemerzt.  So  liegt  das  Buch 
in  im  wesentlichen  unveränderter  Gestalt  vor  und  dürfte  sich  auch 
weiterhin  der  gleichen  Beliebtheit  erfreuen  wie  bisher. 

v.  Möllen  dorff  -  Greifswald. 

V.  Grafe:  Einführung  in  die  Biochemie  für  Naturhistoriker  und 
Mediziner.  Mit  41  Abbildungen.  Leipzig  und  Wien.  Verlag  von  Fr. 
Deut  icke  1913.  472  S.  Preis  13  M. 

Entsprechend  dem  Zwecke,  eine  Einführung  in  die  Biochemie  zu 
bringen,  enthält  das  Buch  in  seinem  ersten,  sehr  geschickt  angelegten 
Kapitel  eine  Uebersicht  über  die  allgemeinen  physikochemischen  Ge¬ 
setze  der  Zellarbeit  und  daran  anschliessend  in  einem  zweiten 
grossen  Kapitel  die  allgemeine  chemische  Grundlage  für  das  Ver¬ 
ständnis  der  in  den  Zellen  vorkommenden  chemischen  Bausteine. 
Neben  der  Sorgfalt,  die  gerade  auf  diese  einführenden  Abschnitte  ver¬ 
wandt  ist,  verdient  auch  der  Umstand  eine  besondere  Hervorhebung, 
dass  der  Verfasser  in  glücklicher  Weise  eine  Vereinigung  der  Bio¬ 
chemie  des  Pflanzen-  und  des  Tierorganismus  angestrebt  hat.  Durch 
solche  Erweiterung  des  Gebietes  wird  eine  bessere  Vereinheitlichung 
und  Abrundung  des  Stoffes  ermöglicht,  zugleich  aber  mancherlei 
neuartige  Anregung  geboten,  so  dass  das  Buch,  welches  durch  die 
zahlreich  beigegebenen  Literaturhinweise  noch  an  Wert  gewinnt. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


allen  die  sich  in  die  Probleme  der  Biochemie  hineinzuarbeiten 
wünschen,  als  vorzüglicher  Wegweiser  empfohlen  werden  kann. 

H.  Schade  -  Kiel. 

Ad.  Wagner:  Vorlesungen  über  vergleichende  Tier-  und 

Pflanzenkunde.  Zur  Einführung  für  Lehrer,  Studierende  und  Freunde 
der  Naturwissenschaften.  518  Seiten.  Leipzig,  W.  Engelmann, 

1912.  Preis  11  M.,  geb.  12.50  M. 

Der  Verfasser  hat  sich  durch  seine  Bücher:  „Der  neue  Kurs  in 
der  Biologie“  und  „Geschichte  des  Lamarkismus.  Einführung  in  die 
psychobiologische  Bewegung  der  Gegenwart“  als  Neo-Larfiarkianer 
bekannt  gemacht.  Diese  Vorlesungen  sind  von  den  gleichen  psycho- 
kiologischen  Grundgedanken  getragen  und  wollen  Tier  und  Pflanze 
als  harmonisches  Ganze  in  Vergleich  stellen,  nicht  Bau  und  Funktion 
ihrer  Teile,  wie  dies  O.  Hertwigs  „Allgemeine  Biologie“  oder 
Verworns  „Allgemeine  Physiologie“  getan  haben.  Ein  derartiger 
Versuch  ist  bisher  nicht  gemacht  worden.  Auch  Wagner  hat  sich 
nur  Kapitel  aus  dem  gewaltigen  Stoff  ausgewählt.  So  hat  er  die 
ganze  Fortpflanzungslehre  beiseite  gelassen,  als  das  Gebiet,  auf  dem 
die  zoologische  und  botanische  Forschung  in  letzter  Zeit  schon  mehr¬ 
fach  eine  gemeinsame  Darstellung  gefunden  hat.  Ernährungsphysio¬ 
logische  und  reizphysiologische  Kapitel  werden  in  erster  Linie  be¬ 
handelt.  Ein  solches  Ineinanderarbeiten  zusammengehöriger  und  doch 
meist  getrennt  behandelter  und  durchdachter  Materie  zeitigt  manchen 
interessanten  Abschnitt,  den  sicher  nicht  nur  der  Studierende  mit 
Gewinn  lesen  wird,  dem  das  Buch  vor  allem  helfen  will,  die  Brücken 
zwischen  den  einzelnen  Disziplinen  zu  bauen,  die  die  Vorlesung  von 
heute  nur  selten  geben,  obwohl  sie  allein  zu  einer  wirklichen  all¬ 
gemeinen  naturwissenschaftlichen  Bildung  führen  können. 

Es  muss  noch  erwähnt  werden,  dass  dem  Buche  keine  Bilder 
beigegeben  sind,  wie  überhaupt  der  Besitz  der  grösseren  Lehrbücher 
der  behandelten  Gebiete  und  die  Kenntnis  ihrer  Fundamente  voraus¬ 
gesetzt  ist.  P.  Büchner  -  München. 

J.  Bang:  Der  Blutzucker.  Mit  13  Abbildungen.  Wiesbaden 

1913.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann.  162  Seiten.  Preis  7  M. 

Da  die  Literatur  über  das  in  der  neuesten  Zeit  vielfach  diskutierte 

Thema  des  Blutzuckers  in  chemischen,  in  physiologischen  und  in 
medizinischen  Zeitschriften  bislang  recht  zerstreut  und  schwer  zu 
übersehen  war,  so  ist  es  sehr  dankbar  zu  begrüssen,  dass  der  Ver¬ 
fasser  das  gesamte,  zum  Teil  noch  widerspruchsvolle  Material  in 
einer  mit  sorgfältigster  Kritik  geschriebenen  Monographie  zusammen¬ 
gefasst  hat.  Es  ist  aus  der  Feder  eines  der  bewährtesten  Forscher 
dieses  Gebietes  eine  monographische  Bearbeitung  entstanden,  welche 
einen  bequemen,  vollständigen  und  zuverlässigen  Ueberblick  über 
den  heutigen  Stand  unseres  Wissens  in  dieser  Frage  gewähr¬ 
leistet.  H.  Schade  -  Kiel. 

Alexander  Strubeil:  Zur  Klinik  der  Opsonine.  Verlag  von 
Gustav  Fischer.  Jena  1913.  225  Seiten.  8  M.  geheftet. 

Der  Arzt  der  Zukunft  wird  Immunisator  sein,  das  ist  das  Leit¬ 
motiv,  das  der  Vater  der  Opsoninlehre,  Sir  Almroth  W  right,  in 
prächtigem  Enthusiasmus  über  seine  Arbeiten  setzte.  Seitdem  sind 
6  Jahre  ins  Land  gegangen,  und  man  kann  heute  einigermassen  über¬ 
schauen,  was  von  diesem  Zukunftstraum  durch  die  Hilfe  der  Opsonin¬ 
lehre  in  Erfüllung  gegangen  ist.  Für  die  Praxis  leider  nicht  viel,  denn 
was  die  kühlere  deutsche  Kritik  damals  vorausgesagt  hat,  das  ist  in 
Erfüllung  gegangen:  Die  Methodik  ist  so  kompliziert,  dass  sie  nur  für 
einzelne,  speziell  darauf  eingearbeitete  Institute  in  Betracht  kommt. 
Aber  auch  diese  Institute,  allen  voran  das  W  r  i  g  h  t  sehe,  haben  den 
opsonischen  Index  zum  grössten  Teil  über  Bord  geworfen  und  ge¬ 
blieben  ist,  wenigstens  für  die  Praxis,  nur  der  Kern  der  Methode, 
die  aktive  Immunisierung,  und  diese  war  schon  vorher  da!  Dass  sie 
sich  aber  um  vieles  tiefer  durchdacht  uns  heute  darstellt,  das  ist. 
W  rights  unvergängliches  Verdienst.  Schade  nur,  dass  der 
Wirkungsbereich  dieses  Zweiges  der  Therapie  heute  noch  so  sehr 
eng  ist,  so  dass  sich  der  Verfasser  auf  die  Staphylokokkenerkran- 
kungen  und  die  lokale  Tuberkulose  beschränken  muss.  Im  übrigen 
hat  S  t  r  u  b  e  1 1,  wie  es  ja  nicht  anders  zu  erwarten  war,  ein  sehr 
subjektives  und  sehr  temperamentvolles  Buch  geschrieben,  das  dem 
Referenten  trotz  der  Abfuhr,  die  er  vom  Verfasser  erfährt,  viel 
Freude  gemacht  hat,  und  das  er  den  Fachgenossen  warm  empfehlen 
möchte.  L.  Saathoff  -  Oberstdorf. 

W.  Spielmeyer:  Die  Psychosen  des  Rückbüdungs-  und 
Greisenalters.  Handbuch  der  Psychiatrie  von  Aschaffenburg. 
Leipzig  und  Wien,  Fr.  D  e  u  t  i  c  k  e.  1912. 

In  dem  interessanten  und  klinisch  schwierigen  Studium  dieser 
Psychosen  sind  in  letzter  Zeit  durch  die  Untersuchungen  von  Alz¬ 
heimer  und  seinen  Schülern,  sowie  von  Fischer  und  Spiel- 
meyer  spezifische  anatomische  Veränderungen  gefunden,  die 
Spielmeyer  dazu  führen,  die  Einteilung  dieser  Psychosen  nach 
den  anatomischen  Grundlagen  vorzunehmen. 

Er  unterscheidet  scharf  die  auf  einer  selbständigen  Erkrankung 
des  Nervengewebes  beruhenden  Formen  von  Greisenschwachsinn 
von  den  durch  Arteriosklerose  der  Gefässe  verursachten  Störungen. 
Doch  gibt  Sp.  für  die  erste  Gruppe,  speziell  die  senile  Demenz,  zu, 
dass  die  klinischen  Symptome  und  die  anatomischen  Veränderungen 


No.  18. 


nicht  immer  Hand  in  Hand  gehen;  einen  gewissen  Massstab  kann  nur 
die  (Quantität  der  anatomischen  Veränderungen  geben.  Immerhin  ge¬ 
hören  die  von  obigen  Autoren  gefundenen  histologischen  Ver¬ 
änderungen  einer  bestimmten  Krankheitsform  an,  deren  klinische 
Symptome  sich  mit  den  bisher  bei  der  senilen  Demenz  be¬ 
schriebenen  decken;  deshalb  wird  diese  Diagnose  hierfür  beibehalten 
und  das  Krankheitsbild  ausführlich  beschrieben  Als  Unterform  gehört 
z.  B.  Wernickes  Presbyophrenie  dazu. 

Daran  schliesst  sich  die  Besprechung  von  atypischen  senilen 
Demenzen,  nämlich  der  umschriebenen  senilen  Hirnatrophie  (Pick) 
und  der  von  Kraepelin  so  benannten  Alzheim  ersehen 
Krankheit.  Zu  der  ersteren  Gruppe  gehören  nach  Spiel- 
meyer  Fälle  mit  Herderscheinungen,  die  teils  durch  lokale  stärkere 
Entwicklung  der  senilen  Hirnveränderungen,  teils  durch  Kombination 
der  senilen  Demenz  mit  Arteriosklerose  bedingt  sind. 

Die  Alzheimersche  Krankheit  betrifft  klinisch  prii- 
senile  Demenzen  mit  Herderscheinungen,  die  meistens  einen  charak¬ 
teristischen  anatomischen  Befund  zur  Grundlage  haben:  eigenartige 
Fibrillenveränderungen  und  senile  Plaques:  es  kann  auch  die  eine 
oder  andere  dieser  Veränderungen  allein  bestehen.  Es  nimmt  also 
diese  Hirnerkrankung  eine  Sonderstellung  unter  den  gewöhnliche,] 
Formen  des  senilen  Blödsinns  ein. 

Der  zweite  Hauptabschnitt  betrifft  die  durch  Arteriosklerose 
bedingten  Seelenstörungen:  unter  den  Ursachen  der  Arteriosklerose 
wird  u.  a.  erwähnt,  dass  die  arteriosklerotische  Veranlagung  ver 
erbbar  ist.  Anatomisch  werden  2  Formen  unterschieden:  die  Arterio¬ 
sklerose  im  Hirnstamm  und  die  der  Hirnrinden-  und  Markget'ässe. 
Die  letztere,  die  Grosshirnarteriosklerose,  kann  nur  der  Quantität 
der  Veränderungen  nach  eingeteilt  werden,  und  zwar  in  die  leichrV 
Form  (Initialsymptome)  und  in  die  schwere  Form.  Die  arterio¬ 
sklerotische  Form  charakterisiert  sich  durch  schubweisen  Verlauf  in 
Verbindung  mit  körperlich  nervösen  Herdsymptomen,  der  Patient 
macht  nach  Alzheimer  den  Eindruck  eines  Hirnkranken,  nicht 
den  eines  Geisteskranken.  Es  kommen  mitunter  hinzu  psycho¬ 
tische  Zustände,  arteriosklerotische  Epilepsie.  Bei  der  Differential 
diagnose  wird  erwähnt,  dass  reflektorische  Pupillenstarre  bei  Ar 
teriosklerose  wohl  nie  vorkommt.  Bei  der  Behandlung  spielt  Jod 
(Sajodin)  in  kleineren  Dosen  für  längere  Zeit  die  Hauptrolle. 

Es  schliessen  sich  daran  eigenartige  organische  Psychosen 
anderer  Aetiologie,  die  noch  nicht  genügend  gekennzeichnet  sind, 
aber  doch  ihre  Eigenart  haben  und  wohl  in  späterer  Zeit  abgegrenzt 
werden  können.  Dazu  gehört  eine  Form  der  lokalisierten  schweren 
Rindenatrophie  mit  mässiger  Gliawucherung;  das  klinische  Bild  ist 
ein  ziemlich  charakteristisches;  die  Krankheit  ist  noch  nicht  ohne 
weiteres  als  dem  höheren  Alter  zugehörig  zu  erkennen,  doch  betraf 
sie  bisher  nur  Individuen  im  7.  Jahrzehnt. 

Das  Schlusskapitel  betrifft  funktionelle  Psychosen  des  höheren 
Lebensalters,  depressive  und  paranoide  Zustände,  über  deren  Zu¬ 
gehörigkeit  noch  die  verschiedensten  Ansichten  herrschen.  Die 
Spielmeyer  sehe  Darstellung  ist  gründlich  und  klar  und  orientiert 
sehr  gut  über  die  bisher  in  diesem  schwierigen  Gebiet  geleisteten 
Fortschritte.  R.  J  a  e  g  e  r  -  Halle. 

Toby  Cohn:  Die  mechanische  Behandlung  der  Nervenkrank¬ 
heiten.  Verlag  von  Julius  Springer.  Berlin  1913.  140  S. 

Preis  6  M. 

Die  Bücher  Toby  Cohns  bedürfen  einer  besonderen  Emp¬ 
fehlung  nicht,  denn  sie  sind  alle  ausgezeichnet.  Der  Autor,  der  nicht 
immer  die  alten  ausgetretenen  Wege  geht,  hat  auch  im  vorliegenden 
Buche,  das  im  wesentlichen  eine  Erweiterung  des  Artikels  „Mechano- 
therapie“  im  grossen  Handbuch  für  Neurologie  von  Lewan- 
dowsky  ist,  ein  sehr  schönes  und  wichtiges  Kapitel  neu  be¬ 
handelt:  Sport-  und  Nervenkrankheiten.  Im  übrigen  bespricht  er 
Massage,  Gymnastik,  Uebungstherapie  bei  allen  organischen  und 
funktionellen  Nervenkrankheiten.  R  o  s  s  b  a  c  h  -  München. 

Denker  und  Brünings:  Lehrbuch  der  Krankheiten  des 
Ohres  und  der  Luftwege  einschliesslich  der  Mundkrankheiten.  Jena. 

Gustav  Fischer  1912.  Preis  14  Mark. 

Durch  die  Verschmelzung  der  Lehrstühle  für  Otologie  und  Laryn- 
gologie  ist  das  Bedürfnis  nach  Lehrbüchern  entstanden,  welche  die 
Krankheiten  aus  beiden  Gebieten  umfassen.  Körner  ist  diesem  Be¬ 
dürfnis  zuerst  entgegengekommen,  indem  er  in  eine  spätere  Auflage 
seines  Lehrbuches  der  Ohrenheilkunde  die  Kehlkopfkrankheiten  mit 
aufnahm.  Denker  und  Brünings  haben  sich  in  den  Stoff  geteilt. 

Denker  hat  die  Krankheiten  des  Ohres,  der  Nase  und  des 
Nasenrachenraumes  übernommen.  Die  Einteilung  ist  sehr  übersicht¬ 
lich,  die  Darstellung  zeichnet  sich  durch  besondere  Klarheit  und 
Präzision  aus.  Die  Vorschriften  für  die  Behandlung  werden  sehr  be¬ 
stimmt  gegeben  und  basieren  meist  auf  eigener  Erfahrung.  Ueberall. 
insbesondere  auch  bei  der  Differentialdiagnose,  merkt  man  den  er¬ 
fahrenen  Kliniker.  In  der  Indikationsstellung  zur  operativen  Behandlung 
nimmt  D.  im  allgemeinen  einen  gemässigten  Standpunkt  ein. 

Brünings  hat  die  Krankheiten  der  Mundhöhle,  des  Mund- 
rachens,  des  Kehlkopfes,  der  Trachea  und  der  Bronchien  übernommen. 
Es  erscheint  damit  zuin  ersten  Male  ein  Lehrbuch  aus  der  Schule 
K  i  1 1  i  a  n  s,  und  man  darf  wohl  sagen,  dass  es  den  modernsten 
Standpunkt  vertritt,  insbesondere  was  die  Tracheoskopie  und 
Bronchoskopie  betrifft.  Ganz  vorzüglich  ist  der  allgemeine  Teil  mit 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


991 


Mai  1913. 


n  Untersuchungsmethoden,  dagegen  wünschte  der  Referent,  dass 
r  klinische  Teil  in  einer  etwa  nötig  werdenden  zweiten  Auflage 
sfiihrlicher  gehalten  würde.  Im  übrigen  bietet  die  Teilung  des 
iffes  grosse  Vorteile,  so  dass  das  neue,  mit  vorzüglichen  instruk- 
en  Abbildungen  versehene  Lehrbuch  Studierenden,  praktischen 
rzten  und  Fachkollegen  bestens  zu  empfehlen  ist.  Scheibe. 

Gustav  Preis  werk:  Lehrbuch  und  Atlas  der  konserviereu- 

n  Zahnheilkunde.  Mit  32  vielfarbigen  und  323  Textabbildungen, 
inchen,  J.  F.  Lehmanns  Verlag,  1912.  404  S.  Preis  geh.  14  M. 

A.  Michel:  Die  konservierende  Zahnheilkunde.  Mit  1186  Ab¬ 
hängen.  Leipzig,  Verlag  der  Dyk  scheu  Buchhandlung,  1912. 

Seiten.  Preis  geb.  9  M. 

Hermann  Peckert:  Einführung  in  die  konservierende  Zahn- 

Ikunde.  2.  Teil.  Verlag,  S.  H  i  r  z  e  1,  Leipzig  1912.  Preis  geh. 
v\.  (Mit  dem  1.  Teil  zusammen  370  Seiten,  Preis  geh.  12  M.) 

B.  Mayrhofer:  Lehrbuch  der  Zahnkrankheiten  für  Aerzte  und 
tdierende.  Mit  296  Abbildungen  im  Text.  Jena,  Verlag  von  Gust. 

I  scher,  1912.  340  Seiten.  Preis  geh.  9  M. 

Das  letzte  Jahr  brachte  uns  4  neue  Lehrbücher  der  konser- 
renden  Zahnheilkunde,  ein  bejahender  Beweis  für  die  Be- 
fnisfrage. 

Die  3  ersten  Bücher  sind  für  den  geeignet  und  zu  empfehlen, 
sich  eingehender  mit  dem  Fache  befassen  will,  sei.  es  im  Häupt¬ 
er  Nebenberuf.  Um  dem  Suchenden  die  Wahl  zu  erleichtern, 
chte  ich  dieselben  kurz  dahin  charakterisieren,  dass  das  von 
eis  werk  das  anschaulichste  ist  und  die  rascheste  Orientierung 
nöglicht  infolge  seiner  vielfarbigen  Abbildungen;  das  von 
ckert,  das  sorgfältigst  ausgewählte  und  stilistisch  schönste  und 
;  von  Michel  das  reichhaltigste. 

Wer  sich  als  Arzt  auf  dem  Lande  oder  in  kleiner  Stadt  nur  so- 
I  Kenntnisse  aneignen  mag,,  als  er  zur  Behandlung  einfacher  Zahn- 
ekle  und  nicht  komplizierter  Zahnleiden  notwendig  hat,  dem  sei 
■  Buch  von  Mayrhofer  angelegentlichst  empfohlen. 

Alle  4  Bücher  sind  auf  das  beste  ausgestattet.  Auf  ihren  Inhalt 
•er  einzugehen,  ist  gegen  den  Wunsch  der  Schriftleitung;  nur  sei 
die  Bemerkung  gestattet,  dass  das  wissenschaftliche  Niveau 
•erer  heutigen  Lehrbücher  gleich  ist  dem  anderer  medizinischer 
ziplinen  und  die  weitere  Bemerkung,  dass  aus  sozialen  Rücksichten 
den  Aerztestand  und  aus  volkshygienischen  Gründen  tausenden 
i  Aerzten  Deutschlands  die  intensivere  Beschäftigung  mit  der 
inheilkunde  im  Nebenberufe  auf  das  dringendste  anzuraten  ist. 

Brubacher. 

Handwörterbuch  der  sozialen  Hygiene.  Herausgegeben  von 
A.  G  r  o  t  j  a  h  n  -  Berlin  und  Prof.  Dr.  J.  K  a  u  p  -  München.  Zwei 
•de.  Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig  192.  703  Seiten. 

iS  geh.  M.  90.—,  geb.  M.  97.50. 

Das  vorliegende  Handwörterbuch  der  sozialen  Hygiene  kommt 
:m  längst  empfundenen  Bedürfnisse  entgegen,  in  zusammenfassen- 
Form  das  festzuhalten,  was  auf  dem  Gebiete  der  sozialen 
jiene  dauernd  feststeht  und  als  dauernd  bewährt  angesehen  wer- 
kann.  Es  war  nicht  mehr  leicht  möglich,  die  vielen  Veröffent- 
ungen  der  Grenzgebiete  zwischen  Hygiene  und  Medizin  auf  der 
;n,  Statistik  und  Volkswirtschaft  auf  der  anderen  Seite  und  der 
ugehörigen  Jahresberichte,  Denkschriften  und  Versammlungs- 
tokolle  zu  überblicken.  Durch  das  Handwörterbuch  der  sozialen 
jiene  ist  ein  Nachschlagebüch  geschaffen  nicht  nur  für  den  Arzt  zur 
entierung  auf  dem  Gebiete  der  Volkswirtschaft,  Sozialwissenschaft 
Statistik,  sondern  auch  für  den  Verwaltungsbeamten  in  Staat, 
neinde,  Versicherungskörperschaften  und  Vereinsleben,  kurz  für 
.  welche  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene,  sozialen  Medizin  und 
sischer  Wohlfahrtspflege  theoretisch  und  praktisch  arbeiten.  Die 
tliche  Anzahl  von  60  Mitarbeitern  —  Aerzte,  Hygieniker,  Volks- 
te  und  Statistiker  - — .  deren  Subjektivität  ein  grosser  Spielraum 
/ährt  wurde,  bringt  nicht  nur  in  die  Darstellung,  sondern  auch 
lie  Auffassung  der  einzelnen  Gegenstände  eine  abwechslungsreiche 
e.  Wenn  man  auch  bei  einzelnen  Gegenständen,  wie  z.  B.  bei 
i  Kapitel  „Verhältnis  zu  Aerzten“  bei  der  „Krankenversicherung  im 
tschen  Reiche“  als  organisierter  Arzt  anderer  Ansicht  sein  kann, 
»esondere  in  Bezug  auf  die  freie  Arztwahl  (nicht  „freie  Aerzte- 
il“),  so  haben  die  einzelnen  Mitarbeiter  durchwegs  eine  aner- 
nenswerte  Neutralität  beobachtet. 

Das  Material  betrifft  vorwiegend  die  Länder  des  deutschen 
achgebietes.  Vom  weiteren  Ausland  ist  nur  berücksichtigt,  was 
anders  wertvoll  oder  besonders  lehrreich  oder  zum  Verständnis 
heimischen  Zustände  unerlässlich  ist.  Die  soziale  Hygiene  hat 
h  dem  Vorwort  der  Herausgeber  „als  Endziel  nichts  mehr  und 
ds  weniger  als  die  ewige  Jugend  der  eigenen  Nation.  Denn  allein 
soziale  Hygiene  ist  imstande,  durch  ihre  Untersuchungen  das 
sei  zu  lösen,  warum  bisher  ausnahmslos  jedes  grosse  Kulturvolk, 
die  Geschichte  kennt,  vom  Erdboden  hat  verschwinden  müssen, 
aus  diesen  Untersuchungen  Massnahmen  abzuleiten,  die  dem 
ke,  das  in  Gesetz,  Verwaltung  und  Sitte  diesen  Regeln  folgt, 
Sicherheit  ermöglicht,  das  physische  Substrat,  an  das  alle  Kultur 
letzten  Grunde  gebunden  ist,  dauernd  unversehrt  zu  erhalten.“ 
st  deshalb  zu  hoffen,  dass  der  Leserkreis  weit  über  die  unmittelbar 
ressierten  Fachleute  hinausgreift.  S  c  h  o  11  -  München. 


Jahrbuch  für  Volks-  und  Jugendspiele,  ln  Gemeinschaft  mit  den 
Vorsitzenden  des  Zentralausschusses  zur  Förderung  der  Volks-  und 
Jugendspiele  in  Deutschland,  Dr.  E.  v.  Schenckendorff  - Görlitz, 
Mitglied  des  preussischen  Abgeordnetenhauses  und  Prof.  Dr.  med. 
b.  A.  Schmidt,  Sanitätsrat  in  Bonn  a.  Rh.  herausgegeben  von  Geh. 
Sanitätsrat  Prof.  R  a  y  d  t.  21.  Jahrgang:  1912.  Mit  Buchschmuck 
von  Aloys  Kolb  und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text.  Druck  und 
Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  1912.  290  Seiten.  Preis 
3  Mark. 

H.  R  a  y  d  t  hat  auf  der  internationalen  Ausstellung  in  Dresden 
die  Anregung  geschöpft,  die  Tüchtigmachung  des  weiblichen  Ge¬ 
schlechtes  noch  mehr  als  bisher  ins  Auge  zu  fassen  und  der  Zentral¬ 
ausschuss  hat  demgemäss  beschlossen,  einen  Sonderausschuss  für  die 
Ertüchtigung  des  weiblichen  Geschlechtes  zu  bilden,  wovon  haupt¬ 
sächlich  auch  ein  günstiger  Einfluss  auf  die  weitere  Stärkung  der 
Wehrkraft  Deutschlands  zu  erwarten  ist.  Die  Sache  der  Volks-  und 
Jugendspiele  hat  auch  in  diesem  Jahre  sehr  gute  Fortschritte  ge¬ 
macht.  Die  hier  veröffentlichten  Aufsätze,  welche  z.  T.  hygienischer, 
physiologischer  Art  sind,  z.  T.  über  die  Durchführung  von  Spielen 
und  Wanderungen  in  sehr  hübscher  Weise  zu  berichten  wissen,  end¬ 
lich  organisatorische  Fragen  besprechen,  geben  ein  sehr  günstiges 
Bild  von  der  Entwicklung  dieser  Bestrebungen  in  unserem  Vaterlande. 
Wie  gross  und  wie  rasch  erst  würden  diese  Fortschritte  sein,  wenn 
der  in  der  Einführung  des  Buches  geschriebene  Satz  allgemeine  Auf¬ 
fassung  würde,  dass  die  Worte  „heilig“  und  „gesund“  nicht  sowohl  in 
den  altgermanischen  Sprachen  ein  und  dasselbe  bedeuten,  sondern 
dass  dies  auch  für  uns  moderne  Menschen  zutrifft! 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Kapitän  Mikk  eisen:  Ein  arktischer  Robinson.  Leipzig  1913. 
F.  A.  Brockhaus.  Preis  10  Mark. 

Schon  der  Titel  deutet  an,  dass  es  sich  hier  um  kein  eigentlich 
wissenschaftliches  Buch  handelt.  Nicht  von  geographischen  oder 
naturwissenschaftlichen  Ergebnissen  einer  Forschungsreise  ist  die 
Rede,  sondern  von  den  Geschicken  einer  Expedition,  die  nur  die 
Aufgabe  hatte,  das  Beobachtungsmaterial  der  1907  verunglückten 
„Danmark-Expedition“  zu  bergen.  Der  Verfasser  hat  das  Bestreben, 
nach  seinen  und  seines  Begleiters  Tagebüchern  ein  möglichst  leben¬ 
diges  Bild  zu  entwerfen  von  seinem  3  jährigen  Kampfe  gegen  die 
arktische  Natur,  gegen  Hunger  und  Einsamkeit. 

Seiner  liebenswürdigen,  lebhaften  Darstellung  folgt  man  mit 
Interesse  und  Spannung.  H.  S. 

Neueste  Joürnaliteratur. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 

12.  Band,  3.  Heft. 

27)  K.  Kure:  Ueber  die  Pathogenese  der  heterotopen  Reiz¬ 
bildung  unter  dem  Einfluss  der  extrakardialen  Herznerven.  (Aus  dem 
experim.-pathol.  lnstiut  der  Deutschen  Universität  Prag.) 

Durch  faradische  oder  dyspnoische  Erregung  des  linken  Ak- 
zeleranz  würde  häufig  ventrikuläre  Automatie  erzielt;  bei  der  dys- 
pnoischen  Erregung  war  das  rechte  Ganglion  samt  Ansa  Vieussensii 
exstirpiert,  bei  den  übrigen  Reizungen  blieb  der  rechte  Akzelerans 
unversehrt.  Die  Erscheinung  liess  sich  bei  Hunden  nur  nach  vor¬ 
heriger  Morphinverabreichung  hervorrufen.  Kombination  mit  Vagus¬ 
erregung  verursachte  häufig  ventrikuläre  Automatie,  wenn  Ak- 
zeleranserregung  allein  wirkungslos  war.  Steigerung  des  Vagustonus 
allein  infolge  von  Morphin  kann  auch  ventrikuläre  Automatie  be¬ 
wirken.  Die  ventrikuläre  Automatie  trat  entweder  plötzlich  mit  einem 
Schlag  oder  mehr  allmählich  auf;  ebenso  war  das  Verschwinden  der 
Automatie  teils  mit  einem  Schlag,  teils  mehr  allmählich.  Der  Vorhof¬ 
rhythmus  blieb  bei  dem  allmählichen  Entstehen  und  Verschwinden 
manchmal  erhalten,  in  anderen  Fällen  änderte  er  sich.  Die  Schlag¬ 
frequenz  der  während  der  dyspnoischen  Vaguserregung  infolge  gleich¬ 
zeitiger  faradischer  Akzeleransreizung  hervorgerufenen  atrioventri¬ 
kulären  Automatie  ist  unter  Umständen  sehr  bedeutend,  bis  zu  360. 
Zu  ihrer  Erklärung  ist  noch  die  Annahme  einer  gesteigerten  Reiz¬ 
bildungsfähigkeit  der  atrioventrikulären  Reizbildungsstelle  nötig;  die 
durch  kombinierte  Wirkung  des  Vagus  und  Akzelerans  entstandene 
atrioventrikuläre  Automatie  lässt  sich  durch  faradische  Erregung 
eines  Vagus  oder  Steigerung  der  dyspnoischen  Vagusfrequenz  hem¬ 
mend  beeinflussen  bzw.  unterdrücken.  Dabei  kommt  es  zu  einer  vor¬ 
übergehenden  Aenderung  des  Ausgangspunktes  der  atrioventrikulären 
Reizbildung,  welcher  mehr  gegen  die  Kammer  hin  zu  liegen  kommt. 
Die  Vaguserregung  beeinflusst  wahrscheinlich  die  mehr  gegen  den 
Vorhof  zu  gelegenen  Reizbildungsstellen  stärker  frequenzhemmend 
als  die  gegen  die  Kammer  hin  gelegenen,  so  dass  die  Reizbildung 
von  diesen  aus  selbständiger  wird.  In  einem  Falle  liessen  sich  mit 
periodischen  Aenderungen  im  Ausgangspunkt  der  Ursprungsreize  ein¬ 
hergehende  periodische  Frequenzänderungen  in  ursächlichen  Zu¬ 
sammenhang  mit  periodischen  Tonusänderungen  der  extrakardialen 
Herznerven  infolge  der  Ateminnervation  bringen.  Diese  Perioden  um¬ 
fassten  sukzessive  immer  weniger  Schläge,  bis  schliesslich  ein  einziger 
atrioventrikulärer  Schlag  in  Form  einer  Extrasystole  auftrat.  Bei  der 
durch  Steigerung  des  Vagustonus  erzeugten  atrioventrikulären 
Automatie  konnte  das  Auftreten  von  Herzschlägen  mit  normaler 
Sukzession  von  Vorhof  und  Kammer  in  Form  von  Extrasystolen  be¬ 
obachtet  werden.  Es  können  somit  Extrareize  auch  Ursprungsreize 
sein. 


992 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18. 


28)  K.  Kure:  Klinische  Beobachtungen  über  den  Einfluss  der 
Vaguserregung  auf  das  Auftreten  heterotoper  Herzreize.  (Aus  der 

ined.  Klinik  in  Tokio.) 

Die  Analyse  des  gleichzeitig  aufgenommenen  Arterienpulses 
(bzw.  Herzspitzenstosses)  und  des  Venenpulses  ergab  das  Vorhanden¬ 
sein  einer  heterotopen  Bradykardie;  im  ersten  Falle  bestand  ventri¬ 
kuläre  und  atrioventrikuläre  Bradykardie  von  ca.  20  Schlägen  in  der 
Minute,  infolge  von  Steigerung  des  Vagustonus;  nach  Atropin  trat 
Beschleunigung  auf  76  mit  normaler  A.-V.  Sukzession  ein;  durch 
Vagusdruck  konnte  Herzstillstand  von  über  10  Sekunden  hervor¬ 
gerufen  werden.  Während  der  Aenderung  des  Ausgangspunktes  der 
Ursprungsreize  schlug  das  Herz  relativ  rhythmisch;  im  2.  Fall  trat  in¬ 
folge  Vagusdruckes  Herzstillstand  mit  nachfolgender  Kammerauto- 
matie  auf.  Während  der  Kammerautomatie  folgte  jedesmal  dem  auto¬ 
matischen  Kammerschlag  in  einem  konstanten  Intervall  ein  Herz¬ 
schlag  mit  normalem  a — c-Intervall  in  Form  einer  Extrasystole. 

29)  Otfried  Müller  und  B.  Förster:  Zur  Frage  des  Herz- 

schlagvolumens.  (II.  Mitteilung.)  (Aus  der  medizinischen  Poliklinik 
in  Tübingen.)  .  . 

Die  Verfasser  zeichneten  an  Katzen  gleichzeitig  mit  dem 
Kammerplethysmographen  die  Volumschwankungen  der  Herz¬ 
kammern,  den  Blutdruck  in  der  einen  Karotis  mit  dem  Quecksilber¬ 
manometer  und  den  Flammenpuls  an  der  anderen  freigelegten  Ka¬ 
rotis  mittels  eines  röhrenförmigen  Rezeptors,  dessen  Raum  die 
Karotis  durchsetzen  musste,  auf  und  fanden,  dass  die  Höhen  des 
Flammenpulses  den  Ausschlägen  des  Herzplethysmogrammes,  also 
dem  Schlagvolumen  entsprachen;  auch  wenn  die  Pulsdauer  auf  das 
Mehrfache  verlängert  war,  wie  bei  Vagusreizung  durch  Faradisation, 
Muskarinvergiftung  oder  Erstickung.  Aufnahmen  der  Volumschwan¬ 
kungen  der  Anonyma  ergaben  die  Gleichwertigkeit  der  Karotis  mit 
der  Anonyma.  Die  Grösse  des  zentralen  Pulses  (gleichgültig  ob 
Flammen-  oder  Volumpuls)  folgt  also  gleichsinnig  den  Aenderungen 
des  Herzschlagvolumens,  wenn  auch  vielleicht  keine  genaue  mathe¬ 
matisch  definierbare  Relation  zwischen  beiden  besteht.  Ob  dabei 
die  Pulsfrequenz  180  oder  30  in  der  Minute  beträgt,  ist  nicht  aus¬ 
schlaggebend,  da  die  Dauer  der  Systole  sich  dabei  nur  ganz  wenig 
ändert.  , 

30)  Otfried  Müller  und  Th.  O  e  s  t  e  r  1  e  n:  Zur  Frage  des 
Herzschlagvolumens.  (III.  Mitteilung.)  (Aus  der  Poliklinik  in  Tübingen.) 

Die  Verfasser  nahmen  an  Katzen  gleichzeitig  das  Kammer¬ 
plethysmogramm,  die  Volumkurve  der  Anonyma  und  das  Plethysmo¬ 
gramm  der  einen  Vorderpfote  auf  unter  Einwirkung  von  physikali¬ 
schen  und  chemischen  Mitteln,  welche  das  Herzschlagvolumen  ver¬ 
kleinern  oder  vergrössern,  während  gleichzeitig  die  peripheren  Gefässe 
kontrahiert  oder  dilatiert  waren,  wie  warme  und  kalte  Bäder,  Er¬ 
stickung,  Natrium  nitrosum,  Adrenalin,  Chlorbaryum,  Digalen, 
Strychnin.  Es  zeigt  sich  dabei,  dass  die  Amplitude  des  zentralen 
Pulses  ganz  gleichsinnig  wie  die  Grösse  des  Schlagvolumens  sich 
ändert,  auch  wenn  die  Volumänderungen  an  den  peripheren  Gefässen 
in  entgegengesetztem  Sinne  verlaufen.  Es  sind  demnach  die  früher 
mit  der  zentralen  Flammentachographie  bei  Einwirkung  von  Bä¬ 
dern  und  Arzneimitteln  erhaltenen  Resultate  richtig,  während  die 
durch  gasanalytische  Methoden  erhaltenen  unzutreffend  sind.  Die 
Richtigkeit  ist  im  Wesen  der  Amplitudenmessung  des  zentralen  Pulses 
bedingt,  die  Fehlerquellen  sind  so  gering,  dass  die  praktische  Brauch¬ 
barkeit  der  Methodik  kaum  je  in  Frage  gestellt  werden  dürfte.  Die 
Richtung,  in  der  sich  das  Schlagvolumen  ändert,  ist  bei  einiger  Grösse 
der  eintretenden  Schwankungen  innerhalb  der  Breite  der  beim  Men¬ 
schen  für  gewöhnlich  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  zu  er¬ 
sehen;  der  klinischen  Verwendbarkeit  sind  gewisse  Grenzen  gezogen, 
indem  nur  bei  unverrückt  festsitzenden  Rezeptoren  und  innerhalb 
verhältnismässig  kurzer  Zeitläufe  relative  Anhaltspunkte  für  in¬ 
zwischen  eingetretene  gröbere  Veränderungen  des  Herzschlag¬ 
volumens  erhalten  werden  können.  Es  gibt  jedoch  zurzeit  kein  kli¬ 
nisches  Verfahren,  welches  ebenso  genaue  oder  gar  genauere  Auf¬ 
schlüsse  gibt.  Die  Aufschreibung  des  zentralen  Flammenpulses,  die 
sogen,  zentrale  Flammentachographie,  wird  in  Zukunft  durch  Schrei¬ 
bung  des  zentralen  Pulses  nach  Frank  zu  ersetzen  sein,  bis  es  mög¬ 
lich  ist,  die  Druckamplitude  zentraler  Gefässe  nicht  nur  nach  rela¬ 
tivem,  sondern  auch  nach  absolutem  Mass  festzustellen. 

31)  G.  Sardemann:  Ueber  die  Wirkungen  von  Adrenalin  und 
Pilokarpin  am  vegetativen  Nervensystem  gesunder  und  kranker 
Menschen.  (Aus  der  med.  Akademie  für  prakt.  Medizin  in  Düssel¬ 
dorf.) 

In  42  Untersuchungen  wurde  die  Reaktion  auf  Pilokarpin-  und 
Adrenalininjektionen,  kenntlich  an  Aenderungen  des  Blutdruckes,  des 
Pulses  und  der  Atmung,  sowie  dem  Auftreten  sonstiger  klinischer 
Symptome  festgestellt.  Dabei  ergab  sich,  dass  an  Menschen,  die  all¬ 
gemein  nervöse  Erscheinungen  oder  eine  besondere  Erregung  in  einem 
der  vegetativ  innervierten  Organe  darbieten,  eine  kräftigere  Adrena¬ 
lin-  und  Pilokarpinreaktion  zu  erzielen  ist  als  an  völlig  gesunden 
Individuen.  Nur  bei  einem  Fall  mit  Symptomen  sehr  gesteigerter 
autonomer  Organfunktionen  war  nur  die  Pilokarpinreaktion  stark. 
Bei  allen  anderen  Fällen  mit  mehr  oder  weniger  gesteigerter  auto¬ 
nomer  Organfunktion  trat  die  Adrenalinreaktion  durchaus  nicht  hinter 
der  Pilokarpinreaktion  zurück.  Bei  kräftigen  und  gesunden  Men¬ 
schen  fand  sich  kaum  eine  Wirkung  von  0,001  Adrenalin  und  von 
0,01  Pilokarpin. 

32)  E.  Blumenfeld:  Beiträge  zur  Kaliausscheidung  unter 
normalen  und  pathologischen  Verhältnissen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik 

in  Berlin.) 


Die  Versuche  ergaben,  dass  Herz  -und  Nierenkranke  bei  Kalium¬ 
darreichung  (Kaliumazetat)  eine  Retention,  bezw.  eine  sehr  verlang¬ 
samte  Ausscheidung  zeigen  im  Gegensatz  zum  Normalen,  bei  dem 
eine  sofortige  prompte  Ausscheidung  der  Gesamtmenge  des  zuge¬ 
führten  Kaliums  zu  konstatieren  war. 

33)  L.  Zorn:  Beiträge  zur  Pharmakologie  der  Mischnarkose. 
II.  Kombination  der  Lokalanästhetika.  (Aus  dem  pharmakologischen 
Institut  in  Greifswald.) 

Der  T  ii  r  c  k  sehe  Versuch,  wobei  die  Konzentration  der  Lösung 
festgestellt  wird,  welche  nach  10  Minuten  dauernder  Einwirkung  die 
Haut  des  Froschbeins  gegenüber  einem  bestimmten  Reiz  (0,3  proz. 
Salzsäurelösung)  unempfindlich  macht,  ist  trotz  der  angewandten  Vor- 
sichtsmassregeln  ungeeignet  für  quantitative  Untersuchungen  über 
Lokalanästhetika,  da  die  Resultate  zu  schwankend  sind.  Dagegen 
gelingt  es  bei  direkter  Einwirkung  des  Anästhetikums  auf  den  frei¬ 
gelegten  Froschischiadikus  und  Reizung  mit  Oeffnungsinduktions- 
schlägen  einheitliche  Resultate  zu  erzielen.  Die  stärkste  anästhe¬ 
sierende  Kraft  hat  das  Kokain,  dann  folgen  Tropokokain,  Novokain. 
Stovain,  Alypin,  Eukain.  Die  Kalisalze  zeigen  eine  stark  anästhe-  , 
sierende  Kraft,  während  Natrium-,  Ammonium-  und  Magnesiumsalz' 
in  isotonischen  Lösungen  keine  Anästhesie  hervorrufen.  Von  den 
verschiedenen  Kombinationen  konnte  lediglich  bei  Kokain  +  Kal. 
sulfur.,  Kokain  +  Kal.  chloratum,  Novokain  +  Kal.  sulfur.  Poten¬ 
zierung,  bei  den  übrigen  nur  Addition  der  Wirkungen  nachgewiesen 
werden.  Die  Resultate  stehen  nicht  im  Einklang  mit  dem  Bür  gi¬ 
schen  Gesetz  in  seiner  Allgemeinheit. 

34)  M.  Rosenberg:  Die  Bedeutung  der  intrakutanen  Tuber¬ 
kulinreaktion  für  die  Diagnose  und  Prognose  der  Lungentuberkulose. 
(Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  intrakutane  Tuberkulinreaktion  ist  für  die  Diagnostik  bei 
Lungentuberkulose  der  Ophthalmoreaktion  zum  mindesten  ebenbürtig, 
wenn  man  Vsoooo  und  Voooooo  ccm  Tuberkulin  zur  Injektion  benützt 
und  bei  der  ersten  Verdünnung  nur  den  negativen,  bei  der  zweiten 
nur  den  positiven  Ausfall  verwertet.  Sie  verdient  daher  in  allen 
Fällen  an  Stelle  der  Ophthalmoreaktion  angewandt  zu  werden,  wo 
eine  Kontraindikation  für  diese  besteht.  Bei  Ausschluss  einer  rheuma¬ 
tischen  Diathese,  sowie  speziell  in  ganz  beginnenden  Tuberkulose¬ 
fällen  ist  die  Intrakutanreaktion  der  Ophthalmoreaktion  überlegen 
und  verdient  vor  ihr,  trotz  der  etwas  umständlichen  Technik,  den 
Vorzug. 

35)  J.  v.  Benczur  und  D.  Fuehs:  Ueber  die  Wirkung  der 
Radiumemanation  auf  den  Stoffwechsel.  (Aus  der  III.  med.  Klinik  in 
Pest.) 

Die  Versuche  ergaben,  dass  selbst  beträchtliche  Mengen  von 
Radiumemanation,  welche  die  therapeutischen  Dosen  mehr  als 
hundertfach  übersteigen,  sei  es  durch  Inha'lation  oder  durch  Trinken 
zugeführt,  keine  erhebliche,  sondern  nur  eine  mässige  Steigerung  des 
respiratorischen  Gaswechsels  erzeugen  können.  Eine  qualitative 
Beeinflussung  der  Verbrennungsprozesse  findet  nicht  statt. 

36)  D.  F  u  c  h  s  und  N.  R  o  t  h :  Ueber  die  Wirkung  des  Adrenalins 
auf  die  Atmung.  (Aus  der  III.  med.  Klinik  in  Pest.) 

Im  Gegensatz  zu  den  Resultaten  früherer  Tierversuche  ergaben: 
die  Untersuchungen  an  Menschen  mit  verschiedenen  Krankheiten, 
dass  nach  Injektion  von  Adrenalin  die  Frequenz  der  Atmung  im 
grössten  Teil  der  Fälle  unbeeinflusst  bleibt,  und  nur  bei  einer  kleinen 
Zahl  von  Fällen  eine  mässige  Beschleunigung  zustande  kommt. 

37)  H.  R  a  u  b  i  t  s  c  h  e  k  -  Czernowitz:  Experimentelle  Unter¬ 

suchungen  über  die  W.  H.  Schultzesche  Oxydasenreaktion.  Eine 
kritische  Bemerkung  zu  der  Arbeit  von  Arno  Klopfer  in  dieser 
Zeitschrift,  Bd.  11,  H.  3.  _  I 

Die  den  Untersuchungen  des  Verfassers  widersprechenden  Er-i 
gebnisse  der  Versuche  Klopfers  sind,  da  bei  ihnen  das  15  biä 
60  fache  der  üblichen  letalen  Dosis  von  Zyankalium  keine  prompte 
Wirkung  äusserte,  da  also  wahrscheinlich  ein  zersetztes  oder  stark 
verunreinigtes  Zyankaliumpräparat  verwendet  worden  war,  nicht 
beweiskräftig. 

28)  A.  L  o  e  w  y :  Das  Thorium  X  in  der  Biologie  und  Pathologie. 

Bemerkung  zu  der  Arbeit  von  Plesch-Karczag  und  K  e  e  t 
mann  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  12,  H.  1. 

Der  Verfasser  betont  gegenüber  der  genannten  Arbeit,  dass 
er  selbst  in  seiner  Arbeit  die  stärkere  Nachgiebigkeit,  die  Erschlaffung 
der  Gefässwand  als  eine  besondere  Wirkung  der  Radiumemanation, 
die  sich  auf  verschiedene  Organe  erstreckt,  nachgewiesen  und  diese 
Wirkung  eine  vasomotorische  genannt  habe  und  darunter  natürlich 
auch  Beeinflussung  des  Tonus  verstanden  habe.  Dass  in  verschie¬ 
denen  Gefässgebieten  die  vasomotorische  Beeinflussung  eine  ver¬ 
schiedene  sei,  habe  er  zwar  nicht  behauptet,  müsse  aber  dieser 
Schluss  doch  für  richtig  erklären,  wenn  auch  nicht  geschlossei 
werden  dürfe,  dass  die  verschiedenen  Gefässprovinzen  aktiv  ver¬ 
schieden  beeinflusst  werden.  Die  von  den  Verfassern  vertreten1 
Meinung  von  der  sekundären  bzw.  passiven  Rolle  der  Lungengefässi 
sei  jedoch  nicht  erwiesen.  Lindemann  -  München. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  16,  1913. 

W  i  e  t  i  n  g  -  Konstantinopel:  Gefässparaly tische  Kältegangrän. 

Verf.  berichtet  ausführlich  über  das  Krankheitsbild  der  fast  stet" 
symmetrisch  auftretenden  Kältegangrän  der  Füsse  und  ihre  Be¬ 
handlung.  Das  Wesentliche  liegt  in  der  schweren  Zirkulationsstörung 
bedingt  durch  länger  dauernde  Einwirkung  von  mässigen,  den  ue 
frierpunkt  noch  nicht  erreichenden  niedrigen  Wärmegraden  auf  eii 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


993 


webe,  das  durch  allgemeine  und  lokale  Einflüsse  bereits  stark  ge- 
liidigt  ist.  Bei  der  Behandlung  empfiehlt  es  sich,  möglichst  konser- 
tiv  zu  sein  und  die  Demarkation  abzuwarten.  Nähere  Einzelheiten 
d  in  der  eingehenden  Arbeit  selbst  nachzulesen. 

Albert  E.  S  t  e  i  n  -  Wiesbaden :  Zur  Frage  der  Phrenikuslähmung 
;h  der  lokalen  Anästhesie  des  Plexus  brachialis. 

Verf.  berichtet  von  einem  Fall  von  Phrenikuslähmung,  die  bei 
n  Versuch,  eine  Plexusanästhesie  nach  Kulenkampff  zu  er- 
len,  auftrat,  ohne  dass  die  Injektionsflüssigkeit  eingespritzt  worden 
r;  als  Ursache  lässt  sich  eine  direkte  Reizung  des  N.  phrenicus 
ch  die  Spitze  der  Injektionsnadel  vermuten.  Jedenfalls  ist  bei  der 
ilenkampff sehen  Plexusanästhesie  stets  Vorsicht  am  Platze. 

R.  K  1  a  u  s  e  r-Bamberg:  Phrenikuslähmung  bei  Plexusanästhesie. 
Verf.  kann  auch  von  3  Fällen  berichten,  wo  im  Anschluss  an 
e  Plexusanästhesie  starke  Schmerzen  im  Rücken  und  Atmungsbe- 
, Jerung  auftrat.  Verf.  ist  aber  mehr  geneigt,  diese  Zustände  auf 
,  en  Krampf  der  betreffenden  Brustmuskulatur  zurückzuführen,  ent- 
nden  durch  eine  Reizung  oder  Verletzung  des  lateral  liegenden 
rhoracicus  longus.  Jedenfalls  sind  diese  Zustände  noch  nicht  völlig 
■  därt.  E.  Heim-  Gerolzhofen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  16.  1913. 

E.  S  c  h  o  !  1  und  W.  K  o  1  d  e  -  Erlangen:  Bakteriologische  Unter- 
;hung  bei  gynäkologischen  Erkrankungen. 

Verfasser  haben  an  100  gynäkologischen  Kranken  ohne  Auswahl 
kteriologische  Untersuchungen  vorgenommen.  Sie  fanden  in 
Fällen  Streptokokken  und  in  28  andere  Keime,  ohne  dass  das  Vor- 
:  idensein  der  ersteren,  seien  es  hämolytische  oder  anhämolytische, 
:  eu  es  anaerobe  oder  aerobe,  irgend  einen  Anhaltspunkt  bot,  eine 
'gnose  über  den  Verlauf  zu  stellen. 

C.  K  o  c  h  -  Giessen:  Kritische  Betrachtung  zur  Frage  unserer 
i  dernen  Wehenmittel  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  ß- 
I  idazoläthylamins, 

K.  prüfte  das  ß-\m.  oder  Histamin  in  Geburt  und  Wochenbett, 
l  i  letzterem  wurden  6—20  Tropfen  3  mal  täglich  in  2  prom.  Lösung 
erlich  gegeben:  die  Wirkung  war  gut  und  entsprach  der  des  Seka- 
nins.  In  der  Geburt  gab  K.  es  subkutan  nicht  über  0,001  p.  dos. 
ch  hier  war  die  Wirkung  gut  und  entsprach  fast  der  des  Pituitrins. 

>  Nebenwirkungen  wurden  jedoch  Kopfschmerzen  und  intensive 

I. te  am  ganzen  Körper  beobachtet.  In  2  Fällen  von  Pituitrin¬ 
brauch  sah  K.  Absterben  der  Kinder  infolge  zu  stürmischer  Wehen- 
igkeit.  Das  von  v.  Herff  in  der  Austreibungsperiode  empfohlene 
cakornin  (14  ccm  subkutan)  ist  ein  vorzügliches  Wehenmittel,  aber 
:h  gefährlich  für  die  Kinder. 

E.  L  i  e  b  i  c  h  -  Braunschweig:  Ueber  einen  Fall  von  Trans- 
iition  der  grossen  Gefässe. 

Bei  einem  am  2.  Tage  nach  der  Geburt  gestorbenen  Kinde  ent- 
;  ang  die  Aorta  aus  dem  rechten  Ventrikel  (Trikuspis),  die  Pulmo- 
is  aus  dem  linken  Ventrikel  (Bikuspis).  Das  Foramen  ovale  war 
h  nicht  völlig  geschlossen,  der  Ductus  Botalli  noch  durchgängig. 

F.  L  e  h  m  a  n  n  -  Berlin :  Ueber  das  Verhältnis  der  Geschlechter. 
Die  grosse  Häufigkeit  der  Knabenaborte  gegenüber  den  abor- 

-n  Mädchen  ist  eine  den  Statistikern  längst  bekannte  Tatsache. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrg.  VII,  Heft  4. 

W.  J.  G  u  s  s  e  w  -  Moskau:  Ein  Fall  von  Hypertrophie  der  Brust- 
sen.  (Aus  der  Gebäranstalt  des  Bachruschin-Hospitals  in  Moskau.) 
it  einer  Figur.) 

Mitteilung  eines  einschlägigen  Falles,  25  jährige  I.-para.  Die 
tu  entzog  sich  durch  Verlassen  der  Klinik  der  weiteren  Behand- 
g.  Es  handelte  sich  um  eine  einfache  diffuse  Hypertrophie. 

E..  Hauch  und  Leopold  Meyer-  Kopenhagen :  Pituitrin  als 
•ureibungsmittel,  besonders  bei  der  Behandlung  der  Placenta 
evia. 

Im  allgemeinen  war  das  Resultat  zufriedenstellend,  unter  65  Be¬ 
eidungen  waren  19  Misserfolge.  Auch  diese  Untersucher  fanden 
Mittel  wirksamer  gegen  sekundäre  als  primäre  Wehenschwäche 
I  völlig  unwirksam  zur  Geburtseinleitung.  11  Fälle  sind  des  ge- 
leren  mitgeteilt.  Auch  bei  Placenta  praevia  wurde  Pituitrin  an- 
vatjdt,  und  zwar  nach  vorhergehendem  künstlichen  Blasensprung. 

Vorbedingungen  für  diese  Art  der  Behandlung  sind  nach  An- 
it  des  Verfassers: 

Die  Frau  darf  nicht  zu  anämisch  sein,  die  Frucht  muss  in  Längs- 
e  liegen,  es  darf  kein  mechanisches  Missverhältnis  herrschen,  die 
veiterung  des  Muttermundes  soll  mindestens  3  cm  Durchmesser 
ragen,  die  Wehen  müssen  kräftig  sein.  Bei  Placenta  praevia 
ais  versagte  diese  Methode  der  Behandlung.  Auch  in  drei  Fällen 
1 .  vorzeitiger  Plazentarlösung  wurde  das  Mittel  angewandt,  in 
-1  Fällen  war  das  Resultat  ausgezeichnet,  im  dritten  Falle,  einem 
)rte,  versagte  es. 

Angewandt  wurde  das  Pituitrin  stets  in  subkutaner  Injektion,  und 
ir  das  Präparat  von  Parke,  Davis  &  Co.:  die  Dosis  betrug  0,5  ccm, 
„  ka1n  nach  Verf.  auch  die  doppelte  Dosis  gegeben  werden. 
Heinrich  Rotter-Pest:  Eugenik  und  Geburtshilfe.  (Fort- 
rung  und  Schluss.)  Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

A.  Rieländer  - Marburg. 


Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 
71.  Band,  5.  Heft. 

F.  Eberstadt:  Ueber  den  Einfluss  chronischer  experimenteller 
Anämien  auf  den  respiratorischen  Gaswechsel.  (Med.  Klinik  Heidel¬ 
berg.) 

Verf.  suchte  die  Frage,  ob  der  Organismus  sich  einer  starken 
Herabsetzung  des  zum  Ablauf  der  Oxydationen  nötigen  Sauerstoffes 
im  Stoffwechsel  anpassen  könne,  in  der  Weise  zu  lösen,  dass  er 
bei  künstlich  anämisch  gemachten  Kaninchen  (durch  häufige  Ader¬ 
lässe  oder  durch^  Injektionen  mit  salzsaurem  Phenylhydrazin)  den 
respiratorischen  Gaswechsel  verfolgte.  Die  posthämorrhagischen  An¬ 
ämien  zeigten  nur  geringe  Schwankungen  in  der  Grösse  der  Oxy¬ 
dationen  (meist  Steigerungen),  die  toxischen  zeigten  bald  eine  Ver¬ 
minderung.  Wahrscheinlich  spielt  dabei  das  Auftreten  einer  Hypo¬ 
plasie  des  Knochenmarkes  eine  ursächliche  Rolle,  denn  auch  bei  den 
posthämorrhagischen  Anämien  zeigte  sich  die  Verminderung  der 
Wärmeproduktion,  wenn  eine  Hypoplasie  auftrat. 

O.  Gros:  Der  pharmakodynamische  Grenzwert  des  Stro¬ 
phanthin  für  das  Eskulentenherz.  (Pharmakol.  Institut  Leipzig.) 

Der  pharmakologische  Grenzwert  einer  Substanz  für  ein  be¬ 
stimmtes  Organ  ist  gegeben  durch  die  Grenzkonzentration,  bei  der 
sie  gerade  auf  das  Organ  nicht  mehr  schädigend  wirkt.  Verf.  fand, 
dass  die  schwächste  noch  wirksame  Lösung  die  Konzentration 
1 :  2  000  000  hat,  während  die  Grenzkontraktion  1 :  4  000  000  ist. 

L.  Wacker  und  W.  Hueck:  Chemische  und  morphologische 
Untersuchungen  über  die  Bedeutung  des  Cholesterins  im  Organismus. 
(Pathol.  Institut  München.) 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  der  erste  Teil  einer  grösseren  Unter¬ 
suchungsreihe.  Die  Verf.  fanden  als  wahrscheinlichen  normalen  Ge¬ 
halt  der  Nebennieren  (zusammen)  0,4 g  freies  Cholesterin  und 
0,1 — 0,15  g  Cholesterinester.  Das  erstere  blieb  unter  pathologischen 
Verhältnissen  ziemlich  konstant,  die  letzteren  zeigten  grosse  Ver¬ 
mehrung  oder  Verminderung  und  zwar  Vermehrung  bei  Athero¬ 
sklerose,  Diabetes,  Gravidität,  Verminderung  bei  allen  länger  be¬ 
stehenden  Infektionen  (Sepsis  etc.),  chronisch  ulzerierenden  Karzi¬ 
nomen  und  Tuberkulosen.  Ganz  akute  Stadien  von  infektiösen  Krank¬ 
heiten  zeigen  keine  Verminderung,  eher  eine  Vermehrung.  Die 
weitere  Frage,  ob  diese  Schwankungen  solchen  des  Gehaltes  des 
Blutes  an  Cholesterinestern  parallel  gehen,  suchten  die  Verfasser  ge¬ 
meinsam  mit  O.  Köhler  in  der  Weise  zu  lösen,  dass  sie  die  Schutz¬ 
kraft  des  Serums  gegen  Saponin  prüften  und  zugleich  mikroskopisch 
den  Gehalt  der  Nebennierenrinde  an  Cholesterinestern  untersuchten. 
Sie  fanden,  dass  die  Ester  sich  experimentell  beeinflussen  lassen 
vom  Blut  aus  und  zwar  sowohl  stark  verringern  als  stark  vermehren. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  16  und  17,  1913. 

1)  J.  R.  Cushing-  London :  Digitalistherapie. 

Verf.  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Resultate  von  klini¬ 
schen  Untersuchungen,  die  er  zusammen  mit  Mackenzie  ange¬ 
stellt  hat. 

2)  Erich  S  t  e  r  n  -  Strassburg :  Ueber  die  Wirkung  des  Hochge¬ 
birgsklimas  auf  die  Pulsfrequenz. 

Die  Versuche  wurden  in  Arosa  ausgeführt  und  mit  den  in  Strass¬ 
burg  gewonnenen  Daten  in  Vergleich  gesetzt.  Bei  näherer  Betrach¬ 
tung  der  gewonnenen  Resultate  fallen  vor  allem  zwei  Tatsachen  auf, 
nämlich,  dass  der  Puls  beim  Bergabgehen  noch  weiter  ansteigt,  und 
dass  die  Nachwirkung  bei  Muskelarbeit  im  Gebirge  eine  andere  ist 
als  in  der  Ebene. 

3)  Max  Heinrich-  Berlin :  Zur  Prognose  der  Herzklappen¬ 
fehler. 

Der  beschriebene  Fall  liefert  einen  Beitrag  zur  Kenntnis  der 
Herzklappenfehler,  die  sich  durch  eine  aussergewöhnlich  lange  Dauer 
auszeichnen.  Die  54  jährige  Patientin  wurde  mit  24  Jahren  in  der 
Klinik  als  Schulfall  einer  Aorteninsuffizienz  den  Studenten  vorgestellt. 
Der  Herzfehler  besteht  also  30  Jahre  bei  einer  Patientin,  die  Zeit 
ihres  Lebens  stets  schwere  körperliche  Arbeit  verrichten  musste 
und  hat  20  Jahre  ununterbrochen  der  Trägerin  überhaupt  keine  Be¬ 
schwerden  verursacht. 

4)  Franz  Hubert  M  u  e  1 1  e  r  -  Bonn:  Morphiumentwöhnung  mit 
Skopolamin? 

Verf.  wendet  sich  scharf  gegen  die  von  Fromme  empfohlene 
„protrahierte“  Skopolaminnarkose  bei  der  Morphiumentziehung. 

5)  A.  Piotrowski  -  Charlottenburg :  Ueber  einen  neuen  anta¬ 
gonistischen  Reflex. 

Bei  Perkussion  des  Musculus  tibialis  anterior  beobachtet  man 
entweder : 

1.  eine  reflektorische  Dorsalflexion  und  Supination  des  Busses 
(der  bereits  bekannte  Antikusreflex)  oder 

2.  eine  reflektorische  Plantarflexion  des  Fusses  (der  neue  anta¬ 
gonistische  Plantarreflex)  oder 

3.  eine  reflektorische  Plantarflexion  der  Zehen  (antagonistischer 
Zehenreflex). 

Der  Antikusreflex  ist  bei  Gesunden  inkonstant  und  a  priori  kein 
pathologischer  Reflex.  Erst  durch  Charakteränderung  wird  er  ein 
pathognomisches  Zeichen  und  ist  dann  bei  organischen  Erkran¬ 
kungen  des  Zentralnervensystems  anzutreffen. 

Der  antagonistische  Plantarreflex  kommt  bei  Gesunden  nicht  vor; 
er  ist  a  priori  pathologischer  Natur;  seine  Existenz  deutet  auf  Organ- 


994 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15 


erkrankung  des  Nervensystems  hin.  Auch  der  antagonistische  Zehen¬ 
reflex  scheint  ein  pathologischer  Reflex  zu  sein. 

6)  H  ii  b  n  e  r  -  Marburg:  lieber  die  akzessorischen  Gänge  am 
Penis  und  ihre  gonorrhoische  Erkrankung. 

Kasuistischer  Beitrag. 

7)  B 1  u  m  b  e  r  g  -  Berlin:  Neue  Operation  zur  Sterilisierung  des 
Weibes  mit  Möglichkeit  der  späteren  Wiederherstellung  der  Frucht¬ 
barkeit.  (Nach  einem  in  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  am 
26.  Februar  1913  gehaltenen  Vortrage.) 

Cf.  pag.  498  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

8)  Siegfried  P  e  1 1  e  s  o  h  n  -  Berlin :  lieber  einen  Fall  von  operativ 
behandelter  angeborener  Missbildung  der  unteren  Extremitäten. 
(Nach  einem  Vortrag,  gehalten  am  6.  Januar  1913  in  der  Berliner 
orthopädischen  Gesellschaft.) 

Kasuistischer  Beitrag.  ..  ... 

9)  M.  E  h  r  e  n  r  e  i  c  h  -  Bad  Kissingen:  Die  röntgenologische 

Diagnostik  der  Magenkrankheiten. 

Kritisches  Uebersichtsreferat. 

No.  17. 

1)  A.  Fraenkel  - Berlin :  Heber  die  Behandlung  der  Arterio¬ 
sklerose. 

Verf.  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über  unser  derzeitiges  Wissen 
betreffend  Pathogenese  und  Therapie  der  Arteriosklerose. 

2)  P.  U  h  1  e  n  h  u  t  h  und  P.  M  u  1  z  e  r  -  Strassburg  l.  t. :  Weitere 
Mitteilungen  über  die  Infektiosität  des  Blutes  und  anderer  Kbrper- 
fliisslgkeiten  syphilitischer  Menschen  für  das  Kaninchen.  (Nach 
einem  auf  der  diesjährigen  Tagung  der  Mikrobiologischen  Gesellschdit 
zu  Berlin  am  1.  April  gehaltenen  Vortrage.) 

3)  Ludwig  F.  Meyer-  Berlin :  Infektion  und  Verdauung. 

Die  Verfasser  erhielten  in  allen  ihren  Fieberversuchen  das  gleiche 
Ergebnis  einer  je  nach  der  Schwere  der  Erkrankung  abgestuften 
Herabsetzung  der  Magenabsonderung.  Wenn  sich  nachweisen  Hesse, 
dass  der  Infekt  auf  die  Tätigkeit  der  anderen  Verdauungsdrüsen  in 
derselben  Weise  hemmend  einwirkt  wie  auf  die  Labdrüsen,  so  wäre 
das  Auftreten  von  Durchfall.  Erbrechen,  Appetitlosigkeit  etc.  bei  In¬ 
fektionen  verständlich. 

4)  N.  M  a  r  k  u  s  -  Breslau:  Untersuchungen  über  die  Verwertbar¬ 
keit  der  Abderhalden  sehen  Fermentreaktion  bei  Schwanger¬ 
schaft  und  Karzinom.  (Nach  einer  Diskussionsbemerkung  zum  Vor¬ 
trag  Frank  und  Heymann,  gehalten  am  14.  März  1913  in  der 
schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur  zu  Breslau.) 

In  sämtlichen  vom  Verfasser  untersuchten  Fällen  bat  sich  die 
Abderhalden  sehe  Schwangerschaftsreaktion  als  eine  sichere 
diagnostische  Untersuchungsmethode  erwiesen.  Dagegen  erfordert 
die  Beurteilung  der  Schwangerschaftsreaktion  bei  Tumorverdacht 
eine  gewisse  Vorsicht,  da  sich  wenn  auch  nur  in  einer  geringen  An¬ 
zahl  von  Fällen  und  auch  dann  nur  schwach  immerhin  ein  Abbau 
der  Plazenta  durch  Tumorserum  nachweisen  Hess.  Ueber  die  Ver¬ 
wertbarkeit  der  Fermentreaktion  für  die  Karzinomdiagnose  sind  noch 
weitere  Untersuchungen  im  Gange. 

5)  Arthur  M  ii  n  z  e  r  -  Berlin-Schlachtensee :  Ueber  die  Bedeu¬ 
tung  der  Abderhalden  sehen  Forschungsergebnisse  für  die  Pa¬ 
thologie  der  inneren  Sekretion. 

Die  Ausführungen  des  Verfassers  zeigen,  dass  durch  die  bahn¬ 
brechenden  Untersuchungen  Abderhaldens  auch  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  inneren  Sekretion  neue  Strecken  urbar  gemacht  worden  sind; 
eine  ganze  Reihe  von  Problemen  ist  nunmehr  mit  einem  Schlage  einem 
wirklichen  Erfassen  und  Durchdringen  näher  gebracht. 

6)  H.  D  r  e  w  s  -  Charlottenburg:  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett  bei  ausgedehnter  halbseitiger  Teleangiektasie  und  Va¬ 
rizenbildung  mit  lymphangiektatischer  Elefantiasis. 

Kasuistischer  Beitrag. 

7)  Georg  Katz-Berlin:  Zur  Behandlung  des  Ausflusses  der 
Frau. 

Nach  den  Erfahrungen  des  Verfassers  wird  der  Ausfluss  der  Frau 
zumeist  mit  Spülbehandlung  geheilt.  Führt  das  nicht  zum  Ziel,  so  ist 
die  Trockenbehandlung  einzuleiten,  ev.  kombiniert  mit  den  Spü¬ 
lungen.  Bei  der  Trockenbehandlung  haben  sich  das  Sauerstoff¬ 
präparat,  die  Lenicet-Bolus  mit  Peroxyd  5  proz.  und  Lenicet-Bolus 
mit  Argentum  Ya  proz.  bei  Scheidenentzündungen  vortrefflich  und 
dauernd  bewährt. 

8)  Heinrich  Stern-  NewYork :  Diplomelliturie. 

Die  diabetische  Glykosurie  ist  weiter  nichts  als  das  hervor¬ 
stechendste  Symptom  des  sogen,  diabetischen  Zustandes  in  einem  ge¬ 
wissen  Stadium.  Glykosurie  ist  eine  Krankheitserscheinung,  in  wel¬ 
cher  mannigfache  andere  Störungen  sowohl  ektogenen  wie  endogenen 
Ursprungs  zum  Ausdruck  kommen.  Mit  Hilfe  verschiedener  kli¬ 
nischer  Untersuchungsmethoder.  können  wir  zwischen  den  diabeti¬ 
schen  und  nichtdiabetischen  Formen  der  Glykosurie  unterscheiden. 
Diplomelliturie  ist  das  Resultat  zweier  zusammentreffender  oder  hin¬ 
zukommender  Affektionen  verschiedenen  Charakters,  welche  das  eine 
Symptom,  die  Glykosurie,  gemeinsam  haben.  Die  Erkennung  der 
Diplomelliturie  hängt  von  dem  wechselnden  Hervortreten  eines  der 
Symptomenkomplexe,  einschliesslich  der  betreffenden  Glykosurie,  ab. 

9)  Arnold  L  o  e  v  y- Berlin:  Ein  Beitrag  zur  Behandlung  schwerer 
Formen  von  Trigeminusneuralgie  mit  Alkoholinjektionen  im  Ganglion 
Gasseri. 

Im  vorliegenden  Falle  hat  sich  die  von  Fritz  H  a  e  r  t  e  1  ange¬ 
gebene  Methode  der  Injektionen  ins  Ganglion  Gasseri  durch  das 


Foramen  ovale  hindurch  sehr  gut  bewährt.  Die  Ganglionexstirpatioi 
die  gegen  Rezidive  das  sicherste  Mitei  ist,  wird  man  damit  nie! 
überflüssig  machen.  Jedoch  bei  nicht  operationsfähigen  Individue 
wird  die  Methode  ein  erheblicher  Gewinn  sein. 

Dr.  Qrassma  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  17,  1913. 

1)  G.  Treupel-  Frankfurt  a.  M.:  Die  Lungengangrän  und  ihr 
Behandlung. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  Kurt  H  e  n  i  u  s  und  Max  Rosenberg  -  Berlin :  Das  Mai 

morekserum  in  der  Behandlung  der  Lungentuberkulose. 

Schluss  folgt. 

3)  Ed.  A  1 1  a  r  d  -  Hamburg:  CymaFin,  ein  neues  Herzmittel. 

Cymarin  bewirkt  Verstärkung  der  Systole  und  Diastole  de 

Herzens,  Regulierung  und  Verlangsamung  der  Herztätigkei 
Kräftigung  und  bessere  Füllung  des  Pulses,  günstige  Beeinflussim 
des  Blutdruckes,  Abnahme  von  Zyanose  und  Dyspnoe,  Schwinden  de 
Oedeme  und  sonstigen  Stauungserscheinungen,  reichliche  Diures, 
Ein  guter  Erfolg  wird  auch  noch  dann  gesehen,  wenn  zuvor  Digital! 
versagt  hatte.  Die  kumulierende  Wirkung  scheint  sehr  gering.  Di 
Darreichung  geschieht  per  os  (0,3)  oder  intravenös  (0,5);  die  sul 
kutane  Einverleibung  ist  wegen  der  damit  verbundenen  Schmerze 
nicht  brauchbar. 

4)  W.  Sch  ii  r  m  a  n  n  und  E.  Hajos-  Bern  :  Erfahrungen  mi 
den  Tellurnährböden  bei  der  bakteriologischen  Diphtheriediaguosi 

Diphtheriebazillen  gehen  auf  Tellurplatten  in  grösserer  Meng 
auf  als  auf  den  gewöhnlichen  Löfflerplatten;  mit  diesen  gibt  i 
Tellurbouillon  angereichertes  Material  fast  stets  Reinkultur  ,o 
Diphtheriebazillen.  Einen  gewissen  Anhaltspunkt  schon  für  di 
makroskopische  Beurteilung  der  Kulturen  gibt  die  tiefe,  nach  15  bi| 
24  Stunden  meist  vollendete  Schwarzfärbung  der  Diphtheriekolonie 
auf  Tellurnährbüden;  doch  wird  diese  Färbung  gelegentlich  auch  h 
Staphylokokken,  Sarzinen  u.  a.  gesehen. 

5)  A  r  n  e  t  h  -  Münster  i.  W.:  Die  Thorium  X-Wirkung  auf  da 
Blutzellenleben.  (Schluss  aus  No.  16.) 

Referat  über  die  bisher  in  der  Literatur  niedergelegten  Ei 
fahrungen  und  ins  Einzelne  gehende  Beschreibung  eigener  Unter 
suchungen  über  die  tiefgreifenden  Veränderungen,  welche  die  Eii 
spritzung  von  Thorium  X  an  weissen  wie  roten  Blutkörperche 
hervorruft.  Neben  einer  mehr  weniger  weitgehenden  Verminderun 
der  Gesamtleukozyten  wurde  ein  prozentuales  Zurückgehen  de 
Pseudoeosinophilen  bei  relativer  Vermehrung  der  Lymphozyte 
gesehen.  Im  Blutbilde  erfahren  Eosinophile  und  Pseudoeosino 
phile  ebenso  wie  kleine,  mittelgrosse  und  grosse  Lympho 
zyten  eine  Verschiebung  nach  rechts;  daraus  ist  zu  entnehme! 
dass  nicht  ein  Ersatz  stattfindet,  sondern  dass  fortschreitend 
Altersveränderungen  an  den  Kernen  Platz  greifen.  Die  Erythrozyte 
lassen  bei  vorher  normalem  Blutbild  eine  Schädigung,  bei  vorher  gi. 
schädigtem  Blutbilde  eine  Wiederherstellung  zur  Norm  durch  di 
Injektion  erkennen.  Schliesslich  werden  die  leitenden  Gedanken  fü 
die  Anwendung  des  Thorium  X  bei  Leukämie  und  perniziöse 
Anämie  erörtert. 

6)  K.  S  a  i  s  a  w  a  -  Tokio :  Beitrag  zur  Aetiologie  des  Erythem 
exsudativum  multifornie. 

Ausführliche  Krankengeschichte  eines  mit  Fieber,  Leber-  un 
Milzschwellung,  akuter  Nephritis,  akuter  Herzerweiterung  und  Ir 
suffizienz  einhergehenden  Falles  von  Erythema  exsudativum  m ult 
forme.  Im  Blute  und  auch  im  Harn  Hessen  sich  färberisch  fein 
Häufig  zu  zweien  liegende,  nicht  säurefeste,  nicht  nach  Gram  färl 
bare  Stäbchen  ohne  Geissein,  Kapsel  oder  Sporen  nachweisen.  Ol 
wohl  künstliche  Züchtung  einstweilen  noch  nicht  gelang,  ist  Ver 
doch  geneigt,  den  von  ihm  gefundenen  Bazillus  als  den  Erreger  de 
genannten  unter  dem  Bilde  einer  akuten  Infektionskrankheit  au 
tretenden  Hautaffektion  anzusprechen. 

7)  Alex.  Z  a  1  o  z  i  e  c  k  i  -  Leipzig:  Ueber  „eigenlösende“  Eiger 
schaflen  des  Meerschweinchenserums  und  dadurch  bedingte  Fehlei 
quellen  der  Wa.-R 

Bemerkungen  zu  Sterns  gleichnamigem  Aufsatz  in  diese 
Wochenschrift  1913,  No.  9. 

8)  Ernst  J  o  1  o  w  i  c  z  -  Hellerau:  Ueber  „eigenlösende“  Eigei 
schäften  des  Meerschweinchenserums  und  dadurch  bedingte  Eehlei 
quellen  der  Wa.-R. 

Notiz  zu  Sterns  Arbeit  in  dieser  Wochenschrift  1913,  No. 

9)  Theo  G  r  o  e  d  el  und  Franz  M.  G  r  o  e  d  e  1  -  Bad  Nauhein 
Die  Technik  der  Röntgenkinematographie.  Dritte  Mitteilung:  Di 
kombinierte  Herzröntgenkinematographie  und  Elektrokardiogiapln 

Die  Verfasser  glauben  einen  Weg  gefunden  zu  haben,  der  t 
unter  glücklichen  Umständen  ermöglicht,  gleichzeitig  mit  der  Her/ 
röntgenkinematographie  ein  einwandfreies  Elektrokardiogramm  l 
erhalten,  was  natürlich  für  alle  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  di 
Herzpathologie  von  weitgehendem  Werte  sein  müsste. 

Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913.  No.  H 
11  und  12. 

().  F  i  e  r  t  z  -  Zürich  :  Ueber  Heilerfolge  mit  Almatein. 

Verf.  berichtet  ausführlich  an  der  Hand  zahlreicher  Krankei 
geschichten  über  seine  Erfolge  mit  Almatein,  das  er  seit  10  Jahre 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


995 


i  Darmstörungen  (Typhus,  Dysenterie,  Darnikatarrh  etc.) 
d  bei  Pruritus  und  Urtikaria,  wo  es  geradezu  spezifisch  wirkt 
5  Fälle)  anwendet.  Erwachsene  erhalten  2X1,0  (mit  Elaeosacch. 
;nth.  0,2)  oder  3  X  0,5  (bei  Urtikaria),  Kinder  die  Hälfte,  Säuglinge 
i  Viertel  dieser  Dosis.  Ferner  hat  er  das  Mittel  in  Hunderten  von 
llen  als  Salbe  bei  W  unde  n,  Qesc h  w  ii  reu  und  Ekzemen 
braucht,  ebenfalls  mit  bestem  Erfolg.  Nachteile  (1  mal  Erysipel  und 
zema  vesiculos.)  sah  er  nur  in  einigen  Fällen,  in  denen  er  nicht 
s  gewohnte  Präparat  (Le  pe  titsche  Originalsalbe)  anwenden 
nute.  Mit  diesem  hat  er  nie  Misserfolge  gehabt. 

Th.  E. :  Arsenikvergiftung. 

21  jähriges  Mädchen  nahm  15  g  weissen  Arsenik,  genas  nach 
nversten  Erscheinungen  (schwerste  Gastroenteritis  mit  Blut- 
edlen  und  Ohnmachtsanfällen)  in  5  Tagen  völlig. 

R.  Stähelin -Basel:  Die  Erkennung  und  Bedeutung  der  Ar- 

ythmieit. 

Fortbildungsvortrag. 

D.  M.:  Der  Infantilismus. 

Uebersichtsreferat. 

L.  Schnyder-  Bern :  Anorexieformen  des  Pubertätsalters. 
Verf.  unterscheidet  eine  „passive“  und  eine  „aktive“  Anorexie; 
;  erstere.  meist  mit  Schlaflosigkeit  zugleich  auftretend,  ist  eine 
Ige  von  Depressionen,  ein  Sichgehenlassen  des  Kranken,  die  letztere 
gegen  wird  bewusst  oder  unbewusst  gewollt,  als  Mittel  zürn  Zweck 
l  „den  Widerwärtigkeiten  der  Lebensrealitäten  zu  entgehen“.  Sie 
nn  durch  übergrosse  Skrupulosität  entstehen,  als  Abwehrreaktion 

i  Konflikten,  besonders  solchen,  die  sexuellen  Ursprung  haben,  als 
mptom  der  Hysterie,  als  „Regressionstrieb“  der  aus  einem  Nicht- 
ssenwollen  der  Lebensrealitäten  hervorgeht,  besonders  oft  bei 
igen.  sinnlich  veranlagten  Mädchen  als  Widerstand  gegen  sexuelle 
lebnisse. 

A.  Kirchen  stein:  Der  Wechsel  der  Tuberkelbazillenformeu 

phtisischen  Sputum.  Ein  Beitrag  zur  Morphologie  und  Biologie  der 
berkuloseerreger.  (Laborat.  C.  S  p  e  n  g  1  e  r  -  Davos.) 

Verf.  untersuchte  tuberkulöse  Sputa  mit  Spenglers  Pikrin- 
■thode  und  mit  Strukturmethoden  (Kirchenstein,  Kron- 
rger),  teilweise  auch  mit  der  Much  sehen  Grammethode  II.  Er 
terscheidet  Vollstäbchen,  hüllengeschädigte  Stäbchen,  fragmentierte 
äbchen,  granulierte  Stäbchen  oder  „Körner“  und  isolierte  Körner, 
;  „Splitter“  Spenglers,  die  isoliert  oder  in  Häufchen  vor- 
mmen.  Die  Splitter  können  wieder  zu  Bazillen  auskeimen,  den 
rzen  Jungformen,  die  wieder  zu  Vollstäbchen  werden.  Serienunter- 
ehungen  zeigten,  dass  im  Sputum  gewisse  Formen  vorherrschen, 
im  häufigsten  Typus  halten  sich  Vollstäbchen  und  die  in  verschie- 
nen  Graden  geschädigten  Stäbchen  das  Gleichgewicht,  beim 
Typus  überwiegen  die  ersteren,  beim  3.  Typus  die  meist  in 
ufchen  liegenden  Jungformen,  aus  denen  sich  dann  der  4.  Typus  mit 
plitterhäufchen“  entwickelt.  Spengler  schliesst  aus  den  ein- 
Inen  Typen  auf  Reichtum  des  Organismus  an  gewissen  Immun- 
rpern  oder  Toxinen  oder  Lysinen.  Typus  4.  das  „Splittersputum“, 

1  auf  eine  besondere  Widerstandskraft  des  Organismus  hinweisen. 

R.  D  i  e  t  s  c  h  y  -  Sanatorium  Allerheiligen:  Ein  Fall  von  Ober- 
lenkelmamilla  beim  Manne. 

Beschreibung  und  Abbildung.  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  17.  E.  Epstein-  Wien :  Die  Abderhalden  sehe  Serum- 

>be  auf  Karzinom. 

Die  Untersuchungen  sind  mit  dem  Dialysierverfahren  ent- 
echend  Abderhaldens  Vorschriften  angestellt.  Zur  Technik 
pfiehlt  E.  in  Kürze  folgende  Punkte:  Beim  Arbeiten  mit  Karzinom- 
webe  soll  recht  zellenreiches  Substrat  verwendet  werden;  weiter 
len  Organstücke  noch  zweimal  aufgekocht  werden.  Die  Ninhydrin- 
iktion  wurde  stets  nach  18 — 20  s.tiindiger  Bruttemperatur,  die 
rretreaktion  nach  40 — 42  Stunden  angestellt  (nach  Einengung  der 
oben  auf  ein  Drittel  des  Volumens  schon  nach  18 — 20  Stunden), 
mer  soll  die  Biuretreaktion  neben  der  Ninhydrinreaktion  gemacht 
J  nur  bei  Uebereinstimmung  beider  Proben  ein  sicheres  Urteil  über 
u  Ausfall  der  Proben  abgegeben  werden.  37  untersuchte  Sera 
ebskranker  waren  mit  einer  Ausnahme  (80  jähriger  kachektischer 
anker)  befähigt,  koaguliertes  Karzinomeiweiss  anzugreifen;  in 
nein  Falle  wurde  Plazentareiweiss  angegriffen.  Von  18  Schwanger- 
laftsseren  griffen  17  Plazentareiweiss  an.  Von  47  sicher  nicht 
rzinomkranken,  aber  zum  Teil  schwer  Kranken  mit  Kräfteverfall, 
ren  46  nicht  imstande,  Karzinomeiweiss  abzubauen.  Die  Methode 
'fte  daher  geeignet  sein  zur  Abgrenzung  des  Karzinomserums  vom 
avidenserum  und  vom  Serum  anderer  Kranken  und  Gesunden. 

F.  L  u  i  t  h  1  e  n  -  Wien :  Veränderungen  der  Hautreaktion  bei 
ektion  von  Serum  und  kolloidalen  Substanzen. 

Versuche  an  Katzen.  Durch  die  Injektion  von  arteigenem  wie 

ii  artfremdem  Serum,  bei  letzterem  scheinbar  rascher,  wird  eine 
rabsetzung  der  Hautempfindlichkeit  gegen  äussere  entzündliche 
ize  (Krotonöl)  erzielt.  Die  Wirkung  des  normalen  und  des 
invangerenserums  zeigt  keinen  Unterschied,  die  gleiche  Wirkung 
>en  die  Injektionen  von  artgleichem  Plasma  und  die  Bluttransfusion, 

Injektion  von  Wittepepton  und  Gelatine,  von  kolloidaler  Kiesel¬ 
ire  und  von  löslicher  Stärke  (also  von  kolloidalen  Substanzen  nicht 
veissartiger  Natur).  Aus  den  Versuchen  ergibt  sich,  dass  die 


Herabsetzung  der  Hautempfindlichkeit  nicht  allein  auf  Veränderungen 
der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  zurückzuführen  ist.  Höchst  wahr¬ 
scheinlich  beruht  der  Erfolg  der  Eiweissinjektionen  nur  auf  der 
kolloidalen  Natur  dieser  Substanzen,  ohne  Einfluss  der  toxischen  und 
biologischen  Eigenschaften  der  Sera;  es  genügt  die  parenterale  Ein¬ 
führung  eines  kolloidalen  Komplexes  in  den  Organismus.  Weiter  ist 
zu  schliessen,  dass  es  hauptsächlich  die  exsudativen  und  trans- 
sudativen  Prozesse  der  Haut  sind,  welche  sich  durch  die  Serum¬ 
behandlung  beeinflussen  lassen  (Urtikaria,  Strophulus,  Pruritus, 
akutes  Ekzem  der  Kinder),  nicht  die  infiltrierenden  Gewebsneubil¬ 
dungen  (Psoriasis,  Mykosis  fungoides,  manche  Ekzeme  usw.). 

F.  Da  ut  witz- St.  Joachimsthal:  Kurbericht  für  das  Jahr  1912. 

Der  Bericht  zeigt  den  zunehmenden  Besuch  des  Kurortes  und 
eine  grosse  Reihe  von  Erfahrungen,  die  durch  41  Krankengeschichten 
belegt  werden:  Günstige  Erfolge,  grossenteils  natürlich  symptoma¬ 
tischer  Art,  wurden  u.  a.  erzielt  bei  Schlaflosigkeit  und  anderen  Er¬ 
scheinungen  der  Neurasthenie,  Paralysis  agitans,  zerebraler  Hemi¬ 
plegie,  Tabes,  spinaler  Kinderlähmung,  Neuralgien;  weiter  bei 
Katarrhen  der  Respirationsorgane,  Kompensationsstörungen  des 
Herzens,  Obstipation.  Auffallend  war  in  einigen  Fällen  das  Fest¬ 
werden  gelockerter  gesunder  Zähne.  Ein  hoher  Prozentsatz  von 
günstigen  Erfolgen  ist  bei  chronischem  Rheumatismus  der  Gelenke 
und  Muskeln,  Arthritis  deformans  und  chronischer  Gicht  zu  ver¬ 
zeichnen,  schliesslich  auch  bei  verschiedenen  Hauterkrankungen 
(Ekzeme,  Psoriasis,  Lupus  vulgaris,  Warzen,  Hämangiome  usw.). 

E.  Wiener-Tor:  Ueber  einen  Vibrionenbefund  in  einem 
Yeinengeschwür. 

Die  in  diesem  Falle  gefundenen  Vibrionen  entsprachen  dem 
Typus  der  hämolysierenden  Choleravibrionen;  von  dem  von  Cren- 
diropoulo  und  von  Rouge  t  beschriebenen  Bazillus  scheinen  sie 
verschieden  zu  sein.  Auffallend  war  das  lange  Bestehen  des  sonst 
sehr  empfindlichen  Choleravibriö  in  den  Eitermassen  des  Geschwüres 
und  seine  enge  Symbiose  mit  anderen  Mikroben. 

F.  J  a  m  p  o  1  s  k  y  -  Wien:  Initialsklerose  an  der  Caruncula 
lacrimalis. 

Der  Fall  betrifft  eine  Hebamme,  welcher  bei  der  Entbindung  einer 
luetischen  Frau  Fruchtwasser  ins  Auge  gespritzt  war.  Bis  jetzt 
waren  6  Fälle  von  Primäraffekt  der  Karunkel  beschrieben. 

A.  Neumann-Kneucker  - Wien :  Kälteleitungsanästhesie  am 
Nervus  mentalis. 

Die  Ausschaltung  des  Nervus  mentalis  durch  den  Chloräthyl¬ 
strahl  (an  der  Schleimhautumschlagsfalte)  wird  ermöglicht  durch  die 
oberflächliche  Lage  des  Nerven  unter  der  Schleimhaut.  Sie  bewährt 
sich,  auch  dem  praktischen  Arzt,  für  die  Entfernung  unterer  Backen¬ 
zähne.  Bezüglich  der  Technik  ist  wichtig,  durch  Wattebäusche, 
welche  teilweise  der  Patient  selbst  hält,  den  Speichelzufluss  ab¬ 
zuhalten  und  das  zu  anästhesierende  Gebiet  gut  zu  trocknen.  Dadurch 
ferner,  dass  der  Patient  den  Mund  möglichst  schliesst,  wird  eine 
Einatmung  des  Chloräthyls  fast  ganz  verhindert. 

J.  N  o  v  a  k  -  Wien :  Zur  Behandlung  des  Schuhdruckes. 

Zur  Verhütung  des  Schuhdruckcs  ist  vor  allen  Dingen  zu  weites 
Schuhwerk  zu  meiden  und  die  Reibung  durch  Gleitmittel  (Talg,  Bor¬ 
salbe  u.  dgl.)  zu  verringern,  der  Fussschweiss  mit  Formalin  zu  be¬ 
handeln.  Fussblasen  werden  entleert,  bei  nicht  eitrigem  Inhalt  ohne 
Abtragung  der  Epidermis.  Der  Verband  besteht  aus  einem  dick  mit 
Salbe  bestrichenen  breiten  Wattebausch  von  reichlichem  Umfang,  der 
möglichst  unverschieblich  und  knapp  durch  eine  Gazebinde  befestigt 
wird.  Bei  eitriger  Sekretion  feuchter  Verband.  Meist  wird  auf  die 
beschriebene  Art  baldigst  der  Schmerz  beseitigt  und  die  Gehfähig¬ 
keit  hergestellt.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Russische  Literatur. 

J.  D  r  i  z  a  k  i  -  Odessa :  Ein  Fall  von  tödlich  verlaufender 
Gangrän  des  Mundes  im  Anschluss  an  eine  Salvarsaninjektion  bei 
Malaria.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  27.) 

Patient,  Arzt,  litt  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  an  Malaria, 
die  seit  Anfang  1911  einen  besonders  schweren  Verlauf  genommen 
hatte.  Am  19.  Dezember  1911  wurden  ihm  intravenös  0,6  Salvarsan 
injiziert.  Die  unmittelbare  Reaktion  war  eine  recht  massige  und 
äusserte  sich  nur  in  einer  Steigerung  der  Temperatur.  Mehrere  Tage 
später  jedoch  entwickelten  sich  allgemeine  Schwäche  und  Anämie, 
Milz  und  Leber  schwollen  beträchtlich  an.  An  der  Schleimhaut  der 
linken  Wange,  wo  während  der  Malariaanfälle  sich  bisweilen  Bläschen 
zeigten,  bildete  sich  eine  progrediente  Gangrän  aus,  die  auf  Lippen 
und  Zunge  Übergriff.  Häufiges  Erbrechen  und  Magenschmerzen  nach 
der  Nahrungsaufnahme.  Anzahl  der  roten  Blutkörperchen  1600  000. 
der  weissen  200  000.  Kontinuierliches  Fieber  um  39,0'’.  Am  4.  Fe¬ 
bruar  1912  Exitus. 

N.  G  u  1  i  a  j  e  w  -  Kasan :  Ueber  die  Behandlung  des  Tetanus  und 
die  Vorzüge  der  von  Prof.  Baccelli  angegebenen  Methode. 

(Russky  Wratsch  1912,  No.  28.) 

G.  behandelte  2  Fälle  von  Tetanus  mit  subkutanen  Injektionen 
von  Karbolsäure  nach  dem  Verfahren  von  Baccelli.  Obwohl  beide 
1  alle  zu  der  sog.  akuten  Form  mit  einer  Inkubation  von  weniger  als 
10  lagen  gehörten,  die  eine  enorme  Sterblichkeit,  zwischen  85  und 
92  Proz.  und  darüber,  aufweist,  endeten  sie  doch  mit  völliger 
Genesung.  Dem  einen  Patienten  wurden  insgesamt  14,5,  dem 
andern  ,5,4  Phenol  ohne  jegliche  Nebenwirkungen  oder  Störungen 
eingeführt.  Die  Tagesdosis  erreichte  0.4K  g.  Die  Kranken  vertrugen 
die  Injektionen  vorzüglich. 


996 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


O.  Polotebno  wa:  Die  Schutzimpfungen  mit  dem  Vakzin 
von  Gabritscliewsky  während  einer  Scharlachepidemie.  Ver¬ 
such  einer  Revakzination  nach  Ablauf  eines  Jahres  und  später. 

(Russky  Wratsch  1912,  No.  28.) 

Unter  Beobachtung  aller  Vorsichtsmassregeln  ausgefiihrtc 
Scharlachschutzimpfungen  mit  dem  Streptokokkenvakzin  von 
Q  abritsche  wsky  sind  unschädlich.  Verschiedene  Serien  des 
Vakzins  haben  eine  verschiedene  Schutzkraft;  zu  benutzen  ist  stets 
ein  möglichst  frischer  Impfstoff.  Eine  einmalige  Impfung  bietet  keine 
Sicherheit  vor  einer  Infektion;  die  vor  einem  Jahre,  einem  halben 
Jahre  oder  vor  noch  kürzerer  Zeit  zwei  oder  dreimal  Geimpften  über¬ 
stehen  im  Falle  einer  Erkrankung  den  Scharlach  leicht.  Im  allge¬ 
meinen  ist  wohl  die  Schutzkraft  des  Vakzins  nach  Ablauf  von  6  Mo¬ 
naten  erloschen.  Polotebnowa  unternahm  daher  den  Versuch, 
etwa  20  Kinder  nach  einer  längeren  Frist  zu  revakzinieren;  auch 
die  Wiederimpfungen  erwiesen  sich  als  ungefährlich,  eine  Allgemein¬ 
reaktion  stellte  sich  nicht  ein,  und  von  den  revakzinierten  Kindern 
erkrankte  keines  während  der  Epidemie. 

W.  Dserzgowsky  und  S.  Dserzgowsky-  Petersburg ; 
Ueber  die  Wertbestimmung  des  Diphtherieserums.  (Russky  Wratsch 
1912,  No.  29.) 

Auf  Grund  ihrer  im  Institut  für  experimentelle  Medizin  zu  Peters¬ 
burg  ausgeführten  Untersuchungen  kommen  die  Autoren  zu  dem 
Schluss,  dass  das  in  Deutschland  für  die  staatliche  Prüfung  des 
Diphtherieheilserums  benutzte  Ehr  lieh  sehe  Verfahren  nicht  allen 
Anforderungen  entspricht.  Nach  dieser  Methode  lässt  sich  nur  be¬ 
stimmen,  ob  der  Antitoxingehalt  des  zur  Kontrolle  eingesandten 
Serums  nicht  geringer  ist,  als  vom  Produzenten  angegeben;  für  eine 
genaue  Ermittelung  der  im  betreffenden  Serum  enthaltenen  Anti¬ 
toxinmenge  ist  das  bezeichnete  Verfahren  jedoch  ungeeignet.  Ausser¬ 
dem  erfordert  die  Ehrlich  sehe  Prüfungsmethode  einen  grossen 
Verbrauch  an  Meerschweinchen,  und  zwar  an  Tieren  von  bestimmtem 
Gewicht,  was  die  Arbeit  ausserordentlich  kompliziert  und  erschwert. 
Demgegenüber  ist  viel  exakter  und  bequemer  die  alte  Behring- 
Ehrlich  sehe  Wertbestimmungsmethode,  bei  der  die  lokale 
Reaktion  als  Index  für  den  Grad  der  Neutralisierung  des  Toxins 
durch  das  Serumantitoxin  dient.  Die  Methode  ist  jedoch  nur  dann 
anwendbar,  wenn  die  Stärke  des  für  die  Serumprüfung  dienenden 
Toxins  mittels  eines  Testserums  oder  der  Lösung  eines  als  Einheit 
geltenden  Trockenserums  ausgewertet  wird. 

P.  K  u  c  z  e  r  e  n  k  o  -  Kiew :  Ueber  die  Trachomkörperchen  von 
Prowazek  und  Halberstädter  und  ihre  diagnostische  Be¬ 
deutung,  (Russky  Wratsch  1912,  No.  29.) 

Im  allgemeinen  werden  die  Prowazek-Halberstädter- 
schen  Körperchen  beim  Trachom  in  etwa  25  Proz.  der  Fälle  beob¬ 
achtet,  bei  den  initialen  und  trockenen  Formen  hingegen  in  bloss 
etwa  6  Proz.,  wodurch  die  diesen  Körperchen  zugeschriebene 
pathognomonische  Bedeutung  ganz  erheblich  eingeschränkt  wird. 
Abgesehen  hiervon  bleibt  auch  die  Frage  nach  der  Spezifität  der 
bezeichneten  Einschlüsse  für  das  Trachom  nach  wie  vor  eine  offene. 

N.  Sieber-Schu  mowa  -  Petersburg ;  Die  Hydrolyse  des 
Tuberkelbazillus.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  30.) 

Im  Verfolg  ihrer  Untersuchungen  über  den  hydrolytischen  Ein¬ 
fluss  des  Wasserstoffsuperoxyds  auf  Eiweiss-  und  andere  Stoffe, 
auf  die  so  schwer  spaltbaren  Keratinsubstanzen,  Pigmente  u.  dergl., 
sowie  auf  eine  ganze  Reihe  von  Bakterien  und  ihren  Toxinen,  konnte 
die  Autorin  feststellen,  dass  auch  die  Tuberkelbazillen  unter  gewissen 
Bedingungen  der  Hydrolyse  durch  das  Perhydrol  unterliegen.  Ein 
positives  Resultat  wird  nur  bei  starker  Verdünnung  erreicht,  und 
zwar  sind  für  je  1,0  g  Tuberkelbazillen  300 — 350  ccm  einer  114  proz. 
Wasserstoffsuperoxydlösung  erforderlich,  wobei  noch  das  Gemisch 
14  Stunde  bis  2  Stunden  lang  im  Autoklaven  auf  140°  zu  erwärmen 
ist.  Als  hydrolysierendes  Agens  verdient  das  Perhydrol  nach  Ansicht 
der  Autorin  zweifellos  vollste  Beachtung.  Diese  Eigenschaft  ist  nicht 
nur  von  höchstem  theoretischen  Interesse,  sondern  bietet  auch  weite 
praktische  Ausblicke,  nämlich  für  die  Behandlung  tuberkulöser  Pro¬ 
zesse  mit  schwachen  Wasserstoffsuperoxydlösungen. 

W.  Merkurjew-  Charkow:  Ueber  den  Einfluss  von  Bakterien 
auf  die  Salvarsanwirkung.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  30.) 

Die  intravenöse  Infusion  einer  Kochsalzlösung  vermag  bisweilen 
eine  kurzdauernde  Temperatursteigerung  zu  bewirken,  ganz  unab¬ 
hängig  von  etwa  in  der  Lösung  enthaltenen  Bakterienproteinen. 
Ferner  ruft  zwar  die  intravenöse  Injektion  abgetöteter  Bakterieu¬ 
leiber  eine  Temperatursteigerung  hervor,  aber  diese  geht  in  der 
Regel  der  Steigerung  der  Dosis  der  benutzten  Bakterienemulsion 
nicht  parallel.  Der  Zusatz  von  Bakterienemulsion  zur  Salvarsan- 
lösung  hat  schliesslich  eine  Verschlechterung  des  klinischen  Bildes 
gewöhnlich  nicht  zur  Folge.  Somit  konnte  bei  Kaninchen  keine 
gesetzmässige  Verstärkung  der  Toxizität  des  Salvarsans  unter  dem 
Einflüsse  der  Anwesenheit  von  Bakterienleibern  in  der  Lösung  nach- 
gewiesen  werden.  Zweifellos  sind  auf  die  Ergebnisse  der  Versuche 
mit.Salvarsaninjektionen  die  individuellen  Eigentümlichkeiten  der  ver¬ 
schiedenen  Organismen  von  Einfluss.  Jedenfalls  ist  die  Wechsel¬ 
mann  sehe  Auffassung  vom  „Wasserschaden“  als  Ursache  der 
Reaktion  nach  Salvarsaninjektionen  noch  nicht  hinlänglich  bewiesen. 

R.  R  i  s  t  e  r  -  Odessa:  Ueber  die  Wirkung  des  Chinins  und  des 
Salizylsäuren  Natriums  auf  das  innere  Ohr.  (Russky  Wratsch  1912, 
No.  31.) 

Die  Experimente  des  Autors  ergaben,  dass  die  Giftwirkung  des 
im  Blute  zirkulierenden  Chinins  sich  nicht  ausschliesslich  in  einer 


No.  18 

Affektion  der  nervösen  Elemente  des  Ohres  äussert,  sondern  auch  ii 
der  Veränderung  von  Geweben,  die  mit  ihnen  in  keinem  wahrnehm 
baien  Zusammenhänge  stehen,  wie  die  Stria  vascularis.  Die  Ver 
änderungen  in  den  Zellen  der  Stria  sind  durch  besondere  Umstand« 
bedingt,  nämlich  durch  das  Vorhandensein  von  Kapillaren.  Seine 
Wirkung  nach  ist  das  Chinin  somit  ein  Plasmagift,  das  Degeneratioi 
und  Zerfall  von  Zellen  hervorruft.  Ganz  das  gleiche  gilt  vom  Natriun 
salicylicum,  dessen  Giftwirkung  jedoch  bedeutend  schwäher  ist  ah 
die  des  Chinins.  Beide  bewirken  im  Gehörorgan  einen  degenerativei 
Prozess,  und  zwar  sowohl  im  Nerv  und  in  den  mit  ihm  in  Verbindung 
stehenden  Zellen  des  C  o  r  t  i  sehen  Organs,  als  auch  ln  der  Stri; 
vascularis. 

N.  Raczinsky  -  Petersburg :  Zur  Behandlung  der  akutei 
Gebärrnutterblutungen.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  34.) 

Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  bei  akuten  und  lebens 
gefährlichen  Uterusblutungen  ein  auf  die  Ligamenta  lata  ausgeiibtei 
starker  Zug  die  in  den  Bändern  verlaufenden  zuführenden  Blutgefäss«, 
fast  bis  zum  völligen  Verschluss  ihres  Lumens  verengern  könne,  kan1 
Prof.  Raczinsky  auf  die  Idee,  die  Gebärmutter  aus  dem  kleine; 
Becken  herauszuheben,  sie  nach  vorne  über  die  Symphyse  zu  neige; 
und  an  die  Schambeine  festzupressen.  Von  ganz  anderen  Erwägunge; 
geleitet  als  Prof.  Fritsch  und  unabhängig  von  ihm  verfiel  soini 
der  Autor  auf  genau  dasselbe  Verfahren  wie  der  deutsche  Gynä¬ 
kologe.  Das  Verfahren  ist  höchst  einfach,  leicht  und  bequem  aus¬ 
führbar,  ungefährlich  (meist  genügen  äusserliche  Handgriffe)  um 
führt  sehr  rasch  zum  Ziel.  Die  Methode  ist  indiziert  bei  Uterus¬ 
atonie,  bei  sonstigen  profusen  Blutungen  in  der  Nachgeburtsperiod« 
und  in  manchen  Fällen  bei  hochsitzenden  Längsrissen  der  Zervix 
bis  zur  Nahtanlegung. 

N.  Blumenau  und  S.  Dserzgowsky-  Petersburg :  Uebei 
die  rektale  Applikation  von  Heilseren.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  35. 

Auf  Grund  ihrer  Tierversuche  im  Institut  für  experimentell«. 
Medizin  und  ihrer  klinischen  Beobachtungen  im  Kinderkrankenhaus 
des  Prinzen  Peter  von  Oldenburg  in  Petersburg  kommen  die  Autorei 
zu  der  Ueberzeugung,  dass  die  Frage  nach  der  Zweckmässigkeit  dei 
rektalen  Applikation  von  Diphtherieheilserum  bei  der  Diphtherie¬ 
behandlung  im  verneinenden  Sinne  zu  entscheiden  sei.  Die  Ein 
führung  von  Diphtherieheilserum  in  das  Rektum  erreicht  desweger 
nicht  das  erstrebte  Ziel,  weil  das  Antitoxin  bei  dieser  Applikations 
weise  nicht  in  das  Blut  übergeht  und  das  entsprechende  Toxin  nich 
neutralisiert. 

D.  Korelkin  -  Kasan :  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der 
Eiweissreaktion  des  Sputums.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  35.) 

Das  Sputum  ist  nur  etwa  in  einem  Viertel  aller  zur  Beobachtung 
gelangenden  Fälle  gänzlich  eiweissfrei;  nichtsdestoweniger  vermag 
die  Untersuchung  des  Auswurfs  auf  Eiweiss  bei  der  Diagnose  vor 
Lungenaffektionen  wertvolle  Dienste  zu  leisten.  Bei  Erkrankung  de; 
Lungenparenchyms  ist  die  positive  Albuminoreaktion  eine  konstant«' 
Erscheinung,  während  sie  bei  Bronchialerkrankungen  nicht  deutlic! 
ausgeprägt  und  vorübergehend  zu  sein  pflegt;  bei  Rückbildung  de; 
krankhaften  Prozesses  im  Lungenparenchym  geht  der  positive  Ausfaf 
der  Eiweissreaktion  in  einen  negativen  über.  Für  die  Erkennung  dei 
Tuberkulose  ist  nicht  so  sehr  die  Menge,  als  vielmehr  das  konstantej 
durch  wiederholte  Untersuchungen  nachgewiesene  Vorhandenseir 
von  Eiweiss  im  Sputum  von  ausschlaggebender  Bedeutung.  In  ße 
tracht  zu  ziehen  sind  jedoch  noch  andere  chronische  Erkrankungei 
des  Lungenparenchyms,  wie  z.  B.  Aktinomykose.  Ein,  wenn  auch 
einmaliges,  negatives  Ergebnis  der  Eiweissreaktion  scheint  gegei 
aktive  Tuberkulose  zu  sprechen.  Ein  stark  ausgeprägter  positivei 
Ausfall  der  Reaktion  bei  akuten  Infektionskrankheiten  (Typhus 
Influenza  usw.)  zeugt  von  dem  Auftreten  einer  sekundären  Broncho 
pneumonie.  Auch  ist  die  Reaktion  von  Wert  für  die  Frühdiagnose 
einer  zentralen  Pneumonie,  solange  andere  Untersuchungsmethoder 
eine  sichere  Diagnose  noch  nicht  gestatten. 

M.  N  e  m  s  e  r  -  Petersburg:  Ueber  die  Serumanaphylaxie 
(Russky  Wratsch  1912,  No.  38.) 

Um  die  Frage  nach  der  praktischen  Bedeutung  der  Serum 
anaphylaxie  und  der  Gefährlichkeit  in  grösseren  Zwischenräumei 
vorgenommener  wiederholter  Seruminjektionen  zu  klären,  unterzo«. 
Nemser  einer  eingehenden  Durchsicht  die  Krankenbögen  de; 
Petersburger  Peter-Paul-Krankenhauses  für  die  Jahre  1896 — 1901),  zi) 
welcher  Zeit  in  dieser  Anstalt  allein  fast  sämtliche  Scharlachkraniu 
der  ganzen  Stadt  konzentriert  waren.  Infolge  von  Mängeln  in  dei 
Einrichtung  der  Baracken  des  Krankenhauses  und  ihrer  übermässige! 
Ueberfüllung  begannen  sich  bald  unter  den  Pfleglingen  Infektionei 
mit  eingeschleppten  kontagiösen  Krankheiten  zu  häufen,  wie  Diphtherie 
u.  dergl.  Zur  Unterdrückung  der  Diphtherie  wurden  nun  im  weiteste! 
Umfange  prophylaktische  Injektionen  von  Diphtherieheilserum  ai 
jedem  neu  ins  Krankenhaus  eingelieferten  Scharlachpatienten  an 
gewandt;  die  Schutzimpfungen  wiederholte  man,  solange  der  Patien 
sich  im  Krankenhaus  befand,  systematisch  alle  2—3  Wochen,  ins 
gesamt  2—5  mal.  Die  Krankengeschichten  dieser  Patienten  sah  nur 
der  Autor  auf  Anaphylaxie  durch.  Das  verarbeitete  Material  hat  ab 
völlig  objektiv  zu  gelten,  denn  die  Einspritzungen  wurden  zu  einei 
Zeit  ausgeführt,  wo  von  der  Anaphylaxie  und  ihren  Gefahren  nocl 
nichts  bekannt  war.  Benutzt  wurden  nur  diejenigen  Kranken 
geschichten  (über  1000),  in  welchen  mindestens  zwei  Injektionen  mi 
einem  Intervall  von  wenigstens  12  Tagen  vermerkt  waren.  Es  stellt« 
sich  nun  heraus,  dass  sich  nirgends  ein  Hinweis  auf  eingetretenc 
Ueberempfindlichkeit  oder  ein  Symptom  auffinden  liess,  das  ah 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


997 


Mai  1913. 


dphylaktisch  hätte  angesprochen  werden  können.  Die  Temperatur 
lwänkte  in  Abhängigkeit  von  dem  Stadium  der  Krankheit  und  den 
mplikationen,  jedoch  nicht  von  der  Seruminjektion.  Eine  dritte, 
: rte  und  fünfte  Einspritzung  in  Intervallen  von  2 — 3  Wochen  hatte 
cnfalls  keine  Ueberempfindlichkeitserscheinungen  zur  Folge.  Die 
gst  vor  wiederholten  Seruminjektionen  ist  somit  wohl  übertrieben, 
sonders  falls  geringe  Serummengen  (5—10  ccm)  zur  Verwendung 
inmen. 

M.  J  e  r  o  f  e  j  e  w  a  -  Petersburg :  Die  Serumtherapie  bei  der 
mophilie.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  38.) 

Auf  Grund  ihrer  klinischen  Erfahrungen  kann  die  Autorin  die 
itstillende  Wirkung  von  Serum  bei  Blutern  bis  zu  einem  gewissen 
ade  bestätigen.  Die  Serumbehandlung  setzte  allerdings  die  Hämo- 
ilie  bedeutend  herab,  vermochte  jedoch  nicht  dem  Blute  auf  die 
uer  eine  Beschleunigung  der  Koagulation  zu  verleihen.  Am 
issten  war  die  blutstillende  Wirkung  in  einem  Falle,  wo  die  Ge- 
nungsgeschwindigkeit  am  meisten  von  der  Norm  abwich,  und  um¬ 
sehrt  wurde  die  geringste  blutstillende  Wirkung  bei  der  geringsten 
weichung  der  üerinnungsgeschwindigkeit  von  der  Norm  beob- 
! tet.  Der  wahrgenommene  Unterschied  zwischen  der  Einwirkung 
s  Serums  auf  die  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  und  auf  die 
mophilie  selbst  drängt  wohl  zu  der  Annahme,  dass  bei  dieser 
krankung  ausser  der  Hemmung  der  Koagulation  noch  ein  anderer 
nstand  mit  im  Spiele  ist.  Möglicherweise  ist  hier  der  Zustand 
r  Gefässe  von  Bedeutung.  Durch  die  Seruminjektion  erfahren  sie 
■lleicht  eine  besondere  Beeinfiussung,  die  sie  für  das  Blut  weniger 
rchlässig  macht. 

L.  R  o  s  o  w  a  -  Petersburg:  Ueber  den  Gehalt  des  Harns  von 
ebskranken  an  kolloidalem  Stickstoff.  (Russky  Wratsch  1912, 
.  38.) 

Vergleichende  Harnuntersuchungen  bei  Gesunden  und  Kranken 
jaben,  dass  der  Gehalt  an  kolloidalem  Stickstoff  bei  Krebs  des 
igens,  der  Lungen  und  der  Brustdrüse  die  höchsten  Werte  auf- 
•fst.  Hohe  Werte  wurden  noch  bei  Tuberkulösen  beobachtet,  ln 
u  übrigen  Fällen  war  die  Menge  des  kolloidalen  N  im  Harne  der 
rni  gegenüber  nicht  vermehrt,  insbesondere  war  sie  bei  chronischer 
phritis  mit  Blutdrucksteigerung  eine  relativ  niedrige.  Obwohl  in 
:i  Fällen  von  chronischer  Gastritis  die  sekretorische  Funktion  des 
igens  meist  in  gleichem  Masse  herabgesetzt  war  wie  in  den  Fällen 
n  Magenkarzinom,  so  war  doch  in  letzteren  der  Gehalt  des  Harns 
kolloidalem  N  ein  weit  grösserer  als  in  ersteren.  Der  Schwer- 
nkt  liegt  somit  hier  wohl  nicht  in  der  Alteration  der  sekretorischen 
tigkeit  des  Verdauungstraktus,  sondern  eher  in  einer  durch  den 
rzinoinatösen  Prozess  wie  durch  viele  andere  pathologische  Zü¬ 
nde  des  Organismus  bedingten  Stoffwechselstörung,  die  eine 
.igerung  der  Menge  des  kolloidalen  N  im  Harne  zur  Folge  hat. 

M.  P  e  t  r  o  w  a  -  St.  Petersburg:  Ueber  die  Beeinflussung  der 
Pirquet  sehen  Reaktion  durch  das  Serum  T uberkulöser.  (Russky 
ratsch  1912,  No.  38.) 

Zur  Beobachtung  kamen  34  Tuberkulöse,  darunter  26  mit  Tuber- 
lin  Behandelte  und  8  ohne  Tuberkulin  Behandelte.  Wurden  bei 
•  Anstellung  der  v«  P  i  r  q  u  e  t  sehen  Reaktion  die  hierzu  benutzten 
rdiinnungen  von  Alttuberkulin  mit  dem  Serum  oder  dem  Plasma 
berkulöser  versetzt,  so  wies  die  Reaktion  stets  eine  Abschwächung 
>vie  eine  Verspätung  um  4 — 5  Stunden  im  Vergleich  mit  der  ein- 
hen  Tuberkulinreaktion  auf.  Setzte  man  den  Tuberkulinverdün- 
ngen  die  geformten  Elemente  des  Blutes  Tuberkulöser  hinzu,  so 
rspätete  zwar  die  Kutanreaktion,  Hess  aber  keine  Abschwächung 
;ennen.  Niemals  jedoch  bewirkte  der  Zusatz  von  Serum  tuber- 
inisierter  wie  nichttuberkulinisierter  Kranker  eine  Verstärkung  der 
aktion.  Patienten,  die  überhaupt  nicht  auf  Tuberkulin  reagierten, 
(gierten  auch  nicht  auf  ein  Gemisch  von  Tuberkulin  mit  dem  Serum, 
n  Plasma  oder  den  geformten  Elementen  des  Blutes  Tuberkulöser. 

W.  T  e  r  e  b  i  n  s  k  y  -  St.  Petersburg:  Die  pathologisch-anatomi- 
le  Wesenheit  der  Alopecia  areata.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  39.) 

Die  primären  und  wesentlichsten  Veränderungen  bei  der  Alopecia 
■ata  bestehen  in  einer  serösen  Entzündung  des  Epithels  der  Haar- 
rzeln.  Die  pathologisch-anatomische  Wesenheit  dieser  Erkrankung 
demnach  ein  exsudativer  Prozess,  der  sich  hauptsächlich  in  den 
arwurzeln  abspielt.  Dieser  Prozess  ist  dem  Ekzem  vollkommen 
ilog  und  zwar  derjenigen  Ekzemform,  die  subakut  verläuft,  jeg¬ 
ier  Behandlung  hartnäckig  widersteht,  durch  Neigung  zu  fort- 
hrenden  Rezidiven  sich  auszeichnet,  und  bei  der  die  Erscheinungen 

Exsudation  die  der  Infiltration  der  Haut  bedeutend  überwiegen, 
r  Unterschied  im  pathologisch-anatomischen  Bilde  bei  der  bezeich- 
en  Ekzemform  von  dem  bei  der  Alopecia  areata  ist  dadurch  be- 
gt,  dass  es  sich  dort  um  eine  seröse  Entzündung  (einen  Katarrh) 

>  Deckepithels,  hier  dagegen  zwar  um  eine  ebensolche  seröse  Ent- 
’-dung,  aber  des  Epithels  der  Haarwurzeln  handelt. 

E.  S  e  n  k  e  w  i  c  z-Krassnoufimsk :  100  Fälle  von  Hedonal-Chloro- 
mnarkose.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  39.) 

Das  Hedonal  (in  Dosen  bis  zu  6  g  rektal  in  wässeriger  Emulsion 
t  oder  ohne  Zusatz  von  95  Proz.  Alkohol  appliziert)  übt  auf  den 
rlauf  der  Chloroformnarkose  in  allen  ihren  Stadien  einen  günstigen 
(fluss  aus:  es  beseitigt  das  Erstickungsgefühl  zu  Beginn  des  Chloro- 
mierens,  beschleunigt  den  Eintritt  tiefen  Schlafes,  beugt  der  Exzi- 
ion  vor  oder  setzt  sie  erheblich  herab,  gestattet  einen  weit  ge- 
geren  Verbrauch  an  Choloroform,  erleichtert  in  jeglicher  Hinsicht 
Durchführung  der  Narkose.  Allerdings  beschleunigt  das  Hedonal 
ion  an  und  für  sich  fast  in  der  Hälfte  der  Fälle  noch  vor  Beginn 


des  Chloroformierens  die  Herztätigkeit.  Doch  bleibt  der  Puls  von 
guter  Füllung  und  nimmt  während  des  tiefen  Schlafes  die  normale 
Frequenz  wieder  an.  In  Fällen  von  geschwächter  Herztätigkeit, 
frequentem  Puls  oder  ungenügender  Füllung  desselben  ist  es  vorteil¬ 
hafter,  das  Hedonal  in  wässeriger  Emulsion  ohne  Alkoholzusatz  rektal 
einzuführen,  bei  kräftigen,  gesunden  Personen  hingegen  und  bei 
Säufern  Alkohol  hinzuzufügen. 

W.  Klimenko-St.  Petersburg:  Ueber  experimentellen  Schar¬ 
lach.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  40.) 

Alle  Versuche  des  Autors,  Scharlach  auf  niedere  Affen  (Macacus, 
Cercopithecus,  Mangaba,  Pavian)  zu  übertragen,  schlugen  fehl.  Die 
Mittel  und  Wege,  die  er  benutzte,  um  eine  Scharlachinfektion  hervor¬ 
zurufen,  waren  sehr  mannigfaltig  und  bestanden  in  folgendem: 

1.  längere  unmittelbare  Berührung  eines  jungen  Affen  mit  Scharlach¬ 
kranken;  2.  Einreibung  von  Rachen-  und  Zungenbelägen  Scharlach¬ 
kranker  in  die  skarifizierte  Mund-  und  Rachenschleimhaut  von  Affen; 

3.  subkutane,  intravenöse  und  intraperitoneale  Injektion  des  defibri- 
nierten  und  unbehandelten  Blutes,  sowie  des  mit  einer  Lösung  von 
zitronensaurem  Natrium  versetzten  Blutes  Scharlachkranker  im 
akuten  Stadium;  4.  subkutane  Injektion  des  mittels  Blutegel  von 
schweren  Kranken  gewonnenen  Blutes;  5.  subkutane  Einspritzung 
des  defibrinierten  Blutes  von  Patienten,  bei  denen  soeben  sich  eine 
hämorrhagische  Scharlachnephritis  eingestellt  hatte;  6.  subkutane 
Applikation  des  Harns  derartiger  Patienten;  7.  subkutane  Injektion  der 
Galle  an  Scharlach  verstorbener  Personen;  8.  die  Bern  har  dsche 
Methode.  Alle  diese  Verfahren  hatten  nicht  den  geringsten  Erfolg. 

J.  L  i  t  i  n  s  k  y  -  Gouv.  Taurien:  Ueber  die  Behandlung  von  In¬ 
fektionskrankheiten  mit  natürlichen  Seren.  (Wratschebnaja  Gazeta, 
1912,  No.  28.) 

Bei  sämtlichen  Infektionskrankheiten  produziert  der  Organismus 
behufs  Bekämpfung  der  Infektion  spezifische  Stoffe,  die  jedoch  meist 
im  Blute  zirkulieren  und  an  keinem  bestimmten  Orte  angehäuft  wer¬ 
den,  so  dass  keine  Möglichkeit  besteht,  sie  künstlich  zu  Heilzwecken 
auszunutzen.  Bei  manchen  Krankheiten  dagegen  (zerebrospinale  Me¬ 
ningitis,  Rheumatismus,  Tuberkulose)  sind  Exsudate  in  bestimmten 
Hohlräumen  des  Körpers  vorhanden,  und  das  Auftreten  dieser  Er¬ 
güsse  betrachtet  L  i  t  i  n  s  k  y  als  spezifische  Reaktion  der  Selbstver¬ 
teidigung  des  Organismus  und  glaubt,  dass  in  ihnen  spezifische  Gegen¬ 
gifte  konzentriert  sein  müssen;  sie  stellen  somit  keine  pathologische 
Erscheinung,  sondern  „natürliche  Sera“  dar.  Ganz  besonders  gilt  dies 
vom  pleuritischen  Exsudat.  Die  Pleuritis  (zu  90 — 95  Proz.  tuberkulösen 
Ursprungs)  ist  nach  Ansicht  des  Autors  keine  Manifestation  der 
Tuberkuloseinfektion,  sondern  ein  Element  ihrer  aktiven  Bekämpfung. 
Der  Erguss  bei  der  tuberkulösen  Pleuritis  enthält  keine  lebenden 
Tuberkelbazillen,  ist  in  diesem  Sinne  steril  und  kann  ebenfalls  als 
natürliches  spezifisches  Serum,  als  Tuberkuloseheilserum  betrachtet 
und  auch  als  solches  angewandt  werden. 

W.  Z  i  1  i  n  s  k  y  -  Charbin :  41  Fälle  von  Syphilisrezidiv  nach 
Salvarsan-Quecksilber-Behandlung.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912, 
No.  31.) 

Die  Mehrzahl  der  Syphilisrezidive  nach  der  Salvarsanbehand- 
lung  mit  gleichzeitigen  Quecksilberkuren  oder  ohne  solche  entfiel  auf 
den  zweiten  und  dritten  Monat.  Der  früheste  Rückfall  wurde  nach 
7  Tagen,  der  späteste  nach  7  Monaten  beobachtet.  Zwei  Rezidive 
traten  ein,  nachdem  die  Wassermann  sehe  Reaktion  negativ  ge¬ 
worden  war. 

S.  Tiger -Wilna:  Ueber  das  Pituitrin  als  wehenverstärkendes 
Mittel.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  31.) 

Das  Pituitrin  verstärkt  zweifelsohne  die  Wehen.  Die  Uterus¬ 
kontraktionen  zeichnen  sich  dabei  durch  strengen  Rhythmus  aus, 
ähneln  nicht'  im  mindesten  tetanischen  Krämpfen  und  werden  durch 
eine  vollständige  Erschlaffung  der  Gebärmutter  abgelöst.  Das  Mittel 
ist  ausserdem  nicht  giftig  und  sogar  in  grossen  Dosen  weder  für 
die  Mutter  noch  für  das  Kind  irgendwie  schädlich.  Es  vermag  bei 
Wehenschwäche  und  langer  Geburtsdauer  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
die  Zange  zu  ersetzen.  Kontraindiziert  ist  jedoch  das  Pituitrin  in 
Fällen  von  beträchtlichem  Geburtshindernis  seitens  des  knöchernen 
Beckens,  bei  Dehnung  des  unteren  Uterinsegmentes  und  ganz  be¬ 
sonders  bei  drohender  Uterusruptur. 

E.  Manoilow-St.  Petersburg:  Das  Bronchialasthma  als  an¬ 
aphylaktische  Erscheinung.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  33.) 

Injiziert  man  einem  Meerschweinchen  oder  Kaninchen  subkutan, 
intravenös  oder  intraperitoneal  das  Serum  einer  an  Bronchialasthma 
leidenden  Person  und  nach  48  Stunden  oder  später  intravenös  eine 
Emulsion  aus  Charcot-Ley  den  sehen  Kristallen  von  derselben 
Person,  so  tritt  beim  Tier  eine  Reihe  von  Symptomen  auf,  die  wir 
bei  der  Anaphylaxie  anzutreffen  pflegen.  Die  mit  Normalserum  vor¬ 
behandelten  Kontrolltiere,  denen  hiernach  eine  Emulsion  aus  nor¬ 
malem  Sputum  oder  auch  eine  solche  aus  Charcot-Leyden- 
schen  Kristallen  von  Asthmatikern  eingespritzt  wurde,  erkrankten 
nicht  und  blieben  gesund.  Es  ist  also  anzunehmen,  dass  die  Char¬ 
cot-Ley  denschen  Kristalle  die  eigentliche  Ursache  der  asthmati¬ 
schen  Erkrankung  darstellen,  wobei  die  Symptome  des  Asthmas  mit 
den  anaphylaktischen  Erscheinungen  viele  gemeinsmae  Züge  auf¬ 
weisen.  Die  sich  bei  der  in  Rede  stehenden  Erkrankung  bildenden 
Charcot-Ley  den  sehen  Kristalle  sind  ein  Zerfallsprodukt  von  , 
Eiweissstoffen.  Dieser  Zerfall  geht  unter  gewissen,  uns  noch  nicht 
näher  bekannten  Umständen  im  Organismus  vor  sich,  und  das  Pro¬ 
dukt  selbst  —  die  Kristalle  —  repräsentieren  einen  körperfremden 
Eiweissstoff,  obwohl  es  sich  aus  der  Eiweisssubstanz  des  Organismus 


M U KN Cl ICNElv  MEDIZINISCH E  W OCllENSCHRl Ft. 


No.  jS 


998 


gebildet  hat.  Der  Autor  kommt  daher  zu  dem  Schluss,  dass  das 
Bronchialasthma  höchstwahrscheinlich  eine  temporäre  anaphylak¬ 
tische  Erscheinung  sei. 

K.  1  p  a  t  o  w  -  Moskau :  Fibrolysin  bei  Arthritis  deformans. 

(Wratschebnaja  Ciazeta  1912,  No.  35  und  36.) 

Das  Fibrolysin  übt  bei  Arthritis  deformans  eine  günstige  Heil¬ 
wirkung  auf  das  Gelenkleiden  aus,  indem  es  die  Schmerzhaftigkeit 
verringert,  ja  sogar  zum  Verschwinden  bringt  und  die  Beweglichkeit 
bessert.  Inwiefern  jedoch  diese  Besserung  von  Dauer  ist,  bleibt  frag¬ 
lich.  Der  Heilerfolg  ist  umso  bedeutender,  je  mehr  Injektionen  verab¬ 
folgt  werden.  Jedoch  ist  eine  vollständige  Resorption  der  bindege¬ 
webigen  Verwachsungen  in  den  Gelenken  höchst  unwahrscheinlich. 
Da  indes  andere  Behandlungsmethoden  noch  weit  weniger  wirksam 
sind,  so  muss  man  sich  mit  dem  begnügen,  was  das  Fibrolysin  in 
Kombination  mit  den  übrigen  Verfahren  zu  leisten  vermag.  Eine 
Steigerung  der  Diurese  oder  ein  Ansteigen  des  Hämoglobingehaltes 
konnte  in  keinem  einzigen  der  behandelten  Fälle  konstatiert  werden. 
Wohl  aber  scheint  nach  der  Fibrolysineinspritzung  die  Anzahl  der 
Leukozyten  zuzunehmen.  Vor  der  Injektion  ist  die  Ampulle  gut  zu 
erwärmen,  damit  etwa  ausgefallene  Fibrolysinkristalle  sich  wieder 
auflösen,  da  sonst  diese,  unter  die  Haut  mitinjiziert,  als  Fremdkörper 
wirken  und  Bindegewebswucherung  und  Knotenbildung  um  sich  herum 
hervorrufen. 

M.  Isabolinsky  und  M.  D  y  c  h  n  o  -  Smolensk :  Ueber  die 
Serodiagnose  des  Krebses,  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  38.) 

Die  Autoren  prüften  die  von  v.  Düngern  angegebene  Kom¬ 
plementbindungsreaktion  bei  Krebs  an  einem  grossen  Krankenmaterial 
nach.  Das  Antigen  wurde  vor  Anstellung  der  Reaktion  stets  austitriert 
und  die  für  den  Versuch  erforderliche  Dose  eruiert.  Die  Autoren 
gelangten  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  von  v.  Düngern  empfohlene 
Methode  der  Komplementbindungsreaktion  für  die  Diagnose  des 
Krebses  nicht  streng  spezifisch  ist.  Eine  Hemmung  der  Hämolyse 
wurde  nämlich  nicht  nur  bei  Karzinom,  sondern  auch  bei  anderen  Er¬ 
krankungen  beobachtet,  ja  die  Anzahl  der  positiven  Ausfälle  bei 
anderen  Erkrankungen  unter  Benutzung  eines  Antigens  aus  Brust¬ 
drüsenkrebs  war  doppelt  so  gross  als  die  Anzahl  der  positiven  Aus¬ 
fälle  bei  der  Prüfung  von  Krebsseren.  Die  Höchstzahl  von  positiven 
Ergebnissen  bei  Karzinom  wurde  mit  einem  Azetonextrakt  aus  Uterus¬ 
krebs  erzielt,  aber  andererseits  war  bei  anderen  Erkrankungen  mit 
demselben  Antigen  die  Anzahl  der  positiven  Ergebnisse  grösser  als 
die  bei  Benutzung  zahlreicher  anderer  Antigene.  Ueberdies  wurde 
eine  Hemmung  der  Hämolyse  in  mehreren  Fällen  von  Krebs  nicht  nur 
bei  Benutzung  von  Antigenen  aus  Krebsgeschwülsten,  sondern  auch 
mit  Extrakten  aus  einer  syphilitischen  Leber  beobachtet.  Alle  diese 
Ergebnisse  sprechen  unbedingt  gegen  die  Spezifität  der  Komplement¬ 
bindungsreaktion  bei  Karzinom. 

W.  Zelinsky:  Salvarsan  in  Klysmen.  (Wratschebnaja  Gazeta 
1912,  No.  39.) 

Salvarsanklysmen  (0,1  Salvarsan  in  50  ccm  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung,  Neutralisierung  mit  15  Proz.  Natronlauge,  Erwärmung  auf 
37°,  Einzeldosis  0,3 — 0,4)  rufen  weder  eine  Temperatursteigerung 
noch  Kopfschmerzen,  noch  Uebelkeit.  noch  Darmreizung  hervor  und 
bewirken  einen  Heileffekt,  der  dem  nach  intravenösen  Infusionen  nicht 
nachsteht,  vielleicht  nur  etwas  später  eintritt.  In  den  Salvarsan¬ 
klysmen  besitzen  wir  somit  eine  Applikationsweise  des  Salvarsans, 
die  höchst  einfach  und  unter  allen  Verhältnissen  ausführbar  ist,  nicht 
die  geringsten  Schmerzen  verursacht  und  keine  unangenehmen  Neben¬ 
wirkungen  zur  Folge  hat,  für  die  Patienten  angenehm  und  gänzlich 
ungefährlich  und  für  die  Zwecke  der  Sterilisatio  fractionata  am 
meisten  geeignet  ist. 

T.  Gerschun  und  J.  Finkeistein  -  Moskau :  Die  Vakzine¬ 
behandlung  gonorrhoischer  Erkrankungen.  (Wratschebnaja  Gazem 
1912,  No.'  40.) 

Die  Anwendung  des  Gonokokkenvakzins  in  kleinen  und  mittleren 
Dosen  ist  für  die  Kranken  vollkommen  ungefährlich.  Die  Wirkung 
des  Vakzins  äussert  sich  konstant  in  einem  Schwinden  des  Schmerzes 
bei  gonorrhoischer  Arthritis  und  Epididymitis  gleich  nach  den  ersten 
Injektionen;  damit  geht  eine  Resorption  des  Exsudates  bei  der  Ar¬ 
thritis  und  des  Infiltrates  bei  der  Epididymitis  einher.  Die  Gonokokken 
verschwinden  etwa  in  35 — 50  Proz.  der  Fälle  und  bei  langdauernder 
und  unablässiger  Einwirkung  des  Vakzins  aus  dem  Sekret. 

W.  Predteczensky  - Moskau :  Zur  Diagnostik  der  Hypo¬ 
thyreose  (Myxoedeme  fruste).  (Prakticzesky  Wratsch  1912,  No.  32.) 

Es  existieren  zweifellos  Fälle  von  Atrophie  der  Schilddrüse  mit 
Störungen  im  Gebiete  der  Haut,  der  Verdauungsorgane  und  des 
Nervensystems,  aber  ohne  das  charakteristische  Myxödem,  Fälle,  die 
als  Hypothyreose  zu  bezeichnen  sind.  Sehr  häufig  werden  derartige 
Erkrankungen  jahrelang  für  Nephritis,  Chlorose  oder  Neurasthenie  ge¬ 
halten  oder  gänzlich  übersehen.  Deshalb  ist  an  das  Vorhandensein 
solcher  Fälle  zu  denken  und  bei  der  Differentialdiagnose  verschiedener 
unklarer  Formen  dem  Zustande  der  Schilddrüse  besondere  Beachtung 
zu  schenken.  In  Fällen,  die  auf  Herabsetzung  der  Funktion  der  Schild¬ 
drüse  verdächtig  sind,  ist  ein  Versuch  mit  Thyreoidinbehandlung  zu 
machen. 

A.  Jordan  und  J.  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  -  Moskau :  Versuche  mit 
Neosalvarsan.  (Prakticzesky  Wratsch  1912,  No.  39.) 

Auf  Grund  ihrer  Versuche  kommen  die  Autoren  zu  dem  Schlüsse, 
dass  Neosalvarsan  nicht  weniger  giftig  ist  als  das  Altsalvarsan. 
Letzteres  wirkt  ausserdem  rascher  und  stärker. 

J.  Murasch  ew  -  Ssaratow :  a)  Ueber  die  blutstillende  Wirkung 


von  Blutegeln;  b)  Blutegel  als  energisches  Blutstillungsmittel  be 
Lungenblutungen  und  Nasenbluten.  (Therapevticzeskoje  Obosrenijc 

1912,  No.  14.) 

Das  Anlegen  von  2 — 7  Blutegeln  an  das  Steissbein  vermag  sogai 
bei  schwerster  und  lebensbedrohender  Hämoptoe  und  bei  profuse: 
Epistaxis  die  Blutung  prompt  zu  stillen.  Die  Erklärung  für  diese 
merkwürdige  Wirkung  ist  in  den  Wechselbeziehungen  zwischen  den 
Beckengefässsystem  und  dem  Lungen-(und  Kopf-)gefässsystem  zi 
suchen.  Nach  Anlegen  von  Blutegeln  an  das  Steissbein  nimmt  die 
Blutfülle  in  den  Gefässen  des  Beckens  ab,  wodurch  in  den  Gefässei 
der  Atmungsorgane  die  Blutwelle  abflaut  und  eine  Kontraktion  der 
selben  eintritt.  Diese  Wechselwirkung  in  der  Blutverteilung  in  si 
weit  voneinander  entfernten  Körpergebieten  kann  nur  auf  reflektori 
schem  Wege  zustande  kommen. 

J.  Schestopal  -  Odessa :  Ein  Todesfall  nach  Neosalvarsan- 
anwendung.  (Therapevticzeskoje  Obosrenije  1912,  No.  15.) 

J.  P  e  r  k  e  1  -  Odessa:  Ein  Fall  von  Gehirnhyperämie  nach  einet 
intravenösen  Neosalvarsaninjektion.  (Therapevticzeskoje  Obosrenije 
1912,  Np.  16.) 

In  dem  Falle  Schestopals  handelte  es  sich  um  ein  11  jähri¬ 
ges  herditärsyphilitisches  Mädchen  von  gutem  Ernährungszustand 
dem  zuerst  0,4  und  nach  3  Tagen  0,75  Neosalvarsan  intravenös  in¬ 
jiziert  wurden.  Die  unmittelbare  Reaktion  war  beide  Male.nui 
eine  recht  mässige.  3  Tage  jedoch  nach  der  2.  Einspritzung  erkrankte 
Pat.  unter  heftigen  Gehirnerscheinungen,  und  am  Tage  darauf  erfolgte 
der  Exitus.  Die  Sektion  sowie  die  chemische  und  mikroskopische 
Untersuchung  zeigten,  dass  der  Tod  nicht  an  akuter  Neosalvarsan 
resp.  Arsenvergiftung  eingetreten  war;  auch  das  gesamte  klinische 
Bild  sprach  nicht  für  eine  Arsenintoxikation.  Der  ganze  Symptomen 
komplex  wies  vielmehr  auf  eine  akute  Affektion  des  meningo-zere¬ 
bralen  Systems  hin. 

Im  Falle  P  e  r  k  e  1  s  stellte  sich  bei  einem  jungen  Manne  nach 
3  Injektionen  von  insgesamt  2,55  Neosalvarsan  am  3.  Tage  nach  der 
letzten  Einspritzung  eine  starke  Gehirnhyperämie  ein,  die  2  Tage  laut, 
anhielt.  Disponierende  Momente  waren  wohl  hier  die  neuropathischc 
Konstitution  des  Kranken  und  Nikotinmissbrauch,  als  direkte  Ursache 
hat  jedoch  die  kumulative  Wirkung  des  Mittels  zu  gelten. 

M.  D  y  c  h  n  o  -  Smolensk :  Die  diagnostische  Bedeutung  der  Anti 
trypsinreaktion  des  Blutes  bei  Karzinom.  (Therapevticzeskoje  Obos- 
renije  1912,  No.  16.) 

Die  Antitrypsinreaktion  ist  für  bösartige  Neubildungen  nicht  spe¬ 
zifisch,  ist  jedoch  neben  den  anderen  klinischen  Methoden  der  Krebs 
diagnose  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung.  Bei  gewissen- 
kritischem  Verhalten  ihr  gegenüber  kann  die  Reaktion  als  wichtiges 
Hilfsmittel  für  die  Differentialdiagnose  der  Geschwülste  überhaupt 
dienen. 

A.  Lichatschow  -  Moskau :  Zur  Kontagiosität  der  spezifi¬ 
schen  Angina.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  13.) 

Untersucht  wurden  60  Fälle  von  Angina  syphilitica.  Es  stellte 
sich  dabei  heraus,  dass  die  Spirochaete  pallida  nicht  nur  in  dem  blu 
tig-schleimigen  Sekret  der  affizierten  Rachenteile,  sondern  sogar  auci 
in  dem  rein  schleimigen  Belag  derselben  leicht  nachzuweisen  ist 
Ebenso  leicht  können  sie  auch  rasch  sich  ausbfeiten  und  auf  andere 
Personen  übertragen  werden.  Die  Kontagiosität  der  spezifischer 
Angina  ist  mithin  ganz  ausserordentlich  gross.  Salvarsantherapie 
und  lokale  Behandlung  befördern  das  rasche  Verschwinden  der  Spiro¬ 
chäten  aus  den  anginösen  Rachenpartien  und  sind  daher  auch  ah 
prophylaktische  Massnahmen  zu  empfehlen. 

D.  B  i  a  1  o  -  Moskau:  Ueber  die  Behandlung  der  Dysphagie  be 
der  Larynxtuberkulose.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  14.) 

Das  Material  des  Autors  umfasst  23  Fälle  von  schwerer  Kehl 
kopftuberkulose.  Verschiedene  Versuche,  die  Dysphagie  der  Kranket 
zu  lindern,  zeigten,  dass  von  den  3  angewandten  Methoden  dei 
Daueranästhesie:  submuköse  Novokaininjektion  nach  Spiess,  Stau 
ungshyperämie  nach  Bier  und  Alkoholinjektionen  in  den  N.  laryn 
geus  superior  nach  H  o  f  f  m  a  n  n,  die  letztere  Methode  die  einfachste 
ungefährlichste  und  für  die  Linderung  der  Schmerzen  für  Tage  uno 
Wochen  geeignetste  ist.  Die  Einfachheit  dieses  Verfahrens  gestattet 
es  auch  dem  Nichtspezialarzt,  nicht  nur  die  quälende  Dysphagie  dei 
unglücklichen  Kranken  zu  lindern  und  sie  vom  Hungertod  zu  retten 
sondern  auch  durch  Hebung  des  Ernährungszustands  und  Besserung 
des  Allgemeinbefindens  den  Boden  für  eine  erfolgreichere  Bekämpfung, 
des  lokalen  Leidens  vorzubereiten. 

E.  G  i  n  d  e  s  und  M.  Mendelssohn  -  Baku :  Ueber  dit 
v.  Pi  r  quetsche  Reaktion  im  Kindesalter.  (Medizinskoje  Obos 
renije  1912,  No.  16.) 

Eine  positive  Reaktion  spricht  für  das  Vorhandensein  von  Tuber¬ 
kulose  im  Organismus.  Liegt  Tuberkulose  vor,  so  fällt  die  Reaktioi 
bei  allen  möglichen  konkomittierenden  Erkrankungen  positiv  aus 
Eine  temporäre  Herabsetzung  und  sogar  ein  Schwinden  der  Tuberku¬ 
linempfindlichkeit  wird  bei  den  Masern  und  bei  anderen  akuten  In¬ 
fektionskrankheiten  beobachtet.  Bei  negativem  Ausfall  ist  die  Re¬ 
aktion  unter  Benutzung  einer  Tuberkulinlösung  von  gleicher  Konzen¬ 
tration  zu  wiederholen,  da  in  manchen  Fällen  erst  die  wiederholte 
Reaktion  ein  positives  Ergebnis  aufweist.  Ein  negatives  Resultat  be 
kachektischen  Kindern  kann  für  die  klinische  Diagnose  der  Krankhei 
nicht  verwertet  werden.  Kinder  unter  3  Monaten  reagieren  über¬ 
haupt  negativ.  Kinder  von  Müttern,  die  sogar  an  ausgebreitetei 
Tuberkulose  leiden,  können  ohne  jegliche  Anzeichen  von  Tuberkulose 
geboren  werden  und  auf  die  Tuberkulinprobe  nicht  reagieren. 


i  Mai  191. i. 


MUHNcHeNER  MRbi/JNlscHE  Wochenschrift. 


G.  M  i  1  k  o  w  i  c  z  -  W  arschau :  Ueber  die  Veränderungen  in  den 
ipheren  Nerven  bei  allgemeiner  Tuberkulose.  (Medizinskoje 
osrenije  1912,  No.  17.) 

Die  vom  Autor  bei  tuberkulösen  Personen  w  ie  auch  bei  infizierten 
reu  gefundenen  Veränderungen  im  peripheren  Nervensystem 
hen  hinsichtlich  ihres  pathologisch-anatomischen  Bildes  derjenigen 
enchymatösen  Neuritis  am  nächsten,  welche  bei  der  Alkoholvergif- 
g  ständig  angetroffen  wird.  Ausserdem  konnten  an  tuberkulösen 
chen  Veränderungen  auch  in  den  Zellen  des  Zentralnervensystems 
istatiert  werden.  Diese  Feststellungen  gestatten  den  Schluss,  dass 
e  Affektion  des  Nervensystems  bei  der  Tuberkulose  fast  die  Regel 
let.  Die  Frage  jedoch,  ob  diese  Veränderungen  für  die  genannte 
uikheit  streng  spezifisch  sind,  muss  vorläufig  im  verneinenden 
ne  beantwortet  werden.  Wohl  aber  kann  man  auf  die  Frage,  ob 
tuberkulösen  Toxine  sich  in  den  Nerven  verbreiten,  mit  einem 
teil  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  eine  bejahende  Antwort  erteilen. 

W.  Barykin  und  P.  M  a  i  k  o  w  -  Kasan :  Der  Heilwert  des 
ihtherieserums.  (Charkow'sky  medizinsky  Journal  1912,  Bd.  XIV, 
7.) 

Die  ausserordentlich  zahlreichen  rierexperimente  ergaben,  dass 
die  Charakteristik  der  Heilwirkung  eines  Diphtherieheilserums 
ht  die  in  ihm  enthaltene  Antitoxinmenge  ausschlaggebend  ist,  son- 
n  auch  der  Umstand,  wie  leicht,  mit  welcher  Schnelligkeit,  mit 
lcher  A  vidi  tat  dieses  Antitoxin  das  Gift  im  kolloidalen 
■di  um  aufsucht  und  unschädlich  macht.  Dieselbe  Eigenschaft  des 
iitoxins,  dank  welcher  es  das  Diphtheriegift  im  kolloidalen  Medium 
raschesten  bindet,  verleiht  ihm  auch  die  Möglichkeit,  seine  Heil- 
kung  ebenfalls  unter  den  Zellen  des  vergifteten  Organismus  mit 
grössten  Energie  zu  entfalten.  Aber  diese  Eigenschaft  ist  nicht 
den  Antitoxingehalt  der  Diphtherieheilsera  gebunden:  sie  kann  bei 
eichem  Antitoxingehalt  in  dem  einen  Serum  gut,  in  dem  andern 
lecht  entwickelt  sein.  Die  Avidität  der  Sera  zu  bewerten  gelingt 
es  nur  in  kolloidalen  Medien,  wo  der  Ablauf  der  Reaktion  zwischen 
tin  und  Antitoxin  Schritt  für  Schritt  verfolgt  werden  kann.  Im 
ktrolytenmedium  Ehrlichs  hingegen  (0,85  Proz.  NaCI)  tritt  die 
bindung  des  Toxins  mit  dem  Antitoxin  so  rasch  ein,  dass  es  nicht 
ingt,  irgend  einen  Unterschied  in  dem  Ablauf  der  Reaktion  unter 
i  Einflüsse  verschiedener  antitoxischer  Sera  wahrzunehmen.  Eer- 
lehrten  die  Experimente,  dass  auch  die  Bestimmung  des  Antitoxin¬ 
altes  von  Seren  nicht  im  elektrolytischen  Medium  von  Ehrlich 
ichsalzlösung)  ausgeführt  werden  darf,  sondern  in  dem  für  sie 
iirlicheren  kolloidalen  Medium,  z.  B.  in  dem  Serum  derjenigen 
rspezies,  an  der  das  Toxin-Antitoxingemisch  geprüft  wird.  Diese 
derung  wird  durch  Beobachtungen  diktiert,  welche  zeigten,  dass 
nt  nur  der  Wert  von  Lo,  sondern  auch  der  von  L  +,  wenn  man 
in  dem  betreffenden  antitoxischen  Serum  mit  Hilfe  des  Ehrlich- 
en  Versuches  bestimmt,  nicht  den  tatsächlichen  Lo-  und  L  4  - 
rten  entsprechen,  die  dieses  Serum  bei  der  Neutralisierung  des 
eins  im  kolloidalen  Medium  aufweist. 

N.  Czernogubow  -  Moskau :  Die  Serodiagnose  des  Skleroms. 
ssische  Zeitschrift  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  [russisch] 
2,  No.  9—10.) 

In  dem  Blutserum  Skleromkranker  sind  besondere  Stoffe  ent- 
ten,  die  mit  einer  Emulsion  der  Stäbchen  von  Frisch  eine  deut¬ 
ausgeprägte  Komplementbindungsreaktion  geben,  während  Kon¬ 
iversuche  mit  denselben  Seren  unter  Benutzung  eines  Antigens 
den  dem  Stäbchen  von  Frisch  am  nächsten  stehenden  Fried- 
i  der  sehen  Bazillen,  sowie  Versuche  mit  Skleromantigen  unter 
lutzung  von  Seren  anderweitiger  Patienten  eine  Komplementbin- 
g  vermissen  Hessen.  In  bakteriologischer  Beziehung  ist  hiermit 
strenge  Spezifität  und  möglicherweise  sogar  die  individuelle  Selb- 
idigkeit  der  Frisch  sehen  Bazillen  festgestellt,  und  für  die  Klinik 
dadurch  eine  neue,  sehr  exakte  und  empfindliche  Methode  der 
erentialdiagnose  einer  nicht  selten  klinisch  so  unklaren  Erkran- 
g  wie  das  Sklerom  gewonnen. 

W.  B  o  i  k  o  w  -  Charkow:  Ueber  den  Einfluss  des  Salvarsans  auf 

Knochenskelett.  (Russische  Zeitschrift  für  Haut-  und  Geschlechts- 
nkheiten  [russisch]  1912,  No.  9 — 10.) 

Zahlreiche  Autoren,  die  an  Tieren  experimentierten,  konnten 
ch  Arsenpräparate  hervorgerufene  atrophische  Prozesse  in  den 
»chen  und  im  Bandapparat  feststellen.  Dieser  Umstand  bewog  den 
or,  das  Skelett  von  6  Syphilitikern,  die  mit  Salvarsan  behandelt 
en,  röntgenoskopisch  zu  untersuchen.  In  sämtlichen  Fällen  ver- 
lechterte  sich  der  entzündliche  Prozess  an  den  Knochen,  ging  in 
;  Atrophie  über,  und  falls  die  Gelenke  ergriffen  waren,  setzte 
;er  Vorgang  an  der  Grenze  der  Epiphysen  und  der  Epiphysenknor- 
ein,  so  dass  ein  Bild  resultierte,  als  ob  die  Knorpel  sich  von  den 
ichen  abheben  würden. 

J.  Deminsky  -  Astrachan :  Ist  die  Astrachansche  Pest  ende- 
:h?  (Wiestnik  obszczestwennoi  hygieny  1912,  No.  9.) 

Der  unlängst  selbst  als  Opfer  der  Pest  verstorbene  Autor  kommt 
dem  Schluss,  dass  diese  Krankheit  im  Gouvernement  Astrachan 
in  der  Kirgisensteppe  nunmehr  endemisch  geworden  ist.  Bei  der 
stehung  neuer  Pestausbriiche  spielen  hier  eine  nicht  zu  unter- 
itzende  Rolle  die  Kamele,  die  sich  mit  der  Pest  infizieren  und  sie 
den  Menschen  übertragen.  Die  Uebertragung  wird  durch  die 
isische  Sitte  begünstigt,  erkrankte  Tiere  zu  schlachten  und  ihr 
sch  zu  verspeisen.  Die  Frage  indes,  ob  die  Kamele  chronische 
tbazillenträger  sind  oder  auch  an  akuten  Formen  zu  erkranken 
g  ?ind  muss  einstweilen  noch  unentschieden  bleiben.  An  der 


Entstehung  von  Pestausbrüchen  unter  den  Menschen  sind  aber  ausser 
pestkranken  Kamelen  auch  andere,  uns  unbekannte  Faktoren  beteiligt. 
Jedenfalls  lässt  die  kirgisische  und  überhaupt  die  Astrachansche  Pest 
einen  deutlichen  Zusammenhang  mit  der  Steppe,  speziell  mit  ihren 
sandigen  Gebieten  erkennen.  A.  D  w  o  r  e  t  z  k  y  -  Moskau. 

Inauguraldissertationen. ') 

Arthur  B  u  ch  h  o  I  z  -  Cottbus  führt  auf  Grund  eigener  Versuche 
und  an  der  Hand  der  Literatur  den  Nachweis,  dass  die  Hochfrequenz- 
strömö  auf  die  tabischen  Erscheinungen  einen  gewissen  Einfluss  haben. 
Wie  derselbe  zustande  kommt,  ist  nicht  klar.  Von  einer  Heilung  der 
Tabes  kann  keine  Rede  sein.  Da  trotzdem  die  quälendsten  Erschei¬ 
nungen,  vor  allem  die  lanzinierenden  Schmerzen,  ferner  die  Blasen- 
störungen  und  auch  die  Krisen,  sowie  zuweilen  auch  die  Ataxie  bei 
Anwendung  der  D’A  r  s  o  n  v  a  1  i  s  a  t  i  o  n  bei  Tabes  dorsalis 
in  günstiger  Weise  beeinflusst  werden,  ist  es  vorteilhaft,  zumal  bisher 
noch  keine  Schädigung  oder  Benachteiligung  der  Patienten  beobachtet 
worden  ist,  die  Hochfrequenzströme  in  geeigneter  Weise  anzuwenden, 
und  zwar  empfiehlt  sich  bei  lanzinierenden  Schmerzen  die  bipolare 
lokale  Applikation,  bei  Parüsthesien  in  den  Extremitäten  die  Effluvien¬ 
behandlung  und  bei  allgemeiner  Schwäche  und  Schaflosigkeit  die 
Autokonduktion.  Verfasser  konnte  in  einigen  Fällen  ein  deutliches 
Nachlassen  der  ataktischen  Störungen,  das  sich  objektiv  in  einer  Ver¬ 
minderung  des  Romberg  sehen  Phänomens  zeigte,  und  ein  Zurück¬ 
gehen  der  objektiv  nachweisbaren  Sensibilitätsstörungen  beobachten. 
Analoge  Angaben  haben  sich  in  der  bisherigen  Literatur  nicht  auf¬ 
finden  lassen.  (München  1913.  23  S.  Dr.  Wolf  &  Sohn.) 

Anton  Zinsmeister  hat  an  der  Münchener  Frauenklinik  auf 
Veranlassung  von  Dö  der  lein  Untersuchungen  über  die  Beein¬ 
flussung  der  Wehentätigkeit  durch  Skopolamin  - 
Pantopon-  und  Skopolamin-Narkophin  -Injek¬ 
tion  e  n  angestellt.  Während  in  anderen  Kliniken,  namentlich  in  der 
Freiburger,  die  Indikation  zur  Anwendung  der  Halbnarkose  sehr  weit¬ 
gehend  gestellt  wurde,  wrar  sie  in  München  eng  begrenzt.  Bei  den 
der  Arbeit  zugrunde  liegenden  Fällen  werde  sie  nur  angewandt: 

1.  wenn  ein  normaler  Geburtsverlauf  zu  erwerten  war  und  die  Not¬ 
wendigkeit  einer  Operation  nicht  von  vornherein  gegeben  war; 

2.  wenn  die  Wehentätigkeit  bereits  regelmässig  war,  die  Wehen  nicht 
in  zu  grossen  Abständen,  meist  nicht  über  5 — 6  Minuten  aufeinatider- 
folgten  und  kräftig  und  schmerzhaft  w^aren.  ‘Wenn  auch  in  einzelnen 
Fällen  sich  eine  Beeinflussung  der  Wehentätigkeit  konstatieren  Hess, 
so  war  dies  doch  in  den  meisten  Fällen  in  so  "nbedeutendem  Grade 
der  fall,  dass  es  für  den  Geburtsverlauf  wohl  kaum  in  Frage  kam; 
diesen  Fällen  steht  eine  Reihe  solcher  gegenüber,  bei  denen  im  Ver¬ 
lauf  des  Dämmerschlafes  eine  deutliche  Verbesserung  der  Wehen¬ 
tätigkeit  eintrat.  Die  Halbnarkose  ist  eine  grosse  Wohltat  für  die 
Kreissenden;  ihre  Vorteile  iiberwdegen  bei  weitem  die  eventuellen 
kleinen  Nachteile.  (München  1913.  30  S.  Aug.  Seyfried  &  Co.) 

Tod  de  rMiitterinderKgl.  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  zu  München  vom  1 .  Januar  1897  bis  31.  D  e  z  e  m  - 
her  1911  ist  der  Titel  einer  interessanten  statistischen  Arbeit  von 
Philipp  W  e  h  n  e  r  -  Werneck.  Das  Hauptergebnis  der  Wehner- 
schen  Untersuchung  ist  die  Feststellung,  dass  sich  in  den  letzten 
5  Jahren  die  Mortalität  um  einige  hundertstel  Prozent  hob.  Die  Ur¬ 
sache  dieser  wohl  überraschenden  Feststellung  ist  aber  in  erster  Linie 
in  der  Aenderung  des  Krankemnaterials  zu  finden.  Das  beweist  das 
bedeutende  Ueberwäegen  der  Mehrgebärenden  und  die  grosse  Zu¬ 
nahme  der  Operationsfrequenz.  Dass  an  dem  Steigen  der  Mortalitäts¬ 
ziffer  nicht  die  Anstalt  selbst  schuld  ist,  geht  auch  daraus  hervor, 
dass  auf  allen  Gebieten  die  Anstaltsmortalität  gesunken  ist.  Den 
Hauptanteil  an  der  Mortalität  nehmen  die  an  Sepsis  gestorbenen 
Wöchnerinnen  ein.  Die  -Todesfälle  selbst  halten  während  der  hier 
berücksichtigten  15  Jahre  ungefähr  die  gleiche  Höhe  ein;  die  auf 
Rechnung  der  Anstalt  zu  setzenden  zeigen  aber  ein  deutliches  Ab¬ 
sinken,  besonders  in  den  letzten  5  Jahren.  Besonders  günstig  ist 
ein  Vergleich  der  Infektionsmortalität  der  Klinik  mit  der  in  München 
und  Bayern.  Die  Infektionsmortalität  sinkt  stetig  und  zwar  im  letzten 
berücksichtigten  Jahr  so,  dass  sie  tiefer  steht  als  die  Münchens  und 
Bayerns.  (München  1913.  27  S.  Carl  Gerber.)  Fritz  Loeb. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Marburg,  Januar-April. 

Cropp  Fritz:  Aerztliches  zur  Frage  der  Fürsorgeerziehung. 
Caesar  Gustav:  Beitrag  zur  Beurteilung  des  konkomitierenden 
Schielens. 

Hagemann  Richard:  Ueber  die  Diagnose  chirurgischer  Tuber¬ 
kulosen  aus  den  pathologischen  Ausscheidungen  mit  Angabe  eines 
neuen  Verfahrens  im  Tierversuch.  Hab.-Schrift. 

Hieronymus  Karl  Ernst:  Ueber  die  Geschwindigkeit  der  Er¬ 
regungsleitung  im  gedehnten  und  ungedehnten  Muskel. 

Hirz  Otto:  Ueber  den  Einfluss  des  Phosphors  auf  den  respirato¬ 
rischen  Stoffwechsel. 

Kir  stein  Friedrich:  Die  Röntgentherapie  in  der  Gynäkologie. 
Hab.-Schrift. 


*)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


1000 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11 


Kleinschmidt  Hans:  Ueber  Milchanaphylaxie.  Hab.-Schrift. 

Sardemann  G. :  Ueber  die  Wirkungen  von  Adrenalin  und  Pilo¬ 
karpin  am  vegetativen  Nervensystem  gesunder  und  kranker 
Menschen. 

Vogt  Walter:  Ueber  Zellbewegungen  und  Zelldegenerationein  bei 
der  Gastrulation  von  Triton  cristatus.  1.  Teil:  Untersuchung  iso¬ 
lierter  lebender  Embryonalzellen. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Grundsätze  für  kassenärztliche  Verträge.  —  Auskunftsstelle  des 
Geschäftsausschusses  der  Berliner  ärztlichen  Standesvereine. 

Der  Zentralverband  der  Kassenärzte  von  Berlin  hatte  bereits  im 
Januar  d.  J.  bestimmte  Grundsätze  für  kassenärztliche  Verträge  be¬ 
raten  und  angenommen,  über  die  wir  in  No.  4  dieses  Jahrganges  be¬ 
richtet  haben.  Ueber  einige  Fragen  konnte  damals  noch  kein  end¬ 
gültiger  Beschluss  gefasst  werden,  jetzt  ist  die  notwendige  Ergänzung 
erfolgt.  Es  werden  Bestimmungen  verlangt,  die  dem  Kassenarzt 
eine  ausreichende  Ruhe  an  Sonn-  und  Feiertagen  gewährleisten,  u.  a. 
soll  er  das  Recht  haben,  am  zweiten  Feiertage  die  Sprechstunde 
ausfallen  zu  lassen.  Ein  besonderer  Paragraph  beschäftigt  sich  mit 
den  Pflichten  der  Kassenmitglieder  gegenüber  den  Aerzten;  es  soll 
für  ein  angemessenes  Verhalten,  eventuell  unter  Verhängung  von 
Ordnungsstrafen,  Sorge  getragen  werden.  In  der  Krankenordnung 
sind  Bestimmungen  zu  treffen,  die  eine  missbräuchliche  Inanspruch¬ 
nahme  der  Aerzte  betr.  verlangter  Besuche  oder  gar  dringlich  ver¬ 
langter  Besuche  verhindern.  Beschwerden  des  Kassenarztes  über 
Kassenmitglieder  muss  der  Vorstand  Rechnung  tragen;  gegen  dessen 
Entscheidung  steht  dem  Arzt  Berufung  an  das  paritätische  Schieds¬ 
gericht  zu.  Einen  wichtigen  Zusatz,  der  das  Protektionswesen  ver¬ 
hüten  soll,  hat  die  Bestimmung  über  die  Bewerbung  und  Anstellung 
erhalten.  Bei  der  begrenztem  freien  Arztwahl  und  beim  fixierten 
Arztsystem  muss  bei  Neuanstellung  von  Kassenärzten  die  Anciennität 
der  Meldung,  event.  der  Niederlassung  in  dem  zu  besetzenden  Bezirk, 
berücksichtigt  werden.  Wenn  Krankenkassen  aufgelöst  oder  ge¬ 
schlossen  werden,  so  ist  dafür  zu  sorgen,  dass  deren  Aerzte  bei  den 
an  Mitgliedern  zunehmenden  Kassen  Anstellung  finden.  Bei  Kran¬ 
kenkassen  welche  die  Familienbehandlung  neu  einführen,  ist  die  Ver¬ 
einbarung  eines  Kopf-  oder  Familienpauschales  zulässig,  jedoch  nur 
dann,  wenn  den  Familienmitgliedern  nicht  freie  Arznei  und  Heilmittel 
gewährt  werden;  andernfalls  wird  Bezahlung  nach  Einzelleistung  be¬ 
ansprucht.  Sehr  eingehend  wird  die  Frage  der  Honorierung  be¬ 
handelt.  Wie  schon  in  dem  ersten  Entwurf  der  „Grundsätze“  in  Aus¬ 
sicht  genommen  war,  soll  entsprechend  dem  auch  in  der  Privatpraxis 
herrschenden  Brauch  der  Wohlhabende  mehr  zahlen  als  der  Schlech¬ 
tersituierte,  d.  h.  es  soll  eine  Differenzierung  des  ärztlichen  Honorars 
nach  den  Jahresbeiträgen  der  einzelnen  Kassen  eintreten,  und  zwar 
nach  folgendem  Schema:  Kassen,  in  denen  der  durchschnittliche 
Jahresbeitrag  pro  Kopf  der  Mitglieder  30  M.  nicht  übersteigt,  zahlen 
als  kassenärztliches  Honorar  pro  Jahr  mindestens  6  M.;  einer  Steige¬ 
rung  des  Jahresbeitrages  von  5  zu  5  M.  entspricht  eine  Steigerung 
des  Honorars  von  5  zu  5  Proz.  bis  zum  Höchstbetrage  von  25  Proz., 
der  also  mit  einem  Honorar  von  7.50  M.  bei  einem  Jahresbeiträge 
der  Kassenmitglieder  von  55  M.  erreicht  werden  würde.  Nacht¬ 
besuche  und  geburtshilfliche  Leistungen,  einschliesslich  Aborte,  sind 
ausserhalb  des  Pauschales  von  den  Kassen  besonders  zu  bezahlen. 
Bei  Krankenkassen,  welche  mehr  als  26  Wochen  Krankenhilfe  ge¬ 
währen,  wird  ein  weiterer  Zuschlag  beansprucht,  dessen  Höhe  der 
Vereinbarung  unterliegt.  Für  überwiesene  Mitglieder  ortsfremder 
Kassen  werden  die  Sätze  der  Gebührenordnung,  für  die  über  die 
13.  Woche  hinaus  auf  Grund  der  Bestimmungen  über  die  Unfallver¬ 
sicherung  geleistete  Behandlung  die  ortsüblichen  Sätze  beansprucht. 
Für  Versicherungsberechtigte,  denen  die  Kasse  satzungsgemäss  Kran¬ 
kenpflege  gewährt,  beträgt  das  Pauschale  doppelt  so  viel  wie  für 
Versicherungspflichtige;  gewährt  ihnen  die  Kasse  nur  Krankengeld, 
so  unterliegt  das  Honorar  der  Vereinbarung  zwischen  Arzt  und  Pa¬ 
tienten. 

Nachdem  die  Vertreter  aller  kassenärztlichen  Vereinigungen  diese 
Grundsätze  angenommen  haben  und  dieser  geschlossenen  Macht 
gegenüber  ein  starker  Widerstand  der  Kassenvorstände  kaum  zu  er¬ 
warten  ist,  können  wir  hoffen,  dass  beim  Inkrafttreten  der  Reichsver- 
sicherungsordjnung  alle  kassenärztlichen  Fragen  sich  friedlich  werden 
regeln  lassen.  Trotzdem  wird  es  noch  manche  Einzelheiten  geben,  in 
denen  Zweifel  oder  Meinungsverschiedenheiten  bestehen.  Das  gilt 
nicht  nur  für  die  Kasenpraxis,  sondern  für  zahlreiche  Fragen  des  ärzt¬ 
lichen  Lebens  überhaupt,  z.  B.  Honorare  in  der  Privatpraxis,  Aus¬ 
legung  der  Gebührenordnung,  Berufsgeheimnis,  kollegiale  Pflichten, 
Ehrengerichtsentscheidungen  u.  a.  Ein  Blick  in  die  „Fragekästen“ 
und  in  die  Rubrik  „Standesangelegenheiten“  der  Fachpresse  zeigt, 
wie  häufig  die  Kollegen  Auskunft  wünschen.  Deshalb  wird  die  Ein¬ 
richtung  einer  Auskunftsstelle,  wie  sie  der  Geschäftsausschuss  der 
Berliner  ärztlichen  Standesvereine  jetzt  geschaffen  hat,  einem,  wirk¬ 
lichen  Bedürfnis  entsprechen.  Ein  Auskunftsbüro  besteht  Zwar  schon 
seit  geraumer  Zeit,  das  aber  gewissermassen  nur  einen  privaten 
Charakter  hätte.  Der  Leiter  wurde  von  Kollegen  und  auch  von  Pri¬ 


vaten  um  Rat  angegangen,  den  er  bereitwilligst  erteilte,  was  oftma 
mit  nicht  geringem  Aufwand  an  Zeit  und  Mühe  verbunden  wai 
anderseits  scheuten  sich  manche  Kollegen,  seine  Zeit  in  Anspruch  i 
nehmen,  ohne  dass  sie  in  der  Lage  waren,  ihn  dafür  zu  entschädige 
Diese  Auskunftsstelle  hat  nun  in  der  Form  eines  Vertrages  zwischt 
dem  Leiter,  Herrn  Kollegen  Joachim,  und  dem  Geschäftsausschu. 
der  Standesvereine  einen  offiziellen  Charakter  erhalten.  Das  Büi 
gibt  gegen  Entgelt  Aerzten  und  Privatpersonen  mündlich  und  schrii 
lieh  Auskunft  in  ärztlich-rechtlichen  Angelegenheiten;  der  Leiter  i: 
werktäglich  von  1 — 2  Uhr  in  dem  Büro  (Medizinisches  Warenhau 
Karlstr.  31)  persönlich  zu  sprechen.  Die  Gebühr  für  jede  Auskun 
schwankt  je  nach  der  Mühewaltung  zwischen  3  und  10  M.  Bei  b< 
sonders  schwierigen  und  zeitraubenden  Leistungen,  insbesondere  b, 
der  Aufstellung  von  Liquidationen,  kann  über  die  Höchstgebüi 
hinausgegangen  werden,  doch  muss  dann  dem  Ratsuchenden  vorhe 
davon  Mitteilung  gemacht  werden.  Andererseits  steht  es  dem  Leite! 
auch  frei,  in  besonderen  Fällen  von  der  Erhebung  einer  Gebühr  Ab 
stand  zu  nehmen.  Privatpersonen  haben  das  Doppelte  der  Gebühret 
Sätze  zu  zahlen.  Organisationen  können  gegen  eine  jährliche  Bauscl 
gebühr  die  unentgeltliche  Auskunfterteilung  an  ihre  Mitglieder  vei 
einbaren.  Die  Auskunftsstelle  ist  zwar  eine  Einrichtung  der  Berliin. 
ärztlichen  Standesvereine,  aber  sie  steht  selbstverständlich  nicht  ni 
den  Berliner  Aerzten,  sondern  in  gleicher  Weise  allen  Kollegen  u 
Verfügung.  M,  K. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

XXX.  Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin 

zu  Wiesbaden  vom  15. — 18.  April  1913. 

Referent:  K.  Reicher-Bad  Mergentheim. 

II. 

Fortsetzung  der  Sitzung  vom  Dienstag,  den  15.  April  191 

Diskussion:  Rautenberg  -  Berlin,  Edens-  MünChc 

F.  v.  Mü  Ile  r  -  München:  Die  Relation  zwischen  der  Beteiligur 
von  Eiweiss  und  Kohlehydraten  am  Gesamtstoffwechsel  ist  sei 
schwierig  zu  bestimmen  und  als  Basis  für  die  Entscheidung  di 
Frage,  ob  es  einen  toxischen  Eiweisszerfall  im  Fieber  gibt,  auch  nac 
Senators  Ansicht  ungeeignet.  Ebenso  ist  N-  G  1  e  i  ch  ge  wich 
ein  relatives  Mass,  denn  es  lässt  sich  auch  im  hochfiebernden  Zi 
stand  durch  ungeheuere  Ueberschwemmung  mit  Kohlehydraten  e 
reichen.  Zweckmässiger  erscheint  es,  die  Leute  auf  N  -  M  i  n  i  m  u  i 
durch  Ueberschwemmung  mit  Kohlehydraten  zu  bringen;  durchüebef 
hitzung  oder  durch  grosse  Märsche  (Rundgang  um  den  Starnbergei 
see)  lässt  sich  dann  der  N-Stoffwechsel  nicht  in  die  Höhe  treibe! 
dagegen  ist  das  N-Minimum  bei  fieberhaften  Kranken  immer  etw; 
erhöht,  selbst  bei  Ueberschwemmung  mit  Kohlehydraten.  An  deij 
febrilen  N-Zerfall  ist  doch  etwas  ganz  Besonderes. 

L  o  e  n  i  n  g- Halle :  Es  kann  sich  im  Fieber  nicht  lediglich  ui 
einen  Hungerzustand  handeln,  Intoxikationen  spielen  sicher  dab> 
auch  eine  Rolle. 

F.  K  r  a  u  s  -  Berlin:  Zwischen  beiden  Referaten  besteht  ein  gf 
wisser  Gegensatz.  Herr  Meyer  spricht  von  einem  therrnt 
regulatorischen,  Herr  K  r  e  h  1  von  einem  thermogenetischen  Zentrui 
Während  nach  Krehls  Ansicht  Temperatur  und  Stoffwechse 
Steigerung  im  Fieber  nicht  getrennt  marschieren,  bezeichnet  K.  beic1 
als  zwei  Tasten  einer  Klaviatur,  welche  nicht  immer  gleich  star; 
angeschlagen  werden.  Das  zeigen  die  Untersuchungen  im  Ana 
phylaxie-  und  im  Trypanosomenfieber,  im  fievre  intermittem 
hepatique  und  beim  Tuberkulösen.  K.  ist  trotz  der  Arbeiten  vc| 
Grafe  überzeugt,  dass  beim  Eiweissstoffwechsel  im  Fieber  etwa 
Besonderes  vorliegt. 

v.  J  a  k  s  c  h  -  Prag  ist  gegen  die  Anwendung  von  Antipyretiz 
und  Alkohol  bei  Typhus,  von  der  früher  übertriebenen  Bäderbehant 
lang  des  Typhus  möchte  J.  die  Lakenbäder  beibehalten. 

S  c  h  n  e  e  -  Schwalbach,  M  o  r  a  w  i  t  z  -  Freiburg:  Erzeugt  maj 
bei  Kaninchen  oder  Meerschweinchen  aseptische  Thrombosen,  so  en; 
stehen  infolge  Koagulation  und  Zerfall  von  zahlreichen  Blutplättciie 
Fiebersteigerungen. 

Marchand  -  Heidelberg  konnte  gemeinsam  mit  F  r  e  u  n, 
keinen  Paralellismus  zwischen  Höhe  des  Blutdruckes  und  der  Tenj 
peratur  bei  menschlichem  infektiösen  Fieber  finden.  Ebenso  tritt  b 
aseptischem  Fieber  gewöhnlich  keine  Hyperglykämie  beim  F. 
ninchen  ein. 

K.  Reicher-Bad  Mergentheim:  Angesichts  von  subnonnale 
Temperaturen  bei  Hypofunktion  der  Thyreoidea  und  Neigung  z 
Fieber  bei  Basedow  ist  es  von  Interesse,  dass  R.  bei  mehrere 
Basedowkranken  mit  reichlicher  Fettnahrung  Temperaturen  bis  z 
39°  hervorrufen  konnte,  dagegen  nicht  mit  isodynamen  Eiweiss-  ock 
Kohlehydratmengen. 

L  e  n  n  h  o  f  f  -  Berlin  hat  mit  Levy-Dorn  an  gesunden  Ring 
kämpfern  ein  Bewegungsfieber  bis  zu  39  0  konstatieren  können. 

Moritz-Köln  befürwortet  eine  vorsichtige  Pyramidonbehaui 
lang  bei  Typhus. 

K  r  e  h  1  (Schlusswort) :  Gefässnerven-  und  Wärmeregulation; 
Zentrum  liegen  nach  Müller  und  Leschke  beide  in  der  Regi 
subthalamica,  das  ist  sehr  plausibel.  K.  ist  im  Gegensatz  zu  Mülle 
und  Kraus  von  einem  toxogenen  Eiweisszerfall  im  Fieber  nicl 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1001 


lai  1913. 


i  zeugt.  Für  die  Möglichkeit  von  fieberhaften  Temperatur- 
i  erungen  ohne  Erhöhung  des  Gesamtstoffwechsels  wäre  die  Arbeit 
Frl.  Hirsch  der  erste  Beweis.  Doch  ist  dagegen  der  Ein- 
j  zu  erheben,  dass  das  Anaphylaxiefieber  an  der  Grenze  zwischen 
er  und  Kollaps  steht.  Es  müssten  stündliche  Temperatur- 
ungen  vorhanden  sein,  um  die  Ergebnisse  ohne  weiteres  ver- 
en  zu  können.  Neuerdings  wird  die  Bedeutung  niedriger  Tem- 
uirsteigerungen  (37,3—37,5)  vielfach  übertrieben. 

Q.  Jochmann:  Salvarsan  bei  Scharlach. 

J.  hat  109  Fälle  mit  Alt-  und  8  mit  Neosalvarsan  behandelt, 
iahend  günstig  wurde  die  Scharlachangina,  speziell  die  Angina 

oticans  beeinflusst,  deren  Nekrosen  sich  unerwartet  schnell  zu 
gen  begannen  und  vielleicht  so  das  seltene  Auftreten  von  Otitis 
i  Folge  hatten.  Nachkrankheiten  wie  Drüsenschwellungen  und 
iritis  wurden  dagegen  durch  Salvarsan  nicht  verhütet.  Leichtere 
•  von  Scharlach  bedürfen  nicht  der  Salvarsanbehandlung,  wohl 
die  schwer  toxischen.  Das  Neosalvarsan  ist  zur  Scharlach- 
ndlung  nicht  geeignet. 

Diskussion:  Schreiber  -  Magdeburg  hat  auch  mit  kleinen 
n  Salvarsan  schöne  Erfolge  gesehen,  selbst  bei  lokaler  An- 

iung. 

B  e  n  a  r  i  o  -  Frankfurt:  Der  anorganische  Wasserfehler  ist  bei 
alvarsan  besonders  zu  beachten.  V  o  1  h  a  r  d  t  s  Methode  (kleine 
s  früh,  grosse  am  Spätnachmittag)  sollte  bei  Scharlach  versucht 

i  len. 

Menze  r- Bochum  hat  Bedenken  gegen  die  Anwendung  von 
arsan  bei  Scharlach.  I 

r\ ,  .  ( 

Sitzung  vom  Donnerstag,  den  17.  April  1913. 

K.  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen :  Die  Thoma-Zeiss  sehe  Zähhnethode 
Erythrozyten  gibt  um  7  Proz.  zu  hohe  Werte  an. 

Vor  zwei  Jahren  ausgeführte  vergleichende  Versuche  in  Tübingen 
im  Sanatorium  Schatzalp,  300  m  über  Davos,  haben  ergeben,  dass 
n  Hochgebirge  zu  einer  absoluten  Vermehrung  der  roten  Blut¬ 
erchen  und  des  roten  Blutfarbstoffes  kommt,  aber  zu  keiner  so 
sen,  als  man  bisher  angenommen  hat,  dass  ferner  ein  Monat  nach 
Rückkehr  ins  Tiefland  noch  eine  sehr  beträchtliche  Nachwirkung 
•‘ht.  Weitere  methodische,  zur  Sicherung  des  Resultats  mit  dem 
n  Zählapparate  des  Vortragenden  angestellte  Untersuchungen 
n  ergeben,  dass  die  bisher  meist  benutzte  Thoma-Zeiss  sehe 
methode  mit  einem  Fehler  von  7  Proz.  behaftet  ist.  Das  Miss- 
ältnis,  das  bisher  zwischen  der  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  und 
Farbstoffgehalt  des  Blutes,  im  Hochgebirge  beobachtet  wurde, 
ht  darauf,  dass  der  durch  das  rasche  Senkungsbestreben  der 
eren  Blutkörperchen  in  der  leichteren  Verdünnungsflüssigkeit  be¬ 
te  Fehler  im  Hochgebirge  dadurch  vergrössert  wird,  dass  dort 
ilutkörperchen  farbstoffreicher  werden  und  dabei  sich  noch  rascher 
en.  Ganz  gewaltig  kann  der  Fehler  bei  Zählung  im  verschieden¬ 
en  Blute  werden,  denn  das  Senkungsbestreben  ist  z.  B.  bei 
.Tiblutkörperchen  nur  33  Proz.  kleiner,  bei  Taubenblutkörperchen 
ebensoviel  grösser,  und  bei  Froschblutkörperchen  gar  um 
Proz.  grösser  als  bei  menschlichen  roten  Blutkörperchen.  Auch 
>athologischen  Blute  mit  seinen  farbstoffarmen  Blutkörperchen 
seits  und  seinem  farbstoffreichen  andererseits  macht  sich  der 
er,  und  zwar  in  sehr  verschiedenem  Masse,  geltend.  Die  älteren 
methoden  sind  daher  schon  unter  gewöhnlichen  Bedingungen 
exakten  Ermittelung  der  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  unge- 

M  a  1 1  h  e  s  -  Marburg :  Ueber  die  Hunt  er  sehe  Zungenver- 
rung  bei  perniziöser  Anämie. 

Hunter  hat  eine  Zungenentzündung  beschrieben,  die  angeblich 
bei  dieser  Erkrankung  und  zwar  in  jedem  Falle  Vorkommen  soll 
mit  analogen  Veränderungen  im  Magendarmkanal  einhergeht. 

1 1  e  r  hat  namentlich  auf  den  Befund  von  Streptokokken  in  diesen 
nderungen  hingewiesen  und  sie  als  die  Einfallspforte  für  die  die  An¬ 
erzeugende  Infektion  erklärt.  Diese  Zungenentzündung  ist  in 
schland  bisher  nicht  als  charakteristisch  angesehen  worden.  Vor- 
mder  berichtet  über  10  derartige  Fälle  mit  Zungenveränderuugen. 
gen  konnte  er  das  Vorkommen  von  Streptokokken  darin  nicht 
itigen.  Wohl  aber  konnte  man  durch  Sektionsbefunde  das  Vor- 
nen  einer  Hämolyse  im  Pfortadergebiet  konstatieren.  Darin 
'hl  wie  in  der  Eisenverteilung  in  den  Organen  ist  eine  Stütze  für 
Ursprung  der  Erkrankung  aus  dem  Gebiete  des  Verdauungstraktus 
-‘heil.  Die  Zungenentzündung  kommt  jedoch  nicht  in  allen  Fällen 
Beobachtung.  Sie  ist,  wenn  vorhanden,  diagnostisch  wichtig,  da 
in  Frühsymptom  ist  und  vor  den  eigentlichen  Blutveränderungen 
itt.  . 

Der  Vortr.  hält  einen  infektiösen  Ursprung  der  Erkrankung  für 
i'scheinlich  und  macht  namentlich  auch  auf  das  familiäre  Vor- 
nen  der  Erkrankung  aufmerksam.  Erwiesen  ist  der  infektiöse 
rung  aber  bisher  nicht.  Auch  Uebertragungsversuche  auf  Affen 

igen  bisher  fehl. 

Diskussion:  E.  Meyer  -  Strassburg  weist  auf  die  perniziöse 
nie  der  Pferde  hin,  die  man  durch  Ueberimpfung  des  Serums 
ker  Frere  auf  andere  übertragen  kann.  Nach  einer  Latenzperiode 
10  Tagen  treten  die  anämischen  Erscheinungen  auf  und  auch 
ilz  und  Leber  entwickeln  sich  allmählich  dieselben  histologischen 
nderungen  wie  bei  den  spontan  erkrankten  Tieren. 

V  ei  1  -  Strassburg:  Ueber  gesetzmässige  Schwankungen  der 
ioiizentration. 


Bei  Untersuchung  der  Blutkonzentration  ist  ein  ständiger  Ver¬ 
gleich  von  Gesamtblut  und  Plasma  von  Wichtigkeit.  Ein  Fall  von 
chronischer  nicht  tuberkulöser  Bauchfellentzündung,  bei  dem  durch 
Bauchpunktion  7  Liter  Flüssigkeit  entleert  worden  waren,  zeigte  z.  B. 
eine  erhebliche  Eindickung  des  Gesamtblutes,  während  das  Serum 
eine  noch  erheblichere  Verdünnung  aufwies,  ein  Verhalten,  aus  dem 
hervorgeht,  wie  gross  nach  solcnen  Funktionen  nicht  nur  die  Wasser-, 
sondern  auch  die  Eiweissverluste  des  Körpers  werden.  Bei  manchen 
Gesunden  unterliegt  die  Blutkonzentration  schon  in  absoluter  Ruhe 
beträchtlichen  Schwankungen,  die  nur  durch  den  Schlaf  aufgehoben 
werden  können.  Diese  Schwankungen  stehen  in  Beziehungen  zu 
Veränderungen  des  Blutes,  die  für  die  arteriosklerotische  Schrumpf¬ 
niere  typisch  sind.  Durch  den  Aderlass  kömnen  diese  letzten  Ver¬ 
änderungen,  eine  beträchtliche  Bluteindickung,  für  längere  Zeit  be¬ 
seitigt  werden,  was  diese  Kranken  in  einen  sehr  gebesserten  Zustand 
versetzt.  Endlich  ergibt  das  genaue  Studium  der  Biutkonzentration 
bei  der  Herzwassersucht,  dass  sie  einen  Gradmesser  für  die  Wirk¬ 
samkeit  unserer  Therapie  darstellt.  Das  gewöhnliche  Verhalten  des 
Blutes  soll  dabei  das  einer  mit  der  Therapie  einsetzenden  Blutver¬ 
dünnung  sein.  Denn  eine  solche  entspricht  dem  Transport  des 
Oedemwassers. 

Na  e  geli -Tübingen:  Ergebnisse  von  Untersuchungen  des  Blut¬ 
plasmas  und  Blutserums. 

Die  morphologischen  Untersuchungsmethodein  des  Blutes  sind  zu 
einem  Abschluss  gekommen.  Um  weitere  Fortschritte  zu  erreichen, 
müssen  physikalisch-chemische  Methoden  herangezogen  werden.  So 
gibt  die  Serumfarbe  wichtige  diagnostische  Anhaltspunkte  bei  An¬ 
ämien.  Chlorosen  haben  stets  abnorm  blasses  Serum,  perniziöse  An¬ 
ämien  konstant  abnorm  dunkles,  gelbes  Serum.  Es  muss  Aufgabe 
der  Zukunft  sein,  zu  entscheiden,  ob  hier  immer  Bilirubinderivate  die 
Färbung  bedingen  oder  ob  es  sich  um  Vermehrung  des  Luteins 
handelt.  —  Die  refraktometrische  Methode  zur  Untersuchung  des 
Eiweissgehaltes  gibt  viele  wichtige  klinische  Befunde.  Da  die  Re¬ 
fraktometer  sehr  teuer  sind,  wird  ihre  Anwendung  beschränkt  bleiben. 
Vortr.  führt  den  Nachweis,  dass  durch  die  sehr  einfache  Viskosimetrie 
des  Blutserums  oder  Blutplasmas  vollkommen  gleichsinnige  Resultate 
erreicht  werden.  Die  Methode  lässt  sich  durch  eine  kleine  Umge¬ 
staltung  des  Viskosimeters  noch  erheblich  verfeinern. 

Julius  B  a  u  e  r  -  Innsbruck :  Untersuchungen  über  Blutgerinnung 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  endemischen  Kropfes. 

Bauer  fand,  dass  das  Gerinnungsvermögen  des  Blutes  nicht 
nur,  wie  dies  bereits  bekannt  war,  bei  Basedow  scher  Krankheit 
und  ähnlichen  Formen  des  Kropfes  herabgesetzt  ist,  sondern  auch  bei 
allen  Arten  von  Kropf,  insbesondere  auch  bei  den  zum  Kretinismus 
hinüberleitenden  Formen,  ferner  auch  bei  anderen  Affektionen  der 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion  (Pankreas,  Hypophyse,  Keimdrüsen  u.  a.). 

Bauer  sah  einen  Fall  von  Bluterkrankung  (Hämophilie),  bei 
dem  das  Gerinnungsvermögen  so  hochgradig  herabgesetzt  war.  dass 
die  Gerinnung,  statt  wie  normal,  nach  2 — 3  Minuten  beendet  zu  sein, 
nach  16  Stunden  noch  nicht  erfolgte.  Da  der  Kranke,  ein  17  jähriger 
junger  Mann,  Symptome  gestörter  bezw.  mangelhafter  Schilddrüsen¬ 
tätigkeit  aufwies,  behandelte  ihn  der  Vortr.  mit  Schilddrüsensubstanz. 
Unter  dieser  Behandlung  nahm  nun  das  Gerinnungsvermögen  soweit 
zu,  dass  die  Gerinnung  des  Blutes  bei  dem  Kranken  in  wenigen 
Wochen  nach  12  Minuten  erfolgte.  Bauer  zieht  hieraus  den  Schluss, 
dass  die  Hämophilie  in  diesem  Falle  nur  ein  ins  extreme  gesteigertes 
Symptom  war,  wie  es  auch  sonst  bei  den  verschiedensten  Erkran¬ 
kungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  beobachtet  wird. 

M  a  g  n  u  s  -  A  I  s  1  e  b  e  n  -  Würzburg:  Ueber  die  Ungerinnbarkeit 
des  Blutes  bei  der  Hämoptoe  der  Phthisiker. 

Das  von  Schwindsüchtigen  ausgehustete  Blut  zeigt  manchmal  die 
sonst  ganz  ungewöhnliche  Eigenschaft,  nicht  zu  gerinnen.  Es  beruht 
dies  wahrscheinlich  darauf,  dass  durch  den  tuberkulösen  Prozess 
Stoffe  ähnlich  wie  bei  der  Autolyse  (Selbstverdauung)  frei  werden. 
Während  nämlich  der  Presssaft  frischer  Organe  gerinnungsfördernd 
wirkt,  zeigt  der  durch  Autolyse  gewonnene  Extrakt  hemmende  Eigen¬ 
schaften. 

Diskussion:  O  u  i  n  c  k  e  -  Kiel:  Wenn  man  den  Urin  un¬ 
mittelbar  nach  dem  Erwachen  untersucht,  so  zeigt  er  eine  dunklere 
Farbe  und  ein  höheres  spezifisches  Gewicht,  da  die  Harns°kretion 
im  Schlafe  vermindert  ist.  Lässt  man  den  betreffenden  Menschen 
2 — 3  Stunden  noch  ruhig  im  Bette  liegen,  ohne  etwas  zu  trinken  zu 
geben,  so  ist  der  hernach  gelassene  Harn  wieder  heller  und  von  ge¬ 
ringerem  spezifischen  Gewicht.  Schläft  der  Patient  dagegen  nochmal 
2 — 3  Stunden  ein,  so  bleibt  das  Absinken  des  spezifischen  Gewichtes 
und  die  Harnvermehrung  aus. 

Determann-St.  Blasien  macht  auf  die  bedeutenden  Schwan¬ 
kungen  der  Viskosität  aufmerksam,  welche  durch  Schwankungen  des 
Gasgehaltes  veranlasst  werden  und  hauptsächlich  das  Gesamtblut, 
nicht  so  sehr  das  Serum,  betreffen.  Vor  einer  Ersetzung  der  Viskosi¬ 
metrie  durch  Refraktometrie  ist  entschieden  zu  warnen.  Um  die 
Unstimmigkeiten  der  Resultate  aufzuklären,  die  sich  bei  den  Be¬ 
stimmungen  mit  den  ADDaraten  von  Hess  und  Determann  er¬ 
geben,  und  die  mit  der  Viskositätszunahme  des  Blutes  wachsen,  wäre 
eine  objektive  Prüfung  der  Apparate  von  dritter  Seite  erwünscht. 

V  o  1  h  a  r  d  -  Mannheim  hebt  die  ausgedehnten  Versuche  von 
Keller  hervor,  die  bei  kardialem  Oedem  Hydrämie  vermissen 
lassen.  Entsteht  Hydrämie,  dann  tritt  auch  Diurese  ein,  das  gilt 
speziell  auch  für  die  Oedemkrankheit  katexochen,  die  degenerative 
Erkrankung  der  Niere,  die  wir  nach  Müller  Nephrose  nennen.  Es 


1002 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHR1ET. 


ist  eben  in  diametralem  Gegensatz  zu  unseren  bisherigen  Anschau¬ 
ungen  die  schlechte  Kochsalz-  und  Wasserausscheidung  durch  die 
Oedeme  bedingt  und  wir  finden  daher  nicht  hydrämisches,  sondern 
abnorm  eingedicktes  Blut.  Die  Oedeme  wurden  also  extrarenal,  nicht 
renal  bedingt.  Es  besteht  offenbar  ein  Missverhältnis  zwischen 
Wasseraustritt  aus  den  Gefässen  und  Wasserresorption  aus  den  Ge¬ 
weben  infolge  einer  Gefässschädigung,  welche  mit  der  Entzündung 
der  Nierengefässe  nicht  parallel  gehen  kann,  da  wir  bei  entzündlichen 
Nephritiden  jedes  Oedem  vielfach  vermissen.  Der  Name  arterio¬ 
sklerotische  Schrumpfniere  wird  besser  durch  arteriosklerotische 
Niere  ersetzt. 

R  e  i  s  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Schon  Böhme  hatte  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  Muskelkontraktion  die  Blutkonzentration  erhöhe.  Nach 
Schlaf  ist  daher  auch  die  Blutkonzentration  ausserordentlich  niedrig. 
Die  von  den  Physiologen  gefundenen  Normalwerte  können  nicht  der 
Praxis  als  Normalwerte  zugrunde  gelegt  werden,  da  man  unter  den 
gewöhnlichen  Versuchsbedingungen  höhere  Werte  findet  als  bei  voll¬ 
ständig  ausgeruhten  Menschen.  Man  könnte  auf  diese  Art  leicht 
Werte  als  pathologisch  bezeichnen,  die  es  gar  nicht  sind.  Viskosi- 
metrie  und  Refraktometrie  sind  keine  Konkurrenz-,  sondern  Ergän¬ 
zungsmethoden. 

B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen  verhält  sich  gegen  die  Angaben  über  Aende- 
rungen  der  Blutzusammensetzung  unter  physiologischen  Verhältnissen 
sehr  skeptisch,  da  er  unter  solchen  Bedingungen  stets  eine  erstaun¬ 
liche  Konstanz  der  Blutzusammensetzung  beobachtet  hat.  Bei  der 
F  u  1  d  sehen  Methode  der  Gerinnüngszeitbestimmung  sprechen  die  Be¬ 
funde  von  2  bis  3  Minuten  für  eine  Fehlerquelle,  denn  bei  25°  C 
beträgt  sie  sonst  noch  5  Minuten.  Bei  500  Einzelbestimmungen  von 
S  c  h  1  ö  s  s  m  a  n  n  -  Tübingen  stimmten  die  Vergleichsbestimmungen 
aus  Vene  und  Fingerkuppe  nach  der  Methode  von  B  ii  r  k  e  r  voll¬ 
kommen  überein,  die  Gewebsflüssigkeit  hat  somit  keinen  Einfluss  auf 
die  Gerinnungszeit. 

E.  M  e  y  e  r  -  Strassburg:  Bei  den  Patienten  mit  Präsklerose  tritt 
nach  einmaligem  Aderlass  ein  allgemeiner  Umschwung  im  Befinden 
ein.  Bei  Trockendiät  befinden  sich  diese  Kranken  auserordentlich 
schlecht,  was  durch  die  hohen  refraktrometrischen  Werte  des  Serums 
zu  erklären  ist.  Bei  reichlicher  Versorgung  mit  Flüssigkeit  bessert 
sich  der  Zustand  dieser  Patienten.  Die  übermässige  Furcht  vor  zu 
grosser  Wasserzufuhr  rührt  wohl  von'  den  Untersuchungen  über  das 
Münchener  Bierherz  her;  tatsächlich  zeigen  Patienten,  die  sehr  viel 
Flüssigkeit  durch  das  Herz  durchpumpen  (Diabetes  insipidus),  niemals 
Blutdrucksteigerungen  oder  Herzvergrösserungen.  Bei  Patienten  mit 
Harnstauung  und  Polyurie  im  Gefolge  von  Prostatahypertrophie  wer¬ 
den  die  allerhöchsten  Serumwerte  gefunden.  Die  Operationschancen 
werden  bei  diesen  Patienten  bedeutend  günstiger,  wenn  durch  reich¬ 
liche  Flüssigkeitszufuhr  die  Serumwerte  vorher  zur  Norm  zurück¬ 
geführt  werden. 

M  o  r  a  w  i  t  z  -  Freiburg :  Spritzt  man  Hunden  oder  Katzen  Blut, 
das  man  ihnen  eben  entzogen,  in  die  Pleura  ein  und  entnimmt  es 
wieder  nachher,  so  wird  es  ungerinnbar  infolge  Fehlens  des 
Fibrinogens.  Wahrscheinlich  ist  es  durch  die  Endothelien  der  Pleura 
physikalisch  verändert  worden.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Erfahrung 
ist  anzunehmen,  dass  auch  bei  der  Ungerinnbarkeit  des  Hämoptysi- 
kerblutes  eine  Aenderung  des  Fibrinogens  eine  Rolle  spielt. 

L  i  c  h  t  w  i  t  z  -  Göttingen :  Die  Werte  der  Viskosimetrie  und  Re¬ 
fraktometrie  lassen  sich  nicht  miteinander  direkt  vergleichen,  wenn 
man  nicht  mit  dem  Thermostaten  arbeitet,  denn  die  Viskosität  ist 
ausserordentlich  abhängig  von  der  Temperatur.  Es  kommt  übrigens 
nicht  nur  auf  die  Eiweissmenge,  sondern  auch  auf  die  Verteilung  der 
Kolloide  an.  So  erlangte  Serum  durch  Schütteln  mit  Tierkohle  vaso- 
konstriktorische  Eigenschaften.  Nach  Heubner  quillt  die  Sehne 
bei  0°  besser  als  bei  Körpertemperatur,  hat  also  einen  negativen 
Temperaturkoeffizienten,  ebenso  der  Muskel.  In  der  Niere  besitzt 
die  Rinde  einen  positiven,  das  Mark  hingegen  einen  negativen  Quel¬ 
lungskoeffizienten.  Wenn  nun  eine  physikalische  Aenderung,  wie 
Temperaturwechsel  eine  so  entgegengesetzte  Wirkung  bei  Mark  und 
Rinde  der  Niere  haben,  kann  man  sich  auch  vorstellen,  dass  chemische 
Körper  unbekannter  Art  eine  andere  Einwirkung  auf  das  Serum  und 
eine  andere  auf  die  Gewebe  ausüben. 

V  o  1  h  ä  r  d  -  Mannheim:  Bei  Nierenklerosen  wirst  Trocken¬ 
diät  ausgezeichnet,  speziell  Anfälle  von  Asthma  cardiale  verschwinden 
sofort. 

D  e  t  e  r  m  a  n  n  -  St.  Blasien :  Bei  seinem  Viskosimeter  ist  ein 
auf  15°  eingestellter  Thermostat  stets  in  Verwendung. 

Friede!  Kahn -Kiel:  Ueber  hämolytischen  Ikterus. 

Kahn  berichtet  über  eine  Reihe  von  Fällen  von  sog.  hämo¬ 
lytischem  Ikterus  und  ihre  Beeinflussung  durch  Milzexstirpation.  Bei 
allen  war  das  Krankheitsbild  in  charakteristischer  Weise  ausgebildet; 
es  bestand  meist  seit  vielen  Jahren  Gelbsucht,  mehr  oder  weniger 
starke  Blutarmut  mit  Verminderung  der  Widerstandsfähigkeit  d°r 
roten  Blutkörperchen.  7  Fälle  gehörten  der  erblich-familiären.  3  der 
erworbenen  Form  an.  Bei  2  Patienten  wurde  die  stark  vergrösserte 
Milz  mit  überraschendem  Erfolg  exstirpiert.  Die  Gelbsucht  ver¬ 
schwand,  die  Blutarmut  wurde  vollkommen  behoben.  Nach  ein°r  an¬ 
fänglich  starken  Gallenfarbstoffausscheidung  im  Urin,  die  vor  der 
Operation  fehlte,  enthielt  der  Harn  keinerlei  GalPnfarbstoffe  mehr. 
Ebenso  liess  sich  im  Stickstoff-  und  Harnsäurestoffwechsel  nach  an¬ 
fänglicher  übermässiger  Ausschwemmung  dieser  Substanzen  eine  Rück¬ 
kehr  zur  Norm  zeigen.  Die  roten  Blutkörperchen  erlangten  eine 
wesentlich  bessere  Widerstandsfähigkeit.  Nach  diesen  Erfahrungen 


No,  R 

1  sollte  man  annehmen,  dass  die  Milz  nicht  allein  sekundär  erkrank 
ist,  sondern  primär  den  Sitz  des  Leidens  ausmacht.  Die  zum  erster 
mal  bei  familiärer  Form  dieser  Krankheit  gemachte  Milzexstirpatio 
ermuntert  bei  dem  relativ  einfachen  Eingriff  unter  Berücksichtigun 
besonderer  Indikation  zur  öfteren  Vornahme  dieser  Operation.  Fei 
ner  sind  diese  Erfahrungen  geeignet,  für  die  heute  noch  grossentei! 
hypothetische  Funktion  der  Milz  neue  Gesichtspunkte  zu  liefern. 

Diskussion:  Lommel  - Jena:  Der  Name  hämolytische 
Ikterus  ist  nicht  glücklich  gewählt,  denn  die  Hämolyse  finde 
sich  auch  bei  der  perniziösen  Anämie  und  Ikterus  kann  gelegentlic 
auch  fehlen,  die  Resistenzverminderung  bei  sonst  ganz  typische 
Fällen  desgleichen.  2  Kinder  einer  Frau  mit  hämolytischem  Ikteru 
besitzen  chronische  Milztumoren,  die  nunmehr  seit  10  Jahren  ohn 
jede  Störung  des  Blutbildes  und  des  Allgemeinbefindens  beobachte 
werden,  ein  3.  Kind  starb  an  Pseudoleukämie. 

Lichtwitz  -  Göttingen :  Es  ist  eine  ganz  gesetzmässige  Er 
scheinung,  dass  im  Harn  Urobilin  ausgeschieden  wird  und  im  Blut' 
eine  Gallenfarbstoffreaktion  nachweisbar  ist.  Dabei  ist  die  Niere  abe, 
für  Gallenfarbstoffe  nicht  undurchlässig,  denn  bei  interkurrierende 
Cholelithiasis  geht  Gallenfarbstoff  in  den  Urin  über.  Möglicherweis' 
handelt  es  sich  also  bei  den  Fällen  von  hämolytischem  Ikterus  um 
andere  Farbstoffe  als  Bilirubin,  die  durch  die  Niere  nicht  durchgeher 

D  e  c  a  s  t  e  1 1  o  -  Wien :  Bei  einem  Falle,  der  eine  Mittelstellunj 
zwischen  erworbenem  hämolytischen  Ikterus  und  perniziöser  Anämii 
einnimmt,  zeigte  sich  eine  deutliche  Herabsetzung  der  Erythrozyten 
resistenz.  Auch  hier  war  der  Erfolg  der  Splenektomie  ein  aus 
gezeichneter. 

Bauer-  Innsbruck  macht  auf  das  häufige  Vorkommen  von  Ery¬ 
throzyten  mit  vitalfärbbaren  Granulis  aufmerksam,  ferner  auf  du 
Herabsetzung  der  Erythrozytenresistenz  bei  Untersuchung  nach  Ent 
fernung  des  Plasmas,  während  bei  Versuchen  im  eigenen  Plasm; 
normale  Werte  gefunden  werden. 

Kahn  (Schlusswort):  Bei  der  hereditären  Form  ist  die  Re 
sistenzverminderung  immer  nachweisbar.  Die  Splenektomie  ist  nu 
bei  erheblicher  Berufsstörung  des  Patienten  durch  die  vergrösserh 
Milz  angezeigt. 

S.  B  e  r  g  e  1  -  Hohensalza :  Die  klinische  Bedeutung  der  Lympho 

zytose. 

Die  weissen  Blutkörperchen  spielen  im  Kampfe  des  Organismu. 
gegen  Krankheitserreger  eine  bedeutende  Rolle.  Die  Lymphozytei 
speziell  enthalten  ein  fettspaltendes  Ferment.  Die  klinische  Be 
obachtung  lehrt,  dass  bestimmte  Krankheiten  mit  einer  Vermehruni 
bestimmter  Gruppen  von  weissen  Blutkörperchen  einhergehen.  Vortr 
hat  auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  das  biologische  Geset: 
festgestellt,  dass  gegen  fettartige  Krankheitserreger  die  mit  fett 
spaltenden  Eigenschaften  versehenen  Lmphozyten  in  Funktion  treten 
während  sich  gegen  die  eiweissartigen  Infektionserreger  die  eiweiss 
verdauenden  Leukozyten  richten.  In  den  Körper  eingeführtes  Fet 
wird  von  den  einkernigen  ungranulierten  Zellen  aufgenommen  um 
verdaut.  Die  Verklumpung  und  Auflösung  der  roten  Blutkörperchei 
wird  infolge  Verklebung  bzw.  völligen  Schmelzens  ihrer  fetthaltige) 
Oberflächenschicht  durch  das  Ferment  der  gleichen  Zellart  bewirkt 
Vor  allen  Dingen  aber  erwiesen  sich  bei  Krankheitserregern  fett 
artigen  Charakters,  insbesondere  bei  Tuberkulose,  Lepra.  Syphilis 
die  Lymphozyten  als  ein  mächtiges  Abwehrmittel  des  Organismus 
Hier  umgeben  sie  den  Krankheitsherd  wie  ein  schützender  Wall,  de 
imstande  ist,  die  Infektionsstoffe,  teilweisen  wenigstens,  in  ihrer  Gif 
tigkeit  abzuschwächen.  Diese  Fermente,  die  sich  auch  in  die  Blut 
bahn  ergiessen,  haben  die  Fähigkeit,  sich  SDezifisch  gegen  das  betr 
Krankheitsgift  einzustellen  und  dasselbe  unschädlich  zu  machen.  Auel 
die  Wa.-R.  beruht  auf  einer  spezifischen  Einstellung  des  fettspalten 
den  Lymphozytenferments  gegen  die  fettartigen  Syphiliserreger 
Diese  Befunde  haben  nicht  bloss  wissenschaftliches  Interesse,  sondert 
eröffnen  auch  für  die  Therapie  erfolgversprechende  Ausblicke. 

Diskussion:  Turban  -  Davos :  Die  von  S  t  ä  u  b  1  i  bei  Ge 
sunden  im  Hochgebirge  gefundene  Lymphozytose  konnte  bei  Unter 
suchungen  in  T.s  Laboratorium  in  langen  Versuchsreihen  bestätig 
werden.  Man  kann  darin  einen  unterstützenden  Faktor  bei  der  Heil 
kraft  des  Hochgebirgsklimas  suchen. 

Rothschild  -  Bad  Soden :  Lymphozytensputa  bilden  eil 
charakteristisches  Phänomen  der  beginnenden  Lungentuberkulose. 

Schröder  -  Schömberg  hat,  von  ähnlichen  Gedanken  wie  Vor 
tragender  ausgehend,  Milzbreiinjektionen  bei  der  Behandlung  experi 
mentell  erzeugter  Tuberkulose  vorgenommen. 

Reich  er- Bad  Mergentheim  weist  darauf  hin,  dass  er  mi 
Neuberg  und  Rosenberg  zuerst  auf  den  weitgehenden  Paral 
lelismus  zwischen  Lipolyse  einerseits  und  Hämolyse  und  Bakteriolysi 
andererseits  hingewiesen  hat.  R.  konnte  in  weiteren  Versuchen  durcl 
Injektionen  verschiedener  Lipoide,  u.  a.  auch  des  Nastins,  die  Fett 
spaltungskraft  des  tierischen  Organismus  erhöhen.  Auch  bei  de- 
Immunisierung  von  Tieren  gegen  Erythrozyten  kann  man  ent 
sprechend  dem  Ansteigen  des  hämolytischen  Titers  eine  Zunahme  de 
lipolytischen  Kraft  des  Serums  wahrnehmen. 

B  e  r  g  e  1  (Schlusswort)  erinnert  an  die  klinische  Bedeutung  de 
verminderten  lipolytischen  Fähigkeit  des  Blutes  Schwangerer,  dit 
Hof  bau  er  gefunden,  und  bezeichnet  die  Fälle  von  Tuberkulose 
welche  ein  starkes  Fettspaltumgsvermögen  im  Serum  aufweisen,  ab 
prognostisch  günstig. 

.1  a  m  i  n  -  Erlangen :  Ueber  iuvenile  Asthenie. 

.1.  berichtet  über  eine  Untersuchungsreihe  an  jugendlichen  Per 
sonen,  bei  welchen  ohne  die  für  Chlorose  bezeichnenden  Verände 


.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1003 


rngen  des  Blutbildes  und  der  Blutfarbe  die  Symptome  der  Bleich- 
jcht  bestanden.  Ein  Teil  der  Fälle  stand  durch  leichte  Störungen 
i  der  Gestaltung  und  Farbe  der  roten  Blutkörperchen  der  echten 
hlorose  nahe  und  war  mit  Eisen  erfolgreich  zu  behandeln.  Bei  einem 
ndern  Teil  waren  die  Anzeichen  der  Schwäche.  Blässe  usw.  auf 
iderweitige  innere  Krankheiten  zurückzuführen.  Eine  dritte  Gruppe 
an  besonders  hartnäckigen  und  schwer  beeinflussbaren  Fällen  zeigte 
ei  normalem  roten  Blutbild  eine  Veränderung  der  weissen  Blut¬ 
ellen,  nämlich  Abnahme  ihrer  Gesamtzahl  und  Vorherrschen  der  ein- 
ernigen  Formen.  Es  ist  anzunehmen,  dass  es  sich  bei  dieser,  als 
uvenile  Asthenie“  bezeichneten  Krankheit  des  Entwicklungsalters 
:n  Störungen  der  inneren  Sekretion,  und  zwar,  wie  der  Vergleich 
it  dem  kindlichen  Blutbild  nahelegt,  um  eine  Entwicklungshemmung 
indelt. 

Brauer- Hamburg:  Weitere  klinische  und  experimentelle  Er- 
hrungen  über  arterielle  Luftembolie. 

Der  Vortragende  berichtet  in  abschliessender  Form  über  die 
linik  und  Anatomie  sowie  experimentelle  Untersuchungen  über  Luft- 
nbolie  in  die  Lungenvenen  und  damit  in  das  arterielle  System.  Der 
eser  Form  der  Luftembolie  folgende  klinische  Symptomenkomplex 
t  unter  dem  Einflüsse  der  sich  häufenden  lungenchirurgischen  Mass- 
ihmen  in^  den  letzten  Jahren  häufiger  zur  Beobachtung  gekommen 

Das  Charakteristische  ist,  dass  die  Luft  in  die  Lungenvenen  ein- 
ingt.  Dies  geschieht  entweder  durch  Ansaugung  seitens  des  linken 
erzens  oder  durch  inspiratorische  Saugbewegungen  in  dem  be- 
effenden  Lungenabschnitt  oder  endlich  durch  Ansaugung  der  Luft 
irch  den  Blutstrom  in  einem  Seitenast  des  eröffneten  Gefässes. 

Das  klinische  Bild  ist  zu  trennen  in  die  akuten  und  in  die 
auererscheinungen.  Akut  setzt  gewöhnlich  ein  schwerer  Schock, 
•ent.  mit  Bewusstseinsverlust,  event.  mit  sofortigem  Tode  oder  den 
^verschiedensten  Hirnsymptomen  ein.  Im  weiteren  Verlaufe  kann 
inn  entweder  eine  völlige  Rückkehr  zur  Norm  eintreten  oder  irgend¬ 
eiche  Reiz-  oder  Lähmungssymptome  am  Zentralnervensystem  übrig- 
eiben.  Es  ist  natürlich  ausserordentlich  wahrscheinlich,  dass  auch  ge- 
genthch  die  zufälligen,  plötzlichen,  schlagartigen  Tode,  wie  sie  mit 
nsetzen  einer  Lungenblutung  gelegentlich  beobachtet  werden,  durch 
jftembolie  und  nicht  durch  Blutaspiration  und  Erstickung  zustande 
unmen.  In  der  Literatur  existiert  bislang  e  i  n  positiver  Sektions- 
:fund.  Doch  sollte  auf  diese  Frage  seitens  der  Kliniker  und  Ana- 
men  unbedingt  genauer  beachtet  werden.  Eingehende  experi- 
entelle  Untersuchungen,  die  im  Verein  mit  Hern  Weber  an 
ner  grösseren  Reihe  von  Affen,  Hunden  und  Kaninchen  und  bei 
össten  Versuchsvariationen  ausgeführt  wurden,  haben  bei  ver- 
hiedenen  noch  unklaren  Fragen  der  Luftembolie  nunmehr  ge¬ 
igt,  dass  die  so  vielfach  hervortretende  Behauptung,  es  handle 
:h  in  den  beobachteten  klinischen  Bildern  um  Pleurar'eflexe,  irrig 

Die  feineren  gehirnanatomischen  Untersuchungen  wurden  von 
-rr  Dr.  Spielmeyer  durchgeführt.  Die  Luftembolie  in  die  Ar- 
rien  stellt  eine  prinzipielle  eigenartige,  experimentelle  Läsion  des 
-hirns  dar.  Das  Meiste  von  dem.  was  in  der  Literatur  bis  auf  die 
ueste  Zeit  als  reflektorische  Vorgänge  geschrieben  wurde,  gehört 
das  Kapitel  der  Luftembolie. 

S  p  i  e  1  m  e  y  e  r  -  München :  Ueber  die  anatomische  Folgen  der 
iftembolie  im  Gehirn. 

Als  anatomische  Ursache  für  die  (bei  Lungenoperationen)  infolge 
>n  Luftembolie  auftretenden  Gehirnkrämpfe  und  Lähmungen  fand  Sp. 
i  Hunden  und  Affen,  an  welchen  Brauer  und  Weber  experi- 
mtelle  Luftembolie  ins  Gehirn  erzeugt  hatten,  kleinste  herdförmige 
rvenzellendegenerationen  in  der  Hirnrinde. 

Diskussion  zu  Brauer  und  Spielmeyer:  Turban- 
ivos:  Die  grosse  Mehrzahl  der  üblen  Zufälle  bei  Anlegung  eines 
nstlichen  Pneumothorax  beruht  zweifellos  auf  Gasembolie.  T. 
Ibst  hat  bei  einer  N.-Einblasung  eine  doppelseitige,  zwei  Tage  an- 
uernde  Erblindung  unter  Krämpfen  und  schweren  Bewusstseins- 
irungen  auftreten  sehen. 

S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r  -  Hamburg:  Bei  einer  Inzision  in  die  Lunge 
nufs  Eröffnung  eines  metapneumonischen  Empvems  entstand  eine 
utung  und  brodelndes  Rasseln  in  der  Tiefe  der  Höhle.  Es  trat 
llständige  Bewusstlosigkeit,  Dyspnoe  und  spastische  Lähmung  ein, 
ch  drei  Tagen  Besserung,  Exitus  bei  neuerlichem  Eingriff.  Sektion: 
irkstückgrosser  Defekt  beiderseits  in  der  vorderen  Zentralwindung, 
gends  ein  Thrombus.  Embolus  oder  Gewebsbröckel  zu  entdecken, 
ich  hier  ist  wahrscheinlich  Luftembolie  eingetreten. 

Hering-  Prag  und  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen. 

Sing  er- Wien:  Zur  konservativen  Behandlung  der  chronischen 
ngeneiterungen. 

Bei  reichlichem  eitrigem  resp.  putridem  Sputum  infolge  von 
onchoblennorrhöe.  putrider  Bronchitis,  Bronchiektasie  oder  Spät¬ 
gen  akuter  infektiöser  Prozesse,  metapneumonischer  Prozesse  und 
n  Gangrän  wendet  S.  Durstkuren  an.  Dabei  sinkt  mehr  minder 
ich  die  Menge  des  Auswurfes,  wobei  gleichzeitig  der  putride  und 
rige  Charakter  des  Sputums  einer  mehr  katarrhalischen  Beschaffen- 
it_  Platz  macht.  Parallel  damit  kommen  entzündliche  peribron- 
tische  Infiltrate,  chronische  Abszesse  zur  Aufhellung  und  Auf- 
igung  (was  an  zahlreichen  Radiogrammen  und  Sputumkurven 
"nonstriert  wird).  Die  von  S.  geübte  Durstkur  unterscheidet  sich 
n  der  strengen  Schrotkur  dadurch,  dass  die  Ernährung  eine  reich- 
'e  ist  und  zweimal  wöchentlich  ein  Trinktag  eingeschaltet  wird, 
meist  beobachtet  man  dabei  ganz  erhebliche  Gewichtszunahme! 

Bei  einem  Vergleiche  mit  den  Methoden  der  Kollapstherapie 
nmt  S.  zu  dem  Ergebnis,  dass  abgesehen  von  den  eng  gezogenen 


Indikationen  für  diese  die  Resultate  der  Durstkur  viel  zuverlässiger 
und  dauernder  sind. 

Von  den  14  Fällen,  die  Vortragender  bisher  überblickt,  blieb  bis 
auf  3,  bei  denen  das  Verfahren  abgebrochen  werden  musste,  das 
günstige  Resultat  weit  mehr  als  VA  Jahre  konstant,  während  des 
Vortr.  eigene  Erfahrungen  mit  dem  künstlichen  Pneumothorax  bisher 
nicht  ermutigend  sind.  Die  Durstkur  kann  mit  Schwitzbädern  und 
anderen  die  Sekretion  beeinflussenden  Verfahren  kombiniert  werden; 
sie  ist  kontraindiziert  bei  Tuberkulose  und  Nierenerkrankungen. 

Moritz-  Köln :  Zur  Anlegung  des  künstlichen  Pneumothorax 
durch  Punktion. 

Der  zur  Verwendung  kommende  Apparat  ist  so  eingerichtet, 
dass  erst  dann  Luft  durch  die  Hohlnadel  in  den  Thorax  eindringen 
kann,  wenn  an  dem  Nadelende  ein  bestimmter  Minusdruck  auftritt. 
Es  wird  dies  dadurch  erreicht,  dass  die  mit  der  Nadel  in  Verbindung 
stehende  Aussenluft  im  Apparat  selbst  erst  gewisse  positive  Drucke 
überwinden  muss,  ehe  sie  nachströmen  kann. 

Die  hierfür  nötige  Aspirationsluft  findet  sich  nur  im  Pleuraspalt 
während  der  Inspirationsphase.  Ir.  der  Lunge  selbst  kommt  es  nicht 
zu  derartigen  Minusdrucken.  Ist  der  Pleuraspalt  erreicht,  was  man 
an  dem  Hineinperlen  der  Luft  erkennt,  so  lässt  man  erst  ein  grösseres 
Quantum  Luft  inspiratorisch  aktiv  eintreten  und  erst  dann  und  nur 
dann  geht  man  dazu  über,  Stickstoff  unter  positivem  Druck  einzu¬ 
blasen.  Der  Apparat  ermöglicht  eine  Abmessung  eingeführter  Stick¬ 
stoffmengen  unter  fortlaufender  manometrischer  Kontrolle  des  In¬ 
jektionsdruckes  und  erlaubt  auch  gegebenenfalls  das  in  den  Pleura¬ 
raum  eingelassene  Gas,  ebenfalls  unter  Messung  seiner  Quantität, 
wieder  auszusaugen. 

K  ö  n  i  g  e  r  -  Erlangen :  Ueber  experimentelle  Pneumothorax¬ 
pleuritis. 

K.  prüfte  im  Tierexperiment  den  Einfluss  des  Pneumothorax  auf 
die  Entstehung  und  den  Verlauf  der  Infektionen  im  Pleuraraum.  Es 
zeigte  sich,  dass  nicht  nur  der  offene,  sondern  auch  der  geschlossene 
unkomplizierte  Pneumothorax  von  einer  gewissen  Grösse  ab  die 
Widerstandskraft  des  Brustfelles  gegen  die  Infektion  herabzusetzen 
vermag.  Daraus  ergeben  sich  praktisch  wichtige  Folgerungen  für  die 
Klinik  des  Pneumothorax,  der  bekanntlich  auch  zu  Heilzwecken  bei 
schweren  Lungenkrankheiten  vielfach  angewendet  wird.  Möglicher¬ 
weise  lässt  sich  die  lokale  Resistenzverminderung  durch  künst¬ 
lichen  Pneumothorax  zu  diagnostischen  Tierimpfungen  u.  a.  verwerten. 

Diskussion:  B  r  a  u  e  r  -  Hamburg  pflichtet  den  Anschau¬ 
ungen  des  Vorredners  durchaus  bei.  Es  liegen  auch  im  ganzen  zahl¬ 
reiche  einwandfreie  Beobachtungen  vor,  dass  die  Pleura  bei  be¬ 
stehendem  Pneumothorax  leichter  Infektionen  verfällt  als  wie  nor¬ 
malerweise.  Häufig  sah  B.  das  Auftreten  schwerer  Pleurainfektionen, 
wenn  der  Punktierende  bei  ungeschicktem  Vorgehen  durch  den  Luft¬ 
raum  hindurch  die  kranke  Lunge  angestochen  hatte,  und  dann  von 
der  kranken  Lunge  aus  den  Pleuraraum  infizierte.  Gelegentlich  muss 
wohl  auch  ein  Durchwandern  von  Krankheitserregern  durch  die 
Lungenpleura  hindurch  angenommen  werden,  ganz  besonders  bei 
übermässiger  Druckspannung  im  Pleurathoraxraum. 

Mehrfach  sah  B.  auch  unmittelbar  im  Anschluss  an  das  Einsetzen 
einer  Angina  eine  Pleurainfektion  auftreten  mit  dem  gleichen  Krank¬ 
heitserreger  wie  auf  dem  Tonsillenabstrich.  Dies  erweist  deutlich 
die  gesteigerte  Vulnerabilität  der  Pleura  bei  Pneumothorax. 

Zur  Operation  ist  nur  bei  sorgsam  überlegter  Indikation  zu 
schreiten. 

Friedrich  -  Königsberg. 

B  a  c  m  e  i  s  t  e  r  -  Freiburg:  Weitere  Untersuchungen  bei  ex¬ 
perimenteller  Lungenspitzentuberkulose. 

Zum  Ausbruch  der  Schwindsucht  beim  Menschen  genügt  nicht 
das  Eindringen  von  Tuberkelbazillen  in  die  Lunge,  sondern  es  muss 
noch  eine  lokale  Disposition  hinzukommen,  welche  ererbt  oder  von 
dem  Träger  erworben  sein  kann.  Ueber  die  erste  Entstehung  der 
Schwindsucht  wissen  wir  nichts  genaues,  da  die  allerersten  Anfänge 
beim  Menschen  schwer  zu  untersuchen  sind  und  bisher  bei  Tieren 
keine  echte  Schwindsucht  experimentell  erzeugt  werden  konnte.  B. 
berichtet  im  Ausbau  früherer  Experimente  über  seine  Versuche  an 
Tieren,  bei  denen  es  ihm  gelungen  ist,  zum  ersten  Male  Erkrankungen 
zu  erzeugen,  die  der  menschlichen  Schwindsucht  in  allen  Punkten 
ähnlich  sind.  Er  liess  Kaninchen  in  Drahtschlingen  hineinwachsen,  die 
die  obersten  Rippen  in  gleicher  Weise  gegen  die  Lungenspitzen 
drückten,  wie  es  bei  Menschen,  die  zur  Tuberkulose  disponiert  sind, 
sein  kann.  An  den  erzielten  Krankheitsbildern  konnten  nun  alle 
Stadien  der  Krankheit  studiert  werden.  Vor  allem  konnte  festgestellt 
werden,  dass  der  erste  Beginn  sowohl  durch  die  Einatmung  von  Ba¬ 
zillen  erfolgen  kann,  wie  auch  auf  dem  Blutwege  von  einer  tuber¬ 
kulösen  Drüse  etc.,  die  sich  schon  im  Körper  befindet.  Die  Gelegen¬ 
heit  zu  beiden  ist  fast  für  jeden  Menschen  gegeben,  der  Ausbruch 
der  Krankheit  erfolgt  erst,  wenn  die  Lungenspitzen  in  irgend  einer 
Weise  geschädigt  werden.  Eine  wichtige  Rolle  spielt  hierbei  die 
mechanische  Beengung  der  Lungenspitzen  durch  den  ersten  Rippen¬ 
ring,  eine  andere  Ursache  ist  in  der  Staubinhalation  zu  sehen.  So¬ 
wohl  auf  hämatogenem  als  auch  auf  aerogenem  Wege  gelingt  die 
Infizierung  der  Lunge  mit  Tuberkelbazillen,  wenn  man  nach  der  In¬ 
fektion  die  Disposition  in  der  Lunge  dazu  schafft. 

H  a  m  m  e  r  -  Heidelberg:  Die  serologische  Diagnose  der  Lungen¬ 
tuberkulose. 

Die  sichere  Diagnose  einer  beginnenden  Lungentuberkulose 
macht  in  einer  nicht  geringen  Anzahl  von  Fällen  noch  immer 


1004 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18. 


Schwierigkeiten.  Die  physikalischen  Untersuchungmethoden,  zu 
denen  auch  die  Röntgenuntersuchung  zu  rechnen  ist,  lassen  uns 
ebenso,  wie  die  diagnostischen  Tuberkulinmethoden  vielfach  im 
Stich.  Auch  die  serologischen  Untersuchungmethoden  haben  die  auf 
sie  gesetzten  Hoffnungen  bisher  nicht  erfüllt.  Es  gelingt  jedoch  neuer¬ 
dings  durch  die  Verwendung  von  Extrakt  aus  tuberkulösem  Gewebe 
kombiniert  mit  Tuberkulin  als  Antigen  in  nahezu  100  Proz.  der  Fälle 
von  ausgesprochener  Tuberkulose  die  Diagnose  durch  Untersuchung 
des  Blutserums  mittels  der  Komplementbindungsreaktion  zu  erhärten. 
Es  kommt  aber  natürlich  weniger  auf  die  Diagnose  der  ausge¬ 
sprochenen  Tuberkulose  an,  sondern  auf  die  rechtzeitige  Erkennung 
der  beginnenden  Tuberkulose.  Aber  auch  diese  lässt  sich  mit  dieser 
Methode  nachweisen.  Schwierigkeiten  macht  nur  die  Differenzierung 
der  Fälle,  die  einmal  eine  tuberkulöse  Infektion  durchgemacht  haben, 
von  denjenigen,  bei  denen  die  tuberkulöse  Infektion  zurzeit  gerade 
eine  aktive  Rolle  spielt.  Es  scheint  aber,  dass  sich  durch  diese  Me¬ 
thode  sicherer  als  z.  B.  durch  die  Methoden  der  Ueberempfindlich- 
keitsreaktion  gerade  die  momentan  aktive  Tuberkulose  erkennen 
lässt,  und  es  ist  zu  hoffen,  dass  es  durch  weitere  Verbesserung  und 
Verfeinerung  der  Methode  auf  diesem  Wege  schliesslich  regel¬ 
mässig  gelingt,  eine  aktive  Tuberkulose  rechtzeitig  zu  diagnosti¬ 
zieren. 

Diskussion:  Strubell  -  Dresden. 

Rothschild-  Bad  Soden  a/T. :  Beiträge  zur  Chemotherapie 
der  Tuberkulose. 

Ein  Mittel,  welches  die  Tuberkelbazillen  im  erkrankten  Organis¬ 
mus  mit  Sicherheit  abtötet  — -  ist  bisher  nicht  bekannt.  Wir  müssen 
somit  in  der  Bekämpfung  der  Tuberkelbazillen  Umwege  machen. 
Die  weissen  Blutkörperchen  enthalten  Fermente,  die  imstande  sind, 
die  Bazillen  abzubauen.-  Und  zwar  enthalten  die  Lymphozyten  fett¬ 
spaltendes  —  die  Phagozyten  -  eiweissauflösendes  Ferment.  Eine 
Vermehrung  der  wichtigsten  Lymphozyten,  die  durch  ihr  Ferment 
den  Fettmantel  der  Tuberkelbazillen  angreifen,  ist  somit  geeignet,  die 
weitere  Vernichtung  dieser  Schädlinge  durch  die  Phagozyten  vor¬ 
zubereiten.  Mittel  zur  künstlichen  Vermehrung  der  Lymphozyten 
sind  alle  Jodpräparate  sowie  das  Pilokarpin.  Unter  den  Jodprä¬ 
paraten  nimmt  Jodoform,  das  ja  schon  lange  in  der  chirurgischen 
Tuberkulose  eine  Rolle  spielt,  eine  Sonderstellung  ein,  da  Jodoform 
sowohl  die  Lymphozyten  vermehrt,  als  auch  die  Phagozyten 
zu  erhöhter  Tätigkeit  anregt.  Die  Verbindung  von  Tuberkulin 
mit  Pilokarpin  bezw.  Jodpräparaten  wird  somit  eine  rationelle 
Bekämpfung  der  Tuberkulose  ermöglichen.  Referent  hat  mit  dieser 
Methode  ermutigende  Resultate  erzielt. 

S  c  h  r  ii  m  p  f  -  St.  Moritz:  Die  Tuberkulosevakzination  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  des  Ueberganges  der  Schutzkörper  in  die 
Muttermilch. 

Ausgehend  von  der  Tatsache,  dass  es  möglich  ist,  mit  abge¬ 
töteten  Tuberkelbazillen  lokale  anatomische  tuberkulöse  Läsionen 
hervorzurufen,  die  nach  einigen  Monaten  unter  beträchtlicher  Ver¬ 
mehrung  des  Gehaltes  des  Serums  an  spezifischen  Antikörpern  aus¬ 
heilen,  hat  M  a  r  a  g  1  i  a  n  o  -  Genua  an  zahlreichen  Tuberkulose¬ 
kandidaten  (Kindern  tuberkulöser  Eltern)  die  Vakzination  vor¬ 
genommen.  14  Tage  nach  der  Impfung  zeigt  die  serologische  Unter¬ 
suchung  beim  Patienten  ein  Steigen  der  opsonischen  Indexkurven 
von  0,80  auf  2,10,  des  Agglutinationsvermögens  von  0  auf  250 — 300, 
ferner  das  Vorhandensein  von  spezifischen  Präzipitinen  und  Anti¬ 
körpern  (Komplementablenkung).  1903 — 1910  wurden  an  der 
Maragliano  sehen  Klinik  3000  Kinder  tuberkulöser  Eltern  ge¬ 
impft;  neuerdings  konnten  465  nachuntersucht  werden;  keines  der¬ 
selben  war  tuberkulös  erkrankt.  —  Einen  ähnlichen,  bei  Menschen 
indessen  auch  nur  negativ  zu  beweisenden  Erfolg  haben  die  von 
Chantemesse  ausgeführten,  auf  demselben  Prinzip  beruhenden 
Typhusimpfungen.  Die  durch  die  Vakzination  erlangte  relative 
Immunität  scheint  sich  6  Jahre  zu  erhalten.  Zu  empfehlen  ist  die 
Vakzination  vorzugsweise  bei  Kindern  tuberkulöser  Eltern,  bei 
Skrofulösen,  bei  konstitutioneller  Schwäche.  —  Kontraindiziert  ist 
sie  bei  aktiver  Tuberkulose,  weil  dann  nutzlos. 

An  der  Hand  von  an  der  Maragliano  sehen  Klinik  aus¬ 
geführten  Versuchen  zeigt  Sch.,  dass  die  durch  die  einmalige  Vak¬ 
zination  in  dem  Serum  sich  bildenden  Blutkörper  bei  Ziegen  und 
ebenso  auch  bei  stillenden  Frauen  in  die  Milch  übergehen,  dass  es 
also  möglich  ist,  durch  Impfung  der  Amme  dem  Säugling  immuni- 
sieiende  Milch  zu  geben.  —  Da  wohl  der  grösste  Teil  der  Tuberkulose¬ 
infektionen  in  der  Jugend  und  wahrscheinlich  in  der  frühesten  Jugend 
stattfinden,  so  dürfte  nach  Schrumpfs  Ansicht  die  Darreichung 
immunisierender  Ziegen-  resp.  Kuhmilch  oder  noch  besser  Frauen¬ 
milch  noch  eine  grosse  Zukunft  haben. 

Huismans  -  Köln :  Der  Ersatz  des  Orthodiagraphen  durch 
den  Teleröntgen. 

H.  suchte  den  mit  dem  senkrechten  Röntgenstrahl  arbeitenden 
Orthodiagraphen  durch  die  parallelen  Strahlen  des  Teleröntgen  zu 
ersetzen;  die  Möglichkeit  dazu  war  vorhanden,  als  Fr.  Dessauer 
1909  durch  sein  Blitzverfahren  Herzphotographien  in  V200 — Vsoo"  be¬ 
wirkte.  Die  technische  Frage,  sich  die  verschiedenen  Herzphasen 
im  Röntgenbilde  sichtbar  zu  „machen,  lösten  Dessauer  und 
Kiipferle  1912  durch  ein  mit  iln" Verspätung  arbeitendesRelais  —  sie 
stellten  iri  10  Bildern  aus  10  aufeinanderfolgenden  Herzperioden  die 
gesamte  Herztätigkeit  dar.  H.  löste  die  Frage,  wie  man  durch  Vor¬ 
berechnung  nur  ein  Bild  in  der  Phase  des  Herzens  erzeugen  kann,  in 
welcher  es  seine  grösste  Ausdehnung  hat,  nämlich  am  Ende  der  Herz¬ 


diastole,  indem  er  den  Teleröntgen  und  das  Einzelschlaginduktorium 
mit  einem  Relais  für  Verspätung  und  einem  Sphygmographenhebel- 
kontakt  verband.  Eine  einfache  Zurückrechnung  ermöglicht  eine 
Photographie  am  gewünschten  Punkte,  das  Schema  für  die  Einstellung 
des  Relais  ist  am  Apparat  befestigt  und  kann  ohne  weiteres  abgelesen 
werden. 

Ohm -Berlin:  Herzdiagnostik  aus  den  gleichzeitig  registrierten 
Bewegungsvorgängen  des  Herzschalles,  Arterienpulses  und  Venen¬ 
pulses  mit  eigenen  Methoden. 

O.  demonstriert  photographische  Kurven  der  gleichzeitig  ver- 
zeichneten  Bewegungsvorgänge  des  Arterienpulses,  Venenpulses 
und  der  Herztöne  bzw.  -geräusche  von  herzgesunden  und  kranken 
Menschen  mit  eigenen  hochempfindlichen  Methoden. 

An  den  registrierten  Herzschallschwingungen  lassen  sich  be¬ 
stimmte  Klappenfehler  voneinander  unterscheiden.  Die  Form  des 
registrierten  Venenpulses  lässt  im  Einzelfalle  erkennen,  ob  die 
mechanische  Arbeitsleistung  des  rechten  Herzens  normal  ist  und  bei 
Klappenfehler,  ob  der  betreffende  Fehler  gut  kompensiert  ist,  oder 
ob  Herzmuskelschwäche  vorliegt.  Ueber  den  Grad  der  Muskei- 
schwäche,  beurteilt  an  dem  Grade  der  hiervon  abhängigen  Stauung 
im  rechten  Herzen,  gibt  die  Venenpulskurve  mit  dieser  Methode 
ebenfalls  Auskunft. 


42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26. — 29.  März  1913. 

(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  Katzenstein.) 

V. 

3.  Hauptthema:  Hirn-  und  Riickenmarkschirurgie. 

Referenten:  Herr  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien  und  Herr  Ranzi-Wieu. 

Herr  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien  teilt  die  Statistik  der  in  seiner 
Klinik  unter  der  Diagnose  Hirntumor  operierten  (162)  Fälle  mit. 
Unter  69  diagnostizierten  Grosshirntumoren  waren  20  Fälle,  in  denen 
bloss  aufgeklappt  und  nichts  gefunden  wurde  —  7  von  diesen  starben. 
40  mal  wurde  der  Grosshirntumor  exstirpiert,  9  mal  kam  es  zu  einem 
operativen  Exitus,  darunter  5 mal  durch  Meningitis;  in  2  von  diesen 
Fällen  war  drainiert  worden,  in  3  anderen  war  die  Dura  offen  ge¬ 
blieben.  9  weitere  Fälle  erlagen  in  einigen  Monaten  dem  '1  umor, 
einige  andere  einem  Rezidiv.  3  blieben  ungeheilt  wegen  diffusen 
Glioms  usw.  9  wurden  geheilt,  6  gebessert.  Günstiger  war  das  Er¬ 
gebnis  bei  den  Hypophysistumoren,  unter  16  Fällen  4  Todesfälle, 
12  Heilungen  oder  Besserungen,  unter  diesen  3  Fälle  von  Zysten¬ 
operation.  Die  Meningitis  serosa  erkennt  Redner  im  wesentlichen 
nur  als  Symptom,  nicht  als  Krankheit  sui  generis  an,  unter  3  Fällen 
blieben  2  ungeheilt.  Von  den  Kleinhirntumoren  erlagen  9  nach  der 
ersten  Operation;  12  mal  wurde  nichts  gefunden,  nur  8  mal  der 
Tumor,  Im  Gegensatz  dazu  wurde  die  Diagnose  des  Akustikustumors 
in  allen  17  Fällen  bestätigt.  2  Patienten  gingen  nach  dem  ersten  Akt 
zugrunde,  11  hatten  Tumoren  von  mehr  als  Eigrösse,  nicht  weniger 
als  10  von  diesen  starben.  I11  Zukunft  wird  Redner  zur  Verhütung 
des  Schocks  in  solchen  Fällen  die  Geschwulst  durch  Zerstückelung  ent¬ 
fernen,  ohne  bei  diesen  relativ  benignen  Tumoren  eine  Disseminata 
oder  ein  Zurücklassen  von  Tumorresten  allzu  sehr  zu  fürchten.  In 
einem  Fall  von  beiderseitigem  Akustikustumor,  wo  Blind-  und  Taub¬ 
heit  bereits  absolut  waren,  aber  kein  Kopfschmerz  bestand,  wurde 
der  Eingriff  abgelehnt.  2  Fälle  von  Ventrikeldrainage  gingen  zu¬ 
grunde.  Da  um  das  Drainrohr  in  einem  Fall  sich  entzündliche  Ver¬ 
änderungen  etabliert  hatten,  wird  Vortr.  in  Zukunft  den  Balkenstich 
vorziehen.  Epikritisch  bemerkt  er  zu  3  Fällen  von  diffuser  Glio- 
matose,  in  welchen  der  Tumor  nicht  gefunden  wurde,  dass  bei  der 
Operation  ein  erfahrener  pathologischer  Histologe  zur  Untersuchung 
von  Probeexzisionen  zugezogen  werden  sollte.  Ferner  hat  er  einige 
Male  die  Anwesenheit  von  Zysten  verkannt,  weil  er  ihren  Inhalt 
für  Liquor  hielt.  Zur  Vorbereitung  für  die  Operation  gibt  Vortr. 
zwecks  Begünstigung  der  Blutgerinnung  Calcium  lacticum  und  als 
Desinfizienz  für  den  Liquor  Urotropin.  Der  erste  Akt  der  Operation 
wird  unter  Novokain-Adrenalin  ausgeführt.  Er  bespricht  die  Einzel¬ 
heiten  seiner  Technik.  Häufig  hat  er  die  Duraplastik  mittels  Fasch 
lata  ausgeführt,  14  Fälle,  von  denen  nur  2  starben.  Dies  Verfahren 
erscheint  berufen,  die  Gefahr  der  Infektion  zu  verringern.  17  mal 
sah  er  Meningitis,  darunter  4  mal  bei  Hypophysistumoren,  die  nach 
Schloffer  auf  nasalem  Wege  exstirpiert  waren.  Krause- 
Berlin  hat  bei  doppelt  so  grossem  Material  keine  Infektion  gesehen. 

Ausser  dem  Zufall  sind  für  diesen  Unterschied  vielleicht  ver¬ 
antwortlich  zu  machen  Quetschungen,  Tamponaden,  Drainagen  und 
der  Zustand  der  Patienten  —  unter  den  Privatfällen  kam  Meningitis 
nicht  vor.  Wahrscheinlich  wurde  auch  zu  selten  der  Verband  ge¬ 
wechselt.  An  Schock  und  Atemlähmung  starben  29  Kranke;  diese 
Zahl  wird  sich  vielleicht  verkleinern  lassen  durch  mehrzeitiges  Vor¬ 
gehen,  sorgfältigere  Blutstillung  und  Morcellement.  Wichtiger  als 
alles  dies  wird  indessen  die  Frühdiagnose  bleiben.  Wenn  auch  di': 
Resultate  der  Hirntumoroperationen  weit  hinter  denen  anderer  chirur¬ 
gischer  Eingriffe  zurückstehen,  so  ist  doch  der  Zustand  der  von  Kopf¬ 
schmerzen  gequälten,  der  Blindheit  entgegengehenden  Kranken  ein 
so  trauriger,  dass  der  Eingriff  mit  all  seinen  Gefahren  vollauf  gerecht¬ 
fertigt  erscheint. 

Herr  Ranzt- Wien  gibt  eine  Statistik  der  Rückenmarks¬ 
operationen  von  der  gleichen  Klinik.  Von  5  extramedullären  Tumoren 


),  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1003 


j,vurden  3  geheilt,  1  gebessert,  I  starb.  2  intramcdulläre  Tumoren 
iamen  zur  Heilung.  Schlecht  ist  die  Prognose  bei  Wirbeltumoren, 
tei  Karzinom  aussichtslos.  5  Fälle  mit  3  Todesfällen,  2  Besserungen. 
)er  angenommene  Tumor  wurde  in  5  Fällen  nicht  gefunden,  2  mal 
>estand  eine  Meningitis  serosa  circumscripta,  3  mal  wurde  die  De- 
vornpression  vorgenommen,  in  1  Fall  mit  bleibendem,  in  2  mit  vor¬ 
hergehendem,  in  3  ohne  Erfolg.  Unter  5  Fällen  von  Fraktur  der 
A  irbelsäule  wurde  3  mal  die  neuerdings  empfohlene  frühzeitige 
»peration  ausgeführt  mit  wenig  befriedigendem  Ergebnis.  Erfolglos 
var  die  Operation  in  2  Fällen  von  Spondylitis.  Wegen  Spasmus 
vurden  16  Operationen  bei  15  Patienten  vorgenommen.  Bei  Spasmus 
ler  unteren  Extremität  4  Erfolge  unter  6  Fällen,  weniger  günstig 
iei  Spasmus  der  oberen  Extremität,  bei  Athetose  kein  Resultat. 
:bensowenig  Erfolg  hatte  die  Foerstersche  Operation  in  1  Fall 
,oii  gastrischen  Krisen,  in  dem  auch  schon  die  doppelte  Vagotomie 
ergeblich  ausgeführt  worden  war.  Im  ganzen  kamen  auf  41)  Fälle 
'.3  Todesfälle,  5  operativ,  2  durch  Meningitis,  diese  bedingt  durch 
ncontinentia  urinae.  Die  Heilungen  und  Besserungen  zeigen  sich  erst 
lach  langer  Zeit  und  entwickeln  sich  allmählich.  Operiert  wurde 
-inzeitig  unter  Ailgemeinnarko.se.  Die  Dura  soll  vorsichtig  in 
deinstem  Umfange  eröffnet  werden,  um  ein  plötzliches  Abstürzen  des 
ntramedullären  Drucks  zu  verhüten.  Aus  dem  gleichen  Grunde 
iperiert  man  in  Beckenhochlagerung.  Die  extradurale  Wurzeldurch- 
.chneidung  nach  G  u  1  e  k  e  stellt  gegenüber  dem  ursprünglichen 
-'oe  r  st  e  r  sehen  Verfahren  eine  technische  Erschwerung,  jedoch 
■inen  entschiedenen  Fortschritt  dar.  Die  Chancen  der  Rückenmarks¬ 
iperationen  sind  besser  als  bei  Hirnoperationen.  4  Fälle  sind  seit 
lahren  (2 — 5%)  dauernd  geheilt. 

Herr  G  o  1  d  m  a  n  ii  -  Freiburg :  Experimentelle  Untersuchungen 
iber  die  Funktion  der  Plex.  chorioid.  und  der  Hirnhäute. 

Angeregt  durch  die  Erfahrungen,  die  G.  mit  seiner  Methode  der 
.  italfärbung  an  der  Plazenta  gesammelt,  hat  er  analoge  Versuche  für 
ias  Zentralnervensystem  unternommen.  Hierbei  hat  er  feststellen 
können,  dass  bei  Tieren,  bei  denen  die  vitale  Färbung  durch  mehr- 
ache  Farbstoffinjektionen  in  die  Höhe  getrieben  worden  ist,  die 
krebrospinalfliissigkeit  ähnlich  dem  Fruchtwasser  ungefärbt  bleibt, 
rotzdem  alle  sonstigen  Körperflüssigkeiten,  wie  Harn,  Galle,  Milch, 
a  selbst  das  Kammerwasser  gefärbt  sind.  Desgleichen  hat  er  Fär- 
tungen  am  Zentralnervensystem,  wie  am  Fötus  vermisst,  wenngleich 
die  sonstigen  Organe  des  betreffenden  Tieres  in  stärkerem  oder 
geringerem  Grade  fingiert  waren.  Nur  in  einer  einzigen  Stelle  des 
'„entralnervensystems  wird  der  Farbstoff  nach  subkutaner  oder  intra¬ 
venöser  Injektion  gespeichert,  und  zwar  in  der  Epithelzelle  des 
3lexus  chorioidei.  Dabei  kommt  es  zu  einer  vitalen  Färbung  der 
irr  die  Plexuszelle  so  charakteristischen  Protoplasmagranula.  Einen 
Jebertritt  gefärbter  Granula  in  die  Zerebrospinalflüssigkeit  hat  G. 
ne  beobachtet.  Von  dieser  Tatsache  ausgehend,  hat  er  es  unter- 
lommen,  zwei  Fragen  genauer  zu  prüfen: 

1.  Ob  dem  Plexusepithel  eine  sekretorische  Fähigkeit  zukommt 

2.  Ob  die  Plexus  chorioidei,  wie  die  Plazenta  den  Fötus,  als  eine 
uiysiologische  Ganzmembran  das  Zentralnervensystem  vor  einem 
Jebertritt  des  Farbstoffes  schützen. 

Bezüglich  des  ersten  Punktes  haben  ihm  Untersuchungen  am 
otalen  Nervensystem  eindeutige  Resultate  für  das  Sekretionsver- 
nögen  der  Plexuszellen  gegeben.  Wiederum  ist  die  Plexuszclle  die 
inzige  des  Zentralnervensystems,  die  Glykogen  im  fötalen  Leben 
ntrazellulär  beherbergt.  Sie  sezerniert  das  Glykogen  in  Form 
'on  Kugeln  und  Tropfen  in  die  Ventrikelflüssigkeit.  Von  hier  aus 
vird  das  Glykogen  in  die  intraarachnoidealen  Räume  bezw.  in  das 
Zentralnervensystem  geschwemmt,  wo  es  an  Stellen  lebhafter  Zellen- 
ätigkeit  in  grösseren  Depots  abgelagert  wird. 

Zur  Prüfung  der  Frage  nach  der  Funktion  der  Plexus  im  Sinne 
mer  „Ganzmembran“  hat  G.  zunächst  die  pharmakodynamische  Wir¬ 
kung  seiner  Farben  geprüft,  je  nachdem  sie  von  der  Blutbahn  oder 
lern  Lumbalsack  dem  Nervensystem  zugeführt  werden.  Hierbei 
:rgab  sich  folgendes: 

Ein  Kaninchen  verträgt  eine  wiederholte  intravenöse  Injektion 
'on  50  Proz.  einer  1  proz.  Trypanlösung,  ohne  dass  irgendwelche 
lervösen  Symptome  ausgelöst  werden.  Wird  jedoch  ccm  einer 
->  proz.  Lösung  dem  Tiere  durch  Lumbalpunktion  eingeführt,  so  geht 
:s  unter  den  Erscheinungen  schwerer  Konvulsionen,  im  tiefen  Koma, 
n  2—3  Stunden  post  injectionem  zugrunde.  Die  Ursache  dieses 
dürmischen  Verlaufes  ist  durch  makroskopische  und  insbesondere 
nikroskopische  Untersuchung  des  Zentralnervensystems  leicht  fest- 
:ustellen.  Vom  Lumbalsack  aus  verbreitet  sich  die  Farbstofflösung, 
ranz  unabhängig  von  ihrer  Konzentration,  rasch  über  den  ganzen 
Bereich  des  Rückenmarkes,  der  Medulla  oblongata,  des  Hirnstammes 
ind  der  zerebralen  Nerven  bis  zur  Sklera  einerseits,  zur  Regio 
»lfactoria  andererseits.  Mikroskopisch  findet  man  z.  B.  am  Rücken- 
uark  neben  Imbibitionserscheinungen  an  den  Pialsepten  und  Glia- 
ietzen  vitale  Ganglienzellenfärbungen,  wobei  neben  diffusen  Proto- 
’lasmafärbungen  Kernfärbungen  bemerkbar  werden.  Das 
etztere  deutet  bekanntlich  auf  einen  Zelltod  hin.  Demgemäss  ver- 
mlasst  die  LumbalLnjektion  einer  Farbstofflösung,  die  in 
lundertfacher  Menge  bei  intravenöser  Applikation 
instandslos  vertragen  wird,  binnen  kurzer  Zeit  eine  diffuse  Zer¬ 
störung  von  Ganglienzellen  und  damit  den  Tod  des  Versuchstieres. 
Jie  Wege,  die  von  dem  intraarachnoidealen  Raum  zu  den  Ganglien¬ 
zellen  führen,  hat  G.  durch  Modifikation  seiner  experimentellen  Me¬ 
lodik  sicher  nachweisen  können.  Dabei  zeigten  sich  echte  vitale 
ärbungen  von  Zellen,  die  den  Retikulumzellen  der  Lymphdriisen 


gleichen,  au  den  Wänden  der  die  Gehirn-  und  Riickenmarksgefässe 
umscheidenden  perivaskulären  Räume.  Es  führten  also  gleichsam  ge¬ 
färbte  Zellstrassen  vom  Grunde  der  Pialtrichter  zu  den  die  Ganglien¬ 
zellen  umgebenden  freien  Räumen.  Auch  über  die  Strömungsver¬ 
hältnisse  und  Abflusswege  der  Zerebrospinalflüssigkeit  hat  t).  mit 
seiner  vitalen  Färbung  neue  Beiträge  geliefert.  Er  hat  mit  Sicherheit 
nachweisen  können,  dass  die  Zerebrospinalflüssigkeit  zum  Teil  in  die 
tiefen  prävertebralen  Lymphgefäße  abströmt,  in  deren  Verlauf  ge¬ 
färbte  Lymphdrüsen  sich  nachweisen  lassen. 

Zum  Verständnis  der  pathologischen  Veränderungen  der  Zerebro¬ 
spinalflüssigkeit  ist  nach  G.s  Ansicht  die  Kenntnis  des  normalen 
Aufbaues  der  Meningen  unerlässlich.  Er  hat  nun  festgestellt,  dass 
die  Meningen,  insbesondere  die  Leptomeninx,  sich,  was  ihre  Zellen¬ 
bewohner  anbetrifft,  genau  wie  das  Pertoneum  bezw.  das  Netz 
verhält.  Neben  eosinophilen  Leukozyten,  an  denen  G.  stets 
Oxydasefermente  entdeckte,  finden  sich  in  der  Leptomeninx  ver¬ 
einzelt  und  in  Zellhaufen  seine  „Pyrrholzellen“,  deren  Granuloplasma 
vitale  Farben  anzieht.  Diese  Zellen  sind  chemotaktisch  ausserordent¬ 
lich  reizbar,  äusserst  lokomotionsfähig  und  in  hohem  Masse  phago¬ 
zytär.  Bei  zahlreichen  Versuchen,  die  G.  am  Gehirn  vorgenommen 
(artifizielle  Blutungen,  Entzündungsherde.  Wunden  usw.),  hat  er 
ausser  massenhafter  Vermehrung  der  Pyrrholzellen  in  den  Meningen 
selbst  dieselben  frei  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  und  insbesondere 
an  der  Stelle  der  Gehirnläsion  angetroffen.  G.  steht  nicht  an.  seine 
„Pyrrholzellen“  für  identisch  mit  der  bekannten  „Körnchenzelle“  des 
Zentralnervensystems  zu  erklären.  Ihre  Brutstätte  sind  die  Me¬ 
ningen.  Genau  die  gleichen  Zellen  finden  sich  in  den  Spinalganglien 
und  den  peripheren  Nerven,  ein  neuer  Beweis  für  die  Kontinuität  der 
Hüllen  des  Zentral-  und  peripheren  Nervensystems. 

Goldmanns  ausführliche  Arbeit  wird  demnächst  in  den  Ab¬ 
handlungen  der  Preussischen  Akademie  der  Wissenschaften  er¬ 
scheinen. 

Herr  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau:  In  den  letzten  5 lA  Jahren  wurden 
92  Operationen  ausgeführt.  42  mal  blieb  es  bei  einer  Entlastungs¬ 
trepanation  wegen  Unzulänglichkeit  der  Diagnose  oder  Ausbreitung 
des  Prozesses.  Bei  rechtzeitiger  Operation  sind  die  Resultate  besser, 
daher  55  Proz.  Dauerresultate  bei  de,n  Privatpatienten.  Die  diagnosti¬ 
schen  Schwierigkeiten  werden  durch  folgende  Fälle  illustriert;  in 
einem  Falle  gingen  die  Tumorsymptome  spontan  zurück,  so  dass  die 
Operation  abgelehnt  wurde.  Als  die  Patientin  mit  neuen  Symptomen 
wieder  kam,  war  es  bereits  zu  spät  zur  Operation,  zwei  andere 
Patienten,  die  zur  Operation  bereits  vorgesehen  waren,  wurden  ohne 
solche  bleibend  gesund.  Es  gibt  auch  Herderscheinungen  ohne  raum¬ 
engende  Prozesse.  So  fand  er  in  einem  Falle  von  Bonhoefl'er  nur 
einen  arteriosklerotischen  Erweichungsherd.  Umgekehrt  ergab  die 
histologische  Prüfung  eines  wegen  posttraumatischer  Krämpfe  ent¬ 
fernten  Fazialiszentrums  eine  Gliomatose.  Bei  der  daraufhin  vorge¬ 
nommenen  zweiten  Operation  fand  sich  in  der  Nachbarschaft  ein  in¬ 
operables  Gliom,  das  keine  Erscheinungen  gemacht  hatte.  Unbe¬ 
deutend  sind  die  Erscheinungen  häufig,  selbst  wenn  der  Tumor  gross 
ist  und  in  der  Nähe  der  Zentralwindung  sitzt,  so  lange  er  subkorti¬ 
kal  ist.  Bei  einem  faustgrossen  Tumor  dieser  Art  war  Stauungs¬ 
papille  erst  am  Tag  vor  der  Operation  aufgetreten.  Besonders  bei 
Gliatumoren  kommt  es  zum  Prolaps  mit  Parese.  Allerdings  könnte 
man  durch  Duraplastiken  diesem  Vorbeugen,  jedoch  nicht  ohne  dem 
Zweck  der  Dekompression  untreu  zu  werden.  Die  dekompressive 
Trepanation  versagte  öfters,  wenn  sie  mangels  einer  exakteren  Lokal¬ 
diagnose  fern  von  dem  Herd  angelegt  wurde.  Da  es  bei  einmal  aus¬ 
gebildeter  Stauungspapille  nicht  statthaft  ist,  im  Interesse  einer  ge¬ 
naueren  Lokalisation  zuzuwarten,  so  wären  2  Trepanationsöffnungen, 
entsprechend  der  vorderen  oder  hinteren  Schädelgrube  anzulegen. 
Vom  Balkenstich  hat  er  wenig  gesehen,  im  Gegenteil,  gelegentlich 
einer  Sektion  die  Oeffnung  nach  7  Wochen  zugeheilt  gefunden.  Eben¬ 
so  verwirft  er  die  Lumbalpunktion.  Die  diagnostische  Hirnpunktion 
ist  wertvoll,  ihre  vermeintlichen  Gefahren  sind  illusorisch:  einmal 
zeigte  die  Sektion,  dass  der  Sinus  transversus  durchstochen  war, 
ohne  dass  etwa  eine  Blutung  eingetreten  wäre,  in  einem  anderen  Fall 
war  der  Kanal  der  Meningea  media  durchsetzt,  aber  die  Arterie 
war  ausgeglitten.  Er  operiert  zweizeitig  unter  Lokalanästhesie,  die 
Dura  vernäht  er  nicht,  ebensowenig  über  der  hinteren  Schädelgrube 
den  Knochenlappen.  In  30,5  Proz.  der  Fälle  wurde  der  Tumor  ent¬ 
fernt;  in  32  Proz.  fand  er  sich  bei  der  Autopsie.  In  15  Proz.  handelte 
es  sich  um  Hydrozephalus  u.  dergl.  Von  den  Kranken  erlagen 
30,5  Proz.  der  Operation  oder  ihren  unmittelbaren  Folgen.  Die  Zahl 
der  noch  Lebenden  ist  genau  ebenso  gross.  10  Patienten  sind  voll 
arbeitsfähig.  Davon  hatten  6  einen  Hydrozephalus  internus,  4  hatten 
Tumoren.  Im  Interesse  des  Sehvermögens  muss  bei  Stauungspapille, 
soweit  dieselbe  nicht  sicher  auf  syphilitischen  Prozessen  beruht,  stets 
die  Dekompression  ausgeführt  werden.  Nur  4  mal  kam  es  zur  Opti¬ 
kusatrophie,  dem  stehen  gegenüber  20  Fälle  von  dauernder  und  5  von 
vorübergehender  Besserung  des  Visus.  Die  Prognose  ist  bei  den 
unter  der  Diagnose  „Hirntumor“  operierten  Patienten  nicht  ganz 
schlecht,  allerdings  grossenteils  dank  den  Fällen,  bei  welchen  sich  die 
Diagnose  als  irrig  herausstellt. - 

Herr  H.  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin :  Der  zunehmenden  Häufigkeit 
des  operativen  Eingriffs  sowie  der  Hand  in  Hand  damit  gehenden 
Verfeinerung  der  Diagnostik  entspricht  durchaus  keine  Verbesserung 
der  operativen  Resultate.  Im  Gegenteil,  diese  haben  sich  seit  1896 
verschlechtert,  und  der  Prozentsatz  der  Dauerheilungen  ist  zurzeit 
nur  8  Proz.  Diese  Veränderungen  im  ungünstigen  Sinn  beruhen  nicht 
auf  Zufälligkeiten  oder  persönlichen  Gründen,  vielmehr  auf  einer  Aus- 


1006 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  lg 


dehnung  der  Indikationen  und  auf  dem  zunehmenden  Drängen  der 
Patienten.  Indessen  haben  wir  in  der  Zwischenzeit  eine  Mannigfaltig¬ 
keit  an  Krankheitsbildern  kennen  gelernt,  die  als  Tumor  imponieren 
können,  ohne  es  zu  sein:  Pseudotumoren,  die  wir  als  kongenitale  an¬ 
sprechen  müssen,  die  jahrelang  bestehen  ohne  Symptome  zu  machen 
und.  nachdem  sie  solche  bewirkt  haben,  ohne  Operation  auf  Jahr¬ 
zehnte  symptomlos  werden  können,  ein  Ergebnis,  das  durch  Opera¬ 
tion  bisher  noch  niemals  erreicht  wurde.  Im  Gegensatz  zu  Horsley 
empfiehlt  Redner  daher  eine  Einschränkung  der  operativen  In¬ 
dikationen. 

Herr  S  c  h  1  o  f  f  e  r  -  Prag :  Zur  Behandlung  der  Sehstörungen 
beim  Turmschädel  (Kanaloperation). 

Sch.  hat  in  2  Fällen  von  Sehstörung  beim  Turmschädel  nach 
Lüften  des  Stirnhirns  samt  der  Dura  das  Dach  des  knöchernen 
Canalis  opticus  entfernt.  Die  Operation  wurde  an  2  Knaben,  und 
zwar  bei  beiden  am  schlechteren  Auge  vorgenommen.  Veranlassung 
zu  diesen  Eingriffen  gab  die  von  Sch.  mehrmals  beobachtete  Erfolg¬ 
losigkeit  der  druckentlastenden  Operation  (1  mal  Balkenstich.  2  mal 
Dekompressivtrepanation),  ferner  die  in  der  Literatur  immer  wieder¬ 
kehrenden  Angaben  über  Kompression  des  Optikus  im  Canalis  opticus 
oder  hinter  diesem  als  Ursache  der  Sehstörung  bei  synostotischem 
Schädel. 

Das  Ergebnis  der  „Kanaloperation“  war  zunächst  unveränderter 
Visus  und  Spiegelbefund  (von  ophthalmologischer  Seite  [Elschnig] 
untersucht).  In  einem  der  3  Fälle  war  3  Wochen  nach  der  Operation 
an  dem  bis  dahin  amaurotischen  Auge  Lichtempfindung  vorhanden, 
nachdem  zuvor  die  Dekompressivtrepanation  an  diesem  Auge  wohl 
zu  einer  Wiederkehr  der  Pupillenreaktion  geführt,  aber  in  den  letz¬ 
ten  4  Monaten  vor  der  Kanaloperation  den  Zustand  nicht  weiter  ge¬ 
ändert  hatte. 

Sch.  zieht  aus  seinen  bisherigen  Erfahrungen  nur  den  Schluss, 
dass  man,  wenn  Balkenstich  und  Dekompressivtrepanation  erfolglos 
geblieben  wären,  einen  Versuch  mit  der  Kanaloperation  machen  dürfe, 
während  bisher  diese  Gegend  als  unangreifbar  gegolten  hatte,  offenbar 
wegen  der  befürchteten  Verletzung  des  Nervus  opticus. 

Ueber  die  Aussichten  der  Kanaloperation,  über  ihre  Indikationen, 
den  Zeitpunkt  des  Eingriffs  müssen  erst  weitere  Erfahrungen  ent¬ 
scheiden.  Es  wird  in  dieser  Hinsicht  sehr  darauf  ankommen,  ob  die 
neueren  Theorien  in  bezug  auf  Einklemmung  des  Nerven  im  Foramen 
opticum  (Behr)  zu  Recht  bestehen.  Nach  S  c  h.s  Untersuchungen 
an  skelettierten  Schädeln  ist  dies  wahrscheinlich. 

Herr  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  -  Zürich :  Ueber  das  Zustandekommen  der 
Epilepsie. 

In  einer  ersten  Versuchsreihe  untersuchte  er  die  Bedingungen, 
unter  denen  es  zur  traumatischen  Rindenepilepsie  kommt.  Bei  Affen 
wurde  auf  verschiedene  Weise  die  motorische  Rindenregion  geschä¬ 
digt.  Längere  Zeit  nach  diesem  Eingriff  verabreichte  man  ihnen 
Kokain  und  konnte  nun  feststellen,  dass  die  Schädigung  der  Hirn¬ 
zentren  eine  gesteigerte  Erregbarkeit  derselben  hervorgerufen  hatte. 
Kleine  Dosen  Kokain,  die  bei  einem  Kontrolltier  keinen  Anfall  aus- 
lösen,  rufen  hier  eine  Attacke  hervor.  Werden  diese  Kokainkrämpfe 
in  Intervallen  längere  Zeit  wiederholt,  so  können  schliesslich  bei  den 
Tieren  auch  spontane  Krämpfe  entstehen.  Bei  solchen  Tieren  ge¬ 
nügen  schon  sehr  kleine  Anlässe,  um  einen  Anfall  auszulösen. 

In  einer  zweiten  Versuchsreihe  konnte  gezeigt  werden,  dass  ana¬ 
tomische  Schädigungen  der  Rinde  keineswegs  notwendig  sind,  um 
eine  gesteigerte  Erregbarkeit  mit  Neigung  zu  Anfällen  hervorzurufen. 
Wenn  bei  einem  Affen  eine  Vorder-  oder  Hinterpfote  2  Stunden  durch 
passive  Beuge-  und  Streckbewegungen  ermüdet  wird,  so  wird  da¬ 
durch  eine  gesteigerte  Erregbarkeit  des  korrespondierenden  moto¬ 
rischen  Zentrums  hervorgerufen.  Es  genügen  kleinere  Kokaindosen 
als  in  der  Norm,  um  Krämpfe  hervorzurufen,  und  bei  längerer  Fort¬ 
dauer  der  Kokainverabreichung  kann  es  gelingen,  die  Tiere  epileptisch 
zu_  machen. 

Das  Hauptergebnis  dieser  Versuche  ist  der  Nachweis,  dass  2  Fak¬ 
toren  zur  Auslösung  der  epileptiformen  Anfälle  und  der  später  sich 
daraus  entwickelnden  Krankheit  notwendig  sind.  Im  Anschluss  daran 
bespricht  S.  die  Therapie  und  weist  darauf  hin,  das  nur  bei  groben 
anatomischen  Veränderungen  in  der  motorischen  Rindenregion  die 
chirurgische  Behandlung  gute  Resultate  gezeitigt.  In  den  anderen 
Fällen,  besonders  bei  der  sog.  genuinen  Epilepsie,  kommt  es  mehr 
darauf  an,  die  Erregbarkeit  der  Hirnrinde  herabzusetzen.  Hier 
scheint  die  von  Trendelenburg  in  die  experimentelle  Physiologie 
eingeführte  reizlose  Ausschaltung  durch  Kälteeinwirkung  ein  Verfahren 
zu  sein,  das  in  Zukunft  auch  bei  der  Behandlung  der  menschlichen 
Epilepsie  in  Anwendung  kommen  kann. 

Herr  J.  J.  M  u  s  k  e  n  s  -  Amsterdam :  Traumatische  Epilepsie  mit 
Schädelläsio». 

Vortr.  legt  Nachdruck  auf  die  Seltenheit  dieser  Form  von  Epi¬ 
lepsie.  Unter  1200  Nichtepileptikern,  innerhalb  10  Jahren  untersucht, 
fanden  sich  nur  4.  2  Fälle  wurden  vor  3  Jahren  operiert  und  blieben 
seither  rezidivfrei.  Die  eine  Kranke  hatte  in  früher  Jugend  sich  eine 
Schädelfraktur  in  der  Parietalgegend  zugezogen;  im  Jahre  1902  traten 
unilaterale  Anfälle  auf.  Sie  wurde  anderweitig  operiert  (Wagner¬ 
lappen),  worauf  die  vorhandengewesene  Lähmung  zurückging,  die 
Anfälle  blieben  aber  und  verallgemeinerten  sich.  Im  Anfang  1910 
fanden  sich  in  der  Mitte  des  Wagnerlappens  2  kleine  Sequester  in 
einem  lazerierten  Defekte  der  Dura,  nach  deren  Fortnahme  die  An¬ 
fälle  bestehen  blieben.  Sie  verschwanden  erst  nach  Freilegung  der 
Kortex  und  nach  Aufsuchen  und  Ausscheiden  des  Zentrums,  von  wo 


aus  (nach  Winkle  r)  genau  der  früher  beobachtete  Anfall  hervor 
gerufen  wurde.  Im  vierten  Falle  hatten  sich  12  Jahre  nach  einen 
Bruch  im  Frontalknochen  schwere  Kopfschmerzen  und  noch  spiitei 
epileptische  Anfälle  Jackson  sehen  Charakters  entwickelt.  E: 
fand  sich  bei  der  Operation  unter  der  Dura  ein  Venengeflecht,  nacl 
dessen  Wegnahme  Heilung  (bis  jetzt,  nach  3  Jahren)  eintrat. 

Der  ursprüngliche  Rat  H  o  r  s  1  e  y  s,  dass  man  erst  die  erkranku 
Schädelstelle  entfernt  und  später,  wenn  diese  Massnahme  sich  als  un 
genügend  erweist,  die  Dura  breit,  wegen  der  so  oft  festgestellten  Dis 
kordanz  zwischen  Läsionsstelle  und  dem  entladenden  Zentrum,  er 
öffnet,  ist  immer  noch  wohl  der  beste.  Das  Aufsuchen  geschieht  au 
elektrischem  Weg,  und  zwar  nur  auf  diesem,  und  zwar  muss  dessei 
Reizung  stereotyp  die  beobachteten  Anfälle  hervorrufen,  worauf  rnai 
das  Zentrum  exzidiert.  Die  Indikation  und  Prognosis  ist  in  hohen 
Grade  von  den  Verhältnissen  abhängig;  nur  als  massgebend  könnei 
die  Fälle  betrachtet  werden,  in  welchen  sowohl  die  Beobachtung 
(spezielles  Spital  für  nicht  demente  Epileptische)  als  die  Nachbehand 
lung  sowie  auch  der  chirurgische  Eingriff  unter  den  der  Zeit  nacl 
verfeinerten  Umständen  stattfindet. 

Herr  Ritter-  Posen:  Ueber  Verminderung  des  Blutgehaltes  be 
Schädeloperationen. 

Das  in  3  Fällen  angewendete  Verfahren  besteht  in  der  tempn 
rären  Abklemmung  der  Karotiden.  Arterielle  Blutungen  kommen 
nicht  zustande,  venöse  versiegen  nach  kurzer  Zeit;  die  Patienten  sine 
bewusstlos  und  bedürfen  keiner  Narkose. 

Herr  Hildebrand  -  Berlin  fand  bei  50  mit  der  Diagnosq 
Kleinhirntumor  ausgeführten  Operationen  die  operativen  Chancei 
besser  als  bei  seinen  80  Grosshirntumoren.  Bei  der  geringeren  funk¬ 
tionellen  Wichtigkeit  des  Kleinhirns  kann  man  dort  nach  allgemein 
chirurgischen  Prinzipien  im  Gesunden  operieren,  am  Grosshirn  geben 
eigentlich  bloss  die  von  den  Hirnhäuten  aus  hereingewachsenen  Ge¬ 
schwülste  (Endotheliome)  eine  leidliche  Prognose.  Am  günstigsten 
ist  die  Operationsprognose  bei  den  Rückenmarkstumoren,  welche 
meistens  ebenfalls  von  den  Häuten  ausgehen  und  nur  geringe  Ten¬ 
denz  haben,  in  die  Medulla  hineinzuwuchern.  Er  stellt  5  dauernd 
(d.  h.  mehr  als  3  Jahre)  geheilte  Patientin  vor,  die  sämtlich  schwere 
Ausfallserscheinungen  gehabt  hatten. 

Herr  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau :  Demonstration  eines  Falles  von  an¬ 
geborenem  Turmschädel. 

Herr  F.  Krause-  Berlin :  Die  Operationsprognose  bei  der 
Grosshirntumoren  hat  sich  bei  der  erheblichen  Zunahme  der  Opera¬ 
tionen  etwas  verschlechtert,  doch  bleibt  die  Operation  indiziert,  sobald 
Verdacht  auf  Tumor  besteht.  Von  den  Tumoren  der  hinteren  Schädel¬ 
grube  geben  solche  der  Kleinhirnsubstanz  —  und  selbst  solche  des 
Daches  des  4.  Ventrikels  —  eine  leidliche  Prognose.  Recht  schlechl 
waren  seine  Dauerresultate  bei  Akustikustumoren:  unter  40  Fällen  nui 
vier  gute  Erfolge.  Stets  waren  die  Tumoren  gross,  hatten  Pons  und 
Oblongata  komprimiert,  so  dass  nach  ihrer  Entfernung  häufig  das; 
Atemzentrum  gelähmt  wurde.  Es  wäre  nötig,  diese  Fälle  in  einen; 
früheren  Stadium  zur  Operation  zu  bekommen,  zumal  die  Diagnose  in 
allgemeinen  leicht  ist.  Hypophysistumoren  hat  K.  nach  allen  beschrie¬ 
benen  Methoden  operiert,  auch  einmal  nach  derjenigen  von  Hirsch 

Diese  erfordert  eine  spezialistisch  rhinologische  Vorbildung,  liegt 
dem  Chirurgen  wenig,  hat  indessen  vor  derjenigen  Schloffers 
den  Vorzug,  dass  sie  keine  entstellenden  Narben  hinterlässt  und  nicht 
zu  Ozaena  führt.  Nach  S  c  h  1  o  f  f  e  r  hat  er  7  mal  operiert,  konnte 
jedoch  nur  ein  einziges  Mal  den  ganzen  Tumor  exstirpieren.  Er 
kommt  daher  auf  seine  Operation  von  der  Stirn  aus  zurück.  Eine  aui 
diese  Weise  vor  4)4  Jahren  wegen  eines  über  pflaumengrossen 
Tumors  operierte  Patientin  hat  alle  akromegalischen  Symptome  verj 
loren,  und  die  Menses  sind  wiedergekehrt.  Diese  radikale  Method: 
muss  jedesmal  angewendet  werden  bei  Verdacht  eines  Uebergreifein 
des  Hypophysistumors  auf  das  Stimhirn,  überhaupt  auf  die  benach¬ 
barten  Hirnteile. 

Auf  Grund  mehrerer  Dauerheilungen  hält  er  daran  fest,  dass  die 
Meningitis  serosa  des  Rückenmarkes  eine  eigene  Krankheit  ist 
mehrere  Fälle  sind  seit  5  Jahren  geheilt.  Auch  für  die  gleiche 
viel  seltenere  Krankheit  des  Gehirns  verfügt  er  über  zwei  Dauer¬ 
heilungen.  Die  Inzision  in  der  hinteren  Kommissur  des  Rückenmarks 
— -  genau  in  der  Mittellinie  —  wird  ohne  bleibenden  Schaden  ver¬ 
tragen.  K.  hat  sie  bei  Rückenmarksoperationen  mehrmals  ausgefiihrt 
um  einen  intramedullären  Erkrankungsherd  aufzusuchen. 

Herr  Borchardt  -  Berlin :  Sinus  pericranii. 

Zu  den  Erkrankungen  des  Gehirns,  welche  Erscheinungen  vor 
Hirntumor  hervorrufen,  kann  ausnahmsweise  der  Sinus  pericranii  ge¬ 
hören.  Sieht  man  von  den  traumatischen  Formen  ab,  so  handelt  es 
sich  meist  um  zirkumskripte  Varizen  und  Angiome.  die  mit  einen- 
Sinus  in  Verbindung  stehen  und  nur  lokale  Erscheinungen  machen 
Gelegentlich  aber  treten  die  schwersten  Hirnerscheinungen  auf,  be¬ 
dingt  durch  eine  mehr  oder  weniger  diffuse  Beteiligung  der  Schädel- 
bezw.  Hirngefässe.  J 

B.  fand  bei  einer  26  jährigen  Frau  neben  einem  pulsierender 
Kavernom  am  Hinterhaupt,  an  der  Grenze  von  Sagittal-  und  Panetal- 
naht  doppelseitige  Stauungspapille,  die  er  auf  gleichzeitige  Kavernom- 
bildung  an  einer  anderen  Stelle  des  Gehirns  bezog.  Das  Röntgeno¬ 
gramm  des  Schädels  zeigte  erweiterte  Knochenkanäle,  die  auch  ab 
kongenital  aufgefasst  wurde.  Die  vorgeschlagene  Operation  wurde 
abgelehnt.  Nach  einigen  Wochen  schneller  Verfall  der  Kranken  unter 
heftigsten  Kopfschmerzen,  Halbseiten-  und  Schlucklähmung  unc 
Exitus  letalis. 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1007 


Die  Sektion  zeigte  das  Kavernom  am  Sinus  sagittalis  mit  dem 
■  ernom  der  Kopfschwarte  in  Verbindung,  Erweichung  fast  sämt- 
,  er  Venae  meningeae.  Erweichung  und  Vertiefung  der  den  Ge¬ 
ien  entsprechenden  Knochenkanäle,  an  mehreren  Stellen  Per- 
,  itionen  der  Schädelknochen,  also  eine  mehr  oder  weniger  diffuse 
eiligung  des  ganzen  Venensystems,  die  stellenweise  zu  einfacher 
.eichung,  stellenweise  zur  Erweichung,  Schlängelung,  Varizen- 
Kavernombildung  geführt  hatte,  eine  Erkrankung,  die  man  als 
:bectasia  progressiva  cranii  et  cerebri  zu  nennen  berechtigt  ist, 
lal  die  Arterien  alle  normal  waren. 

Die  Therapie  müsste  in  solchen  Fällen  in  der  Exstirpation 
eventuell  vorhandenen  Gefässgeschwulst  und  dekomprcssiver 

panation  bestehen. 

Bezüglich  der  Operation  der  Akustikustumoren  empfiehlt  B.  wie 
liselsberg  möglichst  schonendes  Vorgehen  und  den  weiteren 
bau  der  von  ihm  zuerst  vorgeschlagenen  Methode  durch  die 
,enbeinpyramide  hindurch.  Zur  Bekämpfung  der  häufig  deletären 
instörungen  empfiehlt  er  ausgiebige  Anwendung  der  künstlichen 
mng,  eventuell  der  Tracheotomie.  Er  warnt  vor  Einführung 
Melzer  sehen  Intubation  in  Fällen,  wo  die  Trachea  schon  voll 
leim  ist. 

Die  Tubage  wäre  als  Prophylaktikum  statt  der  gewöhnlichen 
kose  zu  empfehlen,  um  das  Auftreten  der  Atemstörungen  zu  ver¬ 
lern.  Er  selbst  operierte  allerdings  meist  in  Lokalanästhesie. 

Herr  Kümmell  -  Hamburg :  Das  spätere  Schicksal  der  Nephrek- 

ierten. 

Mitteilung  der  Späterfolge  seines  eigenen  unter  einheitlichem  Ge- 
tspunkten  behandelten  Krankenmaterials.  Im  ganzen  wurden 
Nierenoperationen  ausgeführt;  davon  70  Nephropexien,  51  De¬ 
flationen,  7  Resektionen.  238  Nephrotomien  und  etwa  30  andere 

rationen. 

Die  Tuberkulose  der  Nieren  bildet  gerade  in  Bezug  auf  das 
gültige  Schicksal  der  Operierten  ein  sehr  interessantes  Gebiet. 
150  wegen  Nierentuberkulose  Operierten  lagen  fünf  doppelseitige 
'ankungen  vor,  infolgedessen  nur  die  Nephrotomie  ausgeführt  wer- 

konnte. 

Von  den  145  Nephrektomierten  starben  30  innerhalb  der  ersten 
onate  nach  der  Operation.  Von  den  überlebenden  115  starb  ein 
nach  einem  Jahr,  einer  nach  VA  Jahren,  vier  nach  2  Jahren, 
r  nach  3  und  sieben  nach  4 — 5  Jahren,  meist  an  Tuberkulose 
anderen  Niere  oder  allgemeiner  Tuberkulose.  Eine  Dauerheilung 
2—25  Jahren  weisen  75—80  Proz.  der  Operierten  auf.  Die 
en  einer  Geschwulst  Nephrektomierten  geben  bezüglich  der  Dauer- 
ing  keine  so  günstigen  Resultate.  Die  Prognose  ist  eine  giin- 
;re,  wenn  die  Kapsel  noch  nicht  durchbrochen  ist.  Wegen  bös- 
rer  Geschwülste  wurden  58  Patienten  operiert,  es  starben  im 
e  der  ersten  6  Monate  19,  von  den  39  Testierenden  wurden  vier 
t  eruiert.  2  und  3  Jahre  nach  der  Operation  waren  noch  zehn 
'  Rezidiv;  zwölf  Patienten  zwischen  4  und  15  Jahren.  Sechs  Pa- 
en  waren  noch  in  Behandlung.  Es  geht  demnach  ein  grosser 
der  Operierten  bei  fortgeschrittenem  Tumor  innerhalb  des  ersten 
es  an  Rezidiv  zugrunde,  nach  vierjähriger  Rezidivfreiheit  kann 
von  einer  Dauerheilung  sprechen. 

Das  spätere  Schicksal  der  wegen  Hydronephrose  (35  Fälle)  und 
wegen  Pyonephrose  (118  Fälle)  Operierten  ist  ein  gutes,  voraus- 
tzt,  dass  die  andere  Niere  gesund  ist.  Dagegen  gehen  die  wegen 
iritis  Nephrektomierten  einer  ungünstigen  Zukunft  entgegen, 
t  absolut  infaust  ist  die  Prognose  bei  den  Fällen,  bei  denen  zur 
^der  einen  Niere  auch  die  andere  erkrankt  ist.  Es  bessern  sich 
Erscheinungen  bei  der  leicht  erkrankten  Niere  zuweilen,  nachdem 
schwer  infizierte  Schwesterorgan  entfernt  ist.  Individuen  mit 
ir  Niere  sind  gegen  bestimmte  Gifte  empfindlicher,  deshalb  ist 
Operationen  solcher  Patienten  Aether  zu  verwenden.  Vortr.  hat 
die  Schwangerschaft  bei  Einnierigen  studiert  und  17  Graviditäten 
mmenstellen  können.  Mit  Ausnahme  eines  Falles,  bei  dem  eine 
iritis  auftrat,  verlief  die  Entbindung  ebenso  normal  und  ungestört 
bei  normalen  Frauen.  Kongenitale  Defekte  einer  Niere  sowie 
isennieren  hat  Vortr.  sechs  bezw.  vier  beobachtet.  Wird,  wie 
r.  beobachtete,  bei  einem  solchen  Menschen  die  einzige  Niere 
h  ein  Trauma  schwer  zertrümmert,  oder  durch  Stein  u.  dgl. 
riert,  so  ist  die  Prognose  sehr  ungünstig. 

Wenn  auch  Patienten  mit  einer  Niere  als  militäruntauglich  gelten, 
it  Vortr.  eine  Erfahrung  von  der  grossen  Leistungsfähigkeit  eines 
iers,  dem  eine  Niere  entfernt  war,  beobachten  können.  Er  ist 
dafür,  Frauen  mit  einer  Niere  die  Heiratserlaubnis  zu  geben  oder 
iduen  die  Aufnahme  in  eine  Lebensversicherung  nicht  zu  ver- 
ern,  wenn  vier  Jahre  seit  der  Operation  vergangen  sind. 

Herr  Baetzner  -  Berlin  teilt  die  Erfahrungen  aus  der  Bier- 
n  Klinik  mit.  Von  100  Nephrektomierten  leben  zurzeit  60.  Die 
nstigsten  Verhältnisse  zeigen  die  Tumoren;  alle  18  beobachteten 
sind  an  lokalem  Rezidiv  oder  an  Metastasen  gestorben.  Sehr 
tige  Resultate  ergeben  dagegen  alle  übrigen  Fälle.  Nicht  nur  die 
in  Hydronephrose  und  Pyonephrose,  sondern  auch  die  wegen 
rkulose  Nephrektomierten.  Von  27  wegen  Tuberkulose  Nephrek- 
erten  leben  20,  davon  sind  14  vollkommen  gesund  und  arbeits- 
•  Sechs  haben  Blasenbeschwerden.  Auch  hier  handelte  es  sich 
ausschliesslich  um  schwerste  Formen.  Diese  Erhebungen  er- 
n,  dass  die  durch  Verbesserung  der  funktionellen  Untersuchungs¬ 
oden  gemachten  Fortschritte  sehr  wesentlich  sind. 

Herr  Voelcker  -  Heidelberg  tritt  ebenfalls  energisch  für  die 


operative  Behandlung  der  Nierentuberkulose  ein.  Denn  wenn  auch  die 
nerde  oft  nur  klein  seien,  so  sei  eine  Heilung  eines  zirkumskripten 
Knotens  kaum  möglich  und  führe  allmählich  im  Laufe  von  Jahren  zur 
käsigen  Einschmelzung  der  gesamten  Niere.  Nur  ausnahmsweise 
sollte  man  unter  dem  Drucke  äusserer  Verhältnisse  konservativ  ver¬ 
fahren,  dann  aber  stets  nur  unter  genauer  Berücksichtigung  der 
Funktion  der  erkrankten  Niere. 

i-  u  *  *  e  t  z  e  -  Breslau  betont,  dass  nach  Nephrektomie  weib- 

cf'rJ^ers0I!en,I!?^1^s*  die  Gravidität  zu  vermeiden  sei,  da  er  die 
bchadigung  der  Niere  durch  Ureterkonipression  auf  Grund  von  experi- 
mentellen  Untersuchungen  befürchtet. 

Herr  Z  o  n  d  e  k  -  Berlin  betrachtet  das  Herz  und  das  gesamte  Ge- 
tasssystem  nicht  allein  in  genetischer,  sondern  auch  in  funktioneller 
Hinsicht  als  homologe  Gebilde  und  findet  darum  die  sehr  nahen  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Herz  und  Niere  in  gewisser  Hinsicht  in  dem 
sehr  grossen  Gefässreichtum  der  Niere  begründet.  Aber  auch  bei 
bestehendem  Herzfehler  kann,  wie  der  Vortr.  beobachtet  hat,  nach 
Nephrektomie  das  Leben  viele  Jahre  erhalten  bleiben.  Ferner  zeigt 
Z.  an  einem  Fall  von  Nephrektomie  und  schwerer  Erkrankung  der 
Testierenden  Niere,  mit  wie  wenig  Nierenparenchym  der  Organismus 
auskommen  kann. 

.  „.Herr  Graser-Erlangen:  Klinische  Beobachtungen  über  Nerven¬ 
einflusse  auf  die  Nierensekretion. 

Vortr.  betont,  dass  trotz  aller  Fortschritte  der  Nierendiagnostik 
em  Bedürfnis  bleibt,  auch  einfachere  Hilfsmittel  für  Diagnose  aus¬ 
zubauen.  Bei  d^n  bekannten  Schwierigkeiten  der  Feststellung,  ob 
eine  Reihe  von  unklaren  Beschwerden  im  Abdomen  überhaupt  auf  die 
Niere  oder  ein  anderes  Organ  zu  beziehen  sind,  hat  sich  ihm  ein  ein¬ 
faches  Hilfsmittel  als  wertvoll  erwiesen.  Bei  einer  grossen  Reihe, 
besonders  einseitiger,  Nierenerkrankungen  (schwerere  Fälle  von 
Wandernieren,  Steinerkrankungen,  Tumoren,  Tuberkulose)  hat  er  ge¬ 
funden,  dass  die  einzelnen  Urinportionen,  wie  sie  von  den  Patienten 
gelassen  wurden,  sehr  auffallend  regellose  Schwankungen  im  spe- 
zifischen  Gewicht  aufwiesen,  die  sich  nicht  nur  durch  vermehrte 
Flüssigkaitszufuhr  und  entsprechende  Verdünnungen  erklären  lassen. 

,  .Hs  Kontrollversuchen  hat  sich  ergeben,  dass  unter  normalen  Ver¬ 
hältnissen  in  der  Regel  die  Schwankungen  nicht  mehr  als  etwa  10  Ein¬ 
heiten  betrugen,  und  dass  Differenzen  von  15  Einheiten  von  der  einen 
Portion  zur  anderen  doch  immer  stutzig  machen  müssen,  ob  hier  nicht 
besondere  Einwirkungen  einer  kranken  Niere  auf  die  Sekretion  statt¬ 
finden.  Bei  einem  Fall  von  einseitiger  Nierentuberkulose  mit  Ver¬ 
schluss  des  Ureters  konnte  Graser  nachweisen.  dass  die  vorher 
sehr  starke  Verschiedenheit  in  der  Konzentration  nachher  nach  der 
Entfernung  der  kranken  Niere  einer  auffallenden  Gleichmässigkeit 
Platz  machte.  Er  hält  daher  auch  die  nächstliegende  Erklärung,  dass 
der  dünne  Urin  durch  starke  Beteiligung  der  kranken  Niere  entsteht, 
für  falsch  und  glaubt  vielmehr  die  merkwürdigen  Schwankungen  auf 
fördernde  oder  hemmende  Nerveneinflüsse,  die  von  der  kranken  Niere 
auch  auf  die  gesunde  einwirken,  zurückführen  zu  müssen.  Er  be¬ 
spricht  die  anatomischen  und  physiologischen  Verhältnisse,  soweit  sie 
bekannt  sind,  und  betont  namentlich  die  Häufigkeit  der  Reflexe  im 
Experiment  und  in  klinischen  Beobachtungen.  Man  muss  sich  aber 
heute  noch  mit  Allgemeinausdrücken  wie  „Nerveneinflüssen“,  „Schä¬ 
digung“,  „Ueberempfindlichkeit“  begnügen,  da  uns  diese  Gebiete  noch 
nahezu  unzugänglich  sind.  Zum  Schlüsse  verweist  Graser  auf  den 
Beginn  einer  exakten  Aufklärung,  wie  dies  die  Studien  eines  seiner 
Schüler  eingeleitet  haben. 

Herr  L  o  b  e  n  h  o  f  f  e  r  -  Erlangen ;  Physiologisches  über  Nieren¬ 
innervation. 

L.  hebt  hervor,  wie  wenig  geklärt  bisher  noch  unsere  Kenntnisse 
von  der  Abhängigkeit  der  Niere  vom  Zentralnervensystem  sei.  Die 
bisher  gültige  Lehrmeinung  war,  dass  die  Arbeit  der  Niere  allein 
geleistet  werde  von  nervösen  Reizen,  die  ihr  von  Zentren  im  Hirn 
oder  Rückenmark  aus  zugeleitet  würden  durch  die  vielen  Nerven¬ 
fasern,  welche  mit  den  Gefässen  in  den  Nierenhilus  eintreten.  Das 
fast  stets  beobachtete  Aufhören  jeder  Nierensekretion  nach  Durch¬ 
trennen  dieser  Nerven  einerseits  und  der  Erfolg  von  Reizungsver¬ 
suchen  an  bestimmten  Stellen  des  Zentralnervensystems  und  den 
peripheren  Stümpfen  der  Nierennerven  andererseits  hatten  diese  An¬ 
schauung  erweckt  und  gestützt.  In  manchen  Experimenten  schien 
ihm  ein  Widerspruch  gegen  diese  Lehre  zu  liegen;  er  verfolgte  des¬ 
halb  diese  Frage,  die  ihm  vom  physiologischen  wie  vom  klinischen 
Standpunkte  aus  gleich  wichtig  erschien,  experimentell  genau. 

Die  Transplantation  mittels  Gefässnaht  diente  ihm  dabei  als  beste 
physiologische  Arbeitsmethode;  die  Nieren  wurden  auf  den 
Milzstiel  verpflanzt.  Solche  Organe  sind  dann  vollkommen  aus  jedem 
Nervenzufluss  für  die  Dauer  ausgeschieden  und  andererseits  unter 
Lebens-  und  Ernährungsbedingungen,  die  den  normalen  entsprechen. 
Die  andere  Niere  wurde  entfernt. 

Schon  die  bekannte  Tatsache,  dass  Tiere  mit  solchen  Nieren 
lange  am  Leben  bleiben  können  —  er  konnte  Hunde  ; k  Jahre  und 
1  Jahr  beobachten  — -  entscheidet  eigentlich  die  Frage. 

Mit  Hilfe  histologischer  und  physiologischer  Untersuchungs¬ 
methoden  suchte  L.  nach  eventuellen  Veränderungen  der  einzelnen 
Vorgänge  der  Nierenarbeit.  Das  Mikroskop  zeigte,  dass  die  Granu¬ 
lierung  des  Protoplasmas,  in  der  ein  Ausdruck  der  sekretorischen 
Tätigkeit  der  Nierenzellen  gesehen  werden  muss,  vollkommen  den  an 
normalen  Nieren  gewonnenen  Bildern  entsprach.  Hier  war  also  keine 
Veränderung  durch  den  Ausfall  der  Verbindung  mit  dem  Zentral¬ 
nervensystem  zu  finden;  die  sehr  empfindlichen  Bestandteile  des 


I  DOS 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


Protoplasmas,  die  Granula,  präsentierten  sich  in  ungestörter  Form. 
Mit  Diurese-  und  Ausscheidungsversuchen  bestrebte  er  sich  dann,  die 
Tätigkeit  tubulären  und  vaskulären  Anteiles  der  Nierensubstanz  zu 
verfolgen:  die  Wasser-  und  Kochsalzelimination  einerseits  und  die 
Ausscheidung  körperfremder  Substanzen  des  Indigkarmins,  Milch¬ 
zuckers  und  Phlorizins  andererseits  wurden  dazu  benutzt  und  ergaben 
ganz  den  normalen  gleichende  Ausschläge  (Kurven).  Auch  Ueber- 
lastungen  konnten  die  transplantierten  Organe  gut  überwältigen. 

Damit  war  bewiesen,  dass  die  Niere  allein  für  sich,  ohne  irgend¬ 
einen  Nervenzufluss  von  aussen  her  ihrer  physiologischen  Aufgabe 
vorstehen  kann,  dass  sie  ein  viel  selbständigeres  Organ  ist,  als  man 
bisher  glaubte.  Namentlich  die  Diurese  kann  nur  durch  aktive  Tätig¬ 
keit  der  kontraktilen  Elemente  der  Gefässe  sich  in  der  normalen 
Form  abspielen,  dazu  gehören  aber  unbedingt  Nervenreize,  diese 
müssen  in  der  Niere  selbst  entstehen  und  können  es  nur  in  dem 
den  Anatomen  längst  bekannten,  aber  von  den  Physiologen  bisher  fast 
nicht  beachteten  Plexus  renalis.  Die  in  den  liilus  eintretenden 
Stämme  können  nur  Bahnen  führen  mit  regulatorischen  und  zentripetal 
leitenden  Einflüssen,  keine  Bahnen  mit  sekretorischen  Fasern.  Weitere 
Versuche  werden  es  hoffentlich  noch  möglich  machen,  diese  Einflüsse 
schärfer  abzugrenzen,  denn  Ausfallserscheinungen  müssen  sich  doch 
irgendwo  finden  lassen.  Soviel  ist  jetzt  aber  gesichert,  dass  die 
Niere  ein  weitgehendes  selbständiges  Nervenzentrum  in  sich  selbst 
trägt,  von  dem  der  grösste  Teil  der  zur  normalen  Funktion  ihrer 
beiden  Hauptbestandteile,  des  tubulären  und  vaskulären,  notwendigen 
Nerveniinpulses  ausgeht. 

Diese  Kenntnis  ist  sicher  wichtig  für  die  Erklärung  mancher 
pathologischer  Zustände  und  klinischen  Erscheinungen  bei  Nieren¬ 
kranken  und  mehr  als  bisher  dabei  in  Rechnung  zu  ziehen. 

Herr  Riedel -Jena:  Ueber  angeborene  Harnröhrenstrikturen. 

19  Fälle  angeborener  Harnröhrenstriktur  hat  Riedel  beob¬ 
achtet;  sie  bestanden  teils  seit  früher  Jugend,  teils  machten  sie  erst 
später  Erscheinungen.  Unbehandelt  ergeben  diese  Fälle  eine  un¬ 
günstige  Prognose.  Und  sie  bleiben  unbehandelt,  weil  sie  vielfach 
nicht  erkannt  werden,  weil  sich  die  Patienten  an  ihren  Zustand  ge¬ 
wöhnen.  Es  tritt  danach  sehr  häufig  Phlegmone  und  Eiterung  ein, 
10  Proz.  der  Fälle  ging  an  Pyelitis,  Stein  und  ein  Fall  an  Karzinom 
zugrunde  Die  Behandlung  besteht  im  Anfangsstadium  in  Dehnung, 
bei  den  fortgeschritteneren  ist  Exzision  und  gegebenenfalls  die  Trans¬ 
plantation  der  Appendix  erforderlich. 

Herr  Eugen  J  o  s  e  p  h  - Berlin:  Primäre  Heilung  ausgedehnter 
Urethralresektionen. 

Es  lässt  sich  mit  Hilfe  der  Marion  sehen  Modifikation  der 
B  e  c  k  -  H  a  c  k  e  r  sehen  Methode  die  Urethra  in  grosser  Ausdehnung 
resezieren  und  zu  einer  Harnröhre  von  normaler  Weite  wieder  ver¬ 
einigen,  welche  nach  der  Operation  einer  Nachbehandlung  nicht 
mehr  bedarf.  Nach  Exzision  des  narbigen  Teiles  der  Urethra  wird 
die  Harnröhre  nach  vorn  und  hinten  ausgiebig  mobilisiert  durch 
Präparation  aus  den  Corpora  cavernosa  penis.  Selbst  Defekte  von 
7 — 8  cm  lassen  sich  dadurch  überbrücken  und  ohne  Spannung  durch 
exakte  Naht  decken.  Wichtig  ist,  dass  man  nach  Rekonstruktion 
der  Harnröhre  dem  Rate  Marions  folgend  den  gesamten  Urin  durch 
eine  suprapubische  Drainage  für  etwa  12  Tage  ableitet.  Dadurch 
wird  der  sonst  in  der  Nachbehandlung  übliche  Dauerkatheter  über¬ 
flüssig  und  die  primäre  Heilung  der  Urethranaht  garantiert,  während 
unter  dem  Einfluss  des  reizenden  Dauerkatheters  leicht  eine  Dehiszenz 
der  Naht  und  damit  erneute  Narbenbildung  und  Strukturierung  ent¬ 
stehen  kann.  Nach  12  Tagen  wird  die  Blasendrainage  entfernt.  Nun.- 
mehr  fängt  der  Patient  sehr  bald  durch  die  jetzt  normal  weite 
Harnröhre  zu  urinieren  an.  Die  Blasenwunde  schliesst  sich  in  kurzer 
Zeit. 

Herr  M  ü  h  s  a  m  -  Berlin:  Ersatz  eines  Harnröhrendefektes  durch 
die  Vena  saphena. 

Der  vom  Vortr.  mitgeteilte  Fall  wurde  wegen  einer  impermeablen 
Harnröhrenstriktur  operiert.  Die  Strikturen  bestanden  seit  26  Jahren. 
Bei  seiner  Aufnahme  ins  Krankenhaus  Moabit  war  eine  36  ständige 
Urinverhaltung  vorhanden.  Bougieren  und  Katheterisieren  erwies 
sich  als  unmöglich.  Es  wurde  daher  die  Blase  oberhalb  der  Sym¬ 
physe  eröffnet  und  der  retrograde  Katheterismus  versucht.  Er  miss¬ 
lang,  da  die  Spitze  des  Katheters  im  Damm  stecken  blieb.  Nun¬ 
mehr  wurde  vom  Orificium  urethrae  aus  ein  Katheter  eingeführt  und 
auf  eine  von  einer  früheren  Urethrotomia  externa  herrührende  Narbe 
eingeschnitten.  Die  beiden  Katheter  dienten  als  Leitsonden,  und  auf 
ihnen  wurde  oberhalb  und  unterhalb  der  Striktur  die  Harnröhre  er¬ 
öffnet.  Die  zwischen  ihnen  liegende  narbige  Striktur  wurde  exstir- 
piert,  der  Defekt  betrug  6  cm.  Die  Harnröhre  wurde  nach  beiden 
Richtungen  hin  nunmehr  mobilisiert.  Es  gelang  aber  nicht,  sie  soweit 
freizumachen,  dass  eine  Naht  möglich  gewesen  wäre.  Um  den  De¬ 
fekt  auszufüllen,  wurde  die  Vena  saphena  rechts  freigelegt  und  ein 
8  cm  langes  Stück  derselben  entfernt.  Als  er  zur  Dammwunde 
herauskam,  wurde  das  Venenstück  darübergeführt  und  der  Katheter 
durch  den  zentralen  Harnröhrenstumpf  in  die  Blase  geführt.  Die 
Vene  wurde  dann  nach  beiden  Enden  hin  nach  Carrel-Stich 
vereinigt,  die  Wunde  durch  Naht  ganz  geschlossen.  In  die  Blase 
kam  ein  Katheter,  und  die  Wunde  um  ihn  herum  wurde  verkleinert. 
Der  Katheter  blieb  bis  zum  3.  Oktober,  also  3K>  Wochen,  liegen.  Nach 
seiner  Entfernung  liess  Patient  spontan  Urin  durch  die  Harnröhre. 
Bei  später  vorgenommenem  Bougieren  zeigte  es  sich,  dass  an  den 
Nahtstellen  der  Harnröhre  mit  der  Vene  2  derbere  Stellen  vorhanden 
sind. 


Eine  regelmässige  Bougiebehandlung  hat  seit  über  einem  Ja 
nicht  mehr  stattgefunden.  Trotzdem  sind  sämtliche  Funktionen,  ai 
die  sexuellen,  vollkommen  in  Ordnung.  Patient  lässt  in  gutem  Str 
Urin.  Das  Bougieren  ist  nicht  ganz  leicht,  gelingt  aber  mit  ein 
Timannkatheter.  Da  seit  einem  Jahre  jetzt  keine  Veränderungen 
Befunde  zu  verzeichnen  sind,  so  kann  der  Patient  wohl  als  daut 
geheilt  betrachtet  werden  und  in  geeigneten  Fällen  die  Verwend 
eines  Venenstücks  zum  Ersatz  von  Harnröhrendefekten  auch 
Rücksicht  auf  das  Dauerresultat  empfohlen  werden. 

Herr  V  o  e  1  c  k  e  r  -  Heidelberg:  Operation  an  den  Satnenblas 

Vortr.  hat  mittels  seiner  Operationsmethode  mehrfach  Geleg 
heit  gehabt,  Operationen  an  den  Samenblasen  vörzunehmen. 
ersten  Fall  handelte  es  sich  um  ein  Karzinom,  das  entfernt  wiu 
jedoch  ohne  dass  eine  Dauerheilung  eintrat.  Beim  zweiten  Fall  w 
den  die  in  dicke  Schwarten  eingehüllten  Samenblasen  entfernt,  v 
sie  zu  Ureterkoliken  Veranlassung  gegeben  hatten.  Die  Exstirpar 
brachte  Heilung,  ln  3  weiteren  Fällen  wurden  die  Samenblasen  e 
fernt,  weil  sie  Veranlassung  gegeben  hatten  zur  Entstehung  eij 
chronischen  Gelenkrheumatismus.  Einmal  wurden  als  Erreger  die 
Samenblaseneiterungen  Gonokokken,  einmal  Pneumokokken  iij 
gestellt.  Nach  Exstirpation  der  erkrankten  Organe  trat  eine  wes; 
liehe  Besserung  bzw.  Heilung  des  Gelenkrheumatismus  ein. 

Herr  Strobel-  Erlangen :  Experimentelle  Untersuchungen  ii 
die  Entstehung  des  mechanischen  KropSherzens. 

Vortr.  hat  bei  einer  Anzahl  von  Tieren  durch  partielle  Knor; 
resektion  der  Trachea  künstliche  Trachealstenose  verursacht  und! 
diesen  Tieren,  die  längere  Zeit  am  Leben  blieben,  durch  Wäg 
und  Vergleichung  mit  normalen  Herzen  eine  Herzvergrösserttng  i 
zu  V«  des  Eigengewichtes  feststellen  können.  Danach  würde  sc 
die  Trachealstenose  allein  ausreichen,  zur  Entstehung  einer  Hd 
hypertrophie. 

Herr  v.  Haberer  -  Innsbruck :  Thymektomie  bei  Basedow. 

Vortr.  hat  nach  dem  Vorschläge  des  Herrn  Gar  re  viermal I 
Thymektomie  bei  Basedow  bzw.  bei  basedowoiden  Zuständen  ä 
geführt,  ln  einem  fünften  Falle  war  der  Thymus  wegen  Stencsi 
erscheinungen,  die  durch  ihn  hervorgerufen  waren,  entfernt  worc 
In  allen  Fällen  hatte  die  Operation  guten  Erfolg,  doch  soll  von  a 
Fällen  nur  über  einen  berichtet  werden,  da  die  übrigen  dem  Vd 
aus  dem  Grunde  zu  wenig  beweiskräftig  erscheinen,  als  dabei  ied 
mal  neben  der  Thymektomie  auch  eine  Schilddrüsenreduktion  gle 
zeitig  vorgenommen  worden  war.  Der  hier  zu  berichtende  Fall 
trifft  einen  30  jährigen  Herrn,  der  im  Jahre  1909  nach  einer  lieS 
haften  Erkrankung  einen  akuten,  gleich  mit  schweren  Herzsymptoi 
einsetzenden  Basedow  akquiriert  hatte.  Zunächst  würde,  da  sich; 
Symptome  immer  mehr  verschlimmerten,  2  Jahre  nach  Beginn 
Erkrankung  die  Halbseitenstrumektomie  von  einem  anderen  Opera' 
ausgeführt,  die  den  Exophthalmus  dieser  Seite  besserte,  während 
auf  der  anderen  Seite  bestehen  blieb.  Da  sich  aber  die  Herzs' 
ptome  nicht  besserten,  suchte  der  Patient  einen  berühmten  Chirur 
auf,  der  ihm  auf  der  zweiten  Seite  die  eine  Schilddrüsenarterie  um 
band.  Statt  einer  Besserung  trat  aber  zunehmende  Verschlimmert 
aller  Symptome,  sowohl  der  nervösen  wie  vor  allem  der  fk 
erscheinungen  auf.  ln  ganz  desolatem  Zustande  kam  der  Kra. 
Ende  1912  zu  Vortr.  Damals  klagte  der  Patient  auch  über  Atu 
von  Erstickung  und  Bewusstseinstrübung,  die  mit  der  Expektoor 
von  viel  schaumigem  Sputum  stets  ihr  Ende  fanden.  Patient  In 
damals  eine  Herzdilatation,  die  zu  einer  Verlagerung  des  Spit, 
stosses  bis  in  die  Axillarlinie  geführt  hatte,  eine  grosse  Stauungsk. 
und  Stauungmilz,  der  Radialpuls  war  kaum  tastbar,  ganz  itregt 
und  selbst  in  der  Ruhe  zwischen  140  bis  160.  Der  zugezogene  Im 
nist  bezeichnete  das  Herz  damals  als  Ermüdungsherz  und  stellte; 
Prognose  infaust. 

Nur  dem  Drängen  des  Patienten  und  seiner  Angehörigen  tu 
gebend,  entschloss  sich  Vortr.  zur  Thymektomie,  die,  in  Lo 
anästhesie  ausgeführt,  zunächst  für  den  Operateur  recht  unbeiri 
gend  war,  da  statt  des  erwarteten  Thymus  von  beträchtlicher  uni 
nur  ein  ganz  kleiner  Thymuskörper  gefunden  wurde,  der  klein 
den  Vortr.  je  entfernt  hat.  Histologisch  erwies  sich  der  Thymu 
Involution,  enthielt  aber  auffallend  viel  H  a  s  s  a  1  sehe  Körperet 
Um  so  auffallender  war  der  Erfolg  der  Operation.  Er  trat  zwar  n 
gleich  ein,  aber  relativ  bald.  Jetzt  ist  bei  dem  Patienten  die  rt- 
dilatation  verschwunden,  der  Herzspitzenstoss  liegt  innerhalb 
Mamillarlinie,  die  Stauungsleber  ist  vollkommen  zurückgegan- 
Radialpuls  84  in  der  Minute  ist  voll  und  kräftig,  allerdings  noch  et 
unregelmässig.  Die  nervösen  Erscheinungen,  wie  Zittern  und 
ruhegefühl,  sind  verschwunden.  Der  Patient,  der  jetzt  frei  von  je 1 
Herzmittel  ist,  konnte  in  letzter  Zeit  anstandslos  eine  Bergtour  um 
nehmen.  Man  muss  nach  dem  Gesagten  doch  wohl  zu  dem  Sehlu 
gelangen,  dass  in  diesem  Falle  die  Thymektomie  ausgezeichnet  ■ 
wirkt  hat.  Sie  liegt  jetzt  4  Monate  zurück. 

Herr  Hosemann  - Rostock :  Die  Funktion  der  Schilddrüse 
Basedow.  . 

Nachdem  Walter  gezeigt  hat,  dass  bei  thyreoidektornm 
Tieren  der  Verlauf  der  De-  und  Regeneration  gequetscher  ver¬ 
stärk  verzögert  ist,  bei  Verfütterung  von  Schilddrüsentabletten  _  >■ 
wieder  normal  wird,  haben  Hosemann  und  Walter  aut  die 
Wege  die  Funktion  der  Basedowstruma  im  biologischen  Experir 
geprüft.  Bei  Kaninchen,  denen  die  Schilddrüse  radikal  entfernt  ' 
wie  die  verzögerte  Nervende-  und  -regeneration  bewies,  wrn 
Stücke  von  frischer  Basedowstruma  lebenswarm  intraperitoi ■ 


I 


Mai  1913. 


j  amuskulär  oder  subkutan  implantiert,  in  anderen  Versuchsreihen 
.  rden  die  Tiere  mit  Trockenpräparaten  von  Basedowstrumen 
yhenlang  gefüttert:  Die  De-  und  Regeneration  der  gequetschten 
•  ven  wurde  dadurch  nicht  wesentlich  beeinflusst  und  blieb  stark 
zögert,  während  die  Implantation  frischer  normaler  Schild- 
se  bei  denselben  Tieren  den  Verlauf  der  Nervende-  und  -regene- 
on  beschleunigte,  so  dass  er  dem  bei  den  normalen,  nicht 
reoidektomierten  Konfrontieren  glich.  Aus  diesen  Versuchen  ist 
Schluss  zu  ziehen,  dass  bei  der  Basedowschen  Krankheit 
t  it  eine  Steigerung  der  Funktion  der  Schilddrüse,  ein  Hyper- 
reoidismus  vorliegt,  sondern  ein  Dysthyreoidismus. 
Diskussion:  Herr  Capelle-  Bonn  hat  bei  einem  Falle 
Basedow  durch  Thymektomie  Heilung  eintreten  sehen,  wodurch 
Anschauung  Qarres  bestätigt  wird,  dass  die  Thymus  in  ihrer 
ktion  nebengeordnet  ist  der  Wirkung  der  Thyreoidea,  dass  ihre 
ktion  der  Thyreoidea  wesensähnlich  ist.  Bei  der  Frage  der  Be- 
gung  der  Thymus  kommt  es  nicht  so  sehr  auf  die  Grösse  des 
anes  an,  als  auf  den  mikroskopischen  Nachweis,  dass  ihre  Struk- 
eine  infantile  Persistenz  der  Thymus  ergibt. 

Herr  M  e  i  s  e  1  -  Konstanz  hat  bei  Untersuchungen  von  800  Scluil- 
lern  in  40 — 70  Proz.  Kropf  gesehen.  Er  demonstriert  eine  Patientin, 
früher  einen  Kropf  gehabt  hat,  jetzt  aber  eine  kaum  fühlbare 
ilddriise  zeigt.  Abnorme  Pigmentationen  und  Veränderungen  der 
it  gingen  durch  Verabreichung  von  frischer  Hammelschilddrüse 
.entlieh  zurück. 

Herr  T  h  o  s  t  -  Hamburg:  Ueber  die  Behandlung  der  Tracheal¬ 
osen  nach  dem  Luftröhrenschnitt. 

Vortr.  beschreibt  ein  neues  Verfahren,  bei  dem  er  von  der  Fistel 
neben  der  Kanüle  einen  Bolzen  einführt,  der  eine  Dehnung  der 
lose  bezweckt  und  erreicht.  Das  Verfahren  hat  sich  in  70  ein- 
.  ügigen  Fällen  bewährt. 

Herr  J  e  h  n  -  Zürich  hat  vielfach  chronische  Lungeneiterungen 
nittls  Pneumothorax  behandelt  und  gefunden,  dass  metapneu- 
ische  sowie  genuine  Lungenabszesse  sehr  günstig  beeinflusst 
den.  -Sind  aber  Bronchiektasien  vorhanden,  dann  kann  zwar  der 
and  gebessert  werden,  jedoch  nicht  ausheilen,  weil  die  Bronchien 
r  sind.  (Demonstration  von  Präparaten.) 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  30.  April  1913. 

Tagesordnung: 

Herr  Warnekros:  Kurze  Mitteilungen  aus  der  technischen 
chirurgischen  Zahnheilkunde. 

Vortr.  hat  die  künstlichen  Gebisse  durch  eine  Gleitschiene  so 
altet,  dass  mit  den  Schneidezähnen  gebissen  werden  kann  (nicht 
sonst  nur  mit  den  Mahlzähnen).  Demonstration  von  Patienten. 
Ferner  zeigt  Vortr.  Moulagen  von  einem  Fall,  wo  der  Obturator 
Schluss  der  Mundhöhle)  nach  einer  Operation  eines  Oberkiefer- 
olarsarkom  zu  ersetzen  war. 

Der  Verschluss  ist  kosmetisch  und  funktionell  ausgezeichnet; 
i  mit  gleichem  Erfolg  behandelten  Patienten,  bei  dem  der  Defekt 
ler  Nase  sass,  stellt  er  vor:  der  Patient  dreht  sich  in  diesem 
aus  Henning  scher  plastischer  Masse  täglich  die  Nase  selbst. 
Schliesslich  berichtet  Vortr.  über  die  Erfolge  der  Radium- 
lationstherapie  bei  Alveolarpyorrhöe,  von  Tranner  in  Graz 
st  eingeleitet.  Die  Radiumtherapie  bringt  sofort  jede  Zersetzung 
Speichels  zum  Stillstand;  es  verschwinden  die  Aufhellungen  des 
:hen  und  die  Karies  lässt  nach. 

Herr  G.  Zuelz  er:  Die  objektive  Feststellung  der  Neuralgie 
rer  klinischen  Bedeutung. 

Redner  wendet  sich  dagegen,  dass  man  Druckschmerz  auf  eine 
ankung  des  betreffenden  Organs  bezieht.  Auf  diese  Weise  sind 
falsche  Kuren  bei  Ulcusverdacht,  Appendizitis  etc.  vorgenommen 
len.  Die  Spinalgie  wird  als  Symptom  der  spinalen  Neurasthenie, 
e  der  Hysterie  angesehen.  Doch  hat  Petruschky  den  Be¬ 
erbracht,  dass  Spinalgie  sich  oft  bei  Bronchialdrüsentuberkulose 
ndet.  Neiss-er  betrachtet  das  Symptom  als  direkte  Folge  der 
ensehwellungen  analog  dem  Ausfall  seines  Sondenversuchs. 
Vortr.  findet  sich  in  jedem  Fall  von  Bronchialdrüsentuberkulose 
eiseitige  hyperästhetische  Zonen,  welche  dem  Verlauf  einiger 
kostalnerven  folgen.  Die  Hyperästhesie  umfasst  sämtliche 
hlsqualitäten.  Die  Zone  schneidet  etwa  in  der  Mammillarlinie 
!och  zeigt  auch  die  mittlere  Partie  eine,  wenn  auch  schwächere 
rästhesie.  Der  Herpes  zoster  stellt  ebenfalls  eine  Erkrankung 
Janglion  spinale  vor  (eine  Radikulitis),  auch  bei  diesem  bleibt 
as  Gebiet  des  Ramus  anterior  frei. 

Die  Untersuchung  muss  mit  spitzer  Nadel  zum  Nachweis  der 
rästhesie  vorgenommen  werden. 

Bei  Insufficientia  vertebrae,  bei  der  es  sich  um  plattfussanaloge 
nderung  an  der  Wirbelsäule  handelt  (nach  Schanz),  zeigen 
ähnliche  Hyperästhesieerscheinungen.  Die  Erkrankung  stellt  sich 
erschöpfenden  Krankheiten  oft  ein,  die  prädisponierend  wirken, 
nsufficientia  vertebrae  wird  oft  mit  Gallensteinkolik  und  Ulcus 
-ni  verwechselt,  wofür  er  operierte  Fälle  anführt. 

Die  Erkrankungen  befallen  öfter  die  Zervikalwirbel,  als  die 
Wirbel. 

£um  Schluss  erwähnt  Vortr.,  dass  mit  der  Nadeluntersuchung  I 


1009 


konstant  Hyperästhesien  im  Verlauf  des  Nerven  festzustellen  sind; 
in  allen  anders  liegenden  Fällen  handelte  es  sich  nicht  um  echte 
Ischias,  sondern  um  Sympathikusaffektionen  resp.  Koxitis. 

Herr  West  (a.  G.) :  Demonstration  von  Patienten  mit  geheilter 
Tränensackeiterung  aus  der  Klinik  von  Prof.  Silex. 

Die  Behandlung  ist  die  übliche.  Häufig  stellt  sich  nach  der 
Operation  Tränenträufeln  ein.  Zur  Beseitigung  haben  sie  eine 
Methode  ausgearbeitet,  durch  die  unter  Berücksichtigung  der  engsten 
Stelle  dem  Tränengang  eine  neue  Einmündung  in  die  Nase  geschaffen 
wird.  Der  gebildete  Schleimhautlappen  wird  nach  unten  geklappt. 

Diskussion:  Herr  Hirschberg  gibt  eine  historische  Dar¬ 
legung  der  Methode,  die  ähnlich  von  den  Griechen-Arabern  ange¬ 
wandt  wurde. 

Herr  Gutmann  hat  von  der  Methode  einen  glänzenden  Erfolg 
gesehen.  Wolff-Eisner. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

Pädiatrische  Sektion. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  April  1913. 

Tagesordnung: 

Herr  F  i  n  k  e  I  s  t  e  i  n:  Seltene  Hautkrankheiten  im  Kindesalter. 

a)  Kind  von  3  Wochen,  aus  der  Charitee  überwiesen,  zeigte 
einige  gelbe  Borken,  die  sich  in  schwefelgelbe  Krusten  verwandelt 
haben.  Es  handelt  sich,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab, 
um  Favus. 

b)  4'A  jähriger  Junge,  der  geistig  sehr  entwickelt,  körperlich  sehr 
zurückgeblieben  ist.  Im  Alter  von  6  Wochen  bildeten  sich  an  den 
Kniekehlen  blasenartige  Gebilde,  zu  4  Monaten  gleiche  Blasenbil¬ 
dungen  an  den  Lippen;  zeitweise  erstreckte  sich  die  Affektion  über 
den  ganzen  Körper,  die  Gebilde  zeigen  in  der  Mitte  seröse  Exsudation 
und  bilden  an  alten  Stellen  schuppenförmige  Auflagerungen.  Dabei 
besteht  eine  ekzematöse  Grundlage.  Die  Affektion  ist  durchaus  sym¬ 
metrisch  und  entspricht  dem  Verlauf  des  N.  cut.  fern,  extern,  und  den 
Nervenbahnen  der  oberen  Extremität.  Eine  Diagnose  konnte  nicht 
gestellt  werden,  die  Erkrankung  ähnelt  der  Dermatitis  herpetiformis 
(D.ü  h  r  i  n  g  sehe  Krankheit),  gewisse  Anklänge  bestehen  auch  zum 
Herpes  zoster.  Es  käme  also  eine  Affektion  mit  Sitz  in  den  Spinal¬ 
ganglien  in  Betracht.  Der  Ausschlag  scheint  mit  Krankheitszuständen 
am  Magendarmkanal  in  Verbindung  zu  stehen.  Der  Patient  entleert 
1—3  reichliche,  stinkende  Stühle,  es  finden  sich  Muskelfasern  und  Neu¬ 
tralfett  im  Stuhl.  Die  Idee  einer  Pankreasstörung  ist  abzulehnen,  da 
sämtliche  Fermente  nachzuweisen  sind.  Am  Darm  handelt  es  sich 
um  schwere  Verdauungsinsuffizienz  (typische  Form  mit  grossem  Leib, 
Mangel  an  Wachstum,  wahrscheinlich  bedingt  durch  Mineralmangel) 
Schliesslich  besteht  noch  Fazialistick.  Es  handelt  sich  um  schwere, 
vom  Nervensystem  ausgehende  trophische  Störungen.  Darm-  und 
Hauterkrankung  sind  wahrscheinlich  als  koordinierte  Symptome  auf¬ 
zufassen. 

Diskussion:  Herr  Ledermann  betrachtet  den  Fall,  der 
ausser  der  Alopecie  trophische  Störungen  an  den  Nägeln  aufweist,  als 
Epidermolysis  bullosa  heredit.,  zuerst  von  Goldscheider  be¬ 
schrieben,  jedoch  oft  ohne  Heredität  auftretend.  Die  dystrophische 
Form  der  Affektion  befällt  besonders  Haare  und  Nägel.  Man  hält 
die  Affektion  für  eine  vasomotorische  Krankheit. 

Herr  Neu  m  a  n  n  fragt  nach  der  hereditären  Anamnese.  Er  hat 
eine  solche  Affektion  bei  Vater  und  Tochter  gleichzeitig  gesehen. 

Herr  Finkeistein  verneint  im  vorliegenden  Fall  Heredität. 

Herr  Eckert  berichtet  über  die  Behandlung.  Atropin  scheint 
in  solchen  Fällen  ebenso  wie  bei  exsudativen  Kindern  Erfolge  zu 
geben.  Ebenso  gibt  Schilddrüse  in  kleinen  Dosen  Erfolg. 

Herr  Rosenstern:  Weitere  Mitteilungen  über  Hämaturie  im 
Kindesalter. 

Vortr.  berichtet  über  einen  Fall  von  Fazialisparese  der  linken 
Seite  bei  einem  6  monatlichen  Kinde.  Mit  2  Monaten  hatte  das  Kind 
Lues.  Der  Schädelumfang  nimmt  rapide  zu  (in  einer  Woche  4  cm). 
Es  besteht  eine  Pachymeningitis  haemorrhagica,  die  hier  auch  die  Ur¬ 
sache  der  Fazialisparese  ist.  Am  Ohr  ist  kein  pathologischer  Befund 
vorhanden.  Gumma  und  Meningitis  luetica  sind  mit  Wahrscheinlich¬ 
keit  auszuschliessen,  es  ist  anzunehmen,  dass  der  Druck  des  Exsudats 
die  Suturen  2  Finger  breit  auseinandergebracht  hat. 

Herr  L.  F.  Meyer:  Hochfiebernde  Infektionszustände  mit  pro¬ 
trahiertem  Verlauf. 

Das  Krankheitsbild  ist  zunächst  das  der  gewöhnlichen  Grippe, 
das  Fieber  geht  aber  nachher  nicht  zurück.  Der  Fiebertypus  ist  ein 
pyämischer.  Eine  gewisse  Aehnlichkeit  besteht  mit  der  „typho-bacil- 
lose“  der  Franzosen,  welche  eine  toxhämische  Tuberkulose  vorstellt, 
jedoch  nur  mit  Skepsis  anzunehmen  ist.  Die  Prognose  ist  dubia.  Das 
Kind  zeigt  rechtshändigen  Tremor,  den  Vortr.  als  zerebralen  Tremor 
ansieht. 

Diskussion:  Herr  Langstein  hat  bei  Grippe  ebenfalls  im 
letzten  Jahr  oft  Schwierigkeiten  mit  der  Differentialdiagnose  Grippe 
oder  Meningitis  gehabt.  Der  Druck  war  tatsächlich  mehrmals  ge¬ 
steigert.  Nach  G  ö  p  p  e  r  t  ist  die  Kombination  der  Grippe  mit  Menin¬ 
gitis  serosa  häufig. 

Herren  M  o  s  s  e,  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n,  T  u  g  e  n  d  r  e  i  c  h. 

-  Wolff-Eisner. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1010 _  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XVII.  Sitzung  vom  8.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmaltz. 

Tagesordnung: 

Herr  Pass  ler:  Lieber  Diathesen. 

Als  Grundlage  der  Diathesenlehre  ist  die  klinische  Beobachtung 
anzusehen,  dass  manche  Individuen  viel  häufiger  erkranken,  als  es 
dem  Morbiditätsdurchschnitt  entspricht.  Diese  Menschen  erkranken 
entweder  immer  wieder  an  einer  und  derselben  Krankheit,  oder  bald 
nebeneinander  bald  nacheinander  an  verschiedenen,  scheinbar  selb¬ 
ständigen  Krankheiten.  Allerdings  handelt  es  sich  dabei  nicht  um  be¬ 
liebige  Krankheiten,  sondern  um  immer  wiederkehrende  Reihen  und 
Gruppen,  während  die  gedachten  Individuen  von  andersartigen,  diesen 
Gruppen  nicht  zugehörigen  Leiden  nicht  häufiger  als  der  Durchschnitt 
befallen  werden.  Unter  den  Zuständen,  welche  auf  dem  Boden  einer 
Diathese  auftretend  gedacht  werden,  sind  neben  der  Gruppe  Diabetes, 
Fettleibigkeit,  Gicht,  vor  allem  die  rheumatischen  Erkrankungen, 
Neuropathien,  Neigung  zu  hartnäckig  wiederkehrenden  banalen  In¬ 
fektionen  der  oberen  Luftwege,  Lymphdriisenschwellungen  zu  nennen. 
Diese  klinische  Grundlage  ist  im  allgemeinen  als  richtig  beobachtete 
Tatsache  anzuerkennen:  dagegen  reicht  die  klinische  Beobachtung  zu¬ 
nächst  nicht  aus,  um  eine  scharfe  Abgrenzung  der  zu  den  sogenannten 
Diathesen  in  Beziehung  stehenden  Krankheiten  zu  ermöglichen.  In 
der  Tat  werden  die  Grenzen  der  hierhergehörigen  Krankheitsgruppen 
von  den  verschiedenen  Schulen  und  einzelnen  Autoren  sehr  ver¬ 
schieden  weit  gezogen;  sie  werden  bald  als  alle  zusammengehörig 
betrachtet  (französische  Klinik),  bald  in  mehr  oder  minder  zahlreiche 
Untergruppen  geteilt,  die  entweder  in  nur  lockeren  Beziehungen  zu 
einander  stehen,  oder  besonderen  untereinander  koordinierten  Dia¬ 
thesen  zugehören  sollen  (Deutsche  Pädiatrie).  Die  Forschung  nach 
dem  Wesen  eines  so  unsicheren  klinischen  Begriffes  kann  nicht  als 
ein  wissenschaftlich  zu  lösendes  Problem  anerkannt  werden.  In  der 
Tat  sind  alle  bisherigen  über  das  Wesen  der  Diathesen  aufgestellten 
Erscheinungen  teils  nichts  anderes  als  Umschreibungen  des  klinischen 
Begriffes,  teils  gänzlich  unzulängliche  und  unbefriedigende  natur¬ 
philosophische  Spekulationen. 

Eine  wissenschaftlicher  Bearbeitung  zugängliche  Fragestellung 
müsste  die  Erklärung  der  einzelnen  Erscheinung  zum  nächsten  Zi°le 
haben.  Als  Ausgangspunkt  einer  solchen  Betrachtungsweise  sind  die 
rheumatischen  Krankheitszustände  im  engeren  Sinne  besonders  ge¬ 
eignet,  seit  wir  nach  den  Erfahrungen,  welche  in  den  letzten  Jahren 
vom  Vortr.  und  anderen,  besonders  von  Gürich,  mitgeteilt  wurden, 
in  die  Aetiologie  des  akuten  und  chronischen  Rheumatismus  und  ihr 
Verhältnis  zur  chronischen  Tonsillitis  und  ähnlichen  chronischen  In- 
fektionszuständen  tieferen  Einblick  gewonnen  haben.  Wir  können 
danach  die  Ursache,  welche  das  häufige  Rezidivieren  oder  die  unbe¬ 
schränkte  Fortdauer  rheumatischer  Prozesse  bei  einem  Individuum 
bedingen,  als  bekannt  ansehen:  Sie  besteht  darin,  dass  die  lokale 
Infektion  in  den  Tonsillen  usw..  welche  den  rheumatischen  Prozess 
im  Organismus  bedingt,  mit  dem  Abklingen  der  akuten  klinischen 
EntzündungsQrscheinungen  nicht  zur  Ausheilung  gelangt,  sondern  nur 
für  die  oberflächliche  klinische  Beobachtung  latent  wird;  aber  gerade 
weil  sie  im  Organismus  fortbesteht,  auf  jede  Gelegenheitsursache 
wieder  aufflackern  und  damit  den  Anlass  zu  neuen  rheumatischen 
Schüben  geben  kann.  Nachdem  so  die  eine  der  DiathesenDhre  zu¬ 
grunde  liegende  wichtige  Erscheinung,  nämlich  die  bei  vielen  In¬ 
dividuen  nach  Ueberstphen  einer  einmaligen  Polvarthritis  zurück- 
bleibende  Neigung  zu  Rezidiven  eine  Erklärung  gefunden  hat,  ist  zu 
prüfen,  ob  und  inwieweit  sich  noch  andere  klinische  Beobachtungen, 
welche  im  Sinne  der  Diathesenlehre  gedeutet  werden,  einer  analogen 
Erklärung  zugänglich  sind. 

Dabei  zeigt  sich  zunächst,  dass  zahlreiche,  schon  längst  als 
Begleiterscheinungen  oder  Komplikationen  der  Polvarthritis  bekannte 
Zustände  jetzt  als  gewissermassen  selbständige  Manifestationen  der 
Diathese  odpr  ein°r  Diathese  wiederkehren.  So  von  seiten  der 
äusseren  Haut  Urtikaria.  Ervthema  nodosum.  Hvoeridrosis:  Schwel¬ 
lung  zahlreicher  Lvmphdrüsen;  von  Seiten  des  Zirkulationsaoparates 
ausser  Endokarditis  und  Myokarditis.  Irregularitäten  des  Pulses.  Nei¬ 
gung  zur  Pulsbeschleunigung  oder  Bradvkardh,  ferner  vasomotorische 
Erscheinungen  in  Form  anhaltender  Blässe  oder  häufigen  Farben¬ 
wechsels.  Die  Beteiligung  des  VerdauungsaDparates  zeigt  sich  in  oft 
enormer,  lanve  Zeit  in  der  Rekonvaleszenz  fortbestehender  Anorexie, 
ferner  namentlich  in  Obstination.  Von  seiten  der  Nieren  zeigen  sich 
neben  der  seltenen  Nephritis  Anomalien  der  Harnausscheidung,  Aus¬ 
fallen  von  Uratsedimenten  und  Harnsäurekristallen.  Das  Nerven¬ 
system  ist  beim  Rheumatismus  ganz  gewöhnlich  in  Mitleidenschaft 
gezogen.  Ausser  der  überaus  häufig  vorhandpnen  allgemeinen  Ner¬ 
vosität  bestehen  alle  Zwischenstufen  von  leichten  Unruhe-  und  Angst¬ 
gefühlen  bis  zu  schweren,  namentlich  depressiven  Psychosen. 

Alle  diese  Erscheinungen  erweisen  sich  dort,  wo  sie  mit  rheu¬ 
matischen  Prozessen  kombiniert  auftreten,  dadurch  mit  Sicherheit  als 
der  rheumatischen  Infektion  subordiniert,  dass  sie  ebenso  wie  der 
Rheumatismus  nach  Beseitigung  der  Primarinfektion  ans  dem  Or¬ 
ganismus,  z.  B.  nach  der  Enukleation  der  chronisch  infizierten  Ton 
sillen  verschwinden.  Das  Gleiche  vlit  von  dens°lben  Erscheinungen 
auch  in  zahlreichen  Fällen,  wo  rheumatische  Erscheinungen  fehlen. 

Eine  weiter*  Gruppe  von  Manifestationen  dpr  Diathese  sind  dip 
rezidivierenden  Eutzünduugserscheinungen  an  den  Schleimhäuten  der 


oberen  Luftwege.  Auch  für  diese  Zustände  erweist  sich  oftmals  t 
chronische  Infektion,  namentlich  der  Tonsillen,  als  Grundlage; 
Annahme  einer  endogen  bedingten  besonderen  Disposition  erweist  1 
als  überflüssig. 

Bei  einer  Reihe  weiterer,  ätiologisch  noch  sehr  ungeklärter 
stände,  welche  häufig  als  Manifestationen  einer  Diathese  auftre 
ist  das  Verhältnis  zu  einem  chronischen  Infektionszustand  nicht 
offensichtlich.  Hierher  gehören  die  meisten  bei  den  Diathesen  y 
kommenden  Dermatosen,  vor  allem  die  Neigung  zu  Ekzemen,  Prur 
(Strofulus)  u.  a.,  ferner  Störungen  der  Harnentleerung,  wie  Dysu 
Enuresis  nocturna.  Die  überraschend  günstige  Beeinflussung  a 
dieser  Zustände  durch  Beseitigung  der  immer  vorhandenen  cli 
nischen  Infektionsherde  macht  auch  hier  einen  seiner  Art  nach  i 
lieh  noch  nicht  genügend  geklärten  kausalen  Zusammenhang  ern- 
wahrscheinlich.  Stellt  sich  somit  ein  grosser  Teil  der  als  M; 
festationen  einer  Diathese  in  Anspruch  genommenen  Zustände  ; 
Erscheinungen  dar,  die  einer  chronischen  Infektion  subordiniert  s 
so  wird  auch  die  Neigung  zu  Rezidiven,  sowie  die  Häufung  \ 
schiedener  hierhergehöriger  Zustände  bei  denselben  Individuen  zwa 
los  erklärt,  ohne  dass  man  zu  einer  Konstitutionsanomalie  im  Sil 
der  Diathesenlehre  Zuflucht  nehmen  müsste.  Dagegen  lässt  sich 
eine  Reihe  anderer,  den  Manifestationen  der  Diathese  zugerechne 
Erscheinungen  bislang  keine  Brücke  finden.  Das  gilt  vor  allem  \j 
Diabetes  und  der  Gicht.  Vortr.  meint,  dass  die  Verquickung  diel 
auch  nach  seiner  Auffassung  durch  endogene  Ursachen  begünstig! 
Zustände  mit  den  vorher  behandelten,  auf  einer  chronischen  Infekä 
beruhenden  Gruppen  in  erster  Linie  dadurch  entstanden  ist,  dass  i 
Differentialdiagnose  zwischen  Gicht  und  Rheumatismus  in  der  ij 
schlägigen  Literatur  nicht  genügend  berücksichtigt  worden  ist. 

(Antoreferat 

Diskussion  über  die  Vorträge  der  Herren  Rietsch 
G  a  I  e  w  s  k  y  und  P  ä  s  s  1  e  r :  Ueber  Diathesen. 

Herr  Rupprecht  dankt  den  Vortragenden  für  ihre  in 
essanten  und  anregenden  Ausführungen  Es  gibt  ohne  Zweifel  I, 
thesen,  aber  der  arthritischen  Diathese  der  Franzosen  und  Czerni 
exsudativer  Diathese  kann  er  nicht  zustimmen.  So  ist  die  i 
sammengehörigkeit  von  Gallensteinen  und  Gicht  nicht  ohne  weite 
zuzugeben. 

Von  dem  grossen  Einfluss  der  Ernährung  bei  den  Ekzer1 
skrofulöser  Kinder  hat  er  sich  nie  überzeugen  können.  Das  Eka 
ist  eine  pyogene  Erkrankung  der  obersten  Hautschichten.  Für  s 
Auftreten  ist  offenbar  die  feuchte  Mazeration  der  Haut  an  den  A; 
gangsorten  (Gesicht,  Gesäss)  von  grösster  Bedeutung.  C  o  r  n  e  1 1 
uns  die  pyogene  und  die  tuberkulöse  Skrofulöse  unterscheiden  ■ 
lehrt.  Die  pyogene  verschwindet  bei  Sauberkeit  und  zweckmässii 
Behandlung.  Gelangen  aber  in  die  vorhandenen  Geschwüre  Tuberll 
bazillen  hinein,  so  entsteht  die  tuberkulöse  Form  --  dabei  Bram 
die  Eingangspforte  selbst  nicht  tuberkulös  zu  erkranken,  wohl  a 
die  entsprechenden  Lymphdriisen.  Bei  diesem  Vorgang  handelt! 
sich  um  eine  lokal  bedingte  Form  der  Tuberkulose  und  nicht  i 
eine  Diathese. 

Herr  Brückner:  Es  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  ! 
Menschen,  bei  denen  eine  erhöhte  Neigung  zu  bestimmten  Kra' 
beiten  vorliegt,  gewisse  Schutzeinrichtungen  minderwertig  o) 
mangelhaft  entwickelt  sind.  Diesen  Gedanken  hat  am  konsequentes 
C  o  r  n  e  t  durchgeführt,  nach  ihm  beruht  die  Skrofulöse  auf  abnorf 
Durchlässigkeit  der  Haut.  Auch  die  Lehre  von  der  Funktion 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion  spielt  in  unser  Gebiet  hinein,  s 
besondere  die  Frage  der  Vagotonie  von  Eppinger  und  He: 
Viereck  hat  nachgewiesen,  dass  Kinder  mit  exsudativer  Diatli 
einen  erhöhten  Sympathikustonus  haben.  Wenn  das  zutrifft,  < 
schlägt  es  vielleicht  die  Brücke  zu  der  Tatsache,  dass  die  Ernähr u 
Beziehungen  hat  zur  exsudativen  Diathese.  Das  lässt  sich  n| 
leugnen,  wenn  auch  Czerny  hierin  zu  weit  geht,  und  würde  via 
erklären.  Uebrigens  könnte  die  mangelhafte  Ausbildung  der  Sein 
Organe  auch  grobanatomisch  sein:  Tiefe  MandePrypten,  oder  stärk- 
Durchlässigkeit  des  Epithels  nach  Cor  n  e  t.  oder  weiteres  Lymj 
System  im  Kindesalter. 

Herr  Aschen  heim:  Klinische  Beobachtungen  haben 
Krankheitsbild  der  Diathesen  wieder  aufleben  lassen.  Die  Franzoi 
und  Czerny  begingen  den  Fehler,  alles  unizentrisch  zu  fassi 
während  Pfaundler  zahllose  Diathesen  annimmt,  die  plurizentril 
sind  und  sich  miteinander  verkuppeln  können.  Wenn  er  unter  I 
fliese  Krankheitsbereitschaft  versteht,  so  meint  er  damit,  dass 
Körper  auf  einen  physiologischen  Reiz  mit  krankhaften  Erscheinuni 
anspricht.  Zwischen  Diathese  und  normaler  Konstitution  gibt  i 
fliessende  Uebergänge;  die  Krankheitsbereitschaft  lieet  in  jedi 
Menschen,  sie  ist  nur  bei  der  Diathese  gesteigert.  Die  Anna!1 
einer  Störung  in  der  Funktion  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  k  i 
nur  als  Arbeitshypothese  weiterhelfen.  Nur  dürfen  wir  dabei  ni 
an  eine  bestimmte  einzelne  Drüse  denken,  sondern  müssen  uns 
Störung  im  Gleichgewicht  zwischen  verschiedenen  solcher  Drill 
vorstellen;  ’e  nachdem  die  eine  Drüse  mehr  hervortritt,  wird  a! 
die  oder  jene  Diathese  merklicher  werden,  entsprechend  der  Pf 
zentrizität  P  f  a  u  n  d  I  e  r  s. 

Herr  W.  Lothar  Meyer  erzählt  zur  Kasuistik  der  Diathesi 
dass  er  selbst  als  Student  eine  Disposition  zu  Anginen  völlig  ver 
nachdem  er  eine  schwere  Diphtherie  mit  fast  völliger  Zerstörung  : 
Tonsillen  durchgemacht  hatte  Dafür  hat  er  aber  eine  Erkranku 
der  Seitenstränge  bekommen.  Dem  Augenärzte  legt  namentlich  1 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1011 


i  unkti vitis  und  Keratitis  ekzematosa  den  Gedanken  an  eine  Dia- 
1 2  nahe.  Solche  Fälle  heilen  manchmal  nach  vergeblicher  ambu- 
:r  Behandlung,  sobald  sie  in  klinische  Pflege  kommen.  Da  spielt 
ibar  die  veränderte  Ernährung  eine  grosse  Rolle.  Ferner  deuten 
sse  Phlyktänen  fast  immer  auf  eine  früher  überstandene  Spitzen- 
tion.  Das  findet  seine  Bestätigung  durch  die  Ophthalmoreaktion, 
ier  durch  den  Reiz  des  Giftes  oft  eine  heftige  Entzündung  hervor- 
fen  wird. 

Herr  Hecker:  Wenn  die  Diathesen  etwas  mit  der  inneren 
etion  zu  tun  hätten,  so  würde  gewiss  die  Therapie  davon  Ge- 
ch  gemacht  haben.  Er  fragt,  ob  solche  Versuche  angestellt 
len  sind.  Bei  einem  Fall  schwerer  Diathese  hat  er  selbst  ver- 
ch  Schilddrüse,  Thymus  und  Nebennierensubstanz  darreichen 
:  n. 

Herr  I  ha  1  mann  hat  früher  viele  Versuche  über  die  Diathese 
Angina  angestellt.  Bei  der  Angina  findet  man  die  pyogenen 
•lytischen  Streptokokken  in  grosser  Menge,  bzw.  in  Reinkultur. 
Leuten,  die  viel  an  Anginen  leiden,  konnte  er  auch  in  der 
jichenzeit  in.  den  Mandeln  enorme  Mengen  pyogener  Strepto- 
en  nachweisen  und  zwar  sowohl  bei  Untersuchungen  in  situ 
dlicher  als  auch  exstirpierter  Mandeln.  Bei  Erkältungen  usw 
eine  Vermehrung  der  Streptokokken  ein,  die  Widerstandskraft 
Körpers  wird  vermindert,  es  kommt  zu  einer  neuen  Angina, 
seinen  Beobachtungen  können  nun  aber  die  Streptokokken  auch 
Jie  Bronchien  übergehen,  auch  hier  findet  man  sie  gelegentlich 
einkultur.  Da  ist  es  dann  kein  Wunder,  wenn  gelegentlich  eine 
erverbreitung  auf  dem  Blutwege  erfolgt  und  eine  Nephritis,  Endo- 
itis,  Sepsis  entsteht  oder  aber  ein  Erythema  nodosum.  In  einem 
letztgenannter  Art  bestand  neben  dem  Eryth.  nod.  eine  Bron- 
9  und  dabei  eine  Reinkultur  von  Streptokokken.  Er  ist  der 
rzeugung,  dass  der  Streptokokkus  diese  Diathese  hervorruft, 
halb  er  bei  dem  einen  völlig  verschwindet,  bei  dem  anderen 
rnd  bleibt,  ist  nicht  zu  sagen.  Bekanntermassen  ist  die  Wider- 
lsfähigkeit  der  einzelnen  Menschen  gegen  Keime  sehr  ver- 
den.  Bei  manchen  besteht  offenbar  eine  gewisse  Immunität  von 
r  aus. 

Herr  Brückner  bemerkt  zur  Verhütung  von  Missverständ- 
n,  dass  er  nicht  die  ganze  Diathesenlehre  auf  innere  Sekretion 
hen  will.  Er  wollte  nur  sagen,  dass  die  Drüsen  mit  innerer 
■  -tion  mit  in  den  Kreis  der  Betrachtungen  gezogen  werden  sollen, 
therapeutischem  Gebiete  ist  ihm  nur  ein  Beispiel  bekannt  und 
bei  der  Behandlung  des  Asthmas. 

Herr  Rietschel:  Mit  der  Definition  der  Diathesen  als  Stoff- 
selstorung  kommen  wir  nicht  weiter.  Schliesslich  ist  jede 
5te  fieberhafte  Affektion  auch  eine  Stoffwechselstörung.  Besser 
nmer  noch  die  Auffassung  nach  Pfaundler:  Diathese  ist 
ite  Krankheitsbereitschaft.  Dies  Wort  erklärt  gewiss  nichts 
ein  einheitlicher  Begriff  wird  wahrscheinlich  nicht  gefunden 
en. 

Wenn  Herr  Rupprecht  manche  Symptome,  z.  B.  des  Ekzems, 
ein  äussere  und  mechanische  Momente  zurückführen  will,  so 
er  R-  widersprechen.  So  beginnt  das  Ekzem  keineswegs  immer 
•n  Mund-  oder  Nasenwinkeln  oder  am  Anus,  sondern  oft  an  ganz 
en  Stellen.  Die  ganze  Frage  der  Erblichkeit,  an  der  gar  nicht 
veifeln  ist,  sagt  nur,  dass  hier  gewisse  dispositioneile  Momente 
•en  sind.  Es  ist  nur  die  Frage,  ob  ein  einheitliches  patho- 
isches  Moment  vorliegt.  Das  ist  unwahrscheinlich.  Wir  können 
•en  sehr  wohl  gewisse  lokale  Momente  (leichtere  Durchlässigkeit 
laut  usw.)  annehmen.  Aber  ebensogut  können  gewisse  Seim¬ 
igen  des  Nervensystems,  oder  der  Organe  mit  innerer  Sekretion 
ner  erhöhten  Krankheitsberitschaft  dr  Haut  führen. 

Viel  schwerer  als  die  sekundären  Erscheinungen  des  Ekzems 
impetiginösen  Störungen  usw.)  lässt  sich  die  Grundlage  des- 
n  beseitigen.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  bei  der  Skrofulöse 
rhöhte  Durchlässigkeit  der  Haut  eine  Rolle  spielt.  Die  Haut 
aber  auch  rein  lokal  zu  solchen  Erkrankungen  neigen.  Denn 
krofulose  ist  ein  Bild,  das  durchaus  nicht  bei  jedem  Lymphatiker 
•mmt,  der  mit  Tuberkulose  infiziert  wird;  sie  ist  vielmehr  eine 
mkung  des  Milieus.  In  guten  Häusern  spielt  die  Skrofulöse  eine 
ge  Rolle. 

-rst  die  Zukunft  wird  lehren,  ob  das  Bild  der  exsudativen  Dia- 
zu  Recht  besteht.  Unterdes  müssen  wir  Material  sammeln, 
egen  bei  weitem  noch  nicht  genug  Krankengeschichten  vor, 
rn  meist  handelt  es  sich  um  subjektive  Eindrücke.  Solange 
och  kein  gutes  Krankenmaterial  haben,  bleibt  alle  unsere  Arbeit 
werk. 

ierr  Galewsky:  Zweifellos  spielen  beim  Ekzem  die  Bak- 
1  eine  grosse  Rolle.  Aber  die  immer  wieder  gemachten  E'r- 
ngen  bei  den  Ekzemfamilien  sprechen  für  eine  Veranlagung,  die 
r  ramilie  liegt.  Was  das  freilich  ist,  wissen  wir  nicht.  Die 
rstandsfähigkeit,  von  der  Herr  Brückner  sprach,  hat  auch  er 
•nt  gelegentlich  der  neuropathischen  Diathese.  Wir  müssen, 
wir  z.  B.  sehen,  wie  in  einer  Familie  jedes  luetisch  infizierte 
•ed  an  Tabes  oder  Paralyse  erkrankt,  eine  verringerte  Wider¬ 
sfähigkeit  des  Nervensystems  annehmen.  Die  Veranlagung  zu 
msyphilis  ist  etwas  angeborenes;  sie  fehlt,  wie  bekannt,  z.  B. 
•snieii.  Gewisse  Erfahrungen,  wie  die  bei  der  Buchweizen- 
heit,  dem  Xeroderma  pigmentosum  oder  der  Hefekrankheit  der 
tiker  zwingen  uns,  eine  Diathese  anzunehmen.  Zunächst  müssen 
engeschichten  gesammelt  werden,  und  zwar  tunlichst  über 
Generationen. 


[?er  ^  orsitzende  schlägt  vor,  innerhalb  der  Gesellschaft 
eine  Sammelforschung  einzuleiten;  es  sollen  namentlich  die  Hausärzte 
^"‘werden,  Familien  mitzuteilen,  in  denen  Diathesen,  Krank- 
falhgkeiten  vorgekommen  sind.  Zu  diesem  Zwecke  sollen  besondere 
biagebogen  gedruckt  werden. 

Herr  Päss  l  er:  Die  Erklärungen  für  den  Begriff  Diathese  sind 
unbefriedigend.  In  manchen  Fällen  ist  die  Ursache  für  das  immer 
wiederholte  Auftreten  einer  Störung  vielleicht  in  einer  exogenen 
Schädlichkeit  zu  suchen,  und  zwar  in  einer  Infektion. 

Diß  Erblichkeit  der  Diathesen  ist  nicht  erwiesen.  Bei  ihrer 
grossen  Häufigkeit  ist  ein  gruppenweises  Auftreten  nicht  verwunder¬ 
lich.  Oft  vermag  man  durch  Beseitigung  einer  gleichzeitig  vor- 
«nuf-nei\  Edekt'on  ( Tonsillitis,  Alveolarpyorrhöe,  Nebenhöhlen- 
alfektion)  auch  die  Diathese  zu  heilen.  Er  hat  vor  kurzem  bei  einem 
typisch  exsudativen  Kind  mit  Milchschorf,  Drüsenschwellung,  hohem 
Lieber,  Maggnkrisen  und  einer  chronischen  Tonsillitis  nach  Exstir¬ 
pation  dei  Tonsillen  das  Ekzem  rapid  verschwinden  sehen. 

Herr  Rupprecht:  Viele  krankhafte  Erscheinungen  können 
wir  uns  nicht  erklären;  dazu  gehört  auch  die  Krankheitsbereitschaft’ 
wir  wollen  deshalb  sehen,  ob  es  möglich  ist,  diese  Dinge  durch  eine 
1  heorie  zu  erklären. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Erlangen. 

(Eigener  Bericht.) 

200.  Sitzung  vom  18.  Februar  1913. 

Herr  Königer  demonstriert  vor  der  Tagesordnung  eine  Pa¬ 
tientin  mit  postnarkotischer  Lähmung  der  linken  oberen  Extremität 
und  bespricht  die  Differentialdiagnose  der  hysterischen  und  der  — 
etwa  indirekt  durch  eine  Halsrippe  bedingten  —  funktionellen 
Lähmung. 

Diskussion:  Herren  Graser,  S  e  i  t  z,  Jami  n,  Scholl. 

Herr  Kleist:  Versuche  mit  Sedobrol  in  der  Behandlung  der 
Epilepsie. 

Der  Vortragende  hat  6  Epileptiker  mit  den  von  U  1  r  i  c  h  einge- 
fuhrten  Sedobroltabletten  der  Firma  F.  Hoffmann-La  Roche 
ec  C  o.  /4  Jahr  lang  behandelt.  Der  Einfluss  dieser  Behandlung  auf 
die  Krampfanfälle  war  bei  allen  Fällen  ausgezeichnet,  bedeutend 
besser  als  der  einer  einfachen  Brombehandlung.  Die  psychischen 
Ausnahmezustände  (Dämmerzustände  u.  ä.)  wurden  dagegen  nur  in 
2  Fällen  seltener.  Bei  2  anderen  Kranken  traten  mit  dem  Einsetzen 
der  Sedobrolbehandlung  länger  dauernde  psychische  Ausnahmezu¬ 
stände  auf,  die  unter  den  gegebenen  Umständen  der  Sedobrolbehand¬ 
lung  zur  Last  gelegt  werden  müssen. 

Ausführliche  Veröffentlichung  in  der  Deutschen  medizinischen 
Wochenschrift. 

Diskussion:  Herren  Specht.  Graser,  P  e  n  z  o  1  d  t, 
i  oeniessen,  J  a  m  i  n. 

Herr  Kleist:  Zur  Kenntnis  der  symptomatischen  Psychosen 
bei  Herzkranken. 

Bei  einem  64  jährigen  Manne  mit  Aorteninsuffizienz  trat  zugleich 
mit  Kompensationsstörungen  (sehr  starke  Oedeme)  ein  deliranter  Er¬ 
regungszustand  auf,  in  dem  Pat.  nach  8  Tagen  starb.  Pat.  litt  seit 
vielen  Jahren  an  Tabes,  seit  4  Jahren  war  er  reizbar,  die  geistige 
Regsamkeit  hatte  nachgelassen;  nur  manchmal  war  Merkschwäche 
aufgefallen. 

Die  Untersuchung  des  Gehirns  förderte  ausser  starkem  Oedem 
der  Pia  und  der  Gehirnsubstanz  die  für  progressive  Paralyse  kenn¬ 
zeichnenden  histopathologischen  Veränderungen  zutage.  Dieselben 
waren  im  allgemeinen  gering,  nur  m  Stirnhim  und  Schläfelappen 
deutlicher  ausgeprägt.  Trotzdem  Pat.  —  der  auch  positiven  Wasser¬ 
mann,  starke  Zellvermehrung  und  starke  No  nn  e  -  A  p  e  1 1  sehe  Re¬ 
aktion  im  Liquor  gehabt  hatte;  das  Blut  hatte  nach  Wassermann 
negativ  reagiert  —  also  nicht  nur  an  Tabes,  sondern  auch  an  einer 
allerdings  sehr  milde  verlaufenden  Paralyse  gelitten  hatte,  kann  der 
delirante  Erregungszustand,  der  gleichzeitig  mit  der  Kompensations¬ 
störung  des  schweren  Herzfehlers  aufgetreten  war,  nicht  schlechthin 
als  Aeusserung  der  paralytischen  Rindenerkrankung  aufgefasst  wer¬ 
den.  Man  muss  vielmehr  annehmen,  dass  das  Gehirn  durch  die 
leichten  paralytischen  Veränderungen  in  seiner  Widerstandskraft 
herabgesetzt  war  und  deshalb  auf  di’  Zirkulationsstörungen  mit  dem 
Ausbruch  des  Delirs  reagierte.  Vortr.  verweist  auf  ähnliche  Beob¬ 
achtungen  Saathofs  (diese  Wochenschr.  1910,  S.  509). 

Herr  Engelhorn:  Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwanger¬ 
schaft.  Der  Vortrag  ist  bereits  in  No.  11,  1913  dieser  Wochenschrift 
erschienen.) 

Diskussion:  Herren  Weichardt,  S  e  i  t  z. 

Geschäftliches. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  22.  April  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Herr  D  e  u  t  s  c  h  I  ä  n  d  er  zeigt  2  junge  Leute  mit  Ellenbogen¬ 
affektionen.  Beim  ersten,  einem  Konditor,  entwickelte  sich  im  An¬ 
schluss  an  ein  schweres  Tragen  eine  Funktionsbehinderung  im  rechten 
Ellenbogen,  als  dessen  Ursache  das  Röntgenbild  eine  zehnpfennig- 
stiiekgrosse  kreisrunde  Aufhellung  in  der  oberen  Radiusepiphyse  bei 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  18 


1012 

gleichzeitiger  Verdickung  des  Capitulum  radii  aufdeckte.  D.  stellte 
die  Diagnose  auf  lokalisierte  fibröse  Ostitis  und  fand  bei  der  Operation 
eine  kleine  Zyste,  die  im  Knochen  wie  eine  Nuss  in  der  Schale  sass 
und  in  toto  entfernt  werden  konnte.  Glatte  Heilung  ohne  Funktions- 
behindernng.  Der  2.  Fall  betraf  einen  22  jährigen  Mann,  bei  dem  eine 
komplizierte  Oberarm-  und  Ellenbogenfraktur  mit  knöchener  Ankylose 
geheilt  war.  D.  operierte  nach  Helferich-Bier,  trennte  die 
Synostosen  und  beseitigte  die  knöchernen  Kalluswucherungen  und 
interponierte  einen  Faszienmuskellappen.  Resultat  quoad  functionem 
ausgezeichnet. 

Herr  Spaeth  demonstriert  2  I.-para,  bei  denen  er  die  Sectio 
caesarea  aus  der  seltenen  Indikation  einer  vorzeitigen  Lösung  der 
normalsitzenden  Plazenta  mit  bestem  Erfolge  für  Mutter  und  Kind 
ausgeführt  hat.  In  beiden  Fällen  fand  sich  der  Muttermund  sehr 
rigide  und  noch  wenig  entwickelt,  die  Wehen  ziemlich  heftig,  Zeichen 
einer  inneren  Blutung,  denen  die  Menge  des  aus  dem  Uterus  ab¬ 
gegangenen  Blutes  nicht  entsprach,  der  Uterus  sehr  gross,  hart  ge¬ 
spannt.  Bei  der  Operation  fand  sich  ein  enormer  Bluterguss  hinter 
der  fast  ganz  gelösten  Plazenta.  In  solchen  Fällen  kommt  alles  auf 
eine  richtige  und  rasche  Diagnose  an. 

Herr  Brauer  berichtet  über  einen  Fall  schwerster  suizidialer 
Morphiumvergiftung,  bei  dem  nach  Versagen  der  üblichen  Hilfsmittel 
Tracheotomie  und  Spülung  der  groben  Bronchien 
mit  Sauerstoff  prompt  die  sofortige  Beseitigung 
der  bestehenden  Gefahr  bewirkte. 

Die  40  jährige  Patientin  war  in  der  Frühe  um  146  Uhr  noch  ge¬ 
hört  worden,  um  714  Uhr  klang  aus  ihrem  Zimmer  Röcheln.  Man  fand 
die  Tür  verschlossen.  Um  8  Uhr  konnte  die  erste  Behandlung  be¬ 
ginnen. 

Es  konnte  festgestellt  werden,  dass  sicher  0,6  g  wahrscheinlich 
0,8  g  Morphium  und  ausserdem  0,003  g  Skopolamin  subkutan  ge¬ 
nommen  war. 

Trotz  künstlicher  Atmung,  intensiver  Hautreize  blieb  die  Atmung 
oberflächlich  und  aussetzend;  die  Zyanose  hochgradig,  das  Sensorium 
benommen.  Um  lOVa  Uhr  wurde  ein  Aderlass  von  200  ccm  durch¬ 
geführt  und  2  Liter  Kochsalzlösung  intravenös  gegeben.  Infolgedessen 
Hess  Patient  nach  einiger  Zeit  reichlich  Urin  unter  sich  gehen.  Ein 
Effekt  trat  nicht  ein.  Um  12  Uhr  wurde  lumbal  punktiert.  Es  fand 
sich  ein  Druck  von  550  mm  Wasser.  Es  wurden  25  ccm  Liquor  ab¬ 
gelassen,  in  diesem  liess  sich  kein  Morphium  nachweisen.  Der 
Wirbelkanal  wurde  mehrfach  mit  Kochsalzlösung  durchgespült.  Auch 
dieses  blieb  ohne  jeden  Nutzeffekt. 

Patientin  hatte  bei  den  fortgesetzt  notwendigen  Bemühungen  der 
künstlichen  Atmung  nach  der  klinischen  Untersuchung  schon  etwas 
aspiriert.  Es  fand  sich  ein  leichter  Katarrh  über  dem  Unterlappen. 
Die  Hautstellen,  die  dem  Klatschen  mit  nassen  Tüchern  ausgesetzt 
waren  und  daher  blutunterlaufen  erschienen,  nahmen  allmählich  ein 
Aussehen  wie  Totenflecke  an,  auch  sonst  wurde  der  Zustand  immer 
bedrohlicher.  Es  gelang  kaum  noch,  mit  künstlicher  Atmung  durch¬ 
zukommen.  Unter  diesen  Umständen  schien  Magenspülung  zu  ge¬ 
fährlich.  Dieselbe  hätte  ja  auch  nicht  die  unmittelbar  drohende 
Gefahr  beseitigt,  sondern  nur  die  Dauer  der  Morphiumnarkose  bei 
sonst  günstigen  Umständen  kürzen  können.  Von  Atropininjektionen 
wurde  abgesehen,  da  bereits  spontan  Skopomorphin  genommen  war; 
auch  war  der  Zustand  so  schwer,  dass  hiervon  Ueberwindung  der 
direkten  Lebensgefahr  nach  eigenen  bisherigen  Erfahrungen  nicht  zu 
erwarten  war. 

Daher  wurde,  nachdem  allseitig  der  Fall  als  hoffnungslos  aner¬ 
kannt  war  und  nach  wiederholter  Ueberlegung  endlich  um  2  Uhr 
mittags  von  Brauer  die  Tracheotomie  empfohlen  und  von  Herrn 
Dr.  Stammler  durchgeführt.  Dieses  geschah,  damit  dauernd 
und  in  einfachster  Weise  eine  Sauerstoffspülung 
der  B  i  f  u  r  kationsgegend  nach  dem  Vorgänge  Vol- 
hards  möglich  werde.  Hierbei  leitete  der  Gedanke,  dass  die 
Morphium  Vergiftung,  selbst  wenn  sie  noch  mehr  wie  in  diesem  Falle 
die  übliche  letale  Dosis  überschritte,  an  sich  nicht  tödlich  sei, 
dass  der  I  od  vielmehr  ganz  überwiegend,  wenn  nicht  ausschliesslich 
der  additio  nellen  Kohlensäureintoxikation  zuzu¬ 
rechnen  sei.  Bei  der  Morphiumvergiftung  wird,  wie  aus  einfacher 
Dui  chdenkung  der  therapeutischen  Erfolge  sich  ergibt  und  wie  durch 
den  vorliegenden  Fall  nunmehr  endgültig  für  den  Menschen  bewiesen 
ist,  das  Atemzentrum  nicht  gelähmt,  sondern  in  seiner  Erregbarkeit 
nur  geringfügig  herabgesetzt.  Dieses  genügt  aber,  um  eine  verlang¬ 
samte  Atmung  und  damit  zunehmend  eine  Kohlensäureintoxikation 
hervorzurufen.  Nunmehr  addiert  sich  der  Morphiumnarkose  die 
Kohlensäurenarkose.  Es  entsteht  aus  diesem  circulus  vitiosus  dann 
immer  tiefere  Kohlensäurenarkose  und  endlich  der  Tod  durch  die 
Kohlensäureüberladung  und  nicht  durch  das  Morphium.  Die  Beseiti¬ 
gung  dieses  sekundären  Momentes  musste  daher  prompt  zu  einer 
Aenderung  des  Zustandes  führen,  und  so  geschah  es  auch.  Schon 
3  5  Minuten  nach  Spülung  der  Trachea  mit  Sauerstoff  war  die 
Zyanose  erheblich  zurückgegangen.  Die  Patientin  atmete  spontan, 
sie  wurde  allmählich  frischer  und  war  ohne  Hautreize  wach  zu  halten. 
Sie  klagte  über  grosse  Trockenheit  in  Mund  und  Hals.  Es  war  für 
die  anwesenden  Aerzte  ohne  weiteres  klar,  dass  ein  völliger  Um¬ 
schwung  eingetreten  sei  und  dass  die  Patientin  wahrscheinlich  ge¬ 
rettet  sei. 

Die  Sauerstoffspülungen  wurden  noch  etwa  12  Stunden  fortge-  j 
führt.  An  die  Sauerstoffbombe  war  ein  Glasrohr  mit  steriler  Watte 
und  an  dieses  ein  kleinerer  Gummikatheter  angeschlossen,  welch  I 


letzterer  durch  die  Kanüle  nach  der  Bifurkation  hin  geführt  w; 
Man  liess  etwa  6  Liter  Sauerstoff  per  Minute  ausströmen.  Druc 
Schwankungen  im  Sinne  M  e  1  z  e  r  s  wurden  nicht  ausgeführt,  war: 
auch  überflüssig,  da  Volhard  nachgewiesen  hatte,  dass  dun 
obiges  Vorgehen  selbst  kurarisierte  Tiere  am  Leben  zu  erhalten  sin 
Der  an  die  Bifurkationsstelle  verbrachte  Sauerstoff  spült  dort  d 
Kohlensäure  weg,  erleichtert  damit  die  Diffusionsvorgänge  von  m 
nach  dem  Blut.  Atembewegungen  sind  unter  diesen  Umständen  nie 
mehr  notwendig. 

Die  Patientin  kam  trotz  leichter  Schluckpneumonien  in  beidi 
Unterlappen  durch  die  nächsten  Tage  ohne  jede  Beschwerde  hi 
durch,  sie  blieb  selbstverständlich  dauernd  unter  Bewachung.  A 
6.  Tage  wurde  die  Kanüle  herausgenommen.  Entlassung  völlig  gehei 

Es  sei  noch  erwähnt,  dass  auch  eine  Sauerstoffatmung  mit  liil 
des  Pulmotors  nutzlos  versucht  worden  war.  Von  einer  Intubatii 
wurde  abgesehen  und  statt  dessen  eine  Tracheotorme  ausgefüml 
weil  es  eben  wichtig  schien,  stundenlang,  wenn  auch  in  Intervalle! 
die  Sauerstoffspülung  durchzuführen  und  dabei  jede  weitere  Aspiratä 
zu  vermeiden. 

Herr  Nonne:  Weitere  Erfahrungen  zum  Kapitel  Diagnose  d< 
Riickenmarkstumoren. 

N.  gibt  einen  Ueberblick  über  den  heutigen  Stand  der  Diagno; 
und  chirurgischen  Behandlung  von  Rückenmarkstumoren.  Er  bj 
richtet  über  diagnostische  Erfahrungen  an  15  einschlägigen  Fälle: 

3  mal  handelte  es  sich  um  gutartige,  komprimierende  Tumore 
(Zystofibrome),  1  mal  um  ein  ganz  isoliertes,  am  Dorsalteil  komprt 
mierendes  Gummi,  1  mal  um  ein  von  der  Hinterseite  des  10.  Dorsa 
Wirbels  ausgehendes  Enchondrom,  1  mal  um  ein  als  extramedullär: 
Tumor  am  Halsmark  diagnostiziertes  intramedulläres  Halsmari 
gliom,  1  mal  um  einen  von  mehreren  Dorsalwirbelkörpern  aus  in  da 
Rückenmarkskanal  hineingewachsenen  Hodgkintumor  (Lymph* 
matosis  granulomatosa),  1  mal  um  ein  Riesenzellensarkom,  welch« 
den  Körper  des  7.  Halswirbels  gänzlich  zerstört  hatte,  ohne  dass,  c 
der  Wirbelbogen  intakt  erhalten  war,  diese  Zerstörung  im  Röntget 
bilde  zum  Ausdruck  gekommen  war,  1  mal  um  ein  Wirbelsäule' 
sarkom,  welches  klinisch  eine  Caries  tuberculosa  vorgetäuscht  hatt 
1  mal  um  das  klinische  Bild  einer  Kompression  des  Conus  terminal: 
die  hervorgerufen  war  durch  eine  vom  2.  Lendenwirbelkörper  aui 
gehende  Karzinommetastase  bei  primärem  Bronchialkarzinom. 

Ferner  stellt  N.  3  Fälle  vor,  bei  denen  das  klinische  Bild  ein« 
Kompression  im  Dorsalmark  (1  Fall)  resp.  am  untersten  Teil  de 
Rückenmarks  (2  Fälle)  Vorgelegen  hatte.  2  mal  fand  sich  bei  d« 
Operation  überhaupt  keine  Anomalie,  1  mal  erhebliche  Vermehrut 
des  Liquordruckes  mit  leichter  Kompression.  Alle  3  Fälle  heilten  nat 
der  Laminektomie  aus.  Im  vorletzten  Falle,  der  das  Bild  einer  My. 
litis  transversa  paene  completa  e  compressione  des  Dorsalmarks  gi 
boten  hate,  fand  sich  eine  ausserordentlich  hochgradige  Varikosis  dt 
Vena  spinalis  anterior  et  posterior.  Mikroskopisch  zeigten  sich  au 
gedehnte  Erweichungsherde  im  Anschluss  an  eine  ebenfalls  hoc! 
gradige  Varikosis  im  Rückenmarksquerschnitt.  Der  letzte  Fall  repn 
sentierte  einen  jener  sehr  seltenen  Fälle  von  Kyphoskoliose  auf  d< 
Basis  einer  kongenitalen  Spina  bifida  des  Zervikal-  und  Dorsaltci 
der  Wirbelsäule.  Bei  dem  18  jährigen  Menschen  war  es  durch  d; 
Ueberdehnung  des  Rückenmarks  über  einen  spitzwinkeligen  Voj 
sprung  der  dislozierten  Wirbel  zum  klinischen  Bilde  einer  Que 
myelitis  im  oberen  Dorsalmark  gekommen. 

(Ausführliche  Pubilkation  in  der  „Deutschen  Zeitschrift  ii 
Nervenheilkunde“).  Werner. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  18.  April  1913. 

Primarius  Dr.  v.  Khautz  jun.  stellt  einen  14 jälir.  Knaben  in 
Spontanfraktur  des  Humerus  infolge  Knochenzyste  vor.  Die  Röntgei 

Untersuchung  zeigte  im  oberen  Dritteil  des  Humerus  statt  der  noi 
malen  Markhöhle  einen  ca.  6  cm  langen  ovoiden  Hohlraum,  die  Kort 
kalis  daselbst  stark  verdünnt,  kaum  2  mm  dick,  die  normale  Konti 
der  Diaphyse  noch  erhalten.  Nächst  der  Mitte  der  Zystenhöhle  di 
quere,  zackige  Bruchlinie.  Sonst  nirgends  eine  Abnormität. 

Dr.  Otto  v.  Aufschnaiter  demonstriert  in  kinematograpli 
scher  Aufnahme  eine  Darmspülung  mittels  Enterocleaners.  Der  voj 
ihm  und  Stabsarzt  Dozent  Dr.  Brosch  angegebene  Apparat  die: 
dazu,  eine  Dauerirrigation  im  warmen  Bade  zu  machen,  ohne  dass  da 
Badewasser  verunreinigt  wird.  Das  Irrigationswasser  —  bis  zu  3 
bis  40  Litern  —  tritt  dabei  neben  dem  sehr  kurzen  Einflussröhrche 
durch  den  Sphinkter  aus. 

In  der  Diskussion  warnte  Prof.  Dr.  Alexander  Fraenke 
davor,  den  Enterocleaner  in  therapeutischer  Absicht  in  einem  Fall 
von  akuter  Appendizitis  zu  gebrauchen,  was  tatsächlich  einmal  gq 
schellen  ist.  Auch  Dr.  Laub  warnt  vor  der  Anwendung  dieses  APP<" 
rates  bei  entzündlichen  Zuständen  des  Darmes  und  weiss  von  einei 
Falle,  bei  welchem  nach  einer  Enterocleanerausspiilung  wegen  Pei 
foration  bei  Appendizitis  sofort  operiert  wurde;  ob  diese  Perforatio 
vor  oder  nach  Verabreichung  der  Spülung  eintrat,  liess  sich  nicht  fes 
stellen.  Auch  die  Spülung  des  Darmes  bei  Perisigmoiditis  möctit 
Laub  im  Gegensatz  zu  Aufschnaiter  nicht  empfehlen.  —  Pf 
vatdozent  Dr.  Brosch  kennt  auch  den  Fall  Laubs,  weiss  davoi 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


1013 


Aai  1913. 


;;  2  Stunden  nach  der  Spülung  laparotomiert  wurde,  glaubt  aber, 
.  die  Perforation  50 — 60  Stunden  vor  der  Operation  erfolgte;  man 
i  aucli  keine  Spur  der  Spülflüssigkeit  im  Bauchraum.  —  Privat- 
(  nt  Dr.  Zweig  hält  den  komplizierten  Apparat  für  iiber- 
-,ig,  man  komme  mit  einfacheren  Methoden  aus.  —  Prof.  Alois 
k  sagt,  dass  sich  an  seiner  Abteilung  der  Apparat  in  vielen 
:n  gut  bewährt  habe.  —  v.  Aufschnaiter  (Schlusswort)  hält 
ft  eine  Appendizitis  für  keine  Indikation  einer  solchen  Spülung. 
Dr.  Martin  Haudek:  Röntgenologische  Befunde  bei  perigastri- 
len  Verwachsungen. 

An  einer  Reihe  von  Radiogrammen  werden  zackige  Schattenvor- 
nge  an  der  grossen  Kurvatur  des  Magens  gezeigt,  welche  wie 
.  Vortr.  ausführt  —  dadurch  entstehen,  dass  dem  durch  Schrump- 
i  oder  Spasmus  bewirkten  Zuge  eines  an  der  kleinen  Kurvatur 
•iideu  Geschwürs  die  grosse  Kurvatur  nur  teilweise  folgen 
i.  weil  dieselbe  in  einzelnen  Partien  durch  straffe  Fixation  hieran 
.  ndert  ist.  Der  Vortr.  erörtert  auch  die  differentialdiagnostischen 
i  teilte  und  weist  auf  die  zahlreichen  Bestätigungen  seiner  Diä¬ 
ten  durch  spätere  Operationen  hin.  Die  Befunde  wurden  im 
z  k  n  e  c  h  t  sehen  Institute  für  Radiologie  im  allgemeinen  Kran- 
,  tause  erhoben. 

Dr.  R.  Strisower:  Ueber  die  Bildung  und  Ausscheidung  der 
isensäure  im  menschlichen  Organismus  bei  normalen  und  patho- 
tchen  Zuständen. 

Der  Vortr.  besprach  vorerst  seine  Untersuchungsmethode  auf 
isensäure  im  Harne,  welche  Methode  genügend  genaue  Resultate 
In  ca.  100  ausgeführten  Bestimmungen  überzeugte  er  sich,  dass 
gesunden  erwachsenen  Personen  10—16  mg,  also  durchschnittlich 
ng  Ameisensäure  im  Tagesurin  gefunden  werden.  Intensive 
kelarbeit  vermehrte  die  Ausscheidungsmenge  der  Ameisensäure 
1  bei  den  Versuchstieren  (Hunden),  aber  nicht  beim  gesunden 
sehen.  Hingegen  wurde  bei  dyspnoischen  Zuständen,  beim  Dia- 
s  mit  Azidosis  und  bei  der  Leukämie  eine,  zuweilen  sehr  er- 
:  iche  Steigerung  der  Ameisensäureausscheidung  gefunden.  So 
:  sie  bei  eben  kompensierten  Herzfehlern,  wenn  die  Kranken  auch 
ge-inge  Bewegungen  ausführten,  auf  das  2— 3  fache  des  Normalen: 
nke  mit  stark  dekompensierten  Herzfehlern  schieden  durchschnitt- 
die  5 — 6  fache  normale  Menge  aus  (Steigerung  zwischen  20  bis 
'mg  wurde  beobachtet).  Das  wird  mit  der  herabgesetzten  Oxy- 
i  msfähigkeit  der  Gewebe  durch  den  geringen  Sauerstofftransport 
:  der  Dekompensation  erklärt.  Die  vermehrte  Ameisensäure  bei 
:pnoe  scheint  der  gesteigerten  Milchsäurebildung  zu  entsprechen, 
ei  wohl  die  Milchsäure  in  Azetaldehyd  und  Ameisensäure  ge¬ 
lten  wird.  Noch  grösser  ist  die  Ausscheidung  der  Ameisensäure 
:i  Diabetes  mit  Azidosis  (durchschnittlich  aus  15  Untersuchungen 
'lg  täglich),  was  wieder  auf  den  quantitativ,  vielleicht  auch  quali- 
verändertem  Fettabbau  im  erkrankten  Organismus  zurückgeführt 
I.  Eine  mässige  Steigerung  der  Ameisensäure  wurde  schliesslich 
i  bei  Leukämie  konstatiert. 

Es  folgt  eine  Diskussion  zum  Vortrage  des  Dr.  H.  Ja- 
chke:  „Ueber  Entzündungshemmung“  (siehe  unseren  Bericht 
er  vorigen  Nummer).  Es  sprachen:  Prof.  Dr.  Roth,  Prof.  Dr. 
(lein,  Dr.  Hans  Königstein,  Dr.  Januschke  (Schluss- 
t).  Bei  der  akuten  Rhinitis  beobachtete  Prof.  Roth  nach  inner¬ 
er  Verabreichung  von  4 — 5  g  Calcium  lacticum  täglich  eine  rasche 
lahme  des  Schleimhautödems  und  der  Sekretion  aus  der  Nase, 
ngleich  die  Entzündungserscheinungen  fortbestanden.  Schmerzen 
ier  Stirn-,  in  der  Oberkiefer-  oder  in  der  Hinterhauptsgegend 
randen  gleichzeitig.  Auch  bei  der  chronischen  Rhinitis  und  beim 
•chnupfen  wirkte  Calcium  lacticum,  innerlich  verabreicht, 
■dg  ein. 

- - - 

\us  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

al  Society  of  Medicine,  Section  of  Balneology  and 

Climatology. 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

Fibrositis. 

R.  L.  J.  Llewellyn  betont  die  Bedeutung  der  Gicht  für  die 
tehung  von  fibrösen  indurierenden  Ablagerungen  unter  der  Haut 
in  den  Muskeln.  Unter  seinen  Fällen  von  muskulärer  Fibrositis 
n  28,8  Proz.  sonstige  objektive  Zeichen  einer  gichtischen  Dis- 
Jon,  wie  Tophi  etc.,  dar,  während  bei  nur  8  Proz.  anamnestisch 
er  Gelenkrheumatismus  festzustellen  war.  Das  plötzliche  Ein¬ 
en  des  Leidens  ist  nur  ein  scheinbares,  die  Entwickelung  ist  stets 
schleichende,  bis  durch  irgend  eine  besondere  Muskelanstrengung 
abnorme  Prozess  zum  Bewusstsein  gebracht  wird.  Fieber  ist 
J  eine  häufige  Erscheinung  und  als  Hauptmoment  der  Schmerz. 
i  endokardiale  Läsionen  treten  gelegentlich  hinzu.  Die  objektiven 
Meinungen  an  den  Muskeln  sind  die  der  Entzündung,  lokale  Er¬ 
dung  und  Anschwellung  und  namentlich  die  Steigerung  des  Mus- 
mus,  der  Hypertonus.  Als  weitere  Folge  kommt  die  venöse  Stau- 
hinzu  und  daran  anschliessend  die  Entwickelung  von  Knoten  und 
rationen. 

R.  S  t  o  c  k  m  a  n  schildert  die  Pathologie  des  Leidens,  bei  der 
ich  handelt  einmal  um  ein  ödematöses,  lebhaft  wucherndes  Ge- 
e  mit  vielen  Fibroblasten  und  nur  wenigen  Leukozyten  und 
rerseits  um  derbe  feste  Knoten  und  Herde.  Charakteristisch  für 
pathologische  Gewebe  ist  die  ausgesprochene  Pcri-  und  End- 


arteriitis  an  den  Blutgefässen  der  afiiziertcn  Regionen.  Dies  legt  die 
Vermutung  einer  durch  die  Blutbahn  hergeleiteten  toxischen  Ein¬ 
wirkung  sehr  nahe.  Die  Empfindlichkeit  solcher  Patienten  gegenüber 
1  emperatur  und  klimatischen  Einflüssen  ist  wahrscheinlich  bedingt 
durch  die  damit  zusammenhängende  gesteigerte  Ausscheidung  von 
Lymphe  aus  den  Blutgefässen,  die  dann  auch  mangelhaft  wieder  re¬ 
sorbiert  wird.  Meist  besteht  auch  ein  gewisser  Grad  von  inter¬ 
stitieller  Entzündung  an  den  Nerven  der  affizierten  Gebiete. 

K.  Goadby  hat  bei  solchen  Patienten  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  ausgeführt,  indem  er  verschiedene  Bakterien,  welche  dem 
Munde,  der  Nase,  dem  Urin  und  dem  Stuhl  entnommen  waren,  an 
Tieren  prüfte.  Im  Urin  von  Fibrositiskranken  hat  er  z.  B.  Strepto¬ 
coccus  longus,  Streptobacillus  malae  und  Bacillus  necrodentalis  nach¬ 
gewiesen  und  isoliert  und  daraus  eine  Vakzine  hergestellt,  mit  wel¬ 
cher  er  auch  therapeutische  Erfolge  erzielt  haben  will.  Ph. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  fratiQaise  de  Dermatologie  et  de  Syphiligraphie. 

Januar-Februar-Sitzung  1913. 

Ueber  das  Salvarsan. 

Jeanselme  hat  beobachtet,  dass  die  erste  Injekton  von  Sal¬ 
varsan  oft  von  einem  FieUeranfall  beeleitet  ist.  der  sich  bei  den  fol¬ 
genden  Injektionen  nicht  einstellt,  selbst  wenn  das  Mittel  ir.  stärkeren 
Dosen  angewandt  wird.  Dieses  Fieber,  dessen  Intensität  keineswegs 
der  injizierten  Dosis  proportional  ist,  ist  nicht  toxischen  Ursprungs, 
es  ist  ein  spezifisches  Fieber,  ähnlich  jenem,  das  eine  Tuberkulin¬ 
injektion  bei  einem  Tuberkulösen  hervorruft,  und  tritt  nur  bei  Syphi¬ 
litikern  auf.  Andererseits  kann  bei  den  sehr  virulenten  Formen,  wie 
der  frühzeitigen  malignen  Syphilis,  wenn  ein  durch  die  syphilitische 
Infektion  bedingtes  Fieber  vorhanden  ist,  die  erste  Salvarsaninjektion 
rasche  und  dauernde  Entfieberung  verursachen;  das  Salvarsan  wirkt 
also  hier  ähnlich  wie  das  Chinin  bei  Malaria.  Uebrigens  bewirken 
andere  spezifische  Mittel,  in  genügender  Dosis  intravenös  injiziert 
(Enesol,  Cy  =:  Hg),  bei  der  ersten  Injektion  und  nur  bei  dieser  Fieber, 
was  wohl  darauf  beruht,  dass  sie  eine  massenhafte  Vernichtung  der 
Spirochäten  zur  Folge  hat. 

M  i  1  i  a  n  und  S  a  u  p  h  a  r  berichten  über  2  Fälle  syphi¬ 
litischer  Reinfektion,  welche  18  resp.  10  Monate  nach  der 
ersten  mit  Salvarsan  behandelten  Infektion  unter  allen  typischen 
Erscheinungen  (positivem  Wassermann,  Roseola  usw.)  auf¬ 
getreten  ist. 

Darier  über  2  Todesfälle  nach  Injektionen  von 
Neosalvarsan.  In  beiden  Fällen  waren  vorher  0,45,  06  und  0,75 
(je  2  Injektionen)  gemacht  worden  und  trat  der  Tod  erst  19  Stunden 
resp.  5  Tage  je  nach  der  dritten  von  0,9  mit  epileptiformen  Erschei¬ 
nungen,  Fieber  usw.  ein.  Das  genaue  Studium  dieser  Fälle  lässt  D. 
schliessen,  dass  es  sich  wahrscheinlich  um  eine  ungenügende  Aus¬ 
scheidung  und  daher  Akkumulierung  des  Neosalvarsans  im  Organis¬ 
mus  und  äusserst  akute  Vergiftung  handle.  Aber  da  es  absolut  kein 
Kriterium  gibt,  um  diese  mangelhafte  Elimination  vorauszusehen,  so 
kann  man  vorläufig  bei  Anwendung  des  Neosalvarsans  nur  äusserste 
Vorsicht  anempfehlen. 

Nach  M  i  1  i  a  n  handelt  es  sich  in  solchen  Fällen  um  eine  reine 
Arsenikvergiftung  und  es  dünkt  ihm  absurd,  das  destillierte  Wasser, 
Spuren  von  Pb,  Herxheimer  sehe  Reaktion  oder  ähnliches  als 
Ursache  zu  beschuldigen.  Er  teilt  die  Fälle  von  Salvarsanintoleranz 
in  2  Kategorien  ein:  1.  mit  Erscheinungen,  die  während  der  In¬ 
jektion  auftreten  (Geschmacksempfindungen,  erhöhte  Drüsenabsonde¬ 
rungen,  vasodilatatorische  Erscheinungen)  und  2.  die  nach  der  In¬ 
jektion  sich  einstellen:  Schwäche,  Uebelkeit,  Ohrensausen,  Nacken- 
und  Kreuzschmerzen  und  mehrere  Tage  anhaltendes  Fieber.  In 
solchen  Fällen  darf  man  bei  sonst  gesunden  Leuten  nur  mit  0,1,  bei 
itgendwie  belasteten  nur  mit  0,05  steigen. 

Für  Emery  ist  das  Wasser  die  Ursache  aller  beobachteten  Zu¬ 
fälle,  indem  sich  bei  der  Destillation  schädliche  chemische  Stoffe 
bilden.  Er  verwirft  daher  die  aus  Metall  bestehenden  Destillations¬ 
apparate  und  rät  ausschliesslich  zu  solchen  von  hartem  Glas,  die 
nach  14—20  Tagen  zu  erneuern  sind  (beim  Auftreten  der  geringsten 
klinischen  Erscheinung  von  Intoleranz). 

Jeanselme  hat  mit  Salvarsan  14  Frauen  in  den  ver¬ 
schiedensten  Stadien  der  Schwangerschaft  mit  sekundär¬ 
syphilitischen  Erscheinungen  behandelt  und  alle  ohne  Ausnahme  haben 
gesunde  Kinder  zur  Welt  gebracht.  2  Frauen  mit  alten  syphilitischen 
Erscheinungen,  die  früher  stets  Fehlgeburten  hatten,  bekamen  nach 
der  Salvarsanbehandlung  lebende,  gesunde  Kinder.  Im  Vergleich  mit 
der  Quecksilberbehandlung  dünken  J.  die  mit  Salvarsan  behandelten 
Fälle  weit  bessere  Erfolge  bezüglich  normalen  Endes  der  Schwanger¬ 
schaft  und  ausgetragener,  gesunder  Kinder  zu  geben. 


29.  Hauptversammlung  des  Preussischen  Medizinal¬ 
beamtenvereins. 

Nach  den  üblichen  Begriissungsredeti  hielt  Herr  Wolff- Lüne¬ 
burg  einen  Vortrag  über  den  Entwurf  eines  Wohnungs¬ 
gesetzes.  Dieser  Entwurf  befriedige  zwar  mehr  als  der  frühere, 
lasse  aber  noch  manche  Wünsche  unerfüllt  und  sei  nach  verschiedenen 
Richtungen  hin  noch  verbesserungsbedürftig.  Den  Gesundheits- 


1014 


MUENCHENER  .MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


beamten  interessieren  hauptsächlich  die  Bestimmungen,  welche  von 
der  Benutzung  der  Gebäude  und  von  der  Wohnungsaufsicht  handeln. 
Vortr.  betrachtet  cs  als  einen  Mangel,  dass  die  in  Aussicht  genom¬ 
menen  Wohnungsordmmgen  nur  für  Gemeinden  von  mehr  als  10  000 
Einwohner  erlassen  werden  sollen.  Sie  seien  für  sämtliche  Gemein¬ 
den  ein  unabweisbares  Bedürfnis.  Gerade  auf  dem  Lande  seien  die 
M  ohnungsverhültnisse  am  allerungünstigsten,  und  das  sei  ein  nicht 
zu  unterschätzender  Grund  für  die  vielbeklagte  Landflucht  der  Arbei¬ 
ter.  Deshalb  hätten  die  ländlichen  Arbeitgeber  ein  wesentliches 
Interesse  daran,  dass  der  Unterschied  zwischen  ländlichen  und  städti¬ 
schen  Wohnungen  nicht  noch  mehr  zu  ungunsten  der  ersteren  ver- 
grössert  werde.  Um  die  Durchführung  des  Wohnungsgesetzes  wirk¬ 
sam  zu  gestalten,  müsste  dem  Medizinalbeamten  ein  weitgehender 
Einfluss  auf  die  Gestaltung  der  Wohnungsaufsicht  eingeräumt  werden. 

Demgegenüber  betonte  Herr  Geh.  Oberregierungsrat  Sänger 
vom  Ministerium  des  Innern,  dass  die  Wohnungsaufsicht  Sache  der 
Gemeinden  sei  und  dass  demgemäss  die  Wohnungordnungen  nach 
Massgabe  der  örtlichen  Verhältnisse  verschieden  gestaltet  werden 
müssen.  Bei  der  Wohnungsaufsicht  sollen  in  erster  Reihe  die  Kreis- 
und  Gemeindeärzte  mitwirken,  aber  daneben  könne  man  die  Bau¬ 
techniker  nicht  entbehren,  weil  diese  am  besten  geeignet  seien,  den 
Widerstand  des  Hausbesitzes  zu  überwinden.  In  der  weiteren  Dis¬ 
kussion  kam  besonders  die  Schwierigkeit  zum  Ausdruck,  die  sich  in 
kleinen  Gemeinden  ergeben  würde,  wenn  es  in  das  Belieben  gestellt 
wird,  ob  sie  Wohnungsordnungen  einrichten  sollen  oder  nicht;  denn 
dann  würden  die  Hausbesitzer  schon  zu  verhindern  wissen,  dass  die 
Kreisärzte  in  die  Wohnungsämter  hineinkommen  und  dass  überhaupt 
eine  wirksame  Wohnungsaufsicht  ausgeübt  wird. 

Herr  R  o  g  o  w  s  k  y  -  Berlin  sprach  über  die  Tätigkeit  des 
ärztlichen  Sachverständigen  bei  der  Angestell¬ 
te  n  v  e  r  s  i  c  h  e  r  u  n  g.  Er  schilderte  zunächst  die  Organisation  der 
Behörden  und  das  Verfahren  vor  dem  Rentenausschuss,  dem  Schieds¬ 
gericht  und  dem  Oberschiedsgericht.  Die  Rentenausschüsse  haben 
das  Ruhegeld  festzusetzen  und  zu  entziehen,  sie  kommen  also  für  die 
Tätigkeit  der  Sachverständigen  in  erster  Reihe  in  Betracht.  Das  Ge¬ 
setz  spricht  von  der  Berufunfähigkeit  im  Gegensatz  zu  der  Erwerbs¬ 
unfähigkeit  in  der  Invalidenversicherung;  als  berufsunfähig  gilt  der¬ 
jenige,  welcher  das  65.  Lebensjahr  überschritten  hat  oder  vorher  nur 
die  Hälfte  dessen  erwerben  kann,  was  ein  Gesunder  von  ähnlicher 
Ausbildung  erwirbt.  Bei  Berufsunfähigkeit  wird  das  Ruhegeld  be¬ 
willigt.  Da  die  Versicherten  den  verschiedensten  Berufszweigen  an¬ 
gehören,  so  ergeben  sich  für  die  Begutachtung  recht  erhebliche 
Schwierigkeiten.  Das  Heilverfahren  ist  ähnlich  dem  des  Invaliden¬ 
gesetzes  gestaltet  und  hat  die  Wiederherstellung  der  Berufsfähigkeit 
zum  Ziel.  Der  Vortragende  beschäftigte  sich  dann  noch  mit  dem  Er¬ 
lass  des  Direktoriums,  der  die  Gutachtertätigkeit  den  beamteten 
Aerzten  Vorbehalten  wissen  wollte  und  bekanntlich  einen  heftigen 
Widerstand  unter  den  Aerzten  hervorgerufen  hat.  Dieser  Widerstand 
war  erfolgreich,  denn  ihm  sei  es  zuzuschreiben,  dass  schon  jetzt  Ver¬ 
trauensärzte  aus  der  Reihe  der  praktischen  Aerzte  angestellt  werden. 

Als  letzten  Punkt  der  Tagesordnung  besprach  der  Leiter  der 
Landesanstalt  für  Wasserhygiene,  Herr  Abel,  das  neuere  Ver¬ 
fahren  der  Abwässerreinigung.  Früher  hatte  man  bei 
allen  städtischen  Kanalisationsanlagen  und  bei  industriellen  Abwässer¬ 
leitungen  stets  gefordert,  dass  vor  der  Einleitung  in  die  öffentlichen 
Flussläufe  die  grösstmöglichste  Reinigung  stattfinde.  Dadurch  ent¬ 
standen  oftmals  grosse  Schwierigkeiten  und  unnötige  Kosten.  Erst 
seit  etwa  20  Jahren  hat  man  das  allgemeine  Schema  verlassen  und 
prüft  von  Fall  zu  Fall,  was  im  Interesse  der  öffentlichen  Gesundheits¬ 
pflege  und  zugleich  in  dem  der  industriellen  und  wirtschaftlichen  Ver¬ 
wertung  der  Gewässer  erforderlich  ist.  Zugleich  erkannte  man.  dass 
manche  der  früher  geübten  Verfahren  unzuverlässig  sind,  an  ihre 
Stelle,  wurden  neue,  genauer  erprobte  gesetzt.  Diese  Verfahren  be- 
ruhen  auf  chemischen,  mechanischen  und  biologischen  Methoden;  der 
Vortragende  erläuterte  sie  im  einzelnen  an  der  Hand  zahlreicher 
Lichtbilder.  Die  Reinigung  der  städtischen  Abwässer  lässt  sich  ver¬ 
hältnismässig  einfach  bewerkstelligen,  schwieriger  gestaltet  sich  die 
Frage  für  die  Beseitigung  der  Industrieabwässer,  weil  hier  die  Ver¬ 
schiedenheit  der  Zusammensetzung  berücksichtigt  werden  muss.  Mit 
der  Prüfung  der  verschiedenen  Methoden  hat  die  Landesanstalt  für 
Wasserhygiene  sich  seit  Jahren  beschäftigt.  Der  Vortragende  schil¬ 
derte  zum  Schluss  die  Entwicklung  dieser  Anstalt,  in  deren  neuem 
Heim  die  diesjährige  Sitzung  des  Medizinalbeamtenvereins  stattfand; 
nach  Erledigung  der  Vorstandswahlen  wurde  die  Sitzung  geschlossen. 

_ _  M.  K. 

Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Bad  Kissingen. 

Sitzung  vom  29.  April  1913. 

Nach  Eröffnung  der  Sitzung  gedenkt  Wahle  der  hohen  und  sel¬ 
tenen  Auszeichnung,  die  dem  Vorsitzenden  v.  Dapper-Saalfels 
durch  Erhebung  in  den  erblichen  Adelstand  verliehen  wurde  und 
wiederholt  die  bereits  schriftlich  übermittelten  Glückwünsche  des 
\ereins  nochmals  mündlich,  worauf  v.  Da  p  per  dankend  erwidert. 

Aus  dem  Einlauf,  den  W  a  h  I  e  bekannt  gibt,  ist  interessant  eine 
Zuschrift  des  Stadtmagistrats  Kissingen;  in  derselben  wird  eine  gut¬ 
achtliche  Aeusserung  des  ärztl.  Bezirksvereins  gewünscht  zu  einem 
Gesuche  über  Ausdehnung  einer  Konzession  auf  den  Ausschank  von 
Südweinen. 


Noj 

Scherpf  referiert  über  die  neuen  Statuten,  die  im  vorig 
Jahre  beschlossen,  aber  vom  Ministerium  in  verschiedenen  Punkt 
beanstandet  wurden.  Nach  vorgenommener  Aenderung,  wobei  ( 
Satzungen  des  Aerztl.  Bezirksvereins  München  als  Muster  dienü 
werden  sie  neuerdings  der  Kgl.  Regierung  zur  Genehmigung  v( 
gelegt  und  hoffentlich  bald  in  Kraft  treten.  Dabei  wurde  der  Wuns 
ausgesprochen,  Bayern  möge  baldigst  an  die  Einführung  einer  gesei 
liehen  Ehrengerichtsordnung  für  die  Aerzte  herangehen,  wie  sie  jet 
auch  Hessen  plane  und  einzuführen  beabsichtige. 

Hesse  berichtet  über  die  Tätigkeit  und  den  Erfolg  der  Koi 
mission,  die  sich  während  des  Winters  mit  der  Angelegenheit  der  Au 
Übung  der  ärztlichen  Praxis  durch  nichtapprobierte  Ausländer  b 
schäftigte.  Der  Antrag  Kissingen  wird  demnächst  auf  dem  Deutsch 
Aerztetage  erscheinen  und  hoffentlich  einstimmige  Annahme  finde 
Ein  Artikel,  der  in  der  hiesigen  Saalezeitung  erscheinen  und  d 
Publikum  aufklären  und  beruhigen  soll,  wird  gutgeheissen;  dageg 
kann  über  ein  weiteres  Schriftstück,  das  vor  der  erst  kürzlich  g 
gründeten  „Vereinigung  deutscher  und  russischer  Kur-  und  Bad 
ärzte  E.  V.“  warnen  und  in  der  medizinischen  Fach-  und  Stande 
presse  veröffentlicht  werden  soll,  keine  Einigung  erzielt  werden¬ 
wird  als  nichtdringlich  bis  zur  nächsten  Sitzung  zurückgestellt,  zum. 
der  L.  W.  V.  in  der  nächsten  Nummer  der  Aerztl.  Mitteilungen  si< 
darüber  äussern  wird. 

Der  Vorsitzende  gibt  noch  befriedigende  Aufklärung  über  sei; 
Verhandlungen  mit  dem  Kgl.  Badekommissariat  betr.  Ehrenkarten  dl 
hiesigen  Aerzte. 

Nach  Bekanntgabe  eines  sich  zur  Aufnahme  in  den  Verein  mt 
elenden  Kollegen  wird  die  Sitzung  nach  2  stiindiger  Dauer  durch  di 
Vorsitzenden  geschlossen.  Wahle. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

A  dal  in  als  Antidiarrhoikum.  In  Nummer  53/191] 
S.  2052  der  Med.  Klinik  berichtet  Philippsohn  im  Anschluss  , 
die  vortreffliche  Schilderung  Janowskis  in  No.  36  derselben  Zei 
Schrift  über  sein  eigenes  Leiden,  einen  auf  Achylia  gastrica  beruhe( 
den  Durchfall,  der  weder  durch  die  sonst  üblichen  medikamentöse 
noch  durch  diätetische  Mittel  beseitigt  werden  konnte.  Als  in  b 
sonders  kritischer  Zeit  die  innere  Unruhe  immer  mehr  zunahm  ui 
auch  der  Schlaf  zu  wünschen  liess,  griff  Philippsohn  zu  Hypnol, 
cis,  bei  welcher  Gelegenheit  er  einen  günstigen  Einfluss  des  Adalii 
auf  seine  Diarrhöen  konstatieren  konnte;  2 — 3  malige  Darreiciiur 
von  34  Tablette  (0,25  Adalin)  bewirkte  normalen  Stuhlgang  unt' 
Verschwinden  aller  sonstigen  unruhigen  Begleiterscheinungen.  Ba 
drian-,  Brom-  und  Harnstoffpräparate  halfen  für  sich  nicht  das  gj 
ringste,  auch  nicht  das  der  Harnstoffgruppe  angehörende,  als  Hypnoi 
kum  weit  wirksamere  Veronal. 

Beim  Erscheinen  dieser  Veröffentlichung  behandelte  ich  sehe; 
134  Jahre  eine  etwas  zart  besaitete  Patientin,  die  unmittelbar  nai 
dem  Genuss  warmer  und  kalter  Speisen  und  Getränke  sofort  wässrig 
Stuhlgänge  bekam.  Weder  diätetische  noch  pharmazeutische  B 
handlung  nützte:  selbst  das  bei  Diarrhöen  sonst  so  treffliche  Uzar 
wirkte  nur,  solange  es  regelmässig  eingenommen  wurde,  ohne  da: 
bei  Aussetzen  der  Tabletten  ein  Dauererfolg  sich  zeigte.  Dieser  tr. 
erst  ein,  als  ich,  durch  Philippsohns  obige  Veröffentlichung  au 
merksam  gemacht,  täglich  1  Tablette  =  0,5  Adalin  nehmen  lies 
Allerdings  muss  auch  Adalin  nach  mehrwöchiger  Pause  wiedi 
3 — 4  Tage  lang  gegeben  werden,  wenn  der  Stuhl  anfängt,  seine  breiiv 
Konsistenz  wieder  zu  verlieren  und  damit  wieder  öfters  als  1— 2  m 
pro  Tag  zu  kommen,  was  insbesondere  vor  Eintritt  der  Menses  dt 
Fall  zu  sein  pflegt:  auch  ein  Beweis  für  die  nervöse  Grundlage  d( 
Diarrhöen.  Dr.  R.  B  1  u  m  m  -  Bayreuth. 

Bei  der  Behandlung  der  Herz  -  und  Nieren w'assei 
sucht  empfiehlt  H.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin  die  Kombination  von  Her 
tonicis  und  Diureticis  (Therap.  Mon.-Hefte  13,  3).  Als  zweckmässk 
Verwendung  erwies  sich: 


Infus,  fol.  Digital,  titr. 
Bulb.  Scillae 

1,0, 

5,0, 

c.  Aq.  dest.;  adde, 

Euphyllin. 

45, 

Tinct.  Strophantin 

3,0, 

Spartein.  sulfur. 

0,1, 

Syr.  Juniperi  ad 

180,0. 

MDS.  4  mal  täglich  1  Esslöffel  voll  zu  nehmen. 

Bei  schweren  Dyspepsien  ist  die  rektale  Darreichung  zwecl 

massig: 


Infus,  fol.  Digital,  titr. 

1,0, 

Bulb.  Scillae 

5,0, 

c.  Aq.  dest. 

150,0, 

Euphyllin. 

Tinct.  Strophantin  äa 

2,5, 

Spartein.  sulfur. 

0,1, 

Tinct.  Opii  simpl. 

1,0, 

Mucilag.  Gummi  arab.  ad 

180,0. 

MDS.  2  mal  täglich  2  Esslöffel  als  Klysma.  Kr. 


tai  t9l3. 


MüeNcHener  medizinische  Wochenschrift. 


io  iS 


Er  cp  ton  ist  ein  von  den  Höchster  Farbwerken  hergestelltcs 
i  arat,  das  aus  vollständig  bis  zu  den  Aminosäuren  abgebautem 
■  ch  besteht.  Es  ist  ein  braunes  lockeres  Pulver  mit  einem  Stick- 
i  rehalt  von  12  !  roz.  Es  lässt  sich  mit  Suppe  und  Brei  zu  einer 
i  schlecht,  schmeckenden  Masse  verarbeiten. 

Georg  A\  e  Lai  lern  ent-  und  Oskar  (1  r  o  s  s  -  Greifswald 
i  n  Versuche  mit  diesem  Präparat  gemacht  und  gefunden,  dass  es 
resorbiert  wird  und  Stickstoffansatz  herbeiführt.  Auch'  bei 
der  Darreichung  wurde  ein  beträchtlicher  Stickstoffansatz  ei  zielt. 
,2t  treten  bei  der  rektalen  \erabfolgung  leicht  Relzerschm- 
i  en  ein. 

Besonders  bemerkenswert  ist  der  gute  Erfolg  des  Ereptons  bei 
eren  I  ankreaserkrankungen,  bei  denen  es  gelang,  die  Kranken 
'  Gickstoffgleichgewicht  zu  bringen.  (Ther.  Monatshefte  13,  2) 

Kr.  ' 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher 
heutigen  Nummer  liegt  das  321.  Blatt  der  Galerie  bei-  Arnold 
ler.  Vergl.  den  Nekrolog  auf  S.  987  dieser  Nummer 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

Münche  n,  den  5.  Mai  1913. 

-  Durch  Kais.  Verordnung  vom  22.  Oktober  1901  ist  bekanntlich 
Verkehr  mit  Arzneimitteln  geregelt  und  es  dürfen 
eizubereitungen  (mit  gewissen  Ausnahmen) •  und  differente  Mittel 
lt  Apotheken  verkauft  werden.  Diese  Verordnung  hat  nun  der 
ner  Polizeipräsident,  Herr  v.  J  a  g  o  w,  durch  eine  Polizeiver- 
ung  vom  1.  August  1912  ergänzt,  durch  die  es'  verboten  wurde, 
■nittel  und  Stoffe,  deren  Verkauf  den  Apotheken  Vorbehalten  ist, 

(lieh  anzuzeigen.  Dagegen  wäre  nichts  einzuwenden,  wenn  sich 
s  Verbot  auf  die  Ankündigung  in  der  allgemeinen  Presse  be- 
inken  würde;  denn  die  Ankündigung  differenter  Arzneimittel  in 
sblättern  etc.  ist  sicher  unerwünscht.  Die  Polizeiverordnung 
ilt  aber  eine  solche  Beschränkung  nicht;  sie  wird  vielmehr  so 
hasst,  dass  auch  die  Ankündigung  in  Fach  blättern  ver- 
i  sei.  Tatsächlich  sind  bereits  eine  Anzahl  von  Redaktionen 
:  zinischer  Blätter  wegen  Verstosses  gegen  die  Polizeiverordnung 
inziert  und  zur  Rechenschaft  gezogen  worden.  Auch  der  Redak- 
dieser  Wochenschrift,  die  auch  im  Stadtkreis  Berlin  stark  ver- 
■  “t  ist.  hatte  sich  dieser  Tage  wegen  der  Aufnahme  von  An¬ 
ti  wie:  Antistreptokokkenserum.  Alttuberkulin.  Chloräthyl  Thilo, 
odin,  Stovain,  Sublimatpastillen  u.  a.  in  die  Münch,  med. 
Genschr.  vor  dem  Untersuchungsrichter  zu  verantworten.  Es 
°hl  kein  Zweifel,  dass  die  Berliner  Polizeiverordnung  in  ihrer 
ehnung  auf  die  Fachpresse  unhaltbar  ist.  Denn  die  Ankündigung 
Arzneimittel  ist  für  die  Aerzte  unentbehrlich  und  ihre  Unter- 
ung  würde  eine  schwere  Hemmung  des  Fortschrittes  der  Heil- 
ie  bedeuten.  Es  ist  daher  nötig,  dass  die  Verordnung  des  Berliner 
eipräsidenteii  mit  allen  Mitteln  bekämpft  wird.  In  ihrem  Kampfe 
i  die  Auswüchse  des  Reklamewesens  sind  die  Aerzte  bisher  ohne 
behördliche  Unterstützung  geblieben,  um  so  unverständlicher  ist 
der  entfaltete  Uebereifer  gegen  die  einwandfreien,  berechtigten 
lotwendigen  Ankündigungen  der  Fachpresse. 

-  19-  ds-  wird  die  Lupusheilstätte  in  Giessen 
xh  eröffnet  werden.  Fs  ist  dies  die  erste  der  Lupiisbekämpiun:^ 
nde  Heilstätte  in  Deutschland;  sie  verdankt  ihr  Entstehen  der 
?ung  des  Dermatologen  Prof.  J  e  s  i  o  n  e  k  und  der  Unterstützung 
neustättenvereins  und  der  Landesversicherungsaiistalt  für  das 
Herzogtum  Hessen. 

-  In  D  r  e  s  d  e  n  ist  seit  Ostern  1912  eine  städtischeKran- 
Pflegeschule  (im  Stadtkrankenhaus  Johannstadt)  errichtet 
en,  die  für  die  Stadt  nach  und  nach  für  ihre  vielen  Kranken-  und 
eanstalten  einen  Stamm  von  gut  ausgebildeten  und  zuverlässigen 
erinnen  heranbilden  soll. 

-  Die  Stadtgemeinde  Marienbad  hat  zur  besseren  Wür- 
g  der  erdigen  Mineralwässer  (Rudolfsquellengrnppe)  eine  uro- 
:he  Klinik  im  städtischen  Hospital  unter  der  Leitung  des  Privat- 
lten  an  der  deutschen  Universität  in  Prag,  Dr.  R  u  b  r  i  t  i  u  s,  ins 
1  gerufen  und  eine  Anzahl  Freiplätze  zur  Verfügung  gestellt.  An- 
n  zur  Erlangung  eines  Freiplatzes  für  unbemittelte  Patienten  an 
uadtrat  Marienbad  unter  Beilage  eines  ärztlichen  Attestes. 

-  Am  2.  Mai  d.  J.  feierte  der  Veteran  der  deutschen  ärztlichen 
lesorganisation.  Geh.  Med.-Rat  Dr.  W  a  1 1  i  c  h  s,  sein  öOjähri- 
Doktor jubiläum.  Die  Feier  wurde  vom  Verein  Schleswig- 
einscher  Aerzte  und  vom  Aerztlichen  Verein  Altona  im  engen 
e  begangen  und  dabei  dem  Jubilar  eine  Erinnerungsmedaille  in 
;e  mit  seinem  Bildnis  überreicht.  (Die  Medaille  ist  durch  den 
liehen  Verein  Altona  zu  beziehen.)  Wallichs,  der  jetzt  im 
mensjahre  steht,  erfreut  sich  bei  guter  Gesundheit  unverminder¬ 
terer  Frische.  Möge  dem  verdienten  Manne  noch  ein  langer 
leite  rer  Lebensabend  beschieden  sein. 

~  Dcr  Landesverband  für  das  ärztliche  F  ort¬ 
ungswesen  in  Bayern  veranstaltet  in  den  Monaten  Mai 
uni  d.  J.  eine  Reihe  von  Fortbildungsvorträgen.  Die  Vortrags¬ 
ist  dadurch  von  besonderer  Bedeutung,  dass  neun  hervorragende 
nrtige  Forscher  ihre  Mitwirkung  zugesagt  haben  (die  Herren 
»ssermann.  Abderhalden,  K  r  ö  n  i  g.  E.  Hoffman  n, 


E  i  s  e  1  s  b  c  r  g,  W  e  n  c  k  e  - 
ist  im  Anzeigenteil  dieser 

i  a  f  t  zur  Li  e  k  ä  in  p  i  u  n  g 
veranstaltet  ihre  Jahresver- 
aus  Anlass  der  Jahrhundert- 


Sa  i!  e  r  b  r  u  c  h.  Payr,  L  e  x  e  r,  v. 
b  ach).  Das  interessante  Programm 
Nummer  veröffentlicht  (9.  12). 

—  Die  Deutsche  G  e  s  e  1 1  s  c 
d  e  i  Geschlechtskrankheiten 
Sammlung  diesmal  am  20.  und  21.  Juni 

ausstellung  in  Breslau.  Auf  der  Tagesordnung  stehen  eine  Reihe 
wichtiger  riagen,  deren  Diskussion  das  Interesse  weiter  Kreise  er¬ 
wecken  wird.  Dr.  Julian  M  a  r  c  u  s  e  -  Ebenhausen  ist  als  Referent 
"i  das  ‘  "ema  eschlechtskrankheiten  und  B  e  v  ö  1  - 
k  e  r  u  n  g  s  p  r  o  b  1  e  m“  gewonnen  worden.  Das  Korreferat  hat  Herr 
1  rof.  B  lasch  ko  übernommen.  Herr  Prof.  .1.  Heller  wird  über 
„Geschlechtskrankheiten  und  Eherecht“  sprechen, 
rernei  soll  ein  Referat  von  Dr.  C  h  o  t  z  e  n  über  die  von  der  Gesell- 
schaft  seinerzeit  ins  Leben  gerufene  Sexualpädagogik chf“ 
Aktion  und  ihre  bisherigen  Erfolge  eine  Diskussion  über  das  weitere 
Vorgehen  der  Gesellschaft  auf  diesem  Gebiete  einleiten. 

—  Die  diesjährige  60.  Versammlung  mittelrheini- 
?,c  IT  T  A.e,*  ?  * e  w'.rd  am  1®-  Mm  in  Bad  Kreuznach  abgehalten 
Nach  Besichtigung  üer  Sehenswürdigkeiten  (Radiumfabrik,  Radium- 
lnhalatorium,  Bäderhaus)  werden  von  1—4  Uhr  Vorträge  aus  allen 
Gebieten  der  Medizin  von  einer  Anzahl  Professoren  und  Aerzten 
gehalten;  danach  findet  im  Oranienhof  gemeinschaftliches  Mittagessen 
statt. 


— -  DD  diesjährige  VII.  Jahresversammlung  der  Gesell- 
f .  1  a  1 1  Deutscher  Nervenärzte  wird  vom  29.  September 
bis  1.  Oktober  (mit  Empfangsabend  am  28.  September)  in  Breslau 
abgehalten  werden.  Die  Referatthemata  sind:  1.  Ueber  die  Abbau- 
vorgange  im  Nervensystem.  Referent:  A  lzh  e  i  m  e  r  -  Breslau. 
-•  Röntgenologie  in  ihrer  Beziehung  zur  Neurologie.  Referent: 
A.  Schüller -Wien.  Anmeldungen  von  Vorträgen  bis  spätestens 
den  5.  Juli  an  den  I.  Schriftführer,  Dr.  K.  Mendel,  Berlin  W 
Augsburgerstr.  43. 

—  Vom  15.— 22.  Oktober  1913  findet  in  Madrid  mit  Unterstützung 
der  Regierung  und  unter  Patronat  des  Königs  der  IX.  internationale 
Kongress  für  Hydrologie,  Klimatologie  und  Geo¬ 
logie  statt.  Mit  dem  Kongress  ist  eine  Weltausstellung  aller  der¬ 
jenigen  Erzeugnisse  verbunden,  die  mit  demselben  in  Zusammenhalt0- 
stehen.  Zu  näherer  Auskunft  ist  der  Vertreter  für  Deutschland,  Sani¬ 
tätsrat  Dr.  O.  R  o  s  e  n  t  h  a  1,  Berlin,  Potsdamerstrasse  121g.  bereit. 

-  Dem  Oberarzt  Di .  Quaet-Faslem  wurde  die  Leitung  des 
P  r  o  v l n  z  i  a  1  - S  a  n  a  t  o  r i u  m  s  für  Nervenkranke  „R  a  s  e - 
m  ii  h  1  e“  bei  Göttingen  übertragen. 

—  Dr.  Zeller,  bisher  in  Weilderstadt,  O.A.  Leonberg,  ist 
zum  leitenden  Arzt  des  deutschen  Viktoriahospitals  in  Kairo  gewählt 
worden. 

—  Ein  „Jahrbuch  der  Schulgesundheitspfleg  e“, 
herausgegeben  von  Dr.  Moritz  Fürst,  Schularzt  in  Hamburg  13, 
Rotenbaum-Chaussee  91.  wird  zu  Beginn  des  Jahres  1914  im  Verlag 
von  Gustav  Fischer  in  Jena  erscheinen. 

-v,  —  C  h  o  1  e  r  a.  Britisch-Ostindien.  In  Moulmein  in  der  Zeit  vom 

23.  Februar  bis  1.  März  1  Todesfall. 

Dest.  Aegypten.  Vom  5.  bis  11.  April  erkrankten  30  (und 
starben  14)  Personen  an  der  Pest.  —  Persien.  Zufolge  Mitteilung  vom 

19.  April  ist  in  Buschär  die  Pest  amtlich  festgestellt  worden. _ 

Mauritius.  Vom  7.  bis  20.  Februar  24  Erkrankungen  (und  11  Todes¬ 
talle),  vom  21.  Februar  bis  6.  März  5  (— ).  —  Brasilien.  In  Rio  de 
Janeiro  vom  2.  Februar  bis  1.  März  7  Erkrankungen  und  2  Todes¬ 
talle.  —  Chile.  In  Jquique  vom  9.  bis  15.  Februar  3  Erkrankungen.  — 
Ecuador.  Im  Februar  in  Guayaquil  49  Erkrankungen  (und  18  Todes¬ 
fälle),  in  Duran  6  (4),  in  Milagro  5  (1),  ferner  im  März  in  Guayaquil 
und  Umgebung  24  (11). 

—  In  der  16.  Jahresw-oche,  vom  13.  bis  19.  April  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Jena  mit  31,8,  die  geringste  Wanne  mit  4,9  Todesfällen  pro  Jahr 
und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb 
an  Scharlach  in  Berlin-Lichterfelde,  Berlin-Steglitz,  an  Masern  und 
Röteln  in  Hanau.  (y.  j.  K.  G.-A.) 

(Hochschul  nach  richte  n.) 

Berlin.  Die  Deutsche  Gesellschaft  für  Chirurgie  hat  auf  dem 
jüngsten  Kongress  Geheimrat  v.  Röntgen  in  München  einstimmig 
zum  Ehrenmitglied  ernannt. 

Heidelberg.  Von  der  mathematisch-naturwissenschaftlichen 
Klasse  der  Heidelberger  Akademie  der  Wissenschaften  sind  bewilligt 
worden:  dem  Privatdozenten  für  pathologische  Anatomie  Dr  W 
Gross  in  Heidelberg  zur  Anschaffung  eines  Gitterspektroskopes  für 
seine  Untersuchungen  über  vitale  Färbungen  970  M..  Prof.  Dr.  Otto 
C  o  h  n  h  e  i  m  in  Heidelberg  zur  Fortführung  seiner  physiologischen 
Untersuchungen  1000  M.  und  dem  Arzt  Dr.  Albert  Fraenkel  in 
Badenweiler  für  den  Bau  eines  Apparates  zur  unblutigen  Blutdruck¬ 
messung  bei  Versuchstieren  700  M.  (hk.) 

Jenen  Dr.  phil.  Moritz  v.  Rohr,  wissenschaftlicher  Beamter 
der  Firma  Carl  Z  e  i  s  s,  ist  zum  ausserordentlichen  Professor  für  Optik 
an  der  Universität  ernannt  worden. 

Königsberg.  Nachdem  Dr.  med.  Ernst  Schwalbe  in 
Rostock  sich  nicht  hat  entschliessen  können,  dem  Rufe  nach  Königs¬ 
berg  i.  Pr.  Folge  zu  leisten,  ist  der  a.  o.  Professor  an  der  Berliner 
Universität  Dr.  med.  Karl  Kaiserling  auf  den  Lehrstuhl  der  all¬ 
gemeinen  Pathologie  und  pathologischen  Anatomie  an  der  Universität 
Königsberg  als  Nachfolger  von  Prof.  Henke  berufen  worden. 


1016 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  1 


Dr.  K  a  i  s  e  r  1  i  n  g  hat  den  Ruf  angenommen  und  wird  bereits 
zum  bevorstehenden  Sommersemester  sein  neues  Lehramt  über¬ 
nehmen.  (hk.) 

Marburg.  Der  auf  die  Dauer  eines  Jahres  beurlaubte  a.  o. 
Professor  Dr.  Römer  wurde  mit  der  Stellvertretung  des  aut  einer 
Auslandreise  befindlichen  1.  Abteilungsvorstehers  am  Hygienischen 
Institut  der  Universität  Berlin  Prof.  Dr.  Ficker  beauftragt. 

M  ii  n  c  h  e  n.  Die  Leitung  der  neuen  Kgl.  orthopädischen  Klinik 
in  München  ist  dem  ordentl.  Professor  der  Orthopädie  Dr.  Friedr. 
Lange  übertragen  worden.  Die  Klinik  wird  voraussichtlich  am 

1.  Oktober  d.  J.  eröffnet  werden. 

Rostock.  Prof.  Schwalbe  hat  den  Ruf  nach  Königsberg 
abgelehnt. 

Tübingen.  Ausserordentlicher  Prof.  Dr.  Max  v.  Brun  n, 
Privatdozent  für  Chirurgie,  ist  als  leitender  Arzt  der  chirurgischen 
Abteilung  am  Augusta-Hospital  in  Bochum  berufen  worden.  — ■  Dr. 
John  Miller,  Privatdozent,  Assistenzarzt  am  pathologischen  Institut, 
ist  zwecks  Einrichtung  des  pathologischen  Instituts  in  Bahia  be¬ 
urlaubt  worden. 

Lemberg.  An  Stelle  des  verstorbenen  Hofrats  Professor 
H.  Kadyi  ist  der  Privatdozent  Dr.  med.  Joseph  Markowski 
zum  ordentlichen  Professor  der  Anatomie  an  der  Universität  Lem¬ 
berg  ernannt  worden,  (hk.) 

(Todesfälle.) 

In  Halle  a.  S.  verstarb  am  26.  April  der  Direktor  der  Chirur¬ 
gischen  Universitätsklinik,  üeh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  v.  Bramann. 
Nekrolog  folgt.  —  Der  Witwe  v.  Brama  n  n  s  ist  vom  Kaiser  folgen¬ 
des  Telegramm  zugegangen:  Ich  bin  durch  die  Meldung  von  dem  Hin¬ 
scheiden  Ihres  teuren  Gatten  schmerzlichst  bewegt  und  nehme  mit  der 
wissenschaftlichen  Welt  und  der  leidenden  Menschheit  an  Ihrem  Ver¬ 
lust  wärmsten  Anteil.  Wie  dankbar  ich  der  meinem  in  Gott  ruhenden 
Herrn  Vater  von  dem  Verewigten  geleisteten  treuen  Dienste  bei  der 
25  jährigen  Wiederkehr  jener  schweren  Zeit  gedenke,  habe  ich  dem 
Entschlafenen  noch  kurz  vor  seinem  Ableben  aussprechen  können. 
Gott  der  Herr  tröste  Sie  in  Ihrem  Leid.  Wilhelm  R. 

Der  Privatdozent  der  Medizin  Dr.  Hermann  Bennecke  in 
Jena  ist  bei  einem  Spazierritt  durch  einen  Sturz  vom  Pferde  tödlich 
verunglückt.  Dr.  B.  war  Assistent  der  med.  Klinik  und  ein  ge¬ 
schätzter  Mitarbeiter  dieses  Blattes. 

Der  bekannte  Frauenarzt  Professor  Dr.  Willy  T  h  o  r  n  in  Magde¬ 
burg,  Oberarzt  der  gynäkologischen  Abteilung  der  Krankenanstalt 
Suaenburg,  ist  am  30.  v.  Mts.  einer  septischen  Angina  zum  Opfer  ge¬ 
fallen. 

Dr.  S.  Jaccoud,  ständiger  Sekretär  der  Academie  de  mede- 
cine,  früher  Professor  der  medizinischen  Klinik  zu  Paris. 

Dr.  J.  C  a  1 1  e  j  a  y  S  a  n  c  h  e  z,  Professor  der  Anatomie  zu 
Madrid. 

Dr.  Gye  McClellan,  Professor  der  Anatomie  am  Jefferson 
Medical  College  zu  Philadelphia. 


Korrespondenz. 

Leipziger  Verband  und  Berufsbuchhandel. 

Eine  in  No.  17  der  Aerztlichen  Mitteilungen  veröffentlichte  Er¬ 
klärung  des  Vorstandes  des  Leipziger  Verbandes  nötigt  uns,  auf  die 
Kontroverse  mit  dem  Generalsekretär  des  Leipziger  Verbandes,  Herrn 
Dr.  Kuhns,  zui  ückzukomtnen,  die  sich  unter  obigem  Titel  in  den 
Jahrgängen  1910  und  1911  durch  eine  Reihe  von  Nummern  der  Wochen¬ 
schrift  hindurchzog.  Die  Erklärung  lautet: 

„Unter  Bezugnahme  auf  die  Erklärung  des  Vorstandes  in 
No.  26  der  .Aerztlichen  Mitteilungen*  vom  30.  Juni  1911  geben  wir 
hiermit  bekannt,  dass  in  dem  Streitfälle  zwischen  dem  Redakteur 
der  .Münchener  Medizinischen  Wochenschrift*,  Herrn  Hofrat  Dr. 
Spatz,  und  dem  Generalsekretär  des  Verbandes,  Herrn  Kuhn  s, 
das  auf  dessen  Selbstanzeige  eingeleitete  Verfahren  von  dem  zu¬ 
ständigen  staatlichen  Ehrengericht  nunmehr  durch  Urteil  beendet 
worden  ist.  Herr  Kuhns  ist  von  dem  ihm  gemachten  Vorwuri, 
in  seinen  Verlautbarungen  über  den  bekannten  Buchhändlerstreit 
in  zwei  Punkten  von  der  Wahrheit  abgewichen  zu  sein  und  sich 
dadurch  eines  Verstosses  gegen  die  Standesehre  schuldig  gemacht 
zu  haben,  von  beiden  Instanzen,  sowohl  von  dem  Ehrenrat  zu 
Leipzig  als  auch  von  dem  Ehrengerichtshof  in  Dresden,  kostenlos 
freigesprochen  worden. 

Leipzig,  den  15.  April  1913. 

Der  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes 
H  a  r  t  m  a  n  n,  Vorsitzender. 

Zu  dieser  Erklärung  haben  wir  folgende  Richtigstellungen  zu 
machen : 

1.  Die  Angabe,  Dr.  Kuhns  sei  von  beiden  Instanzen,  sowohl 
von  dem  Ehrenrat  in  Leipzig,  als  auch  von  dem  Ehrengerichtshof 
in  Dresden,  kostenlos  freigesprochen  worden,  wird  von  sehr  vielen 
Lesern  so  verstanden  werden,  dass  w  i  r  Berufung  zum  Ehrengerichts¬ 
hof  ergriffen  hätten;  denn  dass  der  Freigesprochene  Berufung  ergreift, 
ist  doch  etwas  sehr  ungewöhnliches.  Tatsächlich  hat  Herr 
Dr.  Kuhns  selbst  gegen  das  Urteil  des  Ehrenrats  Berufung  ein-  , 
gelegt.  Uns  wäre  das  ja,  da  es  sich  um  eine  Selbstanzeige  handelte,  I 
gar  nicht  möglich  gewesen. 


2.  Herr  Dr.  K  u  h  n  s  wurde  von  dem  Vorwurf  eines  Verstoss 
gegen  die  Standesehre  freigesprochen.  Diesen  Vorwurf  haben  w 
ihm  aber  nie  gemacht.  Er  hat  ihn  vielmehr  selbst  konstruiert,  i 
seine  Selbstanzeige  beim  Leipziger  Ehrenrat  anbringen  zu  kömn 
Wir  hatten  im  Gegenteil  (1911,  S.  720)  ausdrücklich  zugestandi 
dass  Herr  Dr.  Kuhns  „in  der  Erregung  über  das  rücksichtsk 
Vorgehen  des  Börsenvereins  gegen  die  Verbandsbuchhandlung*'  u 
„im  berechtigten  Unwillen  darüber“  seine  Behauptungen  auigesü 
habe;  also  ganz  wie  der  Ehrenrat,  der  Herrn  Dr.  Kuhns 
1.  Punkte  von  einem  Verstoss  gegen  die  Standesehre  freispra« 
weil  sein  Artikel  „aus  einer  gewissen  Kampfesstimmung“  hera 
geschrieben  sei. 

3.  Es  ist  dagegen  nicht  richtig,  dass  He 
Dr.  Kuhns  von  dem  Vorwurf,  in  zwei  Punkten  v i 
der  Wahrheit  abgewichen  zu  sein,  freigesprochi 
wurde.  Aus  der  Begründung  des  ehrengerichtlichen  Urteils  ge 
vielmehr  unzweifelhaft  hervor,  dass  der  Ehrenrat  von  der  objektiv 
Unwahrheit  des  ersten  der  strittigen  Punkte  überzeugt  war; 
billigt  aber  Herrn  Dr.  Kuhns  zu,  in  gutem  Glauben  gehandelt 
haben.  Im  zweiten  Punkte  hat  allerdings  der  Ehrenrat  der  Vt 
Sicherung  des  Herrn  Dr.  Kuhns,  dass  seine  Bemerkung  in  eint 
bestimmten  eingeschränkten  Sinne  zu  verstehen  gewesen  sei,  Glaub 
geschenkt. 

4.  Der  Ehrengerichtshof  in  Dresden  hat  sich  zu  der  Frage  t 
Wahrheit  oder  Unwahrheit  der  Kuhns  sehen  Behauptungen  und 
der  Frage  der  Verletzung  der  Standesehre  überhaupt  nicht  geäusse 
Er  hat  lediglich  die  Herrn  Dr.  Kuhns  nicht  genehme  Begriindu 
des  Urteils  der  1.  Instanz  in  einem  Punkte  geändert. 

Der  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes  hatte  in  No.  4,  1911  d 
Aerztlichen  Mitteilungen  geschrieben,  eine  Prüfung  seines  Matern 
werde  „die  völlige  Richtigkeit  der  von  dem  Herrn  Generalsekref 
aufgestellten  Behauptungen“  ergeben. 

Wir  stellen  fest,  dass  die  ehrengerichtlicl 
Untersuchung  die  völlige  Richtigkeit  der  B 
hauptungen  des  Herrn  Generalsekretärs  nicht  e 
geben  hat. 

Es  wäre  dringend  erwünscht,  dass  der  Vorstand  des  Leipzig 
Verbandes  die  beiden  Urteile  nebst  Begründung  baldigst  veröffei 
licht,  damit  die  deutschen  Aerzte  in  der  Lage  sind,  an  Hand  d 
Urteile  die  Erklärung  des  Vorstandes  mit  unserer  Richtigste^ 
zu  vergleichen.  Redaktion 


34.  Balneologenkongress. 

Zu  dem  Bericht  über  den  Balneologenkongress  in  No.  16  und 
d.  W.  wird  uns  geschrieben,  dass  die  Deutsche  Gesellschaft  für  B: 
neologie  in  diesem  Jahre  als  Sektion  des  IV.  Internationalen  Ko 
gresses  für  Physiotherapie  tagte,  und  dass  Se.  Kgl.  Hoheit  Pri 
August  Wilhelm  von  Preussen  das  Protektorat  für  den  Kongress  u 
nicht  für  die  Gesellschaft  für  Balneologie  übernommen  hat.  Eben 
dass  die  gemeinsame  Sitzung  aller  Sektionen  des  Kongresses  v 
der  Kongressleitung  und  nicht  von  der  Balneologischen  Gesellsch; 
vorbereitet  und  eingeladen  war. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  16.  Jahreswoche  vom  13.  bis  19.  April  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildum 
fehler  14  (12 A),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  4  (8),  Kindbettfieber  —  i 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (— ),  Scharlach  —  i 
Masern  u.  Röteln  3  (2),  Diphtherie  u.  Krupp  —  ( — ),  Keuchhusten  2  i- 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  -  (- 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundsw 
Trichinenkrankh.  —  ( — ),  Rose  (Erysipel)  1  ( — ),  Starrkrampf  —  (-. 
Blutvergiftung  3  [2),  Tuberkul.  der  Lungen  36  (23),  Tuberkul.  and.  0 
(auch  Skrofulöse)  4  (3),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  3  (— ),  Lungi 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  7  (16),  Influenza  —  (— ),  vene 
sehe  Krankh.  5  (3),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieb 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechs 
fieber  usw.  —  ( — ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  6  (4),  Alkohol 
mus  1  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  3  (4),  sonst.  Kranl 
d.  Atmungsorgane  3  (1),  organ.  Herzleiden  15  (22),  Herzschlag,  Hei 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  2  (3),  Arterienverkalku 
1  (6),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  6  (8),  Gehirnschlag  10  ( 
Geisteskranke  1  (1),  Krämpfe  der  Kinder  5  (2),  sonst.  Krankh. d.  Nervi 
Systems  3  (3),  Atrophie  der  Kinder  2  (2),  Brechdurchfall  1  (— ),  Mage 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  5  (8),  Blinddar 
entzünd.  3  (4),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
Milz  3  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (2),  Nierenentzünd.  7  ( 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (1),  Krebs  15  (14),  son 
Neubildungen  4  (6),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.  c 
Bewegungsorgane  —  ( — ),  Selbstmord  2  (5),  Mord,  Totschlag,  au 
Hinricht. — ( — ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  ( 
and.  benannte  Todesursachen  —(1),  Todesursache  nicht  (genau)  a 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— )• 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  190  (186). 

P  Die  einvekhmmerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vnrwnch 


Verlag  von  J.  F  Lehmann  Sn  München.  —  Druck  von  E.  Miiklthalers  Buch*  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


I  Mflnchenet  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  woclientlicli 
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1  nnier  80  ^  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vieiteljährlich 

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MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  i 
Kür  die  Redaktion  Arnulfstr.25.  Biirozeit  der  Redaktion  S'/a  —  1  l/hr. 
Hir  Abonnement  an  |.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
rur  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


19.  13.  Mai  1913.  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

_  Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

;er  vergleichende  Temperaturmessungen  und  deren 
klinische  Bewertung. 

;i  Privatdozent  Dr.  med.  Carl  S  t  ä  u  b  I  i,  Basel-St.  Moritz. 

Es  sind  noch  keine  6  Jahrzehnte  vergangen,  seitdem 
segue* 1)  in  seinem  kritischen  Referat  über  die  Arbeiten 
-  tscher  Forscher  (Baerensprung,  Fick,  Zimmer - 
i  n n,  Thierfelder,  Michael  u.  a.)  die  Messung  der 
perwärme  betreffend  schrieb:  „Ne  semble-t-il  pas  resulter 
’examen  et  du  rapprochement  de  tant  d’investigations  la- 
euses  que  la  thermometrie  n’est  pas  destinee  ä  occuper  une 
i  :e  importante  dans  la  Pathologie  et  qu’il  sera  de  peu  de 
it  de  perseverer  dans  une  direction  si  probablement  im- 
:  iuctive?“  Wunderlich  musste  damals  noch  mit  seiner 
3zen  Persönlichkeit  und  der  Ueberzeugungskraft  seiner 
sischen  Arbeiten  2)  u.  3)  einstehen,  damit  die  klinische  Be¬ 
ding  der  Körpertemperaturmessungen  anerkannt  wurde, 
i  ends  verhalt"  dann  Liebermeister4)  dieser  Erkenntnis 
1  Durchbruch.  Heute  gehört  die  Bestimmung  der  Körper- 
peratur  zu  den  unerlässlichen  Forderungen  einer  voll- 
;  digen  ärztlichen  Untersuchung.  Die  genaue  Aufzeichnung 
in  kleiner  Temperaturverschiebungen  fand  berechtigte  Be¬ 
idung  in  der  Erfahrung,  dass  gerade  die  Anfänge  der  ver- 
endsten  Krankheit,  der  Tuberkulose,  häufig  sich  klinisch 
i  st  in  einer  gewissen  Labilität  der  Temperatur  äussert. 
i  ausserordentlich  wichtige  Rolle,  welche  die  Temperatur- 
Ming  seit  den  exakten  Untersuchungen  Dettweilers5) 

!  Brehmers8)  in  der  Frühdiagnose  und  Behandlung  der 
:?entuberkulose  spielt,  hat  bei  manchen  Menschen  bereits 
einem  krankhaft  ängstlichen  Kontrollieren  der  Körper¬ 
nd6  geführt,  so  dass  man  von  Fällen  von  eigentlicher  hypo- 
idrischer  Thermometromanie  sprechen  darf.  Einer  irr- 
1  ichen  Deutung  leichter  Temperaturverschiebungen  wurde 
tzter  Zeit  dadurch  Vorschub  geleistet,  dass  an  die  Stelle 
früher  allgemein  gültigen  Messung  in  der  Achselhöhle 
'sungen  an  anderen  Körperstellen,  wie  in  Mund,  Rek- 
ii,  Inguinalbeuge  usw.  getreten  sind.  Besonders 
ebreitete  Anwendung  hat  die  Darmmessung  gefunden, 

'  der  richtigen  Voraussetzung  ausgehend,  dass  die  Messung 
lärm  als  in  einer  für  sich  abgeschlossenen  Höhle  uns  am 
uesten  die  Blutwärme,  oder,  wie  ich  hier  bereits  ein- 
iänkend  erwähnen  möchte,  die  Wärme  des  lokal  in  der 
ebung  des  Darmes  zirkulierenden  Blutes,  vermittelt.  Da 
unsere  Vorstellungen  von  der  normalen  Körpertemperatur 
:  nicht  zum  wenigsten  auf  die  überaus  grosse  klinische  Er- 
ing  bezüglich  der  Armmessungen  beziehen,  andererseits 
ach  zur  Umwertung  oder  vielmehr  zum  Vergleich  mit 
ren  bisher  gewonnenen  Anschauungen  über  die  Tem- 
turnorm  die  Voraussetzung  beigezogen  wurde,  dass  zwi- 
n  Mund-,  Achselhöhlen-  und  Rektumtemperatur  ziemlich 
tante  Differenzen  bestehen  (nämlich  0,2 — 0,3  bzw.  0,5  °), 

)  Ch.  L  a  s  e  g  u  e:  De  la  temperature  du  corps  dans  les  maladies; 
nometrie  pathologique.  Revue  antique.  Arch.  generales  de 
eine  1856,  Vol.  p.  584. 

)  C.  A.  W  u  n  d  e  r  1  i  c  h :  Die  Thermometrie  bei  Kranken.  Arcli. 
siol.  Heilkunde,  I.  Bd„  neue  Folge, t  Jahrg.  1857. 

)  Ibidem:  Das  Verhalten  der  Eigenwärme  in  Krankheiten. 

ig  1868. 

)  C.  Liebermeister:  Handbuch  der  Pathologie  und  Therapie 
lebers.  Leipzig  1875. 

JDettweiler:  Die  Behandlung  der  Lungenschwindsucht. 

i  1884. 

1  !! r.  e  h  m e  r :  Die  Therapie  der  chronischen  Lungenschwind- 

wiesbaden  1889. 

'Io.  19. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

so  mussten  daraus  vielfach  falsche  Schlüsse  entstehen,  weil 
in  Wirklichkeit  das  gegenseitige  Verhalten  der  Temperatur 
an  den  erwähnten  Körperstellen  ein  ausserordentlich  indi¬ 
viduell  verschiedenes  ist.  Ich  habe  deshalb  in  einer  früheren 
kurzen  Arbeit 7)  zu  betonen  nicht  versäumt,  dass  wir  unbe¬ 
dingt  die  für  die  an  den  verschiedenen  Körperstellen  ge¬ 
messenen  Temperaturen  und  für  eine  jede  die  unter  den  ver¬ 
schiedenen  Verhältnissen  gültige  Norm  bestimmen  müssen. 
Ein  solcher  Hinweis  mag  ja  manchem  überflüssig  erscheinen; 
dass  er  aber  nicht  unbegründet  war,  bewies  mir  der  Zweifel, 
mit  welchem  von  mancher  Seite  meine  Mitteilung  über  das 
schon  beim  Normalen  nach  relativ  mässiger 
Bewegung  zu  beobachtende,  stark  divergierende 
Verhalten  von  Rektal-  und  Achselhöhlen¬ 
temperatur  aufgenommen  wurde.  Ferner  zeigte  eben  die 
an  den  Patienten  gewonnene  Erfahrung,  wie  wenig  diese 
eigenartigen  Verhältnisse  in  der  Tat  noch  in  weiteren  Kreisen 
bekannt  sind. 

Aus  unseren  erwähnten  Untersuchungen  geht  hervor, 
dass  auch  beim  Gesunden  nach  dem  Gehen  die 
Rektaltemperatur  beträchlich  und  ganz  oder 
vorwiegend  einseitig  ansteigt;  ja,  dass  sogar 
gleichzeitig  die  Axillartemperatur  etwas 
sinken  kann.  Wir  dürfen  also  niemals  die 
nach  körperlicher  Bewegung  festgestellte 
Rektaltemperatur  in  direkten  Vergleich 
bringen  mit  der  Achseltemperatur. 


Die  beiden  Kurven  I  und  II  mögen  vergleichend  den  Gang 
der  Temperaturen  in  den  drei  Körperhöhlen  Mund,  Achselhöhle 
und  Rektum  bei  zwei  gesunden  Personen  im  Verlaufe  eines 
Tages  darstellen.  Bezüglich  der  ersten  Untersuchungsperson 
muss  allerdings  erwähnt  werden,  dass  sie  einmal  eine  Pleu¬ 
ritis  durchgemacht  hat;  bei  der  zweiten  Versuchsperson  han- 

7)  Carl  Stäubli:  Vergleichende  Temperaturmessungeir. 
Korrespondenzbl.  f.  Schweizer  Aerzte  1911,  No.  32. 


1 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


toi» 


Nc 


delt  es  sich  um  einen  jungen  Mediziner,  der  noch  nie  ernstlich 
krank  gewesen  ist,  der  ein  ausserordentlich  tüchtiger  und 
trainierter  Bergsteiger  ist,  bei  welchem  überhaupt  keine  An¬ 
haltspunkte  für  das  Bestehen  irgend  eines  pathologischen 
Prozesses  bestehen.  Ich  will  gleich  vorweg  bemerken,  dass 
diese  beiden  Kurven  in  Bezug  des  Verhaltens  von  Rektaltem¬ 
peratur  in  der  Ruhe  einerseits  und  nach  Bewegung  anderer¬ 
seits  durchaus  übereinstimmen  mit  einer  grossen  Zahl  von 
Messungen  an  anderen  Gesunden,  bei  welchen  ich  allerdings 
keine  so  zahlreichen  fortlaufenden  Bestimmungen  an  einem 
Tage,  wie  bei  den  beiden  obigen  Beispielen,  ausgeführt,  son¬ 
dern  nur  das  Verhalten  der  „Ruhe-“  und  der  „Bewegungs¬ 
temperatur“  geprüft  habe.  Alle  diese  Beobachtungen  lehren 
uns,  dass  bei  leichter  Bewegung  die  Normaltemperatin-  bis 
37,5,  bei  einer  Stunde  angestrengten  Gehens  mit  Steigen  bis 
38,1  und  sogar  noch  mehr  betragen  kann.  Dabei  erreicht  die 
Achseltemperatur  kaum  37°  oder  überschreitet  diesen  Wert 
nur  um  ein  ganz  Geringes.  Körperliche  Betätigung  scheint 
am  Nachmittag  ein  stärkeres  Ansteigen  der  Rektaltemperatur 
zu  bedingen,  als  am  Vormittag.  Bei  der  ersten  Kurve  sehen 
wir,  dass  Mund-  bzw.  Achselhöhlentemperatur  infolge  der 
Bewegung  sogar  eher  Tendenz  zum  Fallen  zeigen,  um  dann 
erst  in  der  Ruhe,  d.  h.  beim  Abfall  der  einseitig  erhöhten  Darm¬ 
temperatur  wieder  anzusteigen.  Es  dürfte  dieses  Verhalten 
zu  erklären  sein  entweder  durch  eine  Verschiebung  der  Blut¬ 
verteilung  nach  den  tätigen  Unterextremitäten,  oder  dann  mit 
einer  erhöhten  Wärmeabgabe  an  den  betreffenden  Messungs¬ 
orten.  Wird  die  muskuläre  Betätigung  hauptsächlich  mit  den 
Armen  oder  den  Kaumuskeln  geleistet,  so  sehen  wir,  wie 
Moro  zeigte,  auch  die  zugehörigen  Temperaturen  ansteigen. 


Kurve  III. 


Mund 

Axilla 


Eine  weitere  Kurve  (Tabelle  III)  stammt  von  einem 
39  jährigen  Mediziner,  der  ebenfalls  nie  ernstlich  krank  ge¬ 
wesen  und  körperlich  recht  leistungsfähig  ist.  Hier  haben  wir 
die  Inguinalbeuge,  die  besonders  in  Italien  jetzt  als  Mes¬ 
sungsort  sehr  beliebt  ist,  mit  in  die  Messungen  einbezogen. 
Wir  sehen  hier  wieder  das  rein  einseitige  Ansteigen  der  Rek¬ 
taltemperatur,  wenn  wir  nur  die  früheren  drei  Messungsarten 
berücksichtigen.  Dagegen  beobachten  wir  ein  auffallend 
gleichsinniges  Verhalten  der  Temperatur  in  der  Inguinalbeuge 
mit  der  Rektaltemperatur.  Es  ist  das  für  die  Erklärung  der 
einseitigen  Temperaturerhebung  im  Rektum  von  Bedeutung, 
weil  daraus  hervorgeht,  dass  letztere  nicht  etwa  auf  Vorgänge 
im  Darminnern  (Avellis)  zu  beziehen  ist.  Wir  können  also  aus 
Beobachtungen  beim  Gesunden  den  Schluss  ziehen,  dass 
schon  bei  relativ  mässiger  körperlicher  Be¬ 
wegung  die  Rektaltemperatur  einseitig  bis 
gegen  38,  ja  38,1  ansteigen  kann,  wobei  Mund- 
und  Achselhöhlentemperatur  durchaus  in  den 
als  Temperaturnorm  betrachteten  Grenzen 
bleiben,  in  individuell  verschiedener  Weise, 
gleichsinnig  mit  der  Rektaltemperatur  etwas 
ansteigen,  in  anderen  Fällen  sogar  etwas 
sinken  können.  Bei  Gesunden  fällt  die  ein¬ 
seitig  erhöhte  Rektaltemperatur  nach  Be¬ 
wegung  rasch,  d.  h.  meist  innerhalb  20 — 30  M  i  - 
nuten  wieder  annähernd  auf  die  Ruhetem¬ 
peratur  ab.  Daraus  können  wir  den  wichtigen 
Schluss  ziehen,  dass  wir,  falls  wir  nicht  direkt 
das  Verhalten  der  Rektaltemperatur  nach 
Bewegung  prüfen  wollen,  Rektalmessungen 
nie  anders  vornehmen  sollen,  als  nach  Yi  bis 
lstündiger  absoluter  Ruhe  des  zu  Unter¬ 
suchenden.  Es  scheint  mir  wichtig,  diesen  Satz  ganz 
besonders  zu  betonen,  da  die  besprochenen  Verhältnisse  ent¬ 


weder  in  den  Lehrbüchern  gar  nicht  erwähnt,  oder  dann  vi 
zu  wenig  hervorgehoben  werden,  was  wohl  auch  zum  grösst 
Teil  die  Ursache  für  vielfache,  häufig  aber  vollständig  unh 
gründete  Beunruhigung  ist. 

Seit  meiner  ersten  Mitteilung  über  vergleichende  Ter 
peraturmessungen  sind  drei  pädiatrische  Arbeiten  erschiene 


von  G.  Avellis8),  E.  Moro9)  und  Dora  F  r  a  e  n  k  e  1  “1 


in  denen  über  Vergleichsmessungen  berichtet  wird 10*).  Am 
Avellis  rät  an,  nicht  jede  Temperaturerhöhung,  wenn  s 
nur  im  Rektum  besteht,  als  fieberhaft  anzusehen.  Er  glaub 
dass  die  Ursache  für  die  von  ihm  beobachtete  Rektalter 
peratur  bei  sonst  sich  wohl  fühlenden  Kindern  in  anaerob* 
Bazillen  der  Darmflora  zu  suchen  sei.  E.  Moro  besehrk 
5  Fälle,  wo  das  starke  Ansteigen  der  Temperatur  im  Dam 
zu  sorgenvollen  Erwägungen  der  Eltern  geführt  hatte  und  d- 
unmittelbare  Anlass  zur  Konsultation  war.  Vergleichsme 
sungen  in  der  Achselhöhle  brachten  Beruhigung,  weil  s 
zeigten,  dass  es  sich  nur  um  eine  einseitige  Erhöhung  nac 
Bewegung  handelte.  Moro  glaubt,  dass  es  sich  bei  de! 
den  Pädiatern  bekannten  „Aufnahmsfieber“  gewisser  Kind, 
um  solche  Bewegungstemperaturen  handle.  Er  erwähnt,  da¬ 
sich  II  Orthotische  ausnahmslos  als  „rektal  hyperthermiscl 
erwiesen  hätten.  Da  nach  Stiller  die  orthotische  Alb 
minurie  ein  Ausdruck  der  „asthenischen  Konstitution“  ist  ur 
Moro  die  Ursache  der  rektalen  Hyperthermie  vorwiegend 
einer  nicht  ökonomischen  Wärmeproduktion  bei  muske 
schwachen  Individuen  sieht,  so  hält  es  Moro  für  möglici 
dass  bei  solchen  Kindern  die  Temperaturerhöhung  nach  kö 
perlicher  Bewegung  auf  relativer  Muskelinsuffizienz  beruf 
Dora  Fraenkel  fand  bei  einer  grossen  Zahl  von  Kinder 
die  keine  körperlichen  Krankheitssymptome  zeigten  und  ij 
welchen  die  Ruhetemperatur  im  Darm  meist  nicht  über  37 
ging,  dass  die  Rektaltemperatur  bei  Körperbewegung  bis  3<j 
und  darüber  steigt,  um  in  der  Ruhe  wieder  zur  Norm  abzi 
sinken.  Bei  neuropathischen  Kindern  erreichte  die  B 
wegungstemperatur  höhere  Werte,  als  bei  nicht  neun 
pathischen;  Kinder  mit  positiver  Pirquetscher  Reak 
t  i  o  n  waren  nicht  höher  temperiert,  als  solche  mit  negative 
Auch  W  o  1  f  f  “)  fand  bei  Kindern  nach  Körperbewegung  ein* 
starken  Anstieg  der  Rektaltemperatur,  wie  denn  bereits  i 
Jahre  1880  L.  A.  Bonnal12)  sehr  bemerkenswerte  Beo! 
achtungen  über  das  Ansteigen  der  Darmtemperatur  nac 
Körperbewegung  gemacht  und  auf  die  Widersprüche  hii 
gewiesen  hatte,  die  daraus  für  die  Auffassung  von  der  no 
malen  Temperatur  entspringen  können.  Dass  die  Körpe 
temperatur  im  allgemeinen  bei  stärkerer  körperlicher  B 
wegung  stark  ansteigen  kann,  ist  schon  lange  bekannt.  1 
haben  hierüber  schon  grundlegende  Versuche  Lieben 
m  e  i  s  t  e  r  und  H  o  f  m  a  n  n  gemacht,  wobei  sie  ein  Empo 
gehen  der  Axillatemperatur  bei  Ueberwindung  zien 
licher  Steigungen  bis  auf  37,85  bezw.  37,95  0  beobachte 
konnten.  Bei  einem  Schnelläufer,  der  einen  fast  2 Bl  ständige 
Weg  in  1  Stunde  zurücklegte,  fand  Lieber  meiste:  i 
Rektum  39,6  °.  Eine  grössere  Zahl  von  Untersuchung!) 
wurde  von  militärärztlicher  Seite  ausgeführt;  in  den  betreffet 
den  Befunden  zeigten  sich  starke  Differenzen,  was  wir  ni 
wohl  verstehen  können  aus  einer  nicht  genügend  schark 
Unterscheidung,  ob  die  Messung  im  Darm  oder  unter  de 
Arm  vorgenommen  wurde.  Das  wesentliche,  das  sich  aus  de 
vergleichenden  Messungen  für  den  praktischen  Arzt  ergib 
ist,  dass  selbst  eine  mässige  körperliche  Betätigung  (vor  alle 
Dingen  Gehen),  welche  noch  keine  Erhöhung  der  Achse 


8)  Georg  Avellis:  Das  Pseudofieber  der  Kinder.  Miinch.  me 
Wochenschr.  1911,  No.  36,  p.  1916. 

9)  E.  Moro:  Ueber  rektale  Hyperthermie  im  Kindesalte: 
Monatsschr.  f.  Kinderheilkunde  No.  9,  Bd.  XI,  1912,  p.  430. 

“')  Dora  Fraenkel:  Ueber  die  normale  Körpertemperatur  di 
Kindes  und  ihr  Verhalten  bei  Bewegung  und  Ruhe.  Deutsche  ine 
Wochenschr.  No.  6,  1913. 

10*)  Die  aus  der  Baseler  Klinik  von  Chommer  erschiene 
Arbeit  wird  später  erwähnt. 

äl)  Wolff:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Körpertemperatur  i 
späten  Kindesalter  durch  körperliche  Anstrengung.  Berliner  kli 
Wochenschr.  No.  39,  1911. 

12)  L.  A.  Bonnal:  Recherches  experiment.  sur  la  chaleur  * 
l’homme  pendant  le  mouvement.  Compt.  rend.  d.  seances  de  1  Aca 
Scienc.  Tome  XCI,  1880,  p.  798. 


3.  Mai  1913. 


MUeNGHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1019 


anperatur  (und  Mundhöhlentemperatur)  nach  sich  zieht,  schon 
-i  S‘inz  Normalen  zu  einer  beträchtlichen,  rein  lokalen  Er- 
ihung  der  Rektaltemperatur  führen  kann. 

Anderei seits  stellt  sich  nun  die  Frage:  Können  wir  nach 

mi  Gang  der  Rektaltemperatu  rnachBewegun  g, 
nach  der  rektalen  „B  ewegungstem- 


diagnostische  Schlüsse  ziehen?  Penzoldt 


13\ 


h.  also 
e  r  a  t  u  r“ 

tt  zuerst  mit  allem  Nachdruck  darauf  hingewiesen,  dass 
>rmal  temperierte  1  uberkulöse  schon  bei  massiger  körper- 
her  Bewegung  einen  starken  Anstieg  der  Rektaltemperatur 
igen.  Penzoldt  schrieb:  „Von  besonderer  Wichtigkeit 
scheinen  mit  Temperaturmessungen  nach  Körperbewegung, 
i  ich  öfters  nach  solchen  leichte  Steigerung  bis  38“  (im 
-ktuni)  und  darüber  bei  sonst  absolut  fieberfreien  beginnen- 
n  Tuberkulosen  beobachtet  habe.“  Derselbe  Verfasser 
rieht  sich  neuerdings34)  folgendermassen  aus:  „Man  lässt 
>r  und  unmittelbar  nach  einem  flotten  Spaziergang  von  einer 
unde  die  Rektaltemperatur  mit  einem  absolut  zuverlässigen 
lermometer  bestimmen;  Steigungen  auf  38  und  mehr,  sowie 
"  überschreitende  Differenzen  sind  verdächtig.“  Dieses 
gen.  „Penzoldtsche  Phänomen“  darf  nach  der  Be- 
itigung  durch  F.  H  ö  c  h  s  t  e  1 1  e  r  15),  sowie  nach  neueren 
beiten  von  Penzoldt  und  Birgelen1“),  Corneti;), 
3  e  c  h  t  u.  a.  als  wichtiges  Frühsymptom  der  Tuberkulose 
Iten.  Besonders  wertvolle  Untersuchungen  an  einem  aus¬ 
dehnten  Material  verdanken  wir  in  dieser  Beziehung  S  a  u  g- 
ann18).  Neuerdings  wurde  die  Frage  von  Staehelin 
d  Chommer19)  zum  Gegenstand  der  Untersuchung  ge- 
acht;  auch  sie  sahen  bei  Tuberkulösen  eine  abnorme  Labilität 
i  Rektaltemperatur  schon  bei  geringer  Bewegung  (Anstieg 
38,  38,2  und  38,4).  Esspieltalso  unter  denFrüh- 
mptomen  tuberkulöser  Erkrankungen  die 
arke  Erhebung  der  Rektaltemperatur  schon 
ch  mässiger  Bewegung  eine  wichtige  Rolle. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  dem  städt.  Krankenhause  zu  Worms  a.  Rh. 
(Prof.  Dr.  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n). 

dikationsstellung  beim  akuten  Steinverschluss  des 
uctus  choledochus  nebst  statistischen  und  tech¬ 
nischen  Bemerkungen*). 

Von  Professor  Dr.  L.  Heidenhain. 

Mit  steigender  Erfahrung  bin  ich  dazu  gekommen,  die 
ikation  zu  Gallensteinoperationen  immer  früher  und  immer 
htei  zu  stellen.  Mir  hat  mein  Material  die  veränderte 
Hung  aufgezwungen.  Der  Riedel  sehe  Standpunkt,  dass 
n  Gallensteinleiden  operieren  solle,  ehe  eine  deutliche  Be- 
rüchtigung  des  Allgemeinbefindens  entsteht,  erscheint  mil¬ 
der  einzig  richtige.  Allerdings,  wenn  eine  junge  Frau  den 
ten  oder  zweiten  Gallensteinanfall  hat,  dann  rate  ich  zu¬ 
llst  auch  nicht  zur  Operation,  sondern  zu  diätetischen  und 
nnenkuren.  Das  gleiche  gilt  bei  kräftigen,  sonst  gesunden 
ten,  wenn  die  Anfälle  sehr  selten  kommen  und  in  den 
isen  völliges  Gesundheitsgefühl  besteht.  Häufen  die  An- 
i  sich,  bestehen  zwischen  den  ausgesprochenen  Anfällen 
ntanc  und  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend 
i  dyspeptische  Erscheinungen,  bleibt  die  Gallenblase  tast- 


)  F.  I  enzoldt:  Behandlung  der  Lungentuberkulose.  Iiand- 
der  speziellen  Therapie.  III.  Bd.,  1895,  p.  292. 
i5  dito:  Auflage  von  1910. 

)  F.  H  ö  c  h  s  t  e  1 1  e  r:  Einwirkung  der  Bewegung  auf  die  Tem- 
der  fieberfreien  Lungentuberkulose.  Erlanger  Dissert.  1895. 
J  r.  Penzoldt  und  H.  Birgelen:  Ueber  den  Einfluss  der 
erhevveguug  auf  die  Temperatur  Gesunder  und  Kranker.  Miinch. 
,  Wochenschr.  No.  15,  16  u.  17,  1899. 

V\C°r"et:  Die  Tuberkulose.  Nothnagels  spez.  Pathol.  u. 

2.  Aufl.,  Bd.  XIV,  1907. 

J  dbr-  Säiigtnann:  Fieber  und  Nachtschweiss.  In  Handb. 

Lr'inn.  ron'  u’  Lungenschwindsucht  v.  Schröder  u.  Blumenfeld. 

1904. 

2  A-  Chommer:  Ueber  die  Steigerung  der  Rektaltemperatur 

die  DiaRnose  der  Lungentuberkulose. 

U  Vortrag,  gehalten  auf  der  I.  Versammlung  der  Vereinigung 
'rheinischer  Chirurgen  zu  Frankfurt  a.  M.  am  16.  November  19P 


de  -  hwJ  r  V  c V-eru-üssert,.  ‘lauern  subikterische  Färbung 
h  *  aU  ,  lint  Schleimhäute  mit  dem  eigenartigen  Grau  der 
Hau  ,  welches  man  so  oft  in  diesen  Fällen  findet,  über  Wochen 
an,  treten  gar  kurzdauernde  Anfälle  mit  Schüttelfrösten  auf 
kommen  in  einem  Jahre  mehrere  sehr  schmerzhafte  Anfälle, 
welche  m  ihrer  Gesamtheit  das  Allgemeinbefinden,  nament¬ 
lich  die  Ernährung  beeinträchtigen,  lassen  sich  Stenosen 
des  Pylorus  oder  Duodenum  durch  verlangsamte  Entleerung 
des  Magens  nachweisen,  so  rate  ich  unbedingt  und  dringend 
zur  Operation.  Die  Erfahrung  hat  m  i  r  gelehrt,  dass  in  der¬ 
artigen  Fallen  mit  Brunnenkuren  nichts  zu  erreichen  ist.  Es 
bestehen  in  solchen  Fällen  fast  ausnahmslos  schwere,  irrepa¬ 
rable  Veränderungen.  Weigern  die  Kranken  die  Operation, 
oft  infolge  des  Rates  eines  weiteren,  nochmals  konsultierten 
Arztes,  so  kommen  sie  meist  später  doch  zur  Operation 
oft  aber  in  traurigem  Zustande.  Gallen  steinleide  n’ 
\v  e  1  c  h  e  d  a  s  Allgemeinbefinden  beeinträch¬ 
tigen,  sind  keine  Erkrankungen,  bei  welchen 
m  a  n  allerhand  Kuren  versuchen  kann  son¬ 
dern  eine  sehr  ernsthafte  Erkrankung 
welche  unter  allen  Umständen  beseitigt 
werden  m  u  s  s,  wenn  der  Kranke  sich  nicht  der  ernstesten 
Lebensgefahr  aussetzen  will.  Besonders  dringend  rate  ich 
zur  Operation  bei  Leuten  jenseits  des  40.  Jahres,  welche  in 
früheren  Jahren  Gallensteinsymptome  —  zweifellose  Anfälle 
oder  Magenschmerzen  mit  Dyspepsie  —  gehabt  haben  und  nun 
gehäufte  Anfälle  bekommen.  Sie  haben  alle  irreparable  Ver¬ 
änderungen  der  Gallenblase  und  wann  die  Karzinoment¬ 
wicklung  eintritt,  kann  man  nicht  sagen.  Auch  in  meinem 
Material  sind  nahezu  7  Proz.  Gallenblasenkrebse,  alle  auf  dem 
Boden  einer  steinhaltigen  Gallenblase  entstanden.  Gesund 
geworden  ist  kein  einziger. 


Dies  mein  allgemeiner  Standpunkt.  Erhöhte  Bedeutung 
bekommt  die  rechtzeitige  Operation,  sobald  Ikterus  eintritt. 

Iheoretisch  wissen  wir,  dass  es  sich  in  solchem  Falle  um 
einen  rein  entzündlichen  Choledochusverschluss  oder  um 
Steineinkeilung  handeln  kann.  Was  im  einzelnen  klinischen 
Falle  vorliegt,  ist  oft,  vielleicht  meist,  nicht  mit  Sicherheit  zu 
sagen.  Man  glaubt  an  einen  entzündlichen  Ikterus  und  es  ist 
doch  ein  kleiner  Stein  in  den  Choledochus  eingetreten,  einer 
oder  mehrere!  Auf  die  Durchsuchung  des  Stuhles  nach  ab¬ 
gegangenen  Steinen  lege  ich  wenig  Wert.  Sie  beweist  im 
günstigen  Falle  doch  immer  nur,  dass  ein  oder  einige  Steine 
abgegangen  sind.  Was  zurückblieb,  ist  nicht  festzustellen, 
denn  über  kurz  oder  lang,  häufig  innerhalb  weniger  Tage,’ 
tritt  wegen  Abschwellung  der  Schleimhaut  wieder  alle  Galle 
in  den  Darm  über,  auch  wenn  noch  Steine  im  Choledochus 
verblieben  sind.  Das  wissen  wir  ja  sicher  von  den  Chole¬ 
dochussteinen  bei  geschrumpfter  Gallenblase  mit  Ikterus- 
■  Unfällen  von  wenigen  Tagen  Dauer.  Wir  alle  haben  solche 
oft  genug  operiert  und  wissen  aus  der  Vorgeschichte,  wie  dem 
Operationsbefunde,  dass  die  Steine  sich  seit  Monaten  oder 
Jahren  im  gemeinsamen  Gallengange  befanden.  Geht  also  der 
akute  Ikterus  vorüber,  so  wissen  wir  meist  nicht,  ob  nicht 
doch  noch  Steine  im  Choledochus  sitzen.  Dem,  der  dies  be¬ 
zweifelt.  möchte  ich  entgegenhalten,  dass  ich  oft  genug  Chole¬ 
dochussteine  bei  Leuten  gefunden  habe,  welche  vollkommen 
verlässig  berichteten,  sie  hätten  nie  Gelbsucht  gehabt. 

Es  ist  Ihnen  nun  allen  bekannt,  dass  zurzeit  wenig  Neigung 
besteht,  den  akuten  Choledochusverschluss  bei  Gallenstein- 
ki  anken  zu  opeiieien.  Ich  habe  bisher  bei  akutem  Steinver¬ 
schluss  die  Operation  abgelehnt  und  mit  mir  wohl  viele,  wenn 
nicht  die  meisten,  und  doch  ist  es  falsch.  Wie  verlaufen  die 
Erkrankungsfälle?  Bei  einem  Teil  der  Kranken  geht  der 
Ikterus  leidlich  schnell  vorüber,  und  auch  wenn  er  vollkommen 
vorübergegangen  ist,  hat  man  keine  vollkommene  Ge¬ 
wissheit,  dass  nicht  doch  noch  Steine  im  Choledochus 
stecken,  wie  oben  dargelegt.  Bei  einem  nicht  geringen  Teile 
der  Kranken  dauert  subikterische  Färbung  über  Wochen  und 
Monate  an,  so  dass  wir  Chirurgen  des  Choledochussteines 
sichei  sind.  Indessen,  die  Kranken  können  sich  nunmehr 
niclit  mehr  zur  Operation  entschliessen,  weil  es  ihnen  ja  viel 
besser  gehe  als  zuvor  und  sicher  immer  besser  gehen  werde. 
Nach  Wochen,  Monaten  oder  Jahren  kommen  sie  mit  den 
schwersten  Komplikationen  an,  halbverhungert,  cholämisch 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1020 


No.  1 


oder  septisch  und  begehren  nun  die  Operation,  von  welcher 
sie  sichere  und  vollkommene  Genesung  erwarten,  denn  —  wir 
haben  ja  vor  Wochen,  Monaten  oder  Jahren  eine  ungefähr¬ 
liche  Operation  und  vollkommene  Heilung  in  sichere  Aussicht 
gestellt.  Wie  sieh  die  Aussichten  in  praxi  stellen,  wollen  Sie 
aus  meiner  beistehenden  Statistik  ersehen. 

Die  Statistik  ist  eine  der  Kranken,  nicht  der  ausgeführten 
Operationen.  Wir  haben  vom  13.  Mai  1897  bis  30.  September 
1912  328  Kranke  operiert,  aber  wesentlich  mehr  Operationen 
gemacht,  manche  zweimal,  einzelne  dreimal  operiert,  ehe  sie 
geheilt  entlassen  werden  konnten.  So  habe  ich  beispielsweise 
in  früheren  Jahren  grundsätzlich  bei  akuten  Empyemen  und 
Choledochussteinen  mit  septischer  Cholangitis  primär  die 
Zystostomie  gemacht  und  in  einer  zweiten  Sitzung,  nach¬ 
dem  die  Kranken  sich  erholt  hatten,  die  Gallenblase  oder  die 
Choledochussteine  entfernt.  Jetzt  operiere  ich  einzeitig,  weil 
dies  nicht  gefährlicher  ist,  aber  die  Genesungsaussicht  für  den 
Kranken  durch  sofortige  gründliche  Erledigung  grösser.  Wir 
haben  u.  a.  nach  der  zweiten  Operation  sehr  unangenehme 
Erscheinungen  von  Myodegeneratio  cordis  mit  dicken 
Oedemen  der  Beine  bei  Leuten  auftreten  sehen,  welche  die 
erste  Operation  sehr  gut  und  ohne  Auftreten  einer  Herzstörung 
vertragen  hatten.  Eine  dieser  Kranken  haben  wir  verloren. 

Die  vorliegende  Statistik  sagt  nichts  über  das  derzeitige 
Ergehen  der  Kranken,  ob  sie  rezidivfrei  geblieben  sind.  Zu 
meinem  lebhaften  Bedauern  habe  ich  diesen  Teil  der  Statistik 
nicht  bearbeiten  können,  denn  wir  sind  am  Krankenhause 
Worms  nur  wenig  Aerzte,  haben  alle  Hände  voll  mit  den 
Kranken  zu  tun  und  keine  Hilfe  an  Famulis  oder  Doktoranden, 
welche  solche  Fragen  bearbeiten  könnten. 

Unsere  328  Kranken  habe  ich  in  4  Gruppen  eingeteilt: 

1.  Einfache  Fälle,  d.  i.  Kranke  im  Intervall  zwischen  An¬ 
fällen,  Hydrops  chron.,  akute  Cholezystitis  ohne  Sepsis,  Stein¬ 
folgen,  wie  narbigen  Choledochusverschluss  etc.  Wie  kom¬ 
pliziert  der  Fall  im  einzelnen  lag  durch  Beteiligung  benach¬ 
barter  Organe  an  der  Erkrankung,  ist  nicht  berücksichtigt. 

2.  Steine  mit  Sepsis,  d.  i.  ausgesprochene  Empyeme, 
Cholangitis,  Gallenblasengangrän,  Perforation  in  die  Bauch¬ 
höhle,  Peritonitis. 

3.  Choledochussteine  mit  und  ohne  Sepsis:  Eine  Trennung 
dieser  beiden  Kategorien  ist  praktisch  wertlos,  da  sehr  viele 
Choledochussteine  mit  häufigen  Schüttelfrösten  verlaufen  und 
man  mit  Infektion  der  Gallenwege  rechnen  muss,  auch  wenn 
im  Augenblick  kein  Fieber  besteht. 

4.  Krebse,  die  von  der  Gallenblase  ausgegangen  sind. 


Statistik  der  operierten  Gallensteinkranken  im 
städtischen  Krankenhause  Worms  vom  13.  Mai  1897 
bis  L  Oktober  1912. 


Jahr 

Steine  im  Intervall, 
akute  Cholezystitis 
ohne  Sepsis, 
Steinfolgen  wie  Narben 

Steine  mit  Sepsis, 
Blasengangrän, 
Perforation, 
Peritonitis,  Empyeme 

Choledocho¬ 

tomien 

mit  und  ohne 
Sepsis 

Krebse 

geheilt 

gestorben 

geheilt 

gestorben 

geh. 

gest. 

geh. 

gest. 

1897 

4 

_ _  ' 

1 

_ 

, 

_ 

1 

_ 

1898 

4 

— 

— 

— 

3 

1 

— 

1 

1899 

6 

— 

— 

— 

3 

1 

2 

1 

1900 

18 

— 

1 

— 

3 

2 

1 

— 

1901 

1 

— 

3 

— 

3 

- ^ 

3 

2 

1902 

8 

— 

5 

— 

9 

— 

1 

, - 

1903 

10 

4 

1 

2 

1 

— 

1 

1904 

8 

— 

1 

1 

3 

1 

2 

— 

1905 

4 

1 

3 

— 

4 

1 

— 

— 

1906 

12 

2 

2 

1 

1 

2 

1 

1 

1907 

17 

— 

4 

1 

7 

— 

1 

— 

1908 

19 

, - . 

1 

— 

7 

1 

— 

.  - 

1909 

21 

— 

4 

1 

10 

— 

— 

1 

1910 

19 

— 

3 

3 

1 

2 

— 

— 

1911 

19 

— 

1 

1 

7 

1 

2 

1 

1912 

8 

— 

2 

— 

3 

2 

— 

— 

178 

3 

35 

1.  9 

|  66 

15 

1  14 

1  8 

Gesamtzahl  der  Kranken  328,  Todes¬ 
fälle  35  =  10,7  Proz. 

Einfache  Fälle  181  mit  3  f  =  1,7  Proz. 
Sept.  Erkrank g.  44  mit  9  f  =  20,5  Proz. 
Choledochotom.  81  m.  15  f  =  18,5  Proz. 
Krebse  22  mit  8  f  =  36,4  Proz. 


Verschleppt.  Fäll.147  m.32  f  =21,8Proz. 
Sepsis  44:  328  =  13,4  Proz. 
Choledochotomien  81 :  328  =  24,7  Proz. 
Krebse  22.  328  =  6,7  Proz. 
Verschleppte^Fälle  147  der  Gezamtzahl 
von  328  =  44,8  Proz. 


Statistik  der  Todesursachen  bei  328  operierte 
Gallen  steinkranken. 


Jahr 

Einfache  Fälle 

Mit  Sepsis 

Choledochotomien 

Krebse 

1898 

1  Ikterus  grav. 
transduod.  op. 
n.  24  Stdn.  Herz 

1  Leberresektion 
nach  24  Stdn 
Erschöpfnng 

1899 

1  Cholangitis 
Kolisepsis 

1  verjauchter 
Pankreaskrebs 

1900 

1  nach  Wochen 
Inanition 

1  Periton.  operat 

1901 

_ 

1  Leberresektion 
Marasmus  nac 
Wochen  . 

1  perfor.  Karzim 
mit  Kotabszes: 

1903 

— 

1  Pneumonie 

1  Sepsis  mitmult. 
Leberabszessen 

1  Zystostomie  bt 
Gallenblasenkn 

1904 

— 

1  Gangrän  u.  Per¬ 
foration  d.  Blase 

1  eiter.Cholangit. 
mit  Perikarditis 

— 

1905 

1  Inanition 

— 

1  Cholämie 

1  Krebskachexie 

1906 

1  Lues  III  mit  Er¬ 
schöpfung 

1  Periton.  operat. 

1  Empyem  mit 
Streptokokken¬ 
angina 

2  Cholämien 

1907 

— 

1  Myokarditis 

— 

— 

1908 

— 

— 

1  Inanition 

— 

1909 

1  perfor.  Peritonit. 
an  Myokarditis 

— 

1  Karzinose 

1910 

1  perfor.  Empyem 
Pyämie 

1  Gallensepsis 

1  mit  gleichzeitig. 
subphren.Abszes» 

1  Cholämie 

1  Inanition 

1911 

— 

1  Pneumonie 

1  Cholämie 

1  Karzinose 

1912 

_ 

1  Sepsis 

1  Cholämie 

— 

Sa. 

3 

9 

15 

8 

1  Inanition 

2  Pneumonie 

6  Cholämien 

5  Karzinose 

1  Lues  III 

2  Myokarditis 

4  Sepsis 

1  Kollaps 

1  Peritonis 

1  Pyämie 

1  Periton.  operat. 

2  bestehende 

operativa 

1  Gallensepsis  etc. 

3  Inanition 

1  Kollaps 

Sepsis 

. 

Die  Tabellen  zeigen,  dass  181  einfache  Fälle  3  Todesial 
ergeben  haben  —  1,7  Proz. 

Die  verschleppten  Fälle  (Spalte  2 — 4  der  Tabellen)  b( 
tragen  147  =  44,8  Proz.  der  Gesamtzahl. 

44  septische  Erkrankungen  ergaben  20,5  Proz.  Tode 
fälle  (9). 

87  Choledochotomien  15  Todesfälle  =  18,5  Proz. 

22  Krebse  8  Todesfälle  =  36,4  Proz. 

Die  einfachen  Fälle  betrugen  55,2  Proz.  der  Gesamtzal 
die  septischen  13,4  Proz.,  die  Choledochotomien  24,7  Proz.,  d 
Krebse  6,7  Proz. 

Die  Statistik  der  Todesursachen  ergibt  (Tabelle  2)  i 
ganzen  2  operative  Peritonitiden,  2  Pneumonien,  2  My< 
karditis,  2  Operationskollapse,  sonst  schon  bestehende  Seps 
oder  Peritonitis,  Cholämie,  Erschöpfung  mit  Inanition  ur 
Karzinose.  Ein  erschreckendes  Todesregister!  Nahezu  al 
Todesfälle  kommen  auf  Rechnung  der  Verschleppung  der  E 
krankung. 

Die  Tabellen  zeigen  mithin,  dass,  wie  die  Verhältnis.' 
heute  bei  uns  in  Worms  liegen,  ungefähr  jeder  5.  Kran! 
mit  Choledochussteinen  nicht  zu  retten  ist,  weil  der  Hausar 
oder  der  Kranke  sich  erst  dann  zur  Operation  entschlösse 
wenn  der  Kranke  nahezu  im  Sterben  ist.  (6  Todesfälle  z 
Cholämie,  4  an  bestehender  Sepsis,  3  an  Inanition  und  E 
Schöpfung  stehen  einer  operativen  Peritonitis  und  einem  Op« 
rationskollapse  gegenüber  [Icterus  gravissimus,  Myodegen« 
ratio,  transduodenale  Operation  nach  24  Stunden.  Eii 
meiner  ersten  Choledochotomien.  Seitdem  haLe  ich  nie  wied« 
transduodenal  operiert.]) 

Dringen  wir  in  consultatione  darauf,  dass  jeder  Gallei 
steinikterus  zu  operieren  sei,  wenn  er  nicht  innerhalb  ein« 
Woche  vollständig  und  zweifelsfrei  mit  vollkommener  E 
holung  des  Kranken  verschwindet,  so  werden  wir  ein« 
grossen  Zahl  von  Gallensteinkranken  mehr  das  Leben  rette 
Den  Erfolg  erachte  ich  für  sicher.  Denn  erstens  entschliess; 
sich  die  Kranken  im  akuten  Anfalle  leichter  zur  Operatio 
zweitens  ist  die  Operation  im  akuten  Anfalle  nicht  gefäh 


3.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1021 


eher,  aber  nach  vieler  Richtung  leichter  und  sicherer,  dabei 
ie  Heilungsdauer  kürzer  als  beim  chronischen  Steinver- 
chluss.  Pies  führt  mich  zur  Pathologie  des  chronischen 
:holedochussteines  und  zur  operativen  Technik.  Sitzt  ein 
iallenstein  dauernd  im  gemeinsamen  Gallengang,  so  ent- 
ickelt  sich  in  sehr  vielen,  wenn  nicht  in  den  meisten  Fällen 
in  steinbildender  Katarrh,  sei  es,  dass  sich  öfter  akute  Ent- 
ündungen  entwickeln,  die  mit  Schüttelfrösten  beginnen,  mit 
nd  ohne  Katarrh  verlaufen  können,  sei  es,  dass  ein  mehr 
.ironisch  verlaufender  Katarrh  der  Gallenwege  entsteht.  Die 
ntwickelung  eines  solchen  Katarrhes  mit  Eindickung  der 
alle,  Gallenniederschlägen,  Gallenkonkrementen,  Schleim- 
isonderung  der  Wand  des  Choledochus  und  der  höheren 
allen wege  stellt  meines  Erachtens  die  sichere  Heilung  durch 
peration  in  Frage.  Nicht,  dass  nicht  sehr/sehr  viele  Kranke 
otz  solcher  schweren  Veränderungen  durch  langdauernde 
rainage  der  Gallenwege  geheilt  werden  könnten,  aber  eine 
arantie  für  Heilung,  wie  wir  sie  bei  Steinen  leisten  können, 
e  allein  in  der  Gallenblase  sitzen,  können  wir  nicht  leisten, 
i  ist  viel  über  echte  und  unechte  Steinrezidive  nach  Chole- 
ichotomie  geschrieben  worden,  ja  es  ist  diese  Frage  eine 
-r  wesentlichsten,  die  zurzeit  in  der  Gallensteinchirurgie  be¬ 
irochen  werden.  Nach  etlichen  meiner  Erfahrungen  über 
lätere  Koliken  in  Fällen,  in  denen  anscheinend  absolut  sicher 
;r  Choledochus  steinfrei  ausgeräumt  worden  war  und  nach 
“in,  was  ich  in  der  Literatur  lese,  scheint  es  mir  sicher,  dass 
ich  wirklich  vollkommener  Ausräumung  des  Choledochus  in 
esem  ein  Katarrh  verbleiben  kann,  welcher  —  namentlich 
■i  Diätfehlern  —  sich  akut  verschlimmern  und  zu  Koliken  mit 
id  ohne  Ikterus,  vielleicht  sogar  zu  nachträglicher  Neubildung 
>n  Steinen  im  Choledochus  führen  kann.  Wir  sollten 
les  tun,  um  die  Choledochussteine  zur  Ope- 
ition  zu  bekommen,  ehe  der  steinbildende 
atarrh  in  grosse  Gallengänge  eingetre- 
n  ist. 

Ich  weiss  nicht,  wie  das  Material  der  Herren  ist,  welche 
hreiben,  man  solle  bei  der  Choledochotomie  womöglich  den 
loledoehus  mit  dem  Finger  austasten.  Daran  ist  von  ferne 
denken  doch  nur  in  den  Fällen  akuten  Steinverschlusses 
d  etlichen  chronischen  Fällen  vollkommenen  Ver¬ 
gusses.  In  bei  weitem  den  meisten  Fällen  von  Choledochus- 
.'inen,  die  ich  operierte,  hatte  der  Choledochus  nur  das  Ka- 
i  er  eines  Bleistiftes,  oft  nur  eines  Notizbuchbleistiftes,  so  dass 
|  etliche  Schwierigkeit  machte,  nach  der  Entfernung  der 
e>ne  ein  dünnes  Drain  in  den  Hepatikus  einzuführen.  Auch 
Fällen  mittelgrosser  Choledochussteine  finde  ich  meist  das 
imen  eng,  erweitert  nur  um  den  Stein.  Nicht  selten  habe 
n  Gallensteinkranke  im  Intervall  operiert,  welche  nie  Ikterus 
habt  haben  wollten,  und  fand  doch  4—6—8  kleinste  Gallen- 
ine  im  gemeinsamen  Gallengange  und  den  Gallengang  dabei 
•  ?,  sehr  eng.  Das  sind  nun  Kranke,  bei  welchen  man  nach 
r  sorgfältigsten  Operation  nicht  sicher  sein  kann,  alle  Steine 
tfernt  zu  haben,  wie  man  denn  meiner  Meinung  nach  trotz 
er  Mühe  diese  Garantie  nie  geben  kann,  und  doch 
Ute  dies  möglich  sein. 

Dies  führt  mich  naturgemäss  auf  die  Technik  der 
■loledochusausräumung  bei  Choledochussteinen, 
“gt  nicht  ein  so  grosser  Abschlussstein  im  Gallenblasenhalse, 
ss  der  Choledochus  unter  allen  Umständen  steinfrei  sein 
iss,  so  ist  dieser  auf  Steine  zu  untersuchen.  Wenn  man 
(ID  linke  Seite  des  Kranken  hinübertritt  und  den  freien  Teil 
Choledochus  und  Hepatikus  so  abtastet,  dass  man  den 
igefinger  der  linken  Hand  in  das  W  i  n  s  1  o  w  sehe  Loch  ein- 
rt,  den  Daumen  aber  auf  den  grossen  Gallengang  legt,  so 
'in  inan  grössere  Steine,  die  in  diesem  Bereiche  liegen,  meist 
!.  fühlen,  kleine  sehr  oft  nicht.  Man  gelangt  nur  zu  einem 
rdachte,  der  zur  Choledochotomie  zwingt.  Ich  löse  seit 
jren  nach  Abtastung  des  freien  Abschnittes  des  grossen 
Henganges  mit  dem  Zeigefinger  am  unteren  Rande  des 
mslowschen  Loches  das  Duodenum  ab  und  bin  sehr  oft 
taunt  gewesen,  nun  grosse  Steine  im  retroduodenalen 
oledochusabschnitt  mit  Leichtigkeit  zu  fühlen,  die  ich  vorher 
nt  feststellen  konnte.  Die  Ablösung  des  Duo- 
11  u  ms  in  jedem  Falle  von  Verdacht  auf 
oledochussteine  halte  ich  für  unerlässlich, 


kann  hinzufügen,  dass  ich  nie  Schaden  von  ihr  gesehen  habe. 

at  man  das  Duodenum  abgelöst,  so  kann  man  mit  Sicherheit 
den  freien  und  den  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus  von 
Steinen  frei  machen.  Was  im  retroduodenalen  Teile  liegt, 
fühlt  man  durch  den  Zeigefinger  hinter  und  den  Daumen  vor 
dem  Duodenum  mit  ausserordentlicher  Leichtigkeit.  Auch  ist 
es  sehr  angenehm,  auf  diese  Weise  das  Instrument  im  Chole¬ 
dochus  kontrolheren  und  es  hinter  den  Stein  leiten  zu  können. 
Den  Steinfänger  schiebe  ich  meist  durch  die  Papille  in  das 
Duodenum. 

Nicht  mit  Sicherheit  steinfrei  machen  können  wir  —  und 
dann  stimmen  wir  wohl  alle  überein  —  den  intrahepatischen 
Abschnitt  der  grossen  Gallengänge,  wir  mögen  es  anfangen 
wie  wir  wollen.  Einmal  gelangt  man  nicht  über  eine  be¬ 
stimmte  Entfernung  hinauf  in  die  Leber,  zum  zweiten  treibt 
oder  schiebt  man  die  Steine  leicht  nach  aufwärts,  ohne  sie 
überhaupt  zu  fühlen,  mag  man  spülen,  was  ich  übrigens  nie 
gemacht  habe,  oder  den  Gallensteinfänger  brauchen.  Es  ist 
uns  allen  bekannt,  dass  nach  den  mühsamsten  Operationen, 
nach  welchen  man  alle  fühlbaren  Gallensteine  ausgeräumt 
hatte  und  lange  genug  nach  nicht  fühlbaren  gehascht  oder  ge¬ 
angelt,  sich  in  der  Nachbehandlung  oft  noch  viele,  sogar  grosse 
Steine  entleeren,  welche  nach  Lage  der  Sache  nur  aus  dem 
intrahepatischen  Teil  der  Gallengänge  herabgekommen  sein 
können.  Als  Beispiel  zeige  ich  Ihnen  hier  eine  Anzahl 
grösserer  und  kleinerer  Gallensteine,  die  ich  einer  70  jährigen 
Dame  aus  dem  retroduodenalen  und  dem  freien  Anteil  des 
Choledochus  und  Hepatikus  ausgeräumt  habe.  Ich  hätte 
schwören  mögen,  dass  der  Gang  nun  steinfrei  sei.  Diese  drei 
grossen  Steine  sind  in  den  ersten  drei  Wochen  der  Nach¬ 
behandlung  noch  herausgekommen.  Die  alte  Dame  leidet 
schwer  durch  den  unvermeidlichen  Gallenfluss.  Denn  die 
Cholcdochusfistel  muss  der  eventuellen  weiteren  Steine  halber 
doch  noch  offen  gehalten  werden  1). 

Wie  gelangen  die  Steine  so  hoch  hinauf  in 
die  Leber?  Offenbar  gibt  es  zwei  Möglichkeiten.  Die 
erste  ist  steinbildender  Katarrh  und  Steinbildung  hoch  oben 
in  den  Gallengängen,  die  zweite  Verschleppung  von  Gallen¬ 
blasensteinen,  die  in  den  Choledochus  gelangten,  nach  auf¬ 
wärts.  Ueber  letztere  Möglichkeit  habe  ich  mir  folgende  Vor¬ 
stellung  gemacht.  Beim  akuten  Steinverschluss  des  Chole¬ 
dochus  z.  B.  durch  einen  Stein  in  der  Papille,  tritt  infolge  der 
Gallenstauung  eine  gewaltige  Erweiterung  der  Gallengänge 
ein.  Die  Steine  schwimmen  leicht  beweglich  im  Choledochus. 
Die  Galle  drängt  an  der  Wandung  der  Kanäle 
nach  abwärts;  die  Steine,  welche  in  ihr 
sSh  wi.mmen’  werden  durch  eine  zentrale 
rückläufige  Strömung  nach  aufwärts  ge- 
1 1  i  e  b  e  n,  genau  so  wie  der  Darminhalt  beim  Darmver¬ 
schluss  oder  die  Bohne  im  äusseren  Gehörgang,  welche  wir 
mit  der  Ohrenspritze  herausspritzen.  Die  Steine  keilen  sich 
dort  ein,  wo  die  Gallengänge  für  sie  zu  eng  werden,  oder  sie 
werden  festgeklemmt,  wenn  der  Weg  für  die  Galle  in  den  Darm 
wieder  frei  wird  und  die  Gallengänge  sich  wieder  verengen. 

Einem  grossen  Teile  dieser  Schwierig¬ 
keiten  geht  man  aus  dem  W ege,  wenn  man  den 
akuten  Choledochusverschluss  operiert,  wie 
ich  es  jetzt  an  gefangen  habe.  Der  Choledochus  ist 
dann  weit,  sehr  weit.  Bei  seiner  Eröffnung  strömt  die  Galle 
mit  grosser  Gewalt  aus  und  schwemmt  sofort  einen  grossen 
Teil  der  eingedickten  Galle  und  kleinen  Konkremente,  welche 
aufwärts  sitzen,  heraus.  Bei  genügender  Eröffnung  des 
Ganges  ist  es  leichter,  die  Gallenwege  von  grösseren  Steinen 
frei  zu  bekommen,  da  die  Steine  beweglicher  sind.  Die  Weite 
des  Gallenganges  gestattet,  ein  dickes  Drain  einzuführen,  und 
wenn  wirklich  etliche  Konkremente  oben  geblieben  sind,  so 
gehen  sie  entweder  durch  das  Drain  oder  später  durch  die 
Choledochusfistel  ab. 

Wie  man  in  der  Nachbehandlung  enge,  selbst  weite  Gallen¬ 
gänge  zweckmässig  spülen  könne,  ist  mir,  ehrlich  gestanden, 
stets  unklar  geblieben.  Spült  man  bei  liegendem  Choledochus- 
drain,  so  treibt  man  die  Steine  nach  aufwärts  oder  abwärts. 
Spült  man  nach  Entfernung  des  Drain,  so  findet  man  sicher  in 

_ _  r':e  { 

‘)  Ist  an  Inanition  —  sicher  Folge  des  Gallenflusses  —  zugrunde 
gegangen. 


1022 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  i<j 


der  grossen  Tiefe  nicht  den  Eingang  in  den  Choledochus,  und 
wenn  die  Oeffnung  in  ihm  nicht  gewaltig  ist,  so  kann  man 
doch  neben  dem  Spiilrohr  keine  Steine  herausspülen!  Selbst¬ 
verständlich  muss  man  bei  Steinen,  Gries  und  eingedickter 
Galle  in  den  grossen  Gallenwegen  nach  Entfernung  des 
Hepatikus-  oder  Choledochusdrain  2)  ein  dickes  Drain  bis  auf 
den  Grund  der  Bauchwunde  einführen  und  dieses  so  lange 
liegen  lassen,  bis  keine  Steine  mehr  abgehen  und  die  Galle 
dünn  und  klar  abläuft.  Dass  Spülungen  durch  dieses  Drain 
Steine,  welche  durch  die  Choledochusfistel  in  die  Bauchwunde 
getreten  sind,  herausbefördern,  ist  natürlich  auch  mir  bekannt. 
Das  ist  aber  keine  Spülung  des  Choledochus  oder  Hepatikus. 

Das  neuerlich  von  Kehr  empfohlene  T-förmige  Chole¬ 
dochusdrain  halte  ich  für  unzweckmässig,  da  es  nach¬ 
kommende  Konkremente  gegen  die  Papille  leitete.  Das  end¬ 
ständige  Drain  leitet  sie  nach  aussen.  Gefahren  durch  lang¬ 
dauernden  Gallenfluss  entstehen  im  allgemeinen  nicht,  wenn 
man  um  das  Drain  nur  schmal  tamponiert,  so  dass  sich  die 
Wunde  schnell  schliessen  kann,  sobald  man  dies  für  zulässig  hält. 

Ein  Wort  noch  über  „Adhäsionskoliken“.  Magen-  und 
Darmadhäsionen  an  der  Leber  sollen  vermieden  werden.  Zu¬ 
nächst  erhalten  wir  einen  Teil  der  Serosa  der  Gallenblase  in 
allen  Fällen  und  schliessen  „das  Lager“,  in  dem  die  Gallen¬ 
blase  gelegen  hat,  sorgfältig  durch  Nähte.  In  allen  Fällen,  in 
welchen  der  Choledochus  sicher  steinfrei  ist  (grosser  Ab¬ 
schlussstein  in  der  Gallenblase  und  negatives  Tastergebnis) 
übernähe  ich  ausser  dem  Gallenblasenlager  den  Zystikus- 
stumpf  mit  Peritoneum  und  schliesse  die  Bauchhöhle  ganz 
(W  i  t  z  e  1).  Die  Kranken  stehen  oft  schon  am  4. — 5.  Tage 
auf  und  werden  nach  10 — 12  Tagen  entlassen.  Ich  habe  nie 
eine  Störung  der  Wundheilung  in  solchen  Fällen  gehabt.  Muss 
ein  Drain  in  den  Choledochus  gelegt  und  tamponiert  werden, 
so  ziehe  ich,  wenn  irgend  möglich,  Netz  über  das  Kolon 
herüber  und  nähe  es  am  Peritoneum  retroperitoneal  so  an,  dass 
Magen,  Duodenum  und  Kolon  nicht  mit  der  unteren  Leber¬ 
fläche  verwachsen  können.  Dazu  genügen  wenige  Naht¬ 
stiche.  Besonders  wichtig  ist  dies  in  den  Fällen,  in  welchen 
eine  Verwachsung  und  Verziehung  des  Duodenum  oder  Py- 
lorus  gegen  die  Gallenblase  und  untere  Leberfläche  bestand. 
Eine  Gastroenterostomie  wird  dadurch  überflüssig. 

Ich  schliesse  also  mit  der  These,  dass  es 
aus  allgemeinen,  wie  aus  technischen  Grün¬ 
den  dringend  angezeigt  ist,  den  akuten  Stein¬ 
verschluss  des  Choledochus  zu  operieren, 
wenn  nicht  innerhalb  längstens  einer  Woche 
der  Ikterus  unter  vollkommener  Erholung 
des  Kranken  gänzlich  verschwunden  ist  und 
aus  den  übrigen  Umständen  mit  Gewissheit 
zu  entnehmen  ist,  dass  kein  Stein  im  Chole- 
ilochus  zurückgeblieben  ist.  Bei  Kranken,  welche 
häufigere  Anfälle  mit  Ikterus  haben,  soll  man  den  ersten  besten 
Anfall  mit  Ikterus  benützen,  um  auf  sofortige  Operation  zu 
dringen.  Schlägt  man  derartiges  vor,  so  ist  der  Beweis  zu 
leisten,  dass  die  Operation  im  akuten  Ikterus 
nicht  gefährlicher  sei,  als  die  im  Intervall. 
Ich  wüsste  nicht,  was  sie  gefährlicher  machen 
sollte.  Je  eher  operiert  wird,  desto  weniger  ist  der  Kranke 
herabgekommen.  Gefahren  entstehen  nur  durch  länger 
dauernde  Cholämie.  Die  Peritonitisgefahr  ist  im 
akuten  Anfall  nich-t  gesteigert,  selbst  wenn 
der  Kranke  fiebert.  Das  Operationsterrain  ist  durch 
die  Leber  oben,  medial  Magen  und  Duodenum,  abwärts  Meso¬ 
kolon  so  vollkommen  von  der  allgemeinen  Bauchhöhle  ab¬ 
geschlossen,  dass  eine  fortschreitende  Peritonitis  von  hier  aus 
kaum  je  entsteht.  Beweis  sei,  dass,  beispielsweise,  ich  von 
328  Kranken,  unter  denen  sich  sehr  viele  fiebernde  befanden, 
nur  2  an  operativer  Peritonitis  verloren  habe,  und  auch  diese 
nur  durch  unglückliche  Zufälle.  Die  Gefahren  bei  Gallenstein¬ 
operationen  werden  bedingt  durch  jämmerlichen  allgemeinen 
Ernährungszustand,  Myodegeneratio  cordis,  chronische  Bron¬ 
chitis,  Blasengangrän,  Cholangitis,  Cholämie,  Perforation  und 
Peritonitis,  Karzinom,  alles  Folgen  der  Verschleppung  des 
Leidens. 


■)  14  Tage  post  operationem. 


Aus  dem  kommunalen  Krankenhaus  zu  Langendreer  i  W. 

Ueber  intravenöse  Dauerinfusion*). 

Von  Dr.  M.  Friedmann,  Chefarzt  des  Krankenhauses. 

Die  subkutane  und  intramuskuläre  Kochsalzinfusio 
scheint  mehr  und  mehr  durch  das  Tropfklistier  verdrängt  z 
werden.  Schmerzhaftigkeit  der  Infiltrate,  die  beschränkt 
Menge  der  Flüssigkeit,  die  zugeführt  werden  kann,  sin 
Mängel  der  ersten  Methode,  auch  wird  gerade  bei  Kranket 
die  es  am  nötigsten  haben,  bei  sehr  schwachen,  die  Lösun 
häufig  vom  Unterhautfettgewebe  aus  nicht  mehr  genügen 
resorbiert.  Das  Tropfklistier,  das  auch  in  unserem  Kranket 
hause  in  ausgedehntester  Weise  angewandt  wird,  belästigt  de 
Patienten  wenig,  und  grosse  Mengen  Flüssigkeit  können  at 
diese  Weise  zugeführt  werden,  dazu  ist  die  Tecknik  die  den! 
bar  einfachste,  auch  braucht  die  Flüssigkeit  weder  steril,  noc 
warm  zu  sein.  Immerhin  in  seltenen  Fällen  halten  die  Patiei 
teil  —  und  wieder  pflegen  das  gerade  die  elendesten  zu  sein  - 
den  Einlauf  nicht,  sie  geben  ihn  ganz  oder  teilweise  wiedc 
von  sich.  Manche  andere,  namentlich  solche  mit  Peritoniti 
klagen  bald  über  ein  unangenehmes  Gefühl  der  Völle  und  Au 
getriebenheit  des  Leibes. 

Da  bleibt  dann  die  intravenöse  Zufuhr.  Auf  diesen 
Wege  kann  man  auch  dem  Elendesten  noch  die  Flüssigke 
aufzwingen.  Vor  allem  aber  müssen  wir,  wo  eine  Schnell 
Wirkung  erreicht  werden  soll,  bei  bedrohlicher  akuti 
Herz-  undh  Gefässschwäche  mit  plötzlicher  Blutdrucksenkun 
auf  die  intravenöse  Zufuhr  zurückgreifen.  Hier  ist  sie  alle 
anderen  Methoden  weit  überlegen.  Nichts  wirkt  bei  de 
artigen  Zuständen  so  prompt  und  so  direkt  wie  die  intr; 
venöse  Infusion  physiologischer  Kochsalzlösung  mit  Adrenalif 
zusatz  nach  Heidenhain.  Jeder,  der  Erfahrungen  m 
dieser  Methode  gemacht-  hat,  wird  überrascht  gewesen  sei 
wie  Patienten  mit  nicht  mehr  fühlbarem  Puls  und  völlig  ri 
aktionslos  nach  der  Infusion  ein  ganz  verändertes  Bild  da 
boten,  förmlich  wieder  auflebten. 

Aber  leider,  bei  den  wirklich  schweren  Fällen  ist  imm< 
nur  ein  Augenblickserfolg  zu  erzielen.  Wenige  Minuten,  eit 
halbe  Stunde,  und  das  Bild  ist  wieder  dasselbe  wie  vorhe 
Kein  Wunder.  Aus  den  Versuchen  von  Cohn  he  im  uri 
L  i  c  h  t  h  e  i  m  (Ueber  Hydrämie  und  hydrämisches  Oedei 
Virch.  Archiv,  Bd.  69,  I)  ging  schon  hervor,  dass  der  Bin 
druck  alsbald  nach  dem  Aufhören  einer  schnellen  intravenöse 
Kochsalzinfusion  rasch  wieder  bis  zur  früheren  Höhe  od* 
noch  tiefer  sinkt.  Und  was  die  Adrenalinkomponente  d< 
Wirkung  betrifft,  so  weiss  man  ja,  dass  Adrenalin  nur  fi 
wenige  Minuten  wirksam  ist.  Man  müsste  also,  um  eine  nac’ 
haltige  Beeinflussung  zu  erzielen,  die  Infusion  oft  wiederhole 
Das  verbietet  sich  von  selbst.  Allzuviel  brauchbare  Vent 
stehen  nicht  zur  Verfügung,  auch  ist  bei  kollabierten  Patientt 
die  Schwierigkeit,  in  die  engen  Venen  mit  der  Kanüle  liinei 
zukommen,  oft  eine  nicht  geringe  und  die  Belästigung  d 
Patienten  würde  schliesslich  gross  sein. 

Es  ist  auch  zu  erwägen,  dass  bei  der  üblichen  Anwe 
dungsweise  der  intravenösen  Infusion  die  Wassermenge  b 
häufigen  Wiederholungen  schnell  eine  zu  grosse,  das  Herz  b 
lastende  werden  könnte.  Oder,  falls  man  sich  auf  die  Zufui 
von  Adrenalin  beschränkt,  ist  zu  bedenken,  dass  dies  ke 
gleichgültiges  Mittel  ist.  Bekanntlich  wirkt  es  durch  Gefäs 
Verengung  hauptsächlich  im  Splanchnikusgebiet.  Die  dadun 
im  Kreislauf  gesetzten  Widerstände  verursachen  eine  plöt 
lieh  einsetzende  Mehrarbeit  für  das  Herz.  Darauf  folgt  wied 
sehr  bald  ein  Nachlassen  des  Gefässtonus  und  bei  jeder  Ne 
zufuhr  von  Adrenalin  mit  der  brüsken  Erhöhung  des  Gefäs 
tonus  gesteigerte  Gefahr  für  das  Herz.  Das  hat  u.  a.  A.  Ho 
mann  kürzlich  wieder  hervorgehoben  (D.  med.  W.  191 
No.  40:  Die  Behandlung  der  akuten  Kreislaufschwäche  etc 
Er  kommt  zu  dem  Schluss:  „Eine  wiederholte  intravenö 
Zufuhr  von  Adrenalin  verbietet  sich  dann  von  selbst,  da  m. 
das  Herz  nicht  häufig  dem  damit  verbundenen  Schock  au 
setzen  kann.“  Nun  fährt  zwar  Hoff  mann  fort:  „Man  i 
nach  dem  Vorschläge  von  Heidenhain  dazu  übe 
gegangen,  in  solchen  Fällen  intravenöse  Kochsalzinfusione 


*)  Auszugsweise  vorgetragen  in  der  Sitzung  der  niederrheini.se 
westfälischen  Chirurgen  in  Düsseldorf  am  16.  II.  13. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1023 


i3.  Mai  1913. 


jenen  minimale  Dosen  von  Adrenalin  zugesetzt  waren,  zuzu- 
ihren“,  aber  auch  wenn  man  in  Yt  Liter  Kochsalzlösung  nur 
0  Tropfen  Adrenalinstammlösung  zugibt  und  schnell  oder  nur 
lässig  schnell  einfliessen  lässt,  sieht  man  nicht  selten  recht 
nangenehme  Zustände.  Pat.  wird  blass  und  unruhig,  der 
lntdruck  steigt  plötzlich  enorm  in  die  Höhe. 

Und  doch  ist  eine  länger  dauernde  Beeinflussung  durch 
ie  Kochsalz-Adrenalinlösung  durchaus  anzustreben.  Muss 
lan  doch  annehmen,  dass  namentlich  bei  Zuständen,  wo  die 
Schädlichkeiten  zunächst  noch  fortwirken,  die  zum  Versagen 
js  Herzens  oder  des  Gefässtonus  führten  (Peritonitis,  Sepsis 
ld  andere  Infektionskrankheiten)  nur  dann  ein  bleibender 
rfolg  zu  erzielen  sei,  wenn  die  Gegenmassregeln  (Infusionen) 

1  lange  fortgesetzt  werden  können,  bis  —  ganz  allgemein 
isprochen  —  der  Umschwung  zum  besseren  im  Organismus 
ngesetzt  hat. 

Man  scheint  nun  bisher  von  länger  dauernden,  etwa  dem 
ropfklistier  ähnlichen,  intravenösen  Infusionen  beim  Menschen 
inen  oder  nur  wenig  Gebrauch  gemacht  zu  haben.  Wenigstens 
nd  ich  bei  allerdings  nicht  vollständiger  Durchsicht  der  Literatur 
Hits  darüber,  wenn  ich  von  den  intravenösen  Aethernarkosen 
'sehe,  die  sich  wohl  manchmal  über  zwei  Stunden  und  mehr 
nziehen  und  von  den  Versuchen  K  r  o  1 1  s  in  Barmen  (intra- 
möse  Adrenalindauerinfusion  (D.  med.  W.  1910,  No.  44),  die 
:h  nur  auf  Adrenalinlösungen  bezogen,  ohne  dass  zugleich 
össere  Mengen  Kochsalzlösungen  zugeführt  wurden  und  bei 
■nen  nur  längstens  2  Stunden  hindurch  hintereinander  in- 
ndiert  wurde,  mit  dem  Erfolg,  dass  der  Blutdruck  während 
■r  ganzen  Infusionsdauer  gleichmässig  gesteigert  blieb. 

Aber  der  Gedanke  länger  fortgesetzter  intravenöser  Kocli- 
lzinfusionen  liegt  so  nahe,  dass  ich  kaum  zweifle,  dass  er  von 
m  einen  oder  dem  anderen  auf  irgend  eine  Weise  schon 
•rwirklicht  wurde.  Erwünscht  ist  wenigstens  manchem 
-her  schon  eine  möglichst  langdauernde  intravenöse  Infusion 
schienen.  Das  sehe  ich  z.  B.  aus  einer  Bemerkung  Johns, 

2  sich  allerdings  wieder  lediglich  auf  Adrenalinlösung  be- 
- ht  (Weitere  klinische  Erfahrungen  über  intravenöse  Supra- 
nininjektionen  bei  schweren  Herz-  und  Gefässkollapsen; 

med.  W.,  1909,  No.  47).  „Die  Aussicht,  einem  Patienten 
indenlang  in  bestimmter  Zuflussgeschwindigkeit  eine  stark- 
rdiinnte  Adrenalinlösung  in  die  Vene  einlaufen  lassen  zu 
innen,  ist  freilich  keine  allzu  grosse,  so  wünschenswert  ihre 
rwirklichung  auch  .  .  .  sein  müsste.“ 

Mich  führten  die  obigen  Erwägungen  etwa  vor  Jahresfrist 
•  zu,  die  physiologische  Kochsalzlösung  langsam,  tropfenweise 
1  die  Vene  einzuführen  und  diese  Infusion  über  mehrere 
:  mden  hin  fortzusetzen.  Meine  zuerst  gehegte  Befürchtung, 
ss  die  langsam  tropfende  Zufuhr  stocken  oder  durch  Ge- 
nselbildung  gehindert  werden  würde,  bestätigte  sich  nicht. 

0  konnte  ohne  Schwierigkeit  so  langsam  infundieren,  dass 
r  20  Tropfen  in  der  Minute  fielen,  ja,  ich  habe  einmal  5  Mi- 
ten  lang  die  Infusion  einstellen  können  und  doch  floss  die 
sung  nach  Oeffnung  der  Klemme  nachher  weiter  ein,  auch 
nnte  ich  einmal  am  nächsten  Tage  zur  zweiten  Infusion  die- 
be  Vene  benutzen,  es  hatte  sich  an  der  Einstichstelle  des 
rigen  Tages  kein  sichtbarer  Thrombus  gebildet. 

Die  Technik,  wie  ich  sie  in  meinen  Fällen  verwandte,  war 
:tr.de:  Einführung  einer  Glaskanüle  in  die  V.  median,  cubit.  oder 
-i;d.;  falls  der  Pat.  nicht  schon  benommen  und  reaktionslos  war, 
er  lniiltrat  -Anästh.  Naht  der  kleinen  Wunde.  Heftpflasterverband. 
Kanüle  ist  durch  Schlauch  mit  einem  Glastrichter  verbunden, 
in  einem  Gestell  am  Galgen  über  dem  Bett  hängt  (vergl.  Abb.). 
geschaltet  ist  noch  eine  Martin  sehe  Glaskugel,  die  den  Tropfen¬ 
sichtbar  macht  und  sich  beim  Tropfklistier  bereits  eingebürgert 
haben  scheint.  (Cf.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  18: 
rektale  kontinuierliche  Kochsalzinfusion  etc.),  ferner  eine  Klenmi- 
raube  zur  genauen  Regulierung  der  Zufuhr.  Den  Arm  hingen  wir 
ähnlich  am  Galgen  steil  in  die  Höhe,  nötig  ist  das  meist  nicht. 
Bei  äusserster  Gefahr  lässt  man  zunächst  schnell  einfliessen; 
m  der  Puls  fühlbar  wjrd,  tropfenweise,  200  Tropfen,  100,  50  und 
»ger  bi  der  Minute,  je  nachdem.  Handelt  es  sich  hauptsächlich 
1  Wasserverarmung  der  Gewebe,  wird  event.  n  u  r  Kochsalzlösung 
\yandt.  mit  Zusatz  von  Digalen,  wenn  die  Herzschwäche  im 
dergrund  steht,  oder  Adrenalin,  wenn  der  Gefässkollaps  das  Be- 
hlichste  ist.  Das  wird  sich  ja  nicht  immer  entscheiden  lassen, 
st  kombinierten  wir  und  gaben  abwechselnd  Adrenalin  und  Digalen 
Kochsalzlösung  bei.  So  kann  man  unter  gewissen  Voraus¬ 
ungen  (vergl.  weiter  unten),  wenn  bei  jeder  Neufüllung  des  I 
■  hters  mit  Kochsalzlösung  10 — 20  Tropfen  Adrenalin  hinzugefügt 


werden,  den  Pat.  unter  dauernder  gleichmässiger  Wirkung  allerdings 
sehr  verdünnter  Adrenalinlösung  halten. 

(  sc^frn  9ie  Infusion  5,  10,  12,  ja  einmal  23  Stunden  hindurch 

fort.  Die  verbrauchten  Flüssigkeitsmengen  waren  manchmal  recht 
gross,  3-5  Liter  in  einzelnen  Fällen,  bei  sehr  langer  Dauer  der 
Infusion  und  grosser  Austrocknung  der  Gewebe  auch  noch  mehr, 
in  letzterer  Zeit  sind  wir  bei  langsamerer  Tropfenfolge  meist  mit 
weniger  ausgekommen. 


Die  Abkühlung  der  Flüssigkeit  kommt,  ähnlich  wie  beim  Tropf- 
klistier,  wohl  nicht  in  Betracht,  wenn  Tropfen  aui  Tropfen  in  die 
blutbahn  gelangt,  sonst  Hesse  sich  ja  leicht  eine  Wämievorrichtiin"- 
anbringen. 

Die  Indikationen  sind  natürlich  vielfältig.  Ich  nenne  nur 
die  Leiden,  die  mit  grosser  Wasserverarmung  der  Gewebe  ein¬ 
hergehen,  erschöpfende  Durchfälle,  Cholera,  Ileus,  Magen¬ 
karzinom,  ferner  alle  Infektionskrankheiten,  in  deren  Verlauf 
es  zu  plötzlichem  Herzkollaps  oder  Vasomotorenlähmung  ge¬ 
kommen  ist,  u.  a.  Peritonitis,  Sepsis. 

Indem  ich  mir  Vorbehalte,  event.  die  Krankengeschichten 
später  ausführlicher  mitzuteilen,  wollte  ich  an  dieser  Stelle 
zunächst  nur  die  Erfahrungen  zusammenfassen,  die  ich  wäh¬ 
rend  des  ersten  Versuchsjahres  mit  der  intravenösen  Dauer¬ 
infusion  gemacht  habe,  oder  ich  möchte  vorsichtigerweise  - — 
da  das  Material  noch  klein  ist  und  die  Infusionen  in  der  Mehr¬ 
zahl  nur  an  ganz  desolaten  Fällen  versucht  wurden  —  nur  von 
Eindrücken  reden,  die  ich  bei  20  Fällen  gewonnen  habe. 

1.  Der  Blutdruck  schnellt  bei  der  tropfenweisen  Zufuhr 
von  Kochsalz-Digalen-Adrenalinlösung,  nicht  wie  bei  raschem 
Zufliessen  bedrohlich  in  die  Höhe,  sondern  steigt  stetig  und 
gleichmässig  und  hält  sich  während  der  ganzen  Dauer  der  In¬ 
fusion  mit  geringen  Schwankungen  auf  der  gleichen,  meist 
ungefähr  normalen  Höhe. 

2.  Der  stetige,  tropfenweise  Zufluss  sehr  verdünnter 
Adrenalinlösung  macht  keine  üblen  Nebenwirkungen  (Blässe, 
Unruhe). 

3.  Das  Herz  wird  auch  bei  sehr  oft  wiederholtem  Ein¬ 
giessen  von  Adrenalin  nicht  übermässig  belastet. 

4)  Bei  ganz  langsamer  Zufuhr  wird  vom  Herzen  auch  eine 
grössere  Menge  Flüssigkeit  vertragen,  so  dass,  was  bei  sep¬ 
tischen  Prozessen  von  Wichtigkeit  ist,  eine  ausgiebige  Ver¬ 
dünnung  des  Blutes  und  Durchspülung  des  Organismus  mög¬ 
lich  erscheint. 

5.  Die  Diurese  wird,  wenn  die  Nieren  einigermassen 
leistungsfähig  sind,  kräftig  angeregt. 

6.  Aber  auch  Nierenkranke  (2  Fälle)  scheinen  auf  diese 
Weise  erhebliche  Kochsalzmengen  zu  vertragen  (vergl.  auch 
Henkel:  M.  med.  W.  1910,  S.  2505). 

7.  Die  Belästigung  der  Patienten  ist  eine  sehr  geringe  und 
besteht  nur  in  dem  einmaligen  kleinen  Eingriff. 

8.  Die  Infusion  kann  auf  diese  Weise  viele  Stunden  hin¬ 
durch  fortgesetzt  und  daher  der  Patient  in  manchen  Fällen  so 
lange  über  Wasser  gehalten  werden,  bis  sich  im  Organismus 
eine  Umstimmung  zum  Besseren  angebahnt  hat. 

Ueberzeugt  von  der  milderen  Wirkung  der  Arzneimittel 
bei  tropfenweiser  Zufuhr  in  die  Blutbahn,  habe  ich  in  letzter 


1024 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zeit  auch  mehrmals  Salvarsan  und  Hormonal  in  dieser  Weise 
angewandt. 

60  ccm  Hormonal  wurden  beispielsweise  bei  starker  Ver¬ 
dünnung  mit  Kochsalzlösung  ohne  Störung  vertragen.  Die 
langsame  Zufuhr  dieses  Mittels  wird  ja  schon  seit  einiger  Zeit 
dringend  empfohlen.  P.  Sackur  (Experimentelle  und  klini¬ 
sche  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Hormonalwirkung.  D.  med. 
W.  1913,  No.  9).  der  das  Hormonal  in  ähnlicher  Weise  in¬ 
jizierte,  glaubt  einen  Versager  auf  die  starke  Verdünnung  mit 
Kochsalzlösung  zurückführen  zu  müssen.  Ich  habe  bei  meinen 
allerdings  nur  wenigen  Fällen  nicht  den  Eindruck  gewonnen, 
dass  die  Verdünnung,  die  bei  uns  noch  stärker  war,  der 
Hormonalwirkung  allzuviel  Abbruch  tat,  z.  B.  erfolgte  in  dem 
Falle,  wo  ich  60  ccm  injizierte,  trotz  bestehender  Peritonitis 
mehrmals  Stuhl. 

Auch  mit  Kollargol  machte  ich  einige  Versuche.  Wäh¬ 
rend  ich  früher  bei  Spritzeninjektion  von  20  ccin  2  proz. 
Kollargollösung  nicht  selten  Schüttelfrost  auftreten  sah,  er¬ 
lebte  ich  bei  einer  langsam  tropfenden  Zufuhr  von  selbst 
100  ccm  derselben  Lösung  nichts  derartiges  mehr.  Vielleicht 
kann  man  auf  diese  Weise  bei  septischen  Zuständen  noch  viel 
grössere  Mengen  über  Stunden  hindurch  zufliessen  lassen  und 
so  dem  angestrebten  Ziele  der  Keimschädigung  in  der  Blut¬ 
bahn  näher  kommen.  Bis  jetzt  habe  ich  allerdings  weder  bei 
schneller  noch  langsamer  Injektion  geringer  oder  grosser 
Mengen  irgend  etwas  für  seine  Wirkung  wirklich  beweisendes 
von  Kollargol  gesehen. 

Von  den  noch  viel  ferner  liegenden  Aussichten,  auf  Tu¬ 
moren  durch  grosse  Mengen  tropfenweise  zugeführter  Mittel 
(Schwermetallverbindungen?)  wirken  zu  können,  will  ich  hier 
nicht  sprechen. 

Nach  dieser  Abschweifung  kehre  ich  zur  Kochsalz- 
Adrenalinlösung  zurück.  Man  kann  natürlich  verschiedene 
Einwendungen  gegen  die  Dauerinfusion  machen. 

Die  Thrombosengefahr  schlage  ich  nicht  hoch  an.  Bei  der 
durch  die  Infusion  bedingten  Blutverdünnung  ist  die  Neigung 
zu  Pfropfbildung  an  sich  gering,  ferner  kommen  Thrombosen 
überhaupt  an  den  oberen  Extremitäten  seltener  zustande  und 
schliesslich  führen  sie,  worauf  es  ja  ankommt,  kaum  jemals  zu 
schweren  Embolien.  Von  diesen  Tatsachen  wurde  ich  auch 
bei  meinen  vor  einigen  Jahren  an  der  Rostocker  chirurgischen 
Klinik  gemachten  Untersuchungen  überzeugt.  (Klinische  Er¬ 
fahrungen  über  postoperative  Thrombosen  und  Embolien. 
Beiträge  z.  klin.  Chir.,  Bd.  69,  H.  2.) 

Eine  zu  grosse  Ueberladung  mit  Flüssigkeit  kann  gewiss 
bei  allzu  langer  Anwendung  einmal  passieren.  Ich  glaube  auch 
in  einem  Falle  (Ileus)  ein  Transsudat  in  der  Bauchhöhle  (viel¬ 
leicht  allerdings  auch  durch  den  Ileus  bedingtes  Exsudat)  auf 
zu  reichliche  Zufuhr  der  physiologischen  Kochsalzlösung  zu¬ 
rückführen  zu  müssen.  Der  Fall  kam  nach  Operation  zur 
Heilung. 

Uebrigens  sahen  C  o  h  n  h  e  i  m  und  L  i  c  h  t  h  e  i  rn  (cf. 
oben)  bei  ihren  Versuchstieren  auch  zuerst  ein  Transsudat  in 
der  Bauchhöhle,  aber  nie  Oedeme  auftreten. 

Natürlich  muss  der  Blutdruck  dauernd  kontrolliert  werden. 
Steigt  er  über  die  Norm,  muss  ganz  langsam  getropft,  event. 
abgesperrt  werden.  Auch  wird  sich  durch  Unruhe  und  Un¬ 
behagen  des  Patienten  in  manchen  Fällen  das  Zuviel  des 
Wassers  kundgeben  und  schliesslich  ist  das  Abdomen  auf 
entstehende  Transsudate  genau  zu  überwachen,  weil  wie  ge¬ 
sagt,  dahin  das  überschüssige  Wasser  zuerst  abgeschoben  zu 
werden  scheint,  wenn  Nieren-  und  Schweissdrüsen  nicht  ge¬ 
nügend  arbeiten. 

Ferner  könnte  die  Menge  des  zugeführten  Salzes  schäd¬ 
lich  wirken.  Ueber  die  Gefahren  reichlicher  Kochsalzzufuhr 
tür  den  Organismus  sind  die  Ansichten  noch  geteilt.  Henkel 
brachte  selbst  Nierenkranken  erhebliche  Mengen  ohne  Schaden 
bei.  Vielleicht  nimmt  man  aber  besser  Ring  er  sehe  Flüssig¬ 
keit  (cf.  Hössli:  Ueber  schädigende  Wirkung  der  physio¬ 
logischen  Kochsalzlösung;  Frankf.  Zeitschr.  f.  Pathol.,  Bd.  4, 
H.  2)  oder  geringer  prozentige  Kochsalzlösung,  wie  ich  das  in 
letzter  Zeit  tat. 

Schliesslich  ist  ein  Uebelstand  die  leichte  Zersetzung  der 
Adrenalinlösung.  Man  wird  sich  wohl  eines  dunkelglasigen 
1  richters  bedienen  müssen.  Nötigenfalls  muss  die  Lösung  im 


No.  1 


Trichter  öfter  erneuert  werden.  Man  merkt  schon  an  der  re 
liehen  Verfärbung,  dass  die  Zersetzung  weit  eher  einzutreti 
pflegt  als  bis  ein  Trichter  (bei  uns  Liter  fassend)  lee 
gelaufen  ist.  Wenn  man  dann  erst  bei  Neufüllung  des  Tric 
ters  mit  Kochsalzlösung  wieder  Adrenalin  zugibt,  wird  alle 
dings  eine  völlig  stetige  gleichrnässige  Adrenalinwirkui 
nicht  erreicht.  Man  muss  dann  bei  Verfärbung  der  Lösui 
gleich  wieder  Adrenalin  zugeben,  event.  den  Trichter  nie 
ganz  füllen,  einen  kleineren  nehmen  etc. 

Endlich  tritt  auch  die  Frage  auf,  ob  das  Adrenalin  nie 
aus  subkutanem  Wege  wirkt.  Bekanntlich  nahm  man  bi 
her  allgemein  an,  dass  dies  nicht  der  Fall  sei,  man  meint 
das  Mittel  verschlösse  sich  selbst  den  Weg  zur  Resorptk 
vom  Subkutangewebe  aus.  Unter  anderen  schreibt  W.  Strai 
(Zeitschr.  f.  ärztl.  Fortbildung  1910,  No.  19.  Adrenalin  ui 
seine  therapeutische  Anwendung):  „Die  Blutdruckwirkung  i 
nur  mit  intravenöser  Injektion  zu  erreichen,  denn  al 
Adrenalinwirkung  ist  lokal.“  Neuerdings  empfiehlt  ab] 
A.  Hoff  mann  (D.  med.  W.  1912,  No.  40)  gerade  die  su 
kutane  Zufuhr  des  Adrenalins,  die  milder  wirke,  als  die  intr 
venöse.  Ich  habe  einige  Male  1  ccm  der  Adrenalinstann 
lösung  subkutan  injiziert,  aber  keine  Bhitdrucksteigerung  dur.; 
Riva-Rocci  nachweisen  können.  Bei  intramuskulärer  A 
Wendung  sah  ich  einmal  deutliche  Steigerung  innerhalb  5  M 
nuten,  doch  war  gerade  dieser  Fall  nicht  ganz  einwandin 
Die  Versuche  sollen  wiederholt  werden. 

Aber,  selbst  wenn  auf  intramuskulärem  oder  subkutane. 
Wege  eine  Blutdrucksteigerung  zu  erreichen  wäre,  würde  d 
Anwendungsweise  doch  weit  unbequemer  sein  als  die  intr 
venöse  Dauerinfusion,  müsste  doch  etwa  alle  X — %  Stum 
injiziert  werden. 

Ob  es  häufig  gelingen  wird,  mit  der  intravenösen  Koc 
salz-Adrenalin-Dauerinfusion  noch  Patienten  zu  retten,  den 
Zustand  mit  Hilfe  der  sonst  üblichen  Injektionsmethoden  nie 
mehr  dauernd  beeinflusst  werden  konnte,  müssen  weitere  E 
fahrungen  zeigen.  Ich  möchte  durch  diese  Arbeit  dazu  a 
regen,  in  geeigneten  Fällen,  namentlich  bei  verzweifelt  e 
scheinenden  Zuständen,  das  beschriebene  Verfahren  zu  ve 
suchen. 

Kurze  Auszüge  aus  wenigen  Krankengeschichten  lasse  u 
folgen. 

1.  Klara  St.,  22  Jahre.  Diagnose:  Peritonitis  nach  septische 
Abortus.  Am  12.  X.  12.  Status:  sehr  elend,  unklar,  Leib  stark  ai 
getrieben,  sehr  druckempfindlich,  fortwährendes  Erbrechen,  vtf 
fallenes  Aussehen,  kühle  Nase,  trockene  Zunge  und  Lippen. 

10  Uhr  45  Min.  vormittags:  Puls  nicht  mehr  zu  fühlen,  Begb 
der  intravenösen  Tropfinfusion.  Zur  Kochsalzlösung  werd 
10  Tropfen  Adrenalinstammlösung  hinzugefügt.  Zahl  der  einfliessei 
den  Tropfen  120  pro  Minute. 

11  Uhr:  Puls  fühlbar,  klein,  168. 

12  Uhr:  Erbrechen,  Puls  144  Blutdruck  (Riva-Rocci),  1(1 
10  Tropfen  Adrenalin  in  den  Trichter. 

1  Uhr  30  Min.:  Puls  148,  kräftiger,  Blutdruck  110,  10  Tropf 
Adrenalin.  1  ccm  Digalen,  Magenspülung. 

2  Uhr  30  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

3  Uhr  30  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

4  Uhr  30  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

5  Uhr:  1  ccm  Digalen,  Blutdruck  115,  Puls  140. 

5  Uhr  30  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

6  Uhr  30  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin,  Puls  144,  regelmässi 
kräftig,  Tropfenfolge  56  pro  Minute. 

8  Uhr  abends:  Es  sind  3  Liter  eingeflossen,  das  ganze  Befind' 
ist  entschieden  besser,  Puls  kräftig,  Erbrechen  seit  der  Magenspülui 
nicht  wieder  aufgetreten,  Blutdruck  um  120.  Operation  (intr 
venöse  Aethernarkose).  Durch  3  Inzisionen  wird  eine  Menge  stinke 
den  Eiters  in  dem  Streptokokkus,  Staphylokokkus  und  Bact.  coli  nac 
gewiesen  werden,  abgelassen,  Spülung  der  Bauchhöhle  mit  Koc 
Salzlösung.  Nach  Schluss  der  Operation  wird  die  Kochsalzlösun 
die  während  der  Operation,  mit  Aether  vermischt,  schneller  flos 
wieder  tropfenwese  zugeführt. 

9  Uhr  30  Min.:  Puls  kräftig,  regelmässig,  128,  Blutdruck  145. 

11  Uhr:  Aufhören  mit  der  Infusion. 

13.  X.  12.  In  der  Nacht  mehrfach  erbrochen,  elendes  Aussehej 
aber  kräftiger  Puls,  Magenspülung. 

14.  X.  Subjektiv  besseres  Befinden,  ruhiger  Gesichtsausdruc 
Leib  ziemlich  weich,  Puls  kräftig  um  120. 

15.  X.  Morgens  leidliches  Befinden,  nachmittags  deutliche  Ve, 
schlimmerung,  dabei  leidlich  kräftiger  Puls,  sehr  elendes  Aul 
sehen,  Unruhe,  angestrengte  Atmung,  Leib  stärker  gespannt. 

16.  X.  Morgens  gegen  6  Uhr  Exitus. 

Obduktion:  Noch  viel  Eiter  im  Leib,  beiderseits  Pleuracmpyei, 
keine  Thrombosen,  keine  Embolie. 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1025 


2.  Anna  M.,  Lehrerin.  21  Jahre.  Ulcus  ventr.  perfor.  Rerforation 
augenscheinlich  api  21.  II.  13  abends  erfolgt.  Aufnahme  in  das 
Krankenhaus  am  22.  II.  13,  abends  6  Uhr. 

Status:  Sehr  dürftiger  Ernährungszustand,  ängstlich-schmerz- 
iafter  Gesichtsausdruck.  Spitze  Nase.  Blass,  ein  wenig  zyanotisch. 
Zunge  und  Lippen  trocken.  Temperatur  40°.  Puls  nicht  fühlbar 

Hände  kühl. 

()  Uhr  20  Min.  nachm.:  Beginn  der  intravenösen  Kochsalzinfusion, 
ii  jeden  1  richter  kommen  10  I  ropfen  Adrenalin-Stammlösung. 

I  ropfenfolge  160  pro  Minute. 

6  Uhr  30  Min.:  Puls  eben  fühlbar. 

6  Uhr  35  Min.:  Blutdruck  105. 

6  Uhr  50  Min.:  Blutdruck  115.  1  ccm  Digalen. 

7  Uhr:  Puls  150,  leidlich  kräftig. 

7  Uhr  10  Min.:  Blutdruck  135.  Tropfenfolge  260. 

7  Uhr  20  Min.:  Blutdruck  145.  Puls  136. 

7  Uhr  40  Min.:  1  ccm  Digalen. 

8  Uhr:  Aufhören  mit  Infusion.  Puls  130,  kräftig.  Während  der 
nfusion  ist  der  Magen  ausgespült  worden. 

Beginn  der  Operation  (Aeth.-Inhal.-Nark.) :  Nach  Eröffnung 
!es  Abdomens  dringt  viel  bräunliche  Flüssigkeit  hervor.  Därme  stark 
niiziert,  zum  Teil  mit  Fibrin  belegt.  An  der  Hinterwand  des  Magens 
iahe  der  kleinen  Kurvatur,  zehnpfennnigstückgrosses  Ulcus,  '  per¬ 
foriert.  Im  Pankreaskopf  kraterförmiges  tiefes  Ulcus  Augen- 
cheinlich  war  das  Magenulcus  zunächst  in  das  Pankreas  perforiert 
ewesen.  Die  Verwachsungen  hatten  aber  nicht  gehalten.  Doppelte 
Jebernähung  der  Perforationsstelle.  Tamponade  des  Pankreasulcus 
'Piilung  der  Bauchhöhle.  Nach  der  Operation  Tropfklistier. 

23.  II.  Morgens  leidlich.  Nachmittags  unklar,  deliriert,  schlechtes 
uissehen,  Unruhe,  kühle  Extremitäten. 

5  Uhr  50  Min.:  Puls  gerade  eben  fühlbar.  Beginn  der  intra- 

•enosen  Tropfinfusion.  Tropfenfolge  160.  10  Tropfen  Adrenal  n 

6  Uhr  10  Min.:  Blutdruck  125.  Von  jetzt  ab  Tropfenfolge  SO 
!S  100. 

6  Uhr  15  Min.:  Wegen  Unruhe  0,02  Pantopon.  Tropfenfolge  80. 
'»lutdruck  110.  Nachdem  1  Minute  schnell  getropft  ist:  Blutdruck  120 
6  Uhr  20  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin  in  den  Trichter. 

6  Uhr  30  Min.:  Puls  154.  Blutdruck  115. 

6  Uhr  50  Min.:  Blutdruck  116.  1  ccm  Digalen. 

7  Uhr:  Kl  Tropfen  Adrenalin.  Wegen  Unruhe  Vs  ccm  Skopo- 
lorphin  (Riedel). 

7  HJir  1°  Mjn-:  Puls  140.  Wasserlassen.  Tropfenfolge  110. 

7  Uhr  25  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

9  Uhr  20  Min.:  Puls  136.  Blutdruck  110.  Schweiss.  0,008  Morph, 
i  den  Trichter. 

9  Uhr  40  Min. :  1  ccm  Digalen.  Puls  138,  kräftig.  Wasserlassen. 
Von  10  Uhr  20  Min.  an  6  prom.  Kochsalzlösung.  Pat.  schläft 

ihig. 

10  Uhr  35  Min.:  etwas  Schweiss.  Puls  kräftig.  10  Tropfen 

urenahn. 

11  Uhr  05  Min.:  Blutdruck  138. 

11  Uhr  40  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin. 

12  Uhr:  Pat.  schläft  ziemlich  fest. 

12  Uhr  10  Min.:  1  ccm  Digalen.  Puls  140.  Blutdruck  130 
was  Schweiss. 

12  Uhr  35  Min.:  10  Tropfen  Adrenalin.  Blutdruck  130.  Tropfen¬ 
de  28. 

1  Uhr:  1  ccm  Digalen.  Blutdruck  135.  Nachdem  5  Minuten 
ng  die  Losung  schneller  eingelaufen  ist,  Blutdruck  145. 

I  Uhr  05  Min.  nachts  Schluss  der  Infusion. 

.  Die  Nacht  verbrachte  Pat.  ziemlich  gut  und  ruhig,  liess  häufig 

asser. 

h.24u\  IL  Segen  9  Uhr  morgens  erbrochen.  Puls  wird  wieder 
hlechter,  völlig  unklar,  unruhig. 

II  Uhr  55  Min.  mittags:  Puls  nicht  deutlich  fühlbar.  Beginn  mit 
iravenoser  Tropfinfusion.  Tropfenfolge  224.  10  Tropfen  Adrenalin 
jeden  Trichter.  4  prom.  Kochsalzlösung. 

12  iS?r  on  »!n"  B'utdruck  105.  1  ccm  Digalen  in  den  Trichter. 

9  ttv?1"  20  Mm.:  Blutdruck  100.  10  Tropfen  Adrenalin. 

L  Uhr  50  Min.:  Blutdruck  135. 

1  Uhr  10  Min.:  Blutdruck  120. 

2  Uhr  30  Min.:  Blutdruck  115. 

3  Uhr  30  Min.:  Blutdruck  120. 

4  Uhr  30  Min.:  Blutdruck  115. 

5  Uhr  20  Min.:  Blutdruck  110. 

5  Uhr  30  Min.:  Erbrochen. 

6  Uhr  40  Min.:  Blutdruck  108. 

7  Uhr  10  Min.:  Erbrochen. 

7  Uhr  30  Min.:  Blutdruck  130. 

°  Uhr  10  Min.:  Blutdruck  120. 

o  Magenspülung.  20  ccm  Hormonal  in  den  Trichter. 

k  «Jfi0*;  .%•  ll^?t  sehr  ruhiS-  macht  besseren  Eindruck. 

‘s  122.  Blutdruck  115.  Tropfenfolge  84. 

ir,  rt,r  ^  Min.:  Stuhlgang,  schwärzlich,  flüssig. 

10  Uhr  45  Min.:  Blutdruck  115. 

j!  nur  on  ™-n’:  schläft  Wangen  etwas  gerötet.  Puls  136. 

U  ir  r  20  Min,:  Schluss  der  Infusion.  Blutdruck  130. 
o.  11.  morgens:  Pat.  macht  einen  bedeutend  besseren  Eindruck 
sorium  freier,  kennt  ihre  Umgebung,  Zunge  und  Lippen  feucht, 
.ger  Gesichtsausdruck.  Puls  128,  mittelkräftig,  regelmässig 
No.  19. 


Leib  ziemlich  stark  gespannt,  druckempfindlich.  Keine  Darm¬ 
bewegungen  zu  hören. 

7  Uhr  abends:  Blutdruck  115. 

Nachts  zeitweilig  ruhig  geschlafen,  2  mal  etwas  dunkelbräunlich 
erbrochen,  1  mal  etwas  dünner  Stuhl  erfolgt, 
rr,  ,26.  II.  I  Puls  132.  Blutdruck  115.  Atmung  beschleunigt,  52. 
Klage  über  Leibschmerzen.  Abdomen  noch  hart  gespannt.  Sensorium 
nicht  ganz  frei. 

c  u  n-  Morgens  5  Uhr  Verschlechterung  des  Befindens.  Unruhe. 
Schnelle  Atmung  Kleiner  Puls.  Benommenheit.  Verfallener  Ge¬ 
sichtsausdruck.  Blutdruck  70. 

•  u  Nach  nochmaliger  intravenöser  Kochsalz-Adrenalinzufuhr  hebt 

f‘cnh  ,^VPuf  +ZW?r  wi,eder’,s?  dass  7  Uhr  5d  Min.  ein  Blutdruck 
on  140  konstatiert  wird,  auch  kehrt  das  Bewusstsein  soweit  wieder, 
ass  I  at.  ihren  Vater  erkennt  und  lächelt,  eine  Dauerwirkung  lässt 
sich  aber  nicht  mehr  erzielen.  Inzwischen  wurde  ein  rechtsseitiges 
en 1 1  e m py e m  (StrePto->  Staphylokokken,  Bact.  coli)  durch  Punktion 

12  Uhr  mittags  Exitus.  Keine  Obduktion. 

Peritonitis113  M’’  H  Jahre‘  Aufg:enommen  23-  XI-  12-  Appendizitis, 

n0-„S,VntUAS^  ,Qesich.t  bIass,  Lippen  trocken,  Apathie.  Puls  sehr 
Klein,  160.  Abdomen  überall  gespannt  und  schmerzhaft. 

Opoerat,1..?.n:  Pararektalschnitt.  Viel  stinkender  Eiter  in  der 
ganzen  Bauchhöhle,  links  ebenso  wie  rechts.  Gangränöse  Appendix 
wird  entfernt.  Fibrinverklebungen  gelöst.  Bauchhöhle  mit  Kochsalz¬ 
lösung  gespult. 

Bei  Beendigung  der  Operation,  6  Uhr  55  Min.  abends,  ist  der 
luls  nicht  zu  fühlen,  die  Atmung  krampfhaft  angestrengt,  Pat.  maclit 
moribunden  Eindruck.  Sofort  Beginn  mit  Kochsalz-Digalen-Adrenalin- 
miusion. 

7  Uhr  50  Min.:  Puls  160,  deutlich  fühlbar. 

8  Uhr  45  Min.:  Blutdruck  105.  Tropfenfolge  144.  5  Tropfen 
Adrenalin  in  den  Trichter. 

9  Uhr:  Blutdruck  110.  1  ccm  Digalen. 

n  TTur  ,5  Tropfen  Adrenalin.  Tropfenfolge  76. 

9  Uhr  40  Min.:  Wasserlassen. 

rute!"  ZLP/52kr-r?oVen“olee  36Slehl  ‘m  aUSl  SChIä“ 

10  Uhr  15  Min.:  Wasser  gelassen. 

Digalen  Uhr  45  Min':  B1UtdrUCk  I05>  5  Tr0pfen  Adrenalin-  1  ccm 

Ii1  Kur  aa  ^!n,:  Tr°Pfen  Adrenalin.  Tropfenfolge  44. 

11  Uhr  40  Min.:  Blutdruck  120.  Wasserlassen. 

12  Uhr  nachts:  Durst,  worüber  bisher  viel  geklagt  wurde  hat 

ganz  nachgelassen.  Tropfenfolge  60.  ’  nat 

l!2lSr^n°Jvrlin.':-PTIS  !28<  a?  cc,m  Digalen-  Ruhiger  Schlaf, 
i  unr  30  Min.:  o  Tropfen  Adrenalin. 

Tropfenfo[ge°58^in' '  Wasserlassen’  dann  wieder  Schlaf.  Kein  Durst. 

9  Bvi  2d  Min.:  Schluss  der  Infusion. 

Ahn  a  \2i  Puls  b®schleunigt,  aber  kräftig.  Apathie.  Leib  hart, 
nicht'  SÄ  Se  Letbschraerzen.  Darmbewegung» 

Keine  5Da^rabewegungen.SeStern'  mt4mCk  1I0'  Z“weilen  Unf“h'- 

26.  XI.  Nach  Stuhlgang  besseres  Befinden. 

Stetige  weitere  Besserung. 

24.  XII.  Geheilt  entlassen. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Jena 
(Direktor:  Qeh.  Hofrat  Prof.  Dr.  A.  Gärtner). 

Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Conradi-Trochschen 
Tellurplatte  zum  Diphtherienachweis. 

Von  Oberarzt  Dr.  Klunker,  kommandiert  zum  Institut. 

Kurz  bevor  die  nachstehenden  Ausführungen  dem  Drucke 
übergeben  werden  sollten,  erschien  in  No.  9  dieser  Wochen¬ 
schrift  eine  Arbeit  aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität 
Kiel  von  Dr.  G.  Wagner  über  das  gleiche  Thema.  Wenn 
auch  die  darin  niedergeschriebenen  Beobachtungen  sich 
grossenteils  mit  meinen  eigenen  decken,  so  haben  sich  doch 
bei  meinen  Versuchen  noch  einige  abweichende  Resultate  er¬ 
geben,  die  ich  im  folgenden  besprechen  möchte. 

.....  Pinf  nochmalige  Beschreibung  des  Conradi-Trochschen 
Nährbodens  erübrigt  sich,  ich  verweise  wegen  desselben  auf  die 
Originalarbeit  in  No.  30  dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  1912  und  auf 
die  oben  erwähnten  Versuche  Wagners.  Hier  sei  nur  wieder- 
lolt,  dass  [jach  Angabe  der  Autoren  die  Diphtheriekolonien  auf  ihrem 
e  lui  nahrboden  allein  tiefschwarz  wachsen  sollen,  während  andere 
Keime  dei  Rachen-  und  Nasenhöhle  einen  hellgelben  bis  braunen, 
grauschwai  zen  oder  braunschwarzen  Farbenton  annehmen.  Das 
lleae,.  ,  r  akFen  ermögliche  eine  grobsinnliche  Feststellung  auch  nur 
spärlicher  Diphtheriekolonien  und  gestatte  es,  experimentell  die  Kon¬ 
stanz  der  Merkmale  von  Diphtherie-  und  Pseudodiphtheriebazillen 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


1<>26 

zu  beweisen,  da  letztere  auf  der  Tellurplatte  zum  Unterschied 
von  den  stets  kohlschwarzen  Diphtheriekoloni'en  alle  Uebergiinge 
vorn  Hellgrau  bis  zum  Grauschwarz  zeigten.  Unter  200  diphtherie¬ 
verdächtigen  Proben  konnten  Conradi-Troch  121  mal  Diph¬ 
theriebazillen  nachvveisen,  davon  114  auf  der  Tellur-,  59  auf  der 
l.öfflerplatte. 

Während  eines  vierwöchigen  Kommandos  an  das  hygienische 
Institut  in  Berlin  folgte  ich  einer  Anregung  des  Herrn  Qeheimrats 
Prof.  Dr.  Flügge,  dieses  Verfahren  nachzuprüfen  und  habe  dann 
diese  Versuche  in  Jena  fortgesetzt.  Ich  hielt  mich  bezüglich  der 
Herstellung  des  Nährbodens  genau  an  die  angegebenen  Vorschriften 
und  benutzte  anfänglich  auch  die  von  den  Verfassern  beschriebenen 
„Plattetrockner“  und  die  „Erstarrungsplatte“.  Erstere  sind  Fliess¬ 
papiereinlagen,  welche  vermittels  einer  Metallfeder  an  die  Innenseite 
des  Glasdeckels  der  Petrischale  gepresst  werden  und  das  Kondens- 
wasser  aufsaugen.  Letztere  besteht  aus  einem  Kupferkasten,  der  mit 
ParaffinöJ  gefüllt  und  auf  85 — 90°  eingestellt  wird.  Auf  seiner  heissen 
Kupferplatte  stehen  die  Schalen  bis  sie  erstarren. 

Heide  Hilfsmittel  haben  trotz  ihrer  Brauchbarkeit  einige 
kleine  Mängel.  Dem  Plattetrockner  ist  zwar  eine  vorzügliche 
Saugfähigkeit  eigentümlich,  jedoch  nimmt  das  Fliesspapier 
meist  so  viel  Kondenswasser  auf,  dass  es  sich  trotz  der  feste¬ 
sten  Anspannung  durch  die  Feder  infolge  seiner  Schwere  nach 
unten  senkt  und  dann  oft  in  direkte  Berührung  mit  den  auf 
dem  erstarrten  Serum  gewachsenen  Keimen  kommt,  wodurch 
viele  Kolonien  verwischt  werden.  Um  dies  z.u  vermeiden, 
müsste  man  die  Platten  nach  dem  Ausstreichen  mit  einem 
neuen  Deckel  versehen,  hätte  also  mehr  Glas  zu  sterilisieren 
und  die  doppelte  Anzahl  Plattetrockner  vorrätig  zu  halten.  — 
Die  Erstarrungsplatte  muss,  will  man  keinen  Misserfolg 
haben,  in  einem  vor  dem  geringsten  Luftzug  geschützten 
Raum  stehen.  Lässt  man  dies  ausser  acht,  so  ist  die  Tem¬ 
peratur  der  heissen  Nährböden,  wie  ich  durch  Messungen  fest¬ 
stellte,  an  verschiedenen  Stellen  der  Platte  eine  verschiedene, 
was  von  besonderer  Wichtigkeit  ist.  Denn  schon  bei  einer 
Temperatur  von  88 — 90°  C  färbt  sich  das  erstarrende  Tellur- 
serum  in  kurzer  Zeit  grauschwarz  und  wird  dadurch  unge¬ 
eignet.  Die  Wärmeschwankungen  in  den  einzelnen  Petri¬ 
schalen  betragen  bis  zu  6°,  wenn  die  Platte  in  einem  viel¬ 
benutzten  Zimmer  mit  unruhiger  Luft  steht.  Da  aber  eine 
sichere  Erstarrung  des  Rinderserums  erst  von  83  0  C  an  nach 
etwa  45  Minuten  eintritt,  so  passiert  es  einem  häufig,  dass  ein 
Teil  der  Platten  schon  zu  einer  grauschwarzen  Masse  erstarrt 
ist,  während  andere  noch  flüssig  sind.  Gleich  Wagner 
möchte  ich  betonen,  dass  15  Minuten  einer  Einwirkung  von 
ca.  85°  Wärme  zur  Erstarrung  des  Serums  niemals  genügen. 
Nach  vielen  vergeblichen  Versuchen,  auf  der  Conradi- 
Troch  sehen  Erstarrungsplatte  gleichzeitig  eine  grössere 
Anzahl  brauchbarer  Tellurnährböden  herzustellen,  nahm  auch 
ich  meine  Zuflucht  zu  dem  gewöhnlichen,  mit  einem  Wasser¬ 
mantel  umgebenen  Erstarrungsschrank,  der  auf  85  n  eingestellt 
wurde.  Setzt  man  in  ihm  2  Reihen  Petrischalen  übereinander, 
so  beträgt  der  Temperaturunterschied  zwischen  oberer  und 
unterer  Reihe  höchstens  2 0  und  sämtliche  Platten  werden 
gleichmässig  starr.  Es  ist  notwendig,  die  Höchsttemperatur 
von  85  0  etwa  1  Stunde  einwirken  zu  lassen,  wodurch  der 
Nährboden  in  keiner  Weise  geschädigt  wird.  Hernach  giesst 
man  das  angesammelte  Kondenswasser  aus  den  noch  heissen 
Schalen  und  stellt  diese  umgekehrt  auf  24  Stunden  beiseite, 
wodurch  eine  nachträgliche  Erweichung  des  erstarrten  Se¬ 
rums  durch  das  Kondenswasser  ausgeschlossen  wird.  Am 
folgenden  Tage  erhitzt  man  die  Schalen  —  wiederum  mit  dem 
Deckel  nach  unten  —  im  gleichen  Schrank  nochmals  auf  75  bis 
80 ",  etwa  eine  Stunde  lang.  Die  so  gewonnenen  Platten  sind 
vollkommen  steril,  elfenbeinfarben,  frei  von  Kondenswasser 
und  unterscheiden  sich  in  keiner  Weise  von  den  besten  auf  der 
Erstarrungsplatte  hergestellten  und  mit  Plattetrockner  ver¬ 
sehenen.  Auch  eine  von  Conradi  selbst  gegossene  Platte, 
welche  ich  in  Berlin  zu  sehen  bekam,  hatte  genau  das  gleiche 
Aussehen.  10  verschiedene  auf  derartige  Platten  ausgesäte 
Diphtheriestämme  wuchsen  tiefschwarz,  während  4  Pseudo¬ 
diphtherie-  und  2  Xerosestämme  einen  hellgrauen  bis  grau¬ 
schwarzen  Farbenton  zeigten. 

Nachdem  also  ein  einwandfreier  Nährboden  zur  Ver¬ 
fügung  stand,  wurde  an  die  Untersuchung  der  täglich  ein¬ 
laufenden  Rachen-  und  Nasenabstriche  gegangen.  Es  ge¬ 
langten  im  ganzen  in  Berlin  und  Jena  140  Fälle  zur  Prüfung 
mit  folgendem  Resultat: 


Zahl  der 
Fülle 

Davon  auf  der  Löffler- 

Nur  auf  der 

Nur  auf  der 

Summe 

wie  auf  der  Tellurplatte 

Löfflerplatte 

Tellurplatte 

der  positiv« 

+ 

+ 

+ 

Fälle 

140 

32 

2 

5 

39 

Es  konnten  demnach  von  140  diphtherieverdächtig 
Proben  vermittels  der  Löffler  sehen  Serumplatte  34  n 
—  24,3  Proz.,  vermittels  des  Conradi-Troch  sehen  Vi 
fahrens  37  mal  =  26,4  Proz.  Diphtheriebazillen  nachgewies 
werden.  Beide  Methoden  zusammengenommen  hatten  39  n 
=  27,9  Proz.  ein  positives  Ergebnis. 

Diese  Unterschiede  an  sich  schon  sind  zu  gering,  um  v 
zu  beweisen.  Ausserdem  habe  ich  die  Ansicht  der  Autori 
dass  alle  Diphtheriestämme  auf  Tellur  tiefschwarz  wachs 
und  dass  es  kein  anderen  Keime  in  der  Mundhöhle  gäbe,  c: 
den  gleichen  kohlschwarzen  Farbenton  annähmen,  nicht  teil' 
können. 

Unter  den  37  auf  Tellur  gezüchteten  Diphtheriestämm 
fanden  sich  11,  also  fast  ein  Drittel,  welche  nach  20  stiindigd 
Brutschrankaufenthalt  bei  35  0  schwarzgraue  Kolonien  gcbilq 
hatten  und  gar  sehr  einigen  vergleichsweise  mitgezüchtet' 
Pseudodiphtheriestämmen  ähnelten.  7  der  ersteren  behielt 
auch  nach  40  stündigem  Wachstum  ihre  schwarzgraue  Farl 
Dass  es  sich  aber  jedesmal  um  echte  Diphtherie  handel 
wurde  ausser  durch  die  N  e  i  s  s  e  r  sehe  Doppelfärbung  ei¬ 
wandfrei  durch  den  Tierversuch  erwiesen.  Ein  aus  der  Lun. 
eines  an  Diphtherie  gestorbenen  Kindes  gewonnener  Stair 
zeigte  eine  ganz  hellgraue  Farbe  und  erwies  sich  trotzde 
beim  Meerschweinchen  hochvirulent.  Zwei  andere  Stämi. 
bildeten  Kolonien  wie  die  Soorpilze,  d.  h.  mit  tiefschwarze 
etwas  eingesunkenem  Zentrum  und  grauem  Rand,  waren  abi 
gleichfalls  virulent.  Als  Kuriosum  sei  hier  erwähnt,  dass  ü 
Reinkultur  eines  in  Berlin  isolierten  Stammes  auf  ein  und  dt- 
selben  Platte  bei  Anwesenheit  von  nur  wenigen  Koloni 
graue,  grauschwarze  und  schwarze  Punkte  entwickel 
während  stärker  besäte  Platten  der  gleichen  Kultur  ein  gleic- 
mässiges  Schwarzgrau  zeigten.  Ein  Virulenzunterschied  di 
verschiedenfarbigen  Kolonien  bestand  nicht. 

Ebenso  wie  eine  grössere  Zahl  echter  Biphtheri- 
stämme  atypisch  wuchs,  so  fanden  sich  öfters  saprophytisc. 
Keime,  die  sich  ganz  „typisch“  verhielten,  also  in  dem  kol- 
schwarzen  Aussehen  und  der  Grösse  ihrer  Kolonien  makr- 
skopisch  von  echter  Diphtherie,  sofern  sie  tiefschwarz  auftr. 
nicht  zu  unterscheiden  waren.  Ganz  besonders  ist  es  di 
Staphylococcus  aureus,  der  auf  dem  Tellurnährboden  q: 
gleichen  günstigen  Verhältnisse  findet  und  intensiv  schwär: 
Kolonien  entwickelt.  Er  ist  in  seinem  Reduktionsvermög 
viel  konstanter  als  alle  anderen  Keime.  Unter  den  140  unto 
suchten  Fällen  täuschte  der  Staph.  aureus  44  mal  auf  d> 
Tellurplatten  makroskopisch  Diphtheriekolonien  vor;  3-  odr 
4  mal  fanden  sich  neben  seinen  sofort  in  die  Augen  fallend 
kohlschwarzen,  etwa  stecknadelkopfgrossen  Pünktchen,  ebe- 
so  grosse,  aber  unscheinbarere  grauschwarze,  welche  sich  ä 
Diphtheriebazillen  entpuppten.  Noch  schwieriger  gestalü 
sich  die  Untersuchung,  wenn  nebeneinander  sowohl  Dip- 
therie-  als  Staphylokokkenkolonien  tiefschwarz  wachsen.  I 
es  auf  der  Löfflerplatte  fast  unmöglich,  den  goldgelben  Stai 
aureus  mit  der  weisslichen  Diphtherie  zu  verwechseln,  so  wi 
man  bei  der  neuen  Methode  oft  in  diese  Lage  kommen  u  1 
erst  durch  das  Mikroskop  aufgeklärt.  Von  derartig  bewao- 
senen  Platten  muss  man  häufig  unzähligemal  abimpfen  u  i 
färben,  ehe  man  ein  positives  Resultat  bekommt' oder  sie  i- 
sicher  negativ  beiseite  legen  kann.  Durch  diese  peinlii 
genaue  Untersuchung  ist  nach  meiner  Meinung  das  oben  e- 
wähnte,  etwas  bessere  Resultat  der  Tellurplatten  bedingt. 

Abgesehen  vom  Staph.  aureus  gibt  es  noch  andere  Mun¬ 
keime,  die  sich  ebenso  verhalten.  So  fand  ich  sowohl  unt 
den  eingesandten  Proben  als  auch  bei  Abstrichen  der  Nase- 
und  Rachenhöhle  Gesunder  mehrmals  einen  auf  Löfflerserui 
und  Agar  weisslich  wachsenden  Kokkus,  der  auf  Tellur  gra 
schwarz  bis  tiefschwarz  auftrat  (Staph.  albus?).  Desgleich  i 
entwickeln  auch  manche  Strepto-  und  Diplokokken  dieseL 
Farbe,  jedoch  sind  diese  sofort  durch  ihre  Kleinheit  erkennb;. 

Was  also  die  „elektiv  antiseptische  Wirkung“  des  K . 
tellurosum  anlangt,  so  trifft  sie  zum  mindesten  für  die  g- 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF' 


nannten  Kokken  nicht  zu.  Die  Staphylokokken  wachsen  ge¬ 
radezu  üppig  und  schneller  als  Diphtheriebazillen  und  diese 
Tatsache  genügt  in  vielen  Fällen,  den  Nachweis  der  letzteren 
nicht  leichter  und  sicherer  zu  gestalten  als  auf  dem  gewöhn¬ 
lichen  Löfflernährboden.  Es  kommt  vor,  dass  sich  in  der 
nicht  für  die  Tellurplatte  benützten  Hälfte  der  Löfflerplatte 
ein  verhältnismässig  geringes  Wachstum  zeigt  und  daselbst 
verdächtige  Stellen  leichter  wahrgenommen  werden,  während 
die  gründlich  abgeriebene  Seite  und  die  mit  ihrem  Material 
beschickten  2 — 3  Conradi-Troch  sehen  Nährböden  einen 
richtigen  Rasen  von  allen  möglichen  Keimen  aufweisen,  aus 
welchem  man  Diphtheriebazillen  aufs  Geratewohl  nachweist 
oder  übersieht.  Deshalb  kann  ich  der  Meinung  der  Verfasser 
nicht  zustimmen,  dass  die  Löfflerplatte  ihre  „anreichernde 
Wirkung“  in  erster  Linie  auf  die  Erreger  der  Diphtherie  aus¬ 
übt.  Man  reichert  vielmehr  oft  gerade  diejenigen  Saprophyten 
an,  die  dann  auf  dem  Tellurserum  wegen  ihrer  tiefen  Schwärze 
unnötige  Arbeit  verursachen.  Dem  gegenüber  ist  die  Tat¬ 
sache,  dass  eine  grosse  Zahl  von  anderen  Keimen  durch  das 
Kal.  tellurosum  in  ihrer  Entwicklung  gehemmt  wird  oder  über¬ 
haupt  nicht  wächst,  weniger  von  Belang.  Denn  ihre  ausge¬ 
schaltete  Konkurrenz  kommt  leider  all  den  Bakterien  zugute, 
die  sich  durch  den  Zusatz  von  Kal.  tellurosum  und  Calc. 
himalicum  nicht  stören  lassen. 

Um  einige  Anhaltspunkte  für  die  mehr  oder  minder  grosse 
Anpassungsfähigkeit  verschiedener  Keime  an  den  Tellurnähr¬ 
boden  zu  erlangen,  prüfte  ich  eine  grössere  Anzahl  von  Rein¬ 
kulturen  nach  dem  Conradi-Troch  sehen  Verfahren  und 
untersuchte  auch  mikroskopisch  die  Ablagerungen  von  Tellur 
in  den  einzelnen  Bakterienleibern.  Von  diesen  Versuchen  sei 
hier  nur  die  Beobachtung  erwähnt,  dass  bei  allen  Bildnern 
von  schwarzer  Farbe  die  Intensität  der  Farbbildung  um  so 
geringer  war,  je  mehr  Kolonien  sich  auf  der  Platte  befanden. 
So  zeigten  Diphtherie-  und  Staphylokokkenkulturen,  die  bei 
einer  Zahl  von  10 — 15  Kolonien  auf  den  Quadratzentimeter 
noch  tiefschwarze,  stecknadelkopfgrosse  Punkte  bildeten,  bei 
der  doppelten,  drei-  oder  mehrfachen  Menge  erstens  einmal 
erheblich  kleinere  Kolonien,  was  ja  durch  die  gegenseitige 
Konkurrenz  begründet  ist,  zum  anderen  hatten  diese  Kolonien 
nur  mehr  eine  grauschwarze  oder  graue  Farbe.  Auf  diese 
Weise  konnte  man  mit  ein  und  derselben  Kultur  von  Diph- 
iheriebazillen,  jedoch  nicht  immer  mit  Staphylokokken  durch 
stärkeres  oder  schwächeres  Besäen  der  Platten  verschiedene 
Nuancen  von  grau  bis  schwarz  treffen.  Die  Erklärung  hierfür 
ist  vielleicht  darin  zu  suchen,  dass  die  Menge  des  zu  redu¬ 
zierenden  erreichbaren  Tellurdioxyds  zur  völligen  Befriedi¬ 
gung  des  Reduktionsbedürfnisses  so  vieler  Keime  nicht  aus¬ 
reichte.  Einen  einwandfreien  Beweis  habe  ich  für  diese  An¬ 
nahme  allerdings  nicht  erbringen  können.  Mail  könnte  bei  den 
grossen  Mengen  von  Keimen  auch  an  eine  Herabsetzung  der 
Reduktionsfähigkeit  denken.  Vielleicht  spielt  auch  die  Grösse 
der  Kolonien  eine  gewisse  Rolle,  hiergegen  spricht  aber  der 
Umstand,  dass  oft  schon  die  kleinsten  Pünktchen  als  tief¬ 
schwarz  imponieren.  Interessant  war  die  Feststellung,  dass 
auf  denjenigen  Platten,  die  mit  einem  Gemisch  von  gleichviel 
Oiphtheriebazillen  und  Staphylokokken  besät  waren,  von 
denen  beide  für  sich  allein  gleich  gut  schwarz  wuchsen,  die 
letzteren  hinsichtlich  der  Schwarzfärbung  entschieden  die 
Oberhand  gewannen,  sich  also  reduktionsfähiger  zeigten  und 
vielleicht  das  Kal.  tellurosum  aus  grösserer  Tiefe  heranholen 
konnten.  Dies  ist  für  die  Untersuchung  eines  Mandelabstriches 
von  Belang.  Befinden  sich  in  einem  solchen  viele  Staphylo¬ 
kokken  und  wenig  Diphtheriekeime,  so  sehen  jene  auf  Tellur¬ 
serum  oft  schwarz,  diese  dagegen  grauschwarz  aus,  und  man 
würde  ein  negatives  Resultat  bekommen,  würde  man  die 
grauen  Kolonien  nicht  beachten. 

Aus  alledem  komme  ich  zu  dem  Schluss,  dass  das  neue 
^erfahren  wohl  nicht  hinter  der  alten  Löfflermethode  zurück- 
'heht,  wenn  man  seine  besonderen  Eigentümlichkeiten  kennt, 
aber  auch  keine  wesentliche  Verbesserung  bedeutet.  Vor 
allem  habe  ich  die  Meinung  der  Autoren,  dass  die  Tellurplatte 
vine  grobsinnliche  Feststellung  der  Diphtheriekolonien  in 
jedem  Fall  ermögliche,  nicht  bestätigt  gefunden.  Dies  trifft  nur 
dann  zu,  wenn  sich  die  Diphtheriekolonien  tiefschwarz  gefärbt 
haben  und  keine  Staphylokokken  gewachsen  sind.  Derartige 


1027 


Stämme  sind,  selbst  wenn  die  Neisserfärbung  keinen  sicheren 
Aufschluss  geben  sollte,  doch  als  echte  Diphtherie  anzu¬ 
sprechen,  da  zahlreiche  Pseudodiphtheriestämme  niemals 
Schwarzfärbung  ergeben  haben.  In  allen  diesen  Fällen  hat 
also  die  1  ellurplatte  vor  dem  Tierversuch  den  Vorzug  der 
Schnelligkeit  hinsichtlich  des  sicheren  Nachweises  voraus. 
Bei  den  nicht  seltenen  grauschwarz  wachsenden  Diphtherie¬ 
kolonien  ist  man  jedoch  bei  zweifelhafter  Neisserfärbung 
immer  auf  den  'Tierversuch  angewiesen.  Die  von  mir  mehr¬ 
mals  vorgenommenen  Modifikationen  des  Nährbodens  wie 
z.  B.  Aenderung  der  Zusatzmenge  von  Kal.  tellurosum  etc. 
brachten  ebenfalls  kein  besseres  Ergebnis.  Die  direkte  Ueber- 
tragung  des  Abstriches  auf  die  Tellurplatte,  wie  sie  Wagner 
vornahm,  bedeutet  wohl  eine  Vereinfachung  des  Verfahrens, 
jedoch  —  nach  meinen  Untersuchungen  (87  Fälle)  —  keine 
Erhöhung  der  positiven  Befunde. 

Der  Wert  des  C  o  n  r  a  d  i  -  T  r  o  c  h  sehen  Nährbodens 
liegt  meines  Erachtens  weniger  in  seiner  praktischen  Ver¬ 
wendbarkeit  für  den  Diphtherienachweis,  als  vielmehr  darin, 
dass  man  möglicherweise  mit  seiner  Hilfe  über  manche  bio¬ 
chemischen  Eigenschaften  nicht  bloss  der  Diphtheriebazillen, 
sondern  auch  anderer  Bakterien  näheren  Aufschluss  ge¬ 
winnen  kann. 

Da  die  Conradi-Troch  scheii  „Plattetrockner“  zum  Auf¬ 
saugen  des  Kondenswassers  in  den  Petrischalen  keine  ganz  be¬ 
friedigenden  Resultate  ergaben,  so  wurden  in  letzter  Zeit  im  hiesigen 
Institut  auf  Veranlassung  von  Geheimrat  Gärtner  die  Glasschalen, 
in  welchen  Rinder-  oder  Hammelserum  zur  Erstarrung  gebracht 
werden  sollte,  mit  amerikanischen  porösen  Tondeckeln  versehen. 
Diese  Versuche  waren  bezüglich  der  restlosen  Aufsaugung  des  Kon¬ 
denswassers  derart  befriedigend,  dass  von  seiten  des  Institutes  die 
Tonwarenfirma  Ebersteins  Nachfolger,  Inhaber  Max  Hohen¬ 
stein  in  Bürgel  i.  Th  beauftragt  wurde,  aus  deutschem  Ton  der¬ 
artige  Deckel  herzustellen.  Die  bis  jetzt  gelieferten  Proben  standen 
den  amerikanischen  Mustern  in  keiner  Weise  nach.  Das  sich  an¬ 
sammelnde  Kondenswasser  wird  noch  im  Erstarrungsschrank  völlig 
in  den  porösen  Tondeckel  eingesaugt,  die  Fläche  des  erstarrten 
Serums  zeigt  eine  tadellose  Glätte,  ist  überall  gleichmässig  trocken 
und  frei  von  den  oft  so  lästigen,  durch  Kondenswasser  bedingten 
Erweichungsstellen.  Auch  bei  anderen  Nährböden,  die  Kondens¬ 
wasser  abscheiden,  lassen  sich  diese  Tondeckel  vorzüglich  ver¬ 
wenden  so  z.  B.  bei  Drigalski-Conradi-  und  bei  Endoagar.  Ein  Offen¬ 
stehenlassen  der  heissen,  noch  flüssigen  Nährböden  ist  bei  Benützung 
der  Tondeckel  nicht  mehr  notwendig.  Die  Haltbarkeit  der  letzteren 
ist  mindestens  ebensogross  wie  die  der  Glasdeckel,  sie  lassen  sich 
ebensogut  sterilisieren  und  beliebig  oft  verwenden.  —  Zu  beziehen 
sind  sie  von  dem  Tonwarengeschäft  Ernst  Ziegler  in  Jena,  Hinter 
der  Kirche  No.  1.  Der  Preis  stellt  sich  vorläufig  pro  Stück  auf  10  Pf., 
soll  aber  später  bei  grösserem  Bedarf  noch  herabgesetzt  werden. 


Aus  dem  physiologischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  B. 

Weitere  Beobachtungen  über  willkürliche  Kontraktionen 
des  Tensor  tympani. 

Von  Prof.  Dr.  E.  Mangold. 

Da  meine  vor  kurzem  veröffentlichten  Ergebnisse  über 
willkürliche  Tensorkontraktionen  und  deren  graphische  Regi¬ 
strierung1)  sich  im  wesentlichen  nur  auf  zwei  Versuchsper¬ 
sonen  bezogen,  dürfte  es  in  Anbetracht  der  Seltenheit  der 
Fälle  vielleicht  von  Interesse  sein,  hier  einige  Beobachtungen 
über  zwei  weitere  Versuchspersonen  mitzuteilen,  die  die 
früheren  Resultate  grundsätzlich  bestätigen  und  ergänzen. 

Es  handelt  sich  wieder  um  Studierende  der  Medizin,  die  im  An¬ 
schluss  au  die  Vorlesung  auf  die  richtige  Deutung  der  ihnen  geläufigen, 
doch  ihrem  ursächlichen  Zusammenhänge  nach  unbekannten  Erschei¬ 
nung  verfielen.  Der  eine  (T.),  ganz  unmusikalisch,  bekam  vor  Jahren 
einmal  aus  nicht  mehr  auffindbarer  Ursache  einen  Tensorkrampf  und 
lernte  danach  das  Tensorgeräusch  willkürlich  hervorzubringen. 
Reflektorische  Tensorkontraktionen  hat  er  sonst  nie  gehabt,  sie 
lassen  sich  auch  durch  verschiedene,  bei  anderen  geeigneten  Per¬ 
sonen  wirksame  Schallreize  nicht  auslösen.  Gleichzeitig  mit  den 
T.K.  macht  T.  noch  jedesmal  anderweitige  Muskelbewegungen  in  der 
Augengegend,  wie  auch  die  früheren  Versuchspersonen  anfangs  be¬ 
züglich  ihrer  T.K.  vom  Augenkneifen  nicht  unabhängig  waren. 

Der  andere  (W.),  sehr  musikalisch,  kennt  spontane  Tensor- 
koutraktionen  nur  von  dem  während  des  Gähnens  bei  ihm  auftreten¬ 
den  Geräusche  her;  reflektorische  lassen  sich  bei  ihm  auslösen.  Von 


0  E.  Mangold:  Willkürliche  Kontraktionen  des  Tensor  tympani 
und  die  graphische  Registrierung  von  Druckschwankungen  im  äus¬ 
seren  Gehörgang.  Pflügers  Arch.  149,  S.  539,  1913. 


1028 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  15 


den  willkürlichen  gibt  er  richtig  an,  dass  sie  links  wesentlich  stärker 
auftreten  als  rechts. 

Bei  beiden  Personen  liess  sich  während  der  angeblichen  T.K. 
auskultatorisch  das  typische,  an  anderer  Stelle 2)  beschriebene  Ge¬ 
räusch,  wenn  auch  nicht  sehr  stark,  vernehmen. 


Eig.  1  (T.)  und  2  (W.)  zeigen  zunächst  einige  kurze  und 
je  eine  langdauernde  Tensorkontraktion,  nach  der  früher  be¬ 
schriebenen  photomanometrischen  Methode  von  beiden  Per¬ 


Fig.  4. 


früheren  beiden  Versuchspersonen  die  T.K.  links  mehr  ode> 
weniger  viel  kräftiger  ausgeführt  werden,  als  rechts,  möchte 
ich  zunächst  noch  für  zufällig  halten.  Der  Unterschied  lass 
sich  in  den  hier  wiedergegebenden  Kurven  deutlich  erkennet 
(Fig.  1  gegen  3  und  5,  2  gegen  6). 

Die  Fähigkeit,  die  S  t  ä  r  k  e  der  Tensorkontraktionen  will 
kürlich  zu  dosieren,  war  beiden  von  vornherein  bis  zu  einen 
gewissen  Grade  eigen,  wie  die  Fig.  3  (T.  r.  Ohr)  und  4  (W 
1.  Ohr)  deutlich  zeigen,  in  denen  erst  je  2  starke,  dam 
3  schwache  und  wieder  2  starke  auf  Kommando  ausgefiihrti 
Tensorkontraktionen  registriert  sind.  Wie  schon  bei  einer  dei 
früheren  Versuchspersonen  blieb  bei  Herrn  T.  (Fig.  3)  di( 
schwache  T.  K.  einmal  völlig  und  einmal  fast  ohne  mano¬ 
metrische  Wirkung  (vergl.  die  Kommandosignale);  der  Tensoi 
wurde  aus  Vorsicht  zu  schwach  innerviert. 

Wie  auch  bei  weiteren  Versuchspersonen,  so  ergaber 
Kontrollversuche  über  die  Wirkung  von  Ohrmuschel¬ 
bewegungen  auf  den  Druck  im  äusseren  Gehörgange  aucl 
bei  T.  dabei  keine  negative,  vielmehr  eine  beträchtliche  posi¬ 
tive  Drucksteigerung,  wie  die  ersten  beiden  Kurven  der  Fig.  f 


Fig.  5. 


(T.  r.  Ohr)  illustrieren.  Auch  bei  starkem  Zukneifen  der 
Augen  gab  es  stets  einen,  wenn  auch  viel  schwächeren, 
positiven  Ausschlag. 

Die  weiteren  Kurven  dieser  Figur  lassen  die  Dosierungs¬ 
fähigkeit  auch  der  Dauer  der  Tensorkontraktionen  deutlich 
hervortreten.  Je  zwei  T.K.  wurden  auf  Kommando  „kurz“, 
„etwas  länger“,  „noch  länger“  ausgeführt. 

Fig.  6  (W.  r.  Ohr)  endlich  zeigt  den  Schluss  einer  längeren 
Reihe  schnell  nacheinander  folgender  Tensorkontraktionen, 


sonen  linksseitig  aufgenommen.  In  der  Mitte  sind  wieder  die 
Kommandosignale  für  die  einzelnen  T.K.,  unten  die  Zeit  in 
Vs  Sekunden  verzeichnet3).  Dass  auch  bei  diesen  wie  den 

s)  1.  c. 

')  In  Fig.  3 — 5  ist  die  Zeitregistrierung  der  Originale  zur  Raum¬ 
ersparnis  weggelassen. 


Fig.  6. 

4  lange  und  5  kurze,  und  lässt  bei  den  letzteren  sehr  schön 
die  bereits  eingetretene  Ermüdung  erkennen. 


13.  Mai  1913. 


MUFNCHFNFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1029 


Erkrankung  von  Geschwistern  an  Heine -Med  inscher 

Krankheit*). 

(Kasuistische  Mitteilung.) 

Von  Prof.  Dr.  1  rumpp  in  München. 

ln  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1912  trat  die  Heine- 
M  c  d  i  n  sehe  Krankheit  in  München,  besonders  im  nördlichen 
Stadtteil,  in  bisher  ungewohnter  Häufigkeit  auf.  Von  Kinder¬ 
ärzten  wurden  allein  etwa  30  Fälle  festgestellt  Neben 
typischen  Formen  mit  voll  ausgeprägtem  Symptomenkomplex 
wurden  auch  rudimentäre  und  abortive  Formen  beobachtet 
Es  handelte  sich  zumeist  um  isolierte  Fälle.  Nur  in  meiner 
Klientel  wurde  eine  Familie  in  kurzem  Zeitraum  von  3  Mo- 
iiaten  mehrmals  und  zwar  mit  zunehmender  Schwere  der 
Hille  von  der  heimtückischen  Krankheit  heimgesucht.  Da 
üesehwistererkrankungen  wegen  der  immer  noch  nicht  völlig 
geklärten  Frage  der  Weiterverbreitung  der  Krankheit  stets 
.'in  besonderes  Interesse  verdienen,  und  die  von  mir  beob¬ 
achteten  Fälle  auch  sonst  in  mancher  Hinsicht  bemerkenswert 
und,  so  halte  ich  es  für  angezeigt,  die  Krankengeschichten  zu 
veröffentlichen. 

ln  der  betroffenen  Familie  sind  10  Kinder,  davon  8  im 
andläufigen  Sinne  gesund. 

,  ,Ql0rSaepf  \9  Jabr<:-  Hans  16  Jahre,  Leopold  14  Jahre,  Adolf 
i  Jahre,  Julie  12  Jahre,  F  ritz  10  Jahre,  Leo  9  Jahre,  Magdalena 

Jahre,  Rosa  6  Jahre,  Henriette  1  %  Jahre. 

>  Der  z,wei fiteste  Knabe  Hans  befindet  sich  in  einer  Idiotenanstalt, 
»as  älteste  Mädchen  Julie  leidet  an  den  Folgen  vor  11  Jahren 
.kqurrierter  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  scher  Krankheit.  Sie  war  im  Alter 

rh  £fcMon2tecnulflötzLic&.I?,t.  bobem  Fieber,  grosser  allgemeiner 
chwache  und  Schmerzhaftigkeit  des  ganzen  Körpers  erkrankt.  Am 
;  Krankheitstage  zeigte  sich  eine  Lähmung  des  linken  Armes,  beider 
»eine  und  der  Ruckenmuskulatur.  Nach  einigen  Wochen  ging  die 
rmlahmung  zuruck.  2  Jahre  später  machte  sich  auch  eine  Besserung 
i  der  Beweglichkeit  der  Beine  bemerklich.  Mehrere  Muskelgruppen 
lieben  dauernd  gelähmt  und  machten  wiederholte  orthopädische 
perative  Eingriffe  nötig. 

...  6-  November  1912  erkrankte  plötzlich  das  bis  dahin  gesunde, 

uihende  jüngste  Kind  Henriette.  Es  war  morgens  noch  ganz  munter 
ewesen  und  wurde  von  der  Mutter  spazieren  gefahren,  wobei  es 
st  schlief.  Beim  Herausnehmen  aus  dem  Wagen  schrie  es  laut  auf 
id  sah  merkwürdig  erhitzt  aus.  Jede  Berührung  schien  ihm  grosse 
chmerzen  zu  bereiten.  Beim  Auskleiden  fiel  dann  der  Mutter  auf, 
iss  d|e  Kleine  den  linken  Arm  nicht  mehr  bewegen  konnte.  Tem- 
iratur  40,1°  C,  Anorexie. 

da*/i^nd  ers*  am  nächsten  Tage.  Es  war  bereits  ent- 
.oert  WML  Mit  rotem  Kopf  und  trüben  Augen  sass  es  auf  dem 
rm  dei  Mutter,  an  die  es  sich  matt  und  teilnahmslos  anlehnte 
m  linker  Arm  hing  schlaff  und  regungslos  herab,  die  Hand  war 
was  geschwollen.  Jeder  Versuch  der  Palpation,  vor  allem  aber 
ssive  Bewegungen,  lösten  heftiges  Geschrei  und  Abwehrbe- 
egungen  mit  der  gesunden  rechten  Hand  aus. 

Im  Rachen  fand  ich  feinfleckige  Rötung  des  Gaumens.  Injektion 
r  hinteren  Rachenwand  und  doppelseitige  Angina  follicularis.  Die 
gionären  Lymphdrüsen  waren  geschwellt,  die  Conjunctivae  palpe- 
arum  tief  gerötet 

Das  ganze  Krankheitsbild  weckte  in  mir  sofort  den  Verdacht 
i  Heine-Medin sehe  Krankheit.  Eine  traumatische  Pseudo- 
rese  war  ausgeschlossen.  Die  Klavikula  wurde  intakt  befunden 

Die  Mutter  hatte  dem  Kinde  Umschläge  mit  essigsaurer  Tonerde- 
;ung  gemacht,  die  anscheinend  sehr  angenehm  empfunden  wurden, 
l  beliess  es  bei  dieser  Behandlung  und  ordnete  nur  noch  Hoch- 
rerung  des  Armes  sowie  blande  Diät  an. 

Andern  Tages  war  das  Kind  schmerzfrei  und  konnte  die  Finger 
vegen,  sowie  den  Arm  bis  zum  rechten  Winkel  beugen.  Am 
•  Krankheitstage  gelang  auch  die  Abduktion  und  Erhebung  des  Ober- 
iTies  über  die  Horizontale  und  am  5.  Tage  war  keine  Spur  von 
rese  mehr  zu  bemerken. 

Das  am  10.  November  aus  der  Behandlung  entlassene  Kind  er- 
Hnkte  am  15.  November  genau  unter  den  gleichen  Umständen 
ja  mit  denselben,  nur  etwas  milderen  Symptomen  und  ohne  Angina. 
Lsmal  war  der  rechte  Arm  befallen.  Die  Heilung  ging  in  derselben 
lhenfolge  wie  beim  ersten  Anfall,  nur  viel  rascher  vor  sich.  Es 
I unten  zuerst  wieder  die  Finger,  dann  der  Vorderarm,  zuletzt  der 
erarm  bewegt  werden.  Schon  am  3.  Tage  war  die  Parese  völlig 
noben.  Die  zwei  Wochen  später  vorgenommene  elektrische  Prü- 
’ig  ergab  —  soweit  man  dies  bei  einem  lebhaften  Kind  dieses 
r  ers  feststellen  kann  —  normale  Verhältnisse. 

2  Monate  später  erkrankte  der  10  jährige  Bruder  Fritz.  Fritz 
i  t  mit  3  Brüdern  auf  einem  Landgut  der  Familie,  wo  die  Jungen  von 
tem  Hauslehrer  erzogen  werden.  Diese  4  Knaben  sind  nun  vom 
z  bis  27.  XII.  1912  und  vom  17.  bis  20.  I.  1913  mit  den  übrigen  Ge- 

U  Nach  einem  Vortrag  in  der  Münchener  Gesellschaft  für  Kinder- 

i'lkunde  am  14.  III.  1913. 


in  der  Stadt  zusammengetroffen.  Einen  Tag  mach  der 

fieberhaänatlvTttrkhnftH  an\.  21  l'  erkrankte  Fritz  an  einem  leicht 
24  I  ofhifp  Ka-aIrh’  der  ihn  einige  Tage  ans  Bett  fesselte.  Am 

Unter  rieht  PiaS-  Yohler>  stand,  vergnügt  auf  und  beteiligte  sich  am 
Unterricht.  Plötzlich  versagte  ihm  die  Zunge.  Das  Gesicht  wurd-* 

r9t,  die  rechte  Gesichtshälfte  erschlaffte  und  der  rechte  Arm  konnte 
,mehr  bewegt  werden.  2  Tage  später  wurde  der  Junge  nach 
München  gebracht.  Ich  konstatierte  bei  ihm  eine  rechtsseitige  Fa¬ 
zialisparese,  Parese  des  rechten  Gaumensegels  und  des  rechten 
Aimes.  Die  ganze  Extremität  war  schmerz-  und  druckempfindlich- 
passive  Bewegungen  steigerten  den  Schmerz.  Die  rechte  Hand  war 
so  geschwollen,  dass  alle  Hautfalten  verstrichen  waren.  Die  Finger 
konnten  mühsam  bewegt  werden.  Der  Rachen  war  gerötet,  Uvula 

Ghtrünnp  Ha  vergfros.ssrrt>  dle  Halslymphdrüsen  geschwellt.  Auf  der 
Oberlippe  Herpes  facialis  (den  der  Junge  übrigens  bei  jeder  fieber¬ 
haften  Erkrankung  hat).  Die  Sprache  ist  gaumig,  kaum  verständlich. 
Pupillenreflexe  normal.  PSR.  nur  schwer,  verzögert  und  andeutungs¬ 
weise  auslosbar.  Temperatur  38,3. 

MundCL7NasedLen™1m\TtrjglicWe"erSiSCh  Pj'ozyanasesP''al'  *•«* 

Am  nächsten  Morgen  war  der  Patient  entfiebert  und  bei  guter 
Laune.  Die  Hand  erschien  merklich  abgeschwollen,  der  Arm  war 
“J nmehr  empfindlich,  fast  wieder  frei  beweglich.  Auch  die  Gaumen- 
sege  purese  hatte  sich  etwas  gebessert,  so  dass  sich  der  Junge  besser 
v ers t a ndige n  konnte.  Die  Fazialisparese  bestand  noch  unvermindert 
fort.  Unter  ausschliesslicher  Anwendung  des  Pyozyanasesprays  (mit 

&A^herlCllSC  e"Zf/stauber  und  Doppelgebläse)  machte  die 
Besserung  rasche  Fortschritte,  so  dass  der  Junge  schon  nach  2  Tagen 
aufzustehen  wünschte.  Am  9.  Krankheitstag  war  die  Schwäche  des 
räziahs  nur  noch  bei  Gnmassieren  eben  bemerklich.  die  Sprache  gut 
verständlich,  wenn  auch  noch  etwas  gaumig,  der  betroffene  Arm  frei 

Efgbch’  die,  fland,abeF  beim  Schreiben  noch  etwas  unbehilflich. 
Nach  kurzer  elektrischer  Behandlung  wurde  der  Junge  am  8  II  aufs 
Land  entlassen. 

2  Tage  nach  seiner  Ankunft  im  Landhaus  erkrankte  daselbst  sein 
14  Jahre  alter  Bruder  Leopold  mit  ähnlichen,  aber  schwereren  Er¬ 
scheinungen.  Leopold  lag  bei  der  Rückkehr  seines  Bruders  Fritz 

pILv’  +daer  S1Cb  Tags  zuvor  beim  Fallen  über  eine  Baumwurzel 
eine  Kontusion  mit  geringem  Bluterguss  oberhalb  der  linken  Patella 

lnfef°hun  ha!te'  Am  f^Ftag  des  10.  II.  wachte  er  aus  tiefem  Schlafe 
auf  fuhbe  sich  sehr  schwach  und  vermochte  nicht  mehr  zu  sprechen, 
sondern  konnte  nur  noch  unartikulierte  Laute  Vorbringen  Das  Ge¬ 
sicht  war  gerötet,  maskenhaft  unbeweglich,  der  Blick  der  vortreten- 

cteiliAufen  Ltumpf  and  5tarr>  der  Unterkiefer  herabgesunken,  im  offen¬ 
stehenden  Mund  die  Zunge  regungslos  und  walzenförmig  geformt. 
Als  der  entsetzte  Hauslehrer  ihn  aufzurichten  versucht,  sinkt  der 
Junge  schlaff  in  sich  zusammen,  der  Kopf  fällt  haltlos  auf  die  Brust. 
Bald  zeigt  es  sich,  dass  der  linke  Arm  und  das  rechte  Bein  gelähmt 
sind,  und  deren  leiseste  Berührung  ausserordentlich  schmerzhaft  ist. 

J  empeiatur  in  der  Achsel  36,6.  Der  Patient  wird  sofort  nach  Mün¬ 
chen  gemacht.  Ich  finde  ihn  regungslos  auf  dem  Rücken  im  Bette 
liegend  Das  Gesicht  ist  gerötet  und  gedunsen,  auf  der  Oberlippe 
stehen  kleine  Sch  weissperlen.  Die  Hautröte  erstreckt  sich  vom  Ge¬ 
sicht  über  den  Hals  bis  auf  die  Brust,  ist  daselbst  fein  punktiert  und 
erinnert  bei  gleichzeitiger  Schwellung  der  Hautfollikel  an  Scharlach 
D)e  Atmung  ist  etwas  unregelmässig,  22^26  i.  d.  M.;  der  Puls  voll, 
-Tu-a  d-  T1”  Körpertemperatur  anal  37,7.  Die  Gesichtsmuskulatur 
ist  beiderseits  unbeweglich  und  auf  Berührung  schmerzhaft.  Nur 
die  Bulbi  können  bewegt  werden.  Die  Conjunctivae  palpebrarum 
sind  tief  gerötet.  Der  Mund  steht  weit  und  starr  offen.  Die  Zunge 
ist  etwas  kontrahiert,  weissgelb  belegt,  kann  bis  zum  Lippenrand 
vorgeschoben  und  langsam  ein  wenig  nach  beiden  Seiten  bewegt 
werden.  Es  besteht  Angina  follicularis  mit  entsprechender  Drüsen¬ 
schwellung.  Das  Gaumensegel  steht  beiderseits  tief,  wird  bei  Phona- 
tion  nicht  bewegt.  Schlucken  ist  beschwerlich,  Sprechen  unmöglich 
Der  Patient  ist  bei  Bewusstsein,  scheint  sich  aber  der  Vorkommnisse 
des  Mittags  nicht  klar  zu  entsinnen. 

Die  Prüfung  der  Muskulatur  ergibt  einen  besseren  Befund,  als 
der  erste  Anblick  erwarten  liess.  Nach  Angabe  des  Hauslehrers  ist 
seit  mittags  bereits  eine  erhebliche  Besserung  eingetreten.  Das  rechte 
Bein  ist  allerdings  noch  völlig  unbeweglich.  Dagegen  können  an  der 
befallenen  linken  oberen  Extremität  die  Finger  bewegt  und  der  Vorder¬ 
arm  bis  zu  einem  Winkel  von  etwa  30°  von  der  Unterlage  erhoben 
werden.  Das  Ergometer  ergibt  links  13,  rechts  60. 

Patient  kann  mühsam  den  Kopf  etwas  erheben  und  langsam 
rotieren.  Drehung  des  Rumpfes  auf  die  rechte  Seite  gelingt  gar  nicht, 
auf  die  linke  Seite  (mit  Unterstützung  des  gesunden  rechten  Armes) 
nur  unvollkommen. 

Die  Pupillarreflexe  sind  normal.  PSR.  beiderseits  etwas  ge¬ 
steigert.  Der  Kremasterreflex  ist  rechts  normal,  links  stark  herab¬ 
gesetzt.  Der  Bauchdeckenreflex  ist  beiderseits  erloschen,  ebenso¬ 
wenig  sind  Fussreflexe  auslösbar.  Beide  untere  Extremitäten  sind 
von  der  Mitte  der  Unterschenkel  an  nach  abwärts  eiskalt,  blass,  livid. 

An  den  inneren  Organen  ist  kein  pathologischer  Befund  zu  erheben. 
Harn  und  Stuhl  sind  angehalten;  Fundus  der  Harnblase  VA  Quer¬ 
finger  oberhalb  der  Symphyse.  Bauchdecken  weich. 

Patient  fühlt  sich  relativ  wohl,  abgesehen  von  spontanen  und 
Druckschmerzen  in  den  befallenen-  Extremitäten. 

Ich  wandte  wieder  Pyozyanasespray  an,  zunächst  nur  durch  die 
Nase  und  liess  heisse  Beinwickel  applizieren. 


1 030 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  K 


Andern  Tags  war  schon  eine  erstaunliche  Besserung  zu  konsta¬ 
tieren.  Patient  ist  ziemlich  munter  und  völlig  schmerzfrei.  Das  Ge¬ 
sicht  ist  abgeschwollen,  nicht  mehr  kongestioniert,  das  skarlatinoide 
Erythem  verschwunden.  Der  Mund  ist  geschlossen,  die  Gesichts¬ 
muskulatur  normal  beweglich.  Das  Gaumensegel  ist  beiderseits  noch 
etwas  schlaff,  die  Sprache  verständlich,  wenn  auch  noch  stark  gau¬ 
mig.  Das  rechte  Bein  ist  frei  beweglich.  Der  linke  Arm  kann  bis 
zum  rechten  Winkel  gebeugt  und  bis  zu  einem  Winkel  von  etwa  40° 
abduziert  werden.  Das  Ergometer  ergibt  links  40.  rechts  60.  Der 
Rumpf  kann  nach  beiden  Seiten  gedreht  werden.  Bauchdecken-  und 
Kremasterreflex  heute  auf  beiden  Seiten  normal.  Harn-  und  Stuhl¬ 
entleerung  sind  gegen  morgen  spontan  und  mühelos  erfolgt.  Nahrung 
und  Getränke  können  ohne  Beschwerden  aufgenommen  werden. 

Am  3.  Krankheitstage  steht  der  Patient  auf;  der  linke  Arm  ist 
wieder  frei  beweglich.  Die  Gaumensegelparese  verschwindet  erst 
nach  einer  Woche.  Am  9.  Tage  wird  der  Junge  aufs  Land  entlassen. 

Ich  glaube  nicht,  dass  es  nötig  ist,  die  Richtigkeit  der  für 
diese  3  Fälle  aufgestellten  Diagnose  zu  verfechten.  Sie  scheint 
mir  allein  schon  durch  die  Kombination  von  Angina  und  Kon¬ 
junktivitis  mit  echten  Paresen  erwiesen.  Auch  sonst  stimmen 
die  Krankhcitsbilder  vielfach  mit  den  von  Wiek  man1 *), 
Z  a  p  p  e  r  t ")  und  P.  R  ö  m  e  r  3)  beschriebenen  überein.  Ich 
verweise  hier  nur  auf  die  Hyperästhesie  und  die  vasomoto¬ 
rischen  Reizerscheinungen. 

Bei  Leopold  könnte  man  ja  allenfalls  an  hysterische 
Imitation  denken,  zumal  bei  ihm  allein  die  Körpertemperatur 
im  Anfall  nur  wenig  über  die  Norm  stieg.  Um  aber  ein  so 
kompliziertes  Krankheitsbild  darstellen  zu  können,  hätte  der 
Junge  eines  Vorbildes  bedurft,  das  er  in  diesem  Ausmasse 
nicht  hatte.  Die  follikuläre  Angina,  die  Konjunktivitis  und  die 
Gaumcnsegelparese  lassen  vollends  jede  Täuschung  ausge¬ 
schlossen  erscheinen. 

Man  kann  also  wohl  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass 
wir  es  in  allen  3  Fällen  mit  Heine-Medin  scher  Krank¬ 
heit  zu  tun  haben.  Sie  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sich 
die  aufgetretenen  Paresen  ungewöhnlich  rasch  und  voll¬ 
ständig  zurückbilden,  und  sie  stellen  somit  eine  Art  Ueber- 
gang  dar  zwischen  den  abortiven  Formen  Wickmans,  bei 
welchen  auf  die  Prodromalsymptome  keine  Ausfallserschei¬ 
nungen  von  seiten  des  Zentralnervensystems  folgen,  und 
zwischen  den  typischen  Formen  mit  voll  ausgebildetem 
Lähmungsstadium.  Eduard  Müller4)  hat  ähnliche  Fälle  als 
„rudimentäre  Poliomyelitis“  bezeichnet. 

Die  Infektionsquelle  des  ersten  Falles  ist  unbekannt.  Wir 
wissen  nur,  dass  in  nächster  Nähe  der  Wohnung  im  Jahre  1912 
mehrerere  Fälle  von  H.  M.  vorgekommen  sind.  Dass  die 
beiden  Brüder  von  ihrer  Schwester  infiziert  wurden,  scheint 
mir  fast  ausser  allem  Zweifel  zu  stehen.  Sie  leben  nämlich 
ganz  allein  mit  zwei  anderen  Brüdern  und  einem  Hauslehrer 
in  einem  isolierten  Landhaus,  in  der  Nähe  von  Stegen  a.  A„ 
wo  sonst  kein  Fall  von  H.  M.  aufgetreten  ist.  Von  dem  Land¬ 
haus  kamen  sie  nur  an  Weihnachten  und  in  der  zweiten  Hälfte 
des  Januar  für  einige  Tage  nach  München,  hatten  dort  keinen 
Verkehr  mit  anderen  Familien  und  gingen  nur  mit  ihrem  Haus¬ 
lehrer  aus.  Sie  kamen  somit  nach  menschlichem  Ermessen 
mit  keinem  anderen  Virusträger  zusammen,  als  mit  ihrer 
Schwester.  Es  ist  nur  die  Frage,  ob  die  Infektion  bei  der 
ersten  oder  bei  der  zweiten  Familienzusammenkunft  erfolgte. 
Zur  besseren  Uebersicht  gebe  ich  hier  eine  Zusammenstellung 
der  Daten: 

1.  Erkrankung  Henriettens  6.  bis  9.  XI.  1912. 

2.  Erkrankung  Henriettens  15.  bis  17.  XI.  1912. 

1.  Familienzusammenkunft  23.  bis  27.  XII.  1913. 

2.  Familienzusammenkunft  17.  bis  20.  I.  1913. 

Erkrankung  Fritzens  21.  I.  bzw.  24.  I.  bis  8.  II.  1913. 

Erkrankung  Leopolds  10.  II.  bis  19.  II. 

Für  Fritzens  Erkrankung  ergäbe  sich  sonach  ein  Inku¬ 
bationsstadium  von  28  oder  von  nur  wenigen  Tagen  Dauer, 
je  nachdem  wir  annehmen,  dass  ihm  das  erste  oder  zweite 


D  J.  Wiek  man:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  He  ine - 
Medinschen  Krankheit.  S.  Karger,  Berlin,  1907. 

■)  Zappert,  v.  Wiesner  und  Le  in  er:  Studien  über  die 
H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  sehe  Krankheit.  Fr.  Deut  icke,  Leipzig  und 
Wien  1911. 

3)  P.  Römer:  Die  epidemische  Kinderlähmung.  J.  Springe  r, 
Berlin  1911. 

4)  Ed.  Müller:  Die  spinale  Kinderlähmung.  J.  Springer, 
Berlin  1910. 


Zusammentreffen  mit  seiner  Schwester  verhängnisvoll  wurde 
Man  nimmt  ja  gewöhnlich  eine  Inkubationsdauer  voi 
ca.  1  Woche  an,  es  liegt  aber  nach  mehrfachen  Beobachtungei 
auch  eine  4  Wochen  lange  Inkubationsdaucr  noch  im  Bereicl 
der  Möglichkeit.  Ich  selbst  neige  eher  der  Ansicht  zu,  das: 
F.s  Infektion  erst  am  20.  I.  stattfand,  da  ich  den  Tags  daran 
bei  Fritz  auftretenden  fieberhaften  Katarrh  für  eine  Portitis 
für  eine  starke  Reaktion  des  Organismus  auf  das  Eindringei 
des  Virus  halte. 

Auch  bei  Leopold  ist  die  Frage  nach  der  Länge  des  ln 
kubationsstadiums  dikutabel.  Er  kann  sich  das  Virus  sowoh 
von  Henriette  wie  von  Fritz  geholt  haben.  Hat  er  sich  in 
Januar  bei  ersterer  infiziert,  so  ergibt  sich  für  ihn  ein  In¬ 
kubationstadium  von  21  Tagen,  wurde  er  aber  erst  von  den 
heimgekehrten  Fritz  angesteckt,  dann  beträgt  das  Inkubations- 
Stadium  nur  2  Tage.  Man  wird  wohl  eher  der  letzteren  An¬ 
nahme  zuneigen.  Ausser  wenn  man  den  einen  Tag  vor 
Fritzens  Rückkehr  beim  Spiel  im  Wald  erfolgten  Sturz  Leo¬ 
polds  bereits  als  erstes  Zeichen  der  beginnenden  Erkrankung 
deuten  will.  Nach  Angabe  des  intelligenten  und  ausserordent¬ 
lich  gewissenhaften  Hauslehrers  soll  aber  Leopold  weder 
vor  noch  nach  dem  Sturz  irgend  welche  Anzeichen  von  Stö¬ 
rung  des  Allgemeinbefindens  geboten  haben.  Lehnt  man  aus 
diesem  Grunde  den  obigen  Gedanken  ab,  so  muss  man  den 
Fall  Leopold  ebenso  wie  den  Fall  Henriette  zu  jenen  Aus¬ 
nahmefällen  von  „Paralysis  of  the  morning“  zählen,  in  denen 
der  Anfall  brüsk,  ohne  irgend  welche  Vorboten  auftritt. 

Auch  der  Fall  Fritz  zeigt  keinen  typischen  Beginn,  da  sich 
die  zerebrospinalen  Ausfallserscheinungen  nicht  erst  beim  Ab¬ 
klingen  der  fieberhaften  Initialsymptome,  sondern  gleichzeitig 
mit  diesen  einstellen. 

Bemerkenswert  ist  weiter  die  rezidivierende  Erkrankung 
Henriettens.  Echte  Rezidive  der  Heine-Medin  sehen 
Krankheit  sind  nicht  übermässig  selten.  Bei  den  bisher  be¬ 
obachteten  Fällen  wurden  aber  —  nach  fieberlosem  Inter¬ 
vall  —  stets  dieselben  Extremitäten  und  zwar  schwerer  als 
beim  ersten  Anfall  ergriffen. 

In  meinem  Fall  H.  wurde  das  erste  Mal  der  linke  Arm, 
das  zweite  Mal  der  rechte  Arm  ergriffen,  und  verlief  der 
zweite  Anfall  leichter  und  kürzer  als  der  erste.  Merkwürdiger¬ 
weise  trat  bei  dem  Kind  im  Februar  dieses  Jahres  noch  weitere 
zwei  Mal  eine  Erkrankung  der  Arme  auf.  Es  wurde  mir  am 
7.  Februar  wieder  vorgeführt  und  zwar  mit  der  Angabe,  es 
sei  in  die  leere  Badewanne  gefallen  und  habe  sich  dabei  offen¬ 
bar  am  rechten  Arme  verletzt,  den  es  seit  dem  Sturz  nicht 
mehr  bewege.  Ich  untersuchte  den  anscheinend  sehr  schmerz¬ 
haften  Arm,  konnte  aber  keine  Verletzung  feststellen.  Das  All¬ 
gemeinbefinden  war  nicht  gestört.  Ein  Fixationsverband 
.schien  die  Schmerzen  sofort  und  wesentlich  zu  mildern. 
Anderen  Tags  wurde  der  Arm  wieder  frei  bewegt.  Am  17.11. 
wird  mir  das  Kind  zum  4.  Mal  gebracht.  Es  sei  Tags  zuvor 
auf  der  Strasse  spazieren  gegangen,  dabei  gestrauchelt  und 
von  der  begleitenden  Grossmutter  am  linken  Arm  aufgefangen 
worden.  Seitdem  lasse  das  Kind  den  Arm  schlaff  hängen.  Die 
Mutter  hatte  gleich  selbst  wieder  einen  Fixationsverband 
angelegt.  Ich  überzeuge  mich,  dass  die  noch  etwas  verstört 
aussehende,  aber  fieberfreie  Kleine  um  nichts  in  der  Welt 
zu  bewegen  ist,  den  Arm  zu  bewegen.  Es  werden  auch  keine 
Fingerbewegungen  ausgeführt.  Eine  Verletzung  ist  auch 
diesmal  nicht  nachzuweisen.  Erst  nach  4  Tagen  tritt  wieder 
volle  Bewegungsfreiheit  des  Armes  ein. 

Wenn  nun  schon  beide  Male  ein  das  Verhalten  des  Kindes 
hinreichend  erklärendes  Trauma  Vorgelegen  hat,  und  eine 
nennenswerte  Störung  des  Allgemeinbefindens  ausgeblieben 
war,  so  muss  doch  die  sonderbare  Wiederholung  dieser  Zu¬ 
fälle  und  Pseudoparesen  in  so  kurzem  Zeiträume  stutzig 
machen.  Ich  kann  mich  nämlich  des  Gedankens  nicht  ganz 
erwehren,  dass  vielleicht  doch  ein  Zusammenhang  mit  der 
Heine-Medin  sehen  Krankheit  bestanden  hat. 

Dass  man  Zu  Zeiten  gehäuften  Auftretens  der  Heine- 
Medin  sehen  Krankheit,  zumal  in  ein  und  derselben  Familie, 
bei  älteren  Kindern  stets  mit  der  schon  oben  erwähnten  Mög¬ 
lichkeit  hysterischer  Imitation  oder  auch  mit  einfacher  Simu¬ 
lation  zu  rechnen  hat,  und  jeden  einzelnen  neuen  Fall  darauf- 


13.  Mai  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1031 


i in  aufs  vorsichtigste  prüfen  muss,  zeigte  meine  jüngste  Er¬ 
fahrung. 

Lcopokl  wurde  am  5.  III.  d.  J.  von  seinem  Hauslehrer 
allerdings  nach  München  gebracht.  Er  behauptet,  mittags 
.'inen  Schwindelanfall  erlitten  zu  haben,  der  eine  Stunde  lang 
ingehalten  habe.  Zugleich  sei  heftiges  Kopfweh  aufgetreten, 
Jas  bis  zum  Abend  noch  nicht  nachgelassen  habe.  Bei  der 
Jiitersuchung  hält  er  den  Kopf  stark  nach  vorne  gebeugt  und 
{lagt  über  spontane  und  starke  Druckempfindlichkeit  der 
tanzen  Wirbelsäule.  Bei  Betrachtung  des  Gesichtes  tritt  Stra- 
'ismus  convergens  ein.  Das  rechte  Auge  ist  nur  halb  geöffnet. 
Sei  Grimassieren  wird  nur  die  rechte  Gesichtshälfte  bewegt. 
)ie  linke  Gesichtshälfte  ist  angeblich  unbeweglich  und  auf  Be- 
iihrung  schmerzhaft.  Die  Sprache  ist  schwer  verständlich, 
ts  besteht  keine  Angina.  Das  Gaumensegel  reagiert  prompt. 
)ie  Zunge  ist  grau  belegt,  kann  angeblich  nicht  bewegt 
v  erden.  Die  Prüfung  aller  Reflexe  ergibt  normale  Verhält- 
lisse.  Bei  heimlicher  Beobachtung  des  Jungen  sehe  ich,  dass 
ler  Strabismus  verschwunden  ist,  beide  Augen  gleich  weit 
»ffen  stehen,  und  die  linke  Gesichtshälfte  im  Mienenspiel  sich 
licht  mehr  von  der  rechten  unterscheidet.  Die  Simulation  er- 
ennend  gebe  ich  nun  dem  Jungen  das  Ergometer,  zeige  mich 
her  seine_  kräftigen  Leistungen  sehr  erfreut  und  fordere  ihn 
anach  auf,  zu  erproben,  ob  er  stärker  sei  als  ich,  ob  er  meine 
rliobene  Hand  mit  der  seinen  niederdrücken  könne.  Bei 
ieser  Kraftprobe  vergisst  der  Junge  alle  geheuchelten  Be- 
chwerden  und  zwar  so  vollständig,  dass  auch  die  besorgte 
lütter  freudestrahlend  die  Simulation  erkennt.  Grund  der 
.■tzteren  waren  Differenzen  mit  dem  Hauslehrer,  mit  dem 
.  nicht  mehr  Zusammenleben  wollte. 

Dieser  Vorfall  ändert  nichts  an  meiner  Ueberzeugung,  dass 
ie  erste  Erkrankung  L.s  ein  echter  Anfall  Heine-Medin- 
-’her  Krankheit  war.  Die  prompte  Entlarvung  der  Simulation 
ird  hoffentlich  seine  Geschwister  von  ähnlichen  Versuchen 
bhalten. 

Ich  halte  übrigens  auch  echte  Neuerkrankungen  an 
e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  scher  Krankheit  in  der  Familie  trotz  der  nun 
;hon  5  Wochen  langen  Pause  immer  noch  für  möglich.  Denn 
rstens  ist  das  Bestehen  einer  familiären  Disposition  der 
anzen  Sachlage  nach  kaum  bestreibar.  Selbst  Z  a  p  p  e  r  t, 
er  sich  so  zurückhaltend  über  die  Möglichkeit  einer  familiären 
eigung  zu  Poliomyelitiserkrankungen  ausspricht,  würde  eine 
ilche  in  diesem  Falle  wohl  zugeben  müssen.  Zum  anderen 
aer  scheint  es  nach  den  bisherigen  epidemiologischen  Beob- 
jhtungen  und  nach  den  Erfahrungen  von  Osgood  und 
11  k  a  s  ^  bei  Affenpoliomyelitis  nicht  unmöglich,  dass  die  von 
e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  scher  Krankheit  Befallenen,  ebenso  die  Re- 
jnvaleszenten,  vielleicht  auch  gesund  bleibende  Personen  der 
ichsten  Umgebung  (cf.  die  Verhältnisse  bei  Diphtherie  und 
yphus)  noch  wochen-  und  monatelang  Virusträger  und  somit 
nbulante  Infektionsherde  bleiben  können.  Wir  können  uns 
enigstens  mit  dieser  Annahme  das  Wiederaufflammen  der 
rankheit  nach  monatelangen  Pausen  am  ungezwungensten 
klären,  es  sei  denn,  dass  wir  ein  Fortfristen  der  Seuche  in 
lerleichtesten,  iarvierten,  grippe-  oder  enteritisartigen  Fällen 
mehrnen  wollen  (Zappert).  Trotz  der  Gefahr  einer 
^iter Verbreitung  der  Krankheit  habe  ich  von  einer  längeren 
ischwerlichen  Isolierung  der  Rekonvaleszenten  und  sonstigen 
ngreifenden  prophylaktischen  Massnahmen  Abstand  ge- 
irnmen,  da  sie  mir  bei  der  vermuteten  langdauernden  In- 
ktionsmöglichkeit  ziemlich  illusorisch  erscheinen. 

Meine  Therapie  war,  wie  allgemein  noch  üblich,  eine  vor- 
iegend  symptomatische  und  bestand  in  Bettruhe,  guter  Lage- 
ng  der  erkrankten  Teile,  Diät  und  einfachen  hydrothera- 
uitischen  Anwendungen.  Statt  der  sonst  gebräuchlichen  des- 
fizierenden  Gurgelwasser  wandte  ich  versuchsweise  Spray 
it  Emmerich  scher  Pyozyanase  der  S.S.-Werke  an.  Ob 
eses  Mittel  imstande  ist,  das  Poliomyelitisvirus  abzutöten, 
äre  erst  durch  den  Tierversuch  zu  erweisen,  und  ich  bin 
>ch  weit  entfernt,  behaupten  zu  wollen,  dass  in  seiner  An¬ 
endung  die  Ursache  des  überraschend  schnellen  und  giin- 
igen  Verlaufes  der  damit  behandelten  Fälle  zu  erblicken  sei. 


■*)  Osgood  und  Lukas  (zit.  von  P.  R  ö  m  e  r)  fanden  die 
senrachenschleimhaut  intrazerebral  geimpfter  Affen  einmal  nach 
Wochen,  ein  anderes  Mal  sogar  nach  6  Monaten  noch  virushaltig. 


Aber  nach  anderen  sonstigen  Erfahrungen  mit  Pyozyanase 
schien  eine  nützliche  Einwirkung  dieses  Mittels  bei  früh¬ 
zeitiger,  häufiger  und  energischer  Applikation  auf  die  vermut¬ 
liche  Eintrittspforte  des  Virus,  die  Nasenrachenschleimhaut, 
nicht  ausgeschlossen  und  ein  Versuch  deshalb  berechtigt.  Zum 
mindesten  übt  die  Fremdartigkeit  des  (ungiftigen)  Mittels  und 
seine  ungewohnte  Anwendungsweise  eine  heilsam  beruhigende 
Wirkung  auf  die  geängstigten  Familienangehörigen  und  damit 
auch  auf  die  Kranken  aus,  eine  Wirkung,  die  bei  jeder  Er¬ 
krankung  des  Zentralnervensystems  gewiss  nicht  gering  zu 
veranschlagen  ist. 


Aus  dem  Röntgeninstitut  der  allgemeinen  Poliklinik  Wien 
(Vorstand:  Dozent  Dr.  R.  K  i  e  n  b  ö  c  k). 

Experimentell-radiologische  Studien  zur  Physiologie 
und  Pathologie  des  Verdauungstraktes. 

Von  Dr.  RobertLenk  und  Assistenten  Dr.  F  r  i  t  z  E  i  s  1  e  r. 

Die  Diagnostik  der  Erkrankungen  des  Magendarmtraktes 
verdankt  der  Radiologie  einen  ganz  bedeutenden  Aufschwung. 
Eine  Reihe  pathologischer  Veränderungen,  die  früher  nur 
schwierig  und  bisweilen  unmöglich  zu  erkennen  waren,  ist 
durch  das  Röntgenverfahren  der  Diagnose  leicht  zugänglich 
geworden.  Zu  erinnern  ist  nur  an  gewisse  Formen  des  Kar¬ 
zinoms,  an  das  Ulcus  callosum,  an  den  Sanduhrmagen,  die 
Stenosen  des  Darmes  usw.  Trotzdem  kann  man  sich  dem 
Eindruck  nicht  verschliessen,  dass  heute  die  Röntgenmethode 
nach  einem  raschen  Aufstieg  auf  einen  toten  Punkt  angelangt 
ist.  Viele  Erkrankungen,  die  keine  groben  Wandverände¬ 
rungen  setzen,  sind  aueh  radiologisch  nicht  immer  mit  vollster 
Sicherheit  zu  erkennen  und  auch  die  Hoffnung,  durch  die 
Röntgenbeobachtung  gewisse  Aufschlüsse  über  die  Pathologie 
mancher  Erkrankungen  zu  bekommen,  hat  sich  nicht  voll¬ 
ständig  erfüllt.  Die  Ursache  hiefür  scheint  nicht  etwa  in  einer 
Erschöpfung  des  Verfahrens  zu  liegen,  sondern  vielmehr  in 
anderen  Umständen.  Die  Röntgendiagnosc  ist  auf  Schirm¬ 
oder  Plattenbeobachtung  aufgebaut;  wo  sie  durch  andere 
klinische  Erscheinungen  oder  durch  die  Autopsie  bestätigt 
wird,  hat  sie  ihre  Berechtigung.  In  vielen  Fällen  aber  fehlt 
eine  solche  Stütze  und  dann  bleibt  sie  eine  blosse  Vermutung. 
In  anderen  Fällen  ist  die  Grundkrankheit  durch  mancherlei 
teils  sie  begleitende,  teils  von  ihr  abhängige  pathologische 
Erscheinungen  kompliziert,  und  wir  können  nicht  entscheiden, 
inwieweit  der  von  uns  erhobene  Röntgenbefund  durch  die 
Grundkrankheit  oder  durch  die  Begleiterscheinung  bedingt  ist. 
Um  nur  einige  Beispiele  zu  nennen:  es  ist  bis  jetzt  eine  noch 
unentschiedene  Streitfrage,  ob  die  Motilitätsstörung  bei  man¬ 
chen  Magengeschwüren  auf  Rechnung  dieser  selbst  oder  auf 
die  einer  Hyperazidität  zu  setzen  ist,  ob  die  Hyperazidität 
allein  einen  Pylorospasmus  erzeugen  kann,  ob  der  spastische 
Sanduhrmagen  immer  die  Folge  eines  Ulcus  ventriculi  dar- 
stcllt  oder  ob  er  auch  ohne  ein  solches  bei  gewissen  Reiz¬ 
zuständen  im  Nervensystem  Vorkommen  kann. 

Eine  Möglichkeit,  in  manchen  dieser  Fragen  weiterzu¬ 
kommen,  scheint  uns  in  dem  in  der  Radiologie  noch  stark  ver¬ 
nachlässigten  Tierexperiment  gegeben  zu  sein.  Dieses  setzt 
uns  in  die  Lage,  jeden  unserer  Befunde  durch  die  Autopsie  zu 
kontrollieren,  ermöglicht  uns  auch  pathologische  Verän¬ 
derungen  nach  Willkür  zu  setzen,  auszuschalten  und  zu  kom¬ 
binieren.  Damit  kommen  wir  über  eine  Reihe  der  oben  ge¬ 
nannten  Schwierigkeiten  hinweg;  es  wird  durch  diese  Vorzüge 
wohl  auch  der  eine  Nachteil  des  Tierexperimentes  überwogen, 
nämlich,  dass  sich  nicht  jede  Beobachtung  am  Tier  unmittel¬ 
bar  auf  den  Menschen  übertragen  lässt.  Diesen  Nachteil  muss 
man  in  Kauf  nehmen,  umsomehr,  als  auf  der  anderen  Seite 
viele  Erkenntnisse- in  anderen  Zweigen  der  Medizin,  z.  B.  in 
der  Physiologie,  dem  Tierexperiment  zu  verdanken  sind. 

Das  Tierexperiment  in  der  Radiologie  ist  ja  nichts 
Neues:  es  existiert  bereits  eine  Anzahl  von  Versuchen,  von 
denen  viele  die  wertvollsten  Resultate  zutage  gefördert  haben, 
so  die  grundlegenden  Arbeiten  von  Cannon,  Magnu  s, 
durch  die  Aufschluss  über  die  Darmbewegung  bei  Katzen 
gegeben  wurde;  von  Padtberg,  der  bei  Darreichung 
von  Magnesiumsulfat  eine  verzögerte  Magen-,  beschleunigte 
Dannentleerung  gefunden  hat.  Aus  der  letzten  Zeit  stammen 


1032 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


die  Verdautingsversuche  mit  Morphiumpräparaten  von 
Schwenter,  der  die  Technik  der  Versuche  weiter  aus- 
gebildet  hat. 

V  ahrend  nun  fast  alle  diese  aufgezählten  Tierexperimente 
sich  auf  das  Studium  der  Einwirkung  von  Medikamenten  auf 
den  Magen  und  Darm  beschränken,  haben  wir  gewisse  Fragen 
der  physiologischen  Pathologie  in  den  Bereich  unserer  Beob¬ 
achtungen  gezogen,  um  vielleicht  Rückschlüsse  aus  ge¬ 
wonnenen  Resultaten  für  die  Diagnose  ziehen  zu  können. 
Jedermann,  der  sich  mit  Magenuntersuchungen  befasst,  wird 
die  Röntgendiagnose  des  frischen,  einfachen  Magengeschwürs 
beträchtliche  Schwierigkeiten  bieten,  da  das  Symptomenbild 
des  Ulcus  Simplex  röntgenologisch  noch  nicht  eng  umgrenzt 
ist.  Wir  haben  uns  daher  vor  allem  dem  Studium  des  Ulcus 
zugewendet,  und  zwar  zunächst  der  Frage,  inwieweit  die 
radiologischen  Symptome  beim  Ulcus  auf  dieses  allein,  inwie¬ 
weit  sie  auf  die  Begleiterscheinungen  (Hyperazidität)  oder  auf 
gewisse  Reizzustände  im  Nervensystem  zurückzuführen 
sind. 

Dabei  war  es  notwendig,  zunächst  in  einer  Versuchsserie 
den  Einfluss  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Magensaftes 
auf  die  morphologischen  Verhältnisse  und  die  motorische 
Funktion  des  Magens  zu  studieren.  Durch  künstliche  Ueber- 
säuerung  des  Mageninhaltes  waren  wir  in  der  Lage,  die  Ver¬ 
änderungen  gegenüber  dem  normalen  Füllungsbild  des  Magens 
zu  kontrollieren.  Um  diese  Veränderungen  deutlicher  hervor¬ 
treten  zu  lassen,  schickten  wir  den  Versuchen  eine  Unter¬ 
suchung  bei  künstlich  erzeugter  Hypazidität  voraus. 

Die  Fütterung  der  Tiere  (Katzen)  erfolgte  stets  nach 
12stündiger  Fastenzeit;  die  Mahlzeit  bestand  immer  aus  dem 
gleichen  Quantum  von  Baryum-öriesbrei  (3  Esslöffel  dünnem 
Griesbrei  mit  etwa  15  g  Baryum  sulfuricum). 


Fig.  1.  Normaler  Magen 
(gleich  nach  Füllung), 
a  =  Fundusblase,  b  =  Pylorus. 
c  =  Antrum. 


Fig.  2.  Hyperazider  Magen 
(gleich  nach  Füllung). 

a  =  Fundusblase,  b  =  gasgeblähtes  Kolon. 


Die  erste  Beobachtung  (Photographie)  erfolgte  unmittel¬ 
bar  nach  der  Fütterung,  die  weiteren  Aufnahmen  in  A  bis 
1  stündigen  Intervallen  bis  zur  vollkommenen  Entleerung  des 
Magens,  dann  mit^  längeren,  mehrstündigen  Pausen  bis  zur 
Dai  mentleerung.  Zwischen  den  einzelnen  Versuchen  Hessen 
wir,  um  die  Sekretionsverhältnisse  möglichst  physiologisch  zu 
erhalten,  einige  Tage  verstreichen,  in  welcher  Zeit  das  Tier 
bei  gemischter  Kost  gehalten  wurde.  Alle  Versuche  wurden 
bei  mehreren  lieren  wiederholt  durchgeführt. 


Die  Aufnahmstechnik,  die  bei  allen  Tierversuchen  eine  für  das 
uelingen  des  Experimentes  nicht  zu  unterschätzende  Rolle  spielt,  sei 
nur  mit  einigen  Worten  berührt.  Die  Photographien  wurden  in  auf¬ 
rechter  Stellung  des  Tieres  angefertigt,  indem  die  Katze  durch  2  Per¬ 
sonen  an  die  aut  einer  senkrecht  stehenden  Holzwand  aufmontierte 
lalte  angedruckt  wurde.  So  kanten  wir  den  bei  der  Aufnahme  des 
menschlichen  Intestinaltraktes  gewöhnlich  eingehaltenen  Bedingungen 
am  nächsten  und  gewannen  zum  Vergleich  brauchbare  Bilder.  Die 
Exposition  musste  möglichst  abgekürzt  werden  und  dies  erreichten 
wir  in  ganz  ausgezeichnter  Weise  durch  den  Unipulsapparat  (von 
Reirnger,  Qebbert  &  Schall).  Das  photographische  Ver- 
fahten  hat  natürlich  gegenüber  dem  bei  den  früher  erwähnten  Ver¬ 
suchen  angewendeten  Schirrnverfahren  die  mannigfachsten  Vor- 


Die  Betrachtung  der  Füllungsbilder  ergab  nun  folgendes 

a)  Normaler  Magen;  Die  Lage  des  Magens  ent 
spricht  der  des  Menschen,  auch  die  Konfiguration  weist  keine 
wesentlichen  Unterschiede  von  der  des  menschlichen  Magc-m 
auf,  Hakenform,  wobei  allerdings  der  antrale  Teil  gegeuiibci 
dem  mittleren  und  Fundusteil  unverhältnismässig  schlauch¬ 
förmig  verengt  erscheint,  die  Wellen  sind  von  deutlicher  Tiefe 
und  an  beiden  Kurvaturen  zu  beobachten.  Die  Magenblas- 
ist  von  mittlerer  Grösse.  Die  Entleerung  erfolgt  ungefähr  iii 
3--d  Stunden.  Bald  nach  der  Füllung  erscheinen  die  Dünn- 
darmschlingen  in  Form  von  ungefähr  1  cm  breiten  Strängen 
gefüllt  und  sind  nach  6 — 7  Stunden  leer.  Zwei  Stunden  nach 
der  Mahlzeit  sind  die  ersten  Massen  im  Kolon  sichtbar  und 
noch  nach  24  Stunden  nachzuweisen  (Skizze  1). 

b)  Hypa zider  Magen  (erzeugt  durch  Zusatz  von 
zwei  Kaffeelöffel  Magn.  oxyd.  zur  Mahlzeit).  Der  Magen  er 
scheint  stärker  kontrahiert  und  schmäler,  die  Peristaltik  dcut 
hoher,  die  Magenblase  kaum  sichtbar.  Reichliche  Dünndarm- 
füllung.  Nach  zwei  Stunden  ist  nur  ein  geringer  Wandbelar 
im  Magen  nachzuweisen,  nach  2Ai  Stunden  ist  der  Magen 
sicher  entleert.  Um  diese  Zeit  haben  die  Ingesten  den  Dünn¬ 
darm  fast  ganz  verlassen  und  füllen  das  Kolon.  Nach 
S  Stunden  keine  Spur  der  Kontrastmahlzeit  im  Abdomen  zu 
erkennen. 


c)  H  y  p  e  r  a  z  i  de  r  M  a  g  e  n  (erzeugt  durch  Acid.  hydro- 
chlor.  dil.  6  Tropfen  A,  Stunde  vor,  5  Tropfen  unmittelbar  vor 
o  Tropfen  unmittelbar  nach  der  Mahlzeit,  dann  jede  lA  Stunde’ 
%  I  ropfen).  Der  Magen  erscheint  vergrössert,  namentlich  der 
i  undusanteil,  keine  deutlich  sichtbaren  peristaltischen  Wellen 
Magenblase  auffallend  gross,  so  dass  das  linke  Zwerchfell 

hochgedrängt  bleibt.  Nach 
3 XA  Stunden  Magen  leer.  Der 
Darminhalt  verweilt  länger  als 
normal  im  Dünndarm,  der  Auf¬ 
enthalt  im  Kolon  selbst  weist 
keine  wesentlichen  Unter¬ 
schiede  gegen  früher  auf 
(Skizze  2  und  3). 

Das  wesentlichste  Ergebnis ; 
dieser  Untersuchungen  besteht 
also  in  der  Tatsache,  dass 
die  künstlich  erzeugte 
Hyperazidität  bei  den 
Katzen  keine  Störung 
in  der  motorischen 
Funktion  des  Magens 
nach  sich  zieht.  Es  liegt  nun 
nahe,  diese  Untersuchungen 
auch  am  Menschen  nachzu¬ 
ahmen,  zumal  das  Resultat 
keineswegs  mit  den  herrschen¬ 
den  Anschauungen  über  das 
Verhältnis  zwischen  Säure  und 
Motilität  übereinstimmt.  Wir 
haben  bei  einer  grossen  Anzahl 
und  sicher  magenbeschwerde- 
Versuche  durchgeführt  und 


Fig.  3.  Hyperazider  Magen 
(3  Stunden  nach  Füllung). 
a  =  Fundusblase,  b  =  Wandbelag  im 
Magen,  c  =  Dünndarmsclingen, 
d  =  Kolon.  h 


von  vollkommen  gesunden 

freien  Individuen  diesbezügliche  _ _ _ _ _ „  _ _ 

zwar  nicht  mit  einer  Breimahlzeit,  sondern  mit  Wismutflüssig¬ 
keit,  um  die  gleichmässige  Verteilung  des  verabreichten  che¬ 
mischen  Agens  zu  ermöglichen.  Eine  nachweisbare  Ver¬ 
zögerung  der  Entleerung  bestand  auch  hier  nicht. 


Es  geht  also  aus  den  Ergebnissen  unserer 
ersten  Versuchsreihe  hervor,  dass  dem  Che¬ 
mismus  des  Magens  an  sich,  namentlich  ab  er 
einer  Hyperazidität  nicht  die  so  häufig  bei 
Magenerkrankungen  beobachtete  Störung 
der  motorischen  Funktion  zuzuschreiben  ist. 
Welche  Verhältnisse  dafür  verantwortlich 
zu  machen  sind,  hoffen  wir  durch  unsere  weiteren  Unter¬ 
suchungen  zu  ergründen. 


13.  Mai  1913. 


Mi  enciifnfr  medizinische  Wochenschrift. 


1033 


Ans  dem  Waldsanatorium  Davos. 

Beitrag  zur  Freundschen  Emphysemoperation. 

Von  Prof.  Dr.  F.  dessen  in  Davos. 

Bis  zum  Jahre  1910  hat  v.  d.  Velden1)  30  Fälle  von 
Operation  des  starr  dilatierten  Thorax  nach  Freund  zu- 
sammengestellt.  Seitdem  hat  man  in  der  Literatur  wenig  da¬ 
von  gehört.  Daher  mag  es  gestattet  sein,  über  einen  ein¬ 
zelnen  Fall  zu  berichten. 

Die  Freund  sehe  Operation  setzt  sich,  wie  bekannt, 
zum  Ziel,  durch  Exzision  aus  den  Rippenknorpeln  den  starr 
ülatierten  Thorax  zu  mobilisieren  und  damit  die  Beschwerden 
der  Kranken,  Atemnot,  „Asthma“  rectius  ungenügende  Atcm- 
ireite  und  Leistlingsunfähigkeit  zu  beheben. 

Wichtig  ist,  dass  die  Operation  so  ausgeführt  wird,  dass 
lieht  durch  Neubildung  von  Knorpelsubstanz  vom  Perichon- 
irium  aus  die  alte  Unbeweglichkeit  des  Thorax  wieder  ein- 
ritt,  und  damit  der  Operationserfolg  illusorisch  wird.  Zu 
diesem  Zweck  hat  man  empfohlen,  das  hintere  Perichondrium 
iiis.li  subperichondraler  Resektion  der  Knorpel  zu  exzidieren, 
:u  verätzen,  oder  durch  Interposition  von  Pektoralisfaserii 
las  Zusammenwachsen  der  durchtrennten  Knorpel  zu  ver¬ 
ändern.  Ki  iigei  (zit.  in  Küttner:  Die  Operationen  am 
irustkorb.  Chir.  Operationslehre  von  Braun,  Bier, 

,  ii  m  m  e  1 1)  hat  empfohlen,  nach  Durchtrennung  der  Inter- 
ostalmuskulatur  mit  einem  Elevatorium  die  Muskeln  ausein- 
udci  zu  trennen  und  nun  mit  dem  hakenförmig  gebogenen 
Zeigefinger  den  Rippenknorpel  mit  dem  hinteren  PeHchon- 
riuni  von  der  Pleura  costalis  abzuheben  und  zu 
\zidieren. 

Ich  habe  bei  Versuchen,  die  zu  anderen  Zwecken  unter- 
ommen  wurden,  gefunden,  dass  man  sicher,  d.  h.  ohne  Pleura- 
erletzung  den  Rippenknorpel  in  seiner  Perichondriumhülle 
ntfernen  kann. 

Ich  gehe  folgendermassen  vor:  Haut-  und  Faszienschnitt. 
'ie  Pektorialisfasern  werden  stumpf  mit  Brauer  sehen 
aken  auseinandergezogen.  Nun  schneidet  man  den  Knorpel 
!  der  zu  resezierenden  Breite  zweimal  ein  und  durchtrennt 
in  zu  etwa  drei  Vierteln.*  Wenn  man  jetzt  das  zu  entfernende 
iück  mit  einem  Muzeux  oder  einer  gynäkologischen  Kralle  an 
rerer  und  unterer  Kante  packt  und  kräftig  senkrecht  in  die 
ohe  zieht,  so  trennt  sich  das  schon  gelockerte  Knorpelstück 
it  seinem  hinteren  Perichondrium  von  der  Pleura  costalis 
id  man  kann  jetzt  vorsichtig  die  noch  bestehenden  Knorpef- 
iicken  durchtrennen.  Es  ist  dann  das  zu  entfernende 
lorpelstück  in  seiner  perichondralen  Hülle  ohne  Pleura- 
.•rletzung  entfernt.  Danach  Blutstillung.  Jetzt  ist  weder 
\zision,  noch  Aetzung  des  hinteren  Perichondriums,  noch 
uskelinterposition  nötig.  Hautfasziennaht. 

Zum  Beweis  gestatte  ich  mir  folgenden  Fall  anzuführen. 

58jähr.  Mann,  leidet  seit  Jahren  an  zunehmender  schwerer 
-ninot  und  Bronchitis  chronica,  ln  letzter  Zeit  dauernd  bettlägerig, 
’ensuberdriissig,  verbringt  die  Nächte  sitzend  und  stöhnend  im  Bett. 

,  Objektiv  findet  sich  fassförmiger,  starr  dilatierter  Thorax; 
ngengrenzen  hinten  I.  Lendenwirbel,  vorne  8.  Rippe,  Herz  iiber- 
ert.  Atemexkursion  3 — 4  cm.  Herz  gesund,  Nieren  gesund,  Bron- 
ntis  chronica. 

Behandlung  mit  internen  Medikamenten  ohne  Erfolg.  Pat.  ver- 
iigt  energisch  Operation,  sonst  wolle  er  lieber  sterben. 

Operation  in  .Lokalanästhesie  ohne  Morphium-Skopolamin, 
ch  oben  beschriebener  Technik  wurden  rechts  aus  2.-5.  Rippe 
4  cm  grosse  Stücke  entfernt.  Bei  der  6.  Rippe  wollte  ich  das 
-■n  beschriebene  K  r  ii  g  e  r  sehe  Verfahren  versuchen.  Als  ich  die 
-nnutig  der  Interkostalmuskeln  mit  dem  Elevatorium  begann,  riss 
;  Bleura  in  2  cm  grosser  Ausdehnung  ein.  Rasche  Entfernung  des 
orpels  nach  meiner  Methode.  Tamponade  des  Pleurarisses.  Der 
standene  Pneumothorax  klang  ziemlich  aufregend,  doch  wurden 
alarmierenden  Symptome  durch  den  Tampon  sofort  beseitigt, 
de  Naht  der  Weichteile  über  dem  Tampon,  der  ganz  zuletzt  eilt¬ 
et  wurde.  Kompressionsverband  auf  die  Stelle  des  Risses. 

I  at.  empfand  von  dem  Pneumothorax  nichts  und  war  sofort  fast 
1  clnverdefrei.  Schon  die  erste  Nacht  nach  der  Operation  konnte 
ruhig  liegend  schlafen.  Aufstehen  am  Tage  nach  der  Operation, 
r  1  neumothorax  war  8  Tage  nach  der  Operation  auf  der  Röntgen- 
■  tte  nicht  mehr  nachzuweisen.  Auch  die  Bronchitis  besserte  sich 
iiehends.  Pat.  kann  jetzt  ohne  Beschwerden  gehen  und  ist  ein 
wandeiter  Mensch. 


Aus  Dein  Fall  ergibt  sich,  dass  die  Krüger  sehe  Methode 
nicht  sicher  ist  und  dass  man  keine  Exzision  oder  Aetzung  des 
I  erichondriums  und  keine  Muskelinterposition  zu  machen 
braucht,  sondern  nach  obigem  Vorschlag  gefahrlos  den  Rippen- 
kn oi pel  in  seiner  Knorpelhauthülle  entfernen  kann. 

Bei  reinen  Fällen  von  starr  dilatiertem  Thorax,  die 
ein  gesundes  Herz  und  gesunde  Nieren  haben,  ist  die 
F  r  e  u  n  d  sehe  Operation  so  zu  empfehlen  wie  die  Trache¬ 
otomie  bei  Larynxstenose. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Jena  (Direktor: 

Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Beitrag  zur  Diagnostik  der  Riickenmarkstumoren. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Jancke. 

Dass  die  Diagnostik  der  Rückenmarkstumoren  namentlich 
m  ihren  Anfängen  Schwierigkeiten  bereiten  kann  und  daher 
noch  nicht  Gemeingut  der  Aerzte  geworden  ist,  zeigten  uns 
neuerdings  wieder  zwei  Fälle,  die  ich  hier  innerhalb  kurzer 
Frist  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  und  die  nach  mehrfacher 
anderweitiger  Begutachtung  mit  der  Diagnose  Neurasthenie, 
multiple  Sklerose,  spastische  Spinalparalyse  von  der  zu¬ 
ständigen  Landesversicherungsanstalt  der  Klinik  überwiesen 
waren.  In  beiden  Fällen  wurde  die  Diagnose  durch  die  in  der 
hiesigen  chirurgischen  Klinik  (Geheimrat  Prof.  Dr.  Lexer) 
vorgenommene  Operation  bestätigt.  Sie  bieten  einen  so 
typischen  Befund,  dass  ihre  Veröffentlichung  gerechtfertigt 
erscheint. 

Fall  1.  E.  W„  22  Jahre  alt,  Aufnahme  6.  V.  12.  Pat.  stammt 
aus  gesunder  Familie.  Die  Krankheit  begann  vor  2  Jahren  mit 
stechenden  Schmerzen  in  der  linken  Unterleibsseite,  die  nicht  dauernd 
bestanden,  sondern  nur  zeitweise  in  kurzen  Anfällen  auftraten 
Einige  Male  hatte  Pat.  Erbrechen1.  8  tägige  Ruhe  brachte  die  An- 
talie  zum  Schwinden.  Nach  wenigen  Tagen  traten  die  Schmerzen 
von  neuem  auf.  Pat.  war  14  Tage  in  einem  Krankenhaus,  wurde  als 
arbeitsfähig  für  leichte  Arbeit  entlassen.  Schon  damals  fiel  ihm  auf. 
dass  seine  Gehfähigkeit  gestört  war.  Es  stellten  sich  weiter 
.chm erzen  im  Rücken  in  Lendenwirbelsäulenhöhe  ein.  Ein  halbes 
Jam  später  verschlimmerte  sich  sein  Leiden  so.  dass  er  keine  Treppe 
mehr  steigen  konnte,  ohne  sich  festzuhalten,  später  knickte  er  manch- 
mal  auch  auf  ebener  Erde  zusammen.  Bei  Anstrengungen  bekam  er 
Euttmangel.  Bei  der  Aufnahme  klagte  er  über  Schmerzen,  die  links 
halbgurteiförmig  vom  Kreuz  nach  der  Unterbauchgegend  ziehen, 
Schwäche  und  Unsicherheit  in  den  Beinen. 


’)  Der  starr  dilatiertc  Thorax.  Ferdinand  Enke,  1910. 

No.  19. 


Befund:  Kleiner  schlanker  Mann,  blasses  Gesicht,  Muskulatur 
unter  Mittel,  genügendes  Fettpolster.  An  den  inneren  Brust-  und 

3 


Müenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


No.  19. 


IU34 


Bauchorganen  kein  krankhafter  Befund,  Urin  frei  von  Eiweiss  und 
Zucker,  Wassermann  negativ.  Kein  Nystagmus.  Pupillen  reagieren 
prompt.  Bauchdeckenreflexe  lebhaft  beiderseits,  starker  Patellar¬ 
und  Achillessehnenklonus,  stark  ausgesprochener  Babinski  beider¬ 
seits.  Die  Motilität  des  Oberkörpers  ist  intakt.  Gang  typisch 
spastisch-paretisch,  breitbeinig,  nur  unter  Kontrolle  der  Augen  und 
mit  Stock  bzw.  anderweiter  Unterstützung  durch  Festhalten  möglich, 
deutliches  Genu  recurvatum,  besonders  links  (angeblich  erst  seit 
Va  Jahr  ohne  Beschwerden  entstanden).  Grobe  Muskelkraft  der 
Beine  herabgesetzt,  starke  Ataxie  bei  den  üblichen  Proben  (Knie- 
Ferseversuch,  Ferse-Grosszeheversuch,  Kreisbewegung).  Auffallende 
Schwäche  des  M.  iliopsoas  beiderseits. 

Die  Sensibilitätsprüfung  ergab  für  „Spitz“  und  „Stumpf“  keine 
deutliche  Herabsetzung,  desgleichen  für  Pinselberührung;  auch  das 
Gefühl  für  „Heiss“  und  „Kalt“  und  für  „Warm“  und  „Kühl“  war 
intakt.  Tippte  man  aber  mit  der  Nadelspitze  in  Abständen  von 
ca.  1  Zoll  rasch  hintereinander  mit  möglichster  Gleichmässigkeit  vom 
Rippenbogen  nach  den  Beinen  zu  über  die  Haut  entlang,  so  gab  W. 
konstant  an,  dass  er  die  Berührung  von  einer  durch  die  Schenkel¬ 
beugen  nach  dem  Kreuz  ziehenden  Grenzlinie  abwärts  weniger  deut¬ 
lich  fühle;  links  gab  er  ausserdem  noch  eine  oberhalb  dieser  Linie 
verlaufende  handbreite  Zone  an,  in  der  er  die  Berührung  schmerz¬ 
hafter  empfand  als  an  der  oberhalb  davon  befindlichen  normalen 
Haut.  (Siehe  Schema  1  a  und  b.)  Die  Prüfung  mit  dem  aufgesetzten 
Stimmgabelgriff  ergab  die  gleiche  stets  völlig  konstant  bezeichnete 
Grenze  für  die  Herabsetzung  des  Hautgefühls.  Der  Gelenksinn  zeigte 
keine  gröbere  Störung.  Die  Spinalpunktion  ergab  einen  Druck  von 
150  mm  HsO,  der  Liquor  war  klar,  bernsteingelb  und  wurde  schnell 
gallartig,  trübte  sich  bei  Ammoniumsulfatzusatz  sehr  stark,  enthielt 
im  Kubikmillimeter  20  Zellen. 

Es  war  also  nachweisbar:  Spastische  Parese  beider  Beine  mit 
gesteigerten  Sehnenreflexen  und  positivem  Babinski,  Schwäche  des 
Iliopsoas,  geringe  Herabsetzung  des  Hautgefühls  vom  12.  Dorsal¬ 
segment  abwärts,  geringe  Ueberempfindlichkeit  links  im  Gebiet  des 
(10. — )11.  Dorsalsegments,  enormer  Eiweissgehalt  des  klaren  Liquor 
cerebrospinalis  mit  relativ  geringer  Lymphozytose  bei  normalem 
Druck.  Dazu  kamen  als  charakteristische  Merkmale  in  der  Anamnese 
Schmerzen  in  der  Zone  des  Segments  dicht  oberhalb  der  Grenze  des 
herabgesetzten  Hautgefühls. 

F  a  1 1  2.  R.  Pf.,  25  Jahre  alt,  Aufnahme  17.  XII.  12.  Sein  Vater 
leidet  nachweislich  (hier  festgestellt)  an  progressiver  Muskel¬ 
dystrophie,  ein  Onkel  soll  an  derselben  Krankheit  leiden  wie  Pf. 
selbst.  Er  war  Soldat,  machte  seine  Dienstzeit  ohne  Erkrankung 


2a.  2b. 


durch.  Im  Frühjahr  1912  stellten  sich,  angeblich  nach  einer  Erkältung, 
Ruckenschmerzen  ein,  denen  er  kein  Gewicht  beilegte.  Allmählich 
merkte  er  auch  ein  taubes  Gefühl  in  den  Beinen,  bisweilen  Ziehen  in 
den  Knien,  unwillkürliche  Zuckungen  in  den  Beinen.  Bei  der  Auf¬ 
nahme  klagte  er  über  Unsicherheit  beim  Gehen,  leichtes  Taubheits- 
gefünl  in  den  Beinen,  bisweilen  geringe  Rückenschmerzen. 


Befund  (bei  Aufnahme):  Kräftiger  untersetzter  Mann,  derbe 
Muskulatur,  gutes  straffes  Fettpolster,  gesunde  Gesichtsiarbe.  Innere 
Organe  gesund,  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  Wassermann 
negativ.  Kein  Nystagmus,  Pupillen  reagieren  prompt.  Der  linke 
untere  Bauchdeckenreflex  fehlt.  Starker  Dauerklonus  der  Knie-  und 
Achillessehnen,  stark  positiver  Babinski,  angedeutetes  Schwanker, 
bei  Augen-Fussschluss.  Gang  typisch  spastisch,  angedeutet  paretiseh 
und  ataktisch,  dabei  ist  der  Umfang  der  Beinmuskulatur  und  die  grobe 
Kraft  noch  recht  gut.  Die  Sensibilitätspriifung  ergab  mit  den  üblichen 
Methoden  (s.  0.  Fall  1)  kein  eindeutiges  Resultat.  Erst  die  oben 
beschriebene  Prüfung  (Entlangtippen  auf  der  Haut  des  Rumpfes  mit 
der  Nadelspitze)  zeigte,  dass  das  Hautgefühl  vom  Nabel  abwärts 
herabgesetzt  war;  oft  wiederholte  Untersuchung  führte  zur  genauen 
Bestimmung  der  Grenze,  die  völlig  konstant  in  Nabelhöhe  angegeben 
wurde.  (Siehe  Schema  2a  und  b.)  Die  Stimmgabeluntersuchung 
brachte  ein  identisches  Resultat.  Die  Gegend  oberhalb  davon  in 
einer  gürtelartigen  Zone  um  den  ganzen  Brustkorb  herum  erwies 
sich  als  leicht  überempfindlich.  Die  Spinalpunktion  ergab  einen 
Druck  von  75  mm  H2O,  Liquor  klar,  farblos,  sehr  starke  Nonne  sehe 
Reaktion,  9  Zellen  im  Kubikmillimeter.  Bald  nach  der  Aufnahme  trat 
Verschlimmerung  ein.  Die  Ataxie  nahm  rasch  zu,  der  Oberkörper 
konnte  aus  Rückenlage  nur  mit  Unterstützung  der  Arme  gehoben 
und  gedreht  werden;  starke  Herabsetzung  der  groben  Kraft  der 
Beine,  die  Muskulatur  fühlte  sich  schlaffer  an  bei  gut  erhaltener 
elektrischer  Erregbarkeit,  die  Bauchdeckenreflexe  schwanden;  die 
Grenze  der  Hauthypästhesie  stieg  bis  zur  Rippenbogenhöhe,  wo  sie 
konstant  blieb,  die  Hyperästhesie  reichte  bis  zur  Brustwarzenhöhe 
hinauf.  Die  Gefühlsstörung  war  jetzt  auch  mit  den  gewöhnlichen 
Methoden  nachweisbar. 

Weiter  gab  Pf.  an,  jetzt  vermehrte  gürtelartige  Schmerzen  in 
Brustwarzenhöhe  zu  haben,  ohne  bestimmten  Sitz.  Die  Muskel¬ 
zuckungen,  über  die  er  in  dieser  Zone  klagte,  wurden  nicht  beob¬ 
achtet,  erscheinen  aber  glaubhaft,  ln  den  letzten  Tagen  vor  der 
Verlegung  zur  chirurgischen  Klinik  war  die  Miktion  erschwert. 

Die  objektiven  Symptome  waren  also  bereits  bei  der  Aufnahme 
im  wesentlichen  dieselben  wie  bei  Fall  1,  wurden  während  der  Beob¬ 
achtung  noch  deutlicher  und  verrieten  einen  noch  beginnenden,  aber 
schneller  fortschreitenden  Prozess. 

Die  Segmenthöhe  der  Läsion  wurde  im  ersten  Falle  auf 
D.  9,  im  zweiten  Falle  auf  D  4 — 5  bestimmt.  Beide  Male 
wurde  der  Tumor  genau  in  der  von  uns  angenommenen  Höhe 
gefunden  und  dadurch  unnötiger  Verlust  an  Wirbelbögen  ver¬ 
mieden.  Beide  Male  handelte  es  sich  um  gestielte  intradurale 
Neurofibrome;  der  Tumor  war  in  Fall  1  7  cm  lang  und  2,4  mal 
2  cm  dick  und  hatte  das  Mark  zu  einem  wenige  Millimeter 
dicken  Band  komprimiert,  in  Fall  2  war  er  3  cm  lang  und 
1,5  dick,  einem  langgezogenen  Ei  ähnlich,  er  hatte  nur  eine 
leichte  Delle  in  das  Mark  gedrückt.  Leider  sind  beide  Fälle 
infolge  von  Sekundärinfektion  an  Meningitis  zugrunde  ge¬ 
gangen. 

Gute  Dienste  leistete  mir  die  oben  beschriebene  Methode 
der  Sensibilitätsprüfung  in  beiden  Fällen,  in  denen  alle  son¬ 
stigen  Versuche  versagt  oder  ein  zu  undeutliches  Resultat  ge¬ 
liefert  hatten.  Es  besteht  dabei  freilich  der  Nachteil,  dass  der 
Untersucher  sich  noch  mehr  als  sonst  auf  die  Angaben  des 
Patienten  verlassen  muss  und  wohl  auch  einmal  durch  absicht¬ 
liche  Täuschung  irregeführt  werden  kann.  Doch  dürften  die 
Fälle,  in  denen  solche  Täuschung  versucht  wird,  wohl  recht 
selten  sein,  und  das  bei  unauffälliger  Prüfung  positiv 
befundene  Babinski  sehe  Phänomen,  das,  wie  uns  kürzlich 
ein  Fall  zeigte,  auch  künstlich  nachgemacht  werden  kann, 
dürfte  wohl,  wenn  es  konstant  auftritt,  mit  absoluter  Sicher¬ 
heit  eine  Täuschung  ausschliessen. 

Auf  demselben  Prinzip  beruht  die  von  S  c  h  u  1 1  z  e  an¬ 
gegebene  Methode,  die  Grenze  der  Hypästhesie  durch  Ab¬ 
wärtsstreichen  mit  dem  Finger  zu  bestimmen.  Auch  die 
Stimmgabelprüfung  (durch  Aufsetzen  des  mit  einer  kleinen 
Platte  armierten  Griffes  auf  die  Haut  und  langsames  Weiter¬ 
schieben  auf  derselben  unter  möglichst  gleichmässigem 
sanftem  Druck)  hat  uns  in  beiden  Fällen  sehr  genützt.  Doch 
ist  das  Resultat  der  letztgenannten  drei  Prüfungsarten  nur  zu 
vermerken,  wenn  die  bei  auf-  und  abwärtssteigender  Unter¬ 
suchung  angegebenen  Grenzen  sich  bei  wiederholter  Prüfung 
als  konstant  erweisen.  Nur  so  ist  eine  sichere  Segment¬ 
diagnose  möglich. 

An  selteneren  Erscheinungen  fand  sich  bei  Fall  1  ein 
Genu  recurvatum  beiderseits  (Störung  der  Gelenksensibiiität 
im  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  Ataxie  der  Unter¬ 
extremitäten)  bei  Fall  2  ein  vorübergehendes  angioneurotisches 
Oedem  beider  Beine. 


13.  Mai  191 J. 


Ml  ENCHENER  MEDIZINISCHE  WoCHeNSCHRIE1 


Differentialdiagnostisdi  kamen  in  beiden  Fällen  in  Be- 
raclit.  Atypische  multiple  Sklerose,  Seitenstrangparalyse 
jummibildung,  Kompression  durch  Spondylitis  und  durch 
mchymeningitische  Herde  der  Dura. 

Die  beiden  ersteren  Affektionen  mussten  in  dem  Moment 
lusscheiden,  als  die  Sensibilitätsstörung  in  ihrer  so  überaus 
ypischen  Abgrenzung  erkannt  worden  war;  schon  vorher 
eurde  multiple  Sklerose  durch  das  Fehlen  von  Nystagmus  und 
vugenhintergrundsveränderungen  und  durch  die  Intaktheit  des 
anzcn  Obcrköi  pers  nahezu  sicher  ausgeschlossen  Der  Qe 
anke  an  Spondylitis  musste  fortfallen,  da  die  Wirbel  sich 
ei  Druck  und  bei  Beklopfen  als  intakt  erwiesen  (bei  Fall  2 
^ornf°rtsatz  bei  starkem  Druck  eine  Spur 
mpfindhch)  und  auch  das  Röntgenbild  keine  Wirbelverände- 
ungcn  zeigte.  Gegen  Lues  sprach  die  fehlende  Anamnese, 
as  Fehlen  jeglicher  sonstiger  Erscheinungen  an  Haut, 
chleimhaut  und  Drüsen,  sowie  der  negative  Wassermann 
Eine  entscheidende  Rolle  spielte  das  Ergebnis  der  Lumbal- 
unktion.  Bei  der  hohen  Wichtigkeit  dieses  so  ungefährlichen 
ingri.fs  \  c  i  lohnt  es  sich,  die  wesentlichsten  Merkmale  der 
iquoruntersuchung  zusammenzufassen. 

normale  Liquor  gibt  bei  Ammoniumsulfatzusatz  1:1 

.■ine  rriibung,  im  Kubikmillimeter  finden  sich  1 _ 6 _ 7  Zellen, 

ist  wasseiklar,  enthält  oft  feinste  „Sonnenstäubchen“ 
)rgelmeister).  Geringe  Eiweissvermehrung  (Auftreten  von 
ichter  Opaleszenz  bei  Ammoniumsulfatzusatz  nach  (Nonne) 
idet  sich  bei  fast  allen  Luetischen,  auch  wenn  eine  Erkran- 
ing  des  Gehirns  und  des  Rückenmarks  klinisch  nicht  nach- 
eisbar  ist,  besonders  bei  Tabes  und  Paralyse,  sowie  Lues 
Tebrospmahs,  ferner  in  seltenen  Fällen  von  multipler  Skerose 
id  Epilepsie.  Sie  kann  bei  allen  Rückenmarksleiden  auf- 
eten,  ohne  irgendwelche  diagnostische  Bedeutung  zu  haben, 

-  zeigt  nur  an,  dass  etwas  Krankhaftes  im  Bereich  der 
eningen  oder  des  Marks  (und  Gehirns)  vorliegt.  Wesentlich 
iihtiger  für  die  Diagnose  ist  die  Zellvermehrung.  Bei  Lues 
er  metaluetischen  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems 
den  sich  Werte  bis  über  500  Zellen  im  Kubikmillimeter; 
ch  unseren  Beobachtungen  schwanken  die  Zahlen  meist 
rischen  20  und  200.  Nach  Reichmann  ist  die  Kombi- 
hon  von  schwacher  N  o  n  n  e  scher  Reaktion  mit  mittlerer 
llvermehrung  als  charakteristisch  für  Lues  anzusehen, 
üben  Liquor  mit  mittlerem  bis  hohem  Eiweissgehalt  und 
irkei  Pleozytose  (bis  1000  und  mehr  Zellen,  vorzugsweise 
Iynukleäre)  findet  man  bei  purulenter  Meningitis,  während 
[i  der  tuberkulösen  Meningitis  meist  mittlere  Werte  vor- 
rschen.  Hier  sichern  die  Tuberkelbazillen  die  Diagnose. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  starke  Eiweissvermehrung 
i  bunden  mit  gar  keiner  oder  nur  geringer  Pleozytose.  Der 
lärme  Liquor  ist  klar,  bei  sehr  hohem  Eiweissgehalt  tritt 
weilen  eine  Gelbfärbung  auf,  die  als  Zitronen-,  gold-,  bern- 
mgelb  beschrieben  wird,  die  fast  ölig  aussehende  Flüssig-, 
t  gerinnt  schnell,  ergibt  bei  der  N  o  n  n  e  sehen  Reaktion 
rke  wolkige  bis  feindockige  I  riibung  und  nach  längerem 
hen  einen  dicken  Bodensatz.  1904  hat  R  i  n  d  f  1  e  i  s  c  h  als 
ter  auf  die  bei  Rückenmarkstumoren  vorkommende  Gelb- 
bung  und  Eiweissvermehrung  des  Liquors  hingewiesen 
)tzdem  vergingen  mehrere  Jahre,  ohne  dass  systematisch 
jh  diesem  auffallenden  Symptom  geforscht  wurde.  1908 
09  beschrieb  Küttner9  Fälle,  von  denen  im  ganzen  nur 
unktiert  zu  sein  scheinen,  wenigstens  ist  nur  in  diesen  die 
-eissvermehrung  angegeben,  bei  den  letzten  3  Fällen  war 
Zellzahl  vermehrt. 

Reichmann  war  der  erste,  der  den  Kontrast  zwischen 
eissgehalt  und  Zeilenzahl  als  absolut  charakteristisch  für 
•n  raumbeengenden  Prozess  im  Rückenmarkskanal  be- 
•hnete.  Dieser  Satz  muss  auch  heute  noch  auf  Grund 
terer  Beobachtungen  als  zu  Recht  bestehend  anerkannt 
den.  Nur  ist  zu  beachten,  dass  damit  nicht  die  vorüber¬ 
ende  Gelbfärbung  des  Liquors  nach  Blutungen  im  Bereich 
Duralsackes  bezw.  der  Gehirnhöhlen  verwechselt  werden 


1035 


Woher  Eiweissvermehrung  und  Xantochromie  stammen, 
'noch  unsicher.  Manches  spricht  dafür,  dass  sie  durch 
uing  (Raven)  zustande  kommen.  In  einem  Falle  von 
eneberger  war  der  Liquor  unterhalb  des  Tumors  gelb, 


oberhalb  desselben  farblos.  Baruch  hat  dasselbe  beob- 
achtct  und  verwertet  es  bei  unsicherem  Sitz  des  Tumors  als 

n m  vf S] u'a  1 C ^ e ?,  dafi>r,  ob  sich  der  Operateur  oberhalb  oder 
unterhalb  desselben  befindet.  In  einem  Fall  von  F.  Krause 
war  die  Dura  unterhalb  des  Tumors  durch  Liquor  straff  ge¬ 
spannt  und  wie  eine  Hydrozele  durchscheinend.  Ob  die  An¬ 
nahme  B  a  r  u  c  h  s  zutrifft,  dass  der  Tumor  selbst  eine  eiweiss- 
i  eiche  Flüssigkeit  absondert  analog  den  Pleuraergüssen  bei 
Neoplasmen  oder  ob  in  der  gestauten  Lumbalflüssigkeit  eine 
autoL  tische  Eiweissveränderung  oder  eine  Anreicherung  des 
Eiweissgehaltes  durch  den  verminderten  Abfluss  vor  sich  geht, 
darüber  wissen  wir  noch  nichts  Bestimmtes.  Auch  kapillare 
Blutungen  sind  dafür  verantwortlich  gemacht  worden. 

Für  diese  Differentialdiagnose  zwischen  extra-  und  intra- 
dmalen  I  umoren  hat  nach  Nonne  der  Liquorbefund  keinen 
Wert,  desgleichen  dafür,  ob  es  sich  um  intra-  oder  extramedul¬ 
lären  Tumor  handelt.  Freilich  sind  diese  Unterscheidungen  für  die 
Praxis  nicht  von  grosser  Bedeutung,  insofern  der  Kranke  nur 
durch  die  möglichst  frühzeitige  Operation  die  Möglichkeit 
findet,  dem  bestimmt  qualvollen  Ende  zu  entgehen.  Die  alte 
Ansicht,  dass  intramedulläre  Tumoren  unter  allen  Umständen 
unangreifbar  seien,  ist  durch  mehrere  vorzügliche  Heilerfolge 
der  letzten  Jahre  widerlegt. 

Grosse  Bedeutung  wurde  von  jeher  den  neuralgischen 
vv  urzelsymptomen  (Gürtelschmerzen)  beigelegt.  Es  ist  ver¬ 
ständlich,  dass  diese  am  stärksten  bei  extraduralem  und  dor¬ 
salem  Sitz  des  Tumors  sein  müssen,  da  hier  der  Druck  der 
Geschwulst  am  ehesten  die  austretenden  sensiblen  Wurzeln 
reizen  kann.  Bei  intramedullären  und  bei  ventral  zum  Mark 
gelegenen  extramedullären  Tumoren  können  umgekehrt  die 
Schmerzen  völlig  fehlen,  da  hier  der  Druck  des  Tumors  sich, 
besonders  solange  dieser  noch  klein  ist,  nur  auf  das  Mark 
bezw.  auf  die  motorischen  Wurzeln  erstreckt.  In  diesem 
letzteren  Falle  (Beobachtung  von  Oppenheim)  herrschen 
die  Zeichen  von  Muskelatrophien  innerhalb  eines  engum- 
grenzten  Gebietes  vor.  Man  darf  demnach  die  Diagnose  nicht 
unbedingt  von  den  sensiblen  Reizerscheinungen  abhängig 
machen. 

Ueberblickt  man  die  Literatur  über  Rückenmarkstumoren, 
so  fällt  auf,  wie  die  Zahl  der  operierten  Fälle  in  den  letzten 
Jahren  ständig  wächst;  man  darf  daraus  wohl  nicht  mit 
Unrecht  schlossen,  dass  die  Erkrankung  jetzt  häufiger  diagno¬ 
stiziert  wird  als  früher.  Mancher  Fall,  der  früher  als  spinale 
Form  der  multiplen  Sklerose,  spastische  Spinalparalyse  auf- 
gefasst  wurde  und  unter  „exspektativer  Therapie“  seinem 
Leiden  erlag,  wäre  vielleicht  bei  sorgfältiger  Sensibilitäts¬ 
prüfung  mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Methoden  und  bei 
kritischer  Würdigung  des  Liquorbefundes  zu  retten  gewesen. 

^er  M'hben  Prognose,  die  alle  segmentären  spinalen 
Affektionen  geben,  ist  der  Grundsatz  mehr  als  anderswo 
gerechtfertigt,  dass  man  lieber  einmal  einen  Tumor  zu  viel 
diagnostizieren  und  dem  Chirurgen  zuführen  soll,  als  dass 
man  aus  Scheu,  es  könne  ein  Irrtum  vorliegen,  die  vielleicht 
lebensrettende  Operation  unterlässt.  Besonders  einsichtige 
Patienten  werden  sich  lieber  dem  Risiko  unterwerfen,  durch 
die  auch  noch  heutzutage  nicht  ungefährliche  Operation  zu¬ 
grunde  zu  gehen,  als  einem  hoffnungslosen  schmerzvollen 
Siechtum  entgegensehen. 


L  i  t  e  r  a  t  u 


r. 


,  N°  11  n  e :  Jahresversammlung  deutscher  Nervenärzte  in  Heidel¬ 
berg  190K  —  D  e  r  s.:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  38  — 
D  e  r  s. :  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  40.  —  S  c  h  u  1 1  z  e  • 
Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  16.  —  Der  s.:  Deutsche 
med.  Wochenschr  1912,  H.  36.  -  S  c  h  m  i  d  t:  Deutsche  Zeitschr.  f. 
Nervenheilkunde,  Bd.  24.  —  B  r  u  n  s:  Archiv  f.  Psychiatrie,  Bd  28  — 
Krause:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1908  u.  1910  —  Oppen¬ 
heim:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1902  u.  1908  —  Reich  mann- 
Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  42.  —  Ders  •  Deutsche 
Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  42.  —  Ders.:  Zeitschr.’  f  d  ges 
Neurologie  u.  Psychiatrie  1912.  -  Baruch:  Kongress  d.  deutschen 

?rhSre  SCiano  ?o,nirffie  Ä912<  T  Kiittner:  Berliner  klin.  Wochen- 
schnft  1909  u.  1910.  —  Orgelmeister:  Archiv  f.  klin.  Medizin, 

pi  Rindfleisch:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde, 

Foto  1 1  e  r i  e  b  e  r  g  e  r :  Monatsschr.  f.  Psych.  u.  Neurologie 

Raven:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde, 

Bd.  44. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19. 


1036 

Erfolgreiche  Behandlung  eines  inoperablen  Mandel-  Zur  Behandlung  der  Tabes,  besonders  der  Schmerzer 
sarkoms  mit  Cuprase  und  Röntgenstrahlen.  und  Parästhesien. 


Von  I  Ir.  med.  W  o  1  z  e  und  I)r.  med.  Alexander  Pagen¬ 
stecher  in  Braunschweig. 

Das  grosse  Interesse,  das  der  sogenannten  kombinierten 
Methode  bei  der  Behandlung  bösartiger  Geschwülste  ent- 
gegengebraeht  wird,  veranlasst  uns  zur  Mitteilung  eines  ein¬ 
schlägigen  Falles. 

Es  handelt  sich  um  ein  sowohl  von  halsspezialistischer 
wie  von  chirurgischer  Seite  als  inoperabel  bezeichnetes, 
histologisch  diagnostiziertes  Sarkom  der  rechten  Tonsille  mit 
Uebergreifen  auf  die  Pharynxwand  und  starken  Ulzerationen. 
I  )er  68  jährige  Mann  hatte  in  drei  Monaten  (das  Sarkom  be¬ 
stand  9  Monate)  sehr  stark  an  Gewicht  abgenommen,  konnte 
nur  noch  flüssige  Nahrung  zu  sich  nehmen  und  litt  an  Foetor 
ex  ore  mit  stinkendem  schleimigen  Auswurf  und  den  üblichen 
Folgeerscheinungen  (Dyspepsie,  Agrypnie  u.  s.  w.) 

Da  die  früher  von  uns  mit  Antimeristem  Schmidt  und 
Röntgentiefenstrahlen  gemachten  Versuche  ein  zufrieden¬ 
stellendes  Resultat  nicht  ergeben  hatten,  kam  der  eine  von 
uns  (W  o  1  z  e)  auf  den  Gedanken,  ein  neues  Mittel  zu  ver¬ 
suchen  und  wandte  die  Cuprase  an,  ein  Mittel,  über  das,  so¬ 
weit  die  Literatur  zur  Verfügung  steht,  in  Deutschland  noch 
nicht  berichtet  worden  ist.  Nur  eine  Referatnotiz  in  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  11.,  S.  487  berichtet  von 
Erfolgen,  die  ein  italienischer  Arzt  bei  der  Karzinombehand- 
lung  mit  diesem  Mittel  gehabt  haben  will. 

Unser  Patient  bekam  von  Mitte  November  1912  an  die  Cuprase- 
einspritzungen,  und  zwar  wurden  8  je  5  ccm  enthaltende  Ampullen  ein¬ 
gespritzt,  die  zusammen  0,00908  reines  Kupfer  enthielten;  die  Ein¬ 
spritzungen  wurden  auf  7  Wochen  verteilt.  Nebenerscneinungen,  ab¬ 
gesehen  von  geringer  Mattigkeit,  wurden  nicht  beobachtet. 

Der  Erfolg  ausserte  sich  deutlich  in  einer  Besserung  des  vorher 
ganz  darniederliegenden  Allgemeinbefindens  und  in  einem,  wenn  auch 
geringen,  Rückgang  des  Tumors.  Zur  Verbesserung  des  erreichten 
Erfolges  wurde  der  Tumor  von  Mitte  Dezember  in  dem  Röntgen¬ 
laboratorium  des  andern  von  uns  (Pagenstecher)  einer  ener¬ 
gischen  Röntgenbehandlung  unterzogen.  Es  wurde  in  3  Serien  bei 
verschiedenen  Einfallspforten  (Mund,  Nacken,  Wangen)  unter  2  bis 
3  mm  Aluminiumfilter  bestrahlt  und  im  ganzen  bei  einem  Röhren¬ 
abstand  von  durchschnittlich  20  cm  50  unter  dem  Filter  gemessene 
Holzknechteinheiten  verabreicht.  Dib  deutliche  Besserung  zeigte  sich, 
ohne  dass  irgend  eine  Hautreizung  eintrat,  bereits  nach  6  Sitzungen 
(20  H.).  Der  Tumor  wurde  kleiner  und  kleiner  und  heute  ist  nur 
noch  eine  geringe  Vergrösserung  der  Mandel  mit  einem  etwa  hasel¬ 
nussgrossen  harten  Tumor  an  der  hinteren  Pharynxwand  zu  sehen. 
Der  Befund  hat  sich  seitdem  bis  heute  nicht  geändert.  Patient  fühlt 
sich  vollkommen  wohl,  hat  26  Pfund  an  Gewicht  zugenommen  und 
nimmt  am  1.  April  seine  Tätigkeit  als  Schuldiener  wieder  auf. 

Kurz  zusammengefasst  ergibt  sich:  Ein  histologisch  dia¬ 
gnostiziertes  Sarkom  ist  unter  der  kombinierten  Behandlung 
von  Cuprase  und  Röntgenstrahlen  zur  Latenz  gebracht 
worden,  wobei  wir  beiden  Faktoren,  sowohl  der  Cuprase  wie 
den  Röntgenstrahlen,  einen  gewissen  Anteil  zuweisen  möchten; 
denn  die  Verkleinerung  des  Tumors  war  schon  da,  bevor  das 
rasche  Schwinden  der  Geschwüre  durch  die  Röntgenstrahlen 
eintrat.  Soweit  wir  orientiert  sind,  sind  relativ  hohe  Röntgen¬ 
dosen  (wir  applizierten  in  einigen  Sitzungen  5—6  H.  auf  die 
Wangenhaut  unter  2  mm  dicken  Aluminium  und  hatten 
keine  Hautreaktion)  bei  Applikation  auf  die  Gesichtshaut 
noch  nicht  angewendet  worden,  doch  hielten  wir  uns  nach 
den  Erfahrungen  von  (iauss  über  die  Einwirkung  der  durch 
Aluminium  filtrierten  Strahlen  auf  die  Haut  dazu  berechtigt, 
diese  Dosen  anzuwenden. 

Von  einer  Heilung  kann  man  natürlich  in  dem  vorliegen¬ 
den  Falle  noch  nicht  sprechen,  wir  glauben  aber  nach  unseren 
Beobachtungen,  die  wir  an  weiteren  geeigneten  Fällen  fort¬ 
setzen  wollen,  einen  Versuch  mit  Cuprase  in  Verbindung  mit 
einer  intensiven  Röntgenbehandlung  bei  inoperablen  Tumoren 
empfehlen  zu  können,  vorausgesetzt,  dass  die  Fälle  nicht  gar 
zu  spät  zur  Behandlung  überwiesen  werden  und  eine  sorg¬ 
fältige  Kontrolle  des  Allgemeinzustandes  stattfindet. 


Von  Augenarzt  Dr.  Hirsch  in  Halberstadt. 

Vor  Jahresfrist  wies  ich  darauf  hin  ‘),  dass  schwere  post¬ 
operative  Augenentzündungen  durch  subkutane  oder  intra¬ 
muskuläre  Applikation  der  sogen.  Injektion  Dr.  Hirsch1') 
(Chcm.  Fabrik  von  Heyden)  ausserordentlich  günstig  beein¬ 
flusst  werden.  Es  handelt  sich  in  diesen  Fällen  um  schmerz¬ 
hafte  Entzündungen  des  Corpus  ciliare,  das  zum  Gebiet  des 
I.  Trigeminus  gehört.  Nach  einer  am  Rücken  vorgenommenen 
Einspritzung  lassen  die  Schmerzen  fast  augenblicklich  nach, 
der  Patient,  welcher  noch  soeben  den  schmerzenden  Kopf 
lichtscheu  in  die  Kissen  vergraben,  blickt  ruhig  geradeaus, 
die  Entzündungserscheinungen  gehen  zurück,  und  oft  wird  ein 
schon  von  Panophthalmie  bedrohtes  Auge  durch  wenige  Injek¬ 
tionen  von  je  ‘1,0 — 2,0  ccm  gerettet. 

Hier  sehen  wir  also  eine  sehr  schnell  durch  das  Akoini 
und  Hydrg.  oxycyanat.  bewirkte  Leitungsanästhesie  und 
gleichzeitige  Heilung  in  einem  peripheren  ent-! 
zündeten  Nervengebiet.  Es  fragt  sich  deshalb,  oh 
das  Präparat  auch  in  anderen  Fällen  von  Entzündung  und 
Schmerzen  peripherer  Nerven  eine  ähnliche  Wirkung  zu  ent¬ 
falten  imstande  ist. 

Nach  anatomischen  Untersuchungen  von  Schiissler1) 
handelt  es  sich  bei  „t  a  b  i  s  c  h  e  n  Krise  n“  um  nichts  an¬ 
deres  als  periphere  Neuritis  oder  P  e  r  i  n  e  u  r  i  t  i  s.l 
Tatsächlich  wirkt  auch  in  solchen  Fällen,  soweit  ich  zu  beoL1 
achten  Gelegenheit  hatte,  mein  Präparat  in  ähnlicher  Weise 
wie  bei  der  operativen  Zyklitis. 

Fälle  von  Tabes  kommen  infolge  der  häufigen  Beteiligung [ 
des  Sehapparates  in  allen  Stadien  in  die  Behandlung  des 
Augenarztes,  und  ich  will  einige  Beispiele  kurz  mitteilen,  in 
welchen  es  sich  zum  Teil  um  heftige,  anfallsweise  Schmerzen 
in  einzelnen  Nervengebieten,  „Krisen“,  handelte,  zum  Teil  um 
„rheumatoide“  Schmerzen  neben  anderen  Symptomen,  die 
man  als  spät  syphilitische  oder  tabische  auffassen  kann. 

Fall  1.  M.  B.,  Handschuhdresseur,  43  Jahre  alt.  Zu  Ende  der. 
Militärzeit  Ulcus  durum,  lokal  und  mit  Pillen  behandelt,  später 
nicht  wieder. 

Kommt  am  6.  IX.  1 1  mit  Tabes  imataktischenStadi  um 
in  Behandlung:  Pupillenstarre  nur  auf  Lichteinfall.  Sehnerven¬ 
atrophie,  links  vorgeschritten.  Fehlen  der  Patellarreflexe.  Stamp¬ 
fender,  unsicherer  Gang.  Blasenschwäche.  Daneben  schweres 
Vitium  cordis  (Mitralinsuffizienz). 

Die  subjektiven  Klagen  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  die  i 
Schwäche  der  Beine  und  die  Blasenbeschwerden. 

Pat.  erhält  vom  6.  bis  21.  IX.  1911  6  Injektionen  von  je  1.8 j 
bis  2,5  ccm  subkutan  am  Rücken. 

Am  11.  IX.  Allgemeinbefinden  etwas  besser,  am  18.  IX.  Blasen¬ 
beschwerden  gebessert,  Gang  sicherer.  Am  20.  IX.  hat  Pat.  einen1 
mehrere  Kilometer  entfernten  Ausflugspunkt  zu  Fuss  besucht, 
wozu  er  seit  Jahren  nicht  mehr  imstande  gewesen. 

Am  9.  X.  11  nimmt  er  seine  Arbeit  wieder  auf,  erhält  aber 
weitere  Injektionen  bis  zum  6.  XI.,  im  ganzen  17. 

Am  18.  III.  1912  erscheint  Pat.  mit  Klagen  über  das  Sehvermögen 
und  Gürtelgefühl  rechts  hinten  wieder.  Auch  verschluckt  er! 
sich  leicht.  —  Keine  Behandlung. 

Am  15.  IV.  12  kommt  der  Kranke  wegen  heftigen  Gürtel¬ 
schmerzes  wieder.  Auf  Injektion  Dr.  H.  mit  Zusatz 
einiger  Teilstriche  lproz.  Akoinlösung  lässt  der 
Schmerz  innerhalb  2 — 3  Minuten  nach  und  bleibt  bis  zum  24.  IV. 
gering. 

Bis  zum  14.  V.  12  wird  die  Einspritzung  noch  dreimal  wieder-  i 
holt.  Pat.  bleibt  danach  regelmässig  tagelang  schmerzfrei.  Da  als¬ 
dann  bronchitische  Erscheinungen  auftraten,  musste  Krankenhaus¬ 
behandlung  empfohlen  werden.  Das  Befinden  ist  zurzeit  —  Ende  | 
Januar  1913  —  wenig  verändert,  der  Kranke  arbeitet  sogar  zeitweise. 

Fall  2.  H.  S.,  Hoteldiener,  36  Jahre  alt.  Vor  10  Jahren  Ulcus. 

4  Wochen  Inunktionen,  seitdem  ohne  Behandlung. 

Kommt  am  22.  XI.  1910  mit  den  Symptomen  einer  beginnen- 
d  e  n  Tabe  s. 

Subjektiv:  Blendung  des  linken  Auges,  Doppelsehen,  Taub¬ 
heit  der  Beine  und  Zehen,  Parästhesien  und  Temperaturüberempfind¬ 
lichkeit  am  Rumpf,  Gürtelgefühl,  lanzinierende  Schmerzen. 

Objektiv:  Partielle  Ptosis  und  sonstige  Okulomotoriusparese 
links.  Linke  Pupille  5  mm,  rechte  4  mm.  Lichtreflex  fehlt.  Patehar- 


’)  Wochenschr.  f.  Ther.  u.  Hyg.  d.  Auges  1912,  No.  22. 

2)  Hydrarg.  oxycyan.  1  Proz.,  Akoin  0,4  Proz.  in  Wasser  löslich 
gemacht. 

;!)  Zentralbl.  f.  Chir.  1911,  29,  ref.  Allg.  med.  Zentralztg.  1912,  /• 


1037 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


i  cflex  beiderseits  stark  erhöht  (Streckbewegung  des  Kopfes).  Rom- 
•erg  negativ.  Hautsensibilitätsstörungen. 

Unter  Injektionen  rasche  subjektive  Besserung  Am  I9  I  1911 
>  ird  —  nach  20  Einspritzungen  zu  2.0— 2,3  ccm  —  folgender  Befund 
rhoben :  I  tosis  und  sonstige  Okulomotoriusparese  geheilt, 
’upillen  beiderseits  4  mm,  auf  Licht  schwach  reagierend,  Patellar- 
cfiexe  wenig  erhöht.  Gürtelgefühl  bis  auf  eine  fünfmarkstückgrosse 
teile  im  linken  Hypochondrium  verschwunden.  Links  3 ,  rechts 
.  Zehe  noch  etwas  taub. 

Pat.  erscheint  seitdem  etwa  halbjährlich  immer  wieder  mit  ähn- 
clien  Beschwerden,  welche  regelmässig  durch  eine  Anzahl  Injektionen 
elioben  werden,  die  nicht  nur  ohne  alle  Nebenerschei- 
u  n  gen  gut  vertragen  werden,  sondern  zeitweise  auch  auf 
ie  lästige  Hartleibigkeit  günstig  wirken. 

Am  14.  XI.  1911  wird  der  Kranke  beispielsweise  wegen  grosser 
llgeinemer  Mattigkeit  wieder  zu  mir  geführt.  Er  ermüdet  beim 
leppensteigen,  kann  eine  35  kg  schwere  Last  kaum  mehr  bewältigen, 

1  dass  ei  seinen  Dienst  nicht  mehr  erfüllen  zu  können  fürchtet, 
r  klagt  auch  wieder  über  Parästhesien.  Bis  24.  XL  11  waren  diese 
uter  dei  üblichen  Behandlung  bis  auf  Taubheit  in  der  kleinen  Zehe 
orsch wunden,  die  Muskelkraft  wiedergekehrt,  Pat.  konnte  wie  früher 
Zentner  schwere  Koffer  tragen,  er  fühlt  sich  „wie  neugeboren". 

Er  ist  zurzeit  fast  ohne  Beschwerden  in  seinem  Beruf  tätig. 

Fall  3.  E  S„  Kaufmannsfrau,  45  Jahre  alt.  In  Behandlung 

.treten  am  5.  XII.  1910. 

Vor  17  Jahren  zugleich  mit  dem  Ehemann  Inunktionskur.  Vor 
Jahren  Ptosis,  seit  2  Jahren  schwerhörig.  Nach  einem  Abort  erhielt 
e  fi ü he r  2  Injektionen  (Sublimate),  die  aber  so  schmerzhaft  waren, 
iss  sie  sich  der  weiteren  Behandlung  entzog. 

Sie  klagt  über  lanzinierende  Schmerzen,  gastrische  Krisen 
Magenschwäche“).  Seit  3  Tagen  Diplopie  (Parese  des  rechten 
.  obliq.  sup.).  Psoriasisartiges  Exanthem  des  ganzen  Rückens,  das 
it  mehreren  Jahren  besteht.  Allgemeine  grosse  Körperschwäche. 
Am  5.  XII.  1910  1,5  ccm.  Danach  Leibschmerz,  Diarrhöe. 

/\m  6.  XII.  1,0  ccm  subkutan.  Gut  vertragen. 

Am  8.  XII.  allgemein  besseres  Befinden.  Diplopie  und 
soriasis  viel  geringer.  Am  10.  XII.  ist  auch  das  Gehü  r 
bessert.  Bis  12.  XII.  sind  sämtliche  Symptome,  auch  das 
x  a  n  t  h  e  m  am  Rücke  n,  zum  grössten  Teil  beseitigt.  Pat  wird 
;ch  18  Injektionen  am  21.  I.  1911  entlassen.  Sie  berichtet  im 
iril  1912,  dass  sie  sich  wohl  befindet. 

Fall  4.  II.  K.,  Zimmermann,  41%  Jahre  alt.  Kam  am  10.  XII. 

II  in  Behandlung  mit  folgendem  Status: 

^  ®  h  n  e  r  v  e. 11  a  f r  0  P  h  i  e  (rechts  Vr,  links  1Us  der  normalen 
nscharfe).  M  i  o  s  i  s,  Lichtstarre.  Rotgrünblindheit,  übrige 
rben  unsicher  erkannt.  Fehlen  des  Patellarreflexes 
renne  n“  in  einem  halbgürtelförmigen  Bezirk  linker- 
its.  Hypästhesie  ebenfalls  der  linken  Körperhälfte  mit  insei  - 
rniger,  Unterbrechungen.  —  Mitralinsuffizienz.  Puls  117.  Tem- 
ratur  und  Harn  normal,  ebenso  die  zerebralen  Funktionen. 

Anamnese:  Hat  3  Jahre  bei  der  Marine  gedient.  Von  Lues 
:hts  nachweisbar,  ausser  positivem  Wassermann  bei  einmaliger 
tersuchung.  5  Kinder,  kein  Abort.  —  Dagegen  erlitt  K.  im  Juli  1906 
icn  Sturz  aus  3,5  m  Höhe  auf  die  linke  Seite  des  Rückens  mit 
igerer  Bewusstlosigkeit.  2  Monate  später  traten  —  offenbar  als 
de  Symptome  des  Rückenmarksleidens  —  heftige  Rücke n- 
hmerzen  auf,  welche  in  die  linke  Seite  ausstrahlten.  Er  wurde 
tdem  häufig  von  verschiedenen  Aerzten  mit  Dampfbädern,  Lim¬ 
iten,  Salben,  Pflastern  ohne  Erfolg  behandelt. 

Es  wurden  subkutane  Injektionen  von  1,3— 2,0  ccm  —  zeitweise 
't  Zusatz  von  1  proz.  Akoinlösung  —  vorgenommen,  nach  welchen 
heftige  Interkostalneuralgie  innerhalb  einiger  Minuten  für  einen 
mehrere  Tage  verschwand.  Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich 
März  1912,  dagegen  schreitet  die  Sehnervenatrophie  langsam 
t.  Seit  7.  Nov.  1912  war  bis  jetzt  keine  Injektion  mehr  er¬ 
derlich. 

Fall  5.  C.  B„  Bierverleger,  43  Jahre  alt.  Kommt  am  29.  VII. 

2  in  Behandlung,  weil  er  mit  dem  linken  Auge  schlechter  sehe. 
Er  wird  seit  einigen  Wochen  wegen  „akuten  Gelenk- 

eumatismus“  behandelt,  er  geht  sehr  schlecht,  mit  Unter- 
tzung  seiner  Frau. 

Status:  Sehschärfe  rechts  Vs,  links  Fingerzählen  dicht  am 
ge.  Pupillen  mittelweit,  licht  starr,  auf  Konvergenz  und 
isensuell  normal  reagierend.  Ophthalmoskopisch  ohne  Befund. 

Verlauf:  Nach  der  ersten  Injektion  von  1,1  ccm  am  29.  VII. 
ragt  der  Visus  3  Tage  spater  rechts  2/s,  links  Fingerzählen  in 
cm  Entfernung. 

Da  Diarrhöe  aufgetreten,  wird  die  zweite  Injektion  von  1,0  ccm 
t  am  2.  VIII.  vorgenommen.  Darauf  war  am  5.  VIII.  die  Sehschärfe 
hts  fast  normal,  links  Vio. 

Am  5.  VIII.  dritte  Injektion  von  1,2  ccm.  Am  8.  VIII.  reagieren 
le  Pupillen  auf  Licht.  Sehschärfe  rechts  fast  5U,  links  ih. 
Am  8.  VIII.  vierte  Injektion  von  1,2  ccm.  Kein  Rheu- 
tismus  mehr,  Pat.  geht  allein,  sicher.  Diarrhöe  trat  6  Stunden 
t  inject,  auf. 

Nach  der  achten  Einspritzung  betrug  die  Sehschärfe  auch  links 
■'/%.  Allgemeinbefinden  gut,  Rheumatismus  verschwunden.  —  Pat. 
ielt  im  ganzen  14  Injektionen  bis  zum  20.  IX.  —  Die  Diarrhöe  war 


mindestens  teilweise  durch  Diätfehler  (Gurkensalat  und  Bier)  ver¬ 
schuldet. 

Um  nicht  durch  Kasuistik  zu  ermüden,  sei  nur  mitgeteilt, 
dass  eine  ganze  Reihe  von  Fällen  Gelegenheit  bot,  bei  Giirtel- 
schnierz.  Interkostal-  und  anderen  Neuralgien  tabischen  Ur¬ 
sprungs  die  Schmerzen  durch  die  Injektion  immer  mit  so¬ 
fortigem  Erfolg  für  längere  Zeit  zu  beseitigen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  auch  unser  Präparat  nicht 
imstande  ist,  die  vollendeten  anatomischen  postsyphilitischen 
Degenerationen  zu  beseitigen.  Alte  Augenmuskellähmungen 
konnten  nicht  mehr  beeinflusst  werden.  Was  aber  noch  im 
Stadium  der  Tabes  zu  erzielen  ist,  zeigen  schon  die  mit¬ 
geteilten  Fälle. 

Nicht  oft  genug  kann  betont  werden,  dass  zahlreiche 
Luetiker  unter  der  Flagge  des  „Rheumatismus“  segeln;  unter 
meinen  Tabesfällen  fanden  sich  nur  wenige,  die  nicht  zeit¬ 
weise  wegen  „Rheumatismus“  mit  den  bekannten  Mitteln  be¬ 
handelt  worden  sind.  Die  Prüfung  der  Pupillenreflexe  oder 
der  rasche  Effekt  weniger  Injektionen  deckt  die  Natur  des 
Leidens  auf.  —  In  einem  Fall  von  „Pseudotabe  s“,  wo  es 
sich  um  Neuritis  alcoholica  handelte,  trat  ebenfalls  mit 
Hilfe  der  Injektionen  rasche  Heilung  ein.  Dagegen  blieben 
die  Einspritzungen  bei  einem  nichtluetischen  älteren  Manne 
mit  multiplen  Lähmungserscheinungen  von  seiten  der  Medulla 
oblongata  wirkungslos  und  verursachten  Verschlechterung  des 
Allgemeinbefindens. 

Fast  allgemein  gilt  wohl  das  Dogma  von  der  intensiveren 
und  anhaltenderen  Wirksamkeit  der  unlöslichen  Hg-Salze. 

In  ersterer  Beziehung  verweise  ich  auf  Fall  3  und  5.  Im 
Fall  3  wurden  jahrelang  bestehende  Symptome  durch  unser 
lösliches  Hg-Salz  in  intensiver  und  rascher  Weise  beein¬ 
flusst.  Im  Fall  5  erfolgte  die  Besserung  ebenfalls  so  prompt, 
wie  man  sie  heutzutage  nur  dem  Salvarsan  zuzuschreiben  ge¬ 
neigt  ist. 

Bezüglich  der  Dauer  der  Wirkung  sei  noch  folgende 
Beobachtung  mitgeteilt: 

Fall  6.  L.  R„  46  Jahre  alt,  Fabrikant.  Luetische  Infektion 
ui  der  Jugend.  Kinderlos  verheiratet.  Heisere  Sprache.  —  Kommt 
1906  wegen  einer  schmerzhaften  Iritis  luet.  dextra  in  Behandlung. 
Heilung  ohne  Residuen  durch  „Injektion  Dr.  H.“.  —  Hierauf  blieb  Pat. 
bis  1912  ohne  Beschwerden  und  Rezidiv,  so  dass  ich  seinem  später 
ausgesprochenen  Wunsch  einer  „Vorbeugungskur“  nicht  entsprechen 
zu  brauchen  glaubte.  Erst  1912  trat  eine  neue  heftige  Iritis  rechts 
mit  Herabsetzung  des  Sehens  auf  Unterscheidung  von  hell  und  dunkel 
auf,  welche  wiederum  durch  Injektionen  mit  völliger  Wieder¬ 
herstellung  des  Visus  geheilt  wurde. 

Ob  im  vorliegenden  Falle  die  zu  Rezidiven  neigende  Iritis 
durch  Inunktion  oder  Salvarsan  für  längere  Zeit  als 
6  Jahre  beseitigt  worden  wäre,  erscheint  recht  zweifelhaft. 
Bekanntlich  ist  schon  innerhalb  weniger  Monate  nach  Sal- 
varsanbehandlung  das  Auftreten  von  Iritis  luetica  festgestellt 
worden*  4).  Ich  selbst  sah  ein  junges  Mädchen  mit  einer 
luetischen  Augenaffektion,  welches  unmittelbar  vorher 
zwei  Salvarsaninjektionen  erhalten  hatte. 

Schliesslich  möchte  ich  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  auch 
mehrere  Fälle  von  Supraorbitalneuralgie  —  ohne 
sichere  Aetiologie  —  mit  den  Injektionen  behandelt  worden 
sind.  Es  wurde  immer  sofortige  Schmerzlosigkeit  erzielt.  Zu¬ 
weilen  blieben  neue  Anfälle  erst  nach  wiederholten  Ein¬ 
spritzungen  aus. 

Die  lege  artis  ausgeführten  Einspritzungen  des  Präpa¬ 
rates  bleiben  —  entgegen  der  Angabe  Zielers5)  —  auch 
in  grossen  Dosen  völlig  schmerzlos.  Zuver¬ 
lässige  Patienten  geben  zuweilen  ein  Gefühl  von  „Taubheit“ 
in  der  der  Injektionsstelle  zunächst  befindlichen  Extremität  an, 
eine  wenig  lästige  Erscheinung,  welche  etwa  5  Minuten  post 
inject,  auftritt  und  höchstens  eine  Stunde  dauert.  Jedenfalls 
wurde  die  Methode  von  den  meisten  Patienten,  die  eine  andere 
kennen  gelernt,  dieser  vorgezogen. 

Ich  hoffe,  dass  die  Kollegen  Nachprüfungen  nicht  nur  bei 
tabischen,  sondern  auch  bei  anderen  Neuralgien  vornehmen 
werden. 


’)  P.  Cohn:  Ehrlich-Hata  und  Auge.  Wochenschr.  f.  Ther. 

u.  Hg.  d.  Auges  1910,  1. 

5)  Reichsmedizinalkalender  für  1913. 


1038 


MUENCHENFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19. 


Eigentümliches  Verhalten  von  Fremdkörpern. 

Von  Dr.  C.  Sultan,  Spezialarzt  für  Chirurgie  in  Kiel. 


In  den  beiden  hier  beschriebenen  Fällen  konnte  vor  der 
Operation  die  richtige  Diagnose  nicht  gestellt  werden.  Die 
bestehenden  Krankheitserscheinungen  haben  jedenfalls  die 
Patienten  bewogen,  sich  der  Operation  zu  unterziehen,  die 
dann  auch  Klärung  der  Situation  und  Heilung  brachte. 

F  a  1 1  1.  Lehrer  M.  Schwächlich  gebauter,  magerer,  junger 
Mann.  An  der  rechten  Halsseite  ist  seit  etwa  3  Wochen  eine  Schwel¬ 
lung  aufgetreten  und  hat  in  den  letzten  Tagen  zugenommen,  ohne  be¬ 
sonders  empfindlich  zu  sein.  Zähne  sind  in  Ordnung.  Wegen  dieser 
Schwellung  sucht  M.  jetzt  ärztliche  Hilfe. 


Es  besteht  eine  ziemlich  derbe  Anschwellung  der  rechten  Hals¬ 
seite,  speziell  der  Partie  unter  dem  rechten  Kieferwinkel.  Die 
betreffende  Partie  ist  nicht  gut  gegen  die  Umgebung  abgegrenzt  und 
nimmt  im  ganzen  einen  Bezirk  von  etwa  Handtellergrösse  ein.  In  der 
I  iefe  fühlt  man  eine  etwa  walnussgrosse,  scheinbar  rundliche,  derbere 
Resistenz.  Fluktuation  ist  nirgends  vorhanden.  Die  Haut  ist  auf 
der  Unterlage  verschieblich,  aber  nicht  in  Falten  abhebbar,  ohne  Rö¬ 
tung,  ohne  Oedem.  Nur  sehr  geringe  Druckempfindlichkeit.  Tem¬ 
peratur  normal.  In  der  Annahme  einer  tuberkulösen  Erkrankung  der 
Lymphdriisen  mit  Periadenitis  wird  die  Operation  am  21.  August 
1912  im  Park-Sanatorium  Kiel  vorgenommen.  Nach  Durchtrennung 
der  oberflächlichen  Schichten  und  Beiseiteziehen  des  M.  sternocleido- 
mastoideus  kommt  man,  statt  auf  das  erwartete,  verwachsene  Drü¬ 
senpaket  auf  einen  kleinen  Abszess,  der  wenige  Tropfen  dunkel¬ 
braunen,  rahmigen  Eiters  entleert,  und  in  dem  ein  metallischer 
F  re  mdkörpe  r  zum  Vorschein  kommt.  Erst  mit  grosser  Mühe 
gelingt  es,  diesen  Fremdkörper  mit  einer  Sequesterzange  so  zu  fassen, 
dass  man  ihn  hinter  dem  Kieferwinkel,  wo  er  nach  oben  hin  fest 
eingekeilt  sitzt,  herausziehen  kann.  Er  entpuppt  sich  nun  als  ein 
Stahlstück  von  beifolgender  Gestalt  und  Grösse  (s.  die  Abbildung  in 

halber  Grösse).  Das  schwerere, 
knopfartige  Ende  war  nach  unten  ge¬ 
richtet.  Der  Fremdkörper  ist  massiv 
und  wiegt  gegen  70  g.  Die  sehr 
.  .  M  starke,  arterielle  Blutung  aus  der 

ocim  neiausdrenen  des  Fremdkörpers  zerrissenen  und  ganz  retra- 
hielten  Arteria  ma.x.  ext.  lässt  sich  schliesslich  nur  durch  Ligatur 
der  Carotis  ext.  stillen.  Tamponade  und  teilweise  Naht  der  Wunde 
Rasche  Heilung. 


Wie  war  der  grosse  Fremdkörper  nun  dort  hineingelangt?  DD 
Beantwortung  dieser  Frage  war  einer  nachträglichen  Vervollständi¬ 
gung  der  Anamnese  Vorbehalten.  Pat.  hatte  vor  6  Jahren,  beim 
Schiessen  mit  einem  Mausergewehr,  einen  Unfall  erlitten.  Das  Ge¬ 
wehr  war  bei  einem  Schuss  geplatzt  und  hatte  am  Halse  dem  Patien- 
ten  eine,  angeblich  ganz  kleine,  Wunde  beigebracht,  die  damals  in 
ca.  8  !  agen  vollständig  geheilt  war.  Das  rechte  Auge  war  stark  ge¬ 
schwollen  und  verfärbt.  M.  konnte  damals  auch  einige  Zeit  lang 
schlecht  sehen,  dies  hat  sich  allmählich  wieder  gebessert.  Der  in¬ 
telligente  Patient  legte  dieser  ganzen  Affäre,  die  nun  über  6  Jahre  zu- 
rucklag,  so  geringes  Gewicht  bei,  dass  er  bei  der  Aufnahme  der 
Anamnese  nicht  für  nötig  hielt,  davon  zu  sprechen. 

Eine  nun  vorgenommene  genauere  Betrachtung  des  rechten 
Auges  zeigte  eine  unregelmässige  Gestalt  der  Pupille.  Dieser  Befund 
zusammen  mit  den  Angaben  der  Anamnese  legte  den  Wunsch  nahe, 
den  genauen  Augenbefund  zu  erheben.  Herr  Augenarzt  Dr.  H. 
Schlüter-  Kiel  hatte  die  Freundlichkeit,  den  Patienten  daraufhin 
zu  untersuchen.  Seinen  Befund,  wofür  ich  ihm  an  dieser  Stelle  noch 
meinen  besonderen  Dank  ausspreche,  lasse  ich  hier  folgen: 

Es  besteht  massiger  Exophthalmus  des  rechten  Auges.  Der  Bul¬ 
bus  ist  deutlich  hypotonisch,  seine  Form  hat  etwas  Eckiges.  Die  Iris 
ist  nach  unten  verzogen  und  dort  mit  der  vorderen  Linsenkapsel  ver¬ 
lötet,  wahrscheinlich  durch  Hämorrhagien.  Es  sind  zahlreiche  Sphink- 
terrisse  zu  sehen.  Ophthalmoskopisch  findet  sich  eine  enorme,  nicht 
entzündliche  Stauungspapille;  man  hat  den  Eindruck  einer  Protrusion 
des  Sehnerven.  Nach  unten  von  der  Papille  leuchtet  der  Hintergrund 
nlaulich-weiss.  Die  Netzhaut  ist  dort  in  einem  grösseren  Bezirk  ab¬ 
gehoben.  Einige  kleinere,  isolierte  Abhebungen  gehen  vorher  Man 
sieht  deutlich  die  teilweise  flottierende  Membran.  Es  handelt  sich 
nicht  um  entblosste  Sklera.  Einige  Pigmentklümpchen.  Skiaskopisch 
ergibt  sich  eine  (traumatische.^)  Hyperopie  von  7  Dioptrien  im  hori¬ 
zontalen,  3  Dioptrien  im  vertikalen  Durchmesser  für  die  Papillen- 
gegend  und  nächste  Umgebung.  Am  Saval  findet  man  4  Dioptrien 
Astigmatismus.  \  isus  -  Fingerzählen  in  1 V?  m  Entfernung,  durch 

1  <KSei  nicht  zu  bessern.  —  Das  linke  Auge  ist  nach  Form  und  Funk¬ 
tion  normal. 

W ir  müssen  also  annehmen,  dass  das  Metallstück,  derSchrau- 
)  e  n  b  o  1  z  e  n  e  1 11  e  s  Mausergewehrs,  vor  6  Jahren  an  der 
7  teile  einei  jetzt  kaum  wahrnehmbaren,  kleinen  Narbe  eingedrungen 
ist,  so  hoch  gelangte,  dass  es  den  Bulbus  erheblich  verletzte  und  dann, 
trotz  seines  immerhin  erheblichen  Gewichtes,  ohne  Beschwerden  zu 
machen,  jahrelang  im  Gewebe  liegen  blieb,  bis  es  zu  einer  beginnen- 
den  Abszessbildung  kam,  die  den  Anlass  zur  Extraktion  lieferte. 

Waren  wir  nun  wohl  zur  Annahme  eines  Fremdkörpers  gelangt 
wenn  die  Anamnese  m  grösserer  Vollständigkeit  Vorgelegen  hätte? 
Ich  glaube  nein.  Die  durch  die  Explosion  erzeugte  Wunde  war  offen¬ 


bar  äusserlich  sehr  geringfügig  und  ist  schnell  geheilt.  Der  Patiert 
hatte  in  der  ganzen  Zwischenzeit  keine  darauf  hindeutenden  Be¬ 
schwerden.  Die  Schwellung  und  Verfärbung  des  rechten  Auges,  so¬ 
wie  die  angeblich  nur  vorübergehende  Schädigung  des  Sehver¬ 
mögens  konnten  auch  durch  eine  sehr  heftige,  gegen  die  rechte  Ge 
sichtshälfte  gerichtete  Kontusion  bei  Gelegenheit  jenes  Unfalles  gut 
erklärt  werden.  Blieb  als  suspekt  eigentlich  nur  die  unregelmässig. 
Form  der  Pupille.  Wäre  diese  vorher  bemerkt  worden,  so  hätte  die 
daraufhin  eigeleitete  Augenuntersuchung  die  schweren  Veränderunge  i 
am  Bulbus  wohl  aufgedeckt,  aber  trotzdem  kaum  den  Gedanken  an 
einen  derartigen  Fremdkörper  wachgerufen.  Eine  vorherige  Röntgen 
Untersuchung  hätte  natürlich  sofort  alles  geklärt;  aber  das  Krank¬ 
heitsbild  passte  so  gut  zu  einer  chronischen  Lymphadenitis,  der  Ge¬ 
danke  an  einen  Zusammenhang  dieser  Erscheinungen  mit  dem  so 
lange  zurückliegenden  Trauma  lag  so  fern,  dass  die  Röntgenoskopm 
auch  bei  vollkommener  Anamnese  wohl  unterblieben  wäre. 

Fall  II.  10 jähriger  Knabe.  Bisher  stets  gesund  gewesen.  Seit 
10 — 14  Tagen  traten  Schmerzen  in  der  Nabelgegend  auf.  Es  zeigt- 
sich  eine  Anschwellung  um  den  Nabel  herum.  Die  Schmerzen  wur¬ 
den  allmählich  heftiger.  Die  Temperatur,  rektal  gemessen,  war  nie 
höher  als  37,8.  Stuhl  in  Ordnung.  Erbrechen  ist  nicht  aufgetreten. 

Die  nächste  Umgebung  des  Nabels  ist  fast  halbkugelig  vor¬ 
gewölbt.  Die  Prominenz  hat  etwa  die  Grösse  einer  mittleren  Kar¬ 
toffel.  Die  Haut  darüber  nicht  gerötet,  nicht  ödematös,  mit  den 
darunterliegenden  Gewebsschichten  nicht  verwachsen.  Die  Schwel¬ 
lung  fühlt  sich  ziemlich  fest  an,  zeigt  keine  Fluktuation,  ist  gut  ab¬ 
gegrenzt,  scheint  sich  in  die  Tiefe  fortzusetzen,  ist  stark  druckemp¬ 
findlich.  Der  Nabel  selbst  sitzt  etwa  in  der  Mitte  der  Vorwölbung, 
zeigt  normale  Grösse,  seine  Haut  ist  ekzematös,  trocken,  leichi 
geschwollen.  Die  sonstige  Untersuchung  bietet  nichts  Besonderes. 
Die  Ileozoekalgegend  ist  völlig  frei.  Der  Bauch  ist,  abgesehen  vo:i 
der  Nabelgegend  weich  und  unempfindlich. 

Es  konnte  sich  hier  um  einen  irreponiblen,  resp.  inkarzerierten 
Nabelbruch  mit  Netzinhalt  handeln.  Sehr  wahrscheinlich  war  diese 
Annahme  nicht;  bei  der  Grösse  des  prominenten  Bezirkes  hätte  eine 
seit  einer  Reihe  von  Tagen  bestehende  irreponible  oder  inkarzerierte 
Nabelhernie  stärker  über  das  Niveau  der  Bauchhaut  vorragen  müssen 
und  die  Konfiguration  des  Nabels  selber  mehr  verändert.  Auch  war 
den  Eltern  vorher  nie  etwas  Abnormes  am  Nabel  aufgefallen. 
Wahrscheinlicher  war  die  Annahme  von  entzündlichen  Vorgängen, 
event.  einer  vorbereiteten  Perforation  eines  tiefer  im  Abdomen  sitzen¬ 
den  Entzündungsherdes. 

Operation  am  2.  XII.  12  im  Park-Sanatorium  Kiel:  Um¬ 
schneidung  des  Nabels.  Das  Gewebe  ist  sulzig  verdickt.  Seitlich 
wird  in  geringer  Ausdehnung  das  Peritoneum  eröffnet.  Nun  sieht 
man  eine  D  ii  n  n  d  a  r  m  s  c  h  1  i  n  g  e  an  der  Nabelgegend  adhärent 
und  fühlt  darin  einen  länglichen,  harten,  spitzen  Gegenstand.  Ein 
Netzzipfel  ist  dort  ebenfalls  adhärent.  Er  wird  unterbunden  und  ab¬ 
getrennt.  Der  Darm  ist  an  der  Adhäsionsstelle  zu  einem  kleinen, 
etwa  1  cm  langen,  divertikelähnlichen  Zipfel  ausgezogen,  in  den  der 
erwähnte,  durchgetastete  Gegenstand  hineinragt.  Dieser  Zipfel  wird 
nach  Abkleinmung  des  Darmes  abgetrennt.  Nun  zeigt  sich  im  Darni- 
lumen  eine  Nadel  von  ca.  3  cm  Länge,  entweder  Stecknadel  ohne 
Kopf  oder  Nähnadel  ohne  Oehr;  sie  wird  entfernt.  Verschluss  des 
Loches  im  Darm  durch  eine  quergestellte,  zweireihige  Naht.  Das 
Stück  Bauchwand  mit  dem  Nabel,  an  dem  der  abgetrennte,  klein. 
Darmzipfel  sitzt,  wird  im  Zusammenhang  mit  dem  letzteren  exstirpiert. 
Naht  der  Bauchdecken.  Die  Heilung  erfolgte  glatt  p.  p.  i.,  so  dass 
der  Junge  nach  kurzer  Zeit  entlassen  werden  konnte. 

Das  Präparat  zeigt  folgendes:  Der  kleine  Darmzipfel  mün¬ 
det  durch  eine  feine  Perforation  in  eine  direkt  präperitoneal  gelegene, 
etwa  halberbsengrosse  Abszesshöhle.  Mit  feinster  Sonde  kommt 
man  vom  Darmlumen  her  in  diese  kleine  Höhle  und  weiter  zum 
Nabel  heraus,  und  zwar  in  einer  tief  eingezogenen  Falte  des  Nabels. 

Kein  Zweifel,  dass  sich  hier  die  spontane  Perforation  und  Aus- 
stossung  des  Fremdkörpers  schon  vorbereitet  hatte  und  in  kurzem 
erfolgt  wäre.  Nur  war  es  unmöglich,  vorher  auf  den  Gedanken  eines 
Fremdkörpers  zu  geraten.  Das  Fehlen  der  Fluktuation  und  jeglicher 
eitriger  Absonderung  am  Nabel  trug  noch  dazu  bei,  von  der  An¬ 
nahme  einer  soweit  vorgeschrittenen  Perforation  abzulenken. 

Das  operative  Vorgehen  war  durch  die  Situation  vorgeschrieben 
und  bedarf  keiner  weiteren  Auseinandersetzung. 

Nachträglich  konnte  festgestellt  werden,  dass  der  Junge  die  Ge¬ 
wohnheit  hatte,  eine  Nadel,  mit  der  er  den  Knoten  seines  Halstuches 
feststeckte,  während  des  Ankleidens  mit  den  Zähnen  festzuhalten. 
Dabei  muss  er  sie  wohl  einmal  verschluckt  haben.  Wann  dies  ge¬ 
schehen  sein  mag,  darüber  ist  nichts  zu  erfahren  gewesen. 


Ueber  einen  Fall  von  rupturiertem  Aneurysma  einer 
Hirnarterie  durch  Trauma. 

Von  Dr.  Oscar  Ort  h,  dirigierender  Arzt  am  städt.  Kranken¬ 
haus  Forbach  (Lothringen). 

Anschliessend  an  den  kasuistischen  Beitrag  zur  Diagnose 
perforierender  Aneurysmen  der  Hirnarterien  *)  bin  ich  in  der 
Lage,  einen  ähnlichen  Fall  mitzuteilen,  der  nach  zweifacher 


*)  L  a  n  g  b  e  i  n,  d.  W.  1913,  S.  22. 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1039 


Hinsicht  ein  gewisses  Interesse  erregen  dürfte,  deshalb,  weil 
hier  die  Diagnose  nicht  nur  durch  die  Lumbalpunktion,  sondern 
auch  durch  die  Autopsie  bestätigt  wurde,  andererseits  sich 
eine  gutachtliche  Entscheidung  anschloss,  die  zu  gunsten  der 
Familie  des  Verstorbenen  lautete. 

Zunächst  die  Krankengeschichte.  Ein  42  jähriger  aus  gesunder 
Ft  milie  stammender  Fabrikarbeiter  war  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  nie¬ 
mals  krank  gewesen.  Er  diente  beim  Militär,  war  dann  als  Maurer 
mehrere  Jahre  beschäftigt,  wobei  er  bei  einem  Turmbau  beschäf¬ 
tigt  war,  also  niemals  an  Schwindelgefühl  gelitten  hatte.  Auch 
wird  Lues  negiert.  Derselbe  hob  bei  einer  leichten  Fabrikarbeit  morgens 
10  Uhr  eine  ca.  50  Pfund  schwere  Last,  fiel  um  und  konnte  seiner 
Umgebung  nur  mehr  sagen,  dass  er  heftigen  Druck  im  Hinterkopf 
verspüre,  worauf  sofort  Bewusstlosigkeit  eintrat.  Er  wurde  sogleich 
ins  Krankenhaus  gebracht,  woselbst  ich  um  Vs  12  Uhr  folgenden  Be¬ 
fund  erheben  konnte.  Patient  liegt  mit  nach  hinten  übergebeugtem 
Kopf  bewusstlos  da,  reagiert  bei  lautem  Anrufen  nur  mit  tiefen  Seuf¬ 
zein.  Zeitweilig  wird  der  Kopf  ins  Kissen  hineingebohrt  und  unruhig 
hin  und  her  geworfen.  Eine  Pupillendifferenz  ist  nicht  sicher  zu 
konstatieren,  die  Pupillen  selbst  reagieren  auf  Lichteinfall,  gleich¬ 
zeitig,  aber  träge.  Der  linke  Mundwinkel  scheint  etwas  tiefer  als  der 
rechte  zu  stehen,  doch  können  weitere  das  Krankheitsbild  klärende 
Momente,  da  der  Patient  sehr  unruhig  ist,  im  Gesicht  nicht  wahr¬ 
genommen  werden.  Beim  Versuch,  den  Pat.  auf  die  rechte  oder  die 
linke  Seite  zu  legen,  zeigte  sich  eine  deutliche  Druckempfindlichkeit 
sowohl  im  Bereich  der  okzipitalen  Schädelregion  als  im  Bereiche  der 
gesamten  Wirbelsäule.  Die  seitlichen  Kopfbewegungen  scheinen 
frei  zu  sein.  Der  Puls  ist  deutlich  gespannt,  sehr  verlangsamt, 
ca.  64  in  der  Minute.  Lähmungen  bestehen  bei  dem  Patienten  nicht. 
Die  Patellarreflexe  sind  bei  der  motorischen  Unruhe  des  Patienten 
nicht  deutlich  zu  prüfen;  das  Kernigsche  Symptom  beiderseits 
positiv.  Der  Blutdruck,  nach  Riva-Rocci  gemessen,  ca.  120  mm. 
Mit  Rücksicht  darauf,  dass  bei  der  Nackensteifigkeit  und  bei  dem  er¬ 
höhten  Blutdruck  eine  Lumbalpunktion  dem  Patienten  Erleichterung 
verschaffen  und  die  Diagnose  klären  könne,  wird  dieselbe  vor¬ 
genommen.  Sie  ergab,  dass  die  Spinalflüssigkeit  unter  hohem  Druck 
ausfloss,  leicht  gelblich  war  und  vereinzelt  rote  und  weisse  Blut¬ 
körperchen  enthielt.  Trotz  aller  angewandten  Mittel,  wobei  über  den 
weiteren  Verlauf  noch  zu  sagen  wäre,  dass  die  Atmung  von  4  Uhr 
ib  den  C  h  e  y  n  e  -  S  t  o  k  e  s  sehen  Typus  annahm,  starb  der  Patient, 
ahne  das  Bewusstsein  erlangt  zu  haben,  um  9  Uhr  abends,  also 
II  Stunden  nach  stattgehabtem  Insult. 

Sektion;  Nach  Eröffnung  der  Schädelhöhle  fand  sich  die 
Jura  mächtig:  gespannt  und  blutig:  imbibiert.  Nach  vorsichtiger 
Durchschneidung  derselben  ist  das  Gehirn  an  seiner  konvexen 
lache  mit  teils  alten,  teils  neuen  Blutklumpen  bedeckt,  und  nachdem 
:s  vorsichtig  herausgenommen  war,  zeigte  sich,  dass  die  Blutung 
on  einem  der  Arteriacerebelli  inferior  ant.  angehörenden, 
■hva  erbsengrossen,  geplatzen  Aneurysma  der  rechten  Seite  ausging. 
)ie  übrige  Sektion  ergab  keinen  besonderen  Befund  (Dr.  Schultes- 
;t.  Ingbert).  Das  Sektionsergebnis  wurde  auch  noch  durch  das  patho- 
ogische  Institut  in  Heidelberg,  dem  das  Präparat  zugesandt  wurde, 
>estätigt  (Dr.  Pohl). 

Gehen  wir  zur  Epikrise  dieses  Falles  über,  so  handelt  es  sich 
m  einen  Patienten,  bei  dem  infolge  des  Platzens  eines  Aneurysmas 
ler  Gehirnarterie  im  Anschluss  an  ein  verhältnismässig  geringes 
rauma  der  Tod  eintrat.  Wenn  auch  dieses  Trauma  in  der  Begut- 
chtung  als  direkt  den  Tod  bedingend  aufgefasst  und  so  der  R°nten- 
nspruch  zu  gunsten  der  Familie  des  Verstorbenen  entschieden 
vurde,  so  muss  andererseits  doch  angenommen  werden,  dass  ohne 
-ektion  die  Entscheidung  schwierig  gewesen  wäre;  denn  die  er- 
ttene  Schädigung  (Heben  einer  50pfiindigen  Last)  dürfte  in  keinem 
erhältnisse  gestanden  haben  zu  der  sonst  kräftigen  Statur  des 
’atienten.  Da  wir  aber  bei  den  sonst  fehlenden  pathologischen  Ver- 
nderungen  der  Gefässe  des  Patienten  das  geplatzte  Aneurysma  ge- 
mden  haben,  so  ist  der  Zusammenhang  zwischen  Trauma  und  Tod 
hne  weiteres  gegeben;  denn  die  dünnen  elastischen  Wände  eines 
neurysmatischen  Sackes  zerreissen  häufig  nach  einer  nur  relativ 
esteigerten  Blutung,  wie  sie  eben  durch  die  momentane  Kraft- 
nstrengung  veranlasst  wurde.  Die  Frage  wäre  noch  zu  beantworten, 
b  sich  in  der  Krankengeschichte  des  Patienten  keine  eine  aneurys- 
tatische  Bildung  verursachende  Momente  (Svphilis,  Blei,  Nikotin  etc.) 
efunden  hätten.  Keine  der  genannten  Ursachen  konnte  eruiert 
erden,  nur  soll  in  der  Familie  des  Patienten  ein  Bruder  seines 
aters  an  Schlaganfall  gestorben. 

Es  wäre  hier  noch  kurz  auf  die  Beobachtung  W  i  c  h  e  r  n  s  ein- 
igehen.  Derselbe  behauptet,  dass  Blutungen  aus  einem  ge¬ 
lätzten  Gefässe  immer  zum  Tode  führen;  weil  um  die 
utigen  Stellen  noch  keine  Thromben  liegen,  während  beim  Aneu- 
sma  dieses  selbst  meist  immer  mit  Thromben  gefüllt  ist,  die  eine 
-ringe  Blutung  wahrscheinlich  machen,  so  dürfte  nach  unserem 
ektionsergebnis  diese  wohl  nur  vermutete  Regel  auch  eine  Aus¬ 
ihme  finden;  denn  in  diesem  Falle  war  das  Aneurysma  frei  von 
liromben  und  die  Blutung  eine  intensive. 

Der  mitgeteilte  Fall  dürfte  somit  nach  zweifacher  Hin- 
cht  nicht  uninteressant  sein: 

1.  Kann  er  durch  das  Sektionsergebnis  die  von  Lunken- 


b  e  i  n  bei  seiner  Beobachtung  klinisch  auf  perforiertes  Aneu¬ 
rysma  der  Hirnarterie  gestellte  Diagnose  wertvoll  ergänzen 
und  bestätigen  und  andererseits  kann  er  für  die  gutachtliche 
Entscheidung  in  ähnlichen  Situationen  einen  wertvollen  Finger¬ 
zeig  abgeben. 


Gelenkwinkelmesser. 

Von  Bezirksarzt  Dr.  Schütz  in  Straubing. 

Die  genaue  Untersuchung  Unfallverletzter  hat  seit  dem 
Bestehen  des  Unfallversicherungsgesetzes  immer  hervor¬ 
ragendere  Bedeutung  erlangt  und  wird  infolge  der  Aus¬ 
dehnung  der  Unfallversicherung  durch  die  in  Kraft  getretene 
Reichsversicherungsordnung  erhöhte  Wichtigkeit  fordern  und 
erlangen.  Zu  diesem  Zwecke  stehen  dem  untersuchenden 
Arzte  schon  verschiedene  Instrumente  zur  Verfügung,  die  zur 
Feststellung  der  Beweglichkeit  in  den  Gelenken,  der  Druck¬ 
kraft  der  Hände,  des  Umfanges  der  einzelnen  Glieder  etc. 
dienen  und  teilweise  sehr  exakte  Feststellungen  ermöglichen. 
Ich  erinnere  hier  z.  B.  an  das  Preisinger sehe  Bandmass, 
den  Winkelmesser  für  die  Finger  von  Miller,  die  ver¬ 
schiedenen  Dynamometer  etc. 

Auch  für  die  grösseren  Gelenke  des  menschlichen  Körpers  sind 
schon  verschiedene  Winkelmesser  konstruiert  worden,  wie  der  von 
H  a  e  r  t  e  1  in  Breslau,  R  i  e  d  i  n  g  e  r  in  Würzburg,  B  r  a  e  t  z, 
Kocher,  Thiele  usw.  Ich  habe  nun  gelegentlich  der  ausser- 
oi  dentlichen  Unfallrentnerkontrolle  im  Kreise  Niederbayern  wieder¬ 
holt  und  in  allen  erdenklichen  Verhältnissen  die  Bewegungsexkursion 
der  einzelnen  Gelenke  messen  müssen  und  dabei  gefunden,  dass  alle 
bisherigen  Winkelmesser  —  mit  Ausnahme  des  M  i  1 1  e  r  sehen 
nicht  genügen,  weil  sie  an  dem  Hauptfehler  leiden,  dass  sie  den  Ge¬ 
lenken  nur  seitlich  angelegt  werden  können  und  infolge  Lage  und 
Gestaltung:  verschiedener  Gelenke  an  diesen  überhaupt  nicht  ver- 
wendbar  sind;  die  Folge  davon  ist,  dass  die  Bestimmung  des  Winkels 
zum  Teil  ungenau  war,  zum  Teil  nur  nach  dem  Augenmass  geschätzt 
werden  konnte.  Eine  genaue  Perimetrie  der  Gelenke  ist  nach  meiner 
Ansicht  nur  dann  möglich,  wenn  der  Winkelmesser  seiner  Kon¬ 
struktion  Hach  die  Einlegung  des  Mittelscharnieres  in  die  Gelenk- 
b eu ge  gestattet  und  die  beiden  Arme  sich  den  vom  Gelenk  aus¬ 
gehenden  Körperteilen  anlegen;  dazu  müsste  der  Winkelmesser  fest¬ 
stellbar  und  nach  Entfernung  leicht  ablesbar  sein. 

Zur  Konstruktion  eines  zweckmässigen  Winkelmessers  habe  ich 
mich  mit  der  Firma  C.  Stiefenhofer  in  München  in  Verbindung 
gesetzt;  die  technischen  Schwierigkeiten  waren  erhebliche  und 
zeitigten  nach  wiederholten  Abänderungen  folgendes  Modell  eines 
Winkelmessers. 


Der  Winkelmesser  besteht  demnach  aus  zwei  je  22  cm  langen 
Armen,  die  in  der  Mitte  durch  ein  Scharnier  vereinigt  sind.  An  dem 
einen  Arme  findet  sich  ein  sich  automatisch  durch  Zug  aufrollendes 
Bandmass,  das  am  anderen  Arme  festgemacht  ist. 

Dieses  Bandmass  zeigt  die  mathematisch  festgestellte  Grad¬ 
einteilung,  so  dass  der  Winkel  sofort  und  genau  ablesbar  ist.  Nachdem 
der  Winkelmesser  zur  Bestimmung  des  Winkels  in  das  Gelenk  ein¬ 
gelegt  war,  bleibt  das  Bandmass  fixiert,  der  Apparat  kann  entfernt 
und  der  festgestellte  Winkel  bequem  abgelesen  werden;  denn  das 
Band  rollt  sich  erst  wieder  auf,  wenn  ein  Druck  auf  den  Knopf  der 
Rolle  ausgeübt  wird.  Gerade  in  dieser  Feststellung  des  Bandmasses 
und  bequemen  Ablesbarkeit  des  Winkels  nach  Entfernung  aus  dem 
Gelenke  liegt  ein  sehr  grosser  Vorzug  dieses  neuen  Winkelmessers. 

In  völlig  gestreckter  Lage  ward  das  Bandmass  180°  zeigen  und 
den  Winkel  je  nach  der  Beugung  des  Mittelscharnieres  beim  Einlauf 
in  die  Kapsel  genau  ausw-'eisen,  so  dass  sich  damit  eine  genaue 
Messung  ermöglicht. 

Der  weitere  Vorteil  dieses  Winkelmessers  liegt  darin,  dass  er 
an  allen  Gelenken  des  menschlichen  Körpers  angelegt  werden  kann, 
weil  er  eben  in  die  Gelenkbeuge  mit  dem  Scharnier  eingelegt  werden 
kann;  er  gestattet  demnach  nicht  nur  die  Verwendung  an  den  grossen 
Gelenken,  wie  Schulter,  Ellenbogen,  Hüfte,  Knie,  sondern  er  ermög¬ 
licht  auch  die  Winkelmessung  an  Hand  und  Fuss,  die  Bestimmung 
der  Seitwärtsdrehung  der  Hand,  der  Pro-  und  Supination  des  Fusses. 


1040 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  19. 


der  Zu-  und  Abziehung  des  Daumens  und  der  Spreizung  der  Finger; 
der  Winkelmesser  ist  eben  überall  bestens  verwendbar. 

Die  folgenden  Ausführungen  geben  in  Kürze  Aufschluss  über  die 
Exkursionsfähigkeit  der  einzelnen  Gelenke,  wobei  bemerkt  wird,  daSs 
diese  Masse  als  mittlerer  Durchschnitt  zu  betrachten  sind.  Denn 
bekanntlich  ist  die  Beweglichkeit  der  Gelenke  des  menschlichen 
Körpers  nach  dem  Alter,  d.er  Uebung,  dem  Gewerbe  ausserordentlich 
wechselnd.  So  ist  z.  B.  das  Schultergelenk  bei  Akrobaten  und 
I  urnern  freier  beweglich,  als  bei  älteren  Leuten  oder  Personen,  die 
das  Gelenk  wenig  oder  gar  nicht  üben;  bei  Fechtern  wird  das  Hand¬ 
gelenk,  bei  Tänzern,  dem  Lauf-  und  Bergsport  etc.  huldigenden 
Personen  das  Hiift-  und  Fussgelenk  ausgiebiger  bewegt  werden 
können,  als  bei  Personen,  die  dem  betreffenden  Sporte  nicht  huldigen 
und  eine  sitzende  Lebensweise  pflegen.  Diese  Beispiele  Hessen  sich 
noch  erheblich  erweitern,  genügen  aber  zur  Demonstration  der  ein¬ 
schlägigen  Verhältnisse. 

Um  deshalb  zu  einem  richtigen  Urteile  über  die  Beweglichkeit 
eines  Gelenkes  zu  kommen,  wird  es  stets  notwendig  sein,  dass  im 
konkreten  Falle  auch  immer  das  korrespondierende  gesunde  Gelenk 
der  zu  untersuchenden  Person  auf  seine  Beweglichkeit  geprüft  wird. 
Wenn  z.  B.  der  gesunde  Arm  eines  alten  .Mannes  nur  bis  zum  Winkel 
von  140°  gehoben  werden  kann,  so  ist  selbstverständlich  der  ver¬ 
letzte.  kranke  Arm  nur  mit  40°  bewegungsbeschränkt,  wenn  er  bis 
zum  Winkel  von  100°  hebbar  ist.  Dagegen  ist  im  gleichen  Falle 
der  verletzte  Arm  eines  Turners  mit  80°  bewegungsbeschränkt,  wenn 
der  gesunde  Arm  bis  zur  Vertikalen,  also  180°,  gehoben  zu  werden 
vermag. 

1.  Arm. 

Der  Arm  wird  im  Durchschnitt  nicht  bis  zur  Vertikalen,  also 
bis  180°,  im  Schultergelenke  gehoben;  derselbe  bildet  bei  der  Er¬ 
hebung  nach  vorne  und  oben  mit  dem  Stamme  gewöhnlich  einen 
Winkel  von  150 — 155°;  derselbe  Winkel  wird  meist  erreicht  bei  der 
Hebung  nach  der  Seite  und  oben,  während  bei  Hebung  nach  hinten 
und  oben  meist  nur  ein  Winkel  von  75°  gemessen  wird. 

Im  Ellenbogen  gelingt  bekanntlich  die  Streckung  des  Armes  bis 
zur  Geraden,  also  bis  180°,  die  Beugung  dagegen  ist  im  Mittel  bis 
zum  Winkel  von  25°  möglich. 

Das  Handgelenk  muss  in  seiner  Beweglichkeit  von  der  geraden 
Mittelstellung  aus  beurteilt  werden,  also  bei  180°.  Die  Streckung 
oder  Biegung  der  Hand  gegen  die  Streckseite  gelingt  nun  im  Durch¬ 
schnitt  bis  zum  Winkel  von  125°,  die  Beugung  oder  Biegung  gegen 
die  Beugeseite  bis  zum  Winkel  von  130°,  so  dass  also  im  ersteren 
Falle  ein  Winkel  von  55°,  im  letzteren  von  50°  beschrieben  wird. 

Die  Seitwärtsdrehung  der  Hand  gelingt  gegen  die  Daumenseite, 
bei  völlig  angezogenem  Daumen  bis  zum  Winkel  von  135°,  gegen 
die  Kleinfingerseite  zu  bis  zum  Winkel  von  125°. 

Der  ganz  angezogene  Daumen  bildet  ferner  mit  dem  Vorder¬ 
arme  einen  Winkel  von  145  °,  während  sich  der  Winkel  bei  völlig 
abgezogenem  Daumen  auf  125°  verkleinert. 

Wenn  die  anderen  4  Finger  aneinandergelegt  sind,  kann  der 
Daumen  bis  90"  gespreizt,  d.  h.  vom  Zeigefinger  abgezogen  werden, 
während  dieser  Winkel  bei  Spreizung  aller  Finger  nur  70 — 75°  misst. 

Der  Winkel  zwischen 

gespreiztem  Zeige-  und  Mittelfinger  ist  45 — 50°, 

„  Mittel-  und  Ringfinger  25 — 30°, 

„  Ring-  und  kleinen  Finger  30—35°. 

2.  B  e  i  n. 

Die  Streckung  in  der  Hüfte  bildet  für  gewöhnlich  eine  Gerade, 
also  18(1',  vom  Oberschenkel  zum  Stamm;  die  Beugung  des  Ober¬ 
schenkels,  d.  h.  die  Aufziehung  desselben  gegen  den  Leib,  gelingt  im 
Durchschnitt  bis  zum  Winkel  von  45°. 

Das  Knie  kann  bekanntlich  bis  zur  Geraden  gestreckt  werden, 

\\  ährend  die  Beugung  bis  zum  Winkel  von  20 — 30  °  möglich  ist.  Am 
Knie  kann  mit  dem  Winkelmesser  noch  der  Winkel  bei  X-,  wie  bei 
O-Bein-Stellung  genau  gemessen  werden. 

Die  Beweglichkeit  im  Fussgelenke  muss  von  der  Mittelstellung 
aus  beurteilt  werden,  d.  h.  von  der  Stellung,  in  der  der  Fuss  mit 

Unterschenkel  einen  rechten  Winkel  bildet;  es  bildet  in  diesem 
ralle  Fussriicken  und  Unterschenkel  einen  Winkel  von  105 — 110°. 
Dieser  V  inkel  verkleinert  sich  nun  bei  der  Biegung  des  Fusses  gegen 
den  Unterschenkel  auf  80—85°,  vergrössert  sich  dagegen  bei  der 
Biegung  gegen  die  Sohle  zu  auf  160°,  so  dass  der  Fuss  im  ersteren 
I  alle  eine  Exkursion  von  20 — 25°,  im  letzteren  von  50—55°  beschreibt. 

Bei  der  Hebung  des  inneren  Fussrandes  misst  der  Winkel 
zwischen  Unterschenkel  und  Fussrand  130—135“,  bei  der  Hebung 
des  ausseren  Fussrandes  dagegen  155—160°. 

Durch  Anlegen  des  Scharnieres  an  den  Damm  kann  auch  noch 
die  Spreizungsmöglichkeit  der  Beine  bestimmt  werden,  die  im  Durch¬ 
schnitt  100—110“  beträgt. 

Alle  diese  Masse  können  mit  dem  neuen  Winkelmesser 
bequem  und  genau  genommen  werden.  Als  Ergänzung  des¬ 
selben  bedarf  der  Gutachter  nur  des  schon  angeführten 
M  i  1 1  e  r  sehen  Winkelmessers  für  die  Fingergelenke,  der, 
exakte  Messungen  gebend,  sehr  empfohlen  werden  kann. 

Mangels  eines  für  alle  Gelenke  verwendbaren  Winkel¬ 
messers  war  die  Perimetrie  der  Gelenke  bisher  bei  den  Unfall¬ 


untersuchungen  etwas  stiefmütterlich  behandelt  worden,  ob¬ 
wohl  gerade  diesen  Bestimmungen  grosse  Bedeutung  in  der 
Bewertung  der  Unfallfolgen  beigemessen  werden  muss 
Diesem  Mangel  dürfte  der  neue  Winkelmesser  abhelfen;  denn 
er  zeichnet  sich  aus  durch  Einfachheit,  handlichen  Gebrauch, 
allseitige  Verwendbarkeit  und  genaue  Resultate. 


Zur  Geschichte  der  Malariaübertragung. 

Von  I)r.  Ernst  S  e  h  r  w  a  1  d  in  Strassburg  i.  Eis. 

Der  berühmte  Afrikaforscher  Henry  Morton  Stanley  hat  sich 
auf  seinen  wiederholten  Reisen  im  dunkelsten  Afrika  von  den  Jahren 
1871  bis  1889  mit  grossem  Eifer  bemüht,  die  Ursache  der  Malaria  zu 
erforschen,  unter  der  er  und  seine  Begleiter  so  oft  und  schwer  zu 
leiden  hatten.  So  gut  und  treffend  seine  Beobachtungen  waren  und 
so  nahe  er  zum  Teil  der  Wahrheit  kam,  so  ist  es  ihm  doch  nicht  ge¬ 
lungen,  den  Schleier  zu  lüften  oder  die  Frage  wesentlich  zu  fördern 
Ls  ist  dies  um  so  wunderbarer,  da  ihm  schliesslich  die  fast  völlige 
Lösung  direkt  in  die  Hand  gegeben  wurde. 

Stanley  fand,  dass  es  einerlei  war,  ob  er  sich  an  der  Meeres¬ 
küste  in  0  m  Höhe  aufhielt  oder  auf  dem  Plateau  von  Kavalli,  das 
mehr  als  1370  m  über  dem  Meeresspiegel  lag.  Er  wurde  da  wie  dort 
vom  Fieber  niedergeworfen.  Obgleich  sumpfige  Gegenden,  wie  am 
Stanley-Pool  (335  in)  höchst  gefährliche  Fieber  erzeugten,  waren  dir. 
Erkrankungen  doch  auch  in  anderen  Gegenden,  wie  in  Vivi,  sehr  häu¬ 
fig,  in  deren  Umgegend  sich  nicht  ein  einziger  Sumpf  befand.  Auch 
half  es  Stanley  nichts,  wenn  er  zwischen  sein  Lager  und  eine 
Fiebergegend  eine  65  km  breite  Seenfläche  legte. 

In  den  Urwäldern  der  Waldregion  hatte  er  unter  den  Fiebern 
weniger  zu  leiden  als  in  offenem  Land.  Auch  traten  die  Fieber  im 
V altl  ni‘Uer  auf  und  waren  leichter  durch  eine  rechtzeitige  Dost. 
Chinin  zu  bekämpfen.  Eine  dichte  Wand  von  Urwald  bot  auch  einen 
gewissen  Schutz  gegen  die  Malaria  auf  grossen  Lichtungen  oder  dem 
offenen  Land. 

Sehr  auffallend  war  das  Verhalten  der  Fieber  während  der  lan¬ 
gen  Flussfahrt  auf  dem  Kongo.  So  lange  die  Expedition  vom  Wind 
getrieben  den  Kongo  hinauffuhr,  war  sie,  mit  dem  Wind  im  Rücken, 
meist  vom  Fieber  frei.  Hingegen  wurden  die  Reisenden  bei  der  Tal¬ 
fahrt  auf  dem  Ober-Kongo,  mit  dem  Winde  von  vorne,  von  den  stärk¬ 
sten  Anfällen  betroffen.  Aehnlich  verhielt  es  sich  bei  dem  Marsch  den 
Aruwimi  aufwärts,  bei  dem  man  kaum  an  die  afrikanischen  Fieber 
erinnert  wurde,  während  sich  bei  der  Talfahrt  in  den  Kanoes,  die 
gegen  widrige  Windströmungen  zu  kämpfen  hatten,  sehr  schnell 
wieder  Fieber  einstellten  und  zum  Bewusstsein  brachten,  wie  langsam 
man  sich  doch  akklimatisiert. 

Stanley  kam  zu  der  Ueberzeugung,  dass  ein  1600  km  langer 
Flusslauf  als  ein  Kanal  wirken  kann,  der  das  Sumpffieber  in  konzcu- 
tiieitei  Form  weiter  zu  befördern  vermag.  Ebenso  stellte  er  fest, 
dass  auf  dem  offenen  Land  weder  Haus,  noch  Zelt  genügend  Schutz 
lnetet,  und  dass  die  fieberbringendc  Luft  durch  die  Türen,  unter  den 
Schwellen  hindurch  und  durch  die  Luftlöcher  dringt  und  die  Be¬ 
wohner  vergiftet.  Hingegen  zeigten  sich  schon  Bäume,  grosse  Ge¬ 
büsche,  hohe  Mauern  und  dichte  Schutzwände  zwischen  den  Wohn¬ 
stätten  und  den  fieberverbreitenden  Luftströmungen  imstande,  den 
Bewohnern  einen  gewissen  Schutz  zu  gewähren. 

Als  S  t  a  n  1  e  y  dann  im  April  1888  mit  E  m  i  n  Pascha  zu¬ 
sammentraf.  erzählte  ihm  E  m  i  n,  er  nähme  immer  ein  Moskitonetz 
mit.  weil  er  glaube,  dass  dasselbe  ein  ausgezeichnetes  Schutzmittel 
gegen  die  nächtlichen  miasmatischen  Ausdünstungen  sei.  Er  sei  da 
durch  dauernd  von  der  Malaria  verschont  geblieben. 

Stanley  hatte  anscheinend  nur  ein  stilles  Lächeln  für  diese 
hei  vorragend  scharfe  Beobachtung,  die  er  für  die  Grille  eines  unprak- 
tischen  I  raumers  hielt  und  wohl  nur  erwähnte,  um  sie  als  etwas  be- 
sonders  Absurdes  hinzustellen.  Er  richtete  sich  auch  weiterhin  in 
keinerlei  Weise  nach  dieser  wichtigen  Erfahrung  und  litt  daher  nach 
wie  vor  unter  den  heftigen  Attacken  der  Malaria.  Er  warf  nur  bei 
sich  selbst  auf  diese  Anregung  hin  die  Frage  auf,  ob  wohl  ein  Reisen¬ 
der  in  offener  Gegend  die  Wirkungen  des  Fiebers  durch  einen  Re¬ 
spirator  abschwächen  könnte,  den  er  an  einem  Musselinschleier  an¬ 
bringt. 

Man  sieht,  Emin  Pascha,  der  von  Haus  aus  Arzt' war,  bc- 
sass  die  scharfe  Beobachtungsgabe  des  Naturforschers.  Verwunder¬ 
lich  bleibt  es  ja,  dass  er  die  rechte  Türe  zur  Wahrheit  schon  in  der 
Hand  hatte  und  sie  doch  nicht  völlig  öffnete.  Was  lag  näher,  als  der 
Schluss,  wenn  das  Moskitonetz  die  Malaria  verhindert,  so  werden 
wohl  die  Moskitos  die  Ueberträger  der  Malaria  sein.  Aber  ein  so  ein¬ 
facher  Schritt  in  ein  dunkles  Gebiet  hinein,  scheint  doch  oft  noch  recht 
schwierig  zu  sein.  Vielleicht  zog  Emin  Pascha  aber  auch  des¬ 
halb  nicht  die  letzte  Konsequenz  aus  seiner  Beobachtung,  weil  es  ihm 
noch  an  den  direkt  beweisenden  Beobachtungen  dazu  fehlte. 

Praktisch  und  damit  zum  grossen  Teil  auch  theoretisch  hatte  so 
Emin  Pascha  schon  1888  und  sicher  schon  lange  zuvor,  da  er 
sich  schon  seit  1876  in  der  ägyptischen  Aequatorialprovinz  befand, 
die  Malariafrage  gelöst  gehabt,  fast  ein  volles  Jahrzehnt  vor 
R.  Ros  s,  der  erst  1897  als  wahre  Ueberträger  der  Malaria  die  Mos¬ 
kitos  und  ihre  Stiche  fcststcllte. 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1041 


Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Tuberkulose. 

Versuche  mit  Borcholin  (Eiizytol). 

Nachtrag  zu  unserer  unter  diesem  Titel  in  No.  14  dieser 
Wochenschrift  erschienenen  Arbeit. 

Von  Dr.  H.  M  c  h  1  e  r  und  Dr.  L.  Ascher  in  Georgens- 
gmiind  bei  Nürnberg. 

Herr  Dr.  S  z  e  c  s  i  -  Frankfurt  a.  M.  ersucht  uns,  festzustellen, 
dass  die  von  uns  kurz  erwähnten  Versuche  über  den  Einfluss  der 
Cholinsalze  auf  das  Blut  und  die  Vitalfärbeversuche  ausschliesslich 
von  ihm  stammen.  Wir  kommen  hiermit  diesem  Ersuchen  nach, 
nachdem  wir  dies  in  unserer  vorläufigen  Mitteilung  unterlassen 
hatten,  da  uns  die  Arbeiten  Szeczis  nicht  vollständig  Vorgelegen 
hatten  und  von  uns  ohnehin  eine  Berücksichtigung  der  gesamten 
Cholinliteratur  für  unsere  demnächst  erscheinende  ausführliche  Mit¬ 
teilung  beabsichtigt  war.  Wir  verweisen  auf  folgende  Publikationen: 
R.  Werner:  Ueber  die  chemische  Imitation  der  Strahlenwirkung 
und  Chemotherapie  des  Krebses.  Med.  Klinik  1912,  No.  28. 
R.  Werner  und  St.  Szecsi:  Neuere  Publikationen  zur  Chemo¬ 
therapie  der  malignen  Geschwülste.  Med.  Klinik  1912,  No.  36. 
St.  Szecsi:  Zur  Chemotherapie  der  Tiertumoren.  Zeitschr.  für 
Chemotherapie  1912.  R.  Werner  und  St.  Szecsi:  Experimentelle 
Beiträge  zur  Chemotherapie  der  malignen  Geschwülste.  Zeitschr. 
für  Chemotherapie  1912,  1.  Bd. 

Wir  wollen  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  wir  ähnlich  wie  Werner  und  Szecsi  bei  der  Karzinom¬ 
behandlung,  bei  der  Fortsetzung  unserer  Versuche  zur  Heilung  der 
Tuberkulose  zwar  mit  Borcholin  allein  sehr  günstige  Resultate  er¬ 
zielt  haben,  dass  wir  aber  mit  einer  Kombination  von  Borcholin  und 
Kupfer  eine  viel  intensivere  Reaktion  beobachtet  haben.  Mit  Kupfer 
allein  ist  uns  dies  bisher  noch  nicht  gelungen. 

Diese  Beobachtungen  sind  analog  denjenigen  von  Werner 
und  Szecsi,  welche  in  ihrer  Publikation  (Experimentelle  Beiträge 
zur  Chemotherapie  der  malignen  Geschwülste.  Zeitschrift  für 
Chemotherapie,  I.  Bd.)  wörtlich  ausführen:  „Während  wir  mit  den 
Kolloiden  allein  nie  imstande  waren,  Tiere  vollkommen  zu  heilen, 
telang  dies  mit  einigen  Cholinsalzen  auch  allein  und  ohne  Zusatz 
von  Kolloiden  .  .  .  Diese  günstige  Beeinflussung  durch  die  Cholin- 
>alze  konnte  durch  den  Kolloidzusatz  beträchtlich  beschleunigt 
.verden.“  Ferner:  „Die  histologischen  Veränderungen  waren  bei  den 
nit  Cholin  allein  und  den  mit  Cholinkolloidgemischen  behandelten 
Tieren  die  gleichen.  Die  Art  der  Beeinflussung  ist  also  dieselbe  ge¬ 
diehen  und  der  Zusatz  von  den  Colloiden  hat  nur  das  Tempo  der 
Reaktion  beschleunigt.“ 

Auch  die  Heilung  von  tuberkulösen  Veränderungen  beim  Men- 
.chen  scheint  uns  bei  Verbindung  von  Borcholin  mit  Kupfer  viel 
ascher  vor  sich  zu  gehen,  wie  mit  Borcholin  allein,  allerdings  manch- 
nal  nicht  ohne  stürmische  Reaktion.  Wir  verfügen  heute  schon  über 
inige  Fälle  von  ungemein  rascher  Heilung  bei  schwerer  chirurgischer 
md  Larynxtuberkulose. 


)ie  Beeinflussung  von  Lungenerkrankungen  durch  künst¬ 
liche  Lähmung  des  Zwerchfells. 

Richtigstellung  der  Entgegnung  des  Herrn  Dr.  H  e  1 1  i  n  zu 
meinem  obigen  Aufsatz. 

Von  F.  Sauerbruch  in  Zürich. 

Mein  kurzer  Aufsatz:  „Die  Beeinflussung  von  Lungenerkran- 
ungen  durch  künstliche  Lähmung  des  Zwerchfells“  hat  in  No.  16 
ieser  Wochenschr.  durch  Herrn  Hellin  eine  Entgegnung  erfahren. 

I.  spricht  dem  Vorschlag,  durch  künstliche  Zwerchfelllähmung  eine 
tierapeutische  Beeinflussung  bestimmter  Lungenerkrankungen  zu 
rzielen,  jede  Bedeutung  ab,  und  hält  alle  vorliegenden  Beob- 
chtungen  für  unrichtig. 

Es  ist  nun  leicht,  die  sehr  bestimmt  vorgebrachten  Be- 
auptungen  des  Herrn  H  e  1 1  i  n  zu  entkräften  und  als  unrichtig  zu- 
lickzuweisen.  Die  Ausführungen  des  Herrn  Hellin  drehen  sich 
m  zwei  Hauptpunkte: 

Zunächst  bezweifelt  er,  dass  eine  einseitige  Phrenikotomie  irgend 
inen  Einfluss  auf  die  Zwerchfellstellung  und  -bewegung  hervorruft. 

Gegen  diese  Behauptung  sprechen  alle  experimentellen  Er- 
ihrungen,  mit  Ausnahme  derjenigen,  die  Herr  H  e  1 1  i  n  selbst  „zu- 
illig“  gemacht  hat.  Das  Zwerchfell  rückt  in  Exspirationsstellung 
nd  zeigt  nur  noch  kleinste,  passive,  meist  paradoxe  Schwankungen, 
■esonders  schön  geht  das  aus  den  Untersuchungen  von  S  t  ü  r  t  z  und 
chepelmann  hervor.  Hinzufügen  kann  ich,  dass  bei  9  Kranken, 
ei  denen  die  einseitige  Phrenikotomie  ausgeführt  wurde,  stets  das 
werchfell,  namentlich  beim  Liegen,  in  maximale  Exspirationsstellung 
eraufriiekte,  wie  sich  aus  der  klinischen  und  Röntgenuntersuchung 
vhliessen  liess.  Freilich  steht  der  Muskel,  wie  ich  schon  im  ersten 
ufsatz  hervorhob,  nicht  absolut  still.  Man  beobachtet  vielmehr 
leinste  Verschiebungen  im  umgekehrten  Sinne.  Auch  gleichsinnige 
erschiebungen  des  Zwerchfells  kommen  gelegentlich  vor.  Sie  sind, 
ie  in  späteren  Arbeiten  gezeigt  werden  soll,  die  Folge  von  Ver- 
achsungen.  Praktisch  haben  diese  kleinsten  Schwankungen  kaum 
ne  Bedeutung. 

No.  19. 


Die  erste  Behauptung  des  Herrn  H  e  1 1  i  n,  dass  die  einseitige 
Phrenikotomie  überhaupt  keinen  Einfluss  auf  die  entsprechende 
Zwerchfellhälfte  habe,  findet  also  weder  durch  Experimentalunter¬ 
suchungen,  noch  Erfahrungen  beim  Menschen  irgend  eine  Stütze. 

Weiter  behauptet  Herr  H  e  1 1  i  n,  „dass  es  unrichtig  sei,  dass 
überhaupt  nach  Lähmung  einer  Zwerchfellhälfte  die  respiratorische 
Volumenschwankung  der  betreffenden  Lunge  erheblich  herabgesetzt 
werde.  Vielmehr  träten  für  das  gelähmte  Zwerchfell  vikariierend 
andere  Thoraxmuskeln  ein  und  es  sei  für  den  Kranken  ohne  Belang, 
nach  welcher  Richtung  hin  seine  kranke  Lunge  gedehnt  werde.  Da¬ 
mit  fiele  der  Zweck  der  Operation  in  nichts  zusammen“. 

Es  wäre  sonderbar,  wenn  der  Ausfall  des  Hauptatmungs¬ 
muskels  keinen  Einfluss  auf  die  Atmung  haben  sollte.  Es  lässt 
sich  denn  auch  nach  der  Durchtrennung  des  Nerven  immer  eine  Ab¬ 
schwächung  des  Atmungsgeräusches  auf  der  ganzen  Seite  nach- 
weisen.  Völlig  hinfällig  wird  der  Einwand  des  Herrn  H  e  1 1  i  n  aber 
durch  das  Ergebnis  der  spirometrischen  Messung  der  Vitalkapazität 
der  Lunge  vor  und  nach  der  Phrenikusdurchschneidung.  Die  Grösse 
des  ausgeatmeten  Luftvolums  sinkt  nach  der  Durchtrennung  des 
Nerven  ganz  erheblich,  wie  vergleichsweise  Untersuchungen  bei 
unseren  Kranken  gezeigt  haben.  Diese  Verminderung  der  Atmungs¬ 
grösse  bleibt  lange  Zeit  nach  der  Operation  bestehen. 

Die  Phrenikotomie  führt  also  zu  einer  Lähmung  der  gleich¬ 
sinnigen  Zwerchfellhälfte.  Die  Folge  dieser  Lähmung  ist  eine  er¬ 
hebliche  Herabsetzung  der  respiratorischen  Volumenschwankungen 
der  Lunge.  Ausserdem  tritt  das  Zwerchfell  nach  seiner  Lähmung  in 
maximale  Exspirationsstellung  und  komprimiert  so  den  Unterlappen 
ziemlich  beträchtlich  von  unten  her.  Für  dieses  Heraufrücken  des 
Zwerchfells  sind  auch  Verwachsungen,  wie  sie  bei  meinen  Kranken 
zum  Teil  bestanden,  kein  Hindernis,  umsoweniger,  als  ja  häufig 
das  Zwerchfell  gerade  durch  die  Verwachsungen  schon  in  die  Höhe 
gezogen  ist. 

Die  Phrenikotomie  lässt  also  zwei  wichtige  Heilfaktoren  wirksam 
werden :  Ruhigstellung  und  Kompression  der  Lunge. 
Aehnlich  wie  bei  der  Thorakoplastik  sahen  wir  denn  auch  nach  ihr 
Besserung  schwerer  Formen  der  Tuberkulose  eintreten.  Nur 
bei  wenigen  Fällen  wird  die  Zwerchfelllähmung  allein  genügen. 
Meist  wird  zur  Erzielung  eines  vollen  Erfolges  eine  spätere  partielle 
Plastik  notwendig  sein. 

Ich  werde  nicht  verfehlen,  ausführlich  über  unsere  weiteren 
Erfahrungen  zu  berichten.  Heute  mag  die  Richtigstellung  der  falschen 
Angaben  des  Herrn  H  e  1 1  i  n  genügen.  Unbewiesene  theoretische 
Erwägungen  sollte  man  Tatsachen,  die  durch  praktische  Erfahrungen 
sichergestellt  sind,  nicht  entgegenhalten. 


Lieber  orthotische  Albuminurie  bei  Tuberkulose. 

Bemerkungen  zu  der  in  No.  14  dieser  Wochenschrift  unter 
gleichem  Titel  erschienenen  Mitteilung  von  Joseph  Sturm. 
Von  Prof.  Dr.  Zieler. 

Da  Herr  Sturm  in  der  genannten  Mitteilung  sich  vorwiegend 
mit  der  in  No.  9  dieser  Wochenschrift  aus  meiner  Klinik  erschienenen 
Arbeit  Arnolds  beschäftigt  und  dieser  sich  zurzeit  im  Auslande 
befindet,  bin  ich  zur  Richtigstellung  genötigt. 

1.  Arnold  hat  nicht  49,  wie  Sturm  angibt,  sondern  44  Haut- 
tuberkuiosen  untersucht.  Ausser  den  13  Fällen,  die  Sturm  er¬ 
wähnt,  sind  in  der  Arbeit  von  Arnold  noch  10  weitere  Fälle  ge¬ 
nannt,  die  erst  auf  höhere  Dosen  (2 — 10  mg  AT)  örtlich,  aber  nur 
zum  Teil  allgemein  reagiert  haben.  Abgesehen  von  diesen  23  mit 
diagnostischen  Tuberkulininjektionen  geprüften  Fällen  sind  noch  etwa 
ein  Drittel  der  übrigen  21,  auf  orthotische  Albuminurie  nur  poli¬ 
klinisch  untersuchten  Kranken  längere  Zeit  vorher  während  des  kli¬ 
nischen  Aufenthaltes  (vor  Vs — 3  Jahren)  in  gleicher  Weise  zu  dia¬ 
gnostischen  Zwecken  mit  Tuberkulin  injiziert  worden.  Das  ist  in  der 
Arbeit  nicht  erwähnt  worden,  weil  diese  frühere  Prüfung  zur 
jetzigen  Untersuchung  auf  orthotische  Albuminurie  selbstverständlich 
nicht  in  Beziehung  gesetzt  werden  konnte. 

2.  Wenn  Stur  m  die  Diagnose  „Hauttuberkulose“  in  den  Fällen 
Arnolds  damit  bemängelt,  dass  nicht  sämtliche  Fälle  durch 
Bazillennachweis  oder  diagnostische  Tuberkulinreaktion  gesichert  sind 
—  es  kommt  das  übrigens  nur  für  etwa  14  poliklinische  Fälle  in 
Frage  — ,  so  darf  er  schon  glauben,  dass  nur  einwandfreie  Fälle  von 
Hauttuberkulose  verwertet  sind.  Für  die  klinische  Diagnose  einer  Haut¬ 
tuberkulose  stehen  immerhin  etwas  zuverlässigere  Kriterien  zur  Ver¬ 
fügung  als  für  die  einer  zweifelhaften  Lungenerkrankung.  Es  ist 
gewiss  möglich,  dass  bei  weiteren  Untersuchungen  an  einem 
grösseren  Material  andere  Resultate  herauskommen,  als  sie  Arnold 
erhalten  hat.  Denn  ein  Teil  der  poliklinischen  Fälle  waren,  wie  Ar¬ 
nold  ausdrücklich  angibt,  geheilte  oder  fast  geheilte  Kranke.  Ich 
lasse  mich  auch  gern  belehren,  wenn  Sturm  an  Stelle  theoretischer 
Erörterungen  derartige  Untersuchungen  bei  Hauttuberkulose  und 
Syphilis  beibringt. 

3.  Wenn  Sturm  sagt:  „Ob  bei  Hauttuberkulose,  einer  äusseren 
Form  der  Tuberkulose,  die  Verhältnise  ebenso  liegen,  wie  bei  der 
Lungentuberkulose,  muss  erst  bewiesen  werden.  Wir  glauben  nicht, 
dass  man  berechtigt  ist,  aus  einem  Befunde,  der  nur  in  dem  lokali- 

4 


1042 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W  OCH  ENSCH  RIFT 


No.  19 


sicrten  Gebiete  der  Haut  tuberkulöse  erhoben  ist,  auf  die  T  u  b  e  r  - 
kulose  überhaupt  zu  verallgemeinern“,  so  verkennt  er  voll¬ 
kommen  die  Fragestellung  der  Arnold  sehen  Arbeit.  Arnold  hat 
nicht  auf  die  I  uberkulose  überhaupt  verallgemeinert,  sondern 
ausdrücklich  darauf  hingewiesen,  dass  viele 
balle  von  Hauttuberkulose  in  spezifischen  und 
nicht  spezifischen  biolo  gischen  Reaktionen  sich 
anders  verhalten  als  Lungentuberkulosen.  Das 
ist  ja  gerade  der  Grund  gewesen,  Hauttuberkulosen 
und  Syphilis  auf  orthotische  Albuminurie  zu 
untersuche  n!  Das,  was  Sturm  an  der  Arbeit  Arnolds  ver¬ 
misst,  ist  ausdrücklich  und  eingehend  darin  behandelt  worden!  Auf 
die  iriige  Anschauung  von  Sturm,  dass  die  Hauttuberkulose  stets 
eine  lokalisierte  1  uberkulose  sei,  will  ich  hier  gar  nicht  einmal  ein- 
gehen.  Arnold  hat  ausserdem  nichts  ferner  gelegen,  als  den  Wert 
der  Arbeit  von  Liidke  und  Sturm  irgendwie  herabzusetzen.  Er 
hat  aber  festgestellt,  dass  ebenso  wie  bei  Lungentuber¬ 
kulose  auch  bei  frischer  Syphilis  und  zwar  in 
einem  gleich  hohen  Prozentsatz  (70  Proz.)  eine 
orthotische  Albuminurie  sich  findet,  die  sicher 
nicht  a  u  f  g  1  e  i  c  h  z  e i  t  i  g  bestehende  Tuberkulose 
zuruckzti  führen,  sondern  durch  die  Syphilis  be¬ 
dingt  ist.  12  balle  von  frischer  Syphilis  mit  orthotischer  Albu¬ 
mmut  ie  erhielten,  nachdem  diese  durch  Hg-  oder  Salvarsanbehand- 
hing  geschwunden  war,  diagnostische  Tuberkulininjektionen.  Hier- 
bei  trat  nur  bei  einem  einzigen  Fall  von  neuem  eine  orthotische 
Albuminurie  auf  und  dieser  Fall  hatte  gleichzeitig  eine  Allgemein- 
tubei kulose!  Deshalb  hatte  Arnold  betont,  dass  die  orthotische 
Albuminurie  nur  bei  Ausschluss  anderer  gleichzeitig  bestehender  All- 
gemeininfektionen,  wie  der  Syphilis,  diagnostisch  verwertet  werden 
könne. 

4.  ln  der  Arbeit  von  L  ü  d  k  e  und  Sturm  ist  im  Gegen- 
satzezl!.?tu.rms  jetziger  Behauptung  an  keiner  Stelle 
von  Syphilis  die  Rede.  Es  werden  zwar  andere,  aber  akute 
n*e,?  * '  0  n  e,  n  erwähnt,  die,  wenn  sie  voraufgegangen  sind, 
oithotischc  Albuminurie  bedingen  können,  von  gleichzeitig  be- 
st  eh  enden  chronischen  Infektionen  wie  Syphilis  und 
ihien  Beziehungen  zur  orthotischen  Albuminurie  wird  nicht  einmal 
etwas  angedeutet! 


Die  röntgenologische  Darstellung  des  Wurmfortsatzes. 

Bemerkung  zu  dem  gleichlautenden  Aufsatz  von  Q  r  o  e  d  e  1 
in  No.  14  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

Non  Dr.  Max  Cohn,  leitendem  Arzt  der  Röntgenabteilung 
am  städt.  Krankenhaus  Moabit-Berlin. 


ii  oede  ls  Ansicht,  dass  „bei  besonders  daraufhin  untersuchten 
vollkommen  darmgesunden  Menschen  röntgenologisch  niemals  das 
^nclringen  des  Kontrastkotes  in  die  Appendix  nachzuweisen  sei“,  isi 
irrig.  Ich  habe  das  gerade  Gegenteil  nachgewiesen.  Es  ist  Herrr 
1  r  o  e  d  e  1  entgangen,  dass  in  No.  7  dieser  Wochenschrift  ein  Referal 
meines  Vortrages,  den  ich  am  10.  Februar  1913  in  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Chirurgie  gehalten  habe,  abgedruckt  war,  das  klipp 
und  klar  den  Beweis  liefert,  dass  der  Wurmfortsatz  sich 
lmassig  ,f.ü  IJt  und  entleert,  eine  sehr  bedeu¬ 
tende  Beweglichkeit  hat,  deren  mannigfaltige  Er- 
s  c  h  e  i  n  u  n  gs  f  o  r  m  e  n  ich  genau  geschildert  habe. 
Zahlreiche  Bilder  an  deren  Deutung  niemand  zweifeln  kann,  der  sie 
in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  und  auf  dem  Demonstra¬ 
tionsabend  des  diesjährigen  Chirurgenkongresses  gesehen  hat,  dürften 
ein  besserer  Beweis  sein  als  die  negative  Beweisführung  G  r  o  e  d  e  1  s. 
^  methodische  Untersuchung  des  Wurmfortsatzes  mit  Röntgen- 

fm"a  I ohr p1  i'Ch  T™, Q  r  tf  0  r.  ‘  e  f  f '  Charkow  gelernt,  der  sie  schon 
im  Jahre  1911  auf  dem  Russischen  Internistenkongress  in  Moskau 

aissischeTspr’3  '  )  DlC  damalige  Veröffentlichung  erfolgte  nur  in 


Antwort  auf  vorstehende  Bemerkungen. 
Von  Dr.  Franz  Qroedel. 


*  *  *  Al  i  u  u  u  c  i. 

Mei.ne  und  Colins  Veröffentlichung  erfolgte  fast  gleichzei 
n  also  iieri  C  o  h  n  zu  anderem  Resultate  gelangte  wie  ich, 
i  Arbeit  cp ti  n  cp  nH  Hör  7ii  ofooViQM  Eine  Stellu 

auch 


NV  enn  also  Herr  Cohn  zu  anderem  Resultate  gelang 
ist  dies  aus  seiner  Arbeit  genügend  klar  zu  ersehen 
nähme  zu  meiner  Arbeit  war  sonach  überflüssig,  wie 
nSrS^natr  das  W°rAt  n>cht  ergriffen  habe.  —  Meiner  Auffas: 
Auf  d‘0,AnS‘cht  Cohns  als  „irrig“  zu  bezeich 

nairdl^Sem  ftandPAunkte  darf  ich  solange  beharren,  bis  Herr  C( 

•lurh  tUt?r  statlstisches.  Photographisch  und  mögli 

auch  autoptisch  belegtes,  gegen  meine  Ansicht  sprechendes  Mab 
beibringt,  was  bis  jetzt  nicht  geschehen  ist.  Denn  für  mich  ist 

p'p  HgntPhlShh-e  PlattG  d0,ch,  beweisender,  wie  die  empfindlic 
Retina  phänomenal  begabter  Einzelindividue 


Johann  Christoph  Huber  f. 

Ein  Memminger  Kind,  hat  er  auch  in  Memmingen,  im 
bayerischen  Schwaben,  den  grössten  Teil  seines  Lebens  zu¬ 
gebracht,  gewirkt,  gedacht  und  geschaffen.  Dort  ist  er  auch 
in  der  Frühe  des  Karfreitags,  am  21.  März  1913,  im  83.  Jahre 
seines  mit  Erfolgen  gesegneten  Lebens  von  uns  und  den 
Seinen  geschieden. 

Am  7.  Dezember  1830  in  Memmingen  geboren,  erhielt 
er  dort  auch  den  ersten  Schulunterricht  und  bezog  nach  Ab¬ 
solvierung  der  dortigen  Lateinschule  das  St.  Anna-Gymnasium 
zu  Augsburg,  sodann  die  Hochschulen  zu  Erlangen,  Prag  und 
1  übingen  um  Medizin  zu  studieren,  aber  auch  vom  sonstigen 
akademischen  Leben  sich  nicht  fern  zu  halten.  In  Erlangen 
schloss  er  sich  besonders  an  Franz  D  i  1 1  r  i  c  h  an,  der  seit 
1 850  dort  als  Internist  wirkte,  promovierte  dort  auch  1857 
und  liess  sich,  praktisch  trefflich  wcitergebildet  und  voll 
ernsten  wissenschaftlichen  Sinnes,  als  Arzt  1861  in  seiner 
Heimatstadt  nieder,  wo  er  das  allergrösste  Vertrauen  in 
kurzer  Zeit  errang  und  bis  an  sein  Lebensende  im  höchsten 
Masse  genoss.  Von  1880 — 1904  versah  er  dort  auch  den 
Posten  eines  Landgerichtsarztes  mit  Auszeichnung  und  Erfolg. 
Imponierend  stand  die  hohe,  kräftige  Mannesgestalt  im  ärzt¬ 
lichen  Berufsleben  der  Heimat  viele  Jahrzehnte  so  in  all¬ 
gemeinster  Verehrung  hei  Stadt-  und  Landbevölkerung, 
offenen  Herzens  für  die  Leidenden  und  Hilfebedürftigen,  aber 
auch  offenen  Sinnes  für  Natur-  und  Volksleben  des  bayerischen 
Schwabenländchens,  dessen  Sprache,  Denkart  und  völklichc 
Eigentümlichkeiten  Herz  und  Verstand  gleichmässig  sich  zu¬ 
wandten.  Schon  vor  seiner  Niederlassung  war  er  mit  einer 
„Flora  von  Memmingen“  hervorgetreten,  die' er  gemeinsam 
mit  .1.  R  e  b  m  bearbeitet  hatte.  Aber  auch  die  weitere  Natur¬ 
kunde  seiner  Heimat  umfasste  seine  scharfe  Beobachtungsgabe 
und  sein  kritischer  Verstand.  Gehörte  er  doch  in  der  Insekten¬ 
kunde  (Entomologie)  zu  den  anerkannten  Meistern  des  Faches, 
ebenso  in  der  Lehre  von  den  Eingeweidewürmern  auf  medi¬ 
zinischem  Gebiete,  wo  er  gleichfalls  die  lokalen  Umgrenzungen 
völlig  sprengte  und  an  universellem  Wissen  kaum  seines¬ 
gleichen  hatte,  wenn  er  auch  die  Helminthologie  Schwabens 
unausgesetzt  im  Auge  behielt  und  mit  wichtigen  kasuistischen 
und  zusammenfassenden  wissenschaftlichen  Arbeiten  be¬ 
reicherte. 

Wie  er  in  seiner  näheren  Umgebung  durch  sein  persön¬ 
liches  Wirken  ein  treues  Andenken  für  lange  sich  gesichert 
hat,  wird  sein  schriftstellerisches  Wirken  seinen  Namen 
in  aller  Welt  und  für  alle  Zeiten  in  hoher  Achtung  er¬ 
halten.  Gleich  tüchtig  in  der  klinischen  und  forensischen 
Beobachtung  wie  in  der  Benutzung  des  historischen  Rüst¬ 
zeuges,  hat  er  uns  mit  zahlreichen  Arbeiten  in  dem  „Deutschen 
Archiv  für  klinische  Medizin“  und  F  r  i  e  d  r  e  i  c  h  s  „Blättern 
für  gerichtliche  Medizin  und  Sanitätspolizei“  auf  der  einen 
Seite  und  mit  zahlreichen  historischen  Arbeiten  andererseits 
beschenkt,  die  seinen  Scharfsinn  und  seine  hohe  gelehrte 
Erudition  in  gleichem  Masse  zeigen,  beide  seine  Gewissen¬ 
haftigkeit  und  Pünktlichkeit  scharf  hervortreten  lassen.  Alle 
seine  trefflichen  wissenschaftlichen  Eigenschaften  und  Fähig¬ 
keiten  leuchteten  besonders  klar  hervor  in  seinen  vorzüglichen 
Rezensionen,  deren  auch  die  „Münchener  Medizinische“  ihr 
vollgerüttelt  Mass  veröffentlicht  hat. 

Sollen  wir  Einiges  hervorheben,  so  seien  der  Aufsatz 
„Uebei  Mekonium  ‘  in  Friedreichs  Blättern  (1884),  der 
Artikel  „Parasites“  in  Twentieth  Century  (1896),  die  Studie 
„lieber  Echinococcus  multilocularis“  (1880),  „Ueber  Cestodeu 
in  Schwaben  (1886),  über  „6  Fälle  von  Echinococcus  alveo- 
laris  aus  Memmingen  und  Umgegend“  (1907)  genannt  und 
vieles  andere  Kasuistische.  Mit  dem  Jahre  1889  setzt  die 
•stattliche  Reihe  seiner  historischen  Arbeiten  ein.  „Zur  älteren 
Geschichte  der  klinischen  Helminthologie“  und  „Zur  Literatur- 
Geschichte  der  Leberegelkrankheit“  (1890)  sind  Vorarbeiten 
zu  seiner  epochemachenden  und  grundlegenden  „Bibliographie 
der  klinischen  Helminthologie“  (1890—1898)  und  „Bibliographie 
der  klinischen  Entomologie“  (seit  1899),  die  so  grosse  Bewunde¬ 
rung  fanden  und  als  derart  unentbehrlich  sich  herausstelltcn, 
dass  eine  zweite  Auflage  nötig  wurde.  Es  schliesst  sich  an  die 
Arbeit  über  „Die  Blutegel  im  Altertum“  (1891).  Auch  über 
Fleischkunde  und  andere  Nahrungsmittel  in  der  Vergangenheit 


ULERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER. 


jJoHANN  j^HRISTOFH  j'lüBER. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  322,  19/3. 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


13.  Mai  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1043 


bcsass  ci  licr\  oi  i  agcnds  Kenntnisse,  wie  seine  Studie  über 
die  Hülsenfrüchte  bei  Hippokrates  (1886)  erkennen  Hess  Seine 
Arbeiten  über  den  „Gordius  bei  Plinius“  (1900),  über  Friedrich 
Küchenmeisters  Selbstbiographie  (1900),  zu  des  Byzan¬ 
tiners  Demeti  i  o  s  Pepagomenos  Mitteilung  über  die 
„Wiunici  den  Augen  der  Jagdfalken"  (1904)  und  seine 
„Alten  Nachrichten  über  Eustrongylus  gigas“  (1908)  zeigen 
wie  frisch  er  bis  ins  hohe  Alter  war  und  wie  treu  er  den 
helminthologischen  Studien  blieb,  deren  Bibliographie  seinen 
Namen  unsterblich  macht.  Seine  Ausführungen  über  Pest 
friedhöfe  (Pestäcker)  und  Pestilenzholz  aus  der  Zeit  des 
schwarzen  Todes  in  der  Studie  „Ueber  den  Toten  weg“  (1907) 
zeigt  ihn  uns  als  Eoknlhistoriker  der  Epidemiologie  Als 
feinste  Blüte  seinci  hohen  klassisch-historischen  Erudition  und 
seiner  tiefen  Kenntnis  der  medizinischen  Antike  wird  aber 
allezeit  seine  Kommentierung  der  vom  Philologen  H.  Lüne- 
b  u  r  g  übersetzten  Gynäkologie  des  S  o  r  a  n  o  s  samt  Vorwort 
sowie  die  beigegebene  Materia  medica  und  diaetetica  des 
grossen  Ephesiers  gelten  müssen. 

Karl  S  u  d  h  o  f  f  -  Leipzig. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

E.  Lecher:  Lehrbuch  der  Physik  für  Mediziner  und  Biologen. 

Mit  499  Abbildungen.  Leipzig  und  Berlin.  Verlag  von  B  S 
Iren  b  n  e  r.  1912.  451  S.  Preis  8  M„  geb  9  M 

Dieses  Lehrbuch  der  Physik  hat  für  die  Mediziner  deswegen 
einen  so  besonderen  Wert,  weil  es  in  der  Auswahl  des  Stoffes  wie 
wohl  kaum  ein  zweites  die  Bedürfnisse  des  modernen  Arztes  berück¬ 
sichtigt.  Mit  ausserordentlicher  Umsicht  sind  gerade  alle  diejenigen 
Kapitel  der  Physik  in  den  Vordergrund  gestellt,  die  in  der  Hand  des 
Arztes,  sei  es  nun  zu  Untersuchungszwecken  oder  zu  therapeutischen 
Massnahmen,  Verwendung  finden.  Nur  einiges  wenige  sei  heraus¬ 
gehoben,  die  Entwicklung  der  mechanischen  Gesetze  am  Skelett  und 
den  Muskeln,  die  Zentrifuge  als  Beispiel  der  Lehre  von  der  Schwer- 
7  alt,  das  Kapitel  von  den  bewegten  Flüssigkeiten  mit  dem  Beispiel 
der  Herzpumpe  und  dem  Blutkreislauf,  das  Kapitel  vom  Luftdruck 
mit  den  Beispielen  des  Inhalationsapparates,  des  Flüssigkeitszer- 
stäubers  und  der  Luftpumpe,  die  vorzüglichen  Kapitel  über  Akustik 
und  Optik,  ferner  die  Hauptgesetze  und  wesentlichsten  Apparate  aus 
den  Gebieten  der  Strahlenlehre.  Ueberall  ist  die  Darstellung  von 
prägnanter  Kürze  und  doch  zugleich  von  grosser  Klarheit,  so  dass 
auch  dem  weniger  Eingeweihten  eine  bequeme  Orientierung  über  diese 
und  jene  Einzelfrage 'selbst  ausserhalb  des  Zusammenhanges  möglich 
ist.  Als  besonderer  Vorzug  sei  noch  erwähnt,  dass  auch  die  physi¬ 
kalisch-chemischen  Grenzgebiete,  soweit  sie  sich  dem  Rahmen  des 
Buches  einfiigen  liessen,  in  gleich  vorzüglicher  Weise  berücksichtigt 
sind.  Das  handliche  und  mit  fast  500  Abbildungen  versehene  Buch 
verdient  daher  unter  Aerzten  und  Studierenden  weiteste  Verbreitung. 

H.  Schade  -  Kiel. 

E.  Abderhalden:  Fortschritte  der  naturwissenschaftlichen 

Forschung.  Bd.  VII.  Mit  106  Textabbildungen.  1913.  Berlin  und 
"  ien.  Urban  und  Schwarzenberg.  268  S.  Preis  15  M 

sreb.  17  M. 

Auch  dieser  Band  lässt  wiederum  die  geschickte  Hand  des 
lerausgebers  bei  der  Auswahl  des  Stoffes  erkennen: 

L  Der  gegenwärtige  Stand  der  Seenforschung  von  Prof.  Dr.  W. 
laibfass,  Jena.  2.  Vergleichende  Neurologie  und  Psychologie 
•  on  Dr.  V.  Franz,  Frankfurt  a.  M.  3.  Perlen  (altes  und  neues  über 
hre  Struktur,  Herkunft  und  Verwertung)  von  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  E. 
vor  sch  eit,  Marburg.  4.  Neuere  Fortschritte  in  der  Radiotele- 
traphie  von  Dr.  Gustav  Eichhorn,  Zürich.  5.  Die  Entstehung  und 
Erwerbung  der  Menschenmerkmale  von  Prof.  Dr.  Herrmann 
klatsch,  Breslau. 

Diesen  5  interessanten  Kapiteln  gebührt  sämtlich  das  Lob  einer 
neisterhaft  abgerundeten,  streng-  wissenschaftlichen  Darstellung,  so 
lass  die  Lektüre  dieser  „Fortschritte“  jedem  Mediziner,  der  seinen 
nteressenkreis  über  die  Grenzen  seines  Sondergebietes  hinaus  aus- 
mdehnen  beflissen  ist,  auf  wärmste  empfohlen  sei. 

H.  Schade-  Kiel. 

Lehrbuch  der  Kinderheilkunde.  Bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Feer- 
'ürich,  Prof.  Dr.  Finkeistein  -  Berlin,  Prof.  Dr.  Ibrahim- 
nünchen,  Dr.  L.  F.  M  e  y  e  r  -  Berlin,  Prof.  Dr.  M  o  r  o  -  Heidelberg, 
rof.  Dr.  v.  P  i  r  q  u  e  t  -  Wien,  Prof.  Dr.  v.  P  f  a  u  n  d  I  e  r  -  München, 
rof.  Dr.  T  h  i  e  m  i  c  h  -  Magdeburg-Leipzig,  Prof.  Dr.  Tobler- 
freslau.  II.  Auflage,  mit  2  Tafeln  und  167  teilweise  farbigen  Ah¬ 
ndungen  im  Text,  750  Seiten.  Jena  1912.  Gustav  Fischer, 
’reis 

Die  Frage,  ob  auch  ein  „Lehrbuch“  sich  einer  getrennten  Be- 
andlung  durch  verschiedene  Autoren  zugänglich  erweise,  ist  durch 
las  vorliegende  Buch  bejahend  entschieden  worden.  „Der  Feer“, 
er  sich  nach  154  Jahren  schon  zur  zweiten  Auflage  durchgesetzt 


hat,  vermeidet  die  naheliegende  Gefahr  der  unharmonischen  Wirkung. 
er  macht  wirklich  einen  einheitlichen  Eindruck.  Das  liegt  sowohl  an 
er  vorzüglichen  Wahl  der  Mitarbeiter,  wie  an  der  fleissigen  Re¬ 
aktion  und  vielleicht  auch  daran,  dass  in  der  Pädiatrie  gegenwärtig 
t  le  Hauptgegensätze  versöhnt  und  dadurch  Unstimmigkeiten  leichter 
zu  vermeiden  sind.  Die  Verteilung  des  Stoffes  ist  folgende:  Allge¬ 
meiner  Feil  (Thiemich);  Krankheiten  der  Neugeborenen,  do.  der 
Verdauu'iigsorgane  (Finkeistein  und  Meyer);  Krankhafte  Ver- 
anderungen  des  Blutes  und  der  blutbereitenden  Organe,  Konstitutions- 
und  Stoffwechselkrankheiten  (v.  Pfaundler):  Respirationsorgane 
und  luberkulose  (v  Pirq  uet);  Urogenitalorgane  (Tob  ler); 

ervenkrankheden  (Ibrahim);  Syphilis  und  Hautkrankheiten 
(M  o  r  o). 


,  P’e  einzelnen  I  eile  sind  für  den  sclmn  Wissenden  alle  gut,  für 
uen  Lernenden  sind  sie  nicht  ganz  gleichwertig.  Vom  Standpunkt 
des  studierenden  aus  möchte  ich  für  am  gelungensten  halten  den 
allgemeinen  Teil,  die  Infektions-,  die  Nervenkrankheiten,  Syphilis  und 
Hauterkrankungen.  In  dem  erstgenannten  Teile  ist  wertvoll  die 
grosse,  auch  ausserklinische  Erfahrung  des  Verfassers,  die  sich  in  dem 
Eingehen  auf  kleine  praktische  Details  offenbart;  zu  begriissen  ist 
die  Aufnahme  eines  kurzen  Kapitels  Kindersterblichkeit  und  Säug- 
lingsfiii  sorge,  ebenso  wie  das  über  die  Krankheitsphysiognomie  der 
einzelnen  Kindheitsperioden.  Nicht  recht  verständlich,  aber  vielleicht 
rmt  den  immer  noch  herrschenden  Missbrauch  der  Zahndiagnose 
zu  begründen  erscheint  die  scharfe  Stellungnahme  T  h  i  e  m  i  c  h  s 
gegen  die  Zahnungsbeschwerden  (pag.  25);  solche  werden  durch 
theoretische  Deduktionen  ebensowenig  aus  der  Welt  geschafft  wie 
der  Schnuller,  gegen  den  der  Autor  ebenfalls  eine  Lanze  riskieren 
zu  müssen  glaubt  (pag.  57).  Nicht  unterschreiben  möchte  ich  den 
Satz,  dass  „vom  Ende  des  zweiten  Lebensjahres  ab  die  Milch- 
menge  .  .  .  bis  auf  ein  kleines  Quantum  zum  ersten  Frühstück  be¬ 
schränkt  und  der  fehlende  Bedarf  an  Eiweiss  dem  Kinde  in  Form  von 
Fleisch  und  Ei  zugeführt  wird“  (pag.  56).  —  Das  Rezept  No.  6  (das 
dem  Kinderarzt  gebräuchlichste!)  ist  falsch  angeschrieben:  Nicht  Inf. 
rad.  Ipecac.  0,3.  Aqu.  dest.  90,0,  sondern  Inf.  rad.  Ipecac.  0,3:900 
oder  (0,3)  90,0  muss  es  heissen.  —  Die  Untersuchung  der  Fäzes  ist 
viel  zu  kurz  behandelt. 


...  p.  *.n  k  e  *  s  *  e  '  n  ‘  M  e  y  e  r  bringen  die  Verdauungskrankheiten 
natürlich  in  der  Fassung  und  Einteilung  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  s  und  es  ist 
m.  W.  das  erste  Mal,  dass  dessen  Schule  offiziell  in  einem  Lehr¬ 
buche  zu  Worte  kommt.  Auch  wer  den  Standpunkt  nicht  völlig 
teilt,  wird  die  Darstellung  der  Autoren,  die  auch  anderen  Auffassungen 
Rechnung  trägt,  mit  grösstem  Interesse  lesen.  Zu  kurz  ist  das 
Kapitel  der  Obstipation. 

.  yon  dem  P  f  a  u  n  d  1  e  r  sehen  Abschnitt  gefallen  mir  die  Allge- 
meinerkrankungen  besser  als  die  Blutkrankheiten.  Hier  hat  das 
Streben  nach  exakter  Einteilung  und  nach  Prägnanz  des  Ausdrucks, 
worin  der  Verfasser  ja  brilliert,  zu  einer  etwas  starken  Konzentration 
der  Darstellung  geführt,  welche  dem  Studierenden  die  notwendige 
„Vergessensbreite“  entzieht  und  so  vielleicht  zu  hohe  Anforderungen 
an  ihn  stellt. 


Etwas  zu  kurz  davongekommen  ist  in  den  übrigens  spannend 
geschriebenen  Respirationserkrankungen  v.  Pirquets  das  Asthma 
und  das  Nasenbluten,  zwei  Dinge,  die  dem  Arzt  so  häufig  zu  schaffen 
machen.  Zu  wenig  behandelt  ist  ferner  die  skarlatinöse  Lvmph- 
driisenerkrankung  bei  F  e  e  r,  deren  zeitlicher  Einfall  als  etwas'  prak¬ 
tisch  Wichtiges  hätte  gewürdigt  werden  dürfen. 

Das  Kapitel  Tuberkulose  ist  wohl  dasjenige,  was  am  meisten 
zum  Widerspruch  herausfordert.  Hier  verdrängt  der  Biologe  zu  sehr 
den  Kliniker  und  Praktiker,  was  sich  schon  in  der  räumlichen  Ver¬ 
teilung  des  Stoffes  kundgibt.  So  ist  die  klinische  Diagnose  der 
Tuberkulose  auf  %  Seiten  abgetan,  während  der  Tuberkulindiagnose, 
deren  Wert  für  den  Praktiker  doch  immer  noch  nicht  ausser  Zweifel 
ist,  fast  7  Seiten  mit  5  Abbildungen  gewidmet  sind.  Im  Kapitel 
Syphilis  und  Hautkrankheiten  sind  eine  Anzahl  störender  Druckfehler 
stehen  geblieben. 

Die  Abbildungen  entstammen  durchwegs  einem  vorzüglichen  und 
instruktiven  Ausgangsmaterial  und  sind  auch  zum  Teil  gut  wiederge¬ 
geben;  vielfach  haben  sie  aber  durch  die  Reproduktion  stark  ge¬ 
litten.  Die  wenigen  bunten  Bilder  stehen  überhaupt  nicht  ganz  auf 
der  Höhe.  So  ist  die  Darstellung  der  Koplik  sehen  Flecken  und 
des  Masernexanthems  eher  irreführend. 

Trotz  der  gemachten  Einwände  muss  das  F  e  e  r  sehe  Werk  doch 
als  erstklassiges  Lehrbuch  bezeichnet  werden,  dessen  Studium  Jedem, 
der  es  unternimmt,  zur  Wissensbereicherung  und  zum  Vergnügen 
wird.  Hecker- München. 


H.  Hartmann:  Travaux  de  Chirurgie  Anatomo-Clinique. 

Quatrieme  serie.  Voies  urinaires.  Unter  Mitarbeit  von  B.  C  u  n  e  o, 
P.  Lecene,  Küss,  Delamare,  V.  Henry  et  Lebreton. 
Mit  132  Figuren  im  Text.  Paris  1913.  Verlag  von  G.  Steinheil. 
472  Seiten.  Preis  16  Frs. 

Die  vorliegende  4.  Serie  der  „Travaux“  ist  ausschliesslich  dem 
Harnapparate  gewidmet.  Die  Autoren  hatten  reichlichst  Gelegen¬ 
heit,  auf  diesem  Gebiete  Erfahrungen  zu  sammeln:  In  den  Jahren  1904 
bis  1907  haben  sie  etwas  über  600  grössere  und  kleinere  Eingriffe 
an  diesen  Organen  unternommen.  In  der  Form  von  kleinen  Mono¬ 
graphien  berichten  sie  über  ihre  Beobachtungen,  über  die  Indikationen, 
operative  Technik,  und,  was  besonders  zu  begriissen  ist,  auch  über 
die  unmittelbaren  und  entfernten  operativen  Resultate. 


4 


1044 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19. 


Die  Arbeiten  über  das  Kapitel  der  Prostatahypertrophie  nehmen 
einen  beträchtlichen  Platz  in  dem  Werke  ein.  Von  Küss  und 
Cuneo  stammen  „Studien  über  die  normale  und  pathologische 
Anatomie  der  Prostata“,  von  Hartmann,  Küss  und  Lavenant 
solche  „Ueber  die  Technik  der  transvesikalen  Prostatektomie,  über 
Resultate  der  Prostataausschälung  bei  Hypertrophie  und  über  Be¬ 
handlung  des  nichttuberkulösen  und  des  gonorrhoischen  Abszesses 
dieser  Drüse“.  Von  grösseren  Abschnitten  seien  die  Berichte  Hart¬ 
manns  „Ueber  eine  Serie  von  47  operierten  Blasentumoren“  und 
über  eine  grosse  Anzahl  von  „Eingriffen  an  der  Niere“  erwähnt,  von 
kleineren  Abhandlungen  „Beiträge  zur  chirurgischen  Behandlung  der 
ßlasenexstrophie“  sowie  Beiträge  zur  „Frage  der  Nierenoperationen 
und  Schwangerschaft“  genannt. 

Das  ausgezeichnete  Werk  ist  geeignet,  über  die  derzeitigen 
Ansichten  der  französischen  Schule  und  über  aktuelle  Fragen  auf 
urologischem  Gebiete  in  exakter  und  ausführlicher  Weise  zu  infor¬ 
mieren.  Wesentlicher  Nachdruck  ist  auf  detaillierte  Beschreibung  der 
diagnostischen  Methoden  und  der  operativen  Einzelheiten  gelegt. 
Eben  dieser  Punkt  macht  das  Buch  für  den  Praktiker  äusserst 
wertvoll.  Kielleuthner  -  München. 

Sonntag  und  VV  o  1  f  f  -  Berlin :  Anleitung  zur  Funktions- 
Prüfung  des  Ohres  (Prüfung  des  Gehör-  und  Gleichgewichtsapparates). 

Mit  19  Abbildungen.  Berlin,  S.  Karger,  1912. 

Das  kleine  Heftchen  ist  aus  Fortbildungsvorträgen  hervor¬ 
gegangen,  welche  an  der  Brühl  sehen  Poliklinik  gehalten  werden. 
Die  guten  Ratschläge,  welche  besonders  bei  der  Hörprüfung  gegeben 
werden,  zeigen,  dass  das  Buch  aus  der  Praxis  entstanden  ist.  So 
ei  klärt  es  sich  auch,  dass  der  Rinne  sehe  Versuch,  der  von  manchen 
Autoren  aus  theoretischen  Gründen  für  überflüssig  gehalten  wird,  in 
seiner  praktischen  Bedeutung  richtig  eingeschätzt  wird. 

Die  genaue  untere  Tongrenze  wird  von  den  Verfassern  nicht 
bestimmt,  weil  sie  annehmen,  dass  die  tiefsten  Töne  C-2  und  C-1 
in  Luftleitung  gefühlt  würden.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall,  wie  an 
jedem  Patienten,  der  diese  Töne  nicht  hört,  festgestellt  werden  kann. 
Wenn  die  Verfasser  in  Zukunft  auch  diese  Methode  anwenden, 
werden  sie  den  Satz,  dass  wir  nicht  in  der  Lage  sind,  lediglich  aus 
der  Prüfung  der  Luftleitung  definitive  diagnostische  Schlüsse  zu 
ziehen,  aus  ihrem  Buche  streichen  müssen.  Denn  bei  normaler 
unterer  Tongrenze  lässt  sich  ein  Mittelohrleiden  mit  Sicherheit  aus- 
schliessen. 

Im  zweiten  Teil  wenden  sich  die  Autoren  mit  Recht  gegen  den 
Ausdruck  Fistelsymptom  für  Kompressionsnystagmus,  in  den  diffe¬ 
rentialdiagnostischen  Tabellen  aber,  die  übrigens  Anfänger  eher  ver¬ 
wirren  als  aufklären  dürften,  kehrt  der  Ausdruck  wieder. 

Die  Anleitung  kann  allen,  welche  sich  mit  der  Funktionsprüfung 
des  Ohres  vertraut  machen  wollen,  wegen  ihrer  Klarheit  und  prak¬ 
tischen  Brauchbarkeit  bestens  empfohlen  werden. 

Scheibe-  Erlangen. 

Ludwig  Frank:  Affektstörungen.  Studien  über  ihre  Aetiologie 
und  Therapie.  Verlag  von  Julius  Springer.  Berlin  1913.  399  S. 
Preis  16  M. 

Diese  Studien  bauen  sich  in  der  Diagnosenstellung  und  Therapie 
im  wesentlichen  auf  der  „Psychoanalyse“  Freuds  auf.  Um  den 
Unterschied  seiner  Methode  von  der  Freuds  zu  kennzeichnen, 
nennt  Verfasser  die  seinige  „Psychokatharsis“.  Auch  sie  ist  „eine 
ganz  bestimmte  Art  einer  Psychoanalyse  und  bedeutet  das  Abreagieren 
e>nes  Affektes,  das  mit  früher  erlebten  Ereignissen  assoziativ  ver¬ 
knüpft  ist“.  Meines  Erachtens  hat  Verfasser  in  glücklicher  Weise 
das  Gute  der  Freud  sehen  Lehre  herausgenommen,  hat  sich  frei 
gehalten  von  den  Uebertreibungen,  den  Spekulationen  und  Phan¬ 
tasmen  der  Freud  sehen  Schule.  Es  kann  keinem  Zweifel  unter¬ 
liegen,  dass  die  Lektüre  und  das  Studium  dieses  Buches  für  jeden 
Neurologen,  für  jeden  Arzt,  der  mit  Psychoneurotikern  viel  zu  tun  hat 
-7  aucl>  wenn  er,  wie  z.  B.  Referent,  den  Freud  sehen  Ideen 
skeptisch  gegenübersteht  —  von  sehr  grossem  Nutzen  ist. 

Rossbach  -  München. 

Ad.  Gottstein:  Einführung  in  das  Studium  der  sozialen 

Medizin.  Sonderdruck  aus  den  Fortschritten  der  Deutschen  Klinik, 
\  Bd.,  1913.  Urban  &  Schwarzenberg.  Berlin  und  Wien. 

G.  unternimmt  hier  den  dankenswerten  und  vielversprechenden 
\  ersuch,  das  Gebiet  der  sozialen  Medizin  zu  umschreiben.  Er  ver¬ 
folgt  dabei  den  Gedanken,  die  Notwendigkeit  der  Einführung  der¬ 
selben  in  den  Lehrplan  der  ärztlichen  Ausbildung  nachzuweisen, 
besonders  auch  mit  Rücksicht  darauf,  dass  das  Gebiet  häufig  viel  zu 
eng  gefasst  worden  ist.  Es  handelt  sich  im  Grunde  um  die  Einführung 
einer  sozial-medizinischen  Auffassung  der  Heilkunde,  in  der  die  Ur- 
sacnen  der  Krankheiten  über  den  einzelnen  Menschen  hinaus  in  die 
biologische  Um-  und  Vorwelt  hinein  verfolgt  werden,  um  den  Zu¬ 
sammenhang  auch  des  einzelnen  Kranken  mit  dem  gesellschaftlichen 
Ganzen.  Die  Ursachenforschung  soll  um  ein  Glied  erweitert  und 
vertieft  werden.  Das  ist  der  Sinn  der  sozialen  Medizin,  die  nicht 
zum  grössten  Teile,  wie  öfter  angegeben,  sondern  nur  zum  kleinsten 
aus  Gutachterwesen,  Behandlung  Unfallkranker  und  aus  Gesetzes¬ 
kunde  besteht. 

Nach  einer  vortrefflichen  Einleitung  geht  G.  zur  Darstellung  der 
Allgemeinen  sozialen  Pathologie  über.  Hier  werden  die 


Kapitel:  Allgemeine  Statistik  —  mit  ihren  Fehlerquellen  und  ihrer  so 
oft  ganz  unkritischen  Anwendung  — ,  die  Statistik  von  Geburt,  Krank¬ 
heit  und  Tod,  die  Sozialstatistik  (nach  Gemeindegrösse,  wirtschaft¬ 
licher  Lage,  Beruf  usf.)  besprochen.  Die  spezielle  soziale 
Pathologie  behandelt  Lebensalter  und  Krankheit,  den  Einfluss 
von  Stadt  und  Land,  der  Wohnung,  der  Ernährung,  der  sozialen  und 
wirtschaftlichen  Lage,  des  Berufes,  die  Infektionskrankheiten  u.  a. 
Weiter  wird  die  soziale  Hygiene  behandelt,  die  Massnahmen 
der  Oeffentlichkeit,  der  Gesellschaft,  der  sozial-medizinisch  wichtigen 
Erkrankungen  Herr  zu  werden.  Darunter  versteht  G.  Krankenan¬ 
stalten  jeder  Art,  Heilstätten,  Erholungshäuser,  die  Lungenfürsorge¬ 
einrichtungen  u.  a.,  die  Schulgesundheitspflege,  ferner  die  Säuglings¬ 
und  Alkohol-  und  Wohnungsfürsorge,  die  Gewerbehygiene,  endlich  die 
Rassenhygiene.  Den  Schluss  bildet  die  Darlegung  der  Sozialen 
Therapie:  die  Krankenanstalten  im  einzelnen,  die  Hospitalisierung 
der  Bevölkerung  überhaupt,  der  Krankentransport,  endlich  die  Ver¬ 
sicherungsmedizin  und  Versicherungsgesetzgebung.  Selbstverständ¬ 
lich  sind  die  einzelnen  Teilgebiete  nur  gestreift  und  ihr  Umriss  ge¬ 
kennzeichnet.  Der  Verf.  wird  am  allerwenigsten  behaupten,  dass  er 
sie  hier  erschöpft  habe.  Die  Darstellung  klingt  in  die  sachlich  be¬ 
gründete  Forderung  nach  Lehrstühlen  der  sozialen  Medizin  aus. 

Es  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  diese  als  Vortrag  in  der 
bekannten  Sammlung  erschienene  Einführung  in  die  soziale  Medizin 
mit  ihrer  klaren  Disposition,  der  vortrefflichen  Begründung  und  dem 
reichen  Inhalt  Lehrern,  Schülern  und  Jüngern  der  Medizin  einzeln 
zugänglich  gemacht  würde.  Es  würde  der  Sache  nützen. 

Grober-  Jena. 

H.  E.  Ziegler:  Zoologisches  Wörterbuch.  Erklärung  der 

zoologischen  Fachausdrücke  zum  Gebrauch  beim  Studium  zoologischer, 
anatomischer,  entwicklungsgeschichtlicher  und  naturphilosophischer 
Werke.  2.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  3.  (Schluss-)Lieferung. 
184  Textfiguren,  pag.  481 — 737.  G.  Fischer,  Jena  1912.  Preis 
6.50  M. 

Mit  dieser  dritten  Lieferung  findet  das  treffliche  Ziegler  sehe 
Wörterbuch,  das  wir  bereits  früher  hier  gewürdigt  haben,  seinen 
Abschluss.  P.  Büchner  -  München. 

Dr.  Sigm.  Merkel-  Nürnberg:  Mehr  Krankenpfleger!  S.-A.  aus 

Zeitschrift  für  Krankenpflege  und  klinische  Therapie  1913,  No.  1. 

Unter  Verweisung  auf  den  erheblichen  im  bulgarisch-türkischen 
Krieg  zutage  getretenen  Mangel  an  Krankenpflegern  tritt  der  Ver¬ 
fasser  entschieden  dafür  ein,  auch  bei  uns  für  Bereitstellung  und 
Ausbildung  einer  erhöhten  Zahl  freiwilliger  Krankenpfleger  zu  sorgen. 
Anschliessend  an  einen  bezüglichen  Erlass  des  bayerischen  Kriegs¬ 
ministeriums  verbreitet  er  sich  über  die  Grundzüge  geeigneten  theore¬ 
tischen  Unterrichtes  und  praktischer  Ausbildung  und  tritt  nach¬ 
drücklich  dafür  ein,  die  freiwilligen  Krankenpfleger  auch  in  der 
Improvisationstechnik  auszubilden.  Auch  hiefiir  stellt  er  ein  Programm 
auf.  Da  dem  Verfasser,  als  langjährigen  Führer  und  Lehrer  frei¬ 
williger  Sanitätsmannschaften  eine  ausserordentliche  Erfahrung  und 
Kenntnis  des  Gebietes  zukommt,  dürfen  seine  Ausführungen  als  be¬ 
sonders  wertvoll  der  Beachtung  empfohlen  werden. 

Frankenburger  -  Nürnberg. 

Neueste  Journaliteratur. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  17. 

W.  v.  B  r  u  n  n  -  Rostock  :  Ueber  Frakturen  des  Sternums. 

Verf.  berichtet  kurz  über  3  Frakturen  des  Sternums,  welche  an 
der  Grenze  zwischen  Corpus  und  Manubrium  sterni  quer  verlieien 
und  durch  das  Auffallen  einer  schweren  Last  auf  den  oberen  Teil 
der  Wirbelsäule  bei  gebeugter  Haltung  entstanden  waren,  ohne  dass 
dabei  eine  Fraktur  der  Wirbelsäule  selbst  auftrat. 

W  ilhelm  K  ü  h  n  -  Leipzig:  Anwendung  des  faradischen  Stromes 
beim  intermittierenden  Hinken. 

Verf.  erwähnt  ganz  kurz  einen  Fall  von  intermittierendem  Hin¬ 
ken,  bei  dem  er  mit  dem  faradischen  Strom  in  Form  von  Teilvier¬ 
zellenbädern  deutliche  Besserung  erzielte. 

William  L  e  v  y  -  Berlin :  Ueber  die  Bildung  tragfähiger  Stümpfe 
bei  der  tiefen  Amputation  des  Unterschenkels  (Amputatio  supra- 
malleolaris)  durch  osteoplastische  Verwendung  der  Knöchel. 

Verf.  schildert  eingehend  seine  Methode,  mit  dem  äusseren  oder 
inneren  Knöchel  die  Sägeflächen  der.  Knochen  bei  der  Amputatio 
supramalleolaris  osteoplastisch  zu  decken  und  den  Stumpf  tragfähig 
zu  machen.  Einfacher  ist  die  Osteoplastik  durch  den  inneren  Knöchel. 
Mit  7  Abbildungen.  E.  H  e  i  m  -  Gerolzhofen. 

Hegars  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Bd.  XVIII,  Heft  2./^  Leipzig,  Georg  Thieme,  1913. 

H.  B  a  y  e  r  -  Strassburg:  Lässt  sich  der  künstliche  Abortus  aus 
rassehygienischen  Gründen  motivieren? 

Es  frägt  sich  bei  der  Beantwortung  der  Frage  lediglich  darum, 
ob  wir  imstande  sind,  Keimeskrankheiten  zur  richtigen  Zeit  zu  er¬ 
kennen,  einer  schwangeren  Frau  anzusehen,  ob  die  Frucht  in  ihren 
Schosse  aus  keimplastischer  Anlage  heraus  zu  blastogener  Minder¬ 
wertigkeit  determiniert  ist,  denn  nur  in  diesem  Falle  wäre  man 
berechtigt,  vielleicht  sogar  verpflichtet,  den  künstlichen  Abort  einzu¬ 
leiten.  Vorläufig  ist  das  nicht  möglich  und  man  muss  sich  hüten,  die 


13.  Mai  1913.  _  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


unverkennbar  zunehmende  Schlaffheit  in  der  Beurteilung  des  Abortus 
zu  unterstützen  und  den  bereits  stark  erweiterten  mütterlichen  Indi¬ 
kationen  noch  eine  ganz  unsichere  rassehygienische  anzufügen. 

F.  Kermauner  -  Wien ;  Zur  Aetiologie  der  Gynatresien. 

Kurze  Besprechung  der  hymenalen,  vaginalen  Atresien,  Hämato- 
kolpos,  und  der  Hümatosaipinx.  Für  die  partiellen  Atresien,  die  sich 
auf  Abschnitte  beschränken,  ist  die  Genese  umstritten;  eine  post¬ 
natale  Genese  ist  nicht  immer  zu  erweisen,  ja  oft  nicht  einmal 
anzunehmen. 

J.  Tr  inchese- Berlin:  Ueber  den  Zeitpunkt  der  luetischen 
Infektion  des  Fötus  und  dessen  klinische  Bedeutung. 

Die  Ergebnisse  der  Arbeit  sind  folgende:  Eine  paterne  Infektion 
findet  nicht  statt,  desgleichen  ebensowenig  eine  ovuläre  Infektion; 
gegen  sie  sprechen  sowohl  allgemeine  biologische  Grundsätze  als 
auch  klinische  Erfahrungen.  Die  Infektion  des  Fötus  geschieht  vor¬ 
zugsweise  in  der  zweiten  Hälfte  der  Schwangerschaft,  eine  solche  in 
der  ersten  ist  noch  nicht  bewiesen.  Lues  ist  keine  Ursache  des 
Abortus;  die  fötale  Lues  hat  einen  kurzen  Verlauf,  sie  ist  eine  Spiro¬ 
chätensepsis  und  beginnt  und  endet  meist  innerhalb  des  uterinen 
Lebens.  Lebend  geborene  Kinder  mit  luetischen  Symptomen  sind 
nicht  lange  vor  der  Geburt  infiziert  worden  und  sind  meist  voll¬ 
kommen  ausgetragen.  Durch  eine  energische  Hg-Therapie  der 
Mütter  ist  die  Möglichkeit  da,  das  Kind  zu  retten,  aber  nur  wenn  die 
Behandlung  vor  der  Infektion  des  Fötus  beginnt,  also  soll  sie  schon 
iei  Verdacht  auf  Lues  einsetzen. 

Fr.  A.  Looss- Halle  a.  S. :  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Spät¬ 
blutungen  im  Wochenbett. 

L.  führt  drei  interessante  Fälle  an,  bei  denen  die  schwere  Blutung 
veranlasst  war  durch  ein  Aneurysma  spurium  des  Zervikalastes  der 
Jterina,  Ursache  des  Aneurysma  ist  ein  bei  der  Geburt  irgendwie 
rfolgtes  Trauma  gewesen. 

Kurt  Merkel-Halle  a.  S. :  Ueber  Molluscum  contagiosum. 

Die  ersten  Veränderungen  darin  sind  bedingt  durch  das  Auf- 
ieten  ganz  kleiner  hellglänzender  homogener  Kugeln  im  Protoplasma, 
inzeln  oder  in  Gruppen  liegend.  Dadurch,  dass  sie  sich  in  immer 
rösserer  Zahl  sammeln,  rufen  sie  die  weiteren  Veränderungen  her- 
or;  dann  gehen  sie  in  grosser  Zahl  zugrunde  und  bedingen  so 
egressive  Veränderungen.  Schliesslich  sind  aber  auch  in  den  zen- 
ralsten  Stellen  des  Molluskumknötchens  noch  deutlich  solche  Kugeln 
u  sehen. 

A.  Z  i  e  g  1  e  r  -  Basel :  Was  leistet  die  Deventer-Müller- 
che  Entwicklung  des  Schultergürtels? 

Theoretische  Vorteile  sind  die  Leichtigkeit  und  Raschheit  der 
Ausführung,  die  geringe  Gefahr  einer  Infektion  und  Verletzung  von 
lütter  und  Kind.  Als  Nachteil  kommt  in  Betracht  die  Gefahr 
chvverer  Halswirbelverletzung  bei  unvorsichtiger  oder  forcierter  An¬ 
wendung,  besonders  bei  Dystokien.  Bei  276  Fällen  konnten  nur  in 
Fällen  Verletzungen  in  Zusammenhang  mit  der  Art  der  Schulter- 
ntwicklung  gebracht  werden. 

O.  S  c  h  ö  n  e  r  -  Rottach:  Zur  Frage  der  Vorausbestimmung  des 
eschlechtes  beim  Menschen. 

Sch.  verteidigt  nochmals  seinen  bekannten  Standpunkt. 

Vogel-  Aachen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  17,  1913. 

E.  S  a  c  h  s  -  Königsberg:  Ueber  die  Bedeutung  des  Strepto- 
»kkenbefundes  im  Vaginalsekret  Kreissender. 

S.  bekämpft  die  Ansicht  J  ö  1 1  e  n  s,  dass  den  hämolytischen 
treptokokken  weder  intra  partum  noch  im  Wochenbett  pathogene 
edeutung  zukommen  solle.  Sie  können  wohl  zur  Infektion  führen, 
enn  gewisse  Vorbedingungen  erfüllt  sind  (geeignete  Nährböden, 
‘schwüchter  Widerstand  des  Organismus),  was  J.  ausser  Acht  ge- 
ssen  habe. 

P.  N.  H an  s  e  n  -  Kopenhagen :  Ueber  die  im  Uterusstumpfe  nach 
:r  supravaginalen  Amputation  sich  entwickelnden  malignen  Ge¬ 
hwülste. 

3  Fälle  supravaginaler  Amputation,  wo  sich  im  Stumpf  maligne 
imoren  (ein  Karzinom,  zwei  Sarkome)  entwickelten.  Da  man  vor 
r  Operation  nie  wissen  kann,  ob  in  Fällen  von  Fibromyom  oder 
rmutetem  Fibromyom  im  Uterus  eine  maligne  Geschwulst  in  der 
itwicklung  begriffen  ist,  so  soll  man  die  supravaginale  Amputation 
ber  ganz  verlassen  und  stets  die  Totalexstirpation  vornehmen. 

Behne-Kiel:  Ergibt  das  Dialysierverfahren  von  Abder- 
G  d  e  n  eine  spezifische  Schwangerschaftreaktion? 

B.  verneint  diese  Frage.  Die  Versuche  ergaben  bei  normaler 
hwangerschaft  zwar  fast  regelmässig  positive  Resultate.  Aber 
stens  kamen  auch  sicher  negative  Reaktionen  bei  Gravidität  vor, 
d  lerner  gaben  Nichtschwangere  mit  eitrigen  Genitalerkran- 
mgen  häufig  eine  positive  Reaktion.  Positive  Reaktionen  lieferten 
;srar  auch  Männer  mit  Lungentuberkulose  und  Lebererkrankung. 

H.  Hellendall  und  W.  Fromme-  Düsseldorf :  Erwiderung 
i  die  von  R.  Schaeffer  in  No.  6,  Jahrg.  1913  ds.  Blattes  gegen 
lsere  Arbeit  „Der  Handschuhsaft“  erhobenen  Einwände. 

.1  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VII,  Heft  5. 

Paul  Bar -Paris:  Die  chirurgische  Behandlung  der  Schwanger- 
uifts-,  Geburts-  und  Nachgeburtsbluturigen.  (Aus  der  Klinik  Tar- 


Des  besonderen  sind  behandelt:  1.  Der  fehlerhafte  Sitz  der  Pla¬ 
zenta,  2.  die  retroplazentare  Blutung,  3.  die  Blutungen  in  der  Nach¬ 
geburtsperiode. 

Ad  1.  153  Fälle  mit  14  Todesfällen,  darunter  10  Infektionen, 

4  Verblutungen  (Mortalität  der  Mütter  9,2  Proz.,  der  Kinder 
51,63  Proz.),  die  Morbidität  betrug  48:153  (31,63  Proz.);  zum  Teil  han¬ 
delte  es  sich  um  schwere  Infektionen.  Die  grosse  kindliche  Mortali¬ 
tät  ist  zurückzuführen  auf  die  Wendung  nach  Braxton-Hicks. 
Die  Fälle  sind  gruppiert  in: 

1.  Keine  Behandlung  trotz  profuser  Blutung,  aber  sofortige  Ge¬ 
burt  (4  Fälle). 

2.  Fälle,  in  denen  die  Geburt  rasch  durch  eine  entbindende  Opera¬ 
tion  beendet  wurde  (10  Fälle). 

3.  Fälle,  in  denen  die  Blutung  direkt  behandelt  wurde  (139  Fälle). 

Verf.  kommt  auf  Grund  seiner  Ausführungen  zu  folgenden 

Schlüssen: 

1.  Wenn  die  Frau  infiziert  erscheint,  soll  man  prinzipiell  auf  vagi¬ 
nalem  Wege  vorgehen.  Die  Wahl  des  abdominalen  Weges  muss  in 
solchen  Fällen  die  Exstirpation  des  Uterus  zur  Folge  haben. 

2.  Wenn  kein  Grund  zur  Annahme  einer  Infektion  vorliegt,  kann 
man  sowohl  abdominell  als  vaginal  vorgehen. 

Ad  2.  Retroplazentare  Blutungen:  13  Fälle  mit 
4  Todesfällen  (1  apoplektische  Blutung  in  die  Uteruswand,  2  mal 
Embolie,  1  febriles  Wochenbett  mit  Infektion  der  Nierenwege).  Verf. 
schägt  für  diese  Fälle  folgende  Behandlung  vor:  Bei  Erweiterung  des 
Muttermundes  Entbindung  auf  vaginalem  Wege,  bei  Infektion  Uterus¬ 
exstirpation. 

Ad  3.  Blutungen  in  der  Nachgeburtsperiode:  Bei 
Zervixrissen  Tamponade,  genügt  diese  nicht,  Herabziehen  des  Gebär¬ 
mutterhalses  und  Sichtbarmachen  des  blutenden  Risses,  Fassen  des 
spritzenden  Gefässes;  bei  Misslingen  zieht  Verf.  der  Massen¬ 
umstechung  oder  -abklemmung  die  Laparotomie  vor. 

Emil  Kr  aus- Wien:  Eine  Modifikation  der  Tamponbehandlung. 

Verf.  verwirft  die  im  allgemeinen  gebräuchliche  Methode  und 
schlägt  bei  Tamponbehandlung  entzündlicher  Adnexe  die  Tamponade 
mit  einem  in  essigsaure  Tonerde  getauchten  Streifen  vor;  diese  Tam¬ 
ponade  wirkt  infolge  der  feuchten  Wärme  ähnlich  wie  ein  Dunst¬ 
umschlag,  dazu  kommt  die  bakterizide  und  noch  mehr  die  adstrin¬ 
gierende  Wirkung  des  Medikaments,  durch  welche  der  Fluor  günstig 
beeinflusst  wird. 

Karl  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Remscheid :  Hebammenausbildung,  die  He¬ 
bung  des  Hebammenstandes  und  ärztliche  Praxis. 

Verf.  schliesst  seine  Ausführungen  mit  den  Sätzen: 

1.  Nur  bessere  und  umfangreichere  Ausbildung  der  Hebammen, 
nicht  das  Gegenteil,  blosse  Abrichtung,  sichern  Gesunderhaltung  der 
Wöchnerin  und  des  Säuglings  und  vor  allem  die  Herabsetzung  der 
Kindbettsterblichkeit. 

2.  Ohne  die  Besserung  und  Sicherung  der  wirtschaftlichen  Lage 
der  Hebammen  ist  die  Hebung  des  Standes,  Besserung  der  Aus¬ 
bildung  einschliesslich  der  besseren  Vorbildung  nicht  denkbar. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  XI,  No.  12,  1913. 

1)  Privatdozent  Dr.  P.  H  e  i  m  und  Dr.  M.  K.  J  o  h  n:  Die  kasein- 
fettangereicherte  Kuhmilch  (KF.-Milch)  als  Dauer-  und  Heil¬ 
nahrung.  (Aus  dem  2.  Heim  des  Landesvereins  für  Mutter-  und 
Sauglingsschutz  in  Pest;  dir.  Chefarzt:  Privatdozant  Dr.  R. 
Temesväry.) 

Die  KF.-Milch  besteht  aus  dem  fein  zerriebenen  Labkuchen 
von  ”/ 3  Liter  roher  Kuhmilch,  aufgeschwemmt  in  Vs  Liter  Wasser 
und  für  3  Minuten  auf  höchstens  88°  erhitzt,  plus  V3  Liter  Kuhmilch 
und  30g  Soxhlets  Nährzucker.  Sie  ist  von  jeder  Frau  leicht  herstell¬ 
bar,  in  ihrem  Kaseinfettgehalt  ohne  Schwierigkeit  zu  verändern  und 
soll  für  die  Eiweissmilch  eintreten.  Die  KF.-Milch  unterscheidet  sich 
auch  in  ihren  Verdünnungen  vor  der  ebenso  verdünnten  Kuhmilch 
bei  gleicher  Molkenkonzentration  durch  einen  höheren  Gehalt  an 
Liweiss,  Fett,  Kalzium  und  eine  Ueberlegenheit  an  Kalorien.  Die 
Autoren  kommen  auf  Grund  ihrer  Beobachtungen  zu  folgendem 
Schlüsse:  Die  Kaseinfettmilch  eignet  sich  als  Dauernahrung,'  indem 
diese  Nahrung  vor  Dyspepsien  schützt.  Es  wird  sich  mit  derselben 
eine  grosse  Gruppe  auch  ganz  junger  Säuglinge  auferziehen  lassen, 
vor  allem  jene,  die  auf  Kuhmilch  mit  Dyspepsien  reagieren  unter 
allem  Vorbehalte  schädigender  Einflüsse,  denen  das  komplexe  Nähr- 
gemisch :  Kuhmilch  zugrunde  liegt.  Die  Kaseinfettmilch  leistet  als 
Heilmittel  der  chronischen  Dyspepsie  vorzügliche  Dienste.  Es  werden 
durch  dieselbe  bestehende  Schlappen  wettgemacht  und  eine  stür¬ 
mische  Reparation  ermöglicht. 

2)  Dr.  Hans  Kleinschmidt:  Ueber  Milchanapiiylaxie.  (Aus 
der  med.  Klinik  zu  Marburg  a.  L.;  Direktor:  Geheimrat  Professor 
Matthe  s.) 

Gesunde,  ausgewachsene  Meerschweinchen  können  auf  enteralem 
Wege  mit  Kuhmilch  sensibilisiert  werden.  Ob  rohe  oder  kurz  auf- 
gekochte  Kuhmilch  dabei  verwandt  wird,  ist  gleichgültig-  mit  %  h 
lang  gekochter  Milch  aber  werden  die  Resultate  inkonstant,' was  offen¬ 
bar  auf  die  Reduktion  der  biologisch  wirksamen  Molkeneiweisskörper 
zurückzuführen  ist.  An  der  Sensibilisierung  ist  in  erster  Linie  das 
Milchalbumin  beteiligt,  doch  kommt  auch  eine  Kaseinüberempfindlich- 
keit  vor.  Albumin-  und  Kaseinüberempfindlichkeit  können  neben¬ 
einander  bestehen  (polyvalente  Anaphylaxie).  Das  Ueberstehen  eines 
Kasemschocks  hat  nicht  Antianaphylaxie  für  Albumin  zur  Folge.  Bei 


1046 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


subkutan  und  durch  Fütterung  vorbehandelten  Meerschweinchen 
lässt  sich  auf  enteralem  Wege  kein  Schock  auslösen.  Es  fehlen 
auch  lokale  zelluläre  anaphylaktische  Prozesse  sowie  Temperatur¬ 
anomalien,  Bluteosinophilie  und  Antianaphylaxie.  Dagegen  erwiesen 
sich  Tiere,  die  im  Hungerzustand  oder  nach  Podophyllinverabreichung 
die  auslosende  Milchmenge  auf  oralem  Wege  erhalten  haben,  ge¬ 
wöhnlich  refraktär  gegen  die  intrakardial  tödliche  Dosis.  Immerhin 
treten  schwere  Ueberempfindlichkeitserscheinungen  nach  der  Probe¬ 
injektion  ein.  Das  Berkeieidfiltrat  von  roher  Kuhmilch  erzeugt  beim 
normalen  Menschen  und  Meerschweinchen,  intrakutan  eingespritzt, 
ausgesprochene  Reaktionserscheinungen.  Mit  inaktiviertem  Kuh- 
milchberkefeldfiltrat  oder  Rinderserum  ist  bei  einmalig  subkutan  mit 
Milch  vorbehandelten  Meerschweinchen  eine  Intrakutanreaktion 
nicht  zu  erzielen.  Eine  positive  Intrakutanreaktion  mit  inaktiviertem 
Milchberkefeldfiltrat  wurde  bisher  beim  Menschen  nicht  beobachtet. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 

Zeitschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  6,  H.  4,  1913. 

C.  v.  Pirquet:  Eine  einfache  Tafel  zur  Bestimmung  von 
Wachstum  und  Ernährungszustand  bei  Kindern. 

Angabe  einer  Tabelle,  in  welcher  für  jeden  Zentimeter  der 
Körperlänge  das  Durchschnittsalter  und  das  Durchschnittsgewicht 
angegeben  ist.  Aus  ihr  ist  der  Ernährungszustand  eines  Kindes  ob¬ 
jektiv  abzulesen. 

Herbert  Koch:  Ueber  Meningitis  tuberculosa. 

Sehr  fleissige  (20  Seiten  Literatur)  monographische  Bearbeitung 
des  Gegenstandes,  die  keine  neuen  Gesichtspunkte  ergibt. 

H.  Brüning:  Zur  Geschichte  der  Karottensuppe  als  Säug¬ 
lingsnahrung. 

Zitat  aus  Hufelands  Journal  der  prakt.  Heilkunde,  1801. 

G  ö  1 1. 

Archiv  fiir  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

71.  Band,  6.  Heft. 

O.  Gros:  Ueber  das  Wesen  der  Oxalsäurewirkung  auf  das 
Froschherz.  (Pharmak.  Institut  Leipzig.) 

J  a  nuschk  a  hatte  auf  Grund  seiner  Versuche  angenommen, 
dass  die  Oxalsäure  und  ihre  Salze  durch  Kalkentziehung  wirken. 
Nach  neuen  Versuchen  des  Verf.s  ist  dies  nicht  der  Fall,  denn  man 
kann  durch  Auswaschen  mit  einer  kalkfreien  Lösung  das  Herz  wieder 
zum  Schlagen  bringen.  Auch  die  übrigen  Versuche  sprechen  gegen 
Januschkas  Annahme.  Eine  direkte  quantitative  Prüfung  der 
Frage,  ob  die  Kalkentziehung  das  einzige  schädigende  Moment  ist, 
ist  noch  nicht  möglich,  weil  die  Löslichkeit  des  Kalziumoxalats  noch 
nicht  sicher  bekannt  ist.  Wahrscheinlich  wirkt  das  Oxalation  als 
solches  giftig,  wenn  auch  sekundär  die  Kalkentziehung  das  Herz 
schädigt. 

E.  v.  K  n  a  f  f  1  -  L  e  n  z  und  E.  P.  Pick:  Ueber  das  Verhalten 
der  Plasteine  im  Tierkörper.  II.  Mitteilung.  Plasteine  als  Antigene 
(Pharmakol.  Institut  Wien.) 

Die  Verfasser  untersuchten,  ob  die  aus  den  peptischen  Ver¬ 
dauungsprodukten  gebildeten  Plasteine  den  genuinen  Eiweisskörpern 
analoge  Antikörper  bilden  können,  was  die  Annahme  der  synthetischen 
Bildung  der  Plasteine  stützen  würde;  ferner,  ob  die  Art  des  Antigens 
je  nach  der  Zusammensetzung  der  für  die  Plasteinbildung  verwendeten 
Spaltungsprodukte  und  der  Abstammung  der  hierfür  benutzten  Fer¬ 
mente  wechselt.  Sie  fanden,  dass  die  Immunkörper,  die  gebildet 
wui  den,  nicht  ai  tspezifisch  sind  und  dass  auch  die  Fermente  ihnen 
keine  Spezifität  zu  leihen  vermögen.  Ebenso  wie  dem  Pepsin  nur 
ein  eng  begrenztes  Spaltungsvermögen  zukommt,  ist  auch  seine 
synthetische  Fähigkeit  beschränkt.  Man  darf  aber  daraus  keineswegs 
schliessen,  dass  die  Fermente  an  der  Bildung  der  Arteigenheit  der 
Eiweisskörper  überhaupt  keinen  Anteil  haben. 

H.  W .  B  y  w  a  t  e  r  s  und  A.  Ren  die  Short:  Aminosäuren  und 
Zucker  bei  der  Rektalernährung.  (Physiol.  Laboratorium  der  Uni¬ 
versität  Bristol,  England.) 

..  Die  Verfasse]  ernähiten  Kranke  mit  Ulcus  ventriculi  ausschliess- 
'  i'.,  rek  f.  ?,nf?lngs  mit  20  Minuten  peptonisierter  Milch,  dann  mit 
'dienet,  die  24  Stunden  pankreatisiert  war.  Die  so  erhaltenen  Amino¬ 
säuren  wurden  gut  resorbiert,  es  erfolgte  gegenüber  der  1.  Periode 
minier  ein  starker  Anstieg  der  N-Ausscheidung  im  Harn.  Dextrose 
'.Wirde  besser  resorbiert  als  Laktose,  das  Fett  gewöhnlicher  Milcli- 
emlaufe  fast  gar  nicht.  Das  beste  Nährklysma  besteht  aus  Milch,  die 
-4  Stunden  der  Pankreasw  irkung  ausgesetzt  war,  mit  5  Proz.  reiner 
Dextrose-  L.  Jacob- Würzburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  18,  1913. 

II  Albt  echt  Erlenmeyer  -  Koblenz :  Ueber  Epilepsiebehand- 

uing. 

\eif.  legt  in  diesem  Artikel  seine  Erfahrungen  und  Grundsätze 
nieder,  die  für  die  therapeutische  Beurteilung  und  Behandlung  der 
Epilepsiekranken  zu  beachten  sind. 

2)  K.  E.  B  o  e  h  n  k  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  Wirkung  des 
Kampfers  bei  bakterieller  Infektion.  (Als  Autoreferat  mitgeteilt  am 
April  1913  auf  der  1  agung  der  freien  Vereinigung  für  Mikrobio¬ 
logie.) 

Wenn  nach  den  vorliegenden  Versuchen  dein  Kampfer  auch 
keine  überwältigende  Wirkung  auf  die  Pneumokokkeninfektion  zu¬ 
zukommen  scheint,  so  erscheinen  die  Ergebnisse  doch  lohnend,  wei¬ 


No.  J9. 

tere  Kombinationen  mit  anderen  Chemikalien  anzustellen  und  auch 
andere  Infektionserreger  mit  heranzuziehen. 

3)  D.  K  1  i  n  k  e  r  t  -  Groningen:  Untersuchungen  und  Gedanken 
über  den  Cholesterinstoffwechsel. 

Das  Cholesterin  hat  in  der  letzten  Zeit  für  die  klinische  Patho¬ 
logie  an  Bedeutung  gewonnen,  so  dass  die  Untersuchungen  des  Ver¬ 
fassers  von  Interesse  sind,  selbst  wenn  sie  nur  beweisen,  dass  wir 
erst  im  Anfang  des  Studiums  dieses  neuen  Gebietes  stehen. 

4)  E.  Stadel  mann  -  Berlin :  Ueber  seltenere  Formen  von  Blu¬ 
tungen  im  Tractus  gastro-intestinalis.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Ber¬ 
liner  med.  Gesellschaft  am  19.  März  1913.) 

Cf.  pag.  674  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

5)  P.  G.  U  n  n  a  -  Hamburg:  Zur  Chemie  der  Zelle. 

Physiologischer  Beitrag. 

6)  Wilhelm  Spät-  Prag:  Ueber  den  Einfluss  der  Leukozyten  aui 
das  Anaphylatoxin. 

Der  Einfluss  der  Leukozyten  auf  die  Anaphylatoxinbildung  und 
auf  das  fertige  Anaphylatoxin  kann  nicht  durch  Phagozytose  erklärt 
werden.  Die  Verff.  haben  dieselben  Resultate  mit  Leber-  und  Nieren- 
zellen  erzielt,  bie  denen  von  Phagozytose  naturgemäss  keine  Rede 
sein  kann.  Der  Einfluss  all  dieser  Zellen  auf  die  Anaphylatoxinbil¬ 
dung  kann  auf  Grund  dieser  Versuche  nur  als  einfache  Absorption 
gedeutet  werden. 

7)  W.  Lublinski:  Die  akute  nichteitrige  Thyreoiditis. 

Uebersichtsreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  18,  1913. 

1 )  W.  K  o  1 1  e,  O.  H  a  r  t  o  c  h.  M.  Rothermundt  und 
W.  Schürmann  -  Bern:  Ueber  neue  Prinzipien  und  neue  Präparate 
fiir  die  Therapie  der  Trypanosomeniiifektionen. 

Experimentell  haben  das  Antimon  und  seine  dreiwertigen, 
wasserunlöslichen  Verbindungen  eine  hervorragend  sichere  thera¬ 
peutische  Wirkung  bei  Nagana,  Douritie  und  Schlafkrankheit  der 
Mäuse  gezeigt.  Während  jedoch  bei  einer  grossen  Reihe  diese 
Präparate  die  Versuchstiere  sekundär  an  chronischer  Antimonver¬ 
giftung  eingingen,  erwies  sich  die  „Trixidin“  genannte  30  proz. 
Emulsion  des  Antimontrioxyds  als  relativ  ausserordentlich  ungiftig: 
hiermit  war  es  möglich,  durch  ein-  oder  zweimalige  intramuskuläre 
Injektion,  eine  Dauersterilisierung  trypanosomenkranker  Tiere  in 
100  Proz.  der  Fälle  zu  erreichen,  ohne  irgendwelche  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  zu  haben.  Weiter  hat  sich  herausgestellt,  dass  durch 
eine  Innunktionskur  mit  metallischem  Antimon  oder  einigen  unlös¬ 
lichen  Antimonverbindungen  in  66  Proz.  Mäuse.  Ratten,  Meerschwein¬ 
chen,  Kaninchen  und  Affen  von  den  genannten  Trypanosomeniniek- 
tionen  ohne  Schädigung  geheilt  werden,  ln  30—40  Proz.  dieser 
Fälle  traten  Rezidive  auf.  Trixidin  ist  hier  als  in  Salbenform  un¬ 
wirksam  nicht  verwendbar.  Therapeutische  Versuche  am  Menschen 
und  grösseren  Tieren  in  dieser  Richtung  sind  bereits  im  Gange. 

2)  Kurt  _H  e  n  i  u  s  und  Max  Rosenberg  -  Berlin :  Das  Mar- 
morekserum  in  der  Behandlung  der  Lungentuberkulose.  (Schluss  aus 
No.  17.) 

Erfahrungen  aus  Klinik  und  Poliklinik  legen  es  nahe,  die  passive 
Immunisierung  mittels  des  Marmorekserums  —  naturgemäss  über 
Wochen  und  Monate  ausgedehnt  —  bei  solchen  Tuberkulösen  zu 
versuchen,  welche  infolge  Vorgeschrittenheit  ihres  Leidens  einen  gün¬ 
stigen  Erfolg  der  aktiven  Immunisierung  auf  dem  Wege  der  Tuber¬ 
kulinbehandlung  nicht  mehr  zu  versprechen  scheinen,  also  bei 
schwereren  Kranken  des  zweiten  und  leichteren  Kranken  des  dritten 
Stadiums.  Neben  einem  nicht  selten  recht  günstigen  Einfluss  wun¬ 
den  schädliche  Wirkungen  nicht  beobachtet. 

3)  P.  H  a  m  p  e  1  n  -  Riga:  Ueber  Liingenblutung  bei  perforierten 
Aortenaneurysmen. 

Im  Gegensatz  zu  anderen  Autoren  konnte  Verf.  verhältnismässig 
häufig,  d.  h.  18  mal  unter  200  Fällen  von  Aortenaneurysma,  intra- 
thorakale  Perforationen  sehen  und  zwar:  4  mal  in  die  Trachea.  3 mal 
in  die  Bronchien,  1  mal  in  die  linke  Lunge,  2  mal  in  die  Pleura, 
je  1  mal  in  das  Perikard  und  Mediastinum,  5  mal  in  den  Oesophagus, 

1  mal  Perforation  eines  Aneurysma  sinus  aortae  in  den  rechten  Ven¬ 
trikel.  Prodromale  „Lungenblutungen“  wurden  14  mal  beobachtet, 
scheinen  also  nicht  ganz  selten  zu  sein. 

4)  Erich  K  e  u  p  e  r  -  Karlsruhe :  Melubrin  als  Antirheumatikum 
und  Antipyretikum. 

Bei  grosser  Unschädlichkeit  für  Magen  und  Nieren  auch  in  hohen 
Dosen  von  8 — 10  g  pro  die  wurde  das  Melubrin  mit  gutem  Erfolge 
gegen  Polyarthritis  rheumatica  acuta  und  chronica,  akuten  und  chro¬ 
nischen  Muskelrheumatismus,  pleuritische  Exsudate  und  je  einmal 
gegen  Morbus  maculosus  Werlhofii  und  Chorea  minor  gegeben.  Be¬ 
sonders  auffallend  war  die  analgesierende  und  antipyretische  Wirkung 
bei  dem  akuten  Gelenkrheumatismus. 

5)  P  a  n  k  o  w  -  Düsseldorf :  Die  anatomischen  Grundlagen  der 
Placenta  praevia  und  ihre  Bedeutung  fiir  die  Therapie. 

Nach  einem  Vortrage  auf  dem  internationalen  Gynäkologenkon- 
gress  1912  in  Berlin,  ref.  in  No.  42,  1912  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

6)  C.  H  e  g  1  e  r,  Eugen  F  r  a  e  n  k  e  1  und  O.  Schümm-  Ham¬ 
burg-Eppendorf  :  Zur  Lehre  von  der  Haematoporphyria  congenita. 
Zugleich  ein  Beitrag  zur  Kasuistik  des  weiblichen  Bartwuchses. 

Klinische,  pathologisch-anatomische  und  spektroskopisch-che¬ 
mische  Mitteilungen  nach  Demonstrationen  im  Aerztlichen  Verein  in 
Hamburg  am  11.  Februar  1913,  ref.  in  No.  8,  1913  der  Münch,  med. 
Wochenschr. 


3.  Mai  1913. 


MUENCHHNHK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1047 


7)  Karl  W  e  i  h  r  a  u  c  h  -  Edniundsthal-Siemerswalde  (hei  Ham- 
urg):  Resistenzbestimmung  der  Erythrozyten  bei  Tuberkulose 

Auch  bei  sorgfältiger  Vermeidung  aller  Fehlerquellen  konnte  nur 
i  2,7  Proz.  aller  I  uberkulosen  eine  übrigens  prognostisch  nicht  be¬ 
eidende  Resistenzvermindcrung  der  Erythrozyten  festgestellt  wer- 
en;  sie  fehlte  vollkommen  nach  Tuberkulininjektionen,  ja  es  ver- 
chwand  sogar  danach  in  zwei  Fällen  die  vorher  bestehende  Re¬ 
isten/.  Verminderung. 

S)  Fugen  Holländer  -  Berlin :  Zur  Genese  der  Netztumoreu 

Epiploitis  plastica). 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  10.  März 
03,  ref.  in  No.  11,  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

9)  Leo  Quadflieg  -  Gelsenkirchen :  Beitrag  zur  Modifikation 
er  Wasser  m  a  n n  -  N e i s s e r - B r  u  c k scheu  Reaktion  nach 

l.  S  t  e  r  n. 

Die  Anstellung  der  Reaktion  mit  aktivem  Serum  gibt  mehr  posi- 
ve  Resultate  ,als  die  Originalmethode  mit  inaktivem  Serum.  Das  be¬ 
sätet  aber  eine  Beeinträchtigung  der  Zuverlässigkeit,  da  mit  einem 
erartigen  Serum  zu  leicht  auch  andere  Krankheiten  ausser  Lues 
neu  positiven  Ausfall  ergeben;  zum  mindesten  ist  also  eine  Kontrolle 
lit  Hilfe  des  inaktivierten  Serums  notwendig. 

10)  Anton  S  u  n  d  e  -  Christiania :  Herpes  zoster  frontalis  mit 
akterienbefund  im  Ganglion  Gasseri. 

Bei  der  Sektion  eines  81  jährigen,  3)4  Tage  nach  Ausbruch  eines 
.chtseitigen  Herpes  zoster  frontalis  an  Bronchopneumonie  ver- 
orbenen  Mannes  fand  sich  das  rechte  Ganglion  Gasseri  geschwollen 
ld  von  Blutungen  durchsetzt.  Als  mikroskopischer  Befund  ergab 
ch  ausserdem  Hyperämie,  Rundzelleninfiltration,  fibrino-purulentes 
vsudat  zwischen  einigen  Nervenfasern  und  eine  beträchtliche  Menge 
an  Gram-positiven  Kokken,  meist  als  Diplokokken  oder  auch  zu 
inz  kurzen  Ketten  gefügt.  Das  rechte  Ganglion  war  durchaus  normal. 

11)  W.  F  i  s  c  h  e  r  -  Berlin :  Heber  das  gehäufte  Auftreten  von 
xanthemen  nach  dem  Gebrauch  von  Copaivabalsam. 

Neunmal  unter  etwa  lOOFällen  wurde  nach  der  neuerdings  wieder 
in  der  Zentralkommission  der  Berliner  Krankenkassen  wegen  des 
edrigeren  Preises  statt  des  Santalöles  empfohlenen  Verabreichung 
an  Copaivabalsam  mehr  oder  weniger  schwere  Erythembildung 
eist  bereits  am  zweiten  Tage  gesehen;  das  dabei  mehrfach  be¬ 
iachtete  Auftreten  von  Blutextravasaten  weist  auf  eine  Schädigung 
r  Gefässwände,  wenn  nicht  auf  eine  Hämolyse  hin.  Es  sind  daher 
if  jeden  Fall  die  Sandelölpräparate  vorzuziehen. 

12)  W  i  e  m  a  n  n  -  Flensburg:  Knorpelfaltung  bei  abstehenden 
hren  und  Othämatom. 

Das  von  Eckstein  zur  Wiederherstellung  des  Anthelix  und 
nseitigung  eines  Abstehens  der  Ohren  angegebene  Verfahren  der 
lorpelfaltung  ergibt  nicht  nur  gute  Erfolge  bei  dieser  Missformung, 
ndern  auch  bei  der  operativen  Beseitigung  des  Othämatoms.  Es 
ipfiehlt  sich,  den  Schnitt,  entsprechend  dem  Crus  superius  antheücis 
ich  hinauf  zu  führen. 

Nachtrag:  ln  dem  Referate  über  No.  16  d.  W.  lautet  der  Name 
s  Verf.  unter  Ziffer  8:  Harzbecker  (statt  Harzbecher), 
ter  Ziffer  13:  Couto  (statt  Conto),  unter  Ziffer  15:  Du  toi  t 
tatt  Destoit);  ferner  muss  es  unter  Ziffer  11  Anginoltabletten 
tatt  Anginatabletten)  heissen.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  13. 

A.  Fon  io:  Ueber  die  neue  Biutstillungsmethode  und  Wund¬ 
handlung  durch  das  Koagulin  Kocher-Fon  io.  (Chirurg, 
inik  Bern.)  (Fortsetzung  folgt.) 

A.  D  u  t  o  i  t  -  Montreux :  Der  traumatische  Enophthalmus. 

Verf.  diskutiert  ausführlich  die  verschiedenen  in  der  Literatur 
aiergelegten  Ansichten  über  die  Aetiologie  und  Symptomatologie 
s  Krankheitsbildes.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

L.  Jacob-  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

J.  Mannaberg  -  Wien :  Ueber  Versuche,  die  Basedow  sehe 
ankheit  mittels  Röntgenbestrahlung  der  Ovarien  zu  beeinflussen. 

Die  in  Krankengeschichten  und  einer  Tabelle  niedergelegten  Be¬ 
achtungen  an  10  Fällen  zeigen  in  fast  allen  Fällen  eine  günstige 
nvirkung:  Zunächst  eine  ansehnliche  Gewichtszunahme,  bei  der 
i  Ifte  eine  Abnahme,  vereinzelt  bis  zum  Schwunde  des  Exophthal- 
1  is,  eine  mehr  oder  minder  erhebliche  Abnahme  der  Pulszahl,  eine 
'  ist  auffallende  Besserung  des  subjektiven  Zustandes.  'Gut  beein- 
i  sst  wurden  auch  die  Diarrhöen  und  der  Tremor.  Gering  war  der 
1 1 fl u ss  auf  die  Menses  und  auf  die  Grösse  der  Struma.  Die  Dauer 
■  r  Erfolge  ist  noch  ungewiss.  In  einzelnen  Fällen  war  der  Erfolg 
Uativ:  Gewichtsabnahme,  Steigerung  der  Pulszahl,  Verschlechte¬ 
ng  des  Allgemeinbefindens.  Bei  nicht  allzuschweren  Fällen  scheint 

Ovarialbestrahlung  anderen  Methoden  überlegen  zu  sein. 

R.  Eckler-Wien:  Erfahrungen  mit  der  biologischen  Diagnose 
"  Schwangerschaft  nach  Abderhalden. 

E.s  Erfahrungen  bestätigen  die  Bedeutung  der  Reaktion  nach  der 
thode  Abderhaldens  für  die  Sicherung  der  Schwanger- 
;  laftsdiagnose;  sie  war  bei  37  Graviden,  teilweise  der  ersten 
'Jchen,  immer  positiv,  bei  25  Nichtgraviden  immer  negativ.  Eine 
deutung  hat  die  Methode  vor  allem  auch  zur  Erkennung  der  Extra- 
;  ringravidität,  auch  für  die  Deutung  von  Blutungen  nach  längerer 
uenorrhöe. 


G.  I  z  a  r -  Catania :  Ueber  Antigene  für  die  Meiostagminreaktion. 

..  ,■  1  ■!  er  Untersuchung  einer  grossen  Reihe  von  Fettsäuren  be¬ 

züglich  ihres  Verhaltens  zu  I  umorseris  zeigten  die  Leinöl-  und  die 
Rizinusolsäure  in  den  Variationen  der  Oberflächenspannung  gegen- 

menschlichen  I  umorseris  ein  den  rumor-  und  Pankreasextrakten 
ähnliches  Verhalten.  Es  lässt  sich  weiter  schliesssen,  dass  die  grosse 
Labilität  der  alten  Extraktantigene  aus  Neoplasmen  oder  Pankreas 
durch  die  Labilität  der  genannten  Säuren  oder  verwandter  Körper 
ihre  Erklärung  finden.  Weiteres  ist  im  Original  einzusehen. 

.  F.  L  j  n  d  s  t  r  ö  m  -  Gefvle  (Schweden):  Zur  Kasuistik  der  Ar- 
semkvergiftungen. 

Beobachtungen  L.s  an  sich  und  Mitgliedern  seiner  Familie.  Eine 
heftige,  weiterhin  lang  anhaltende  Neuralgie  am  Arme,  vorzugsweise 
im  Gebiete  des  N.  axillaris,  wurde  mit  der  Zeit  als  Arsenneuralgie  er- 
kaniit,  bedingt  durch  Verwendung  arsenhaltiger  Oelfarbe  (holländi¬ 
schem  Zinkweiss)  bei  der  Reparatur  der  Wohnräume;  die  Einzelheiten 
werden  näher  geschildert. 

v.  Fried  län  der:  Zur  Enterocleanerdebatte  (in  der  k.  k  Ge¬ 
sellschaft  der  Aerzte). 

E.  S  c  h  ii  t  z:  Zur  Enterocleanerdebatte.  (M.  m.*W.  No.  18,  S.  1012.) 

,  lu  beiden  vorstehender:  kurzen  Bemerkungen  wird  Gewicht 
oarauf  gelegt,  bei  der  Anwendung  des  Enterocleaners  Vorsicht  be- 
ziiglich  aller  entzündlichen  Erkrankungen,  bzw.  des  Verdachtes  solcher 
zu  empfehlen. 

G.  Schwarz:  Ueber  direkte  Irrigoradioskopie  des  Kolons. 

Antwort  auf  die  Bemerkungen  Haenisch’s  in  No.  14. 

L.  M  o  1 1- Wien  :  Die  Fürsorgeschwester  im  Frieden  und  im  Kriege. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  13.  O.  Fö  der  1- Wien:  Herniologisches. 

Betrifft  eine  Reihe  von  seltenen  Formen  der  Hernien  mit 
Varianten  des  Bruchsackes,  sowie  seltenere,  mit  Hernien  zu  ver¬ 
wechselnde  Affektionen.  (Mit  Abbildungen.) 

No.  14..  H.  J  a  n  u  s  c  h  k  e  -  Wien :  Ein  Beitrag  zu  den  physi¬ 
kalisch-chemischen  Bromwirkungen  im  Organismus. 

Zusammenfassung:  Je  nach  der  Technik  der  Darreichung  des 
Bi  omnatriums  wird  im  Nervensystem  eine  Bromidionenwirkung  oder 
Chlorid  Verdrängung  erzielt;  die  physiologische  Wirkung  dieser  beiden 
Vorgänge  erstreckt  sich  auf  verschiedene  Nervenzentren.  Es  gibt 
Fälle  von  menschlicher  Epilepsie,  wo  der  Heilerfolg  durch  Brom- 
ldionenwirkung  und  nicht  durch  Chloridverdrängung  eintritt.  Die 
Empfindlichkeit  des  Nervensystems  für  die  narkotische  Wirkung  der 
Bromidionen  kann  durch  massige  Entziehung  eines  wichtigen  Zell¬ 
bausteines  (Lipoide,  Kalzium-  oder  Chloridionen)  erhöht  werden.  Zu 
exakten  Studien  über  Bromidwirkungen  im  Organismus  ist  nur  das 
Bromnatrium  geeignet,  nicht  andere  (Erlenmeyer)  Bromsalze 
oder  organische  Bromverbindungen. 

No.  15.  P.  v.  Szily-Pest:  Zur  Chemotherapie  der  luetischen 
Keratitis. 

Verf.  empfiehlt  auf  Grund  von  10  neuen  günstigen  Erfolgen  die 
Behandlung  der  luetischen  Keratitis  mit  10—12  in  Pausen  von  einer 
halben  Woche  gegebenen  intravenösen  Infusionen  von  je  1  g  Neo- 
salvarsan.  Die  Ausheilung  erforderte  5—8  Wochen. 

Bergeat-  München. 

Französische  Literatur. 

Ch.  Leroux  und  W.  Grunberg:  Untersuchungen  über  die 
Nachkommenschaft  von  442  tuberkulösen  Arbeiterfamilien  (Frucht¬ 
barkeit.  Mortalität,  Morbidität,  Dystrophien,  Ursachen  der  Entartung). 

(Revue  de  medecine,  November  1912.) 

Ohne  die  günstigen  Einflüsse,  welche  all*  die  neuzeitlichen  Be¬ 
strebungen.  wie  Mutterschutz,  Säuglingsfürsorge,  Beratungsstellen, 
Sanatorien  u.  a.  mit  sich  bringen,  negieren  zu  wollen,  glauben  Verff. 
auf  Grund  ihrer  eingehenden  Untersuchungen  sich  zu  dem  Schlüsse 
berechtigt,  dass  all’  dieses  nur  kleine  Mittel  seien  und  die  wirkliche 
Prophylaxe  darin  besteht,  das  Milieu  anzugreifen,  in  welchem  die 
tuberkulösen  Familien  wohnen,  um  jeden  Preis  den  Tuberkelbazillus 
in  seinen  Zufluchtsorten  zu  zerstören  und  die  Wohnstätten  anzu¬ 
greifen,  wo  er  sich  so  stark  vermehrt  und  überträgt.  England  hat 
uns  den  praktischen  Beweis  geliefert,  indem  es  die  Tuberkulose  durch 
Vernichtung  der  infizierten  Immobilien  und  nicht  durch  Sanatorien 
oder  Mittel  zweiter  Gattung  bekämpft.  Aber  es  genügt  nicht,  die 
alten  Herde  der  Tuberkulose  zu  zerstören,  sondern  man  muss  dafiir 
Sorge  tragen,  dass  keine  neuen  geschaffen  werden,  dass  den  Arbeitern 
und  kinderreichen  Familien  —  und  gerade  tuberkulöse  oder  auch  mit 
anderen  Konstitutionskrankheiten  behaftete  Eltern  haben,  wie  obige 
Untersuchungen  lehrten,  besonders  zahlreiche  Nachkommenschaft  — 
auch  gesunde  Wohnungen  zur  Verfügung  stehen.  Der  springende 
Punkt  ist  also  die  Wohnungshygiene,  welche  zwar  von  verschiedenen, 
privaten,  staatlichen  und  städtischen.  Seiten  in  Angriff  genommen 
ist,  aber  es  muss  mit  offenen  Händen  und  rasch  gehandelt  werden, 
wenn  man  den  Verheerungen,  welche  noch  heute  die  Tuberkulose  in 
den  Arbeiterfamilien,  wie  vorliegende  Arbeit  zeigt,  anrichtet.  Einhalt 
tun  will.  Auf  genauere  Einzelheiten  der  verschiedenen  oben  ange¬ 
führten  Punkte  kann  hier  nicht  eingegangen  werden. 

Germain  Roque  und  Victor  C  o  r  d  i  e  r :  Die  tuberkulöse  Natur 
des  Aszites  bei  der  Zirrhose  und  speziell  der  L  a  e  n  n  e  c  sehen  Form 
derselben.  (Revue  de  medecine,  Nov.  u.  Dez.  1912.) 

Die  an  20  Fällen  mit  allen  histologischen  und  bakteriologischen 
Hilfsmitteln  ausgeführten  Untersuchungen  kommen  zu  dem  Ergeb- 


1048 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


nisse,  dass  jeder  Aszites,  der  im  Verlaufe  einer  Laennecschen 
Zirrhose  vorkommt,  tuberkulöser  Natur  ist;  er  setzt  die  Existenz  eines 
Entzündungsprozesses  des  Bauchfells  voraus,  der  die  gewöhnlichen 
Erscheinungen  darbietet,  ohne  das  klinische  Bild  noch  die  anatomische 
Form  der  früher  beschriebenen  tuberkulösen  Peritonitis  zu  haben, 
aber  trotzdem  tuberkulösen  Ursprungs  und  tuberkulöser  Art  ist.  Ob 
es  sich  hiebei  um  follikuläre  oder  entzündliche  (Poncet)  Tuber¬ 
kulose  handelt,  wollen  Verfasser  noch  unbeantwortet  lassen;  sie  sind 
aber  überzeugt,  dass  sich  die  Beobachtungen  wahrer  Laennec- 
scher  Zirrhose  toxiinfektiösen  Ursprungs,  wo  meist  die  Tuberkulose 
die  primäre  Rolle  spielt,  noch  sehr  vermehren  werden  —  wiewohl 
die  Vermittlung  der  Alkoholintoxikation  zur  Entwicklung  der  Zirrhose 
unumgänglich  bestehen  bleibt.  Ausführliches  Literaturverzeichnis. 

Sven  J  o  h  a  n  s  s  o  n  -  Stockholm ;  Beitrag  zum  Studium  der 
Spontanrupturen  der  Milz.  (Revue  de  Chirurgie,  Juli  1912.) 

Im  Anschluss  an  einen  selbstbeobachteten  Fall  von  Ruptur  einer 
vergrösserten  Milz,  die  infolge  eines  Magenkarzinoms  entstanden 
zu  sein  scheint,  unterzieht  J.  die  einschlägige  Literatur  einem  ein¬ 
gehenden  Studium  und  es  ergeben  sich  folgende  Schlüsse:  Was  die 
Malariamilz  betrifft,  so  müsste  in  Anbetracht  der  hiebei  vorhandenen 
grossen  Gefahr  der  Ruptur  die  Indikation  der  Splenektomie  noch  be¬ 
deutend  erweitert  werden.  Bei  Symptomen,  welche  Perforations¬ 
peritonitis  oder  intraabdominale  Blutung  bei  vorhandener  Milzver- 
grösserung,  z.  B.  in  Fällen  von  Typhuskranken,  vermuten  lassen, 
muss  man  immer  an  die  Möglichkeit  einer  spontanen  Ruptur  der 
Milz  denken  und  unverzüglich  zur  Operation  schreiten,  wie  überhaupt 
bei  Ruptur  einer  Infektionsmilz  (typhöser  oder  septischer  Natur)  es 
das  beste  ist,  die  Milz  zu  exstirpieren  und  die  Peritonitis  nach  den 
gewöhnlichen  Regeln  zu  behandeln. 

L.  S  a  r  g  n  o  n  und  H.  A 1  a  m  a  r  t  i  n  e :  Die  gegenwärtige  Be¬ 
handlung  der  schweren  Narbenstenosen  des  Oesophagus.  (Revue  de 
Chirurgie,  August  1912.) 

Die  Beobachtungen  der  Verfasser  erstreckten  sich  auf  alle  mög¬ 
lichen  Arten  von  Narbenstriktur  der  Speiseröhre,  und  zwar  von  den 
leichtesten  bis  zu  den  kompliziertesten  (2  Fällen,  welche  Gastro¬ 
stomie,  äussere  Oesophagostomie  und  beide  Arten  von  Oesophago- 
skopie  erforderten)  —  in  Summa  sind  es  24,  welche  in  ihrer  Ver¬ 
schiedenheit  der  Behandlung  hier  beschrieben  und  in  6  Kategorien 
je  nach  der  Art  derselben  eingeteilt  sind.  Sehr  häufig  ermöglicht  die 
einfache  Oesophagoskopie,  die  Stenose  frei  zu  machen  und  dann  die 
allmähliche  Dilatation  anzufügen.  Die  Gastrostomie  ist  angezeigt: 

1.  bei  sehr  engen  Stenosen  mit  Unmöglichkeit  der  Ernährung  und 
progressiver  Kachexie,  bei  septischen  Komplikationen  des  Oeso¬ 
phagus  primärer  oder  sekundärer  Art;  2.  bei  Stenosen,  welche  auf 
einfache  Dilatation  und  Oesophagoskopie  nicht  zurückgehen.  Die 
retrograde  Dilatation  mit  Faden  ohne  Ende  ist  die  Methode  der  Wahl  | 
jedesmal,  wenn  nach  Gastrostomie  die  Dilatation  per  os  nicht  gelingt  j 
oder  nicht  leicht  auszuführen  ist.  Die  innere  Oesophagostomie  ist 
sehr  selten  und  in  ganz  speziellen  Fällen  (bei  sehr  enger  membra- 
nöser  Stenose)  und  die  äussere  Oesophagostomie  (am  unteren  Teile 
des  Halses)  nach  der  Gastrostomie  bei  hartnäckigen,  ausgedehnten, 
die  mittlere  Bauchpartie  betreffenden  Stenosen  indiziert.  Letztere  ist 
gefolgt  von  oberer  und  unterer  allmählicher  Dehnung;  sie  ist  im¬ 
stande,  wenigstens  bei  Kindern  vorzügliche  Resultate  zu  geben.  Die 
äussere  Oesophagostomie,  kombiniert  mit  der  Gastrostomie,  ist  bei 
jenen  Fällen  anzuwenden,  bei  welchen  bisher  nur  transthoracische  i 
Operationen  oder  die  Bildung  einer  subkutanen,  ektopischen  Speise¬ 
röhre  in  Betracht  kam. 

G.  Worms  und  H.  Hamant:  Die  Frakturen  des  Schenkel¬ 
halses  in  der  Kindheit  und  im  heranwachsenden  Alter.  (Revue  de 
Chirurgie,  Sept.  u.  Okt.  1912.) 

Lange  Zeit  nicht  gekannt  oder  verkannt,  später  mit  Ablösung 
des  oberen  Femurendes  verwechselt,  sind  die  Frakturen  des  Schen¬ 
kelhalses  im  jugendlichen  Alter  häufiger,  als  man  bis  jetzt  geglaubt 
hat.  Aus  den  neuen  veröffentlichten  Statistiken,  einschliesslich  der 
von  den  Verfassern  beobachteten  85  Fälle  geht  hervor,  dass  die 
Schenkelhalsfraktur  in  jedem  Lebensalter  beobachtet  wird,  vorzüg¬ 
lich  aber  im  jugendlichen  und  in  den  späten  Lebensjahren.  Die 
Periode,  in  welchem  sie  bei  ersterem  mit  besonderer  Häufigkeit  vor¬ 
kommt,  erstreckt  sich  vom  10.  bis  zum  18.  Lebensjahre.  Sie  entsteht 
aus  vielerlei  Ursachen,  die  sich  aber  in  2  Hauptgruppen  zusammen¬ 
fassen  lassen;  direkte  Gewalteinwirkung  durch  Fall  auf  den 
Trochanter  major,  Zermalmung  und  indirekte  durch  plötzliche 
heftige  Abduktions-  oder  Torsionsbewegungen  (bei  einem  Fehltritt, 
Schlittschuhlaufen  usw.).  Eine  Unterscheidung  dieser  im  jugendlichen 
Alter  vorkommenden  Frakturen  findet  statt  in  1.  vollständige,  2.  un-  ; 
vollständige,  3.  subperiostale.  Je  nach  der  Art  dieser  Typen  und  je 
nachdem  der  Schenkelhalsbruch  neuen  oder  älteren  Datums  ist,  wird 
sich  die  Behandlung  bemessen,  die  vor  allem  den  Zweck  haben  muss, 
die  drohende  Coxa  vara  zu  verhüten.  Im  ganzen  gibt  die  ortho¬ 
pädische  Behandlung,  deren  Hauptgrundzüge  Whitman  an¬ 
gegeben  hat,  bei  inkomplizierten' Fällen  vorzügliche  Resultate,  die 
blutigen  Operationsmethoden  kommen  in  Betracht  bei  juxta-epi- 
physären,  mit  ausgedehnten  Kapsel  und  Periostzerreissungen  verbun¬ 
denen  Frakturen  und  kurz  in  allen  Fällen,  wo  die  Konsolidierung  der  J 
Bruchflächen  von  Anfang  an  unmöglich  erscheint.  Auf  die  ver-  [ 
schiedenen  Arten  von  Operationen  und  der  nach  der  Lage  des  Falles  j 
zu  gestaltenden  Modifikationen  kann  hier  nicht  näher  eingegangen  i 
werden.  Ein  ausführlicher  Literaturbericht  ergänzt  die  wertvolle 
Arbeit. 


Georges  Gross  und  M.  Ba  rthelemy- Nancy :  Die  Sterili¬ 
sation  mit  Formoldämpfen  in  der  chirurgischen  Praxis.  (Revue  ck 

Chirurgie,  Januar  1913.) 

Nach  dem  Vorgänge  von  A  1  b  a  r  r  a  n,  G  u  y  o  n  u.  a.,  welche 
für  die  Desinfektion  und  Sterilisation  der  Katheter,  Zystoskope  usw 
ausschliesslich  trockene  Formalindämpfe  anwenden,  empfehlen  Ver¬ 
fasser  auf  Grund  ihrer  eingehenden  bakteriologischen  und  klinischen 
Versuche,  diese  trockene,  ohne  Erhitzung  auszuführende  Sterilisation 
vor  allem  auf  die  Gummihandschuhe,  welche  dadurch  viel  weniger 
verdorben  würden  und  zerreissen,  also  viel  länger  haltbar  sind, 
aber  auch  auf  das  gesamte  chirurgische  Material,  wie  Fäden,  Verband¬ 
stoffe,  Instrumente,  auszudehnen.  Für  die  Instrumente,  die  zu  täg¬ 
licher  Untersuchung  dienen,  wie  Spekula,  Pinzetten,  Tamponträger, 
wäre  das  geradezu  die  ideale  Art  der  Sterilisation.  Gestützt  auf 
600  chirurgische  Eingriffe  der  verschiedensten  Art,  wobei  das  gesamte 
Material  in  genannter  Weise  sterilisiert  worden  ist,  find  auf  1000  La¬ 
parotomien  und  ebensoviel  Bauchoperationen,  welche  auf  der  Ab¬ 
teilung  von  Prof.  Gross  mittels  Gummihandschuhen,  die  nur  mit' 
Formoldämpfen  sterilisiert  waren,  ausgeführt  worden  sind,  möchten 
Verfasser  diese  einfache  und  praktische  Methode,  die  zugleich  einen  j 
Fortschritt  in  der  täglichen  chirurgischen  Praxis  bilde,  auf  das! 
wärmste  empfehlen. 

Enrico  M  a  r  t  i  n  i  -  Turin :  Die  Veränderungen  der  Schilddrüse 
bei  verschiedenen  experimentellen  und  klinischen  Zuständen.  (Revn 

de  Chirurgie,  Februar  1913.) 

Die  Schilddrüse,  eine  der  wichtigsten  Drüsen  mit  sog.  innerer . 
Sekretion,  das  ein  mit  antitoxischer  Kraft  versehenes  Sdiutzorgai, 
darstellt,  reagiert  im  Verlaufe  der  Krankheitsprozesse,  und  zwar  <e 
nach  dem  Falle  in  verschiedener  Weise.  Bei  akuten  Krankheiten  be¬ 
steht  diese  Reaktion  in  einer  übermässigen  Funktion,  welche  den  | 
Zweck  hat,  die  „materia  peccans“,  die  im  Blute  zirkuliert,  zu  neutrali¬ 
sieren  und  deren  Ausscheidung  zu  erleichtern;  bei  den  Krankheiter 
mit  chronischem  Verlaufe  bewirken  die,  unausgesetzt  von  den  Toxinen 
erzeugten,  exzitierenden  Stoffe  schliesslich  eine  Veränderung  in  der 
Zusammensetzung  und  gleichzeitig  in  der  Absonderung  der  Schild¬ 
drüse.  Dieselbe  nimmt  von  da  an  aktiv  teil  an  den  Verteidigungs- 
massregeln  des  Organismus,  aber,  wenn  die  Wirkung  der  Stimulantien 
auf  diese  Drüse  sich  länger  ausdehnt,  werden  diese  mit  der  Zeit  patho¬ 
logisch  und  produzieren  in  der  Schilddrüse  Erscheinungen  regres¬ 
siver  Art  (Involution,  Degeneration),  wie  man  sie  z.  B.  im  Verlaufe 
chronischer  Lungen-  und  anderer  Tuberkulose  beobachtet. 

Alfred  P  e  1 1  e  r  s  o  n :  Die  Blatternmortalität  in  Schweden  von 
1776 — 1875.  (Annales  de  l’institut  Pästeur,  August  1912.) 

Dank  der  in  Schweden  schon  seit  dem  Jahre  1686  eingeführten 
Kirchenregister,  die  über  Eheschliessungen.  Geburten  und  Todes¬ 
fälle  und  später  (seit  1749)  auch  über  die  Ursachen  der  letzteren  ge¬ 
naue  Aufschlüsse  gaben,  war  es  P.  möglich,  mit  obiger  statistischer 
Studie  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Blattern-  und  Schutzimpfungs¬ 
frage  zu  liefern.  Die  Mortalität  der  Blattern  war  demnach  in  Schwe¬ 
den  schon  vor  Einführung  der  Schutzimpfung  in  der  Abnahme  be¬ 
griffen.  In  den  ersten  Zeiten  nach  derselben  wurde  die  Impfung  noch 
zu  wenig  häufig  ausgeführt,  als  dass  man  ihrem  Einflüsse  allein  die 
beträchtliche  Abnahme  der  Mortalität  zuschreiben  könnte.  ■  In  den 
Tabellen  der  niedrigsten  Lebensalter  (unter  1  Jahr)  hingegen  ist  der 
günstige,  die  Mortalität  herabmindernde  Einfluss  der  Impfung  ein 
offenkundiger.  Ein  anderes,  weniger  vorteilhaftes  Resultat,  welches 
die  Schutzimpfung  unbestreitbar  zur  Folge  hatte,  war  die  Zunahme 
der  Mortalität  an  Blattern  in  den  Altersgruppen  über  20  Jahre.  Die 
Schutzimpfung  schützt  vor  tödlichen  Blattern  während  eines  Zeit¬ 
raumes  von  15 — 20  Jahren.  Nach  der  Einführung  der  Impfung  wurde 
die  Verteilung  der  Blatterntodesfälle  auf  die  beiden  Geschlechter  eine 
andere,  als  sie  vorher  unter  den  Erwachsenen  war,  indem  relativ 
mehr  Männer  als  Frauen  dieser  Krankheit  erlagen. 

E.  Marchoux  und  F.  S  o  r  e  1:  Untersuchungen  über  die  Lepra 
der  Ratten  (Lepra  murium),  ihre  Aetiologie  und  damit  zusammen¬ 
hängende  Betrachtungen  über  die  Lepra  des  Menschen.  (Annales  de 
l’institut  Pasteur,  September  und  Oktober  1912.) 

Im  Jahre  1903  hat  Stefansky  eine  Erkrankung  der  Haut  und 
Lymphdrüsen  bei  Wanderratten  beschrieben,  die  von  einem  säure- 
und  alkoholresistenten,  dem  Hansen  sehen  Bazillus  verwandten. 
Bazillus  hervorgerufen  wird.  Die  hier  vorliegenden  Untersuchungen 
bestätigen,  dass  der  Stephan  sky  sehe  Bazillus,  Mycobacterium 
leprae  murium,  wie  der  Hansen  sehe  ein  Parasit  der  Mesoderm¬ 
zellen  und  die  Rattenlepra  eine  durch  ihn  hervorgerufene' spezifische 
Krankheit  ist.  In  Paris  sind,  wie  in  Odessa,  5  Proz.  der  Kloaken¬ 
ratten  Träger  des  S  t  e  p  h  a  n  s  k  y  sehen  Bazillus,  aber  man  findet  j 
nur  0,6  Proz.  mit  Lepra  behaftete  Ratten.  Im  Allgemeinen  werden  die 
Leistendrüsen  zuerst  ergriffen,  die  Lunge  bildet  eine  Art  Filter,  das 
die  Keime  aufhält  und  gegen  die  Mediastinaldrüsen  leitet.  Die  Ab¬ 
lagerung  von  Keimen  auf  skarifizierter  oder  einfacher  epilierter  Haut 
infiziert  mit  grösserer  Sicherheit  die  Versuchsratten,  als  die  subkutane 
Einimpfung.  Mäuse  können  infiziert  werden,  aber  weniger  leicht 
wie  Ratten;  die  subkutane  Einimpfung  ist  bei  diesen  erfolgreicher 
als  die  andere,  oben  genannte  Art  der  Keimeinführung.  Man  findet  bei 
ihnen  Involutionsformen  von  Bazillen,  die  ähnlich  jenen  bei  Ratten 
beobachteten  sind,  die  mit  menschlicher  Lepra  geimpft  wurden. 
Eine  erste  Reinkultur  des  Bazillus  ist  relativ  leicht  zu  erzielen, 
schwieriger  wird  die  weitere  Züchtung  desselben;  der  Eintrocknung 
vermag  er  nicht  zu  widerstehen.  Bei  einer  Temperatur  von  60 
stirbt  er  nach  15  Minuten  ab.  In  die  Haut  eingedrungen,  folgt  er 


3.  Mai  1913. 


M UENCHENER  Ml:! )IZ  I N I  SCH  E  WOCHENSCH RIFT 


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cm  Lymphwegen;  die  Impfstelle  ist  nicht  immer  die  am  hoch- 
radigstcn  infizierte  Hautgegend.  Männliche  Tiere  infizieren  sich, 
iCiin  man  in  die  Vorhaut  Bazillen  bringt,  ohne  die  Schleimhaut  zu 
crletzen.  Die  Insekten  übertragen  nicht  die  Krankheit.  Die  Be- 
iihrung  einer  beschädigten  Haut  mit  einer  kranken  oder  mit  frisch 
erunreinigten  Gegenständen  ist  der  gewöhnliche  Weg  der  An- 
(cckuiiR.  eine  grosse  Menge  per  os  eingefiihrter  Bazillen  verursacht 
me  pi  iinäre  Lungeninfektion.  1  iir  den  Menschen  ist  ebenso  wie  für 
:e  Ratte,  dei  gew  öhnliche  Weg  der  Uebertragung  der  durch  direkte 
eriihrung  und  der  Hansen  sehe  Bazillus  verhält  sich  wahrscheiu- 
~h  ebenso  wie  der  von  Stephansk  y,  indem  die  geringste  Haut- 
hschiirfung  genügt,  um  ihn  in  den  Organismus  eindringen  zu  lassen, 
iitci  den  Ansteckungsursachen  muss  mau  auch  einen  ziemlich 
rossen  Raum  dci  indirekten  Berührung  durch  Kleider  und  schmutzige 
\  tische  ciinäumen.  Direkt  oder  indirekt,  sicher  spielt  die  Berührung 
ie  Hauptrolle  in  der  Lepraepidemiologie.  Dafür  spricht  auch  die 
Wirksamkeit  der  in  Norwegen  getroffenen  Massnahmen,  wo  es  ge- 
iigte,  die  Leprosen  fern  von  gesunden  Personen,  aber  nicht  von 
irem  Famihenhause  leben  zu  lasssen,  um  die  Lepra  zum  Stillstand 
,i  bringen. 

Ft  Burnet:  Die  Virulenz  der  Tuberkelbazillen  und  die  sog 

utartige  Tuberkulose.  (Annales  de  l’institut  Pasteur,  November  1912.) 

Die  Virulenz  der  Tuberkelbazillen  geht  im  Verlaufe  der  Passage 
wischen  Oiganismen  und  äusserem  Milieu  Schwankungen  ein  B 
ntersuchte  35  Fälle  von  Gelenk-,  Knochen-,  Haut-  und  23 '  von 
alsdriisentuberkulose  und  fand  hiebei  kein  einziges  Mal  den  Rinder- 
p  ts.  An  Meerschweinchen  und  Affen  in  Reinkulturen  angewandt, 
•igten  die  Bazillen  dieser  Tuberkulosefälle  ebensoviel  und  in  vielen 
illtii  noch  grössere  Vii  ulenz  als  die  vom  Auswurf  stammenden 
azillen.  Fs  gibt  Tuberkelbazillen  abgeschwächter  Art,  wenn  sie 
ich  sein  selten  und  bis  jetzt  nur  in  Fällen  von  Hauttuberku'ose 
.'[linden  worden  sind.  Die  Schwere  einer  tuberkulösen  Infektion 
ingt  (ausser  vom  Organismus)  nicht  nur  von  der  Menge,  sondern  auch 
r  Qualität  der  einverleibten  Bazillen  ab.  In  einer  Anzahl  (etwa  ein 
.-hntel)  der  Fälle  bleibt  die  Einimpfung  tuberkulöser  Massen  negativ, 
ine  dass  man  den  Misserfolg  auf  das  Fehlen  von  Bazillen  oder  ein- 
che  Säureresistenz  zurückführen  konnte:  es  handelt  sich  um  abge- 
hwächte  Bazillen,  die  entweder  von  Beginn  an  als  solche  in  den 
rgamsmus  eingedrungen  sind  oder  in  demselben  sich  durch  einen 
.‘ilungsprozess  dazu  entwickelt  haben.  Die  tuberkulöse  Flora  ist 
hii eichet  und  variabler  als  man  glaubt,  unsere  Isolierungs-  und 
ilturmethoden  genügen  noch  nicht  zur  Differenzierung.  Solche  Tat- 
chen  erklären  aber  die  Fälle  spontaner  Immunisation  gegenüber  der 
ibei  kulose  und  bestärken  die  Möglichkeit  einer  künstlichen  Impfung. 

Gabriel  Bertrand  und  F.  Medigreceanu:  Untersuchungen 
ier  das  normalerweise  im  Blute  enthaltene  Mangan.  (Annales  de 
istitut  Pasteur,  Dezember  1912.) 

Die  von  Verfassern  an  Menschen  und  Säugetieren  vorgenom- 
.uen  Untersuchungen  ergaben,  dass  im  Blute  derselben  Mangan  in 
-1  geringeren  Mengen  vorhanden  ist,  als  manche  Forscher  bis  jetzt 
gegeben  haben.  Bei  den  9  Blutarten,  welche  von  Menschen  und 
Heren  Tieren  stammend,  untersucht  wurden,  ergab  sich  ein  Mangan- 
Halt  von  höchstens  l/u>  und  im  allgemeinen  nur  von  1/2«mg  pro  Liter 
ut  und  zwar  besonders  im  flüssigen  Teil  oder  Blutplasma  verbreitet, 
e  Frage,  ob  dieses  Mangan  ein  passives  und  nicht  notwendiges  oder 
Gegenteil  ein  zur  Funktion  des  Organismus  unumgänglich  not- 
ndiges  Element  ist,  wollen  Verfasser  zum  Gegenstand  weiterer 
itersuchungen  machen. 

.P-  Alglave:  Unmittelbare  und  Dauerresultate  der  totalen  Re¬ 
ktion  der  oberflächlichen  Varizen  der  Oberextremitäten.  (Presse 
dicale  1912,  No.  43.) 

Eingehende,  mit  15  Abbildungen  versehene  Beschreibung  der 
rizenoperation,  die  A.  seit  1902  anwendet  und  aufs  Wärmste  emp- 
Hlt.  Die  Resultate  werden  um  so  besser  und  anhaltender  sein,  ie 
^zeitiger  die  Operation  ausgeführt  wird,  d.  h.  sobald  Schmerzen 
itreten,  die  immer  drohende  Komplikationen  ankündigen.  Auch 
nn  diese  vorhanden  sind,  so  bleibt  die  Totalresektion  das  wirk¬ 
et6  Mittel,  um  bei  den  Varizen  dauernde  Heilung  zu  erzielen, 
sscrfolge,  d.  h.  Rezidive  oder  vielmehr  Fortsetzung  des  früheren 
idens  sind  nur  auf  unvollkommene  Operation  oder  mangelhafte 
chnik  zurückzuführen.  A.  erklärt  schliesslich  die  Resektion  für  das 
nerste  Mittel,  um  das  so  gefiiröhtete  Ulcus  varicosum  zu  verhüten 
p.  zu  heilen. 

Louis  Mencier  e- Reims:  Der  Missbrauch  der  klimatischen  sog. 
■zifischen  Behandlung  bei  lokalen  Tuberkulosen.  Behandlung  der 
ochen-  und  Gelenkstuberkulose.  (Archives  provinciales  de  chi- 
gie,  Januar  1913.) 

M.  wendet  sich  seit  Langem  gegen  die  völlig  ungerechtfertigte 
nähme,  als  sei  zur  Heilung  der  lokalen  Tuberkulose  eine  bestimmte 
natische  (See-  oder  Höhen-)  Kur  notwendig;  vielmehr  ist  dieselbe 
■  rall  und  in  jedem  Klima  mittelst  einer  lokalen,  gleichsam  spe- 
' sehen  Behandlung  heilbar,  vorausgesetzt,  dass  die  Kranken  sich  in 
riedigenden  hygienischen  Verhältnissen  in  jeder  Beziehung  be- 
Jen.  M.  macht  nun  genaue,  je  nach  dem  Grade  des  Leidens 
iierende  Angaben  über  diese  Lokalbehandlung,  die  natürlich  auch 
ch  Allgemeinbehandlung  zu  unterstützen  ist.  Sie  besteht  in  den 
teil  Stadien  in  interstitiellen  Injektionen  von  Jodoformäther, 
bunden  mit  Phenopunkttir  und  kompletter  oder  relativer  Immobili- 
ung,  im  vorgeschrittenen  Stadium  in  atypischer,  möglichst  konser- 
iver  Resektion,  Aetzung  der  Eiterherde  mit  Karbolsäure, 


welche  zugleich  ein  wirksames  Antiseptikum  und  Regenerationsmittel 
ist,  und  I  m  m  o  b  i  1  i  s  i  e  r  u  n  g;  während  der  Heilungsperiode  An¬ 
wendung  orthopädische!  Apparate  und  der  gesamten  Physiotherapie 
mit  genauer  Individualisierung  nach  dem  Grade  der  Veränderungen 
und  den  ergriftenen  Gelenken.  Auf  diese  Weise  kommen  die  Tuber¬ 
kulosen  eisten  und  eine  Anzahl  zweiten  Grades  zu  kompletter  Heilung 
mit  völlig  erhaltener  Gelenkfunktion,  jene  dritten  Grades  zur  Heilung 
mit  fester  Ankylose  in  guter  Haltung  und  ohne  Verkürzung.  Diese 
Kcsultate  —  die  nahezu  vollständige  Vernarbung  erfordert  2 — 3  Mo- 
A*a^e  i  L  sin<^  den  noch  so  häufig  in  manchen  Spitälern  geübten 
Amputationen  oder  Resektionen,  welche  nur  eine  verkürzte  oder  ver¬ 
unstaltete  Extremität  liefern,  weit  überlegen  und  M.  ist  überzeugt, 
nru  J'fde!  Praktiker,  der  mit  Ausdauer  und  (jeduld  diese  seine 
echnik  sich  aneignet,  nicht  mindere  Erfolge  aufweisen  wird. 

P.  Cruet:  Die  Zweckmässigkeit  der  zvstoskopischen  Unter¬ 
suchung  bei  der  Diagnose  der  Operabilität  des  Zervixkarzinoms. 
(Annales  de  gynekologie  et  d’obstetrique,  Januar  und  Februar  1913.) 

Die  mit  zahlreichen,  auch  zystoskopischeu  Bildern  versehene, 
höchst  instruktive  Arbeit  kommt  zu  dem  Ergebnisse,  dass  die  vaginale 
und  rektale  Untersuchung  oft  ungenügend  sind,  um  uns  darüber  auf¬ 
zuklären,  ob  Blasenboden  und  Ureteren  noch  intakt  und  von  der 
Neubildung  nicht  ergriffen  sind.  Während  die  einfache  oder  mit 
Zirkulationsstörungen  (hämorrhagische  Punkte,  diffuse  Röte)  ver¬ 
bundene  Hervorwölbung  des  Blasenbodens,  von  keiner  Bedeutuii'>- 
ist,  zeigen  ausgesprochene  Falten-  und  Hügelbildung  desselben  feste 
Verwachsungen  an,  die.  beinahe  immer  entzündlichen  Ursprungs, 
zu  Schwierigkeiten  in  der  Ablösung  und  häufig  zu  Verletzungen  von 
Blase  und  Harnleitern  führen.  Diffuses  Oedem  mit  breiten  parallelen 
Falten  und  meist  mit  ausserordentlich  festen  Verwachsungen  ver¬ 
bunden,  dtiifte  den  Verdacht  auf  Neubildung  (der  Blase)  verstärken, 
die  Operation  mehr  weniger  gefährlich  oder  wenigstens  unnötig 
machen.  Die  Kompression  der  Harnleiter  verrät  sich  durch  ver¬ 
zögerte,  unregelmässige  Ejakulation,  durch  Krampf  der  Mündungen,  in 
sehr  vorgeschrittenen  Fällen  durch  eine  gewisse,  nach  der  Ejakulation 
auftretende,  Rigidität  der  nächst  denselben  liegenden  Blasenschleim- 
haut.  Diese  Zeichen  von  Ureterenkompression  geben  fast  immer 
mit  Sicherheit  den  Sitz  der  Operationschwierigkeit  an  und  sollten 
verhüten,  einen  Harnleiter  zu  verletzen.  Sie  sind  sehr  häufig,  wenn 
nicht  die  Regel,  in  vorgeschrittenen  Fällen  und  bestärken  die  Diagnose 
operativer  Unmöglichkeit,  wenn  der  Blasenboden  nur  leichte  Ver¬ 
änderungen  zeigt.  Man  sollte  daher  in  bestimmten  Fällen,  wenn 
man  vor  der  Hysterektomie  über  den  Zustand  der  Harnorgane  (Blase 
und  Harnleiter)  in  Zweifel  ist,  sich  stets  zur  Zystoskopie,  die  manche 
unnötige  Operation  verhüten  kann,  entschliessen. 

Herrgott-  Nancy :  Unstillbares  Erbrechen  und  Retroversion 
des  schwangeren  Uterus.  (Annales  de  gynecologie  et  d’obstetrique, 
Februar  1913.) 

Auf  Grund  eines  selbst  beobachteten  und  geheilten  Falles  rät 
FI.  in  allen  Fällen,  wo  man  zu  einer  schwangeren  Frau  wegen  un¬ 
stillbaren  Erbrechens  gerufen  wird,  sich  über  die  Lage  des  Uterus  zu 
vergewissern  und  bei  vorhandener  Riickwärtslagerung  die  Reposition 
vorzunehmen  und  durch  ein  Pessar  die  richtige  Lage  zu  erhalten: 
W'-enn  dies  das  erste  Mal  nicht  gelingt  und  das  Erbrechen  wieder 
auf tritt,  so  muss  der  Repositionsversuch  wiederholt  werden.  H.  ge¬ 
lang  es  erst  beim  zweiten  Male  die  Verlagerung  endgültig  und  damit 
auch  das  Erbrechen  zu  beseitigen. 

Gabriel  Bertrand  und  F.  Medigreceanu:  Untersuchungen 
über  die  Verteilung  des  Mangans  im  Organismus  der  Tiere.  (An¬ 
nales  de  l’institut  Pasteur,  Januar  1913.) 

Verfasser  dehnten  ihre  Versuche  nun  auf  alle  Tiergattungen  (in 
Fortsetzung  der  früheren  beim  Menschen  und  Säugetieren)  aus  und 
fanden  bei  mehr  als  150  quantitativen  Bestimmungen,  deren  Einzel¬ 
heiten  tabellarisch  niedergelegt  sind,  in  allen  Organen  und  tierischen 
Produkten  mit  Ausnahme  des  Eiereiweisses  der  Vögel  Mangan  (einige 
Hundertstel  oder  Zehntel  Milligramm  auf  100  g  frischer  Substanz). 
Im  allgemeinen  ist  bei  den  gleichen  Organen  verschiedener  Tierarten 
der  Mangangehalt  ein  ziemlich  ähnlicher.  Von  den  wichtigsten  Or¬ 
ganen  wurde  der  höchste  Mangangehalt  im  Uterus  der  Vögel  (0,786 
bis  2,201  mg  auf  100  g),  dann  in  der  Leber  (0,265 — 0,416  mg)  und 
Nieren  (0,063—0,238  mg)  gefunden.  Bei  den  Vögeln  sind  die  Organe 
manganreicher  als  bei  den  Säugetieren;  den  relativ  geringsten  Gehalt 
haben  Muskel-  (0,005— 0,018  mg),  Nerven-  (0,009—  0,036  mg)  und 
Lungen-  (0,006—0,023  mg)  Gewebe.  Die  Schleimhäute  enthalten  mehr 
Mangan  als  die  subkutanen  Muskelschichten.  Von  den  funktionell 
weniger  wichtigen  Organen  sind  Nägel,  Haare  und  Federn  durch 
einen  relativ  hohen  Mangangehalt  (0,1— 3,124  mg),  die  Zähne  durch 
einen  sehr  geringen  bemerkenswert.  Während  im  Allgemeinen  die 
Pnysiologen  den  Befund  an  Mangan  als  zufällig  und  bedeutungslos 
ansehen,  erklären  Verfasser  auf  Grund  ihrer  Untersuchungen,  wonach 
sich  das  Mangan  in  regelmässiger  Weise  im  Organismus  verteilt 
findet,  dieses  Metall  nehme  neben  den  anderen  katalytischen  Fle- 
menten  der  lebenden  Materie  einen  wichtigen  Platz  ein. 

Ignatz  Schiller:  Ueber  die  Anwesenheit  des  Staphylokokkus 
in  den  Stühlen  des  Menschen  und  der  Versuchstiere.  (Ibidem.) 

In  Anbetracht  der  noch  viel  diskutierten  Frage,  ob  in  den  Fäzes 
regelmässig  oder  häufig  Staphylokokken,  ebenso  wie  viele  andere 
Bakterien,  vorhanden  sind,  unternahm  Sch.  im  Laboratorium  von 
Metschnikoff  neuerdings  Versuche,  welche  folgendes  Resultat 
ergaben.  Der  Staphylococcus  albus  ist  beim  normalen  Erwachsenen 
nicht  selten,  da  er  zweimal  unter  12  untersuchten  Fällen  gefunden 


1050 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wurde,  im  Stuhle  der  künstlich  und  mit  Kost  der  Erwachsenen  ge¬ 
nährten  Kinder  hingegen  selten  (6  unter  104  Fällen).  Bei  4  an  der 
Brust  genährten  Kindern  wurde  niemals  der  Staphylokokkus  ge¬ 
funden.  Die  Versuchstiere,  Henne,  Meerschweinchen,  Ratte,  Maus, 
Kaninchen,  Hund  und  Schimpanse  haben  fast  immer  den  Staphylo- 
coccus  albus  in  den  Fäzes;  bei  letzteren  beiden  Tieren  findet  inan 
zuweilen  den  Staphylococcus  citreus.  Die  Staphylokokken,  die  im 
Munde  des  Menschen  und  der  Tiere  gefunden  werden,  haben  keine 
Beziehung  zu  den  im  Darminhalt  vorhandenen;  sie  gehören  fast  immer 
verschiedenen  Arten  an.  Weder  bei  den  Erwachsenen  noch  Kindern 
war  ein  Einfluss  auf  den  Allgemeinzustand  oder  den  lokalen  (Darm) 
durch  die  Anwesenheit  der  Staphylokokken  festzustellen. 

Andriescu  und  Ciuca:  Die  Wirkung  des  Besredka- 
schen  Antityphusserums  auf  den  Verlauf  des  Typhus,  (Annales  de 
l’institut  Pasteur.  Februar  1913.) 

Die  Beobachtungen  wurden  an  17,  besonders  schweren  Fällen, 
die  alle  Soldaten  betrafen,  angestellt  und  erscheinen  um  so  interes¬ 
santer,  als  in  Rumänien  die  Typhusmortalität  10 — 20  Proz.  und  die 
Zahl  der  Keimträger  6 — 10  Proz.  beträgt.  Wenn  auch  in  fast  allen 
Fällen  keine  direkte  Wirkung  des  Serums  auf  den  Verlauf  der  Tem¬ 
peratur  zu  bemerken  war,  so  war  doch  die  Besserung  des  Allgemein¬ 
befindens  mit  Ausnahme  eines  einzigen  Falles  eine  offenkundige.  Eine 
bemerkenswerte  Tatsache  wurde  regelmässig  festgestellt,  nämlich  die 
Unmöglichkeit,  nur  ein  einziges  Mal  positive  Blutkultur  zu  erzielen, 
selbst  24  Stunden  nach  der  subkutanen  Seruminjektion;  dieses  Ver¬ 
schwinden  der  Bazillen  aus  dem  Blutkreislauf  hängt  sicher  mit  der 
intensiven,  durch  die  Seruminjektion  bewirkten  Bakteriolyse  zu¬ 
sammen.  Als  wichtigstes  Ergebnis  der  Seruminiektion  führen  Ver¬ 
fasser  aber  noch  an,  dass  auch  aus  den  Stühlen  mit  Ausnahme 
des  einen  oben  genannten  Falles  niemals  mehr  eine  Reinkultur 
des  E  b  e  r  t  h  sehen  Bazillus  möglich  war:  mit  diesem  Verschwinden 
der  Keime  aus  den  Stühlen  wäre  die  Frage  der  Keimträger  zum 
Teile  gelöst  und  schon  damit  die  Serumtherapie  vollauf  gerecht¬ 
fertigt.  Stern-  München. 

Rumänische  Literatur. 

C.  Bacaloglu:  Die  Arteriosklerose  des  Darmes.  (Revista 
stiintzelor  medicale  VIII,  7,  1912.) 

Es  werden  Fälle  beobachtet,  in  welchen  die  Arterienverkalkung 
hauptsächlich  die  Mesenterial-  und  Darmgefässe  befallen  hat,  wo¬ 
durch  zu  eigentümlichen  Erscheinungen  im  Bereiche  der  Bauchorgane 
Veranlassung  gegeben  wird.  Als  Hauptsymptome  sind  hervor¬ 
zuheben  :  schmerzhafte  Darmkrisen,  namentlich  nacn  dem  Essen,  die 
oft  an  Angina  pectoris  erinnern,  hartnäckige  Koliken,  leichte  Darm¬ 
blutungen,  oder  auch  gewisse  Formen  der  schleimig-membranösen 
Enteritis.  Die  Diagnose  kann  leicht  gestellt  werden,  falls  auch 
andere  Arteriengebiete  kalkig  verändert  sind,  wie  dies  ja  die  Regel  ist, 
Es  kommt  aber  vor,  dass  die  Sklerose  der  Darmarterien  sich  vor¬ 
zeitig  entwickelt  und  derjenigen  der  anderen  Arterien  vorangeht. 
In  vorgeschrittenen  Fällen  kann  es  zu  schweren  Darmblutungen  und 
-Infarkten  kommen  und  ist  das  Stellen  der  richtigen  Diagnose  von 
Wichtigkeit,  da  man  sonst  an  ein  Neoplasma  denken  und  operativ 
eingreifen  könnte. 

M.  Cohn:  Das  chirurgische  Verhalten  bei  Extrauterinschwanger¬ 
schaften.  (Spitalul  No.  15,  1912.) 

Der  Verfasser  ist  der  Ansicht,  dass  jede  diagnostizierte  extra¬ 
uterine  Schwangerschaft  gleich  operiert  werden  soll,  und  dass  es 
weder  rätlich  noch  nützlich  ist  zuzuwarten,  um  eventuell  gegen  Ende 
der  Schwangerschaft  einzuschreiten,  mit  dem  Gedanken,  womöglich 
ein  lebendes  Kind  zu  erhalten.  Man  setzt  durch  dieses  Vorgehen  die 
betreffenden  Frauen  unnützen  Gefahren  aus,  ohne  die  Sicherheit  ein 
lebensfähiges  Kind  zu  erhalten,  denn  die  Erfahrung  zeigt,  dass  die 
extrauterin  entwickelten  Kinder  schwächlich  sind,  oft  angeborene 
rehler  darbieten  und  endlich  ist  noch  in  Erwägung  zu  ziehen,  dass 
bei  frühzeitigen  Eingriffen  die  Gebärmutter  erhalten  werden  kann, 
während  bei  späteren  immer  die  Hysterektomie  angeschlossen  werden 
muss.  Die  Erfahrung  zeigt  aber  auch,  dass  sehr  oft,  nach  ektopischen 
Schwangerschaften,  normale  nachfolgen,  es  ist  daher  angezeigt,  die 
Operation  möglichst  frühzeitig  auszuführen,  um  die  Gebärmutter  er¬ 
halten  zu  können. 

Was  den  Operationsmodus  anbetrifft,  so  ist  die  Laparotomie  der 
\aginalen  Operation  vorzuziehen,  namentlich  wenn  es  sich  um  ge¬ 
platzte  extrauterine  Schwangerschaften  handelt. 

Jacobovici:  Das  präventive  antitetanische  Serum.  (Ibidem.) 

Es  werden  zeitweilig  Todesfälle  veröffentlicht,  die  infolge  von 
Einspritzung  antitetanischen  Serums  aufgetreten  waren  und  es  würde 
dies  gegen  die  Anwendung  dieses  Mittels  sprechen.  Dies  kann  nun 
nicht  ohne  weiteres  zugegeben  werden.  Untersucht  man  die  Frage 
naher,  so  findet  man,  dass  gewisse  Vorsichtsmassregeln  bei  An¬ 
wendung  dieses  Serums  geboten  sind,  wodurch  die  Gefahren  der 
Anwendung  auf  ein  Minimum  reduziert  werden,  jedenfalls  sind  die¬ 
selben  keineswegs  im  Verhältnisse  zu  den  sehr  grossen  Vorteilen, 
v  or  allem  muss  darauf  geachtet  werden,  nicht  allzu  frisches  Serum 
anzuwenden.  Dasselbe  ist  ausserordentlich  toxisch  und  kann  den 
I  od  herbeitiihren.  Das  Mittel  soll  mindestens  2  Monate  alt  sein, 
w'ann  es  viel  von  seiner  Giftigkeit  verloren  hat,  ohne  aber  die 
prophylaktische  Kraft  eingebüsst  zu  haben.  Ferner  verändert  sich 
das  Serum  sehr  rasch,  falls  es  nicht  bei  niederer  Temperatur  (4 — 6°) 
und  im  Dunkeln  aufbewahrt  wird.  Der  Aufbewahrungsmodus  ist 
ebenfalls  von  Wichtigkeit,  denn  bei  mangelhaftem  Verschlüsse  der 


betreffenden  Flaschen  kann  es  zur  Entwicklung  verschiedener  Sapr, 
Pj'Vten  in  demselben  kommen.  Endlich  ist  es  wichtig,  auch  auf  di 
Möglichkeit  des  Auftretens  anaphylaktischer  Erscheinungen  i 
achten,  was  auf  diese  Weise  gemacht  werden  kann,  dass  bei  Patienui 
die  schon  früher  eine  Einspritzung  von  anderweitigem  Serum  erhalte 
haben,  vorerst  14 — 14  ccm  von  antitetanischem  Serum  eingesprm 
wird,  und  falls  dasselbe  in  dieser  Art  gut  vertragen  wird,  lässt  nn 
dann  die  volle  Dosis  10 — 40  ccm  nachfolgen.  Die  Einspritzung  so 
m  das  Unterhautzellgev'ebe  der  Bauchwand  vorgenommen  werde1 
wobei  darauf  geachtet  werden  muss,  kein  Blutgefäss  anzustechei 
da  das  direkte  Einführen  des  antitetanischen  Serums  in  die  Blutbah 
in  den  meisten  Fällen  tödlich  verläuft. 

Bevor  man  das  prophylaktische  Serum  einspritzt,  sollen  alli 
verunreinigten  Wunden  gehörig  gereinigt  und  gewaschen  sowit 
auch  fetzige  Teile,  die  einen  ausgezeichneten  Nährboden  i> 
1  etanusbazillen  abgeben,  entfernt  werden.  Man  legt  einen  anti 
septischen  Verband  an,  macht  eine  prophylaktische  Einspritzung  voi 
antitetanischem  Serum  und  wiederholt  dieselbe  alle  7  Tage,  da  er 
fahrungsgemäss  nach  dieser  Zeit  das  eingespritzte  Serum  seine  anii 
toxische  Kraft  verliert. 

I.  Consta  n  tinescu:  Die  entfernten  Resultate  der  trans- 
vesikalen  Prostatektomie.  (Inaugural-Dissertation  Bukarest  1912 

Der  Verfasser  hat  die  auf  der  Klinik  von  Her  esc  u  operierten 
57  Fälle  von  Prostatahypertrophie  näher  studiert  und  hiervon  22  Fälle 
durch  längere  Zeit  verfolgen  können. 

In  einem  Falle  war  nach  3  Jahren  Rezidive  aufgetreten:  die 
Druse  war  kastaniengross  und  hart,  hatte  aber  eine  regelmässige] 
Oberfläche.  In  einem  anderen  Falle  hatte  sich  sekundär  ein  Prostata¬ 
stein  entwickelt.  Strikturen  des  membranösen  Teiles  der  Harnröhre! 
treten  relativ  häufig  auf  und  zwar  unter  den  erwähnten  22  Fällen 
4  mal.  In  einem  Falle  trat  nach  der  Operation  Harninkontinenz  auf. 

er  mir  ?  Monate  dauerte  und  dann  definitiv  verschwand.  In 
3  Fällen  entwickelten  sich  Fisteln,  deren  Heilung  aber  leicht  erzielt; 
werden  konnte  und  zw'ar  entweder  durch  Venveilsonde  oder  durch 
direkten  Eingriff.  In  einem  der  Fälle  trat  nach  dem  Eingriffe  eine 
ausgebreitete  Phlebitis  der  Femoralis  auf,  die  nach  2  Tagen  zum 
Tode  führte. 

10  von  den  Operierten  hatten  auch  nachträglich  Erektionen  und 
einer  von  denselben  prokreierte. 

Orchitis  und  Epididymitis  traten  in  3  Fällen  auf  und  zwar  10,  14 
und  60  Tage  nach  der  Operation. 

Im  allgemeinen  kann  gesagt  werden,  dass  der  Eingriff  von  be¬ 
sonderem  Nutzen  für  die  betreffenden  Patienten  ist.  Die  totale  oder 
partielle  Harnverhaltung  verschwindet,  der  Urin  wird  klar,  der  Ham- 1 
strahl  wird  kräftiger.  Auch  der  Allgemeinzustand  zeigt  eine  erheb¬ 
liche  Besserung,  indem  die  Kräfte  wiederkehren,  der  Appetit  sich 
bessert  und  eventuell  bestehendes  Fieber  verschwindet.  Die  Kranken 
werden  wieder  lebensfreudig  und  können  ihre  physische  und  geistige, 
Tätigkeit  wieder  aufnehmen. 

Gh.  Th.  Vasiliu:  Beiträge  zum  Studium  der  Hernien  im 
Foramen  Winslowii.  (Inaugural-Dissertation  Bukarest  1912.) 

Von  dieser  seltenen  Bruchart  sind  21  Fälle  in  der  Literatur  be¬ 
schrieben  und  ergibt  sich  aus  dem  Studium  derselben,  dass  eine  Dia¬ 
gnose  während  des  Lebens  schwer  zu  stellen  ist.  Die  Symptome 
sind  diejenigen  einer  Darmokklusion  und  die  Behandlung  besteht  in 
Eröffnung  der  Bauchhöhle,  Reposition  des  eingeklemmten  Dick-  oder 
Dünndarmstückes  und  eventueller  Naht  der  Oeffnung. 

E.  D.  Paulian:  Statistisches  über  Tabes  und  allgemeine 
Paralyse.  (Spitalul  No.  16,  1912.) 

Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  die  Syphilis  in  der  Aetio- 
logie  dieser  beiden  Krankheiten  eine  grosse  Rolle  spielt.  Nichts- 
destoweniger  kommen  doch  Fälle  zur  Beobachtung,  welche  keine 
Lues  in  ihrer  Vorgeschichte  aufw^eisen,  sondern  auf  Alkoholismus, 
psychischen  Affekten,  Ueberanstrengungen  etc.  beruhen.  Aber  auch 
jene  Fälle,  die  sich  auf  syphilitischer  Grundlage  entwickeln,  erheischen 
einen  locus  minoris  resistentiae,  um  Grund  fassen  zu  können.  Dies¬ 
bezüglich  ist  die  angeführte  10jährige  Statistik  der  Klinik  Mari- 
n  esc  u.  welche  der  Verfasser  benützt,  lehrreich,  indem  es  sich  zeigt, 
dass  Tabes  dorsalis,  deren  Lokalisation  im  Rückenmark  ist,  haupt¬ 
sächlich  bei  der  arbeitenden  Klasse  auftritt,  welche  infolge  ihrer 
Tätigkeit  mehr  das  Rückenmark  in  Anspruch  nimmt,  während  die 
allgemeine  Paralyse  mehr  bei  jenen  Berufsklassen  beobachtet  wird, 
die  mit  dem  Kopf  arbeiten.  Die  Frauen  geben  eine  geringere  Anzahl 
von  Fällen,  sowohl  für  Tabes,  als  auch  für  progressive  Paralyse, 
ersteres  weil  sie  weniger  schwere  Arbeiten,  letzteres  weil  sie  weniger 
Hirnarbeit  liefern,  als  die  Männer.  Es  ist  aber  nicht  unwahrschein¬ 
lich,  dass  die  modernen  Zeiten  mit  der  veränderten  Arbeitsleistung 
des  weiblichen  Geschlechts,  auch  eine  Vermehrung  der  in  Rede 
stehenden  Krankheiten  mit  sich  iiringen  werden. 

V.  Valeanu:  Die  Rolle  des  Vaters  in  der  erblichen  Tuber¬ 
kulose.  (Inaugural-Dissertation  Bukarest  1912.) 

Diese  auf  der  Klinik  von  N.  T  h  o  m  e  s  c  u  gemachte  Arbeit  stützt 
sich  auf  die  klinische  Beobachtung  und  auf  verschiedene  Tierexperi¬ 
mente  und  gelangt  zum  Schlüsse,  dass  eine  direkte  Uebertragung 
von  Tuberkulosekeimen  nicht  festgestellt  werden  kann,  dass  aber 
sicherlich  gelöste,  pathogene  Substanzen  vom  Vater  auf  den  Fötus 
übergehen  und  bei  demselben  eine  Prädisposition  für  die  in  Rede 
stehende  Krankheit  bewirken.  Es  ist  dies  eine  Meinung,  welche  von 
N.  Thomescu  schon  früher  auf  Grund  mannigfacher  Erfahrung 
ausgesprochen  worden  ist. 


13.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Teodor  Floru:  Die  Eiweissreaktion  im  Sputum  Tuberkulöser. 
(Inaugural-Dissertation  Bukarest  1912.) 

Es  sind  schon  mehrfache  Veröffentlichungen  über  diese  Frage 
.rschienen,  doch  bietet  dieselbe  eine  solche  praktische  Wichtigkeit, 
lass  weitere  Untersuchungen  von  Interesse  erscheinen.  Es  ist  vor- 
?uziehen  das  Morgensputum  zu  untersuchen  und  zwar  das  frisch 
gewonnene,  dem  kein  Speichel  beigemischt  sein  soll.  Man  fügt  dem- 
ielben  eine  gleiche  Menge  physiologischer  Kochsalzlösung  zu.  mischt 
:ut  mit  einem  Glasstäbchen  und  filtriert.  Das  Filtrat  enthält  meist 
loch  Fibrin  und  Muzin,  es  ist  daher  empfehlenswert,  dieselben  zu 
■ntfernen,  was  durch  Fällung  mittels  einiger  Tropfen  Essigsäure  ge- 
;chieht.  worauf  ein  zweites  Mal  filtriert  wird.  Die  nun  erhaltene 
Tüssigkeit  ist  klar  und  hat  einen  leichten  Stich  ins  gelbliche.  Das 
:iweiss  kann  nun  durch  die  klassische  Methode  nachgewiesen 
.verden:  der  Verfasser  hat  hierzu  konzentrierte  Salpetersäure  be- 
liitzt,  doch  gibt  auch  das  Esbach  sehe  Reagens,  die  Kochprobe, 
las  Ferrozyankalium  etc.  gute  Resultate.  In  allen  Fällen  von  Lungen- 
tiberkulose  wird  Eiweiss  im  Sputum  gefunden  und  man  kann  sagen, 
lass,  falls  die  Eiweissprobe  negativ  ausfällt,  es  sich  mit  Sicherheit 
im  keine  Tuberkulose  handelt.  Die  Eiweissprobe  hält  gleichen  Schritt 
nit  der  Evolution  der  Krankheit  und  man  kann  dementsprechend 
uch  die  Behandlung  einrichten.  Verschwindet  die  früher  positive 
Reaktion,  so  kann  man  eine  Heilung  des  Prozesses  annehmen.  In 
irognostischer  Beziehung  könnte  man  auch  die  Eiweissart  mit  in 
ktracht  ziehen,  denn  es  scheint,  dass  ein  Ueberschuss  von  G  1  o  - 
>  u  1  i  n  eine  gute  Vorhersage  berechtigt. 

Jacobovici:  Das  Mammafibrom.  (Spitalul  No.  17,  1912.) 

Das  reine  Mammafibrom  gehört  zu  den  seltenen  Krankheiten, 
lenn  fast  immer  sind  auch  die  drüsigen  Elemente  hypertrophisch 
md  es  handelt  sich  also  um  ein  Adenofibrom.  Diese  Geschwülste 
ind  meist  gutartiger  Natur,  doch  kann  nach  einer  gewissen  Zeit 
ine  krebsige  Entartung  stattfinden.  Eine  klinische  Diagnose  ist 
chwierig  und  oft  ist  nur  durch  den  mikroskopischen  Befund  Sicher- 
eit  zu  erlangen.  Gutartige  Mammatumoren  fixieren  nicht  die  Haut, 
ind  auf  den  unterliegenden  Geweben  leicht  beweglich  und  rufen 
eine  Hypertrophie  der  Subaxillardrüsen  hervor. 

Mammafibrome  können  eine  bedeutende  Grösse  erreichen:  in 
inem  selbstbeobachteten  Fall  des  Verfassers  wog  die  exstirpierte 
ieschwulst  über  5  kg.  Die  Entwicklung  ist  in  den  meisten  Fällen 
ine  recht  langsame  und  kann  sich  über  Jahre  und  Jahrzehnte  hin- 
iehen.  Für  die  Operation  ist  keine  allgemeine  Anästhesie  nötig, 
ondern  die  von  Th.  Jonnescu  angegebene  dorso-lumbare  Rhachi- 
tovainisierung  genügt  vollkommen. 

A.  Babesch  und  V.  C  a  p  i  t  o  1  i  n :  Osteogenetische  Exostosen 
nd  Rhachitismus.  (Spitalul  No.  18,  1912.) 

Die  Aetiologie  der  osteogenetischen  Exostosen  ist  noch  unklar : 
iele  schreiben  dieselben  dem  Rhachitismus  zu,  während  andere 
inen  infektiösen  Ursprung  annehmen.  Was  erstere  Supposition  an- 
etrifft,  so  hat  dieselbe  dadurch  den  Anschein  der  Wahrscheinlichkeit 
rhalten,  dass  man  derartige  Exostosen  oft  bei  Rhachitikern  vor- 
ndet,  nichtsdestoweniger  konnten  die  Verfasser  durch  Röntgen- 
ntersuchung  nachweisen,  dass  hochgradige  Rhachitis  mit  Ver¬ 
legungen  der  Knochenschäfte,  hochgradigen  Veränderungen  der 
norpel  an  den  Wachstumsstellen  der  Knochen  vorhanden  sein 
önnen,  ohne  dass  dieselben  irgend  welche  Verbindung  mit  den  be¬ 
eilenden  Exostosen  aufweisen  würden.  Es  folgt  hieraus  der  Schluss, 
äss  beide  Krankheiten  gleichzeitig  bestehen  können,  dass  aber  kein 
ausalnexus  zwischen  denselben  nachgewiesen  werden  kann. 

C.  P  a  r  h  o  n,  C.  U  r  e  c  h  i  a  und  A.  T  z  u  p  a :  Beiträge  zum 
tudium  der  familiären  allgemeinen  Paralyse.  (Spitalul  No.  19/20, 1912.) 

D*e  Verfasser  haben  in  der  Bukarester  Irrenanstalt  mehrere 
alle  von  progressiver  Paralyse  beobachtet,  in  welchen  sich  ein 
miliares  Auftreten  der  Krankheit  unverkennbar  nachweisen  liess. 
o  wurde  die  Krankheit  öfters  bei  2  Brüdern,  bei  Bruder  und 
:h wester,  bei  Mutter  und  Sohn,  bei  Vettern  usw.  beobachtet. 

Es  ist  sicher,  dass  die  progressive  Paralyse  eine  Folgekrankheit 
-r  Lues  ist,  doch  ist  noch  nicht  feststehend,  ob  es  sich  um  eine 
ischeinung  der  eigentlichen  Syphilis,  um  eine  parasyphilitische  Kr¬ 
änkung  oder  um  eine  durch  die  syphilitischen  Antikörper  hervor- 
rufene  zerebrale  Veränderung  handelt.  Sei  dem  wie  immer,  eine 
iche  scheint  festzustehen,  dass  es  sich  um  eine  im  Blute  zirkulierende 
oxe  handelt,  gleichgültig,  ob  dieselbe  ein  figurierter  Körper  oder 
ne  von  demselben  abgeschiedene  Substanz  ist.  Die  fast  immer  posi- 
v’e  Wassermann  sehe  Probe  und  die  starke  Reaktion  der  Blut¬ 
nässe,  namentlich  der  Hirngefässe,  scheinen  hierfür  zu  sprechen, 
n  zweiter  feststehender  Satz  ist  der,  dass  zur  Entwicklung  dieser 
'arikheit  fast  immer  das  Verstreichen  eines  Zeitraumes  von  6  bis 
Jahren  seit  der  initialen  luetischen  Infektion  notwendig  ist.  Ferner 
irrte  eine  gewisse  Prädisposition  notwendig  sein  und  ein  Beweis 
?rfür,  dürfte  das  in  gewissen  Familien  gehäufte  Auftreten  der  Krank- 
it  sein.  Auch  scheint  es  sich  um  eine  besondere  Natur  des  be¬ 
henden  Virus  zu  handeln,  indem  beobachtet  worden  ist,  dass 
■rsonen,  die  sich  von  derselben  Quelle  infiziert  hatten,  später  auch 
allgemeiner  Paralyse  erkrankten. 

Bezüglich  der  Behandlung  sind  noch  keine  abschliessenden 
esultate  zu  verzeichnen,  doch  haben  die  Verfasser  gute  Erfolge 
t  intrarhachidianen  Injektionen  von  1  proz.  Kollargollösung  (3  ccm) 
er  von  Elektrargol  erzielt.  Letzterer  Behandlung  wurde  diejenige 
t  Radium  hinzugefügt. 


1051 


Da  die  Einspritzungen  in  den  Rückenmarkskanal  oft  heftige 
Reaktionen  und  Temperatursteigerungen  nach  sich  ziehen,  müssen 
dieselben  mit  Vorsicht  und  nur  bei  solchen  Patienten,  deren  Wider¬ 
standsfähigkeit  man  kennt,  vorgenommen  werden. 

Ioan  J  i  a  n  u  und  O.  Meller:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  arterio-venöse  Anastomose.  (Spitalul  No.  20,  1912.) 

Die  Ansichten  über  die  Möglichkeit,  den  arteriellen  Blutstrom 
in  rückläufiger  Richtung  durch  eine  Vene  zu  leiten,  sind  geteilt. 
Mehrfache  Experimente  haben  aber  die  Bejahung  dieser  Frage  ge¬ 
stattet  und  haben  die  Verfasser  derartige  Untersuchungen  an  Hunden 
mit  gutem  Erfolge  durchgeführt.  Hierzu  ist  oft  ein  kleiner  Kunstgriff 
notwendig,  darin  bestehend,  dass  nach  vorgenommener  Verbindung 
des  zentralen  Arterien-  und  distalen  Venenendes,  im  Falle  einer 
Stockung  des  Blutstromes,  durch  einen  longitudinalen  Schnitt,  die 
Vene  in  der  Nähe  der  Anastomose  geöffnet  und  der  sich  dort  meist 
bildende  Thrombus  durch  Expression  ausgedrückt  wird.  Hierauf 
wird  die  Oeffnung  wieder  durch  Nähte  geschlossen  und  man  bemerkt 
sofort  ein  Wiederherstellen  der  Blutzirkulation,  ein  Beweis  dessen, 
dass  der  arterielle  Strom  die  sich  ihm  entgegenstellenden  Venen¬ 
klappen  zu  überwinden  imstande  ist. 

D.  Simici:  Gastrische  Radioskopie  und  ihre  Wichtigkeit  Siir 
das  Studium  des  normalen  und  pathologischen  Magens.  (Revista  st. 
medicale,  Oktober  1912.) 

Eine  genaue  Erforschung  des  Magens  auf  radioskopischem  Wege 
gibt  in  den  meisten  Fällen  wichtige  Anhaltspunkte  für  die  Diagnose 
eventuell  bestehender  Funktionsstörungen  und  Tumoren,  derart,  dass 
oft  eine  chemische  Untersuchung  des  Mageninhaltes  überflüssig  er¬ 
scheint.  Die  Art  der  Untersuchung  ist  bekannt  und  beruht  haupt¬ 
sächlich  auf  der  Verabreichung  von  40 — 100  g  Bismuth.  carbonicum 
in  einer  schleimigen  Emulsion  und  Beobachtung  der  durch  dieselbe 
im  Röntgenbilde  hervorgerufenen  schwarzen  Schatten.  Eine  genaue 
Kenntnis  des  normalen  Magenbildes,  der  normalen  peristaltischen 
Bewegungen  ist  selbstverständlich  erforderlich.  In  diagnostische 
Einzelheiten  kann  hier  selbstverständlich  nicht  eingegangen  werden. 

Grigoriu  Cristea:  Die  Genitalorgane  und  die  Zirbeldrüse. 
(Ibidem.) 

Eine  erfolgreiche  Exstirpation  der  Zirbeldrüse  ist  bis  jetzt  nur 
bei  Vögeln  gelungen  und  hat  Verfasser  solcherart  30  junge  Hähne 
operiert,  von  denen  12  längere  Zeit  (7  Monate)  am  Leben  blieben 
und  zu  folgenden  interessanten  Beobachtungen  dienen  konnten: 
Es  zeigte  sich,  dass  zwischen  Zirbeldrüse  und  Genitalorganen  eine 
intime  Verbindung  bestellt,  welche  wahrscheinlich  auf  eine  innere 
Sekretion  der  in  Rede  stehenden  Drüse  zurückzuführen  ist.  Die 
operierten  Hähne  zeigten  ein  auffallendes  Zurückbleiben  in  der  Ent¬ 
wicklung  der  genitalen  Haupt-  und  Nebeneharaktere,  wie  Kamm  und 
Bart,  Sporen,  Gesang  etc.,  auch  war  der  Wuchs  der  Federn  ein  ent¬ 
schieden  langsamerer  wie  bei  den  nicht  operierten  Kontrollieren. 
Die  Nahrungsaufnahme  und  körperliche  Entwicklung  wurde  durch  die 
Operation  nicht  sonderlich  beeinträchtigt  und  dies,  obwohl  die 
operierten  Tiere  eine  bedeutende  Apathie  und  Interesselosigkeit  für 
die  sie  umgebende  Welt  zeigten.  Die  Untersuchung  der  Hoden  zeigte 
bei  den  operierten  Tieren  eine  bedeutende  Atrophie  dieser  Organe, 
ein  weiterer  Beweis  der  direkten  Beeinflussung  dieser  Organe  durch 
den  Apinealismus. 

N.  I.  Nestor  und  Virgil  Valeänu:  Die  Rolle  der  Paternität 
in  der  hereditären  Tuberkulose.  (Spitalul  No.  22,  1912.) 

Die  Verfasser  haben  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen  experi¬ 
mentelle  Untersuchung  angestellt,  um  die  Möglichkeit  einer  here¬ 
ditären  Uebertragung  der  Tuberkulose  vom  Vater  auf  die  Nach¬ 
kommenschaft  festzustellen  und  haben  hierfür  subkutane,  intravenöse 
und  intratestikuläre  Einspritzungen  von  Tuberkelbazillen  bovinen 
Ursprunges  an  Versuchstieren  vorgenommen,  welche  später  mit  ge¬ 
sunden  Weibchen  gepaart  wurden.  Es  wurde  darauf  geachtet,  dass 
keine  Eiterungen  an  den  Injektionsstellen  eine  direkte  Uebertragung 
möglich  machen  sollen  und  sind  die  Verfasser  zum  Schlüsse  gelangt, 
dass  eine  direkte  Uebertragung  der  Tuberkulose  von  Vater  auf  Kind 
auf  hereditärem  Wege  nicht  stattfindet.  Diese  Untersuchungen  sind 
auf  der  Klinik  des  Prof.  N.  Thomescu  in  Bukarest  gemacht 
worden. 

R.  Chernbach:  Betrachtungen  über  einige  akute  febrile 
Exantheme.  (Ibidem,  No.  23,  1912.) 

Es  kommen  zahlreiche  Fälle  von  akuten  fieberhaften  Exanthemen 
zur  Beobachtung,  welche  weder  dem  Scharlach,  noch  den  Masern 
zugezählt  werden  können  und  die  bis  zur  Entdeckung  einer  genauen 
diagnostischen  Methode  mit  Vorsicht  diagnostiziert  werden  müssen. 
Namentlich  darf  man  in  solchen  Fällen  nicht  mit  Leichtigkeit  die  Dia¬ 
gnose  Scharlach  aussprechen,  da  die  notwendigen  Isolierungs-  und 
Desmfizierungsmassregeln  nicht  unerheblichen  moralischen  und  auch 
materiellen  Schaden  für  die  Betroffenen  nach  sich  ziehen.  Der  Ver¬ 
fasser  beschreibt  mehrere  selbstbeobachtete  Fälle,  welciie  das  oben 
gesagte  illustrieren. 

Poenaru-Caplescu:  Ueber  Knochennaht  bei  Knochen- 
frakturen.  (Ibidem,  No.  24,  1912.) 

Verfasser  ist  ein  eifriger  Anhänger  der  direkten,  blutigen  Be¬ 
handlung  der  Knochenbrüche,  welche  bei  Beobachtung  aseptischer 
Kautelen  ausgezeichnete  Resultate  ergibt  und  berufen  erscheint,  die 
klassische  Behandlung  der  Frakturen  vollkommen  zu  verdrängen. 
Alle  Frakturen  sollen  radiographiert  und  dann  mittels  Silberdraht  und 
Stiften  direkt  vereinigt  werden.  Auf  ebensolche  Weise  müssen  auch 
alte,  schlecht  geheilte  Brüche  behandelt  werden. 


1052 


MUFNCHFNHR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


iiirel  A.  Babe  sch  lind  V.  Capitol  in:  Nene  Betrachtungen 
ober  das  Gesetz  von  Bassel-Hagen.  (Spitalul  No.  24,  1912.) 

Bas  erwähnte  Gesetz  besagt,  dass  in  Fällen  von  mehrfachen 
Exostosen,  die  betreffenden  Knochen  kürzer  bleiben,  als  diejenigen, 
welche  keine  Exostosen  darbieten,  da  die  osteogenetische  Kraft  eines 
Knochens  beschränkt  ist,  und  wenn  ein  Teil  derselben  zur  Bildung 
des  Auswuchses  verwendet  wird,  das  Längenwachstum  des  be¬ 
treffenden  Knochens  entsprechend  Zurückbleiben  muss.  Diese  Ansicht 
ist  umichtig,  wie  die  Verfasser  auf  Grund  eigener,  radiographischer 
Beobachtungen  feststellen  konnten,  indem  exostotische  und  gesunde 
Knochen  beim  selben  Individuum  gleiche  Länge  zeigten.  Die  Tibia 
»atte  nu,  eine  unbedeutende  Exostose  und  war  trotzdem  in  typischer 
'Rachitischer  Weise  im  Sinne  eines  Genu  varum  gebogen,  während 
die  Fibula  eine  bedeutende  Exostose  zeigte  und  trotzdem  nicht  kürzer 
war  als  die  Iibia.  Das  Gesetz  von  Bassel-Hagen  ist  also  ent¬ 
weder  unrichtig  oder  es  kommen  öfters  Ausnahmen  von  demselben 
\  oi  und  es  müssen  daher  neue  Untersuchungen  vorgenommen  werden, 
um  ue  Richtigkeit  des  ausgesprochenen  Satzes  festzustellen. 

N.  I.  Jancovescu:  Diagnose  der  entzündlichen  ineningealen 
Prozesse  mittels  der  Reaktion  mit  Natrium  taurocholicum.  (Inaug  - 
Dissertation  Bukarest  1912.) 

Die  Galle  und  die  Gallensalze  haben  die  Eigenschaft  die  Blut- 
koipei  chen  verschiedener  Tierarten  aufzulösen  und  zw-ar  in 
wechselnder  Intensität,  je  nach  der  Tierart.  Blutserum  und  Zephalo- 
rliaclndianfliissigkeit  heben  diese  hämolytische  Kraft  auf.  Bestehen 
entzündliche  Vorgänge  in  den  Meningen,  so  hat  die  Riickenmark- 
flussigkeit  m  viel  erheblicherem  Masse  die  Eigenschaft,  die  Hämolyse 
aiiizuhcben.  Darauf  beruht  die  von  Danielopulo  angegebene 
Methode  der  Hämolyse  mit  Natrium  taurocholicum  und  Aufheben 
derselben  mittels  der  zu  untersuchenden  Zephalorhachidianfliissig- 
Keiten.  J.  hat  diese  Methode  in  zahlreichen  Fällen  nachgeprüft  und 
gefunden,  dass  sie  bei  wirklicher  Meningitis  immer  positive 
Resultate  ergibt,  während  dieselben  bei  Meningismus  und  anderen 
rrkrankungen  des  Zentralnervensystems  immer  negativ  ausfallen. 

1  ic  Methode  scheint  also  klinisch  von  Wichtigkeit  zu  sein  und  dürfte 
sich  eine  weitere  Nachprüfung  empfehlen. 

c  ,.(iriKonu  .M.  Cristea  und  B.  A  sehn  er:  Experimentelle 
Studie  über  die  Milchsekretion.  (Revista  de  Chirurgie,  Dez.  1912.) 

yristea  hat  in  Verbindung  mit  Denk  durch  parabiotische 
Vereinigung  eines  schwangeren  und  eines  nicht  schwangeren  Tieres 
nachw'eisen  können,  dass  nach  der  Geburt  auch  bei  dem  nicht 
schwangeren  Milchsekretion  auf  tritt,  als  Beweis,  dass  dieselbe  durch 
eine  im  Blute  kreisende  Substanz  hervorgerufen  wird  und  keineswegs 
unter  dem  Eintlusse  des  Nervensystems  steht,  wie  von  einigen 
Forschern  angenommen  wurde,  denn  bei  den  symbiotischen  Tieren 
besteht  wohl  eine  zirkulatorische,  aber  keine  nervöse  Verbindung 
untereinander. 

Um  näheren  Aufschluss  über  die  Substanz,  welche  die  Milch- 
sekietion  hervorruft,  zu  erhalten,  wurden  Plazentaextrakte  Meer¬ 
schweinchen,  die  geboren  und  anderen  die  noch  nicht  geboren  hatten 
emgespntzt  und  in  beiden  Fällen  reichliche  Milchabsonderung  er- 
zie  .  Gleiche  Resultate  wurden  durch  Injektion  von  Fötusextrakt  er¬ 
zielt,  wodurch  a  so  festgestellt  wurde,  dass  sowmhl  die  Nachgeburt, 
als  auch  der  *  otus  die  Eigenschaft  besitzen,  Milchsekretion  hervor- 
zui  uten  Die  Untersuchungen,  welche  in  analoger  Weise  mit  verschie¬ 
denen  chemischen  Substanzen  des  Körpers,  wde  Cholesterin,  Lezithin, 
Cholin  etc.  vorgenommen  wurden,  haben  negative  Resultate  ergeben, 
Ulis  es  sich  um  virgmale  Tiere  handelte,  aber  positive  bei  solchen, 
che  bereits  geboren  und  gesäugt  hatten.  Aehnlich  verhielt  sich  auch 
das  Trypsin,  das  Pepton  und  die  Nukleinsäure. 

ie  Extrakte  von  Eierstock  haben  obige  Eigenschaften  in  viel 
^einigerem  Masse,  wahrend  diejenigen  von  Corpus  luteum  voll- 

'h,P  !nnprüW^rkL-Sai^  slDu  Annahme  also-  dass  das  Corpus  luteum 

m  L  n  f  SeLr-etT  bes‘tzt-  welche  die  Milchsekretion  stimuliert, 
muss  als  unrichtig  bezeichnet  werden. 

„vf  obe.n  erwähnten  Einspritzungen  von  Plazentar-  und  Fötal- 
?r  nmi’  von  Ovarialextrakt,  bewirken  nicht  nur  eine  Hyper- 

hi^Slno-iS  M‘  cht,ri!se  mit  Abscheidung  von  Milch,  sondern  auch 
histologische  Veränderungen,  bestehend  in  kapillärer  Hyperämie 
-i Weiterung  und  Vermehrung  der  Drüsenkanäle. 

Auch  sonstige  für  die  Schwangerschaft  charakteristische  Ver- 
c.  idu  ungen  wurden  mit  den  erwähnten  Einspritzungen  erzielt. 
(Ibidem)  aulesco:  Resultate  der  Hypophysiseinpflanzungen. 

Der  Verfasser  hat  Hypophysis  Hunden  in  die  Leber  eingepflanzt 
i  in  lestzustellen,  ob  und  inwiefern  diese  Drüse  akromegalitische  Fr' 
scheiMingen  hervorruft.  Die  eingepflanzten Drtse^ffi^dlSn 

d  i\  ™  'varen  aber  nach  2—3  Monaten  vollkommen  resorbiert,  so 
cass  von  einer  längeren  Einwirkung  derselben  nicht  die  Rede  sein 
ami.  Folglich  konnten  definitive  Schlüsse  aus  den  gemachten  Ver¬ 
suchen  nicht  gezogen  werden,  nichtsdestoweniger  wurde  doch  in  eini¬ 
gen  Fallen  ein  stärkeres  Wachstum  des  Skelettes,  namentlich  der  ex 

obSet  C’  Und  aUCh  der  Scl",ailze  be‘  den  Versuchstiere^  be- 

E.  T  off-  Braila. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Göttingen.  März— April  1913. 

G.  Biinck.  Ein  Beitrag  zur  Gpium-Brombehandlung  der  Epilepsie. 

r  u  n  o  w  :  Der  Kältetod-  des  isolierten  und  durchbluteten  Frosch- 
muskels. 


E. 

H. 

W 

0. 

C. 

A. 

U. 

W 

A. 

L. 

W. 

W. 

T. 

E. 

E. 


Dur  lach:  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  des  Phosphors 
in  der  Nahrung  w/achsender  Hunde. 

Honig;  Ein  klinischer  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Leberzirrhose 
beim  Kinde. 

.  Köh  ne:  Ueber  den  Einfluss  der  Generationsvorgänge  auf  di- 
Lungentuberkulose. 

Kunze:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Gewebseinbolien 
Lampe:  Arteriosklerose,  Spätparalyse  und  Unfall. 

Leb  nert:  Ueber  chronischen  acholischen  Ikterus  mit  chronischer 
Milzvergrösserung. 

Micha  eisen:  Zur  Kritik  der  otitischen  Hirnabszesse. 

Pa  etzm  an  n :  Ueber  den  Einfluss  der  klinischen  Behandlung 
aut  den  erhöhten  Blutdruck  Nierenkranker. 

Podolsky:  Der  extraperitoneale  Kaiserschnitt. 

Ruess:  Ueber  20  Fälle  von  Lungenembolie. 

.  Ruppin:  Ueber  die  Eiw'eissreaktion  des  Lungenauswuris  bei 
Lungentuberkulose. 

■  y.  Steimker:  Zwei  seltenere  Hernien. 

T  s  u  j  i  m  o  t  o:  Beobachtungen  über  die  Wirksamkeit  des  Salvar- 
sans  bei  Augenerkrankungen. 

Wöbbecke:  Ueber  die  Funktion  des  Veratrinmuskels  bei  wech¬ 
selnder  Belastung. 

Zeiss:  Beitrag  zu  den  Puerperalpsychosen. 


Universität  Greifswald.  April  1913. 

Klopsch  Walther:  Ueber  interstitielle  Pneumonie. 

Schulz  Paul:  Das  Wohnungsklima  der  Arbeiterwohnungen  auf  den 
Lande  im  Sommer. 

M  e  s  s  e  r  s  c  h  m  i  d  t  Kurt:  Ueber  den  heutigen  Stand  der  Prothesen- 
behandlung  nach  Unterkieferoperationen  in  Deutschland. 

Lorentz  Hans:  Die  intraperitoneale  Verkürzung  der  Ligametra 
rotunda  uteri  durch  N-förinige  Raffung  und  ihre  Stellung  zu  der, 
lagekorrigierenden  Operationen. 

Berk  Franz :  Beitrag  zur  Kenntnis  der  ersten  Anlage  der  mensch¬ 
lichen  Brustdrüse. 

Universität  München.  April  1913. 

Bauhölzer  Karl:  Der  Einfluss  des  Nichtstillens  auf  das  Schicksal 
der  Neugeborenen. 

Tobias  Adele:  Zur  Prognose  und  Aetiologie  der  Kinderhysterie. 

Fl  a  s  s  a  n  -  D  s  c  h  a  1  a  1  i  a  n  Michael :  Ueber  rationelle  Kalkmedi¬ 
kation. 

Spoljansky  Issay:  Ueber  komplizierte  Schädelbrüche  bei  Kin¬ 
dern. 

Milwidskaja  Gita:  Ueber  Thoraxkontusion  und  ihre  Folge¬ 
erscheinungen,  mit  Experimenten  über  die  Festigkeit  des  kind¬ 
lichen  1  horax. 

Wenzel  Wilhelm:  Ueber  Blasenblutungen  bei  Retroflexio  uteri  gra- 
vidi  incarcerata. 

Die  t  lein  Max  Josef:  Zur  1  herapie  der  Blasenspalte.  Die  Uretero- 
tngono-siginoideostomie  mit  partieller  Ausschaltung  des  Colon 
sigmoideum. 

Lo/.j.d  dobaiIn,:  Ueber  Cheiro-  und  Podomegalie  bei  Syringomyelie. 
(Mit  2  1  afeln.) 

H  “-f  ,)Yilhelm-  Ueber  Verkalkung  von  Alveolarepithelien.  (Mit 
2  Abbildungen.) 

v.  Eggelkraut  Maria:  Ueber  Pancreatitis  acuta, 
irgfeld  Eduard:  Ichias  und  Neurofibrom,  nebst  einer  Kasuistik 
über  144  Fälle  von  Beinnerventumoren. 

I  a  n  i  g  u  c  h  i  Yasaburo:  Ueber  den  extraperitonealen  Kaiserschnitt, 
besonders  seine  Technik  und  Indikationsstellung. 

Ishiguro  Toshizo:  Ueber  orale,  axillare,  inguinale,  rektale  Tem- 
peraturmessungen  am  Kind. 

Beck  Otto:  Theoretische  und  experimentelle  Kritik  bewegungsregi¬ 
strierender  Methoden. 

Buchow  s  k y  Chawa:  Ein  Fall  von  angeborener  Ellbogenankylose 
eines  im  Wachstum  zurückgebliebenen  missgebildeten  Annes. 

K  i  antz  Joseph:  Ueber  einen  Fall  von  Kohlenoxydgasvergiftung  mit 

nachfolgender  Polyneuritis. 

Universität  Rostock.  April  1913. 

Schröck  Rudolf:  Ueber  kongenitale  Wortblindheit. 

J  o  u  r  da  n  Sophie:  Erfahrungen  über  den  transperitonealen  Weg  bei 
Operationen  an  der  Wirbelsäule. 

Nein  Fritz:  Lakunäre  Sehnervenatrophie  und  glaukomatöse  Ex¬ 
kavation.  . 

Universität  Würzburg.  April  1913. 

k  U  1  1  °,1!, :  Ueber  einen  Fall  von  Graviditas  extramembranacea. 

Uäiikl  liilipp:  Bericht  über  das  13.  Tausend  der  Geburten  in  der 
Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Wiirzburg. 

G  o  t  1 1  i  e  b  Max:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Zwerchfellhernien. 

Fl  a  u  p  t  \\  alther :  Das  v.  U  e  x  k  ii  1 1  sehe  Erregungsgesetz,  gepriiit 
am  dritten  Gelenk  der  Krebsschere. 

Horn  August:  Ueber  die  innerliche  Darreichung  von  Quecksilber  bei 
Syphilis. 

R  o  s  s  Bernhard :  Ueber  Cholesteatome  des  Mittelohres. 

S  t  ii  r  z  i  n  g  e  r  Ekkehard:  Zur  Kenntnis  der  sarkomatösen  Ovarial¬ 
tumoren. 


13.  Mai  191.?. 


MUENCMENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 05.? 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

XXX.  Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin 

zu  Wiesbaden  vom  15. — 18.  April  1913. 

Referent:  K.  R  e  i  c  b  c  r  -  Bad  Mergentheim. 

III. 

Sitzung  vom  Mittwoch,  den  16.  April  1313. 

Referent:  K.  R  c  i  c  Ii  e  r  -  Bad  Mergentheim. 

G  o  1  d  m  a  n  n  -  Freiburg:  Der  Verdauungsvorgang  im  Lichte  der 

vitalen  Färbung. 

G  o  1  d  m  a  n  n  hat  mit  Hilfe  seiner  Methode  der  vitalen  Färbung 
hei  den  verschiedensten  'Fieren  und  unter  den  mannigfachsten  Varia¬ 
tionen  der  Ernährung  den  Verdauungsprozess  verfolgt.  Schon  makro¬ 
skopisch  lassen  sich  die  tätigen  Abschnitte  des  Magendarmkanales 
von  den  untätigen  ah  ihrer  dunkleren  Färbung  erkennen.  Die  Fär¬ 
bung  beruht  auf  einer  Anhäufung  vital  blau  gefärbter  Zellen,  welche 
ui  ständiger  Wanderung  innerhalb  der  Darmwand  begriffen  sind.  Als 
Ursprungsstätte  dieser  Zellen  hat  Ooldmann  das  Netz,  die  Lymph- 
driisen  und  die  Milz  gefunden.  In  den  Lymphdriisen  und  der'  Milz, 
die  periodischen  Funktionswechsel  erfahren,  erhalten  diese  Zellen 
aus  zerfallenen  Blutzellen  wichtiges  Bildungsmaterial,  das  bei  der 
weiteren  Verarbeitung  der  vom  Magendarmkanal  aufgenommenen 
Nahrungsstoffe  eine  wichtige  Rolle  spielt.  Neben  diesen  vital  ge¬ 
färbten  Zellen  hat  G.  andere  gefunden,  von  denen  er  sicher  hat  zeigen 
können,  dass  die  Oxydaseferment  enthaltenden  im  Verein  mit  den  vor¬ 
hin  erwähnten  an  der  Verarbeitung  der  Nährstoffe  teilnehmen.  G. 
bringt  die  bei  der  Ernährung  auftretende  zelluläre  Reaktion  innerhalb 
Jer  Darmwand  in  Beziehung  zu  Vorgängen  im  Organismus,  bei  denen 
es  sich  darum  handelt,  dass  der  Körper  sich  gegen  den  Eintritt 
körperfremder  Substanzen  wehrt,  oder  sich  bemüht,  dieselben  in 
körpereigene  umzuwandeln.  An  zahlreichen  Präparaten  mikro-  und 
nakroskopischer  Natur  erläutert  er  seine  Ansichten. 

Diskussion:  Herr  Friedrich  -  Königsberg :  Mit  der  vitalen 
Färbung  und  zwar  mittels  Trypanblau  konnte  Beut  die  Wanderung 
-les  Farbstoffes  von  einer  Pleurahöhle  über  Mediastinum  antic.  und 
lostic.  verfolgen:  dabei  bäumt  sich  das  Pleuraendothel  förmlich  auf 
md  wandelt  sich  aus  einem  flachen  in  ein  kubisches  und  schliesslich 
n  ein  zylindrisches  um. 

K.  Reicher -Bad  Mergentheim:  Ueber  Fett-  und  Lipoidstoff- 
vechsel  bei  Diabetes  mellitus. 

Nach  Verabreichung  von  reinen  Triglyzeriden  entsteht  im  Blute 
vorübergehend  eine  Vermehrung  nicht  nur  des  Fettes,  sondern  auch 
von  Lezithin  und  Cholesterinestern.  Dabei  sinkt  der  respiratorische 
Quotient  zunächst  langsam,  dann  stärker  und  erreicht  seinen  Tief¬ 
punkt  zur  Zeit,  wo  die  Fette  und  Lipoide  im  Blute  rapide  zu  sinken 
beginnen.  Dies  scheint  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Fette  im  Wesent- 
ichen  nicht  als  solche,  sondern  einerseits  gebunden  an  Glyzero- 
üiosphorsäure-Cholin  als  Lezithin,  andererseits  an  Cholesterin  als 
Jholesterinester  verbrannt  werden.  Eine  ähnliche  Vermehrung  der 
»bengenannten  Lipoide  kann  man  zeitweise  bei  anämisierten  und  bei 
phosphorvergifteten  Tieren  sowie  bei  schweren  Diabetikern  beob- 
tcliten,  desgleichen  in  Hungerzuständen.  Dies  weist  darauf  hin,  dass 
mell  die  Mobilisierung  des  Fettes  aus  den  Depots  heraus  in  Form 
les  Lezithins  und  der  Cholesterinester  stattfindet,  und  ihre  Bildung 
lie  Vorbedingung  für  die  Fettverbrennung  bildet,  ähnlich  wie  die 
Jmwandlung  des  Glykogens  in  Traubenzucker  der  Kohlehydratver- 
»rennung  vorausgehen  muss. 

Beim  Diabetiker  kann  man  ebenso  wie  beim  Alkoholiker  be¬ 
obachten,  dass  die  Kurve  der  Lipoidvermehrung  im  Blute  nach  Fett- 
lahrung  einen  langsameren  Ablauf  und  einen  höheren  Anstieg  zeigt 
norm.  Diabetes),  und  diese  Abweichung  von  der  Norm  ist  um  so 
rösser,  je  stärker  die  Azidosis  ausgeprägt  ist.  Durch  Konkurrenz 
nit  der  vorher  erwähnten  Fettmobilisierung  in  Form  von  Lipoiden 
Grd  die  Kurve  in  Fällen  mit  starker  Azidosis  dahin  umgeformt,  dass 
in  Absinken  bis  zur  Abszisse  überhaupt  nicht  mehr  stattfindet, 
ondern  nur  Gipfel  mit  geringen  Wellentälern  nachzuweisen  sind. 

Lüthje-  Kiel :  Bemerkungen  zur  Therapie  des  Diabetes  mellitus. 

L.  verabreicht  75 — 80  g  Zucker  in  4 — 5  proz.  Lösungen  als 
ropfenklystiere,  welche  ohne  Darmreizerscheinungen  vertragen 
Grd.  Die  stattgehabte  tatsächliche  Resorption  des  Traubenzuckers 
eweisen  Anstiege  des  Blutzuckerspiegels  auf  0,187  von  0,085  Proz.  etc. 
)ieser  Zucker  wird  auch  verbrannt,  denn  der  Urinzucker  steigt 
aum  an.  Nach  intraportalen  Zuckerinjektionen  steigt  der  Urinzucker 
tärker  an  als  nach  Injektion  in  die  Vena  femoralis. 

H  e  r  m  a  n  n  s  -  Freiburg:  Ueber  den  Abbau  der  Azetessigsäure 
n  Organismus. 

H.  weist  für  Azetessigsäure  und  ihre  Homologen  nach,  dass  im 
trganismus  sowohl  die  Säurespaltung  unter  Aufnahme  1  Moleküls 
Vasser  als  auch  die  Ketonspaltung  stattfindet. 

E.  F  r  a  n  k  -  Breslau :  Der  renale  Diabetes  des  Menschen  und  der 

iere. 

Es  ist  eine  noch  immer  umstrittene  Frage,  ob  es  in  der  mensch- 
chen  Pathologie  einen  Nierendiabetes  gibt,  d.  h.  ein  Zuckerharnen 
'otz  völliger  Unversehrtheit  der  am  Kohlenhydratstoffwechsel  be- 
viligten  Organe.  Auf  Grund  der  mit  allen  Kautelen  durchgeführten 
Intersuchungen  des  Vortr.  lässt  sich  zunächst  sagen,  dass  die 
iifte  Uran,  Chrom,  Quecksilber  beim  Versuchstier  in  kleinen  Dosen 


konstant  eine  auf  die  Nieren  zu  beziehende  Zuckerausscheidimg  her- 
vorrufen,  die  längere  Zeit  anhält  und  durch  Wiederholung  der  Dosis  in 
gewissen  Zeitabständen  zu  einer  dauernden  gemacht  werden  kann. 
Der  Blutzucker  bleibt  dabei  beim  Hunde  normal  oder  subnormal 
(0,103;  0,088;  0,078;  0,068).  Für  einige  menschliche  Fälle  von  Zucker¬ 
krankheit  (darunter  drei  von  F.  untersuchte)  muss  ebenfalls  eine  wahr¬ 
scheinlich  durch  endogene  Giftstoffe  krankhaft  veränderte  Tätigkeit 
der  Niere  verantwortlich  gemacht  werden.  Eine  typische  Form  des 
menschlichen  Nierendiabetes  ist  die  bei  manchen  Frauen  in  der 
Schwangerschaft  auftretende  Glykosurie,  die  durch  starke  Belastung 
mit  Amylazeen  oder  1  raubenzucker  bei  fast  allen  Schwangeren  her¬ 
vorgerufen  werden  kann. 

Diskussion  zu  Reicher-Frank. 

E  m  b  d  e  n  -  Frankfurt  a.  M. :  Was  Reicher  für  den  Fettsäure¬ 
abbau  nachwies,  nämlich  die  Verknüpfung  desselben  mit  Lezithin¬ 
bildung,  stimmt  nach  noch  nicht  veröffentlichten  Versuchen  von  E 
auch  für  den  Kohlenhydratabbau.  Im  Muskelpresssaft  bildet  sich  nach 
kurzem  Stehen  Milchsäure,  obwohl  der  Muskel  vorher  weder  Zucker 
noch  Glykogen  enthielt,  und  eine  äquimolekulare  Menge  Phosphor¬ 
säure.  Die  Muttersubstanz  der  entstandenen  Milchsäure  muss  daher 
Milch-  und  Phosphorsäure  in  äquimolekularen  Mengen  enthalten. 
Andererseits  synthetisiert  Trockenhefe  Zucker  und  Phosphorsäure  zu 
Hexophosphorsäure.  Setzt  man  diese  Hefe  zu,  so  zerfällt  sie 
wieder  in  fast  äquimolekulare  Mengen  Milch-  und  Phosphorsäure. 
Die  Untersuchungen  von  Hermanns  sieht  E.  als  eine  Bestätigung 
seiner  Ansichten  vom  Säureabbau  durch  Säurespaltung  an. 

Lang-St.  Petersburg  hat  auch  bei  dauernder  Anwendung  der 
Zuckerklystiere  ein  Heruntergehen  des  Urinzuckers  gesehen. 

F  i  s  c  h  1  e  r  -  Heidelberg:  Nach  Herstellung  einer  Anastomose 
zwischen  Pfortader  und  Vena  cava  verträgt  der  Hund  annähernd 
gleiche  Mengen  Dextrose  und  Lävulose  wie  vorher,  dagegen  er¬ 
scheinen  dann  von  Laktose  und  Galaktose  fast  80  Proz.  im  Urin. 

J  a  k  s  c  h  -  Prag  hat  zuerst  die  Azetessigsäure  aus  dem  Harne 
als  Kupfersalz  dargestellt. 

P  1  ö  n  i  e  s  -  Hannover  hat  ebenfalls  mit  der  Zuckerklystiere  gute 
Erfahrungen  gemacht. 

Porges-Wien  findet  in  den  F  r  a  n  k  sehen  Befunden  seine 
Untersuchungen  über  Schwangerschaftsglykosurie  bestätigt.  Von 
diesen  harmlosen  Fällen  sind  aber  diejenigen  von  echtem  Schwanger¬ 
schaftsdiabetes  zu  trennen,  welche  schlechte  Prognose  geben  und  zu 
Azetonurie  und  Fruktosurie  führen. 

G.  K  1  e  m  p  e  r  e  r  -  Berlin:  Die  Lipoidämie  des  Diabetikers  ist 
ganz  unabhängig  von  der  Fettnahrung,  ist  also,  wie  K.  im  Gegen¬ 
satz  zu  Reicher  annimmt,  grundsätzlich  von  der  Verdauungs- 
lipämie  verschieden.  Bei  stark  milchigem  Serum  ist  die  Prognose 
des  Diabetikers  immer  eine  infauste,  Lipoidämie  charakterisiert  ein 
Koma  differentialdiagnostisch  stets  als  ein  diabetisches. 

K.  betont  gegenüber  Frank,  dass  er  schon  vor  18  Jahren 
die  Grundzüge  des  renalen  Diabetes  dargelegt,  zu  dem  er  auch  die 
Fälle  von  älteren  Leuten  mit  Arteriosklerose  rechnet,  welche  mit 
echtem  Diabetes  nicht  zu  verwechseln  und  am  besten  unbehandelt 
zu  lassen  sind. 

M  ag  n  u  s  -  A  1  s  1  e  b  e  n  -  Würzburg:  Bei  Injektion  von  Zucker 
in  die  Vena  portae  kommt  es  zu  einer  Ueberschwemmung  der  Leber 
mit  Zucker  und  dadurch  vielleicht  zu  einer  schlechteren  Ausnützung 
desselben  als  bei  Injektion  in  die  Vena  femoralis. 

B  a  c  m  e  i  s  t  e  r  -  Freiburg  konnte  nur  bei  Diabetes  eine  ausser¬ 
ordentliche'  Vermehrung  des  Cholesterins  im  Blute  ante  mortem  nach- 
weisen,  bei  allen  anderen  Krankheiten  sinkt  dessen  Menge. 

Minkowski  -  Breslau  weist  auf  Lipoidämie  nach  Pankreas¬ 
exstirpation  hin,  bei  welcher  auch  intravenös  injizierte  Zuckermengen 
vollständig  im  Harn  wieder  ausgeschieden  werden. 

Bönniger  -  Pankow :  Der  von  E.  6  Jahre  beobachtete  Fall 
von  Nierendiabetes  scheidet  andauernd  Spuren  von  Zucker  aus, 
Zuckerzufuhr  ist  darauf  von  keinem  Einfluss.  Erbliche  Momente 
spielen  bei  renalem  Diabetes  sicher  auch  eine  Rolle,  denn  der  Sohn 
des  Patienten  leidet  auch  daran. 

L  e  s  c  h  k  e  -  Berlin  hat  durch  Leberexstirpation  bei  Fröschen 
einen  Phloridzindiabetes  nicht  beeinflussen  können. 

L  i  c  h  t  w  i  t  z  -  Göttingen  spricht  über  Differenzen  zwischen 
Harn-  und  Blutzucker. 

Reicher-  Mergentheim  (Schlusswort)  hält  daran  fest,  dass 
ein  prinzipieller  Unterschied  zwischen  der  Lipoidämie  bei  Diabetes 
und  der  physiologischen  nicht  besteht.  Für  Coma  diabeticum  sind 
nebst  hohem  Lipoidgehalt  des  Blutes  hohe  Blutzuckermengen  bei 
Herabgehen  des  Urinzuckers  charakteristisch. 

Lüthje-  Kiel  (Schlusswort)  ist  in  der  Verwertung  der  Kriterien 
für  einen  renalen  Diabetes  viel  vorsichtiger  geworden,  so  hält  L.  die 
Unabhängigkeit  der  Glykosurie  von  der  Grösse  der  Kohlehydratzufuhr 
nicht  mehr  für  ein  massgebendes  Charakteristikum.  Auch  bei  Ver¬ 
wertung  der  Blutzuckerbestimmungen  sollte  man  vorsichtiger  sein. 

Herrmanns  -  Freiburg :  Normalerweise  vermag  die  Leber 
Azetessigsäure  nach  dem  Typus  der  Säurespaltung  zu  zerstören,  im 
Coma  diabeticum  aber  nur  nach  dem  der  Ketonspaltung. 

Fran  k-Breslau :  Der  von  Klemperer  seinerseit  beschriebene 
Fall  ist  angesichts  seines  hohen  Blutzuckergehaltes  kein  echter  renaler 
Diabetes.  Nach  den  Versuchen  v.  Kontscheks  werden  die  im 
Nierenprotoplasma  normalerweise  aufgespeicherten  Zuckermengen 
durch  den  Uranreiz  herausgeworfen. 


1054 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


(i.  Klemperer  -  Berlin :  Wesen  der  Atophanwirkung. 

Gewisse  dem  Alophan  nahestehende  Körper,  wie  Novatophan  und 
Azitrin  zeigen  dieselbe  Wirkung  wie  Atophan;  ändert  man  den 
1  henylring,  so  bleibt  die  Harnsäureausscheidung  aus,  z,  B.  beim  Sulf- 
atcphan.  Ein  Atophankörper  besitzt  sogar  die  Heilwirkung  des 
Atophan,  ohne  die  Harnsäureausfuhr  zu  vermehren.  Die  Wirkung  des 
Atophans  kann  daher  nicht  auf  Harnsäuremobilisierung  beruhen.  Bei 
300  Bällen  von  akutem  Gelenkrheumatismus  hat  sich  das  Atophan 
als  fast  gleichwertig  den  Salizylater.  erwiesen.  Vorhergehendes  Ein- 
ti  auteln  von  Atophan  verhindert  das  Entstehen  einer  Entzündung  der 
Konjunktiva  nach  Senföleinträufelung.  Manche  Atophanderivate  be¬ 
sitzen  auch  diese  antiphlogistische  Wirkung,  andere  nicht,  obwohl  sie 
ausgezeichnete  Gichtmittel  sind.  Atophan  wirkt  auch  schmerzstillend 
bei  Ischias  und  Kopfschmerzen. 

A  b  e  1  -  \\  iesbaden :  Beziehung  zwischen  Splanchnikustonus  und 
Harnsäureausfuhr. 

Verfüttert  man  gleichzeitig  mit  purinhaltigen  Körpern  Kalk,  so 
erhält  man  eine  Verminderung  der  Harnsäureausfuhr  gegenüber  der 
Norm.  Nach  Atophanfütterung  entsteht  bei  Kaninchen  eine  exzessive 
Darmhyperämie.  Es  besteht  offenbar  ein  Parallelismus  zwischen  der 
Grösse  der  Harnsäureausfuhr  einerseits  und  der  Darmtätigkeit  und 
damit  der  Blutfülle  im  Pfortadergebiet  andererseits.  Baryumsulfat 
erzeugt  eine  Depression  des  endogenen  Purinwertes  auf  60—50  Proz. 
und  Aufhebung  der  Atophanwirkung,  ähnlich  Wismut  und  Uzara. 
Dagegen  entsteht  nach  Arsen  eine  Vermehrung  der  Harnsäure  um 
50—100  Proz.,  bei  Brechwurz  50  Proz.,  geringere  Wirkung  bei 
Kolchicin,  Theophyllin,  Chloral  u.  a.  Eine  stark  vermehrende  Wir¬ 
kung  bis  zu  60  Proz.  ergaben  auch  alle  Diarrhoika.  Das  Atophan 
vermehrt  die  Harnsäure,  weil  es  den  Splanchnikus  lähmt  und  damit 
die  Durchblutungsgrösse  und  Sekretion  der  Gedärme  erhöht.  Bei 
einem  Falle  von  Anus  praeternat.  konnte  man  nach  Nukleinsäure-  und 
Thymusdarreiclumg  exzessive  Hyperämie  und  spontane  Blutung  der 
Darmschleimhaut  beobachten.  Auch  die  Harnsäure,  die  bei  der  Ver- 
fütterung  der  sogen,  exogenen  Purine  ausgeschieden  wird,  wird  bei 
der  Hyperfunktion  der  Verdauungsdrüsen  ähnlich  wie  bei  der  Ato- 
phandarreichung  produziert.  A.  begründet  dann  eingehend  die  Un¬ 
möglichkeit,  dass  ein  verfüttertes  Purinmolekiil  zur  Harnsäure  um¬ 
gewandelt  wird.  Insbesondere  führt  er  die  Unabhängigkeit  von  der 
Nahrungsaufgabe,  die  Abhängigkeit  von  der  Verdauungsarbeit  und 
das  Vorhandensein  eines  Grenzwertes  für  die  Harnsäureausfuhr  an, 
der  sich  auch  durch  noch  so  hohe  Puringaben  nicht  hinaufschrauben 
lässt. 

R.  Bass- Prag:  Ueber  Nukleinstoffe  und  Harnsäure  im  mensch¬ 
lichen  Blute. 

B.  hat  mittels  einer  von  ihm  und  Wiechowski  ausgearbeite¬ 
ten  neuen  Methodik,  bei  welcher  die  Enteiweissung  durch  Koagula¬ 
tion  mittels  Phosphorwolframsäure-Chinin,  Einengung  bei  mineral¬ 
saurer  Reaktion  und  Fällung  der  Purine  durch  einen  starken  Silber¬ 
überschuss  vorgenommen  wird,  feststellen  können,  dass  das  Blut  nor¬ 
maler,  purinfrei  ernährter  Menschen  konstant  isolierbare  Harnsäure¬ 
mengen  enthält.  Daneben  kommen  in  weitaus  überwiegender  Menge 
Nukleinbasen,  hauptsächlich  Adenin,  vor,  fast  kein  Guanin.  Die  Nu¬ 
kleinbasen  entstammen  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  gepaarten 
Muttersubstanzen  (Nukleotiden),  da  sie  nur  nach  der  Säurebehand¬ 
lung  der  Koagulationsflüssigkeit  nachzuweisen  sind.  Unter  chro¬ 
nischer  Atophandarreichung  sinkt  der  Harnsäuregehalt  des  Blutes; 
eine  ähnliche  Senkung  ist  ausnahmsweise  auch  am  Höhepunkte  der 
akuten  Atophanwirkung  wahrzunehmen,  während  in  der  Regel  hier¬ 
bei  noch  normale  Harnsäurewerte  aufzufinden  sind.  Nie  bewirkt  das 
Atophan  eine  Steigerung  der  Blutharnsäurewerte.  Das  Atophan  Be¬ 
sitzt  demnach  seinen  Angriffspunkt  in  der  Niere.  Die  gepaarten 
Nukleinbasen  des  Blutes  werden  durch  Atophan  wie  durch  Nuklein¬ 
säuredarreichung  nicht  beeinflusst.  Ob  die  unter  Atophan  aus¬ 
geschiedene  Harnsäure  aus  aufgestapelten  Purinstoffen  frisch  gebildet 
wird,  oder  ob  sie  aus  Harnsäuredepots  stammt,  bleibt  unentschieden. 
Experimentell  liess  sich  die  letztere  Frage  an  Tieren  mittels  sub¬ 
kutaner  Uratdepots  nicht  sicher  entscheiden.  Der  Gehalt  an  Nuklein¬ 
basen  ist  eine  besondere  Eigentümlichkeit  des  menschlichen  Blutes. 

Diskussion:  Herr  F  r  a  n  k  -  Breslau :  Die  sehr  schöne  Me¬ 
thode  von  Wiechowski  und  Bass  bedeutet  einen  grossen  Fort¬ 
schritt;  die  Enteiweissung  kann  man  noch  eleganter  mit  Uran  vor¬ 
nehmen.  In  Uebereinstimmung  mit  den  genannten  Autoren  konnte  F. 
selbst  bei  purinfrei  ernährten  Menschen  deutliche  Mengen  von  Harn¬ 
säure  im  Blut  nachweisen,  so  dass  er  in  Verlegenheit  ist,  wie  man 
jetzt  die  Diagnose  auf  Gicht  stellen  soll.  Das  Verschwinden  der 
Blutharnsäure  nach  Atophangaben  kann  F.  ebenfalls  bestätigen. 
Allerdings  kommt  es  nach  1 — 2  Tagen  wieder  zu  einem  enormen 
Sturz  der  Harnsäurewerte  im  Urin  unter  ganz  erheblichem  Ansteigen 
der  Harnsäuremengen  im  Blute.  So  sind  die  positiver.  Resultate  von 
R  e  t  z  1  a  f  f  und  D  o  h  r  n  zu  erklären. 

W  e  in  traud  -  Wiesbaden  fasst  gegenwärtig  die  Atophan¬ 
wirkung  ähnlich  auf,  wie  die  von  Aspirin  und  anderen  Neuralgicis. 
Der  endogene  Harnsäurewert  ist  eine  individuelle  Konstante  und  ab¬ 
hängig  von  der  inneren  Mauserung.  Der  exogene  Wert  ist  über  ge¬ 
wisse  Grenzen  hinaus  überhaupt  nicht  zu  steigern.  Mit  purinfreier 
Kost  gelingt  es  nicht,  das  Blut  von  Harnsäure  frei  zu  machen.  Es 
ist  also  viel  wichtiger,  dass  die  im  Organismus  gebildete  Harnsäure 
ausgeschieden,  nicht  dass  sie  besonders  wenig  gebildet  wird.  Wir 
müssen  daher  bei  unseren  diätetischen  Vorschriften  uns  vor  allzu 
strenger  Betonung  der  purinfreien  Kost  hüten,  vielmehr  die  Nahrung 


so  einrichten,  dass  sie  eine  möglichst  geringe  Verdauungsarbeit  er¬ 
fordert. 

v.  Noor  den- Wien  schliesst  sich  der  antineuralgischen  Aui- 
tassung  der  Atophanwirkung  an.  Er  hat  mit  Methylenblau  gut* 
Erfolge  bei  Gicht  gesehen. 

G  ö  p  p  e  r  t  -  Göttingen :  Die  Purinausfuhr  kann  merkwürdiger¬ 
weise  auch  durch  Thymusextrakt  mächtig  angeregt  werden,  de> 
keine  Purine  mehr  enthält. 

R  e  t  z  1  a  f  f  -  Berlin  kam  es  bei  seinen  Untersuchungen  daraui  an 
nachzuweisen,  dass  dem  Atophan  keine  elektive  Nierenwirkung  zu- 
komme,  da  unter  Atophanwirkung  im  Blute  Harnsäure  auftreten 
könne. 

Minkowski-  Breslau :  Die  Atophanwirkung  ähnelt  auch  darin 
der  von  Salizylsäure,  dass  man  bei  genügend  grossen  Dosen  Sali¬ 
zylsäure  ebenfalls  eine  Harnsäureausschwemmung  hervorrufen  kann 
Nach  Abklingen  dieser  Vermehrung  kann  man  mit  Atophan  auch 
keine  Harnsäure  mehr  zur  Ausfuhr  bringen. 

Klemperer  (Schlusswort)  hat  auf  die  Aehnlichkeit  von  Ato¬ 
phan  mit  Salizylaten  schon  vor  Jahresfrist  hingewiesen;  trotzdem 
bestehen  gewisse  Unterschiede,  denn  Atophan  versagt  vollkommen 
bei  Typhus  und  anderen  schweren  fieberhaften  Erkrankungen.  Die 
Wandlungen  in  den  Ansichten  über  die  Pathologie  der  Gicht  lehren 
uns,  dass  wir  Beobachtung  und  Erfahrung,  nicht  Theorie  auf  unsere 
Fahne  schreiben  sollen,  dann  werden  wir  vor  dem  Schicksal  bewahrt 
bleiben,  unsere  Behandlungsmethoden  alle  10  Jahre  von  Grund  aus 
zu  ändern. 

Frank  und  Behrenroth  -  Greifswald ;  Ueber  funktionelle 
Nierenschädigung  nach  Infektionskrankheiten. 

Vortragender  berichtet  über  Schädigungen  der  Nierenfunktion. 
die  sich  mit  Hilfe  der  modernen  Methoden  der  funktionellen  Nieren¬ 
diagnostik  nachweisen  lassen. 

E.  M  e  y  e  r  und  Jungmann-  Strassburg :  Ueber  experimentelle 
Beeinflussung  der  Nierentätigkeit  vom  Nervensysteme  aus. 

Die  Verfasser  konnten  durch  viele  Tierexperimente  zeigen,  dass 
im  verlängerten  Rückenmark  ein  Zentrum  existiert,  das  einen  Einfluss 
auf  die  Nierentätigkeit  ausübt.  Wurde  diese  Stelle  durch  Stich  ver¬ 
letzt,  so  war,  unabhängig  von  der  Wasser-  und  Kochsalzzufuhr,  eine 
beträchtliche  Zunahme  der  Harnmenge  und  eine  hochgradige  Steige¬ 
rung  der  prozentualen  und  absoluten  Kochsalzausscheidung  die  Folge. 
Die  gleiche  Wirkung  hatte  die  Durchschneidung  der  zur  Niere  gehen¬ 
den  Nerven,  indessen  war  der  Salzstich  nach  der  Durchschneidung 
der  Nierennerven  erfolglos.  Die  Nervenbahn,  die  die  Niere  mit  dem 
Gehirn  verbindet,  konnte  dann  durch  besondere  Versuche  noch  ge¬ 
nauer  bestimmt  werden.  Die  durch  Verletzung  dieser  Bahn  hervor¬ 
gerufene  Vermehrung  der  Kochsalzabgabe  und  Harnmenge  ist  zum 
Teil  als  eine  Reizung  der  Vasodilatatoren,  zum  Teil  als  eine  direkte 
Anregung  der  Nierenzellen  zu  erhöhter  Tätigkeit  aufzufassen.  Die 
gefundenen  Tatsachen  sind  für  die  Erklärung  der  normalen  Nieren- 
funktion  von  Bedeutung  und  dienen  auch  der  Erforschung  mancher 
noch  unklaren  Krankheitszustände. 

Diskussion:  Herr  R  o  h  d  e  -  Heidelberg  hat  durch  andere 
experimentelle  Eingriffe  dieselben  Resultate  wie  Meyer  erhalten. 

F  i  n  k  e  1  n  b  u  r  g  -  Bonn :  Beim  Diabetes  insipidus  ist  die  Kon¬ 
zentrationsfähigkeit  dar  Niere  erhalten.  Nervöse  Polyurie  entsteht 
beim  Hund  nach  Thyreoideaverfütterung. 

Angyan-Pest:  Bei  einer  inkompensierten  Mitralinsuffizienz 
mit  Oedemen  verschwanden  diese,  als  nach  embolischer  Hemiplegie 
Polyurie  eintrat. 

Schlayer  -  München  verwirft  die  intramuskuläre  Milchzucker¬ 
injektion  von  Frank.  Nach  Entnerven  der  Nieren  entsteht  trotz¬ 
dem  durch  Stich  in  den  Wurm  des  Kleinhirns  Polyurie. 

Kohnstamm  -  Königstein  i.  T. 

Liithje-Kiel:  Verzögerung  der  Milchzuckerausscheidung  ist 
bei  Infektionskrankheiten  gewöhnlich  mit  Auftreten  von  Zylindern 
und  Nierenepithelien  im  Urin  begleitet. 

Forschbach  -  Breslau :  Bei  Diabetes  insipidus  ist  die  Kon¬ 
zentrationsfähigkeit  für  Phosphate,  Kochsalz  und  Harnstoff  erhalten. 

B  e  n  a  r  i  o  -  Frankfurt  betont  den  Zusammenhang  von  Diabetes 
insipidus  mit  luetischen  und  Hypophysenerkrankungen. 

Morawitz  und  Z  a  h  n  -  Freiburg:  Untersuchungen  über  den 
Koronarkreislauf, 

Ueber  die  Physiologie  der  Koronargefässe,  besonders  auch  über 
den  Einfluss  arzneilicher  Einwirkungen  auf  dieses  so  wichtige  Oe- 
fässgebiet  ist  noch  wenig  Sicheres  bekannt,  denn  es  war  bisher  nicht 
möglich  (wegen  der  grossen  technischen  Schwierigkeiten),  Versuche 
an  den  Kranzgefässen  lebender  Tiere  vorzunehmen.  Alles,  was  man 
bisher  wusste,  erstreckte  sich  auf  das  Verhalten  dieser  Gefässe  an 
herausgenommenen  überlebenden  Herzen.  Die  dort  gewonnenen  Er¬ 
fahrungen  entsprachen  nur  sehr  unvollständig  den  Vorstellungen,  die 
man  sich  am  Krankenbette  über  dieses  Gefässgebiet  gebildet  hatte. 

Es  erschien  daher  notwendig,  an  Herzen  zu  experimentieren,  die  sich 
in  nervöser  Verbindung  mit  dem  Zentralnervensystem  befinden,  also 
am  lebenden  Tier.  Solche  Versuche  waren  bisher  wegen  der  ver¬ 
borgenen  Lage  jenes  Gefässgebietes  als  aussichtslos  nicht  in  Angriff 
genommen  worden. 

Die  Vortragenden  beschreiben  ein  Verfahren,  mit  dessen  Hilfe 
es  gelingt,  am  lebenden,  narkotisierten  Tier  alles  den  Herzmuskel 
durchströmende  Blut  aufzufangen  und  zu  messen. 

Eine  besonders  starke  Wirkung  auf  die  Gefässe  des  Herzens 
kommt  dem  Nikotin  zu.  Es  zieht  die  Gefässe  erst  stark  zusammen 


\\I  I  V  IHM  lv’  \U:I  »IZINjSCtiL:  WOCHENSCHRIFT. 


£  Mai  19 13. 


1055 


id  lahmt  sie  später.  Damit  gewinnt  man  für  das  relativ  häufige  Vor- 
amnien  von  Erkrankungen  dieses  Gefässgebietes  bei  starken  Rau- 
lern  eine  neue  Grundlage  des  Verständnisses.  Erweiternd  wirken 
^sonders  die  Nitrite,  z.  B.  das  Nitroglyzerin,  ferner  das  Koffein 
nd  ähnliche  Körper.  Eine  enorme  Verbesserung  der  Herzdurch- 
utung  ruft  auch  das  Adrenalin  hervor,  das  viele  andere  Gefäss- 
biete  stark  verengt,  die  Herzgefässe  aber  erweitert. 

Die  neue  Methode  scheint  geeignet  zu  sein,  eine  sichere  experi- 
entelle  Grundlage  für  viele  Fragen  zu  bieten,  die  sich  bei  der 
eobachtung  der  so  häufigen  und  wichtigen  Erkrankungen  der  Kranz¬ 
nässe  des  menschlichen  Herzens  ergeben. 

Quincke-  Frankfurt :  Ueber  den  Blutstroin  im  Aortenbogen. 
Quincke  untersuchte  an  Leichen  die  Strömung  in  der  Carotis 
xtra  und  sinistra,  er  fand  dieselben  beiderseits  gleich.  Eine  reich¬ 
ere  Blutversorgung  der  linken  Hirnhälfte  kann  also  weder  für  die 
rklärung  der  Rechtshändigkeit  der  Menschen  noch  für  die  grössere 
äufigkeit  der  linkseitigen  embolischen  Hirnerweichung  herangezogen 
erden.  In  Uebereinstimmung  mit  letzterer  Tatsache  gelangten  in 
u.s  Versuchen  suspendierte  feste  Körper  mit  dem  Flüssigkeitsstrom 
iufiger  in  die  linke  als  in  die  rechte  Karotis;  das  muss  auf  dem 
ymetrischen  Abgang  der  Zweige  des  Aortenbogens  beruhen. 

Gerhard  t-Wiirzburg:  Zur  Lehre  von  der  Dilatation  des 
arzens. 

G.  teilt  einige  Beobachtungen  mit,  welche  dafür  sprechen,  dass 
e  herkömmliche  Unterscheidung  zweier  Formen  von  Herzerweite- 
ng  (einer  rein  kompensatorischen  und  einer  infolge  von  Ueber- 
strengung)  in  dieser  Schärfe  nicht  zu  Recht  besteht. 

Ferner  bespricht  er  die  Beziehungen  zwischen  Erweiterung  der 
irhöfe  und  Unregelmässigkeit  des  Pulses. 

B  r  u  n  s  -  Marburg:  Experimentelle  Untersuchungen  zur  Frage 
r  akuten  Herzermüdung  und  Dilatation. 

Es  kam  darauf  an,  die  Vorgänge  und  Veränderungen  zu  studieren, 
ie  sie  am  gesunden  Herzen  als  Folge  hochgradiger  körperlicher, 
B.  sportlicher,  Anstrengung  eintreten  können. 

Dabei  stellte  sich  im  Tierversuch  heraus,  dass  sehr  starke  und 
hr  lang  anhaltende  Anstrengungen  des  Herzens,  bei  dem  einen 
iher,  bei  dem  anderen  später,  zu  einer  in  vielen  Fällen  irreparablen 
rzschädigung  führen.  Dieselbe  besteht  in  einer  Herzerweiterung 
d  Abnahme  der  Pumpkraft  des  Herzmuskels.  Diese  letztere  ist 
:ht  die  Ursache  der  Herzerweiterung.  Es  führt  vielmehr  die 
rch  die  Anstrengung  bedingte  Herzschädigung  zu  einer  Abnahme 
r  Elastizität  des  Herzmuskels  bzw.  zu  einer  erheblichen  elastischen 
chdehnung  dieses  muskulösen  Organs. 

Diskussion:  Schott  -  Nauheim. 

Durch  die  Untersuchungen  von  Gerhard  und  Bruns  wer- 
n  die  Versuche  von  A.  Schott  aufs  Glänzendste  bestätigt,  dass 
i  gesunden  Menschen  durch  anstrengende  Ringversuche  eine  Deh- 
ng  des  Herzens  entstehen  kann.  A.  Schott  hob  auch  als  der 
ste  die  Unterschiede  zwischen  kompensatorischer  und  dilata- 
ischer  Hypertrophie  hervor.  Er  bezog  den  Ausdruck  nur  auf 
issere  Herzfüllung  bei  Aortenfehlern  im  Verhältnis  zur  Aus- 
unung. 

Hering-Prag  würdigt  das  Verdienst  von  Schott,  die  Be- 

>  ffe  der  Stauungsdilatation  und  kompensatorischen  Dilatation  scharf 
t  rennt  zu  haben.  Mit  ersterer  wird  gewöhnlich  der  Begriff  der 
1  rzschwäche  verbunden.  Hering  schlägt  jedoch  für  den  Ausdruck 
Muungsdilatation  vor:  inkompensatorische  Dilatation. 

M  o  r  i  t  z  -  Königsberg:  Das  diastolische  Herzvolumen  kann  im 
i 'eiche  der  Norm  einem  beständigen  Wechsel  unterworfen  sein.  Das 
’  ksame  Moment  ist  hierbei  die  Füllung.  Dem  gegenüber  stehen 
'ränderungen  der  Herzgrösse,  welche  durch  Erkrankungen  des  Mus¬ 
is  verursacht  werden,  sog.  myogene  Dilatationen  oder  Stauungs- 
.  itationen  im  Sinne  von  Schott.  Wenn  der  Herzmuskel  ge- 
?  ungen  wird,  sich  gegen  einen  höheren  Aortendruck  zu  entleeren, 
in  nimmt  sein  diastolisches  Volumen  zu.  Der  erweiterte  Herz- 
'  skel  ist  dann  imstande,  eine  grössere  Kraft  zu  entwickeln,  ähnlich 
•  ■  ein  stark  gedehntes  Gummiband  sich  auch  kräftiger  zusammen- 
7  iehen  vermag.  Im  Gegensatz  zu  Schott  hat  Moritz  selbst 
maximalster  Anstrengung  bei  Gesunden  niemals  eine  Herzdilatation 
l  ehen,  sondern  nur  bei  Kranken.  Das  Herz  verkleinert  sich  viel¬ 
er  bei  anstrengender  Arbeit,  wenn  es  dieselbe  gut  verträgt. 

De  la  C  a  m  p -  Freiburg:  Untersuchungen  beim  Skiwettlaufen 
i  dem  Feldberg  zeigten  interessanter  Weise  beim  Sieger  absolut 
:ti  vergrössertes,  im  Gegenteil  ein  verkleinertes  Herz  und  keine 
‘  änderung  in  der  Pulsamplitude,  dagegen  die  maximalste  Stei- 
:  ung  des  Blutdruckes.  Alle  anderen  Läufer  hatten  verminderten 
r  tolischen  und  diastolischen  Blutdruck.  Je  später  der  Fahrer  am 
-i  ankam,  desto  ausgesprochener  waren  Herzdilatationen  und 
1  stige  Störungen  im  Kompensationsmechanismus.  Fast  alle  Fahrer 
'  sen  eine  mehr  oder  weniger  starke  Albuminurie  auf,  die  stärkste 
i  sr  Ausschwemmung  von  zahlreichen  Zylindern  der  Sieger. 

E.  M  o  s  1  e  r  -  Berlin :  Der  Atenistillstand  in  tiefer  Inspirations- 
lung,  ein  Versuch  zur  Beurteilung  der  Kreislauffunktion. 

Der  Vortragende  misst  5  Minuten  lang  am  Riva-Rocc  i  sehen 

>  iarat  oder  an  dem  von  ihm  empfohlenen  Metallmanometer  „Tykos“ 

Blutdruck.  Dann  lässt  er  langsam  und  so  tief  als  möglich  in- 
1  ieren  und  den  Atem  auf  der  Höhe  der  Inspiration  25  Sekunden 
H  anhalten.  Sodann  müssen  die  Patienten  wieder  gewöhnlich 
|  en.  Nach  Beendigung  der  Atempause  notiert  M.  nun  den  Blut¬ 


druck  von  Minute  zu  Minute.  Bei  diesem  Verfahren  unterscheidet  er 
folgende  Gruppen: 

1.  Der  Blutdruck  bleibt  nach  dem  Versuch  unverändert:  Bei  allen 
gesunden  und  denjenigen  kranken  Herzen,  die  noch  als  gut  leistungs¬ 
fähig  anzusprechen  sind. 

2.  Der  Blutdruck  ist  beträchtlich  gestiegen:  Bei  den  gut  leistungs¬ 
fähigen  hypertrophischen  Herzen. 

3.  Der  Blutdruck  ist  gefallen:  Bei  nicht  mehr  leistungsfähigen 
Herzen  mit  und  ohne  erhöhten  Blutdruck. 

4.  Der  Blutdruck  steigt  anfangs,  fällt  dann,  um  erst  allmählig 
zur  Norm  zurückzukehren:  Grenzfälle  zwischen  Gruppe  2  und  3. 

Der  Vortr.  bespricht  eingehend  die  physikalischen  und  physio¬ 
logischen  Bedingungen  seines  Versuches  und  setzt  auseinander,  wes¬ 
halb  er  sich  berechtigt  glaubt,  dass  psychogene  Moment  vernach¬ 
lässigen  zu  dürfen. 

H  a  p  k  e  -  Altona :  Kreislaufdiagnostik  mit  dem  Energometer. 

H.  hat  unter  v.  Bergmanns  Leitung  die  klinische  Berechti¬ 
gung  der  Christen  sehen  Methode  geprüft,  bei  welcher  mittels  des 
Energometers  der  systolische  Füllungszuwachs  in  Kubikzentimeter 
und  die  jedesmalige  Energie  in  Gramm  X  Zentimeter  gemessen  wird, 
die  die  Pulswelle  entgegen  diesem  Stauungsdrucke  aufwendet.  Das¬ 
selbe  Individuum  ergibt  unter  denselben  Verhältnissen  stets  dieselbe 
Kurve,  bei  pathologischen  Kreislaufveränderungen  dagegen  kann  man 
direkt  von  Kurventypen  sprechen.  Auf  viel  exaktere  Weise  als  durch 
Palpation  des  Pulses  vermag  man  mittels  dieser  exakten  Methode  die 
dynamischen  Kreislaufsverhältnisse  beurteilen. 

S  t  r  ii  b  e  1 1  -  Dresden:  Der  Einfluss  der  Leibesübungen  aut  das 
Elektrokardiogramm  und  die  Funktion  des  Herzens. 

St.  hat  als  der  Erste  mit  der  Elektrokardiographie  die  Teil¬ 
nehmer  eines  sportlichen  Ereignisses  aufgenommen,  und  zwar  waren 
es  Schwimmer  bei  einer  Schwiinmkonkurrenz  am  14.  März  1909  zu 
Dresden.  Ueber  diese  Versuche  hat  Str.  bereits  auf  dem  Kongress 
für  innere  Medizin  in  Wiesbaden  1909  berichtet.  Nun  hat  er  seine 
Untersuchungen  auch  auf  Skifahrer,  Ringer  und  Sportsleute  anderer 
Gattung  ausgedehnt.  Im  allgemeinen  erhellt  auch  durch  diese  Unter¬ 
suchungen  der  günstige  Einfluss  der  rationell  betriebenen  Leibes¬ 
übungen  auf  die  Herzfunktion.  Dagegen  müssen  alle  Uebertreibungen 
die  infolge  von  starken  Arteriendrucksteigerungen  und  übergrosser 
Herzanstrengung  das  Herz  überdehnen,  ganz  entschieden  als  schädlich 
bezeichnet  werden.  So  ist  z.  B.  der  Ringsport,  wenigstens  in  der 
Form,  wie  ihn  die  Berufsringer  treiben,  entschieden  als  ungünstig  für 
das  Herz  zu  betrachten,  trotz  der  damit  verbundenen  hochgradigen 
Stärkung  der  Muskulatur.  Diese  Ringer  sterben  denn  auch  jung, 
meist  vor  dem  40.  Jahre.  Günstig  können  nur  diejenigen  Sport¬ 
zweige  auf  das  Herz  wirken,  welche  ohne  allzu  grosse  Steigerung 
der  Widerstände  das  Herz  allmählich  durch  die  gesteigerte  Arbeit 
stärken,  so  z.  B,  der  Skisport.  Hier  sollten  freilich  die  einzelnen 
Sportsleute  womöglich  klinisch  und  elektrokardiographisch  über¬ 
wacht  werden,  um  Schädigungen  hintanzuhalten,  wie  sie  eine  über¬ 
triebene  Betätigung,  zu  hohes  Alter  oder  latent  bestehende  Kreis¬ 
laufstörungen  mit  sich  bringen. 

Ganter-  Tübingen  und  Zahn-  Heidelberg:  Ueber  das  Elektro¬ 
kardiogramm  des  Vorhofes  bei  normotroper  und  heterotroper  Auto- 
matie. 

Es  Hess  sich  feststellen,  dass  bei  Entstehung  der  Herzreize  an 
der  normalen  Stelle  (Sinusknoten)  der  Aktionstrom  des  Vorhofes  sich 
im  wesentlichen  als  eine  einfache  positive  Zacke  darstellt.  Verliert 
der  Sinusknoten  die  Führung  des  Herzens,  was  im  Experiment  durch 
Ausschaltung  dieser  Gegend  mittels  Kälte  oder  Exzision  herbeizu¬ 
führen  ist,  so  tritt,  was  schon  in  früheren  Versuchen  bewiesen  wer¬ 
den  konnte,  der  Atrioventrikularknoten  an  seine  Stelle.  Die  Aende- 
rung  des  Reizentstehungsortes  dokumentiert  sich  nun  auch  im  Verlauf 
des  Vorhof aktionsstromes.  indem  bei  ihm  zunächst  eine  ausge¬ 
sprochene  negative  Zacke  auftritt,  die  bei  der  üblichen  Ableitung  meist 
allein  die  Vorhofaktion  anzeigt.  Diese  typische  Aenderung  findet  sich 
auch  in  denjenigen  Fällen,  bei  denen  nach  Ausschaltung  des  Sinus¬ 
knotens  der  Vorhof  vor  den  Kammern  schlägt.  Es  Hess  sich  mit 
Sicherheit  feststellen,  dass  unter  diesen  Verhältnissen  der  Herzrerz 
von  den  obersten  Ausläufern  des  Atrioventrikularknotens  (Gegend  der 
Einmündungsstelle  der  Koronarvenen)  ausgeht.  Denn  durch  Ab¬ 
kühlung  auch  dieses  Teiles  des  Atrioventrikularknotens  werden  die 
Vorhöfe  zum  Stillstand  gebracht,  während  die  Kammern  in  lang¬ 
samerem  Rhythmus  ev.  weiterschlagen.  Es  wird  aus  diesem 
Verhalten  der  Schluss  gezo  gen,  dass  in  den  Vor¬ 
höfen  des  Säugerherzens  nur  2  Gebiete  zur  Bildung 
von  regelmässigen  Herz  reizen  befähigt  sind:  Der 
Si  nusknoten  u  nddiever  schiedenen  Teile  desAtrio- 
ventrikularknotens. 

Wird  bei  der  üblichen  Ableitung  beim  Menschen 
eine  negative  Vorhofszacke  im  Elektrokardio¬ 
gramm  gefunden,  so  kann  daraus  geschlossen 
werden,  dass  die  Reizentstehung  im  obersten  Teil 
des  Atrioventrikularknotens  stattfindet. 

Ein  unter  pathologischen  Verhältnissen  auch  beim  Menschen  be¬ 
obachtetes  Auftreten  von  Herzjagen  (Tachykardie)  konnte  im  Tier¬ 
versuch  an  Katzen  herbeigeführt  und  näher  analysiert  werden.  Es 
zeigte  sich  dabei  ebenfalls  eine  negative  Vorhofszacke  und  die  Küh¬ 
lung  der  obersten  Atrioventrikularknotenabschnitte  brachte  die  Tachy¬ 
kardie  zum  Verschwinden.  Damit  ist  bewiesen,  dass  die 
jenigen  Tachykardien,  die  mit  negativer  Vorhofs- 


1056 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


zackt  j  in  I:  I  e  k  t  r  o  k  a  r  d  i  o  g  r  a  m  111  verlaufe  u,  v  o  in 
obersten  I  e  1 1  des  Atrioventrikularknotens  ihren 
Ausgang  nehmen. 

B  i  1 1  o  r  f  -  Breslau:  Ueber  das  Elektroangiogramm. 
ic  ange  strittige  Frage  nacli  der  Mitbeteiligung  der«  Schlag¬ 
adern  an  der  Blutbewegung  wurde  durch  Ableitung  elektrischer 

hisen  ^esiichf1  CmSC  ^Cn  C'CS  S°S‘‘  Säitengalvaöometers  zu 

Fs  gelang  beim  Menschen  unter  gewissen  Bedingungen  derartige 
Strome  von  der  Körperoberfläche  (Bein)  abzuleiten.  Noch  leichter 
ist  der  Nachweis  des  Auftretens  elektrischer  Ströme  bei  jedem  Puls 
an  der  freigelegten  Schlagader  von  Tieren  (Kaninchen,  Hunden).  Es 

nnffatn.de,  h^nu  ZeigC?’  das*  diese  Strömung  durch  die  direkte 
pulsatorische  Dehnung  der  Gefassmuskeln  erzeugt  werden,  während 
das  Herz-fieiass-Nervensystem  keinen  Einfluss  auf  ihre  Entstehung  zu 
haben  scheint. 

Diskussion  zu  den  Vorträgen  Mosler-Bittorf: 

V  o  1  h  a  r  d  -  Mannheim. 

v  B  e  r  g  m  a  n  n  -  Hamburg-Altona :  Bei  der  dynamischen  Be¬ 
trachtungsweise  des  Pulses  bekommt  man  keinen  Aufschluss  über 
Zentren  und  Peripherie  getrennt,  sondern  nur  über  die  Resultate.  Auf 
Urund  derselben  kann  man  trotzdem  mit  Sicherheit  sagen,  dass  zu 
einem  bestimmten  Zeitpunkt  der  Puls  besser  oder  schlechter  wird 
und  hat  auf  diese  Art  objektive  Anhaltspunkte  für  die  Beurteilung 
cei  Einwirkung  medikamentöser  und  hydrotherapeutischer  Eingriffe 

Christen-  Bern  begriisst  die  ausführliche  Nachprüfung 
seiner  dynamischen  Kreislaufdiagnostik.  Die  Richtigkeit  seiner  Mes¬ 
sungen  hat  er  neuerdings  durch  einen  versenkten  künstlichen  Puls 
studieren  können,  wobei  sich  wieder  die  völlige  Unabhängigkeit  der 
Resultate  von  der  Dicke  der  Weichteile  ergab.  Eine  neue  Tabelle 
ermöglicht  die  direkte  Ablesung  des  Untersuchungsergebnisses  ohne 
vorhergehende  Multiplikation. 

Magnus-Alsleben  -  Wiirzburg. 

Elektmaniiogrärnms  hirT^  a“f  ^  ErklärUneSVerSuch  des 
1  e  h '',PraS.  konnte  in  einem  Falle  von  andauernder  Vor- 
5vctfmiyvyS!°-iie  i  eIle  deutIlche  Verkürzung  des  Intervalls  Vorhof- 

Fi  V*enitrikf-  *Syst0  e  nacJlweisen.  Angesichts  des  Verhaltens 
des  Elektrokardiogramms  schloss  R.  auf  heterotope  Reizbildung. 

Sitzung  vom  Dienstag,  den  15.  April  1913  (Nachtrag). 

H.  L  ü  d I  k  e  -  Würzburg:  Zur  Deutung  der  kritischen  Entfieberung. 

L.  weist  durch  Tierversuche  nach,  dass  zur  Zeit  der  Krise  bei  der 
1  neumome  ein  rapides,  sprungweises  Anwachsen  der  Schutzstoffe  im 
Körper,  eine  10 — 100  fache  Konzentrationssteigerung  für  das  Phä¬ 
nomen  der  kritischen  Entfieberung  verantwortlich  zu  machen  ist. 


No.  io 


42.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26.-29.  März  1913. 

(Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  M.  Katzen  stein) 

VI. 

Kriegschirurgische  Mitteilungen. 

^c.' 1  ,9  0  e  b  e  1  -  F,  eslau  bespricht  die  chirurgischen  Erfahrungen 
der  I  ripohsexpedition  des  Deutschen  Roten  Kreuzes. 

Es  werden  seltenere  Weichteil-,  Knochen-  und  Gelenkschüsse  be¬ 
sprochen.  Im  allgemeinen  ist  die  Einzelwirkung  des  italienischen 
Kleinkalibers  (6,5  mm)  eine  mässige.  Querschiisse  des  Halses  und 
Gesichtes  heilten  gut,  Gelenkschüsse  ebenfalls.  Eiterungen  der  Ge¬ 
lenke  wurden  möglichst  exspektativ  behandelt.  Neu  sind  die  Aero- 
Planbombenverletzungen,  die  sich  durch  Multiplizitfit,  vorwiegendes 
»etallensein  der  unteren  Extremität  und  des  Stammes  und  Verlauf  des 
Wundkänals  distal-pröximalwärts  auszeichnen.  Sie  sind  teils  durch 
die  Bombensplitter,  meist  aber  durch  die  Schrapnellkugeln,  mit  denen 
die  Bomben  gefüllt  sind,  hervorgerufen.  Schwere  Vereiterungen  so¬ 
wohl  dieser  als  anderer  Verletzungen  schlossen  sich  an  Polypragmasie 
von  anderer  Seite  (Kugelsuchen,  allzu  häufige  Verbände)  an  Die 
Wirkung  des  austrocknenden  Klimas,  das  dem  von  Siidwest  fast 
gleicht,  zeigte  sich  in  den  trotz  jener  nicht  indizierten  Eingriffe 
iclativ  häufigen  Heilungen.  Auch  Schrapnellschüsse  heilten  relativ 
ott  primär. 

Ibe  Eifahrungen  mit  der  modernen  Wundbehandlung  und  Anti- 
sepsis  waren  gute  Die  Emanzipation  vom  Wasser  (Desinfektion  mit 
koliol  bezw.  Jodtinktur,  Verband  mit  v.  Oettingenschem  Mastisol, 
LoKaianastnesie  mit  Novokain-Suprareninlösungen  in  ztigeschmolzenen 
Ampullen,  weniger  mittels  aufzulösender  Tabletten)  bewährte  sich 
„  r’  Allgemeinnarkose  wird  Chloroform  empfohlen.  Es  gab 
allerdings  eine  Chloroformsynkope  bei  einem  durch  Typhus  ge¬ 
schwächten  Herzen.  "  s 

.  Interessant  waren  chirurgische  Komplikationen  des  Typhus:  Pa- 
i otis,  Abszess  an  Stirn  und  Fingern,  Fmpyeme,  appendizitisclier  Abs- 
zess  Gangraena  cruris  und  Gangrän  der  Zehen.  Unter  der  Berber- 
bevolkei  utig  Tripolitaniens  (meist  Bewohnern  des  Diebel)  wurden 
relativ  zahlreich  Hautkarzinome.  meist  Kankroide,  Blasen-  und  Gallen¬ 
steine  beobachtet.  Auch  ein  Leberecchinokokkus  kam  zur  Operation 

Herr  C oen  e  n  -  Breslau  hat  mit  Dr.  Thom  665  Schussver- 
Ietzungen  in  Athen  behandelt.  Es  starben  sieben  Patienten:  fast  'Ä 
ader  zeigten  reaktionslose  Wundheilung.  30  schwere  Phlegmonen 


\\iMdui  niit  ausgiebigen  Inzisionen  und  vier  Amputationen  behandelt 
C1  'u  .{jeleakschtissen  wurde  viermal  reseziert,  einmal  amputier! 
Die  übrigen  Gelenke  heilten  glatt,  aber  in  einigen  Fällen  mit  artlirir,- 
schen  Erscheinungen.  Von  94  komplizierten  Schussfrakturen  heilten 
b3  primär,  11  mit  Komplikationen,  eine  mit  Amputation.  Die  Aneur\< 
men,  von  denen  fünf  operiert  wurden,  werden  am  besten,  wenn  Ti" 

Rno^bHekaPSe  1 liaben’  operiert :  man  muss  sie  operieren  bei  Ruptur 
Blutet  der  durchschnittene  periphere  Stumpf  der  abführenden  Arten, 
nicht,  so  ist  die  Gefassnaht  zu  machen.  Zwei  vitale  Bluttransfusionen 
hatten  guten  momentanen  Erfolg.  Die  Nervenverletzungen  sind  5 
den  oberen  Extremitäten  häufiger  als  an  den  unteren.  Auch  bei  de 
diametralen  Bchadelschiissen  muss  trepaniert  werden,  wenn  HPrV 
Symptome  vorhanden  sind.  Die  Rückenmarkschüsse  gehören  zu  de, 
traurigsten  Kriegserinnerungen.  (Demonstration  von  16  anatomischen 
Präparaten  von  Schussverletzungen.) 

Herr  K  i  r  s  c  h  n  e  r  -  Königsberg  beobachtete  1000  Fälle  von 
denen  300  operiert  wurden.  Die  erste  Zeit  arbeitete  er  in  Sofii 
spater  dicht  bei  Adrianopel  in  Mustapha  Pascha.  Die  Güte  der  kv' 
sultate  wachst  mit  der  Entfernung  vom  Kriegsschauplatz.  Er  sth 
Infektionen  in  33  Proz.  bei  Knochenschüssen,  37  Proz.  bei  Gelenk. 
Schüssen  und  gar  in  50  Proz.  bei  Gefässverletzungen.  Hierfür  anzu- 
schuldigen  ist  in  erster  Reihe  der  Transport,  anfangs  über  150  km 
spater  über  75  km,  auf  einfachen  Ochsenkarren,  ohne  Decken  ode' 
sonstige  Unterlagen.  Nach  der  Einlieferung  waren  die  Patienten,  so- 
yeit  sie  überhaupt  noch  am  Leben  waren,  völlig  erschöpft  und  he- 
dm  iten  eines  tagelangen  Schlafes,  ehe  man  den  geringsten  Eingriff 
wagen  konnte.  Ausserdem  fehlte  es  an  der  notwendigsten  Immobili 
sierung;  weder  Gips  noch  Schienen  waren  verwendet  worden.  De, 
Verband  bedeckte  die  Wunde  meist  nicht  einmal,  weil  er  nicht  kiie»s- 
mässig  ausgeführt  worden  war.  Man  muss  ihn  festkleben,  und  zwar 
mit  Mastisol  über  die  ganze  Extremität.  So  ausgeführte  Verbände 
kamen  in  Sofia  tadellos  an. 

Herr  zur  Verth  -  Kiel :  Seekriegsverletzungen. 

Quellen  zur  Erkenntnis  der  Seekriegsverletzungen  sind  1  die 
theoretische  Ueberlegung,  2.  Friedenserfahrungen  (Unglücksfälle' 

3  Seekriegserfahrungen,  besonders  die  Erfahrungen  der  Japaner  in 
!.  en  !)eid(rn  letzten  grossen  Seekriegen.  Leichenschiessversuclw 
hegen  für  die  Schiffsartillerie  nicht  vor. 

Das  Kriegsinstrument  im  Seekrieg  ist  nicht  wie  am  Lande  der 
Mensch  sondern  das  Kriegsschiff.  Demgemäss  sind  auch  die  Waffen 
im  Seekriege  andere  wie  am  Lande,  nämlich  in  erster  Linie  schwere 
Artillerie,  weiter  Minen  und  Torpedos.  Drei  Viertel  aller  Seekriegs- 
Verletzungen  auf  japanischer  Seite  waren  Artillerieverletzuiigen  (da¬ 
von  -/*  durch  direkte  und  %  durch  indirekte  Geschosse  hervorge- 
ruten),  ein  Viertel  entstand  durch  Minen  und  Torpedos  (davon  mehr 
als  die  Hälfte  durch  indirekte  Geschosse).  Neben  den  Verletzungen 
durch  feindliche  Waffen  bringt  das  Seegefecht  eine  recht  grosse  Zahl 

Verletzungen,  die  durch  das  Kriegshandwerk  selbst  entstehen. 
Als  Durchschnittszahlen  an  Gefechtsverletzungen  sind  mit  sehr 
giossen  Abweichungen  nach  oben  und  nach  unten  nach  japanischen 
Berechnungen  im  Zukunftsseegefecht  20  Proz.  Verluste  zu  erwarten 
davon  4  Proz.  tot,  8  Proz.  schwer  und  S  Proz.  leicht  verletzt.  Die 
Vei  Inste  im  Seegefecht  sind,  soweit  sie  zur  ärztlichen  Versorgung 
kommen,  nach  oben  begrenzt,  da  bei  Ueberschreitung  einer  gewissen 
Anzahl  das  Schiff  selbst  zu  sehr  zerstört  ist  und  dem  sicheren  Unter¬ 
gänge  anheimfällt.  Brauchbarere  Auskunft  als  über  die  Zahl  geben 
die  japanischen  Berichte  über  die  Verletzungs  a  r  t.  Ein  Viertel  aller 
Seekriegsverletzungen  sind  Quetschungen,  mehr  als  ein  Drittel 
Quetschwunden,  etwa  ein  Sechstel  Schusskanäle  (Steckschüsse  und 
-  ui  chschiisse)  ein  Zehntel  Zermalmungen  und  Verstümmelungen,  ein 
Zehntel  Verbrennungen  und  ein  Zwanzigstel  Augen-  und  Ohrenver¬ 
letzungen.  In  rund  5  Proz.  sind  Eingeweideverletzungen  zu  erwarten, 
in  20  Pi  oz.  Knochenbrüche.  Bemerkungen  über  Sitz,  Ausgang,  Hei- 
lungsdauer  und  Infektion  der  Seekriegsverletzungen  folgen. 

Herr  A.  F  r  a  n  k  -  Berlin:  Kriegserfahrungen. 

Redner  leitete  auf  griechischer  Seite  in  Saloniki,  sodannn  in 
Lcukast  ein  Hospital:  da  es  sich  um  mittlere  Etappen  handelte,  so 
wurde  wenig  operiert.  Die  Behandlung  hinter  der  Gefechtslinie  war 
auf  griechischer  Seite  zweckmässig,  nur  wurde  vielleicht  zu  viel  Jod¬ 
tinktur  gepinselt.  Das  Verbandpäckchen  nach  französischem  Muster 
eiwies  sich  als  zweckmässig,  und  seine  Verwendung  geschah  in  ge¬ 
eigneter  Weise.  Ein  Unterschied  zwischen  Jodtinktur  und  Mastisol 
eigab  sich  nur  insofern,  als  mit  letzterem  auch  das  Ungeziefer  fest- 
geRlebt  wurde.  Fixierende  Verbände  kamen  auch  bei'  isolierten 
W  eichteilsverletzungen  zur  Anwendung,  wenn  diese  ausgedehnter 
waren.  Infiziert  waren  meist  nur  die  A rtilleriescli iisse,  konnten  aber 
tiotzdem  allermeistens  konservativ  behandelt  werden.  Eine  Gas- 
phlegmone,  kein  Tetanus.  Verletzungen  des  Abdomens,  des  Thorax 
heilen  unter  Ruhigstellung  nur  in  seltensten  Ausnahmefällen,  je  ein¬ 
mal  musste  operiert  werden.  Als  Objekt  fiir  die  Operationen  bleiben 
Schädel  Verletzungen,  Extremitäten,  Nerven  und  Gefässverletzungen. 

In  der  vorderen  Linie  wurde  zu  früh  trepaniert  und  die  Trepanierten 
zu  tiiih  entlassen.  Die  Nervenoperation  wurde  den  grösseren  Hospi¬ 
tälern  Vorbehalten.  Häufig  sind  Weichteilsverletzungen  der  unteren 
Extremitäten,  insbesondere.  25  Proz.,  der  Wadenschuss,  der  sehr 
schmerzhaft  ist  und  ein  grosses  Hämatom  bildet.  Dieses  kommt  zur 
Vereiterung.  Irotz  Inzision  und  Drainage  kommt  es  gelegentlich  zu 
Gangrän  der  Muskulatur. 

Herr  Pochhammer:  Hinsichtlich  der  Häufigkeit  infizierter 
W  unden  kommt  er  zu  anderen  Anschauungen  als  C  o  e  n  e  ri.  Er  stand 


13.  Mai  1913. 


MUFNGHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1057 


licht  hinter  der  Front  bei  Janina.  An  dieser  Stelle  häufen  sich  die 
iifizierten  Verletzungen,  indem  die  Nichtinfizierten  abgeschoben  wer- 
len.  Zuletzt  waren  unter  52  Fällen  47  infizierte.  Fr  ist  zufrieden 
nit  dem  griechischen  Verbandpäckchen,  unzufrieden  mit  der  Fixation 
er  Knochenbrüche.  Wieviel  auf  die  erste  Versorgung  der  Wunde  an- 
(unmt.  sah  er  m  Saloniki,  wo  von  4—500  türkischen  Verwundeten 
ist  alle  infiziert  waren,  weil  wegen  der  herrschenden  Demoralisation 
ich  niemand  um  sie  gekümmert  hatte.  Er  glaubt  durch  Stauung  viel 
nizierte  gerettet  zu  haben.  Bei  komplizierten  Frakturen  wendet  er 
hne  Rücksicht  auf  Sccjuester  und  dergl.  den  gefensterten  üipsver- 
.uid  an.  Bei  den  grossen  Granatenverletzungen  fand  er  die  Sonnen- 
chandlung  sehr  vorteilhaft. 

Herr  C  o  I  m  e  r  s  -  Koburg:  Heber  die  Wirkung  des  Spitzgc- 
;liosses. 

Vörtr.  erörtert  auf  Grund  seiner  im  Balkankriege  gemachten  Er- 
ihriuigen  die  Wirkung  des  Spitzgeschosses  bei  den  verschiedenen 
eiletzungsmoghchkeiten  und  vergleicht  dieselbe  mit  der  Wirkung 
'S  ogivalen  Geschosses.  Er  kommt  zu  folgenden  Ergebnissen- 

Durch  das  Spitzgeschoss  gesetzte  penetrierende  Wunden  unter- 
. neiden  sich  im  wesentlichen  nicht  von  den  durch  andere  gleich- 
dibrige  Mantelgeschosse  hervorgerufenen  Schusswunden;  der  Ein- 
liuss  ist  auffallend  klein,  der  Ausschuss  findet  sich  bei  ihnen  meist 
was  grösser  als  der  Einschuss. 

Die  Neigung  des  Spitzgeschosses,  im  Widerstand  den  Schwer¬ 
ins  nach  vorn  zu  werfen,  d.  h.  sich  um  seine  quere  Achse  zu  drehen 
bt  ihm  einen  grösseren  Aktionsradius  im  Verlaufe  des  Schuss- 
mals  und  scheint  Einfluss  zu  haben  auf  das  häufige  Zustandekommen 
>11  üefäss-  und  Nervenverletzungen. 

Aus  demselben  Grunde  kommt  es  bei  Schussfrakturen  häufig  zu 
eckschüssen,  bei  denen  das  Geschoss  Deformationen  erleiden  kann 
eim  ein  Feil  derselben  auch  auf  Querschlägern  beruhen  mag,  die 
im  Spitzgeschoss  häufiger  sind  als  bei  den  ogivalen  Geschossen 
•  kommt  diese  Deformation  doch  nachweislich  auch  bei  Ersttreffern 
ir.  Sie  kommt  zustande  durch  verschiedene,  gleichzeitig  auf  das 
.-schoss  einwirkende  Kräfte  in  dem  Augenblick,  in  dem  das  Geschoss 
n  Knochen  trifft  (Drall,  Stauchung,  Verwerfen  des  Schwerpunktes, 
■»endige  Kraft,  Härtegrad  des  getroffenen  Knochens);  von  wesent- 
hem  Einfluss  ist  dabei  der  Winkel,  unter  dem  das  Geschoss  auf  den 
lochen  auftrifft.  (Demonstration  verschiedener  deformierter  Ge- 
hosse.) 

Bei  den  tangentialen  Schädelschüssen  ist  durchweg  eine  erheb- 
he  Splitterung  und  ein  vergrösserter  Knochenausschuss  vorhanden, 
r  die  Infektionsgefahr  erhöht. 

(Demonstration  von  aus  dem  Gehirn  extrahierten  Splittern  bei 
1er  Anzahl  von  tangentialen  Schüssen.) 

\  ortr.  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Verwundungsfähigkeit 
s  Spitzgeschosses  zum  mindesten  die  gleiche  wie  die  des  ogivalen 
schosses  ist,  wenn  man  sie  infolge  der  auch  in  mittleren  Entfer- 
ngen  häufig  auftretenden  Steckschüsse  mit  Querschlägerwirkung 
ii  den  Knochen  nicht  als  grösser  bezeichnen  will. 

Herr  Fe  ss  ler -München  hat  die  Lage,  welche  das  Spitzge- 
1  ioss  bei  seinem  Fluge  einnimmt,  studiert.  Er  liess  es  durch  Säge¬ 
ine  fliegen,  von  Zeit  zu  Zeit  war  eine  Pappwand  eingeschaltet, 
s  der  Gestalt  des  Loches  konnte  er  die  Bewegungen  des  Ge- 
losses  rekonstruieren.  Er  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  das  Ge- 
ioss,  nachdem  es  irgendwo  aufgeschlagen  hat,  sich  nicht  etwa 
rach  umdreht,  sondern  fortgesetzt  pendelt.  Steril  können  die  Ver¬ 
engen  mit  der  Spitzkugel  nicht  sein,  da  Kleider  und,  wie  be- 
lders  der  1  ierversuch  zeigt,  Haare  tief  in  die  Wunde  gerissen 
rden.  Der  günstige  Wundverlauf  ist  daher  eine  Folge  der  Wundbe- 
idlung. 

Herr  Frank-  Berlin :  Gegenüber  C  o  l  m  e  r  s  betont  er,  dass  die 
ckschüsse  beim  Spitzgeschoss  durchaus  nicht  häufiger  sind  als  beim 
valen  Geschoss.  Die  12  Proz.  Steckschüsse  erklären  sich  seiner 
jerzeugung  nach  aus  Prallschüssen,  was  bei  der  mangelhaften  Aus- 
lung  der  türkischen  Schützen  nicht  wunderbar  ist,  selbst  bei  den 
nzosen  waren  30  Proz.  der  Treffer  Rückschläger.  Am  Einschuss 
;t  sich  dies  nicht  immer  erkennen. 

Herr  Mühsam:  Die  im  Deutschen  Roten  Kreuz-Lazarett  in 
grad  beobachteten  Gehirn-,  Rückenmarks-  und  Nervenver- 
ungen. 

Unter  den  im  Deutschen  Roten  Kreuz-Lazarett  in  Belgrad  beob- 
teten  Kopfschüssen  waren  die  Mehrzahl  Kontur-,  Weichteil-  oder 
»chenschüsse,  bei  denen  das  Gehirn  nicht  mitbetroffen  war.  Bei 
:m  Fall  von  Längsschuss  durch  den  Kopf,  bei  dem  die  Kugel 
en  dem  Scheitelbeinhöcker  herein  und  über  dem  medianen  Drittel 
Klavikula  herausgegangen  war,  fehlten  zerebrale  Erscheinungen, 
iiso  bei  zwei  Querschüssen  durch  den  Kopf. 

Zerebrale  Erscheinungen  sind  nur  bei  drei  Konturschüssen  beo'b- 
tet  worden,  und  zwar  nach  einem  Konturschuss  eine  Commotio, 
einem  zweiten  eine  vorübergehende  Amaurose  des  gleichseitigen 
:es,  bei  einem  dritten  eine  Lähmung  der  kontralateralen  Hand  und 
Vorderarmes.  Während  die  beiden  ersteren  Fälle  ohne  Operation 
ten,  musste  der  letzte  operiert  werden.  Bei  der  etwa  4  Wochen 
h  der  Verwundung  vorgenommenen  Trepanation  fanden  sich  acht 
chensplitter  ins  Gehirn  eingedrungen  und  wurden  entfernt.  Eine 
Ii  der  Operation  hiiizugekommeiie  kontralaterale  Fazialis-  und 
llähmung.  ging  zurück.  Die  Armlähmung  blieb  aber  bestehen. 
Rückeiinurksverletzungen  sind  zweimal  beobachtet  worden,  und 
r  in  beiden  Fällen  Kontusionen  bezw.  Hämatomyelien.  Im  ersten 


Falle  Sassen  Einschuss  und  Ausschuss  auf  der  gleichen  Seite,  und  es 
handelte  sich  um  eine  einseitige  Lähmung  der  unteren  Extremitäten, 
welche  sich  sehr  wesentlich  besserte.  Im  zweiten  Falle  war  der 
Einschuss  zwei  Querfinger  breit  über  dem  medianen  Drittel  der  linken 
Klavikula,  der  Ausschuss  an  der  rechten  Spina  Scapulae.  Hier  waren 
zunächst  Lähmungen,  dann  starke  Spasmen  in  beiden  Beinen  mit 
Steuerung  der  Patellarreflexe  vorhanden.  Der  Zustand  besserte  sich, 
doch  blieben  bis  zuletzt  Spasmen,  Kniescheiben-  und  Fussklonus  und 
ausgesprochener  Babinski  zurück. 

Plexusverletzungen  sind  drei  beobachtet  worden.  Der  erste  Fall 
betnttt  den  oben  kurz  erwähnten  Längsschuss  des  Kopfes,  der  zweite 
und  dritte  Fall  betrifft  Halsschüsse.  Die  Symptome  waren  bei  allen 
cnei  aussti  ahlende  Schmerzen,  Schwäche,  Bewegungsbehinderuii£  des 
betreffenden  Armes.  In  allen  Fällen  trat  Besserung  ein. 

Lähmungen  peripherer  Nerven  kamen  sieben  zur  Beobachtung 
Zwei  Plexuslähmungen  waren  durch  Schulter-  bezw.  durch  Schliissel- 
beilischüsse  hervorgerufen.  Die  nervösen  Erscheinungen  bei  dem 
^  chliisselbeinschuss  besserten  sich  von  selbst.  Bei  dem  Schulter¬ 
schuss  wurden  die  Nerven  in  der  Achselhöhle  freigelegt,  in  Narben¬ 
gewebe  eingebettet  gefunden  und  durch  Neurolyse  aus  der  Narbe  be- 
fred.  14  Tage  nach  der  Operation  begann  Patient  seinen  bis  dahin 
gelähmten  Arm  wieder  zu  bewegen. 

,  ,.Von1  drei  Radialisverletzungen  war  eine  durch  Schuss  auf  das 
Schlüsselbein  bedingt.  Sie  blieb  ungeheilt.  Zwei  andere  waren  durch 
Schüsse  durch  den  Oberarm  verursacht,  ln  einem  Falle,  in  dem 
es  sich  nur  um  eine  Kontusion  des  Nerven  handelte,  ging  die 
Lähmung  nach  etwa  6  Wochen  zurück.  Im  zweiten  Falle  wurde 
6  Wochen  nach  der  Verwundung  zur  Operation  geschritten.  Der  Nerv 
fand  sich  durchschossen  und  wurde  vernäht. 

Zwei  Peroneuslähmungen  besserten  sich  von  selbst;  es  handelte 
sich  wohl  nur  um  unvollkommene  Zerreissung  oder  Kontusion  des 
Nerven. 

Herr  J  u  r  a  s  z  -  Leipzig  sah  12  Hirnschüsse,  darunter  11  in¬ 
fizierte.  Diese  wurden  gespalten,  die  Splitter  entfernt,  die  Wunde 
offen  gelassen.  3  mal  kam  es  zu  Spätabszessen.  In  einem  Falle 
von  Haarseilschuss  unter  das  Periost  kam  es  dennoch  zu  Osteo¬ 
myelitis.  Für  die  schlechten  Resultate  verantwortlich  ist  die  un¬ 
zweckmässige  erste  Behandlung,  besonders  das  übertriebene  Tam- 
pomeien  der  türkischen  Aerzte.  Unter  den  Rückenmarksverletzungen 
tand  er  zweimal  reine  Commotio  ohne  Verletzung  des  Knochens 
und  ohne  Hämatom.  Liquorbeschaffenheit  normal.  Trotzdem  schlaffe 
Lähmung,  Inkontinenz,  Hypästhesie.  Spontane  Heilung.  Bei  einem 
Steckschuss  des  Rückenmarks  wurde  die  Kugel  aus  der  Cauda  equina 
entfernt.  Rückgang  der  Lähmungen  binnen  3  Monaten.  Auch  am 
Nerven  kommen  Kontusionen  vor.  so  in  einem  Falle,  wo  der  Plexus 
brachialis  durchsetzt  war.  Spontaner  Rückgang  der  Lähmungen, 
u  Herr  Kirschner-  Königsberg  gibt  das  Vorkommen  derartiger 
Falle  zu,  kommt  aber  zu  dem  Ergebnis,  dass  man  in  jedem  Falle 
freilegen  soll,  da  es  unmöglich  ist,  diese  Fälle  gegen  solche  abzu¬ 
grenzen,  bei  denen  der  Eingriff  geboten  ist:  nämlich  Zerreissungen, 
Gegenwart  irritierender  Fremdkörper,  Einmauerung  des  Nerven  im 
Narbengewebe.  Im  letzteren'  Fall  empfiehlt  er,  den  Nerven  nach  der 
Neurolyse  in  Fascia  lata  einzubetten. 

Herr  v.  0  e  1 1  i  n  g  e  n  -  Berlin  :  Die  Infektion  im  Kriege. 

Im  Gegensatz  zu  der  Annahme  v.  Bergmanns  muss  man 
heutzutage  daran  festhalten,  dass  jede  Wunde  infiziert  ist.  Daher 
geht  vieles  auf  primäre  Infektion  zurück,  was  man  der  sekundären 
zuschieibt.  Man  soll  ausbluten  lassen,  aber  dann  zudecken.  Die 
Unterlassung  der  Wundbedeckung  führte  zu  1  Proz.  Tetanus  bei  den 
63  000  russischen  Verwundeten  nach  Mukden.  Die  Kranken  selbst, 
aber  auch  die  Helfer  infizieren  die  Wunden  durch  unzweckmässige 
oder  unsinnige  Massnahmen.  Spülungen  mit  Wasser  oder  giftige 
Antiseptika  können  nur  schädlich  wirken.  Auch  das  Jodoform  will 
er  verdammen.  Er  rügt  ferner  die  Unterlassung  der  Fixation.  Statt 
sich  über  Sondierungen  zu  beschweren,  soll  man  einfach  die  Sonde 
aus  dem  Instrumentarium  entfernen.  Er  hat  sie  nie  gebraucht.  Die 
schädliche  Tamponade  entspringt  einer  unbegründeten  Angst  vor  Blu¬ 
tungen.  Es  gilt  der  Grundsatz,,  dass  eine  Blutung  entweder  tödlich 
oder  harmlos  ist. 

Die  gewöhnliche  Form  der  Heilung  ist  die  unter  Schorf  mit  nekro¬ 
tischen  Rändern  und  sekundärer  Granulation.  Redner  glaubt,  dass  in 
den  Statistiken,  auf  welche  er  aus  den  verschiedenen  Gründen  wenig 
Wert  gelegt  wissen  will,  diese  Wunden  mit  Unrecht  als  nichtinfektiös 
geführt  werden. 

Die  Kriegsphlegmone  und  das  zerstörte  Gewebe  hat  nicht  den 
fortschreitenden  Charakter,  wie  wir  ihn  vom  Frieden  kennen.  Was 
als  Abszesse  aufgeführt  wird,  ist  allermeistens  Eiterverhaltung  unter 
dem  Verband  und  beruht  auf  primärer  Infektion.  Den  Satz  dass  der 
erste  Verband  das  Schicksal  entscheidet,  will  er  heute  zugeben,  wenn 
man  die  Fixation  hinzunimmt.  Die  Hauptsache  seien  die  drei  Fixa¬ 
tionen:  1.  die  Fixation  der  Bakterien  durch  Jodtinktur  oder  besser 
Mastisol,  2.  Fixation  der  verletzten  Stellen  und  3.  Fixation  des 
Kranken  am  Lager.  Die  Tragbahre  kann  dabei  sehr  vorteilhaft  alle 
Schienen  ersetzen.  Er  betont  die  Vorteile  der  Suspension  bei  Kriegs¬ 
phlegmone,  beklagt  ihre  zu  seltene  Anwendung  und  glaubt,  dass  alle 
Wadenschüsse  durch  sie  glatt  heilen  würden. 

Herr  K  o  r  s  c  h  -  Berlin  berichtet  über  günstige  Beobachtungen 
aus  dem  letzten  türkisch-griechischen  Kriege,  in  welchem  die  Griechen 
geschlagen  wurden  und  ihre  Verbandpäckchen  nicht  benutzten.  Der 
Transport  musste  durch  Träger  geschehen  und  schadet  aus  diesem 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


1058 


nunde  wenig,  Er  hat  sehr  viel  (iips  benutzt;  gegenüber  dem 
'lastisol  hat  er  das  Bedenken,  dass  es  durch  Blutungen  aufgeweicht 
würde  und  dann  Infektionen  erlaube. 

Herr  R  e  h  n  -  Frankfurt  beanstandet,  dass  die  Zusammensetzung 
des  Mastisols  nicht  bekanntgegeben  werde. 

Herr  v.  0  e  1 1  i  n  gen-  Berlin  verweist  auf  die  Patentschrift  und 
verspricht  die  Bekanntgabe  der  Formel,  die  wegen  ihrer  Kompli¬ 
ziertheit  ihm  nicht  gegenwärtig  sei  (diese  Bekanntgabe  geschieht 
am  Nachmittag). 

Herr  K  o  I  e  r  teilt  seine  Erfahrungen  über  Schussfrakturen  der 
I  haphyse  von  langen  Röhrenknochen  mit.  Auch  er  betont  die 
N  ichtigkeit  einer  guten  Immobilisierung.  Streckverband  an  der 
oberen  Extremität,  zirkulärer  Gipsverband  an  der  unteren  Extremität. 
Die  Amputation  versucht  er  meist  durch  Resektion  zu  umgehen, 
hatte  jedoch  am  Oberschenkel  sehr  schlechte  Erfolge.  3  Todesfälle. 

Herr  Spitzy-Graz  glaubt  mit  einer  Mischung  aus  Alkohol, 
1  ech  und  Wachs  mit  geringeren  Kosten  das  gleiche  zu  erreichen 
wie  mit  dem  Mastisol. 

Herr  L  o  t  s  c  h  -  Berlin  spricht  auf  Grund  persönlicher  Erfah¬ 
rungen  aus  dem  türkisch-bulgarischen  Kriege  über  die  Schussver¬ 
letzungen  der  Blutgefässe  und  kommt  zu  folgenden  Schlusssätzen: 

1.  Das  moderne  Spitzgeschoss  verursacht  häufig  Gefässschüsse. 
_.  Abgesehen  von  den  sofort  tödlichen  Blutungen  sind  infolge  der 
Kleinheit  von  Ein-  und  Ausschussöffnung  starke  primäre  Blutungen, 
die  zu  sofortigem  operativen  Eingreifen  zwingen,  relativ  selten. 

3.  Alle  Grade  der  Gefässverletzung  vom  Streifschuss  bis  zum  Loch¬ 
schuss  bezwc  Abschuss  kommen  zur  Beobachtung.  4.  Häufig  sind 
Arterie  und  Vene  gleichzeitig  verletzt.  5.  Meist  kommt  es  zur 

Bildung  eines  „stillen  Hämatoms“,  das  nach  mehreren  Tagen  eventuell 
zu  pulsieren  beginnt  und  zum  Aneurysma  spurium  wird.  6.  Alle 

Schwerverletzungen  in  der  Nähe  grosser  Gefässe  sind  auch  ohne 
jedes  Hämatom  der  wandständigen  Thrombose  dringend  verdächtig 
und  wiegen  der  Emboliegefahr  sorgfältig  ruhig  zu  stellen.  7.  Gut 
fixierte  „stille  Hämatome“  dürfen  mit  guten  Transportmitteln  un¬ 
bedenklich  in  die  Feldlazarette  überführt  werden.  Die  Blutungsgefahr 
ist  auf  den  Wundtäfelchen  zu  vermerken.  8.  Nur  bei  drohender 

Ruptur,  bei  Gefahr  der  Druckgangrän  und  bei  Vereiterung  sollte 
primär  ligiert  werden.  Bei  sachgemässer  Ruhigstellung  und  even¬ 
tueller  Kompression  werden  viele  Gefässschüsse  ohne  Operation 
heilen.  9.  Unter  den  immerhin  primitiven  Verhältnissen  der  Truppen- 
und  Hauptverbandplätze  sind  Gefässunterbindungen  schwierig  und 
zeitraubend.  Unnötige  Ligaturen  sind  deshalb  auf  den  Verbandplätzen 
zu  vermeiden  und  den  rückwärtigen  Formationen  zu  überlassen. 
10.  Blutungen  zwingen  in  jedem  Falle  zu  sofortigem  Eingreifen  in 
Narkose  und  unter  Blutleere.  11.  Stets  ist  die  doppelte  Unterbindung 
dies-  und  jenseits  der  Verletzungsstelle  anzustreben.  Unter  un¬ 
günstigen  Verhältnissen  ist  diese  Forderung  auch  für  den  Geübten 
unmöglich.  Als  Ersatz  tritt  die  Ligatur  am  Orte  der  Wahl  ein.  12.  Die 
1  echnik  der  Gefässunterbindungen  hat  für  die  Kriegschirurgie  er¬ 
heblich  an  praktischer  Bedeutung  gewonnen.  Mehr  denn  je  sollte  in 
den  Operationskursen  an  der  Leiche  die  Unterbindung  auch  kleinerer 
Gefässe  geübt  werden.  13.  Bei  Spätblutungen  nach  etwa  vier  bis 
neun  ’I  agen  kann  wenigstens  an  den  Extremitäten  bestimmt  auf  einen 
ausreichenden  Kollateralkreislauf  gerechnet  werden  14.  Aneurysmen 
versucht  man  zunächst  durch  Kompression  zu  behandeln.  Die  obcn- 
genannten  Gründe  können  jedoch  jederzeit  zum  Eingreifen  zwingen. 
15.  Wenn  möglich  sind  Aneurysmenoperationen  den  stehenden  La¬ 
zaretten  zu  überlassen.  Hier  kann  unter  den  Verhältnissen  der 
rnedenspraxis  operiert  und  nach  doppelter  Ligatur  der  zu-  und  ab¬ 
führenden  Gefässe  die  Exstirpation  des  Aneurysmasackes  ausgeführt 
werden.  16.  Die  Gefässnaht  ist  nur  in  einer  verschwindend  ge¬ 
ringen  Zahl  von  Fällen  wirklich  unerlässlich,  dann  soll  sie  allerdings 
mit  allen  Mitteln  unter  den  bestmöglichen  Verhältnissen  angestrebt 
werden.  Primäre  Gefässnähte  auf  den  Verbandplätzen  sind  un¬ 
möglich. 

Herr  v.  Frisch -Wien:  Kriegschirurgische  Erfahrungen  über 
Aneurysmen. 

Vortr.  hat  16  Aneurysmen  beobachtet,  von  denen  er  15  operiert 
und  geheilt  hat.  Der  eine  nicht  operierte  Fall  heilte  ebenfalls.  Regel¬ 
mässig  bestanden  sehr  grosse  Schmerzen. 

Die  Indikation  der  Operation  sah  er  in  einer  Störung  der  Funktion 
sowie  im  Grösserwerden  des  aneurysmatischen  Sackes.  Fr  hat  in 
sämtlichen  Fällen  die  Exstirpation  des  Aneurysma  in  doppelter  Ligatur 
vorgenommen  und  hält  Gefässtransplantationen  nicht  für  erforderlich, 
da  es  sich  um  junge  Leute  handelt,  bei  denen  die  Ausbildung  eines 
arteriellen  Kollateralkreislauef  sehr  wahrscheinlich  ist.  Es  trat  in 
seinen  fünfzehn  operierten  Fällen  keine  Gangrän  auf. 

Herr  C  o  1  m  e  r  -  Koburg  teilt  im  allgemeinen  diesen  Standpunkt, 
war  jedoch  zw-eimal  genötigt,  eine  Gefässtransplantation  vorzu¬ 
nehmen. 

Herr  D  r  e  y  e  r  -  Breslau :  Beobachtungen  von  Gangrän  während 
des  Balkankrieges. 

Beobachtungen  von  31  Fällen  von  Fussgangrän  bei  Leuten,  die 
tagelang  mit  feuchten  Stiefeln  herumzulaufen  gezwungen  waren.  Die 
I  einperatur  war  nicht  sehr  niedrig,  so  dass  es  sich  um  eine  Er¬ 
frierung  unmöglich  handeln  konnte.  Die  türkischen  Soldaten  tragen' 
Schnürschuhe  und  Wickelgamaschen,  und  wenn  die  Gamaschen  feucht 
werden,  so  üben  sie  einen  stärkeren  Zug  aus  als  im  trockenen  Zu¬ 
stande  und  schaffen  so  eine  Prädisposition  zur  Gangrän.  Vortr.  emp- 
lichlt  statt  der  auch  im  deutschen  Heere  bei  Offizieren  eingeführten 


Schnürschuhe  die  Verwendung  des  hohen  Stiefels.  Da  dieser,  wenn 
er  nass  geworden,  nur  unter  grossen  Schwierigkeiten  aus-  und  au- 
zuziehen  ist,  so  empfiehlt  Vortr.  die  Verwendung  eines  Modells  dis 
er  demonstriert  und  bei  dem  der  weiche  Schaft  mit  Schnallen  zu 
otfnen  und  zu  schliessen  ist. 


nci  i  w  i  a  i  r  m  o  ii  i 


,  - -  •  •  ich  .  oci  ocgmcmaiscrinssen  ues  Schädels 

uarf  zur  Erweiterung  des  Schusskanals  der  Knochen  nicht  entfernt 
werden,  da  hier  leicht  zu  grosse  Defekte  entstehen.  Der  Tangential¬ 
schuss.  ist  der  gefährlichste  Schuss,  weil  hierbei  der  Einschuss  sehr 
gross  ist.  Es  muss  die  Kugel  primär  entfernt  und  die  Wunde  öhn 
Drainage  geschlossen  werden.  Die  Diametralschüsse  sind  konservativ 
zu  behandeln. 

„^erf  C  o  I  m  e  r  s  -  Koburg  hat  18  Schädelschüsse  gesehen.  Von 
1_  Operierten  starben  2  infolge  Enzephalitis. 

Herr  Carl-  Königsberg  i.  Pr. :  Eine  neue  Anwendungsweise  der 
Hochfrequenz  in  der  Chirurgie. 

Vortr.  berichtet  über  die  Erfolge  der  Hochfrequenzbehandlumr 
der  Angioine.  Nach  der  ersten  Mitteilung  von  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Meran 
über  die  blutstillende  Wirkung  der  Hochfrequenzströme  hat  Vortr 
diese  Therapie  auf  angiomatöse  Bildungen  verschiedenster  Art  an¬ 
gewendet. 

Ausgewählt  wurden  hauptsächlich  solche  Patienten,  bei  denen  die 
bisher  üblichen  Behandlungsmethoden  nicht  anwendbar  schien  Fs 
folgt  Demonstration  von  Bildern. 


1.  Ausgedehntes  Kavernom  an  Zunge  und  Unterlippen  eines 
dreijährigen  Knaben,  6  mal  behandelt. 

2.  Teleangiektasien  am  rechten  Schultergürtel  und  am  ganzer 
rechten  Arm  bei  einem  10  jährigen  Knaben. 

3.  Zirkumskriptes  Kavernom  an  der  rechten  Hälfte  der  üiuer- 
lippe  und  ausgedehnteres  an  der  rechten  Zungenhälfte. 

Ausserdem  «och  andere  Fälle,  die  nicht  im  Bilde  vorgeftifirt 
werden.  Demonstration  von  Bildern  nach  der  Behandlung.  Ais 
Stromquelle  dient  ein  Diathermieapparat  von  Reiniger,  G  e  b  b  e  r  i 
und  Schall.  Bei  Beginn  der  Behandlung  Verwendung  kleine 
Funken,  dann  steigend.  Bei  Kindern  bipolare  Abnahme  des  Stromes 

Schilderung  der  Wirkung  auf  das  Gewebe:  Schorfbildung  mit 
anämischer  Peripherie,  die  nach  einigen  Minuten  abklingt.  Später  Al>- 
stossung  der  Schorfe,  Vernarbung  und  Schrumpfung  der  kavernösen 
Teile  in  der  Umgebung. 

Bei  der  Behandlung  erfolgt  meist  keine  Blutung,  Schmerzen 
gering.  Schilderung  der  Einwirkung  auf  die  Ggfässwände,  physi¬ 
kalische  Erklärung  der  Wärmeentwicklung. 

Darstellung  der  Unterschiede  gegen  die  Paquelinbehandlung.  De¬ 
monstration  einer  durch  Emaille  gegen  die  Umgebung  isolierten  Nadel 
zur  Behandlung  von  Angiomen  mit  normaler  Hautbedeckung. 

Herr  Klapp:  Ueber  eine  Methode  der  Tonsillektomie. 

Die  technische  Frage  der  Tonsillektomie  ist  noch  nicht  als  gelöst 
zu  betrachten.  Die  Indikation  zur  vollständigen  Entfernung  erkrankter 
Tonsillen  würde  weiter  gesteckt  werden  können,  wenn  die  Operation 
einfach  und  nicht  gefährlicher  als  die  Tonsillektomie  wäre. 

Vortr.  gebraucht  zur  Tonsillektomie  ein  Instrument,  welches  der 
L  u  e  r  sehen  Hohlmeisseizange  am  nächsten  kommt.  Es  ist  mit 
2  hohlmeisselartigen  Fortsätzen  ausgestattet,  die  ober-  und  unterhalb 
der  Tonsille  in  die  Gaumer.pfeilernische  eingesetzt  werden.  In  eine 
grösseren  Reihe  vo«  Fällen  hat  es  sich  ergeben,  dass  die  Tonsillen 
ganz  radikal  entfernt  werden  können.  Es  gehört  natürlich  eine  ge¬ 
wisse  Uebung  dazu,  das  Instrument  zu  führen. 


Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28  April  1913. 

Herr  Mühsam:  Exstirpation  der  Milz  und  linken  Niere  wegen 
Ueberfahrung.  (Kranken  Vorstellung.) 

Die  Milz  war  zertrümmert,  die  Niere  zerrissen.  Der  Knabe 
w'urde  ohne  jede  Störung  der  Blutbildung  geheilt;  die  Zusammen¬ 
setzung  des  Blutes  wrar  bereits  einige  Tage  nach  der  Operation 
wieder  .normal. 

Herr  Holländer:  Demonstration  zur  Technik  der  Rhino¬ 
plastik. 

An  Stelle  der  Hautlappenplastik  aus  dem  Arme  nach  dem  italie¬ 
nischen  Verfahren  hat  H.  mit  Vorteil  den  Hautlappen  aus  der  Brust- 
naut  gebildet.  Die  Basis  des  Hautlappens  liegt  an  der  Mammilla; 
sein  Ende  ungefähr  am  linken  Sternoklavikulargelenk.  Der  Lappen 
lässt  sich  ohne  Spannung  und  Stieldrehung  in  den  meisten  Fällen  be¬ 
quem  zur  Rhinoplastik  verwenden. 

Herr  Casper:  Zur  Diagnose  der  doppelseitigen  Nierentuber- 
kulose. 

Dass  eine  tuberkulös  erkrankte  Niere  bei  Unversehrtheit  der 
anderen  entfernt  werden  muss,  ist  ein  allgemein  anerkannter,  chirur¬ 
gischer  Standpunkt. 

Um  die  Indikation  zur  Nierenexstirpation  stellen  zu  können,  muss 
der  I  ierversuch  auf  Tuberkulose  (Meerschweinchenimpfung)  mit  dem 
Ureterenharn  beider  Nieren  vorgenommen  werden.  Gesunde 
Nieren  lassen  die  im  Blute  kreisenden  Tuberkelbazillen  nicht  dmch. 
wie  in  Fällen  von  unzweifelhafter  Tuberkulose  anderer  Organe 
(Phthisis  pulmonum)  nachgewiesen  werden  konnte,  da  die  Meer- 
schweinchenimpfung  keine  Infektion  zur  Folge  hatte,  mithin  Bazillen 
nicht  durch  die  Nieren  ausgeschieden  wurden. 


13.  Mai  1913. 


MUENCHHNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1059 


Nephritisch  erkrankte,  nicht  tuberkulöse  Nieren  scheiden  bei 
l'uberkulose  anderer  Organe  Tuberkelbazillen  aus;  die  Entscheidung, 
ib  es  sich  um  solche  „Ausscheidungstuberkulose1'  oder  um  wirkliche 
N'ierentuberkulose  handelt,  ist  unter  Umständen  schwierig  zu  geben, 
ledcnfalls  berechtigt  also  der  Nachweis  der  Albuminurie,  Zylinder 
nid  Bazillenausscheidung  noch  nicht  zur  Annahme  einer  Nieren- 
ubeikulose;  letztere  ist  jedoch  anzunehmen,  wenn  sich  neben  der 
Ausscheidung  der  Bazillen  ständig  Eiter  nachweisen  lässt. 

Diskussion.  Hei r  Israel  warnt  vor  einer  Fehleniuelle 
ndern  aus  tuberkulös  erkrankter  Blase  mit  dem  Ureterenkatheter  Ba- 
illen  in  den  Ureter  verschleppt  werden  können,  so  dass  Tuberku- 
ose  einer  gesunden  Niere  vorgetäuscht  wird. 

Herr  Casper:  Man  muss  allerdings  einige  Zeit  vergehen 
issen.  ehe  man  Urin  aus  dem  Ureterkatheter  zur  Tierimpfung  ver¬ 
wendet  und  zur  Vermeidung  dieses  Irrtums  in  zweifelhaften  Fällen 
uehrfache  Impfungen  mit  verschiedenen  Harnportionen  vornehmen. 

Herr  Müller:  Penetrierende  Kniewunden  des  Friedens. 

Handelt  es  sich  um  kleine,  durch  scharfe  Gewalt  entstandene 
erletzungen  des  Gelenkes  (Stich,  Schnitt),  so  ist  die  Prognose  gün- 
tig,  wenn  eine  Infektion  ferngehalten  werden  kann.  Wenn  es  zwei- 
elhaft  ist,  ob  eine  solche  Verletzung  das  Gelenk  eröffnet  hat,  ist  der 
vachweis  des  —  meist  nicht  blutigen,  sondern  serösen  —  Ergusses 
on  Wichtigkeit. 

Der  Nachweis  des  Synoviaausflusses  ist  meist  unsicher. 

Die  Behandlung  ist  bei  fehlenden  Reizerscheinungen  absolut  kon- 
crvativ  (steriler  Verband.  Schienenlagerung).  Ergibt  die  Punktion 

Ei  gusses  Eitei  oder  Bakterien,  so  sind  unter  Benutzung  bestehen- 
ler  Wunden  2  Längsinzisionen  seitlich  der  Patella  notwendig;  nach 
'Piilung  des  Gelenkes  werden  die  Wunden  mit  Jodoformgaze  tam- 
'oniert.  Die  Weiterbehandlung  wird  am  besten  mit  Streckverbän- 
eii,  später  mit  Bewegungsübungen,  Heissluftbehandlung  und  Massage 
lurchgeführt.  Bei  dem  von  M.  bearbeiteten  Material  des  Urban- 
viankenhauses  betrug  die  Behandlungsdauer  der  primär  behandel- 
2ii  Fälle  durchschnittlich  58  Tage,  bei  den  erst  sekundär  zur  Behand- 
mg  gelangten,  schwer  infizierten  Fällen  97  Tage. 

Infolge  der  Verschiebung  der  Gewebe  bei  verschiedener  Stei¬ 
nig  des  Gliedes  kann  aus  der  penetrierenden  Verletzung  eine  sub- 
utane  werden,  wodurch  die  Gefahr  der  Sekundärinfektion  vermin- 

ert  wird 

Die  Gelenkverletzungen  durch  stumpfe  Gewalt  sind  quoad  func- 
oiiem,  aber  auch  hinsichtlich  der  Erhaltung  des  Lebens  und  des 
iliedes  stets  als  sehr  ernst  anzusehen;  die  Mortalität  betrug  in 
lii  1 1  e  r  s  Fällen  18  Proz. 

Die  primäre  Behandlung  besteht  in  Säuberung  der  Haut  mit 
piritus,  Jodbenzin  und  Jodtinktur;  ganz  zerquetschtes  Gewebe  wird 
ntfernt,  ebenso  der  grobe  Schmutz.  Buchten  und  Hauttaschen  wer- 
en  gespalten,  eventuell  Gegeninzisionen  und  Drainage  vorgenommen, 
■ei  starker  Eiterabsonderung  aus  dem  Gelenk  muss  dieses  durch 
rosse  seitliche  Schnitte  eröffnet  werden. 

Bei  fortschreitender  Eiterung  und  beginnender  Sepsis  muss  das 
elenk  aufgeklappt  und  reseziert  werden;  schliesslich  ist  die  Ampu- 
ition  angezeigt,  wenn  das  Allgemeinbefinden  sich  verschlechtert, 
leber  und  Eiterung  fortbestehen  und  die  Phlegmone  auf  Unter-  oder 
•berschenkel  sich  weiterverbreitet. 

Zur  Nachbehandlung  kommen  Extensionsverbände,  beim  Nach- 
issen  der  akuten  Erscheinungen  fixierende  Verbände  (gefensterte 
ipsverbände)  in  Betracht.  Massage,  Heissluftbehandlung.  Be- 
egimgsiibungen  fördern  die  Heilung.  G  r  o  t  h. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XVIII.  Sitzung  vom  15.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Rudolf  Panse. 

Vor  der  Tagesordnung. 

Herr  Schob:  Demonstration  eines  Falles  von  angioneurotischem 
edem,  entstanden  nach  Fazialislähmung. 

Vortr.  stellt  einen  eigenartigen  Fall  von  vasomotorischer 
tu  rose  vor.  24jähr.  Patientin,  hereditär  stark  belastet;  im 
>.  Jahr  ohne  nachweisbare  Ursache  rechtseitiger  Fazialislähmung, 
nr  langsame  Rückbildung;  ein  halbes  Jahr  später  linkseitige  Fazialis- 
nmung,  ebenfalls  sehr  langdauernder  Heilungsverlauf;  2  Jahre  später 
ichmals  rechtseitige  Fazialisparese,  auch  heute  noch  nicht  völlig 
iruckgebildet;  namentlich  Stirnast  noch  stärker  befallen,  Lidschluss 
-iderseits  auffallend  schwach.  Kurz  nach  Eintritt  der  ersten  Läh- 
ung  allmählige  Entwicklung  einer  elefantiasisartigen,  derben  Schwei¬ 
ns  der  Gesichtshaut,  namentlich  in  den  unteren  Partien.  Ausserdem 
it  jener  Zeit  alle  3 — 4  Wochen,  namentlich  im  Anschluss  an  Auf- 
gung,  akute  Schübe  von  zirkumskriptem  Oedem,  in  Wangen-  oder 
ugengegend,  das  nach  Aussehen  und  Art  seines  Auftretens  und  Ver- 
lnvindens  am  meisten  dem  Quincke  sehen  Oedem  gleicht.  In 
n  geschwollenen  Partien  seit  ca.  4  Jahren  mehrfach  von  Rhagaden 
i  der  Nase  ausgehendes  Erysipel;  Patientin  wie  der  erstbehandelndc 
"zt  versichern  bestimmt,  dass  die  chronische  Schwellung  und  die 
;hübe  —  die  angeblich  auch  subjektiv  anders  verlaufen  als  die 
ysipelanfälle  —  schon  mehrere  Jahre  vor  dem  Auftreten  des  ersten 
vsipels  vorhanden  waren. 


Herr  Richard  Hoff  mann:  Demonstration: 

1.  einer  Moulage  eines  phagedänischen  Geschwürs  an  der  Ohr¬ 
muschel  und  hinter  dein  Ohr  bei  einem  16  Monat  alten  Kinde,  ent¬ 
standen  aus  einem  Ekzem,  wahrscheinlich  durch  Schmutzinfektion. 

2.  eines  Eckzahns,  der  aus  dem  Oberkiefer  eines  41  jährigen 
Mannes  entfernt  wurde.  Derselbe  lag  quer  unter  dem  Nasenboden 
und  infolge  Wurzelerkrankung  war  es  zu  einem  fast  kirschkerngrossen 
Abszess  am  Nasenboden  rechts,  dicht  hinter  dem  Naseneingang,  ge¬ 
kommen.  Die  Diagnose  war  durch  eine  Röntgenaufnahme  ermöglicht 
worden.  Was  den  verlagerten  Zahn  anlangt,  so  handelt  es  sich  da¬ 
bei  entweder  um  eine  normale  Zahnanlage,  deren  Zahnkeim  um  90° 
gedreht  war,  oder  um  einen  überzähligen  Zahn.  Was  von  beiden  vor¬ 
hegt  Hess  sich  nicht  feststellen,  da  Patient  nicht  angeben  kann,  ob 
seine  Zahnreihe  vollständig  oder  unvollständig  war.  Der  Fall  wird 
ausführlich  publiziert  werden. 

Herr  J  hi  er  sch:  Ueber  Wasserversorgung  von  Stadt  und 
Land.  (Mit  Lichtbildern.) 

Verteilung  von  Nutz-  und  Trinkwasser.  Das  aus 
der  Atmosphäre  stammende  Wasser  verdunstet  oder  dient  den  Pflan¬ 
zen  zur  Nahrung  oder  versickert.  Nur  ein  kleiner  Teil  fliesst  ab.  Das 
verdunstende  Wasser  findet  häufig  seinen  Weg  bald  wieder  zum 
Boden  zurück  und  geht  deswegen  nicht  ganz  verloren;  das  ver¬ 
sickernde  Wasser  haben  wir  gelernt  aus  der  Tiefe  zu  heben  und 
auch  das  abfliessende  Wasser  ist  leicht  zu  fassen.  Wir  haben  also 
viele  Möglichkeiten,  uns  mit  Wasser  zu  versorgen.  Obenan  steht 
heutzutage  in  Deutschland  die  Versorgung  mit  Qrundwasser 
Als  solches  sprechen  wir  jedes  Wasser  am,  das  nach  seiner  Versicke¬ 
rung  auf  einer  undurchlässigen  Unterlage  in  einer  gewissen  Tiefe  sich 
ansammelt  und  alle  Poren  ausfüllt.  Eine  besondere  Bedeutung  haben 
die  unterirdischen  gewaltigen  Sand-  und  Kieslager  unserer  grossen 
Flusstäler  sowie  der  norddeutschen  Tiefebene,  die  genug  Wasser  be¬ 
herbergen,  um  unsere  grössten  Städte  zu  versorgen.  Falsche  Vor¬ 
stellungen  hat  man  gewöhnlich  über  den  Vorgang  der  Versickerung. 
Diese  vollzieht  sich  äusserst  langsam.  Ein  Wassertropfen  braucht 
3  Monate,  um  einen  halben  Meter  einzudringen  und  über  1  Jahr,  um 
in  3  m  Tiefe  zu  gelangen.  Ein  starker  Regen  dringt  selten  mehr  als 
20  cm  tief  in  den  Erdboden.  Die  Brunnen  und  der  Grundwasserstand 
werden  deswegen  nicht  durch  die  sommerlichen  Regengüsse  gefüllt, 
weil  deren  Wasser  meist  gleich  wieder  verdunstet.  Das  Wasser,  was 
wir  der  Tiefe  entnehmen,  stammt  also  nicht  von  gestern  und  vor¬ 
gestern,  sondern  hat  sich  vor  Monaten  und  länger  angesammelt.  Hier¬ 
aus  erhellt  u.  a.  auch  die  Bedeutung  der  Schneeschmelze.  Bleibt 
der  Schnee  liegen  auf  noch  nicht  gefrorenem  Boden,  wie  es  vor 
Weihnachten  häufig  der  Fall  ist,  so  sickert  er  langsam  in  die  Tiefe 
ein  und  führt  dem  Untergrund  viel  grössere  Wassermengen  zu.  als 
es  ausgiebige  Regengüsse  tun  könnten.  Der  Schnee  nach  Weih¬ 
nachten  kann  wegen  des  harten  Bodens  nicht  mehr  eindringen.  Tritt 
im  Frühjahr  Tauwetter  ein,  so  fliesst  sehr  viel  Schmelzwasser  ab, 
ohne  in  den  noch  gefrorenen  Boden  einzudringen.  Die  Bauern  haben 
also  Recht,  wenn  sie  dem  Schnee  vor  Weihnachten  eine  grosse  Be¬ 
deutung  für  das  Gedeihen  ihrer  Feldfriichte  beimessen.  Ein  schlagen¬ 
des  Beispiel  für  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  brachte  uns  der 
Herbst  1910.  Damals  setzte  nach  einem  bedeutenden  Schneefall  im 
November,  der  den  Schnee  etwa  10  Tage  festhielt,  langsam  Tauwetter 
ein,  so  dass  der  Schnee  nicht  abfloss,  sondern  fast  vollständig  ein¬ 
sickern  konnte.  Die  Folge  war  eine  grossartige  Wasserreserve  in 
dem  heissen  Sommer  1911,  in  welchem  Brunnen  und  Grundwasser 
besser  gefüllt  waren  als  im  Jahre  vorher  und  weite  Teile  Deutsch¬ 
lands  vor  einer  Katastrophe  bewahrten. 

Wasserbedarf  an  Trinkwasser.  Dieser  hat  sich 
natürlich  mit  der  zunehmenden  Bevölkerung  vergrössert,  ist  aber,  auf 
den  Kopf  der  Bevölkerung  berechnet,  gleich  geblieben.  Mit  1,5  Liter 
pro  Person  und  Tag  ist  er  reichlich  bemessen.  Das  gleiche  gilt  für 
die  Tiere.  Für  ein  Stück  Grossvieh  rechnet  man  ca.  50  Liter,  für 
Kleinvieh  10 — 20  Liter.  Dagegen  hat  der  Bedarf  an  Nutz  wasser 
seit  Einführung  der  Wasserleitungen,  also  etwa  seit  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  ausserordentlich  zugenommen.  Er  steigert  sich  noch 
mehr  in  Orten  mit  Spülklosetts.  Weiterhin  hat  das  Wachstum  unserer 
Industrie  einen  steigenden  Wasserverbrauch  zur  Folge.  Gewisse 
Zweige  der  Industrie,  wie  Brauereien,  Papierfabriken,  Lederfabriken, 
Wäschereien,  Zellulosefabriken  verbrauchen  ungemein  viel  Wasser. 
Rechnet  man  eins  ins  andere,  so  entfallen  pro  Kopf  und  Tag  in  einer 
Stadt  mit  Industrie,  Wasserleitung  und  Spülklosetts  etwa  100  Liter. 
Geht  man  von  der  Stadt  auf  das  Land,  so  finden  sich  die  mannig¬ 
fachsten  Uebergänge.  So  beträgt  der  Wasserverbrauch  in  rein  land¬ 
wirtschaftlichen  Gegenden  selbst  da,  wo  Wasserleitung  eingeführt  ist, 
nur  etwa  30 — 40  Liter  pro  Kopf  und  Tag;  60—70  Liter  gelten  auf  dem 
Lande  als  Luxus  und  100  Liter  als  sinnlose  Verschwendung.  Andrer¬ 
seits  haben  Städte,  die  mit  Wasser  reichlich  versorgt  sind,  wie  z.  B. 
München,  den  Verbrauch  von  100  Liter  bereits  überschritten.  Aus 
dem  Ausland  werden  uns  noch  höhere  Zahlen  gemeldet.  So  hat 
New  York  einen  täglichen  Wasserverbrauch  von  549,  Chicago  780 
und  Buffaio  sogar  1121  Liter!  Natürlich  wirken  besondere  Umstände, 
wie  Jahreszeit,  Tageszeit,  Strassensprengung  u.  dergl.  mehr  oder 
weniger  auf  den  Wasserverbrauch  ein. 

Beschaffenheit  des  Trink  wassers.  Regen¬ 
wasser  kommt  kaum  mehr  in  Frage.  In  der  Nähe  russender  Städte 
enthält  cs  verhältnismässig  viel  Kohlensäure,  stets  Ammoniak,  Schwe¬ 
felsäure,  Bakterien  usw.  Orundwasser,  zurzeit  unsere  wich- 


MUKNCHKNKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19. 


1060 


tigste  Bezugsquelle,  ist  gewöhnlich  frei  von  Trübungen  und  Fär¬ 
bungen,  t3St  stets  frei  von  Bakterien.  Es  enthält  je  nach  seiner  Her- 
kuntt  freie  Gase,  Sauerstoff  und  Kohlensäure  in  wechselnder  Menge, 
\  oii  gelösten  Stoffen  u.  a.  Magnesia,  Kalk,  Chlor.  Schon  während  des 
Einsickerns  vollzieht  sich  eine  biologische  und  mechanische  Reini- 
gung.  üe\\  isse  Stoffe  tolerieren  wir,  weil  sich  unser  Organismus  im 
l-aur  der  Zeit  au  sie  gewöhnt  hat.  So  gestehen  wir  dem  als  Trink¬ 
wasser  genossenen  Grundwasser  ein  Höchstmass  von  festen  Stoffen, 
Chlornatrium,  Salpetersäure.  Schwefelsäure  zu.  Dagegen  weisen  wir 
stickstoffhaltige  Bestandteile  zurück,  soweit  sie  aus  der  Zer¬ 
setzung  organischer  Stoffe  herrühren.  Ein  weiterer  Vorzug  des 
Grundwassers  ist  seine  gleichmässige,  kühle  Temperatur.  Ist  es 
ausserdem  in  ausreichender  Menge  vorhanden,  so  sind  unsere  An¬ 
forderungen  an  ein  gutes,  einwandfreies  Trinkwasser  erfüllt  Nicht 
so  günstig  ist  in  der  Regel  Quellwasser  zu  beurteilen.  Läuft  es 
in  Gerinnen,  durch  Schutthalden,  ist  es  der  Vermischung  mit  Regen¬ 
nasser  ausgesetzt,  so  hat  man  mit  Trübungen,  Temperaturschwan¬ 
kungen,  Anwesenheit  kleinster  I  iere,  Ungleichmässigkeit  in  der  Menge 
zu  rechnen.  Natürlich  gibt  es  mannigfache  Uebergänge  von  Quell- 
m  Grundwasser.  Die  Beurteilung  muss  also  je  nach  dem  einzelnen 
r all _  erfolgen.  Oberflächenwasser  steht  seiner  Beschaffenheit 
nach  zwischen  Regen-  und  Grundwasser.  Seine  Temperatur  nähert 
sich  der  der  Luft.  Da  es  leicht  durch  die  Abwässer  menschlicher  An¬ 
siedelungen  und  Fabriken  verunreinigt  wird,  ist  es  von  vornherein 
verdächtig.  Fast  immer  enthält  es  Bakterien.  Dagegen  ist  es  arm  an 
Kalk,  Eisen  und  Mangan,  die  als  unlösliche  Verbindungen  ausfallen. 
Chemisch  nähert  es  sich  dem  Grundwasser,  da  seine  Quellen  ihm  ja 
das  Wasser  vielfach  aus  Gebieten  zuführen,  die  auch  mit  Grund¬ 
wasser  versorgen.  Eine  besondere  Stellung  nimmt  ruhendes  See- 
nasser  ein.  In  ihm  findet  unter  Einwirkung  des  Sonnenlichtes  eine 
besondere  und  einer  besonderen  Fauna  und  Flora  eine  durchgreifende 
Reinigung:  statt.  Auch  befreit  es  sich  durch  Sedimentation  weitgehend 
von  festen  Bestandteilen. 

Die  Anforderungen  an  I  rinkwasser  ergeben  sich 
aus  dem  Vorhergehenden.  Gutes  Trinkwasser  muss  klar,  ungefärbt 
und  ungetrübt  sein,  eine  bestimmte  Temperatur  besitzen,  ausserdem 
frisch  und  wohlschmeckend  sein.  Frisch  und  kühl  ist  dabei  nicht 
gleichbedeutend.  Kühles  Wasser  ist  nicht  immer  frisch.  Beide  Be¬ 
griffe  „Frische“  und  „Wohlgeschmack“  lassen  sich  übrigens  begriff- 
lch  nicht  fixieren.  Wir  wissen  nicht,  welche  chemischen  und  physi- 
kalischen  nigcnschaftcn  ihnen  zugrunde  liegen.  Auch  unterliegen 
diese  Eigenschaften  sehr  dem  persönlichen  Geschmack.  Der  zu¬ 
lässige  Gehalt  des  Trinkwassers  an  festen  Stoffen  und  chemischen 
Bestandteilen  wurde  bereits  erwähnt.  Eisen  in  grösseren  Mengen 
verleiht  dem  Wasser  .einen  tintigen  Geschmack,  scheidet  sich  beim 
Stehen  als  Eisenoxydhydrat  ab  und  macht  Flecken  in  der  Wäsche 
Unter  den  fremden,  dem  Wasser  von  aussen  zugeführten  Stoffen  ist 
das  Blei  zu  erwähnen.  Es  scheidet  sich  aus  bleihaltigen  Leitungs¬ 
rohren  ab  bei  einem  gewissen  Gehalt  des  Wassers  an  freier  Kohlen¬ 
säure  oder  Sauerstoff.  Pathogene  Bakterien  sind  wie  allbekannt 
nicht  selten  I  räger  umfangreicher  Wasserepidemien  gewesen.  Im 
Uebrigen  sind  Bakterien  gewöhnlich  harmlos.  Jedoch  ist  ihre  An¬ 
wesenheit  in  grösseren  Mengen  unerwünscht,  da  sie  gewöhnlich  auf 
verdorbenes  Wasser  hinweisen.  Wichtig  sind  jedoch  gewisse  Eisen¬ 
bakterien,  besonders  Crenothrix  polyspora,  das  als  häufiger  Be¬ 
wohner  eisenhaltiger  Grundwässer  eiserne  Rohrleitungen  angreift  und 
durch  gelegentliches  massenhaftes  Auftreten  schwärzlicher  Flocken 
das  Wasser  unappetitlich  macht.  Hartes  Wasser  ist  nur  ausnahms¬ 
weise  gesundheitsschädlich,  muss  aber  im  Interesse  der  Speisenzti- 
bei  eitung,  dei  Wäsche  und  der  Industrie  häufig  beanstandet  werden. 

Reinigung  des  Trinkwassers. 

Mannigfache  Hilfsmittel  und  Methoden  dienen  zur  Beseitigung 
dei  angeführten  Uebelstände.  Feste  Bestandteile  werden  durch  Ab- 
sitzenlasseii  in  passend  konstruierten  Behältern  innerhalb  24  Stunden 
ins  zu  80  I  roz  entfernt.  Nicht  beseitigen  lassen  sich  auf  diese  Weise 
reinste  I  onteilchen  und  kolloide,  überhaupt  Schwebestoffe.  Ihrer 
Entfernung  dienen  in  erster  Linie  chemische  Zusätze  wie  schwefel¬ 
saure  lonerde.  Das  beste  Mittel,  feste  Stoffe  auszuscheiden,  bildet 
immer  die  natürliche  Bodenfiltration.  Zu  der  Zeit,  als  man  vorzugs- 
v  mse  1  lusswasser  zur  Wasserversorgung  verwendete,  ist  die  kiinst- 
uclie  r iltration  mit  Sand  ausgebildet  worden.  Sehen  wir  ab  von  den 
anfänglichen  einfachen  überstauten  Sandfiltern  (Körpern  von  1— 2  m 
Höhe  und  Material  von  Sand  und  Kies)  so  haben  wir  heute  in  den 
Doppelfiltern,  denjenigen  mit  Rückspülung,  den  Filtern  nach  Puech- 
,  a  b  a  I,  wo  Licht  und  Sauerstoff  die  Reinigung  unterstützt,  Filter- 
anlagen  von  hoher  Leistungsfähigkeit.  Das  grösste  leisten  wohl  die 
sog  Jewell-Filter  mit  trichterförmigem  Bau  und  Rückspülung.  Sehr 
bedeutende  Mengen  verschmutzte  Flusswassers  sollen  nach  dieser 
Methode  nach  entsprechender  Vorklärung  einwandfrei  gereinigt  wer¬ 
den  können.  Sie  sind  natürlich  da  am  Platze,  wo  Grundwasser 
mangelt.  Die  grössten  Anlagen  bestehen  in  Kairo,  Kalkutta  usw.  Die 
Verfahren  zur  Enteisenung  des  Wassers  laufen  darauf  hinaus, 
,.as  ^as?er  P11*  v'el  Luit  in  Berührung  zu  bringen  und  auf 
diese  Weise  die  Ausscheidung  als  Eisenoxydhydrat  herbeizuführen, 
von  den  vielen  Methoden  seien  die  Filterkörper  aus  grobem 
Kies  erwähnt,  die  man  das  zu  reinigende  Wasser  unter  gleich- 
zutiger  Belüftung  passieren  lässt.  Der  auf  den  Kiesstücken 
als  rostbrauner  Niederschlag  abgesetzte  Niederschlag  wird  durch 
kräftiges  Durchspülen  entfernt.  Freie  Kohlensäure,  wenn  sic 


in  grosserer  Menge  vorhanden  ist,  wird  durch  eine  Entsäue 
rungsanlage  entfernt.  Ein  solches  Verfahren  wendeten  V 
die  Stadt  Frankfurt  an.  Dort  hatte  Leitungswasser,  das  30  mg  freie 
Kohlensäure  im  Liter  enthielt,  die  Eisenrohre  und  auch  die  Beton 
beh älter  stark  angegriffen.  Man  suchte  und  fand  ein  Verfahren  die 
freie  Kohlensäure  in  eine  lösliche  Verbindung  überzuführen,  indem 
man  das  Wasser  über  Marmor  leitete.  Es  bildete  sich  doppelt 
kohlensaures  Kalzium,  ein  in  Wasser  lösliches  Salz.  Die  Menge  inner 
Kohlensäure  ging  bis  auf  2  mg  zurück.  Der  Marmorverbrauch  war 
bedeutend.  Bei  einer  täglichen  Wasserlieferung  von  23  000  cbm  wur 
den  täglich  1400  kg  Marmor  gelöst.  Das  an  und  für  sich  weiche' 
W  asser  wurde  dadurch  um  einige  Härtegrade  vermehrt,  ohne  Nachteil 
tur  die  Verbraucher.  Schwierigkeiten  bereitet  dagegen  die  Be 
seitigung  von  Eisenbakterien.  Im  kleinen  Massstab  ist  dies  in  Frank 
furt  gelungen.  Dort  werden  täglich  ca.  500  cbm  eisenbakterienhaltiires 
Wasser  durch  gewöhnliche  Schwämme  filtriert.  Die  sorgfältig  vor 
gereinigten  Schwämme  werden  zu  diesem  Zwecke  in  eiserne  w- 
fächerte  Kästen  mit  durchlochten  Wänden  verpackt.  Das  Wasser 
durchströmt  die  Kästen  und  lässt  die  Bakterien  in  den  Schwämmen 
zurück.  Mehrere  Wocheii  hindurch  sind  die  Schwämme  aufnahme¬ 
fähig,  werden  dann  durch  Brühen  wieder  nutzbar  gemacht  bis  sie 
sich  mit  der  Zeit  verbrauchen.  Ob  dieses  Verfahren  auch  bei  grös- 
sei  cm  \\  assei  vei  bi  auch  anwendbar  ist,  ist  noch  nicht  entschieden 
Desinfektion  des  Wassers  kommt  in  Deutschland  selten 
in  Trage.  Von  den  zahlreichen  empfohlenen  chemischen  Desinfek¬ 
tionsmitteln  ist  das  in  Amerika  vielfach  und  in  grossem  Masss'ah 
angewendete  Chlor  zu  erwähnen.  Man  soll  mit  kleinsten  Mengen 
1  1  eil  auf  1000  cbm  Wasser,  sehr  günstige  Wirkungen  erzielen  Des¬ 
infektion  durch  Ozon  ist  gleichfalls  im  Ausland  mehr  im  Gebrauch 
Die  deutschen  Werke  in  Paderborn.  Chemnitz  usw.  haben  günstige 
Erfolge.  Auch  pathogene  Keime  werden  mit  ziemlicher  Sicheren 
abgetötet.  Jedenfalls  wird  die  Bakterienzahl  durch  die  Berührung 
mit  ozonhaltigem  Wasser  in  kurzer  Zeit  fast  bis  auf  Null  herabge- 
drückt.  Das  Verfahren  ist  jedoch  kostspielig. 


^na  SiS  ?  1  a. s  s  u  n  g  s  a  n  1  a  g  e  n.  Unsere  Brunnen  können  bei 
dieser  flüchtigen  Uebersicht  nur  nebenbei  erwähnt  werden,  wenn  sic 
auch,  besonders  in  ländlichen  Gegenden,  noch  für  lange  Zeit  un- 
entbehrlich  sind.  Aber  die  Entwicklung  drängt  von  der  Einzelver 
sorgung  zu  Zentralwasserleitungen.  Hochinteressant  sind  die  mannig- 
tachen  Uebergänge  von  Brunnen  zu  gemeinsamem.  Wasserbezug. 
Vielfach  schliessen  sich  jetzt  schon  die  Bauern  zusammen,  um  von 
einer  oder  mehreren  Quellen  ausserhab  des  Dorfes  das  Wasser  zu 
fassen  und  in  primitiver  Form,  gelegentlich  mit  Einschaltung  vor 
kleinen  Hochbehältern,  ihren  Gehöften  zuzuleiten.  Zur  Ueberwin- 
dung  von  Höhenunterschieden  dienen  dabei  Windturbinen,  hydrau¬ 
lische  Widder,  einfache  Pumpwerke.  Ein  weiterer  Schritt  ist  die 
Versorgung  einer  ganzen  Gemeinde  mit  Wasser  aus  dem  gleichen 
Sammelgebiet.  Man  trifft  da  schon  ganz  respektable  technische  Lei¬ 
tungen,  die  das  Wasser  viele  Kilometer  weit  herbeischaffen;  Pump¬ 
werke  neuester  Konstruktion,  einwandfreie  Hochbehälter  sichern  den 
Erfolg.  Wenn  angängig,  wird  das  Wasser  hochgelegenem  Terrain  ent¬ 
nommen,  um  den  natürlichen  Druck  auszunützen.  Indessen  war  von 
diesen  vollkommenen  Zentralwasserversorgungen  im  kleinen  Stil  bis 
zu  solchen,  die  Städte  mit  100  000  und  mehr  Einwohner  versorgen 
sollen,  seinerzeit  doch  ein  grosser  Sprung.  Denn  für  eine  grosse 
Bewohnerzahl  ist  es  ausschlaggebend,  die  nötige  Wassermenge  zu 
finden.  Da  diese  aber  dem  Grundwasser  zu  entnehmen  ist,  mussten 
zunächst  wissenschaftlich  die  Wege  gewiesen  werden,  um  den  Unter- 
gi  und  zu  erforschen  und  die  Menge,  Stromrichtung  und  Stromge¬ 
schwindigkeit  des  Grundwassers  sicherzustellen.  Erst  nachdem  die 
moderne  Hydrologie  vor  etwa  20  Jahren  so  weit  war,  konnte  die 
Technik  ihre  Lehren  nutzbar  machen  und  das  Wasser  erschlossen. 
In  \  erbindung  mit  diesen  Forschungen  ist  der  Name  des  hervorragen¬ 
den  Leipziger  Zivilingenieurs  T  h  i  e  m  zu  nennen,  der  u.  a.  die 
Stadt  Leipzig  in  den  neunziger  Jahren  mit  einem  einwandfreien 
Grundwasserwerk  versehen  hat.  20 — 30  Kilometer  von  der  Stadt 
entfernt,  entnimmt  es  täglich  50 — 60  000  cbm  Wasser  einem  diluvialen, 
unterirdischen,  mächtigen  Wasserstrom;  neuerdings  wird  es  durch  ein 
zweites  ähnliches  Werk  ergänzt.  Die  technische  Anlage  solcher 
W  asserwerke  hat  etwa  folgenden  Typus.  Quer  zur  Richtung  des 
Grundwasserstromes  werden  eine  Reihe  von  Brunnen  erbohrt,  die  das 
W  asser  fassen  und  einem  gemeinsamen .  Sammelbrunnen  zuführen. 
Neben  diesem  befindet  sich  das  Pumpwerk,  welches  das  Wasser  der 
Stadt  durch  eine  Röhrenleitung  zuführt.  Auch  die  Wasserwerke  von 
Dresden  sind  nach  diesem  Muster  angelegt.  Mit  der  Zeit  hat  man 
gelernt  gewisse  Gefahren  zu  vermeiden.  So  darf  man  die  Brunnen 
nicht  unmittelbar  an  einem  wasserarmen  Fluss  und  nicht  in  zu 
grosser  Zahl  daselbst  anlegen,  um  nicht  dessen  Wasserbestand,  der 
sich  vielfach  aus  dem  Grundwasser  ergänzt,  zu  gefährden.  Auch 
kann  Hochwasser  den  zu  nahe  an  einem  Fluss  angelegten  Brunnen 
gefährlich  werden. 

Gegenüber  den  Grundwasserwerken  treten  die  übrigen  zentralen 
Wasserversorgungsanlagen  in  den  Hintergrund.  Die  früher  üblichen 
Flusswasserwerke  hat  man  verlassen  und  neue  nur  in  geringer  Zahl 
angelegt.  Immerhin  hat  vielleicht  ein  Verfahren  eine  Zukunft,  welches 
in  Frankfurt  a.  M.  durch  Ingenieur  Scheelhase  in  den  letzten 
Jahren  ausprobiert  wurde.  Ein  grosser  Teil  des  Trink-  und  Nut/.- 
wassers  für  die  Stadt  wird  dem  Grundwasser  des  Stadtwaldes  ent¬ 
nommen.  Dasselbe  ist  zwar  in  mächtiger  Schicht  und  gewaltiger 
Ausdehnung  vorhanden,  hat  aber  doch  im. Laufe  der  Zeit  an  Menge 


3.  Mai  1013. 


MUHNCHHNLR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1061 


igenommen.  Um  den  gesenkten  Grundwasserspiegel  wieder  zu  cr- 
)hen,  versuchte  man  ihn  durch  sog.  „Infiltration“  mit  Flusswasser 
ieder  aufzufüllen.  Der  in  der  Nähe  fliessendc  Main  lieferte  dieses 
jsatzwasser.  Nach  gründlicher  Vorreinigung  durch  Sandfiltration 
urde  es  in  einer  Menge  von  täglich  500  cbm  dem  ürundwasser 
igefiihrt.  Schon  während  des  Versickerns  begann  eine  weitere 
einigung  biologischer  Art,  so  dass  in  der  Tiefe  von  7  m,  als  der 
rundwasserspiegel  erreicht  wurde,  die  Reinigung  fast  vollkommen 
ar.  20  m  in  horizontaler  Richtung  von  der  Einsickerungsstelle  an 
■rechnet,  hatte,  wie  die  Untersuchungen  zeigten,  das  infiltrierte 
asser  chemisch  bereits  die  Zusammensetzung  des  Grundwassers  an- 
nommen.  Wenn  sich  das  „Infiltrationsverfahren“  auch  fernerhin  be- 
ährt,  so  eröffnet  sich  für  Gegenden  mit  spärlichem  Grundwasser 
e  erfreuliche  Aussicht,  ihren  Wasserbedarf  ev.  durch  Zuleitung 
filtrierten  Flusswassers  zu  decken. 

In  der  Wasserversorgung  mit  Oberflächenwasser  hat 
e  fortgeschrittene  Technik  durch  Herstellung  grossartiger  Stau- 
ilagen  neue  Wege  gewiesen.  Man  verwendet  heutzutage  nicht  nur 
s  gestaute  Wasser  grosser  Teiche,  sondern  schafft  durch  die  An- 
?e  von  Talsperren  künstliche  Seen  von  beträchtlichem  Um- 
ng.  So  sind  allein  in  Deutschland  innerhalb  des  letzten  Jahrzehnts 
hlreiche  Talsperren  errichtet  und  andere  in  Vorbereitung.  Das 
iflussgebiet  des  künstlichen  Sees  muss  natürlich  hygienisch  beauf- 
ilitigt,  der  See  selbst  von  allen  verdächtigen  Zuflüssen  freigehalten 
erden.  Hat  das  Talsperrenwasser  sich  genügend  sedimentiert, 
wird  der  Abfluss  noch  einmal  gefiltert  (Sandfilter  oder  Riesel- 
lese),  um  dann  durch  Rohrleitung  den  Abnehmern  von  Trink-  und 
itzwasser  zugeführt  zu  werden.  Der  Inhalt  solcher  Seen  erreicht 
tunter  einen  beträchtlichen  Umfang.  So  beträgt  derjenige  der 
önetalsperre  130  Millionen,  der  Edertalsperre  460  Millionen  Kubik- 
,’ter.  Das  Talsperrenwasser  kommt  je  nach  den  örtlichen  Ver- 
ltnissen  nicht  nur  einem  einzigen  Abnehmer  (Stadt)  zugute,  son- 
rn  kann  zum  gemeinsamen  Nutzen  grosser  Triebwerke  und’  zahl- 
icher  Gemeinden  verwendet  werden.  Die  Anlage  nimmt  dann  den 
larakter  der  Gruppenwasserversorgung  an. 

Die  Gruppen  Wasserversorgung  hat,  gleichfalls  durch 
:  Technik  unterstützt  und  gehoben,  einen  mächtigen  Aufschwung 
fahren.  Betrachtet  man  die  Wasserleitungen  nahe  beieinander 
gender  Gemeinden,  so  sind  sie  meistens  nur  für  den  eigenen  Be- 
rf  geschaffen.  Sie  durchkreuzen  sich  vielfach,  während  ein  g  e  - 
einsamer  Wasserbezug  oft  vielfach  einfacher  und  wirtschaft- 
her  wäre.  Durch  die  Not  hat  man  diesen  Weg  in  Deutschland  zu- 
'»t  wohl  in  Württemberg  beschriften.  Dort  ist  auf  dem  Hochplateau 
r  Rauhen  Alb,  die  infolge  ihres  zerklüfteten  Kalkgesteins  alles 
genwasser  verschluckt  und  Brunnen  unmöglich  macht,  unter  Bei- 
fe  der  Württembergischen  Regierung  in  musterhafter  Weise  die 
'  rsorgung  aller  200  Gemeinden  geschaffen  worden.  Nach  den  Plänen 
15  Ingenieurs  Ehmeier  gruppierte  man  die  Ortschaften  nach  ihrer 
!  ^graphischen  Zusammengehörigkeit  und  führte  ihnen  Wasser  von 
in  Tälern  zu.  Ein  starker  Wasserlauf  oder  reichliches  Grundwasser 
rd  gesammelt,  gefasst  und  durch  ein  Pumpwerk  dem  auf  dem 
I  chsten  Punkt  —  2 — 300  m  hoch  —  gelegenen  Haupthochbehälter 
:  geführt.  Von  diesem  aus  wird  das  Wasser  den  einzelnen  Ort- 
!  laften,  auch  den  abgelegensten  Häusern  unter  Einschaltung  von 
i  ischenhochbehältern  für  jede  Ortschaft  zugeleitet.  Die  Rauhe  Alb 
1  rd  von  etwa  20  derartigen,  von  einander  unabhängigen  Gruppen- 
1  sserleitungen  gespeist.  Auf  diese  Weise  ist  die  Wasserversorgung 

■  allgemeiner  Zufriedenheit  geregelt  worden.  Nicht  bloss  dort,  son- 
;  n  auch  in  Baden  und  am  Rhein  hat  man  die  besten  Erfahrungen 
it  dieser  Art  der  Wasserversorgung  gemacht.  So  beziehen  z.  B. 

Rheinland  5  Landgemeinden  mit  zusammen  16  000  Einwohnern 
Wasser  aus  gemeinsamer  Quelle.  Bei  Saarbrücken  sind  gleich- 

■  tig  Gemeinden,  Eisenbahn  und  Bergwerke  angeschlossen. 

Zwei  andere  Gruppen  umfassen  in  dem  einen  Falle  26  Städte  mit 
sammen  168  000  Einwohnern,  in  dem  anderen  70  Ortschaften  mit 
:  )00  Einwohnern.  Das  grossartigste  Projekt  wird  in  Württemberg 
Dlant.  Nicht  weniger  als  60  Städte  wollen  sich  zu  gemeinsamem 
1  tsserbezug  zusammenschliessen.  Die  Kosten  sind  auf  14  Millionen 
rk  veranschlagt.  Der  Kubikmeter  soll  9  Pf  kosten,  ein  Preis,  der 
ih  im  Verlauf  vom  40  Jahren  auf  3  Pf.  ermässigen  wird. 

Eine  interessante  Zusammenstellung  von  Lindley  erläutert  die 
twicklung  unseres  Wasserversorgungswesens:  Danach  verteilten 
ih  im  Jahre  1903  und  1909  die  Bezugsquellen  für  die  Wasserversor- 
! lg  von  207  deutschen  Städten  über  20  000  Einwohner  wie  folgt: 


indwasser  . . . 

ss-,  Grund-  und  Quellwasser  .... 

;  sswasser . 

sperrenwasser: 

Talsperrenwasser  .  ..  .  0,65  Proz. 

Talsperren-,  Quell-  und 

Grundwasser  ....  1,25 


l;llwasser . 

LU-  und  Grundwasser 


1909  1903 

56,8  Proz.  49,0  Proz 

18,0  ,  19,5  „ 

8,3  ,  13,3  „ 


1,9  „  0,5  „ 

5,7  ,  8,0  „ 

11,3  „  9,5  „ 


Eine  heutige  Aufstellung  würde  eine  weitere  Zunahme  des  Grund- 
I  Talsperrenwassers  ergeben. 

Wissenschaft  und  Technik  haben  somit  in  den  letzten  Jahrzehnten 
i  Wassererschliessung  und  Wasserversorgung  neue  Wege  ge¬ 


wiesen.  1  rügerisch  aber  wäre  es,  sich  mit  den  bisherigen  Erfolgen 
zufrieden  zu  geben  und  sich  auf  die  zur  Verfügung  stehenden  Wasser- 
m engen  zu  verlassen.  Eine  einfache  Ueberlegung,  die  m.  W.  noch  nir¬ 
gends  angcstellt  wurde,  warnt  uns  davor.  Es  ist  die  Berechnung  der 
Wassermenge,  die  aus  atmosphärischen  Niederschlägen  stammend, 
pro  Kopf  und  lag  entfällt.  Sie  beläuft  sich  für  Deutschland  —  an¬ 
genommen  eine  Bevölkerungsziffer  von  65  Millionen  eine  Regenhöhe 
von  660  mm  und  eine  Oberfläche  von  140  000  Quadratkilometer  —  nur 
auf  ca.  150  Liter!  Aus  den  obigen  Betrachtungen  geht  wohl  zur  Ge¬ 
nüge  hervor,  dass  dies  ein  zur  Befriedigung  aller  Bedürfnisse  sehr 
massiges  Wasserquantum  ist,  selbst  wenn  es  gelingen  sollte,  in  Zu¬ 
kunft  noch  mehr  wie  bisher  die  unterirdischen  und  sonstigen  Wasser- 
vorräthe  nutzbar  zu  machen.  Die  Zunahme  der  Bevölkerung  und  der 
steigende  Wasserbedarf  mahnen  also  zur  Sparsamkeit  im  Verbrauch 
und  zu  weiterer  Verbesserung  der  Technik. 

Der  Vortrag  wurde  durch  zahlreiche  Lichtbilder  ergänzt,  welche 
von  der  Leitung  der  früheren  Hygieneausstellung  sowie  der  tech¬ 
nischen  Hochschule  zu  Dresden  freundlichst  überlassen  waren. 

Diskussion:  Herr  H  ii  b  1  e  r  bemerkt,  dass  zu  der  Zeit,  als 
die  Arbeiten  T  h  i  e  m  s  erschienen,  das  Dresdener  Wasserwerk  unter 
Saalbachs  Leitung  bereits  im  Bau  war;  es  wurden  seinerzeit 
die  Untersuchungen  über  den  Lauf  des  Grundwassers  und  die  Höhe 
der  Versuchsbrunnen  genau  so  ausgeführt,  wie  es  der  Vortragende  für 
Leipzig  beschrieb. 

Herr  T  h  i  e  r  s  c  h  erwidert,  dass  er  sich  bei  seinem  Vortrag  an 
die  Angaben  in  der  Literatur  gehalten  habe;  die  Arbeiten  Th  i  eins 
sind  in  dieser  Hinsicht  bahnbrechend  gewesen. 

Die  Strömung  des  Grundwassers  ist  sehr  verschieden,  bald 
schneller,  bald  langsamer.  Oft  wird  der  Grundwasserstrom  nicht  ge¬ 
messen.  Sehr  schnell  kann  das  Grundwasser,  auch  bei  grossem 
Gefälle,  überhaupt  nicht  fliessen,  wegen  des  grossen  Widerstandes. 
Während  des  heissen  Jahres  1911  trat  im  September  in  manchen 
Bezirken  Sachsens  Wasserknappheit  ein,  selten  aber  wirkliche 
Wassernot;  die  Bevölkerung  hielt  mit  dem  Wasser  zurück, 
um  später  nicht  in  Verlegenheit  zu  kommen,  doch  hätte  ruhig  noch 
mehr  Wasser  verbraucht  werden  können.  Dass  trotzdem  manche 
wenig  tiefe  Brunnen  versiegten,  ist  natürlich  zuzugeben. 

XIX.  Sitzung  vom  22.  Februar.  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Schmal  tz. 

Herr  Prof.  Dr.  Gebhardt  (als  Gast) :  Neue  Anschauungen 
über  physikalische  Grundbegriffe  (Relativitätsprinzip). 

Im  Laufe  der  Jahrhunderte  haben  sich  in  der  Physik  mehrfach 
grundsätzliche  Wandlungen  allgemein  geglaubter  Grundvorstellungen 
vollzogen,  insbesondere  auch  in  der  Mechanik  und  der  mit  ihr  eng 
verknüpften  Astronomie.  Die  Alten  glaubten  an  eine  im  Okeanos 
schwimmende  Erdscheibe;  erst  allmählich  ahnte  und  bewies  man  die 
Kugelgestalt  unseres  Planeten.  Die  geozentrische  Weltanschauung 
des  P  t  o  1  e  m  ä  u  s  (um  150  n.  Chr.)  wurde  durch  die  heliozentrische 
des  Köper  nikus  (1473 — 1543)  und  Galilei  (1564 — 1642)  ersetzt. 
Jedesmal  musste  sich  naturgemäss  die  Menschheit  allmählich  daran 
gewöhnen,  bisher  gültige  Begriffe  aufzugeben  und  durch  neue  zu 
ersetzen. 

Auch  unsere  Zeit  hat  es  gelernt,  solche  Umwertung  alter,  ver¬ 
trauter  Werte  vorzunehmen.  Die  Elektrizitätslehre,  vor  allem  die 
Lehre  von  der  Strahlung,  ist  beispielsweise  noch  weit  davon  entfernt, 
zweifelsfreie  Hypothesen  über  das  Wesen  der  betrachteten  Erschei¬ 
nungen  zu  besitzen.  Ganz  sicher  aber  glaubte  man  bis  vor  kurzem 
im  Bezug  auf  die  elementaren  Grundbegriffe  der  Mechanik  zu  sein,  in 
Bezug  auf  Begriffe  wie  Geschwindigkeit,  Zeit,  Raum  und  Masse.  Und 
doch  sind  nun  auch  diese  Grundfesten  aus  unserer  Väter  Zeit  be¬ 
denklich  ins  Wanken  geraten;  sie  werden  stürzen  müssen,  um  einem 
neuen  Gebäude  Platz  zu  machen,  dessen  Fundamente  die  Wissen¬ 
schaft  gegenwärtig  aufzumauern  bei  der  Arbeit  ist. 

Den  Anlass  zum  Zweifel  am  Althergebrachten  gab  ein  Problem 
von  auch  früher  nie  unterschätzter  Schwierigkeit,  das  Aetherproblem. 
Noch  Heinrich  Hertz  nahm  einen  materiellen  Aether  an  und  machte 
in  seiner  „Mechanik“  den  letzten  grossartigen  Versuch,  alle  Natur¬ 
erscheinungen  auf  Bewegungsvorgänge  dieses  materiellen  Aethers 
zurückzuführen.  Heute,  kaum  zwei  Jahrzehnte  später,  verwirft  man 
solche  Theorien  und  nimmt  einen  nicht  materiellen,  ruhenden  Aether 
an,  der  die  Bewegungen  der  Körper  nicht  mitmacht,  durch  den  die 
Himmelskörper  hindurchgehen,  ohne  ihn  mitzunehmen.  Da  die 
°hysik  durchaus  eine  Erfahrungswissenschaft  ist,  begründet  sie  auch 
neue,  revolutionäre  Ideen  durch  das  Experiment.  Mit  grösstem 
Scharfsinn  haben  bedeutende  Physiker  Versuche  "-gestellt,  die  Erd¬ 
bewegung  relativ  zum  ruhenden  Aether  nachzuweisen,  indem  sie  ge¬ 
wisse  optische  Vorgänge  studierten,  die  zweifellos  im  Aether,  wie  er 
auch  beschaffen  sein  mag,  ihre  Ursache  haben;  aber  nie  ist  dieser 
Beweis  geglückt.  Das  Licht  pflanzt  sich  in  der  Bewegungsrichtung 
tatsächlich  genau  so  schnell  fort,  wie  gegen  sie;  obgleich  man  der 
Theorie  nach  eben  anderer  Meinung  sein  müsste.  Man  stand  vor 
einer  rätselhaften  Tatsache,  die  nicht  zu  leugnen  war.  Was  war 
da  zu  tun?  Man  fasste  das  Problem  anders  an  und  dachte  allgemein 
darüber  nach,  ob  die  stillschweigend  zugrunde  gelegten  Definitionen 
der  bei  allen  Bewegungsaufgaben  notwendigen  Grundbegriffe  noch 
aufrecht  zu  erhalten  seien.  Und  das  führte  zunächst  zu  einer  sehr 
wichtigen  Revision  des  Zeitbegriffes.  Man  lernte  einsehen,  dass  für 
irgend  einen  Beobachter  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Weltalls  ein 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHAU  T. 


No.  19 


1062 


iiir  alle  Funkte  des  Weltalls  gleichzeitig  gültiger  Zeitbegriff  keinen 
Sinn  hat,  dass  vielmehr  eine  Zeitangabe  erst  dann  einen  Sinn  hat, 
wenn  man  auf  den  Geschwindigkeitszustand  des  Beobachters  Rück¬ 
sicht  nimmt,  dass  also  die  Zeit  ein  relativer  Begriff  ist  (Anton 
I.  o  r  e  n  t  z.  Albert  Einstein,  Hermann  Minkowski).  Nun  war 
aber  schon  fiiiher  bekannt,  dass  ein  Beobachter  nicht  imstande  ist, 
festzustellen,  ob  er  sich  geradlinig  auf  einen  anderen  zu  bewegt,  oder 
umgekehrt,  d.  h.  auch  der  Begriff  „Bewegung“  war  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  als  relativ  erkannt.  Dadurch  wird  aber  die  De¬ 
finition  des  Zeitbegriffes  noch  komplizierter.  Es  ist  denkbar,  dass 
sich  für  zwei  an  verschiedenen  Orten  beobachtende  Personen  für  zwei 
bestimmte  Ereignisse  die  Begriffe  „früher“  und  „später“  geradezu 
umkehren  können,  so  absurd  das  auch  auf  den  ersten  Augenblick  er¬ 
scheinen  mag.  Aber  noch  mehr:  Eine  ungeheuerliche  Konsequenz 
schloss  sich  an  die  andere  an.  Zunächst  ergab  sich,  dass  auch 
der  Begriff  des  Längenmasses  nur  ein  relativer  ist,  dass  also  etwa 
eine  Meterstrecke  verschiedene  Länge  haben  muss,  wenn  sie  in  ihrer 
Richtung  eine  geradlinige  Translationsbewegung  verschiedener  Ge¬ 
schwindigkeit  besitzt,  wenngleich  ein  mit  diesem  Meter  bewegter 
irdischer  Beobachter  nie  etwas  davon  merken  wird;  wohl  aber  müsste 
ein  Beobachter  auf  einem  Fixsterne  das  bemerken.  Weiter  folgt,  dass 
auch  die  Begriffe  Geschwindigkeit  und  Beschleunigung  nur  relativen 
Wert  haben  können,  und  da  der  Begriff  „Masse“  in  engem  Zu-‘ 
sammenhange  mit  den  Begriffen  „Kraft"  und  „Beschleunigung“  steht, 
darf  man  nicht  davor  zurückschrecken,  auch  die  Masse  eines  Körpers 
als  eine  variable  Grösse  anzusehen.  Die  träge  Masse  eines  Körpers 
wächst  nämlich  mit  seiner  Geschwindigkeit  und  sie  muss  sogar  zu 
unendlicher  Grösse  anschwellen,  wenn  der  Körper  die  Lichtgeschwin¬ 
digkeit  von  300  000  km  in  der  Sekunde  angenommen  hat.  Ueberhaupt 
zieht  sich  durch  alle  Betrachtungen  der  Relativitätstheorie  wie  ein 
roter  Laden  die  Erkenntnis  hindurch,  dass  der  Geschwindigkeit  des 
Lichtes  oder  —  was  dasselbe  ist  —  der  elektrischen  (Hertz  sehen) 
Wellen  eine  ganz  auffallende  Sonderstellung  unter  allen  nur  denkbaren 
Geschwindigkeiten  zukommt,  dass  sie  durch  keine  andere  übertroffen 
werden  kann. 

Der  Vortrag  versuchte  alle  in  diesem  kurzen  Berichte  wieder¬ 
gegebenen  verblüffenden  Tatsachen  näher  zu  begründen,  soweit  das  in 
der  kurzen  Zeit  einer  Stunde  ohne  besondere  physikalische  Voraus¬ 
setzungen  und  fast  ohne  mathematische  Betrachtungen  überhaupt 
möglich  ist.  Nichtphysiker,  die  sich  über  den  auch  erkenntnis¬ 
theoretisch  hochinteressanten  Gegenstand  näher  orientieren  wollen, 
seien  zum  Schluss  auf  einige  allgemeinverständliehe  Schriften  hinge¬ 
wiesen.  die  freilich  auch  keine  leichte  Lektüre  bilden:  Emil  Cohn: 
„Physikalisches  über  Raum  und  Zeit",  Sonderabdruck  aus  der  Zeit¬ 
schrift  „Himmel  und  Erde“,  XXIII,  Leipzig,  Teubner  1911:  Henri 
Poincare:  „Die  neue  Mechanik“,  Vortrag,  ins  Deutsche  übertragen 
von  P.  Sch  wahn,  Sonderabdruck  aus  derselben  Zeitschrift,  XXIII, 
Leipzig,  Teubner  1911;  Max  Planck:  „Die  Stellung  der  neueren 
Physik  zur  mechanischen  Naturanschauung1“.  Vortrag,  abgedruckt  in 
der  „Physikalischen  Zeitschrift“1,  XI,  Leipzig,  H  i  r  z  e  1  1910:  J.  C  1  a  s- 
sen:  „lieber  das  Relativitätsprinzip  in  der  modernen  Physik“,  Zeit¬ 
schrift  für  den  physikalischen  und  chemischer  Unterricht,  XXIII, 
Berlin,  Springer  1910. 

Diskussion:  Herr  Paust:  Die  eben  gehörten  Auseinander¬ 
setzungen  gehen  aus  von  der  Annahme  der  Ruhe  des  Weltäthers; 
sie  führen  zu  Anschauungen,  die  unsere  bisherigen  Auffassungen  von 
Raum  und  Zeit  völlig  Umstürzen.  Das  Prinzip  des  ruhenden  Welt¬ 
äthers  führt  aber  noch  zu  ganz  anderen,  grundstürzenden  Folge¬ 
rungen:  Der  Begriff  der  Masse  existiert  alsdann  nicht  mehr;  diese 
ist  vielmehr  eine  elektrische  Erscheinung,  ein  Effekt  der  Kathoden¬ 
strahlen.  Die  Anziehungskraft  als  mechanische  Erscheinung  existiert 
dann  ebenfalls  nicht;  wir  müssen  sie  als  elektrische  Erscheinung  er¬ 
klären.  Nehmen  wir  aber  dies  an,  so  kommen  wir  dahin,  die  ganze 
Bewegung  des  Weltsystems  als  eine  reine  elektrische  Erscheinung 
aufzufassen.  So  kommt  es  zu  einer  Umwertung  aller  Werte.  Die 
Laplacesche  Idee  von  der  Weltentstehung  aus  Nebeln  wird  ver¬ 
lassen;  sie  setzt  voraus,  dass  im  gesamten  Weltensystem  eine  kon¬ 
stante  Bewegung  in  einer  Richtung  besteht.  Kürzlich  ist  aber  nach¬ 
gewiesen  worden,  dass  der  9.  Saturnmond  und  auch  ein  Jupitermond 
eine  umgekehrte  Bewegung  haben.  Man  kommt  schliesslich  zur 
Schlussfolgerung,  dass  die  Welt  nicht  ewig  ist,  sondern  einen  be¬ 
stimmten  Anfang  gehabt  hat;  wenn  sie  ewig  wäre,  müsste  bereits 
längst  durch  Entropie  der  Wärmetod  eingetreten  sein. 

Herr  Gebhardt:  Die  eben  ausgeführten  Schlussfolgerungen 
sind  auch  ihm  geläufig,  er  hat  aber  mit  Absicht  unterlassen,  sie  vorzu¬ 
tragen.  Man  muss  zugeben,  dass  die  Konsequenzen  gewaltig  sind. 
Der  Begriff  der  Materie  verschwindet.  Auch  sonst  ergeben  sich 
manche  Schwierigkeiten,  so  z.  B.  die  Frage,  wie  sich  das  Licht 
fortpflanzt,  wenn  der  Aether  nicht  da  ist.  In  das  ganze  Gebiet 
völlig  einzudringen,  ist  kaum  möglich;  er  beabsichtigte  heute  nur, 
einen  allgemeinen  Begriff  von  der  Richtung  zu  geben,  in  der  sich 
die  besprochenen  neuen  Untersuchungen  bewegen,  und  das  umsomehr, 
als  es  zurzeit  noch  völlig  an  allgemeinverständlichen  zusammen¬ 
fassenden  Abhandlungen  über  dieses  Forschungsgebiet  mangelt. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  IUI. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1642.  ordentliche  Sitzung  vom  7.  April  1913,  abends  7  Uhr 
im  Sitzungssaal  des  Vereins. 

Vorsitzender:  Herr  Eie  sch. 

Schriftführer:  Herr  Be  na  r  io. 

Demonstrationen: 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a.: 

1.  Eine  Serie  von  Endokarditiden  in  ihren  verschiedenen  Formen 

und  Folgen. 

-•  Eine  ungewöhnlich  starke  Vergrösserung  des  Herzens,  das 
in  situ  fast  den  ganzen  Thoraxraum  ausfüllt  und  von  der  rechten 
vorderen  Axillarlinie  bis  zur  linken  mittleren  Axillarlinic  reichte 
Die  Vergrösserung  betrifft  alle  Herzhöhlen,  besonders  aber  die  enorm 
erweiterten  Vorhöfe.  Ursache:  Trikuspidal-  und  Mitralstenose  nebst 
Aortenstenose.  30jähr.  Frau,  im  9.  Lebensjahre  Gelenkrheumatismus 
mit  Herzerkrankung. 

3.  Schwere  Pyonephrose  infolge  Kompression  des  linken  Ureters 
durch  einen  abnorm  verlaufenden  Arterienast. 

4.  Hydronephrosen  infolge  Urethralstriktur  und  als  Missbildung 
infolge  Verdoppelung  der  sackförmig  erweiterten  Ureteren. 

5.  Ausgedehntes  Pseudomyxoina  peritonei  bei  Ovarialkystom. 

Herr  .1.  Feuchtwanger  demonstriert  das  Präparat  eines 

Uterus  und  der  ganzen  Vagina,  welche  er  einer  48  jährigen,  seü 
7  Jahren  in  der  Menopause  befindlichen  Patientin  wegen  primären 
Karzinoms  der  Vagina  auf  vaginalem  Wege  entfernt  hat.  Das  Karzinom 
stellt  den  infiltrierenden  Typus  dar  und  hat  den  weitaus  grössten 
Teil  der  Scheide  ergriffen,  nur  einen  schmalen  Rand  nach  unten  frei  - 
lassend.  Zwei  Knoten  treten  besonders  hervor,  je  an  der  Hinter¬ 
und  Vorderwand  sitzend.  Der  Knoten  an  der  Vorderwand  war  innig 
mit  dem  BJasenboden  verwachsen  und  liess  sich  nur  schwer,  doch 
ohne  Verletzung  der  Blase  ablösen.  Die  Wunde  wurde  versorgt, 
indem  das  vordere  Peritoneum  an  den  Schnittrand  der  Vagina  direkt 
hinter  dem  Orif.  urethrae  an-,  das  hinter.e  Peritoneum  sodann  auf  das 
vordere  aufgenäht  und  die  übrige  Wundhöhle  tamponiert  wurde. 
F.  verweist  auf  einen  von  ihm  vor  8  Jahren  operierten  und  im  Aerzt- 
•ichen  Verein  demonstrierten  Fall  von  lokalisiertem,  blumenkolü- 
artigem,  primärem  Scheidenkrebs,  den  er  jahrelang  nachkontrolliert 
und  rezidivfrei  gefunden  hat.  Die  Prognose  der  Vaginalkarzinom 
ist  eine  sehr  schlechte. 

Herr  Caan:  Therapeutische  Versuche  an  Karzinotnmäusen  und 
Sarkoniratten.  (Erscheint  unter  den  Originalien  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Walthard  demonstriert  Photogramme 
histologischer  Präparate  von  Probeexzisionen,  welche  bei  einein 
Karzinomrezidiv  vor  der  Röntgenbestrahlung  und  ca.  4  Wochen  nach 
derselben  entnommen  wurden.  Aus  dem  Vergleich  der  histologischen 
Bilder  geht  eine  deutliche  Veränderung  der  Formen  und  färberischen 
Eigenschaften  der  Zellen  innerhalb  der  Karzinomnester  hervor. 

Herr  Oe  hl  er:  Ueber  Gewinnung  reiner  Trypanosomenstämme. 

Einen  voll  verlässlich  reinen  Stamm  erlangt  man  nur,  wenn  inan 
ihn  aus  einem  mechanisch  isolierten  Einzelkeim  herauszüchtet.  Bei 
den  1  rypanosomen  kann  das  mit  Hilfe  von  Glaskapillaren  erreicht 
werden.  Das  trypanosomenhaltige  Blut  wird  verdünnt  (Bouillon 
besser  als  Salzwasser)  oder  zentrifugiert;  wird  in  Kapillaren  auf¬ 
gesogen  und  unter  Kontrolle  des  Mikroskopes  werden  Stellen  aus¬ 
geschnitten,  die  ein  isoliertes  Einzeltrypanosorna  enthalten.  Das 
Kapillarstiickchen  wird  in  eine  Hohlnadel  eingefiihrt  und  mit  etwas 
Kochsalzlösung  dem  I  ier  eingespritzt.  Von  etwa  150  Versuchen 
ergaben  30  einen  Erfolg.  Inkubation  bei  intravenöser  Infektion 
4  Tage;  bei  subkutaner  Infektion  6  Tage. 

Vortrag: 

Herr  Moses:  Ueber  Röntgentiefenbestrahlung  bei  Morb. 
Basedow  und  Myom. 

i/  Htistrahlt  bei  Morb.  Basedow  die  Struma  in  jeder  Sitzung  mit 
/s  ED.  in  Pausen  von  8  Tagen;  nach  3  Sitzungen  3  Wochen  Pause 
Von  14  Fällen  entzog  sich  einer  vorzeitig  der  Behandlung,  die  übrigen 
13  wurden  geheilt  bzw.  arbeitsfähig  entlassen.  Rezidiv  ist  nicht  be¬ 
kannt  geworden. 

Vorstellung  der  beiden  schwersten  Fälle:  Eine  Frau,  die  an 
Durchfällen,  Herzklopfen,  Angstgefühl  litt  und  so  schwach  war,  dass 
ihr  Mann  sie  oft  nach  Hause  tragen  musste,  ist  nach  6  Bestrahlungen 
geheilt  und  seit  einem  Jahr  rezidivfrei.  Exophthalmus  besteht  zwar 
noch,  aber  nicht  erheblich,  Puls  früher  bis  160,  jetzt  während  der 
Vorstellung  ungefähr  80.  Körpergewichtszunahme  16  kg;  die  Frau 
sieht  blühend  aus.  Keine  Struma  mehr.  Die  zweite  Patientin  be¬ 
findet  sich  noch  in  Behandlung;  sie  hatte  unausgesetzt  Durchfälle, 
war  gleichfalls  sehr  abgemagert;  Puls  vor  der  Behandlung  bis  160. 
jetzt  90 — 100.  Struma  hat  bis  jetzt  4  cm  abgenommen,  Stuhlgang 
regelrecht.  Patientin  ist  arbeitsfähig,  aber  noch  nicht  geheilt. 
Körpergewdchtszunahme  8  kg.  Wird  seit  3  Monaten  nicht  mehr  be¬ 
strahlt,  trotzdem  fortschreitende  Besserung;  sobald  die  Besserung 
stillsteht,  soll  w'ieder  bestrahlt  werden. 

Röntgendermatitis  darf  heute  nicht  mehr  Vorkommen.  Auch 
Spätschädigungen  sind  nach  den  Forschungen  I  s  e  1  i  n  s  jetzt  zu  ver¬ 
meiden.  Moses  selbst  hat  neuerdings  ein  Verfahren  ausgearbeitet, 
das  relativ  grosse  1  iefendosen  ergibt,  das  Verfahren  der  kombinierten 
Filtration  durch  verschiedene  Metalle  —  Silber  -f  Aluminium  — . 


k  Mai  191.1 


MUENcHENeR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


IhM 


Redner  behandelt  das  Wesen  der  Tiefenbestrahlung  auf  Orund 
;r  Forschungen  von  (1  a  u  s  s  und  unter  Demonstration  eigener 

ersuchsergebnisse. 

FT  bekennt  sicli  als  Anhänger  der  Albers-Schönberp- 
.lien  Technik  der  Myombestrahlung  bei  voller  Würdigung  der  ver- 
enstv ollen  Arbeiten^  von  (lauss.  Kr  erhofft  bei  Anwendung  des 
kombinierten  Filters  einen  Krfolg  der  Myombestrahlung  schon  bei 
lativ  kleiner  Flautdosis. 

Diskussion:  Her  L.  Auerbach  bestätigt  die  Schwere 
$  \  on  dem  \  ortragenden  an  zweiter  Stelle  vorgeführten  Falles 
:n  er  selbst  vorher  behandelt  und  dem  er  in  Hinblick  auf  das  be- 
ohliche  Krankheitsbild  seinerzeit  dringend  zu  einer  alsbaldigen 
peration  geiaten  hatte.  Ks  bestanden  die  typischen  Symptome  eines 
hr  sclnvei en  Basedow,  besonders  war  der  Puls  äusserst  freciuent 
nl  klein,  die  Ernährung  ausserordentlich  gesunken,  das  Allgemein¬ 
linden  hochgradig  beeinträchtigt.  A/on  nervösen  Erscheinungen  trat 
u  allem  eine  Unruhe  des  gesamten  Körpers  hervor.  Auch  das  Blut- 
Id  verhielt  sich  typisch.  Die  Gesamtzahl  der  Leuxozyten  war 
was  \ ermindert  (4800),  das  prozentuale  Verhältnis  stark  zu  gunsteil 
r  Lymphozyten  verschoben  (4  t  Proz.  neutrophile  L,  50  Proz 
vinphoz  8  Proz.  mononukl.  Z„  1  Proz.  eosinophile).  Bereits  nach 
emgeu  Bestrahlungen  war  eine  merkliche  Besserung  unverkennbar, 
utc  ist  die  Patientin  kaum  wiederzuerkennen.  Ob  durch  die  Be- 
rahlungen  die  Gefahr  eines  späterhin  eventuell  noch  nötig  werdenden 
lirurgischen  Eingriffes  wesentlich  erhöht  werden  kann,  weil  sfe 
i  Verwachsungen  zu  führen  pflegen,  entzieht  sich  A  s  Urteil 
Jenfalls  dürften  sie  im  Falle,  dass  der  Vorschlag  einer  Operation 
stimmt  abgelehnt  wird,  mit  Aussicht  auf  vollen  Krfolg  versucht 
erden. 

Herr  Türk  verweist  auf  den  Gegensatz  der  Röntgenologen 
d  Gynäkologen,  der  auf  dem  Kongress  für  Physiotherapie  sehr 
ihalt  ziun  Ausdruck  kam.  wo  die  Intensivbestrahlung  der  Frei- 
rgei  Schule  von  seiten  der  Fachröntgenologen  sehr  energisch  ver¬ 
teilt  wurde.  T.  spricht  sich  dahin  aus.  in  Eilfällen  lieber  zu 
eneren,  da  im  Verhältnis  zu  den  möglichen  Folgen  der  Schnell¬ 
strahlung  operative  Eingriffe  als  harmlos  zu  gelten  haben.  Da¬ 
gen  in  allen  Fällen,  wo  genügend  Zeit  zur  Verfügung  ist,  zu  be- 
ahjen,  wenn  ein  maligner  Prozess  auszuschliessen  ist,  um  in 
.  /i  1  Jahre  zur  Menopause  zu  gelangen.  —  Die  Behandlung  von 
i  innen  und  Basedows  ist  als  sehr  aussichtsreich  anzusehen. 

Herr  Sippel:  Die  heute  zum  erstenmal  in  unserem  Verein 
geregte  Frage  der  Röntgenbehandlung  des  Uterusmyoms  ist  eine 
wichtige,  die  dabei  zu  erörternden  Dinge  sind  so  mannigfaltige 
d  eine  gründliche  Besprechung  derselben  ist  eine  so  notwendige, 
ss  es  mir  untunlich  erscheint,  in  dieser  vorgerückten  Stunde  noch 
eine  Diskussion  einzutreten.  Ich  behalte  mir  daher  vor,  zu  dem 
•genstand  bei  anderer  Gelegenheit  mich  zu  äussern. 

Herr  Caan  bestätigt  die  günstigen  Erfolge  der  Röntgen- 
hanedung  bei  Basedowscher  Krankheit  auf  Grund  seiner  Kr¬ 
autigen  am  Heidelberger  Krebsinstitut  und  aus  seiner  hiesigen 
tigkeit.  Er  betont  sodann  im  Anschluss  an  die  Diskussionsbemer- 
ngen  des  Herrn  Walthar  d  den  Czerny  sehen  Standpunkt: 
erable  Tumoren  sind  unter  allen  Umständen  mit  dem  Messer  zu 
tfernen. 

H?rr  Walt  har  d:  An  der  städtischen  Frauenklinik  werden  von 
i  r  Röntgenbestrahlung  die  vereiterten  und  verjauchten  Myome,  die 
*ome  kombiniert  mit  Gravidität,  wenn  sie  überhaupt  zu  einem 
'srativen  Eingriff  Anlass  geben,  die  grossen  Myome,  welche  Ver- 
|  uigungserscheinungen  hervorrufen  oder  sich  durch  ihr  rasches 
ichstum  auszeichnen,  ausgeschlossen.  Grosse,  rasch  wachsende 

■  0me  "’erden  deshalb  von  der  Bestrahlung  ausgeschlossen,  weil  bei 
‘  sen  1  umoren  die  Diagnose  Myoma  uteri  nicht  immer  mit  Sicher- 

t  gestellt  werden  kann.  Zum  Beiweis  hierfür  führt  W.  eine  Beob- 
ntung  an,  wo  ein  grosser,  solider  wachsender  Tumor  von  ver- 
‘  nedenen  Seiten  als  Myom  aufgefasst  und  dementsprechend 
’  hrend  längerer  Zeit  bestrahlt  wurde,  bis  die  stets  kachektischer 
'  rdende  Flau  zur  Operation  kam.  Selbst  das  ausgeschnittene  Prä- 
[  at  sah  einem  Myom  sehr  ähnlich  und  nur  die  histologische  Unter- 
.  .hung  zeigte,  dass  der  rasch  wachsende  Tumorteil  aus  einem 
ai  lalkarzinom  bestand,  welches  in  einen  myomatösen  Uterus  hin- 

■  gewachsen  war. 

Werden  bei  multiplen  Myomen  die  Metrorrhagien  durch  sub- 
kose  Myome,  welche  sich  polypenartig  ins  Cavum  uteri  entwickeln 
vorgerufen,  so  wird  vorerst  der  fibromatöse  Polyp  entfernt  un  i 
rauf  der  myomatöse  Uterus  mit  Röntgenstrahlen  behandelt. 

Herr  Sippe  1 :  Nachdem  Herr  W  a  1 1  h  a  r  d  trotz  der  vor- 
;  uckten  Zeit  eine  Diskussion  begonnen  hat,  möchte  ich  gleich  heute 
Reihe  der  von  ihm  aufgestellten  Kontraindikationen  noch  er¬ 
lern :  Kontraindiziert  ist  die  Bestrahlung  bei  Myomen  mit  Stiel- 
nung.  Ferner  bei  Myomen  mit  anhaltenden  schmerzhaften  Kon- 
ktionen  des  Uterus,  weil  dabei  die  Gefahr  der  Myomnekrose  be- 
>ht,  welche  dann  die  Operation  unter  prognostisch  wesentlich  ver- 
Gechterten  Verhältnissen  notwendig  macht.  Ferner  ist  die  Be¬ 
eidung  breitbasig  aufsitzender  submuköser  Myome  zu  verwerfen 

■  nn  es  sich  um  ausgeblutete  Patienten  handelt.  Wir  stehen  trotz 
>;  dem  vielen,  was  über  die  Strahlentherapie  der  Myome  gesagt 
U  geschrieben  ist,  de  facto  noch  am  Beginn  der  wissenschaftlichen 

orschung  dieser  Dinge,  und  bei  dem  jetzigen  Standpunkt  unseres 
>ssens  muss  ich  die  Operation  in  solchen  Fällen  für  das  zweifellos 
i  lerere  Heilverfahren  halten.  Herr  W  a  1 1  h  a  r  d  hat  ja  selbst  durch 


seine  mitgetilte  Statistik  bewiesen,  wie  ausserordentlich  sicher  der 
Erfolg  der  Myomoperationen  heute  ist.  Auch  unsere  Resultate 
otrunen  den  seinen  vollständig  gleich.  Unter  solchen  Umständen  ist 
die  sofortige  sichere  und  dauernde  Beseitigung  der  lebenbedrohenden 
o»u.;Unfen  wr(rh  dic  °Perat'on  der  in  der  Schnelligkeit  ihrer  blut- 
zuziehen11  ^Ir^un^  unsicheren  Bestrahlung  bei  jenen  Fällen  vor- 

- .  _  p,e/r,  ^  e  u  c  h  t  w  a  n  g  e  r  ersucht  die  Gynäkologen  um 

vprHpin05rUllFn’  °l  *ie  rr.mor?n  sic}l  u,.lte„r  c,cr  Röntgenbehandlung 
ei  kleinem.  Er  selbst  verfugt  über  zwei  Erfahrungen,  in  denen  die 

Patientinnen  die  profusen  Blutungen  verloren  haben  und  dadurch  er- 
werbsfalng  geworden  sind.  Die  Grösse  der  Tumoren  blieb  aber 
stationär.  F.  verwendet  bei  Myombehandlung  die  Technik  von 
Abers-Schonberg;  er  hat  bis  jetzt  noch  nicht  den  grossen 
Mut,  die  grossen  Dosen  des  „Freiburger  Kreuzfeuers“  zu  applizieren. 

Herr  M  o  s  e  s  (Schlusswort) :  Verwachsungen  der  Struma  sind 
bei  den  Dosen  von  2  X  pro  Sitzung  und  Pausen  nach  3  Bestrahlungen 
ausgeschlossen.  Bezüglich  der  Myombehandlung  wendet  sich  der 
Vortragende  schar  gegen  die  Methode  des  „Kreuzfeuers“,  das  in  das 
Uriterhautzellgewebe  Röntgenstrahlenmengen  bringt,  die  man  der 
Haut  nicht  zuzumuten  wagt. 


Wissenschaftliche  Vereinigung  am  städt.  Krankenhaus 

zu  Frankfurt  a.  IVI. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  E  ding  er. 

Schriftführer:  Herr  Traugott. 

Herr  Voss:  Klinische  Demonstrationen. 

Diskussion:  Herren  E  d  i  n  g  e  r,  Herxhei  m  er.  V  o  s  s 

Herr  M.  N  ei  s  s  e  r:  Bakteriologische  Mitteilungen. 

1.  Modifikation  der  Diphtheriedoppelfärbung  nach  Dr.  Gins  (er¬ 
scheint  in  der  Deutschen  med.  Wochenschrift).  Der  Prozentsatz  der 
aus  dem  Originalpräparat  zu  diagnostizierenden  positiven  frischen 
Rachenfalle  ist  mit  dieser  Modifikation  auf  das  Doppelte  zu  steigern, 
so  dass  es  möglich  war,  60  Proz.  der  positiven  frischen  Rachenfälle 
schon  aus  dem  Originalpräparat  zu  diagnostizieren.  Fehldiagnose  in 
den  negativen  Fällen  kam  nicht  vor. 

2.  Die  Angabe  aller  Lehrbücher,  dass  der  Tetanusbazillus  Gram- 
positiv  sei,  ist  nach  den  im  Institut  ausgeführten  Untersuchungen 
von  Herrn  Dr.  E  y  m  e  r  -  Heidelberg  in  dieser  Form  nicht  zutreffend, 
da  die  bei  weitem  überwiegende  Mehrzahl  der  Tetanusbazillen  bei 
der  Gramfärbung  die  Gegenfärbung  annimmt,  unabhängig  vom  Alter 
des  Stammes  und  vom  Alter  der  Kultur,  wie  an  7  Tetanusstämmcn 
erwiesen  wurde.  Auch  das  Färbeverfahren  ist  dabei  belanglos,  wie 
die  in  anderen  Instituten  gefärbten  Kontrollpräparate  zeigten.  Für  das 
Aufsuchen  des  Tetanusbazillus  in  der  infizierten  Wunde  ist  diese 
Feststellung  vielleicht  von  Bedeutung  (ausführliche  Publikation  er¬ 
scheint  demnächst.) 

3.  In  ausgedehnten  Versuchen,  über  die  Dr.  Büchner  in  seiner 
demnächst  erscheinenden  Dissertation  berichten  wird,  wurde  ver¬ 
sucht,  durch  aspezifische  Einflüsse  die  Entstehung  der  spezifischen 
Immunität  zu  fördern,  indem  mit  unterwirksamen  Vakzindosen  (Try¬ 
panosomen)  immunisiert  wurde  und  durch  physikalische  Applikationen 
versucht  wurde,  vollen  Impfschutz  zu  erreichen.  Es  gelang  dies 
nicht  mittels  Röntgenstrahlen,  ultravioletter  Bestrahlung  und  Einwir¬ 
kung  von  Hochfrequenzströmen  trotz  mannigfaltiger  Variationen.  Als 
Nebenbefund  zeigte  sich  bei  den  Röntgenmäusen  die  bekannte  hoch¬ 
gradige  Anämie.  Bei  der  Fortführung  dieser  Versuche  mit  Hilfe  von 
Chemikalen  erhielt  Dr.  Gins  aber  aussichtsreiche  Resultate,  indem 
es  gelang,  bei  Mäusen,  die  mit  unterwirksamen  Mengen  von  Typhus¬ 
kultur  und  nachträglich  mit  Salvarsaninjektionen  behandelt  wurden, 
recht  stark  agglutinierende  Sera  zu  erhalten. 


Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  Februar  1913. 

Herr  Schottellus:  Aerzte  und  Krankenhäuser  an  der 
Mosquitoküste. 

Der  Vortragende  berichtet  über  die  Ergebnisse  einer  Studien¬ 
reise,  welche  er  im  Sommer  1912  nach  Westindien  (Bahamainseln, 
Mosquitoküste,  Panama)  unternommen  hat.  Die  Reise  wurde  von 
Hamburg  aus  auf  dem  Fracht-  und  Passagierdampfer  „Schwarzwald“ 
der  Hamburg-Amerika-Linie  angetreten  und  führte  über  Antwerpen 
direkt  nach  St.  Thomas.  Die  Einrichtung  und  Verpflegung  auf  diesem 
in  erster  Linie  dem  Frachtverkehr  dienenden  Schiffen  ist  zwar  nicht 
so  opulent  wie  auf  den  grossen  Passagierdampfern,  entspricht  aber 
im  ganzen  allen  gesundheitlich  zu  stellenden  Anforderungen:  etwa 
wie  in  einem  guten  Hotel  zweiten  Ranges.  Die  peinliche  Ordnung 
und  Reinlichkeit,  welche  im  ganzen  Schiffe  herrscht,  ist  besonders 
wohltuend  bemerkenswert.  Dagegen  lassen  die  Destillierapparate 
für  das  Trinkwasser  zu  wünschen  übrig  und  das  Roheis,  welches 
zum  direkten  Kühlen  der  Getränke  in  den  Tropen  nicht  entbehrt 
werden  kann,  sollte  besser  kontrolliert,  womöglich  aus  destilliertem 
Wasser  hergestellt  sein.  Die  verhältnismässig  geringe  Menge  Roh- 


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MUENCH ENER  MEDIZINISCH E  WOCETENSCH R I F' 


eis,  welche  zu  diesem  Zweck  benötigt  wird,  kann  ohne  erhebliche 
Unkosten  durch  die  an  Bord  befindliche  Eismaschine,  welche  die 
1  roviantraume  kiihlt.  produziert  werden. 

Nach  16  tägiger  Fahrt,  während  welcher  nur  die  Azoren  in  Sicht 
kamen,  wurde  die  dänische  Insel  St.  Thomas  erreicht.  Nach  Er- 
eugung  der  gesundheitlichen  Kontrolle,  welcher  jedermann  sich  zu 
unterziehen  hat,  konnte  ein  zweitägiger  Aufenthalt  in  St.  Thomas, 
der  zum  Loschen  von  Ladung  und  zur  Aufnahme  von  Kohlen  not¬ 
wendig  war,  dazu  benutzt  werden,  um  unter  der  freundlichen  Führung 
•.■^dp!ysikus  und  Hafenarztes  Dr.  Mortensen,  der  gleich¬ 
zeitig  Direktor  des  Hospitals  ist,  die  Insel  und  alles  ärztlich  Be¬ 
merkenswerte  zu  besichtigen.  Die  Massnahmen  gegen  Ein¬ 
schleppung  und  zur  Bekämpfung  der  Pest  sind  besonders  streng, 
aber  durchaus  praktisch  und  werden  konsequent  und  mit  Erfolg 
durchgeiuhrt.  I  lakate  an  den  Mauerecken  verordnen  die  Reinhaltung 
der  Hauser  und  Gehöfte  und  belehren  über  die  Mittel  zur  Vertilgung 
der  Ratten.  Die  Distriktsvorsteher  kontrollieren  wöchentlich  min- 
schriften einma  die  Nachachtung  der  gesundheitspolizeilichen  Vor- 

Als  zweite  Station  wurde  die  holländische  Insel  Curacao  an¬ 
gelaufen.  Auch  hier  fühlt  man  sich  als  Arzt  inmitten  europäischer 
Kultur.  Der  Hafenarzt  Dr.  Evertz  gab  dem  Vortragenden  Ge¬ 
legenheit  zur  Besichtigung  der  Hospitäler  und  der  interessanten 
Guarantanestation,  welche  ca.  20  Kilometer  Von  der  Stadt  Curacao 
entfernt  in  einem  alten,  malerisch  auf  hohem  Felsenvorsprung  ge¬ 
legenen  alten  spanischen  Kastell  untergebracht  und  zweckent¬ 
sprechend  eingerichtet  ist.  Die  Aerzte  in  St.  Thomas  und  Curacao 
verstehen  und  sprechen  deutsch;  ärztliche  Zeitschriften,  Hand-  und 
Lehrbücher  trifft  man  vorherrschend  in  deutscher  Sprache.  Uebrigens 
kommt  man  in  den  zentralamerikanischen  Republiken  mit  englischer 
Sprache  gut  aus.  Spanisch  ist  wünschenswert,  aber  sogar  im  Ver¬ 
kehr  mit  der  niederen  Bevölkerung  nicht  unbedingt  notwendig. 

,,  .  Viejhisto  risch  Merkwürdiges  und  kulturell  Interessantes  bot  die 
Universität  Carthagena  in  Columbien.  Die  alte  spanische  Herrlich¬ 
keit  ist  verschwunden!  —  Versumpft  der  Hafen  und  die  weite  Lagune, 
verfallen  die  I  alaste,  Klöster,  die  Universität  und  die  mächtigen 

«lpr  dlC  Maruienburg  in  Würzburg  erinnern  die  Ruinen 

der  die  Stadt  Carthagena  überragenden  Zitadelle.  Hart  stossen  hier 
aneinander  die  Gebiete  der  noch  unabhängigen  Indianer,  die  Inter- 
essenspharen  mittelalterlicher  Kultur,  der  herrschenden  spanischen 
Mischlingsrasse  und  der  energische  kaufmännische  Geist  nord- 
amerikanischer  und  deutscher  Unternehmer 

ge^i?ieha^^iefdlunvFIn  de/  Hamburg-Columbien-Bananen-Aktien- 
gesellschaft  im i  fruchtbaren  tropischen  Schwemmland,  etwa  mittwegs 

Ca£-thugena  und  C°lon  gelegen,  geben  uns  ein  Bild  von  dem 
Kampf  der  Kultur  gegen  den  noch  unbezähmten  Naturzustand  des 

Landastdrich/Urw^USHeiltnn8:  iibfreichen  Hodenschätze  dieser 

„na"d  tnche:..  ,Was  daa,!es  überwunden  werden  muss  an  politischen 
und  an  natürlichen  Hindernissen,  davon  kann  man  sich  nur  durch 
eigene  Anschauung  einen  Begriff  machen. 

Mit  Recht  nennt  man  die^e  Gegenden  die  „Mosquitokiiste“ :  eine 
c  n!I^.S  vot!  Stechfliegen,  Mücken,  Insekten  aller  Art  findet 
nirgends  auf  der  ganzen  Welt  wieder.  Infolgedessen  be¬ 
steht  eine  der  ärztlichen  Hauptaufgaben  in  der  Bekämpfung  der 

^ereYnzelte  FU|lDrinm  cTFT  Dysent^rie’  Ankylostomatosen,  und 
6  Gelbfieber  vor.  Nach  übereinstimmenden  von¬ 
einander  unabhängigen  Mitteilungen  der  in  Tropenkrankheiten  gut 
Ä”d“1'"  gefürchtete  „SchwarZwasserfie5f  so  “u 

klaren,  dass  drei  Faktoren  ursächlich  Zusammenwirken  und  die 
Erscheinungen  des  Schwarzwasserfiebers  auslösen:  erstens  hat  jeder 
y  f P ?h,wa rfwasf  rfiebe r  Erkrankte  bereits  früher  an  Malaria  gelitten 
nemer  ^a  a  Sf  ^rfo^reich  mit  Chinin  behandelt  worden.  Bei  er- 

-  nürf  •  MÄIariainfek*10n  tntt  dan"  Iiach  Verabreichung  von  Chinin 

roten  Rh,ReinStennDoSfn  ^  manchen  Patienten  unter  Zerfall  der 
roten  Blutkörperchen  die  Ausscheidung  des  schwarzen  Harnes-  das 

-  chwarzwasseriieber  auf.  So  kam  es  vor,  dass  von  zwei  gleichzeitig 

hlehfe"  Dn  ariarv  daS  liospitaI  eingelieferten  Patienten,  denen  gleich 
kleine  Dosen  Chinin  verabreicht  wurden,  der  eine  nach  wenige 

S  an  Schwarzwasserfieber  starb,  während  der  andere  gesund 
ui  de.  Es  handelt  sich  beim  Schwarzwaserfieber  demnach  nicht 
,,,,,  ettte  eigeotliche  Chininvergiftung,  sondern  1  eine  |J£„l2 

fm  BlutT  1  bC1  wiederholter  Anwesenheit  von  Malariaplasmodien 

Die  vereinzelt  zur  Beobachtung  kommenden  Gelbfieberkranh-pn 
Sen  kÄutbÄrS  aUffa"endes  Krankheitsbild.  Auf  de^plgmem 

sich  StÄie  VeriKnänfc-  duJlkel  gefärbten  Mischlinge  lässt 
sieht  man  e  k?lim  erkemien,  nur  an  der  Konjunktiva 

Wie  iS  Ge lhfi?hib  arbli!^'  -DAe  blutigen  Dejektionen  kommen  ebenso 
auch  sonst Ci  bei  Dysenterie  vor,  und  das  Erbrechen  ist 
'  C1irtun?t  Begleiterscheinung  anderer  tropischer  Darmaffektionen 

zueesteSSnSwSir^ö  si,ora,disclie,  ™e  von  Gelbfiete™  icht  °gern 

ÄpÄSSSfififiSl 


No.  19. 

pischen  klimatischen  Bedingungen  angepasst  sind  die  Hospitäler  in 
der  nordamerikanischen  Panamakanalzone,  besonders  die  Hospitäler 
in  Colon  und  das  grosse  schon  von  den  Franzosen  begründete  Ancnn 
hospital  m  Panama.  Bekanntlich  hat  der  Kanalbau  Hunderttausend-' 
von  Menschenopfern  gefordert.  Die  endlosen  Gräberfelder  auf  dem 
Affenhugel  (jetzt  Mount-of-Hope  genannt)  in  Colon  und  in  Pana  t  , 
legen  stummes  Zeugnis  dafür  ab  —  aber  seit  dem  Eingreifen T4 
Nordamerikaner  in  das  Riesenwerk  des  Kanalbaues  wird  nach  den 
Grundsätzen  der  modernen  Gesundheitspflege  gearbeitet  ohne  An 
seliung  der  Kosten.  Die  Assanierung  der  sumpfigen  Niederungen  „i 
Colon,  die  rationelle  Anlage  der  Siedehmgen  und  der  Militärlair  i- 
langs  des  Kanals,  die  ideale  Lage  und  mustergültige  Einrichtung  der 
Hospitäler  sind  Beweis  dafür,  dass  die  Nordamerikaner  mit  aturtl- 
sachsisch-germanischer  Energie  und  Gründlichkeit  das  grosse  Werk¬ 
ln  die  Hand  genommen  haben  und  vollenden  werden. 

Der  ausführliche  Bericht  über  die  interessante  Studienreise  des 
Vortragenden  wird  an  anderer  Stelle  veröffentlicht  werden.  Fi„  ■ 
giosse  Anzahl  von  Lichtbildern,  zumeist  nach  eigenen  Aufnahm-m" 
illustrierten  den  Vortrag.  “■'«‘innen. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  März  1913. 

Herr  S  t  a  m  m  demonstriert  und  berichtet  über  einen  Fall  von 
tntentis  necrotica-fibrinosa  bei  einem  Neugeborenen,  das  im  Wödi- 
nerinnenheim  von  gesunder  Mutter  geboren  wurde.  Hartnäckige 
,  bstipation  des  Kindes,  aufgetriebener  Leib  und  gelegentlich  Er¬ 
brechen  waren  die  einzigen  klinischen  Symptome  der  Erkrankung 
L‘-e  ..i, '  b®stand  . nicht,  Nabel  und  Mundhöhle  ohne  anormalen  Befund. 
Dm. üblichen  Abführmittel,  wie  Glyzerinklistier,  Kalomel  0,005  3  ma* 
täglich,  Klistier  von  Syrup  und  Milch  und  Ol.  Ricini  waren  wirkungs- 
los;  erst  am  8.  Lebenstage  erfolgten  mehrere  stinkende  braungelb- 
Stuhle.  Am  10.  Tage  erfolgte  der  Exitus  im  Kollaps. 

Die  S  e  k  t  i  o  n  ergab:  Völlig  normales  Verhalten  des  Nabels. 
Keine  äussere  stenosierende  Ursache  für  eine  Darmverengerung.  Dir 
t1.e*ur  kollabiert.  Im  unteren  Drittel  des  Dünndarms  und  der  oberen 
Hälfte  des  Dickdarms  längsgestellte  Nekrosen;  flache  Ulzerationen 
mit  grauem,  schmierigem,  fibrinösem  Belag  und  flachen  reaktions- 
,  Josen  Rändern  ohne  stärkere  entzündliche  Infiltration  der  Umgebung 
;  ,e.  fibrinösen  Membranen  lassen  sich  in  grossen  Stücken  leicht 
abziehen,  an  der  darunter  liegenden  Schleimhaut  sind  kleine  Hämo'- 
ihagien  sichtbar.  Peyersche  Haufen  und  Lymphknoten  makro¬ 
skopisch  nicht  affiziert,  auch  die  übrigen  Organe  in  Brust  und  Bauch 
H!^t-oPa+th°cfoCh  verändert.  Histologisch  zeigte  sich,  dass  an  den 
fp?"  Stellen  die  Schleimhaut  nirgends  ganz  zerstört  war,  dass 
der  Eibrinbelag  mit  zeitigen  Elementen  untermischt  war,  dass  in  den 
lefeien  .  chichten  der  Mukosa  und  in  der  Submukosa  keine  entzünd¬ 
lichen  oder  degenerativen  Veränderungen  bestanden 
n.  ,  ,U‘®  inde™  Belage  vorhandenen  Bakterien  Hessen  sich  färberisch 
nicht  klassifizieren.  Eine  bakteriologische  Untersuchung  des  Blutes 
geführt  ""werderf0 1 leimhäiit  konnte  aus  äusseren  Gründen  nicht  aus-' 

Der  Mangel  jedes  anderen  pathologischen  Befundes  lässt  eine 

Affpktinn  tbvter’itlS  aecrotlca  aI$  sicher  annehmen,  die  als  septische 
-  rfpL  r  00  n  Vergleich  211  stellen  ist  zu  den  septischen  Schleimhaut- 
oruSS-.Y16  s‘e  Epstein  und  Bracely  als  Pseudodiphtheria 
oris  beschrieben  haben.  In  unserem  Falle  muss  eine  Zersetzung  des 
p0tesulir  die  Bchleimhautaffektion  verantwortlich  gemacht 
Se";  El,n,e  Puerperalerkrankung  bei  der  Mutter  oder  eine  In¬ 
fektionskrankheit  im  Wochnerinnenheime  lag  nicht  vor. 

n,lSekyis^io.n  zum  Vortrag  des  Herrn  Allard:  Zur  Diagnose 
des  Ulcus  duodeni. 

•  ,  Hei  1  Schmilinski:  Obwohl  artifizielle  Blutungen  bei  vor- 

dnrHw!  pAnTndUL-nff-  duS  Magensch,auches  selten  und  ausserdem 
nb^cphl  makroskopische  und  mikroskopische  Kontrolle  kaum  zu 

srhpn  p  K  nd’  wird  P1!11  bei  Verwertung  def  positiven  Weber- 
r,ob?  irn  ausgeheberten  Mageninhalt  das  Gefühl  nicht  los,  cs 
SÄ!' >ch  emma‘  ei?e  künstlich  hervorgerufene  Blutung  durch- 
fusälapm  fifl"  l+ind.  a  S  uspontane  gedeutet  werden.  Es  scheint 
veShwUr  nthe£re.t,sch  'acht  undenkbar,  dass  bei  einem  Pylorus- 
Stmm  Hpr  n  ha dCrV  OelProbefrühstück  Blut  von  dem  rückläufigen 
weiOnr  !  Duodenalsekrete  abgestreift  und  im  Ausgeheberten  nach- 
in  Hpn  n  irC\  y.abread  es  beim  gewöhnlichen  Brotprobefrühstück 
in  den  Darm  befördert  wird  und  im  Mageninhalt  fehlt. 

az i r I i t -i t r p m n pVPr! S n b F 'i t  vorwärts  in  der  Diagnose  der  mit  Supcr- 
der  Frkenntnf«rSHa«  dr6n  Kehmefzen |  in  der  Magengegend  besteht  ir 
sindr  Qnnäpl  ’  dass  dasQros 1  derselben  nicht  nervöse  Superazidiiäten 
oder  [  ,P  :1U  ulzerösen  Prozessen  beruht,  sei  es  nun  im  Magen 
auch  2Ä  Die  Unterscheidung  dieser  beiden  untereinander  ist 
mcM  £  Berueksichtigung  aller  in  Betracht  kommenden  Symptome 
ÄS  mogbeh.  Das  betrifft  besonders  die  Trennung  der 

man  nnrh  f£rn  V°m  d?nen,  im  Duodemim-  Röntgenologisch  kann 
denalgpänd  ?  f  daS  M^rknial  verwerten:  Stellt  man  sich  die  Duo- 
12  5  1  f  Rontgensch'rm  mit  enger  Blende  genau  ein 
teihf  i  nn  u’,daSS-gende  hier  ein  schmerzhafter  Druckpunkt 
sclSimmapn  fP-  h-  dies  f"r  Duodenalgeschwür,  falls  die  übrigen  Er- 
SSE*  -i  !  /  eV!Cn  gesehwiirigen  Prozess  und  gegen  Gallensteine 
sprechen.  Unter  Umstanden  ist  die  Unterscheidung  zwischen  Ulcus 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1065 


3.  Mai  1913. 


itl  Cliolelithiasis  unmöglich.  Auch  der  röntgenologische  Nachweis 
in  der  bekannten  Hypermotilität  bei  Superazidität  zeigt  nur,  dass 
der  Duodenum-üallenblasenecke  ein  Reizzustand  besteht, 
iczifisch  für  Duodenalulcus  ist  sie  nicht.  Oegen  Kälte  sind  die  Duo- 
nalgeschvvüre  in  der  Tat  empfindlich.  Das  so  oft  in  den  Herbst 
ilende  Wiederauftreten  der  Schmerzperioden  darf  aber  nicht  allein 
f  die  Kälte  zurückgeführt  werden,  da  auch  die  Frühjahrszeit  sich 
*  kritisch  erweist.  Die  Bevorzugung  von  Herbst  und  Frühjahr  für 
»  Schmerzen  der  Magen-  ebenso  wie  der  Duodenalgeschwüre  hängt 
t  der  grösseren  Reizbarkeit  des  Organismus  in  den  Uebergangs- 
ireszeiten  zusammen.  Bestätigen  kann  S.  die  Abmagerung  der 
anken  während  der  Schmerzperioden  trotz  genügender  Nahrungs- 
fnahme.  Man  hat  geradezu  den  Eindruck  einer  Zehrung.  Sehr 
■  Ulcus  duodeni  sprechen  Parästhesien  in  beiden  Armen  und  Händen 
f  der  Höhe  eines  Schmerzanfalls. 

Herr  Oehlecker:  Dass  die  schwersten  Ulcera  duodeni 
t  ventriculi)  oft  keinerlei  Symptome  machen,  beweisen  die  per- 
ierten  Ulzera.  Es  handelt  sich  hier  fast  nur  um  Männer.  Wohl 
;hr  als  die  Hälfte  dieser  Männer  hat  bis  zum  Augenblick  der 
rioration  keine  oder  nur  geringfügige  Beschwerden  gehabt.  —  Bei 
r  Operation  der  an  der  Pylorusgrenze  durchgebrochenen  Ge- 
hwiire  ist  es  oft  nicht  leicht,  genau  festzustellen,  ob  es  sich  um 
i  Ulcus  pylori  oder  Ulcus  duodeni  handelt.  Im  letzten  Jahre  hat  O. 
Fülle  operiert,  von  denen  2  sicher  als  perforierte  Ulcera  duodeni 
zeichnet  werden  konnten.  (6  Fälle  wurden  durch  Naht,  Ueber- 
hung,  gründliche  Spülung  der  Bauchhöhle  und  Gastroenterostomia 
rocolica  post,  geheilt.)  —  O.  fühlt  sich  berechtigt  nach  den  Studien, 

:  er  in  Rochester  in  Minn.  gemacht  hat,  warm  für  die  Zahlen  ein- 
ireten,  die  die  Gebrüder  M  a  y  o  über  das  Ulcus  duodeni  angeben. 

diesem  einzigartigen  chirurgischen  Betriebe  strömt  eben  ein 
ormes  Material  derartiger  Fälle  zusammen.  Vielleicht  kommt  auch 
s  Ulcus  duodeni  infolge  der  Sitten  und  Unsitten  (ständiges  Eis- 
issertrinken,  Kauen  usw.)  der  Amerikaner  in  den  Vereinigten 
:  laten  häufiger  vor. 

Herr  Schottmüller. 

Herr  v.  Bergmann  bespricht  zunächst  als  Ergänzung  zum 
richte  A  1 1  a  r  d  s  die  Röntgendiagnostik  des  Ulcus  duodeni,  da 

I  rüber  der  Vortragende,  wie  er  hervorhob,  Erfahrung  nicht  besass. 
t  sser  jenen  Zeichen,  die  in  der  Röntgenliteratur  bereits  niedergelegt 
:  d  und  zum  Typus  der  Hypermotilität  bei  Ulcus  duodeni  gehören 
duodenale  Magenmotilität“  gleich  Hyperperistaltik  der  Pars  antri 

I I  beschleunigter  Austreibung,  oft  verkürzter  Entleerungszeit)  und 
;>ser  jenen  ebenfalls  schon  bekannten  Zeichen  am  Duodenum  selbst: 

.  ulbus  duodeni“,  duodenaler  Zapfen,  Füllung  grösserer  Teile  be- 
:•  rlich  des  ganzen  Duodenums  und  endlich  duodenales  Nischen- 
s  nptom  (penetrierendes  Ulcus),  gibt  es  einen  Typus,  der  neu  ist, 

: '  bei  der  Röntgenuntersuchung  wie  bei  der  gesamten  übrigen 
1  tuschen  Betrachtung  sich  als  geradezu  gegensätzlich  abtrennen 
Ist:  Krampf  des  Pylorus,  atonischer,  grosser,  fast  bewegungsloser 
Egen  und  dabei  kolossalste  Parasekretion.  Dieser  Typus,  von 
'  e  s  t  p  h  a  1  und  Katsch  am  Material  der  medizinischen  Abteilung 

Altona  entdeckt,  verläuft  klinisch  zum  Teil  als  Reichmann  sehe 

■  inkheit.  Es  werden  für  alle  Röntgenphänomene,  die  zum  kleinsten 
i!  die  Diagnose  Ulcus  duodeni  entscheidend  sichern  (Nischeri- 

i  nptom),  zum  grösseren  Teil  nur  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen 
s  üschen  Zeichen  die  Diagnose  mehr  oder  weniger  stützen,  Beispiele 
i  der  Hand  eigener  Diapositive  demonstriert.  Jedenfalls  ist  bei 
;em  Verdacht  auf  Ulcus  duodeni  es  bedingungslos  indiziert,  die 

■  ntgenuntersuchung  vorzunehmen. 

Herr  v.  Bergmann  betont  zweitens  mit  allem  Nachdruck, 
Fs  er  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  allgemeiner  nervöser  Symptome 
I  entgegengesetzten  Auffassung  wie  Herr  A  1 1  a  r  d  sei.  Die  ner¬ 
ven  Symptome  wurden  bei  30  Fällen  von  Ulcus  duodeni  eigener 
:  Pachtung  kaum  jemals  vermisst,  davon  sind  25  Fälle  durch 
. eration,  Perforation  oder  Meläna  als  Ulzera  sichergestellt;  gerade 
' -  das  Ulcus  ventriculi  findet  sich  auch  das  Ulcus  duodeni  ganz 
1  wiegend  bei  Menschen,  die  im  vegetativen  Nervensystem  in  be- 

■  nmter  Weise  stigmatisiert  sind;  man  muss  nur  sie  zu  untersuchen 
’  stehen  und  nicht  gewissermassen  nach  charakterlichen  Eindrücken 
'■rflächlich  urteilen  wollen,  ob  diese  Kranken  einen  „nervösen  Ein- 
I  ck“  machen  oder  nicht.  Es  werden  die  Zahlen  verlesen,  aus  denen 
i  vorgeht,  wie  häufig  unter  25  daraufhin  genau  untersuchten  Fällen 
’i  Ulcus  duodeni  die  einzelnen  Stigmata  des  vegetativen  Nerven¬ 
iems  (auch  die  pharmakologisch  nachweisbaren)  als  vorhanden 

i  gestellt  werden  konnten.  In  dem  so  definierten  Sinne  hat  das 
•  us  ventriculi  und  duodeni  Beziehungen  zum  viszeralen  Nerven- 
I  tem. 

Herr  v.  Bergmann  betont  gegenüber  Herrn  Fraenkel, 

■  s  für  die  hier  von  ihm  hervorgehobenen  diagnostischen  Gesichts- 
|ikte,  nämlich  die  gesamte  klinische  und  besonders  die  Röntgen- 
Ignostik,  ebenso  für  die  Diagnostik  im  viszeralen  Nervensystem 
;  gleichgültig  ist,  ob  die  Ulzera  ausnahmslos  hinter  dem  Pylorus 
essen  haben,  denn  das  klinische  Problem  lautet:  Ulcus  oder  kein 
I  us.  Die  klinische  Gruppierung  wird  einteilen  müssen  nach  den 
'•chwerden  und  Symptomen,  die  längst  für  Ulcus  ventriculi 
ssisch  waren  und  deshalb  die  Diagnose  Ulcus  ventriculi  so  häufig 
I  len  Hessen  und  jenen  erst  Stunden  nach  der  Mahlzeit  auftretenden 
ichwerden,  die,  ebenso  wie  die  sonstigen  klinischen  Symptome 

atypischer  sind  und  deshalb  bisher  die  Diagnose  so  selten  ermög- 
1  ten.  In  diesen  Fällen,  die  jetzt  nicht  so  schwer,  wie  die  meisten 


Vorredner  zu  glauben  scheinen,  diagnostizierbar  sind  (20  bestätigte 
Diagnosen  in  3A  Jahren  hat  v.  B.  zu  verzeichnen),  handelt  es  sich  fast 
ausnahmslos  um  Ulzera  des  Duodenum,  während  früher  diese  Fälle 
ganz  vorwiegend  als  Magenneurosen  aufgefasst  wurden,  gerade  an 
Ulcera  ventriculi  denkt  man  bei  dieser  ganzen  Symptomgruppe  am 
allerwenigsten. 

Herr  Simmonds:  Ich  möchte  auf  eine  nicht  ganz  seltene 
Form  des  Ulcus  duodeni  hinweisen,  die  in  der  Diskussion  bisher  nicht 
berücksichtigt  worden  ist,  das  der  Säuglinge.  Ich  habe  öfter  bei 
älteren  Säuglingen,  die  längere  Zeit  an  zunehmender  Anämie  ge¬ 
litten  hatten,  die  niemals  im  Erbrochenen,  wohl  aber  in  den  Fäzes 
Blutspuren  erkennen  Hessen,  als  Quelle  dieser  Blutungen  ein  kleines 
Ulcus  duodeni  angetroffen.  Da  Magenulzera  in  diesem  Lebensalter 
sehr  selten  sind,  liegt  in  derartigen  Fällen  die  Diagnose  eines  Ulcus 
duodeni  am  nächsten. 

Herr  Luce:  Es  gibt  Fälle  von  Ulcus  duodeni,  die  unter  dem 
Bilde  der  Reichmann  sehen  Krankheit  verlaufen  (mit  Hyper¬ 
sekretion,  Angina  abdominis  und  anderen  Symptomen).  Meist  handelt 
es  sich  um  Leute  zwischen  dem  50.  und  60.  Lebensjahr,  die  an  ein 
üppiges  Leben  gewohnt  sind.  Die  Reichmann  sehe  Krankheit 
kann  Vorläufer  des  Ulcus  duodeni  sein. 

Herr  Fraenkel:  Die  Skepsis  gegenüber  den  Angaben  der 
Gebrüder  M  a  y  o  ist  meines  Erachtens  nicht  in  dem  Sinne  auf¬ 
zufassen,  dass  ihre  Glaubwürdigkeit  auch  nur  im  mindesten  ange- 
zwreifelt  wird,  als  vielmehr  so,  dass  die  Deutung  der  von  ihnen  bei 
Operationen  als  Ulcera  duodeni  betrachteten  Geschwüre  nicht  zu¬ 
treffend  ist.  Denn  das  möchte  ich  hier  doch  aussprechen,  dass  ich 
es  für  ausserordentlich  schwer,  wenn  nicht  für  un¬ 
möglich  halte,  bei  der  Betrachtung  von  aussen  eine 
Entscheidung  darüber  zu  fällen,  ob  ein  Geschwür 
diesseits  oder  jenseits  des  Pylorus  sitzt.  Ich  habe 
mich  wiederholt  bei  Sektionen  davon  überzeugen  können,  dass  bei 
Operationen  als  Duodenalgeschwüre  imponierende  Ulzera  dem 
Magen  angehörten  und  umgekehrt.  Es  ist  bisweilen  noch  am  auf- 
geschnittenen  Präparat  nicht  leicht,  sofort  ins  Klare  darüber  zu 
kommen,  ob  man  es  mit  einem  diesseits  oder  jenseits  des  Pylorus 
gelegenen  Uleus  zu  tun  hat.  Es  muss  aber  unter  allen  Umständen 
daran  festgehalten  werden,  dass  von  einem  Duodenal¬ 
geschwür  nur  dann  gesprochen  werden  darf,  wenn 
es  jenseits  des  Pylorus  sitzt.  Keinesfalls  ist  man 
berechtigt,  ein  Geschwür,  das  klinisch  die  Erschei¬ 
nungen  eines  Duodenalgeschwürs  macht,  sich  aber 
bei  der  Operation  oder  Sektion  als  vor  dem  Pylorus 
gelegen  erweist,  trotzdem  als  Duodenalgeschwür  zu  be¬ 
zeichnen.  —  Bedauerlich  ist  es,  dass  in  die  Röntgenologie  für  den 
oberen  horizontalen  Duodenumschenkel  die  in  der  anatomischen 
Terminologie  unbekannte  Bezeichnung  „Bulbus  duodeni“  eingeführt 
worden  ist.  Der  Ausdruck  ist  überflüssig  und  nur  dazu  angetan,  Ver¬ 
wirrung  anzurichten. 

Herr  W  e  s  t  p  h  a  1  weist  darauf  hin,  dass  von  den  30  Ulcera 
duodeni  v.  Bergmanns  16  bei  der  Operation  oder  Sektion 
autoptisch  festgestellt  seien.  Stets  habe  das  Ulcus  im  Duodenum 
ein  bis  anderthalb  Querfinger  hinter  der  Pylorusvene  gesessen,  nur 
ein  Fall  mache  eine  Ausnahme,  wo  ein  markstückgrosses,  in  das 
Pankreas  perforiertes  Ulcus  duodeni  mit  kallösem  Rande  auf  den 
Pylorus  Übergriff.  Entgegen  der  Meinung  v.  Hansemanns  hat 
Gruber  jüngst  an  HO  Fällen  von  peptischen  Erosionen  oder  Ulzera 
des  Duodenum  die  grosse  Beständigkeit  der  Pylorusvene  und  hiermit 
ihren  grossen  Wert  für  die  Lokalisation  eines  Ulcus  dies-  oder  jenseits 
des  Pylorus  feststellen  können. 

Herr  Schmilinsky:  Die  gesteigerte  Erregbarkeit  der  Ulcus- 
kranken  zeigt  sich  auch  in  dem  zum  Glück  nicht  häufigen,  sehr 
gefährlichen  postoperativen  Magensaftfluss.  Die  ausgebrochenen 
Säuremengen  können  1 — 2  Liter  in  24  Stunden  betragen.  Die  Um¬ 
gebung  des  Mundes  kann  dadurch  angeätzt  werden.  Als  Flüssigkeits¬ 
ersatz  eingeführte  Kochsalzklistiere  machen  die  Sache  nur  noch 
schlimmer.  Es  bleibt  schliesslich  oft  nichts  übrig  als  überhaupt  keine 
Flüssigkeit,  keine  Nahrung  für  1 — 2  Tage  zuzuführen.  Pharma¬ 
kologisch  interessant  ist  die  zauberhafte  Wirkung  des  Atropins,  die 
nicht  nur  den  Saftfluss  beruhigt,  sondern  auch  Schlaf  bringt,  während1 
Morphium  die  Kranken  aufregt  und  den  Fluss  unbeeinflusst  lässt. 
S.  erinnert  wegen  des  Zusammenhangs  von  Ulcus  und  Nervensystem 
noch  an  die  ausgezeichnete  Arbeit  Rössles,  welcher  auch  bei  der 
Entstehung  der  Ulzera  dem  Nervensystem  eine  wichtige  Rolle 
beimisst.  S.  möchte  hinzufügen,  dass  das  wahrscheinlich  auch  für 
die  mangelnde  Heilungstendenz  gilt.  Würde  man  die  zum 
Geschwür  führenden  Nervenbahnen,  welche  der  Wunde  die  Reize 

von  der  Peripherie  und  vom  Zentralnervensystem  aus  zuleiten _ bei 

den  Nervösen  in  vermehrter  Weise  und  ungehemmt  — ,  durch- 
schneiden  können,  so  würde  die  Heilung  vermutlich  häufiger  schneller 
und  dauernd  von  statten  gehen. 

Herr  A  1 1  a  r  d  (Schlusswort)  weist  unter  Eingehen  auf  die  ver¬ 
schiedenen  Diskussionsbemerkungen  darauf  hin,  dass  die  Diagnose 
auch  bei  Vorhandensein  des  für  charakteristisch  geltenden 
Symptomenkomplexes  immer  nur  eine  Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
sei;  sicher  könne  man  nur  sein,  wenn  in  der  Operation  oder  Ob¬ 
duktion  das  Ulcus  wirklich  im  Duodenum  gefunden  werde.  Er  macht 
aufmerksam  auf  die  Erfahrung  Kiimmells,  dass  bei  dem  voll¬ 
ständig  vorhandenen  charakteristischen  Symptomenkomplex  von  ihm 
bei  der  Operation  fast  stets  ein  Ulcus  pylori  gefunden  wurde,  aber 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


auch  umgekehrt  bei  den  Symptomen  eines  Magengeschwürs  ein 
typisches  Ulcus  duodeni.  Es  sei  also  jeder  Beitrag,  der  die  Diagnose 
zu  stützen  vermöge,  zu  benutzen,  und  er  hoffe,  dass  die  von  ihm  an¬ 
gegebene  Methode  sich  in  manchen  Fällen  als  brauchbar  erweisen 
werde. 

Herr  O.  S  c  li  u  m  m  und  Herr  R.  Fleischmann:  Unter¬ 
suchungen  über  den  Alkoholgehalt  der  Spinalflüssigkeit  und  des  Blutes 
bei  Alkoholisten  und  Deliranten. 

Herr  0.  S  c  h  u  m  in :  Schottmüller  und  Schümm  haben 
vor  einiger  Zeit  nachgewiesen,  dass  bei  Trinkern  häufig  ein  Ueber- 
tritt  von  Alkohol  in  die  Spinalflüssigkeit  erfolgt.  Um  die  allgemeinen 
Beziehungen  zwischen  Alkoholaufnahme  und  Alkoholgehalt  der  Spinal¬ 
flüssigkeit  zu  erforschen,  hat  Schümm  auf  der  von  Oberarzt 
Dr.  N  o  i!  n  e  geleiteten  Abteilung  für  Nervenkranke  gemeinsam  mit 
Dr.  R.  F 1  e  i  s  c  h  m  a  n  n  Untersuchungen  angestellt,  die  ergeben 
haben,  dass  die  Spinalflüssigkeit  von  Trinkern  Aethylalkohol  in  einer 
Menge  bis  etwa  0,5  Proz.  enthalten  kann.  Selbst  nach  Aufnahme 
grosser  Mengen  von  Alkohol  nimmt  der  anfangs  hohe  Alkoholgehalt 
der  Spinalflüssigkeit  verhältnismässig  rasch  ab,  so  dass  die  nach 
I  agesfrist  entnommene  Spinalflüssigkeit  keinen  Alkoholgehalt  mehr 
aufweist.  Das  Blut  enthielt  durchweg  weniger  Alkohol  als  die  Spinal¬ 
flüssigkeit.  Durch  diese  Beobachtungen  wird  die  von  Schott¬ 
in  ü  1 1  e  r  geäusserte  Vermutung,  dass  die  Spinalflüssigkeit  eine 
Tendenz  zur  Anreicherung  mit  Alkohol  besitze,  gestützt.  Besonders 
wichtig  erschien  die  Bearbeitung  der  schon  von  Schottmüller 
aufgeworfenen  Frage,  ob  die  Spinalflüssigkeit  bei  Deiiranten  zur  Zeit 
des  Anfalls  etwa  eine  Anreicherung  mit  Alkohol  aufweise,  einer 
Frage,  die  in  der  ersten  Untersuchung  von  Schottmüller  und 
Schümm  aus  Mangel  an  geeignetem  Krankenmaterial  nur  an 
einen'  abgelaufenen  Falle  hatte  geprüft  werden  können.  — 
Die  von  Schümm  und  Fleischmann  bei  Deliranten  aus¬ 
geführten  Untersuchungen  haben  ein  nahezu  eindeutiges  Resultat 
ergeben. 

Ferner  wurde  geprüft,  ob  etwa  Azetaldehyd  oder  Azeton  mehr 
oder  weniger  regelmässig  als  Begleiter  des  Alkohols  auftreten.  Azet¬ 
aldehyd  wurde  bislang  nicht  gefunden,  Azeton  jedenfalls  nicht  in 
solcher  Menge,  dass  dadurch  die  Sicherheit  der  von  Schlimm  zum 
Alkoholnachweis  benutzten  Proben  beeinträchtigt  wurde.  Schümm 
bespricht  die  verschiedenen  zum  Nachweis  von  Alkohol  dienenden 
Reaktionen  und  demonstriert  einen  neuen  einfachen  Apparat  zum 
Nachweis  von  Alkohol  in  der  Spinalflüssigkeit.  Zu  dieser  Alkohol¬ 
probe,  die  in  etwa  5  Minuten  ausgeführt  werden  kann,  sind  nur  etwa 
3 — 6  ccm  Spinalflüssigkeit  erforderlich.  5  ccm  Flüssigkeit  mit  einem 
Alkoholgehalt  von  0,02 — 0,03  Proz.  geben  noch  ein  deutlich  positives 
Resultat. 

Dass  das  aus  dem  Blute  gewonnene  Destillat  wirklich  Alkohol 
enthielt,  wurde  durch  den  positiven  Ausfall  aller  wichtigen  Reaktionen 
auf  Alkohol  besonders  festgestellt. 

Da  gegen  die  auf  der  Anwendung  der  Chromsäure-Oxydations- 
probe  beruhenden  quantitativen  Bestimmungsmethoden  von 
Nicloux,  Landsberger,  Cotte,  Qrehant  u.  a.  der  Einwand 
erhoben  werden  kann,  dass  damit  auch  andere  Stoffe  als  Alkohol 
mitbestimmt  werden,  so  hat  Schlimm  alle  quantitativen  Bestim¬ 
mungen  nach  dem  sehr  zuverlässigen  gewichtsanalytischem  Verfahren 
von  Zeisel-Fanto-Stritar  ausgeführt.  —  Ausführliche  Mit¬ 
teilung  erfolgt  im  Neurologischen  Zentralblatt. 

Herr  O.  Schümm:  Betreffs  des  von  Herrn  Dr.  Schott¬ 
müller  gefundenen  hohen  Wertes  (Alkoholgehalt  0,8  Proz.)  wäre 
es  erwünscht  zu  wissen,  ob  die  betreffende  Titration  am  Destillat  der 
Spinalflüssigkeit  oder  an  der  Spinalflüssigkeit  selbst  ausgeführt  ist. 

Herr  R,  F  I  e  i  s  c  h  in  a  n  n:  Klinischer  Teil, 

Redner  weist  zuerst  darauf  hin,  dass  bei  quantitativen  Alkohol¬ 
analysen  im  Blut  und  Liquor  auch  mit  der  Möglichkeit  einer  Ent¬ 
stehung  von  Alkohol  im  Körper  selbst,  durch  Gärung  der  Kohlen¬ 
hydrate,  gerechnet  werden  muss. 

Bei  allen  untersuchten  Betrunkenen  fand  sich  im  Liquor  Alkohol, 
und  zwar  zwischen  1,5  und  4,0  Prom.  Nach  24  Stunden  war  der 
Alkohol  aus  dem  Liquor  verschwunden. 

Bei  10  Fällen  von  Delirium  tremens  fand  sich  kein  Alkohol  im 
Liquor.  Ein  Fall  war  unklar.  Redner  ist  der  Ansicht,  dass  es  sich 
bei  dem  Delirium  tremens  um  eine  Abstinenzerscheinung  handelt, 
hervorgerufen  durch  die  plötzlich  veränderten  Ernährungsvorgänge 
im  Liquor  cerebrospinalis. 

Bei  experimentellen  Versuchen  mit  genau  abgemessenen  Alkohol- 
Ka^)et.1..,er^a^  sich;  das  der  Alkoholgehalt  des  Liquor  und  des  Blutes 
ungefähr  proportional  der  genossenen  Alkoholmenge  ist,  dass  der 
Alkoholgehalt  des  Blutes  mit  Ausnahme  der  ersten  Stunde  immer 
etwas  niedriger  ist  als  der  Alkoholgehalt  des  Liquors.  Bezüglich  der 
Ausscheidungsverhältnisse  zeigte  sich,  dass  der  Alkohol  im  Blut  und 
Liquoi  nach  raschem  Anstiege  in  der  1.  Stunde  sich  einige  Stunden 
aut  einer  gewissen  Höhe  hält  (Q  r  e  h  a  n  t  sches  Plateau),  fällt  nach¬ 
her  langsam  und  ist  nach  längstens  24  Stunden  im  Blut  und  Liquor 
veischwunden. 

Bei  diesen  Versuchen  musste,  um  ein  einigermassen  richtiges 
Resultat  zu  bekommen,  grosses  Gewicht  auf  Gleichartigkeit  des 
Materials  gelegt  werden,  ebenso  mussten  zahlreiche  Fehlerquellen 
berücksichtigt  werden. 

Der  Druck  des  Liquors  war  bei  Betrunkenen  im  Gegensatz  zu 
den  befunden  von  Schott  m  ii  1 1  e  r  sehr  selten  erhöht.  Redner 
glaubt  den  (j rund  hierfür  in  der  starken  Veränderlichkeit  des 


Liquordruckes,  bedingt  durch  Pressen,  Husten,  Schreien  zu  finden 
Bei  Deliranten  war  der  Druck  in  der  grössten  Zahl  der  Falb  atiri 
nicht  erhöht. 

Vertragen  wurde  die  Punktion  von  allen  Untersuchten  gut,  oh 
wohl  15—20  ccm  Liquor  abgelassen  wurden  und  derselbe  ’nich 
durch  physiologische  Kochsalzlösung  ersetzt  wurde. 

Einen  therapeutischen  Erfolg  der  Punktion  konnte  Redner  in 
Gegensätze  zu  S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r  nicht  wahrnehmen. 

Redner  weist  am  Schlüsse  seiner  Ausführungen  noch  auf  ver 
schiedene  hierhergehörige  Fragen  hin,  die  bei  vorliegender  Arbei 
noch  nicht  berücksichtigt,  sondern  späteren  Untersuchungen  vor 
behalten  wurden. 

Mit  Schwöisheimer  hält  Redner  eine  Verwertung  dei 
Alkoholanalyse  für  differentialdiagnostische  Zwecke  wohl  möglich; 
dieselbe  forensisch  zu  verwerten,  hält  er  zurzeit  noch  nicht  für 
angebracht. 

Diskussion:  Herr  S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r:  M.  H.!  Ich  begrüsse 
es  mit  besonderer  Freude,  dass  die  Untersuchungen  über  Alkohol, 
in  der  Spinalflüssigkeit  von  Herrn  Dr.  Nonne  aufgenommen  worden 
sind.  Auch  wir  haben  unsere  Arbeiten  auf  diesem  Gebiet  fortgesetzt,: 
zum  Teil  auch,  weil  Vorkastner  und  Neue- Greifswald  Zweitel': 
an  unseren  Ergebnissen  aussprachen.  Unter  anderen  Ratten  wir  in 
letzter  Zeit  Gelegenheit,  2  Alkoholisten  zu  untersuchen,  von  denen 
einer  lVa  Stunden  vor  der  Punktion  1  Liter  Alkohol  zu  sich  genommen 
hatte.  Im  Liquor  fanden  wir  0,59  Proz.  Alkohol,  bei  dem  anderen 
Pat.,  welcher  in  völlig  betrunkenen  Zustand  zur  Aufnahme  kommt, 
konnten  wir  sogar  0,8  Proz.  Alkohol  im  Liquor  feststellen,  das  ist 
eine  ausserordentlich  hohe  Quantität. 

Der  Nachweis  wurde  geführt  durch  die  Methode  von  Nicloux, 
mit  welcher  durch  Kalium  bichromat.-Lösung  als  Indikator  der 
Alkohol  im  Destillat  festgestellt  wurde.  Besonders  interessant  war 
mir,  dass,  gleich  wie  in  einem  früheren  Falle  von  uns,  auch  der  Vor¬ 
tragende  gefunden  hat,  dass  im  Delirium  tremens  die  Spinal¬ 
flüssigkeit  frei  von  nennenswerten  Alkoholmengen  gefunden  wurde. 
Ein  Beweis,  dass  dieser  Zustand  durch  eine  Summation  von  Alkohol 
im  Gehirn  nicht  bedingt  wird. 

Herren  Nonne  und  B  o  r  n  s  t  e  i  n. 

Herr  Holzmann  erwidert  auf  die  angeschnittene  Frage  nach 
der  Einwirkung  des  Alkohols  auf  die  biologischen  Reaktionen,  ins¬ 
besondere  auf  die  Kobrareaktion,  dass,  trotzdem  chronischer  Alkn- 
holismus  fast  immer  auf  dem  Boden  der  Degeneration  erwächst,  die 
Kobrareaktion  bei  Alkoholisten,  wenn  es  sich  nicht  um  pathologische 
Rauschzustände  handelt,  negativ  ausfällt 

Das  sei  auf  dem  ersten  Blick  um  so  auffallender,  als  Pighini, 
dessen  Resultate  der  chemischen  Blutuntersuchung  in  Bezug  auf  den 
Cholesteringehalt  sonst  recht  gut  mit  den  Ergebnissen  der  Kobra¬ 
reaktion,  bei  der  der  positive  Ausfall  bisher  auf  Vermehrungdes 
Blutes  an  Cholesterin  zurückgeführt  wurde,  übereinstimmen,  die 
grösste  Cholesterinvermehrung  bei  Alkoholisten  hat  nachweisen 
können. 

Wie  die  Untersuchungen  der  Vortragenden  dartaten,  könne 
keinesfalls  die  hämolytische  Wirkung  des  Alkohols  diese  Divergenz 
erklären,  da  nach  diesen  der  Alkohol  verhältnismässig  rasch  wieder 
aus  dem  Blut  verschwindet,  wohingegen  der  Ausfall  der  Reaktion  bei ' 
zeitlich  verschiedenen  Entnahmen  konstant  war.  *)  Die  Ursache  sei 
vielmehr  darin  zu  finden,  dass  im  Experiment,  wie  H.  nachweiseu 
konnte,  der  Ausfall  der  biologischen  Reaktion  nicht  nur  von  einer 
unteren,  sondern  auch  von  einer  oberen  Grenze  des  Cholesterin¬ 
gehaltes  abhängig  sei. 

Herr  Jakob  betont  vornehmlich  zwei  Momente,  die  das  Deli¬ 
rium  tremens  als  Intoxikationspsychose  (im  weitesten  Sinne)  und 
nicht  als  „Entwöhnungspsychose“  charakterisieren:  einmal  spricht: 
der  anatomische  Befund  schwerer  akuter  Veränderungen  neben 
solchen  chronischer  Natur  im  ganzen  Nervensystem,  namentlich  in 
der  Grosshirnrinde  beim  Delirium  tremens  sehr  für  eine  toxische 
Schädigung;  weiterhin  sind  klinische  Fälle  bekannt,  wo  sich  aus 
einem  Delirium  tremens  heraus  eine  akute  Alkoholhalluzinose  ent¬ 
wickelt,  die  schliesslich  allmählich  in  eine  chronische  Alkoholpsychosc 
übergeht.  Jedenfalls  sind  diese  Uebergänge  fliessende,  und  eine 
scharfe  Trennung  zwischen  akuten  und  chronischen  Alkoholpsychos.n 
ist  klinisch  kaum  mehr  aufrecht  zu  erhalten. 

Herr  Trömner  begrüsst  die  vorgetragenen  Versuche  be 
sonders  deshalb,  weil  sie  die  Meinung  derjenigen  zu  stützen  geeignet 
sind,  welche  im  Delirium  tremens  weder  eine  Alkoholintoxikation 
noch  ein  Abstinenzdelirium  sehen,  sondern  eine  Erkrankung  sui 
generis.  Dass  es  keine  Alkoholvergiftung  selbst  ist,  beweist  schon 
der  Gegensatz  zwischen  seinen  Symptomen  und  denen  der  akuten 
Alkoholvergiftung,  des  Rausches:  Hier  Lähmungen,  Assoziations¬ 
erschwerung.  Abstumpfung  aller  Sinne,  Euphorie,  Indolenz,  dort  da¬ 
gegen  motorische  und  sensorielle  Erregung,  ängstliche  Unruhe.  Für 
einen  solchen  Gegensatz  sprechen  zum  Teil  auch  die  pathologisch- 
anatomischen  Befunde,  relative  Bevorzugung  der  Grosshirnzellen 
dort,  relativ  häufigeres  Befallensein  der  Purkinje  sehen  Zellen  bei 
experimenteller  Alkoholvergiftung,  wie  T.  es  früher  hier  befunden 
hatte.  Wenn  ferner  das  Delirium  tremens  auf  Abstinenz  beruhte,  so 
müsste  man  es  durch  Alkoholzufuhr  heilen  können.  Vielmehr  weisen 


)  Ebensowenig  können,  wie  ein  Briefwechsel  mit  Pighini 
ergab,  die  Unterschiede  im  untersuchten  Material  zur  Erklärung  her¬ 
beigezogen  werden. 


i.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1067 


:ber,  Albuminurie,  Blutveränderungen  und  andere  mehr  oder 
niger  häufige  Symptome  darauf  hin,  dass  es  eine  akute  Erkrankung 
auf  dem  Boden,  der  durch  Alkohol  veränderten  Organe  vielleicht 
ie  Autointoxikation  vom  Madendarmkanal  aus  (Jakobso  n). 

Hei r  Kafka  hebt  hervor,  dass  sich  aus  den  vorgetragenen 
runden  neben  dem  vielen  sonst  Interessanten,  auch  Bemerkens¬ 
ites  für  unsere  Anschauungen  über  die  Natur  und  Entstehung  der 
rebrospinalfliissigkeit  zu  ergeben  scheint.  Di:  Tatsache,  dass 
<ohol  in  einer  Menge  in  die  Spinalflüssigkeit  zu  übertreten  vermag, 
zeitweise  grösser  ist  als  jene  im  Blute,  während  sonst  die  meisten 
>ffc  zurückgehalten  werden  oder  nur  in  sehr  geringen  Mengen  bei 
^dauernder  Zufuhr  erscheinen  (Ausnahmen  bilden  Urotropin 
eton  u.  a  ),  deutet  auf  eine  Entstehung  der  Spinalflüssigkeit  durch 
ktive,  einer  Sekretion  nahestehende  Zelltätigkeit  hin. 

Von  Intei  esse  wäre  auch  die  im  Tierversuch  vorzunehmende 
ralleluntersuchung  der  Spinal-  und  Ventrikelflüssigkeit,  die  neben 
-htigen  pathognomischen  Erkenntnissen  auch  für  die  Sicherstellung 
">  noch  in  Diskussion  stehenden  Entstehungsortes  des  Liquors  von 
chtigkeit  wäre.  Zum  Schluss  stellt  K.  an  Herrn  Fleisch  m  a  n  n 
Anfrage,  ob  sich  zwischen  den  senil  und  paralytisch  Dementen  in 
"  Menge  und  Zeit  des  Uebertrittes  des  Alkohols  in  die  Spinal- 
:ssigkeit  ein  Unterschied  fand. 

Heri  Brückner  erinnert  daran,  dass  nach  Mitteilungen  in 
Literatur  im  Blut  von  Alkoholisten  die  W  assermann  sehe 
aktion  gelegentlich  positiv  gefunden  sein  soll,  und  fragt  an,  ob 
auch  bei  den  Alkoholliquoren  gemacht  und  bei  den  höheren  Alko- 
,  (werten  etwa  positiv  gefunden  ist. 

Des  weiteren  wendet  er  sich  gegen  die  von  Herrn  Schott- 
1  1  Iler  empfohlene  Methode,  die  entnommenen  Liquormengen 
ecks  Vermeidung  von  Meningismus  durch  Kochsalzlösung  zu  er¬ 
zen,  da  der  Meningismus  selten  gleich  nach  der  Punktion,  meist 
! i'*!  --tun den,  sehr  häufig  erst  nach  24  Stunden  einsetzt,  also  zu  einer 
.  It,  wo  die  Druckverminderung,  wie  durch  Experimente  erwiesen, 
gst  ausgeglichen  ist,  so  dass  in  dieser  allein  nicht  wohl  die  Ur- 
;he  des  Meningismus  gesehen  werden  kann. 

J  Heri"  Reye  hat  in  60  Fällen  von  schwerem  Alkoholismus  den 
issermann  gemacht;  dieser  ist  immer  negativ  ausgefallen 
Herr  Römer. 

Hei r  Fleischmann  (Schlusswort) :  Auf  Anfrage  von  Herrn 
lifka  teilt  Redner  mit,  dass  nach  seiner  Erfahrung' bei  Dementia 
■lilis  der  Alkohol  aus  Blut  und  Liquor  langsamer  ausgeschieden 
■  rden,  als  bei  Dementia  paralytica.  Auf  Anfrage  von  B  r  ü  ckne  r, 
v;s  der  Liquor  auch  immer  serologisch  untersucht  wurde;  das  Re- 
tat  stimmte  immer  mit  den  anamnestischen  Angaben  überein 
1  mer  teilt  Redner  noch  mit,  dass  bei  einigen  seiner  Fälle  der 
wuordruck  nach  seiner  Ansicht  auch  vermehrt  gewesen  sei.  Der 
sicht  von  Römer,  dass  die  Druckerhöhung  des  Liquors  infolge 
'  1  P’exnserweiteruiig  und  hierdurch  bedingter  vermehrter  Sekretion 
!  Alkoholisten  sei,  kann  Redner  nicht  beistimmen,  da  die  Druck- 
tiöhung  dann  bei  allen  Alkoholikern  gefunden  werden  müsste. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  T  h  o  r  n. 

Herr  Wendel  demonstriert  einen  embryonalen  Nierentuinor, 

■  i  er  bei  einem  6  jährigen  Mädchen  durch  transperitoneale  Nephrek- 
lie  entfernt  hat.  Der  grosse  rechtsseitige  Tumor  hatte  keine  Be- 

-  werden,  keine  Urinveränderungen  gemacht.  Er  war  entdeckt  wor- 
- 1,  als  bei  einer  akuten  Epityphlitis  durch  den  Hausarzt  eine  Pal- 
lon  vorgenommen  wurde.  Die  rechte  Niere  w^ar  durch  den  Tumor. 

■  die  Niere  an  Grosse  um  das  vielfache  übertrifft,  nach  abwärts  ge- 

■  mgt  und  abgeplattet  worden,  war  aber  im  übrigen  normal  und  gut 
ktionsfähig.  Der  Tumor  war  ausserordentlich  weich,  fast  fluk- 
:rend,  enthielt  eine  mit  blutigem  Detritus  angefüllte  Zerfallshöhle. 

ui  der  Niere  war  er  mikroskopisch  durch  eine  Kapsel  getrennt.  Die 
eration  geschah  mit  rechtsseitigem  Pararektalschnitt.  Bauchhöhle 
mal,  linke  Niere  von  normaler  Grösse,  Lage,  Konsistenz.  Es  ge¬ 
lb  auf  dem  breit  vorliegenden  Tumor  das  hintere  Peritoneum  zu 
ulten,  mit  dem  Kolon  ascendens  abzulösen  und  durch  Annähung  der 
•'sprechenden  Schnittränder  des  vorderen  und  hinteren  Peritoneums 
Operation  extraperitoneal  zu  beenden.  Die  Heilung  wmrde  durch 

•  en  gleichzeitig  vorhandenen  Keuchhusten  verzögert,  erfolgte  aber 
s  ist  glatt. 

Die  Geschwulst  gehört  zu  den  von  Birch-Hirschfeld  als 
'enosarkom  bezeichneten  Mischgeschwülsten. 

Im  Anschluss  daran  werden  3  Grawitzsche  Tumoren  der 
'  re  demonstriert,  von  denen  2  auf  lumbalem  Wege,  einer  trans- 

•  itoneal  mit  Erfolg  entfernt  wurden.  Der  transperitoneale  Weg 

•  r  nötig,  weil  die  Zystoskopie  nicht  genügte,  einen  hinreichenden 
i Schluss  über  die  andere  Niere  zu  geben.  Besprechung  der  Diffe- 
tialdiagnose.  Demonstration  von  mikroskopischen  Präparaten. 

Herr  Völsch  demonstriert  das  Gehirn  eines  Mannes,  welcher 
;en  missglückten  Selbstmordversuch  durch  einen  Schuss  gegen  die 
irn  gemacht  hatte.  Das  Geschoss  war  dicht  über  der  Nasenwurzel 
■gedrungen,  hatte,  wie  das  Röntgenogramm  zeigte,  die  Basis  des 
•lädels  in  der  Gegend  der  Crista  galli  frakturiert  und  war  dann, 

■  di  unten  rechts  abweichend,  an  der  vorderen  Keilbeinfläche  hinter 


der  rechten  Augenhöhle  stecken  geblieben;  es  war  nicht  in  den  Schä¬ 
del  eingedrungen.  Der  Mann  hatte  ausser  schweren,  durch  die  Ver¬ 
letzung  bedingten  Schädigungen  der  Nerven  des  rechten  Auges  (Opti¬ 
kus,  Okulomotorius,  Trigeminus)  eine  leichte  zentrale  VH-Parcse 
links  und  eine  linksseitige  lichtstarre  Pupille.  Da  Wassermann  im 
Blut  und  Spinalpunktat  positiv  war,  da  der  Patient  psychisch  ver¬ 
ändert  wai  und  angeblich  schon  vor  dem  vielleicht  auch  nicht  ge¬ 
nügend  motivierten  Suizidversuch  verändert  gewesen  sein  sollte, 
wurde  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  Dementia  paralytica  ge¬ 
stellt.  _  Es  kam  infolge  einer  hinzutretenden  infektiösen  Meningitis 
zum  Exitus.  Die  Sektion  ergab  keine  Paralyse,  aber  einen  grossen 
Blut-  und  Erweichungsherd  im  rechten  Stirnlappen,  sowie  eine  wal¬ 
nussgrosse  Contrecoupblutung  in  der  Substanz  der  rechten  Klein- 
hirnhemisphäre. 

Diskussion:  Herren  Wendel,  Sandmann,  Banke, 
Völsch. 

Herr  T  hie  in  ich:  Die  Verwendung  von  Medikamenten  bei  der 
Behandlung  kranker  Kinder.  I.  Teil. 

Nach  einer  allgemeinen  Einleitung  über  die  Perioden  dirfe- 
i  ierender  Wertschätzung  von  Arzneimitteln  geht  Vortragender  spe¬ 
ziell  auf  die  Rolle  der  Medikamente  bei  der  Behandlung  der  Er¬ 
nährungsstörungen  ein.  Gegenüber  den  eigentlichen  Magendarm¬ 
symptomen  haben  sie  wenig  Erfolg,  zur  Behebung  der  begleitenden 
oder  komplizierenden  Symptome  (wie  z.  B.  Herzschwäche,  Schlaf¬ 
losigkeit)  sind  sie  kaum  ganz  entbehrlich.  (Der  Vortrag  erscheint 
ausführlich  in  den  „Fortschritten  der  Medizin“.) 

Diskussion:  Die  Herren  Wendel,  E.  Schreiber,  But¬ 
te  n  b  e  r  g,  S  c  h  ö  t  z,  v.  A  1  v  e  n  s  1  e  b  e  n,  H  i  1  g  e  r,  Tourneau. 

Herr  T  hie  mich  (Schlusswort):  Die  Wirkung  des  Adrenalins 
ist  offensichtlich,  wrenn  auch  nur  für  höchstens  einige  Stunden.  Die 
von  Wendel  herangezogene  Analogie  mit  der  Herzschwäche  bei 
diffuser  Peritonitis  ist  nicht  überzeugend,  überdies  sind  m.  W.  in 
letzter  Zeit  Bedenken  gegen  die  Richtigkeit  der  bisher  angenommenen 
Pathogenese  der  Herzschwäche  bei  Peritonitis  geäussert  worden. 
Eine  Nachwirkung  des  Adrenalins  ähnlich  der  von  Herrn  S  c  h  ö  t  z 
geschilderten  ist  mir  bei  unseren  Beobachtungen  nicht  aufgefallen. 

Dass  das  Kalomel  auch  in  der  Therapie  der  Erwachsenen  an 
Boden  verliert,  wie  Herr  Schreiber  betont  hat,  ist  mir  neu  und 
interessant.  Ueber  die  Rektalernährung,  nach  der  Herr  v.  A  1  v  e  n  s  - 
leben  gefragt  hat,  liegen  bisher  keine  überzeugenden  Erfahrungen 
vor,  die  günstig  wären;  die  Hauptsache  scheint  dabei  die  Zufuhr  von 
Wasser  und  Salzen  zu  sein.  Auf  den  Alkohol,  den  Herr  Butten¬ 
berg  erwähnt  hat,  komme  ich  im  2.  Teile  meines  Vortrages  bei  den 
Krankheiten  der  Respirationsorgane  zu  sprechen.  Auf  Wunsch  von 
Herrn  H  i  1  g  e  r  gebe  ich  genauere  Zahlen  über  die  Dosierung  des 
Chloralhydrats.  Die  von  Herrn  Tourneau  bezweifelte  Möglich¬ 
keit,  Speikinder,  die  wenige  Monate  alt  sind,  mit  Breifütterung  hoch- 
zubrimgen,  hängt  zum  grossen  Teile  von  der  Geschicklichkeit  und  Ge¬ 
duld  der  Pflegerin  ab.  Unseren  Schwestern  im  Krankenhause  gelingt 
es  erstaunlich  oft. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  2.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  J.  Mülle  r. 

Herr  V  o  1  k  m  a  r  -  Wiesbaden  (als  Gast):  Ueber  Harnsäure¬ 
intoxikationen,  speziell  deren  frühzeitiges  Erkennen  und  deren  spe¬ 
zifische  Behandlung. 

Frühe  eigene  Erkrankung  an  schwerer  Gicht,  der  absolut  nega¬ 
tive  Erfolg  bisheriger  Behandlungsmethoden,  führten  nach  mühevollen 
Versuchen  zum  Fund  des  Formaldehyd-Natriumbisulfit  als  hervor¬ 
ragendes  Spezifikum  gegen  Harnsäureintoxikationen. 

Anwendungsweise:  endovenös  und  zwmr  täglich  5  ccm  einer 
10  proz.  Lösung  (0,5  Kochsalzlösung). 

Nach  wenigen  Injektionen  ausnahmslose  Coupierung  eines  jeden 
Gichtanfalles. 

Besondere  Kategorie  bilden  die  mit  Colchicum  behandelten  Gich- 
tiker,  Niederlage  auf  Niederlage  erfolgte,  w^enn  auch  nicht  so  inten¬ 
siv  wie  früher.  Endresultat  absolut  günstig.  Giftüberempfindlichkeit 
auf  Colchicum  während  und  nach  der  Behandlung. 

Die  chronische  Gicht  erfordert  grosse  Geduld  seitens  des  Kranken 
wie  des  Arztes.  Injektionen  allein  nützen  nichts.  Das  verödete  resp. 
nekrotische  Gewebe  muss  durch  Massage  zertrümmert  werden 
zwecks  Erreichung  eines  geordneten  Blutumlaufes,  die  Versteifungen 
und  Deformationen  der  Gelenke  müssen  korrigiert  wmrden,  ev.  in 
Narkose. 

Der  günstige  Erfolg  bei  Gichtikern  mit  arteriosklerotischen  Er¬ 
scheinungen,  mit  überstandener  Gallensteinoperation  führte  zu  Ver¬ 
suchen  bei  reinen  Arteriosklerotikern  und  typischen  Gallenstein¬ 
kranken.  Erfolg  war  frappant.  Selbst  vollentwickelte  ArterioskLn  ose 
winde  günstig  beeinflusst,  solange  das  Herz  noch  einigermassen  suffi¬ 
zient  w7ar. 

Der  Hauptwert  der  Methode  beruht  auf  der  Erkennung  der  sog. 
Präsklerose,  bei  der  nur  funktionelle  Störungen,  keine  materiellen 
Schädigungen  an  den  Organen  vorhanden  sind.  Die  grösste  Anzahl 
der  Präsklerotiker  ist  zu  finden  in  der  Legion  der  sog.  Ueber- 
arbeiteten,  „nervös“  Ueberreizten  unseres  angeblich  nervösen  Zeit¬ 
alters.  In  Wirklichkeit  liegt  der  Grund  in  der  allgemein  zu  üppigen 


1068 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  19 


Lebensweise,  in  dem  Fehlen  ausreichender  Körperbewegung  und  in 
der  leider  zu  oft  bestehenden  Heredität. 

Die  Cholelithiasis  in  unkomplizierter  Form  wird  rasch  und 
dauernd  beseitigt.  Während  der  Behandlung  häufige  Rezidive.  Der 
objektive  Befund  an  Leber  und  Galle  wird  absolut  negativ.  Früh¬ 
zeitige  Erkennung  der  sog.  larvierten  Cholelithiasis,  die  sich  in  der 
Hauptsache  als  eine  schleppend  verlaufende  Gastralgie  charakteri- 
f‘ert’.ul!Ld ,die. Bildung  von  Steinen  und  ein  Eingreifen  des  Chirurgen 
,Ur j  r  7  .  PT1  1  unmöglich  machen.  Differentialdiagnostisch  wichtig 
sind  die  Injektionen  bei  Vermutung  von  Magen-  und  Darmkrankheiten, 
spez.  der  nervösen  Dyspepsie,  welch  letztere  nur  eine  Folgeerschei¬ 
nung  der  Harnsäureintoxikation  ist. 

Der  Leberdiabetes  hat  seine  Ursache  in  Störung  des  Leberstoff- 
wechsels  nach  Seite  der  Zuckerregulation,  vergesellschaftet  mit  Gicht 
oder  Arteriosklerose.  Günstiger  Erfolg. 

Eine  Reihe  von  Herzstörungen  wird  in  ihrer  Endursache  klar,  wie 
,  Hypertrophie,  Dilatation,  Mitralgeräusche,  muskuläre  Schwäche, 
I  alpitationen,  besonders  die  Herzaffektionen  in  und  nach  dem  Klimak¬ 
terium. 

Anzahl  der  Injektionen  ohne  Einschränkung.  In  leichten  Fällen 
ca.  30,  in  schweren  ca.  50  und  mehr. 

Das  Natriumbisulfit  oxydiert  im  Blute  zu  S02  und  Sulfaten. 

.,  * oenerscheinungen :  Rein  individuell  ein  kurzdauernder  Schüt¬ 

telfrost,  Müdigkeit  und  Schlappheit  in  den  Gliedern;  nicht  etwa  auf 
Rechnung  des  Formaldehyd-Natriumbisulfit  direkt  zu  setzen,  sondern 
entstanden  durch  die  Ueberflutung  des  Blutes  mit  gelöster  Harnsäure. 

Wasserfrage  existiert  nicht  wegen  des  Formaldehyd. 

Die  subkutane  Injektion  ist  recht  schmerzhaft  wegen  des  ätzen¬ 
den  Formaldehyd. 

Vernünftige  Lebensweise  ist  unerlässlich :  wenig  Fleisch,  viel  Ge- 
iinise  und  Obst,  kein  Alkohol,  keine  Genussmittel. 

Die  kombinierte  Wirkung  des  Formaldehyd  und  der  SO-  im  Blute 
gab  die  Veranlassung  zu  Versuchen  bei  Infektionskrankheiten.  Spe¬ 
zifische  Beeinflussung  ergab  sich  bei  Pneumonie,  Puerperalfieber, 
Scharlach,  Erysipel,  Malaria  und  deren  Nachkrankheiten.  Ebenso  bei 
den  infektiös-toxischen  Herzstörungen  nach  Typhus  und  Gelenk¬ 
rheumatismus.  Auffallend  bei  der  Pneumonie  bereits  nach  den  ersten 
Injektionen  das  Zurückkehren  der  vorher  beschleunigten  Herzaktion 
des  vorher  jagenden  Pulses  zur  Norm,  ferner  das  Wohlbefinden  des 
Kranken  trotz  des  oft  ausgedehnten  Entziindu-ngsprozesses  auf  der 
Lunge  und  trotz  des  hohen  Fiebers. 

Dosis:  Täglich  2  Injektionen  ä  5  ccm,  event.  hintereinander. 

Iierversuche  konnten  im  grossen  Massstabe  mit  Unterstützung 
aes  jrreussischen  Landwirtschaftsministeriums  angestellt  werden. 

,  •  .,<P^S  Formaldehyd-Natriumbisulfit  ist  unter  dem  Namen  „Fona- 

.„I11 .  AmPulJen  ä  5  ccm  bei  der  Firma  Krewel  &  Co.  in 
Koln/Rhein  erhältlich. 

Näheres,  besonders  über  die  Theorie  siehe  Vortrag. 

.  TI  „  (Autoreferat.) 

cn  pP,1  S  d11  sls  1 ,°  11 :  Herr  R  e  i  c  h  o  1  d  hat  über  das  Mittel  an 
50  Fallen  Beobachtungen  gesammelt.  Die  Beobachtung  am  Kranken- 
bett  scheint  Volkmar  Recht  zu  geben;  seine  Ansicht  über  die  ge¬ 
störte  Leberfunktion  bei  Gicht  ist  nichts  Neues  (Charkow  En¬ 
ste  i  n,  v.  N  o  o  r  d  e  n).  ' 

uPier  päHe  R.s  entstammen  fast  alle  der  Privatpraxis.  Beim  akuten 
Gichtanfall  schon  nach  der  ersten  Einspritzung  Schüttelfrost  und  bald 
Schlaf  und  Schmerzfreiheit. 

Von  den  chronischen  sind  folgende  besonders  erwähnenswert; 

„  ,  ,  ^Hvon  35  Jahre  dauernder  Gicht.  Kontraktur  fast  sämtlicher 
Gelenke,  Hüfte,  Knie  etc.  Druckempfindlichkeit  der  Lebergegend. 
Vergrosserung  der  Leber.  Nach  der  7.  Injektion  Schlaf  und  Nach¬ 
lassen  der  Schmerzen.  Nebenbei  Massage  und  Bewegungsübungen. 
Im  Aetherrausch  Streckung  des  Kniegelenkes.  Schon  nach  wenigen 
ochen  steht  Patientin  auf.  Nach  der  35.  Einspritzung  sind  die  Ge¬ 
lenke  bis  auf  ein  Geringes  beweglich  und  schmerzfrei. 

2.  31  jähriges  Mädchen,  welches  seit  vielen  Jahren  an  Ver¬ 
steifung  mehrerer  Gelenke  leidet  mit  vielen  Schmerzen.  Nach  der 
2.  Injektion  konnte  sie  die  Nacht  durchschlafen,  nach  2  Monaten 
Konnte  sie  gehen.  Die  Besserung  ging  rasch  vorwärts.  14U  Ein¬ 
spritzungen.  Leber  längst  zur  Norm  zurückgekehrt. 

3)  59  jährige  Frau,  welche  seit  März  1912  bettlägerig  ist  Sie 
Konnte  nach  4  \\  ochen  gehen.  Interessant  und  dankbar  sind  auch  die 
r alle,  bei  welchen  sich  die  Harnsäureablagerungen  nur  in  den  Mus- 
ein  iinaen  und  Schmerzen  und  Steifheit  in  den  Gliedern  verursachen. 
Dieselben  wurden  nebenbei  energisch  massiert.  Auch  werden  zahl- 
reiche  mit  Erfolg  behandelte  Fälle  mitgeteilt.  Seine  Versuche  über  die 
enandlung  von  Infektionskrankheiten  sind  noch  nicht  abgeschlossen 

Herr  K  o  n  i  g  e  r  -  Erlangen  (als  Gast)  möchte  die  Mitteilungen 
ner  Herren  Vortragenden  nicht  unwidersprochen  hinausgehen  lassen. 
Die  theoretischen  Ausführungen  des  1.  Vortragenden 
können  einer  wissenschaftlichen  Kritik  nicht  standhalten,  sie  sind  teils 
s  unbegründete  Vermutungen,  teils  direkt  als  Irrtiimer  zu  erweisen, 
jegenuber  dem  Versuche,  in  der  Lebervergrösserung  ein  Kriterium 
der  „Harnsaureintoxikation“  und  in  der  -beobachteten  Abnahme  der 
Leberschwellung  ein  Zeichen  der  Besserung  der  Leberfunktion  zu  er¬ 
blicken,  \v  eist  K.  auf  die  tatsächlichen  Schwierigkeiten  in  der  kli¬ 
nischen  Beurteilung  der  Lebergrösse  und  der  Leberfunktion  hin.  Da 
sich  nun  das  diagnostische  Gebäude  ebenso  wie  die  Iridikationsstellung 
und  die  Kritik  der  Heilerfolge  vorzugsweise  auf  die  Bcobachtunv 
der  Lebergrosse  gründen,  so  muss  auch  die  G  r  u  n  d  1  a  g  e  d  e  r  m  i  t"- 


recht 


un 


geteilten  ärztlichen  Beobachtungen  als  eine 
sichere  bezeichnet  werden. 

Besonders  nachdrücklichen  Einspruch  aber  erhebt  K  eecr», 
die  heute  befürwortete  Anwendung  des  neue 
Mit  tels  in  der  allgemeinen  Praxis.  K.  hält  diese  Fmn 
fehlung  für  verfrüht  und  für  gefahrvoll.  Ueber  den  Heilwert  des  Mit 
tels  lasse  sich  zurzeit  überhaupt  noch  nicht  diskutieren,  zweifelin 
sei,  dass  die  Wirkung  des  Mittels  noch  völlig  unklar  und  dass  vo 
allem  die  Unschädlichkeit  (zumal  bei  der  häufigen  intravenösen  In 
jektion!)  noch  keineswegs  erwiesen  sei.  Aus  den  Berichten  der  Vor 
‘^en  gehe  hervor,  dass  das  Mittel  nicht  indifferent  sei,  habe 
doch  bei  manchen  Kranken  Fröste  und  mehrtägige  Mattigkeit  hervor 
gerufen.  Unbedingt  müsse  zunächst  eine  gründliche  er 
perimen  teile  Erforschung  gefordert  werden.  Erst  d  a 
nach  seien  eventuell  weitere  praktische  Versuche  am  Men 
sehen  gerechtfertigt,  die  zweckmäsig  unter  genauer  Anstaltsbeobadi 
tung  durchzufuhren  sein  würden.  Vorläufig  könne  vor  der  allgemeiner 
Anwendung  des  Mittels  nur  gewarnt  werden. 

Herr  R  e  i  z  e  n  s  t  e  i  n  frägt,  ob  Harnsäurestoffwechselversuchc 
gemacht  worden  seien.  Derartige  Erscheinungen,  wie  Leberschwel. 
iung,  sind  gewiss  nicht  massgebend  für  die  Diagnose,  ist  sie  da  s. 
wird  noch  lange  nicht  bewiesen,  dass  die  Harnsäure  schuld  ist  ’  Fr 
bezeichnet  es  als  immerhin  gefährlich,  so  ohne  weiteres  in  die  Venen 
einzuspritzen.  Ul 

Herr  J.  M  ü  1  le  r  weist  darauf  hin,  dass  es  viele  Fälle  von  Gicht 
ohne  Leberschwellung  gibt.  Manche  von  den  mitgeteilten  Fällen 
hatten  grosse  Aehnlichkeit  mit  chronischem  Gelenkrheumatismus  f\ 
muss  fordert  werden,  dass  vor  Anwendung  des  Mittels  beim  Men¬ 
schen  erst  I  lerversuche  gemacht  wrerden. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  Mai  1913. 
Demonstrationen: 


Herr  v.  Hansemann:  Demonstration  von  Präparaten  des 
Herrn  F  i  b  i  g  e  r  zur  künstlichen  Erzeugung  von  Krebs. 

Herr  v.  H.  betont  die  Bedeutung  der  F  i  b  i  g  e  r  sehen  Arbeiten. 
Fibiger  hat  zuerst  bei  Tieren  Krebs  durch  Verbitterung  erzeugt 
Man  kannte  zwar  schon  den  Bilharziakrebs,  man  hatte  durch  Röntgen- 
sti ahlenverbrennung  Krebs  unbeabsichtigt  hervorgerufen.  Fibiger 
hat  durch  Verfütterung  von  Schaben,  welche  Zwischenwirte  der 
bpiropteren  sind,  bei  Ratten  im  Magen  Karzinome  hervorgebracht, 
welche  ihrerseits  Metastasen  in  Lungen  und  Lymphdriisen  erzeugten 
ln  letzteren  fanden  sich  keine  Nematoden. 

Diskussion:  Herr  Fibiger,  welcher  als  Gast  anwesend 

ver™e}st  auf  seine  kurze  Mitteilung  in  der  Berl.  klin.  Wochenschr. 
Wesentlich  ist  die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  Karzinom  ent¬ 
steht,  ungelöst  die  Frage  der  Transplantation  des  erzeugten  Tumors. 
Mit  weiteren  Versuchen  ist  Fibiger  beschäftigt.  Gelungen  ist  ihm 
die  Krebserzeugung  auch  bei  Mäusen  und  auch  mit  anderen  Schaben, 
z.  B.  mit  der  Blatta  germanica. 

t  iJlerr  V  e  w  ‘  n.  weis.t  darauf  Inn,  dass  es  R  o  u  s  am  Rockefeller 
Institut  gelungen  ist,  mit  zellenfreiem  Filtrat  aus  dem  Osteosarkom 
der  Hühner  ein  Osteosarkom  zu  erzeugen. 

Herr  Katzenstein  hat  einen  Knaben  mit  fast  totaler  Läh- 
rnung  des  Armes  operiert  und  eine  gute  Beweglichkeit  des  gelähmten 
Armes  erzielt.  Er  pfropfte  den  N.  supraclavicularis  der  gesunden 
beite  auf  den  Plexus  brachialis  der  gelähmten.  Nach  etwa  2  Mo- 
na ten  stellt  sich  nach  und  nach  die  Beweglichkeit  in  zufrieden¬ 
stellender  Weise  ein. 

Bazu  Herr  Ioby  Cohn:  Es  handelt  sich  um  eine  poliomye- 
litische  Lähmung,  welche  7  Jahre  bestand.  Vor  der  Operation  w:ar 
nur  geringe  Bewegung  der  Finger,  leichte  Pronation  und  Flexion 
des  Vorderarmes  möglich.  Jetzt  kann  der  Knabe  Hand  und  Arm  gut 
beugen  und  strecken. 

,  ITHerr  Gontermann  bespricht  einen  Fall  von  Kalkmetastase» 

un  Unterhautzellgewebe. 

Bei  der  Patientin  war  vor  2  Jahren  nach  Bretschneider 
eine  Schwiele  am  4.  Metakarpophalangealgelenk  am  Handteller  ent- 
standen.  Bald  darauf  zeigte  sich  daselbst  ein  beweglicher  Knoten, 
welcher  langsam  wuchs  und  nach  einiger  Zeit  traten  peripher  davon 
mehrere  andere  verschiebliche  Knoten  auf.  Bei  der  Operation  traf 
man  auf  eine  Kapsel,  wie  bei  einem  Atherom,  und  es  entleerte  sieh 
als  Inhalt  phosphor-  und  besonders  kohlensaurer  Kalk. 

Diskussion:  Herr  v.  Hansemann:  Diese  Kalkmetastasen 
sind  sehr  selten.  Die  Kapsel  wird  durch  reaktives  Bindegewebe 
gebildet.  Die  Aetiologie  ist  fraglich.  Für  die  Propagation  ist  viel¬ 
leicht  eine  inzwischen  akquirierte  Syphilis  in  Anspruch  zu  nehmen.  I 

Tagesordnung: 

Herr  E.  Bum  in:  Ueber  die  Erfolge  der  Röntgen-  und  Meso- 
tlioriumbestrahlung  bei  Karzinom  der  weiblichen  Genitalien. 

Bekannt  ist  der  Erfolg  der  Röntgen-  und  Radiumbehandlung 
der  Kankroide.  Lassar  hat  vor  ca.  6  Jahren  in  der  medizinischen 
Gesellschaft  Heilerfolge  mit  Radiumbehandlung  vorgeführt,  doch  sind 
Kankroide,  auch  durch  Aetzmittel,  gut  zu  beeinflussen,  ihre  Neigung 
zur  Propagation  und  zur  Metastasierung  ist  gering  und  daher  selbst 
die  Aussicht  auf  Dauerheilung  gut. 


.  Mai  1913. 


MUENChKNKk  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1069 


Ganz  anders  verlialten  sich  die  Drüsen  und  Schleimhautkrebse. 
ch  vor  wenigen  Jahren  ergab  die  Diskussion  der  Vorträge  von 
n  k  u  s  und  Stricker,  dass  mit  der  Strahlentherapie  noch  nicht 
:le  Erfolge  zu  erzielen  sind.  Im  Verlauf  des  letzten  Jahres  ist 
in  mit  der  Strahlenbehandlung  erheblich  vorwärts  gekommen, 
durch,  dass  man  harte  Röntgenröhren  anwendet,  dadurch,  dass 
n  die  Strahlenfilterung  einführte  und  infolgedessen  grössere  Tiefen- 
rkung  zu  erzielen  vermochte,  endlich  durch  die  Herstellung  grös- 
er  Mesothoriummengen  konnte  man  diese  Krebse  viel  intensiver 
greifen  und  weit  grössere  Erfolge  erzielen.  B  u  m  m  hat  im  letzten 
nester  die  inoperablen  Karzinome  in  grosser  Zahl  mit  Röntgen- 
I  Mesothoriumstrahlen  behandelt.  Von  diesen  Fällen  greift  Vortr. 
,  e  Auswahl  von  12  mit  besonders  gutem  Erfolg  behandelten  Fällen 
aus  und  erläutert  diese  an  der  Hand  von  Skizzen,  die  nach 
1  üscher  Untersuchung  vor  und  nach  Beendigung  der  Behandlung 
.  ^geführt  worden  sind.  Die  Patientinnen  sind  teils  mit  Röntgen- 
;  s  mit  Mesothoriumstrahlen  behandelt,  teils  mit  beidem.  Es  sind 
.  >sse  Dosen,  bis  10  000  Kienböck  X-Einheiten  und  bis  15  000  mg 
f  sothoriumstunden,  angewendet  worden.  Die  Behandlung  hat 
(  chschnittlich  8  Wochen  gedauert.  Besonders  günstig  sind  die 
I  ttenepithelkrebse  beeinflusst  worden.  Eine  anatomische  Heilung 
i  rde  nicht  erzielt.  Verhärtungen  blieben  stets,  und  dort,  wo  nach 
i  Bestrahlung  der  Uterus  entfernt  worden  ist,  zeigte  sich  der 
i  ;bs  bei  anatomischer  Untersuchung  in  den  tieferen  Lagen. 

In  allen  12  Fällen  war  aber  ein  guter  klinischer  Erfolg  erzielt. 

!  Sekretion  hörte  auf,  das  karzinomatöse  Geschwür  hörte  auf  zu 
:  chen  und  zu  bluten.  Der  Tumor  hob  sich  besser  von  der  Um- 
.  )ung  ab,  diese  verhärtete  sich,  ln  einem  Falle  von  Harnröhren- 
<  bs  schwand  der  Tumor  bis  auf  eine  geringe  Verhärtung  der  Harn- 
r  renwand  völlig,  ob  durch  Resorption,  ist  fraglich.  Ueberhaupt 
,;t  sich  über  die  Wirkungsart  der  Strahlenbehandlung  nichts  Be- 
-nmtes  sagen,  ob  die  Wirkung  elektiv  auf  das  karzinomatöse  Ge- 
■'  be  ausgeübt  wird,  oder  ob  durch  die  Strahlen  ein  Reiz  auf  das 
gebende  Bindegewebe  erzielt  wird,  welcher  zur  Verhärtung,  zur 
i  ihnen  Umwandlung  führt  und  danach  die  Schrumpfung  und  das 
5  leben  des  Krebses  von  der  Umgebung  verursacht.  In  einigen 
-len  war  jedenfalls  die  Operation  durch  die  Strahlenbehandlung 
;  üchtert,  aus  einem  inoperablen  Fall  ein  operierbarer  geworden. 

onders  bei  Rezidiven  ist  die  Strahlenbehandlung  sehr  anzuraten. 

-  >erhaupt  sollte  man  jedes  operierte  Karzinom  systematisch  mit 
Strahlung  prophylaktisch  einige  Zeit  weiterbehandeln. 

Die  Technik  spielt  eine  grosse  Rolle,  Nekrosen  sind  bei  vor¬ 
iger  Dosierung  meist  zu  vermeiden;  aber  nicht  immer.  Einmal 
5  das  Karzinom  unterhalb  der  Blasenschleimhaut  total  zerfallen, 
kam  zur  Blasenperforation.  Ein  anderes  Mal  ist  bei  zu  starker 
'  ihlenwirkung  bei  einem  an  sich  verlorenen  Falle  eine  vollständige 
1  rose  des  Uterus  aufgetreten.  Man  soll  die  reaktive  Sklerosierung 
Umgebung  abwarten  vor  erneuter  Bestrahlung. 

Herr  H  e  n  d  r  y  erläutert  an  Präparaten,  die  er  am  Epidiaskop 
i;t,  wie  das  Karzinomgewebe  durch  die  Strahlenbehandlung  ana- 
(  isch-mikroskopisch  beeinflusst  wird.  Die  Oberfläche  des  Kar- 
nms  nekrotisiert,  die  Krebszellen  bekommen  Zeichen  der  De- 
ieration,  die  Kerne  schwinden.  Das  umgebende  Bindegewebe  ver- 
i  der  hyalinen  Degeneration,  sklerosiert.  R. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  24.  April  1913. 

O.  Marburg  demonstriert  in  Vertretung  von  Prof.  Mari- 
;  c  o  -  Bukarest  dessen  mikroskopische  Präparate,  welche  Spiro- 
ben  in  der  Hirnrinde  von  Paralytikern  zeigen.  Die  Spirochäten 
i2n  sich  in  der  dritten  Rindenschichte  (der  Schichte  der  mittel- 
r.sen  Pyramidenzellen),  aber  nicht  in  der  weissen  Substanz  und 
-i  nicht  in  den  oberflächlichen  Schichten.  Ausserdem  kommen  sie 
r  die  Gefässe  und  die  Ganglienzellen  herum  vor. 

Hollitschek  stellt  eine  23jährige  Frau  mit  M.  Basedowii 
Pulsverlangsamung  vor.  Pat.  zeigt  ein  enges  peripheres  Gefäss- 
'em  und  Zeichen  von  M.  Basedowii  (Exophthalmus,  Gräfesches 
!  S  t  e  1 1  w  a  g  sches  Symptom,  mässige  Struma  ohne  Gefäss- 
:iusche,  Tremor  der  Hände,  zeitweise  starkes  Schwitzen  an  den 
nen).  Merkwürdigerweise  weist  der  Puls  nur  50 — 60  Schläge 
ler  Minute  auf,  nur  vorübergehend  steigt  er  nach  starker  Er- 
:ing  auf  70 — 80;  daneben  bestehen  leichte  Arhythmie  und  Reiz- 
i:eit  des  Herzens.  Fälle  von  M.  Basedowii  mit  langsamem  Puls 
i  bisher  nur  selten  beschrieben  worden. 

Schönstein  führt  einen  44jährigen  Mann  mit  einer  isolierten 
Dneuslähmung  nach  Influenza  vor.  Solche  Lähmungen  nach 
enza  sind  nur  in  wenigen  Fällen  bekannt,  so  z.  B.  Sartorius- 
Dung  oder  Lähmung  des  Plexus  brachialis. 

Kahler  demonstriert  eine  53jährige  Frau  mit  klimakterischer 
üomalazie  und  Tetanie.  Nach  der  Menopause  bekam  Pat.  rheu- 
i)ide  Schmerzen  in  den  Extremitäten.  Sie  kann  jetzt  weder  stehen 
>i  gehen;  wenn  sie  aufstehen  will,  treten  blitzartige  Schmerzen  in 
:  Oberschenkeln  auf.  Sie  leidet  ferner  an  hochgradiger  Osteo- 
iizie:  die  Wirbelsäule  ist  kyphoskoliotisch  verkrümmt,  die  Rippen 
r  deformiert,  das  Becken  zeigt  die  typische  osteomalazische  Form 
i vorspringender  Symphyse.  Die  unteren  Extremitäten  sind  leicht 


häretisch,  besonders  die  Adduktoren,  die  Reflexe  sind  gesteigert. 
Ausserdem  leidet  Pat.  an  Tetanie. 

K.  G  1  ä  s  s  n  e  r  demonstriert  Röntgenbilder,  anatomische  Prä¬ 
parate  und  einen  Patienten  mit  Magenerkrankungen. 

M  ii  1 1  e  r  demonstriert  mikroskopische  Präparate,  in  denen 
eosinophile  Zellen  im  Blute  nach  einer  besonderen  Methode  gefärbt 
sind.  Vortr.  hat  die  eosinophilen  Zellen  mit  Chroinatoxylinlack  nach 
der  Methode,  von  Smith-Dietrich  gefärbt,  welche  er  in  folgender 
Weise  modifiziert  hat:  Es  wurde  nicht  fixiert.  Bis  zur  Differenzierung 
dürfen  die  Präparate  nicht  mit  Wasser  oder  Metallinstrumenten  in 
Berührung  kommen;  die  Färbung  wird  mit  Ausnahme  des  Differen- 
zierens  in  demselben  Gefäss  und  im  Thermostaten  vorgenommen. 
Die  eosinophilen  Granula  färben  sich  schwarzbraum  oder  schwarz¬ 
blau.  Die  Untersuchungen  des  Vortr.  ergaben,  dass  die  eosinophilen 
Granula  Lipoidkörper  enthalten.  Nach  Entfernung  der  Lipoide  tritt 
die  Färbung  nicht  auf,  ebenso  auch  nicht  bei  pseudo-eosinophilen 
Zellen. 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  25.  April  1913. 

Prof.  Dr.  M.  Benedikt  stellt  eine  Frau  mit  einer  Kernläsion 
des  Akustikus  und  des  Vestibularis  vor. 

Dr.  R.  Bach  rach  demonstriert  aus  der  Chirurg.  Abteilung 
Prof.  Zuckerkandis  2  Männer,  bei  welchen  er  Tumoren  der 
Urethra  mittels  Fulguratfon  erfolgreich  behandelt  hat.  Einmal  be¬ 
stand  Hypertrophie  und  Schwellung  des  Colliculus  seminalis  und  da¬ 
neben  ein  Polyp,  ein  anderes  Mal  eine  Krebsmetastase  in  der  Narbe 
nach  Sectio  alta  (1  Jahr  lang  ohne  Rezidive).  2  Polypen  am 
Sphincter  internus  der  Blase  einer  Frau  verschwanden  6  Tage  nach 
der  Fulguration.  Die  Urethroskopie  sollte  öfter  angewandt  werden. 

Prof.  Dr.  J.  Schnitzler  zeigt  einen  Mann,  bei  dem  er  einen 
Abszess  in  der  motorischen  Hirnregion  eröffnet  hat  (Schussverletzung, 
zweimaliger  Eingriff,  Heilung),  sodann  eine  Frau,  welche  sich 
während  einer  Psychose  9  Haarnadeln  in  den  Bauch  eingestossen 
hatte.  6  zog  sie  selbst  heraus,  3  wurden  nach  Vx  Jahre  mittels 
Laparotomie  entfernt;  keine  peritonitischen  Erscheinungen. 

Privatdozent  Dr.  V.  Blum  stellt  aus  der  Abteilung  v.  Frisch 
einen  11jährigen  Knaben  vor,  bei  welchem  er  eine  Urethroplastik 
wegen  perinealer  Harnfistel,  die  schon  6  mal  vergebens  operiert 
wurde,  mit  Erfolg  vornahm. 

Dr.  R.  Ekler:  Erfahrungen  über  die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe 
Schwangerschaftsreaktion, 

Vortr.  hat  das  Dialysierverfahren  zur  Diagnose  der  Schwanger¬ 
schaft  nach  Abderhalden  nachgeprüft.  Untersucht  wurden 
66  Fälle.  Bei  41  Graviden  war  die  Reaktion  immer  positiv,  bei  25 
nicht  Graviden  immer  negativ.  Unter  den  positiven  Fällen  befanden 
sich  ganz  junge  Graviditäten,  Extrauteringraviditäten  und  sonstige 
Fälle,  bei  denen  eine  Diagnose  mit  Sicherheit  nicht  zu  stellen  war. 
Verf.  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  das  Verfahren,  wenn  es  mit  der 
nötigen  Exaktheit  genau  nach  den  Vorschriften  Abderhaldens 
ausgeübt  wird,  absolut  verlässlich  ist.  Er  empfiehlt  die  Methode, 
die  nicht  nur  für  die  Diagnose  der  Schwangerschaft  bestimmt,  sondern 
auch  andere  Probleme  zu  lösen  imstande  ist. 

An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  Diskussion,  in  welcher 
die  Herren  Lederer,  S.  Reines,  Epstein  und  E.  Freund 
die  Resultate  ihrer  Untersuchungen  mit  dieser  Methode  bei  graviden 
Frauen  resp.  bei  universeller  Sklerodermie,  oder  bei  Karzinom  mit- 
teilen. 

Prof.  Dr.  R.  P  a  1 1  a  u  f  demonstriert  das  anatomische  Präparat 
von  Chorioepitheliomen  der  Leber.  Die  bei  ihrem  Ableben  61  Jahre 
alte  Frau  hatte  zum  letzten  Male  vor  22  Jahren  entbunden,  die 
Chorionzellen  müssen  also  viele  Jahre  lang  latent  geblieben  und 
erst  später  in  Wucherung  geraten  sein.  Die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe 
Reaktion,  die  mit  dem  Gewebe  dieses  Tumors  und  dem  Serum  einer 
Schwangeren  gemacht  wurde,  fiel  positiv  aus.  Fälle  von  langer 
Latenzzeit  des  Chorioepithelioms  sind  schon  beschrieben  worden. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  April  1913. 

Herr  Hecht:  Die  Wassermann  sehe  Reaktion  als  Indikator 
bei  der  Therapie  der  Syphilis. 

Die  WR.  kann  häufig,  jedoch  immer  nur  im  Zusammenhänge  mit 
der  klinischen  Beobachtung  wertvolle  Anhaltspunkte  für  die  Be¬ 
handlung  geben.  Im  Primärstadium  lässt  die  negative  Reaktion  eine 
erfolgreiche  Abortivbehandlung  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  er¬ 
warten.  Bei  positiver  Reaktion  muss  die  Behandlung  bis  zum  Ver¬ 
schwinden  der  Reaktion  geführt  werden  und  muss  auch  weiter  nega¬ 
tiv  erhalten  bleiben.  Sowie  die  Reaktion  positiv  wird,  ist  schon  die 
Indikation  für  die  Weiterbehandlung  gegeben.  Auch  im  sekundären 
Stadium  ist  die  Behandlung  bis  zum  Verschwinden  der  WR.  durch¬ 
zuführen  und  durch  häufige  Kontrollen  muss  man  sich  von  dem 
Negativbleiben  der  Reaktion  überzeugen.  Doch  gibt  es  Fälle,  die 
die  positive  WR.  nur  sehr  schwer  verlieren  und  sogar  immer  be¬ 
halten.  Diesen  Fällen  ist  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 
Im  Stadium  der  Frühlatenz  bedeutet  die  positive  WR.  aktive  Lues, 
die  natürlich  behandelt  werden  muss,  im  Spätlatenzstadium  müssen 


1070 


muenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


No.  i< 


Erscheinungen  tiotz  positiven  \V R.  nie  folgen.  Ein  Versuch  zur  Auf¬ 
hebung  derselben  kann  keinen  Schaden  bringen. 

Line  grosse  Rolle  spielt  die  WR.  bei  der  provokatorischen  Sal- 
varsanmjektion,  da  durch  das  Positivwerden  der  Beweis  für  eine 
noch  latent  bestehende  Erkrankung  erbracht  werden  kann.  Bleibt  die 
Reaktion  auch  nach  der  Salvarsaninjektion  negativ,  so  kann  mit 
wenden  ^  ahrscheinlichkeit  eine  Ausheilung  des  Syphilis  angenommen 

Im  tertiären  Stadium  dauert  es  oft  lange,  ehe  man  mit  ener¬ 
gischen  Kuren  die  positive  WR.  umkehren  kann.  Bei  Lues  maligna 
ist  eine  Aenderung  der  WR.,  sei  es  von  positiv  auf  negativ,  oder  um¬ 
gekehrt,  ein  günstiges  Symptom,  das  für  die  Reaktionsfähigkeit  des 
Urgamsmus  spricht.  Hier  kann  eine,  zur  richtigen  Zeit  einsetzende 
1  herapie  Wunder  wirken. 

Eine  besondere  Wichtigkeit  kommt  der  WR.  bei  der  Ehe- 
bewilligung,  bei  der  Ammenuntersuchung,  der  Lebensversicherung, 
der  I  rostituiertenkontrolle  zu.  Bei  allen  diesen  Gelegenheiten  ist 
positive  Reaktion  die  Indikation  zur  antiluetischen  Behandlung. 

O.  W  i  e  n  e  r. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Royal  Academy  of  Medicine  in  Ireland,  Section  of  Medicine. 

Sitzung  vom  31.  Januar  1913. 


Maul-  und  Klauenseuche  beim  Menschen.  Febris  aphthosa. 


K.  <-\M. .  O’B  r  i  e  n  berichtet  über  folgenden  Fall  dieser  Affektion: 
Lin  35  jähriger  Tierarzt  wurde  von  einem  verdächtigen  Schafe  in  den 
1  ingei  gebissen.  Pat.  verband  die  Verletzung  unter  antiseptischen 
Kautelen  und  setzte  seine  berufliche  Tätigkeit  fort.  Etwa  3  Wochen 
nachher  schien  sich  ein  Abszess  entwickelt  zu  haben,  aber  beim 
Inzidieren  wurde  kein  Eiter  gefunden.  Nach  weiteren  8  Tagen  kon- 
J>edner  an  Fe*den  Händen  Rötung  und  Schwellung,  nament¬ 
lich  der  Finger  und  des  Handrückens  und  das  Bestehen  eines  dunkel¬ 
roten  prorrnmerenden  Ausschlags,  der  bis  über  das  Handgelenk  hinaut- 
i  eichte.  An  einigen  Stellen,  vorwiegend  zwischen  den  Fingern  und 
in  uer  Nahe  der  Nägel  waren  auch  Bläschen  im  Entstehen  begriffen 
zu  sehen.  Die  Lymphdriisen  waren  nicht  affiziert.  Einige  Bläschen 
sah  inan  auf  der  Mundschleimhaut,  an  den  Lippen,  Gaumenbögeu 
und  Zahnfleisch;  die  Zunge  war  geschwollen,  etwas  empfindlich  und 
r  \es  eiI1*ge  Bläschen  auf.  Die  Speichelabsonderung  war  reich- 
hch,  die  Temperatur  nur  wenig  erhöht.  Pat.  klagte  über  Schmerzen 
beim  sprechen,  Kauen  und  Schlucken,  Juckreiz  an  den  Füssen  be¬ 
sonders  in  der  Nacht  und  ein  Gefühl  von  Stechen  in  den  Fusssohlen 
beim  Gehen  sowie  ein  erst  in  den  letzten  Tagen  vor  der  Konsul¬ 
tation  aufgetretenes  allgemeines  Krankheitsgefühl.  Am  folgenden 
läge  waren  die  Erscheinungen  noch  ziemlich  erheblich  exazerbiert 
aber  es  traten  keine  viszeralen  Komplikationen  hervor,  und  Pat’ 
konnte  nach  2  Monaten,  obzwar  immer  noch  ziemlich  angegriffen,' 
seinem  Berufe  wieder  nachgehen.  Die  Literatur  über  diesen  Gegen¬ 
stand  geht  bis  aufs  Jahr  1695  zurück. 

Met  tarn  erwähnt  eine  grosse,  im  Jahre  1880  in  Dover  aus¬ 
gebrochene  Epidemie,  bei  welcher  die  Milch  (besonders  der  Rahm) 
von  erkrankten  Kühen  die  Infektion  übertrug. 


Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  10.  Februar  1913. 


Die  frühzeitige  Operation  bei  Appendizitis. 

F.  Owen  spricht  sich  in  längerer  Rede  sehr  energisch  zu¬ 
gunsten  einer  sofortigen  Operation  aus,  sobald  die  Diagnose  der 
hnddarmentzundung  gestellt  ist.  Wo  keine  eitrigen  Prozesse  sich 
entwickelt  haben,  genügt  eine  Inzision  von  etwa  3  cm  Länge,  und 
die  Operationswunde  kann  ohne  Drainage  geschlossen  werden.  Der 
Eingiiff,  von  einem  geübten  Chirurgen  ausgeführt,  ist  völlig  gefahr¬ 
los  und  jedenfalls  ebenso  berechtigt  wie  eine  Inzision  irgendwo  in 
P  i  egtnonos  entzündetes  Gewebe  beim  Fehlen  einer  nachweislichen 
Literansamrnlung.  Andererseits  verweist  Redner  auf  die  vielen  ful- 
minant  verlaufenden  Fälle  von  Gangrän  und  Perforation  bei  relativ 
gei  mgfugigen  subjektiven  und  objektiven  Erscheinungen. 

a  *  *  *  e  stimmt  auch  für  ein  möglichst  frühzeitiges  Ope- 
imH  d2ah  "d  er^  n!?ht  unterschiedslos  bei  jedem  einzelnen  Fall 
und  zu  jeder  Periode  der  Krankheit  den  Eingriff  vornehmen. 

.  V  Ohi  1  de  erklärt  sich  auf  Grund  von  700  Operationen  für 
f inCp  entschiedenen  Anhänger  des  frühzeitigen  Vorgehens.  Je  mehr 
ti  Erfahrungen  über  den  Verlauf  der  Affektion  gesammelt  habe 
SvmnTnm'p  }a-e  ,er  SRCh  vo,n  der  Unzuverlässigkeit  der  klinischen 
überzeugt?  ^  Beurteilung  des  Zustandes  am  Wurmfortsatz 

35  Fällen1 (5 'i 3  p!«  \  ha|,  w1  Operationen  eine  Mortalität  von 
(nnfffc  croi5:\3//^Zigeh?bt-  Von  130  Fallen  mit  lokalisierter  Peri- 
tisstaiben  3  (2,3  Proz.),  und  von  43  Fällen  von  akuter  Appendizitis 

störten 1 zundungserscheinungen  am  Bauchfell  ist  ihm  keiner  ge- 

o  ^U1  11  e 1  konstatiert,  dass  im  St.  George’s  Hospital  die 

Resultate  seit  etwa  4  Jahren  wesentlich  bessere  geworden  sind. 
da  do  Futmnten  frühzeitiger  zur  Operation  eingeliefert  werden 
Von  der  letzten  Serie  von  100  Fällen  dort  ist  nur  einer  gestorben 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Acad6mie  des  Sciences. 


Sitzung  vom  7.  Februar  1913. 


Zur  Diphtherieansteckung  durch  Bazillenträger. 

G  a  us  s  a  de  und  .1  o  1 1  r  a  i  n  berichten  über  3  Beobachtung 
von  Kranken,  die  von  rekonvaleszenten  Bazillenträgern  angesteD 
worden  sind;  einer  dieser  Fälle  betrai  einen  Arzt,  der  bei  Beharv 
hing  eines  Kindes  angesteckt  wurde,  Bazillenträger  blieb,  obwohl  di 
mtnahme  und  Reinkultur  aus  dem  Rachen,  der  nur  diffuse  Röte  un 
keine  Pseudomembran  zeigte,  keine  Diphtheriebazillen  ergab  m. 
dann  eine  zum  lode  führende  Luftröhrendiphtherie  akquirierte’  Fi 
anderer  Fall  betraf  ein  (15  jähriges)  Mädchen,  das  nach  einer  leichter 
ohne  Serum  geheilten  Angina  2  Monate  lang  Diphtheriebazillen  i" 
seinem  Rachen  beherbergte  und  die  Ursache  einer  kleinen  Schul 
epidemie  wurde.  Berichterstatter  heben  daher  die  Notwendiekei 
hervor,  selbst  nach  vollständiger  Heilung  nicht  nur  aus  dem  Rachen 
sondern  auch  der  Nase  und  dem  Nasenrachenraum  möglichst  häuri 
bakteriologische  Untersuchungen  zu  machen  und  —  was  allerdmv- 
vorläufig  als  Ideal  anzusprechen  ist  —  geheilte  Diphtheriekrankt 
erst  nachdem  die  Bazillen  völlig  verschwunden  sind  wieder  in  dei 
Allgemeinverkehr  zuzulassen.  In  allen  verdächtigen  Fällen  und  he 
sonders  jedesmal,  wenn  eine  Berührung  mit  Diphtheriekranken  statt¬ 
gefunden  hat,  müssten  ferner  auch  bei  Individuen  mit  negativem  bak 
tenologischen  Befund  prophylaktische  (Diphtherie-)  Seruminjektioneii 
ausgefuhrt  werden,  was  leider  häufig  aus  Furcht  vor  Nebcnersehei 
nungen  (Anaphylaxie)  unterbleibe. 

Thiroloix  pflegt  all  seinen  Kranken,  die  eine  Diphtherie 
du* cligemacht  haben,  Serumpastillen  zu  geben,  in  der  Absicht 
etwa  noch  vorhandene  Bazillen  zu  zerstören.  Nachdem  das  Institut 
I  asteur  diese  Pastillen  nicht  mehr  herstellt,  benützt  T.  nun  jene  von 
Arlomg-  Lyon. 

Auch  Louis  Martin  hält  die  Anwendung  dieser  Pastillen  für 
zweckentsprechend.  Unter  2  Umständen  können  aber  trotzdem  die 
Bazillen  persistieren :  1.  bei  Individuen  mit  adenoiden  Vegetationen 
und  bei  Kindern  mit  Zahnkaries.  Die  Pastillen  müssen  1  dg 
Serum,  wenn  zu  rein  prophylaktischen  Zwecken,  und  2  dg  Serum 
enthalten,  wenn  sie  therapeutisch,  in  Gemeinschaft  mit  den 
Seruminjektionen  angewandt  werden.  Th.  möchte  nur 
energisch  davor  warnen,  die  Pastillen  fiir  gewöhnlich  allein  als  Heil- 
mittel  anzu  wen  den  und  so  die  günstigste  Zeit  zur  Seruminjektion  zu 
versäumen. 


Zur  Behandlung  der  Sydenhain  sehen  Chorea  mit  Arsenik. 

Comby  hat  bis  jetzt  300  Beobachtungen  von  Chorea  gesammelt, 
die  mit  Einnahme  von  arseniger  Säure  behandelt  worden  sind,  und 
kann  sich  nur  lobend  darüber  äussern,  als  ein  Mittel,  das  allen 
anderen,  auch  dem  Salvarsan,  überlegen  sei.  Er  wendet  die  sog. 
Boudinsche  Lösung  und  zwar  10g  derselben  auf  120g  gummöser 
Losung  an  alle  2  Stunden  1  Esslöffel  der  Mischung  und  darauf  einen 
Schluck  Milch),  etwa  9  Tage  lang  mit  gleichzeitiger  Milchdiät  und 
Ruhe;  nach  einigen  Tagen  wird  die  gleiche  Art  der  Behandlung 
wieder  aufgenommen.  Die  durchschnittliche  Dauer  des  Kranken¬ 
hausaufenthaltes  beträgt  28  Tage.  Als  Faktor  der  Pathogenese  hat 
C.  in  68  I  roz.  der  Fälle  Tuberkulose  gefunden. 


Zur  Aetiologie  der  Arteriosklerose. 


Pissavy  hat  400  Kranke  untersucht  und  die  Wichtigkeit  von 


Alter  und  Geschlecht  bestätigt  gefunden:  bei  5  Proz.  der  Unter¬ 
suchten  fand  sich  im  Alter  von  20 — 40,  bei  34  Proz.  von  41 — 60  Jahren 
und  bei  71  Proz.  von  60 — 80  Jahren  Arteriosklerose;  während  bei 
Männern  die  Durchschnittszahl  von  Arteriosklerose  30  Proz.  betrug, 
v  ai  diese  Zahl  bei  Frauen  nur  5  Proz.  Die  am  meisten  in  Betracht 
kommenden  ätiologischen  Zustände  sind  Syphilis,  Alkoholismus,  Blei-, 
Nikotinvergiftung  und  Malaria.  Hiemit  sind  auch  die  bezüglich  der 
Aetiologie  geltenden  allgemeinen  Grundsätze  bestätigt,  nur  Syphilis 
fand  sich  in  relativ  geringer  Proportion  (13  Proz.),  bei  11  Proz.  der 
Untersuchten  zeigte  sich  keine  der  angeführten  ätiologisch  wichtigen 
Krankheiten. 

J  hiroloix  bespricht  die  Unannehmlichkeiten  der  Typhus¬ 
schutzimpfung,  welche  nach  der  zweiten  oder  dritten  Injektion 
(von  Chantemesses  Serum)  viele  Leute  vor  weiterer  Anwen¬ 
dung  abschrecken.  Zur  Vermeidung  dieser  Reaktionen  lässt  er  8  bis 

?  g  .e  Y_P  r  d  e  r  eigentlichen  Impfung  die  Betreffenden 
täglich  ein  Weinglas  einer  8  Tage  alten  und  sterilisierten  Typhus¬ 
rein  k  u  1 1  u  r  oder  auch  Pastillen  (2  Pastillen  von  1  g  pro  Tag) 
einnehmen. 


Societe  francaise  de  Dermatologie  et  de  Syphiligraphie, 


M  ä  r  z  s  i  t  z  u  n  g. 


Die  Lepra  in  den  Seealpen. 

broeq  und  Fe  r  net  stellen  einen  aus  den  Seealpeii  (Vence) 
stammenden  Leprakranken  vor,  der  ausser  den  typischen  Zeichen  der 
L^pia  ulzeröse  und  gangränöse  Herde  an  den  Geschlechtsorgane!', 
und  phagedänische  Erscheinungen  am  linken  Oberschenkel,  zeigte. 

M  l  l  i  a  n  bemerkt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  die  Lepra  in 
riankreich  keineswegs  erloschen  sei,  wie  man  glauben  möchte.  Er 


t.  Mai  ioi3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


107! 


t  schon  2  Lepraheide  fcstgeslellt  und  während  einer  Reise  in  den 
ealpcn  5  Lepröse  gesehen;  ein  dort  einheimischer  Arzt  schätzte 
ren  Anzahl  auf  etwa  400. 

Gau  ehe  r  glaubt,  dass  die  Lepra  gegenwärtig  wieder  neu 
nlamine  in  den  beealpen  und  dass  man  die  Aufmerksamkeit  der 
hörden  auf  diesen  Umstand  lenken  müsse,  G.  berichtet  über  einen 
n  B  o  i  n  e  t  -  Marseille  mit  Neosalvarsan  und  Bienen- 
i c heil  behandelten  und  geheilten  Fall  von  Lepra.  Der 
tient  bekam  0,4  g  Neosalvarsan  injiziert  und  rings  um  die  leprösen- 
zerationen  Bienenstiche  (etwa  tausend);  das  klinische  Resultat  war 
i  vorzügliches,  indem  alle  Ulzerationen  eingetrocknet  und  vernarbt 
;d.  G.  fragt  sich,  ob  die  Bienenstiche  nicht  ähnlich  wie  das  Gift 
:•  Klapperschlange,  von  dem  man  schon  lange  den  heilenden  Ein- 
ss  auf  die  Lepraerscheinungen  kenne,  und  die  innerliche  Einnahme 
n  Chlorkalium,  das  in  der  Dosis  von  10—12  g  pro  Tag  eine 
ritable  Intoxikation  durch  Methämoglobiriisierung  des  Blutes 
vorrufe  und  dadurch  die  Lepraulzerationen  zur  Heilung  brachte 
einem  Falle  von  Caro  t),  wirke. 

Jeanselme  hat  gute  Erfolge  mit  dem  Chaulmograöl  und 
er  aus  Guayakol,  Kampfer  und  Vaselinöl  bestehenden  Mischung 
rabt;  die  Injektionen  werden  täglich  in  der  Dosis  von  5  ccm  ge- 
i  cht  und  vorzüglich  vertragen. 

Balzer  wendet  ein,  dass  Vaselinöl  ein  sehr  schlechtes 
zipiens  sei  und  leicht  Muskel-  oder  Hautsklerose  verursache- 
•lleicht  könnte  es  durch  Oliven-  oder  Mandelöl  ersetzt  werden’. 


Verschiedenes. 

Der  mongolische  Fleck  in  Nordafrika. 

Im  Jahre  1906  schrieb  der  japanische  Arzt  O,  Kocko  über  einen 
;  lkelblauen  Fleck  in  der  Sakralgegend  bei  mongolischen  Kindern. 

iaiiu  ihn  bei  der  Mehrzahl  japanischer  Kinder  bei  der  Geburt  und 
i  den  ersten  Lebensjahren,  selten  länger. 

Der  Fleck  fehlt  bei  den  Ureinwohnern  Japans,  z.  B.  bei  den 
bohnern  von  Ainos,  Yako,  Korh,  Kardo,  den  nördlichen  Inseln 
-  japanischen  Inselgruppe.  M  a  t  e  g  n  o  n  hat  den  Fleck  bei  98  Proz 

lapamschen  Kinder  nachgewiesen.  Nach  A  d  a  c  h  i  beobachtet 
ii  denselben  Fleck  bei  Affen,  welche  ihn  aber  durch  das  ganze 
ien  aufweisen. 

In  Frankreich  beschäftigten  sich  Apert,  Camot  und  Corabv 
i  dem  mongolischen  Fleck. 

Neuerdings  hat  A  Bruck  festgestellt,  dass  viele  Kinder  in 
ns  diesen  Fleck  haben.  Bisweilen  ist  er  ein  einziger,  intensiv 
i  schrieben  in  der  Regio  sacralis,  bisweilen  diffus  auf  weite  Haut- 
;  enden  verbreitet,  oft  auch  in  zwei  oder  mehr  Flecke  geteilt.  Die 
>  irote  Farbe  ist  sehr  deutlich  mit  scharfen  Rändern,  der  Fleck  ist 
HJ  erhaben,  verschwindet  nicht  beim  Druck,  zeigt  niemals 

Die  Kinder,  welche  solchen  Fleck  tragen,  sind  niemals  blond 
r  rot’  sondern  brünett  mit  schwarzen  Haaren,  dunklen  Augen, 
w  iegend  sind  es  arabische,  jüdische  Kinder  oder  Kinder  gemischten 
-tes.  (ii  policlmico  sez.  pratica,  9.  Februar  1913.) 

Hager-  Magdeburg. 


Aus  den  Parlamenten. 

(Preussisches  Herrenhaus.) 

i  \?r  Beratung  des  Etats  der  Universitäten  besprach 
i  r  ur.  Ne  über  den  immer  steigenden  Andrang  zu  den  akademi- 
.  ;n  Berufen,  mit  dem  das  Wachstum  der  Bevölkerung  nicht  Schritt 
*  en  kann.  Die  Folge  ist  eine  Ueberfüllung  dieser  Berufe,  unter 
£  ganz  besonders  die  Mediziner  zu  leiden  haben.  Das  Durchschnitts- 
i  ommen  eines  approbierten  Arztes  werde  auf  2000  M.  geschätzt, 
i  die  Aussichten  werden  für  die  Zukunft  noch  verschlechtert  durch 
i  stetige  Anwachsen  der  Zahl  der  weiblichen  Aerzte,  besonders 
['durch  das  Inkrafttreten  der  Reichsversicherungsordnung  mit  der 
nhung  der  Pflichtversicherungsgrenze,  der  freiwilligen  Weiterver- 
erung  und  der  starken  Einschränkung  der  freien  Privatpraxis. 
Worte  des  Redners  fanden  leider  auf  keiner  Seite  des  Hauses 
n  merklichen  Widerhall.  Der  Steigerung  der  Zahl  der  Studieren- 

■  habe  die  der  akademischen  Lehrer,  insbesondere  der  Ordinarien, 
■t  entsprochen,  auch  hier  sind  wieder  die  Mediziner  am  ungünstig- 

■  gestellt,  die  Hörsäle  sind  vielfach  überfüllt  und  der  Unterricht 
se  darunter  leiden.  Die  gleichen  Klagen  brachte  Herr  Dr  Ger- 
1  g  für  die  Universität  Greifswald  vor.  Er  hält  die  Errichtung 
ir  ordentlichen  Professur  und  einer  Klinik  für  Haut-  und  Ge- 
:echtskrankheiten  für  unbedingt  erforderlich,  ferner  müssen  die 

ichtung  der  Frauenklinik  modernisiert  und  neue  Baracken  für  In- 
I  onskrankheiten  geschaffen  werden.  Einen  sehr  beachtenswerten 
ichlag  machte  Herr  Waldeyer.  Sehr  vielen  Privatdozenten 
es  für  ihre  Arbeiten  an  den  nötigen  Räumen  und  Vorrichtungen; 
mpfiehlt  daher,  an  den  grösseren  Universitäten,  zunächst  wenig- 
s  in  Berlin,  ein  „Privatdozentenhaus“  einzurichten,  das  jüngeren 
.‘nten  für  ihre  Arbeiten  zur  Verfügung  stände.  Bei  dem  Kapitel 
ge  nd  pflege“  wies  Herr  Waldeyer  auf  die  schweren 
enischen  und  sozialen  Missstände  hin,  die  die  Wohnungsnot  im 
lge  hat.  Der  Nutzen,  der  in  Säuglingsheimen,  Lungenheilstätten, 
Jungsstätten  geschaffen  wird,  gehe  zu  einem  grossen  Teil  wieder 
iren.  wenn  die  Leute  wieder  in  ihre  schlechten  Wohnungen  zu- 


ruckkeliren ;  und  der  Verbreitung  der  Geschlechtskrankheiten  und  des 
Alkoholismus  werde  durch  das  enge  Zusammengepferchtsein  eben¬ 
falls  Vorschub  geleistet.  Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Jugend¬ 
fürsorge  sei  die  Schaffung  guter  und  gesunder  Wohnungen. 

Bei  dem  Etat  des  Ministeriums  des  Innern  spricht  Herr  Wer- 
m  u  t  h  den  Wunsch  aus,  dass  der  Entwurf  eines  Irrengesetzes 
möglichst  bald  dem  Landtage  vorgelegt  werde.  Der  Gegenstand  be¬ 
schäftige  die  Psychiatrie  und  die  Parlamente  seit  40  Jahren  und  sei 
längst  spruchreif.  Der  Minister  erklärte,  dass  der  Erlass  eines  Irren- 
gesetzes  wohl  in  Erwägung  zu  ziehen  sei  und  dass  er  bereit  sei. 
die  Frage  zu  fördern.  Der  Etat  des  Medizinalwesens  wmrde  ohne  De¬ 
batte  angenommen.  jy\  k 


Therapeutische  Notizen. 

.  Bei  der  Gonorrhöebehandlung  rät  Karl  B  r  u  c  k -Breslau 
(Ther.  Mon. -Hefte  13,  3)  in  jedem  Falle  von  beginnender  Posterior 
eine  Atropinisierung  vorzunehmen:  2  mal  täglich  1  mg  Atropin  in 
Form  der  S  a  u  t  e  r  sehen  Hohlzäpfchen  rektal  einzuführen.  Die 
Argeritum-nitricum-Behandlung  der  Posterior  ist  weiter  anzuwrenden; 
zur  Vermeidung  von  Reizerscheinungen  kann  man  dem  Argentum 
nitricum  %  Proz.  Alypin  zusetzen. 

Bei  akuter  Prostatitis  empfiehlt  sich  am  meisten  Wärme,  da¬ 
gegen  keine  Massage.  Bei  der  chronischen  Prostatitis  ist  die  Massage 
zusammen  mit  Spülungen  und  Instillationen  recht  empfehlenswert. 

Bei  der  Epididymitis  scheint  in  ganz  leichten  Fällen  die 
Schlitzung  der  Tunica  communis  und  propria  eine  gewisse  Bedeutung 
zu  haben.  Die  Vakzinebehandlung  hat  bei  vielen  Fällen  von  Epi¬ 
didymitis  entschieden  eine  Bedeutung.  B.  empfiehlt  das  von  ihm 
hergestellte  Arthigon  (Fläschchen  zu  6  ccm  ~  6  M.)  Auch  bei  gonor- 
hoischer  Arthritis,  Prostatitis  und  chronischer  Urethritis  ist  die  Vak- 
zinebehandlung  indiziert.  Die  Dosen  halten  sich  gewöhnlich  zwischen 
0,5  und  2,0.  Die  Injektion  wird  glutäal  gemacht  und  soll  eine  kräftige 
Reaktion  in  Form  einer  eintägigen  Temperatursteigerung  von  minde¬ 
stens  1  Grad  hervorrufen.  vr 


Nach  einer  grossen  Anzahl  von  Versuchen  mit  Mesothor- 
s  c  h  1  a  m  m  in  der  Behandlung  von  Ischias,  Tabes  und  chronischen 
Gelenkerkrankungen  kommen  E.  Freund  und  A.  Kriser-Wien 
(Iherap.  Monatshefte  1913,  4)  zu  dem  Schluss,  dass  durch  die  Be¬ 
strahlung  mit  Mesothorschlamm  bei  Ischias  sehr  günstige  Erfolge 
e.r.?.,e  t,  w.^r,^n  können,  dass  in  erster  Linie  eine  rasche  schmerz¬ 
stillende  v\  irkung  eintritt.  Bei  anderen  Neuralgien,  bei  chronischen 
üelenkerkrankungen  (Rheumatismus,  Polyarthritis)  war  in  den  meisten 
Fällen  der  Erfolg  nur  ein  vorübergehender  und  geringer;  doch  wurden 
gute  Wirkungen  erzielt  in  der  Kombination  des  Mesothorschlammes 
mit  anderen  Behandlungsmethoden,  besonders  der  Radiumemanation 
Bei  Tabes  wurden  keinerlei  Erfolge  beobachtet.  Kr 


Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  322.  Blatt  der  Galerie  bei:  Johann 
Gliristoph  Huber.  (Vergl.  den  Nekrolog  auf  S. 


Nummer.) 


1042  dieser 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  10.  Mai  1913*). 

..  ,  ~  Um  die  Bestrebungen,  ein  Mittel  zu  finden,  um  die  eine  öffent¬ 
liche  Gefahr  bildenden  Dauerausscheider  von  Typhusbazillen  von 
lhiem  Zustande  zu  befreien,  neu  zu  beleben,  hat  ein  ungenannter  Stif- 
ter  einen  Preis  von  10  000  M.  ausgesetzt,  der  demjenigen  ohne 
Kucksicht  auf  Nationalität  zufallen  soll,  der  ein  Verfahren  angibt  wo- 
mit  es  ihm  in  zuverlässiger  Weise  gelungen  ist,  die  Typhus- 
d  a  u  e  i  ausscheider  in  absehbarer  Zeit  von  den  genannten 
Krankheitserregern  zu  befreien.  Es  muss  nachgewiesen  werden,  dass 
die  Darmentleerungen  und  der  Harn  der  Dauerausscheider  nach  er¬ 
folgter  Behandlung  mindestens  >4  Jahr  von  Typhusbakterien  frei  ge¬ 
blieben  sind.  In  der  spätestens  bis  zum  1.  Oktober  1914  an  den  Vor¬ 
sitzenden  des  Preisrichterkollegiums  in  deutscher  Sprache  einzu¬ 
reichenden  Arbeit  sind  die  angestellten  Versuche  so  eingehend  zu 
beschreiben,  dass  alsbald  in  eine  Nachprüfung  eingetreten  werden 
kann.  Das  Preisrichterkollegium  besteht  aus  den  Herren  S  c  h  j  e  r  - 
n  i  n  g,  Ehrlich,  G  a  f  f  k  y,  Kraus,  Uhlenhut  h,  Hoff- 
mann.  Der  Wortlaut  des  Preisausschreibens  ist  auf  S.  7  des 
Umschlags  der  heutigen  Nummer  abgedruckt. 

Bis  dieser  Preis  verdient  ist,  ist  eine  strenge  Ueberwachung  der 
als  Dauerausscheider  erkannten  Personen  nötig.  Denn  die  Gefahr  ist 
gross.  Hat  doch  bei  der  jüngsten  Typhusepidemie  in  Hanau  eine  Kar¬ 
toffelschälerin  die  Erkrankung  von  200  Soldaten  verursacht.  In  den 
meisten  Fällen  wird  die  Entfernung  der  betr.  Personen  aus  ihrem 
Dienste  unvermeidlich  sein.  Anlässlich  eines  bestimmten  Falles,  der 
Ansteckung  einer  Wöchnerin  durch  ihre  Wartfrau,  wirft  nun  Prot 
Max  Ne  iss  er  in  Frankfurt  a.  M.  in  der  Frankf.  Ztg.  die  Frage  auf,  wer 
eine  derartige,  im  Interesse  der  Allgemeinheit  brotlos  gemachte  Per¬ 
son  entschädigt.  Die  bestehende  Arbeiterversicherung  versagt  hier. 
Es  liegt  vielmehr  eine  neue  Art  von  Missgeschick  vor,  die  weder 
Krankheit,  noch  Unfall,  noch  Verlust  ist  und  die  Ne  iss  er  als  „Be- 


*)  Die  vorliegende  Nummer  musste  mit  Rücksicht  auf  die  Pfiugst- 
feiertagc  früher  fertiggestellt  werden.  Red. 


]<)7  2 


MUENCHENFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


i  ufsunfähigkeit  wegen  Gefahr  der  Ansteckungsverbreitung“  be¬ 
zeichnet.  Neisser  w'iinscht  für  die  Betroffenen  eine  Versicherung, 
die  wohl  eine  Zwangsversicherung  sein  müsste,  event.  eine  gesetz¬ 
liche  Entschädigungsberechtigung.  Bis  eine  solche,  die  jedenfalls 
grossen  Schwierigkeiten  begegnen  würde,  geschafien  werden  kann, 
wäre  es  wohl  Pflicht  des  Staates,  aus  freien  Stücken  helfend  ein¬ 
zugreifen. 

~  Pas  Schweizer  Volk  hat  in  der  Volksabstimmung  vom  1.  ds. 
die  Ergänzung  des  Epidemiengesetzes  (Revision  des  Arti¬ 
kels  69  der  Bundesverfassung)  angenommen,  das  dem  Bunde  ver¬ 
mehrte  Befugnisse  zur  Bekämpfung  menschlicher  und  tierischer 
Krankheiten  erteilt.  Namentlich  drei  Krankheiten  (Tuberkulose, 
Krebs,  Kretinismus)  haben  die  Bundesbehörden  veranlasst,  eine  er¬ 
weiterte  Fassung  obigen  Artikels  vorzuschlagen. 

Die  Kraftfahrer-Vereinigung  Deutscher 
A  e  r  z  t  e  hat  an  den  Bundesrat  eine  Eingabe  gerichtet,  in  der  um  Be¬ 
freiung  des  ärztlichen  Kraftfahrzeugs  von  der  durch  das  Reichs¬ 
stempelgesetz  vom  15.  Juli  1909  angeordneten  Steuer  nachgesucht 
wird.  Die  Eingabe  weist  nach,  dass  das  ärztliche  Automobil  aus¬ 
schliesslich  gewerblichen  Zwecken  dient,  und  daher  doch 
mindestens  dieselbe  Stellung  verdient,  die  dem  zur  gewerblichen 
Personenbeförderung  bestimmten  Automobil,  das  ebenfalls  steuerfrei 
ist,  gewährt  wird. 

Die  Vereinigung,  Dresden  29,  Lübeckerstrasse  91,  zählt 
zurzeit  ca.  3000  Mitglieder.  Die  Sachverständigenstelle  der  Vereini¬ 
gung  erteilt  sachgemässen,  technischen  Rat.  Rechtsauskünfte  werden 
durch  den  Syndikus  gegeben.  In  einer  eigenen  Zeitung  wird  den 
Herren  Gelegenheit  zur  gegenseitigen  Aussprache  über  Betriebs¬ 
erfahrungen  geboten.  Die  Redaktion  derselben  liegt  in  den  Händen 
des  1.  Vorsitzenden  Dr.  Krüger,  Dresden  29.  Die  im  Vorjahr  ge¬ 
gründete  Wirtschafts-Vereinigung  kraftfahrender 
A  e  r  z  t  e,  e.  G.  m.  b.  H.  hat  den  kaufmännischen  Betrieb  übernommen 
und  zählt  zurzeit  bereits  ca.  2000  Mitglieder  aus  den  Reihen  der 
K.V.D.A.  Dieselbe  vermittelt  die  Käufe  der  Wagen  und  des  Zu¬ 
behörs  und  erspart  ihren  Mitgliedern  das  Mehrfache  der  geringen  an 
die  K.V.D.A.  zu  zahlenden  Beiträge.  Die  Aufnahmegebühr  beträgt 
M.  20.—,  der  Jahresbeitrag  M.  10.—,  für  die  Monate  Juli  bis  Schluss 
des  Geschäftsjahres  (Ende  September)  nur  M.  5.—.  Die  Wirtschafts- 
Vereinigung  erhebt  keine  laufenden  Beiträge,  es  ist  nur  der  Erwerb 
eines  Anteils  nötig,  auf  welchen  M.  20. —  einzuzahlen  sind;  diese 
Summe  bleibt  Eigentum,  wird  verzinst  und  ist  kündbar. 

Wie  der  „Gesundheitslehrer“  mitteilt,  wird  die  die  bekannten 
Reklamemittel  Renascin,  Visnervin,  Vitalito,  Antipositin.  Antineurastin 
u.  a.  herstellende  Firma,  die  unter  verschiedenen  Decknamen  wie 
Dr.  Schröder  und  M  a  r  1  i  e  r,  Dr.  Ehrhardt,  Prof.  G  a  n  t  i  n  g, 
zeichnete,  infolge  einer  gegen  sie  erhobenen  Anklage  in  Liquidation 
treten  und  die  Zeitungsreklame  einstellen;  nach  beendigter  Liqui¬ 
dation  wird  die  Fabrikation  in  Deutschland  aufhören.  Dieser  erfreu¬ 
liche  Erfolg  ist  wesentlich  der  unermüdlichen  Arbeit  des  „Gesund¬ 
heitslehrer“  zu  verdanken. 

—  Karl  Rudolf  M  o  s  s  e,  der  Inhaber  der  bekannten  Inseraten- 
firma  und  der  Annoncenadministration  vieler  medizinischer  Zeit¬ 
schriften,  hat  aus  Anlass  seines  70.  Geburtstages  Stiftungen  im 
Betrag  von  1K  Millionen  Mark  gemacht,  darunter  100  000  M.  für 
das  Rudolf  Virchow-Haus. 

—  Regierungsrat  Prof.  Dr.  E.  H.  Kisch,  der  bekannte  Bade¬ 
arzt  in  Marienbad  und  a.  o.  Professor  der  Balneologie  an  der 
deutschen  Universität  in  Prag  feierte  sein  50  jähriges  Doktorjubiläum. 
Der  Stadtrat  von  Marienbad  hat  beschlossen,  zu  seinen  Ehren  die  bis¬ 
herige  Waldquellgasse  als  „Dr.  Kisch-Gasse“  zu  benennen. 

—  Am  15.  und  16.  Mai  findet  in  Bad  Kissingen  die  feierliche 
Eröffnung  des  neuen  Regentenbaues  (Kgl.  Kurhaus)  durch  den  Prinz¬ 
regenten  Ludwig  statt.  Der  Regentenbau,  ein  Werk  des  Geheimrats 
Prof.  Max  L  i  1 1  m  a  n  n  -  München,  enthält  grossartige  Gesellschafts¬ 
raume,  einen  1063  Sitzplätze  enthaltenden  Konzertsaal  mit  kleinem 
Nebensaal,  einen  Konversationsraum  in  Verbindung  mit  Lese-,  Spiel- 
sowie  Schreibzimmern. 

An  Stelle  des  verstorbenen  Sir  Henry  S  w  a  n  z  y  hat  Sir 
Anderson  Critchett  das  Amt  des  Präsidenten  der  Sektion  für 
Ophthalmologie  beim  17.  internationalen  medizinischen  Kongress  in 
London  übernommen. 

—  Cholera.  Türkei.  In  Konstantinopel  wurden  vom  15.  bis 
21.  April  2  Erkrankungen  und  2  Todesfälle  angezeigt. 

—  Pest.  Niederländisch  Indien.  Vom  26.  März  bis  8.  April 
wurden  auf  Java  gemeldet  343  Erkrankungen  (und  329  Todesfälle).  — 
Columbien.  Zufolge  Mitteilung  vom  11.  April  ist  in  Santa  Marta  die 
Pest  in  epidemischer  Weise  aufgetreten. 

—  ,n  def.  17.  Jahreswoche,  vom  20.— 27.  April  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
m't  36,7,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit 
6  1  odesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin-Steglitz, 
an  Unterleibstyphus  in  Halberstadt.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Der  Neubau  der  1.  med.  Klinik  der  Charitee  wurde 
am  5.  ds  durch  eine  Rede  des  Direktors  Geheimrat  His  feierlich  ein¬ 
geweiht. 

Marburg.  Der  für  ein  Jahr  aus  seiner  Marburger  Stellung 
beurlaubte  a.  o.  Professor  Dr.  Paul  Römer  wurde  mit  der  Stell- 
vertretung  des  auf  einer  Auslandsreise  begriffenen  1.  Abteilungsvor- 


No.  io 

stehcrs  am  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin,  Prof  |i, 
Fick  c  r,  beauftragt. 

W  ii  rzbu  r  g.  Geheimrat  Prof.  B  o  v  e  r  i  in  Würzburg  hat  dei 
Antrag  der  Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft,  die  Direktim 
des  von  ihr  entsprechend  dem  Vorschläge  des  Prof.  Roux  geplant!.' 
grossen  Forschungsinstituts  für  experimentelle  Biologie,  besonder 
für  Entwicklungsmechanik,  zu  übernehmen,  abgelehnt 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  Mürz  1913. 


Iststärke  des  Heeres: 


69  798  Mann,  82  Kadetten,  150  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unteroffi/.- 

vorschüler 

1.  Bestand  waren 

am  28.  Februar  1913 : 

1763 

8 

5 

f  im  Lazarett: 

1175 

5 

7 

2.  Zugang: 

j  im  Revier: 

1116 

|  in  Summa: 

2291 

5 

7 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

4054 

13 

“72 

°/oo 

der  Iststärke : 

58,1 

158,5 

80,0 

dienstfähig: 

2548 

13 

9 

°/oo der  Erkrankten: 

628,5 

1000,0 

750,(1 

gestorben : 

12 

_ 

*/« o  der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 

3,0 

— 

— 

mit  Versorgung: 

27 

— 

- 

3.  Abgang: 

ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 

4 

entlassen: 

21 

— 

_ . 

anderweitig: 

128 

— 

_ 

in  Summa: 

2740 

13 

9 

4.  Restart  d 

in  Summa: 

1314 

— 

3 

hleihp.n  am  • 

°/oo  der  Iststärke: 

18,8 

— 

20,0 

31.  März  1913: 

davon  im  Lazarett: 

1060 

— 

3 

davon  im  Revier: 

254 

— 

— 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Lungenentzündung  3,  Hirnhautentzündung  2,  Lungentuberkulose  1. 
Halswirbeltuberkulose  1,  epidemischer  Genickstarre  1,  Blinddarm¬ 
entzündung  1,  Schädelbruch  1,  Stichverletzung  der  linken  Hüftblut- 
ader  1  und  Schussverletzung  des  Kopfes  (Selbstmord)  1. 

Ausserhalb  der  militärärztlichen  Behandlung  starben  2  Mann  in¬ 
folge  Selbstmord  durch  Erschiessen. 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  März  14  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  17.  Jahreswoche  vom  20.  bis  26.  April  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  8  (141),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  8  (4),  Kindbettfieber  1  (— ), 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  1  (— ), 
Masern  u.  Röteln  —  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (— ),  Keuchhusten  3  (2), 
Typhus  (ausschl.  Paratvphus)  —  (— ),  akut.  Gelenkrheumatismus  1  (— ), 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut, 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  Starrkrampf  1  (-), 
Blutvergiftung  3  (3),  Tuberkul.  der  Lungen  18  (36),  Tuberkul.  and.  Org. 
(auch  Skrofulöse)  9  (4),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (3),  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  16  (7),  Influenza  1  (— ),  veneri¬ 
sche  Krankh.  1  (5),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber, 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
fieber  usw.  —  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (6),  Alkoholis¬ 
mus —  (1),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  3  (3),  sonst.  Krankh. 
d.  Atmungsorgane  —  (3;,  organ.  Herzleiden  17  (15),  Herzschlag,  Herz¬ 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  4  (2),  Arterienverkalkung 
4  (1),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  3  (6),  Gehirnschlag  8  (10), 
Geisteskrankh.  —  (1),  Krämpfe  d.  Kinder  4  (5),  sonst.  Krankh. d.  Nerven¬ 
systems  5  (3),  Atrophie  der  Kinder  3  (2),  Brechdurchfall  1  (1),  Magen¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  13  (5),  Blinddarm¬ 
entzünd.  1  (3),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
Milz  2  (3),  sonst.  Krankh,  d.  Verdauungsorg.  3  (3),  Nierenentzünd.  6  (7), 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  —  (3),  Krebs  21  (15),  sonst. 
Neubildungen  2  (4),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (— ),  Krankh.  der 
Bewegungsorgane  —  (— ),  Selbstmord  5  (2),  Mord,  Totschlag,  auch 
Hinricht.  1  (— ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  4(3), 
and.  benannte  Todesursachen  4  (— ),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  ( — ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  190  (190). 

’)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F-  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


Die  Mönchene»  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
m  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Summer  SO  .*  .  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

A  t.-.  •  Übrig.  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag 


•  • 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  i 
hur  die  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  81/,— 1  Uhr. 
Für  Abonnement  an  [.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


o.  20.  20.  Mai  1913.  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

^ _  Verlag;:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

US  der  Kgl.  Zentralstelle  für  Gesundheitspflege  in  Dresden 
(Direktor:  Geh.  Rat  Renk). 

iber  ein  neues  Prinzip  der  elektiven  Züchtung  und 
seine  Anwendung  bei  Diphtherie. 

Von  Prof.  H.  Conradi. 

Die  elektive  Züchtung  bezweckt,  aus  einem  Keimgemenge 
ne  bestimmte  Bakterienart  abzuscheiden  und  diese  rein  zu 
iltivieren.  Eine  solche  Trennung  wurde  bisher  auf  folgende 
eise  angestrebt.  Man  versetzte  die  Krankheitsstoffe  ent- 
eder  von  vornherein  mit  einem  elektiven  bakteriziden  Mittel, 
B.  das  Sputum  mit  Formaldehyd,  um  Tuberkelbazillen  zu 
chten.  Oder  man  fügte  das  elektive  Desinfiziens  zu  dem 
ihrsubstrat,  gab  z.  B.  zwecks  ausschliesslicher  Entwicklung 
r  Typhusbazillen  Malachit-  oder  Brillantgrün  in  den  Fleisch- 
.isseragar,  wie  ich  es  zuerst  versucht  habe.  Allein  noch  ein 
eg  der  elektiven  Züchtung  erscheint  jetzt  gangbar,  und  auf 
.■sen  möchte  ich  die  Aufmerksamkeit  lenken. 

Das  mitzuteilende  Verfahren  der  elektiven  Züchtung 
iindet  sich  auf  die  physikalisch-chemischen  Eigenschaften 
r  Bakterien.  Lange  und  N  i  t  s  c  h  e  0  verdanken  wir  die 
chtige  Beobachtung,  dass  bestimmte  Bakterienarten  das  Be- 
eben  zeigen,  an  Kohlenwasserstoffen  zu  adhärieren.  So 
1  nnten  die  beiden  Autoren  dartun,  dass  z.  B.  in  Kochsalz¬ 
en.?  aufgeschwemmte  Tuberkelbazillen  nach  Zusatz  von 
I  groin  hei  kräftigem  Schütteln  entgegen  ihrem  Eigengewicht 
is  dem  Wasser  emporsteigen  und  am  Boden  der  iiberstehen- 
(t!  Ligroinschicht  sich  ablagern.  Weiterhin  zeigte  sich,  dass 
ich  Diphtherie-  und  Milzbrandbazillen,  Meningo-  sowie 
Bnokokken  ein  gleiches  Verhalten  aufweisen,  während  z.  B. 

phus-,  Paratyphus-,  Koli-,  Ruhr-  und  Cholerabazillen  unter 
:n  nämlichen  Versuchsbedingungen  im  wässerigen  Medium 
wbleiben.  Aus  diesen  ihren  Feststellungen  zogen  bereits 
linge  und  Nitsche  eine  praktische  Nutzanwendung,  iti- 
.  in  sie  das  vorher  aufgelöste  Sputum  mit  Ligroin  aus- 
•lüttelten  und  so  eine  Anhäufung  von  Tuberkelbazillen  im 
!  sstrichpräparat  erhielten.  So  wurde  der  färberische  Nach- 
'ös  von  Tuberkelbazillen  in  erfolgreicher  Weise  verschärft. 

Es  lag  nun  nahe,  jene  Fähigkeit  gewisser  Bakterien,  an 
ohlen wasserstof fen  zu  haften,  der  elektiven  Züchtung 
Itzbar  zu  machen.  Dieses  kulturelle  Prinzip  wurde  bisher  in 
Osserem  Massstab  nur  zur  Diagnose  der  Diphtherie,  in  be- 
i  leidenerem  Umfange  auch  bei  Tuberkulose  und  Milzbrand 
Gewendet.  Jedoch  sei  hervorgehoben,  dass  aller  Wahr- 
:  leinlichkeit  nach  auch  die  elektive  Züchtung  von  Gono-, 
'■ningo-  und  Pneumokokken,  sowie  anderer  Arten  auf  die 
i  nliche  Weise  gelingen  wird.  Unser  Ausgangsversuch  war 
;?ctider.  Bringt  man  je  eine  Oese  einer  Agarkultur  von 
■iphylokokken  und  Heubazillen,  sowie  eine  Oese  von  Diph- 
riebazillen  einer  Tellurplatte  in  ein  mit  10  ccm  physio- 
i  ischer  Kochsalzlösung  versetztes  Reagenzglas,  fügt  alsdann 
:  2  ccm  Petroläther  zu,  schüttelt  das  mit  Gummistopfen  ver¬ 
flossene  Röhrchen  tüchtig  durch  und  wartet  mm  5  Minuten, 

■  gewahrt  man  am  Boden  der  Petrolätherschicht  grau- 
fwarze  Schüppchen  und  Flöckchen,  die  nur  aus  Diphtherie- 
i allen  bestehen,  während  Heubazillen  und  Staphylokokken 
jiglich  im  Wasser  verteilt  sind.  Holt  man  jetzt  die  in  der 
enzfläche  des  Petroläthers  liegenden  grauschwarzen 
Läppchen  mittels  des  später  zu ‘beschreibenden  Oelstabes 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

heraus  und  bringt  sie  auf  eine  Löfflerplatte,  so  entwickeln  sich 
ausschliesslich  Diphtheriebazillen.  Wir  sehen  also,  dass  aus 
einer  wässerigen  Aufschwemmung  die  Diphtheriebazillen  nach 
Ausschütteln  mit  Petroläther  von  ihren  Begleitbakterien  voll¬ 
ständig  getrennt  und  abgeschieden  werden.  Da  aber  Petrol¬ 
äther  unter  den  gewählten  Versuchsbedingungen  die  Entwick¬ 
lung  der  Diphtheriebazillen  nicht  schädigt,  so  ermöglicht  die 
Abhebung  der  Petroläthergrenzschicht  und  ihre  Uebertragung 
auf  Nährböden  die  Rein  Züchtung  des  Diphtherieerregers. 
Das  nämliche  Trennungsverfahren  ist,  wie  bereits  erwähnt, 
auch  für  die  elektive  Züchtung  von  Tuberkel-  und  Milzbrand¬ 
bazillen,  sowie  wahrscheinlich  auch  von  Meningo-,  Gono-  und 
Pneumokokken  anwendbar.  So  wurde  tuberkulöses  Sputum 
durch  Antiformin  aufgelöst,  die  homogene  Flüssigkeit  mit 
Petroläther  ausgestrichen,  die  Grenzschicht  des  Petroläthers 
auf  Lubenauschen  Eiernährboden  übertragen  und  eine  Rein¬ 
kultur  von  Tuberkelbazillen  erzielt.  Ferner  konnten  aus  Ross¬ 
haaren,  die  mit  Milzbrandsporen  und  Heubazillen  infiziert 
waren,  nach  Ausschiittelung  mittels  Petroläther  die  Milzbrand¬ 
erreger  rein  gezüchtet  werden. 

Besonders  eingehende  Versuche  galten  der  Diphtherie. 
Der  Nachweis  von  Diphtheriebazillen  in  Rachen-  oder  Nasen¬ 
sekret  wird  häufig  durch  überwuchernde  Saprophyten,  ins¬ 
besondere  Staphylokokken  und  Heubazillen  erschwert.  Weder 
die  Löffler-  noch  auch  die  Tellurplatte  halten  diese  Schädlinge 
zurück.  Auf  der  Löfflerplatte  findet  wenigstens  eine  gewisse 
Begünstigung  der  Diphtheriekeime  gegenüber  den  Sapro- 
pliyten  statt,  und  nur  dieser  Umstand  veranlasste  mich  im  ver¬ 
gangenen  Jahre,  Kombinationen  von  Löffler-  und  Tellurplatte 
zu  empfehlen.  Inzwischen  aber  sind  wir  vorwärts  gekommen. 
Es  hat  sich  nämlich  gezeigt,  dass  ein  einfaches  Ausschütteln 
der  Diphtherietupfer  mittels  Petroläther  oder  Pentans 
die  störenden  Saprophyten  der  Mund-  und  Nasenhöhle  nahezu 
ausschaltet. 

An  der  Grundfläche  des  Petroläthers  nämlich  sammeln 
sich,  gewissermassen  in  hängender  Schicht,  die  Diphtherie¬ 
bazillen  an,  während  im  Wasser  störende  Begleitbakterien 
Zurückbleiben.  Mit  Hilfe  eines  Oelstabes,  den  nur  Petrol¬ 
äther,  nicht  aber  Wasser  benetzt,  werden  dann  die  Diphtherie¬ 
keime  der  Petrolätherschicht  auf  eine  Tellurplatte  übertragen 
und  in  der  gewöhnlichen  Weise  weiter  gezüchtet.  So  sind 
wir  zu  einem  Züchtungsverfahren  der  Diphtheriebazillen 
gelangt,  dessen  elektive  Wirkung  weder  von  der  Löffler-  noch 
der  Tellurplatte  erreicht  wird.  Der  kulturelle  Nachweis  von 
Diphtheriebazillen  gestaltet  sich  jetzt  folgendermassen. 

Sterilisierte,  je  1U  ccm  physiologische  Kochsalzlösung  enthaltende 
Röhrchen  werden  bei  37  11  C  im  Wasserbad  gehalten,  ln  jedes  Röhr¬ 
chen  gibt  man  einen  infizierten  Diphtherietupfer,  belässt  ihn  hier  eine 
Viertelstunde  und  schüttelt  ihn  alsdann  forgfältigst  in  der  erwärmten 
Kochsalzlösung,  aus.  Hierauf  werden  ca.  2  ccm  Petroläther  loder 
noch  besser  Pentan*)!  hinzugefügt  und  die  mit  sterile  Gummi- 
stopfen  versehenen  Röhrchen  kräftig  durchgeschüttelt,  dann 
wartet  man  etwa  5  Minuten  bis  zur  Entmischung  von  Wasser  und 
Petroläther.  Nun  taucht  man  in  die  Petrolätherschicht  einen  auf 
folgende  Weise  hergestellten  Oelstab.  Dünne  Holzstäbchen  werden 
am  unteren  Ende  mit  entfetteter  Watte  kleinfingerdick  etwa  3  cm 
hoch  in  Form  einer  Halbkugel  umwickelt.  Um  die  Watte  wird  eine 
kleine  runde  Scheibe  Filtrierpapier  gelegt.  Watte  und  Filtrierpapier 
werden  noch  durch  dünnen  Draht  am  Stab  befestigt.  Die  fertigen 
Stäbe  hält  man  sterilisiert  vorrätig.  Vor  jedesmaligem  Gebrauch 
wird  das  untere  Ende  des  Oelstabes  in  sterilisiertes  Olivenöl  ein¬ 
getaucht.  Ist  das  überschüssige  Oel  abgelaufeu,  so  wird  der  Oel¬ 
stab,  wie  bereits  erwähnt,  in  die  Petrolätherschicht  des  Röhrchens 
hinabgelassen.  Alsdann  wird  der  Petroläther  von  der  saugfähigen 
Watte  vollständig  aufgesogen,  während  aussen  am  geölten  und  daher 


’)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1909,  No.  10  und  Zeitschr.  f.  Hyg.  *)  Pentan  für  Photometrie  (C.  A.  F.  Kahlbaum,  Berlin  S.O.), 

nfektionskrankh.  1910,  Bd.  67,  S.  151.  Petroläther  vom  spezifischen  Gewicht  0,640 — 0,650. 

No.  20. 


1 


1074 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  2 


bakteriendichten  Filtrierpapier  die  Keime  der  Petrolätherschicht 
adhärieren.  Hingegen  gleiten  Wassertropfen,  sowie  die  im  wässrigen 
Medium  befindlichen  Bakterien  vom  Oelpapier  restlos  ab.  Selbst 
bei  einem  unvorsichtigen  Eindringen  des  Oelstabes  in  die  Wasser¬ 
schicht  bleiben  demnach  die  hier  verteilten  Keime  nicht  an  ihm  haften. 
Der  Oelstab  stellt  also  gewissermassen  eine  Bakterienfalle  für 
die  Keime  der  Petrolätherschicht  dar.  Nach  vollzogener  Keimauf- 
nahme  wird  schliesslich  der  Oelstab  unter  beständigem  Drehen  auf 
einer  I  ellurplatte  ausgestrichen  und  letztere  in  der  üblichen  Weise 
weiterverarbeitet.  Meistens  führt  diese  Züchtung  zu  folgendem  Er- 
gebnis.  Entweder  wachsen  Diphtheriebazillen,  die  Diagnose  ist 
positiv,  oder  aber  die  Tellurplatte  bleibt  nahezu  steril.  Auf  Grund 
der  bisherigen  Befunde  darf  erwartet  werden,  dass  die  geschilderte 
Methode  der  eletkiven  Züchtung  nicht  nur  bei  Diphtherie,  Tuber¬ 
kulose,  Lepra  und  Milzbrand,  sondern  auch  bei  allen  Infektions¬ 
krankheiten,  deren  Erreger  an  Kohlenwasserstoffen  adhärieren,  Ein¬ 
gang  finden  wird. 

Noch  erübrigt  es  auf  die  theoretischen  Grundlagen  des 
neuen  Verfahrens  in  Kürze  einzugehen.  Hier  betreten  wir  ein 
noch  wenig  erforschtes  Grenzgebiet  zwischen  Physik  und 
Chemie.  Von  vornherein  ist  es  wahrscheinlich,  dass  für  die 
jeweilige  Verteilung  der  Keime  im  Wasser  bzw.  in  Kohlen¬ 
wasserstoffen  die  stoffliche  Struktur  der  Bakterienmembran 
von  Belang  ist.  Bei  den  nahen  Beziehungen,  die  zwischen 
Fetten  und  Kohlenwasserstoffen  bestehen,  darf  man  nämlich 
vermuten,  dass  solche  Keime,  die  von  Kohlenwasserstoffen 
angezogen  werden,  in  erheblicher  Menge  fettartige  Substanzen 
aufspeichern.  Es  werden  somit  nur  diejenigen  Bakterienarten 
aus  einem  wässerigen  Medium  in  den  Bereich  des  Kohlen¬ 
wasserstoffes  übergehen,  deren  Membran  eine  Fettschicht  be¬ 
sitzt.  Diese  Hypothese  findet  in  den  vorliegenden  Analysen 
von  Tuberkel-  und  Diphtheriebazillen  ihre  Stütze.  Wir 
möchten  daher  annehmen,  dass  nur  solche  Bakterien  an 
Kohlenwasserstoffen  adhärieren,  deren  Hiiilsubstanz  an  Li¬ 
poiden  reich  ist.  Neben  dem  Chemismus  der  Bakterienmem¬ 
bran  kommen  aber  noch  physikalische  Kräfte  in  Betracht,  die 
insbesondere  für  den  Aufstieg  der  fettreichen  Keime  aus  dem 
Wasser  in  den  Petroläther  verantwortlich  zu  machen  sind. 
Lange  und  N  i  t  s  c  h  e  haben  bereits  darauf  hingewiesen, 
dass  die  jeweiligen  Unterschiede  der  Oberflächenspannung, 
die  zwischen  Keim  und  Wasser,  sowie  zwischen  Keim  und 
Kohlenwasserstoff  bestehen,  das  in  Rede  stehende  Phänomen 
erklären.  In  der  Tat  kann  man  sich  vorstellen,  dass  genau  so 
wie  eine  mit  Fett  überzogene  Nähnadel,  auch  ein  fettbeladener 
Keim  entgegen  dem  Eigengewicht  auf  dem  Wasser  schwimmt. 
Betrachtet  man  die  Ausschüttelung  von  Bakterien  durch 
Kohlenwasserstoffe  als  Erscheinung  der  Oberflächenspannung, 
so  lässt  sich  dieser  Vorgang  dem  E  1  m  o  r  e  sehen  Extraktions¬ 
verfahren2)  zur  Aufbereitung  von  Erzen  durch  Anwendung 
von  Wasser  und  Oel  an  die  Seite  stellen.  Dieses  Erzscheide¬ 
verfahren  beruht  auf  der  Beobachtung,  dass  gewisse  Mine¬ 
ralien  an  Oelen  fester  haften,  als  andere.  So  werden  z.  B. 
Kupfer-  oder  Schwefelkieskörnchen  von  Oel  umhüllt  und  ent¬ 
gegen  ihrer  Eigenschwere  über  Wasser  gehalten.  Diese  Erz¬ 
körnchen  bleiben  über  der  Wasseroberfläche  an  der  Oelschicht 
haften,  genau  so  wie  Diphtheriebazillen  an  der  Grenzfläche  des 
Petroläthers.  Den  Ablauf  des  Eimoreprozesses  führt  nun 
R.  G 1  a  t  z  e  1 3)  im  wesentlichen  auf  die  Oberflächenspannung 
zurück.  „Ein  Mineral  wird  vom  Oele  umhüllt,  wenn  die 
Spannungsdifferenz  zwischen  Wasser  und  Mineral  einerseits 
und  Oel  und  Mineral  andererseits  grösser  ist  als  die  Spannung 
zwischen  Wasser  und  Oel.“  Ein  analoger  Erklärungsversuch 
dürfte  auch  für  die  Ausschüttelung  von  Bakterien  mittels 
Kohlenwasserstoffen  in  Betracht  zu  ziehen  sein.  Endlich  ist 
noch  zu  berücksichtigen,  dass  bei  denjenigen  Bakterienarten, 
die  Fettmembranen  besitzen,  durch  Aufnahme  von  Petroläther 
eine  Erniedrigung  des  spezifischen  Gewichtes  eintreten  dürfte, 
die  den  Auftrieb  der  Keime  aus  dem  Wasser  unterstützt. 
Wenn  somit  auch  die  theoretischen  Grundlagen  unseres  Ver¬ 
fahrens  der  elektiven  Züchtung  noch  zu  befestigen  sind,  sein 
praktischer  Nutzen  steht  bereits  ausser  Zweifel. 


*)  Herrn  Geh.  Hofrat  Fritz  Förster  verdanke  ich  diesen  Hin¬ 
weis. 

')  Richard  Glatzel:  Ein  Beitrag  zum  E  1  m  o  r  e  sehen  Ex¬ 
traktionsverfahren.  Dissert.,  Dresden  1908. 


Aus  dem  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten  in  Han 
bürg  (Leiter:  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  Nocht). 

Beitrag  zur  Chemotherapie  der  Spirochätosen. 

Von  G.  G  i  e  m  s  a. 

Die  lichtvollen  Ausblicke,  welche  uns  in  Bezug  auf  d«. 
Weiterausbau  der  Pharmakosynthese  durch  die  vr 
Ehrlich  geschaffene  Chemotherapie  eröffnet  wurden,  gäbe 
wie  bereits  vielen  anderen,  so  auch  mir  den  Ansporn  zu  eirn 
Betätigung  auf  diesem  Gebiete. 

Bei  den  nach  dieser  Richtung  angestellten  Studien,  welcl 
auf  das  Auffinden  wirksamer  Mittel  gegen  protozoische  Kran! 
heitserreger,  insbesondere  gegen  die  der  Schlafkrank 
heit.  M  a  1  a  r  i  a  und  der  Spirochätosen  hinzielten,  fan 
ich  die  lebhafteste  Unterstützung  der  chemischen  Werke  vc 
C.  F.  Böhringer  &  Söhne,  welche  sich,  meiner  Anregung  io 
gend,  zu  gemeinschaftlichem  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  bere 
erklärt  hatten  und  an  dem  Zustandekommen  der  Ergebniss 
über  welche  ich  heute  berichte,  wesentlichen  Anteil  haben. 

In  den  Kreis  der  Untersuchungen  wurden  vorwiegen 
Abkömmlinge  des  Chinins  sowie  neue  Arsen 
d  e  r  i  v  a  t  e  hineingezogen. 

Aus  der  Chininreihe  ist  das  durch  Anlagerung  zweie 
Wasserstoffatome  an  das  Chininmolekül  gewonnene  Hydro 
chinin1)  (Dihydrochinin)  zu  erwähnen,  ein  neues  Ant 
tnalarikum,  welches  das  Chinin  an  antiparasitärer  Kral 
nicht  unerheblich  übertrifft,  ohne  dabei  organgiftiger  zu  seit 
als  dieses.  Ueber  seine  Leistungsfähigkeit  bei  der  Therapi 
der  verschiedenen  Malariaarten  habe  ich  in  Gemeinschaft  mi 
Werner  [l]  bereits  an  anderer  Stelle  ausführlich  berichte 

Trypanozide  oder  spirochätozide  Körper  von  erhebliche 
Bedeutung  konnten  indessen  unter  den  Chininderivaten  hishe 
nicht  gefunden  werden 2).  Weit  erfolgreicher  waren  nac 
dieser  Richtung  hin  die  arsenotherapeutischen  Studien,  inden 
es  gelang,  aromatischen  Arsenverbindungen  auf  die  Spur  v 
kommen,  welche  sich  durch  eine  sehr  ausgeprägte  Parasito 
tropie,  und  zwar  insbesondere  Spirochäten  gegenüber  aus 
zeichneten.  Durch  geeignete  Nuancierung  des  Moleküls  nacl 
den  von  E  h  r  1  i  c  h  [9]  gegebenen  Grundsätzen  —  beim  Arsen 
rest  giften,  beim  Benzolrest  entgiften  —  resultierten  schliess 
lieh  Körper  von  relativ  geringer  Toxizität  und  sehr  berner 
kenswerter  spirochätozider  Kraft. 

Eines  dieser  Derivate,  dessen  Untersuchung  im  Tier 
experiment  zu  einem  gewissen  Abschluss  gelangt  ist,  is 
das  Bismethylaminotetraminoarsenobenzol 
welches  von  L.  Ach  und  A.  Rothmann  in  der  wissen 
schaftlichen  Abteilung  von  C.  F.  Böhringer  &  Söhne  syntheti 
siert  wurde. 

Chemisches.  Das  Bismethylaminotetra 
minoarsenobenzol  leitet  sich  von  der  Dinitro 
methylnitraminophenylparars  insäure  bezw 
vom  Dimethylanilinarsenoxyd  ab.  Die  Konstitu¬ 
tion  3)  dieser  drei  Verbindungen  ist  aus  nachstehenden  Formell 
ersichtlich. 

Das  salz  saure  Salz  (C14H24N6AS2CI4)  stellt  ein  schwefel¬ 
gelbes  Pulver  vor,  welches  sich  in  zugeschmolzenen,  evakuier¬ 
ten  oder  mit  indifferenten  Gasen  gefüllten  Glasröhrchen  un¬ 
verändert  hält.  Sein  Arsengehalt  beträgt  26,5  Proz.  In  Wasser 


')  Ich  verfiel  auf  dieses  Derivat  auf  Grund  einer  Arbeit  von 
Hesse  [12],  nach  welcher  Burkart  und  insbesondere  Kerner 
und  W  eller  schon  vor  vielen  Jahren  auf  die  sehr  stark  malariziden 
Eigenschaften  des  Körpers  aufmerksam  gemacht  haben,  ohne  dass 
deren  Angaben  die  ihnen  gebührende  Achtung  gefunden  hätten.  Während! 
ich  mich  um  die  synthetische  Herstellung  dieses  seit  langem  aus, 
dem  Handel  verschwundenen  Körpers  bemühte,  regten  Morgenrot, 
und  H  a  1  b  e  r  s  t  ä  d  t  e  r  [4,  13]  auf  Grund  chemotherapeutischer. 
Versuche,  welche  sie  mit  dem  gleichen,  von  der  Firma  Zimmer  &  Co. 
erhaltenen  Präparate  an  Trypanosomen  anstellten  und  bei  denen  sie, 
das  Hydrochinin  stärker  wirkend  als  Chinin  fanden,  gleichfalls  zu 
Versuchen  mit  dem  Hydroprodukt  bei  Malaria  an. 

")  Morgenroth  [2 — 8|  fand  in  einem  Derivate  des  Chinins, 
dem  Aethylhydrocuprein  einen  gegen  Trypanosomeninfektionen  Ger 
Mäuse)  relativ^  wirksamen  Körper,  mit  dem  er  namentlich  in  Ver¬ 
bindung  mit  Salizylsäure  und  Salvarsan  bei  Naganamäusen  sehr! 
gute  Heilerfolge  erzielte.  Weniger  wirksam  war  Hydrochinin,  noch 
weniger  Chinin. 

3)  Bezüglich  der  Konstitutionsermittlung  siehe  Patentanmeldung 
B  67 426  IV/l2q  von  C.  F.  Böhringer  &  Söhne  vom  11.  V.  1912. [ 


..  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1075 


I 

II 

III 

AsO 

AsO(()H)i 

As 

Ä 

A 

A 

A 

V 

N(CH<)-> 

NO:(^InO. 

N(CH:i) 

NOi 

NHa 

NH(CHa) 

Unh- 

NH(CBi 

Uimethylaai-  II.  Dinitromethylnitramino-  III.  Bismethylaininotetra- 

linirsenoxyd  phenylpararsinsäure  minoarsenobeozol 

n  Zimmertemperatur  ist  es  ziemlich  langsam  aber  voll- 
i  mrnen  klar  löslich  und  erteilt  der  Lösung  eine  gelbliche 
!  rbe  und  stark  saure  Reaktion.  Aus  derartigen  Lösungen 
’id  die  freie,  sehr  leicht  oxydable  Base  durch  Zusatz  von 
!  tron-  oder  Kalilauge  ausgefällt,  ohne  beim  Ueberschuss  der 
luge  wieder  in  Lösung  zu  gehen.  Anders  verhalten  sich  die 
Lungen  des  HCl-Salzes  nach  meinen  Ermittelungen  Alkali- 
rbonat  gegenüber.  Setzt  man  zu  ihnen  langsam  Natrium- 
r  bonat-  oder  Natriumbikarbonatlösung  hinzu,  so  wird  all- 
:  hlich  gleichfalls  ein  Niederschlag  erzeugt,  der  jedoch  beim 
hzufiigen  weiterer,  zur  Absättigung  aller  4  HCl-Moleküle 
i  igen  Menge  wieder  in  Lösung  geht 4).  Bei  vorsichtigem 
netzen  lässt  sich  sehr  leicht  eine  ganz  schwach  alkalisch 
-gierende  Flüssigkeit  erzielen,  die  mit  Blutserum  klare 
Leitungen  gibt  und  sich  für  jede  Art  parenteraler  Einver- 
oiing  sehr  gut  eignet,  im  Gegensatz  zur  sauren  Lösung, 

•'  lche  Albumine  fällt  und  daher  für  Injektionen  wenig  ge¬ 
riet,  für  die  intravenöse  gänzlich  untauglich  ist. 

Durch  die  geschilderten  Lösungverhältnisse  unterscheidet 
n  das  Bismethylaminotetraminoarsenobenzolchlorhydrat 

i.i.  von  dem  ihm  äusserlich  sonst  ziemlich  ähnlichen  salz¬ 
ten  Diamidodioxyarsenobenzol,  in  dessen  Lösung  kohlen¬ 
de  Alkalien  einen  auch  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels 
i  islichen  Niederschlag  erzeugen,  während  sich  der  durch 
ironlauge  hervorgerufene  bekanntlich  in  überschüssiger 
ge  unter  Bildung  des  Natronsalzes  wieder  auflöst. 

Mit  verdünnter  Salzsäure  und  Natriumnitrit  gibt  die  Lö- 
i  i  der  Bismethylaminoverbindung  intensive  Rotfärbung, 
n  Anstellen  der  Probe  versetzt  man  ca.  5  ccm  einer  Lösung 
t  HCl-Salzes  (1:  10000)  mit  2  Tropfen  verdünnter  Salzsäure 
r  3—5  Tropfen  einer  Natriumnitritlösung  (0,5  proz.),  wobei 
l  Gemisch  eine  tiefrote  Färbung  annimmt.  Selbst  in  Ver¬ 
gangen  von  1  :  100  000  und  darüber  hinaus  lässt  sich  der 
«per  auf  diese  Weise,  namentlich  in  hoher  Flüssigkeits- 
:cht,  nachweisen. 

Toxizität. 

Die  Ermittlung  der  Dosis  tolerata  ergab  bei  den  ver¬ 
ladenen  Tierarten  folgende  Werte5). 


Stärke  der 
verwendeten 
Lösung 

Tierart 

Art  der  Injektion 

Dosis  tolerata 
in  g 

pro  1  kg  Tier 

4  Proz. 

Kaninchen 

intravenös 

0,14 

*  .. 

Hunde 

0,07 

4  „ 

Affen 

0,08 

0,1  „ 

Mäuse 

i 

0,3  „ 

subkutan 

0,12 

3  „ 

Hühner 

intravenös 

0,1 

3  „ 

intramuskulär 

0,08 

1  „ 

Ratten 

subkutan 

0,13 

1  Prom. 

Kanarienvögel 

intramuskulär 

0,2 

Wegen  der  Möglichkeit  einer  event.  späteren  Verwendung 
i.  Menschen  wurde  auf  die  Versuche  beim  Affen,  als  einer 
i  Menschen  zoologisch  am  nächsten  stehenden  Tierart,  be¬ 
ferer  Wert  gelegt.  Wenn  es  gestattet  wäre,  die  hierbei 

I _ _ _ 

)  Die  Darstellung  solcher  Lösungen  ist  seitens  der  Firma 
B  o  e  h  r  i  n  g  e  r  &  Söhne  zum  Patent  angeineldet. 

)  Mit  Rücksicht  auf  die  bei  anderen  Arsenderivaten  mit  Basen- 
kter  und  bei  Alkaloiden  (Chinin)  gemachten  Beobachtungen,  dass 
■nzentrierte,  namentlich  subkutan  injizierte  Lösungen  häufig  die 
:rg  von  Depöts  zur  Folge  haben,  welche  nur  sehr  langsam  zur 
ing  kommen  und  zur  Annahme  zu  hoher  Maximaldosen  verleiten 
n,  und  der  weiteren  Erfahrung  Rechnung  tragen,  dass  auch  sonst 
•  e  Mengen  desselben  Mittels  in  verschiedenen  Konzentrationen 
iert  ungleich  wirken  können,  wurde,  um  eine  exakte  Nach- 
ig  zu  ermöglichen,  die  jeweilige  Stärke  der  benutzten  Lösung 
izenten  angegeben. 


gefundenen  Werte  auf  den  Menschen  zu  übertragen,  so  würde 
man  zu  einer  Dosis  tolerata  von  4,8  g  pro  60  kg  Mensch  ge¬ 
langen,  ein  Schluss,  der  natürlich,  wie  uns  die  differente  To¬ 
leranz  sogar  ein  und  derselben  Tierspezies,  der  beiden  er¬ 
wähnten  Vogelarten  zeigt,  nicht  ohne  weiteres  gezogen 
werden  darf.  Immerhin  zeigen  die  Daten,  dass  die  Durch¬ 
schnittsgiftigkeit  eine  recht  geringe  ist.  Auch  sei  noch  er¬ 
wähnt,  dass  bei  Affen  und  Hunden  höhere  Dosen  als  0,08  bzw. 
0,07  g  pro  Kilogramm  1  ier  überhaupt  nicht  angewendet  wur¬ 
den,  und  dass  in  Anbetracht  des  sehr  guten  Vertragens  dieser 
bisherigen  Höchstgaben  die  Möglichkeit  ,  einer  noch  höheren 
1  oieranz  vorhanden  ist.  Ausgeprägte  neurotrope  Eigenschaften 
zeigte  das  Präparat  im  Tierversuche  nicht,  insbesondere  fehl¬ 
ten  auch  Anhaltspunkte  für  irgend  welche  Augenschädigung. 

Bereitung  der  Injektionslösungen.  Die  Her¬ 
stellung  der  gebrauchsfertigen  Injektionsflüssigkeit  gestaltet 
sich  sehr  einfach.  Um  beispielsweise  eine  5  proz.  Lösung  zu 
bereiten,  schüttet  man  die  benötigte  Menge  —  angenommen 

0,25  g  —  Bismethylaminotetraminoarsenobenzolchlorhydrat  in 

einen  sterilen  trockenen,  mindesten  2,5  cm  weiten  Mess- 
zi  linder,  fügt  bis  zur  Marke  2  ccm  steriles  destilliertes 
Wasser  hinzu,  bringt  das  Präparat  zur  Lösung  und  lässt 
dann  unter  stetem  Umschwenken  des  Zylinders  tropfenweise 
aus  einem  Tropfgläschen  oder  einer  Bürette  sterile  (einmal 
kurz  aufgekochte)  Normalnatriumkarbonatlösung  und  zwar  so 
lange  zufliessen,  bis  sich  der  allmählich  entstehende  massige, 
kaum  bewegliche  Niederschlag  wieder  ganz  auflöst.  Kurz 
bevor  dieser  Zeitpunkt  eintritt,  schenkt  man,  um  die  Lösung 
möglichst  ohne  Alkaliüberschuss  zu  bewerkstelligen,  nach 
dem  Hinzufügen  jedes  einzelnen  Tropfens  einige  Sekunden 
um.  Für  0,25  g  Substanz  benötigt  man  1,8  bis 
1,9  ccm  Normalnatriumkarbonatlösung.  Nach 
ti  folgter  Lösung  füllt  man  bis  zur  Marke  5  ccm  mit  sterilem 
destillierten  Wasser  auf.  Die  nunmehr  gebrauchsfertige  Lö¬ 
sung  benutzt  man  möglichst  sofort,  da  sie  sich  beim 
Stehen  an  der  Luft  allmählich  unter  Bildung  oxydischer 
Produkte  und  Annahme  einer  dunkleren  Färbung  zer¬ 
setzt.  Uebrigens  dürfte,  im  Falle  das  Präparat  für  die  Therapie 
der  menschlichen  Spirochätosen  von  Bedeutung  werden 
sollte,  die  Herstellung  der  Lösung  durch  die  Hand  des  Arztes 
später  voraussichtlich  überflüssig  werden,  denn  ich  fand,  dass 
auch  die  gebrauchfertigen,  schwach  alkalischen  Lösungen 
haltbar  sind,  sofern  man  sie  in  zugeschmolzenen  Glasröhrchen 
unter  indifferenten  Gasen  (z.  B.  CCL)  unterbringt.  Wenig¬ 
stens  konnte  bei  entsprechenden,  jetzt  über  7  Monate  alten 
Proben  —  gleichviel  ob  sie  im  Dunkeln  oder  bei  diffusem 
Tageslicht  aufbewahrt  worden  waren  —  keinerlei  Verände¬ 
rungen  physikalischer  oder  chemischer  Natur  beobachtet 
werden.  Auch  die  biologische  Prüfung,  die  nach  dieser  Zeit 
weder  eine  Zunahme  der  Toxizität  noch  Abnahme  der  Heilkraft 
erkennen  liess,  sprach  gegen  eine  Dekomposition.  Freilich 
wird  zur  definitiven  Beantwortung  dieser  Frage  noch  eine 
längere  Beobachtungszeit  nötig  sein. 

Wahl  der  Injektionsart.  Am  besten  wurde  im 
allgemeinen  die  intravenöse  Injektion  vertragen.  Aus  diesem 
Grunde  und  weil  sie  weiterhin  ein  sehr  genaues  quantitatives 
Arbeiten  ermöglicht,  wurde  ihr  bei  denjenigen  Tierarten,  bei 
denen  sie  ohne  erhebliche  Schwierigkeiten  auszuführen  war 
stets  der  Vorzug  gegeben.  Aber  auch  die  intramuskulären 
und  —  sofern  die  Grösse  der  Tiere  nicht  die  Anwendung  allzu 
konzentrierter  Lösungen  erforderte  —  auch  die  subkutane 
führte  zum  Ziele.  Stärkere  Infiltrate  oder  gar  Nekrosen 
wurden  hierbei  nie  beobachtet.  Ich  führe  diese  glatte  Re¬ 
sorption  auf  den  hohen  Gehalt  der  Gewebsflüssigkeit  an  Alkali¬ 
bikarbonat  zurück,  welches,  analog  den  Verhältnissen  im 
Reagenzglas,  die  Lösung  des  Körpers  fördert  und  einem  Aus¬ 
fällen  entgegenarbeitet. 

Therapeutischer  Effekt  bei  Spirochäten¬ 
krankheiten  (Tierversuche). 

Nachstehend  gebe  ich  an  der  Hand  einiger  Tabellen  Bei¬ 
spiele  von  der  Wirksamkeit  des  Bismethylaminotetramino- 
arsenobenzols  bei  Hiihnerspirochätose  (Hühner-  und  Kanarien¬ 
vögel),  Rekurrens  (Mäuse)  und  Lues  (Hodensyphilis  der  Ka¬ 
ninchen)  unter  Abstandnahme  von  der  Aufführung  zahlreicher 

1* 


1076 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Vorversuche.  Ferner  wurde,  um  die  Tabellen  nicht  zu  lang 
erscheinen  zu  lassen,  eine  Reihe  von  Versuchen  fortgelassen, 
bei  welchen  grössere,  die  Heildosis  wesentlich  überschreitende 
Mengen  des  Mittels  Verwendung  fanden.  Bei  den  Tabellen  1 
und  2  (Hiihnerspirochätose)  sind  je  zwei  aufeinadcrt'olgende 
Versuchsreihen  zu  je  einer  Tabelle  zusammengezogen.  Die 


No.  : 

Hiihnerspirochätose  (Hiihnerspirillose).  Um  recht  eindcuti- 
Resultate  zu  erzielen,  wurde  der  Stamm  vor  Benutzung  dur 
Zeckenpassage  derartig  virulent  gemacht,  dass  hiermit  in 
zierte  Tiere  fast  ausnahmslos  der  Infektion  erlagen.  Der  nc 
male  Verlauf  der  Krankheit  ergibt  sich  aus  den  Kontroll 
(s.  Tabellen  1  und  2). 


Tabelle  1.  a)  Heil  versuche  bei  Hiihnerspirochätose  (Hühner).  (Benutzte  stärkste  Lösung  3proz.) 


Kontrollen 

- 

1 

No. 

1 

2 

3 

4 

1  5 

6 

i  7 

8 

1  9 

10 

11 

12 

Gewicht 

1500 

1150 

1200 

1300 

j  1200 

1100 

1100 

1150 

1050 

950 

850 

1250 

Infektion:  je  0,5  ccm  pro  kg  Huhn  von 

einer  Blutverdünnung  (Spirochätenzahl  y) 

intramuskulär. 

1.  Tag  nach  Infektion . 

2 

»>  ,  »»  .»»  . 

Dosis  in  g  pro  kg  Huhn . 

3.  Tag  nach  Infektion . 

»»  tt  . 

+  w. 

,+++ 
-H-+  t 

++ 

+++„ 
++f  + 
tot 

+  w. 

+4“ 

+++ 

“f* 

0,08 

+ 

0,04 

+  w. 
0,02 

+ 

0,01 

+ 

0,005 

4“ 

0,0025 

*+■ 

0,0025 

++ 

0,002 

+ 

- 

0,' 

4- 

- 

01 

h 

+ 

_ 

tot 

_ 

_ 

_ 

4- 

± 

1 

7.— 10.  Tag-  nach  Infektion . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+- 

-4 

Reinfektion  nach  weiteren  14  Tagen 

am  12.  Tage  tot  | 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

nicht  untersucht! 

nicht  untersuc 

Tabelle  2.  b)  Heilversuche  bei  Hühnerspirochätose  (Kanarienvögel).  (Benutzte  stärkste  Lösung  0,05 proz.) 


Kontrollen 

— 

No. 

1  |  2  |  3  |  4 

5 

6 

1  7  | 

8 

9 

1  io 

1  U 

1 

12  | 

13 

Gewicht 

18  17  |  17  1  20 

18 

19 

17 

18 

15 

12 

18 

,8  | 

— 

15 

Infektion:  je  0,2  ccm  pro  Tier  von  einer  Blutverdünnung  (Spirochätenzahl  5—10)  intramuskulär. 


1.  Tag  nach  Infektion  .  .  .  . 

2 

“*  tt  tt  tt  •  - 

3 

.»  M  »»  .... 

Dosis  in  g  pro  kg  Tier  .... 

4.  Tag  nach  Infektion . 

5 

»  tt  tt  . 

6*  tt  tt  tt  ... 

7.— 10.  Tag  nach  Infektion  .  .  . 

++ 

+++ 

1  1  j  1 

tot 

++ 

+++ 

tot 

+++ 

-H-+ 

44+ 

+  w. 
+++ 

+++ 

tot 

+ 

0,025 

H — h+ 

•  0,01 

++ 

0,005 

+  w. 

+  1  + 
0,003 

+  + 
0,003 

+++ 

0,002 

+ 

0,002 

++ 

0,001 

+ 

+ 

i  4|4+i  i 

Reinfekt.  nach  weiteren  14  Tagen 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ  | 

negativ 

negativ 

negativ 

negati’ 

Tabelle  3.  Heilversuche  bei  Rekurrens  (Mäuse).  (Benutzte  Lösung  0,3 proz.) 


- — - -  °  ’  * 

Kontrollen 

No. 

1 

2 

3  1  4  | 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

Gewicht 

20 

22 

18  1  19 

16 

19 

19 

18 

17 

20 

18 

19 

18 

17 

18 

20 

21 

o _ 3 

Infektion:  je  0,2  ccm  pro  Maus  von  einer  Blutverdünnung  (Spirochätenzahl  - ). 


1.  Tag  nach  Infektion  .... 

+  w. 

4-  w. 

1 

- 

i*  i»  .  »  i>  .... 

-1 

+ 

+ 

+ 

+ 

4“ 

+ 

+ 

+ 

4~ 

4~ 

4~ 

4“ 

+ 

++ 

1  + 

+ 

Dosis  in  g  pro  20  g  Maus  .  . 

0,0018 

0,0016 

0,0016 

0,0014 

0,0014 

0,0012 

0,0012 

0,(011 

0,001 1 

0,001 

0,001 

3.  Tag  nach  Infektion  .... 

++ 

++ 

+++ 

+++ 

+++ 

++ 

— 

— 

— 

_ 

— 

_ 

'  _ 

++ 

4" 

”  I»  >>  tt  . 

— 

— 

++ 

+++ 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

++ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Dosis  in  g  pro  20  g  Maus 

0,0012 

0,0011 

0,001 

6.  Tag  nach  Infektion  .... 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

tt  tt  tt  ... 

4~ 

— 

— 

4* 

-r 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

+ 

8 . 

++ 

+ 

4" 

++ 

++ 

+ 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

— 

_ 

_ 

_ 

+ 

”  ”  ”  ... 

+ 

+ 

+4“ 

+ 

4- 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

*0*  tt  tt  tt  ... 

— 

— 

— 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

*!•*»  tt  tt  .... 

— 

— 

— 

— 

— 

4- 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

— 

12 

M tt  »»  tt  .  .  •  . 

— 

— 

— 

— 

— 

tot 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

13.  „  ,,  ,, 

+ 

4" 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

+ 

—  1 

tt  tt  tt  ... 

+ 

+ 

— 

— 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

—  1 

15-  „  „  ,,  .... 

— 

— 

tot 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

— 

— 

+ 

—  1 

tt  tt  tt  ... 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

— 

+ 

4* 

+ 

Weitere  Rezidive: 

ein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

kein 

ein 

ein 

am 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rediziv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

Rezidiv 

18.  Tag 

(+  w.) 

<+w.) 

tot 

Reinfektion  nach  2  Monaten  .  . 

negativ 

negativ  | 

negativ  | 

negativ  | 

I 

positiv  j 

positiv 

positiv 

starb 

positiv  | 

negativ 

positiv  | 

negativ 

negativ 

starb  ; 

mikroskopische  Untersuchung  erfolgte  im  Dunkelfeld  und  nur, 
wenn  sie  nicht  gleich  ausgeführt  werden  konnte,  im  Burri- 
oder  Romanowskypräparat.  Bei  der  Infektion  lehnte  ich  mich 
möglichst  an  die  von  E  h  r  1  i  c  h-H  a  t  a  [9]  angegebene  Technik 
an,  desgleichen  benutzte  ich  bei  Ausführung  der  Spirochäten¬ 
befunde  die  von  den  genannten  Autoren  gebrauchten  Bezeich¬ 
nungen.  Hiernach  bedeutet: 

—  =  keine  Spirochäte  auffindbar. 

!  w  =  1  Spirochäte  in  mehr  als  50  Gesichtsfeldern. 

+  =  1  Spirochäte  in  50  Gesichtsfeldern. 

.  j  j  =  1  Spirochäte  in  jedem  Gesichtsfeld,  zuweilen  2  und  mehr. 

4+ ,  =  mehrere  Spirochäten  in  kleinen  Haufen. 

5  io  20  =  zahlreiche  Spirochäten  in  grossen  Knäueln. 

T’  T’  T  =  5’  10,  20  usw.  Spirochäten  in  einem  Gesichtsfeld. 

1.  Versuche  mit  Hühnerspirochätose. 

Injiziert  wurde  mit  einem  im  Institut  seit  vielen  Jahren 
auf  Kanarienvögeln  weitergezüchteten  Stamm  brasilianischer 


Hiernach  beträgt  die  sterilisierende  Dosis  (C)  beim  er¬ 
krankten,  bereits  Spirochäten  im  Blut  aufweisenden  Huhn 
0.0025  g,  beim  Kanarienvogel  0,002  g  pro  Kilogramm  Tier. 
Stellt  man  diesen  Werten  die  für  das  erkrankte  Tier  ermittelte! 
Dosis  tolerata  (T)  gegenüber,  so  gelangt  man  zu  folgendem,, 
namentlich  beim  Kanarienvogel  ausserordentlich  günstigen 
Verhältnis: 

Beim  Huhn  §  ^  beim  Kanarienvogel  jgg  = 

b)  Heilyersuche  bei  Rekurrens. 

Zu  dem  Versuche  diente  ein  auf  Mäusen  gezüchteter,  ziem¬ 
lich  virulenter  Stamm  afrikanischen  Rückfallfiebers,  welcher  im 
Institut  bereits  über  500  Passagen  durchgemacht  hatte.  Andere 
liier  nicht  näher  beschriebene  Versuche  mit  einem  Stamm  rus¬ 
sischer  Herkunft  führten  zu  fast  gleichen  Resultaten.  Die 
Infektion  erfolgte  subkutan  mit  stark  verdünntem  Blut,  so 
dass  die  ersten  Spirochäten  in  der  Regel  erst  am  2.  Tage  nach 


I.  Mai  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1077 


:r  Infektion  im  Blute  der  Versuchstiere  erschienen.  Ueber 
;n  Verlauf  der  Krankheit  bei  unbehandelten  Mäusen  geben 
e  Kontrollen  1 — 6  (lab.  3)  Aufschluss.  Bei  der  Reinfektion 
urden  den  Tieren  je  0,2  ccm  einer  weit  stärkeren  Dosis 

°  j  eingespritzt. 


Da  nach  obiger  I  abeile  eine  einmalig  verabreichte  Menge 
in  0,0014  g  pro  20  g  Tier  bei  der  erkrankten,  Spirochäten  im 
ut  aufweisenden  Maus  sterilisierend  wirkt  und  als  Dosis 
lerata  für  derartige  im  Anfangsstadium  der  Krankheit  be- 
idliehe  Tiere  0,00218  g  ermittelt  wurde,  so  gestaltet  sich  das 


irhältnis  zwischen  Heildose  und  ertragener  Dose 


6 


Heilversuche  bei  Syphilis  am  Kaninchen. 

Zu  den  Versuchen  wurde  ein  von  Prof.  M  ü  h  1  e  n  s  ge- 
chteter  und  mir  freundlichst  zur  Verfügung  gestellter  Stamm 
s  Institutes  benutzt.  Die  Infektion  (Skrotumsyphilis)  nahm  bei 
n  unbehandelten  Tieren  einen  ganz  ähnlichen  Verlauf,  wie 
von  Hata  [9]  eingehend  geschildert  wird.  Nur  Tiere 
t  wohlausgebildeten,  dauernd  bestehenden  Schankern,  in 
nen  massenhaft  bewegliche  Spirochäten  nachweisbar  waren, 
irden  für  die  Versuche  verwandt. 


Photogramme: 


No.  1.  Am  Injektionstage. 


No.  2.  8  Tage  nach  der  Injektion. 


No.  3.  15  Tage  nach  der  Injektion. 


No.  4.  19  Tage  nach  der  Injektion. 


Tabelle  4.  Heilversuche  bei  Lues  (Hodensyphilis  der  Kaninchen).  (Benutzte  Lösung  dproz.) 


ier 

0. 

Dosis  in  g 

Vor  der 
Behandlung 

— 

— 

Nach  der  Behandlung 

— 

pro 

1.  Tag 

2. 

Tag 

3. 

Tag 

4.  Tag 

5  Tag 

bis 

10.  Tag 

Rezidiv 

innerhalb  weiterer 

2  Monate? 

kg  Kaninchen 

Spirochäten 

Beweg¬ 

lichkeit 

Spiro¬ 

chäten 

Beweg¬ 

lichkeit 

Spiro¬ 

chäten 

Beweg- 
lichke  t 

Spiro¬ 

chäten 

Beweg- 
1  lichkeit 

Spiro¬ 

chäten 

1  Beweg- 
|  lichkeit 

Spiro¬ 

chäten 

Beweg¬ 

lichkeit 

Spiro¬ 

chäten 

Beweglich¬ 

keit 

1 

2 

3 

1 

5 

•> 

7 

i 

1 

) 

1 

) 

0,100 

0,015 

0,012 

0,012 

0,012 

0,010 

0,010 

0,010 

0,008 

0,008 

0,008 

0,004 

++ 

"H+ 

m 

■AL 

444- 

4-  4- 

+++ 

444 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b. 

1.  b 

I.  b. 

1.  b. 

+  w. 

-1-  W. 

4-  w. 

+  W. 

++w- 

4-4 

44 

4  w. 
444 

u. 

u. 

u. 

u. 

u. 

b. 

b. 

b. 

u. 

I.  b. 

4  w. 

+“w. 

4 

4 

+  w. 

444 

u. 

u. 

u. 

b. 

u. 

1.  b. 

4 

4-  w. 

4-44- 

1.  b. 

u. 

I.  b. 

i  . . .  *  it 

+  +  + 

b. 

u. 

1.  b. 

44 

4-44- 

1.  b. 

1.  b. 

wurde 
dau 
starb  a 
Luc 

wurde 

durch  eine  v 
ernd  geheilt 
m  28.  Tage 
;s  geheilt) 

anderweitig 

kein  Rezidiv 

»»  ft 

1»  »* 

»*  »1 

ff  ft 

1»  ft 

>»  ,  .  »» 

Rezidiv  nach  12  Tagen 
weitere  gleiche  Dosis 

an  Lungenaffektion  (von 

kein  Rezidiv 
ferwandt 

(b.  =  beweglich,  I.  b.  =  lebhaft  beweglich,  u.  =  unbeweglich.) 


Da  von  den  drei  je  einmal  mit  0,012  g  pro  Kilogramm  Tier 

I  handelten  Lueskaninchen  keines,  von  den  drei  je  einmal 

I I  0,010  behandelten  nur  ein  einziges  (mit  einem 
.uz  abnorm  grossen  Schanker  behaftetes),  rezidivierte,  darf 

m  wohl  0,011  g  pro  Kilogramm  als  sofort  sterilisierende 
'  üdosis  ansprechen.  Vergleichen  wir  hiermit  die  sowohl  für 
sunde  wie  für  lueskranke  Kaninchen  als  ziemlich  gleich  er- 
ttelte  Dosis  tolerata  von  0,14  g  pro  Kilogramm  Tier,  so 

■  angen  wir  zu  dem  für  die  Heilbewertung  des  Präparates 

..  , .  ,,  .  .  C  0,011  1 

r  günstigen  Verha  tnis  von  — - = 

T  0,14  12,7 

Der  Heilprozess  der  sonst  völlig  unbehandelten  Schanker 
•  g  jedesmal  nach  Verschwinden  der  Spirochäten  rapide  vor 
h  und  war  in  der  Regel  in  3  Wochen  vollendet.  Nach- 

■  hende  Photogramme  zeigen  den  Verlauf  desselben  inner- 
b  19  Tagen  bei  einem  einmal  mit  0,012  g  pro  Kilogramm 
tändelten  Tiere  (Kaninchen  No.  5). 


Zusammenfassend  verhalten  sich  in  Bezug  auf  die  drei 
:irochätenarten  die  Heildosen  des  Präparates  zu  den  er- 
genen  Gaben  im  Tierversuch  wie  folgt: 


osis : 

Hühnerspirochäten 

Rekurrensspirochät. 

Luesspirochäten 

Hahn 

Kanarienvogel 

Maas 

Kaninchen 

rativa 

1 

1  1 

1 

1 

lerata 

32 

87,5 

1,56 

12,7 

Stellt  man  diesen  Befunden  die  von  Ehrlich -  Hata 
b  Dioxydiamidoarsenobenzol,  unserem  bisher  besten  Anti- 

pochätosum  erhaltenen  („bei  Hühnerspirochäten  =  bei 

\  1  58 

1  1  1  \ 

,<urrens  =— ,  bei  Kaninchenlues  =—  bis  “J  gegenüber, 


so  beobachtet  man  eine  Verschiebung  der  Werte  zu  ungunsten 
der  Bismethylverbindung  bei  Rekurrens  und  Hühnerspiro- 
chätose  (beim  Huhn  selbst),  zu  ihren  Gunsten  bei  der  Kanin¬ 
chenlues.  Zu  den  ausserordentlich  günstigen  Resultaten, 
welche  mit  dem  neuen  Körper  bei  der  auf  Kanarienvögel  über¬ 
tragenen  Hühnerspirochätose  erzielt  wurden,  fehlt  es  z.  B. 
au  analogen  mit  Dioxydiamidoarsenobenzol  angestellten  Ver¬ 
gleichsversuchen.  An  und  für  sich  aber  verdient  die  Tat¬ 
sache  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass  ein  Heil¬ 
mittel,  welches  einen  Organismus  von  lebensbedrohenden 
Spirochäten  mit  einem  Schlage  zu  befreien  imstande  ist,  erst 
bei  Gaben,  welche  das  87,5  fache  der  Heildosis  übersteigen, 
auf  den  Organismus  selbst  toxisch  zu  wirken  beginnt. 

Die  Schutzwirkung  des  Präparates  wurde  nicht  ein¬ 
gehend  studiert.  Nach  den  orientierenden,  bei  Rekurrens-  und 
Hühnerspirochäten  angestellten  Vorversuchen  ist  sie  sicher 
nur  sehr  gering.  Versuche  mit  Hühnerspirochäten  in  vitro 
zeigten,  dass  zur  Abtötung  weit  stärkere  Konzentrationen  des 
Präparates  notwendig  sind  als  in  vivo. 

Beziehungen  zwischen  Konstitution  und 
Wirkung.  Im  Verlaufe  meiner,  bereits  im  Sommer  1911 
begonnenen  Studien  mit  dem  Bismethylaminotetraminoarseno- 
benzol  und  einer  Reihe  ihm  nahestehender  Körper  brachte 
eine  aus  dem  Georg  Speyer-Hause  stammende  Arbeit  von 
B  e  r  t  h  e  i  m  [10]  sehr  wertvolle  Mitteilungen  über  die  chemo¬ 
therapeutische  Beeinflussung  des  Dioxydiamidoarsenobenzols 
durch  Einführung  von  Methylresten  in  die  Amidogruppe.  Sie 
bezogen  sich  auf  ein  Dimethylamino-  (I),  ein  Tetramethyl- 
diamino-  (II)  und  ein  Hexamethyldiammoniurri-dioxyarsenoben- 
zol  (III)  folgender  Konstitution: 

Die  Untersuchungen  führten  zu  der  Erkenntnis,  dass 
der  Eintritt  von  Methylresten  in  Bezug  auf 
die  trypanozide  Wirkung  dystherapeutisch 


1078 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I.  As 

/\ 


V 

OH 
III.  As 

A 


As 


NHCHa 


V 

OH 

As 


NHCH.t 


II.  As 

A 


V 

OH 
IV.  As 


N(CH3)t 


v  ,N(CH3)3  l  JN(CH3)3 

VA  V  \ 

OH  OH  X 


As 

A 

V 

OH 

As 

A 


N(CH3)ä 


V 

N(CH3) 


NH‘2 


V 

N(CH3)2 


NHj 


wirkt.  Das  gleiche  Resultat  zeitigten  neuere,  von  Karrer 
fll]  erwähnte  Versuchest  dem  von  ihm  hergestellten  Tetra- 
methyltetraminoarsenobenzol  (IV).  Ich  selbst  hatte  vor 
mehreren  Monaten  gleichfalls  Gelegenheit,  diesen  Körper, 
welcher  zu  ähnlichen  Zwecken  hergestellt  worden  war,  zu 
prüfen  und  kann  ergänzend  hinzufügen,  dass  auch  die  spiro- 
chätozide  Kraft  der  Verbindung  eine  minimale  ist.  Ehe  im  Hin¬ 
blick  auf  das  auffallend  abweichende  Verhalten  des  ebenfalls 
hierhergehörigen  Bismethylaminotetraminoarsenobenzols  be¬ 
stimmte  Gesetzmässigkeiten  aufgestellt  werden  können, 
werden  die  Ergebnisse  noch  weiterer  bereits  im  Gange  befind¬ 
licher  Untersuchungen  abgewartet  werden  müssen. 

Es  war  nun  von  erheblichem  Interesse,  auch  die  ent¬ 
sprechende  nichtmethylierte  Verbindung,  das  Hexamino- 
arsenobenzol  der  Formel 


As 

-  As 

t 

A 

A 

NHa 

NHa  NHa 

v 

V 

NHa 

NHa 

zu  erhalten  und  zu  prüfen,  ob 

in 

NHa 


ihr,  wie  vermutet 
werden  musste,  die  antiparasitären  Eigenschaften  noch 
weiter  zur  Entwicklung  gekommen  waren.  In  der  Tat 
konnte  bei  dem  ebenfalls  von  L.  Ach  und  A.  Roth- 
mann  inzwischen  synthetisierten  Körper  eine  erheblich 
stärkere  Wirkung,  wenigstens  gegenüber  Lues-  und  Rekurrens- 
spirochäten  im  Tierversuch  konstatiert  werden,  ohne  dass 
die  Organgiftigkeit  in  gleichem  Verhältnis  zugenommen  hätte. 
Nach  vorläufigen  Untersuchungen  dürfte  als  untere  Heilgrenze 
des  Hexaminoarsenobenzolchlorhydrates  bei  Kaninchenlues 
0,008  g  pro  Kilogramm  Tier,  bei  Rekurrens  0,00033  g  pro  20  g 
Maus  angesehen  werden  gegen  0,011  g  (Lues)  und  0,0014  g 
(Rekurrens)  der  methylierten  Verbindung.  Umfangreichere 
Untersuchungen,  mit  denen  ich  zurzeit  beschäftigt  bin,  sollen 
hierüber  noch  Endgültiges  bringen. 

Es  liegt  nicht  im  Rahmen  dieser  Abhandlung,  auf  die  zahl¬ 
reichen  anderen  Arsenderivate  einzugehen,  welche  zum  Teil 
als  Zwischenprodukte  bei  der  Herstellung  des  Bismethylamino- 
tetramino-  und  Hexamino-arsenobenzols  gewonnen  wurden, 
zum  Teil  hierbei  als  Ausgangsmaterial  dienten.  Hierüber, 
ebenso  über  die  Ergebnisse  der  Prüfung  bei  Trypano¬ 
somen  soll  später  an  anderer  Stelle  berichtet  werden. 

Die  Frage,  ob  die  eine  oder  andere  der  beiden  Verbin¬ 
dungen  vielleicht  berufen  sein  dürfte,  dereinst  eine  Rolle  in 
der  Therapie  der  menschlichen  Spirochätosen  oder  anderer 
durch  Arsenikalien  günstig  zu  beeinflussender  menschlicher 
Krankheiten  zu  spielen,  wird  erst  nach  Vornahme  umfang¬ 
reicher  klinischer  Versuche  erörtert  werden  können.  Mit  der 
methylierten  Verbindung  sind  bereits  solche  im  Gange. 


Literatur. 

L  Ojemsa  und  Werner:  Erfahrungen  mit  einigen  Derivaten 
des  Chinins  bei  Malaria.  Arch.  f.  Schiffs-  u.  Tropenkrankh.  1912, 
Beiheft  4,  S.  65.  —  2.  M  o  r  g  e  n  r  o  t  h  und  Halberstaedter:  Zur 
Kenntnis  der  Chininwirkung.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1910,  No.  14.  — 
3.  Dies.:  Lieber  die  Beeinflussung  der  experimentellen  Trypano¬ 
someninfektion  durch  Chinin.  Sitzungsber.  d.  Kgl.  Preuss.  Akad.  d. 
Wissensch.  v.  21.  Juli  1911.  —  4.  Dies.:  Ueber  die  Beeinflussung 
der  experimentellen  Trypanosomeninfektion  durch  Chinin  und 
Chininderivate.  Sitzungsber.  d.  Kgl.  Preuss.  Akad.  d.  Wissensch. 
vom  12.  Januar  1911.  —  5.  Dies.:  Ueber  die  Heilwirkung  von  Chinin- 


No.  2> 


derivaten  bei  experimenteller  Trypanosomeninfektion.  Berl.  kliil 
Wochenschr.  1911,  No.  34.  —  6.  Morgenroth  und  R ose n th a 
Experimentelle  therapeutische  Studien  bei  Trypanosomeninfektione 
Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.  1912,  S.  501.  —  7.  Dies 
Chemotherapeutische  Beobachtungen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  191 
No.  3.  —  8.  Morgenroth  und  T  u  g  e  n  d  r  e  i  ch.-  Zur  Chenu 
therapie  der  Trypanosomeninfektion.  Berl.  klin.  Wochenschr.  191. 
No.  8.  —  9.  Ehrlich-Hata:  Die  experimentelle  Chemotherap1 
der  Spirillosen.  Berlin  1910.  Jul.  Springer.  —  10.  A.  Bertheiir 
Zur  Kenntnis  methylierter  Diaminodioxvarsenobenzole.  Ber 
Deutsch,  ehern.  Gesellsch.  1912,  S.  2130.  —  i  1.  K  a  r  r  e  r :  Zur  Kenntn 
aromatischer  Arsenverbindungen  IV.  Berichte  d.  Deutsch,  dien 
Gesellsch.  1913,  No.  3.  S.  515.  —  12.  Hesse:  Liebigs  Annalen  de 
Chemie  Bd.  241.  Berichte  d.  Deutsch,  ehern.  Gesellsch.  Bd.  15  un 
Bd.  28.  —  13.  Morgenroth  und  Halberstädter:  Zur  exper 
mentellen  Therapie  der  Trypanosomeninfektion.  Archiv  f.  Schiffe 
und  Tropenhygiene  1912,  Beiheft  1. 


Aus  dem  Ke!.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frank 
fi,rt  a.  M.  (Direktor:  Exzellenz  Geh.  Obermedizinalrat  Profi 

Dr.  P.  Ehrlich). 

Therapeutische  Versuche  mit  lokaler  Thoriumchlorid 
behandlung  bei  Karzinommäusen  und  Sarkomratten* 

Von  Dr.  Albert  Caan  in  Frankfurt  a.  M. 

M.  H.!  Die  Chemotherapie  der  bösartigen  Geschwülste! 
hat  in  den  letzten  Jahren,  wenigstens  was  die  Ticrcxperiinenh 
betrifft,  grosse  Fortschritte  gemacht.  Ich  erinnere  an  die 
v.  Wassermann  sehen  Versuche  mit  Eosin-Selen.  an  di. 
Verwendung  tumoraffiner  Substanzen  durch  Neuberg. 
C  a  s  p  a  r  i,  an  die  S  p  i  e  s  s  sehen  Novokaininjektionen,  at 
die  Cholineinspritzungen  Werners  usw.  Bei  fast  aller 
diesen  Versuchen  handelte  es  sich  um  Tierexperimente. 

Ich  komme  heute  zu  Ihnen  mit  einem  Mittel,  welches 
ebenfalls  zunächst  an  tumorkranken  Mäusen  und  Ratten  aus¬ 
probiert  wurde.  Bevor  ich  auf  das  Mittel  selbst  näher  zurück-! 
komme,  möchte  ich  zwei  prinzipiell  wichtige  Gesichtspunkte 
ausdrücklich  hervorheben:  1.  Es  handelt  sich  bei  meinen 
Experimenten  um  Tierversuche,  und  mögen  dieselben 
auch  noch  so  günstig  ausgefallen  sein,  so  sagen  sie  dennoch 
nur  mit  äusserster  Vorsicht  Schlüsse  auf  die  menschliche 
Pathologie  zu.  Das  Mäusekarzinom  sowohl  wie  das  Ratten¬ 
sarkom.  welche  am  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie 
weitergezüchtet  werden,  haben  eine  maligne  Form.  Es  steht 
jedoch  wohl  heute  fest,  dass  die  menschlichen  malignen  Tu¬ 
moren  sich  sowohl  in  biologischer  Beziehung  wie  auch  im 
Hinblick  auf  die  therapeutische  Beeinflussung  ganz  anders 
verhalten  wie  die  bösartigen  Tiergeschwülste.  2.  Die  Ap¬ 
plikationen  geschehen  auf  intrat  u  moralem 
W  e  g  e,  also  nicht  auf  dem  Wege  der  Blutbahn. 

Wenn  ich  meine  Versuche  publiziere,  so  geschieht  dies 
deshalb,  weil  die  Wirkung  der  Einspritzung  eine  über¬ 
raschende  ist.  Ich  stellte  die  Versuche  unter  Exzellenz  Ehr¬ 
lich  s  Leitung  an  und  wurde  dabei  von  Herrn  Präparator 
G  ö  1  d  n  e  r  auf  das  beste  und  dankenswerteste  unterstützt. 

Das  Präparat  selbst  stammt  aus  der  Thorium¬ 
reihe,  und  zwar  ist  es  kein  reines  Thoriumchlorid  (das 
Präparat  wurde  mir  von  Herrn  Direktor  Rosenberg 
(Charlottenburger  Radiogengesellschaft]  in  liebenswürdigster 
Weise  zur  Verfügung  gestellt),  sondern  ein  solches,  welches 
aus  der  Mesothoriumfabrikation  stammt  und  Spuren  von 
Mesothorium  enthält.  Sein  Schmelzpunkt  liegt  bei  820°.  Das 
unreine  Chlorid  färbt  sich  allmählich  grau,  während  das  subli¬ 
mierte  farblose  Nadeln  oder  Prismen  bildet,  die  an  der  Luft 
ziemlich  beständig  sind. 

Die  Technik  ist  eine  relativ  einfache.  Bei  Ratten 
wurden  5  proz.  Lösungen  (Aqua  destillata)  verwandt,  von 
denen  jeden  2.  Tag  (bis  zu  6  Einspritzungen)  0,75  ccm  intra- 
tumoral  einverleibt  wurde.  Bei  Mäusekarzinomen  wurde  von 
einer  2 Vs  proz.  Lösung  jeden  2.  Tag  (bis  zu  5  Injektionen) 
0,5  ccm  eingespritzt.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  trat  der  Er¬ 
folg  bereits  nach  der  zweiten  bezw.  dritten  Einspritzung  ein 
(Verflüssigung  bezw.  Nekrose).  Der  Heilungsprozess  verlief 
bei  den  Rattentumoren  bedeutend  schneller  als  bei  den  Mäuse- 
karzinomen.  Während  bei  den  Rattentumoren  sich  die  Ge- 

*)  Nach  einem  am  7.  IV.  1913  irrt  Aerztlichen  Verein  zu  Frankfurt 
a.  M.  gehaltenen  Vortrage. 


0.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


chwtilst  bereits  nach  8 — 14  lagen  vollständig  abgestossen 
atte  und  eine  gutgranulierende  Wundfläche  zurückgeblieben 
var.  welche  nach  weiteren  8  1  agen  in  der  Regel  zur  völligen 
Eernarbung  und  Heilung  führte,  zeigten  sich  die  Müuse- 
arzinome  refraktärer,  indem  der  Termin  sich  hier  bisweilen 
uf  5 — 6  Wochen  hinausdehnte. 

Die  Histologie  ist  mit  wenigen  Worten  abgetan.  In 
llen  Fallen,  welche  zur  mikroskopischen  Untersuchung  ge- 
ingt  waren,  war  von  l'umorgewebe  nichts  mehr  zu  sehen, 
s  handelte  sich  stets  um  ein  total  degeneriertes  Gewebe, 
reiches  der  schon  makroskopisch  sichtbaren  Nekrose 
ntsprach. 

Es  ist  leicht  verständlich,  dass  bis  zur  Feststellung  der 
)osis  toxica  bzw.  letalis  viele  Tiere  geopfert  werden  mussten, 
di  ganzen  wurden  bisher  je  drei  Versuchsreihen  an 
läusekarzinomen  und  Rattensarkomen  angestellt. 

Bei  der  ersten  Versuchsreihe  (im  Dezember  vorigen 
ahres)  wurden  zwei  Mäuse  eingespritzt,  von  denen  eine 
tarb,  während  die  andere  noch  heute,  völlig  ge¬ 
eilt,  amLeben  ist.  Bei  dem  verstorbenen  Tier  war  der 
ahezu  walnussgrosse  Tumor  stark  ulzeriert,  und  bei  der 
langelhaften  Asepsis  im  lierkäfig  lag  die  Vermutung  nahe, 
ass  eine  septische  Infektion  die  Veranlassung  zum  letalen 
lUSgang  war.  Ueberhaupt  ist  diese  Todesursache  bei  der 
Erklärung  des  Todes  der  übrigen  Tiere  wohl  in  erster  Linie 
i  Betracht  zu  ziehen,  denn  dass  es  bei  den  grossen  ulzerieren- 
en  Wundfiächen,  die  durch  keinen  aseptischen  Verband  ge- 
chiitzt  sind,  zu  septischen  Infektionen  kommen  kann,  liegt 
uf  der  Hand.  Eine  Ausnahme  bildeten  die  10  Ratten  der 
rsten  Versuchsreihe.  Von  diesen  starben  alle,  auch  vier,  bei 
enen  der  Tumor  völlig  verschwunden  war,  und  zwar  an 
kabies.  Im  Dezember  vergangenen  Jahres  war  unter  den 
’atten  eine  Skabiesepidemie  aufgetreten  und  zwar  in  Schwer¬ 
ter  Form.  Die  Tiere  gingen  damals  sehr  schnell  unter  den 
rscheinungen  erheblicher  Mazies  zugrunde. 

Von  der  zweiten  Versuchsreihe  (Februar  1913)  sind 
eute  noch  8  Mäuse  am  Leben.  Zwei  starben  (Infektion?).  Ich 
eige  Ihnen  heute  4  Stück,  bei  denen  das  Stadium  der  Nekrose 
l  den  verschiedensten  Graden  (bis  zur  völligen  Ab¬ 
ei  lung)  sichtbar  ist.  Von  12  Ratten  (gleichfalls  zur 
weiten  Versuchsreihe  gehörend)  starben  drei  (Infektion?). 
ron  den  am  Leben  gebliebenen  stehen  hier  vor  Ihnen  4  Stück, 
arunter  drei  völlig  geheilte  Tiere.  Die  Kon- 
rolltiere  sowohl  der  ersten  wie  auch  der 
weiten  Versuchsreihe  sind  sämtlich  ein¬ 
egangen. 

Am  instruktivsten  ist  wohl  die  dritte  Versuchs¬ 
eihe  (März  1913).  Es  wurden  6  Mäuse  eingespritzt,  von 
enen  keine  starb.  Die  beiden  Ihnen  vorgestellten  Mäuse- 
unoren  sind  völlig  nekrotisch  bzw.  verschwindend  klein, 
’on  12  Ratten  starben  2  (Infektion?).  Unter  den  hier  demon- 
trierten  6  Stück  sind  ebenfalls  wieder  drei  gänzlich  ge¬ 
eilte  Ratten.  Erfreulicherweise  kann  ich  Ihnen  hier  die 
ontrolltiere  zeigen,  welche  bis  zu  taubeneigrosse  Tu- 
loren  aufweisen. 

Das  Ergebnis  der  bisher  angestellten  Versuche  fordert 
u  einer  Fortsetzung  derselben  auf.  Die  nächste  Auf- 
abe  besteht  darin,  das  Mittel  auf  intravenösem  Wege  an  die 
ieschwülste  heranzubringen.  Sollte  es  sich  zeigen,  dass  das 
Mittel  alsdann  eine  ähnliche  Wirkung  wie  bei  der  lokalen 
.pplikation  hervorrufen  sollte,  so  würde  diese  Tatsache  für 
ie  Frage  von  der  therapeutischen  Beeinflussung  maligner 
umoren  von  weittragender  Bedeutung  sein. 


.us  dem  Sanatorium  Solbald  Rappenau  für  Knochen-,  Gelenk- 
nd  Drüsenleiden  (leitender  Arzt:  Prof.  Dr.  V  u  1  p  i  u  s- Heidel¬ 
berg). 

eher  die  Lichtbehandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose. 

Von  Professor  Dr.  Oskar  Vulpius. 

Ueber  l]4  Jahrtausend  hatten  die  Aerzte  vergessen, 
ass  die  lebenspendende  Sonne  uns  auch  Heilkräfte  zusendet, 
’rst  seit  100  Jahren  hat  man  wieder  begonnen,  die  „Sonne 
lomers“  zu  therapeutischen  Zwecken  zu  verwenden.  Gegen- 
tand  regsten  Interesses  aber  ist  die  Heliotherapie  seit 


1079 


10  Jahren  in  steigendem  Masse  geworden,  nachdem  Bern¬ 
hard  und  R  o  1 1  i  e  r  erstaunliche  Erfolge  der  Höhensonne 
bei  chirurgisch  Kranken  und  insbesondere  bei  Knochen-  und 
Gelenktuberkulose  mitgeteilt  und  demonstriert  hatten.  Bald 
wurden  ähnliche  Heilversuche  an  der  Meeresküste  unter¬ 
nommen,  erst  in  der  jüngsten  Zeit  hat  man  dann  auch  in 
mittleren  Höhenlagen  und  in  der  Tiefebene  analoge  Experi¬ 
mente  gewagt.  Es  ist  nur  natürlich,  dass  man  bei  dieser  geo¬ 
graphischen  Entwicklung  der  Heliotherapie  zunächst  der 
Höhensonne  weitaus  den  grössten,  ja  fast  ausschliesslichen 
Wert  beimass,  und  dass  infolgedessen  die  Wertschätzung  der 
Sonnenbehandlung  in  tieferen  Lagen  sich  nur  langsam  durch¬ 
zuringen  vermag.  Ueber  die  Einwirkung  künstlicher  Licht¬ 
quellen  vollends  auf  die  chirurgische  Tuberkulose  sind  Er¬ 
fahrungen,  wenn  wir  hier  von  den  Röntgenstrahlen  absehen, 
noch  kaum  mitgeteilt  worden,  obschon  derartige  Versuche 
älter  als  die  heliotherapeutischen  sind. 

Wollen  wir  den  Wert  der  verschiedenen  oder  an  ver¬ 
schiedenen  Orten  „gefassten“  Lichtquellen  miteinander  ver¬ 
gleichen,  so  müssen  wir  zunächst  die  Wirkungen  feststellen 
und  die  Wirkungsweise  zu  ergründen  suchen. 

Wenn  wir  den  Wirkungen  der  Höhensonne  nach¬ 
spüren,  so  ist  von  vornherein  klar,  dass  wir  dieselben  von 
den  Wirkungen  des  Höhenklimas  im  ganzen  schwer  oder 
gar  nicht  zu  trennen  vermögen.  Fragen  wir  den  Physio¬ 
logen  nach  den  Gründen  des  unzweifelhaft  vorhandenen 
Einflusses  des  Höhenklimas  auf  den  gesunden  und  kranken 
Menschen,  so  vermag  er  uns  fast  nur  Negatives  zu  antworten. 
Aenderungen  des  Luftdruckes,  des  Sauerstoffgehaltes,  des 
Feuchtigkeitsgehaltes,  der  Staub-  und  Bakterienmenge  können 
zur  wissenschaftlichen  Erklärung  nicht  oder  kaum  heran¬ 
gezogen  werden.  Durch  Ausschliessung  anderer  Momente 
kommen  wir  zu  der  Annahme,  dass  es  sich  in  der  Hauptsache 
um  die  Sonnenwirkung  handle,  doch  ist  auch  hierüber  den 
Physiologen  wenig  Sicheres  bekannt.  Was  speziell  den  Blut¬ 
befund  betrifft,  so  scheint  es  nach  dem  heutigen  Stand  des 
Wissens,  dass  nur  ein  langer  Aufenthalt  in  grosser  Höhe  zur 
absoluten  Vermehrung  der  roten  Blutkörperchen  führt,  wie 
Cohn  heim  an  Arbeitern  der  Jungfraubahn  konstatiert  hat. 
Es  scheint  ferner  nach  Experimenten,  welche  der  gleiche 
Heidelberger  Physiologe  hat  ausführen  lassen,  dass  die  Blut¬ 
regeneration  bei  künstlich  entbluteten  Tieren  in  der  Höhe  sehr 
viel  schneller  erfolgt  als  im  Tiefland.  Wollen  wir  über  die 
Wirkungen  der  Höhensonne  uns  ein  Bild  machen,  so  müssen 
wir  also  zunächst  die  klinischen  Beobachtungen 
heranziehen. 

Wird  die  Haut  einige  Zeit  den  Strahlen  der  Höhensonne 
ausgesetzt,  so  tritt  eine  mehr  oder  minder  intensive  Rötung 
derselben  ein,  die  sich  bis  zu  stark  schmerzhafter  Schwellung 
und  Blasenbildung  steigern  kann.  Soweit  nicht  hierbei 
Wärmewirkung  in  Frage  kommt,  wird  diese  Hautrötung 
durch  die  chemisch  wirksamen  Strahlen,  insbesondere  durch 
das  Ultraviolett  erzeugt.  Der  Vorgang  kann  sich  so  abspielen, 
dass  die  Strahlen  der  rechten  Spektrumseite  direkt  die  Gefäss- 
wand  treffen  und  alterieren.  Die  Gefässdilatation  kann  auch 
auf  einem  Umweg  zustande  kommen:  Ein  grosser  Teil  der 
ultravioletten  Strahlen  wird  in  den  Basalzellen  der  Keim¬ 
schicht  absorbiert,  es  verläuft  hier  ein  chemischer  Vorgang, 
dessen  in  die  Tiefe  dringende  Produkte  die  Gefässwand  be¬ 
einflussen.  Man  hat  diese  durch  das  Ultraviolett  hervor¬ 
gerufene  Hautrötung  als  eine  Schutzreaktion  des  Organismus 
aufgefasst.  Das  gewaltige  Kapillarnetz  der'  Lederhaut  er¬ 
weitert  sich  und  bildet  eine  Art  von  Rotfilter,  welches  das  im 
Uebermass  schädlich  wirkende  Ultraviolett  aufnimmt  und  nur 
Strahlenbündel  der  linken  Spektralseite  durchlässt.  Genauer 
gesagt,  werden  von  diesem  Blutfilter  Grün,  Blau,  Violett  und 
Ultraviolett  absorbiert  und  nur  Rotgelb  und  einiges  Ultrarot 
durchgelassen. 

Auf  die  Rötung  pflegt  Pigmentierung  der  Haut  zu  folgen, 
sie  tritt  aber  nicht  immer  ein.  So  bleibt  sie  nach  Mitteilung 
eines  Davoser  Arztes  regelmässig  aus,  wenn  der  Hämoglobin¬ 
gehalt  weniger  als  50—60  Proz.  beträgt.  Andererseits  kann 
die  Pigmentierung  auch  ohne  vorhergehende  Rötung  eintreten, 
ja  sogar  ohne  jegliche  direkte  Besonnung,  nur  unter  dem  Ein¬ 
fluss  des  reflektierten  Lichtes.  Das  Pigment  entsteht  lang- 


1080 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


samer  bei  Blonden,  noch  mangelhafter  bei  rothaarigen  Per¬ 
sonen,  schneller  und  ausgiebiger  bei  dunkeln.  Das  Pigment 
entsteht  nur.  wo  ultraviolette  Strahlen  die  Haut  treffen,  aber 
auch  da  nicht  immer.  Ich  habe  selber  nichtblutarme  Men¬ 
schen  und  sogar  schwarzhaarige  beobachtet,  die  auf  energi¬ 
sche,  von  der  Quarzlampe  stammende  Bestrahlungen  mit 
Ultraviolett  immer  wieder  mit  Rötung  reagierten,  aber  eine 
weisse  Haut  behielten.  Das  Pigment  lagert  sich  in  den  Basal¬ 
zellen  des  Stratum  Malpighii  ab,-  und  zwar  peripher  von  den 
Zellkernen,  gerade  in  der  Schicht,  wo  das  Ultraviolett  am 
stärksten  absorbiert  wird.  Das  Pigment  soll  nicht  dem  Blut 
entstammen,  sondern  wohl  aus  den  Zellkernen  gebildet 
werden. 

Welche  Bedeutung,  welche  Wirkung  kommt  dem  auf  die 
Besonnung  folgenden  Hauptpigment  zu?  Zur  Erörterung  dieser 
Frage  ist  es  notwendig,  auf  die  Lichtwirkung  näher  einzu¬ 
gehen,  und  wir  finden  uns  da  nach  wenigen  Schritten  in  einer 
Terra  incognita  oder  wenigstens  valde  incerta.  Die  auf  die 
Körperoberfläche  auftreffenden  Sonnenstrahlen  dringen  in  den 
Körper  ein,  aber  sehr  verschieden  tief.  Das  Ultraviolett  und 
besonders  dessen  äusserer  rechter  Anteil  penetriert  am  wenig¬ 
sten,  während  rote  Strahlen  vielleicht  die  ganze  Körperdicke 
zu  durchsetzen  vermögen.  Die  auf  die  Feststellung  der 
Durchdringungskraft  abzielenden  Untersuchungen  haben  aller¬ 
dings  noch  keine  übereinstimmenden  Ergebnisse  gehabt,  und 
doch  ist  eine  genaue  Kenntnis  dieses  Verhaltens  der  ver¬ 
schiedenen  Lichtstrahlen  für  uns  von  der  grössten  Wichtig¬ 
keit.  Wenn  wir  von  Absorption  der  Lichtstrahlen  sprechen, 
so  bedeutet  dies  eine  Umwandlung  der  Strahlenerergie,  und 
zwar  in  Wärme  und  Chemismus.  Dass  es  eine  spezifische 
Lichtwärmewirkung  gibt,  unterliegt  keinem  Zweifel,  ein  ein¬ 
faches  Experiment  ist  beweisend:  Wenn  wir  nämlich  kaltes 
Licht  in  genügender  Intensität  auf  die  Haut  werfen,  so  kann 
der  Umsatz  der  absorbierten  Strahlen  in  Wärme  so  gross 
sein,  dass  es  zum  Schweissausbruch  kommt.  Dass  die  Um¬ 
wandlung  in  Wärme  keine  allzu  umfangreiche  sei,  glaubte  man 
daraus  schliessen  zu  können,  dass  Temperaturmessungen  keine 
oder  nur  geringe  innere  Wärmesteigerung  durch  Bestrahlung 
erkennen  Hessen.  Ist  diese  Annahme  zutreffend,  so  müsste 
man  weiter  annehmen,  dass  die  grössere  Menge  eingeführter 
Lichtenergie  in  chemische  Energie  verwandelt  wird. 

Je  heller  die  Haut  ist,  desto  mehr  Licht  kann  in  die  Tiefe 
dringen  und  gelangt  in  das  Kapillarblut  des  Korium.  Hier  er¬ 
folgt  eine  gewaltige  Absorption,  deren  chemischen  Folgen  man 
verschiedene  Wirkungen  zuschreibt.  Einmal  soll  es  unter  dem 
Einfluss  der  Lichtstrahlen  zur  Abspaltung  des  Sauerstoffes 
kommen,  welcher  sich  in  der  Lunge  mit  dem  Hämoglobin  ver¬ 
bunden  hat,  das  Licht  soll  also  reduzierend  wirken.  Gleich¬ 
zeitig  wird  dem  Licht  aber  auch  eine  oxydierende  Wirkung 
zugesprochen,  wobei  sich  allerdings  recht  komplizierte  Vor¬ 
gänge  abspielen.  Der  Oxydationsprozess  geschieht  nämlich 
in  den  Geweben  mit  Hilfe  eines  besonderen  Fermentes,  und 
auf  die  Entstehung  und  Wirkung  dieses  Fermentes  hat  nun  das 
Licht  entscheidenden  Einfluss.  Grüne  und  gelbe  Strahlen  ent¬ 
falten  in  dieser  Richtung  an  sich  keine  oder  nur  schwache 
Wirkung,  sie  können  allerdings  durch  die  nachher  zu  er- 
öi  ternde  Sensibilisierung  vielleicht  doch  wirksam  werden. 
Grün,  Blau  und  inneres  Ultraviolett  wirken  erheblich  fördernd,’ 
wenn  sie  nicht  in  übermässigen  Quantitäten  appliziert  werden! 
Das  äussere  Ultraviolett  wirkt  dagegen  höchst  störend  auf  das 
Ferment.  Deshalb  werden  diese  Strahlen  schon  in  den  ober¬ 
sten  Hautschichten  absorbiert,  ehe  sie  an  das  Kapillarnetz 
herantreten  können.  Dem  Abfangen  dieses  äusseren  Ultra¬ 
violetts  dient  also  das  Pigmentfilter  in  erster  Linie.  Nachdem 
dei  erste  vom  Organismus  verwendete  Schutzschirm  der 
Hautrötung  bei  und  nach  intensiver  Bestrahlung  wieder  in 
Wegfall  gekommen  ist,  schützt  sich  die  Haut  weiterhin  durch 
einen  Pigmentschirm  gegen  etwa  sich  wiederholende  Licht- 
uberschwemmung.  Die  Pigmentschicht  lässt  nun  natürlich 
sehr  viel  weniger  Licht  durch,  das  Ultraviolett  soll  bis  zu 
99  Proz.  zurückgehalten  werden,  aber  auch  die  übrigen 
Strahlen  erleiden  eine  recht  bedeutende  Einbusse  von  etwa 
50  Proz. 

Wir  kehren  nach  dieser  physiologischen  Erörterung  zur 
klinischen  Beobachtung  zurück  und  konstatieren  mit  Bern- 


No.  20 

h  a  r  d,  R  o  1 1  i  e  r  u.  a.,  dass  trotz  der  starken  Pigmentierung 
überraschende  Heilwirkungen  durch  die  Höhensonne  zustande 
kommen.  Ja  R  o  1 1  i  e  r  und  andere  Autoren  sprechen  dci 
Pigmentierung  geradezu  eine  prognostische  Bedeutung  zu 
Wer  rasch  und  ausgiebig  Pigment  ansetzt,  dessen  chirurgisch. 

uberkulose  heilt  rasch  und  sicher.  V.  Schrötter  er 
blickt  im  Ausbleiben  der  Pigmentierung  ein  Anzeichen  dafür 
dass  Disposition  zur  Tuberkulose  vorliege.  Diese  Annahme! 
werden  aber  von  Anderen  ebenso  energisch  bestritten,  fy 
steht  nicht  fest,  ob  konstitutionell  Geschwächte  eine  lang 
samere  Pigmentierung  aufweisen.  Erinnern  wir  uns  der  zahl 
reichen  Fälle,  wo  wir  trotz  prächtiger  Pigmentierung  ein  Fort¬ 
schreiten  der  Lungentuberkulose  konstatieren  müssen,  so  er¬ 
scheint  jene  Hypothese  doch  recht  gewagt.  Auch  auf  der 
bösartigen  Verlauf  der  Tuberkulose  bei  Negern  hat  man  in 
diesem  Zusammenhang  hingewiesen.  L  e  n  k  e  i  erblickt  gar  in 
dem  Eintritt  starker  Pigmentierung  eine  unerwünschte  Störung 
der  Sonnenkur  und  sucht  dieselbe  mit  allen  Mitteln  zu  ver 
hüten.  H  a  b  e  r  1  i  n  g  gehört  ebenfalls  zu  den  Zweiflern,  und 
ich  muss  gestehen,  dass  auch  ich  nicht  recht  an  den  Zu¬ 
sammenhang  von  Pigmentierung  und  Heilverlauf  glauben  kann 
Ich  berufe  mich  dabei  nicht  nur  auf  den  von  L  e  n  k  e  i  vor- 
gebi  achten  und  nicht  ohne  weiteres  zu  widerlegenden  Ein- 
wand,  dass  die  Pigmentierung  den  Ausdruck  einer  über 
massigen  Dosierung  der  Lichtbehandlung  darstelle,  ich  beziehe 
mich  vielmehr  auf  die  in  meinem  Sanatorium  in  Rappenau 
gemachten  Beobachtungen  an  chirurgisch-tuberkulösen  Kran 
ken,  welche  gelegentlich  trotz  Ausbleibens  der  Pigmentierun¬ 
vorzügliche  Heilerfolge  aufwiesen.  Da  aber  ein  Mann  von  der 
Autorität  R  o  1 1  i  e  r  s  für  die  Bedeutung  der  Pigmentierung 
eingetreten  ist,  so  erfordert  seine  Ansicht  grösste  Beachtung 
und  sorgfältige  Nachprüfung.  R  o  1 1  i  e  r  begründet  seine  An¬ 
schauung  mit  seiner  grossen  praktischen  Erfahrung  und  mit 
einer  Hypothese  hinsichtlich  der  Pigmentwirkung,  auf  die 
wir  noch  eingehen  müssen.  Er  erblickt  in  dem  Pigment  einen 
sogen.  Sensibilisator,  einen  Stoff,  welcher  das  kurzwellige 
Licht  in  therapeutisch  wertvollere,  weil  tiefer  eindringende 
Strahlen  umzuwandeln  vermag.  Erwiesen  scheint  die  Existenz 
solcher  Transformatoren  für  das  Gegenteil,  nämlich  für  die 
Umwandlung  langwelliger  Strahlen  in  solche  der  rechten 
Spektralseite.  Als  solchen  Stoff  hat  man  das  Ferrisulfat,  die 
Galle,  das  Hämatoporphyrin  gefunden  und  studiert.  Wenn 
wirklich  nach  der  R  o  1 1  i  e  r  sehen  Theorie  %  des  Ultravioletts 
der  Absorption  entginge,  mit  Hilfe  des  sensibilisierenden  Pig¬ 
mentes  in  rotgelbe  Strahlen  umgewandelt  würde,  so  wäre  die 
Folge  dieses  Vorganges,  dass  eine  grössere  Menge  lang¬ 
welliger  Strahlen  ins  Körperinnere  hineingelangte.  Es  würde 
damit  also  die  Tiefenwirkung  der  Sonnenstrahlen  vermehrt 
werden.  Hier  sei  erwähnt,  dass,  wie  experimentell  gezeigt 
werden  konnte,  das  Blut  durch  die  absorbierten  Lichtstrahlen¬ 
photo  aktiv  wird  und  dass  diese  Photoaktivität  mit  dem  Blut 
in  die  Tiefe  des  Körpers  getragen  werden  kann.  Es  wäre 
möglich,  dass  dort  die  strahlende  Energie  umgewandelt  wird 
und  irgendwelche  Vorgänge  auslöst,  welchen  eine  Heilwirkung 
zukommt. 

F)amit  kommen  wir  auf  die  T  iefenwirkung  des  Lichtes  zu 
sprechen,  deren  Vorhandensein  von  Ro  liier  und  anderen 
aus  den  klinischen  Erfahrungen  geschlossen  wird.  Von 
solchen  Tiefenwirkungen  zu  sprechen,  ist  sehr  viel  leichter, 
als  sie  wissenschaftlich  exakt  zu  beweisen.  Eine  unbestreit-  1 
bare  1  atsache  ist  es,  dass  tuberkulöse  Prozesse,  welche  sich 
in  Drüsen,  Knochen  und  Gelenken  abspielen,  durch  helio- 
therapeutische  Kuren  günstig  beeinflusst  werden.  Allein  man 
bedenke  die  glänzenden  Allgemeinbedingungen,  welchen  ein 
Patient  im  Sanatorium  ausgesetzt  wird,  die  sonstige  Behand- 
lung,  die  mit  der  Heliotherapie  kombiniert  wird,  und  man  wird 
ohne  weiteres  zugeben  müssen,  dass  eine  scharfe  Trennung 
dei  W  irkungen  der  verschiedenen  Heilfaktoren  unmöglich  ist. 
Das  in  der  Höhensonne  enthaltene  Ultraviolett  kann  die  Tiefen¬ 
wirkung  jedenfalls  nicht  erzeugen,  denn  es  wird,  wie  wir 
gesehen  haben,  in  der  Haut  bis  auf  höchstens  ganz  geringe 
Reste  absorbiert.  Verschiedene  Möglichkeiten  Hessen  sich  für 
die  Tiefenwirkung  denken: 

1.  Die  roten  Lichtstrahlen  dringen  in  die  Tiefe  und  wirken 
direkt  auf  den  Krankheitsherd. 


>0.  Mai  1911 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1081 


2.  Die  in  die  1  iefe  dringenden  roten  Strahlen  werden  dort 
ensihilisiert  und  wirken  in  der  Tiefe,  gewissermassen  als 
Jltraviolett  „in  statu  nascendi“  auf  den  Krankheitsherd. 

3.  Das  Ultraviolett  wird  durch  das  Pigment  sensibilisiert 
nd  dringt  als  langwelliges  Licht  in  die  Tiefe  (R  o  1 1  i  e  r). 

4.  Das  photoaktive  Blut  führt  Strahlenenergie  zum  Krank- 

eitsherd. 

Eine  weitere  Möglichkeit,  die  nicht  ganz  von  der 
fand  zu  weisen  ist  und  sogar  recht  viel  Wahrscheinlichkeit 
Ir  sich  hat,  wäre  die,  dass  im  Sonnenlicht  uns  noch  völlig 
nbekannte  Strahlen  enthalten  sind,  welchen  eine  Tiefen¬ 
wirkung  zukommt.  Ausgeschlossen  ist  wohl  eine  bakterien- 
iiende  Wirkung  der  in  die  Tiefe  dringenden  Strahlen.  Die 
ätsache,  dass  das  Sonnenlicht  Bakterien  zu  vernichten  ver- 
iag,  steht  freilich  fest.  Es  vermag  dies  sogar  durch  lebendes 
örpergewebe  hindurch  zu  tun,  aber  —  nachgewiesen  ist  diese 
Wirkung  nur  auf  Reinkulturen!  Dass  im  lebenden  Körper 
•akterien  durch  Licht  getötet  werden  können,  ist  in  keiner 
V  eise  bewiesen.  Einzelheiten  der  bakteriziden  Wirkung  des 
onnenlichtes  sind  allerdings  noch  durchaus  nicht  wider- 
jruchslos  festgestellt.  So  behaupten  die  Einen,  dass  im  Ultra- 
iolett  das  Maximum  der  Wirkung  zu  suchen  sei,  die  Anderen 
uden  es  im  Ultrarot,  während  die  dritten  festgestellt  haben 
ollen,  dass  das  gemischte  Licht  die  stärkste  Wirkung  ent- 
ltet. 

Auch  die  Technik  der  Heliotherapie  ist  heute 
jch  keine  feststehende  und  einheitliche:  So  macht  Bern- 
ard  lokale  Besonnung  des  Krankheitsherdes,  Rol- 
er  dagegen  gleichzeitig  mit  dieser  eine  ganz  systematische 
llgemeinbelichtung.  Beide  sind  bestrebt,  möglichst 
el  Hauptpigment  zu  erzeugen.  In  schroffem  Gegensatz  zu 
nen  will  L  e  n  k  e  i  die  Verfärbung  der  Haut  grundsätzlich 
nlichst  vermeiden  und  betont  es  als  besonderen  Erfolg,  dass 
rn  durch  eine  eigene  Technik  der  Bestrahlung  dies  fast  aus- 
ihmslos  gelingt.  Ziehen  wir  das  Fazit  aus  den  bisher  ge- 
:benen  Ausführungen,  so  steht  wirklich  fest  nur  der  heilende 
nfluss  der  Sonne,  und  zwar  zunächst  der  Höhensonne  auf  die 
lirurgische  Tuberkulose. 

Mit  den  Wirkungen  der  Höhensonne  besonders  vertraute 
irzte  vertreten  die  Anschauung,  dass  das  wirksame  Agens 
r  Höhensonne  das  in  ihr  reichlich  vorhandene  Ultraviolett 
rstellt.  Und  weil  der  Gehalt  des  Sonnenlichtes  an  Ultra- 
olett  auf  den  Bergeshöhen  und  speziell  im  Winter  verhält- 
smässig  weniger  Schwankungen  unterworfen  sei  als  in  der 
efebene,  so  seien  die  Winterkuren  dort  ganz  besonders 
tzlich.  Es  kommt  die  Tatsache  hinzu,  dass  über  der  soge- 
nnten  Nebelgrenze  die  Sonnentage  speziell  im  Winter  zahl- 
icher  sind.  Es  wird  ferner  betont,  dass  die  intensive 
z  ahlende  Wärme  der  Höhensonne  es  ermöglicht,  selbst  im 

i  t'en  Winter  den  Körper  zu  entblössen  und  seine  ganze  Ober- 
I  che  der  Besonnung  auszusetzen.  Da  andererseits  das 
lihenklima  und  speziell  die  stets  bewegte  frische  Luft  eine 
;  Lickende  Hitze  auch  im  Hochsommer  nicht  aufkommen  lasse, 

:  werde  die  Hefiotherapie  dort  auch  im  Sommer  keineswegs 
l.tig  empfunden  und  sei  nicht  mit  der  Gefahr  des  Sonnen- 
ches  verbunden.  Weniger  einleuchtend  als  diese  Argumen- 
ionen  zugunsten  der  Höhensonne  wirkt  die  Anführung 
derer  klimatischer  Vorzüge  der  Höhenlage:  Trockenheit  der 
ft,  Staubfreiheit,  Bakterienarmut.  Wenigstens  bezeichnen 
ysiologen  das  Vorhandensein  bezw.  die  Wirksamkeit  dieser 
ktoren  als  höchst  fragwürdig. 

Das  S  e  e  k  1  i  m  a  ist  seit  langer  Zeit  schon  in  seinem 
» ert  für  die  Heilung  der  chirurgischen  Tuberkulose  erkannt 

ii  benützt  worden.  Neueren  Datums  ist  dagegen  die  Her- 
Erhebung  speziell  der  Sonnen  Wirkung  am  Meeresstrand  in 
I  ser  Hinsicht.  Erst  nachdem  von  den  ausgezeichneten  Er¬ 
iken  der  Höhensonne  berichtet  worden  war,  begann  man 
i  der  See,  die  Besonnung  systematisch  durchzuführen.  An 
:zelnen  Orten,  so  z.  B.  in  Berck  s.  Mer,  wurde  die  konser- 
’  :ive  chirurgische  und  orthopädische  Behandlung  sehr  sorg- 
i:ig  mit  der  Luft-  und  Lichtbehandlung  kombiniert.  Die  Be¬ 
lichtung  der  Patienten  zeigt,  dass  sie  in  ganz  analoger 
i.nse  wie  im  Hochgebirge  die  intensive  Rötung  und  ener- 
:che  Bräunung  der  Haut  erhalten.  Untersuchungen  haben 

No.  20. 


dargetan,  dass  auch  hier  das  Pigment  durch  das  Ultraviolett 
bedingt  ist,  welches  infolge  der  reinen  Atmosphäre  und  durch 
Reflexionsvorgänge  auf  der  Wasser-  und  Sandfläche  hier  in 
grösseren  Quantitäten  vorhanden  sein  dürfte,  als  im  Binnen¬ 
land  oder  gar  in  Städten.  Die  unzweifelhaften  klinischen  Er¬ 
folge  der  Thalassotherapie  werden,  abgesehen  von  der  Sonnen¬ 
wirkung,  dem  energischen  Reiz  des  Luftbades  zugeschrieben. 
Daneben  wird  dem  Gehalt  der  Luft  an  Salz  und  Jod  Be¬ 
deutung  beigemessen.  Es  scheint,  dass  durch  die  neuerdings 
energischer  durchgeführte  Lichtbehandlung  am  Seestrand  die 
bis  dahin  schon  günstigen  Resultate  weiter  verbessert  werden. 
Umfang  und  Dauer  solcher  Beobachtungen  sind  indessen  heute 
noch  zu  gering,  als  dass  man  etwa  die  Mitteilungen  von 
F  elten-Stoltzenberg  ohne  weiteres  verallgemeinern 
dürfte.  Dieselben  gehen  dahin,  dass  die  Wirkungen  der  Inso¬ 
lation  an  der  See  auf  tuberkulöse  Entzündungen  ganz  die 
gleichen  seien,  wie  die  in  Leysin  und  anderen  Höhenkurorten 
erzielten,  dass  aber  an  der  See  diese  Wirkungen  sehr  viel 
rascher  sich  zeigen  und  schnellere  Heilung  herbeiführen.  Ge¬ 
nannte  Autoren  glauben  auch  erkannt  zu  haben,  dass  der  durch 
Besonnung  eingeleitete  Heilprozess  günstige  Fortschritte 
unter  dem  alleinigen  Einfluss  des  Seeklimas  mache,  auch  wenn 
weiterhin  keine  oder  nur  geringe  Besonnung  stattfindet. 

Erst  in  der  jüngsten  Zeit  sind  Berichte  über  die  Ver¬ 
wendung  der  Sonne  des  Mittelgebirges  und  der 
Ebene  im  Kampfe  gegen  die  chirurgische  Tuberkulose  publi¬ 
ziert  worden.  Wir  wissen,  dass  die  Intensität  des  Sonnen¬ 
lichtes  abnimmt,  je  grössere  Strecken  dasselbe  durch  die 
Atmosphäre  hindurch  zurücklegen  muss,  je  dunstiger  und 
stauberfüllter  diese  Atmosphäre  ist.  Alle  Lichtstrahlen  werden 
von  dieser  Schwächung  betroffen,  ganz  besonders  aber  das 
Ultraviolett.  Die  klinische  Beobachtung  hat  indessen  gezeigt, 
dass  auch  in  niedrigen  Höhenlagen,  in  der  Ebene,  ja  selbst 
unter  den  im  allgemeinen  wenig  günstigen  atmosphärischen 
Verhältnissen  einer  Grossstadt  die  charakteristischen  Folge¬ 
erscheinungen  der  Insolation  vor  sich  gehen  können.  Die 
Haut  zeigt  Rötung  und  weiterhin  eine  Pigmentierung  bis  zum 
tiefsten  Braun,  ein  Beweis  dafür,  dass  immerhin  noch  reich¬ 
liche  Mengen  ultravioletter  Strahlen  die  Haut  getroffen  haben. 
Aber  auch  die  Tiefenwirkung  des  Lichtes  muss  als  hier  vor¬ 
handen  zugestanden  werden.  Dafür  sprechen  die  günstigen 
Erfahrungen  verschiedener  Autoren,  unter  denen  insbesondere 
Bardenheuer  genannt  sei.  Auch  meine  eigenen  Er¬ 
fahrungen  in  dem  von  mir  geleiteten  Sanatorium  bei  Rap¬ 
penau,  das  in  nur  800  Fuss  Meereshöhe,  allerdings  aber  im 
Freien,  in  russ-  und  staubfreier,  gutventilierter  Lage  errichtet 
ist,  beweisen  die  Wirkungen  der  Lichtbehandlung  in  einer  für 
den  Chirurgen  geradezu  überraschenden  Weise.  Es  muss  aus 
diesen  klinischen  Erfahrungen  geschlossen  werden,  dass  das 
Sonnenlicht  auch  in  der  Ebene  und  besonders,  wenn  staub- 
und  nebelfreie  Orte  zur  Anlage  von  Sanatorien  gewählt 
werden,  reichlich  Heilwirkungen  zuführen  kann.  Es  muss 
wohl  zugegeben  werden,  dass  die  geringere  Intensität  des 
Sonnenlichtes  und  der  herabgesetzte  Gehalt  an  Ultraviolett 
einen  therapeutischen  Ausfall  dann  nicht  zu  bedingen  brauchen, 
wenn  wir  die  Bestrahlungsdauer  verlängern.  Ja,  wenn  wir 
den  von  L  e  n  k  e  i  angestellten  Erwägungen  Rechnung  tragen, 
so  kann  man  in  der  weniger  intensiven  und  dafür  verlängerten 
Belichtung  sogar  einen  Vorteil  erblicken. 

Vergleichen  wir  die  Möglichkeiten  der  Heliotherapie  im 
Hochgebirge  und  in  der  Tiefe,  so  muss  folgendes  konstatiert 
werden:  Im  Hochgebirge  ist  die  Anzahl  der  Sonnentage 
grösser,  wenngleich  auch  hier  mehr  trübe  Tage  vorzu¬ 
kommen  scheinen,  als  gemeinhin  angenommen  wird.  Speziell 
während  der  Wintermonate  ist  die  Zahl  der  Sonnenstunden 
im  Durchschnitt  gewiss  wesentlich  grösser  als  in  der  Tief¬ 
ebene.  Die  Intensität  des  Lichtes  über  das  ganze  Spektral¬ 
gebiet  hin  ist  stärker  als  in  der  Tiefe.  Auch  wenn  wir  die 
übrigen  günstigen  Wirkungen  des  Höhenklimas  nicht  in  Be¬ 
tracht  ziehen,  weil  wir  der  Ansicht  sind,  dass  ihre  Ueber- 
legenheit  für  unsere  Zwecke  nicht  einwandfrei  bewiesen  ist 
und  dass  ihre  Qualitäten  an  anderen  Orten  durch  andere  nicht 
minder  wirksame  Faktoren  aufgewogen  werden,  so  kommen 
wir  doch  zunächst  zu  dem  Schluss,  dass  die  Sonnenwirkung 
und  speziell  der  Ultraviolettreichtum  der  Höhenkur  der  chi- 

2 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


rurgischen  Tuberkulose  einen  unbestreitbaren  Vorteil  zu 
sichern  scheint. 

Wenn  diese  Tatsache  in  nicht  zu  mildernder  Härte  wirk¬ 
lich  feststünde,  so  würde  dies  im  Interesse  der  zahllosen  an 
chirurgischer  Tuberkulose  leidenden  Kinder  und  Erwachsenen 
ausserordentlich  zu  bedauern  sein.  Denn  von  einem  Trans¬ 
port  dieser  Massen  nach  dem  Hochgebirge  kann  doch  aus  den 
verschiedensten  Gründen  selbstverständlich  nicht  ernstlich  die 
Kode  sein.  Es  ist  darum  mit  besonderer  Freude  zu  begriissen, 
dass  die  klinischen  Beobachtungen  die  Möglichkeit  nicht  nur 
befriedigender,  sondern  überraschend  vollkommener  Erfolge 
der  Heliotherapie  auch  in  der  Ebene  oder  in  mittleren  Höhen¬ 
lagen  mit  Sicherheit  dargetan  haben,  unter  der  Voraussetzung, 
dass  nach  den  vorhin  angegebenen  Gesichtspunkten  eine 
glückliche  Ortswahl  getroffen  wurde. 

Von  grosser  Bedeutung  ist  es  darum  auch,  dass  wir  in 
dei  künstlichen  Belichtung  einen  Bundesgenossen 
tur  die  Heliotherapie  besitzen,  dessen  Wert  und  Zuverlässig¬ 
keit  wir  mit  steigender  Erfahrung  schätzen  lernen.  So  wenig¬ 
stens  muss  mein  Urteil  heute  lauten  auf  Grund  der  Beob¬ 
achtungen  und  Eindrücke,  die  wir  bei  vielen  Tausenden  künst¬ 
licher  Bestrahlungen  im  Laufe  eines  Jahres  haben  sammeln 
können.  Wir  verwenden  einmal  das  e  1  e  k  t  r  i  s  c  h  e  B  o  g  e  n  - 
licht,  ein  gemischtes  Licht  mit  einem  Gehalt  an  Ultra¬ 
violett,  der  an  denjenigen  des  Sonnenlichtes  nahe  heran¬ 
kommen  soll. 

Physiologisch  ist  dieses  Licht  noch  recht  wenig  studiert, 
so  dass  wir  zunächst  auch  hier  auf  die  therapeutischen  Er¬ 
fahrungen  angewiesen  sind.  Wir  verwenden  dieses  Licht, 
indem  wir  es  mit  Hilfe  eines  Scheinwerfers  konzentriert  auf 
die  Haut  und  speziell  in  den  Bereich  des  Krankheitsherdes 
applizieren.  Das  Bogenlicht  erzeugt  Wärme,  die  wir  aber 
durch  Verlagerung  des  Brennpunktes  beliebig  regulieren 
können.  Wir  sind  imstande,  das  Licht  mit  einer  Temperatur 
auf  die  Haut  zu  bringen,  welche  unterhalb  der  Hautwärme 
gelegen  ist,  und  können  dadurch  jede  Wärmewirkung  aus- 
schliessen.  Wir  sehen  als  Folge  der  Bestrahlung,  die  wir  je¬ 
weils  auf  X  Stunde  und  darüber  ausdehnen,  bisweilen  Rötung, 
ganz  regelmässig  aber  Pigmentierung  eintreten,  welche  hin¬ 
sichtlich  der  Schnelligkeit  ihres  Erscheinens  und  der  Intensität 
des  Kolorits  dem  Insolationspigment  keineswegs  nachsteht. 
Haben  R  o  1 1  i  e  r  und  mit  ihm  diejenigen  recht,  welche  die 
Heilpotenz  des  Sonnenlichtes  im  Ultraviolett  erblicken  und 
dem  Pigment  eine  wichtige  Rolle  für  die  Heilung  zusprechen, 
so  müssen  wir  auf  Grund  unserer  Beobachtungen  den  gleichen 
Effekt  dem  Bogenlicht  zuschreiben,  wenn  auch  die  jeweils 
applizierten  therapeutischen  Dosen  geringer  ausfallen  mögen. 

Eine  gewaltige  Menge  von  ultravioletten  Strahlen  sen- 
clet  bekantlich  das  Quecksilberdampflicht  der 
G  uarzlampe  aus,  welches  in  dieser  Hinsicht  dem  Sonnen¬ 
licht  wesentlich  überlegen  ist.  Beruht  also  die  Sonnenwirkung 
m  erster  Linie  auf  dem  Ultraviolett,  so  muss  die  Quarzlampe 
einen  stattlichen  therapeutischen  Wert  besitzen.  In  der  Tat 
sind  die  an  früherer  Stelle  zitierten  physiologischen  und  bak- 
tei  ioiogischen  Untersuchungen  über  Lichtwirkung,  speziell 
auch  die  Wirkungen  auf  das  Oxydationsferment,  zum  grossen 
leile  mit  Hilfe  des  Quarzlampenlichtes  ausgeführt  worden 
Wir  verwenden  die  Quarzlampe  in  der  Form  der  „künstlichen 
Hohensonne  seit  einem  Jahr  Tag  für  Tag  sowohl  zur  ört¬ 
lichen  wie  zur  allgemeinen  Bestrahlung  des  Körpers.  Die 
Lichtquellen  werden  zunächst  in  einer  Entfernung  von  \XA  m 
aufgestellt  und  in  späteren  Sitzungen  der  Körperoberfläche 
bis  auf  1  m  und  darunter  genähert.  Die  Bestrahlungsdauer 
beginnt  mit  3  Minuten,  sie  kann  allmählich  auf  10  Minuten  und 
darüber  gesteigert  werden.  Einwirkungen  auf  Puls  und  At¬ 
mung  haben  wir  bei  Beobachtung  aller  Vorsichtsmassregeln 
rächt  feststellen  können.  Die  Wirkungen  auf  die  Haut  sind 
denjenigen  der  natürlichen  Sonne  durchaus  analog:  Einige 
Stunden  nach  der  Bestrahlung  entsteht  eine  Rötung,  welche 
sich  während  des  folgenden  Tages  steigern  und  bei  unvor¬ 
sichtiger  Dosierung  recht  unangenehme  Empfindungen  1  nd 
Zustände  auslösen  kann.  Nach  dem  Abklingen  der  Reaktion 
schuppt  die  Haut  gewöhnlich  und  es  entsteht  eine  Pignien- 
tiening,  welche  mit  weiteren  Sitzungen  zunimmt.  Das  tief¬ 
dunkle  Braun  des  Insolationspigmentes  habe  ich  allerdings 


durch  ausschliessliche  Bestrahlung  mit  der  Quarzlampe  kann 
entstehen  sehen  und  auch  gefunden,  dass  die  mit  dem  Bogen 
licht  erzielte  Pigmentierung  intensiver  ausfällt  als  bei  det 
künstlichen  Höhensonne.  Es  mag  dies  damit  zusammen, 
hängen,  dass  die  letztere  mit  kürzerer  Belichtungsdauer  an 
gewendet  wird.  Ganz  in  gleicher  Weise  wie  bei  der  natiir 
liehen  Besonnung  finden  wir  auch  beim  ultravioletten  Lieh: 
Ausnahmen  hinsichtlich  der  Lichtwirkung.  In  einzelnen  Fällen 
kommt  es  wohl  alsbald  zur  Rötung  der  Haut,  aber  di-  Pi  - 
mentierung  bleibt  aus.  Und  auch  an  die  weiteren  Bestrah¬ 
lungen  schliesst  sich  jeweils  nur  die  Rötung  an.  Wieder'  m 
anderen  Fällen  fehlt  die  Rötung  und  es  kommt  ohne  solchen 
Vorläufer  direkt  zur  Pigmentbildung.  Da  wir  in  Rappenau 
natürliche  und  künstliche  Belichtung  mehrfacher  Art  kom¬ 
binieren,  lässt  sich  ein  Urteil  über  denjenigen  Anteil  nicht 
tällen,  welcher  dieser  oder  jener  Strahlenprovenienz-  und 
Qualität  an  den  Erfolgen  zufällt. 

Wohl  aber  können  wir  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  die 
Lichttherapie  in  der  Behandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose 
eine  bedeutende  Rolle  zu  spielen  berufen  ist.  Und  wir  können 
weiter  konstatieren,  dass  die  Lichttherapie  in  ihrer 
heutigen  Gestaltung  auch  im  Tiefland  mit  der 
Heliotherapie  des  Hochgebirges  zu  konkur¬ 
rieren  vermag.  Sie  ist  dazu  in  den  Stand  gesetzt  ins¬ 
besondere  durch  die  leicht  mögliche  Kombination  der  natür¬ 
lichen  und  der  künstlichen  Belichtung.  Ja,  wenn  wir  diese 
beiden  Belichtungsarten  mit  einander  vergleichen,  so  lässt  sich 
nicht  bestreiten,  dass  die  Bestrahlung  mit  künstlichem  Licht 
gewisse  Vorzüge  hat.  Das  künstliche  Licht  steht  uns  zu  jeder 
Zeit  zur  Verfügung,  wir  sind  also  von  Witterungsverhältnissen 
unabhängig.  Ferner  sind  wir  imstande,  die  künstliche  Be¬ 
lichtung  sehr  viel  genauer  zu  dosieren,  als  dies  beim  Sonnen¬ 
licht  mit  seiner  ungemein  wechselnden  Intensität  und  speziell 
dein  schwankenden  Ultraviolettgehalt  ausführbar  ist.  Und 
endlich  haben  wir  in  der  Quarzlampe  einen  Reichtum  an  Ultra¬ 
violett,  der  sie  der  natürlichen  Sonne  auch  in  der  Bergeshöhe 
überlegen  macht. 


Es  kommen  andere  ausgleichende  Umstände  hinzu,  welche 
zugunsten  der  Behandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose  in 
tieferen  Lagen  in  die  Wagschale  gelegt  werden  können.  Wir 
haben  hier  die  bequeme  Möglichkeit,  die  Lichttherapie  mit 
andeien  Heilverfahren  zu  kombinieren,  deren  Anwendung  in 
der  Höhe  nicht  oder  nur  mit  Schwierigkeiten  möglich  ist.  Ich 
erinnere  in  dieser  Hinsicht  an  die  unzweifelhaft  wertvolle  An- 
\\  endung  des  Seeklimas,  des  Solbades.  Der  Transport  der 
Kranken  in  ein  näher  und  niedriger  gelegenes  Sanatorium  und 
der  Verkehr  ihrer  Angehörigen  mit  ihnen  gestaltet  sich  selbst¬ 
verständlich  bequemer,  als  es  in  schwer  erreichbaren  Höhen- 
kui  orten  der  Fall  ist.  Das  Gleiche  gilt  hinsichtlich  der  Be¬ 
schaffung  spezialistischer  ärztlicher  Hilfe. 

Es  ist  wohl  eine  Folge  der  im  Vorstehenden  dargelegten 
Erfahi  ungen  und  Erwägungen,  dass  an  verschiedenen  Orten 
des  Tieflandes  Spezialsanatorien  für  chirurgische  Tuberkulose 
im  Bau  begriffen  oder  schon  entstanden  uyd  in  erfolreiche 
Arbeit  bereits  eingetreten  sind.  So  soll  in  der  Nähe  von  Köln, 
wohl  unter  dem  Einfluss  der  Bardenheuer  sehen  Initia¬ 
tive,  ein  solches  Sanatorium  erstehen,  Hochenlychen  und 
Sahlenburg  blicken  auf  jahrelange  erfolgreiche  Tätigkeit  zu¬ 
rück.  Und  auch  unser  Sanatorium  in  Rappenau  hat  die  in 
es  gesetzten  Erwartungen  erfüllt  und  übertroffen.  Immer 
wiedei  setzt  uns  die  Beobachtung  in  Erstaunen,  wie  die 
Patienten  von  Woche  zu  Woche  sich  erholen  und  kräftigen, 
wie  aber  auch  der  örtliche  Befund  sich  rapid  zum  Bessern 
wendet,  selbst  bei  Fällen,  die  Monate  und  Jahre  vergebens  in 
häuslicher  oder  Krankenhauspflege  gestanden  hatten.  Schmerz 
und  Schwellung  lassen  nach,  die  Eiterung  versiegt,  die  Ver¬ 
narbung  schreitet  schnell  vorwärts,  und  in  die  lange  versteift 
gewesenen  Gelenke  kommt  unerwartete  Bewegungsfähigkeit 
zurück. 


Wenn  unsere  Erörterungen  dazu  geführt  haben,  die  Mög¬ 
lichkeit  und  den  Wert  der  Behandlung  chirurgischer  Tuber¬ 
kulose  im  I  iefland  oder  in  mässig  hoch  gelegenen  Gegenden 
festzustellen,  so  ist  damit  keineswegs  eine  Verkleinerung  der 
Ei  folge  beabsichtigt,  welche  die  Heliotherapie  im  Höhenklima 
gezeitigt  hat  und  durch  welche  erst  der  Anstoss  zu  analogen 


MÜENcHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


.Mai  191 J. 


rsuchcn  im  Tiefland  gegeben  wurde.  Die  Namen  B ern- 
t  r  d  und  Ro  liier  bleiben  fiir  alle  Zeiten  verbunden  mit 
r  Geschichte  der  Heliotherapie,  und  Dankbarkeit  muss  uns 
i  iillen  gegenüber  den  Männern,  welche  in  intensiver  und 
erzeugungstreuer  Arbeit  der  Lichttherapie  speziell  für  die 
handlang  der  chirurgischen  Tuberkulose  zum  Siege  ver- 
Ifen  haben. 


he  neue  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  von 
Uraten  in  Blutserum. 

Von  Dr.  Ziegler  in  Kiefersfelden. 

Die  zahlreichen,  besonders  in  neuerer  Zeit  veröffentlichten 
thoden  zur  qualitativen  und  quantitativen  Bestimmung  von 
:  aten  im  Blute  bezw.  Blutserum  lassen  erkennen,  dass  zurzeit 
;  dieses  Problem  ein  allgemeineres  erhöhtes  Interesse  vor- 
I  ulen  ist,  sie  beweisen  aber  auch,  dass  ein  vollkommen  be- 
i  \1igendes  Verfahren  bisher  noch  nicht  gefunden  wurde. 

Die  fundamentale  Ursache  aller  Störungen  liegt  in  der 
hteiweissung  des  Blutes  bezw.  des  Blutserums.  Ist 
.  Enteiweissung  des  Blutes  an  und  für  sich  schon  Uebungs- 
:he,  so  dass  in  dieser  Hinsicht  allein  nicht  unbeträchtliche 
weichungen  im  Endresultate  sich  ergeben  können,  so  sind 
.  besonders  zwei  Fehlerquellen,  die  im  Wesen  der  Ent- 
.  Tissung  selbst  begründet  liegen:  1.  Es  gelingt  nach  keiner 
'  thode,  mit  der  Enteiweissung  sämtlichen  Stickstoff  zu  ent- 
uen;  ein  gewisser  Anteil  N-haltiger  Substanz  bleibt  immer 
Lösung  als  sogen.  „Reststickstoff“  und  ergibt  dann,  wenn 
n  die  Harnsäure  aus  ihrem  N-Gehalte  bestimmen  will,  fast 
ner  viel  zu  hohe  Werte.  Ich  habe  in  vielen  diesbezüglich 
gestellten  Versuchen  gefunden,  dass  Fehler  von  20  bis 
;  Proz.  zur  Regel  gehören.  2.  Beim  Enteiweissen  wird  ein 
ht  unbeträchtlicher  Teil  der  in  der  kolloiden  Flüssigkeit 
1  osten  Harnsäure  vom  Eiweisskoagulum  adsorbiert  und  geht 
i  nit  für  die  quantitative  Harnsäurebestimmung  verloren. 

weiterer,  wenn  auch  nur  untergeordneter  Nachteil  der 
listen  bisher  geübten  Methoden  besteht  ferner  darin,  dass 
ein  annehmbares  Resultat  nur  mit  verhältnismässig  grossen 
it-  oder  Serummengen  erzielen  lassen,  und  dass  sie  einen 
dilichen  Zeitaufwand  erfordern. 

Die  Fortsetzung  meiner  gemeinschaftlich  mit  Professor 
c  h  h  o  1  d  -  Frankfurt  a.  M.  veröffentlichten  Studien  über 
Verhalten  der  Harnsäure  und  Urate  im  Blutserum1) 
ichten  es  wünschenswert,  eine  Methode  für  die  quantitative 
Stimmung  von  Uraten  in  Serum  zu  finden,  welche  die  vor- 
eichneten  Mängel  vermeidet.  Eine  überaus  grosse  An- 
1  daraufhin  abzielender  Versuche  —  es  waren  im  ganzen 
0  Versuche,  bis  ich  ein  brauchbares  Resultat  erhielt  — 
dichtete  sich  schliesslich  zu  einer  Methode,  die  sich  mir  iri¬ 
schen  in  zahlreichen  Proben  als  einfach  und  zuverlässig 
des,  die  es  erlaubt,  mit  kleinen  Serummengen  zu  arbeiten, 
i  dass  eine  grosse  Zahl  von  Versuchen  angestellt  werden 
nte,  und  die  ein  genaues  Resultat  nach  %— 1  Stunde 
»eitszeit  ergibt.  —  Ueber  die  mit  dieser  Methode  erhaltenen 
1  ultate  bezüglich  der  Löslichkeit  von  Harnsäure  und  Uraten 
;  Serum  werde  ich  demnächst  gemeinschaftlich  mit  Professor 
;  c  h  h  o  1  d  gesondert  berichten.  Hier  möge  uns  nur  die 
'thode  selbst  interessieren,  weil  sie,  wie  ich  glaube,  auch 
andere,  besonders  klinische  Zwecke  leicht  ausführbar  und 
urchbar  sein  dürfte. 

Wenn  es  nicht  gelang,  die  störenden  Einflüsse,  welche 
ich  das  Enteiweissen  des  Blutserums  sich  geltend  machen, 
der  quantitativen  Bestimmung  der  Harnsäure  im  Serum 
izuschalten,  so  musste  ein  Weg  gefunden  werden,  der 
•  Harnsäure  vollständig  zum  Ausflocken 
ngt,  während  das  Eiweiss  in  Lösung  bleibt. 
Viele  Versuche,  welchen  die  Absicht  zugrunde  lag,  das  Ei- 
ss  im  Blutserum  zunächst  abzubauen,  z.  B.  durch  Pepsin¬ 
nsäure,  wobei  die  abgebauten  Eiweissprodukte  in  Lösung 
Iben,  schlugen  fehl,  sie  boten  aber  Ausblicke,  in  welcher 
ltung  der  Weg  weiter  verfolgt  werden  konnte. 

‘)  H.  Be  ch  hold  und  J.  Ziegler:  Vorstudien  über  Gicht, 
hem.  Zeitschr.,  Band  XX,  3.,  4.  und  5.  H.,  1909  und  Band  XXIV, 
n  d  2.  H„  1910. 


|  Meiner  Methode  ist  das  Krüger-Schmidt  sehe  Ver¬ 
fahren  zugrunde  gelegt,  welches  sich  von  dem  meinen  wesent¬ 
lich  darin  unterscheidet,  dass  mit  enteiweissten  Lösungen  ge¬ 
arbeitet  werden  muss.  Es  ist  bekannt,  dass  Kupfersulfat  mit 
Harnsäure  und  Uraten,  allgemeiner  mit  Purinkörpern,  welche 
noch  eine  substituierbare  NH-Gruppe  enthalten,  eine  Kupfer- 
verbindung  bildet,  die  in  Wasser  unlöslich  ist.  Versuche  er¬ 
gaben,  dass  auch  in  einer  Flüssigkeit  mit  bestimmtem 
NaOH-Gehalte  diese  Harnsäureverbindung  sich  nicht  löst.  In 
Blutserum  eingebracht,  bewahrte  harnsaures  Kupferoxydul 
ebenfalls  seine  Unlöslichkeit,  selbst  wenn  man  dem  Blutserum 
soviel  NaOH  zusetzte,  dass  das  Eiweiss  nicht  koagulierte, 
wenn  man  das  Serum  aufkochte. 

Die  weitere  Frage  war  nun:  Fällt  das  in  Blutserum  ge¬ 
löste  Urat  nach  Zusatz  von  Natronlauge  und  Kupfersulfat  beim 
Erhitzen  auf  Siedetemperatur  quantitativ  aus?  Dabei 
bliebe  ja  wegen  des  NaOH-Zusatzes  das  Serumeiweiss  voll¬ 
ständig  in  Lösung! 

Das  Experiment  bejahte  diese  Frage,  nachdem  durch 
systematische  Versuche  festgestellt  war,  unter  welchen  Be¬ 
dingungen  diese  Ausflockung  eine  vollständige  wurde.  Es  hat 
sich  ergeben,  dass  nur  ganz  bestimmte  Zusätze  zum  urat- 
haltigen  Serum  und  nur  eine  genau  festgelegte  Konzentration 
dieser  Zusätze  ein  vollständiges  Ausflocken  erzielen  lassen. 

Zur  Ausführung  der  Methode  sind  folgende  wässerige 
Lösungen  notwendig: 

I.  4  proz.  Natronlauge  (4  proz.  NaOH), 

II.  0,5  proz.  Natriumbikarbonatlösung  (0,5  proz.  NaHCCL), 

III.  3,5  proz.  neutrale  schwefligsaure  Natronlösung  (3,5  proz. 
Na2S03  -+-  7  H2O), 

IV.  2,5  proz.  Kupfersulfatlösung  (2,5  proz.  CuSOi  +  5  HsO), 

V.  Eine  Kaliumpermanganatlösung  zum  Titrieren. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  von  Uraten  in  Blutserum  ver¬ 
fährt  man  folgendermassen : 

In  einem  Erlenmeyerkolben  von  200  ccm  Rauminhalt  werden  bei 
Zimmertemperatur  genau  abgemessene  10  ccm  des  zu  unter¬ 
suchenden  und  völlig  klaren  Blutserums  der  Reihe  nach  ge¬ 
mischt  mit 

10  ccm  Lösung  I, 

20  ccm  „  II, 

10  ccm  „  III, 

20  ccm  Aq.  dest. 

Diesem  Gemische  werden  mittels  Pipette  in  dünnem  Strahle 
unter  stetigem  Umschwenken  10  ccm  der  Lösung  IV  hinzugegeben. 
Es  entsteht  eine  prachtvolle  blauviolette,  vollkommen  klare  Flüssig¬ 
keit.  Diese  Flüssigkeit  giesst  man  in  eine  Abdampfschale  aus  Por¬ 
zellan  von  ca.  100 — 150  ccm  Inhalt  und  erhitzt  über  der  Gasflamme 
zum  Sieden.  Man  erhält  die  Flüssigkeit  genau  %  Stunde  im  Sieden 
so,  dass  danach  die  Flüssigkeit  ungefähr  auf  ein  Drittel  ihres  ur¬ 
sprünglichen  Volumens  eingedampft  ist.  Dabei  ist  sämtliche  Harn¬ 
säure  als  grauweisses  harnsaures  Kupferoxydul  ausgeflockt.  Nun 
giesst  man  die  Flüssigkeit  in  ein  Zentrifugenröhrchen,  wobei  man 
die  Porzellanschale  mit  etwas  destilliertem  Wasser  nachspiilt,  und 
zentrifugiert.  (Sehr  abgekürzt  wird  das  Verfahren,  wenn  man  über 
eine  Zentrifuge  verfügt,  die  ca.  10  000  Touren  in  der  Minute  macht). 
Das  harnsaure  Kupferoxydul  sammelt  sich  am  Boden  des  Zentrifugen¬ 
röhrchens,  wenn  scharf  zentrifugiert  wurde,  zu  einer  ziemlich  kom¬ 
pakten  grauweisen  Masse  an,  von  welcher  die  darüber  stehende 
klare,  blauviolette  Flüssigkeit  bequem  abgegossen  werden  kann.  Nun 
füllt  man  das  Zentrifugenröhrchen  mit  der  gleichen  Menge  destillierten 
Wassers  auf,  schüttelt  den  Bodenkörper  mit  dem  Wasser  kräftig 
durch  und  zentrifugiert  wieder.  Man  wiederholt  diese  Prozedur  so 
oft,  bis  die  über  dem  Bodenkörper  stehende  Flüssigkeit  vollkommen 
klar  und  wasserhell  erscheint,  und  bis  sich  beim  Durchschütteln  mit 
Wasser  keine  Spur  von  Schaum  mehr  bildet  [5 — 6 mal]2).  — 
Den  nunmehr  von  allen  Kolloiden  und  sonstigen  Beimengungen  ge¬ 
reinigten  Bodenkörper  übergiesst  man  mit  10  ccm  konzentrierter 
reinster  Schwefelsäure.  Das  harnsaure  Kupferoxydul  löst  sich  darin 
bei  geringem  Schütteln  zu  einer  klaren,  je  nach  der  Menge  des 
Kupferoxyduls  gelben  bis  rotbraunen  Flüssigkeit.  Die  darin  ent¬ 
haltene  Harnsäure  wird  mittels  Kaliumpermanganatlösung  titri- 
metrisch  bestimmt. 


2)  Es  ist  dies  ein  sicheres  Kriterium  dafür,  dass  sich  in  der 
Flüssigkeit  keine  nachweisbare  Spur  von  Eiweiss  mehr  findet 
Ich  habe  an  anderer  Stelle  (H.  Bechhold:  Die  Kolloide  in  Biologie; 
und  Medizin;  Verl,  von  Th.  Stein  köpf  f,  Dresden  1912,  S.  35) 
die  Methode  der  Ausschüttelung  von  Kolloiden  erwähnt  und  seiner¬ 
zeit  gefunden,  dass  sich  Eiweiss  in  wässeriger  Lösung  beim  Aus¬ 
schütteln  mit  Benzin  noch  in  der  winzigen  Menge  von  0,000001 : 100  Aq. 
dem  Auge  sichtbar  in  Form  von  äusserst  zarten  Schäumen  darstellen 
lässt. 


2" 


1084 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


Zur  Iitration  mit  Kaliumpermanganat. 

Um  möglichst  gleichmässige  Resultate  zu  erhalten,  ist  es 
unerlässlich,  beim  Titrieren  stets  das  gleiche  Verfahren  ein¬ 
zuhalten.  Ich  habe  folgende  Arbeitsweise  bevorzugt: 


1.  Herstellung  einer  Stammlösung  von  KMnO*. 

Chemisch  reines  KM11O4  (pro  Analyse  Merck)  wird  in  destil¬ 
liertem  W  asser  gelöst  und  %  Stunde  lang  in  starkem  Sieden  erhalten; 
danach  lässt  man  abkühlen  und  giesst  von  dem  etwa  entstandenen 
Bodensätze  die  darüber  stehende  klare  Lösung  vorsichtig  ab.  Es  ist 
zweckmässig,  die  KMnCb-Lösung  so  herzustellen,  dass  4,0 — 5,0  ccm 
der  Lösung  einem  Gehalte  von  0,01  Harnsäure  entsprechen.  Theo¬ 
retisch  würden  5  ccm  einer  Lösung  von  0,4261  KMnO«:500  ccm 
Aq.  dest.  dem  Werte  von  0,01  Harnsäure  entsprechen.  (Im  allge¬ 
meinen  entsprechen  0,5— 0,6  g  KMnOi  auf  500  ccm  Aq.  dest.  dieser 
Forderung.)  Man  kann  noch  0,05  ccm  mit  Sicherheit  an  der  Pipette 
ablesen  und  damit  0,0001  g  Harnsäure  bestimmen.  Die  Stammlösung 
bewahrt  man  in  einem  braunen  Glase  vor  Licht  geschützt  bei  Zimmer¬ 
temperatur  auf;  es  ist  erforderlich,  etwa  alle  drei  Tage  den  Titer 
neu  zu  bestimmen. 

2.  Zur  Bestimmung  des  Titers  löst  man  0,01  Harn- 
saure  (oder  0,01  Mononatriumurat)  in  10  ccm  konzentrierter 
Schwefelsäure  und  giesst  die  Lösung  unter  mehrmaligem  Nachspülen 
in  einen  Erlenmeyerkolben  von  300  ccm  Rauminhalt,  der  vorher  mit 
100  ccm  destilliertem  Wasser  beschickt  worden  ist.  Man  mischt, 
erhitzt  die  Flüssigkeit  zum  Sieden  und  lässt  sie  1  Minute  lang  sieden! 
Dann  nimmt  man  den  Kolben  vom  Feuer,  stellt  ihn  auf  einen  weissen 
1  orzellanteller  und  lässt  ziemlich  rasch  aus  der  Pipette  die  KMnO«- 
Lösung  zufliessen,  bis  beim  Umschwenken  der  Flüssigkeit  die  rosa- 
lote  Färbung  nicht  mehr  sofort  verblasst.  Dann  gibt  man  vorsichtig 
ti  opfen weise  noch  KMnCh-Lösung  weiter.  Die  Titration  gilt  als 
beendigt,  wenn  die  letzten  zwei  Tropfen  der  KMn04-Lösung  nach 
5  Minuten  (ohne  nochmaliges  Erhitzen!)  nicht  mehr  vollständig 
entfärbt  werden. 

Ist  auf  diese  Weise  der  Titer  für  0,01  Harnsäure  festgestellt, 
so  titriert  man  genau  ebenso  die  oben  beschriebene,  im  Zentrifugen- 
1  öh  1  einen  mit  10  ccm  Ha  SO«  gelöste  Harnsäure-Kupferverbindung. 

Nach  diesem  Verfahren  erhielt  ich  beispielsweise  folgende 
Werte:  Eine  genau  abgewogene  Menge  Harnsäure  oder  Mononatrium¬ 
urat  wurde  in  10  ccm  Rinderserum  bei  Zimmertemperatur 
gelöst. 


(Es  ist  wichtig,  für  diesen  Versuch  zuerst  so  viel  wie  möglich 
von  der  Harnsäure  im  Serum  zu  lösen  und  den  ungelösten  Rest 
dann  nach  Hinzugabe  der  Lösungen  I,  II  und  III  vollständig  zur  Lö¬ 
sung  zu  bringen,  ehe  man  die  Lösung  IV  einträgt.) 

Nach  Durchführung  des  Verfahrens  erhielt  ich  für 
Eingebrachte  Harnsäure  Titrimetrisch  bestimmte  Harnsäure 

°-005  0,0050 

0-01  0,0100 

0.015  0,0150 

°>02  0,0199 

°>025  0,0249 

Eingebrachtes  Mononatriumurat  Titrimetrisch  bestimmtes  Mononatriumurat 

0,005  0,0049 

0,01  0,0099 

0-015  •  •  . .  0,0151 

0,02  .  0,0199 

0>025  0,0248 


Kleine  Schwankungen  sind  durch  die  Qualität  des  Rinder¬ 
serums  bedingt.  Provenienz  und  Alter  des  Serums  spielen 
dabei  eine  Rolle.  In  einer  nicht  geringen  Anzahl  von  Ver¬ 
suchen  et  hielt  ich  etwas  höhere  Werte.  Ich  vermute,  dass 
das  hierzu  verwendete  Rinderserum  von  Natur  aus  'schon 
einen  geringen  Harnsäuregehalt  hatte.  —  Es  ist  von  grösster 
Wichtigkeit,  dass  das  zu  untersuchende  Serum  frisch  und  steril 
ist.  Auch  nur  in  geringem  Grade  faulig  gewordenes  und  zer¬ 
setztes  Serum  gibt  falsche  Resultate,  ebenso  Serum,  welches, 
obwohl  noch  völlig  steril,  während  langen  Aufbewahrens  ein¬ 
zelne  Bestandteile,  z.  B.  Globulin,  ausgeschieden  hat. 

Die  Methode  ist  auf  genau  10  ccm  Serum  abgestimmt  und 
reicht  aus  für  Harnsäurewerte  von  0,005—0,025  g  in  10  ccm 
Sei  um.  Man  muss  deshalb,  wenn  der  zu  erwartende  Wert 
weniger  als  0,005  Harnsäure  beträgt  —  was  wohl  für  klinische 
Zwecke  der  Fall  sein  wird  —  in  dem  zu  untersuchenden  Serum 
vorher  genau  0,01  g  Harnsäure  auflösen  und  diesen  Betrag 

\  0111  ei  ha  1  tenen  Resultat  wieder  in  Abzug  bringen.  _  Am 

schärfsten  ist  die  Methode  bei  einem  Harnsäuregehalte  von 
0,008 — 0,018  in  10  ccm  Serum. 

Auch  für  Menschenblutserum  ist  die  Methode  brauchbar 
und  zuverlässig.  Ich  habe  kürzlich  mit  dem  Blute  aus  einer 
Armvene  eines  sicher  gichtfreien  kräftigen  Arbeiters,  das  so¬ 
fort  nach  der  Entnahme  auf  Serum  verarbeitet  worden  war 
einige  Proben  angestellt  und  für  0,01  g  und  0,015  g  einge- 


brachte  Harnsäure  in  10  ccm  Menschenblutserum  titrimetrisi 
den  vollen  Wert  wieder  zurückerhalten. 

Noch  einige  Fehlerquellen: 

Das  zu  untersuchende  Serum  muss  vollständig  klar  se 
(bernsteingelb);  eine  nur  geringe  Beimengung  von  roten  Blu 
körperchen  alteriert  das  Resultat.  Weiterhin:  Sämtliche  Mai 
pulationen  mit  den  Lösungen  I,  II,  III,  IV  müssen  zunächst  b 
Zimmertemperatur  ausgeführt  werden,  dann  erst  darf  erhit 
werden. 

Ferner:  Die  Lösungen  I,  II,  III  können  nicht  zu  einer  ei 
zigen  Lösung  vereinigt  werden,  sondern  die  Mischung  mit  de 
zu  prüfenden  Serum  muss  in  der  angegeben  Reihenfolge  g, 
schehen,  man  findet  sonst  nur  ungefähr  ein  Drittel  der  eii 
gebrachten  Harnsäure  wieder. 

Fasse  ich  kurz  die  Resultate  meiner  Methode  zusamtne 
so  ergibt  sich: 

1.  Eine  Ausflockung  der  im  Serum  gelösten  Harnsäur 
(oder  Mononatriumurat)  mittelst  Kupfersulfat  bei  alkalische 
Reaktion  des  Serums  gelingt  vollkommen  innerhalb  der  Wert 
von  0,005 — 0,025  Harnsäure  bezw.  Urat:  10  ccm  Serum.  Ma 
vermeidet  dadurch  die  Unzuträglichkeiten  und  Fehler  bei  de 
Enteiweissung  des  Serums. 

2.  Es  sind  zu  einer  Bestimmung  nur  10  ccm  Serum  er 
forderlich. 

3.  Die  an  Rinderserum  gewonnenen  Resultate  werde 
auch  mit  Menschenblutserum  erhalten. 

4.  Die  Methode  ist  verhältnismässig  einfach  und  benötig 
zu  ihrer  Ausführung  nur  ca.  1  Stunde  Zeit. 


Aus  der  Provinzial-Hebammen-Lehranstalt  und  Frauenklinii 

zu  Magdeburg  (Direktor:  Dr.  v.  Alvensleben). 

Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft. 

Von  Bruno  Stange,  Assistenzarzt. 

Bei  seiner  Nachprüfung  des  Abderhalden  schei 
Dialysierverfahrens  auf  Brauchbarkeit  zum  biologischen 
Nachweis  der  Schwangerschaft  kommt  Engel horn1)  zun 
Schluss,  das  Abderhalden  sehe  Dialysierverfahren  2)  ab 
zulehnen.  Dieses  Urteil  steht  mit  den  von  anderen 3)  und  vor 
mir  0  mit  der  Methode  gemachten  Erfahrungen  im  Gegensatz 
so  dass  ich  mich  veranlasst  sehe,  schon  jetzt  meine  zwai 
noch  nicht  völlig  abgeschlossene  aber  doch  eii 
Urteil  erlaubende  Nachprüfung  des  Verfahrens  kurz  mitzuteilen 

Ich  habe  zunächst  nur  die  Seren  von  sicher  Schwangerer 
untersucht. 

In  73  Fällen  klinisch  sicher  nachweisbarer 
Schwangerschaft  erhielt  ich  73 mal  eine  posi¬ 
tive  Reaktion,  also  in  100  Proz.  der  Fälle. 

Seren  sicher  nicht  Schwangerer  standen  mir  bisher  ir 
einwandfreier  Qualität  leider  nur  in  sehr  geringer  Anzahl 
(5  Fälle)  zur  Verfügung,  so  dass  ich  ein  abschliessendes  Urteil 
über  das  Verhalten  der  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Reaktion  hei^ 
nicht  Schwangeren  noch  nicht  abgeben  möchte. 
Doch  soviel  kann  ich  sagen,  dass  in  diesen  wenigen  Fällen, 
wo  ich  mit  Seren  nicht  Schwangerer  in  einwandfreier  Qualität 
arbeiten  und  einen  Versuchsfehler  ausschliessen  konnte,  die 
Abderhalden  sehe  Reaktion  stets  negativ  war. 

Anfänglich  hatte  ich  auch  mehrfach  Fehlschläge,  aber  bei 
strengster  Nachkontrolle  entdeckte  ich  dann  stets  einen  technischen 
Versuchsfehler. 

ich  habe  nur  das  Dialysierverfahren  angewandt.  So  einfach 
auch  diese  Methode  an  sich  ist,  so  erfordert  sie  doch  im  Einzelnen 
ein  sehr  subtiles  Arbeiten,  wenn  man  gleichmässige  und  richtige 
Resultate  haben  will.  Eine  grosse  Zahl  von  Fehlerquellen  sind 
möglich.  So  ist,  wenigstens  nach  meinen  Erfahrungen,  ganz  be- 
sonders  darauf  zu  achten,  dass  die  Plazenta  absolut  einwandfrei 
ist.  Ebenso  wie  andere,  Henkel,  Engelhorn,  habe  ich  auch  die 
Erfahrung  gemacht,  dass  sich  die  Plazenten  nicht  beliebig  lange  ver¬ 
wendbar  halten;  bei  mir  hielten  sie  sich  doch  etwa  2—3  Monate, 
während  Engelhorn  •auffallenderweise  schon  nach  8 — 10  Tagen  die 
Plazenten  wegtun  musste.  Um  die  Plazenten  möglichst  gut  her- 

')  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  11. 

")  Literatur  ebenda. 

3)  Henkel;  Archiv  f.  Gyn.,  Bd.  99,  Heft  1.  —  Frank  und 
Hei  mann;  Berliner  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  36.  —  Franz 
und  J  arisch:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  39. 

)  Stange;  Zentralbl.  f.  Gyn.  1913,  No.  0 


.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1085 


richten,  gibt  Abderhalden»)  bestimmte  Vorschriften  an:  Es 
;  len  u.  a.  die  Organstücke,  die  aus  dem  Kochwasser  kommen,  (durch 
i  Tuch)  ausgepresst  werden,  ehe  sie  in  das  erneute  Kochwasser 
I iimen.  Weiter  sollen,  um  ganz  sicher  zu  gehen,  die  aufbewahrten 
( ganstiicke,  die  man  eben  verwenden  will,  in  einem  Reagenzglas 
,  der  5  fachen  Menge  Wassers  aufgekocht,  das  Kochwasser  filtriert 
il  mit  1  ccm  der  Ninhydrinlösung  geprüft  werden.  „Der  ganze 
I  folg  der  Untersuchung  hängt  von  der  vollstän- 
(gen  Befreiung  der  Organstücke  von  Substanzen, 
i  mit  N  i  n  h  y  d  r  i  n  unter  Farbstoffbildung  rea- 
-  r  e  n,  ab.  Misserfolge  sind  fast  ohne  Ausnahme 
:f  eine  nicht  genügende  Befolgung  dieser  Vor- 

>  h  r  i  f  t  z  u  r  ii  c  k  z  u  f  ii  h  r  e  n.“ 

Feiner  ist  bei  der  Auswahl  der  Dialysierschläuche  grosse  Vor- 
s  *t_  geboten,  wie  ich  erst  kürzlich  wieder  erfahren  musste.  Beim 
1  nigen  des  Laboratoriums  wurde  mir  durch  eine  unverständige 
1  id  mein  selbstgeprüfter,  einwandfreier  Stamm  von  Dialysier- 
s  tauchen  vernichtet.  Zu  dringenden  Versuchen  liess  ich  mir  aus 
t  le  von  der  Firma  Schoeps  sog.  „geeichte“  Schläuche 
s  icken.  Ohne  vorher  noch  einmal  auf  Serumundurchlässigkeit  und 
j  chmässige  und  genügende  Peptondurchlässigkeit  geprüft  zu 
h  »en,  verwendete  ich  diese  Schläuche,  erhielt  aber  so  wider¬ 
sechende  Resultate,  dass  ich  anfing,  an  der  Brauchbarkeit  der 
'thode  zu  zweifeln.  Der  Fehler  fand  sich  jedoch:  es  war  in  der 
1  einer  dieser  sog.  „geeichten“  Schläuche  serumdurch- 
>sig;  daher  bin  ich  jetzt  daran  gegangen,  diese  Schläuche  selber 
i  h  einmal  nachzuprüfen.  Man  soll  dabei  besonders  darauf  achten, 
Ls  sie  für  dialysable  (Seiden)peptonlösungen  absolut  gleichmässig 
1  chlässig  und  auch  nicht  zu  dicht  sind. 

Wie  schon  betont,  sind  mir.  als  ich  mit  der  Methode  zu  arbeiten 
i  ng,  auch  widersprechende  Resultate  häufig  aufgetreten,  je  mehr 
<■  aber  gelernt  habe,  die  Fehlerquellen  zu  erkennen  und  zu  ver- 
t  den,  um  so  gleichmässiger  wurde  der  Ausfall  der  Reaktionen, 

■  dass  ich  heute  Henkel  durchaus  beipflichte,  wenn  er  über  die 
'  thode  sagt,  dass  eher  ein  Versuchsfehler  als  ein  Versagen  der 

>  hode  bei  unrichtigem  Ausfall  der  Reaktion  anzunehmen  sei. 

Nach  diesen,  meinen  eigenen  Erfahrungen  mit  der  A.schen  Me- 
Lle.  kann  ich  mich  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  dass  die  wider- 
I  -eilenden  Resultate  Engel  hör  ns  vielleicht  auf  irgend  einem 
'  1er  der  angewandten  Technik  beruhen.  Auffallend  ist  nämlich, 

1  s  E.  gerade  bei  Seren  aus  dem  9.  und  10.  Monat  der  Schwanger¬ 
st  negativen  Ausfall  der  Reaktion  hatte.  In  diesen  Monaten  ist 
!  Reaktion  gewöhnlich  bedeutend  schwächer  als  in  den  übrigen 
•  Sen  und  als  im  Wochenbett.  Sind  nun  vielleicht  die  verwendeten 
"  läuche  zu  dicht,  dann  ist  es  sehr  leicht  möglich,  dass  das  Dialysat 
n  Ninhydrin  nachweisbare  Substanzen  nicht  oder  in  zu  geringer 
i  i ge  aufweist,  während  andererseits  bei  Verwendung  von  ge- 
iend  durchlässigen  Schläuchen  die  Reaktion  positiv  ausfällt. 

Meine  Erfahrungen  mit  der  Abderhalden  sehen  Me- 
ide  kann  ich  dahin  zusammenfassen: 

Das  Abderhaldensche  Dialysier verfahren 
;it  bei  bestehender  Schwangerschaft  in 
1  Proz.  der  Fälle  positive  Reaktion. 

In  den  5  Fällen,  wo  ich  Gelegenheit  hatte,  die  einwand- 
r en  Seren  Nichtschwangerer  zu  untersuchen,  war 
Reaktion  negativ. 


Aus  den  Kückenmühler  Anstalten  in  Stettin. 

differentialdiagnostische  Abgrenzung  einiger  Krampf- 
formen  durch  das  Blutbild*). 

Von  Oberarzt  Dr.  P.  J  ö  d  i  c  k  e. 

Die  richtige  Erkennung  der  einzelnen  Krampfformen  muss 
t  der  Mannigfaltigkeit  der  gemeinsamen  Symptome  heutigen- 
als  eine  schwierige  diagnostische  Aufgabe  betrachtet 
den.  Eine  Fehldiagnose  kann  zu  schwerwiegenden  pro- 
rstischen  Irrtümern  und  therapeutischen  Fehlern  führen, 
keinen  Fall  kann  bei  der  unklaren  Vorstellung,  die  selbst 
;ebildeten  Kreisen  mit  dem  Begriffe  „Krämpfe“  verbunden 
ärztlicherseits  den  Versicherungen  und  Beschreibungen 
nker  und  Verwandter  eine  grundlegende  Bedeutung  bei- 
lessen  werden.  Indessen  schützt  selbst  die  Untersuchung 
betreffenden  Individuums  durch  einen  Arzt  oder  eine 
ere  Beobachtung  in  einer  Anstalt  nicht  immer  vor  Trug- 
iissen.  Es  genügt  zuweilen  nicht  einmal  bei  einem  Anfall 
'esend  gewesen  zu  sein,  um  das  wahre  Krankheitsbild  mit 
)luter  Gewissheit  feststellen  zu  können.  Bekannt  ist  die 
;ode  von  dem  Assistenten  E  s  q  u  i  r  o  1  s,  der  in  Gegenwart 


»)  Beiträge  zur  Klinik  der  Infektionskrankheiten  1912,  Bd.  1, 

2,  S.  243  ff. 

*)  Nach  einem  Vortrage,  gehalten  in  der  4.  Sitzung  des  neurolog.- 
hiatr.  Vereins  für  Pommern  am  20.  Februar  1913  in  Stettin. 


seines  erfahrenen  Lehrers  einen  epileptischen  Paroxysmus 
derart  täuschend  nachahmtc,  dass  dieser  voll  Schrecken  aus¬ 
rief:  „pauvre  ami,  quel  malheur,  qu’il  soit  epileptique!“.  Bei 
diesen  Worten  erhob  sich  der  junge  Arzt  mit  vergnügten 
Mienen  und  gestand  seine  Absicht.  Konvulsionen  als  Aus¬ 
druck  von  Reizerscheinungen  des  Zentralnervensystems 
können  wir  bei  den  heterogensten  Krankheitsformen  beob¬ 
achten,  so  bei  Diabetes,  Nephritis,  progressiver  Paralyse, 
Gehirntumor,  multipler  Sklerose,  Hebephrenie.  Idiotie,  Tetanie, 
Spasmophilie,  Epilepsie;  wir  vermissen  sie  jedoch  ebenfalls 
nicht  bei  funktionellen  Neurosen,  bei  der  Hysterie  und  Neu¬ 
rasthenie,  Psychasthenie.  Da  dem  Aspekt  nach  die  epilep¬ 
tischen  und  hysterischen  Krämpfe  sich  wenig  unterscheiden, 
zuweilen  vollständig  identisch  sind,  bieten  diese  Gruppen  be¬ 
sondere  diagnostische  Schwierigkeiten,  so  dass  selbst  für  den 
Kenner  derartiger  Zustände  die  Entscheidung  schwer  fällt 
oder  unmöglich  wird.  Die  typische  Folge  von  tonischen  und 
klonischen  Zuckungen,  der  Zungenbiss,  der  blutige  Schaum 
vor  dem  Munde,  die  fehlende  Pupillenreaktion  und  der  Er¬ 
innerungsverlust,  können  zwar  als  wertvolle,  doch  nicht  als 
durchaus  zuverlässige  Kriterien  für  die  Diagnose  Epilepsie  in 
Anspruch  genommen  werden.  Selbst  die  zuweilen  nach  epi¬ 
leptischen  Krämpfen  beobachteten  petechialen  Blutaustritte  in 
die  Konjunktiven  und  die  Haut  sind  bei  Hysterie  beschrieben 
[Enge1)!.  Andererseits  kennen  wir  bei  Epileptikern  Anfälle 
verschiedenartigsten  Charakters,  die  sich  durch  ihr  typisches 
Bild  als  hysterisch  dokumentieren.  Wir  bezeichnen  bekannt¬ 
lich  eine  derartige  Neurosenaddition  als  Hysterieepilepsie. 
Schliesslich  erinnern  wir  uns  der  Tatsache,  dass  der  Arzt 
selbst  auf  diesem  Gebiete  vor  Simulation  nicht  geschützt  ist; 
sei  es,  dass  Patienten  aus  dem  Bestreben,  sich  durch  Er- 
kämpfung  einer  Unfallrente  ein  sicheres,  wenn  auch  be¬ 
schränktes  Einkommen  zu  verschaffen  oder  dass  jugendliche 
kriminelle  Psychopathen  eine  mildere  richterliche  Beurteilung 
von  Straftaten  dadurch  zu  erreichen  glauben.  Derartige 
Schauspieler  verstehen  es  zuweilen,  mit  einem  wahrhaften 
Raffinement  alle  Phasen  des  klassischen  Anfalles,  selbst  das 
Rollen  der  Augäpfel,  so  täuschend  nachzuahmen,  dass  die 
Entlarvung,  auch  wenn  sie  als  Simulanten  von  vornherein 
verdächtig  erscheinen,  nicht  selten  erst  nach  längerer  Beob¬ 
achtung  oder  durch  Zufall  gelingt.  Bei  dieser  Schwierigkeit 
oder  Unmöglichkeit,  den  einzelnen  Anfall  mit  Bestimmtheit  dem 
einen  oder  anderen  Krankheitsbilde  zuzuweisen,  kann  es  nicht 
wundernehmen,  wenn  von  einzelnen  Aerzten  weniger  Wert 
auf  den  Verlauf  eines  einzelnen  Krampfes  als  auf  die  Dauer¬ 
symptome  und  die  Charakterveränderungen  der  Kranken  ge¬ 
legt  wird.  Nur  die  postparoxysmale  Albuminurie  wird  von 
einigen  als  besonderes  Kennzeichen  gegenüber  der  Hysterie 
für  die  Diagnose  Epilepsie  in  Anspruch  genommen.  Immerhin 
kann  diese  Folgeerscheinung  nicht  als  eine  konstante  des  epi¬ 
leptischen  Anfalles  betrachtet  werden;  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  bleibt  nach  unseren  Erfahrungen  dieses  Auftreten 
von  Eiweiss  im  Urin  aus. 

Gelegentlich  von  Blutuntersuchungen  kam  mir  nun  die 
Idee,  ob  es  sich  nicht  ermöglichen  liesse,  allein  durch  das 
Blutbild  den  epileptischen  Anfall  von  dem  nicht  epileptischen 
zu  differenzieren.  Die  paroxystischen  Erscheinungen  der  Fall¬ 
sucht  haben  vielfach  Veranlassung  zum  Studium  der  Blut¬ 
veränderungen  geboten;  Studien,  die  sich  hauptsächlich  an 
die  Namen  ausländischer  Kollegen  —  Krumbmiller 2), 
B  u  r  r  o  w  3 4),  Kuhlmann1),  Pugh5),  Bruce6)  —  an¬ 
knüpfen,  neuerdings  auch  bei  uns  durch  das  Verdienst  von 
Sc  h  u  1 1  z  7)  und  namentlich  R  o  h  d  e  8)  in  weiteren  Kreisen 
bekannt  geworden  sind.  Unsere  Aufgabe  galt  der  Fest¬ 
stellung,  ob  die  von  diesen  Autoren  beobachtete  Leukozytose 
nach  den  epileptischen  Krampfanfällen  als  typisch  und 
charakteristisch  für  diese  Erkrankung  angesehen  werden  muss 
und  ob  Veränderungen  in  der  Zahl  der  Blutkörperchen  bei 


*)  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.  u.  Psych.,  33,  153,  1910. 

s)  Arch.  des  sc.  biol.  St.  Petersburg-,  6,  519,  1898. 

3)  Lit.  u.  Jahresb.  über  d.  Fortschritte  der  Medizin  1899. 

4)  State  Hosp.  Bull.  1897. 

5)  Journ.  of  ment.  Science,  49,  71,  1903.- 

6)  Studies  in  clinical  psychiatry,  London  1906. 

7)  Monatsschr.  f.  Psych.  u.  Neurol.,  Bd.  XXII,  1907. 

s)  Deutsch.  Arcli.  f.  klin.  Mediz.,  95,  148,  1908. 


1086 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


analogen  Zuständen  hysterischer  Natur  zu  finden  sind.  Für 
letztere  Untersuchungen  stand  uns  nur  ein  beschränktes 
Material  hauptsächlich  unter  unserem  nicht  gerade  kleinen 
Personalbestände  zur  Verfügung,  während  wir  bei  der  grossen 
Zahl  von  Epileptikern  unseren  Intentionen  gemäss  die  ver¬ 
schiedenartigsten  Krampfformen  in  das  Bereich  unserer  Beob¬ 
achtung  einbeziehen  konnten.  Hierbei  handelte  es  sich  um 
Patienten,  die  meistens  schon  monate-  oder  jahrelang  in 
unserer  Anstalt  untergebracht  waren  und  bei  denen  die  Dia¬ 
gnose  Epilepsie  über  jeden  Zweifel  feststand.  Im  ganzen 
wurden  56  Blutuntersuchungen  nach  Anfällen  ausgeführt  und 
zwar  52  bei  Epileptikern  und  4  bei  hysterischen  Personen. 
Das  Ergebnis  sowie  die  einzelnen  Arten  des  Krampfes  ergibt 
am  besten  eine  kurze  Uebersicht  der  beistehenden  Kurve. 


Von  den  einzelnen  Krankengeschichten  möge  hier  nur  je  ein 
besonders  typisches  Beispiel  zur  Illustration  folgen: 

Fall  1:  Ka.,  23  J.  alt,  seit  6  Jahren  Anstaltsinsasse. 

Diagnose:  Serien  von  schweren  epileptischen  Anfällen. 

i  u*‘  •  £.  sc^on  *n  der  Kindheit  an  Zahnkrämpfen;  seit  dem 
ll.  Lebensjahre  werden  durchschnittlich  mehrere  epileptische  Anfälle 
in  der  Woche  beobachtet.  Aeusserst  jähzorniges,  reizbares,  un¬ 
zufriedenes,  asoziales  Element.  Am  9.  XI.  innerhalb  einiger  Stunden 

schwere  Anfalle,  dazwischen  bei  Bewusstsein  und  ohne  Fieber. 
Leukozyten  direkt  nach  dem  letzten  typischen  Krampfe  =  19  600. 
ln  der  anfallsfreien  Zeit  Zahl  der  weissen  Blutkörperchen  8200." 

Fall  2:  B„  39  Jahre  alt,  seit  Jahren  in  der  Anstalt. 

Dia?nose:  Typischer,  epileptischer  Anfall.  Hereditär  belastet, 
epileptische  Anfalle  traten  zum  ersten  Male  im  12.  Lebensjahre  auf 
jetzt  nach  entsprechender  Behandlung  im  Monat  2—6.  Pat.  ist  be¬ 
reits  schwachsinnig.  Am  7.  XII.  klassischer  Anfall  von  ca.  5  Minuten 
Dauer.  Leukozyten:  17  900. 

Während  der  krampffreien  Periode  Zahl  der  Leukozyten  7300. 
handhing  ^  ^ ^ 0  r’’  ^  Jahre  alt,  seit  13  Jahren  in  unserer  Be- 

Diagnose:  Petit-mal-Anfall. 

,,  ßepnn  des  epileptischen  Leidens  bereits  als  Kind.  Fast  täglich 
J!‘  ^1Ck6^  * UI\d,  abo.rtlve  Unfälle.  Rechthaberischer,  zuweilen 
nv  ,  Mttatiger  Pat.  Aerf.  ist  zufällig  bei  der  Visite  Zeuge  eines  petit- 
mal-Krampfes.  Pat.  sinkt  nach  rückwärts  zurück,  wird  bleich  und 
bewusstlos,  bekommt  einen  kurzen  Augenblick  tonische  Zuckungen 
beider  Arme.  Lichtreaktion  der  Pupillen  aufgehoben.  Sofortige  Ent- 
nahme  von  Blut  zwecks  Untersuchung.  Leukozyten  16  100.  In  an- 
lallsfreier  Zeit  8800  Leukozyten. 

Fall  4:  Krankenschwester:  19  Jahre  alt. 

Diagnose:  Hysterischer  Anfall. 

Fleissige,  anämische  Person,  hat  sich  wegen  übler  Nachrede  ge- 
.,vveint  zunächst  stundenlang,  lässt  sich  dann  während  der 
Mahlzeit  vom  Stuhle  gleiten,  ohne  sich  zu  verletzen;  schreit  mit 
gellender  Stimme,  greift  sich  nach  dem  Halse,  als  ob  sie  keine  Luft 


No.  20 


bekomme,  zuckt  mit  den  Händen,  bewegt  ihren  Körper  rhythmisch  m 
und  ab;  dabei  bei  Bewusstsein,  so  dass  sie  auf  energische  An 
fragen  reagiert.  Deutliche  Verengerung  der  Pupillen  auf  Lichteinfall 
Dauer  dieses  Zustandes  ca.  30  Minuten.  Leukozyten  6900. 


Fall  5:  B.,  32  Jahre  alt,  vor  3  Monaten  aufgenommen. 
EpilepsfeSn°Se  1  Hysterischer  Anfa11.  Grunddiagnose:  Hysterie 


MJuepuscne  ivrampre  traten  mit  dem  20.  Lebensjahre  aui.  meh 
mals  im  Monat,  danach  bedeutende  Abnahme  der  Geisteskräft. 
Ausserdem  hysterische  Zustände.  Nach  einer  Zahnextraktion  Ver 
drehen  der  Augen  mit  erhaltener  Pupillenreaktion,  weites  Zurück 
beugen  des  Kopfes  und  des  Rumpfes  mit  stossförmigen  Bewegungen 
dann  stereotypes  ekstatische  Schreien:  „Ich  werde  gesund,  ich  wer, 
gesund  usw.  Bewusstsein  ist  erhalten.  Nach  energischem  Anru 
sofortiges  Sistieren  des  Anfalls  nach  ca.  15  Minuten.  Leukozyten  720(1 


Aus  unserer  Tabelle  ersehen  wir,  dass  jeder  epileptische 
Anfall  von  einer  mehr  oder  weniger  beträchtlichen  Steigerung 
der  weissen  Blutkörperchen  gefolgt  ist.  Diese  postparoxys¬ 
male  Leukozytose  wird  selbst  bei  den  leichteren  abortiven, 
Petit-mal-Anfällen,  die  sich  durch  einen  Schwindel,  Ohn¬ 
machtsanfälle,  eine  leichte  Verdunkelung  des  Bewusstseins 
oder  geringe  tonische  Zuckungen  auszeichnen,  nicht  vermisst; 
sie  ist  indessen  am  markantesten  bei  den  schwersten  Paro- 
xysmen,  bei  Serien  von  Anfällen  u.  dergl.  Analog  den  An¬ 
gaben  von  Krumbmiller  und  R  o  h  d  e  fanden  wir  die 
höchsten  Leukozytosenwerte  direkt  nach  den  Konvulsionen,  in 
10  -20  Minuten  fast  regelmässig  wieder  normale  Zahlen.  Vor 
dem  Anfall  konnten  wir  im  allgemeinen  keine  Vermehrung 
der  weissen  Blutkörperchen  konstatieren;  nur  bei  2  Kranken, 
die  benommen,  schläfrig  waren,  über  Kopfschmerzen,  Ohren¬ 
sausen.  Augenflimmern  klagten,  bestand  tagelang  vor  dem 
Krampfe  eine  auffallende  Vermehrung  der  weissen  Blut-: 
körperchen.  (Jeher  die  Form  dieser  Leukozytose  möge  an 
anderer  Stelle  berichtet  werden.  Im  Gegensatz  dazu  bewegt 
sich  die  Zahl  der  Blutkörperchen  nach  hysterischen  Krämpfen 
stets  in  der  Breite  der  Norm.  Unterschiede  in  der  Anzahl  der 
Erythrozyten  wurden  bei  beiden  Krankheitserscheinungen 
nicht  beobachtet.  Bei  der  schicksalsschweren  Frage,  ob  wir 
es  im  gegebenen  Falle  mit  einem  epileptischen  Krampf  zu 
tun  haben  oder  nicht,  kann  sonach  die  postparoxysmale  Leuko¬ 
zytose,  als  ein  sicheres,  zuverlässiges,  nicht  nachzuahmendes 
Zeichen  betrachtet  werden.  Selbstverständlich  kann  dieses 
wichtige  Symptom  allein  zwischen  Epilepsie  einerseits  und 
Hysterie  oder  Simulation  andererseits  differentialdiagnostische 
Bedeutung  beanspruchen.  Vermutlich  werden  ähnliche  Blut- 
vei  änderungen  auch  nach  paralytischen,  hebephrenischen  und 
anderen  Anfällen  zu  finden  sein,  indessen  bieten  diese  Ab¬ 
grenzungen  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  keine  besonderen 
Schwierigkeiten.  Es  dürfte  eine  interessante  Aufgabe  sein 
festzustellen,  ob  nach  psychasthenischen  und  affektepilep¬ 
tischen  Krämpfen  (Oppenheim  und  B  r  a  t  z)  eine  ähnliche 
Verschiebung  des  Blutbildes  stattfindet  oder  nicht.  Je  nach 
den  Befunden  müsste  event.  eine  Aenderung  in  der  Rubri¬ 
zierung  dieser  Krankheitszustände  vorgenommen  werden. 
Trotz  der  Menge  von  psychopathischen  Fürsorgezöglingen  in 
unserer  Anstalt  ist  es  uns  bisher  nicht  gelungen,  diese  be¬ 
sondere  Krampfart  zu  beobachten.  Etwaige  Konvulsionen 
konnten  wir  auch  bei  diesen  Kranken  regelmässig  einer  der 
wohlbekannten  und  gut  charakterisierten  Gruppen  von  Erkran¬ 
kungen  einreihen.  Wenn  wir  in  dem  letzten  Jahresbericht 
einer  Privatheilanstalt  allein  14  Fälle  von  Affektepilepsie,  je¬ 
doch  nicht  einen  von  genuiner  oder  symptomatischer  Epilepsie 
verzeichnet  finden,  können  wir  uns  des  Gedankens,  dass  viel¬ 
fach  diese  Diagnose  zu  häufig  gestellt  wird,  nicht  erwehren. 

Die  E'rage  nach  der  Herkunft  dieser  Leukozytose  wird 
von  den  einzelnen  Forschern  verschieden  beantwortet. 
Krumbmiller  führt  sie  auf  Kontraktionen  der  Milz  zurück, 
deren^  Länge  er  von  11 — 12  auf  8 — 9  cm  und  deren  Breite  er 
von  7 — 8  auf  6  cm  während  des  Krampfes  hat  zurückgehen 
sehen;  eine  Anschauung,  deren  Richtigkeit  wir  nach  verein¬ 
zelten  Beobachtungen  nicht  bezeugen  konnten.  Ebensowenig 
vermochten  wir  uns  der  Auffassung  B  u  r  r  o  w  s,  der  in  dieser 
Blutänderung  lediglich  den  Effekt  der  allgemeinen  Muskel¬ 
arbeit  erblickt,  voll  und  ganz  anzuschliessen,  mag  sie  auch  in 
der  Tat  viel  bestechendes  für  sich  haben.  Bei  einem  Epi¬ 
leptiker,  der  vor  einem  warmen  Ofen  Arme  und  Beine 
mehrere  Minuten  bis  zum  profusen  Schweissausbruch  hin  und 


I).  Mai  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1087 


ct  bewegte,  ergab  die  Zählung  der  weissen  Blutkörperchen 
ach  dem  Experiment  8500  gegenüber  7300  vor  Anstellung  des 
'ersuches,  d.  h.  eine  Zunahme  von  nur  1200.  Diese  Arbeits- 
uikozytose  kann  nach  unserer  Meinung,  selbst  wenn  die 
luskeltätigkeit  sowie  die  Sauerstoffverarmung  des  Organis- 
ius  im  klassischen  Anfall  im  Durchschnitt  intensiver  zu  sein 
flegt,  nicht  als  alleinige  Ursache  der  Leukozytenvermehrung 
etrachtet  werden.  Vielmehr  liegt  es  unserem  Verständnis 
üher,  diese  Erscheinungen  als  Schutzmassregeln  des  Körpers 
r,r  Neutralisation  von  Toxinen  des  inneren  Stoffwechsels,  die 
ie  epileptischen  Veränderungen  bedingen,  anzusehen. 


,us  der  dermatologischen  Klinik  des  Städtischen  Kranken¬ 
hauses  zu  Frankfurt  a.  M. 

(Direktor :  Professor  HerxHeime  r). 

Infusion  oder  Injektion  des  Salvarsans. 

Oil  Dr.  F.  Zimmern,  Marineassistenzarzt  in  Wilhelms¬ 
haven,  früherem  Assistenten  der  Klinik. 

In  No.  13  dieser  Wochenschrift  teilt  Stern  mit,  dass  er 
eit  über  einem  Jahr  über  1000  Salvarsan-  resp.  Neosalvarsan- 
ijektionen  nach  einer  neuen  Methode  ausgeführt  hat.  Er 
pricht  dieser  Injektions-,  nicht  Infusionsmethode,  bei  der  er 
ine  5  proz.  Salvarsan-  oder  Neosalvarsanlösung  mit  einer 
)  ccm-Rekordspritze  intravenös  injiziert,  einen  grossen  Wert 
u,  besonders  für  den  Praktiker,  der  ohne  grosse  Apparatur 
i  der  Lage  ist,  Salvarsankuren  ausführen  zu  können,  ohne 
gend  jemals  Schädigungen  auftreten  zu  sehen. 

Ich  möchte  nun  über  Versuche  berichten,  die  im  No- 
ember  und  Dezember  1911  an  der  hiesigen  Klinik  von  Herrn 
'berarzt  Dr.  Altmann  und  mir  angestellt  wurden.  Die 
nregung  hierzu  erhielten  wir  von  Herrn  Dr.  F  e  h  d  e  -  Berlin, 
er  Salvarsaninjektionen  in  konzentrierter  Lösung  schon 
ngerer  Zeit  vorgenommen  hatte.  Auf  Veranlassung  von 
xzellenz  Ehrlich  prüften  wir,  nachdem  Herr  Dr.  Fehde 
ns  seine  Methode  vorgeführt  hatte,  sie  an  einer  grösseren 
nzahl  von  Fällen  nach,  sahen  aber  an  Hand  unserer  nicht 
;hr  günstigen  Erfahrungen  von  einer  Mitteilung  ab. 

Die  Stern  sehe  Arbeit  gibt  mir  nun  Veranlassung,  über 
ie  Erfahrungen  bei  den  von  Altmann  vorgenommenen  In- 
ktionen  und  über  die  von  mir  am  städt.  chemisch-physio- 
>gischen  Institut  (Direkt.:  Prof.  Embden)  ausgeführten 
ntersuchungen  über  die  Arsenausscheidung  im  Urin  zu  he¬ 
chten. 

Die  Injektionstechnik,  die  uns  Herr  Dr.  Fehde  gezeigt 
atte  und  die  wir  genau  befolgten,  war  folgende: 

Es  wurden  eine  oder  mehrere  Salvarsandosen  in  einem 
raduierten  Zylinder  gelöst  und  alkalisiert,  so  dass  man  eine 
proz.  Lösung  erhielt.  Die  entsprechende  Dosis  0,4  oder 
5  Salvarsan,  d.  h.  8  oder  10  ccm  der  Lösung,  wurde  in  eine 
iscli  ausgekochte  10  ccm-Rekordspritze  aufgesogen  und 
die  Kubitalvene  mit  möglichst  feiner  und  scharfer  Kanüle 
jiziert,  nachdem  man  sich  vorher  durch  leichtes  Anziehen 
2S  Kolbens  an  dem  einströmenden  Blut  von  der  richtigen 
age  der  Nadel  überzeugt  hatte.  Es  wurde  möglichst  langsam 
jiziert,  die  Dauer  betrug  mindestens  2 — 3  Minuten.  Es 
urden  im  ganzen  78  klinische  Patienten,  znm  grössten  Teil 
eibliche,  mit  im  ganzen  147  Einzelinjektionen  behandelt  und 
var  war  die  Dosis  im  allgemeinen  0,4,  die  Höchstdosis  0,5. 

Auf  die  einzelnen  Stadien  der  Lues  verteilen  sich  die  Fälle 
Igendermassen:  Primärstadium  6,  Sekundärstadium  22, 
tente  Lues  50  Fälle. 

Wir  sahen  nun  trotz  subtilster  Technik,  trotzdem  von 
nem  Wasserfehler  und  einer  Ueberalkalisierung  keine  Rede 
•in  konnte,  zum  Teil  recht  unangenehme  Nebenerscheinungen 

iftreten. 

Fieber  beobachteten  wir  bei  27  Fällen.  Scheidet  man  die 
alle  von  Lues  1  und  nicht  vorbehandelter  Lues  II  aus,  so 
ihen  wir  doch  bei  den  50  latent  luetischen  Fällen  18  mal 
:eber  auftreten,  eine  überraschend  hohe  Prozentzahl.  Das 
uftreten  von  Fiebersteigerungen  bei  latenter  Lues  ist  etwas 
>  ausserordentlich  seltenes  bei  der  sonst  üblichen  Injektions- 
chnik,  dass  man  in  einem  jeden  Fall  seine  Apparate,  sein 
/asser  oder  seine  Technik  revidieren  muss,  da  der  Fehler 


immer  nur  an  diesen  Stellen  zu  suchen  ist.  Wie  schon  er¬ 
wähnt,  kam  dies  hier  ganz  ausser  Frage. 

W'ir  sahen  ferner  in  39  Fällen  Erbrechen,  darunter  26  mal 
bei  den  50  latent  Luetischen  auftreten  und  zwar  nicht  nur  ein- 
oder  zweimal,  wie  es  vielleicht  bei  nicht  mit  Hg  vorbehan¬ 
delten  Primäraffekten  bei  einer  etwas  zu  hoch  gegriffenen 
Dosis  hie  und  da  auftreten  kann,  sondern  es  hielt  in  manchen 
Fällen  bis  zu  3  Tagen  an  und  wurde  durch  die  geringste 
Nahrungs-  oder  Flüssigkeitsaufnahme  ausgelöst.  In  diesen 
Fällen  bestand  auch  eine  mehr  oder  minder  heftige  Enteritis. 
Die  kombinierte  Hg-Behandlung  musste  in  zahlreichen  Fällen 
ausgesetzt  werden,  da  wir  es  nicht  für  angebracht  hielten, 
einem  zurzeit  so  angegriffenen  Körper  bzw.  Magendarm- 
traktus  Hg  zuzuführen. 

S  t  e  r  n  betont  die  grosse  Schmerzhaftigkeit  eines  subku¬ 
tanen  Infiltrates.  Wir  haben  dieselbe  Erfahrung  gemacht  und 
die  Erscheinungen  durch  Umschläge  zum  Schwinden  gebracht. 
Doch  waren  nach  Wochen  noch  ganz  harte,  meist  nicht 
schmerzende  Knoten  an  der  Injektionsstelle  vorhanden.  Bei 
einer  stark  adipösen  Patientin  mit  sehr  schlecht  fühlbaren 
Venen,  bei  der  an  beiden  Armen  kleine  Infiltrate  entstanden 
waren,  konnten  wir  erst  nach  Wochen  weitere  Injektionen 
nach  der  üblichen  Methode  machen,  da  die  Infiltrate  ein  Auf¬ 
finden  der  Vene  unmöglich  machten  und  sie  zu  einer  Frei¬ 
legung  nicht  bereit  war.  In  10  Fällen  wurde  während  der 
Injektion  über  Brennen  und  Schmerzen  im  Verlauf  der  Venen 
geklagt,  so  dass  man  an  eine  Schädigung  der  Venenwand 
durch  die  hochkonzentrierte  Lösung  denken  konnte,  eine  Be¬ 
stätigung  der  theoretischen  Bedenken  Sterns.  In  einem 
Falle,  in  dem  diese  Klagen  bei  jeder  Injektion  besonders  heftig 
waren,  injizierten  wir,  um  Uebertreibungen  auszuschliessen, 
mit  Safran  gefärbte  Kochsalzlösung.  Während  dieser  Injektion 
wurde  nicht  über  Schmerzen  im  Arm,  Schulter  und  Brust 
geklagt.  In  einem  Falle  sahen  wir  ein  entzündliches,  äusserst 
schmerzhaftes  Infiltrat  der  Vene  von  Kirschgrösse  12 — 15  cm 
oberhalb  der  Injektionsstelle  auftreten,  das  erst  nach  ca.  zwei 
Wochen  unter  feuchten  Umschlägen  verschwand1). 

Von  sonstigen  Nebenerscheinungen  wurde  von  uns  einmal 
ein  grossquaddeliges  urtikarielles  Erythem  beobachtet,  das 
Vi  Stunde  nach  der  Injektion  auftrat  und  nach  5  Stunden 
wieder  verschwand.  Spätere  Injektionen  nach  der  üblichen 
Methode  wurden  reaktionslos  vertragen. 

Was  die  klinischen  Resultate  betrifft,  so  ist  unser  Material 
besonders  von  floriden  Fällen  zu  gering,  um  ein  sicheres  Urteil 
darüber  abzugeben,  doch  konnte  man  sich  nicht  ganz  dem 
Eindruck  entziehen,  als  ob  die  Heilwirkung  der  konzentrierten 
Injektion  eine  überlegene  sei,  eine  Anschauung,  die  durch  die 
unten  mitgeteilten  Ausscheidungsanalysen  eine  gewisse  Unter¬ 
stützung  erhält. 

Es  galt  die  Frage  zu  klären,  ob  das  in  konzentriertem 
Zustand  eingeführte  Salvarsan  langsamer  ausgeschieden  wird 
als  das  in  der  üblichen  Verdünnung  injizierte.  Es  war  an¬ 
zunehmen,  dass  durch  die  Einbringung  einer  Menge  von 
200  bis  300  ccm  Flüssigkeit  eine  Erhöhung  der  Gefässspannung 
eintritt  und  damit  eine  schnellere  Flüssigkeitsausscheidung  aus 
den  Nieren.  Ferner  konnte  man  annehmen,  dass  bei  konzen¬ 
trierter  Injektion  das  Salvarsan  länger  im  Körper  kreist  und 
eher  die  Möglichkeit  hat,  die  erkrankten  Partien  anzugreifen 
bzw.  sich  eher  in  der  Leber  anzusammeln  und  von  diesem 
Depot  weiter  im  Körper  zu  wirken  und  langsamer  im  Urin 
ausgeschieden  zu  werden. 

Dahingehende  Untersuchungen  konnte  ich  im  städtischen 
chemisch-physiologischen  Institut  ausführen  und  ich  erlaube 
mir,  Herrn  Professor  Embden  und  Herrn  Dr.  Schmitz 
für  die  gütigst  gewährte  Erlaubnis  und  für  die  freundliche 
Unterstützung  meinen  Dank  auszusprechen. 

Um  den  Versuch  nicht  allzu  kompliziert  zu  gestalten, 
wurde,  da  es  sich  ja  nur  darum  handelte,  Vergleichswerte  zu 
erhalten,  von  einer  quantitativen  Analyse  der  Fäzes  abge¬ 
sehen.  Ich  beschränkte  mich  darauf,  die  Arsenausscheidung 
durch  die  Nieren  zu  untersuchen  und  zwar  in  der  ganzen  inner¬ 
halb  einer  Woche  ausgeschiedenen  Urinmenge.  Eine  grössere 
Zeitspanne  konnte  aus  äusseren,  d.  h.  therapeutischen  Griin- 


*)  Ein  Umstand,  der  für  eine  starke  Schädigung  der  Venenwand 

spricht. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCHRIF1'. 


No.  20. 


1088 


den  nicht  genommen  werden,  musste  doch  während  dieser 
Zeit  die  sonst  geübte  kombinierte  Hg-Iiehandlung  in  Weg¬ 
fall  kommen. 

Der  Gang  der  Untersuchung  war  folgender: 

Es  wurden  die  Urinmengen  des  ersten,  des  zweiten  und 
dritten  1  ages,  sowie  des  Restes  der  Woche  zusammen  unter¬ 
sucht.  Die  Auswahl  der  Methode  machte  zuerst  einige 
Schwierigkeiten.  Es  kamen  selbsverständlich  nur  solche 
Patienten  in  Frage,  die  niemals  Quecksilber  oder  Arsen  er¬ 
halten  hatten.  Da  es  sich  aber  in  allen  Versuchsfällen  um 
17  bis  18  jährige,  zur  Zwangsheilung  eingewiesene  Mädchen 
(nicht  Prostituierte)  handelte,  die  neben  Lues  fast  alle  an 
Gonorrhöe  litten,  war,  da  die  Gonorrhöebehandlung  nicht  aus¬ 
gesetzt  werden  konnte,  zu  berücksichtigen,  dass  in  allen 
Urinen  Silber  vorhanden  war  oder  zum  mindesten  sein  konnte. 

Die  Veraschung  der  organischen  Substanz  nach  Neu - 
m  a  n  n  in  konzentrierter  Schwefel-  und  Salpetersäure,  die  ich 
anstelle  der  von  Bornstein  verwandten  Verbrennung  mit 
Salzsäure  und  chlorsaurem  Kali  benutzte,  ergab  einen  Rück¬ 
stand,  der  neben  Arsensäure  noch  Silber  und  Phosphorsäure 
enthielt.  Diese  Methode  schied  also  von  vornherein  aus. 
Ebensowenig  gab  eine  Ausfällung  des  Rückstandes  mit 
Schwefelwasserstoff  annehmbare  Resultate.  Zur  Trennung 
der  Arsensäure  von  der  Phosphorsäure  und  dem  Silber  musste 
das  Arsen  überdestilliert  werden. 

Es  wurde  nun  so  vorgegangen: 

200  ccrti  Urin  wurden  auf  dem  Wasserbade  bis  auf  ca.  35  ccm 
eingeengt  und  dann  unter  Zufügung  von  100  ccm  starker  Salzsäure 
upe r destilliert  und  das  Destillat  in  ca.  25  ccm  konzentrierter  Salpeter- 
säure  aufgefangen.  Eine  Destillation  von  ca.  40 — 50  Minuten  genügte 
um  alles  Arsen  als  Arsentrichlorid  überzuführen.  Im  Rückstand  war 
dann  kein  Arsen  mehr  nachweisbar.  Dem  Inhalt  der  Vorlage  wird 
noch  etwas  frische  Salpetersäure  zugesetzt  und  dyas  Ganze  bis  zur 
völligen  Chlorfreiheit  abgedampft  Aus  dem  stark  amoniakalisch  ge¬ 
machten,  mit  wenig  Wasser  und  Alkohol  versetzten  Rückstand  wird 
nuw  »*  rs»en,^  P'*  Magnesiamixtur  als  Magnesiumammoniumarseniat 
(NftiMgAsOi)  ausgefällt,  im  Goochtiegel  filtriert,  geglüht  und  als 
Magnesiumpyroarseniat  (MgsAszO?)  gewogen  und  berechnet.  Mit 
dieser  Methode  konnte,  wie  in  Vorversuchen  festgestellt  wurde,  zwi¬ 
schen  80  und  90  Proz.  des  Arsens  wiedergefunden  werden. 

Aus  äusseren  Gründen  konnten  leider  nur  eine  geringe 
Reihe  von  Fällen  untersucht  werden  bzw.  mussten  die  Unter¬ 
suchungen  abgebrochen  werden,  doch  bestätigten  die  Versuche 
die  Annahme,  dass  die  Arsenausscheidung  nach  dem  bisher 
üblichen  Verfahren,  0,1  Salvarsan  in  '50  ccm  gelöst,  eine  er¬ 
heblich  schnellere  ist. 

So  war  z.  B.  die  Gesamtausscheidung  nach  einer  Injektion  von 
0,4  salvarsan  in  100  ccm  gelöst  innerhalb  8  Tagen 

im  Fall  I  0,1386  g, 
im  Fall  II  0,1445  g, 

nach  einer  Injektion  von  0,4  g  in  8  ccm  gelöst 

im  Fall  III  0,0552  g,  • 
im  Fall  IV  0,0779  g. 

Nach  den  eben  besprochenen  Erfahrungen  an  klinischen 
1  atienten,  die  mit  konzentrierter  Salvarsan  lösung  be- 
handelt  winden,  scheint  uns  diese  Methode  nicht  ganz  ein- 
wandfrei  zu  sein,  da  wir  hierbei  unangenehme  Nebenerschei¬ 
nungen  auftreten  sahen,  die  uns  bei  der  üblichen  Methode 
nicht  begegnet  sind.  Anders  scheinen  die  Verhältnisse  nach 
Mitteilungen  von  R  a  v  a  u  t  *)  und  S  t  r  a  u  s  s  3)  [siehe  auch 
S  t  ein  )J  zu  liegen,  die  mit  den  Injektionen  konzentrierter 
Lösungen  von  Neosalvarsan  sehr  zufrieden  sind.  Eigene  Er¬ 
fahrungen  hierüber  fehlen  uns. 


Eine  neue  Spritze  zur  Injektion  von  konzentrierter,  unter 
Luftabschluss  hergestellter  Neosalvarsanlösung. 

\  on  Dr.  R.  D  u  h  o  t,  Direktor  der  Klinik  für  Urologie  und 
Dermatosyphiligraphie  in  Brüssel. 


d  ,  lnJz,^ei,am  l-  Februar  imd  U  März  1913  in  der  „Revue 
Beige  d  Urologie  et  de  Dermatologie“  erschienenen  Artikeln 
habe  ich  als  erster1)  die  I  echnik  der  Neosalvarsaninjektionen 

’)  Ravant:  Presse  medicale  1913,  No.  27. 

')  Strauss:  Dermatol.  Wochenschr.  1913,  No  14 
)  Stern:  1.  c. 


\v er,Artlk„e: ’  des  Herrn  Dr.  Stern,  der  am  1.  April  1913  in 
dieser  Wochenschrift  veröffentlicht  wurde,  ist  also  um  2  Monate  spä¬ 
ter  als  meine  erste  Veröffentlichung  erschienen.  Der  Autor  be- 


in  konzentrierter  Lösung,  die  in  der  Spritze  selbst  unter  Luft¬ 
abschluss  hergestellt  wird,  beschrieben.  Das  Instrument,  das 
zur  Einführung  der  neuen  Methode  zur  Verwendung  kam,  war 
eine  Rekordspritze  von  10  ccm.  Ich  habe  mich  aber  bald  über¬ 
zeugt,  dass  diese  Spritze,  die  sonst  ausgezeichnete  Dienste 
leistet,  die  Gefahr,  dass  Fremdkörper  in  die  Vene  gelangen 
nicht  eliminiert. 


Man  beobachtet  in  der  Tat  ziemlich  häufig,  dass  beim 
Oeffnen  des  Neosalvarsanröhrchens  einige  Glassplitter  in  das 
Innere  des  Zylinders  fallen.  Diese  Splitter,  die  oft  winzig  klein 
sind,  werden  dann  direkt  mit  dem  Präparat  in  die  Spritze  ein¬ 
geführt  und  sinken  durch  ihre  Schwere  in  den  konisch  zu¬ 
gehenden  unteren  Ansatzteil  der  Spritze.  Die  Einrichtung 
bietet  somit  keinen  genügenden  Schutz  gegen  die  Einführung 
von  festen  Partikeln  in  das  Gefässsystem. 

Zur  Applikation  der  neuen  Methode  ist  die  Rekordspritze 
infolge  eines  anderen  Missstandes  ebenfalls  nicht  gut  zu  ver¬ 
wenden.  Wenn  man  nämlich  das  Neosalvarsan  in  die  Spritze, 
deren  Austrittsöffnung  verschlossen  ist,  hineingeschüttet  hat 
und  man  dann  den  Kolben  wieder  einführen  will,  so  gelingt 
dies  nicht,  weil  infolge  des  hermetischen  Verschlusses  die 
Luftschicht  über  der  Flüssigkeit  nicht  entweichen  kann.  Um 
diesen  Uebelständen  abzuhelfen  und  um  der  Technik  jede 
Sicherheit  und  jede  erforderliche  Genauigkeit  zu  geben,  habe 
ich  eine  Spritze  konstruieren  lassen,  die  bei  einigen  speziellen 
Modifikationen  trotzdem  einfach  und  sehr  handlich  ist.  Die 
yeränderungen  beziehen  sich  auf  das  untere  Ansatzstück  der 
Spritze  und  auf  eine  besondere  Anordnung  des  Kolbens,  der 
den  Luftaustritt  gestattet. 


Ansatzteil  der  Spritze.  Um  der  Einführung  von  Fremd- 
körpern  in  die  Venen  zu  entgehen,  habe  ich  die  konische  Form  des 
Innenteils  des  Ansatzstücks  der  Rekordspritze  und  seine  zentrale  Aus¬ 
trittsstelle  geändert.  In  der  Wand  des  Ansatzstücks  meiner  Spritze 
habe  ich  einen  dünnen  Kanal  konstruieren  lassen,  der  inwendig  an  der 
Seite  mündet,  nach  aussen  jedoch  in  einen  Hals  austritt,  der  diametral 
der  inneren  Oeffnung  entgegengesetzt  ist  und  den  man  durch  einen 
Hahn  verschliessen  kann.  Diese  Anordnung  gibt  der  Austrittsöffnww 
eine  exzentrische  Lage,  die  den  Vorteil  hat,  dass  man  die  Spritze  iii 
der  Richtung  der  Vene  halten  kann  und  es  ermöglicht,  ohne  allzu 
scharfen  Winkel  die  Vene  anzustechen.  Wenn  die  Spritze  in  hori¬ 
zontaler  Lage  ist,  wie  sie  bei  der  Injektion  liegen  soll,  dann  befindet 
•sich  die  innere  Einmündungsstelle  des  Austrittskanals  an  der  höchsten 
Stelle,  und  etwaige  schwerere 
Partikelchen  sinken  an  die  untere 
Wand  des  Zylinders  und  man 
läuft  nicht  Gefahr,  dass  sie  durch 
den  Austrittskanal  getrieben  wer¬ 
den  können. 

Der  Kolben.  Wenn  man 
bei  Verwendung  einer  gewöhn¬ 
lichen  Rekordspritze,  die  mit  der 
zu  injizierenden  Flüssigkeit  gefüllt  ist,  den 
Kolben  einführen  will,  so  gelingt  es  nicht,  da 
die  Luftschicht,  die  über  der  Flüssigkeit  steht, 
keinen  Austritt  hat.  Um  diesem  Uebelstande 
abzuhelfen,  habe  ich  im  Innern  des  Kolbens  eine 
kleine  Klappe  anbringen  lassen,  die  der  Luft 
gestattet,  zu  entweichen,  und  dem  Kolben,  in 
die  richtige  Stellung  zu  kommen,  trotzdem  die 
untere  Oeffnung  verschlossen  bleibt.  Diese 
Klappe  funktioniert  in  sehr  einfacher  Welse. 

Beim  Vorbereiten  der  Spritze  schraubt  man  den 
Handknopf  des  Kolbenstiels  um  1—2  Windungen 
los  und  hält  ihn  so  bis  zu  dem  Moment,  wo 
er  in  die  mit  Neosalvarsan  beschickte  Spritze 
eingeführt  werden  soll.  Durch  einen  leichten 
Druck  auf  den  Handknopf,  den  man  zwischen 
den  ringern  hält,  öffnet  sich  die  im  Innern  des 
Kolbens  befindliche  Klappe,  wodurch  die  Luft 
entweicht.  Sobald  der  Kolben  mit  der  Flüssig- 
*eit  in  Kontakt  gekommen  ist  und  die  ganze  Luft 
en  wichen  ist,  lässt  man  mit  dem  Druck  auf  den  Knopf  nach  und 
man  schiaubt  wieder  den  Kolben  fest,  um  die  Klappe  zu  schliessen. 

ie  ^  putze  ist  dann  fertig  und  enthält  nur  die  zu  injizierende  Flüssig¬ 
keit,  die  unter  vollkommenem  Luftabschlüsse  steht. 

Die  Technik  der  neuen  Methode  der  Salvarsaninjektion  in 
tnerter  Losung  ist  sehr  einfach  und  geht  sehr  rasch  von- 
statten.  Der  Arm  des  Kranken  wird  gründlich  desinfiziert  und  dam; 
vird  der  Kolben  aus  der  gut  durch  Kochen  oder  mit  Alkohol  sterili - 


ansprucht  also  mit  Unrecht  die  Priorität  der  Methode.  Die  Veröffent- 
ichung  des  Herrn  Dr.  Ravaut  über  denselben  Gegenstand,  die 
am  8.  rebruar  1913  bei  der  Französischen  Gesellschaft  für  Dermato¬ 
logie  erschienen  ist,  ist  ebenfalls  älter  als  die  Sternsche  Arbeit. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


1089 


.  Mai  1913. 

r teil  Spritze  herausgenommen.  ln  dem  Zylinder,  dessen  Aus- 
ttsöffnung  verschlossen  ist,  werden  10  ccm  redestilliertes  frisches 
asser  aus  einer  Jenaer  Glasflasche  und  ohne  katalytisch  wirkende 
■tallkolloide  hineingegossen.  Man  öffnet  dann  die  Tube  Neosalvar- 
i  an  der  ausgezogenen  oberen  Stelle,  damit  das  Pulver  in  dünnem 
ahl  in  die  Spritze  eingegossen  werden  kann.  Beim  Einschütten 
rd  die  Flüssigkeit  geschüttelt,  wodurch  die  Lösung  des  Pulvers  be- 
dert  und  die  Bildung  grober  Klumpen,  welche  die  Auflösung  auf- 
ten  würden,  verhindert  wird.  Sobald  die  Substanz  eingeführt  ist, 
rd  ohne  eine  Minute  zu  verlieren,  der  Kolben  eingeführt,  indem 
n  auf  den  Knopf  drückt,  der  um  zwei  Windungen  abgeschraubt  ist. 
nun  der  Kolben  genau  in  Berührung  mit  der  Flüssigkeit,  so  wird 
eder  fest  zugeschraubt  und  die  Spritze  ist  somit  luftdicht  ver- 
ilossen.  Die  Auflösung  des  Neosalvarsan  geht  dann  ohne  Luft¬ 
ritt  vor  sich.  Um  die  Auflösung  einzelner  Klümpchen  zu  be- 
:  ileunigen.  kann  die  Spritze  einige  Male  umgekehrt  werden. 

Die  Spritze,  die  ich  habe  konstruieren  lassen,  ist  ganz  aus  Glas 
1 1  Silber,  um  den  Kontakt  mit  oxydierenden  Metallen  zu  verhindern, 
ii  besitzt  einen  Inhalt  von  10  ccm,  der  zur  Auflösung  von  Neo- 
:  varsan  bis  zu  0,75  g  genügt,  eine  Dosis,  die  ich  nur  in  seltenen 
I  len  überschreite. 

Die  Vorteile  der  Methode  der  Injektion  von  Neosalvarsan 
i  konzentrierter  Lösung,  die  unter  Luftabschluss  hergestellt 
i,  sind  folgende: 

1.  Verringerung  des  Flüssigkeitsvolumen,  welches  erlaubt, 
i :  Möglichkeiten  der  Zersetzung  des  Neosalvarsans  durch  die 
’asserbeschaffenheit  auf  das  Minimum  zu  reduzieren. 

2.  Aufhebung  der  Luftoxydation  während  der  Herstellung 
i  r  Lösung  und  der  Injektion  des  Präparates. 

3.  Aufhebung  eines  komplizierten  Instrumentariums,  das 
•  h  auf  eine  einfache,  leicht  transportable  und  desinfizierbare 
:  ritze  reduziert  und  dessen  Metallteile  das  Neosalvarsan 

ht  angreifen. 

4.  Leichte  Herstellung  der  Lösung  in  5  Minuten  und 
•hnelligkeit  der  Injektion,  die  kaum  15  Sekunden  beträgt. 

5.  Enorme  Zeitersparnis,  besonders  bei  Krankenhaus- 
-  trieben  und  Verminderung  der  Erregbarkeit  für  nervöse  und 

chtsame  Personen. 

6.  Vollkommene  Unschädlichkeit  der  Methode,  die  ich 
hr  als  750  mal  ohne  Zwischenfall  angewandt  habe  und  die 

L  ein  Minimum  die  Temperaturerhöhungen  reduziert,  im 
Gemeinen  sogar  vollkommen  unterdrückt. 


Zur  Salvarsanbehandlung  des  Milzbrand. 

Von  Dr.  Mokrzecki, 

i  ender  Arzt  des  von  Prinz  Alexander  von  Oldenburg  ge¬ 
gründeten  Krankenhauses  in  Qagry  (Schwarzes  Meer). 

Am  20.  März  kam  in  unser  Krankenhaus  ein  Türke  — -  Memed 
■isan  Ogly,  25  Jahre  alt  —  mit  grosser  Schwellung  der  rechten 
1  :e  der  Halsgegend.  Bei  näherer  Untersuchung  konnte  ich  einen 
nrfartigen  dunklen  Fleck  konstatieren,  den  mehrere  kleine  Bläschen 
'  iserig-eitrigen  Inhalts  umgaben.  Die  Schwellung  der  Halsgegend 
1 '  etwas  über  faustgross,  ausserdem  konnte  man  die  Vergrösserung 
i  Lymphdrüsen  fühlen.  Der  Inhalt  der  Bläschen  wurde  bakterio- 
isch  untersucht,  wobei  Anthraxstäbchen  gefunden  wurden.  Aus 
1  Anamnese  stellte  sich  heraus,  dass  der  Türke  ein  Kissen  aus 
'afwolle  (d.  h.  Haaren)  benutzte,  dessen  Ueberzug  an  mehreren 
len  zerrissen  war. 

Das  Allgemeinbefinden  des  Kranken  machte  einen  recht  schweren 
Druck.  Die  Temperatur  war  38,3  vorm.  9  Uhr.  Am  Tag  nach  der 
'tstellung  der  Diagnose  wurde  dem  Kranken  der  Fleck,  d.  h.  das 
chwür,  mit  Glüheisen  ausgebrannt,  wogegen  der  Kranke,  was  für 

Ihraxpusteln  ganz  charakteristisch  ist,  ganz  unempfindlich  war,  und 
intravenöse  Salvarsaninfusion  (0,6)  gemacht.  3  Stunden  darauf 
g  die  Temperatur  bis  39,8,  nach  8  Stunden  war  sie  38,0.  Am 
listen  Morgen  fiel  die  Temperatur  auf  36,0,  wobei  das  Allgemein¬ 
inden  sich  bedeutend  besserte.  Die  Geschwulst  war  viel  flacher 
i  orden.  In  6  Tagen  schwand  die  Infiltration  der  Haut  und  der 
'sen,  am  10.  Tag  fiel  der  Schorf  ab.  Die  ganze  Zeit  nach  dem 
’ag  fühlte  sich  der  Kranke  gesund,  die  Temperatur  stieg  nicht 
Ir  36,5.  Im  Blute,  das  wir  beim  Einstechen  der  Injektionsnadel 
Urnen,  wurden  Anthraxbazillen  nicht  entdeckt.  In  meiner  früheren 
xis  hatte  ich  einige  Fälle  von  Milzbrand,  die  bei  derselben  chirur- 
hen  Behandlung  (Ausbrennung)  doch  schlechte  Resultate  gaben, 
Lid  die  Pustel  am  Halse  oder  in  der  Nähe  des  Kopfes  sich  befand. 

:  Kranken  gingen  meist  am  8.— 10.  Tag  an  Sepsis  zugrunde. 
ier  Fall  war  sehr  effektvoll  in  Bezug  auf  die  Sterilisation  der 
:  trationsgegend. 

Ich  glaube  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  anstatt  der  üb- 
i  en  Karbolsäureeinspritzung  um  die  Pustel  herum  die 
rilisation  durch  Injektion  von  Salvarsan  vorschlage.  Auf 
h  und  meine  Kollegen  hat  dieser  Fall  den  Eindruck  ge- 
No.  20. 


macht,  dass  der  Hauptfaktor  der  Genesung  doch  eben  das 
Salvarsan  war. 


Aus  der  med.  Klinik  in  Wiirzburg. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  Myositis. 

(Myositis  ossific.  incipiens?) 

Von  Privatdozent  Dr.  L.  J  a  c  o  b. 

58  jähriger  Landwirt,  der  aus  gesunder  Familie  stammt,  in  der 
insbesondere  keinerlei  ähnliche  Krankheiten  vorgekommen  sind. 
Auch  Frau  und  Kinder  gesund.  Pat.  war  früher  gesund;  in 
seinem  22.  Lebensjahr  trat  angeblich  ganz  spontan  nach 
anstrengender  Feldarbeit  eine  Versteifung  und  Verkrüm¬ 
mung  der  beiden  letzten  Finger  der  linken  Hand 
e  i  n.  Pat.  war  trotzdem  weiterhin  voll  arbeitsfähig. 

Am  22.  Juli  stürzte  er  von  einem  Heuwagen,  ca.  3  m  hoch, 
herab,  und  fiel  auf  die  aus  gestreckten  Hände  und 
d  e  ri  K  o  p  f.  Er  erlitt  eine  starke  Prellung  der  Arme  und  der  Hände, 
ohne  wesentlche  äussere  Verletzungen.  In  den  folgenden  Tagen 
schwollen  Arme  und  Hände  stark  an,  sie  waren  rot  und 
brannten  wie  Feuer,  so  dass  der  Kranke  der  heftigen  Schmerzen 
wegen  oft  nicht  schlafen  konnte.  Dabei  waren  sie  steif  und 
unbeweglich.  Diese  Erscheinungen  dauerten  mehrere  Wochen; 
ob  Fieber  bestand,  weiss  Pat.  nicht.  Die  Schwellung  ging  dann 
zurück,  die  Hände  blieben  aber  steif,  und  es  entwickelte  sich 
allmählich  eine  Steifigkeit  in  beiden  Schulter¬ 
gelenken,  besonders  rechts,  so  dass  der  Kranke  schliesslich  den 
rechten  Arm  fast  gar  nicht  mehr,  den  linken  nur  noch  beschränkt 
heben  konnte. 

Am  26.  XI.  1912  wurde  Pat.  in  die  Klinik  zur  Behandlung  und 
Begutachtung  aufgenommen. 

Der  objektive  Befund  war  folgender:  Mittelgrosser, 
grazil  gebauter  Mann,  mit  leidendem  Gesichtsausdruck.  Es  fällt  eine 
gewisse  steife  Haltung  des  Kopfes  auf. 

Die  Haut  zeigt  keinerlei  wesentliche  Veränderungen,  ins¬ 
besondere  nichts,  was  auf  Syringomyelie  deuten  könnte;  sie  ist  nur 
an  den  Unterarmen  und  Händen  etwas  atrophisch.  Drüsen  sind 
nirgends  vorhanden,  auch  keine  Oedeme. 

Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  ergab  keinerlei 
wesentlichen  krankhaften  Befund.  Auch  im  Bereich  des 
Nei  vensystems  sind  keinerlei  Veränderungen  nach¬ 
zuweisen,  abgesehen  von  deutlicher  Steigerung  der 
P  a  t  e  1 1  arr  e  f  1  e  x  e.  Babinski  ist  rechts  angedeutet,  aber  nicht 
sicher  positiv.  Die  Sensibilität  ist  überall  intakt,  nur  an  beiden  Unter¬ 
armen  ist  eine  geringfügige  Hyperästhesie  vorhanden. 


Merkwürdig  sind  die  Veränderungen  am  Schulter¬ 
gürtel.  Es  fällt  sofort  eine  Differenz  der  Muskulatur  auf.  Der 
rechte  Deltoideus  ist  sehr  stark  atrophisch,  ebenso  die 
Supra-  und  Infraspinati  und  der  Trizeps.  Der 
P  e  c  t  o  r  a  1  i  s  m  a  j.  ist  in  seiner  oberen  Partie  deutlich  atrophisch, 
im  ganzen  auffallend  kontrahiert;  besonders  ist  seine  Sehne  stark 
angespannt.  Man  fühlt  nicht,  wie  normal,  an  seinem  unteren 
Rand  einen  runden  weichen  Muskelbauch,  sondern  einen 
ausserordentlich  derben,  fibrösen,  fast  knochen- 

3 


1090 


MUENCHeNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


li  a  r  t  e  ii  Strang,  der  sich  his  zur  Ansatzstelle  am  Oberarm  ver¬ 
folgen  lasst.  Das  gleiche  Verhalten  zeigt  der  untere  Rand  der 
^atissim.  dors.,  wenn  auch  nicht  ganz  so  deutlich.  Oanz  die 
gleichen  Veränderungen  finden  sich  im  Bereich  der  linken  Schulter- 
guitel-  und  Oberarmmuskulatur,  nur  in  viel  geringerem  Grade 

tme  Röntgenaufnahme  des  rechten  Sch  ulte r- 
g  c  1  e  n  k  e  s  zeigt  die  Gelenkkapsel  geschrumpft,  den  Knochen 
sekundär  atrophisch.  Eine  knöcherne  Ankylose  besteht  nicht. 

....  .  jn‘°Ige  der  beschriebenen  Veränderungen  ist  die  Bewegungs- 
tamgkdt  im  Schultergelenk  beiderseits  stark  behindert,  so  dass  rechts 
i  ™  ^auiP  his  Zlir  Horizontalen,  links  etwas  über  dieselbe  seitlich 
gehoben  werden  kann.  Ebenso  sind  die  Bewegungen  nach  vorn  und 
i  uckwarts  wesentlich  beeinträchtigt.  Alle  Bewegungen  sind  nur 
so  weit  möglich,  als  die  mit  dem  Gelenkkopf  fest  verbundene  Skapula 
zu  folgen  vermag. 

Abgesehen  von  der  Atrophie  des  Trizeps  finden  sich  an  den 
Oberarmen  keine  Veränderungen. 

Das  rechte  Ellenbogengelenk  ist  nicht  ganz  frei,  der 
Arm  wird  stets  etwas  gebeugt  gehalten  und  kann  nur  bis  zu  einem 
Winkel  von  120  gestreckt  werden.  Die  übrigen  Bewegungen  im 
Gelenk  sind  unbehindert.  Die  Handgelenke  sind  vollständig  frei. 

Auffallend  sind  die  Veränderungen  an  beiden 
ri  a  n  d  e  n  Sie  bieten  ganz  das  Bild  einer  Dupuytren  sehen 
Kontraktur;  nur  stimmt  dazu  nicht,  dass  der  Ringfinger  rechts 
noch  relativ  gut  beweglich  ist  und  dass  bei  passivem  Strecken  seine 
w.e  , e  n>cht  vorspringt.  Die  Palmaraponeurose  ist  beiderseits  sehr 
stark  verkürzt,  mit  der  darüber  liegenden  Haut  teilweise  verwachsen 
Die  Kontraktur  begreift  rechts  auch  den  Daumen  mit,  links  nicht 
Die  Einger  sind  stark  gebeugt,  im  letzten  Glied  zurückgebogen  und 
onneii  spontan  fast  gar  nicht,  passiv  nur  in  geringem  Grad  gestreckt 
^ c r  de n . 

Die  elektrische  Untersuchung  ergibt  nur  mehr  oder 
weniger  starke  Herabsetzung  der  Reaktion  an  den  befallenen  Muskeln, 
keine  Entartungsreaktion. 

Auch  bei  genauester  Abtastung  aller  Muskeln  ist  nirgends  eine 
palpatoriseh  erkennbare  Veränderung  der  Muskelsubstanz  oder  Ein- 

ÄS  Mnskefif  nk;hffC^ZUWe'Sen  Druckempfindllch  ® 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  die  Wassermann  sehe  Re¬ 
aktion  ein  fraglich  positives  Resultat  ergab. 

Es  handelt  sich  hier  also  um  eine  eigentümliche  Erkran¬ 
kung  die  besonders  den  Pectoralis  maj.  und  die  Handmuskeln 
befallen  hat.  Zwar  bieten  die  letzteren  in  der  Hauptsache  das 
typische  Bild  einer  Dupuytren  sehen  Kontraktur.  Da 
jedoch  bei  dieser  ein  Uebergreifen  auf  andere  Muskelgebiete 
so  gut  wie  nicht  vorkommt,  und  die  Erkrankung  fast  gleich- 
zeitig  an  Händen  und  Schultergürtel  auftrat,  muss  man  sie 
als  einheitlichen  Prozess  auffassen.  Es  ist  wohl  am  wahr¬ 
scheinlichsten,  dass  es  sich  um  eine  beginnende  Myositis 
ossificans  handelt,  bei  der  der  Prozess  bisher  auf  dem 
Stadium  der  Schwielenbildung  stehen  geblieben  ist.  Lorenz 
beschreibt  den  typischen  Beginn  der  Erkrankung  so,  wie  ihn 
auch  unser  Pat.  anamnestisch  angegeben  hat:  meist  im 
direkten  Anschluss  an  die  Gelegenheitsursache,  die  in  über 
der  Mehrzahl  der  Fälle  Traumen  darstellen,  entsteht  eine  An¬ 
schwellung  des  Muskels,  mehr  oder  weniger  starkes  Oedem 
mit  Schmerzen  und  Rötung  der  Haut.  Nach  einigen  Tagen 
verschwindet  meistens  das  Oedem,  es  bleibt  aber  eine  Härte 
der  befallenen  Muskulatur  zurück,  die  allmählich  in 
eine  lokale  Muskelschwiele  übergeht.  In 
diesem  Stadium  kann  der  Prozess  oft  längere 
Zeit  verharren.  Letzteres  Verhalten  ist  freilich  bei  den 
langsam,  ohne  bekannte  Ursache  beginnenden  Fällen  häufiger, 
es  zieht  sich  dann  die  Erkrankung  oft  durch  Monate  und  mit 
Rezidiven  selbst  durch  Jahre  hin,  bevor  sie  dem  Patienten 
und  auch  dem  Arzt  in  ihrer  vollen  Gefährlichkeit  bewusst 
wird.  Lorenz  betont  weiterhin  ausdrücklich,  dass  nicht  alle 
lumoren  Knochen  bilden,  sondern  dass  ein  Teil  auf  dem  Sta¬ 
dium  der  Schwiele  stehen  bleibt,  und  allmählich  wieder  völlig 
verschwinden  kann,  oder  zu  einer  Atrophie  des  betreffenden 
Mnskelstückes  führt.  Mit  dem  von  K  r  a  u  s  e  und  T  r  a  p  p  e 
beschriebenen  Fall  hat  der  unserige  manche  Aehnlichkeit,  be¬ 
sonders  sind  die  Veränderungen  am  Pektoralis  ganz  ähnlich; 
jene  Autoren  geben  an,  dass  am  rechten  vorderen  Axillarwulst 
in  der  Faserrichtung  des  Pektoralis  eine  ca.  4  cm  lange,  stark 
verdickte  und  schmerzhafte  Narbe  verlief.  Die  Pek- 
toralissehnen  fühlten  sich  beiderseits  brett- 
h  a  i  t  a  n.  Auch  sonst  lokalisierten  sich  in  diesem  Falle  die 
krankhaften  Veränderungen  vor  allem  an  den  sehnigen  Endi¬ 
gungen  dei  Muskulatur,  und  in  den  Faszien  und  Aponeurosen 
mid  schliesslich  fanden  sich  auch  Erscheinungen  an  den 
rl  ä  n  d  e  n,  die  im  allgemeinen  bei  Myositis  ossificans  sehr 


selten  sind.  Die  Beugung  der  Grundphalangen  war  stark  ■ 
schränkt,  die  Finger  waren  meist  in  den  Grundphalati , 
dorsal  flektiert;  im  übrigen  waren  aber  die  Fingerbewegunl, 
frei  und  an  den  Sehnen  kein  pathologischer  Befund  na 
zuweisen. 

Gegen  die  Diagnose  Myositis  o  s  s  i  f  i  c  a  • 
spricht  in  unserem  Falle  das  späte  Auftreten  der  Krankli 
die  eine  ausgesprochene  Erkrankung  des  Kindes-  und  k 
wick Iungsalters  ist,  und  auch  die  auffallende  Beteiligung  i 
Hände,  die  wenigstens  in  dieser  Form  sehr  ungewöhnlich 
Jm  übrigen  ist  aber  die  Lokalisation  am  Schultergürtel  ger, 
für  die  ersten  Stadien  der  Erkrankung  typisch,  und  auch 
Symptome  der  ersten  Wochen,  der  weitere  Verlauf  und 
allmähliche  Ausbreitung  des  Prozesses  passen  gut  zu  der  v 
Lorenz  gegebenen  Beschreibung  des  ersten  Stadiums.  1 
die  Anschauung  Münchmeyers,  dass  der  Erkrankung  ej 
konstitutionelle  Anomalie  zu  Grunde  liege,  spricht  in  unser« 
Falle  das  spontane  Auftreten  der  Kontraktur  der  beiden  letzt! 
Finger  der  linken  Hand  im  22.  Lebensjahr.  Eine  miki. 
skopische  Untersuchung  der  erkrankten  Muskeln  war  leie 
nicht  möglich,  weil  der  Patient  eine  Probeexzision  vi. 
weigerte.  Die  Behandlung  bestand  in  warmen  Vollbäde; 
Schwitzprozeduren,  Darreichung  von  Jodkali  und  Injektion! 
von  Fibrolysin.  Sie  war,  wie  zu  erwarten,  nur  von  vd 
übergehender  Besserung  der  subjektiven  Beschwerden  b 
gleitet.  Den  Zusammenhang  mit  dem  Unfall  haben  wir  beiJ 
und  eine  Rente  von  75  Proz.  befürwortet. 

r^-  r,a  {  u  r:  Die  Literatur  findet  man  ausführlich  bei  Lore n- 

1)ie,  ,,  “skelerkrankungen.  Nothnagel,  Bd.  11,  1  und  P.  Krau: 
und  M.  I  rappe:  Fortschr.  a.  d.  Gebiet  d.  Röntgenstr.,  Bd.  11,  19, 


Versuche  über  die  harten  Röntgenstrahlen. 

Von  Dr.  Franz  M.  Groedel,  Frankfurt  a.  M.  und  B; 

Nauheim. 

Als  wissenschaftliches  Endresultat  von  Ingenieur  Dessaue 
gleichlautender  Arbeit  in  No.  13  dieser  Wochenschrift  ist  der  St 
testzusteUeii,  dass  die  Röhre  im  Beginne  eines  Stromstosses  härte 
,  1  ,  b'n£  aussenden  soll,  gegen  Ende  desselben  dagegen  weiche: 
ich  habe  die  mir  sofort  unwahrscheinliche  Behauptung  nachgepri 
und  bm  zu  anderen  Resultaten  gelangt.  Da  es  sich  aber  um  re 
technische  und  physikalische  Fragen  handelt,  will  ich  ausführlich 
an  anderem  Orte  berichten  und  hier  nur  meine  Schlussfolgeruusu 
bringen : 

Als  Hauptergebnis  meiner  Versuche  resümiere  ich:  Ob  die  ve 
schiedeneu  Härtegrade  der  Röntgenstrahlen,  aus  denen  sich  das  dun 
den  einzelnen  Stromimpuls  erzeugte  Strahlengemisch  zusammenset; 
gleichzeitig  oder  nacheinander  von  der  Röntgenröhre  ausgesan 
werden,  lässt  sich  mittels  der  von  Dessauer  geschilderten  M 
thode  überhaupt  nicht  feststellen.  Ein  von  mir  angewandte 
Verfahren  scheint  eher  dafür  zu  sprechen,  das 
jeder  reilstoss  im  Prinzip  das  gleiche  Strahler 
gern  1  sch  enthält.  Erst  die  weitere  Forschung  wird  liier  ab« 
entscheiden  können.  Auf  j’eden  Fall  ist  die  Behauptung  Dessauer 
dass  der  harte  Strahlenanteil  der  Emission  eine 
Röntgenröhre  der  Hauptsache  nach  im  Anfang! 
der  einzelnen  Stro  mimpulse  entsteht,  durchau 
unbewiesen.  Ganz  besonders  unwahrscheinlich 
ist  es,  dass  dieser  Satz  für  Wechselstrom-Gleich 
nchtapparate  Gültigkeit  hat.  Denn  hier  finde. 
\v  11  die  energischsten  Teilstösse  etwa  in  der  Witt 
der  Strahlenemission.  Hiernach  erscheint  es  e n d‘ 
Och  auch  sehr  zweifelhaft,  ob  es  für  die  Praxi 
r  a  t  sa  m  ist,  nur  den  „allererste  n“  Teil  der  einzelne. 
E  n  tladungsstösse  eines  Wechselstrom-Gleich 
i  ichtapparates  in  die  Rühre  zu  senden. 


Ueber  vergleichende  Temperaturmessungen  und  dere 
klinische  Bewertung. 

Von  Privatdozent  Dr.  med.  CarlStäubli,  Basel-St.  Moritz 

(Schluss.) 

Ein  Schwierigkeit  liegt  nun  darin,  zu  unterscheiden 
welches  teiger  ung  der  Rektaltemperatur  nacl 
einer  bestimmt  umgrenzten  körperlichen  Betätigung,  sagen  wii 
1  Stunde  mässig  raschen  Gehens  auf  ebenen  Wegen,  wii 
noch  als  normal  bezeichnen  können,  ebenso 
welches  das  normale  Verhalten  bei  Ueberwindung  bestimmter 
Steigungen  ist.  Es  wäre  jedenfalls  eine  verdienstvolle  Auf¬ 
gabe,  bei  einem  grossen  Material  Gesunder  eingehende,  für 


20.  Mai  1911 


1091 


muencHENEr  medizinische  wocmenschriet. 


unsere  Vorstellungen  von  der  Normaltemperatur  an  den  ver¬ 
schiedenen  Körperstellen  grundlegende  Begriffe  zu  schaffen. 
Nach  meinen  Untersuchungen  liegt  die  zulässige  Grenze  nahe 
bei  38 "  für  Gehen  in  der  Ebene,  kann  aber  38 0  übersteigen 
bei  anstrengenderer  körperlicher  Betätigung. 

Wir  haben  gesehen,  dass  wir  bei  Tuberkulösen  eine  all¬ 
gemeine  Neigung  zu  höherer  Bewegungstemperatur  haben,  als 
bei  Normalen.  Als  weitere  Folge  dieser  Beobachtung  muss 
die  Frage  aufgeworfen  werden:  Berechtigt  uns  aber 
jede  stärkere,  die  Norm  übersteigende  La¬ 
bilität  der  rektalen  Bewegungstemperatur 
oli  ne  weiteres  zumVerdacht  aufTuberkulose? 
Hier  ist  daran  zu  erinnern,  dass  schon  P  e  n  z  o  1  d  t  und 
ß  i  r  g  e  1  e  n  2<))  darauf  hingewiesen  haben,  dass  auch  fette 
und  chlor  otische  Patienten,  dann  solche  mit  Herz¬ 
fehlern  und  Ikterus  nach  den  von  ihnen  gestellten  Be¬ 
dingungen  ein  ähnliches  Verhalten  (d.  h.  Steigerung  über  38°) 
zeigen  können.  Penzoldt  und  Birgelen  schreiben: 
„In  diagnostischer  Beziehung,  insbesondere  für  die  Früh¬ 
diagnose  der  Tuberkulose,  erleidet  der  Wert  eines  Probe¬ 
spazierganges  von  1  Stunde  mit  vorhergehender  und  nach¬ 
folgender  Temperaturbestimmung  eine  Einschränkung,  da 
Rekonvaleszenten  von  akuten  Krankheiten,  oder  Fettleibige, 
sowie  Chlorotische  und  Anämische  ähnliche  Temperatur¬ 
steigerungen  zeigen  können,  wie  fieberlose  Tuberkulöse.“ 

Uebereinstimmende  Beobachtungen  konnte  ich  selbst 
machen  bei  zahlreichen  Personen,  bei  welchen  klinisch  sicher 
keine  Tuberkulose  angenommen  werden  konnte,  u.  a.  bei 
Asthmatikern,  bei  Menschen  mit  sanguini¬ 
schem  Temperament,  mit  neuropathischer 
Veranlagung,  bei  Fetten,  Anämischen  und  nament¬ 
lich  in  der  Rekonvaleszenz  nach  langdauern¬ 
dem  Krankenlager.  Moro  sah  dasselbe  bei  allen 
untersuchten  Orthotikern.  Diese  Beobachtungen 
mahnen  uns  zur  Vorsicht  in  Bezug  auf  allzu 
rasche  Schlussfolgerungen  bei  Feststellung 
labiler  rektaler  „Bewegungstemperature n“. 
Ich  konnte  die  Erfahrung  machen,  dass  besonders  in  den 
oberen  Kreisen  und  auch  hier  wieder  ganz  besonders  in  der 
Kinderpraxis  die  Rektalmessungen  oft  zu  geradezu  krankhaft 
ängstlichen  Deutungen  von  seiten  der  Eltern  oder  Angehörigen 
führen.  Darauf  gestützt  habe  ich  in  der  bereits  erwähnten 
früheren  Arbeit  einige  Beispiele  angeführt,  wo  solche  auf¬ 
fällige  Rektaltemperaturen  seit  vielen  Monaten  zur  Beäng¬ 
stigung  der  Familie  geführt  hatten,  wo  dann  aber  ver¬ 
gleichende  Temperaturmessungen  zum  mindesten  die  über¬ 
triebenen  Befürchtungen  gehoben  haben  und  es  hat  die 
seitherige  weitere  Verfolgung  der  Patienten  dieser  weniger 
ernsten  Deutung  Recht  gegeben. 


Kurve  IV. 


Kurventabelle  IV  bietet  ein  Beispiel  für  das  Gesagte.  Es  handelt 
Sich  um  ein  8  jähriges  Mädchen,  welches  schon  seit  vielen  Monaten 
die  grosse  Sorge  seiner  Mutter  bildete,  weil  es  so  ausserordentliche 
grosse  Schwankungen  der  Rektaltemperatur  bei  relativ  mässigem 
Gehen  (Vs  Stunde)  zeigte.  Die  kleine  Patientin  wurde  deshalb  von 
der  allzu  ängstlichen  Mutter  fast  immer  in  absoluter  körperlicher 
Ruhe  gehalten.  Machte  sie  einmal  einen  Versuch  des  Gehens,  so 
wurde  gleich  nachher  die  Temperatur  gemessen  und  da  diese  dann 
naturgemäss  bedeutend  über  37°  erhöht  war,  neuerdings  Anlass  zur 
Beängstigung  daraus  ersehen.  So  besitzt  denn  die  Mutter  eine  Tem¬ 


peraturkurve  mehrmaliger  täglicher  Messungen,  die  über  viele  Monate 
hindurch  fortgesetzt  wurde,  in  welcher  eben  immer  wieder  „be¬ 
ängstigend“  hohe  Zacken  sich  befinden.  Der  obere  Teil  der  Kurve 
zeigt  die  starken  Schwankungen  der  Rektaltemperatur  nach  mässigem 
Gehen,  welche  den  Gegenstand  bildeten  für  die  Besorgnis  der  Mutter. 
Ich  liess  gleichzeitig  nun  unter  allen  Kautelen  die  Achselhöhlen¬ 
temperatur  bestimmen.  Wir  ersehen  aus  ihr  im  Gegensatz  zum  Ver¬ 
halten  der  Rektaltemperatur  einen  geradezu  auffallend  gleichmässigen 
und  tiefen  Verlauf  der  Achselhöhlentemperatur,  woraus  ich  wohl  die 
Berechtigung  ableitete,  die  rein  auf  die  Temperaturmessungen  sich 
stützende  Beängstigung  der  Mutter  auf  ein  Minimum  zu  reduzieren. 
Jedenfalls  wurde  dadurch  der  Mutter  und  dem  Kind  ein  Dienst  ge¬ 
leistet  und  die  auf  Grund  der  Bestimmungen  gegebene  Aufmunterung 
zu  ausgiebigerer  körperlicher  Betätigung  war,  soweit  ich  die  Patientin 
noch  beobachten  konnte,  vom  besten  Einfluss.  Es  sei  dies  ein 
weiteres  Beispiel  dafür,  dass  wir  manchmal  nur  aus  den  ver¬ 
gleichenden  Temperaturmessungen  uns  ein  richtiges  Bild  machen 
können  über  die  klinische  Bewertung  der  Temperaturmessung. 

Eine  ganze  Reihe  von  Erwachsenen  und  Kindern,  bei 
denen  sich  die  Ueberzeugung  einer  Krankheit  einzig  und  allein 
auf  Rektalmessungen  stützte,  bei  welchen  dann  aber  ver¬ 
gleichende  Temperaturbestimmungen  zeigten,  dass  es  sich  nur 
um  einseitige  rektale  „Bewegungstemperaturen“  bis  gegen 
3S°  handelte,  fühlen  sich  überhaupt  vollständig  gesund  seit¬ 
dem  sie,  aufgeklärt,  gar  keine  Messungen  mehr  vornehmen. 

Als  weiteres  Beispiel  sei  hier  Kurventabelle  V 
wiedergegeben. 


12*],  4  5  S\ 


Ein  wichtiges  Hilfsmittel,  um  zu  einer 
klinisch  richtigen  Bewertung  der  Rektal¬ 
temperatur  nach  Körperbewegung  zu  ge¬ 
langen,  besteht  also  in  vergleichenden  Tem¬ 
peraturmessungen.  Sie  geben  uns  darüber  Aufschluss, 
ob  es  sich  bei  der  Steigerung  der  Rektaltemperatur  um  eine 
rein  lokal  erhöhte  Temperatur  oder  um  eine 
allgemeine  (wohl  meist  fieberhafte)  Er¬ 
höhung  der  Bluttemperatur  handelt.  Bevor  wir 
auf  diese  Frage  eintreten,  müssen  wir  kurz  uns  klar  zu  machen 
suchen,  wie  denn  eine  einseitige  Erhöhung  der  Rektaltem¬ 
peratur  zustande  kommen  kann.  Wenn  wir  von  Temperatur¬ 
erhöhung  infolge  lokaler  Entzündungsprozesse  am  Darme 
[Schiile21],  infolge  rein  lokaler  Vorgänge  der  Darmflora 
(von  A  v  e  1 1  i  s  supponiert)  und  der  im  Darm  nur  unwesent¬ 
lich  in  Frage  kommenden  Wärmeabgabe  absehen,  so  wird  die 
Rektaltemperatur  bestimmt: 

1.  von  der  Bluttemperatur, 

2.  von  der  absoluten  im  Gewebe  enthaltenen  Blutmenge, 

3.  von  der  in  der  Zeiteinheit  durch  das  Gewebe  strömen¬ 
den  Blutmenge. 

4.  von  der  Gewebetemperatur  der  in  der  Umgebung  des 
Rektums  liegenden  Muskeln. 

Wir  wissen,  dass  der  arbeitende  Muskel  einerseits  eine 
stärkere  Durchblutung  erfährt,  und  andererseits  den  grösseren 
Geil  der  aufgewandten  Gesamtenergie  in  Wärme  umsetzt. 
A  priori  könnte  also  die  lokale  Temperaturerhöhung- im  Rektum 
und  im  kleinen  Becken  überhaupt  sowohl  in  einer  stärkeren 
Blutzirkulation  in  den  die  Gehmuskeln  versorgenden  Gefässeti, 
als  auch  in  einer  erhöhten  Temperatur  der  Muskeln  des  zuriiek- 
fliessenden  venösen  Blutes  oder  in  diesen  Momenten  gleich¬ 
zeitig  ihre  Erklärung  finden.  Vermehrte  Blutdurchströmung 
infolge  von  Erweiterung  der  Gefässe,  auch  Stauung  im  kleinen 
Becken  könnten  um  so  stärker  die  Rektaltemperatur  beein¬ 
flussen,  je  höher  die  eigentliche  Bluttemperatur  über  der  in 

21)  Schüle:  Ueber  die  Differenz  der  Temperatur  des  Rektums 
und  der  Achselhöhle.  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  8. 

3* 


ä.  3.  0. 


1092 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Ruhe  im  Rektum  gemessenen  Wärme  steht.  Nun  wissen 
wir  auffallenderweise  noch  recht  wenig  über  die  Normal- 
ternperatur  des  in  den  Schlagadern  des  Menschen  kreisenden 
Blutes.  Es  wäre  jedenfalls  eine  wertvolle  Arbeit,  bei  Gelegen¬ 
heit  von  chirurgischen  Eröffnungen  von  Schlagadern,  bei  Ent¬ 
hauptungen  usw.  solche  exakte  Messungen  vorzunehmen. 
Wenn  wir  Resultate,  die  bei  Tieren  gewonnen  worden  sind22), 
auf  den  Menschen  übertragen  dürfen,  so  müssen  wir  an¬ 
nehmen,  dass  die  bei  tiefer  Einführung  des  Thermometers  und 
in  der  Ruhe  gemessene  Rektaltemperatur  ungefähr  entspricht 
der  Temperatur  des  in  den  grossen  Schlagadern  gemischten 
Blutes.  Etwas  höher  scheint  das  die  Leber  verlassende  Blut 
temperiert  zu  sein. 


Schon  Wunderlich  erwähnt,  dass  in  Niere  und  Leber 
das  abrhessende  Blut  etwas  wärmer  sei,  als  das  zufliessende, 
L  1  e  b  e  r  m  e  i  s  t  e  r,  dass  die  Temperatur  des  Rektums  in  der  Regel 
um  ein  Geringes  höher,  die  Temperatur  in  der  geschlossenen  Achsel- 
hohle  um  ein  Geringes  niedriger  sei,  als  die  Temperatur  des  arteriellen 
Blutes.  Nach  Claude  Bernard23)  ist  das  Blut  der  unteren  Hohl¬ 
vene  warmer,  das  der  oberen  Hohlvene  kälter,  als  das  arterielle  Blut- 
beide  mischen  sich  im  Herzen.  Quincke24)  fand  im  Innern  des 
Magens  eine  um  etwa  0,12°  C  höhere  Temperatur  als  im 
Rektum. 


Erreicht  beim  Menschen  tatsächlich  die  Temperatur, 
welche  bei  der  Ruhe  im  Rektum  gemessen  wird,  annähernd 
das  Maximum  der  in  den  Gefässen  der  verschiedenen  Organe 
existierenden  Blutwärme,  dann  kann  natürlich  auch  eine 
starke  Vermehrung  der  Blutfülle  in  der  Umgebung  des  Rek¬ 
tums  keine  wesentliche  Erhöhung  der  Rektaltemperatur  her¬ 
beiführen.  Dies  letztere  wäre  dann,  entgegen  meiner  früheren 
Annahme,  ausschliesslich  auf  die  vermehrte  Wärme¬ 
bildung  in  den  Gehmuskeln  zurückzuführen. 

Iatsächlich  konnte  denn  auch  Chommer  bei  Patienten  mit 
chronischer  Obstipation,  bei  denen  wir  eine  Blutstauung  im  Abdomen 
annehmen  dürfen,  keine  abnorm  starke  Erhöhung  der  Bewegungs¬ 
temperatur  finden.  s  K 


Es  ist  also  die  normale  Erhöhung  der  Rek- 
taltemperatur  bei  Bewegung  wohl  im  wesent¬ 
lichen  zu  beziehen  auf  die  vermehrte  Wärme¬ 
bildung  im  tätigen  Muskel  und  die  daraus 
resultierende  höhere  Temperierung  des  zu  - 
rückfliessenden  venösen  Blutes. 

Im  normalen  Organismus  setzen  im  Anschluss  an  körper¬ 
liche  Bewegung  sofort  regulative  Vorgänge,  hauptsächlich 
wohl  durch  Vermehrung  der  Wärmeabgabe  ein,  so  dass  es 
zu  keiner  Steigerung  der  allgemeinen  Bluttemperatur  über  die 
Norm  kommt.  Damit  letzteres  eintritt,  ist  anstrengendere 
körperliche  Betätigung  notwendig. 

Bezieht  sich  die  Muskeltätigkeit  statt  auf  die  unteren 
Extremitäten  vorwiegend  auf  die  Arm-  oder  die  Kaumuskeln, 
so  kann,  wie  Moro  zeigte,  die  lokale  Temperaturerhöhung 
sich  vorwiegend  auch  an  den  zugehörigen  Messungsorten 
lokal  bemerkbar  machen. 

Wie  ist  nun  aber  die  über  die  Norm  ge¬ 
steigerte  Labilität  der  Rektaltemperatur  bei 
Tuberkulösen,  bei  Anämischen,  Fettleibigen, 
nach  langem  Krankenlager  oder  Liegekur 
usw.  zu  erklären?  Hier  dürften  verschiedene  Ursachen 
zugrunde  liegen.  Die  Annahme  liegt  nahe,  dass  es  sich  um 
eine  u in  ökonomische  Wärmebildung  in  ge- 
s c hwächten  Muskeln  handelt,  dass  bei  der  gleichen 
Muskelleistung  der  in  Wärme  umgesetzte  Teil  der  aufgewen¬ 
deten  Gesamtenergie  grösser  ist  als  beim  Normalen  (s.  auch 
Moro),  ferner  dass  beim  ungeübten  Organismus  auch  wegen 
weniger  fein  ausgeglichener  Koordination  der  Muskelbewegungen 
die  gleiche  Arbeitsleistung  einen  grösseren  absoluten  Energie¬ 
aufwand  bedingt.  Mit  einer  solchen  Annahme  vereinbar  ist  die 
Beobachtung,  dass  die  rektale  Bewegungshyper¬ 
thermie  u.  a.  bei  Anämischen,  Fetten,  bei  schwächlichen 
Kindern,  nach  langem  Liegen  usw.  besonders  ausgeprägt  zu 
beobachten  ist,  dass  andererseits  Training,  Aufenthalt  im 
Hochgebirge  häufig  Besserung  bringen. 


“)  L.  Fick  fand  beim  Hunde  die  Temperatur  im  Rektum  gleich 
0<^er  .T10!-;  Spurhöher,  als  im  Herzen.  Müllers  Archiv  1853,  p.  408. 

)  Claude  Bernard:  Vorlesungen  über  Die  tierische 
Warme.  Leipzig  1876. 

3t)  Quincke:  Arch.  f.  exp.  Pathol.,  Bd.  XXV,  1889,  p.  374. 


No.  20. 


Auch  bei  Tuberkulösen  dürfte  Muskelschwäche  mit 
eine  ursächliche  Rolle  spielen.  Dazu  kommt  bei  diesen  dann 
noch  eine  allgemeine  Steigerung  der  Bluttem¬ 
peratur,  hervorgerufen  durch  Ausschwemmung 
toxischer  Stoffe  aus  den  Krankheitsherden  infolge  des 
gesteigerten  Säftestromes,  oder  die  stärkere  Verschiebung 
der  viszeralen  Organe  in  Lage  und  Form  (z.  B.  durch  die 
intensivere  Atemtätigkeit). 

u  As  .w“.rd®.  hier  zu  weit  führen,  auf  die  Frage  näher  einzugehen 
ob  dabei  die  fieberhafte  Temperaturerhöhung  zustande  kommt  durch 
eine  Störung  der  Regulation  innerhalb  der  supponierten  Wärme¬ 
zentren  oder  wie  besonders  Sahli25)  vertritt,  durch  eine  Ver¬ 
minderung  der  Wärmeabgabe  („Wärmestauung“  Traubes),  die 
ihrerseits  durch  eine  veränderte  Blutverteilung,  eine  Hyperämie  der 
inneren  Organe,  bedingt  wäre. 

In  diesen  Fällen  handelt  es  sich  dann  nicht  nur  um  eine 
lokale  abnorme  Erwärmung  des  von  den  tätigen  Muskeln 
abfliessenden  venösen  Blutes,  sondern  um  eine  allgemeine 
Steigerung  der  Temperatur  des  gesamten  Blutes.  Zur  Klar¬ 
legung  dieser  Verhältnisse  können  uns  gleichzeitige 
vergleichende  Rektal  -  und  Achselmessungen 
(und  auch  Bestimmungen  der  Mundtemperatur)  wich¬ 
tige  diffentialdiagnostische  Anhaltspunkte 
bieten. 


Den  weiteren  Betrachtungen  seien  kurz  einige  Bemer¬ 
kungen  über  die  Art  des  Messens  vorausgeschickt: 

Bei  der  Rektalmessung  müssen  wir  uns  daran  erinnern, 
dass  nach  von  P.  Tachau20)  an  der  F  e  e  r  sehen  Klinik  vor¬ 
genommenen  Untersuchungen  das  Resultat  ausserordentlich  abhängig 
ist  von  der  Art,  wie  weit  das  Thermometer  in  den  Darm  eingeführt 
wird.  Bei  der  Mund-  und  Achselhöhlenmessung  muss 
darauf  geachtet  werden,  dass  auch  die  sog.  Minutenthermometer 
mindestens  10  Minuten  liegen  gelassen,  dass  die  Achselhöhle  vorerst 
getrocknet,  dass  die  Mundhöhlenmessungen  nie  nach  Aufnahme  von 
heissen  oder  kalten  Speisen,  auch  nie  etwa  im  Freien  bei  tiefer  Tem¬ 
peratur  vorgenommen  werden.  Wenn  wir  unter  Beobachtung  aller 
Vorsichtsmassregeln  mit  genau  geeichten  Thermometern  gleich¬ 
zeitig  messen,  so  sehen  wir  bei  den  meisten  Menschen  bei 
Korperruhe  ein  ziemliches  Parallelgehen  der  drei 
Messungsarten.  Am  absolut  genauesten  gibt  uns  die  Tem¬ 
peratur,  die  an  der  betreffenden  Körperstelle  herrscht,  wie  schon 
erwähnt,  die  Rektalmessung  wieder.  In  zweiter  Linie  folgt  die 
Achselhöhle  die  aber,  genau  ausgeführt,  doch  recht  konstante 
Resultate  gibt.  Recht  ungenau  sind  oft  Mundhöhlenmessungen  (siehe 
u.  a.  auch  Saugmann)  und  besonders  die  Temperaturbestimmungen 
in  der  Inguinalbeuge.  Verfasser  selbst  hat  über  4  Wochen  lang  an 
sich  selbst  täglich  5  mal,  bei  Beobachtung  vollständiger  halbstündiger 
Ruhe  vor  dem  Messen,  gleichzeitige  Bestimmungen  ausgeführt  in 
Mund,  Achselhöhle,  Rektum  und  Inguinalhöhle.  Die  Kurven  der  ersten 
drei  Messungsorte  gingen  fast  parallel,  die  in  der  Schenkelbeuge  ge¬ 
wonnene  Kurve  aber  häufig  ihren  gesonderten  Weg,  was  wohl  davon 
herkommt,  dass  trotz  grösster  Mühe  daselbst  keine,  nur  einigermassen 
abgeschlossene  Höhle  hergestellt  werden  kann. 

Ganz  besonders  betont  sei  aber,  wie  die  Art,  wie  sich  die  Tem¬ 
peraturen  an  den  verschiedenen  Messungsorten  zu  einander  ver¬ 
halten,  individuell  ausserordentlich  verschieden  ist.  Es  gibt  Menschen, 
bei  denen  die  nach  vollständiger  Ruhe  gemessenen  Rektal-  und 
Achselhohlentemperaturen  bis  zu  1°  und  darüber  differieren,  bei 
anderen  sind  sie  wieder  einander  ausserordentlich  nahe  gerückt-  es 
kann  sogar  das  individuelle  Verhalten  derart  sein,  dass  die  gewöhn- 
liehe  Reihenfolge  in  der  Höhe  (Rektal-,  Mund-,  Achseltemperatur) 
vertauscht  ist. 


Wie  gleichsinnig  und  fast  parallel  die  unter  allen  Kautelen 
aufgenommenen  Temperaturen  im  F  i  e  b  e  r  und  in  der  R  u  n  e 
verlaufen,  zeigt  folgende  Kurve,  welche  vom  Verfasser  an  sich 
selbst  anlässlich  einer  Bronchopneumonie  aufge¬ 
nommen  wurde.  (Kurve  VI.) 

Wir  ersehen  aus  dieser  Kurventabelle,  dass,  wenn  wir  die 
absolute,  individuell  ziemlich  starke  Differenz  in  der  Höhe  der 
einzelnen  Temperaturen  genügend  berücksichtigen,  uns  eine 
jede  der  Temperaturkurven  in  gleicher  Weise  den  Gang  des 
Fiebers  wiedergibt.  Im  Fieber  und  in  der  Ruhe  ge¬ 
nügt  also  eine  jede  der  drei  Messungsarten, 
wenn  genau  ausgeführt,  für  sich.  Nur  müssen 
sie  für  sich  und  unter  Berücksichtigung  der 
individuell  bestehenden  Verhältnisse  be¬ 
wertet  werden. 


Sahli:  VI-  Aufla^e  seines  Lehrbuches,  I.  Bd. 

..  .  J  ”,  Tachau:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  einer  gleich- 
massig  tiefen  rektalen  Temperaturmessung  beim  Kinde.  Münch,  med, 
VVochenschr.  No.  39,  1912 


0.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1093 


Kurve  VI. 


Aus  der  Kurventabelle  ersehen  wir,  welch  starke  Diffe- 
:nzen  in  der  absoluten  Höhe  der  einzelnen  Temperaturen  in 
dividueller  Weise  Vorkommen  können.  So  betrug  z.  B.  die 
ifferenz  zwischen  Rektal-  und  Axillartemperatur  stets  mehr 
s  0,5,  im  Durchschnitt  0,9°  bei  einem  Maximum  von  1,4°. 
un  sei  noch  auf  ein  theoretisch  interessantes  und  vielleicht 
ich  klinisch  nicht  ganz  unwichtiges  Phänomen  hingewiesen, 
imlich,  dass  die  bei  ein  und  demselben  Individuum  in 
nem  bestimmten  Zeitpunkt  ziemlich  konstante  regionale 
xillar-rektale)  Heterothermie  in  grösseren  Zeit- 
tervallen  oft  sich  stark  verändern  kann.  Folgende  Kurven¬ 
belle  (VII)  möge  das  Phänomen  veranschaulichen: 

I.  I.  w 


27X.11  2c IX.  2.YI.12  3.W.  2k.H.  25K 


Kurventabelle  VII. 

Es  sind  je  2  Tage  aus  dem  Temperaturverlauf  ein  und 
i  sselben  Individuums  zu  ganz  verschiedenen  Perioden  auf- 
!  nommen.  Die  Messungen  wurden  bei  absoluter  Bettruhe 
1  »rgenommen. 

Abschnitt  1  bezieht  sich  auf  eine  akute  fieberhafte  Erkrankung 
i  Herbst  1911. 

Abschnitt  II  wurde  zu  Beginn,  Abschnitt  III  am  Ende  einer  er¬ 
litten  fieberhaften  Erkrankung  im  Frühjahr  1912  aufgenommen. 

Zwischen  beiden  Erkrankungen  war  die  Untersuchungsperson 
i  ueitsfähig. 

Die  Heterothermie  war  also  bezüglich  der  Differenz 
r  regionalen  (axillar-rektalen)  Temperaturen  in  jeder  der 
lei  Perioden  ziemlich  konstant,  sie  änderte  aber  stark  von 
i  r  einen  zur  anderen  Periode. 

Nehmen  wir  das  Mittel  aus  jeder  Periode  von  9  Beobachtungen, 
i  ergibt  sich  für  die 

Heterothermie  in  Periode  I  ein  Mittelwert  von  0,9 °, 

99  99  II  99  99  99  0,65  °, 

..  „  HI  „  „  „  0,21  °. 

Es  ist  also  bei  ein  und  demselben  Indi- 
1  duum  der  Unterschied  zwischen  Axillar- 
i  d  Rektaltemperatur  nicht  stets  annähernd 
in  konstanter;  es  können  vielmehr  Perioden 
tensiver  regionaler  Heterothermie  mit 

liehen  abwechseln,  in  welchen  die  in  den 
erschiedenen  Körperhöhlen  gemessenen 
emperaturen  sich  einander  ausserordent- 
ch  nähern,  ja  sich  fast  decken  können.  Das 


sind  eigenartige,  interessante  Verhältnisse,  die  noch  der  ge¬ 
nauen  Erforschung  harren. 

Es  verdient  dieses  Phänomen  insofern  wissenschaftliches 
Interesse,  als  es  uns  einen  gewissen  Einblick  in  die  Wärme¬ 
regulation  gestattet.  Es  sei  den  weiteren  Betrachtungen  kurz 
folgende  Ueberlegung  vorausgeschickt: 

Das  Rektum  ist  in  örtlich  naher  Beziehung  zu  Muskeln,  in  seiner 
Umgebung  verlaufen  die  Qefässe  von  und  nach  den  Gehmuskeln.  Da 
die  I  emperaturabgabe  im  Rektum  gleich  Null  gesetzt  werden  kann, 
so  spiegelt  sich  in  der  Rektaltemperatur  ziemlich  getreu  die  durch 
den  Muskelstoffwechsel  entstehende  Erwärmung  des  Blutes  wieder. 
Es  ist  also  begreiflich,  dass  bei  einseitiger  Betätigung  der  Gehmuskeln 
die  regionale  Rektaltemperatur  besonders  stark  ansteigt. 

Anders  dagegen  in  der  Achselhöhle.  Auch  hier  steigt  bei  starker 
Betätigung  der  Muskeln  die  regionale  (Axillar)-Temperatur  an,  aber 
in  bedeutend  geringerem  Grade,  weil  schon  die  Masse  der  Muskeln 
der  Oberextremitäten  eine  geringere  ist,  ebenso  meist  auch  die  ab¬ 
solute  Muskelleistung,  und  weil  die  periphere  Wärmeabgabe  bei 
dieser  Messung  mehr  ins  Gewicht  fällt.  Wenn  auch  absolut  etwas 
zu  niedrig,  so  gibt  die  Axillarmessung  doch  getreuer  den  Verlauf  der 
regulierten,  allgemeinen  Blutwärme  wieder,  d.  h.  der  aus  Ver¬ 
mischung  des  Blutes  von  Vena  cava  inferior  und  Superior 
und  aus  der  Wärmeabgabe  im  Lungenkreislauf  resul¬ 
tierenden  Temperatur  des  Atemblutes. 

In  der  Rektaltemperatur  kommt  also  mehr 
die  Temperatur  der  inneren  Organe  und  die 
Wärmebildung  in  der  Muskulatur,  in  der 
Axillartemperatur  mehr  die  Wärmeregu¬ 
lation  zum  Ausdruck.  Diese  Verhältnisse  haben 
nun  auch  insofern  klinische  Bedeutung,  als  wir  stark 
ausgesprochene  regionale  (axillar-rektale)  Heterothermie 
häufig  finden  bei  ganz  leichten  fieberhaften  Zuständen,  wobei 
die  absolute  Höhe  der  Temperatur  wegen  starker  Wärme¬ 
regulation  noch  innerhalb  normaler  Grenzen  bleiben  kann;  es 
ist  dann  also  die  starke  regionale  Heterothermie 
der  erste  Ausdruck  abnormaler  (wohl  meist 
„s  u  b  f  e  b  r  i  1  e  r“)  Temperaturveränderung.  So 
wird  es  verständlich,  dass  wir  bei  Tuberkulösen,  worauf 
schon  Sahli  in  seinem  Lehrbuch  aufmerksam  gemacht  hat, 
oft  einen  starken  Unterschied  zwischen  Rektal-  und  Axillar¬ 
temperatur,  auch  in  der  Ruhe,  sehen. 

Auch  bei  gleicher,  absoluter  Höhe  der  Körpertemperatur 
gestattet  uns  also  die  Bestimmung  der  axillar-rektalen  Hetero¬ 
thermie  einen  weiteren  Einblick  in  die  feineren  Vorgänge  des 
Wärmehaushaltes.  Die  Stärke  der  Heterothermie  wechselt 
häufig  im  Verlauf  ein  und  derselben  Krankheit.  Eine  Abnahme 
darf  häufig  als  günstiges  Zeichen  aufgefasst  werden.  So  zeigt 
sie  uns  bei  Tuberkulösen  nicht  selten  das  Verschwinden  der 
letzten  Reste  von  Wärmestörungen  an.  Aber  auch  hier  ist  in 
der  Deutung  Vorsicht  geboten.  Bei  fetten  Personen  kann  ein 
grosser  Unterschied  zwischen  Rektal-  und  Axillartemperatur 
auch  allein  durch  grosse,  die  Achselhöhle  umgebende  und  da¬ 
durch  die  Wärmeleitung  störende  Fettmassen  verursacht 
werden.  Starke  Heterothermie  findet  sich  auch  bei  Vaso- 
motorikern.  Kritisch  gedeutet  verdient  aber 
das  Verhalten  der  regionalen  (axillar-rek¬ 
talen)  Heterothermie  klinische  Beachtung. 

Wir  haben  gesehen,  dass  bei  Beobachtung  körperlicher 
Ruhe  und  genauer  Messungen  auch  im  Fieber  die  an 
den  verschiedenen  Körperstellen  gefundenen  Temperaturen 


I.  Versuch  II.  Versuch  Interkurrest« 


annähernd  parallel  gehen.  Ganz  anders  aber  bei  der  „r  e  k  - 
talen  Beweg  ungshyperthermi  e“,  wofür  ein  spre¬ 
chendes  Beispiel  folgende  Kurventabelle  VIII  darstellt. 


1094 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


Wir  sehen  die  Rektaltemperatur  das  einemal  bei  Wohl¬ 
befinden  und  körperlicher  Bewegung,  das  anderemal  bei  Bett¬ 
ruhe  anlässlich  einer  Angina  auf  38,1  bzw.  38°  ansteigen.  Im 
ersten  Fall  zeigte  die  vergleichende  Mundtemperatur  36,9,  im 
zweiten  Falle  37,8  °,  d.  h.  es  handelt  sich  im  ersten  Fall  um 
eine  rein  lokale  Bewegungshyperthermie,  im  zwei¬ 
ten  Falle  um  eine  fieberhafte  Erhöhung  der  allgemeinen 
Bluttemperatur.  Dieses  Beispiel  lässt  annehmen,  dass  uns 
erst  gleichzeitige  vergleichende  Messungen  in  vielen  Fällen 
zu  einer  richtigen  Deutung  von  regionalen  Hyperthermien 
verhelfen.  Zum  Vergleich  seien  hier  zwei  Kurventabellen 
von  einer  Patientin  angeführt,  die  ich  schon  seit  mehreren 
Jahren  genau  verfolge,  bei  welcher  ich  aber  bis  dahin,  trotz 
Anwendung  aller  zur  Verfügung  stehenden  Untersuchungs¬ 
niethoden,  noch  keine  sicheren  Anhaltspunkte  für  die 
Ursache  der  wohl  als  Fieber  zu  deutenden  Hyper¬ 
thermie  finden  konnte.  Vielleicht  liegt  doch  eine  ver¬ 

steckte  Tuberkulose  zu  Grunde.  Kurventabelle  IX. 

8  12  4  B  6  12  4  8  8  12  4  6  8  12  4  8  Uhr  HRr  Sehdl  WR  alSO 

ausgeprägte  rektale 
Bewegungshyper¬ 
thermie  bis  38,2  °. 
Gleichzeitig  steigt 
aber  auch  die  Axillar¬ 
temperatur  bis  37,3°. 
(Nebenbei  sei  be¬ 
merkt, dass  beidieser 
Patientin  die  Mund¬ 
temperaturen  stets 
tiefer  als  die  Achsel¬ 
höhlentemperaturen 
waren.  Kurve  X.) 

Liess  ich  nun  die  Patientin  zweimal  täglich  gehen  (Kur- 


12  4  6  8  12  4  6  8  12  4  6  8  12  4  6  Uhr 

N*<h  N«ch  N«<h  N*<h  N«<h  Nach  Nach 

halbtl.  halbe!  halb*!  halbe!  halbe!.  halbe!.  halbe!  ,  halbe! 

Ochan  I  Gatte«  [Gahan  |Sehaw  |Geht«  [Gehen  Gehen 


Rektum 


.....  Achsel-H. 


ventabelle  X),  so  stiegen  die  Rektaltemperaturen  kaum  höher, 

dagegen  ging  nun 
die  Achselhöhlen¬ 
temperatur  bis  auf 
37,6°,  woraus  der 
Schluss  gezogen 
werden  durfte, dass 
es  sich  hier  um 
eine  fieberhafte  Er¬ 
höhung  der  allge¬ 
meinen  Bluttempe¬ 
ratur  handelte,  und 
dass  die  reich¬ 
lichere  Bewegung 
der  Patientin  nicht 


Kurve  X. 


förderlich  war  (wohl  infolge  Ausschwemmung  resp.  Resorption 
Sorption  toxischer  Stoffe.) 

Im  Gegensatz  hiezu  sehen  wir  bei  vielen  einseitig 
•  rektalen  Hyperthermien,  wo  also  die  Axillartemperatur 
bei  Bewegung  kaum  ansteigt,  systematische  Gehübungen  von 
günstigem  Einfluss  gefolgt.  Es  ist  das  besonders  der  Fall 
bei  Rekonvaleszenten  nach  langem  Krankenlager,  und  bei 
Patienten,  die  gerade  wegen  ihres  „Bewegungsfiebers“  viel 
Liegekur  gemacht  haben.  Eine  Liegekur  hebt  in  solchen 
Fällen  nicht  nur  nicht  die  Störung,  sondern  fördert  sie  noch. 
Vergleichende  Temperaturmessungen  können  uns  hier  wich¬ 
tige  Anhaltspunkte  für  unsere  ärztlichen  Ratschläge  geben. 
Wir  können  wohl  den  Satz  aufstellen: 


Ist  die  rektale  Hyperthermie  nach  ein- 
stündigem,  mässig  raschem  Gehen  begleitet 
von  einem  Ansteigen  der  Achselhöhlentem¬ 
peratur  auf  37,1  b  i  s  37,2  oder  darüber,  so  haben 
wir  es  mit  allgemein  erhöhter,  oft  sicher  „sub- 
febrile  r“  Gehtemperatur  zu  tun.  Bei  Fehlen 
anderer  Krankheitssymptome  erscheint  in 
solchen  Fällen  der  Verdacht  auf  versteckte 
Tuberkulose  begründet. 

W  ir  dürfen  aber  nicht  vergessen,  dass,  ganz  abgesehen 
von  nervösen  Hyperthermien,  die  Temperatur  gesunder  Indi¬ 
viduen  innerhalb  viel  weiteren  Grenzen  schwankt,  cols  vielfach 
angenommen  wird,  und  dass  es  unzweifelhaft  Menschen  gibt, 


deren  normale  Achselhöhleutcmperatur  bis  etwas  über  37 u 
geht. 

Es  bleiben  nun  noch  die  Fälle,  bei  denen  eine  abnorm  starke 
Labilität  der  Rektaltemperatur  bei  Bewegung  ohne  ein  gleich¬ 
zeitiges  Ansteigen  der  Mund-  oder  Axillartemperatur  über  die 
Norm  beobachtet  wird.  In  solchen  Fällen  spielt  häufig  die 
Tuberkulose  eine  ursächliche  Rolle.  Es  erscheint  aber 
doch  grosse  Vorsicht  geboten,  nicht  allzu  leicht  einzig 
und  allein  auf  Grund  hoher  Rektaltemperatur  bei  Be¬ 
wegung,  wie  das  tatsächlich  oft  geschieht,  und  ohne  Bestehen 
anderer  wichtiger  Anhaltspunkte,  das  Schreckgespenst  der 
Tuberkulose  an  die  Wand  zu  malen.  Es  ist  ja  in  dieser  Frage 
durchaus  nicht  leicht,  stets  den  richtigen  Weg  zu  finden,  wo 
wir  heutzutage  wissen,  dass  auf  eine  richtige  Frühdiagnose 
der  Tuberkulose  und  auf  eine  richtige  Ordnung  der  Lebens¬ 
führung  durch  ärztlichen  Ratschlag  so  ausserordentlich  viel 
ankommt.  Andererseits  müssen  wir  uns  auch  sagen,  dass 
durch  Wahrscheinlichkeitsdiagnosen,  die  sich  auf  unsichere 
Symptome  stützen,  wie  z.  B.  einen  etwas  auffallenden  Hilus- 
schatten  im  Röntgenbild,  oder  starke  Erhöhung  der  Rektal¬ 
temperatur  nach  dem  Gehen,  viel  Unheil  angerichtet  und 
mancher  schwere  Hypochonder  gezüchtet  worden  ist.  Man 
ging  eben  vielfach  darin  zu  weit,  jede  kleine  Temperatur¬ 
erhöhung  unbekannten  Ursprungs  gleich  mit  der  Vorstellung 
von  beginnender  Tuberkulose  zu  assoziieren.  Letztere  braucht 
keine  Veränderung  in  den  Temperaturverhältnissen  zu  machen; 
andererseits  können  leichten  Hyperthermien  die  verschieden¬ 
artigsten  Ursachen  zu  Grunde  liegen.  Besonders  sei  man  aber 
in  der  Deutung  der  rektalen  Bewegungshyperthermien  vor¬ 
sichtig. 

Zusatz  bei  der  Korrektur:  Wie  ich  aus  einer  mir  eben 
zugehenden,  aus  der  v.  Kr  eh  Ischen  Klinik  erschienenen 
Doktordissertation  ersehe,  hat  sich  auch  A.  W  e  i  n  e  r  t  *)  mit  den 
„Temperatursteigerungen  bei  gesunden  Men¬ 
sche  n“  befasst.  Eingehend  werden  darin  auch  die  bisherigen,  ein¬ 
schlägigen  Beobachtungen  berücksichtigt.  Einige  wichtige  Schluss¬ 
folgerungen  der  Arbeit  möchte  ich  hier  anführen:  Auch  We  inert 
schreibt  (wie  übrigens  auch  Chommer)  die  grösste  Rolle  in  der 
wachsenden  Temperaturdifferenz  (zwischen  Axilla  und  Rektum)  beim 
Gehen  der  gesteigerten  Wärmeproduktion  in  den  tätigen  Muskeln  zu. 
Auch  der  Magen  zeigt  beim  Gehen  im  allgemeinen  ein  stärkeres 
Steigen  der  Innentemperatur.  Die  Bewegungshyperthermie  teilt  sich 
also  mehr  oder  weniger  dem  ganzen  Körperinnerti  mit.  Fettleibige 
zeigten  höhere  rektale  Bewegungstemperaturen  als  Magere.  Die  bei 
fieberfreien  Tuberkulösen,  Anämischen,  Chlorotischen  und  vor  allem 
Rekonvaleszenten  auftretenden  stärkeren  Steigerungen  nach  dem 
Gehen,  Laufen  und  Steigen  sind  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  zum 
grossen  Teil  auf  Muskelschwäche,  mangelhafte  Uebung  und  Be¬ 
wegung  zurückzuführen.  Ein  prinzipieller  Unterschied  in  der  Art  und 
Höhe  der  Steigerung  besteht  bei  den  aufgezählten  Individuen  nicht. 
Es  darf  der  Rektaltemperatur  allein  beim  sich  bewegenden  oder  nicht 
völlig  ruhig  liegenden  Menschen  kein  allzu  grosses  Gewicht  beige¬ 
messen  werden. 

Am  kürzlich  in  Wiesbaden  stattgehabten  XXX.  Deutschen 
Kongress  für  Innere  Medizin  wurde  in  der  an  die  Referate 
über  das  „F  i  e  b  e  r“  sich  anschliessenden  Diskussion  auch  die  Frage 
über  die  Deutung  geringer  Temperaturerhebungen  berührt. 

Prof.  Brauer  betonte,  dass  in  der  breiten  Praxis  das  leichte 
„Bewegungsfieber“  viel  zu  viel  auf  Tuberkulose  hin  gedeutet  werde 
und  erwähnte  als  weitere,  mit  der  Tuberkulose  nicht  in  Beziehung 
stehende  ursächliche  Momente:  kleine  Tonsillarabszesse,  nervöse 
Temperaturschwankungen  bei  vasomotorisch-labilen  Menschen,  Stoff- 
wechselstörungen,  Bronchialdriisenerkrankungen  (die  nach  Brauer 
sicher  oft  nichttuberkulöser  Natur  sind). 

Geh.-Rat  v.  Krehl  wies  darauf  hin,  dass  unsere  alten  Lehrer 
die  Grenzen  der  1  emperaturnorm  etwas  höher  angenommen  und  auf 
kleine  Temperaturerhöhungen  nicht  so  grossen  Wert  gelegt  hätten, 
wie  wir  heute.  Er  riet  an.  uns  wieder  mehr  den  Anschauungen 
der  alten  Meister  zu  nähern,  und  warnte  besonders  auch  die  Sana¬ 
toriumsärzte,  die  Patienten  nur  allein  wegen  geringer  Temperatur¬ 
erhebungen  nicht  allzu  sehr  einzuschüchtern. 

Noch  viel  mehr  erscheinen  diese  Warnungen  berechtigt, 
wenn  der  ärztlichen  Beurteilung  nur  die  Rektaltemperaturen 
zu  Grunde  gelegt  werden. 


')  Aug.  Weiner  t:  Inaug.-Dissertat.  Heidelberg  1912, 


i.LERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER. 


DOLF 


AGINSKY. 


Beilagt  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  320,  1913. 
Verlag  von  T.  F.  LEHMANN  in  München. 


i  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1095 


Adolf  Baginsky. 

i  Professor  Dr.  Arthur  Schlossmann  in  Düsseldorf. 

üanz  im  Norden  Berlins,  dort,  wo  die  Stadtgrenze  bald 
i  die  Reinickendorfer  Flur  stösst,  geht  das  Kaiser  lind 
:  erin  Friedrich-Kinderkrankenhaus,  das  eine  städtische 
i  ikenanstalt  geworden  ist,  seiner  Vollendung  entgegen. 

Reihe  neuer  Pavillons  wird  in  kurzer  Zeit  in  Benützung 
;  nmnen  werden  können,  Verbesserungen  der  Wirtschäfts- 
i  en  werden  die  hier  in  vorbildlicher  Weise  von  Vornherein 
gebaute  Asepsis  des  KrankerthauSbetriebes  noch  liicken- 
«r  ermöglichen \  -  Berlin  Wird  damit  nicht  nur  das  grösste, 
i  ern  auch  das  modernste,  einheitlichste  und  sehenswerteste 
i  (erkrankenhaus  Deutschlands  haben.  Und  gerade  in  der 
.  da  das  Werk  seiner  Vollendung  eritgegengeht,  ist  es  dem 
.  ne,  dessen  beispielloser  Zähigkeit  und  dessen  nicht  nieder- 
i  tickender  Willenskraft  einzig  und  allein  die  Reichs- 
ntstadt  dieses  stolze  (Mied  in  der  grossen  Kette  ihrer 

1  unitären  Anstalten  verdankt,  ist  es  dem  Begründer,  Durch- 
ler  und  Leiter  des  Kaiser  und  Kaiserin  Friedrich-Kinder- 
ikenhauses,  ist  es  Adolf  Baginsky  vergönnt,  in  ’unver- 
chter  Kraft,  in  voller  Rüstigkeit,  in  Schaffensfreude  and 

:iffensfähigkeit  seinen  70.  Geburtstag  zu  feiern. 

Adolf  Baginsky  wurde  geboren  am  22.  Mai  1843  zu 
;bor  in  Schlesien.  In  seiner  Vaterstadt  besuchte  er  das 
jinasium,  das  er  1861  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  verliess. 
:  1861 — 1863  studierte  er  zunächst  in  Berlin,  1864  in  Wien 
t  1865—1866  wieder  in  Berlin.  In  der  Wiener  Zeit  sass  er 
:  listerungsvoll  und  andächtig  lauschend  zu  den  Füssen  der 
l:  grossen  Männer,  die  damals  —  tempora  mutantur  —  Wien 
Mekka  aller  jungen  Aerzte  machten,  Rokitansky, 
p  o  1  z  e  r,  Skoda,  Hebra  u.  a.  führten  hier  den  streb¬ 
ten  und  fleissigen  Studenten  in  die  Heilkunst  ein.  Nach 
:in  zurückgekehrt,  schloss  sich  Baginsky  in  erster 

2  an  V  i  r  c  h  o  w  und  Traube  an.  Bei  letzterem  famu- 
2  er  längere  Zeit  hindurch.  Im  Mai  1866  promovierte  er 
einer  Dissertation  über  das  Thema:  „Quibus  causis  mors 
( onem  caesaream  secuta  tribuenda  sit“.  Während  der 
i  eraepidemie  des  Jahres  1866  war  Baginsky  Assistent 
städtischen  Krankenhaus  in  Berlin,  1867  legte  er  sein 
;tsexamen  ab  und  Hess  sich  kurze  Zeit  später  in  Seehausen 
Magdeburg  als  praktischer  Arzt  nieder,  weil  die  dura  necessi- 
:hn  zwang,  bald  für  seinen  Unterhalt  selbst  zu  sorgen.  1870 
*  187 1  war  er  Vorsteher  eines  Reservelazaretts  in  Nord- 
'  en  und  Etappenarzt.  Nach  dem  Kriege  zog  es  ihn  mit 
:ht  wieder  nach  Berlin  zurück,  weil  inzwischen  seine  ganze 
imkenwelt  auf  ein  Ziel  hindrängte,  nämlich,  zunächst  sich 
Ut  in  der  Kinderheilkunde  auszubilden  und  dann  .an  der 
nildung  der  Kinderheilkunde  seinerseits  mit  aller  Kraft 
uarbeiten. 

Gewaltige  Eindrücke  waren  es,  die  Baginsky  zu 
:m  und  zu  unserem  Glück  auf  diesen  neuen  Weg  drängten, 
‘überaus  fleissiger  Student,  durch  seine  persönlichen  Be- 
ingen  zu  Traube  in  seinem  Studium  noch  gefördert, 
I:  sich  der  junge  Baginsky  mit  frischem  Wagemut  in 
Praxis  hineingestürzt.  Alles,  was  zu  lernen  war,  hatte  er 
nt  und  so  meinte  er,  für  die  Tätigkeit  eines  praktischen 
:es  voll  gerüstet  zu  sein.  Es  sollte  ihm  gehen  wie  so  vielen 
i  ihm  und  so  vielen  nach  ihm.  Die  ersten  Patienten,  zu 
ti  der  junge  Arzt  gerufen  wurde,  waren  kranke  Kinder 
an  ihrem  Bette  versagte  sein  Können,  verliess  ihn  sein 
•en  und  verzagte  sein  Mut.  —  Infans  nondum  homo  — ; 
erheilkunde  lernte  man  zu  jener  Zeit  noch  nicht.  Oft 
g  hat  Baginsky  bei  der  Visite  im  Krankenhaus  oder 
behaglichen  Gespräch  erzählt,  wie  tief  ihn  di,e  Erkenntnis 
irgeschlagen  hat,  dass  manchmal  die  Mütter  der  kleinen 
inten,  einfache  Frauen  aus  dem  Volke,  ihm  damals  in  der 
•achtung  der  Krankheitssymptome  überlegen  gewesen 
.  Durch  diese  Erfahrung  wurde  seine  ganze  Entwicklung 
sein  ganzer  Werdegang  beeinflusst. 

Ms  Baginsky  wieder  in  Berlin  war,  widmete  er  sich 
vornherein  mit  allem  Eifer  der  spezialistischen  Durch- 
:ung  des  Gebietes  der  Kinderheilkunde.  Aber  er  wollte 
pädiatrischer  Routinier  werden,  sondern  vor  allem 
mschaftlich  sich  in  das  Spezialfach  vertiefen,  und  so  hat 


er  allen  Nebendisziplinen,  die  ihn  in  der  Kinderheilkunde  vor¬ 
anbringen  konnten,  gebührend  Aufmerksamkeit  geschenkt. 
Pathologisch-anatomische  Studien,  später  bakteriologische  und 
vor  allem  chemische  Arbeiten,  letztere  bei  B  a  u  m  a  n  n  und 
K  o  s  s  e  1,  haben  es  ihm  ermöglicht,  allen  neuen  Frage¬ 
stellungen  der  Kinderheilkunde  wohlbeschlagen  gegeniiber- 
zustehen. 


In  einer  von  ihm  selbst  begründeten  Poliklinik  wusste  er 
praktisch  in  die  Diagnostik  und  Therapie  der  Kinderheilkunde 
eiflzudringen.  Bald  verbreitete  sich  sein  Ruf  als  hervorragen¬ 
der  Kinderarzt,  und  seine  spezialistische  Praxis  wuchs  rasch 
zu  unerwarteter  Ausdehnung.  Zahlreiche  literarische  Arbeiten 
aus  allen  Teilen  der  Kinderheilkunde  geben  Zeugnis  von  dem 
Fieiss  und  wissenschaftlichen  Eifer  jener  Jahre.  1882  habili¬ 
tierte  sich  Baginsky  an  der  Universität;  mit  einer  Antritts¬ 
vorlesung  über  das  Verhältnis  der  Kinderheilkunde  zur  ge¬ 
samten  Medizin  begann  er  seine  erfolgreiche  Lehrtätigkeit.  Im 
Jahre  1892  wurde  er  zum  ausserordentlichen  Professor  er¬ 
nannt. 

Inzwischen  hatte  Baginsky  aber  rastlos  an  der  Durch¬ 
führung  des  grossen  Gedankens  gearbeitet,  der  ihn  schon  bald 
nach  der  Rückkehr  nach  Berlin  erfasst  hatte.  Die  Begründung 
eines  grossen  modernen  Kinderhospitals,  das  in  Berlin  voll¬ 
kommen  fehlte,  war  das  Ziel  seines  Lebens  geworden.  Kalte 
Abweisung,  höhnisches  Lächeln,  Versprechungen,  die  man 
nicht  halten  wollte  und  die  man  rasch  vergass,  Enttäuschung 
über  Enttäuschung,  das  ist  das  erste  Kapitel  in  der  Geschichte’ 
des  grossen  Berliner  Kinderkrankenhauses.  Aber  Baginsky 
liess  nicht  locker,  dem  zähen  und  fest  entschlossenen  Manne 
wurde  jeder  Misserfolg  zum  Ansporn  für  grössere  Bemühung, 
und  endlich  kam  der  Erfolg.  Rudolf  Virchow  wurde  für 
den  Plan  gewonnen,  der  nun  bald  feste  Gestalt  annehmen 
konnte.  1885  trat  unter  dem  Vorsitz  V  i  r  c  h  o  w  s  ein  Komitee 
zur  Errichtung  eines  Kinderkrankenhauses  zusammen;  die 
Kaiserin  Friedrich  übernahm  das  Protektorat,  1891  konnte  der 
erste  Teil  des  Krankenhauses  eröffnet  werden.  Freilich  hat 


es  lange  gedauert,  bis  das  Werk  der  Vollendung  entgegen¬ 
geführt  wurde,  und  alle  die  Jahre  hindurch  hat  Baginsky 
Schwierigkeiten  zu  überwinden  gehabt,  bis  das  Jahr  1913,  das 
Jahr  seines  70.  Geburtstages,  ihm  als  bestes  Angebinde  das 
fertiggestelite  Lebenswerk  beschert. 

Baginsky  hat  Virchow  stets  heissen  Dank  für  die 
Hilfe  gezollt,  die  er  ihm  bei  der  Errichtung  des  Krankenhauses 
geleistet  hat.  Selbst  gegenüber  den  kleinen  und  grossen 
Schwächen,  die  bei  Virchow  in  den  letzten  Jahren  seines 
Lebens  immer  mehr  hervortraten,  hat  Baginsky  eine  weit¬ 
gehende  Rücksichtnahme  geübt,  die  durchaus  nicht  in  seinem 
Charakter  vorgebildet  war.  Er  trat  bescheiden  an  die  zweite 
Stelle  zurück,  wenn  Virchow  das  Bedürfnis  zeigte,  die 
Leitung  des  Krankenhauses  bei  hohem  Besuch  zu  repräsen¬ 
tieren, 

Als  Schriftsteller  hat  sich  Baginsky  in  erster  Linie 
durch  sein  häufig  aufgelegtes  und  in  vielen  fremden  Sprachen 
übersetztes  Lehrbuch  der  Kinderheilkunde  bekannt  gemacht. 
Wenn  in  der  ersten  Auflage  dieses  Werkes  die  pathologische 
Anatomie  noch  die  führende  Rolle  spielt,  so  konnte  Ba¬ 
ginsky  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  aus  eigenen,  guten  klinischen 
Erfahrungen  in  sein  Buch  hineinstecken,  so  dass  es  in  dei 
jetzt  vorliegenden  Form  gewissermassen  völlig  ein  eigenes 
Erfahrungswerk  geworden  ist.  Sein  grosses  Handbuch  dei 
Schulhygiene  ist  eine  Fundgrube  des  Wissens  auf  diesem  heute 
so  wichtigen  Gebiete;  zahlreiche  Monographien  und  Einzel¬ 
arbeiten  haben  allen  Kapiteln  der  Kinderheilkunde  Forderung 
gebracht.  Das  von  Baginsky  mit  M  o  n  t  i  zusammen  ins 
Leben  berufene  Archiv  für  Kinderheilkunde  hat  jetzt  zu  Ehi  en 
seines  Gründers  den  60.  Band  in  besonders  festlicher,  dem 
Jubilar  gewidmeter  Gestalt  herausgeben  lassen.  Hier  findet 
sich  auch  das  Verzeichnis  von  Baginskys  sämtlichen 
Arbeiten  wiedergegeben. 

Neben  der  Anerkennung  seiner  Kollegen  und  der  Dank¬ 
barkeit  seiner  Schüler  sind  Baginsky  zahlreiche  Aus¬ 
zeichnungen  aller  Art  zuteil  geworden,  die  an  seiner  Schlicht¬ 
heit  aber  nichts  zu  ändern  vermögen.  Dabei  ist  es  ihm 
durchaus  nicht  leicht  geworden,  sich  im  Leben  durchzusetzen, 
die  Kuns\t,  sich  zu  ducken  und  zu  schweigen,  wenn  die  Wahl- 


1096 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20 


heit  zu  reden  gebot,  geht  ihm  völlig  ab  und  ist  von  ihm  wohl 
auch  nie  gesucht  worden.  Offen  und  ehrlich,  zuweilen  sogar 
brüsk,  sagte  er  seine  Ansicht.  Wie  er  selbst  mit  seiner  Mei¬ 
nung  nicht  zurückhielt,  so  vertrug  er  aber  ebenso  gut  die 
Kritik  anderer,  wenn  er  sie  für  berechtigt  hielt.  So  ist  es  ge- 
kommen,  dass  viele  Menschen,  die  Bagin  sky  nur  ober¬ 
flächlich  kannten,  ihn  für  ablehnend  und  vielleicht  auch  für 
rücksichtslos  hielten.  Wenn  ihm  auch  das  Wort  zuweilen 
scharf  von  der  Zunge  ging,  so  ist  er  doch  in  seinem  Herzen 
immer  von  einer  wahrhaft  kindlichen  Güte  gewesen,  hilfs¬ 
bereit  und  liebevoll.  Sein  Herz  ist  überaus  weich,  und  viel¬ 
leicht  weil  er  das  weiss,  hat  er  manchmal  versucht,  den  Ein¬ 
blick  in  dieses  gütige  Herz  dem  Fernerstehenden  durch 
Barschheit  zu  wehren.  Wer  aber  Baginsky  am  Kranken¬ 
bett  gesehen,  wer  ihn  in  seiner  Häuslichkeit  an  der  Seite  der 
ihm  zu  früh  entrissenen  Lebensgefährtin  gekannt  hat,  der 
weiss  neben  den  Geistes-  und  Charaktereigenschaften  Ba¬ 
gin  s  k  y  s  auch  sein  Gemütsleben  zu  schätzen.  Am  22.  Mai, 
am  Tage  seines  70.  Geburtstages,  wird  B  a  g  i  n  s  k  y  der  Dank 
Aller  dargebracht,  die  er  persönlich  oder  durch  sein  Wissen, 
durch  seine  Lehre  und  durch  sein  Lebenswerk  gefördert  hat. 
Möge  es  ihm  vergönnt  sein,  sich  noch  lange  Jahre  des  Voll¬ 
brachten  und  Geschaffenen  in  voller  Kraft  des  Geistes  und  des 
Körpers  zu  erfreuen  und  noch  weiter  mit  uns  zu  arbeiten. 


John  Shaw  Billings. 

Die  medizinische  Wissenschaft  verdankt  Amerika  die 
Herstellung  des  grössten  medizinisch-bibliographischen  Wer¬ 
kes,  das  je  unternommen  worden  und  das  der  modernen 
Medizin  unschätzbare  Dienste  geleistet  hat,  Nun  ist  der 
Mann,  durch  dessen  Initiative  und  rastlose  Tätigkeit  dieses 
Werk  zustande  kam,  aus  dem  Leben  geschieden.  Oberst 
Billings  starb  am  11.  März  dieses  Jahres  zu  New  York 
nach  längerer  Krankheit.  Billings,  dessen  Name  in  der 
ganzen  medizinischen  Welt  bekannt  ist,  hatte  in  Europa  und 
namentlich  auch  in  Deutschland  zahlreiche  Freunde  und  sein 
Tod  wird  daher  überall  tief  betrauert  werden.  Die  Münchener 
med.  Wochenschrift  hat  schon  im  Jahre  1896  eine  Biographie 
Billings  aus  der  gewandten  Feder  Dr.  v.  Win  ck  eis 
gebracht.  Bei  dem  Tode  eines  so  verdienstvollen  Mannes  ist 
es  jedoch  am  Platz,  den  Lesern  dieser  Wochenschrift  sein 
Leben  und  Wirken  noch  einmal  vorzuführen. 

John  Shaw  Billings  wurde  im  Jahre  1838  in  der 
Grafschaft  Switzerland  im  Staate  Indiana  geboren.  Er  machte 
seine  höheren  Studien  an  der  Miami  Universität  in  Oxford,  Ohio, 
welche  ihm  im  Jahre  1857  den  Grad  Magister  artium  verlieh. 
Hierauf  bezog  er  das  Ohio  Medical  College  in  Cincinnati,  wo  er 
im  Jahre  1860  zum  Doktor  der  Medizin  promovierte.  Er  liess 
sich  anfangs  als  praktischer  Arzt  in  Cincinnati  nieder,  trat  aber 
beim  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  als  Militärarzt  in  die 
Unionsarmee  ein.  Er  machte  die  Feldzüge  im  nördlichen  Vir- 
ginien  mit  und  leistete  namentlich  auf  den  Schlachtfeldern  von 
Chancellorsville  und  Gettysburg  hervorragende  Dienste. 
Billings  war  ein  höchst  gewandter  Chirurg  und  viele  der 
schwierigsten  Operationen  wurden  ihm  übertragen.  Am  Ende 
des  Krieges  wurde  er  zum  Hauptmann  befördert  und  in  der 
medizinischen  Abteilung  des  Kriegsdepartements  in  Washing¬ 
ton  angestellt.  Hier  war  es,  wo  er  seine  für  die  medizinische 
Wissenschaft  so  fruchtbringende  Tätigkeit  entfaltete.  Damals 
besass  Amerika  keine  namhafte  medizinische  Bibliothek  und 
bei  der  Abfassung  der  militärmedizinischen  Arbeiten  über  den 
Krieg  wurde  der  Mangel  einer  solchen  tief  empfunden 
B  i  1 1  i  n  g  s  entschloss  ich,  diesem  Mangel  abzuhelfen.  Seinen 
Bemühungen  gelang  es,  den  Kongress  zu  bestimmen,  die 
nötigen  Summen  für  ein  solches  Unternehmen  zu  bewilligen. 
Mit  grosser  Energie  machte  sich  Billings  an  das  Sammeln 
von  Büchern.  Aus  allen  Ländern  Europas  kamen  gewaltige 
Sendungen  von  Büchern,  worunter  eine  grosse  Menge  alter 
und  seltener  Folianten.  Billings  unternahm  selbst  mehrere 
Reisen  über’s  Meer  und  durchzog  England,  Frankreich, 
Deutschland  und  Italien  im  Interesse  seines  grossen  Unter¬ 
nehmens.  In  wenigen  Jahren  kam  auf  diese  Weise  eine  gross¬ 
artige  Büchersammlung  zustande,  welche  die  meisten  älteren 


und  neueren  Werke  und  alle  Zeitschriften  der  modernen  Zeit 
umfasste.  Bei  Billings  Rücktritt  im  Jahre  1895  zählte  die 
Bibliothek  über  85  000  Bände  und  150  000  Broschüren.  Es 
gereichte  der  Bibliothek  zu  grossem  Vorteile,  dass  die  Nach 
feiger  Billings  in  die  Fussstapfen  des  Gründers  traten 
Oberst  Huntington,  Major  Merrill,  Major  Reed  und 
Oberst  Mc  Ca  w  wirkten  alle  in  gleichem  Sinne  fort.  Unter 
der  Leitung  Oberst  M  c  C  a  w  s,  dem  gegenwärtigen  Direktor 
der  Bibliothek,  wurde  dieselbe  allein  durch  76  000  Bände  und 
173  000  Broschüren  vermehrt. 

Mit  der  Gründung  dieser  grossartigen  Büchersammlung 
gab  sich  der  rastlose  Geist  Billings  nicht  zufrieden.  Bei 
der  grossen  Reichhaltigkeit  der  modernen  medizinischen 
Literatur  sah  er  ein,  wie  schwierig  es  war,  die  Literatur  über 
einzelne  Gegenstände  der  Medizin  aufzufinden.  So  unternahm 
er  die  Herausgabe  des  grossen  medizinischen  Kataloges,  der 
die  Entwicklung  der  modernen  Medizin  in  nicht  geringem 
Masse  gefördert  hat.  Der  erste  Band  erschien  im  Jahre  1880 
und  im  Jahre  1895  war  die  erste  Serie  von  16  grossen  Oktav¬ 
bänden  vollendet.  Im  folgenden  Jahre  wurde  die  zweite  Serie 
begonnen,  wovon  bis  jetzt  17  Bände  erschienen  sind.  Aber 
alle  diese  Arbeiten  konnten  dem  rastlosen  Mann  nicht  genug 
Beschäftigung  bieten.  Um  die  in  den  laufenden  Zeitschriften 
veröffentlichten  Arbeiten  und  Abhandlungen  der  medizinischen 
Welt  zugänglich  zu  machen,  begann  er  im  Jahre  1879  in  Ver¬ 
bindung  mit  seinem  langjährigen  Freunde  F 1  e  t  c  h  e  r  die 
Herausgabe  des  monatlich  erscheinenden  Index  Medicus.  Im 
Jahre  1902  wurde  dieses  Werk  von  der  Carnegie  Institution 
übernommen  und  steht  gegenwärtig  unter  der  fachmännischen 
Leitung  Dr.  Garrisons. 

Neben  allen  diesen  Arbeiten  fand  Billings  Zeit,  sich 
mit  anderen  Dingen  zu  beschäftigen.  So  war  die  vitale  und 
medizinische  Statistik  bei  den  Volkszählungen  von  1880  und 
1890  seiner  Leitung  unterstellt.  Im  Jahre  1893  arbeitete  er 
die  Pläne  für  das  Johns  Hopkins  Hospital,  eines  der  grössten 
und  best  eingerichteten  Hospitäler  der  Welt,  aus.  Ueberdit'; 
schrieb  er  eine  grosse  Anzahl  wissenschaftlicher  Abhandlungen 
namentlich  hygienischen  und  medizinisch-statistischen  Inhalts. 
Billings  verfasste  die  beste  Geschichte  der  Chirurgie  in 
cnglischei  Sprache  (1895).  Er  schrieb  auch  eine  Geschichte 
der  amerikanischen  Medizin,  wodurch  er  der  Wissenschaft 
einen  grossen  Dienst  leistete,  indem  er  mit  kritischem  Blick 
das  Material  sichtete  und  alles  Wertlose  beiseite  liess.  Er 
war  auch  Mitarbeiter  an  der  „Medical  and  Surgical  History 
of  the  War“  und  Verfasser  eines  medizinischen  Lexikons. 

Im  Jahre  1895  wurde  Oberst  Billings  in  den  Ruhe¬ 
stand  versetzt,  aber  der  unermüdliche  Mann  ruhte  von  seinen 
Arbeiten  nicht  aus.  Im  gleichen  Jahre  wurde  er  als  Direktor 
der  öffentlichen  Bibliotheken  der  Stadt  New  York  berufen. 
Drei  grosse  Bibliotheken  waren  von  reichen  Männern  an  die 
Stadt  geschenkt  worden.  Es  war  Billings  Aufgabe,  dieses 
Material  zu  ordnen  und  zu  konsolidieren.  Mit  seiner  ge¬ 
wohnten  Energie  löste  er  diese  schwierige  Aufgabe.  Man 
kann  sich  einen  Begriff  von  dem  Umfang  dieser  Bibliothek 
machen,  wenn  man  bedenkt,  dass  dieselbe  2  Milionen  Bände 
und  50  Zweigbliotheken  umfasst. 

B  i  1 1  i  n  gs  grosse  Verdienste  wurden  im  In-  und  Ausland 
voll  gewürdigt.  Er  war  Ehrenmitglied  einer  grossen  Anzahl 
von  wissenschaftlichen  Gesellschaften  in  Amerika  und  Europa. 
Die  Universitäten  Edinburgh,  Harvard,  München  und  Oxford 
ernannten  ihn  zum  Ehrendoktor. 

Billings  besass  ein  reiches  und  vielseitiges  Wissen. 
Im  Umgang  war  er  einfach  und  bescheiden.  Er  war  immer 
heiteren  Sinnes  und  zum  Scherzen  aufgelegt.  Was  ihn  be¬ 
sonders  auszeichnete  war  seine  ungeheure  Arbeitskraft  und 
sein  organisatorisches  Talent,  Eigenschaften,  die  es  ihm  er¬ 
möglichten,  eine  für  die  medizinischen  Wissenschaften  so 
fruchtbringende  Tätigkeit  zu  entfalten. 

Albert  A 1 1  e m ann. 


20.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1097 


Aerztliche  Standesangelegen heiten. 

Das  erste  Vierteljahrhundert  der  preussischen  Aerzte- 

kammern. 

Von  Regierungsrat  Paul  Kaestner  in  Neubabelsberg. 

Die  preussischen  Aerztekammern  blicken  auf  eine  25  jährige 
Arbeit  zurück  und  haben  auf  Wunsch  des  Aerztekaminerausschusses 
/.usammentassende  Berichte  über  ihre  Tätigkeit  herausgegeben,  die 
einen  am  egenden  Einblick  in  die  Entwicklung  des  ärztlichen  Standes 
während  dieses  für  ihn  besonders  bedeutungsvollen  Zeitraums  ge¬ 
währen. 

Die  ersten  Anregungen  zur  Einrichtung  einer  ärztlichen  Standes¬ 
vertretung  gingen  aus  der  rheinischen  Aerzteschaft  im  Jahre  1842 
hervor.  Dt.  Cla  essen  in  Köln  bekämpfte  die  damals  vorge¬ 
schlagene  Beschränkung  des  freier.  Niederlassungsrechtes  der  Aerzte 
und  erblickte  das  wichtigste  Mittel  zur  Hebung  des  Standes  darin, 
dass  die  Regierung  die  Bildung  ärztlicher  Vereine  begünstige  und 
hnen  Einfluss  auf  die  Angelegenheiten  des  ärztlichen  Standes  gebe 
Die  meisten  Bundesstaaten  haben  schon  im  Laufe  der  sechziger 
imd  siebziger  Jahre,  ähnlichen  Gedanken  folgend.  Aerztekammern  und 
ärztliche  Bezirksvereine  gebildet,  und  nachdem  auch  der  deutsche 
\erztetag  gleiche  Wünsche  ausgesprochen  hatte,  folgte  Preussen  im 
Jahre  1887  mit  der  Kgl.  Verordnung  betr.  die  Einrichtung  einer 
ärztlichen  Standesvertretung.  Diese  Verordnung  schuf  die  Aerzte- 
sammern,  wie  sie  seitdem  unverändert  bestehen  geblieben  sind,  doch 
wurden  ihre  Befugnisse  durch  das  Gesetz  vom  25.  November  1899, 
Jas  ihnen  das  Umlagerecht  gab  und  die  Kassen  der  Aerztekammern 
)egriindete,  wesentlich  erweitert.  Neun  Jahre  nach  ihrer  Begründung 
wurde  ihnen  durch  die  Kgl.  Verordnung  vom  6.  Januar  1896  im  preus- 
dschen  Aerztekammerausschuss  das  unentbehrliche  Zentralorgan  ge¬ 
schaffen. 

Für  jede  Provinz  besteht  eine  Aerztekammer,  deren  Mitglieder 
/on  allen  im  Kammerbezirk  ansässigen  Aerzten  auf  drei  Jahre  derart 
gewählt  werden,  dass  auf  je  50  wahlberechtigte  Aerzte  ein  Mitglied 
ind  ein  Stellvertreter  entfällt;  doch  soll  die  Mitgliederzahl  mindestens 
12  betragen.  Die  erste  im  November  1887  gewählte  Aerztekammer 
iir  die  Provinz  Brandenburg  und  den  Stadtkreis  Berlin,  die  seither 
lie  grösste  geblieben  ist,  zählte  bei  1633  wahlberechtigten  Aerzten 
12  Mitglieder.  Im  Jahre  1911  haben  4226  Aerzte  84  Mitglieder  in 
Jiese  Aerztekammer  gewählt,  die  Zunahme  betrug  155  Proz.l  In 
Berlin  zwar  wuchs  die  Zahl  der  wahlberechtigten  Aerzte  „nur“  von 
i032  auf  1658,  im  Regierungsbezirk  Potsdam  aber  wählten  statt  401 
m  Jahre  1887:  2217  Aerzte  im  Jahre  1911!  Eine  Zahl,  die  auf  das 
mgeheuere  Anwachsen  der  Berliner  Vororte  ein  helles  Schlaglicht 
wirft,  gleichzeitig  aber  eine  eindringliche  Warnung  vor  ärztlichem 
'uzug  in  die  Grossstadt  enthält.  Eine  ähnliche  sprunghafte  Zunahme 
'.eigt  auch  die  der  Grösse  nach  an  zweiter  Stelle  stehende  Aerzte- 
;ammer  für  die  Rheinprovinz  und  die  Hohenzollernschen  Lande.  Aus 
hrem  Bericht  geht  hervor,  dass  die  Zahl  ihrer  Mitglieder  im  gleichen 
'eitraume  von  25  Jahren  von  30  auf  63.  im  Regierungsbezirk  Diissel- 
lorf  allein  aber  von  11  auf  28  wuchs,  gleichfalls  um  155  Proz.  Einer 
levölkerungszunahme  in  der  Rheinprovinz  von  rund  68  Proz.  steht 
■ine  Zunahme  der  Aerzte  um  110  Proz.  gegenüber.  Zahlen,  die  bei 
ler  Berufswahl  berücksichtigt  sein  wollen! 

Die  Aufgabe  der  Aerztekammern  besteht  nach  der  Verordnung 
ron  1887  in  der  „Erörterung  aller  Fragen  und  Angelegenheiten,  welche 
len  ärztlichen  Beruf  oder  die  Interessen  der  öffentlichen  Gesundheits- 
>flege  betreffen,  oder  auf  die  Wahrnehmung  und  Vertretung  der  ärzt- 
ichen  Standesinteressen  gerichtet  sind“.  Sie  sind  befugt,  „innerhalb 
lires  Geschäftskreises  Vorstellungen  und  Anträge  an  die  Staatsbe- 
lörden  zu  richten“  und  diese  sollen  ihnen  in  geeigneten  Fällen,  insbe¬ 
sondere  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  Ge- 
egenheit  zu  gutachtlichen  Aeusserungen  geben.  Die  beschränkte 
hsziplinargewalt,  die  ursprünglich  den  Vorständen  der  Aerzte- 
ammern  gegeben  war,  erwies  sich  bald  als  unzureichend  und  aus 
len  Aerztekammern  gingen  nach  dem  Gesetz  vom  25.  November  1899 
lie  ärztlichen  Ehrengerichte  hervor,  die  gleichfalls  den  Bezirk  der 
Tovinz  umfassen  und  aus  dem  Vorsitzenden  sowie  drei  von  den 
verztekammern  aus  ihrer  Mitte  mit  vier  Stellvertretern  gewählten 
Mitgliedern  bestehen,  denen  ein  auf  sechs  Jahre  gewähltes  richter- 
Iches  Mitglied  gleichberechtigt  hinzutritt.  Es  ist  von  Interesse,  dass 
lessen  Mitwirkung,  gegen  die  bei  der  Beratung  der  Gesetzentwürfe 
rhebliche  Bedenken  erhoben  wurden,  „sich  nicht  nur  als  sehr  zweck- 
nässig,  sondern  als  unbedingt  erforderlich  erwiesen  hat",  wie  im 
Bericht  der  hessischen  Kammer  mit  dem  Hinzufügen  besonders  her- 
orgehoben  wird,  dass  „die  mannigfachen  in  Betracht  kommenden 
iesetzesbestimmungen  von  einem  noch  so  sorgsamen  und  gewissen- 
aften  Arzte  unter  keinen  Umständen  beobachtet  werden  können“. 
)er  Charakter  der  Ehrengerichte  als  ärztlicher  Standesgerichte  sei 
ladurch  in  keiner  Weise  verwischt.  Aerzte  und  Juristen  scheinen 
ich  auf  diesem  Gebiete  vorzüglich  miteinander  eingearbeitet  zu 
iahen. 

Von  den  grossen  Aufgaben,  welche  der  Aerztekammer  auf  dem 
iebiete  der  Einwirkung  auf  die  Aerzteschaft  im  Interesse  gleich- 
nSssiger  Behandlung  wichtiger  Standesfragen  geblieben  sind,  werden 
n  den  Berichten  besonders  behandelt  die  Schaffung  einer  ärztlichen 
’tandesordnung,  die  in  11  Provinzen  im  wesentlichen  gleichartig 
lurchgeführt  ist,  die  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums,  die  Fragen 

No.  20. 


der  Ausbildung  der  ärztlichen  Gebührenordnung,  der  ärztlichen  Vor- 
und  Fortbildung,  des  Krankenhauswesens  und  die  viel  umkämpfte, 
einheitlich  auch  noch  nicht  gelöste  Frage  der  Berechtigung  zur 
Führung  des  Spezialarzttitels.  Von  besonders  einschneidender  Be¬ 
deutung  aber  ist  die  Tätigkeit  der  Aerztekammern  bei  Regelung  des 
Verhältnisses  der  Aerzteschaft  zu  den  Krankenkassen,  die  Bildung 
der  Vertragskommissionen  und  die  Feststellung  von  Grundsätzen  für 
die  mit  Krankenkassen  usw.  abzuschliessenden  Verträge  gewesen  und 
die  Aerzteschaft  dankt  ihnen  auf  diesem  eine  Fülle  schwierigster 
wirtschaftlicher  und  rechtlicher  Fragen  in  sich  bergenden  Gebiete 
das  stete  Festhalten  und  bestimmte  Vertreten  so  wesentlicher  wie 
berechtigter  Standesinteressen  in  einer  wirtschaftlich  bewegten,  das 
Bestehen  eines  unabhängigen  Aerztestandes  ernstlich  gefährdenden 
Zeit. 

Erhebliches  und  für  den  ärztlichen  Stand  besonders  Notwendiges 
ferner  ist  auf  dem  Gebiete  der  Wohlfahrtseinrichtungen  geleistet. 
Hilfs-,  Unterstiitzungs-  und  Darlehenskassen  sollen  der  leider  oft  so 
schweren  Not  arbeitsunfähiger  Aerzte  und  ihrer  Hinterbliebenen 
steuern  und  beginnen,  in  einzelnen  Provinzen  zu  leistungsfähigen 
Kassen  heranzuwachsen,  deren  weiteres  Aufblühen  im  Interesse  der 
Aerzteschaft  dringend  zu  wünschen  ist.  Von  besonderem  Segen  war 
hier  die  gesetzliche  Erteilung  der  Berechtigung  zu  Umlagen,  die 
jetzt  durchweg  derart  bemessen  sind,  dass  jeder  Arzt  jährlich  20  M. 
zur  Kasse  der  Aerztekammer  beisteuert.  Die  Aerztekammer  Berlin- 
Brandenburg  erhebt  seit  1901  von  jedem  wahlberechtigten  Arzt  eine 
Grundgebühr  von  10  M.  und  ausserdem  vom  besteuerungsfähigen, 
5000  M.  übersteigenden  Gesamteinkommen  einen  Zuschlag  von  5  Proz. 
des  Staatseinkommensteuerbetrages.  Das  Vermögen  einzelner  Kassen 
ist,  auch  durch  Zuwendungen  vermögender  und  für  ihren  Stand 
opferwilliger  Aerzte,  beträchtlich  gewachsen  aber  gegenüber  der  mit 
der  unverhältnismässig  starken  Vermehrung  der  Aerzte  immer  mehr 
wachsenden  Not  in  vielen  Arztfamilien  lässt  sich  doch  immer  noch 
nur  fragen:  was  ist  das  unter  so  viele? 

Mit  Recht  hebt  schliesslich  der  Bericht  der  rheinischen  Aerzte¬ 
kammer  hervor,  dass,  wenn  auch  im  Hinblick  auf  die  übrigen  den 
Aerztekammern  gestellten  Hauptaufgaben  die  Einwirkung  auf  die 
allgemeine  Gesundheitspflege  naturgemäss  habe  zurücktreten  müssen, 
doch  auch  auf  diesem  Gebiete  entsprechend  den  altbewährten  Tradi¬ 
tionen  des  ärztlichen  Standes  in  den  letzten  25  Jahren  von  den 
Aerztekammern  ganz  erhebliche  Arbeit  geleistet  ist.  Die  bunte  Reihe 
von  Gutachten,  Initiativanträgen  und  mannigfachen  Ausarbeitungen 
aus  dem  Gebiete  der  Hygiene  und  ärztlichen  Fürsorge  verschiedenster 
Art,  die  in  diesen  Rechenschaftsberichten  niedergelegt  sind,  beweist, 
dass  die  Aerzteschaft  in  ihrer  Standesvertretung  nicht  nur  den  In¬ 
teressen  ihres  Standes,  zu  deren  Wahrung  sie  in  erster  Linie  berufen 
ist,  sondern  auch  der  Allgemeinheit  wertvolle  Dienste  geleistet  hat. 

Eine  lange  Reihe  grosser  Aerztenamen  zieht  in  diesen  Be¬ 
richten  an  uns  vorbei.  Viele  Männer  gingen  dahin,  die  in  der  Ge¬ 
schichte  der  ärztlichen  Standesvertretung  unvergessen  bleiben  wer¬ 
den.  Es  sei  nur  an  L  e  n  t  und  an  Loebker  erinnert.  In  dem 
schweren,  die  Manneskraft  aufreibenden  ärztlichen  Beruf  Tüchtiges 
schaffen  und  gleichzeitig  der  Standesvertretung  in  allen  ihren  grossen 
Aufgaben  sachlich  und  weitschauend  dienen,  das  können  nur  Persön¬ 
lichkeiten  leisten,  deren  Arbeitskraft  das  Durchschnittsmass  erheb¬ 
lich  überragt.  Die  lange  ersehnten,  nun  durch  ein  Vierteljahr¬ 
hundert  bewährten  Einrichtungen  für  eine  ärztliche  Standesvertretung 
fordern  für  die  dem  Aerztestande  dunkel  erscheinende  Zukunft  erst 
recht  ganze  Männer,  die  ihrem  für  das  Gemeinwohl  unentbehrlichen 
Beruf  und  seiner  lebensfähigen  Erhaltung  auf  vorgeschobenem  Posten 
dienen:  suaviter  in  modo,  fortiter  in  re!  Daran  ist  über  alle  Be¬ 
rufsgrenzen  hinaus  das  Vaterland  interessiert!  — 


Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen. 

Herr  Bezirksarzt  Dr.  Pürckhauer  in  Dinkelsbühl  gibt  in 
No.  15  dieser  Wochenschrift  seiner  Gegnerschaft  gegen  den  seit  län¬ 
gerer  Zeit  bekannten,  aber  aus  äusseren  Gründen  bisher  noch  nicht 
zur  Verhandlung  gekommenen  Antrag  des  Aerztlichen  Bezirksvereins 
Leipzig-Land  wieder  einmal  scharfen  Ausdruck.  Der  Antrag  will 
die  deutschen  Aerzte  auffordern  oder  ermahnen  —  nicht  zwingen!  — 
auch  für  sog.  gemeinnützige  Unternehmungen  nicht  unentgeltlich 
tätig  zu  sein,  Herr  Kollege  P.  erklärt  es  dagegen  ganz  allgemein  und 
uneingeschränkt  für  „Ehrensache“  der  Aerzte,  dies  zu  tun.  Den  Be¬ 
griff  der  „gemeinnützigen  Unternehmung“  stellt  er  dahin  fest,  dass 
das  Einrichtungen  seien,  die  die  Leistungsfähigkeit,  Schaffenskraft  und 
Wehrmacht  des  Deutschen  Volkes  heben  und  stärken  sollen  und  er 
erwähnt,  dass  „Tausende  von  Männern  und  Frauen  aller  Berufsstände 
ohne  Anspruch  auf  Ersatz  für  ihre  aufgewendete  Zeit  und  Mühe  in 
der  Verfolgung  dieser  idealen  Ziele  wetteiferten“.  Die  Aerzte,  denen 
bei  solchen  Unternehmungen  eine  Fülle  von  Arbeit  zufiele,  sollten  und 
dürften  im  stolzen  Bewusstsein  ihrer  Unentbehrlichkeit  keinesfalls 
materiellen  Gewinn  aus  solcher  Tätigkeit  beanspruchen.  Denjenigen 
Aerzten,  die  einen  solchen  Idealismus  nicht  besässen,  gibt  der  Herr 
Bezirksarzt  den  Rat,  ruhig  die  Uebernahme  solcher  Aeinter  abzu¬ 
lehnen;  niemand  werde  sie  darum  tadeln. 

Mit  Verlaub  Herr  Bezirksarzt,  der  Tadel  liegt  schon  in  der 
ganzen  Art  Ihrer  Beweisführung;  Sie  gehen  von  der  Ueberzeugung 
aus,  auf  Ihrer  Seite  sei  die  ideale,  selbstlose  Gesinnung,  auf  der 
Gegenseite  das  Gegenteil,  die  materielle,  geldgierige  Denkurigsweise, 

4 


1098 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


Fkirn!;  In  dl  ,  Weise  haben  Sie  schon  im  Jahre  1909  in  Ihrer 
Erklärung  der  Kolonnenarzte  vom  Roten  Kreuz  gegen  unser  Vor¬ 
gehen  argumentiert,  ohne  zu  erwägen,  ob  wir  nicht  vielleicht  auch 

hahpnVernUnfnge  °ude,r  KaI.auctl  »ideale“  Gründe  für  unseren  Antrag 
haben,  vor  allem  haben  Sie  nicht  bedacht,  dass  Sie.  als  seit  Jahren 

pn,wr ACh ‘fdDIie*  J’emeiInnutiz'ße  Unternehmungen  unentgeltlich  arbei- 

\nfnrnrhZp  a»rte‘  t'"d  und  d,ass  Sie  deshalb  nicht  ohne  weiteres  den 
Ä  .  -h  erI'e0en  können  dass  man  gerade  Ihr  Urteil  als  mass¬ 
gebend  in  der  Sache  anerkennen  solle. 

Wir  verlangen  auch  gar  nicht  von  Ihnen,  dass  Sie  zugeben 
sol  eu,  falsch  gehandelt  zu  haben;  wir  verlangen  von  Ihnen  zunächst 
nur,  dass  Sie  es  den  Nichtärzten  überlassen,  uns  die  gute  Gesinnung 
abzusprechen,  dass  Sie  selbst  aber  einmal  mit  uns  in  aller  Gemüts- 
luhe  und  ohne  Aufwand  von  patriotischer  oder  moralischer  Ent¬ 
lastung  das  Für  und  Wider  unseres  Standpunktes  erwägen;  denn 
—  im  Vertrauen  gesagt  —  auch  wir  fordern  vom  Arzte  ideale  Ge¬ 
sinnung,  nur  soll  er  sie  nach  unserer  Meinung  durch  gute  und  ge- 
\\  ussenliafte  Arbeit,  nicht  durch  Verschenken  seiner  Arbeitskraft  be¬ 
weisen. 

...  .Zwingen  wollen  wir  Sie,  wie  schon  erwähnt,  nicht,  für  gemein¬ 
nützige  Unternehmungen  nur  gegen  Bezahlung  tätig  zu  sein:  wohl 
aber  wollen  wir  Ihnen  und  den  Ihnen  gleichgesinnten  Kollegen  das 
Gewissen  schärfen,  damit  Sie  sich  genauer,  als  bisher,  überlegen,  ob 
es  nicht  ein  Missbrauch  der  ärztlichen  Tätigkeit  ist,  wenn  immer  und 
immer  wieder  von  uns  unter  der  Firma  der  Gemeinnützigkeit  unent¬ 
geltliche  ärztliche  Berufsleistungen  gefordert  werden.  Denn  das  ist 
der  Unterschied  zwischen  den  von  Ihnen  gepriesenen  „Tausenden 
von  Männern  und  Frauen  aller  Berufsstände“  und  den  Aerzten  dass 
jene  die  Gemeinnützigkeit  als  Sport,  Zeitvertreib  oder  meinetwegen 
als  interessante  Nebenbeschäftigung  treiben,  während  wir  ihnen  mit 
unbesoldeten  Berufsleistungen  beispringen,  ihre  gemeinnützige  Tätig¬ 
keit  vielfach  erst  ermöglichen  sollen. 

Da  nun  aber  alle  ärztliche  Tätigkeit  gemeinnützig  ist  —  auch 
wenn  wir  Ihre  Definition  dem  Begriffe  zugrunde  legen  — ,  so  bleibt 
eigentlich  für  die  Aerzte  nichts  übrig,  wofür  sie  sich  nach 
!  .  ,! 11 . r  ^  k  h  a  u  e  r  bezahlen  lassen  dürften.  Wird  es  nicht  einem 
feinfühligen  Arzte  zehnmal  schwerer  fallen,  einem  armen  Kranken 
f ü i  ärztliche  Behandlung  Geld  abzunehmen,  als  von  einer  gemein¬ 
nützigen  Unternehmung  sich  ein  angemessenes  Honorar  auszu¬ 
bedingen? 

Sie  wollen  anscheinend  gegen  die  Bezahlung  der  ärztlichen  Be¬ 
handlung  im  engeren  Sinne  den  Idealismus  nicht  ins  Feld  führen  und 
nur  che  Gewährung  belehrender,  untersuchender  und  vorbeugender 
ärztlicher  Hilfe  und  auch  diese  nur  an  sog.  gemeinnützige  Vereine  un¬ 
entgeltlich  geboten  wissen;  wir  stehen  dagegen  auf  dem  Standpunkte, 
dass  jede  ärztliche  Tätigkeit  grundsätzlich  bezahlt  werden  solle 
und  dass  es  Standespflicht  der  Aerzte  sei,  nur  Unbemittelten  das 
Honorar  zu  erlassen;  unbemittelt  sind  jene  gemeinnützigen  Organi¬ 
sationen  aber  nur  bei  falscher  Organisation  und  der  Idealismus  jener 
von  Ihnen  gepriesenen  Tausende  erscheint  mir  nur  dann  echt,  wenn 
er  auch  den  Weg  zum  Geldbeutel  findet;  tut  er  das  aber,  so  können 
Sie  nicht  behaupten,  dass  jene  Vereine  kein  Geld  hätten,  um  die 
Aerzte  zu  bezahlen;  haben  sie  doch  jetzt  schon  welches,  um  Fahnen, 
Uniformen,  Ehrenurkunden  und  was  weiss  ich  alles  zu  bezahlen,  um 
Feste  zu  veranstalten  und  Kongresse  zu  beschicken. 

Ferner  ist  es  nicht  richtig,  wenn  Sie  anzunehmen  scheinen,  dass 

die  gemeinnützige  ärztliche  Tätigkeit  —  in  Ihrem  Sinne  aufgefasst! _ 

nirgends  bezahlt  werde;  sie  wird  überall  dort  bezahlt,  wo  die  Aerzte 
genug  Standesgefühl  haben,  um  sich  nicht  weismachen  zu  lassen,  ihr 
„Ansehen  leide  darunter,  wenn  sie  Bezahlung  forderten. 

i  ?üB'iWir.d  in  Leipzig  die  ärztliche  Samaritertätigkeit  weit  besser 
nezahit,  als  die  bei  den  meisten  Krankenkassen,  Tuberkulose-  und 
Saughngsfursorge  desgleichen  und  doch  trifft  bei  uns  deswegen  die 
Aerzte  nicht  der  Vorwurf  mangelnden  Gemeinsinns! 

Was  das  angeblich  erhöhte  Ansehen  derjenigen  Aerzte  betrifft, 
die  unentgeltlich  arbeiten,  so  widerspricht  diese  Meinung  aller  Er¬ 
fahrung;  je  hoher  der  Arzt  sich  bezahlen  lässt,  desto  höher  wird  er 
a  lgemein  geschätzt;  was  nichts  kostet,  taugt  auch  nichts,  sagt  die 
Volksmeinung! 

,.  ^'e  die  Dinge  im  praktischen  Leben  liegen,  so  werden  ja  auch 

*  u,rztue  m?ls*  nicbt  durch  den  Drang  der  inneren  Stimme  zu  un¬ 
entgeltlicher  Leistung  gedrängt,  sondern  durch  den  Herrn  Bürger¬ 
meister,  den  Herrn  Amtsvorsteher  oder  die  gnädige  Frau  von  X.  oder 
A;’  und  es  'St  zweifellos  klar,  dass  der  einzelne  Arzt  durch  solche 
Faktoren  häufig  in  eine  Zwangslage  versetzt  wird  und  schwer  nein 
sagen  Kann. 

Da  soll  ihm  nun  eben  unser  Antrag  und  die  Stimme  der  Organi¬ 
sation  zu  Hilfe  kommen;  wird  im  Sinne  unseres  Antrages  die  Be- 

d*Cr  ^rZutllcheJn  Leistungen  unter  allen  Umständen  als  das 
selbstv  erstandhehe  und  normale  angesehen,  muss  mindestens  erst  die 
Standesvertretung  ihr  Votum  abgeben,  ehe  der  Arzt  sich  unentgelt- 

SHrknncr  VHprfUIfUIif  so-  ist,  das  eine  nich*  z"  unterschätzenue 

Stärkung  der  Stellung  des  einzelnen  Arztes  und  die  obengenannten 

wm-dicr sehr.  leich.|  lernen-  den  Arzt  anders,  als  mit  liebens- 

p  a  ,MabZUSPeiSen:  auch  ist  ja  der  ideal  im  Sinne 
ls  Kollegen  Purckhauer  veranlagte  Arzt  immer  noch  in  der 
Lase»  sein  verdientes  Honorar  ganz  oder  teilweise  der  in  Frage 
s  ehenden  gemeinnützigen  Unternehmung  zur  Verfügung  zu  stellen- 
gleichzeitig  aber  bleibt  er  frei  von  dem  Vorwurfe :  ältliche  Lei¬ 
stungen  verschenkt  und  dadurch  Kollegen,  die  nur  gegen  Bezahlung 


zu  der  gleichen  Tätigkeit  bereit  gewesen  wären,  unterboten  zu 
haben,  endlich  frei  von  dem  Verdachte,  statt  Bezahlung  in  Geld  viel, 
eicht  Vorteile  anderer  Art  —  I  itel  und  sonstige  äussere  Ehren _ er¬ 

hofft  zu  haben.  Kurz  und  gut,  der  Sinn  des  Antrages  Leipzig-Latnl 
ist  nicht,  die  Geldgier  der  Aerzte  zu  fördern  oder  ihre  ideale  Gesin¬ 
nung  zu  untergraben,  sondern  charaktervolle  und  steifnackige  Kol¬ 
legen  zu  erziehen  —  solche,  und  nicht  das  Gegenteil,  fordert  gerade 
die  sozialpolitische  Entwicklung  — ,  Männer,  die  sich  ihres  Wertes 
bewusst  sind  und  die  sich  deshalb  nicht  von  Laien,  sondern  nur  von 
ihrem  eigenen  Gewissen  und  von  dem  Votum  ihrer  Standesgenossen 
vorschreiben  lassen,  was  sie  zu  tun  und  zu  lassen  haben. 

Dr.  med.  Max  G  o  e  t  z  in  Leipzig-Plagwitz. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  in  Strassburg 
(Direktor :  Prof.  Dr.  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g). 

Ueber  die  Physiologie  und  Pathologie  der  Linkshändigkeit*!. 

Von  Dr.  Gabriel  Steiner. 

;^ei,ne  Herren!  In  neuerer  und  neuester  Zeit  haben  sich  wissen¬ 
schaftliche  Beziehungen  zum  Phänomen  der  Linkshändigkeit  fest- 
steilen  lassen,  die  von  der  weittragendsten  Bedeutung  sind.  Deshalb 
IS.*  es  vielleicht  von  Wert,  einerseits  kritisch  zu  sichten,  was  wir  über 
die  1  hysiologie  und  Pathologie  der  Linkshändigkeit  wissen,  ander¬ 
seits  zu  untersuchen,  inwiefern  die  Beziehungen  der  Linkshändigkeit 
zu  gewissen  anderen  Erscheinungen  menschlicher  Organisation  aui 
tester  wissenschaftlicher  Basis  gegründet  sind. 

Die  Frage,  was  Linkshändigkeit  eigentlich  ist,  erscheint  leicht 
I*  ,beantvyort,e!1 , lind  doch>.  wen"  wir  frühere  Resultate,  die  über 
-  tatistik  der  Linkshändigkeit  oder  über  bestimmte  Erscheinungen  an 
Linkshändern  berichten,  miteinander  vergleichen  wollen,  so  werden 
wir  erstaunt  bemerken,  dass  der  eine  Forscher  unter  Linkshändigkeit 
etwas  gänz  mideres  versteht,  wie  der  andere.  Bei  dem  einen  ist 
Linkshändigkeit  eine  morphologisch-anatomische  Eigenschaft,  bei 
dem  anderen  eine  funktionelle,  die  rein  dynamometrisch  ermittelt 
werden  soll,  bei  dem  dritten  ebenfalls  eine  Funktion,  die  durch  die 
häufigere  Verwendung  der  linken  Hand  sich  kennzeichnet,  und 
so  lort. 

f  *.  Clen  verschiedenen  Theorien,  die  man  sich  über  die 

Entstehung  der  Linkshändigkeit  gebildet  hat,  verhält  es  sich  so  Sie 
lassen  an  Verschiedenheit  und  Un Wahrscheinlichkeit  nichts  zu 
wünschen  übrig.  Als  Beispiel  hierfür  erwähne  ich  Ihnen  die  Theorie 
von  F  1 1  e  s  s,  der  die  Linkshändigkeit  in  Beziehung  zur  Sexualität 
bringt.  Nach  ihm  ist  nämlich  jeder  Mensch  bisexual  veranlagt;  die 
ganze  linksseitige  Körperhälfte  sei  jeweils  die  heterosexuale,  so  dass 
also  die  linke  Seite  beim  Mann  weiblich,  beim  Weib  männlich  wäre 
Hann  sei  die  Linkshändigkeit  ganz  einfach  durch  ein  Verschobensein 
der  männlichen  und  weiblichen  Quantitäten  zu  erklären.  Eine  aridere 
absurde  Iheorie  will  die  Rechtshändigkeit  aus  religiösen  Vor- 
ste  lungen  heraus  erklären:  Der  Urmensch  habe  sich  beim  Beten  nach 
Osten  gewandt.  Zur  Mittagszeit  sei  ihm  dann  die  Sonne  zur  rechten 
Hand  erschienen,  diese  ganze  rechte  Seite  habe  ihm  als  die  bessere 
vorgeschwebt  und  diese  Wertung  sich  dann  auch  auf  die  Hand  über- 
eBdärt  U°her  die  Linkshändigkeit  kommt,  ist  freilich  hiemit  nicht 

a  man,  eine  Einteilung  aller  bis  jetzt  über  die  Entstehung 

und  das  \\  esen  der  Linkshändigkeit  aufgestellten  Theorien  zu  machen, 
so  wird  man  biologische  Theorien  allgemeiner  Art,  wie  die  auf 
ar\v imstischen  Prinzipien  gegründete  und  von  Weber  weiter  aus- 
ge  uhite  P  y  e  -  S  m  i  t  h  sehe,  von  psychologischen,  morphologisch¬ 
anatomischen  und  funktionell-physiologischen  ganz  generell  unter¬ 
scheiden  müssen.  Ich  sehe  aber  hier  von  der  Nennung  aller  dieser 
iheorien  ab  und  kann  dies  um  so  eher  tun,  als  keine  der  bis  jetzt 
vorhandenen  eine  hinreichende  Erklärung  des  Phänomens  Links¬ 
händigkeit  zu  geben  vermag. 

Es  leiden  überhaupt  alle  bis  jetzt  aufgestellten  Theorien  daran, 

eiine*ganzu  Reihe,von  Fragen,  die  in  der  Erscheinung  der  Links- 

pfna  a  Clti,V  urborgen  Jiegen’  noch  nicht  mit  genügender  Schärfe  aus- 
einandergehalten  worden  sind.  Es  sind  dies: 

wr  Grundfrage  der  bilateralsymmetrischen  Organisation  des 

Wirbeltierkorpers  überhaupt. 

.  -■  Die  Abweichungen  von  der  Symmetrie  im  Sinne  des  Auftretens 

zelnen  O?  anismS3^  6112  ^  einem  paarig  angelegten  Teile  des  ein- 

n h 0 r y.'- ^  ^ Sa  ^ 'ii « f ru  n p ,e y1  e r  solchen  Prävalenz  dergestalt,  dass  die 
•  iege']de  Mehrzahl  der  einzelnen  Mitglieder  einer  Art  diese  ein¬ 
seitige  Ueberwertigkeit  aufweist  und  zwar 

rw  L  *n  cde-r.  y  e,lse’  dass  der  einseitig  auftretenden  Prävalenz  auf 
_,Kf‘neAn  ,Seit®  etwä  auf  der  rechten)  bei  der  Mehrzahl  eine  in  der- 
seiben  Art  und  Weise  symmetrisch  dazu  auf  der  anderen  Seite  auf- 

npn  mLV°rtra?  '"  der  Sitzung  des  Strassburger  naturwissenschait- 
Lr  f  dizin  FChen  Vereins  vom  29.  November  1912,  der  hier  in  etwas 
erweiterter  Form  zur  Veröffentlichung  kommt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1099 


20.  Mai  1913. 


retende  Ueberwertigkeit  bei  der  Minderheit  der  Artindividuen 

•ntspricht. 

Der  grösste  Teil  aller  dieser  Fragen  und  Probleme  ist  noch  gar 
licht  in  Angiiff  genommen,  geschweige  denn  gelöst.  Infolgedessen  ist 
s  wohl  auch  noch  zurzeit  unmöglich,  eine  Antwort  auf  die  Frage 
u  geben,  worauf  eigentlich  die  Linkshändigkeit  beruht. 

Das  Alltägliche  der  Erscheinung,  dass  jemand  linkshändig  ist, 
erteitet  dazu,  achtlos  an  den  tiefgreifenden  Ursachen,  die  der  Links- 
ändigkeit  zugrunde  liegen,  vorüberzugehen,  weiter  aber  resultiert 
araus  auch  eine  landläufige  Anwendung  des  Begriffes  Linkshändig¬ 
st,  die  für  eine  wissenschaftliche  Begriffsbestimmung  nicht  ge- 
iigen  kann.  In  einwandfreier  Weise  wird  nach  Stier  als  Links¬ 
änder  ein  Mensch  bezeichnet,  bei  dem  „eine  Disposition  zur  leich¬ 
ten,  besseren  und  schnelleren  Ausführung  feinster  koordinierter 
Bewegungen“  seitens  der  linken  Hand  besteht  und  wir  dürfen  noch 
inzufügen,  dass  diese  Disposition  eine  ererbte  und  angeborene  sein 
iuss,  wenn  sie  auch  erst  im  Verlauf  des  kindlichen  Lebens  zum  Vor- 
chein  kommt. 

Ein  Mensch,  der  durch  irgend  einen  Unglücksfall  die  Gebrauchs- 
ihigkeit  der  rechten  Hand  verliert,  der  weiterhin  durch  Uebung  er- 
eicht,  dass  seine  linke  Hand  so  geschickt  ist,  wie  es  seine  rechte 
■  ar,  ist  deshalb  also  noch  kein  Linkshänder,  denn  ursprünglich  be¬ 
fand  die  Disposition  zur  feinsten  Bewegungskoordinierung  nur  an 
er  rechten  Hand  Die  nachfolgende  Beobachtung  kann  auch  noch 
eiter  zur  Erklärung  des  Begriffes  „Links-“  bzw.  „Rechtshändigkeit“ 
ienen:  Ein  14  jähriges  Mädchen  mit  einer  angeborenen  rechts- 
iitigen  Schulterluxation  nach  hinten  machte  eine  Anzahl  von  Zweck¬ 
ewegungen  mit  der  rechten  Hand,  andere  wieder  mit  der  linken 
chneiden  mit  Schere  oder  Messer,  Zuknöpfen,  Nadeleinfädeln, 
[ammerschlagen,  Kartenmischen  z.  B.  wurde  rechterseits,  Fliege¬ 
ingen,  Ballwerfen,  Glasaustrinken  linkerseits  unternommen,  mit  der 
nken  Hand  also  gerade  nur  diejenigen  Handlungen,  bei  denen  die 
ewegung  im  Schultergelenk  von  wesentlicher  Bedeutung  war.  In 
iesem  Fall  bestand  also  durchaus  an  der  rechten  Hand  die  Dispo¬ 
tion  zur  leichteren,  besseren  und  schnelleren  Ausführung  feinster 
oordmierter  Bewegungen,  d.  h.  Rechtshändigkeit,  diese  Disposition 
rächte  es  mit  sich,  dass  trotz  einer  schweren  peripheren  Schädigung 
es  rechten  Armes  für  einen  grossen  Teil  von  Zweckhandlungen  die 
:chte  Hand  benützt  wurde  und  nur  die  rechterseits  unausführbaren 
ewegungen  wurden  mit  der  linken  Hand  vorgenommen. 

In  der  Sportsprache  findet  das  Moment  der  Disposition  ebenfalls 
nen  Ausdruck,  wenn  nämlich  eine  Unterscheidung  zwischen  „Natur- 
nkser“  und  „Kunstlinkser“  gemacht  wird,  auf  diese  Weise  soll  der 
ispositionell  Linkshändige  von  dem  erst  durch  Einübung 
im  Linkser  gewordenen  dispositionell  eigentlich  rechtshändigen 
.enscheii  unterschieden  werden. 

Der  Begriff  der  Disposition  bildet  also  ein  wesentliches  Merk- 
al  der  Linkshändigkeit,  ein  weiteres  ebenso  wichtiges  betrifft  die 
unktion.  Und  zwar  muss  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
cht  die  Funktion  als  solche  und  überhaupt  in  Betracht  kommt, 
indem  eine  bestimmt  geartete  Funktion,  die  Leistung  von  feinsten 
weckbewegungen  nämlich.  Vor  allem  für  die  Bewertung  dieser 
genartigen  Funktion  geeignet  sind  nach  Redlich  Beschäftigungen, 
e  eine  gewisse  Kraft  und  Geschicklichkeit  erfordern,  ohne  eigent- 
:h  erlernt  oder  berufsmässig  betrieben  zu  werden.  Stier  ver¬ 
rat  zur  Erkennung  der  Linkshändigkeit  Methoden,  die  es  uns  er- 
öglichen,  den  nur  von  äusserlichen  Umständen  abhängenden  Faktor 
;r  Erziehung  zu  eliminieren,  um  die  Anlage  rein  in  die  Erscheinung 
eten  zu  lassen.  Hiezu  brauchbar  sind  nach  Stier  Bewegungen, 
e  gar  nicht  von  der  Erziehung  abhängig  sind  oder  ohne  eine  solche 
lernt  werden,  ferner  solche,  die  so  schwierig,  kompliziert  oder  ge¬ 
hrvoll  sind,  dass  sie  trotz  aller  Erziehung  mit  der  besser  veran- 
gten  Hand  ausgeführt  werden.  Als  besonders  charakteristisch 
öchte  ich  hier  eine  Beobachtung  anführen,  die  Näcke  mitteilt:  Ein 
ausmädchen  führte  die  alltäglichen  einhändigen  Bewegungen  ge- 
öhnlich  rechts  aus  und  nur,  wenn  sie  mit  scharfen  Messern  zu  tun 
itte,  gebrauchte  sie  die  linke  Hand. 

Die  Prüfung  der  groben  Kraft  ist  zur  Feststellung  der  Links- 
indigkeit  gänzlich  unbrauchbar.  Im  allgemeinen  ergibt  ja  die 
ynamometermessung  beim  Rechtshänder  rechts,  beim  Linkshänder 
iks  eine  grössere  Kraftleistung.  Darüber  aber,  dass  bei  Linkshändern 
iuüg  dynamometrisch  eine  Mehrleistung  der  rechten  Hand  nach- 
eisbar  ist,  besteht  kein  Zweifel,  und  Entsprechendes  gilt  auch,  aller- 
ngs  nicht  ganz  so  häufig,  für  die  Rechtshänder.  Mit  der  Dynamo- 
sterprüfung  können  wir  also  die  Rechts-  bzw.  Linkshändigkeit  eines 
enschen  nicht  ermitteln.  Die  meisten  der  früheren  statistischen  und 
ideren  wissenschaftlichen  Ergebnisse  über  das  Vorkommen  und 
erhalten  linkshändiger  Menschen,  wie  sie  z.  B.  von  Lombroso 
id  seinen  Schülern  berichtet  wurden,  sind  unbrauchbar,  weil  zur 
üfung  auf  Linkshändigkeit  sehr  häufig  nur  ein  dynamometrisches 
erfahren  benützt  wurde. 

Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Bedeutung  der  morpho- 
gisch-anatomischen  Asymmetrien  zwischen  rechter  und  linker 
'erer  Extremität.  Dass  die  Rechtshändigkeit  morphologisch-ana- 
misch  einen  Ausdruck  findet,  ist  schon  lange  bekannt.  Die  Hand- 
huhmacher  z.  B.  wissen,  dass  die  rechte  Hand  bei  der  Mehrzahl 
r  Menschen  grösser  ist,  wie  die  linke.  Genaue  Messungen  der 
uskulatur  an  der  Leiche  ergaben  eine  stärkere  Ausbildung  der 
uskeln  auf  der  prävalierenden  Seite.  Ebenso  liess  sich  feststellen, 
ss  die  bevorzugte  obere  Extremität  ein  grösseres  Gewicht,  einen 


grösseren  Umfang  und  eine  grössere  Länge  der  Knochen  als  die 
andere  aufwies.  Untersuchungen  am  Lebenden  hatten  das  Ergebnis, 
dass  der  rechte  Arm  beim  Rechtser,  der  linke  beim  Linkser  in  ganzer 
Ausdehnung  einen  grösseren  Umfang  und  eine  grössere  Länge  hatte: 
beim  Linkser  wurden  Differenzen  bis  zu  1  cm  im  Umfang  des  linken 
Armes  gegenüber  dem  schmaleren  rechten  gefunden.  Nun  sind  hin¬ 
sichtlich  dieser  morphologischen  Prävalenz  zwei  Tatsachen  bekannt, 
die  ihre  Beziehung  zur  funktionellen  Prävalenz  in  ein  eigentümliches 
Licht  rücken.  Erstens  einmal  ist  bei  Neugeborenen  trotz  emsigen 
Suchens  noch  kein  anatomischer  Unterschied  zwischen  rechter  und 
linker  oberer  Extremität  gefunden  worden,  und  zweitens  hat  sich 
ein  deutliches  Missverhältnis  der  Prozqntzahlen  von  anatomischer  und 
funktioneller  Prävalenz  herausgestellt;  die  sogen.  „Skelettlinkser“ 
sind  nämlich  viel  zahlreicher,  als  die  „Funktionslinkser“.  Worauf 
das  beruht,  wissen  wir  nicht.  Die  Annahme,  dass  bei  einer  grösseren 
Zahl  von  Menschen  die  Disposition  zur  Linkshändigkeit  latent  vor¬ 
liege,  als  sie  sich  dann  wirklich  entwickle,  bedarf  noch  weiterer 
Stützen.  Die  anatomische  Asymmetrie  zwischen  rechter  und  linker 
oberer  Extremität  ist  wohl  doch  etwas  sekundäres,  da  sie  aus  der 
schon  lange  vorher  angelegten  funktionellen  hervorgeht  und  in 
manchen  Fällen  entsteht  sogar  entgegen  der  funktionellen  Mehr¬ 
begünstigung  durch  irgendwelche  Einflüsse  gerade  auf  der  funktionell 
schwächeren  Seite  eine  anatomische  Ueberwertigkeit.  Jeder  von 
uns  verfügt  über  Erfahrungen,  wonach  bei  exquisit  rechtshändigen 
Menschen  durch  irgendwelche  krankhaften  Prozesse  eine  Schädigung 
der  rechten  oberen  Extremität  entstand  und  so  eine  morphologisch¬ 
anatomische  Minderwertigkeit  derselben  sich  herausbildete,  die  doch 
funktionell  durchaus  überwertig  war  und  blieb. 

Beiläufig  sei  hier  auch  erwähnt,  dass  bei  Tieren,  vor  allem  bei 
Affen,  morphologisch-anatomische  Differenzen  zwischen  der  rechten 
und  linken  vorderen  Extremität  nachweisbar  waren,  jedoch  keinerlei 
Unterschiede  in  der  Funktion. 

Linkshändigkeit  und  Rechtshändigkeit  sind  demnach  als  eigen¬ 
artige,  auf  endogene  Disposition  gegründete,  funk¬ 
tioneile  Asymmetrien  aufzufassen.  Inwiefern  sind  nun  bis 
heute  Beziehungen  dieser  Asymmetrien  zu  anderen  normalen  Organi¬ 
sationsmerkmalen  der  menschlichen  Art  festzustellen  gewesen? 

Aji  die  B  r  o  c  a  sehe  Entdeckung  vom  motorischen  Sprach¬ 
zentrum  im  Fussteil  der  dritten  linken  Stirnwindung  hat  sich  alsbald 
die  Erkenntnis  angeschlossen,  dass  aphasische  Sprachstörungen  bei 
Linkshändern  fehlten,  wenn  die  Brocasche  Stelle  im  linken  Gross¬ 
hirn  geschädigt  war  und  weiterhin  trat  Aphasie  dann  bei  Links¬ 
händern  auf,  wenn  eine  (der  Brocaschen  Stelle  entsprechende) 
Region  im  Fussteil  der  3.  rechten  Stirnwindung  lädiert  war.  Da¬ 
mit  war  ein  ganz  neues  Licht  auf  die  Erscheinung  der  Rechts-  bzw. 
Linkshändigkeit  gefallen.  Und  nun  häuften  sich  im  Laufe  der  Jahre 
und  Jahrzehnte  die  Beweise  dafür,  dass  die  Rechts-  bzw.  Links¬ 
händigkeit  gar  nichts  anderes  darstellte,  als  ein  äusseres  Merkmal 
einer  fundamentalen  menschlichen  Organisation,  gemäss  deren  die 
eine  Grosshirnhälfte  der  anderen  in  einer  ganzen  grossen  Anzahl  von 
einzelnen  Funktionen  übergeordnet  ist,  und  zwar  bei  der  über¬ 
wiegenden  Mehrzahl  der  Menschen  (ca.  95  Proz.)  ist  die  linke  Gross¬ 
hirnhemisphäre,  bei  nur  5  Proz.,  die  rechte  Grosshirnhemisphäre  die 
prävalente.  Fraglich  ist,  ob  dieses  prozentuale  Verhältnis  zu  allen 
Zeiten  so  war,  wie  es  heute  ist.  Es  gibt  Forscher,  die  behaupten, 
dass  in  prähistorischen  Zeiten  und  auch  jetzt  noch  bei  Naturvölkern 
Linkshändigkeit  häufiger  sei,  als  der  Zahl  von  5  Proz.  entspricht. 
Erwähnenswert  ist  hier  auch  das  Ergebnis  der  Massenstatistik  im 
deutschen  Heer,  wonach  eine  fortschreitende  Zunahme  der  Links¬ 
händigkeit  von  Nordosten  nach  dem  Westen,  dem  Süden  und  Süd¬ 
westen  des  Reiches  besteht,  in  dem  Masse,  dass  die  geringsten 
Zahlenwerte  in  Ostpreussen  sich  finden,  die  höchsten  in  Württemberg. 

Im  folgenden  soll  Ihnen  nun,  meine  Herren,  das  Tatsachen¬ 
material  vorgelegt  werden,  auf  dem  sich  die  Anschauung  von  der 
Prävalenz  der  einen  Grosshirnhälfte  über  die  andere  aufbaut. 

Das  motorische  und  das  sensorische  Sprachzentrum,  d.  h.  die 
Bildungsstätten  für  die  Wortbewegungs-  und  die  Wortklangvor¬ 
stellungen,  sowie  diejenigen  für  Schreiben  und  Lesen  sind,  soweit 
überhaupt  eine  Lokalisation  möglich  ist,  ziemlich  eng  auf  gewisse 
Stellen  der  linken  Grosshirnhemisphäre  beschränkt.  Bis  jetzt  lässt 
sich  dies  alles  freilich  nur  mit  Hilfe  von  Erfahrungen  aus  der  Patho¬ 
logie  feststellen,  gemäss  deren  der  rechtshändige  Mensch  nur  dann 
an  bestimmt  gearteten  sogen,  aphasischen,  agraphischen  und  ark¬ 
tischen  Störungen  erkrankt,  wenn  gewisse  Stellen  im  linken  Gross¬ 
hirn  geschädigt  sind.  In  ganz  analoger  Weise  finden  sich  klinische 
Krankheitsbilder  derselben  Art  beim  Linkshänder,  wenn  die  ent¬ 
sprechenden  Stellen  im  rechten  Grosshirn  erkrankt  sind.  Schreiben 
und  Lesen  bildet  sich  aber  erst  auf  Grund  rein  sprachlicher  Leistung 
heraus  und  so  wird  es  nicht  wundernehmen,  dass  die  Ueberwertig¬ 
keit  der  linken  Grosshirnhälfte  über  die  rechte  beim  Rechtshänder 
und  der  rechten  über  die  linke  beim  Linkshänder,  wie  für  die 
Sprache,  so  auch  für  die  vom  Sprachlichen  abhängigen  Leistungen 
des  Lesens  und  Schreibens  gilt.  Neuerdings  wissen  wir  aber,  dass 
auch  von  der  Sprache  unabhängige  Leistungen  zunächst  allein  von 
der  linken  Grosshirnhemisphäre  des  Rechtshänders  aus  geleistet 
werden.  Nach  1  iepmanns  Apraxieforschungen  wird  nämlich  bei 
vielen  Läsionen  der  linken  Hemisphäre,  die  die  rechte  Hand  lähmen 
oder  zu  Zweckbewegungen  unfähig  machen,  auch  die  Fähigkeit  der 
linken  Hand,  komplizierte  Zweckbewegungen  in  richtiger  Weise  aus¬ 
zuführen,  erheblich  geschädigt.  In  ganz  analoger  Weise  ist  dann 

4* 


100 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


?“cb  deT  Nachweis  geführt  worden,  dass  Linkser 

trotz  jahrelanger  Uebung  des  rechten  Armes  und  der  rechten  Hand 

recl  tpnV,?^5!0  apraktisdl  "erden,  wenn  sie  eine  Läsion  in  der 
rechten  Grosshn  nhemisphare  erleiden. 

erschXft1*  SiSu  d‘e  Erfabrungen  aus  der  Pathologie  noch  nicht 
erschöpft.  Abgesehen  von  den  aphasischen  und  apraktischen  Stö- 

PechKh'indp^rf1^  •  dUICh  t1e,rde  in  der  linken  Qrosshirnhälfte  des 
Rechtshänders  bzw  in  der  rechten  Grosshirnhälfte  des  Linkshänders 

liervorgerufen  werden,  gibt  es  auch  agnostische  Störungen,  bei  denen 
dokiimpnrprf11' n  Cra  e  Ueberwertigkeit  gewisser  Hirnstellen  deutlich 
dnt?  !  r :  ,Die..S0S'  beeulcnblindhei‘  Oder  optische  Agnosie  kann 
PeehKlrind  ‘nksC1^ !ge  HirnIierde  im  linken  Hinterhauptslappen  des 
Rechtshänders  Zustandekommen,  sind  mehrere  Herde  im  Grosshiru 
vorhanden  so  muss  bei  dieser  Störung  ein  Herd  immer  linkseitig 
1  gen,  rechtseitige  Hinterhauptsherde  bewirken  ausser  bei  f  inks- 
handern  keine  Seelenblindheit  (Liepmann).  Weiter  ist  hier  eine 
eobachtung  Oppenheims  anzuführen,  wonach  durch  einen  Herd 
in  der-  linken  Grosshirnhälfte  eine  taktile  Agnosie,  d.  h.  ein  Verlust 

K?Se73"„nwa‘r.nUr  der  reCh'e"'  SOnder"  der  linken  Hand 

Bie  sehen  meine  Herren,  die  Ausbeute,  die  sich  uns  aus  der 
n  fiipUn8:iarn|kravken  Menschen  ergeben  hat,  ist  eine  äusserst  reich- 
FunkHnnpl  Verv'T!'tl!ng  djeser  Erkenntnisse  für  die  normalen 
vnf  menschlichen  Grosshirnes  und  speziell  für  die  An- 
scnauuiig  von  der  Pravalenz  der  einen  Grosshirnhälfte  über  die 
andere  dürfen  wir  aber  auch  deshalb  ganz  unbedenklich  sein  weil 

Stützen  ^dr'nMiP  plt  HlJfe  dfr  Pnifung  normaler  Funktionen  wirkliche 
"  mtzen  für  die  I  rayalenztheone  gewonnen  haben.  Ich  meine  damit 

£  !,S"  rT  NachrlS’  ™  er,vnn  Stier  geführt  wTrdenSi, 

Mnndf^iiR  cf  I  die.ZentreM  der  Bewegungen  der  Beine  und  des 
Mundfaziahs,  sondern  in  geringem  Grade  auch  für  die  Bewegungen 

JpSnpAUgen  aaZiallS,funk,tlonelle  Unterschiede  der  Grosshirnhälften  be- 
Sl  nfUndadaSS.die,gleiche  Hirnhälfte  wie  bei  den  Bewegungen  der 
StP  te  d7n  eipZ?  nen  Menschen  die  funktionell  überlegene  Hirn- 
Mpn  f  St‘  a  Prüfung  geeignete  Methoden  sind  nach  Stier  für 
den  Fuss  das  Weitspringen,  Schlittern  und  Ballstossen  für  den 

I  idschTuss38  Voi7s  H  p  dCS  1indcs  "ach  der  Seite  und  der  isolierte 
Liascniuss.  Von  Stier  selbst  wurde  eine  Zahl  von  5000  Personen 

Statist ik 6 arT  moOfMhSk  ;h--P?ft  U”d  ,w<fiterhin  durch  eine  Massen- 
der  Beweis  f  ir  h?p  S  'f'fü  und  6000  rechtshändigen  Soldaten 
orävS  erhrint  R,c5t'gkeit  der  funktionellen  Fazialis-  und  Bein- 
I  t  yalenz  erbiacht.  Schon  vor  Stier  waren  einzelne  Beoh- 

fioneUl!egnnp?ävalpnt’  S-e  a-uf  die  hem‘laterale  Organisation  der  funk- 
avalenz  hinwiesen.  1832  machte  Bell  auf  die  Links- 
beinigkeit  als  vereinzelte  Erscheinung  aufmerksam  ”  Nach 
I  'ervhet  besitzen  die  Schuhmacher  die  Kenntnis,  dass  90 'bis 
,6,  alIer  Menschen  rechts  einen  stärkeren  Fuss  haben  Von 
Balletttänzerinnen  und  Reitern  soll  nach  Gutzmann  die  Ueber- 
cgenheit  des  rechten  Beines  unbedingt  anerkannt  werden  Nach 
Nacke  soll  der  Rechtser  beim  Anziehen  seiner  Hosen  zuerst  in 
das  rechte  Hosenbein  fahren,  der  Linkser  zuerst  in  das  linke 

d e nd r e ch t e n ' F uss °s t ä rk er  ° i  ' «  w°chen  ihres  Lebens  gewöhnlich 

uen  iccnten  russ  staiker  dorsal  flektieren,  als  den  linken  unter  für 

Kide  Fasse  gleichen  Umständen.  Bezüglich  der  mimischen  Gesichts 

muskulatur  ist  folgender  Versuch,  den  H  a  1 1  e  r  v  o  r  d  e  n  und  I  i  p  n  I 

mann  angestellt  haben,  von  Interesse:  Von  der  gleichen  Film 

2e  gS™/ ”"d  eilie  sSÄldÄ 

iicigcsient,  oanri  wuiden  die  beiden  Kopien  n  der  Mitte  zersehniüpn 
und  n„„  aus  de.,  teid™  Hälften,  die  die  linke  und  denen  die  die 

sKHjT*g ÄüS’iM 

o  f  üie.beirn  Beschauen  des  Menschen,  wenn  es  sich  n.Vfit 

meistens  das  rec^Büd  ak  das^61"  ^lffendes:  dass  man  nämlich 

äs  x££&g£S5!a*  ä 

links  bestehen?  Nadi  O  roll;  ?  Differenzen  zwischen  rechts  und 
ergaben  bei  Rechtshändern  rechts  °p-nhm  asynJ®trie  sensorielle 


No.  20. 

auf  ,d.5^  !inkeIl  Seite,  in  allen  Empfindungsqualitäten  nach  demselben 
V  erhältnis.  Nach  S  t  i  e  r  zeigen  Schmerzgefühl  und  Berührumrs. 
empfindung  nur  bei  einem  Teil  der  Alenschen  eine  halbseitige  Diffp. 
reaz‘  Bie  ^em5r,e  Organisation  finde  sich  aber  dann  fast  ausnahmslos 
aut  dei  geschickteren  Handseite,  beim  Rechtshänder  rechts,  beim 
Linkshänder  links. 

Es  sei  mir  noch  gestattet,  kurz  auf  einige  Ergebnisse  exDeri. 
«!>er  Untersuchungen  aufmerksam  zu  machen,  die  verschiedene 
Ivomplmertc  Qualitäten  und  deren  Differenzen  zwischen  der  rechten 
und  linken  oberen  Extremität  an  demselben  Individuum  zum  Gegen¬ 
stand  haben  So  wurde  z.  B.  von  Jacques  Loeb  bei  seinen  Unter 
suchungen  über  den  Fühlraum  der  Hand  festgestellt,  dass  sich  der 
Rechtser  vom  Linkser  verschieden  verhält.  Loebs  Versuclm. 
anordnung  war  folgende:  Die  beiden  Arme  wurden  nach  vorwärts 
gerichtet,  promert  gehalten  und  so  weit  einander  genähert,  bis ' die 
radialen  Seiten  der  Hände  mit  Daumen  und  Zeigefinger  in der  ve 
lungerten  sagittalen  Mittellinie  des  Körpers  sich  trafen.  Es  wurden 
nun  die  Versuchspersonen  aufgefordert,  mit  den  Fingern  bei  ve 
schlossenen  Augen  nach  rechts  und  links  in  gleichen  Zeiten  gleiche 
Strecken  zuruckz ulegen.  Dabei  zeigte  sich,  dass  beim  Rechtser 
wohnlich  die  rechte  Fühlstrecke  kleiner  war  wie  die  linke,  während 
sich  der  Linkser  umgekehrt  verhielt.  Es  beruht  dies  wahrscheinlich 
darauf,  dass  die  Summe  der  Empfindungsnachrichten  während  der 
Bewegung  entsprechend  der  feineren  Organisation  des  Empfindung^ 

,  Ss  derMrechuen  bzf-  der  linken  Hand  beim  rechts-  bzw 
inkshandigen  Menschen  äuf  der  besser  organisierten  Seite  in  der 
■ltemheit  grosser  ist  als  auf  der  anderen;  infolgedessen  wird  die 
selbe  Raumstrecke  auf  der  feiner  organisierten  Seite  grösser  er- 

lü-plvt”  Ijind  d,esbaIb  dailn  aucb  auf  der  feineren  Seite  eine  kürzere 
^tiecke  als  mit  der  auf  der  anderen  gleich  lang  erachtet. 

ZiUr  Prüfun£  der  Schwereempfindung  wandte  Bauer  eine  von 
ihm  als  passive  Schatzung  bezeichnete  Methode  an.  Hiebei  wurden 
die  Arme  des  zu  ■  Untersuchenden  vom  Experimentator  über  dem 

mp?difni-en\-FrfaSSti  Und  erhoben’  während  der  Untersuchte  bei  Ver¬ 
meidung  aktiver  Innervationen  die  an  seinen  Händen  hängenden 
h^,'crhte  zu  schätzen  hatte.  Es  ergab  sich,  dass  normale  Rechts- 
1  ander  im  allgemeinen  erhobene  Gewichte  links  und  Linkshänder 
dagegen  diese  Gewichte  rechts  überschätzen.  Zur  Erklärung  dieser 
-rscheinung  nimmt  Bauer  an,  dass  die  Schwereempfindlichkeit  die 
Pppm6!?-  dfS  Pfrr;fPt!onsapparates  der  Sehnen  und  Muskeln  bei 
Rechtshändern  links,  bei  Linkshändern  rechts  schärfer  sei  ’  Die 
feinere  Schwereempfindung,  die  nach  Lot  mar  klinisch  nachweil 

lteL^?lfüTn,  Zül  homolateralen  Kleinhirnhälfte  besitze,  sei 
vielleicht  durch  die  bessere  Entwicklung  der  rechten  Kleinhirn 

finkP^S  des  Rechtshänciers  gegenüber  seiner  linken,  bzw  der 
bedingt.K  hirnha  ftC  d6S  Linkshanders  gegenüber  dessen  rechter 

B  u  v?Cp  Ifall'L-11  lnf-C|lte  ich.lhnen.als  neueste  Versuchsreihe  die  von 
i  .  X  6  e  *1  d  y  k  anfuhren,  der  seine  Versuchspersonen  aufforderte 

darin  aufbeidPn  S?/p1SCh  bdaterale  Bewegungen  auszuführen  und  der 
a »r '  au'  beid€n  Seiten,  z.  B.  an  beiden  Armen  den  Beginn  und  Verlauf 

Shfer  uSf  lXrihn  feSFterllte-  •  Dabei  zeigte  sidb  dass  »wiShei 
lccmei  und  Imker  oberer  Extremität  eine  Differenz  im  Beginn  der 

p?lh°tIIF-r<!mWe  en  bestand,  und  zwar  war  die  Zeitdifferenz  bei 
Rechtshändern  ungefähr  in  Dreiviertel  der  Fälle  rechts  länger  bei 
Linkshändern  entsprechend  meist  links.  ' 

i  b'S  °]djSen  b*?r  auch  noch  einige  andere  Versuche  Erwähnung 
nden,  auf  denen  sich  die  Annahme  von  Differenzen  zwischen  rechter 

die  annstren«SrSrhf  “Edet  S°  faild  Q  1  j  ^  a  c  h  bei  Soldat«, 
dim  d  heinubun,gen  ffemacllt  hatten  und  die  dann  mit 

«Ster.  £f' 5trtCrSUÄ  w,urden-  bei  Rechtshändern  auf  der 
der  tTastkreKSk  p  auf  der  linken  beite  eine  grössere  Zunahme 
B  ü  “r  Interessant  sind  fernerhin  die  Beobachtungen 

Händen  Eteich7P?,v  S?iedeni-Kencht?>te  Bewegungen  mit  beiden 
Kreis  auf  sich  Vn  Inii  dubren  hess,  z.  B.  mit  der  einen  Hand  einen 
heräL  dall  bpfheTphipd  a+ndenn  V01‘  S‘ch  fort-  Dabe*  stellte  sich 
wurde’  uSreo-PlmKSp  r  lgter  Bewegung  immer  ei”e  Hand  unsicher 
HandfnlT  H  Bewegungen  machte  und  dann  der  anderen 

tüchtige®  tf>erDppphI?fi1d  Tar  ,in™er,die  auch  sonst  funktionell  minder 
Handels  dte  ^ füSde ^  at'e  d'e  reC"‘e'  der  U"ksCr  die 

wonach  die  schon  CiottDber  Ci'i  Auee"»™P<om  bei  Linkshändern. 

binokulare  1  ok-alkior!  p  0  s  e  ”  b  a  c  b  gefundene  Tatsache,  dass  die 
a,V™  “  i,  J  Uokahsierung  eines  Gegenstandes  sich  mit  der  vom  rechten 

soll  B  ,neile7ZTe  7?|deCke’  bei  Linkshändern  nicht  zutreffe, i 
linken  Au»  S  i  Zah  v?n  d,clf n  so]l  nämlich  das  mit  dem 
Lokalisation  riPs  npä  3/  g€Seben?  Bild  sich  mit  der  binokularen 
i  5;  rii1l  ?  Stv'dCS  decker]-  Jedoch  konnte  Stier  bei 
c;?M  ,hp  ,  L  g  dieser  Versuche  sie  nicht  bestätigen. 

I SlIÄ-SLiSiSef  ?. 

Diese  Regel  veltP  nhnp  AH  5a  fte.  irmervierten  Körperhälfte  haben“. 

P  inzip  aber  iPhi  p4usnahai?  bei  den  Linkshändern,  sie  gelte  im 
dieser  die  mitriüvphn  Iv  bei  den  Rechtshändern.  Mit 

S  eht  e  ne  vnl  rV  fYachstl™sfunktionen  betreffenden  Erfahrung 
eine  von  Beretta  nachgewiesene  Erscheinung  in  nahem 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1101 


^0.  Mai  1913. 

Zusammenhang.  Darnach  kommen  die  Milchzähne,  wenn  bei  Kindern 
iberhaupt  eine  Asymmetrie  im  Milchzahndurchbruch  besteht,  bei 
Rechtshändern  rechts,  bei  Linkshändern  häufig  links  früher  zum 
Durchbruch.  Beretta  ist  der  Ansicht,  dass  für  die  Ursache  des 
asymmetrischen  Milchzahndurchbruchs  dieselbe  Ursache  anzu- 
chuldigen  sei,  wie  bei  der  Links-  bzw.  Rechtshändigkeit,  nämlich 
ine  zerebrale. 

Mit  diesen  letztgenannten  Tatsachen  sind  die  bis  jetzt  bezüglich 
ler  funktionellen  Differenz  zwischen  rechter  und  linker  Körperseite 
ekannten  beschrieben,  sie  weisen  alle  mit  zwingender  Beweis- 
uhrung  auf  die  Prävalenz  der  linken  Qrosshirnhälfte  über  die  rechte 
icim  Rechtshänder,  der  rechten  über  die  linke  beim  Linkshänder  hin. 

Sie  werden  mich  nun  fragen,  meine  Herren,  inwiefern  sind  denn 
iis  jetzt  auch  noch  andere  Grundlagen  nachgewiesen  worden,  die 
iie  betreffenden  Hirnpartien  grob-morphologisch,  histologisch  oder 
onst  irgendwie  als  die  höher  entwickelten  oder  besser  ausgebildeten 
rkeunen  Hessen.  Auf  Ihre  Frage  kann  ich  Ihnen  leider  nur  ant¬ 
worten,  dass  abgesehen  von  den  klinischen  und  physiologischen 
iehere  Grundlagen  der  Prävalenz  der  einen  Grosshirnhemisphäre 
her  die  andere  noch  ausstehen.  Was  bis  jetzt  beschrieben  worden 
st,  kann  als  noch  nicht  hinreichend  sicher  gestellt  gelten. 

Von  rein  morphologischen  bzw.  histologischen  Aufstellungen 
oder  sich  in  der  Literatur  folgende:  Die  YVindungen  der  linken 
lemisphäre  sollen  sich  stärker  und  früher  entwickeln  (Q  ratiolet); 
in  unteren  linken  Frontallappen  soll  ein  grösserer  Reichtum  an 
\  indungen  bestehen,  während  bei  der  Untersuchung  zweier  von 
nkshändigen  Personen  stammender  Gehirne  die  Windungen  rechts 
ahlreicher  waren  als  links  (Broadbent).  Weiter  wurde  gesagt, 
ass  schon  bei  der  Geburt  der  Durchmesser  der  Ganglienzellen,  die 
en  Armen  entsprechen,  links  grösser  sei  als  rechts  (V  i  v  i  a  n  i), 
ass  das  linke  Handzentrum  ausgedehnter  sei  als  das  rechte  (Allen 
tarr.  Exner),  dass  die  Area  striata  am  linken  Okzipitallappen 
iel  weiter  auf  die  laterale  Fläche  herüberreiche,  als  am  rechten, 
.'ach  Flechsig  ist  der  hinter  der  He  sch  Ischen  Furche  gelegene 
vbschnitt  der  linken  oberen  Schläfenlappenfläche  bzw.  der  linken 
emporalwindung  links  in  der  Regel  länger  als  rechts.  Ein  Links¬ 
änder  zeigte  in  dieser  Beziehung  eine  andere  Anordnung.*  Nach 
indon-Mellus  soll  ein  beträchtlicher  Unterschied  im  zellularen 
lau  der  Broca  sehen  Windung  zwischen  rechts  und  links  bestehen, 
isofern  die  Tiefenausdehnung  dieser  Windung  sich  auf  der  linken 
eite  bei  drei  untersuchten  Gehirnen  erheblicher  erwiesen  habe,  als 
uf  der  rechten. 

Fälschlicherweise  wurde  auch  behauptet,  dass  das  Gewicht  der 
uken  Hemisphäre  ein  grösserers  als  das  der  rechten  sei  (Bo yd, 
iroca).  Auch  soll  das  spezifische  Gewicht  der  grauen  Substanz 
i  der  linken  Stirn-,  Scheitel-  und  Hinterhauptsregion  ein  höheres 
ein,  wie  das  der  rechten  (Bastian). 

Hier  zu  erwähnen  wäre  wohl  auch  noch  die  freilich  mehr  ins 
hysiologische  Gebiet  hinüberweisende  Anschauung  von  einer 
wischen  rechts  und  links  bestehenden  Differenz  in  der  arteriellen 
'urchblutung  des  Gehirns.  L.  B  o  1  k  will  nachgewiesen  haben,  dass 
i  einer  gegebenen  Zeit  eine  grössere  Blutmenge  durch  die  linke 
arotis  wie  durch  die  rechte  ströme,  was  aber  bezüglich  einer 
'ifferenz  der  Blutversorgung  zwischen  den  beiden  Hemisphären 
.’lbst  noch  nichts  beweisen  kann.  Wenn  diese  Verschiedenheit  der 
lutversorgung  tatsächlich  die  Ursache  für  die  Superiorität  der  linken 
rosshirnhälfte  über  die  rechte  wäre,  dann  müsste  bei  Situs  viscerum 
iversus  oder  bei  der  sog.  Dysphagia  lusoria  (Hyrtl),  d.  h.  dem 
Imormen  Ursprung  der  Arteria  subclavia  dextra  nach  der  Sinistra, 
ulfallend  häufig  Linkshändigkeit  bestehen,  was  keineswegs  zutrifft, 
nd  dementsprechend  müssten  bei  der  Autopsie  von  Linkshändern 
efassverhältnisse  mit  ausgesprochener  Varietätenbildung  der  eben 
.'nannten  Art  gefunden  werden,  was  ebenfalls  nicht  erweisbar  ist. 

Eigentlich  wäre  nun  noch  einiges  zu  sagen  über  das  phylo- 
enetische  Alter  der  Linkshändigkeit,  ferner,  ob  die  Rechts-  bzw. 
inkshändigkeit  älter  ist  als  die  Sprache,  ob  unter  den  Kindern  Links- 
indigkeit  häufiger  ist  als  unter  Erwachsenen  und  wie  überhaupt  die 
ntwicklung  der  Rechts-  bzw.  Linkshändigkeit  bei  Kindern  vor  sich 
äht;  über  funktionelle  Asymmetrien  bei  Tieren,  über  die  Beziehungen 
er  sog.  Zirkularbewegung  zur  Links-  bzw.  Rechtshändigkeit;  weiter 
>er  den  Zusammenhang  zwischen  Linkshändigkeit  und  Spiegel- 
dirift  und  endlich  über  die  Frage  der  Vererbung  und  Vererbbarkeit 
er  Rechts-  bzw.  Linkshändigkeit.  Die  Erörterung  aller  dieser 
robleme  aber,  die  an  und  für  sich  ja  so  sehr  interessant  sind,  müssen 
ir  hier  leider  unterlassen,  da  ihre  Besprechung  uns  zu  viel  Zeit  in 
nspruch  nehmen  würde,  und  da  wir  in  den  folgenden  Darlegungen 
ir  die  unanfechtbare  Beweisführung  für  die  funktionelle  Ueber- 
ertigkeit  der  einen  Grosshirnhälfte  über  die  andere  benötigen,  so 
ie  sie  oben  ausführlich  dargestellt  worden  ist. 

Die.  Rechts-  bzw.  Linkshändigkeit  reiht  sich  also  ein  in  eine 
ruppe  von  Organisationsmerkmalen  und  Leistungen,  aus  denen  wir 
it  Sicherheit  den  Schluss  auf  eine  übergeordnete  Tätigkeit  der 
neu  Grosshirnhälfte  über  die  andere  ziehen  dürfen.  Die  Annahme 
:gt  nun  nahe,  dass  es  auch  eine  Pathologie  dieser  Ueber- 
i  dnungsörganisation  geben  muss.  Wir  müssen  die  Frage 
n’werfen,  wie  weit  bis  jetzt  Anhaltspunkte  für  eine  derartige  Hypo- 
ese  gewonnen  sind. 

Wir  kennen  Entwickelungshemmungen  des  Gehirns,  die  sich 
cht  in  Form  von  herdförmigen  Störungen  manifestieren,  sondern 
’i  denen  ein  Zustand  vorhanden  ist,  den  wir  als  Schwachsinn,  als 


Idiotie  oder  Imbezillität  bezeichnen.  Wie  verhält  es  sich  nun  hier 
rnit  den  Erscheinungen,  die  wir  als  Merkmale  der  hemisphäralen 
Uebereinanderschaltung  kennen  gelernt  haben.  Es  lässt  sich  der 
bemerkenswerte  Nachweis  führen,  dass  diese  Schwachsinnigen  in 
einer  überaus  grossen  Anzahl  von  Fällen  wirkliche  Ambidexter  sind, 
wahllos  wird  von  ihnen  bei  Zweckbewegungen  einmal  die  rechte, 
ein  ander  Mal  die  linke  Hand  benützt,  ohne  dass  sich  eine  besondere 
Prädilektion  erkennen  Hesse.  Sehr  häufig  ist  als  weiteres  Zeichen 
eine  nur  mangelhafte  oder  gänzlich  fehlende  sprachliche  Ent¬ 
wickelung  nachweisbar. 

Eine  weniger  hochgradige  Störung  der  Hemisphärenüberordnung 
scheint  in  den  Fällen  vorzulicgen,  wo  infolge  von  später  einsetzender 
zerebraler  Erkrankung  eine  Umwandlung  der  Rechts-  in  Links¬ 
händigkeit  auftritt.  Bis  jetzt  ist  darüber  Folgendes  bekannt:  Im 
Verlauf  einer  kindlichen  Enzephalitis  tritt  eine  rechtsseitige  Hemi¬ 
plegie  auf,  die  sich  aber  wieder  anscheinend  zur  völligen  Genesung 
zurückbildet.  Ein  einziges,  dauerndes  Restsymptom  ist  dann  aber 
häufig  nachweisbar  und  das  ist  das  Bestehen  von  Linkshändigkeit; 
die  rechte  Hand  und  der  rechte  Arm  sind  zwar  vollständig  funktions¬ 
tüchtig,  aber  bei  feineren  und  feinsten  Zweckhandlungen  wird  die 
linke  Hand  bevorzugt.  Nach  Redlich  sollen  diese  Fälle  als  solche 
von  pathologischer  Linkshändigkeit  gegenüber  denen  von  normaler 
Linkshändigkeit  unterschieden  werden.  Er  weist  darauf  hin,  dass  bei 
der  pathologischen  Linkshändigkeit  diese  gewöhnlich  ein  singuläres 
Vorkommnis  in  der  Familie  ist.  Eine  weitere  Beobachtung  ist  uns 
von  K  1  e  h  m  e  t  mitgeteilt  worden,  der  bei  einem  akut  einsetzenden 
jugendlichen  Verblödungsprozess  die  Umwandlung  von  Rechts-  in 
Linkshändigkeit  nachweisen  konnte,  welch  letztere  dann  auch 
dauernd  bestehen  blieb.  Einen  Fall  von  ähnlicher  Umwandlung 
konnte  ich  bei  einem  Fall  von  seniler  Demenz,  die  mit  amnestischer 
Aphasie  einherging,  feststellen. 

Weiterhin  müssen  wir  eine  ganze  Gruppe  von  Tatsachen  jetzt 
hier  anführen,  deren  Bedeutung  für  die  Pathologie  der  hemisphäralen 
Ueberordnungsorganisation  zwar  noch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit 
feststeht,  die  aber  doch  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Bewertung 
der  beiden  verschiedenen  Prävalenzformen,  der  sinistrozerebralen 
und  der  dextrozerebralen,  ist.  Es  hat  nämlich  den  Anschein,  wie 
wenn  die  beiden  Ueberordnungstypen,  die  wir  kennen  gelernt  haben, 
die  der  linken  Hemisphäre  über  die  rechte  (Typus  Rechtser)  und  die 
der  rechten  Hemisphäre  über  die  linke  (Typus  Linkser)  einander  nicht 
vollständig  gleichwertig  gegenüberstehen.  Hinsichtlich  des  Links- 
händertypus  sind  eine  ganze  Reihe  von  Nachweisen  geliefert  worden, 
die  diese  dextrozerebrale  Prävalenz  in  ein  eigentümliches  Licht 
rücken. 

Mit  Sicherheit  ist  bis  jetzt  festzustellen  gewesen,  dass  unter 
Linkshändern  selbst,  unter  Kindern  noch  mehr  wie  unter  Erwach¬ 
senen,  bedeutend  mehr  Stotterer.  Stammler  und  andere  Sprach- 
gestörte  ähnlicher  Art  sich  finden.  Und  entsprechend  Hess  sich  zeigen, 
dass  auch  in  der  Verwandtschaft  linkshändiger  Menschen  mehr 
Sprachstörungen  vorkamen,  als  in  der  von  rechtshändigen. 

Untersuchte  man  Sprachgestörte  (d.  h.  Stotterer,  Stammler,  Hör¬ 
stumme  usw.)  selbst,  so  ergab  sich  hiebei  ein  viel  grösserer  Prozent¬ 
satz  von  Linkshändern,  als  der  Norm  entspricht.  Zirka  25  Proz.  aller 
derartigen  Sprachgestörten  waren  linkshändig. 

Weiter  finden  sich  in  Linkshänderfamilien  häufiger  echte  epilep¬ 
tische  Erkrankungen.  Eine  daraufhin  gerichtete  Statistik  ergab  in 
294  Linkshänderfamilien  4,1  Proz.  Angehörige  mit  echter  Epilepsie, 
während  in  273  Familien  vom  gleichen  Milieu,  in  denen  nichts  von 
Linkshändigkeit  nachzuweisen  war,  keine  Epilepsie  sich  zeigte.  Die 
psychischen  und  nervösen  Störungen  sonstiger  Art  waren  in  beiden 
Familienkategorien  gleich  an  Zahl,  beidemal  4,8  Proz.  Schon  seit 
Lombroso  ist  es  bekannt,  dass  unter  Epileptikern  mehr  Links¬ 
händer  sich  befinden,  es  konnte  aber  auch  der  Nachweis  erbracht 
werden,  dass  unter  der  nächsten  Verwandtschaft  von  rechtshändigen 
Epileptikern  Linkshändigkeit  sich  ausserordentlich  häufig  vorfindet. 
Ich  selbst  fand  eine  Prozentzahl  von  mehr  als  80  Proz.  rechtshändiger 
Epileptiker  mit  Linkshändigkeit  in  der  Familie  und  Redlich,  der 
diesen  neu  erhobenen  Befund  nachprüfte,  konnte  ihn  bestätigen,  aller¬ 
dings  ist  sein  Prozentsatz  niedriger;  er  beträgt  nur  48,5  Proz.  Die 
entsprechenden  Zahlen  unter  normalen  Menschen  betragen  10  bis 
15  Proz.  mit  linkshändigen  Verwandten,  unter  Geisteskranken  und 
Nervenkianken  mit  Ausschluss  von  Epilepsie  ca.  20  Proz.  mit  links¬ 
händigen  Verwandten.  Ausser  Sprachstörungen  und  Epilepsie  finden 
sich  aber  anscheinend  auch  Taubstummheit  und  Farbenblindheit  unter 
Linkshändern  häufiger  als  unter  Normalen. 

Lieber  die  Beziehungen  zwischen  Linkshändigkeit  und  Ver¬ 
brechen  ist  wohl  auch  noch  einiges  zu  sagen.  Lombroso  führt 
in  seinem  Buch  vom  Verbrecher  an,  dass  in  der  Emilia  und  in  der 
Lombaidei  das  Volk  mit  dem  Ausdruck  „linkshändig“  den  Begriff 
von  Betrüger  verknüpfe  (so  wie  wir  etwa  den  Ausdruck  „Langfinger“ 
für  Dieb  gebrauchen)  und  er  weist  darauf  hin,  dass  gerade  die  Be¬ 
trüger  das  grösste  Kontingent  von  Linkshändern  stellen  (33  Proz.). 
Im  Durchschnitt  findet  Lombroso  sonst  23  Proz.  Linkshändigkeit 
unter  den  Verbrechern.  Dem  stimmt  Ellis  zu.  Marro  findet 
28  Proz.,  Wey  bei  Dieben  13  Proz.,  Baer  dagegen  bei  Verbrechern 
nur  1  Proz.  Linkshänder  und  5  Proz.  Ambidexter.  Hier  gilt  wohl, 
dass  der  Ambidexter  nur  ein  verkappter  Linkshänder  ist.  Zu  er¬ 
wähnen  ist  noch  die  Beobachtung  von  Stier,  der  bei  seinen  Unter¬ 
suchungen  im  Heer  feststellen  konnte,  dass  mehr  Linkser  als  Rechtser 
gerichtlich  bestraft  seien.  Dementsprechend  fand  er  in  einem 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I  cstiingsgefängnis  nicht  4,6  Proz.  Linkser  wie  in  der  Truppe,  sondern 
14  Proz.  Unter  den  Homosexuellen  sollen  sich  angeblich  auch  mehr 
Linkshänder  als  unter  den  Normalen  finden. 

Bei  einer  Erörterung  des  Zusammenhangs  zwischen  Linkshändig- 
Lmt  und  Degenerationszeichen  ist  in  Anbetracht  des  noch  ungeklärten 
Begriffes  „Degenerationszeichen“  die  grösste  Vorsicht  am  Platz  Er- 
u ahnen  mochte  ich  aber  doch,  dass  Stier  unter  den  linkshändigen 
So  daten  bedeutend  mehr  frühere  Bettnässer  und  Debile,  d.  h.  leicht 
Schwachsinnige  fand.  Weiter  ist  ebenfalls  nach  Stier  die  Zahl  der- 
jenigen  Soldaten,  die  überhaupt  Degenerationszeichen  hatten,  aber 
auch  derer,  bei  denen  die  Entartungszeichen  gehäuft  sich  fanden,  unter 
den  linkshändigen  Soldaten  bedeutend  höher  als  unter  den  rechts- 
nancugen. 

Wenn  ich  wiederholen  darf,  was  für  eigentümliche  Verhältnisse 
Sn  n  bei  dem  Vergleich  des  dextrozerebralen,  d.  h.  Linkshändertypus, 
mit  dem  sinistrozerebralen,  d.  h.  Rechtshändertypus,  ergeben  haben, 
so  zeig',  sich,  dass  Sprachstörungen,  epileptische  Erscheinungen,  viel¬ 
leicht  auch  I  aubstummheit  und  Farbenblindheit,  ferner  Debilität  und 
.ntai  tungszeichen  unter  Dextrozerebralen  häufiger  sich  finden  als 
iriter  Sinistrozerebralen  und  dass  endlich  auch  möglicherweise  eine 
t  eziehiing  zwischen  Linkshändigkeit  und  Verbrechen  in  der  oben 
ausgefuhrten  Weise  besteht. 

Alle  die  eben  genannten  Resultate  finden  anscheinend  eine  be- 
i  icdigende  Erklärung  darin,  dass  die  Linkshändigkeit  selbst  als  De¬ 
generationserscheinung  aufgefasst  wird.  Lässt  sich  aber  eine  solche 
Aunassung  auch  rechtfertigen?  Ich  glaube,  wir  dürfen  diese  Frage 
voi  läufig  nicht  bejahen.  Die  Zeichnung  vom  Linkshänder,  wie  sie 
soeben  vor  Ihren  Augen  entworfen  worden  ist,  und  wie  sie  der  in 

\:I.teratiJr  medergelegten  Anschauung  auch  im  wesentlichen  ent¬ 
spricht,  bedarf  einer  erheblichen  Korrektur.  Die  einzelnen  düsteren 
rarben,  die  das  ganze  Bild  zusammensetzen,  sind  doch  nur  mit  Zu- 
huienahme  von  statistischen  Methoden  entstanden  und  hiebei  ist 
Folgendes  zu  bedenken: 

prct  nil-,?e,ZetCh4nUI,s:en:  Sprachstörung,  Taubstummheit,  vollends 
erst  Debilität,  Entartungszeichen  und  Neigung  zum  Verbrechen  haben 

T frc&vnr  vfng  J1Ur  a  S  Zusta”dsbilder,  sie  stellen  nichts  einheitlich 
n,  cfS  !?tS  dar’  Sie  s!nd  Symptome,  die  aus  den  verschiedensten 
ui  Sachen  heraus,  aus  familiären  und  individuellen,  aus  endogenen 
mi  I  exogenen  entstehen  können.  Auf  der  anderen  Seite  ist  aber 

S  Äha"dlgkeit.^-  die  ihr  zu  Qrunde  Hegende  dextrozere- 
biaie  Ueberordnung  nichts  ursächlich  Einheitliches.  Wir  haben  schon 
«iben  festgestellt  dass  die  Linkshändigkeit  im  individuellen  Leben  durch 
Krankheit  erworben  werden  kann  (pathologische  Linksh.).  Ausserdem 

vfrPrhbaiS!  a"dere  Form  der  Linkshändigkeit,  die  ohne  Zweifel  ein 
vereiblaies  familiäres  Merkmal  darstellt  und  sich  bei  50 — 60  Proz 

f' cniL“lkshaJ,der  nacI,lweise”  lässt.  Eigentlich  sind  nun  diese  zwei 
. r sch i n  u  ngsf  o  rme  n  dextrozerebraler  Ueberordnung  von  einander 
vollständig  zu  trennen.  Freilich  wird  eine  solche  Unterscheidung 
nicht  immer  eicht  sein,  denn  wir  müssen  uns  doch  wohl  vorstellen, 
dass  einerseits  ein  singuläres  Vorkommen  von  Linkshändigkeit  in 

finkcK-3!?  u  I1111  sfheinba[  ein  singuläres  sein  kann,  insofern  die 
Linkshändigkeit  weit  zurückliegender  Ahnen  sehr  häufig  unbekannt 

Fwvnd  f‘C1  sete" i  wird  auch  über  friihverstorbene  allernächste 
ham.l.englieder  eine  Kenntnis,  ob  sie  rechts-  oder  linkshändig  waren 
'ICJ‘ JnorTha”de»  sc.1”-  .Auf  der  anderen  Seite  können  in  Familien, 
Fwren  Linkshändigkeit  gar  nicht  selten  ist,  doch  auch  linkshändige 
Familienmitglieder  Vorkommen,  deren  Linkshändigkeit  als  eine  patho- 
Mgische  angesehen  werden  muss.  In  den  meisten  Fällen  wird^ndes 
Sn-iSlCHVerhia  t’  ,ein  Familienmitglied  als  normal  vererbt  links- 
nr  äfr,  der  a  nfPathuI0glSch  linkshändig  zu  betrachten  ist.  wenn  man 
wirdS  akö  '!fchforscht  und  gründlich  untersucht,  feststellbar  sein.  Es 
i'iPli  S0  bei  statistischen  und  anderen  Untersuchungen  über  die 
Beziehung  der  Linkshändigkeit  zu  den  oben  genannten  Erscheinungen 
zu  den  Sprachstörungen,  zu  der  Epilepsie  usw.  auf  die  Art  der  [£ 

genagt11,  rt>bf  Sie  ‘rndoffen  oder  exogen  zustande  gekommen  ist 
genau  geachtet  werden  müssen.  Denn  so  erst  lässt  sich  die  Fraire 
überhaupt  beantworten,  ob  die  Linkshändigkeit  eine  Entartungs- 
scheinung  darstellt,  die  durch  eine  endogene,  im  Keim  selbst  ange 
legte  und  vererbungsfähige  Eigenart  bedingt  ist. 

sn.>!Elffirahlrf!»  darf  icp  vielleicht  hier  als  ein  anschauliches  Bei- 
V'  e  T  1  ,  d  e  .  e*ne  Form  von  Linkshändigkeit  die  Tatsache 
der  Linkshändigkeit  des  Malers  Menzel,  um  so  eher  "  als 

durch  7m,  4enaue  Untersuchung  des  M  e  n  z  e  1  sehen  Gehirns 
,i  p  .  ,vo”  Hansemann  besitzen.  Bei  Menzel  fand  sich  eine 
deutliche  Asymmetrie  zu  Ungunsten  der  linken  Grosshirnhälfte  im 

der  Furchen  €l"fa<The.ren  Bildung  und  einer  primitiveren  Gliederung 
du  Furchen  der  linken  Grosshirnhemisphäre,  ausserdem  aber  noch 
ein  leichter  Hydrozephalus.  Zu  Lebzeiten  hatten  epileptoide  Er¬ 
scheinungen  (Krämpfe  und  Ohnmächten)  bestanden.  Wir  haben  also 
hier  in  dem  objektiven  Gehirnbefund  und  in  den  klinischen  Krank¬ 
heitserscheinungen  den  deutlichen  Hinweis  darauf,  dass  eine  frühere 
Gehirnerkrankung  bei  Menzel  Vorgelegen  haben  muss  dass  ako 

fnedIis11fiSi1hWIrfkeit-Mei"Zels  °der  seine  dextrozerebrale  Prävalenz 
tn-m,  <Jtbiet  der  singular-pathologischen  einzureihen  ist.  Sie  sehen 
rne.iie  Herren,  wie  wichtig  die  obige  Unterscheidung  der  beiden 
,,  A.n,  vo"  Linkshändigkeit  ist  und  wie  erst  eine  auf  diese  Unter¬ 
scheidung  gegründete  Statistik  die  Bedeutung  der  Linkshändigkeit 
als  einer  hereditären  Entartungserscheinung,  klarstellen  kann."  ’ 

Gestatten  Sie  mir  nach  dieser  Kritik  des  degenerativen  Mo¬ 
mentes,  das  man  im  Auftreten  der  Linkshändigkeit  sehen  wollte, 


No.  20. 


nur  noch  zum  Schluss  einige  Worte  über  die  Zweckmässigkeit  der 
/ weihandigkdtsbewegung  oder,  wie  man  sie  auch  genannt  hat  der 
a''  jS  llr;  Hler.  und  d°rt  ist  ja  auch  in  der  Tagespresse  davon 
die  Rede,  wo  in  überschwenglichen  Ausdrücken  behauptet  wird  das« 
der  Fortschritt  des  ganzen  menschlichen  Geschlechts  von  der’ Ver 
breit ung  und  Entwicklung  der  Ambidextralerziehung  abhänge  In 
Lngland  und  Amerika  haben  sich  sogar  schon  Gesellschaften  für 
Ambidextralkultur  konstituiert  und  sie  zählen  nicht  wenig  Mitglieder 
Eigentlich  ergeben  sich  die  praktischen  Schlussfolgerungen  au« 
unseren  Darlegungen  von  selbst,  sie  sprechen  ein  gewaltiges  Wort 
gegen  die  Zweihändigkeitsbestrebungen.  Wir  haben  ja  die  Rechts- 
bzw  Linkshändigkeit  nur  als  ein  einzelnes  Merkmal  einer  asvmme- 
tnschen  Gehirnorganisation  kennen  gelernt  und  dieses  Merkmal  bzw 
die  ihm  zu  Grunde  liegende  Hemisphärenanordnung  dokumentiert  sieh 
auch  sonst  in  Erscheinungen  (Sprache,  Lesen,  Schreiben,  hochent¬ 
wickelte  Eupraxie  usw.),  die  uns  den  anderen  Primaten  gegenühe? 
eine  wesentlich  höhere  Organisation  verleihen.  Die  funktionell- 
Ueberordnung  der  Grosshirnhälften  stellt  sich  ohne  weiteres  dar  als 
eine  sehr  hohe  Differenzierungsstufe  der  menschlichen  Art. 

Deshalb  darf  es  uns  auch  nicht  wundernehmen,  wenn  man  einen 
Zusammenhang  zwischen  erzwungener  Ambidextrie  und  Stottern 
beobachtet  hat  und  wenn  gerade  bei  hörstummen  linkshändigen 
Kindern  der  ärztliche  Rat,  die  Umgewöhnungsversuche  zur  Rechts- 
hundigkeit  zu  unterlassen,  hier  die  Erlernung  der  Sprache  wesentlich 
gefordert  hat  (Stier).  Die  Umgewöhnungsversuche  der  linkshändi¬ 
gen  Kinder  zu  rechtshändigen,  wie  sie  von  manchen  Erziehern  fast 
gewaltsam  ausgeubt  werden,  sind  ja  im  eigentlichen  Sinne  auch 
nichts  anderes  als  Doppelhändigkeitsbestrebungen  und  es  kann  nie¬ 
mand  sagen,  dass  sie  von  einem  besonderen  Erfolge  begleitet  wären, 
i  •  i  -  djn  erwachsenen  Menschen  freilich  wird  die  Ausbildung 
!ni'der  ,HanidVU  gl.eicher  Geschicklichkeit  keine  Störungen  der  hemf- 
spharalen  Ueberordnung  mehr  nach  sich  ziehen.  Hier  ist  wohl  an¬ 
zunehmen,  dass  die  Ausbildung  der  funktionell  minderwertigen  Hand 
sic.i  unter  Leitung  der  übergeordneten  Hemisphäre  vollzieht  und  so 
auch  dieser  wieder  zugute  kommt.  Darauf  weisen  die  Erfahrungen 
aus  der  Pathologie  (Liepmanns  Apraxielehre!)  hin.  Natürlich 
In  d  ?a„S1Cb  Um  d'e  Zweckmässigkeit  einer  derartigen  doppelhändigen 
Ausbildung  für  das  erwachsene  Individuum  handeln;  der  Einzelne 
w  iid  sich  im  gegebenen  Fall  fragen  müssen,  ob  der  Wert  der  doppel- 
V>lWh,  Ausbildung  dem  der  hiefür  aufgewandten  Zeit  entspricht 
da'  lch  hier  erwah”e”,  dass  bei  bestimmten  Berufen  der 
Rechtshänder  gezwungen  wird,  mit  der  linken  Hand  gewisse  Mehr- 
leistungen  äuszufuhren  und  dass  dies  von  selbst  geschieht,  ohne 
dass  der  Rechtser  vorher  den  Doppelhändigkeitsbestrebungen  unter- 
rprf«n  gew?sen  sein  muss.  In  solchen  Fällen  lässt  sich  auch  nicht 
der  Nachweis  fuhren,  dass  der  Rechtser  im  Vergleich  zu  dem  der 
I  oppelhandigkeit  doch  näher  kommenden  Linkshänder  einen  he- 
,  i;dCrer,  "achtel.1  in  seinem  beruflichen  Fortkommen  aufzuweisen 
hatte.  Als  derartige  Berufe  nenne  ich  die  Glasbläser,  die  die  schwere 
jlasmachei  pfeife  mit  der  linken  Hand  führen,  ferner  die  Kellner 

set/fm  lll\Sh’  I  elleFr*f  Q1,fiseIr  dem  Oast  mit  der  linken  Hand  vor- 
setzcn.  Nach  den  Entscheidungen  der  Unfallgesetzgebung  wird  bei 
diesen  Berufen  auch  die  linke  Hand  als  die  für  die  Beurteilung  der 
Lrwerbsfahigkeit  wichtigere  angesehen.  g  aer 

wjrkbche  Ambidextrie  nur  bei  einer  gewissen  Art  von 
j.  chwachsinmgen  vorkommt,  wurde  schon  oben  gesagt.  Eine  schein- 
bai  e  Ambidextrie  bildet  sich  aber  manchmal  auch  beim  Linkshänder, 
de'  in  hohem  Masse  den  Doppelhändigkeitsbestrebungen  unterworfen 
ist,  wird  ja  schon  allein  durch  die  elterliche  Erziehung  durch  Er- 

neh-"nriin  d6r  SIVUle  UTnd  beim  MiIit‘;ir>  durch  de”  unvermeidiiehen 
eifiSrrÄ Chen  bistrumenten,  die  nur  für  den  Rechtshänder 
a  an  dFeine  Ausbildung  zur  Doppelhändigkeit  von  Anfang 

A'lhS?  '  •  fclIe,  dri^e;.  freilich  vollständig  gefälschte  Art  von 
TiStaS rie  bnngf  der  Erfindungsgeist  der  unfälligen  Linkshänder 
it  1S!  IVOhi  beka””L  dass  die  Unfallrenten  für  rechts- 

ois  fih-  „  I  und  Handverletzungen  gewöhnlich  um  10  Proz.  höher 
u  s  fui  gleiche  Verletzungen  auf  der  linken  Seite  bemessen  werden. 

,  gdn?  entsP>'ccliender  Weise  kommt  dem  Linkshänder  bei  Ver- 
lctzu1  gen  der  linken  Hand  oder  des  linken  Arms  die  höhere  Rente 
I!;  Hm  Verletzungen  an  der  rechten  oberen  Extremität  wird  nun 
r;!"  Linkshänder  seine  Linkshändigkeit  verheimlichen,  bei  Ver- 
«retit“nrfCm  U1Pen  Pf’ld  wird  er  dagegen  seine  Linkshändigkeit 
IG  l  T  ,  [  ,  So, stebt’  w!e  sich  Markus  ausdrückt,  „der  wirk¬ 
liche  Linkshänder  der  Berufsgenossenschaft  oder  der  freien  Ver- 
sic neruiigsgesellschaft  mit  zwei  rechten  Händen  gegenüber  —  an 
welcher  der  beiden  Hände  er  die  Verletzung  erlitten  haben  mag,  ent- 
d  IU"d  eLrnit ,der  für  die  rechtsseitige  Handverletzung  üb- 
Srm  m  Markus  berechnet,  dass  auf  diese  Weise  jährlich 
300  UüO  M  an  rechtsverletzte  Linkshänder,  die  als  solche  nicht  er¬ 
kannt  sind,  zu  Unrecht  ausbezahlt  werden.  Ausserdem  muss  man 
S"0'1'  annehmen,  dass  ein  namhafter  Betrag  jährlich  an  Links- 
.  ,  f  ,?*,  d,f  hiren  eigenen  Angaben  nach  Linkshänder  sein  sollen, 
wird  *  IC 1  at>er  °ecbtslländer  sind,  durch  diese  Täuschung  abgegeben 

,i  .  i  5eheS’  meine  Herren,  von  welch  grosser  praktischer  Be- 
!  d,'e  .F-rkenntnisse  sind,  die  beim  Studium  der  Physiologie 
i  ,-d,  ,  a ‘‘  ologie  der  Linkshändigkeit  gewonnen  werden  konnten.  Wie 
p'r-F  gestaltet  sich  für  den,  der  die  Tatsachen  der  funktionellen 
uyaenz  in  ihrer  Gesamtheit  und  die  Beziehungen  des  dextrozere- 
oiaien  lypus  zu  den  oben  genannten  zerebralen  Störungen  kennt, 


?0.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


II®  Entlai  v ung  eines  Rechtshänders,  der  sich  als  Linkshänder,  eines 
inksnanGers,  der  sich  als  Rechtshänder  ausgibt.  Mit  Sachkunde 
vird  er  bei  der  Erziehung  des  Kindes  den  Eltern  beistehen  und  Er- 
olgreichcs  leisten  können.  Nicht  nur  dem  fachmännischen  Neuro- 
?&en  und  *  ^  chiater,  sondern  auch  dem  allgemeinen  Arzt  wird  die 
venntnis  von  den  gelösten  und  von  den  noch  der  Lösung  harrenden 
’roblemen,  wie  sie  hinter  der  Erscheinung  der  Linkshändigkeit  ver- 
orgen  hegen,  von  grösstem  Wert  sein  können. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

R.  Rosemann-Münster  i.  W.:  L.  Landois’  Lehrbuch  der 
’hysiologie  des  Menschen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  prak- 

Lschen  Medizin.  13.  Auflage,  1.  Band.  464  Seiten  mit  132  Ab- 
ildungen  im  Text  und  1  Tafel.  Verlag  von  Urban  &  S  c  h  war¬ 
en  b  e  r  g,  Berlin-Wien  1913.  Preis  9  M. 

lin  Jahre  1905  hat  R.  Roseinan  n  zum  ersten  Male  das  Lan- 
c  i  s  sehe  Lehrbuch  in  11.  Auflage  neu  herausgegeben,  schon  1909 
tlgte  die  12.  Auflage  und  nach  einem  noch  kürzeren  Zeitraum  im 
lovember  1912,  konnte  mit  dem  Druck  der  13.  Auflage  begonnen 
erden. 

Bei  einer  Neuherausgabe  des  Buches  ist  es  aber  nicht  geblieben, 
me  gründliche  Neubearbeitung  ist  damit  Hand  in  Hand  gegangen, 
iel  Sorgfalt  wurde  auf  die  den  einzelnen  Abschnitten  angehängten 
iteraturverzeichnisse  verwendet,  welche  durchweg  vergrössert 
urden,  obwohl  eine  Reihe  weniger  wichtiger  Literaturangaben  der 
tzten  Auflagen  beseitigt  wurde.  Auch  die  Abbildungen  wurden  re- 
idiert,  nicht  weniger  als  13  wurden  weggelassen,'  andere  durch 
essere  ersetzt.  Wünschenswert  wäre  es  auch,  wenn  die  Spektral- 
ifel  des  Hämoglobins  und  seiner  Derivate  das  letztere  Schicksal  er- 
iden  würde. 

Das  L  a  n  d  o  i  s  -  R  o  s  e  m  a  n  n  sehe  Lehrbuch  hat  durch  diese 
eubearbeitung  wieder  sehr  gewonnen.  Ueberall  im  Buche  spürt 
an  es,  dass  sich  der  Herausgeber  der  grossen  Verantwortung,  einen 
isgedehnten  Leserkreis  über  den  derzeitigen  Stand  der  rasch  fort- 
:hreitenden  Physiologie  richtig  zu  orientieren,  vollauf  bewusst  ist. 

K.  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen. 

A.  Biedl:  Innere  Sekretion,  ihre  physiologischen  Grundlagen 
ld  ihre  Bedeutung  für  die  Pathologie.  2.  neubearbeitete  Auflage. 
Teil.  Mit  131  Textfiguren  und  20  mehrfarbigen  Abbildungen  auf 
Tafeln.  Urban  und  Schwarzenberg.  1913.  554  S.  Preis 
I  M.,  geb.  26  M. 

Im  Jahre  1910  ist  die  erste  Auflage  dieses  Werkes  erschienen, 
enn  bereits  jetzt  eine  zweite  Auflage  erforderlich  wurde,  so  ist 
tmit  die  Beliebtheit,  welche  sich  das  Buch  während  der  kurzen  Zeit 
ines  Bestehens  allerorts  erworben  hat,  auf  das  nachdrücklichste 
ikumentiert.  Schon  für  die  erste  Auflage  wurde  an  dieser  Stelle 
e  vorzügliche  Gesamtanlage  des  Werkes,  die  klare  Darstellungs¬ 
eise,  sowie  die  streng  kritische  Sichtung  des  zum  Teil  noch  wieder- 
'ruchvollen  Materials  rühmlichst  hervorgehoben.  Diese  Vorzüge 
id  der  neuen  Auflage  verblieben.  Entsprechend  dem  schnellen  An¬ 
achsen  unseres  Wissens  auf  diesem  Gebiete  musste  in  der  neuen 
jflage  eine  sehr  beträchtliche  Vermehrung  des  Inhaltes  erfolgen, 
'otzdem  aber  hat  die  Uebersichtlichkeit  und  Abrundung  des  Stoffes 
heblich  gewonnen,  da  nicht  nur  das  Zahlenmass  der  Beobachtungs- 
tsachen,  sondern  vor  allem  die  Tiefe  des  Einblickes  in  die  inneren 
isammenhänge  durch  die  neueste  Forschung  zugenommen  hat.  Auch 

dem  Werke  eine  grosse  Zahl  Textabbildungen  und  einige  schön 
isgefü'nrte  Tafeln  beigegeben,  so  dass  diese  Monographie  über  die 
nere  Sekretion  in  ihrer  neuen  Gestalt  sicherlich  noch  mehr  als  bis- 
r  Freunde  gewinnen  wird.  Jedem,  der  sich  für  die  Fragen  der 
ueren  Sekretion  interessiert  oder  gar  an  einer  der  hier  so  zahlreich 
fliegenden  Fragen  selber  forschend  beteiligt  ist.  kann  das  Buch 
fs  wärmste  empfohlen  werden.  H.  Sch  ade -Kiel. 

Paul  Th.  Müller-  Graz :  Vorlesungen  über  Infektion  und 

imunität.  Verlag  von  Gustav  Fischer.  Jena  1912.  465  Seiten. 

"h.  8  M.,  geb.  9  M. 

Trotz  der  auf  dem  Gebiete  der  Immunität  sich  drängenden  Neu¬ 
scheinungen  hat  das  vorliegende  Lehrbuch  seinen  Platz  zu  be¬ 
sten  gewusst,  so  dass  seit  2  Jahren  wieder  eine  neue  Auflage 

•  die  vierte  —  erscheinen  konnte.  Die  wesentlichsten  und  wich- 
j'sten  Veränderungen  betreffen  die  Lehre  von  den  Ueberempfindlich- 
I  itserscheinungen,  die  in  den  letzten  Jahren  die  bedeutsamsten  Fort- 
mritte  gezeitigt  hat.  Die  Art,  wie  der  Verf.  die  schwierige  Materie 
lästert  und  zur  klaren  anschaulichen  Darstellung  bringt,  ist  muster- 
i  ltig.  Im  allgemeinen  gilt  dasselbe  auch  von  den  übrigen  Kapiteln, 
'd  wer  sich  tiefer  in  das  Wesen  der  Infektion  und  Immunität  ein¬ 
laben  will  und  ein  etwas  ausführlicheres  Lehrbuch  nicht  scheut, 

•  r  wird  kaum  einen  besseren  Führer  finden  als  diesen. 

L.  Saathoff  -  Oberstdorf. 

Die  Neurologie  des  Auges.  Ein  Handbuch  für  Nerven-  und 
-igenärzte.  Von  Dr.  H.  Wilbrand  und  Dr.  A.  Saenger- 
hmburg.  Fünfter  Band.  Die  Erkrankungen  des  Optikusstammes, 
iesbaden.  J.  F.  Bergmann.  1913.  656  S.  Preis  M.  25.— . 


1 103 


In  bortsetzung  des  vorigen  Bandes,  der  in  seiner  zweiten  Hälfte 
die  Erkrankungen  des  Sehnervenkopfes  behandelte,  befasst  sich  das 
vorliegende  Werk  ausschliesslich  mit  den  Affektionen  des  Sehnerven¬ 
stammes  zwischen  Papille  und  Chiasma. 

Die  ersten  Dreiviertel  des  Werkes  befassen  sich  mit  den  ent¬ 
zündlichen  Erkrankungen,  die  in  drei  Grundformen,  die  Neuritis 
axialis  (acuta  und  chronica;  dazu  N.  hereditqria  optici),  die  Peri¬ 
neuritis  mit  der  Neuritis  interstitialis  peripherica  und  die  Neuritis 
transversa  optici  totalis,  eingeteilt  werden.  Im  letzten  Viertel  folgen 
die  atrophischen  Zustände  und  die  Kontinuitätstrennungen. 

Die  Unterabteilungen  werden  zunächst  allgemein  symptomato- 
logisch  (Photopsien,  Amblyopie,  Amaurose,  Schmerzen  in  Kopf  und 
Orbita,  Gesichtsfeld,  Skotome,  Augenhintergrund,  Pupille,  Beginn, 
Dauer,  Verlaufsformen),  dann  nochmals  nach  Aetiologien  geordnet 
besprochen.  Also  Neuritis  axialis  acuta  ohne  erkennbare  Aetiologie, 
bei  Lues,  Tuberkulose,  Typhus,  Erysipel,  Nebenhöhlenkrankheit, 
Influenza,  Mumps,  akuter  Myelitis,  Pneumonie,  Angina,  Meningitis 
cerebrospinalis  epidemica,  Intermittens,  Beriberi,  Varizellen,  Encepha¬ 
litis  haemorrhagica,  Schutzpockenimpfung  und  Röteln,  ferner  bei 
Intoxikationen  (Gravidität,  Nierenerkrankung,  Magenkarzinom,  Haut¬ 
verbrennung,  Kohlenoxyd,  Methylalkohol,  Chinin,  Salizylsäure,  Jodo¬ 
form,  Filix  mas,  Arsenik,  Morphium  und  Heroin).  Neuritis  axialis 
chronica  bei  Nikotin  und  Alkohol,  Kaffee  und  Thee,  Stramonium, 
Opium  und  Morphium,  Schwefelkohlenstoff,  Arsenik,  Schwefel¬ 
wasserstoff  und  Chlorschwefel,  Blei,  Anchylostoma  duodenalis, 
Diabetes,  Nitrobenzol,  Thyreoidin,  Anilin,  Benzin.  Die  selbständige 
Neuritis  interstitialis  peripherica  bei  Fehlen  erkennbarer  Aetiologie 
und  bei  Lues,  Masern,  Diphtherie,  Influenza,  Myelitis,  Gelenkrheuma¬ 
tismus,  Gonorrhöe,  Orbitalphlegmone,  Nebenhöhlenkrankheit,  Typhus 
und  Intoxikation  mit  Blei,  Methylalkohol,  Schwefelkohlenstoff,  Jodo¬ 
form,  bei  Diabetes  und  Fleischvergiftung;  die  deszendierende  N.  inter- 
stit.  peripher,  bei  Leptomeningit.  Simplex,  Meningit.  cerebrospin. 
epidem.,  M.  purulenta,  Pachymeningit.,  M.  tubercul.  und  M.  basilar. 
gummosa.  Schliesslich  die  N.  transversa  opt.  totalis  bei  Optikus- 
gummen  und  bei  akuter  Myelitis.  Nach  all  dem  (277  S.)  wird  noch 
einmal  auf  200  Seiten  die  ganze  „einfache  Neuritis  optica“  in  ihren 
eben  besprochenen  Erscheinungsformen  nach  den  verschiedenen 
Grundkrankheiten  resp.  Aetiologien  gruppiert  abgehandelt,  also  bei 
Infektionen  (Lues,  Tuberkulose  etc.,  im  ganzen  35  Titel),  Intoxi¬ 
kationen  (29  Titel),  bei  Syringomyelie,  multipler  Sklerose,  Landry- 
scher  Paralyse.  Bei  den  atrophischen  Zuständen  wird  die  glaukoma¬ 
töse,  die  neuritische,  die  retinale  und  die  einfache  (aszendierende, 
lakunäre,  ischämische,  deszendierende)  und  schliesslich  die  pro¬ 
gressive  (Tabes)  nebst  Pseudotabes,  kombinierter  Hinter-Seitenstrang- 
eikrankung,  amyotrophischer  Lateralsklerose,  hereditärer  Ataxie, 
Syringomyelie,  Atoxyl  und  Arsazetinvergiftung)  besprochen.  Fügt 
man  dieser  Aufzählung  hinzu:  Literaturverzeichnis  von  1628  Nummern, 
Sachregister  von  13,  Autorenregister  von  9  Seiten,  so  kann  man  sich 
einen  ungefähren  Begriff  von  der  kolossalen  Fülle  des  verarbeiteten 
Materials  machen.  Ein  Eingehen  auf  Einzelheiten  im  Rahmen  dieser 
Besprechung  ist  nicht  möglich.  Man  kann  das  den  früheren  Bänden 
gespendete  Lob  nur  wiederholen  und  dem  rühmlichst  bekannten 
Hamburger  Forscherpaar  erneut  alle  Bewunderung  für  ihren  un- 
ei  miidlichen  Fleiss  und  ihre  ungeheuere  Sachkunde  auf  diesem 
schwierigen  und  interessanten  Gebiet  aussprechen. 

Halben-  Berlin. 

F.  Dervieux  et  J.  Leclercq:  Le  diagnostic  des  taches 
en  inedecine  legale.  Paris  1912.  J.  B.  Bai  liiere  et  fils. 
317  Seiten.  Preis  8  Frs. 

Es  ist  den  beiden  Verfassern,  von  denen  der  eine  mit  Arbeiten 
über  den  Nachweis  des  Sperma,  der  andere  mit  Untersuchungen  über 
die  Verwendbarkeit  der  Anaphylaxie  auf  dem  Gebiete  der  gericht¬ 
lichen  Medizin  sich  einen  Namen  gemacht  hat,  in  recht  glücklicher 
Weise  mit  dem  hier  gebotenen  praktischen  Führer  für  den  gerichts¬ 
ärztlichen  Sachverständigen  gelungen,  eine  übersichtliche  und  doch 
vollständige  Zusammenstellung  aller  der  diagnostischen  Massnahmen 
zu  geben,  die  bei  der  Untersuchung  der  verschiedenartigen  Flecken 
eine  oft  entscheidende  Rolle  zu  spielen  berufen  sind.  Neben  den 
rein  praktischen  Anweisungen  findet  sich  allenthalben  die  not¬ 
wendige  Besprechung  der  theoretischen  Grundlagen,  und  auch  kurze 
historische  Bemerkungen  tragen  dazu  bei,  das  Interesse  wach  zu 
halten. 

Naturgemäss  nehmen  die  schier  zahllosen  Untersuchungs¬ 
methoden  über  den  Nachweis  von  Blutflecken  den  weitaus  grössten 
Raum  in  den  vorliegenden  Erörterungen  ein.  Die  chemischen 
Reaktionen,  die  spektroskopischen  und  mikroskopischen,  mikro¬ 
chemischen  und  mikrokristallographischen  Untersuchungen  erfahren 
eine  genaue  Beschreibung.  Entsprechend  dem  gewichtigen  Anteil, 
welchen  die  Biologie  sich  im  modernen  Untersuchungsverfahren  ge¬ 
sichert  hat,  wurden  auch  die  Präzipitin-,  Agglutinin-,  Komplement- 
bindungs-  und  Anaphylaxiereaktionen  besonders  eingehend  gewürdigt. 
Es  ist  geradezu  erstaunlich,  die  letztgenannte  Reaktion  nicht  bloss 
zum  Nachweis  eiweissreicher  Körperflüssigkeiten,  wie  ausser  dem 
Blut  auch  der  Milch  und  des  Sperma,  sondern  auch  zur  Identifizierung 
von  Mekonium  oder  gar  von  den  Fäzes  Erwachsener  herangezogen 
zu  sehen;  die  hier  wohl  kaum  zu  umgehenden  Schwierigkeiten,  welche 
die  Anwendbarkeit  der  Reaktion  nach  dieser  Richtung  beeinträchtigen, 
werden  von  den  Verfassern  keineswegs  verhehlt.  Ueberhaupt  ist 


MUENCHENER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


1104 


es  ein  nicht  genug  anzuerkennender  Zug  in  diesem  Buche,  dass  der 
wert  jeder  einzelnen  Untersuchungsmethode  eine  peinlich  sorg- 
i.iltige,  sachliche  Kritik  erfahrt;  auf  diese  Weise  ist  jeder,  der  sich 
bei  den  Verfassern  Rat  erholt  (und  er  wird  es  mit  Vorteil  tun),  leicht 
in  der  Lage,  sich  darüber  zu  vergewissern,  welches  Verfahren  im 
gegebenen  Falle  das  zuverlässigste  ist  und  welche  Aufschlüsse  er 
von  ihm  erwarten  darf. 

Fs  ist  schade,  dass  in  dem  sonst  so  ausgezeichneten  Buche  die 
in  der  französischen  Literatur  üblichen  Verunstaltungen  deutscher 
Autornamen  nicht  völlig  fehlen;  so  findet  sich  bei  der  Besprechung 
der  Seroreaktion  der  Syphilis  der  Namen  Brücke  statt  Bruck 
neben  W  assermann  und  Neisser.  Baum  -  München. 

Fr.  Croner:  Lehrbuch  der  Desinfektion.  Für  A  e  r  z  t  e, 
Chemiker,  Techniker,  Tierärzte  und  V  e  r  w  altungs¬ 
beamte.  Mit  44  Abbildungen  und  1  Tafel.  Verlag  von  Werner 
K  1  i  n  k  h  a  r  d  t.  Leipzig.  534  Seiten.  20  Mark. 

Fs  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Lehre  von  der  Desinfektion,  nach¬ 
dem  sie  sich  mehr  als  30  Jahre  entwickelt  hat,  ein  ganz  anderes  Ge¬ 
sicht  zeigt,  als  wie  man  anfangs  zu  hoffen  wagte.  Aus  sehr  be¬ 
scheidenen  Anfängen,  wo  es  sich  noch  um  die  Abtötung  einiger  patho¬ 
gener  Bakterien  handelte,  ist  sie  schon  jetzt  ein  Spezialgebiet  ge¬ 
worden,  was  nicht  mehr  leicht  zu  übersehen  ist,  und  von  einer, 
tausende  von  Einzelarbeiten  betragenden  Literatur  getragen  und  ge¬ 
stützt  wird.  Die  naturgemässe  Weiterentwicklung  der  Lehre  brachte 
aber  auch  eine  erweiterte  Auffassung  des  Begriffes  Desinfektion,  die 
mit  den  Ausdrücken  „innerer  Desinfektion“,  „Konservierung“  und 
„Sterilisation“  gekennzeichnet  ist.  Der  alte  Begriff  der  „Desinfek¬ 
tion“,  der,  wie  Verf.  im  Vorwort  ausspricht,  sich  auf  die  Abtötung 
von  pathogenen  Keimen  durch  physikalische  und 
chemische  Methoden  ohne  jede  Mitarbeit  des 
menschlichen  oder  tierischen  Organismus  bezieht, 
ist  aber  noch  im  Sinne  dieses  Wortes  erhalten  geblieben  und  diesem 
Feil  der  Desinfektionslehre  ist  auch  das  vor¬ 
liegende  Buch  gewidmet. 

Es  sind  also  die  Verfahren  zur  Abtötung  der  im 
Blut  kreisenden  Mikroorganismen,  Bakterien  und 
Protozoen  nicht  erörtert  und  ebenso  wurden  die  Antisep¬ 
tika,  die  Konservierung  und  Sterilisation  der 
Nahrungsmittel  keiner  Besprechung  unterzogen, 
höchstens  gestreift. 

Dafür  erfuhr  das  übrige  Gebiet  des  Desinfektionswesens  in  62 
Kapiteln  eine  eingehende  und  gründliche  Darlegung. 

Ein  kurzer  Abriss  der  Geschichte  der  Desinfektion  führt  das 
Buch  ein;  ihm  folgen  in  einer  Reihe  von  Kapiteln,  welche  die  wissen¬ 
schaftlichen  Darlegungen  der  physikalischen  und  chemischen  Wir¬ 
kungen  bei  der  Desinfektion  enthalten:  die  Wirkung  der  Gase,  Säuren 
und  Alkalien,  Seifen,  Alkohole,  Farbstoffe,  Kohlenwasserstoffe  und 
ätherischen  Oele.  Ein  weiterer  Abschnitt  beschäftigt  sich  mit  der 
praktischen  Desinfektion,  der  sogenannten  fortlaufenden  Des- 
i  n  f  e  k  t  i  o  n,  bestehend  in  der  Unschädlichmachung  von  Auswurf, 

Li  In  ochenern,  Stuhl,  Harn,  Blut,  der  Keimvernichtung  in  Bade¬ 
wässern,  auf  Ess-  und  Trinkgeschirren,  in  Wäsche,  Bürsten,  Fuss- 
böden  u.  dergl.  und  der  S  c  h  1  u  s  s  d  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  h.  Hieran  schliesst 
sich  die  Wohnungsdesinfektion,  die  Besprechung  der  Desinfektions¬ 
apparate  und  Anstalten,  die  Desinfektion  von  Transportmitteln, 
Schiffen,  Quarantäneanstalten,  Trinkwasser  und  Abwasserdesinfek¬ 
tion  Ein  ausführliches,  sehr  nützliches  Kapitel  ist  auch  der  prak¬ 
tischen  Desinfektion  in  der  Klinik  gewidmet.  Den  Schluss  bildet  die 
Besprechung  der  wichtigen  Fragen  über  die  Desinfektion  der  Eisen¬ 
bahnwagen  bei  Viehbeförderungen,  der  Tierkadaver,  des  Pelzwerkes 
der  Felle  und  des  Leders,  der  Ställe  und  des  Düngers. 

Es  dürfte  in  dem  Croner  sehen  Buch  etwa  alles  gewürdigt 
sein,  was  für  die  praktische  Handhabung  der  Desinfektion  von  Be¬ 
deutung  ist  und  wenn  einiges  auch  nur  mit  kurzen  Worten  erwähnt 
werden  konnte,  so  finden  sich  zahlreiche  und  zwar  empfehlenswerter- 
weise  am  Fuss  der  Seite  —  nicht  am  Schluss  der  Kapitel  —  ange¬ 
gebene  Literaturhinweise,  die  ein  spezielleres  Eindringen  in  die  be¬ 
treffende  Frage  gestatten. 

Da  die  Desinfektion  heutzutage  nicht  nur  den  Arzt  und  Tierarzt 
mehr  interessiert,  sondern  auch  eine  hohe  Bedeutung  für  viele  Zweige 
der  Technik,  der  Industrie  und  der  Landwirtschaft  besitzt,  so  kann 
und  wird  das  Buch  jeder  dieser  Disziplinen  nützlich  sein.  Es  ist 
übersichtlich  eingeteilt,  gut  geschrieben,  vermeidet  zu  weitgehende 
1  heorien  und  schildert  objektiv  in  klarer  Form  die  Verschiedenheiten 
der  einzelnen  Methoden.  R.  0.  Neumann  -  Giessen. 

W.  Cimbal:  Taschenbuch  zur  Untersuchung  nervöser  und 

psychischer  Krankheiten.  2.  Au  fl.  Berlin,  Julius  S  p  r  i  n  g  e  r  1913 
211  S.  Preis:  M.  4.40. 

Der  von  mir  früher  (Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  No.  4)  sehr 
warm  empfohlene  Leitfaden  beweist  seine  Brauchbarkeit  und  Güte 
durch  die  so  bald  notwendig  gewordene  2.  Auflage.  Mein  damaliges 
Lob  kann  ich  nur  wiederholen.  Erweitert  wmrden  die  Untersuchungs¬ 
schemata  für  Jugendliche,  Unfallnervenkranke  und  die  neurologischen 
Untersuchungsmethoden.  Als  Verbesserung  kann  ich  jedoch  nicht 
die  zahlreichen  neue  n  Abbildungen  anerkennen,  da  sie  teils  zum 
Gebrauch  in  dem  Büchlein  viel  zu  klein  sind,  teils  in  ein  Taschenbuch 
nicht  gehören,  da  sie  niemand  dort  sucht  und  dort  braucht. 

Rossbach  -  München. 


Neuere  Belletristik. 


Von  Aerzten  und  über  Aerzte. 


„meuiznnscnes  bei  1  heodor  S  t  o  r  m‘ 


•  i/-  1 1\  i  T. -  ^  i  iß  i  in  von  uv,  mecl.  Hanssen 

ni  K,el  )  in  dieser  gehaltvollen  Studie  bietet  der  ärztliche  Verfasse 
f  fIs.  de.r  r^el  sa£t-  Er  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über 
deutsche  Aerzte,  die  —  über  ihren  eigenen  Beruf  hinaus  —  sich  mit 
er  schonen  Literatur  aktiv  beschäftigen  und  —  sicherlich  weder  zum 
’chaden  des  ärztlichen  Ansehens,  noch  zum  Schaden  der  Literatur  — 

bpCfrn  n11!«  lhr?n  ,aus  d.em  arzEichen  Berufe  gewonnenen  Eindrücken 
befruchten  Insbesondere  aber  hat  Hanssen  des  bedeutendsten 
sc  i  esw  lg-holsteinschen  Dichters  Werke  nach  medizinischen  Stoffen 
durchforscht:  Storm  zieht  das  ganze  Bereich  der  medizinischen 
\\  lssenschaft  seiner  Zeit  (die  Mitte  und  das  Ende  des  19.  Jahrhun 
derts)  in  seine  verschiedenen  Arbeiten  ein,  obwohl  er  kein  Arzt  war 
Er  hatte  stets  viel  Neigung  zu  ärztlichen  Fragen  gehabt,  orientierte 
sich  aber  über  alles  tatsächliche,  das  er  in  seinen  Novellen  verweil 
den  wollte,  bei  seinem  Bruder,  der  Arzt  war,  und  bei  seinem  Haus- 
arZie’i/s  beste  und  klassischste  von  Th.  Stör  ms  Novellen  gali 
und  gilt  von  jeher :  „Ein  Bekenntni  s“.  Ein  Arzt  tötet  seine  ge¬ 
lebte  Gattin,  nachdem  er  einen  unheilbaren  Krebs  bei  ihr  konstatiert 
hatte,  da  sie  unsägliches  erdulden  muss.  Es  ist  diese  Novelle  Girr 
der  ersten  belletristischen  Versuche,  die  Frage  zu  lösen,  ob  der  Arz; 
berechtigt  ist,  einen  Unheilbaren  zu  töten.  Nein,  nicht  zu  lösen  denn 
S  t  o  r  m  lasst  eben  den  Arzt,  der  dies  gewaltige  Opfer  gebracht  hat. 
kurz  nach  der  1  ötung  seiner  Frau  eine  medizinische  Abhandlung 
lesen,  m  welcher  eine  neue  Methode  zur  Krebsheilung  geschildert 
.  Der  Arzt  flieht,  von  Gewissensbissen  durchschiittert,  in  die 
.  1  er  nach  3b  Jähriger  entbehrungsreicher  Tätigkeit  unter 

den  Wilden  stirbt  und  seine  Schuld  büsst.  (Auch  Paul  Heyse  hat 
wie  er  mir  selbst  mitteilte,  den  Stoff  verschiedentlich  bearbeitet  ! 

hi  der  jüngsten  Zeit  ist  diese  Frage  —  besonders  in  Italien  — 
stark  in  die  Diskussion  gezogen  worden  ■)  und  darum  darf  auf  die 
dichtei  ische  Gestaltung  derselben  durch  Storni  erneut  hingewiesen 
werden.  Der  unterfertigte  Referent* 2 3)  hat  dieselbe  Frage  vor  einigen 
Jahren  gleichfalls  in  novellistischer  Form  erörtert  und  ist  zu  anderem 
Resultate  gelangt,  als  der  Nichtarzt  Storm.  Aber  auch  ausser 
dieser  Frage  bringt  die  Studie  Hanssens  noch  so  viel  Ansprechen- 
des,  besonders  uns  Aerzte  Ansprechendes,  dass  sie  sehr  empfohlen 
werden  kann. 


Ein  ganz  anderes  Gebiet  beackert  der  bekannte  Berliner  Chirurg 
T  »J1  Dic.h  in.  seinem  merkwürdigen  Buche  „Es  läuten  die 
Glocken  ).  Es  ist  dies  Werk  so  gar  nicht  chirurgisch,  vielmehr  so 
naturumfassend,  dass  man  sich  nur  freuen  kann,  zu  sehen,  wie  weit¬ 
ausschauend  der  Gedankenkreis  dieses  Kollegen  ist.  Schleich 
lässt  ein  junges  Mädchen  vor  unseren  Augen  erstehen,  die  Traum- 
else.  Ihr  naht  sich  ein  Wichtelkönig,  Aldebaran,  und  begleitet  sie 
unsichtbar  auf  all  ihren  Wegen.  Er  lässt  sie  alle  Wunder  des  Lebens 
schauen,  führt  sie  in  den  Himmel,  wo  sie  der  Sterne  Lauf  lernt,  und 
er  zeigt  ihr  ebensowohl  das  Erstehen  der  Schnecken,  wie  die  Er¬ 
stehung  der  Menschengeschlechter.  Er  lässt  sie  Gespräche  mit 
Goethe  führen,  wie  mit  Kant,  und  auch  Leonardo  zaubert  er 
ihr,  und  damit  den  Lesern,  vor.  Dann  fährt  er  auf  einem  kleinen 
Schifflein,  das  ein  weisses  Blutkörperchen  ist,  durch  eine  Kopfwunde 
an  der  Stirne  eines  Menschen  durch  die  Venen  in  den  Kreislauf  des 
Organismus,  und  da  gibt  es  auf  dieser  Fahrt  der  Wunder  unzählige  zi 
sehen  und  zu  erklären.  Es  ist  eine  ganz  grosse,  wenn  auch  seltsame 
Idee,  auf  diese  Weise  von  den  Funktionen  der  Leberzellen  ebenso  zu 
erzählen,  wie  von  den  Grotten  und  Buchten  der  Lungenalveolen,  wo¬ 
hin  allüberall  der  Kreislauf  des  Blutes  die  Traumelse  samt  ihrem  klu¬ 
gen  Begleiter  Aldebaran  führt.  Wie  gibt  diese  Reise  dem  phantasie¬ 
begabten  Autor  Gelegenheit,  das  anatomische  wie  physiologische 
Wunder  des  menschlichen  Organismus  dem  Leser  klarzumachen! 
Man  lese  als  Probe  den  Aufenthalt  im  Gehirn:  „In  jedem  Köpfchen  ist 
ein  wunderbares,  feines  Glockenspiel  von  tausend  und  abertausend 
kleinen  Silberklingelein,  die  so  winzig  sind,  dass  ein  Stecknadelkopi 
gegen  jede  gehalten  so  gross  ist,  wie  die  mächtige  Kirchenglocke  zu 
Köln  am  Rhein.  Die  Glöckchen  sind  freischwebend,  alle  dicht  bei¬ 
einander  aufgehängt,  wie  die  Krönchen  der  Glockenblume.  Viele  sol¬ 
cher  kleinsten  Klingeldolden  reihen  sich  dicht  beieinander  in  Mil- 
lionenzahl  in  lauter  kleine  Sternenbündel.  Die  drei  Gesellen  (der 
Buchstabe,  der  Laut  und  die  Zahl)  haben  nun  unzählige 
Strickchen  in  ihren  Zauberhänden;  damit  können  sie  alle  Glocken 
leise  in  der  Halle  deiner  Seele  spielen,  wie  euer  Lehrer  die  Orgel  in 
der  Kirche.  ...  Ist  aber  erst  einmal  ein  kleines  Lied  aus  vielen  Klän¬ 
gen  fertig  gesungen,  dann  lernst  du,  es  schliesslich  aus  eigener  Kraft 
tönen  zu  lassen,  dann  tun  es  die  Heinzelmännchen  in  dir  ganz  allein, 
immer  fort  und  immer  wieder  von  neuem.  Das  ist  Erinnerung  und 
Gedächtnis,  I  raum  und  die  kleine  Spielorgel  des  Wissens,  das  ist 
das  Glockenspiel  der  Phantasie.  Uebung  ist  alles.“ 

Es  ist,  selbst  für  den  ärztlichen  Leser,  nicht  immer  ganz  leicht, 
den  Phantasien  des  Autors  zu  folgen;  aber  es  ist  ein  genussreiches 
und  nachdenkliches  Buch. 


*)  Medizinisches  bei  Theodor  Storm.  Medizinische  Abhand¬ 
lungen  zur  Literaturgeschichte.  Von  Dr.  med.  Peter  Hanssen  in 
Kiel.  Verlag  H  a  n  d  o  r  f  f  -  Kiel.  48  Seiten. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  S.  552. 

3)  Sterben,  ich  bitte  darum.  Verlag  G  m  e  1  i  n  -  München. 

’)  Es  läuten  die  Glocken.  Phantasien  über  den  Sinn  des  Lebens. 
Concordia,  deutsche  Verlagsanstalt  Berlin  W.  35.  422  Seiten.  Preis 
br.  M.  8.50. 


20.  Mai  1913. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  • 


1105 


Aus  dieser  Märchenwelt  wird  man  sich  an  den  „Liedern  eines 
fahrenden  Schülers  .  die  der  Münchener  Arzt  Th.  Senestrdv6) 
uns  vorlegt,  zu  leichteren  Schwung  der  Seele  umstimmen.  Das  Büch¬ 
lein  bedeutet  eine  Ueberraschung.  Wenn  man  den  allzeit  fröhlichen 
Kollegen  Senestrey  bei  festlichen  Gelegenheiten  seinen  goldigen 
Humor  und  *_clierz,  meist  -noch  mehr  seine  mehr  weniger  burschi- 
kosen  Lieder  hat  vortragen  hören  und  sich  daran  erfreut  hat,  so  ist 
man  doppelt  verwundert,  mit  welchem  Hineinfühlen  in  die  ferne  Zeit 
der  fahrenden  Scholaren  der  Autor  hier  einen  stilvollen  Band  zu¬ 
sammengestellt  hat.  Mehr  noch:  er  gibt  in  einem  gelehrten  Vorwort 
eine  historische  Studie  über  Vaganten  und  Goliander,  über  Kloster¬ 
schulen  und  Universitätsverhältnisse  der  Landsknechtzeit  Es  sind 
über  100  Lieder  lose  zu  einem  Epos  verflochten,  nicht  alle  gleich- 
wertig,  aber  alle  aus  einer  einheitlichen  Stimmung  heraus  und  es 
wird  wohl  manches  sangbar  gemacht  werden: 


Bursenleben. 

Wo  die  Moneten  mangeln, 
ist  nirgends  weit  die  Not, 
d’rum  suchen  wir  zu  angeln 
uns  Geld  fürs  Abendbrot. 

Mit  Betteln  und  mit  Singen 
schlägt  man  sich  durch  die  Welt, 
als  Famulus  zu  springen 
auch  manchem  sehr  gefällt. 

Doch  niemals  mangelt  unser’m  Chor 
der  dringend  nötige  Humor! 

Nun  trachtet,  dass  der  Tag  was  bringt, 
und  habt  ihr  was,  dann  trinkt  und  singt: 

Halleluja! 


Bietet  uns  S  e  n  e  s  t  r  e  y  in  diesen  Vagantenliedern  eine  Ueber¬ 
raschung,  so  können  wir  eines  anderen  Kollegen  Fleiss  in  der  Ueber- 
setzung  eines  zweibändigen  Romans  aus  dem  Englischen  bewundern: 
Otto  Neustätter6).  der  vielseitige,  hat  dies  verdienstliche  Werk 
geleistet.  Das  Buch  ist  vom  Verlage  sehr  gut  ausgestattet. 

Im  Gegensatz  hiezu  verdriesst  es,  ein  Buch  „Vivat  Aca- 
demia7),  Geschichten  und  Gedichte  aus  Studententagen“  in  die 
Hand  zu  nehmen.  Schlecht  ausgewählte  Geschichtchen  und  Gedicht- 
chen,  auch  mancher  guter  Autoren,  alle  nur  des  studentischen  Milieus 
wegen  zusammengestellt,  wenig  gutes  Papier,  massiger  Druck 
...  schade,  wenn  unsere  Studenten  solche  Kost  in  solchem  Rahmen 
goutieren  sollten. 

Noch  sei  ein  Band  Dichtungen  von  Franz  Rheins8)  er¬ 
wähnt.  Nicht  der  Dichtungen  wegen,  sondern  um  ein  Prinzipielles 
halber.  Noch  so  tief  empfundene  Gelegenheitsgedichte  (nicht  im 
Goethe  sehen  Sinne  der  Gelegenheitsgedichte,  die  die  besten  sein 
können):  beim  Tode  des  Vaters,  beim  Tode  alter  Freunde,  alltägliche 
Stimmungen  u.  a.  haben  keinen  Anspruch  auf  literarische  Qualität, 
wenn  sie  nichts  neues  und  besonderes  in  Bezug  auf  Inhalt  oder 
Form  oder  Kunst  bringen.  Und  gerade  diejenigen,  die  ihre  empfind¬ 
samen  Gedichte  aus  allen  Lebenszeiten  eifrig  gesammelt  haben  und 
zum  Druck  geben,  haben  so  oft  nicht  die  nötige  Selbstkritik,  die 
Kinder  ihres  Herzens  für  sich  zu  behalten  und  für  ihre  Familie. 
Wir  müssen  das  zu  unserem  Leid  gar  oft  erfahren. 

Max  Nassauer-  München. 


Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  109.  Bd.,  3.  u.  4.  H. 

P.  E  r  d  e  1  y  i :  Ueber  die  Ausscheidung  der  stickstoffhaltigen 
Stoffwechselprodukte  bei  Nephritis  und  über  die  intravenöse  An¬ 
wendung  der  Biuretika.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  der  kgl.  Univ.  Pest.) 

Die  Diuretika  der  Theobromin-  und  Theozingruppe  fördern  nicht 
nur  die  Ausscheidung  des  Wassers,  sondern  in  leichten  Fällen  von 
Nephritis  im  Falle  von  Stickstoffretention  auch  die  Ausscheidung  des 
Stickstoffs  und  wirken  somit  auf  die  Ausscheidung  der  sämtlichen  N- 
haltigen  Abbauprodukte  gleichmässig  ein.  Diese  Diuretika  können 
also  sowohl  die  absolute  Menge  des  ausgeschiedenen  Stickstoffes,  als 
das  Prozentualverhältnis  der  N-haltigen  Abbauprodukte  in  günstiger 
Richtung  beeinflussen.  Auch  die  Ausscheidung  des  NaCl  wird  durch 
diese  Medikamente  bedeutend  vermehrt.  Vom  praktischen 
Standpunkt  aus  sollen  also  bei  Nephritis  im  aller¬ 
ersten  Stadium  der  Erkrankung  Diuretika  gegeben 
werden,  selbst  wenn  keine  Oedeme  vorhanden  sind, 
um  eventuell  Retentionen  vorzubeugen;  diese 
Diuretika  üben  auf  die  Nieren  keine  schädliche 
Wirkung  aus.  Das  in  Fällen  von  Urämie  im  Harn  prozentuell 
und  absolut  vermehrte  NH3  ist  als  eine  Folge  des  Hungerzustandes 
autzufassen,  gewöhnlich  ist  Inanition  ein  Vorläufer  von  Urämie. 

s)  Lieder  eines  fahrenden  Schülers.  Ein  Epos  von  Th.  S  e  - 
n  e  s  t  r  e  y.  Hans-Sachs-Verlag,  München.  168  Seiten. 

e)  Maurice  G  u  e  s  t.  Roman  von  H.  H.  R  i  c  h  a  r  d  s  0  n.  Verlag 
S.  F  i  s  c  h  e  r  -  Berlin.  2  Bände,  802  Seiten.  Autorisierte  Ueber- 
setzung  aus  dem  Englischen  von  Dr.  Otto  Neustätter. 

7)  Vivat  Academia!  Geschichten  und  Gedichte  aus  Studenten¬ 
tagen.  Verlag  Berlin-Wien.  Von  Dr.  Hermann  Beutten- 
m  ü  1 1  e  r.  Preis  br.  M.  2.50.  247  Seiten. 

8)  Dichtungen  von  Franz  Rheins.  Selbstverlag.  224  Seiten. 
Preis  M.  4.50. 


r  gl  ?ssen.  Oedemen,  wenn  sich  der  Patient  auch  subjektiv  unwohl 
fühlt  ist  die  intravenöse  Anwendung  der  Diuretika  zu  versuchen. 

H.  Straub:  Azidosebestimmungen  bei  Diabetes  mellitus.  Kli¬ 
nische  Untersuchungen  über  die  Kohlensäurespannung  der  Alveolar¬ 
luft.  (Aus  der  med.  Klinik  Tübingen.)  (Mit  21  Kurven.) 

J*eui  33  Diabetikern  wurden  fortlaufend  täglich  Bestimmungen 
der  Kohlensäurespannung  der  Alveolarluft  vorgenommen,  um  hieraus 
ein  Urteil  über  den  Grad  diabetischer  Azidose  zu  gewinnen.  Bei 
Entziehung  der  Kohlehydrate  sinkt  beim  Nichtdiabetiker  die  Kohlen¬ 
säurespannung  zunächst  ab,  erreicht  aber  nach  einigen  Tagen  das  ur¬ 
sprüngliche  Niveau  wieder.  Beim  Diabetiker  tritt  eine  stärkere 
Senkung  der  Kohlensäurespannung  ein,  das  alte  Niveau  wird  später 
erreicht  als  beim  Gesunden.  Grad  und  Dauer  der  Senkung  gehen  der 
Schwere  der  Störung  annähernd  parallel.  Bei  schweren  Graden  von 
Azidose  erreicht  die  Kohlensäurespannung  die  normale  Höhe  nicht 
oder  nur  vorübergehend  wieder.  Es  treten  starke  Schwankungen  der 
Kohlensäurespannung  ein,  wenn  der  Körper  um  seinen  Alkalibestand 
kämpft.  Mit  zunehmender  Azidose  sinkt  die  Kohlensäurespannung 
mehr  und  mehr  ab  und  erreicht  im  Coma  diabeticum  die  niedersten 
Werte  ev.  bis  zu  11mm.  Mit  der  Höhe  der  Ketonurie  geht  die 
Kohlensäurespannung  nicht  immer  gleichsinnig.  Werden  die  ge¬ 
bildeten  Ketone  alsbald  ausgeschieden,  so  bleibt  die  Kohlensäure¬ 
spannung  hoch,  nur  die  Ketonurie  steigt.  Werden  die  Ketone  re- 
tiniert,  so  sinkt  die  Kohlensäurespannung,  die  Ketonurie  bleibt  auf 
ihrem  Niveau.  Die  sinkende  Kohlensäurespannung  lässt  sich  durch 
Alkalizufuhr  in  die  Höhe  treiben.  Versagt  die  Neutralisation,  so  sinkt 
die  Kohlensäurespannung  trotz  Alkalizufuhr.  Zufuhr  der 
meisten  Kohledrate  —  Brot,  Traubenzucker,  Kar¬ 
toffel—  erhöht  pathologisch  erniedrigte  Kohlen- 
saurespannung.  An  Hafertagen  tritt  in  der  Regel  kein  An¬ 
stieg  der  Kohlensäurespannung  ein.  diese  bleibt  gleich  wie  an  voran¬ 
gehenden,  kohlehydratfreien  Tagen  oder  sinkt  sogar  noch  tiefer  ab. 
Dagegen  steigt  häufig  die  Kohlensäurespannung  nach  Hafertagen  trotz 
kohlehydratfreier  Diät. 

W.  Schweisheimer:  Der  Alkoholgehalt  des  Blutes  unter 
verschiedenen  Bedingungen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  München.) 
(Mit  3  Abbildungen.) 

Im  normalen  menschlichen  Blut  findet  sich  Aethylalkohol  in  einer 
durchschnittlichen  Menge  von  0,02955 — 0,03686  Prom.,  offenbar  infolge 
Kohlehydratgärung  im  Magendarmkanal.  Genossener  Alkohol 
geht  als  solcher  in  das  menschliche  Blut  über;  im 
Blute  von  Betrunkenen  ist  er  in  beträchtlicher 
Menge  nachweisbar  (höchstgefundener  Wert  2,266  Prom.). 
Bei  Nichttrinkern,  mässigen  Gewohnheitstrinkern  und  Potatoren  sind 
nach  Genuss  gleicher  Alkoholmengen  wesentliche  Unterschiede  im 
Verhalten  des  Alkohols  im  Blute  zu  konstatieren.  Beim  nichtge¬ 
wöhnten  Organismus  ist  die  Konzentration  des  ins  Blut  überge¬ 
gangenen  Alkohols  höher  als  beim  gewöhnten.  Nach  \A — 2  Stunden 
ist  beim  Nichtgewöhnten  der  grösste  Alkoholgehalt  des  Blutes  er¬ 
reicht,  um  langsam  abzufallen.  Beim  Gewöhnten  ist  der  Höhepunkt 
rasch  erreicht  und  fällt  rasch  ab.  Der  Alkoholgehalt  des  Blutes  bleibt 
beim  Nichtgewöhnten  länger  auf  hoher  Konzentration  als  beim  Ge¬ 
wöhnten  (5  Stunden  gegen  2),  auch  seine  Ausscheidungszeit  ist  eine 
doppelt  so  lange  als  beim  Gewöhnten,  bei  dem  sie  ca.  7,5  Stunden 
beträgt.  Die  psychischen  Einflüsse  des  genossenen 
Alkohols  bzw.  die  Erscheinungen  der  Trunkenheit 
gehenparallel  dem  Steigen  und  Fallen  desAlkohol- 
gehaltes  des  Blutes.  Die  Ueberempfindlichkeit  des  Epi¬ 
leptikers  gegenüber  Alkohol  ist  z.  T.  wohl  auf  einen  dem  normalen 
Organismus  gegenüber  gesteigerten  Uebergang  des  Alkohols  ins  Blut 
zitrückzuführen.  Es  lässt  sich  differentialdiagnostisch 
feststellen,  ob  eine  schwere  Bewusstlosigkeit  auf 
Alkoholabusus  basiert,  sowie,  ob  ein  Mensch  Alkohol  zu 
sich  genommen  hat  und  ungefähr  dessen  Menge. 

O.  Hirschberg:  Beitrag  zur  Lehre  der  Hirnabszesse.  (Meta¬ 
statische  Hirnabszesse  nach  Bronchialdrüsenabszess.)  (Aus  dem 
patholog.  Institut  der  Universität  Kiel.) 

Von  einer  alten  Fistel  eines  Speiseröhrendivertikels  nach  einer 
Bronchialdrüse  aus  erfolgte  plötzlich  deren  Vereiterung  und  von  da 
aus  sekundär  eine  multiple  Abszessbildung  im  Gehirn,  die  klinisch 
unter  dem  Bilde  einer  tuberkulösen  Basalmeningitis  verlief. 

J.  H  e  f  t  e  r  -  Moskau :  Ueber  Purinbasenausscheidung  bei  Ge¬ 
sunden  und  Kranken.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  München.)  (Mit 
5  Kurven.) 

Im  normalen  Urin  beträgt  bei  purinfreier  Kost  der  Anteil  der 
Purinbasen  6— llProz.  der  Gesamtpurinausscheidung.  Bei  Zufuhr  von 
purinhaltiger  Nahrung  ändert  sich  dieses  Verhältnis  zu  Ungunsten 
der  Purinbasen.  Intravenöse  Harnsäureinjektion  bleibt  ohne  Einfluss 
auf  die  Menge  der  ausgeschiedenen  Purinbasen.  Zusatz  von  harn¬ 
saurem  Natron  zu  autolysierenden  Organen  hat  keine  hemmende 
Wirkung  auf  die  Umwandlung  der  Purinbasen  zu  Harnsäure.  Bei 
purinfrei  ernährten  Gichtkranken  verhält  sich  der  Prozentanteil  der 
Purinbasen  an  der  Gesamtpurinausscheidung  ähnlich  wie  beim  Ge¬ 
sunden.  Der  Prozentanteil  der  Basen  ändert  sich  bei  Zulage  von 
purinhaltiger  Nahrung  wie  auch  beim  Gesunden,  aber  in  geringerem 
Masse  als  bei  ersteren.  Auch  bei  Gichtkranken  wird  die  Purinbasen¬ 
ausscheidung  durch  Harnsäureinjektion  nicht  beeinträchtigt. 

R.  Lenk  und  L.  Pollak:  Ueber  das  Vorkommen  von  pepto- 
lytischen  Fermenten  in  Exsudaten  und  dessen  diagnostische  Be¬ 
deutung.  (Aus  der  I.  med.  Abteilung  des  k.  k.  Krankenhauses  Wieden.) 


1106 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Pcptdyt1sdfes°fih^7\-lfrvn^rgIlSSe  ,d'e  K(,rperhöhle.i  enthalten  ein 
fedoch  S  a  m  h!  ?'-!'  spaltendes.  Ferment,  dessen  Menge 

Weise  verschieden  S  Hn  “  de?  Ergusses  in  charakteristischer 
„  .  'erSt-hieden  ist.  Die  quantitative  Bestimmung  des  Ferment 

vn  p  r  p®ptolytischer  Index)  gibt  einen  diagnostisch  wert¬ 
vollen  Behelf  und  ermöglicht  nicht  selten  auch  dort  eine  Diagnose 
die  aI]derei1  Lntersuchungsmethoden  versagen.  Den  höchsten 
peptoly tischen  Index  weisen  tuberkulöse  und  karzinomatöse  Exsudate 
auf  den  niedrigsten  reine  Stauungstranssudate.  Zwischen  beiden 
stehen  die  auf  entzündlichen,  durch  Eitererreger  hervorgerufenen  Er- 
RfqSpip0Wie  dl<:  chronischen  Entzündungen  nichttuberkulöser  Natur 
Bei  Pleuraexsudaten  sprechen  Werte  unter  100  im  allgemeinen  gegen 

Tuberkulose*  HonF  peptoly.tlschen  Index  von  100  oder  200  für 
,,  5™°“'  Bei  den  Ergüssen  in  das  Peritoneum  spricht  ein  pepto- 
Iy  tisch  er  Index  von  50  aufwärts  für  Tuberkulose  ev  Karznose 
Ebenso  sichert  im  Lumbalpunktat  der  Wert  50.  100  oder  200  die 
Diagnose  Meningitis  tuberculosa;  aber  auch  der  ausnahmsweise  bei 
beginnender  Erkrankung  vorkommende  Index  20  entscheidet  in  der 
nichteitrigen  Punktionsflüssigkeit  für  Tuberkulose  der  Meningem 
. « .  ,  ■  ...ermann:  Ueber  Anwendung  getrennter  Pipetten  und 
Mischgefasse  bei  der  klinischen  Blutzählung.  (Aus  dem  Institut  für 
gerichtliche  Medizin  Kopenhagen.  (Mit  2  Abbildungen) 

..  Uurcb  das  angegebene  Verfahren,  das  nachzulesen  ist  wird 
grossere  Genauigkeit  und  Zeitersparnis  erreicht. 

Fr.  v.  Rohden:  Zur  Blutzirkulation  in  der  Lunge  bei  ge- 
nphprSenealiwd  .offe.nem.  Thorax  und  deren  Beeinflussung  durch 

gfir?  “EbiÄT  (Aus  der  med-  Pollk",ik  in  Frcib'«  i  b.) 

Bei  geschlossenem  Thorax  ist  die  Kapazität  der  Lungenkapillaren 
VT  lIltrapidmonalen  Druck.  Bei  Erhöhung  findet  eine 
v  n"u  ere’  -ei  Erniedrigung  eine  bessere  Durchblutung  statt.  Die 
\  erhaltmsse  in  vivo  entsprechen  prinzipiell  durchaus  den  Befunden 
rflktrH«SeSflni  enen  Lungen.  Bei  offenem  Thorax  ist  der  Blähungs¬ 
effekt  des  extrapulmonalen  Unterdruckes  grösser  als  der  des  gleichen 
m trapuhnonalen  Ueberdruckes.  Bei  offenem  Thorax  findet  bei  intra- 

St7  ia  eim-  U.ebej;dn,ck  eine  schlechtere  Durchblutung  der  Lunge 
statt  als  bei  gleich  grossem  extrapulmonalem  Unterdrück  Damit 
ist  am  lebenden  Organ  der  experimentelle  Beweis 
eibracht  für  die  physiologische  Ueberlegenheit 
desSauerbruchschen  Unterdruckverfahrens  ge- 
s  e  11  ,u  b| r  dp  m  Brauerschen  Ueberdruckverfahren 
L.  b.  Ml  Ine:  Ueber  Blutungsanämie.  (Aus  dem  Rüssel  Sage 
pathologischen  Institut  zu  NewYork.)  (Mit  Tafel  II— IV )  "  k 

Bei  Blutungsanämien  regeneriert  sich  das  Hb  viel  ' langsamer 
DS  dw-H°tef  B!utko.rperchei1-  aber  der  Färbeindex  steigt  nie  über  1 
Die  Widerstandsfähigkeit  der  Zellen  ist  nicht  vermehrt.  In  jungen, 

f/pri  e"twickeblden  Erythrozyten  scheint  das  Chromatin  der  Kerne 
k^irn ren  ZA  g^hen’ der  Kern  wird  aber  nicht  ausgestossen.  Basophile 
cSvfJ’a"*’  der  Erythrozyten  ist  häufig  und  wahrscheinlich  durch  Aus¬ 
scheiden  von  Chromatinteilchen  des  Kernes  in  das  umgebende  Proto¬ 
plasma  bedingt.  Extramedulläre  myeloide  Wucherung  ist  gerinn 

AhcLhpM  f,laCp  fphXere/’  aahaEender  Blutung  beträchtlich  werden! 
Ausgedehnte  Fettinfiltration  innerer  Organe,  sowie  deren  geringe 
1  lgmentation  kommt  vor,  kann  in  der  Milz  stark  werden.  Trotz 
geringer  Unterschiede  können  die  charakteristischen  Veränderungen 
toxischer  Anämie  auch  durch  Blutung  hervorgerufen  werden. 

Bamberger  -  Kronach. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  No.  5—16,  1913. 

No.  5.  Ohne  Originalmitteilung. 

I -x  Nx0'  6/,,  H-,,^aUe:  Sammelreferat  über  die  bakteriologische 
Literatur  (II.  u.  III.  Vierteljahr  1912).  Kokkeninfektion,  Pest,  Verschie¬ 
denes,  Spirochäten,  Trypanosomen,  unbekannte  Erreger,  Immunität 
ino.  /.  O  Seifert:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der 
Rhino-Laryngologie.  (Oktober  1912  bis  Januar  1913.) 

No.  8  ohne  Originalartikel. 

„  E°-  9.  ])  N.  I  h.  G  o  1  u  b  o  w -  Moskau:  Septikämie  als  häufiger 

Gast  in  der  Familie  der  übrigen  Infektionskrankheiten. 

.  i  x  die  Wichtigkeit  der  leichteren  Sepsisformen,  die  oft 

nicht  richtig  gedeutet  werden.  Verlauf  und  Entwicklung  der  Krank- 
vnt’  baktei:iol°£ische  Untersuchung.  Ausschluss  von  Typhus,  Para¬ 
typhus,  Malaria,  Influenza  fuhrt  in  der  Regel  zur  richtigen  Diagnose. 

häufig6'  Ein^FaT?  Streptok9kken-  AIs  Ausgang  ist  Angina  recht 
Häufig;,  cm  hall  ging:  in  perniziöse  Anämie  über. 

i  .  ^  Bacb*™J.  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  Pharmako¬ 
logie.  (Oktober  bis  Dezember  1912.) 

Klinik'' Prag.)  H'  Rotky:  Ueber  traumatische  Myositis.  (Med. 

Bei,  dem  47  jähr.  Manne  handelte  es  sich  um  eine  akute  Myositis 
durch  ubermassige  Anstrengung  des  rechten  M.  triceps.  Diese  trau- 

z^trennen17081118  ’St  V°n  dCr  akuten  infektiösen  Polymyositis  streng 

der  oLVrieT  u’uli  Ms’  KÄfembefEi:9fiTlnelrefera'  a''S  dem  0ebie,e 
No.  11.  E.  H  e  r  z  f  e  1  d  und  J.  B  a  u  r :  Ouantitative  Besinn 
mungsmethoden  geringer  Indolmengen.  (Med.  Klinik  Zürich) 

Die  empfindlichste  Indolreaktion  ist  die  Ehrlich  sehe  o-Di- 
mcthylaminobenzaldehyd-Reaktion:  sic  eignet  sich  für  soektronhotö 
metrische  Bestimmungen.  Zur  Isolierung"  aus  festen  und  Mssigen 
Substanzen  eignet  sich  besonders  die  Destillationsmethode  mit 


_  No.  20. 

IaeSf,rdTP/e,n,Undx  Ausschütteln  des  Destillates  mit  Xylol.  Der  Nach 
No  Indol  lässt  sich  auf  diese  Weise  im  Harn  und  im  Kot  führen 

iw.,!,?  i  j  H'.^>owade:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der 
Dermatologie  und  Syphilidologie.  (I.  Vierteljahr  1912.) 

•  ^  .  . 11  ross:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  all™ 

meinen  Paithologie  und  pathologischen  Anatomie.  k  * 

No.  14  ohne  Originalaufsatz. 

tto  .  a  »• .  A‘  L  ’  p  P  m  a  n  n  und  A.  Hufschmidt:  7ur  Fra™ 

SchärhchBeneiMMK  am  m  0  e  b  1  e  s,chcn  Leukozyteneinschlüsse  beim 
scnarlach.  (I  Med.  Abteilung  Hamburg-St.  Georg.) 

•  vV..IC  u  0  e  h  1  e  sehen  Leukozyteneinschlüsse  sind  Produkte  eine« 
V0J  sich  sehenden  exzessiven  Zellzerfalls,  event  von 
Leukozyten  aufgenommene  Zellreste.  Vielleicht  veht  Ha«  ‘ 

X  Zelleinschlüssen  mit  Urobilinogenurie  parallel.  Die  D  o  e  hl  e" 
sehen  Befunde  sind  in  diagnostischer  Hinsicht  etwa  gleichwertig  mit 
der  Ui  obihnogenreaktion.  Bei  hohem  Fieber  und  Fehlen  diese,  R? 
funde  ist  Scharlach  wenig  wahrscheinlich.  Auftreten  der  Körn^' 

chen  beumst  aber  nicht  ohn®  weiteres  Scharlach.  P 

.  .  (>'  .  ■  .  .■  A.  R  a  w  itsch:  Ein  Fall  von  epidemischer  Zerehrn 

(Landschaft.: 

vier  ^TSS  äSXÄ“ 

BerndLhT;Lent'ieber'  een“-  OoüstS  ErfoÄ 

Behandlung  bei  zwei  weiteren  Fällen  vom  Jahre  1905  Meicnen 

W.  Zinn-  Berlin. 

83  r?e,?a^e  5“;  klil!j,schen  Chirurgie,  red.  vonP.v.  Bruns 
83.  Band,  3.  Heft.  Tübingen,  Laupp,  1913. 

11ri.  Rprscbach  teilt  aus  dem  Kantonsspital  in  Münsterliiuren 
und  der  Thurgauischen  Irrenheilanstalt  eine  Arbeit  zur  Pathologie 
und  Operabilität  der  Tumoren  der  Zirbeldrüse  mit,  nachdem  eine 
kaQm?rlUnh  tdCrAUbur  3  Dutzend  Fälle  betragenden  diesbezüglichen 
sehen  wcrMs'i'  £“ta“  '-T  etc-  Imme“  noch wu„" 

"TTL  bLl,C"  Cti"bcr.clnen  Fa"  von  zusammengesetztem 
, mH  Ho  r  ,,bel  ^  sarkomatos  entartetem  Bindegewebsgeriist 
und  Ganglienzellen  näher,  in  dem  C.  B  r  u  r,  n  e  r  zweizeitig  Sa  iv 

15  "sarkome1  c1  mer  Literatur  niedergelegten  Fällen  sind 

io  sarkome.  9  Kystome,  5  Teratome,  4  Karzinome  2  Psammnmr 

seinesarFTnes"eSeR  t6hXUTrenn-Und  analysiert  d>e  Symptome  etc! 
seines  ralles.  R.  halt  die  Diagnose  eines  Zirbeltumors  nur  in 

ganz  besonders  günstigen  Fällen  möglich.  Abgesehen  von  den  Fällen 
mit  R^senwuchs,  Dysgenitalismus  und  Adiposität  bei  Kindern  fehlen 
pat  lognomomsche  Symptome,  auf  die  Vierhügelpostulate  kann  man 
sich  nicht  sehr  verlassen.  Frühes  Auftreten  der  Allgemeinsymptome 
in u s k e i t o r u n g e n ,  die  zum  Unterschied  von  den  Vierhügel- 
verhalt"lsmäs.siS  ,oft  auch  den  Trochlearis  und  den  Abduzens 
betreffen,  zuweilen  deutliches  Fortschreiten  der  Okulomotorius- 
phmungen.  zerebellare  Ataxie,  Hörstörungen,  vielleicht  Fehlen  der 
au  rl.angsamung,  periodische  Remissionen  und  Exazerbationen  der 
Allgemeinsymptome  sind  wohl  die  Momente,  auf  die  sich  heute  die 
Diagnose  eines  Zirbeltumors  stützen  lässt.  -  Nach  Brunners 
“n.af  Leiche  sind  für  das  Vordringen  zur  Zirbeldrüse 
2  \\  ege  möglich.  1.  von  oben  her  (Knochenlappenbilduno-  Eindringen 

Ralk?n?n  n3  XMPd  Hernisphare-  Freilegung  der  hintersten  Teile  des 
alkens,  Durchtrennung  desselben,  Eindringen  auf  die  Vierhügel- 
.segend)  und  2  der  Weg  zwischen  Kleinhirn  und  Hemisphäre  dem 
^ntor-  cerebelh  entlang.  R.  berichtet  noch  über  einen  2  Fall  ’zwei- 

NeffenrdesPeras&  FaTle^b  -m?  Hirntuniorerscheinungen  erkrankten 
(der  bei  der  OnpSion’  bei  de,m  das  Vorgehen  durch  den  Balken 
IiHiipn  1/  dcr.  Operation  emnss)  keinen  genügenden  Zugang  zum 

den^musS i?nd  dlG  w,e!terue  Operat>on  abgebrochen  wer- 
den  musste  es  traten  keine  apraktischen  Störungen  oder  Intelligenz- 

storungei1  danach  auf,  woraus  R.  folgert,  dass  der  Balken  in  solchen 
Fallen  ohne  grosse  Gefahr  durchtrennt  werden  darf  (der  in  solchen 

s chwi ikL I °  F rhr 'rnh  U "  m '  ,miter  Druckwirkung  stand).  Kopfschmerz. 
narlTTy  M  Erbrecchea  blieben  in  dem  betreffenden  Falle  weg  (noch 
läch  3  A  Monaten),  die  Sehschärfe  wurde  nicht  weiter  reduziert. 

vr  w'-tT  t  r^0  b  ^  ,  und  Kirsch  n  er  berichten  aus  der  Erlanger 
Klinik  über  Ergebnisse  der  Nervennaht  und  plädieren  warm  fiir  die 

Uken^lS'  !n,  N^ennaht’  d|c  über  den  Sehnennähten  von  Prak- 
ukeii  leicht  veinaehlassigt  wird.  Zwecks  Feststellung  der  Ent- 

BesUSerSL)Vn“r?„en,,T'rm“  36  P,roz'  resp.  iesentlfchen 

Besserungen,  in  der  Graser  sehen  Klinik  vorgenommene  Nerven¬ 
in  33  Pro?11 \°n  6  dun  Radia!is  betreffenden  wurde  nur 
n  33  Proz  voller  Erfolg  erzielt.  3  allerdings  recht  ungünstig  ge¬ 
lagerte  halle  versagten  vollständig,  von  3  Nervennähten  am  VordS- 

naht  hätten  durch  , die  Naht  gebessert.  2  Fälle  von  Plexus- 

a  m  aJ1  r^!atlv  günstigen  Erfolg  und  werden  näher  mitgeteilt, 
ahiend  die  Gesamtzahl  kurz  tabellarisch  zusammengestellt  wird. 

...  'V*.  Lohenhoff  er  berichtet  ebenfalls  aus  der  Erlanger  Klinik 

Sache if ^( Fxo ? I"n ^ 0 c h ® n •  v e r b r e i t e t  sich  über  die  anatomischen  Ur- 
SlnäMS"'  Schleimbeutelerkrankungen  etc.)  und  teilt  einen 
SkaouhJwinW  i?cdw  nekrot‘scher  Schleimbeutel  am  oberen 
Sng  fühHe  d  6  Symptom  bedia8:te  und  Exstirpation  zur 

iihPrhH,N  R??k-LbKC.hefibt  aus  der  Reichen  Klinik  Untersuchungen 
S  r  mSn  F  i  bCI  StrumenTr"»d  dessen  Beeinflussung  durch  die 

?eS  Sfno  FMio?3-’*  r?  «ner, .Uebersicht  der  betreffenden  Arbeiten 
zeig.,  keine  Einigkeit  betreffs  Diagnose  und  prognostischer  Bedeutung 


1 107 


i  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


.  eilt.  SO  untersuchte  N.  die  betreffenden  Fälle  (28),  darunter 
1  le  klassischen  Basedows,  2  Jodbasedow,  2  Basedowoid,  2  Fälle 
)  Kropfherz,  8  von  thyreotischer  Herzstörung,  3  Fälle  von  me- 
i;  scher  Herzstörung,  6  Fälle  unkomplizierter  Struma.  Den  Pro- 
atz  der  Lymphozyten  fand  N.  fast  in  allen  Kropffällen  ver- 
i  t,  die  polymorphkernigen  neutrophilen  Leukozyten  in  der  grossen 
,  zahl  der  Fälle  absolut  vermehrt,  die  eosinophilen  Zellen  ver- 
t  in  2  Basedow,  die  grossen  Mononukleären  sind  in  keinem 
erheblich  vermehrt.  Die  Operation  hatte  in  der  Mehrzahl  der 
i  einen  deutlichen  Einfluss  auf  das  Blutbild,  bei  den  durch  die 
r  ation  geheilten  Thyreosen  beläuft  sich  die  Lymphozytenabnahme 
i  ischnittlich  auf  25,7  Proz.  Der  Qrad  der  Lymphozytose  ent- 
lit  durchaus  nicht  regelmässig  der  Schwere  der  sonstigen  Er- 
|  nungen.  Zugleich  mit  der  Besserung  der  übrigen  Störungen  tritt 
>perativen  Strumen  eine  erhebliche  Verminderung  der  Leuko- 
i  ein. 

Arthur  W.  Meyer  gibt  aus  der  Heidelberger  chirurgischen 
linik  Beiträge  zur  Lokal-  und  Nervenleitungsanästhesie.  Er 
•  acht  zunächst  die  fragmentierte  Lokalanästhesie  zur  Orientierung 
die  Lage  grosser  Nervenstämme  bei  atypischen  Verhältnissen, 
am  Ellenbogen  zur  Annagelung  eines  abgebrochenen  Epikondyls 
Entfernung  eines  abgesprengten  Stückes  aus  dem  Gelenk,  dann 
Suchen  nach  tiefsitzenden  Fremdkörpern,  ferner  die  Lokal- 
hesie  in  entzündeten  Geweben,  bei  der  Einrichtung  von  Frak- 
i  ,  die  Lokalanästhesie  in  die  Gelenke  zur  Stellung  von  Diagnosen, 
perationen  und  orthopädischer  Behandlung  (beim  Redressement 
:Plattfusses,  der  Mobilisierung  gonorrhoischer  Arthritiden).  Bei 
ikfrakturen  an  der  Hand  oder  dem  Ellbogen  genügen  5 — 15  ccm 
i  ikain  in  1 — 2  proz.  Lösung. 

Des  weiteren  bespricht  M.  die  Nervenleitungsanästhesie,  die 
l  thesie  des  Plexus  brachialis  in  der  Ellbogenbeuge  und  auf  der 
)  erseite  des  Handgelenkes,  die  ganz  besonders  zu  empfehlen,  da 
i  Lokalinjektion  im  Handteller  schmerzhaft  und  nicht  gut  ausführ¬ 
st. 

Der  gleiche  Autor  berichtet  zur  Diagnose  und  Behandlung  einiger 
.  turen,  besonders  der  Gelenke.  Er  erinnert  daran,  dass  oft  trotz 
Röntgenuntersuchung  nur  eine  genaue  klinische  Untersuchung  die 
;nose  ermöglicht  und  bespricht  u.  a.  die  Fraktur  des  Olekranon, 
ler  er  die  vollständige  extratendinöse  Abreissung  der  Trizeps- 
i  tion  von  der  intratendinösen  Fraktur  unterscheidet.  Bei  letzterer 
wenn  nicht  Einklemmungserscheinungen  des  kleinen  Fragmentes 
i  anden,  ein  blutiger  Eingriff  überflüssig,  bei  der  extratendinösen 
:  tur  ist  solcher  angezeigt,  wenn  die  Fragmente  schlecht  stehen, 
rotz  Behandlung  in  Streckstellung  fibröse  Vereinigung  zu  be- 
-  ten  und  wenn  der  Patient  auf  rasche  Heilung  und  Wiederher- 
;mg  normaler  Funktion  Gewicht  legt.  Die  Drahtnaht  (bei  der 
i  Draht  nicht  im  Gelenk  liegen  darf)  ist  dann  am  Platze  oder  die 
;  imerbehandlung.  —  Des  weiteren  bespricht  M.  ebenfalls  unter 
ihrung  entsprechender  Röntgenogramme  die  Fraktur  des  Proc. 
noideus  ulnae  und  die  des  Epicondylus  humeri,  wobei  die  An- 
ilung  zu  empfehlen,  sowie  die  Fraktur  des  Karpalknochen.  Zur 
Lion  bei  sternaler  Luxation  der  Klavikula  empfiehlt  M.  ein  Ver- 
ln  des  Schlitzes,  in  dem  das  Klavikularköpfchen  von  vorn  zu 
h  ist  und  Annähen  des  klavikularen  Anteiles  des  Kopfnickers  nahe 
i  r  Klavikularinsertion  an  die  Pars  sternalis  m.  pectoralis.  —  Die 
lung  und  Drahtnaht  ist  bei  jugendlichen  Individuen  wegen  Weich- 
i  und  geringer  Tiefe  des  Sternum  nicht  ganz  einfach.  An  einem 
von  Pseudarthrosis  ulnae  zeigt  M.  schliesslich  den  guten  Effekt 
i  Zwischenlagerung  von  freien  Periostknochenspänen. 

D.  Kulenkampff  schildert  aus  dem  Kgl.  Krankenstift  zu 
i  kau  i.  S.  die  Radikaloperation  des  Ohres  in  Lokalanästhesie,  ihre 
!  nik  und  Nachbehandlung.  K.  gibt  seinen  Patienten  am  Abend 
i  er  0,5  Veronal  und  1 — VA  Stunden  vor  der  Operation  0,3— 0,5 
:>olamin  und  0,0075 — 0,01  Morphium,  so  dass  der  psychische  In- 
1  verringert  ist,  er  benützt  30 — 40  ccm  1  proz.  und  einige  12  ccm 
]  z.  Novokainlösung  (aus  Höchster  Tabletten  hergestellt  mit  ent¬ 
eilendem  Adrenalinzusatz  Taus  der  gleichen  Quelle!).  K.  injiziert 
definitiver  Desinfektion  und  nach  2 — 3  maligem  Benzinabwaschen 
i  4  Quaddeln  aus  und  umspritzt  entsprechend  die  Ohrmuschel, 
childert  seine  Technik  an  zahlreichen  Abbildungen  näher,  be¬ 
llt  die  Indikationen.  Nie  wird  in  frisch  entzündetem  Gebiet 
ert,  bei  einfacher  Aufmeisselung  bei  Mastoiditis  wird  Narkose 
i  ezogen.  K.s  Plastik  gibt  übersichtliche  Freilegung  des  an  sich 
n  Gebietes,  der  Lappen,  den  er  bildet,  legt  sich  gut  in  die  zu 
’irtende  Knochenhöhle.  Als  besonderen  Vorteil  sieht  K.  die  griind- 
Abtragung  und  geringere  Gefahr  der  Fazialisschädigung  dabei 
Ja  der  Patient  bei  der  Erschütterung  des  nur  noch  von  dünner 
i:henlamelle  gedeckten  Nerven  Zuckung  der  betreffenden  Gesichts- 
e  zeigt.  K.  geht  auf  die  Ausheilung,  Nachbehandlung  etc.  näher 
ind  führt  kurz  seine  Krankengeschichten  (u.  a.  von  20  Radikal- 
ationen  mit  primärer  Plastik)  an. 

Das  Heft  enthält  ferner  die  Verhandlungen  der  Vereinigung 
rischer  Chirurgen  der  2.  Versammlung  vom  6.  VII.  12  in  München. 

Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  18,  1913. 

W.  M  i  n  t  z  -  Moskau :  Zur  Technik  der  Blutstillung  an  den  Hirn- 
i  eitern. 

Um  die  bei  Freilegung  des  Kleinhirns  auftretende  venöse  Blutung 
h  aus  dem  Confluens  sinuum  kommenden  Gefässes  zu  stillen,  hat 
! .  seither  öfters  mit  bestem  Erfolg  aus  der  Nackenmuskulatur 


einen  dünnen  Muskellappen  entnommen  und  3  Minuten  auf  d^s  blu¬ 
tende  Gefäss  gedrückt*  die  Blutung  stand  darauf  fast  sofort.  Er  emp¬ 
fiehlt  diese  Methode  zur  praktischen  Nachprüfung. 

G  u  1  e  k  e  -  Strassburg:  Zur  Technik  der  Faszientransplantation. 

Um  den  Faszienlappen  möglichst  wenig  zu  lädieren,  hat  Vcrf. 
einen  Faszienspanner  konstruiert,  dessen  einfache  Anwendung  kurz 
beschrieben  ist.  (Mit  1  Abbildung.) 

Eduard  P  f  1  a  u  m  e  r  -  Buenos  Aires:  Zur  Oesophagoplastik  aus 
der  Magenwand. 

Verf.  hält  sich  bei  der  Bildung  eines  neuen  Oesophagus  im  all¬ 
gemeinen  an  die  Methode  J  j  a  n  u  s.  operiert  aber  zweizeitig.  Er 
macht  zuerst  die  rein  abdominale  Operation  mit  der  Modifikation, 
dass  der  neue  Oesophagus  mittels  eines  Knopfes  an  seiner  späteren 
Durchtrittsstelle  durch  das  Zwerchfell  befestigt  wird;  dadurch  lässt 
es  sich  bei  der  2.,  intrathorakalen  Operation  leicht  auffinden  und 
durch  das  eingekerbte  Diaphragma  hindurchziehen.  Die  Technik  ist 
an  3  Abbildungen  erläutert.  E.  H  e  i  m  -  Oberndorf  b.  Schweinfurt. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  18.  1913. 

S.  Dietrich-  Köln :  Zur  Aetiologie  der  Hydrorrhoea  amniotica. 

Das  klinische  Bild  der  Hydrorrhoea  uteri  gravidi  amnialis  oder 
amniotica  steht  seit  Stoeckels  Publikation  im  Jahre  1899  fest, 
nur  die  Aetiologie  ist  noch  dunkel.  D.  beschreibt  einen  einschlägigen 
Fall  und  gelangt  auf  Grund  desselben  zu  der  Annahme  eines  Hydram- 
nios  in  den  ersten  Monaten,  der  zur  Ruptur  der  Eihüllen  führte.  In 
seinem  Falle  war  die  Ruptur  der  Eihäute  zweifellos  eine  Folge  der 
Lösung  amniotischer  Verwachsungen,  d.  h.  das  Amnion  war  primär 
rupturiert  und  dann  erst  das  Chorion. 

A 1 1  m  a  n  n  -  Hamburg :  Nachteile  der  Ventrifixur. 

Zwei  Fälle  mit  Nachteilen  und  Spätfolgen  der  Ventrifixur.  Im 
ersten  Falle  handelte  es  sich  um  schwere  Geburtsstörungen.  Es 
musste  wegen  Schulterlage  die  Wendung  gemacht  werden:  totes  Kind 
und  Exitus  der  Frau  infolge  einer  Uterusruptur. 

Im  zweiten  Falle  bekam  die  Frau  nach  einem  Falle  Darmgangrän 
und  Ileus;  Laparotomie,  Exitus. 

Bei  einer  noch  gebärfähigen  Frau  sollte  die  Ventrofixation  über¬ 
haupt  nicht  gemacht  werden. 

H.  v.  Ortenberg  -  Santa  Cruz :  Placenta  praevia  centralis, 
kompliziert  mit  absolutem  Wehenmangel  und  Querlage  nach  Vaginae- 
fixation. 

Die  Geburt  konnte  nach  Hysterotomia  anterior  bei  mässiger 
Nachblutung  durch  Wendung,  Extraktion  und  Lösung  der  zentral  vor¬ 
liegenden  Plazenta  beendigt  werden.  Verlauf  fieberfrei  und  glatt. 

U  t  h  m  ö  1 1  e  r  -  Osnabrück :  Schwere  Geburten  nach  Vaginae- 
fixur,  ein  Fall  kompliziert  durch  einen  Foetus  papyraceus. 

Alle  3  Fälle  zeigten  Ueberdehnung  der  hinteren  Uteruswand.  Im 
1.  Fall  Wendung;  Tod  der  Mutter  7  Wochen  später  an  eitriger 
Thrombophlebitis  der  Beine.  Im  2.  Fall  totes  Kind,  fieberhaftes 
Wochenbett.  Im  3.  Fall  Totalexstirpation  des  Uterus,  der  einen 
Foetus  papyraceus  enthielt.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Virchows  Archiv.  Bd.  212,  Heft  1. 

1)  R.  Thoma:  Untersuchungen  über  das  Schädelwachstum  und 
seine  Störungen.  Das  fötale  Wachstum. 

Die  Arbeit  muss  im  Original  studiert  werden,  da  ihr  reicher  In¬ 
halt  sich  in  einem  kurzen  Referate  nicht  wiedergeben  lässt. 

2)  E.  Walther:  Zur  formalen  und  kausalen  Genese  der  Brust¬ 
muskel-  und  Brustdrüsendefekte. 

Der  Pektoralisdefekt  ist  als  Hemmungsmissbildung  aufzufassen, 
da  er  nie  ohne  Integumentdefekt  vorkommt.  Es  liegt  ihm  eine  Ent¬ 
wicklungsstörung  der  Somatopleura  zugrunde.  Eine  Druckatrophie 
kommt  nicht  in  Frage. 

3)  A.  Dietrich:  Ueber  ein  Fibroxanthosarkom  mit  eigen¬ 
artiger  Ausbreitung  und  eine  Vena  cava  sup.  sin.  bei  dem  gleichen 

Fall.  (Pathol.  Institut  in  Westend-Charlottenburg.) 

Die  im  Titel  genannte  Geschwulst  fand  sich  bei  einer  29  jährigen 
Frau  retroperitoneal.  Von  hier  aus  hatte  der  Tumor  auf  die  benach¬ 
barten  Organe  übergegriffen  und  ausserdem  Metastasen  im  Herzen, 
auf  dem  Peritoneum  und  an  beiden  Nervi  optici  gesetzt.  Mikro¬ 
skopisch  fand  sich  ein  fibrosarkomartiger  Aufbau  mit  einem  sehr 
starken  Gehalt  von  doppeltbrechenden  Lipoiden.  Bei  dieser  Be¬ 
obachtung  fand  man  ferner  die  Vena  cava  dextra  fehlen.  Es  bestand 
eine  Vena  cava  sin.,  die  an  der  Stelle  des  Sinus  coronarius  in  den 
rechten  Vorhof  einmündete. 

4)  D.  v.  Hanse  m ann:  Die  Lösungsmöglichkeit  der  Gallen¬ 
steine. 

Bei  menschlichen  Gallensteinen  beobachtet  man  neben  Abschlei¬ 
fungserscheinungen  auch  Befunde,  die  auf  eine  Lösung  hinweisen. 
Wenn  man  menschliche  Gallensteine  in  die  Hundegallenblase  bringt, 
so  treten  deutliche  Lösungserscheinungen  auf.  Wiederholt  trifft  man 
in  der  Gallenblase  durchgebrochene  Steine  an,  diese  Brüche  sind 
wahrscheinlich  auch  auf  Lösung  zurückzuführen.  H.  steht  auf  dem 
Standpunkte,  dass  es  auch  durch  therapeutische  Mittel  möglich  sein 
müsse,  die  Steine  in  der  Gallenblase  zur  Lösung  zu  bringen. 

5)  W.  Steinbiss:  Ueber  experimentelle  alimentäre  Athero¬ 
sklerose.  (Fortsetzung  im  nächsten  Hefte.) 

Schridde  -  Dortmund. 


1108 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Archiv  für  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 
Stoffwechselpathologie  und  der  Diätetik.  Redig.  von  Prof 
1.  Boas.  Band  XIX,  Heft  1. 


No.  20 


*.d "  Bpsen :  Beitrag  zur  Diiferentialdiagnose  des 

xaSder  HoS ‘fUndM”eS  U,cus  durodeni-  (Aus  dem  deutschen  Ale- 

n  h  o  ~\P  ta  ur  Manner  in  St-  Petersburg.  Direktor  Dr.  Wes  t- 
P  n  3  i  c  n.y 

denaSS!rnhaw5rritol0rc:hevSUm^trittene  Frage  der  Diagnose  des  Duo- 
kSSÄn  ’  S-  Veranlassung,  an  44  zur  Beobachtung  ge- 
“Äen  Fallea  von  peptischen  Magen-  und  Darmgeschwüren  Ver- 

si  pfnf>na,Rp-tte  e"  h!?s,ichtlich  der  Häufigkeit  ihrer  Symptome  und 
so  einen  Beitrag  zu  liefern  zum  differentialdiagnostischen  Wert  der 
einzelnen  Merkmale.  Das  Ergebnis  seiner  Untersuchungen  fasst  S 
dahin  zusammen,  dass  es  kein  Symptom  gibt,  welches  der  einen  oder 
anderen  Geschwursart  speziell  zukommt.  Besonders  für  Duodenal- 
ulcus  spricht  die  fast  me  vermisste  Periodizität  im  Auftreten  der 
Beschwerden  und  ein  regelmässig  spät  nach  der  Nahrungsaufnahme 

sonders  " h ä uf i^C1h^e r  n  WHC  ai]Ch  der  Hunger-  und  Nachtschmerz  be¬ 
sonders  häufig  bei  Duodenalgeschwür  angetroffen  werden,  diesem 

SJTfÄ1  .ausschliesshch  zukommen.  Von  Wichtigkeit  ist  ferner 
Tdnri.ErH  eba‘S  dHS  Masenbefundes;  nämlich  in  fast  Vs  der  Fälle  von 
hif  fripUOdem  Hyperedcretion  gegen  nur  etwas  die  Hälfte  der  Fälle 
feLUl lca: s,  ventncu: h.  Bezüglich  der  subjektiven  und  objektiven 
?ÄrZl0k,allSa‘10n  glaubt  Verfasser  auf  Grund  seiner  Krankenge- 
schichten  die  Ansicht  vertreten  zu  dürfen,  dass  die  genaue  Fest¬ 
stellung  des  Schmerzpunktes  zwar  sehr  erwünscht,  wenngleich  si« 

nichteSßSliehUl5  e"ii  ^'rd'  t  Wen  c  eS  nach  dem  Gesagten  aBo  auch 
nicht  möglich  ist,  allein  auf  ein  Symptom  hin  die  Diagnose  auszu- 

7’  so  darf  man  doch  hoffen,  durch  Kombination  der  einzelnen 

Sen"  Se  Z"  Sdn’  Vie'e  PePtiSChe  Geschwüre  lokaSen 

2)  (i  r  e  g  e  r  s  e  n-Kopenhagen :  Untersuchungen  über  Schmidts 
DWÄ&  Fa“bedr)  mediZ'  UniversitälskIi"'k  Kopenhasen. 

Sre?Ld0smPs  eherRACahylie  k£m  Gindegewehe  ausgeschieden  wurde, 
anderer^eds  sich  Bindegewebe  bei  normaler  oder  gar  erhöhter 

Azidität  in  den  Fäzes  nachweisen  liess,  was  Schm,  durch  die  An- 
nahme  einer  Hypermotilität  zu  erklären  suchte,  hat  G  r  e  g  e  r  s  e  n  die 

Ersehnte"  hI  Gpge,nstand  neuerlicher  Untersuchungen  gemacht.  Das 
Ergebnis  der  Bindegewebsverdauung  wurde  jeweils  mit  der  Sonden- 
untersuchung  nach  Ewalds  Probefrühstück  verglichen  und  ergab 
sich  hierbei,  dass  die  Fäzes  von  Achylikern  unter  den  gegebenen 
Versuchsbedingungen  (100  g  schwach  angeröstetes,  geschabtes  Kalb 
fleisch)  praktisch  genommen  stets  Bindegewebe  enthalten,  so  dass 

Achvh>nndefatnVeni1AuffaI!1  der uProbe  man  das  Vorhandensein  von 
Achyhe  und  wahrscheinlich  auch  geringe  Grade  der  Hypochylie  mit 

SWÄTVn"«Chli“Sen  ,k?n"e"'  Jeile”l!>lls  wirdPman  durch 
f'eseM™be  m  den  stand  gesetzt,  eine  mangelhafte  Pepsinverdauung 
™,Mpagen  nachzuweisen,  einerlei,  ob  sie  auf  mangelhafter  Säure- 
oder  Pepsmsekretion  oder  vielleicht  auf  Hypermotilität  beruht.  Von 
G.  gleichzeitig  angestellte  Versuche  über  den  Einfluss  von  einge- 
nommencr  Salzsäure  und  Pepsin  auf  die  Bindegewebsverdauung  bei 
Achyhe  ergäben,  dass  hierdurch  der  Ausfall  der  Bindegewebsprobe 

recht  bede,'lenden  ]V’ene<!  HC| 

satzes!  Bialokur-Jalta:  Zur  Frage  der  Palpation  des  Wurmfort- 

H‘e  Ergebnisse  seiner  Arbeit  fasst  B.  in  einer  Reihe  von  Schlüss¬ 
en"  ZUSam.men’  von,  welchen  mir  nachstehende  als  die  wichtigsten 

efnstweifpii  EX"  v°llkommen  gesunden  Wurmfortsatz  können  wir 
einstweilen  nicht  palpieren,  wohl  aber  ist  der  Wurmfortsatz  im 

patholog^chen  Zustand  palpabel  und  zwar  lassen  die  Spannung  und 
dH  ,B/drop.lsche  Zustaiid  des  Wurmes  denselben  auf  dem  Hintergrund 
des  Muse  lleopsoas  deutlich  hervortreten.  Da  die  chronische  Appen- 
d‘z'tls  n,cht  selten  bei  Personen  beobachtet  wird,  die  mit  manifester 

spihp'patenteu  Lu - g5 nt ube r ku lose  behaftet  sind,  so  ist  klar,  dass  die¬ 
selbe  eine  sehr  häufige  Komplikation  darstellt  und  falls  nicht  recht- 

e n 1 nr pr^h^ifri * V  |ingpschntten  wird,  die  Lungentuberkulose  mangels 
entsprechender  Ernährung  gewöhnlich  unheilbar  wird.  Immerhin  darf 

man  aus  dem  Resultate  der  Palpation  nicht  zu  überei'te  Schlüsse 
ziehen  um  de  Methode  selbst  nicht  zu  diskreditieren  uSd  die 
Pcitienten  nicht  überflüssigen  Eingriffen  auszusetzen. 

n!  1 7  * 6  V  ,Brooklyn :  Postoperative  gastro-enteritische  Parese. 

,  .  Bas  Zustandekommen  der  Magen-Darmparalyse,  dieses  gefürch- 
K  -  ]fde^  Arzte  bekannten  Krankheitsbildes  dürfte  entgegen 
Rok!  anskys  Anschauung  einer  rein  mechanischen  Grundlage 
pa  khadfem  "as  jetzt  darüber  wissen,  doch  zweifellos  in  einer 

Trauma f  oder d  du  roh'ppfi  begrül1,det  /ein,  die  wiederum  durch  ein 
irauma  oder  durch  Refleximpuls  oder  durch  beides  hedmo-t 

ann  Die  Behandlung  besteht  in  sofortiger  und  genügend  lang  fort- 

gesetzter  Ausspülung  des  Magens,  für  die  eigentlich  keinerlei  Kontra- 

mdikation  besteht  und  ausserdem  in  Anwendung  anregender  Klvsmen 

von  Terpentin  oder  Milch  mit  Sirup.  Medikamentös  wendete  P.  früher 

Eserin,  sulturicum  in  Dosen  von  0,0015  und  in  neuerer  Zeit  Hormonal- 

injektionen  von  _0 — 40  ccm  an.  Unter  keinen  Umständen  darf  ein  Laxans 

nfor  nnpnr  r  ?,och  gegen  Tropfklysmen  nichts  einzuwenden 

Die  operative  Behandlung  durfte  wohl,  nachdem  ein  chirurgischer  Fir 
griff  einem  bereits  vorhandenen  Trauma  nur  noch  ein  neues  hinzS- 


lafsenmseinihrer  SterbIichkeitsziffer  von  100  Proz..  endgültig  ver- 


5)  M  a  1 1  i  s  o  n  -  Malmö :  Ueber  die  sog.  Kapillaranalv«« 
Magensaft  nach  D.  J.  H  o  1  m  g  r  e  n.  (Aus  de*  medizinische,,  ak 

tuljUng  des  allgemeinen  Krankenhauses  in  Malmö.  D.  P  i  a  n  n  ' 

Nach  M  a  1 1  i  s  o  n  s  Untersuchungen  ist  Holmgrens  KanilUr 
analyse  mit  Kongorot  als  Indikator  (Bd.  17  dieses  Archive! 

'  ancb\ med;  Wochenschr.  1912,  pag.  942)  schon  um  deswillen  a  priori 
unrichtig,  als  das  Kongorot  nicht  nur  auf  die  freie  Salzsäure 
Magens  reagiert,  sondern  auch  auf  die  salzsauren  Peptone  unii 
organischen  Sauren.  Im  Uebrigen  zeigten  sich  schon  bei  der  Unter 
suchung  rein  wässeriger  Lösungen  von  HCl  Zahlen,  die  durchsch  it  ' 
lieh  um  etwa  10  Proz.  der  berechneten  HCl-Menge  bald  nach  oben' 
lald  nach  unten  differierten.  Es  ist  demnach  nach  M.  die  Kapillar- 
analyse,  so  bestrickend  die  Methode  auf  den  ersten  Blick-  nnri 
scheinen  mag,  als  praktisch  verwertbar  kaum  zu  empfehlen  mV' 
TitHe'c  den  FaIlei?  feinster  Mengen  von  Magensaft,  bei  denen  4 
JdHerf,n  nicb(  möglich  und  die  für  die  Kapillaranalyse  besonders 
geeignet  ei  schienen,  durfte  diese  Methode  infolge  der  Zahlenschwan 

saiss  res  Res""a‘ Keben  "ie  <iie 

..  .  B  re  isach  e  i  -  Detroit  (Michiscan) :  Die  Wirkunü  von  Ozon 
auf  den  Gastrointestinaltrakts.  n 

rirvr,  ^nger®gt  durch  S  c  h  nt  i  d  t  s  Versuche,  den  Sauerstoff  direkt  in 
den  Gastrointestinal  raktus  einzuführen,  hat  B.  seit  etwa  einem  Jahre 
nun  auch  Ozon  zu  therapeutischen  Zwecken  im  Magendarmkanal  zur 
Anwendung  gebracht  und  zwar  in  Fällen  schwerer  Flatulenz  uiid 
yperasthesie  der  Magenschleimhaut.  Der  Verfasser  war  duren 
das ;  Ergebms  so  befriedigt,  dass  er  beabsichtigt,  das  Mittel  au->- 
eFh!VU  verwenden  und  sind  die  bisherigen  klinischen  Daten 
und  Erfahrungen  einer  späteren  Veröffentlichung  Vorbehalten. 

A.  Jordan  - München. 


Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  43.  Bd  19H 

4.  (Schluss)-Heft. 

*  ^  -u  W  k  a ad  2  e  1 1  e  r  -  Berlin :  Bakteriologische  Untersuch¬ 
ungen  über  die  Tuberkulose  des  Pferdes. 

T  ,  bie.  bis^r  vpa  Nocard  vertretene  Anschauung,  dass  die 
Tuberkulose  des  Pferdes  durch  Hühnertuberkelbazillen  veranlasst 
wurde,  bestätigt  sich  nach  den  experimentellen  Versuchen  des  Ver- 
[a^s![s  nicht.  Es  wird  über  10  Fälle  von  Pferdetuberkulose  berichtet, 
wi  jenen  achtmal  aus  Pferden  Tuberkelbazillenstämme  reingezüchtet 
wurden  und  zwar  darunter  5  typische  bovine.  Es  ist  damit  festge- 
aJjJJf’  da|Sexdas  Pferd  vom  Rind  angesteckt  werden  kann.  Die 
WoVn!?  3  Stamcf  wichen  vom  Typus  bovinus  ab.  zwei  davon  im 
achstum,  ein  Stamm  auch  in  seiner  Virulenz.  Der  eine  Stamm 
wuchs  genau  wie  der  Typus  humanus,  war  aber  im  Gegensatz  dazu 

stfmmt?JC5ur  Viru!fnt-  Die  drei  au4  dem  Pferde  gezüchteten  Stämme 
stimmten  also  weder  genau  zum  Typus  humanus  noch  zum  Typus 

Typ*"" Sf) o v'i n us" s üid" 6  ab6r  berechtigt’  dass  sie  Modifikationen  des 

Iv  >•  2I  7  V  z,e-  Berlin:  Die  Tuberkulin-Augenprobe  und  die  Tuber¬ 
kuhn-Intrakutanprobe  als  Mittel  zur  Feststellung  der  Tuberkulose  des 
Kindes. 

f  Ha  über  die  Bewertung  der  Augen-  und  Intrakutanprobe  für  die 
Feststellung  der  Tuberkulose  bei  Tieren  noch  kein  endgültiges  Urteil 
feststand,  wurden  in  den  Seequarantäneanstalten  zu 
Lübeck  und  Rostock  und  auf  dem  Schlachthofe  zu  Ro¬ 
stock  eine  grosse  Reihe  von  Impfungen  ausgeführt.  Es  ergab  sich, 
däss  die  Augenprobe  der  Intrakutanprobe  überlegen  sein  dürfte.  Eine 
positive  Reaktion  zeigte  das  Bestehen  einer  tuberkulösen  Infektion 
an,  äus  dem  negativen  Befund  ist  aber  aus  der  Augenreaktion  kein 
bindender  Schluss  zu  ziehen.  Beide  Reaktionen,  sowohl  die 
Augenreaktion  wie  auch  die  intrakutane,  stehen  aber  weit  hinter  der 
subkutanen  zurück,  da  letztere  eine  ganz  sichere  Diagnose  gestattet 
und  zwar  nach  Möhler  bis  zu  97—98  Proz. 

•  j3^  k  *  f  z  e  -  Berlin :  Ueber  den  Nachweis  von  Tuberkelbazillen 

m  den  Ausscheidungen  tuberkuloseverdächtiger  Rinder  unter  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  Antiforminmethode. 

Im  Gegensätze  zu  den  Resultaten  der  Antiforminmethode  bei 
der  Untersuchung  des  Sputums  des  Menschen  besitzt  dieselbe  für 
<-Ln  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im  Lungenauswurf,  in  der  Milch 
und  im  Ausflussmaterial  aus  der  Gebärmutter  des  Rindes  keine  be¬ 
sonderen  Vorteile.  Völlige  Sicherheit  gewährt  nur  das  Verimpfen 
des  Materials  auf  Meerschweinchen.  Nur  wenn  Untersuchungs- 
material  in  reicher  Menge  zur  Verfügung  steht,  wird  man  sich  mit 
Vorteil  des  Antiformins  bedienen,  falls  in  gewöhnlichen  Ausstrich- 
praparaten  sich  nicht  schon  Tuberkelbazillen  auffinden  Hessen.  Zur 
Verimpfung  auf  Tiere  ist  nicht  mit  Antiformin  behandeltes  Material 
vorzuziehen,  nur  in  solchen  Fällen,  wo  noch  andere  pathogene  Be- 
gleitbakterien  dabei  sind,-  wird  man  zweckmässig  2—3  Stunden  lang 
5  Proz.  Antiformin  einwirken  lassen. 

Bemerhenswert  ist  wohl  die  Beobachtung,  dass  die  Tuberkel- 
bazillen  von  den  in  der  Umgebung  der  Tiere  auch  vorkommenden 
säurefesten  Bakterien  nicht  immer  unterschieden  werden  können. 
Zum  Nachweis  in  der  Milch  muss  dieselbe  vorher  zentrifugiert  wer¬ 
den.  Antiformin  ist  dabei  nicht  geeignet. 

H  T  hi  er  i  n  g  e  r  -  Berlin :  Ueber  den  Nachweis  von  Tu¬ 
berkelbazillen  im  Kote  von  Rindern. 


I.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1109 


In  der  sehr  ausführlichen  Arbeit  wird  dargelegt,  dass  der  rein 
kroskopische  Nachweis  von  Tuberkelbazillen  beim  Rinde  im  Kote 
r  die  Feststellung  der  Tuberkulose  beim  Rinde  nicht  in  Betracht 
>mmen  kann,  da  wegen  verschiedener  Unzulänglichkeiten  in  der 
ethodik  und  wegen  der  im  Kote  vorhandenen  anderen  säurefesten 
ikterien  das  Resultat  nicht  einwandfrei  ist.  Die  einzig  sichere 
ethode  der  Feststellung  ist  der  Tierversuch.  Die  vom  Verf.  aus¬ 
arbeitete  Methode  ist  so  anzuwenden,  dass  Kot  (ca.  30  g)  im 
lenmeyer  mit  55  ccm  sterilem  Wasser  +  15  ccm  Antiformin  ge- 
ischt  und  dann  unter  Umschütteln  3 — 4  Stunden  stehen  gelassen 
ird.  70  ccm  werden  von  dieser  Mischung  in  mehreren  Zentrifugen¬ 
äsern  zentrifugiert,  der  Bodensatz  wird  mit  destilliertem  Wasser 
ifgenommmen,  durch  2  Lagen  Gaze  filtriert  und  das  Filtrat  in 
engen  von  2— 3  ccm  an  Meerschweinchen  subkutan  in  der  Bauch- 
gend  verimpft. 

5)  Ti  t  z  e  -  Berlin:  Die  Haltbarkeit  der  in  die  Blutbahn  elnge- 
ungenen  Tuberkelbazillen  (Typus  bovinus)  im  Blute  und  in  der 
uskulatur  von  Schlachttieren  und  die  Altersbeurteilung  tuberkulöser 
Bänderungen. 

So  weit  sich  aus  den  Untersuchungen  schliessen  lässt,  verhalten 
;h  die  Tuberkelbazillen  des  Typus  bovinus  wohl  ebenso  wie 
2  des  I  ypus  humanus.  Bei  tödlichen  Dosen  sind  sie  längere 
ät  im  Blute  vorhanden  und  wahrscheinlich  wird  das  Blut  nicht 
shr  frei  davon.  Die  Inkubationszeit  beträgt  6—9  Tage.  Bei  kleinen 
ler  mittleren  Mengen  verschwinden  bei  Ziegen  und  Rindern  die 
iziilen  bald  aus  der  Blutbahn,  sie  können  sich  bei  mittleren  Dosen 
ch  7 — 9  Tage  halten.  Waren  die  Organismen  im  Blut  vorhanden, 
nn  fanden  sie  sich  auch  in  der  Muskulatur,  in  den  Fleischlymph- 
üsen  waren  sie  aber  auch  nachweisbar,  wenn  das  Blut  frei 
von  war. 

Bei  intravenöser  Infektion  dauert  die  Inkubationszeit  6—9  Tage, 
i  Inhalationsinfektion  10—14  Tage.  Eine  positive  Tuberkulinreaktion 
nn  schon  nach  3  Tagen  vorhanden  sein  und  sichtbare  Tuberkel 
mnen  nach  12  Tagen  erwartet  werden.  Jedenfalls  sind  embolische 
iberkel  in  den  Eingeweiden  nach  3—4  Wochen  bereits  stecknadel- 
pfgross. 

6)  Hirschbruch  und  M  a  r  g  g  r  a  f  -  Metz:  Ueber  eine  durch 
eischwaren  verursachte  Typhusepidemie. 

Beschreibung  des  Zusammenhanges  einer  Typhusepidemie  in 
lein-Rosseln  in  Lothringen,  bei  der  in  der  zweiten  Hälfte  1911 
Fälle  zur  Kenntnis  gelangten.  Es  konnte  der  Nachweis  geführt 
erden,  dass  der  Typhus  von  einem  Wurst-  und  Fleisch- 
arengeschäft  ausgegangen  war.  Dieser  Vorfall  ist  insofern 
:eressant,  weil  Typhusepidemien  bisher  noch  nicht  auf  den  Genuss 
•n  Fleischwaren  zurückgeführt  worden  sind.  Klinisch  boten  die 
die  nichts  besonderes. 

7)  E.  U  n  g  e  r  m  a  n  n  -  Berlin :  Leber  einen  wahrscheinlich  auf 
fälliger  alimentärer  Verunreinigung  beruhenden  Perlsuchtbazillen- 
fund  im  Auswurf. 

Es  handelte  sich  um  einen  Fall,  wo  seit  17  Jahren  eine  tuber¬ 
löse  Kniegelenksentzündung  bestand  und  aus  dem  Eiter  des  Ampu¬ 
tionsstumpfes  Bazillen  des  Typus  humanus  isoliert  wurden, 
iraus  ging  hervor,  dass  der  Patient,  der  Besitzer  von  tuberkulösen 
hweinen  war,  nicht  durch  sie  angesteckt  worden  ist.  Der  einmal 
ter  5  Proben  aus  dem  Sputum  erhobene  Befund  von  Bazillen  des 
ypus  bovinus  kann  nach  der  Annahme  des  Verfassers  nur 
f  eine  alimentäre  Verunreinigung  zurückgeführt  werden. 

R.  0.  Neumann  -  Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  19,  1913. 

1)  E.  J.  M  o  u  r  e  -  Bordeaux:  Gegenwärtige  Behandlung  der 
:aena.  (Coryza  atrophique  ozenateux.) 

Verf.  hält  die  atrophische  fötide  Coryza  nicht  für  ein  unheil- 
res  Leiden,  sondern  ist  überzeugt,  dass  es  möglich  sei,  gegen  die 
itwicklung  des  Krankheitsprozesses  wirksam  vorzugehen,  ihn  in 
iner  Entwicklung  zu  hemmen  und  zur  Rückbildung  zu  bringen. 

I  hr  gute  Erfolge  resp.  eine  grosse  Anzahl  Heilungen  erzielte  er  mit 
salen  und  retronasalen  Duschen,  begleitet  von  direkter  Massage 

I I  Verstaubung  von  Argentum  nitricum.  Diese  Behandlung  dauerte 
:;hrere  Monate  bis  ein  oder  auch  zwei  Jahre.  Dann  hatte  die 
;  hleimhaut  einen  Tonus  und  eine  Elastizität  wiedererlangt,  die  für 
'.‘  Paraffininjektion  genügend  sind.  Durch  diese  letztere  wurde  dann 

■  finitive  Heilung  erzielt. 

2)  John  Willonghby  M  i  1 1  e  r  -  Heidelberg:  Corpus  luteum  und 

■  hwangerschaft.  Das  jüngste  operativ  erhaltene  menschliche  Ei. 
1  uszug  eines  in  der  Sitzung  des  Tübinger  medizinisch-naturwissen- 
ihaftlichen  Vereins  am  18.  November  1912  gehaltenen  Vortrages.) 

Verf.  bespricht  die  künstliche  Befruchtung,  die  Histogenese  und 
istologie  des  Corpus  luteum,  die  Biologie  des  Corpus  luteum,  die 
iideutung  der  Menstruation  und  die  Eieinbettung  beim  Menschen. 
.  e  ausführliche  Publikation  des  Vortrages  erfolgt  im  Archiv  für 
1  näkologie. 

3)  L.  Lichtwitz  und  W.  T  h  ö  r  n  e  r  -  Göttingen:  Zur  Frage 
ir  Oxalsäurebildung  und  -ausscheidung  beim  Menschen. 

Beim  Ikterus  besteht  meist  eine  erhöhte  Oxalsäureausscheidung 
i  Harn,  dieselbe  sinkt  gleichzeitig  mit  dem  Durchgängigwerden  des 
lictus  choledochus.  Es  lässt  dies  auf  eine  Ausscheidung  der  Oxal- 
lure  durch  die  Galle  schliessen.  2 — 5  g  Glykokoll  bewirkt  beim 
i  erischen  und  normalen  Menschen  keine  Vermehrung  der  Oxalsäure 


im  Harn.  Leim  ist  ein  Oxalsäurebildner.  Die  Darmflora  ist  von  Be¬ 
deutung  für  die  Oxalsäurebildung.  Gebratene  Rebhühner  führen  nicht 
zu  einer  Vermehrung  der  Oxalsäureausscheidung. 

4)  P.  G.  Unna:  Zur  Chemie  der  Zelle. 

Physiologisch-chemischer  Beitrag. 

5)  H  i  n  s  b  e  r  g  -  Breslau :  Ueber  die  funktionelle  Untersuchung 

des  Ohrlabyrinthes.  (Vortrag,  gehalten  in  der  medizinischen  Sektion 
der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur  zu  Breslau 
am  28.  Februar  1913.) 

Die  Demonstrationen  des  Verfassers  zeigen,  wie  exakt  die  funk¬ 
tionelle  Untersuchung  des  Ohrlabyrinthes  durch  rotatorische,  kalori¬ 
sche  und  galvanische  Reizung  Aufschluss  über  den  Sitz  von  La¬ 
byrintherkrankung  gibt. 

6)  E.  Aron-Berlin:  Zur  Aetiologie  der  Gefässerkrankungen 
beim  Diabetes.  (Vortrag,  gehalten  am  19.  Februar  1913  in  der  Ber¬ 
liner  medizinischen  Gesellschaft.) 

cf.  pag.  434  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

7)  A.  W  o  1  f  f  und  P.  M  u  1  z  e  r :  Darf  das  Neosalvarsan  ambulant 
angewendet  werden? 

Eine  Entgegnung  auf  die  Abhandlung  von  Prof.  Dr.  T  o  u  t  o  n. 
Die  Verfasser  halten  ihre  Warnung  vor  der  ambulanten  Verwendung 
des  Neosalvarsans  aufrecht. 

8)  Robert  B  e  h  1  a:  Ueber  die  Sterblichkeit  an  Krebs  in  Preusseii 
während  der  Jahre  1903 — 1911  nach  Altersklassen. 

Statistischer  Beitrag. 

9)  Wilhelm  B  e  c  k  e  r  s  -  Aachen :  Ueber  den  qualitativen  und 
quantitativen  Nachweis  von  Traubenzucker  im  Harn. 

Nach  der  Untersuchung  des  Verfassers  kommen  als  zuverlässige 
Methoden  des  qualitativen  Zuckernachweises  im  Harn  nur  die  Phenyl¬ 
hydrazinprobe  in  Frage  oder  die  R  u  b  n  e  r  sehe.  Zur  quantitativen 
Zuckerbestimmung  eignet  sich  am  besten  und  sichersten  die  Polari¬ 
sation.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  19,  1913. 

1)  E.  v.  B  e  h  r  i  n  g  -  Marburg:  Ueber  ein  neues  Diphtherieschutz¬ 
mittel. 

Auf  dem  diesjährigen  Kongress  für  innere  Medzin  in  Wiesbaden 
hat  B.  über  sein  neues,  der  aktiven  Immunisierung  dienendes  Diph¬ 
theriemittel  Mitteilung  gemacht,  deren  Grundlagen  hier  ausführlich 
behandelt  werden.  Es  handelt  sich  um  eine  Mischung  von  sehr  star¬ 
kem  Diphtheriegift  mit  Antitoxin  in  einem  Verhältnis,  welches  beim 
Meerschweinchen  geringe  oder  gar  keine  Giftwirkung  erkennen  lässt. 
Das  für  Meerschweinchen  neutrale  Gemisch  ist  in  besonders  hohem 
Grade  für  Affen,  aber  auch  für  Menschen  giftig,  antitoxinerzeugend: 
Kinder  von  4 — 15  Jahren  sind  empfindlicher  als  Neugeborene;  gegen¬ 
wärtige  oder  ehemalige  Bazillenträger  lassen  eine  hohe  Ueber- 
empfindlichkeit  erkennen.  Eine  Gesundheitsschädigung  durch  die 
Einverleibung  dieses  neuen  m  m  I  bezeichneten  Mittels  ist  bisher 
nicht  gesehen  worden;  doch  ist,  da  es  noch  im  Versuchsstadium  steht, 
genaueste  klinische  Beobachtung,  insbesondere  eine  sorgfältige  Prü¬ 
fung  des  Blutes  auf  den  Antitoxingehalt  vor  und  nach  der  Injektion 
geboten.  Es  wird  nun  möglich  sein,  eine  sich  über  wesentlich  län¬ 
gere  Zeit  hinaus,  als  bei  der  Behandlung  mit  dem  bisherigen  Diph¬ 
therieserum.  erstreckende  Schutzwirkung  zu  erreichen;  auch  wird 
die  Anwendung  von  anthropogenem  Diphtherieantitoxin  zur  passiven 
Immunisierung  erweitert  werden  können.  (Vergl.  S.  1114  d.  No.) 

2)  A.  Schuberg  und  W.  B  ö  i  n  g :  Ueber  den  Weg  der  Infek¬ 
tion  bei  Trypanosomen-  und  Spirochätenerkrankungen. 

Für  Trypanosoma  Lewisi  und  Brucei  konnte  nachgewiesen  wer¬ 
den,  dass  nach  der  intrakutanen  Impfung  die  Verbreitung  im  Korium 
und  vielleicht  auch  im  Unterhautzellgewebe  erfolgt  und  dass  die 
regionären  Lymphdriisen  eher  infiziert  werden  als  das  Blut.  Rekur- 
rens-  und  Hühnerspirochäten  Hessen  eine  ähnliche  Verbreitung  im 
umgebenden  Hautbindegewebe  von  der  Infektionsstelle  aus  erkennen. 

3)  P.  Uhlenhuth  und  P.  M  u  1  z  e  r :  Ueber  die  Infektiosität 
von  Milch  syphilitischer  Frauen. 

Zweimal  gelang  es,  mit  der  Milch  syphilitischer  Wöchnerinnen 
bei  Kaninchen  sichere  Hodensyphilome  zu  erzeugen,  obwohl  mikro¬ 
skopisch  in  der  Milch  keine  Spirochäten  nachweisbar  gewesen  waren; 
dabei  kam  einmal  die  Milch  der  Symptom  freien  Mutter  eines 
syphilitischen  Kindes  zur  Verwendung;  also  enthält  auch  der  Sym¬ 
ptom  freie  Körper  aktives  Virus. 

4)  Paul  Krause-Bonn:  Ueber  Vorkommen  von  Varizellen 
beim  Erwachsenen. 

Verf.  sah  4  Fälle  von  Varizellen  beim  Erwachsenen  und  bespricht 
an  der  Hand  eines  ausführlich  geschilderten  Falles  die  differential- 
diagnostisch  wichtigen  Merkmale  gegenüber  der  Variola.  Hierher 
gehören  hauptsächlich  das  schubweise  über  viele  Tage  Auftreten 
des  Exanthems,  das  Aufgehen  von  Impfpusteln  bei  der  Vakzination 
und  normale  oder  gar  verminderte  Leukozytenwerte. 

5)  Queckenstedt  -  Rostock :  Die  perniziöse  Anämie. 

Antrittsvorlesung,  gehalten  am  31.  Oktober  1912. 

6)  F.  G  u  d  z  e  n  t  -  Berlin:  Ueber  Veränderung  des  Blutbildes 
beim  chronischen  Gelenkrheumatismus. 

Von  100  Kranken  mit  Polyarthritis  chronica  zeigten  9  ein  nor¬ 
males  Blutbild,  19  eine  Lymphozytose  von  25 — 30  Proz.,  42  eine 
solche  von  30 — 40  Proz.,  24  eine  solche  von  40 — 50  Proz.  und  8  über 
50  Proz.  Dabei  ergaben  sich  keine  deutlichen  Unterschiede  zwischen 
leichten  und  beginnenden  Erkrankungen  einerseits  und  schweren  oder 
fortgeschrittenen  andrerseits. 


1110 


MULNCHtfNER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


!).  J-  RI  c  sch -Berlin:  Ueber  das  Emphysem. 

Lilie  Erwiderung  auf  den  Aufsatz  W.  A.  F  rcunds  in  No  I  t 

SLÄfrluL,  r"'  Mlt  »•»">«».  Mobäsierm«  des 
die  insDiratonCh^  Thi  !  unzweckmassig,  da  seiner  Ansicht  nach 
Erschd?Sir hHiJhPn?»S^fre  ceL  Emphysem  eine  sekund  ä  r  e 
Lungenparenchyms*6  86  Schad,gung  in  der  Elastizität  des 

ODeradvenktTodMrl-Hh  V^a:ldK  Wien:  Bcitrag  Zlir  Kenntnis  der  post- 
operativen  Todesfälle  bei  abnormer  Enge  der  Aorta 

Verlust 'während  ne'We('Chem  ein  verhältnismässig  geringer  Blut- 

raumes  eineSh.nl  <  eines  Angiohbroms  des  Nasenrachen- 
aumes  eine  Stunde  spater  den  Iod  herbeiführte  und  die  Sektion 
eine  Hypoplasie  des  Aortensystems  nebst  Offenbleiben  des  Foramen 
ovale  aufdeckte;  entsprechend  ist  einer  wahren  oSmie  die  Su 
an  dem  Exitus  zu  geben;  die  klinische  Untersuchung  liess  ein  etwas 
nervöses,  sonst  normales  Herz  voraussetzen. 

Vorm»?  ?m  'v,g  C  '  ■.Bcrli,1-Pankow;  Magenfunktion  und  Psyche. 
Berlin  am  17  MVÄ  7oif5r  in?ere  7,edizin  und  Kinderheilkunde  in 

Wochenschr.17  ^  N°‘  12,  1913  der  Münch-  med- 

reMu^l  St4ü°^ÄräSg^me,ika):  °iC  K”r- 

übersetzt  vo“n  D?  Max*” Bö'h m  ^rBerita"3"”3'6''1318  bearbel,e*  “nd 

FinzeiheiTenrdd«h Th  h  Ü  t7fhferen, (Abbildungen  alle  wissenswerten 
lmcufeeihrf  1  t,schen  Verfahrens  zur  Skoliosenbehand- 
tvli  a  l’  ä  t  de.m  heangen  Orthopädenkongress  Vorgelegen 
war  ygl.  das  Referat  in  No.  13  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

11)  Max_  S  e  n  a  t  o  r  -  Berlin;  Weiteres  über  ätiologische  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Rheumatosen  und  nasalen  Erkrankungen. 

.  .^°.rtrag’  gehalten  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheil- 

SfwoÄr  3K  Mära  l913'  reb  in  No'  ><• 

rhoidattno(M.kZeh:  Z"'  Fral!e  <ler  En,s‘ehu"8sursachc  der  «amor- 

wnhl^L^c'  tiner  ,ün*e/en  Frau  wegen  Retroflexio  uteri  eingelegte, 
v\ohl  etwas  zu  gross  bemessene  Hodgepessar  führte  am  zweiten 
läge  zur  Ausbildung  eines  kirschgrossen,  äusserst  schmerzhaften 

lJTrrh0ld"lkn0te"s’  der  wenige  Stunden  nach  Entfernung  des 
I  essars  vollkommen  wieder  verschwand. 

13)  Kiyoshi  Sato-  Tokio:  Neues  Hämometer. 

*ra  Hrinzip  ähnlich  wie  das  Sahli  sehe  Instrument  gebaut  ent- 
h1 1  das  neue  Hämometer  zur  Vergleichung  einen  gefärbten  Glasstab 
er  naturheh  m  seiner  Farbe  vollkommen  unveränderlich  ist.  Die' 
ei  dunnung  des  Blutes  geschieht  erst  mit  einer  abgemessenen  Memre 
von  konzentrierter  Salzsäure  2,0  und  Eisessig  5,0  in  100  0  destil 

Wasser'  ner 

lichem  Papier.0' entZ"Stettin:  Röntgenaufnahmen  mit  lichtempfind- 

sie  Jhorn  veüPHhl!  ZUr  An,fc/d?ung  direkter  Röntgenaufnahmen,  wie 
sie  schon  von  Hufnagel  (Munch,  med.  Wochenschr  191?  No  49) 

angegeben  wurden,  das  von  V  i  s  b  e  c  k  -  Stettin  gelieferte  SchwertS- 
Negativpapier,  das  sich  durch  besondere  Dünne  und  eine  gewisse 
Transparenz  auszeichnet,  und  daher  auch  besonders ”7 
zeitigen  Herstellung  mehrerer  Aufnahmen  (durch  Aufeinanderlegeti 
mehrerer  Blatter)  geeignet  ist.  Sehr  vorteilhaft,  bei  einfacher 
nähme,  ist  die  Verwendung  des  Verstärkungsschirmes. 

Baum-  München. 


Nt 


Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte 

und  15. 


1913,  No.  14 


heh’indhmw  **  h°  '  ,.lJe!?er  d,le  neue  Blutstil|ungsmethode  und  Wund- 
KlS  Beni.)  KüaS“lin  K  o  c  h  e  r  -  F  o  n  i  o.  (Chirurg. 

TheoTfen'  der-1  eiue  ausführliche  Darstellung  der  verschiedenen 

sam?  hehf  g  inm!,n8:-  Als  das  Wesentliche,  allen  Gemein- 

zueinarder  treteS^Td’  ,daSS  • 27~ 3  Ml|ttersubstanzen  in  Reaktion 
stehen  lassen  ‘  Fr7  ?  d  a  wirksa,me  Agens  der  Koagulation  ent- 
vnn  g7iflil;  E  1  •  ?“  da  an  geht  die  Gerinnung  bei  Gegenwart 

isoIieSkfmd  in  steriwV  Man  m“SS  ei,,e  der  wirksamen  Substanzen 
räWtb  l  Ti,  Steriler  Eorm  in  grosseren  Mengen  herstellen  Verf 
ahlte  das  1  hrombozym  nach  N  o  1  f  (Zytozvm  nach  F  u  1  d  Thrnmhn' 

Tfoo"' iChefhiwaWi!Z)’tdaS  in  den  Blutplättchen  enthaltmf is^und 
PlL  S.  ,  .erhltz  ,  werden  kann.  Es  stellte  durch  Extraktion  aus  den 

Le  durch  KÖchen  nnlf  Hf11"*  Tkrombozyms  dar,  sterilisierte 

SÄ  H 3S  « «ää  ä  'S 

ist  dSse  gnL  k  b  l71Cö’  oder  auch  allmählich.  Bedingung 

HS  “ 1 " ä 

sehe.,,.  fh„?-l.erDÄnzSu 

zeluen  die  Ergebnisse  der  Anwendung  seines  Mittels  bei  81  grossen- 


teils  schweren  Operationen  verschiedenster  Art.  Die  Onerai 
dauer  wird  durch  Wegfällen  vieler  Ligaturen  abgekürzt  das 
ationsfeld  wird  übersichtlicher,  viele  Tamponaden  fallen  weg 
£,  ™er€n  Blutungen  wird  das  Mittel  vielleicht  wirksam  sein 

RI,  f  i--seiner  Yersuche  glaubt  Verf.,  dass  die  Adhäsion  bei 
LI  gm  Innung  eme  grosse  Rolle  spielt  und  er  hält  es  für  m.. 
dass  man  bei  Lungenblutungen  Koagulin  intravenös  geben  kam; 
7  s°  f  n  die  b  C,  e  d7  Blutung  zu  bringen.  Untersuchungen 
diese  kragen  sind  im  Gang.  Einzelheiten  über  die  Technik  der 
Wendung  bei  Operationen  müssen  im  Original  nachgelesen  we 
as  Mittel  wird,  nachdem  noch  einige  Prüfungen  über  seine  Hai 
keit  gemacht  sind,  durch  die  Gesellschaft  für  c  e  „h 
Industrie  in  Basel  in  den  Handel  gebracht  *S 

.  ^  t  o  c  k  e  r  -  Luzern:  Erfahrungen  mit  Iontophorese.  (An 

abteilung  der  kantonalen  Krankenanstalt.)  lAU 

Verf.  erläutert  ausführlich  die  theoretischen  Grundlaven 
Verfahrens  und  berichtet  dann  über  61  eigene  Fälle,  von  dene 
-0  im  einzelnen  anführt.  Die  Technik  des  Verfahrens,  seine  Wirl 
Frfrdvp  einz^lnei?  Affektionen  werden  ausführlich  erörtert.  Die  bt 
Lpi?  kniWUrden  bei  infektiösen  Hornhauterkrankungen  erzielt  spi 
beim  Ulcus  serpens  und  beim  interlamellären  Abszess.  Eine  Sei 
gung  des  Auges  wurde  dabei  nie  beobachtet 

Rönlse„mC„mÄtoLe.er":  <"C  ”edizi"ls':''*  Bdda«>u«« 

\/p  f73Ch  ausführlicher  Darlegung  der  technischen  Grundlagen 

KXÄ-“  —  bbi  -  ÄÄ 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  19.  E.  v.  K  u  t  s  c  h  a  -  Wien :  Zur  Frage:  Onerativo 
konservative  Behandlung  von  Stichverletzungen  der  Lunge“ 

Krankengeschichten  von  4  operierten  (1  Todesfall)  und’ 8  n 
nüe7ierter\  ?hne  T°desfall)  Fällen.  Erörterung  der  schwieriger 
unLeri?nvfieRpI1S  ^7  Berucksicbtigung  der  neueren  Literatur. 
Kniitncgtef  Berechtlgung  zur  Operation  geben  schwere  Blutung 
Kollaps  infolge  von  Pneumothorax,  auch  ohne  Druckdifferenz  ' 
openert,  dann  muss  der  Thorax  genügend  weit  eröffnet  werden 
jedenfalls  dl^  Lungenverletzung  genäht  werden,  bevor  durch  Piie! 
pexie  oder  künstliche  Aufblähung  der  Lunge  die  Operation  bee 

VprS«,7hul‘  iL'  W'en:  uZ,,r  Kenntnis  der  Magnesiumnarkose. 

Veisuche  an  Kaninchen.  Bei  einmaliger  Injektion  einer  sei 
machenden,  nichttödlichen  Dosis  von  MgSofoder  MgCl  enthielten 
Blut  und  die  Leber  deutlich  Mg,  das  Gehirn  nur  Spuren-  nach  m 
ma  lgMn  U°  Iniekt>°nen  zeigte  das  Gehirn  eine  Anreiehei 
von  Mg  bis  1  I  rom.  (auf  Trockensubstanz  berechnet)  Diese 

MenL7UrfrtCheinti  dllrcb  .sRiehzeitigie  Injektion  einer  äquivalei 
Menge  CaCL,  wodurch  die  Narkose  verhindert  wird,  geheninn 

«T7den;  ?me-  Anreicherung  von  Mg  im  Muskel  war  bisher  n 
s  eb  nadiwe^bar.  Durch  Injektion  von  oxalsaurem  Natron  \ 
bisweilen  die  Empfänglichkeit  für  Mg  gesteigert  Weiter  wind  ' 
obachtet,  dass  es  gelingt,  durch  MaiSSSSttonen  eiüe 
tatenlahmung  ohne  Bewusstseinsstörung  zu  erzielen,  sowie  dass 
tief  narkotisierten,  völlig  gelähmten  Tieren  durch  nicht  zu  gri 

wurden"ngaben  kUrZCr  Zeit  intensive  typische  Krämpfe  ausge 

H.  P  o  i  n  d  e  c  k  e  r  -  Wien:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Hv 
physenveranderungen  bei  Akromegalie. 

Beschreibung  eines  Falles  (männl.,  47jähr.)  von  AkromegE 
wo  der  anatomische  Befund  von  den  bisherigen  verschieden  w 
wie  dfase..und  knotige  Hyperplasie  und  Hypertrophie  von  der  i 
wie  sie  die  Hypophyse  schwangerer  Frauen  zeigt  mit  a 
gesprochenem  Ueberwiegen  der  chromophoben  Zellen.  Damit  w 

meCgahsche7^Svmn?rk  ärUh  g  fÜr  daS.  vori‘bergehende  Auftreten  ak 
Sc1fÄerscha™.Sen  ma"C"en  Fral'e"  im  Verlau,c  ei 

krebs^‘  A  r  n  s  t  e  i  n  -  Wien:  Ueber  den  sog.  „Schneeberger  Lungi 

Die  Frage  des  Schpeeberger  Lungenkrebses  ist  bei  dem  Feh 
fallsknmmenr  g7lau.er  Obduktionen  noch  nicht  ganz  geklärt.  Jedi 
nllmlK  öS  7  den  Schneeberger  Bergleuten  noch  immer  verhi 
msmassig  oft  maligne  Tumoren  der  Lunge  vor  Verf  vibt  den  ( 

in!ft7rkr)mUhdieiineS  der  Unter  die  FaIIe  von  Luifgenkarzim 

mit  sarkomahnhehen  Metastasen  einzureihen  ist 

fahrungen’  aus" Servern  InnSbrUCk :  Kriegschirurgische  f 

Rl.i^?rkniaiLg  b  1 'i^°l.0/n7  D,ie.  Wirkung  der  Heilgymnastik  auf  c 
Blutzirkulation  im  Lichte  der  klinischen  Erfahrungen. 

fi7iprTpnbeSFvrv bta di*  Vorzüge  in  der  Wirkung  des  mehrfach  mo< 
selndl  °kard  'Ap?7atfS’  welcher  namentlich  durch  alnvec 

p?np«  hVpi7P  7-1°+n,l!nd  Entlastung  des  Bauchhöhleninhaltes  (mitte 

flusennL  dir  n?U-rtif  S  eive1in,tensive  Gefässgymnastik  durch  Beei 
nussung  der  peripheren  Zirkulation  erzielen  lässt 

und  die^ medizin!schen>eZei.^hriHen'getiSCbe  ""Pera“V  (°S'Wal( 

hei.lÄnf  defRdehra,eChC  F°rmat  der  Zeilsch'iftd"  “"d  did  Vmi' 
D.  Brosch:  Zur  Enterocleaner-Diskussion. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 


20.  Mai  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Dänische  Literatur. 

Sk.  Kemp:  Die  Einwirkung  der  medizinischen  Behandlung  aui 
die  Motilitätsstörungen  des  Magens.  (Aus  der  medizin.  Universitäts¬ 
klinik  der  Abt.  B  des  Reichshospitals  iProf.  Knud  Fab  er].)  (Uge- 
skrift  for  Läger  1913,  No.  1.) 

Als  Motilitätsprobemahlzeit  wurde  die  Bourget-Faber  sehe 
Rctentionsmahlzeit  benützt  04  Liter  Haferschleim  mit  8  gekochten 
Pflaumen,  50  g  gehacktes  Kalbfleisch  mit  1  Kinderlöffelvoll  Preisel- 
beerkompott  und  2  Stück  weisses  Brot  mit  Butter).  Unter  normalen 
Verhältnissen  wird  diese  Mahlzeit  nach  dem  Verlauf  von  5  Stunden 
entleert,  wovon  der  Verf.  sich  durch  eine  Kontrollreihe  von  25  ge¬ 
sunden  Individuen  überzeugt  hatte;  wenn  reichliche  Nahrungsreste 
nach  5  Stunden  vorgefunden  werden,  handelt  es  sich  um  motorische 
Insuffizienz  des  Magens.  In  85  Fällen  von  Magenleiden  (23  Fällen 
von  Magengeschwür,  11  Fällen  von  Gastritis,  20  Fällen  von  Gastro- 
ptosis  mit  Atonie  und  31  Fällen  von  Atonia  Simplex),  bei  welchen 
Motilitätsstörungen  vorhanden  waren,  untersuchte  der  Verfasser  die 
Verhältnisse  bei  der  Entlassung  der  Patienten  und  fand,  dass  die  medi¬ 
zinische  Behandlung  einen  überraschend  guten  Einfluss  auf  die  Moti¬ 
litätsstörungen  gehabt  hatte.  Bei  60  der  85  Patienten  war  die  bei 
der  Aufnahme  nachgewiesene  Entleerungsverspätung  insofern  ge¬ 
schwunden,  als  man  anstatt  der  früheren  5,  6,  8  oder  12  Stunden 
langen  Retention  nun  an  dem  entsprechenden  Zeitpunkt  leeren  Magen 
fand;  bei  11  war  eine  Besserung  eingetreten,  indem  die  Nahrungsrest¬ 
menge  deutlich  abgenommen  hatte;  bei  1  war  der  Zustand  unver¬ 
ändert  und  bei  13  war  der  Zustand  verschlimmert.  Am  wenigsten 
günstig  war  das  Resultat  bei  Gastritis  (Hypochylie  und  Achylie). 
Die  therapeutische  Bedeutung,  die  man  dem  Nachweis  einer  Besse¬ 
rung  bzw.  des  vollständigen  Verschwindens  der  ursprünglichen  Moti- 
litätsschwächung  beilegen  darf,  findet  der  Verfasser  schwer  zu  be¬ 
urteilen;  man  sieht  nicht  selten,  dass  die  oft  auffallend  schnelle 
Besserung  der  Atonie  durch  Behandlung  nicht  von  einer  entsprechen¬ 
den  Besserung  der  übrigen  (subjektiven)  Symptome  begleitet  wird. 
In  den  Fällen  aber,  wo  die  subjektiven  Symptome  während  der  Be¬ 
handlung  geschwunden  oder  sehr  gebessert  sind,  wird  man  fast  regel¬ 
mässig  eine  entsprechende  Besserung  der  Entleerungsverhältnisse 
finden.  Es  zeigte  sich,  dass  nicht  nur  die  leichteren  Grade  der 
motorischen  Insuffizienz,  sondern  auch  die  12  Stunden  dauernde 
Retention  („kontinuierliche  Retention“)  durch  medizinische  Behand¬ 
lung  zu  heilen  ist,  vorausgesetzt,  dass  sie  die  Folge  eines  gutartigen 
Leidens  ist.  Wenn  die  Retention  sich  refraktär  gegen  Behandlung 
zeigte,  oder  wenn  sie  während  der  Behandlung  verschlimmert  wurde, 
schien  die  Prognose  des  Leidens  durchgehend  weniger  gut.  Ge¬ 
wöhnlich  scheint  die  medizinische  Behandlung  die  leichteren  Grade 
der  motorischen  Insuffizienz  günstiger  zu  beeinflussen  als  eine  Gastro¬ 
enterostomie. 

Eiler  Hempel-Jörgensen:  Ueber  Eiweissbestimmung 
in  dem  Auswurf.  (Aus  der  8.  Abt.  des  Kommunehospitals  [Oberarzt 
H.  J.  Bing].)  (Ibidem  No.  5.) 

Der  Verfasser  zeigt,  dass  die  gefundene  Eiweissmenge  abhängig 
ist  teils  von  der  Menge  teils  von  der  mechanischen  Behandlung  des 
zu  untersuchenden  Auswurfes,  indem  die  Eiweissmenge  bis  zu  einem 
gewissen  Zeitpunkt  (von  der  Auswurfsmenge  abhängig)  steigt.  Als 
diagnostische  Reaktion  beim  ersten  Stadium  der  Lungentuberkulose 
lässt  die  Eiweissreaktion  sich  nicht  anwenden. 

Thorkild  Rovsing:  Ein  Fall  von  totaler  Gastroptosis  mit 
Dilatation  der  Speiseröhre.  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik  der 
Abt.  C  des  eichshospitals.)  (Hospitalstidende  1913,  No.  1.) 

Es  handelt  sich  um  einen  Fall  von  totaler  Gastroptosis,  indem 
die  Kardia  mit  einem  entsprechenden  Stück  der  Speiseröhre  8  cm 
unterhalb  des  Diaphragmas  gefunden  wurde;  es  war  eine  bedeutende 
Ektasie  des  oberen  Teiles  der  Speiseröhre  vorhanden,  von  einer  Ab¬ 
knickung  derselben  am  Hiatus  oesophagi  verursacht.  Die  45  jährige 
Patientin,  in  extremer  Abmagerung  und  Schwäche  aufgenommen 
(Ptosecachexia).  wurde  nach  Hepatopexia,  Gastropexia,  Gastrostomia 
provisoria  vollständig  geheilt  in  ausgezeichnetem  Ernährungszustand 
entlassen.  Der  Fall  hat  sowohl  in  differentialdiagnostischer  als  in 
theoretischer  Beziehung  (die  Rovsing  sehe  Gastroptoselehre) 
grosses  Interesse. 

Harald  Boas:  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Salvarsan  in 
Verbindung  mit  Quecksilber.  (Aus  dem  Rudolph  Be  r  g h  -  Kranken¬ 
haus  [Prof.  Dr.  Erik.  Pontoppidan].)  (Ibidem  No.  6.) 

Der  Verfasser  behandelte  100  Patienten  mit  primärer  und  sekun¬ 
därer  Syphilis  mit  intramuskulärer  Injektion  von  60  cg  Salvarsan  + 
intravenöser  Infusion  von  40  cg  Salvarsan  +  50  Inunktionen  von  3  g 
Quecksilbersalbe.  Es  traten  nach  der  Salvarsanbehandlung  keine 
unangenehmen  Symptome  auf,  dagegen  starb  1  Patient  an  merkurieller 
Dermatitis.  20  Patienten  mit  Indurationen,  positivem  Spirochaete 
pallida-Befund  und  negativer  Wassermannreaktion  waren  1 — ^13  Mo¬ 
nate  nach  der  Behandlung  ohne  Rezidiv  und  die  Wa.-R.  blieb  negativ. 
Von  15  Patienten  mit  Indurationen  und  positiver  Wa.-R.  blieben  12 
ohne  Rezidiv  1 — 10  Monate,  3  hatten  Rezidiv  2 — 3  Monate  nach  der 
Behandlung  bekommen.  Von  15  Patienten  mit  sekundärer  Syphilis 
blieben  14  ohne  Rezidiv  1 — 4  Monate,  1  bekam  Rezidiv  1  Monat 
nach  der  Behandlung.  Eine  entsprechende  Anzahl  mit  Quecksilber 
behandelter  Patienten  bekamen  beinahe  alle  Rezidiv.  Der  Verfasser 
empfiehlt  deshalb  die  kombinierte  Quecksilber-Salvarsanbehandlung, 
namentlich  bei  Indurationen,  speziell  bei  negativer  Wa.-R. 


Knud  Fab  er:  Anämische  Zustände  bei  der  chronischen  Aehylia 
gastrica.  (Aus  der  medizin.  Universitätsklinik  der  Abt.  B  des  Reichs¬ 
hospitals.)  (Ibidem  No.  11.) 

Unter  207  Fällen  von  Aehylia  gastrica  (in  dem  Material  waren 
Patienten  mit  Krebs,  Lungentuberkulose,  chronischer  Bronchiektasie 
und  Diabetes  mellitus  nicht  mitberechnet)  war  Anämie  bei  59  d.  h. 
28,5  Proz.  vorhanden,  die  Anämie  war  leicht  (80 — 65  Hämoglobin) 
in  6,5  Proz.,  <  65  in  11  Proz.  und  perniziös  in  11  Proz.  der  Fälle.  Der 
Verfasser  und  Bloch  hatten  früher  die  Hypothese  aufgestcllt,  dass 
die  Achylie  die  Folge  einer  toxischen  Gastritis  sei,  die  denselben 
Ursprung  als  die  Anämie  habe  und  also  dieser  beigeordnet  sei.  Sie 
glaubten,  dass  die  Anämie  von  einem  blutzerstörenden  Gift  hervor- 
geiufen  würde  und  dass  dieselbe  Vergiftung  eine  toxische  Gastritis 
mit  Achylie  verursache,  wie  man  es  bei  anderen  Intoxikationen  und 
Infektionen  beobachten  kann.  Verschiedene  näher  beschriebene  Be¬ 
obachtungen  Hessen  den  Verfasser  an  der  Haltbarkeit  dieser  Hypo¬ 
these  zweifeln.  Er  ist  jetzt  mehr  geneigt,  die  Gastritis  als  das 
primäre  Leiden  anzusehen;  man  könnte  dann  vermuten,  dass  Bak¬ 
terien  mit  hämolytischen  Eigenschaften,  die  unter  normalen  Ver¬ 
hältnissen  von  dem  desinfizierenden,  bakteriziden  Magensaft  getötet 
werden,  wegen  der  Achylie  sich  in  den  oberen  Darmabschnitten 
reichlich  entwickeln  können  und  dass  die  Resorption  von  Hämo¬ 
lysinen  dort  stattfinden  kann.  Adolph  H.  M  e  ye  r  -  Kopenhagen. 

Norwegische  Literatur. 

Wilh.  Holland:  Stauungsblutungen  bei  Kompression  des 
Körpers.  (Aus  der  IV.  Abt.  des  Ullevaal-Krankenhauses.)  (Ibidem.) 

Anlässlich  eines  Falles  von  Compressio  corporis  (es  handelte 
sich  um  einen  Arbeiter,  der  während  seiner  Arbeit  auf  dem  Dache 
eines  Elevatorstuhls  gegen  das  Dach  des  Elevatorschachtes  ein¬ 
geklemmt  wurde)  gibt  Verf.  eine  Uebersicht  der  Auffassungen  der 
Pathogenese  des  Leidens.  Er  macht  u.  a.  aufmerksam  auf  die  Be¬ 
deutung  der  willkürlichen  Muskelspannung  (die  aktive  Kompression) 
bei  dem  Entstehen  der  Blutungen. 

G.  H.  Monrad-Krohn:  Extrapyramidale  motorische  Affek¬ 
tionen.  (Ibidem  No.  2.) 

Der  Verfasser  fasst  seine  Mitteilungen  in  folgender  Weise  kurz 
zusammen;  Die  extrapyramidalen  motorischen  Leiden  kann  man  auf 
iolgende  Weise  einteilen:  1.  Apraxie  (Läsion  der  psychomotorischen 
Sphäre  und  des  Corpus  callosum).  2.  Zerebellare  Asynergie  und 
Dysmetrie.  3.  Vestibuläre  Gleichgewichtsstörungen.  4.  Rigidität  und 
Tremor,  auf  Läsion  der  Zentralganglien  oder  der  verschiedenen  zere¬ 
bralen  Bahnen  beruhend.  Unter  diese  letzte  Gruppe  ist  die  W  i  1  s  o  n  - 
sehe  progressive  lentikuläre  Degeneration  zu  rechnen,  eine  familiäre 
Krankheit,  klinisch  charakterisiert  durch  Tremor,  Rigidität,  Dysphagie 
und  Dysartherie  und  labilen  psychischen  Status.  Von  diesen  Sym¬ 
ptomen  sind  alle  bis  auf  die  Dysphagie  aus  dem  Krankheitsbild  der 
Paralysis  agitans  wohl  bekannt,  und  man  darf  wohl  dieses  Leiden 
als  eine  der  nächsten  Eroberungen  für  das  Gebiet  der  organischen 
Nervenkrankheiten  ansehen,  eine  Eroberung,  die  unter  die  oben¬ 
genannte  Gruppe  IV  als  Folge  einer  Läsion  von  rubralen  Bahnen 
einzureihen  ist.  Wilson  hat  das  Verdienst,  dies  in  seiner  Arbeit 
über  lentikuläre  Degeneration  besonders  hervorgehoben  zu  haben. 
Wahrscheinlich  gehört  die  Mehrzahl  der  Fälle  von  zerebraler  infan¬ 
tiler  Paralyse  zu  derselben  Gruppe.  Die  organischen  motorischen 
Leiden  bestehen  also  nicht  nur  aus  peripheren  und  zerebralen  Läh¬ 
mungen,  sondern  aus  peripheren,  pyramidalen  und  extrapyramidalen 
Affektionen.  Der  Verlust  von  tiefen  Reflexen  bedeutet  also  nicht 
notwendigerweise  eine  periphere  Affektion,  sondern  kann  die  Folge 
einer  extrapyramidalen  Affektion  der  zerebralen  Bahnen,  speziell  des 
Tractus  rubro-spinalis  sein. 

E.  Bruusgaard:  Beitrag  zur  Beleuchtung  der  Pathogenese 
der  hämatogenen  Dermatosen,  besonders  des  Erythema  nodosum. 

(Ibidem  No.  3.) 

Nach  einer  Uebersicht  der  modernen  Auffassung  der  hämatogenen 
Dermatosen  teilt  Verf.  2  Fälle  von  Erythema  nodosum  mit,  in  welchen 
er  frische  Knoten  ausschnitt,  und  zeigt,  dass  es  sich  um  eine  akute 
Entzündung  wesentlich  des  subkutanen  Gewebes  handelt,  der  zentrale 
Punkt  der  Entzündung  wird  von  einer  grösseren  Vene  gebildet,  die 
von  Endo-  und  Periphlebitis  ergriffen  ist.  Nach  aller  Wahrscheinlich¬ 
keit  bildet  diese  Venenentzündung  den  Ausgangspunkt  des  Prozesses. 
Rücksichtlich  der  Aetiologie  des  Erythema  nodosum  ist  Verf.  geneigt, 
es  als  eine  abgeschwächte  Pyämie  aufzufassen. 

Axel.  O.  Haneborg:  Neuere  Magensaftuntersuchungen 
(Pepsinstudien).  (Aus  der  Abt.  II  des  städtischen  Krankenhauses  zu 
Christiania  [Dr.  med.  H.  J.  V  e  1 1  e  s  e  n].)  (Ibidem.) 

Von  speziellem  Interesse  ist,  dass  Verf.  fand,  dass  man  den 
Magensaft  kochen  kann,  ohne  dass  seine  peptische  Kraft  ganz  zer¬ 
stört  wird.  Trotz  kurzen  Kochens  behält  er  ca.  %  seiner  peptischen 
Kraft.  Wenn  man  ihn  ca.  5  Minuten  kocht,  ist  seine  peptische  Kraft 
grösser  als  bei  blosser  Erwärmung  bis  zu  100°  C.  Das  Pepsin 
scheint  also  aus  einem  grösseren  thermolabilen  und  einem  kleineren 
thermostabilen  Teil  zu  bestehen.  Dieser  kleinere  Teil  scheint  voll¬ 
ständig  koktostabil  zu  sein,  und  die  stärkere  Wirkung,  die  ein  in 
5  Minuten  gekochter  Magensaft  im  Vergleich  mit  einem  nur  zu  100°  C 
erwärmten  zu  haben  scheint,  muss  darauf  beruhen,  dass  der  Magen¬ 
saft  bei  intensivem  Kochen  mehr  konzentriert  wird  und  deshalb  ver¬ 
hältnismässig  mehr  des  koktostabilen  Ueberbleibsels  enthält.  Die 
Menge  des  koktostabilen  Teils  des  Pepsins  variiert  bei  den  ver¬ 
schiedenen  Individuen. 


1112 


de  Ganglion11  Gassorf  Tbidemf  ‘mm'h  m"  I» 

mK(EsJhanc.daelt  sich  um  einen  typischen  Herpes  zoster  an  der  recht™ 

Arbeiters"  defVfJee"  nS  r£hte?  °berCn  Augen'id  eines  81  jährigen 
.K  ■  ,  ’  '  n^ch  dem  Anfang  des  Leidens  starb  Milcrn 

sä  ii,rs!r  ms 

zusammenhängendes  fibrino-pundentesNExsudat  beobachtet  gr?ssecres 

wimmmm 

Adolph  H.  Meyer-  Kopenhagen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Giessen.  März  und  April  1913. 

°  hdiabedcumPaUl:  Erf°lge  dCr  NatrontheraP>e  bei  bestehendem  Coma 

HamykeU(l!S0;eSr,sZula.Sark0m  ‘m  A"SCh,USS  a”  ‘^«matisohe  Osteo- 

AiVeVVta  a®se,f.;  ,Zrerrs^tze"  iiberIebende  Organe  Alkohol?  •) 
Schmitt  wi?  Ueb(-r  Struma  ovarii  colloides. 

'  derider^°“So™Umn,erSUCh“nKn  Zm  Pa,h<*e"e«  »»<>  Klinik 

Hezent?a1.**I)ier°nymUS:  Rhythmische  Entladungen  der  Nerven- 

sulze  Walter:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Erregungsablaufs  im 
Saugetierherzen.  (Habilitationsschrift)  ^rregungsablaufs  ™ 

"schen'orVan*"-)1  ZUr  Me,h°dik  der  Alk»h<>ll'«timmung  in  tieri- 

S  Ch-?  u  e  f  ™.a  nJ}  Bernhardt :  Klinische  Untersuchungen  über  den 
q  amoglobmgehalt  des  Blutes  der  Wiederkäuer  *) 

Sch!  efreAdaHm "  VprEinitcBdtra8:  zni  ,Lehre  der  Uterustuberkulose. 
HCt|ier  Adam.  Verhalten  einiger  Salze  zu  und  in  Azetonitril  **) 
Hegener  Joh.:  Bericht  über  DiplobazillenerL^kung  des  Wes  in 
19^_I<lI9in2kenrnateriale  der  Qiessener  Augenklinik  in  den  Jahren 

Sedlmayr  Gebhard:  Experimentelle  Studien  über  d-e  Wirkung 
wechselwarmer  Ozetbäder  bei  Tieren.  *)  ‘  ku  e 

avlyQjFSrS:  Das  Schicksal  der  Magnetoperierten  an  der  Hand 
von  94  Fallen  aus  der  Giessener  Augenklinik. 

e!.e/,y..1  n  Ludwig:  Klinische  Untersuchungen  über  den  Einfluss 

mägen.*)meZUfUhr  aUf  die  motorische  Tätigkeit  der  Wiederkäuer- 

Universität  Jena.  April  1913 

S  Ci„dPExi; tfkS£:  Ueber  Pr0thesen  nach  Unterkieferresektione,, 

M‘,ePd[eich  Franz:  Üie  Begleiterscheinungen  des  Salvarsans  in 
.  seinen  verschiedenen  Anwendungsformen.  3  Sa"S  m 

-  a  n  g  e  Fredo:  Ein  Fall  von  Adamantinom. 

und  Janacus6  r  HanS''  DiC  Anatomie  von  Trochita,  Calyptraea 

Universität  Tübingen.  April  1913. 

Abons:  ,Die  Dissertation  Johann  Friedrich  Reichen 
sung,  i767bCr  CIne  neUe  °Perationsmethode  der  Pupillenverwach- 

E  s  p  e  uPt‘ Gümh'e^Fin ’r  Stklerose-  Schwangerschaft  und  Geburt. 
m-vUt  tt  ,  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Statistik  der  nri 

1910  ind  V19airkrankUngen  naCh  dem  Krankenmaterial  der  Jahre 

Kr au^s  Emarmef-  ifUf  Behandlung  von  Gaumenspalten, 

tnr  nf  CmanufL  Die  Wirkung  der  Nitrite  auf  die  KörpertemDera- 

,  m a ch  t e  n"  *K ard n  ch . ens!  ***  “  Qehirnreizun^  hyperthermisch  ge- 
SaHZniA?An  tMax:  Aufhebung  der  narkotischen  Wirkung  der  Stoffe 

fhre^  TenunSolf£n!ekhZeit-ig^  Auf£ahme  von  Fett  auf  Grund 
mres  i  enungskoeffizienten  zwischen  Fett  und  Wasser  im  An 

,  ä,™  xsr* 

Friedrich  ßYey  y  s^De"  Ophthalmia"  ve?^^ 

'  HVer  Hug0:  Zur  Kasuistik  seltener  Gehirntumoren  (Ein  Fall 
von  Haemang.oma  cavernosum  im  Grosshirn.)  (  "  Fa" 

'  Möser  Herde“m  MeiecheffiSkel‘  d“  Bef“”des  ,aten,er 

K  dK 

.  NetehaulzeitrÄte.  Unlersilc,1“"«e”  den  Verschluss  der 

^‘Krankhe!tsbifde0!ler  wäreStaf' Bluta“* 

Schneider  Erich:  Ueber  Thrombose  und  Embolie  im  Wochenbett. 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Italien. 

(Eigener  Bericht.) 


No.  20. 


Veterinärmedizinische  Dissertation. 
)  Philosophische  Dissertation. 


c.  Bordighera,  1.  April  19h 

SSSF 

e,ne’  7 

ÄaagiHa? 

unmöglich  macht,  begünstigt  wird  Diese  und  anderfnwfn^  4  lle 
erricluet  wer“de„  Barilsl  eine  Stadl  Bari' 

^SB&ass?2s£? 

stehende  Gründung  eines  unabhängigen  Albaniens  das  geraden?- 
gegenuberliegt,  haben  natürlich  das  ihre  dazu  Strafen  die  FravJ 
J  ®s«r  neuzugrundenden  Universität  aktuell  zu  machen  sie  is^  df 
durch  ihres  lokalen  Charakters  entkleidet  worden  und  hat  ein 

e’rtPrbem  6586  geW°nnen’  U"d  Sich  viele 

R  .  B*e  begeistcrten  Anhänger  des  neuen  Projektes  meinen  dass 

den  UnferlSSSe«  Ä 

men  wurden  und  auf  die  sich,  wie  auf  einen  ragenden  ulchtturm  Z 
richten  S'wih^de<n.e  der  verschiedei,en  Völker  der  Balkanhalbinsel 

H.ffnAber  ande/s5its  fehle’n  aucb  die  Skeptiker  nicht,  die  keine  grossen 
HR.  auf  de»  neuen  Staat  setzen;  sie  halten  ihn  nicht  für  a£ 
lebenskräftig  und  sagen,  dass  die  Zahl  der  Universitätsbesucher  die 
er  entsenden  könnte,  doch  kaum  in  Betracht  käme  und  das?  m 
dlßeser  W  enigen  halber  die  ohnehin  schon  übergrosse  Zahl  der  Uni' 
J£“nSK;  'nEalien  nicht  noch  vermehren  dürff. Solange wir  Ä 
findp^  Hk  ha-eP’  .e‘n,en  energischen,  radikalen  Unterrichtsminister  zu 
finden,  der  rücksichtslos,  mit  fester  Hand  unter  den  zwd  DutzeS 
Universitäten  aufraumt,  die  wir  zurzeit  besitzen,  solange  ist  es  wedei 
patriotisch,  noch  praktisch,  noch  nationalökonomisch  an  die  Grün 
düng  einer  neuen  Universität  zu  denken,  die  grosse  sümmen  ve!' 
schlingen  wurde,  welche  sich  viel  besser  und  zu  dringenderen  Fr 
Neuerungen  auf  anderem  Gebiet,  z.  B.  zur  Verbesserung  vol  ve  - 
kehrs-  und  Handelswegen,  Wasserversorgung  etc.,  verwenden  lassen 
Nun  hat  aber  sowohl  die  Stadt,  als  die  ProVinz  Bari  namSS 
Beitrage  zugesagt,  so  dass  es  immerhin  fraglich  ist,  nach  welcher 
Richtung  die  Entscheidung  der  Regierung  fällt 

v.  _  s,eit  ein>ger  Zeit  beginnt  man  auch  bei  uns  sehr  energisch  den 
ivampf  gegen  den  Alkoholismus  aufzunehmen.  Gewiss  ist  diese  Plaue 
der  Menschheit  in  Italien  noch  nicht  so  tief  eingewuJzelt  und  ver- 

leider  ^  besonders  6in  a,‘deren  Nationen  Europas,  aber  es  machen  sich 
f  PinbAm!S  Industriegegenden,  Zeichen  bemerkbar  die 

auf  ein  Anwachsen  des  Lasters  deuten.  Und  wenn  sich  auch  der 
Italiener , nicht  in  Whisky  oder  Absinth  berauscht  so  ist  doch  der  Alko 
holismus  deshalb  nicht  weniger  gefährlich.  Besonders  erschreckend 

hoVsmt~Lh  Jf“  Hdie  Sterblichkeit  iniote  cbronSÄ 

Auch  d  e  516  le  Zt  beinahe  das  Tansend  erreicht. 

gÄÄÄ^[llS  j3?e“  ÄSrt 
f^aÄÄ^  gewalttätigen  Verbrechen  werden  in 

Kong^fsse^wSm  ,Juristen  haben  schon  verschiedene 

dafüf  fnte  -ess?erht  >,m  VadRauch  fdie  Staatsmänner  haben  sich  schon 

mus  z^  schafft, \n?cd  .*B^S1S  fur«in  Qesetz  gegen  den  Alkoholis- 
1US  zu  schaffen,  und  so  steht  zu  hoffen,  dass  auf  dem  grossen  inter- 

krete"  Vorscidägp6^  dernlm  Hefbst  in  Mailand  stattfinden  soll,  kon- 
setz  umwandpln  1  gecmac^ 1 1  Tferdent  d‘e  s‘cb  *n  e‘n  brauchbares  Ge- 
setae?i2S^ÄÄpn’  -KCh  T£rdf  ”icht  veUehlen,  unser, n  Lesern 
richten  ausfuhrlicher  uber  die  Arbeiten  des  Kongresses  zu  be- 

Kamnf°g™p1SHS™h  aT  die..  Minderjährigen  handelt,  hat  übrigens  der 
gS  inlfnPm  dnap^lk°h0l,SniVS  Schon  ein  greifbares  Resultat  cr- 
dfent  w  !,S  fZ^°MC  l5’  dei‘  auch  deshalb  Erwähnung  ver- 
UnternVht  Fr^ä,'^  3  a  ,für  die  Vormundschaft,  Beistand, 

einer  einziVpn  ifii!13  a  Und  K°rrektion  der  Minorennen  zu  sorgen,  in 
vereint  wird8  n°-rdeA"T  ^  Magistrat  der  Minderjährigen  - 
soll  sfpb  nd'  RDie  ^Utu[ltat  dieses  Magistrates  der  Minorennen 
wägung™  ,  Lii?nrUCkS1ahtlgMn18:  medizinisch-psychologischer  Er- 
agungen,  nämlich  von  der  Ueberzeugung  ausgehend,  dass  auch  im 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


er  von  IS  Jahren  die  Entwicklung;  der  Hemmungsvorgänge  noch 
ht  vollendet  und  es  daher  noch  nicht  unmöglich  ist,  durch  geeignete 
rkehrungen  zu  erreichen,  dass  sich  die  Individuen  noch  bessern, 
,en  bis  auf  dieses  Alter  erstrecken. 

Und  de"  Artikel  10  dieses  projektierten  Gesetzes  ist  es,  der  den 
mpf  gegen  den  Alkoholismus  aufnimmt,  denn  durch  ihn  wird  ore 
rabreichung  von  alkoholischen  Getränken  in  den  Ricreatorien  (an 
Volksschulen  angegliederte  Erholungs-  und  Spielräume,  wo  die 
ider  auch  Erfrischungen  erhalten),  Instituten,  Konvikten  und  allen 
:  istigen  Erziehungsanstalten,  verboten. 

Man  kann  mit  Stolz  sagen,  dass  die  Aerzte  an  diesem  neuen 

■  setz,  das  bestimmt  ist,  so  manche  schwere  Schädigung  der  Jugend 
1  damit  der  Evolution  der  menschlichen  Gesellschaft  hintanzuhalten, 

i  cn  sehr  grosen  Anteil  haben,  und  mit  noch  grösserer  Freude  kann 
n  darauf  hinweisen,  dass  die  ärztliche  Klasse  nicht  nur  mit  Rat, 

•  idern  auch  mit  der  Tat  das  Beispiel  wirklicher,  werktätiger  Men- 
icnliebe  gibt,  denn  gerade  die  Aerzte  haben  dem  goldenen  Buch 

sozialen  Wohltätigkeit,  die  in  dieser  letzten  Zeit  in  Italien  ganz 
l  ,onders  aufgeblüht  ist,  ein  glänzendes  Blatt  beigefügt.  Ich  habe 
:  ion  in  früheren  Briefen  der  bemerkenswerten  Stiftungen  der  Kol- 
len  Murri,  Pescarolo,  Campana  u.  a.  m.  gedacht,  und 
i  ue  mich,  auch  heute  wieder  über  einen  Akt  der  Munifizenz  eines 
ztes  berichten  zu  können.  Der  als  Spezialist  für  Nerven-  und 
<  isteskrankheiten  sehr  geschätzte  Mailänder  Dr.  De  V  i  n  c  e  n  t  i, 
c  vor  kurzem  infolge  einer  schweren  Operation  sein  arbeits-  und 

•  ensreiches  Leben  vor  der  Zeit  beschliessen  musste,  hat  die  Summe 
ui  208  000  Liren  für  verschiedene  Krankenhäuser  und  Wohltätig- 
1  tseinrichtungen  in  Mailand  und  Umgebung  hinterlassen. 

Das  grösste  Krankenhaus  Mailands  (und  Italiens)  ist  ja  überhaupt 
(  glänzendes  Zeugnis  dafür,  dass  in  der  lombardischen  Hauptstadt 
•  Sinn  für  private  Wohltätigkeit  immer  rege  war,  wenn  es  früher 
t;h  anderer  Stimulantia  bedurfte,  als  heutzutage.  Eine  eigenartige 
1  erlichkeit,  das  sog.  „Vergebungsfest“,  das  —  aus  alten  Zeiten  auf 
n  gelangt  —  vor  kurzem  wieder  im  genannten  Krankenhaus  ab- 
fialten  wurde,  ist  dafür  ein  interessantes  Beispiel.  Dieses  „Ver- 
wngsfest  ,  das  alle  2  Jahre  am  läge  von  Mariae  Verkündigung 
s  ttfindet,  hängt  mit  der  Gründung  des  grossen  Krankenhauses  zu- 
s  nmen,  denn  man  begann  mit  seiner  Feier  schon  während  des  Baues. 

Der  erste  Mailänder  Herzog.  Francesco  Sforza,  dem  Mailand 
s  ne  schönsten  Bauten  verdankt,  wollte  sich  nicht  damit  begnügen, 
i  Stadt  ein  grosses  Denkmal  der  Barmherzigkeit  geschenkt  zu 
Pen;  es  sollte  auch  ein  Denkmal  der  Kunst  werden.  Aber  seine 
r  künfte  gestatteten  ihm  nicht,  solch  weitausschauende  Pläne  zu 
5  wirklichen  und  der  Krankenhausfonds  reichte  kaum  zum  aller- 
i  igsten.  Da  kam  er  auf  den  Gedanken,  durch  einen  besonderen 
Lass  die  Herzen  und  ...  Börsen  der  wohlhabenden  Bürger  für  das 
ne  Krankenhaus  zu  gewinnen.  Als  im  Jahre  1459  alle  christlichen 

■  sten  sich  in  Mantua  mit  dem  Papst  Pius  II  trafen,  um  über  den 

•  ;uzzug  gegen  die  Türken  zu  beraten,  da  ergrifi  Sforza  die  Ge- 
ienheit,  sich  vom  Papst  für  das  Krankenhaus  und  den  Dom  (den 
seiten,  noch  prächtigeren  Bau,  der  mit  der  allen  grossen  Kunst- 
.'rken  eigenen  Langsamkeit  im  Entstehen  war)  einen  vollkommenen 
1  ass  zu  erbitten,  den  sich  jeder  durch  finanzielle  Unterstützung 
iser  Bauten  erwerben  konnte.  Später  versuchte  allerdings  der 
ost  dieses  Privilegium  wieder  rückgängig  zu  machen,  und  unter 
1  Jen  Nachfolgern  wechselten,  je  nach  den  politischen  Verhältnissen, 

1  Bullen,  welche  den  Ablass  entzogen,  mit  jenen,  die  ihn  wieder 
:  setzten.  Aber  all  dieser  Wechselfälle  ungeachtet  gelangte  das 
rgebungsfest  bis  auf  unsere  Tage  und  war  in  all  dieser  Zeit  der 
i  chtige  Antrieb,  der  nicht  nur  den  Bau  des  Krankenhauses  und  die 
1 ndige  Erweiterung  ermöglichte,  sondern  ihm  auch  einen  Fonds 

•  affte,  der  es  zu  den  bestgestellten  Italiens  macht.  Der  Ruf  des 
t  asses,  den  sich  Besucher  und  Stifter  des  Krankenhauses  erwarben, 

'  breitete  sich  bald  immer  weiter  und  der  Zulauf  zum  Vergebungs- 
<:  wurde  so  gewaltig,  dass  er  durch  besondere  Verfügungen  ge- 
« eit  werden  musste. 

Schon  im  Jahre  1464  hatte  man  die  Hauptwohltäter  des  Kranken- 

•  hauses,  d.  h.  den  Gründer  Herzog  Sforza  und  den  Papst  Pius  II 
i  ch  Aufstellung  ihrer  Büsten  ehren  und  verewigen  wollen.  Diesen 
Len  Büsten  folgten  bald  andere;  und  später  auch  bildliche  Darstel- 
;?en  interessanter  Momente  aus  der  Geschichte  des  Kranken¬ 
des.  Aber  erst  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  begann  man  mit 
1  regelmässigen  Aufstellung  der  Porträts  aller  hervorragenden 
1  hltäter,  und  endlich  kam  man,  um  diese  Wohltäter  noch  mehr  zu 
len  und  andere  anzuspornen  ihrem  Beispiel  zu  folgen,  dazu,  mit 
•n  Vergebungsfest  eine  Ausstellung  dieser  Porträts  im  Portikus  des 
lipthofes  zu  verbinden.  Diese  einzigartige  Gemäldesammlung  um- 
3;t  heute  395  Porträts  von  mehr  als  200,  meist  lombardischen  Kiinst- 

unter  denen  sich  grosse  Namen  finden,  und  nimmt  in  der  Ge¬ 
eichte  der  Kunst  eine  bemerkenswerte  Stellung  ein.  Leider  hat 
Ir  der  alle  2  Jahre  stattfindende  zweimalige  Umzug  der  Gemälde, 
«i-  ihre  Verbringung  in  den  Portikus  und  der  Rücktransport  an  die 
Udigen  Plätze,  sowie  der  4  Wochen  dauernde  Aufenthalt  im  Porti- 
:,  wo  sie  der  Sonne,  dem  Wind  und  sogar  —  bei  stürmischem  Wet- 
£  —  dem  Regen  ausgesetzt  sind,  den  Kunstwerken  grossen  Schaden 
lefiigt,  so  dass  man  jetzt  ernstlich  mit  dem  Gedanken  umgeht,  eine 
In  Anforderungen  entsprechende,  moderne  Galerie  zu  schaffen,  um 
i;e  Schätze  würdig  aufzubewahren  und  vor  weiteren  Schädlich- 
'  en  zu  behüten.  Es  fehlt  nur  noch  der  Wohltäter,  der  sich  der 


armen,  vielgewanderten  Wohltäter  annimmt  und  ihnen  durch  eine 
neue  hochherzige  Stiftung  endlich  zur  wohlverdienten  Ruhe  verhilft. 

Zu  bedenken  bleibt  allerdings  immer  noch,  ob  durch  diese,  vom 
künstlerischen  Standpunkt  aus  sehr  wünschenswerte  Vorkehrung 
nicht  das  finanzielle  Ergebnis  der  vielhundertjährigen  Feier  zu  sehr 
beeinträchtigt  wird,  denn  wenn  sich  auch  sonst  die  Zeiten  sehr  ge¬ 
ändert  haben  und  der  Ablass  nicht  mehr  die  Anziehungskraft  ausiibt 
wie  ehedem,  so  steht  doch  fest,  dass  auch  in  allerneuester  Zeit  die 
Schenkungen  und  Stiftungen  gerade  nach  dem  Vergebungsfest  stets 
ganz  besonders  reichlich  zuströmten.  Die  Ausstellung  der  Porträts 
so  vieler  berühmter  und  wappengeschmückter  Vorfahren  Mailänder 
Familien  erweckt  immer  bei  mancher  vermöglichen  und  wohltätigen 
Person  den  Wunsch,  auch  ihr  Gedächtnis  auf  die  Nachwelt  zu  bringen, 
als  bleibendes  Zeugnis  ihres  Mitgefühls  mit  den  Unglücklichen. 

Prof.  G  a  1 1  i. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

XXX.  Deutscher  Kongress  für  innere  Medizin 

zu  Wiesbaden  vom  15. — 18.  April  1913. 

IV. 

Sitzung  vom  Freitag,  den  18.  April  1913. 

Referent:  K.  Reich  er -Bad  Mergentheim. 

S  t  e  p  p  -  Giessen :  Ueber  die  Erregung  der  Pankreassekretion 
durch  pathologische  Magensäfte.  (Nach  Experimenten  am  Hunde.) 
Unter  Mitarbeit  von  Erwin  Schlagint  weit. 

Die  Tätigkeit  der  Bauchspeicheldrüse  wird  in  der  Norm  vom 
Magen  aus  reguliert.  Der  Uebertritt  von  salzsaurem  Mageninhalt  in 
den  Darm  bewirkt  durch  Bildung  eines-  chemischen  Stoffes,  der  ins 
Blut  aufgenommen  und  zur  Bauchspeicheldrüse  geführt  wird,  Ab¬ 
sonderungen  von  Pankreassekret.  Bei  Achylia  gastrica  ist  der 
Magen  nicht  imstande  im  Darm  jenen  chemischen  Körper,  der  die 
Pankreas  zu  ihrer  Tätigkeit  anregt,  zu  bilden,  bezw.  frei  zu  machen. 
Merkwürdigerweise  war  in  vielen  Fällen  der  Mageninhalt  von  Magen- 
krebskrauken  sehr  stark  wirksam. 

K  i  r  c  h  h  e  i  m  -  Marburg:  Untersuchungen  über  das  Antitrypsin 
des  Serums. 

Das  Blutserum  übt  auf  das  Trypsin  eine  Hemmung  aus,  die  durch 
ein  Antiferment  bedingt  wird.  Dieses  soll  als  Reaktionsprodukt  auf 
die  Resorption  körpereigenen  Fermentes  gebildet  werden  und  also 
einen  echten  Antikörper  darstellen.  Der  Beweis  für  diese  Theorie  ist 
keineswegs  erbracht.  Es  wurde  deshalb  untersucht,  ob  die  Bindung 
Serum-Trypsin  den  Anforderungen  genügt,  welche  nach  der  Ehr- 
1  i  c  h  sehen  Theorie  an  eine  Antigen-Antikörperbindung  zu  stellen  ist. 
Das  Gesetz  der  Multipla  gilt  nicht.  Auch  kleine  Mengen  Trypsin 
werden  durch  grossen  Serumüberschuss  nicht  neutralisiert  und  grosse 
Mengen  relativ  viel  stärker  gehemmt  als  kleine.  Serum  hebt  also 
die  Fermentwirkung  nicht  auf,  sondern  verlangsamt  sie  nur.  Eine 
Art-  oder  Organspezifität  der  Serumhemmung  war  früher  schon  in¬ 
sofern  abgelehnt  worden,  als  ein  Serum  verschiedene  Trypsine  und 
auch  Pflanzenproteasen  ähnlich  oder  gleich  hemmt,  wie  arteigenes 
Ferment.  Es  blieb  aber  noch  die  Möglichkeit,  zu  untersuchen,  dass 
verschiedenen  Trypsinen  verschiedene  Antitrypsine  entsprechen.  Dies 
trifft  nicht  zu.  Eine  Spezifität  der  Serumhemmung  ist  also  ausge¬ 
schlossen.  Die  Bindung  Trypsin-Serum  gilt  als  irreversibel  oder 
schwer  reversibel.  Man  kann  aber  durch  Chloroformzusatz  die  tryp- 
tische  Wirkung  eines  Gemisches  von  Trypsin  und  Serum  erheblich 
steigern,  auch  wenn  das  Chloroform  erst  nach  einer  optimalen  Bin¬ 
dungszeit  dem  Gemisch  zugefügt  wird.  Die  Hemmung  des  Trypsins 
durch  das  Serum  kann  also  nicht  als  eine  Antikörperwirkung  nach 
der  Ehrlich  sehen  Definition  betrachtet  werden. 

R  o  s  e  n  b  e  r  g  e  r  -  München:  Ueber  Duodenalsondierting. 

Zur  Duodenalsondierung  benützt  man  dünne  Gummischläuche, 
die  man  schlucken  lässt  und  die  der  Magen  dann  in  den  Darm  weiter 
befördert.  Dann  sucht  man  Duodenalinhalt  zu  gewinnen,  aus  dessen 
Beschaffenheit  sich  mit  der  Zeit  diagnostische  Schlüsse  zielen  lassen 
werden.  Zur  Zeit  beruht  der  Hauptwert  der  Sondierung  in  der 
Möglichkeit,  den  Magen  ruhen  zu  lassen,  ohne  dass  der  Kranke 
hungert:  Man  lässt  die  Sonde  tagelang  liegen  und  gibt  durch  sie 
flüssige  Speisen.  Arzneien,  die  den  Magen  angreifen  oder  vom 
Magensaft  angegriffen  werden,  können  auf  diesem  Wege  in  den  Zwölf¬ 
fingerdarm  gebracht  werden.  Für  die  bisher  schwierige  Röntgen¬ 
untersuchung  des  Dünndarms  eröffnen  sich  neue  Aussichten.  Die 
weiteste  Verbreitung  gebührt  der  Duodenalsondierung  in  der  Be¬ 
handlung  des  Magengeschwürs. 

R  o  i  t  h  -  Baden-Baden:  Ueber  die  Mechanik  rektaler  Einläufe. 

Die  Wirkung  der  Einläufe  beruht  nicht  nur  aui  einer  einfachen 
Spülung  des  Darmes.  Es  werden  vielmehr  hierdurch  Bewegungen 
der  Darmmuskulatur  ausgelöst,  welche  sowohl  auf  dem  inner-  als 
auch  ausserhalb  des  Darmes  gelegenen  und  ihn  versorgenden  Nerven¬ 
geflechte  darmaufwärts  geleitet  werden,  hierdurch  wird  auch  die 
Flüssigkeit  in  gleicher  Richtung  transportiert.  Es  ist  dies  besonders 
bei  kleinen  Einläufen  auf  dem  Röntgenschirm  zu  erkennen.  Dieselben 
erreichen  in  wenigen  Minuten  den  Querdarm  bis  über  die  Mitte,  ohne 
von  der  Lage  des  Rumpfes  abhängig  zu  sein.  Später,  längstens 
innerhalb  einer  Stunde,  den  absteigenden  Dickdarmschenkel  und  den 
Blinddarm.  Bei  grossen  Einläufen  vollzieht  sich  dieser  Vorgang  in 


114 


Ml'FNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


m'cI  kürzerer  Zeit.  Dieser  Vorgang  ist  abhängig  von  der  chemischen 
und  physikalischen  Beschaffenheit  des  Einlaufes  und  der  F^regbarkch 
tcr  Darmwand  und  ihrer  Nerven.  Abhängig  von  den  gleichen  Fak¬ 
toren  vollzieht  sich  mehr  minder  rasche  Entleerung  des  unteren  erst¬ 
genannten  Dickdarmabschnittes  bis  über  die  Mitte  des  Querdarms 
Der  in  den  absteigenden  Dickdarmschenkel  gelangte  Teil  bleibt 
angere  Zeit  zurück,  in  krankhaften  Fällen  tagelang.  Kleinere  Ein¬ 
laufe  wirken  im  wesentlichen  nur  auf  die  untere  Dickdarmlnlfte 

lüe^ninht  hc0herfen?  (3l'.ade.  auch  auf  die  obere.  Doch  ist  dieselbe  auch 
h  er  nicht  so  stark  wie  dort.  Eine  Beeinflussung  des  Dünndarms  ist 
unzunehmen,  doch  nicht  genau  bekannt. 

riPn  vi1nSh  E.  rlenmey  er -Freiburg:  Experimentelle  Studien  über 
den  Mechanismus  der  chronischen  Bleivergiftung. 

tumr  Pnr,ZtP>,UfnterSUaheS;  ^uf  w®Rh.?m  Wese  dje  chronische  Bleivergif- 
n.effTentS  ^t’JWUrde  Ra4zen  Bleikarbonat  unter  die  Haut  gebracht 

Sfrbtr‘scrhHe«H?hn  af  d'eserTDePot  sanz  allmählich  Blei  heraus  und 
'  schjiessbch  unter  den  Zeichen  der  Bleivergiftung.  Nach  dem 

Jesrhuiftl'fn,?  W‘rid  daS  noci?,  unter  der  Haut  befindliche  Blei  heraus- 
gesclimtten  und  analysiert.  Ebenso  wird  das  ganze  Tier,  ferner  Kot 

und  Urin  aus  der  ganzen  Versuchszeit  auf  Blei  verarbeitet  Die 
v,  ledergefundenen  Bleimengen  betrugen  98  Proz.  der  einverleibten 
'oifngH'  Ah-  rjr,und  dieser  Versuche  stellt  Erlenmeyer  die  These 
Steider  tmCrniSChe  Bleivergiftung  durch  einen  Bleistrom  ent- 
hlcr'  d  *  deI°  Körper  mit  einer  ganz  bestimmten  Stärke  und  ganz 
bestimmten  Zeitdauer  durchfliesst.  Da  für  das  Eintreten  der  Er- 
d!e  Starke  dieses  Stromes  ein  wesentlicher  Faktor  ist 
!vpnnht  f  f3.S  thorapeutische  Handeln  Aussicht  auf  Erfolg  durch  An¬ 
wendung  solcher  Mittel,  die  die  Ausscheidung  des  Bleies  fördern  da¬ 
durch  also  die  Stärke  dieses  Bleistromes  herabsetzen. 

ExpeSmil«f„4bSsS?r  A"'“‘örP<=rt]ldu„K  bei  Dipb.heriv. 

H  a  h  n  -  Magdeburg  berichtet  über  ein  neues  aktives  Immuni¬ 
sierungsverfahren  bei  Diphtherie  durch  ein  Toxin-Antitoxirigemisch 

Hah^  ^ehHrinv‘^rbUrS  jm  Tierversuch  mit  Erfolg  erprobt  hat.’ 
77  1  n’  arerr»dlf-s  Verfahren  auf  den  Menschen  übertrug,  gelang  es  bei 
27  von  31  Patienten  durch  eine  2-6  malige  Injektion  des  Gemisches 

liT  'ei  reChkerlTlebl,lche  SteigerimÄ  des  Antitoxingehaltes  im 
Blute  zu  erzielen  Die  Injektionen  wurden  subkutan  am  Vorderarme 
vorgenommen.  Die  Reaktion  bestand  in  Rötung  und  Infiltration  wie 
wir  sie  ähnlich  nach  1  uberkulininjektionen  zu  sehen  gewohnt 'sind. 
^ur  fU1^r  fa  Cd  ^ar  d,ie  Kubitaldriise  leicht  vergrössert  und  druck- 

£  f  ;ir  Bnei  dSiarierter  Reaktion  wurde  die  nächste  Injektion 
L1 fIh  “Sl kÄ  m.d  e  GMaen  vorgenommen.  Fieber  wurde  nur  in 
'  Fallen  beobachtet,  doch  sind  diese  Temperatursteigerungen  sicher 

QtF^tnReakH°n  gGRen  das  Irtirnunisierungsgemisch  aufzufassen, 
üi  9  Fallen  m  denen  versucht  wurde,  durch  fortgesetzte  Injektionen 

SenimHtpf11^?11  D°Sen  der  Immunisierungsflüssigkeit  einen  hohen 
■n  ?mbter  |u  erzeugen,  wurden  10— 75  fache  Seren  gewonnen,  d.  h 

werden  Uehermdii0nn  en  !?~7t5  Ant>toxineinheiten  nachgewiesen 
u  erden.  Ueber  die  Dauer  der  Immunität  kann  bei  der  Kürze  der 
Zeit  ein  Urteil  noch  nicht  abgegeben  werden. 

In  ausgedehnten  Kaninchenversuchen  suchte  Hahn  die  Be¬ 
einflussung  der  aktiven  Immunisierung  durch  eine  gleichzeitige  oder 

Aur4n°Hgende  vHe‘ SeuUminjektion  festzustellen;  für  den  negativen 
usfa.Il  dieser  \  ersuche  ist  wohl  die  sehr  schwer  gegen  Diphtherie 
zu  immunisierende  Tierart  verantwortlich  zu  machen  U,ptltherie 

s  k  11  s  s  1  o  n :  M  a  1 1  hes- Marburg  hat  das  neue  Behring- 
sche  Serum  mit  gutem  Erfolge  vielfach  verwendet. 

hi  fV'  Behrin?-  Marburg  demonstriert  2  Diagramme,  in  welchen 
die  Ergebnisse  von  2  aktiv  und  passiv  immunisierten  Patienten  ein- 
?7S  fanhnaSmj?'  i  NaCh  eifne0m(  teilen  Abfall  der  Antitoxinkurve  von 
flsrh01  8-.,Januar  auf  20 fach  am  13.  Januar  sieht  man  die  Kurve 
IfQpJaCh  W0lterverlaufen.  Ende  des  Monates  März  ist  die  Blutkurve 
Stach  normal.  Es  wird  etwa  2  Jahre  dauern  wenn  der  Ant  toxin 

gehalt  "auf'v*  Ta  g'eichen  Tempo  weiter  vollzieht,  bis  der  Antitoxin¬ 
gehalt  auf  /xoofach  gesunken  sein  wird.  Spritzt  man  einem  Kinde 
von  ca.  25  kg  Gewicht  100  AE.  unter  die  Haut,  dann  wfrd Ter  oSS 
sinkt  prnthiQXinteha  t  des  Blutes  Vssfach  normal,  aber  nach  10  Tagen 
hört  Nabch  r?  T°faCh’  °  ne  dass  die  fmmunität  dann  schon  auf- 
spji«-prpn T a  “°  la8:en  lst  sie  erst  verschwunden.  Einem  4  kg 

oCSere?nütWUHrden  n375  AEU  homologes’  anthropogenes  Anti 
oxm  emgespntzt,.  danach  war  der  maximale  Blutantitoxingehalt 
U  fach  normal.  Die  Antitoxinkurve  fällt  auch  hier  bei  der  passiven 

e’/lTTrinee"  TendPanhSt  stedab’  zt}gt  aber  gleichfalls  hernach  nur 
fi"]eH5  in^,  Tendenz  zu  steigen.  In  dem  Zeitraum  von  31  Tagen 
nel  der  Antitoxingehalt  von  Vsofach  bis  auf  Vaofach.  Damit  hat  man 
,  ..  Gewissheit  erlangt,  dass  im  Wesen  ein  homologes  Antitoxin 

uejlUp;  S0ines  Verschwindens  aus  dem  Blute  sich  nicht  anders  verhält 
Sehr  star? widVriepnr  IAm"1.unisieruPgsprozess  entstandenes  autogenes.' 

bsässsä  ist  ™ ä  a 

Falle^von  "ninhthpr'ip" iesbaden  hat  in  einem  äusserst  schweren 
\^Vonl  SSt3ftUT  dllrch  2  maIi«e  intralumbale  Injek- 

Am  3  Tage  waren  von 

ve n s u  b  st  anz  ngeb un di e n  °w orden"  ’  d"  RC"  ™  ^ 


No.  2( 


R  u  m i  p  e  1  -  Hamburg;  Die  Erfahrungen  von  Behring  sind 
drmSü>r°SSen-r  Wichtigkeit  als  die  prophylaktischen  Impfungen  mi 
dun  jetzigen  Diphtherieheilserum  kein  einwandfreies  Resultat  in  T 
Praxis  ergeben  haben.  Leider  haben  bei  der  letzten  schweren 

BeTrTn^Trh  "V  Hamburg-Altona  die  Mortalitätsziffern  die  vor 
t  h  r  i  n  g  sehe  .  Zeit  erreicht  oder  zeitweise  sogar  ühertmff 
8  cllu,d  daran  dürfte  der  Umstand  sein,  dass  trotz  des  Dinhtherä" 
öprferSfäliater  em  K3nZ  KCWaltiser  Teil  der  Fälle  Herzlähmungen  zm, 

p  „  (iöPPert- Göttingen  meint,  dass  in  dem  W  e  i  n  t  r  a  u  d  srlv, 
1  ir?>  Aracbnoidealraurne  resorbiert  worden  sei. 

•  u . ■  cn  h,?1  '  H^lin  betont  gegenüber  Rumpel  dass 

richtiger  als  Mortalitätsziffer  das  Verhältnis  der  Gestorbenen' ‘zur  7?h 

f/hPrSranknnnTimt’  nicht  d‘e  Sterbeziffer  im  Verhältnis  zurZaÄr 
Lebenden.  Bei  dieser  Art  der  Berechnung  kann  man  in  Berlin  S 
Herabgehen  der  Mortalität  von  30  Proz.  auf  12—15  Proz'  in  der  Hp  i 
senimpenode  also  eine  ganz  eklatante  Wirkung  feststellen 

P  e  tr  us  c  li  k  y  -  Danzig:  Die  Beseitigung  der  Keimträger  ict 
die  wichtigste  Aufgabe  bei  der  Bekämpfung  der  Diphtherie."  Leide- 

p  S,‘e  blsber  nur  sehr  unvollkommen  gelöst  worden.  Der  Erfolg  von 
Behring  ist  jedenfalls  sehr  zu  begrüssen  ^noig  von 

frnhppUn?1el'Hambur?:  Die  Morbiditätskurve  weist  gegenüber 
früheren  Jahren  eine  viel  grössere  Zahl  auf,  weil  man  jetzt  in  Gross' 
Städten  viel  häufiger  Diphtherie  diagnostiziert  als  früher,  daher  auch 
die  grossere  Differenz  zwischen  Morbidität  und  Mortalität 

si'üt’ssa.'-fiäissr  **■«**•  '»• 

keif  rfii1  t,YesentIicber  Faktor  in  der  natürlichen  Widerstandsfähig 
kp  I  HpS  Kor?ers  ^gen  bakterielle  Krankheitserreger  bildet  di"  Fähig 
keit  der  weissen  Blutkörperchen  (Leukozyten)  letztere  in  sbhi.t 
zunehmen  (Phagozytose)  und  zu  verdaue?  ^ßiese  vita?e  EigenscS  b' 
ApmHp  eiSSenu  '  Utk^rperchen  karln  in  verschiedener  Weise  durch 

Phagozytose  darzutun,  indem  das  Cholesterin  die  Phaän7v,n 
lemmt  resp.  aufhebt  und  das  Lezithin  diese  Wirkung  im  Verhältnis 
.  -  paralysiert.  Es  wird  dann  eine  einfache  klinische  Method"  zur 
Bestimmung  der  phagozytären  Kraft  der  Leukozyten  angegeben 

Krankenbett*  BedC"t“n''  a'S  Sie 

ratesl'dnrhch'Diä!’bee™ieLeber  d,e  Bee,nll,,ss""s  Blntgeifeapps- 

ne,slljC4lt  dl®  Indikationen  für  die  Anwendung  der  Diathermie 
speziell  Blutdruckerhöhung,  Herzneurose  etc 

die  Virulenz  der^ Bakterien.611'  d"  * 

Pathogene  Bakterien  können  durch  Mutation  avirulente  Pass  e 
abspalten.  Diese  haben  die  Fähigkeit,  durch  Tierpaslagen  oder  auch 
,rjan‘n  den  v^ulenten  Typus  zurückzuschlagen.  Derartige  Viru- 
nzsteigerungen  durch  Mutation  spielen  vermutlich  bei  den  Auto 
mfektionen  und  bei  der  Entstehung  autochthöne?  EpMemien'  Z 

Zuführung VrwIinilter^Lult*6  ""rasl»"'achale  Wärnte.heranie  durch 

•  ,  Bei  Magen,  als  fast  zentral  im  Körper  gelegenes  Hohlnnran 
zu  diSJ-n2  Bei  a'S  AasfanSspunkt  für  Wärmeanwendung 

sSeicheldr'üs?  dp  l  P?eihepu°n  kranku t'gcn  des  Magens,  der  Bauch- 
fellraum  etc  hat  HTf7bper’  Flllssigkeitsansammlung  im  linken  Rippen- 
Heilresultatp*  iSLS zea">ve«d“n^  vom  Magen  aus  bemerkenswerte 
erwSmtpfl  ,?ft  i,?  1  Behandlu,n8:  erfolgt  durch  Einblasen  von 

S*  is^durkhaks  ÜSS'8  ei"er 

Krankheit.‘Ck'Prag:  Zm  Kenntnis  der  A  d  a  m  s  -  S  t  o  k  e  s  scheu 

P.  beschreibt  einen  Pall  mit  andauernder  hochgradiger  Pulsver- 

hlnzutrateif’  Die^JankH  z.eiJwe.ise  0hnmachtsanfälle  mit  Zuckungen 
mnzutraten.  Die  Krankheit  bestand  von  1892  an  und  endete  1913  in- 

schwereif f  Her7a^fpkfnten  Erkrankun^  Patient  vollendete^  trotz  der 
Zahnarzt  hk7MmffTkH0n  Se"o  Sjudien  und  übte  seinen  Beruf  als 
störungslos  H  s  !  hde  aoS-  B?‘  de[  Sektion  fand  sich  eine  totale  Zer- 
SrhwiSPd  vm,  h  s  hHn  Bundels  infolse  einer  alten  myokarditisclien 

s  dass  das  Herz  s,r* 

?)0cbt  ^  sfiegenSen 

finde  Jini  wa  S  hT  Es  war  ausser  dem  erwähnten  Be- 

Grtmd  des  XFl^dternf°k1rdl 'S  am  linken  Herzen  nachweisbar.  Auf 
Bündels  als  £ek‘rokardl™s  muss  der  rechte  Schenkel  des 
Bundels  als  der  Ausganspunkt  der  Störung  angesehen  werden. 

lose  gute  Erfolge  erzieh056"  mit  Ichthyolkalzium  bei  Tuberku- 

sationsstörungen.  PeSt‘  Neue  Methode  zur  Behandlung  der  Kompen- 

neli memu'n  'V'  ■  d'6  Arbf‘t  der  an  dem  Einatmungsmechanismus  feü- 
SO  kl  l?7  ,rigei"(!USke  "  auf  eme  gewisse  Zeit  künstlich  einstellen. 

der  Einatmu^  a^f6  gnZWUnge;n-  3Uf  diese  Zeit  die  Kanze  Auf*abe 
mnsko  n  i  h-  f  l  Zu  l101™611-.  Die  Arbeit  der  Inspirations- 
v  L  *  *  ie  insPiratorische  Erweiterung  des  Brustkorbes  können 


0.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF1 


1115 


ir  einfach  verhindern,  wenn  wir  den  Thorax  und  den  Bauch  rings- 
I  erinn,  von  oben  bis  unten,  mittels  eines  Mieders  fixieren.  Durch 
ieses  massige  Hindernis  wird  einerseits  das  Zwerchfell  zu  kräfti- 
eren,  ausgiebigeren  Kontraktionen  angeregt,  andererseits  werden  auf 
iese  Weise  die  Bauchorgane  während  der  Inspiration  wie  von  zwei 
eiten  zusammengedrückt,  wodurch  deren  venöses  Blut  sozusagen 
iinstlich  mit  gesteigerter  Energie  hinausgepresst  wird.  Es  ist  anf¬ 
allend,  dass  das  1  ragen  der  Mieder  von  sämtlichen  Kranken  als 
ar  nicht  unangenehm,  eher  noch  als  angenehm  bezeichnet  wird, 
’arallel  mit  der  Besserung  des  subjektivem  Befindens  gestaltet  sich 
iich  der  objektive  Befund  günstig.  Die  besten  Resultate  werden 
ei  dekompensierter  idiopathischer  Herzhypertrophie,  Klappenfehlern, 
lerzmuskelschwäche  und  Dilatation  erzielt. 

R  e  t  z  1  a  f  f  -  Berlin:  Einfluss  des  Sauerstoffs  auf  die  Blut- 
irkulation. 

Es  gelang  R.  nachzuweisen,  dass  unter  der  Sauerstoffatmung 
>ne  bessere  Entleerung  des  kleinen  Kreislaufes  und  damit  eine  Ent- 
istung  des  rechten  Herzens  zustande  kam,  sogar  bei  künstlich  er¬ 
äugter  Ueberfüllung  des  Lungenkreislaufes.  Damit  ist  klargestellt, 
ass  eine  Gefässwirkung  bei  Abnahme  der  Zyanose  von  Herzkranken 
n  Stadium  der  Dekompensation  infolge  von  Sauerstoffatmung  in 
Jetracht  kommt. 

B  e  n  a  r  i  o  -  Frankfurt  demonstriert  Präparate  (Noguchis) 
on  Spirochaete  pallida  im  Gehirn  bei  progressiver  Paralyse,  die  in 
usserst  anschaulicher  Weise  die  Anwesenheit  dieser  Spirochäten  in 
en  Krankheitsherden  dartun. 

Brian-Köln:  Der  Nachweis  giftiger  Leibessubstanzen  in  Ein- 
eweidewürmern. 

Wässerige  und  alkoholisch-ätherische  Extrakte  von  Taenia  sagi- 
ata  bzw.  Ascaris  lumbricoides,  unter  die  Haut  von  Tieren  gespritzt, 
erursachen  fast  stets  Vermehrung  der  Stickstoffausscheidung  im 
Irin,  also  toxogenen  Eiweisszerfall.  Je  frischer  das  eingespritzte 
’räparat  ist.  um  so  stärker  die  Wirkung.  Dagegen  war  Presssaft  aus 
anz  frischen  Parasiten,  sofort,  ohne  Mazeration  bereitet,  unwirksam; 
ffenbar,  weil  er  nicht  genügend  „aufgeschlossen“  war  oder  weil  die 
/irksamen  Stoffe  erst  nach  einer  gewissen  Autolyse  —  im  Wirts- 
örper  durch  die  Verdauung  —  entstehen.  Die  Abnahme  der  Wir- 
ung  der  Extrakte  bei  längerem  Lagern  dagegen  beweist,  dass  die 
iftigen  Bestandteile  unbeständig  sind  und  auch  in  steriler  Lösung 
rhymolzusatz)  einer  weiteren  Veränderung  unterliegen.  Die  Ergeb- 
isse  sind  am  gefütterten  und  am  hungernden  Tier  dieselben.  Immuni- 
itserscheinungen  oder  anaphylaktische  Erscheinungen  bei  wieder- 
olter  Einverleibung  wurden  nicht  beobachtet. 

E  n  g  el m a  n  n -  Bad  Kreuznach:  Weitere  Beiträge  über  die 
Wirkung  der  Radiumemanation. 

Um  das  Verhalten  grosser  Radiumemanationsmengen  im  Orga- 
ismus  zu  prüfen,  injizierte  Engelmann  hochwertige  Radium- 
manationslösungen,  z.  T.  intraarteriell,  z.  T.  intravenös,  z.  T.  in  den 
umbalsack  von  Versuchstieren  und  gab  es  auch  stomachal  ein. 
r  beobachtete  eine  ganz  erhebliche  Leukozytose,  die  unmittelbar 
ach  der  Injektion  auftrat  und  länger  anhielt  als  die  nach  Thorium¬ 
inführung  auftretende  Leukozytose.  Einspritzung  von  Radium- 
isungen,  die  in  eine  Arterie  gemacht  waren,  zeigten,  dass  die  radio- 
ktiven  Stoffe  von  dem  Gewebe,  das  von  der  betr.  Arterie  versorgt 
drd,  in  beträchtlicher  Menge  zuriickgehalten  werden.  Man  kann 
Iso  therapeutisch  durch  intraarterielle  Injektionen  auf  bestimmte  Ge- 
/ebsbezirke,  z.  B.  bei  der  Radiumbehandlung  von  Geschwülsten, 
ationell  einwirken.  Die  intravenös  in  die  Blutbahn  gebrachte  Ema- 
ation  bewirkte  eine  fast  unmittelbar  eintretende  Pulsverlangsamung 
nd  Vergrösserung  der  Pulsamplitüde,  die  sich  erst  nach  2  Stunden 
mgsam  ausglich.  Eine  Unterstützung  von  örtlichen  Erkrankungen 
urch  Lokalbehandlung  ist  bei  der  Radiumemanationsbehandlung  sehr 
r  wünscht. 


2.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

zu  Berlin  vom  26. — 29.  März  1913. 

(Berichterstatter :  Privatdozent  Dr.  M.  K  a  t  z  e  n  s  t  e  i  n.) 

VII. 

Herr  Ach-München:  Beitrag  zur  Oesophaguschirurgie. 

Vortr.  führt  folgendes  aus:  Dem  endothorakalen  Speiseröhren 
rsatz  nach  Resektion  des  Oesophagus  hängen  verschiedene  Mängel 
n,  einerseits  sind  es  die  technischen  Schwierigkeiten  bei  der  Opera- 
on  selbst,  andererseits  postoperative  Störungen,  so  die  erhöhte  Ge- 
ihr  der  Pneumonie,  die  Zwerchfellhernien  und  vor  allem  die  Infektion 
er  Pleurahöhle,  die  zum  Teil  bedingt  ist  durch  die  langdauernde 
>peration,  vor  allen  Dingen  auf  die  Nahtinsuffizienz  zurückzuführen 
;t.  Da  diese  erwähnten  Punkte  nicht  mit  Sicherheit  ausgeschaltet 
/erden  können  und  der  blinde  Verschluss  des  oberen  Resektions¬ 
tumpfes  erfahrungsgemäss  zur  Perforation  führt,  kam  Vortr.  auf  den 
iedanken,  den  oberen  Teil  des  Oesophagus  überhaupt  in  toto  zu  ent- 
;rnen.  Dies  erreichte  er  dadurch,  dass  er  den  oberen  Oesophagus- 
tumpf  unter  Invagination  desselben  nach  oben  extrahierte.  Er  baute 
ie  Extraktionsmethode  an  einer  grossen  Versuchsreihe  beim  Hunde 
ir  alle  Möglichkeiten  aus,  die  uns  das  Oesophaguskarzinom  beim 
fenschen  bieten  konnte  und  übertrug  schliesslich  das  Verfahren  auch 
uf  den  Menschen,  wo  es  bei  4  Patienten  Anwendung  fand. 

Die  Extraktion  des  Oesophagus  lässt  sich  leicht  bewerkstelligen, 
rfolgt  bei  langsamer  Extraktion  ohne  Nebenverletzungen  und  geht 
hne  eine  nennenswerte  Blutung  einher.  Als  Kontraindikation  für 


die  Extraktionsmethode  sieht  er  stark  ausgedehnte,  eventuell  ver¬ 
kalkte  Bronchialdrüsen  an,  worüber  eine  Röntgenaufnahme  Aufklärung 
verschafft.  Bei  der  Extraktionsmethode  besteht  die  Möglichkeit, 
durch  das  Vorgehen  vom  Abdomen  und  vom  Hals  aus  die  Eröffnung 
der  Pleurahöhlen  bei  den  meisten  Karzinomen  des  thorakalen  Oeso- 
phagusabschnittes  zu  vermeiden.  Je  nach  dem  Sitz  des  Karzinoms 
ist  natürlich  die  Art  des  operativen  Vorgehens  eine  verschieden.  Die 
Kardiakarzinome  sowie  die  Oesophaguskarzinome  des  unteren  Ab¬ 
schnittes  sind  unbedingt  auf  abdominalem  Wege  operativ  anzugreifen, 
da  uns  der  abdominale  Weg  für  die  Operabilität  dieser  Karzinome 
am  besten  aufklärt  und  auch  die  Entfernung  dieser  Karzinome  leich¬ 
ter  auf  abdominalem  Wege  erfolgt.  Bei  den  reinen  Kardiakarzinomen 
ist  die  direkte  Vereinigung  des  Oesophagusstumpfes  mit  dem  Magen 
oder  Darm  das  erstrebenswerte  Ziel.  Gelingt  dies  aber  nicht  oder  bei 
den  Karzinomen  des  Oesophagus,  deren  obere  Grenze  bis  in  die  Nähe 
der  Bifurkation  reicht,  ist  die  Resektion  mit  nachträglicher  Extraktion 
des  oberen  Oesophagusstumpfes  zu  empfehlen.  Die  Operation  ge¬ 
staltet  sich  folgendermassen: 

Mittels  eines  grossen  Rippenbogenschnittes  wird  der  linke 
Rippenbogen  aufgeklappt,  und  man  kann  sich  nun  eventuell  nach 
Durchtrennung  des  Zwerchfells  am  Hiatus  oesophageus  davon  über¬ 
zeugen,  ob  das  Karzinom  operabel  ist  oder  nicht.  Ist  das  Karzinom 
operabel,  so  wird  der  Oesophagus  in  seinem  Halsteil  zirkulär  frei¬ 
gelegt,  wobei  besonders  auf  die  Nervi  recurrentes  zu  achten  ist.  Nach 
Anlegen  des  Brauer  sehen  Ueberdruckapparates  bei  1  cm  Ueber- 
druck  und  Zuleitung  von  Sauerstoff  wird  nun  abdominell  vorgegangen 
und  der  Tumor  mobilisiert;  wenn  es  sich  notwendig  erweisen  sollte, 
werden  die  beiden  Nervi  vagi  durchtrennt,  was  nach  des  Vortr.  Er¬ 
fahrung  von  den  Kranken  auch  ohne  Kokainisieruing  anstandslos  ver¬ 
tragen  wird.  Der  Oesophagus  wird  nun  oberhalb  des  Karzinoms  ab¬ 
gebunden  und  die  Abbindungsfäden  werden  lang  gelassen.  Hierauf 
wird  ein  Stahldraht  mit  einer  Oese  vom  Munde  aus  in  den  Oeso¬ 
phagus  nach  unten  vorgeschoben.  Es  wird  nun  der  Oesophagus  mit 
einer  Naht  oberhalb  der  Unterbindungsstelle  durchstochen,  und  zwar 
derart,  dass  die  Nadel  durch  die  Oese  durchgeführt  wird.  In  einer 
Entfernung  von  etwa  12  cm  von  der  Oese  wird  nun  der  Faden  ge¬ 
knotet  und  der  Oesophagus  abermals  zirkulär  abgebunden.  Nach  Re¬ 
sektion  des  Tumors  beginnt  nun  die  langsame  Extraktion;  sobald  in 
der  Halswunde  der  Invaginationstrichter  erscheint,  ist  die  Extraktion 
beendet.  Die  aus  dem  Invaginationstrichter  hervorragenden  lang¬ 
gelassenen  Fäden  des  Oesophagus  werden  nun  zur  Halswunde  heraus¬ 
gezogen  und  nach  Abschneiden  des  die  Drahtöse  fassenden  Fadens 
vor  dem  Munde  durch  den  Narkotiseur  wird  der  Oesophagus  re- 
trahiert,  d.  h.  aus  der  Halswunde  herausgezogen  und  in  seine  frühere 
Lage  gebracht  und  antethorakal  subkutan  verlagert.  Konnten  die 
beiden  Nervi  vagi  erhalten  werden,  so  wird  eine  Gastrostomie  an¬ 
gelegt,  mussten  sie  beide  durchtrennt  werden,  so  ist  nach  den  Er¬ 
fahrungen  A.s  dringend  anzuraten,  den  Magen  zum  antethorakalen 
Oesophagusersatz  zu  verwenden. 

Sitzt  das  Karzinom  im  Jugulum  und  reicht  etwa  5 — 6  cm  unter¬ 
halb  des  Jugulums,  so  geht  man  mittels  Kragenschnittes  vor.  rese¬ 
ziert  den  Tumor  und  extrahiert  den  unteren  Oesophagusabschnitt  von 
einer  Magenfistel  oder  von  einer  Gastrotomiewunde  aus  nach  abwärts 
und  verwendet  ihn  durch  subkutane  Lagerung  zum  anthethorakalen 
Oesophagusersatz.  Nur  die  Karzinome  in  der  Gegend  der  Bifurkation 
selbst  sind  endothorakal  anzugreifen  unter  Extraktion  des  oberen  Re¬ 
sektionsstumpfes  nach  oben  und  des  unteren  nach  unten. 

Vortr.  hatte  Gelegenheit,  bei  4  Patienten  diese  Extraktions¬ 
methode  durchzuführen,  und  es  ist  ihm  damit  gelungen,  ausgedehnte 
Karzinome  des  unteren  Oesophagusabschnittes,  welche  zum  Teil  auf 
den  Magen  Übergriffen,  zu  exstirpieren;  in  einem  Falle  handelte  es 
sich  um  ein  kleines  Karzinom,  12  cm  oberhalb  der  Kardia,  das  er  vom 
Abdomen  aus  ohne  Eröffnung  der  beiden  Pleurahöhlen  entfernt  hat. 
Sämtliche  Fälle  verliefen  letal,  einer  an  Dilatation  des  Herzens  mit 
sekundärer  Pneumonie,  einer  an  Mediastinitis,  der  Patient  mit  dem 
kleinen  Karzinom,  welcher  einen  starren  Thorax  mit  Emphysem  und 
Bronchiektasien  aufwies,  ging  an  eitriger  Bronchitis  und  Pneumonie 
zugrunde.  Der  erste  von  A.  operierte  Patient,  bei  dem  er  beide  Nervi 
vagi  durchtrennen  musste  und  welcher  körperlich  auserordentlich 
heruntergekommen  war,  Überstand  die  Operation  gut,  bekam  jedoch 
eine  Hypersekretion  des  Magens,  einen  Pylorospasmus  und  eine  In¬ 
suffizienz  der  Magenfistel,  Momente,  die  sicher  auf  die  Durchtrennung 
der  Neprvi  vagi  zuriiekzuführem  sind.  Er  ging  am  17.  Tage  infolge 
von  Inanition  zugrunde.  Der  antethorakal  subkutan  verlagerte  Oeso¬ 
phagus  war  fest  eingeheilt,  die  Schleimhaut  normal  verfärbt.  Auch 
bei  den  übrigen  Fällen  war  der  vorgelagerte  Oesophagus  und  Magen 
mit  der  Umgebung  verklebt  und  gut  ernährt,  ein  Zeichen,  dass  sie 
sich  zur  antethorakalen  Oesophagoplastik  sehr  gut  verwerten  lassen. 

Gerade  mit  Rücksicht  auf  den  letzterwähnten  Fall  glaubt  A.  zu 
der  Annahme  berechtigt  zu  sein,  dass  mit  dieser  Extraktionsmethode 
schliesslich  doch  gute  Resultate  gezeitigt  werden.  Verschiedene 
Momente  müssen  jedoch  Berücksichtigung  finden.  Seines  Erachtens 
nach  ist  es  nötig,  dass  bei  der  Operation  die  Allgemeinnarkose  mög¬ 
lichst  ausgeschaltet  wird,  speziell  bei  Kranken  mit  Lungenemphysem 
und  starrem  Thorax.  Vielleicht  ist  die  Anwendung  der  oberen  und 
unteren  Rhachianästhesie  nach  Jonnesco  angezeigt;  ferner  muss 
der  Ueberdruck  auf  ein  Minimum  beschränkt  werden  wegen  der  Ge¬ 
fahr  der  Dilatation  des  Herzens  und  ausserdem  müsse  dafür  Sorge 
getragen  werden,  dass  die  Patienten  nicht  in  einem  derart  desolaten 
Zustande  kommen,  und  dies  ist  nur  zu  erreichen,  wenn  die  Chirurgen 


1116 


speziell  an  die  Aerzte  auf  dem  flachen  Lande,  ein  Rund- 

ÄÄ;:  aengeh\eitefwSeSt0KerankSe 

beim"s?hÄme’  T'e  ldchlcs  DruckrtSiif  Schmeri ^  Brennen 

beim  Schlucken  aufweisen,  sofort  dem  Chirurgen  zur  OesoDhatm 

op!-u  uberweisen.  Unbedingtes  Erfordernis  ist  es  allerdings  liier¬ 
te’,,  \vdrdaUC1  ^  0esophagoskopie  Allgemeingut  sämtlicher  Chirur- 

i  0vLHerr  Reh  n- Jena  hat  ähnliche  Versuche  beim  Tier  und  an  der 
^.eiche  gemacht,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  er  den  Muskelschlaurh 
des  Oesophagus  stehen  lässt  und  nur  seine ScJlefmhaut du  cJ  eine 
Wunde  am  Halse  hervorholt.  Das  Ziel  muss  sein-  alle  Kardiakary? 

ÄblTSi  a"e  °b'rhal1’  des  ZwercMells  selegeneii 

Phagus  unter  der  Haut  der  vorderen  Brustwand 

Herr  K  ii  m  m  e  1 1  -  Hamburg  hat  ausser  4  R  o  u  x  sehen  Onen. 
tmnen  11  Oesophaguskarzinome  reseziert.  Davon  sind  3  Kardiakarzi- 
nome  geheilt,  die  er  per  laparotomiam  entfernt  hat.  Auf  Grund  seiner 
Erfahrungen  ist  er  durchaus  gegen  jede  primäre  Vereinigung  und  der 
Meinung,  dass  die  Möglichkeit  einer  Heilung  nur  in  der  zweizeilige  i 
Operation  gegeben  ist.  Falls  bei  der  Operation  ein  Vagusast  verS 
Nvnd,  muss  auch  der  zweite  durchschnitten  werden  1 

äää 
“,:ssr«srie  sich  auf  dessen  u"j 

bferr  Ernst  U  nge  r  -  Berlin  hat  wiederholt  versucht,  das  Karzi¬ 
nom  im  I  horaxteil  der  Speiseröhre  zu  operieren,  bisher  ohne  Erfolg 
Er  benutzt  als  Druckdifferenzverfahren  die  Meitzer  sclm  In 
sufflation;  sie  hat  als  Vorteil,  dass  der  Thorax  ruhig  steht  ebenso  die 

seuSefreinble?bt.  MU°d  ^  Kranken  zu  Manipulationen  des  Narkoti- 

n  uChr!i|t  dur9b  den  7-  oder  8.  Zwischenrippenraum;  meist  genügt 
he  Resektion  einer  einzigen  Rippe.  Weder  Knopf  noch  Naht  sind 
brauchbar  man  versenkt  den  unteren  Stumpf  in  den  Magen  den 
»bf  "  z!eht  man  mittels  Sonde,  vom  Munde  eingefiihrt.  hinaus  bis 
ans  Jugulum;  in  einem  Falle  riss  der  Oesophagus  ab  von  der  Sonde 

an  musste  vom  Thorax  und  Jugulum  Zusammenarbeiten. 

d-r  Vagi  ÄeÄ  Ut7B  Tb  4  Tagen-  Die  Durchschneidung 
'  agi  in  der  Nahe  des  Zwerchfells  ist  unschädlich. 

...  ,.r|err  .blieda-  Halle  demonstriert  eine  Patientin,  bei  der  er 

ShinhnW,e  t 6  X  e  r  wegen  Verätzung  des  Oesophagus  einen  künst- 
emOesophagus  unter  der  Haut  der  vorderen  Brustwand  gebildet 

Speiseröhre  gut  Strati°n  ereibt  ,unk,loniert  die  neugebildete 

Herr  Nordmann  -  Berlin :  N.  verletzte  bei  einer  Cholezyst¬ 
ektomie  wegen  akuter  Cholezystitis  und  Cholangitis  ascendens  ^da- 

däsfs  ' 'd.^üSellhfaä0^ ' doGias  am  Uebergang  in  den  Ductus  hepaticus. 
war  1  a  br  ’  bei  ^  der  Zystikus  fehlte,  zu  stark  vorgezogen 
war  und  beide  Gange  nebeneinander  in  die  Klemme  zu  liegen  ge- 

uTcSn=n  rNnCh  Drainage  des  Ductus  hepaticus  wurden  die 
durchschnittenen  Gallengange  miteinander  vereinigt.  Vorübergehend 

infolge  afr  n  Darx-  später  entstand  eine  vollkommene  Stenose 

aussen  d  N  fnhrf°  eZyS  ltlSo  w  PbIe*mone»  und  alle  Galle  floss  nach 
genat  !.h  t  S?*  8  Wochen  nach  der  ersten  Operation  fol- 
Operation  aus:  Es  wurde  der  Ductus  hepaticus  bzw  seine 

LebähflnT1^  fn  de.''  Veberunterfläche  möglichst  weit  nach  dem 
stilnierf  Fc  freig:ele8:f.  and  der  Rest  der  äusseren  Gallenfistel  ex- 
nl  unmöglich,  in  den  zahlreichen  Schwarten  an  den 

wnfap^  Pi!  endnChUTS-Undiani  .daS  Duodenum  heranzukommen.  Deshalb 
fen  lhgtvit  h°bte  Jn]unalschlinge  herbeigezogen  und  nach  beiden  Sei¬ 
ten  abgeklemmt.  Dann  wurde  ein  dünnes  Drain  in  den  verlängerten 

hlneingeführt 1  rnfd gps?ho.ben  u',d  in  eine  k>eine  Inzision  des  Jejunums 
zi  Äii  nlff  einer  Kornzange  ca.  10  cm  tiefer  durch  eine 
zweite  kleine  Oeffnung  wieder  herausgezogen.  Der  innerhalb  des 

vearrsfhenieunddfe?neainteil  T'  T/4  zahlreichen  seitlichen  Einschnitten 

henat  cus  fixier!  n  dai  Drain  "llt  einigen  Nähten  im  Ductus 

epabcus  fixiert.  Dann  wurde  sowohl  über  der  Einmündungsstelle 

Wittel  sehe  fa,  Dafni]  ,Wie  ai,'ch  Üb^r  der  Ausmündungsstelle  eine 
H.-Ucwr  if+Cbe  Schragfistel  angelegt.  Die  Darmschlinge  wurde  mög¬ 
lichst  dicht  an  den  Ductus  hepaticus  herangebracht  und  hier  die  Ana 
stomose  mit  Netz  umwickelt.  Unterhalb  der  Gallengangs-Darmver- 
mdung  wurde  eme  typische  Enteroanastomose  zwischen  zu-  und 
abführendem  Schenkel  angelegt  Bereits  nach  5  Tagen  entleerte  sich 
sämtliche  Galle  in  den  Darm,  und  4  Wochen  nach  der  Operation 
wurde  das  Drain,  welches  zum  lateralen  Wundwinkel  herausgeleitet 

flfalleed1eUSginndeGlattf  “eilunf  N'  empfiehlt  d^es  Veffahren 
vf- i  i?6  d  6  FalI.e>  n  denen  die  transduodenale  Hepatikusdrainage  nach 
\  olker  unmöglich  ist.  Er  weist  darauf  hin,  dass  der  schFäre  in 
der  Darmwaiid  verlaufende  Verbindungsgang  die  Gefahren  der  Cho- 
angitis  ascendens  sehr  herabsetzt,  und  dass  sich  deshalb  diese  Me¬ 
thode  vielleicht  auch  für  jede  Gallenblasen-Darmverbindung  eignet 
besonders  aber,  wenn  die  gallenhaltige  Gallenblase  durch  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  eine  sichere  Naht  bei  der  Cholezvstenteroala 
stomose  nicht  gestattet.  N.  betont,  dass  nach  den  Versehen  von 
Ende  rlen  mit  Sicherheit  anzunehmen  ist.  dass  das  Serosaendothel 
w  Zf  Zy  lnderCP‘  IC  der  OaHengänge  bzw.  der  Gallenblase  ersetzt 


MUFNCHHNHR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20 


PankrStiV.  A  '  "  s  »  e  '  “  •  '  Karlsruhe :  Zur  Entsteh™,!  der  akute, 

.  Vortr.  berichtet  über  3  im  letzten  Jahre  operierte  FällP  ™ 
akuter  hämorrhagischer  Pankreatitis  mit  diffuser  abdominH  f  « 
gew  ebsnekrose,  bei  denen  sich  als  einziger  sonstiger  Beftm  l  -  bed" 
gesprochene  Cholezystitis  mit  OnSteinra 

SS? ÄS“««  - d«  &co2ed™Ä  Ä5 

für  möglich  wie  er  es  für  die  chronische  Pankreatitis  beschriebet  hat 
rur  diese  Annahme  wurde  nach  dem  Vortr  nirh  «nrpr.hr>.,  , 
der;e_  nge  Fall,  bei  dem  die  Gallensteine  entfernt"  und  die  Cholez’vsHf? 

11CbfT^bekampft  WUude’  die  Erkrankung  zunächst  überetanf 
P^,l  ,  f  J  ochen  spater  zu  Hause  starb,  während  die  beiden  anderen 

nach  ’ wenigen e,Tagen  zum^Exitus^kame'n e*C8' 1  Und  ta“ : 

5S  Pank'rea  titis3  auf  df ' 

Zustand  der  Gallenblase  zu  achten.  anKreatitis  auf  den 

Hei  i  K  ö  i  t  c  -  Berlin  hät  drei  Fülle  schwerer  alcntor  Dnni/  <•  • 

ÄÄ-'" und  sie  durcl' breite  »"taS-SSS 

zyshtis  vergesellschaftet  ist.  Bei  de,,  bisher ^  aSteWen  VelsS™ 
um  diese  Zusammenhänge  zu  klären,  wurde  Galle  bezw  i„f St 
Galle  in  den  Ductus  pancreaticus  injiziert.  Die  auf  des?  We  5 
siVM  f 11  iP0S1ulvef  Pefunde  von  Pankreasstenose  sind  nach  N  s  An 

Ausfiihrungsgänfe'zersflengl^wurdellundller^Pankreassaft  inlla^s  gV 
d^e  g  "if  ¥r 

in  die  Gallenblase  injiziert  wurden.  Es  gelang  auf  diese  WhSkII 
nc  ltiger  \  ersuchsanordnung  und  Ausschaltung  aller  manuellen 
Quetschungen  am  Pankreas  beim  Hunde  14  mal  ein?  fJoiShe 
kreasnekrose  mit  Blutungen  Und  ausgedehnten  Fettgewebsnekrosen 
«1  fzpZh  en  dlC  ?lck.  makroskopisch  und  mikroskopisch  vollkommen 
so  verhielten,  wie  sie  beim  Menschen  beobachtet  wurden  Wurde 
nur  die  obere  Papille  verschlossen  und  der  untere  Aisführungsgang 
des  Pankreas  unberührt  gelassen,  so  blieben  trotz  eifer  Stil, 
der  Gallenwege  alle  Veränderungen  am  Pankreas  aus  fhpt,;  u 
waren  die  Versuchsergebnisse  negativ!  wenn  be,de  Papillen  z£e 
bunden  wurden,  der  Ductus  choledochus  seitlich  vom  Pankreas  ?u 

bSch?' 1varWUNeistUIfp  'fektihfS,  Material  in  die  Gallenblase  ge- 
i *  p  t  *  s  ^er  Ansicht,  dass  auf  diese  beschriebene  Weise 

,  ankreasnekroke  durch  drei  Faktoren  verursacht  wird  Erstens 
durch  den  gleichzeitigen  Abschluss  des  Pankreassaftes  und  der  Galle 
vom  Duodenum  der  ein  vollkommener  sein  mS  zweite!?  durch  die 
Äfc1  V^V0!611  Materials  in  der  Gallenblase;  wurden  näm 
n  ful  r  1  t1?  Unte.rbunden  und  nicht  gleichzeitig  Bakteriengemische 

Drifensfhff  m6  in,Jlziert-  so  blieben  alle  Pankreasnekrosen  aus. 
fhnila  S  1  Ch  1  ^aaatom ische  Anlage,  wie  sie  der  Verlauf  des  Ductus 

imf' rt1pC“hSr“hd  des,DuctlIS  Pancreaticus  beim  Hunde  zu  zeigen  pflegt 
und  die  ähnlich  wie  bei  einigen  Menschen  zu  sein  pflegt  Es  münden 

demmfVin  ™d°£fiS  Phapille  ?ie  “de" 

aenum  ein  und  bilden  hier  sehr  häufig  durch  ihr  Zusammpntrpffpii 

^elfell^arifd^Ä811?  dGr  Papi1^  S0  dass  nach  dem  VerschEs 

derselben  Galle  in  den  Ductus  pancreaticus  übertreten  kann. 

Beobachtung  5xperiH1,entellen  Erfahrungen  stimmten  die  klinischen 
eobachtungen  N.s  vollkommen  uberein.  Er  hatte  achtmal  Gelegen- 

Beit’dene?r!teS^hGerrF-nkUter  Pfnkreasnekrose  operativ  einzugreffen, 
allen  Seiten  dnrrh  ba^ ',e^ l1  wurde  das  Pänlcreas  delcapisuliert  und  von 
k  eile  Netz  L  «astr°colicum  und  durch  das 

Sir  K-n  ftpbezw'  tamponiert  und  der  Bauch  ausgespiiit 
Sämtliche  Falle  starben  im  Kollaps  bezw.  kurze  Zeit  nach  ae 

blase3  drainierf1  ilnÜ  nacbste,n  drei.  Fällen  wurde  einmal  die  Gallen¬ 
blase  (trainiert  und  zweimal  exstirpiert  und  in  diesen  drei  Fällen 

ne  ben  der  Dekapsulation.  Drainage  und  Tamponade  des  Pankreas  eine 

SSWsechwer?S«„2FeSChl0SSenl.  i5ei  dem  letzten  Se  Ltet 
schwersten  Kollapses  zunächst  nicht  operiert  und  einige  Tage 

Fall ^FefdP bnks^ltl8:er,  grosser  subphrenischer  Abszess  eröffnet.  Der 
gäaJgeif  6  Qall£ns,teinkoHken  and  leichter  Icterus  voran- 

Fällen  wnrdp  hP;’  *1  Teilung  aus.  Bei  allen  acht  operierten 
ÄeiS  Autopsie  bezw.  bei  der  Operation  ein  üaiieii- 

Ga  lenhD^  a  Bei  zwei  operierten  Fällen,  in  denen  nie 

gehend  aus  genommen  wurde,  entleerte  sich  vorüber- 

sfcherhpft ^«rm1^«iCha^ ^ledochusdram  Pankreassekret,  woraus  N.  mit 

halb  de?  P^ndlP  «  ’i daSS  dlC  ?eiden  Gänge  ein  gewisses  Stück  ober- 
d-f  Dapille  sich  vereinigten  .  Nach  diesen  mit  dem  Pyrierimpni 

völlig  übereinstimmenden  klinischen  Erfahrungen  rät  N  wenn  irgend 

bezw1Cdenen!iclT  f  akuter  Pankreasnekrose  die  Gallenblase 
b  e  f  lei  dl  üTi  ern  Cg  1 1  ,phoedockus  za  drainieren  und  die  Gallenblase  nur 
i.Ä  ™  exsfS™  '■  e“  er  ZllEäni!lichkelt  “"<1  stark™  Ver- 

GallJnwIaJ^ 6  Crbn '  Rückblick  auf  2000  Operationen  an  den 

/w  ullT  Tagend  ) nC  (,cgcr,"bC'-stell„„g  der  Erfolge  des  ersten  und 


>0.  Mai  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIE'1 


1117 


Die  Gesamtsterblichkeit  betraut  U>,7  Proz.  Wenn  man  aber  die 
bösartigen  Komplikationen  nicht  mitrechnet  (Karzinom,  biliäre  Zir- 
hose,  septische  diffuse  Cholangitis),  so  beträgt  die  Sterblichkeit 
i,4  Proz.  Hat  man  nur  die  reinen  S  t  e  i  n  f  ä  1 1  e  im  Auge,  so  ist 
lie  Sterblichkeit  noch  niedriger  und  liegt  bei  3  Proz. 

Die  Gesamtsterblichkeit  des  ersten  Tausend  betrug  16,2  Proz., 
lie  des  zweiten  Tausend  17,2  Proz.,  die  der  Berliner  Praxis  (380  Fälle) 
8  Proz. 

Dass  die  Mortalität  von  Jahr  zu  Jahr  gewachsen  ist.  liegt  daran, 
lass  die  bösartigen  Fälle  zugenommen  und  das  Material  belastet 
iahen.  Beim  ersten  Tausend  lagen  12,9  Proz.,  beim  zweiten  Tausend 
7,8  Proz.,  bei  den  380  Fällen  der  Berliner  Praxis  20  Proz.  bösartige 

Komplikationen  vor. 

Dagegen  ist  beim  zweiten  Tausend  die  Sterblichkeit  der  reinen 
iteinfälle  etwas  niedriger  wie  beim  ersten  Tausend,  und  vor  allem 
st  die  Sterblichkeit  nach  der  T-Drainage  beim  zweiten  Tausend 
im  3  Proz.  zurückgegangen.  Sie  betrug  beim  ersten  Tausend 
2 02  Fälle)  nur  noch  2,1  Proz.  Bei  den  ersten  50  Choledochotoimen 
var  die  Sterblichkeit  10  Proz. 

Es  entspricht  demnach  die  Gesamtster  blich- 
.eitungefährdemProzentsatzderbösartigenKorri- 
ilikationen  plus  2  bis  3  Proz.  Sterblichkeit  der 

einen  Steinfälle. 

Es  gibt,  auch  wenn  wir  ohne  Handschuhe  und  Bartbinde  ope- 
ieren,  keine  operative  Peritonitis  mehr. 

Es  gibt  keine  Wundinfektion  schwerer  Natur  mehr,  wenn  wir  den 
}anniculus  adiposus  nicht  nähen. 

Zweierlei  haben  wir  aber  noch  nicht  ereicht:  1.  eine  ungefähr- 
iche  Narkose  und  2.  die  Verhütung  von  Blutungen  der  Ikterischen. 

Gegen  die  Blutungsgefahr  der  Ikterischen  gibt  es  zurzeit  nur  ein 
Wittel:  die  rechtzeitige  Operation  beim  Ikterus. 

Extremitäten. 

Herr  D  o  1  li  n  g  e  r  -  Pest:  Suspension  und  Stützpunkte  künst- 
icher  Glieder. 

Zwei  Punkte  sind  bei  den  bisherigen  Prothesen  unberücksichtigt 
ceblieben:  nämlich  die  Suspension  und  die  Druckentlastung.  Es  ist 
:u  berücksichtigen,  dass  die  Prothese  die  Fortsetzung  des  Stumpfes 
lein  soll.  Zur  Erreichung  gut  sitzender  Prothesen  macht  D.  einen 
Jipsabdruck  des  Stumpfes  und  modelliert  an  ihm  bestimmte  Stiitz- 
ind  Druckpunkte. 

Herr  P  e  r  t  h  e  s  -  Tübingen :  Heber  Osteochondritis  dcformans 

uvenilis. 

P.  ist  auf  Grund  der  Beobachtung  von  21,  zum  Teil  mehrere 
fahre  verfolgten  Fällen  zu  der  Anschauung  gekommen,  dass  unter 
lern  als  „Arthritis  deformans  juvenilis“  veröffentlichten  Material  eine 
iruppe  von  Fällen  existiert,  welche  sich  von  der  Arthritis  deformans 
irinzipiell  unterscheidet.  Die  Krankheit,  welche  Perthes  mit  einem 
lesonderen  Namen  (Osteochondritis  deformans)  benennen  möchte, 
:eichnet  sich  pathologisch-anatomisch  durch  eigenartige,  auf  Knorpel- 
leubildung  beruhende  Destruktionsherde  im  Innern  des  Femurkopfes 
ius.  Bei  Kindern  zwischen  dem  5.  und  12.  Jahre  auftretend,  bedingt 
;ie  eine  typische  kegelförmige  Deformität  des  Femurkopfes  und  macht 
nit  Regelmässigkeit  charakteristische  klinische  Erscheinungen:  hin- 
cender  Gang,  positives  Trendelenburg sches  Phänomen,  Ab- 
luktionshemmung  bei  freier  Flexion,  kein  Druck-,  kein  Stauchungs- 
ichmerz.  Sie  heilt  nach  mehrjährigem  Bestehen  aus  unter  Hinter- 
assung  einer  erheblichen  Deformität  des  oberen  Femurendes,  aber 
>hne  andere  funktionelle  Störungen  als  eine  sehr  geringe  Abduktions- 
lemmung.  (Demonstration  der  Symptome  an  zwei  Kindern.) 

Herr  Wilms:  Operative  Behandlung  des  Pes  valgus  und  varus. 

Bei  Pes  valgus  wird  durch  das  Abgleiten  des  Talus  nach  vorn 
ind  innen  vom  Kalkaneus-  das  Umlegen  des  Fusses  und  seine  Ab- 
lachung,  die  Abduktion  des  Vorderfusses  und  leichte  Pronation  be- 
lingt.  Um  das  Abgleiten  des  Talus  in  obengenannter  Richtung  zu  ver¬ 
ändern.  empfiehlt  es  sich,  bei  mittelschweren  Fällen  von  Plattfuss 
las  Gelenk  zwischen  Talus  und  Navikulare  zu  ankylosieren,  und 
:war  mit  gleichzeitiger  keilförmiger  Knochenresektion  am  vorderen 
Taluskopf  und  Einpflanzung  des  keilförmigen  Knochenstückes,  dessen 
jreitere  Basis  nach  der  Planta  pedis  sieht,  in  das  Gelenk  zwischen 
(alkaneus  und  Kuboideum  von  der  Aussenseite.  Bei  schweren  Fällen 
renügen  die  genannten  Eingriffe  nicht,  sondern  es  muss  noch  glelch- 
:eitig  die  Stellung  zwischen  Talus  und  Kalkaneus  korrigiert  werden, 
.vas  am  besten  erreicht  wird  durch  Entfernung  der  Gelenkknorpel 
:wischen  diesen  Knochen  von  zwei  horizontalen  Schnitten.  Auch  hier 
ritt  dann  eine  Ankylose  an  Stelle  des  Gelenkes  und  verhindert  das 
^bgleiten  des  Talus  und  Umlegen  des  Fusses.  Bei  der  Nachbehand- 
ung  muss  darauf  geachtet  werden,  dass  der  Talus  möglichst  nach 
lufwärts  geschoben  und  die  Fusswölbung  wieder  stark  ausgeprägt 
vird,  was  relativ  leicht  gelingt. 

Bei  Pes  varus  (nur  bei  schweren  Fällen  bei  Erwachsenen  kommt 
ler  Eingriff  in  Betracht)  lässt  sich  durch  eine,  bei  der  Pes  valgus 
>eschriebenen  Methode,  entsprechend  geänderte  Operation  ebenfalls 
:in  gutes  Resultat  erzielen,  nämlich  Ankylosierung  im  Chopart- 
»chen  Gelenk,  eventuell  mit  Keilresektion  aussen  und  Implantation  in 
las  Talo-Navikulargelenk.  Dann  Redression  des  Kalkaneus  nach  Lö¬ 
sung  seiner  Verbindung  mit  dem  Talus  durch  Meissei  und  Hammer 
ind  Ankylosierung  dieses  Gelenkes  mit  starker  Pronation  des  ganzen 
•usses. 


Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Rostock  hat  bei  schwerem  Plattfuss  die  Keil¬ 
exzision  des  Knochens  aus  dem  medialen  Fussrand  vorgenommen  und 
durch  Verwendung  dieses  Knochenteiles  am  lateralen  Fussrande  ein 
gutes  anatomisches  und  funktionelles  Resultat  erzielt. 

Herr  Perthes-  Tübingen  hat  eine  ähnliche  Operation  bei  Platt¬ 
fuss  ausgeführt. 

Herr  Hackenbruch  -  Wiesbaden :  Die  ambulante  Behandlung 
von  Knochenbriichen  mit  Gipsverbänden  und  Distraktionsklammern. 

Nach  kurzem  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  Distraktions¬ 
behandlung  von  Unterschenkelbrüchen  (1893  v.  Eiseisberg,  1901 
Käfer)  zeigt  Vortr.  seine  mit  Kugelgelenken  und  beweglichen  Fuss- 
platten  versehenen  Distraktionsklammern,  weiche  zu  beiden  Seiten 
der  gebrochenen  Extremität  an  den  in  der  Frakturebene  zirkulär 
durchtrennten  Gipsverband  angegipst  werden  und  für  fast  alle  Ex¬ 
tremitätenbrüche  verwendbar  sind. 

Unter  Demonstration  von  Röntgenbildern,  mehreren  Extremi¬ 
täteinphantomen  sowie  von  einigen  Kranken  mit  frischen  Knochen¬ 
brüchen,  bei  welchen  die  Distraktionsklammern  angelegt  sind,  wird 
die  Wirkung  dieser  Klammern  illustriert.  Werden  nach  erfolgter  Aus¬ 
gleichung  der  Verkürzung  (kontrolliert  durch  Röntgenaufnahme)  durch 
die  Längsdistraktion  die  vier  Kugelgelenke  gelöst,  so  wird 
der  untere  Teil  des  Gipsverbandes  nach  allen  Sei¬ 
ten  beweglich:  es  können  dann  die  Bruchflächen  der  Knochen 
zur  genauen  Reposition  gebracht  werden;  durch  Festschrauben  der 
Kugelgelenke  wird  die  erhaltene  gute  Stellung  der  Fragmente  fixiert 
(Wiederum  Kontrolle  durch  Röntgenaufnahme.) 

Für  besonders  schwierige  Fälle  wird  eine  kleine  Hilfsschrau¬ 
ben  Vorrichtung  demonstriert  und  deren  Anwendung  erläutert. 

Zur  Polsterung  des  Gipsverbandes  werden  flache  Faktis- 
k  i  s  s  e  n  (in  Manschetten-  oder  Fussextensionslaschenform)  ver¬ 
wendet  und  so  schädigende  Drucknekrosen  vermieden.  Bei  in  Qe- 
lenknähe  befindlichen  Knochenbriichen  werden  die  Distraktions¬ 
klammern  so  befestigt,  dass  die  beiden  einander  gegenüberstehenden 
Kugelgelenke  möglichst  in  die  Ebene  der  Drehungsachse  des  Gelenkes 
zu  liegen  kommen,  so  dass  nach  Lösung  der  beiden  betreffenden 
Kugelgelenke  Bewegungen  in  dem  miteingegipsten  Gelenke  (bei  gleich¬ 
zeitig  bestehender  Distraktion  und  Fixation  der  Bruchstücke)  mög¬ 
lich  sind. 

In  den  meisten  Fällen  von  Knochenbrüchen  an  den  unteren  Ex¬ 
tremitäten  können  unter  Verwendung  der  geschilderten  Distraktions¬ 
klammern  die  Patienten  schon  einige  Tage  nach  Anlage  der  Dis¬ 
traktionsklammern  aufstehen  und  vor  Ablauf  der  zweiten  Woche  nach 
dem  Unfälle  gehen. 

Demonstration  dreier  Patienten,  mit  Unterschenkel-,  Malleolen- 
und  Oberarmbruch,  bei  denen  die  Klammern  verwendet  wurden. 

Herr  Heller-  Leipzig  berichtet  über  weitere  Erfahrungen,  die 
in  der  Payr  sehen  Klinik  mit  der  Mobilisierung  versteifter  Gelenke 
gemacht  wurden,,  und  demonstriert  geheilte  Patienten. 

Herr  O  e  h  1  e  c  k  e  r  -  Hamburg :  Zur  chirurgischen  Behandlung 
tabischer  Gelenkerkrankungen. 

Vortr.  berichtet  über  drei  (zum  Teil  atypische)  Gelenkresektionen 
bei  tabischer  Arthropathie.  In  allen  Fällen  wurde  eine  knöcherne  An¬ 
kylose  erzielt.  Ebenso  brachten  sechs  osteoplastische  Fussampu- 
tationen  gute  und  sehr  nützliche  Erfolge  (gegebenenfalls  Vorbehand¬ 
lung  mit  Jodtinkturinjektionen  ins  Gelenk  und  sicherer  Fixierung  in 
Gipsverbänden).  Das  leitende  Grundprinzip  bei  den  chirurgischen 
Eingriffen  ist  folgendes:  Vollständige  Ausschaltung  des  kranken  und 
zügellos  gewordenen  Gelenkes;  genaue  Fixierung  der  Knochenenden 
zueinander;  einseitig  wirkende  Druckbelastung  bei  sorgfältigster 
Nachbehandlung.  Auf  jeden  Fall  muss  eine  knöcherne  Ankylose  er¬ 
reicht  werden;  denn  dann  kommt  der  Krankheitsprozess  zum  Still¬ 
stand  und  schon  atrophischer  Knochen  gesundet  wieder  unter  ein¬ 
seitiger  Belastung.  Selbstverständlich  ist  auch  die  Indikationsstellung 
unter  genauer  Berücksichtigung  des  Grundleidens  sorgsam  abzu¬ 
wägen.  Besonders  bei  Tabikern  aus  dem  Arbeiterstande  ist  eine 
frühe  osteoplastische  Fussamputation  ratsam,  es  muss  aber  hier  mit 
allen  Mitteln  erstrebt  werden,  dass  der  Kalkaneus  mit  den  Unter¬ 
schenkelknochen  fest  verheilt.  Die  tabischen  Arthropathien  des  Knie¬ 
gelenkes  geben  ein  grosses  Feld  für  orthopädische  Behandlung,  doch 
haben  hier  auch  Resektionen  ihre  Berechtigung;  in  manchen  Fällen 
bringt  hier  die  chirurgische  Behandlung  gute  Vorteile,  wie  es  bei  den 
drei  oben  angeführten  Kniegelenksresektionen  der  Fall  war. 


Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XX.  Sitzung  vom  1.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Herr  Strubeil:  Zur  Röntgendiagnose  der  Hirntumoren  in  der 
Hypophysengegend. 

Der  Fall,  welchen  Herr  S  t  r  u  b  e  1 1  gemeinsam  mit  den  Herren 
H.  Haenel  und  Friedr.  Haenel  beobachtet  und  behandelt  hat, 
und  den  auch  Herr  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin  gesehen  hat,  war  ein 
21  jähriger  Landwirt,  der  mit  Symptomen  der  Neurasthenie  und 
mangelhafter  geistiger  Tätigkeit  im  Mai  1912  zu  S  t  r  u  b  e  1 1  kam.  Im 
November  1911  in  Breslau  augenärztlich  untersucht,  im  Februar  1912 
internistisch  untersucht,  unterzog  er  sich  im  März  1912  einer  neuer¬ 
lichen  Untersuchung  behufs  Aufnahme  in  die  Lebensversicherung. 
Dem  Arzte  fiel  damals  nichts  Krankhaftes  auf,  auch  der  Zustand  der 


18 


MUmviCHl^Nplc  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHR I FT. 


Intelligenz  wurde  nicht  bemängelt,  und  betont,  dass  der  Patient  weder 
einen  pht  us'schen  noch  einen  apoplektischen  Habitus  aufweise. 

Fe 1 1 ieibi e k ei t* '"s ta r k r  Fm* "" •"  ÜVPUS  adiposo-genitalis.  ziemlich  hohe 
i  tu  eiDigKeit,  starke  Entwicklung  der  Mammae  beinahe  waiio-oc 

ehlen  der  Pubes  und  kümmerliche  Beschaffenheit  der  äusseren  Genf 

tahen;  sehr  niederer  Zustand  der  Intelligenz  bei  äusserl.ch  or 

vollendetem  Benehmen,  (ielegentlich  Krämpfe,  sonst ^Organe  norml 

aV|?frlÄnhD'ag"0Se:  NearaSthenie  resP-  Hysterie,  Idiotfe.  Verdacht 
aut  Hypophysentumor.  Im  Laufe  der  nächsten  14  Tage  mehren 
Röntgenaufnahmen  weil  der  Verdacht  auf  Hirntumor  bei  zuSnen- 
Korperschwache  und  allmählich  immer  grösserer  Unsicherheit  im 

S  ,en  v^VÄrin't0”^?,  V°n 

uaoen  von  1  ltuitrin  (Parke,  Davis  &  Cy,  London)  oer  ns  Vpr 
schlechterten  eher  den  Zustand,  trotz  Verlust  von  Fettpolster.  Die 
Röntgenuntersuchung  in  sagittaler  Richtung  ergab  keine  Anhalts- 
m  r  uine  lla  isteretische  Aussparung  von  Teilen  des  knöchernen 

Unr  ?C  iCch6Sp  )Vah,rend,.d'e  {rontale  Aufnahme  trotz  der  durch  die 
Unruhe  des  Patienten  bedingten  technischen  Schwierigkeiten  eine 

(mh  ICiv  Abf  apbu!lg  der  Sella  turcica  und  Erweiterung  nach  oben  er- 
gab'  HDieseT  Röntgenbefund,  der  Typus  adiposo-genitalis  und  ein“ 
von  Herrn  Fr.  Schanz  konstatierte  linkseitige  homonyme  Hemi- 
nUle  Tria*  von  Symptomen,  auf  Grund  deren  H™ 

‘  o  r  C  Diagnose  Tumor  in  der  Gegend  der  Hypophyse  stellte 
0üaS  .pejmden  des  Patienten  verschlechterte  sich  immer  mehr- 

UnfäKe?t°rW  p°[Per.llchen  Trägheit  gesellte  sich  immer  mehr  die 
U rifun  gkeit  des  Patienten,  sich  überhaupt  selbständig  fortzubeweeen 
und  die  Neigung,  nach  rechts  umzusinken.  lorrzuoewegen, 

entdeckte" hblzugezo^ene  Herr  Hans  Haencl 
tdeckte  bei  dem  Patienten  ein  neues,  in  der  Literatur  nicht  be¬ 
kanntes  Symptom  (Klopfempfindlichkeit  der  rechten  Schädelh-ilfte) 
wöbe,  nach  eisern  Klopfen  mit  der  Fingerkuppe  auf  Sie  rechte 
.  icitelgegend  reflektorisch  eine  lebhafte  Zuckung  des  Bauches  durch 
Zwerch  fellkontrakt  lon  auftrat.  Herr  H.  Haenel  erweiterte  auf 
iruncl  seines  Befundes,  den  er  nachher  vortragen  wird  die  Diagnose 
auf  Tumor  in  der  Gegend  der  Hypophyse  mit  Metastasen  im  StLnh.rn 

wio  mf  SS“16”2  v"n  Blase  und  Mastdarm  nahm  nun  ebenso  zu 
t  die  Sehstorung,  I  atient  wurde  immer  stumpfsinniger  inter¬ 
mittierende  Krampfanfälle,  Zittern  der  linken  oberen  Extremität  und 
überhaupt  zunehmende  Hirndruckerscheinungen  veranlassten  die  Hin¬ 
zuziehung  des  Chirurgen  Herrn  Friedr.  Haenel,  der  den  Patienten 
in  seme  Khmk  aufnahm.  Zur  Operation  nach  Schlosser  oder 

Krause  konnte  sich  Herr  Fr  Haenel 
angesichts  des  diagnostischen  Z wiespa  tes  nicht  entschliessen  da 
gegen  wurde  am  18.  VII.  1912  probatorisch  die  HirnpunkEon  fns Rechte 
YZtKTi  afusgefi,ihrt-,  20  ccm  Liquor  entleert  und  einige  Gewebs- 
partikel  behufs  mikroskopischer  Untersuchung  aspiriert.  Am  Tave 
nach  der  Punktion  war  das  Sensorium  freier,  das  Gesichtsfeld  nach 
inks  erweitert;  Erbrechen,  das  gelegentlich  aufgetreten  war,  blieb  aus. 

Liquor  entleert1 wden  '  *  2erin!:em  Drucke  ”“r  10 

mn  pp1'  YIL  Nocbmals  Hirnpunktion  am  Vorderhorn,  Entleerung  von 

EHolee1  LlQU AiiÄr  ?tarYem  Bfucke  mit  sehr  günstigem  klinischen 
völliger'  AmauroTe  Verschlechterung  des  Befindens.  Eintritt 

7..„  HpUfCQ deS  ?eptember,  ’noch  einige  Hirnpunktionen,  die  den 

treten  vo^  Fi>tfpnrS0VUniLS  regelF?assiS.  besserten.  Allmähliches  Auf¬ 
treten  von  Fieber,  das  keiner  Meningitis,  sondern  einer  AsDirations- 
incumorue  entstammte.  Ende  September  HinzLehS/ von  Prof. 

P  P  e  n  h  e  i  m  -  Berlin,  der,  ohne  sich  auf  eine  bestimmte  Diagnose 
festzulegen,  auf  Grund  des  vorhandenen  Nystagmus  bei  üfeich 
gewichtsstorung  und  des  Symptomes  der  Adiadochokinesis  die  Wahr 
scheinhchkeitsdiagnose  Kleinhirntumor  stellte. 

7-  N.  Exitus  letalis.  Die  Sektion  (Herr  Schmorl)  ergab  ein 

DeIrmnHiiT°PH-S6in8'anS  ausgehendes  mehrkammeriges  zystisches 
I  ermoid  der  Hirnbasis.  starken  Hydrozephalus,  besonders  des  rechten 

deY  Lmnge"8'  ke"le  Meningitis-  dagegen  pneumonisches  Infiltrat  auf 

mit  wt  diesen]  Halle  hat  das  Röntgenverfahren  in  Verbindung 

auf  (Ue  GeSY?^  UHd  d<lr  Sehst.ö™ng  die  Diagnose  mit  Sicherheit 
aui  die  Gegend  der  Hypophyse  gelenkt  zu  einer  Zeit,  wo  die  klinischen 
-rschemungen  erst  im  Anfang  der  Entwicklung  sich  befanden.  Diese 
objektive  diagnostische  Feststellung  ist  durch  die  Sektion  bestätigt 
uSrter’  ^a  lrflnd  a"derec  diagnostische  Räsonnements,  die  von  g?- 
o‘es,te.‘  neurologischer  Seite  aufgestellt  wurden,  das  chirurgische 

B?demSnv0dPYep-Qtegend  fl  Hyp°pbyse  abgelenkt  haben.  Um  die 
-/,fd des  Rontgenverfahrens  für  die  Tumoren  der  Schädelbasis 

s ch er f  -St  es.n°tlg’  flch  der  überaus  komplizierten  anatomi- 

Upv,  i--V  h  4  SSH  rontgenologlsch  klar  zu  werden.  Selbstverständ- 
lch  lionnen  wir  Hirntumoren  der  Schädelbasis  nicht  direkt  mit  dem 
Rontgenverfahren  nachweisen,  sondern  nur  indirekt  aus  den  durch  sie 
verursachten  Veränderungen  an  den  Schädelknochen,  wobei  es  selbst 
verständlich  ist,  dass  nur  tadellose  Röntgenogramme  bei  ?ypischer 
Aufnahme  genügend  sichere  Vergleichsmöglichkeiten  ergeben.  Wir 
unterscheiden  nach  Schüller  3  übereinanderliegende  Schatten¬ 
stufen,  deren  dorsalste  und  zarteste  der  von  der  Schläfenschnnn°  fw 
mittleren  Seitenwand  der  mittleren  SchfldÄe entepSPdor1S 
umrandet  von  dem  bogenförmigen  Schattenstreifen  des  Schupp^nnaht 
walles.  Am  vorderen  Ende  markieren  sich  in  Form  heller  strafen 
er  Beginn  der  Koronarnaht  und  die  Furche  des  vorderen  Zweites 
der  Artena  men.ngea  media.  An  der  scharf  hervortretenden  GreSz 


No.  20 


cessus  di<lhten  Scbattenstufe  erkennt  man  die  Pro 

Seil ,  hm.  .  ldl  a  ,t,cl  and  pnst.ci,  die  halbkreisförmige  Höhlung  Z 
-  Ula  tuiucd,  und  an  der  hinteren  Umrandung  der  Sattelletino  ;  du 
Kontur  die  dem  medialen  Ende  der  FeLS  ikame  en  sprichf  1  n" 
Be.re.ch  der  mittleren  Schattenstufe  wird  inseinem  voYd^f 
nte‘!  VOm  Schatten  des  Keilbeines  eingenommen 
sieht  die  Wurzeln  der  Alae  minores,  den  kreisbogenförmiven  ilm  ■ 
der  der  rückwärtigen  Wand  der  Keilbeinhöhle  entspricht  JÄ!SS; 

hl"'rerr  T|",  der  mittleren  Schattenstufe  dir  Schattendes  Kl 
und  der  der  Felsenbeinspitze  einnimmt  (Demonstration)  n;  -u? 
dichtere  basale  Schattenstufe  der  Ä'SÄJj« 
l'irniig  mtt  dorsaler  Konkavität  vom  Schatten  des  lateralen  Ende,2  ,n 

PvraSenbasnisD‘Chte  A  ÄTmSSS £ 

Halln ^‘mld.^IfseTi^r'tläesDri,' SÄSSÄlg™ 

Dri«o"de;rprr„e,e  J„andH der  Sdhädelgrnbe  deren  E'eS 

i  ittel  der  I  rojektion  der  von  der  dorsalen  Pvramiflpnfiöfiro 

bildeten  hinteren  Wand  der  mittleren  Schädelgrube  emspHch^  wäh' 
rend  das  mittlere  Drittel,  das  mit  flachen,  den  juga  cerebulia  em: 
sprechenden  Zacken  besetzt  ist,  der  Projektion  der  basalen  fi  -  i, 
der  mittleren  Schädelgrube  entspricht.  r°JeKtI°n  der  basalen  Plache 

von  der  basaleii  Schattenstufe  erkennt  man  eine  Reihe 

on  1  etails.  Zunächst  vorn  den  zarten  Schatten  des  leistenförmiv-i 
Vorsprungs  der  Ala  major,  der  mit  seiner  lateralen  Fläche  die  Wand 
der  Schadelgrube  bilden  hilft;  der  ventrale  Rand  dieser  Fbiei,,. 

DersGh6")  eCr  Cnsta.‘n^ratemPoral>s  entsprechenden  Kontur  gebildet 
I  erstlbe  begrenzt  mit  dem  die  dorsale  Wand  des  Oberkiefers 

k.erenden  Kont  die  Fissura  orbjtalis  infanrd0  r^d  bete.hgt  sfeh 

wird  io1?  arierdepUm[afndUna  der  Possa  Pteryco  palatina.  Letztere 
ird  vor  der  1  rojektion  der  hinteren  Wand  des  Oberkiefers 

tröiripi  V°r-1  der  roridere^1  Kontur  des  Schattens  des  Processus  pterv  ’ 
goMeus  eingerahmt.  Die  letztgenannten  Gebilde  werden  zum  Teil 
ubei deckt  vom  Schatten  der  Jochbrücke:  dorsal  vom  Schatten  d-s 
1  rocessus  pterycoideus  breitet  sich  das  dichte  Schattenieh  ef  Y 
welches  dem  Boden  der  mittleren  SchädelSub^ 
tiale  Grenzkontur  des  Gebietes  wird  überragt  von  dem  Schatten  des 

derbeFos  Um  a^ticalare’  binter  demselben  erkennt  man  die  Umrandung 
der  bossa  articulans  und  den  Schatten  des  Kieferköpfchens  Au" 

E  nich'l  ntter  eiherS'en  A"'eil  baSa"n  Schattenst,.fe  sehe  teil 

sotioY^  3S  nun  d'e  Verhältnisse  an  der  Sella  turcica  anlangt,  so  ist  es 
schon  wegen  der  unter  normalen  Verhältnissen  vorkommenden  am 
tomischen  Varietäten  nicht  ganz  leicht,  sich  ein  U?tT IS  bilden 
Ls  kommt  uns  in  erster  Linie  darauf  an,  die  Tiefe  und  Geräumigkeit 

beurteden  zu  können.  Die  Sattellehne  variiert  sehr 
bedeutend  in  ihrem  Verhalten;  sie  kann  sehr  hoch  sein  und  so  sta-k 

Seda  gä^icfrerdecS.85  bdm  B'iCk  °ben  den  Zugang  z:ir 

bgisch  so  aaufhzufa!S  Bereiche 'der 

Sella  diese  vergrossern,  ohne  dass  hier  der  Zugang  von  oben  er- 
S  Türken^tS6’  Wahfrend  Tun?oren  des  Infundibulums  den  Zugang 
Ss  bleibt  erweitern’  während  d‘e  Sella  annähernd  normal 

f,,,rtAe!inlicke  Verhältnisse  können  aber  auch,  wie  Erdheim  aus- 
fuhrt,  durch  allgemeine  Hirndruckerscheinungen  bedingt  sein  i-nd 
darum  ist  bei  der  Beurteilung  solcher  Fälle  Vorsicht  am  Platze  Be- 

nach  oben  v"pHnyI]OPHySet'ltumor  an  der  Sella  lind  wuchert  aus  dieser 
nach  oben  gegen  die  Hirnbasis,  so  ist  die  Sella  vergrössert  und  öffnet 

nach Ye' r  d"h  e*i  m* s "iVI pbl  a"en  dieSun  F1allen  gibt  die  Röntgenaufnahme 
nach  Erdheims  Meinung  ein  charakteristisches  Bild,  aus  dem  mit 

einiger  mcherheit  schon  am  Lebenden  ein  Schluss  auf  die  Waehs- 
tumsnehtung  der  Neubildung  möglich  sein  dürfte.  Sehr  wichtig  aber 
SaUeile  mZi  nY"  t^ih  .^"^enbildes  ist  nicht  nur  das  Verhalten  der 
ni^zii?  ZSp?  relh°hle  an  sich,  sondern  auch  in  ihrem  Verhält- 
ms  zur  dorsalen  Grenzkontur  der  basalen  Schattenstufe  Unter 

dorren"  CmZS7kndfn  s‘eht  der  .Boden  der  Sella  ca.  1  cm  über  dem 
1-pnF  n  G/enzkontur  der  basalen  Schattenstufe,  während  bei  star- 

fm  RönShiM  vn”  yertie/un^en  der  Sella  der  Boden  derselben 
s  uie  vS  p  w  i  ■,  d(\\/-aur  Grenzkontur  der  basalen  Schatten 
dir  RYdPnd  f  r  11  Wirklichkeit  aber  liegt  unter  Umständen 

mehr  zu  erkennen.""’  aber  m  dem  dunklen  Schatten  nicht 

b  p  i  ,üa a!S°’  m  ’ ’ie,  ich  bereits  oben  erwähnt  habe,  Oppen- 
Riehtmur  i , , r Wm6 Y w 3  6 c au - j df m  Röntgenbilde  eines  in  frontaler 
der  SpIIt  t  C  eucbtete"  Schädels  von  Akromegalie  eine  Erweiterung 
uni  R  V  r  ’Ca,  •rkanÄt  batteTund  ähnliche  Befunde  von  Lau  no  is 
JllV  A‘  Pu  C  h  S,  J  O  S  e  f  S  0  h  H,  V.  R  U  d  k  0  f  f  S  k  y, 
vrm  F  r  h  i  I  ,erbr>ben  worden  sind,  können  wir  nach  dem  Vorgang 
Ii;,‘dnh e  1  m  dle  verschiedenen  Typen  nach  der  Form  der  Sella- 

scheiden  ^  QUere"  DurchleuchtunSsbild  des  Schädels  unter- 

untersnoh/pY^lT01;1  SP  Zeit’  auf  den  Befund  bel  dem  yon  mir 
riifhiidmi,  F  i  etwas  naher  einzugehen,  und  ich  zeige  Ihnen  zu- 

„l.i  •  pe  vor  ö  Monaten  frontal  aufgenommene  Röntgenplatte 

rZmio-YW  ktlf°nfaPP  4,  das  Diapositiv  derselben.  Sie  erkennen  mit 
W!,cbt'gkeit  auft  dem  Bilde  die  total  abgeflachte  Partie,  welche  der 
sella  turcica  entspricht,  vorn  die  Processus  clinoidei  antici,  davor  das 
lanum  sphenoidale,  und  Sie  sehen,  wie  sich  von  da  aus  die  dorsale 


Mai  101.1. 


muenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


Mattengrenze  der  Hypophysengrube  nach  abwärts  senkt,  um  am 
|  leren  Ende  derselben  im  flachen  Bogen  nach  oben  und  hinten  aus- 
2  iufen.  Unter  dieser  dorsalen  Grenze  befindet  sich  unter  der  Stelle 
i  .r  höchsten  Erhebung  das  Köpfchen  des  Unterkiefers,  und  dahinter 
s  en  Sie  das  Eelsenbein  und  die  Oeffnung  des  Meatus  auditorius  in- 
i  ms.  Es  fällt  nun  bei  näherer  Betrachtung  auf,  dass  der  hier  bei 
t  sein  pathologischen  Befund  auftretende  sichere  dorsale  Kontur 
Hypophysengruhe  nicht,  wie  dies  in  der  Norm  der  Fall  ist,  der 
:  deren  Schattenstufe  angehörend.  1  cm  oberhalb  dem  dorsalen  Kon- 

i  der  basalen  Schattenstufe  in  dieser  Gegend  steht,  sondern  dass 
;  diesem  Röntgenbilde  der  dorsale  Kontur  der  Hypophysengruhe 

ich  zusammenfällt  mit  dem  dorsalen  Kontur  der  basalen  Schatten- 
s  ie.  Es  ist  also  ohne  weiteres  zu  sagen,  dass  hier  eine  ganz  be- 
t  etliche  Vertiefung  der  Sella  turcica  platzgegriffen  haben  muss. 
[  se  Vertiefung  wird  aber  maskiert,  und  zwar  dadurch,  dass  an- 
s  einend  die  Sattellehne  ganz  oder  teilweise  fehlt,  zum  mindesten 
a  r  sehr  abgeflacht  ist.  Einer  Vermutung  freilich  könnte  man  noch 
1-  un  geben,  nämlich  dass  die  Sattellehne  vielleicht  noch  besteht, 
j  r  eines  Teiles  ihrer  Kalksalze  beraubt  sein  könnte.  Zwischen  dem 
mt  sehr  breiten  dorsalen  Streifen  der  basalen  Schattenstufe  und 

ii  er  ventralen  grösseren  Masse  drängt  sich  aber  hier  als  ana- 
:  lische  Varietät  —  wohlgemerkt;  nicht  als  pathologischer  Befund  — 
!  Keilbeinhöhle  ein,  welche  in  diesem  Falle  ziemlich  weit  zuriiek- 

:ht.  Auf  diese  Weise  ist,  wie  schon  gesagt,  in  diesem  Bilde  die 
j  sals  Schattenstufe  in  einen  schmaleren  dorsalen  und  einen  brei- 
!<;n  basalen  Streifen  getrennt.  Sie  sehen  mit  grosser  Deutlichkeit 
1  Furche  der  Arteria  meningea  media,  das  Dach  der  Augenhöhle 
i  die  Fortsetzung  des  Planum  sphenoidale,  ferner  den  Kontur  der 
)ita,  Sie  sehen  des  weiteren  die  Juga  cerebralia  der  mittleren  Schä- 
J  ;rube.  Auf  irgendwelche  weitere  Details  in  der  hinteren  Schädel- 

-  be  lasse  ich  mich  selbstverständlich  hier  nicht  ein. 

Es  frägt  sich  nun,  m.  H.:  als  was  konnte  oder  musste  dieser 
utgenbefund  damals  bei  der  Aufnahme  vor  5  Monaten  imponieren? 
:  bleiben  meiner  Ansicht  nach  in  erster  Linie  2  Prozesse,  die  hier 
i  -'rage  kommen ;  einmal  ein  dort  an  dieser  Stelle  gelegener  Tumor, 
uer  aber  ein  Hydrozephalus. 

Nun,  m.  H.,  im  allgemeinen  darf  man  wohl  sagen,  dass  sich  ein 

-  irozephalus  allein  doch  wohl  zunächst  auch  an  der  Schädelkon- 

•  ität  äussern  dürfte.  Und  da  bin  ich  in  der  Lage  mitzuteilen,  dass 
,  i  weder  klinisch  noch  röntgenologisch  dafür  genügende  Merk- 
i  e  geboten  haben.  Würde  ein  chronischer  Hydrozephalus  bestan- 
1  haben,  so  wäre  es  doch  immerhin  merkwürdig,  dass  gerade  nur 
l  Knochen  der  Sella  turcica  von  diesem  Befunde  betroffen  waren. 

Was  nun  den  Hirntumor  in  der  Gegend  der  Hypophyse  anlangt, 

■  ist  es  nunmehr  nötig,  auf  den  Befund  post  mortem  einzugehen. 
.1  da  unterbreite  ich  Ihnen  zunächst  einmal  einen  Röntgenbefund, 
^  chen  Herr  Geheimrat  S  c  h  m  o  r  1  an  dem  post  mortem  heraus- 
:  leisselten  Knochenpräparat  der  Hypophysengegend  freundlichst 
i  jenommen  hat.  Bei  dem  Präparat  ist  damals  die  Hypophyse  noch 
I  inen  gewesen.  Es  ergibt  sich  aus  diesem  Befund,  dass  dieselbe 
:  len  irgendwie  wahrnehmbaren  beträchtlichen  Schatten  im  Rönt- 
:  bilde  erzeugt  hat.  Dagegen  erkennen  Sie,  obwohl  das  Bild  nicht 
;  au  frontal  eingestellt  ist,  dass  die  Sella  turcica  selbst  ziemlich  tief 
:  gebuchtet  ist.  Das  sehen  Sie  aber  in  viel  stärkerer  Deutlichkeit 
i,  einer  Aufnahme,  die  wir  von  dem  wirklich  genau  frontal  eingestell- 
t  Knochenpräparat  der  Hypophyse  haben  machen  können,  freilich 
i  er  ganz  besonderen  Kautelen  und  einer  sehr  komplizierten  Technik. 
1  betreffende  Aufnahme,  deren  Diapositiv  ich  Ihnen  zeige,  ist  mit 
:;r  sog.  Zangenkühlröhre  aufgenommen  worden,  die  auf  2  Wehnelt 
!■  abgeweicht  war,  bei  einer  Fokusdistanz  von  1,20  m  und  einer  Ex- 
i  itionsdauer  von  100  Sekunden.  Sie  sehen,  mit  welcher  ausser- 
1  entliehen  Feinheit  die  Knochenteile  hier  zur  Geltung  kommen,  und 

>  erkennen  auch,  wie  ganz  anders  sich  in  dem  aus  dem  knöchernen 

>  ädel  losgelösten  Leichenpräparat  die  Sella  turcica  präsentiert. 

Was  nun  aber  dieses  Leichen-Knochenpräparat  anlangt,  das  ich 
'  vor  mir  habe  und  das  Herr  Schmorl  so  freundlich  war,  mir 
dieser  Demonstration  zu  überlassen,  so  ist  an  demselben  zweierlei 
■vorzuheben:  einmal  die  ausserordentlich  starke  Vergrösserung  der 
Gophysengrube,  welche  nur  zum  Teil,  und  zwar  in  der  hinteren 
Ute  von  der  Hypophysis  selbst  ausgefüllt  war,  während  die  vor- 
1'  e,  pathologisch  hinzugekommene  Hälfte  durch  den  an  der  Hirn¬ 
is  gelegenen,  offenbar  dem  Hypophysengang  angehörigen  Tumor 
gehöhlt  worden  ist.  Die  Sache  liegt  so,  dass  der  Tumor  vor  der 
Hophyse  und  soviel  ich  weiss  auch  vor  dem  Chiasma  nervi  optici 
i  und  zwar  so,  dass  die  ganze  Vorderwand  der  Hypophysengrube 
i schliesslich  des  Tuberculum  sellae  weggefressen,  oder  besser  ge- 
;t  weggedrückt  erscheint,  in  dem  Sinne,  dass  die  so  nach  vorn  er- 

*  terte  Hypophysengrube  auf  Kosten  des  Keilbeinkörpers  erweitert 
ä  und  der  Limbus  sphenoidalis  als  scharfer,  aber  auch  durch  den 

nor  etwas  nach  oben  gedrückter  Rand  hervorspringt. 

Eine  Ueberraschung  aber  hat  mir  das  Knochenpräparat  noch  ge- 
■en.  Ich  habe  dasselbe  gesehen  als  die  Hypophyse  noch  drinnen 
welche  jetzt  zu  mikroskopischen  Zwecken  entfernt  worden  ist. 
merhin  war  die  Wand  der  Grube  von  der  Dura  noch  überspannt, 
I  es  fiel  mir  besonders  eine  quere  Knochenleiste  auf,  die  die  vor- 
e  Grenze  des  Bereiches  der  Hypophyse  vorstellte.  Diese  quere 
ichenleiste,  die,  am  Boden  der  Sella  gelegen,  offenbar  die  Stelle 
früheren  Tuberkulum  repräsentiert,  dessen  Niveau  man  sich  frei- 
um  1  cm  höher  gelegen  denken  muss,  wird  nun  gekreuzt  durch 
;  sagittale  Knochenleiste,  welche  nichts  anderes  darstellt  als  das 


1 1 10 


Septum  der  Keilbeinhöhle.  Es  war  mir  nun  sehr  überraschend,  dass 
ich  beim  Abtasten  des  Bodens  der  Sellae  mit  der  Pinzette  plötzlich 
die  Dura  durchstach  und  mich  mit  der  Pinzette  in  der  linken  Keil¬ 
beinhöhle  befand.  Es  liegt  also  hier  der  Fall  vor,  dass  offenbar  eben¬ 
falls  unter  dem  Druck  des  Tumors  +  Hypophyse  an  dieser  Stelle  der 
ganze  Körper  des  Keilbeins  und  das  ganze  Dach  der  Keilbeinhöhle 
völlig  atrophisch  geworden  war,  so  dass  man,  wie  die  Sonde,  die  ich 
hier  hineingelegt  habe,  beweist,  von  der  Nase  aus  direkt  bis  an  die 
Dura  hätte  gelangen  können. 

Sie  begreifen,  m.  H.,  dass  dieser  post  mortem  erhobene  Befund 
in  erster  Linie  den  Chirurgen  interessieren  muss,  denn  in  diesem  Falle 
wären  die  technischen  Chancen  für  die  S  c  h  1  o  f  f  e  r  sehe  Operation 
von  der  Nase  aus  so  günstige  gewesen,  wie  man  sie  wohl  nicht  häu¬ 
fig  vorfinden  dürfte. 

Auch  röntgenologisch  ist  der  Befund  interessant,  weil  er  uns 
erklärt,  warum  hier  die  basale  Schattenstufe  im  Röntgenbilde  in 
2  Teile  zerfällt,  zwischen  welche  sich  die  Keilbeinhöhle  nach  rück¬ 
wärts  drängt. 

Ich  habe  nun  darüber  nachgedacht,  wie  man  diese  Dinge  noch 
besser  analysieren  könnte,  und  da  habe  ich  von  einem  gesprengten 
Schädel,  den  ich  besitze,  das  eine  Knochenpräparat  hergenommen, 
welches  das  mit  dem  Hinterhauptbein  natürlich  verbundene  Keilbein 
darstellt.  Dieses  Präparat  habe  ich  nun  in  genau  frontaler  Richtung 
auf  die  Kassette  gelegt  und  röntgenographiert.  Ich  bemerke,  dass  ich 
auch  hier  eine  besondere  Technik  verwendet  habe,  indem  ich  die  be¬ 
treffende  Röntgenröhre  sehr  stark  herabgeweicht  habe  und  dann  bei 
Fokusdistanz  von  60  cm,  unter  Anwendung  von  Tubusblende,  bei  sehr 
schwacher  Belastung  60  Sekunden  exponiert  habe,  natürlich  unter 
Anwendung  der  Heydenfolie.  Sie  sehen,  dass  die  Aufnahme  ziemlich 
gut  gelungen  ist.  Ich  bemerke  hier  besonders,  dass  bei  dem  normalen 
Knochenpräparat  die  Sattellehne  und  besonders  die  Proc.  clinoidei 
antici  und  postici  so  gut  entwickelt  sind,  dass  sie  durch  Knochen¬ 
spangen  rechts  und  links  miteinander  verbunden  sind.  Es  musste 
also,  da  hier  die  Sella  in  der  Seitenansicht  keinen  offenen  Sattel,  son¬ 
dern  einen  freilich  nicht  überall  überdachten  Kanal  darstellt,  zu  er¬ 
warten  sein,  dass  die  Sattellehne  und  die  Proc.  clinoidei  ganz  be¬ 
sonders  deutlich  zu  sehen  wären. 

Und  nun  erkennen  Sie,  m.  H.,  an  dem  Diapositiv  und  noch  viel 
mehr  an  der  Platte,  die  ich  Ihnen  noch  zeigen  will,  wie  zart  und 
duftig  sich  diese  Knochenpartien  im  Röntgenbild  ausdrücken.  Sie 
erkennen  aber  noch  ferner,  und  das  ist  für  das  röntgenographische 
Verständnis  dieser  Gegend  besonders  interessant,  dass  hier,  wo  wir 
die  beiden  Schädelbasisknochen,  Hinterhauptbein  und  Keilbein,  durch 
die  Sprengung  des  Schädels  von  den  beiden  Felsenbeinen  getrennt 
haben,  die  basale  Schattenstufe  im  wesentlichen  durch  die  Basis  des 
Keilbeinkörpers  und  die  Wurzeln  der  Processus  pterygoidei  gebildet 
wird,  oberhalb  deren  sich  aber  auch  in  diesem  Präparat  die  Keil¬ 
beinhöhle  ziemlich  weit  nach  hinten  schiebt  und  die  basale  Schatten¬ 
stufe  in  2  Teile  teilt,  in  einen  oberen  dünneren  und  einen  unteren 
stärkeren. 

Es  ist  nun  wirklich  lehrreich,  die  Röntgenphotographie  dieses 
normalen  Präparates  mit  den  Aufnahmen  am  normalen  Schädel  und 
mit  dem  Röntgenogramm  am  Schädel  des  Patienten  und  mit  der  Rönt¬ 
genabbildung  des  Leichen-Knochenpräparates  mit  der  pathologisch 
erweiterten  Hypophysengrube  zu  vergleichen.  Und  da  sehen  wir 
eben,  wie  unter  normalen  Verhältnissen  sowohl  am  intakten  leben¬ 
den  Schädel  wie  am  gesprengten  Schädelbasis-Knochenpräparat 
(Hinterhauptbein,  Keilbein)  die  duftige  Kontur  der  Sella  turcica  wie 
eine  Burg  thront  oberhalb  der  basalen  Schattenstufe,  ein  Niveau¬ 
unterschied,  der  in  dem  Röntgenogramm  am  lebenden  Schädel  unseres 
Patienten  für  das  Auge  völlig  ausgeglichen  ist,  während  der  patho¬ 
logische  Prozess  in  Wahrheit,  wie  wir  aus  dem  Röntgenogramm  des 
herausgemeisselten  Knochenpräparates  erkennen  können,  zu  einer 
tieferen  Erweiterung  und  Senkung  der  Grube  bis  unmittelbar  an  oder 
sogar  in  die  Keilbeinhöhle  geführt  hat,  welche,  wie  die  einfache  Be¬ 
sichtigung  und  Sondierung  des  Leichen-Knochenpräparats  erweist, 
ihres  Knochendaches  beraubt,  nur  noch  dürch  die  Dura  von  den  in 
der  erweiterten  Sella  turcica  befindlichen  Gebilden,  i.  e.  dem  unter¬ 
sten  Zapfen  des  Tumors  und  der  Hypophyse  selbst  getrennt  ist. 

Es  ist  mir  nun  wohl  gestattet,  auch  ein  Wort  über  das  Röntgeno¬ 
gramm  des  Gehirns  selbst  zu  sagen,  das  Herr  Geheimrat  Schmorl 
aufgenommen  hat  und  aus  dem  Sie  aus  der  Platte  erkennen  können, 
wie  der  zystische  Tumor  nach  vorn  und  unten  einen  Zapfen  aus¬ 
geschickt  hat,  der  jedenfalls  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Kalk¬ 
salze  enthielt,  welche  sich  auf  dieser  Platte  zwar  nicht  deutlich,  aber 
immerhin  erkennbar  manifestieren.  Wir  sehen,  dass  die  Wachstums¬ 
richtung  dieses  Tumorzapfens  durchaus  korrespondiert  mit  der  von 
ihm  ausgebohrten  Knochenhöhlung. 

Man  sieht  aber  auf  dem  Röntgenbild  des  Gehirns  ferner,  wie  der 
zystische  Tumor  von  unten  her  den  dritten  Ventrikel  an  den  Balken 
heran  nach  oben  gedrückt  hat  und  auf  solche  Weise  den  durch  die 
Punktion  des  Gehirns  einwandfrei  festgestellten  Hydrozephalus  im 
rechten  Vorderhorn  ganz  offenbar  hervorgerufen  oder  wenigstens  be¬ 
günstigt  hat. 

M.  H.,  ich  habe  mich  mit  der  detaillierten  Darstellung  dieser 
Befunde  so  lange  aufhalten  müssen,  da  in  diesem  Falle  —  ich  wieder¬ 
hole  unter  Betonung  in  diesem  Falle- — die  auf  das  Röntgenverfahren 
aufgebauten  therapeutischen  Forderungen  recht  behalten  haben  gegen¬ 
über  den  aus  den  klinischen  Befunden  gezogenen  Schlüssen  hervor¬ 
ragender  Neurologen.  Neurologische  Bedenken  sind  es  in  erster  Linie 


MUENCHENER  ME DIZ1NISCHE  WO C HENSC H R 1 E' 


n  ,  hff,  '  vf  C  Xla  solclle  m"  c * " i u rtrisch-tcchiiischer  Natur,  die  die 
Fe  1  ’kC  ,Vornall".le  einer  eingreifenden  Operation  verhindert  haben 

einen  Pnllo  dpn11^  hl  1C1  “£r  ünprecl,t’  wollte  man  aus  diesem 
•ü,  nv-i  3  Schluss  ziehen,  dass  auch  in  einer  ganzen  Serie 

ähnlicher  noch  künftig  zu  beobachtender  Fälle  das  Röntgenver- 

sn  rhPnSShf  S  da?  'vert^0,lste  Diagnostikum  erweisen  müsste.  Einen 
solchen  Schluss  ziehen,  hiesse  den  eigenen  Blick  verschleiern  gegen- 

uber  den  ausserordentlichen  Schwierigkeiten,  die  auch  hier  sich 
emporturmen  Die  Voraussetzung  für  die  erfolgreiche  diagnostische 
Verwertung  des  Rontgenverfahrens  für  diese  Fälle  sind: 

b  .hf  n*Scl1  tadel,ose.  Aufnahmen,  und  zwar  nicht  nur  in  fron- 
aler  Richtung,  sondern  wie  ich  das  ja  hier  auch  selbstverständlich 
ausgefiihrt  habe,  in  sagittaler,  und  zwar  natürlich  von  hinten  nach 
vorn  und  von  vorn  nach  hinten,  wobei  auf  das  Verhalten  der  Schädel¬ 
knochen  der  Konvexität,  die  Juga  cerebralia  und  halisteretische  Aus- 
achtenDst  °"  Knochensubstanz>  bei  Tumor  wie  bei  Hydrozephalus,  zu 

aber  ‘,st  bei.den  röntgenographisch  erkennbaren  Knochenver- 
andei  ungen  durch  I  umoren  in  der  Hyphysisgegend  stets  daran  zu 
denken,  dass  die  wahre  Grösse  stärkerer  Ausbuchtungen  nach  unten 
am  lebenden  Schädel  der  röntgenologischen  Erkenntnis  sich  dadurch 
entzieht,  dass  sie  unter  das  Bereich  der  basalen  Schattenstufe  hinunter- 
tauchen,  wahrend  geringere  Veränderungen  oberhalb  der  basalen 
Schattens tufe  im  Sinne  der  Ausbuchtung  der  Sella  oder  ihres  Ein¬ 
ganges  allerdings  sehr  wohl  der  diagnostischen  Verwertung  zugäng- 
Uctl  sind‘  (Schluss  folgt.) 


No.  ? 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 


Sitzung  vom  6.  Mai  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Demonstrationen: 

Heil  Oehlecker:  Beitrag  zur  Klinik  und  Chirurgie  des  Nervus 
phrenicus. 

Seit  Stürz  im  November  1911  seine  durch  die  Phreniko- 
,°n'n‘e  erZ)elten  Erfolge  publizierte,  hat  Vortr.  mehrfach  die 
,  Upe'ation,  die  einen  chirurgisch  leichten  und  kleinen,  in  1  okal- 
anasthesie  auszuführenden  Eingriff  darstellt,  zur  therapeutischen 
.rzielung  eines  relativen  Kollapses  ausgeführt.  Er  demonstriert 
mehrere  hierhergehörende  Fälle  mit  den  zugehörenden  Röntgen- 
bildern.  Schon  vorher  war  Vortr.  als  Fernsymptom  des 
n  1  k  fH  s,  ,.ein  charakteristischer  Schulterschmerz  auf- 
FnfJi  na  Affekt!«nc‘n-  die  sich  in  der  Nähe  des  Zwerchfells  etablieren, 
5lrd,Un?fen’  Blutunpn’  operative  Reize  (z.  B.  Milzexstirpation) 
zeigen  häufig  einen  charakteristischen  Schmerz  der  Schultergegend 

RaLpeiHhe\^eit.e'  D‘eSer  Zusammenhang  ist  durch  die  sensiblen 

mftsorLrennNr  fhaenicUS  bedingt’  der  aus  dem  IV.  Zervikalnerven 
entspringt  und  dadurch  mit  den  sensiblen  Fasern  der  die  Schulter¬ 
gegend  innerviereiiden  Nerven  in  Zusammenhang  steht. 

P.en„  ...®®  r  1  i  den  seltenen  Fall  eines  Torticolis  oculaire. 

sfptnMuiln9^-1^  ,Madchen  war  wegen  eines  seit  der  Geburt  be¬ 
stehenden  Schiefhalses  in  orthopädischer  Behandlung,  ohne  dass  je- 
mals  ein  nennenswerter  Erfolg  zu  erzielen  war.  Es  bestanden  dabei 
pften  ^kdspasmen  oder  Muskelatrophien  oder  Knochendeformi- 
,jte,rV  Wean  man  den  funktionellen  Schiefhals  korrigiert,  zeigt  das 
Mädchen  einen  Strabismus,  bedingt  durch  eine  Schwäche  Tm 
bhquus  sunerior  Die  Analyse  des  Falles  war  recht  schwer  Die 
Literatur  weis  seit  1873  nur  10  Fälle  auf.  Ob  die  operative  Inangrifi- 

kunftClehrenSChie  CnS  die  SchiefstelIung  bessern  wird,  muss  die'Zu- 

WocSschr*  No. rid8,t:S. Herzmittel  (cf'  diese 

emhoMr'n^h08/  beiLCht,et  Über  eine  Operation  der  Lungenarterien- 
embolie  nach  T  r  e  n  d  e  I  e  n  b  u  r  g,  die  er  unter  denkbar  günstigen 

durchre(h>V  ltn‘.ssen  ,n  besonders  kurzer  Zeit  ausführte,  ohne  da- 
F  W  reften  zu  können.  Der  Fall  ähnelt  dem  von 

publizierten  'Fnhe^p1^  aiuM”  N°h  14,  S'  781  dieser  Wochenschrift 

ak  hm  vemeKl  R’,  ^ llte  k'erade  eine  andere  Kranke  operieren, 

als  ihm  gemeldet  wurde,  dass  eine  vor  14  Tagen  laparotomierte  Frau 

a?  eit!,fhr  heftiges  Lachen  plötzlich  kollabiert  sei  Er 
legte  in  2  Minuten  (!)  die  Art.  pulmonalis  frei,  exstirpierte  den  etwa 
1-  cm  langen  fingerdicken  Embolus,  konnte  aber  trotz  künstlicher 

^sw1' die Herzmassage,  Adrenalin  und  Digaleninjektionen 
usw.  die  Kranke  nicht  mehr  zum  Leben  erwecken 

Herr  P.  Wichmann  stellt  2  Fälle  mit  Tuberculosis  cutis 
serp.gmosa,  u Icerativa  Hyde  vor.  Der  eine  der  Kranken  zeigt  d  e 

se  zkn°n  nngförmfv  9?erT  in  Form  einer  mit  Hautinseln  durch¬ 
setzten,  ringförmig  den  Arm  umgreifenden,  mehrere  Handteller 
giossen  Ulzeration;  die  sonst  üblichen  Charakteristika  einer  tuber 

SnCwS  erkrankl,,nS  feblen:  «  ^nd  keine  Knötchen f  keine  fun. 

V.ucherungen  keine  Erweichungen  im  Sinne  einer  Tuberculosis 
colliquativä,  keine  Hyperkeratosen  zu  sehen.  Histologisch  in  der 
Tiefe  typische  I  uberkeln.  —  Der  zweite  Fall  ist  geheilt  in  einiähriß-er 

81  J ahreCria?igh1eä\ch e 7  Ti  daS  recbte  Bein;  die  Affektion  hatte 

8  Jahre  lang  jeglicher  Therapie  getrotzt.  Die  Erkrankung  schiebt 

sich  als  lymphogene  I  uberkulose  nach  der  Oberfläche  der  Haut  zu  vor 

der  eine  H^utt^h^fkf  iaUC,‘  Patho^enese  des  dritten  Falles, 
uei  eine  Hauttuberkulose  (lupus  und  miliare  Aussaat  von 

Tuberkeln)  am  rechten  Bein  aufweist  und  als  sogenannte  forme 


*  1  11  c  ii  i  a  i  i  e  von  einer  1  uberkulose  der  tiefen,  grösseren  l  , 

ge  lasse  ausgeht.  Das  1870  von  Bazin  zuerst  beschriebene  seit?. 


Krankheitsbild  charakleSterte  sich  durch  die  tubSSlSTSS? 
gitis  die  tuberkulösen  Varizen,  die  mit  Eiter  untermS 
unter  de7fblf,inff«k5nnte  die,  '-"mina  der  Lymphbahnen  „3 
lidcnkc  sind  ver,olsen:  Abszes!*  Knochen  n, 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Nonne:  Weiter 
Erfahrungen  an  operierten  Fällen  von  Rückenmarkstumoren 

neu  Oehlecker  demonstriert  4  Fälle  von  kongenital 
v  koliosen  und  bespricht  die  Röntgentechnik  der  Wirbelsäulenan 
nahmen.  Zu  dem  gleichen  Thema  spricht  Herr  Haenisch 
p;.  , Herr  Bot  1 1  ge  r:  Im  allgemeinen  ist  die  Segmentdiagnose  ein, 

h  mtCIMI^iiks:  UIiIlors  *Plchter’  a,s  d'e  eigentliche  Tumordiagnose  über 
aupt.  Sehr  schwer  kann  die  Differentialdiagnose  werden  zwische 
I  umor  und  Karies  der  Wirbelsäule.  Die  Differentialdiagnose  zwiS, 
extra-  und  mtramedullärem  I’umor  erlaubt  oft  die  Art  der  Schmer-en 
L.  bespricht  weiter  seine  Erlebnisse  mit  dem  „Pseudotumor  spinaH?' 
-de^cn  Anerkennung  sich  jetzt  sogar  Oppenheim,  der  nid  i, 
est  opponierte,  bekennt.  Ganz  schwierig  sind  die  Fälle  zu  henr 
tLilen,  bei  denen  der  I  umor  als  solcher  eine  gewisse  Rückbildung 

der*  Intensität”  sind!”'1  d'C  Kompressionserscheinungen  von  wechseln- 

k  n  Beir  B?ss  weist  auf  einen  von  Lindemann  publizierten 
baü  von  Vanzenbildung  der  Venen  der  Pia  sowie  Oefässerweitenlnü 

dns  R,Mkp’  bes?rnders  dps  Lumbal-  und  Sakralteils,  hin,  der  klfnisch 
das  Bild  eines  Tumors  (resp.  Querschnittsläsion)  gemacht  hatte 
Aber  auch  bei  den  wirklichen  Tumoren  besteht  nicht  selten  ene 
giosse  Schwierigkeit,  ob  intra-,  ob  extramedullär  schon  deshalb 
tifli’  n/e  einH  na  V-°n  WI  Nöpke  lehrt,  der  Tumor  teils  exba  ' 
31  Pamedullai-  s,4zen  kailn'  ur'd  weil  auch  das  klinische  Bi  ui 
cei  1  ormen  mit  Zunahme  des  Beobachtungsmaterials  eher  ve¬ 
reinsame  als  unterscheidende  Merkmale  ergeben  hat 
n  «  nerJ  .  ^  0  n  n  e  bespricht  in  seinem  Schlusswort  noch  d;,, 
lfferentialdiagnose  zwischen  der  neuralgischen  Form  der  multiDlen 

P  a 7a fl  eTfda  n61^.  rVrn°r  des  R'Lkcnmarks  und  teilt  dann  einen 
a  r  n  ••  e  a  '  I  zu  dem  von  Linde  mann  veröffentlichten  Fall 
von  Ruckenmarksvarizen  mit.  Der  Fall  bot  zunehmende 
Kompressionserscheinungen;  bei  der  Operation  fand  sich  eine  X 
gemeine  enorme  \arikosis  der  Rückenmarksgefässe.  Die  mikro 

kn0ÄrLnterSUC1Un^  HeSS  erkennen-  dass  sich  diese  Varikositäten 
m  che  Ruckenmarkssubstanz  fortsetzjen  und  dort  zu  multiplen  myc 
htischen  Ouerschmttserkrankungen  geführt  hatten. 

karzinoms.Sta"de:  4°  Jahr6  operativer  Behandlung  des  Uterus- 

Herr^.taude  referiert  über  seine  Erfahrungen,  die  er  im  Ver¬ 
lauf  von  40  Jahren  bei  der  Operation  des  Gebärmutterkrebses  in 
Banpblirff  ?emacht  hat.  Diese  Erfahrungen  beziehen  sich  auf  Ja  200 

Me  hode  e'naCPaHVkginae  Totalexstirpationen,  1  Fall  von  Freunds 
ethode,  13  Radikaloperationen  per  laparotomiam  und  H4  er- 
weiterte  viigmaie  RciclikäJöperaBonen  „ach  Stau  des  Methode 
um  Vergleich  dcrLaparotomieerfoige  und  der  vaginalen  Erfolge  stellt 
n?i  ‘  Lp  daS  Resultat  verschiedener  abdominaler  und  v.mi- 

10M  Fä7e  Da7eFnUUSaTfn- .  ,Jede  Tabelle  umfasst  ä 

Ball,e-  Das  Endresultat  ist,  dass  die  abdominale  Methode  mehr 
als  die  doppelte,  fast  die  3  fache  primäre  Mortalität  hat,  wie  die 
vaginale  Methode,  und  dass  die  absolute  Leistung  bei  beiden  Me¬ 
thoden  gleich  ist.  Demnach  kann  die  vaginale  erweiterte  Radikal 
Operation  durchaus  in  Konkurrenz  treten  mit ^  de7rb£nalen  ' ¥e- 
dlpd5;  A,u^sier,de.m  ■  macllt  St.  darauf  aufmerksam,  dass  er  schon 

auf  traf  6  nt?1  Äh"1  den6u  naCh  8r10  Jahren  post  °P-  ein  Rezidiv 
auttrat.  Die  5  Jahre  erscheinen  also  erschüttert.  Werner. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  M  a  r  c  h  a  n  d. 

Schriftführer:  Herr  Ri  ecke. 

V,0  r  "  f  Vortragender  gibt  einen  historischen  Ueber- 
er  dle  Stellung  des  von  Zeller  benutzten  Siliciums  und 
Arsens  |nder  Heilkunde  und  erörtert  die  Bedeutung  dieser  Mittel 
bfJ-BneAand!ung.  des  Krebses.  Er  äussert  sich  schliesslich  dahin,  dass 
h  pCiat1011slose  Behandlung  mit  Chemikalien  zurzeit  nur  für  den 
,  uHrets  anzuorkennen  sei,  wobei  zu  konstatieren  sei,  dass  eben  aui 
ifU^  ,aucb  bedeutendere  Affektionen  noch  geheilt  werden  können, 
rphi^m  MkUSl10n:  Herr  A 'exander:  Von  3  Fällen  mit  inope- 
rabiern  Mammakarzinom,  die  ich  nach  Ze  1 1  e  r  behandelt  habe, möchte 

‘CLlbfn-dln  b}shfngen  Verlauf  mitteilen,  da  sie  Gelegenheit  zu 
mikroskopischen  Untersuchungen  geboten  haben.  Ueber  die  letzteren 

™  iBerr  DrTHeJZ0K  vom  Pathologischen  Institut  so  freundlich 
sein,  Ihnen  zu  berichten. 

m « s in-  +  7'’  -'ähre,  kam  mit  einem  etwa  handtellergrossen. 

77 u  ?  1  f  ’  karzino{JIatosen  Geschwür  der  rechten  Mamma  etwas 
lint«  ,aussen  ,von  de,r  Brustwarze  in  Behandlung.  Die  Brust  auf  der 
“f  verschieblich  In  der  Umgebung  des  Geschwürs  haupt- 
‘  tiansversaler  Richtung  eine  Anzahl  linsen-  bis  kirscli- 

L  V  '  ,um  Teil  blasser,  zum  I eil  rot  durchschimmernder,  derber 
Knoten,  der  grösste  in  der  hinteren  Axillarlinie  etwa  in  Höhe  der 


Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


I  jstfalte.  Am  Pektoralrande  ein  etwa  walnussgrosser,  derber, 
viiijr  verschieblicher,  etwas  empfindlicher  Drüsenknoten,  in  der 
.<  iselhöhle  kleinere,  nicht  empfindliche  Drüsen,  über  der  rechten 
1  vikula  einige  etwa  kirschkerngrosse,  derbe  Drüsen.  Am  9.  IX.  1912 
fiinn  der  Behandlung  mit  As-Hg-Paste  und  Kalium-Natrium 
S cium  innerlich  in  Pulvern.  Wegen  zu  grosser  Schmerzen  kann 
c  Paste  nur  tage-  und  stundenweise  ertragen  werden.  Im  Laufe 

nächsten  Wochen  stosscn  sich  am  Qeschwürsrande  nekrotische 
!  zen  ab,  die  Mamilla  zerfallt,  die  Knoten  in  der  Umgebung  des 
t  schwürs  werden  grösser,  nekrotisieren  und  verschmelzen  mit  dem 
1  uptherd.  Gleichzeitig  tritt  aber  eine  Schrumpfung  des  letzteren 
der  Richtung  von  oben  nach  unten  und  eine  Epithelisierung  vom 
1  nde  her  ein.  Auch  neue  Knoten  erscheinen  in  der  weiteren  Um- 
.  ’ung.  besonders  nach  dem  Sternum  zu.  Heute  nach  6  monatlicher 
!  landlung  ist  das  Geschwür  in  transversaler  Richtung  etwa  doppelt 
1  gross  wie  im  Anfänge.  Am  ursprünglichen  Herde  ist  von  oben 
I  eine  deutliche  Einziehung  und  ein  etwa  1—2  cm  breiter,  unregel- 
i  ssiger,  das  Geschwür  ganz  überbrückender  Streifen  neuen  Epi- 
;  Is  zu  sehen.  Der  Drüsenknoten  am  Pektoralrande  ist  kleiner  und 
!  ht  empfindlich,  die  Drüsen  in  der  Achselhöhle  und  der  Supra- 
i  vikulargrube  anscheinend  kleiner.  Von  einem  Stillstand  des  Pro- 
.  ses  kann  nicht  gesprochen  werden.  Eine  Heilungstendenz  in  aer 
!te  des  ursprünglichen  Herdes  ist  aber  vorhanden. 

2.  Frau  K.,  66  Jahre,  kräftig  und  gut  genährt  mit  reichlichem 
1  nniculus  adioposus  hat  sich  wegen  eines  Knotens  in  der  linken 
last  seit  einem  halben  Jahre  von  einem  Kurpfuscher  behandeln 
Isen.  Die  ganze  linke  Brust  ist  stark  geschwollen,  die  Haut  ge- 
r et  (ekzematös).  Etwas  nach  aussen  oben  von  der  Mamilla  ein 
i /a  hühnereigrosser,  runder,  harter,  von  der  Drüsensubstanz  in  der 
i  fe  nicht  abzugrenzender  Knoten,  über  dem  die  Haut  glänzend  blau- 
r  verfärbt  ist.  In  der  Achselhöhle  einige  kleine,  harte  Drüsen, 
.  :nso  über  der  linken  Klavikula.  Beginn  der  Behandlung  am 
.  IX.  1912  mit  Natrium-Kalium  silic.  innerlich  und  Suspensionsver- 
I  ld  ohne  As-Hg-Paste,  um  die  durch  die  frühere  Behandlung  her- 
v  gerufene  Entzündung  der  ganzen  Brust  erst  abklingen  zu  lassen. 
/i  24.  X.  1912  ist  die  linke  Brust  in  toto  wesentlich  abgeschwollen, 
\  nn  auch  noch  etwas  grösser  und  schwerer  als  die  rechte,  die  Haut 
\  nig  mehr  gerötet,  der  Tumor  deutlicher  abgrenzbar,  wenn  auch 
r  der  Drüsensubstanz  in  Verbindung,  aber  im  Zentrum  oberflächlich 
S'diert.  Der  Drüsenbefund  unverändert.  Applikation  der  As-Hg- 
Iste.  In  den  nächsten  Wochen  nekrotisiert  die  Geschwulst,  ohne 
c;s  die  Brust  im  ganzen  anschwillt,  aber  unter  Ausbildung  eines 
tva.  walnussgrossen,  harten,  etwas  empfindlichen  Drüsentumors 
3  Pektoralrande.  Am  21.  I.  1913,  also  nach  dreimonatlicher  Be- 
iidlimg,  lässt  sich  ein  etwa  halbapfelsinengrosses  nekrotisches  Stück 
;ie  Blutung  und  Schmerz  mit  der  Schere  ausschälen,  doch  ist  ein 
.  terschied  zwischen  Tumor-  und  umgebender  Gewebsnekrose  nicht 
'  hrnehmbar.  Inzwischen  hat  die  nekrotische  Partie  sich  bis  auf 
1  cm  im  Durchmesser  vergrössert.  Ein  Teil  davon  ist  wieder  ohne 
htung  und  Schmerz  mit  der  Schere  entfernt  worden.  Patientin 
'gt  jetzt  über  allgemeine  Schwäche  und  mangelhaften  Schlaf. 
‘  imerzen  hat  sie  nicht  erheblich.  Der  Urin  ist  frei  von  Eiweiss. 
Ir  Drüsenbefund  ist  unverändert.  Von  einem  Erfolg  der  5  monat- 

len  Behandlung  mit  Natrium-Kalium  silicium  und  der  4  monatlichen 
|t  As-Hg-Paste  kann  vorläug  nicht  gesprochen  werden. 

(Nachtrag  während  der  Drucklegung:  Pat.  bekam  Ende  Februar 
l'ber.  sehr  frequenten  kleinen  Puls,  Oedem  der  Beine,  intensive 
ftung  fast  der  ganzen  Körperoberfläche,  zahlreiche  Eiterbläschen 

Brust  und  Rücken  und  leichte  Somnolenz.  In  wenigen  Tagen 
Eitus  letalis.  Sektion  ist  nicht  möglich  gewesen.) 

3.  Frau  Sch.,  48  Jahre,  ist  Januar  1908  wegen  eines  linksseitigen 
'  mmakarzinoms  operiert  worden.  Dezember  1910  kleiner  Knoten 
i  inneren,  unteren  Quadranten  der  rechten  Brust.  Am  29.  Januar 
1  3  stellt  sich  die  blasse,  schlecht  genährte  Pat.  wieder  vor.  Am 

eren  unteren  Quadranten  der  rechten  Brust  ein  etwa  rriandarinen- 
nsser  roter,  stark  ulzerierter,  auf  der  Unterlage  gar  nicht  verschieb- 
ler,  von  der  Driisensubstanz  nicht  abgrenzbarer  Tumor,  ln  der 
:hten  Achselhöhle  halb  pflaumengrosse,  harte  Drüse,  über  der 
"hten  Klavikula  mehrere  etwa  kirschkerngrosse,  harte  Drüsen.  Die 
'  rbe  auf  der  linken  Brustseite  blass  ohne  Befund,  in  der  linken 
iselhöhle  und  über  der  linken  Klavikula  keine  Drüsen  nachweisbar. 
Urium-Kalium  silicium  in  Lösung  innerlich,  auf  den  Tumor  As-Hg- 
Este.  Die  Nekrose  greift  alsbald  auf  die  Umgebung  des  Tumors 
-er.  Seit  einigen  Tagen  Anschwellung  der  ganzen  rechten  Brust. 
.  dem  der  Haut  in  der  unteren  Bauchgegend.  Am  4.  III.,  also  nach 
E/öchentlicher  Behandlung  hat  sich  die  Hauptmasse  des  nekroti- 
irten  Tumors  ohne  Schmerzen  und  Blutung  mit  der  Schere  abtragen 
sen.  An  den  Drüsen  ist  eine  wesentliche  Veränderung  nicht  nach- 
lisbar,  der  Urin  ist  frei  von  Eiweiss. 

Heute  hat  sich  wieder  ein  Stück  des  nekrotisierten  Gewebes 
Itfernen  lassen.  Beide  Unterschenkel  ödematös  geschwollen. 
.  dem  der  Bauchhaut  unverändert.  Kein  Fieber.  Puls  etwas  fre- 
Dnt,  sonst  ohne  Befund.  Urin  ohne  Eiweiss.  Die  As-Hg-Paste  wird 
^gesetzt.  Natrium-Kalium  silicium  wird  weiter  genommen. 

Bis  zu  einem  gewissen  Grade  scheinen  meine  3  Fälle  die  An¬ 
iben  Zellers  zu  bestätigen.  Ob  es  der  weitere  Verlauf  auch 
li  wird,  bleibt  abzuwarten.  Die  Beobachtungszeit  ist  in  Anbetracht 
!r  Schwere  der  Fälle  noch  zu  kurz. 

Herr  Herzog:  Herr  Dr.  Alexander  hat  dem  pathol. 
btitut  von  dem  nach  Zeller  behandelten  Mammakarzinom  der 


1 121 


zuerst  erwähnten  Patientin  einen  von  den  am  Rand  der  Ulzeration 
unter  der  Haut  auftretenden  Knoten  vor  10  Tagen  eingesandt.  Im 
mikroskopischen  Präparat  sehen  Sie  die  Krebszellen  in  dicht  ge¬ 
drängten  Strängen  in  dem  Unterhautzcllgewebe  üppig  weiterwuchern; 
von  einer  Neigung  der  Karzinomelemente  zur  Nekrose  oder  einer  be- 
sonderen  \\  ucherung  des  Bindegewebes  ist  nichts  zu  erkennen.  — 
Von  der  2.,  ebenfalls  wegen  Mammakarzinom  behandelten  Kranken 
hat  uns  Herr  Dr.  A.  diese  beiden  abgetragenen,  flachen,  über  hand¬ 
tellergrossen  Gewebsfetzen  übermittelt.  Bei  mikroskopischer  Be¬ 
trachtung  erweisen  sie  sich  in  allen  ihren  Bestandteilen  nekrotisch. 
Die  reichlichen,  zwischen  das  abgestorbene  Gewebe  eingelagerten 
Chromatinbröckel  rühren  in  der  Hauptsache  von  einer  phlegmonösen 
Infiltration  her;  besonders  bezirksweise  tritt  noch  eine  Anhäufung 
von  Körpern  im  Gewebe,  hervor,  die  abgestorbenen  Krebselementen 
entsprechen;  im  Mikroskop  sehen  Sie  ein  besser  erhaltenes  Krebs¬ 
nest  eingestellt.  Auffallend  ist  die  reichliche  Ablagerung  von 
Kalk  in  der  Elastica  interna  der  arteriellen  üefässe,  die  häufig 
zu  einem  breiten  Kalkring  zwischen  Intima  und  Media  geführt 
hat.  —  Von  dem  3.  Fall  stammt  dieser  fast  handtellergrosse 
Gewebsfetzen;  an  der  einen  Seite  umgibt  eine  flachwulstige  Ver¬ 
dickung  die  Ulzeration.  In  dem  diesen  Stellen  entnommenen 
Präparat  erkennen  Sie  im  Mikroskop  unter  der  nekrotischen 
Epidermis  in  dem  nekrotischen  Unterhautzellgewcbe  massenhaft 
Nester  von  Krebszellen,  die  grösstenteils  mehr  oder  weniger  schwere 
Degenerationserscheinungen  zeigen.  —  Es  ist  ersichtlich,  dass  in  den 
vorliegenden  Präparaten  durch  die  Behandlung  nicht  die  Krebszellen 
elektiv  zerstört  worden  sind,  sondern  das  ganze  Gewebe,  soweit  die 
Wirkung  der  Paste  reicht,  abgestorben  ist;  es  bleibt  zu  fürchten, 
dass  bei  rascher  wachsenden  Krebsen  die  Wirkung  der  Paste  die 
Ausläufer  im  Grund  und  Rand  nicht  mehr  erreicht  und  dort,  wie  der 
1.  Fall  zeigt,  die  Karzinomelemente  in  üppigster  Weise  weiterwachsen. 

Herr  Buchbinder  berichtet  über  seine  Eindrücke,  welche 
er  bei  einem  Besuche  bei  Dr.  Zeller  erhalten  hat.  Zeller  geht 
in  der  Indikationsstellung  für  seine  Behandlungsmethode  weiter  als 
Czerny,  da  er  der  Ueberzeugung  ist,  dass  die  Kieselsäure  die 
lebende  Krebszelle  abtötet.  Die  Erfolge,  welche  Zeller  namentlich 
bei  einigen  für  inoperabel  erklärten  Brustdrüsenkarzinomen  erzielt 
hat,  sind  sehr  beachtenswert.  Die  Mehrzahl  der  geheilten  Fälle  sind 
allerdings  Karzinome  der  äusseren  Bedeckung,  welche  sich  am  besten 
für  diese  Behandlung  eignen  dürften,  und  bei  denen  die  Aetzpaste 
in  charakteristischer  Weise  das  erkrankte  Gewebe  zerstört.  Die 
Erfahrungen,  welche  bei  der  Behandlung  tiefer  gehender  Krebse 
gemacht  sind,  sind  noch  zu  junge,  um  aus  ihnen  eine  exakte  Schluss¬ 
folgerung  ziehen  zu  können.  Soviel  aber  lässt  sich  zurzeit  sagen, 
dass  sich  für  die  Behandlungsweise  nur  die  oberflächlichen  Karzinome 
eignen  und  mit  derselben  sonst  nur  die  inoperablen  Fälle  bedacht 
werden  sollen.  Zeller  geht  in  seiner  Indikation,  nacn  welcher 
auch  die  operablen  Fälle  nach  seiner  Methode  behandelt  werden 
sollen,  entschieden  zu  weit.  Denn  wenn  auch  das  karzinomatöse 
Gewebe  durch  die  Aetzpaste  zerstört  wird,  so  ist  es  doch  sehr 
zweifelhaft,  ob  damit  auch  alles  karzinomatöse  Gewebe  entfernt  wird. 
Bei  der  Behandlung  nach  Zeller  ist  auch  auf  die  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  zu  achten,  welche  zuweilen  eintreten.  Diese  bieten 
nicht  die  Erscheinungen  einer  akuten  oder  chronischen  Arsen¬ 
vergiftung  dar,  sondern  die  Kranken  zeigen  einen  gewissen  Grad  von 
Somnolenz.  Vor  allem  aber  tritt  leicht  eine  akute  Herzschwäche 
auf,  welche  zuweilen  einen  bedrohlichen  Charakter  annimmt.  Es  ist 
also  die  Behandlung  nicht  gefahrlos  und  die  Kranken  bedürfen  der 
Aufsicht.  Zeller  ist  nicht  der  Ansicht  Czernys,  dass  diese 
Methode  besonders  für  den  praktischen  Arzt  geeignet  sei,  sondern 
meint,  dass  man  sich  mit  derselben  speziell  und  recht  eingehend  be¬ 
fassen  muss.  Die  Erfahrungen,  welche  bis  jetzt  aus  der  Behandlung 
der  inoperablen  Fälle  gezogen  werden  können,  legen  uns  die  Pflicht 
nahe,  alle  Fälle  von  bösartigen  Neubildungen,  welche  operativ  zu 
entfernen  sind,  operativ  anzugreifen,  und  nur  diejenigen  Fälle  nach 
der  Zeller  sehen  Methode  zu  behandeln,  welche  operativ  nicht 
mehr  radikal  zu  heilen  sind.  Oberflächliche  Hautkarzinome  lassen 
sich  ebenso  wie  mit  einer  Anzahl  anderer  Mittel  auch  mit  der 
Zeller  sehen  Aetzpaste  gut  beseitigen. 

Herr  Payr  berichtet  über  11  klinisch  behandelte  und  3  ausser- 
klinisch  behandelte  Fälle  von  inoperablen  Karzinomen  nach  der 
Methode  Zeller.  Von  diesen  14  Fällen  sind  12  gestorben  und 
den  2  übrigen  geht  es  sehr  schlecht. 

Herr  Zweifel:  Bei  den  Ergebnissen,  welche  Herr  Dr.  Zeller 
mit  seiner  Art  der  Krebsbehandlung  veröffentlichte,  fiel  sofort  auf, 
wie  schon  heute  von  einem  Vorredner  gesagt  wurde,  dass  38  seiner 
43  Fälle  Hautkarzinome  betrafen,  weil  diese  von  jeher  unter  den 
Krebsen  eine  ganz  besondere  Stelle  eingenommen  haben.  Es  gibt 
mehrere  Mittel,  mit  denen  man  Hautkarzinome  zu  heilen  vermag, 
schon  früher,  wo  sonst  die  Operation  gegen  den  Krebs  fast  immer 
erfolglos  war,  gelang  bei  diesen  die  Heilung  mit  Ausschneiden  oder 
mit  starker  Verätzung  oder  Verbrennung. 

Ich  möchte  aber  die  Leser  ganz  besonders  darauf  hinweisen, 
dass  Hautkarzinome  im  Gesicht  schon  früher  mit  innerlicher 
Verabreichung  des  Liquor  kalii  arsenicalis  Fow- 
leri  geheilt  wurden  und  dass  in  einer  Publikation  von 
La  s  sa  r  -  Berlin  durch  Nebeneinanderstellen  der  Photographien  der 
Kranken  und  Geheilten  und  durch  die  Wiedergabe  mikroskopischer 
Präparate  in  unbestreitbarer  Weise  die  Heilungsmöglichkeit  bewiesen 
ist.  Wenn  cs  nun  schon  mit  innerlicher  Verabteichung  eines  nicht 


II 21 


heilend  fstSd?!SPn?rh/ateSi  gela,,g>  Hautkrebse  des  Gesichtes  zu 

oder  BeDinseln  mit  Hht  yC  Y,  zu  ve/vvundern  von  dem  Aufstreichen 
ouer  Bepinseln  mit  der  Zeller  sehen  Paste.  Diese  Paste  besteht 

Sdurc  und  zSober°nnr'  le\ler-ZU  gleichen  Teilen  aus  arseniger 
u  d  wenn  sie  a?if  Hie  Pi  E£Ster?  ist.  ein  ganz  starkes  Aetzmittel. 
andere  Aetzmittef  h  h  r  hu  eingen?uben  wird’  80  wirkt  sie  wie 
fall  bLonders  neiaenS;  (le'vebe  und  selbstverständlich  das  zum  Ver- 
Es  war  in  H  p  !  'rKrrZin0niftenWäYs  vorzugsweise  zerstörend, 
er  dreimal  li  rAAA- l,kat'onuvon  Dr.  Z  e  1 1  e  r  bemerkenswert,  dass 

gewonnen  Sren  inr?^^'1’  VOn  de,ncn  mikroskopische  Bilder 
gewonnen  waren,  eine  Vernarbung  erzielte.  Aber  es  muss  rtneh 

f r i i'll er e r  * 7 ei t r o f t AfaA Ah  dFMH  dieK  Behandlung  mit  Aetzmitteln  in 
die  NarKen  u  A  das,SeIbe  BlId  sab  und  nach  Monaten  oder  Jahren 
i  e  Ffhf",  d?Sh  }vieder  aufbrachen,  resp.  die  unglückseligen  Rezidive 

s  bs^r  r  ä°tS1fnk we)HieSer  ?ehand>Ung  Pilsen*  Ich  hfbe  KJ 
von  Ch  z^n  "-nWed  ?  LSehr,ber,lhmte  rWnäkologen  die  Einspritzung 
erzielt ”  zu Z haben  d,  Ut^’ uskarzinome  empfahlen  und  damit  Heilung 

dass  grosse  neweb  Talen-  Die  Fiktionen  führten  immer  dazu 
SSu  u ebsstucke,  so  massig  und  dick  wie  die  uns  vor- 
g  egten,  abgestossen  wurden,  dass  sich  dann  öfters  der  Geschwürs 

Ä„T!f  '5ÄÄ«5*  Narbe  en.s.a, ,3, ‘welche  Ä« 

scho  f  ,,  h  f  ublieben  die  Kranken  von  Rezidiven  ver- 

4r  m  d  dieselbe  Erfahrung  machte  man  auch  mit  allen  anderen 
Aetzmitteln,  von  denen  es  mehr  als  ein  Dutzend  gibt 

von  7^‘lSUSre  ich  gIeich  nach  der  Publikation 

nnerabb.n  F11  cd  ?e  Behandlung  versuchte,  aber  nur  bei  in- 

Sch  en  Ste”end  über  H>  T  2  Fii“?  ee'™r<le"-  von  denen  ich 
halte.  ÄÄ 

boten  Was  ich  aber  bei  diesen  Fällen  sah,  war  nur  die  Bestätigung 

brandigen  Gewebes'führt  "f-AA  verstört  und  zum  Ausstossen  des 

rinrr-b  J-  a  kemeswegs  sagen,  dass  gerade  das  letztere  Uehel 

-  be°srtSe” 

S  3 1  Ü"r;  bsen  l MV 3 Fa“,  “  !  i 9 e  f  I 

einem  operablen  Fall  die  P  aAtAA  b  e  h  AnAA  3  r  G’  in 

vVeCrrS,UnCdheerVnd  die  Oper.^o^Jll^^/r  ll 

Herr  Vörner  (Schlusswort). 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  19.  Februar  1913. 
Vorsitzender :  Herr  M  a  1 1  h  e  s. 


in  M^rburgdherrrchendeUkkineerMumpsepldwnieWhine  undU^bittenZ  zur 

aF em S auf Affen)  Am  Y0160 tebe n  Uebertragunasversuche  (vor 

von möglichst  frJS,™ fA,32™618^;  (Grössere  Speichelmengen 
ne-  f  g  c  j  F  ?cben  Füllen,  in  sterilen  Petrischalen  gesammelt  1 

von  l  aCv  «fr  aCn  MrumPs  -ist  n°ch  unbekannt;  bei  den  Kokkenbefunden 
von  Laveran-Catrin.  Merray-Walsh  sowie  Bein-  Mi 

jAaeA18  begen  wohl  Zufälligkeiten  und  Mischinfektionen  vor. 

enfalls  sind  experimentelle  Uebertragungversuche  mit  Reinkni  " 
uren  bisher  misslungen.  Möglicherweise  handelt  es  sich  bei  d  esem 
kontagmsen,  von  Person  zu  Person,  vor  allem  auch  Srch  gesunde 
Zwischenträger  übertragbaren  Leiden  in  ähnlicher  Weise  wie  bei 
w  au  An  fepidemischer  Poliomyelitis  um  ein  vermutlich  auch  am 

PuPnkteelausa  ?tr.ietrbares  Virus‘  Vo"  diesem  Ssfchts 

’  ,  in  dlc  Tatsache  mteressant.  dass  auch  schwere  Mumps- 

tdUe  in  ähnlicher  Weise  wie  die  frische  Kinderlähmung  fast  nie  mit 
starker  Leukozytose  einhergehen  und  ausnahmsweise  sogar  zu 
groben,  selbst  tödlichen  nervösen  Komplikationen  führen,  vor  allem 
a  n  d  r  y  sehe  Paralysen  und  akute  Bulbärlähmungen.  Das  oatho- 
logisch-anatonnsche  Bild  kann  hier  fast  vollkommen  demjenigen  bei 

achte  er  ent.Sprechen  <eiD  von  C  o  1 1  i  n  s  -  A  r  m  o  u  fAeob 

achteter  Fall)  Die  eigenen,  schon  Ende  1911  begonnenen  Ueber- 
tragungsversuche  wurden  an  jungen  Hunden,  Meerschweinchen.  Ka¬ 
ninchen,  vor  allem  aber  an  Affen  angestellt.  Erst  in  der  allerletzten 
?e1‘it  YaYd  ,jed°vb  gen,ügend  fr*sches  Versuchsmaterial  zur  Verfügung 
me  fiuheien  Versuche  mit  Mundhöhlenausstrichen  unter  Benützung 
der  sog.  Diphtherierohrchen  misslangen).  Zuletzt  wurden  Speichel- 
proben  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  fleissig  durchgeschiittelr 
und  durch  dichtes  Papier  filtriert.  Die  UebertragungsveJsimhffanden 
teds J  A  einen  nach  der  Mundhöhle  gerichteten  Spray  (Tröpfchen- 
S  Ü’  hC1  f,  dYrc  1  Aktionen,  namentlich  in  Parotis  und  Hoden 
statt  Im  Hinblick  auf  die  Möglichkeit,  dass  die  Ohrspeicheldrüse 
nicht  auf  dem  Wege  des  Ausfuhrungsganges,  sondern  in  ähnlicher 
Weise  wie  bei  der  Lyssa  auf  dem  Wege  der  Virusausscheidung  in¬ 


fiziert  werden  könnte,  wurden  auch  subdurale  Impfungen  vnrr 
nommen.  Lieber  das  Ergebnis  der  Tierversuche  soll  erst  sDäter  h 
richtet  werden;  in  einem  früheren  Falle  gelang  es  durch  pi  A 
Injektion  von  üntersuchungsmaterial,  das  durch  Kerzen  filtriert  «  ' 
eine  nach  etwa  2  Wochen  einsetzende  vorübergehende  Schwellung  ? 
I  arotisgegend  zu  erzielen.  Die  Fehlerquellen  solcher  IJehertrYA  dl 
leider  recht  gross,  bei* Sffi 
f. P.eichel  muss  man  mit  Mischinfektionen  rechnen  (ein  kürzlirh  i 
f.ie,rtter  A  e  8tar,b  nach  e*niKen  Tagen  an  Streptokokkensepsis)  H 
Injektionen  von  filtrierten  Proben  ist  nach  Erfahrungen  bei  der  Kinn*' 
lahmung  eine  starke  Virusabschwächung  möglich  von  der  st  i 
SSt"  Voraussetzung  abgesehen,  dass  das  Virus  überhluj 

nif>  vAf,  ^!ILsAel"  spricllt  über  gynäkologische  Röntgentheraoit 
f  ie  \  lelseitigkeit  der  therapeutischen  Verwendung  der  RöntA ' 
strahlen  wird  verständlich,  wenn  man  sich  der  Tatsache  erinner 
,dfasrs.  dlc8e"  AYahlen  eil]e  ausgesprochene  Affinität  zu  den  nrn 
|lA  Yrfnden  Zellea  eigen  ist;  daher  auch  ihre  Wirksamkeit  auf  <li 
olliliel  des  menschlichen  Ovariums.  Ausser  dieser  über  die  Ovaria 
führenden  indirekten  Wirkung  auf  den  Uterus  muss  man  d.?  £ 
lichkeiten  einer  direkten  Beeinflussbarkeit  sowie  mit  grosser  Wahr 

hch6  hSS  gUCh  Cr1C  F.enTirkl!ng  durch  Röntgenstrahlen  für  m 
üu  f  m  •  K  Ze  Beschreibung  der  Technik  der  gynäkologische' 

-  tiahleiitherapie,  insbesondere  der  Dosimetrie,  der  Felderbestra'hlunc 
und  der  btrahlenfiltrierung.  Auf  Grund  der  bereits  beobachtetet 

-  ehadigungen  durch  Röntgenstrahlen  bekennt  sich  K  zu  dem  therV 
peu tischen  Grundsatz:  So  wenig  Strahlenmengen  wie  mSch? 

„nInAlzl.ert  lst  dlC  Röntgentherapie  in  erster  Linie  bei  kfimakteri 
tn  I  lutungen,  deren  Gutartigkeit  durch  eine  vorhergehende  Prob 
a  masio  festgestellt  worden  ist.  Eine  Verstärkung  der  Menses  nach  de. 
ersten  oder  zweiten  Bestrahlungsserie  ist  als  günstiges  Zeichen  für  pin 
ei  iolgversprechende  Behandlung  aufzufassen.  An  2.  Stelle  stehen  die 
wpTA  dtren  Bes.trahlungsindikationen  sich  erfreuliche 
OnpSefdeCken  1 11  dV Y6  en  F.äHen  mit  den  Kontraindikationeii  der 
peiation,  so  z.  B.  hinsichtlich  einer  hochgradigen  Anämie  Zu  er 
mnern  ist  jedoch  daran,  dass  das  Myommaterial  stets  ein  aus* 
Mvnmp  Matenal  darstellt.  Denn  es  eignen  sich  nicht  zur  Bestrahlung - 
V°u  braaen  UI?ter  35  fahren,  submuköse,  vereiterte  ver- 
auchte,  sai  komatose,  inkarzerierte  Myome  und  solche  mit  Carcinoma 
uteri  kombinierte.  —  Die  Dysmenorrhöe  wird  wegen  der  möglichen 

u?rApCh£ld-SUng  !Th  ZU  erwartender  Kinder  meist  nicht  bestrahlt 
AAd  a  koanenl  ebensowenig  ist  die  Aborteinleitung  mit  Röntgen 
fSn  T  ratsam' .  Pruritus,  Osteomalazie  und  inoperablen  ma- 
L  i/U7ren  1S  die  R°ntsentherapie  sehr  zu  empfehlen,  die  sMi 
findet  gegenüber  jedoch  noch  im  Versuchsstadiurn  be- 

Glauklmr  Grüter:  Ueber  Skleraltrepanation  nach  EU  io  t  bei 

Der  Vortragende  berichtet  zunächst  über  die  Fortschritte  die  in 

1Si?ernI^i?Adl,rCh  Einführung  der  ComeVrfe  Lh 
c  h  i  o  t  z  und  durch  Anwendung  der  B  j  e  r  r  u  m  sehen  Methode 

dertZerntd?ee”k?efa?tSfeldYrÜfUnA  gYmacht  worden  sind.  Dann  schil- 
verlauf  di>  KnmÄ' epanatl01l*.  dle.  Technik  des  Verfahren,  den  Heii- 
vnH  Ho'  die,. Kompilationen,  die  Vorzüge  und  Nachteile  der  Methode 
und  das  Indikationsgebiet.  Zum  Schlüsse  werden  die  bisher  in  der 
Marburger  Augenklinik  gewonnenen  Resultate  mitgeteilt.  Der  Vor- 
bmev‘dvnemplle5  1  die  Methode  bei  allen  Formen  des  primären  Glau- 
leoms  Voiaussetzung  ist  immer,  dass  die  Fälle  nicht  zu  weit  voree- 

hphlirhA  SHp  iBei  Starke-‘‘  Finschräntrung  des  Gesichtsfeldes  und  er- 
Frfn  ?^  R^ra bsetzung  aer  Sehschärfe  hatte  die  Operation  keinen 

Dmänte.ßFrfrX  A-VeaileH  Glaukoumen  zeigte  sich  in  einem  Falle  ein 
SnrElu  h'  us  ,handelte  sLlch  um  ein  2  Jahre  altes  Kind.  Die 
Vnrrwt  tt  Flornhaut  war  nach  der  Operation  dauernd  klar  und  die 

Kn?6  iwY6r  rUrde  bei  ^iner  drei  Monate  später  vorgenommenen 
Kontrolluntei suchung  entschieden  tiefer  gefunden.  Bei  dem  anderen 

Hr-nAiA1’  ?,lneA  Kinde  von  5  Jahren,  hat  sich  der  intraokulare  Druck 
wAn  dllRert'  Aie  Beobachtungszeit  beträgt  allerdings 'erst  vier 
lAukp Api86^  mebrerei?  Fähen  von  Sekundärglaukom  wurde  eine 
JA  blg  ie!ld?’  abe,r  keine  dauernde  Druckherabsetzung  erzielt; 
naher  kommt  eine  Skleraltrepanation  für  diese  Glaukomform  im  allge¬ 
meinen  wohl  nicht  in  Betracht. 

.  ,Hen,  J^.agn“s  demonstriert  einen  Fall  von  Aktinomykose, 
uer  durch  Röntgenbestrahlung  zur  Ausheilung  gebracht  worden  war. 

ie  oo  jährige  Frau  kam  mit  einem  kirschgrossen  Tumor  in  der 
unge  zur  Aufnahme;  bei  der  Inzision  entleerten  sich  wenige  Tropfen 
dicken, .  gelben  Eiters  mit  zahlreichen  Aktinomyzeskörnern.  Mehrere 
läge  blieb  die  Wunde  unverändert,  dann  wurde  mit  Röntgenbe- 
8;ra  i,  .g  begonnen.  Die  Kranke  erhielt  im  Laufe  von  3  Tagen  eine 
Volldosis  und  jetzt,  4  läge  nach  der  letzten  Bestrahlung,  ist  der 
i  urnor  fast  verschwunden,  die  Wunde  ist  geschlossen,  der  Rand  über¬ 
all  weich.  —  Gleichzeitig  wird  von  zwei  ähnlichen  Fällen  berichtet, 
c  ie  ebenso  behandelt  worden  waren.  Ein  18  jähriger  Mann  kam  mit 
einem  Rezidiv  zur  Aufnahme;  Heilung  durch  eine  Volldosis.  In  dem 
dritten  Falle  war  Aktinomykose  nicht  festgestellt  worden,  klinisch 
kam  jedoch  nichts  anderes  in  Betracht.  Es  bestand  eine  derbe  In¬ 
filtration  in  der  Wange,  die  auf  Kiefer  und  Jochbogen  Übergriff  und 
zu  einem  ziemlich  erheblichen  Trismus  geführt  hatte.  Auch  hier 
i  t  u  n?-  durch  3  malige  Bestrahlung.  6  Tage  später  war  von  der 
n  utration  nichts  mehr  nachweisbar,  der  Kranke  konnte  den  Mund 
in  last  normaler  Weise  öffnen.  Die  von  Levy  mitgeteiltcn  guten 


0.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1123 


|  rfahrungen  mit  dieser  Behandlungsweise  aus  der  Breslauer  Klinik 
essen  sich  also  in  vollem  Umfange  bestätigen. 

Herr  R  ö  in  e  r  (nach  gemeinschaftlichen  Versuchen  mit  Stabsarzt 

'r.  Viereck):  Beiträge  zur  Behandlung  und  zum  Wesen  der  Diph- 

lerielähmung. 

Der  Besitz  eines  Diphtheriegiftes,  das  ohne  Zumischung  von 
ntitoxin  im  Meerschweinchenversuch  prompt  Lähmungen  erzeugt, 
ab  Gelegenheit  zu  einer  grossen  Reihe  von  Versuchen  über  die 
lerapeutische  Leistung  des  Diphtherieantitoxins  gegenüber  der  Diph- 
lerielähmung.  Die  Ansichten  der  Praktiker  gehen  hier  weit  aus- 
nander;  man  kann  die  4  folgenden  gegensätzlichen  Meinungen 
nden: 

1.  Das  Diphtherieserum  hat  nicht  nur  keine  Wirkung  gegen  die 
ähmung,  sondern  begünstigt  das  Entstehen  der  Lähmung. 

2.  Das  Diphtherieserum  ist  gleichgültig  für  die  Frage,  ob  Läh- 

uingen  folgen  oder  nicht. 

3.  Das  Diphtherieserum  wirkt  vorbeugend  gegenüber  den  Füh¬ 
lungen. 

4.  Das  Diphtherieserum  ist  wirksam  sogar  bei  schon  ausge¬ 
rochener  Lähmung. 

Aus  den  Versuchen  der  Vortragenden,  die  in  Form  übersichtlicher 
•iagramme  wiedergegeben  werden,  ergibt  sich: 

ad  1 :  Die  begünstigende  Wirkung  des  Serums  ist  nur  eine 
Jieinbare.  Akut  tödliche  Diphtherievergiftungen  werden  im  Ver- 
ich  unter  geeigneten  Bedingungen  in  untertödliche  mit  nachfolgender 
ähmung  verwandelt. 

ad  2  und  3:  Das  Diphtherieserum  ist  ganz  und  gar  nicht  gleich- 
iiltig  für  die  Frage,  ob  Lähmungen  folgen.  Rechtzeitig  angewandt, 
irkt  es  mildernd  auf  sonst  nachfolgende  schwere  Lähmungen  und 
erhiitet  unter  geeigneten  Bedingungen  jede  Lähmung. 

ad  4:  Dagegen  kann  von  einer  heilenden  Wirkung  des  Diphtherie- 
;rums  bei  bereits  ausgebrochener  Lähmung  keine  Rede  sein. 

Die  gleiche  Anwendungsweise  des  Diphtherieserums,  die  sich 
egen  die  akute  Diphtherievergiftung  wirksam  erweist,  ist  auch  die 
este  gegenüber  der  Diphtherielähmung,  d.  h.  möglichst  frühzeitige 
ud  wenn  möglich  intravenöse  Anwendung.  Viel  weniger  wichtig  als 
eitpunkt  und  Applikationsweise  ist  die  Dosierung  des  Diphtherie- 
;rums. 

Weitere  Versuche  zum  Wesen  der  Diphtherielähmung  zeigten, 
ass  im  Meerschweinchenversuch  sich  konstant  mit  besonderen  Unter- 
ichungsmethoden  zuerst  eine  lokale  Diphtherielähmung  nach¬ 
eisen  lässt,  an  die  sich  erst  später  allgemeine  Lähmung  anschliesst 
Demonstration  im  Bild). 

Die  Untersuchung  verschiedener  Diphtheriegifte  auf  ihren  Gehalt 
n  Lähmungsgift  ergab  die  grössten  Differenzen.  Obwohl  dieser  Be¬ 
rnd  zunächst  für  die  Ehrlich  sehe  Lehre  zu  sprechen  scheint,  dass 
ie  Diphtherielähmung  durch  ein  von  dem  akuten  Toxin  verschiedenes 
oxon  verursacht  sei,  sind  die  Vortragenden  hinsichtlich  der  Annahme 
nes  besonderen  Lähmungsgiftes  zurückhaltend,  da  alle  Trennungs¬ 
ersuche  von  Toxin  und  Toxon  fehlschlugen  und  die  Befunde,  die  zur 
oxonhypothese  geführt  haben,  angesichts  der  vielfachen  Unklar¬ 
eren  in  der  Wirkung  der  Bakteriengifte  auch  anders  erklärt  wer- 
en  können.  Eine  endgültige  Entscheidung  ist  indes  noch  nicht 
löglich.- 

Diskussion:  Herr  Römer:  Zu  der  Anfrage  des  Herrn 
l  a  1 1  h  e  s,  ob  nicht  die  lokale  Diphtherielähmung  einfach  auf  einem 
ebergreifen  des  lokalen  Entzündungsprozesses  beruhe,  ist  zu  be- 
lerken,  dass  manche  Gifte  trotz  heftiger  lokaler  Entzündungserschei- 
tingen  nicht  lähmen  und  andere  lähmen,  obwohl  die  lokalen  Erschei¬ 
nen  gering  sind. 

Herrn  Kleinschmidt  erwidert  der  Vortragende,  dass  selbst- 
erständlich  Schlüsse  vom  Tier  auf  den  Menschen  immer  nur  unter 
orbehalt  zu  ziehen  sind,  dass  wir  aber  auch  mit  einer_  Diphtherie- 
azilleninfektion  beim  Tier  die  Bedingungen  der  menschlichen  Diph- 
lerie  nicht  genau  nachmachen  können.  Die  Versuche  mit  der  Diph- 
lerievergiftung  am  Meerschweinchen  haben  jedenfalls  keinen  Be¬ 
eis  für  die  Ueberlegenheit  der  exorbitant  hohen  Antitoxindosen  ge- 
efert,  wie  sie  in  letzter  Zeit  von  manchen  Praktikern  angewandt 
erden. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  Februar  1913. 

1.  Herr  Klar:  Demonstration  einer  Luxation  des  Oberarms  im 
nschluss  an  H  e  i  n  e  -  M  e  d  i  n  sehe  Krankheit.  Röntgenbild.  Be- 
mdlung:  Massage  und  Elektrizität;  später  wohl  blutige  Reposition 
nd  im  Anschluss  daran  Arthrodese  des  Schultergelenks. 

2.  Herr  Nadoleczny:  Ueber  die  Unfähigkeit,  Lesen  zu  lernen 
logen,  kongenitale  Wortblindheit)  und  ihre  Beziehung  zu  Sprach- 
örungen. 

Schilderung  dreier  eigener  Fälle  (im  ganzen  nur  64  in  der  Lite- 
itur  beschrieben).  Das  Symptomenbild  der  sogen,  kongenitalen 
/ortblindheit  gestaltet  sich  folgendermassen :  Die  meisten  Kinder 
nd  intelligent,  gehören  manchmal  sogar  zu  den  besseren  Schülern, 
ie  haben  oft  ein  gutes  akustisches  Gedächtnis  für  auswendig  Ge- 
rntes  und  können  z.  B.  ihre  Lesestücke  auswendig,  wodurch  sie 
ie  Lehrer  über  ihre  Unfähigkeit,  zu  lesen,  täuschen.  Sie  zeichnen 
leistens  gut  und  haben  auch  oft  ein  gutes  optisches  Gedächtnis,  ihre 


scharfe  Beobachtungsgabe  wird  hervorgehoben.  Sie  rechnen,  soweit 
sie  sonst  normal  sind,  gut  und  lesen  Zahlen  und  Buchstaben  gewöhn¬ 
lich  gut,  lernen  letztere  aber  schwer  und  kennen  bisweilen  seltener 
gebrauchte  Buchstaben  nicht.  Worte  können  sie  nicht  immer  lesen, 
auch  nicht  selbst  abgeschriebene,  oder  sie  haben  mit  Mühe  (Jas  Lesen 
kleiner  Worte  erlernt.  Sie  machen  im  Lesen,  wenn  sie  etwas  fort¬ 
geschrittener  sind,  mit  Vorliebe  Ergänzungsfehler.  In  schweren 
Fällen  wird  es  ein  vollkommener  Unsinn.  Vorbuchstabierte  Worte 
können  oft  nicht  zusammengesetzt,  also  auch  nicht  ausgesprochen 
werden.  Das  Abschreiben  ist  fast  nur  ein  Nachmalen  ohne  Ver¬ 
ständnis.  Beim  Spontan-  und  Diktatschreiben  treten  die  nämlichen 
Fehler  zu  Tage  wie  beim  Lesen.  Den  eigenen  Namen  schreiben  die 
Patienten  als  Bild,  ohne  ihn  zu  buchstabieren.  Es  kommt  auch  vor, 
dass  sie  ganz  falsch  Gelesenes  richtig  verstehen.  Das  Lesen  musi¬ 
kalischer  Noten  ist  unmöglich  oder  erschwert.  Die  Krankheit  ist 
nicht  selten  familiär.  Ueber  gleichzeitige  Sprachstörungen  (wie 
in  2  Fällen  N.s)  ist  wenig  berichtet.  In  den  meisten  Fällen  ver¬ 
schwindet  die  Unfähigkeit,  lesen  zu  lernen,  allmählich  teilweise,  es 
bleiben  aber  immer  noch  Ueberreste.  —  Die  Erklärung  des  Leidens 
ist  schwierig.  Es  kann  sich  um  eine  mangelnde  assoziative 
Verknüpfung  zwischen  Buchstaben-  bzw.  Wortbild  und  lautmotori¬ 
schem  Wort  handeln  oder  es  kann  das  Wortbild  als  solches  nicht 
oder  unvollkommen  apperzipiert  werden.  Eine  genaue  psycho¬ 
logische  Erforschung  der  einzelnen  Fälle  ist  auch  mit  Rücksicht  auf 
die  Therapie  notwendig.  Der  Schreibleseunterricht,  wie  wir  ihn 
haben,  wird  im  allgemeinen  der  rechte  Weg  sein  für  alle  nicht 
extrem  visuellen  Vorstellungstypen. 

Diskussion:  Herren  Isserlin,  v.  Heuss,  Hecker, 
Nadoleczny  (Schlusswort). 

3.  Herr  v.  Pfaundler:  Die  Zentralrnolkerei  in  München  hat 
auf  seine  Veranlassung  die  Zubereitung  einer  Vorzugsbuttermilch  für 
Zwecke  der  Säuglingsernährung  übernommen.  Diese  Buttermilch 
wurde  auf  der  Säuglingsabteilung  der  Kinderklinik  seit  einem  Viertel¬ 
jahr  in  allen  wichtigen  Indikationen  erprobt.  Das  Fabrikat  ent¬ 
sprach  allen  Anforderungen  bei  der  Untersuchung  und  im  Ernährungs¬ 
experiment,  namentlich  im  Allaitement  mixte.  Die  Bereitung  solcher 
Buttermilch  im  kleinen  ist  umständlich,  unwirtschaftlich  und  miss¬ 
lingt  häufig  trotz  sorgfältigen  Vorgehens.  '  Es  dürfte  daher  für  die 
Münchener  Kinderärzte  von  Interesse  sein,  zu  wissen,  dass  besagtes 
Fabrikat  von  der  Zentralmolkerei  bezogen  werden  kann. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  16.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  Müller. 

Herr  v.  Rad:  Ueber  motorische  Apraxie. 

Nach  einleitenden  Ausführungen  über  das  Wesen  und  die  ana¬ 
tomische  Lokalisation  der  apraktischen  Störungen  bespricht  Verf.  fol¬ 
genden  Fall  von  rechtsseitiger  Hemiplegie  und  linksseitiger  Apraxie, 
der  im  Krankenhause  zur  Beobachtung  und  zur  Sektion  kam. 

Bei  einem  51  jährigen  Manne  kam  es,  nachdem  wiederholte 
Krampfanfälle  mit  totaler  Bewusstlosigkeit  und  ein  stetiges  Nachlassen 
der  Intelligenz  und  des  Gedächtnisses  sich  entwickelt  hatte,  am 
9.  III.  12  zu  einer  apoplektiform  entstandenen  Lähmung  der  rechten 
Körperhälfte.  Das  Bewusstsein  kehrte  rasch  wieder  zurück,  aber  im 
weiteren  Verlaufe  zeigten  sich  ausgesprochene  Störungen  auf  psychi¬ 
schem  Gebiet,  die  sich  vor  allem  in  gemütlicher  Abstumpfung,  man¬ 
gelhafter  Ansprechbarkeit,  ungenügender  Orientierung  und  starker 
Abnahme  des  Gedächtnisses  äusserten.  Die  rechte  Körperhälfte  war 
gelähmt,  die  Parese  im  Bein  noch  stärker  als  im  Arm,  Babinski  und 
Oppenheim  waren  rechts  deutlich  positiv.  Die  Abdominal-  und  Kre¬ 
masterreflexe  waren  rechts  nur  ganz  schwach  auszulösen. 

In  den  ersten  Tagen  nach  dem  Insult  bestand  leichte  motorische 
Aphasie,  die  sich  aber  bald  völlig  zurückbildete.  Das  Sprachverständ¬ 
nis  war  stets  intakt. 

Die  Prüfung  auf  Apraxie  ergab,  dass  Lidschluss,  Lippen-  und 
Zungenbewegungen  beiderseits  ohne  jede  Störung  ausgeführt  werden 
konnten. 

Im  linken  Arm  bestand  deutlich  motorische  Apraxie. 

Die  Ausführung  von  elementaren  und  Ausdrucksbewegungen  war 
ebenso  unmöglich,  als  das  Markieren  und  Ausführen  von  Zweck¬ 
bewegungen.  Die  verlangten  Bewegungen  gelangen  auch  nach 
wiederholtem  Vormachen  nicht,  nur  Anzünden  und  Auslöschen  einer 
Kerze  gelang  mit  ausgiebigen  Nachhilfen  einigermassen. 

Im  linken  Bein  war  keine  Apraxie  nachzuweisen. 

Während  der  ganzen  Beobachtung  fiel  auf.  dass  der  linke,  nicht¬ 
gelähmte  Arm  spontan  fast  gar  nicht  bewegt  wurde. 

Nach  einem  Anfang  Mai  1910  aufgetretenen  schweren  epilep¬ 
tischen  Anfall,  der  vorwiegend  die  linke  Körperhälfte  betraf,  ent¬ 
wickelte  sich  eine  völlige,  schlaffe  Lähmung  der  linken  Körperhälfte, 
der  Patient  nach  wenigen  Tagen  erlag. 

Die  Sektion  ergab  eine  ausserordentlich  starke  Arteriosklerose 
aller  Gehirngefässe,  auch  die  kleinen  Arterien  der  Konvexität  zeigten 
auffallend  starke,  herdförmige  Verdickungen.  Auf  der  Höhe  des 
oberen  Drittels  der  linken  Rolando  sehen  Furche  fand  sich  ein 
dreimarkstückgrosser,  leicht  eingesunkener  und  graugelb  gefärbter 
Erweichungsherd.  Eine  weitere  Erweichung  fand  sich  im  Bereiche 
des  linken  Gyrus  cinguli. 


1 124 


zefüli?te  Zeri™' kfürter^  n.eurol°eischen  Institut  freundlichst  durch- 
£  l/  i  es  Gehirns  m  Serienschnitte  ergab  zunächst  dos 

vorderen  und  mTtSen  1er  >inke"  Balkenhälfte  S,  ihren 

der  Arteri-  cornör  rSi««—hn,tt  fcs  tand  sicb  i,,f(,lRc  Thrombose 
sächHch  den  hE  srcal,0S1  e,n  Rösser  Erweichungsherd,  der  haupt- 

t  af  Dieser  R  hc,n?ul1  u,ld  die  !i"kc  Balkenstrahlung  be- 

‘?seC-  ner<-1,  z°kr  »ach  oben  und  vorne  noch  in  seinen  Bereich 
die  I.  linke  Frontalwindung,  die  bis  auf  einen  geringen  lateralen  Rest 

nS«"  K  f‘T  ?-"Ch  dic  -edialef aK;,!1“  defpara-' 

Praecuneus  af!  f  dcr  l(jre"7rc  zw,schen  Parazentrallappen  und 
raccuneus  [and  der  fcrweichungsherd  sein  Ende 

£  VSXSÜtiäS  a*&  'ygi£3SJt 

fiihrthat)  Z“  der  linksseili^"  Lähmung  ge- 

säSS,S53»3S 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2i 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften 


(Eigener  Bericht.) 


K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte 


Sitzung  vom  2.  Mai  1913. 


G.  Engel  mann  stellt  einen  Mann  vor  bei  welchem  er  HqC 

gei?^mme7eh!1tderiiyPr0Sk0liMiSCv,hen  Wirbelsäule  »ach  Abott  vor¬ 
genommen  hat.  Bei  dieser  Methode  wird  die  Redression  in  st-irir' 

?in™^n^4tachee"SS^f2St  K^Ske"  ^rkSruVT«! 

In  diesen  VerLVi  ausgeiuhrt,  sodann  ein  Gipsverband  angelegt 

Sliülüll 

ssisSrsri;sf"r::~«:~ 

Hochenegg.  aDfseGe?chwüJdwarDscrhoi!ae||n  ^  ^ 

kokkus  Salomon:  Demonstration  eines  Falles  von  Nierenechino- 

e  Barn  ist  bald  klar,  bald  wieder  eitrig  getrübt 

Luxation’ dVes'yinkeinWH  rfLe[:  ß|utip.  ^Position  einer  angeborenen 

guter  Erfolg S  S  m-S  f  1,CI  ?,inem  16  jährigen  Mädchen, 

u  her  Die  hhTol^  d  heI-  geht,ohne  Verband  schmerzlos  leidlich 
e is  l  tlke  RePosition  gelingt  m  diesem  Alter  schon  selten 

eine  V'fi  Thrilr0ph  stellt  aus  der  Frauenklinik  Prof.  Wertheims 
1  lri§re  Frau  vor  mit  Uterusperforation,  Verätzung  einer 
gi-ossen  Darmpartie  bis  zur  stellenweisen  Gangrän,  starker  Blutung  in 

S »Äf Tt1"'0?'  V?rletz,“"“  »derVrr’osi“,  emes  Mese," 
versuch  vorhevf  n L  dDasSf  hier  ein  krimineller  Abtreib, mgs- 

vernm,?  J°r,,e£t.  D  ^  kleine  Perforationsöffnung  im  Uterus  wurde 

dehnung  «Lr^m ?  5*™  ^urd®,sfmt  Mesenterium  in  grosser  Aus- 
Art  der  ätzenden  FlfissbikTi^Lnnt^nk^it^ruierT'werde^die^ranke 

welches Aini^rs£SoctinZcScein  ch°ndrodystrophisches  Mädchen  vor, 
Mutte?  zei?tallS  d'tLfSelhen  Pathologischen"1  VerändeTuSn  6  wS “‘die 
~  ÄÄWÄ  utfd'  ^Ä*gÄ 

"nd  WerE,eich?  ™‘  einem "ÜÄ 

B»nKsssrBSJr£'tSwSnrsi!r 

desTsTnom«?  vielfacl,c  R'"Kelfalten  gelegt  etc.  Der  Vater  des  Kn,' 
matose.  SChUr'  Erfolgrciche  Benzoltherapie  der  Lymphogranulo- 


simttltM,  v  sämtlicher  Lymphdrüsen,  namentlich  der  medi 
1*0  koJl,^r»SeM-.daher  ,s,tarke  Dyspnoe.  Blutbefund:  polynukleär 
;'tukjZV.t(lse-  Milz-  und  Leberschwellung.  Pat.  wurde  früher  i.fö., 

riiek  V',1|-pyC|IStra  fle"  b?hande,t’  die  vergrösserten  Drüsen  gingen  zi 
nick,  rezidivierten  aber  immer  wieder.  Zeitweilig  Eieberamili. 

Form  irSf"i  !Ci'  Behandlung  mit  Benzol  innerlich,  Dosis  ‘Im 
,  ’Hf  bei  d®n  Leukamikern.  verkleinerten  sich  fast  alle  Drüse 
u  id  zeigten  bisher  -  seit  ca.  7  Wochen  -  keine  VerirösseS 

Kenyaiieh  e‘nIe  weitere  Abnahme.  Der  Fall  muntert  dazu  auf  di 
LnzolbeliaiKllung  auch  bei  Lymphogranulomatose  zu  versuchen’  zu 

läi  srhiieslC|",Zi?  ahnvch  w‘rkt  wie  die  Röntgenstrahlen.  Der  Vorn 
rat  schliesslich  zui  Vorsicht  bei  der  Benzolbehandlung,  da  er  seih« 

in  einem  halle  eines  malignen  Tumors  ein  fast  vollständiges  Schwül 
zyten  gälte  reobaehfete  K‘,bikm>l|imeter  „ar  200  Lek,, 

den  L^eU;'l)LLaK„5^VnV^fder^!S:yPl,,,S-  S<*«“  - 

ParfW|‘rd  .!lber  Beobächtungen  in  der  Quarantäne  im  Seelazaret 
Sein  Bar tolomao  in  Inest  an  19  Blattern-  und  12  Elecktyphusfäl  ef,  ri, 
gehend  berichtet,  die  2  Formen  des  Flecktyphus  werden  nach  ihrer 
AnÄmen  Und  Verlaufe  beschrieben  und  dabei  alf  die  sta  k 
Ansteckungsmoghchkeit  hingewiesen.  Die  grosse  Morbidität  in 
Mortahtat  unter  dem  Pflegepersonale  und  den  Aerzten  bef  FleS 
typhus  wird  auch  von  anderer  Seite  bestätigt.  b  eck‘ 

BisheF  TJ:  vemo"",ratb»n  eines  Oesophaguskarzinoms. 

.•  lstiei  hatte  sich  dei  Vortr.  den  Bestrebungen  der  Radikaloner  i- 
, d  m  Oesophagiisln-ebse  gegenüber  ablehnend  verhalten  doch 
dben  !hn  _  I  ublikationen  der  letzteren  Zeit,  die  von  Ach  und  von 
Zauer  veranlasst,  der  Sache  einmal  näher  zu  treten  Ein  Patient 
mit  Krebs  ,m  unteren  Drittel  der  Speiseröhre  entschloss  sich  zlr 
perahon.  Es  wuide  die  8.  Rippe  in  grosser  Ausdehnung  reseziert 
e.nöffnSemiZUing  deS  Oeberdruck Verfahrens  die  linke  Pleurahöhle  weit 
e  oftnet  die  Lunge  zur  Seite  geschoben,  der  Tumor  von  der  Aorta 

y«^lr°S  ’  jedo,cb  n‘cbt  ffanz  entfernt,  da  er  schon  mit  den  Hauptver- 
der  Art.  und  Vena  pulmonalis  innig  verwachsen  war 
L  er  Ki  anke  starb  ati  Schock,  das  Karzinom  war,  wie  auch  die  Sektion 

wan5’  t‘n  vies,em  ,Falle  schon  '»operabel  gewesen.  Gleichwohl  ge 
1er  Vortr-  d?n  ^,Icheren  Eindruck,  dass  sich  ein  solches  Oeso- 
"skarzinom  un ter  Umständen  (Anfangsstadium,  wenige  oder  keine 
Verwachsungen)  wohl  ohne  besondere  technische  Schwierigkeiten 
yvm  r„rde,  exstirpieren  lassen,  besonders  wenn  man  däfäui  ver- 
?IL1iet'  die  Lumina  des  Oesophagus  wieder  zu  vereinigen.  Der  Vorn 
beschrmbt  den  Vorgang,  den  Ach  und  Z  a  i  j  e  r  bei  dieser  Operation 
emschiugen  und  mochte  mit  seiner  Demonstration  die  Anregung  -p. 
geben  haben,  in  geeigneten  Fällen,  nachdem  man  sich  durch  Oeso- 
phagoskopie  und  Probeexzision  von  der  Art  des  Leidens  iihoryrmrt 
und  der  Kranke  bei  Kenntnis  der  OefährlichkeiPdtt  Q  m  Hel  se  n 
Zustimmung  gegeben  hat.  die  Exstirpation  des  Neugebildes  unter  Ve 

Ä  0es°Pba^s  voTzuSmen  Viel- 

leicht  konnte  dann  der  Eingriff  mit  Erfolg  ausgeführt  werden. 

B.  Lipp  schütz  demonstriert  ein  Mädchen  mit  einem  eigen, 
artigen  Geschwüre  am  Genitale.  Ein  kreuzergrosses  Geschwür  süz- 
an  der  Innenseite  eines  kleinen  Labiums,  nicht  weit  davon  ein  zweites 
locheisenformig  gestaltetes  Geschwürchen.  Hymen  intakt  Sm 
Lluor,  keine  Drusenschwellung.  L.  hat  darüber  unter  dem  Titel- 

berichtet  DieVFülte  acuHtum'.‘  bereits  ausführlich  an  anderer  Stell-** 
s  r  h  ,,  i  h;  o-?  ^  v,  Sind  uwicb  weil  es  sich  hier  um  ein  u  n  - 

ähnlich  aufsieht068^“"  handelt’  welches  aber  einem  Ulcus  molle 

beimEMensÖchennStein:  Ueber  drei  Fä"e  von  Hüh“ertuberkulose 

Zweimal  handelte  es  sich  um  kindliche  Nierentuberkulnse  ein  - 

log  sche^aBefnnHrkl|l0SHe'  P‘efe  FMle  Sind  sowohl  durch  den  bakterio¬ 
logischen  Befund  als  durch  den  klinischen  Befund  charakterisiert. 

A.  Bakteriologisch.  Bei  allen  Krankheitsfällen  hei  wel- 
n?ceht  ^athovenef«?tH  Bazillen  findeL  die  für  Meerschweinchen  aber 
}SLS?nnH  H™hd'  muS*  man  "och  Uebertraguiigsversuche  auf 
ei'nfar Hprp  /vi^h  Hühner-  und  einen  Reinkulturversuch  machen.  Eine 
S  Msc  ,’°,de  der  Infizierung  ist  die  Hautimpfung  mit  Geflügel- 

rhr  f  npSr?ii  Patienten  reagieren  auf  humanes  Tuberkulin  gar 
ment,  auf  ueflugeltuberkulin  sehr  heftig. 

B  Klinisch.  Der  Verlauf  war  in  2  Fällen  von  kindlicher 
GnfrepTnUpbreJ,UL  Sr  aUSStfrordentlich  ähnlich  und  erinnerte  an  de,!  Ver-  ' 
mit  „iS Ir  mT' n  beptikÜmue'  ()ft  iabrelang  bestehendes  Fiebe- 
Sn  ä  f  i? ""  h0her’  bis  zu  38’8  °  C  steigender  Abend- 
oeTatrn  HMrPhH°AhF  auffade"d  war  die  Beobachtung,  dass  die  Tem- 
knnntJ  a  ^  AntlPyretlka  (Pyramidon)  nicht  beeinflusst  werden 
„  ,  j  ■  r('  z  der  langen  Dauer  des  Fiebers  war  der  Allgemein- 

vrnlspn  Rayinurchaus  Rlins  ‘Rur'  ,  Die  Berdsymptome  sind  trotz  der 
grossen  Bazillenmengen  im  tuberkulösen  Herd  sehr  gering.  Die  bei- 

den  nur  auf  Geflugeltubeririiiin  reagierenden  Fälle  wurden  auch  mit 
n t o i n übe 1 U rv '  \u  ,* rl  b e h a " d c  1 1  und  sind  seit  einem  Jahre  völlig  sym- 
Hnwr'ß  Infektl0n  kann  durch  den  Genuss  von  Eiern  tuberkulöser 
enthältpn  f  i  afr  l°Ichf-  Eier  Tuöerkeibazillen  in  grosser  Menge 
ÄfiSn'p  k\nst,'ch  infizierten  Eiern  wurden  die  Hflhnertuberku- 
?  hlrr.it  durch  .Kernweich  -Kochen  nicht  geschädigt,  selbst  in 
o  haitgekochten  Eiern  liessen  sich  noch  lebende  Tuberkelbazillen 
nacnweisen. 

An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  Diskussion,  an  welcher  sich 
B-  Lippschutz  und  S.  Ehrmann  beteiligten. 


0.  Mai  1913. 


muenchener 


MEDIZINISCHE 


WOCHENSCHRIF' 


Generalversammlung  des  Deutschen  Zentralkomitees 
zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose. 

(Eigener  Bericht.) 

Der  Vorsitzende  des  Zentralkomitees,  Herr  Staatsminister 
•r.  Delbrück,  erinnerte  in  seiner  Eröffnungsrede  an  das  urspriing- 
che  Programm  der  Vereinigung,  für  die  Ersteinrichtungen  von  An- 
:alten  zui  Bekämpfung  der  1  uberkulose  Anregung,  Belehrung  und 
lilie  zu  bieten.  Dieser  Plan  hat  sich  als  erfolgreich  erwiesen,  denn 
ie  Organisation  hat  sich  eine  freie  Aktionsfähigkeit  bewahrt  im 
legensatz  zu  den  Zielen  privater  Wohltätigkeit,  die  eher  geneigt  ist. 
ir  lokale  Zwecke  mit  augenfälligem  Erfolge  Geld  herzugeben,  als 
ir  eine  Zentralstelle,  von  der  aus  es  erst  durch  einzelne  Kanäle 
jeder  ins  Land  geleitet  werden  müsste.  Die  Reichsversicherung 
letet  die  Aussicht,  in  noch  umfassenderer  Weise  den  Kampf  gegen 
ie  Volksseuche  zu  führen.  Das  Zentralkomitee  steht  mit  etwa 
)0  Vereinen  in  ständiger  Verbindung;  es  hat  seit  dem  Jahre  1891 
ine  Summe  von  2'A  Millionen  Mark  aufgebracht,  durch  die  private 
vohltätigkeit  konnten  ausserdem  in  der  gleichen  Zeit  etwa  10  Mil- 
onen  Mark  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  verwendet  werden. 

•  Aus  dem  Geschäftsbericht,  den  der  Generalsekretär  Herr  N  i  e  t  - 
c  r  erstattete,  ist  zu  entnehmen,  dass  das  Zentralkomitee  jetzt  über 
500  Mitglieder  zählt.  Für  die  Errichtung  neuer  Heilstätten  und  Fiir- 
irgestellen  wurden  im  abgelaufenen  Jahre  über  155  000  M.  aus- 
egeben;  es  bestehen  zurzeit  147  Heilstätten  für  Erwachsene  mit 
5  278  Betten.  Bei  einer  durchschnittlichen  Kurdauer  von  3  Monaten 
önnen  also  ca.  61  000  Kranke  behandelt  werden.  Für  Kinder  mit 
^gesprochener  Tuberkulose  gibt  es  27  Heilstätten  mit  1200  Betten, 
ir  skrofulöse  und  tuberkuloseverdächtige  Kinder  103  Anstalten  mit 
?00  Betten,  ln  22  Heilstätten  mit  1800  Betten  werden  Kranke  mit 
uochen-  und  Gelenktuberkulose  behandelt;  der  Auslese  dienen 
>  Beobachtungs-  und  Durchgangsstationen.  Für  Kranke  im  vor- 
>schrittenen  Stadium  gibt  es  222  Pflegeheime;  ihre  Zahl  hat  sich 
war  vermehrt,  ist  aber  noch  immer  nicht  ausreichend,  denn  ein 
•osser  Teil  dieser  Kranken  muss  noch  immer  in  den  Wohnungen 
leiben,  wo  die  Fürsorgestellen  sich  ihrer  annehmen.  Als  ein  er- 
euliches  Zeichen  sei  es  zu  begriissen,  dass  die  Tuberkulosesterb- 
chkeit  in  weiterer  Abnahme  begriffen  ist:  sie  ist  in  Preussen  von 
;1  200  im  Jahre  1911  auf  59  500  im  Jahre  1912  oder  —  auf  10  000  Ein- 
ohner  berechnet  —  von  15,12  auf  14,49  heruntergegangen.  Für  das 
eich  liegen  die  statistischen  Berechnungen  noch  nicht  vor. 

Herr  Ritter-  Edmundstal  hielt  sodann  einen  Vortrag  über 
Teilstätte  und  Krankenhaus  in  der  Versorgung  der  Tuberkulösen“, 
ie  Unterbringung  tuberkulöser  Personen  in  Heilstätten  hat  einen 
)ppelten  Zweck;  bei  Fällen  mit  geschlossener  Tuberkulose  dient  sie 
.‘tn  Interesse  des  Kranken,  bei  solchen  mit  offener  Tuberkulose  dem 
iS  Kranken  und  der  Allgemeinheit  zugleich.  Die  Gefahr  der  An- 
eckung  ist  sicherlich  früher  überschätzt  worden,  jetzt  dürften  die 
uswfichse  der  Ansteckungsfurcht  überwunden  sein,  aber  man  soll 
e  Gefahr  auch  nicht  unterschätzen.  Aus  einer  Hamburger  Statistik 
:ht  hervor,  dass  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  sehr  wirksam  da- 
lrch  bekämpft  werden  kann,  dass  die  Tuberkulösen  des  letzten  Sta- 
ums  in  die  Krankenhäuser  kommen,  denn  gerade  in  diesem  Stadium 
nd  sie  für  ihre  Umgebung  am  gefährlichsten.  In  dem  Zeitraum  von 
!96  bis  1912  ist  die  Tuberkulosesterblichkeit  in  Hamburg  von  10,19 
if  8,64  auf  10  000  Einwohner  zurückgegangen.  Hierbei  wirken  natiir- 
:h  verschiedene  Verbesserungen  der  hygienischen  Verhältnisse,  wie 
e  Niederlegung  alter  und  die  Anlage  neuer,  hygienisch  günstiger 
adtteile,  Hebung  der  sozialen  Lage.  Belehrung  und  Aufklärung  des 
ublikums  mit.  Aber  es  fällt  doch  auch  der  Umstand  ins  Gewicht, 
iss  im  Jahre  1896  nur  40  Proz.,  im  Jahre  1912  dagegen  56  Proz. 
ler  Lungentuberkulosen  in  Krankenhäusern  gestorben  sind.  Die 
eigung  der  Kranken  zur  Krankenhausbehandlung  könnte  noch  ge- 
rdert  werden,  wenn  man  beim  Bau  von  Krankenhäusern  auf  die 
dage  besonderer  Tuberkuloseabteilungen  mit  kleinen  Krankensälen, 
ichlicher  Gelegenheit  zu  Spaziergängen  u.  dergl.  Rücksicht  nähme, 
iese  Abteilungen  müssten  so  ausgestattet  werden,  dass  die  Kranken 
eiwillig  hineingehen.  Die  Walderholungsstätten,  so  segensreich  sie 
i  sich  sind,  können  das  nicht  ersetzen,  was  die  Krankenhäuser  und 
eilstätten  bieten  sollen,  weder  in  prophylaktischer  noch  in  thera- 
utischer  Beziehung.  Es  muss  auch  darauf  Gewicht  gelegt  werden, 
ss  die  Kranken  nicht  bei  jedem  kleinen  Rückfall,  bei  jedem  vor¬ 
stehenden  Katarrh  oder  Eieberanfall  sogleich  die  Heilstätte  auf- 
chen;  gerade  für  diese  Fälle  sind  die  Krankenhäuser  vorzuziehen, 
agegen  haben  sich  die  Invalidenheime  nicht  bewährt,  denn  auch 
'anke,  die  selbst  keine  Hoffnung  auf  Heilung  mehr  haben,  bedürfen 
rgfältiger  und  sachgemässer  ärztlicher  Behandlung,  wie  sie  nur  im 
■ankenhause  geboten  werden  kann.  Stattet  man  aber  die  Invaliden- 
■ime  mit  entsprechenden  Einrichtungen  aus,  so  sind  es  eben  keine 
validenheime  mehr,  sondern  Tuberkuloseabteilungen. 

Im  Anschluss  an  diesen  Vortrag  besprach  Herr  Stuertz  -  Köln 
e  Einrichtung  von  Tuberkuloseabteilungen  in  allgemeinen  Kranken- 
iusern  und  schilderte  die  im  Bau  begriffene  Tuberkuloseklinik  in 
iln,  welche  ein  Bestandteil  der  Akademie  für  Medizin  werden  soll, 
dir  förderlich  für  die  Entwicklung  der  Sache  ist  der  Umstand,  dass 
Köln  die  Leitung  des  Medizinalwesens  in  ärztlichen  Händen  liegt, 
derartigen  Krankenhäusern  muss  neben  der  Lage  im  Freien,  der 
sserlich  anmutenden  Form  des  Hauses,  Gärten.  Veranden  der  volle 
erapeutische  Apparat  zur  Anwendung  kommen  können.  Dazu  ge¬ 
gen  Liegehallen,  Luft-  und  Sonnenbäder.  Der  Vortragende  hofft,  in 
m  neuen  Krankenhause  die  schon  jetzt  vielversprechenden  Ver¬ 


suche  mit  der  Pneumothoraxbehandlung  in  grösserem  Umfange  aui- 
nehmen  zu  können.  Man  bemüht  sich  jetzt  vielfach,  die  Heilstätten 
durch  Vor-  und  Durchgangsstationen  zu  entlasten.  Dabei  geht  aber 
nicht  selten  viel  kostbare  Zeit  verloren;  man  solle  deshalb  als  Durch¬ 
gangsstationen  Tuberkulosekrankenhäuser  wählen,  damit  könnte  man 
die  Erfolge  des  Aufenthaltes  in  den  Vorstationen  wesentlich  bessern. 
In  der  anschliessenden,  ziemlich  lebhaften  Diskussion  kam  besonders 
der  Gedanke  zum  Ausdruck,  dass  gegenüber  der  grossen  Zahl  von 
I  uberkulösen  Heilstätten  und  Tuberkulosestationen  nicht  ausreichen; 
es  müssen  Einrichtungen  zu  Hilfe  genommen  werden,  die  bei  niedri¬ 
gen  Herstellungs-  und  Betriebskosten  vielen  Kranken  zugute  kommen. 
Das  sind  die  Walderholungsstätten  und  Walderholungsheimstätten, 
welche  eine  wertvolle  Ergänzung  der  eigentlichen  Heilstätten  bilden. 

M.  K. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Kommission  für  Arbeiterhygiene  und  Statistik  des  Münchener 
Aerztevereins  für  freie  Arztwahl. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  6.  Mai  1913. 

K  a  u  p  berichtet  über  „Untersuchungen  an  Fortbil¬ 
dungsschüler  n“.  Die  heramvachsenden  Jugendlichen  sind  einer 
Reihe  besonderer  physiologischer  und  sozialer  Einflüsse  ausgesetzt: 
Die  Periode  der  2.  Streckung,  das  Vorauseilen  des  Längenwachs¬ 
tums  vor  Brustumfang  und  Gewicht,  die  geistige  und  sexuelle  Reifung 
fällt  zusammen  mit  dem  Austritt  aus  der  Schule,  dem  Beginn  beruf¬ 
licher  Tätigkeit,  dem  Verlassen  des  Elternhauses.  Fürsorgetätigkeit 
für  diese  Altersgruppe  beginnt  vielerorts  einzusetzen.  Doch  liegen 
für  diese  Bestrebungen  bisher  nur  mangelhafte  wissenschaftliche 
Grundlagen  vor.  (Untersuchungen  in  Thüringen,  Strassburg,  Schöne¬ 
berg,  Wien).  In  den  letzten  Jahren  sind  zuerst  von  französischen 
Militärärzten,  dann  auch  an  anderen  Stellen,  planmässige  Massen¬ 
untersuchungen  bei  Soldaten  und  jungen  Leuten  vorgenommen  wor¬ 
den.  Die  hierfür  als  Vergleichsgrundlage  dienenden  Masseinheiten 
(Index  von  P  i  g  n  e  t,  E  r  i  s  m  a  n  n,  L  i  v  i)  haben  sich  bei  Nachunter¬ 
suchungen  als  geeignet  erwiesen.  Es  ergeben  sich  Unterschiede  des 
Gesundheitszustandes  in  den  einzelnen  Berufsklasseri.  Ob  diese 
Unterschiede  schon  beim  Schulaustritt  vorhanden  waren  ob  sie  auf 
die  Berufswahl  einen  Einfluss  hatten  (Berufsauslese)  oder  ob  sie  sich 
erst  durch  die  berufliche  Arbeit  gebildet  haben,  ist  noch  nicht  genauer 
geprüft.  Die  Schulgesundheitsbogen  können  bisher  noch  nicht  bis 
zur  Heeresersatzuntersuchung  durchgeführt  werden.  Auf  Ersuchen 
des  Hygienischen  Institutes  hat  der  Stadtmagistrat  München  Unter¬ 
suchungen  der  Fortbildungsschüler  gestattet.  Zunächst  soll  der  Ge¬ 
sundheitszustand  von  ca.  4300  jungen  Leuten  geprüft  werden,  die  ge¬ 
wissen  Kontrastberufen  angehören.  Das  vom  Vortr.  entworfene  Er¬ 
hebungsblatt  sieht  die  Eintragung  der  Körpermasse,  der  sozial-hygie¬ 
nischen  Verhältnisse  und  des  klinischen  Befundes  vor.  Das  Institut 
erbittet  die  Mitwirkung  von  Aerzten  (besonders  zur  Feststellung  des 
klinischen  Befundes)  und  älteren  Medizinern  für  die  Durchführung  der 
grossen  und  erfolgversprechenden  Aufgabe. 

Epstein  berichtet  über  „Lehrlingsuntersuchungen 
i  n  M  ii  n  c  h  e  n".  Die  Untersuchungen,  die  Ref.  gemeinsam  mit  Ale¬ 
xander  vorgenommen  hat,  umfassen  zwar  nur  ein  bescheidenes 
Material  (220  Lehrlinge),  geben  aber  doch  manche  Hinweise.  Das 
Zentimetergewicht  ist  ein  ungeeigneter  Vergleichsmassstab,  da  es 
die  Längenunterschiede  nicht  berücksichtigt.  Der  E  r  i  s  m  a  n  n  sehe 
und  Pignetsche  Index  sind  etwa  gleichwertig.  Fehlerquellen  sind 
bedingt  durch  Fettansatz  (Bäcker,  Metzger)  und  durch  Erkrankungen 
ohne  Ernährungsstörungen  (guter  Index,  aber  33  Proz.  Herzkrank¬ 
heiten  bei  Gärtnern).  Klinische  Untersuchungen  zur  Ergänzung  der 
Masse  sind  daher  notwendig.  Zahlreiche  Erkrankungen  in  verschie¬ 
denen  Stadien  wurden  gefunden  und  durch  Ueberweisung  an  den  zu¬ 
ständigen  Arzt  der  Behandlung  zugeführt.  Bei  der  Berufswahl  spielt 
der  Beruf  der  Eltern  eine  grosse  Rolle.  Dies  erklärt  die  Häufigkeit 
einzelner  Krankheiten  in  manchen  Betrieben.  Die  Untersuchungen 
sind  wichtig,  ebenso  für  den  Staat,  wie  für  Arbeitgeber  und  Arbeit¬ 
nehmer.  Ertüchtigung  der  Jugend  ist  bedeutsam  für  die  Wehrfähig¬ 
keit,  in  gleicher  Weise  wie  für  Berufs-  und  Erwerbskraft. 

Diskussion:  M.  v.  Gr  über  (als  Gast)  betont  den  wissen¬ 
schaftlichen  Wert  der  beabsichtigten  Untersuchung.  Aus  metho¬ 
dischen  Gründen  wäre  die  lückenlose  Durchführung  der  klinischen 
Untersuchung  an  einzelnen  Fortbildungsschulen  sehr  erwünscht. 

Gewerkschaftssekretär  Timm  (a.  G.) :  Die  Gewerkschaften  wer¬ 
den  die  Untersuchungen  durch  Belehrung  und  Propaganda  unterstützen. 

StadtschulinspektQj-  Schmid  (a.  G.) :  Auch  die  Bezirksfortbil¬ 
dungsschulen  (Ausgeher,  Berufslose)  sollten  herangezogen  werden. 
Die  Schulgesundheitsbogen  der  Untersuchten  müssten  zur  Verfügung 
stehen.  Die  Arbeit  wird  auch  für  die  bisher  sehr  schematische  Lehr¬ 
stellenvermittlung  des  Arbeitsamts  wertvoll  sein. 

Stabsarzt  v.  H  e  u  s  s  (a.  G.)  berichtet  über  die  Ergebnisse 
der  Untersuchungen  an  Wehrkraftjungen,  die  in  den  Revieren  der 
Kasernen  vorgenommen  wurden. 

Kölsch  begriisst  die  Untersuchungen  vom  gewerbehygie¬ 
nischen  Standpunkt  aus. 

Sitzung  vom  15.  Mai  1913. 

Im  Kreise  der  Aerzte  und  Medizinstudierenden,  die  sich  zur  Vor¬ 
nahme  der  Untersuchungen  und  Erhebungen  zur  Verfügung  gestellt 


126 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20 


haben,  wurden  die  Untersuchungstermine  und  die  Methodik  der  Unter¬ 
suchungen  eingehend  erörtert.  Am  16.  Mai  wird  die  Arbeit  be¬ 
gonnen. 

, ..  ,*  a  s  N  y  g  i  e  n  i  s  c  h  e  Institut  und  die  Kommission 

*r  Arbeiterhygiene  und  Stastistik  des  Münchener 
A  e  r  z  t  e  v  e  r  e  1  n  st  iir  freie  Arztwahl  bitten  die  Aerzte 
f  d*K-.^eren  Mediziner,  die  Untersuchungen  an 
rortbildungsschülern  durch  ihre  Mitarbeit  zu 
unterstützen.  Meldungen  sind  an  Herrn  Prof.  Dr.  Kaup 
Manchen,  Hygienisches  Institut,  Pettenkoferstrasse  34,  T  7381  er- 
beten-  Koebner-München. 


Verschiedenes. 


Therapeutische  Notizen. 


13  pi  oz.  Neosalvarsaninjektionen  (intravenös). 

~^e  u°n  Ravaut  und  Duhot  empfohlenen  15  proz.  intra¬ 
venösen  Neosalvarsaninjektionen  empfehlen  sich  ausserordentlich 
wegen  lhi  er  leichten  Ausführbarkeit  für  die  allgemeine  Praxis, 
i  ™  fah: ru"e  benötigt  man  eine  10  ccm  haltende  Qlasspritze 

ohne  Metallteile,  da  diese  vom  Neosalvarsan  rasch  oxydiert  werden, 
und  eine  einfache  Nickelnadel,  am  besten  von  0,5  mm  Durchmesser, 
«ei  stärkerem  Durchmesser  strömt  nach  Einstechen  und  richtiger 
Lage  der  Nadel  in  der  Vene  zu  viel  Blut  in  die  Spritze  retour; 
ausserdem  können  bei  so  dünnem  Nadelkaliber  die  Injektionen  in  ganz 
schwache  periphere  Venen  gegeben  werden  —  eine  Applikations¬ 
weise,  die  sich  schon  deshalb  empfiehlt,  weil  ich  doch  relativ  häufiger 

•  v  J11!  US10n,  der  0,6  proz-  Lösung  Thrombosierung  sah.  Spritze 
wie  Nadel  werden  durch  Einlegen  in  Alkohol  sterilisiert.  Das  Neo- 

Pn  »  n Zu,  direikt  ,vor.  der  Iniekti°n  in  einem  ausgekochten 
Porzellannapfchen  gelost  und  zwar  0,15  Neosalvarsan  in  1 — lYz  ccm 

Lösungsmittel  kann  zwar  abgekochtes  Leitungs- 
benutzt  werden,  wenn  seine  chemische  Zusammensetzung  es 
Rrtnnf"  1  DaS  ,Nurnbf.rSer  Leitungswasser  ergibt  sofort  eine  leichte 
Braunfai  bung  des  gelosten  Neosalvarsan  und  die  Injektionen  ver- 
ui  Sachen  zumeist  Kopfschmerzen  für  einige  Tage,  weshalb  ich  erst 
zu  destilliertem  Wasser,  dann  zu  0,2  proz.  NaCl-Neosalvarsan  15  proz  ! 
Losung  überging.  Hierin  behielten  die  roten  Blutkörperchen  am 
hmgsten  ihre  normale  Gestalt  und  es  verliefen  auch  die  hiemit  aus- 
geiuhrten  Injektionen  völlig  reaktionslos. 

_,PlVPie  therapeutische  Wirkung  bei  bis  jetzt  60  Injektionen  war  die 
gleiche  wie  bei  Infusion  der  gleichen  Menge  Neosalvarsan  was 
eigentlich  selbstverständlich  ist.  q  ö  r  1  -  NiSr^ 


Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  320.  Blatt  der  Galerie  bei :  A  d  o  1  f 

1.1095  dieser  NinS“"  °eb“rts,aE'  VerEl  de"  Artikel 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 


München,  den  19.  Mai  1913. 

,  , Am  4 ■  ös-  fand  die  Jahressitzung  des  Herausgeber¬ 

kolleg  iu  m  s  der  Münch.  Med.  Wochenschrift  statt. 
Dei  vom  Redakteur  erstattete  Jahresbericht  1912  stellte  zunächst  die 
gll"st'ge  Fortentwicklung  des  Blattes  fest;  die  regel- 
RfsslFf  Auflage  betrug  am  Ende  des  Berichtsjahres  15  000.  Aus  dem 
ciicnt  ist  ferner  zu  erwähnen  die  einstimmig  beschlossene  Ge¬ 
währung  einer  auf  11  Jahre  unverzinslichen  Hypothek  von  125  000  M. 
an  den  Verein  I  ettenkoferhaus  (die  an  Stelle  einer  früher  be¬ 
willigten  Zinsgarantie  von  jährlich  5000  M.  zu  treten  hat);  die  Er¬ 
werbung  der  Bibliothek  des  verstorbenen  Geheimrat  v.  Bauer 
und  die  Inangriffnahme  der  Neukatalogisierung  der  Bibliothek  des 
Aerzthchen  Vereins  München,  entsprechend  einem  Beschluss  der 
elfjährigen  \  ersammlung.  Auch  die  Kontroverse  des  Redakteurs 
mit  dem  Generalsekretär  des  Leipziger  Verbands  kam  neuerdings 
zur  bprache,  im  Anschluss  an  die  in  den  Aerztl.  Mitteilungen  erfolgte 
Erklärung  des  Vorstandes  des  L.  V.  Diese  Erklärung  wurde  ver¬ 
glichen  mit  dem  Wortlaut  der  ergangenen  ehrengerichtlichen  Urteile 
und  es  wurde  festgestellt,  dass  die  Erklärung  den  Sinn  der  Urteile 
nicht  zutreffend  wiedergibt.  Aus  den  Ueberschiissen  des  Jahres 
wurden  u.  a.  folgende  Zuwendungen  beschlossen:  1000  M.  für  die 
versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands,  2000  M.  dem  Pen¬ 
sionsverein  für  Witwen  und  Waisen  bayerischer  Aerzte,  1000  M  dem 
Verein  zur  Unterstützung  hilfsbedürftiger  invalider  Aerzte  in  Bayern. 
500  M.  dem  Sterbekassaverein  der  bayerischen  Aerzte,  500  M.  für 
einen  ärztlichen  Freiplatz  im  Sanatorium  für  Lungenkranke  am 
Haustein,  5000  M.  dem  Pettenkoferhausfonds  des  Aerztlichen  Vereins 
tÜli  s°nsti8T  wohltätige  Zwecke.  Zusammen  mit 
ca.  2000  M„  die  im  Laufe  des  Jahres  bewilligt  wurden,  ergibt  sich 
ein  Gesamtaufwand  für  kollegiale  Wohlfahrt  von  12  600  M. 

~  Die  Frage,  ob  kassenärztliche  Vereine  durch  ge- 
i ichthche  Eintragung  die  Rechtsfähigkeit  erlangen  können,  ist 
vom  preussischen  Kammergericht  nunmehr  verneint  worden,  da  nicht 
nur  der  Zweck  dieser  Vereine  ein  wirtschaftlicher  sei,  sondern  auch 
ein  wirtschaftlicher  ticschäftsbetrieb  vorlicge.  Dieser  wird  in  dem 
Planmäßigen  Abschluss  von  Verträgen  mit  Krankenkassen  erblickt 
Dass  die  Vereine  auch  idealen  Zielen  nachstreben,  wird  nicht  be- 


zwenelt,  doch  seien  diese  nicht  Hauptzweck,  sondern  sie  sollten  nm 
mittelbar  am  Grund  einer  wirtschaftlichen  Besserstellung  der  Aer7t 
gefordert  werden.  merzte 

ir  t  ,  i  Die  yersicherunKsbedingungen  der  meisten  deutsche- 
U  n  ^allv  er  Sicherungsgesellschaften  machen  den  An 
spruch  auf  Zahlung  des  versicherten  Taggelds  davon  abhängig  das* 
die  ärztliche  Behandlung  ununterbrochen  for' 
äfL»«  das  Fortbestehen  einer  durch  den  Unfall  herbeigeführtei 
Beschränkung  der  Arbeitsfähigkeit  genügt  für  sich  allein  nicht  zur 
Jlnes  Anspruches.  Die  Frage  nun,  was  man  unter  dies 
ununterbrochen  fortdauernden  ärztlichen  Behandlung  zu  verstehe, 
hat,  ob  insbesondere  die  letztere,  falls  der  Versicherte  Arzt  ist,  durch 
fr1®., e  1  b  s  t  b  e  h  a  n  d  1  u  n  g  ersetzt  wird,  wurde  kürzlich  durch  ein 
Urteil  des  Amtsgerichtes  Remscheid  dadurch  entschieden,  dass  die 
Klage  eines  Arztes  auf  Fortzahlung  des  Taggeldes  während  der  Dauer 
der  Selbstbehandlung  rechtskräftig  abgewiesen  wurde.  Die  Urteik- 
gm.nde  fuhren  aus,  dass  die  betr.  Bestimmungen  den  Zweck  haben 
zwischen  den  Versicherer  und  den  Versicherten  eine  dritte  un¬ 
beteiligte  1  erson  zu  setzen,  die  ihrer  besonderen  Berufsbildung  nach 
über  die  Tatsachen  zu  urteilen  imstande  ist,  nach  denen  sich  die 
Entschädigung  bemisst.  Mag  also  ein  Versicherter  auch  diese  Berufs¬ 
bildung  haben,  eine  Selbstbehandlung  und  Selbsteinschätzung  der 
Arbeitsunfähigkeit  würde  doch  gerade  dieses  im  Interesse  beider 
Parteien  eingesetzte  Zwischenglied  ausschalten.  Das  sei  aber  eben¬ 
sowenig  zu  billigen,  wie  etwa  das  umgekehrte,  dass  der  Versicherer 
ü-lterDAuUSS^altung:  des  Versicherten  durch  eigene  ärztliche  Organ- 
die  Behandlung  vornehmen  und  die  Arbeitsunfähigkeit  der  Ver¬ 
sicherten  einschätzen  lassen  wolle.  Somit  genügt  die  Selbstbehand- 
lung  des  Klagers  nicht,  ihm  den  Entschädigungsanspruch  zu  erhalten 
Hienach  empfiehlt  es  sich  für  die  Aerzte,  beim  Abschluss  von  Uniai  - 
Versicherungen  bezüglich  der  Selbstbehandlung  und  ihrer  Wirkung 
auf  den  Umfang  der  Entschädigungspflicht  mit  der  Versicherungs¬ 
gesellschaft  besondere  Vereinbarungen  zu  treffen. 

—  Dr.  M  u  g  d  a  n  wurde  zum  Mitglied  des  preussischen  Abgeord¬ 
netenhauses  gewählt. 

,  —  Leber  die  Versalzung  der  Elbe  und  der  Weser 

d  u  r  c  h  d  i  e  Abwässer  der  Kaliindustrie  hat  Prof.  Dun- 
bar,  Direktor  des  staatlichen  hygienischen  Instituts  in  Hamburg¬ 
ern  umtangreiches  Gutachten  erstattet,  das  im  Verlag  von  R.  O  1  d  e  n  - 
bourg,  München  1913,  erschienen  ist  (Preis  8  M.).  Es  ist  fest- 
gestellt,  dass  durch  die  Einleitung  der  Endlaugen  der  Kaliindustrie 
das  Wasser  dieser  Flüsse,  das  von  Natur  nahezu  frei  von  Chlor- 
magnesium  und  Magnesiumsulfat  ist,  einen  Grad  permanenter 
Magnesiumhärte  erhält,  der  es  für  Trinkzwecke  minderwertig  macht. 
Denn  schon  ein  Gehalt  an  Chlormagnesium  von  30  mg  im  Liter 
beeinträchtigt  die  Verwendbarkeit  des  Wassers  zur  Herstellung  von 
lnee,  ein  (iehalt  von  50mg  wird  von  vielen  Personen  schon  un- 
angenehm  empfunden.  Diese  Grenze  wird  vom  Weser-  und  Elbe¬ 
wasser  schon  jetzt  gelegentlich  erreicht.  Bei  einer  weiteren  Steige- 
rung  würden  für  die  ganze  Bevölkerung,  die  auf  den  Genuss  des 
Wassers  dieser  Flüsse  angewiesen  ist,  Nachteile  erwachsen.  Die 
Fernhaltung  der  Endlaugen  von  den  Stromläufen  ist  technisch  durch- 
tuhibar,  sie  unterbleibt  nur  aus  rein  finanziellen  Gründen.  Diese 
Ersparnis  kann  aber  nicht  in  Betracht  kommen  gegenüber  der  Tat¬ 
sache,  dass  das  Weser-  und  Elbwasser  infolge  der  Einleitung  von 
Endlaugen  den  Charakter  eines  guten  Trinkwassers  verloren  haben. 
Hierzu  ist  es  nicht  nötig,  dass  die  Geschmacksgrenze  von  50— 110  mg 
Chlormagnesium  in  jedem  Jahre  an  vielen  Tagen  überschritten  wird. 

V/i  0  uS  siyb  um  das  ^Vohl  und  Wehe  von  mehr  als  einer  Million 
Menschen  handelt,  die  auf  die  Verwendung  des  Wassers  dieser  Flüsse 
als  Trink-  und  Brauchwasser  angewiesen  sind,  ist  eine  Ueberschrei- 
tung  dieser  Geschmacksgrenzen  überhaupt  nicht  zulässig.“ 

c  m  b  u  r  g  ist  in  Angliederung  an  das  Terrain  des 

Eppendorfer  Krankenhauses  eine  Uupusheilstätte  eröffnet  wor- 
den.  Sie  ist  u.  a.  mit  allen  Errungenschaften  der  modernen  Licht- 
und  Strahlentherapie  ausgestattet.  Behufs  Aufnahme  stehen  z.  X 
-o  Betten  zur  Verfügung,  während  für  ambulante  Behandlung  aut 
eine  tägliche  Frequenz  von  100  Lupösen  gerechnet  wird.  Ober- 
arzt  ist  Dr.  Paul  W  i  c  h  m  a  n  n. 

,  ~  D*®  von  der  Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde  cin- 
geleitete  Sam melforschung  über  das  Vorkommen  der 
Kinderlähmung  in  Bayern  soll  demnächst  abgeschlossen 
\\  ei  den.  Da  die  Sammelforschung  nur  dann  ihren  Zweck  voll  erreichen 
kann,  wenn  alle  Aerzte  sich  beteiligen,  so  ergeht  die  dringende  Bitte, 
baldigst  die  Fragebogen  ausfüllen  und  einsenden,  bezw.  Fehl¬ 
anzeigen  erstatten  zu  wollen. 

Aus  der  Adolf  Witzel-Stiftung  erhielt  Zahnarzt 
nauptmeyer  in  Essen  für  die  Arbeit  „Ueber  die  anatomischen 
Veränderungen  des  Unterkiefers  bei  einigen  Stellungsanomalien  der 
Zahne  unter  Zugrundelegung  der  röntgenologischen  Befunde“  den 
ersten  Preis  und  der  Privatdozent  der  Zahnheilkunde,  Dr.  med. 
t  r  o  e  1 1  in  Königsberg  für  seine  Arbeit  „Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  die  Ursachen  des  Zahnpulpentodes  unter  Siiikal- 
zementen,  nebst  praktisch-theoretischen  Studien  über  Zemente  und 
andere  Füllungsmittel“  den  zweiten  Preis,  (hk.) 

—  Im  Kgl.  Bayer.  Arbeitermuseum  in  München  wurde  eine  ge¬ 
werbehygienische  Sammlung  eröffnet;  sie  ist  das  Wert: 
des  Landesgewerbearztes  Dr.  K  ö  1  s  c  h. 

—  Auf  Grund  des  Gesetzes  zur  Bekämpfung  des  un¬ 
lauteren  Wettbewerbes  wurde  ein  Kurpfuscher  in  Hannover, 
der  angekündigt  hatte,  dass  er  jede  Ischias  nach  einem  bewährten 


Mai.  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1127 


;■  item  daiiernd  heile,  dem  Strafantrag  des  Kreisarztes  entsprechend, 
■/  50  M.  Geldstrafe  verurteilt.  Die  Revision  beim  Reichsgericht 
x  rde  verworfen. 

—  Der  aus  W  iesbaden  gebürtige  und  vor  einiger  Zeit  in  München 
v  storbene  prakt.  Arzt  Dr.  med.  F.  Gärtner  hat  der  Stadt  Wies- 

1  len  sein  ganzes  Vermögen  im  Betrage  von  571000  M.  zur  Unter- 
s  i  t  z  u  n  g  unehelicher  Wöchnerinnen  und  Mütter 

2  Verfügung  gestellt.  Nach  den  Bestimmungen  des  Testaments 
s  i  die  Zinsen,  und  wenn  es  besondere  Fälle  notwendig  machen, 
,  h  das  Vermögen  selbst,  so  zu  verwenden,  dass  jeweils  innerhalb 
-  -s  Jahres,  vom  Todestag  des  Erblassers  ab  gerechnet,  10  Aus- 
■  -  u  e  r  n  zu  je  1500  M.  beschafft  werden  sollen,  die  uneheliche 
'  tter  erhalten  sollen,  welche  der  natürliche  Vater  des  Kindes 
!  -aten  will.  Bevorzugt  sind  solche  uneheliche  Mütter,  die  erst  ein 

d  haben,  das  noch  nicht  6  Jahre  alt  ist.  Die  Stiftung  ist  zu- 
i  hst  für  uneheliche  Mütter  evangelischer  Konfession, 
a  n  aber  auch  ausnahmsweise  auf  andere  Konfessionen  angewandt 
v  den.  Des  weiteren  sollen  die  Zinsen  des  Vermögens,  im  Bedarfs- 
f:  e  auch  das  Vermögen  selbst,  zur  Unterstützung  unehelicher 
v  Schnei  innen  und  deren  Kinder  bis  zum  sechsten  Lebensjahre 
\  Wendung  finden.  Die  Stadt  hat  das  Vermächtnis  angenommen. 

—  Am  17  ds.  fand  der  erste  der  vom  Landesverband  für  das 
ä  tliche  Fortbildungswesen  in  Bayern  veranstalteten  F  o  r  t  b  i  1  - 
Jngs  vorträge  in  München  statt;  Geh.  Rat  v.  Wasser- 
n  nn  sprach  über  „die  wissenschaftliche  Grundlage  der  Serum- 
ü  jnostik“.  Der  geehrte  Gast  erledigte  sich  seiner  Aufgabe  in  glän- 

der  Weise.  Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.  Den 
i  eiten  Vortrag  wird  am  Mittwoch,  den  21.  ds.,  abends  8  Uhr  im  Hör- 
il  der  I.  med.  Klinik  Geh.  Hofrat  A  b  d  e  r  h  a  1  de  n  -  Halle  halten; 
.  ber  die  diagnostische  Bedeutung  des  Nachweises  auf  blutfremde 
-ffe  eingestellter  Fermente.  Zu  den  Vorträgen  haben  alle  Aerzte 
i  en  Zutritt. 

—  Die  auf  Einladung  der  bayerischen  Regierung  vom  bayerischen 
„idesverband  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  veranstaltete  Be- 
üitigungsreise  nach  Bad  R  e  i  c  h  e  n  h  a  1 1  hat  bei  herrlichem  Wet- 
:t  einen  glänzenden  und  höchstens  in  bezug  auf  die  Zahl  der  Teil- 
i  mer  nicht  ganz  befriedigenden  Verlauf  genommen.  Bericht  folgt 
i  lächster  Nummer. 

—  Ein  kurzfristiger  Kurszyklus  mit  Berücksichtigung 
amtlicher  Disziplinen  wird  in  Berlin  vom  19.  bis 
?.  Juni  d.  J.  erstmalig  unter  Mitwirkung  des  Zentralkomi- 

'  s  für  das  ärztliche  F  ortbildungswesen  in  Preus- 
;  n  von  der  Dozentenvereinigung  für  ärztliche 
'.rienkurse  veranstaltet.  Das  Programm  erscheint  voraus- 
iiitlich  Anfang  Mai.  Von  den  deutschen  (in  Deutschland  appro- 
i  ten)  Aerzten  wird  eine  Gebühr  von  20  bis  maximal  50  Mk.  je  nach 
Wahl  der  belegten  Kurse  erhoben;  auch  ausländische  Aerzte  wer- 
Is  soweit  Platz  vorhanden  ist  und  gegen  ein  erhöhtes  besonderes 
liorar,  zugelassen.  Meldungen  sind  an  das  Bureau  des  Dozenten- 
/eins  Berlin  N.  24,  Ziegelstrasse  10/11  (Langenbeckhaus),  An- 
r:en  an  das  Bureau  des  Kaiserin-Friedrich-Hauses,  Berlin  N.W.  6, 
-senplatz  2 — 4  zu  richten. 

—  Der  Kursus  über  Soziale  Medizin  an  der  Düsseldorfer 
)ademie  für  praktische  Medizin  beginnt  bereits  am 
'<  Juni  und  dauert  bis  11.  Juli.  Auskunft  erteilt  das  Sekretariat 
li  Akademie.  Moorenstrasse. 

—  Im  Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus  in  Berlin  findet  vom  2.  bis 
Juni  ein  Zyklus  von  Vorträgen  statt  über  die  Fortschritte 

ider  ärztlichen  und  sozialen  Versorgung  des  g  e  - 
nden  und  kranken  Säuglings.  Damit  werden  Besicli- 
i:  ngen  der  für  die  Kursteilnehmer  sehenswerten  Institute  verbunden 
Meldungen  vom  15.  Mai  an  im  Bureau  des  Kaiserin-Friedrich- 
iises  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen,  Berlin  N.W.  6.  Luisen- 
'1  z  2 — 4.  Einschreibgebühr  5  M. 

—  Am  24.  Mai  findet  in  München  eine  Konferenz  über 
•identisches  Wohnungswesen  statt.  Die  Vorbereitung 
i  Konferenz  liegt  in  den  Händen  eines  Komitees,  dem  neben  den 
l1  toren  der  drei  Münchener  Hochschulen  Vertreter  der  bayerischen 
üitsregierung,  der  Stadtgemeinde  München,  des  Bayerischen  Lan- 
uvohnungsvereins,  zahlreiche  Hochschullehrer  sowie  Delegierte 
tlentischer  Korporationen  aller  Richtungen  angehören.. 

—  Die  bisher  unter  dem  Namen  „Vereinigte  Münchener  Kliniker- 
r  Vorklinikerschaft“  bestehende  Organisation  der  Medizinstudieren- 
<  hat  den  Namen  „Münchener  Medizinerschaft“  an- 
tommen,  eine  nicht  nur  kürzere,  sondern  auch  weniger  zu  Miss- 
Btändnissen  Anlass  gebende  Bezeichnung. 

;  —  Die  Verhandlungen  des  VI.  Internationalen 
,  ngresses  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  in 
Min  vom  9. — 13.  September  1912  sind  jetzt  in  einem  stattlichen 
>:  de  vom  Generalsekretär  des  Kongresses,  Ed.  Martin-  Berlin, 
Gusgegeben  worden  (Verlag  von  S.  K  a  r  g  e  r  -  Berlin.  1913,  Preis 
yu.  Der  Band  enthält  den  Wortlaut  der  Referate  und  Vorträge, 
c  ie  der  Diskussionen,  und  bildet,  bei  der  hohen  wissenschaftlichen 
l'eutung,  die  diesem  Kongress  zukam,  einen  wichtigen  Beitrag 
*  gynäkologischen  Literatur.  Ueber  den  Kongress  war  in  den 
(nmern  40,  41,  42,  1912  von  uns  berichtet. 

—  Die  Jahresversammlung  der  Vereinigung  der  Lungen- 
lanstaltsärzte  findet  vom  7. — 9.  September  in  Freiburg  i.  B 

t. 

i  —  Mercks  Reagentienverzeichnis,  enthaltend  die 
eräuchlichen  Reagentien  und  Reaktionen,  geordnet  nach  Autoren- 
aien,  ist  in  3.  Auflage  erschienen  (im  Buchhandel  zu  haben  durch 


Julius  S  p  r  i  n  g  e  r  -  Berlin  W.  9).  Das  Verzeichnis  ist  gegen  die 
früheren  Auflagen  stark  vermehrt.  Es  stellt  für  Chemiker  und 
Kliniker  ein  ausserordentlich  angenehmes  und  nützliches  Hilfsmittel 
bei  analytischen  und  mikroskopischen  Arbeiten  dar. 

—  Der  von  weil.  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Hennig  begründete 
v, Illustrierte  Führer  durch  Bäder,  Heilanstalten 
undSommerfrischen“  ist  in  6.  Auflage,  bearbeitet  von  Dr.  Er¬ 
win  Jaeger,  erschienen.  Das  Buch  enthält  nach  Art  des  „Bäder- 
Almanach  '  Auszüge  aus  den  Prospekten  der  meisten  deutschen  und 
wichtigeren  ausländischen  Kurorte  und  Heilanstalten.  Verlag  von 
Ernst  H  e  d  r  i  c  h  Nachf.,  Leipzig. 

—  Das  von  der  Medizinalabteilung  des  Kgl.  preussischen  Mini¬ 
steriums  des  Innern  herausgegebene  „Krankenpflege-Lehr¬ 
buch“  ist  in  dritter,  neu  durchgesehencr  und  ergänzter  Auflage  er¬ 
schienen.  (Verlag  von  A.  Hirschwald  in  Berlin.  Preis  geb. 
M.  2.50.) 

—  Pest.  Türkei.  In  Djedda  vom  20.  April  bis  3.  Mai  4  Er¬ 
krankungen  und  4  Todesfälle.  —  Aegypten.  Vom  19.  bis  25.  April  er¬ 
krankten  22  (und  starben  20)  Personen  an  der  Pest.  —  Marokko. 
Zufolge  Mitteilung  vom  22.  April  sind  unter  den  Truppen  in  Mehedia 
4  Pesterkrankungen  festgestellt  worden.  —  Aden.  In  der  Zeit  vom 
20.  bis  26.  April  sind  in  Aden  10  Pestfälle,  davon  6  mit  tödlichem 
Verlaufe,  festgestellt  worden.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  9.  bis 
22.  April  wurden  auf  Java  gemeldet  277  Erkrankungen  (und 
271  Todesfälle).  —  Hongkong.  Vom  2.  bis  22.  März  3  tödlich  ver¬ 
laufene  Erkrankungen.  —  China.  In  der  Stadt  Amoy  sind  vom  1.  bis 
11.  April  4  Personen  an  der  Pest  gestorben,  in  der  internationalen 
Niederlassung  von  Kulangsu  1. 

—  In  der  18.  Jahreswoche,  vom  27.  April  bis  3.  Mail  1913,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Liegnitz  mit  27,4,  die  geringste  Berlin-Steglitz  mit  6,0  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Gleiwitz.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Dem  Privatdozenten  für  innere  Medizin  und  ersten 
Assistenten  an  der  I.  medizinischen  Klinik  der  Kgl.  Charitee  in  Berlin, 
Dr.  Paul  Fleischmann  ist  das  Prädikat  Professor  verliehen 
worden,  (hk.) 

Dresden.  Hofrat  Dr.  Fritz  Sch  urig  feierte  am  20.  IV.  13 
sein  goldenes  Doktorjubiläum.  Die  medizinische  Fakultät  der  Uni¬ 
versität  Leipzig  hat  dem  Jubilare  mit  dem  Ausdruck  der  herzlichsten 
Glückwünsche  das  Ehrendiplom  überreichen  lassen. 

Halle  a.  S.  Die  Leitung  der  chirurgischen  Klinik  ist  für  das 
laufende  Sommersemester  vertretungsweise  dem  Privatdozenten  Prof. 
Dr.  S  t  i  e  d  a  übertragen  worden. 

Kiel.  Dr.  Georg  Ernst  Konjetzny,  Assistenzarzt  an  der 
Kgl.  Chirurg.  Klinik  habilitierte  sich  für  Chirurgie  mit  einer  Probe¬ 
vorlesung:  „Diagnose,  Therapie  und  Prognose  der  Knochentumoren“. 
Die  Habilitationsschrift  lautete;  „Ueber  die  Beziehungen  der  chro¬ 
nischen  Gastritis  mit  ihren  Folgezuständen  und  des  chronischen  Ulcus 
ventriculi  zur  Entwicklung  des  Magenkarzinoms“. 

Bern.  Dem  Privatdozenten  Dr.  Albert  Kocher  an  der  Uni¬ 
versität  Bern  ist  ein  Lehrauftrag  für  chirurgische  Operationslehre  und 
Operationsübungen  an  der  Leiche  erteilt  worden  (hk.) 

Bologna.  Habilitiert  haben  sich  Dr.  C.  C  o  1  o  r  n  i  (Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie)  und  Dr.  A.  Poppi  (Oto-Rhino-Laryngologie). 

Genua.  Habilitiert;  Dr.  C.  Li  ein  i  (allgemeine  Chirurgie). 

Neapel.  Dem  ordentl.  Professor  für  pathologische  Anatomie 
an  der  Universität  Neapel  Dr.  Otto  Ritter  von  Schrön  ist  vom 
Prinzregenten  von  Bayern  der  Stern  zum  Verdienstorden  vom 
heil.  Michael  zweiter  Klasse  verliehen  worden,  (hk.) 

New  York.  Dr.  J.  A.  F  o  r  d  y  c  e  wurde  an  Stelle  des  zu¬ 
rückgetretenen  G.  T.  Jackson  zum  Professor  der  Dermatologie 
am  Columbia  University  College  ernannt,  Dr.  C.  C.  Barrows  zum 
Professor  der  Gynäkologie  am  Cornell  Univ.  Med.  College. 

(Todesfälle.) 

In  Prag  starb  plötzlich  Dr.  Karl  Basch,  Assistent  der  pädiatri¬ 
schen  Klinik  des  Kaiser-Franz-Josef-Kinderspitals  (Prof.  Gang- 
h  o  f  n  e  r). 

(Berichtigung.)  Der  Verfasser  des  Artikels  über  intra¬ 
venöse  Dauerinfusion  in  No.  19,  S.  1022  dieser  Wochenschrift  heisst 
Friedemann  (nicht  Friedmann). 


Korrespondenz. 

Aerztliche  Reklame  In  Amerika. 

Verehrter  Herr  Redakteur! 

Meine  kurze  Zuschrift  in  Ihrer  Nummer  11  hatte  keinen  anderen 
Zweck  als  Irrtümer  des  Herrn  Professor  G  a  1 1  i  zu  berichtigen. 
Mich  drängte  dazu  das  Bedürfnis,  die  deutschen  Kollegen  über  hiesige 
Zustände  aufzuklären,  nicht  aber  mich  in  eine  Kontroverse  ein¬ 
zulassen.  Dazu  ist  das  Leben  zu  kurz  und  der  Aufgaben  zu  viele. 
Vielleicht  ist  übrigens  mein  Name  einigen  Kollegen  als  derjenige  eines 
Mannes  bekannt,  welcher  seit  60  Jahren  sich  bemüht  hat,  der 
deutschen  Medizin,  welche  seither  international  geworden  ist,  eine 
Stätte  zu  bereiten,  und  den  Deutschen  drüben  unser  amerikanisches 
Wesen  zu  erschliessen.  Das  letzte  ist  mir  augenscheinlich  nicht  ge¬ 
lungen,  wenn  es  einem  hochstehenden  Gelehrten  und  von  mir  hoch¬ 
verehrten  Genossen  U  g  h  e  1 1  i  s  noch  zu  gefallen  scheint,  was  er  selber 


1128 


Ml JENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Kenner  m  Ir.  7  !^h  lobcrf  acbhclic“  Eindrücke  aufgenommen,  einem 
mir  hL  Zusiande  und  deutsch-amerikanischen  Kollegen  gegen- 
A  ,™  W."?n  Wdt  als  J atsachcn  mitzuteilen.  Im  Angesicht  meiner 
Aussage  dass  unsere  Karten  und  Schilder  keine  Angaben  von 

—  wollend"  elS,ten:  we,il  das  0egenteil  nicht  fiir  anständig  gilt 
wollen  Sie  gefälligst  nicht  vergessen,  dass  ich  von  Aerzten  rede 

und  nicht  von  Quacksalbern  und  Querulanten  sprach  — ,  teilt  er  Ihnen 

den  SrhilrWn  S‘n  "nt  S°  X.»rhälV  weil  die  Reisenden  sehr  oft  auf 
rd  [  • ’’ 0s!eopath  ge,esen  haben-  s‘e  brauchen,  Herr 
UmständP,;  t  '"e  K.enIn,tms  ^der  Sekte  zu  besitzen,  aber  unter  den 

sind  KS»  m  p i  i  IC5-  rCu  diese  Eme  nichI  ersparen.  Osteopathen 
a,  d r,,  '  v  e'ehe  die  Behauptung  aufstellen,  dass  alle  Krankheiten 
durch  Verschiebung  der  Rückenwirbel  bedingt  sind.  Es  wird  also 

Missouri  nn^hT'^rf  ""r  S°  ,losknriert-  Die  Sekte  stammt  aus 
m-Piw  ,UM  „  h’  Yie  manche  andere  Krankheit,  epidemisch  ver- 
eitct.  Lieber  Himmel,  so  ist  Ihre  Grippe  seit  20  Jahren  hier  ein- 
geburgert,  wahrend  unsere  Christian  Science  sich  bei  Ihren  ver- 
uldeten  aristokratischen  und  Hofkreisen  schnelle  Erfolge  gesichert 
hat.  Unsereins  kann  sich  diesen  Vergleich  wohl  erlauben,  ohne  Hocli- 

VoVron  zu. begeben/  Nun  liat  sicb  die  Osteopathie  seit  einem  Dutzend 
.In  Vie  C  AnhaI]pr  verschafft,  w  ie  andere  Narreteien  auch.  In 
manchen  unserer  48  selbständigen  Staaten  ist  sie  legal  nicht  an- 

eÄ“Ären.?h,;  in  einigen  unserer  gebildetsten  und  höchst- 

O^tenrithp?  in€n  1St-  man  ,s?.  weit  gekommen,  dass  allmählich  die 
Gsteopatheii  in  wenigen  Jahren  praxisberechtigt  werden  sollen 

nachdem  sie  4  Jahre  wirklich  Medizin  studiert  und  dann  ein  Staats- 

™aEft?*maCht  habe"  we»den-  Dann  sollen  sie  das  Recht  haben, 
zu  doktorieren  wie  sie  wollen,  ohne  oder  mit  Arzneien.  Das  erste 
st  ein  vorgeblicher  Grundsatz  der  Osteopathie.  Wollen  Sie  gefälligst 
w  eder  nicht  vergessen,  dass  jeder  unserer  Staaten  in  Sachen  der 
Kultur,  resp  Medizin,  selbständig  ist.  In  der  Beziehung  sind  wir  noch 

oflen“n0?  JSa0hrri848ienie  defutschen  Händchen  vor  dem  gesegneten 
öm  0-L  '  Jahre  1848.  Das  ist  ja  ein  Jammer,  aber  vorläufig  haben 

^veIkm‘iCher  .kT.SU,!dt;r  Verstand  und  Idealismus  es  nicht  fertig 
gebracht,  eine  einheitliche  Nation  zu  schaffen.  Wir  sind  im  Werden 
aber  nicht  gleichmässig.  Wir,  die  wir  die  Heimstätte  aller  Flüchtigen 
emu8r  M,lh°n  jabrlich’  können  erst  im  nächsten  Jahr- 
prik-nnil  h  f  richnen’  eine!1  fcleichmässigen  psychisch  und  moralisch 
amenkamschen  lypus  zu  entwickeln.  Also,  wie  andere  verrückte 

DathI>  MnIaICh  l".lter  dIn  Miissi,gen  und  Unwissenden  die  Osteo¬ 
id  u," Q ^?,de  geworden.  Das  ist,  was  Ihre  Reisenden  gesehen  haben1 

schilder0k  0rSChl  der’  mcht  SpezialistensclliIder,  sondern  Quacksalber- 

Darf  ich  noch  Etwas  hinzufügen?  Etwas  recht  Belehrendes  mi  t 
recht  Versprechendes  ist  die  Tatsache,  dass  Sicht  bloss  eine  Seuche 
sondern  auch  Gesundung  epidemisch  werden  kann.  Das  ist  Ihnen 

BeiSP/el  daduruCh  zu  beweisen,  dass  nicht  einmal  HoS- 
pathen,  die  einst  so  mächtige  Genossenschaft  —  mächtig  geworden 

anze  von1"6  Y,e,rfolgun8:  ,seitens  der  „regelmässigen“  Mediziner  —  mehr 
anzeigen.  Ob  es  noch  einen  Homöopathen  gibt,  welcher  den  Titel 
auf  seinen  Karten  führt,  weiss  ich  nicht.  Vor  50  Jahren  und  noch 
spater,  waren  Schilder  mit  dem  Namen  „Homöopath“  in  New'  York 

£&„"•  Ja,,re"  weniffs,e"s 

S  ich'!'  Tsf  dns'ffe  egt’  11  deiv  ZeilS"isschwindel  abzuschaffen.  Tat- 
RJPClle  +  Sth  dass  !n  neuester  Zeit  kein  bekannter  oder  irgend  etwas 
Bedeutentles  vorsteHentler  Arzt  gefunden  werden  kann,  der  Patent- 

mtiiHvi8"  t?eugnis^  ausstellt.  Dii  minimarum  gentium  genug, 
natm  lieh.  Es  gibt  Menschen  die  sich  erst  besinnen  müssen  ehe  sie 
anfangen  sich  zu  schämen,  hier  wie  bei  Ihnen.  In  Deutschland  ist 
man  uns  nicht  voraus.  Vielleicht  ländlich,  sittlich.  Mein  persön  iclier 
Freund  und  Halbgott  Virchow  testierte  für  „Schweizer 

Ihe  von  G.  zitierte  Karte  von  D  o  e  ist  nicht  auf  S  24  der  Nummer 
vom  L  Marz  des  Journal  of  the  Amer.  Med.  Assoc.,  sondern  auf  S  24 
ces  Annoncenteils.  Herr  Professor  Galli  fügt  die  Uebersetzung  der 
Bemerkungen  des  Redakteurs  hinzu,  welche  besagen  dass  diese 

a,r!0„nym  gehaltene  Karte  gedruckt  worden  ist,  um  gelegentlichen 
albernen  Anzeigen  den  Garaus  zu  machen.  gelegentlichen 

A  f  / >'e  Anzeigen,  welche  Ihnen  Herr  Professor  Galli  wörtlich  in 
Anführungszeichen  abgedruckt  hat.  sind  freche  und  dumme  Ouack- 

ist  Im!26' w'IT  C'ie  aU!  die  Blödesten  spekulieren,  und  deren  Zahl 
st  ross.  Was  er  über  den  Versuch  sagt,  die  „United  Doctors“  zu 

“jclf.T1-  ®  F,ir  rs  is<  Nid,ts  z“  "öcli.  »m  es  St  “ 

strebend  sich  bemüht,  den  können  wir 
osui  ,  fii r  uns  ist  Nichts  zu  niedrig,  um  es  nicht  zu  bekämpfen 
p  fn".  Ihnen  das  wertvoll  erscheint,  möchte  ich  gern  in  Zukunft  nach 
Erledigung  sehr  dringender  Arbeiten.  Ihnen  ftwas  von  der  Ent 

werden : dann  Sn'"  u,ld  der. ..Aerzte  in  diesem  Lande  mitteilen.  Sie 
Mp  ,utlda  ?elenx>  vyie  der  ärztliche  Stand  in  dem  naturwüchsigen 
Idealismus  und  Fortschrittsstreben  der  Aerzte.  oft  mit  UebTrwindunJ 

a  Pin  n'roS’r  Tci'r'h  e‘e"  Hindc™sse-  “ine  Stütze  ÄS 
H.Iix,  Süsser  I  eil  der  eingewanderten  Elemente  ist  oft  ein 

Ä^nSrSdl^h^^Äel^mS^hi^  7« 

ÄK  awÄ.  ÄääLÄ 


No. 


■  ,.'1*  kau2e  ist’  a's  sonstwo.  Akklimatisation  braucht  Zeit  F 

[l1  die^fr  Wocbc  bekam  ich  das  übelriechende  Brandopfer  eit 
Mnlvp  18,1  m  /°uwa’  den  Sie  K'ücklicherweise  los  sind,  und  eii 
•  wegers,  welche  mir  beide  die  erfreuliche  Mitteilung  machen  ,i 

S  Ä-r  Mi,gliede™  «d-  Ät 

xr„0flerr  fro|essor  Galli  sagt  in  seiner  letzten  Zeile,  dass  gewh 
_  eigen  in  Deutschland  nicht  Erstaunen  und  Spott  „verdiene 

K  e  I  eS  n^eßeT  Deutscher  tf'bX'1’ 

S^^t^d,Sna,^lKhaUf^en-  ,Ch  SP°tte  nicht  ■» 

Verehrter  Herr!  Wir  Deutschen  sind  ja  geneigt  in  alten  Biirhf 
zu  suchen.  Vielleicht  sieht  sich  einmal  Jemand  eine  Rede  an  we  , 
ich  wahrend  des  letzten  Pariser  Internat.  Mediz.-Kongresses  in  h 
Sorbonne  ha  ten  durfte.  Das  Thema  lautete  (Band  1 ,1900  1 

Dufln“!6  v  CS  Mcdccins  des  Etats  Unis.  Vielleicht  auch  ein  halb 
Dutzend  Korrespondenzen,  welche  ich  1887  über  und  gegen  i 

u/In a  Mediz. -Kongress  zu  Washington  in  der  Deutschen  me  li 

wfkh^T'f1  thVCu  •cntlicllte'  sind  rnancherlei  Nachweise  dan 
infl  de>ltschen  W  issenschaftlern  und  Soziologen  von  Interesse  se 
clmiten  Einstweilen  lege  ich  Ihnen  noch  ein  Exemplar  der  Princinl« 
of  Ethics  bei  welche  seit  9  Jahren  die  Stelle  des  Code  ' 

n„4/„!,‘ngenom,men .  hab.en-  Diese  Principles  leiten  uni, 


Aerzte  als  oS^SjSÄ'S 

anlr  HpS|-  ICh  naUH  pder  Sie  glauben  machen  will,  wir  seien  hj 
a  tei  Heilige.  Die  Heiligen  sind  bloss  die,  welche  uns  nicht  hessu 
sondern  nur  einstampfen  wollen.  Wir  haben  auch  Min, w  eSSe 

7?,fhVC-lejh'e  YrlS-  trotz Vreter  leider f„  vfete?'® 

Zuchthaus,«,  Vielleicht  auch  Sie.  Aber  unsere  Kritiker  wolE 
denken  und  mögen  glauben  lernen,  dass  es  mehr  dervel 
ausserhalb  gibt,  als  innerhalb.  dergle.cln 


Achtungsvoll! 


A.  .1  a  c  o  b  i 


Zur  Einladung  des  Chirurgenkongresses  nach  Leipzig! 

Man  ersucht  uns  um  Aufnahme  nachstehender  Zuschrift • 

Am  eben  verflossenen  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  h 
pi  ^F-nf  Iln  in  wurde  bei  den  geschäftlichen  Mitteilungen  u 
eine  Einladung  der  Städte  Köln  und  L  e  i  p  z  i  g  zur  Kenntnis Tin  V 
den  nächstjährigen  Kongress  in  diesen  tagen  zu  lassen. 

Bezüglich  der  Leipziger  Einladung,  die  in  der  gegebenen  Ft  n 
ohne  Nennung  des  Einladenden  oder  der  einladenden  Kö?perschi 
Sepr  r[tanchen  Kollegen  befremdet  hat,  erfahren  wir  von  zuständige 
Seite,  ,  dass  s,e  von  dem  Komitee  der  i  n  t  e  r  n  a  t  i  o  n  a  1  e  n  A  u  s 


s  t  e  1 1  u  ngfürßuehgewer  b  e  u  n  d  Q  f  ä  l  h  i  kMga^gen  r 

Vertretern  Ic  Ä  Ve[SfÜndigU.ng  mit.  den  ZUStändlgl 


lufT  d^te,r,n  des  Faches  in  Leipzig  erfolgt,  welche  nicht  verfehlt  hät^r 
auf  die  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  dieses  Wunsches  schon  im  Hin 
blick  auf  d,e  Statuten  der  Gesellschaft,  ganz  abgesehen  von  zahl 
i  eichen  andeien  ebenso  wichtigen  Gründen,  aufmerksam  zu  machen 
Leipzig,  7.  Mai  1913. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

wahrend  der  18.  Jahreswoche  vom  27.  April  bis  3.  Mai  1913 
Bevölkerungszahl  622000. 

fphir.;  odflnrSA??en:  Angpborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung* 

Ind  Foliel’dil  nfh  7-  (UcI  60  Jahre)  8  (8)-  Kindbettfieber  -fl 
Madsefn  fpn^ln°  ?  i  ^.Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  1  (1 
Masern  u.  Röteln  —  (— ),  Diphtherie  u.  Krupp  —  (l)‘  Keuchhusten  4  1 3 

:-f--Prat^huSi  akut  GelenkYheumatismus  -  (l 

T^fchfn?Ikrankherkratnkh'’  d  '  S'  ^llzbrand>  Rotzkrankh.,  Hundswut 

Blüwerfdfktnncrkh'  ^  (tf  ,(E7siPeI>  2  (“),  Starrkrampf  1  tlj 
öiutvergittung  —  (3),  Tuberkul.  der  Lungen  17 08t  Tuherknl  and  C\rv 

int?  Sf1kr<?fulos?.)  8  ^),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  2  (-).  L  unge? 

s?he  K>9nkkh P  i °m  wie  katarrbal-  usw.  18(16),  Influenza  -  (1),  veneri 
SrfiÄt  U).  and  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
wta|  7  strahlenpilzkrankh„  Lepra,  asiat. Cholera,  Wechsel- 
neberusw  1  (— ),  Zuekerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (2),  Alkoholis- 
mus  (  ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  6  (3),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  1  ),  organ.  Herzleiden  19  (17),  Herzschlag,  Herz- 

i  ?4Tn?oi°,wnHh-  Angabe  d-  Grundleidens)  3  (4),  Arterienverkalkung 
Ge(isteskrankh  3I?erfVU‘-  B1“tge{as.skrankh.  2  (3),  Gehirnschlag  9  (8), 

svsSmV?r?h'A3+(_ VKr?mp^®  dY  Klnder  3  sonst.  Krankh.  d.  Nerven¬ 

systems  5  (5),  Atrophie  der  Kinder  6  (3),  Brechdurchfall  —  (1)  Magen- 

entzünd'  — n? ^urcIhft11’  9,holera  nostras  1 1  (13),  Blinddarm- 
MiD  ?  Jr  ’  f^^nk  c'ud^r  bebjr’  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
sonst  Krankh  d*  Verd,auungsorg.  5  (3),  Nierenentzünd.  3  (6), 

kt  l-Jrankh-  d'  Uarn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (— ),  Krebs  13  (21),  sonst. 
Neubildungen  4  (2),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  2  (1)  Krankh.  der 

HfnTfcht11?!??^8  1  {' Selbstmord  ~  (5),  Mord,  Totschlag,  auch 
and  hpnun  t  ’  ^e,runS*uckung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  6  (4), 
T(Edesursachen  2  (4),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— ). 
Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  186  (190), 


Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


V°"  jAPAeh^aTfriTVTünch.n.  -  Druck  von  E.  «1^ 


Die  Mßnchene»  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wScti-nniM. 
im  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  /  Preis  deT  einze  nen 
Nummer  80-1  *  Bezugspreis  ,n"  Deutschland  itertSuä 

Obng.  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umsch  äg 


A  6- 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  : 

Fördie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8V* — 1  Uhr. 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatlnerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 


o.  21.  27.  Mai  1913. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

?ber  Lymphozytose  bei  Asthenikern  und  Neuropathen 
und  deren  klinische  Bedeutung*). 

jn  Dr.  Rudolf  v.  Hoesslin  in  Miinchen-Neuwittelsbach. 

Seit  einei  Reihe  von  Jahren  ist  das  Blutbild  nicht  nur  für 
e  eigentlichen  Blutkrankheiten,  sondern  auch  für  viele  andere 
-ankheiten  von  grosser  diagnostischer  Bedeutung. 

So  haben  wir  gelernt,  bei  allen  auf  Basedow  sehe 
ankheit,  wie  überhaupt  auf  Dysthyreosen  verdächtigen 
ankheitsbildern  das  Blutbild  für  die  Diagnose  zu  verwerten, 
itdem  Kocher  darauf  aufmerksam  gemacht  hat,  dass  bei 
r  Basedow  sehen  Krankheit  ein  auffallendes  Missver- 
ltnis  zwischen  den  polymorphkernigen  Leukozyten  und  den 
/mphozyten  besteht  in  der  Art,  dass  letztere  entweder  ab¬ 
lut  oder  wenigstens  relativ  zu  den  Neutrophilen  vermehrt 
ld,  wenn  man  mit  den  Normalzahlen  vergleicht. 

Kocher  fand  dabei  oft  die  weissen  Blutkörperchen  bei 
nst  normalem  Blut  vermindert,  es  bestund  eine  sogen 
lukanämie  bis  auf  5000,  sogar  3700,  wobei  die  Reduktion  nur 
'  ä  Polymorphkernigen  betraf.  Diese  Blutbefunde  Kochers 
jrden  im  allgemeinen  bestätigt,  so  von  Caro,  der  auch  eine 
:irke  Reduktion  der  polymorphkernigen  Leukozyten  und 
ue  Vermehrung  der  mononukleären  mit  Ueberwiegen  der 
Ihnen  Lymphozyten  bei  Basedow  konstatiert,  von  Roth, 
ir  Leukopenie  mit  Vermehrung  der  Lymphozyten  und 
lossen  mononukleären  fand,  L  i  e  r,  der  zwar  Leukopenie  für 
:lten  hält,  aber  auch  eine  Zunahme  der  Lymphozyten  und 
nnonukleären  Leukozyten  bei  Abnahme  der  Neutrophilen  be¬ 
iachtete.  Auch  Käppis  berichtet  von  relativer  und  abso- 
I  er  Lymphozytose  bei  Morbus  Basedowii,  ebenso  B  ü  ii  1  e  r 
d  viele  andere. 

Wie  bei  der  Basedow  sehen  Krankheit,  so  beschrieb 
Uro  auch  beim  Diabetes  eine  Lymphozytose.  Letzterer 
•  tor  hat  ferner  eine  starke  Vermehrung  der  Lymphozyten 
der  Fettsucht  verschiedener  Provenienz  nachgewiesen. 

-i  letzteren,  erst  Ende  vorigen  Jahres  bekanntgegebenen 
:funde  konnten  wegen  der  Kürze  der  Zeit  noch  nicht  all- 
inein  bestätigt  werden,  ebenso  wenig  die  Lymphozytose- 
■  unde  bei  Dementia  praecox,  dagegen  scheint  festzustehen, 
Ls  der  von  Kocher  bei  Morbus  Basedowii  beschriebene 
-itbefund,  die  Lymphozytose  mit  und  ohne  neutrophile 
-ukopenie  bei  dieser  Krankheit  äusserst  häufig  ist. 

Wenn  ich  an  der  pathogn. omonischen  B  e  - 
lutung  des  von  Kocher  beschriebenen  Blut- 
>ldes  für  die  Diagnose  unsicherer  Fälle  von 
:isedowscher  Krankheit  zu  zweifeln  anfing, 
geschah  dies,  weil  wir  erstens  wiederholt 
1  i ganz  ausgesprochenen  Fällen  von  Morbus 
Tsedowii,  die  dann  durch  Operation  ge¬ 
ult  wurden,  die  prozentuale  oder  absolute 
'rmehrung  der  Lymphozyten  vermissten,  | 
rner  bei  Kranken,  die  uns  auf  Entwicklung 
'n  Basedow  verdächtig  waren  und  sich 
äter  zu  ausgesprochenen  Basedowfällen 
sbildeten,  gerade  in  der  Zeit,  in  welcher 
le  Diagnose  noch  unsicher  war,  noch  keine 
-  mphozytose  fanden  —  und  gerade  in  den  zweifel¬ 
ten  Fällen  käme  es  uns  ja  darauf  an,  im  Blutbild  ein  ent- 
(eidendes  Merkmal  für  die  Diagnose  zu  besitzen.  —  Endlich 
':am  ich  in  zahlreichen  Fällen,  die  keinerlei  Symptome  von 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztl.  Verein  München  am  12.  III.  1913. 
No.  21. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Basedow  scher  Krankheit  aufwiesen,  genau  das  gleiche 
Blutbild  wie  bei  dieser. 

Ich  habe  meine  diesbezüglichen  Bedenken  schon  in  einer 
Diskussionsbemerkung  zum  Vortrag  von  Kr  ecke  über 
Dysthyreosen  in  dieser  Gesellschaft  Ausdruck  verliehen.  Um 
aber  für  die  Entscheidung  dieser  Frage  ein  grösseres  Material 
zu  erhalten,  habe  ich  seit  einiger  Zeit  bei  möglichst  vielen 
Kranken  meiner  Anstalt  Auszählungen  des  Blutes  machen 
lassen. 

Es  ist  dabei  zu  bemerken,  dass  die  Anstalt  selten  Kranke 
mit  akuten  Infektionskrankheiten  beherbergt,  ebensowenig 
Tuberkulöse.  Auch  Fälle  von  starker  Fettleibigkeit  kamen 
nur  in  geringer  Anzahl  zur  Beobachtung.  Eine  gewisse  Ein¬ 
seitigkeit  meines  Materials  ist  daher  von  vornherein  zu— 
zugeben. 

Aus  sämtlichen  Blutuntersuchungen  der  letzten  2  Jahre 
habe  ich  nun  alle  diejenigen  Fälle  zusammengestellt,  in 
welchen  eine  Lymphozytose  beobachtet  wurde;  dabei 
wurden  als  Lymphozytosen  nur  solche  Fälle 
rubriziert,  in  welchen  auf  100  weisse  Zellen 
wenigstens  30  oder  mehrLymphozyten  kamen; 
dabei  nenne  ich  die  Lymphozytose  absolut, 
wenn  mehr  als  2000  Lymphozyten  im  Kubik- 
m  i  llimeter  vorhanden  sind,  relativ,  wenn 
diese  Zahl  nicht  erreicht  wurde,  die  Lympho¬ 
zyten  aber  im  Vergleich  zur  Zahl  der  Neutro¬ 
philen  gegenüber  der  Norm  prozentual  ver¬ 
mehrt  sind. 

Ich  fand  auf  diese  Weise  bei  100  Kranken  der  Jahre  1911 
und  1912,  sowie  Anfang  1913  eine  absolute  oder  relative  Ver¬ 
mehrung  der  Lymphozyten;  dabei  ist  vorauszuschicken,  dass 
nur  die  von  N  a  e  g  e  1  i  als  Lymphozyten  geschilderten  Formen 
als  solche  gezählt  wurden,  nie  aber  die  grossen  mononukleären 
Leukozyten. 

Nicht  selten  bestund  neben  der  Lymphozytose  auch 
Eosinophilie  oder  es  waren  die  grossen  mononukleären  und  die 
Uebergangsformen  vermehrt,  aber  die  Zahl  dieser  Befunde 
war  nicht  gross  genug,  um  Schlüsse  aus  denselben  zu  ziehen, 
nur  das  möchte  ich  hervorheben,  dass  in  vielen  Fällen,  in 
welchen  sonst  Lymphozytose  beobachtet  wurde,  die  Neutro¬ 
philen  auf  Kosten  der  Eosinophilen,  Mononukleären  oder 
Uebergangsformen  vermindert  waren. 

Was  das  allgemeine  Blutbild  der  Fälle  mit  bestehender 
Lymphozytose  betrifft,  so  war  mit  wenigen  Ausnahmen  die 
Zahl  der  roten  Blutkörperchen  weder  nach  oben,  noch  nach 
unten  wesentlich  von  der  Norm  abweichend,  wenn  man  die 
grosse  Breite  der  physiologischen  Schwankung  berücksichtigt. 
Auch  der  Hämoglobingehalt,  der  nach  Sahli  bestimmt  wurde, 
bewegte  sich  nahe  an  der  normalen  Grenze.  —  Immerhin  sind 
einige  Fälle  mit  mässiger  Polyzythämie  und  Fälle  mit 
leicht  chlorotischem  Blutbild  eingereiht,  sie  sind  aber  gegen¬ 
über  den  Fällen  mit  normalem  Hämoglobingehalt  und  normaler 
Zahl  von  roten  Blutkörperchen  in  verschwindend  kleiner  An¬ 
zahl  vorhanden. 

Unter  den  100  Fällen  von  Lymphozytose 
war  die  Vermehrung  der  Lymphozyten  eine 
absolute  in  71  Fällen.  Dabei  fanden  sich  oft  sehr  hohe 
Lymphozytenwerte,  ln  29  Fällen  waren  die  Lymphozyten 
vermehrt  im  Verhältnis  zu  den  in  zu  geringer  Anzahl  vor¬ 
handenen  Polymorphkernigen.  In  61  Fällen  bestund 
eine  absolute  Verminderung  der  Neutro¬ 
philen,  in  13  Fällen  bestund  eine  Vermehrung  der  Neutro¬ 
philen  bei  gleichzeitiger  absoluter  und  relativer  Vermehrung 
der  Lymphozyten.  26  mal  war  die  Zahl  der  Neutrophilen 

1 


1130 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


normal.  Als  vermindert  wurden  die  Neutrophilen  angenommen, 
wenn  weniger  als  4000  vorhanden  waren,  vermehrt,  wenn 
mehr  als  5000  vorhanden  waren. 

In  vielen  Eällen  wurden  die  Blutbefunde  nach  längerer 
/eit  kontrolliert,  dabei  wurde,  wenn  keine  gegen  die  Lympho- 
tose  gerichtete  Behandlung  eingeleitet  worden  war  fast 
stets  ungefähr  der  gleiche  Blutbefund  in  Bezug  auf  die 
Lymphozytose  erhoben,  auch  nach  Monaten  oder  Jahresfrist 
und  noch  später. 

Wenn  ich  nun  die  Fälle,  in  welchen  ich  eine  absolute  oder 
relative  Lymphozytose  fand,  nach  Krankheitsgruppen  zu¬ 
sammenstelle,  so  lassen  sich  dieselben  im  ganzen  in  4  Krank¬ 
heitsgruppen  einreihen  und  zwar  in  folgende: 

1.  Organische  Krankheiten,  das  heisst  Krankheiten  mit 
klinisch  nachweisbaren  anatomischen  Veränderungen 
verschiedener  Natur  mit  Ausnahme  solcher  mit  Schild¬ 
drüsenanomalien, 

2.  Diabetes, 

3.  Basedow  sehe  Krankheit,  resp.  mit  der  Schilddrüse 
in  Zusammenhang  stehende  Krankheitsbilder, 

4.  Krankheiten  ohne  anatomische  Veränderungen. 


No.  2l 


Fälle  ohne  pathologisch -anatomische  Befunde. 


No. 


Name 


27 


28 

29 

30 


31 

32 


33 


34 

35 

36 

37 

38 

39 


Fälle 

m  i  t 

pathologisch-anatomischen  Befunden. 

No. 

Name 

Alter 

Diagnose 

Geschl. 

rote  Z. 

w.  Z. 

Neutrophile 

im  j  in 
ganz.  jProz. 

Lympho¬ 
zyten 
im  I  in 
ganz.  Proz. 

Hämo¬ 

globin 

in  Proz. 

1 

L.  F. 

53 

Tabes 

m. 

4  940  000 

7600 

4702 

62 

2432 

32 

60 

2 

H.  A. 

19 

Tänie 

m. 

4  800  000 

6400 

3262 

51 

2048 

32 

KO 

3 

R.  S. 

52 

Spinale  Erkrank. 

m. 

5  230  000 

8500 

5100 

60 

2975 

35 

94 

4 

J.  M. 

38 

Arthritis  de- 
formans 

m. 

5  210  000 

7500 

4050 

54 

2700 

36 

105 

Fälle  von  Diabetes. 

5 

H.  K. 

38 

Diabetes 

m. 

5  000  000 

4500 

2970 

66 

1395 

31 

105 

P.  K. 

85 

y  t 

w. 

4  600  000 

7700 

4697 

61 

2387 

30 

80 

A.  A. 

62 

yy 

w. 

4  600  000 

3900 

2223 

57 

1482 

38 

90 

St. 

62 

yy 

w. 

5  400  000 

4600 

2530 

55 

1840 

40 

62 

F.  T. 

80 

yy 

m. 

4  500  000 

6000 

3060 

51 

2460 

40 

90 

6/ 

»> 

m. 

5  100  000 

6400 

3392 

53 

2688 

42 

90 

O. 

51 

yy 

m. 

4  600  000 

7400 

3478 

47 

3182 

43 

82 

40 

41 

42 

43 


44 

45 

46 


47 

48 


Fälle 


12 

L.  H. 

41 

13 

B. 

54 

14 

F  K. 

38 

15 

E.  S. 

51 

16 

B. 

21 

17 

H. 

58 

18 

L.  M. 

38 

19 

F.  St. 

44 

20 

F.  B 

45 

21 

H.  F. 

42 

22 

F.  H. 

43 

23 

M.M. 

32 

24 

F.  S. 

45 

25 

M.M. 

51 

26 

C.  B. 

42 

von  Basedow, 

Basedow 


Struma  mit  Herz 
beschwerden 
Dysthyreose 
Basedow 


Basedow  geheilt 
Struma  mit  Herz¬ 
klopfen 


Basedow 


J  7 

Struma  und  Poly¬ 
zythämie 
Basedow 


Dysthyreosen  und  Struma. 


49 

50 

51 

52 


53 

54 


56 

57 

58 

59 


60 

61 


62 

63 


V.  M. 


S  J- 
L.  S. 
A  Z. 


Alter 


70 


L.  A 
E.  B 


F. 


E.  B 
A.  R. 
B. 

E.  O. 
O.  E 
M.  O. 


F.  S. 
O.  S. 
E.  S. 

D. 


A.  S. 
S.  V. 
E.  B. 


St. 
B.  B. 


E.  H. 

F.  M. 
M.  K. 

G.  S. 


M.  R. 
S.  S. 


M.  Th 


K.  S. 
E. 

N.J. 
M.  B. 


M.  M 
A. 


F. 


27 

32 

22 


Diagnose 


rote  Z. 


w.  Z. 


Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie 


61 


32 


43 


63 


w. 

5  200  000 

8200 

5166 

63 

2460 

30 

82 

64 

F.  P. 

30 

w. 

4  620  000 

7400 

4514 

61 

2220 

30 

95 

65 

M.  R. 

63 

w. 

4  720  000 

6600 

3828 

58 

2112 

32 

85 

w. 

4  800  000 

6200 

2542 

41 

2046 

33 

64 

66 

1  Z.  St. 

16 

67 

M.  W 

34 

m. 

5  400  000 

4600 

2944 

64 

2546 

34 

100 

68 

1  A.  O 

46 

m. 

4  000  000 

8400 

5040 

60 

2940 

35 

70 

w. 

4  300  000 

5000 

2750 

55 

1800 

36 

85 

69 

M.  G. 

30 

w. 

5  600  000 

3800 

2090 

55 

1444 

38 

83 

70 

F.  B. 

49 

m. 

4  500  000 

3000 

1260 

42 

1260 

42 

82 

71 

F.  St. 

37 

w. 

4  400  000 

5100 

2448 

48 

2193 

43 

70 

72 

D. 

33 

w. 

4  500  000 

5700 

273G 

48 

2451 

43 

75 

w. 

6  100  000 

6400 

3201 

50 

2816 

44 

86 

73 

E.  R. 

53 

w. 

5  100  000 

2900 

1363 

47 

1276 

44 

85 

74 

C.  H. 

20 

w. 

7  100  000 

1300 

6370 

49 

6240 

48 

120 

75 

M.  H. 

41 

76 

S.  J. 

30 

m. 

5  017  000 

5800 

2748 

48 

2748 

48 

95 

77 

D. 

43 

Verschwindend  klein  war  die  Anzahl  der  Lymphozytosen 
m  der  ersten  Gruppe,  nur  bei  4  Kranken  mit  ana¬ 
tomischen  Veränderungen  ohne  Struma  fand 
sich  eine  Lymphozytose:  (4  m.). 

Zweimal  bei  Spinalkrankheiten,  einmal  bei  Arthritis  defor- 
mans,  einmal  bei  Tänie,  dabei  war  der  eine  Fall  von  Spinal¬ 
erkrankung  kompliziert  durch  schwere  neuropathische  Veran¬ 
lagung;  die  Tänie  gehörte  dem  jugendlichen  Alter  an  in 
welchem  die  Lymphozyten  überhaupt  leicht  noch  vermehrt 
gefunden  werden.  Wenn  ich  nun  letztere  2  Fälle  ausschalte, 
bleiben  überhaupt  nur  2  Fälle  anatomischer  Erkrankung  mit 
Lymphozytose  über. 

Die  zweite  Gruppe  umfasst  7  Fälle  von  Diabetes, 
ln  6  von  diesen  Fällen  bestund  Lymphozytose  bei  gleich¬ 
zeitiger  neutrophiler  Leukopenie  (4  m„  3  w.).  Weder  die  Höhe 
cu  Lymphozytose  noch  die  Stärke  der  Leukopenie  stund  in 
einem  Verhältnis  zu  der  Schwere  der  Krankheit.  So  wurde 
bei  einem  Kranken  starke  Lymphozytose  beobachtet,  1  Jahr 
spater,  als  eine  bedeutende  Verschlechterung  eingetreten  war 
normale  Lymphozytenwerte. 

Die  dritte  Gruppe  enthält  15  Fälle,  davon  11  Fälle 
voll  entwickelter  oder  rudimentärer  Base¬ 
dowscher  Krankheit  und  4  Fälle  von  Schilddrüsen- 
\  ei  grossei  ungen,  von  denen  zwei  mit  nervösen  Symptomen 
und  Herzklopfen,  einer  mit  Herzfehler  verbunden  war  (4  m. 
w.).  Bei  11  dieser  15  Fälle  bestund  neutrophile  Leukopenie. 


78 

79 

80 


81 


82 

83 


84 

85 


86 

87 

88 

89 

90 


91 


94 


95 

96 

97 


98 

99 
100 


K.  {' 
H.  P. 

J.  E 


U 

Neurop.  Zustand 
Sch  einanäniie 
Neurop.  Zustand 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 


Neurose 

Asthenie 


Nerv.  Diarrhöen 
Scheinanämie 
Magenneurose 
Neurop.  Zustand 
Asthma,  Asthen 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 


Migräne,  Schein¬ 
anämie 
Asthenie 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Neurop.  Zustand 
Asthenie 
Depression 
Asthenie 
Scheinanämie 
Neurose 
Asthenie 
Ptose 

Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 
Asthenie 
Neurop.  Zustand 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie,  nervös. 

Diarrhöen, 
Scheinanämie 
Scheinanämie 
Nenrop.  Zustand 


w.  4  800  000 


w. 

m. 

w. 


5  100  000 
5  100  000 
4  580  000 


w. 

w. 


5  700  000 
5  460  000 


5  200  000 


w. 

m. 

w. 

w. 

w. 

w. 


4  760  000 

5  400  000 
5  000  000 
4  800  000 

4  800  000 

5  100  000 


4  810  000 
6  000  000 
4  890  000 
4  800  000 


6  190  000 
5  210  000 
4  000  000 


4  250  000 

5  800  000 


4  750  000 

4  900  000 

5  600  000 
4  300  000 


4  300  000 

5  400  000 


w.  4  100  000 


6  200  000 

4  700  000 

5  800  000 
4  350  000 


Asthenie,  Schein 
anämie 


H.  S. 
M.  E. 


R.  B 
M.  T 


L.  L 
W.  K 
F.  St. 
E.  H. 
K.  B. 


F.  F. 


O.  S. 
E.  A. 


B.  O. 


L.  K. 

D.  E. 

E.  S. 


F.  P. 
B.  E. 
L.  D. 


40 


24 

26 


21 


43 


Asthenie 
Asthenie,  Schein 
anämie 
Asthenie 
Neurop.  Zustand 
Neurop.  Znstand 
Scheinanämie 
Asthenie,  Schein 
anämie 


4  500  000 
4  810  000 


w. 

w. 

m. 

w. 


4  800  000 

4  010  000 

5  400  000 
5  100  000 


w. 

w. 

w. 


16 

19 

50 

46 

36 


55 


22 


33 

40 

19 


57 


37 


27 


»7  >7 

Asthenie,  Ptose 
Neurop.  Zustand 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 
Asthenie,  Ptose 
Scheinanämie 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie,  Schein 
anämie 
Asthenie 
Neurop.  Zustand 
Neurop.  Zustand 


Asthenie,  Schein¬ 
anämie 

Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie 


Neurop.  Zustand 
Astenie- 
Diarrhöen 
Asthenie,  Schein¬ 
anämie  ■ 
Neurop.  Zustand 
Scheinanämie 
Asthenie.  Schein¬ 
anämie 


5  600  000 
5  200  000 
4  200  000 


4900 


8000 

7200 

9200 


4000 

6600 


9200 


Neutrophile 


im  in 
ganz.  Proz. 


Lympho¬ 
zyten 
im  I  in 


ganz.  [Proz 


Häme 

globi 


in  Pro 


3038  62 


5360 

4608 

5520 


67 

64 

60 


2600 

3894 


65 

59 


6200 

4900 

8200 

7100 

6100 

1300 


5800 

6800 

5200 

4200 


7600 

5900 

6200 


8600 

8650 


6800 

4800 

6000 

4800 


7600 

7400 


4800 


5800 

5800 

5200 

8200 


6500 

7200 


7200 

6800 

8700 

5900 


13000 

8800 

4601 


w. 

w. 

w. 


4  427  000 

5  260  000 
4  700  000 


w.  4  500  000 


m. 

w. 

w. 

w. 

w. 

w. 

m. 

m. 


4  700  000 
4  950  000 

4  800  000 

5  130  000 
4  500  000 

4  916  000 

5  220  000 
5  300  000 


4  600  000 


m. 

w. 


5  800  000 
4  450  000 


6  000  000 
4  350  000 


5  400  000 

4  500  000 

5  601  000 
4  720  000 
4  600  000 


w.  4  816  000 


5  270  000 

6  500  000 


w.  I  5  900  000 


4  500  000 

5  370  000 
4  600  000 


4  600  000 
4  850  000 
4  600  000 


7500 

5400 

7100 


8100 


6400 

5200 

6000 

8100 

4800 

7200 

7600 

4700 


4700 


8400 

8900 


6700 

13000 


5520 


3658 

3166 

4838 

3976 

3660 

7800 


60 


3132 

4012 

2600 

2604 


4712 

3019 

3658 


5418 

4930 


3400 

2784 

3240 

2832 


1470 


2400 

2160 

2760 


1200 

1980 


2760 


4560 

4070 


2304 


3190 

3190 

2392 

4670 


3640 

3960 


4176 

4216 

5220 

2950 


7026 

4576 

2714 


60 

55 


48 


55 

55 

46 

57 


56 

55 


58 

62 

60 

50 


54 

52 

59 


4200 

2700 

4189 


5022 


2816 

2860 

3180 

4536 

2352 

3744 

4180 

2632 


2726 


56 

50 

59 


62 


1922 

1519 

2542 

2201 

1891 

4160 


30 


80 

30 

30 


30 

30 


30 


1856 

2176 

1664 

1344 


2508 

1947 

2046 


2924 

2940 


31 

31 

31 

31 

31 

32 


32 

32 

32 

32 


33 

33 

33 


2312  34 
1632  34 
2100  34 
1680  |  35 


2660 

2590 


1680 


2030 

2030 

1872 

2952 


2340 

2592 


2592 

2448 

3132 

2183 


35 


4810  37 
3256  37 
1702  I  37 


2775 

1998 

2627 


2997 


44  |  2432 


4620 

4272 


3618 

7020 


58 


55 

48 


54 

54 


5300 

5800 

8800 

5300 

4100 


6200 


8206 

4500 


8400 


8700 

6900 

3600 


4000 

9000 

8200 


2703 

2088 

4752 

2322 

1927 


3224 


4428 

2160 


4032 


4263 

3588 

1692 


1760 

3780 

3280 


51 

36 

54 

44 

47 


52 


54 

48 


48 


49 

52 

47 


44 

42 

40 


1476 

2280 

3078 

1872 

2808 

2746 

1880 


2227 


3528 

3738 


37 

37 

37 


37 


41 


2814 

5460 


2226 

2449 

3784 

2322 

1804 


2728 


44 


3690 

2025 


3864 


4002 

3243 

1692 


1920 

4500 

4346 


45 

45 


46 


48 

50 

53 


78 


80 

81 

85 


80 

80 


90 


73 

105 

70 

85 

75 

90 


85 

95 

80 

75 


105 

96 

75 


78 

97 


80 

80 

89 

75 


80 

80 


90 


86 

90 

82 

73 


85 

80 


75 

75 

70 

72 


80 

80 

75 


92 

85 

80 


92 

82 

72 

85 

Kr. 

83 

80 

85 


87 


100 

83 


90 

80 


90 

87 

91 

88 
80 


81 


80 

80 


75 

90 

100 


Unter  den  Basedow  sehen  Fällen  ist  auch  ein  Fall 
rubriziert,  welcher  streng  genommen  nicht  hieher  gehört.  Er 
u  ai  vor  15  Jahren  mehrere  Jahre  hindurch  wegen  aller- 
sGiw  erster  Basedowsymptome  in  meiner  Behandlung.  Die 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


I  sedow Symptome,  die  damals  fast  zum  Exitus  führten,  sind 
j zt  seit  15  Jahren  vollständig  verschwunden  und  der  Kranke 
'ir  wegen  ganz  änderet  neuropathischer  Erscheinungen  in 
i  handlung;  er  hatte  bei  der  Blutuntersuchung  im  Jahre  1912 
jr  3000  weissc  Zellen,  dabei  gleich  viele  Lymphozyten  und 
’  utrophile.  Es  ist  jedenfalls  von  Interesse,  dass  bei  dem  jetzt 
>  llständig  geheilten  Kranken  noch  starke  neutrophile  Leu- 
1  aenie  und  relative  Lymphozytose  besteht  wie  bei  schweren 
I  sedowkranken. 

Dieser  Befund  bei  einem  spontan,  d.  h.  bei  interner  Be- 
:  ldlung  geheilten  Basedowkranken  ist  nicht  auffallend,  denn 
c  Kocher  sehe  Angabe,  dass  das  Blutbild  bei  Basedow- 
1  inken  nach  der  Strumektomie  normal  wird,  ist  von  ver¬ 
miedenen  Autoren  bestritten  worden. 

So  fand  Baruch  unter  11  operativ  geheilten  Fällen  nur  in 
'm  JFa*J?  normalen  Blutbefund,  während  in  den  10  anderen  Fällen 
-i  h  deutliche  Lymphozytose  von  im  Durchschnitt  35  Proz  weiter- 
itund.  —  Zum  gleichen  Resultat  kamen  Sudeck,  Starck  und 
^ose  rmt  seinen  Mitarbeitern.  Letzterer  fand  bei  52  operierten 
•edow  ki  anken  trotz  klinischer  Heilung  noch  ausgesprochene 
_  nphozytose. 

Trotzdem  ist  die  Lymphozytose  der  Base- 
i\v  kranken  bestimmt  nicht  eine  konsti- 
tionelle,  den  Basedowträgern  auch  ausser- 
llb  diesei  Krankheit  dauernd  zukommende 
gentümlichkeit,  denn  ich  sah  bei  mehreren  meiner 
Ledowkranken,  die  früher  wegen  einer  scheinbaren  Herz- 
;  rose  in  Behandlung  waren,  zuerst  ein  normales  Blutbild, 

! t  als  die  Basedowsymptome  manifest  wurden,  kam  es  zu 
i  gesprochener  Lymphozytose  mit  neutrophiler  Leukopenie. 

-  en  Fall  von  Dysthyreoidismus  habe  ich  jetzt  in  Beob- 
■  tung,  bei  dem  sich  in  wenigen  Wochen  unter  unseren  Augen 
i  einem  normalen  Blutbild  mit  25  Proz.  Lymphozyten  eine 
nphozytose  von  39  Proz.  mit  Leukopenie  verbunden  ent- 
*  kelte.  Das  gleiche  beobachtete  ich  wiederholt. 

Nun  komme  ich  zur  Besprechung  der  vierten  und 
1  >taus  grössten  Gruppe  von  74  Fällen,  in 
lcher  sich  ausschliesslich  Kranke  ohne 
atomische  Befunde  von  Bedeutung  be¬ 
iden  (19  m.,  55  w.). 

Wenn  ich  die  Lymphozytose  dieser  vierten  Gruppe  in 
rade  einteile,  in  solche  mit  30—35  Proz.,  solche  von  36  bis 
Jroz„  solche  von  41—45  Proz.  und  solche  von  46—53  Proz. 
nphozyten,  so  gehörten  dem  ersten  Grade  an  31  mit 
5  Fallen  von  gleichzeitiger  Leukopenie,  dem  zweiten  Grade 
:  nit  12  Fällen  von  Leukopenie,  dem  dritten  13  mit  8  Fällen 
i  Leukopenie,  dem  vierten  Grade  7  Fälle  mit  5  Leukopenien, 
i  ganzen  wurden  also  in  dieser  Gruppe  44  Fälle  von 
u  k  o  p  e  n  i  e  gefunden. 

Die  eine  Hälfte  dieser  Gruppe  bestund  aus 
^gesprochenen  Asthenikern,  Kranken,  die 
3 -rnd  wenig  leistungsfähig  waren,  sich  nur  vorübergehend 
31  längeren  Kuren,  nach  Seebädern,  Gebirgs-  oder  Land- 
mthalt  einigermassen  wohl  und  frisch  fühlten,  um  bald 
Jer  hinfällig  zu  werden,  wenn  die  Anforderungen  des  ge- 
•inlichen  Lebens  an  sie  herantraten. 

Die  andere  Hälfte  meiner  Patienten  mit 
mphozytose  ohne  Organerkrankung  setzte 
ihausKranken  zusammen,  die  wir  schlecht- 
i  als  Neuropathen  zu  bezeichnen  gewohnt 
1  d,  oder  bei  welchen  die  Diagnose  auf  eine  bestimmte  Neu- 
i  ,  z.  B.  nervöse  Diarrhöen,  spastische  Obstipation,  Herz¬ 
lose,  Magenneurose  usw.  gestellt  werden  konnte. 

Eines  der  hervorstechendsten  somatischen  Symptome  in 
(er  Gruppe  war  das  äusserst  blasse,  anämische 
’ss  e  h  e  n;  gerade  dieses  Aussehen  war  es,  was  mich  früher 
i  er  veranlasste,  die  Blutuntersuchung  auszuführen,  welche 
ab,  dass  es  sich  gar  nicht  um  wirkliche  Anämien  oder 
Brosen  handelte,  dass  weder  der  Hämoglobingehalt  noch 
t^ahl  der  roten  Blutkörperchen  die  Blässe  erklären  konnten, 

I  es  sich  vielmehr  nur  um  eine  Scheinanämie  handelte.  Bei 
'hen  Kranken  fand  sich  oft  Lymphozytose,  oft  mit,  oft  ohne 
:  rophile  Leukopenie,  letztere  auch  manchmal  nicht  be- 

I I  durch  Vermehrung  der  Lymphozyten,  sondern  durch 
Bnehrung  der  anderen  weissen  Zellformen,  der  eosinophilen, 
s  grossen  mononukleären  und  der  Uebergangsformen. 


Oft  fand  ich  bei  den  Kranken  der  Gruppe  4  ptotischen 
Habitus,  mit  Ptose  von  Magen,  Niere  und  Kolon,  in  Verbindung 
damit  fand  ich  öfters  das  längsstehende  schmale  Herz,  auch 
das  1  ropfenherz.  Auch  infantiler  Uterus,  längeres  oder 
dauerndes  Ausbleiben  der  Menses  wurde  beobachtet.  Von 
den  Funktionsstörungen  dieser  Kranken  nenne  ich  nur  die  ge¬ 
steigerte  Erregbarkeit  des  Herzens,  die  vielen  vasomotorischen 
Symptome,  den  Dermographismus,  den  Farbenwechsel,  die 
Neigung  zu  heissen  und  kalten  Extremitäten,  die  Hyperhidrosis, 
die  Störungen  im  Intestinaltraktus,  die  Anorexie,  die  Achylia 
gastrica,  die  sogen,  nervöse  Diarrhöe  und  die  spastische  Ob¬ 
stipation  und  zahlreiche  andere  Erscheinungen,  die  ich  hier 
nicht  alle  aufzählen  kann. 

Einzelne  der  Kranken  waren  sehr  fettarm  und  sahen  nahe¬ 
zu  kachektisch  aus,  so  dass  erst  die  genaueste  Untersuchung 
und  längere  Beobachtung  mich  vom  Fehlen  einer  organischen 
Erkrankung  überzeugen  konnte,  andere  reichlich  ernährt. 
Nicht  unerwähnt  möchte  ich  lassen,  dass  bei  einzelnen 
seltenen  Fällen  dieser  Gruppe  ganz  kleine 
Temperatursteigerungen,  ähnlich  wie  bei  den 
Dysthyreosen  bis  37,4  oder  37,5  in  axilla  beobachtet  wurden; 
dabei  war  Pirquet  negativ,  eine  Röntgenuntersuchung  ergab 
höchstens  vergrösserte  Hilusdrüsen  oder  kleine  unsichere  alte 
Herdchen  und  die  weitere  oft  noch  jahrelang  fortgesetzte  Be- 
I  obachtung  brachte  den  Erweis,  dass  keine  Tuberkulose  vorlag. 

Die  Zahlen  dieser  Gruppe  mit  positivem  Lymphozytosen¬ 
befund  wären  noch  grösser  geworden,  wenn  wir  schon  Fälle 
mit  25—30  Proz.  Lymphozyten,  die  im  Vergleich  mit  den  von 
Naegeli  angegebenen  Normalwerten  von  20—25  Proz.  zu 
hoch  sind,  mit  eingerechnet  hätten. 

Um  aber  ja  kein  Missverständnis  aufkommen  zu  lassen, 
möchte  ich  hervorheben,  dass  ich  bei  zahlreichen, 
der  Gruppe  4  ungehörigen  Kranken  ein  abso¬ 
lut  normales  Blutbild  gefunden  habe,  jedenfalls 
prozentual  viel  häufiger,  als  beim  Diabetes  und  bei  Basedow¬ 
kranken. 

Immerhin  ist  nach  meinen  Aufzeichnungen 
aus  den  letzten  2  Jahren  die  Lymphozytose 
ein  häufiger,  wenn  auch  keineswegs  regel¬ 
mässiger  Blutbefund  bei  Asthenikern  und 
Neuropathen,  besonders  auch  bei  solchen,  die  durch 
eine  entweder  zeitweise  oder  ständige  Blässe  auffallen. 

Bei  den  zahlreichen  Fehlerquellen  der  Blutzählungen 
würde  kein  Wert  darauf  zu  legen  sein,  wenn  ein  oder  das 
andere  Mal  Lymphozytose  vorkäme.  Bei  der  ausserordent¬ 
lich  häufigen  Wiederholung  des  gleichen  Befundes  bei  den 
Kranken  dieser  Gruppe  können  aber  doch  Untersuchungs¬ 
fehler  keine  grosse  Rolle  spielen.  Dieselben  müssten  ja  in  der 
gleichen  Weise  auch  bei  anderen  Kranken,  z.  B.  bei  den 
Kranken  mit  anatomischen  Veränderungen,  wie  sie  in  der 
Gruppe  1  zusammengestellt  sind,  sich  ebenfalls  bemerkbar 
machen. 

Es  musste  mich  natürlich  in  hohem  Grade  überraschen, 
dass  wir  beim  ganzen  uns  zur  Verfügung  stehenden  Krank¬ 
heitsmaterial  die  Lymphozytose  mit  vereinzelten  Ausnahmen 
nur  in  3  Krankheitsgruppen,  bei  diesen  aber 
ungemein  häufig  fanden,  bei  den  Diabetikern, 
bei  den  Kranken  mit  Basedow  und  Schild¬ 
drüsenaffektionen  und  endlich  bei  Asthe¬ 
nikern  und  Neuropathen;  es  lag  nahe,  darnach  zu 
forschen,  ob  diesen  Krankheitszuständen  auch  sonst  noch  ge¬ 
meinsame  Charaktere  zukommen,  welche  eine  gewisse  Zu¬ 
sammengehörigkeit  wahrscheinlich  machen,  ferner  die  Ursache 
der  Lymphozytose  bei  diesen  Zuständen  zu  ergründen. 

Da  mag  zunächst  hervorgehoben  werden,  dass  gleiche 
ätiologische  Momente  sowohl  Diabetes,  als  Basedow,  als  viele 
der  Symptome  meiner  vierten  Gruppe  auslösen  können;  ich 
nenne  nur  das  psychische  Trauma,  das  alle  obige  Zustände 
sowohl  hervorrufen,  als  nach  deren  Bestehen  sehr  ungünstig 
beeinflussen  kann. 

Auch  in  der  Symptomatologie  der  Kranken  der  3  Gruppen 
mit  Lymphozytose  finden  wir  viele  gemeinsame  Züge;  so  be¬ 
obachteten  wir  die  Störung  im  Kohlehydratstoffwechsel  nicht 
nur  beim  Diabetiker,  sondern  oft  auch  hei  Basedowkranken 

1* 


1132 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


und  nicht  diabetischen  Neuropathen,  ebenso  auch  die  Poly¬ 
dipsie  und  Polyurie. 

Auch  beiin  Diabetes  und  beim  Neuropathen  kann  es  zu 
Schilddrüsen  vergrösserungen  kommen  und  Schilddriisenver- 
fiitterung  kann  Diabetes  hervorrufen.  Neuropathische  Er¬ 
scheinungen  beim  Diabetiker  sind  ebenso  häufig,  wie  das  Auf¬ 
treten  vorübergehender  Glykosurie  bei  Neurosen. 

So  gehen  manche  Depressionszustände  während  ihrer 
ganzen  Dauer  mit  Zuckerausscheidung  einher 

Dass  die  Basedow  sehe  Krankheit  bis  zur  thyreogenen 
1  heorie  von  Möbius  immer  zu  den  Neurosen  gerechnet 
wurde,  ist  nur  zu  begreiflich,  denn  es  gibt  wohl  keinen  Fall 
\  on  B  a  s  e  d  o  w  scher  Krankheit,  der  nicht  einen  neuropathi- 
schcn  Eindiuck  machte;  auch  Fälle,  die  ich  nach  der  Heilung 
noch  lange  Zeit  beobachten  konnte,  boten  nach  Verschwinden 
der  Basedowsymptome  Erscheinungen  dar,  die  wir  bisher  zu 
den  nervösen  zählten. 

Ebenso  kommen  bei  asthenischen  und  neuropathischen 
Kranken  eine  Reihe  von  Symptomen  vor,  die  auch  bei 
Basedowkranken  beobachtet  werden,  so  psychische  Erreg¬ 
barkeit,  Schlaflosigkeit,  Herzpalpitationen,  Diarrhöen,  Hyperhi- 
drosis,  Kongestionen,  Ernährungsstörungen,  Tremor  u.  a., 
darum  ist  es  ja  in  manchen  Fällen,  in  denen  die  klassischen 
Kombinationen  des  Basedowsymptomenkomplexes  fehlen,  so 
schwer,  die  Differentialdiagnose  zu  stellen. 

Also  zahlreiche  Berührungspunkte  und  Wechselbeziehungen 
zwischen  Diabetes,  Basedow  und  neuropathischen  Zuständen 
sind  nicht  zu  leugnen. 

Zu  den  vielen  gegenseitigen  Beziehungen  und  gemein¬ 
schaftlichen  Krankheitssymptomen  der  erwähnten  Zustände 
kommen  nun  noch  meine  für  alle  3  Gruppen  gleichen  Blut¬ 
befunde.  Da  erscheint  natürlich  die  Frage  berechtigt:  durch 
die  Störungen  welcher  Organe  werden  die 
vielfachen  klinischen  W echselbeziehungen 
und  die  gleichen  Blutbefunde  erklärt? 

Die  Lehre  von  den  Blutgefässdrüsen  oder  Drüsen  mit 
inneren  Sekretionen  und  ihren  Störungen  hat  uns  im  Laufe 
dpi  JMire  wichtige  Aufklärungen  über  Krankheiten  gebracht, 
die  uns  bis  dahin  unverständlich  waren  und  daher  auch  zu 
den  Neurosen  gerechnet  wurden.  Diese  Lehre  hat  mit  der  Er¬ 
kennung  der  Addison  sehen  Krankheit  als  Störung  der 
Nebennierenfunktion  ihren  Anfang  genommen  und  seitdem  eine 
ungeahnte  Fülle  von  Tatsachen  aufgedeckt,  und  bei  ver¬ 
schiedenen  Krankheiten,  die  vorher  der  Therapie  kaum  zu¬ 
gänglich  waren,  eine  ätiologische  Behandlung  ermöglicht. 

Am  fruchtbarsten  war  in  letzter  Beziehung  die  Aufstellung 
der  thyreotoxischen  Genese  des  Morbus  Basedowii  durch 
Moebius;  aber  auch  die  Erkenntnis  der  Cachexia  strumi- 
piiva,  des  Myxödems  als  Hypothyreosis,  die  Lehre  von  der 
Abhängigkeit  der  Akromegalie  und  der  Dystrophia  adipogeni- 
talis  von  der  Hypophysenerkrankung,  mit  der  jetzt  auch  der 
Diabetes  insipidus  in  Verbindung  gebracht  wird  und  der  Nach¬ 
weis  des  Zusammenhanges  zwischen  Tetanie  und  Epithel¬ 
körperchenverlust  oder  -erkrankung  haben  wichtige  thera¬ 
peutische  und  prophylaktische  Fingerzeige  gegeben. 

Es  hat  sich  nun  herausgestelit,  dass  diese  Krankheits¬ 
bilder,  welche  von  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  ausgehen, 
nicht  nur  auf  Sekretionsstörungen  der  zumeist  beteiligten 
Drusen  zurückzuführen  sind,  sondern  dass  dabei  gleichzeitig 
auch  in  anderen  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  Funktions¬ 
störungen  resp.  Sekretionsstörungen  eintreten,  dass  es  sich 
mit  anderen  Worten  sehr  häufig  um  eine  polyglanduläre  In¬ 
suffizienz  oder  Dysfunktion  handelt. 

Nur  von  Insuffizienz  kann  man  deswegen  nicht  sprechen, 
weil  es  sich  sowohl  um  Hyper-  und  Hyposekretionen,  als  auch 
um  Sekretion  veränderter  Sekrete  handelt,  welche  ihre  Wir¬ 
kung  entfalten. 

Auch  der  Diabetes  muss  nach  unseren  jetzigen  Kennt¬ 
nissen  zu  den  Krankheiten  gerechnet  werden,  bei  welchen  die 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion  eine  grosse  Rolle  spielen,  in 
cistei  Linie  die  als  Blutgefässdrüsen  aufzufassenden  L  a  n  g  e  r- 
h  a  n  s  sehen  Inseln;  Steigerung  der  Schilddrüsensekretion 
hemmt  die  Sekrektion  der  L  a  n  g  e  r  h  a  n  s  sehen  Inseln  und 
führt  so  zur  Glykosurie,  ebenso  hemmt  die  gesteigerte  Neben-  I 
nierentätigkeit  die  Pankreasfunktion.  Die  Glykosurie  beim 


No.  _ 

Basedow  wird  hierdurch  ebenso  erklärt,  wie  die  nicht  selten* 
Sclnlddrüsenvergrösser ungen  beim  Diabetes. 

Dagegen  finden  wir  beim  Diabetes  keine  Befunde  welcl 
die  Lymphozytose  im  Blute  erklären;  nirgends  konnte  i, 
irgend  welche  Angaben  darüber  entdecken,  dass  diejenig« 
Organe,  in  welchen  die  Lymphozyten  entstehen,  verände 
oder  hyperplastisch  waren  und  ich  kann  daher  die  Lymph 
zytose  beim  Diabetes  ebensowenig  wie  Caro  erklären;  j( 
möchte  sie  einstweilen  zu  den  Lymphozytosen  rechnen,'  d 
Naegeli  als  die  toxischen  bezeichnet. 

Im  Gegensatz  zum  Diabetes  steht  es  f ü 
die  Basedowsche  Krankheit  längst  fest,  das 
bei  ihrnichtnur  die  Schilddrüse,  sondern  auc 
die  lymphatischen  Apparate  erkranken  un 
die  rhymusdrüse,  die  wieder  ebenso  wie  die  Schilc 
drüse  das  chromaffine  System  beeinflusst.  Borchardtht 
erst  in  letzter  Zeit  in  seiner  Arbeit  über  das  Blutbild  bei  Ei 
krankungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  auf  die  Hypei 
plasien  der  Lymphdrüsen  und  der  Thymus  beim  Basedow  hir 
gewiesen.  Schon  1872  teilte  nach  ihm  Hutchinson  eine 
Fall  von  Morbus  Basedowii  mit  gleichzeitiger  Lymphdrüsen 
vergrösserung  mit,  ebenso  Gueneau  de  Mussy  3  Fäll 
von  Schwellung  der  Tracheal-  und  Bronchialdrüsen.  Aebn 
liehe  Lymphdrüsenschwellungen  wurden  dann  von  Go  wer: 
P  ä  s  s  1  e  r  und  M  a  1 1  i  e  s  s  e  n  beobachtet.  Friedrich  v.  M  ii  i 
1  e  r  beschrieb  3  Fälle  von  Morbus  Basedowii,  bei  welchen  e 
die  seitlichen  Lymphdrüsen  am  Hals  vergrössert  fand. 

In  einem  Falle  von  Hirschlaff  fanden  sich  bei  de 
Autopsie  zahlreiche  geschwollene  Halslymphdriisen,  Hyper 
plasie  der  Mandeln,  der  Milzfollikel,  der  lymphatischen  Ap 
parate  des  Darms,  sowie  eine  grosse  persistierende  Thymus 
Endlich  hat  M  a  c  C  a  1 1  u  m  auf  das  Vorkommen  von  lympha 
tisch em  Gewebe  und  echten  Lymphfollikeln  in  den  Basedow 
Schilddrüsen  aufmerksam  gemacht,  die  sich  nach  Sim 
monds  in  80  Proz.  aller  Basedowschilddrüsen  finden. 

Seitdem  wurden  zahlreiche  analoge  Beobachtungen  ver¬ 
öffentlicht  und  der  Zusammenhang  der  Basedowschei, 
Krankheit  mit  dem  Status  lymphaticus  von  P  a  1 1  a  u  f  oder 
I hymicolymphaticus,  auf  den  Borchardt  hinweist,  kann 
kaum  mehr  in  Abrede  gestellt  werden. 

Damit  ist  der  häufige  Befund  einer 
Lymphozytose  bei  dieser  Krankheit  erklärt? 

Denn  woher  stammen  die  Lymphozyten? 

Aus  dem  lymphatischen  System  und  zwar  in  erster  Linie 
den  Lymphknoten,  den  lymphatischen  Follikeln  der  Milz,  viel¬ 
leicht  auch  den  anderen  lymphatischen  Organen,  den  Ton¬ 
sillen,  den  Zungenbälgen  usw. 

Darum  gehen  Erkrankunen,  welche  zu  einem  Schwund 
des  lymphatischen  Gewebes  führen,  wie  die  Lymphosarkoma- 
tose  oder  das  maligne  Granulom,  mit  einer  starken  Ver¬ 
minderung  der  Lymphozyten  einher,  während  bei  Krank¬ 
heiten,  die  zu  einer  Hyperplasie  und  vermehrten  Funktion  des 
lymphatischen  Gewebes  führen,  die  Lymphozyten  stark  zu¬ 
nehmen,  am  stärksten  bei  der  lymphatischen  Leukämie.  Auch 
die  postinfektiöse  Lymphozytose  bei  Typhus  und  anderen 
Infektionskrankheiten  muss  auf  eine  Anregung  der  Tätigkeit 
des  lymphatischen  Apparates  zurückgeführt  werden,  ebenso 1 
die  toxische  Lymphozytose.  (Schluss  folgt.) 


Aus  dem  Zentralhospital  zu  Petoemboekan  (Sumatras  Ostküste). 

Die  Behandlung  der  Amöbendysenterie  mit  Emetin. 

V on  Dr.  G.  B  a  e  r  mann  und  Dr.  H.  Heinemann. 

Leonard  Rogers  hat  im  British  Medical  Journal  vom 

Juli  und  24.  August  1912  über  erfolgreiche  Ver-, 
suche,  die  Amöbendysenterie  mit  subkutanen  In¬ 
jektionen  von  Emetin  hydrochlor.  oder  hydrobrom. 
zu  behandeln,  berichtet.  Das  Emetin  ist  eines  der  bisher 
bekannten  Alkaloide  der  Ipecacuanha,  ein  zweites  , 
ist  das  C-  e  p  h  a  e  1  i  n.  In  dem  bisher  käuflichen  Emetin  waren 
diese  beiden  Alkaloide  in  quantitativ  nicht  fixierter  Mischung 
enthalten.  Ipecacuanha  enthält  etwa  2  Proz.  dieses 
Alkaloidgemisches. 

w  a  1  s  h  hat  bereits  im  Jahre  1891  (Indian  Medical  Gazette,  Sep¬ 
tember  1891)  Bazillen-  und  Amöbendysenterie  mit  Emetin  behandelt, 


_  Mai  1913. 


MÜNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1133 


Medizin 
experi- 
Er  hat 
enthielt 
Lösung 


fcvVi  Vly  ihaViwJV!iirZ*  I9m2  im  Jounal  of  inf-  dis-  Bd.  X,  pag.  162 
h  Bulletin  Institut  Fast.,  No.  12,  1912)  über  die  Einwirkung  des 

b.dms  auf  die  Amöben  berichtet  und  festgestcllt,  dass  die  Amöben 
„  •.metmlosungen  von  1:  20  000  bis  1:200  000  bei  einer  Temperatur 
«  36—36  in  etwa  24  Stunden  abgetötet  werden.  Keine  der  an- 
t  andten  Losungen  tötete  die  Amöben  im  Laufe  einer  Stunde  ab 
Begleitbakterien  der  Amöben  wurden  in  2  Tagen  abgetötet.  Lei- 
;  fehlt  eine  nähere  Angabe  der  Zusammensetzung  und  der  Her- 
v  ft  des  Emetins. 

Edward  B.  Vedder  hat  dann  im  Journ.  of  tropical 
i  Hjffiene  vom  15.  X.  1912  pag.  313  über  ausgedehnte 
i  i teile  versuche  mit  Ipecucumilm  bezw.  Emetin  berichtet. 

i  verschiedenen  Ipecacuanhaeinheiten  gearbeitet.  No  1 
Proz.  des  Alkaloidgemisches  und  tötete  die  Amöben  in 

1:10  000  rasch  ab;  No.  2  =  0,85  Proz.  des  Alkaloidgemisches 
,  te  Amoben  in  Losung  von  1: 10  000  ab;  No.  4  =  1,6  Proz  tötete 
lt  Amöben  in  Lösung  von  1:20  000  ab.  No.  4  war  also,  obwohl  sein 
,  alt  an  Alkaloidgemisch  geringer  als  der  von  No.  1,  am  wirk- 
steil.  Vedder  zog  daraus  den  richtigen  Schluss,  dass  wohl 

ii  t  die  Gesamtmenge  des  Alkaloides  ausschlaggebend  sei,  sondern 
i. >  eines  der  Alkaloide.  Emetin  oder  Lephaelin  oder  vielleicht  ein 
i.^i es  Alkaloid  die  besonders  wiiksame  Komponente  der  Ipe- 
.  mnha  sei. 

C  e  p  h  a  1  e  i  n  ist  die  brechwirkende  und  Emetin  die  expek- 
citionsanregende  Komponente  des  Alkaloidgemisches.  Merk  be¬ 
engt  das  Cephaelin  als  Emetikum. 

Es  ist  nun  wahrscheinlich,  dass  Emetin  auch  die  amöbo- 
i  pe  Komponente  des  Alkaloidgemisches  bezw.  der  Ipecacu- 
i  i  ist.  Zur  Klärung  dieser  Frage  sind  Versuche  mit  absolut  reinem 
Ltin  bezw.  Cephaelin  nötig.  Rogers  Resultate  waren  so  er- 
:  nliche  und  glänzende,  dass  eine  allgemeine  Aufnahme  dieser  Be- 
£  llungsmethode  selbstverständlich  war. 

Eine  kausale  und  damit  wirklich  erfolgreiche  Behandlung  der 
nbendysenterie  ist  für  den  ganzen  Osten  von  enormer  Bedeutung 
i  wäre  hier  in  ihren  weittragenden,  sozialen  Konsequenzen  ohne 
eres  dem  Salvarsan  an  Wert  gleichzusetzen,  da  die  Amöben- 
vnterie  im  Osten  sehr  verbreitet  und  unter  gegebenen  ungünstigen 
Ständen  eine  schwere,  bis  zu  60  Proz.  tödliche,  Krankheit  ist. 


Es  musste  jedem,  der  mit  der  Histopathologie  der  Amöben- 
:enterie  vertraut,  von  vornherein  klar  sein,  dass  von  den 
iierigen  Behandlungsmethoden  —  wenigstens  in  schwereren 
en  —  wenig  Erfolg  zu  erwarten,  da  dieselben  eigentlich 
i  eine  Oberflächenbehandlung  darstellen  und  einer  Re- 
ntionswirkung  entbehren:  Rizinusölemulsion  und  Kalk- 
f;ser,  das  ganze  Heer  der  Adstringenden.  Die  mehr  kausale 
3;acuanha,  bei  der  eine  Resorptionswirkung  anzunehmen, 
tute  wegen  der  Nebenwirkungen  nicht  in  genügend  hohen 
>  en  gegeben  werden. 


Die  Amöben  sind  ja  manchmal  selbst  bei  leichten  akuten 
r  subakuten  Fällen,  besonders  aber  bei  den  schweren, 
Hroyanten  und  bei  den  chronischen  Fällen  oft  in  gewaltigen 
1  igen  tief  in  die  Submukosa,  in  die  Muskulatur,  selbst  in  die 
osa  eingewandert  und  liegen  dann  vereinzelt  oder  in 
.  fen  zum  Teil  weit  ab  von  dem  offenen,  der  Medikation 
[länglichen  Ulcus.  Die  Ulzerationen  reinigen  sich  zwar 
r:r  Behandlung,  werden  reaktionslos,  schliessen  sich  even- 
1 1,  in  der  Tiefe  bleiben  jedoch  häufig  Amöbenherde.  Diese 
(de  können  wahrscheinlich  monatelang,  vielleicht  jahrelang 
he  besondere  klinische  Aeusserung  von  Krankheitserschei- 
u?en  persistiren,  um  bei  einem  gegebenen  Anreiz  in  ein  Ver- 
i'  rungsstadium  einzutreten  und  klinisch  ein  Rezidiv  zu  er- 
-?en.  Ob  die  Amöben  in  diesen  Herden  als  reine  vege- 
i  /e  Form  fortbestehen  oder  auch  im  Gewebe  Zysten  oder 
(Stadien  der  fertigen  Zysten  mit  Rückbildungs-  bezw.  Auf- 
mgsmöglichkeit  bilden,  ist  noch  nicht  sicher  festgelegt, 
i  rasche  Durchwanderung  der  Darmwand  und  die  latenten 
ule  machen  die  Früh-  bezw.  Spätleberabszesse  und  die 
ftrezidive  ohne  weiteres  verständlich. 


Bei  dieser  anatomischen  Konstellation  konnte  eine  wirk- 
i  e  Behandlung  wenigstens  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  — 
eschen  von  Selbstheilungsvorgängen  —  nur  durch  eine 
orptionswirkung  des  Medikaments  oder  durch  direkte 
likation  vom  Blutwege  aus  erwartet  werden;  eine  er¬ 
zreiche  und  rasche  Therapie  konnte  nur 
Liner  Zerstörung  der  Amöben  bestehen. 

Mir  selbst  sind  der  Ansicht,  dass  die  echte  Dysenterie- 
l'be  und  zwar  für  unsere  Fälle  die  T  e  t  r  a  g  e  n  a  —  w  o  h  1 
einzige  echte  Dysenterieamöbe  —  die 
Inige  Ursache  der  dysenterischen  Veränderungen  ist.  Aus- 
i:heiden  sind  vielleicht  die  phlegmonösen,  diffusen  gangrä- 
»  n  Dysenterien,  die  eventuell  auf  Mischinfektionen  beruhen 


könnten.  Wenn  man  aber  die  akuten,  nekrotisierenden 
Amöbendysenterien  des  Dünn-  und  Dickdarms  im  Schnitte 
untersucht  und  die  ungeheure  Zahl  von  eingewanderten 
Amöben  konstatiert,  so  kann  auch  für  diese  Fälle  die  Amöbe 
■  "  wenigstens  nach  unserer  Ansicht  —  allein  verantwortlich 
gemacht  werden.  Es  handelt  sich  bei  der  Amöbeninfektion 
nicht  um  eine  mechanische  Zerstörung  durch  massenhafte 
Einwanderung,  sondern  um  eine  ganz  eigentümliche  Wirkung 
dei  Amöben  auf  das  Gewebe.  Das  Gewebe  wird  im  weiten 
Umkreis  um  reichliche  Amöbenherde  kernlos,  nimmt  Farb¬ 
stoffe  nicht  mehr  auf,  die  entzündlichen  Reaktionserschei¬ 
nungen  sind  anfangs  ganz  geringgradige  oder  fehlen  selbst, 
das  Gewebe  der  Mukosa  und  Submukosa  scheint  wie  gleich- 
massig  geronnen,  cs  ist  akut  nekrotisiert;  Amöbeninvasion  in 
den  unteren  Dünndarmpartien  können  die  Mukosa  auf  weite 
Strecken  hin  in  kurzer  Zeit  verschorfen.  Das  Gewebe  selbst 
wird  in  seinem  groben  Aufbau  längere  Zeit  wenig  verändert 
und  wird  erst  durch  eine  relativ  spät  einsetzende  reaktive 
Entzündung  abgestossen.  Es  scheint  den  Amöben 
eine  schwere  Giftwirkung  eigen  zu  sein,  die  sich 
weit  in  die  Umgebung  bemerkbar  macht,  und  die  Amöben 
scheinen  diese  Giftwirkung  nicht  immer,  sondern  nur 
in  gewissen  Invasionsstadien  entfalten  zu  können. 
Durch  eintretendc  Immunitätserscheinungen  wird  diese  Gift¬ 
wirkung  wohl  beeinflusst;  es  kann  so  eine  Selbstausheilung 
zustande  kommen.  Auch  die  Reaktion  des  ganzen  Organismus 
spricht  für  eine  spezielle  Giftwirkung.  Selbst  örtlich  be¬ 
schränkte  Prozesse  können  schwere  Störungen  des  Allgemein¬ 
befindens  hervorrufen,  die  in  Abmagerung,  Anämie  und 
Degenerationserscheinungen  des  Herzmuskels,  der  Leber, 
Nieren  und  Milz  ihren  Ausdruck  finden  und  nicht  gut  durch 
den  lokalen  Prozess  allein  erklärt  werden  können. 

Rogers  hat  nun  eine  kausale,  amöbenzer¬ 
störende  Therapie  versucht,  er  hat  an  Stelle 
der  I  p  ecacuanha  deren  Alkaloid,  das  Emetin, 
das  früher  wegen  seiner  Nebenwirkungen  sogar  für  schädlich 
gehalten  und  deshalb  aus  der  Ipecacuanha  eliminiert  wurde, 
gesetzt,  und  so  mit  70 — 90  fach  stärkeren  Dosen  gearbeitet, 
die  zudem  ohne  besondere  Nebenwirkungen  blieben. 

Es  gelang  ihm,  mit  subkutanen  wiederholten 
Injektionen  von  0,01—0,06—0,12  g  Emetin  hydro- 
chlor,  oder  hydrobrom.  die  Amöben  plötzlich  zum  Ver¬ 
schwinden  zu  bringen  und  so  die  von  ihm  behandelten  Fälle, 
zum  Teil  unter  Nachbehandlung  mit  Pulvis  rad.  Ipecacuanhae, 
auch  klinisch  rasch  zu  heilen.  Das  Emetin  wurde  gelöst 
in  Aqua  destillata  oder  physiologischer  Kochsalzlösung 
0,06  . 2,00  und  subkutan  injiziert.  Die  Injektionen  wurden 
am  2.-4. — 6.-8.  Tage  je  nach  Bedarf  wiederholt.  Die  Amöben 
waren  in  den  meisten  Fällen  schon  nach  24—48  Stunden  voll¬ 
ständig  aus  dem  Stuhle  verschwunden  und  die  klinische 
Heilung,  das  heisst  die  Besserung  des  Allgemeinzustandes,  das 
Wiedererscheinen  geformten  Stuhles  ohne  pathologische  Bei¬ 
mengungen  trat  in  fast  allen  Fällen,  in  denen  überhaupt  noch 
eine  Heilung  anatomisch  zu  erwarten  war,  schon  nach  4  bis 
8  lagen  ein.  Bemerkenswert  war  vor  allem  eine  schwere 
gangränöse  Amöbendysenterie,  die  am  3.  Tage  der  Behandlung 
nach  2  maliger  subkutaner  Injektion  von  0,06  und  0,12  Emetin 
wegen  der  Schwere  der  Erkrankung  zum  Exitus  und  zur 
Sektion  kam.  Bei  der  Sektion  fanden  sich  weder  im  Darm¬ 
inhalt,  noch  in  dem  Geschwürsgrund,  noch  in  Gewebsschnitten 
Amöben;  die  gangränösen  Geschwüre  waren  zum  grössten 
Teil  gereinigt.  Leberabszesse  wurden  aspiriert  und  zu¬ 
gleich  lokal  und  subkutan  oder  nur  subkutan  mit  gleichen 
Emetindosen  behandelt.  Die  Verkleinerung  der  Leber  und 
die  Ausheilung  der  Abszesse  trat  ohne  breite  Inzision  in 
wenigen  Tagen  ein;  gleicher  Erfolg  bei  einem  Amöbenabszess 
und  bei  diffuser  Hepatitis. 

Wir  selbst  hatten  zu  unseren  Untersuchungen  leider  nur 
relativ  kleine  Quantitäten  Emetin  hydrochlor.:  3,4  g,  3,5  g, 
2  g  zur  Verfügung,  da  Emetin  in  grösseren  Quantitäten  nicht 
am  Markte,  und  mussten  uns  deshalb  auf  besonders  aus¬ 
gesuchte  Fälle  beschränken,  die  entweder  durch  die  Art  der 
Amöbenausscheidung,  durch  die  Schwere  des  Krankheitsbildes 
sei  es  akuter  oder  chronischer  Natur  —  besonders  geeignet 
erschienen. 


1134 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Es  standen  uns  drei  Einetine  verschiedener 
Herkunft  zur  Verfügung:  3,4  g  Emetin  von  der 
Surgical  Instrument.  Co.,  London,  die  wir  der  Freundlich- 
keit  Dr  Q  r  a  h  a  m  s  und  Dr.  F  e  r  v  o  r  t  s  verdankten,  3,5  g 
Emetin  von  der  Firma  Merck,  das  wir  durch  die  freundliche 
Vermittlung  Rogers  selbst  aus  Kalkutta  erhielten  und  2  g 
Emetin,  welches  direkt  von  der  Firma  Merck  stammte.  Wir 
heben  dies  deshalb  hervor,  weil  sich  diese  drei  Emetine  in 
momentaner  und  Dauerwirkung  erheblich  unterschieden.  In 
den  Protokollen  sind  die  Emetine  mit  „Londo  n“  bezw.  mit 
„M  e  r  c  k“  und  „M  e  r  c  k  II“  bezeichnet,  Emetin  Merck 
und  Merck  II  waren  dem  Londoner  Emetin  an  amöbo- 
troper  wie  an  brechenerregender  Qualität  überlegen.  Emetin 
„London“  und  „Merck“  waren  leicht  gelblich  gefärbt  und 
lösten  sich  nicht  absolut  klar,  Emetin  „Merck  II“  war  voll¬ 
ständig  weiss  und  gab  eine  absolut  wasserklare  Lösung. 

Wir  schicken  voraus,  dass  die  von  Rogers  gewählte 
Dosierung  des  Emetins  bei  längerer  und  dauernder  Beob¬ 
achtung  der  Kranken  in  einer  Reihe  von  Fällen  nicht  aus¬ 
reichend  war,  um  alle  Amöben  abzutöten,  dass  das  Emetin 
in  einzelnen  Fällen  absolut  versagte.  Die  Amöben 
verschwanden  zwar  fast  stets  nach  6—48—72  Stunden  aus 
dem  Stuhl,  Hessen  sich  aber  in  den  meisten  Fällen, 
selbst  bei  erhöhter  Dosierung  nach  4—10—20—30—70  Tagen 
oder  noch  später  wieder  nachweisen. 

Wir  haben  bei  der  subkutanen  Applikation  bei  einer  Reihe 
von  Fällen  die  Einzeldosis  auf  150  mg  (jetzt  200  mg)  erhöht 
und  die  Zahl  der  Injektionen  vermehrt,  ferner  sofort  nach 
einigen  vorbereitenden  Tierversuchen  die  intravenöse 
Injektion  versucht. 

Die  subkutanen  Injektionslösungen  wurden  genau 
nach  den  Vorschriften  Rogers  mit  steriler  Aqua  destillata 
oder  physiologischer  Kochsalzlösung  hergestellt,  nicht  auf¬ 
gekocht.  Die  intravenösen  Injektionen  wurden  in  ver¬ 
schiedenen  Konzentrationen  100—400  mg  zu  30,  50,  100, 
200  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  gemacht. 

Die  subkutanen  Injektionen  rufen  in  einzelnen 
Fähen  vorübergehende,  etwas  schmerzhafte,  ganz  gering¬ 
gradige  flächenhafte  Infiltrate,  manchmal  ein  Gefühl  von 
leichtem  allgemeinen  Unwohlsein  hervor,  sonst  fehlen  bei 
kleinen  und  mittleren  Dosen  von  60—150  mg  alle  Neben- 
wiikungen;  müheloses  Erbrechen  sahen  wir  nur  in  einigen 
wenigen  Fällen.  Wird  die  subkutane  Dosis  von  120—150  mg 
in  täglichen  wiederholten  Injektionen  gegeben,  so  tritt  nach 
der  3.  oder  4.  Injektion  Unwohlsein,  Müdigkeitsgefühl,  leichter 
Schwindel  ein,  der  Appetit  wird  herabgesetzt.  Diese  Stö¬ 
rungen  verschwinden  nach  Aussetzen  des  Emetins  in  24—48 
bis  72  Stunden.  Die  Nieren  werden  selbst  bei  hohen  Dosen 
nicht  geschädigt. 

Die  intravenöse  Injektion  bleibt  bei  den  Dosen  von 
60 — 200  mg  ohne  deutliche  Nebenwirkungen:  leichtes  Schwin¬ 
delgefühl,  vorübergehende  Rötung  des  Gesichts,  leichter 
Brechreiz.  Wurde  diese  Dosis  überschritten  und  300  bis 
400  mg  injiziert,  so  beobachteten  wir  recht  bedrohliche  Neben¬ 
wirkungen.  Diese  Nebenwirkungen  treten  etwa  2—5  Minuten 
nach  der  Injektion  ein  und  bestehen  in  allgemeiner  Gefäss- 
lähmung,  schwerer  exspiratorischer  Dyspnoe  mit  Atemstill¬ 
stand,  in  Bewusstlosigkeit  mit  Erbrechen  und  Entleerung 
dünner  Stühle,  in  enormer  Pulsverlangsamung.  Wenn  diese 
Fischeinungen  auch  stets  vorübergehender  Natur  waren  und 
unter  geeigneten  Gegenmassregeln  rasch  behoben  werden 
konnten,  so  möchten  wir  doch  auf  Grund  dieser  Beobachtungen 
als  intravenöse  Maximaldosis  250  mg  pro  60  Kilogramm 
Körpergewicht  ansehen  und  diese  nicht  mehr  überschreiten, 
zumal  eine  Erhöhung  der  Dosis  über  200  mg  die  Wirkung 
nicht  besonders  zu  verstärken  scheint.  Eine  Schädigung  der 
Nieren  oder  eine  länger  dauernde  Allgemeinschädigung 
konnten  wir  auch  bei  den  hohen  intravenösen  Dosen  nicht 
konstatieren. 

Wir  haben  bis  heute  22  Amöbendysenterien  mit 
Emetin  behandelt.  Hievon  kamen  durch  die  Schwere 
der  Erkrankung  7  ad  exitum.  Nur  6  Fälle  sind  bis 
heute  arnöben-  bezw.  zysten  frei  geblieben, 
hievon  sind  drei  durch  die  Sektion  als  ziem¬ 


Noj 

lieh  gesichert  anzusehen.  Es  tritt  zwar  bei  se 
alten  Amöbendysenterien  auch  spontan  eine  allmählic 
Amöbenzerstörung  und  Abheilung  der  Geschwüre  ein- 
unseren  Fällen  sprach  jedoch  die  Art  des  Abheilungsproze’s^ 
und  der  überaus  rasche  Eintritt  desselben  sehr  zu  gimst 
der  Emetinwirkung. 

Die  überlebenden  3  Fälle  möchten  wir  nur  als  v  o  r  1  ä  u  f 
arnöben-  bzw.  z  y  s  t  e  n  f  r  e  i  a  n  s  e  h  e  n,  da  wir  dur 
eine  Reihe  von  Spätrezidiven  in  der  Beurteilung  der  Baut 
Wirkung  recht  vorsichtig  gemacht  worden  sind.  Unter  d< 
zur  Sektion  gekommenen  Dysenterien  war  ein  akuter  fo 
droyanter  Fall  mit  Perforation,  der  nur  eine  subkutane  Inje 
ti°n  von  60  mg  erhalten,  am  folgenden  Tage  starb  und  i 
Darminhalt  wie  in  Gewebsschnitten  enorme  Massen  vi 
Amöben  aufwies.  Bei  den  übrigen  6  sezierten  Fällen  Handel 
es  sich  um  chronische  Amöbendysenterien,  bei  denen  eil 
klinische  Heilung  nicht  mehr  zu  erwarten  war,  da  sie  durch  di 
chronischen  Prozess  bereits  so  ausgedehnte,  tiefgreifende  ur 
dauernde  Veränderungen  der  Kolonschleimhaut  und  so  schwei 
Allgemeinschädigungen  erlitten  hatten,  dass  selbst  die  An 
Schaltung  der  Amöben  und  der  ulzerösen  Darmprozesst-  dt. 
tödlichen  Ablauf  nicht  hemmen  konnte. 

Gerade  diese  Fälle  waren  besonder 
interessant,  denn  die  Sektion  ergab  fast  aus 
nahmslos  totale  Abheilung  des  Darm  pro 
zesses  oder  in  voller  Heilung  befindliche  ge¬ 
reinigte  Darmgeschwüre.  In  keinem  Falle  konnte 
Amöben  im  Darmschleim  oder  auf  den  gereinigten  flacher 
haften  Ulzerationen  oder  im  Eiter  der  kleinen  abszessartigei 
flaschenförmigen  Geschwüre  nachgewiesen  werden;  in  sori 
fältigst  untersuchten  Gewebsschnitten  fanden  sich  bei  3  Fälle 
ganz  vereinzelte,  in  der  Form  jedoch  nochgu 
erhaltene  Amöben,  bei  weiteren  3  Fällen  war  de 
Amöbenbefund  in  Gewebsschnitten  negativ.  Es  ist  mög 
lieh,  dass  uns  bei  den  negativen  Fällen  eine  oder  die  ander 
ganz  vereinzelte  Amöbe  entgangen  ist.  Dieser  Befund  vo 
ganz  vereinzelten  Amöben  stimmt  auch  mit  der  Beobachtun 
überein,  die  wir  bei  einem  Teil  der  nicht  letal  geendeten  Fäll 
gemacht.  Hier  traten  bei  gutem  Stuhlbefund  von  Zeit  zu  Zci 
ganz  vereinzelte  Amöben  auf.  Es  hängt  dies  wohl  damit  zu 
sammen,  dass  einige  Amöben  an  besonders  geschütz 
t  e  n,  w  e  n  i  g  durchblutetenStellen  liegen  u  n  d  s  • 
dem  Emetin  nicht  zugänglich  sind.  "  Diese  über 
lebenden  Amöben  wandern  aus  und  erklären  so  den  Stuhl 
befand.  Vielleicht  werden  auch  diese  Amöben  für  kürzer1 
oder  längere  Zeit  in  ihrer  Vitalität  stark  geschädigt.  Es  is 
an  sich  nicht  ohne  weiteres  angängig,  selbst  durch  längen 
Zeit  fehlende  Amöbenausscheidung  allein  als  Beweis  für  du 
tatsächliche  Zerstörung  der  Amöben  anzusehen,  denn  dit 
meisten  Amöbendysenteriemittel:  Kalomel,  Rizinusölemul 
sionen,  Ipecacuanha,  Simaruba  etc.  beeinflussen  ja  auch  - 
ohne  amöbenabtötend  zu  wirken  —  deren  Ausscheidung 
namentlich  im  Beginn  der  Behandlung  bei  günstig  gelagertei 
Fällen  oft  aufs  deutlichste  und  ermöglichen  selbst  eine  Heilung 
Abgesehen  davon  ist  aber  bei  vielen  chronischen  Amöben- 
dysenterien  die  Amöbenausscheidung  an  sich  unregelmässig 
intermittierend.  Sie  kann  einmal  durch  einige  Tage  geradezu 
abundant  sein,  dann  wieder  rasch  oder  allmählich  verschw  lu¬ 
den,  um  in  kürzerer  oder  längerer  Zeit  in  einem  gegebenen 
Moment  wieder  erheblich  reichlicher  zu  werden.  Die  Mo¬ 
mente,  welche  die  wechselnde  Ausscheidung  bedingen,  sind 
noch  nicht  genau  bestimmt,  Reaktions-  und  Konsistenzände- 
i  ung  des  Dickdarminhaltes,  die  weite  Zerstreuung  der  Amöben 
über  grosse,  oft  getrennte  Strecken  der  Dickdarmwand,  die 
sich  unter  wechselnden  lokalen  anatomischen  Bedingungen; 
befinden  und  so  einen  lokal  verschiedenen  Anreiz  zu 
erhöhten  Teilungsvorgängen,  zu  lebhafterem  Wandern  der 
Amöben  in  der  Darmwand  ausüben  können,  vor  allem 
aber  lokale  oder  allgemeine  Immunitätsvor¬ 
gänge  sind  hier  von  Einfluss.  In  direktem  Zusammen¬ 
hang  mit  diesen  wechselnden  Zuständen  steht  auch  das 
Eintreten  von  Enzystierungsvorgängen  und  der  wahrscheinlich 
im  Darm  (und  event.  in  den  tieferen  Darmwandschichten) 
möglichen  Rückbildung  bzw.  Aufteilung  der  Zysten  zur  vege¬ 
tativen  Form.  Ein  grosser  Feil  der  chronischen  Amöben- 


,27.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1135 


jysenteriker  wird  ja  zum  Zystenträger,  die  Zysten  treten  allein 
Hier  mit  vegetativen  Formen  zugleich  im  Stuhle  auf. 

Gerade  fiii  die  Enzysticrungsvorgänge  bedürfen  wir  noch 
-iner  Reihe  von  experimentellen  Aufklärungen. 

Die  VerhäUnisse  liegen  vielleicht  ähnlich  wie  bei  der 
.(ironischen  Malar  ia  und  einer  Reihe  von  anderen  Protozoen- 

\rankheiten. 


Die  Enzystierung  oder  die  Rückbildung  zur  vegetativen 
'orm  erfolgt  unter  noch  nicht  sicher  bestimmten  lokalen  oder 
illgemeinen  Bedingungen,  bei  denen  jedoch  Immunitäts- 
-chvankungen  die  führende  Rolle  spielen  werden,  ähnlich 
ilso  wie  bei  der  Malaria  die  Bildung  lange  Zeit  reaktionsloser 
lameten  und  die  Rückkehr  zur  sporulierenden  Form  zustande 
;onimt. 


Da  die  Zystenträger  recht  häufig  Rezidive  aufzuweisen 
) flege n,  selbst  wenn  monatelang  vegetative  Formen  gefehlt, 
la  sie  vor  allem  für  die  weitere  Uebertragung  eine  ähnliche 
solle  wie  die  Bazillenträger  spielen,  so  war  es  von  grosser 
Bedeutung,  nachzuweisen,  ob  die  Zysten  vom  Emetin  abge- 
diet  würden.  Wir  haben  leider  wegen  des  geringen  Vorrates 
n  Emetin  nui  einige  Versuche  machen  können  und  diese  sind 
licht  eindeutig. 


Fall  18.  Idrisnebo.  Stuhl  enthält  reichlich  Zysteii  und 
inzelte  vegetative  Amöben. 


ver- 


9.  X.  12.  2  junge  Katzen  mit  diesem  Stuhl  gefüttert.  Eine  der- 

el°e”  'veist  am  25-  12  typische  dysenterische  Stühle  und  massen- 

aft  Ietragenaamöben  auf. 


Der  Mann  erhält  am  9.  und  10.  X.  12  je  100  mg  Emetin  (London) 
ii  traveno  s.  wird  frei  von  vegetativen  Amöben.  Reichliche  Zysten 
och  nachweisbar. 

■  20'  *  12  2  junge  Katzen  gefüttert  mit  Stuhl.  Dieselben 

eisen  am  2.  XI.  12  dysenterische  Erscheinungen,  am  3.  XI.  12  reich- 
ch  vegetative  Tetragenaamöben  auf.  Das  Emetin  „Londo  n“  hat 
iso  die  Zysten  nicht  zu  beeinflussen  vermocht. 

Der  Mann  weist  am  26.  X.  12  wieder  massenhaft  vegetative 
ormen  und  vereinzelte  Zysten  im  breiig  schleimigen  Stuhl' auf,  er 
rhält  am  3.  XI.  12  300mg  Emetin  (Merck)  intravenös, 
:hwere  Nebenwirkungen.  Bis  heute  frei  von  vegetativen  Formen, 
jerst  längere  Zeit  zystenfrei,  jetzt  wieder  vereinzelte  Zysten. 

Am  20.  XI.  12  2  junge  Katzen  mit  Stuhl  gefüttert,  bleiben  frei 
on  dysenterischen  Erscheinungen  und  Amöben. 


Der  Ausfall  des  Versuches  ist  recht  vieldeutig.  Er  ist  es 
-hon  deshalb,  da  es  noch  ungeklärt,  ob  Zysten  in  jedem 
tadium  infektiös  sind,  ob  zwischen  fertigen  vier- 
ernigen  und  ein-  oder  zweikernigen  Formen,  wie  sie  in  den 
tiihlen  häufig  zu  finden,  in  dieser  Hinsicht  Differenzen  be¬ 
gehen.  Wir  setzen  unsere  Versuche  zur  Klärung  dieser 
rage  fort,  da  sie  für  das  therapeutische  Vorgehen  und  für  die 
rophylaxe  von  grosser  Bedeutung  sind. 

Da  die  Art  und  Dauer  der  Erkrankung,  der  Allgemein- 
istand  der  Kranken  hier,  wo  es  sich  um  den  Versuch  einer 
eststellung  von  Dosierung  und  Behandlungsmodus  handelt, 
on  einschneidender  Bedeutung,  so  mussten  wir  die  Journale 
;r  einzelnen  Kranken  und  den  Verlauf  der  einzelnen  Fälle 
eiter  unten  kurz  registrieren. 

Der  Verlauf  der  einzelnen  mit  Emetin  b  e  - 
andelten  Fälle  ergab  folgendes  Resultat: 

1.  Einmalige  subkutane  Injektion  von  Eme- 
n,  60  mg,  2  Fälle. 


1.  Fall  zeigt  nach  10  Tagen  wieder  reichliche  Amöben,  der 
inische  Verlauf  der  Dysenterie  wird  nicht  sonderlich  beeinflusst, 
n  2.  Fall,  der  am  Tage  nach  der  Injektion  starb,  wies  im  Dünndarm 
d  Dickdarm  massenhaft  Amöben  auf. 

2.  Zv/ eimalige  subkutane  Injektion  von 
m  e  t  i  n,  60  mg,  2  Fälle. 

Nach  9  bezw.  22  Tagen  positiver  Amöbenbefund,  doch  wird  der 
uh!  in  beiden  Fällen  erheblich  gebessert  und  weist  nur  hie  und 
etwas  Schleim  auf;  das  Allgemeinbefinden  bessert  sich  gleichfalls 
utlich.  Beide  Fälle  scheiden  dann  von  Zeit  zu  Zeit  vereinzelte 
er  mässig  reichliche  Amöben  aus,  ein  Fall  dauernd  reichliche 
■  sten, 

3.  Dreimalige  subkutane  Injektion  von 
m  e  t  i  n,  (London),  ä  60  mg,  9  Fälle. 

Bei  acht  Fällen  werden  nach  4,  6,  8,  12  und  30  Tagen  wieder 
nöben  gefunden.  4  Fälle  kommen  ad  exitum,  1  davon  ist  auch 
Qewebsschnitten  amöbenfrei,  3  weisen  nur  vereinzelte  Amöben 
Qewebe  auf.  Die  Geschwüre  sind  bei  allen  4  Fällen  geheilt  oder 
voller  Heilung.  Alle  5  überlebenden  Fälle  (einer  später  gestorben,  I 


intravenös  weiter  behandelt)  scheiden  wieder  Amöben  aus,  doch  ist 
die  Ausscheidung  bei  3  von  ihnen  gering,  es  konnten  bis  heute  nur 

1  2  vereinzelte  Amöben  nachgewiesen  werden.  Ein  Fall  ergibt 
kurze  Zeit  nach  der  Behandlung  massenhafte  Amöben.  1  Fall  ist 
gegen  Emetin  (London)  absolut  fest,  heilt  unter  Emetin  (Merck) 
mtiavenös  total  ab,  Fütterung  mit  seinem  Stuhl  nach  intravenöser 
Behandlung  mit  Emetin  (Merck)  ist  bei  jungen  Katzen  ohne  Erfolg 
4  von  den  überlebenden  Fällen  zeigen  klinische  Besserung,  die  an¬ 
haltend  ist  und  bei  zwei  Fällen  einer  Heilung  gleichkomrnt,  3  Fälle 
scheiden  heute  noch  Zysten  aus. 

4.  Fünfmalige  subkutane  Injektion  von  je 
60  mg  Emetin  (Merck),  1  Fall. 

Nach  18  Tagen  erneute  Amöben.  Stühle  und  Allgemein¬ 
befinden  erheblich  gebessert,  reichliche  Zysten.  Später  verschlechtert 
sich  das  Allgemeinbefinden  und  der  Stuhlbefund  wieder,  alle  2  bis 
3  Tage  werden  vegetative  Amöben  ausgeschieden,  stets  reichlich 
Zysten. 

5.  Zweimalige  subkutane  Injektion  von 
120  mg  Emetin  (Merck),  2  Fälle,  mit  nachfolgenden 

2  m  a  1  i  g  e  n  subkutanen  Injektionen  von  je  60  mg 
ergibt  rasch  klinische  Heilung.  Beide  Fälle  bis  heute  frei  von 
vegetativen  Amöben.  Ein  Fall  weist  14  Tage  später 
Zysten  auf. 

6.  125,  60,  120,  60  mg  E  r  m  e  t  i  n  (Merck)  subkutan 
machen  einen  Kranken,  der  dreimal  mit  je  60  mg  Emetin 
(London)  subkutan  und  zweimal  mit  je  100  mg  Emetin  (Lon¬ 
don)  intravenös  vergeblich  behandelt,  bis  heute  amöben¬ 
frei,  klinische  Heilung. 

7.  120,  120,  120,  150  mg  Emetin  subkutan  (Merck), 

1  Fall.  14  Tage  später  dreimalige  Injektion  von  120  mg 
Emetin  (Merck  II)  subkutan  in  aufeinanderfolgenden  täg¬ 
lichen  Dosen  gegeben,  versagt  vollkommen,  Amöben  ver¬ 
schwinden  nicht,  Stühle  nur  ganz  vorübergehend  gebessert. 

8.  Einmalige  intravenöse  Injektion  von 
70  b  z  w.  100  g  Emetin  (London). 

2  Kranke,  die  vorher  zweimal  bezw.  3  mal  mit  je  60  g  Emetin 
(London)  subkutan  vergeblich  behandelt.  Ein  Fall  wird  amöbenfrei, 
doch  scheidet  er  Zysten  aus,  er  kommt  zum  Exitus  und  ergibt  in 
Qewebsschnitten  in  den  abheilenden  und  geheilten  Darmgeschwüren 
keine  Amöben.  Der  zweite  Fall  bessert  sich  klinisch  auffallend. 
70  Tage  nach  der  intravenösen  Injektion  plötzlich  blutig-schleimiger 
Stuhl  und  enorme  Mengen  vegetativer  Amöben;  Amöben  verschwin¬ 
den  nach  2  lagen  wieder  aus  dem  Stuhl,  der  selbst  wieder  geformt 
und  normal  wird. 

9.  Zweimalige  intravenöse  Injektion  mit 
100  mg  Emetin  (London),  2  Fälle. 

Ein  Fall,  der  sich  auch  gegen  dreimalige  subkutane  Injektion 
von  je  60  g  Emetin  (London)  refraktär  gezeigt,  scheidet  schon  am 
Tage  nach  der  ersten  und  zweiten  Injektion  zahlreiche  vegetative 
Amöben  aus.  Stuhl  wenig  verändert.  Im  zweiten  Falle  bessert  sich 
der  Stuhl  und  das  Allgemeinbefinden,  nach  30  Tagen  treten  wieder 
reichlich  vegetative  Amöben  auf. 

10.  Einmalige  intravenöse  Injektion  von 
150  mg  Emetin  (Merck). 

Ein  Fall  ergibt  negatives  Resultat.  Dieser  Fall  hatte  sich  auch 
gegen  wiederholte  hohe  subkutane  Dosen  mit  zwei  verschiedenen 
Emetinen  refraktär  gezeigt.  Die  Amöben  lassen  sich  in  ungeminderter 
Anzahl  schon  am  Tage  nach  der  Injektion  nachweisen. 

11.  Intravenöse  Injektion  von  150  mg  und 
100  mg  Emetin  (Merck)  machen  einen  Fall  vorläufig 
amübenfrei,  rasche  klinische  Heilung.  Zurzeit  mässig  reich¬ 
liche  Zysten. 

12.  Einmalige  intravenöse  Injektion  von 
200  mg  Emetin  (Merck)  1  Fall,  bzw.  300  mg  (London)  1  Fall, 
bezw.  400  g  (Lonodn)  1  Fall  bringt  die  Amöben  rasch  zum 
Verschwinden.  1  Fall,  200  mg  (Merck),  kommt  zum  Exitus 
17  Tage  nach  der  Injektion:  Geschwüre  fast  total  verheilt, 

I 'armschleim  und  Gewebsschnitte  amöbenfrei.  Die 
beiden  überlebenden  Fälle  sind  bis  heute  amöbenfrei  und 
bessern  sich  klinisch  ausserordentlich.  Verbitterung  der  Stühle 
an  junge  Katzen  erfolglos.  Diese  beiden  Fälle  scheiden  wieder 
Zysten  aus. 

(Schluss  folgt.) 


1136 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Marburg. 

Erfolgreiche  Gelenkplastik  am  Ellbogen  durch  Implan¬ 
tation  einer  Elfenbeinprothese. 

Von  Professor  Dr.  Fritz  König. 

In  dein  Ersatz  von  Gelenken  hat  die  Chirurgie  der  letzten 
ame  Enolge  gebracht,  welche  bis  dahin  für  unmöglich  ge- 
lalten  \\  er  den  mussten.  Es  gelang  L  e  x  e  r  wiederholt,  ganze 
Kniegelenke  zu  ersetzen  durch  ein  solches,  das  der  durch 
Amputation  gewonnenen  Extremität  eines  anderen  Individuum 
entnommen  war.  Küttner  erreichte  die  Einheilung  eines 
oberen  Femurendes  samt  Hüftknopf  von  einer  Leiche;  Pat. 
ging  erst  nach  längerer  Zeit  an  anderweitiger  Metastase  zu¬ 
grunde,  und  das  1913  auf  dem  Chirurgenkongress  demon¬ 
strierte  Präparat  legt  von  der  vortrefflich  erfolgten  Einheilung 
ein  glänzendes  Zeugnis  ab. 

Wenn  also  die  Plastik  in  diesen  Resultaten  sozusagen  ihre 
bisher  höchsten  Triumphe  feiert,  so  gibt  es  doch  Gründe  ge- 
wc'cjle  rajsam  erscheinen  lassen,  nach  einem  anderen 
Material  für  ähnliche  Operationen  zu  suchen.  Denn  es  wird 
trotz  aller  Konservierungmethoden  zweifelhaft  sein,  ob  wir 
mr  alle  Fälle  vom  Lebenden  oder  von  der  Leiche  entnommene 
Präparate  zui  Einpflanzung  bereit  halten  können.  Andere 
Gründe,  die  der  Berechtigung  sicher  nicht  entbehren,  will  ich 
nie  lt  eiöitem.  Genug,  trotz  aller  Erfolge  der  oben  erwähnten 
Gelenkplastiken  ist  es  von  Vorteil,  auch  noch  ein  anderes 
Mateiial  zu  besitzen,  das  wir  uns  jedesmal  exakt  vorbereiten 
können. 

Nachdem  ich,  wie  viele  Chirurgen,  gelegentlich  bei 
Knochenoperationen  mich  davon  überzeugt  hatte,  dass  Elfen¬ 
bein  ganz  vorzüglich  zur  Einheilung  gebracht  werden  könne, 
habe  ich  dasselbe  als  artikulierenden  Ersatz  zum 
ersten  Male  bei  einer  Exarticulatio  mandibulae  angewandt  im 
v  ommer  1907  1 ).  Es  ist  bekannt,  dass  diese  Operationen  Dis¬ 
lokationen  der  Kiefer  im  Gefolge  haben,  welche  nicht  nur  sehr 
hässlich  sind,  sondern  auch  den  Kauakt  und  damit  die  Er¬ 
nährung  stark  beeinträchtigen.  Von  zahnärztlicher  Seite  sind 
dittiii  ausgezeichnete  Ersatzmittel,  Prothesen,  angegeben,  auf 
welche  ich  auch  in  diesen  Blättern  näher  eingegangen  bin2). 
Aber  sie  verlangen  die  Befestigung  der  Prothese  an  Zähnen 
des  stehenbleibenden  Kieferrestes.  Damals  nun  handelte  es 
sich  um  eine  alte  Frau  mit  zahnlosem  Munde,  so  dass  diese 
Ersatzstücke  keine  Anwendung  finden  konnten.  Ich  beschloss 
statt  dessen  den  Versuch  zu  machen,  in  die  Wundhöhle  einen 
vollen  Ersatz  für  den  herausgenommenen  Unterkieferteil  ein- 
zuheilen  und  Hess  nach  Besprechung  mit  dem  Zahnarzt  R  o  - 
1  off- Altona  eine  Elfenbeinnachbildung  konstruieren,  die 
einei  sei ts  ins  Kiefergelenk  eingestellt,  andererseits  mit  einem 
dornartigen  Fortsatz  in  die  Markhöhle  gerammt  wurde.  Die 
Schiene  heilte  vollkommen  ein,  die  Patientin  konnte  den  Mund 
wie  früher  öffnen  und  schliessen. 

Im  Frühjahr  1912  konnte  ich  auf  dem  Chirurgenkongress 
die  zweite  Patientin  vorstellcn.  bei  welcher  ich  nach  einer  Ex- 
artikulatio  mandibulae  sin.  meine  Elfenbeinschiene  mit  vollem 
funktionellen  und  kosmetischen  Resultat  zur  Einheilung  ge¬ 
bt  acht  hatte.  Auch  heute  noch,  2  Jahre  nach  der  Operation, 
ist  der  Erfolg  der  gleiche  geblieben;  die  Patientin  bewegt  den 
Kiefer  und  kaut  mit  der  festsitzenden  Elfenbeineinlage.  Auch 
Sudek  hat  die  Operation  einmal  (1909)  mit  vollem  Erfolg 
ausgeführt. 

Nachdem  diese  Beobachtungen  gezeigt  hatten,  dass  man 
aiiL'li  mit  Elfenbein  imstande  ist,  Knochen  und  Gelenkteile  er¬ 
folgreich  zu  ersetzen,  übertrug  ich  das  Prinzip  auf  andere 
Körperregionen. 

Im  Sommer  1911  war  ich  bei  einem  Sarcoma  humeri  am  oberen 
mde  bei  einem  Gymnasiasten  durch  die  Verweigerung  der  Exartiku¬ 
lation  in  die  Notwendigkeit  versetzt,  mich  mit  dem  plastischen  Ersatz 
des  erkrankten  Oberarms  zu  befassen.  Nachdem  der  erkrankte  Teil 
des  Humerus  samt  Periost  und  einer  kleinen  Portion  der  Muskeln 
reiprapariert  war,  wurde  er  entfernt,  so  dass  der  Gelenkkopf  und 
■  cm  der  Diaphyse  'wegfielen.  An  deren  Stelle  wurde  ein  gleich- 
jo!’-  ^enSiU  d«m  Röntgenbilde  nachgearbeitetes  Elfenbeinstück  von 
der  Starke  des  Humerus  ins  Gelenk  gestellt  und  anderseits  durch  einen 


in  die  Markhöhle  gesteckten  Zapfen  mit  dem  Knochen  verbunden  die 

Ke!n-,  ??z‘?n  und  Haut  did,t  darübe‘-  vernäht.  Es  gelang  den 
Ersatzteil  fistellos  einzuheilen;  nicht  nur  der  kosmetische  Erfolg  war 
gut,  der  Arm  konnte  sogar  in  gewissen  Grenzen  in  der  Schulter  he 
wegt  werden  Dieses  Resultat  wurde  leider,  wie  zu  erwarten  war 
durch  ein  Sarkomrezidiv  illusorisch  gemacht.  4  Monate  später  musste 
ich  die  Uegnahme  des  ganzen  Arms  samt  Klavikula  und  Skapula  aus- 
fuliren.  Das  I  räparat  zeigte,  dass  der  mächtige,  15  cm  lange  Elfen 
bem  korper  aseptisch  eingeheilt  war;  auf  die  dabei  gemachten  Be.' 
obachtungen  bin  ich  an  anderer  Stelle  näher  eingegangen3). 

Obwohl  der  Erfolg  zerstört  wurde,  so  sprach  doch  auch 
dieser  Fall  für  die  Möglichkeit,  mit  Elfenbeinimplantation 
Gelenkteile  zu  ersetzen,  wie  das  auch  die  an  anderer  Stelle 
mitgeteilten  Experimente  bestätigten.  Den  praktischen  Be- 
wreis  zu  erbringen,  bot  sich  mir  nun  an  einem  neuen  Fall,  den 
ich  hier  mitteilen  will,  Gelegenheit  in  denkbar  günstiger  Weise. 

Anna  E,  26  Jahre,  früher  stets  gesund,  verspürte  zuerst  im 
.ommer  1911  bei  schwerer  Arbeit  Schmerzen  in  der  rechten  Ellen 
bogengegend  Seit  Januar  1912  bemerkte  sie  eine  rasch  sich  ver- 
grossei  nde  Schwellung  an  der  Innenseite  des  rechten  Ellenbogens 

An  dem  sonst  gesunden,  zierlich  gebauten  Mädchen  sieht  mail  an 
der  Innenseite  des  rechten  Oberarms,  gleich  aufwärts  vom  Gelenk 
eine  kleinapfelgrosse  Geschwulst,  welche  sich  weich  anfiihlt  Di-’ 
Haut  ist  verschieblich,  gegen  den  Knochen  lässt  sich  der  Tumor  nicht 
verschieben.  Streckung  ist  bis  130°,  Beugung  bis  85°  möglich  R( 
tation  frei.  ^ 

Das  Röntgenbild  zeigt  eine  scharf  abgegrenzte  Geschwulst,  di- 
den  Knochen  bis  in  die  Fossa  olecrani  durchsetzt,  abwärts  bis  0  5  cm 
sind  f?eienk  geit'  Aeusserer  Knochenrand  und  Condyl.  ex;. 

Es  wird  beschlossen,  das  untere  Humerusende  partiell  zu  rese 
zieren  unter  Fortnahme  der  Trochlea. 

Am  30.  III.  12  wird  in  Narkose  zunächst  von  einem  QuerschniU 
unter  Durchsagung  des  Olekranon  das  Gelenk  eröffnet,  dann  durch 
einen  Längsschnitt  der  Nerv,  ulnaris  freipräpariert  und  luxiert.  Dann  i 
wird  der  mediale  Kondylus  samt  der  Geschwulst  und  der  angrenzende 
1  eil  des  Knochens  völlig  freipräpariert,  während  die  Aussenseite  d-s 
Gelenks  unberührt  bleibt.  Weit  genug  oberhalb  des  Tumors  wird 
der  Humerus  an  der  Grenze  vom  lateralen  zum  mittleren  Drittel 
durchbohrt  eine  Giglisage  durchgeführt  und  nun  der  Knochen  quer 
rnedialwarts  und  sagittal  abwärts  bis  ins  Gelenk  durchsägt.  Es  LG 
dadurch  im  Gelenk  Trochlea  und  ein  kleiner  angrenzender  Strich  fort 
nur  das  Kapitulum  lmmeri  grösstenteils  bleibt  erhalten. 


Zu  Fig.  1 : 

Elfenbeinmodell,  in  der  Form 
des  implantierten  Stücks. 


Zu  Fig.  2: 

Röntgenpause;  3  Monate  nach 
der  Implantation. 

S  =  Elfenbeinstift,  durch  einen 
vorgebohrten  Kanal  des  Knochens 
t  und  Elfenbeins  getrieben. 


Fig  2. 

Sofort  wird  das  vorher  unter  Berücksichtigung  der  Röntgen- 
oil der  and  Giies  Skeletts  exakt  zubereitete  Elfenbeinersatzstück 
m  den  Defekt  eingefügt,  wobei  ein  Zapfen  in  die  Markhöhle  gesteckt 
viid,  an  dem  stehenbleibendeii  lateralen  Humerusdrittel  wird  die 
rothese  dadurch  befestigt,  dass  ein  Elfenbeinstift  durch  einen  vor- 
gebohi  teil  Kanal  hindurchgetrieben  und  in  den  Knochen  geschlagen  i 
wird.  Die  Weichteile,  Gelenkkapsel,  Muskeln  etc.  werden  sorgfältig 
vereinigt,  der  N.  ulnaris  in  sein  neues  Lager  am  elfenbeinernen  Epi- 
kondylus  internus  gelegt,  mit  Weichteilen  bedeckt.  Das  Olekranon 
wird  mit  einer  Drahtnaht  vereinigt,  die  Haut  wird  exakt  geschlossen. 
Verband  in  leichter  Beugestellung. 

Der  I  umor  stellt  ein  Spindelzellensarkom  mit  Riesenzellen  dar 

\\  undverlauf  gut.  Am  19.  IV.  werden  zuerst  Bewegungen  im 
Gelenk  gemacht.  Am  inneren  Wundwinkel  zeigt  sich  geringe  Se¬ 
kretion,  entsprechend  dem  Sitze  des  etwas  vorspringenden  Epicon- 
dylus  internus. 

In  den  nächsten  lagen  nimmt  die  Absonderung  zu,  die  kleine 
Wundöffnung  wird  grösser,  die  Gefahr  der  Fistelbildung  entsteht. 

26.  IV.  12.  Durch  einen  langen  Hautschnitt,  unterhalb  des  Epi- 
condyl.  int.  implantatus  beginnend,  aufwärts  ziehend,  wird  die  Oeff- 


Eig.  1. 


3)  Die  ausführliche  Arbeit  erscheint  in  den  Beitr  z.  klin.  Chir. 
von  Bruns. 


0  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  93. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1909,  S.  2626. 


Mai  1913 


MUENC1 IENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Innenrand  des  M.  biceps  brachii  frei- 


ing  und  gleichzeitig 

•legt. 

Das  Elfenbeinstück  sitzt  fest  am  Knochen  und  ist  von  Weich- 
ileu  gut  umwachsen.  Die  sezernierende  Oeffnung  führt  auf  das 
fenbein  und  gleichzeitig  ins  Gelenk,  so  dass  die  Sekretion  Gelenk- 

ssigkeit  enthielt. 

Es  wird  ein  etwa  10  cm  langer,  gut  fingerdicker  Muskellappen  mit 
feie«  y;:«sis  vom  Bizeps  abgespalten,  nach  abwärts  über  den  Elfen- 
inkondx  Ins  geschlagen  und  rings  an  Weichteilen  fixiert.  Darüber 
rd  die  Haut  in  ganzer  Länge  verschlossen 
Verlauf  aseptisch.  Ein  paar  kleine  Oeffnungen  in  der  Wundlinie 
liliessen  sich,  nachdem  am  18.  V.  ein  Stück  nekrotischer  Faszie  sich 
gestossen  hat. 

Pat.  wird  geheilt  entlassen. 


Wiederholte  Nachuntersuchungen,  zuletzt  am  27.  III.  13,  also 
I  ahr  nach  der  1.  Operation  ergaben,  dass  die  Heilung  Bestand  hat. 
[  besteht  keine  Fistel,  keine  Geschwulst.  Die  Patientin  hat  keine 
'imerzen.  Sie  arbeitet  zu  Hause,  vermag  sogar  einen  halb  gefüllten 
'  «er  zu  heben.  Der  Ellenbogen  ist  an  der  Stelle  der  Implantation 
(t,  ohne  Wackelbewegungen.  Die  Extension  geht  bis  135  o,  die  Fle- 
( n  bis  85 ",  Rotation  ist  frei.  Bei  Bewegungen  fühlt  man  etwas 
'  rschen  im  Gelenk.  Die  Pat.  wurde  auf  dem  Chirurgenkongress 
1  3  demonstriert. 

Es  ist  also  bei  der  Patientin  seit  jetzt  über  1  Jahr  ge¬ 
gen,  an  Stelle  eines  grossen  Knochen-  und 
lenkdefektes  eine  genau  nachgebildete 
othese  aus  Elfenbein  mit  dem  Erfolg  einzu- 
i  i  1  e  n,  dass  ein  schmerzloses,  in  mehr  als  >2  rechten  Winkel 
jegliches,  in  keiner  Weise  wackeliges  Gelenk  erzielt  wurde. 
:  ist  damit  die  durch  meine  oben  erwähnten  Beobachtungen 
zeigte  Möglichkeit,  auch  das  Elfenbein  zu  Gelenkplastiken 
•  verwenden,  aufs  neue  erwiesen. 

Auf  Einzelheiten  historischer  oder  auch  technischer  Natur 
;  in  ich  hier  nicht  eingehen.  Schon  die  zweite  Operation,  die 
^  skelplastik,  bei  unserer  Patientin  zeigt,  dass  technische 
'ndgriffe  eine  nicht  unbedeutende  Rolle  spielen.  Wenn,  wie 
[  hoffe,  durch  meine  Mitteilungen  weitere  Versuche  mit 
ienbeinimplantation  angeregt  werden,  so  finden  die  sich 
I  iir  Interessierenden  alles  nähere  in  meiner,  in  den  Bei- 
igen  zur  klin.  Chirurgie  demnächst  erscheinenden  ausfiihr- 
iien  Arbeit. 

Es  sei  nur  noch  einmal  betont,  dass  absolut  tadel- 
'se  Aseptik  bei  der  Operation  und  bei  der 
1  chbehandlung  die  Grundbedingung  für  die  Einheilung 
:scr  Prothesen  bilden  muss.  Unter  dieser  Voraussetzung 
in  man  den  Versuch  der  Elfenbeinplastik  in  geeigneten 
Men  warm  empfehlen. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  München  (Direktor: 
(ich.  Rat  Döderlein)  und  dem  pathologischen  Institut  des 
Krankenhauses  München-Schwabing  (Vorst.:  Prof.  Obern¬ 
dorf  e  r). 

lieber  das  Auftreten  von  Fermenten  im  Tier-  und 
Menschenkörper  nach  parenteraler  Zufuhr  von  art- 
und  individuumeigenem  Serum. 

Vorläufige  Mitteilung. 

Von  Dr.  Th.  Petri  in  München. 

ln  einer  Reihe  von  noch  unveröffentlichten  langdauernden 
Stoffwechselversuchen  konnte  F.  P  o-e  n  s  g  e  n1)  unter  Leitung 
H  e  i  1  n  e  r  s  dartun,  dass  nach  Zufuhr  sehr  grosser  Mengen 
arteigenen  Serums  eine  erhebliche  Steigerung  der  Stick¬ 
stoffausfuhr,  d.  h.  der  Eiweisszersetzung  statt  hat.  Diese  Stei¬ 
gerung  der  Stickstoffausfuhr  ist  in  ihrer  Grössenordnung  un¬ 
gefähr  gleich  der  Mehrung  der  Stickstoffausfuhr,  wie  sie  nach 
Zufuhr  der  gleichen  Mengen  artfremden  Serums  2)  in  man¬ 
nigfachen  Arbeiten  sichergestellt  ist. 

In  letzterem  Falle  ist  erwiesen,  dass  das  mit  Umgehung 
des  Magendarmkanals  zugeführte  fremdartige  Serumeiweiss 
durch  ad  hoc  entstandene  spezifische  proteolytische  Fermente 
innerhalb  weniger  Tage  abgebaut  und  dann  offenbar  in  den 
Zellen  verbrannt  wird. 

Es  war  nun  von  Wichtigkeit  zu  untersuchen,  ob  die  nach 
parenteraler  Zufuhr  arteigenen  Serums  beobachtete 
Steigerung  der  Eiweisszersetzung  ebenfalls  auf  die  Wirkung 
eines  proteolytischen  Fermentes  zurückzuführen  wäre. 

Die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehen  Methoden,  mit  denen  ich 
mich  schon  seit  langer  Zeit  experimentell  beschäftige  3),  geben 
nun  die  beste  Gelegenheit,  diese  Frage  zu  entscheiden,  und 
ich  habe  mich  daher,  einer  Anregung  Herrn  Prof.  H  e  i  1  n  e  r  s 
folgend,  entschlossen,  entsprechende  Versuche  anzustellen. 

Zur  Anwendung  kam  das  Dialysierverfahren,  dem  ich  gegenüber 
der  optischen  Methode,  wie  ich  in  zahlreichen  Untersuchungen  fest- 
stellen  konnte,  speziell  wegen  seiner  absolut  einwandfreien  und  augen¬ 
fälligen  Resultate,  unbedingt  den  Vorzug  gebe. 

Die  T  echnik  setze  ich  in  dieser  Mitteilung  als  bekannt  voraus. 
Besonders  hervorheben  möchte  ich,  dass  alle  Versuche  mit  sterilem 
Material  zur  Ausführung  kamen.  Als  Versuchstiere  kamen  nur 
männliche  Kaninchen  zur  Verwendung,  um  von  vornherein  jede 
Beeinflussung  der  Reaktionen  durch  Serum  von  event.  schwangeren 
I deren  auszuschalten.  Die  benutzten  Dialysierhiilsen  waren  alle  von 
Herrn  Prof.  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  auf  Undurchlässigkeit  für  Eiweiss¬ 
losungen  und  Durchlässigkeit  für  Eiweissabbauprodukte  geprüft. 

Als  abzubauende  Substanzen  benutzte  ich  gekochte  Leber,  ge¬ 
kochtes  Muskelgewebe  und  koaguliertes  Serumeiweiss  von  un- 
vorbehandelten  männlichen  Kaninchen. 

Vor  jedem  Versuche  wurde  die  Brauchbarkeit  des  Materials  nach 
den  von  Abderhalden  geforderten  verschärften  Bedingungen 
festgestellt.  Alle  zur  Verwendung  gekommenen  Sera  waren  frei  von 
Hämoglobin.  Das  Ansetzen  des  Versuches  erfolgte  längstens  inner¬ 
halb  24  Stunden  nach  der  Blutentnahme,  die  Prüfung  auf  Ferment¬ 
wirkung  durchschnittlich  nach  20stiind.  Aufenthalt  im  Brutschrank. 

A.  Versuche  mit  parenteraler  Injektion  art¬ 
eigenen  Serums4). 

I.  Einem  männlichen  Kaninchen  (4060  g)  wurden  130  ccm  art¬ 
eigenen,  körperwarmen,  von  männlichen  Kaninchen  gewonnenen 
Serums  subkutan  eingespritzt. 

1.  Blutentnahme  24  Stunden  nach  der  Injektion. 

Dieses  Serum  allein  enthält  keine  Abbauprodukte,  ist  aber  im¬ 
stande,  hitizugefiigtes  koaguliertes  Kaninchenserumeiweiss  sowie  ge¬ 
kochte  Kaninchenleber  abzubauen. 


*)  Persönliche  Mitteilung;  siehe  auch:  U.  Friedmann  und 
S.  Isaac:  Zeitschr.  f.  exp.  Pathol.  u.  Therap.  1907,  IV.  Bd.,  S.  830; 
ferner  F.  Lommel:  Ueber  den  Eiweissabbau  bei  parenteraler  Ei¬ 
weisszufuhr.  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  1907,  58,  S.  50. 

2)  E.  Heilner:  Zeitschr.  f.  Biol.  1907.  Bd.  50,  S.  26. 

3)  Biolog.  Diagnose  der  Schwangerschaft.  Zentralbl.  f.  Gyn. 
1913,  7.  Ueber  die  Spezifität  der  gegen  Plazenta  gerichteten  Fer¬ 
mente.  Zentralbl.  f.  Gyn.  1913,  20.  Fermentreaktion  im  Serum 
Schwangerer,  Kreissende  und  Wöchnerinnen.  Verhandl.  d.  Deutsch 
Ges.  f.  Gyn.  11.  Geb.  Halle  1913. 

4)  Abderhalden  und  Kämpf:  Serolog.  Studien  mit  Hilfe 
der  optischen  Methode.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  1911,  Bd.  71. 
S.  421.  —  Diese  Untersuchungen  ergaben,  dass  das  Serum  von  Hun¬ 
den,  denen  artfremdes  Blut,  sowie  Blut  von  Tieren  derselben  Art, 
aber  von  verschiedener  Rasse  parenteral  injiziert  worden  war,  Sei¬ 
de  n  p  e  p  t  0  n  abzubauen  vermochte;  nach  Injektion  von  art¬ 
eigenem,  möglichst  rasseeigenem  Blute  hingegen  konnte  eine 
abbauende  Wirkung  des  Serums  nicht  konstatiert  werden. 


No.  21. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


38 


2.  Blutentnahme  48  Stunden  nach  der  Injektion. 

Auch  dieses  Serum  verhielt  sich  genau  wie  das  vorige. 

II.  Männliches  Kaninchen  (3860g)  erhält  30 ccm  arteigenen 
Serums  subkutan  injiziert.  Blutentnahme  nach  24  Stunden. 

Das  Serum  allein  enthält  keine  Abbauprodukte,  baut  aber  Ka- 
mnchenleber  sowie  Muskel  und  koaguliertes  Kaninchenserumeiweiss  ab. 

III.  Männliches  Kaninchen  (4270  g)  erhält  5  ccm  arteigenen, 
körperwarmen  Serums  in  die  Ohrrandvene  injiziert. 

1.  Blutentnahme  6  Stunden  nach  der  intravenösen  Injektion. 
Oas  Serum  allein  ist  frei  von  Abbauprodukten,  baut  aber  koaguliertes 
Kaninchenserumeiweiss  sowie  Kaninchenleber  und  Muskel'  ab. 

2.  Blutentnahme  24  Stunden  nach  der  intravenösen  Injektion. 
Das  Resultat  deckt  sich  vollkommen  mit  den  vorhergehenden. 

Kontrollen  habe  ich  in  ausgedehnter  Weise  vorgenommen. 
Sera  von  unvorbehandelten  männlichen  Kaninchen  überhaupt,  sowie 
die  der  Versuchstiere  vor  der  Injektion  waren  allein  alle  frei  von  Ab¬ 
bauprodukten,  waren  aber  auch  nicht  imstande,  Kaninchenleber  oder 
Muskelgewebe  oder  koaguliertes  Kaninchenserumeiweiss  abzubauen. 
Auch  die  gesonderte  Prüfung  der  gekochten  Leber,  des  Muskelgewe¬ 
bes  und  des  koagulierten  Serumeiweisses  mit  physiologischer  NaCl- 
Lösung  fiel  stets  negativ  aus. 

Diese  Versuche  ergaben  somit  folgendes: 

Nach  parenteraler  Injektion  (subkutan  und  intravenös) 
grosser  und  kleiner  Mengen  von  arteigene  m  Serum  tritt 
beim  Kaninchen  schon  nach  kurzer  Zeit  ein  auf  die  Zerstörung 
arteigenen  Eiweisses  eingestelltes  Ferment  auf.  Die 
Steigerung  der  Eiweisszersetzung  nach  parenteraler  Zufuhr 
von  grossen  Mengen  arteigenen  Serums  ist  demnach  auf 
die  Wirkung  dieses  Fermentes  zurückzuführen,  dessen  Ent¬ 
stehungsmechanismus  und  Wirkungsweise  in  Parallele  zu 
setzen  ist  mit  demjenigen  nach  Zufuhr  artfremden  Serums. 

Ich  habe  die  Versuche  nun  weiter  fortgeführt. 

D.  Versuche  mit  parenteraler  I  n  j  e  k  t  i  o  n  von 
individuumeigenem  Serum. 

I.  Männliches  Kaninchen  (2150  g)  erhält  2  ccm  seines  eigenen, 
am  Vortage  entnommenen  Serums  in  die  Ohrrandvenen  injiziert.'  Das 
Serum  des  Versuchstieres  zeigt  vor  der  Injektion  keine  Spur  von 
Abbaufähigkeit  arteigenen  Eiweisses. 

1.  Blutentnahme  15  Minuten  nach  der  Injektion. 

Das  Serum  allein  enthält  keine  Abbauprodukte,  baut  jedoch 
arteigene  Leber,  Muskel  und  koaguliertes  Serumeiweiss  ab. 

2.  Blutentnahme  30  Min.  nach  der  Injektion.  Resultate  wie  1. 

3.  Blutentnahme  6  Stunden  nach  der  Injektion.  Resultate  wie  1. 

II.  Männliches  Kaninchen  (2300  g)  erhält  1  ccm  seines  eigenen, 
24  Stunden  vorher  entnommenen  Serums  intravenös  injiziert.  Das 
Serum  des  Versuchstieres  zeigt  vor  der  Injektion  keine  Abbaufähigkeit 
arteigenen  Eiweisses.  Blutentnahme  6  Stunden  nach  der  Injektion. 

Das  Serum  allein  enthält  keine  Abbauprodukte,  baut  jedoch 
arteigene  Leber,  Muskel  und  koaguliertes  Serumeiweiss  ab. 

III.  Männliches  Kaninchen  (2120  g)  erhält  0,1  ccm  seines  eigenen, 
am  Vortage  entnommenen  Serums  in  1  ccm  physiologischer  NaCl- 
Lösung  gelöst,  intravenös  injiziert. 

Blutentnahme  6  Std.  nach  der  Injektion.  Resultate  wie  bei  I.  u.  II. 

Diesem  Tiere  waren  am  Vortage  2  ccm  physiologischer  NaCl- 
Losung  intravenös  injiziert  worden.  Das  18  Stunden  später  un¬ 
mittelbar  vor  der  unter  III.  erwähnten  Serumeinspritzung  entnommene 
Serum  zeigte  keine  Abbaufähigkeit  arteigenen  Eiweisses. 

Aus  den  unter  B  angeführten  Versuchen  geht  somit 
folgendes  hervor: 

Auch  nach  intravenöser  Zufuhr  der  kleinsten  Menge,  so¬ 
gar  individuumeigenen  Serums  tritt  schon  nach 
kürzester  Zeit  ein  auf  die  Zerstörung  arteigenen  Eiweisses  ein¬ 
gestelltes  Ferment  auf. 

Dieselben  Tatsachen  gelten  für  ent¬ 
sprechende  Versuche  am  Menschen.  Schon 
5  Minuten  nach  Injektion  individuumeigenen 
Serums  treten  auch  beim  Menschen  Fermente 
auf,  die  arteigenes  Eiweiss  abzubauen  im¬ 
stande  sind. 


Aus  der  Universitäts-Augenklinik  Jena  (Direktor:  Professor 

Dr.  W.  Stock). 

Zur  Anwendung  des  Dialysierverfahrens  nach  Abder¬ 
halden  in  der  Augenheilkunde. 

Von  Privatdozent  Dr.  C.  A.  Hegner. 

Das  von  Abderhalden  ausgearbeitete  Dialysierver- 
fahren  ermöglicht  uns,  die  im  Serum  gegen  organische  blut¬ 
fremde  Stoffe  gebildeten  Schutzfermente  durch  die  Beob¬ 
achtung  ihrer  spezifischen  Wirkungsweise  in  vitro  nach¬ 
zuweisen.  Es  liegen  bereits  eine  Anzahl  von  Veröffent- 


No.  2 

Hebungen  vor,  welche  an  Hand  einer  grossen  Reihe  von  Ve 
suchen  den  bedeutenden  klinischen  Wert  der  Methode  dartu 
Insbesondere  handelt  es  sich  in  den  bisherigen  Arbeiten  u 
die  Prüfung  der  Frage,  ob  es  möglich  ist,  auf  biochemische 
Wege  durch  Verwendung  von  Plazentargewebe  und  Seru 
das  Vorhandensein  einer  Gravidität  einwandfrei  zu  beweise 
und  obwohl  die  Versuche  noch  nicht  abgeschlossen  und  e 
endgültiges  Urteil  bis  jetzt  nicht  gefällt  werden  kann,  führt« 
die  bisherigen  Versuche  —  sofern  sie  rite  ausgeführt  sind 
zu  einem  positiven  Resultat. 

Es  liegt  aber  in  der  Natur  des  Verfahrens,  dass  die  Ai 
wendungsweise  verallgemeinert  und  auf  eine  grosse  Reil 
anderer  biologischer  und  pathologischer  Erscheinungen  tu 
zogen  werden  kann.  Nachdem  nun  auch  verschiedene  andei 
Spezialgebiete  das  Verfahren  den  klinischen  Methoden  diens 
bar  gemacht  haben,  war  der  Gedanke  naheliegend,  gewis¬ 
pathologische  Vorgänge  im  Auge  mit  Hilfe  des  Dialysie  i 
Verfahrens  näher  zu  prüfen.  Angesichts  der  Tatsache,  da< 
das  Auge  bei  manchen  Allgemeinleiden  mit  Vorliebe  in  Mi 
leidenschaft  gezogen  wird  —  ich  erinnere  nur  an  die  mannij. 
fachen  Formen  von  Iritis  und  andere  endogenen  Infektionei 
des  Auges  — ,  ist  die  Vermutung  gerechtfertigt,  dass  auch  tu 
primär  im  Auge  aufgetretenen  pathologischen  Vorgängen  ein 
gewisse  reaktive  Beteiligung  des  Blutes  eintritt.  Insbesonder 
gilt  dies  von  gewissen  schweren  Formen  von  Uveaerkrar 
kungen  und  vor  allen  Dingen  von  der  sympathischen  Oph 
thalmie,  deren  Entstehen  noch  immer  nicht  endgültig  auf 
geklärt  ist. 

Nach  unseren  klinischen  und  pathologischen  Erfahrunge 
scheint  die  Uvea  die  innigste  Beziehung  zur  Blutbahn  z 
haben  und  so  ist  auch  a  priori  zu  erwarten,  dass,  wen 
Schutzfermente  als  Reaktion  auf  ..pathologische  Vorgäng 
innerhalb  des  Auges  im  Blut  entstehen,  dies  in  erster  Lini 
bei  Uveaerkrankungen  der  Fall  sein  wird.  Ich  habe  mir  des 
halb  zur  Aufgabe  gemacht,  das  Serum  einer  Anzahl  voi 
Patienten  mit  Uveaerkrankungen  verschiedenster  Art  auf  da 
Vorhandensein  von  spezifischen,  auf  Uveagewebe  ein 
gestellten  Fermenten  zu  untersuchen.  Ich  folgte  dabei  genati 
den  Vorschriften  des  Dialysierverfahrens,  mit  dem  mich  Her 
Prof.  Abderhalden  in  sehr  liebenswürdiger  Weise  ver 
traut  gemacht  hatte. 

Als  abzubauendes  Material  wurde  die  Uvea  verwendet 
Allerdings  ist  die  Gewinnung  der  notwendigen  Organd 
insofern  etwas  erschwert,  als  frisches  menschliches  Uvea¬ 
gewebe  nur  mit  gewisser  Mühe  in  ausreichender  Menge  zi 
beschaffen  ist.  Es  war  deshalb  schon  im  Interesse  der  leich¬ 
teren  Durchführbarkeit  der  Versuche  von  Wichtigkeit,  fest¬ 
zustellen,  ob  sich  die  spezifische  Wirkungsweise  der  Schutz¬ 
fermente  nur  auf  artgleiches  oder  auch  auf  artfrem¬ 
des  Gewebe  bezieht.  Daher  wurde^  neben  menschlichem 
Material  auch  frische,  von  Schweineaugen  gewonnene  Uvea 
verwendet,  und  es  ergab  sich  nun  die  Tatsache,  dass  auch 
artfremdes  Uveagewebe  abgebaut  werden  kann.  Allerdings 
ist  hervorzuheben,  dass  sich  in  der  Intensität  der  Reaktion  ein 
erheblicher  Unterschied  zeigte:  die  Reaktion  bei  Verwendung 
von  artfremdem  Material  war  stets  schwächer.  Immerhin 
kann  man  sich  mit  artfremder  Uvea  auch  brauchbare  Resultate 
versprechen,  wenn  auch  menschliches  Gewebe  als  weit  zuver¬ 
lässiger  bezeichnet  werden  muss. 

Die  Darstellung  des  Materials  ist  ausserordentlich  einfach: 
der  Bulbus  wird  entzweigeschnitten;  nach  Entfernung  von 
Glaskörper,  Linse  und  Retina  wird  die  Uvea  sorgfältig  heraus¬ 
geschält  und  5  Minuten  lang  gekocht.  Schon  nach  2  bis 
3  maligem  Kochen  sind  die  Organe  für  den  Versuch  geeignet. 
Vor  jedem  Versuch  wurde  das  zu  verwendende  Substrat  noch¬ 
mals  einer  Prüfung  unterzogen.  1,5  ccm  Serum  wurde  dann 
mit  der  entsprechenden  Menge  Uveagewebe  (im  allgemeinen 
wurde  für  den  Einzelversuch  die  ganze  Uvea  eines  Auges  ver¬ 
wendet)  in  den  Dialysierschlauch  gebracht  und  16  Stunden  im 
Brutschrank  gelassen.  Die  Details  der  Versuchsanordnung 
sind  in  dieser  Zeitschrift  schon  eingehend  erörtert  worden;  es 
sei  hier  nur  hervorgehoben,  dass  im  Interesse  grösserer  Ge¬ 
nauigkeit  parallel  zu  jedem  Versuch  Kontrollversuche  an¬ 
gestellt  wurden:  es  wurde  Serum  ohne  Zusatz  von  Uvea¬ 
gewebe,  ferner  Serum  mit  anderen  Organen,  wie  Plazenta, 


Mai  1013. 


muenchener  medizinische  Wochen  sch  r  i  ft. 


Kornea,  Sklera,  dann  auch  Uveagtjwebe  nur  mit  Aqu.  dest. 
ziisammengebracht.  Es  sollten  damit  Fehlerquellen  möglichst 
vermieden  werden  und  die  Versuchsresultate  an  Zuverlässig¬ 
keit  gewinnen.  Es  lässt  sich  nämlich  auf  diese  Weise  die 
Spezifität  der  nachgewiesenen  Fermente  feststellen  und  ander¬ 
seits  lässt  sieh  auch  ohne  weiteres  aussagen,  dass  die  dialy- 
sierten  Abbauprodukte  nicht  aus  dem  Serum  allein,  sondern 
nur  unter  der  Einwirkung  des  Serums  auf  das  Uveagewebe 
entstehen  konnten.  Die  Kontrollversuche  ergaben  bis  auf  zwei 
Fälle,  wo  das  Dialysat  als  fraglich  positiv  bezeichnet  werden 
musste,  eine  negative  Reaktion. 

Bei  der  Auswahl  der  zu  untersuchenden  Fälle  bot  natür¬ 
lich  die  sympathische  Ophthal  m  i  e  —  im  Hinblick 
auf  das  interessante  Problem  ihrer  Enstehungsweise  —  das 
grösste  Interesse.  Ich  hatte  Gelegenheit,  drei  solcher  Fälle  von 
sympathischer  Ophthalmie,  darunter  zwei  frische  und  eine  ab- 
;elaufene,  zu  untersuchen.  Von  Interesse  war  ferner  das 
Verhalten  des  Blutserums  bei  perforierenden  Verletzungen  so- 
vvolil  mit  entzündlichem  als  auch  mit  reaktionslosem  Verlauf, 
svie  z.  B.  bei  Staroperationen  etc.  Ferner  wurden  auch  Fälle 
licht  traumatischer  Entzündung  im  Bereich  der  Uvea  unter¬ 
sucht  und  schliesslich  auch  eine  Anzahl  normaler  zum  Ver- 
deich  herangezogen. 

Es  ist  aber  hervorzuheben,  dass  die  positive  Reaktion 
licht  in  allen  Fällen  mit  der  gleichen  Intensität  erfolgte,  sie 
.ariierte  zwischen  einer  eben  noch  als  einwandfrei  positiv  er¬ 
kennbaren  Reaktion  und  einer  ausgesprochenen  Violettfärbung 
ies  Dialysats.  Bei  weiteren  Untersuchungen  würde  vielleicht 
ine  Klassifikation  der  Fälle  nach  diesen  quantitativen  Unter- 
■chieden  zu  empfehlen  sein.  Dies  lässt  sich  natürlich  nur  dann 
lurchführen,  wenn  immer  die  gleichen  Versuchsbedingungen 
leobachtet  werden,  wenn  immer  genau  die  gleichen  Mengen 
on  Serum  und  Uveagewebe  verwendet  werden. 


Das  Resultat  der  Untersuchungen  ergibt  folgende  tabel- 
arische  Zusammenstellung: 


Zahl 

der 

Fälle 

Reaktion  (mit 
Uveagewebe) 

Kontroll- 

versuch 

+ 

- 

+ 

— 

Iridozyklitis  nach  perforierender 

Verletzung . 

5 

5 

1  ? 

4 

Sympathische  Ophthalmie 

a)  frische . 

2 

2 

2 

b)  abgelaufene . 

1 

1 

1 

Perforierende  Verletzung  init 

reaktionslosem  Heilungsverlauf 

5 

1 

4 

I 

4 

Nicht  traumatische  Iridozyklitis 

3 

3 

3 

Chorioiditis  dissemniata 

a)  frische . 

1 

1  ? 

b)  abgelaufene  ...... 

1 

1 

Aus  den  vorliegenden  Untersuchungsresultaten  ergibt  sich 
ie  bemerkenswerte  Tatsache,  dass  in  ganz  bestimmten  Fällen 
on  Augenerkrankungen  Fermente  im  Blute  gebildet  werden, 
eiche  für  Uveagewebe  spezifisch  sind.  Diese  Fälle  mit  posi- 
ver  Reaktion  stellen  eine  ganz  charakteristische  Gruppe  mit 
inheitlichen  klinischen  Symptomen  dar.  Wir  können  näm- 
ch  das  Auftreten  von  Schutzfermenten  besonders  dann  er¬ 
warten,  wenn  nach  einer  perforierenden  Bulbusverletzung  ein 
ntziindlicher  Zustand  der  Uvea  eintritt  und  längere  Zeit  be- 
:eht.  Am  ausgesprochensten  gelang  der  Nachweis  der  spe- 
ifischen  Fermente  in  den  beiden  Fällen  von  frischer  sympa- 
üscher  Ophthalmie.  Wenn  aber  eine  perforierende  Verletzung 
cs  Bulbus  einen  entzündungsfreien  Heilungsverlauf  nimmt,  fällt 
ie  Reaktion  meistens  negativ  aus.  Ebensowenig  scheinen  Fer- 
lente  gebildet  zu  werden  im  Anschluss  an  andere,  auf  nicht 
aumatischer  Ursache  beruhende  entzündliche  Prozesse  im 
ereich  der  Uvea. 

Es  ist  meines  Erachtens  von  grossem  Interesse,  durch 
rüfung  des  Serums  in  verschiedenen  Stadien  des  Krankheits- 
crlaufes  das  Auftreten  und  Verschwinden  der  Schutzfermente 
ichzuweisen.  Dies  gelang  in  typischer  Weise  bei  einem  Fall 
>n  perforierender  Verletzung,  den  ich  hier  kurz  erwähnen 
öchte. 

Es  handelt  sich  um  einen  20  jährigen  Arbeiter,  der  am  14.  III. 
ne  schwere  Stichverletzung  des  rechten  Auges  erlitten  hatte.  Sklera 
id  Kornea  zeigten  eine  klaffende  Wunde  mit  Irisprolaps.  Es  wurde 
ne  Konjunktivalnaht  angelegt  und  der  Irisprolaps  abgetragen.  Das 


1130 


Serum  wurde  am  27.  III.  zuerst  untersucht,  und  zwar  wurde  Uvea¬ 
gewebe  von  Schweineaugen  verwendet.  Die  Reaktion  war  schwach 
positiv.  Der  Bulbus  war  dauernd  in  einem  erheblichen  Reizzustand, 
in  der  Vorderkammer  zeigte  sich  etwas  Exsudat.  Am  4.  IV.  war  die 
Reaktion  ausgesprochen  positiv.  Der  Bulbus  wurde  am  5.  IV. 
enukleiert  und  das  Uveagewebe  für  einen  Dialysierversuch  verwen¬ 
det.  Reaktion  wiederum  stark  positiv.  8  Tage  nach  der  Enukleation 
aber  war  mittels  der  Ninhydrinprobe  kein  spezifisches  Ferment  mehr 
nachzuweisen. 

Mit  dieser  Beobachtung  stimmt  auch  das  Untersuchungs¬ 
resultat  bei  den  drei  Fällen  von  sympathischer  Entzündung 
überein.  Bei  den  beiden  frischen  Fällen  hatten  wir  wieder¬ 
holt  deutlich  positive  und  bei  der  abgelaufenen  negative 
Reaktion. 

Diese  Tatsachen  zeigen,  dass  offenbar  auf  der  Höhe  des 
entzündlichen  Prozesses  die  Bildung  von  Schutzfermenten  am 
lebhaftesten  ist,  und  dass  nach  Beseitigung  der  Ursachen,  sei 
es  durch  Enukleation  des  verletzten  Bulbus  oder  durch  spon¬ 
tanes  Abklingen  der  Entzündungsvorgänge,  in  der  Uvea  auch 
die  Schutzfermente  aus  dem  Blute  wieder  verschwinden.  Es 
scheint,  dass  eine  gewisse  Uebereinstimmung  zwischen  dem 
klinischen  Bilde  und  der  Fermentbildung  im  Blute  besteht. 

Obwohl  ich  die  Versuche  über  diesen  Gegenstand  noch 
nicht  als  abgeschlossen  und  in  jeder  Hinsicht  als  vollständig 
bezeichnen  möchte,  dürfte  doch  die  Tatsache  erwiesen  sein, 
dass  vom  Auge  aus  und  in  ganz  bestimmten  Fällen  Schutz¬ 
fermente  im  Blute  gebildet  werden.  Gestützt  auf  den  Nach¬ 
weis  der  spezifischen  Natur  derselben  für  Uveagewebe  ist  an¬ 
zunehmen,  dass  bei  gewissen  pathologischen  Vorgängen  im 
Auge  aus  der  Uvea  stammende  Zellen  oder  Zellelemente  in 
den  Blutkreislauf  übergehen,  als  blutfremde  Stoffe  die  Bildung 
von  spezifischen  Schutzfermenten  auslösen  und  durch  die¬ 
selben  abgebaut,  in  niederere  Eiweissstufen  zerlegt  werden. 
Offenbar  ist  ein  kontinuierlicher  Transport  von  ungenügend 
oder  gar  nicht  abgebauten  Zellbestandteilen  aus  der  entzün¬ 
deten  Uvea  notwendig,  um  die  Fermentbildung  zu  veranlassen, 
und  diese  Verschleppung  scheint  nach  den  obigen  Versuchs¬ 
resultaten  besonders  dann  stattzufinden,  wenn  der  Uveitis  ein 
Trauma  im  Sinne  einer  perforierenden  Verletzung  zugrunde 
liegt.  Ich  vermute,  dass  bei  Verletzungen  mit  blandem  Hei- 
lungsverlauf  keine  solchen  Zellelemente  in  den  Blutkreislauf 
gelangen,  oder  doch  nur  in  beschränktem  Masse  und  vorüber¬ 
gehend,  so  dass  in  diesen  Fällen  die  Fermente  nicht  nachzu¬ 
weisen  sind. 

Es  braucht  wohl  kaum  darauf  hingewiesen  zu  werden, 
dass  diese  Tatsache  eine  gewisse  Bedeutung  hat  für  das  Pro¬ 
blem  der  sympathischen  Ophthalmie.  Denn  da  die  spezifischen 
Schutzfermente  bei  der  sympathischen  Ophthalmie  und  in  den 
Fällen,  wo  klinisch  eine  Sympathiegefahr  anzunehmen  ist, 
nachweisbar  auftreten,  dürfte  eine  gewisse  Beziehung  dieser 
Vorgänge  zu  der  Entstehung  der  sympathischen  Ophthalmie 
vielleicht  anzunehmen  sein.  Ob  unter  Umständen  die  Abbau¬ 
produkte  der  Uveazellbestandteile  das  auslösende  Moment  für 
die  Erkrankung  bilden  können,  dürfte  heute  hoch  schwerlich 
zu  entscheiden  sein.  Jedenfalls  scheint  das  Problem  einer 
weiteren  Bearbeitung  dieser  Fragen  wert. 


Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  Dresden  (Direktor:  Professor 

Dr.  E.  Kehrer). 

Zur  biologischen  Diagnose  der  Schwangerschaft  mittels 
der  optischen  Methode  und  des  Dialysierverfahrens. 

Von  Dr.  W.  Rübsamen,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Im  Blute  der  Schwangeren  kreisen  blutfremde  Materialien. 
Der  Organismus  wehrt  sich  gegen  diese,  indem  er  Fermente 
gegen  sie  vorschickt,  die  das  Fremdartige  zu  indifferenten  Bau¬ 
steinen  abbauen.  Diese  blutfremden  Stoffe  lassen  sich  nach 
Abderhalden  mittels  des  Dialysierverfahrens  und  der 
optischen  Methode  nachweisen.  Die  Anwendung  der  Abder¬ 
halden  sehen  Forschungsergebnisse  auf  rein  klinischem  Ge¬ 
biet  haben  bereits  schöne  Erfolge  gezeitigt  und  die  Mitteilungen 
aus  verschiedenen  Kliniken  beweisen  das  Interesse,  das  man 
den  neuen  Methoden  entgegenbringt.  Wie  Abderhalden  u.  a. 
(Fauser)  betonen,  kann  man  sich  beim  Dialysierverfahren 
nicht  streng  genug  an  die  Originalvorschriften  halten,  da  ge¬ 
ringe  Abweichungen  schon  zu  Versuchsfehlern  führen,  die  man 

2* 


1140 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21 


jedoch  leicht  auffinden  kann,  wenn  man  neben  dem  Dialysier- 
verfahren  noch  die  optische  Methode  übt,  deren  Ausführung 
sehr  einfach  ist,  vorausgesetzt,  dass  das  Auge  des  Beobachters 
zur  Ablesung  am  Polarimeter  geeignet  ist.  Die  beiden  Me¬ 
thoden  ergänzen  und  kontrollieren  sich  und  cs  ist  dringend 
zu  fordern,  dass  von  den  bisherigen  abweichende,  mit  dem 
Dialysierverfahren  erhaltene  Resultate  mit  der  optischen  .Me¬ 
thode  nachgeprüft  werden. 

Wir  konnten  anfangs  aus  äusseren  Gründen  nur  das 
Dialysierverfahren  anwenden,  sind  aber  seit  Ende  Januar  1913 
im  Besitze  eines  vorzüglichen  Polarimeters  und  dadurch  in 
der  Lage,  auch  die  optische  Methode  zu  üben,  wodurch  das 
Verfahren  in  unseren  Händen  entschieden  an  Sicherheit  ge¬ 
wonnen  hat 1). 

Wir  verfolgen  das  Prinzip,  keine  Massenuntersuchungen 
vorzunehmen  und  beschränken  uns  darauf,  täglich  nur  wenige 
Sei  a  zu  untersuchen,  wobei  wir  alle  Versuche,  wenn  irgend 
möglich,  mindestens  doppelt  anstellen. 

Die  in  den  mitzuteilenden  Untersuchungen  angewandte  Technik 
entspricht  ungefähr  den  verschärften  Abderhalden  sehen  Vor¬ 
schriften,  wie  sie  in  No.  9  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913  wieder¬ 
gegeben  sind. 

1.  Anwendung  von  absolut  hämoglobinfreiem  Blutserum.  20  ccm 
Blut  werden  aus  der  gestauten  Vena  mediana  cubiti  möglichst  in 
2  Portionen  in  sterilen  Zentrifugierröhrchen  aufgefangen,  3—4  Stun- 


globingehalt  ist  das  Röhrchen  mit  1,0  Serum  -f-  Plazenta  ums 
gebend. 

In  Anerkennung  der  Ueberlegcnheit  Abderhalden^ 
halten  wir  uns  zurzeit  streng  an  seine  neuesten  Vorschriften 
obwohl  auch  wir  in  manchen  Punkten  der  Ansicht  sind,  das' 
gewisse  Verbesserungen  vielleicht  angebracht  wären. 

Bei  der  optischen  Methode  wird  nur  frisches,  klares 
hämoglobinfreies  Serum  angewandt,  das  im  Reagenzglas  am 
mit  Plazentarpeptonlösung  vermischt  wird,  welche  soweit  mit 
physiologischer  Kochsalzlösung  verdünnt  ist,  dass  2  ccm  dieser 
Lösung,  die  uns  von,  Herrn  Prof.  Abderhalden  in  liebens¬ 
würdiger  Weise  zur  Verfügung  gestellt  wurde,  im  Polari¬ 
sationsröhrchen  ca.  1,40°  drehen. 

Die  Anfangsdrehung  der  mit  Serum  +  Plazeutarpepton 
beschickten  Röhrchen  ist  dann  meistens  0,70—0,75.  Das  Serum 
behält  im  Eisschrank  aufbewahrt  ungefähr  2  Tage  seine  Wir¬ 
kungskraft,  nach  dieser  Zeit  ist  es  zu  verwerfen.  Die  ße- 
obachtungszeit  beläuft  sich  auf  24  Stunden;  die  Ablesung  er¬ 
folgt  alle  3—4  Stunden. 

Die  Ergebnisse  unserer  Untersuchungen  sind  nach  dem 
Vorgänge  von  Freund  und  B  r  a  h  m  tabellarisch  zusammen- 
gestellt,  jedoch  hielten  wir  es  für  angezeigt,  bei  den  optischen 
Werten  die  grösste  Drehungsdifferenz  anzugeben.  Was  unter 
0,05  ist,  gilt  als  negativ. 


Schwangerscliaftsmonat 


I 

11 

III 

IV 

V 

VI 

VII 

V 

o 

D 

O 

D 

O 

D 

o 

D 

O 

D 

O 

D 

o 

D 

o 

0,09 

o 

0,19 

o 

4 

++ 

0,27 

4- 

0,08 

+ 

+ 

0,18 

+ 

0,12 

+ 

T 

0,10 

o 

0,07 

0,20 

++ 

,08 

4" 

++ 

+ 

6) 

0 

0,  1 

4* 

0,11 

•1 

++ 

0,14 

+ 

+ 

++ 

0,14 

+1 

4- 

0,10 

+1 

+ 

0,10 

+ 

0,15 

+ 

0,10 

+ 

0,20 

+ 

0,23 

+ 

+ 

7  |  11 

7  j  10 

2  |  4 

2 

3 

1 

2 

1  |  2 

1  2 

IX 

O  D 


X 

O  D 


X 

Eklampsie 


O 


D 


+ 

O 


Ea 

0,07 

o 

0,09 

0,01 

• 

+ 

0,02 

_ 

0,08 

o 

0,07 

0,02 

o 

0,12 

1,5 

>)S 

0,06 

O 

0,04 

— 

+4 

0,08 

o 

• 

0,06 

o 

0,02 

• 

+5) 

0,01 

0,07 

O 

0,02 

+s) 

+ 

0,02 

_ 

0,05 

0,05 

• 

o 

(  Ea 

1  Ep 

°  \ 
++f 

0,09 

+ 

",03 

0,03 

— 

0,07 

0 

Ea 

o 

0,03 

_ 

0,10 

ü 

0,02 

• 

0,04 

0,04 

•-) 

0,00 

0,06 

o 

0,02 

Ep 

o 

0,04 

_ 

0,05 

-j- 

0,03 

— 

1  I 

1 

4 

3 

9 

14  I 

2 

6 

12 

9 

Extra- 

uterin- 

gravidät 


O  D 


Non 

gravidae 


O  D 


Non 

gravidae 

Fortsetzg. 


O  i  D 


1,5»;  S 

0,04  |  « 
1,0  S 
0,04  -] 


0,03 

0,01 

0,03 


-1 


Endo¬ 

metritis 

post 

abortum 


O  D 


1,0 

0,03,  i 


Mann 
O  i  D 


Kar¬ 

zinom 


O  D 


0,03 


Schwanger- 

schafts- 

dermatose 

VII 


O 


D 


«Das  O  I 
Dps  1  -f  | 
Hyperemesi; 


0,09  O 


12 


1  1 


2  I 


O  _  Optik.  D  _  Dialyse.  +  _  positiv.  ++  =  stark  positiv.  Q  =  schwach  positiv.  0  =  sehr  schwach  posittiv.  -  =  negativ.  Ea  =  Eklampsie  ante  partum. 


Eklampsie  post  partum.  Das  =  Dermatose  vor  der  Serum, herapi'e.  Dps  =  Dermatose  nach  der  SerumtheTapie.”0 {}  =  2  Versuchet  demselben^  ^scHieöZn  Zehen 
“  “‘ta  Ö*e‘  Fall  Oasblldu^  to  - 


den  bei  Zimmertemperatur  ruhig  stehen  gelassen  und  dann  elektrisch 
zentrifugiert.  Seitdem  wir  keine  Wasserzentrifuge  mehr,  sondern  eine 
gut  funktionierende  elektrische  Zentrifuge  anwenden,  haben  wir  rast 
keme  hämolytischen  Sera  bekommen.  Nur  solches  Blut  gibt  hämo¬ 
globinfreies  Serum,  das  rasch  und  reichlich  abfliesst.  Umstechung  des 
Blutkuchens  war  bei  unserem  Vorgehen  niemals  notwendig.  Die 
rorderung  Abderhaldens,  das  Blut  nüchtern  abzunehmen, 
Konnten  wir  nicht  erfüllen,  da  das  Patientenmaterial  grösstenteils 
aus  der  Nachmittagssprechstunde  stammt. 

2.  Verwendung  von  vorschriftsmässig  geprüften  Dialysierröhr- 
ctieii,  die  von  Zeit  zu  Zeit  nachkontrolliert  werden.  Nach  dem  Ge¬ 
brauch  w  erden  die  Hülsen  24  Stunden  in  fliessendem  Wasser  gereinigt 
dann  zweimal  5  Minuten  ausgekocht  und  mit  steriler  Pinzette  in 
ein  steriles  Gefäss  gebracht,  woselbst  sie  nach  Chloroformzusatz  unter 
loluol  aufbewahrt  werden. 


3.  Die  Portion  des  zu  einem  Versuch  notwendigen  Plazenta 
materiales  wird  vorher  in  kleinen  Stückchen  nochmals  abgekoch 
und  nur  verwendet,  wenn  die  Ninhydrinreaktion  1,5  ccm  im  Koch 
wasser  (5  ccm)  nach  einer  Minute  Kochen  negativ  ausfällt.  Plazenta 
stucke,  die,  in  toto  gekocht,  keine  positive  Ninhydrinreaktion  abgeben 
geben  mitunter  nach  dem  Zerstückeln  reagierende  Substanzen  an  da1 
Kochwasser  ab. 

4.  Anwendung  von  nur  sterilen  Utensilien  und  peinlichste  Ver 
mudurig,  Reagentien  und  Utensilien  manuell  zu  berühren,  da  mar 
z.  L.  schon  durch  das  Berühren  der  Siedestäbchen  mit  Schweiss 
handen  eine  positive  Ninhydrinreaktion  bekommen  kann. 

5.  Belassen  der  Dialysierröhrchen  genau  16  Stunden  im  Brut¬ 
oien.  Lasst  man  30  Stunden  und  länger  im  Brutofen,  so  wird  häufig 
bildet  C1  ^ic^grav'^en  e*n  Ninhydrin  reagierendes  Dialysat  ge- 

6.  Ansetzen  von  4  Dialysierröhrchen  mit  1,5  Serum,  davon  2  mi 
az.,  und  von  2  mit  1,0  Serum,  davon  1  mit  Plaz.,  unter  Berück¬ 
sichtigung  des  Hamoglobingehaltes  der  Pat.;  bei  vermindertem  Hämo- 


U  Herrn  Prof.  Abderhalden,  der  die 
hatte,  mich  im  physiologischen  Institut  in  Halle  a.  s.  in  U1C  mcu.uu. 
einzutuhren,  spreche  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank  au: 


Liebenswiirdigkei 
S.  in  die  Methodil 


Die  Zahl  unserer  mit  den  verschärften  Vorschriften  ange- 
stelltfen  Versuche  beläuft  sich  bei  94  Fällen  auf  100  Versuche, 
dabei  wurden  56  mal  beide  Methoden  zugleich,  38  mal  nur  das 
Dialysierverfahren,  6  mal  nur  die  optische  Methode  angewandt. 
Alle  Fälle,  in  denen  die  Möglichkeit  von  technischen  Versuchs¬ 
fehlern  vorhanden  war,  sind  aus  unseren  Reihen  ausgeschaltet 
worden. 

Der  Forderung,  bei  den  Berichten  möglichst  die  Fälle  in 
klinischer  Beleuchtung  wiederzugeben,  kommen  wir  nur  in 
zweideutigen  Fällen  nach,  um  unsere  Mitteilungen  nicht  zu  sehr 
auszudehnen. 

W  ir  untersuchten  47  Fälle  von  normaler  Gravidität,  davon 
27  mit  beiden  Methoden.  2  betrafen  Schwangerschaften  von 
weniger  als  2  Wochen;  in  30  Fällen  handelte  es  sich  um 
Schwangerschaften  im  1. — 5.  Monat.  In  allen  diesen  Fällen 
war  die  Reaktion  sicher  positiv;  am  deutlichsten  war  sie  in 
der  ersten  Hälfte  der  Schwangerschaft.  Eine  Ausnahme  bil¬ 
dete  eine  8  Tage  bestehende  Schwangerschaft,  bei  der  nur 
eine  schwach  positive  Reaktion  mit  dem  Dialysierverfahren 
eintiat,  jedoch  wurde  dieser  Fall  nicht  mit  der  optischen  Me¬ 
thode  untersucht. 

Bei  22  Nichtgraviden  mit  Genitalerkrankungen  (Prolaps, 
Myom,  Adnextumor,  Parametritis  etc.)  fiel  die  Reaktion 
negativ  aus;  davon  wurden  14  Fälle  mit  beiden  Methoden 
untersucht. 

Bei  einer  nichtgraviden  Frau  bekamen  wir  eine  positive 
Schwangerschaftsreaktion.  Es  handelte  sich  um  eine  schwan¬ 
gerschaftsverdächtige,  schwächliche,  anämische  Patientin  ohne 
besonderen  Genitalbefund  und  sowohl  mit  der  optischen  Me¬ 
thode,  als  auch  mit  dem  Dialysierverfahren  fiel  die  Reaktion 
schwach  positiv  aus.  Optisch  war  der  grösste  Ausschlag  0,08. 


>7.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1141 


!s  war  mir,  als  ich  die  Reaktion  anstellte,  nicht  bekannt,  dass 
|.‘S  sich  um  eine  anämische  kachektische  Frau  handelte,  sonst 
Kitte  ich  nach  den  Abderhalden  sehen  Angaben  nicht  1,5, 
ondern  nur  1,0  Serum  zur  Dialysierprobc  genommen,  um 
aich  hier  die  Möglichkeit  eines  Vcrsuchsfehlers  auszuschalten. 
A  ir  stellten  in  diesem  Falle  die  Diagnose  auf  Gravidität  und 
varen  sehr  enttäuscht,  als  sich  nach  einigen  Tagen  die  nor- 
nale  Periode  wieder  einstellte.  Leider  konnte  das  Serum  von 
lieser  Patientin  nicht  noch  einmal  untersucht  werden,  wogegen 
ns  ein  ähnlicher  Fall  zur  Verfügung  steht,  den  wir  auch  in 
'ieser  Hinsicht  genau  geprüft  haben. 

25jährige  Patientin;  7  mal  abortiert,  zuletzt  vor  7  Wochen;  seit- 
er  keine  Periode  mehr  gehabt,  glaubte  sicher  wieder  schwanger  zu 
ein.  Pat.  ist  infolge  des  starken  Blutverlustes  bei  dem  letzten  Abort 
tark  anämisch.  Hämoglobingehalt  50/70  nach  Sahli.  16.  III.  Blut- 
ntnahme  zur  Untersuchung.  Mit  der  optischen  Methode  innerhalb 
-1  Stunden  grösste  Abweichung  in  der  Spaltung  0,04:  mit  dem  Dia- 
rsierverfahren  bekommt  man  mit  1,5  ccm  Serum  +  Plazenta  eine 
anz  schwach  positive  Ninhydrinreaktion;  1,5  Serum  allein  gibt  keine 
'eaktion,  das  mit  1,0  Serum  versetzte  Plazentastück  wird  nicht  abge- 
aut.  wie  die  negative  Ninhydrinreaktion  beweist,  Diagnose:  nicht 
ravid.  Die  Pat.  bekommt  das  Resultat  am  17.  III.  7  Uhr  abends  mit- 
eteilt,  worauf  in  der  folgenden  Nacht  gegen  Morgen  die  Periode 
jeder  eintritt;  ebenso  trat  in  einem  anderen  Falle  in  der  Nacht  nach 
er  Mitteilung,  dass  keine  Schwangerschaft  vorhanden  sei,  die  Periode 
Jeder  ein.  In  einem  Falle  von  Myoma  uteri  und  in  einem  weiteren 
alle  von  Bauchfelltuberkulose,  war  die  optische  Methode  negativ  aus- 
efallen,  im  Dialysierverfahren  mit  1,5  Serum  positive,  mit  1,0  Serum 
egative  Ninhydrinreaktion  erhalten  worden. 

ln  einem  Fall  von  Schwangerschaftspruritus,  der  durch 
ormale  Schwangerschaftsseruminjektion  geheilt  wurde  "),  war 
ie  Ninhydrinreaktion  (optisch  konnte  damals  noch  nicht 
ntersucht  werden)  vor  erfolgreicher  Serumtherapie  schwächer 
ls  nachher 6). 

13  Fälle  von  Eklampsie  wurden  von  uns  beobachtet;  davon 
/urde  in  4  Fällen  nur  das  Dialysierverfahren,  in  den  übrigen 
Fällen  beide  Methoden  angewandt.  Da  wir  zurzeit  die 
klampsie  erfolgreich  mit  dem  Aderlass  nach  Zweifel  be- 
andeln,  haben  wir  stets  reichliche  Serummengen  für  unsere 
ersuche  zur  Verfügung.  In  10  Fällen  war  die  Reaktion  mit 
em  Dialysierverfahren  ganz  schwach  oder  schwach  positiv. 
i  5  von  diesen  Fällen  konnte  auch  optisch  nur  ein  geringer  Ab- 
au,  im  Maximum  0,06  nachgewiesen  werden.  Es  handelte  sich 
•doch  um  leichtere  Eklampsiefälle,  die  meist  nach  dem  Ader¬ 
iss  anfallsfrei  blieben.  In  einem  leichten  Falle  trat  im  Polari- 
ationsrohr  nach  etwa  8  Stunden  Gasbildung2  3)  auf  und  die 
•ialysierprobe  ergab  eine  deutliche  Ninhydrinreaktion.  Wie 
ch  nachträglich  herausstellte,  war  bei  der  Entnahme  des 
erums  ein  nicht  ganz  einwandfrei  steriler  Glaszylinder  ver¬ 
endet  worden  und  ich  beziehe  die  Erscheinung  auf  Baktcrien- 
irkung;  denn  offenbar  ist  das  Eklampsieserum  ein  guter 
ährboden.  In  einem  Falle  wurde  das  Serum  2  Tage  nach 
sm  heilenden  Aderlass  nochmals  entnommen,  im  Dialysier- 
erfahren  untersucht  und  die  Ninhydrinreaktion  fiel  stärker 
is  als  vorher. 

Ein  Fall  war  schwererer  Natur  und  zeichnete  sich 
adurch  aus,  dass  das  Serum  optisch  nur  gering  und 
typisch  abbaute,  und  im  Dialysierverfahren  keine  positive 
chwangerschaftsreaktion  ergab  4). 

Die  Erfahrungen  bei  der  Eklampsie  geben  uns  einen 
ingerzeig  für  die  Prognose  und  wir  können  sagen:  je  stärker 
is  Eklampsieserum  abbaut,  desto  günstiger  ist  die  Prognose 
i  stellen. 

3  Fälle  kamen  zur  Beobachtung  wegen  Verdacht  auf 
uhargravidität;  die  Reaktion  fiel  mit  beiden  Methoden  negativ 
is;  im  Einklang  mit  dieser  negativen  Reaktion  trat  später 
ich  die  Periode  wieder  ein. 

Vier  Fälle 5)  von  später  klinisch  bestätigter  Tubar- 


2)  Der  Fall  wird  demnächst  an  anderer  Stelle  genauer  beschrieben 
erden  (Deutsche  med.  Wochenschr.). 

*)  ln  einem  weiteren  Falle,  wo  auch  Gasbildung  eintrat,  war 
s  Serum  einwandfrei  steril  entnommen. 

4)  ln  einem  anderen  sehr  schweren  Fall,  der  erst  nach  der 
erendekapsulation  in  Heilung  trat,  war  bei  sehr  schwacher 
nhydrinreaktion  ein  geringer  Abbau  0,02  optisch  zu  konstatieren. 
")  2  weitere  Fälle  sind  klinisch  noch  nicht  bestätigt. 

®)  Auch  ein  Fall  von  Hyperemesis  gravidarum  reagierte  im 
alysierverfahren  nur  schwach,  mit  der  optischen  Methode  grösster 
isschlag  0,09. 


gravidität  ergaben  positive  Reaktion  mit  dem  Dialysierver¬ 
fahren;  mit  der  optischen  Methode  wurden  sie  nicht  untersucht, 
ln  dem  einen  Fall  widersprach  der  positive  Ausfall  dem  kli¬ 
nischen  Untersuchungsbefund  und  man  glaubte  an  eine  Ver¬ 
wechslung  der  Blutsera  und  wollte  die  Reaktion  noch  ein¬ 
mal  wiederholen,  was  jedoch  aus  äusseren  Gründen  nicht 
möglich  war.  Bei  der  Operation  würde  frühzeitige  Tubar¬ 
gravidität  gefunden.  In  einem  anderen  Fall,  wo  klinisch  die 
Diagnose:  „nicht  entzündlicher  Adnextumor.“  gestellt  worden 
war,  wurde  das  Blutserum  zu  therapeutischen  Zwecken  (zur 
Injektion  bei  einem  Kind  mit  Melaena  neonatorum)  entnommen 
und  gleichzeitig  die  Schwangerschaftsreaktion  mit  dem  Dialy¬ 
sierverfahren  ausgeführt,  die  stark  positiv  ausfiel.  Bei  der 
einige  Zeit  später  vorgenommenen  Reaktion  fand  man  Tubar- 
gravidität. 

In  zwei  Fällen  von  Verdacht  auf  Tubargravidität  fand  sich 
mit  beiden  Methoden  eine  positive  Reaktion;  bei  der  Ope¬ 
ration  keine  Tubargravidität  und  die  Annahme  Intrauterin¬ 
schwangerschaft  wurde  nachträglich  bestätigt.  In  einem  ähn¬ 
lichen  Fall  von  Verdacht  auf  Tubargravidität  fand  sich  eine 
ganz  schwach  positive  Ninhydrinrektion,  wogegen  der  nach 
24  Stunden  optisch  festgestellte  Abbau  zur  DiagnosS  der 
Schwangerschaft  nicht  genügte.  Wie  die  histologische  Unter¬ 
suchung  des  Curettements  ergab,  handelte  es  sich  um  eine 
Endometritis  post  abortum. 

Der  Vollständigkeit  halber  erwähnen  wir  noch,  dass  das 
Serum  von  zwei  Karzinomkranken  und  auch  ein  normales 
männliches  Serum  mit  Plazenta  keine  positive  Ninhydrin¬ 
reaktion  gab. 

Unsere  Resultate  mit  den  Abderhalden  sehen  Me¬ 
thoden  sind,  wie  oben  bereits  erwähnt,  mit  der  verschärften 
Vorschrift  erreicht  worden.  Auch  wir  sind  der  Ansicht,  dass 
es  noch  weiterer  einwandfreier  Untersuchungen  bedarf,  um 
bedeutsame  Fragestellungen,  die  sich  an  die  Feststellung 
Abderhaldens  knüpfen,  des  weiteren  aufzuklären,  jedoch 
sind  wir  mit  anderen  Autoren  (Fauser)  der  Meinung,  dass 
es  zur  Vereinfachung  der  Arbeit  erheblich  beitragen  wird, 
wenn  nur  solche  Untersucher  an  die  Aufgabe  herantreten,  die 
sich  mit  der  Methodik  vorher  ganz  genau  vertraut  gemacht 
haben. 

Unsere  mit  der  optischen  Methode  und 
dem  Dialysierverfahren  erhaltenen  Resul¬ 
tate  stimmen  mit  den  Abderhaldenschen  Er¬ 
gebnissen  vollkommen  überein  und  wir 
konnten  bis  jetzt  keinen  Fall  beobachten,  in 
dem  der  Ausfall  der  Schwangerschaftsreak¬ 
tion  dem  klinischen  Bilde  nicht  entsprochen 
hätte. 


Aus  der  dermatologischen  Klinik  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  in  Frankfurt  a.  M. 

Ueber  Haarbruch. 

Von  Prof.  Dr.  Karl  Herxheime  r. 

Eine  Brüchigkeit  der  Haare  in  der  Querachse  scheint  bis 
jetzt  nur  bei  Trichorrhexis  nodosa  und  bei  Aplasia  pilorum 
intermittens  bekannt  zu  sein.  Ein  Abreissen  der  Haare  kommt 
bei  Hallopeaus  Trichotillomanie  vor,  und  ein  Abschneiden 
der  Haare  ist  von  A.  N  e  i  s  s  e  r  bei  einer  Hysterica  beobachtet 
worden. 

Folgender  Fall  aus  meiner  Praxis  lehrt,  dass  es  auch  ohne 
Traumen  und  ohne  krankhafte  Verdickungen  oder  Ein¬ 
schnürungen  der  Haare  zum  Brechen  derselben  kommen  kann. 

Line  46  jährige  Dame,  die  ich  wegen  Pityriasis  capitis  und 
konsekutivem  Haarausfall  schon  seit  Jahren  behandele,  konsultierte 
mich,  weil  ihr  plötzlich  eine  grosse  Masse  Haare  abgebrochen  waren. 
Die  Untersuchung  ergab,  dass  tatsächlich  viele  Haare  mitten  im  freien 
Haarschaft  abgebrochen  waren,  so  dass  ein  sehr  eigenartiges  Bild 
resultierte.  Makroskopisch  konnte  eine  Verdickung  oder  eine  Ein¬ 
schnürung  an  den  Bruchstellen  nicht  festgestellt  werden.  Jede 
artifizielle  Betätigung  wurde  strikt  geleugnet.  Es  war  mir  jedoch 
die  gleichmässig  schwarze  Farbe  der  Haare  aufgefallen,  die  insofern 
nicht  der  früheren  Haarfärbung  entsprach,  als  noch  vor  1  Jahre 
etwa  vereinzelte  weisse  Härchen  vorhanden  waren.  Auf  meine 
krage,  ob  ein  Haarfärbemittel  gebraucht  würde,  wurde  dies  auch 
zugegeben. 


1142 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF T. 


No.  21 


f'.s  handelte  sich  um  ein  von  Paris  aus  vertriebenes  Haarfärbe¬ 
mittel  Mixture  Bronse  ou  Mixture  Venetienne,  das  in  zwei  Lösungen, 
die  durch  A  und  B  voneinander  geschieden  waren,  gebraucht  wurde, 
und  das  die  Haare  gleichmässig  tiefschwarz  färbte.  Dieses  Mittel 
war  seit  einer  Reihe  von  Monaten  täglich  benutzt  worden  und  hat  die 
Veränderungen  an  den  Haaren,  wie  sie  nebenbei  abgebildet  werden, 
erzeugt.  Fast  alle  Haare,  die  mikroskopisch  untersucht  wurden  (etwa 


50  Einzelhaare),  zeigten  an  verschiedenen  Stellen  des  freien  Schaftes 
Einknickungen.  Diese  Einknickungen  führten  in  vielen  Fällen  zum 
Brechen  der  Haare,  wie  es  an  2  Haaren  der  Abbildung  zu  sehen  ist. 
Nin  an  einem  Haar  ist  es  mir  gelungen,  eine  Höhlenbildung  im  freien 
Schaft,  wie  sie  auch  nebenbei  abgebildet  ist,  festzustellen.  Die 
Ränder  dieser  Höhle  sind  mit  dem  schwarzen  Farbstoff  ausgekleidet. 

Die  im  Laboratorium  der  hiesigen  Hirschapotheke  vorgenommene 
Untersuchung  des  Haarfärbemittels  ergab  folgendes  Resultat.  Die 
mit  A  verzeichnete  Flüssigkeit  ist  klar,  tiefrot  und  zeigt  starken 
Ammoniakgeruch.  Beim  Uebersättigen  mit  Salzsäure  schlug  die  tief - 
rote  Farbe  in  rosenrot  um.  Mit  Schwefelammonium  entstand  ein 
starker  schwarzer  Niederschlag,  der  als  Kobaltsulfid  identifiziert 
wurde.  Ausserdem  liess  sich  noch  Salpetersäure  nachweisen.  Die 
Lösung  A  enthielt  also  salpetersauren  Kobalt  und  Ammoniak  im 
Lebe1  schuss.  Die  Lösung  B  war  ebenfalls  klar  hellbraun,  von  starker 
alkalischer  Reaktion.  Mit  verdünnten  Säuren  braust  die  Flüssigkeit 
am.  Unter  Entbindung  von  Schwefelwasserstoff  beim  Verdampfen 
bleibt  ein  reichlicher  Salzrückstand,  der  zum  Teil  beim  Glühen  ver¬ 
brennt,  zum  Teil  als  weisse  Salzmasse  zurückbleibt,  wasserlöslich,  mit 
Baryumnitrat  starke  Fällung  von  Baryumsulfat  zeigend.  Der 
ätherische  Auszug  des  Verdampfungsrückstandes  zeigte  nach  dem 
Abdunsten  des  Aethers  alle  Reaktionen  des  Pyrogallols.  Lösung  B 
bestand  demnach  aus  einer  von  Alkalisulfid  versetzten  Pyrogallol- 
lösung.  Beide  Lösungen  gemischt  gaben  einen  tiefschwarzen 
Niederschlag. 

Hiernach  ist  die  stark  alkalische  Eigenschaft  der  beiden 
Lösungen  zu  verwerfen,  weil  sie  das  Haar  derart  entfetten 
muss,  dass  dasselbe  brüchig  wird,  ebenso  wie  die  Anwesen¬ 
heit  eines  Alkalisulfides,  im  Ueberschuss  zugesetzt,  direkt 
haarzerstörend  wirken  muss.  Man  erinnere  sich  nur,  dass 
dieselben  als  Depilatorien  Verwendung  finden,  z.  B.  das 
Baryumsulfid.  Ist  nach  dem  Ausgeführten  kein  Zweifel,  dass 
das  Abbrechen  der  Haare  auf  das  Haarfärbemittel  zurück¬ 
geführt  werden  muss,  so  wird  diese  Auffassung  auch  durch 
den  weiteren  Verlauf  bestätigt,  da  mit  dem  Aussetzen  des  j 
Färbemittels  das  Abbrechen  der  Haare  aufhörte.  Ein  gleich-  1 
artiger  oder  ähnlicher  Fall  ist  mir  aus  der  Literatur  nicht 
bekannt  geworden. 


Aus  der  Heidelberger  Kinderklinik. 

Erythema  nodosum  und  Tuberkulose. 

Von  Prof.  E.  M  o  r  o. 

Unter  diesem  1  itel  veröffentlichte  unlängst  R.  P  o  1 1  a  k 
eine  Abhandlung1)  mit  dem  Schlusssatz:  „dass  das  Ery¬ 
thema  nodosum,  das  jedenfalls  (im  Kindes¬ 
alter)  ausschliesslich  bei  tuberkulösen  Indi¬ 
viduen  vorkommt,  auch  tatsächlich  eine 
tuberkulöse  Hautaffektion  is  t“,  eine  Behauptung, 
die  sich  im  wesentlichen  auf  folgender  Feststellung  aufbaute: 


D  Wiener  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  32. 


48  Kinder  mit  Erythema  nodosum  —  sämtliche  Fälle  betreffend 
die  in  den  letzten  Jahren  an  der  Wiener  allgemeinen  Poliklinil 
zur  Beobachtung  gelangten  —  reagierten  ausnahmslos  posith 
auf  Tuberkulin  und  zwar  in  der  Mehrzahl  in  einem  Alter,  w. 
die  I  uberkulosehäufigkeit  noch  eine  relativ  geringe  ist. 

Als  ich  mich  vor  etlichen  Jahren  (1908,  1909)  mit  dei 
I  uberkulinproben  in  systematischer  Weise  beschäftigte,  fk 
cs  mir  auf,  dass  die  Tuberkulinreaktion  bei  kindliche; 
„Rheumatosen“  in  einem  sehr  beträchtlichen  Prozentsatz 
positiv  verläuft  -).  Naturgemäss  schenkte  ich  dabei  auch  dei 
Fällen  von  Erythema  nodosum  besondere  Aufmerksamkeit 
Aber  schon  damals  erlebte  ich  eine  Ausnahme.  Untei 
j8  Münchener  Fällen  (11  poliklinische,  7  klinische)  ergab  eii 
Kind  mit  typischem  Erythema  nodosum  auch  bei  wiederholter 
Impfung  ein  vollständig  negatives  Resultat: 

Anna  P..  VA  Jahre.  Erythema  nodosum  an  beiden  Tibiakantei; 
von  blauroter  Farbe,  einzelne  kleinere  Knoten  auch  in  der  Gegena 
des  Ellbogens.  Purpura  simpl.  circul.  Zahnhalskaries. 

Salbenreaktion:  negativ. 

I.  Pirquet:  negativ.  Kleinste  Hämorrhagien  in  allen  3  Bohrungen 
d  =  2  mm. 

II.  Pirquet:  vollständig  negativ. 

Diese  eine  Beobachtung  genügte,  um  zu  zeigen,  dass  die 
Tuberkulinreaktion  bei  Erythema  nodosum  nicht  gesetzmässig 
positiv  verläuft  und  hielt  mich  schon  damals  von  weiter¬ 
gehenden  Schlussfolgerungen  zurück. 

Das  imposante  Ergebnis  Pollaks  (100  Proz.l)  ver- 
anlasste  mich  nun  meine  kleine  ^Münchener  Statistik  zu  er¬ 
gänzen,  was  um  so  leichter  durchführbar  war,  als  an  der 
Heidelberger  Kinderklinik  seit  dem  Jahre  1908  die  kutane! 
Tuberkulinprobe  bei  sämtlichen  Anstaltspfleglingen  ausgeführt 
upd  eingetragen  wird. 

1908 — 1913  waren  an  der  Klinik  wegen  Eryth.  nodos,  auf- 
genommen  5  Fälle  —  sämtliche  reagierten  positiv. 

An  der  Poliklinik  wurden  in  diesem  Zeitraum  an  Eryth.  nodos, 
behandelt  4  Fälle.  Bei  einem  wurde  die  Kutanreaktion  wegen  Tuber-, 
kuloseverdachtes  ausgeführt  und  notiert.  Sie  war  stark  positiv. 
2  weitere  Kinder  bestellte  ich  zur  Nachuntersuchung  in  die  Anstalt 
und  nahm  die  kutane  Impfung  vor.  Sie  verlief  bei  einem  Kind  positiv 
beim  zweiten  vollständig  negativ. 

Katharina  N.,  3A  Jahre.  27.  X.  1911.  An  den  Streckseiten  der 
Unterschenkel  knotige  rote  Stellen  von  Pfennig-  bis  Fiinfmarkstiick- 
grosse,  einzelne  fast  knorpelhart.  Diagnose:  Erythema  nodosum 
(Dr.  Lust).  3.  XI.  Rötung  verschwunden,  Knoten  noch  hart  All¬ 
gemeinbefinden  besser. 

29.  XII.  12.  Salbenreaktion:  negativ. 

1.  I.  13.  Pirquet:  negativ. 

Den  4.  Fall  beobachtete  ich  erst  vor  wenigen  Tagen.  Es  hau- 
uelte  sich  um  ein  nach  Aussehen  und  Lokalisation  ungemein  typisches : 
und  schmerzhaftes  Eryth.  nodos,  in  vollster  Blüte.  Kutane  Impfung 
( Dr.  Hahn)  vollständig  negativ. 

Dazu  kommen  3  Fälle  aus  meiner  konsultativen  Praxis.  2  davon 
i  eagiei  ten  positiv  (Salbenprobe)  der  3.  (w  iederholte  Impfung 
und  Stichreaktion)  wiederum  ganz  negativ. 

Gei  trud  Sch.,  5 '/  Jahre.  Pleuropneumonie.  Seit  einigen  Tagen 
typisches  Eryth.  nodos,  an  Beinen  und  Ellbogen.  Schon  seit  1  Jahr 
ab  und  zu  Gelenkschmerzen.  18.  III.  12.  Aufnahme  in  die  Privat- 
klinik.  Pirquet  (Dr.  Kaumheime  r)  negativ.  Zur  Wieder¬ 
holung  der  Kutanimpfung  und  zur  event.  Stichreaktion  wiederbestellt 
im  Dezember  1912.  II.  Pirquet  und  Stichreaktion  (mit  >/,«  und  1  m-i 
vollständig  negativ. 

Unter  30  Fällen  reagierten  also  4  vollständig  negativ  auf 
I  uberkulin.  Das  Material  ist  zwar  zu  klein,  um  auf 
solcher  Basis  prozentuale  Berechnungen  anzustellen,  aber 
g }  os s  genug,  um  darzutun,  dass  die  eingangs 
zitierte  These  Pollaks  —  wenigstens  in  der 
von  ihm  gewählten  Form  —  unrichtig  ist.  Das 
Ergebnis  P  o  1 1  a  k  s  zeigt  nur  von  neuem  wieder,  wie  gross 
die  Häufigkeit  der  1  uberkuloseinfektion  unter  den  Wiener 
Kindern  ist  und  wie  vorsichtig  man  mit  der  Verallgemeinerung 
von  Beobachtungen  sein  muss,  die  an  diesem  Material  ge¬ 
wonnen  werden.  Im  übrigen  wäre  ich  kaum  so  unbescheiden 
gewesen,  mit  meiner  kleinen  Statistik  vor  die  Oeffentiichkeit 
zu  treten,  wenn  sich  nicht  gerade  in  der  letzten  Zeit  wiederum 
die  Stimmen  derer  mehren  würden,  die  die  tuberkulöse  Natur 
des  Erythema  nodosum  als  ausgemachte  Sache  betrachten. 
Manche  Autoren  gehen  sogar  soweit,  das  Erythema  nodosum 

.  *>  E/£ebnis  der  Salbenreaktion.  Verhandlg.  d.  pädiatr.  Sektion 

'jäturforscherversammlung  Köln  1908,  S.  94  und  Brauers  Beitrage 
z.  Klin.  d.  1  b  1909,  Bd.  XII,  H.  2,  S.  225  (Purpura,  Chorea,  Rheu¬ 
matismus  etc.). 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


143 


>7.  Mai  1913. 

uf  Qrund  solcher  und  ähnlicher  Beobachtungen  kurzweg  in 
lie  Gruppe  der  I  uberkulide  einzureihen  und  dieses  Exanthem 
jils  untrügliches  Hinweissyniptoni  für  aktive  Tuberkulose  zu 
erwerten.  Mit  Rücksicht  auf  solche  Uebertreibungen  allein 
stein  mit  Tatsachen  belegter  Dämpfer  dringend  geboten. 

Freilich  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  das  Erythema 
lodosum  mit  der  Tuberkulose  überhaupt  nichts  zu  tun  habe. 
)ie  Frage  nach  Zusammenhängen  von  Erythema  nodosum  mit 
ler  Tuberkulose  taucht  vielmehr  schon  seit  Jahrzehnten  immer 
:nd  immer  wieder  in  der  Literatur  auf  und  ich  selbst  glaube 
vohl  als  erster  innigere  Beziehungen  des  Erythema  nodosum 
ur  Tuberkulose  experimentell  insofern  wahrscheinlich 
;emacht  zu  haben,  als  ich  in  einem  Falle  das  Auftreten 
on  Erythema  nodosum  am  Unterschenkel  im 
m  mittelbaren  Anschluss  an  die  Einreibung 
-on  Tuberkulinsalbe  in  die  Brusthaut  beob- 
ichtet  und  beschrieben  habe  [1908] 3 *). 

Daschner  K.,  VA  Jahre.  Schwer  belastet.  Beide  Eltern  lungen- 
rank;  ein  Geschwister:  Wirbelkaries.  —  Kräftiges,  gut  aussehendes 

\adchen. 

8.  V.  08.  Einreibung  mit  Tuberkulinsalbe  in  die  Haut  der  rechten 

tammilla. 

11.  V.  Revision.  Inunktionsstelle  hochrot  geschwellt,  aus  wei- 
;r  Entfernung  deutlich  erkennbar.  Bei  näherer  Betrachtung  der  ent- 
iindeten  Hautstelle  bemerkt  man,  dass  einzelne  Follikel  an  ihrer 
uppe  kleine,  aus  eingetrocknetem  Blut  bestehende  Borken  tragen, 
usserdem  sind  über  den  ganzen  Körper  zerstreut  zahlreiche  flache, 
irsekorn-  bis  linsengrosse  Petechien  sichtbar.  Am  dichtesten  stehen 
iese  Blutflecken  an  den  unteren  Extremitäten.  Hier,  sowie  in  der 
reuz-  und  Gesässgegend  erreichen  einige  davon  die  Grösse  eines 
'fennigs.  —  An  den  Streckseiten  der  beiden  Tibiakanten  bestehen  5 
is  markstückgrosse,  bläulich-rote,  runde  Erhabenheiten,  die  sich  hart 
nfiihlen  und  in  den  nächsten  Tagen  eine  grünlich-braune  Farben¬ 
uance  annehmen. 

Das  Erythema  nodosum,  dessen  tuberkulotoxische  Natur  in 
iesem  Falle  ausser  Zweifel  steht,  sahen  wir  hier  begleitet 
on  einer  allgemeinen  Purpura  auftreten.  Noch  inter- 
ssanter  ist  folgender  Fall,  wo  bei  einem  Kinde  mit 
bgeheiltem  Erythema  nodosum  nach  der  T  u  - 
erkulinsalbeneinreibung  neben  einem  dis- 
r  e  t  e  n  P  u  r  p  u  r  a  e  x  a  n  t  h  e  m  ein  typischer  Her- 
es  zoster  zum  Vorschein  kam. 

L.  E..  8  Jahre.  Vor  9  Monaten  an  typischem  Eryth.  nodos,  er- 
rankt.  Zurzeit  relativ  wohl.  Lymphatischer  Habitus. 

19.  IX.  12.  Einreibung  von  Tuberkulinsalbe  am  Abdomen. 

21.  IX.  Positive  Reaktion.  Etwa  15  grössere,  vesikuläre  Knöt- 
len  am  Inunktionsort. 

Gleichzeitig  Erscheinen  von  mehreren  bis  linsengrossen,  lividen 
urpuraflecken  in  beiden  Ellbogenbeugen.  Am  Rücken 
0.  Interkostalraum  rechts)  zum  erstenmal  Aufschiessen  von 
frischen  Z  o  s  t  e  r  g  r  u  p  p  e  n,  die  mit  den  übrigen  Hauterschei- 
ungen  nach  wenigen  Tagen  verschwanden. 

Während  aber  diese  beiden  Fälle  immerhin  Raritäten  dar- 
tellen,  begegnen  wir  lokalen  Purpuraexanthemen  am  Ein- 
eibungsorte  der  Tuberkulinsalbe  bei  Kindern  mit  Erythema 
odosum  nicht  ganz  selten. 

L.  F„  11  Jahre.  17.  XII.  12.  Frisches  Eryth.  nodos,  an  beiden 

nterschenkeln. 

26.  XII.  Einreibung  von  Tuberkulinsalbe  am  Abdomen. 

28.  XII.  Die  stark  positive  Reaktion  nimmt  einen  lividen  Farben- 
»n  an.  Die  Einzeleffloreszenzen  tragen  auf  ihren  Kuppen  kleine 
lutkriistchen.  Im  Inunktionsbezirke  und  dessen  weiterer  Umgebung 
ische  Petechien. 

Solche  Beobachtungen  lassen  wohl  mit  Sicherheit  auf  ver- 
andtschaftliche  Beziehungen  des  Erythema  nodosum  zur 
tirpura  schliessen;  eine  Tatsache,  die  zwar  nicht  neu  ist,  aber 
i  der  systematischen  Dermatologie  noch  immer  zu  wenig 
ewiirdigt  wird.  Andererseits  ist  das  gelegentliche  Auftreten 
on  Purpuraexanthemen  bei  Tuberkulösen  bekannt  und  ge- 
ufig.  So  scheint  sich  bei  oberflächlicher  Betrachtung  tat- 
ichlich  alles  in  befriedigender  Weise  zu  einem  Kreis  zu 
:hliessen,  wenn  uns  dabei  nicht  der  gelegentlich  vollständig 


3)  1.  c.  S.  96  resp.  243.  —  Später  sahen  Chauffard  und  T  r  o  i  - 
e  r,  die  Stich-  resp.  Intrakutanreaktion  bei  Eryth.  nodos,  unter 
nem  dem  Beinexanthem  ähnlichen  Bilde  verlaufen  und  sprachen 
ich  diese  Erscheinung  als  experimentelles  Eryth.  nodos,  an.  Die 
chtigkeit  solcher  Beobachtungen  kann  ich  auf  Grund  eigener 
fahrungen  aus  jüngster  Zeit  bestätigen,  möchte  aber  trotzdem 
iraus  nicht  ohne  weiters  auf  eine  Wesensgleichheit  der  derb 
filtrierten  und  livid  gefärbten  Depotreaktion  mit  dem  gleich- 
itig  vorhandenen  Eryth.  nodos,  an  den  Unterschenkeln  schliessen. 


negative  Ausfall  der  Tuberkulinreaktionen’)  einen  Strich  durch 
die  Rechnung  machte  und  vor  voreiligen  Verallgemeinerungen 
bewahren  würde. 

Für  eine  stichhaltige  Beweisführung  der  tuberkulösen 
Natur  des  Erythema  nodosum  kämen  streng  genommen  nur 
zwei  Wege  in  Betracht:  Der  Bazillennachweis  im  erkrankten 
Gewebe  und  die  Herdreaktion. 

Der  erstere  Weg  wurde  bereits  eingeschlagen,  jedoch 
stets  ohne  Resultat  [Brian5):  1  Meerschweinchenversuch 
mit  3  ccm  durch  Punktion  des  Erythemknotens  gewonnenen 
Blutes;  Pollak:  3  Meerschweinchenversuche  mit  der  Ver¬ 
impfung  exzidierter  Knoten];  und  selbst  mit  der  Injektion 
grosser  Blutmengen  in  Meerschweinchen  konnte  Brian  unter 
10  kritisch  untersuchten  Fällen  nur  einmal  ein  positives  Er¬ 
gebnis  verzeichnen. 

Die  einfachere  Methode,  das  Bestreben  eine  Herdreaktion 
am  Orte  des  Erythema  nodosum  nach  subkutaner  Tuberkulin¬ 
injektion  zu  erzielen,  ist  meines  Wissens  bisher  nicht  an¬ 
gewendet  worden.  Ich  habe  3  Fälle  nach  dieser  Richtung 
untersucht  (2/io — 2  mg)  —  und  einen  weiteren  verdanke  ich 
Herrn  Oberarzt  Dr.  G  o  e  1 1  in  München  —  sämtlich  mit  voll¬ 
ständig  negativem  Resultat.  Mit  Ausnahme  eines  Falles 
wurden  trotz  exzessiv  starker  Kutanreaktionen  nicht  einmal 
Temperaturerhebungen  beobachtet,  was  wohl  hätte  erwartet 
werden  müssen,  falls  hier  das  Erythema  nodosum  wirklich  als 
eine  Ausdrucksform  aktiver  Tuberkulose  aufzufassen  gewesen 
wäre.  Auch  Salbenreaktionen  am  Orte  des  Erythems  unter¬ 
schieden  sich  nicht  von  solchen  an  anderen  Körperstellen. 

Ueber  Natur  und  Wesen  des  Erythema  nodosum  lässt  sich 
also  vorläufig  nichts  bestimmtes  aussagen.  Keinesfalls  ist  der 
Ausschlag  ohne  weiteres  als  Tuberkulid  aufzufassen;  ja  sein 
Erscheinen  ist,  wie  die  mitgeteilten  Beobachtungen  lehren, 
nicht  einmal  unbedingt  an  das  Bestehen  einer  tuberkulösen 
Allergie  der  Gewebe  gebunden,  was  man  auf  Grund  neuerer 
Literaturangaben  anzunehmen  leicht  geneigt  gewesen  wäre. 
Immerhin  mag  der  Tuberkulose  dabei  als  „auslösendes  Mo¬ 
ment“  eine  wesentlich  grössere  Bedeutung  zukommen,  als 
anderen  Noxen.  Neben  einem  auslösenden  Moment  ist  aber 
noch  das  Vorliegen  einer  ganz  bestimmten  Konstitution  er¬ 
forderlich.  Indes  wäre  es  unfruchtbar,  sich  über  diese  an¬ 
scheinend  höchst  komplizierte  und  wenig  durchsichtige  Frage 
in  eine  Diskussion  einzulassen.  Es  sei  nur  daran  erinnert, 
dass  die  meisten  dieser  Kinder  deutliche  Zeichen  des  Lym¬ 
phatismus  aufweisen  8)  und  vielfach  zu  Purpura  und  anderen 
„Rheumatosen“  disponieren.  Dazu  kommt  noch  eine  fast  aus¬ 
nahmslos  ungemein  stark  ausgeprägte  Vasomotorenerregbar¬ 
keit  gegenüber  chemischen 7)  Reizen,  was  allein  schon  den 
sehr  intensiven  Ausfall  der  Kutanreaktion  zu  erklären  vermag, 
der  gegebenenfalls  für  diese  Gruppe  von  Kindern  geradezu 
charakteristisch  ist. 


Aus  der  medizinischen  Universitätspoliklinik  in  Leipzig 
(Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  F.  A.  Hoffmann). 

Ueber  luetische  perniziöse  Anämie. 

Von  Dr.  Johannes  Weicksel,  Assistent  der  Poliklinik. 

Bier  m  er  hat  in  seinem  Vortrage  1872  den  Namen 
perniziöse  Anämie  zum  ersten  Male  gebraucht.  Schon 
Addison,  H.  M  ü  1 1  e  r  u,  a.  haben  Beschreibungen  von 
schweren  anämischen  Zuständen  gegeben,  aber  erst  Bier- 
m  e  r  ist  es  geglückt,  mit  der  Kenntnis  des  bis  dahin  nur  von 
wenig  Gelehrten  beobachteten  Krankheitszustandes  die  All¬ 
gemeinheit  der  Aerzte  vertraut  zu  machen.  Seit  dieser  Zeit 
versteht  man  unter  perniziöser  Anämie  einen  Symptomen- 
komplex,  der  sehr  mannigfache  Ursachen  aufweist.  Die  kli¬ 
nischen  Symptome  dieser  Krankheit  sind  so  wechselnd,  dass 
man  sich  noch  jetzt  im  Zweifel  darüber  ist,  ob  man  alle 


’)  Von  Purpurakindern  reagieren  nach  meiner  Berechnung  nur 

ca.  70 — 80  Proz.  positiv. 

5)  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  104,  H.  3/4,  1912 

°)  Z.  B.  zirkuläre  Zahnhalskaries  des  Milchzahngebisses,  die 
ebenfalls  bis  zu  meiner  Ueberpriifung  durch  die  Tuberkulinreaktion 
irrtümlicherweise  für  ein  wertvolles  Stigma  infantiler  Tuberkulose 
gegolten  hat. 

7)  Und  gegenüber  thermischen  Reizen. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


l  alli:  unter  einem  einzigen  Begriff  vereinen  darf.  Die  haupt¬ 
sächlichsten  klinischen  Erscheinungen  dieses  Leidens  sind: 
Schwere  Anämie,  Verdauungsstörungen,  Veränderungen  der 
Zii  kulationsorgane,  Fieber  und  besonders  der  eigenartige  Ver¬ 
lauf.  der  mit  vereinzelten  Remissionen  fast  stets  perniziös  ge¬ 
wesen  ist. 

Line  sichere  Grundlage  für  die  Definition  der  perniziösen 
Anämie  wurde  aber  erst  geschaffen,  als  eine  genaue  Dar¬ 
stellung  der  Blutveränderung  gegeben  war.  Hayem, 
E  i  c  h  h  o  r  s  t.  F.  Müller  waren  die  ersten,  welche  die  der 
perniziösen  Anämie  eigentümlichen  Blutveränderungen  her¬ 
vorhoben. 

Die  Entstehung  der  Krankheit  ist  in  vielen  Fällen  noch 
dunkel.  Als  ätiologische  Faktoren  zur  B  i  e  r  m  e  r  sehen  An- 
ämie  sind  wohl  Lues  und  Gravidität  zu  nennen.  Klinisch 
i'ick't  die  Botriozephalusanämie  das  klassische  Krankheitsbild 
der  perniziösen  Anämie.  Zuerst  hat  F.  A.  H  offmann  auf 
das  häufige  Vorkommen  des  Botriozephalus  in  Fällen  von 
perniziöser  Anämie  hingewiesen  und  dem  Wurm  die  Rolle 
des  Krankheitserregers  zugeschrieben.  Auch  im  Anschluss  an 
andere  Parasiten,  an  chronische  Erkrankungen  und  Tumoren, 
sind  hochgradige  Anämien  mit  den  gleichen  klinischen  Er¬ 
scheinungen  beobachtet  worden. 


Bei  den  sog.  kryptogenetischen  Formen  ist  eine  Heilung 
bis  jetzt  noch  nicht  bewiesen,  dagegen  sind  Dauerheilungen  zu 
erwarten,  wenn  die  Aetiologie  erkannt  und  die  Ursache  be¬ 
seitigt  werden  kann.  Die  besten  Resultate  sind  bei  den  Para¬ 
siten)  lagern,  besonders  bei  den  Leuten  erzielt  worden,  die  an 
dei  W  ui  mkrankheit  (Anchylostomum  duodenale)  erkrankt 
waren. 

N  a  e  g  e  1  i  berichtet  über  8  puerperale  Anämien,  von 
denen  3  vollkommen  geheilt  wurden.  Grawitz  hat  Hei¬ 
lungen  von  schweren  Anämien  durch  eine  rationelle  intesti¬ 
nale  Behandlung  gesehen,  bestehend  aus  vegetabilischer  Kost 
und  eiweissfreien  Nährklistieren  in  Verbindung  mit  Spülungen 
dess  Magens  und  des  Darms.  Andere  empfehlen  Blut¬ 
injektionen:  doch  sind  alle  diese  beschriebenen  Erfolge  gering 
im  Vergleich  zu  der  grossen  Zahl  ungünstig  verlaufener  Fälle. 

Etwas  günstigere  Beobachtungen  liegen  über  die  luetische 
perniziöse  Anämie  vor.  So  beschreibt  Naegeli  einen  Fall 
einer  vollständig  klinischen  perniziösen  Anämie  mit  schwerer 
tertiärer  Lues,  bei  dem  unter  Arsenik-  und  Quecksilberthm-apie 
eine  Heilung  eintrat;  auch  Roth  und  Labbe  u.  a.  geben 
weitere  günstige  Beobachtungen  dieser  Kategorie  bekannt. 
Labbe  beobachtete  eine  63jährige  Dame,  bei  der  im  Laufe 
von  3  Jahren  eine  allmähliche  Blässe  und  schwere  Blut¬ 
armut  aufgetreten  war,  die  jeder  Behandlung  trotzte.  Endlich 
unter  einer  Quecksilberkur  besserte  sich  der  Zustand  wesent- 
,  -  Doch  trat  bald  wieder  eine  Verschlimmerung  und  darauf 
der  Exitus  ein. 

Sehr  interessant  ist  die  Beobachtung  von  Roth: 

Es  handelt  sich  um  eine  24  jährige  Frau,  welche  von  ihrem 
Anfaüff  wahrend  ihrer  Schwangerschaft  eine  Lues  akquiriert  hatte. 

,  ,  hatte  die  Junge  Frau  deutliche  Kindesbewegungen  verspürt, 
doch  im  letzten  Monat  nicht  mehr.  Es  wird  ein  faultotes  Kind 
geboren.  Die  Pat.  erkrankt  nun  unter  dem  Bilde  einer  perniziös  m 
Anämie  mit  Fiebererscheinungen.  Eine  allgemeine  Behandlung  bleibt 
ohne  Erfolg  doch  vom  Beginne  der  Schmierkur  an  Fieberabfall  und 
Besserung.  Nach  einem  Monat  war  der  Hämoglobingehalt  von  15  auf 
80  Proz.  gestiegen  und  die  klinischen  Erscheinungen  der  Lues  waren 
ganz  beseitigt.  —  Ist  nun  die  Lues  der  einzige  ätiologische  Faktor"3 
Koth  glaubt  an  ein  konstitutionelles  Moment,  darin  bestehend,  dass 
das  betreffende  Individuum  einerseits  sehr  wenig  widerstandsfähig 
gegenüber  den  Faktoren  war,  die  zur  Anämie  führen,  anderers°its 
aber,  im  Gegensatz  zum  gewöhnlichen  Menschen,  so  konstituiert  war 
dass  es  auf  die  genannten  Faktoren  mit  dem  embrvonalen  Tvpus 
der  Blutregeneration  reagierte. 

Auch  in  einem  Lalle  von  Labbe  und  in  zwei  Fällen  von 
F.  M  ii  1 1  e  r  wurde  durch  eine  antisyphilitische  Kur  ein  thera¬ 
peutischer  Erfolg  erzielt;  bei  zweien  war  die  Heilung  eine 
vollständige;  doch  in  dem  zweiten  Fall  von  Müller,  der  viel 
weiter  foi  tgesclu  itten  war,  konnte  nur  eine  vorübergehende 
Besserung  erzielt  werden.  Dasselbe  hat  Klein  bei  einer 
jungen  Frau  mit  schwerer  luetischer  perniziöser  Anämie  be¬ 
obachtet.  Durch  eine  merkurielle  Kur  trat  zunächst  eine 
Besserung  auf,  doch  bekam  die  Patientin  nach  Wiederauf¬ 
nahme  der  Arbeit  einen  Rückfall,  der  zum  Tode  führte.  Es 
ist,  als  ob  in  solchen  Fällen  von  vorgeschrittener  perniziöser 


Anämie  die  Krankheit  in  sich  selbst  die  Bedingungen  ihn 
Weiterschreitens  habe  und  keiner  Beeinflussung  durch  Arzne 
mittel  oder  diätetische  Massnahmen  mehr  zugänglich  sei,  da: 
zuletzt,  wie  Labbe  sagt:  „la  moelle  osseuse,  definitiveine) 
epuisce,  se  montre  incapable  de  regenerer  le  sang.“  — 

Welches  sind  aber  die  schweren  Fälle?  Wie  will  ma 
sich  äussern,  wenn  man  über  die  Prognose  eines  solche 
Patienten  befragt  wird?  Und  was  ist  die  eigentliche  Ursacl 
dieser  Erkrankung?  Die  Lues  darf  natürlich  nicht  als  dt 
alleinige  ursächliche  Moment  zur  perniziösen  Anämie  bi 
zeichnet  werden;  dazu  ist  diese  Affektion  gegenüber  dt 
Lues  v  iel  zu  selten.  Es  muss  eine  gewisse  anderweitig 
Ursache  zur  Anämie  hinzukommen.  Die  luetische  pei 
niziöse  Anämie  ist  nicht  die  Folge  der  Syphilis,  sondern  di 
Syphilis  führt  nur  unter  besonders  prädisponierenden  Um 
ständen  einmal  zu  dieser  Erkrankung.  Dass  bei  der  luetische 
perniziösen  Anämie  eine  gewisse  Toxinwirkung  eine  ganz  be 
stimmte  morphologische  und  funktionelle  Acnderung  de 
Knochenmarks  hervorruft,  ist  wohl  erklärlich.  Auch  be 
relativ  kleinen,  nicht  zerfallenen  und  nicht  blutenden  Oeso 
phagus-  und  Magenkarzinomen  ist  die  Annahme  einer  Toxin 
Wirkung  ziemlich  sicher.  Und  bei  der  Botriozephalusanämi 
ist  die  Theorie  am  meisten  gestützt,  dass  nicht  der  gesund' 
lebende  Parasit,  sondern  nur  der  erkrankte  oder  abgestorben. 
I  arasit  durch  Giftwirkung  seinem  Wirte  so  verhängnisvo! 
werden  kann.  Ellermann  erklärt  die  Infektionstheorie  durcl 
eine  nahe  Verwandtschaft,  die  zwischen  der  perniziösen  An 
ämie  und  der  myeloiden  Leukämie  bestände.  Dass  aber  eint 
loxin Wirkung  nicht  die  einzige  Ursache  zu  dieser  Erkrankung 
sein  kann,  beweisen  ja  unsere  bisherigen  Beobachtungen 
dann  müsste  doch  die  perniziöse  Anämie  viel  häufiger  sein  ah 
eine  genaue  Literaturdurchsicht  ergeben  würde.  Ausserden 
ist  man  sich  ja  über  die  Aetiologie  der  kryptogenetischer 
Formen  noch  gar  nicht  im  Klaren  und  findet' hier  keine  Be¬ 
weise  für  eine  Infektionstheorie.  Den  Hauptfaktor  in  der 
Aetiologie  dieser  Erkrankung  spielt  wohl  doch  die  Disposition! 
Und  gerade  bei  der  luetischen  Anämie  könnte  man  sich  vor¬ 
stellen,  dass  schwächliche,  blutarme  Patienten,  bei  denen 
schon  eine  einfache  Steigerung  der  physiologischen  Regene¬ 
ration  leicht  beobachtet  werden  kann,  dem  Spirochätentoxin 
gegenüber  nicht  widerstandsfähig  sind.  Es  kann  nun  dieses 
Toxin  auf  das  Knochenmark  einwirken,  so  dass  die  Blütner 
bildung  in  kleineren  und  grösseren  Bezirken  des  Knochen¬ 
marks  ihren  physiologischen  Charakter  einbiisst  und  nach 
einem  Typus  erfolgt,  welcher  beim  gesunden  erwachsenen 
Menschen  niemals  unter  normalen  Verhältnissen  vorkommt, 
sondern  nach  einem  Typus,  welcher  der  Bildung  des  Blutes 
im  Embryonalleben  gleicht. 

Dass  eine  Familiendisposition  besteht,  ist  ja  bekannt. 
Man  findet  in  der  Literatur  öfters  Beobachtungen  dieser  Art. 
So  berichtet  Klein  von  einem  Fall,  bei  dem  1  Jahr  nach  der 
Lues  die  Anämie  aufgetreten  war.  Trotz  merkurieller  Be¬ 
handlung  erfolgte  nach  einigen  Wochen  der  Exitus;  vorher 
waren  aber  bereits  Bruder  und  Schwester  an  perniziöser 
Anämie  zugrunde  gegangen. 

Die  luetische  Anämie  scheint  im  allgemeinen  im  tertiären 
Stadium  der  Syphilis  aufzutreten.  Nach  A.  Hoffman  n 
bekommen  Individuen  mit  deutlichen  Manifestationen  der 
Syphilis  auf  Maut  und  Schleimhäuten  seltener  die  perniziöse! 
Anämie,  im  Gegensatz  zu  den  latenten  Formen.  Die  Prognose 
dei  peiniziösen  Anämie  ist  stets  infaust;  doch  gibt  es  jetzt 
einige  sichereie  Anhaltspunkte  dafür.  So  gibt  Rumpel  an. 
dass  im  Stadium  der  Verschlimmerung  leichte,  oft  sogar  er¬ 
hebliche  1  emperaturen  auftreten,  welche  dann,  wenn  der  Fall 
sich  zu  bessern  beginnt,  zur  Norm  wieder  zurückkehren,  oft 
sogar  als  erstes  Zeichen  der  Besserung  gelten.  Als  ein  pro¬ 
gnostisch  ungünstiges  Zeichen  gilt  gewöhnlich  eine  stärkere 
Ausschwemmung  von  Megaloblasten,  die  man  öfters  vor  dem 
Iod  noch  beobachten  kann.  Man  muss  hierbei  eine  Schädi¬ 
gung  des  Knochenmarks  annehmen  in  dem  Sinne,  dass  das 
Oigan  die  ihm  innewohnende  Fähigkeit  verloren  hat,  grössere 
Mengen  unreifer  Elemente  vor  dem  Uebertritt  ins  Blut  zurück¬ 
zuhalten.  Nach  Grawitz  sind  die  Megaloblasten  lediglich 
ein  sicheies  Zeichen  für  die  Schwere  der  Anämie,  nicht  aber 
ein  charakteristisches  Zeichen  einer  bestimmten  Form,  d.  h. 


11.  Mai  1913. 


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1  14 


unreifste  Formen  werden  aus  dem  Knochenmark  ausge¬ 
schwemmt,  während  sie  wahrscheinlich  im  Knochenmark 
lediglich  der  Zellvermehrung  dienen.  Es  ist  zwar  bekannt, 
dass  nicht  nur  bei  perniziöser  Anämie  Megaloblasten  Vor¬ 
kommen,  sondern  auch  bei  anderen  Anämien,  aber  hier  fast 
immer  neben  viel  zahlreicheren  Normoblasten.  Bei  perni¬ 
ziöser  Anämie  sind  aber  die  wenigen  nach  längerem  Suchen 
gefundenen  Erythroblasten  fast  in  der  Mehrzahl  typische 
Megaloblasten.  Bei  keiner  anderen  Anämie  besteht  ein 
gleiches  Verhalten  und  deshalb  sind  diese  Zellformen  doch 
von  hoher  Bedeutung  für  die  Diagnose  der  perniziösen 
Anämie.  Jedoch  eines  der  wichtigsten  und  charakteristischsten 
Symptome  dieser  Erkrankung  ist  das  Auftreten  von  hyper- 
chromen  Erythrozyten,  welche  als  echte  Megalozyten,  durch 
Reifung  aus  Megaloblasten  entstanden,  anzusehen  sind.  Diese 
Zellformen,  abnorm  grosse,  abnorm  hämoglobin-  und  eiweiss¬ 
reiche  Erthrozyten  sind  schon  früher  beobachtet  worden, 
namentlich  von  H  a  y  e  m.  Dieser  nannte  sie  globules  geants, 
wie  ja  dieselben  in  der  Tat  einen  geradezu  gigantischen  und 
imposanten  Eindruck  machen.  L  a  a  c  h  e  hat  dann  das  grosse 
Verdienst,  auf  den  Zusammenhang  derselben  mit  dem  erhöhten 
Färbeindex,  der  ja  charakteristisch  für  die  perniziöse  Anämie 
ist,  hingewiesen  zu  haben.  Er  schreibt:  „Es  liegt  auf  der 
Hand,  dass  Blutkörperchen,  die  1—2  mal  grösser  sind  als  ge¬ 
wöhnliche  Blutkörperchen,  auch  1—2  mal  soviel  Hämoglobin 
enthalten  müssen.  Ein  Blut,  in  dem  derartige  hämoglobin¬ 
reichere  Blutkörperchen  in  überwiegender  Anzahl  vorhanden 
seien,  muss  demnach  auch  eine  entsprechende  Erhöhung  des 
Färbeindex  aufweisen“.  Die  Erhöhung  des  Färbeindex  ent¬ 
spricht  demnach  der  Zahl  der  auftretenden  Qigantozyten. 
Diese  Beziehungen  und  Merkmale  scheiden  mit  scharfem 
Schnitte  die  Anämien,  bei  welchen  sie  gefunden  werden  von 
dien  anderen  und  vereinigen  sie  unter  einem  markanten 
Zeichen.  Man  hat  demnach  das  Recht,  alle  Fälle,  welche 
lieses  charakteristische  Blutbild  aufweisen,  unabhängig  von 
ler  Aetiologie,  zu  dem  Bilde  der  perniziösen  Anämie  zu 
wählen. 

Auf  der  inneren  Abteilung  unserer  Poliklinik  konnten  wir 
.eit  fast  3A  Jahren  einen  Patienten  beobachten,  der  anfangs 
lieses  ganz  charakteristische  Blutbild  aufwies.  Seine  Anämie 
var  im  Anschluss  an  eine  frühere  Lues  aufgetreten. 

Es  handelt  sich  um  einen  52  jährigen  Patienten,  der  Anfang 
uni  1912  das  erste  Mal  die  Poliklinik  aufsuchte.  Die  Familien- 
namnese  ergab,  dass  der  Vater  des  Pat.  an  Schlaganfall  gestorben 
rar,  ein  erwachsener  Sohn  hatte  sich  vor  Y>  Jahr  das  Leben  ge- 

ornmen. 

Pat.  selbst  hat  beim  Militär  Schanker  gehabt;  sonst  ist  er  nie 
<eiter  krank  gewesen.  Seine  Frau  hat  3  Fehlgeburten  durchgemacht, 
Kinder  wurden  tot  geboren,  2  Söhne  leben  noch. 

Seit  einigen  Wochen  bemerkte  Pat.  eine  Schwäche  im  ganzen 
.örper,  er  hat  keinen  rechten  Appetit  mehr,  wird  immer  blasser  und 
lagert  ab.  Seit  einigen  Tagen  bemerkt  er  Schwellungen  an  den 
nöcheln  und  sucht  wegen  dieser  Beobachtungen  die  Poliklinik  auf. 
eine  momentanen  Beschwerden  sind:  Schwindel,  allgemeine 
chwäche,  Schwerhörigkeit.  Atemnot,  Herzklopfen,  etwas  Husten  und 
or  allem  Appetitlosigkeit. 

Status  am  11.  Juni  1912:  Es  handelt  sich  um  einen  grossen,  ziem- 
ch  kräftigen  und  massig  muskulösen  Mann.  Die  Haut  fühlt  sich 
ocken  an,  das  Qesicht  ist  etwas  gedunsen,  von  einer  weissgelben 
ärbung;  die  Schleimhäute  sind  fahl  blass.  Der  Rachen-,  Pupillen-  und 
ervenbefund  ist  ohne  Besonderheiten.  Am  linken  Arm  finden  sich 
erbsengrosse  Kubitaldrüsen. 

Thorax:  Qut  gewölbt.  Lungengrenzen  normal,  gut  verschieb- 
ch.  Ueberall  hört  man  reines  V.-A.  in  den  hinteren  unteren  Par- 
en  rauher. 

Kor:  Grenzen  nach  rechts  =  Mitte  des  Sternum,  nach  links  =  linke 
lammillarlinie.  Spitzenstoss  im  5.  l.-K.-R.,  etwas  hebend.  Töne  an 
er  Spitze  dumpf,  ohne  Geräusche.  11.  Töne  an  der  Basis  betont. 

Abdomen:  weich;  Leber  2 — 3  Querfinger  unterhalb  des  Rippen¬ 
ogens  deutlich  zu  fühlen,  mässig  druckschmerzhaft,  Rand  glatt, 
lilz  bei  tiefer  In-  und  Exspiration  noch  palpabel. 

Beiderseits  Knöchelödeme.  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker, 
robilin  +. 

Die  auffällige  Blässe  liess  uns  eine  genaue  Blutuntersuchung 
ornehmen,  die  das  ganz  charakteristische  Blutbild  der  perniziösen 
nämie  ergab  (s.  u.).  Da  nach  der  Anamnese  alte  Lues  vorlag, 
urde  eine  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Blutreaktion  angestellt,  die  mittel- 
ark  positiv  ausfiel.  Wir  entschlossen  uns  daher  zu  einer  Sal- 
arsanbehandlung. 

Am  4.  Juli  1912  wurde  0,5  Salvarsan  intravenös  injiziert,  tiach- 
-in  Pat.  bereits  vorher  Sol.  Fowlerii  bekommen  hatte. 

Pat.  ist  etwa  2  Stunden  nach  der  Injektion  nach  Hause  gefahren 

No.  21. 


und  hat  diese  Injektion  recht  gut  vertragen,  am  Abend  hat  er  etwas 
Durchfall  bekommen,  der  aber  am  nächsten  Tage  wieder  verschwun¬ 
den  war.  Temperatur  war  normal  geblieben. 

Wir  können  unsere  Salvarsanpatienten  oft  ohne  Bedenken  einige 
Stunden  nach  der  Injektion  nach  Hause  entlassen,  nur  in  letzter 
Zeit  traten  wieder  einige  heftige  Schüttelfröste  nach  dem  Eingrih 
auf.  Wir  benutzen  zur  Injektion  nur  0,5  proz.  physiologische  Koch¬ 
salzlösung  und  verfahren  natürlich  dabei  mit  der  strengsten  Asepsis. 
Denn  die  beobachteten  Nebenerscheinungen  sind  wohl  nicht  aui  das 
Salvarsan  zurückzuführen,  sondern  auf  die  Anwesenheit  von  Keimen 
in  der  Lösung,  besonders  im  destillierten  Wasser  oder  gar  im  Lei¬ 
tungswasser,  und  es  muss  natürlich  die  Intensität  der  Nebenerschei¬ 
nungen  von  der  Menge  und  der  Art  der  im  Wasser  enthaltenen 
Bakterien  abhängen;  auch  spielt  wohl  dabei  die  Disposition  des  Pa¬ 
tienten,  die  Frische  der  Syphilis  oder  eine  zweite  innerliche  Erkran¬ 
kung  noch  als  Komplikation  eine  wesentliche  Rolle. 

Unser  ganzer  Apparat  besteht  aus  einem  Glastrichter,  einem 
Gummischlauch  mit  dazwischengeschaltetem  Glasröhrchen  und  aus 
einer  Injektionskanüle. 

Der  Zustand  unseres  Patienten  war  nach  der  ersten  Salvarsan- 
injektion  ziemlich  unverändert  geblieben.  Das  Gewicht,  das  beim 
ersten  Male  165  Pfund  betrug,  ging  eher  etwas  höher,  aber  die 
Mattigkeit  und  die  Appetitlosigkeit  blieben.  Pat.  klagte  jetzt  zeit¬ 
weise  über  Schmerzen  im  Kreuz,  über  Stechen  in  den  Schläfen  und 
ziemlich  starke  Atemnot.  Der  Puls  schwankte  zwischen  80  und  lOi) 
Schlägen,  die  höchste  Temperatur  betrug  37,5.  Am  2.  August  wurde 
eine  zweite  intravenöse  Salvarsaninjektion  von  0,5  vorgenommen, 
welche  diesmal  schlechter  vertragen  wurde  als  die  erste.  Pat. 
hat  auf  dem  Nachhausewege  gebrochen  und  hat  fast  2  Tage  lang 
an  Durchfällen  gelitten.  Es  trat  dann  mit  einer  ganz  vorübergehen¬ 
den  geringen  Besserung  eine  wesentliche  Verschlimmerung  des  Zu¬ 
standes  ein,  so  das  Pat.  ganz  bettlägerig  wurde.  Er  klagte  jetzt  über 
starke  Kopfschmerzen,  Schwere  in  den  Füssen,  schlechten  Schlaf, 
starken  Husten  und  vollkommene  Appetitlosigkeit.  Pat.  wurde  nun 
von  uns  in  der  Wohnung  regelmässig  besucht  und  beobachtet.  Es 
zeigten  sich  rechts  hinten  die  Erscheinungen  einer  Stauungsbronchitis, 
die  Knöchelödeme  waren  stärker  aufgetreten,  der  Puls  war  klein, 
seine  Zahl  schwankte  zwischen  100  und  120,  die  Temperatur  zwischen 
37  und  38,5  o.  Pat.  isst  fast  nichts  mehr,  er  trinkt  nur  noch,  wird 
immer  teilnahmsloser  und  wir  befürchteten  schon  den  Exitus.  Nach¬ 
dem  dieser  Zustand  etwa  3  Wochen  lang  so  angedauert  hatte,  trat  mit 
einem  Male  wieder  eine  Besserung  ein.  Pat.  verlangt  wieder  Speisen 
und  nach  14  Tagen  ist  sein  Appetit  so  gut  wie  nie  zuvor.  Die 
Knöchelödeme  gehen  mehr  und  mehr  zurück,  das  gedunsene  Gesicht 
verschwindet,  die  Stauungsbronchitis  bessert  sich,  und  der  Kräfte¬ 
zustand  macht  tägliche  Fortschritte,  so  dass  Pat.  am  22.  September 
wieder  selbst  die  Poliklinik  aufsuchen  kann.  Während  vorher  das 
Blutbild  ziemlich  unverändert  geblieben  war,  tritt  jetzt  auch  hier 
eine  dauernde  Besserung  ein.  Die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen 
steigt  von  1  600  000  allmählig  auf  etwa  4  000  000:  der  Färbeindex, 
die  Verhältniszahl  der  Erythrozytenzahl  zur  Hämoglobinmenge, 
sinkt  von  1,34  auf  1,08.  Auch  das  Verhältnis  der  polynukleären 
Leukozyten  zu  den  Lymphozyten  geht  wieder  mehr  zur  Norm  zurück. 
Kernhaltige  rote  Blutkörperchen  und  hyperchrome  Megalozyten  sind 
nicht  mehr  zu  finden;  nur  fallen  immer  noch  die  Poikilozytose  und 
vor  allem  die  abnormen  Grössenunterschiede  der  Erythrozyten  im 
Ausstrichpräparat  auf. 

Auch  das  subjektive  Befinden  des  Patienten  ist  ein  wesentlich 
besseres.  Klinisch  ist  keine  Stauungsbronchitis  mehr  nachweisbar, 
die  Leber  ist  um  1  Querfinger  zurückgegangen.  Knöchelödeme  sind 
nicht  mehr  zu  finden,  und  an  Stelle  des  gedunsenen  fahlblassen  Ge¬ 
sichtes  ist  eine  leichte  Röte  der  Wangen  und  ein  frischerer  gesünderer 
Gesichtsausdruck  zu  beobachten.  Das  Körpergewicht,  das  auf 
155  Pfund  zurückgegangen  war  und  wahrscheinlich  während  der 
kritischen  Tage  noch  niedriger  war,  steigt  rapid.  Nur  Ende  Oktober 
tritt  eine  vorübergehende  Verschlechterung  und  eine  mässige  Ge¬ 
wichtsabnahme  wieder  ein,  was  aber  wohl  mit  auf  einen  Diätfehler 
des  Patienten  zurückzuführen  war.  Pat.  bekommt  jetzt  neben  einer 
roborierenden  Diät,  wie  Milch  noch  Lebertran,  Malzextrakt  und  Jod¬ 
kali.  Der  Zustand  bleibt  bestehen,  der  Appetit  ist  gut,  das  Gewicht 
ist  von  155  auf  171  Pfund  gestiegen.  Die  Leber  ist  noch  um  2  Quer¬ 
finger  unterhalb  des  Rippenbogens  zu  fühlen,  doch  weniger  druck¬ 
schmerzhaft.  Milz  nicht  mehr  palpabel.  Die  Gesichtsfarbe  ist  ge¬ 
sünder,  vor  allem  der  Gesichtsausdruck  ein  frischerer.  Der  Puls 
kräftiger,  70 — 80  Schläge  in  der  Minute.  Nur  die  Mattigkeit  ist  noch 
nicht  ganz  geschwunden.  Dies  ist  der  Zustand  im  Januar  1913. 


Tabelle  über  die  einzelnen  Blutuntersuchungen. 


15.  Juni 

10.  Juli 

10.  Aug. 

10.  Okt. 

1.  Nov. 

30  Nov. 

12 

16.  Januar  | 

1913 

45  Proz. 

42  Proz. 

38  Proz. 

60  Proz. 

79  Proz. 

80  Proz. 

85  Proz. 

Hämoglobingehalt 

1  686  000 

1  568  000 

1  360  000 

2  480  000 

3  460  000 

3  692  000 

3  916  000 

Rote  Blutkörperchen 

1,34 

1,34 

1,39 

1,21 

1,12 

1,08 

1,08 

Färbeindex 

2800 

3000 

3000 

3800 

4100 

4600 

4500 

Weisse  Blutkörperchen 

49  Proz. 

51  Proz. 

50  Proz. 

62  Proz. 

72  Proz. 

Polynukleäre  Leukozyt. 

42  „ 

41  „ 

42  „ 

32  „ 

25  „ 

Lymphozyten 

4  „ 

4  tt 

2  „ 

2  „ 

2  „ 

Eosinophile  Leukozyten 

2  „ 

2  „ 

3  „ 

3  „ 

1  „ 

U  ebergangsformen 

— 

•  „ 

1  „ 

1  „ 

_ 

Mastzellen 

3  „ 

1 

2  „ 

— 

— 

Megaloblast.  (Normobi.) 

m 


1146 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


Wir  dürfen  also  bei  diesem  Falle,  der  ganz  das  klinische 
Bild  einer  Bier  m  e  r  sehen  Anämie  bot,  unbedingt  von  einer 
wesentlichen  Besserung  sprechen,  die  wohl  auch  Neigung  hat, 
in  Heilung  überzugehen.  Ich  möchte  noch  erwähnen,  dass 
Ende  September  nochmals  ein  Wassermann  gemacht  worden 
war,  der  diesmal  negativ  ausfiel.  In  Verbindung  mit  dem 
negativen  Wassermann,  in  Verbindung  mit  dem  Blutbild  darf 
mau  wohl  den  jetzigen  Befund  als  das  günstigste  Resultat  be¬ 
zeichnen,  das  man  erwarten  durfte.  Ob  nun  diese  Besserung 
auf  die  2  Salvarsaninjektionen  zu  beziehen  ist,  oder  ob  die 
innerliche  Darreichung  von  Arsenpräparaten,  von  Jodkali  und 
die  roborierende  Diät  diesen  Erfolg  bedingt  haben,  ist  schwer 
zu  entscheiden.  Nach  meiner  Ansicht  muss  eben  doch  eine 
Disposition  zur  Besserung  oder  Ausheilung  vorliegen,  die  man 
wohl  nur  durch  geeignete  therapeutische  Massnahmen  unter¬ 
stützen  kann.  Warum  reagieren  dann  sonst  die  einen  Fälle 
ganz  günstig  auf  diese  oder  jene  Therapie,  während  die 
meisten  hartnäckig  jeder  Therapie  trotzen?  Und  auf  der 
anderen  Seite  sind  ja  auch  Fälle  bekannt,  die  ohne  eine  be¬ 
sondere  Behandlung  plötzlich  in  Heilung  übergegangen  sind. 
Bei  der  luetischen  perniziösen  Anämie  liegen  ja  die  Verhält¬ 
nisse  etwas  günstiger,  da  wir  gegen  die  Lues  selbst  genügend 
Mittel  besitzen,  um  gegen  sie  als  die  eventuelle  Ursache  der 
Erkrankung  anzukämpfen.  Ausserdem  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  bei  der  grossen  Zahl  der  luetischen  Erkrankungen  und 
der  so  geringen  Zahl  der  veröffentlichten  luetischen  Anämien 
manche  schwere  Anämie  zunächst  übersehen  worden  ist,  die 
dann,  durch  eine  entsprechende  antiluetische  Behandlung  auch 
in  Heilung  mit  übergegangen  ist. 

Ueber  die  Behandlung  der  perniziösen  Anämie  mit  Sal- 
varsan  liegen  in  der  Literatur  bisher  sehr  wenig  Veröffent¬ 
lichungen  vor. 

B  ramwell  beschreibt  2  Fälle,  die  beide  je  4  mal  mit 
0,3  Salvarsan  intramuskulär  in  3  wöchentlichen  Zeiträumen 
gespritzt  wurden.  Bei  beiden  trat  eine  wesentliche  Besserung 
des  Blutbildes  ein:  Hämoglobingehalt  stieg  von  30  auf  78  bzw. 
auf  88  Proz.  und  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  stieg  von 
1  Million  auf  3,7  bzw.  4,1  Million.  Alte  Lues  lag  vermutlich 
nur  bei  einem  der  Fälle  vor.  Nach  L  e  e  d  e  scheint  aber  für 
die  Behandlung  der  essentiellen  perniziösen  Anämie  das  Sal¬ 
varsan  direkt  kontraindiziert  zu  sein.  Von  ihm  wurden  5  Fälle 
mit  Salvarsan  behandelt;  4  davon  (allerdings  ganz  aussichts¬ 
lose  Fälle)  sind  bald  nach  der  Injektion  gestorben,  ein  Fall 
ging  in  vorübergehende  Besserung  aus,  wohl  trotz  der  In¬ 
jektion,  denn  nach  derselben  trat  zunächst  eine  Verschlim¬ 
merung  ein.  Dagegen  sah  L  e  e  d  e  eine  schwere  Anämie  auf 
luetischer  Basis  durch  Salvarsan  wesentlich  gebessert.  Dieser 
Fall  glich  klinisch  zwar  der  echten  Biermer sehen  Anämie, 
doch  fehlte  das  richtige  typische  Blutbild.  Es  fanden  sich 
keine  Megalozyten,  dagegen  eine  starke  Ausschwemmung  von 
kernhaltigen  roten  Blutkörperchen,  während  man  ja  bei  der 
echten  perniziösen  Anämie  diese  Zellformen  oft  lange 
suchen  muss. 

Zuletzt  möchte  ich  noch  kurz  erwähnen,  dass  man  in 
letzter  Zeit  auch  Parasitenanämien  mit  Salvarsan,  als  dem  aus¬ 
gesprochenen  antiparasitären  Mittel  zu  behandeln  versucht  hat. 

Nach  Joannides  scheint  das  Salvarsan  ohne  Zweifel 
einen  stark  schädigenden  Einfluss  auf  das  Distomen  haema- 
tobium  und  seine  Eier  zu  haben. 

P  i  1  c  h  e  r  berichtet  von  einem  vorzüglichen  Erfolg  bei 
Filaria  sanguinis  bominis. 

Zahlreichere  Versuche  liegen  über  Malaria  vor.  Nach 
W  einer  wird  die  Tertiana  durch  Salvarsan  mit  annähernd 
der  gleichen  Promptheit  wie  durch  Chinin  vernichtet,  während 
der  zerstörende  Einfluss  des  Präparates  auf  die  Tropika  nur 
gering  und  nicht  mit  der  Chininwirkung  zu  vergleichen  ist. 

Bei  meinem,  mit  Salvarsan  behandelten  Falle  sehe  ich 
einen  Erfolg  darin,  dass  neben  dem  negativen  Wassermann 
auch  der  Allgemeinzustand  und  das  Blutbild  so  wesentlich 
gebessert  sind.  Wenn  auch  der  negative  Wassermann  sonst 
wenig  aussagt,  so  darf  man  ihn  wohl  hier  in  Verbindung  setzen 
mit  dem  günstigen  klinischen  Befund  und  annehmen,  dass  nun 
das  toxische  Moment  ausgeschaltet  ist.  Dies  wäre  demnach 
ein  positiver  Erfolg,  wahrscheinlich  mit  durch  das  Salvarsan. 
Ich  folgere  daraus,  dass  das  Salvarsan  bei  perniziöser  Anämie 


auf  luetischer  Basis  weiter  versucht  werden  muss.  Ob  alle 
diese  Fälle  auf  Salvarsan  so  günstig  reagieren,  oder  ob  dieser 
eine  nur  in  seiner  Disposition  zur  Besserung  durch  geeignete 
therapeutische  Massnahmen  unterstützt  worden  ist,  werden 
die  weiteren  Beobachtungen  lehren. 

Hiermit  spreche  ich  Herrn  Qeheimrat  A.  Hoff  mann  für 
die  liebenswürdige  Ueberlassung  des  Falles  und  für  das  ent¬ 
gegengebrachte  Interesse  an  der  Arbeit,  meinen  aufrichtigen 
Dank  aus. 

Literatur. 

Biermer:  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte  1872.  — 
Bramwell:  Brit.  med.  Journal  1911,  I.  —  Dorn:  Archiv  f.  Denn, 
u.  Syphilis  1912,  Bd.  III.  -  Eller  mann:  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schrift  1912,  S.  842.  —  Grawitz:  Klin.  Pathologie  des  Blutes.  — 
Gerhardt:  Kongress  für  innere  Medizin  1910.  —  Haccius:  Med. 
Klinik  1912,  No.  33.  —  A.  Hoff  mann:  Lehrbuch  der  Konstitutions¬ 
krankheiten.  —  Huber:  Deutsche  med.  Wochenschrift  1910,  No.  23. 
Joannides:  Deutsche  med.  Wochenschr.  191 1,  No.  34.  —  K  1  e  in  - 
per  er:  Berl.  klin.  Wochenschr.  XLV,  No.  52.  —  Laache:  Die 
Anämie.  —  Labbc:  Presse  med.  1906.  —  Lee  de:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1911,  S.  1184.  —  Fr.  M  ü  1 1  e  r:  Die  progressive  perniziöse 
Anämie.  —  Pi  lc  h  e  r:  Med.  Record,,  79,  II,  1911.  —  Reich:  The;. 
Monatshefte  1911,  S.  597.  —  Rumpel:  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1910,  No.  49  . —  Roth:  Med.  Klinik  1910,  No.  44.  —  Sterz: 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1910,  No.  49.  —  T  a  1 1  q  u  i  s  t:  Zeitschr.  f. 
klin.  Medizin  No.  61.  —  Tiecha:  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  I 
Aerzte  1911.  —  Werner:  Therap.  Monatshefte  1911. 


Aus  der  physikalischen  Heilanstalt  des  Thennia  Sanatoriums 

in  Bad  Pistyan. 

Ueber  eine  eigentümliche,  typische  Deformierung  des 
GrifFelfortsatzes  der  Ulna. 

Von  Dr.  A.  R  e  i  c  h  a  r  t. 

(Mit  einer  Tafel.) 

Im  Jahrgang  1902 — 1903  der  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Röntgenstrahlen  hat  A.  Köhler  an  2  Patienten  eine 
eigentümliche  Deformierung  des  Processus  styloideus  ulnae 
beschrieben.  Der  Processus  war  verlängert,  radialwärts  ver¬ 
bogen  und  gegen  das  Os  triquetrum  abgeplattet.  3  weitere 
Fälle  sind  in  dem  Buche  von  Hoffa  und  Wollenberg 
über  ., Arthritis  deformans  und  sogenannter  chronischer  (ie- 
ienkrheumatismus“  abgebildet  und  beschrieben. 

Trotz  dieser  beiden  Mitteilungen  scheint  diese  typische 
Deformierung  wenig  bekannt  zu  sein,  wenigstens  besann  sich 
von  den  zahlreichen  Aerzten  —  darunter  auch  hervorragende 
Kenner  der  Gelenkkrankheiten  — ,  denen  ich  meine  ein¬ 
schlägigen  Beobachtungen  demonstrierte,  keiner  etwas  ähn¬ 
liches  gesehen  zu  haben.  Es  ist  deshalb  wohl  nicht  unan¬ 
gebracht,  auf  diese  höchst  auffallende  und  typische  Verände¬ 
rung  an  der  Hand  meiner  Fälle  besonders  hinzuweisen,  zumal 
dieselben  auch  sonst  einiges  Interessantes  darbieten. 

1.  Fall.'  Frau  K-,  51  Jahre  alte  Kassenpatientin,  erkrankte  im 
Januar  1911  an  akut  einsetzenden  heftigen  Schmerzen  des  rechten 
Sprunggelenkes  und  der  Zehen.  Die  Gelenke  sollen  heiss  gewesen 
sein.  Im  Mai  desselben  Jahres  wurden  auch  beide  Knie  ergriffen. 
Durch  Dampfbäder  besserte  sich  der  Zustand  einigermassen,  irn 
Winter  jedoch  wurden  auch  die  kleinen  Gelenke  beider  Hände  er¬ 
griffen.  Das  rechte  Handgelenk  erkrankte  erst  im  März  1912, 
unter  fast  unerträglichen  Schmerzen,  bald  darauf  auch  das  linke, 
jedoch  nicht  so  heftig.  Kurz  nachher  wurden  auch  noch  beide 
Ellbogengelenke  krank  und  auch  die  Schultergelenke  versteiften  ohne 
wesentliche  Schmerzen. 

Röntgenuntersuchung  im  Juni  1912  (also  höchstens 
4  Monate  nach  Erkrankung  des  rechten  Hand¬ 
gelenkes!): 

Rechte  Hand  (Fig.  1).  Bedeutende  Atrophie  der  Knochen 
mit  stark  ausgeprägter,  doch  unregelmässiger  Struktur,  die  Mark¬ 
räume  der  Spongiosa  erweitert,  die  Knochenbälkchen  verdünnt, 
Compacta  lamellös.  (Spätstadium  der  S  o  n  d  e  c  k  sehen  Atrophie). 
Die  Karpalknochen  sind  zu  einer  formlosen  Masse  zusammengepresst, 
von  den  Interkarpalgelenken  nur  stellenweise  Reste  zu  sehen.  Radio- 
karpalgelenkspalt  ist  stärk  verschmälert,  doch  noch  vorhanden  — 
klinisch  ist  Flexion  und  Extension  in  geringem  Umfange  nachweisbar, 
die  seitlichen  Bewegungen  gänzlich  aufgehoben.  Der  Process. 
s  t  y  1  o  i  d.  ulnae  ist  stark  verlängert,  radialwärtsge- 
bogen,  das  Ende  —  wie  auseinandergeklopft  — 
st  ö  sst  an  das  Os  triquetrum,  das  an  dieser  Stelle 
einen  korrespondierenden  Vorsprung  zeigt,  der 
sich  genau  dem  Proc.  styl,  ulnae  anpasst.  Besonders 
hin  weisen  möchte  ich  auf  den  Schatten,  der  vom  Radius¬ 
gel  e  n  k  r  a  n  d  etwa  z  u  r  M  i  1 1  e  des  Proc.  styl,  ulnae  hin- 


Beilage  zu  No.  21,  1913  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


Big.  1.  Frau  K.  Rechtes  Handgelenk. 


Fig.  2.  Herr  F.  Linkes  Handgelenk. 


Reichart.  TUeber  eine  eigentümliche,  typische  Deformierung  des 
Qriffelfortsatzes  der  Ulna“. 


27.  Mai  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


147 


/  i  e  ii  t  und  zweifellos  den  v  e  r  k  n  öcherten  r  e  s  p  ver¬ 
kalkten  Discus  articularis  darstellt.  Das  linke  Hand¬ 
gelenk  zeigt  die  gleichen  Veränderungen,  bloss  ist  hier  der  Proc. 
styl,  ulnae  gegen  die  Norm  eher  verkürzt,  hochgradig  atrophisch. 
Dir  radiokarpae  üelenkspalt  ist  verschwunden  —  klinisch  ist  das 
linke  Handgelenk  absolut  steif.  Die  übrigen  Aufnahmen  (Eiliger  Knie) 
zeigen  ebenfalls  Erscheinungen  der  Knochenatrophie,  zum  Teil  der 
Instruktion,  stellenweise  sind  auch  geringe,  unregelmässige  Knochen- 
vueherungen  zu  sehen. 

In  der  Krankengeschichte  ist  über  Eieber  oder  Gonorrhöe  nichts 
erwähnt  doch  ist  dem  Krankheitsbilde  nach  an  der  Diagnose 
„Polyarthr.  acuta'  m.tUebergang  in  das  chronische  Stadium,  unter 
welcher  dei  Eall  im  hiesigen  Arbeiterhospital  geführt  wurde,  kaum 

Mi  zweifeln. 


le  Jahre  alt,  bei  guten  Kräften,  suchte 
Zustand  seines  steifen  rechten  Ellbogen- 


2.  Fall.  Herr  E.,  ca 
mich  auf,  um  sich  über  den 
vclenkes  zu  unterrichten. 

Ei  hatte  daselbst  radiographisch  und  klinisch  eine  vollkommene, 
Miocnerne  Ankylose  des  Humeroulnargelenkes,  —  die  Pronation- 
Mipination  war  in  beschränktem  Masse  frei.  Es  bestand  ausserdem 
eine  vollkommene  Versteifung  beider  Knie  in  Streckstellung  starke 
Bev  egungsbehmderung  im  linken  Ellbogengelenk  und  im  linken  Hand¬ 
gelenk.  Anamnese  und  genauerer  Gelenkstatus  liegt  leider  nicht  vor. 

Das  Röntgenogramm  des  linken  Handgelenkes  (Eig  2) 
zeigt  ähnliche  Veränderungen  wie  Eig.  1,  doch  ist  die  Knochenatrophie 
geringer,  stellenweise  sind  sogar  Verdichtungen  sichtbar,  die  Inter- 
karpalgc lenke  sind  viel  besser  erhalten.  An  dem  Radio-Ulnargelenk'3 
sieht  man  deutliche  randständige  Osteophytbildung  Der  P  r  o  c 
styl  oid  ulnae  zeigt  die  bei  F  i  g.  1  beschriebenen 
c  h  a  r  a  k  t  e  ristischen  V  e  r  a  n  d  e  r  u  n  g  e  n.  Der  radiokarpale 
iielenkspalt  ist  erhalten,  das  Gelenk  ist  beweglich. 

Bei  gesunden  Gelenken  scheint  diese  Deformität  nicht  vor- 
zukotmnen.  Beide  Fälle  von  Köhler  litten  an  einer  lang¬ 
sam  einsetzenden,  chronisch  progressiven  Gelenkerkrankung; 
2  Fälle  Hoffa  und  Wollenbergs  gehören  zum  sekundär 
chronischen  Gelenkrheumatismus,  ein  dritter  zur  Polyarthritis 
chronica  primitiva  progressiva  destruens. 


Einer  meiner  Fälle  ist  sicher  ein  sekundärer  chronischer 
Gelenkrheumatismus,  der  andere  dem  Anscheine  nach  wohl 

auch. 

Die  Entstehung  der  Deformation  denkt  sich  Köhler  so, 
dass  der  durch  die  Erkrankung  in  seiner  Ernährung  gestörte, 
atrophische,  plastische  Knochen  bei  Radialflexion  der  Hand 
allmählich  dem  Zuge  des  Ligamentum  collaterale  ulnare  naeli- 
gibt,  sich  verlängert,  dann  aber  schliesslich  der  verlängerte 
Processus  sich  am  Os  triquetrum  plattstösst.  (Die  Zug¬ 
wirkung  des  ulnaren  Seitenbandes  wird  durch  Fig.  1  sehr 
liibsch  illustriert.  Hier  ist  nicht  bloss  der  Griffelfortsatz,  son¬ 
dern  auch  die  Ansatzstelle  des  Ligamentes  am  Os  triquetrum 
lusgezogen.)  H  o  f  f  a  und  Wollenberg  weisen  auf  die 
msonders  häufige  Atrophie  der  Griffelfortsätze  hin,  welche 
üeselben  zu  plastischen  Umformungen  geradezu  disponieren, 
»iese  Atrophie  des  Processus  styl,  ulnae  ist  an  der  linken  Hand 
les  1.  Falles  sehr  deutlich. 


Die  Erklärung  Köhlers,  an  den  sich  auch  H  o  f  f  a  und 
'Voll  e  n  b  e  r  g  anschliessen,  ist  durchaus  einleuchtend,  je¬ 
loch  möchte  ich  betonen,  dass  wohl  nur  der  Zug  und 
druck  verkürzter,  geschrumpfter  Gelenk¬ 
tänder  zu  einer  solchen  Deformierung  führen 
c  a  11  n-  Das  Ligamentum  collaterale  ulnare  spannt  sich  nor- 
nalerweise  erst  bei  extremster  Radialflexion  der  Hand,  eine 
Bewegung,  wie  sie  wohl  bei  schmerzhaften  Gelenken  nie 
lusgeführt  wird;  damit  es  dennoch  eine  Zugwirkung  ausüben 
mime,  muss  dieses  Band  erst  verkürzt,  geschrumpft  sein. 
Vuch  die  radialwärts  gerichtete  Krümmung  kann  bloss  durch 
in  geschrumpftes  Band  verursacht  sein,  denn  unter  normalen 
/erhältnissen  stehen  bei  stärkster  Radialflexion  die  beiden 
Absatzstellen  des  Seitenbandes  ziemlich  parallel  der  Längs¬ 
achse  der  Ulna,  sein  Zug  könnte  also  wohl  eine  Verlängerung, 
’icht  aber  eine  so  starke  Verkrümmung  des  Griffelfortsatzes 
lerbeiführen.  Sobald  aber  die  Hand  in  die  Mittelstellung 
nriiekkehrt,  ist  das  Ligament  entspannt;  einen  radialwärts 
;erichteten  Zug  kann  es  erst  ausüben,  wenn  es  verkürzt  ist. 

■  ielleicht  trägt  zu  diesem  Vorgänge  auch  die  Formverände- 
nng  der  durch  das  geschrumpfte  Gelenkband  in  sich  zu- 
ammengepressten  Karpalia  bei,  bei  der  leicht  auch  eine 
^enderung  in  der  Zugrichtung  des  Seitenbandes  cintreten 
ann.  Betrachtet  man  schliesslich  in  Fig.  1  den  verkalkten 
hscus  articularis,  so  kann  vielleicht  auch  an  eine  Schrumpfung 


dieses  Discus  gedacht  werden,  dessen  Zug  den  Griffelfortsatz 
auch  radialwärts  verbiegen  würde. 

Es  ist  auch  auffallend,  dass  die  Knochenmasse  des  ver¬ 
änderten  Prozessus  in  Fig.  1  und  2  bedeutend  grösser  ist, 
als  die  eines  normalen,  geschweige  denn  eines  atrophi¬ 
schen  Prozessus.  Beachten  wir  ausserdem  den  schmalen 
Spalt  zwischen  dem  abgeplatteten  Griffelfortsatz  und  dem 
Os  triquetrum,  in  dem  sich  das  Ligam.  collat,  ulnare  befinden 
müsste.  Da  es  schwer  denkbar  ist,  dass  das  sonst  so  kräftige 
Ligament  auf  ein  so  geringes  Mass  geschrumpft  sei,  muss  man 
wohl  auch  an  die  Möglichkeit  denken,  dass  vielleicht  das 
Ligament  zum  Teil  verknöchert  ist,  und  so  zur  Massen¬ 
zunahme  des  Prozessus  beiträgt. 

Der  Entstehungsmodus,  wie  ihn  sich  Köhler  denkt,  setzt 
als  Bedingung  die  Beweglichkeit  des  Radiokarpalgclenkcs 
voraus.  Wenn  wir  nun  alle  mitgeteilten  Fälle  daraufhin 
prüfen,  so  finden  wir  überall  entweder  das  Vorhandensein  der 
Beweglichkeit  erwähnt,  oder  wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  zeigt 
doch  das  Röntgenbild  einen  guten  Gelenkspalt.  Eine  einzige 
Ausnahme  bildet  der  Fall  Lew.  von  Hoffa  und  Wollcn- 
b  c  r  g,  wo  eine  knöcherne  Ankylose  des  Handgelenkes  be¬ 
stand;  jedoch  ist  bei  der  langen  Dauer  des  Leidens  (10  Jahre) 
sehr  wohl  möglich,  dass  die  Ankylose  erst  entstanden  ist,  als 
die  Deformation  schon  voll  entwickelt  war.  In  unserem 
L  Ball  ist  die  linke  Hand,  deren  Prozess  nicht  verändert 
ist,  knöchern  ankylotisch. 

Es  ist  klar,  dass  bei  darauf  gerichteter  Aufmerksamkeit 
man  auch  Fälle  treffen  wird,  bei  denen  die  Deformation  noch 
nicht  vollendet  ist,  und  die  somit  den  Werdegang  derselben 
illustrieren.  Ein  solcher  ist  auch  der  Fall  An.  von  Hoffa 
und  Wollenberg;  daselbst  ist  der  Griffelfortsatz  wohl  ver¬ 
längert  und  verbogen,  jedoch  noch  nicht  abgeplattet.  Aehn- 
iiche  Veränderungen  zeigt  u.  a.  auch  eine  Abbildung  in  der 
Arbeit  von  Schlayer1)  (der  Verfasser  weist  auf  den  Proc. 
styloid.  nicht  hin). 

Zum  Schluss  möchte  ich  Herrn  Dr.  E.  W  e  i  s  s,  dem 
Chefarzt  des  Pistyaner  Arbeiterbadehospitals,  der  mir  das 
Krankenmaterial  des  Hospitals  zu  dieser,  wie  zu  anderen  Ar¬ 
beiten  gii.tigst  zur  Verfügung  stellte  und  in  der  Beschaffung 
der  anamnestischen  Daten  und  Krankengeschichten  mich  kräf¬ 
tigst  unterstützte,  auch  an  dieser  Stelle  meinen  herzlichsten 
Dank  aussprechen. 


Aus  der  med.  Klinik  in  Erlangen  (Direktor;  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  P  e  n  z  o  1  d  t). 

Spontane  tödliche  Gehirnblutung  bei  einem  Hämophilen. 

Von  Prof.  Dr.  L.  Hauck. 

Bei  der  Hämophilie  pflegt  man  zwei  Gruppen  zu  unter¬ 
scheiden,  Fälle,  bei  welchen  es  durch  traumatische  Ein¬ 
wirkung  zu  Blutungen  aus  Haut  und  Schleimhäuten  oder  auch 
aus  inneren  Organen  kommt,  und  Fälle,  bei  welchen  Blutungen 
s  P  o  n  t  a  n  ohne  nachweisbare  und  sichtliche  Ursache  ent¬ 
stehen.  Zu  dieser  letzteren  Gruppe  werden  ja  wohl  manche 
Blutungen  gerechnet,  bei  welchen  traumatische  Einflüsse  vor¬ 
hegen,  welche  nur  wegen  ihrer  Geringfügigkeit  der  Beachtung 
der  Patienten  entgehen.  Ist  es  doch  eine  bekannte  Tatsache, 
dass  kaum  nennenswerte  Einwirkung  stumpfer  Gewalt  bei 
Hämophilen  schwerste,  fast  unstillbare  oberflächliche  oder 
interstitielle  Blutungen  zur  Folge  haben  kann.  So  ist  ein 
grosser  Prozentsatz  der  ziemlich  häufigen  augenscheinlich 
spontanen  Gelenkblutungen  durch  vielleicht  ganz  minimale 
Schädigungen  der  Gelenke  bei  Bewegungen  leicht  zu  erklären. 
Dagegen  sind  aber  Fälle  von  Blutungen  aus  inneren  Organen, 
wie  Nieren,  weiblichen  Sexualorganen,  Lunge  und  Magen  be¬ 
schrieben,  bei  welchen  ein  traumatischer  oder  das  Gewebe 
sonst  schädigender  Einfluss  auf  das  betreffende  Organ  nicht 
nachweisbar  war  und  die  Aetiologie  der  Blutung  nicht  geklärt 
werden  konnte.  Vor  kurzem  hatten  wir  Gelegenheit,  einen 
ähnlichen  Fall  in  unserer  Klinik  zu  beobachten,  welcher  nicht 
nur  wegen  der  Lokalisation  der  Blutung  im  Gehirn,  sondern 
auch  hinsichtlich  des  klinischen  Krankheitsbildes  allgemeineres 
Interesse  beanspruchen  dürfte. 

0  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Bd.  10,  p.  261. 

3* 


1148  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  21 


Am  Abend  des  25.  X.  12  wurde  ein  20jähriger  Student  in  die 
Klinik  eingeliefert,  welcher  angab,  seit  ca.  3  Wochen  an  Kopf¬ 
schmerzen  zu  leiden,  die  sich  hauptsächlich  auf  die  Stirngegend 
lokalisiert  und  von  Tag  zu  Tag  an  Intensität  zugenommen  hätten. 
Jedoch  konnte  Patient  bis  24.  X.  ausser  Bett  sein  und  hatte,  abgesehen 
von  den  erwähnten  Kopfschmerzen,  über  keinerlei  sonstige  Be¬ 
schwerden  zu  klagen.  Am  24.  X.  blieb  er  wegen  immer  heftiger 
weidender  Kopfschmerzen  zu  Bette  liegen.  An  diesem  Tage  trat 
auch  mehrmaliges  Erbrechen  auf,  welches  am  25.  X.  anhielt.  Da 
der  Zustand  sich  sichtlich  verschlimmerte,  wurde  Pat.  klinischer 
Behandlung  überwiesen.  Nachdem  von  dem  langjährigen  Hausarzt 
der  Eamilie  mitgeteilt  worden  war,  dass  Pat.  einer  Bluterfamilie  ent¬ 
stamme,  wurde  besonders  nach  einer  Kopfverletzung  geforscht,  jedoch 
gab  Pat.  auf  mehrmaliges  Befragen  mit  Bestimmtheit  an,  in  letzter 
Zeit  nie  eine  Verletzung  oder  einen  Schlag  mit  einem  stumpfen 
Gegenstand  etc.  gegen  den  Kopf  erhalten  zu  haben,  auch  könne  er 
sich  nicht  erinnern,  sich  jemals  gestossen  zu  haben  oder  gefallen  zu 
sein.  Da  dem  Pat.  infolge  heftigster  Kopfschmerzen  die  Beantwortung 
weiterer  Fragen  sehr  lästig  fiel  und  er  um  Ruhe  bat,  sind  die  folgenden 
anamnestischen  Daten  einer  Krankengeschichte  der  chirurgischen 
Klinik  entnommen,  in  welcher  Pat.  im  November  1911  wegen  schwerer 
Kniegelenksblutung  behandelt  wurde.  Schon  im  Säuglingsalter  wurde 
bei  dem  Pat.  die  Beobachtung  gemacht,  dass  sich  im  Unterhaut¬ 
zellgewebe  Blutaustritte  an  Stellen  zeigten,  welche  einem  oft  nur 
ganz  gelindem  Drucke  ausgesetzt  waren.  So  entstanden  Haut¬ 
blutungen,  wenn  er  von  dem  Kindermädchen  derart  gehalten  wurde, 
dass  ein  Knopf  eines  Kleidungsstückes  desselben  gegen  seinen  Körper 
drücken  konnte.  Auch  im  späteren  Leben  reagierte  die  Haut  fast 
regelmässig  auf  Stösse  oder  Quetschungen  mit  oberflächlichen  Haut¬ 
blutungen,  welche  aber  ineist  rasch  wieder  zu  verschwinden  pflegten. 
Besonders  häufig  wurden  die  Unterschenkel  in  der  Gegend  der 
Schienbeine  sowie  die  Hände  befallen.  Verletzungen  an  letzteren 
hinderten  oft  tagelang  dann  die  Bewegungen  der  Finger.  Strumpf¬ 
bänder,  welche  eine  Zeit  lang  getragen  wurden,  erzeugten  mehrmals 
Blutgeschwülste  an  den  Druckstellen.  Auch  stellte  sich  sehr  häufig 
Nasenbluten  ein,  und  Zahnextraktionen  oder  spontanem  Zahnausfall 
folgten  regelmässig  tagelang  anhaltende  Blutungen.  Von  schwereren  Blu¬ 
tungen  sind  folgende  bekannt:  Im  4.  Lebensjahre  bestand  im  Anschluss 
an  eine  Verletzung  eine  schwere  Gelenkblutung,  welcher  nach  einigen 
Tagen  fast  unstillbares  spontanes  Nasenbluten  folgte.  Im  7.  Lebens¬ 
jahre^  trat  nach  einem  schweren  Fall  auf  das  Gesicht  und  besonders 
die  Gegend  des  Mundes  eine  mehrwöchentliche  schwere  Zahnfleisch¬ 
blutung  auf,  welche  nicht  zu  stillen  war  und  eine  Verblutung  be¬ 
fürchten  liess.  Mit  10  Jahren  stellten  sich  nach  einer  Fussgelenks- 
blutung  schwere  über  den  ganzen  Körper  sowie  das  Gesicht  aus¬ 
gebreitete  Hautblutungen  ein,  welche  wochenlang  anhielten.  Zweimal 
wurde  auch  Nierenblutung  beobachtet.  Fast  jedes  Jahr  hatte  Pat. 
mindestens  eine  schwere  Attacke  zu  überstehen  und  erst  seit  4  Jahren 
schien  die  Neigung  zu  Blutungen  nachzulassen.  Nach  längerer  Pause 
trat  im  Herbst  1911  wieder  eine  stärkere  Blutung  im  rechten  Knie¬ 
gelenk  auf,  welche  zwar  nach  6  Wochen  wieder  verschwunden  war, 
aber  nach  kurzer  Zeit  rezidivierte,  als  sich  Pat.  im  Bette  nur  auf- 
,  kniete.  Etwa  4  Wochen  nach  abermaliger  Heilung  erfolgte  nach 
einem  etwa  7  ständigen  Spaziergang  eine  erneute  sehr  heftige  Blutung 
in  das  Gelenk,  wegen  welcher  Pat.  dann  in  der  chirurgischen  Klinik 
behandelt  wurde.  Therapeutisch  waren  bei  den  erwähnten  Blutungen 
Secale  cornutum,  Gelatine-  und  Seruminjektionen  mit  wechselndem 
Erfolge  angewandt  worden.  Alkoholgenuss  nur  gering,  1  Liter  pro  die 
nicht  überschreitend. 


Familiensrammbaum. 


Bei  der  Untersuchung  nach  Aufnahme  in  die  Klinik  ergab 
sich  folgender  Befund:  Pat.,  welcher  schwerkranken  Eindruck 
macht,  zeigt  blasses,  anämisches  Aussehen  und  befindet  sich  in  gutem 
Ernährungszustand.  Wenn  er  auch  auf  alle  an  ihn  gerichteten  Fragen 
korrekte  Antworten  gibt,  so  fällt  doch  deren  langsame  Beantwortung 
auf;  man  gewinnt  den  Eindruck,  als  ob  Sprechen  und  Denken  den 
Pat.  sehr  -anstrenge,  und  zeitweise  scheint  er  auch  leicht  benommen 


zu  sein.  Er  greift  häufig  mit  den  Händen  nach  dem  Kopfe,  ist 
apathisch  und  bittet  mehrmals,  wegen  seiner  furchtbaren  Kopi- 
schmerzen  ihn  ruhig  liegen  zu  lassen  und  nicht  weiter  untersuchen 
zu  wollen.  Puls  sehr  verlangsamt,  50  Schläge  in  der  Minute,  kräftig, 
zeitweise  etwas  unregelmässig.  Atmung  von  normalem  Typus. 
20  Atemzüge  in  der  Minute.  Gesicht  anfallsweise  schmerzhaft  ver¬ 
zerrt,  Pupillen  gleichweit,  beiderseits  prompt  reagierend.  Augen¬ 
bewegungen  ganz  normal,  kein  Nystagmus;  Sehvermögen  und 
Gesichtsfeld  nicht  gestört.  Bei  Prüfung  der  Gehirnnerven  keinerlei 
Störung  nachweisbar.  Zunge  belegt,  feucht.  Mund-  und  Rachen- 
höhle  o.  B.  Geringe,  aber  deutliche  Nackensteifigkeit.  Beim  Aui- 
setzen  des  Pat.  ist  der  Kopf  fortwährend  leicht  nackenwärts  gebeugt. 
Kernig  sches  Phänomen  nicht  ausgesprochen.  Die  Extremitäten¬ 
bewegungen  werden  gut  ausgeführt,  eine  Parese  ist  nirgends  zu 
konstatieren,  auch  die  Muskelkraft  ist  überall  gut  und  normal  er¬ 
halten.  Eine  genaue  Sensibilitätsprüfung  ist  wegen  der  bestehenden 
leichten  Somnolenz  nicht  ausführbar.  Patellarreflex  links  deutlich 
schwächer  als  rechts,  ebenso  der  Achillessehnenreflex,  die  übrigen 
Reflexe  normal.  Kein  B  a  b  i  n  s  k  i.  Lungen-  und  Herzbefund  völlig 
normal.  Der  Urin,  welcher  auf  Aufforderung  hin  entleert  wird,  ergibt 
geringe  aber  deutliche  E. -Trübung  und  positive  Z.-Reaktion.  Der 
Zuckergehalt  beträgt  polarimetrisch  bestimmt  0,4  Proz.  Azeton 
und  Azetessigsäure  negativ.  Im  Sediment  finden  sich  vereinzelte 
Leukozyten,  keine  Erythrozyten,  keine  Zylinder.  Die  Temperatur 
beträgt  rektal  gemessen  37,9°.  Bei  genauester  Untersuchung  der 
Kopf-  und  Gesichtshaut  sind  keinerlei  Zeichen  einer  Verletzung  od-’r 
Einwirkung  stumpfer  Gewalt  zu  konstatieren.  Es  sind  weder  Narben 
Sugillationen  oder  auch  nur  Petechien  nachweisbar. 

Pat.  fiel  nach  Applikation  von  Eisblasen  auf  den  Kopf 
kurze  Zeit  nach  Abschluss  der  Untersuchung  in  ziemlich 
ruhigen,  mehrere  Stunden  anhaltenden  Schlaf.  Von  einer  so¬ 
fortigen  Lumbalpunktion  war  trotz  der  deutlich  vorhandenen 
Hirndrucksymptome  Abstand  genommen  worden,  um  nicht 
eventuell  durch  Druckschwankungen  beim  Ablassen  des 
Liquor  weitere  Blutung  in  die  Ventrikel  hervorzurufen,  (legen 
llA  Uhr  nachts  traten  ganz  plötzlich  dann  heftige  epilep- 
tiforme  Anfälle  auf.  Bei  der  abermaligen  Untersuchung 
zeigte  sich  jetzt  das  Krankheitsbild  völlig  verändert.  Die  Haut 
des  ganzen  Körpers  besonders  aber  des  Kopfes  war  stark 
schweissbedeckt,  der  Kopf  stark  nackenwärts  gebeugt,  es  be¬ 
stand  hochgradige  Nackensteifigkeit  und  ausgesprochener 
Opisthotonus.  Sämtliche  Extremitäten  befanden  sich  in 
tonischem  Krampfzustand,  waren  ganz  steif  und  nur  unter  An¬ 
wendung  von  Gewalt  zu  beugen.  Die  Hände  waren  beider¬ 
seits  mit  eingeschlagenen  Daumen  fest  zur  Faust  geschlossen. 
Das  Gesicht  war  auffallend  blass,  vor  dem  Munde  stand  reich¬ 
lich  Schaum.  Patient  war  vollständig  bewusstlos.  Die  rechte 
Pupille  war  ad  maximum  erweitert,  viel  weiter  als  die  linke. 
Beide  Pupillen  verhielten  sich  bei  Lichteinfall  völlig  reaktions¬ 
los.  Die  Reflexe  erwiesen  sich  sämtlich  sehr  gesteigert,  es 
bestand  beiderseitiger,  hochgradig  "ausgeprägter  Babinski. 
Atmung  röchelnd,  sehr  beschleunigt,  48  Atemzüge  in  der 
Minute.  Temperatur  39,2°.  Puls  klein,  sehr  frequent,  132 
Schläge  in  der  Minute.  Incontinentia  urinae.  Bei  der  jetzt 
sofort  vorgenommenen  Lumbalpunktion  floss  eine  als 
reines  Blut  erscheinende  Flüssigkeit  ab,  welche  unter 
einem  Druck  von  280  mm  stand.  Nachdem  20  ccm  Flüssigkeit 
abgelaufen  waren,  sistierte  unter  Abfall  des  Druckes  der  Ab¬ 
fluss  von  selbst.  Der  Eiweissgehalt  des  Serums  nach  Sedi- 
mentieren  betrug  15  Prom.  nach  Esbach.  Die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  des  Sediments  ergab  einen  ganz  dem 
normalen  Blutbild  entsprechenden  Befund.  Der  eben  geschil¬ 
derte  tonische  Krampfzustand  hielt,  nur  durch  einigemale  ein¬ 
setzende  kurzdauernde  klonische  Krampfanfälle  unterbrochen, 
sonst  unverändert  an,  bis  nach  3  Stunden  der  Exitus  eintrat. 

Befund  bei  der  am  26.  X.  vormittags  vorgenommenen  Sektion 
der  Schädelhöhle  (Sekt.-No.  268  (1912),  zum  Teil  ergänzt  nach  Ein-  ; 
legen  des  Gehirns  in  Kaiserlingflüssigkeit  (Prof.  Dr.  M  e  r  k  e  I) : 
Die  äusseren  Bedeckungen  ohne  Verletzungsspuren.  Das  Schädeldach 
ziemlich  dick  und  hart.  Bei  der  Durchsägung  desselben  wird  im 
Bereiche  des  linken  Parietallappens  die  Dura  etwas  verletzt  und  es 
quellen  aus  dem  Riss  mächtige  Blutkoagula  vermengt  mit  Gehirn¬ 
substanz  hervor.  Die  Dura  ist  —  besonders  links  —  stark  gespannt; 
die  alsdann  freigelegte  rechte  Hemisphäre  ist  ganz  abgeplattet,  doch 
findet  sich  hier  kein  freies  Blut;  Durainnenfläche  rechts  trocken,  sonst 
normal.  Die  linke  Durainnenfläche  ist  bedeckt  von  einer  dünnen 
abwischbaren  Schicht  von  Blut  und  zeigt  ausserdem  von  der  Kon¬ 
vexität  nach  der  Basis  zu  an  Grösse  und  Zahl  zunehmende  kugelige 
Hämatome  von  Pfefferkorn-  bis  Haselnussgrösse,  welche  an  einzelnen 
Stellen  (im  gehärteten  Präparat)  eine  ockerfarbige  Beschaffenheit 
zeigen.  Entsprechend  diesen  halbkugeligen  Prominenzen  finden  sich 
an  der  Obei  fläche  des  Gehirns,  d.  h.  in  den  seitlichen  Partien  des 


27.  Mai  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


l’aiictal-,  .  tu  ii-  mul  zum  feil  auch  des  Schläfenlappens  muldenartige 
Lindellungen  von  wechselnder  Grösse,  genau  entsprechend  den  er- 
wähnten  halbkugeligen  Prominenzen.  In  der  Umgebung  der  mulden- 
artigen  Vertiefungen  zeigen  sich  die  weichen  Häute  auch  zum  Teil 
gelbbraunlich  verrärbt.  An  der  Oberfläche  des  Tentoriums  finden 
sich  ganz  dicke  Blutmassen  der  Dura  aufgelagert.  Jene  grösseren 
und  kleineren  Blutkoagula  lassen  sich  jedoch  von  der  Dura  abkratzen, 
stehen  also  nicht  in  organischem  Zusammenhang  mit  derselben.  Der 
liiike  arietal-  und  Okzipitallappen  ist  in  seinen  Rindenteilen  stellen¬ 
weise  zertrümmert  durch  einen  offenbar  von  innen  nach  aussen 
durchgebrochenen  Bluterguss.  Der  ca.  hühnereigrosse  mit  Blut  ge- 
liiHte  Zertrummerungsherd  hat  eine  Länge  von  7  cm.  Im  Bereiche 
des  Hinterhorns  findet  sich  eine  breite,  ganz  unregelmässige  Durch- 
lu  uchsstelle.  Auf  dem  Ouersclmitt  in  der  Höhe  des  Pons  hat  der 
durch  die  Blutung  gesetzte  Zertrümmerungsherd  an  der  Basis  des 
Schläfenlappens  die  Rinde  durchbrochen  und  von  hier  aus  ist  dann 
,jCr  /,eie  Pkiterguss  unter  Zerstörung  und  Zerreissung  der  weichen 
Ifju.e  in  die  linke  hintere  Schädelgrube  erfolgt.  Der  Zertriimmerungs- 
herd  hat  die  innere  Kapsel  vollständig  frei  gelassen,  in  seiner  Umgebung 
sind  die  weichen  Häute  stälker  hämorrhagisch  sugilliert,  in  geringem 
(Jrade  auch  übei  dei  i echten  Hemisphäre;  sonst  sind  sie  etwas  stärker 
injiziert,  zart,  nirgends  getrübt.  Auf  dem  Durchschnitt  scheinen  die 
\eiitrikel  erweitert  und  sind  mit  flüssigem  Blut  und  Blutkoagulis  aus¬ 
gefüllt,  welche  sich  bis  in  die  Unterhörner  und  in  den  IV  Ventrikel 
erstrecken  Die  Ciehirnsubstanz  auf  dem  Durchschnitt  blass,  von 
normaler  Konsistenz.  In  der  Umgebung  der  Rissstelle  nur  vereinzelte 
Uiutpunkte  in  der  Gehirnsubstanz. 

So  n  s  t  i  g  e  Leichendiagnose:  Akute  Blähung  und  starke 
Hyperämie  der  Lunge  mit  parenchymatösen  Blutungen  in  den  rechten 
Lungenlappen.  Leichtes  Hydroperikard.  Leichte  Intimaverfettungen 
in  der  Aorta  und  den  Koronararterien.  Schwellung  der  lymphatischen 
Vpparate  des  Rachens  (Mandeln  und  Zungengrund).  Thymus- 
ocrsistenz.  Hyperämie  von  Leber.  Milz  und  Nieren.  Leichte  Schwel¬ 
lung  der  lymphatischen  Apparate  des  Darmkanals.  Verfettungen  der 
Bauchaorta. 

In  vorliegendem  Falle  haben  wir  es  mit  einer  augenschein¬ 
lich  spontanen  tödlichen  Gehirnblutung  bei  einem  Hämophilen 
zu  tun,  welcher  in  früheren  Jahren  bereits  schwere  Blutungen 
mehrmals  durchgemacht  und  glücklich  überstanden  hat.  Wenn 
nim  oben  schon  darauf  hingewiesen  wurde,  dass  ein  grosser 
leil  anscheinend  spontaner  Blutungen  bei  Hämophilen  wohl 
dadurch  zustande  kommt,  dass  ganz  minimale  von  den  Pat. 
kaum  beobachtete  traumatische  Einflüsse  auf  das  betreffende 
Körperorgan  einwirken,  so  gibt  in  unserem  Falle  weder  die 
Anamnese  noch  der  objektive  Befund  irgend  einen  Anhalts¬ 
punkt  für  eine  traumatische  Aetiologie.  Pat.  versicherte  auf 
mehrmaliges  Befragen  immer  wieder,  dass  im  Laufe  der 
letzten  Wochen  keinerlei  Gewalteinwirkung  seinen  Kopf  ge¬ 
troffen  habe  und  er  sich  auch  nicht  erinnern  könne,  sich  jemals 
gestossen  zu  haben  oder  gefallen  zu  sein.  Gegen  eine  schäd¬ 
liche  Einwirkung  von  aussen  spricht  auch  der  objektive  Be¬ 
fund  bei  der  klinischen  Untersuchung  wie  bei  der  Sektion, 
indem  im  Gesicht  wie  auf  dem  behaarten  Kopfe  keinerlei 
Zeichen  einer  Verletzung,  keine  Hautblutungen,  Pigmen- 
tationen  oder  auch  nur  Petechien  zu  konstatieren  waren.  Und 
wenn  wir  auch  annehmen  wollten,  dass  Pat.  sich  unbewusst, 
i.  B.  im  Schlafe  gegen  den  Kopf  gestossen  habe,  so  wäre  bei 
■»einer  Neigung  zu  Hautblutungen  doch  sicher  zu  erwarten 
gewesen,  dass  eine  wenn  auch  nur  kleine  Suggilation  darauf 
tingewiesen  hätte.  Es  bleibt  also  nur,  wenn  wir  eine  ganz 
spontane  Blutung  ausschliessen  wollen,  die  Annahme  übrig, 
fass  vielleicht  durch  ein  indirektes,  auf  den  Schädel  nicht  lokal 
-inwirkendes  Trauma,  wie  wir  dies  bei  einer  wenn  auch  nur 
janz  leichten  commotio  cerebri  vermuten  könnten,  die  Gehirn- 
üutung  verursacht  wurde.  Für  solch  eine  indirekte  Schädi¬ 
gung  müsste  aber  die  schwere  Blutung  als  ganz  ausser- 
lewöhnlich  bezeichnet  werden  und  konnte  ich  analoge  Fälle 
ii  der  Literatur  bisher  nicht  auffinden.  Auffallend  ist  ferner  an 
lern  Krankheitsverlauf  noch  die  Tatsache,  dass  es  sich  nicht 
im  eine  plötzlich  einsetzende  und  rasch  letal  endigende  Ge- 
lirnblutung  handelt,  sondern  dieselbe  sich  mindestens  über 
nehrere  Tage  hin  erstreckt  haben  muss.  Für  diese  Annahme 
■Tricht  sowohl  die  Anamnese,  nach  welcher  Patient  seit 
1  Wochen  an  stetig  zunehmenden  Kopfschmerzen  litt,  als  auch 
Jer  Sektionsbefund,  nach  welchem  an  einzelnen  Stellen  der 
iben  beschriebenen  kugeligen  Hämatome  der  linken  Dura- 
unenfläche  ockerfarbige  Beschaffenheit  sich  zeigte,  sowie  in 
ler  Umgebung  der  diesen  entsprechenden  muldenartigen  Ein- 
lelltingen  der  Gehirnoberfläche  an  den  weichen  Häuten  zum 
i  eil  gelbbräunliche  Verfärbungen  gefunden  wurden,  Verän- 
ierungen,  welche  durch  Blutpigmentbildung  bedingt  waren 


und  den  sicheren  Schluss  zulassen,  dass  diese  Blutungsherde 
mindestens  mehrere  Tage  schon  bestanden  haben  mussten! 
Wahrscheinlich  handelte  es  sich  anfangs  nur  um  kleinere, 
zirkumskripte  Blutungsherde  entsprechend  etwa  den  Häma¬ 
tomen  auf  der  linken  Durainnenfläche,  welche  sich  nur  ganz 
langsam  und  allmählich  vermehrten.  Dafür  spricht  auch  der 
von  Tag  zu  Tag  stetig  an  Intensität  zunehmende  Kopfschmerz. 
Erst  später  kam  es  dann  wohl  zu  den  Blutungen  in  den  Ven¬ 
trikeln.  Der  Eintritt  der  schweren  profusen  Gehirnblutung  mit 
dem  Durchbruch  in  die  linke  hintere  Schädelgrube  kann  aber 
erst  mit  dem  Auftreten  der  epileptiformen  Anfälle  angenommen 
werden.  Das  auffällige  Fehlen  jeglicher  Lähmungserschei- 
nungen  ist  dadurch  erklärt,  dass  die  innere  Kapsel,  wie  aus 
dem  Sektionsbefund  ersichtlich  ist,  von  der  Blutung  völlig  ver¬ 
schont  blieb. 

Ganz  kurz  sei  noch  der  Therapie  bei  Blutungen 
Hämophiler  Erwähnung  getan.  Leider  stehen  wir  schweren 
Blutungen  ziemlich  machtlos  gegenüber,  wie  dies  vor  kurzem 
Schloessmann  (Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  Bd.  79) 
auf  Grund  sehr  ausführlicher  experimenteller  wie  thera¬ 
peutischer  Versuche  nachweisen  konnte,  indem  alle  gebräuch¬ 
lichen  und  empfohlenen  Methoden  wie  Gelatine-  und 
K  a  1  z  i  u  m  behandlung,  Serumtherapie,  Verwendung 
von  Ge  webspresssaft  oder  Bluttransfusion 
keine  sichere  Aussicht  auf  Heilung  bieten,  sondern  uns  meist 
im  Stiche  lassen. 

Von  besonderem  Interesse  dürfte  der  Fall  aber  auch  noch 
in  gerichtlich-medizinischer  Hinsicht  sein,  als  Be¬ 
weis  dafür,  dass  bei  Hämophilen  schon  durch  ganz  gering¬ 
fügige  Einflüsse  letal  endigende  Organblutungen  ausgelöst 
werden  können. 


Seltenheiten  aus  der  Praxis. 

Von  Dr.  Frank  in  Dudweiler. 

Hämangiom  des  Armes  als  Geburtshindernis. 

Gesunde,  kräftige  I.-para,  20  Jahre  alt.  Die  Hebamme  schickt 
nach  dem  Arzt,  weil  trotz  guter  Wehen  die  Geburt  keinen  Fortgang 
nimmt.  Innerliche  Untersuchung  ergibt  Gesichtslage.  Leichte  EnL 
Wicklung  des  Kopfes  mit  der  Zange.  Die  Schultern  des  Kindes 
folgen  nicht.  Alle  Anstrengungen  sind  vergebens.  Als  der  Tod  des 
Kindes  sich  feststellen  lässt,  werden  forcierte  Zugversuche  gemacht, 
die  schliesslich  nur  die  Folge  haben,  dass  der  Kopf  abreisst.  Der 
Muttermund  schliesst  sich  glatt  um  die  Schultern  des  Kindes,  ist 
aber  nicht  so  eng,  dass  seine  Umschnürung  allein  die  Zurückhaltung 
des  kindlichen  Körpers  verursachen  könnte.  Das  Hindernis  muss 
im  kindlichen  Körper  liegen,  Exostose  des  Beckens  kann  mit  Sicher¬ 
heit  ausgeschlossen  werden,  da  der  Kopf  ja  glatt  hindurchgetreten 
ist.  Es  war  also  an  einen  Tumor  des  Thorax  oder  Abdomens  zu 
denken,  zu  dessen  Beseitigung  eine  Embryotomie  nötig  war,  und 
hierzu  wieder  eine  Wendung.  Die  eingehende  Hand  kann  zwar  einen 
Arm  neben  dem  Thorax  erfassen  und  vorziehen,  hiermit  ist  aber 
nichts  gewonnen.  Ich  werde  zur  Narkose  hinzugezogen.  Im  Be¬ 
ginne  derselben  umklammert  der  Uterus  noch  fest  den  Thorax,  erst 
in  tiefer  Chloroformnarkose  gelingt  die  innerliche  Wendung,  und 
zwar  hat  die  eindringende  Hand  die  Empfindung,  als  ob  die  Kon¬ 
traktion  des  unteren  Uterinsegmentes  unter  der  tiefen  Narkose  sich 
löse.  An  einem  Fuss  gelingt  die  Wendung  leicht,  der  Körper  des 
Kindes  folgt  zur  grossen  Ueberraschung  glatt  und  ohne  Schwierig¬ 
keit;  ein  nicht  aufgetriebenes  Abdomen,  ein  normaler  Thorax  kommen 
zum  Vorschein,  und  danach,  an  diesem  hängend,  ein  weicher  Körper 
von  gleicher  Grösse.  Also  zusammengewachsene  Zwillingskinder, 
denken  wir,  als  die  Geburt  glücklich  zwischen  den  Schenkeln  der 
Mutter  liegt.  Als  wir  aber  die  Frucht  richtig  lagern,  erkennen  wir. 
dass  der  zweite  Körper  gar  nicht  ein  angewachsenes  Zwillingskind 
ist,  sondern  der  linke  Arm  des  Kindes.  Soweit  man  durchfühlen 
kann,  ist  der  Knochenbau  des  Armes  normal,  Schulter  und  Ellbogen- 
gelenk  frei  beweglich,  die  Hand  auch  in  ihren  Weichteilen  normal. 
Die  Weichteile  des  Unter-  und  Oberarmes  sind  durch  ein  riesiges 
Hämangiom  gebildet,  dessen  zellenartiger  Bau  ein  wenig  durch  die 
blau  schimmernde  Haut  zu  erkennen  ist;  es  lässt  sich  auch  das 
füllende  Blut  durch  Druck  von  einer  Stelle  aus  in  die  Nachbarschaft 
verteilen.  Die  Weichteile  der  Schulter  sind  fast  normal,  wenig  ver¬ 
dickt,  einzelne  Höhlen  des  Hämangioms  erstrecken  sich  aber  auch 
noch  in  die  Haut  an  Brust  und  Rücken  der  entsprechenden  Seite 
Das  Volumen  des  Armes  stand  nicht  hinter  d  e  ni 
Volumen  des  Rumpfes  zurück.  Andere  Missbildungen 
fanden  sich  nicht  an  dem  Körper  des  Kindes.  Die  Erlaubnis  zu  einer 
genaueren  pathologisch-anatomischen  Untersuchung  wurde  leider 
nicht  erteilt.  Das  Wochenbett  verlief  normal. 

Die  Literatur  über  Hämangiome  und  Lymphangiome  als  Geburts- 
hindernis  findet  sich  zusammengestellt  in  einer  Arbeit  von  Eber- 


150 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ii  a  r  t  in  der  Monatssehr.  f.  Qeburtsh.  u.  Gynäkol.,  Berlin  1897,  Bd.  VI. 
Bin  Hämangiom  der  oberen  Extremitäten  als  Geburtshindernis  scheint 
bis  jetzt  in  der  Literatur  noch  nicht  veröffentlicht  zu  sein. 


Bleivergiftung  durch  ein  Gummituch. 

Gesunder,  kräftiger  Säugling  von  6  Monaten,  ausschliesslich  an 
der  Brust  ernährt,  beginnt  ziemlich  plötzlich  an  Gewicht  abzunehmen. 
Ls  w  ird  nach  allen  Richtungen  nach  weiteren  Krankheitsäusserungen 
gefahndet,  aber  vergeblich,  die  genaueste  Untersuchung  fördert  nichts 
zutage.  Aber  die  Abmagerung  nimmt  weiter  zu  und  bringt  das 
Kind  in  3  Wochen  in  einen  recht  elenden  Zustand.  Jetzt  tritt  plötz- 
l'ph  eij1  neues  Symptom  auf,  eine  heftige  Stomatitis,  welche  auf 
die  Möglichkeit  einer  Bleivergiftung  hinweist.  Aus  der  Umgebung 
des  Kindes  wird  nun  von  allem,  was  irgendwie  Bleigehalt  haben 
könnte,  eine  Probe  zur  chemischen  Untersuchung  entnommen.  Am 
nächsten  lag  die  Vermutung,  dass  der  weisse  Anstrien  des  Bettchens 
oder  des  Kinderwagens  aus  bleihaltiger  Farbe  bestehe.  Diese  Ver¬ 
mutung  bestätigte  sich  aber  nicht,  die  Farben  erwiesen  sich  als 
keimfrei;  bleihaltig  aber  war  das  Gummituch,  das  als 
wasserdichte  Betteinlage  diente.  —  Eine  weitere  Behandlung  er¬ 
übrigte  sich,  denn  nach  Entfernung  des  verhängnisvollen  Wäsche¬ 
stückes  setzte  sofort  die  Besserung  ein,  die  nach  wenigen  Wochen 
zur  völligen  Genesung  führte. 


Ein  neues  Wundpulver. 

Von  Dr.  E.  Hammer  in  Stuttgart. 

Die  physikalische  Beschaffenheit  der  Wundpulver  scheint  nicht 
weniger  wichtig  zu  sein,  wie  ihre  chemische  Zusammensetzung.  Und 
auch  die  experimentell-bakteriologisch  gefundene  antiseptische  Wir¬ 
kung  dieser  Pulver  braucht  ja,  wie  das  Beispiel  des  Jodoforms  ge¬ 
zeigt  hat,  durchaus  nicht  der  Wirkung  in  infizierten  Wunden  zu  ent¬ 
sprechen.  Es  entscheidet  die  Erfahrung  am  Kranken  selbst. 

In  erster  Linie  verlangen  wir  von  einem  guten  Wundpulver,  dass 
es  die  Wundsekrete  möglichst  vollständig  in  sich  aufnimmt  ohne  da¬ 
durch  zu  einer  fest  abschliessenden  Kruste  zu  vertrocknen.  Denn 
durch  letzteren  Umstand  ward  geradezu  eine  Sekretstauung  erzeugt, 
die  auch  die  besten  antiseptischen  Eigenschaften  dieser  Mittel  von 
dein  Orte  entfernt,  auf  den  sie  wirken  sollen,  und  welche  die  Aus¬ 
breitung  des  Eiterungsprozesses  begünstigt. 

Die  aseptischen  Eigenschaften  verkohlten  Holzes  sind  von  alters 
her  bekannt.  Kohlepulver  ist  direkt  schon  als  Wundmittel  verwendet 
worden.  Auch  frisch  gerösteter  und  gemahlener  Kaffee  -wurde  zu 
solchen  Zwecken  schon  empfohlen.  Die  Japaner  sollen  verkohltes 
btroh  als  Verbandmittel  verwendet  haben. 

So  kam  ich  darauf,  Sägespäne  von  Hartholz  im  Tiegel 
unter  stetem  Umrühren  r  osten  und  dann  fein  sieben  zu  lassen 
und  dieses  einfache  Mittel  als  Wundpulver  zu  verwenden  (Scobis 
tosta  cribrata). 

Das  so  hergestellte  sehr  leichte  Pulver  besitzt  noch  die  enorme 
Aufsaugungsfähigkeit  wie  sie  von  den  rohen  Sägespähnen  bekannt 
ist,  die  aber  das  Kohlepulver  nicht  mehr  hat.  Es  bietet  sich  besonders 
zur  Behandlung  eiternder  Höhlenwunden  an.  Denn  es  ist  sehr  pla¬ 
stisch,  lässt  sich  in  grossen  Mengen  in  sie  hineinpressen  und  spreizt 
sehr  gut  und  mit  gleichmässigem  Druck  die  Wunden  auseinander 
Deshalb  hat  sich  uns  an  der  Hautabteilung  des  Katha¬ 
rine  n  h  o  s  p  i  t  al  s  das  Pulver  recht  gut  bei  der  Behandlung  von 
U  1  c  e  r  a  m  o  1 1  i  a,  bei  feuchter  Gangrän,  eiternden 
g  u  mm  ösen  Knochenwunden  und  von  eröffneten  Bubonen 
bewahrt,  besonders  wenn  es  mit  10  P  r  o  z.  Jodoformpulver 
vermischt  wurde. 

Seine  leichte  Herstellbarkeit  und  damit  zusammenhängende  Bil¬ 
ligkeit  dürften  ihm  auch  in  der  Kriegschirurgie  einen  Platz 
sichern. 

Zui  1  rockenbehandlung  der  Vagina  wäre  es  auf 
Grund  seiner  genannten  Eigenschaften  an  und  für  sich  gut  geeignet, 
wenn  es  nicht  den  Nachteil  hätte,  ziemlich  fest  an  der  Schleimhaut  zu 
kleben.  Will  man  es  nun  trotzdem  mit  gestielter  Watte  entfernen,  so 
reizt  es  die  Schleimhaut  zum  Bluten. 

W  ir  verwenden  deshalb  das  geröstete  Säg  mehl  in 
Gazesäckchen,  in  welcher  Form  es  allerdings  lange  nicht  so 
energisch  ausaugend  wirkt,  wie  ohne  Hülle.  Bolus  und  Scobis 
tosta  zu  gleichen  I  eilen  lässt  sich  dagegen  gut  direkt  ver¬ 
wenden. 

Nach  Reinigung  der  eiternden  Wunden  in  dem  Stadium,  in  dem 
sie  zu  Blutungen  und  serösen  Exsudationen  geneigt  zu  sein  pflegen, 
kann  es  reizend  wirken  und  muss  dann,  wie  dies  ja  auch  bei  anderen 
W  undpulvern  der  ball  ist.  weggelassen  werden.  Dann  ist  ja  aber  auch 
r  j)Vtick  ^er  ^  undreinigung  erreicht.  Das  ganze  Geheimnis  der 
Wundbehandlung  beruht  ja  darauf,  der  Wunde  die  richtigen  Feuchtig- 
keitsverhältnisse  zu  verschaffen.  Die  Wunde  soll  nicht  so  viel  Feuch¬ 
tigkeit  haben,  dass  Quellungen  entstehen  und  nicht  so  trocken  sein, 
dass  zu  schnell  fest  anhaftende  Krusten  erzeugt  werden,  unter  denen 
Sekretstauung  eintiitt.  Unter  die  Mittel,  die  diesen  wichtigen 
Zwecken  genügen,  möchte  ich  auch  das  geröstete  Sägmehl  einreihen. 

M  ii  haben  Material  von  Eichen-  und  Buchenholz  verwendet 
Die  Durchprüfung  aller  in  Betracht  kommenden  Hölzer,  die  Ver¬ 


No.  21. 


mischung  mit  anderen  antiseptischen  Mitteln  eröffnet  noch  ein  weites 
Feld  variierender  Forschung. 


Ueber  die  erfolgreiche  Behandlung  von  hämophilen 
Blutungen  mittels  des  Thermokauters. 

Von  Dr.  R.  P  a  r  r  e  i  d  t,  Zahnarzt  in  Leipzig. 

Unter  obiger  Ueberschrift  veröffentlichte  Dr.  Hans  Hahn  zwei 
Krankengeschichten,  wo  die  Kauterisation  günstige  Erfolge  bei 
Hämophilie  gehabt  haben  soll.  Da,  wie  der  Verf.  angibt,  die  Kauteri¬ 
sation  in  der  inneren  Medizin  und  Kinderheilkunde  wenig  bekannt  ist. 
so  ist  es  ganz  verdienstvoll,  dass  auf  dieses  Mittel  zur  Blutstillung 
aufmerksam  gemacht  wird.  Freilich  darf  man  aber  in  der  Kauteri¬ 
sation  nichts  anders  erblicken,  als  ein  Vorgehen,  das  man  bei  Blutern 
auch  einmal  versuchen  kann.  In  zahnärztlichen  Kreisen  ist  die 
Kauterisation  als  Mittel  zur  Blutstillung  allgemein  bekannt  und  wird 
auch  häufiger  angewendet,  natürlich  auch  bei  Blutern.  Bei  diesen 
versagt  das  Mittel  aber  genau  so  oft,  wie  jedes  andere,  und  verdient 
durchaus  keinen  Vorzug.  Es  können  in  dieser  Beziehung  zwei 
Krankengeschichten  auch  nicht  als  beweiskräftig  angesehen  werden 
da  die  Wirkung  in  diesen  Fällen  auf  Zufall  beruhen  kann.  Als  Be¬ 
weis  dafür,  wie  man  sich  täuschen  kann,  möchte  ich  einen  Fall  aus 
der  Praxis  anführen.  Es  handelt  sich  um  einen  Jungen,  der  jetzt 
seine  Schneidezähne  wechselt  und  unter  Blutungen  viel  zu  leiden 
hat.  Woher  die  Hämophilie  stammt  ist  unklar,  sie  soll  nicht  vererb* 
sondern  erworben  sein.  Bei  Verlust  jedes  Milchzahnes  hat  der  Junge 
an  tagelangen  Blutungen  zu  leiden,  ob  die  Zähne  nun  von  selbst 
herausfallen  oder  vom  Zahnarzt  entfernt  werden.  Zur  Stillung  dieser 
Blutungen  sind  nun  schon  sämtliche  bekannten  Mittel  angewandt 
worden,  jedesmal  half  schliesslich  ein  anderes.  Man  dachte  anfangs- 
nun  haben  wir  endlich  das  Mittel  gefunden,  das  dem  Jungen  hilft, 
aber  wandte  man  es  das  nächste  Mal  an,  so  konnte  man  schon  in' 
voraus  auf  einen  Misserfolg  rechnen.  Bei  diesem  Kinde  wurde 
natürlich  auch  die  Kauterisation  versucht.  Es  schien  auch  ein  Erfolg 
da  zu  sein,  aber  in  der  Nacht  fing  die  Blutung  wieder  an.  Als  die 
behandelnden  Aerzte  alle  bekannten  Mittel  durchversucht  hatten 
haben  die  Eltern  in  ihrer  Verzweiflung  einmal  „Magnetisieren  und 
Besprechen"  durch  eine  Frau  anwenden  lassen  und  dieses  Kur- 
ptuschermittel  hat  sofort  geholfen.  Natürlich  glauben  wir  gar  nicht 
daran,  dass  dieser  Schwindel  und  Hokuspokus  etwas  genützt  hat. 
Die  Blutung  war  eben  so  weit,  dass  sie  aufhörte  und  jedes  andere 
Mittel  hätte  auch  Erfolg  gehabt.  Beim  nächsten  Milchzahn,  der  von 
mir  entfernt  wurde,  genügte  einfache  Tamponade  und  Bettruhe,  utn 
eine  Nachblutung  nicht  auftreten  zu  lassen.  Ich  führe  diesen  Fall 
nur  an,  um  zu  beweisen,  dass  man  sehr  vorsichtig  mit  der  Be¬ 
hauptung  sein  muss:  ein  bestimmtes  Mittel  habe  bei  Blutern  ge¬ 
holfen.  Es  wird  wohl  meist  so  sein,  dass  aus  uns  nicht  bekannten 
Gründen  bei  Anwendung  irgend  eines  Mittels  die  Blutung  zufällig 
zum  Stillstand  kommt.  Ein  Grund,  dieses  Mittel  dann  aber  als  besonders 
erfolgreich  zu  empfehlen,  liegt  meines  Erachtens  durchaus  nicht  vor. 
Dass  man  empfiehlt,  wie  Hahn  es  getan  hat,  dass  auch  damit  ein 
Versuch  gemacht  wird,  kann  nichts  schaden,  aber  einen  Erfolg  kam; 
inan  nie  versprechen.  Vor  all  zu  grossen  Hoffnungen  in  dieser  Hin¬ 
sicht  zu  warnen,  war  der  Zweck  dieser  Zeilen. 


Eine  Fehlerquelle  beim  Ablesen  der  Sabouraud-Noire- 

Tabletten. 

Bemerkung  zu  der  Mitteilung  von  Dr.  A.  Q  u  n  s  e  1 1  -  Strass¬ 
burg  in  No.  18  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dozent  Dr.  G.  Holzknecht  in  Wien. 

Es  ist  sehr  verdienstlich,  beim  Ablesen  der  Original-Sabouraud- 
I  astille  und  der  ähnlichen  B  o  r  d  i  e  r  sehen  das  wechselnde  Tages- 
licht,  das  bis  100  Proz.  Dosierungsfehler  mit  sich  bringt,  durch  eine 
konstante  Lichtquelle  zu  ersetzen,  und  ich  kann  Herrn  Gunsett 
nur  zustimmen,  wenn  er  eine  der  hiezu  geeigneten  in  Frankreich  und 
Deutschland  kürzlich  erdachten  Vorrichtungen  mit  Farbfilter 
(Nogier,  Krüger,  Bucky)  jenen  empfiehlt,  welche  mit  den 
Or  iginalradiometern  arbeiten.  Es  ist  auch  richtig,  dass  man 
auch,  meine  Skala  zum  Sabouraud  mittelst  dieser  Vorrich¬ 
tungen  ablesen  kann,  wenn  man  aus  ihnen  alle  Filter  etc.  entfernt 
und  dann  eben  nur  ihre  Kohlenfadenglühlampen  benützt,  wie  ja  meine 
^kala  auch  bisher  mittelst  Gliihlampcnlicht  abgelesen  wurde.  Sie 
kann  also  auch  bei  der  Glühlampe  dieses  Apparates  abgelesen 
v  erden,  hat  aber  von  der  Verwendung  desselben  keinerlei  Nutzer. 
In  der  obigen  Mitteilung  hätte  sie  also  unerwähnt  bleiben  oder  de: 
Umstand  erwähnt  sein  -  können,  dass  diese  Vorrichtungen 
t  ii  r  meine  Skala  überflüssig  sind.  Implicite  ist  das  ia 
auch  für  den  gut  Unterrichteten  in  der  obigen  Mitteilung  enthalten 
und  ich  stelle  mich  daher  in  keinen  Gegensatz  zu  ihr,  möchte  aber 
den  Irrtum  der  Leser  vermieden  wissen,  dass  diese  neuen  Vorrich¬ 
tungen  bei  Verwendung  meiner  Skala  irgendwelchen  Vorteil  bieten 
odei  dass  meiner  Skala  ein  durch  die  neuen  Ablesevorrichtungeii  zu 
beseitigender  Fehler  anhaftet. 

Ich  habe  nämlich  den  hier  in  Rede  stehenden  Fehler  der 
Originalapparate  nebst  einigen  anderen  von  Anfang  an  (1909) 


Mai  1913. 


MUENCHENEK  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


o 


£  I . 


dadurch  beseitigt,  dass  ich  den  Vergleich  mit  einem  gefärbten 
Kai  ton  aufgab  und  sowohl  als  Mess-  als  auch  als  Testfarbe  das 
gleiche  Material,  Bariumplatinzyanur  benützte.  Näheres 
darüber  nndet  sich:  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgen- 

strahlen  1911. 


Aerztliche  Besichtigungsreise  nach  Bad  Reichenhall 
am  9.  und  10.  Mai  1913. 

6  Jahre  ist  es  her,  seit  das  Kgl.  bayer.  Finanzministerium  die 
erste  ärztliche  Bäderreise,  damals  nach  Kissingen  und  Brückenau, 
veranstaltet  hat.  Fs  ist  bekannt,  dass  der  damalige  Finanzminister 
Lxz.  v.  P  f  a  f  f  bereits  die  Absicht  aussprach,  die  bayerischen  Aerzte 
auch  zur  Besichtigung  des  staatlichen  Bades  Reichenhall  einzuladen, 
indem  er  von  dem  gewiss  richtigen  Gedanken  ausging,  dass  nichts 
besser  als  persönliche  Einblicke  dazu  dienen  könne,  bei  den 
Aerzten  des  Landes  richtige  Anschauungen  über  die  in  Bayern  vor¬ 
handenen  Bäder  und  Kurmittel  hervorzurufen,  ihren  Wert  gegenüber 
den  ausserbayerischen  Bädern  und  Kurorten  in  das  rechte  Licht  zu 
stellen,  etwa  bestehende  Vorurteile  zu  zerstreuen  und  alteingebür¬ 
gerte  Gewohnheiten,  welche  ja  auch  in  der  Balneologie  eine  grosse 
Rolle  spielen,  zu  durchbrechen,  als  eben  die  persönliche  Anschauung 
durch  die  Aerzte  selbst.  Es  ist  klar  und  braucht  bei  den  tatsächlich 
vortrefflichen  Verhältnissen  durch  nichts  bemäntelt  zu  werden,  dass 
dabei  die  Absicht  verfolgt  wird,  den  Besuch  der  staatlichen  baye¬ 
rischen  Bäder,  auf  welche  der  Staat  gerade  im  letzten  Dezennium 
ungezählte,  d.  h.  besser  gesagt,  sehr  wohlgezählte  Summen  verwendet 
hat,  gerade  auch  aus  den  Kreisen  der  bayerischen  Klientel  der  Aerzte 
zu  steigern.  Wie  weit  dieser  Zweck  hinsichtlich  Kissingens  erreicht 
worden  ist,  entzieht  sich  meiner  näheren  Kenntnis,  aber  jedenfalls 
hat  auch  der  Nachfolger  des  früheren  Finanzministers,  Exz.  v.  B  r  e  u  - 
n  i  g,  die  Fruchtbarkeit  dieser  Idee  richtig  wahrgenommen  und  das 
Projekt  seines  Vorgängers  wieder  aufgenommen.  Er  traf  dabei  mit 
Wünschen  zusammen,  welche  in  der  Vorstandschaft  des  Bayerischen 
Landesverbandes  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  schon  seit 
längerer  Zeit  sich  gerührt  hatten.  Hatten  doch  die  vom  Zentral¬ 
komitee  für  ärztliche  Studienreisen  alljährlich  veranstalteten  und  im 
grossen  Stil  durchgeführten  ärztlichen  Besichtigungsreisen,  welche  ia 
bekanntlich  im  vorigen  Jahre  bereits  auf  Amerika  übergegriffen 
haben,  den  vielseitigen  Nutzen  dieses  Anschauungsunterrichtes  für  die 
ärztliche  Fortbildung  immer  sehr  rege  gehalten.  So  begegnete  sich 
dieses  Planen  innerhalb  des  bayerischen  Landesverbandes  für  das 
ärztliche  Fortbildungswesen  zu  Beginn  dieses  Jahres  mit  den  Ab¬ 
sichten  des  Kgl.  Finanzministeriums  und  es  wurden  die  Vorberei¬ 
tungen  für  den  Besuch  unseres  herrlichen  bayerischen  alpinen  Kur¬ 
ortes  Bad  Reichenhall  energisch  in  Angriff  genommen.  Bekanntlich 
hat  der  bayerische  Staat  auf  die  zeitgemässe  Ausgestaltung  gerade 
auch  dieses  Bades  in  den  letzten  Jahren  grosse  Summen  verwendet 
und,  wie  sich  die  ärztlichen  Besucher  am  9.  und  10.  Mai  überzeugen 
konnten,  nicht  geknausert,  um  Reichenhall,  das  schon  von  Natur  aus 
eminente  Vorzüge  besitzt,  auch  durch  möglichst  vollkommene  Aus¬ 
gestaltung  seiner  Kurmittel  in  die  erste  Reihe  der  deutschen  und  viel¬ 
leicht  auch  ausserdeutschen  Bäder  zu  rücken.  Wie  wichtig  der 
Grundsatz  ist,  zuerst  die  Einrichtung  der  Bäder  auf  eine  möglichst 
hohe  Stufe  zu  bringen,  und  dann  zu  hoffen,  dass  ein  dementsprechen¬ 
der  Besuch  sich  entwickeln  möge,  das  hatte  auch  Finanzminister 
v.  Riedel  bereits  in  den  letzten  Jahren  seiner  Amtsführung  im 
bayerischen  Landtag  wiederholt  ausgesprochen,  aber  erst  seinen 
Nachfolgern  war  es  beschieden,  diesen  Grundsatz,  von  dem  man  öfter 
glaubt,  seine  Umkehrung  wäre  das  richtige,  in  die  Praxis  umzusetzen. 

Die  diesjährige  Reise  war  offenbar,  dafür  spricht  ihr  ganzer 
tadelloser  Ablauf,  von  seiten  der  beteiligten  Faktoren  auf  das  sorg¬ 
fältigste  vorbereitet  worden  und  es  darf  wohl  auch  an  dieser  Stelle 
dem  Schriftführer  des  Bayerischen  Landesverbandes,  Herrn  Dr.  Jor¬ 
dan-München,  für  seine  Umsicht,  Geschicklichkeit  und  nie  ver¬ 
sagende  Liebenswürdigkeit,  mit  welcher  er  auch  als  ärztlicher  Reise- 
inarschall  tätig  war,  der  Dank  aller  Teilnehmer  zum  Ausdruck  ge¬ 
bracht  werden.  Man  kann  nur  sagen,  alles  klappte  ausgezeichnet. 
Den  von  der  Verkehrsverwaltung  in  sehr  entgegenkommender  Weise 
aus  lauter  Wagen  I.  Klasse  gestellten  Extrazug  bestiegen  in  München 
8.4  ärztliche  Teilnehmer,  von  denen  etwa  die  Hälfte  nicht  in  München, 
sondern  verschiedenen  Teilen  Bayerns  ihren  Wohnsitz  hat.  Man 
kann  also  nicht  sagen,  dass  unter  den  Münchener  Kollegen,  welche 
lange  nicht  10  Proz.  ihres  derzeitigen  Bestandes  für  diese  Bäderreise 
abgestellt  hatten,  ein  sehr  lebhafter  Drang  für  Reisen  in  Extrazügen 
wahrnehmbar  ist.  Der  Grund  für  den  etwas  schwachen  Zuzug  aus 
München  - —  bei  der  Reise  nach  Kissingen  war  er  ja  grösser  gewesen 
—  liegt  in  verschiedenen  Umständen,  z.  B.  in  der  Annäherung  des 
Rcisetermins  an  die  Pfingsttage,  welche  aus  manchen  andern  aus¬ 
schlaggebenden  Gründen  sich  andererseits  als  zweckmässig  heraus¬ 
gestellt  hatte,  dann  wohl  auch  in  den  mancherlei  Schwierigkeiten 
hinsichtlich  der  Vertretungsfrage.  Wenn  der  im  Bayer.  Landesver¬ 
band  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  und,  wie  wir  hören,  auch 
im  Kgl.  bayer.  Finanzministerium  vorhandene  Plan,  solche  Bäder¬ 
reisen  zu  einer  periodischen  Einrichtung  zu  gestalten,  verwirklicht 
wird,  so  glaube  ich,  dass  ein  wichtiger  Punkt  für  einen  möglichst 
zahlreichen  Besuch  solcher  Veranstaltungen  darin  gegeben  ist,  dass 
man  die  für  eine  solche  Reise  nötige  Zeit  auf  das  allerknappste  kom¬ 
primiert.  Nur  dadurch  kommt  ein  noch  grösserer  Teil  der  in  der 
vollen  Praxis  stehenden  Kollegen  in  die  Möglichkeit,  Sprechzimmer 


und  Krankenstube  ohne  zu  grosse  Gewissensbisse  und  Einbusse  zu 
verlassen. 

Der  Extrazug  beherbergte  als  offizielle  Persönlichkeiten  den 
Generalstabsarzt  der  Armee,  Exz.  v.  S  e  y  d  e  1,  für  das  Kriegsmini¬ 
sterium  resp.  Militärsanitätswesen,  ferner  Prof.  Ministerialrat  Dieu- 
donnc,  Kreismedizinalrat  Messerer,  Hof-Oberbaurat  Drol- 
1  i  n  g  e  r,  den  Architekten  des  Bades  Reichenhall,  ferner  den  Refe¬ 
renten  für  das  Bäderwesen  Oberregierungsrat  Dr.  Neumaier 
aus  dem  Finanzministerium,  und  noch  mehrere  Herren  Refe¬ 
renten  aus  demselben  Ministerium,  sowie  aus  dem  Ministerium 
des  Innern.  Auch  die  Vorstandschaft  des  Bayerischen  Landes¬ 
verbandes  war  durch  mehrere  Herren,  darunter  Prof.  v.  Rom- 
b  e  r  g,  vertreten.  In  flotter  Fahrt  lief  der  Zug  am  9.  mittags  durch 
die  in  vollster  Frühlingssonne  zauberhaft  schön  und  duftig  daliegende 
Landschaft  und  traf,  nicht  ohne  dass  die  Reisenden  in  ihren  eleganten 
Coupes  eine  sehr  angenehme  auch  leibliche  Stärkung  erfahren  hätten, 
nach  etwa  3  Stunden  Fahrt,  welche  auch  zu  kollegialem  Austausch 
die  beste  Gelegenheit  bot,  in  Bad  Reichenhall  ein,  herzlichst  begriisst 
von  einer  stattlichen  Schar  Reichenhaller  Kollegen,  an  ihrer  Spitze 
der  Vorsitzende  des  ärztlichen  Bezirksvereines.  Dr.  B  u  1 1  i  n  g.  Schon 
der  Weg  nach  den  verschiedenen  Hotels,  welche  während  des  Auf¬ 
enthaltes  der  Aerzte  eine  ausgezeichnete  und  behagliche  Unterkunft 
geboten  haben,  liess  einen  Blick  tun  auf  die  im  prächtigen  Früh¬ 
lingsflor  sich  präsentierenden  Parkanlagen  um  das  .Gradierhaus,  Kur¬ 
haus  und  die  Wandelhalle,  welch  letztere  erst  vor  kurzem  durch 
Hofoberbaurat  Drollingerim  Verein  mit  anderen  Künstlern  in  sehr 
geschmackvoller  und  zweckmässiger  Weise  erbaut  worden  ist  und 
zusammen  mit  der  Promenade  am  Gradierhaus  den  Badegästen  bei 
schlechtem  Wetter  einen  trockenen  Weg  von  ca.  500  m  Länge 
garantiert.  Die  zwei  ersten  Stunden  des  Aufenthaltes  wurden,  nach¬ 
dem  die  Einteilung  in  Gruppen  und  die  Uebernahme  der  Führung 
durch  eine  Anzahl  Reichenhaller  Kollegen,  ich  nenne  nur  Hofrat 
Dr.  Krez,  Dr,  Schöppner,  Dr.  v.  Heinleth,  Dr.  Schmid,  sich  in 
glattester  Weise  abgewickelt  hatte,  zu  kleineren  Spaziergängen  durch 
die  Stadt  und  Umgebung  verwendet.  Dabei  hatten  die  ärztlichen 
Gäste,  soweit  sie  das  Bad  Reichenhall  noch  nicht  kannten,  sofort 
Gelegenheit,  sich  zu  überzeugen,  in  welchen  einzig  schönen  land¬ 
schaftlichen  Rahmen  dieser  Kurort  hineingebettet  ist,  in  eine  Szenerie, 
welche  die  Reize  der  deutschen  Gebirgslandschaft  in  grossartiger 
Weise  in  sich  vereinigt  und  jeden  Beschauer  mit  Entzücken  erfüllen 
muss.  Jeder  Arzt  wird  sich  sogleich  überzeugt  haben,  dass  die  Lage 
der  Badestadt  im  grünen  Saalachthaie,  angelehnt  an  wald-  und 
wiesenbedeckte,  wundervoll  geformte  Hügel,  auf  drei  Seiten  um¬ 
schlossen  durch  weit  hinauf  mit  herrlichen  Wäldern  bedeckte  Berge, 
nicht  nur  eine  landschaftlich  prächtige,  sondern  besonders  für  die  in 
Frage  kommenden  Kurzwecke  sehr  glückliche  ist.  Zunächst  bot  sich 
nun  Gelegenheit,  in  dem  sog.  Guellenbau,  wo  die  salzhaltigen  zahl¬ 
reichen  Quellen  Reichenhalls  entspringen  und  gefasst  sind,  den  ur¬ 
sprünglichen  Kristallisationspunkt  des  Bades  Reichenhall  kennen-  zu 
lernen.  Denn  von  den  klimatischen  Faktoren  abgesehen,  haben  von 
jeher  die  Reichenhaller  Soolquellen  den  naturgemässen  Mittelpunkt 
für  die  Kurzwecke  gebildet,  um  weichen  sich  dann  im  Laufe  der 
letzten  Dezennien  ein  reicher  Kranz  anderweitiger  Kurmittel  gruppiert 
hat,  auf  die  wir  noch  zu  sprechen  kommen.  Wir  wissen,  dass  die 
Reichenhaller  Kollegen  Wert  darauf  legen,  in  dieser  Hinsicht  einer 
ziemlich  weitverbreiteten  Legende  entgegenzutreten,  welche  lautet, 
dass  Reichenhall  selbst  gar  keine  Soolquellen  besitze,  sondern  dass 
die  Soole  aus  Berchtesgaden  zugeleitet  werde.  Das  ist  nun  ganz  und 
gar  nicht  der  Fall,  denn  für  die  Soolbäder  in  Reichenhall  wird  aus¬ 
schliesslich  die  im  sog.  Quellenbau  entspringende  Edelquelle  ver¬ 
wendet,  welche  hier  zusammen  mit  einer  grösseren  Anzahl  ander¬ 
weitiger  Kochsalzwässer  von  sehr  wechselnder  Konzentration,  näm¬ 
lich  von  0,6 — 24  Proz.  Kochsalzgehalt,  zutage  tritt  und  für  die  ver¬ 
schiedenen  Badeeinrichtungen  der  Stadt  zur  Verwendung  gelangt. 
Die  maschinellen  Einrichtungen  des  Salinenwerkes  sind  jedenfalls 
interessant  zu  sehen,  wir  können  allerdings  nicht  beurteilen,  wie  weit 
sie  in  ihrer  altehrwiirdigen  Form  der  kaufmännischen  Seite  des 
Salinenbetriebes  gerecht  werden  können,  doch  ist  das  ja  etwas,  was 
unsere  Kranken  und  auch  uns  Aerzte  sehr  wenig  berührt.  Da  die 
Reichenhaller  Soole  in  so  starker  Konzentration  zutage  tritt,  so 
muss  sie,  nachdem  die  Bäder  meist  etwa  2 — 5  proz.  verabreicht  wer¬ 
den,  zum  Bädergebrauch  entsprechend  abgeschwächt  werden.  Der 
Spaziergang  durch  die  in  strahlender  Sonne  daliegende  Badestadt 
zeigte  uns  nicht  nur  einige  malerische  Ueberreste  aus  Reichenhalls 
alten  Tagen  und  manche  intimere  architektonische  Bilder  aus  früherer 
Zeit,  sondern  besonders  auch  eine  sehr  grosse  Zahl  neuerbauter 
Wohnhäuser.  Pensionen,  vielfach  umgeben  von  reizenden  äusserst 
sauber  gehaltenen  Gärten.  Betrachtet  man  die  Nettigkeit,  den  meist 
zutage  tretenden  Geschmack,  die  überall  sich  bemerkbar  machende 
Reinlichkeit,  den  guten  Zustand  der  Wege  in  und  um  die  Stadt,  was 
sich  alles  zu  einem  anheimelnden,  behaglichen  und  hygienisch  an¬ 
sprechenden  Bilde  vereinigt,  dann  muss  man  sagen,  hier  ist  ein  Platz, 
welcher  sich  in  seiner  Gesamtwirkung  ruhig  neben  Ems,  Neuenahr. 
Homburg,  Marienbad  und  viele  andere  Badestädte,  die  man  zum 
Vergleich  heranziehen  könnte,  stellen  darf,  und  jeder  Arzt,  der,  wie 
Referent,  eine  grosse  Zahl  deutscher  und  ausserdeutscher  Kurorte 
besichtigt  hat,  muss  mit  voller  Ueberzeugung  und  mit  grosser  Be¬ 
friedigung  sagen,  dass  die  Kurstadt  Reichenhall  sich  in  ihrem  gegen¬ 
wärtigen  Gewände  vor  der  ganzen  Welt  wohl  sehen  lassen  kann. 

Abends  6  Uhr  vereinigte  ein  streng  wissenschaftlicher  Zweck  die 
Teilnehmer  im  hohen  Kurhaussaal.  Nach  Begrüssung  der  Er- 


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schienenen  durch  Dr.  B  u  1 1  i  n  g  richtete  Prof.  Dieudonne  im 
Namen  seines  Ministeriums  eine  kurze  Ansprache  an  die  gekommenen 
Kollegen  und  dann  hatten  wir  das  Vergnügen,  von  seilen  dreier 
Reichenhaller  Kollegen  Vorträge  über  die  hauptsächlichsten  Kurmittel 
des  Bades  Reichenhall  anzuhören.  Hofrat  Dr.  Schöppner  ver- 
breitete  sich  hauptsächlich  über  die  Inhalationstherapie  und  setzte  die 
Einzelheiten  der  verschiedenen  in  Betracht  kommenden  Systeme 
(hauptsächlich  Reif,  Bulling,  Wassmuth  u.  a.)  an  der  Hand 
von  Zeichnungen  auseinander  und  legte  auch  das  Indikationsgebiet 
für  diese  Art  von  1  herapie,  welche  ja  für  Reichenhall  mit  einen 
Mauptplatz  einnimmt,  dar.^  Hierauf  sprach  Prof.  C  o  r  n  e  t  eingehend 
über  die  pneumatische  I  herapie  in  ihren  verschiedenen  Formen, 
für  welche  in  Reichenhall  eine  besonders  hervorragende  und  auf 
den  Arbeiten  von  Q.  v.  L  i  e  b  i  g  fussende  Einrichtung  besteht,  die 
sonstwo  kaum  ihresgleichen  besitzt.  Nach  den  Ausführungen  des 
Redners  hat  sich  die  Ueberdruckbehandlung.  besonders  bei  chro¬ 
nischen  Katarrhen.  Emphysem.  Asthma,  pleuritischen  Exudaten,  in 
besonderem  Masse  bewährt,  so  dass  nach  den  dort  gewonnenen  Er¬ 
fahrungen  diese  Behandlungsart,  welche  offenbar  im  Ausland  mehr 
bekannt  ist,  als  in  Bayern  selbst,  eine  weitaus  grössere  Beachtung 
verdient,  als  ihr,  wie  es  scheint,  bei  uns  zu  Lande  zuteil  wird.  Die 
ärztlichen  Gäste  hatten  übrigens  Gelegenheit,  einen  kurzen  Versuch 
nach  dieser  Richtung  an  sich  selbst  anstellen  zu  können,  worauf  ich 
noch  komme.  Herr  Kollege  v.  H  e  i  n  1  e  t  h  endlich  führte  seine  Zu¬ 
hörer  in  uralte  Zeiten  der  Erde  zurück,  indem  er  die  Entstehung  der 
Wälzlager  nach  geologischen  Gesichtspunkten  schilderte,  und  nach 
dieser  Exkursion  in  dieses  interessante  Kapitel  sich  eingehend  mit 
physiologischen  Darlegungen  über  die  Resorptionsvorgänge  bei  Auf¬ 
nahme  von  isotonischen,  hypo-  oder  hyperisotonischen  Kochsalz¬ 
lösungen  aus  dem  Darm  beschäftigte.  Die  nächste  Veranlassung  für 
diese  Darlegung  bildet  der  Umstand,  dass  der  Vortragende  selbst  vor 
einigen  Jahren  im  Reichenhaller  Quellenbau  eine  Kochsalzquelle 
mit  einer  Konzentration  von  0,6— 0,7  Proz.  festzustellen  vermochte, 
welche  nunmehr  zur  Trinkkur  in  Reichenhall  verwendet  werden  soll 
und  zu  diesem  Behufe  in  die  neuerbaute  Wandelhalle  geleitet  worden 
ist.  Diese  Quelle  soll  den  Namen  des  Kaisers  Karl  führen,  der  ia 
bekanntlich  auch  heute  noch  im  Untersberg  sitzt  und,  da  die  Reichen¬ 
haller  Salzlager  sich  nach  den  geologischen  Darlegungen  v.  H  e  i  n  - 
leths  gerade  auch  unter  den  Untersberg  hineinziehen,  von  seinem 
steinernen  Tische  aus  augenscheinlich  statt  der  sagenhaften  Raben 
diese  Kochsalzwässer  ins  Land  schickt. 

Die  Kaiser-Karl-Quelle,  welche  eine  nicht  unbeträchtliche  Radio¬ 
aktivität  aufweist,  und  damit  in  den  Augen  Mancher  erst  konkurrenz¬ 
fähig  wird,  hat  eine  tägliche  Schüttung  von  ca.  1000  Liter  und  steht 
in  ihrer  chemischen  Zusammensetzung  dem  Kochbrunnen  in  Wies¬ 
baden,  sowie  einigen  Nauheimer  Quellen  nahe,  ihr  Indikationsgebiet, 
welches  v.  Heinleth  ebenfalls  erörterte,  ist  im  wesentlichen  das 
der  bekannten  Kochsalzquellen  anderer  Herkunft. 

..  .  ,De«;  Abend  des  9.  Mai  vereinigte  die  ärztlichen  Gäste,  zahlreiche 
Keichenhaller  Kollegen  sowie  die  Vertreter  der  Reichenhaller  Bürger¬ 
schaft  zu  einem  gemütlichen,  von  der  Stadt  Reichenhall  und  den 
Reichenhaller  Aerzten  im  grossen  Saale  des  Hotel  „Deutscher  Kaiser“ 
gegebenen  Bierabend,  auf  welchem  die  Gäste  den  gebotenen  Ge¬ 
nüssen  unter  den  Klängen  der  Musik  alle  Ehre  antaten.  In  allen  ge¬ 
haltenen  Reden,  wie  z.  B.  in  jener  des  Herrn  rechtskundigen  Bürger¬ 
meisters  S  ö  1 1  n  e  r,  welcher  die  erschienenen  Vertreter  der  Mini¬ 
sterien.  der  Regierung,  der  medizinischen  Fakultäten,  des  bayerischen 
Landesverbandes  begriisste,  so  auch  in  der  eindrucksvollen  Rede 
v.  Rombergs  über  die  Bedeutung  und  die  Zukunft  von  Bad 
Reichenhall,  auch  in  der  Ansprache  des  Herrn  Hofrats  Gold- 
s  c  h  m  i  d  t,  des  Seniors  der  Reichenhaller  Aerzteschaft.  überall  kehrte 
neben  dein  \\  uiisch,  dass  es  den  Gästen  gut  gefallen  möge,  als 
mannigfach  variiertes  Leitmotiv  die  Meinung  wieder,  dass  die  baye- 
rischen  Aerzte  das  schöne  Reichenhall  doch  noch  zu  wenig  kennen, 
infolgedessen  relativ  zu  selten  .Patienten  in  einen  Kurort  entsenden, 
welcher  ausserhalb  Deutschlands,  besonders  im  östlichen  Europa 
sich  so  hoher  Anerkennung  erfreut,  und  dass  in  dieser  Hinsicht  der 
Aerzlebesuch  einen  Wandel  herbeiführen  möge.  Und  in  der  Tat.  nicht 
nur  die  Kunst,  auch  die  Badeorte,  sogar  die  staatlichen,  gehen  nach 
Brob  Es  ist  schade,  dass  der  vortreffliche  Humorist,  Herr  Pflanz  I 
aus  Salzburg,  welcher  uns  den  Abend  über  durch  seine  Darbietungen 
das  Zwerchfell  ei  schlitterte,  nicht  in  seiner  Weise  eine  Kapuzinade 
darüber  gehalten  hat. 

Als  wir  am  Morgen  des  10.  Mai  erwachten,  war  -  o  Wunder!  — 
nichts  von  dem  Reichenhaller  Regen  zu  merken,  sondern  in  strahlen¬ 
der  Sonne  blinkten  die  schneebedeckten  Berge  auf  das  Tal.  Keine 
Spur  vom  Schnürlregen,  von  dem  G.  Ortenau  -  Reichenhall  in 
einem  auf  unseren  Tisch  geflogenen  Aufsatz  sagt,  dass  es  damit 
durchaus  nicht  so  schlimm  stehe,  wie  manche  Leute  behaupten;  denn 
uie  Regentage  seien  in  Reichenhall  nicht  häufiger  als  sonst  in 
unsei  ein  bayerischen  Gebirge  und  nur  die  Quantität  des  vom  Himmel 
momentan  gespendeten  Nasses,  das  ja,  weil  es  sich  bei  den  Soolen 
um  vadose  Gewässer  handelt,  wieder  zur  Anreicherung  der  Soole- 
quellcn  dient,  scheint  in  Reichenhall  an  manchen  Regentagen  ein 
gew  isses  Uebermass  anzunehmen.  Nun  ging  es  seitens  verschiedener 
Gäste  in  die  Kuranstalten,  um  am  eigenen  Leibe  die  Wirkung  der 
■  oolbädei  und  dergl.  auszuprobieren,  andere  erfreuten  sich  an  den 
i  arme  tu  iigen  der  vortrefflichen  Kurmusik  im  Kurgarten,  bezwr.  in 
der  \\  am  eihalle,  deren  akustische  Verhältnisse  mir  gerühmt  wurden, 
abei  um  9  Uhr  begann  dann  wieder  die  strengere  Pflicht  der 
ordnungsgemässen  Badebesichtigung,  welche  bis  mittags  die  Teil¬ 
nehmer  unter  ihren  eifrigen  und  liebenswürdigen  Gruppenführern 


intensiv  beschäftigte.  Es  ist  hier  nicht  der  Raum,  alles  das,  was  uns 
vorgeführt  wurde,  im  einzelnen  zu  beschreiben  und  zu  würdigen  oder 
einer  Kritik  zu  unterstellen;  umsoweniger  als  die  einzelnen  Gruppen 
nicht  samt  und  sonders  das  nämliche  Programm  zu  absolvieren  hatten 

Die  eigentlichen  Badeeinrichtungen  Reichenhalls  befinden  sich  in 
privaten  Händen,  sie  beziehen  ihre  Soole  gegen  einen  bestimmten 
Satz  von  der  Kgl.  Verwaltung.  Zu  dem  Hauptrüstzeug  des  Kurortes 
gehören  neben  den  Bädern  vor  allem  die  verschiedenen  Inhalatorien 
welche  mit  verschieden  hohem  Komfort  ausgestattet,  aber  in  ihrer 
Einrichtung  hinsichtlich  der  Apparate  (es  handelt  sich  z.  T.  um 
sog.  Raum-,  z.  T.  um  Einzelinhalation),  soweit  wir  sie  gesehen  haben 
modern,  zweckmässig  und  z.  T.  geradezu  mustergültig  sind. 

Als  das  Zentrum  der  in  Reichenhall  vorhandenen  Anstalten  prä 
sentiert  sich  die  Herzogi.  Bayer.  Hofkuranstalt  „Dianabad“  (Besitzer 
Apotheker  Max  Segebarth),  welche  sich  in  ihrem  Prospekt  als 
die  grösste  Anlage  der  Welt  bezeichnet.  Diese  Anstalt,  welche  sich 
architektonisch  mit  besonderer  Vornehmheit,  innen  mit  erlesenem 
Geschmack  ausgestaltet,  präsentiert,  umfasst  eigentlich  drei  in  eins 
zusammengeschmolzene  Anstalten.  Das  besondere  Interesse  der 
1  eilnehmer  fand  die  pneumatische  Anstalt,  welche  10  grosse  pneu¬ 
matische  Kammern  enthält,  deren  eingehende  Beschreibung  mir  hier 
erlassen  sei.  Tlerausgewachsen  in  ihrer  ersten  Anlage  aus  einer 
Konstruktion  des  Herrn  Apothekers  Mack,  dem  Reichenhall  viel 
zu  verdanken  hat.  stellen  diese  pneumatischen  Kammern  in  ihrer 
jetzigen  technischen  und  hygienischen  Gestalt  etwas  sehr  Intercs- 
saiites  dar.  Die  in  die  Kammern  geführte  komprimierte  Luft  wird 
mittels  eines  Saugkamins  hoch  über  den  Boden  entnommen,  nach  ihrer 
Kompression  durch  grosse  Filter  und  Kühlanlagen  geführt,  bevor  sie 
in  die  pneumatischen  Kammern,  deren  eine  bis  zu  25  Personen  fasst 
eingeleitet  wird.  Die  Regulierung  des  in  den  Kammern  herzustellen¬ 
den  Ueberdruckes,  welcher  auf  'A  Atmosphäre  gebracht  ward  wird 
genauestens  überwacht,  die  Qualität  der  benützten  Luft  wird  genau 
kontrolliert  und  sehr  sorgfältig  aufgestellte  Betriebs-  und  Verhal- 
tungsmassregeln  nebst  andauernder  ärztlicher  Ueberwachung  sorgen 
dafür,  dass  die  in  den  pneumatischen  Kammern  weilenden  Patienten 
keinerlei  Schaden  erfahren  können.  Der  grösste  Teil  der  ärztlichen 
Gäste  liess  sich  die  Gelegenheit  nicht  entgehen,  sich  selbst  von  den 
unmittelbaren  Wirkungen  der  komprimierten  Luft  auf  den  Organismus 
zu  überzeugen,  von  denen  besonders  die  Vertiefung  und  Verlang¬ 
samung  der  Atmung,  die  Verlangsamung  des  Pulses  und  die  „Ver¬ 
legung“  des  Ohres  in  die  Augen  fällt.  Die  Resultate  innerhalb  des 
schon  genannten  Indikationsgebietes  werden  als  sehr  günstige  be¬ 
zeichnet  und  so  besteht  gewiss  alle  Veranlassung,  dass  auch  die 
bayerischen  Aerzte  ihre  Klientel  an  diesen  Erfolgen  mehr  als  bisher 
teilnehmen  lassen.  Der  grosse  Raum,  welcher  die  pneumatischen 
Kammern  umschliesst,  enthält  auch  die  Bilder  jener  drei  Männer, 
welchen  der  Aufschw'ung  Reichenhalls  in  besonderem  Masse  mit 
zu  verdanken  ist,  nämlich  jenes  von  Mack,  jenes  von  G.  v.  Li  e b i  g 
und  jenes  von  Hofrat  S  c  h  m  i  d. 

Die  zweite  Abteilung  des  Dianabades  besteht  in  den  Inhalatorien. 

-  le  umfasst  drei  Inhalationssäle,  in  welchen  Soole  mit  Kieferlatschenül 
nach  dem  System  von  Wass  m  u  t  h  und  Reif  vernebelt  wird, 
und  eine  sehr  grosse  Zahl  tadellos  reinlich  gehaltener  Einzel- 
mhalationsapparate.  Für  die  Reinigung  und  Desinfektion  dieser 
letzteren  ist  vollkommen  entsprechend  Sorge  getragen,  so  dass 
etwaige  Befürchtungen,  als  ob  Tuberkuloseübertragungen  in  Reichen- 
hall  Vorkommen  könnten,  auch  nach  dieser  Richtung  hin  unberechtigt 
s*?“-  Wenn,  wie  Dr-  Bulling  ausführte,  aus  einer  Zahl  von  etwa 
16  000  Kurgästen  nur  75  offene  Tuberkulosen  für  Reichenhall  gemeldet 
werden,  so  sind  damit  diesen  ebengenannten  Befürchtungen  alle 
Unterlagen  entzogen.  Auch  ist  die  Tuberkulosemorbidität  und  -mor- 
tahtät  der  Bevölkerung  von  Reichenhall  unter  dem  Mittel. 

Der  dritte  Teil  des  Dianabades  umfasst  endlich  die  Einrichtung 
:111  die  gesamte  Hydrotherapie  mit  allen  den  Formen,  wie  wir  sie 
in  vollkommen  ausgestatteten  Anstalten  dieser  Art  heutzutage  zu 
sehen  gew'ohnt  sind.  Alles  ist  proper  gehalten  und  harrt  gegen' 
wartig  der  Gäste  der  Saison  1913. 

Vom  Dianabad  führte  unser  Weg  in  die  Kuranstalt  „Katharina“, 
deren  Spezifikum  die  Lignosulfiteinatmungen,  auch  die  Sauerstoff- 
mhalation.  bildet.  Bezüglich  der  ersteren  werden  besonders  Erfolge 
hei  Keuchhusten,  aber  auch  bei  anderweitigen  chronischen  Erkran- 
kunKfn  der  Atmungswege  hervorgehoben.  „Offenbar  eine  Art 
„  nriilia-Similibiis'-Behandlung“,  meinte  ein  etwas  ironisch  gestimmter 
Kollege,  nachdem  er  sich  von  dem  ausgelösten  Hustenanfall  erholt 
hatte.  Die  technische  Einrichtung  für  die  Einatmung  in  dieser  Art  ist, 
wenn  wir  hier  die  manchmal  bestrittenen  therapeutischen  Seiten  ein¬ 
mal  beiseite  lasse,  auch  in  dieser  Anstalt  durchaus  zweckentsprechend. 
In  der  sog.  Parkvilla  besitzt  das  Bad  Reichenhall  ein  kleineres  schw  e¬ 
disches  Institut  für  Heilgymnastik  und  Massage  nach  dem  Zander- 
Her  zschen  System,  ferner  ein  sog.  pneumatisches  Inhalatorium, 
welches  die  Einatmung  verdichteter,  ev.  mit  ätherischen  Medi¬ 
kamenten  gemischter  Luft  und  die  Ausatmung  entweder  in  gewöhn- 
hche  oder  in  verdünnte'  Luft  gestattet  und  so  statt  der  früheren 
sclnverfälligen  Apparate  ein  viel  handsameres  Hilfsmittel  der  Therapie 
bei  Bronchialkatarrheii,  Asthma,  Emphysem  darstellt.  Die  von 
ib.  A.  Bulling  konstruierten  und  eingeführten  Inhalationsapparate 
wue  der  (  bekannte  Thermovariator,  waren  in  dem  Inhalatorium 
„nygieia  zu  sehen  und  zu  studieren.  Den  Schluss  unseres  Be¬ 
sichtigungsturnus  bildete  endlich  ein  Besuch  in  dem  Sanatorium  Bad 
i^e!i  en^la^’  das  ersf.  vor  wenigen  Jahren  von  mehreren  Reichenhaller 
Kollegen  unter  Benützung  aller  Fortschritte  der  Krankenhaustechnik 
und  unter  Herbeiziehung  besonderer  künstlerischer  Kräfte  mit  er-. 


21.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1153 


esenem  Geschmack  und  grösster  Zweckmässigkeit  erbaut  worden  ist. 
Von  seinen  Söllern  geniesst  man  eine  wundervolle  Aussicht  über  Stadt 
uul  Umgebung.  Herr  Kollege  v.  H  e  i  n  1  e  t  h,  welcher  neben  Herrn 
Dr.  S  c  h  m  i  d  für  die  Erbauung  dieses  Sanatoriums  im  besonderen 
Masse  tätig  war,  erläuterte  uns  seine  mustergültigen  Einrichtungen 
roin  Dachraum  bis  zum  Souterrain;  die  geschmackvoll  ausgestatteten 
Innenräume,  die  in  jeder  Hinsicht  vortrefflichen  Einrichtungen  hin¬ 
sichtlich  der  Bäder,  Inhalatorien,  Operationsräume  etc.,  fanden  den 
ingeteilten  Beifall  dei  Besucher  und  niemand  wird  weggegangen  sein, 
>hne  den  ingeniösen  Einfall  v.  H  e  i  n  1  e  t  h  s,  wie  man  ein  Kranken¬ 
zimmer  sofort  in  einen  eleganten  Salon  verwandeln,  wie  man  in  einem 
md  demselben  Bett  und  auf  einer  Matratze  schlafend  dennoch 
eden  Wochentag  eine  andere  Matratze  zur  Unterlage  haben  kann, 
time  alle  diese  Dinge,  wie  besonders  auch  die  verstellbaren  Betten, 
■ebührend  gewürdigt  zu  haben. 

Der  Nachmittag  des  10.  Mai  endlich  war  der  Repräsentation 
n  Gestalt  eines  Festessens  gewidmet,  welches  in  den  Räumen  des 
<gl.  Kurhauses  stattfand  und  vom  Kgl.  Badekommissariat  zu  125  Ge¬ 
lecken  gegeben  wurde.  Der  Kgl.  Badekommissär  Frhr.  v.  Kress 
oastete  auf  die  Gäste  und  betonte  die  Aufwendungen  der  Regierung 
iir  die  Badestadt  Reichenhall.  Schliessend  gedachte  er  des  Prinz- 
Regenten  Ludwig,  zu  dessen  Ehrung  die  Königshymne  stehend  an- 
X'hört  wurde.  Die  von  B  u  1 1  i  n  g,  von  O.-Med.-R.  Wohlmuth- 
Vliinchen,  von  Dr.  v.  H  e  i  n  1  e  t  h  -  Reichenhall  während  der  Tafel, 
•velche  seitens  der  Küche  ganz  besonders  erlesene  Genüsse  bot,  ge- 
taltenen  Reden  gipfelten  alle  darin,  dass  wir  an  Reichenhall  eine 
’erle  besitzen,  deren  Wert  zwar  jetzt  schon  von  nicht  wenigen 
Jebhabern  geschätzt,  aber  von  der  Allgemeinheit,  speziell  der 
»ayerischen  Aerzteschaft,  doch  noch  nicht  gebührend  gewürdigt 
st.  Wenn  hervorgehoben  wurde,  dass  für  den  Kurgebrauch  von 
Reichenhall,  eben  seitens  der  Aerzte,  die  richtige  Jahreszeit,  also 
'riihling,  zweite  Sommerhälfte  und  erste  Herbsthälfte,  gewählt  wer¬ 
ten  müsse,  so  können  wir  das  nur  unterschreiben  und  unterstreichen; 
vir  pflegen  ja  unsere  Patienten  auch  nicht  im  hohen  Sommer  nach 
■Viesbaden  oder  im  Frühjahr  nach  Davos  zu  schicken.  Die  für  den 
inzelnen  Patienten  passende  Jahreszeit  will  eben  nach  persönlicher 
Cenntnisnahme  des  betreffenden  Kurortes  gewählt  sein.  Und  gerade 
iieser  Umstand  wird  durch  einen  Besuch  der  betreffenden  Kurorte 
rst  in  das  rechte  Licht  gerückt. 

Nach  dem  Festessen  lockte  der  wundervolle  Nachmittag  noch  zu 
nancherlei  Ausflügen,  besonders  fand  die  vom  Staate  gegenwärtig 
(■baute  Anlage  des  Saalach-Elektrizitätswerkes,  welches  nach  seiner 
ollendung  eine  ganz  mächtige  elektrische  Krafterzeugung  gewähr¬ 
eistet,  viele  Interessenten.  Man  muss  es  sagen:  schwer  trennte  man 
ich.  als  abends  die  Stunde  der  Abfahrt  herankam,  von  diesem  herr¬ 
schen  Fleck  bayerischer  Erde,  von  der  mit  allen  Segnungen  der 
lodernen  Hygiene  ausgestatteten  Badestadt,  welche  unter  der  Ent- 
altung  energischer  Kräfte  vorwärts  strebt,  und  von  den  viel  ver- 
ienten  und  geplagten  Reichenhaller  Kollegen.  Wir  hätten  ihnen  — 
nd  uns  —  keinen  so  grenzenlos  verregneten  Pfingstsonntag  zur  Er- 
olung  von  unserem  Einfall  in  Reichenhall  gewünscht!  Mit  grossem 
fanke  an  alle,  die  sich  für  das  Zustandekommen  und  Gelingen 
icser  zweiten  ärztlichen  Besichtigungsreise  verdient  gemacht  haben, 
chieden  die  Teilnehmer.  Alle  haben  gewiss  die  Ueberzeugung  mit- 
enommen,  dass  der  bayerische  Staat  sehr  wohl  daran  getan  hat, 
iesen  mit  so  unvergleichlichen  natürlichen  Vorzügen  ausgestatteten 
urort  auf  das  kräftigste  zu  fördern.  Die  Einrichtung,  soweit  sie 
Vissenschaft,  Kunst  und  Geldmittel  schaffen  konnten,  ist  jetzt  da,  wir 
weifein  nicht,  dass  Reichenhall  alle  Vervollkommnung,  welche  der 
auf  der  Zeit  mit  sich  bringt,  mitmachen  wird  und  dass  infolgedessen 
ie  Zahl  der  Kurgäste  von  den  16  000,  die  es  schon  jetzt  aufweist, 
ald  auf  eine  noch  viel  höhere  Besuchsziffer  hinaufgehen  wird.  Die 
ersönlichen  Eindrücke,  welche  die  Teilnehmer  der  heurigen  Aerzte- 
cise  dort  gewonnen  haben,  werden  sicher  nicht  so  bald  vergessen 
ein,  umsomehr,  als  es  sich  bei  Reichenhall  gewiss  nicht  um  die 
orspiegelung  eines  P  o  t'e  m  k  i  n  sehen  Dorfes  handelt,  sondern  um 
ie  Erkennung  und  richtige  Wertschätzung  eines  vaterländischen 
leinodes.  Dr.  Grassmann  -  München. 


\erztliche  Standesangelegenheiten. 

Dichotomie  unter  Aerzten*). 

Man  nennt  den  gut,  der  seinem  Herzen  folgt; 
aber  auch  den,  der  nur  auf  seine  Pflicht 
^  hört.  Nietzsche. 

Von  Dr.  Max  Nassauer  in  München. 

„Sind  Sie  Anhänger  oder  Gegner  der  Dichotomie?“ 

Diese  Frage  wurde  in  den  letzten  Wochen  unter  den  Münchener 
erzten  vielfach  gestellt.  Sie  wurde  von  der  Vorstandschaft  des  ärzt- 
clien  Bezirksvereins  den  einzelnen  Münchener  medizinischen  Gesell- 
ihaften  vorgelegt.  Sie  ist  eine  brennende  ärztliche  Frage  überhaupt. 

Nun  könnte  ein  oberflächlicher  Beurteiler  lächelnd  sich  in  die 
rust  werfen  und  antworten;  „Warum  diese  Frage  überhaupt  auf- 
erfen?  Jeder  anständige  Arzt  wird  sie  verneinend  beantworten, 
ichotomie  ist  unstatthaft!“ 

Viele,  wie  ich  vermute,  sehr  viele  Aerzte  werden  zuerst  fragen: 
Was  ist  denn  überhaupt  Dichotomie?“ 


*)  Vortrag  im  Aerztl.  Bezirksverein  München  am  23.  V.  1913. 

No.  21. 


Nun  wird  der  oberflächliche  Beurteiler  antworten: 

„Unter  Dichotomie  ist  eine  Honorarteilung  zu  verstehen,  zwi¬ 
schen  zwei  Aerzten,  von  denen  der  eine  seinen  Kranken  aus  irgend¬ 
welchen  Ursachen  einem  anderen  Kollegen  überweist.  Beispiels¬ 
weise  überweist  ein  Arzt  für  innere  Krankheiten  einen  Patienten 
einem  chirurgischen  Kollegen  zur  Operation.  Der  operierende  Kollege 
aber  teilt  nunmehr  das  ihm  zufallende  Operations-  und  Nachbe¬ 
handlungshonorar  mit  dem  zuweisenden  Arzte  in  irgendwelchem 
Prozentsatz.“ 

Nun  höre  ich  alle  Aerzte  einstimmig  ausrufen:  Diese  Dichotomie 
ist  standesunwürdig. 

Und  ich  stehe  nicht  an,  zu  sagen:  Diese  Dichotomie  ist  standes- 
unwürdig:  denn  sie  ist  unethisch  und  unmoralisch. 

Also  wäre  die  ganze  Frage  erledigt  und  ich  könnte  mein  Referat 
schliessen.  Nun  aber  wollen  wir  einmal  nach  den  Motiven  der  Dicho¬ 
tomie  forschen. 

Diese  Honorarteilung  kann  aus  zwei  Motiven  stattfinden:  1.  Aus 
Dankbarkeit  des  Chirurgen  und  Erkenntlichkeit  für  die  Zuweisung. 
Oder  2.  aus  einer  besonderen  Auffassung  von  Gerechtigkeitsgefühl. 

Nietzsche  sagt :  Man  nennt  den  gut.  der  seinem  Herzen 
folgt.  Aber  auch  den,  der  nur  auf  seine  Pflicht  hört.“  Und 
Spinoza  sagt:  „Kein  Ding  kann  für  uns  gut  oder  schlecht  sein, 
wenn  es  nicht  etwas  mit  uns  gemeinsam  hat.“ 

Es  muss  also  hinter  der  Frage  der  Dichotomie  doch  noch 
etwas  mehr  stecken,  als  nur  die  oben  angegebene  Definition  angibt. 
Denn  sonst  könnte  sie  überhaupt  keinen  Anlass  zur  Diskussion 
geben. 

Darum  wollen  wir  einmal  mit  unserem  Herzen,  wie  mit  un¬ 
serem  Pflichtgefühl  die  Frage  der  Dichotomie  etwas  tiefer 
aufwühlen,  uns  über  sie  hinausstellen  und  sie  von  verschiedenen  Seiten 
beleuchten.  Sine  ira  et  Studio.  Ich  will  versuchen,  um  möglichst 
objektiv  zu  sein,  mich  aus  meinem  spezialärztlichen  Empfinden  heraus 
möglichst  in  das  Denken  des  praktischen  Arztes  zu  versetzen  und  die 
Frage  der  Dichotomie  durchdenken. 

Der  praktische  Arzt,  der  diese  Frage  durchdenkt,  wird  sich  ent¬ 
sinnen,  dass  er  da  und  da  eine  Diagnose  gestellt  hat  und  eine 
Indikation  zur  sofortigen  Operation.  Er  hat  unter  Anspannung  seiner 
Kräfte  und  auf  Grund  seiner  Kenntnisse  und  Erfahrungen  alle  Schritte 
zur  Operation  unternommen  und  hat  durch  Zuweisung  an  einen 
spezialistisch  ausgebildeten  Kollegen  dem  Patienten  das  Leben  ge¬ 
rettet.  Oder  er  hat  vielleicht  —  in  der  Nacht  gerufen  — ,  bei 
einem  Falle  von  Leibschmerz  die  Diagnose  auf  Blinddarmentzündung 
gestellt  und  hat  sich  mit  seiner  Person  dafür  eingesetzt  —  alle 
Konsequenzen  auf  sich  nehmend  — ,  dass  sofort  operiert  wird.  Der 
Spezialist  hat  die  Bauchhöhle  voll  Eiter  gefunden.  Der  sonst  un¬ 
rettbar  verlorene  Kranke  ist  dem  Leben  erhalten  geblieben.  An  einem 
anderen  Tage  hat  er  —  bei  Leibschmerzen  einer  Frau  —  eine 
geplatzte  Bauchhöhlenschwangerschaft  erkannt,  sie  einem  Spezialisten 
zugewiesen  und  wieder  ein  Leben  gerettet.  Oder  er  wurde  wiegen 
geringer  Ohrenschmerzen  gerufen,  hat  sofort  die  drohende  Gefahr 
einer  Hirnentzündung  erkannt  und  durch  Operation  —  von  spezialisti- 
scher  Seite  ausgeführt  — ,  eine  tödliche  Krankheit  verhindert.  Wieder 
einmal  hat  der  praktische  Arzt  bei  einem  von  der  Reise  zurückge¬ 
kehrten  Manne  ein  harmloses  Bläschen  sofort  als  syphilitische  In¬ 
fektion  erkannt  und  durch  sofortige  Zuweisung  an  einen  Spezialisten 
schweres  Unglück  von  einer  ganzen  Familie  ferngehalten. 

Es  kann,  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  segensreichste 
Leistung  in  all  diesen  Fällen  der  praktische  Arzt  vollbracht  hat.  Er, 
vor  allem  er,  hat  das  Recht,  diese  Lebensrettung  für  sich  in  An¬ 
spruch  zu  nehmen. 

Dem  Spezialisten  soll  sein  Verdienst  nicht  geschmälert  werden. 
Er  hat  auf  Grund  der  ihm  vom  praktischen  Arzte  gegebenen  Mit¬ 
teilungen  mit  zu  entscheiden,  ob  eine  Operation  amgezeigt  ist.  Des 
weiteren  wird  er  auf  Grund  seiner  technischen  spezialistischen  Aus¬ 
bildung  den  vom  praktischen  Arzte  diagnostizierten  Krankheitsherd 
entfernen. 

Der  praktische  Arzt  ist  durch  das  Bewusstsein  belohnt,  durch 
seinen  Intellekt,  sein  ärztliches  Können,  wertvolle  Menschenleben  ge¬ 
rettet  zu  haben.  Ausserdem  ist  er  in  diesen  nicht  zu  seltenen  Fällen 
belohnt  durch  jedesmal  3  oder  5  oder  gar  10  JVL!  Der  Spezialist  ist 
gleichfalls  durch  das  Bewusstsein  belohnt,  dank  seiner  spezialistischen 
Ausbildung  und  seiner  Geschicklichkeit  den  Krankheitsherd  beseitigt 
und  den  Tod  verhütet  zu  haben.  Ausserdem  aber  durch  eine  Summe 
Geldes,  die  ein  vielfaches  ausmacht  von  dem.  was  der  praktische 
Arzt  erhält.  Sein  Diener  bekommt  beim  Verlassen  des  Patienten  aus 
der  Klinik  von  dem  dankbaren  Patienten  mindestens  soviel  Trinkgeld, 
als  der  interne  Arzt  für  seine  lebensrettende  Leistung  in  Rechnung  zu 
stellen  wagt. 

Wenn  nun  der  praktische  Arzt  am  Schlüsse  des  Jahres  die 
Bilanz  seiner  Arbeit  zieht,  wird  ihn  einige  Bitterkeit  überkommen, 
wenn  der  magere  Lohn  für  seine  Tätigkeit  an  ihn  gelangt  oder  ge¬ 
langen  soll. 

Wenn  der  Chirurg  seine  Bilanz  zieht  .  .  .  was  wird  er  empfin¬ 
den?  Zuerst  eine  gewisse  Befriedigung  über  die  grossen  Einzel- 
summen.  Dann  aber,  wenn  er  die  Krankheitsfälle  Revue  passieren 
lässt,  wird  er  sich  der  zuweisenden  Kollegen  erinnern. 

In  jedem  Falle  wird  er  sich  ihrer  erinnern.  Einmal  in  Dank¬ 
barkeit,  dass  er  das  Vertrauen  genoss,  von  ihnen  zugezogen  worden 
zu  sein,  und  in  dankbarer  Erinnerung,  dass  er  den  grossen  materiellen 
Gewinn  davongetragen  hat. 

Ist  er  ein  hochmütiger  und  auf  seine  Kunst  gar  stolzer  Uperateur 
oder  Spezialist,  dann  sagt  er  sich:  „Die  chirurgische  Kunst  ist  eben 

4 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


etwas  Besonderes  und  10  oder  100  mal  mehr  wert.“  Und  er  wird 
sich  weiter  keine  Skrupel  machen. 

Ist  er  aber  stolz  auf  seine  Kunst  und  daneben  noch  ein  sozial 
empfindender  Mensch,  der  auch  an  andere  denkt  und  die  interne 
Kunst  hoch  genug  einschätzt,  dann  wird  er  sich  sagen:  „Es  ist  eine 
Ungerechtigkeit,  dass  ich  ein  so  Vielfaches  als  Entlohnung  finde 
gegenüber  dem  Internisten.“ 

Der  Naturforscher  und  Philosoph  Oswald  aber  sagt:  „Ethik 
ist  soziales  Empfinden.  Alle  Empfindungen,  die  wir  für  die  Allgemein¬ 
heit  als  gut  empfinden,  sind  ethisch.“ 

Dieser  Spezialist  ist  also  ein  ethischer  Mensch.  Nun  aber  weiss 
er  keinen  Weg,  um  diese  nun  einmal  zurzeit  bestehende  Ungerechtig¬ 
keit  in  der  Praxis  auszugleichen. 

Dies  ist  die  wahre  Frage  der  Dichotomie. 

Sie  ist  bisher  ungelöst.  Diese  Frage  müssen  wir  besprechen. 
Vielleicht  ergibt  sich  ein  Weg  zur  Lösung. 

Das  Beginnen  des  Operateurs  oder  Spezialisten  oder  Konsiliarius, 
durch  Zusendung  eines  Teilhonorars  sich  die  zuweisenden  Kollegen 
zu  gewinnen,  ist  gar  nicht  diskutierbar.  Das  ist  unanständig,  un¬ 
moralisch  und  unlauterer  Wettbewerb  gegenüber  anderen  Kollegen. 
Es  ist  imstande,  die  Moral  unter  den  Aerzten  zu  vernichten.  Es 
führt  dazu,  dass  gesinnungslose  und  habgierige  Aerzte  sich  umschauen 
nach  jenem  Operateur,  der  am  meisten  Teilhonorar  abgibt.  Es  kann 
dazu  führen,  dass  Kompagniegeschäfte  abgeschlossen  werden  zwi¬ 
schen  praktischen  Aerzten  und  Spezialisten. 

Ja  es  kann  in  seinen  Folgen  so  weit  gehen,  dass  aus  Gewinnsucht 
gar  manche  Fälle,  die  auch  ohne  Operation  ausheilen  könnten,  dem 
Operateur  zugewiesen  werden,  dass  die  Kranken  eine  Handelsware 
werden  zwischen  zwei  gewissenlosen  Menschen.  Denkt  man  sich  die 
letzten  Konsequenzen  aus,  so  könnte  es  Aerzte  geben,  die  jeden  Pa¬ 
tienten,  der  wegen  irgend  einer  Affektion  zu  ihnen  kommt,  ge- 
nauestens  daraufhin  untersuchen,  was  an  ihrem  Körper  operierbar 
ist.  Ich  bin  weit  davon  entfernt,  zu  behaupten,  dass  solche  Zustände 
bestehen;  aber  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  eine  einfache  Dichotomie, 
wenn  sie  sanktioniert  wird,  zu  solchen  Zuständen  führen  könnte. 

Darum  muss  es  wiederholt  ausgesprochen  werden:  die  Dicho¬ 
tomie  in  diesem  Sinne  ist  aufs  schärfste  zu  verdammen. 

Wie  aber  soll  der  zweifelnde  Operateur  sein  Gewissen  be¬ 
ruhigen  und  die  bestehende  Ungerechtigkeit  ausgleichen  können? 

Die  Notwendigkeit  eines  Ausgleiches  ergibt  sich  aus  zwei  Ur¬ 
sachen: 

1.  Die  wirtschaftliche  Notlage  des  ärztlichen  Standes,  insbe¬ 
sondere  der  in  ihrem  Gebiete  und  Erwerbe  immer  mehr  eingeschränk¬ 
ten  praktischen  Aerzte,  verlangt  einen  solchen. 

2.  Liegt  die  Ursache  in  der  gewaltigen  Ueberschätzung  der 
chirurgischen  resp.  der  spezialistischen  Leistungen  von  seiten  des 
Publikums,  wie  auch  der  Gebührenordnung. 

Die  Operation  ist  ein  für  den  Laien  sinnfälliges  Geschehen. 

Der  unerfahrene  Laie  ist  erstaunt  und  steht  bewundernd  vor 
dem  Können  des  Operateurs,  der  den  Leib  aufschneiden  und  nachher 
dem  Kranken  in  Spiritus  seinen  Blinddarm  oder  seine  Gallenblase 
oder  einen  faustgrossen  Stein  zeigen  kann.  Das  ist  etwas  so  Grosses 
für  den  Laien,  dass  er  gerne  auch  ein  ebenso  grosses  Stück  Geld  dafür 
hinzugeben  bereit  ist,  entsprechend  der  Grösse  oder  Sonderbarkeit 
der  ausgeschnittenen  Geschwulst. 

Dem  Internisten  aber,  dem  Diagnostiker,  rechnet  der  Kranke 
höchstens  die  Minuten  an.  die  er  an  seinem  Bette  verbrachte.  Was 
weiss  der  Kranke  von  schwieriger  Diagnostik,  was  weiss  er  von 
einer  Differentialdiagnose,  was  weiss  er  von  den  schweren,  heissen 
Augenblicken,  da  der  Arzt  still  und  stumm  neben  ihm  am  Bette  sitzt 
und  den  schwerwiegenden  Entschluss  fasst:  „Soll  ich  den  Kranken 
operieren  lassen  oder  nicht?“ 

Also  in  der  Ueberschätzung  der  chirurgischen  Leistung  von 
seiten  des  Publikums  zuungunsten  der  internen  Kunst  und  auch  von 
seiten  der  Gebührenordnung  liegt  der  tiefere  innere  Grund  des  Miss¬ 
verhältnisses  zwischen  operativer  und  interner  Bezahlung. 

Daraus  entspringt  die  erste  Forderung  zur  Lösung  der  Honorar¬ 
frage  zwischen  zuweisenden  und  operierenden  Kollegen:  Es  muss  dem 
Laien  allmählich  wieder  das  Bewusstsein  beigebracht  werden,  dass 
die  diagnostische,  prognostische  und  Indikationskunst  nicht  hinter 
der  sinnfälligen  Kunst  der  Operation  allzuweit  zurücksteht.  Dazu 
aber  sind  vor  allem  die  Operateure  selbst  berufen. 
b>ie  müssen  den  in  ihren  Räumen  liegenden  Kranken  zum  Bewusst¬ 
sein  bringen,  was  sie  alles  dem  zuführenden  Kollegen  verdanken! 
Wenn  diese  Erkenntnis  ins  Publikum  gedrungen  ist,  dann  sind  wir 
der  Losung  unserer  Frage  etwas  näher  gerückt.  Um  aber  dem 
1  ublikum  diese  Meinung  beizubringen,  kann  meines  Erachtens  recht 
wohl  bei  der  Rechnungsstellung  des  Operateurs  für  den  zuweisenden 
resp.  mitbehandelnden  praktischen  Arzt  eine  gewisse  Summe  mit¬ 
liquidiert  werden. 

Für  den  m  i  t  b  e  h  a  n  d  e  I  n  de  n  Arzt!  Denn  es  wird  unum¬ 
gänglich  notwendig  sein,  dass  man  dem  zuweisenden  Arzte  resp.  dem 
Hausarzte  bei  der  Operation,  mehr  noch  bei  der  Nachbehand- 
1  u  n  g,  ein  möglichst  grosses  Recht  zur  Mitbehandlung  einräumt.  Der 
Hausarzt  hat  das  Recht,  bei  einer  Operation  von  Anfang  bis  zu 
Ende  anwesend  zu  sein.  Das  ist  schon  eine  Assistenz,  auch  wenn  man 
ihm  nicht  irgend  ein  Instrument  zum  Halten  in  die  Hand  gibt,  oder  ihn 
den  Puls  fühlen  lässt  oder  ihm  die  Narkose  überträgt.  Schon  die  An¬ 
wesenheit  bei  der  Operation  ist  eine  Assistenz,  trägt  zur  Beruhigung 
des  Patienten  bei  und  kann  dem  Operateur  manchen  wertvollen  Wink 
während  der  Operation,  mehr  noch  während  der  Nachbehandlung 
geben.  I 


No.  21. 


So  liegt  schon  aus  diesem  Grunde  eine  Mitwirkung  an  der  Nach¬ 
behandlung  von  seiten  des  praktischen  Arztes  im  Interesse  des 
Kranken.  Aber  noch  aus  einem  anderen  Grunde:  Wenn  der 
praktische  Arzt  mit  dem  Verschwinden  seines  Patienten  hinter  der 
I  ii re  des  Chirurgen  oder  einer  Klinik  ihn  für  immer  als  Patienten 
veiliert  oder  doch  wenigstens  für  den  vorliegenden  Fall,  so  wird  sich 
der  praktische  Arzt  häufig  möglichst  lange  sträuben,  den  Kranken  dem 
Kollegen  zu  überweisen.  Er  wird  vielmehr  versuchen,  den  Kranken 
bis  an  die  Grenzen  seines  eigenen  Könnens  allein  zu  behandeln, 
vielleicht  auch  bisweilen  darüber  hinaus.  Das  Resultat  ist  dann  eine 
Züchtung  einer  Art  von  Pseudospezialistentum.  Um  wieviel  eher 
aber  wird  der  praktische  Arzt  im  Interesse  seines  Kranken  diesen 
einem  wahren  Spezialisten  zuschicken,  wenn  er  weiter  an  der  Be¬ 
handlung  und  entsprechend  auch  an  der  Honorierung  Anteil  erhält? 

Wenn,  um  ein  Beispiel  zu  nehmen,  der  Arzt  bei  einer  Frau  mit 
engem  Becken  diese  für  seine  Praxis  vollständig  verloren  sieht,  sobald 
er  sie  zum  Zwecke  etwa  einer  Symphyseotomie  oder  eines  vagi¬ 
nalen  Kaiserschnittes  einer  Gebärklinik  überweist,  so  wird  er  ver¬ 
suchen,  die  Patientin  sich  zu  erhalten,  indem  er  andere,  ihm  mögliche 
Operationsmethoden  anwendet  .  .  .  hohe  Zange,  künstliche  Früh¬ 
geburt:  Man  sieht  aus  diesen  Andeutungen,  dass  auch  die  Indikations¬ 
stellung  für  gewisse  Operationen  beeinflusst  ist  durch  die  Honorar¬ 
frage.  Ich  habe  auf  diesen  speziellen  Fall  schon  vor  3  Jahren  hinge- 
wiesen  in  einem  Vortrage  im  ärztlichen  Verein:  „Geburtshilfe  im 
Hause  und  in  der  Klinik“  und  damit  die  Frage  der  Dichotomie 
in  Fluss  zu  bringen  versucht1). 

Aehnlich  wird  es  sich  bei  anderen  Fällen  verhalten  können,  bei 
denen  es  zweifelhaft  sein  kann,  ob  man  operieren  soll  oder  nicht. 
Wenn  z.  B.  ein  stundenlanges  Abwarten  bei  einer  Geburt  nicht 
honoriert  wird,  wie  es  die  Krankenkassen  tun,  dagegen  eine  Zangen¬ 
geburt  eigens  bezahlt  wird;  wenn  ein  Zuwarten  bei  einer  festsitzen¬ 
den  Plazenta  nicht  honoriert  wird,  die  manuelle  Plazentarlösung  be¬ 
zahlt  wird  ...  so  ist  diese  durch  die  Gebührenordnung  fest¬ 
gelegte  Ueberschätzung  der  operativen  Betätigung  ein  Schaden  für 
den  Kranken  und  eine  Versuchung  für  den  Arzt.  Aehnlich  geht  es 
mit  den  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Gynäkologie.  Ich  darf 
es  als  Gynäkologe  aussprechen:  die  Ueberschätzung  der  operativen 
Leistungen  gegenüber  der  konservativen  Behandlung  ist  zum  grossen 
Teile  schuld  an  der  unzweifelhaft  herrschenden  Polypragmasie  in  der 
Gynäkologie. 

Nun  wird  man  einwenden:  Ja  um  Gotteswillen,  wenn  der  Vor¬ 
schlag  einer  Beteiligung  des  praktischen  Arztes  an  der  Behandlung 
und  am  Honorar  durchgeführt  wird,  wird  ja  noch  viel  mehr  operiert 
werden!  Die  Indikationen  werden  noch  weiter  gestellt  werden.  Es 
werden  nicht  die  besten  Operateure  die  meisten  Patienten  zugewiesen 
erhalten,  sondern  diejenigen,  die  am  entgegenkommendsten  sind  mit 
der  Behandlungs-  und  Honorarteilung. 

Wenn  nun  gar  das  Publikum  von  dieser  Teilung  erfährt,  leidet 
das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  gewaltig,  welcher  Abgrund  öffnet 
sich  da! 

Diese  bangen  Rufer  haben  recht,  völlkommen  recht! 

All  das  kann  sich  ereignen,  wird  sich  ereignen,  ist  vielleicht 
schon  Ereignis. 

Denn  moralisch  minderwertige  Menschen  —  und  wer  wollte 
leugnen,  dass  auch  wir,  wie  alle  anderen  Stände,  minderwertige 
Charaktere  unter  uns  haben?  —  werden  wir  durch  kein  Verbot  in 
ihrer  Moral  und  in  ihren  Anschauungen,  in  ihrem  Handeln  oder  Lassen 
beeinflussen.  Mögen  wir  für  standesunwürdig  erklären,  was  wir  wollen: 
was  schert  den  moralisch  und  ethisch  defekten  Menschen  unser  Ver¬ 
bot,  was  liegt  ihm  an  unserer  Achtung?  Denn  mehr,  wie  diese 
Leute  verachten,  vermögen  wir  nicht.  Diese  Leute  werden  auch 
immer  wieder  neue  Wege  für  ihr  Tun  finden. 

Aber  was  wir  können  und  was  wir  sollen,  ist  ein  anderes: 
Wir  können  Unwissende,  in  Standesfragen  unkundige  Kollegen  auf¬ 
klären.  Wir  müssen  vor  allem  die  im  Laufe  der  Zeit  für  uns  mass¬ 
gebend  gewordenen  Etikettefragen  den  jungen  Kollegen  mitteilen.  Es 
müssten  auf  der  Universität  den  jungen  Medizinern  schon  unsere 
Standesfragen  vorgetragen  werden.  Sie  müssen  dafür  interessiert 
werden.  Wer  unter  uns  hat  nicht  schon,  besonders  im  Beginn  der 
Praxis,  Verstösse  gegen  die  kollegialen  Rücksichten  begangen?  Wir 
kommen  doch  alle  aus  verschiedenem  Milieu  heraus  und  es  ist  leicht 
einzusehen,  dass  etwa  ein  Sohn  aus  dem  .Kaufmannstande  gewisse 
wirtschaftliche  Fragen  anders  ansieht,  wie  der  aus  dem  Gelehrten¬ 
stande  hervorgehende  junge  Mediziner.  Damit  sei  niemandem  zu 
nahe  getreten :  Denn  es  kann  standeswürdiger  sein,  auf  der  Bezahlung 
seiner  ärztlichen  Leistung  zu  bestehen,  als  in  unangebrachter  Schein¬ 
noblesse  auf  ein  Honorar  zu  verzichten. 

Es  finden  sich  gewiss  aus  den  Reihen  der  erfahrenen  praktischen 
Aerzte  selbst  angesehene  und  befähigte  Aerzte  genug,  die  solche 
Vorlesungen  zu  halten  imstande  und  berufen  sind.  Praktische 
Aerzte,  die  mit  den  Standesfragen  und  wirtschaftlichen  Fragen  ver¬ 
trauter  sind  als  die  Hochschullehrer. 

Des  ferneren  wären  unsere  medizinischen  Zeitschriften  berufen, 
die  ärztlichen  Etikettefragen  mehr  wie  bisher,  und  immer  wieder, 
zu  behandeln.  Vor  allem  die  ausschliesslich  unseren  wirtschaftlichen 
Interessen  dienenden  Zeitschriften.  Es  könnte  nicht  schaden,  wrenri 
das  Gebiet  dieser  Zeitungen  neben  den  zurzeit  im  Vordergrund 
stehenden  Pfennigfragen  sich  auch  auf  idealere  Standesfragen  er¬ 
streckte  resp.  ausbreitete.  Aber  vor  allem  wäre  zu  fördern,  dass 
diese  Zeitschriften  den  jungen  Medizinern  in  die  Hände  gelangten. 


*)  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  No.  24. 


11.  Mai  1913. 


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5s  wäre  eine  gewiss  sich  ausserordentlich  lohnende  Tat,  wenn  der 
L.V.  oder  der  Aerztevereinsbund  seine  Zeitschriften  auf  eigene  Kosten 
lllen  jungen  Medizinern  kostenlos  stets  zustellte.  In  der  heran- 
, vachsenden  Generation  der  Aerzte  liegt  die  Zukunft  unseres  Standes! 
Diese  müssen  wir  ganz  von  Anfang  an  in  unseren  Anschauungen 
erziehen.  Damit  haben  wir  auch  schon  einen  Gewinn  für  unsere 
vorliegende  Einzelfrage.  Für  die  Universitätslehrer  aber  erwächst 
:ine  noch  viel  höhere  Pflicht. 

Da  der  Laie  natürlich  mehr  wie  Diagnose  und  Prognose  die 
irztliche  Behandlung,  die  Heilung,  schätzt  —  wer  wollte 
hm  das  verdenken?  — ,  müsste  auf  der  Universität  der  Therapie 
nehr,  wie  es  bislang  geschieht,  ein  Augenmerk  gewidmet  werden. 
Die  ärztliche  Behandlung,  die  Vertrautheit  mit  allen  heilenden 
Faktoren,  lässt  das  Ansehen  der  ärztlichen  Leistung  steigern,  macht 
!ie  ärztliche  Leistung  sinnfälliger,  nähert  sie  der  chirurgischen  Betäti- 
rung  und  lässt  sie  höher  eingeschätzt  werden,  auch  im  Honorar.  Damit 
vürde  auch  der  Kurpfuscherei  ein  grosses  Feld  abgegraben  werden, 
lie  sich  vielfach  von  unseren  therapeutischen  Misserfolgen  ernährt!  — 
Jnd  ein  weiteres  müsste  von  seiten  der  Universitätslehrer  geschehen, 
lesonders  der  Internisten:  Sie  müssen  ihre  Leistungen  beim  Publikum 
nöglichst  hoch  einschätzen.  Das  Publikum  muss  wissen,  dass  die 
Kunst  des  Internisten  eine  sehr  grosse  ist,  und  es  darf  nicht  sein, 
jass  etwa  ein  Kliniker  seine  ärztlichen  Leistungen  beim  zahlungs- 
ähigen  Publikum  gering  einschätzt!  Er  muss  seinen  grossen  Lei¬ 
dungen  entsprechend  grosse  Liquidationen  stellen:  diejenigen  Pro¬ 
fessoren  handeln  am  kollegialsten,  die  ein  entsprechend  höheres 
Honorar  liquidieren,  als  etwa  der  zuziehende  praktische  Arzt  zu 
verlangen  berechtigt  ist. 

Aber  das  wichtigste  und  befriedigendste  Feld  eröffnet  sich  der 
Universität  auf  einem  anderen  Gebiete:  sie  kann  und  soll  sich  ein 
jebiet  zurückerobern,  das  sie  fälschlicherweise  aufgegeben  hat.  Zum 
Schaden  des  ärztlichen  Standes.  Die  Tore  der  Philosophie,  der  Ethik 
nüssen  sich  wieder  öffnen  für  die  neue  Generation  der  Mediziner! 
Die  neue  Zeit  hat  in  Literatur  und  in  Kunst  mit  dem  krassen 
Naturalismus  gebrochen.  Unbeschadet  des  grossen  Gewinnes,  den 
sie  von  diesem  davongetragen  hat,  hat  sie  sich  einem  gewissen 
Idealismus  wieder  genähert.  Wir  Mediziner  sind  zum  Glück  krasse 
Naturwissenschaftler  geworden  aus  einer  schlimmen  Zeit  der  ab¬ 
strakten  medizinischen,  auch  philosophischen  Denkungsweise  heraus. 
Aber  ganz  hätten  wir  diese  Güter  nicht  von  uns  werfen  sollen.  Wir 
sind  einseitig  geworden! 

Wenn  vor  einiger  Zeit  die  Forderung  aufgestellt  wurde,  dass 
die  Mediziner  nun  auch  Mathematik  auf  der  Universität  stu¬ 
dieren  sollen,  so  erscheint  es  mir  weitaus  wichtiger,  dass  Lehr¬ 
stühle  für  unsere  wirtschaftlichen  Fragen  und  die 
sozialärztlichen  Aufgaben  der  Gegenwart  errich¬ 
tet  werden,  und  noch  wichtiger,  dass  Logik  und  Ethik  und 
3hilosophie  wieder  obligatorisch  in  modernen  Grenzen  gehört  werden 
nüssen.  Es  muss  im  Gehirn  des  heranwachsenden  Mediziners  ein 
jegengewicht  aufgerichtet  werden  gegen  die  einseitige  reale  natur¬ 
wissenschaftliche  Betrachtung.  Ethisch  erzogene  und  herangebildete 
Derzte  werden  die  wirtschaftlichen  Fragen  und  die  Fragen  der  Eti¬ 
kette  unter  sich  und  den  Kranken  gegenüber  konzilianter  und  würdi- 
ter  lösen,  als  es  bis  jetzt  geschah  und  durch  Paragraphen  geschehen 
sann. 

Auf  solcher  Basis  findet  der  einzelne  Kollege  von  selbst  den  Weg 
iur  würdigen  Vertretung  seines  Standes,  dem  Publikum  gegenüber, 
wie  dem  Kollegen  gegenüber.  Schwankende  Gemüter  finden  dann 
iher  einen  Halt  und  die  Zahl  derjenigen  Aerzte,  die  durch  moralisch 
ninderwertiges  Handeln  die  Kranken  schädigen  und  den  Stand  herab¬ 
würdigen,  schrumpft  zu  einer  geringen  Grösse  zusammen. 

Denn  so  thöricht  bin  ich  nicht,  zu  glauben,  dass  ethischer  Unter¬ 
teilt  und  philosophisches  Denken  aus  schlechten  Charakteren  gute 
nachen  wird.  „Jeder  verlangt  oder  verschmäht  nach  den  Gesetzen 
Jer  Naturnotwendigkeit  das.  was  er  für  gut  oder  für  schlecht  hält“, 
sagt  Spinoza. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

’ortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Chirurgie  der  Leber 
und  des  Pankreas. 

Von  Prof.  Burkhardt  in  Nürnberg. 

Die  Chirurgie  der  Leber  und  des  Pankreas  ist  im  Laufe  der 
letzten  Jahre  wesentlich  vervollkomnet  worden. 

Obwohl  man  seit  den  Untersuchungen  P  o  n  f  i  c  k  s  Ende  der 
/Oer  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  wusste,  dass  man  der  grossen 
Regenerationsfähigkeit  der  Leber  wegen  auch  ausgedehnte  Teile 
derselben  opfern  dürfe,  hat  man  grössere  Eingriffe  an  ihr  vor 
allem  der  heftigen  Blutung  wegen  gescheut.  Erst  die  jetzigen  ver- 
vollkommneten  Methoden  zuverlässiger  Blutstillung  und  Gefässver- 
sorgung  in  der  Leber  haben  eine  gefahrlosere  Ausführung  grösserer 
Fingriffe  an  diesem  Organe  ermöglicht. 

Die  erste  exakte  Blutstillungsmethode  stammt  von  Kusnetzy 
und  Pensky,  welche  auf  Grund  experimenteller  Studien  zeigten, 
dass  man  die  grossen  Venen  des  Lebergewebes  sehr  gut  isoliert 
mittels  geeigneter  Umstechung  unterbinden  kann.  Es  ist  das  Ver¬ 
fahren  der  sog.  intrahepatischen  Massenligatur.  Man  legt  partien¬ 


weise  Massenligaturen  an,  die  bei  langsamem,  festem  Zusammen¬ 
ziehen  das  Leberparenchym  zwar  zerdrücken,  während  jedoch  die 
einzelnen  Gefässe  Widerstand  leisten  und  zusammengeschnürt  wer¬ 
den.  Man  bedarf  dazu  dicken  Katguts  und  grosser,  runder  Nadeln; 
und  zwar  führt  man  zuerst  die  Ligatur  aus  und  trägt  dann  erst 
den  abgeschnürten  Leberteil  ab;  man  geht  so  Schritt  für  Schritt 
weiter.  Deutlich  sichtbare  Gefässe  im  Schnitt  kann  man  dann  event. 
noch  isoliert  unterbinden.  Diese  Ligaturen  geben  auch  einen  guten 
Halt  für  die  Fäden,  wenn  man  durchtrennte  Leberteile  durch  die  Naht 
wieder  vereinigen  will. 

Wunden  einfach  durch  Naht  zu  schliessen,  gelingt  bei 
der  grossen  Brüchigkeit  und  Zerreisslichkcit  des  Organs  häufig  nicht. 
Um  das  Durchschneiden  der  Fäden  bei  der  Naht  zu  verhüten,  hat 
man  besondere  Massnahmen  ersonnen.  Von  Payr  stammt  der  Vor¬ 
schlag,  Magnesiumplatten  zu  verwenden,  um  den  Fäden  Halt 
zu  geben;  durch  den  Druck  der  Platten  kann  aber  Nekrose  des 
Lebergewebes  verursacht  werden,  und  die  nekrotischen  Leberzellen 
können  dann  zur  Embolie  Veranlassung  geben.  Besser  ist  es  schon, 
man  verwendet  Netz  zum  Dar übernähen  oder  noch  zweckmässiger, 
weil  widerstandsfähiger,  Faszienstreifen,  die  man  der  Bauch¬ 
wunde  entnehmen  kann. 

Unzuverlässig  zur  Blutstillung  in  der  Leber  ist  der  früher  häufig 
gebrauchte  P  a  q  u  e  1  i  n,  wie  überhaupt  thermische  Mittel  zur 
definitiven  Blutstillung  in  der  Leber  wenig  geeignet  sind.  Par¬ 
enchymatöse  Blutungen  aus  Leberwunden  lassen  sich  durch  Be¬ 
tupfen  mit  Adrenalinlösungen  zum  Stillstand  bringen.  Auf 
jeden  Fall  sollen  offene  Wundflächen  der  Leber,  auch  wenn  die 
Blutstillung  zuverlässig  durch  intrahepatische  Ligatur  besorgt  ist, 
tamponief  t  werden.  Eine  feste  Tamponade  vermag  in  manchen 
Fällen  auch,  besonders  wenn  es  sich  um  kleine  Substanzverluste  und 
Verletzungen  handelt,  die  Blutstillung  wirksam  zu  besorgen. 

Den  Anlass  zur  Vervollkommung  der  Blutstillungstechnik  in  der 
Leber  haben  die  Verletzungen  derselben  gegeben,  die  natürlich 
von  jeher  dem  Chirurgen  zur  Behandlung  zugefallen  waren.  Während 
in  früheren  Jahren  infolge  der  unsicheren  Methoden  die  Mortalität 
der  Leberverletzungen  trotz  operativen  Eingreifens  eine  recht  hohe 
war,  ist  sie  jetzt  nicht  unwesentlich  gesunken. 

Die  wichtigsten  Leberverletzungen  sind  die  subkutanen  Rup¬ 
turen,  dann  die  Stich-  und  Schussverletzungen. 

Subkutane  Leberrupturen  sind  bei  Einwirkung  grosser  Gewalten, 
wie  Ueberfahrenwerden  oder  Zusammenquetschen  des  Oberbauches, 
infolge  der  Grösse  und  Fixation  des  Organes  nichts  Seltenes;  und 
pflegen  sofort  allarmierende  Symptome  zu  veranlassen;  vor  allem 
intensiven  Schmerz  in  der  Lebergegend  und  die  Zeichen  innerer  Blu¬ 
tung.  Dabei  besteht  meist  Schock  und  Spannung  der  Bauchdecken; 
ferner  bei  stärkerer  Blutung  Flankendämpfung,  bzw.  Vergrösserung 
der  Leberdämpfung.  Ob  eine  Pulsverlangsamung  ein  charakteristisches 
Symptom  bei  Leberrupturen  darstellt,  wie  Finsterer  behauptet, 
steht  noch  dahin. 

Es  begegnet  heutzutage  keinem  Widerspruch  mehr,  dass  bei 
jedem  Verdachte  einer  Leberruptur  die  möglichst  sofortige  Laparo¬ 
tomie  indiziert  ist.  Man  darf  sich  durch  eine,  ebenerwähnte,  Puls¬ 
verlangsamung  nicht  täuschen  lassen  und  den  rechten  Augenblick  zum 
Eingreifen  versäumen.  Während  bei  exspektativem  Verhalten  die 
Mortalität  eine  fast  absolute  ist,  lassen  sich  nach  neueren  Statistiken 
durch  rechtzeitige  Versorgung  der  Leberwunde  mindestens  30  bis 
40  Proz.  der  Verletzten  retten.  Wesentlich  günstiger  ist  die  Pro¬ 
gnose  der  Stich-  und  Schussverletzungen,  bei  denen  die  Mortalität 
bei  rechtzeitigem,  sachkundigem  Eingreifen  jetzt  nur  noch  etwa 
35  Proz.  beträgt.  Schusskanäle  in  der  Leber  soll  man  nicht  nähen, 
sondern  tamponieren,  um  Ansammlung  von  Blut  und  nekrotischem 
Gewebe  in  der  Tiefe  des  Schusskanales  hintanzuhalten. 

Auf  eine  Schwierigkeit  bfei  der  Versorgung  mancher  Leber¬ 
wunden  sei  noch  hingewiesen,  welche  sich  aus  der  Unzugänglichkeit 
der  verletzten  Leberstelle  ergibt,  wenn  die  Verletzung  an  der  Kon¬ 
vexität  oder  am  hinteren  Rande  sitzt.  Die  heftige  Blutung  stört 
eine  klare  Uebersicht  und  es  bedarf  oft  besonderer,  kunstvoller,  Mani¬ 
pulationen,  um  die  Leberwunde  in  das  Operationsgebiet  einzustellen. 
Eventuell  ist  sogar  eine  Mobilisierung  der  Leber  mit  Durchtrennung 
des  Ligam.  Suspensorium  nötig.  Gelingt  die  Auffindung  nicht  und 
verbietet  sich  wegen  der  fortgesetzt  heftigen  Blutung  ein  längeres 
Manipulieren,  so  bleibt  nichts  übrig,  als  da,  wo  man  die  Quelle  der 
Blutung  vermutet,  fest  und  reichlich  zu  tamponieren.  Dazu  können 
mehrere  Meter  lange  sterilisierte  Binden  nötig  sein.  Darüber  muss 
ein  fester  Wickelverband  um  das  Abdomen  gelegt  werden.  Auf 
diese  Weise  ist  es  gelungen,  der  Umstechung  und  Naht  unzugängliche 
Blutungen  zum  Stillstand  zu  bringen. 

Von  den  Gefahren,  die  dem  Verletzten  auch  nach  gelungener 
Blutstillung  noch  drohen,  seien  erwähnt  die  seltenen  Vorkommnisse 
tödlicher  Embolien  durch  losgerissene  Leberstückchen,  sowie  die  häu¬ 
figer  beobachteten  Vereiterungen  des  verletzten  Lebergewebes  und 
die  nekrotische  Abstossung  von  Leberstücken.  Man  hat  über  faust¬ 
grosse  Lebersequester  noch  nach  Wochen  nach  der  Verletzung  sich 
abstossen  sehen.  Es  ist  daher  zweckmässig,  Leberteile,  deren  er¬ 
nährende  Gefässe  verletzt  sind  oder  deren  Lebensfähigkeit  infolge  der 
Quetschung  in  Frage  gestellt  ist,  gleich  bei  der  Operation  zu  re¬ 
sezieren. 

Gerade  auf  dem  Gebiete  erfolgreicher  Leberresektionen  zeigen 
sich  die  Fortschritte  der  Leberchirurgie  am  sinnfälligsten.  Von  be¬ 
sonderer  Bedeutung  für  die  Ausführung  umfangreicher  Resektionen 

4* 


1156 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ist  die  Frägc  der  Verzweigung  der  Leberarterienäste  und  deren 
Unterbindung.  Die  Ligatur  des  Stammes  oder  von  Aesten  der 
Leberartei  le  kommt  als  Methode  der  Blutersparung  sehr 
wesentlich  in  hrage.  Einschlägig  sind  hier  vor  allem  die  Studien 
von  näherer  und  von  N  a  r  a  t  h,  welche  folgendes  zeigten:  Man 
dar!  die  Aiteria  hepat.  commun.  unterbinden  vor  Abgang  der  Arter. 
gastroduodenalis,  bzw.  gastrica  dextra;  dagegen  darf  die  Art.  hepat. 
propria  nach  Abgang  dieser  Arterien  nicht  mehr  unterbunden  werden! 
weil  sonst  Nekrose  der  Leber  eintritt;  unterbindet  man  einen  der 
este  der  Art.  hepat.  propria,  den  dexter  oder  den  sinister,  so  wird 
der  entsprechende  Lappen  nekrotisch.  Bei  Resektion  eines  Leber¬ 
lappens  ist  daher  die  primäre  Unterbindung  des  zugehörigen  Astes 
der  Art  hepat.  propr.  von  grossem  Vorteil.  In  der  Klinik  in  Frank¬ 
ls.  a‘j  ’,'Yur^,e  ^er  rechte  Leberlappen  wegen  Tumor  reseziert,  von 
Wendel  in  Magdeburg  der  linke  Leberlappen:  der  zugehörige  Ast 
der  Leberarterie  wurde  vorher  unterbunden  und  die  Resektion  hat 
sich  fast  blutleer  durchführen  lassen.  —  Bei  unvorhergesehenen  Blu¬ 
tungen  haben  wir  ein  weiteres  Mittel,  um  ihrer  event.  Herr  zu  wer¬ 
den.  Das  ist  die  provisorische  Abklemmung  des  Ligam.  hepatoduo- 
denale,  das  die  Arterie  enthält,  mit  einer  elastischen  Klemme.  Sie 
Kann  auch  Anwendung  finden  bei  den  Verletzungen  der  Leber,  wenn 
es  infolge  heftiger  Blutung  nicht  gelingt,  die  verletzte  Leberstelle  zu 
finden.  Freilich  darf  diese  Abklemmung  nur  eine  kurzdauernde  sein, 
höchstens  einige  Minuten,  weil  ein  längerdauernder,  plötzlicher 
Abschluss  der  Pfortader  zu  schweren,  lebensgefährlichen  Störungen 
fuhren  kann. 


Die  Mortalität  der  Leberresektionen  beträgt  zurzeit  nur  noch 
1  /  1  roz.,  dementsprechend  wurden  die  Indikationen  für  Ausführung 
dieser  Operationen  erweitert.  Leberresektionen  werden  vor  allem 
bei  Geschwulstbildungen  der  Leber  ausgeführt,  und  zwar  werden 
nicht  nur  maligne,  sondern  auch  benigne  Tumoren,  wenn  sie  Be¬ 
schwerden  verursachen,  durch  Resektion  entfernt,  ebenso  zystische 
lumoren,  wenn  ihre  Ablösung  von  der  Leber  Schwierigkeiten  macht 
Selbstverständlich  eignen  sich  nur  solche  Tumoren  der  Leber  für  die 
Resektion,  welche  primär  von  ihr  ausgehen,  und  entweder  in  Form 
zirkumskripter  Knoten  auftreten  oder  diffuse,  aber  auf  einen  Lappen 
sich  beschränkende  Neubildungen  darstellen:  man  führt  dann  ent¬ 
weder  keilförmige  Resektionen  oder  die  Resektion  eines  ganzen  Lap¬ 
pens  aus.  Besonders  geeignet  für  die  Resektion  sind  die  Tumoren  in 
gestielten  Lappen. 

Die  primär  von  der  Leber  ausgehenden  Tumoren  sind  freilich 
nicht  allzu  häufig;  indessen  sind  sie  vielfach  relativ  leicht  zu  dia¬ 
gnostizieren.  Die  meisten  Tumoren  sitzen  vorne  am  Leberrand,  bzw. 
der  vorderen  Leberfläche  und  an  der  unteren  Leberfläche  und  lassen 
sich  daher,  sowie  sie  eine  gewisse  Grösse  erreicht  haben,  leicht  pal- 
Pieren.  Ohne  Palpationsbefund  ist  die  Diagnose  nicht  zu  stellen, 
da  die  Symptome  zu  wenig  prägnant  sind.  Es  ist  daher  auch  in  den 
Anfangsstadien  eine  klinische  Differentialdiagnose  zwischen  benignen 
und  malignen  Tumoren  nicht  möglich.  Auch  die  Zysten  lassen  sich, 
solange  sie  nicht  sehr  gross  sind,  von  den  soliden  Tumoren  nicht 
unterscheiden. 

Von  benignen  Tumoren  kommen  am  häufigsten  die  Leber¬ 
adenome,  solitär  und  multipel,  vor;  aber  auch  Fibrome,  Angiome  und 
Angiosai  kome  hat  man  durch  Resektion  sogar  ganzer  Leberlappen 
entfernt.  i 

Die  Lebersyphilis  geht  in  der  Regel  auf  antiluetische  Behandlung 
zurück,  nur  die  isolierten  Gummen  der  Leber  verhalten  sich  er- 
fahrungsgemäss  oft  äusserst  hartnäckig.  Sie  sowohl  wie  die  luetische 
Lappenleber  sind  chirurgisch  angreifbar,  und  sollen  durch  Resektion 
entfeint  werden,  wenn  sie  erhebliche  Beschwerden  verursachen.  In 
der  Literatur  finden  sich  24  resezierte  Lebersyphilome  mit  4  Todes¬ 
fällen  verzeichnet.  Ferner  wird  man  die  nichtparasitären  Leber¬ 
zysten  am  besten  exzidieren  bzw.  resezieren.  Meist  handelt  es  sich 
dabei  um  Retentionszysten,  aber  auch  Dermoide  und  Atheromzysten 
wurden  beobachtet.  Natürlich  sind  solche  Zysten  grosse  Seltenheiten. 
Im  ganzen  sind  bisher  18  operierte  Fälle  von  nichtparasitären  Zysten 
bekannt  geworden.  In  der  Regel  ist  hier  die  geeignetste  Methode 
die  Ausschälung. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  operative  Entfernung  des 
primären  Leberkrebses,  der  seinen  Sitz  meist  im  rechten  Lappen  hat 
und  entweder  in  Form  einzelner  grosser  Knoten  oder  als  diffuses  In¬ 
filtrat  eines  ganzen  Lappens  auftritt.  Seine  Diagnose  macht  häufig 
keine  besonderen  Schwierigkeiten,  da  die  Patienten  bald  über 
Schmelzen  klagen  und  da  meist  frühzeitig  am  Rande  oder  an  der 
Überfläche  der  Leber  ein  Tumor  oder  eine  Resistenz  fühlbar  ist 
Besonders  hervorgehoben  sei  das  bei  Leberkrebs  häufig  beobachtete 
intermittierende  Fieber.  Ikterus  findet  sich  nur  in  etwa  der  Hälfte 
der  rälle.  Solange  weder  Metastasen  noch  Aszites  nachweisbar 
sind  und  keine  Kachexie  besteht,  ist  in  jedem  Falle  die  Laparotomie 
indiziert.  Es  ist  gelungen,  durch  Resektion  von  Leberkrebsen  mehr¬ 
jährige  Heilungen  zu  erzielen. 

•  R*-  Resektion  der  Leber  kommt  aber  auch  in  Betracht  bei  dem 
\veit  häufigeren  Krebs  der  Gallenblase.  Es  ist  bekannt,  dass  vor 
allem  die  Gallensteine  als  Ursache  für  den  Gallenblasenkrebs  ver- 
antwoitlich  gemacht  werden,  der  in  der  Tat  beim  weiblichen  Ge¬ 
schlecht  viel  häufiger  vorkommt  als  beim  männlichen.  Man  hat  in 
fast  10  Pi  oz.  der  Gallensteinkranken  Gallenblasenkrebs  gefunden 
Dass  bisher  die  Prognose  des  Gallenblasenkrebses  eine  so  überaus 
traurige  ist,  liegt  an  der  Schwierigkeit  der  Diagnose.  Die  Symptome 
unterscheiden  sich  iii  den  Anfnngsstcidien  in  keiner  Weise  von  der 


Cholelithiasis.  Erst  später,  wenn  ein  unebener,  höckeriger,  harter 
I  umor  riihlbar  wird,  wenn  im  Gegensatz  zur  Cholelithiasis  dauernde 
Schmerzen  und  dauernder  Ikterus  auftritt,  ist  die  Diagnose  möglich 
Das  ist  aber  ein  Stadium,  in  dem  meist  schon  Kachexie,  Aszites  und 
Metastasen  bestehen  und  dann  von  einer  Operation  nichts  mehr  zu 
hoffen  ist.  Mit  Recht  hat  man  daher  gefordert,  die  Ursache  des 
Krebses  der  Gallenblase,  die  Steine,  rechtzeitig  zu  entfernen  und  mit 
Recht  betonen  die  Anhänger  der  Frühoperation  der  Cholelithiasis 
diese  drohende  Komplikation.  War  früher  die  Prognose  des  Gallen 
blasenkrebses  eine  absolut  letale,  so  hat  man  doch  seit  Einführung 
radikalerer  Methoden  einige  Erfolge  zu  verzeichnen;  es  sind  mehrere 
Falle  von  Gallenblasenkrebs  bekannt  geworden,  die  nach  gründlicher 
Resektion  3—5  Jahre  rezidivfrei  geblieben  sind.  Es  waren  dies 
aber  Falle,  bei  denen  vorher  die  sichere  Diagnose  auf  Karzinom 
nicht  gestellt  war,  die  wegen  der  Erscheinungen  der  Cholelithiasis 
operiert  wurden  und  bei  denen  erst  die  Laparotomie  das  Karzinom 
aufdeckte. 

Im  Anschluss  daran  möchte  ich  das  Karzinom  der  Gallengänge 
erwähnen,  das  man  jetzt  auch  operativ  mit  Erfolg  in  Angriff  ge¬ 
nommen  hat.  Das  Hauptinteresse  beansprucht  zunächst  das  Kar¬ 
zinom  der  Papille,  das  keineswegs  so  ganz  selten  ist  und  Symptome 
autweist,  die  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  Wahrscheinlichkeits¬ 
diagnose  und  Frühoperation  gestatten.  Das  wesentlichste  Phänomen 
ist  der  schleichend  beginnende,  ständig  an  Intensität  bis  zum  sog. 
Ikterus  melas  zunehmende  Ikterus  bei  allmählichem  Kräftevert'ail  und 
relativ  geringen  Schmerzen  im  meist  höheren  Alter,  wobei  sich  in¬ 
folge  der  Stauung  ein  deutlicher  Gallenblasentumor,  der  beim  chro¬ 
nischen  Steinverschluss  in  der  Regel  fehlt,  auszubilden  pflegt  Fine 
Gallensteinanamnese  geht  selten  vorher.  Der  dauernde  Ikterus  drängt 
in  jedem  Falle  zur  Operation,  erst  die  Laparotomie  wird  dann  die 
Diagnose  auf  Tumorverschluss  sichern.  Man  hat  sich  früher  in 
solchen  Fällen  mit  Palliativoperationen  begnügt,  welche  Ableitung 
der  Galle  durch  Cholezystostomie  oder  besser  Cholezystenterostomic 
erstrebten,  ln  den  letzten  Jahren  wurden  aber  erfolgreiche  Total- 
exstirpationen  gemacht.  Gerade  das  Karzinom  der  Papille  erlaubt 
häufig  eine  sog.  Frühoperation  wegen  der  allarmierenden  Symptome 
welche  der  zunehmende,  bald  einsetzende  Ikterus,  macht,  ln  der 
lat  sind  es  meist  nur  kleine,  durch  die  intakten  Bauchdecken  kaum 
palpierbare  I  umoren,  die  für  eine  Radikaloperation  günstig  liegen. 
Freilich  handelt  es  sich  dabei  um  Eingriffe,  die  technisch  nicht  leicht 
sind,  da  abgesehen  von  der  Resektion  eines  Stückes  des  Duodenums 
auch  Choledochus  und  Ductus  pancreaticus  reseziert  werden  müssen, 
deren  exakte  Versorgung  ebenso  wichtig  ist  als  schwierig  sein  kann' 
Zwei  Methoden  stehen  zur  Verfügung:  1.  Die  transduodenale  Exstir¬ 
pation  mit  Gastroenterostomie,  bisher  15  operierte  Fälle  mit  74  Proz 
Heilungen,  2.  die  quere  Resektion  des  Duodenums  nach  Kausch, 

5  Operationen  mit  4  Todesfällen.  Die  erstere  Methode  dürfte  den 
Vorzug  verdienen. 

Die  Symptome  des  Karzinoms  des  Choledochus  sind  so  ziemlich 
dieselben,  wie  die  des  Karzinoms  der  Papille.  Die  Exstirpation  eines 
Choledochuskarzinoms  geschieht  retroduodenal  nach  Mobilisierung 
des  Duodenums.  Sodann  wird  entweder  der  Hepatikus  mit  dem 
Duodenum  verbunden  oder  man  kann  bei  erhaltener  Gallenblase  eine 
Cholezystenterostomie  ausführen.  Bisher  wurden  11  retroduodenale 
Choledochusresektionen  wegen  Karzinom  ausgeführt.  Die  Mortalität 
betrug  58  Proz. 

Bei  Besprechung  der  entzündlichen  Erkrankungen  der  Leber, 
soweit  sie  chirurgisch  angreifbar  sind,  sei  die  operative  Behandlung 
der  Hepatitis  purulenta,  des  Leberabszesses,  in  den  Vordergrund  ge¬ 
stellt.  Leberabszesse  sind  in  der  Regel  sekundär  entstanden  und 
stellen  mit  Recht  sehr  gefürchtete  Komplikationen  einer  Reihe  akuter 
Infektionen  dar.  Wenn  wir  absehen  von  den  tropischen  Leber¬ 
abszessen,  die  in  unseren  Gegenden  kaum  beobachtet  werden,  so 
kommen  Leberabszesse  am  häufigsten  im  Anschluss  an  Appendizitis 
und  Cholangitis  vor.  Indessen  können  sie  sich  auch  bei  Typhus. 
Dysenterie,  Pyämie  und  Magengeschwüren  gelegentlich  einmal  ent¬ 
wickeln.  Sehr  selten  sind  tuberkulöse  und  aktinomykotische  Leber¬ 
abszesse.  Endlich  können  sie  auch  im  Anschluss  an  Traumen  ent¬ 
stehen,  jedoch  nur  dann,  wenn  durch  das  Trauma  eine  sei  es  offene 
oder  subkutane  Verletzung  der  Leber  stattgefunden  hat.  So  hat  man 
beispielsweise  unter  203  Leberverletzungen  23  mal  Abszesse  beob¬ 
achtet  und  zwar  12  mal  nach  subkutanen  Rupturen,  wovon  4  geheilt 
werden  konnten. 

Die  Prognose  der  Leberabszesse  ist  eine  sehr  ungünstige  und  sie 
ist  eine  fast  absolut  letale,  wenn  es  nicht  gelingt,  den  Abszess  recht¬ 
zeitig  zu  entleeren.  Es  kann  also  viel  davon  abhängen,  dass  ein 
solcher  Abszess  rechtzeitig  erkannt  wird.  Die  Diagnose  ist  häufig 
nur  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  zu  stellen.  Vor  allem 
sind  es  die  intermittierenden  Fieberanfälle,  verbunden  mit  Schüttel¬ 
frost,  die  im  Verlaufe  einer  Appendizitis  oder  Cholangitis,  oder  einer 
der  anderen  genannten  Erkrankungen  beim  Fehlen  eines  das  Fieber 
anderweitig  erklärenden  Befundes  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Leber 
richten  müssen.  Gesellt  sich  dazu  eine  Vergrösserung  und  Druck¬ 
empfindlichkeit  der  Leber,  sowie  leichter  Ikterus,  dann  gewinnt  die 
Diagnose  an  Wahrscheinlichkeit.  Charakteristisch  ist  häufig  ein 
elendes,  graues  Aussehen.  Appetitlosigkeit  und  nach  der  rechten 
Schulter  ausstrahlende  Schmerzen,  die  nur  in  28  Proz  der  Fälle 
fehlen. 

Gesichert  wird  die  Diagnose  erst  durch  den  Nachweis  des  Eiters, 
und  das  geschieht  mittels  Probepunktion.  Es  ist  aber  nicht  erlaubt, 
die  Punktion  durch  die  Bauchdecken  hindurch  zu  machen,  tödliche 


27.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


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Blutungen  und  Infektionen  des  Bauchfelles  hat  man  danach  beob¬ 
achtet,  sondein  die  Punktion  soll  erst  nach  Eröffnung  der  Bauch¬ 
höhle,  event.  unter  Lokalanästhesie  und  vollständiger  Abdichtung  der 
Leber  gegen  die  Bauchhöhle  erfolgen.  Findet  man  Eiter,  dann  soll 
sofort  die  Inzision  angeschlossen  werden,  die  am  besten  längs  der 
eingefuhi  ten  Kanüle  mit  dem  Paquelin  erfolgt.  Die  Eiterhöhle  wird 
gespült  und  definiert,  die  Blutung  durch  Tamponade  gestillt. 

Pci  Eifolg  dei  lege  artis  ausgeführten  Operation  hängt  im  we¬ 
sentlichen  davon  ab,  ob  es  sich  um  einen  Solitärabszess  der  Leber 
gehandelt  hat,  oder  ob  multiple  Abszesse  bestehen.  Leider  sind  die 
letzteren  häufiger  als  die  ersteren  entsprechend  der  Verbreitung 
,^er  'nt'v*kti0n  dem  Wege  der  Pfortaderäste  oder  Oallengänge. 
Die  Falle  mit  multiplen  Abszessen  gehen  aber  fast  alle  trotz  Operation 
an  der  Schwere  der  Infektion,  und  weil  es  kaum  gelingt,  alle 
Abszesse  zu  eröffnen,  zugiunde.  Auf  die  Spontanheilung  eines  Leber¬ 
abszesses,  die  zweifellos  möglich  und  einwandfrei  beobachtet  worden 
ist,  darf  man  sich  ihrer  enormen  Seltenheit  wegen  nicht  verlassen 
Auch  wenn  ein  Leberabszess  in  die  Umgebung  durchbricht,  pflegt  das 
nicht  viel  an  der  Prognose  zu  ändern.  Subphrenische  Abszesse  und 
Eiterungen  in  der  Bauchhöhle  können  sekundär  entstehen  Abszesse 
in  der  Kuppe  der  Leber  müssen  perpleural  eröffnet  werden. 

„  Hören  "  was  die  Statistik  sagt.  H  e  1 1  s  t  r  ö  m  hat  erst 
kürzlich  sämtliche  ihm  bekannt  gewordenen  Fälle  von  Leber- 
eitcrungen  zusammengestellt: 

Von  125  multiplen,  nicht  operierten  Abszessen  sind  124  gestorben 
von  30  multiplen  operierten  Abszessen  sind  28  gestorben,  von  9  soli¬ 
tären,  nicht  operierten  Abszessen  sind  9  gestorben,  von  23  solitären 
operierten  Abszessen  sind  4  gestorben. 

Unter  den  chronisch  entzündlichen  Erkrankungen  der  Leber 
ist  es  nur  die  Leberzirrhose,  die  zu  operativen  Eingriffen  Veranlassung 
geben  kann.  Freilich  nicht  sie  selbst,  sondern  nur  eine  ihrer  lästigsten 
Folgeerscheinungen,  der  Aszites,  kann  eine  Indikation  zur  Operation 
geben.  Man  hatte  die  Beobachtung  gemacht,  dass  Aszites  bei 
Zirrhose  fehlte,  wenn  ein  stark  ausgebildeter  Kollateralkreislauf  der 
Pfortader,  sei  es  durch  physiologische  Anastomosen  oder  Verwach¬ 
sungen  des  Netzes  oder  der  Dünndärme  untereinander  bestand.  Dies 
hatte  Drummond  und  Talma  veranlasst,  bei  Aszites  infolge 
Zirrhose  solche  Verwachsungen  künstlich  herzustellen.  Die  ersten 
derartigen  Operationen  hatten  einen  auffallenden  Erfolg,  der  Aszites 
ging  zurück  oder  verschwand,  dann  kamen  Misserfolge,  welche  die 
Operation  zu  diskreditieren  schienen.  Erst  allmählich  hat  sich  das 
Urteil  über  die  Zweckmässigkeit  der  Operation  geklärt  und  diese 
gewinnt  wieder  neue  Anhänger.  Experimentell  wurde  festgestellt, 
dass  alle  Wurzelgebiete  der  Pfortader,  mit  Ausnahme  der  Vena 
mesenterica  superior  ausgedehnte  Anastomosen  mit  den  grossen 
Körpervenen  besitzen.  Bei  der  Entstehung  des  Aszites  spielt  daher 
die  Stauung  im  Wurzelgebiete  der  Mesenterica  superior  die  Hauptrolle 
und  es  muss  als  zweckmässig  bezeichnet  werden,  die  künstlich  zu 
erstrebenden_Kollateralen  in  diesem  Gebiete  anzulegen. 

Nun  eignen  sich  zweifellos  durchaus  nicht  alle  Fällen  von  Aszites 
für  die  Talmaoperation:  eine  zu  weitgehende  Indikation  muss,  wie  sich 
gezeigt  hat,  zu  Misserfolgen  führen,  und  es  ist  eine  sehr  exakte 
Auswahl  der  Fälle  nötig.  Auszuschliessen  von  der  Operation  sind  | 
alle  Patienten,  deren  Herz,  Lungen  oder  Nieren  schon  nachweislich 
schwerer  gelitten  haben;  ferner  dürfen  die  Leberveränderungen  noch 
nicht  zu  hochgradige  sein,  und  ebensowenig  sind  ikterische  oder 
iebernde  Patienten  für  die  Operation  geeignet.  Die  Talmaoperation 
*ur  Entfernung  des  Aszites  bei  Zirrhose  hat  nur  Zweck  im  Früh¬ 
stadium  bei  erhaltenem  Leberparenchym,  ferner  bei  den  nicht  zu 
seltenen  Blutungen,  die  infolge  der  Pfortaderstauung  eintreten.  Man 
soll  im  Allgemeinen  operieren,  wenn  sich  nach  der  ersten  oder 
zweiten  Punktion  der  Aszites  bald  wiederholt.  Die  besten  Resultate 
aeobachtet  man  bei  der  alkoholischen  hypertrophischen  Zirrhose. 
Wuestens  hat  man  allerdings  die  Indikationen  noch  weiter  ausge¬ 
lehnt,  auf  die  Cirrhose  cardiaque  und  die  luetische  Zirrhose,  ferner 
iberhaupt  auf  alle  Pfortaderstenosen.  Ob  mit  Recht,  bleibt  abzu- 
varten. 

Schlecht  wird  die  Allgemeinnarkose  vertragen,  daher  operiert  • 
nan  besser  bei  Lokalanästhesie.  Oft  sind  nach  der  Operation  noch 
nehrmalige  Punktionen  nötig,  bis  der  Dauererfolg  eintritt,  der  sich 
iie  vor  mehreren  Wochen  zeigt.  Die  besten  Statistiken  geben  eine 
)auerheilung  von  50  Proz.;  meist  aber  werden  definitive  Heilresultate 
mr  in  30  Proz.  erreicht.  Darunter  sind  aber  Patienten,  die  nach  der 
fperation  wieder  vollständig  erwerbsfähig  und  scheinbar  gesund 
yurden,  wobei  sich  die  Dauer  des  Erfolges  bis  auf  5  Jahre  und 
iarüber  erstreckte.  Vor  allem  scheint  die  Operation  auch  den  Blu- 
ungen  infolge  der  Pfortaderstauung  Vorbeugen  zu  können. 

In  jüngster  Zeit  hat  man  sich  bei  Pfortaderstauung  mit  dem 
Toblem  der  Artlegung  einer  E  c  k  sehen  Fistel,  also  der  Herstellung 
iner  Anastomose  zwischen  Vena  portae  und  Vena  cava,  auch  beim 
denschen  beschäftigt.  Zwar  glaubt  Bier  auf  Grund  seiner  Er- 
ahrungen,  dass  diese  Operation  wegen  der  bei  Zirrhose  bestehenden 
erwachsungen  kaum  ausführbar  ist:  doch  ist  sie  bereits  zweimal 
venigstens  technisch  gelungen,  in  einem  Falle  von  V  i  d  a  1  und 
u  einem  Falle  von  Rosenstein.  Der  Erfolg  entsprach  aber  nicht 
len  Erwartungen.  Die  Patientin  V  i  d  a  1  s  starb  nach  3  Monaten, 
nd  im  Falle  Rosensteins  sammelte  sich  bald  wieder  Aszites  an. 

-s  scheint  also  fraglich,  ob  die  E  c  k  sehe  Fistel,  selbst  wenn  ihre 
Anlegung  gelingt,  dauernd  Nutzen  schaffen  kann. 


Erfolgversprechender  scheinen  die  auch  jüngst  unternommenen 
Versuche  zu  sein,  den  Aszites  in  das  Unterhautzellgewebe  oder  direkt 
in  die  Venenbahn  abzuleiten.  Ruotte  empfahl  die  Einnähung  der 
Vena  saphena  magna  in  einen  Bauchfellschlitz,  von  anderen  Opera¬ 
teuren  wurden  vom  Unterhautzellgewebe  aus  Drains,  oder  Faden¬ 
dochte  oder  Gummikondoms  in  die  Bauchhöhle  geführt.  In  einigen 
Fällen  gelang  in  der  Tat  durch  derartige  Operationen  die  allmähliche 
Resorption  des  Aszites.  Solche  Ersatzoperationen  der  Talmaoperation 
wirkten  am  besten  beim  hepatogenen  oder  karzinomatösen  Stau¬ 
ungsaszites,  weniger  beim  Aszites  renalen  oder  kardialen  Ursprungs. 

Mit  der  Besprechung  der  Erkrankungen  des  Pankreas  be¬ 
treten  wir  ein  Neuland,  dessen  allmähliche  Kultivierung  wir  in  erster 
Linie  den  jetzt  immer  häufiger  werdenden  chirurgischen  Eingriffen  an 
diesem  Organe  verdanken.  Freilich  sind  unsere  Kenntnisse  auf  dem 
Gebiete  der  Pathologie  des  Pankreas  noch  mangelhaft  genug,  und  bei 
kaum  einem  anderen  Organe  ist  der  Unterschied  zwischen  physio¬ 
logischer  Bedeutung  und  klinischer  Unkenntnis  der  Erkrankungen  ein 
so  grosser. 

Als  ursächliche  Momente  für  Pankreaserkrankungen  überhaupt 
sind  Infektionen  vom  Magen-Darmkanal  und  vor  allem  von  den 
Gallenwegen  aus  zu  nennen,  ferner  Traumen  und  Sekretstauungen, 
besonders  infolge  von  Gallensteinen;  endlich  scheinen  Lues  und 
Alkoholismus  die  Entstehung  von  Pankreaserkrankungen  zu  be¬ 
günstigen.  Die  grosse  Bedeutung  der  Gallensteine  erhellt  daraus,  dass 
60 — 70  Proz.  aller  Pankreaserkrankungen  mit  Erkrankungen  der 
GallenwTege  kompliziert  sind. 

Die  Diagnose  einer  Pankreaserkrankung  wird  dadurch  er¬ 
schwert,  dass  spezifische  Symptome  seitens  des  Pankreas  in  der 
Regel  fehlen.  Typische  Ausfallserscheinungen  pflegen  nur  dann  auf¬ 
zutreten,  wenn  das  ganze  Organ  erkrankt  ist;  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  handelt  es  sich  aber  um  Teilerkrankungen.  Die  Ausfallserschei¬ 
nungen  machen  sich  in  einer  mangelhaften  Verdauung  bezw.  mangel¬ 
haften  Ausnutzung  der  Nahrungsmittel  bemerkbar.  Ausgesprochene 
Fettstühle,  unverdaute  Muskelfasern  im  Stuhle  werden  unsere  Auf¬ 
merksamkeit  auf  das  Pankreas  zu  leken  haben.  In  einer  Reihe  von 
Fällen  von  Pankreaserkrankungen  findet  man  ferner  Glykosurie.  Für 
Störung  der  Pankreasfunktion  spricht  ferner  eine  Vermehrung  des 
Kotgewichtes  und  eine  Verkürzung  der  Zeit,  in  der  der  Chymus 
den  Darm  passiert.  Weitere  Zeichen  einer  schweren  ausgedehnten 
Pankreaserkrankung  sind:  Bronzefärbung  der  Haut,  Koliken  und 
Schmerzen  im  Epigastrium  event.  Tumorbildung  und  Ikterus.  Eine  be¬ 
sondere  Art  von  Schmerzanfällen  ist  vielfach  den  Pankreaserkran- 
kungen  eigentümlich,  nämlich  die  sog.  Zöliakalneuralgie.  welche 
auf  tritt,  wenn  ein  I  umor  oder  eine  entzündliche  Pankreasverdickung 
auf  den  direkt  hinter  dem  Pankreas  gelegenen  Plexus  coeliacus 
drückt.  Dabei  entstehen  heftige,  anfallsweise  und  oft  stundenlang 
andauernde  Koliken  im  Epigastrium,  welche  die  Kranken  oft  zu  einer 
charakteristischen  Haltung  zwingen,  indem  sie  während  des  Anfalles 
mit  hochgezogenen  Knien  zusammengekriimmt  im  Bette  sitzen. 

Ueber  die  Bedeutung  der  von  C  a  m  m  i  d  g  e  inaugurierten  Pan¬ 
kreasreaktion,  die  in  dem  Nachweis  von  besonderen  Pentosen  im 
Harne  besteht,  gehen  die  Ansichten  auseinander.  Im  Allgemeinen  gilt 
sie  nicht  als  beweiskräftig.  Neuerdings  wurde  angegeben,  dass  sie 
bei  den  akuten  Pankreaserkrankungen  zuverlässigere  Resultate  gebe, 
als  bei  den  chronischen. 

Am  leichtesten  diagnostizierbar  und  daher  dem  Kliniker  am 
längsten  bekannt  sind  die  Pankreaszysten.  Schon  im  Jahre  1882 
wurde  die  erste  Pankreaszyste  von  Gussenbauer  operiert.  Zur 
Zeit  sind  ca.  260  Fälle  von  Pankreaszysten  beschrieben  und  operiert 
worden.  Am  häufigsten  handelt  es  sich  um  Retentionszysten  infolge 
Kompression  oder  Obturation  des  Ausführungsganges  und  inter¬ 
stitieller  Wucherung  des  Bindegewebes.  Es  kommen  aber  auch  Pro¬ 
liferationszysten,  meist  Adenokystome,  und  Erweichungszysten  vor. 
Ein  Viertel  aller  Zysten  ist  traumatischen  Ursprunges.  Ihr  Sitz  ist 
retroperitoneal  und  zwar  erscheinen  sie  im  Epigastrium  entweder 
über  dem  Magen,  oder  zwischen  Magen  und  Kolon  oder  unter  dem 
Kolon.  Grösse  und  Wachstum  sind  sehr  wechselnd;  es  sind  Zysten 
mit  20  Liter  Inhalt  beobachtet  worden.  Häufiger  entwickeln  sie  sich 
im  Pankreasschwanz  als  im  Kopf. 

Die  Symptome  bestehen  zunächst  in  Magenbeschwerden.  Druck, 
Aufstossen,  Appetitlosigkeit;  charakteristisch  ist  eine  früh  einsetzende 
Abmagerung  und  ab  und  zu  bronzeartige  Verfärbung  der  Haut;  später 
aucR  Zöliakalneuralgien.  Selten  besteht  Melliturie  oder  Fettdiar¬ 
rhöe.  Verpönt  ist  eine  Probepunktion.  Die  Behandlung  kann  nur 
eine  operative  sein,  wenn  auch  in  seltenen  Fällen  ein  spontanes  Ver¬ 
schwinden  der  Zyste  beobachtet  wurde.  Die  Operation  der  Wahl 
ist  die  Einnähung  der  Zyste  und  Drainage.  Zysteninhalt  darf  nicht  in 
die  Bauchhöhle  kommen,  da  man  darnach  Tod  beobachtet  hat.  Der 
weitere  Verlauf  nach  der  Einnähung  ist  keineswegs  immer  ein  glatter; 
oft  bleibt  lange  eine  Fistel,  die  man  eventuell  durch  antidiabetische 
Kost  und  Natron  bicarbon.  zum  Verschluss  bringen  kann.  Die  Total¬ 
exstirpation  der  Zyste  macht  sehr  häufig  Schwierigkeiten;  bei  Adeno- 
kystomen  soll  man  allerdings  die  Exstirpation  unbedingt  vorzunehmen 
suchen.  Hat  man  die  Exstirpation  begonnen,  dann  soll  man  sie  auch 
durchführen,  da  abgebrochene  Exstirpationen  eine  sehr  hohe  Mor¬ 
talität  haben.  Bei  Einnähung  der  Zyste  beträgt  die  Mortalität  nur 
4 — 5  Proz.;  bei  Exstirpation  ca.  20  Proz. 

Viel  häufiger  als  man  bisher  im  Allgemeinen  annahm,  spielen 
sich  entzündliche  Prozesse  im  Pankreas  ab.  Die  akute  Pankreatitis 
gehört  wegen  ihres  meist  so  raschen  tödlichen  Verlaufes  zu  den 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


gefürchtetsten  Erkrankungen.  Die  Pathologie  der  akuten  Pankreasent- 
zundung  ist  keineswegs  befriedigend  erforscht.  Nach  dem  gegen¬ 
wärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse  ist  es  aber  erlaubt,  zwischen  der 
akuten  sog.  hämorrhagischen  Pankreatitis  oder  Digestionspankreatitis 
^nd  der  eitrigen  Pankreatitis,  dem  Pankreasabszess,  zu  unterschei- 

Unter  dem  Namen  akut  hämorrhagische  Pankreatitis  verstehen 
w  ir  einen  Erkranku-ngsprozess,  der  pathologisch-anatomisch  durch 
einen  ausgedehnten  Gewebszerfall  des  Drüsenparenchyms  charakteri¬ 
siert  ist.  Das  Organ  ist  vergrössert,  blau-schwärzlich  verfärbt,  von 
grosseren  und  kleineren  Blutungen  durchsetzt.  In  den  seltenen  Fällen 
von  mehr  subakutem  oder  chronischem  Verlaufe  kommt  es  zur  re¬ 
aktiven  Entzündung  der  Umgebung,  die  zerfallenen  Teile  nekroti- 
sieren  und  me  nekrotischen  Teile  können  sequestrieren.  Die  Ursache 
des  Gewebszerfalles  ist  in  einer  Selbstverdauung  der  Drüse  zu 
suchen  infolge  der  in  ihr  produzierten  Fermente.  Diese  Fermente 
sind  normalerweise  in  der  Drüse  inaktiviert.  Der  Gewebszerfall  kann 
erst  entstehen,  wenn  die  Fermente  aktiviert  werden.  Die  Aktivierung 
geschieht  wahrscheinlich  vor  allem  durch  eine  Bakterieninvasion,  und 
zwar  am  häufigsten  dadurch,  dass  infizierte  Galle  oder  Duodenal¬ 
inhalt  in  den  Pankreasgang  gelangt.  Man  hat  die  Beobachtung  ge- 
mac.it,  dass  besonders  Gallensteine  infolge  Stauung  das  rückläufige 
cmtliessen  von  Galle  in  den  Ductus  pancreaticus  veranlassen.  Bei 
der  Mehrzahl  der  Fälle  von  akuter  Pankreatitis  handelt  es  sich  um 
Gallenstemkranke.  Mit  Recht  kann  man  daher  sagen,  dass  die  Chole- 
lithiasis  zu  Pankreatitis  disponiert.  Darminhalt  kann  ferner  bei 
verschiedenen  anderen  Zuständen  regurgitierend  in  den  Pan- 
kreasgang  gelangen.  Bemerkenswert  ist,  dass  in  vielen  Fällen  Fett¬ 
leibigkeit  und  chronischer  Alkoholismus  besteht.  Aber  auch  Arterio¬ 
sklerose,  ferner  Traumen  kommen  als  prädisponierend  in  Betracht, 
msoferne  dabei  Blutungen  im  Pankreasgewebe  und  Schädigungen 
er  Pankreaszellen  entstehen  können.  Sowie  die  Fermente  infolge 
Zerfalles  des  I  ankreas  in  die  Umgebung  gelangen,  entstehen  auch 
hier  Nekrosen,  vor  allem  Fettgewebsnekrosen  im  Mesenterium  und 
Netz.  Man  nimmt  an,  dass  das  Steapsin  die  Fettnekrose  und  das 
l  rypsm  die  Hämorrhagien  verursacht.  Der  Tod  ist  die  Folge  der  all¬ 
gemeinen  Toxinvergiftung. 

Beginn  und  Verlauf  der  Erkrankung  pflegen  ein  äusserst  akuter 
zu  sein.  Die  Patienten  erkranken  meist  plötzlich,  selten  nach  vor- 
lei gehenden  leichteren  Attacken,  unter  heftigsten  Erscheinungen,  Er¬ 
brechen,  oft  auch  Bluterbrechen,  Kolikschmerzen,  Kollaps,  Meteoris¬ 
mus  stellen  sich  ein.  Es  ist  das  Bild  der  Perforationsperitonitis  oder 
eines  hochsitzenden  Darmverschlusses.  Die  Symptome  sind  im  Epi¬ 
gas  tri  um  lokalisiert;  Fieber  kann  fehlen.  Der  Tod  erfolgt  meist  in 
3— 4  lagen.  In  den  selteneren  Fällen  kommt  es  alsbald  zu  einer 
Lokalisation,  wobei  dann  ausgedehnte  Pankreassequester  sich  bilden 
können.  Diese  Fälle  sind  prognostisch  etwas  günstiger,  gehen  aber 
auch,  sich  selbst  überlassen,  in  der  Regel  zugrunde. 

,  *n  ^Mehrzahl  der  Fälle  lässt  sich  die  Diagnose  nicht  sicher- 
stellen.  Differentialdiagnostisch  kommt  Perforationsperitonitis,  Ileus 
und  Mesenterialthrombose  in  Betracht. 

Die  Therapie  kann  prinzipiell  nur  in  frühzeitiger  Operation  be- 
stehen,  tiotz  Unsicherheit  der  Diagnose;  da  es  sich  um  Symptome 
handelt,  die  in  jedem  Falle  sofortige  chirurgische  Hilfe  erfordern. 
Kollaps  ist  keine  Kontraindikation.  Man  soll  so  schonend  und  trotz¬ 
dem  so  radikal  als  möglich  operieren.  Nach  Eröffnung  des  Abdomens 
lallen  sofort  das  hämorrhagische  Exsudat  und  die  Fettgewebsnekrosen 
aut.  die  auf  das  Pankreas  hinweisen.  Dies  ist  in  jedem  Falle  durch 
das  Ligament,  gastrocolicum  hindurch  freizulegen.  Die  Bauchhöhle 
wird  gereinigt,  das  Pankreas  tamponiert  event.  inzidiert  oder  die 
Kapsel  gespalten,  da  das  Pankreassekret  Abfluss  haben  muss.  Man 
revidiert  womöglich  auch  die  Gallenwege,  indes  dürfte  es  der 
Schwere  des  Allgemeinbefindens  wegen  in  der  Regel  nicht  möglich 
sein,  die  Gallensteine,  wenn  sich  solche  als  Ursache  der  Pankrea¬ 
titis  finden,  gleich  mitzuentfernen.  Oft  bleiben  längere  Zeit  Fisteln, 
die  mit  antidiabetischer  Diät  zu  behandeln  sind.  Zurzeit  werden 
durch  operative  Behandlung  ca.  40  Proz.  Heilungen  erzielt,  bei  in¬ 
terner  Behandlung  dagegen  kaum  10  Proz. 

Einen  meist  subakuten  Verlauf  nehmen  die  meist  viel  selteneren 
piimären  Eiterungen  des  Pankreas,  die  in  Form  multipler  kleiner, 
aber  auch  solitärer  grösserer  Abszesse  Vorkommen.  Pankreas¬ 
abszesse  entstehen  infolge  einer  Infektion  von  den  Gallenwegen  aus 
bei  septischer  Cholangitis,  oder  auch  durch  aufsteigende  Infektion 
vom  Duodenum;  man  hat  sie  aber  auch  bei  Allgemeininfektionen, 
z.  B.  bei  Mumps,  beobachtet.  Gefährliche  Folgen  der  Pankreas¬ 
abszesse  sind  Arrosionsblutungen  und  septische  Thrombosen  der  Me¬ 
senterialvenen.  Der  Durchbruch  erfolgt  am  häufigsten  in  die  Bursa 
omentahs  und  es  entsteht  dann  ein  linksseitiger  subphrenischer  Ab¬ 
szess.  Charakteristische  klinische  Symptome,  welche  eine  sichere 
Diagnose  ermöglichen,  fehlen  meist.  Wichtig  ist  die  Druckempfind¬ 
lichkeit  im  Epigastrium,  Fieber  und  Schüttelfröste,  und  Resistenz, 
welche  aut  eine  Eiterung  in  der  Tiefe  schliessen  lassen.  Natürlich  ist 
frühzeitige  Eröffnung  anzustreben:  die  Mortalität  der  Operierten  be¬ 
trug  bisher  52  Proz.,  die  der  Nichtoperierten  90  Proz. 

Ein  ganz  anderes  Krankheitsbild  zeigt  die  im  Verhältnis  zu  den 
akuten  Entzündungen,  wie  es  scheint,  viel  häufigere  chronische  Pan¬ 
kreatitis,  die  ebenfalls  zu  schweren  Schädigungen  führen  kann.  Es 
handelt  sich  dabei  um  eine  Verdickung  und  fibröse  Umwandlung 
des  interstitiellen  Gewebes  der  ganzen  oder  eines  Teiles  der  Drüse 
Daher  stellt  sich  zuerst  eine  Hypertrophie  des  Organes  ein,  die  aller¬ 


dings  später  in  das  atrophische  Stadium  übergeht,  das  sogar  zum 
Schwunde  der  ganzen  Drüse  führen  kann.  Auch  die  chronische  Pan¬ 
kreatitis  ist  ein  häufiger  Folgezustand  der  Cholelithiasis,  insoferne 
!  50  Proz.  der  Fälle  mit  Gallensteinen  kompliziert  sind;  weiterhin  ent¬ 
steht  sie  auch  aufsteigend  vom  Darme  her  im  Anschluss  an  Magen¬ 
darmkatarrhe.  Man  beobachtet  sie  ferner  bei  Diabetes,  chronischem 
Alkoholismus,  Lues  und  Leberzirrhose.  Die  Symptome  der  chro¬ 
nischen  Pankreatitis  sind  in  ihrer  Intensität  sehr  wechselnd.  Im  Vor¬ 
dergründe  stehen  dyspeptische  Erscheinungen,  Sodbrennen,  Auf- 
stossen,  Verdauungsstörungen  beobachtet  man  auch  in  leichteren 
Fällen.  Recht  quälend  können  die  anfallsweise  auftretenden  Schmer¬ 
zen,  die  sog.  Zöliakalneuralgien,  sein,  die  nach  den  Schulterblättern 
ausstrahlen.  Finden  sich,  wie  so  häufig,  die  Veränderungen  vor 
allem  im  Pankreaskopf,  dann  tritt  Ikterus  mit  nachweisbarem  Gallen¬ 
blasentumor  auf.  In  den  Spätstadien  kommt  es  oft  zu  einer  eigen¬ 
artigen  Kachexie  oder  schwerstem  Diabetes;  erst  in  diesem  Spät¬ 
stadium,  also  im  atrophischen  Stadium,  lassen  sich  auch  dann  oft 
Fettstiihle  und  unverdaute  Muskelfasern  nachweisen. 

Leider  ist  häufig  der  unbestimmten  Symptome  wegen  eine 
sichere  Diagnose  nicht  möglich.  Man  wird  sich  zunächst  mit  sym¬ 
ptomatischer  interner  Therapie  begnügen,  und  zweifellos  kann  ein 
Teil  der  leichteren  Fälle  von  chronischer  Pankreatitis  spontan  aus¬ 
heilen,  wenigstens  im  klinischen  Sinne.  Eine  Reihe  der  schwereren 
Fälle  ist  aber  so  gelagert,  dass  ein  chirurgisches  Eingreifen  nötig  er¬ 
scheint.  Das  sind  besonders  die  Fälle,  bei  denen  Gallensteine  als 
Ursache  in  Betracht  kommen,  die  man  dann  möglichst  bald  beseitigen 
soll;  ferner  die  Fälle,  in  denen  infolge  Verdickung  des  Pankreaskopfes 
Kompression  des  Choledochus  und  Ikterus  entstanden  ist.  Hier  muss 
durch  Cholezystenterostomie  für  Ableitung  der  Galle  gesorgt  wer¬ 
den,  wodurch  die  Pankreasschwellung  wieder  zurückgehen  kann. 
Es  handelt  sich  also  vor  allem  darum,  Ursache  oder  Folgeerschei¬ 
nungen  zu  beseitigen.  Aus  demselben  Grunde  ist  die  Gastroentero¬ 
stomie  bei  Magen-  oder  Duodenalulcus  indiziert.  Auch  das  Pankreas 
selbst  hat  man  bei  chronischer  Pankreatitis  angegriffen;  Payr  und 
Martina  haben  die  Spaltung  der  Pankreaskapsel  empfohlen.  Es 
ist  noch  nicht  entschieden,  ob  sich  dadurch  Heilerfolge  erzielen 
lassen. 

Von  deii  soliden  Tumoren  des  Pankreas  hat  eigentlich  nur  das 
Karzinom  klinische  Bedeutung,  obzwar  auch  Fälle  von  Sarkom,  im 
ganzen  28  in  der  Literatur,  bekannt  geworden  sind.  Auch  an  die 
operative  Behandlung  des  Pankreaskarzinoms  hat  man  sich  allmählich 
nicht  ohne  Erfolg  herangewagt;  umsomehr  hat  seine  rechtzeitige 
Diagnose  an  Bedeutung  gewonnen.  Wichtig  sind  die  frühzeitig  auf¬ 
tretenden  Zöliakalneuralgien.  Sonst  bestehen  meist  zunächst  nur 
dyspeptische  Erscheinungen.  Ein  Tumor  ist  nur  in  der  Minderzahl 
der  Fälle,  auch  in  den  späteren  Stadien  des  Karzinoms  palpabel.  ln 
manchen  Fällen  war  die  Massenhaftigkeit  des  Stuhles  mit  unverdau¬ 
ten  Muskelfasern  und  Fettstühlen  ein  auffallendes  Svmptom.  Häufig 
ist  der  Stuhl  aber  auch  ganz  normal.  Später  tritt  auch  häufig  Ikterus 
mit  Druckschmerz  auf.  In  den  Anfangsstadien  ist  eine  Unterschei¬ 
dung  zwischen  Karzinom  und  chronischer  Pankreatitis  meist  nicht 
möglich. 

Seitdem  experimentelle  Studien  von  Franke  und  Tricome 
gezeigt  haben,  dass  die  Entfernung  des  ganzen  oder  fast  ganzen 
Organes  nicht  notwendg  zum  Tode  führende  Ausfallserscheinungen 
hervorrufen  muss,  ist  eine  grössere  Anzahl  von  Total-  und  Partial¬ 
exstirpationen  des  karzinomatösen  Pankreas  ausgeführt  worden.  Die 
Resektionen  des  Pankreasschwanzes  bieten  keine  allzu  grossen  tech¬ 
nischen  Schwierigkeiten.  Die  Karzinome  sitzen  aber  gewöhnlich  im 
Kopfe  oder  Körper.  Bei  deren  Resektion  lässt  sich  die  Art.  gastro- 
duodenalis  nicht  schonen,  weshalb  der  Gefahr  der  Gangrän  wegen 
gleichzeitig  die  Mitresektion  des  Duodenums  nötig  ist.  Das  kompli¬ 
ziert  den  Eingriff  wesentlich.  Trotzdem  sind  Pankreadektomien  mit 
Glück  ausgeführt  worden.  Im  ganzen  finden  sich  in  der  Literatur 
bisher  24  Total-  und  Partialexstirpationen  mit  50  Proz.  Mortalität: 
dabei  sind  die  3  Fälle  totaler  oder  fast  totaler  Exstirpation  genesen. 
Leider  lassen  die  Dauererfolge  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 

Zum  Schlüsse  seien  noch  die  Pankreassteine  und  die  Ver¬ 
letzungen  des  Pankreas  erwähnt. 

Es  sind  zurzeit  nur  etwa  80  einwandfreie  Fälle  von  Pankreas¬ 
steinen  klinisch  beobachtet  und  beschrieben.  Ihre  Ursache  wird  in 
chronischer  Pankreatitis  und  aufsteigender  infektiöser  Entzündung 
der  Gänge  gesucht.  Sekretstauung  ohne  Infektion  scheint  keine  Stein¬ 
bildung  zu  verursachen.  Die  Symptome  ähneln  denen  der  Gallen¬ 
steinkoliken.  Relativ  häufig  fand  man  bei  Pankreassteinen  Gly- 
kosurie,  Fettstühle  und  Obstipation,  ferner  Speichelfluss.  Die  Dia¬ 
gnose  sichert  erst  der  Nachweis  der  Konkremente,  der  neuerdings 
auch  durch  Röntgenographie  gelungen  ist.  Die  Therapie  soll  zu¬ 
nächst  eine  interne  sein,  empfohlen  wird  Pilokarpin:  0,01—0.04  sub¬ 
kutan.  Auf  operativem  Wege  gelang  bisher  erst  4  mal  die  Ent¬ 
fernung  der  Steine. 

Die  Pankreasverletzungen  kommen  isoliert  sehr  selten  vor, 
häufiger  sind  sie  gleichzeitig  mit  Verletzungen  anderer  Organe  kom¬ 
biniert.  Eine  subkutane  isolierte  Pankreasruptur  kann  nur  ent¬ 
stehen,  wenn  die  Gewalt  sehr  gross  ist  und  das  Pankreas  gegen  die 
W  irbelsäule  angepresst  wird,  dann  kann  das  Pankreas  in  der  MiLe 
durchreissen.  Austritt  von  Blut  und  Sekret  ist  die  Folge,  wodurch 
Fettnekrosen,  Peritonitis  und  Allgemeinintoxikation  entstehen 
können.  Im  Anschluss  an  die  Verletzung  kann  es  auch  zu  einer 
akut  eitrigen  Pankreatitis  oder  Pankreasnekrose  kommen;  und  aus 


27.  Mai  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1159 


den  gequetschten  Pankreasteilen  können  sich  Zysten  und  Pseudo¬ 
zysten  bilden.  Oft  beobachtete  man  nach  einer  Pankreasruptur  zu¬ 
nächst  schweren  Kollaps,  dann  nach  vorübergehender  Besserung 
plötzlich  peritonitische  Symptome.  Die  Diagnose  einer  Pankreasrup¬ 
tur  ist  ohne  Probelaparotomie  fast  unmöglich.  Neuerdings  wollen 
NVohlgemuth  und  N  o  g  u  c  h  i  nachgewiesen  haben,  dass  Ver¬ 
letzungen  des  Pankreas  zu  einer  Vermehrung  der  Diastase  im  Blute 
und  Urin  führen,  so  dass  man  in  allen  Fällen  von  Traumen  der 
Oberbauchgegend,  in  denen  man  eine  die  Norm  überschreitende  Zu¬ 
nahme  der  Diastase  im  Blute  und  Harn  konstatiert,  eine  Verletzung 
des  Pankreas  annehmen  kann.  Die  Therapie  soll  auch  in  Zweifels¬ 
fällen  stets  eine  operative  sein:  Man  legt  das  Pankreas  frei,  kann 
glatte  Risse  nähen,  sonst  ist  in  jedem  Falle  sorgfältige  Tamponade 
nötig.  Die  Mortalität  der  nichttamponierten  Fälle  schätzt  man  auf 
80  Proz.,  die  der  tamponierten  auf  38  Proz. 

Die  Mehrzahl  der  offenen  Pankreasverletzungen  sind  Schuss¬ 
verletzungen.  Die  Hauptgefahr  der  Verletzungen  liegt  nicht  in  der 
Blutung,  sondern  in  dem  Ausfliessen  des  Sekretes.  Auch  die  Schuss¬ 
verletzungen  bedürfen  natürlich  baldigster  Operation.  Wie  die  Sta¬ 
tistiken  ergeben,  sind  von  31  beobachteten  Fällen  7  nicht  operiert 
worden  und  alle  gestorben.  Von  24  Operierten  sind  13  gestorben, 
11  geheilt.  Dabei  handelte  es  sich  nur  3  mal  um  isolierte  Ver¬ 
letzungen  des  Pankreas. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

.  Wagner  v.  Jauregg:  Myxödem  und  Kretinismus.  Handbuch 
der  Psychiatrie  von  Aschaffenburg.  2.  Abt.  1.  Hälfte. 

Verf.  bringt  in  ausführlicher,  90  Seiten  einnehmender,  Aus¬ 
arbeitung  die  Krankheitsformen  des  Athyreoidismus 
resp.  des  Hypothyreoidismus  mit  guter  umfassender 
Literaturangabe.  Im  Anfang  wie  in  den  einzelnen  Abschnitten  führt 
er  die  wichtigsten  Theorien  an,  die  über  diese  Krankheitsbilder  vor 
dem  Bekanntsein  der  elementaren  Bedeutung  der  Schilddrüse  für 
letztere  gangbar  waren,  sowie  eine  kritische  Würdigung  der  späteren 
Theorien  und  Experimente  und  bietet  uns  damit  eine  gute  Einführung 
in  diesen  am  weitesten  fortgeschrittenen  Abschnitt  aus  der  noch 
jungen,  enorm  bedeutenden  Wissenschaft  von  dem  polyglandulären 
Apparate,  insbesondere  für  den  in  der  Entwicklung  begriffenen,  aber 
auch  für  den  in  seiner  Entwicklung  schon  abgeschlossenen  Orga¬ 
nismus.  Feststehende  physiologische  Tatsachen  sind : 

1.  Die  nach  einer  Schilddrüsenexstirpation  eintretende  post¬ 
operative  Kachexie,  die  um  so  rascher  und  intensiver  sinnfällig  wird, 
je  jünger  der  betroffene  Organismus  ist.  Am  auffälligsten  sind 
die  Entwicklungsstörungen,  betreffs  Ossifikation,  Zahnentwicklung 
und  geschlechtlicher  Entwicklung  und  die  charakteristischen  Ver¬ 
änderungen  an  Haut-  und  Nervensystem. 

2.  Baumanns  wichtige  Entdeckung  von  dem  Thyreojodin  oder 
Jodothyringehalt  der  Schilddrüse  mit  seinen  der  Schilddrüsensub¬ 
stanz  ähnlichen  physiologischen  Wirkungen. 

Jedem  Kapitel  ist  eine  gute  Beschreibung  und  kritische  Sichtung 
des  bisher  vorliegenden  pathologisch-anatomischen  Materials  bei¬ 
gegeben. 

Er  unterscheidet  folgende  Krankheitsformen: 

1.  Das  Myxödem  der  Erwachsenen,  (so  genannt  zum  Unter¬ 
schied  von  dem  sich  durch  Entwicklungsstörungen  abgrenzenden 
Myxödem  im  Kindesalter).  (Charcots  Cachexie  pachydermique.) 

Aetiologisch  kommen  in  Betracht:  ein  geologisches  Moment, 
die  Bevorzugung  des  weiblichen  Geschlechtes  und  der  Beginn  be¬ 
sonders  um  das  30. — 50.  Lebensjahr.  Die  wichtigsten  Symptome 
sind  die  charakteristischen  Veränderungen  an  Haut  und  Unterhaut¬ 
zellgewebe,  das  Darniederliegen  des  Gesamtstoffwechsels,  die  Ver¬ 
änderungen  des  Nervensystems  und  der  Psyche,  mit  der  für  alle 
Formen  charakteristischen  Erschwerung  und  Verlangsamung  der 
psychischen  und  psychomotorischen  Vorgänge,  wofür  Verf.  die  Be¬ 
zeichnung  „myxödematöser  Geisteszustand“  vorschlägt.  Von  den 
Organen  ist  besonders  oft  und  schwer  das  Gehirn  betroffen.  Ein¬ 
gehend  werden  die  Myxödempsychosen  behandelt.  Die  Krankheit 
entwickelt  sich  gewöhnlich  im  Anschluss  an  eine  Gemütsbewegung 
oder  Infektionskrankheit,  verläuft  in  einem  Zeiträume  von  1  bis 
34  Jahren,  der  Tod  erfolgt  meistens  durch  Komplikationen.  Nur  die 
leichten  Formen  und  Anfangsstadien  machen  diagnostisch  Schwierig¬ 
keit.  Die  Differentialdiagnose  wird  erläutert  gegenüber  chronischer 
Nephritis,  Fettsucht,  Adipositas  dolorosa,  Akromegalie.  Oft  ist  die 
Diagnose  ex  juvantibus  zu  stellen.  Therapeutisch  kommt  jetzt  nur 
noch  die  Organotherapie  in  Form  von  Schilddrüsentabletten  in  Be¬ 
tracht.  Die  Jodkalibehandlung  wird  wohl  zu  gering  eingeschätzt. 

2.  „Das  operative  Myxödem“  (Cachexia  strumipriva 
oder  thyreopriva),  zuerst  beobachtet  nach  totaler  Schilddrüsen¬ 
exstirpation,  dann  aber  auch  wenn  ein  funktionstüchtiger  Rest  nicht 
genügend  gross  war  oder  ein  grosser  Rest  nicht  funktionstüchtig 
war.  Die  ersten  Symptome  machen  sich  bald  nach  der  Operation 
bemerkbar  in  Mattigkeit  und  Schwäche.  Für  die  übrige  Sympto¬ 
matologie  ist  natürlich  wesentlich,  ob  ein  kindlicher  oder  erwachsener 
Organismus  betroffen  wird.  Es  unterscheiden  sich  die  Symptome 
in  nichts  wesentlich  von  dem  spontan  auftretenden  Myxödem. 

3.  Der  endemische  Kretinismus.  Dies  Kapitel  bildet 
den  Hauptteil  des  Buches.  Er  betont  den  Zusammenhang  von 
Kretinismus  und  Kropfendemien.  Doch  finden  sich  bei  Kretiüs  meist 


die  kleinen  Kröpfe  besonders  als  kropfige  Entartung  des  Mittel¬ 
lappens.  Zu  den  beiden  genannten  steht  noch  eine  dritte  Endemie  in 
Beziehung,  „die  Taubstummheit“,  die  allerdings  bei  genauerer  Unter¬ 
suchung  auch  symptomatisch  zum  Kretinismus  gehört.  Bei  ihr  ist  die 
Stummheit  so  ursprünglich  wie  die  Taubheit,  letztere  Störung  ist 
peripher  teils  im  Mittelohr,  teils  im  Labyrinth  lokalisiert.  Die 
Symptomatologie  ist  sehr  ausführlich  abgehandelt.  Sie  äussert  sich 
in  einer  Kombination  von  geistigen  Störungen  mit  spezifischen  Ano¬ 
malien  der  Körperbildung. 

W.  v.  J.  betont  aber  die  bekannte  Tatsache,  dass  auch  Kreti¬ 
nismus  ohne  Idiotie  vorkommt,  doch  ist  auch  diesen  Formen  der 
„myxödematöse  Geistezustand“  eigen.  In  der  überwiegenden  Mehr¬ 
zahl  finden  sich  leichte  Grade  von  Blödsinn  und  Schwachsinn. 
Erethische  Formen  der  Idiotie  kommen  nicht  vor.  Auch  macht  Verf. 
ausdrücklich  darauf  aufmerksam,  dass  die  Sprache  hier  nicht  immer 
einen  Massstab  für  den  Grad  der  Störungen  abgibt,  wegen  der  gleich¬ 
zeitig  meist  vorhandenen  Störung  der  Gehörfunktion. 

Die  alte  Einteilung  in  Vollkretins,  Halbkretins  und  Kretinose  hält 
Verf.  für  unzureichend.  Er  stellt  verschiedene  Typen  auf:  1.  Der 
Kretinismus  in  vollster  Ausbildung  seiner  Symptome  ohne  Kropf. 
2.  Die  Halbkretins  mit  Kropf.  3.  Die  kretinischen  Zwerge.  4.  Die 
Kretinosen.  5.  Die  kretinischen  Taubstummen. 

Ob  der  endemische  Kretinismus  als  angeborene  Krankheit  auf- 
treten  kann,  scheint  unentschieden,  solche  Fälle  sind  aber  mitgeteilt. 
Er  beginnt  nicht  selten  mit  Konvulsionen.  Für  einige  Symptom¬ 
gruppen  scheint  ihm  nach  den  bisherigen  Beobachtungen  eine  Hilfs¬ 
hypothese  der  partiellen  Funktionsstörung  der  Schilddrüse  not¬ 
wendig,  oder  auch  eine  koordinierte  Erkrankung  von  Hirn  und 
Schilddrüse  nicht  ausgeschlossen.  Seine  diesbezüglichen  Aus¬ 
führungen  möchte  ich  nicht  als  beweisend  ansehen. 

Auf  die  geographische  Verbreitung  des  endemischen  Kretinismus 
geht  Verf.  ausführlich  ein.  Er  betont  für  die  Aetiologie  ein  geo¬ 
logisches  Moment  und  die  Bedeutung  des  Trinkwassers.  Erbliche 
Anlage  besteht  nicht.  Das  Geschlecht  spielt  hier  keine  Rolle.  Er 
nimmt  an,  dass  eine  bisher  unbekannte  endemische  Schädlichkeit  in 
den  Körper  eindringt  und  eine  von  Haus  aus  schwache  oder  durch 
eine  akute  infektiöse  Thyreoiditis  geschwächte  Schilddrüse  trifft. 
Die  Differentialdiagnose  erörtert  er  gegenüber  dem  Mongolismus, 
Idiotieformen  mit  Entwicklungsstörungen  und  dem  sporadischen 
Kretinismus.  Therapeutisch  hat  die  Prophylaxe  noch  wenig  Aus¬ 
sicht.  R.  meint  aber,  dass  doch  eine  Reihe  von  hygienisch  prophy¬ 
laktischen  Erfolgen  bekannt  sind.  Die  ■Schilddrüsentherapie  zeitigt 
hier  glänzende  Resultate. 

4.  Der  sporadische  Kretinismus.  (Thyreoaplasie  und 
infantiles  Myxödem.) 

Eine  Krankheit  mit  den  wesentlichsten  Zügen  des  endemischen 
Kretinismus.  Sie  steht  in  gewisser  Beziehung  zum  Myxödem,  auch 
hier  wird  wieder  das  weibliche  Geschlecht  bevorzugt.  Die  Heredität 
spielt  in  der  Aetiologie  eine  Rolle.  Auf  die  Unterschiede  zwischen 
endemischen  und  sporadischen  Kretinismus  geht  Verf.  ausführlich  ein. 
Macht  besonders  auf  das  Fehlen  des  Kropfes  und  der  Störung  der 
Gehörsfunktion  beim  letzteren  aufmerksam.  Die  Frage,  ob  der  die 
Schilddrüse  schädigende  Prozess  beim  kongenitalen  Myxödem  ein 
wesensverschiedner  ist,  so  dass  man  also  die  erste  als  Entwicklungs¬ 
anomalie  der  zweiten  als  erworbene  Krankheit  gegenüberstellen 
müsste,  ist  noch  nicht  spruchreif.  Die  therapeutischen  Erfolge  sind 
besonders  in  Bezug  auf  die  psychischen  Symptome  und  in  ihrer 
Dauerhaftigkeit  weniger  günstig  als  beim  endemischen  Kretinismus. 

H.  Fischer-  Halle. 

M.  Reichardt:  Untersuchungen  über  das  Gehirn.  2.  Teil: 
Hirn  und  Körper.  Arbeiten  aus  der  psychiatrischen  Klinik  zu  Würz¬ 
burg.  VII.  Heft.  Mit  153  Abbildungen  im  Text.  Jena.  Verlag  von 
Gustav  Fischer,  1912.  509  Seiten.  Preis  15  M. 

Das  umfangreiche,  mit  grösstem  Fleiss  bearbeitete  Buch  stellt 
nach  des  Verfassers  eigenen  Worten  einen  Versuch  dar,  den  Zustand 
des  Körpers  und  seine  Veränderungen  im  Gefolge  von  Hirnkrank¬ 
heiten  zu  schildern.  Der  Körperzustand  wird  dargestellt  gedacht 
durch  das  Körpergewicht,  die  Körpertemperatur,  sowie  die  vaso- 
motorisch-trophischen  Funktionen.  Vor  allem  aber  handelt  es  sich  im 
vorliegenden  Buch  um  einen  klinischen  Beitrag  zur  Pathologie  des 
menschlichen  Körpergewichtes  bei  Hirnkrankheiten.  Weiter  ent¬ 
stand  die  Aufgabe,  zu  untersuchen:  ob  und  inwieweit  nicht  Erschei¬ 
nungen,  welche  auf  körperlichem,  —  und  solche,  weicne  auf  psychi¬ 
schem  und  neurologischem  Gebiete  sich  zeigen,  in  innerem  Zu¬ 
sammenhänge  stehen  können?  Können  überhaupt  Anomalien  des 
Körpergewichtes  bei  Hirnkrankheiten  Hirnsymptome  sein?  Die  Ab¬ 
handlung  soll  mehr  im  Sinne  einer  Fragestellung  wirken,  als  einer 
Lösung  des  Problems.  Sie  gliedert  sich  in  folgende  drei  grosse 
Kapitel:  Das  Körpergewichtsverhalten  bei  den  einzelnen  Hirnkrank¬ 
heiten,  das  Körpergewicht  in  Beziehung  zu  einzelnen  Hirn-  und 
Rückenmarkssymptomen  und  schliesslich  die  Notwendigkeit  täglicher 
Körpergewichtsbestimmungen  bei  Hirnkrankheiten. 

Die  Frage  nach  dem  Wesen  der  sogenannten  Geisteskrankheiten 
beantwortet  Verf.  auf  Grund  der  Ergebnisse  seiner  Körpergewichts¬ 
bestimmungen  an  Hirnkranken  dahin,  dass  er  annimmt:  Die  grosse 
Mehrzahl  der  Psychosen  sind  primäre  Hirnkrankheiten.  Für  diese 
Annahme  waren  drei  Gründe  vor  allem  für  ihn  massgebend: 

L  ein  positiver  Grund:  Die  Tatsache,  dass  manchmal  bei  reinen 
primären  Hirnkrankheiten  die  gleichen  endogenen  Körpergewichts- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


1 160 


anomaiien  —  und  ein  denselben  parallel  gehender  Krankheits- 
verlauf  —  zu  beobachten  sind,  wie  z.  B.  bei  der  progressiven 
Paralyse; 

2.  ein  positiver  Grund:  Die  Tatsache,  dass  bei  einer  wesens¬ 
gleichen  Geisteskrankheit  (z.  B.  der  progressiven  Paralyse)  sich  das 
Körpergewicht  in  prinzipiell  verschiedener  Weise  verhalten  kann,  — 
dass  aber  andererseits  zwischen  zweifellosen  Hirnsymptomen  und 
endogenen  Körpergewichtsanomalien  innere  Zusammenhänge  be¬ 
stehen  können; 

3.  ein  negativer  Grund:  Die  Tatsache,  dass  die  zurzeit  bekannten 

primären  Stoffwechselanomalien  und  primären  Störungen  der  inneren 
Sekretion,  einschliesslich  der  meisten  Vergiftungen,  in  der  Psychiatrie 
ätiologisch  und  pathogenetisch  eine  ganz  verschwindend  geringe 
Rolle  spielen.  Germanus  F  1  a  t  a  u  -  Dresden. 


Kirchhoff:  Geschichte  der  Psychiatrie.  (Aschaffen¬ 
burg,  Handbuch  der  Psychiatrie.  Deuticke,  Leipzig  u.  Wien,  1912.) 

Zunächst  wird  eine  Zusammenstellung  der  deutschen  Haupt¬ 
literatur  gebracht.  Dann  erledigt  der  Verf.  im  knappen,  aber 
fliessenden  Stil  die  Geschichte  der  Psychiatrie  in  Kuropa,  ganz  vor¬ 
zugsweise  in^  Deutschland,  während  die  der  übrigen  Erdteile,  so  die 
von  Japan,  China  und  den  amerikanischen  Staaten,  fast  vollkommen 
unerwähnt  geblieben  ist. 

Aus  dem  Altertum  sind  die  Quellen  zum  grossen  Teil  griechischen 
Ursprungs.  Wie  auf  allen  Gebieten  der  Medizin  so  ist  auch  in  der 
Psychiatrie  Hippokrates  der  bahnbrechende  gewesen,  der  be¬ 
reits  das  Gehirn  als  den  Sitz  der  Seele  bezeichnet  hat;  als  ein  be¬ 
sonderes  Meisterstück  gilt  seine  Schilderung  der  Epilepsie. 

Zur  Zeit  des  Mittelalters  ist  im  Abendlande  Spanien  eine  Zeit¬ 
lang  der  Zentralpunkt  gewesen,  aber  dort  ist  wie  sonst  in  Europa 
weder  der  Weg  der  Wissenschaft  noch  der  der  ärztlichen  Kunst  frei 
gewesen,  weil  religiöser  Aberglauben  mehr  als  je  alles  Denken  und 
Handeln  beherrscht  hat. 

In  der  Neuzeit  ist  es  Paracelsus,  der  erste  deutsch 
schreibende  Arzt,  der  den  Glauben  an  Dämonen  und  Hexen  bekämpft 
hat.  Schliesslich  folgt  eine  übersichtliche  Darstellung  der  Männer, 
die  an  der  Entwickelung  der  Psychiatrie  bis  zu  ihrer  jetzigen  Höhe 
teilgenommen  haben. 

Es  ist 'eine  kurze,  aber  übersichtliche  und  im  grossen  und  ganzen 
alles  Wissenswerte  enthaltende  Arbeit. 

Manfred  G  o  1  d  s  t  e  i  n  -  Halle. 


B.  Moynihan:  Das» Ulcus  dtiodeni.  Uebersetzt  und  heraus¬ 
gegeben  von  Sigmund  K  r  e  u  z  f  u  c  h  s  -  Wien.  Dresden  und  Leipzig, 
Steinkopf  f,  1913.  Preis  18  Mark. 

In  wie  hohem  Masse  das  Ulcus  duodeni  zurzeit  das  ärztliche 
Interesse  in  Anspruch  nimmt,  zeigen  die  Verhandlungen  der  ver¬ 
schiedensten  medizinischen  Gesellschaften.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass 
das  uns  durch  die  Arbeiten  der  englischen  und  amerikanischen  Chi¬ 
rurgen  bekannt  gemachte  Leiden  auch  bei  uns  weit  häufiger  ist,  als 
man  früher  angenommen  hat.  Die  Monographie  Moynihan  s,  des 
Begründers  der  Lehre  vom  Ulcus  duodeni,  war  uns  bisher  nur  in 
englischer  Sprache  zugänglich.  Man  darf  daher  Kreuz  fuchs 
sehr  dankbar  sein,  dass  er  das  grundlegende  Werk  ins  Deutsche  über¬ 
tragen  hat. 

Bis  zum  Ende  des  Jahres  1910  verfügte  Moynihan  über 
305  Operationen  wegen  Ulcus  duodeni.  Gegenüber  der  bei  uns  bis- 
her  herrschenden  Anschauung  von  der  Schwierigkeit  der  Duodenal¬ 
geschwürsdiagnose  berührt  es  da  recht  eigenartig,  wrenn  M.  an  die 
Spitze  seiner  Ausführungen  den  Satz  stellt:  „Es  gibt  nur  wenige 
Krankheiten,  deren  Symptome  in  einer  so  genau  bestimmten  und  ge¬ 
ordneten  Reihenfolge  erscheinen,  wie  die  des  Duodenalulcus.“  Aus 
seinen  reichen  Erfahrungen  schildert  M.  das  charakteristische  Krank- 
heitsbild  und  stellt  als  dessen  Hauptsymptome  die  meist  2  Stunden 
nach  den  Mahlzeiten  auftretenden  Schmerzen,  den  Hungerschmerz 
und  die  Periodizität  der  Symptome  auf.  Die  Anamnese  ist  nach  M. 
alles,  die  physikalische  Untersuchung  fast  nichts.  In  einem  weiteren 
-  taclium  der  Erkrankung  kann  eine  Dilatation  des  Magens  mit  mo- 
torischer  Insuffizienz  zutage  treten.  Die  von  F.  Riegel  als  Hyper- 
chlorhydrie  beschriebene  funktionelle  Störung  entspricht  wahr¬ 
scheinlich  dem  Ulcus  duodeni. 

Die  Behandlung  des  Ulcus  duodeni  soll  nach  M.  stets  eine  chirur- 
g|Sche  sein.  Nur  im  allerersten  Beginne  ist  vielleicht  eine  innere 
Behandlung  angezeigt.  Die  Art  des  chirurgischen  Eingriffes  richtet 
sich  nach  dem  bei  der  Operation  erhobenen  Befunde:  Gastroentero¬ 
stomie,  Exzision,  Einfaltung.  In  allen  Fällen  sollte  der  Wurmfortsatz 
not  entfernt  werden,  der  in  sehr  vielen  Fällen  der  Ausgangspunkt 
iur  die  üeschwiirsbildung  im  Duodenum  ist. 

Das  Duodenalgeschwür  sitzt  in  95  Proz.  aller  Fälle  im  ersten 
A  isclimtt  des  Duodenums,  d.  h.  innerhalb  einer  4  cm  vom  Pylorus 
entfeinten  Stiecke.  Das  ergibt  sich  mit  aller  Sicherheit  aus  der 
gi tossen  operativen  Erfahrung  des  Verfassers,  aus  der  er  uns  weiter 
vieie  interessante  latsachen  mitteilt.  Auch  die  Perforation  des  Ulcus 
duodeni  erfahrt  eine  eigene  Darstellung. 

Der  Abschnitt  über  Röntgenbeobachtungen  bei  Ulcus  duodeni  ist 
von  dem  Uebersetzer  Kreuzfuchs  verfasst.  Eines  der  kon¬ 
stantesten  Symptome  beim  Duodenalgeschwür  ist  die  gesteigerte  Ent- 
eerungsgeschwindigkeit  des  Magens.  Am  sichersten  gelingt  die 
ladiologische  Diagnose,  wenn  es  möglich  ist,  einen  isolierten  per- 
sistierenden  Wismutfleck  bei  schon  entleertem  Magen  im  Anfangsteil 
des  Duodenums  festzustellen. 


Den  Schluss  des  Buches  bildet  ein  Bericht  über  sämtliche  von 
Moynihan  bis  zum  Ende  des  Jahres  1910  operierte  Fälle. 

We  ,t/effliche  Uebersetzung  wird  sicher  dazu  beitragen,  auch  bei 
uns  die  Kenntnis  des  Ulcus  duodeni  mehr  zu  verbreiten.  Kr 


Hermann  Engel:  Die  Beurteilung  von  Unfallfolgen  nach  der 
Reichs versicherungsordnung.  Verlag  von  Urban  &  Schwar¬ 
zenberg,  Berlin-Wien  1913.  632  Seiten.  Preis:  15  M. 

Von  Jahr  zu  Jahr  nimmt  die  Zahl  der  Unfallkranken  zu.  mit  der 
Zunahme  der  entschädigungspflichtigen  Betriebsunfälle.  Hiefiir  nui 
einige  ganz  kurze  Belege.  Die  Zahl  der  U  nf  a  1 1  renten  e  m  pf  än - 
g  e  r  betrug  im  Jahre  1886:  7132,  im  Jahre  1910:  901  404,  also  fast 
eine  Million  Menschen!  Die  Zahl  der  versicherten  Personen  war  im 
Jahre  1910:  27553  572.  An  Entschädigungen  wurden  bezahlt  1886- 
1.915  Million  Mark,  bis  zum  Jahre  1910:  163.326  Millionen  Mark.  Diese 
Zahlen  dürften  wohl  eine  eindringliche  Sprache  führen,  denn  in  wel¬ 
chem  Masse  wir  Aerzte  dabei  beteiligt  sind,  darüber  brauche  ich 
kein  Wort  zu  verlieren.  Der  deutsche  Arzt  muss  in  der  Abgabe 
der  Gutachten  unbedingt  auf  die  Höhe  seiner  sonstigen  wissenschaft¬ 
lichen  Ausbildung  gebracht  werden.  Ausnahmslos  jeder  prak¬ 
tische  Arzt  kommt  in  die  Lage,  (lutachten  abgeben  zu  müssen.  Nun 
ist  es  sicher,  das  der  Arzt  als  Gutachter  etwas  ganz  anderes  ist,  wie 
der  Arzt  als  Diagnostiker  und  Therapeut.  Ohne  Zweifel  werden  -- 
zum  Nachteil  der  Berufsgenossenschaften  und  der  Verletzten,  zum 
Schaden  des  Ansehens  unseres  ganzen  Standes  bei  Behörden.  Ge¬ 
nossenschaften,  Laien  —  eine  sehr  grosse  Anzahl  nach  jeder  Richtung 
ganz  unzulänglicher,  mangelhafter  ärztlicher  Gutachten  abgegeben. 
Es  ist  daher  auf  das  ausserordentlichste  zu  begriissen.  dass  ein  so  er¬ 
fahrener  und  kritischer  Autor,  wie  Engel,  die  Summe  seiner  Er¬ 
fahrungen  und  Kenntnisse  in  einem  nicht  zu  umfangreichen  Werk  der 
Allgemeinheit  zugänglich  macht.'  Wir  finden  in  dem  vorliegenden 
Buche  in  mustergültiger  Weise  abgehandelt  das  fiir  den  Praktiker 
wichtigste  des  Formell-juristischen:  die  Entwicklung  der 
sozialen  Unfallgesetzgebung  und  Reichsversicherungsordming,  Be¬ 
griff  des  „Betriebsunfalles“,  Verhältnis  des  Arztes  zu  den  Berufs- 
genossenschaften  etc. 


Im  medizinischen  Teil,  der  seinen  Wert  erhält  durch  die 
vielen  zur  Erläuterung  dienenden  beigefiigten  Gutachten  Engels, 
ist  der  Verfasser  auf  das  gesamte  Gebiet  sowohl  der  chirurgischen 
wie  inneren  Krankheiten  traumatischer  Genese,  man  darf  sagen  fast 
erschöpfend  eingegangen.  Die  Signatur  des  Werkes  ist,  dass  es  aus 
der  Praxis,  gleichsam  organisch,  sich  herausentwickelt  hat  und 
herausgewachsen  ist.  Trotzdem  gibt  eine  Fülle  theoretischer, 
physiologischer,  klinischer,  anatomischer,  pathologisch-anatomischer 
Erörterungen  nach  allen  erdenklichen  Richtungen  Anregungen  und 
Belehrungen  und  erleichtert  die  Aufgabe  des  Gutachters  in  jedem  ein¬ 
schlägigen  Falle.  Rossbach-  München. 


L.  Pinciissohn:  Medizinisch-chemisches  Laboratoriunis- 
hilfsbucli.  Mit  75  Figuren  und  1  Spektraltafel.  Leipzig  1912.  Verlag 
von  F.  C.  W.  Vogel.  443  Seiten.  Preis  13.50  M. 

Gerade  in  letzter  Zeit  ist  die  Zahl  der  Laboratoriumsbücher  um 
ein  beträchtliches  gewachsen,  sicherlich  ein  Zeichen  der  Zunahme  des 
chemischen  Arbeitens  in  Klinik,  Krankenhaus  und  ärztlicher  Praxis. 
Das  vorliegende  Buch  verdient  jedoch  vor  anderen  eine  besondere 
Empfehlung,  weil  es  auf  dem  engen  Raum  von  ca.  300  Seiten  eine 
sehr  geschickte  Auswahl  und  eine  besonders  instruktive  Beschreibung 
der  dem  chemisch  arbeitenden  Mediziner  erforderlichen  Unter- 
suchungsmethoden  bringt  und  zudem  auf  weiteren  120  Seiten  durch 
eine  grosse  Zahl  wertvoller  Tabellen  vervollständigt  ist.  Auch  sind 
die  neueren  physikalisch-chemischen  Methoden  in  klarer  und  leicht 
\  crständlicher  Art  in  einem  besonderen  Kapitel  zusammengefasst  und 
mit  geeigneter  Anleitung  zum  Selbstarbeiten  versehen.  Die  Aus- 
liihrung  der  Abbildungen  sowie  auch  sonst  die  äussere  Ausstattung 
ist  vorzüglich,  so  dass  das  Werk  als  Hilfsbuch  für  medizinische 
Laboratorien  weiteste  Verbreitung  verdient.  H.  Sch  ade -Kiel. 


Robert  Pohl-Berlin:  Die  Physik  der  Röntgenstrahlen.  Braim- 

schweig,  \ erlag  Vieweg  &  Sohn.  163  Seiten.  72  Abbildungen. 
I  reis  geh.  5  M..  in  Leinwand  geb.  5.80. 

Da  die  wenigsten  röntgenologisch  tätigen  Aerzte  imstande  .sind, 
die  physikalische  Literatur  zu  verfolgen,  so  wird  diese  kritische  Zu¬ 
sammenfassung  des  Stoffes  gewiss  Freunde  finden.  Die  Kenntnis 
i  i  w  esentlichen  positiven  experimentellen  Ergebnisse  ist  ja  unciit- 
behrheh  zum  Verständnis  der  uns  täglich  begegnenden  Erscheinungen, 
sie  ist  die  Quelle  des  weiteren  Fortschrittes,  an  dem  auch  die  Aerzte 
mitai  beiten  sollen.  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

"P*.  C  h  •"  i  s  t  e  n  -  Bern  :  Messung  und  Dosierung  der  Röntgen- 
stiahlen.  Ergänzungsband  28  der  „Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der 
Rontgenstrahlen“.  Hamburg  1913,  Verlag  Lucas  Gräfe  &  Si  Ilern. 
Preis  geb.  12  M. 

,  Das  durch  ein  Vorwort  Albers-Schönbergs  warm  emp¬ 
fohlene  Buch  behandelt  den  ebenso  schwierigen  als  wichtigen  Stoff 
in  gründlicher  und  auch  für  den  Nicht-Physiker  gut  verständlicher 
Weise.  Verf.  entwickelt  die  i  heorie  der  nötigen  Begriffe,  besprich* 
die  zahlreichen  bisher  empfohlenen  Messmethoden,  bekämpft  ver¬ 
schiedene  weitverbreitete  falsche  Auffassungen  betr.  „Stralilcn- 
gemisch  ,  „Filtrierung  der  Strahlen  etc.,  und  begründet  eingehend 
seine  aus  der  Literatur  bekannte  Mess-  und  Dosierungsmethode.  Die 


7.  Mai  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1161 


mwendung  derselben  wird  an  der  Hand  der  beigegebenen  Tabellen 
nd  Kurven  sehr  vereinfacht,  womit  eine  praktische  Hauptbedingung 
rfüllt  ist.  Das  Buch  ist  unentbehrlich  fiir  jeden  Arzt,  der  die  Rönt- 
enstrahlen  therapeutisch  allwendet,  insbesondere  zur  „Tiefen- 
estrahlung“.  R.  Qrashey  -  München. 

Neueste  Jourualliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  10U,  Heft  2,  1912. 

6)  Q.  M  a  g  n  u  s  s  o  n  -  Reykjavik :  214  Echinokokkenoperationen, 
{eitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  der  Echinokokkenkrankheit. 

Verf.  hat  zu  vorliegender  Arbeit  seine  reichen,  auf  Island  an 
09  Fällen  gesammelten  Erfahrungen  verwertet.  Frauen  wurden 
wesentlich  häufiger  von  der  Krankheit  befallen  als  Männer  (115:54). 
:i\\  eissgehalt  der  Echinokokkenflüssigkeit  bedeutet  entweder  den  Tod 
der  die  geringere  Vitalität  der  Echinokokkenmembran.  Ferner  er¬ 
wies  sich  eine  lebende  Mutterblase  für  Gallenfarbstoff  impermeabel, 
ine  tote  dagegen  permeabel.  Das  Vorhandensein  von  Galle  im 
ichinokokkensack  ist  nicht  der  Grund,  sondern  die  Folge  vom  Tode 
les  Echinokokkus.  In  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle  fanden  sich  Toch- 
erblasen.  In  allen  Fällen  handelte  es  sich  um  Echinococcus  cysticus, 
i!  keinem  einzigen  um  Echinococcus  alveolaris.  Nach  der  Erfahrung 
les  Verf.s  ist  ein  Echinokokkus,  der  bei  der  Palpation  schlaff  und 
veich  ist,  tot.  Als  Zeichen  der  Kapseldegeneration  hat  M.  23  mal  Ver- 
alkungen  der  Kapsel  in  Form  zerstreuter  Platten  beobachtet.  Einige- 
nal  hat  er  lokale  Eiteransammlungen  in  der  Kapsel  gesehen.  Zwei 
■der  mehrere  zuweilen  verschieden  alte  Echinokokken  können  durch 
truckusur  miteinander  in  Verbindung  treten.  In  den  169  operierten 
■'allen  war  96  mal  (72,8  Proz.)  die  Leber  Sitz  des  Parasiten.  Beson- 
lers  charakteristisch  namentlich  für  Leberechinokokken  sind 
Schmerzen,  die,  meist  in  Exazerbationen  auftretend,  ins  Schliissel- 
iein  und  in  die  Schulter  ausstrahlen.  Ikterus  ist  nicht  besonders 
, eiten.  Das  Symptom  des  Hydatidenschwirrens  ist  wegen  seiner 
Seltenheit  von  untergeordneter  Bedeutung.  Fluktuation  fand  sich  be- 
.onders  bei  weichen  degenerierten  Echinokokken.  Grosse  schlaffe 
Jnterleibsechinokokken,  die  beinahe  den  Unterleib  füllen,  können 
leutliche  Undulation  geben  und  mit  Aszites  verwechselt  werden. 
Cweimal  hat  Verf.  eine  Naturheilung  durch  Ruptur  eines  Lungen- 
•chinokokkus  in  die  Bronchen  gesehen.  Bei  einem  Patienten  kam  es 
ur  Perforation  eines  Echinokokkus  in  den  Verdauungskanal  mit  nach- 
olgender  Urtikaria.  Da  kein  Anzeichen  von  Ruptur  in  die  Bauchhöhle 
gestand,  ist  durch  diesen  Fall  der  Beweis  geliefert,  dass  die  Ent- 
eerung  der  Echinokokkenflüssigkeit  in  die  Intestina  die  Ursache  zur 
Jrtikaria  sein  kann.  Die  Punktion  des  Echinokokkensackes  zu  kura- 
iven  Zwecken  ist  nicht  zu  empfehlen,  doch  glaubt  M.  die  Probepunk¬ 
ion  bei  subphrenischen  Echinokokken  nicht  entbehren  zu  können. 
)ie  Volkmann  sehe  zweizeitige  Operation  hat  er  32  mal  mit  einer 
Mortalität  von  12,5  Proz.  ausgeführt.  Störend  war  hierbei,  dass  die 
/erwachsungen  zwischen  Echinokok(cenwand  und  Peritoneum  sich 
licht  immer  in  genügender  Weise  ausbildeten;  desshalb  hat  M.  spä- 
er  mehr  die  einzeitige  Laparotomie  mit  Einnähung  ausgeführt  (81  mal 
nit  einer  Mortalität  von  6,2  Proz.).  Die  Zyste  wird  nach  der  Laparo- 
omie  und  genügender  Abstopfung  punktiert  oder,  wenn  sie  keinen 
Rissigen  Inhalt,  sondern  nur  Tochterblasen  enthält,  inzidiert  und  durch 
ortlaufende  Naht  ans  Peritoneum  fixiert.  Die  Mutterblase  wird  so- 
deich  durch  Ausstreifung  mit  Gaze  entfernt.  Die  Exstirpation  des 
:anzen  Eehinokokkensackes  mit  der  Kapsel  hat  Verf.  nur  bei  extra- 
lepatischen  Unterleibsechinokokken  und  besonders  bei  abdominaler 
Massenechinokokkose  vorgenommen. 

7)  Sprengel-  Braunschweig :  Klinische  Beiträge  zu  den  dif- 
usen  entzündlichen  Erkrankungen  des  Retroperitoneums  und  ihre 
Stellung  zur  Peritonitis. 

Verf.  bringt  eine  Reihe  von  Krankheitsbildern  der  im  Titel  ge¬ 
launten  Affektionen  und  erörtert  die  Frage,  ob  und  wieweit  es  mög- 
ich  ist,  sie  diagnostisch  auf  ihren  Ursprung  zurückzuführen  und  sie 
zon  dem  weitaus  geläufigeren  Symptomenkomplex  der  Peritonitis  zu 
rennen.  Es  handelt  sich  um  Entzündungen  des  Retroperitoneums,  die 
-  im  ganzen  ziemlich  selten  —  von  der  Leber,  den  Gallenwegen,  dem 
’ankreas,  den  Nieren,  dem  Wurmforsatz  oder  den  paraproktitischen 
’hjegmonen  aus  sich  entwickeln  können.  Da  die  reinen  Krankheits- 
lilder  selten  sind,  ist  die  Diagnose  schwer  zu  stellen.  Für  die  Aus¬ 
weitung  des  Entzündungsprozesses  im  Retroperitoneum  sprechen 
olgende  Symptome:  das  Auftreten  eines  schweren,  einer  akuten  Ent¬ 
bindung  entsprechenden  Krankheitsbildes,  ein  diffuses  medianwärts 
indeutlich  sich  ausbreitendes  Oedem,  tiefer  Druckschmerz,  Auftreten 
iieser  Erscheinungen  in  den  ersten  Krankheitstagen  und  Fehlen  der 
leritonitischen  Symptome.  Im  Allgemeinen  kommt  Spr.  zu  dem  Re¬ 
sultat,  dass  eine  diagnostische  Abgrenzung  der  diffusen  retroperi- 
onealen  von  den  freien  peritonealen  Entzündungen  nur  ausnahms- 
.veise  zuverlässig  ist,  in  manchen  Fällen  nicht  gelingt,  andere  Male 
lach  unseren  heutigen  Kenntnissen  tatsächlich  unmöglich  wird,  weil 
lie  Grenzen  verschwommen  und  schmal,  die  Bewertung  der  an  sich 
>ehr  ähnlichen  und  nach  Reihenfolge  des  Auftretens  und  Kombination 
verschieden  zu  deutenden  Symptome  überaus  schwierig  sein  kann. 

8)  Ernst  0.  P.  S  c  h  u  1 1  z  e :  Das  Alb.  Köhler  sehe  Knochen- 
iild  des  Os  naviculare  pedis  bei  Kindern  —  eine  Fraktur.  (Kgl.  chir. 
Klinik  in  Berlin.  Geh. -Rat  Prof.  Bier.) 

Verf.  kommt  auf  Grund  von  7  Beobachtungen  zu  dem  Schluss, 
dass  das  K  ö  h  1  e  r  sehe  Krankheitsbild  auf  einer  Fraktur  des  Kahn- 
reins  beruhe,  die  den  gesunden  Knochen  getroffen  hat.  Es  kann  sich 
um  leichte  Kompression  des  Kernes  mit  Bildung  von  Erweichungs¬ 


zysten  und  späterer  Spontanfraktur,  aber  auch  um  schwere  Kom¬ 
pression  des  Os  naviculare  mit  Verkleinerung  des  Knochens  bis  zu 
einem  Viertel  des  Normalen  handeln.  Die  Ausheilung  geht  nach  Art 
der  Frakturen  z.  T.  mit  Kallusbildung  vor  sich.  Auch  die  zuweilen 
beobachtete  Doppelseitigkeit  der  Erkrankung  erklärt  Verf.  durch  eine 
doppelseitige  Verletzung. 

9)  Ernst  O.  P.  Schnitze :  Zur  S  c  h  1  a  1 1  e  r  sehen  Krankheit. 
Symptom  einer  Systemerkrankung.  (Kgl.  chir.  Klinik  in  Berlin.  Geh.- 
Rat  Prof.  Bier.) 

Bei  8  Beobachtungen  der  S  c  h  1  a  1 1  e  r  sehen  Krankheit  stellte 
Verf.  6  mal  Doppelseitigkeit  des  Leidens  fest.  Er  kommt  bei  diesen 
Fällen  zu  dem  Schluss,  dass  es  sich  um  Spontanfrakturierungen  an  der 
Epiphyse  handelt.  In  allen  Fällen  fand  er  weiter  an  den  Muskel¬ 
insertionsstellen  periostale  Verdickungen,  Ausfaserungen,  die  den 
Charakter  einer  dem  Muskelzuge  folgenden  Knochenhautreaktion 
zeigten.  Verf.  nimmt  daher  bei  den  von  der  Schiatter  sehen  Er¬ 
krankung  betroffenen  jugendlichen  Individuen  als  Ausdruck  einer 
allgemeinen  Schwäche  der  Binde-  und  Stützgewebe  eine  erhöhte  Nei¬ 
gung  zu  Periostausreissungen  an.  Die  Abhebung  des  Periostes  an  der 
Knorpelknochenplatte  der  Tuberositas  tibiae  soll  das  Leiden  einleiten. 

10)  Hj.  Forssner  -  Stockholm :  Zur  Pathogenese  der  ange¬ 
borenen  Darm-  und  Oesophagusatresien. 

Nach  Ansicht  von  F.  ist  der  entwicklungsgeschichtliche  Prozess, 
der  zur  Entstehung  einer  angeborenen  Darinatresie  führt,  nicht  die 
Epithelverschliessung  an  sich,  sondern  das  Auftreten  der  Vorstadien 
der  Zottenbildung  zu  einem  Zeitpunkte,  wo  das  Epithel  noch  nicht 
imstande  ist,  der  Wachstumsenergie  des  Mesenchyms  ein  Ziel  zu 
setzen.  Die  zweifellos  vorkommenden  Epithelverschliessungen  stellen 
keine  konstanten  Glieder  in  der  Darmentwicklung  dar,  sondern  sind 
nur  relativ  seltene  Variationen  innerhalb  derselben.  Die  Oesophagus¬ 
atresien  sind  wahrscheinlich  den  angeborenen  Darmatresien  nicht 
gleichwertig.  Eine  Erklärung  über  ihre  Pathogenese  ist  zur  Zeit 
noch  nicht  zu  geben.  Das  wahrscheinlichste  ist,  dass  die  Störung  in 
den  embryonalen  Lebensprozessen,  die  die  unvollständige  Scheidung 
zwischen  Oesophagus  und  Trachea  zur  Folge  hat,  gleichzeitig  eine 
Unterbrechung  der  Kontinuität  des  Oesophagus  mit  sich  bringt. 

11)  Kreuter  -  Erlangen :  Bemerkungen  zu  der  vorstehenden 
Arbeit  von  Forssner:  Zur  Pathogenese  der  angeborenen  Darm¬ 
und  Oesophagusatresien. 

Die  angeborenen  Atresien  sind  nicht  auf  die  Mesenchymwuche- 
rung  als  die  Grundform  zurückzuführen.  Vielmehr  sind  es  die  epi¬ 
thelialen  Okklusionen  und  Brücken,  die  die  vorgezeichneten  Bahnen 
für  die  einwuchernden  Mesenchymzellen  abgeben  und  so  zur  Atresie 
führen. 

12)  W.  Keppler:  Die  Anästhesierung  der  unteren  Extremität 
mittels  Injektion  auf  die  grossen  Nervenstämme.  (Chirurg.  Klinik  in 
Berlin.  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Bier.) 

Verf.  trifft  mit  der  Injektion  den  Nerv,  ischiadicus  und  den  Nerv, 
lat.  femoris  posterior  von  einem  Punkte  aus,  der  etwas  unter  der 
Mitte  der  Verbindungslinie  von  Spina  iliaca  posterior  superior  mit 
dem  Aussenrande  des  Tuber  ischii  liegt.  Ein  plötzlich  auftretender, 
in  die  Peripherie  der  Glieder  ausstrahlender  Schmerz  zeigt  an,  dass 
die  Nadelspitze  am  Nerven  angelangt  ist.  Gewöhnlich  werden  30  ccm 
einer  2  proz.  Novokain-Adrenalinlösung  eingespritzt.  Der  Nerv, 
femoralis  wird  neben  der  Arterie  unter  dem  Leistenbande  anästhe¬ 
siert.  Auch  hier  sucht  K.  möglichst  einen  Kontakt  mit  dem  Nerven¬ 
stamm  herbeizuführen.  Der  Nerv,  obturatorius  wird  mit  einer  Nadel- 
führung  erreicht,  die  unterhalb  des  Tuberc.  pubicum  beginnt  und 
sich  nach  aussen  zu  am  Unterrande  des  horizontalen  Schambeinastes 
hält.  Der  Ausstrahlungsschmerz  zeigt  auch  hier  an,  dass  der  Nerv 
erreicht  ist.  Die  Anästhesierung  des  Nerv.  cut.  femoris  lateralis  ge¬ 
lingt  nach  Nyström.  Die  Ausschaltung  der  5  Nervenstämme  er¬ 
gab  in  20  Fällen  eine  für  Operationen  brauchbare  Anästhesie. 

13)  E.  Ney:  Ueber  die  Bedeutung  der  Venen  bei  arteriovenösen 
Aneurysmen.  (Chir.  Klinik  von  Prof.  v.  Oppel  in  St.  Petersburg.) 

Verf.  stellte  an  Hunden  mittelst  Gefässnaht  oder  durch  Ein¬ 
schaltung  eines  gläsernen  Röhrensystems  eine  Verbindung  zwischen 
Aorta  abdominalis  und  der  Vena  cava  inferior  her  und  nahm  Blut¬ 
druckmessungen  an  verschiedenen  Stellen  des  Systems  vor.  Aus 
seinen  Resultaten  ist  hervorzuheben,  dass  der  venöse  Druck  ober¬ 
und  unterhalb  des  künstlichen  Aneurysmas  stark  erhöht  ist  und 
häufig  dem  arteriellen  Blutdruck  gleicht.  Die  Saugwirkung  der  Venen 
ist  also  bei  arteriovenösen  Aneurysmen  besonders  stark  ausgeprägt. 
Von  den  Venen  wird  nicht  nur  das  Blut  aus  dem  zentralen  Ende 
der  Arterie  abgefangen,  sondern,  durch  Umkehr  des  Blutstromes, 
auch  das  Blut  aus  dem  peripherischen  Abschnitt  der  Arterie,  bei 
Ligatur  des  zuführenden  arteriellen  Stammes  auch  das  Blut  aus  den 
kollateralen  Wegen.  Bei  der  operativen  Behandlung  des  arterio¬ 
venösen  Aneurysmas  ist  also  das  arterielle  Bett  vom  venösen  voll¬ 
ständig  zu  trennen. 

14)  E.  Weishaupt:  Ein  embryonaler  Seitengang  des  Ductus 
parotideus  und  seine  Beziehungen  zu  einigen  Tumoren  der  Parotis. 

(Patholog.  Institut  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  in  Berlin.) 

Verf.  konnte  auch  an  menschlichen  Föten  einen  rudimentären 
Seitengang  des  Ductus  parotideus  (Ramus  mandibularis  ductus  paro¬ 
tidei)  nachweisen,  dessen  Epithel  eine  von  dem  der  Mundhöhle  wie 
dem  des  Ductus  parotideus  abweichende  Differenzierung  erfährt.  Bei 
Tumoren  an  der  Umschlagstelle  der  oberen  zur  unteren  Wangen¬ 
schleimhaut.  deren  Bau  auf  die  Abstammung  vom  embryonalen  Mund- 
höhlenepithel  oder  der  embryonalen  Parotis  hinweist,  ist  bei  der  Er¬ 
forschung  der  Genese  an  diesen  Gang  zu  denken. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


162 


15)  G.  Sa.to:  Ueber  das  kavernöse  Angiom  des  peripherischen 

Nervensystems.  (I.  Chirurg.  Klinik  der  Universität  Kiushiu  | Japan  1. 
Prof.  Myak  e.) 

Verf.  beschreibt  2  Fälle  von  kavernösem  Angiom.  das  eine  am 
Halse  gelegen  und  in  Beziehung  zu  den  oberen  sympathischen  Hals- 
ganglien  stehend,  das  andere  am  Oberarm  in  der  Substanz  des  Nerv, 
medianus  entwickelt.  Wahrscheinlich  verdanken  die  Tumoren  ihren 
Ui  sprung  den  Gefässen  innerhalb  des  Nervengewebes,  das  an  der 
Peripherie  der  Geschwülste  noch  nachweisbar  war.  Die  Tumoren 
zeigten  typischen  Kavernombau,  enthielten  aber  ausserdem  Kalk¬ 
ablagerungen,  Knochenbälkchen  und  glatte  Muskeln  in  Bindegewebs- 
balken. 

16)  F.  F  esenmeyer:  Zur  Anwendung  des  Murphyknopfes  bei 
der  Gastroenterostoma  retrocolica  posterior.  (Chirurg.  Station  des 
Krankenhauses  Forst  bei  Aachen.  Oberarzt  Dr.  Longar  d.) 

Mit  einer  Ausnahme  (Peritonitis  infolge  schlechten  Schlusses  des 
Knopfes)  bewährte  sich  die  Verwendung  des  Murphyknopfes  in 
81  Fällen  sehr  gut.  Der  Abgang  des  Murphyknopfes  erfolgte  am  12. 
bs  15.  Tage.  Nachteile  wurden  nicht  beobachtet.  Dagegen  bietet 
nach  den  Erfahrungen  von  Longar  d  die  Knopfanastomose  bei  der 
hinteren  Gastroenterostomie  die  grösstmöglichste  Sicherheit  gegen 
Circulus  vitiosus  und  sekundäre  Fistelverengerung. 

17)  Kleinere  Mitteilungen. 

A.  Staffel:  Zur  Kasuistik  der  Arthritis  deformans  des  Hüft¬ 
gelenkes  als  Berufskrankheit.  (Wiesbadener  medico-mechanischcs 
Zander-Institut.  San.-Rat  F.  Staffel.) 

Verf.  bringt  ein  Analogon  zu  der  von  König  bei  Offizieren 
beschriebenen  Arthritis  deformans  im  Hüftgelenk,  die  nur  beim  Reiten 
im  Schritt  heftige  Schmerzen  macht.  Objektiv  fand  sich  ein  abnorm 
kleiner  Schenkelhalswinkel  und  eine  Walzenform  beider  Hiiftköpfe 
Die  Arthritis  ist  sekundärer  Natur.  L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  121.  Band,  5. — 6.  Heft 
1913. 

G.  A.  Wetterstrand:  Zur  Klinik  und  Therapie  des  per¬ 
forierten  Magen-  und  Duodenalgeschwürs.  (Aus  der  chirurgischen 
Universitätsklinik  in  Melsingfors,  Finnland.) 

Wetterst  r  a  n  d  bearbeitete  das  Material  von  Ali  Kr  o  g  i  u  s, 
das  60  Fälle  von  Ulcusperforationen  umfasst.  Im  Gegensatz  zu 
Mitteleuropa  betreffen  in  Finnland  die  Magenperforationen  in  der 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  Männer;  zumeist  fand  sich  die 
Perforation  im  aboralen  Teile  des  Magens.  80  Proz.  der  Fälle  hatten 
positive  Ulcusanamnese. 

Grosse  diagnostische  Bedeutung  hat  in  frühen  Fällen  das  Ver¬ 
schwinden  der  Leberdämpfung.  Das  operative  Vorgehen  war  nicht 
einheitlich,  sondern  wurde  stets  dem  Fall  angepasst.  Gastro- 
enierostomiert  wurde  vorwiegend  nur  bei  Passageverengung,  bei  der 
Behandlung  der  Peritonitis  wurde  i.  a.  den  Spiilmethoden  der  Vorzug 
gegeben.  Bei  Ileus  in  der  Nachbehandlung  wurde  ausgiebig  Ge- 
oi  auch  von  der  linterostomie  nach  \V  itzel  am  Dünndarm  gemacht, 
von  sämtlichen  Fällen  wurde  mehr  als  die  Hälfte,  von  früheren  Ope¬ 
rationen  dreiviertel  gerettet. 

A.  Pawloff:  Ueber  akzessorische"  Harnleiter.  (Aus  der 
Chirurg.  Klinik  der  Kais,  militär-mediz.  Akademie  in  St.  Petersburg.) 

In  der  Klinik  Fedoroffs  wurde  bei  200  Nierenoperationen 
6  mal  eine  Zweiteilung  der  Ureteren  beobachtet,  ln  einem  Falle  waren 
neide  Ureteren  verdoppelt,  in  4  Fällen  der  rechte,  in  einem  der  linke; 

4  mal  betraf  die  Affektion  Frauen,  2  mal  Männer;  Verdoppelung  in 
der  ganzen  Länge  mit  Einmündung  in  die  Blase  wurde  3  mal  be¬ 
obachtet.  Stets  sind  2  Nierenbecken  vorhanden,  die  übereinander 
liegen.  Der  Harnleiter  des  oberen  Nierenbeckens  verläuft  auf  dem 
Wege  zur  Blase  medianwärts  und  kreuzt  sich  mit  dem  anderen  Harn- 
luter  derselben  Seite.  Die  Verdoppelung  der  Harnleiter  prädisponiert 
zu  Erkrankungen  dieses  oder  jenes  Nierenabschnittes.  Bei  Operation 
kommt  event.  die  Resektion  des  affizierten  Teiles  der  Niere  in  Frage. 

Al  o  1  i  n  e  u  s :  Ueber  die  Möglichkeit  eines  Choiedochusersatzes 
durch  Einpflanzung  des  Processus  vermiformis.  (Aus  der  ebir.  Klinik 
der  Akademie  für  praktische  Medizin  zu  Düsseldorf.) 

Ein  Fall  von  transduodenaler  Hepatikusdrainage  bei  Unmöglich¬ 
keit,  eine  neue  Gallenweg-Darmverbindung  zu  schaffen,  legte  Moli- 
neus  den  Gedanken  an  eine  Verwendung  des  Wurmfortsatzes  zum 
Evi  salz  des  Choledochus  nahe.  Das  nur  an  der  Leiche  ausgeführte 
Verfahren  wird  geschildert. 

Franz  Rost:.  Anatomische  Untersuchungen  einiger  für  die 
Lokalanästhesie  wichtiger  Hautnerven  bezüglich  ihrer  Durchtritts- 
sielien  durch  die  Faszien.  (Aus  der  chir.  Klinik  der  Universität 
Heidelberg.) 

Die  Lokalanästhesie  der  Extremitäten  scheitert  z.  T.  daran, 
dass  am  die  Variationen  im  Verlauf  der  Hautnerven  keine  Rücksicht 
genommen  wird.  Verfasser  übernahm  es,  die  auspräparierten  Haut- 
iiei  ven  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Durchtrittsstelle  durch 
die  taszie  in  Schemata  einzutragen.  Der  N.  cut.  brach,  med.  und 
lntercosto-brachialis  treten  i.  a.  nicht  weiter  distal  durch  die  Faszie 
als  in  der  Höhe  des  distalen  Punktes  des  M.  deltoideus.  Für  die 
Anästhesierung  des  N.  cut.  antibrach,  medialis  injiziert  man  besser 
mehr  distal  wie  proximal.  Die  Umspritzung  für  den  Cut.  antibrach. 
Di.  wiid  am  besten  etwas  unterhalb  der  Elleubeuge  gemacht.  Der 
Dmchtritt  der  Hautnerven  vom  Stamme  des  N.  axillaris  in  der  Rinne 
des  Deltoideus  ist  konstant.  Auch  der  Austritt  des  N.  cut.  antibrach, 
dorsahs  an  der  Grenze  zwischen  dem  unteren  und  mittleren  Drittel 


No.  2lj 

des  Vorderarmes,  entsprechend  der  Linie  des  lat.  Epykondylus  ij 
recht  konstant.  Für  Anästhesie  des  Handrückens  soll  man  sich  nid 
aut  eine  Einspritzung  des  Nerv,  ulnaris  am  Proc.  styl,  ulnae  ln 
schränken,  sondern  zur  Sicherheit  noch  einen  Streifen  quer  über  de 
Vordeiarm  ziehen.  Für  Anästhesierung  im  Daumengebiet  spritzt  nu 
am  besten  distal  vom  Proc.  styl,  radii  ein. 

Die  Hautnerven  des  Plexus  cervical.  findet  man  am  hintere 
Rande  des  Sternokleidomastoideus,  aber  in  verschiedenen  Höhen  de 
Muskels.  Es  empfiehlt  sich  hier  gleichzeitige  Anästhesierung  <j. 
N.  occipit.  maj.  längs  der  L.  nuchea  superior. 

In  dem  Dreieck,  begrenzt  vom  M.  sartorius,  Lgt.  Poupaiti 
medialer  Überschenkelkante,  wird  am  besten  das  Operationsfeld  in 
nitriert  und  ausserdem  unterhalb  des  Ligaments  ein  querer  Streife 
subkutan  und  subfaszial  eingespritzt,  der  N.  fern,  im  Stamm  anästhe 
siert.  Für  das  Dreieck  Sartorius-Knie-Iaterale  Oberschenkelkante  ge 
niigt  eine  Einspritzung  längst  des  Sartorius. 

Für  den  N.  saphenus  wird  ausser  subkutaner  Injektion  am  Coni 
dylus  med.  tib.  noch  subfasziale  Injektion  empfohlen.  Der  Peroneu 
superficialis  soll  unterhalb  des  Fibulaköpfchens  injiziert  werden 
/ur  Anästhesierung  des  N.  cut.  sur.  lat.  injiziert  man  am  besten  dei 
N.  peron.  comm.  am  medialen  Bizepsrande.  Für  den  Cut.  sur.  med 
soll  nicht  nur  subkutan,  sondern  auch  subfaszial  injiziert  werden. 

K  ii  a  p  e :  Die  Pankreashäniorrhagie. 

Trotz  der  gründlichen  und  vielseitigen  Bearbeitung  der  FermentJ 
theorie  für  die  Entstehung  der  Pankreasbämorrhagie,  ist  niemals  de; 
Beweis  geliefert,  dass  eine  Verdauung  der  lebenden  Gefässwand  vor-' 
kommt.  Durch  Versuche  am  Kaninchen  konnte  Verfasser  feststellen,! 
dass  die  Wirkung  des  Trypsins  auf  lebende  Blutgefässe  nicht  iiii 
einer  Verdauung  der  Gefässwand  besteht.  Das  Trypsin  bewirkt  viel-i 
mehr  eine  starke  Erweiterung  der  Blutgefässe  mit  starker  Verlang- 
samtmg  des  Blutstromes  bis  zur  Stase.  Diese  Veränderung  wird! 
von  zahlreichen  Diapedesisblutungen  begleitet.  Dieselbe  Wirkung 
zeigten  Salzlösungen,  welche  in  Konzentration  und  Zusammensetzung1 
dem  Salzgehalt  des  Pankreassaftes  entsprachen,  sowie  der  native, 
inaktive  Pankreassaft,  dcsgl.  Galle  und  Urin.  Demnach  muss  die  Ent¬ 
stehung  der  Pankreasblutung  dieselbe  sein  wie  die  jeder  anderen! 
Blutung,  die  auf  Stase  und  Diapedesis  der  roten  Blutkörperchen  be¬ 
steht.  Wie  an  konkreten  Fällen  gezeigt  wird,  liegen  der  Pankreas¬ 
blutung  nicht  eine,  sondern  mehrere  Ursachen  zugrunde,  die  teils  im 
Organ  liegen  (verändertes  Gefässnervensystem  bei  fettiger  Atroplre.i 
bei  chronischer  Entzündung,  bei  Status  thymo-lymphaticus),  teils  von 
aussen  auf  dem  Wege  des  Nervensystems  an  das  Organ  herantraten 
(  Traumen,  Gallensteine,  Verdauungsreize). 

F.  Kuhn:  Der  Luftkompressor  im  Krankenhaus.  (Neues  Hospital 
—  Hauptstrasse,  Berlin-Schöneberg.) 

K  u  h  n  behandelt  in  dieser  Arbeit  die  Einzelanwendungen  der 
Hochdruckmassage  mittels  Luftdrucksi.  Als  Allgtemfeinwirkungen 
der  künstlichen  Zirkulation  sind  abgesehen  von  der  Anregung  und  Be¬ 
schleunigung  der  Blutzirkulatiou  die  Hebung  der  Respiration  und  des ! 
Stofiwechsels,  Förderung  der  Darmperistaltik,  Förderung  der  CO-.-  I 
Ausscheidung.  Im  einzelnen  findet  die  Hochdruckmassage  Anwen¬ 
dung  bei  Kontusionen,  Blutungen,  akuter  Myositis,  akuten  Erkran¬ 
kungen  und  Verletzungen  der  Gelenke,  Muskelatrophien,  Luxationen, 
Steifigkeit,  Kontrakturen,  Oedemen  verschiedenen  Ursprungs,  bei 
Ischämie  und  Gangrän,  endlich  zum  Zweck  der  leichteren  Verteilung  | 
von  Flüssigkeiten  bei  Infusionen  und  subkutaner  Ernährung. 

S.  Rubaschow:  Ueber  Bradykardie  bei  Leberverletzimgeii. 
(Aus  der  chir.  Klinik  der  Kais.  Universität  zu  Moskau.)  Erwiderung 
auf  die  Arbeit  von  Dr.  Hans  Finsterer. 

Im  Gegensatz  zu  Finsterer  kommt  Rubaschow  aui 
Grund  der  Kasuistik  aus  der  Literatur  und  seiner  eigenen  Versuche 
zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Die  Bradykardie  kann  nicht  als  „wichtiges  charakteristisches 
Symptom“  für  die  Leberverletzurigen  gelten. 

2.  F  i  n  s  t  e  r  e  r  s  Erklärung  der  Bradykardie  bei  Leberver¬ 
letzungen  durch  Gallensüurewirkung  scheint  uns  nicht  genügend  be¬ 
wiesen. 

Hans  Finsterer:  Ueber  Bradykardie  bei  Leberverietzungeii. 

(Aus  der  II.  chir.  Universitätsklinik  in  Wien.)  Erwiderung  auf  die 
gleichnamige  Arbeit  von  Dr.  S.  Rubaschow. 

Ein  voller  kräftiger  und  langsamer  Puls  darf  nicht  gegen  die  ' 
Diagnose  einer  inneren  Blutung  durch  Leberverletzung  verwendet 
werden. 

Alfred  Horwitz:  Ueber  eine  neue  Methode  zur  operativen 
Behandlung  der  ischämischen  Kontraktur.  (Aus  der  Kgl.  chir.  Uni¬ 
versitätsklinik  in  Berlin.) 

Klapp  machte  in  einem  Falle  von  12  Jahre  lang  bestehender 
ischämischer  Muskelkontraktur  nach  Fractura  humeri  die  Resektion 
der  L  Reihe  der  Handwurzelknochen  mit  Verlängerung  der  Flexoren. 
Der  Erfolg  war  ein  ausgezeichneter:  der  Patient  konnte  mit  der  ope¬ 
rierten  Hand  schreiben  und  ist  jetzt  als  Buchhalter  tätig. 

R.  Rosenthal:  Ueber  Askaridiasis  der  Gallenwege  mit  Be¬ 
rücksichtigung  eines  selbst  beobachteten  Falles.  (Aus  dem  neuen 
v  inzentiuskrankenhaus  zu  Karlsruhe.) 

1!  Fällen  aus  der  Literatur  schliesst  sich  der  folgende  (von 
Ainsperger  operierte)  an:  Die  65jährige  Patientin  wurde  unter 
der  Diagnose  Choledochusstein  operiert.  Bei  Ablösung  des  Zystikus 
und  Abtragung  der  Blase  kommt  plötzlich  ein  15  cm  langer  Askaris 
im  eröffneten  Choledochus  zum  Vorschein.  Hepatikusdrainage.  Be¬ 
schreibung  der  Pathologie  der  Askaridiasis  der  Gallenwege.  Die 
Symptome  deckten  sich  meistens  mit  denen  der  Cholelithiasis,  nur  in 


27.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 163 


:inigen  Fällen,  wo  im  Stuhl  oder  Erbrochenen  Spulwürmer  nacli- 
jewiesen  wurden,  kam  man  vorher  auf  die  richtige  Diagnose.  Für 
Jie  Therapie  der  leichteren  Fälle  kämen  Wurmmittel  in  Betracht. 
Meistens  wird  ein  chirurgischer  Eingriff  Heilung  bringen. 

Heinrich  Harttung:  Lieber  Hypernephrome  der  Niere.  (Aus 
Icr  cliir.  Abteilung  des  Allerheiligenhospitals  in  Breslau.) 

Bericht  über  4  Fälle  von  sogen.  Hypernephromen  der  Niere 
ius  der  chirurgischen  Abteilung  von  Tietze.  In  einem  anderen 
Falle,  der  ebenfalls  als  Hypernephrom  gedeutet  wurde,  ergab  die 
tiikroskopische  Untersuchung  Karzinom.  Verfasser  meint,  dass  mit 
Hilft  der  Zystoskopie  und  des  Ureterenkatheters  wohl  absolut  sicher 
eine  Neubildung  der  Niere  zu  diagnostizieren  sei  und  dabei  an  das 
Hypernephrom  gedacht  werden  muss. 

Auf  Grund  der  histologischen  Untersuchung  der  Tumoren  ist  es 
dem  Verfasser  sehr  fraglich,  ob  die  Hypernephrome  ihren  Ausgang 
von  versprengten  Nebennierenkeimen  nahmen,  er  glaubt  sie  vielmehr 
mit  S  t  o  e  r  k  als  nephrogene  Geschwülste  bezeichnen  zu  müssen. 

Kurze  Mitteilungen. 

Marie  Hollensen:  Ein  Fall  von  Hallux  varus.  (Aus  der 
Krankenabteilung  des  Hamburger  Waisenhauses.) 

Der  Fall  betrifft  einen  14jährigen  Jungen.  Heilung  durch  Ab- 
nieisslung  eines  lateralen  Keils  des  Metatarsusköpfchens,  umgekehrt 
wie  beim  Hallux  valgus,  Verlagerung  der  Extensorsehne.  Heilung. 

H.  Flörcken  - Paderbot n. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  19. 

G  e  1  i  n  s  k  y  -  Berlin :  Zur  Technik  der  Magen-  und  Dickdarm¬ 
resektionen. 

Verf.  schildert  eingehend  die  in  der  Charitee  geübte  Methode 
der  Magen-  und  Dickdarmresektionen.  Zum  Abklemmen  des  Magens 
wird  die  P  a  y  r  sehe  Magenquetsche  benützt,  die  Verf.  noch  etwas 
modifiziert  und  vervollkommnet  hat.  12  Abbildungen  erläutern  die 
Technik,  die  volle  Asepsis,  Blutleere  und  rasche  Ausführung  einer 
Resektion  garantiert. 

E.  L.  Fieber -Wien:  Erwiderung  auf  den  Artikel  Hohl- 
b  a  u  ni  s,  betr.  die  Frage  der  Jodierung  bei  Operationen  am  Magen- 
Darmtrakt. 

Verf.  verteidigt  nochmals  seinen  Standpunkt  in  der  Frage  der 
Jodierung  gegenüber  Hohlbaum  (No.  10)  und  kommt  zu  dem 
Resultat,  dass  die  Jodierung  am  Magendarmtrakt  keine  Bereicherung 
der  chirurgischen  Technik  bedeutet,  ebenso  wie  auch  alle  von  neuem 
empfohlenen  Instrumente  zur  aseptischen  Darmnaht  ihm  entbehrlich 
erscheinen.  E.  H  e  i  m  -  Oberndorf-Schweinfurt. 

Arclilv  für  Orthopädie,  Mechanotherapie  und  Unfall¬ 
chirurgie.  Band  XII,  1.  und  2.  Heft. 

Karl  Grame  r-Köln:  Beitrag  zur  Plattfussfrage. 

C.  hat  an  den  Röntgenbildern  von  Plattfüssen  (118)  die  Knochen- 
veränderungen  studiert,  die  insbesondere  Calcaneus,  Talus  und  Navi- 
kulare  erleiden.  C.  fand  die  bereits  früher  von  Ewald  veröffent¬ 
lichten  Beobachtungen  bestätigt.  Therapeutisch  zieht  C.  bei  schweren 
Plattfüssen  die  Keilresektion  aus  der  Fusswurzel  anderen  blutigen 
oder  unblutigen  Eingriffen  vor. 

Karl  Crame  r-Köln:  Faszienplastik  bei  kongenitalem  Kukul- 
larisdefekt. 

In  einem  Falle  von  doppelseitigem  Defekt  hat  C.  nach  vorher¬ 
gehendem  Redressement  der  nach  vorn  verschobenen  Schultern  die 
oberen  Schulterblattwinkel  durch  ein  frei  transplantiertes  Faszien- 
stiiek  an  der  Dornfortsatzlinie  fixiert.  Der  Erfolg  war  kosmetisch 
und  funktionell  gut. 

Maximilian  M  i  1 1  e  r  -  Bayreuth:  Morbus  ßasedowii  nach 

Trauma. 

M.  hatte  Gelegenheit,  einen  Fall  von  Basedow  scher  Krank¬ 
heit  zu  untersuchen,  die  er  auf  ein  vor  2%  Jahren  erlittenes  Schädel¬ 
trauma  zurückführt. 

Gustav  S  c  h  a  n  t  z  -  Königsberg:  Ueber  die  Gewöhnung  an 

Unfallfolgen. 

Sch.  bringt  12  Fälle  teilweise  recht  schwerer  Verletzungen  bei 
nichtversicherten  Patienten,  die  aber  keine  Beschränkung  der  Er¬ 
werbsfähigkeit  herbeigeführt  hatten.  Bei  einigen  dieser  Verletzten 
waren  spätere  entschädigungspflichtige  Unfälle  von  sehr  viel  erheb¬ 
licheren  Störungen  begleitet. 

Wilhelm  Becker-  Bremen :  Zwölf  Jahre  Orthopädie. 

In  einem  längeren  Artikel  berichtet  B.  über  seine  persönlichen 
Erfahrungen  und  Ansichten  in  der  Behandlung  orthopädischer  Leiden. 
B.  weist  zunächst  auf  die  Vorzüge  der  von  ihm  angegebenen  Be¬ 
handlungsmethoden  (Elektrisieren  der  Muskulatur  mit  dem  Myo- 
molor,  der  eineil  anschwellenden  und  abschwellenden  Strom  erzeugt 
und  Behandlung  der  Gelenke  mit  Heissluftpendelapparaten)  hin.  Von 
den  wichtigsten  Krankheitsformen  sei  erwähnt  die  Skoliose,  die  Verf. 
in  leichteren  Fällen  mit  Gymnastik  eventuell  mit  Gipsbett  und  Korsett, 
in  schweren  Fällen  mit  Redressement  und  Gipsverband  behandelt. 
In  Bezug  auf  die  Therapie  der  Knochentuberkulose  betont  B.  den 
durchaus  richtigen  Grundsatz,  dass  diese  Erkrankung  nicht  mit  Bett¬ 
ruhe  und  Extension,  sondern  mit  fixierenden  Gipsverbänden  und  im 
allgemeinen  ambulant  zu  behandeln  sei.  Ebenso  gilt  es  für  die  an¬ 
geborene  Hüftverrenkung,  dass  unbedingt  die  Einrenkung  im  ge¬ 
eigneten  Alter  vorgenommen  werden  muss,  damit  die  Kinder  nicht 
später  zu  Krüppeln  werden.  Der  angeborene  Klumpfuss  wird  bereits 


im  ersten  Jahre  redressiert,  Plattfiisse  behandelt  B.  je  nach  ihrer 
Schwere  mit  Einlagen  oder  unblutigem  Redressement.  Bei  der 
Kinderlähmung  erwartet  B.  sehr  viel  von  einer  Muskelbehandlung 
mit  dem  Myomotor,  ohne  deswegen  die  Sehnenüberpflanzung  aus¬ 
zuschalten.  In  Bezug  auf  die  L  i  1 1 1  e  sehe  Erkrankung  weist  B.  mit 
Recht  darauf  hin,  von  welcher  Wichtigkeit  die  grössere  oder  ge¬ 
ringere  Intelligenz  des  Patienten  für  den  späteren  Erfolg  ist. 

Theodor  G  e  b  h  a  r  d  t  -  München:  Zwei  Fälle  von  Doppelbildung 
der  Zehen. 

G.  bringt  zwei  Fälle  von  Doppelbildung  der  Zehen  (einmal  Klein¬ 
zehen,  einmal  ürosszehen),  die  er  auf  abnorme  Enge  des  Amnions 
zurückführt. 

L.  B  r  i  n  d  -  Berlin  :  Luxatio  centralis  femoris. 

Beschreibung  eines  Falles  von  Perforation  des  Femurkopfcs  in 
das  Becken  durch  den  frakturierten  Pfannenboden  hindurch. 

Heinrich  H  a  r  1 1  u  n  g  -  Breslau:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre 
der  hysterischen  Kontraktionen  nach  Unfall. 

H. s  Patient  hatte  bei  einem  Unfall  eine  Luxation  des  linken 
Ellenbogengelenks  erlitten,  die  nicht  reponiert  wurde,  konnte  aber 
einige  Monate  später  wieder  arbeiten.  Ein  zweiter  Unfall  (Kontusion 
des  gleichen  Gelenks)  führte  zu  einer  Kontraktur  des  linken  Schulter¬ 
gelenks,  die  als  hysterisch  erkannt  wurde.  H.  führt  diese  Form  der 
Kontraktur  auf  die  bei  der  ersten  Verletzung  eingenommene  Zwangs¬ 
haltung  zurück. 

Hermann  N  e  b  e  1  -  Koblenz :  Zwanzig  Jahre  Erfahrungen  mit 
Dr.  Gustav  Zanders  niediko-mechanischer  (d.  h.  vom  Arzt  ge¬ 
leiteter  —  durch  Apparate  vermittelter)  Heilgymnastik. 

N.  schildert  seine  Erfahrungen,  die  er  speziell  in  der  Behandlung 
der  Kreislaufstörungen  mittels  der  Zanderapparate  gemacht  hat. 
Der  Einfluss  erstreckt  sich  in  der  Hauptsache  auf  das  periphere 
Gefässsystem,  wodurch  die  Arbeit  des  Herzens  erleichtert  wird. 
Gute  Erfolge  sah  N.  vor  allem  bei  Gefässneurosen,  doch  erwiesen 
sich  auf  Klappenfehler  und  Arteriosklerose  als  dankbare  Objekte  der 
mechanischen  Behandlung.  Ottendorff  -  Hamburg-Altona. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  37, 
Heft  2. 

1)  K  1  e  i  n  -  München:  Adrenalin  und  Pituitrin  bei  Dysmenorrhöe. 

Eine  der  Ursachen  der  Dysmenorrhöe  scheint  die  vermehrte  Se¬ 
kretion  von  Oophorinen  zu  sein,  die  mit  einer  vermehrten  Schwel¬ 
lung  der  Korpusschleimhaut  einhergeht  und  sekundär  zu  Koliken 
führt.  Die  Versuche  Verfassers  mit  dem  gefässverengernden  Adre¬ 
nalin  hatten  sowohl  auf  die  Koliken  wie  die  Dauer  der  Menstruation 
eine  günstige  Wirkung.  Auch  bei  ungenügender  Bildung  von  Oopho¬ 
rinen  und  mangelhafter  Entwicklung  der  Uterusschleimhaut  kann 
sowohl  Adrenalin  wie  Pituitrin  von  Nutzen  sein.  Pituitrin  führt  zur 
Kontraktion  des  Uterus  und  verhindert  so  die  Füllung  mit  Blutge¬ 
rinnseln. 

2)  W  ö  1  f  f  -  Heidelberg:  Oxydasereaktion  in  der  Plazenta. 

Verf.  fand,  dass  im  Synzytium,  sowohl  der  wachsenden  wie  der 

reifen  Plazenta,  in  den  Langhanszellen,  in  beiden  in  regelmässiger 
Weise,  weniger  konstant  in  der  Dezidua,  sich  granuläre  Substanzen 
finden,  an  die  die  Fähigkeit  geknüpft  ist,  oxydative  Synthesen  zu 
vollbringen. 

3)  S  o  n  n  e  n  f  e  1  d  -  Berlin  :  Intakte  Tubargravidität  trotz  intra¬ 
uterinen  Eingriffes  und  wiederholter  bimanueller  Untersuchungen 
nebst  Bemerkungen  zur  Diagnose  der  Tubargravidität. 

Ausnahmsweise  empfiehlt  Verf.  auf  Grund  eines  Falles  zur 
Sicherung  der  Diagnose  eine  Abrasio  unter  strengster  Asepsis  und 
der  Möglichkeit,  sofort  die  Laparotomie  vornehmen  zu  können. 

4)  N  e  u  -  Heidelberg:  Zur  spezifischen  Diagnostik  und  Therapie 
der  weiblichen  Adnexgonorrhöe. 

Verf.  fand,  dass  die  akuten  Urethral-,  Zervix-  und  Uterus¬ 
gonorrhöen  auf  die  Gonokokkenvakzinebehandlung  nicht  reagieren. 
Auch  auf  frische  Tubenprozesse  war  der  Einfluss  gering. 

Die  Temperaturreaktion  ist  unsicher,  die  Lokalreaktion  ist  nicht 
zu  verwerten,  eher  schon  die  Herdreaktion.  In  therapeutischer  Be¬ 
ziehung  ist  Verf.  gegenüber  der  Gonokokkenvakzination  sehr  skep¬ 
tisch  und  zurückhaltend.  Die  sog.  spezifische  Vakzination  lehnt  Verf. 
auf  Grund  seiner  Erfahrungen  ab. 

5)  P  u  p  p  e  1  -  Mainz:  Wiederholte  Tubargravidität. 

Entgegen  der  Ansicht  von  Hirsch  hält  Verf.  bei  bestehender 
Extrauterinschwangerschaft  die  Exstirpation  auch  der  anderen  Tube 
aus  sozialen  oder  rassehygienischen  Gründen  für  falsch.  Aus  pro¬ 
phylaktischen  Gründen  auch  die  andere  Tube  zu  entfernen  ist  bei 
der  grossen  Unsicherheit  in  der  Beurteilung  des  einzelnen  Falles 
nicht  richtig. 

6)  W  o  1  k  o  w  i  t  s  c  h  -  Kiew:  Ein  Fall  von  hartnäckiger  Harn¬ 
inkontinenz  bei  einer  Frau,  die  durch  die  von  mir  vorgeschlagenc 
Operationsmethode  bei  schweren  Blasen-Scheidenfisteln  geheilt 
wurde. 

Eine  Inkontinenz  aus  unbekannter  Ursache  wurde  bei  einer 
24  jährigen  Frau  mehrere  Male  ohne  Erfolg  operiert  (zweimal  nach 
G  e  r  s  u  n  y  und  einmal  durch  Verlegung  der  Harnröhre  mit  nach¬ 
folgender  Fistelbildung).  Dauernde  Heilung  trat  erst  ein.  als  Verf. 
auch  nach  einem  vergeblichen  ersten  Versuch  den  Uterus  zur  dauern¬ 
den  Deckung  der  Fistel  einnähte.  Darnach  vollkommene  Kontinenz. 

7)  Dubois-Bern:  Zur  Frage  der  sog.  Ausfallserscheinungen. 

Ob  für  die  Entstehung  der  primären  Beschwerden  reflektorische, 

vasomotorische  Prozesse  oder  Intoxikationen  durch  Auftreten  und 


J 164 


Ml  LNCHENER  ME1 HZINISCHK  WOCHENSCHRIFT 


Kenau3"  D,>  HrS-r  Sekretion  fine  Rolle  spielen,  weiss  man  nicht 

lisch e"  xvcrd£m  10  •iedeni  Falle  «lurch  das  „see- 

,[  ,Jten.  gesteigert.  Eine  entsprechende  Psychotherapie 

nidif  entbehrt  ^rden  kömicm.58  °Varialpräparate  a"d  Medikamente 
S)  Martin-  Berlin :  Marion  Sims. 

Erinnerungsvortrag  auf  den  bedeutenden  Gynäkologen. 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 


No.  21. 


Zentralblatt  fiir  Gynäkologie,  No.  19,  1913. 

....  A  i  che  1  -  Halle:  Ueber  die  Herkunft  der  Keime  bei  Col- 
pitis  emphyscmatosa. 

Ai  che!  betont  gegenüber  Veit,  der  ihn  missverstanden  hat 

witfve  j11,h(jrflttiiecHerkunff  der  Mikroorganismen  die  gleiche  Ansicht 

da«;  Knitiiii  l!'  '  ICi  wandern  bei  der  Colpitis  emphy sematosa  durch 
as  Epithel  ein  und  werden  von  da  aus  weiter  durch  die  Lvtnpli- 

vm"'weSraCfr-  i!',1  dieSn"  rufe"  sie  zuerst  eine  Entzündung  her- 
k  nn  e?  vmM  kleiI«zelIiger  Infiltration  kundgibt  und  dann  erst 
K  mmt  es,  \on  den  Lymphbahnen  ausgehend,  zur  Zystenbildung. 

Werner-  Hamburg. 


Zeitschrift  für  gynäkologische  Urologie.  Band  4,  Heft  1. 

Adani  I5,i  ii  c  i  c J  s e  n  -  Kiel :  Ueber  die  Ausbreitungswege  der 
po  (operativen  Infektion  in  den  weiblichen  Harnorganen.  (Aus  der 
Kgl.  Univ.-Erauenkhnik  zu  Kiel.)  (Mit  7  Abbildungen  im  Text  ) 
ratj  ‘‘ S  F"MIC :e  Mitteilung  der  Krankengeschichten  von  18  ope¬ 
rativen  hallen,  bei  15  wurde  die  Freund-Wertheim  sehe 

?8  Ä  kaamnP  "??  ra.dika,em  Pri”ziP  gemacht.  Unter  de, i 
der  in  i,  °ima  zu  ainer  intrakanalikulären  Aszension  von 

infUr  ,  m-  Urct?ren  tind  m  das  Nierenbecken,  6  mal  war  eine 
Infektion  dei  Niere  auf  hämatogenem  Wege  und  7  mal  eine  Infektion 
der  fibrösen  Nierenkapsel  auf  dem  Wege  der  Lymphbahnen  entlang 
den  Ureteren  anzunehmen.  Die  in  der  Blase  gefundenen  Keime  sh  d 
'  .  allen  Fallen  durch  den  Katheterismus  oder  durch  spontane 
Aszension  eingeschleppt  worden:  spontane 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlüssen: 

K»'*  Lumen  der  Blase  vorhandenen  Keime  sind  durch  den 
aszSert  Jer  te'mre'dlE"  verschleppt  oder  spontali 

Die  Ureteren  werden  in  ihren  unteren  abgelösten  Abschnitten 
sowohl  vom  Lumen  wie  von  der  Adventitia  aus  infiziert 
.  t]  P/e..Nier.en  "'erden  von  der  Blase  aus  durch  spontane  intra 
Lfet/i  7  As.zeJlsl°n  infiziert.  Nicht  selten  findet  eine  hämatogene 
i  fkt'oii  tler  Rinde  statt,  besonders  wenn  es  sich  um  eine  Staohvlo- 
kokkeninfektion  der  bindegewebigen  Wundhöhle  handelt 

■aas,  ,Jara"ephritis 

der  2y"äkoL  Abieiiii"; 

Bericht  über  einen  einschlägigen  Fall;  34  jährige  Frau  bei  der 
pwa  «men  Monat  vorher  die  abdominale  Totalexstirpation  wegen 

Z'^eks'Tmplantation  des 

Mitteilung  eines  Falles;  48  jährige  Frau,  operiert  wegen  Ca  colli- 
ein  FistclE™  Bf'  ei"'..lMe  ßlasem.aht  hielt  nicht,  es  bildete  sich 
Erfolg  der  \ter«5?Tn^ngr?SM'  Verschiedene  Fisteloperationen  ohne 
der  F  lat«  ^  h  t,,s  ffe'ang  erst  durch  Faszientransplantation  aus 
der  r.  lata  des  rechten  Oberschenkels.  Verf.  empfiehlt  diese  On! 

wandffe*  z?  Verein“™  ™  llnd  Scheidenschleimhant  ein- 

Blase 'natTh  Schauta'  .  ,^"wanderul|8  eines  Tupiers  in  die 

de«  Univ^Fmuenklin'k  in  Kiel.)  (Mit  ehe!  [SCI'““  ,A“ 

Tupfers  Ä"  X,.  in  KonkremenÄUhlHto 

«S“  & WUSSKS 

,4  iahr'en  Lapa  pf„ml!d,a  "k  eln=  '«>rmale  Geburt  vor 

"  en-  Laparotomie  wegen  angenommenen  linksseitigen  Ovarial 
kjstoms,  das  Sich  als  dystopische  Niere  entpuppte  HtallscSn 


ünlFi*atLon  derselben;  Unterbrechung  der  Schwanger 
Al  f  .  durch  künstlichen  Abort  mittels  Sectio ‘vaginalis.  Prompter 
Abfall  tJer  I  emperatur  und  allmähliche  Besserung  des  Harnes  n:i 

bddet,km,dySd°PlSCh  i  fN‘eMe  StetS  die  üefahr  eines  Geburtshindernisses 

Patfentin  tC  N'ere  schwer  ^schädigt  war,  wurde  de 

werden  StenI'S'erung  geraten,  dieselbe  soll  später  ausgeführt 


A.  Rieländer  -  Marburg. 


_ ,  Bar^IV!fÜHefXtPenniente,le  Patho,ogle  und  Pharmakologie. 


,  «  ( ''  Boehm:  Ueber  den  Einfluss  des  Nervus  synipathicus  und 

(II.  MfdaKffir“M”mi?n)arf  ^  BeweS"nRen  des  Dlckda^ 

«*• 

A^-hp>  e.‘l’en|f!1  Mersuchsanordnung,  beschreibt  Verf.  im  1.  Teil  seiner 
d;  rmhMP  Einfluss  der  Reizung  sympathischer  Nerven  auf  die  Dick 
darmbewegungen,  den  er  an  36  Katzen  untersuchte  Fs  fa„a  l?kJ 

l'äufig""«fo U Hq  Zu"ahme  des  Tonus  im  proximalen  Kolon  etwa  gleich 

Nerven  bei  elektrisch^  ,Ffrechti^un-  vorliegt,  den  sympathischen 
n  ,11  elektrischer  Reizung  einen  rein  hemmenden  Einfluss  am 
den  Dickdarm  zuzuschreiben.  Im  2.  Teil  sucht  Verf  die  Fragen  7. 
beantworten:  wie  weit  der  Einfluss  des  Vagus  auf  den  Dickdarm 

Dickdarm  hatTnrf  erst.r*ckt’  ob  er  cine  erregende  Wirkung  auf  den 

se,nemrEinfluss  sfeh^n  F  ?r  Dickdarmbewegungen  unter 

PC  iTpIp  stehen  Es  fand  sich,  dass  nur  der  proximal“  Teil 

Rejiolon  Aom  Vagus  beeinflusst  wird  und  zwar  auch  direkt  ohne 
Beteiligung  des  Dünndarms  und  nur  im  Sinne  einer  Ton usiteigerm" 
nicht  auch  der  Hemmung.  Mit  Vorliebe  bilden  sich  Ko“  SkS’ 
inge  am  Ende  des  proximalen  Kolons:  Transport  von  Darminhab 
f'°?serhe.  /Abschnitte  des  Dickdarms  wurde  bei  Vagusreizung 
nicht  beobachtet.  Nikotin  vermehrte  den  Tonus  und  die  rhvthnSn 

f u n kHonebp 1  \/dCS  KoI.on^  zeiKtc  aber  auch  in  seiner  Einwirkung  die 
tpim  iüf  f6  ^Verschiedenheit  des  proximalen  und  distalen  Abschnittes 

dem  Einfbiss^'if« '  Cl  s'cb  n'cbb  B*e  Defäkation  steht  unter 

dem  Einfluss  des  sakralen  autonomen  Systems  (N  pelvicus)  wipu/pi* 

m  u  ^.Freund  und  F.  Marchand:  Ueber  die  Beziehungen  ri..r 
HeiddbSg.)  *“  B'UtZUCker  "nd  Wärmeregulation.  (Mediz.  Klinik 

Die  Ausfallserscheinungen  nach  Verlust  der  Nebennieren  gehen 
mit  einer  schweren  Störung  der  Wärmeregulation  und  mit  einer 
Vumindeiung  des  Blutzuckers  einher,  die  koordiniert  sind  Man 

s  1  e m s 1  z u riickfüifr  p  n  ° m  "  at  die,  Vermindern, HS ch"omaff£ 

Rinden  und  Ma  -kipwph  ^  danp  lemen  Synergismus  zwischen 
KomponentenM  k  bC  annehmen’  mcht  cine"  Antagonismus  diese, 

KliniFC-„?aeLme:  Fe,be.r  die  Wirkungsweise  des  Histamins.  (Mediz. 
Klinik  und  Pharmakol.  Institut  Göttingen.) 

Histamin  intravenös  injiziert  ist  hochgradig  giftig,  dagegen  nicht 

EHe  Fraee°ob  da^nlff113'  p?rtae  bei  llngsara'e,  KSiusÄS 
ni  e/raAen°i  d,-s  P  F  wieder  ausgeschieden,  oder  zerstört  wird  oder 
2  ei"  Po  er,  ,alg,ft  im  Sinne  S  t  r  a  11  b  s  ist.  dessen  Wirkung  uich! 
an  die  absolute  Menge,  sondern  an  das  Konzeiitrationsgefälle  zwischen 

vTn^iSFIeEvp  Undu  Anffriff,spunkt  gebunden  ist.  beantwortet 
vert.  nach  seinen  Versuchen  im  letztgenannten  Sinne. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 


_  Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten. 

74.  Band,  1.  Heft. 


1913. 


P/,osef.F°cb  ,und  N-  P  o  k  s  c  h  i  s  c  h  e  w  s  k  y  -  Berlin-  Ueber 
die  Artverschiedenheit  des  Streptococcus  longus  seu  erysipelatos 
und  des  Streptococcus  equi  (Druse-Streptokokkus). 

i  ?!,  en,  vergleichenden  Untersuchungen  kommen  die  Verff  zu 
sind  bCF  nSSHdaSr  bpde  nahe  verwandt,  aber  doch  verschieden 

halten  auf  iJdaaptVaterscbeidungsrneJ'kmal  ist  gegenüber  dem  Ver- 
in  Mannit  ??gebeTn-  ,Der  SLrept  longus  bildet  starke  Säure 

StreDt  emd  diP  S,,p  aFe  Fackl"us-Mannit-Nährböden,  während  der 

F  IePSnu?  Sänrp  i  Farbe,  S^hr  ,Wenig  oder  gar  nicllt  verändert, 
-ne  Spur  Sauie  vermag  auch  der  letztgenannte  in  Dextrose-  I  üvu- 

l  Prf^bSfT  t  zu  bilden’  die  aber  tr  bis 

9  oPr0Z'  betrclgt!  wahrend  die  Saure  des  Strept.  longus  von  0  9  bis 

selbst  gfhn^Pn^" Der  Dras(e-StrePtokokkus  geht  in  der  von  ihm 

I  ävulns-  hald  71  r-aUrCa  m  PFrdeserurnbou’**on  +  Dextrose  resp. 
resls/pntprbäd  a  prunde-  wahrend  der  andere  Streptokokkus  viel 

Dei  Hof  hpim  ^rUn!  ^  der  .B.lutPlatte  sollen  sie  sich  unterscheiden. 

Hrllde  ^,rMP*okoke^51,^  süfd^für^n^ 

^rltzünd^igeFund^farke^EnteHtisl  Oelcnk- 

in  v£i1m.i0da^na-SFaSssburg:  Ueber  die  Wirkung  von  Alkohol 
Pferdefle?schelweiss?nZen  rab°n  a“f  d‘e  antigenen  Eigenschaften  von 

•  Es  zeigte  sich,  dass  bei  der  Einwirkung  von  Alkohol  auf  Pferde- 
!  's  tei" eiss  !m  Lai,feu  der  Zeit  sämtliche  antigene  Fähigkeiten  des 
-iweisses  verloien  gehen.  Die  stärkste  Wirkung  übt  60— 70proz. 


27.  Mai  1913. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1165 


Alkohol  aus,  weniger  der  absolute.  Dabei  gehen  zuerst  die  ana- 
Iphylak  toge  n  e  n,  alsdann  die  für  die  K  o  m  p  1  e  m e  n  t  b  i  n  d  u  11  g 
nötigen  antigenen  und  zuletzt  die  präzipitinogenen 
Fähigkeiten  verloren.  Formalin  wirkt  aber  noch  stärker  auf  die  Zer¬ 
störung  der  Eiweisskörper. 

3)  Tatsuo  Eguclii:  Ein  experimenteller  Beitrag  über  die 
Wirksamkeit  der  Formaldehydlösung  zur  Verhütung  des  Wund¬ 
laufens  in  der  Armee. 

Die  Erfahrung  an  814  Fällen  im  Manöver  und  auf  dem 
Marsche  hat  gelehrt,  dass  Formalin  zur  Verhütung  des  YVund- 
aufens  ein  ausgezeichnetes  Mittel  ist.  Die  Verhärtung  der  Haut  tritt 
schon  nach  einer  Woche,  manchmal  schon  nach  3—4  Tagen  ein.  For- 
malin  ist  in  dieser  Beziehung  und  auch  gegen  die  Schweissbildung 
Jer  Chromsäure  vorzuziehen.  Nach  den  Experimenten  an  den  Sol¬ 
daten  und  bei  Tieren  scheint  das  Formalin  keinesfalls  schädlich  zu 
wirken. 

4)  O.  Witt  rock:  Beitrag  zur  Biologie  der  Spirochaeta  des 

Rückfallfiebers. 

Während  Trypanosomen,  welche  in  Stechfliegen  aufgenommen  wor¬ 
den  sind,  nach  ihrem  Virulenzverlust  eine  geschlechtliche  Entwicklung 
in  der  Fliege  durchmachen  und  dann  von  neuem  wieder  infektiös 
werden,  ist  die  Frage  bei  den  Spirochäten,  die  in  Zecken  auf- 
benommen  werden,  zweifelhaft.  Verf.  stellte  Versuche  mit  0  r  - 
nithodorus  moubata  an,  fand  auch  darin,  nachdem  die  Tere 
infektiöses  Blut  aufgenommen  hatten,  die  zuerst  von  Lei  sh  man 
beschriebenen  Chromatinkörnchen  neben  Spirochäten,  vom  45.  Tage 
an  auch  eine  Vermehrung  der  Spirochäten,  aber  keine  Beweise,  dass 
diese  Körnchen  mit  der  Entwicklung  der  Spirochäten  in  irgend¬ 
welchem  Zusammenhang  ständen.  Eine  Entwicklung  der  Riickfall- 
spirochäte  in  den  Zecken  ist  demnach  nicht  anzunehmen. 

5)  K.  S  a  i  s  a  w  a  -  Berlin  :  Ueber  den  modifizierenden  Einfluss 
von  kohlehydrathaltigen  Nährböden  auf  Bakterien. 

Verf.  hat  einige  Fragen  der  sog.  Mutation  der  Bakterien 
nachgeprüft  und  besonders  Vertreter  aus  der  Koli-Typhusgruppe  auf 
verschiedenen  Kohlehydratnährboden  untersucht.  Dabei 
kam  er  aber  zu  ganz  anderen  Resultaten  wie  Reiner  Müller.  Im 
Gegensatz  zu  diesem  konnte  er  den  Beweis  erbringen,  dass  die 
Kohlehydrat-Unempfindlichkeit  gegen  bestimrpte  modifizierte  Typhus- 
Lind  Paratyphusbazillen  keine  unveränderliche  Eigenschaft,  sondern 
diesen  Bakterien  künstlich  angezüchtet  werden  und  wieder  ab- 
;enommen  werden  kann.  Es  beruht  also  nicht,  wie  Müller  meint, 
Jie  Knopfbildung  auf  Rhamnaseagar  auf  einer  Mutation  im  Sinne  von 
de  V  r  i  e s  und  ebenso  ist  die  Zurückführung  der  mutierten  Bak¬ 
terienstämme  in  die  ursprüngliche  Form  kein  Atavismus,  wie 
Baerthlein  meint. 

6)  Fromme  -  Düsseldorf :  Bakteriologische  Trink  wasserunter- 

»uchungen  und  Kolibazillen. 

Bei  747  Wasserproben,  welche  aus  15  Quellen.  19  Kesselbrunneii, 
125  Röhrenbrunnen,  17  Abessinierbrunnen,  2  Tiefenwasserzentral¬ 
versorgungen  stammten,  wurde  neben  der  Feststellung  der  Keimzahl 
auch  auf  Bact.  coli  gefahndet  und  auch  gefunden.  In  68  Anlagen 
fand  man  Koli,  in  111  Anlagen  nicht.  28  Proz.  der  Wasserproben 
enthielten  Koli.  Häufig  fand  sich  Koli  da,  wo  die  Keimzahl  an  sich 
reine  Beanstandung  des  Wassers  zugelassen  hätte.  Vielfach  konnten 
dort,  wo  Koli  nachgewiesen  war,  auch  Verhältnisse  konstatiert  wer¬ 
den,  die  ein  Hineingelangen  von  derartigen  Bakterien  als  möglich 
erscheinen  Hessen.  Verf.  ist  der  Ansicht,  dass  die  Koliprobe  unter 
Jmständen  einen  empfindlicheren  Test  darstellt  als  die  Keimzählung 
jnd  möchte  die  Wasserproben  stets  auch  auf  Koli  untersucht  wissen. 

7)  Hu  tt- Bonn:  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Pseudo- 
Jysenterie  und  Paradysenterie,  sowie  der  sog.  Mutation. 

In  dieser  Arbeit  wird  energisch  darauf  hingewiesen,  dass  — 
lach  der  Anschauung  von  Kruse  und  seinen  Mitarbeitern  —  als 
;chter  Dysenterieorganismus  nur  das  Bacterium  dy- 
senteriae  (Shiga-Kruse)  gelten  kann,  dass  dagegen  alle 
inderen  bei  leichteren  Dysenteriefällen  gezüchteten  Organismen  als 
Jseudodysenteriebazillen.  Bacterium  pseudodysenteriae 
'.u  bezeichnen  seien  und  besonders  sei  die  vielfach  gebräuchliche 
Jnterscheidung  der  sog.  Typen  „Flexner“,  „Y“  und  „Strong“  un¬ 
haltbar.  Die  vielen  (100)  Pseudodysenteriestämme,  welche  vom 
Verf.  geprüft  wurden,  zeigten  naturgemäss  manche  Verschieden¬ 
leiten,  doch  lassen  sie  sich  alle  unter  diese  eine  Gruppe  der  Pseudo- 
Jysenteriebazillen  einreihen.  Malz-  und  Rohrzuckervergärung  und 
lie  Indolbildung  sind  ausserordentlich  wechselnd  und  nicht  geeignet  zu 
weiteren  Unterarten  zu  dienen.  Dagegen  gelang  es  mit  Hilfe  von 
Agglutination  und  Absättigung  die  Pseudodysenteriebazillen  in  Unter¬ 
teilungen  oder  Rassen  zu  unterscheiden.  Diese  Rassen  sind,  so 
veit  die  Beobachtungen  des  Verfassers  reichen,  eine  gewisse  lange 
Ceit  ohne  wesentliche  Veränderungen  fortziichtbar.  Es  scheint  aber 
mch,  dass  sie  sich  weiter  umwandeln  und  vielleicht  Gasbildner 
Kruses  Paradysenteribazillen)  werden  können. 

8)  Julius  M  ü  1 1  e  r  -  Coblenz:  Epidemiologische  und  bakterio- 
ogische  Beobachtungen  bei  Typhuserkrankungen  in  Irrenanstalten. 

Die  seit  1908  in  stärkerem  Masse  auftretenden  Typhusfäile  in 
ler  Irrenanstalt  St.  Thomas  zu  Andernach  a.  Rh.  waren  zurückzuführen 
tuf  Bazillenträgerinnen  unter  den  geisteskranken  Frauen.  Mit  Hilfe 
ler  Gruber-Widal sehen  Reaktion  und  den  üblichen  Stuhl-  und 
Jrinuntersuchungen  gelang  es  8  Typhusbazillenträgerinnen  und  8Para- 
yphus-B-Bazillenträgerinnen  und  ausserdem  153  Personen  zu 
‘ruieren,  deren  Serum  agglutinierte.  Die  Agglutinationen  wurden 


alle  mit  Mischbouillon  ausgeführt.  Spezielle  Beobachtungen  bei  der 
Typhusfeststellung  und  Mittel  zur  Bekämpfung  des  Typhus  in  der 
Anstalt  siehe  im  Original. 

9)  F.  K.  Kleine  und  B.  Eckard:  Ueber  die  Bedeutung  der 
Speicheldrüseninfektion  bei  der  Sclilafkrankheitsfliege  (Glossiiia  pal- 
palis). 

Es  gelang  nicht  durch  subkutane  Infektion  des  von  Trypanosoma 
gambiense  gefüllten  Darmkanals  infektiöser  Glossina  palpalis 
die  Krankheit  auf  empfängliche  Tiere  zu  übertragen.  Die  infektions¬ 
tüchtigen  Parasiten  befinden  sich  einzig  und  allein  in  den  Speichel¬ 
drüsen.  Sie  wandern,  bevor  ihre  Entwickelung  abgeschlossen  ist, 
in  die  Speicheldrüse  ein. 

10)  St.  K  a  c  z  y  n  s  k  i  -  Lemberg:  Ueber  den  Nachweis  von  Ty¬ 
phusbazillen  im  Wasser. 

Es  wurde  die  von  Hesse  angegebene  Methode  mittels  Filtration 
durch  Berkefeldfilter  und  nachheriger  rückläufiger  Spülung  ange¬ 
wendet  und  abweichend  von  Hesse  die  ganze  Filterkerze  in  eine 
Anreicherungsflüssigkeit,  welche  Galle,  Kristallviolett  und  Koffein 
nach  Ficker-Hoffmann  enthielt,  hineingebracht.  Endlich  wurde  auf 
Drigalskischalen  ausgesät.  Auf  diese  Weise  Hessen  sich  aus  dem 
Pelte  wasser,  einem  Kanalwasser,  8  verschiedene  Typhusstämme 
herauszüchten.  R.  0.  Neumann  -  Giessen. 

Archiv  für  Hygiene.  48.  Band.  7.  und  8.  Heft.  1913. 

1)  C.  K  i  1 1  s  t  e  i  n  e  r  -  Würzburg:  Weitere  Beiträge  zur  Physio¬ 
logie  der  Schweissdrüsen  und  des  Schweisses. 

Die  Untersuchungen  wurden  so  ausgeführt,  dass  Verf.  sich  der 
Erhöhung  der  Lufttemperatur  in  einem  Zimmer  bediente,  in  welchem 
die  relative  Feuchtigkeit  durch  Wasserdampfung  reguliert  wurde. 
Als  Schwitzobjekt  diente  der  rechte  Arm,  dessen  Schweiss  man  in 
grossen  Glaszylindern  auffing.  Der  übrige  Körper  war  in  den  ersten 
Versuchen  bekleidet,  in  den  letzten  nicht  mehr. 

Der  Einfluss  der  Kleidung  ist  bedeutend,  denn  der  unbekleidete 
Körper  produziert  nur  halb  so  viel  Schweiss  als  der  bekleidete,  wenn 
die  Temperatur  40°  C  und  50  Proz.  relative  Feuchtigkeit  beträgt. 
Schwankungen  in  der  Schweisssekretion  sind  aber  vorhanden.  Sie 
nimmt  bei  täglich  aufeinander  folgenden  Versuchen  konstant  ab,  so 
dass  die  Annahme  einer  Gewöhnung  der  Drüsen  an  denselben  Reiz 
berechtigt  ist.  Dagegen  nimmt  der  Kochsalzgehalt  mit  der  Sekre¬ 
tionsgeschwindigkeit  zu.  In  chemischer  Beziehung  wurden  Mengen 
von  0,008  Proz.  Schwefelsäure  und  0,05  Proz.  Gesamtstickstoff  ge¬ 
funden.  War  viel  Stickstoff  vorhanden,  so  trat  der  Kochsalzgehalt 
zurück  und  umgekehrt.  Das  spezifische  Gewicht  betrug  bei  gewöhn¬ 
lichen  Schwitzversuchen  1,0046.  Eiweiss  ist  bei  Gesunden  im 
Schweiss  nur  in  Spuren  vorhanden.  Wirkt  der  schweisstreibende 
Reiz  längere  Zeit  ein,  so  erreicht  die  Schweisssekretionsgeschwindig- 
keit  ein  Maximum,  welches  aber  wieder  zu  sinken  beginnt.  Erwärmt 
man  lokal  einen  Körperteil,  so  kommt  es,  wenn  die  Wärmezufuhr  eine 
genügende  war,  zur  Schweisssekretion  am  ganzen  Körper.  Die  Aus¬ 
scheidung  von  Salzen  an  jenem  Teil  wird  dadurch  sehr  vermehrt. 
Legt  man  eine  Stauungsbinde  an  eine  Extremität,  so  wird  beim 
Schwitzen  die  Wasserabscheidung,  als  auch  die  Salzabscheidung 
herabgesetzt.  Der  Sekretionsdruck,  den  die  Schweissdrüsen  am 
Arm  des  Menschen  erzeugen,  ist  höher  als  der  Blutdruck  in  dem 
betreffenden  Gefässgebiet. 

Eugen  K  i  r  c  h  -  Marburg:  Ueber  experimentelle  Pseudotuberku¬ 
lose  durch  eine  Varietät  des  Bazillus  Paratyphi  B. 

Bei  einem  spontan  gestorbenen  Meerschweinchen  konnte  aus 
dem  Herzblut  und  den  Organen  ein  Organismus  herausgezüchtet 
werden,  der  bis  auf  kleine  Abweichungen  mit  dem  Paratyphus  B 
identisch  war,  weshalb  ihm  auch  mit  Recht  kein  neuer  Name  ge¬ 
geben,  sondern  der  Stamm  als  eine  an  das  Meerschweinchen  an¬ 
gepasste  Art  aufgefasst  wurde.  Mittels  subkutaner  und  intraperi¬ 
tonealer  Injektion,  ebenso  durch  Verfütterung  gelang  es,  Meer¬ 
schweinchen  zu  infizieren  und  ein  Bild  hervorzurufen,  welches  mit 
dem  Bilde  der  „Pseudotuberkulose“  identisch  war.  Ebenso  konnten 
Mäuse  subkutan  und  intraperitoneal,  Kaninchen  subkutan  und 
Tauben  intramuskulär  infiziert  werden.  Primär  erkrankte  meist  die 
Leber.  Bouillonkulturenextrakte  töteten  Meerschweinchen  und 
Mäuse.  Mit  Kochsalzlösung  geschüttelte  Agarkulturen  gaben  eben¬ 
falls  Substanzen  ab,  die  die  Tiere  töteten.  Ein  bakteriologisch  wir¬ 
kendes  Serum  gelang  nicht.  Der  pathologische  Prozess  zeigte  gegen¬ 
über  der  Tuberkulose  keinen  prinzipiellen  Unterschied. 

R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  1913.  Bd.  44. 

1.  Heft. 

1)  Fr.  S  c  h  r  ö  d  e  r  -  Berlin :  Ueber  Nachweis  von  weissem  Phos¬ 
phor  in  Zündwaren. 

Es  wurde  ein  Verfahren  ausgearbeitet,  welches  bei  möglichster 
Einfachheit  den  genügend  sicheren  Beweis,  ob  weisser  Phosphor  ent¬ 
halten  ist.  erbringen  kann.  Die  Notwendigkeit  eines  solchen  Ver¬ 
fahrens  Hegt  vor,  seitdem  der  weisse  Phosphor  zur  Herstellung  von 
Zündwaren  verboten  ist.  Es  zeigte  sich,  dass  das  Mitscherlich- 
sche  Verfahren  zum  Nachweis  des  weissen  Phosphors  bei  Schwe¬ 
felphosphorverbindungen,  ausgenommen  bei  Diphosphor- 
pentasulfid,  nicht  anwendbar  ist.  Dagegen  wurde  eine  Methode  ge¬ 
funden,  die  sowohl  den  weissen  Phosphor  in  Schwefelphosphorver¬ 
bindungen,  als  auch  in  hellrotem  und  in  gewöhnlichem  roten  Phosphor 


1166 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


aufzudecken  gestattet.  Sie  gründet  sich  darauf,  dass  bei  Gegenwart 
v  on  weissein  Phosphor  nur  die  von  diesem  herrührenden  Leucht¬ 
erscheinungen  hervorgerufen  werden.  Ein  eigens  dazu  konstruierter 
Apparat  wird  beschrieben. 

,niJ)  £  s  c  h  e  1 1 a  c  k  UIld  E-  R  e  i  c  h  e  .1  0  w  -  Berlin :  Coccidien- 
untersuchungen.  I.  Barrouxia  schneideri. 

,  Ad  ^er  g^ossen  f^edeutung,  die  die  Coccidienforschungen,  beson- 
uers  i  cnaudinns  fiir  die  weitere  Protozoenforschung  gehabt  hat, 
akr  es  nahe  die  bisher  bekannten  latsachen,  besonders  die  Entwick- 
lungsphasen  der  einzelnen  Arten,  nachzuprüten.  Es  war  dem  Verf. 
gelungen,  im  Lithobius  forficatus  ausser  den  von  Schau- 
d  i  n  n  gefundenen  3  Coccidienarten,  E  i  m  e  r  i  a  schubergi, 
n  i  m  e  r  i  a  1  a  c  a  z  e  i  und  Adelea  ovata  noch  eine  vierte  Art 
aus  der  Gattung  B  a  r  r  o  u  x  i  a  zu  isolieren,  deren  Entwicklung  in  der 
vorliegenden  Arbeit  genau  beschrieben  wird.  Weitere  Abhandlungen 
über  die  3  anderen  Coccidienarten  sollen  folgen.  Die  genauen  De¬ 
tails  sind  im  Original  einzusehen. 

3)  L  Eiehe  und  Ph.  S  t  e  g  m  ü  1 1  e  r  -  Berlin :  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  ausländischen  Honige. 

..  Cm  festzustellen,  welchen  Schwankungen  Auslandshonige  in 
ihrer  natürlichen  Beschaffenheit  unterworfen  sind  und  damit  Anhalts¬ 
punkte  tiii  die  Beurteilung  unserer  deutschen  Honige  zu  gewinnen 
wurden  Honigsorten  von  Oesterreich,  Ungarn,  Russland,  Italien  Spa¬ 
nien,  Portugal,  Ver.  Staaten,  Mexiko,  Brasilien,  Argentinien,  Chile, 
tviioa,  Jamaika,  Australien  in  ausführlichster  Weise  untersucht. 

ic  Ki  mittelungen  ergaben,  dass  im  allgemeinen  die  ausländi- 
sehen  Honigsorten  von  guter  Qualität  waren.  Je  nach  der  „Tracht“, 
teilweise  auch  je  nach  der  Gewinnung  kamen  ganz  helle  bis  dunkel¬ 
braune  Honige  vor,  deren  letztere  meist  von  Buchweizen  und  Koni- 
terenbluten  stammen.  Geschmack  und  Aroma  zeigten  sich  ver¬ 
schieden  und  z.  1 .  sehr  charakteristisch  für  den  pflanzlichen  Ur¬ 
sprung  des  Honigs.  Besonders  Heide-  und  Koniferenhonig  liess  sich 
leicht  herausfinden,  auch  der  Orangeblütenhonig.  Honig  von  Eukalyp¬ 
tusblüten  dagegen  hatte  kein  ausgesprochenes  Aroma.  Chemisch 
sind  an  die  verschiedenen  Sorten  verschiedene  Anforderungen  zu 
stellen,  deren  Ergebnisse  in  T  abeilen  niedergelegt  sind. 

A,  E  e  v  }  und  B  r  u  c  h.-  Strassburg:  Vergleichende  experi¬ 
mentelle  Untersuchungen  zwischen  3  Typhusvakzins,  die  sowohl 
Bakterienleibersubstanzen  als  auch  lösliche  Stoffwechselprodukte  ent¬ 
halten. 

Die  Verff.  stellten  3  verschiedene  Typhusvakzins  dar.  Das  erste 
nach  der  W  r  i  gh  t  sehen  Methode  mit  Abtötung  der  Typhusbakterien 

A  ,  ’jus-  ,Z,Woeite’,  48  sti!ndige  Bouillon  mit  14  proz.  Karbolsäure 
behandelt“  bei  37  ,  und  das  dritte,  ein  trockenes  Galaktosevakzin.  Die 
Versuche,  welche  am  Meerschweinchen  ausgeführt  wurden,  führten 
sämtlich  zu  guten  Resultaten.  Besonders  das  Galaktosevakzin 
scheint  sein  brauchbar  zu  sein,  weil  davon  viel  geringere  Dosen 
,  s  vo™  flüssigen  Vakzin  genommen  zu  werden  brauchen  und  weil 
keine  Schutzdosis  Vergiftung  erzeugte. 

R.  O.  Neumann  -  Giessen. 


No.  2\ 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  20,  1913. 


1)  W.  Hi  s- Berlin:  Zur  Einweihung  der  I.  medizinischen  Klinik. 

Festrede,  gehalten  am  5.  Mai  1013. 

t  ^  C  *•  mJ  6  n  "  Berlin:  Ueber  zirkumskripte  entzündliche 

1  umorbildung  m  der  Bauchhöhle,  ausgehend  vom  Netz.  (Teilweise 
voigetragen  als  Diskussionsbemerkung  zum  Vortrage  des  Herrn 

bim  „n^neR;  f'r  Fr?ge  der  Geschwulstbildung  nach  Netzunter¬ 
bindungen.  Berl.  Ges.  f.  Chirurgie,  10.  März  1913.) 

n^.yViaS+Ser  dif  Krankengeschichte  eines  ’  Falles  von  idio¬ 
pathischer  tumorbildender  Fettgewebsnekrose  des  Netzes  mit,  der  den 
Kuttnerschen  Fallen  durchaus  anzureihen  ist.  Interessant  ist  die 
Zeitdauer  der  Entwickelung,  welche  sich  in  schubweisem  Verlaufe 

PintLV1o  e  ACrA;  erstre£kt’  und  dass  eine  wirkliche  Heilung  erst 
enu  at.  als  die  Kotpassagehemmung  operativ  beseitigt  war.  Offenbar 
prädisponiert  allgemeine  Fettleibigkeit  zu  diesem  Krankheitsbild. 

..3)  F.  G  öppe  rt-Göttingen:  Die  Rhinitis  po*erior  im  Säug¬ 
lingsalter.  (Nach  einem  Vortrag,  gehalten  bei  der  Tagung  der  süd- 
westleutscheii  und  rnederrheinisch-westfälischen  Vereinigung  für 
Kinderheilkunde  zu  Wiesbaden  am  13.  April  1913.) 

•  Verfassei  beschreibt  ein  Krankheitsbild,  das  sich  durch  chro¬ 
nische  Verstopfung  der  Nasenwege  charakterisiert.  Die  Schleimhaut 
des  Rachenraums  und  der  hintersten  Nase  ist  zwar  nicht  frei  von 

rh™  pT*’  Mh?'\,dlC  |teno.se  entsteht  an  dem  Engpass  der  Canales 
“oai  af'  hm.u  der  Erweiterung  dieser  findet  die  Krankheit  ihre 
natürliche  Heilung. 

-P  II.  Doi  e  n  d  o  r  f  -  Berlin :  Ein  Beitrag  zur  Frage  des  Zu- 
standekommens  linksseitiger  Rekurrenslähmung  bei  Mitralstenose. 

(Nach  einem  am  13.  März  1913  in  der  H  u  f  e  1  a  n  d  Ischen  Gesellschaft 
gehaltenen  Vortrage.) 

Die  Fälle  des  Verfassers  sprechen  nicht  für  das  Zustandekommen 
einci  linksseitigen  Rekurrenslähmung  bei  Mitralstenose  durch  Druck- 
ahmung  dfs  Nerven,  verursacht  durch  Einklemmung  zwischen  dem 
\ ergi ossei ten  linken  Vorhof  und  dem  Aortenbogen,  wie  man  früher 
annahm,  sondern  es  ist  viel  wahrscheinlicher,  dass  die  Lähmung 
verursacht  wird  durch  Fortschreiten  der  Entzündung  vom  Perikard, 
dessen  untere  Wand  von  Pleura  mediastinalis  nicht  bekleidet  ist. 
auf  das  hintere  Mediastinum,  wo  der  Vagus  und  Rekurrens  geschädigt 
werden  können. 


Ueber  Eibon  (Cinnamoy! 


ö)  F .  Johanness  o  h  n  -  Berlin : 
paraoxyphenylharnstoff). 

Eibon  wird  etwa  zu  66  Proz.  vom  menschlichen  Körper  resor- 
laut,  es  bewirkt  eine  Vermehrung  der  Leukozytenzahl.  Die  lern 
peiatur  sinkt  bei  Llbondarrcichung  langsam.  Tag  für  Tag  um  weniir 
Zehntelgrade.  Das  Sputum  bessert  sich,  sowohl  hinsichtlich  der 
Menge,  wie  auch  des  Gehaltes  an  Tuberkelbazillen.  Anfangsstadiei 
mit  subfebrilen  Temperaturen  werden  derart  gebessert,  dass  b"i 
genügend  langer  Behandlung  eine  Heilung  erzielt  werden  kann 
Iuberkulosen  mit  Kavernen  jedoch  geringer  Einschmelzungstenden/ 
erfahren  noch  eine  wesentliche  Besserung,  bei  starker  Einschmel 
zungstendenz  tritt  eine  nur  vorübergehende  objektive  Besserung  ein 
Lungenentzündungen  werden  durch  Eibon  durchaus  günstig  beeinflusst. 

...  .y  B-  G.  Unna  und  Eugen  Wolf:  Zur  Chemie  der  Zelle 
III.  Die  sauren  Kerne. 

Physiologisch-chemischer  Beitrag. 

7)  Felix  Meyer-Kissingen:  Zur  Frage  der  Adrenalinwirkiin« 
auf  den  Koronarkreislauf. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Verfassers  macht  das  Adrenalin 
eine  Erweiterung  der  Koronargefässe  und  eine  lebhafte  Beschleu¬ 
nigung  und  Vermehrung  der  Blutdruckströmung  des  Kranzgefäss- 
systems. 

8)  H.  Löhe-Berlin:  Beitrag  zur  Frage  der  Reinfektion. 

Kasuistischer  Beitrag. 

91  J.  M.  VV  e  s  t  -  Berlin :  Die  Eröffnung  des  Tränensackes  von 
der  Nase  aus  in  über  100  Fällen  von  Dakryostenose.  (Demonstration 
gehalten  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  30.  April  1913.) 

Cf.  pag.  1009,  No.  18  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

10)  H.  E.  S  c  h  m  i  d  t  -  Berlin :  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der 
Röntgenbehandlung  in  den  letzten  Jahren. 

Uebersichtsreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  20,  1913. 


D  A.  H.  H  ii  b  u  e  r  -  Bonn  :  Pathologie  und  Therapie  der  De- 
generation. 

Klinischer  Vortrag. 

J)  F..  G  u  d  z  e  n  t  und  Winkler-  Berlin :  Ueber  die  Behandlung 

von  Psoriasis  mit  Thorium  X. 

Nachdem  gelegentlich  ein  günstiger,  die  Krankheitsdaucr  ab- 
kurzendei  Einfluss  auf  die  Psoriasis  von  der  Anwendung  des  Tho¬ 
rium  A  gesehen  werden  konnte,  erscheint  es  gerechtfertigt,  einen 
therapeutischen  Versuch  mit  diesem  Mittel  zu  machen,  wenn  alle 
anderen  Methoden  keinen  Erfolg  hatten. 

3)  Max  R  o  s  e  n  b  e  r  g  -  Berlin :  Zur  Frage  der  serologischen 
Karzinomdiagnostik. 

2.  Die  Meiostagminreaktion.  Als  bestes  und  ein¬ 
fachstes  „synthetisches  Antigen“  für  die  Meiostagminreaktion  emp¬ 
fiehlt  sich  einstweilen  die  Rizinol-Linolsäure.  Mit  diesem  Präparat 
gaben  unter  12  klinisch  sicheren  Karzinomfällen  11  ein  positives  Re¬ 
sultat;  unter  4  klinisch  zweifelhaften  Karzinomen  war  eines  mit  posi¬ 
tivem  Ausfall;  unter  20  anderweitigen  Erkrankungen  hatten  17  ein 
negatives,  2  ein  positives,  1  ein  i  Ergebnis.  Als  nichtkarzinomatöse 
Erkrankungen,  welche  bisweilen  zu  einem  positiven  Ausfall  der  Meio- 
staginmreaktion  führen,  sind  zu  nennen:  Leberzirrhose,  Pneumonie, 
schwere  Iuberkulose  und  schwerer  Diabetes.  Biologisch  interessant 
ist  der  wiederholt  beobachtete  positive  Ausfall  bei  Gravidität. 

4)  E.  Schreiber  -  Magdeburg-Sudenburg:  Zur  Prophylaxe  und 
Therapie  der  Diphtherie. 

Es  wurden  vielversprechende  Erfolge  von  der  prophylaktischen 
Injektion  des  neuen  Behringschen  Diphtheriemittels  zur  aktiven 
Immunisierung  gesehen.  Bei  den  40  derart  behandelten  Kranken 
iielen  die  in  Zwischenräumen  von  3 — 5  Tagen  meist  subkutan,  bis¬ 
weilen  auch  intramuskulär  gemachten  Injektionen  kaum  irgendwelche 
Reizerscheimingen  hervor.  Die  immunisierende  Wirkung  tritt 
frühestens  am  21.  Jage  ein.  Für  die  therapeutische  Verwendung  des 
bisherigen  Serums  ist  besonders  auf  möglichst  frühzeitige  Einspritzung 
zu  achten,  die  am  besten  intramuskulär  erfolgt.  Etwaigen  anaphylak- 
tischen  Ei scheinungen,  die  auch  noch  14  Jahre  nach  der  ersten  In¬ 
jektion  beobachtet  wurden,  geht  man  am  besten  durch  die  An¬ 
wendung  eines  Serums  einer  anderen  Tierart  aus  dem  Wege.  Zur 
schnellen  Beseitigung  von  Serumexanthemen  scheinen  Adrenalininjek- 
tioncii  zweckmässig  zu  sein.  Bei  Mischinfektionen  empfiehlt  sich  eine 
Kombination  des  Diphtherieserums,  das  auch  in  trockener  Form  lokal 
autgetiageu  weiden  kann,  mit  Salvarsan  oder  Neosalvarsan. 

3)  W.  R  ii  b  s  a  m  e  u  -  Dresden :  Weiterer  Beitrag  zur  Schwauger- 
schaftsseruintherapie  der  Schwangerschaftstoxikosen, 

Mitteilung  zweier  Fälle  von  Schwangerschaftsexanthem,  das  eine 
^anz.  auffallend  rasche  Besserung  und  Heilung  erfuhr  durch  die  intra- 
g  hitaale  Injektion  von  10  bezw.  20  ccm  Serum,  welches  serologisch, 
klinisch  und  anamnestisch  gesunden  Schwangeren  entnommen  wor¬ 
den  war. 

6)  H.  Sowade  -  Halle  a.  S.:  Klinische  Erfahrungen  mit  Embarin. 

Embarin  eine  3  Proz.  Quecksilber  enthaltende  Lösung  des 
Micrkui  isalizylsulfonsauren  Natrium  mit  einem  Zusatz  von  V?  Proz. 
Ahoin,  eignet  sich  gut  für  eine  intensive  Quecksilberbehandlung, 
kombiniert  mit  Salvarsanbehandlung  der  Lues.  Da  manche  Kranke 
am  das  Mittel  mit  schweren  Allgemeinerscheinungen  reagieren,  ist 
anfänglich  Vorsicht  am  Platze:  nötigenfalls  muss  darauf  verzichtet 
werden. 

G  F.  K  u  h  n  -  Berlin-Schöneberg :  Die  erweiterte  Operation  der 

malignen  Oberkiefertumoren. 


7.  Mai  191.1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 167 


Sollen  die  so  ungemein  häufig  das  Operatiousresultat  beein- 
j  rächtigenden  Rezidive  nach  Möglichkeit  vermieden  werden,  so  darf 
lau  nicht  bei  der  Entfernung  des  Oberkiefers  stehen  bleiben,  son¬ 
or»  muss  auch  eine  rücksichtslose  Ausräumung  in  der  Umgebung,  in 
er  Keilbeinhöhle,  den  Siebbeinhöhlen,  der  Fossa  pterygopalatina  bis 
um  Foramen  rotundum,  nötigenfalls  auch  in  der  Augenhöhle,  vor- 
ehmcn.  Dabei  wird  häufig  der  Gründlichkeit  wegen  statt  der 
okalanästhesie  Allgemeinnarkose  mit  peroraler  Intubation  ausgeführt 
erden  müssen.  Die  Unterbindung  der  Karotis  geschieht  nach  W  i  e  - 
ing  am  besten  zwischen  Thyreoidea  und  Linginlis. 

8)  A.  S  a  s  s  e  -  Kottbus:  Eingeklemmter  Wurmfortsatz-Schlingen- 
iriich,  ein  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Appendizitis. 

Mit  3  Mikrophotogrammen  und  einer  Situationsskizze  ausge- 
tattete  Mitteilung  über  einen  Fall  von  destruktiver  Appendizitis, 
eiche  als  Folge  einer  Abklemmung  der  Appendix  im  Schenkelring 
ad  dadurch  bedingter  Zirkulationsstörungen  angesehen  werden  muss. 

9)  F  r  ö  s  e  -  Hannover:  Nasenoperationen  zur  Beseitigung  von 
opischmerzen. 

Kopfschmerzen  und  verwandte  Störungen,  ja  sogar  Rcflex- 
eurosen  des  Herzens,  verdanken  ihren  Ursprung  nicht  selten  einer 
lasenaffektion,  Polypen,  Nebenhöhlenerkrankungen.  Hyperämien  oder 
lypcrtrophien  der  Muscheln,  hochgradigen  Septumverbiegungen;  das 
.eibliche  Geschlecht  zeigt  diesen  Zusammenhang  öfter  als  das  männ- 
che.  Die  sorgfältige,  nötigenfalls  unter  möglichster  Asepsis  vorzu- 
ehmende  operative  Beseitigung  der  krankhaften  Veränderungen  in 
er  Nase  (z.  B.  submuköse  Septumresektion  nach  K  i  1 1  i  a  n)  pflegt  in 
olchen  Fällen  die  Kopfschmerzen  prompt  zu  beseitigen.  Die  Gefahr 
er  postoperativen  Meningitis  wird  vielfach  überschätzt. 

10)  G.  G  r  a  u  1  -  Bad  Neuenahr:  Asthenische  Konstitutionskrank- 
eit  und  Diabetes  mellitus. 

Die  Beobachtung,  dass  bei  asthenischer  Konstitutionsanomalie 
er  Diabetes  mellitus  eine  seltene  Erkrankung  darstellt,  ist  möglicher¬ 
reise  auf  einen  gesteigerten  Tonus  des  Vagus  zurückzuführen 

11)  Ernst  T  o  b  i  a  s  -  Berlin  ;  Die  physikalische  Therapie  der 

exiiellen  Impotenz. 

Verf.  unterscheidet  eine  organische  und  eine  funktionelle  Im- 
oteuz  und  bespricht  die  Anwendung  der  mancherlei  physikalischen 
leilfaktoren  bei  den  verschiedenen  Formen  nebst  den  wechselnden 
iussichten  auf  Erfolg. 

12)  Wilhelm  W  o  1  f  f  -  Leipzig:  Ueber  die  Wirksamkeit  von  Kol- 
irgolklysmen  bei  septischen  Prozessen. 

-Die  rektale  Einverleibung  des  Kollargol  hat  vor  der  intravenösen 
en  grossen  Vorteil  der  unbeschränkt  häufigen  Anwendbarkeit.  Wie 
rompt  gelegentlich  septische  Erscheinungen  auch  auf  das  Kollargol- 
lysrna  reagieren,  lehrt  ein  hier  näher  mitgeteilter  Fall. 

13)  A.  Hoffmann  - Berlin :  Eisensajodin  bei  Arteriosklerose. 

Eisensajodin.  dreimal  täglich  1  Tablette,  bewährte  sich  gut  bei 

er  Behandlung  der  Arteriosklerose  eines  gegen  sonstige  Jodpräparate 
mpfindlichen  Patienten. 

14)  A.  B  i  e  d  1  und  R.  Kraus- Wien:  Die  Anaphylaxie  als  Vei- 
iftung  durch  Eiweissabbauprodukte. 

Historische  Bemerkungen  zur  Entwicklung  der  T  heorie  über  das 
Vesen  der  Anaphylaxie. 

15)  J.  N  e  r  k  i  n  g  -  Düsseldorf :  Zur  Frage  der  Giftwirkung  der 

thodansalze. 

Während  Rhodanalkalien  öfters  schädliche  Nebenwirkungen, 
amentlich  auf  den  Magendarmtraktus,  erkennen  lassen,  scheint  das 
’  h  o  d  a  1  z  i  d,  eine  Eiweissverbindung  des  Rhodans,  gänzlich  frei 

avon  zu  sein. 

16)  Adolf  S  c  h  n  e  e  -  Frankfurt  a.  M. :  Neue  Anwendungen  des 

lektrischen  Vierzellenbades. 

Nach  einem  Vortrag,  gehalten  auf  dem  IV.  internationalen  Kon- 
ress  für  Physiotherapie  in  Berlin,  ref.  in  No.  17,  1913  der  Münch, 
led.  Wochenschr.  B  a  u  m  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  16. 

E.  Hagenbach-Burckhardt  -  Basel :  Ununterbrochene 
pitalerfahrungen  über  Typhus  abdominalis  in  den  Jahren  1865 — 1911. 

In  der  Einleitung  zitiert  Verf.  eine  grössere  Anzahl  Autoren,  die 
i  der  Frage  der  Behandlung  des  Typhus,  besonders  bei  Kindern,  ganz 
erschiedene,  meist  entgegengesetzte  Ansichten  vertreten  und  be- 
jehreibt  dann  seine  eigenen  Erfahrungen.  Während  der  grossen  Epi- 
emien  in  Basel  (1854 — 1868)  gelang  es  Liebermeister  durch 
Einführung  der  Bäderbehandlung  die  Gesamtmortalität  von  18  Proz. 
uf  9,7  und  6,3  Proz.  herabzusetzen:  beispielsweise  erhielten  von 
85  Kranken  16  über  100  Bäder  (6  über  150 — 200).  Im  ganzen  hat 
crf.  selbst  500  Fälle  von  Kindertyphus  behandelt.  Es  wurden  meist 
Lider  und  Antipyretika  gleich  von  Anfang  gegeben:  von  den  295 
'allen  der  1.  Reihe  (Mortalität  6,4  Proz.)  erhielten  199  Bäder,  ebenso 
ie  grösste  Zahl  der  204  Fälle  der  2.  Reihe  (4,9  Proz.  Mortalität), 
leben  den  Bädern  hat  Verf.  immer  an  Antipyreticis  (Antipyrin,  Anti- 
-brin,  Phenazitin)  festgehalten  und  bevorzugt  einmalige  Darreichung, 
m  grössere  Remissionen  (2 — 3  °)  zu  erzielen.  Entgegen  neueren  An- 
chauungen  hat  er  keinen  Grund  gehabt,  von  dieser  Behandlung  ab- 
ngehen  und  sieht  sein  Verfahren  durch  die  guten  Erfolge  (6,4  und 
,9  Proz.  Mortalität  gegenüber  6,5 — 12  Proz.  der  anderen  Autoren; 
erechtfertigt. 

C.  Roux:  Benzin  und  Toilette. 

Bericht  über  6  Fälle  von  Hämaturie,  teilweise  mit  Zylindern 
ad  Leukozyten,  die  nach  reichlichem  Gebrauch  von  Benzin  zur 
Reinigung  des  Operationsfeldes  auftrat.  L.  .1  a  c  o  b  -  Würzburg. 


Oesterreichisclie  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  20.  P.  Alb  re  cht  und  G.  J  o  a  n  n  o  v  i  c  s  -  Wien:  Bei¬ 
träge  zur  künstlichen  Kultur  menschlicher  Tumoren. 

Die  Kulturversuche  (nach  Car  reis  Angaben  gewonnenes  und 
verdünntes  Plasma  in  Proberöhrchen)  waren  bei  3  Sarkomen  und  einem 
Hypernephrom  von  negativem  Erfolg,  bei  24  Proz.  der  26  Karzinom¬ 
fälle  insoferne  erfolgreich,  als  eine  Ueberkleidung  der  Oberfläche  der 
Tumorstückchen  mit  Epithelien  sich  zeigte,  die  durch  eine  aktive 
Wanderung  der  Karzinomzellen  allein  kaum  zu  erklären  ist  und 
vermutlich  durch  Vermehrung  der  Karzinomzellen  zustande  kam.  Der 
Zusatz  von  Dextrose  (Freu  n  d)  und  von  4  proz.  Aetherwasser  (A  s  - 
k  a  n  a  z  y)  übte  keinen  begünstigenden  Einfluss  auf  die  Kulturen  aus. 

R.  Kraus  und  P.  K  i  r  s  c  h  b  a  u  m  -  Wien :  Zur  Frage  der  ana¬ 
phylaktischen  Vergiftung. 

Vorgetragen  auf  der  Tagung  der  freien  Vereinigung  für  Mikro¬ 
biologie. 

E.  L  ö  w  e  n  s  t  e  i  n  -  Wien :  Ueber  das  Vorkommen  von  Geflügel¬ 
tuberkulose  beim  Menschen. 

Vorgetragen  in  der  K.  K.  Gesellschaft  'der  Aerzte  in  Wien  am 
2.  Mai  1913. 

L.  Arzt  und  W.  Kerl- Wien:  Variola-  und  Flecktyphussludien 
an  den  bosnischen  Rückwanderern  aus  dem  Balkan, 

Vorgetragen  in  der  K.  K.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  am 
2.  Mai  1913. 

K.  P  o  t  p  e  s  c  h  n  i  g  g  -  Graz:  Aus  dem  K.  K.  Seelazarett. 

Beobachtungen  an  den  verschiedenartigen  bei  den  bosnischen 
Rückwanderern  auftretenden  Erkrankungen.  Hervorzuheben  ist  die 
Bestätigung  der  Erfahrung,  dass  eine  Impfpustel  öfters  nur  einen 
kurzen  und  ungenügenden  Schutz  gegen  Blatternerkrankung  bietet. 

St.  Zar  zy  ck  i  -  Wien:  Typhöse  Infektion  der  Gallenwege  bei 
Aplasie  der  Gallenblase. 

Krankengeschichte  eines  Falles.  Bei  der  Operation  fand  sich 
volle  Aplasie  der  Gallenblase,  im  Ligamentum  hepatoduodenale  ein 
kleiner  Tumor,  der  mit  Galle  und  kleinen  Konkrementen  gefüllt  war. 
In  diesem  Inhalt  waren  Typhusbazillen,  herrührend  von  einer  vor 
3A  Jahren  bestandenen  Erkrankung,  nachweisbar.  Demnach  kann 
auch  beim  Fehlen  der  Gallenblase  in  den  Gallenwegen  ein  Typhus¬ 
depot  sich  erhalten.  Aelmliche  Verhältnisse  Hessen  sich  experimentell 
bei  einem  Kaninchen  nach  Exstirpation  der  Gallenblase  durch  nach¬ 
folgende  Typhusinfektion  schaffen. 

O.  v.  A  u  f  s  c  h  n  a  i  t  e  r  -  Wien :  Erwiderung  auf  die  Bemer¬ 
kungen  des  Herrn  Prof.  Schütz  zur  Enterocleanerdebatte. 

A.  Brosch- Wien:  Ueber  die  angebliche  Gefahr  der  Darm- 
sprengung  bei  Enterocleanerspiilungen,  Bergeat  -  München. 

Italienische  Literatur. 

B  i  a  n  c  h  i  -  Padua  bringt  einen  Beitrag  zum  Studium  der  sog. 
K  ii  p  f  f  e  r  sehen  Leberzellen  (il  Morgagni,  Januar  1913.). 

Die  erste  Abhandlung  von  Kupffer:  „Ueber  Sternzellen  der 
Leber“  findet  sich  im  Archiv  f.  mikrosk.  Anatomie,  Vol.  12,  p.  353, 
1876.  Im  Jahre  1886  gelang  es  K.  nachzuweisen,  dass  diese  Zellen 
durch  feine  netzförmige  Bindegewebsfasern  (Gitterfasern)  von  dem 
eigentlichen  Leberparenchym  getrennt  sind:  durch  ein  Bindegewebs¬ 
fasernetz,  in  welchem  die  Kapillaren  verlaufen  und  welches  sich, 
schneckenförmige  Windungen  um  die  Venen  der  kleinsten  Gobuli  bil¬ 
dend.  hineinschiebt  zwischen  Kapillaren  und  Leberzellen. 

Kupffer  unterschied  nach  O  p  p  e  1  in  diesem  feinen  Binde¬ 
gewebe  Radiärfasern  und  umspinnende  Fasern;  und  jüngst  auch 
Maresch  (Zentralbl.  f.  allg.  Pathol.  1905). 

Eine  grössere  Anzahl  von  Autoren  bestreiten  die  Existenz  dieses 
feinen  Bindegewebsapparates  und  behaupten,  dass  die  sog.  Kupff er¬ 
sehen  Zellen  in  direktem  Kontakt  stehen  mit  dem  Gefässendothel, 
so  Nattan  (la  cellule  de  Kupffer  et  ses  modifications  dans 
certaines  conditions  experimentales:  Comptes  rendus  de  la  Soc.  de 
Biologie,  Vol.  11,  pag.  326,  1907),  welcher  einen  unmittelbaren  Kontakt 
zwischen  Gefässendothel  und  Parenchym  der  Leber  annimmt  und 
hinzufügt,  dass  das  durch  die  Kupff  ersehe  und  O  p  p  e  1  sehe 
Farbenreaktion  nachgewiesene  Gewebe  endothelialer  Natur  sei. 

Ueber  die  phagozytäre  Fähigkeit  der  Kupff  ersehen  Zellen 
waren  von  jeher  alle  Autoren  einig;  in  der  letzten  Zeit  wurde  auch 
namentlich  die  erythrozytophage  Tätigkeit  derselben  von  einer  ganzen 
Reihe  von  Forschern  hervorgehoben.  B  i  a  n  c  h  i  studierte  die  Frage 
experimentell  im  Institut  für  pathologische  Anatomie  zu  Padua:  zu¬ 
nächst,  indem  er  Kaninchen  chinesische  Tusche  in  destilliertem 
Wasser  gelöst  intravenös  injizierte;  darauf  spritzte  er  Tieren  hetero¬ 
genes  defibriniertes  Blut  endoperitoneal  ein.  Das  wichtigste  Experi¬ 
ment  aber  bestand  darin,  dass  er  Hunden  durch  intravenöse  Injektion 
von  Pyrogallussäurelösung  hämatogenen  Ikterus  beibrachte  und  nach 
kürzeren  und  längeren  Pausen  das  Verhalten  der  sternförmigen 
Zellen  bei  diesen  Tieren  studierte. 

Namentlich  aber  injizierte  er  auch  entmilzten  und  vollständig  ge¬ 
heilten  Hunden  Pyrogallussäure,  weil  Banti  angegeben  hat,  dass 
nach  Wegnahme  der  Milz  das  Hauptorgan,  in  welchem  die  roten 
Blutkörperchen  verarbeitet  werden,  fehlt,  und  Ikterus  nicht  mehr 
auftritt.  Ferner  machte  er  Versuche,  wie  sich  bei  durch  mecha¬ 
nischen  Verschluss  des  Choledochus  herbeigeführtem  Ikterus  die  stern¬ 
förmigen  Kupff  ersehen  Zellen  verhalten  und  studierte  dies  Ver¬ 
hallen  auch  im  pathologisch-anatomischen  Institut  an  geeignetem 
Material.  Das  Resultat  fasst  B.  in  folgenden  Sätzen  zusammen:  Die 


1168 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21 


K  u  p  f  l  e  r  sehen  /eilen  haben  eine  eminent  phagozytäre  und  wahr¬ 
scheinlich  auch  schlitzende  Eigenschaft.  Ihre  Phagozytose  äussert 
sich  in  Bezug  auf  die  roten  Blutkörperchen,  welche  schon  durch 
hämolytische  Substanzen  (wie  Pyrogallussäure)  als  auch  durch  hamo- 
B  tische  Sera  verändert  sind.  Sie  sind  demnach  aufzufassen  als  der 
Hauptfaktor  der  hepatischen  Hämolyse.  Die  phagozytäre  und  erythro- 
zn  lenzerstörende  Wirkung  wächst  in  bedeutender  und  überraschender 
W  eise,  sobald  die  Milz  fehlt.  Bei  splenektomierten  Tieren  fehlt  trotz 
der  durch  Pyrogallussäure  herbeigeführten  starken  Zerstörung  der 
roten  Blutkörperchen  vollständig  der  Ikterus,  obgleich  die  Lymph- 
drusen  bestimmter  Bezirke,  des  Knochenmarks  und  der  Leber  eine 
erhöhte  erythrolytische  Funktion  zeigen.  Dies  Verhalten  ist  vom 
anatomisch-histologischen  Standpunkte  schwer  zu  erklären. 

Fasan  o:  Lieber  primäres  Muskelsarkom  und  Myomektomie. 
(il  pohchnico,  Februar  1913.) 

Primäre  Muskelsarkome,  früher  vielfach  bestritten,  sind  nach  F. 
seit  dem  Jahre  1905  namentlich  durch  Durante  bestätigt 
Ombredanne  konnte  1907  schon  bis  80  Fälle  nachweisen  und 
heute  ist  an  dem  primären  Auftreten  aller  Arten  von  Sarkomen  in 
der  quergestreiften  Muskulatur  kein  Zweifel  mehr  gestattet. 

Nach  eingen  Autoren  sollen  diese  Tumoren  primär  vom  Sarko- 
lentm,  nach  anderen  von  den  Blutgefässen  ausgehen;  allgemein  aber 
wird  zugegeben, ^  dass  die  malignen  Elemente  solcher  Tumoren  sich 
weiter,  als  man  nach  dem  makroskopischen  Bilde  annehmen  möchte, 
in  die  Muskelsubstanz  hinein  erstrecken.  Hierauf  gründet  sich  der 
Bat  vieler  Chirurgen,  bei  der  Entfernung  von  Muskelsarkomen  die 
gauze^  Extremität,  deren  Muskulatur  befallen  ist,  zu  opfern. 

(legen  diese  Vornahme  richtet  sich  die  vorliegende  Abhandlung 
r.s.  Er  plädiert  für  die  Myomectomia  larga,  d.  h.  für  die  Entfernung 
dei  ganzen  Muskelgruppe,  zu  welcher  der  vom  Sarkom  befallene 
Muskel  gehört.  Für  diese  seine  Anschauung  führt  er  ausser  den 
Namen  einiger  Autoren  eine  Statistik  von  operierten  Fällen,  die 
längere  Zeit  rezidivfrei  geblieben  sind,  ins  Feld. 

Ausserdem  betont  F.  die  verhältnismässig  noch  gute  und  brauch¬ 
bare  Funktion  der  Extremitäten  nach  solch  ausgedehnten  Myom- 
ektomien. 

C  r  u  c  i  1 1  ä  -  Florenz;  Klinisch-statistischer  Beitrag  zur  be¬ 
währtesten  Methode  der  Hautdesinfektion  mit  Jodtinktur,  (Ga/zetta 
degli  osped.  1913,  No.  25.) 

95  proz.  Alkohol  hat  ausser  dem  Penetrationsvermögen  durch 
die  Haut  eine  zweifellose  antiseptische  Wirkung;  desgleichen  das 
Jod.  Die  beste  Art,  die  osmotische  und  bakterizide  Kraft  beider  zu 
vereinigen  ist  eine  6  proz.  Mischung  von  Jod  mit  Alkohol.  Sie  muss 
jedesmal  fusch  bereitet  werden  an  demselben  Tage,  an  welchem  sie 
gebraucht  wird,  um  die  Bildung  von  Jodwasserstoff  zu  verhüten. 
Eine  erste  Anwendung  der  Lösung  behufs  Durchtritt  durch  die 
trockene  Haut  (auch  eine  vorherige  Mischung  hat  keinen  ungünstigen 
Einfluss  gezeigt)  hat  12  Minuten  vor  dem  operativen  Akt  zu  erfolgen: 
eine  zweite  Anwendung  2— 3  Minuten  vor  der  Inzision  bei  Individuen 
mit  zarter  Haut  und  namentlich  bei  Kindern  und  systematisch  in  der 
Skrotal-Inguinalgegend.  Am  Halse  und  im  Gesicht  wird  dieselbe 
Losung  angewandt,  nur  die  Quantität  muss  geringer  sein.  Ueber  die 
mit  der  Jodlösung  behandelten  Stellen  dürfen  vorher  keine  Kom- 
pi  essen  oder  Gazebäusche  mit  Sublimat  angelegt  werden,  um  die 
Bildung  von  Jodmerkur,  welches  reizend  auf  die  Haut  wirkt,  zu 
verhüten;  damit  zwei  mit  der  Flüssigkeit  abgeriebene  Stellen  nicht 
m  Kontakt  kommen,  ist  sterile  Gaze  dazwischen  zu  legen, 
ii  dann  kurz  d*e  Statistik  von  329  Fällen  durch,  in  welchen 

ergeben  hat  Methode  der  Hautster>lisierung  ein  günstiges  Resultat 

Leotta  bringt  aus  der  D  u  r  a  n  t  e  sehen  chirurgischen  Klinik 
Roms  einen  beachtenswerten  Beitrag  zur  Obliteration  der  Mesen- 
terialgefasse  —  experimentelle  und  klinische  Betrachtungen  — . 

(il  policlinico  sez.  chirurgica  1913,  Februar  und  März.) 

Aus  seinen  experimentellen  Resultaten  kommt  L.  zu  dem 
Schlüsse,  dass  sowohl  die  arterielle  Obliteration  als  die  venöse  als 
auch  beide  zugleich  konstant  zu  demselben  anatomischen  Resultate 
fuhren,  und  zwar  zum  intestinalen  hämorrhagischen  Infarkt,  charak- 
Jrn^!fr*  durcb  vielfache  hämorrhagische  Blutergüsse  infolge  von 
Kapillarrupturen  in  die  Darmwand  und  zwischen  die  Blätter  des 
Mesenteriums.  Die  anatomische  Form  einer  ischämischen  Gangrän, 
wenn  sie  trotz  des  in  dieser  Beziehung  negativen  experimentellen 
Resultats  doch  existieren  sollte,  kann  jedenfalls  nur  sehr  selten  sein. 

, ..  v-°  vereinfacht  sich  das  klinische  Bild  der  Mesenterialgefäss- 
iriFukts^ist1611'  WC^es  a^so  das  e‘nes  hämorrhagischen  Intestinal- 

Auf  Grund  dieses  experimentellen  Resultats  erörtert  L.  die 
Aetiologie,  I  athogenese,  Symptomatologie,  Diagnose  und  Therapie 
des  hämorrhagischen  Intestinalinfarkts  unter.  Zugrundelegung  von 
40  klinischen  Fallen  und  einer  umfangreichen  Literatur. 

Bezüglich  der  Iherapie  kommt  er,  wie  zu  erwarten,  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  einzige  Behandlung  des  hämorrhagischen  Infarkts 
nur  die  chirurgische  sein  kann.  Indessen  sind  nicht  alle  Autoren 
dieser  Ansicht.  Diese  Gegner  führen  an:  1.  die  diagnostische 
.  Jiwnengkeit  und  die  Gefahr,  durch  eine  unnütze  Laparotomie  zu 
schaden,  die  Möglichkeit  einer  spontanen  Besserung  und  Heilung; 
..es  kann  sich  heraussteilen,  dass  die  Demarkation  noch  nicht  erfolgt 
ist  und  dass  sich  dieselbe  über  so  lange  Darmabschnitte  erstreckt, 
dass  eine  Resektion  nicht  möglich  ist.  ' 

...  E.  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Asystolie  die  einzige  Kontra- 
mdikation  eines  operativen  Eingriffs  ist. 


1.  Bei  den  schwersten  Zuständen  kommt  das  Verfahren  dei 
Lventration  der  befallenen  Darmschlingen  zur  Anwendung 

cvK?1  wen!ger  schwerem  Zustand  empfiehlt  sich  die  Resektior 
Bauchwan?6  BefestlKunsr  der  resezierten  Darmenden  in  de; 

fall  *n  a'len  anderen  Fällen  empfiehlt  sich  die  Resektion  der  be- 
raHenen  Darmschhngen  mit  Enteröanastomose.  Dies  Verfahren  stellt 
die  ideale  Behandlung  des  hämorrhagischen  Infarkts  des  Darmes  dar 
Der  Ausgang  ist  um  so  günstiger,  je  früher  der  Eingriff  erfolgt  |» 
19  Fallen  ergab  das  Verfahren  11  Heilungen. 

,  B  e  d  e  S-?uh  b  am  Fnrgerhospital  zu  Ravenna,  bringt  Be¬ 

trachtungen  über  )24  Fälle  von  Rückenmarksanästhesierungen  durcli 

hhrea,n.onVahZCt-a  ^  OSPed'  l913’  N(>-  23)’  welche  dort  seit  der! 
Jahre  LXb  bis  in  die  neueste  Zeit  gemacht  wurden.  So  glänzend 

■  m  \/dlS1  e  Im  Ai'^mg  zu  bewähren  schien  und  so  verführerisch 
™  Vergleich  zu  anderen  Narkotizis  sich  seine  Anwendung  darstellte 
?  uf*  in  s,einPn].  (j,efo.lge  so  vi.ele  Inkonvenienzen,  dass  B.  nicht  aii- 
-  eht,  es  als  Anasthesierungsmittel  zu  perhorreszieren.  Diese  nacb- 

Irntellt vf  Zli  berechnenden  Wirkungen,  welche  das  Mittel  auch  hei 
S  Anwendung  ab  und  zu  entfalten  kann,  schildert  B.  in 
ausführlicher  Weise  Sie  aussern  sich  in  Kollapsen,  bedingt  durch 
deletäre  Wirkung  auf  die  Zirkulations-  wie  Respirationsorgane-  ais 
unmittelbar  bei  der  Anwendung  auftretende  Erscheinungen,  ferner  in 
inPn  SUllR  namentlich  auf  die  sensiblen  und  motorischen  Nerven- 
appaiate.  Bei  der  grossen  Reihe  von  Beobachtungen,  wie  B  sie 

££r  ,fd  hehltIi  111  d€r  rechnik  sowie  in  der  Beschaffenheit  des 
Mittels  als  ausgeschlossen  zu  betrachten. 

G  a  1 1  i :  Die  Kolloidaltherapie  in  anormalen  und  komplizierten 
Formen  von  Masern.  (Gazzetta  degli  osped.  1913  No  14) 

G.  rühmt  diese  Behandlung,  veranlasst  durch  seine  E'rfahrungeu 
in  emer  schweren  Masernepidemie.  Das  Elektrargol  (Argentum 
colloidale)  wn-kt  nach  Art  eines  Fermentes  und  entfaltet  eine  i!ak 
iP?  dCt  Wirk.ung  auf  Pathogene  Keime,  eine  katalytische  Wirkung  auf 

J  SS  1  roduktet.  >!nd  eine  Stimulierende  Wirkung  au!  die 
Scnutzstoffbildung  des  infizierten  Körpers. 

j-  J“  schweren  und  komplizierten  Formen  von  Masern  erschein* 
die  kollargolbehandlung  als  die  rationellste  und  wirksamste  Die  An¬ 
wendung  muss  eine  möglichst  frühe  und  energische  sein  und  es  ist 
zu  empfehlen,  sich  mit  einer  ersten  Besserung  nicht  zu  begnügen, 
sondern  in  der  Behandlung  fortzufahren  bis  ein  sicheres  und  ent-' 
scheidendes  Resultat  erzielt  ist. 

-  ...  wandte  das  Mittel  in  subkutanen  und  intramuskulären  In¬ 
jektionen  an:  5  ccm  pro  dosi.  Bei  Kindern  zarten  Alters  kam  täglich 
eine  oder  zwei  Injektionen  zur  Anwendung,  indessen  darf  man  sich 
nicht  scheuen  in  schweren  Fällen  auch  9-12  Injektionen  in  24  SMn 
fcf'ripQ  MoSen'  bl®..ciae  entscheidende  Wirkung  sichtbar  ist.  Immer 
K  ^  ! e  unschadhch  und  man  kann  mit  demselben  in  schwersten 
Fallen  noch  unerwartet  günstige  Wirkungen  haben 

T,.!1'012.  beschreibt  die  im  städtischen  Fürsorgeinstitut  gegen 
°c*  a-  url"  angewandten  Methoden  zur  Diagnostik  des 
1913  No"  ^t)dlUmS  dCr  Lungentuberkulose.  (Gazzetta  degli  ospedali 

t,  ^Als  wichtigste  sichere  und  als  unschädlich  be¬ 

fundene  Mittel  hat  sich  die  I uberkulindiagnostik  gezeigt:  bei  Kin- 

nmTr  nmü-raqUetSuh^  Mt:tllode’  bei  Erwachsenen  die  subkutane, 
untei  Umstanden  auch  intrakutane  Iniektion 

Die  drei  diagnostischen  Methoden,  welche  sonst  noch  sich  be¬ 
wahrten,  sind  die  systematische  Palpation  der  Interkostalräume  nach 

o  °J  *  V  S  e  r’  "T1  dabre  1909  angegeben.  Dieselbe  geschieht  me¬ 
thodisch  von  unten  nach  oben,  indem  man  mit  leisem  tastendem 
c  rve.1C^ent.  dltl  SPanil|1I12  und  Rigidität  der  Interkostalmuskeln  prüft, 
.eu  nun  stellt  sich  an  den  auch  nur  leicht  befallenen  Lungen¬ 
partien  eine  Resistenz  in  der  Muskulatur  ein,  die  leicht  auffällt,  wenn 
man  symmetrische  Partien  vergleicht. 

n  ,  "7  B'u  *.e',ses^e  Perkussion  der  hinteren  Lungenspitzen  nach 
Goldscheider. 

i  l3'  Albumenreaktion  des  Sputums  nach  Zusatz  von  destil¬ 
liertem  Wasser  oder  physiologischer  Kochsalzlösung  mit  einigen 
wenigen  1  ropfen  Essigsäure  oder  auch  einer  konzentrierten  Ferro- 
zyankalilosung.  Die  Untersuchung  des  Sputums  auf  Tuberkelbazillen 
nach  einem  vorherigen  Anreicherungsverfahren  mit  Antiformin,  auch 
Färbung  nach  der  von  Much  angegebenen  Methode  ist  nur  hei 
schon  vorgeschrittenen  Fällen  von  diagnostischem  Wert. 

bivoii  Corradi  und  Caffarena  veröffentlichen  aus  dein 
ie nueser  Institut  für  Infektionskrankheiten  Experimentaluntersuch- 
ungen  über  unntoxische  Sera.  (Annali  dell’istituto  Maragliano, 
Vol.  VI,  fasicolo  5. 

Bisher  ist  nachgewiesen,  namentlich  durch  Forschungen  Ver- 
dozzis,  dass  die  Blutsera  von  Kanincheh,  welche  der  intravenösen 
Einverleibung  von  Urin  unterzogen  wurden,  ausser  einer  hämolyti- 
s.hen  Eigenschaft  die  Eigenschaft  der  Komplementablenkung  haben, 
wenn  sie  mit  normalem  Urin  in  Berührung  gebracht  werden.  Weitere 
oischungen  anderer  Autoren  haben  noch  auf  andere  Eigentümlich¬ 
keiten  solcher  Sera  aufmerksam  gemacht. 

Die  Autoren  beschreiben  die  Technik  ihrer  E-> .jerimente  folgen- 
dermassen;  Zur  Untersuchung  wurde  verwendet  der  Urin  Gesunder, 
der  Urin  eines  Tuberkulösen  und  einiger  Luetiker. 

Jedes  Kaninchen  wurde  einer  intravenösen  Injektion  unterworfen 
mit  5  tägigen  Zwischenräumen.  Bei  der  ersten  Injektion  wurden  25. 
bei  der  zweiten  20,  bei  der  dritten  35  und  bei  der  vierten  50  ccm 
Urin  verwandt. 


27.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1169 


Die  Blutentnahme  geschah  10  Tage  nach  der  letzten  Injektion. 

Die  Sera,  mit  denen  experimentiert  wurde,  waren:  1.  Immunserum 
;ecren  normalen  menschlichen  Urin,  2.  ein  Immunserum  gegen  Urin 
i eines  luetischen  Individuums  mit  Sekundärerscheinungen.  Es  ergab 
lieh,  dass  alle  drei  Sera  erhöhtes  Immunisierungsvermögen  besassen. 

Das  gegen  den  Urin  Gesunder  präparierte  urinotoxische  Serum 
zeigte  nicht  nur  gegen  den  Urin  des  gesunden  Individuums,  welches 
len  Urin  geliefert  hatte,  immunisierende  Prinzipien,  sondern  gegen 
Jen  Urin  gesunder  Individuen  überhaupt.  Desgleichen  zeigte  das 
;egen  I  uberkulose  und  Lues  präparierte  Immunserum  nicht  nur  gegen 
len  Urin  der  betr.  Spender  des  Urins  immunisierende  Eigenschaften, 
,ondern  gegen  den  Urin  Tuberkulöser  und  Luetischer  überhaupt. 

Ferner  zeigte  das  gegen  den  Urin  Gesunder  präparierte  Serum 
iucIi  immunisierende  Eigenschaften  gegen  den  Urin  Tuberkulöser  und 
.uetischer  und  umgekehrt  das  gegen  den  Urin  Tuberkulöser  und 
.uetiker  präparierte  Serum  auch  umgekehrt  immunisierende  Eigen- 
.chaften  gegen  den  Urin  Gesunder. 

Dagegen  aber  zeigt  das  gegen  den  Urin  gesunder  Individuen 
präparierte  urinotoxische  Serum  weder  Tuberkuloseantigene  noch 
Tuberkuloseantikörper.  während  das  gegen  den  Urin  Tuberkulöser 
aräparierte  Serum  Tuberkuloseantikörper  in  beträchtlichem  Masse 
ind  von  Tuberkuloseantigenen  Spuren  aufwies.  Das  gegen  den  Urin 
Luetischer  präparierte  urinotoxische  Serum  enthält  weder  Tuber- 
■niloseantikörper  noch  Tuberkuloseantigene.  Daraus  würde  folgen, 
Jass  die  mit  dem  Urin  gesunder  und  die  mit  dem  Urin  kranker 
ndividuen  präparierten  urinotoxischen  Sera  gemeinsame  Antikörper 
enthalten,  dass  dieselben  ausserdem  aber  spezifische  Antigene  und 
\ntikörper  enthalten  können,  deren  Nachweis  schwierig  ist  und  ein 
pesonderes  Verfahren  erfordert. 

Paglione:  Gibt  es  einen  funktionellen  Antagonismus  zwischen 

Pankreas  und  Nebennieren?  (Gazzetta  degli  osped.  1913,  No.  34.) 

Ferra  n  n  i  n  i  (Camerino)  tritt  für  einen  solchen  Antagonis- 
uus  ein  und  veröffentlicht  durch  seinen  Schüler  P.  tierexperimentelle 
Tatsachen,  welche  ihn  zu  begründen  geeignet  sind. 

Die  Exstirpation  des  Pankreas  oder  die  funktionelle  Insuffizienz 
Jieses  Organs  würde  Glykosurie  zur  Folge  haben,  weil  in  der  Leber 
Jas  innere  Sekret  der  Nebennieren  und  die  durch  dasselbe  bewirkte 
gesteigerte  Sympathikusaktion  die  Ueberhand  gewinnt  und  ein 
jrösseres  Quantum  von  Glykose  in  dem  Blute  der  Venae  supra- 
lepaticae  vorhanden  ist.  Umgekehrt  würde  das  innere  Sekret  des 
Pankreas  die  Pneumogastrikusverzweigungen  der  Leber  reizen  und 
so  die  Umbildung  von  Glykogen  in  Glykose  verhindern  und  ein¬ 
schränken. 

In  der  Tat  ergaben  die  aufgeführten  Experimente,  dass  unter 
lern  Einfluss  einer  Adrenalinglykosurie  die  Pankreassekretion  Ver- 
inderungen  erleidet. 

Farmachidis:  Ueber  ein  Anthropotoxin  in  der  Ausatmungs- 

uft  der  Menschen,  (il  policlinico  sez.  med.,  März  1913.) 

Die  Annahme  eines  Anthropotoxins  in  der  Ausatmungsluft  der 
Menschen  geht  von  der  Tatsache  aus,  dass  in  dicht  mit  Menschen  ge¬ 
füllten,  schlecht  gelüfteten  Räumen  sensible  Individuen  von  einem 
llebelsein  befallen  werden,  welches  zur  Ohnmacht  führt.  Die  ge¬ 
wöhnliche  Anschauung,  dass  ein  Ueberfluss  an  CO?  und  NHs  in  der 
Luft  und  vor  allem  Mangel  an  0  die  vorwiegende  Ursache  sei, 
soll  nicht  zutreffen,  da  sich  nach  Pettenkofer  O  nicht  vermindert 
und  CO2  nicht  in  dem  Masse  vermehrt  finden  soll,  um  krankhafte 
Erscheinungen  zu  machen. 

Brown-Sequard,  D’Arsonval  und  Uffelmann 
waren  1888  die  ersten,  welche  die  Hypothese  aufstellten,  dass  es  sich 
n  der  Ausatmungsluft  um  ein  toxisches  Prinzip  handeln  müsse,  viel¬ 
eicht  um  ein  Alkaloid,  welches  schwer  darzustellen  und  nachzu¬ 
weisen  ist. 

F  prüfte  die  schwierige  Frage  experimentell  im  Institut  für  spe¬ 
zielle  Pathologie  in  Genua  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  durch 
Auffangen  der  Ausatmungsluft  in  Kondensionswasser  und  intravenöse 
niektion  dieses  Wassers  bei  Meerschweinchen  und  Mäusen. 

Namentlich  die  letzteren  reagierten  auf  diese  Injektionen  mit  Be¬ 
täubung,  Atmungsbeschleunigung,  Konvulsionen,  Kollaps  und  spa¬ 
stischen  Kontraktionen  und  man  kann  sich  bei  Durchsicht  der  Ta¬ 
bellen  nicht  des  Eindrucks  erwehren,  dass  es  sich  hier  um  den 
Einfluss  einer  toxischen  Substanz  handelt.  Die  Resultate  waren  die 
jleichen,  wenn  durch  Chlornatriumzusatz  die  Flüssigkeit  mit  dem 
31ute  isotonisch  gemacht  wurde.  Ferner  war  die  Reaktion  der  Tiere 
m  ganzen  die  gleiche,  ob  es  sich  um  die  Ausatmungsluft  erkrankter 
)der  gesunder  Individuen  handelte.  Indessen  bedürfen  die  Versuche 
F.s  noch  weiterer  Bestätigung.  Ueber  die  chemische  Natur  des 
Toxins  wagt  F.  keine  Angabe.  H  a  g  e  r  -  Magdeburg. 

Vitige  T  i  n  e  1 1  i:  Die  Bestimmung  der  Zeit  des  Todes  nach  dem 

Knochenbefund,  (Arch.  di  anthropol.  crim.,  Vol.  33  u.  34.) 

Der  Verfasser  legt  von  den  Phalangen  der  drei  mittleren  Finger 
üner  Hand  eine  in  Wasser,  hängt  eine  in  die  Luft,  begräbt  die  dritte 
ind  vergleicht  nach  einem  Jahre  nach  Aussehen,  Struktur  und  che- 
nischer  Beschaffenheit.  Ein  allgemeines,  für  die  gerichtliche  Medizin 
verwertbares  Gesetz  ist  noch  nicht  abzuleiten. 

De  Castro  und  Brielli  beschreiben  einen  Fall  von  Ver¬ 
ätzung  mit  einem  Revolvergeschoss,  das  drei  Einschussöffnungen  in 
ler  Bauchdecke  machte  und  in  der  Hüfte  aufgefunden  wurde.  Ur¬ 
sache  die  Körperstellung  und  Bauchdeckenbeschaffenheit  des  Ver¬ 
wundeten 


Andenino:  Mais  und  Pellagra.  (Ibid.) 

Lorabrosos  Theorie  des  Toxikozeismus  hat  in  der  jüngsten 
Zeit  wiederholt  heftige  Angriffe  erfahren.  Es  gingen  auch  Tiere  bei 
reiner  unverdorbener  Maisnahrung  zugrunde,  der  grösste  Teil  an  Ma¬ 
rasmus,  der  geringere  an  pellagraähnlichen  Erscheinungen.  A. 
nimmt  auf  Grund  der  von  ihm  und  anderen  aufgestellten  Tierver¬ 
suche  an:  Pellagra  oder  besser  gesagt  der  Symptomenkomplex  der 
Pellagra  ist  verursacht  durch  den  Genuss  von  verdorbenem  Mais, 
Vergiftungserscheinungen  können  aber  auch  nach  Fütterung  mit  un¬ 
verdorbenem  Mais  auftreten,  wahrscheinlich  wenn  der  Darmtraktus 
verletzt  ist,  durch  die  Maisalbumine.  Die  Toxine  des  durch  Pilze 
verdorbenen  Mais  wirken,  in  den  Darm  gebracht,  in  zweifacherWeise: 
entweder  durch  direkten  Uebertritt  in  den  Kreislauf  oder  durch 
Beschädigung  der  Darmschleimhaut,  wodurch  ihnen  oder  anderen 
Mikroorganismen  der  Darmflora  oder  den  unveränderten  und  daher 
giftigen  Maisalbuminen  (Zein)  der  Eintritt  ermöglicht  wird.  Auf 
die  Einzelheiten  des  sehr  lesenswerten  Artikels  kann  hier  leider  nicht 
eingegangen  werden.  D  a  1 1’  A  r  m  i  -  München. 

Schwedische  Literatur. 

Carl  Sebardt:  Beitrag  zum  Studium  des  Verhaltens  der  Salz¬ 
säure  im  Magensaft  bei  Nierenentzündungen.  (Nord.  med.  Archiv 
1911,  Bd.  44,  H.  3;  1912,  Bd.  45,  H.  1  u.  2.) 

Ausführliche  Monographie,  die  sich  nicht  zu  kurzem  Referat 
eignet:  behandelt  eingehend  die  im  Titel  angedeutete  Frage  und  bringt 
auch  viele  neue  Beobachtungen. 

S.  E.  Henschen:  Sport  und  Herzerweiterung,  (Nord.  Med. 
Archiv  1912.  Bd.  45,  H.  2.) 

Zusammenfassung:  In  vielen  Fällen  perkutorisch-palpatorisch  und 
-  orthodiagrammatisch  Vergrösserung  des  Herzens;  in  anderen  Fällen 
keine  Volumenveränderung,  in  vielen  Fällen  (orthodiagrammatisch) 
Verkleinerung.  Aus  den  dilatativen  Veränderungen  geht  die  chro¬ 
nische  Dilatation,  eventuell  mit  Herzhypertrophie,  hervor.  Welches 
Volumen  das  Herz  annimmt,  hängt  von  dem  Grade  der  Leistung, 
Anstrengung  oder  Ueberanstrengung.  des  weiteren  von  der  Kraft  und 
Konstitution  des  Wettstreitenden  und  besonders  von  dem  Zustande 
des  Herzens  ab.  Dilatation  tritt  ein  vorzugsweise  bei  schwachen  und 
jungen  Herzen,  bei  normalen  kräftigen  Leuten  wohl  nur  bei  exzessiven 
Anstrengungen.  Die  Verkleinerung  des  Herzens,  welche  bei  sehr  kräf¬ 
tigen  Leuten  eintritt,  ist  die  Folge  einer  verminderten  diastolischen 
Füllung  im  Zusammenhang  mit  sehr  schnellem  Puls. 

K.  A.  Heiberg:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ausbreitung  der 
Zuckerkrankheit  und  deren  Häufigkeit  in  den  nordischen  Ländern. 
(Nord.  Med.  Archiv  1912,  Bd.  45,  H.  2.) 

Statistische  Arbeit,  die  die  Häufigkeitszunahme  der  Zuckerkrank¬ 
heit  in  den  letzten  Dezennien  behandelt  und  in  dieser  Hinsicht  von 
grossem  Interesse  ist.  Eine  nicht  geringe  Vermehrung  dieser  Krank¬ 
heit  wird  für  die  genannte  Zeit  konstatiert. 

Folke  Henschen:  Ueber  die  Melanose  der  Dickdarmschleim¬ 
haut.  (Nord.  Med.  Archiv  1912,  Bd.  45,  H.  2.) 

Mitteilung  von  8  Fällen  dieser  Krankheit.  Nur  5  „echte  Mela¬ 
nosen“  im  S  0  1  g  e  r  -  L.  Pick  sehen  Sinne:  Die  hier  gefundene  hohe 
Frequenz  der  Affektion  (5  Fälle  auf  300  Sektionen)  dürfte  darauf  hin¬ 
deuten,  dass  die  Melanose  wenigstens  in  ihren  niedrigeren  Graden  in 
der  Tat  nicht  so  selten  ist,  wie  man  bisher  angenommen  hat.  Einige 
der  bisher  beschriebenen  Fälle  (4)  sind  von  besonderem  Interesse, 
da  sie  Beispiele  für  die  bisher  unbekannten  Anfangsstadien  sind.  Die 
chronische  Obstipation  scheint  tatsächlich  oft  vorzukommen  und 
dürfte  das  einzig  bisher  feststellbare  ätiologische  Moment  bei  der 
Melanose  sein. 

Arvid  J.  Juhle:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Hypertrophia 
mammae.  (Nord.  Med.  Archiv  1912,  Abt.  I,  H.  3.) 

Mitteilung  von  2  Fällen  dieser  Krankheit:  klinische  und  patho¬ 
logisch-anatomische  Studie  mit  eingehender  Behandlung  der  Aetio- 
logie,  Symptomatologie.  Prognose  und  Behandlung.  Betreffs  letzterer 
muss  man  individualisieren;  z.  B.  bei  der  während  der  Schwanger¬ 
schaft  auftretenden  Hypertrophie  ist  die  konservative  Therapie  (Ban¬ 
dage  usw.)  indiziert,  sonst  im  allgemeinen  die  chirurgische. 

Ragnvald  Ingebrigtsen:  Ergebnisse  von  295  in  der  Zeit 
von  1900 — 1909  operativ  behandelten  Leisten-Schenkelbrüchen.  (Nord. 
Med.  Archiv  1912,  Abt.  I,  H.  3.) 

Im  Jahrzehnt  1900 — 1909  sind  222  freie  Hernien  mit  einem  Re- 
zidivprozent  von  1,8  radikal  operiert,  worden.  73  eingeklemmte  Unter- 
ieibsbriiehe  gelangten  zur  Operation,  wovon  15  durch  den  Eingriff 
nicht  zu  retten  waren. 

Abraham  Troell:  Blutige  operative  Frakturbehandlung  im  Kgl. 
Serafinerlazarett  1885 — 1910.  (Hygiea,  Dez.  1912.) 

Typisches  Verfahren  bei  Patellar-  und  Olekranonbrüchen  mit 
Diastase.  Bei  Knochenbrüchen  der  Extremitäten  kommt  die  Methode 
in  zweiter  Linie  in  Betracht,  die  Umstände  im  einzelnen  Falle  müssen 
hierbei  entscheiden.  Die  Indikationen  sind  bei  geringerer  Erfahrung 
auf  dem  Gebiete  vorsichtig  zu  stellen. 

Bartold  K  a  r  1  s  s  o  11 :  Ueber  Dickdarmresektionen  anlässlich  eini¬ 
ger  Fälle.  (Hygiea,  Nov.  1912.) 

27  Fälle  operiert.  In  allen  Fällen  mit  Ileus  muss  zuerst  eine 
Darmfistel  angelegt  werden.  Resektion  des  Teils  1  des  Kolons  wird 
in  einer  Sitzung  nach  Friedrich  gemacht.  Der  II.  Teil  wird 
nach  Mikul.icz  oder  in  einer  Sitzung  mit  Seitenanastomose  zwi¬ 
schen  dem  rechten  Darmende  und  der  Flexura  sigmoidea  reseziert, 


1170 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  III  I eil  nach  Mikulicz  mit  Entfernung  des  ganzen  Colon 
anKrenzende" >rticn  von  Colon  transvcrsum  und 
s  h  I  dÄndMrder  in  ein1er.  SJtzu"g  mit  Seitenanastomose  zwi- 

un  erp^rni  h  Div  t"/'®  be‘  der  obenKe»an»ten  Resektion.  Die 
untere  F  artie.  der  IV.  Teil,  immer  nach  Mikulicz,  an  der  Mitte  der 
Hexur  immer  Resektion  in  einer  Sitzung. 

Januar  lW)°  h  3  "  S  S  °  ” !  Ueber  spontane  Milzruptur.  (Hygiea, 

i  Mitteilung  eines  derartigen  Falles,  der  zur  Operation  gelangt  ist 
m  Änsch'uss  hieran  eine  Zusammenstellung  zuvor  bekannter  Fälle 
aus  denen  mogheherweis6  folgende  allgemeine  Schlüsse  in  prak- 

Hinbfick^iuV  düf  r»! f  h‘ehe"  Sin£h  Bei  Malar>amilzen  muss  man  im 

tiinen  kfiir  SnlPnpGwf  hr  emer  M,lz.rup‘ur  daran  denken,  die  Indika¬ 
tionen  für  bplenektomie  zu  erweitern.  Hat  man  Symptome  von 

erforationsperitomtis  oder  intrabdominaler  Blutung  bei  Personen  die 
notorisch  vergrösserte  Milz  haben,  so  hat  sich  der  Verdacht  auf  spinn 
tane  Milzruptur  zu  richten,  und  sofortige  Operation  ist  angezeigt. 

hehan<iou  Pmrman:i  Zwei  von  Gastroptose,  mit  Gastropexie 
behandelt.  (Hygiea,  Januar  1913.) 

Zwei  Fälle  von  Gastroptose,  die  nach  Rovsing  operiert  wur- 

milRTJ"'  üut“  Resultat.  Beiläufig  werden  noch 

di/zdt  n/]h  ™  w lelbar.e“,cn  Resultaten  erwähnt,  bei  denen  aber 

Dauer  ist  h  k  ‘St’  Um  Sagen  ZU  können’  ob  das  Resultat  von 

Ileum/ ^(Hygiea/  Februar*1  1913^  Krrts 

sch\\MdstChrpSUnog  MWeifr  Falle'  In  dem  einen  Resektion  der  Ge¬ 
schwulst,  lat.  9  Monate  spater  an  Kachexie  gestorben.  In  dem 
anderen  Enteroanastomose,  Tod  nach  3  Monaten. 

.d  eJ  I;  Die  chronischen  Anstrengungsveränderungen  des 
Herzens.  (Nord.  Med.  Archiv  1912.  Bd.  45.  H.  2.) 

<  Die  Untersuchung  zeigt,  dass  Herzen,  die  einst  chronisch  über- 

sÄTf^  afdere"  schddiÄCnden  Einflüssen  (Alkohol, 
oj  pfnlis  u.  a.)  nicht  ausgesetzt  waren,  in  den  meisten  Fällen  oder  in 

£«2?  fIeich  w‘e  andere  Muskeln  nach  dem  Aufhören  der  ge¬ 
steigerten  Inanspruchnahme  einfach  atrophieren  und  zur  früheren 
normalen  Grosse  und  Beschaffenheit  wiederkehren.  Einen  Anhalts- 
Puak  tuJ!  die  Richtigkeit  der  bis  jetzt  allgemein  herrschenden  Auf- 
assung,  dass  ein  ausschliesslich  durch  übermässige  Arbeit  vergrösser 
es  Herz  schliesslich  degenerieren  und  erkranken  muss  und  dass dies. 
Degeneration  des  einst  hypertrophierten,  aber  sonst  gesunden  Her¬ 
zens  auch  dann  eintrete,  wenn  die  Ueberanstrengung  aufgehört  hat 
ba  nLerf;  weder  durch  die  klinische  Untersuchung,  noch  durch  dm’ 
Orthodiagraphie  finden  können.  Weitere  Untersuchungen  sind  noch 
notwendig,  um  die  Frage  zu  lösen.  H.  C.  Jacobaeus 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  des  Militärsanitätswesens. 

Während  Norwegen  im  Jahre  1887  nach  dem  Vorschläge  des 

wesen  ?''bV*  »ohlsteordnetes  MiSsanitä“ 

e|npfuhrt  hat  und  wahrend  dieses  Land  einer  der  ersten 
v  tauten  ist,  der  sein  Sanitätswesen  vollständig  militärisch  oreani 
s.erte,  wurden  in  letzter  Zeit  von  militärische?  Seite  die  SanS?s- 
-iLmilitansche  Stellung  zurückzudrängen  gesucht 
nt  uberbaupt  10  der  norwegischen  Armee  mit  dem  Miliärsani- 
tatswesen  abwärts  zu  gehen:  nur  10  Proz.  der  ausmarschierenden 

den  TrS°n  Z'7e,  Sind  aktI,v;  wabrend  die  Zahl  der  neu  aufzustellen- 
den  Truppenteile  wesentlich  vermehrt  wurde,  wurde  die  Zahl  der 
Sanitätsoffiziere  um  10  Proz.  reduziert.  Der  Mangel  an  Sanitätsoffi 
zieren  lst  so  gross  geworden,  dass  nicht  einmal  der  Dienst  auf  den 
Exerzierplätzen  sicherzustellen  war.  Die  Avancementsverhältni^p 
sind  gegenüber  den  Offizieren  schlecht.  Die  Ausrüstung  der  Armee 

S  «!  rnange'haft  so  z.  B.  steht  die  Aufrüstung  to 
Mannschaften  mit  Verbandpäckchen  nur  auf  dem  Papier-  für  Ersatz 
von  yerbandmater  a1  ist  nicht  gesorgt  etc.  (Nach  einem  Ref  d 
I  .  M.  Z.  [Lrawford:  Norsk  Tidskrift  f.  Militärmedicin  1912].) 

Stabsarzt  a.  D.  Dr.  Viktor  Hufnagel  macht  in  der  D.  M.  7 
ten  Vorschlag,  Kraftfahrräder  zu  Meldezwecken  an  die  Sanitäts" 
kompagmen  und  Feldlazarette  abgugeben,  ein  Vorschlag,  der  s/ch 
echtfertigen  lasst,  nachdem  die  Kraftfahrräder  nunmehr  so  tadellos 
konstrmert  werden,  dass  ihrem  Gebrauche  im  Felde  mchts  m???  im 
Wege  stehen  durfte.  Ihre  Leistungsfähigkeit  ist  den  “ewöShen 
Fahrrädern  weitaus  überlegen,  abgesehen  davon,  dass  der  Fahrer 

BennzeiiS?  reveShhi°nt-  f  %  Fahrtsti;ecke  kan"  durch  Beinahme  die? 
nenzmreserve  bis  auf  250  km  gesteigert  werden. 

J  M  ? veZrUh  nÜf  P6r  w  Freiw-  Sanitatskolonne  Deggendorf  in  Bayern, 

J.  Maye  r  h  o  f  e  r.  hat  ein  zusammenlegbares,  aus  2  Leiern  bestehen- 

wnn  Ptp  rna-es  ra8:?este1'  konstruiert,  um  Schwerkranke  und  Ver¬ 
wundete,  die  auf  einer  Krankentrage  liegen,  bei  Eisenbahnfahrten 

Qew/cht  (Tfi^kvl  tn  zu  kö"ne.n-  Nachteilig  ist  das  ziemlich  grosse 
Gewicht  (16  Kg).  (Der  deutsche  Kolonnenführer,  No.  5/13.) 

Ausbau  der  sanitätstaktischen  Dienstausbildung  der  Sani¬ 
tätsoffiziere,  worin  Deutschland,  man  kann  wohl  sagen  vorbildlich 
f^ird  immer  fortgearbeitet.  indem  hier  in  Deutschland  die 
Säintatsoffmere  zu  den  Kriegsspielen,  in  Berlin  sogar  zu  besonderen 

Gpnir^ä.hPfr 'e  en  heran?ezogen  werden,  wobei  unter  Leitung  von 
jeneralstabsoffizieren  auf  eine  möglichst  kriegsmässige  Durchführung 

intLem  ernc,r  Zu  Verwaltungs-Generalstabsreisen  ältere 
,  amtatsotfiziere  kommandiert  werden,  indem  endlich  bei  einzelnen 


No.  2|. 

ühim™kn0rES.  SanitatskomPaßnien  und  Feldlazarette  zu  den  H-rbst 
Übungen  beigenommen  werden. 

Aehnhch  wie  in  peutsehhnd  wird  in  Oesterreich  der  Fon. 
ildung  der  Sanitätsoffiziere  auf  sanitätstaktischem  Gebiete  grosse 

kri^kf' e,i  w‘dmet'  ln  England,  wo  während  des  EW 
Krieges  Lord  Kit  chen  er  bei  seinem  bekannten  Marsche  auf 
BJoemfontain  die  Sanitätsformationen  nach  seiner  Ansicht  als  un 
Tvnhnson-rf  as-  aU  n'"  Minimum  reduziert  hatte  und  wo  dann  ein' 
t  onen  gTp-Ve  eerAnd  auftrat’  der  die  wenigen  Sanitätsformä- 
[nnn  p  d  K'  bp'  Seuler  Arme?  nocb  duldete,  unmöglich  Herr  werden 
konnten  —  m  Europa,  wo  man  die  Verhältnisse  nicht  kannte  \uS 
iii  der  resse  den  Militärärzten  die  Sache  in  die  Schuhe  geschoben  — 
in  England  wird  diesem  Zweige  der  Ausbildung  der  Sanitätsoffizier- 
jetzt  viel  Gewicht  beigelegt:  es  werden  regelmässig  zu  den  taktischen 

gaben  schdSicfz'u  ÄSf  ^  beiffezoKen-  wob^  auch  Auf- 

zinischen  MilifSschie^CLyon.  vlfdeoSce)"' inTak^Ka^tenSn 
sgebung’  Befehlsubermittlung,  Feldsanitätsdienst  usw.  unter- 
Prak  lfhe  0nent>erung  im  Gelände,  Einquartierung  und 

tZernÜtLn™ h :sf(?rmat'onen-  Erkundung  von  Ortsunterkunft,  von 
Lagerplätzen  in  hygienischer  Hinsicht,  Winterarbeiten.  Kriegsspiele 

schuR  hLutefen^H611  Sanitätsoffiziere  ~  Kurse  an  der  Krieget 

hildnnaC,hpidpRuSSlarl,d  W1/duicht  bloss  auf  die  sanitätstaktische  Aus¬ 
bildung  sondern  auch  auf  administrative  Tätigkeit  grosser  Wert  ge- 
legt,  ebenso  auf  die  Mobilmachung  und  Formierung  der  Sanitätsfor- 
mationen,  ferner  auf  die  ärztliche  Tätigkeit  während  des  Aufmarsches 
b?h  A,rfmHe  aT--,dl Z  Eisenbahn,  auf  dem  Land-  und  Wasserwege,  end- 

in:^derUfEUppeatl]M.ltw!aBjeIl4o.^20/?3lfrat'Onen  ''nd  di:  0rCT”isati”" 

Die  neue  Heeresvorlage  in  Frankreich  befasst  sich  auch  mit  der 
Vervollkommnung  des  Sanitätsdienstes  im  Frieden  wie  im  Kriege 
Die  Einrichtung  von  Genesungsheimen  für  Soldaten,  wie  sie  die 
deutsche  Armee  schon  lange  besitzt,  sodann  Vorbeugungsmassregeln 
gegen  die  am  häufigsten  vorkommenden  Krankheiten,  Typhus  und 
ruberkulose,  sind  ins  Auge  gefasst.  Besonders  nötig  ist  nach  An- 
sicht  des  Kriegsministers,  d.  h.  seines  ärztlichen  Beirates,  die  so¬ 
fortige  veibesserung  der  Sanitätseinrichtungen  in  Marokko  wo  cs 

Sumolfie1!  Prhpnnh  b  dn  dort  zahlre.ich  auftretenden  Krankheiten,  wie 
.  umpffieber,  Ruhi  und  Typhus,  wirksam  zu  bekämpfen. 

i  Im  M.  W.  Bl.  No.  12,  37  u.  39/13  bringt  Oberstleutnant  a.  D 
le  Juge  einen  recht  interessanten  Bericht  über  die  United  Statt* 
Arrny,  wonach  der  Secretary  of  War  Mr.  Stimson  die  vortreff- 
lchen  Resultate  der  Sanitätsverwaltung  hervorhebt,  die  von  der 
wnSaniSChen  .  Manoverdivision  den  Typhus  ganz  fernzuhalten 
usste,  was  der  jetzt  für  die  Armee  obligatorisch  gemachten 

&ntn?VLUZ^SChieiber  sev  Das  amer'kanische  Heer  ist  das  einzige, 
hat  a  da^  die  ^wan&sirnPfung  gegetF Typhus  durchgeführt 

^  „nH  «  tCh  efr.?,eben’  dass  i'°,n  deri  im  ranzen  368  Erkran- 
vin-P^  T  Uand  f3n  Iode5,falIen  nur  18  Erkrankungen  und  nicht  ein  ein- 
ziges  Todesfäll  äuf  die  geimpften  Mitglieder  der  Armee  kamen.  _ 
urch  die  Entdeckung  der  Ursache  der  Beriberikrankheit  und  die 
Massnahmen  zum  Schutze  gegen  sie  habe  das  Medical  Corps  der 

?^?,>htnHSChefn  iArmee.  die,  VÖllige  Unterdrückung  dieser  Krankheit 
erreicht,  die  früher  unter  den  eingeborenen  Truppen  auf  den  Philio- 

Pinen  die  grössten  Opfer  gefordert  hafte.  Diese  öffentliche  rückhalt- 
SaneitAitTorfffzierUenR  Mr‘  S  1  ‘ 171  s  0  n  ebenso  wie  die  amerikanischen 

Inauguraldissertationen.1) 

hi  einer  Arbeit  aus  der  med.  Univ.-Klinik  zu  Giessen  berichtet 
aul  Ohnacker  über  die  Erfolge  der  Natron  therapie 
n1  *ib  CiS  1  e  11  d  e  m  Goma  diabeticum.  Er  teilt  einen 
selbstbeobachteten  Fall  (Prof.  V  o  i  t)  mit  und  einige  Fälle  der  Lite- 
.  atur.  Zur  wirksamen  Bekämpfung  des  Coma  diabeticum  ist  un- 
bedingt  notig,  dass  das  Alkali,  am  besten  Natriiumbikarbönat,  in 
grossen  Mengen  (bis  zu  240  g  pro  Tag)  eingeführt  werde,  da  die 
Menge  der  zu  neutralisierenden  Säure  sehr  gross  ist;  die  Ver¬ 
abreichung  per  os  scheint  dabei  die  einfachste  und  günstigste  Aii- 

frnh?p  f-SSWeiSei  ZU  “in;.  Es  ist  ausserordentlich  wichtig,  möglichst 
frühzeitig  mit  der  Alkahzufuhr  zu  beginnen,  bevor  irreparable  Ver¬ 
änderungen  —  speziell  am  Nervensystem  —  durch  die  Säure- 
intox.kat'on  hervorgerufen  sind.  Das  Natron  muss  auch  noch  nach 
dem  Schwinden  der  komatösen  Erscheinungen  längere  Zeit  weiter- 

?nie«en  ^adeoi  wei'  sonst  die  Gefahr  eines  Rückfalls  besteht. 
(Giessen  1913,  23  S.  Otto  Kindt.)  Fritz  Loeb. 

Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Berlin.  April  1913. 

A  cke  r  m  ä  ii  n  Fritz:  Der  heutige  Stand  der  Lichtheilmethode. 
Kaufmann  Wilhelm:  Ein  Fall  von  Kavernomgeschwulst  der  Leber, 
neuer  .los.:  Ueber  Tumoren  des  Ligamentum  rotundum  uteri. 
Robmsk!  beverin:  Beiträge  zur  Physiologie  und  Pathologie  de- 


’)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26.  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


7.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1171 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  Wiener  Spitalnot.  —  Die  Errichtung  eines  Krebsspiials  und 
nes  Institutes  zur  Erforschung  der  Krebskrankheit.  —  Einführung 
iner  Sanitätssteuer  in  Wien.  —  Demission  der  steiermärkischen 
erztekammer.  —  Zum  Kampfe  der  Aerzte  Niederösterreichs  mit  den 
rankenkassen.  —  Ausgestaltung  des  Pflegerinnenwesens  in  W'ien 
nd  ganz  Oesterreich.  —  Gerichtsärztliche  Fortbildungskurse  für 
lilitärärzte.  —  Behandlung  der  Wirbelsäulenverkrümmungen  durch 
aien. 

Die  Wiener  Spitalnot  war  infolge  dreier  trauriger  Fälle  in  der 
tzten  Zeit  wieder  Gegenstand  lebhafter  publizistischer  Erörterungen, 
w  ei  Schwerkranke  begingen  Selbstmord,  weil  sie  tagelang  trotz 
olizeilicher  Intervention  in  einem  Krankenhause  nicht  Aufnahme 
■ideii  konnten,  der  dritte  brach  stcrbgjid  auf  der  Strasse  zusammen, 
n  \\  iener  Gemeinderate  und  im  Abgeordnetenhause  wurden  mehrere 
iesbeziigliche  Interpellationen  gestellt.  Im  Gemeinderate  wurde 
arauf  hingewiesen,  dass  ein  schon  lange  baulich  fertiges  Kinder- 
;)ital  nicht  belegfähig  gemacht  werde,  weil  angeblich  die  erforder- 
chen  Mittel  zur  Beschaffung  der  inneren  Einrichtung  nicht  zur  Ver- 
igung  stehen.  Es  handelt  sich  um  eine  testamentarische  Stiftung 
ines  edlen  Bürgers  Wiens,  des  Gottfried  v.  P  r  e  y  e  r,  die  Stiftung 
eichte  zum  Bau  des  Spitales,  qber  nicht  zur  Beschaffung  der  inneren 
inrichtung.  Der  Vizebürgermeister  gab  die  Tatsache  zu,  die  Kosten- 
erechnungen  seien  aber  noch  nicht  abgeschlossen.  Uebrigens  werde 
as  Kaiser  Franz-Josef-Jubiläumsspital  der  Stadt  Wien  im  Laufe  des 
lonates  Mai  eröffnet  werden  *).  Im  österreichischen  Abgeordneten- 
ause  wurde  von  mehreren  Volksvertretern  auf  die  nicht  nur  der 
lenschlichkeit,  sondern  auch  den  primitivsten  Forderungen  sanitärer 
nd  hygienischer  Fürsorge  hohnsprechenden  Spitalsverhältnisse  in 
Gen  hingewiesen  und  der  Minister  des  Innern  aufgefordert,  endlich 
taatlicherseits  die  Initiative  zu  ergreifen,  um  im  Einvernehmen  mit 
and  und  Kommune  die  Sanierung  des  k.  k.  Krankenanstaltenfonds 
nd  damit  eine  gründliche  Reform  und  Ausgestaltung  des  Spitals¬ 
esens  in  Wien  und  Niederösterreich  durchzufiihrent  Es  fehle  in 
lesterreich  an  Tuberkuloseheilstätten  und  an  Rekonvaleszenten¬ 
eimen,  durch  welche  die  Spitalnot  in  Wien  in  erster  Linie  so 
irtnidable  Formen  angenommen  hat;  dieser  Mangel  sollte  durch 
taatliche  Massnahmen  oder  durch  Förderung  privater  und  philan- 
•opischer  Initiative  beseitigt  werden. 

Im  Verlaufe  dieses  Sommers  soll  endlich  die  „Mittermayer- 
tiftung“  aktiviert  werden.  Eine  Frau  Mitte  rmayer  hinterliess 
Ms  Millionen  Kronen  „zu  Spitalszwecken“.  Der  Testamentsvoll- 
treckcr,  ein  Wiener  Notar,  bestimmte,  dass  s/s  des  hinterlassenen 
apitals  für  ein  Krebsspital,  e  i  n  Drittel  für  ein  Kinderspital  ver¬ 
endet  werden  sollten.  Die  Statthalterei  erhob  dagegen  Einsprache, 
ie  möchte,  dass  das  ganze  Kapital  dem  Krankenanstaltenfonds  zu- 
ewiesen  werde.  Nach  mehrmonatigem  Streite  —  das  Ministerium 
es  Innern  hatte  sich  auch  mit  der  Sache  befassen  müssen  —  wurde 
ine  Einigung  der  Parteien  erzielt.  Das  „nach  Abzug  der  Gebühren“ 
ur  Verfügung  gestellte  Kapital  von  1  300  000  Kronen  wird  derart  ver¬ 
endet,  dass  ca.  900  000  Kronen  für  ein  Krebsspital  und  450  000  Kronen 
ir  einen  Pavillon  für  scharlachkranke  Kinder  bestimmt  wurden. 
Im  auch  für  die  Betriebskosten  dieser  Humanitätsanstalten  Sorge 
u  treffen,  wurde  für  das  Krebsspital  vorerst  ein  Belegraum  von 
0  Betten,  für  den  Scharlachpavillon  von  20 — 25  Betten  in  Aussicht 
enommen.  Der  Scharlachpavillon  v/ird  im  Rahmen  des  St.  Josef- 
.inderspitals  im  4.  Wiener  Gemeindebezirke  errichtet  werden,  die 
'latzfrage  für  das  Krebsspital  (eigener  Bau,  Unterbringung  im  alten 
llgemeinen  Krankenhause,  oder  Adjungieren  an  das  Spital  der 
Viener  allgemeinen  Poliklinik)  ist  noch  nicht  erledigt.  Der  Wiener 
rebsgesellschaft  stehen  übrigens  noch  anderweitige  grössere  Geld- 
eträge  zur  Verfügung,  mit  welchen  sie  neben  dem  Spitale  ein 
nstitut  zur  Erforschung  der  Krebskrankheit  er- 
ichten  will. 

Schliesslich  wäre  noch  zu  berichten,  dass  zur  Abhilfe  der 
'Pitaismisere  in  Wien  wieder  das  Projekt  der  Einführung  einer 
•anitätssteuer  auftaucht.  Die  Gemeinde  Wien  soll  das  Recht 
ekoinmen,  einen  3  proz.  Zuschlag  von  der  Hauszinssteuer,  der  Er- 
rerbsteuer  und  noch  anderen  Steuergattungen  einzuheben.  Diese 
iir  rein  sanitäre  Aufgaben  bestimmte  Steuer,  die  nur  der  Kommune 
Vien  gutkäme,  soll  nach  Berechnungen  schon  im  ersten  Jahre  an 
Millionen  Kronen  betragen,  wobei  automatisch  mit  jeder  Erhöhung 
er  betreffenden  Steuergattungen  eine  Steigerung  der  Sanitätssteuer 
intritt.  Wenn  jemand  1000  Kronen  Mietzins  bezahlt,  trifft  ihn  eine 
Abgabe  von  6  Kronen  60  Heller.  Die  Hausherren  werden  natürlich 
lie  Sanitätssteuer  auf  ihre  Wohnparteien  überwälzen,  also  den  Miet- 
ins  erhöhen,  und  es  ist  zu  befürchten,  dass  mehrere  Hauseigentümer 
-  wie  es  sich  vor  Monaten  bei  der  Einhebung  der  sog.  Wasserheller 
reignete  —  diese  Gelegenheit  wieder  zu  einer  ..Abrundung",  d.  h. 
ur  anständigen  Erhöhung  des  Mietzinses  benützen  werden.  Es  ist 
erner  gar  nicht  einzusehen,  warum  gerade  Wien  allein  sich  der 
;egnung  einer  eigenen  Sanitätssteuer  erfreuen  soll,  warum  nicht  auch 


*)  Die  feierliche  Grundsteinlegung  und  Eröffnung  dieses  Spitals 

■rfolgte  am  17.  Mai  1.  J. 


alle  Hauptstädte  oder  sogar  alle  grösseren  Städte  und  die  Bewohner 
von  ganz  Oesterreich!  Auch  in  Prag,  Graz,  Krakau  etc.  gibt  es  not- 
leidende  Spitäler  und  die  öffentlichen  Krankenhäuser  Wiens  werden 
wegen  der  Zugkraft  der  daselbst  tätigen  berühmten  Kliniker  jahraus, 
jahrein  von  vielen  tausenden  Kranken  aus  allen  Provinzen  unseres 
Reiches  aufgesucht.  Warum  also  sollen  die  Bewohner  Wiens  allein 
die  Kosten  der  erhöhten  Spitalsgebühren,  der  Errichtung  neuer 
Spitäler  etc.  tragen?  Die  Angelegenheit  ist  ja  noch  lange  nicht 
spruchreif,  es  handelt  sich  um  einen  Vorschlag,  der  angeblich  schon 
ernstlich  erwogen  wird.  Warten  wir  also  das  Ende  ab. 

Die  Mitglieder  der  steiermärkischen  Aerztekammer  und  deren 
Stellvertreter  haben  am  30.  April  1.  J.  einstimmig  beschlossen,  ihre 
Mandate  niederzulegen.  Die  k.  k.  Statthalterei  liess  der  Aerzte¬ 
kammer  seit  einiger  Zeit  eine  Reihe  von  Bemängelungen  formeller 
Natur  zukommen;  sie  erklärte  ferner  in  einer  Rekursangelegenheit, 
„dass  die  Unterbietung  des  Honorartarifes  nicht  als  Verstoss  gegen 
die  Standesehre  angesehen  werden  kann,  weil  diesem  Tarif  keines¬ 
wegs  die  ihm  von  der  Aerztekammer  beigemessene  bindende  Kraft 
zukommt  und  die  kammerpflichtigen  Aerzte  an  diesen  Tarif  nicht  ge¬ 
bunden  erscheinen“;  sie  erteilte  Konzessionen  zur  Errichtung  öffent¬ 
licher  Apotheken  für  Orte,  welche  die  Kammer  als  hiefür  ganz  un¬ 
geeignet  erklärte  und  in  welchen  der  (eine  Hausapotheke  führende) 
Arzt  so  geschädigt  wurde,  dass  er  nicht  existenzfähig  blieb;  sie  verheil 
schliesslich  einem  Zahntechniker  eine  Konzession,  der  sich  wiederholt 
Uebergriffe  zuschulden  kommen  liess,  der  jetzt  noch  wegen  Kur¬ 
pfuscherei  in  gerichtlicher  Untersuchung  ist  —  all  dies  entgegen 
den  wohlmotivierten  Eingaben  der  Aerztekammer.  Aus  diesem  Vor¬ 
gehen  der  Statthalterei  ersahen  die  Kammermitglieder  und  ihre  Stell¬ 
vertreter,  dass  sie  die  Belange  der  steiermärkischen  Aerzteschaft 
der  Landesbehörde  gegenüber  nicht  in  wirksamer  Weise  zu  ver¬ 
treten  vermögen  und  zogen  daraus  die  Konsequenzen. 

Da  es  sich  hier  nicht  um  persönliche  Angelegenheiten  handelt, 
so- muss  mit  Bedauern  konstatiert  werden,  dass  sich  die  Vertreter 
der  Regierung  auch  in  der  Steiermark  der  Aerzteschaft  so  feindlich 
entgegengestellt  haben,  dass  die  dortige  Kammer  an  der  Erfüllung 
ihrer  gesetzlichen  Aufgaben  behindert,  in  ihrem  Ansehen  bei  Aerzten 
und  Behörden  geschädigt,  lieber  auf  jede  fernere  Tätigkeit  verzichtet. 
Man  muss  das  lebhaft  bedauern,  weil  die  Aerztekammern  Oester¬ 
reichs  während  ihres  nunmehr  20  jährigen  Bestandes  so  vieles  im 
ärztlichen  sozialen  Leben  gebessert,  so  manche  Institution  für  die 
Wohlfahrt  ihrer  materiell  ungünstig  gestellten  Kollegen  gegründet 
haben.  Kärnten  und  Krain  besitzen  seit  Jahren  keine  Aerztekammer, 
alle  Bemühungen,  die  dort  praktizierenden  Aerzte  zu  veranlassen, 
wieder  Aerztekammern  zu  wählen,  schlugen  fehl,  da  die  dortigen 
Aerzte  nach  ihren  schlechten  Erfahrungen  sagten,  die  Regierung 
kümmere  sich  nicht  um  die  Beschlüsse  der  Aerztekammern,  sie  wahre 
nicht  die  wenigen  Rechte  derselben,  daher  die  Kammern  nicht  er- 
spriesslich  wirken  können.  Und  jetzt  demissioniert  auch  die  steier¬ 
märkische  Aerztekammer  in  Graz,  weil  sie  nicht  länger  willens  ist, 
die  geringschätzende,  ja  direkt  feindliche  Haltung  ihrer  Vorgesetzten 
Behörde  länger  zu  ertragen! 

Seit  1.  Februar  1913,  also  seit  mehr  als  3  Monaten,  haben  die 
Kassenärzte  Niederösterreichs,  welche  —  wie  war  vor  Wochen  aus¬ 
führlich  berichteten  —  ohne  ihr  Wissen  und  ohne  ihre  Zustimmung 
vom  „Verbände  der  Genossenschaftskrankenkassen  Wiens  und 
Niederösterreichs“  „übernommen“  wurden,  ihre  Stellen  niedergelegt 
und  stehen  mit  dem  besagten  Verbände,  der  sich  alle  Bezirkskranken¬ 
kassen  Niederösterreichs  einverleibt  hat,  im  Kampfe.  Ihre  berech¬ 
tigten  Forderungen  sind  in  der  Hauptsache  noch  immer  dieselben, 
nämlich:  die  Einführung  eines  Vertragsschemas,  die  fallweise  oder 
die  Honorierung  nach  einem  Kopfpauschale  bei  grundsätzlicher  Ab¬ 
lehnung  eines  JahrespauschaJes,  die  Aufhebung  der  Kontrolle,  die  Ab¬ 
berufung  der  jetzt  neu  eingeführten  ortsfremden  Spezialärzte  und 
Anstellung  ortsansässiger  Spezialisten  als  Konsiliarii,  endlich  die 
Honorierung  der  Behandlung  freiwilliger  Mitglieder  nach  dem  orts¬ 
üblichen  Tarife. 

Die  jüngst  erschienene  Nummer  der  „Mitteilungen  der  wirtschaft- 
schaftlichen  Organisation  der  Aerzte  Wiens“  berichtet  über  die  Ge¬ 
nese  und  den  bisherigen  Verlauf  dieses  Kampfes  recht  ausführlich. 
Wir  entnehmen  dem  Aufsatze  einige  Angaben.  Mehr  als  200  nieder¬ 
österreichische  Aerzte  stehen  also  im  Streik,  insofern  als  sie  die 
Mitglieder  der  Krankenkassen  als  Privatpatienten  annehmen  und  be¬ 
handeln,  wogegen  sie  den  Kassen  die  administrative  Mitarbeit 
(Krankmeldungen  etc.)  verweigern.  Trotz  des  Terrorismus  der  ver¬ 
einigten  Kassenvorstände  wächst  die  Unzufriedenheit  der  Kassen¬ 
mitglieder  und  zeitigt  Abwehrreaktionen;  auch  die  Unternehmer 
murren,  da  sie  ihre  Arbeiter  geschädigt  sehen  und  da  sie  anderseits 
im  Interesse  der  letzteren  vielfach  zu  grösseren  materiellen  Leistungen 
gezwungen  sind.  Zahlreiche  Eingaben  an  die  Statthalterei  blieben 
unerledigt,  die  Bezirksgerichte  lehnten  Klagen  von  Kassenmitgliedern, 
die  ihre  Rechte  geltend  machten,  ab  und  verwiesen  die  Beschwerde¬ 
führer  an  die  Schiedsgerichte.  Im  Abgeordnetenhause  und  im  nieder¬ 
österreichischen  Landtage  wurden  bereits  scharfe  Interpellationen 
über  die  Schädigungen  der  Kassenmitglieder  eingebracht  und  die  Be¬ 
hörden  zur  raschen  Abhilfe  dieser  unleidlichen  Zustände  aufgefordert. 
Die  Bezirkskrankenkasse  in  St.  Pölten  lässt  den  bettlägerigen  Kranken 
der  Gemeinden  Pyrha  und  Wald  nur  einmal  wöchentlich 
ärztliche  Hilfe  zuteil  werden,  indem  der  Kassenarzt  von  St.  Pölten 
hinkommt.  „Was  die  armen  Leute  in  der  Zwischenzeit  machen. 


1172 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


einer  *85  'be/w"  nC  fZ  detr  n  u  r  in  St-  Pölten-  demnach  in 
uncr  8,5  bezw.  II  km  entfernten  Apotheke  erhältlichen  Meiii 

J?”e"teh  «  tarnten  sollen,  wird  nicht  bekannt  ’embeE  Da-' 

«f,1,  et ,,Sl  mt  ftre‘tt>ar=  Kasse  ausdrücklich  hervor,  dass  sie 
etwaige  Hilfeleistungen  des  ortansässigen  Arztes  nicht  auf 
^°rn,m,e- ;  per  Bezirkshauptmann  von  St  Pölten  berief Fn t 
t  arz  I.  J.  a  le  beteiligten  Faktoren  zu  einer  Konferenz  die  resulta*lo<t 
veilier;  Ende  April  fand  in  Wien  bei  der  Statthalterei  eine  zweite 
Zusammenkunft  statt,  deren  Resultat,  da  die  Verhandlungen  derzeit 
noc ,  fortdauern,  nicht  bekannt  gegeben  wird.  Die  Kranken kassen- 
Mellen  wurden  vom  Reichsverband  österreichischer  Aerzteorgani 
sationen  als  gesperrt  erklärt,  gleichwohl  haben  sich  5  schreibe  7*0  nf 

^rz  g^/vUI1HdenAWelShe  entweder  als  Kassen  oder  als  Revisions¬ 
arzt  des  Verbandes  der  Genossenschaftskrankenkassen  fungieren 
Die  obengenannten  „Mitteilungen“  führen  ihre  Namen  an  um  sie 
dei  Kollegenschaft  vorzustellen.  In  lügenhafter  Weise  verbreiten  d  e 
Krankenkassen,  dass  an  Stelle  der  gewesenen  Kassenärzte  zahl! 

7ielhCA^  reiKkbiecher  den  Dienst  übernommen  und  dass  anderseits 
,  e  e  Merzte  bedingungslos  wieder  ihren  früheren  Dienst  aufgenornmen 
hatten.  Auch  letzteres  ist  unwahr.  Wenn  tatsächlich  eine  A^ahl 
'  0l!|.°'ganl*!erten  Aerzten  Niederösterreichs  auch  jetzt  den  kassen- 
Pf.llc,he"  Dienst  versieht,  so  haben  diese  den  Dienst  überhaupt  nicht 
°£er  ,einKestfIIt-  Es  handelt  sich  hierbei  um  die  Aerzte  der 
Bezirkskrankenkassen  FJaden  und  Wr.  Neustadt  und  um  ca  33  Aerzte 
der  Bezirkskrankenkasse  St.  Pölten,  welche  ihre  Steflungen  aJf 
rp,>hS£h  n€Si  Wirtschaftlichen  Verbandes  der  Aerzte  in  Niederöster- 
eich  behalten  haben,  weil  ihre  Verträge  auf  Grund  des  Vertrogs- 

'/fihemaS  al,Keschlossen  wurden  und  auch  sonst  in  finanzieller  Be- 
lehung  entsprechen.  Diese  Aerzte  wrerden  jetzt  von  den  Kassen- 
vorstanclen  als  Streikbrecher  bezeichnet.  Die  „Mitteilungen“ 
schlossen:  „Die  Wiener  organisierte  Aerzteschaft  verfolgt  den 
Kampf  de,-  niederösterreichischen  Kollegen  mit  Bewunderung  und 
Sympathie;  sie  wünscht  den  wackeren  Streitern  einen  vollkommenen 
«t .  selbstverständlich  jederzeit  bereit,  ihrer  Solidarität 
duich  tatkräftige  Unterstützung  Ausdruck  zu  geben.“ 

In  einer  jüngst  abgehaltenen  Sitzung  der  Bundesleitung  der 
Gesellscbaft  vom  Roten  Kreuze,  die  unter  Vorshi 
des  I  rotektorstellvertreters  Erzherzog  Franz  Salvator  stattfand  und 
zu  welcher  auch  unsere  Chirurgen,  die  Professoren  v.  Eiseisberg 
und  Ho  chen  egg  geladen  waren,  wurde  die  Ausgestaltung 
des  Pflegerinnen  wesens  im  Frieden  und  im  Kriege  dn 

fammhingerd£n-  F  beschloss-  der  bevorstehenden  Bundesver¬ 
sammlung  die  Errichtung  eines  grossen  Pflegerinnen 

h  e  i  m  s  i  n  Wien  vorzuschlagen.  Der  Bau  soll  möglichst  rasch  in 

best  ritt  en  °we  rd  e  n  “3,1  dR  Bauk°sten  aus  jener  Spende  von  500  000  K. 
nestlitten  werden,  die  Baron  Springer  kürzlich  der  Gesellschaft 

gewidmet  hat.  Der  Bundespräsident  Fürst  Schönburg  führte  so- 
dann  aus,  dass  im  Sinne  der  vom  Minister  des  Innern  in  Angriff  ge¬ 
nommenen  Aktion  durch  Zusammenwirken  der  Statthalter  und 
andeschefs  mit  den  Präsidien  der  Stammvereine  vom  Roten  Kreuz 
die  Errichtung  neuer  Pflegerinnenheime  und  die  Erweiterung  schon 
bestehender  Anstalten  des  Roten  Kreuzes  in  den  uTd'Th  ,« 

'I  sepa"‘  sei-  A"  diese  Aktion  müsste  sich  da™  die 
weitere  Ausgestaltung  der  Organisation  der  Kranken- 
iflegei  innen  auf  dem  flachen  Lande  anschliesspn  Der 

schwes  ertn"i1sS&enktierfleit  fÜr  den  KrieffsfaI1  755  geistliche  o'rdens- 
senwestern  als  Krankenpflegerinnen  zur  Verfügung,  ausserdem  hohen 

ue  '  tammvereine  des  Roten  Kreuzes  732  geistliche  und  151  weltliche 
Krankenpflegerinnen  sichergestellt.  wemicne 

gerichtsbarTek ‘reinUS  Anlass  der  bevorstehenden  Reform  der  Militär- 
r «  f  ?  m ;t. ,  e'n.  g  e  r  1  c  h  t  s  a  r  z  1 1  i  c  h  e  r  F  o  r  t  b  i  1  d  u  n  g  s  - 
kur  stur  Militärärzte  abgehalten.  Vorläufig  wurden  18  Mili- 
beruf?n  z|lrp  sPezielI^n  Ausbildung  als  Gerichtsärzte  nach  Wien  ein- 
No  f  im^MiiS”  dauert  drei  Monate  und  wird  im  Garnisönspitale 

Medizin  abeSa  feif  "n'i  Sk°Mlllee*  r!'d  lm  Institute  fiir  gerichtliche 
meciizin  abgehalten.  Obwohl  laut  Dienstreglement  für  das  Sanitäts¬ 
wesen  jeder  Militärarzt  als  Gerichtsarzt  fungieren  kann,  hat  die 

gehalten defn?P?harZt  lChAn  0fflzierskorPs  es  dennoch  für  angezeigt 
MÜHär^z f  wirn  S®  r*0"  Aerzten  speziell  ausbilden  zu  lassen  Der 
Picflrtl  Y  d  als  (jenchtsarzt  sein  Gutachten  in  freier  Rede  zu 

bereits6  Ende  de^vSh"  hab-n’  D|e  österreicllische  Landwehr  hat 
Kurs  einhernfe,  ,IpV  hrfn  Aeine"  d r e i m n n a t i rc 1 1  gerichtsärztlichen 
Mus  einberufen,  der  von  10  Aerzten  frequentiert  wurde. 

w-  •llYdert  W‘ener  Aerztekammer  wurde  jüngst  über  die  Eingabe  der 

von  Defo?mitältPn°n  h0tPaidlSChe  Ghirur^ie  betreffend  die  Behandlung 
y«n  Deformitäten  durch  Laien  referiert.  Die  Kammer  sprach  sich  für 

\!«YChi  KUne  de'  se!tens  der  Orthopäden  an  die  Aerzte  gerichteten 
AuttonJeiung  aus,  mit  Wirbelsäulenverkrümmungen  behaftete  Kinder 

Behandlung  tSShren  Sacbarz|licher(  orthopädisch-gymnastischer 
•mfzuklären  1,1«  I!  -  P  fklarte  es  für  notwendig,  das  Publikum 
,  ‘  fn’,.dass.  es,  slck  diu ch  die  reklamehaften  Anpreisungen 

Rate?' rieht5' abhalSü  Veil}rymnastik  von  der  Einholung  fachärztlichen 
si  chen  i  f  li,  S  lassen  möge  und  beschloss,  die  Aerzte  zu  er- 
Wkiiic-  i  dY  ?  ern  aufklarend  einzuwirken,  welche  dem  an 
Wirbdsaulenverkriimmung  leidenden  Kinde  gegenüber  ihre  Pflicht 

zuführen!1  ^  "  Rlauben'  wenn  sie  es  eil,er  beliebigen  „Turnanstalt“ 


_ No,  21 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft-  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XX.  Sitzung  vom  1.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

(Schluss.) 

Heir  Hans  Haenel:  Zur  Pathologie  der  Hypophyse 

Unsere  ersten  Kenntnisse  von  der  Physiologie  der  Hvnonhvc,. 

AkSiSSalfemk  ihV  ln  vJJbtadu^ng  tacMe.  Tpäter™  ArtSSfS 

fimktmn  der  spezifischen  eosinophilen  Zellen  des  VcmSeda^ens  d7 
Hypophyse  erklärte.  Bisher  ist  kein  Fall  publiziert  worden  dir  diese 
j;«°.r}e  ?u  widerlegen  geeignet  gewesen  wäre;  am  beweisendsteS 

heifteli  Fan?  operat've  Entfernung  der  vergrösserten  Hypophys- 
heilten  Falle  von  Akromegalie.  Der  Hypopituitarismus  wurde  he 
sonders  experimentell  studiert:  Zerstörung  der  Hypophyse  bei  inneren 
lieren  hatte  Zurückbleiben  im  Wachstum  und  Kör perle wicht  zl? 
Folge,  ausserdem  aber  Hypoplasie  der  Geschlechtsorgane  und  Adi 
positas.  Auch  beim  Menschen  fand  man  mehrfach  Zwergwuchs  mit 
Aphasie  der  Hypophyse  verbunden.  -  Die  Adipositas  mttGeniS 
atrophie  wurde  w  eiter  besonders  studiert,  und  man  fand  dass  dfeses 
-vndrom  auch  bei  anderen  Erkrankungen  an  der  Hirnbasis  vorkam 
tr?fpndeiR XVFln  dlnese  das  Infundibulum  und  den  Hypophysenstiel  be’ 
;Sen-  B.  Fischer  stellte  hierüber  die  Hypothese  auf  dass  es 
sich  bei  dei  Degeneratio  adiposo-genitalis  um  eine  Schädigung  des 

Druckt  Hh"HrlaPPneJ,S  der  Hypophyse  handle,  meist  infllge  von 
l ruck  durch  benachbarte  Geschwulstprozesse.  Andere  (Stuinnn 
legen  das  Gewicht  hauptsächlich  auf  eine  Behinderung  des  Sekret 
Stromes  vom  Vorderlappen  durch  Schädigung  des  Hypophysenstiels 
Durch  druckentlastende  Operationen  an  der  Fnfundibulargegend  ist 
neuerdings  mehrfach  auch  eine  Heilung  der  Degeneratio  adioosn 
genitalis  gelungen.  Mannigfaltig  sind  die  Wechselwirkungen  und 
Korrelationen,  die  zwischen  der  Hypophyse  und  Tn  S 

abeYn'p  B,lu,tdr..usen’  Thyreoiden,  Thymus,'  Nebennieren,  besonders 
aber  Genitaldrusen  und  den  sekundären  Geschlechtsmerkmalen  be 
stehen:  Entwicklung  eines  femininen  Typus  bei  männlichen  eines 
masku  inen  bei  weiblichen  Patienten,  typische  Veränderungen  der 
Hypophyse  in  der  Schwangerschaft  (Erdheim  und  Stumme? u  a  in 

P  1.  Mltl!1!u?g  eines  mit  Prof-  S  t  r  u  b  e  1 1  gemeinsam  beobachteten 
Falles:  21  jähriger  Mann;  hat  mit  20  Jahren  als  Unterprimaner  das 

I Ol?” fällt01  verlasseik  war  a,so  ziemlich  minderbegabt.  Seit  Ostern 
1912  fallt  zunehmende  Fettsucht  auf,  ausserdem  GleichgevGchts- 
Storungen,  öfters  Hinfallen  im  Zimmer  und  auf  der  Strasse,  Unfähig¬ 
keit,  den  Urinabgang  zu  beherrschen,  Seh-  und  Schreibstörungen. 

Po,,  ;  tYlls  a.m  2i\  VI-  ,2:  Mädchenhafter  Habitus,  Fettpolster  an 
Lauch,  besonders  Mons  veneris,  Mammis,  Hüften;  kein  Bart  SDärliche 
Korperhaai  e,  Genitalien  etwa  einem  11  jährigen  Knaben  entsprechend 
iskantsOmme.  Klopfempfindlichkeit  der  ganzen  rechten  Schädelhülfte- 
schon  beim  leisen  Klopfen  mit  dem  Fl„mr.  deutlicher ^  mit  dem  PeF 

WlsjScknw  ™f'diet'sich"inta"t  blitzar,lm'  reflektorische  Zwefch- 
dYr  r  ’  ,die  SIch  in  eülem  momentanen  passiven  Vorschnellen 

ßaychmuskeln  äussert;  die  aufgelegte  Hand  wird  dabei  sich“ 
d!  d  klbor  emporgeschnellt.  Von  der  linken  Schädelhälfte  aus  fehlt 
lesei  Reflex,  der  bisher  noch  nicht  beschrieben  ist  und  als  k  r  i  n  i  o 

t'*?  hJ-a8rr5at,!lcher  Peflex  bezeichnet  werde!  kann  Sie  als 
Konträktion  deutlich  von  ihm  zu  trennenden  Bauchreflexe  waren 
schwach.  Weiter  bestand:  beiderseits  Neuritis  optica  linkseitige 
homonyme  Hemianopsie,  sonst  alle  Hirnnerven  normal.  Parese  und 
Ungeschicklichkeit  der  linken  Extremitäten,  links  Patellar-  und  Fuss- 
Wonus,  Oppenheim  und  Babinski  positiv.  Puls  72  Schwere  Gleich 

QÄSSlÄkM  !13Ch  rreCht,S  im  Si‘Ze"’  be!mWi;eehSe!C„hd 

uenversuchen  fallt  Pat.  nach  rechts  hinten,  ohne  den  Versuch  zu 

f  •  T  *  f  alle  Fragen-  v°n  Zeit  zu  Zeit  geht  für  einige 

sonders  die”  ton‘fcherI  KramPf  durch  den  Körper,  be¬ 

sonders  die  linke  Seite,  bei  dem  Pat.  die  Augen  schliesst  das 

Reden  unterbricht,  aber  nicht  völlig  bewusstlos  wird.  Im  Röntgen- 

d  velLeifm't  C  vg  6  !)  ^  Sattelleb”e;  die  Sella  erscheint  vertieft 
unu  veibieiteit  (vgl.  Vortrag  von  Prof.  Strubell)  Süäter  trat 

linen  Ttfmo^d^H8  Erbre^hen  auf-  -  Die  Diagnose  wurde  auf 
einen  lumor  der  Hypophysengegend  mit  Metastasen 

statische  Ataxie'  j_eP.terit  Fü.^  das  letztere  sprach  die  schwere 
h  risvrnntomp  Viüo  ii!er  zerebeI'are”  entsprach  ohne  andere  Klein- 
SBÄi  hnkseitigen  Extremitätensymptome,  die  streng 

anonsl!  ffsrtdilsP  i' “I"pfl,.ldllchkeit  d=s  Schädels,  die  homonyme  Hemi 
m  F  nlmr  nC  die  „frontale  Interesselosigkeit“  (Beyer  thal) 

deiteSn  ivm£«me  rU  eUle  gr0S^e  Au.sdehnung  des  Tumors  hin- 
inch  [ipm  "vr  t  me  \ess,ei,’  eirie  Dperation  auf  dem  nasalen  Wege 
dü  imn!!iPVvSa"Y  S  c  h  lo  ff  e  r  s  aussichtslos  erscheinen,  auch 
das  frontale  Vorgehen  nach  F.  Krause  und  v.  Eiseisberg 


J7.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1173 


musste  Bedenken  erwecken,  und  es  wurden  deshalb  in  Zwischen  - 
äumen  von  Tagen  und  Wochen  verschiedene  Funktionen  des  Vorder- 
| iorns  gemacht,  die  wecliselnde,  z.  1.  reichliche  Mengen  Liquor  ent¬ 
leerten.  während  auffallenderweise  der  Balkenstich  nur  wenige  Kubik- 
entimeter  Liquor  unter  sehr  geringem  Drucke  ergab.  —  Das  Be- 
iiiden  verschlechterte  sich  trotz  der  Druckentlastungeu  weiter,  Pat. 
rblindete,  wurde  schliesslich  somnolent  und  erlag  am  7.  X.  12  einer 
’neumonie. 

Die  Obduktion  ergab :  apfelgrosses  mehrka  m  merige  s 
lermoidkystom  des  Infundibulums  (vgl.  Fig.  i ).  Das • 


elbe  hat  das  Chiasma  und  Corpus  caudicans  weit  auseinander  und 
len  Boden  des  III.  Ventrikels  nach  oben  gegen  den  Balken  gedrängt, 
:inen  starken  Hydrozephalus,  besonders  rechts,  sonst  aber  keine 
Metastasen  gemacht.  Ein  Zapfen  des  Tumors  hat  sich  vor  die  Hypo- 
ihyse,  die  im  übrigen  in  ihren  beiden  Lappen,  auch  mikroskopisch, 
ntakt  ist,  in  die  Sella  gedrängt  und  diese  erweitert  und  so  vertiert, 
las  der  Knochen  in  ihrem  Grunde  atrophiert  ist  und  sie  nur  durch 
•in  Durablatt  noch  von  der  Keilbeinhöhle  getrennt  ist. 

Schlussfolgerungen:  1.  Die  B.  Fischer  sehe  Hypo- 
hese  von  der  Bedeutung  des  Hinterlappens  für  die  Adipositas  hypo- 
jenitalis  wird  durch  Fälle  wie  der  vorliegende  nicht  gestützt,  und 
vird  besser  durch  die  Annahme  einer  Behinderung  des  Sekretstromes 
;orn  Vorderlappen  nach  dem  Ventrikel  ersetzt.  2.  Bei  allen  zerebralen 
Symptomen,  mögen  sie  noch  so  eng  lokalisiert  erscheinen,  muss 
msser  einem  Neoplasma  immer  auch  der  Hydrozephalus  in  den  Kreis 
ler  Erw'ägungen  gezogen  werden.  3.  Erscheint  bei  Hypophysistumor 
:ine  Operation  indiziert,  so  sollte  vor  den  anderen  in  Betracht 
commenden  als  das  leichteste  und  schonendste  Verfahren  stets  ein 
i  e  f  e  r,  d.  h.  bis  auf  die  Schädelbasis  geführter  Balkenstich 
uisgefiihrt  werden.  Ein  solcher  hätte  in  unserem  Falle  die  Zysten 
■ntleeren  und  damit  vielleicht  den  letalen  Ausgang  verhindern  können. 
I.  Bei  Hirntumoren  und  Hydrozephalus  ist  künftig  auf  das  Sym- 
Jtom  des  cranio-diaphragmatischen  Reflexes  zu 
ichten,  der  eventuell  lokalisatorische  Bedeutung  haben  kann. 

Diskussion  über  die  Vorträge  der  Herren  Strubeil  und 
ians  H  a  e  n  e  1 : 

Herr  Rudolf  Panse  wundert  sich,  dass  der  Name  Hirsch- 
Vien  bisher  nicht  genannt  wurde,  der  über  eine  Serie  von  26  ope- 
ierten  Fällen  verfügt  und  glänzende  Erfolge  (nur  3  Todesfälle)  er- 
’.ielt  hat.  Die  Technik  ist  ziemlich  schwierig.  Er  bohrt  sich  zwischen 
len  beiden  Blättern  des  Septum  den  Weg  bis  zur  Keilbeinhöhle. 
3er  Platz  ist  zwar  durch  den  Sinus  cavernosus  beschränkt,  doch 
vird  das  dadurch  wieder  ausgeglichen,  dass  ein  grosser  Teil  der 
lypophysistumoren  Zysten  oder  Atherome  sind.  Bei  Sarkomen  und 
ihnlichen  Geschwülsten  ist  die  Operation  aussichtslos. 

Zur  Differentialdiagnose  bemerkt  er,  dass  in  dem  besprochenen 
'alle  anscheinend  die  Prüfung  des  Vestibularapparates  unterlassen 
■vorden  ist.  Diese  Untersuchung  besteht  in  der  Hervorrufung  von 
Wstagmus  durch  Einspritzen  kalten  Wassers  in  den  Gehörgang  und  ist 
/on  grosser  Wichtigkeit,  weil  man  aus  dem  Fehlen  der  schnellen 
<omponente  des  Nystagmus  schliessen  kann,  ob  zerebrale  Leitung 
vorhanden  ist. 

Herr  Friedrich  Haenel:  Das  radikale  Vorgehen  gegen  die 
lypophyse  ist  auf  2  Wegen  möglich:  Der  erste,  transkraniale,  von 
ler  Stirn  oder  Schläfe  aus,  hat  50 — 70  Proz.  Mortalität,  der  andere, 
ransphenoidale,  etwa  33  Proz.  Bei  dieser  Sachlage  muss  ein 
adikales  Eingreifen  bei  einem  angenommenen  Hypophysentumor  stets 
eiflich  überlegt  werden;  es  müssen  alle  diagnostischen  Zweifel  oder 
wenigstens  deren  Mehrzahl,  vorher  beseitigt  sein.  Es  wurde  bereits 
erwähnt,  dass  in  dem  besprochenen  Falle  noch  manche  Zweifel  be¬ 
standen.  Das  Röntgenbild  ist  ja  ganz  einleuchtend,  doch  könnte 
ler  starke  Druck  in  der  Hpophysengegend  unter  Umständen  auch  von 
hnem  Hydrocephalus  internus  bedingt  sein.  Es  ist  nicht  gesagt,  dass 
las  den  Druck  ausübende  Moment  .nur  dort  lokalisiert  ist,  wo  man 
Jen  Tumor  vermutet.  Kurz,  die  Diagnose  muss  auf  jeden  Fall  ge¬ 
klärt  sein,  ehe  man  einen  so  bedeutenden  Eingriff  vornimmt.  Bei  dem 
Portschreiten  der  Symptome,  besonders  der  raschen  Abnahme  der 
Sehkraft,  war  der  Bramann  sehe  Balkenstich  die  gegebene  Me¬ 
thode,  um  das  Sehvermögen  zu  retten;  und  doch  trat  bald  darauf 
völlige  Erblindung  ein,  also  gerade  das,  was  durch  den  Eingriff  ver¬ 
ändert  werden  sollte.  Wenn  davon  die  Rede  war,  mit  dem  Balken- 
stich  zugleich  die  Punktion  der  mutmasslichen  Zyste  der  Hypophysen- 
jegend  von  oben  her  zu  verbinden,  so  dürfte  das  nicht  zu  empfehlen 
sein,  zumal  man  doch  über  die  zystische  Natur  des  Tumors  nicht 
vorher  unterrichtet  ist.  Und  selbst  wenn  es  gelänge,  z.  B.  von  der 


Nase  aus,  eine  Zyste  zu  eröffnen,  so  ist  damit  so  lange  man  die 
Zyste  nicht  ausschälen  kann,  die  Heilung  noch  nicht  garantiert. 

Herr  W.  L.  Meyer:  Für  die  Diagnose  war  von  besonderer  Be¬ 
deutung,  ob  der  von  Uh  t  hoff  1911  gefundene  Gesichtsfeld¬ 
defekt  im  Sinne  einer  „bitemporalen“  oder  einer  „homonymen  link¬ 
seitigen“  Hemianopsie  ausgefallen  war,  was  er  nicht  recht  verstanden 
hat.  In  einem  in  seiner  Assistentenzeit  in  Breslau  beobachteten  Fall, 
der  von  U  h  t  h  o  f  f  genauer  beschrieben  ist,  mit  Optikusatrophie  und 
„binasalem“  Gesichtsfeldrest  bei  einem  10  jährigen  Jungen,  wo  eine 
vikariierende  Vergrösserung  der  Hypophysis  angenommen  wurde,  da 
die  Thyreoidea  palpatorisch  auch  von  einer  Autorität  in  dieser  Be¬ 
ziehung,  wie  üeh.-R.  v.  Mikulicz,  nicht  nachzuweisen  war,  konnte 
geradezu  wie  im  Experiment  die  geistige  Regsamkeit  erhöht  und  die 
auffallende  Adipositas  beseitigt  werden  durch  Darreichung  von 
Thyreoidintabletten,  um  beim  Weglassen  der  Medikation  nach  kurzer 
Zeit  wieder  zu  rezidivieren. 

Herr  Best:  Herr  H.  Haenel  erwähnte,  dass  von  Uh  t  hoff 
eine  homonyme  linksseitige  Hemianopsie  festgestellt  wurde.  Bei  der 
Mehrzahl  der  Hypophysistumoren  findet  man  eine  bitemporale  Hemi¬ 
anopsie.  Das  Auftreten  einer  homonymen  Hemianopsie  im  vor¬ 
liegenden  Falle  ist  merkwürdig,  erklärt  sich  aber  vielleicht  durch  das 
Wachstum  des  Tumors  nach  oben,  wodurch  ein  Druck  auf  die 
Gegend  der  Capsula  interna  ausgeübt  werden  könnte. 

Herr  Strubeil:  M.  H!  Natürlich  sind  mir  die  Ausführungen 
des  Herrn  Panse  sehr  interessant,  umsomehr  als  eben  hier  der 
Tumor  dem  Messer  des  Operateurs  direkt  entgegengewachsen  ist, 
und,  wie  sich  dann  bei  der  Sektion  herausstellte,  die  von  Herrn  Hans 
Haenel  für  Stirnhirn  verwerteten  Symptome,  Schwindel  etc.,  Fern¬ 
wirkungen  waren.  Im  übrigen  ist  natürlich  zu  unterscheiden  zwischen 
der  häufigen  Symptomlosigkeit  der  Stirnhirntumoren  und  der  Euphorie 
der  Hypophysentumoren  bei  bereits  schweren  sonstigen  Symptomen. 

Herrn  Best  möchte  ich  sagen,  dass  bereits  im  November  1911 
die  homonyme  Hemianopsie  für  Farben  festgestellt  worden  ist. 

Natürlich  liegt  es  mir  —  um  auf  die  chirurgische  Seite  der  Sache 
noch  einzugehen,  absolut  fern,  hier  sagen  zu  wollen:  Hier  musste 
operiert  werden!  Ich  sage  nur:  Hier  hätte  operiert  werden  können. 
Was  dabei  herausgekommen  wäre,  ist  natürlich  eine  andere  Frage. 
Selbstverständlicherweise  waren  die  Chancen  sehr  gross,  dass  der 
Patient  auf  dem  Operationstisch  in  der  Atemlähmung  geblieben  wäre, 
was  mir.  für  den  Fall,  dass  ich  selbst  ein  solches  Leiden  hätte,  jeden¬ 
falls  sympathischer  wäre,  als  amaurotisch  abzusterben,  wie  unser 
armer  Patient. 

Herr  H.  Haenel:  Auch  er  hat  an  der  Diagnose  eines  Hypo¬ 
physengegendtumors  nie  gezweifelt.  Dass  eine  Arbeit  über  Hypo¬ 
physenerkrankung  sich  im  Zentralblatt  für  Laryngologie  finden  würde, 
hätte  er  nicht  erwartet.  Die  Prüfung  auf  kalorischen  Nystagmus  ist 
nicht  ausgeführt  worden.  Wahrscheinlich  würde  sie  nur  bestätigt 
haben,  dass  in  der  hinteren  Schädelgrube  und  im  Vestibularapparat 
alles  in  Ordnung  war. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

1644.  ordentliche  Sitzung  vom  21.  April  1913,  abends 
7  Uhr  im  Sitzungssaale. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  B.  Fischer:  Demonstrationen. 

Herr  O.  Löwe:  Ueber  Hautimplantationen  an  Stelle  der  freien 
Faszienplastik.  (Erscheint  unter  den  Originalien  dieser  Wochen¬ 
schrift.) 

Diskussion:  Herr  Siegel. 

Herr  Sippe  1:  Die  Haut  als  solche  vermag  den  Faszienschluss 
einer  Bruchpforte  nicht  zu  ersetzen;  sie  dehnt  sich.  Autoplastische 
Gewebsüberpflanzungen  heilen  nicht  als  solche  ein.  Sie  werden 
resorbiert  und  durch  Bindegewebe  ersetzt.  Möglicherweise  könnte 
dadurch  ein  fester  Schluss  einer  Bruchpforte  entstehen. 

Herr  Löwe:  Schlusswort. 

Herr  M.  Traugott:  Ueber  die  Behandlung  des  infizierten 
Aborts. 

Die  absolute  Beteiligung  der  infizierten  Aborte  am  Material 
puerperal  fiebernder  Frauen  ist  sehr  hoch  Sie  beträgt  an  der  Frank¬ 
furter  Frauenklinik  ca.  50  Proz. 

Auch  die  Morbidität  und  Mortalität  der  Fieberzustände  post 
abortum  ist,  wie  an  der  Hand  einer  Statistik  gezeigt  wird,  er¬ 
schreckend  hoch  und  wurde  bis  vor  nicht  allzu  langer  Zeit  erheblich 
unterschätzt.  Die  klinischen  und  bakteriologischen  Untersuchungen, 
die  systematisch  seit  4  Jahren  an  der  Frankfurter  Frauenklinik  vor¬ 
genommen  wurden,  stellen  einen  Versuch  dar,  die  Prognose  des 
infizierten  Abortes  zu  bessern,  durch  Revision  der  bisher  üblichen 
lokalen,  d.  h.  intrauterinen  Therapie.  Im  Verlauf  der  bakteriologischen 
Untersuchungen  des  Uterussekrets  sämtlicher  puerperal  post  abortum 
fiebernder  Frauen  wurde  eine  Reihe  von  Bakterien  festgestellt,  die 
stets  nur  als  obligate  Saprophyten  im  abgestorbenen  Gewebe  des 
Eies,  der  Eiteile  oder  der  Blutkoagula  vegetieren  und  nicht  die  Fähig¬ 
keit  besitzen,  ins  ungeschädigte  lebende  Gewebe  ihrer  Wirte  zu 
penetrieren. 

Lokal  d.  h.  im  Uterus  rufen  diese  Keime  (Koli-  und  Parakoli- 
bazillen,  gelbe  und  weisse  nicht  verflüssigende  Staphylokokken,  Pyo- 


74 


MUENCHüNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


zyaneus,  Proteus.  Pseudodiphtherie  und  andere  Gram-positive 
Entz^fndilne  dSernUSchlPrChhihte  ,Stofhvechselprodukte  eine  chemische 
m  e t  r  i  t?s  "nac h ^ W  aTthTr  d? U *  herV°r’  bakteriotoxische  Endo- 

In  ihrer  W  irkuns:  auf  den  Allgemeinorganismus  (Puls-  und  Tem- 

Snter^rhe?d°ehtUsfch  rt>ÜttelfpÖSte’  schlefchtes  Allgemeinbefinden  usvv.) 
unterscheidet  sich  dieses  Resorptionsfieber,  diese  Saprämie  (Dun- 

l'nlektiön  "ln ^SdiesendF"l|KraÄit: s.zuständen  bei  schwerster  echter 
intcKtion  ln  diesen  Fällen  bakteriotoxischer  Entziindumr  «nii  o-p 

stutzt  aut  das  Resultat  der  bakteriologischen  Untersuchung  stets  das 

Cavum  uteri  seines  Inhalts  entleert  werden,  damit  den  Bakterien  der 

Nährboden  entzogen  und  den  Toxinen  Abfluss  verschafft  wird  Da 

die  Entzündung  des  Endometriums  in  diesen  Fällen  nur  von  den 

retmierten  infizierten  Eiteilen  aufrecht  erhalten  wird  Ts?  di? 

WirTunT’  Ausräumung  hierbei  stets  von  prompter 

i  Kling.  Niemals  kommt  es  zu  einer  Schädigung  der  Patientin. 

sultatJeeänUeinBeerS  Tabdle^  ^  TeCh"ik  U"d  Demonstration(  der  Re- 

gegenüber"  Entzündung  stehen  die  Aborte 

i^n  ier’  bei  denen  eine  echte  parasitäre  Endometritis  besteht 
deien  Erreger  Penetrationsfähigkeit  für  das  Gewebe  des  befallenen’ 

?ebe„  der  HTr  d,e  Entzündung  des  EndometrS 

?  nl  T  -  deüs  Eies  oder  der  Eiteile  und  unabhängig  von 
/Fl,  Die  Ausräumung  beendet  infolgedessen  den  Krankheitsprozess 
HpC1R  ??ndern  der  KamPf  wird  entschieden  durch  die  Aggressivität 

andererseits  n  oXTh“’  darch.  die  Widerstandsfähigkeit  des  Patienten 
andererseits.  Dabei  hangt  sehr  viel  davon  ab,  wie  die  lokalen  Re- 

sich  “veSaSen  Entwickelung  der  Bakterien  am  Primäraffekt  im  Uterus 

..  Durch  J‘ede  Mainpulation  am  Uterus,  vor  allem  durch  die  Aus 
raumung  werden  in  diesen  Fällen  die  lokalen  Bedingungen  fürdie 

WirVT!ieiUnh  derTfiaSlten  Einstiger,  die  Infektion  wird  propagiert 
pTiT  T"  H  jetztke,ne  Methode,  die  bakteriotoxischen  von  S' 
Tbte?  parasitären  Entzündungen  zu  differenzieren.  Während  wir 
aber  bei  den  oben  genannten  Keimen  wissen,  dass  sie  stets  nur  ein 

kokkTtlvnSneberfrVerUl^cherJ’  wissen  wir  beim  Befund  von  Gono¬ 
kokken,  von  verflüssigenden  Staphylokokken,  vor  allem  von  Streo  o 

kokken  niemals,  welche  Form  der  Entzündungen  wi  vor  uns  haben 
können?6  S°W°hI  die  dne'  als  die  andere  Form  he?vo??ufen 

c„,.o  Wir  behandeln  diese  Fälle  infolgedessen  streng  konservativ  ent- 
spiechend  der  Ansicht,  dass  durch  jede  lokale  Behandlung  einer  ’para 

p  fnT  nTre^rykose  des.  Uterus  der  Weiterverb?fitung  einer 
entuell  bestehenden  Infektion  Vorschub  geleistet  wird. 

Genaue  Schilderung  dieser  Behandlung,  die  neben  dem  rein 

de?1?b°enatlSChfI1A  10  e.infaches  Zuwarten  bis  zur  „Selbstreinigung“ 

und  slkakornin  bStnet,t”SräUmUnE’  °der  aber  ^dentampbnatle 

thodeTeEÄ  m0",  K“:ven  “"d  Tabellen  des  nach  dieser  Me- 
i  ,„°,aoe .  behandelten  Materials,  aus  denen  unzweideutig  die  grosse 

herbvoSht.heit  d6S  konservativen’  gegenüber  dem  aktiven  Verfahren 

Biese  bakteriologische  Indikationsstellung  hat  auch  für  die  fieher 
reien  Aborte  Gültigkeit,  da  auch  nach  Ausräumung  fieberfreier  Aborte 
bei  Anwesenheit  virulenter  Keime  Todesfälle  mehrfach  beschrieben 
und  vom  Vortragenden  auch  beobachtet  wurden. 
n...  .  ,ie  bakteriologische  Indikationssteltüng  hat  dagegen  keine 
Gültigkeit  für  alle  Fälle,  bei  denen  es  schon  zur  Ausbildung  S 

seltenen  fSTÜTTT  od£:r  Metastasen  gekommen  ist  und  lür  die 
seltenen  Falle  abundanter  lebensbedrohender  Blutung. 

Kr  Biskussion:  Herr  Ei  er  mann  möchte  nicht  dass  dpr 

werte Vort7a?des?' praktlsche.n  Bedeutung  se’hr  dankens- 
wene  vortrag  des  Herrn  Tr.  ohne  Diskussion  bliebe  Fr  weist  darauf 

irnd  he?S’ H°  SCTn  Resultate  der  Arbeiten  der  Winter  sehen 

SS.b*?e" ^dLükdeek.affealTardhSChaen  Sinik  seien-  doi  vSr  aüem 
nocn  eine  Lucke  klaffe,  die  auch  der  Vortr.  hervorgehoben  habe- 

esmS?hnum1CiineS'intZt  h  T"  T  C  h,  n0Ch  nicht  entscheiden  könne,' 

So  fangT iie,  n  h  n  T  i  '  °der  septische  Infektion  handle. 

der  Klfnik  in  d?e ^freT  pd  Fa  Se‘ü  sei  es  scbwer’  d>e  Ergebnisse 
uer  MiniK  in  die  freie  Praxis  zu  übertragen  Dazu  komme  dacc 

Eff?TreifeTzwingSen1 1 B]utuni?  Seh/,  viel  häufiger  ™  raschem 
«  Am  g?’  als  dies  der  Herr  Vortr.  annimmt.  Daran  sei 

Mate  Ha  f  Unterschied  zwischen  dem  klinischen 

material  und  den  Fallen  draussen  in  der  Praxis  schuld  lene«  he 

stehe  eben  ganz  vorwiegend,  vielleicht  ausschliesslich  aus  solchen 

HEI1' ~  -= sä 

Moment  ub  lchen’  em  auch  >n  sozialer  Hinsicht  sehr  wichtiges 


No.  21 


Fie,H,trr  Wal  thard  macht  zu  den  Ausführungen  des  Hern 
Eier  man  ii  folgende  Bemerkungen:  „Die  Bezeichnung  unser 
gegenwärtigen  Auffassung  der  Bakteriologie  und  der  sich  E» 
stutzenden  Therapie  beim  fiebernden  Abort  als  eine  „inteHmistische 
bezieht  sich  nicht  auf  alle  fiebernden  Aborte,  sondern  ausschliesslirl 

p,11*  d,ie  .^treptokokkenaborte-  Für  die,  mit  den  von  Dr.  Trau  ko  t 
erwähnten  Saprophyten  infizierten  Eier,  halten  wir  die  Ausräumm 
des  infizierten  Eies  für  die  kürzeste  und  beste  Behandlungsmethode 

dte  Är* Ken  dV  Z"rzei'  "iCh,s  z"  ändern’  'veil  di=  Erfofct, 

StrewKl/n st™P“>kokkenaborte.  bedingt  duS  SpfophyS 
btreptokokkenstamme,  in  gleicher  Weise  behandeln,  wie  fiebernd! 

Wir>r  in7rf  ChC  mit  parasitären  Streptokokkenstämmen  infiziert  sind 
W,r  sind  dazu  genötigt,  weil  zurzeit  kein  morphologisches  oder  hin. 
J®*5  Kriterium  eine  Unterscheidung  zwischen  saprophytären  und 
paiasharen  Streptokokken  erlaubt.  Wenn  wir  einmal  ein  Kriterium 
™gn’  welcbes..  diese  Unterscheidung  ermöglicht,  so  werden  wir 
ch  die  saprophytären  Streptokokkenaborte  ausräumen  und  nur  noch 

kön,servatlvrbehandeln?trePt0k0kkenStarnmen  illfizierten 

hS„v izÄSr‘ämmen  Mi™rt  sind’ durch  eine  at,ive  Re: 

Zum  Schluss  demonstriert  W.  farbive  Phntmmmmo 

lich'TitTn  E,ldom?tribs  streptococcica,  auf  welchen  mit  aller  Deut- 
ichkeit  zu  sehen  ist,  dass  sich  massenhaft  Streptokokken  ausschlie«« 
bcb  ln  dern  auf  der  Schleimhautoberfläche  liegenden  Sekret  befinden 
ahrend  in  der  Schleimhaut  selbst  nur  die  zytologischen  Bestandteil 
der  Entzündung  liegen  und  Bakterien  völlig  fehlen  Bestandtu'e 

.  ,nerr  /-‘ermann  bestreitet  Herrn  W  a  1 1  h  a  r  d  gesreniihe.- 
nu?Cd?eU  UntTI  Cr  den  Vortragenden  nicht  verstanden  habe.  Er  habe 
a?  d‘p.  Un‘er  assung  begaiTlgen-  auch  im  Laufe  seiner  Ausführungen 
am  die  klinische  Unmöglichkeit  einer  Differentialdiamios- 
zwischen  saprophytischer  und  parasitärer  (septischer)  Infektirr  -  -  T 
mals  eigens  hinzuweisen.  Am  Schlüsse  habe  er  jedoch  ausdrücklich 
dnpf  iii’li1  dlHSe  Unirtl,b|lchk-'1  einer  klinischen  Differentialdiäsnose 

Emplehfun?  dir'  denen  ?  sich  einstweilen  noch  nS  m 

cmpietilung  der  Uebertragung  der  vorgetragenen  Behandlnno-«- 

m erb TiTr T  d'C  p,rivate  Praxis  entschliessen  könne.  Andere  als 
medizinische  -  also  etwa  wirtschaftliche  -  Gründe  hätten  iH 

auTpraktTchenTeTztT  seiner  : SteHungnahme  veranlasst;  denn  wohl 

&Sdi„kÄÄerÄoh-  we”n  lhnen  die  crux  der 

,Her,r  Sippel:  Die  Entscheidung  darüber,  ob  es  möglich  sein 

geschlageneT'we?  3?  ?Uniken  Winters  und  Walthardsd? 
gesemagenen  Weg  die  Prognose  des  infizierten  Aborts  zu  bessern 

K?m?tteInTTST  Krankenhäusern  mit  ihrem  Material  und  ihren 

folÄnÄaeen  Der  gehörfte  V°Brag  lässt  mich 

luigciiue  nagen  stellen:  1.  Herr  Traugott  führt  zwei  Grunnen  der 

VZ  dta  SÄS£!iZier?Sfborte  an:  die  spo n tan^ ausgest ossenen 
uno  aie  ausgeraumten.  Gibt  es  n  cht  noch  eine  dritte 

a*u  see'ä  tun  Pzti  obne  das  Ei  a  «  sz  p  slosse  ö  „'„d  ph^ 
ausgeraumt  zu  werden  sterben?  2.  Wie  lanze 

auertesin  der  Regel,  bis  die  von  Herrn  T  r  a  u  e  o  1 1 
beschriebene  Selbstreinigung  des  Uterus  vo, 

s^TPde°rF0-meerster,f0lV’  7d  in  eichen!  ProzenU 
ln  dass  Jn  e,i  1  s  f  d  1  e  s. b  e  o  b  a  c  h  t  e  t?  3.  Man  nahm  seither 

bene.,  Gewebe  eines"  PlaleTa'resteV'odVr  ein^Bes 

wa„^“iVS~  abgeseffeT  voV  ^  da^rTh' ^g.S 
Mengenproduktion.  Auch  Herr  W  a  1 1  h  a  r  d  hatte  vo?  einigen  JahrS 

pS^?kt?shchTdAnr?tahltdFStelb  die  Ausraumung  des  Uterus  mit 
Gef?hr,TTATrn,,l  t  trePtKkTkerlSeruminiektion-  letztere,  um  die 
G  e  f  a  hTder  Vd!u  ZU  bekampfen-  s  1  e  h  t  m  a  n  j  e  t  z  t  d  i  e  s  e 
den  Behandln  To-  e  n  ,z  s  f  e  .*  s  e  r  un?  bei  der  zuwarten- 

4  An  leerer  i  t*L“  "  Z  ■  \\S  ■  C  ?  f  m  e  h  r  vorhanden  an? 

erfolgl  e?n  lohwinT  a‘ehi  S1Ch  glfichmässig  zusammen.  Dadurch 

den  UterusS  ?,TkfTEdar  LUv‘na  der  Tvon  den  venösen  Sinus  durch 

einander  Es  iTkei?  RTT  Yen-en-T  Ihre  Wände  legen  sich  au- 

dem?iach  auch  Line  tu  mKhr  -n  lh/ien  vorhanden.  Es  können  sich 
uemnacti  auch  keine  rhromben  in  ihnen  bilden.  Anders  ist  es  hei 

odL  vornhRestfn  efnTs  P1,azhentarestes  eines  abgestorbenen  Ovulum 
?h?e  XlSchmäsS^  T  en‘  m6  Kontraktion  des  Uterus  ist  dabei 
Schwinden  T  unvollkommene.  Es  tritt  kein  völliges 

i  .  Venenlumina  ein.  Dieselben  sind  mit  Rlut  o-pfiillt 

welches  thrombosiert.  Zweifellos  besteht  dann  Z  Gefahr  da  s 

Uten.eswaSdSenrichTsr  Vi[uI.enZ’  u-dche  dem  lebenden  Gewebe  der 
w,ed  rn  ,T  bL.anhabenKTk0anen-  auf  diesen  Thromben  einen 
w  ckdT  71?  F  ?  /r  f net6n , Nahrboden  finden,  sich  dort  kräftig  ent- 

in  die  ’  Z.rLl  ALT  h  r  ,°  m  b  e  n  f  ü  11  r  e  n,  massig  mit  ihren  Toxinen 
m  die  Zirkulation  gelangen  und  Pyämie  her  vor  ruf  er 

Uterus  Tch  miTdemirAHelbSt  Sezie,r.te  Beobächtungen.  bei  denen  der 
thromboSten  vfl  ATeKun  v,olllR  gesund  erwies,  während  die 
seinerzeit  Msoai  hTA/™*  F|tertilromben  gefüllt  waren,  gaben  mir 
ExstRDatLn? SlLf Veränlassung,  die  Ligierung  und  eventuell  die 
nxstirpation  dieser  Venen  zwecks  Heilung  der  puerperalen  Pvämi1 
als  erster  vorzuschlagen.  Auch  die  Frage  diese?  Gefahr  ist  zu  bei 


>7.  Mai  191.1 


muhnchener  medizinische  wochenschk’ie'I 


1 1 75 


'  intworton.  wenn  man  die  konservative  Behandlung  infizierter  Aborte 
pinfiihren  will.  Noch  tfar  manche  andere  Frage  ist  ausserdem  zu 
jeantworten,  ehe  eine  Entscheidung  über  den  Wert  dieser  Behand- 
ungsweise  zu  fällen  ist.  Mag  diese  aber  ausfallcn,  wie  sie  will,  in 
edtni  halle  müssen  wii  der  Königsberger  und  der  hiesigen  Klinik 
■lankbar  dafür  sein,  dass  sie  sich  der  mühevollen  Erforschung  der 
ukteriologischen  Beziehungen  zum  Abort  und  seiner  Behandlung 
überzogen  haben. 

Hen  Eie  sch  betont  mit  Ei  er  mann,  dass  das  der  Klinik 
ukommende  Abortmaterial  sich  nicht  genau  mit  dem  der  Stadt 
leckt-  Es  kommen  in  die  Klinik  die  zu  konservativer  Behandlung 
geeigneteren,  denn  die  durch  Blutung  zu  schneller  Operation 
hängenden  werden  vorher  ausgeräumt.  F  1  e  s  c  h  fragt  noch  nach 
.reichen  Gesichtspunkten  die  Fälle  der  konservativen  oder  aktiven 
iehandlung  zugeführt  worden  sind.  F  1  e  s  c  h  steht  auf  dem  Boden 
ler  konservierenden  Behandlung.  Seine  beiden  Todesfälle  betreffen 
Kranke,  die  bei  künstlichen  Abortversuchen  Verletzungen  erlitten 
latten. 

Herr  Traugott  (Schlusswort) :  Ich  will  auf  die  verschiedenen 

fragen  kurz  antworten: 

Ich  habe  das  gesamte  Material  der  Frankfurter  Frauenklinik 
verwandt,  seit  Einrichtung  des  bakteriologischen  Laboratoriums, 
1  h.  also  seit  wenigen  Monaten  nach  Eröffnung  der  Klinik.  Fälle 
von  „Selbstreinigung“,  die  später  ausgetastet  und  ausgeräumt 
wurden,  haben  wir  30  beobachtet,  die  sämtlich  geheilt  entlassen 
wurden. 

Die  durchschnittliche  Dauer  des  Krankenhausaufenthaltes  unserer 
konservativ  behandelten  Fälle  betrug  13  Tage:  damit  ist  auch  die 
-rage  nach  der  ungefähren  Dauer  bis  zum  Verschwinden  der  Strepto¬ 
kokken  beantwortet. 

Sicherlich  ist  unser  klinisches  Material  ein  anderes,  als  das 
Material  der  Aerzte  draussen.  Aber  es  ist  schlechter  und  die 
namfeste  Besserung,  unserer  Resultate  durch  die  konservative 
Therapie  ist  um  so  beweisender. 

Auch  ich  bin  der  Ansicht,  dass  Herr  Dr.Eiermann  mich  miss¬ 
verstanden  hat:  Unsere  bakteriologische  Indikationsstellung  errnög- 
icht  es  uns,  die  ganze  Gruppe  von  Aborten  mit  sicheren  Saprophyten 
-J  Stunden  nach  Aufnahme  in  die  Klinik  aktiv,  d.  h.  mit  Ausräumung 
tu  behandeln  mit  der  Sicherheit  eines  guten  Erfolges  und  mit  der 
Sicherheit,  unseren  Patientinnen  nie  zu  schaden.  Etwa  50  Proz.  aller 
inserer  Aborte  sind  nach  dieser  Indikationsstellung  für  unsere  aktive 
Therapie  geeignet. 

Was  die  praktische  Verwertung  unseres  Verfahrens  anlangt, 

1.  h.  die  Möglichkeit  für  den  praktischen  Arzt  die  bakteriologischen 
Untersuchungen  vornehmen  zu  lassen,  so  glaube  ich,  wird  hier  in 
Frankfurt  mit  seinem  hygienischen  Institut  sicherlich  die  Unter¬ 
suchung  des  Uterusabstrichs  auf  Streptokokken  kaum  mehr  Schwierig¬ 
keiten  verursachen,  als  die  Untersuchung  des  Halsabstrichs  auf 
)iphtheriebazillen. 

Keineswegs  aber  dürfen  diese  eventuellen  Schwierigkeiten  dazu 
ühren,  ein  als  gut  erkanntes  Verfahren  abzulehiren. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  12.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer :  Herr  P  e  n  k  e  r  t. 

Herr  Grund  bespricht  3  Fälle  von  Leukämie,  die  mit  Injektion 
von  Thorium  X  behandelt  wurden: 

1.47  jähriger  Mann  mit  lymphatischer  Leukämie.  Zahl  der 
-eukozyten  148  000  bei  Beginn  der  Behandlung.  Patient  erhält  inner- 
lalb  von  24  Tagen  in  Einzeldosen  von  600  im  ganzen  6000  elektro¬ 
statische  Einheiten  Thorium  X  intravenös.  Dabei  sinkt  die  Leuko- 
:ytenzahl  bis  auf  22  500  bei  gleichbleibendem  Hämoglobingehalt  und 
steigender  Zahl  der  Erythrozyten.  Die  Milz,  die  bis  etwa  unter 
Kabelhöhe  reichte,  ging  in  derselben  Zeit  um  etwa  2  cm  zurück,  wäh- 
end  die  mässig  geschwollenen  Lymphdrüsen  keinen  erheblichen 
Rückgang  zeigten.  Eine  qualitative  Veränderung  des  Blutbildes  fand 
licht  statt.  Die  Lymphozyten  betrugen  am  Anfang  und  am  Ende 
ler  Behandlung  97,5  Proz. 

2.  36  jähriger  Landwirt  mit  myeloischer  Leukämie.  Leukozyten- 
:ahl  bei  Beginn  der  Behandlung  180  000.  Pat.  erhält  im  Laufe  von 
1  Wochen  4200  elektrostatische  Einheiten  Thorium  X  intravenös. 
Vährenddessen  findet  ein  Rückgang  der  Leukozytenzahl  bis  auf 
6  000  statt  ohne  qualitative  Veränderung  des  Blutbildes.  Die  bei¬ 
iahe  bis  zur  rechten  Beckenschaufel  reichende  Milz  geht  um  5  cm  in 
ler  Längsausdehnung  zurück.  Während  der  Behandlung  veränderten 
■ich  die  schon  vorher  niedrigen  Werte  für  Erythrozyten  und  Hämo- 
, lobin  (2  300  000  bzw.  32  Proz.)  nur  wenig  (8  Tage  nach  der  letzten 
njektion  2  900  000  und  26  Proz.  Hämoglobin).  In  den  folgenden  drei 
Vochen  trat  wieder  eine  deutliche  Erhöhung  der  Leukozytenzahl  ein 
»is  auf  95  000,  4  Wochen  nach  der  letzten  Injektion.  Dabei  starker 
Rückgang  der  Erythrozyten  und  des  Hämoglobins  (735  000  Erythro¬ 
zyten  und  10  Proz.  Hämoglobin).  Die  Milz  nahm  währenddessen 
apide  an  Umfang  ab  und  reicht  jetzt,  5  Wochen  nach  der  letzten 
njektion,  nur  noch  handbreit  über  den  Rippenbogen. 

3.  34  jähriger  Mann  mit  myeloischer  Leukämie  und  einer  Leuko- 
ytenzahl  von  290  000.  Im  Laufe  von  16  Tagen  3000  elektrostat.  Einh. 


I  horiurn  X  subkutan.  Innerhalb  von  weiteren  5  Wochen  6600 
elektrostat.  Einh.  Thorium  X  intravenös.  Es  trat  nur  nach  der  ersten 
intravenösen  Injektion  eine  vorübergehende  Senkung  der  Leukozyten¬ 
zahl  bis  auf  120  000  ein.  Im  übrigen  verhielt  sich  der  Fall  sowohl 
in  Bezug  auf  die  Leukozytenzahl  als  in  Bezug  auf  die  Milz  völlig 
refraktär.  Die  Leukozytenzahl  beträgt  jetzt  235  000,  der  Hämoglobin¬ 
gehalt  ist  von  40  Proz.  auf  48  Proz.  angestiegen. 

In  Uebereinstimmung  mit  den  Ergebnissen  anderer  Autoren  ist 
aus  den  Fällen  zu  entnehmen,  dass  symptomatisch  mit  der  Thorium  X- 
Bchandlung  bei  Leukämie  gute  Resultate  erzielt  werden  können,  aber 
nicht  in  allen  Fällen.  Ein  als  wirklicher  Heilungsvorgang  zu  deuten¬ 
der  Erfolg  war  nicht  zu  beobachten. 

Diskussion:  Herren  v.  Hössliin,  v.  Hippel,  Grund. 

Herr  v.  Hippel:  Ueber  psychogene  Sehstörungen.  Zwei  dia¬ 
gnostisch  schwierige  und  durch  den  prompten  Erfolg  der  Suggestions¬ 
therapie  bemerkenswerte  Fälle  werden  besprochen.  (Erscheint  aus¬ 
führlicher  in  der  Med.  Klinik.) 

Herr  N  o  e  t  h  e:  Ueber  Behandlung  der  Tabes,  speziell  ihrer  rudi¬ 
mentären  Form  und  deren  Beziehungen  zu  psychopathischen  Stö¬ 
rungen. 

Verf.  bespricht  zunächst  die  Wirksamkeit  antisyphilitischer 
Kuren  auf  die  Tabes  und  vertritt  den  Standpunkt,  dass  sie  (mit 
Einschluss  von  Salvarsan)  kein  spezifisches  Mittel  sind,  sie  sind  aber 
durch  ihre  tonischen  Eigenschaften  zur  Behandlung  der  Tabes  ge¬ 
eignet.  Vor  einer  Ueberschätzung  ihres  Wertes  glaubt  er  warnen  zu 
müssen  und  weist  auf  die  Enttäuschungen  hin,  welche  wiederholt 
eingetreten  sind,  nachdem  man  von  einer  neuen  Behandlungsmethode 
zunächst  glänzende  Erfolge  erzielt  hatte,  z.  B.  von  der  Suspension, 
von  Argent.  nitric.,  Secale  cornut.  etc.  Auch  einen  prophylaktischen 
Nutzen  möchte  er  den  antisyphilitischen  Kuren  nicht  zuerkennen, 
weder  denen  im  Frühstadium  der  Lues  noch  denen  im  Anfang  der 
Tabes.  Er  warnt  vor  forcierten  Kuren. 

Er  beobachtete  häufig  eine  Kombination  von  Tabes  mit  psycho¬ 
pathischen  Störungen,  unter  18  Fällen  10  mal;  besonders  bemerkens¬ 
wert  erscheint  ihm  dabei  die  häufige  Verbindung  von  Psychopathie 
mit  leicht  verlaufenden  Tabeserkrankungen.  Als  Erklärung  für  die 
zunächst  widerspruchsvolle  Erscheinung,  dass  die  Psychopathie  so¬ 
wohl  eine  Prädisposition  für  Tabes  geben  als  einen  leichten  Verlauf 
der  Erkrankung  garantieren  solle,  nimmt  er  an,  dass  es  verschiedene 
Formen  des  Krankheitserregers  gebe,  dass  ein  starkes  Virus  jedes 
Nervensystem,  gesundes  und  psychopathisches  krank  zu  machen  ver¬ 
möge,  ein  schwaches  aber  nicht  imstande  sei  ein  gesundes  Rücken¬ 
mark  krank  zu  machen,  wohl  aber  ein  psychopathisches;  die 
Schwäche  des  Virus  zeige  sich  aber  auch  beim  Psychopathen  in  dem 
milden  Verlauf.  Verfasser  hat  ferner  beobachtet,  dass  sich  Psycho¬ 
pathie  und  Tabes  gegenseitig  ungünstig  beeinflussen;  er  sah,  dass  die 
Psychopathie  ihrem  Träger  grössere  Beschwerden  verursachte  nach 
dem  Einsetzen  der  Tabes  und  umgekehrt  eine  Verschlechterung  der 
Tabes  durch  psychische  Depression.  Wiederholt  traten  aber  auch 
mit  einer  Besserung  der  Depression,  Besserungen  der  tabischen  Be¬ 
schwerden  ein. 

Für  die  Behandlung  fordert  er  weitgehende  Berücksichtigung  der 
Psychopathie  in  der  üblichen  Weise.  Er  hebt  hervor,  dass  man  den 
Kranken  auf  keinen  Fall  eine  Mitteilung  über  die  Art  ihres  organischen 
Leidens  und  über  seine  Aetiologie  machen  solle.  Mehrfach  musste 
er  erfahren,  dass  die  Kenntnis  von  der  syphilitischen  Natur  ihres  Lei¬ 
dens  die  Kranken  in  eine  psychische  Depression  hineinführte,  welche 
sich  nicht  beheben  liess  und  welche  2  mal  zum  Suizid  drängte. 

(Der  Vortrag  wird  in  extenso  in  der  D.  med.  Wochenschr.  er¬ 
scheinen.) 

Herr  Zander:  Die  Histologie  des  Basedowstruma. 

Der  Streit  um  das  Wesen  der  Basedowschen  Krankheit  ist 
ein  alter. 

Die  letztem  Jahre  haben  bedeutende  Klärungen  gebracht,  beson¬ 
ders  durch  die  Forschungen  über  die  Drüsen  mit  innerer  Sekretion 
und  ihre  gegenseitigen  Einwirkungen  aufeinander.  Manche  von  den 
alten  Anschauungen  gewinnen  dadurch  wieder  an  Bedeutung.  Z.  B. 
hat  die  alte  Ansicht,  der  Morbus  Basedowii  habe  im  Nervus  sym- 
pathicus  seine  Ursache,  in  dem  Nachweis  des  sympathikotonischen 
Symptomkomplexes  eine  neue  Erklärung  bekommen.  Dasselbe  gilt 
von  dem  vagotonischen  Symptomen,  von  den  Blutveränderungen  etc. 
Immer  mehr  wandte  sich  die  Aufmerksamkeit  der  Schilddrüse  als  dem 
eigentlichen  Ausgangspunkt  bzw.  Mittelpunkt  der  Krankheit  zu. 
Wenn  auch  die  Chirurgie  in  den  letzten  Jahren  durch  die  therapeu¬ 
tischen  glänzenden  Resultate  der  Exzision  des  Basedowkropfes 
einen  neuen  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  gebracht 
hat,  so  fehlte  bisher  noch  der  eine  wichtige  Beweis,  nämlich  der 
Nachweis,  dass  in  jedem  Falle  von  Basedow  die  Schilddrüse  ana¬ 
tomisch  verändert  sei.  Die  bisherigen  Ansichten  des  pathologischen 
Anatomen  waren  sehr  verschieden.  Die  einen  glaubten  für  alle  Fälle 
eine  einzige  konstante  Veränderung  annehmen  zu  müssen.  Andere 
leugneten  jede  spezifische  Struktur.  Noch  andere  fanden  in  einem 
Teil  der  Fälle  spezifische  Bilder,  in  dem  anderen  Teil  der  Fälle  da¬ 
gegen  die  gewöhnlichen  Bilder  der  verschiedenen  Kropfformen.  Vortr. 
glaubt  3  Ursachen  für  diese  Widersprüche  angeben  zu  müssen 
bezw.  3  Wege  um  diese  Ursachen  auszuschliessen.  Die  anatomischen 
Untersuchungen  können  nur  dann  erfolgreich  sein,  wenn  die  klinische 
Diagnose  sicher  ist;  daher  sei  es  nötig,  die  Fälle  anatomisch  und 
klinisch  zu  studieren.  Sonst  werde  man  geneigt  sein  aus  negativen 
Befunden  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  bei  Basedow  normale  Schild- 


1176 


JVIUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCH ENSCH R I FT. 


kliSh  T.Wn“  S‘^  in  Wahrheit  gar  nicht  um  einen 

klinisch  sicheren  hall  handelte.  Weiter  darf  die  histologische  Unter¬ 
suchung  sich  nicht  nur  auf  einen  Teil  der  Struma  beziehen,  sondern 
sic  muss  das  ganze  Material  umfassen.  Bei  manchen  anfangs  nega- 
men  Strumen  werden  auf  diese  Weise  doch  noch  positive  Verände¬ 
rungen  gefunden.  Man  muss  möglichst  Basedowschilddrüsen  aus 
kropffreien  und  kropfreichen  Gegenden  bezw.  aus  dem  Flachland  und 
Gebirgsland  untersuchen,  da  man  sonst  leicht  zur  Aufstellung  eines 
einzigen  Basedowkropftypus  bzw.  zur  Ablehnung  iedes  Charakteristi¬ 
kums  kommt.  Denn  das  anatomische  Bild  der  Basedowschilddrüse 
ist  ein  ganz  anderes,  wenn  vor  dem  Auftreten  des  Morbus  Basedow 
eine  normale  Schilddrüse  oder  ein  Knotenkropf  vorlag.  Vortr.  be- 
richtet  dann  über  das  Resultat  einer  histologischen  Untersuchung 
von  24  Basedowschilddrüsen,  die  er  am  pathologischen  Institut  in 
emurg  unter  Asch  off  ausgeführt  hat.  Zusammenfassend  ist  das 
xesultat  folgendes:  die  Ansicht,  der  Morbus  Basedow  charakterisiere 
sich  histologisch  stets  in  einer  einzigen  Form  der  diffusen,  paren¬ 
chymatösen  Struma  trifft  nicht  zu.  Aber  auch  die  Ansicht,  dass 
es  überhaupt  keinen  sicheren  Unterschied  zwischen  Basedowkröpfen 
und  gewöhnlichem  Struma  gebe,  da  die  verschiedensten  Bilder  sich 
linden,  trifft  bei  dem  Material  des  Vortragenden  nicht  zu.  Wohl  be- 
steht  dieselbe  insofern  zu  Recht,  als  neben  den  diffus-parenchyma- 
tosen  Hyperplasien  auch  alle  übrigen  Formen  des  Kropfes  bei  dieser 
Krankheit  Vorkommen.  Jedoch  findet  man  bei  genauer  Untersuchung 
auch  in  diesen  mannigfaltigen  Erscheinungsformen  eine  Reihe  von 
immer  wiederkehrenden  charakteristischen  Veränderungen.  Dieselben 
wurden  in  ca.  500  basedowfreien  Schilddrüsen  bezw.  Kröpfen  stets 
vermisst.  Diese  Veränderungen  bestehen  in  Proliferations-  und  Hyper- 
plasiezustanden  der  Schilddrüsenbläschen  und  ihrer  Epithelien  und 
in  Verflüssigung  des  Kolloides;  ferner  können  meist  Anhäufungen  von 
ymphatischen  Elementen  in  den  Basedowschilddrüsen  festgestellt 
werden.  Alle  diese  Veränderungen  finden  sich  jedoch  nicht  immer 
diltus,  sondern  in  den  meisten  Fällen  von  Struma  nodosa  und  Struma 
colloides  herdweise.  Eine  vorher  bestehende  kropfige  Veränderung 
der  Schilddrüse  macht  eine  auch  histologisch  erkennbare  Basedowi- 
rizierung  nicht  unmöglich.  Die  anatomische  Diagnose  kann  meist  nicht 
aus  einem  Symptom  allein  gestellt  werden.  Vortragender  glaubt  an 
seinem  Material  gleich  A  Kocher  auf  ein  gewisses  proportionales 
Verhältnis  zwischen  der  Qualität  und  Quantität  dieser  Veränderungen 
und  der  klinischen  Intensität  des  Falles  schliessen  zu  können.  Die 
nicht  grosse  Anzahl  der  vom  Vortragenden  untersuchten  Fälle  lässt 
aber  diesen  Schluss  nur  mit  Vorsicht  stellen.  Eines  aber  ist  an  dem 
Material  des  Vortragenden  sicher:  jeder  anatomisch  ausgesprochene 
Fall  entspricht  auch  stes  klinisch  schweren  Erkrankungen.  Diese 
charakteristischen  Erscheinungen  müssen  als  Ausdruck  einer  ge¬ 
steigerten  Tätigkeit  der  Schilddrüse  sowohl  betreffs  Sekretion  als 
Resorption  aufgefasst  werden.  Der  Morbus  Basedow  charakterisiert 
sich  auch  histologisch  als  eine  Hyperthyreoidose. 

Projektionen  von  mikroskopischen  Präparten  erläutern  den  Vor¬ 
trag  und  dienen  der  genaueren  Beschreibung  der  histologischen  Ver¬ 
änderungen. 


No.  21. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  13.  Februar  1913. 
Vorsitzender:  Herr  T  h  o  r  n. 


Herr  Blick  stellt  zwei  an  lienaler  Leukämie  leidende  Frauen 
wieder  vor,  die  bereits  vor  4  Wochen  der  Gesellschaft  vorgeführt 
wurden.  Sie  sind  inzwischen  mit  Röntgenbestrahlung  unter  gleich¬ 
zeitiger  Verabreichung  von  Benzol  (zuletzt  10  X  0.25  pro  die)  be- 
handelt.  Beide  Frauen  haben  das  Medikament  gut  vertragen,  beide 
haben  sich  sehr  gut  erholt.  Bei  der  einen  Frau  ist  die  Milz  ganz 
ausserordentlich  kleiner  geworden  und  der  Blutbefund  fast  normal, 
diese  Kranke  verlässt  jetzt  die  klinische  Behandlung  und  soll  zunächst 
das  Benzol  noch  weiter  brauchen. 

Die  zweite  Kranke  zeigt  einen  geringeren  Rückgang  der  Milz  und 
eine  geringere  Besserung  des  Blutbefundes,  doch  ist  auch  hier  eine 
wesentliche  Besserung  erzielt,  besonders  ist  das  Allgemeinbefinden 
wesentlich  gehoben. 

Diskussion:  Herr  Wa  gner  und  Herr  Blick. 

Herr  Wendel:  Pseudozyste  des  Pankreas  nach  Kontusion  mit 
folgendem  Duodenalileus. 

.  Her  51  jährige  Maschinenhobler  Heinrich  W.  bekam  am  11.  De¬ 
zember  191_  beim  Auflegen  eines  Treibriemens  durch  die  abrutschende 
Riemenstange  einen  heftigen  Schlag  quer  über  den  Bauch  oberhalb 
\es  Nabels.  Er  fiel  zu  Boden,  hatte  heftige  Schmerzen,  erholte  sich 
dann  aber  und  blieb  noch  2  Stunden  bei  der  Arbeit.  Am  nächsten 
Morgen  musste  er  wegen  heftiger  Schmerzen  im  Bett  bleiben,  erbrach, 
fühlte  sich  schwer  krank.  Volle  14  Tage  blieb  der  Zustand  unver- 
i*"d,e.rt’ vere‘n?ielt  Erbrechen,  Stuhl  sehr  träge,  nur  3  mal  in  14  Tagen, 
beständige  heitige  Schmerzen  in  der  Magengegend,  Appetitlosigkeit. 
Er  wurde  vom  Hausärzte  mit  warmen  Umschlägen  und  Morphin  be¬ 
handelt.  Am  Abend  des  25.  Dezember  plötzlich  sehr  heftiger  Schmerz¬ 
anfall  in  der  Magengegend,  Erbrechen,  Kollaps.  Seitdem  wird  alles 

P^tr0nme%Wvngo0SSe'Vwir,d’  keine  Flatus-  kein  Stuhl.  Trotzdem 
eist  am  27.  XII.  12  _ins  Krankenhaus  geschickt. 

.  ..  cf  und  am  27.  Dezember  1912:  Magerer,  kräftig  gebauter, 

ziemlich  grosser  Mann.  Verfallenes  Aussehen.  Temperatur  37,1 
Puls  96,  weich,  regelmässig.  Herz  und  Lungen  intakt.  Abdomen  un- 


kleich massig,  stark  aufgetrieben,  besonders  die  Magengegend  und  die 
Unterbauchgegend.  Peristaltik  nicht  hörbar.  Leberdämpfung  ver 
n1  alpat‘?.n>  uberaI1  schmerzhaft,  lässt  verschieden  stark  L 
spannte  Dannschlmgcn  durchtasten.  In  der  Unterbauchgegend  link, 
von  der  Mittellinie,  ist  eine  stark  geblähte  Darmschlinge  paipabel 
welche  auffallend  hohen  tympanitischen  Schall  gibt.  In  den  ab- 
!‘aI'fi‘Khe,n  der  Bauchhöhle  Dämpfung.  Die  Oberbauchgegend 

ist  nicht  auffallend  druckempfindlich.  Blutaustritte  als  Folge  der  Kon- 
n‘cht  sichtbar.  Mehrfach  galliges  Erbrechen,  frei  von  Blui 
a  die  Bauchkontusion  schon  16  Tage  zurücklag,  wurde  kurze  Zeit 
Sr;artet-  1D?  sfch  aber  das  gallige  Erbrechen  wiederholt,  ein  Eü,. 
r!  S311  ■ r  abgeht,  die  Laparotomie  gemacht.  Man  findet  in  der 
Bauchhöhle  eine  sehr  reichliche,  trübe,  bräunliche,  mit  Fibrinflocken 
f,tak  durchsetzte  Flüssigkeit.  Sie  füllt  das  kleine  Becken  ganz  an 
,  'f,,  ier  fast  re>"  eitrigen  Charakter,  ist  aber  überall  zwischen  (fei 

Rehlingen  vorhanden  und  später  werden  grosse  Mengen  im 
obeisten  Teile  der  Bauchhöhle  angetroffen.  Der  Darm  ist  gebläht 
stark  injiziert,  an  den  Berührungslinien  fibrinös  belegt,  auf  meclia- 
-ckew*eize  °,blie.  BenstaUik.  Das  Exsudat  hat  keinen  fäkulenten 
»  riecht  imcht  nach  Mageninhalt.  Beim  Absuchen  des  oberen 
l®1*!?  der  Bauchhöhle,  entsprechend  der  Höhe  der  Bauchkontusion 
lesst  eine  besonders  reichliche  Exsudatmenge  ab,  welche  zum  Teil' 
zwischen  Zwerchfell  und  den  oberen  Bauchorganen  —  Leber,  Magen 
w  Lr  ange^mmelt  ist,  zum  anderen  Teile  aus  dem  offenen  Foramen 
\\  lnslow1!  abfhesst.  Eine  Verletzung  der  genannten  Organe  ein¬ 
schliesslich  Gallenblase  ist  nicht  aufzufinden.  Der  Magen  ist  stark 
jontrahiert,  leer  und  steht  auffallend  tief.  Nach  Entleerung  des  Ex¬ 
sudates  sieht  man,  dass  der  Magen  durch  eine  über  faustgrosse 
zystische,  lntraperitoneale  Geschwulst  nach  unten  verdrängt  ist’ 

vnnSCrtpeSt  V£r  de,r  ^  irbelsäule,  erreicht  nach  oben  das  Zwerchfell,  ist 
on  dem  schwielig  verdickten  hinteren  Peritoneum  bedeckt.  Jetzt 
findet  man,  dicht  unterhalb  des  Zwerchfelles  eine  kleine,  für  einen 
wiienk7  febe"-durchgiingige  Perforation  in  der  Zystenwand,  aus 

i  Mr0PKenweiSe  eire  dem  Exsudat  ähnliche,  aber  dickflüssigere 
und  dunkler  braunrot  gefärbte  Flüsigkeit  ausfliesst.  Die  Sonde  dringt 
in  der  Zyste  bis  hinter  den  Magen  vor.  Keine  Fettgewcbs- 

XnrLrt?,S  h  °i!e  Zyste"wand wird  3  Querfinger  oberhalb  der  kleinen 
Kurvatur  durch  einen  Querschnitt  breit  eröffnet,  der  Inhalt  möglichst 
aufgefangen  und  ein  Stück  Zystenwand  zur  mikroskopischen  Unter- 
uc  iung  exzidiert.  Beim  Austasten  der  Höhle  kommt  man  nach  unten 

b‘"‘er  de"  MagC,n  bis  an  das  Lig-  gastrocolicum.  nach  oben  bis  zum 
Z\\  erchtell,  mach  rechts  bis  zum  Lig.  hepatoduodenale,  nach  links 
bis  zur  Milz  Im  Grunde  der  Höhle  sieht  und  fühlt  man  sehr  deutlich 
da l  hämorrhagisch  infarzierte  und  infiltrierte  Pankreas.  Nur  seine 
oberflächlichsten  Teile  sind  missfarbig,  anscheinend  nekrotisch,  mit 

hi^niIn(iindi1QeXrieb*SfetZeu  bedeckt-  Aucb  hiervon  wird  ein  Stück  zur 
histologischen  Untersuchung  entnommen. 

Nachdem  die  Bauchhöhle  gründlich  von  allen  Exsudatsresten 
durch  Austupfen  befreit  ist,  werden  100  ccm  Kampferöl  in  die  ver- 
fhmSlBUCfte7  vertedt.  Das  Pankreas  wird  durch  Tamponade 
abgeschlossen  die  Zyste  dramiert.  Die  Bauchhöhle  selbst  wird  nicht 
ramiert,  die  Bauchwunde  in  Etappen  bis  auf  den  zum  oberen  Wund¬ 
winkel  hinausgeleiteten  Tampon  geschlossen. 

Die  histologische  Untersuchung  bestätigt,  dass  es  sich  um  eine 
ankreasquetschung  handelt  und  dass  die  Zyste  aus  einei 
peripankreatischen  Blutung  hervorgegangen  ist  (Prof.  R  i  c  k  e  r) 
Verlf‘  'Yar  zunächst  durchaus  günstig.  Die  Peristaltik 
ste  lt  sich  nach  3  l  agen  wieder  ein.  Der  genähte  Teil  der  Wunde 

Per  PKrmlm- . De^ TamP°n  w‘rd  am  6.  I.  13  entfernt.  Aus  dem 
noch  Iiegenbleibenden  Drain  entleert  sich  zunächst  reichlich  Pankreas¬ 
saft.  Eiweissdiat  nach  Wohlgemut  h  führt  zum  schnellen  Nacli- 
u>ld  dajnn  Versiegen  der  Sekretion.  Am  23.  Januar  beginnt 
wieder  Erbrechen  Klagen  über  Druck  in  der  Magengegend.  Die 
Wunde  ist  jetzt  völlig  geschlossen.  Der  Magen  ist  nicht  aufgetrieben, 
der  Leib  weich,  Peristaltik  vorhanden. 

w  .So*°rt  wird  die  Nahrungszufuhr  per  os  ganz  unterbrochen, 
Wasserzufuhr  durch  Tropfeneinlauf.  Nährklystiere.  Trotzdem  hält 
as  Erbrechen  an  und  zwar  werden  fade  riechende,  dünnflüssige. 

,  ark  gralligre,  nicht  kotige  Massen  erbrochen.  Verfallenes  Aussehen, 
jetzt  ist  es  klar,  dass  ein  Duodenalileus  vorliegt.  Vom  24  I  13  ab 
Erholun  C’  We’Che  prompt  das  Erbrechen  beseitigt.  Jetzt  schnelle 

Demonstration  des  Patienten  und  der  mikroskopischen  Präparate. 

Hiernach  hat  also  eine  stumpfe  Kontusion  des  Pankreas  zunächst 
zu  einer  Pseudozyste  geführt.  Diese  ist  am  14.  Tage  nach  der 
Verletzung  perforiert,  hat  eine  diffuse  Peritonitis  gemacht,  welche 
abakteriell  war  und  deshalb  nicht  so  stürmisch  verlief,  wie  sonst  eine 
ertorationsperitonitis.  Interessant  ist  die  Entstehung  des  Duodenal- 
neus,  welche  mit  der  marbigen  Retraktion  des  retroperitonealen  Binde¬ 
gewebes  in  Verbindung  gebracht  werden  muss.  Während  in  der 
Kegel  ein  Zug  der  Radix  mesenterii  nach  unten  das  Duodenum  kom¬ 
primiert,  ist  hier  ein  Zug  des  Duodenum  nach  oben  als  Ursache  zu 
betrachten. 


Herr  Kroger  demonstriert  ein  Präparat  von  Eiern  des  DL 
stomum  haematobium,  des  Erregers  der  Bilharziakrankheit, 
emer  Erkrankung,  von  der  die  Eingeborenen  an  der  Ostkiiste  Afrikas, 
in  1  ums,  Aegypten  häufig  befallen  sind.  Die  Eier  wurden  im  Urin 
eines  16  jährigen  Arabers  aus  Marokko  gefunden,  der  wegen  einer 

,auf  der  chirurgischen  Abteilung  der  Krankenanstalt  Alt¬ 
stadt  behandelt  wurde. 


r.  Mai  1913. 


MUENCHHNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1177 


Der  Urin  war  wenig  eiweisslialtig  und  enthielt  ausser  den  Eiern 
eisse  und  rote  Blutkörperchen  sowie  hyaline  und  granulierte  Zy- 
:der.  Die  Eier  sind  von  längsovaler  Form  und  besitzen  einen  End- 
ler  Seitenstachel.  Das  Distomum  haematobium  gehört  zu  den 
•unatoden,  ist  etwa  1cm  lang,  von  milchweisser  Farbe  und  ge¬ 
eint  geschlechtlich.  Sein  glatter  Körper  ist  im  hinteren  Abschnitt 
einer  Röhre  zusammengerollt,  die  zur  Aufnahme  des  etwa  l^cm 
■igen  Weibchens  dient. 

Die  Infektion  kommt  wahrscheinlich  durch  den  Genuss  von 
asser  zustande,  in  dem  sich  Larven  befinden,  die  als  Zwischenwirte 
enen  und  in  die  sich  die  bewimperten  Embryonen  eingebaut  haben. 

Im  Menschen  gelangt  dann  das  Distomum  haematobium  zur  vollen 
itwicklung.  Die  Würmer  wandern  vom  Darm  aus  in  die  Pfortader, 
e  Bauch-  und  Beckenvenen  und  in  die  Venen  des  Darmes  und  der 
ase.  Im  submukösen  Gewebe  der  betreffendem  Hohlorgane  werden 
e  Eier  abgelegt,  wodurch  schwere  Entzündungen  hervorgerufen 
erden  können. 

Es  kommt  zu  Wucherungen.  Tumorbildung  und  beim  Zerfall  der- 
lben  zu  Geschwüren,  so  dass  die  Erkrankung  oft  mit  karzinoma- 
sen  Prozessen  verwechselt  worden  ist.  Darm,  Blase,  Genitalien 
ld  der  häufigste  Sitz  des  Leidens. 

In  unserem  Falle  ergab  die  Zystoskopie  ausser  einer  geringen 
vperämie  der  Blasenwand  keine  krankhaften  Veränderungen  an  der- 
Iben.  Auch  sonst  hatte  der  Kranke  von  seiner  Bilharziosis  keine 
eschwerden.  Anscheinend  lag  die  Infektion  erst  kürzere  Zeit  zurück. 

Die  Behandlung  ist  teils  eine  chirurgische,  operative,  teils  hat 
an  versucht  durch  innere  Mittel  die  Würmer  abzutöten.  Kalomel, 
sen.  Kollargol,  Formol  sind  angewandt  worden,  doch  ist  der  Erfolg 
v eifelhaft  geblieben.  Am  besten  soll  sich  bisher  eine  roborieremde 
lgemeinbehandlung  bewährt  haben. 

Herr  Th  o  r  n  zeigt  a)  Photographien:  1.  eines  Riesenprolaps  der 
agina  entstanden  nach  Totalexstirpation  des  Uterus  von  anderer 
and  vor  12  Jahren  und  2.  einer  Elephantiasis  vulvae  tuberkulöser 
ctiologie.  Die  Totalexstirpation  des  Uterus  sollte  prinzipiell  bei 
estationsfähigen  keine  Verwendung  finden:  das  Gleiche  gilt  für  die 
ch  au  t  a- W  e  r  th  e  i  m  sehe  Operation.  Man  kann  bei  einiger- 
assen  kräftigen  Bauchdecken  durch  die  Einpflanzung  der  Lig.  rotund. 
ich  Doleris  und  plastische  Operationen  an  Vagina  und  Damm 
imeist  jene  verstümmelnden  Operationen  vermeiden.  Macht  man 
)er  die  Totalexstirpation  bei  Prolaps,  so  darf  man  ausgedehnte 
^Sektionen  der  Vagina  und  genügende  Dammbildung  nicht  unter- 
ssen.  Im  vorliegenden  Falle  wurde  in  etwas  modifizierter  Weise 
ich  Art  der  N  e  u  g  e  b  a  u  e  r  -  L  e  -  F  o  r  t  sehen  Prolapsoperation 
>eriert.  Der  Fall  von  Elefantiasis  vulvae  wird  zunächst  bestrahlt: 
handelt  sich  um  eine  elende  34-Jährige  mit  Spitzenkatarrh. 

b)  Präparate:  1.  Uterusstumpf  mit  oberem  Drittel  der  Vagina 
in  einer  67-Jährigen  stammend,  die  vor  20  Jahren  wegen  Myom 
ld  Prolaps  von  anderer  Hand  laparotomiert  worden  war;  der 
umpf  wurde  ventral  fixiert.  Allmählich  kam  es  wieder  zum  Pro- 
ps.  Rein  peritoneale  Fixationen  sind  gewöhnlich  ungenügend,  um 
nen  solchen  Stumpf  dauernd  oben  zu  halten.  2.  Myomatöser  Uterus 
ner  42- Jährigen;  vor  12  Jahren  war  von  einem  auswärtigen  Gynä- 
ilogen  die  Enukleation  per  lap.  gemacht  worden.  Seit  Jahren 
achsen  neuer  Myome  beobachtet  und  steigende  Druckschmerzen, 
Jetzt  unerträglich;  deshalb  supravagmale  Amputation  p.  lap.  Hei- 
ng.  Die  Enukleation  passt  nur  für  solitäre  Myome  und  kann 
iginal  wie  abdominal  nur  beschränkte  Anwendung  finden,  will  man 
cht  das  Nachwachsen  riskieren.  3.  Uterusstumpf  nach  abdominaler 
mputation  durch  andere  Hand  vor  18  Jahren  mit  Karzinom  der  hin- 
ren  Lippe  und  riesigem  Bauchbruch  abdominal  entfernt.  Trotz  dei¬ 
ch  häufendem  Zahl  solcher  Fälle  von  Karzinom  im  Amputations- 
umpfe  kann  man  damit  allein  die  Notwendigkeit,  stets  etwa  beim 
yom  den  ganzen  Uterus  zu  entfernen,  nicht  erweisen.  Th.  bevor- 
igt  allerdings  die  Totalexstirpation  und  steht  auf  dem  Standpunkte, 
iss  Myome  nur  unter  dringenden  Indikationen  operiert  werden 
illen,  dann  aber,  von  den  solitären  abgesehen,  radikal.  4.  Dick- 
andiger  Uterus  einer  39-Jährigem,  wegen  schwerer  permanenter 
iutungen  abdominal  entfernt  mit  doppelseitiger  Hvdrosalpinx.  Die 
hr  fette,  jetzt  sehr  anämische  Frau  wurde  vor  I  Yn  Jahr  kürettiert. 
of.  R  i  c  k  e  r  stellte  die  Diagnose :  Tuberkulose  des  Uterus 
ucosa:  die  Kranke  ging  auf  die  vorgeschlagene  Radikaloperation 
cht  ein;  von  Tuberkulose  ist  sonst  an  ihr  absolut  nichts  nachzu¬ 
eisen.  5.  Tubare  Gravidität  einer  33-Jährigen,  haselnussgross,  dicht 
n  rechten  Horn  sitzend  mit  linsengrosser  Rupturstelle,  pulslos  ein- 
diefert,  sofort  laparotomiert.  Die  Katastrophe  begann  gut  24  Stun- 
n  vor  der  Einlieferung;  der  erst  zugezogene  Arzt  vermutete  intra- 
:ritoneale  Blutung,  ein  zweiter  schloss  sich  dem  nicht  an,  daher  die 
erschleppung  des  Falles.  Bei  solch  kleinem  Ei  kann  natürlich  die 
unbinierte  Untersuchung  nichts  ergeben,  aber  die  klinischen  Sym- 
ome  sind  bei  innerer  Blutung  so  markant,  dass  sie  nicht  gut  ver¬ 
mut  werden  können.  Der  Verblutungstod  bei  diesen  Frühstadien 
:r  tubaren  Schwangerschaft  erfolgt  stets  erst  nach  einer  Reihe  von 
lunden,  so  dass  heutzutage  in  der  Grossstadt  alle  solchen  Fälle 
jrch  die  Laparotomie  gerettet  werden  könnten.  Die  Kranke  ging 
Stunden  p.  op.  trotz  aller  Analeptika  zugrunde.  6.  Vorgetäuschte 
rirauterinschwangerschaft  durch  Corpus  luteum-Blutung.  Fast  %  Liter 
lut  im  Bauch.  Laparotomie,  Genesung.  Die  mikroskopische  Unter- 
;chung  durch  Prof.  R  i  c  k  e  r  bestätigte  die  angenommene  Ovarial- 
:hwangerschaft  nicht.  Man  hat  eine  Zeit  lang  allzu  einseitig  der- 
tige  stärkere  Hämorrhagien  aus  den  weiblichen  Genitalien  in  den 


Peritonealraum  ausschliesslich  auf  ektopische  Graviditäten  zuriiek- 
geführt. 

Diskussion:  Herr  Wendel. 

Herr  Rademacher  hat  vor  Jahren  eine  Frau  (0-para,  zirka 
35  Jahre  alt)  behandelt,  die  seit  über  15  Jahren  an  Amenorrhoe 
erkrankt  war.  Aetiologisch  wurde  Erkältung  bezichtigt.  Ein  süd¬ 
deutscher  Frauenarzt,  mit  dem  sich  R.  in  Verbindung  setzte,  wärmte 
vor  allen  lokalen  Anwendungen,  da  er  vor  Jahren  anlässlich  einer 
(wegen  Endometritis?)  vorgenommenen  Ausschabung  des  Cavum 
uteri  Tuberkeln  gefunden  habe.  Von  einer  Totalexstirpation  hatte 
der  Frauenarzt  aus  R.  unbekannten  Gründen  Abstand  genommen. 
Patientin,  deren  Uterus  völlig  atrophiert  war,  litt  an  schwerer 
Hysterie,  wies  aber  keinerlei  Erscheinungen  von  Tuberkulose  auf. 
Schleimiger  oder  blutiger  Ausfluss  aus  den  Genitalien  bestand  nicht. 
Ob  er  vor  der  gynäkologischen  Behandlung  bestanden  haben  soll, 
kann  R.  nicht  mehr  angeben.  R.  wünscht  von  dem  Herrn  Vor¬ 
tragenden  zu  wissen,  ob  Blutungen  wie  in  dem  demon¬ 
strierten  Falle  oder  Amenorrhoe  (und  Atrophie) 
wie  in  seinem  Falle  für  den  Verlauf  der  seltenen 
Tuberculosis  uteri  typisch  wären. 

Herr  Friedberg  spricht  über  Atophanwirkung  bei  Gicht  und 
Gelenkrheumatismus. 

In  der  Gichttherapie  bestand  bis  Anfang  dieses  Jahrhunderts  eine 
gewisse  Stagnation.  Eine  neue  Phase  trat  erst  vor  4  Jahren  ein, 
als  das  Atophan  in  die  Behandlung  eingeführt  wurde.  Bei  Früh¬ 
fällen  von  Gicht  hat  das  Mittel,  wenn  es  vor  oder  spätestens 
bei  Beginn  des  Anfalles  genommen  wird,  gewöhnlich  einen  über¬ 
raschend  guten  Erfolg  sowohl  bezüglich  der  Schmerzlinderung  als 
der  Besserung  der  Gelenkfunktion.  Bei  chronischen  Fällen  ist  die 
Wirkung  weniger  prompt  und  bei  weitem  nicht  so  nachhaltig,  kann 
sich  auch  mit  der  Zeit  erheblich  abschwächen.  Von  unangenehmen 
Nebenerscheinungen  beobachtete  der  Vortragende  wiederholt  schon 
mach  geringen  Dosen  Dyspepsie.  Von  systematischer  Anwendung  mit 
grösseren  Intervallen  wurde  abgesehen,  da  der  Erfolg  hierbei  nicht 
genügte.  Bei  akutem  Gelenkrheumatismus  ist  Atophan  in  manchen 
Fällen  dem  Salizyl  gleichwertig;  ein  Vorzug  besteht  darin,  dass 
Atophan  keine  diaphoretische  Wirkung  hat.  Dagegen  versagte  das 
Mittel  bei  chronischem  Rheumatismus.  Jedenfalls  ist  Atophan  ein 
wertvolles  Mittel  bei  obigen  Erkrankungen  und  übertrifft  die  früheren 
Medikamente  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  Gicht  ganz  ausser¬ 
ordentlich. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  „Fortschritte  der  Medizin“.) 

Diskussion:  Herr  Wagner:  Die  vom  Herrn  Friede- 
b  e  r  g  ausgesprochene  Ansicht,  dass  aus  seinen  Erfahrungen  bei  Gicht 
hervorgehe,  die  Verordnung  purinfreier  Kost  habe  für  Gichtiker  nur 
sehr  beschränkten  Wert  und  könne  vernachlässigt  werden,  kann  nicht 
als  den  allgemeinen  Erfahrungen  und  wissenschaftlichen  Beobach¬ 
tungen  entsprechend  angesehen  werden.  Besonders  die  Erwähnung 
eines  Falles,  wo  ein  Vegetarianer  trotz  seiner  ständigen  purinfreien 
oder  höchst  purinarmen  Ernährung  an  Gichtanfällen  litt,  kann  es 
nicht  rechtfertigen,  die  Verordnung  purinarmer  Diät  aus  der  Gichtbe¬ 
handlung  überhaupt  auszumerzen.  Die  Tatsache,  dass  zwar  trotz 
purinarmer  Ernährung  bei  zur  Gicht  Disponierten  gichtische  Anfälle 
auftreten  können,  ist  längst  bekannt  und  hat  ihre  Erklärung  in  den 
grundsätzlich  verschiedenen  Abbauvorgängem  der  Harnstoffe  im 
Körper,  die  wir  mit  endogenem  und  exogenem  Harnsäurestoffwechsel 
bezeichnen.  Es  kann  deshalb  in  Fällen,  wo  der  exogene  Harnsäure¬ 
stoffwechsel  nicht  gestört  ist,  wohl  von  einer  strengen  purinfreien 
Ernährung  abgesehen  werden,  weil  eben  das  Ausscheidungsvermögen 
des  betreffenden  Organismus  für  durch  die  Nahrung  eingeführte  Purin¬ 
substanzen  (exogene  Harnsäure)  normal  ist  und  doch  Gichtanfälle  auf¬ 
treten,  deren  Ursache  deshalb  wohl  oder  übel  in  einer  Störung  des 
endogenen  Harnsäurestoffwechsels  gesucht  werden  muss.  Es  ist 
daher  von  v.  Noorden  angeregt  worden,  bei  dem  Gichtiker  ähnlich 
wie  beim  Diabetiker  Toleranzversuche  anzustellen  und  hiervon  die 
Kostverordnung  bezüglich  der  Purine  abhängig  zu  machen.  Man 
kann  also  wohl  im  gegebenen  Falle  einem  geeigneten  Gichtiker  purin¬ 
haltige  Nahrung  erlauben,  wenn  sich  herausgestellt  hat,  dass  cier 
exogene  Harnsäurestoffwechsel  normal  ist,  aber  die  purinfreie  Kost 
für  die  Gichtbehandlung  überhaupt  zu  vernachlässigen,  dürfte  nicht 
gerechtfertigt  sein. 

Herr  Fr  icke:  Zu  dem  eben  gehörten  Vortrage  über  Atophan¬ 
wirkung,  dem  ich  im  Allgemeinen  nach  meinen  Erfahrungen  voll  und 
ganz  beistimme,  nur  dass  ich  selbst  mich  auf  die  Darreichung  von 
Atophan  nur  bei  ausgesprochener  Gicht  beschränken  werde, 
möchte  ich  nur  einen  Fall  berichten  von  einer  sonderbaren  Neben¬ 
wirkung,  die  mir  ganz  kürzlich  bei  einer  älteren  Dame,  die  mir 
lange  bekannt  ist  und  öfters  an  ausgesprochenen  Gichtanfällen  litt, 
vorgekommen  ist.  Dieselbe  hatte  wiederum  einen  Anfall  von  Chiragra 
(ausgesprochene  Tophi  am  Daumen,  Zeige-  und  Mittelfinger  der 
rechten  Hand)  mit  so  empfindlichen  Schmerzen,  dass  die  sonst  ge¬ 
duldige  Patientin  selbst  morgens  8  Uhr  in  meine  Sprechstunde  kam 
und  bat,  der  Qual  bald  ein  Ende  zu  machen.  Ich  verschrieb  ihr 
sofort  Atophan  mit  der  Versicherung,  dass  ich  und  alle  Kollegen 
damit  die  besten  und  schnellsten  Erfolge  gehabt  haben.  Und  richtig, 
bereits  am  Abend  erfuhr  ich,  dass  der  Schmerz  alsbald  gewichen 
sei,  die  folgende  Nacht  und  Tag  war  ebenfalls  gut,  aber  am  dritten 
Tage  erschien  die  Dame  wieder  morgens  früh  mit  nun  erneuten, 
bis  zur  Schulter  hinaufreichenden,  aber  ganz  anderen  bohren¬ 
den  Schmerzen,  wobei  sich  ein  Ausschlag  an  der  Hand  und 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


f1"  Ar™  gebildet  habe  Der  Ausschlag  war,  wie  ich  nun  sah.  ein 
,  «'V.®  Ke«e  wasserheller  Bläschen  auf  rotem  Grunde  verlaufender, 
P  otzlich  abspringeiider,  dann  im  Zickzack  wieder  erscheinender  und 
um  den  ganzen  Unter-  und  Oberarm  bis  zum  Schultergelenk  herum¬ 
reichend,  genau  dem  Herpes  zoster  entsprechend.  Ich  habe  ihn  auch 
genau  so  behandelt  und  auch  mit  dem  Erfolg  baldiger  Linderung  der 
schmerzen  und  hatte  nur  bei  seinem  Auftreten  das  Empfinden,  ob  dies 
mcht  eme  Nebenwirkung  des  dem  Atophan  (Phenylchinolkarbonsäure) 
anhaltenden  Chinins  sein  könnte  und  möchte  daher  um  Mitteilung 
bitten,  ob  ähnliche  Beobachtungen,  die  ich  früher  nach  Chinindar¬ 
reichung  öfters  gesehen  habe,  von  anderen  Herrn  Kollegen  auch  ge¬ 
macht  sind? 

.  K,aiser:  Die  Wirkung  des  Atophans  beim  akuten  Gicht- 

antall  ist  nahezu  ausnahmslos  verblüffend,  besonders  bei  Kranken,  die 
vorher  mit  allen  möglichen  anderen  Mitteln  mit  mehr  oder  minder 
Erfolg  behandelt  sind.  Leider  aber  sind  meiner  Erfahrung  nach  die 
Magenstörungen  nach  Atophan  häufig  so  schwere,  dass  ein  Weiterge- 
brauch  des  Mittels  auf  die  allergrössten  Schwierigkeiten  stösst;  selbst 
reichliche  Zugaben  von  Wasser  und  Natron  beim  Einnehmen  des 
Atophans  ändern  so  oft  daran  nichts,  dass  nur  ein  kleiner  Teil  der 
Kranken  das  Mittel  einigermassen  anstandslos  nehmen  kann.  In 
meinem  schwersten  Falle,  in  dem  Atophan  anfangs  am  glänzendsten 
wirkte,  aber  auch  die  heftigsten  Magenstörungen  machte,  habe  ich 
jetzt  dasselbe  durch  Azitrin,  den  Aethylester  des  Atophans,  ersetzt, 
anscheinend  mit  Glück;  der  schmerzlindernde  Effekt  ist  derselbe, 
die  heftigen  Magenstörungen  scheinen  auszubleiben. 

Herr  Wenzel  hat  bei  einer  Dame,  die  schon  wiederholt  in 
Wiesbaden  durch  Weintraud  Atophan  erhalten  und  jedesmal  dar¬ 
nach  einen  juckenden  Hautausschlag  bekommen  hatte,  nach  Verab¬ 
folgung  von  nur  2,0  Atophan,  innerhalb  weniger  Stunden  eine  aus¬ 
gedehnte  Urtikaria  beobachtet,  die  zwar  nach  Aussetzen  des  Mittels 
ziemlich  schnell  wieder  verschwand,  aber  während  der  kurzen  Zeit 
ihres  Bestehens  doch  recht  beträchtliche  Beschwerden  verursachte 

Ferner  die  Herren:  Orth  mann,  Thiemich,  Kluge" 
Krüger. 

Herr  F  r  i  e  d  e  b  e  r  g  (Schlusswort) :  Dass  verschiedene  leichtere 
Hautstörungen  wie  Herpes  und  Urtikaria  bei  Atophangebrauch 
namentlich  bei  Gichtkranken  auftreten  können,  ist  bekannt:  ich  selbst 
habe  solche  nicht  beobachtet.  —  Wenn  Herr  Wagner  meint,  dass 
ich  purinfreie  Ernährung  bei  Gichtkranken  für  unrichtig  halte  so  hat 
er  mich  missverstanden,  im  Gegenteil  halte  ich  sie  während  der 
akuten  Attacken  für  wünschenswert;  nur  wollte  ich  der  Annahme 
entgegentreten,  dass  alleLn  durch  purinfreie  Ernährung  späteren 
Gichtanfällen  vorgebeugt  werden  kann.  Gelegentliche  Herzstörungen 
nach  grossen  Salizyldosen  sind  wohl  nicht  ganz  von  der  Hand  zu 
weisen,  sie  beziehen  sich  aber  jedenfalls  nur  auf  den  Herzmuskel 
wogegen  schwerere  Klappenerkrankungen,  namentlich  Endokarditis,’ 
lediglich  als  Folge  der  Rheumatismuserkrankung  selbst  aufzufassen 
sind.  Ueber  Azitrin  fehlt  mir  noch  genügend  Beobachtungs- 
material;  in  einem  Falle  wurde  es  gut  vertragen,  in  einem  anderen 
trat  ziemlich  bald  erhebliche  Dyspepsie  ein.  Kopfschmerz  habe  ich 
weder  nach  Atophan-  noch  nach  Azitringebrauch  feststellen  können. 

„  .  ,,rr  thiemich:  Die  Verwendung  von  Medikamenten  bei  der 
Behandlung  kranker  Kinder.  II.  Teil. 

*  Die  Rol*e  der  Arzneitherapie  bei  den  Erkrankungen  des  Respira- 
tions-,  Zirkulations-  und  Urogenitalapparates,  sowie  bei  einigen  prak¬ 
tisch  wichtigen  Haut-  und  Nervenkrankheiten  und  den  hauptsäch- 
lichsten  Konstitutionsiiiiomalien  des  Kindesalters  und  einigen  chro- 
nischen  Infektionskrankheiten.  (Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in 
den  „Fortschritten  der  Medizin“.) 

Diskussion:  Herren  T  o  e  g  e  1,  Wendel,  W  i  e  s  e  n  t  h  a  1 
und  Thiemich. 


’ft:...Die.  Behandlung  der  Oxyuriasis,  so  wie  sie  jetzt  allgcme 
geübt  wird,  lasst  viel  zu  wünschen  übrig.  Es  handelt  sich  vielfac 
lur  um  .  cheinerfolge.  Zurzeit  gibt  es  kein  unter  al  en  Umstünde 
wirksames  Mittel  gegen  die  Oxvuriasis. 

(Schlusswort). S '  0  n :  Herri"  v'  P'aundler.  Hecker,  T,„m„ 

w-,2-  Heir  Hecker:  Demonstrationen:  a)  Organe  eines  4  jährig. 
Mädchens:  Durchbruch  einer  erweichten  rechtsseitigen  tuberkulös.: 

ronchialdruse  einerseits  in  den  Oesophagus,  andererseits  in  ein 
tuberkulöse  Kaverne  des  rechten  Unterlappens. 

b)  Organ  eines  Neugeborenen:  Angeborene  Missbildung  des  Hei 
zens.  Vollkommener  Defekt  des  Kammerseptums  und  fast  vollknn 
mener  des  Vorhofseptums.  Ein  etwa  erbsengrosser  Sack  im  ge 
meinsamen  Atrium,  in  welches  eine  Lungenvene  einmündet,  kan 
a  s  Rudiment  des  rechten  Vorhofes  angesehen  werden.  Die  Se^el 
V  an  Pk  ,gut.  erhalten.  Ein  gemeinsamer  Truncus  arteriosus  teil 
ibiaid  ln  A?rta  und  Pulmonalis;  jer  Ductus  Botalli  fehlt  Di 
Missbildung  stellt  sonach  den  seltenen  Typus  des  Cor  trilocutar. 

gebildet  Ist " m  W°be‘  der  2'  Vorhof  nur  als  Rud'ment  aus! 
Diskussion:  Herren  Ranke  und  v.  Pfaundler. 

Albert  Uffenheimer  -  München. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  Müller. 

Herr  Graf:  Ueber  unsere  bisherigen  Erfahrungen  mit  der  intra¬ 
venösen  Aether-  und  Isopraläthernarkose. 

Vortr.  berichtet  über  die  auf  der  Abteilung  von  Prof.  Burk- 
i  a  i  d  t  gemachten  Erfahrungen  bei  über  536  intravenösen  Aether- 
und  Isopraläthernarkosen.  Es  handelt  sich  um  153  Aether-  und 
383  Isopralathernarkosen.  Die  ersteren  werden  zurzeit  nur  mehr  bei 
voraussichthch  sehr  leicht  zu  narkotisierenden  Patienten  oder  zur 
rlerbeifuhi  ung  sog.  Halbnarkosen  bei  Kieferoperationen  u.  dergl.  an¬ 
gewendet.  Sonst  wird  stets  die  kombinierte  Isopraläthermethode  be¬ 
vorzugt,  derart,  dass  Isopral,  jedoch  nie  mehr  als  200  ccm  der 
1,5  proz.  Losung,  bis  zur  Toleranz  gegeben  wird  und  dann  mit  Aether- 
°?un5Jdie,  Narkose  fortgesetzt  wird.  Auf  diese  Weise  gelingt  es 
selbst  die  kräftigsten  Potatoren  meist  ohne  Exzitation  ideal  glatt  und 
ruhig  in  tiefe  Narkose  zu  bringen  und  in  derselben  zu  erhalten 
Die  Patienten  wachen  rasch  auf,  Erbrechen  ist  sehr  selten.  Hämo¬ 
globinurie,  die  stets  rasch  vorüberging,  wurde  in  5  Fällen  beobachtet 
und  ist  aut  mangelhafte  Mischung  des  Aethers  zuriickzufiihren. 
Leichte  Eiweisstrübung  und  vorübergehende  Verdickung  der  Arm- 
Y.en?  ^urde  ebenfalls  in  einigen  wenigen  Fällen  festgestellt.  Ein  der 
Methode  zur  Last  zu  legender  Todesfall  wurde  nicht  beobachtet. 
Die  Komplikationen  und  Gefahren,  die  die  intravenöse  Methode  be¬ 
dingen  kann,  sind  vor  allem  Infektion  und  Thrombose  bzw.  Embolie 
bie  sind  Folgen  mangelhafter  Technik  und  daher  vermeidbar.  Nötig 
ist  strenge  Asepsis,  sterile  Lösung,  dauerndes,  wenn  auch  langsames 
iirchstromen  der  Vene  mit  Flüssigkeit  während  der  Narkose,  und 
am  Schluss,  worauf  besonderer  Wert  zu  legen  ist,  Durchspülen  der 
Vene  mit  50  100  ccm  Kochsalzlösung  oder  Ringer  scher  Lösung, 
um  eine  Stagnation  der  Narkoselösung  in  der  Vene  zu  vermeiden. 

(  Ein  ausführlicher  Bericht  über  die  Narkosen  erscheint  in  den 
Brunsschen  Beiträgen.) 

Herr  J.  Müller:  Ueber  Formen  und  Nachweis  von  Tuberkel- 
bazillen  im  Blute  von  Phthisikern  und  Gesunden. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  März  1913. 

1.  Herr  Tr  um  pp:  a)  Erkrankung  von  Geschwistern 
*?e1,I1"®  -Medinscher  Krankheit.  (Der  Vortrag  ist  in  No. 

S.  1029  dieser  Wochenschrift  erschienen.) 

i  Diskussion:  Herren  Uffenheimer,  Ranke,  v.  Pfaum 
1  e  r.  M  e  n  n  a  c  h  e  r,  Seitz,  Tr  um  pp  (Schlusswort), 
n)  Zur  Diagnostik  und  Therapie  der  Oxyuriasis. 

1  r.  gibt  zunächst  genaue  Anleitungen  zum  Aufsuchen  d 
Gxyuren  oder  ihrer  Eier  in  den  Fäzes  resp.  dem  Rektalschleim.  D 
Befund  einiger  Eier  gestattet  nicht  die  Diagnose  auf  Oxyuriasis 
-teilen.  Denn  jenen  Fällen,  bei  denen  nur  vereinzelte  Oxyuren  i 
arm  schmarotzen,  stehen  gegenüber  die  Fälle  der  echten  Oxyuria: 
(starke  Vermehrung  der  Würmer,  entsprechende  Reaktion  des  O 
gamsmus  —  Vorbedingung:  individuelle  Disposition).  Im  Serum  d 
xjurentrager  lassen  sich  durch  Komplementbindungsverfahn 
Reaktionskorper  gegen  Oxyurenprodukte  nachweisen.  Trump 
arbeitete  daher  (analog  der  M  o  r  o  sehen  Salbenreaktion  bei  Tube 
Kulose)  eine  perkutane  Oxyurenreaktion  aus  (Einreibung  v< 
Oxyurenpulver,  mit  Lanolin  vermischt).  Die  Versuche  und  Ko 
trollen  fielen  befriedigend  aus.  Im  zweiten  Teil  der  Arbeit  unterzie 
lr.  die  Lehrsätze  über  die  Lebengeschichte  der  Oxyuren  und  d 
aufgebaute  übliche  I  herapie  der  Oxyuriasis  einer  scharf* 
Kritik.  Er  ist  mit  K  uchenmeister  und  V  i  x  der  Ueberzeugun 
dass  eine  völlige  Regeneration  der  Parasiten  im  Darm  anzunehmc 


Sitzung  vom  20.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  Müller. 

.  Herr  Thorei:  Demonstration  sämtlicher  Lungenkrankheiten 
mit  anschliessender  Projektion  der  mikroskopischen  Präparate. 


Sitzung  vom  6.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  Müller. 

Herr  Thorei:  Fortsetzung  der  pathologisch-anatomischen  De¬ 
monstrationen  der  letzten  Sitzung. 


Sitzung  vom  20.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  J.  Müller. 
Fortbildungsvortrag  des  Herrn  O  I  p  p  -  Tübingen  (als  Gast): 
Iropenkrankheiten  und  ihre  Erreger. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Kraus. 

Schriftführer:  Herr  Wilhelm  V  o  i  t. 

Herr  Grünbaum  demonstriert  einen  Patienten  mit  Pseudo¬ 
hermaphroditismus  externus  und  internus  (masculinus?)  und  Hypo- 
spadia  peniscrotalis  in  Sinu  urogenitali  und  Anus  vestibuloperinealis. 

Fleri  Kraft  demonstriert  1.  einen  Patienten  mit  rechtseitig 
fehlendem  Pupillarreflex  und  linkseitig  sehr  schwachem. 


27.  Mai  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 179 


2.  Einen  fast  kleinfingergrossen  Ohrpolypen,  den  er  operativ 
*  entfernt  hat. 

Herr  Kronheimer  demonstriert  das  Präparat  eines  Mamma¬ 
karzinoms,  das  er  von  einer  68 jährigen  Frau  mittels  der  neuen 
Krebsbehandlungsmethode  nach  Zeller  gewonnen 
i hatte  und  berichtet  über  eine  nicht  unbedenkliche  Komplikation 
dieses  Verfahrens,  über  eine  akute  Arsenvergiftung. 
Eine  operative  Behandlung  war  von  der  Pat.  absolut  verweigert  und 
,iuch  von  K.  wegen  des  schlechten  Herzzustandes  und  einer  kurz 
zuvor  mit  viel  Mühe  beseitigten  Inkarzeration  einer  grossen  Nabel¬ 
hernie  nicht  dringend  gefordert  worden.) 

Die  Arsenikzinnoberpaste  war  genau  nach  der  Zeller  scheu 
Konzentration  (20  Proz.  Acid.  arsenic.)  und  Vorschrift  auf  den 
walnussgrossen,  ein  wenig  ulzerierten  Scirrhus  mamillae  und  seine 
Umgebung  aufgetragen  und  der  Pastenverband  nach  8  Tagen  er¬ 
neuert  worden.  Ende  der  2.  Woche  nach  Beginn  der  Behandlung 
traten  zu  den  heftigsten  lokalen  Schmerzen  Symptome  einer  akuten 
\rsenvergiftung  und  die  herzschwache  Patientin  drohte  in  der  3.  und 
4.  Woche  mehrere  Male  den  Vergiftungserscheinungen  zu  erliegen. 
Oie  Intoxikation  begann  mit  Durchfällen,  Erbrechen  und  Appetitlosig¬ 
keit,  dazu  kamen  Kopf-  und  Leibschmerzen,  Wadenkrämpfe,  Muskel- 
zuckungen,  Schwindelanfälle  und  besonders  bedrohlich  waren  der 
kleine,  beschleunigte  Puls  und  Kollapszustände  mit  Pulslosigkeit  und 
minutenlangen  Bewusstseinsstörungen;  leichte  Albuminurie  war  nur 
in  der  3.  Woche  zu  konstatieren. 

Eine  kausale  Therapie  war  sehr  schwierig.  Es  wurde  zwar  am 
Ende  der  2.  Woche  der  zweite  Pastenverband  entfernt  und  der 
auf  der  Brust  lagernde  Rest  der  Paste  nach  Möglichkeit  beseitigt 
und  abgespült,  aber  es  war  nicht  möglich,  die  ziemlich  grosse  Menge 
Arsenik,  welche  in  den  Tumor  und  seine  Umgebung  eingedrungen  war, 
aus  dem  Körper  zu  eliminieren.  Darum  hatte  die  Vergiftung  nach 
Entfernung  des  Verbandes  nicht  Halt  gemacht,  sondern  durch  Re¬ 
sorption  vom  As-Depot  der  kranken  Brust  aus  in  den  nächsten 
Wochen  zugenommen.  Die  Behandlung  bestand  symptomatisch  in 
Kalkwasser,  Magn.  usta  und  kleinen  Opiumgaben  gegen  die  Darm¬ 
erscheinungen  und  Koffein,  Digalen  und  Kampfer  gegen  die  Herz¬ 
schwäche. 

Eine  weitere  Anwendung  der  Arsenikpaste  war  natürlich  auch 
nach  der  Beseitigung  der  Lebensgefahr  untersagt,  doch  konnte  und 
wollte  K.  nicht  auf  halbem  Wege  mit  der  Entfernung  des  Brustkrebses 
stehen  bleiben.  Der  Tumor  selbst  war  schon  am  Ende  der  1.  Woche 
schwarz  gefärbt  und  nekrotisch  und  das  schokoladenfarbige  Nachbar¬ 
gewebe  im  Umkreis  von  3  cm  befand  sich  am  Ende  der  2.  Woche  im 
Zustande  der  beginnenden  Nekrose  und  demarkierte  sich  deutlich 
gegen  die  stark  entzündete  Haut  der  weiteren  Umgebung.  Die  Ne¬ 
krose  des  von  der  Paste  bestrichenen  und  angegriffenen  Nachbar¬ 
gewebes  war  nur  eine  ganz  oberflächliche  und  musste  durch  ein 
anderes  unschädliches  und  schmerzloses  Mittel  gefördert  werden.  K. 
fand  zu  diesem  Zweck  in  dem  gewöhnlichen  Lig.  Alum.  acet.,  den  er 
anfangs  zur  Hälfte  verdünnt,  bald  aber  unverdünnt  bei  den  täglich 
erneuerten  feuchten  Verbänden  zur  Anwendung  brachte,  einen  sehr 
geeigneten,  ungiftigen  Körper,  der  die  Demarkierung  in  die  Tiefe 
gegen  das  mittels  Zinkpaste  geschützte  gesunde  Gewebe  relativ  rasch 
vollzog.  Schere  und  Pinzette  halfen  etwas  nach,  so  dass  4  Wochen 
nach  Entfernung  des  2.  Arsenikpastenverbandes,  also  6  Wochen  nach 
Beginn  der  Behandlung,  der  Tumor  mit  viel  Nachbargewebe  heraus¬ 
gehoben  werden  konnte.  Es  besteht  jetzt  ein  grosses,  ovales  Ge¬ 
schwür  mit  frischen,  guten  Granulationen,  welches  sehr  schnelle 
Heilungstendenz  zeigt.  Die  Pat.  hat  sich  von  der  schweren  Arsen¬ 
vergiftung  ganz  gut  erholt  und  klagt  noch  über  heftige  Parästhesien 
an  den  Fingern  beider  Hände  und  an  den  Zehen  beider  Fiisse. 
Diese  Akroparästhesien,  welche  besonders  nachts  heftig  auftreten  und 
Schlaflosigkeit  verursachen,  und  eine  starke  Anämie  müssen  wohl 
als  die  Reste  der  Arsenintoxikation  angesehen  werden. 

Ueber  die  Medikation  von  Siliziumsalzen  wird  berichtet,  dass  in 
den  ersten  4  Wochen  der  Behandlung  genau  nach  Zellers  Vor¬ 
schrift  3  mal  täglich  %  g  der  Siliziumsalze  in  Pulverform  gegeben 
wurden.  Nachdem  aber  die  erdig  schmeckenden  Pulver  von  der  Pat. 
nur  mit  Widerwillen  genommen  wurden  und  auch  keine  günstige 
Einwirkung  auf  die  Arsenikenteritis  zu  konstatieren  war,  wurde  die 
Siliziumdarreichung  abgesetzt. 

Die  Patientin  ist  völlig  geheilt  entlassen;  Es  besteht  eine  lineare 
Narbe  ohne  die  geringste  Infiltration  in  der  Umgebung  oder  in  der 
Achselhöhle,  die  Parästhesien  und  Muskelschwäche  an  Händen  und 
Füssen  sind  bis  auf  ganz  geringe  Beschwerden  geschwunden. 


Würzburger  Aerzteabend. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Februar  1913. 

Herr  Faulhaber:  Röntgendemonstrationen  aus  der  Patho¬ 
logie  des  Verdauungstraktes. 

Projektion  zahlreicher  Röntgenogramme  aus  dem  Gebiete  der 
Speiseröhren-,  Magen-  und  Darmerkrankungen. 

Sitzung  vom  11.  März  1913. 

Herr  Enderlen  demonstriert: 

1.  Verletzungen  des  Kniegelenkes. 

a)  Traumatische  Luxation  der  Patella  nach  aussen  bei  einem 
jungen  Manne;  in  Narkose  leicht  zu  reponieren. 


b)  Habituelle  Luxation  der  Patella  nach  aussen  bei  einem  jungen 
Mädchen,  durch  Operation  geheilt. 

c)  Zerreissung  des  Ligament,  collatcrale  fibulare,  der  Bizeps¬ 
sehne  und  der  Gelenkkapsel;  Heilung  nach  Naht. 

2.  Patient  von  37  Jahren  mit  Varizen  an  beiden  unteren  Extremi¬ 
täten.  Trendelenburg  beiderseits  positiv.  Rechts  Operation  nach 
D  e  1  b  e  t,  links  partienweise  Exstirpation.  2  Monate  nach  dem  Ein¬ 
griffe  kein  Unterschied  zwischen  beiden  Seiten.  Pat.  arbeitsfähig. 

3.  Kind  von  1  Jahr  mit  Thymushyperplasie.  Wegen  Atemstörung 
partielle  Exstirpation  des  Organes.  Erörterung  der  Thymuspathologie. 

4.  Faszientransplantationen. 

a)  Bei  3  Patienten  mit  Bauchbrüchen  nach  Appendizitis. 

b)  Bei  2  Patientinnen  mit  Plattfuss;  gute  Erfolge. 

5.  Patient  von  20  Jahren  mit  Brückenkallus  nach  auswärts  be¬ 
handelter  Vorderarmfraktur.  Pro-  und  Supination  fast  vollkommen 
aufgehoben.  Abmeisselung  des  Kallus,  Interposition  eines  frei  trans¬ 
plantierten  Fettlappens  aus  dem  Oberschenkel.  Volle  Beweglichkeit. 

6.4  Fälle  von  Urethralruptur  durch  Trauma  Anfrischung  der 
gequetschten  Ränder  und  Naht.  Besprechung  der  Harnröhrenver¬ 
letzungen. 

7.  Patient  von  22  Jahren  und  Hypospadia  penialis.  Transplan¬ 
tation  des  Wurmfortsatzes. 

8.  Patientin  mit  angeborener  Diinndarmstenose,  Resektion. 

9.  Patient  von  22  Jahren,  aufgenommen  10.  III.  1913.  Seit 
frühester  Jugend  rechtseitiger  Leistenbruch.  Am  6.  III.  vormittags 
nach  Anstrengung  Einklemmung.  Repositionsversuche  vom  Pat.  selbst 
und  von  3  Aerzten.  Die  misshandelte  Schlinge  musste  reseziert 
werden. 

b)  Patient  von  57  Jahren,  welcher  seine  eingeklemmte  Hernie 
selbst  mit  grosser  Kraft  reponiert  hatte.  Die  Einklemmungserschei¬ 
nungen  blieben  bestehen.  Die  Operation  nach  24  Stunden  ergab 
Darmperforation,  Peritonitis.  Langsame  Heilung.  Hinweis  auf 
etwaigen  Schaden  der  Taxis. 

10.  Frau  von  39  Jahren,  bei  welcher  31.  III.  1908  wegen 
Magenkarzinom  Magen  und  Querkolon  reseziert  wurden.  Vollkom¬ 
menes  Wohlbefinden. 

11.  Röntgenplatten  von  einem  Patienten  mit  verkalkten  Zysti- 
zerken  in  der  Muskulatur  der  Unterschenkel  (Probeexzision). 

12.  Patienten  mit  Operationen  am  Schädel. 

a)  Sinus  p  e  r  i  c  r  a  n  i  i  bei  einem  jungen  Manne.  Exstirpation. 
Es  handelte  sich  um  einen  kavernösen  Tumor,  welcher  durch  das 
verdünnte  durchlöcherte  Schädeldach  hindurch  mit  dem  Schädel- 
innern  in  Verbindung  stand. 

b)  Patientin,  47  Jahre  alt,  bemerkt  vor  1  Jahr  zufällig  links  auf 
dem  Schädel  eine  kleine  Geschwulst,  welche  auf  Druck  verschwand; 
langsame  Zunahme.  In  letzter  Zeit  Klagen  über  Schwindel  und  grosse 
Vergesslichkeit.  Links  neben  der  Sagittallinie  eine  flach  erhabene 
pulsierende  Geschwulst  von  dem  Umfange  eines  Fünfmarkstückes. 
Sie  lässt  sich  unter  Erscheinungen  des  Hirndruckes  nach  innen  drängen. 

Operation:  Schädeldach  in  fast  Handtellergrösse  durch  einen 
Tumor  ersetzt,  welcher  auch  auf  die  Dura  übergeht.  Entfernung  der 
Dura  und  des  Schädeldaches  in  Handtellergrösse.  Ersatz  der  harten 
Hirnhaut  durch  einen  Faszienlappen  aus  dem  Oberschenkel.  Heilung 
ohne  Störung,  Schwinden  der  Beschwerden.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  (Prof.  Kretz)  ergab,  dass  es  sich  um  eine  Epithel¬ 
körperchenmetastase  handelt.  Am  Halse  nur  ein  kleiner  Struma¬ 
knoten  nachweisbar;  die  Pat.  verstand  sich  nicht  zur  Exstirpation 
der  Struma. 

c)  Pat.,  welchen  Prof.  Gerhardt  in  der  letzten  Sitzung  vor¬ 
gestellt  hatte,  mit  überwalnussgrossem  Neurogliasarkom  derBroca- 
schen  Windung.  Operation  in  2  Zeiten  unter  Lokalanästhesie  (8.  I. 
Aufklappen  des  Schädels,  10.  1.  wegen  Hirndruckerscheinungen  Ent¬ 
fernung  der  Geschwulst).  Sprachvermögen  nahezu  vollkommen 
wiedergekehrt. 

Besprechung  der  Eingriffe  bei  Hirntumoren.  Erwähnung  eines 
Patienten,  bei  welchem  die  palliative  Trepanation  am 
19  VI  1911  vorgenommen  wurde:  zur  Zeit  noch  am  Leben. 

E)er  Balkenstich  misslang  in  2  Fällen,  weil  der  Ventrikel 
durch  den  Tumor  weit  seitlich  verdrängt  war. 

Sitzung  vom  18.  März  1913. 

Herr  K.  Reicher:  Ueber  Blutzuckerbestimmungen. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  Mai  1913. 

Herr  Hausmann  (a.  G.) :  Ueber  topographische  Gleit-  und 
Tiefenpalpation. 

jn  4Q — 45  proz.  der  Fälle  gelingt  es,  die  grosse  Kurvatur  des 
Magens  zu  fühlen,  in  60  Proz.  das  Colon  transversum,  in  80  Proz. 
das  Zoekum,  in  25  Proz.  die  Pars  pylorica  ventriculi.  Von  Dünn¬ 
darmschlingen  ist  nur  die  Pars  coecalis  ilei  palpabel.  Die  topo¬ 
graphische  Palpation  hat  ohne  Kraftanstrengung,  einschleichend, 
synchron  mit  der  Atmung  stattzufinden,  bei  maximaler  Erschlaffung 
der  Bauchdecken.  Auf  diese  Weise  gelingt  es  häufig,  die  Lage¬ 
beziehungen  von  Organen  und  auch  Lageveränderungen  festzustellen, 
wie  die  Uebereinstimmung  mit  Kontrollröntgenaufnahmen  beweist. 
Auch  die  Lokalisation  eines  Tumors  lässt  sich  recht  oft  palpatorisch 


1 180 


AlUFNCHFNFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


differenzieren.  Einseitiger  Psoasschmerz  ist  bei  entzündlichen  Er- 
krankiingen  der  gleichen  Seite  häufig  vorhanden;  bei  Affektionen  der 
oberen  Harnwege  ist  es  ein  konstantes  Symptom. 

üru"d  1sei,!f  Erfahrungen  bespricht  H.  sodann  die  diffe- 
ential  diagnostische  Verwertung  bei  einzelnen  besonderen  Affektionen 

mobilebu0  a1)"3  °r8ane  eingehend  (Appendizitis,  Pyosalpinx,  Coecum 

Diskussion  zu  dem  Vortrag  des  Herrn  E.  Buinin:  Ueber 
ue  Erfolge  der  Röntgen-  und  Mesothoriumbestrahlung  bei  Karzinom 
der  weiblichen  Genitalien. 

Herr  Pinkuss  hat  bei  22  Karzinomfällen  mit  massigen  Dosen 
günstige  Ei  folge  erzielt.  Die  Hauptwirkung  des  Mesothorium  kommt 
den  /j-Mranlen  zu,  die  spezifische  Tiefenwirkung  der  y-Strahlen 
ei  scheint  noch  nicht  erwiesen.  Die  Vaginalschleimhaut  verträgt 
grossere  Dosen  und  ist  besser  beeinflussbar  als  die  äussere  Haut. 
Poch  war  auch  in  einem  vorgestelltcn  Fall  von  rezidivierendem 
Mammakarzinom  ein  recht  günstiger  Erfolg  zu  erzielen.  Bei  vor- 
geschrittener  Kachexie  ist  von  der  Mesothoriumbehandlung  nicht  viel 
zu  erwarten.  Indiziert  ist  die  Therapie  besonders,  auch  in  Ver¬ 
bindung  mit  anderen  Mitteln,  zur  Verhütung  von  postoperativen 
Rezidiven. 

.  w  He^r  A  r.e "  d.:  Vorstellung  einer  mit  Uranpechblende  behan¬ 
delten  1  atientin  mit  Ca.  uteri,  welche  seit  214  Jahren  rezidivfrei  ist 
Ein  zweiter  ebenso  behandelter  Fall  befindet  sich  in  Heilung  Die 
Behandlung  muss  lange  Zeit  fortgesetzt  werden.  Die  Dosen  brauchen 
dabei  nicht  allzu  gross  zu  sein. 

Herr  Meidner:  Im  Krebsinstitut  der  Charitee  wurden  mehrere 
Uteruskarzinome  mit  Mesothoriumsonden  behandelt  (30  mg  Radium- 
brornid  entsprechende  Dosis).  Es  wurde  Vernarbung  von  Geschwür¬ 
flachen  und  Rückgang  von  Infiltration  der  Parametrien  beobachtet. 

Herr  Sticker:  Nur  Mengen  über  50  mg  können  genügende 
Energie  aufbringen,  um  deutliche  Erfolge  zu  zeitigen.  Die  a-Strahlen 
halten  ^eine  nur  oberflächliche  Wirkung,  die  ^-Strahlen  dringen  mehr 
in  die  Tiefe.  Bei  schnell  wachsenden  Tumoren  sind  besonders  grosse 
Dosen  erforderlich.  Zylindrische  Kapseln  sind  zur  allseitigen  Wirkung 
am  besten  geeignet.  \y0_ 

Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Mai  1913. 

Herr  Kraus:  Eine  besondere  Form  experimentell  hervor¬ 
gerufenen  Lungenödems. 

i  ■  Hach  intravenöser  Injektion  selbst  grösserer  Mengen  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  beim  Kaninchen  (200  und  mehr  Gramm) 
treten  bei  den  Tieren  noch  keine  Störungen  auf.  Die  Flüssigkeits¬ 
mengen  werden  von  dem  Pumpwerk  ohne  weiteres  bewältigt.  Das 
besser  als  die  klinische  Beobachtung  feinere  Veränderungen  zur  Dar- 
Stellung  bringende  Elektrokardiogramm  zeigt  jedoch  charakteristische 
Veränderungen  nach  solchen  Kochsalzinfusionen,  die  erst  allmählich 
verschwinden.  Durchtrennt  man  am  Halse  nach  der  Injektion  solcher 
Elussigkeitsmengen  beide  Vagi,  so  tritt  sofort  starkes  Lungenödem 
aut.  Man  muss  wohl  annehmen,  dass  hier  im  Vagus  zentripetale 
Lasern  durchschnitten  worden  sind,  welche  die  Regulation  für  die 
Vasokonstriktoren  in  den  Lungen  führen. 

Herr  Brugsch:  Zur  Behandlung  der  schweren  Fälle  von  Dia¬ 
betes  mellitus. 

An  die  Spitze  seiner  Ausführungen  setzt  Vortragender  die  Be¬ 
sprechungen  der  verschiedenen  Diabetestheorien;  speziell  richtet  er 
das  Interesse  auf  den  experimentell  erzeugbaren  Pankreasdiabetes 
und  auf  die  Glykosurie,  die  nach  der  Piqüre  am  Boden  des  4.  Ven- 
trikeisauftritt.  Neuere  Theorien  nehmen  an,  dass  hier  durch  den 
Emgriff  ein  Einfluss  auf  die  Nebennieren  ausgeübt  wird,  welcher  zu 
cinei  Dui  chschwemrnung  des  Körpers  mit  Adrenalinsubstanzen  führt 
Dieses  kreisende  Adrenalin  wirkt  nicht  auf  die  Leberzellen  etwa  in 
dem  Sinne  dass  sie  vermehrt  Glykogen  bilden,  sondern  beeinflusst 
den  Sympathikus.  Nach  Zulzer  und  anderen  enthält  das  Pankreas 
M.bstanzen,  welche  antagonistisch  auf  Adrenalin  wirken, 
i  L-'n  sch^Tre,n  Symptome  des  Diabetes  zeigen  sich  besonders  in 
den  Lallen,  bei  denen  durch  kohlehydratfreie  Ernährung  keine  Ent¬ 
zuckerung  herbeigeführt  wird.  Trotzdem  kann  es  nicht  angeraten 
werden,  zum  Zweck  der  Diagnosenstellung  und  der  Einordnung  des 
;,aaVnter^  dle  lfcich,ten  oder  schweren,  eine  vollkommen  kohle- 
KJatf™  K°st  zu  Keben.  Empfehlenswerter  ist  es,  die  gewöhnliche 
Kost  weiternehmen  zu  lassen  und  durch  genaue  Analysen  der  gereich¬ 
ten  Nahrungsmittel  die  Toleranz  und  die  Kohlehydratbilanz  zu  be¬ 
stimmen  Bei  schweren  Diabetikern  wirkt  Eiweisszufuhr  ebenso  wie 
d  e  von  Adrenalin  Es  kommt  zur  Mobilisierung  von  Glykogen,  das 

fiSriEweF-im  ■ B  ut  ..erscheirit-,.  Hierbei  ist  die  Reizwirkung  durch 
tierisches  Eiweiss  grosser  als  die  durch  pflanzliches  Eiweiss.  Durch 
körpereigenes  Eiweiss  soll  eine  solche  Reaktion  nicht  ausgelöst  wer- 
de";  Huoger  macht  jeden  Diabetiker  zuckerfrei.  Auf  Grund  dieser 
nif‘Sngen  erp'^>t  dass  der  Behandlung  des  schweren 
liCn  isi  kCFS  ei!'e  Einschränkung  der  Eiweisszufuhr  dringend  erforder- 
Ch  ist  zn  diesem  Zweck  festzustellen,  mit  welchen  Minimum- 

so  vkd  Kohl phvri  fc|weifs  der  Hatient  auskommt,  und  dann  muss  man 
soviel  Kohlehydrat  zulegen,  dass  es  nur  zu  einer  mässigen  Zucker¬ 
ausscheidung  kommt.  Den  Nutzen  der  Hafermehlkur  sieht  Vortragen¬ 
der  vor  allem  m  der  Eiweissarmut  dieses  Präparats  W  F 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  8.  Mai  1913. 


Herr  G.  Engel  mann  stellt  ein  8  jähriges  Mädchen  mit  einer 
Knochenzyste  (Ostitis  fibrosa  Recklinghausen)  am  oberen 
Ende  des  Lemurschaftes  vor.  Derartige  Zysten  haben  einen  benignen 
Charakter,  trotzdem  man  in  ihrer  Wand  Sarkomzellen  und  Riesen¬ 
zellen  findet;  es  kommt  sehr  spät  oder  gar  nicht  zu  Metastasen,  ln 
diesem  La  e  kam  es  zu  einer  Infraktion  an  der  geschwächten 
Knochenstelle.  —  Ferner  demonstriert  G.  Engelmann  ein  Mädchen 
mit  Loxa  vara  infolge  Karies  am  Collum  femoris.  Das  Röntgenbild 
zeigt,  dass  eine  Coxa  vara  infolge  Infraktion  des  kariösen  Kollum 
vorhegt. 

Herr  B.  Schick  zeigt  einen  Säugling  mit  intensiven  Haut- 
blutungen  nach  Keuchhusten.  Bei  dem  Kinde  hat  sich  ausserdem 

globuläre  Pneumonie  entwickelt. 


Herr  Rott  stellt  einen  10 jährigen  Knaben  mit  Störungen  im 
Hypoglossus,  Glossopharyngeus  und  Recurrens  vagi,  im  Trigeminus, 
im  Deiters  sehen  Kern  und  Seitenstrang,  wahrscheinlich  durch 
einen  Tuberkel  verursacht,  vor.  Er  weist  folgende  Störungen  auf¬ 
rechte  Lidspalte  verengt,  Kornealreflex  rechts  erloschen,  Nystagmus 
Abweichen  der  Zunge  nach  rechts,  Uvula  nach  rechts  verzogen,' 
Heiserkeit,  Abduktion  des  rechten  Stimmbandes,  Hochstand  der 
rechten  Zwerchfellhälfte,  stark  ataktischer  Gang,  Romberg sches 
Phänomen,  Störungen  der  Kälte-  und  Wärmeempfindung  in  der  linken 
Supraklavikulargegend  und  am  Hinterhaupte.  Die  Wassermann- 
sche  Reaktion  ist  negati/v.  Es  dürfte  sich  um  einen  tuberkulösen 
Herd  in  der  Höhe  der  Schleifenkreuzung  handeln. 

Herr  E.  Mayerhofer  demonstriert  einen  Säugling  mit  Osteo- 
psathyrosis  foetalis.  Das  Röntgenbild  zeigt  Kallusbildung  und  Infrak¬ 
tionen  an  mehreren  Knochen,  ferner  eine  zarte  Kortikalis.  Am  rechten 
Oberschenkel  ist  Krepitation  zu  fühlen.  Es  liegen  geheilte  intra¬ 
uterine  Frakturen  vor,  welche  durch  eine  abnorme  Brüchigkeit  der 
langen  Röhrenknochen  ermöglicht  waren.  Das  Kind  bekommt  Phos¬ 
phorlebertran. 

Frau  Deutsch  führt  einen  13jährigen  Knaben  mit  einer  Er¬ 
krankung  der  Medulla  oblongata,  der  Pyramidenstränge  und  der 
Vorderhörner  des  Rückenmarkes  vor. 

Herr  J.  Zappert:  Fehldiagnose  bei  der  Poliomyelitis. 

Vortr.  zeigt  an  Beispielen,  welche  Fehldiagnosen  bei  Polio¬ 
myelitis  möglich  sind.  Ein  3  jähriges  Kind  hatte  Fieber,  Mattigkeit 
und  Verstopfung,  es  schien  eine  Influenza  vorzuliegen.  Es  wollte  sich 
nicht  aufsetzen,  der  Patellarreflex  fehlte  auf  der  rechten  Seite. 
Das  rechte  Bein  war  durch  einige  Zeit  paretisch,  nach  einigen  Wochen 
kehrten  Beweglichkeit  und  der  Patellarreflex  am  rechten  Bein  zurück, 
es  erfolgte  vollständige  Heilung.  Hier  wäre  ohne  Beachtung  der 
Patellarreflexe  die  leichte  Poliomyelitis  übersehen  worden.  —  Ein 
314  jähriges  Kind  erkrankte  unter  hohem  Fieber,  diffuser  schwerer 
Bronchitis  und  akuter  Otitis;  es  zeigte  auffallende  Zyanose  und 
Dyspnoe.  Die  Bronchitis  heilte  aus,  es  blieb  eine  leichte  Parese  eines 
Beines  zurück,  der  Patellarreflex  fehlte  daselbst.  Die  auffällige 
Dyspnoe  und  Zyanose  deuten  auf  eine  poliomyelitische  Erkrankung 
der  Atmungsmuskulatur  hin.  Es  wäre  denkbar,  dass  bei  polio- 
myelitischer  Erkrankung  des  Phrenikuszentrums  Tod  unter  Atmungs- 
lähmung  eintreten  kann.  Hier  war  die  Poliomyelitis  durch  die  Bron¬ 
chitis  verdeckt.  —  Ein  4  jähriges  Mädchen  erkrankte  unter  Krupp¬ 
erscheinungen,  Zyanose  und  Dyspnoe,  wiewohl  keine  Symptome  von 
Diphtherie  zu  finden  waren.  Es  stellten  sich  binnen  kurzem  bron- 
chitische  Symptome  und  starke  Dyspnoe  ein,  eine  Tracheotomie 
brachte  keine  Aenderung  des  Zustandes.  Das  Kind  starb,  die  Ob¬ 
duktion  brachte  keine  Klärung.  Nach  den  jetzigen  Erfahrungen  wäre 
der  Fall  als  poliomyelitische  Erkrankung  des  Atmungszentrums  zu 
deuten. 

Bei  Poliomyelitis  kommt  manchmal  Halsentzündung  sogar  mit 
Belägen  vor.  Wenn  der  Pat.  nach  Ueberstehen  der  Halsentzündung 
eine  Lähmung  behält,  so  deutet  man  letztere  als  diphtheritische 
Lähmung,  trotzdem  keine  Diphtherie,  sondern  Poliomyelitis  vorlag. 
Entgegen  seiner  früheren  Ansicht  ist  Vortr.  jetzt  der  Ueberzeugung, 
dass  Scharlach  und  Masern  mit  der  Poliomyelitis  in  keinem  ätio¬ 
logischen  Zusammenhänge  stehen.  Es  kommen  jedoch  bei  Polio¬ 
myelitis  als  Vorstadium  scharlachähnliche  Exantheme  vor. 

Es  gibt  auch  Fälle,  wo  Poliomyelitis  diagnostiziert  wird,  wenn 
sie  nicht  vorhanden  ist.  Vortr.  behandelte  ein  Kind  mit  Poliomyelitis, 
nach  längerer  Zeit  bekam  es  wieder  eine  Lähmung,  welche  als  Folge 
eines  Rezidivs  der  Poliomyelitis  aufgefasst  wurde.  Pat.  hatte  in 
dem  paretischen  Beine  grosse  Schmerzen,  an  demselben  fehlte  der 
Patellarreflex  und  es  stand  in  paralytischer  Spitzfussstellung;  auf 
dem  anderen  Beine  war  der  Patellarreflex  gesteigert.  Letzteres 
kommt  bei  Poliomyelitis  nicht  vor.  Die  scheinbare  Lähmung  war 
durch  Gelenkrheumatismus  vorgetäuscht.  In  einem  anderen  Falle, 
in  welchem  Schmerzen  in  einem  Beine,  Unbeweglichkeit  desselben 
und  Fieber  bestanden,  ergab  sich  als  Ursache  der  scheinbaren  Parese 
ein  septischer  Prozess.  Es  können  ausserdem  Verwechslungen  der 
Poliomyelitis  mit  traumatischen  Affektionen,  Neurosen  und  Hysterie 
Vorkommen.  Man  soll  daher  bei  akuten  Prozessen  die  Patellarreflexe 
prüfen  und  an  die  Poliomyelitis  denken. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1181 


?7.  Mai  1913. 

— 

Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  9.  Mai  1913. 

Herr  Lucksch:  Endothelsarkom. 

Das  Präparat  entstammte  der  Leiche  eines  7  jährigen  Knaben. 
\m  Gehirn  fand  sich  ein  ausgedehnter  Hydrozephalus,  beim  Durcli- 
•chneiden  des  Oberwurmes  ein  weisslicher  Tumor,  der  fast  den 
.anzen  Wurm  einnahm,  an  der  Unterseite  des  Kleinhirns  waren  zwei 
insengrosse  und  an  der  Hinterseite  der  Lendenschwellung  des 
Rückenmarkes  eine  hanfkorngrosse  Stelle  von  gleicher  Beschaffenheit, 
\  ie  der  erstgenannte  I  umor.  Die  histologische  Untersuchung  ergab 
inen  Tumor  vom  Baue  der  Endothelsarkome.  Interessant  war  weiter 
ler  Befund  eines  sogen,  primär  tuberkulösen  Herdes  mit  entsprechend 
erkästen  Lymphdriisen  bei  negativem  Pirquet.  Herr  O.  Wiener 
■dt  den  Eall  klinisch  beobachtet.  Mit  Rücksicht  auf  das  Fehlen  jedes 
.okalisationssymptomes  bei  dem  benommenen  Kinde,  den  rhachi- 
ischen  Schädel  und  Habitus,  die  Hirndruckerscheinungen  — >  Stau- 
ingspapille  und  Pulsverlangsamung  —  und  den  langsamen  Verlauf, 
v'urde  die  Diagnose  auf  chronischen  Hydrozephalus  gestellt.  Die 
;ekhon  zeigte  die  ausgesprochene  Erweiterung  der  Ventrikel  und 
rklärte  somit  auch  das  Prävalieren  der  Hirndrucksymptome.  Die 
lochgradige  Stauungspapille  bei  nicht  ausgesprochener  Atrophie  gab 
inter  Berücksichtigung  der  anderen  Hirnsymptome  die  Indikation 
iir  den  Balkenstich,  der  auch  vorgenommen  wurde,  ohne  irgend 
reichen  Erfolg,  wenn  auch  vorübergehend  der  Puls  an  Frequenz  zu¬ 
lahm.  Wichtig  für  den  Kliniker  ist  das  multiple,  gleichzeitige  Vor- 
;ommen  derartiger  Geschwülste  und  erwähnt  Herr  W.  eines  Falles 
on  Endotheliom  der  Schläfewindung,  den  Herr  K  r  a  u  s  e  -  Berlin 
iperierte.  Der  Tumor  wurde  glatt  entfernt,  der  Kranke  genas, 
eigte  aber  alsbald  neuerlich  Tumorerscheinungen;  bei  der  Operation 
relang  es  fern  vom  Orte  des  ersten  einen  neuen  Tumor  zu  ent- 
ernen,  doch  ging  der  Kranke  an  einer  Pneumonie  zugrunde.  Bei  der 
;ektion  fanden  sich  noch  Tumoren  an  der  Hiirnbasis. 

Herr  Kuh  zeigt  einen  Nachtlagerungsapparat,  wie  ihn  Schanz 
ind  Wollenberg  für  schwere  Fälle  von  Pectus  carinatum  an- 
egeben  haben.  Er  stellt  eine  Kombination  eines  Gipsbettes,  ähnlich 
Ge  zur  Behandlung  der  Skoliosen,  mit  einer  Kompressionsvorrichtung 
[er  prominenten  Stelle  des  Thorax  dar.  Während  der  Lagerung 
lüssen  die  Kinder  Atemgymnastik  treiben.  In  schweren  Fällen  wird 
er  Apparat  auch  durch  einige  Stunden  am  Tage  verwendet. 

Herr  Hans  Herrmann  Schmid:  Ueber  freie  Faszientrans- 
ilantation. 

S.  hatte  3  mal  Gelegenheit,  dieselbe  an  der  deutschen  Frauen- 
iinik  auszuführen,  2  mal  bei  grossen  postoperativen  Hernien  zum 
erschluss  der  Bauchpforte,  beziehungsweise  zur  Verstärkung  der 
lünnen,  brüchigen  Aponeurose;  einmal  wurde  ein  Stück  Faszie  bei 
iner  rezidivierenden  Blasenscheidenfistel  zwischen  die  Blasen- 
chleimhaut  und  Scheidenschleimhaut  interponiert.  In  allen  Fällen 
var  das  Resultat  gut.  An  der  Entnahmestelle  der  Faszie  am  Ober- 
chenkel  traten  keinerlei  Beschwerden  auf.  Besprechung  der  übrigen 
ndikationen  zur  freien  Faszientransplantation  (als  Duraersatz,  bei 
lelenkankylosen,  zur  Verstärkung  unsicherer  Nähte  an  Darm  und 
iarnblase).  0.  Wiener. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Royal  Society  of  Medicine,  Surgical  Sectio». 

Sitzung  vom  11.  Februar  1913. 

Endresultate  der  Gastroenterostomie. 

A.  F.  Hertz  konstatiert,  dass  nach  der  Gastroenterostomie 
icht  ganz  selten  die  Patienten  noch  ständig  über  abdominelle 
’Chmerzen  und  Beschwerden  klagen.  Die  Ursache  liegt  seiner  Be- 
bachtung  nach  manchmal  in  einer  zu  raschen  und  manchmal  in  einer 
u  langsamen  Entleerung  der  Nahrung  aus  dem  Magen  in  den  Darm, 
lei  der  ersten  Gruppe  liegt  der  Fehler  in  der  Regel  darin,  dass  eine 
u  grosse  Mündung  angelegt  worden  ist.  Mit  den  Röntgenstrahlen 
rkennt  man  bei  Verabreichung  einer  Mahlzeit  mit  Bismut,  dass  die 
lahrung  schon  binnen  einer  Stunde  etwa  den  Magen  verlassen  hat, 
tatt  dass  sie  in  normaler  Weise  3 — 4  Stunden  darin  verweilt.  Bei 
inem  seiner  Patienten  war  die  Entleerung  schon  in  einer  Viertel- 
tunde  erledigt,  und  man  kann  gelegentlich  beobachten,  wie  die  Nah- 
ung  fast  ebenso  schnell  austritt,  wie  sie  zugeht.  Dies  hat  zur  Folge, 
ass  der  betroffene  Teil  des  Jejunums  abnorm  angefüllt  und  gedehnt 
Grd.  Dementsprechend  wird  vom  Patienten  gewöhnlich  ganz  prä- 
ise  angegeben,  dass  seine  Schmerzen  jetzt  etwas  weiter  abwärts 
n  Abdomen  auftreten  als  vor  der  Operation;  auch  wird  über  häufig 
ald  nach  den  Mahlzeiten  eintretende  Diarrhöe  geklagt,  die  weniger 
on  der  Qualität  als  von  der  Quantität  der  genossenen  Speisen  ab- 
ängig  zu  sein  scheint.  In  vielen  Fällen  werden  die  Beschwerden 
eseitigt,  wenn  der  Kranke  nach  den  Mahlzeiten  eine  halbe  Stunde 
der  etwas  länger  die  horizontale  Lage  einnimmt,  damit  die  Mündung 
löglichst  aus  dem  Bereich  des  Speisebreis  emporgehoben  werde, 
»urch  Röntgenuntersuchung  ist  dabei  festzustellen,  ob  die  rechte  oder 
ie  linke  Seitenlage  eingenommen  werden  solle*.  Die  Darreichung 
on  Pankreaspräparaten  oder  auch  von  kleinen  Dosen  von  Bella- 
onna  und  Codein  kann  auch  indiziert  sein;  eventuell  müsse  man  der 
rage  näher  treten,  ob  es  ratsam  sei,  durch  eine  Nachoperation  das 
toma  zu  verkleinern  oder  eventuell  ganz  zu  schliessen.  Der  um¬ 


gekehrte  Zustand,  derjenige  der  zu  langsamen  Entleerung  des  Magens, 
kann,  wie  Redner  gelegentlich  beobachtet  hat,  darauf  beruhen,  dass 
die  Oeffnung  bei  gefülltem  Magen  und  aufrechter  Stellung  des  Patien¬ 
ten  oberhalb  des  Niveaus  des  Speisebreis  lokalisiert  ist.  In  dem  ge¬ 
schilderten  Falle  handelte  es  sich  um  einen  hochgradig  dilatierten 
Magen  als  Folge  von  einfacher  Pylorusstenose.  Wurde  durch  Druck 
auf  den  Bauch  der  Magen  emporgeschoben,  so  floss  alsbald  Inhalt 
aus.  Die  Verordnung  einer  stützenden  Leibbinde  und  die  Anweisung, 
nach  den  Mahlzeiten  regelmässig  eine  Stunde  auf  der  linken  Seite 
zu  liegen,  beseitigten  alle  Beschwerden. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  24.  .Februar  1913. 

Die  renale  Ausscheidung  von  Jodkalium. 

O.  Kauffmann  hat  Beobachtungen  angestellt  über  die  Zeit¬ 
dauer  der  renalen  Ausscheidung  von  bestimmten  Mengen  von  Jodkali 
bei  gesunden  und  kranken  Individuen,  um  daraus  Anhaltspunkte  über 
den  Zustand  der  Nieren  zu  gewinnen  in  Fällen,  bei  denen  weder  die 
Menge  noch  die  Konzentration  des  Urins  oder  der  Harnstoffgehalt 
genügende  Aufschlüsse  ermöglichen.  Er  fand,  dass  bei  gesunden  Per¬ 
sonen  Jod  schon  anderthalb  Stunden  nach  dem  Einverleiben  im  Urin 
auftritt,  und  dass  die  Ausscheidung  in  der  Regel  binnen  9  bis 
12  Stunden  beendet  ist.  Patienten  mit  B  right  scher  Niere,  Herz¬ 
fehler  oder  Arterienentartung  schieden  das  Medikament  entschieden 
mangelhafter  aus;  das  Jod  erschien  erst  nach  3  Stunden  im  Urin  und 
war  auch  nicht  so  lang  darin  nachweisbar  wie  bei  Gesunden.  Die 
Menge,  die  im  Gesamturin  auffindbar  war,  betrug  bei  Gesunden  und 
be;  einigen  Patienten  bei  Bettruhe  10 — 20  mg,  was  von  der  Art  der 
Nahrung  ziemlich  unbeeinflusst  blieb.  Beim  Fieber  war  die  ausge¬ 
schiedene  Menge  merklich  vermindert;  ebenso  wirkte  die  gleich¬ 
zeitige  Darreichung  von  Eisenpräparaten,  während  die  Darreichung 
von  Kalium  citricum  sekretionsfördernd  wirkte.  Redner  empfiehlt  die 
Prüfung  mit  Jodkali  als  ein  wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel  für 
die  Beurteilung  von  Fällen  von  interstitieller  Nephritis. 

Royal  Society  of  Medicine,  Sections  of  Ophthalmology  and 

Neurology. 

Sitzungen  vom  5.  und  12.  März  1913. 

Erkrankungen  der  Glandula  pituitaria. 

P.  A.  Schäfer  demonstrierte  die  histologischen  Verhältnisse 
dieses  Organes,  welches  er  bei  allen  bisher  daraufhin  untersuchten 
Vertebraten  ausnahmslos  angetroffen  hat.  Embryologisch  entsteht 
dasselbe  als  eine  Erweiterung  des  R  a  t  h  k  e  sehen  Divertikels, 
welches  eine  Einstülpung  des  bukkalen  Ektoderms  nach  dem  Gehirn 
hin  darstellt.  Durch  Verschmelzung  mit  einem  vom  Thalamenzephalon 
abwärts  fortschreitenden  hohlen  Auswuchs  entsteht  dann  die  Zirbel¬ 
drüse.  Dieselbe  lässt  3  Teile  erkennen:  die  Pars  anterior  und 
posterior  und  die  Pars  nervosa.  Erhebliche  Veränderungen  hat  man 
an  diesem  Organe  als  Folge  der  Thyreoidektomie  und  auch  nach 
Atrophie  der  Schilddrüse  beobachtet.  Als  derartige  abnorme  Folge¬ 
wirkungen  sind  zu  nennen:  allgemeine  Grössenzunahme,  kolloide 
Veränderungen  in  den  Vehikeln  der  Pars  anterior  und  intermedia 
und  eine  starke  Vermehrung  der  hyalinen  Körperchen  in  der  Pars 
intermedia  und  nervosa.  Auch  hat  man  eine  Hypertrophie  der  Zirbel¬ 
drüse  im  Gefolge  der  Kastration  angetroffen.  Die  höchsten  Grade 
der  Grössenzunahme  des  Organes  findet  man  bei  der  Akromegalie 
und  bei  Riesen;  man  findet  dann  am  Skelett  eine  unverhältnismässig 
grosse  Sella  turcica.  Um  die  Physiologie  der  Drüse  zu  erforschen, 
hat  man  einerseits  die  Abtragung  derselben  vorgenommen,  anderer¬ 
seits  eine  Zugabe  durch  Verbitterung  von  Extrakt  und  durch  Ein¬ 
pflanzungen  gemacht.  Die  Ergebnisse  waren  nicht  durchweg 
uniform.  Nach  der  Abtragung  sah  man  bei  jungen  Tieren  ein  Zurück¬ 
bleiben  im  Wachstum  und  Fehlen  der  sexuellen  Entwickelung.  Un¬ 
bedingt  tödlich  scheint  die  Totalexstirpation  des  Organes  nicht  zu 
wirken.  Ein  leichteres  Verletztsein  desselben  hatte  oft  eine  aus¬ 
gesprochene  Polyurie  zur  Folge,  wenn  auch  nur  von  einigen  Tagen 
Dauer.  Vielleicht  ist  hiermit  die  nach  Basalfrakturen  gelegentlich 
auftretende  Urinvermehrung  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Ver¬ 
bitterung  der  Drüsensubstanz  hat  bisher  nur  negative  Resultate  er¬ 
geben  und  die  Versuche  zur  Transplantation  sind  so  weit  noch  alle 
missglückt.  Dagegen  üben  salinische  Auszüge  bei  intravenöser  In¬ 
jektion  einen  ausgesprochenen  Einfluss  auf  alle  glatten  Muskeln  aus. 
Es  erfolgt  darauf  Kontraktion  der  Blutgefässe,  Kräftigung  und  Ver¬ 
langsamung  der  Herzaktion,  Kontraktion  der  Muskulatur  der  Blase, 
des  Uterus  und  der  Därme  und  Mydriasis  am  exzidierten  Frosch¬ 
auge.  Die  hierbei  wirksame  Substanz  ist  in  Wasser  löslich,  ist 
dialysierbar,  kann  ohne  Nachteil  gekocht  werden  und  längere  Zeit 
in  trockenem  Zustand  oder  sterilisiert  aufbewahrt  werden.  Auch  die 
Nieren  und  Milchdrüsen  werden  durch  die  intravenöse  Injektion  des 
Extraktes  zu  gesteigerter  Tätigkeit  angeregt.  Der  hintere  Lappen 
der  Drüse  scheint  in  dieser  Hinsicht  die  wichtigsten  Bestandteile  zu 
enthalten,  während  der  vordere  die  Wachstumsvorgänge  besonders 
beeinflussen  dürfte. 

H.  G.  Turney  stellte  eine  25jährige  Patientin  vor,  welche  bis 
1907  ganz  normal  gewesen  war.  seitdem  aber  Erscheinungen  darbot, 
welche  auf  eine  Beteiligung  hauptsächlich  des  hinteren  Lappens 
schliessen  lassen.  Die  vorher  regelmässige  Menstruation  hatte  voll¬ 
ständig  aufgehört;  die  Patientin  zeigte  fettige  Degeneration  besonders 
am  Gesicht  und  hatte  trotzdem  an  Körpergewicht  abgenommen,  indem 


1182 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


die  unteren  Extremitäten  und  das  Gesäss  stark  abgemagert  waren. 
Es  bestand  ein  abnorm  hoher  Blutdruck,  Neigung  zu  lebhaften 
Blutungen  nach  kleinen  Druckverletzungen  der  Haut  und  auch  ohne 
ei  kennbare  Ursache.  Die  geistigen  Fähigkeiten  schienen  nicht  ge¬ 
litten  zu  haben  und  die  Sehfähigkeit  war  gut.  Auch  hatte  die  Unter¬ 
suchung  mit  dem  Perimeter  nichts  wesentliches  ergeben,  während 
sonst  eine  bitemporale  Hemianopsie  eine  charakteristische  Erschei¬ 
nung  bildet.  Im  weiteren  Verlauf  traten  aber  Exsudate  in  der  Um¬ 
gebung  der  Papille  hervor.  Der  Blutdruck  betrug  200  mm  Hg  und 
das  Blut  zeigte  eine  Vermehrung  der  Erythrozyten  bis  zu  8  000  000 
im  Kubikmillimeter.  Der  Urin  enthielt  eine  drucksteigernde  Substanz, 
wie  durch  die  Injektion  von  10  ccm  bei  einer  Katze  nachgewiesen 
wurde.  Während  mit  normalem  Urin  dies  den  Blutdruck  fast  am  0 
herabsetzen  würde,  stieg  in  diesem  Falle  der  Druck  um  70 — 80  mm 
Diese  Erscheinung  hat  Dixon  auch  bei  einigen  Fällen  von  Akro¬ 
megalie  beobachtet.  Das  Röntgenbild  liess  eine  Verkleinerung  des 
hinteren  Processus  clinoidalis  erkennen.  Zur  Behandlung  wurde 
Extrakt  vom  Lobus  posterior  subkutan  gegeben,  doch  musste  wegen 
der  dabei  sich  entwickelnden  Hautnekrose  wieder  davon  abgesehen 
wrerden. 

A.  S.  Garrod  berichtet  über  einen  Fall,  bei  dem  Akromegalie 
im  Verein  mit  Myxödem  vorlag.  Das  Röntgenbild  liess  eine  Ver- 
grösserung  der  Sella  turcica  erkennen. 

W.  Hill  besprach  die  Technik  der  Operation  der  Zirbeldrüse, 
wobei  er  dem  Hirsch  sehen  Verfahren  gegenüber  dem  von  Cus- 
h  i  n  g  den  Vorzug  gab.  Das  Eingehen  nach  submuköser  Resektion 
gibt  einen  kürzeren  wenn  auch  durchaus  nicht  ungefährdeten  Zugang 
zu  der  Drüse. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Acadetnie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  10.  März  1913. 

Wirkung  der  polyvalenten  Typhusschutzlymphe  im  Inkubations¬ 
stadium  des  Typhus  oder  bei  während  der  Immunisation  Infizierten. 

H.  Vincent  hat  gezeigt,  dass  bei  Personen,  die  schon  an¬ 
gesteckt  und  im  Zustand  der  Inkubation  waren,  die  aktive  Immuni¬ 
sierung  mit  der,  durch  Aether  sterilisierten,  polyvalenten  Lymphe 
einen  Schutz  gegen  die  Infektion  bilden  kann.  Eine  ausgedehnte 
Epidemie,  welche  im  Jahre  1912  zu  Avignon  herrschte,  konnte  den 
Grad  der  Schutzkraft,  welche  in  solchen  Fällen  die  Lymphe  besitzt, 
feststellen.  Die  Häufigkeit  des  Typhus  bei  den  nicht  Geimpften 
war  1:4,  der  Todesfälle  1:34.  Unter  den  1108  Personen,  welche  bei 
Beginn  oder  während  der  Epidemie  geimpft  wurden,  gab  es  nur 
3  leichte  Typhusfälle  und  zwar  ausschliesslich  bei  unvollkommen 
Geimpften  (bald  nach  der  1.  oder  2.  Injektion).  Die  Fälle,  wo  jemand 
im  Verlaufe  der  Immunisierung,  also  zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Inokulation,  infiziert  wird,  sind  noch  seltener,  da  die  Immunität  in  dem 
Masse  wächst,  als  man  sich  der  letzten  Injektion  nähert.  Nur  über 
3  Beobachtungen  dieser  Art  ist  bis  jetzt  berichtet  worden  und  bei 
allen  dreien  handelte  es  sich  um  gutartige  Formen.  Meist  also  be¬ 
wirken  die  ersten  Injektionen  eine  Immunität,  die  genügt,  um  die¬ 
jenigen,  welche  eventuell  während  der  zu  den  Impfungen  erforder¬ 
lichen  3  Wochen  angesteckt  werden  können,  zu  schützen.  Infolge 
dessen  gibt  es  auch  keine  negative  Phase  und  es  ist  nicht  nur  nicht 
gefährlich,  während  einer  Epidemie  zu  impfen,  sondern  bietet  noch 
grosse  Vorteile  durch  den  gutartigen  Verlauf  des  Typhus,  wenn  er 
in  den  besonderen,  oben  angedeuteten  Fällen  vorkommt. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  11.  März  1913. 

Die  Typhusschutzimpfung  in  dem  Heere  der  Vereinigten  Staaten. 

Chantemesse  teilt  den  Bericht,  welchen  der  französische 
Gesandte  zu  Washington  dem  Ministerium  des  Ausseren  über  die  im 
amerikanischen  Heere  angewandte  Art  der  Impfung  gegen  Typhus 
geliefert  hat,  mit.  Demnach  war  diese  Impfung  im  März  1911  für 
eine  Division  und  im  September  1911  für  die  ganze  Armee  obliga¬ 
torisch  gemacht  worden.  Im  ersten  Jahre  der  Impfung  (1909)  fiel  die 
Erkrankungsziffer  an  Typhus  auf  173,  wovon  11  tödliche,  im  folgenden 
(1910)  auf  142,  wovon  10  tödliche,  im  Jahre  1911  auf  44,  wovon 
6  ^a^e  und  im  Jahre  1912  zählte  man  in  der  Armee  nur 

riille  von  Typhus,  wovon  nur  1  tödlicher.  Von  den  angeführten 
368  Typhusfällen  zeigten  sich  nur  18  unter  den  Geimpften  und  keiner 
dei  selben  endete  tödlich.  Die  Lymphe,  welche  so  befriedigende 
NespEate  gegeben  hat,  ist  einfach  eine  monovalente,  in  der  Hitze 
sterilisierte  Reinkultur  von  I  yphusbazillen,  d.  i.  die  in  der  englischen/ 
ueutschen,  japanischen  Armee  angewandte  Lymphe,  deren  Wirksam¬ 
keit  experimentell  und  zum  ersten  Male  vor  etwa  25  Jahren  in  Frank- 
reich  festgesteHt  wurde.  Es  ist  das  dieselbe  Lymphe,  welche  Ch. 

TT31.1116*1  uPPsn  geliefert  hat,  von  welchen  nicht  ein  einziger  der 
3000  Geimpften  Typhus  akquirierte,  während  derselbe  die  nicht  Ge¬ 
impften  in  hohem  Masse  heimsuchte. 

Im  Anschluss  an  diesen  Vortrag  von  Ch.  entspann  sich  zwischen 
diesem.  Netter  und  Vincent  eine  sehr  lebhafte  Diskussion  über 
e/ne  A.nzaM  theoretischer  Punkte  der  Typhusschutzlymphe  und  über 
die  1  non  tat  der  Herstellung  und  Verwendung  derselben,  die  für  den 
terner  Stehenden  in  ihren  Einzelheiten  von  geringem  Interesse  sind. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Münchener  Aerzteverein  für  freie  Arztwahl. 

Vollversammlung  vom  23.  Mai  1913. 

Nach  Erledigung  des  Einlaufes  berichtet  der  Vorsitzende,  Her 
c  11  f,n  steiner,  über  die  bisherige  Tätigkeit  der  seinerzeit  ge¬ 
wählten  „Kommission  zur  Regelung  der  Poliklinikenfrage“.1  Es  hat 
sich  herausgestellt,  dass  ein  amtlicher  Massstab  für  die  Mittellosigkeit 
a  , . ,  0 r a u ssc t z u ng  der  unentgeltlichen  Behandlung  in  den  hiesigen 
1  oliklimken  nicht  existiert,  sondern  dass  dieser  in  der  Hand  der  be¬ 
treffenden  Vorstände  liegt,  die  übrigens  in  einer  gemeinsamen  Be 
sprechung  ihr  Entgegenkommen  gegenüber  den  Wünschen  der  Aerzte - 
SiC  ?ugesa.gt  haben.  Im  Zusammenhang  mit  der  Mitteilung,  dass 
die  Bildung  einer  studentischen  Krankenkasse  vorerst  nur  in  der  Ab¬ 
sicht  derStudentenschaft  bestehe,  hebt  der  Vorsitzende  die  interessante 
1  atsache  hervor,  dass  das  Honorar,  welches  durch  die  unentgeltliche 
Behandlung  von  Studenten  in  der  dermatologischen  Poliklinik  den 
praktizierenden  Aerzten  in  der  Stadt  entgehe,  sich  allein  auf  20  000  M 
belaufe  (!).  Die  Verhandlungen  sollen  fortgeführt  werden. 

Das  Hauptinteresse  der  Versammlung  wendet  sich  nunmehr'  der 
den  zweiten  Punkt  der  Tagesordnung  bildenden  sog.  „Dichotomie- 
frage"  zu,  d.  h.  der  in  den  letzten  Wochen  in  einzelnen  Kreisen  der 
hiesigen  Aerzteschaft  schon  erörterten  Frage  der  Teilung  des  Ho¬ 
norars  zwischen  zuweisendem  Arzt  und  Operateur,  wie  sie  hie  und 
da  im  ln-  und  Ausland  schon  geübt  wird.  Aus  den  gründlichen  Aus¬ 
führungen  der  beiden  für  dieses  Thema  ernannten  Referenten  (Nas- 
s  aue  r  und  Schwertfelner)  geht  zunächst  hervor  die  einmütige 
Ablehnung  der  Dichotomie  (soweit  darunter  die  Honorierung  der  Zu¬ 
weisung  eines  Patienten  an  den  Operateur  an  sich  verstanden  wird) 
als  einer  verwerflichen,  standesunwürdigen,  das  Ansehen,  die  soziale 
Stellung,  die  ethischen  Grundlagen  der  Aerzte  und  das  Vertrauen  des 
I  ublikums  untergrabenden  Handlungsweise,  die  übrigens,  worauf 
S  c  h  w  e  r  t  f  e  1  n  e  r  aufmerksam  macht,  schon  längst  durch  den  §  16 
der  Standesordnung  für  die  Aerzte  Bayerns  verboten  ist. 

Indes  betont  Nassauer  schon  in  seinem  sorgfältigen  und  sach¬ 
lich  abwagenden  Referat  (abgedruckt  auf  Seite  1153  dieser  Nummer) 
nachdriicklichst  die  Schwierigkeiten  der  Bestimmung  und  die  Gefahren 
einer  zu  weiten  Fassung  des  Begriffes  Dichotomie;  er  sucht  die 
Wurzeln  dieses  Uebels,  die  oft  verborgenen  Wege,  die  zu  ihm  hin- 
fuhren,  aufzudecken  und  sieht  letzten  Endes  seine  Gründe  nicht  allein 
in  der  Ueberschätzung  der  chirurgischen  sowie  der  Unterschätzung 
uei  internistischen  I  ätigkeit  seitens  des  Publikums  und  der  Ge¬ 
bührenordnung,  sondern  auch  in  dem  Mangel  einer  allgemeinen,  ins¬ 
besondere  ethischen  Bildung  in  unserer  akademischen  Vorbereitungs¬ 
zeit.  Neben  Detailfragen  treten  diese  Gesichtspunkte  auch  in  der 
nun  folgenden  lebhaften  Diskussion  hervor,  an  der  sich  sowohl  Inter¬ 
nisten  bezw.  praktische  Aerzte,  als  auch  operativ  tätige  Kollegen  be¬ 
teiligen  (insbesondere  die  Herren  Wohlmut  h,  Krecke,  Hecht 
Henkel,  S  c  h  m  i  d  t,  G  e  b  e  1  e,  Epstein.  Kustermann,’ 
n  o  l  rmann,  Hengge);  es  wird  bei  eingehender  Besprechung  der 
verschiedenen  Arten  des  einwandfreien  Zusammenarbeitens  beider 
Kategorien  von  behandelnden  Aerzten  allseitig  zugegeben,  dass  der 
beste  Damm,  den  man  gegen  das  Einreissen  eines  solch  gefährlichen 
Gebahrens  errichten  könne,  wie  es  die  Dichotomie  vorstellt,  die  Er¬ 
ziehung  des  Publikums  zu  einer  angemessenen  Bewertung  der  Arbeit 
des  die  Diagnose  und  Indikation  stellenden  Arztes  sein  werde. 

Unter  Berücksichtigung  einzelner  Bedenken  und  Anregungen,  die 
sich  auf  die  nähere  Durchführung  beziehen,  werden  als  Leitsätze  die 
von  Schwertfeiner  im  Namen  der  Vorstandschaft  formulierten 
Anträge  einstimmig  angenommen.  Sie  lauten: 


1.  Es  ist  den  Mitgliedern  des  Vereins  verboten,  für  Zuweisung  von 
1  atienten  eine  Entschädigung  zu  geben  oder  anzunehmen  (Dicho¬ 
tomie). 


2.  Der  zuweisende  Arzt  hat  für 
Patienten  selbst  Rechnung  zu  stellen. 


alle  seine  Bemühungen  dem 


Es  folgt  die  Beratung  der  Anträge  zum  Aerztetag.  Der  schon 
aiWu  besProclienie  Antrag  des  Bezirksvereins  Leipzig-Land  (betr.  die 
Ablehnung  der  unentgeltlichen  ärztlichen  Tätigkeit  bei  gemein- 
nutzigen  Unternehmungen)  wird  abgelehnt,  während  die  übrigen  An- 
ti age  (Kempten  bzw.  Düsseldorf :  Verhältnis  der  Aerzte  zu  den  Berufs- 
fTn®ss<rnschaften ;  Kissingen:  Verbot  der  Ausübung  der  Praxis  aus¬ 
ländischer  Aerzte;  Strassburg:  betr.  Revision  des  Abkommens  mit 
den  Unfallversicherungsgesellschaften;  Hessischer  Landesverein: 
betr.  Regelung  der  Aufnahme  von  auswärtigen  Standesvereins- 
mitgliedein  während  eines  schwebenden  ehrengerichtlichen  Ver- 
tabrens;  Hildesheim:  betr.  Regelung  des  Verhältnisses  der  Aerzte  zu 
den  Berufsgenossenschaften)  angenommen  wurden. 

Zu  Delegierten  zum  Aerztetag  wurden  gewählt  die  Herren 
k  e  hm,  Schneider,  Kerschensteiner  (Stellvertreter  U  h  1). 

Der  5.  Punkt  der  Tagesordnung  (Anträge  der  Etikettekommission) 
ward  der  vorgeschrittenen  Zeit  halber  bis  zur  nächsten  Sitzung 
zuruckgestellt. 

6  Mitglieder  werden  neu  aufgenommen. 

Schluss  der  Sitzung  11(4  Uhr.  Maas. 


Mai  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1183 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Kokain  als  Antidiarrhoikum. 

Zu  der  therapeutischen  Notiz  in  No.  18,  S.  1014  Ihrer  geschätzten 
'  .chenschrift  erlaube  ich  mir  folgende  Bemerkung: 

Ich  veröffentlichte  im  vorigen  Herbst  in  der  Setnaine  medicale 
( e  auf  Grund  klinischer  Beobachtung  und  physiologischer  Er- 
'  g ungen  ausgearbeitete  neue  Therapie  der  Diarrhöen,  die  sich  in 
,  illosen  Versuchen  mir  und  anderen  bewährt  hat.  Die  verwendete 
■  istanz  war  Kokain,  das  ich  anfangs  mit  Kodein  kombinierte,  seit- 
j  n  aber  allein  gebe,  auch  durch  Novokain,  Anüsthesin  und  andere 
ästhetika  mit  gleichem  Erfolg  ersetzt  habe. 

Eine  „nervöse  Grundlage"  haben  nicht  nur  die  (weitaus  meisten) 
I  rchfälle  (darunter  die  grosse  Mehrzahl  der  „Darmkatarrhe"), 
üdern  auch  die  normale  Stuhlentleerung,  nicht  minder  die  Ob- 

-  jation  —  es  gibt  eben  einen  gastrointestinalen  Reflexmechanismus. 
1'  Diarrhöen  entspringen  einem  (von  mir  aufgedeckten)  gastro- 
!  ischen  Reflex  und  die  Anästhetika  (zweifellos  wirkt  auch  das 
.  alin  als  solches,  s.  u.)  verhindern  das  Zustandekommen  der  reflex- 
, dösenden  Reizung  der  Magenschleimhaut  und  setzen  uns  so  in 
:uid.  ohne  die  Ernährungsschädigung  in  Kauf  zu  nehmen,  den 
deutlichen  Vorteil  der  Hungerkur  zu  bewahren,  nämlich  die  Unter- 
,,ekung  des  mit  der  Nahrungsaufnahme  verbundenen  Magenreizes. 

Warum  soll  denn  das  Adalin  besser  wirken,  als  das  viel  stärkere 
Vonal,  wenn  es  bloss  um  allgemeine  Nervenberuhigung  sich  handelt? 
(  enbar  darum,  weil  es  als  viel  rascher  wirkend  (Schlaf  nach  einer 
1  ben  Stunde),  zugleich  am  Ort  grösserer  Konzentration,  dem  Magen, 
:  isthesierend  wirkt.  Ich  verfüge  über  mehr  als  Hundert  durch  die 
i  asthesierung  der  Magenschleimhaut  geheilter  Fälle,  darunter  auch 
lylien.  Die  Anwendung  ist  ganz  einfach  —  10  Tropfen  einer  3  proz. 
Ikainlösung  (z.  B.  in  Aq.  menth.  pip.)  10  Minuten  vor  Tisch  mit 
cras  Wasser  genommen,  meist  nur  ein  paar  Tage  lang,  mit 
I  ibendem  Erfolg. 

Ich  empfehle  das  Mittel  dem  Gebrauch  der  Kollegen  und  bin 
i  :rzeugt,  dass  sie  und  die  Kranken  damit  zufrieden  sein  werden. 

Dr.  E.  F  u  1  d. 

Zur  Behandlung  der  Säuglingsfurunkulose 
l  pfiehlt  v.  H  a  r  r  i  e  h  a  u  se  n  -  Berlin  aufs  angelegentlichste  die 

-  tovakzination  (Ther.  Monatshefte  13,  2).  Das  Autovakzin 

I  st  sich  in  jedem  kleinen  Laboratorium  ohne  Schwierigkeit  her- 
sllen.  Die  Anfangsdosis  soll  10  Millionen  Kokken  betragen.  Man 
sigt  in  5  tägigen  Pausen  bis  zu  100  Millionen.  Irgendwelche  schäd- 
i  ie  Nebenwirkungen  wurden  nicht  beobachtet.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  26.  Mai  1913. 

—  In  der  Frage,  ob  das  vom  Berliner  Polizeipräsidium  erlassene 
)rbot  der  Ankündigung  von  Arzneimitteln,  deren 
Vkauf  den  Apotheken  Vorbehalten  ist,  auch  für  die  medizinische 
Ohpresse  Gültigkeit  habe  (d.  W.  No.  18,  S.  1015),  scheint  der  Amts- 
ivalt  beim  Kgl.  Amtsgericht  Berlin-Mitte  zu  der  Ueberzeugung  ge- 
5 innen  zu  sein,  dass  dies  nicht  der  Fall  sei.  Wie  er  dem  Verlag 
1  Münch.  med.  Wochenschr.  unterm  19.  ds.  mitteilt,  ist  das  gegen 
;  scn  „wegen  unbefugter  Anpreisung  von  Heilmitteln“  geführte 
v 'verfahren  eingestellt  worden.  Also  hat  der  gesunde  Menschen¬ 
hand  gesiegt.  (Gegenüber  einer  Bemerkung  in  No.  21  der  D.  med. 
^  erklären  wir  noch,  dass  das  Verfahren  gegen  uns  vom  Ber- 

e  r  Gericht  ausging  und  ausdrücklich  mit  der  Verbreitung  unseres 
ttes  in  Berlin  begründet  wurde,  sonst  auch  gar  nicht  zulässig 
ivesen  wäre.  In  München  besteht  keine  Verordnung,  auf  Grund 
I  en  diese  Belästigung  wissenschaftlicher  Blätter  möglich  gewesen 
re.) 

—  Zur  sog.  „Dichotomiefrag e“,  die  in  der  letzten  Zeit  die 
Gichener  Aerzteschaft  lebhaft  beschäftigt  (vergl.  auch  S.  1153  und 
-  1182  dieser  Nummer),  hat  der  Neue  Standesverein  Münchener 
Lzte  in  seiner  Sitzung  vom  20.  Mai  einstimmig  folgende  Beschlüsse 
lasst:  1.  Der  Neue  Standesverein  Münchener  Aerzte  steht  in  dieser 
•  ge  auf  dem  Boden  des  §  16  *)  der  Standesordnung.  2.  Dichotomie, 
weit  unter  diesem  Ausdruck  Teilung  des  Honorars  zwischen  dem 

:  reisenden  Arzt  und  dem  Operateur  (Gewährung  eines  Zuweisungs- 
cdes)  bezeichnet  werden  soll,  ist  als  standesunwiirdig  verboten. 

I  \us  der  Tatsache  einer  für  mehrere  Aerzte  gemeinsamen  Rech- 
i  gsstellung  ist  an  sich  ein  Vorwurf  nicht  abzuleiten.  4.  Die  Honorar- 
>räge  müssen  der  wirklich  geleisteten  ärztlichen  Tätigkeit  eni- 
'i  echen. 

—  Um  der  Einschleppung  des  Flecktyphus,  der  z.  Z. 
rjen  Balkanländern  herrscht,  vorzubeugen,  hat  die  bayerische  Re¬ 
gung,  im  Einvernehmen  mit  dem  Reichskanzler,  bis  auf  weiteres 
Lendes  bestimmt:  1.  Der  Uebertritt  von  Durchwanderern  aus  den 
ikanländern  über  die  bayerische  Auslandsgrenze  darf  nur  mit  Eisen- 
i  n  und  zwar  nur  auf  der  Strecke  Eger-Marktredwitz  erfolgen. 


*)  Der  §  16  der  Standesordnung  lautet:  Irgendwelchen  Personen 
u  Zwecke  der  Krankenüberweisung  Entgelt  oder  Vorteile  zu  bieten, 

ä  verboten. 


2.  Auf  dem  Bahnhof  in  Marktredwitz  findet  eine  ärztliche  Besichtigung 
der  Durchwanderer  aus  den  Balkanländern  sowie  die  Zurückhaltung 
und  Absonderung  der  Flcckfieberkranken  und  Fleckfieberverdächtigen 
statt.  Die  Durchwanderer  haben  den  zu  diesem  Zwecke  ergehenden 
Anordnungen  der  zuständigen  Beamten  Folge  zu  leisten.  3.  Zuwider¬ 
handlungen  werden  entsprechend  bestraft. 

—  In  München  wurde  am  19.  ds.  ein  Verein  zur  Grün¬ 
dung  und  Erhaltung  von  Heilerziehungsheimen  ins 
Leben  gerufen.  Psychopathisch  veranlagte  Kinder  von  Minderbe¬ 
mittelten  sollen  hier  eine  besondere  medizinisch-pädagogische  Er¬ 
ziehung  erhalten,  um  sie  für  den  Kampf  ums  Dasein  tauglich  zu 
machen  und  die  bürgerliche  Gesellschaft  vor  der  schweren  Gefahr  der 
Kriminalität  zu  bewahren. 

—  Aus  Wien  schreibt  man  uns:  ln  einer  jüngst  abgehaltenen 
Sitzung  der  Wiener  Aerztekammer  wurde  ein  Referat,  betitelt: 
„Stellungnahme  der  Wiener  Aerztekammer  zum  Kapitel  Zahlstock 
und  S  p  i  t  a  1  n  o  t“  erstattet,  welchem  eine  lebhafte  Debatte  folgte, 
an  der  sich  mehrere  Kammermitglieder  sowie  der  anwesende  Ver¬ 
treter  der  Statthalterein,  Dr.  Ritter  v.  H  e  1 1  y,  beteiligten.  Das 
Referat  gipfelte  in  folgenden  Thesen:  Die  Aerztekammer  fordert  zur 
Beseitigung  der  Spitalnot:  1.  Die  Lösung  der  Wiener  Spitalsfrage  durch 
energische  Initiative  der  Staatsverwaltung  im  Einvernehmen  mit 
dem  Lande  Niederösterreich  und  der  Gemeinde  Wien.  II.  Eine  der 
Zunahme  der  Bevölkerung  entsprechende  Vermehrung  der  Spitäler. 
III.  Die  behördliche  Regelung  der  Krankenaufnahme  und  Kranken¬ 
entlassung  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  wirtschaftlichen 
Lage  der  Patienten  (unverzüglicher  Abtransport  bemittelter,  ausser 
Gefahr  erklärter  Kranker  in  häusliche  Pflege  unter  Anwendung  der 
notwendigen  Kautelen  und  im  Einverständnisse  mit  dem  die  Nachbe¬ 
handlung  übernehmenden  Privatärzte).  IV.  Die  ausnahmslose  Durch¬ 
führung  des  Einklassensystems  in  allen  bestehenden  und  neuzu¬ 
gründenden  öffentlichen  Krankenhäusern,  id  est  die  Umwandlung  der 
Zahlzimmer  I.  und  II.  Klasse  in  Krankenzimmer  III.  Klasse.  V.  Die 
Gründung  billiger  Mittelstandssanatorien  mit  Statuten-  und  vertrags- 
mässig  garantierter  freier  Wahl  des  behandelnden  Arztes.  VI.  Die 
Gründung  von  Rekonvaleszenten-,  Siechenhäusern  und  Tuberkulose¬ 
heilstätten.  —  Dr.  M  o  h  i  1 1  a  brachte  über  Ersuchen  des  Primararztes 
des  städtischen  Jubiläumsspitales  des  Herrn  Dozenten  Dr.  Otto 
Mayer  zur  Kenntnis,  dass  das  Statut  über  die  Verwendung  der  im 
Jubiläumsspitale  errichteten  Zahlstockzimmer  an  die  Primarärzte 
dieses  Spitales  noch  nicht  herabgelangt  sei  und  dass  diese  Zimmer 
wahrscheinlich  ebenfalls  für  die  III.  Klasse  Verwendung  finden  wer¬ 
den.  Die  Primarärzte  des  Jubiläumsspitales  haben  die  Absicht,  nur 
in  vollem  Einverständnisse  mit  den  praktischen  Aerzten,  der  Wiener 
Aerztekammer  und  der  wirtschaftlichen  Organisation  Wiens  vorzu¬ 
gehen. 

—  Der  durch  die  Gründung  eines  ausgezeichneten  Instituts  für 
das  Studium,  die  Behandlung  und  die  Verhütung  der  Tuberkulose  be¬ 
kannte  Philanthrop  Henry  Phipps  in  New  York,  hat  die  Summe 
von  4  Millionen  Mark  gestiftet  für  den  Bau,  und  weitere  Mittel  für 
die  Unterhaltung  einer  psychiatrischen  Klinik  in  Balti- 
m  o  r  e.  Diese  Klinik,  die  in  Verbindung  mit  dem  Johns  Hopkins 
Hospital  steht,  ist  vor  kurzem  feierlich  eröffnet  worden. 

—  In  den  Anlagen  des  Haunerschen  Kinderspitals  in 
München,  der  jetzigen  Universitäts-Kinderklinik,  wurde  ein  G  e  de  n  k- 
b  r  u  n  n  e  n  mit  dem  Bronzerelief  des  Gründers  des  Spitals,  Prof. 
Dr.  W.  A.  v.  H  a  u  n  e  r,  durch  eine  Feier  eingeweiht.  Professor 
v.  Pfaundler  hielt  eine  Rede,  in  der  er  eine  Schilderung  der 
Entstehung  des  Hospitals  gab. 

—  Zum  Direktor  der  neuzuerbauenden  Städtischen  Kran¬ 
kenanstalt  Bremen  ist  ernannt  worden  Dr.  G.  S  t  r  u  b  e,  bis¬ 
her  dirigierender  Arzt  des  Vereinskrankenhauses  vom  Roten  Kreuz 
zu  Bremen. 

—  Der  Verein  deutscher  Aerzte  in  Oesterreich 
ist,  dem  Beispiel  vieler  nationaler  Vereine  folgend,  Mitglied  der  Ge¬ 
sellschaft  Burg  Persen  geworden  und  wird  sich  ein  Zimmer  als 
Ferienaufenthalt  für  seine  Mitglieder  ausbauen  lassen.  Die  im  Su- 
ganertal  (Südtirol)  herrlich  gelegene  Burg  wurde  in  den  letzten 
Jahren  von  einer  deutschnationalen  Gesellschaft  ausgebaut,  mit  Ka¬ 
nalisation,  Quellwasserleitung  und  elektrischem  Licht  versehen,  und 
bildet  jetzt  einen  empfehlenswerten  Aufenthalt  für  Erholungsbedürf¬ 
tige.  Eine  neue  gute  Fahrstrasse  für  Wagenverkehr  nach  der  Bahn¬ 
station  dürfte  in  etwa  3  Wochen  vollendet  sein. 

—  Medizinische  Fortbildungskurse  finden  am  All¬ 
gemeinen  Krankenhause  Eppendorf  in  Hamburg  in  der  Zeit  vom  14. 
bis  23.  Juli  1913  statt.  Diese  Kurse  stehen  im  Zusammenhänge  mit 
den  Akademischen  Ferienkursen  zu  Hamburg 
(24.  Juli  bis  5.  August  1913).  Es  finden  Vorlesungen  statt  über: 
1.  Die  praktisch  wichtigsten  Kapitel  der  Mykosenlehre.  2.  Tuber¬ 
kulose  und  Lungenkrankheiten.  3.  Die  Leprafrage.  4.  Infektions¬ 
krankheiten.  5.  Herzkrankheiten.  6.  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Strahlenforschung  und  -therapie.  Sowohl  während  der  Kurstage 
als  auch  eventuell  später  finden  vormittags  klinische  Visiten  und 
Uebungen  sowie  nachmittags  in  mehr  oder  weniger  grösserem 
Umfange  klinische  und  bakteriologische  Demonstrationen,  praktische 
Uebungen  usw.  nach  Verabredung  statt.  Ein  detailliertesPro- 
g  r  a  m  m  versendet  auf  Anfordern  kostenfrei :  Bureau  des  ärzt¬ 
lichen  Direktors,  Allgemeines  Krankenhaus  Ep¬ 
pendorf,  Hamburg  20. 

—  Der  III.  österreichische  Tuberkulosetag  findet 
in  Wien  am  Sonntag,  den  25.  Mai,  9  Uhr  vormittags  im  Haus  der 


1184 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


..Gesellschaft  der  Aerzte“  statt.  Die  Tagesordnung  ist:  1.  Der  Stand 
i  er  i  uberkulosebekampfung  in  Oesterreich  (Vorsitzender  Hans  Qraf 
na  rJiS  C  b  '  o  P’aKnose.ur]d  Klinik  der  kindlichen  Tuberkulose  (Prof. 

r.  Klemens  Frhr.  v.  P  i  r  q  u  e  t).  3.  Aufgaben  und  Bedeutung  der 
Fürsorge-  und  Auskunftsstellen  (Dr.  Erich  ß  r  u  c  k  -  Breslau). 
.  I  uberkulose  und  Beruf  (Dr.  Oskar  R.  v.  Wunschheim,  Privat¬ 
dozent  Dr.  Ludwig  1  e  1  e  k  y).  5.  Freie  Vorträge. 

~  S1  b-,°  ^  f„r  a'  irdisch  Ostindien.  In  Moulmein  in  der  Zeit 
vom  9.  bis  29.  Marz  4  Todesfälle.  —  Honkong.  Vom  23.  bis  29  März 
erkrankten  und  starben  in  der  Stadt  Viktoria  5  Personen  an  der 
Cholera. 

—  Pest  Aegypten.  Vom  26.  April  bis  2.  Mai  erkrankten  13 
und  starben  13  Personen  an  der  Pest.  —  Britisch  Ostindien.  In  den 
Xleri,  ,Än  vlom  23‘  Miirz  bis  19-  APril  erkrankten  14  394  +  13  814 
I1  , ,  c,fj  ,i2081’,  im  ganzen  54479  Personen,  und  starben  12374 
07  8  12460  +  10  55Ü  Personen  an  der  Pest.  —  Honkong.  Vom 

u '•  V'l-  "^arz  >n  der  Kolonie  3  tödlich  verlaufene  Erkrankungen 
bei  Chinesen,  davon  2  in  der  Stadt  Viktoria.  —  Mauritius.  Vom 
7.  Marz  bis  3.  April  7  Erkrankungen  und  1  Todesfall. 

.  .Tln  der  19.  Jahreswoche,  vom  4.— 10.  Mai  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Beuthen  mit  24,0,  die  geringste  Berlin-Steglitz  mit  6,0  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestor¬ 
benen  starb  an  Scharlach  in  Berlin-Lichterfelde,  Bottrop,  Frank- 
turt  a.  0.,  an  Masern  und  Röteln  in  Berlin-Wilmersdorf,  Zwickau,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin-Lichterfelde,  Buer,  Spandau,  an  Unter¬ 
leibstyphus  in  Worms,  an  Keuchhusten  in  Worms.  V.  d.  K.  G.-A. 
(Hochschulnachrichten.) 

Giesse  n.  Geh.  Reg.-Rat  Dr.  D  i  e  t  z  -  Darmstadt  wurde  von 
der  medizinischen  Fakultät  Giessen  für  seine  Verdienste  um  die  Ent¬ 
stehung  der  Lupusheilstätte  zum  Doctor  tned.  hon.  caus.  promoviert. 

Halle  a  S.  Der  Direktor  des  Physiologischen  Institutes,  Prof! 

.•  Abderhalden,  ist  von  der  Wiener  medizinischen  Fakultät 
umco  loco  für  die  Nachfolge  von  Prof.  Ludwig  als  Ordinarius  der 
physiologischen  Chemie  vorgeschlagen  worden. 

Würzburg.  Der  Augenarzt  Dr.  J.  Schneider  in  Mil¬ 
waukee  hat  der  Stiftung  von  100  000  M.,  die  er  vor  einem  Jahre 
fr1  -i  \?7rstützung  armer  weiblicher  Augenkranker  der  Universitäts¬ 
klinik  Wurzburg  uberwies,  neuerdings  10  000  M.  hinzugefügt.  Es 
wurde  ihm  die  goldene  Universitätsehrenmünze  verliehen.  —  Für  die 
Bearbeitung  der  diesjährigen  Preisaufgabe  „Kritik  der  V  i  r  c  h  o  w  - 
sehen  Lehre  vom  Ikterus“  erhielten  cand.  med.  S.  Esch  w  ege 
und  cand.  med.  O.  Dzialowski  den  Preis  zuerkannt.  Die  neue 
Preisaufgabe  lautet:  „Klinische  und  experimentelle  Beiträge  zur  Kritik 
der  modernen  Theorie  von  der  Bedeutung  des  Nervensystems  für  die 
Entstehung  des  Magengeschwürs.“ 

Florenz.  Habilitiert:  Dr.  F.  Azzurrini  (pathologische 


und  Dr  M.  Pa  na  (allgemeine 


Anatomie);  Dr..  G.  Crescenzi 
Chirurgie). 

G  r  a  z.  Dr.  H  P  f  e  i  f  f  e  r,  a.  o.  Prof,  der  gerichtlichen  Medizin, 
wurde  zum  a.  o.  Prof,  der  pathologischen  Anatomie  ernannt. 

Le  m  b  e  i  g.  Dr.  A.  Cienszynski  -  München  wurde  zum 
a.  o.  Professor  der  Zahnheilkunde  ernannt. 

Liverpool.  Dr.  \\ .  I helwall  1  homas  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  der  Chirurgie  ernannt. 

Lon  do  n.  Prof  Dr.  Eugen  Holländer  in  Berlin  wurde  zum 
korrespondierenden  Mitglied  der  Royal  Society  of  Medicine  ernannt. 
Mode  n  a.  Habilitiert :  Dr.  C.  G  a  z  z  e  1 1  i  für  Pharmakologie. 
N  e  a  p  e  1  Habilitiert:  Dr.  F.Franz  i,  Dr.  M.  L  o  R  c  und  Dr. 
u.  Radice  für  Kinderheilkunde. 

P  a  1  e  r  m  o.  Habilitiert :  Dr.  G.  Maggiore  für  innere  Medizin. 

,  fl1?.-*  Habilitiert:  Dr.  F.  Ravenna,  Privatdozent  an  der 
tned.  Fakultät  zu  Pisa,  für  innere  Medizin. 

tomie  a  V  *  a  Habilitiert :  Dr.  A.  V  i  s  e  n  t  i  n  i  für  pathologische  Ana¬ 
logie^  * S  3  habilitiert:  Dr.  G.  Sorbi  für  Geburtshilfe  und  Gynäko- 

/.  R°m.  Habilitiert;  Dr.  G.  Marchesi  und  Dr.  C.  Ortal 
(innere  Pathologie);  Dr.  C.  Colucci  (Augenheilkunde):  U.  Tor- 
nVi1  igto-Rtono-Uryngologie);  Dr.  E.  Luisada  (Physiotherapie); 
Dr  L.  P  i  a  z  z  o  (Geschichte  der  Medizin);  Dr.  A.  Splendore  Pri¬ 
vatdozent  an  der  med.  Fakultät  Parma,  für  Bakteriologie. 

;  11 1  *  n*  Habilitiert;  Dr.  L.  Lat  t  es  für  gerichtliche  Medizin 
(Todesfälle.) 

Klinik5  in  Pest'  K  °  r  ä  11  y  ’’  ehemal'K«r  Professor  der  medizinischen 

R['TP?‘  früher  Professor  der  Laryngologie  am 

Cornell  Umversity  Medical  College  zu  NewYork. 


Korrespondenz. 

Vereinigung  deutscher  und  russischer  Kur-  und  Badeärzte. 

An  sämtliche  Aerzte  der  deutschen  Kur-  und  Badeorte  ist  vor 
kurzem  folgendes  Schriftstück  gesandt  worden:  „Wir  fordern  Sic 
“  ergebenst  auf,  der  Vereinigung  deutscher  und  russischer  Kur- 
rip?  J3ad?a.rzte  ‘P  Berlin  als  Mitglied  beizutreten.  Der  Hauptzweck 
der  Vereinigung  ist  die  Wahrung  gemeinschaftlicher  Interessen,  insbe- 
sondere  Pflege  kollegialer  Beziehungen,  gegenseitige  Unterstützung 
in  der  ärztlichen  Fortbildung  u.  dergl.  mehr.  Das  Vereinsorgan. 


welches  2  mal  monatlich  in  deutscher  und  russischer  Sprache  ci 
scheinen  wird,  wird  den  Mitgliedern  gratis  zugestellt.  Mitgliedei 
beitrag  ist  auf  M.  20.—  jährlich  festgesetzt  und  an  die  Geschäftsstell 
des  Vereins,  Berlin  NW.  7.  Friedrichstrasse  150  (Fa.  Wer  rin  an 
&.  Herrmann,  G.  m.  b.  H.)  zu  senden,  welche  Ihnen  die  Mitglied 
karte  samt  den  Statuten  zustellen  wird.  Hochachtungsvoll  Ver 
einigung  deutscher  und  russischer  Kur-  und  Badeärzte  E.  V  De 
n  °rs,ltzeP.de  Dr-  rned-  Hermann  Maye  r,  als  Stellvertreter  Dr  me 
Nikolai  Cah  n,  der  Schriftführer  Dr.  med.  Alexander  Guttmar! 
sämtlich  Berlin. 

Was  die  Unterzeichner  des  Aufrufs  betrifft,  so  ist  zunächst  / 
konstatieren,  dass  zwei  dieser  Namen  sich  in  keinem  Verzeichn! 
deutscher  Aerzte  finden.  Es  handelt  sich  also  nicht  um  deutsch, 
Aerzte  sondern  um  zu  Unrecht  in  Deutschland  praktizierende  aus 
ländische  Aerzte,  deren  Zahl  in  letzter  Zeit  immer  mehr  überham 
mmmt,  und  die  besonders  Berlin  und  unsere  grossen  Badeorte  ah 
Feld  ihrer  1  ätigkeit  wählen.  Jetzt  ist  es  schon  so  weit  gekommen 
dass  die  Herren  die  Gründung  eines  eigenen  Vereins  für  angezeie 
halten,  bei  der  sie  sich  durch  Werbung  deutscher  Aerzte  als  Mitglieds 
den  Rücken  zu  decken  suchen. 

Nach  allem,  was  wir  über  diesen  Verein  bisher  in  Erfahrung  ge 
bracht  haben,  müssen  wir  den  deutschen  Kollegen  abraten,  demselber 
beizutreten,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  In  einer  Reihe  von  Fnl 
len  hat  sich  der  Verein  geweigert,  seine  Statuten  vor  Zahlunc 
d  e  s  B  e  itragsvonM.  20.—  zur  Einsicht  zu  überlassen  und  mutei 
damit  deutschen  Aerzten  zu.  bedingungslos  einem  Verein  beizutreten 
ohne  zu  wissen,  welche  Pflichten  sie  damit  übernehmen.  Dies  lässt 
darauf  schliessen,  dass  die  Zwecke  des  Vereins  möglichst  verschleiert 
werden  sollen.  Einen  Einblick  in  das  Geschäftsgebaren  jener  mit 
uem  Verein  Inerten  Firma  gewährt  der  Umstand,  dass  dieselbe  in 
einem  uns  verbürgten  Falle  einem  deutschen  Badearzt  grossmiitP 
versprach,  dass  er  durch  seinen  Eintritt  in  den  Verein  durch  Zu* 
Weisung  zahlreicher  russischer  Patienten  belohnt  werden  würde 
Diese  Art,  an  deutsche  Aerzte  heranzugehen,  erinnert  lebhaft  an  Vor¬ 
gänge,  die  bei  einer  früheren  Gründung  eines  deutsch-russischen 
Aerztevereins  lange  Zeit  die  Oeffentlichkeit  in  unliebsamster  Weise 
beschäftigt  haben.  Die  enge  Geschäftsverbindung  des  Vereins  mit 
einer  Firma  von  solchen  Gepflogenheiten  wirft  u.  E.  auf  diesen  kein 
gutes  Licht. 

Noch  aus  einem  dritten  Grunde  glauben  wir  die  deutschen  Kol- 
legen  vor  der  neuen  Vereinigung  warnen  zu  müssen.  Es  dürfte  für 
deutsche  Aerzte  kaum  standesgemäss  sein  und  würde  von  jedem 
ärztlichen  Ehrengericht  verurteilt  werden,  mit  Leuten  ein  und  dem- 
selben  Verein  anzugehören,  die  in  unseren  Augen  und  vor  dem  Ge¬ 
setz  als  Kurpfuscher  gelten. 

Für  uns  ist  die  Gründung  der  neuen  Vereinigung  insofern  von 
Interesse,  als  sie  uns  ein  erneuter  Ansporn  ist,  in  unseren  Bemühungen 
nicht  zu  erlahmen,  die  die  Niederlassung  ausländischer  Aerzte  in 
Deutschland  ohne  Approbation  unmöglich  machen  sollen.  Es  wäre 
uns  sehr  erwünscht,  wenn  uns  Kollegen,  die  dazu  in  der  Lage  sind 
ihre  Erfahrungen  mit  diesem  Verein  oder  anderen  unliebsamen  Neben 
erschemungen  .der  russischen  Fremdenindustrie  mitteilen  würden. 

Der  Aerztliche  Bezirksverein  Bad  Kissingen. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  Mönchen 

während  der  19.  Jahreswoche  vom  4.  bis  10.  Mai  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs- 
fehler  11  (91),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  4  (8),  Kindbettfieber  1  (-), 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1),  Scharlach  —  (1), 
Masern  u.  Röteln  -  (-),  Diphtherie  u.  Krupp  2  (-),  Keuchhusten  -  (4), 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —(—),  akut.  Gelenkrheumatismus- (-), 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut, 
Tnchinenkrankh.  -  (-),  Rose  (Erysipel)  1  (2,.  Starrkrampf  -  (1), 
Blutvergiftung  3  (— ),  Tuberkul.  der  Lungen  21  (17),  Tuberkul.  and.  Org. 
(auch  Skrofulöse)  5  (8),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  1  (2),  Lungen- 
entzund.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  12  (18),  Influenza  1  (— ),  veneri¬ 
sche  Krankh.  2  (1),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber, 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel- 
fieber  usw.  — (1),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (2),  Alkoholis- 
*PUAS  1  v  )>  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  6  (6),  sonst.  Krankh. 
d.  Atmungsorgane  2  (1),  organ.  Herzleiden  18  (19),  Herzschlag,  Herz- 
l/Ü^UHg  (obne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  2  (3),  Arterienverkalkung 
4  (4)  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  2  (2),  Gehirnschlag  4  (9), 
Geisteskrankh.  1  (3),  Krämpfe  d.  Kinder  1  (3),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven¬ 
systems  5  (5),  Atrophie  der  Kinder  —  (6),  Brechdurchfall  1  ( — ),  Magen* 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  12  (11),  Blinddarm- 
?.n  zunf:'  (  )>  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
Milz  3  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (5),  Nierenentzünd.  4  (3), 

M°nit'i^rankhVdV1^arTr'  u;  Qeschlechtsorg.  —  (1),  Krebs  13  (13),  sonst. 
Neubildungen  6  (4),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  (2),  Krankh.  der 
Bewegungsorgane  1  (1),  Selbstmord  4  (— ),  Mord,  Totschlag,  auch 
Hinncht.  1  (— ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  -(6), 
and.  benannte  Todesursachen  3  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  167  (186). 

)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  j.  F.  Lehmann  In  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdrucke™!  A.O.,  Münchel 


DU  München«  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  -f  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
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MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  : 

Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8 1  Uhr. 
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Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Wo.  22.  3.  Juni  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  kgl.  dermatologischen  Klinik  zu  Breslau 
(Direktor:  Geheimrat  Prof.  Dr.  N  e  i  s  s  e  r). 

Jeber  die  diagnostische  und  therapeutische  Verwert¬ 
barkeit  intravenöser  Arthigoninjektionen. 

Von  Prof.  Dr.  C.  Bruck  und  Dr.  A.  Sommer. 

Seitdem  der  eine  von  uns  (Bruck)  im  Jahre  1909  über 
iie  spezifische  Behandlung  gonorrhoischer  Prozesse  mit  Hilfe 
les  von  ihm  angegebenen  und  von  der  chemischen  Fabrik 
/orm.  Schering,  Berlin  N.  39,  hergestellten  polyvalenten  Gono- 
tokkenvakzins  Arthigon  berichtet  hat,  ist  über  die  Vakzin- 
lehandlung  der  Gonorrhöe  und  ihrer  Komplikationen  eine 
janze  Literatur  entstanden.  Zum  grössten  Teil  ist  in  diesen 
\rbeiten  das  Arthigon  geprüft  worden,  zum  Teil  wurden 
ruch  andere  Vakzinpräparate  verwendet.  Von  beinahe  allen 
\utoren  wird  übereinstimmend  der  unverkennbar  günstige 
Einfluss  der  Behandlung  bei  den  meisten  Epididymitis- 
ind  Arthritis  fällen  angegebenen;  über  den  Erfolg  bei 
3  r  o  s  t  a  t  i  t  i  s,  Vulvovaginitis  und  Zervikal- 
tonorrhöe  sind  die  Meinungen  geteilt  —  positiven 
Resultaten  stehen  ungefähr  gleichviel  negative  gegenüber  — 
md  bei  einfachen  unkomplizierten  Urethral  blennorrhöen 
vurde  entsprechend  den  ersten  Angaben  Brucks  eine 
vVirskamkeit  der  Vakzininjektion  nicht  beobachtet.  Nur 
/ereinzelte  Autoren  wollen  auch  hier  Erfolge  gesehen  haben. 

Die  Einspritzungen  wurden,  soweit  wir  sehen,  sämtlich 
ntramuskulär  vorgenommen.  Viele  injizieren  nach  der 
Forschrift  Brucks  bei  Fieber  nicht,  andere  haben  auch 
iei  fiebernden  Patienten  mit  gutem  Erfolge  injiziert  und  sogar 
:ine  entfiebernde  Wirkung  festgestellt. 

Ein  Schaden  wurde  durch  die  Vakzininjektionen  nie 
leobachtet  und  so  dürften  wohl  fast  alle  Autoren,  die  sich  mit 
iieser  Frage  befassten,  der  Ansicht  sein,  dass  die  V  a  k  - 
:intherapie  bei  Epididymitis  und  Arthritis 
ton.  den  anderen  Methoden  überlegen  ist,  und 
lass  sie  bei  den  übrigen  Komplikationen  als 
i  n  s  c  h  ä  d  1  i  c  h  e  s  Mittel  zum  mindesten  ver- 
■  ucht  oder  a  1  s  U  n  t  e  r  s  t  ü  t  z  u  n  g  der  sonstigen 
Jehandlung  herangezogen  werden  sollte. 

Ueber  die  Verwertbarkeit  der  Vakzininjektionen  für  die 
Diagnose  sind  jedoch  die  Meinungen  noch  sehr  geteilt, 
'war  wurden  die  zuerst  von  Bruck  konstatierten  Herd¬ 
eaktionen  bei  Epididymitis  und  Arthritis  von  fast  allen 
Autoren  gesehen,  zwar  wurden  auch  bei  weiblichen  Adnex- 
■rkrankungen  Lokalsymptome  nach  Vakzininjektionen  be- 
ibachtet  und  diesen  Herdreaktionen  eine  diagnostische  Be¬ 
legung  beigemessen,  eine  Regelmässigkeit  im  Auf- 
reten  dieser  Erscheinungen  wurde  jedoch  nicht  gefunden 
ind  so  dürfte  die  praktische  Verwertbarkeit  dieser  sich  zudem 
neist  nur  auf  subjektive  Symptome  (erhöhte  Schmerzen  im 
(rankheitsherd)  gründenden  diagnostischen  Methode  nur  eine 
leschränkte  sein. 

Was  die  diagnostische  Verwertung  der  nach  intra- 
nuskulären  Vakzininjektionen  eintretenden  Temperatur- 
.teigerungen  anbetrifft,  so  steht  die  grosse  Mehrzahl  der 
Autoren  auf  dem  Standpunkt,  dass  eine  gewisse  Spezifität  der 
'"ieberreaktionen  nicht  zu  verkennen  ist,  sofern  man  nur 
löhere  Temperaturunterschiede  berücksichtigt.  Allerdings 
ind  die  Reaktionen  auch  bei  sicheren  gonorrhoischen  Pro- 
:essen  unregelmässig  oder  aber  sie  fehlen  ganz,  so  dass  die 
iraktische  Verwertbarkeit  auch  dieser  Methode  auf  Schwierig- 
ceiten  stossen  dürfte. 

No.  22. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Zusammenfassend  können  wir  sagen : 

Nach  unseren  —  und  der  meisten  Autoren  —  Erfahrungen 
steht  die  Vakzinfrage  und  speziell  die  Frage  der  Verwendbar¬ 
keit  des  spezifischen  polyvalenten  Gonokokkenvakzins 
Arthigon  heute  so: 

Therapeutisch:  Günstige  Resultate  bei  Epi¬ 
didymitis  und  Arthritis. 

Schwankende  aber  ermutigende  Resultate 
bei  Prostatitis,  Vulvovaginitis  und  Zervikal- 
gonorrhöe. 

Negative  Resultate  bei  Urethralblennorrhöe. 

In  jedem  Falle  vollkommene  Unschädlichkeit. 

Diagnostisch:  Lokalreaktionen  an  der  Injektions¬ 
stelle  (Schmerzen  etc.)  sind  nicht  beweisend. 

Herd  reaktionen  sind  dort,  w  o  sie  auftreten,  verwertbar, 
Fehlen  derselben  spricht  keinesfalls  gegen  einen 
gonorrhoischen  Prozess. 

Temperatursteigerungen  nach  intramuskulären 
Injektionen  sind  sehr  unsicher. 

In  Anbetracht  dieser  mit  den  bisher  üblichen  intra¬ 
muskulären  Arthigon  injektionen  erzielten  Resultate 
folgten  wir  mit  grossem  Interesse  einer  Anregung  des  Herrn 
Geheimrats  N  e  i  s  s  e  r,  die  intramuskuläre  Behandlung  durch 
die  intravenöse  zu  ersetzen.  Die  Resultate,  die  wir  mit 
dieser  Methode  bisher  hatten,  sind  nun  derartig  gün¬ 
stige  und  sowohl  in  diagnostischer  als  thera¬ 
peutischer  Beziehung  zum  Teil  so  verblüffende,  dass  wir, 
obwohl  wir  bisher  unsere  Erfahrungen  nur  an  ca.  60  Fällen 
sammeln  konnten,  nicht  zögern  möchten,  über  dieselben  kurz 
zu  berichten.  Eine  ausführliche  Publikation,  die  auch  die  oben 
angedeuteten  bisherigen  in  der  Literatur  niedergelegten  Re¬ 
sultate  berücksichtigen  soll,  wird  in  kurzem  durch  Sommer 
erfolgen. 

A.  Diagnostische  Anwendung  intravenöser 
Arthigoninjektionen. 

Methode:  Die  zu  injizierende  Arthigonmenge 
wird  nach  gutem  Aufschütteln  des  Fläschchens  abpipettiert 
und  mit  steriler  physiologischer  Kochsalzlösung  oder  abge¬ 
kochtem  Leitungswasser  auf  0,5  ccm  verdünnt.  Stauung  der 
Kubitalvene  mittels  Gummibinde.  Injektion  mit  Pravazspritze. 
Die  Injektion  wird  morgens  gemacht;  Patient  bleibt  im  Bett 
und  wird  stündlich  gemessen.  Die  Reaktion  beginnt  häufig 
schon  lA  Stunde  nach  der  Einspritzung  mit  einem  leichten 
Schüttelfrost,  die  Temperatur  steigt  schnell  an,  häufig  Kopf¬ 
schmerz,  seltener  Uebelkeit  und  Brechreiz,  dann  erfolgt 
Schweissausbruch  und  Temperaturabfall.  In  den  meisten 
Fällen  fühlt  sich  der  Patient  abends  schon  wieder  sehr  wohl, 
seltener  hält  die  Temperaturerhöhung  noch  am  zweiten  Tage 
an.  Noch  seltener  erfolgt  die  ganze  Reaktion  verspätet  am 
zweiten  Tage.  Doch  empfiehlt  es  sich,  Patienten,  die  nicht 
reagiert  haben,  noch  am  zweiten  Tage  im  Bett  zu  lassen  und 
die  Temperatur  zu  kontrollieren. 

In  häufigen  Fällen  —  und  besonders  denen,  bei  denen  der 
therapeutische  Effekt  ein  besonders  eklatanter  ist  —  verläuft 
die  Reaktion  so,  dass  am  ersten  Tage  die  Temperatur  rasch 
ein  Maximum  erreicht,  dann  um  ca.  1  Grad  oder  bis  zur  Norm 
absinkt  und  nun  noch  im  Verlaufe  des  ersten,  spätestens  am 
zweiten  Tage  nochmals  ansteigt.  Wir  werden  diese  Form 
der  Reaktion  als  „Doppelzacke“  besonders  kennzeichnen. 

Wir  begannen  die  diagnostischen  Injektionen  zuerst  mit 
einer  Dosis  von  0,5  Arthigon,  aber  mit  dem  Erfolg,  dass  hier¬ 
bei  nicht  nur  Gonorrhoiker,  sondern  auch  Nicht- 
gonorrhoiker  mit  hohen  Temperatursteigerungen  reagierten. 

1 


1186 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Wir  gingen  deshalb  mit  der  Dose  herunter  und  wählten  für 
die  nun  folgenden  Untersuchungen  die  Dosis  von  0,1  Arthi- 
g  o  n  für  Männer. 

Männer.*) 


Diagnose 


g  j  Temperatur- 
sl  erhöhungnmGradl 


Bemerknngen 


1.  Ant.  0,1 

2.  Ant.  0,1 

3.  Ant.  0,1 

4.  Ant.  j  0,1 

5.  Ant.  -f"  Infiltr.  0,1 

6.  do.  0,1 


7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

20. 
21. 

22. 

23. 

24. 


Ant.  -f~  Post. 
Ant.  -j-  Post. 
Prost, 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 

do. 

do. 

do. 

Ant.  4"  Prost.  ? 
Ant.  -)-  Post. 
+  Ep. 
do. 
do. 

Ant.  4*  Arthr, 


25.  do. 


26. 


do. 


0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1' 

0,1 

°,! 

0.1 
0,1 
0,1 
0,1 
0,1 1 

0,2 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 


2,0 

2,1 

0,7  Doppelzacke 
1,6 

2.1  Doppelzacke 
1,6 

1,6 

2.2 

3,0  Doppelzacke 

3.5  ‘  „ 

2.5 
1,8 

2,0  Doppelzacke 
2,2 

2.7 

1.3 

3,0 

2.6 

3,0  Doppelzacke 

2.3 

2.8  Doppelzacke 

2,3 

2.3 

2.4  Doppelzacke 

3.1 

2.2 


„Unsichere“  Fälle: 


27.  Drethr.  chron. 
Prost.  ? 


28. 


Prostatitis 

chron. 


0,1 


0,1 


1,4 


2,3 


Inf.  Tor  14  Tagen;  nnbehand.  Gc.  4-  + 
Inf.  vor  5  Monaten;  viel  behänd.  Gc.  -j- 
Inf.  vor  4  Monaten;  behänd.  Gc.  — 
Inf.  vor  3  Wochen;  unbehandelt 
Inf.  vor  4* 1 */s  Wochen.  Gc.  + 

Inf.  vor  3  Monaten.  Gc.  H — f-.  Bereits 
intramusk.  mit  Arthigon  vorbehand. 
Ambulante  Messung 
Inf.  vor  5  Wochen.  Gc.  — |- 

do.  do. 

Inf.  vor  6  Monaten.  Gc.  -f 
Inf.  vor  5‘/2  Wochen.  Gc.  +  + 

do.  Gc.  + 

Inf.  unbekannt.  Gc.  4 — (- 

Inf.  vor  mehreren  Monaten.  Gc.  4 — F 

Inf.  vor  7  Monaten.  Gc.  + 

Schon  mit  Arthigon  vorbehandelt,  reag. 

auf  0,5  um  3,2  Grad 
Inf.  vor  14  Tag.  Post.  u.  Prost,  seit  4  Tag. 
Inf.  vor  5  Wochen.  Prost,  seit  4  Tagen. 
Inf.  vor  2  Monaten.  Gc.  H — k 
Inf.  vor  3  Wochen;  behänd.  Gc.  jetzt  neg. 
Herdreaktion.  Inf.  vor  2  Wochen.  Ep. 

seit  2  Tagen.  Gc,  4 — h 
Inf.  vor  5  Woch.  Ep.  seit  1  Tag.  Gc.  -f- 
Inf.  vor  5  Woch.  Ep.  seit  2  Woch.  Gc.  4*4~ 
Herdreaktion.  Inf.  vor  5  Wochen.  Arthr. 

seit  1  Tag.  Gc.  4 — f- 
Herdreaktion.  Inf.  vor  4  Woch.  Arthr. 
seit  2  Wochen.  Gc.  4-4- 
Herdreaktion.  Inf.  vor  41/*  Mon.  Arthr. 
seit  3  Mon. 


Klagen  über  Prostatabeschwerden.  Von  In¬ 
fektion  nichts  bekannt.  Gc.  nie  zu 
finden.  —  KinddesPat.  wirdan 
Blennorrh.  neonat,  behänd. 

Inf.  unbekannt.  Prost,  geschwollen,  druck¬ 
empfindlich.  Nach  8  maliger  negativer 
l’ntersuchg.  des  Prostatasekrets  im 
9.  Präput.  sichere  Gonokokken 


Kontrollf  älle 

(Männer,  die  nie  Gonorrhöe  gehabt  zu  haben  angaben). 


Diagnose 


Dose 


Reaktion 
in  Grad 


Bemerkungen 


1.  Phimose 

2.  Psoriasis 

3.  Ulcus  cruris 

4.  Ekzem 

5.  Lupus  . 

6.  Ekzem 

7.  Psoriasis 

8.  Seb.  Ekzen 

9.  Ekzem  . 

10.  Sykosis  . 

11.  Psoriasis 

12.  Phimose  . 

13.  Psoriasis 

14.  Psoriasis 

15.  Pruritus 

16.  Lues  . 

17.  Sykosis 

18.  Lues  . 

19.  Lues  . 


0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 


0,5 

1,3 

1,1 

0,2 

0,4 

0,8 

0,8 

0,8 

0,6 

0,5 

1,1 

0,7 

1,9 

0,2 

1,2 

0,4 

1,0 

0,4 

0,3 


Keine  klinischen  und 
bakteriologischen 
Anzeichen  für 
Gonorrhöe. 


..  ^ ir  sehen  also,  dass  18  Männer,  die  angaben,  nie  Gonor- 
1  V36»  gfiabt  Zl]  häben,  auf  eine  intravenöse  Injektion  von 
,  Arthigon  mit  Temperaturerhöhungen  von  mindesten  0,2, 
höchstens  1,3  Grad  reagierten.  (Hierbei  muss  bemerkt 
werden,  dass  es  sich  in  Fall  2  [Reaktion  1,3  Grad]  um  einen 

p  ,  LAiib^r  zungen:  Ant.  =  Urethr.  gonorrhoica  anterior. 

1  ost.  _  Urethr.  gonorrhoica  posterior.  Prost.  =  Prostatitis  gonor- 

Ä3'  '? ', £••,•=  Infil,ra‘-  EP-  =  Epididymitis  gonorrhoS. 

Arthr.  =  Arthritis  gonorrhoica.  Gc.  =  Gonokokken. 


No.  22. 

1  schwächlichen  16  jährigen  Jüngling  handelte,  für  den  mög¬ 
licherweise  die  diagnostische  Dose  von  0,1  zu  hoch  war-  siehe 
die  Reaktion  bei  Frauen.)  Nur  ein  Fall  (No.  13)  reagierte  um 
1,9  Grad.  Ob  der  Grund  auch  hier  in  dem  jugendlichen  Alter 
des  Patienten  zu  suchen  ist,  oder  zufällige  Ursachen  Vorlagen 
lässt  sich  nicht  ermitteln.  Bei  einer  zweiten  Injektion  reagierte 
der  Patient  nur  um  wenige  Dezigrade. 

Von  den  28  Männern  mit  noch  bestehenden  gonorrhoischen 
Prozessen  können  zunächst  Fall  6  und  16,  die  schon  mit  Arthi¬ 
gon  v  0  r  der  diagnostischen  Prüfung  behandelt  worden  waren, 
nicht  als  beweisend  angesehen  werden,  denn  es  ist  schon  bei 
der  intramuskulären  Arthigonbehandlung  häufig  zu  beobachten 
dass  die  Reaktionsfähigkeit  bei  wiederholten  Injektionen  nach- 
zulassen  pflegt.  (Immunisierung.)  Trotzdem  reagierten  auch 
diese  beiden  Fälle  immer  noch  höher  als  die  normalen.  Von 
den  übrigen  Gonorrhoikern  reagierte  eine  unkomplizierte 
Anterior,  die  bereits  lokal  behandelt  worden  war  und  bei  der 
zur  Zeit  der  Prüfung  die  Gonokokken  schon  längere  Zeit  ver¬ 
schwunden  waren,  mit  einem  Anstieg  von  nur  0,7  Grad,  zwei 
Patienten  mit  1,6,  einer  mit  1,8,  alle  übrigen  Patienten  mit  2.0 
und  mehr  bis  3,5.  Auch  sehen  wir  bei  12  der  26  verwertbaren 
Fälle  die  charakteristische  Doppelzacke. 

Nach  unseren  bisherigen  Resultaten  ist  also  der  Schluss 
gerechtfertigt: 

1.  Männer  mit  noch  bestehenden  gonorrhoischen  Pro¬ 
zessen  reagieren  auf  eine  intravenöse  Injektion  von 
0,1  Arthigon  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  mit  einer 
1  emperatursteigerung,  die  um  so  regelmässiger  und 
höher  einzutreten  scheint,  je  mehr  Komplikationen  der 
Krankheitsprozess  gesetzt  hat. 

2.  Männer,  die  nie  Gonorrhöe  hatten,  können  auf  0,1  Arthi¬ 
gon  mit  Temperaturausschlägen  antworten,  die  unter¬ 
halb  von  1,5  Grad  liegen. 

3.  Ausschläge  von  1,5  Grad  und  höher  dürften  spezifisch 
für  gonorrhoische  Prozesse  sein. 

Was  die  Frage  anbelangt,  ob  Männer  reagieren,  die  einmal 
Gonorrhöe  g  e  h  a  b  t  haben,  zur  Zeit  der  Prüfung  aber  klinisch 
und  bakteriologisch  als  gesund  angesehen  werden  müssen, 
so  haben  wir  hierüber  bisher  noch  nicht  genügende  Er¬ 
fahrungen  sammeln  können.  Bisher  haben  wir  nur  zwei 
Patienten  untersuchen  können,  die  zurzeit  nicht  gonorrhöe¬ 
leidend  sind  und  von  denen  der  eine  vor  drei,  der  andere  vor 
vier  Jahren  eine  gonorrhoische  Epididymitis  hatte.  Die  Re¬ 
aktion  war  bei  dem  einen  1,4,  bei  dem  anderen  1,6  Grad. 

Dass  eine  hohe  und  diagnostisch  sehr 
wertvolle  Spezifität  der  nach  intravenösen 
Arthigoninjektionen  folgenden  Temperatur¬ 
anstiege  vorhanden  ist,  dürfte  nach  dem  uns 
jetzt  bereits  vorliegenden  Material  klar  sein. 
Weitere  Untersuchungen  werden  lehren,  ob  vielleicht  bei  noch 
geringeren  Arthigondosen  (Männer  0,05)  die  Reaktion  bei  Nor¬ 
malen  vollkommen  ausbleiben  und  bei  Gonorrhoikern  der 
Ausschlag  immer  noch  stark  genug  sein  wird.  Wird  es  sich 
heraussteilen,  dass  durch  unsere  Reaktion  auch  Noch- 
gonorrhoische  von  gonorrhoisch  Gewesenen  gesondert 
werden  können,  so  ist  der  praktische  Wert  zur  Aufdeckung 
okkulter  und  fraglicher  gonorrhoischer  Prozesse  ohne  nach¬ 
weisbare  Gonokokken  (siehe  unsere  Fälle  27,  28)  für  die 
Frage  des  Heiratskonsenses  ohne  weiteres  ersichtlich. 

Erweist  sich  die  Reaktion  als  nur  verwertbar,  um  zwi¬ 
schen  ganz  Gesunden  einerseits  und  gonorrhoisch  Gewesenen 
oder  noch  Gonorrhöekranken  andererseits  zu  unterscheiden, 
so  wird  der  praktische  Wert  natürlich  nicht  so  gross  sein,  wie 
im  ersten  Falle,  immerhin  wird  sie  auch  dann  noch  in  vielen 
Fällen  zur  Diagnose,  besonders  aber  auch  in  forensischen 
Fragen  herangezogen  werden  können. 

Was  die  Verwertbarkeit  bei  Frauen  und  Kindern 
anbelangt,  so  haben  wir  bisher  erst  5  Fälle  prüfen  können. 
Das  eine  ist  bisher  sicher,  dass  bei  Dosen  von  0,1  auch  nicht 
gonorrhoische  Frauen  stark  reagieren  können  und  dass  daher 
hier  nur  Dosen  von  0,05  und  noch  weniger  angewendet 
werden  müssen,  um  spezifische  Ausschläge  zu  erzielen. 

Auf  den  Wert  dieser  Reaktion  für  die  Diagnose  von  ätio¬ 
logisch  fraglichen  Adnexerkrankungen  etc.  braucht  nur  hin¬ 
gewiesen  zu  werden. 


I.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Frauen. 


Diagnose 

<X> 

CO 

o 

Q 

Temperatur¬ 
erhöhung  um  Grad 

Bemerkungen 

Urethr.  -j-  Zervikalgonorrhöe 
Urethr.  +  Zerv.  -(-  Tendovag. 
Bartholin.  .... 

Zerv.  Perimetr.  .  . 

0,05 

0,05 

0,05 

0,1 

2,3  Doppelzacke 
2.2  „ 

3,0 

3,2 

ulvovag. 


Kinder. 


0,02 

1,2 

0,05 

1,8 

Wir  möchten  nur  noch  betonen,  dass  wir 
uc  h  nach  hohen  Reaktionen  weder  bei 
Jänner  n  noch  bei  Frauen  je  auch  nur  den  g  e  - 
ingstcn  Schaden,  sondern  im  Gegenteil  einen 
ehr  erheblichen  und  gleich  zu  besprechen- 
en  therapeutischen  Effekt  gesehen  haben. 


herapeu  tische  Wirkung  intravenöser  Ar¬ 
th  igoninjektionen. 

Methode:  Zunächst  wurde  0,1  injiziert.  Nach  Ablauf 
er  Reaktion  folgte  0,2,  wiederum  nach  ca.  3 — 4  Tagen  je  nach 
er  Höhe  der  voraufgegangenen  Reaktion  nochmals  dieselbe 
'ose  oder  0,3,  und  so  wurde  in  ca.  3  tägigen  Intervallen  unter 
eriicksichtigung  der  Temperaturkurve  bis  0,5  gestiegen, 
erdreaktionen  wurden  im  Anschluss  an  die  Behand- 
ing  nur  bei  Epididymitis  und  Arthritisfällen,  aber  nicht  regel- 
lässig  gesehen,  bei  sonstigen  gonorrhoischen  Prozessen  des 
lannes  konnten  Provokationen  nicht  beobachtet  werden.  Die 
emperaturreaktionen  waren  gewöhnlich  nach  den 
sten  Injektionen  stark,  nach  wiederholten  Einspritzungen 
-ssen  sie  in  einigen  Fällen  nach,  so  dass  zuweilen  Personen 
e  auf  0,1  noch  um  2—3°  reagiert  hatten,  schliesslich  auf 
osen  von  0,5  ohne  Reaktion  blieben  oder  nur  unerheblich 
■agierten.  Mehr  wie  6  Injektionen  mit  steigenden  Dosen 
urden  nur  ausnahmsweise  gegeben.  Es  zeigte  sich  —  ein 
mstand,  auf  den  Bruck  bereits  in  seiner  ersten  Arbeit  über 

onokokkenvakzinbehandlung  aufmerksam  gemacht  hat  _ , 

iss  der  therapeutische  Effekt  um  so  sicherer  und 
rösser  war,  je  kräftigere  Reaktionen  erfolgten 
ld  zwar  schienen  die  oben  beschriebenen  Doppelzacken  be- 
mders  wirksam  zu  sein.  Worauf  diese  Doppelzacken  be- 
ihen,  darüber  kann  man  natürlich  nur  Vermutungen  hegen. 

5  wäre  möglich,  dass  beim  Eintritt  des  Gonokokkenvakzins 
die  Blutbahn  sich  zunächst  die  Ueberempfindlichkeit  des 
anken  Organismus  gegenüber  Gonokokken  durch  den  ersten 
eberanstieg  äussert,  dass  es  im  Anschluss  daran  zu  einem 
it  Abtötung  von  Gonokokken  einhergehenden  therapeutischen 
Jekt  kommt,  und  dass  nun  diese  abgetöteten  Gonokokken 
■i  ihrer  Resorption  gewissermassen  als  zweite  Vakzindose 
irken  und  den  zweiten  Temperaturanstieg  veranlassen. 
Intravenös  behandelt  wurden  bisher  19  Fälle. 

Bei  den  Fällen  von  Epididymitis  und  Arthritis 
tsprach  der  Erfolg  den  nach  intramuskulären  Injektionen  ge¬ 
wehten  Erfahrungen,  nur  schien  uns  die  Wirkung  nach  den 
travenösen  Einspritzungen  noch  deutlicher  zu  sein, 
e  Nebenhoden-  und  Gelenkschwellungen  gingen  auffallend 
hnell,  meist  schon  nach  der  ersten  Injektion  zurück  und  nach 
weilen  auftretender  kurzer  Herdreaktion  erfolgte  durchweg 
■1  schnelles  Nachlassen  der  Schmerzen  in  den  erkrankten 
'-ganen.  In  einigen  Fällen  wurde  auch  trotz  bestehen- 
,;n  Fiebers  injiziert,  ein  Verfahren,  das  wir  trotz  anfäng- 
Iher  Bedenken  auch  bei  den  intramuskulären  Injektionen,  auf 
1  n  wiederholten  Rat  verschiedener  Autoren  hin,  ausgeführt 
1  ben.  Auch  in  diesen  Fällen  war  der  therapeutische  Einfluss 
<i  grosser  und  ein  Schaden  wurde  nie  beobachtet,  so  dass 
i r  nunmehr  schon  bestehendes  Fieber  nicht 
jehr  als  K  o  n  t  r  a  i  n  d  i  k  a  t  i  o  n  gegen  Arthigon- 
i  jektionen  halten.  Ueberraschend  und  neu  waren  je- 
cch  die  Erfahrungen,  die  wir  über  den  Einfluss  der  intra- 
'  nösen  Injektionen  auf  die  Gonokokken  in  einigen 
User  Fälle  machen  konnten. 

Beispiel: 

Urethritis  ant.  et  post.  Epididymitis. 

29.  IV.  Erste  und  zweite  Urinportion  stark  trüb.  In  Ant.  und 


1187 


Post.  Gk.  ++,  Ek.  ++*);  starke  schmerzhafte  Schwellung  des 
Nebenhodens. 

30.  IV.  Derselbe  Befund.  0,1  Arthigon  intraven.  Reaktion  2,8°, 
Doppelzacke,  zuerst  Herdreaktion,  dann  Nachlassen  der  Schmerzen. 

2.  V.  Nebenhodenschwellung  weiter  zurückgegangen.  0,2  Arthi- 
gon  intraven.  Wieder  Herdreaktion,  dann  völliges  Aufhören  der 
Schmerzen,  die  Schwellung  geht  zur  Norm  zurück. 

3.  V.  Beide  Urinportionen  klar.  Anteriorpräp.  Qk.  neg.,  Ek.  - . 

6.  V.  Beide  Urinportionen  klar.  Anteriorpräp.  Qk.  neg .  Ek  ver¬ 
einzelt,  Ep.  +.  Wird  weiterkontrolliert  und  b  1  e  i  b  t  i  n  A  n  t  e  r  und 
Post,  dauernd  Qk.  -  frei. 

Derartige  Befunde  veranlassten  uns  nun,  die  intravenöse 
Arthigonbehandlung  bei  Fällen  von  Ant.  und  Posterior,  die 
mit  gonorrhoischer  Prostatitis  kompliziert  sind 
und  bei  denen  wir  bisher  einen  zuverlässigen  Heileffekt  der 
intramuskulären  Behandlung  nur  ausnahmsweise  gesehen 
hatten,  zu  versuchen.  Von  derartigen  Fällen  konnten  bisher 
7  behandelt  werden. 

Von  diesen  erhielten  3  intravenöse  Arthigoninjektionen, 
gleichzeitig  wurde  jedoch  der  Anteriorprozess  lokal 
behandelt. 


i.  i  ein. 


vjuii.  bcn  cd.  o  monaten. 


xvmci  iui  t  i  Uoiciiui»  ri  ubi.j 


Qk.  ++,  Ek.  ++. 

oto  In?.erhalb  8  Tagen  4  Injektionen  ä  0,1  Arthigon.  Reaktion  bis 
4,7  .  Nach  der  zweiten  Injektion  zweite  Urinportion  klar.  Prost - 
präp.  Qk.  — ,  Ek.  vereinzelt.  Bleibt  bei  weiterer  Kontrolle  dauernd 
rezidivfrei.  Die  Schwellung  der  Prostata  ist  bedeutend  zurückge¬ 
gangen.  Qk.  stets  — . 

2-  Fall.  Gleicher  Befund.  Infektionstermin  unbekannt.  In 
9  lagen  4  Arthigoninjektionen  von  0,1— 0,3  iven.  Reakt.  bis  2,3°, 
Doppelzacke.  Bereits  nach  der  ersten  Injektion  sind  die  Prostata¬ 
präparate  gonokokkenfrei  und  bleiben  es  dauernd. 

„  ii  f  FaJ''o  S?jt  5^wochen  Gonorrhöe.  Gleicher  Befund  wie  bei 
rall  1  und  2.  In  10  Tagen  nur  2  Arthigoninjektionen  zu  0,1  und  0,2 
Reaktion  bis  1,9°.  Derselbe  Erfolg  wie  in  Fall  2. 


Die  5  übrigen  Fälle  von  Urethritis  gon.  anterior  posterior 
und  Prostatitis  wurden  nun  nur  mit  Arthigon  behandelt,  die 
lokale  Behandlung  mit  Antigonorrhoicis  unterblieb 
vollkommen. 


4.  Fall.  Infektion  vor  ca.  3  Monaten,  schon  viel  lokal  behandelt. 

17.  IV.  Anterior.  Posterior.  Prostata  Gk.  ++,  Ek.  +-K 

18.  IV.  0,1  Arthigon  iven.  Reaktion  1,6“. 

19.  IV.  Sämtliche  Präparate  Qk. -frei. 

no  ?l\  -IV‘  Spärliche  Gk.  in  der  Anterior;  Post,  und  Prost.  Gk.  — . 
0,2  Arthigon  Reaktion  1,7". 

tion  17°IV‘  Aüe  Präparate  Qk--frei-  wenig  Ek.  0,3  Arthigon  Reak- 

27.  IV.  Derselbe  Befund.  0,5  Arthigon  Reaktion  1,8°.  Wird 
weiter  kontrolliert  und  bleibt  in  Ant.,  Post  und 
Prost,  dauernd  auch  kulturell  Qk.  -  frei. 

5.  Fall.  Monatealte  Anterior,  Posterior  und  Prostatitis,  lange 
und  von  den  verschiedensten  Seiten  behandelt.  Befund:  Anterior, 
Posterior  und  Prost.:  Gk.  ++,  Ek.  ++. 

24.  IV.  0,1  Arthigon  iven.  Reaktion  2,2°,  Doppelzacke. 

25.  u.  26.  IV.  Sämtliche  Präparate  Q  k.  -  f  r  e  i. 

26.  IV.  0,2  Arthigon  1,7°,  Doppelzacke. 

27.,  28.  und  29.  IV.  Sämtliche  Präparate  G  k.  -  f  r  e  i, 
W  e  n‘g  Fk”  nur  noch  sehr  geringe  Sekretion. 

29.  IV.  0,3  Arthigon  1,9°.  Wird  weiter  kontrolliert 
und  bleibt  dauernd  rezidivfrei. 

6.  Fall.  Aehnlicher  Fall  wie  5.  Starke  Prostataschwellung  und 
Schmerzen.  Befund:  Ant..  Post,  und  Prost.:  Gk.  ++,  Ek  +.+ 

In  6  Tagen  3  Arthigoninjektionen  ä  0,1.  Reaktionen  bis  2,6° 
Doppelzacken. 

Ist- in  samt  liehen  Präparaten  bereits  nach  der 
ersten  Injektion  Gk.  -  frei,  die  Schwellung  der  Pro¬ 
stata  und  die  Schmerzen  gehen  rasch  zurück.  Dau¬ 
ernd  weiter  kontrolliert.  Bleibt  rezidivfrei  Zweite 
Urinportion  ganz  klar. 

7.  Fall.  Gonorrhöe  seit  5  Monaten.  Befund  und  Verlauf  nach 
4  Arthigoninjektionen  von  0,1— 0,3  wie  4—6. 

8.  Fall.  Chronische  gonorrhoische  Prostatitis,  behandelt  seit 
über  1  Jahr  mit  Massage  und  Spülungen.  Anterior  und  Posterior 
Gk.  — .  Prostata  etwas  vergrössert,  in  den  täglichen  Präparaten 
Gk.  -f-,  Ek.  -h  1  Arthigoninjektion  zu  0,5  iven.  Reaktion  um  3  2° 

Am  Tage  nach  der  Injektion  sind  die  Gk.  aus  dem 
Prostatasekret  verschwunden.  Pat.,  der  dauernd 
weiter  kontrolliert  wird,  bleibt  rezidivfrei 

Diesen  überraschenden  Erfolgen  stehen  nun  auch  bisher 
3  Misserfolge  gegenüber: 

9.  Fall.  Seit  5  Wochen  Gonorrhöe.  Jetzt  Anterior,  Posterior  und 
Prostatitis  (Pyelitis  vielleicht  gon.  Aetiologie):  Gk.  ++,  Ek  ++  In 
8  lagen  4  Arthigoninjektionen  von  0,1— 0,3.  Nach  den  beiden  erster. 
Einspritzungen  reagiert  Pat.  bis  3°. 


*)  Gk.  =  Gonokokken,  Ek.  =  Eiterkörperchen,  Ep.  =  Epithelien. 

1* 


No.  22. 


1188 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  Qk.  sind  nach  der  zweiten  Injektion  verschwunden. 
Bei  uer  dritten  Injektion  erfolgt  nur  noch  Reaktion  um  1,4".  Immer 
noch  G  k. -frei. 

Nach  der  4.  Injektion  mit  der  bis  dahin  höchsten 
Dose  von  0,3  reagiert  Pat.  nur  noch  um  0,6"  und  be¬ 
kommt  ein  Rezidiv. 

10.  Fall.  Urethritis  anterior  seit  14  Tagen.  Gk.  -FT-,  Ek.  ++. 

Nach  2  Injektionen  zu  0,1  und  0,2  mit  Reaktionen  um  2,3°  sind 

die  Gk.  bedeutend  spärlicher  geworden,  aber  noch  nicht  ganz 
geschwunden.  Pat.  muss  aus  äusseren  Gründen  weiter  lokal 
behandelt  werden. 

11.  Fall.  Monatealte  Anterior  mit  tiefem  Infiltrat  in  der  Mitte 
der  Urethra,  aus  dem  heraus  immer  wieder  Rezidive  erfolgten  (trotz 
dauernder  Lokalbehandlung  Dehnungen  etc.). 

In  14  Tagen  6  Injektionen  von  Arthigon  0,1 — 0,5,  Höchstreaktion 
1,8.  Lokalbehandlung  währenddessen  ausgesetzt.  Gk.  im  Infil¬ 
trat  bleiben  völlig  unbeeinflusst. 

Wie  die  auffallenden  Erfolge  und  der  in  dieser  Deutlichkeit 
noch  nicht  beobachtete  Einfluss  der  spezifischen  Vakzin¬ 
behandlung  auf  die  Gonokokken  in  der  einen  Reihe  von  Fällen, 
die  Misserfolge  in  der  anderen  zu  erklären  sind,  darüber  kann 
man  nur  Vermutungen  hegen  und  wir  verweisen  in  dieser 
Richtung  auf  das  früher  von  Bruck  und  Schindler  aus¬ 
geführte.  Es  scheint  sich  auch  bei  der  intravenösen  Behand¬ 
lung  die  schon  bei  der  intramuskulären  gemachte  Erfahrung 
zu  bestätigen,  dass  reine  Urethral  Prozesse  schwer  oder 
gar  nicht  spezifisch  zu  beeinflussen  sind.  Die  merkwürdige 
Tatsache  aber  der  auffallenden  Wirkung  der  Injektionen  auf 
die  Prostata  gonokokken  und  dann  gleichzeitig  aui 
die  Gonokokken  der  Urethra  kann  unserer  Ansicht  nach 
dadurch  erklärt  werden,  dass  nur  in  gonorrhoischen  Kom- 
p  1  i  k  a  t  i  o  n  s  fällen  (Prostatitis,  Epididymitis  etc.),  nicht 
aber  bei  einfachen  Urethral  Prozessen,  das  injizierte 
Antigen  eine  genügend  breite  Angriffsfläche  an  spezifische 
Rezeptoren  findet  und  dass  daher  nur  in  solchen  Fällen  eine 
genügend  starke  —  ihrem  Wesen  nach  unbekannte  —  Reak¬ 
tion  ausgelöst  wird,  die  nun  auch  zu  einer  Vernichtung  der 
Urethral  gonokokken  ausreicht. 

Dass  den  intravenösen  Arthigoninjektionen  ebenso  wenig 
wie  den  intramuskulären  eine  präventive  Bedeutung  zu¬ 
kommt,  geht  daraus  hervor,  dass  wir  in  einigen  Fällen 
während  der  Arthigonkur  das  Auftreten  von  Prostatitis,  Epi¬ 
didymitis  und  in  einem  Falle  von  Tendovaginitis  nicht  ver¬ 
hindern  konnten. 

Was  die  weibliche  Gonorrhöe  anbelangt,  so  ver¬ 
fügen  wir  bisher  nur  über  2  therapeutisch  mit  intravenösen 
Arthigoninjektionen  behandelte  Fälle. 

1.  T  e  n  d  o  v  a  g  i  n  i  t  i  s.  Starke  Schwellung  des  rechten  Vor¬ 
derarmes.  Zervikalgonorrhöe.  Gk.  +-+.,  Urethra  frei. 

In  7  Tagen  3  Arthigoninjektionen  von  0,05 — 0,3  Reaktion  um 
2,3  °.  Doppelzacke. 

Schmerzen  und  Schwellung  bereits  nach  der  ersten  Injektion 
ausgezeichnet  beeinflusst,  nach  der  dritten  Injektion  völlig  verschwun¬ 
den.  Nach  dieser  Einspritzung  verschwinden  auch  die  bis  dahin 
stets  nachweisbaren  Gk.  aus  der  Zervix,  kehren  jedoch  nach 
8  Tagen  wieder.  Behandlung  wird  fortgesetzt. 

2.  Zervikal-  und  Urethralblennorrhöe.  Gk.  ++. 

In  10  Tagen  drei  Injektionen  bis  0,2,  Reaktionen  um  2,3°. 

Nach  der  dritten  Injektion  noch  reichlich  Gk.  in  Urethra 
und  Zervix.  Noch  in  Behandlung. 

Endlich  haben  wir  noch  einen  Fall  von  jahrelanger  und 
bisher  stets  vergeblich  behandelter  Vulvovaginitis  eines 
6  jährigen  Mädchens  intravenös  behandelt. 

Innerhalb  14  Tagen  6  Injektionen  von  0,02 — 0,2,  Reaktionen  bis 
1,8 °.  Doppelzacke.  Keine  Lokalbehandlung. 

Gk.  aus  der  Vagina,  in  der  sie  stets  reichlichst 
nachzuweisen  waren,  bereits  nach  der  ersten  In¬ 
jektion  geschwunden.  Bisher  Gk.-frei  (3  Wochen  kon¬ 
trolliert.)  Nach  6  Wochen  Rezidiv  (wahrscheinlich  aus  Urethra  oder 
Rektum). 

In  der  Urethra  sind  auch  nach  Abschluss  der  spezifischen  Be¬ 
handlung  noch  G  k.  nachweisbar;  daher  dort  Wiederaufnahme  der 
Lokalbehandlung. 

Wenn  somit  das  bisher  uns  zur  Verfügung  stehende 
Material  auch  noch  nicht  bedeutend  ist,  so  scheint  uns  doch 
der  grosse,  sowohl  diagnostische  als  thera¬ 
peutische  Wert  intravenöser  Arthigoninjek¬ 
tionen,  die  zudem  gefahrlos  und  völlig  schmerzfrei  sind, 
bereits  erwiesen  zu  sein.  Weitere  Untersuchungen  werden 
zeigen  müssen,  inwieweit  sich  die  Reaktion  für  die  so  enorm 
wichtigen  Fragen  der  Erkennung  okkulter  gonorrhoischer 


Prozesse,  für  den  Heiratskonsens  etc.  verwenden  lässt.  Thera¬ 
peutisch  ist  für  uns  die  ausgezeichnete  Wirkung  der  intra¬ 
venösen  Arthigonbehandlung  bei  Epididymitis,  Arthri- 
t  i  s  und  den  sonst  so  schwer  zu  beeinflussenden  gonorrhoi¬ 
schen  Prostatitiden  sicher,  doch  ist,  wie  gezeigt,  wenig¬ 
stens  in  einer  Anzahl  von  Fällen  auch  ein  überraschende 
Einfluss  auf  gonorrhoische  Urethralprozesse  zu  konstatieren 
die  lediglich  durch  die  intravenösen  Arthigoninjek¬ 
tionen  ohne  jede  Lokalbehandlung  mit  einer  er¬ 
staunlichen  Schnelligkeit  a  u  s  h  e  i  1  e  n  können. 


Aus  der  kgl.  Universitäts-Frauenklinik  in  Berlin  (Direktor:  Geh. 

Med.-Rat  Prof.  Dr.  Bum  m). 

Mesothorium  als  Röntgenstrahlenersatz  in  der 
Gynäkologie. 

Von  Dr.  Voigts,  Assistenten  der  Klinik. 

Während  sich  bei  uns  in  Deutschland  die  konservative 
Therapie  der  Myome  und  hämorrhagischen  Metropathien  mehr 
nach  der  Seite  der  Röntgenstrahlen  entwickelte,  versuchten 
französische  Forscher  schon  frühzeitig,  diese  Erkrankungen 
durch  Bestrahlung  mit  Radium  zu  heilen.  Als  erste  berichteten 
im  Jahre  1906  O  u  d  i  n  und  Verchere  [l]  über  die  günstige 
Wirkung  dieser  Strahlen  bei  Fibromen  und  Entzündungen  der 
Gebärmutter.  Ihnen  folgten  die  Arbeiten  von  Dom  i  nie i. 
Cheron,  Fabre,  Wicßham  und  D  e  g  r  a  i  s  und  anderen. 
Während  Oudin  und  Verchere  nur  schwach  gefilterte 
Strahlen  benützten,  gingen  die  letztgenannten  bald  zu  starken 
Filtern  über,  um  hauptsächlich  die  von  D  o  m  i  n  i  c  i  so  ge¬ 
nannten  „ultrapenetrierenden“  Strahlen  zur  Wirkung  auszu¬ 
nutzen.  Hand  in  Hand  damit  ging,  entsprechend  der  starken 
Strahlenabsorption  durch  die  Filter,  einer  Verlängerung  der 
Bestrahlungszeit. 

Cheron  [2]  liess  die  Radiumtuben  20—24  Stunden  an  der¬ 
selben  Stelle  liegen.  3 — 4  Bestrahlungen  mit  50  mg  Radium  genügten 
im  Mittel  bei  Myomen,  die  auf  das  kleine  Becken  beschränkt  waren 
oder  nur  wenig  darüber  hinausragten.  Er  hat  auf  diese  Weise 
193  Myome  ohne  Nebenwirkungen  mit  gutem  Erfolge  behandelt  und 
prophezeit  der  Radiumtherapie  der  Myome  eine  grosse  Zukunft. 

W  i  c  k  h  a  m  und  D  e  g  r  a  i  s  [3]  gebrauchen  für  die  uterine  Be¬ 
strahlung  der  Myome  Silberfilter  von  0,5  mm  Dicke,  die  sie  womöglich 
noch  in  1 — 2  mm  starke  Bleifilter  stecken.  Sie  lassen  die  Röhrchen 
bis  24  Stunden  an  derselben  Stelle  liegen  und  wiederholen  die  Be¬ 
strahlung  nach  2  Tagen.  Für  die  Bestrahlung  von  den  Bauchdecken 
aus  verwenden  sie  3  mm  starke  Bleifilter.  Besonderen  Wert  legen 
sie  auf  das  sog.  „Kreuzfeuerverfahren",  d.  i.  die  gleichzeitige  Be¬ 
strahlung  des  Krankheitsherdes  von  mehreren  Punkten  aus.  Ihre 
Erfolge  sind  ebenfalls  gute,  aber  sie  glauben  auch,  die  Radiumtherapic 
auf  kleine  Fibrome  beschränken  zu  sollen.  Bei  der  Behandlung  von 
Metritiden  benutzten  sie  Filter,  die  noch  den  grössten  Teil  der 
^-Strahlen  durchliessen.  Die  Bestrahlungsdauer  war  eine  ent¬ 
sprechend  kürzere.  Auch  hierbei  hatten  sie  gute  Erfolge  zu  ver¬ 
zeichnen.  Sie  sind  von  der  Wirksamkeit  des  Radiums  noch  über¬ 
zeugt,  wenn  schon  alle  anderen  Mittel  versagt  haben. 

In  der  deutschen  Literatur  habe  ich  über  die  Behandlung  gynä¬ 
kologischer  Leiden,  das  Karzinom  ausgenommen,  mit  Radium  nur  die 
Arbeit  von  Essen-Möller  [4]  gefunden.  Dieser  teilt  6  Fälle  von 
Myom  und  2  von  klimakterischer  Blutung  mit.  Er  hat  ausserordent¬ 
lich  lange  von  einer  Stelle  aus  bestrahlt.  So  hat  er  z.  B.  20mg  ununter¬ 
brochen  7  Tage  lang  im  Uterus  liegen  lassen.  4  Myome  und  die  beiden 
Fälle  von  Menorrhagie  wurden  sehr  günstig  beeinflusst.  In  3  Fällen 
zeigten  die  Myome  deutliche  Schrumpfung. 

Der  Grund  dafür,  dass  in  den  deutschen  Kliniken  so  wenig 
mit  Radiumstrahlen  gearbeitet  wurde,  ist  wohl  in  der  grossen 
Seltenheit  und  dem  hohen  Preise  des  Präparates  zu  suchen. 
Dieses  änderte  sich  erst,  als  es  Hahn  [5]  im  Jahre  1907  ge¬ 
lang,  in  dem  Mesothorium  ein  dem  Radium  ähnliches,  aber 
billigeres  Präparat  zu  entdecken. 

Das  Mesothorium  ist  nach  den  Arbeiten  H  a  h  n  s  das  erste 
Umwandlungsprodukt  des  Thoriums  und  die  Muttersubstanz  • 
des  schon  länger  bekannten  Radiothors.  Es  wird  aus  dem  in 
Brasilien  vorkommenden  Monacitsande  hergestellt  und  be¬ 
steht  aus  zwei  Produkten,  dem  strahlenlosen  Mesothorium  1 
und  dem  ß-  und  y-Strahlen  aussendenden  Mesothorium  II- 
Durch  die  Verwandlung  des  Mesothorium  in  Radiothorium 
nimmt  die  Aktivität  des  Präparates  nach  der  Herstellung  zu. 
Nach  3,2  Jahren  erreicht  es  das  Maximum.  Darauf  tritt  eine  , 
langsame  Abnahme  ein  und  nach  10  Jahren  erfolgt  die  . 


Juni  1913. 


MU^NCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


T 


1189 


,bklingung  mit  der  Halbwertszeit  des  Mesothoriums  von 

,5  Jahren. 

Das  reine  Mesothorium  II  versendet  nur  ß-  und  y-Strahlen. 
»ie  Gruppe  der  //-Strahlen  zerfällt  in  weiche  und  harte 
trahlen.  Es  fehlen  dem  reinen  Mesothorium  also  die  ct- 
trahlen  des  Radiums.  Dafür  fdilt  dem  Radium  die 
iruppe  der  weichen  //-Strahlen  des  Mesothoriums.  Dies  gilt 
doch  nur  für  das  chemisch  reine  Mesothorium,  nicht  aber 
ir  das  fabrikmässig  hergestellte  Präparat.  Diesem  sind 
5  Proz.  Radiumbromid  zugesetzt.  Dadurch  erhält  es  die 
ieser  Radiummenge  entsprechenden  a-,  ß.  und  y-Strahlen. 
usserdem  tritt  aber  noch  eine  erhebliche  Aenderung  der 
ktivitätskurve  ein.  Während  die  Aktivität  des  reinen  Meso- 
loriums  nach  10  Jahren  nur  noch  halb  so  gross  ist,  wie  zur 
eit  der  Herstellung,  ist  sie  bei  dem  für  den  Handel  herge¬ 
teilten  Präparat  nach  10  Jahren  noch  etwas  stärker  als  zur 
'erstellungszeit  und  nach  20  Jahren  noch  halb  so  stark, 
/enn  schliesslich  alles  Mesothorium  zerfallen  ist,  bleiben 
nrner  noch  die  25  Proz.  Radium  zurück.  Hieraus  ergibt  sich, 
ass  zwischen  dem  Mesothorium  und  Radium  in  der  prak- 
schen  Verwendbarkeit  kein  grosser  Unterschied  besteht. 

Der  wichtigste  Unterschied  zwischen  Röntgen-  und 
adiumstrahlen  besteht  für  die  Zwecke  der  Tiefenbestrahlung 
arin,  dass  die  y-Strahlen  des  Radiums  und  auch  des  Meso- 
loriums  eine  erheblich  grössere  Penetrationsfähigkeit  haben 
Is  die  diesen  ähnlichen  Röntgenstrahlen.  Ausserdem  fehlt 
en  letzteren  die  grosse  Gruppe  der  für  die  Oberflächen- 
estrahlung  sehr  wichtigen  a-  und  //-Strahlen. 

Seit  der  genauen  physikalischen  Untersuchung  der  Meso- 
loriumstrahlen  sind  über  ihre  Anwendung  zahlreiche  Arbeiten 
as  fast  allen  medizinischen  Spezialgebieten  erschienen,  be- 
bnders  über  die  Behandlung  dermatologischer  Leiden  und 
es  Karzinoms.  Ueber  die  naheliegende  Verwendung  bei 
lyomen  und  hämorrhagischen  Metropathien  als  Erfolg  der 
öntgenstrahlentherapie  ist  bis  jetzt  nur  von  Friedländer, 
u  m  m  und  von  K  r  ö  n  i  g  und  G  a  u  s  s  berichtet  worden. 

Friedländer  [6]  bestrahlte  mit  10 — 15  mg  Mesothorium  in 
J5  mm  starken  Silberkapseln  60 — 80  Minuten  lang.  Blutungen  bei 
auen  jenseits  des  40.  Jahres  erwiesen  sich  als  am  leichtesten  be- 
nflussbar.  In  einem  näher  beschriebenen  Falle  von  Menorrhagie 
folge  Myoms  sah  er  nach  wiederholten  Bestrahlungen  von  ins- 
:samt  2  Stunden  40  Minuten  Dauer  eine  ganz  erhebliche  Verkleine¬ 
rn*:  der  Geschwulst  und  ein  Herabgehen  der  Menses  von  12  bis 
Tagen  auf  2  Tage.  Zugleich  traten  typische  Ausfallserscheinungen 
if.  Hartnäckiger  waren  die  Blutungen  bei  jüngeren  Frauen,  besonders 
“i  chronischer  Metritis.  Bei  Blutungen,  die  durch  Herz-  oder  Nieren- 
iden  oder  durch  Syphilis  hervorgerufen  wurden,  waren  die  Erfolge 
igleichmässig. 

B  u  m  m  zeigte  in  der  Sitzung  der  Berliner  gynäkologischen 
^Seilschaft  vom  10.  Januar  1913  2  Patienten,  die  wegen  Menorrhagie 
it  Mesothorium  behandelt  worden  waren  und  bei  denen  es  dabei 
i  Verbrennungen  in  der  Vagina  gekommen  war. 

Krönig  und  Gauss  [7]  gelangten  durch  eine  Reihe  von  Vor- 
■rsuchen  zu  der  Ansicht,  dass  das  Hauptgewicht  auf  die  Verwendung 
■r  harten,  der  sog.  ultrapenetrierenden,  Strahlen  zu  legen  sei.  Sie 
:nnten  die  günstigen  Erfahrungen  der  französischen  Aerzte  an 
■  Fällen  von  Myomen  und  hämorrhagischen  Metropathien,  die  sie 
ils  allein  mit  Mesothorium,  teils  daneben  auch  mit  Röntgenstrahlen 
■handelten,  bestätigen.  Sie  erkennen  jedoch  die  Beschränkung  der 
lerapie  auf  kleinere  Myome  seitens  der  französischen  Autoren  nicht 
i,  sondern  glauben  ein  Verfahren  gefunden  zu  haben,  auch  grosse 
yome  mittels  Radium  erfolgreich  behandeln  zu  können.  Ihre  Ver- 
che  in  dieser  Richtung  sind  noch  nicht  abgeschlossen.  Ueber  die 
ichnik  der  Bestrahlung  wird  'nichts  näheres  berichtet. 

Wir  haben  seit  Ende  des  vorigen  Jahres  Versuche  mit 
esothorium  bei  hämorrhagischen  Metropathien  und  in 
tzter  Zeit  auch  bei  Myomen  angestellt.  Anfangs  standen  uns 
ir  geringe  Mengen  des  Präparates  zur  Verfügung.  Jetzt  he¬ 
tzen  wir  dank  dem  freundlichen  Entgegenkommen  der 
adiogen-Gesellschaft  Charlottenburg,  der  Auer-Gasgliihlicht- 
esellschaft  Berlin  und  der  Firma  Dr.  Knöfler  &  Co.  Berlin¬ 
lötzensee  über  400  mg  Mesothorium.  Das  Präparat  ist  zu 
)  und  50  mg  in  Silberröhrchen  eingelassen.  Diese  Röhrchen- 
rm  ist  für  gynäkologische  Zwecke  wohl  die  beste,  da  sie 
ch  ebenso  gut  intrauterin  wie  vaginal  verwenden  lässt. 

Es  kam  vor  allen  Dingen  darauf  an,  durch  richtige  Aus- 
ahl  der  Filter  Schädigungen  des  Gewebes  zu  vermeiden, 
ibei  aber  andererseits  die  therapeutische  Wirkung  der 
trahlen  möglichst  intensiv  auszunutzen.  Im  allgemeinen  Ge¬ 


brauch  befinden  sich  Filter  aus  Kautschuk,  Blei,  Silber,  Alu¬ 
minium  und  Platin  in  Stärken  von  0,05  bis  1,0  und  mehreren 
Millimeter  Stärke.  Durch  ein  ‘/so  mm  dickes  Blei-  oder  Silber¬ 
filter  werden  die  stark  reizenden  a-Strahlen  schon  völlig  ab¬ 
sorbiert.  Das  1  mm  starke  Bleifilter  lässt  nur  noch  die  harten 
ß-  und  y-Strahlen  durch.  Die  Quantität  der  Strahlen  wird 
durch  so  starke  Filter  natürlich  ganz  erheblich  herabgesetzt. 
So  lässt  z.  B.  das  1  mm-Bleifilter  nur  etwa  10  Proz.  der  ß- 
Strahlen  durch.  Im  Anfang  unserer  Versuche  haben  wir  zu 
dünne  Filter  genommen  und  die  Bestrahlung  zu  lange  aus¬ 
gedehnt.  Die  Folge  davon  waren  Verbrennungen,  die  zwar 
klinisch  wenig  Symptome  machten,  aber  doch  für  die  Fort¬ 
setzung  der  Bestrahlung  sehr  hinderlich  waren.  Wir  haben 
solche  Verbrennungen  schwereren  Grades  in  drei  Fällen  be¬ 
obachtet. 

Im  1.  Falle  hatten  wir  ein  20  mg  Mesothorium  enthaltendes 
0,08  mm  dickes  Silberröhrchen  12  Stunden  an  derselben  Stelle  der 
Vagina  liegen  lassen.  Nach  2  Tagen  war  unter  Bläschenbildung  das 
Epithel  abgehoben  und  es  entwickelte  sich  eine  tiefgehende  trichter¬ 
förmige  Gewebsnekrose.  In  den  beiden  anderen  Fällen  trat  diese 
Nekrose  schon  nach  9  ständiger  Bestrahlung  auf.  Die  Heilungs¬ 
tendenz  dieser  Defekte  war  sehr  gering.  Bis  zur  völligen  Abheilung 
verging  fast  ein  Vierteljahr.  Ich  möchte  hier  gleich  im  An¬ 
schluss  noch  über  einige  andere  Störungen  berichten,  die 
wir  bei  der  Mesothoriumbehandlung  beobachteten.  In  mehreren 
Fällen  klagten  die  Patienten  bei  der  ersten  Bestrahlung  über  all¬ 
gemeines  Unbehagen,  Kopfschmerzen,  Uebelkeit  und  Ziehen  im  Unter¬ 
leibe.  Bei  einer  Patientin  steigerten  sich  diese  Beschwerden  bis  zum 
Kollaps.  Ihr  waren  wegen  Menorrhagie  bei  Metritis  50  mg  Meso¬ 
thorium  in  die  Zervix  und  100  mg  in  die  Vagina  eingelegt.  Nach 
A  Stunde  traten  Schmerzen  im  Unterleibe  und  Uebelkeit  auf.  Da 
diese  Störungen  bei  den, anderen  Patienten  immer  schnell  vorüber¬ 
gegangen  waren,  Hessen  wir  das  Mesothorium  liegen.  Der  Zustand 
wurde  jedoch  bald  ernster.  Es  stellte  sich  kalter  Schweiss,  Ohnmacht 
und  Erbrechen  ein.  Der  Puls  wurde  sehr  klein  und  frequent.  Das 
Mesothorium  wurde  jetzt  natürlich  sofort  entfernt  und  die  Pat.  erholte 
sich  langsam  unter  Exzitantien.  Nach  einigen  Tagen  wurde  die 
Behandlung  ohne  Störung  mit  kleineren  Dosen  fortgesetzt. 

Noch  ein  Fall  gehört  hierher.  Bei  einer  Frau  mit  Uterus  myo- 
matosus,  der  exstirpiert  werden  sollte,  legten  wir  20  mg  Meso¬ 
thorium  in  0,08  mm  starker  Silberkapsel  in  den  Uterus  ein  und  Hessen 
es  48  Stunden  liegen.  Es  kam  uns  darauf  an,  post  operationem  die 
Wirkung  der  Strahlen  auf  die  Uteruswand  zu  untersuchen.  Am  Tage 
nach  der  Herausnahme  des  Mesothorium  trat  leichte  Temperatur¬ 
steigei  ung  auf  und  wenige  Tage  später  konnten  wir  ein  etwa  gänseei¬ 
grosses  Exsudat  im  Douglas  feststellen.  Probepunktion  ergab 
sterilen  Eiter.  Nach  Entleerung  durch  Punktion  trat  Heilung  ein. 
Menses  sind  seitdem  nicht  mehr  aufgetreten. 

Nach  diesen  Erfahrungen  versuchten  wir  zunächst  durch 
Verkürzung  der  Bestrahlungsdauer  die  Schädigungen  auszu¬ 
schalten.  Diese  Methode  erwies  sich  jedoch  bald  als  un¬ 
zweckmässig.  Wir  gingen  deshalb  zur  Verstärkung  der  Filter 
und  langer  Bestrahlungszeit  über.  Unsere  Methode  ist  jetzt 
folgende:  Wir  vermeiden  Blei-  oder  Silberfilter  von  0,5  bis 
1  mm  Dicke.  Zur  Absorption  der  Sekundärstrahlen  wird  das 
Röhrchen  in  Mattpapier  eingehüllt.  Darüber  kommt  ein 
Gummifinger.  Vor  dem  Einlegen  in  den  Uterus,  das  natürlich 
ganz  aseptisch  geschehen  muss,  werden  die  Tuben  in  Argent. 
nitric.  oder  Jodtinktur  desinfiziert.  Sie  sind  an  einem  gra¬ 
duierten  Kupferdraht  befestigt  und  können  so  bequem  in  wech¬ 
selnder  Tiefe  eingelegt  werden.  In  vielen  Fällen  kommt  man 
ohne  Dilatation  der  Zervix  aus.  Während  für  den  Uterus  die 
Filter  gewöhnlich  etwas  dünner  genommen  werden,  ge¬ 
brauchen  wir  für  die  Vagina  die  dicksten  Filter.  Seitdem  wir 
eine  grössere  Menge  Mesothorium  haben,  wenden  wir  ge¬ 
wöhnlich  das  sogen.  Kreuzfeuerverfahren  an,  d.  h.  wir  legen 
ausser  dem  Röhrchen  in  dem  Uterus  noch  ein  oder  zwei  in  die 
Vagina.  Mit  der  einzelnen  Bestrahlungszeit  gehen  wir  meist 
nicht  über  12  Stunden  hinaus.  Die  Pause  zwischen  den  Bestrah¬ 
lungen  beträgt  gewöhnlich  2  mal  24  Stunden.  Bei  dieser 
Methode  sind  bis  jetzt  Reizerscheinungen  von  seiten  des  Ge¬ 
webes  nur  ganz  vereinzelt  und  schnell  vorübergehend  auf¬ 
getreten. 

Die  schon  eine  Zeitlang  zurückliegenden  Fälle,  die  wir 
in  dieser  Weise  behandelt  haben,  will  ich  kurz  beschreiben. 
Sie  lassen  sich  in  folgende  Gruppen  teilen: 

I.  Klimakterische  Blutungen. 

Fall  1.  Fr.  Sch.,  45  Jahre. 

Dauernde  Blutung  seit  VA  Monat,  zuletzt  sehr  stark. 

Nach  1820  mg-Stunden  intrauteriner  Bestrahlung  mit  Meso¬ 
thorium  hört  die  Blutung  auf.  Einen  Monat  später  noch  4  Tage  lang 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


leichte  Blutung.  Seit  8.  I.  Amenorrhoe.  Die  Bestrahlung  wurde 
noch  2  Monate  lang  2  mal  wöchentlich  fortgesetzt. 

hall  2.  Fr.  W.,  48  Jahre. 

Seit  Vi  Jahr  unregelmässige  Menses,  blutet  jetzt  seit  4  Wochen 
ununterbrochen. 

Nach  325  mg-Stunden  vaginaler  Bestrahlung  Aufhören  der 
Blutung.  Seitdem,  15.  I.,  Amenorrhoe.  Nach  noch  14  Tage  fort¬ 
gesetzter  Behandlung  verliess  Pat.  die  Klinik. 

Fall  3.  Fr.  Dr.,  49  Jahre. 

Ununterbrochene  Blutung  seit  214  Monaten.  Pat.  ist  ausser¬ 
ordentlich  anämisch,  fühlt  sich  sehr  matt. 

Nach  480  mg-Stunden  vaginaler  und  300  mg-Stunden  intrauteriner 
Bestrahlung  steht  die  Blutung.  3  Wochen  später  5  Tage  lange  leichte 
Blutung.  Seit  27.  I.  Amenorrhoe.  Die  Behandlung  wurde  bis  Mitte 
März  fortgesetzt.  Pat.  hat  sich  sehr  gut  erholt  und  ist  wieder  voll¬ 
kommen  arbeitsfähig  geworden. 

Fall  4.  Fr.  B.,  48  Jahre. 

Eine  Ausschabung  im  September  brachte  die  Blutung  eine  kurze 
Zeit  zum  Stillstand,  blutet  jetzt  seit  mehreren  Wochen.  Pat.  ist  sehr 
anämisch. 

Nach  280  mg-Stundmi  intrauteriner  Bestrahlung  Aufhören  der 
Blutung.  Im  Februar  6  Tage  leichte  Blutung.  Seitdem  Amenorrhoe. 
Behandlung  bis  Ende  März  fortgesetzt. 

Fall  5.  Fr.  H„  47  Jahre. 

Menses  in  den  letzten  Jahren  sehr  stark.  Im  Juli  nach  Aus¬ 
schabung  kurze  Besserung.  Blutet  jetzt  wieder  seit  14  Tagen  sehr 
stark. 

Nach  300  mg-Stunden  intrauteriner  Bestrahlung  steht  die 
Blutung.  Daraufhin  verliess  sie  am  9.  Januar  die  Klinik.  Blutungen 
sind  bei  ihr,  wie  sie  auf  briefliche  Anfrage  mitteilte,  nicht  wieder 
aufgetreten. 

F  a  1 1  6.  Fr.  B„  45  Jahre. 

Seit  2  Jahren  unregelmässige  Menses,  blutet  jetzt  seit  2  Monaten 
anhaltend. 

Nach  150  mg-Stunden  vaginaler  Bestrahlung  hörte  die  Blutung 
auf  und  ist  seitdem,  29.  II..  ausgeblieben.  Behandlung  wurde  noch 
bis  Mitte  März  fortgesetzt. 

Fall  7.  Fr.  B„  48  Jahre. 

Seit  2  Jahren  unregelmässig  starke  Blutungen.  Jetzt  seit 
1  Monat  andauernd.  Häufig  Schwindelanfälle. 

Blutung  steht  nach  150  mg-Stunden  intrauterinor  Bestrahlung  am 
i.  III.  Vom  10. — 14.  März  noch  einmal  ziemlich  starke  Blutung. 
Seitdem  Amenorrhoe.  Behandlung  bis  Ende  März  fortgesetzt. 

Ich  brauche  zu  diesen  Krankengeschichten  nur  wenig  zu 
bemerken.  Die  klimakterischen  Blutungen  zeigten  sich  wie 
der  Röntgentherapie  auch  der  Bestrahlung  mit  Mesothorium 
am  leichtesten  zugänglich.  Die  Wirkung  tritt  jedoch 
bei  dem  Mesothorium  erheblich  schneller  ein. 
In  3  Fällen  kam  schon  nach  kurzer  Bestrahlung  die  Blutung 
zum  Stehen  und  die  Patientinnen  wurden  amenorrhoisch.  In 
den  4  übrigen  Fällen  trat  innerhalb  von  4  Wochen  noch  eine 
leichte  Blutung  auf,  um  dann  ganz  zu  verschwinden.  Die  Be¬ 
handlung  wurde  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  noch  wochenlang 
nach  dem  Aufhören  der  Blutung  fortgesetzt.  Ich  glaube  aber 
aus  dem  schnellen  und  anhaltenden  Erfolg  in  den  Fällen  2  und 
5  schliessen  zu  dürfen,  dass  so  lange  ausgedehnte  Bestrah¬ 
lungen  meistens  gar  nicht  nötig  sind,  sondern  dass  Dosen  von 
300 — 500  mg-Stunden  häufig  schon  zur  Herbeiführung  der 
Amenorrhoe  genügen  werden.  Einen  Unterschied  zwischen 
der  Wirkung  der  Bestrahlung  von  der  Vagina  oder  vom 
Cavum  uteri  aus  konnten  wir  nicht  feststellen.  Man  kann 
daraus  wohl  folgern,  dass  der  Angriffspunkt  der  Strahlen 
allein  in  den  Ovarien  zu  suchen  ist. 

II.  Metritis,  Menorrhagie. 

Fall  1.  Fr.  B„  39  Jahre. 

Immer  8  Tage  anhaltende,  sehr  starke  Menses  mit  Ohnmachts¬ 
anfällen  und  grossem  Schwächegefühl.  Zurzeit  keine  Blutung. 

Nach  720  mg-Stunden  intrauteriner  Bestrahlung  traten  die 
Menses  ein,  5  Tage  lang  ziemlich  stark.  Unter  fortgesetzter  Be¬ 
handlung  nach  20  Tagen  noch  eine  3  Tage  anhaltende  leichte  Blutung. 
Seit  dem  15.  I.  Amenorrhoe.  Bestrahlung  wurde  noch  4  Wochen 
fortgesetzt.  Pat.  erholte  sich  sehr  schnell. 

F  a  1 1  2.  Fr.  D..  40  Jahre. 

Seit  %  Jahr  8  Tage  lang  starke  und  sehr  schmerzhafte  Menses. 
Blutet  jetzt  sehr  stark. 

Nach  280  mg-Stunden  intrauteriner  und  300  mg-Stunden  vaginaler 
Bestrahlung  steht  die  Blutung  Seitdem,  Mitte  Februar,  Amenorrhoe. 
Behandlung  wurde  noch  bis  Ende  März  fortgesetzt. 

Fall  3.  Fr.  R..  38  Jahre. 

Seit  3A  Jahren  14  Tage  anhaltende  Pegel.  Im  September  ohne 
längeren  Erfolg  ausgeschabt.  Jetzt  blutet  sie  seit  2  Monaten  un¬ 
unterbrochen. 

Pat.  ist  ausserordentlich  fettleibig,  hat  eine  grosse  Struma. 


No.  22 


Nach  720  mg-Stunden  vaginaler  und  ebenso  langer  intrauteriner 
Bes  rahlung  hört  die  Blutung  auf,  am  3.  I.  Am  24.  I.  einen  Tag  lang 
starke  Blutung.  Vom  16. — 26.  II.  leichte  Blutung.  Seitdem  Amenor- 
rhpe.  Die  Pat.,  die  ambulant  behandelt  wurde,  erschien  zu  den  Be¬ 
strahlungen  sehr  unregelmässig. 

F  a  1 1  4.  Fr.  R„  41  Jahre. 

Regel  in  der  letzten  Zeit  immer  8—9  Tage  dauernd  mit  heftiger 
Unter leibsschmerzen  und  Ohnmachtsanfällen. 

Nach  230  mg-Stunden  intrauteriner  und  570  mg-Stunden  vaginaler 
Bestrahlung  am  24.  II.  Eintritt  der  Menstruation.  Sie  dauerte  4  lagt 
und  war  ziemlich  stark.  Im  März  5  Tage  lange  weniger  starke 
Blutung.  Seitdem  Amenorrhoe.  Die  Schmerzen,  die  schon  bei  der 
Menstruation  im  Februar  geringer  gewesen  waren,  blieben  im  Mär/ 
ganz  aus. 

Fall  5.  Fr.  Sch.,  40  Jahre. 

Menses  6 — 8  Tage,  sehr  schmerzhaft. 

Die  leichte  Blutung  bei  Beginn  der  Behandlung  verschwindet 
nach  300  mg-Stunden  intrauteriner  Bestrahlung.  Im  Februar  blieb 

die  Blutung  aus,  trat  aber  trotz  fortgesetzter  Behandlung  vom  6 _ 10 

und  vom  23.-29.  März  kurz  wieder  auf,  allerdings  in  geringem  Grade 
und  ohne  Schmerzen.  Im  April  ist  sie  ausgeblieben. 

F  a  1 1  6.  Fr.  K.,  44  Jahre. 

Seit  %  Jahr  fast  dauernd  Blutungen,  die  mit  Bettruhe  und 
crgotin  erfolglos  behandelt  wurden.  Zeitweise  heftige  Schmerzen 
...  ,  Die  Blutung  hörte  nach  280  mg-Stunden  Bestrahlung  auf  und 
blieb  im  Februar  ganz  aus.  Im  März  trat  sie  bei  fortgesetzter  Be¬ 
handlung  vom  2.-3.  und  vom  14.— 22.  wieder  auf.  Sie  war  nur 
geringfügig  und  nicht  wie  früher  von  Schmerzen  begleitet.  Im  April 
ist  die  Blutung  wieder  ausgeblieben. 

Wie  aus  den  vorstehenden  Krankengeschichten  zu  er¬ 
sehen  ist,  waren  die  Blutungen  bei  Metritis  erheblich 
hartnäckiger  wie  die  klimakterischen  Blutungen.  Es  waren 
erstmal  grössere  Dosen  nötig,  um  sie  überhaupt  zum  Still¬ 
stand  zu  bringen  und  dann  kehrten  sie  auch  nach  vorüber¬ 
gehender  Amennorrhöe  leichter  wieder.  Ein  Grund  dafür, 
dass  der  Erfolg  bei  diesen  Fällen  nicht  so  schnell  und  auf¬ 
fallend  war,  ist  neben  den  jüngeren  Jahren  der  Patienten  wohl 
darin  zu  suchen,  dass  sie  sämtlich  in  ambulanter  Behandlung 
waren  und  die  Bestrahlungen  deshalb  nicht  so  energisch 
durchgeführt  werden  konnten. 

III.  Blutungen  infolge  Adnexerkrankungen. 

Fall  1.  Fr.  R„  38  Jahre. 

Menses  in  den  letzten  Jahren  immer  10  Tage  lang  sehr  stark 
mit  grossen  Schmerzen  im  Unterleibe. 

Pat.  sieht  sehr  blass  und  elend  aus. 

Uterus  leicht  retrovertiert.  Beiderseits  fast  hiihnereigrosse  sehr 
empfindliche  Adnextumoren. 

Nach  480  mg-Stunden  Bestrahlung  tritt  die  Menstruation  ein. 
Sie  hält  4  läge  an  und  ist  sehr  viel  weniger  schmerzhaft  wie  früher. 
Die  Bestrahlung  wurde  noch  4  Wochen  bis  27.  II.  fortgesetzt. 
Blutungen  traten  nicht  mehr  auf.  Die  Adnextumoren  bestanden  noch 
in  derselben  Grösse,  waren  aber  bei  der  Untersuchung  kaum  noch 
empfindlich. 

Pall  2.  Fr.  B„  28  Jahre. 

Seit  1  Monat  häufig  heftige  Schmerzen  im  Unterleibe.  Menstrua¬ 
tion  5 — 6  läge  dauernd,  sehr  schmerzhaft. 

Uterus  anteflektiert,  nicht  vergrössert.  Rechts  ein  faustgrosser, 
links  ein  gänseeigrosser  sehr  schmerzhafter  Adnextumor. 

Bei  Eintritt  in  die  Behandlung  blutete  Pat.  seit  7  Tagen.  Nach 
einmaliger  intrauteriner  Bestrahlung  von  80  mg-Stunden‘  stand  die 
Blutung.  Bei  fortgesetzter  Behandlung  Hessen  die  Schmerzen  all¬ 
mählich  nach.  Anfangs  März  trat  noch  eine  leichte  4  tägige  Blutung 
auf  mit  geringen  Schmerzen.  Seitdem  ist  Pat.  amenorrhoisch,  fühlt 
sich  sehr  wohl.  Sie  wurde  bis  3.  IV.  weiter  bestrahlt.  Der  rechte 
Adnextumor  war  auf  Hühnereigrösse  geschrumpft  und  nicht  mehr 
empfindlich.  Links  war  von  einem  Tumor  nichts  mehr  zu  fühlen. 

Fall  3.  Fr.  Bl.,  29  Jahre. 

Seit  einem  Monat  fast  reine  Blutung  mit  zeitweise  sehr  heftig 
auftretenden  Schmerzen. 

Uterus  etwas  verdickt,  retrovertiert.  Rechts  ein  kleinfaust- 
grosser,  sehr  empfindlicher  Adnextumor.  Linke  Adnexe  verdickt, 
ebenfalls  sehr  empfindlich.  Zurzeit  keine  Blutung. 

Nach  500  mg-Stunden  Bestrahlung  trat  eine  4  tägige  leichte 
Blutung  ein.  Unter  fortgesetzter  Behandlung  nahmen  die  Schmerzen 
allmählich  ab  und  Pat.  erholte  sich  sichtlich.  4  Wochen  später,  im 
Februar,  4  Tage  dauernde  leichte  Blutung  ohne  Schmerzen.  Im 
März  zur  entsprechenden  Zeit  2  Tage  lang  blutiger  Ausfluss.  Seit¬ 
dem  keine  Blutung  mehr.  Behandlung  wurde  bis  Ende  März  fort¬ 
gesetzt.  Der  Adnextumor  ist  kleiner  und  härter  geworden.  Beide 
Adnexe  sind  kaum  noch  schmerzhaft  bei  der  Untersuchung. 

Wenn  wir  auch  gehofft  hatten,  durch  Ausschaltung  der 
menstruellen  Kongestionen,  die  bekanntlich  sehr  häufig  von 
Fieber,  neuer  Exsudatbildung  und  Steigerung  der  subjektiven 
Beschwerden  begleitet  sind,  die  Entzündung  der  Adnexe  zum 
Stillstand  zu  bringen,  so  waren  wir  doch  von  diesem 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


durchschlagenden  Erfolge  der  Bestrahlung 
ii  b  e  r  r  a  s  c  h  t.  Besonders  da  die  Erfahrungen  der  Behand¬ 
lung  entzündlicher  Adnexaffektionen  mit  Röntgcnstrahlen 
schlechte  sind  und  von  vielen  Autoren  vor  dem  Versuch  einer 
solchen  Therapie  überhaupt  gewarnt  wird. 

IV.  M  y  o  m  e. 

Der  Myombehandlung  mit  Mesothorium  haben  wir  uns 
erst  in  letzter  Zeit  zugewandt.  Ich  kann  deshalb  nach  so 
kurzer  Zeit  noch  kein  irgendwie  abschliessendes  Urteil  über 
den  \\  ert  dieser  Therapie  abgeben.  Ganz  allgemein  kann  ich 
nur  sagen,  dass  die  Blutungen  oft  überraschend  schnell  zum 
Stillstand  kommen,  viel  schneller  jedenfalls  als  es  durch  die 
Röntgenbestrahlung  möglich  war.  Ich  möchte  hier  nur  näher 
auf  2  Fälle  von  Myomen  eingehen,  bei  denen  uns  das  Meso¬ 
thorium  im  Stich  Hess  und  die  deshalb  operiert  wurden. 

Fall  1.  Frl.  Gr.,  47  Jahre. 

Seit  einem  Jahre  Menses  von  12—14  tägiger  Dauer.  Im  Februar 
4brasio  ohne  Erfolg. 

Diagnose:  Submuköses  Myom  (?). 

450  mg-Stunden  intrauteriner  und  1920  mg-Stunden  vaginaler 
Bestrahlung  waren  ohne  jeden  Einfluss  auf  die  Blutung.  Wegen 
lieses  Misserfolges  und  weil  die  Pat.  aus  beruflichen  Gründen  mög- 
ichst  bald  geheilt  werden  wollte,  wurde  der  Uterus  samt  Adnexen 
ibdominal  exstirpiert.  Es  fand  sich  in  der  rechten  Tubenecke  ein 
:aubeneigrosses,  weit  vorspringendes  submuköses  Myom.  An  der 
Stelle,  wo  die  Mesothoriumkapse!  mit  50  mg  9  Stunden  lang  gelegen 
latte.  war  ein  ganz  oberflächlicher  Defekt.  Mikroskopisch  war  hier 
las  Oberflächenepithel  abgestossen.  Das  Bindegewebe  war  sklerotisch 
ind  in  den  oberen  Schichten  ödematös.  Die  Ovarien  zeigten  makro¬ 
skopisch  keine  Veränderung.  Mikroskopisch  fanden  sich  darin, 
ibgesehen  von  chronisch  entzündlichen  Veränderungen,  hyaline 
Degenerationen  der  Gefässadventitia  sowie  ganz  vereinzelt  kleine 
ymphozytäre  nfiltrationen  an  der  Oberfläche.  Im  funktionieren- 
len  Parenchym  fanden  sich  keine  Primärfollikel,  dagegen  mehrere 
"ollikelzysten  sowie  ein  reifender  Follikel  und  ein  junges  Corpus 
uteutn  im  Proliferationsstadium  (Robert  Meyer). 

Wie  weit  die  Stromaveränderungen  auf  die  Bestrahlung  zurück- 
■.uführen  sind,  muss  unentschieden  bleiben,  zu  einer  Schädigung  des 
5arenchyms  ist  es  jedenfalls  nicht  gekommen. 

F  a  1 1  2.  Fr.  B„  36  Jahre. 

Im  November  und  Januar  wegen  Blutung  ohne  Erfolg  aus- 
;eschabt,  blutet  jetzt  wieder  sehr  stark. 

Pat.  ist  Sehr  gross  und  kräftig  gebaut  und  von  einer  unheim- 
ichen  Fettleibigkeit.  Uterus  vergrössert,  sehr  derb.  Länge  12  cm. 

Diagnose:  Metritis  chronica. 

Nach  560  mg-Stunden  intrauteriner  Bestrahlung  hörte  die  Blu¬ 
mig  auf.  Pat.  blieb  noch  54  Tage  in  der  Klinik  und  blutete  solange 
licht  mehr.  Bei  ambulanter  Behandlung  stellten  sich  wieder  Blu- 
ungen  ein.  die  allmählich  an  Stärke  Zunahmen,  so  dass  Pat.  wieder 
n  die  Klinik  aufgenommen  wurde.  Das  Einlegen  des  Mesothoriums 
gar  infolge  der  Fettleibigkeit  und  einer  sehr  engen  trichterförmigen 
icheide  jedesmal  eine  Oual  für  Patientin  und  Arzt.  Als  deshalb 
ach  nochmaliger  Bestrahlung  von  insgesamt  5240  mg-Stunden  die 
Hutung  nicht  zum  Stillstand  kam.  wurde  die  abdominale  Totalexstir- 
ation  mit  Adnexen  gemacht.  Der  Uterus  war  fast  faustgross.  Die 
.onsistenz  der  Wand  sehr  derb.  Auf  dem  Durchschnitt  zeigte  sich  in 
er  Hinterwand  ein  über  die  Fläche  nicht  hervorragendes,  ausgedehn- 
2S  Adenomvom.  Veränderungen  der  Schleimhaut  waren  ausser  einer 
sichten  Rötung  des  Zervikalkanals  nicht  zu  finden.  Die  Ovarien 
eigten  makroskopisch  keine  Veränderungen,  nur  eine  ziemlich  derbe 
onsistenz  fiel  auf.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ist  noch  nicht 
bgeschlossen  *). 

Worauf  in  diesen  beiden  Fällen  der  Misserfolg  zurück- 
uführen  ist,  vermag  ich  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen. 

Im  ersten  Falle  scheint  mir  die  Bestrahlung  wohl  zu  wenig 
itensiv  gewesen  zu  sein.  Dasselbe  gilt  vielleicht  auch  für 
en  2.  Fall,  da  ich  es  nicht  für  ausgeschlossen  halte,  dass 
ier  die  ungeheure  Fettansammlung,  die  auch  intraabdominal 
u  konstatieren  war,  die  Wirkung  der  Strahlen  auf  die  Ovarien 
ehr  gehemmt  hat.  Am  besten  sind  solche  Fälle,  wie  der 
;tzt  beschriebene,  wohl  von  vornherein  von  der  Behandlung 
lit  Mesothorium  auszuschliessen. 

Fassen  wir  unsere  Ausführungen  kurz  zusammen,  so  ist 
<  ästzustellen,  dass  die  Bestrahlung  mit  Mesotho- 
ium  imstande  ist,  klimakterische  Blutungen, 
Hutungen  bei  chronischer  Metritis  und  ent- 
ündlichen  A  d  n  e  x  a  f  f  e  k  t  i  o  n  e  n  sehr  schnell 
u  stillen  und  mit  Ausheilung  der  Entzündung 
n  kurzer  Zeit  Amenorrhoe  herbeizuführen. 
Jimmt  man  dazu  das  einfache  Instrumentarium,  die  für  Arzt 

*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Veränderungen,  die 
jiuf  die  Bestrahlung  zurückzuführen  wären,  haben  sich  nicht  gefunden. 


119[ 

und  Patienten  bequeme  Applikation  und  die  Möglichkeit,  die 
Strahlenquelle  nahe  an  den  Krankheitsherd  heranbringen  zu 
können,  so  lässt  sich  heute  schon  sagen,  dass  das  Mesothorium 
der  Röntgenbestrahlung  bei  Behandlung  der  obenerwähnten 
Erkrankungen  gleichwertig  ist,  ja  sie  bei  weiterer  Ausbildung 
wohl  noch  übertreffen  wird. 

Literatur. 

I-Oudiu  et  Verchere:  Du  radium  en  gynecol.  Bull.  med. 
1906,  No.  84.  —  2.  Cheron:  Congr.  de  Physiotherapie  de  Bruxelles 
1911.  Derselbe:  Arch.  menst,  d’obstetr.  et  de  gynecol.  1913, 
No.  2.  —  3.  W  i  c  k  h  a  m  und  Degrais:  Radiumtherapie.  Sprin¬ 
ger,  1910.  —  4.  E  s  s  e  n  -  M  ö  1 1  e  r:  Einige  Erfahrungen  über  Radium¬ 
behandlung  myomatöser  und  klimakterischer  Blutung.  Monatsschr. 
f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  XXXVI.  —  5.  Hahn:  Verhandlungen  der 
Deutsch,  phys.  Gesellsch.  1910,  Bd.  12.  Derselbe:  Ueber  Meso¬ 
thorium-  und  RadiotheraDie.  Radium  in  Biol.  u.  Heilk.  1912,  Bd.  1. 
—  6.  Friedländer:  Ueber  Versuche  direkter  Tiefenbestrahlung  in 
der  Gynäkologie  mittels  radioaktiver  Substanz  (Mesothorium). 
D.  med.  Wochenschr.  1912,  No.  31.  — -  7.  Krönig  und  Gauss: 
Die  Strahlentheraoie  in  der  Gynäkologie:  Röntgen-  oder  Radium¬ 
therapie?  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1913,  No.  5.  —  8.  Czerny  und 
Caan:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  14.  —  9.  Sticker: 
Berl.  klin.  Wochenschr.  1912,  No.  49,  50.  —  10.  Handbuch  der  Radium¬ 
biologie  und  -therapie.  Herausg.  von  Prof.  Lazarus.  —  11.  Grund¬ 
riss  der  Radiumtherapie.  Herausg.  von  Loewenthal. 


Aus  der  Universitäts-Augenklinik  Strassburg  i.  Eis. 

(Direktor:  Professor  E.  Hertel). 

Ueber  die  Verminderung  des  Augendrucks  beim  Coma 

diabeticum. 

Von  E.  Hertel. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Die  auffallende  Hypotonie  der  Augen  beim  Coma  dia¬ 
beticum  wurde  zuerst  von  P.  Krause  und  L.  Heine  ge¬ 
nauer  beschrieben  und  als  differentialdiagnostisches  Moment 
gegen  andere  komatöse  Zustände  charakterisiert.  Progno¬ 
stisch  wurde  sie  als  sehr  ungünstiges  Zeichen  angesehen,  auch 
R  o  g  g  e  hat  später  seine  Beobachtung  in  ähnlichem  Sinne 
verwendet. 

Ueber  die  Ursache  der  auffallenden  Erscheinung  konnten 
Krause  und  Heine  nur  Vermutungen  Vorbringen.  Heine 
kommt,  da  andere  Momente,  von  denen  wir  den  Augendruck 
in  erster  Linie  abhängig  wissen,  namentlich  Blutdruckände¬ 
rungen,  ursächlich  nicht  in  Betracht  kommen  konnten,  schliess¬ 
lich  zu  der  Annahme,  dass  eine  spezifische  Noxe  tensionsherab¬ 
setzend  wirke. 

Eine  Anzahl  von  Beobachtungen,  die  früher  in  Jena  und 
später  in  Strassburg  gesammelt  wurden,  wo  eine  be¬ 
sonders  sorgfältige  klinische  Analyse  möglich  war  (cf.  hierüber 
Dissertation  L.  G.  S  c  h  ii  t  z,  Strassburg  i.  Eis.,  1913),  gab  mir 
Veranlassung,  mich  mit  dem  interessanten,  seinem  Wesen  nach 
aber  noch  ganz  unaufgeklärten  Symptomenplex  zu  befassen. 

Zunächst  konnte  mit  dem  Tonometer  von  S  c  h  i  ö  t  z,  das 
ja  relativ  die  genauesten  Vergleichsmessungen  gestattet,  fest¬ 
gestellt  werden,  dass  die  Augendruckwerte  beim  ausge¬ 
sprochenen  Coma  diabeticum  sich  oft  an  der  Schwelle  der 
Messbarkeit  bewegen.  Druckwerte  von  nur  2 — 3  mm  Hg 
waren  sehr  häufig,  „breiweiche“  Augen,  deren  Druck  auch  mit 
dem  kleinsten  Gewicht  des  Tonometers  nicht  mehr  messbar 
war,  waren  nicht  selten. 

Niemals  konnten  auch  nur  annähernd  so  starke  Hypo¬ 
tonien  bei  anderen  komatösen  oder  kachektischen  Zuständen 
oder  dergleichen  gefunden  werden. 

Darin  liegt  also  eine  Bestätigung  der  von  Krause  und 
Heine  aufgestellten  Ansicht,  dass  starke  Hypotonie  der 
Augen  bei  komatösen  Zuständen  Diabetes  als  Ursache  in¬ 
volviert. 

Dagegen  scheint  die  Mitteilung  von  Krause,  dass  die 
Hypotonie  der  Augen  stets  auf  eine  ganz  schlechte  Prognose 
des  Falles  deute,  nach  unserem  Material  eine  Einschränkung 
zuzulassen.  Auch  in  Fällen  mit  sehr  stark  vermindertem 
Augendruck  konnten  die  therapeutischen  Bestrebungen  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  wenigstens  von  Erfolg  sein.  Es  trat 
Besserung  des  Allgemeinzustandes  auf  und  auch  der  Augen¬ 
druck  konnte  sich  wieder  sehr  gut  erholen.  In  der  Dissertation 


1 192 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22. 


von  L.  Q.  Schütz  wird  ein  Fall  genauer  beschrieben,  bei 
dem  der  Augendruck  nur  noch  2  mm  Hg  betrug,  und  der 
trotzdem  das  Coma  völlig  überstand  und  auch  wieder  nor¬ 
malen  Augendruck  bekam. 

Als  Ursache  der  Hypotonie  konnte  nach  unseren  Beob¬ 
achtungen  weder  eine  lokale  Erkrankung  der  Augen,  noch  eine 
Aenderung  des  Blutdruckes  in  Frage  kommen.  Dagegen  Hessen 
sich  schon  aus  der  klinischen  Analyse  der  Fälle,  und  noch 
mehr  aus  der  Feststellung,  dass  das  elektrische  Leitvermögen 
der  Augenflüssigkeit  bei  den  weichen  Augen  beträchtlich  er¬ 
höht  war,  Anhaltspunkte  dafür  gewinnen,  dass  wohl  Stö¬ 
rungen  in  dem  Wasser  und  Salzgehalt  der  Gewebe,  also  der 
osmotischen  Vorgänge  im  Auge,  einen  Grund  zu  der  merk¬ 
würdigen  Druckabnahme  bilden  könnten. 

Dieser  aus  der  Beobachtung  am  Menschen  gewonnene 
Fingerzeig  über  die  Entstehungsmöglichkeit  der  Hypotonie 
verbunden  mit  der  Feststellung,  dass  die  Hypotonie  nicht  stets 
eine  Dauerschädigung,  etwa  agonaler  Art,  ist,  sondern  einen 
reparablen  Zustand  darstellen  kann,  gab  mir  den  Gang  für  die 
experimentelle  Untersuchung  der  ganzen  Frage  an. 

Ich  versuchte,  durch  Verfütterung  und  intravenöse  Injek¬ 
tion  von  verschiedenen  Stoffen  die  molekulare  Konzentration 
des  Blutes  der  Tiere  zu  beeinflussen,  und  stellte  durch  häufige 
Messungen  fest,  wie  sich  dabei  der  Augendruck  verhielt.  Es 
gelang  mir  in  der  Tat,  durch  Applikation  von  verschiedenen 
Salzen,  aber  auch  von  anderen  Stoffen,  wie  z.  B.  Zucker  und 
Harnstoff  bei  Kaninchen,  eine  ganz  ähnliche  Hypotonie,  wie 
sie  beim  Coma  diabeticum  des  Menschen  beobachtet  wird, 
zu  erzeugen. 

Es  soll  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  ich  in  der  Literatur 
nachträglich  auf  eine  Notiz  von  E  h  r  m  a  n  n  aufmerksam 
wurde,  nach  welcher  es  diesem  gelungen  war,  durch  Einver¬ 
leibung  von  buttersauren  Salzen  beträchtliche  Herabsetzung 
des  Augendruckes  hervorzurufen.  Ich  konnte  diese  Angabe 
z.  B.  für  buttersaures  Natrium  und  isovaleriansaures  Natrium 
bestätigen.  Doch  ist  diese  Wirkung  nicht  etwa  nur  den  butter¬ 
sauren  Salzen  eigentümlich,  sondern  kommt  nach  meinen  Ver¬ 
suchen  auch  dem  Kochsalz,  dem  Natriumsulfat,  dem  Natrium¬ 
phosphat,  dem  Natriumazetat,  dem  Natrium  bicarbonicum  zu, 
ja  sie  ist  überhaupt  nicht  nur  an  eine  Salzwirkung  gebunden, 
wie  ja  daraus  deutlich  hervorgeht,  dass  ich  die  Hypotonie 
auch  durch  Applikation  von  Zucker-  und  Harnstoff  in  aus¬ 
giebigster  Weise  erzielen  konnte. 

Zur  genauen  Kontrolle  des  Verlaufs  der  Experimente  be¬ 
diente  ich  mich  mit  Vorteil  der  intravenösen  Infusion  der 
Stoffe  nach  Dr.  Blum,  dem  ich  auch  sonst  für  die  bereit¬ 
willige  Unterstützung  bei  der  Ausführung  der  Versuche  sehr 
zu  Danke  verpflichtet  bin. 

Es  Hess  sich  nachweisen,  dass  bei  allen  Stoffen  der  Ein¬ 
tritt  der  Hypotonie  nicht  nur  von  der  Menge  der  pro  Tierkilo 
eingeführten  Substanz  abhing,  sondern  auch  von  der  Zeit,  die 
zu  der  Infusion  der  Substanz  gebraucht  wurde.  Dadurch  Hess 
sich  der  Effekt  beliebig  variieren,  und  war  ein  genaueres 
Studium  der  verschiedenen  Grade  der  Hypotonie  möglich.  Es 
gelang,  durch  Einführung  z.  B.  von  Kochsalz  in  4  Minuten  die 
Augen  „breiweich“  zu  machen,  so  dass  eine  tonometrische 
Bestimmung  des  Druckes  nicht  mehr  möglich  war.  Allerdings 
trat  bei  derartig  forcierten  Versuchen  meist  der  Exitus  der 
Tiere  ein.  Stimmte  man  dagegen  die  Applikation  der  Stoffe 
so  ab,  dass  die  Hypotonie  in  einer  „mittleren“  Zeit  von  etwa 
15—20  Minuten  völlig  ausgebildet  war,  so  vertrugen  die  Tiere 
die  Einführung  der  hierzu  nötigen  Stoffmengen  meist  sehr  gut. 
Einige  Stunden  nach  der  Unterbrechung  der  Infusion  konnte 
der  Druck  schon  wieder  normal  sein. 

Uebrigens  war  es  möglich,  die  Normalisierung  des 
Druckes  auch  bei  Fällen  von  höchstgradiger  Hypotonie  be¬ 
trächtlich  zu  beschleunigen,  wenn  man  nach  Eintritt  der  Hypo¬ 
tonie  physiologische  Kochsalzlösung  in  grösseren  Mengen  in¬ 
fundierte.  Man  konnte  auf  diese  Weise  erreichen,  dass  inner¬ 
halb  von  ca.  20  Minuten  „breiweich“  gewordene  Augen  nach 
weiteren  40 — 50  Minuten  schon  wieder  normale  Spannung  1 
aufwiesen.  , 

Durch  Wägung  nach  Trocknen  bei  110  Grad  bis  zur  Ge-  i 
Wichtskonstanz  Hess  sich  feststellen,  dass  die  weich  ge-  < 
wordenen  Augen  deutlichen  Wasserverlust  erlitten  hatten.  5 


Die  chemische  Analyse  ergab  ferner,  dass  die  injizierten 
Stoffe  aus  dem  Blut  in  die  Augenflüssigkeit  übergetreten 
waren,  besonders  leicht  Hess  sich  das  vom  Zucker  nachweisen, 
bei  dem  eine  5— 6  fache  Vermehrung  gegenüber  der  Norm 
nicht  selten  gefunden  wurde. 

Schliesslich  sei  noch  erwähnt,  dass  die  wiederholt  gleich¬ 
zeitig  aufgenommenen  Blutdruckkurven  einwandfrei  ergeben 
Haben,  dass  die  hervorgerufene  Hypotonie  vom  Verhalten  des 
Blutdrucks  gänzlich  unabhängig  war.  Wenn  überhaupt  im 
Blutdruck  durch  Infusion  Aenderungen  eintraten,  so  Hessen 
sich  weder  im  Stadium  des  Abfalls  des  Augendrucks,  noch 
beim  Wiederanstieg  desselben  Wechselwirkungen  zu  der  Blut¬ 
druckkurve  feststellen. 

Zudem  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  wiederholt  zur 
Kontrolle  bei  einem  und  demselben  Tier  vor  der  Infusion  ein 
Auge  enukleiert  wurde.  Die  gleich  nach  der  Enukleation  vor¬ 
genommene  Druckbestimmung  ergab  niemals  einen  derartigen 
Druckabfall,  wie  er  durch  die  nachfolgende  Infusion  am 
anderen  Auge  leicht  zu  erzeugen  war.  Es  waren  also  die 
Augen,  in  denen  jede  Zirkulation  aufgehoben  war,  immer  noch 
besser  gespannt,  als  die,  die  unter  Einfluss  der  infundierten 
Stoffe  standen. 

Es  dürfte  auch  nach  dieser  summarisch  gehaltenen  Schil¬ 
derung  der  Experimente  klar  geworden  sein,  dass  es  gelungen 
war,  lediglich  durch  Aenderung  der  molekularen  Zusammen¬ 
setzung  des  Blutes  bei  Kaninchen  eine  Hypotonie  der  Augen 
zu  erzeugen,  die  in  ihrem  Grade  und  Verlauf  durchaus  der 
beim  Menschen  im  Coma  diabeticum  beobachteten  glich.  Die 
Gleichartigkeit  des  Effektes  trotz  der  Mannigfaltigkeit  der  in¬ 
fundierten  Stoffe  Hess  eine  spezifische  Wirkung  beim  Ent¬ 
stehen  dieser  Hypotonie  ausschliessen. 

Für  die  Kenntnis  des  Flüssigkeitswechsels  im  Auge 
dürften  die  vorliegenden  Untersuchungen  nicht  ohne  Wert 
sein,  da  sie  zeigen,  wie  auch  unabhängig  vom  Blutdruck  eine 
Flüssigkeitsab-  und  -zufuhr  sogar  in  recht  lebhafter  Weise  im 
Auge  stattfinden  kann,  lediglich  durch  Aenderung  der  osmoti¬ 
schen  Vorgänge. 

Auf  weitere,  rein  ophthalmologische  Fragen  berührende 
Folgerungen,  die  zum  Teil  auch  schon  experimentell  erhärtet 
sind,  soll  an  anderer  Stelle  genauer  eingegangen  werden. 


Aus  der  Hautabteilung  Jena. 

Ueber  die  Hirndruckerhöhung  bei  Lues  nach  Salvarsan. 

Von  Prof.  Dr.  B.  S  p  i  e  t  h  o  f  f. 

Die  Veränderungen  der  Spinalflüssigkeit  bei  den  Salvar- 
sankrampffällen  veranlassten  mich,  in  einer  Reihe  von  Lues¬ 
fällen,  die  mit  Salvarsan  behandelt  waren,  die  Lumbalpunktion 
vornehmen  zu  lassen.  Die  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  20  und  21,  1912  (Spiethoff),  und  in  der  Zeitschr.  f. 
d.  Ges.  Neurologie  und  Psychiatire,  Bd.  XI,  Heft  5,  1912 
(R  eichmann)  niedergelegten  Ergebnisse  gehen  dahin,  dass 
im  Frühstadium  der  Lues  als  ganz  regelmässige  Erscheinung 
eine  recht  erhebliche  Erhöhung  des  Hirndruckes  eintritt. 
Während  Ravaut  in  seinen  gleichzeitigen  Mitteilungen 
(Prese  medicale  No.  18,  1912)  hervorhebt,  dass  sich  solche 
Veränderungen  des  Lumbalpunktates  nur  im  sekundären 
Stadium  der  Lues  einstellen  und  erst  einige  Wochen 
nach  der  Behandlung  in  Erscheinung  treten,  geht  aus  unserer 
Versuchsanordnung  hervor,  dass  sich  gleiche  Veränderungen 
schon  im  primären  Stadium  und  zwar  gleich  zu  Be¬ 
ginn  der  Salvarsanbehandlung  nachweisen  lassen.  Unsere 
damals  vorliegenden  Erfahrungen  bei  Spätlues  waren  noch  zu 
vereinzelt,  um  schon  Gesichertes  sagen  zu  können.  Inzwischen 
ist  durch  weitere  Untersuchungen  an  der  Jenaer  Hautklinik 
die  Lücke  ausgefüllt.  Herr  Privatdozent  Dr.  Reichmann 
hatte  nach  wie  vor  die  Liebenswürdigkeit,  die  Ausführung  der 
Untersuchungen  zu  übernehmen.  In  dieser  Beziehung  ver¬ 
weise  ich  auf  die  unlängst  erfolgte  Erklärung  Reich- 
m  a  n  n  s  in  dieser  Wochenschrift  (S.  926).  Konnten  wir  im 
Frühstadium  eine  regelmässige  und  erhebliche  Erhöhung 
des  Druckes  feststellen,  so  ist  über  diese  Erscheinung 
im  Spätstadium  zu  berichten,  dass  sie  meist  nicht  in  dem 
Grade  wie  im  Frühstadium  eintritt.  Wie  in  der  ersten  Unter¬ 
suchungsreihe,  so  konnte  auch  bei  Spätluetikern  nur  bei 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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wenigen  die  Punktion  vor  und  nach  der  Salvarsanbehand- 
lung  angestellt  werden.  Aber  aus  dem  Vergleich  der  nach 
Anwendung  des  Salvarsans  gefundenen  Werte  mit  denen,  die 
man  bei  unbehandelten  Spätluesfällen  antrifft,  lässt  sich  doch 
ein  gültiger  Analogieschluss  ziehen.  Als  Durchschnitts¬ 
wert  bei  unbehandelten  Spätluetikern,  die  keine  klinischen 
Anzeichen  einer  Erkrankung  des  Zerebrospinalsystems  dar¬ 
bieten,  stellt  sich  derselbe  Wert  des  Hirndruckes  heraus  wie 
bei  Frühluetikern,  und  zwar  ein  Druck  bis  130  mm,  der  sich 
also  nach  Nonne  im  Normalen  bewegt.  Findet  man  bei 
Patienten  nach  der  Salvarsanbehandlung  meist  höhere  Werte, 
so  wird  man  sie  demnach  auf  irgend  eine  Weise  ursächlich 
mit  dem  Salvarsan  in  Verbindung  bringen  müssen.  Nach 
unseren  Erfahrungen  beträgt  der  Durchschnittswert  des  Hirn¬ 
druckes  nach  Salvarsan  bei  Frühluetikern  211  mm;  Drey- 
f  u  s  (Münch,  med.  Wochenschr.  9  und  10,  1913)  würde  dies 
im  Gegensatz  zu  Nonne  und  Reichmann  allerdings 
höchstens  für  eben  erhöht  halten.  Von  10  nach  Salvarsan 
luinbalpunktierten  Spätluetikern  weisen  7  einen  gesteigerten 
Druck  auf,  während  3  noch  normale  Höhe  haben;  hiermit  ist 
natürlich  nicht  gesagt,  dass  bei  diesen  drei  jede  Steigerung 
nach  der  Behandlung  ausgeblieben,  sondern  nur,  dass  die 
Drucksteigerung  noch  in  normalen  Grenzen  geblieben  ist. 
Eiir  diese  Annahme  scheinen  die  Beobachtungen  bei  Tabes 
und  Paralyse  sehr  zu  sprechen.  Auch  hier  findet  man  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  nach  Salvarsanbehandlung  Druckwerte,  die 
noch  innerhalb  der  Normgrenzen,  aber  doch  gegenüber  den 
Ausgangswerten  erhöht  sind  (80 — 90  auf  115 — 120).  Die 
Durchschnittszahl  aus  den  10  Fällen  beträgt  170,  während  sie 
sich  bei  den  7  Fällen  mit  erhöhtem  Druck  auf  193  beläuft. 
Nach  unseren  Erfahrungen  besteht  also  bei  Spätlues  ebenso¬ 
wenig  wie  bei  primärer  ein  grundsätzlicher  Unterschied 
gegenüber  der  sekundären  Lues,  wie  R  a  v  a  u  t  dies  betont. 
Vielmehr  liegt  nur  ein  gradueller  Unterschied  vor. 

Die  Reaktionen  im  Liquor  cerebrospinalis  nach  Salvarsan 
werden  von  R  a  v  a  u  t  aus  einer  Wechselwirkung  zwischen 
Salvarsan  und  den  im  Zerebrospinalsystem  nistenden  Spiro¬ 
chäten  erklärt,  und  die  besonders  im  Frühstadium  auffallenden 
Erscheinungen  werden  aus  dem  grösseren  Spirochätenreich- 
tum  zu  dieser  Zeit  hergeleitet.  Während  R  a  v  a  u  t  die  Liquor¬ 
veränderungen  in  diesen  seinen  Fällen  als  Ausdruck  eines 
syphilitisch-anatomischen  Prozesses  ablehnt,  vertreten  andere 
Autoren  (Dreyfus:  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  33  und 
34,  1912  u.  a.)  den  Standpunkt  der  sogen.  Herdreaktion,  d.  h. 
sie  sagen,  eine  Veränderung  des  Liquors  unter  Salvarsan  tritt 
nur  dann  ein,  wenn  pathologische  Prozesse  syphilitischer 
Natur  im  Zerebrospinalsystem  bereits  Vorgelegen  haben,  die 
klinisch  ohne  Erscheinungen  verlaufen  sind.  Sie  stützen  sich 
auf  die  von  R  a  v  a  u  t  schon  vor  der  Salvarsanära  mitgeteilten 
Beobachtungen,  nach  denen  sich  in  67  Proz.  aller  Fälle  von 
sekundärer  Lues  pathologische  Erscheinungen  im  Liquor 
finden,  und  erklären  den  nach  einer  Salvarsanbehandlung  fest¬ 
gestellten  noch  höheren  Prozentsatz  (84,8  Proz.  R  a  v  a  u  t) 
als  den  Ausdruck  einer  unter  der  provozierenden  Wirkung 
des  Salvarsans  zustandegekommenen  Herdreaktion. 

Bei  dem  heutigen  Tatsachenstoff  muss  ich  aus  verschie¬ 
denen  Gründen  die  Auffassung  von  der  Herdreaktion  in  dem 
eben  berichteten  weiten  Sinne  der  Autoren  ablehnen.  Jeder, 
der  Spinalpunktionen  häufiger  heranzieht,  wird  Fälle  beob¬ 
achtet  haben,  bei  denen  trotz  sichergestellter  zerebraler  Lues 
jedes  pathologische  Zeichen  einer  Liquorveränderung  fehlt. 
Dass  in  derartigen  Fällen  nach  einer  Salvarsanbehandlung  als 
Ausdruck  einer  Herdreaktion  ein  und  das  andere  pathologische 
Symptom  im  Liquor  erscheinen  und  dieses  Symptom  nur  in 
einer  Druckerhöhung  bestehen  kann,  ist  ohne  weiteres  zuzu¬ 
geben;  man  kann  dies  mit  dem  Positivwerden  einer  vorher 
negativen  Wassermann  sehen  Reaktion  vergleichen.  Der 
wichtigste  Grund,  den  ich  gegen  die  verallgemeinerte  Herd¬ 
reaktion  anführe,  besteht  in  dem  Auftreten  der  Druckerhöhung 
in  jedem  Fall  von  Frühlues  und  höchst  wahrscheinlich  auch 
von  Spätlues.  Die  allgemeine  Annahme  einer  Herdreaktion 
würde  das  Vorhandensein  syphilitischer  anatomischer  Ver¬ 
änderungen  im  Zentralnervensystem  in  jedem  Falle  von 
Lues  voraussetzen,  wozu  meines  Erachtens  aber  jeder  tat¬ 
sächliche  Untergrund  fehlt.  Auch  das  graduell  verschie- 

No.  22. 


dene  Verhalten  des  Hirndrucks  nach  Salvarsan  in  Fällen  von 
Früh-  und  Spätlues  lässt  sich  gegen  die  Erklärung  der  Druck¬ 
steigerung  aus  einer  Herdreaktion  geltend  machen.  Denn  in 
Fällen,  in  denen  man  bei  reiner  Spätlues  (also  mit  Ausnahme 
der  mit  tabischen  und  paralytischen  Erscheinungen  verlaufen¬ 
den  Fälle)  vor  der  Salvarsanbehandlung  irgend  welche,  wenn 
auch  noch  so  schwache  Anzeichen  zerebrospinaler  Verände¬ 
rungen  nachweisen  kann,  mögen  die  Fälle  nun  mit  oder  ohne 
klinische  Symptome  verlaufen,  ist  kein  gradueller  Unterschied 
in  den  Druckverhältnissen  nach  einer  Salvarsankur  gegenüber 
den  Frühfällen  zu  beobachten.  Weiter  oben  war  schon  an¬ 
geführt,  dass  gerade  bei  Tabes  und  Paralyse  auf  syphilitischer 
Grundlage  hinsichtlich  der  Höhe  der  Drucksteigerung  gleiche 
Zustände  herrschen  wie  bei  reiner  Spätlues  ohne  Erkrankung 
des  Zerebrospinalsystems,  indem  die  Drucksteigerung  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  Werte  noch  in  normalen  Grenzen  schafft.  Die 
Annahme  der  Herdreaktion  kann  die  Tatsache,  dass  ganz  all¬ 
gemein  die  Fälle  von  Spätlues,  bei  denen  sich  weder  klinisch, 
noch  im  Liquor  ein  Anhaltspunkt  für  eine  zerebrospinale  Er¬ 
krankung  gewinnen  lässt,  graduell  schwächer  reagieren 
als  gleiche  Frühfälle,  nicht  erklären.  Für  das  unterschiedliche 
Verhalten  von  Früh-  und  Spätlues  könnten  auch  die  Befunde 
R  a  v  a  u  t  s,  nach  denen  die  Lumbalpunktion  im  Frühstadium 
viel  häufiger  als  im  Spätstadium  klinisch  unerwartete  patho¬ 
logische  Veränderungen  zutage  fördert,  nicht  herangezogen 
werden.  Diese  Befunde  bedürfen  nach  den  Erfahrungen,  die 
hierüber  an  der  hiesigen  Hautklinik  vorliegen,  noch  einer 
gründlichen  Nachprüfung;  die  Jenaer  Beobachtungen  bilden 
für  die  Behauptung  R  a  v  a  u  t  s  keine  Bestätigung.  Aber  selbst 
wenn  sich  bei  einer  grösseren  Nachuntersuchung  die  Richtig¬ 
keit  der  R  a  v  a  u  t  sehen  Behauptung  herausstellen  sollte,  so 
könnte  damit  weder  die  Regelmässigkeit,  noch  der  graduelle 
Unterschied  der  Druckerhöhung  erklärt  werden.  Dass  die 
Umstimmung  der  Gewebsreaktion  im  Spätstadium  nicht  für 
den  graduellen  Unterschied  herangezogen  werden  kann,  geht 
aus  der  oben  erwähnten  Tatsache  hervor,  dass  alle  Fälle  von 
reiner  Spätlues  des  Zerebrospinalsystems,  bei  denen  nur  der 
leiseste  Anhaltspunkt  für  einen  tatsächlichen  syphilitischen 
Prozess  im  anatomischen  Sinne  vorliegt,  die  Druckreaktion 
die  gleiche  ist  wie  bei  Frühlues.  Das  monatelange  An¬ 
halten  der  schnell  einsetzenden  Druckerhöhung  b  e  i 
sehr  gut  spezifisch  behandelten  Kranken,  das 
im  Gegensatz  hierzu  gleichzeitige  allmähliche  Negativwerden 
der  Wassermann  sehen  Reaktion  unter  der  Behandlung, 
das  ziemlich  regelmässige  Abflauen  anderer  Zeichen  (wie 
Pleozytose  und  Nonne  sehe  Reaktion)  bei  Erkrankung  des 
Zentralnervensystems  jedes  Stadiums  bei  gleichzeitigem  an¬ 
tagonistischen  Anstieg  des  Hirndrucks  sprechen  gleichfalls 
gegen  eine  Herdreaktion.  Was  den  letzten  Punkt  anbetrifft, 
so  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  es  nicht  Fälle  gibt,  in 
denen  ein  anderes  Verhältnis  vorliegt.  An  dieser  Stelle  will 
ich  aber  nicht  auf  die  verwickelten  Ausnahmefälle  eingehen, 
sondern  nur  die  Regel  schildern. 

Gerade  der  graduelle  Unterschied  in  der  Druck¬ 
reaktion  bei  Früh-  und  Spälues  bekundet  sehr  eindrucksvoll, 
dass  die  in  Frage  stehende  Reaktion  nicht  rein  medikamentös 
toxischer  Natur  sein  kann,  sondern  dass  die  Spirochäten  dabei 
eine  Rolle  spielen  müssen.  Mehr  als  durch  den  grundsätz¬ 
lichen  Unterschied,  den  Ravaut  zwischen  Früh-  und  Spät¬ 
lues  aufstellt,  gewinnt  der  Erklärungsversuch  dieses  Gelehrten 
durch  den  graduellen  Unterschied  an  Wahrscheinlichkeit. 
Konnten  wir  bei  der  Annahme  einer  Herdreaktion  aus  den 
obigen  Gründen  keine  genügende  Erklärung  für  den  graduellen 
Unterschied  finden,  so  ist  dieser  aus  dem  verschiedenen 
zahlenmässigen  Verhältnis  der  Spirochäten  bei  Früh-  und  Spät¬ 
lues  geklärt.  Den  bestimmenden  Einfluss  des  Spirochäten¬ 
reichtums  des  Organismus  sieht  man  auch  beim  Ablauf  anderer 
Reaktionen,  so  z.  B.  der  Fieberreaktionen,  bei  denen  man  sehr 
wohl  mit  der  Druckreaktion  zu  vergleichenden  Verhältnissen 
begegnet.  Zählt  man  jede  nach  Salvarsan  eintretende  Tem¬ 
peraturveränderung,  d.  h.  Anstieg  über  37,5,  so  wird  bei  dieser 
Grenzziehung  kein  auffallender  Unterschied  in  der  Zahl  der 
reagierenden  Fälle  in  den  einzelnen  Stadien  der  Lues  fest¬ 
zustellen  sein;  ganz  anders  aber,  wenn  man  die  grösseren 
Erhöhungen,  d.  h.  solche  über  38,5  berücksichtigt.  Hier  tritt 

2 


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Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  22. 


ein  gradueller  Unterschied  sofort  hervor,  indem  man  bei  Früh¬ 
lues  graduell  höhere  Reaktionen  viel  häufiger  auftreten 
sieht  als  bei  Spätlues,  ln  der  Frühlues  ist  es  nicht  nur  die 
Zeit  des  Beginns  der  Sekundärperiode,  die  Zeit  des  Friih- 
exanthems,  in  der  man  höhere  Reaktionen  öfters  sieht,  sondern 
auch  schon  das  Stadium  der  primären  Lues  bei  bereits  posi¬ 
tivem  Wassermann.  Unsere  Beobachtungen  hierüber  hat 
Mied  reich  in  einer  Inauguraldissertation,  Jena  1913,  ver¬ 
arbeitet.  Diese  latsache  kann  man  mit  der  nach  den  Jenaer 
Beobachtungen  auch  schon  bei  primärer  Lues  eintretenden 
höheren  Druckreaktion  vergleichen.  R  a  v  a  u  t  denkt  bei 
seiner  Annahme  einer  Wechselwirkung  des  Salvarsans  und 
der  Spirochäten  an  die  im  Zerebrospinalsystem  nistenden 
Parasiten.  Man  kann  den  Vorgang  aber  gerade  in  Anlehnung  J 
an  die  allgemeineren  Verhältnisse  beim  Ablauf  der  Fieber¬ 
reaktionen  auf  eine  breitere,  örtlich  nicht  beschränkte  Grund-  I 
läge  stellen  und  zur  Erklärung  die  Gesamtzahl  der  Spirochäten 
im  Organismus  heranziehen;  die  von  ihnen  gelieferte  mehr 
oder  weniger  grosse  Menge  von  Toxinen  oder  Endotoxinen  j 
schaffen  im  Zerebrospinalsystem  Zustände,  die  in  Wechsel-  I 
Wirkung  mit  dem  Salvarsan  die  Druckerhöhung  auslösen.  Da¬ 
für  scheinen  auch  die  sehr  interessanten  tierexperimentellen 
Untersuchungen  von  G.  R  i  c  k  e  r  und  W.Knapezu  sprechen 
(Med.  Klinik  31,  1912).  Die  Autoren  konnten  bei  intravenöser 
Salvarsananwendung  stärkere  Verlangsamung  des  Blut¬ 
stromes  in  den  Organen  feststellen,  in  denen  das  Stromgebiet 
durch  einen  anderen  Reiz  verändert  war.  Dieser  Reiz  würde 
also  bei  der  Lues  in  Giften  der  Spirochäten  bestehen  und  je 
nach  der  Giftgrösse  verschieden  gross  sein,  und  entsprechend 
wären  auch  seine  Folgen  bei  Einwirkung  des  Salvarsans. 
Dass  Aenderungen  der  Blutströmung  einen  Einfluss  auf  die 
Spinalflüssigkeit  haben  müssen,  ist  leicht  einzusehen,  und 
wurde  uns  auch  durch  Herrn  Prof.  R  i  c  k  e  r  bestätigt. 

Die  Frage  nach  der  Entstehung  und  den  Bedingungen  der 
Hirndrucksteigerung  hat  nicht  nur  theoretisches  Interesse.  Die 
Anhänger  einer  Herdreaktion  müssen  folgerichtig  so  lange  die 
spezifische  Behandlung,  also  wohl  auch  die  mit  Salvarsan, 
fortsetzen,  bis  dieses  Zeichen  verschwunden  ist,  d.  h.  bis  der 
Hirndruck  normale  Werte  angenommen  hat.  Auf  Grund 
unserer  Anschauung  werde  ich  dieses  Beginnen  ablehnen. 

Eine  sehr  wesentliche  Förderung  würde  die  ganze  Frage 
erfahren,  wenn  Untersuchungen  des  Liquors  auch  bei  anderen 
mit  Salvarsan  intravenös  behandelten  Krankheiten  ange¬ 
stellt  würden.  Den  Anfang  haben  wir  an  der  Hautklinik  mit 
3  Kranken  gemacht.  Bei  einem  jugendlichen  Psoriatiker  trat 
nach  2  Salvarsaneinspritzungen  keine  Veränderung  im  Liquor 
der  Voruntersuchung  gegenüber  ein.  Dagegen  wies  ein  jugend¬ 
licher  Mann  mit  Dermatitis  herpetiformis  Duhring  nach  wieder¬ 
holten  intravenösen  Salvarsaninjektionen  den  beträchtlichen 
Druck  von  185  mm  auf,  und  ein  Mann  in  mittleren  Jahren 
mit  Peniskarzinom  und  Metastasen  in  den  Drüsen  und  Lungen 
hatte  nach  2  Salvarsaninjektionen  einen  Druck  von  170  mm, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dass  bei  der  Obduktion  das  Gehirn 
frei  befunden  wurde.  Bei  den  beiden  letzteren  Fällen  fehlen 
die  Ausgangswerte,  der  hohe  Hirndruck  erinnert  aber  immer¬ 
hin  an  die  Verhältnisse  bei  Lues  nach  Salvarsan.  Die  Fort¬ 
setzung  dieser  Untersuchungen  würde  auch  die  Frage  klären, 
ob  als  Vorbedingung  der  Druckerhöhung  neben  dem  Salvarsan 
nur  Reize  in  Betracht  kommen,  die  in  primären  lokalen  Ver¬ 
hältnissen  des  Zerebrospinalsystems  bedingt  sind,  oder  auch 
solche,  die  an  irgend  einer  anderen  Stelle  des  Organismus 
gebildet  erst  sekundär  durch  die  Zirkulation  in  das  Zentral¬ 
nervensystem  gelangen.  Letzteres  könnte  man  annehmen, 
wenn  die  Druckerhöhung  auch  bei  Krankheiten  sichergestellt 
wird,  die  erfahrungsgemäss  nie  mit  Veränderungen  des  Zen- 
tralnervensystems  einhergehen,  wie  z.  B.  die  Dermat.  herp 
Duhring. 

Ganz  strittig  ist  die  Frage,  ob  andere  anomale  Erschei¬ 
nungen  in  der  Zusammensetzung  des  Liquors,  wie  die  Pleo¬ 
zytose  und  die  Non  n  e  sehe  Reaktion,  als  Folge  derselben 
Ursachen  auftreten  können,  die  nach  unserer  Auffassung  die 
Hirndruckerhöhung  auslösen.  Als  Ausgangspunkt  soll  wieder 
die  1  atsache  dienen,  dass  man  in  den  Fällen  extremster  Sal- 
\  arsanschädigung,  den  sogen.  Krampffällen,  positiven  Nonne 
wie  1  leozytose  gefunden  hat,  und  zwar  schon  in  Fällen 
fi  ühester  Lues  (primäres  Stadium  bei  negativem  Wasser¬ 


mann),  wo  auch  die  folgende  genaueste  histologische  Unter¬ 
suchung  des  Zerebrospinalsystems  nicht  den  geringsten  An¬ 
haltspunkt  für  eine  syphilitische  Erkrankung  gegeben  hat.  Wie 
ich  (1.  c.)  schon  hervorgehoben  habe,  ist  anzunehmen,  dass 
alle  möglichen  Abstufungen  von  den  Krampffällen  bis  zu  den 
kleinsten  Anfängen  einer  Reizung  Vorkommen;  ich  empfahl 
damals  in  therapeutischer  Hinsicht  die  Lumbalpunktion  in 
Fällen,  die  klinisch  durch  Auftreten  von  Kopfschmerzen  und 
Schwindel  auf  Reizzustände  verdächtig  sind.  Von  echten 
Neurorezidiven  sind  solche  Fälle  manchmal  schwer  zu  unter¬ 
scheiden,  oft  bringt  erst  die  weitere  Beobachtung  und  der  Er¬ 
folg  der  angewendeten  Therapie  die  Aufklärung.  In  derselben 
Arbeit  wurden  abgesehen  von  den  Krampffällen  Beob¬ 
achtungen  mitgeteilt,  bei  denen  ich  versucht  war,  das  Auf¬ 
treten  oder  Anschwellen  der  Pleozytose  und  der  Nonne¬ 
schen  Reaktion  auf  eine  Reizwirkung  des  Salvarsans  zu  be¬ 
ziehen.  Der  eine  Fall  betraf  eine  primäre  Lues,  bei  der  vor 
der  Salvarsanbehandlung  jedes  nervöse  Symptom  wie  jede 
Andeutung  einer  Anomalie  im  Liquor  fehlten.  Nach  5  in  Ab¬ 
ständen  von  8  Tagen  erfolgten  venösen  Salvarsaninjektionen, 
d.  h.  einer  Kur,  die  man  für  dieses  Stadium  als  kräftig  wird 
bezeichnen  können,  trat  ausser  einer  sehr  starken  Druck- 
steigerung  ein  positiver  Nonne  auf  bei  gleichzeitig  bestehenden 
Kopfschmerzen,  welche  nach  der  Punktion  sofort  verschwan¬ 
den.  Die  beiden  anderen  Beobachtungen  betrafen  je  einen 
Fall  von  1  abes  und  Paralyse.  In  beiden  Fällen  konnte  innerhalb 
der  ersten  Monate  der  Kur  ein  stetiges  Zurückgehen  der  Pleo¬ 
zytose  festgestellt  werden,  bis  dann  unter  weiterer  energischer 
Behandlung  mit  Salvarsan  ganz  unerwartet  in  beiden  Fällen 
plötzlich  ein  nicht  unerheblicher  Anstieg  der  Non  ne  sehen 
Reaktion  und  in  dem  Iabesfall  auch  der  Pleozytose  eintrat, 
und  dies,  obwohl  in  klinischer  Hinsicht  die  erhebliche  Besse¬ 
rung  nach  wie  vor  angehalten  hatte.  Früher  war  ich  geneigt, 
diese  Erscheinungen  mehr  als  toxisch  medikamentös  bedingt 
anzusehen,  weil  in  den  Salvarsankrampffällen  ja  ein  Beispiel 
vorlag,  dass  diese  Reaktionen  ohne  einen  luetischen  Prozess 
auftreten  können,  und  man  bei  Annahme  einer  Herdreaktion 
diese  eigentlich  zu  Beginn  der  Kur  und  nicht  nach  einer  sehr 
energischen  und  bereits  mit  Erfolg  begleiteten  Behandlung  er¬ 
warten  sollte.  Zu  einer  anderen  Auffassung  bin  ich  gekommen, 
als  ich  beim  Vergleich  der  Kurven  der  Nonne-  und  Wasser¬ 
mannreaktion  einen  gewissen  Parallelismus  entdeckte  und  sah, 
dass  in  dem  Paralysefall  ein  Anstieg  beider  Kurven  nach 
einer  weiteren  besonders  kräftigen,  mit  zahlreichen  Fibrolysin- 
injektionen  (D  u  h  o  t)  verbundenen  Kur  eintrat.  Der  in  diesem 
Falle  durch  die  vorausgegangenen  Kuren  abgeschwächte  Blut- 
Wasseimann  wurde  unter  der  eben  erwähnten  kräftigen 
Kur  wieder  allmählich  positiv  —  zuerst  zweifelhaft  und  dann 
stark  positiv  —  und  in  Parallele  hierzu  bewegte  sich  die 
N  o  n  n  e  sehe  Reaktion.  Diesen  Vorgang  kann  man  sich  so 
erklären,  dass  erst  unter  der  fortgesetzten  Salvarsanzufuhr 
Spirochäten  angefangen  haben  zu  reagieren,  die  vorher  ab¬ 
gekapselt,  in  alten  Herden  liegend  vom  Salvarsan  nicht  er¬ 
reicht  wurden. 

Das  vorliegende  kasuistische  Material  scheint,  wie  gesagt, 
zur  Entscheidung  der  Frage  noch  zu  gering,  ob  aus  gleichen 
Ursachen,  die  die  Hirndruckreaktionen  im  allgemeinen  aus¬ 
lösen,  Veränderungen  auftreten  können,  die  sich  in  einer  Pleo¬ 
zytose  oder  Nonne  sehen  Reaktion  äussern. 

Gerade  diejenigen,  die  das  Salvarsan  schätzen,  und  zu 
diesen  rechne  ich  mich  im  vordersten  Treffen,  sollten  sich 
nicht  der  Schwäche  schuldig  machen,  alle  unerwünschten 
Nebenwirkungen  zu  bestreiten.  Salvarsan  ist  kein  Wasser; 
wii  müssen  nach  dem  heutigen  Stande  vielmehr  damit 
iechnen,  dass  es  in  jedem  Jahr  einige  Opfer  fordert.  Eben¬ 
sowenig  wie  bei  der  Narkose  wird  man  deshalb  darauf  ver¬ 
zichten  wollen.  Aber  nur  dadurch  kann  die  Anwendung  des 
Mittels  der  Vollendung  entgegengeführt  werden,  dass  man 
seinen  Schädigungen  nachspürt.  In  diesen  Zusammenhang 
möchte  ich  die  hier  besprochenen  Beobachtungen  stellen,  die 
ich  nicht  gegen  die  Anwendung  des  Salvarsans  ausgespielt 
wissen  möchte.  Sie  haben  zunächst  wohl  nur  eine  erkenntnis- 
rnässige  Bedeutung,  aber  wer  will  absehen,  ob  sie  nicht  doch 
auch  zum  Anlass  weiterer  Behandlungsfortschritte  werden 
können. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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:  liitli  191.3. 

Ji  dem  pathologischen  Institut  des  städt.  Krankenhauses 
tnchen-Schwabing  (Vorstand:  Prof.  Dr.  Oberndorfer). 

:  merkwürdiges  Phänomen  bei  Meningitis  tuberculosa 

post  mortem. 

Von  Dr.  M.  Mandelbaum. 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dass  man  im  Lumbal- 
ktat  von  Personen,  die  an  Meningitis  tuberculosa  erkrankt 
1,  oft  vergeblich  nach  dem  Erreger  dieser  Erkrankung,  dem 
lerkelbazillus,  sucht.  Es  gelingt  zwar  in  vielen  Fällen  des 
rn,  nach  stundenlangem  Suchen  hie  und  da  ein  säurefestes 
>  bchen  nachzuweisen.  Man  hat  deshalb  nach  anderen  Ver- 
erungen  in  der  durch  Punktion  gewonnenen  Lumbalflüssig¬ 
gesucht,  um  die  Diagnose  Meningitis  tuberculosa  mit 
i  lerheit  feststellen  zu  können.  So  hat  man  den  häu- 
a  Befund  der  Vermehrung  der  Lymphozyten  und  in 

■  ester  Zeit  die  Erhöhung  des  peptolytischen  Index  zur  Er¬ 
dung  der  Diagnose  herangezogen. 

Ich  hatte  Gelegenheit  bei  einer  Frau,  die  unter  menin- 
.  ichen  Symptomen  erkrankt  war  und  in  deren  während 
i  Lebens  entnommenem  Lumbalpunktat  weder  eine  deut¬ 
le  Vermehrung  von  Lymphozyten  noch  ein  Tuberkelbazillus 
linden  wurde,  und  bei  der  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
1  nngitis  tuberculosa  deshalb  nicht  mit  Sicherheit  gestellt 
den  konnte,  einen  ganz  eigenartigen  Befund  zu  erheben, 
i  Lumbalpunktat,  ungefähr  24  Stunden  vor  dem  Tode  ent¬ 
minen,  und  wie  oben  erwähnt,  ohne  sonstigen  auf  Tuber- 
;  >se  hinweisenden  positiven  Befund,  war  klar.  Trotz 
:  irfsten  Zentrifugierens  konnte  kaum  ein  Sediment  ge- 
mnen  werden.  Die  Frau  starb,  die  Sektion  wurde  ver¬ 
wert.  Ich  kam  nun  auf  den  Gedanken,  ob  es  vielleicht  mög- 
.  wäre,  durch  eine  Lumbalpunktion  nach  dem  Tode  nach- 
lich  noch  eine  sichere  Aufklärung  über  die  Art  der  Er- 
mkung  zu  gewinnen.  Ich  nahm  die  Lumbalpunktion  in  der 
.  öhnlichen  Weise  vor  und  erhielt  eine  grosse  Menge  ge- 
ten  Liquors.  Der  Ausstrich  des  Zentrifugats  bot  nun  ein 
>c  überraschendes  Bild.  Die  Trübung  war  bedingt  durch 
:  Vorhandensein  von  massenhaften  grossen  mononukleären 
:;n,  deren  Kern  meistens  wandständig  anzutreffen  war  und 

■  einen  ganz  ausgedehnten  Protoplasmaleib  aufwiesen, 
rhalb  dieser  Zellen  lagen  massenhaft  Tuberkelbazillen. 

;  wischen  befanden  sich  Lymphozyten  und  polynukleäre 
<ozyten,  welch  letztere  ebenfalls  Tuberkelbazillen  phago- 

I  ert  hatten.  Also :  Vor  de  in  Tode  eine  klare  Lum- 
:flüssigkeit  ohne  Tuberkelbazillen,  nach 
n  Tode  ein  getrübter  Liquor  mit  1.  einer 
ch liehen  Anzahl  von  Zellen,  bei  dem  eine 

:iz  bestimmte  Art  —  grosse,  einkernige 
'len  —  in  Mehrzahl  sich  befinden  und  das 
>amtbild  beherrschen  und  bestimmen; 
nit  einer  grossen  Menge  von  Tuberkel¬ 
illen,  die  am  häufigsten  intrazellulär  g  e  - 
ert  sind  und  zwar  innerhalb  des  Proto- 
smas  der  oben  erwähnten  grossen  Zellen 
il  der  polynukleären  Leukozyten. 

Diesen  Befund  konnte  ich  bei  6  Fällen  von  Meningitis 
rculosa  in  jedem  Falle  gleichmässig  erheben.  Stets  waren 
iben  erwähnten  Zellen  in  grosser  Anzahl  vorhanden,  nur 
Menge  der  vorhandenen  und  phagozytierten  Tuberkel¬ 
len  schwankte  in  grossen  Grenzen.  Einige  Male  waren 
:lben  in  jedem  Gesichtsfeld  anzutreffen,  ein  anderes  Mal 
;te  man  4 — 5  Gesichtsfelder  durchmustern,  stets  aber 
-n  sie  mit  Leichtigkeit  nachzuweisen.  Vor  dem  Tode 
iten  in  3  von  den  6  Fällen  Tuberkelbazillen  nach  stunden- 
üm  Suchen  in  äusserst  geringer  Anzahl  nachgewiesen 
den.  In  5  Fällen  war  der  Lyniphozytengehalt  der  Lumbal- 
ügkeit  vermehrt,  einmal  fanden  sich  polynukleäre  Zellen 
weitaus  überwiegender  Mehrzahl.  Nie  waren  aber 
grossen,  mononukleären  Zellen  vor  dem 
le  in  solcher  Anzahl  vorhanden,  wie  post 
Gern.  Desgleichen  war  in  allen  Fällen  die 

I I  g  e  der  Tuberkelbazillen  post  mortem 
e  weitaus  grössere  wie  während  des 
ens.  Diese  Befunde  beziehen  sich  auf  Fälle  von  Menin- 

i  tuberculosa  bei  Erwachsenen. 


Ich  hatte  Gelegenheit,  2  Fälle  von  Meningitis  tuberculosa 
bei  Kindern  post  mortem  zu  untersuchen.  Auch  hier  fanden 
sich  die  grossen,  einkernigen  Zellen  in  enormer  Anzahl,  da¬ 
gegen  konnte  ich  Tuberkelbazillen  nicht  finden.  Da  ich  nicht 
Gelegenheit  hatte,  die  Kinder  noch  während  des  Lebens  zu 
punktieren,  so  kann  ich  nicht  sagen,  ob  es  sich  auch  in  diesen 
Fällen  um  ein  vermehrtes  Auftreten  dieser  Zellen  in  der  Lum¬ 
balflüssigkeit  post  mortem  handelt.  Diese  Lücke  soll  näch¬ 
stens  ausgefüllt  werden.  Ob  ferner  das  Fehlen  der  Tuberkel¬ 
bazillen  innerhalb  dieser  Zellen  bei  Kindern  zur  Regel  gehört 
oder  nicht,  soll  ebenfalls  weiteren  Untersuchungen  Vorbehalten 
bleiben.  Es  Hessen  sich  aus  dieser  Differenz  zwischen  Kindern 
und  Erwachsenen  ganz  interessante  Rückschlüsse  auf  Immun¬ 
körper  in  den  Säften  Erwachsener  und  Kinder  ziehen. 

Ueber  die  Art  dieser  grossen,  mononukleären  Zellen  mit 
grossem  Protoplasmaleib  und  ihre  Herkunft  —  es  handelt 
sich  jedenfalls  um  die  Makrophagen  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f  s,  die 
wohl  identisch  sind  mit  den  Pyrrolzellen  Gold  in  an  ns  — 
werde  ich  an  anderer  Stelle  ausführlicher  berichten  und  durch 
beigegebene  Abbildungen  dieselben  weiter  zu  erläutern  suchen. 

Es  wäre  ferner  noch  das  Auftreten  dieser  grossen  Zellen 
nach  dem  Tode  in  der  Lumbalflüssigkeit  zu  erklären.  Meiner 
Ansicht  nach  handelt  es  sich  um  das  Auswandern  der  über¬ 
lebenden,  mit  selbständiger  amöboider  Bewegung  ausge¬ 
statteten  Makrophagen  aus  den  absterbenden  Geweben,  die 
vor  allem  Sitz  der  tuberkulösen  Erkrankung  waren,  in  diesem 
Falle  also  wahrscheinlich  aus  den  weichen  Häuten  des  Rücken¬ 
markes. 

In  Lumbalflüssigkeiten  von  Individuen,  die  während  des 
Lebens  an  ausgedehnter  Tuberkulose,  aber  ohne  Erkrankung 
der  Meningen,  gelitten  hatten,  waren  obige  Befunde  post 
mortem  nicht  nachzuweisen;  stets  war  der  Liquor  klar  und 
zellfrei. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Erlangen  (Prof.  Dr.Seitz). 

Ueber  die  Beeinflussung  des  Hämoglobinkatalysators  in 
der  Schwangerschaft  (Wei  c  har  dt  sehe  Reaktion)*). 

Von  Privatdozent  Dr.  Ernst  Engelhorn,  Oberarzt  der 

Klinik. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Schmor  1,  Veit, 
Weichardt,  E.  Rosenthal  und  Abderhalden 
können  wir  annehmen,  dass  in  der  Schwangerschaft  ein  Ab¬ 
bau  blutfremden  Eiweisses  stattfindet,  wobei  verschieden  wir¬ 
kende  Eiweissabbauprodukte  entstehen.  Die  einzelnen  hierbei 
entstehenden  Substanzen  genau  zu  charakterisieren,  ist  bisher 
noch  nicht  möglich  gewesen.  Neuerdings  hat  Weichardt 
mit  seinen  Mitarbeitern  [I — 6]  eine  Methode  ausgearbeitet, 
diese  Stoffe  indirekt  zu  bestimmen.  Weichardts  Methode 
gründet  sich  darauf,  dass  man  derartige  Spalt¬ 
produkte  auf  Katalysatoren  wirken  lässt  und 
deren  g  e  s  e  t  z  m  ä  s  s  i  g  e  Beeinflussung  fest¬ 
stellt.  Der  bekannteste  organische  Katalysator  ist  das 
Hämoglobin,  das  den  Sauerstoff  in  besonders  energischer 
Weise  zu  übertragen  vermag. 

Weichardt  fand,  dass  geringe  Mengen  von 
Eiweissspaltprodukten  diese  Katalysatoren¬ 
tätigkeit  erhöhen,  während  grössere  Mengen 
sie  lähmen. 

Nach  einer  im  Weichardt  sehen  Laboratorium  ausge¬ 
arbeiteten  Methode  ist  diese  Katalysatorenbeeinflussung  in 
besonders  genauer  und  einfacher  Weise  zu  bestimmen.  Des¬ 
halb  ist  diese  Reaktion  auch  in  der  Klinik  durchführbar.  Es 
war  nun  ausserordentlich  wichtig,  festzustellen,  wie  der  Blut¬ 
katalysator  von  Schwangeren  im  Vergleich  zum  Blutkata¬ 
lysator  von  Nichtschwangeren  sich  in  Bezug  auf  seine  Tätig¬ 
keit  verhalten  würde;  wissen  wir  doch,  dass  in  der 
Schwangerschaft  Eiweissspaltprodukte  frei  werden. 

Die  Methode  gestaltet  sich  folgendermassen: 

10 — 20  ccm  Blut  werden  aus  der  Armverie  im  nüchternen  Zu¬ 
stand  der  Frau  entnommen.  Man  lässt  das  Serum  im  Eisschrank  ab¬ 
setzen,  giesst  es  ab  und  wäscht  den  Blutkuchen  zweimal  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung;  sodann  wird  frisch  destilliertes  Wasser 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  XV.  Versammlung  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  Gynäkologie  in  Halle  a.  S. 


2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zu  dem  Blutkuchen  gefügt,  zentrifugiert  und  die  Lösung  durch 
cin  „  r  auI  Petrischalen  gegossen.  Bei  einer  Temperatur, 
cne  37  nicht  übersteigen  darf,  wird  dann  zur  Trockne  ge¬ 
bracht,  wozu  der  Föhnapparat  benützt  werden  kann  Am  besten 
^ngt  niail|  üie  Schalen  dann  für  einige  Stunden  in  einen  Kalziurri- 
cnloridexsikkator.  Von  der  vollständig  trockenen  Masse,  die  sich 
leicht  von  der  Schale  abkratzen  lässt,  wird  auf  einer  guten  Wage 
IU  £  abgewogen  und  das  Pulver  in  eine  Porzellanschale  gegeben, 
mit  einigen  Kubikzentimetern  destilliertem  Wasser  übergossen  und 
2—3  Minuten  stehen  gelassen.  Das  jetzt  noch  ungelöste  Hämoglobin 
wird  mit  einem  Pistill  vollständig  zerrieben  und  das  Ganze  mit  fri¬ 
schem  destillierten  Wasser  in  ein  Messkölbchen  quantitativ  gespült 
und  auf  50  ccm  aufgefüllt.  Von  dieser  Lösung  wird  1  ccm  zu  einer 
Untersuchung  verwendet.  Neben  dem  zur  Untersuchung  kommenden 
Hämoglobin  einer  Schwangeren  muss  stets  eine  gleiche  Menge  Hämo¬ 
globin  von  einer  Nichtschwangeren  als  Kontrolle  verarbeitet  werden 
weil  die  zu  gewinnenden  Werte  stets  Vergleichswerte  sind.  Bei  der 
Nichtschwangeren  müssen  Eiweisszerfallsprozesse  fz.  B.  Karzinom 
Infektionskrankheiten,  Verbrennungen)  sicher  ausgeschlossen  werden. 

Zu  1  ccm  der  Hämoglobinlösung  wird  5  ccm  Jodkaliumstärke¬ 
lösung  (2  g  Jodkalium,  1,5  g  vollkommen  wasserlösliche  Stärke  auf 
1  Liter  frisch  destilliertes  Wasser)  und  2  ccm  wirksames  Terpentinöl¬ 
wasser  J)  hinzugefügt.  Letzteres  ist  möglichst  so  einzustellen,  dass 
durch  2  ccm  in  Gegenwart  von  intaktem  kolloidalem  Osmium  (3  ccm 
einer  Lösung  0,1:6000),  die  5  ccm  n/1000  entsprechende  Jodmenge 
frei  wird.  Nach  genau  einer  halben  Stunde  werden  die  gebläuten 
Lösungen  in  den  Titrierkölbchen  mit  n/1000  Natriumthiosulfat  titriert. 
Es  empfiehlt  sich,  von  jeder  Hämoglobinlösung  mindestens  2  Kölb¬ 
chen  zum  Versuch  anzusetzen,  um  bei  der  Titration  einen  Durch¬ 
schnittswert  zu  bekommen. 

Ueber  weitere  Einzelheiten  der  Theorie  und  Methodik  speziell 
der  Herstellung  der  Lösungen  s.  Weichardt,  Schwenk  und 
Weichardt,  S  c  h  1  e  e :  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Med.,  Bd.  I,  1913. 

Wie  für  alle  Methodiken  ist  es  nötig,  sich  auch  auf  diese 
zunächst  einige  Zeit  einzuarbeiten2);  vor  allen  Dingen  ist 
solchen  Untersuchern,  die  im  Titrieren  nicht  geübt  sind,  zu 
raten,  zunächst  eine  nicht  zu  kleine  Anzahl  von  Blindver¬ 
suchen  anzustellen,  um  ihre  persönliche  Fehlergrenze  kennen 
zu  lernen.  Man  titriere  stets  bis  zum  vollständigen  Ver¬ 
schwinden  der  Blaufärbung.  Beachtet  man  genau  die  Zeit 
nach  dem  Einfüllen  des  Terpentinölwassers,  so  liegt  bei  Ver¬ 
wendung  der  für  diesen  Zweck  angegebenen  Büretten  die 
Fehlergrenze  eines  geübten  Untersuchers  nicht  über  0,08  n/iooo 
Natriumthiosulfatlösung.  Differenzen,  die  unter  0,1  n/io«0 
Natriumthiosulfatlösung  gelegen  sind,  können  nicht  als  Aus¬ 
schlag  gelten. 

Ich  habe  bis  jetzt  im  ganzen  an  108  Fällen  die  Weichardt- 
sche  Reaktion  angestellt.  Die  zur  Untersuchung  gelangten 
Schwangeren  stammten  grösstenteils  aus  den  allerletzten 
Monaten  der  Schwangerschaft.  Als  Kontrolle  wurden  Patien¬ 
tinnen  von  der  gynäkologischen  Station  herangezogen.  Von 
den  108  Fällen  kommen  12  Fälle  nicht  in  Betracht,  da  bei 
diesen  die  gefundene  Titrationszahl  innerhalb  der  Fehlergrenze 
von  0,08  liegt.  Bei  den  anderen  Fällen  zeigte  es  sich,  dass  die 
gefundene  Titrationszahl  bei  Schwangeren  in  den  meisten 
Fällen  grösser  war  als  bei  Nichschwangeren,  nur  in  4  Fällen 
war  bei  Nichtschwangeren  die  Titrationszahl  höher  als  bei  den 
betreffenden  Graviden.  In  3  von  diesen  Fällen  stammt  das 
Blut  von  Karzinomkranken.  Schon  nach  theoretischer  An¬ 
nahme  war  bei  Karzinom  eine  Erhöhung  des  Titers  des  Hämo¬ 
globinkatalysators  zu  erwarten;  doch  findet  sich  diese  An¬ 
regung  nicht  konstant,  was  nach  der  Weichar  dt  sehen  Be- 
cinflussungskurve  des  Hämoglobinkatalysators  verständlich  ist. 
Im  4.  Fall  stammt  das  Blut  von  einem  jungen  Mädchen,  das 
wegen  „Pubertätsblutungen“  in  die  Klinik  aufgenommen 
worden  war;  trotz  der  mikroskopischen  Untersuchung  ist  es 
zweifelhaft,  ob  im  betreffenden  Fall  es  sich  nicht  um  einen 
Abort  gehandelt  hat.  Von  besonderem  Interesse  war  die 
Untersuchung  des  Blutes  einer  Eklamptischen;  zu  Beginn  der 
Eklampsie  war  gegenüber  einer  Nichtschwangeren  eine  ganz 
beträchtliche  Erhöhung  des  Titers  zu  konstatieren.  Bemer¬ 
kenswert  ist,  dass  der  Fall  für  die  betreffende  Kreissende  einen 
glücklichen  Ausgang  genommen  hat.  Ob  bei  schweren  Fällen 


')  Die  Reagentien  sind  von  der  Firma  Grübler,  Leipzig,  zu  be¬ 
ziehen. 

*)  ^'e  7U  der  Reaktion  sehr  brauchbaren  Mikrapipetten  und  die 
besonders  eingeteilten  automatischen  Büretten  sind  von  der  Firma 
Lautenschlager  in  Berlin  und  München  zu  beziehen.  Zur  Erlernung 
der  Methode  stehen  die  Institute  von  Prof.  Weichardt  und  der 
Universitäts-Frauenklinik  zu  Erlangen  zur  Verfügung. 


Noj 

von  Eklampsie  Katalysatorenlähmung  zu  finden  sein  wir 
müssen  weitere  Untersuchungen  lehren. 


Tabelle. 


No. 

Diagnose 

Titer 

Be¬ 

merkungen 

No. 

Diagnose 

Titer 

Be¬ 

merkung 

1 

2 

3 

4 

Oravlda  m.  X 

Prolaps 

595 

535 

+ 

55 

56 

1  Gravida  m.  X 

Prolaps 

550 

520 

+ 

Gravida  m.  VII 
Myom 

550 

550 

Fehler¬ 
grenze  ! 

57 

58 

Gravida  m.  X 
Prolaps 

500 

480 

+ 

5 

6 

Gravida  m.  X 
Klimakterium 

555 

540 

+ 

59 

60 

Gravida  m.  IX 
Myom 

550 

540 

+ 

7 

8 

9 

10 

Gravida  m.  IX 
Prolaps 

545 

490 

+ 

61 

62 

Gravida  m.  X 

Ca.  corp.  uteri 

550 

550 

Fehler¬ 

grenze 

Gravida  m.  X 
Carcinoma  Uteri 

465 

475 

— 

63 

64 

Gravida  m.  IX 
Kystoma  ovarii 

250 

260 

+ 

11 

12 

13~ 

14 

15 

16 

Gravida  m.  IX 
Prolaps 

550 

500 

+ 

65 

66 

Gravida  m.  X 
Klimakterium 

465 

450 

+ 

Gravida  m.  X 
Myom 

430 

400 

+ 

67 

68 

Gravida  m.  X 

Ca.  ovarii 

485 

470 

+ 

Gravida  m.  X 
Prolaps 

460 

440 

+ 

69 

70 

Gravida  m.  VIII 
Totalprolaps 

455 

410 

+ 

17 

18 

Gravida  m.  X 
Adnextumor 

570 

540 

+ 

71 

72 

73 

74 

Gravida  m.  X 

8  Tage  post  abortuin 

4011 

390 

+ 

19 

20 

Gravida  m.  X 
Pubertätsblutung 

460 

490 

445~ 

440 

(Abort  ?) 

Gravida  m.  X 
Normal.  Gemtalbcf. 

460 

440 

+ 

21 

22 

Gravida  m.  X 
Klimakterium 

Fehler¬ 

grenze 

75 

76 

Gravida  m.  IX 
Klimakterium 

220 

220 

200 

175 

Fehler¬ 

grenze 

23 

24 

Gravida  m.  X 

Ca.  uteri  inop. 

350 

360 

— 

77 

78 

Gravida  m.  IX 
Normal.  Genitalbef 

25 

26 

Gravida  m.  X 
Prolaps 

370 

355 

.+ 

79 

80 

Gravida  m.  X 
Retroflexio  uteri 

150 

130 

+ 

27 

28 

Gravida  m.  X 
Prolaps 

475 

455 

+ 

81 

82 

Gravida  m.  IX 
Prolaps 

185 

175 

+ 

29 

30 

Gravida  m.  IX 
Normal.  Genltalbef. 

340 

285 

+ 

83 

84 

Gravida  m.  X  130 

Ca.  ovarii  I  110 

+ 

31 

32 

Eklampsie 

Prolaps 

305 

205 

+  6  Anfälle 

85 

86 

87 

88 

Gravida  m.  IX 

Abortus  m.  II 

650 

680 

33 

34 

Eklampsie 

Gravida  m.  X 

295 

270 

-f-  30  Anfälle 

Gravida  m  X  ,  560 

Klimakterium  1  540 

35 

36 

Eklampsie 

Gravida  m.  X 

275 

275 

46  Anfälle 

89 

90 

Gravida  m.  IX  1  515 

Ca.  ovarii  490 

+ 

37 

38 

Oravida  m.  IX 

Ca.  uteri 

190 

200 

— 

91 

92 

93 

Gravida  m.  X 
Kystoma  ovarii 

Ca.  uteri  inop. 

330 

270 

310 

39 

40 

Gravida  m.  IX 
Normales  Genitale 

240 

220 

+ 

94 

95 

Gravida  m.  VII 

Ca.  colli  inop. 

390 

365 

+ 

41 

42 

Gravida  m.  IX 
Normales  Genitale 

227 

200 

Fehler¬ 

grenze 

96 

97 

98 

99 
100 

Gravida  m.  X 

Ca.  colli  inop. 

820 

315 

330 

310 

315 

Fehler¬ 

grenze! 

43 

44 

Oravida  m.  X 
Prolaps 

200 

175 

+ 

Gravida  m.  X 
Normal.  Genitalbef. 
Prolaps 

+ 

45 

46 

Gravida  m.  IX 
Normales  Genitale 

245 

225 

+ 

47 

48 

49 

Gravida  m.  IX 
Prolaps 

535 

520 

+ 

101 

102 

103 

Gravida  m.  IX 
Myom 

Normal.  Genitalbef. 

335 

320 

315 

+ 

Gravida  m.  X 

540 

+ 

50 

Kystoma  ovarii 

520 

104 

105 

106 

Gravida  m.  X 

Ca.  uteri 

Normal.  Oenitalbef. 

345 

330 

315 

+ 

51 

52 

Gravida  m.  X 

Kystoma  ovarii 

645 

600 

+ 

53 

54 

1 

Gravida  m.  IX 
Descensus  vaginae 

550 

510 

+ 

107 

108 

Gravida  m.  X 
Normal.  Genitalbef. 

320 

300 

+ 

Ausser  für  diese  Untersuchungen  ist  die  Methodik  gut  tut 
wendbar,  um  in  Exkreten  die  ausgeschiedenen  katalysatoren 
lähmenden  Substanzen  zu  bestimmen.  Zu  diesem  Zwecke  gib 
man  eine  bestimmte  Menge  eines  chemisch  gut  bekannte 
Katalysators,  des  kolloidalen  Osmiums  von  P  a  a  1  zu.  Es  ge 
lingt  dann,  wie  bereits  festgestellt  worden  ist,  in  der  Aus 
atmungsluft  und  im  Urin  diese  Stoffe  zu  bestimmen. 

Was  den  Urin  anbetrifft,  so  müssen  Urine  von  Zystitis 
kranken  ausgeschieden  werden,  wenn  man  auf  von  der  Nien 
ausgeschiedene  katalysatorenlähmende  Substanzen  fahndet 
Untersuchungen,  inwieweit  in  der  Schwangerschaft  und  bet 
beginnenden  Infektionen  dieser  Weg  verwertet  werden  kann 
sind  bereits  im  Gange.  Diese  Untersuchungen  dürften  für  dit 
Pathologie  der  Schwangerschaft  Bedeutung  gewinnen. 

Wir  sehen,  dass  in  den  meisten  Fällen  normaler  Schwan 
gerschaft  der  isoliert  hergestellte  Blutkatalysator  den 
normalen  gegenüber  in  Bezug  auf  seine  Katalysatorentätig 
keiten  angeregt  ist.  Dieses  Stadium  der  Katalysatorenbeein 
flussung  würde  dem  von  Weichardt  gefundenen  An¬ 
regungsstadium  durch  geringe  Mengen  von  Eiweissspalt¬ 
produkten  entsprechen. 

Es  ist  zunächst  ausserordentlich  interessant,  dass  der 
Organismus  der  normalen  Schwangeren  in  der  Regel  mit  einer 
Steigerung  der  Katalysator  entätigkeit  des 
Hämoglobins  zu  reagieren  scheint.  Eine  weitere  Verfolgung 
dieser  wichtigen  Befunde  liegt  zweifellos  im  Interesse  nicht 
nur  der  Erkenntnis  der  Physiologie  und  Pathologie  der 
Schwangerschaft,  sondern  des  Eiweissstoffwechsels  überhaupt 
Ich  möchte  auf  analoge  Befunde  hinweisen,  die  Weichardt 


3  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1197 


ix  1  seine  Mitarbeiter  bei  Ueberempfindlichkeitsprozessen. 
\-brennungen  und  anderen  Proteotoxikosen  gefunden 
h  >en  [9].  Vielleicht  gelingt  es  uns  auch  in  Bezug  auf  die 
[  hologie  der  Schwangerschaft  in  der  Katalysatorenbeein- 
,  sung  beachtenswerte  Anhaltspunkte  zu  gewinnen. 

Literatur. 

1.  Weichardt  und  Müller:  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Physiol.  u. 
loi.  des  Stoffwechsels  1911,  No.  9.  —  2.  W  e  i  c  h  a  r  d  t  und 
.  1 1  e  r :  Arch.  f.  Hygiene,  Bd.  75,  S.  265.  —  3.  Weichardt  und 
>  Iber:  Munch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  35.-4.  Weichardt: 
-  uug  der  üesellsch.  f.  Morphol.  u.  Physiol.  in  München.  21.  Mai 
—  Weichardt:  Sitzungsbericht  der  phys.  med.  Sozietät 
:  ngen,  Bd.  44,  1912.  —  6.  Weichardt:  Ueber  Ermüdungsstoffe. 

■  tgart,  F.  Enke,  1912;  und  Kolle-Wassermann:  Handbuch 
path.  Mikroorganismen.  2.  Aufl.,  1913,  Bd.  II.  —  7.  W  e  i  c  h  a  r  d  t 
i  Schwenk:  Ueber  verbrauchte  Luft.  Zeitschr.  f.  exper.  Med. 

|  •,  Bd.  I,  S.  282.  —  8.  Weichardt  und  Schwenk:  Ueber  die 
;  influssung  von  Katalysatoren  durch  Eiweissspaltprodukte.  Zen- 
OL  f.  Bakt.,  Abt.  I,  Orig.,  Bd.  67,  H.  5.  —  9.  Weichardt  und 
ilee:  Beeinflussung  organischer  und  anorganischer  Katalysatoren 
•  Proteotoxikosen.  Zeitschr.  f.  exper.  Med.  1913,  Bd.  I. 


i.  der  psychiatrischen  Klinik  Jena  (Direktor:  Geheimer  Rat 
Professor  Dr.  Binswanger). 

odiagnostik  nach  Abderhalden  in  der  Psychiatrie. 

Von  Dr.  Wegen  er,  Assistenzarzt. 

Dieses  Thema  hatte  ich  für  den  deutschen  Kongress  für 
1  chiatrie  in  Breslau  angemeldet,  wurde  aber  durch  eine 
:  tische.  Erkrankung  verhindert,  den  Vortrag  zu  halten.  Da 
in  absehbarer  Zeit  noch  nicht  imstande  sein  werde,  in  aus- 
rlicher  Arbeit  die  Unterlagen  und  Protokolle  zu  meinen 
gedehnten  Versuchen  zu  veröffentlichen,  so  glaube  ich 
<h  jetzt  wenigstens  die  Resultate  meiner  Versuche  der  All- 
ueinheit  in  Kürze  mitteilen  zu  müssen. 

Herr  Professor  Abderhalden  hatte  die  grosse 
i  lenswürdigkeit,  mich  in  seine  Untersuchungsmethoden 
.;önlich  einzuführen,  und  ich  habe  meine  sämtlichen  Ver¬ 
ne  genau  nach  seinen  Vorschriften  durchgeführt.  Dass  ich 
Anfang  erst  lernen  musste,  die  verschiedenen  Fehlerquellen 
mschalten,  ist  selbstverständlich.  Erst  als  ich  eine  ge¬ 
linde  Sicherheit,  besonders  in  Versuchen  mit  Plazenta,  er- 
t  hatte,  ging  ich  an  die  Untersuchung  des  Blutserums  von 
■;hischen  Kranken  nach  den  mir  von  Herrn  Geheimen  Rat 
iswanger*  gütigst  gegebenen  Richtlinien  und  Rat- 
:  ägen. 

Meine  Versuche  umfassen  ein  Material  von  weit  über 
1  Fällen,  abgesehen  von  den  zahlreichen  Kontrollversuchen. 

In  erster  Linie  habe  ich  das  Serum  von  Kranken,  die  an 
i  mdirresein,  manisch  depressivem  Irresein,  Epilepsie, 
i  sehen  und  metaluetischen  Erkrankungen  litten,  untersucht. 
Bei  jugendlichem  Irresein  fand  ich  bei 
iblichen  Kranken,  dass  das  Serum  Ovarien 
il  Tuben  abbaute,  nie  Testikel;  bei  männ- 
tien  nur  Testikelabbau.  In  einigen  Fällen  ergab 
auch  ein  Abbau  von  Schilddrüsensubstanz.  Dieser  Be¬ 
deckt  sich  also  mit  den  von  Sanitätsrat  F  a  u  s  e  r  ver- 
ltlichten  Ergebnissen. 

Bei  manisch  depressivem  Irresein  fand 
keinerlei  Abbau  von  Organen.  Dies  würde 
: bisherige  Annahme  bestätigen,  dass  es  sich  hierbei  um 
rein  funktionelle  Erkrankung  handelt.  Dieses  Ergebnis 
ir  uns  von  grosser  praktischer  Wichtigkeit,  da  es  uns  ein 
01  in  die  Hand  gibt,  das  zirkuläre  Irresein  von  dem  jugend- 
n  Irresein  schon  in  den  Anfangsstadien  zu  unterscheiden, 
:eine  klinische  Trennung  noch  nicht  möglich  ist.  Bei  uns 
der  weitere  Verlauf  aller  dieser  Fälle  die  mit  der  Abder- 
i  d  e  n  sehen  Reaktion  gefundene  Differentialdiagnose 
ütigt. 

Bei  Epilepsie  habe  ich  nur  einen  Abbau 
::  Hirnsubstanz  gefunden  und  zwar  nur 
in,  wenn  bereits  eine  Demenz  eingetreten 

I ", 

Bei  allen  luetischen  und  metaluetischen  Er- 
i klingen  habe  ich  in  sämtlichen  Fällen  einen  Abbau  von 
Hirn  erhalten,  von  anderen  Organen  fand  kein  Abbau  | 


statt.  Die  einzelnen  Krankheitsgruppen  zeigten  dabei  unter¬ 
einander  keine  Reaktionsunterschiede. 

Erwähnen  möchte  ich  hierbei,  dass  in  einem  Falle  die 
Abderhalden  sehe  Reaktion  auf  Lues  positiv  war, 
während  die  Wassermann  sehe  negativ  ausfiel  und  erst 
nach  8  Tagen  positiv  wurde. 

In  einigen  mir  zur  Verfügung  gestellten  Fällen  von 
Neuritis  gelang  es  mir  nach  zu  weisen,  dass 
das  Blutserum  dieser  Kranken  Muskelsul)- 
stanz  abbaut,  während  andere  Organe  keine 
Reaktion  gaben. 

An  Organen  standen  mir  zu  den  Versuchen  zur  Ver¬ 
fügung:  Plazenta,  Testikel,  Ovarien,  Tuben,  Niere,  Leber, 
Schilddrüse,  Lunge,  Uterus,  Muskel,  Gehirn,  Rückenmark. 
Zu  meiner  Kontrolle  wurden  mir  absichtlich  Blutsera  Gesunder 
mit  irgend  einer  Diagnose  zur  Untersuchung  gegeben.  In  allen 
diesen  Fällen  war  die  Reaktion  mit  allen  Organen  negativ. 
Es  spricht  dies  für  die  Zuverlässigkeit  der  Methode. 

Nach  dem  Vorschlag  von  Abderhalden  habe  ich  Tier¬ 
versuche  mit  eingeengtem  Dialysat  angestellt.  Die  Tiere 
zeigten  zwar  gewisse  Reaktionen,  ein  Urteil  darüber  möchte 
ich  mir  aber  erst  nach  grösseren  Versuchsreihen  erlauben. 

Meine  bisherigen  Untersuchungsresul¬ 
tate  beweisen  ebenfalls,  dass  die  Abder- 
haldensche  Serodiagnostik  für  die  Psych¬ 
iatrie  von  der  grössten  Wichtigkeit  ist  und 
zu  werden  verspricht,  und  wir  können  von  ihr 
noch  manche  bedeutsame  Aufschlüsse  für  die 
Aetiologie,  die  Differentialdiagnose  und 
späterhin  auch  für  die  Therapie  erwarten. 

Zum  Schluss  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  nicht  ver¬ 
säumen,  meinem  hochverehrten  Chef  für  die  gütige  Unter¬ 
stützung,  die  er  meinen  Arbeiten  hat  zu  teil  werden  lassen, 
meinen  besten  Dank  auszusprechen. 


Aus  dem  Physiologischen  Institut  der  Universität  Halle  a.  S. 

Ist  das  Dialysierverfahren  Abderhaldens  differential- 
diagnostisch  verwertbar?*) 

Von  Erwin  Schiff. 

M.  H.l  Die  Meinungen  über  die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe 
Reaktion  als  Schwangerschaftsdiagnostikum  sind  zurzeit  noch 
geteilt.  Neben  denjenigen,  die  in  zahlreichen  Fällen  vorzüg¬ 
liche  Resultate  bekamen,  erheben  sich  Stimmen,  die  die 
differential-diagnostische  Verwertbarkeit  der  Reaktion  an¬ 
zweifeln;  ja  Engelhorn  und  Seitz  lehnen  sogar  die  Me¬ 
thode  gänzlich  ab.  Es  war  zu  entscheiden,  ob  die  nicht  ein¬ 
deutigen  Resultate  durch  unvermeidliche  Fehler  in  der  Me¬ 
thode,  oder  aber  durch  ein  fehlerhaftes  Arbeiten  bedingt  sind? 
Die  erste  Fragestellung  muss  ich  sofort  mit  n  e  i  n  beantworten, 
es  wäre  sonst  durchaus  unverständlich,  wieso  Abderhalden, 
Henkel,  Fauser,  Schlimpert,  Lampe  und  besonders 
in  der  letzten  Zeit  noch  viele  andere  ständig  gute  Resultate 
erhalten  konnten. 

Meiner  Meinung  nach  trägt  die  Methode  keine  Schuld  an 
dem  ungünstigen  Ausfall  der  Reaktion.  Alle  Autoren,  die 
mit  gutem  Erfolg  gearbeitet  haben,  betonten  stets  —  was  ich 
auch  selbst  besonders  hervorheben  will  — ,  dass  man  sich 
streng  an  Abderhaldens  Vorschriften  halten  muss,  um 
gute  Resultate  zu  erzielen.  Eine  rein  mechanische 
Durchführung  der  Methode,  ohne  gründliche 
Kenntnis  ihrer  Grundlagen,  wird  leicht  dazu 
führen,  dass  ein  und  dieselbe  Fehlerquelle 
immer  wiederkehrt. 

Was  von  ausschlaggebender  Bedeutung  auf  den  Ausfall  der 
Reaktion  ist,  lässt  sich  mit  wenigen  Worten  schwer  sagen.  Jedes 
einzelne  Moment  hat  eben  seine  Bedeutung.  Auch  die  kleinsten 
Details  in  der  Vorschrift  beanspruchen  eine  besondere  Beachtung 
und  dürfen  nicht  nur  rein  symbolisch  betrachtet  werden. 

Gute  Hülsen,  d.  h.  undurchlässig  für  Eiweiss  und  gleich- 
mässig  durchlässig  für  Peptone  und  Aminosäuren,  einwandfreies 
Substrat,  d.  h.  Gewebe,  die  keine  Spur  von  Stoffen  enthalten, 
die  in  a-Stellung  zum  Karboxyl  eine  NH2-Gruppe  tragen  und  folglich 
mit  Ninhydrin  unter  Bildung  eines  blauen  Farbstoffes  reagieren,  ein¬ 
wandfreies  Serum,  d.  h.  frisches  Serum,  das  keine  Spur  von  Hämo- 


*)  Vortrag,  gehalten  am  Gynäkologenkongress  in  Halle  a.  S. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCMRIET. 


No. 


I>'se  aufweist,  sind  Grundbedingungen,  die  bei  der  Anstellung  der 
Reaktion  erfüllt  sein  müssen.  Die  gut  ausgekochte  Plazenta  ist 
meiner  Erfahrung  nach  nicht  nur  einige  Tage  lang  haltbar.  Mein 
koaguliertes  Plazentargewebe  ist  schon  über  2  Monate  alt 
und  trotz  der  strengsten  Nachprüfung  bei*  jedem 
einzelnen  Gebrauch  gab  die  Plazenta  niemals 
btoffe  ab,  die  mit  Ninhydrin  reagierten. 

Besonders  wichtig  ist  auch  die  richtige  Beurteilung  der 
Reaktion.  Niemals  darf  eine  schwache  Braun  -  resp.  Rosa¬ 
färbung  als  positiv  betrachtet  werden.  Die  Ablesung  muss  stets 
eine  halbe  Stunde  nach  dem  Kochen  geschehen,  und  zwar  niemals  am 
Reagenzglasstativ,  da  die  Farbe  des  Ständers  schon  Täuschungen 
hervorrufen  kann,  sondern  man  muss  jedes  Reagenzglas  auf  weissem 
Hintergrund  für  sich  allein  betrachten. 

Durch  das  liebenswürdige  Entgegenkommen  des  Herrn  Geheim¬ 
rats  Prof.  Veit  und  seines  Assistenten  Herrn  Dr.  B.  A  s  c  h  n  e  r  hatte 
ich  Gelegenheit  gehabt,  Sera  verschiedener  geburtshilflich-gynäko¬ 
logischer  Fälle  auf  ihr  Verhalten  gegenüber  Plazentareiweiss  in 
einigen  Fällen  gegenüber  koaguliertem  Karzinomgewebe  mittels  des 
Dialysierverfahrens  zu  untersuchen.  Meine  Resultate  zeigt  die  fol¬ 
gende  Tabelle  an. 


© 

55 

Datum 

1  Serum 

+  Pla¬ 
zenta 

Serum 
4-  Kar¬ 
zinom 

Serum 

Klinische  Diagnose 

Bemerkungen 

1 

IV.  10 

+ 

Graviditas 

2 

11 

4~ 

44 

4- 

Eklampsie 

3 

11. 

+  + 

Graviditas 

4 

11. 

? 

5 

17. 

+++ 

Hochgravid 

6 

17. 

+ 

7 

17. 

++ 

+ 

8 

17. 

+++ 

4 

9 

17. 

T 

10 

17. 

H — 4 

1  Plazenta  d.  Univ.-Frauenklin. 

11 

17. 

+- 

-4- 

/Berlin.  —  Nicht  frei  von  mit 

12 

17 

n 

1  Ninhydrin  reagierend.  Stoffen 

13 

17 

[Die  R.  ist  mit  1  ccm  Serum 

14 

17 

i 

i 

angesetzt 

15 

17. 

1 

I 

« 

Klimakterium 

J 

16 

17. 

? 

17 

18. 

Adnextumor 

18 

19. 

4- 

Klimakt.  Blutung 

Serum  hämolytisch 

19 

20. 

Klimakterium 

20 

20. 

•4 

Tumor 

Blut  über  24  Stunden  bei 

21 

21. 

44-4- 

Graviditas 

Zimmertemp.  gestanden 

22 

21. 

44 

-4 

Eklampsie 

23 

21. 

4 

Graviditas 

24 

21. 

Adnextumor 

25 

21. 

26 

21. 

4 

— 

Hochgravid 

27 

21. 

4 

— 

28 

22. 

— 

Nicht  gravid 

29 

22. 

+ 

— 

Graviditas 

30 

24. 

4- 

_ 

Abortus  inkompl. 

mit  Plazentarresten 

31 

24. 

— 

Ovar.  Blutung 

32 

24. 

4 

_ 

Graviditas  in  den 

ersten  12  Tagen 

33 

26. 

~r 

— 

Abortus 

34 

29. 

4-+ 

— 

Hochgravid 

35 

29. 

4 

— 

36 

29. 

+ 

— 

Graviditas 

37 

V.  3. 

0 

Angebl.  Gravid. 

38 

3. 

Lues  4"  Tumor 

39 

3. 

Tumor 

40 

3. 

4 

— 

Hochgravid 

41 

3. 

Karzinom 

42 

5. 

Puerperium 

43 

5. 

Nicht  gravid 

44 

5. 

Adnextumor 

45 

5. 

HyperfunctioOvarii 

46 

6. 

.4 

Eklampsie 

47 

9. 

+4- 

4 

Graviditas 

48 

9. 

+4-4- 

49  | 

10. 

44-4- 

1» 

©  spurenweise  positiv.  +  schwach  positiv.  ++ positiv.  +  +  -f  stark  positiv 

—  negativ. 


Man  sieht:  In  allen  Fällen  von  Gravidität  bekam  ich  immer  eine 
positive  Reaktion,  gleichgültig  ob  die  Schwangerschaft  eine  früh¬ 
zeitige  oder  eine  vorgeschrittene  war. 

Ferner  erhielt  ich  stets  eine  negative  Reaktion  dort,  wo  keine 
Schwangerschaft  vorlag;  ausgenommen  die  wenigen,  in  der  Tabelle 
besonders  angegebenen  Fälle,  bei  denen  die  Bedingungen  zum  nor¬ 
malen  Ablauf  der  Reaktion  nicht  erfüllt  waren.  Eine  negative 
Reaktion  bekam  ich  weiterhin  in  allen  (12)  Fällen,  wo  ich  Schwan- 
gerenserum  mit  Karzmomgewebe  zusammengebracht  habe. 

M.  H.!  Die  Zahl  der  untersuchten  Fälle  ist  jedenfalls 
keine  besonders  grosse.  Jedoch  scheinen  sie  mir  von  einer 


ganz  besonderen  Bedeutung  zu  sein  dadurch,  dass  bei  der  E 
urteilung  der  Reaktionen  jede  Subjektivität  meinerseits  ai 
geschlossen  war.  Niemals  wusste  ich  bei  der  A 
Stellung  einer  Reaktion,  um  was  es  sich  ha 
delt.  Die  klinische  Diagnose  wurde  mir  er 
nach  Angabe  meiner  Befunde  mitgeteilt. 

Ich  glaube  also  meinerseits  berechtigt  zu  sein,  d 
Abderhalden  sehen  Reaktion  von  differentialdiag’nos 
schein  Standpunkt  aus  eine  ganz  besondere  Bedeutung  z 
zuschreiben. 


Mitteilung  aus  dem  Untersuchungslaboratorium  Parke,  Da\ 
&  Co.,  Detroit,  U.S.A. 

Ueber  trockenes  Plazentapulver  und  seine  Anwendui 
bei  dem  Abderhaldenschen  Dialysierverfahren  b 
züglich  der  Diagnose  der  Schwangerschaft. 

Von  Dr.  Victor  L.  King. 

Bezüglich  der  Anwendung  von  feuchten  Plazentastückchen  t 
dem  Abderhaldenschen  Dialysierverfahren  habe  ich  in  diese 
Laboratorium  eine  Verbesserung  eingeführt,  welche  mir  wichtig  gen. 
erscheint,  die  Aufmerksamkeit  darauf  zu  lenken.  Die  Versuche  i 
Herstellung  von  Trockenpräparaten  von  Dr.  Lindig  in  Jena  habt 
jedenfalls  gezeigt,  dass  sie,  ihrer  Haltbarkeit  und  Bequemlichkt 
wegen,  einen  deutlichen  Vorteil  bei  Durchführung  des  Verfahrens  da 
bieten  sollten.  Lindig  hat  die  Plazenta  nach  der  üblichen  Reif 
gung,  Auswaschen  und  Auskochen,  im  Trockenschrank  bei  85“  g 
trocknet.  Er  bekam  steinharte  Klumpen,  die  im  Mörser  zerkleine 
werden  mussten. 

Mein  Verfahren  ist  ein  viel  schonenderes  und  lässt  in  sei 
bequemer  Weise  ein  Präparat  gewinnen,  das  sich  vollständig  haltb; 
und  vollkommen  geeignet  für  das  Dialysierverfahren  zeigt,  k 
muss  aber  sehr  deutlich  hervorheben,  in  Uebereinstimmung  mit  Ab 
d  e  r  h  a  1  d  e  n 1),  dass  die  Grundbedingung  für  das  ganze  Arbeite 
nämlich  das  vollständige  Auskochen  des  Gewebes  und  die  En 
fernung  der  wasserlöslichen,  mit  Triketohydrinden  reagierenden  St« -ti 
erfüllt  werden  muss.  Nachdem  die  Plazentastücke  schon  frei  vc 
diesen  Stoffen  sind,  kochen  wir  sie  noch  einige  Male  tüchtig  au 
Das  so  gewonnene  koagulierte  Produkt  wird  in  einer  säubert 
Farbenmühle,  bei  Gegenwart  von  Toluol,  zu  einem  Schlamm  ve 
rieben.  Dieser  homogene  Schlamm  wird  mit  dem  zwei-  bis  dre 
fachen  Volumen  Azeton  versetzt,  durchgerührt  und  absetzen  gelasse 
Das  Azeton  wird  dann  dekantiert.  Dieser  Prozess  wird  fünf-  b 
zehnmal  wiederholt.  Das  Absetzen  findet  nach  dem  ersten  Male  sei 
schnell  statt,  so  dass  das  Ganze  höchstens  eine  Stunde  in  Ai 
Spruch  nimmt.  Das  jetzt  grauweiss  aussehende  Pulver  wird  ai 
einer  sauberen  Nutsche  abgesaugt.  Die  Nutsche  wird  beim  AI 
saugen  vor  Staub  geschützt.  Das  abgesaugte  Produkt  wird  sotoi 
im  Vakuum  bei  Zimmertemperatur  getrocknet.  Das  Trocknen  ii 
Vakuum  wird  immer  neben  einer  kleinen  Schale  Toluol  vorgt 
nommen,  so  dass  das  Plazentapulver  sich  immer  in  Gegenwart  voi 
Toluoldämpfen  befindet.  Das  Produkt  stellt  ein  trockenes  grai 
weisses  Pulver  dar,  das  sich  weiter  pulverisieren  und  sieben  lass 
natürlich  unter  sauberen  und  antiseptischen  Bedingungen.  Die  Be 
handlang  mit  Azeton  hat  dem  Gewebe  das  Fett  und  Wasser  eut 
zogen,  wodurch  ein  Pulver  resultiert.  Es  liegt  auf  der  Hand,  das 
beim  Pulverisieren  usw.  antiseptische  Bedingungen  aufs  sorgfältigst 
innegehalten  werden  müssen.  Kontakt  mit  den  Händen,  Staub  etc 
soll  gänzlich  vermieden  werden.  Zur  Aufbewahrung  dieses  Pulver 
habe  ich  kidine  Ampullen  mit  derjenigen  Menge  Substanz  beschick 
welche:  für  einen  Versuch  ausreicht,  und  dann  mit  einem  kleine. 
Gummipfropf,  der  vorher  in  Toluol  eingetaucht  worden  war,  ver 
schlossen.  Die  Pfropfen  wurden  nachher  paraffiniert.  Der  Gummi 
pfropf  absorbiert  I  oluol  und  gibt  es  allmählich  wieder  ab,  so  das 
der  Inhalt  der  Flaschen  immer  mit  Toluoldämpfen  gesättigt  ist. 

Aus  einer  ausgekochten  Plazenta,  welche  feucht  350  g  wog 
bekam  ich  etwas  mehr  als  60  g  des  Trockenpräparates.  Das  Pro 
dukt  gibt  überhaupt  nichts  an  kochendes  Wasser  ab  und  ist  voll 
kommen  frei  von  mit  Triketohydrinden  reagierenden  Stoffe.  Auel 
nach  vier  Monaten  war  keine  Aetiderung  nachzuweisen.  Man  brauch 
nur  0,20  g  dieses  Produktes  beim  Abbau  in  Dialysierhiilse  anzu 
wenden,  denn  0,20  g  repräsentiert  1,0  g  des  feuchten  Produktes 
I  rotzdem  wir  mehr  (bis  auf  1  g)  in  Kontrollversuchen  angewand 
haben,  hat  0,20  g  sich  als  immer  ausreichend  gezeigt.  Viele  zi 
diesem  Zwecke  angestellte  Versuche  haben  die  Zuverlässigkeit 
Haltbarkeit  und  Bequemlichkeit  der  Anwendung  dieses  Pulvers  be¬ 
stätigt.  Seiner  Feinheit  und  grossen  Zerteilung  wegen  bietet  das 
lockere  Pulver  eine  grössere  Oberfläche  für  die  Einwirkung  der 
Serumfermente. 

Verfasser  schlagt  obiges  Verfahren  vor  als  eine  Erleichterung 
der  Durchführung  des  genialen  Dialysierverfahrens  von  Emil  Ab¬ 
derhalden. 


4  Diese  Wochenschrift,  60,  411. 

Dieses  Verfahren  war  von  mir  bereits  im  letzten  November 
eingeführt. 


3.  Juni  1913. 

Larosan  als  Ersatz  für  Eiweissmilch. 

Von  Dr.  M.  K.  Forcart,  leitender  Arzt  des  Säuglingsheims 

in  Basel. 

Die  vor  einigen  Jahren  von  Finkeistein  und  Meyer 
eingeführte  Eiweissmilch  wurde  bald  von  allen  Seiten  an¬ 
erkannt  und  geschätzt.  Als  hervorragende  Heilnahrung  konnte 
mit  ihr  manche  Dyspepsie.  Dekomposition,  oder  alimentäre 
Intoxikation,  der  man  früher  nicht  Herr  geworden  wäre,  sieg¬ 
reich  überwunden  werden.  Bei  ihrer  Herstellung,  auf  die  ich 
hier  nicht  weiter  eingehcn  will,  wird  die  Erfahrung  verwertet, 
dass  der  in  der  Molke  enthaltene  Milchzucker  durch  seine  saure 
Gärung  den  Anstoss  zu  den  diarrhoischen  Ernährungsstörungen 
gibt,  das  Kasein  hingegen,  welches  säurewidrig  wirkt,  die 
Gärung  verhindert  und  dadurch  einen  günstigen  Einfluss  auf 
den  Darm  ausiibt. 

Die  vorzüglichen  Eigenschaften  der  Eiweissmilch  werden 
dadurch  etwas  beeinträchtigt,  dass  ihre  Herstellung  mit 
Schwierigkeiten  verbunden  ist.  In  unserer  Milchküche  wird 
sie  seit  Jahren  täglich  hergestellt,  da  ein  Bezug  der  deutschen 
Präparate  zu  umständlich  und  kostspielig  ist.  Trotzdem  die 
Prozedur  immer  auf  dieselbe  Art  vorgenommen  wird,  tritt  hie 
und  da  auf  unerklärliche  Weise  eine  Ballung  des  Käse¬ 
gerinnsels  auf,  und  der  zähe  Klumpen  kann  trotz  energischen 
Umriihrens  nicht  mehr  aufgelöst  werden.  Dass  diese  Nahrung 
im  Privathaus  hergestellt  werden  könnte,  ist  ausgeschlossen. 
Es  ist  deshalb  sehr  zu  begrüssen,  dass  wir  in  dem  von  Prof. 
Stoeltzner  eingeführten  Larosan  ein  Präparat  be¬ 
sitzen,  das  sich  auch  für  die  Privatpraxis  sehr  gut  eignet,  da 
mit  demselben  eine  der  Eiweissmilch  sehr  ähnliche  und  in 
ihrer  Wirkung  gleich  gute  Nahrung  mit  Leichtigkeit  hergestellt 
werden  kann.  Stoeltzner  schreibt  die  günstige  Wirkung 
der  Eiweissmilch  ausser  der  Reduktion  des  Milchzucker¬ 
gehaltes  hauptsächlich  dem  hohen  Gehalt  an  Eiweiss  und 
Kalk  zu,  deshalb  stellte  er  Kaseinkalzium  dar,  um  dasselbe  in 
verdünnter  Milch  aufzulösen. 

Das  Kaseinkalzium  wird  hergestellt  durch  Zusatz  von 
Essigsäure  in  verdünnter  Magermilch,  das  ausfallende  Ge¬ 
rinnsel  wird  abfiltriert  und  in  Wasser  und  Kalilauge  wieder 
aufgelöst,  nun  mit  Essigsäure  nochmals  ausgefällt  und  in 
Wasser,  dem  auf  das  Kasein  berechnet  2,5  Proz.  CaO  zu¬ 
gesetzt  war,  aufgelöst. 

Auf  diese  Weise  erhielt  Stoeltzner  eine  Lösung,  die 
als  solche  günstige  Resultate  ergab,  praktisch  jedoch  noch 
nicht  verwertet  werden  konnte.  Die  schwierige  Aufgabe,  das 
Kaseinkalzium  in  einem  in  Milch  löslichen  Pulver  darzustellen, 
wurde  von  der  Firma  Hof f mann-La  Roche  in  Grenzach 
gelöst.  Die  Herstellung  von  Eiweissmilch  geschieht  nun  sehr 
einfach  dadurch,  dass  man  dieses  pulverförmige  Kaseinkalzium 
in  Milch  auflöst  und  dieselbe  zur  Hälfte  verdünnt. 

Die  Versuche,  die  ich  mit  diesem  Präparat  an  magendarrn- 
kranken  Säuglingen  machte,  waren  durchweg  günstige.  Das 
Larosan  wurde  gewöhnlich  in  dem  von  Stoeltzner  vor¬ 
geschriebenen  Verhältnis  von  20  g  auf  XA  Liter  Milch  gegeben. 
Dabei  wurde,  wie  bei  der  Eiweissmilchverabreichung,  nötigen¬ 
falls  der  Kaloriengehalt  durch  Zugabe  von  Nährzucker  erhöht. 
Als  Verdünnungsflüssigkeit  verwendete  ich  gewöhnlich  Hafer¬ 
schleim,  in  einigen  Fällen  auch  Mehlabkochung.  Um  eine 
homogenen  Flüssigkeit  zu  erhalten,  ist  das  Larosan  nach  der 
Vorschrift  von  Stoeltzner  in  kalter  Milch  anzurühren, 
nachher  heisse  Milch  zuzusetzen  und  das  ganze  nochmals  auf¬ 
zukochen. 

Einige  Krankengeschichten  mögen  die  Wirkung  der 
Larosan-Milchmischung  veranschaulichen. 

1.  R.  E„  Mädchen,  3  Monate.  Tritt  mit  Dyspesie  ein.  Stühle 
5 — 7  täglich,  schleimig,  dünn.  Auf  Buttermilch  und  Milchmischung 
rasche  Abnahme  bei  ca.  120  Kalorien  auf  das  Kilogramm  Körper¬ 
gewicht.  Mit  Eiweissmilch  sofort  Gewichtszunahme,  Auftreten  von 
Seifenstühlen.  Nach  4  Tagen  wird  die  Eiweissmilch  mit  Larosan- 
Milchmischung  vertauscht,  das  Gewicht  nimmt  in  gleichem  Masse  zu 
(bei  100 — 110  Kalorien  auf  das  Kilogramm  Körpergewicht).  Die  Stühle 
bleiben  gut  verdaut  und  sind  alkalisch. 

2.  K.  M..  Knabe,  5  Monate,  Rekonvaleszent  von  Pertussis,  weist 
bei  seinem  Eintritt  Rachitis,  Rhinitis,  Konjunktivitis  und  Bronchitis 
auf.  Erhielt  zu  Hause  Eiweissmilch  aus  der  Milchküche  mit  gutem 
Erfolg,  dieselbe  wird  durch  Larosan-Milchmischung  ersetzt.  Es  er¬ 
folgen  weiterhin  typische  Seifenstiihle  mit  alkalischer  Reaktion,  bei 
guter  Gewichtszunahme. 


1 199 


3.  W.  E.,  Knabe,  2  Wochen.  Bei  Verfütterung  von  Frauenmilch 
und  Milchmischung  hat  das  Kind  dünne,  schleimige,  frequente  Stühle. 
Auf  die  vorgeschriebene  Larosan-Milchmischung  werden  dieselben 
besser,  aber  erst  bei  Reduktion  der  Milch  auf  fZ  der  Gesamtmenge 
und  Vermehrung  des  Nährzuckers  bis  zum  gleichen  Kaloriengehalt 
traten  typische  Seifenstühle  auf. 

4.  D.  H.,  Mädchen,  7  Monate.  Tritt  mit  Dyspepsie  ein.  Stühle 
dünn,  schleimig.  Auf  Larosan-Milchmischung  bessern  sich  dieselben 
sofort.  Da  der  Kaloriengehalt  ein  zu  niedriger  ist,  erfolgt  erst  Zu¬ 
nahme,  als  derselbe  durch  Zusatz  von  Nährzucker  erhöht  wird. 

5.  T.  C„  Knabe,  7  Wochen.  Tritt  mit  Dyspepsie  ein.  Stühle 
frequent,  schleimig,  sauer.  Auf  Larosan-Milchmischung  werden  die¬ 
selben  nur  langsam  besser  und  bleiben  frequent.  Erst  nach  Reduktion 
der  Milch  auf  hl  des  Quantums  erfolgen  alkalische  Seifenstühle. 
Auch  die  Gewichtszunahme,  die  anfangs  eine  geringe  war,  bessert 
sich  trotz  gleichbleibendem  Kalorienwert,  welcher  100  auf  1  kg  be¬ 
trägt. 

6.  F.  E.,  Mädchen,  4Vz  Monate.  Wurde  zuerst  privat  behandelt 
wegen  Auftreten  von  hohem  Fieber.  Als  Ursache  desselben  konnte 
nur  eine  am  ersten  Tag  bemerkte  leichte  Pharyngitis  verantwortlich 
gemacht  werden.  Beim  Eintritt  ins  Säuglingsheim  war  die  Tem¬ 
peratur  40,9  und  nahm  dann  lythisch  ab,  am  8.  Tag  war  dieselbe 
wieder  normal.  Die  Stühle  waren  frequent  und  schleimig.  In  den 
ersten  8  Tagen  wurde  verdünnte  Frauenmilch  gegeben.  Die  Stühle 
blieben  schleimig  und  frequent.  Auf  Larosan-Milchmischung  tritt 
prompte  Besserung  ein.  Die  Zunahme  war  eine  geringe,  da  der  Ka¬ 
loriengehalt  ein  zu  kleiner  war,  derselbe  schwankte  zwischen  70  und 
90  auf  1  kg  Körpergewicht. 

7.  V.  E.,  Mädchen,  4%  Monate.  War  in  Privatbehandlung  wegen 
Pertussis  und  nachfolgender  schwerer  Bronchopneumonie  und  später 
auftretender  Dyspepsie.  Bei  Ernährung  mit  Milchmischung,  Malz¬ 
suppe  und  später  Buttermilch  blieben  die  Stühle  frequent  und  nahm 
das  Gewicht  rapide  ab.  Vom  Tag  der  Ernährung  mit  Larosan-Milch¬ 
mischung  an  trat  in  den  ersten  Tagen  sehr  gute  Gewichtszunahme 
auf  und  das  Aussehen  des  Kindes  besserte  sich  auffallend.  Da  am 
5.  Tag  wieder  ein  Gewichtsverlust  zu  konstatieren  war,  welcher  be¬ 
stehen  blieb,  wurde  allmählich  bis  4  Proz.  Nährzucker  zugefügt,  wo¬ 
rauf  die  Gewichtskurve  gut  anstieg  und  Seifenstiihle  auftraten. 

8.  M.  K.,  Knabe,  2  Monate.  Beim  Eintritt  dünne,  schleimige, 
gehackte  Stühle.  Bei  Buttermilch  und  Milchmischung  bleiben  die¬ 
selben  gleich.  Auf  Larosan-Milchmischung  treten  nach  3  Tagen 
Seifenstühle  auf.  Auch  die  Gewichtszunahme  ist  eine  bessere,  ob¬ 
schon  die  neue  Nahrung  weniger  Kalorien  enthält. 

Aus  den  Krankengeschichten  ist  zu  ersehen,  dass  die 
Larosan-Milchmischung  eine  ähnliche  Wirkung  auf  den  Darm 
ausübt  wie  die  Eiweissmilch;  es  treten  bei  ihrer  Verabreichung 
auch  Seifenstühle  auf.  No.  1  und  2  beweisen,  dass  die  eine 
Nahrung  durch  die  andere  ohne  Nachteil  ersetzt  werden  kann. 

Was  das  Verhältnis  der  Milch  zur  Verdünnungsflüssigkeit 
und  zur  Larosamnenge  betrifft,  so  ist  es  nicht  ratsam,  sich  an 
bestimmte  Zahlen  zu  halten,  sondern  dasselbe  von  Fall  zu  Fall 
nach  Gutdünken  zu  bestimmen.  Stoeltzner  verdünnt  die 
Milch  zur  Hälfte  und  gibt  4  Proz.  Larosan,  auf  die  Milch  be¬ 
rechnet,  hinzu,  da  ein  solches  Gemisch  der  Eiweissmilch  in 
seiner  Zusammensetzung  am  ähnlichsten  ist.  In  manchen 
Fällen  erzielte  ich  bessere  Resultate,  wenn  ich  den  Milchgehalt 
noch  mehr  reduzierte  und  den  Larosangehalt  erhöhte.  Ganz 
ähnlich  wie  bei  der  Eiweissmilch  kann  je  nach  Gutdünken  noch 
Nährzucker  zugefügt  werden. 

Gerade  dadurch,  dass  es  einem  bei  der  Larosanverab- 
reichung  ermöglicht  wird,  die  Mischung  je  nach  Gutdünken 
zusammenzustellen,  verdient  wohl  das  Präparat  in  manchen 
Fällen  den  Vorzug  gegenüber  der  Eiweissmilch. 

Mancher  praktische  Arzt,  der  bis  jetzt  nicht  im  Fall  war 
Eiweissmilch  verordnen  zu  können,  wird  es  begrüssen,  nun 
ein  Präparat  zur  Hand  zu  haben,  mit  welchem  auf  einfache 
Art  eine  Eiweissmilch  hergestellt  werden  kann. 


Ein  Beitrag  zur  Blutregeneration  bei  Eisenverabreichung. 

Von  Dr.  med.  R.  Schmincke  in  Bad  Elster. 

v.  N  o  o  r  d  e  n  nimmt  an,  dass  die  im  Blute  zirkulieren¬ 
den  Eisensalze  nicht  direkt  zur  Hämoglobinbildung  verwendet 
werden,  sondern  einen  kräftigen  Reiz  auf  die  hämatopoctischen 
Zellen  des  Knochenmarks  ausüben,  und  dass  das  Ergebnis 
dieses  Reizes  eine  Verbesserung  der  Blutbeschaffenheit  sei. 
Diese  Annahme  ist  durch  Untersuchungen  von  A.  Hoffmann 
und  Franz  Müller  gestützt  worden,  welche  nach  Eisendar¬ 
reichung  das  Knochenmark  von  blutarm  gemachten  Tieren 
viel  roter  und  reicher  an  Erythroblasten  fanden  wie  das  der 
Konfrontiere,  welche  kein  Eisen  erhielten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1200 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22. 


Zur  Klärung  dieser  Frage  habe  ich  selbst  bei  einer  Reihe 
von  anämischen  resp.  chlorotischen  Patienten  folgende  Ver¬ 
suchsanordnung  getroffen.  Ich  habe  mittels  der  von  mir 
konstruierten  Hämatokritröhrchen ')  die  Masse  der  Erythro¬ 
zyten  vor.  während  und  nach  einer  Medikation  mit  Eisen¬ 
salzen  (Elsterer  Eisenquellen  und  B  1  a  u  d  sehe  Pillen)  in  Ver¬ 
bindung  mit  eisenreicher  Nahrung  festgestellt.  Gleichzeitig 
wurde  mittelst  des  Sahli  sehen  Hämometers  der  Hämoglobin¬ 
gehalt  des  Blutes  jedesmal  bestimmt. 

Wirkt  das  Eisen  wesentlich  auf  die  Hämoglobinbildung, 
so  muss  bei  seinem  Gebrauche  in  erster  Linie  der  Blutfarb¬ 
stoff  zunehmen.  Nimmt  jedoch  die  Gesamtmasse  der  zentri¬ 
fugierten  Blutkörperchen  mehr  zu  als  der  Hämoglobingehalt, 
so  können  zwei  Möglichkeiten  vorliegen.  Entweder  sind  mehr 
Erythrozyten  gebildet  worden,  ihre  Zahl  hat  also  zugenommen 
oder  das  einzelne  Blutkörperchen  ist  grösser  geworden,  natür¬ 
lich  kann  auch  die  Kombination  beider  Faktoren  die  Zunahme 
der  Erythrozytenmasse  bedingen. 

Ich  erwähne  anbei  3  Fälle  aus  meinen  Krankenjournalen, 
bei  denen  zum  besseren  Vergleich  sowohl  die  Erythrozyten¬ 
masse  als  auch  der  Hämoglobingehalt  in  Prozenten  an¬ 
gegeben  ist. 


b  K.,  Frau,  58  Jahre,  Anämie  infolge  Epistaxis. 
Am  1.  Tage 
nach  2  Wochen 

-  6 

2.  W„  Fräuleii 
Am  1.  Tage 
nach  2  Wochen 

,  4 

.  6 

,  8 

3.  B„  Herr,  28 
Am  1.  Tage 
nach  2  Wochen 

,  4 

.  6 


52  Proz.  Erythrozytenmasse 

35  Proz.  Hgb. 

81  . 

52  . 

90  , 

75  „ 

l,  19  Jahre,  Chlorose. 

42  Proz.  Erythrozytenmasse 

30  Proz.  Hgb. 

46  , 

30  , 

^8  „  „ 

35  , 

64  . 

38  „ 

72  „ 

60  . 

Jahre,  Anämie  nach  Arthritis 

rheumatica. 

68  Proz.  Erythrozytenmasse 

78  Proz.  Hgb. 

68  „ 

78  , 

76  . 

70  „ 

94  , 

82  „ 

Wie  aus  den  angeführten  Fällen,  denen  die  übrigen  9 
beobachteten  entsprachen,  ersichtlich  ist,  ergaben  die  Unter¬ 
suchungen  die  überraschende  Tatsache,  dass  nach  Gebrauch 
des  Eisens  zuerst  die  Erythrozytenmasse  wuchs,  dass  damit 
aber  die  Blutfarbstoffzunahme  nicht  parallel  ging,  sondern 
geringer  blieb,  als  nach  der  Menge  der  Erythrozyten  zu  er¬ 
warten  stand.  Erst  nachdem  eine  beträchtliche  Vermehrung 
der  roten  Blutkörperchen  stattgefunden  hatte,  stieg  auch  der 
Hämoglobingehalt. 

Wenn  im  Fall  3  der  Hämoglobingehalt  sogar  zurückgeht 
trotz  Zunahme  der  Erythrozytenmasse,  so  kann  das  nur  da¬ 
durch  erklärt  werden,  dass  sich  jetzt  die  an  und  für  sich 
glcichbleibende  Hämoglobinmenge  auf  eine  grössere  Erythro¬ 
zytenmasse,  in  der  sich  hämoglobinarme  Blutkörperchen  be¬ 
finden,  verteilt  und  daher  geringer  erscheint. 

Gegen  den  Einwurf,  dass  die  Zunahme  der  Erythrozyten¬ 
masse  durch  Wasserverlust  bedingt  und  nur  eine  scheinbare 
sei,  sprechen  die  niedrigen  Hämoglobinwerte,  denn  die  Färbe¬ 
kraft  des  Blutes  muss  ja  bei  Wasserverlust  gleichmässig  mit 
der  Blutkörperchenkonzentration  steigen.  Nicht  von  der  Hand 
zu  weisen  ist  dagegen  der  Einwurf,  dass  die  Zunahme  der 
Erythrozytenmasse  durch  Grössenzunahme  des  einzelnen 
Erythrozyten  bedingt  sei. 

Es  wurden  daher  in  dem  Falle  2  gleichzeitige  Blutkör- 
perchenzählungen  vorgenommen,  die  ich  anbei  folgen  lasse: 

Am  1.  Tage  2  110  000  Erythrozyten 
nach  4  Wochen  2  800  000 
»  6  „  3  300  000 

„  8  „  3  730  000 

Ein  Vergleich  mit  der  Erythrozytenmasse  lässt  unschwer 
erkennen,  dass  die  Blutkörperchenmenge  mit  derselben  ziem¬ 
lich  parallel  geht,  so  dass  also  die  Zunahme  der  Erythrozyten¬ 
masse  als  Ausdruck  einer  Vermehrung  der  roten  Blut¬ 
körperchen  aufzufassen  ist. 

Es  entsprechen  so  meine  Resultate  denen  von  Schau- 
m  ann  und  Hildebrand,  welche  in  8  Fällen  von  Chlorose 


nach  Eisendarreichung  eine  starke  Zunahme  der  Erythrozyten 
fanden,  während  der  Hämoglobingehalt  besonders  in  der 
ersten  Zeit  sehr  langsam  anstieg  und  auch  später  hinter  der 
Erythrozytenzunahme  zurückblieb. 

Es  sind  somit  diese  Beobachtungen  eine  weitere  Stütze 
für  die  Auffassung,  dass  die  Eisensalze  durch  Reizung  der 
blutbildenden  Organe  zuerst  die  Zellbe¬ 
standteile  im  Blute  vermehren  und  erst 
später  diese  neugebildeten,  noch  blutfarb¬ 
stoffarmen  Zellen  an  Hämoglobin  zunehmen. 

Die  Untersuchungen  zeigen  uns  ferner,  dass  wir  mit  der 
therapeutischen  Eisendarreichung  nicht  zu  früh  aufhören 
dürfen,  sondern  mit  Rücksicht  auf  die  meist  erst  spät  ein- 
tretende  Hämoglobinzunahme  dieselbe  mindestens  5  bis 
6  Wochen  durchführen  müssen. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses 

St.  Rochus  in  Mainz  (Oberarzt:  Dr.  Curschmann). 

lieber  alkoholische  reflektorische  Pupillenstarre. 

Von  Dr.  Richard  Mees. 

Es  ist  das  Verdienst  M.  Nonnes1),  1908  zuerst  auf  das 
Vorkommen  von  reflektorischer  Pupillenstarre,  die  nur 
durch  exzessiven  Alkoholgenuss  bedingt  war,  hin¬ 
gewiesen  zu  haben,  einer  Pupillenstarre,  wie  sie  bis  dahin  nur 
bei  Tabes  dorsalis  und  progressiver  Paralyse  bekannt  war. 

Unter  den  18  Fällen,  die  er  von  1905—07  beobachtete,  war 
allerdings  keiner  genauer  serologisch  untersucht  worden. 
Lues  war  daher  bei  diesen  Fällen  nicht  mit  absoluter  Sicher¬ 
heit  auszuschliessen. 

Erst  1907  untersuchte  Nonne  weitere  9  analoge  Fälle 
(mit  negativem  Resultat)  auf  Pleozytose  und  Phase  I-Reaktion, 
dagegen  nicht  auf  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion;  es  waren 
daher  auch  in  diesen  Fällen  inkomplette  metaluetische  Nerven¬ 
erkrankungen  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  auszuschliessen. 

Dagegen  konnte  Nonne  1911  über  3  Fälle  von  reflek¬ 
torischer  Pupillenstarre  bei  schweren  Alkoholisten  berichten, 
bei  denen  alle  4  Reaktionen  negativ  waren,  die  also 
sicher  nicht  luetischer,  sondern  rein  alkoholi¬ 
scher  Aetiologie  waren. 

Bevor  ich  über  einen  weiteren,  die  wichtigen  Nonne- 
schen  Beobachtungen  bestätigenden  Fall  berichte,  scheint  es 
mir  angebracht,  einige  kurze  Bemerkungen  über  das  voraus¬ 
zuschicken,  was  man  vorher  über  das  Vorkommen  an¬ 
scheinend  nicht  luetischer  reflektorischer  Pupillenstarre  wusste 
bezw.  annahm.  Ich  folge  dabei  der  Darstellung  von  Nonne 
(1.  c.). 

B  u  m  k  e  ■’)  bestreitet  noch  1911  in  seinem  Buch:  „Die 
Pupillenstörungen  bei  Geistes-  und  Nervenkrankheiten“  über¬ 
haupt  das  Vorkommen  von  rein  alkohologener,  reflektorischer 
Pupillenstarre.  Zu  dem  gleichen  Resultat  kommt  Weiler. 

Durch  die  Zusammenstellung  der  grossen  Statistiken  von 
M  o  e  1  i,  S  i  e  m  e  r  1  i  n  g,  U  h  t  h  o  f  f,  Thomsen  u.  a.  findet 
B  u  m  k  e,  dass  nur  in  1,4  Proz.  aller  Fälle  von  reflektorischer 
Pupillenstarre  es  sich  nicht  um  Paralyse  oder  Tabes 
handelte. 

Dass  diese  1,4  Proz.  Fälle  rein  alkoholischer  Aetiologie 
gewesen  waren,  ist  nun  natürlich  nicht  zu  beweisen,  da  sie 
zumeist  vor  Anstellung  der  serologischen  und  Liquorunter¬ 
suchungen  beobachtet  wurden;  es  ist  auch  nicht  einmal  wahr¬ 
scheinlich,  da  die  alkohologene  Pupillenstarre  ohne  Zweifel  weit 
seltener  ist.  Unserer  Ansicht  nach  handelte  es  sich  in  den 
meisten  dieser  Fälle  um  isolierte  reflektorische  Pupillenstarre 
als  Ausdruck  eines  metaluetischen  Nervenleidens.  Be¬ 
kanntlich  kann  eine  solche  Lichtstarre  als  einziges,  bei  nur 
körperlicher  Untersuchung  auffindbares  Symptom  einer  Tabes 
oder  Paralyse  viele  Jahre  (10 — 15!)  vorausgehen,  um  sich 
dann  erst  mit  anderen  Symptomen  zum  Bild  der  kompletten 
paraluetischen  Erkrankung  zu  vervollständigen. 

Die  relative  Häufigkeit  derartiger  Fälle  drängt  sich  viel¬ 
leicht  dem  Internisten  noch  mehr  als  dem  Psychiater  und 
Neurologen  auf,  wenn  er  Herzkranke  untersucht.  Wie  häufig 


J)  Vergl.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  21:  Die  Bestim¬ 
mung  der  Masse  der  roten  Blutkörperchen  durch  Zentrifugieren. 


i)  Neurol.  Zentralbl.  1912. 
s)  Monographie  1911. 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1201 


findet  er  bei  Aortitis,  isolierten  Aorteninsuffizienzen  und 
Aneurysma  aortae  als  einzigen  Nebenbefund  noch  eine  iso¬ 
lierte  Lichtstarrc  einer  oder  beider  Pupillen,  die  ihm  dann 
einen  weiteren  Fingerzeig  für  die  luetische  Aetiologie  jener 
Erkrankungen  abgibt. 

Die  Mitteilung  unseres,  die  Nonne  sehen  Beobachtungen 
bestätigenden  Falles  lässt  sich  nun  einmal  damit  motivieren, 
dass,  wie  erwähnt,  ein  so  erfahrener  Autor  wie  B  u  m  k  e, 
noch  Zweifel  in  das  Vorkommen  rein  alkohologener,  reflek¬ 
torischer  Pupillenstarre  setzt;  andererseits  ist  unser  Fall  im 
Gegensatz  zu  N  o  n  n  e  s  Fällen  wichtig,  weil  er  mit  poly- 
neuritischen  Symptomen  (auch  Ataxie)  und  alkohologener 
Epilepsie  einherging.  Er  stellte  somit  eine  „Pseudotabes 
alcoholica“  dar,  die  der  metaluetischen  Originalkrankheit  ganz 
ausserordentlich  ähnelte. 

Vorgeschichte:  R.  B.,  Hausierer,  58  Jahre.  Der  Vater  unseres 
Patienten  B.  soll  „nervenkrank“  gewesen  sein  und  „Krämpfe“  gehabt 
haben,  doch  sei  er  nie  in  einer  Anstalt  gewesen;  gestorben  sei  er 
an  „Herzwassersucht“.  6  Geschwister  und  6  Kinder  des  B.  sollen 
„klein  gestorben“  sein.  Die  übrige  Familienanamnese  ist  ohne  Belang. 

Der  Patient  selbst  will  früher  immer  gesund  gewesen  sein.  Seit 
4  Jahren  habe  er  „Krampfanfälle“,  er  werde  dabei  bewusstlos,  falle 
hin  und  schlage  mit  Händen  und  Armen  um  sich.  Derartige  Anfälle 
habe  er  anfangs  alle  Woche  1—2  mal  gehabt,  seit  1  Jahr  seien  sie 
seltener  geworden,  „alle  Monat  einen“.  Wenn  er  einige  Zeit  im 
Krankenhaus  war,  seien  die  Anfälle  stets  weggeblieben.  Getrunken 
habe  er  früher  viel:  etwa  6  Schoppen  Wein  und  „einige  Schnäpse“ 
pro  Tag.  Auch  jetzt  trinkt  er  als  Hausierer  noch  viel  und  wurde 
öfter  betrunken  in  das  Krankenhaus  eingewiesen.  Er  war  öfters  als 
unverbesserlicher  Trinker  in  der  Landessiechenanstalt  Heidesheim 
untergebracht.  Eine  gonorrhoische  oder  luetische  Infektion  leugnet 
er  immer  wieder  hartnäckig  ab. 

Bei  der  Aufnahme  am  15.  XI.  1912  klagt  B.  über  Unsicherheit 
beim  Gehen;  „manchmal  muss  ich  auf  der  Strasse  plötzlich  stehen 
bleiben  und  kann  nicht  weiter,  erst  nach  einer  Viertel-  bis  halben 
Stunde  komme  ich  weiter“.  Zuweilen  werde  ihm  schwindelig,  seine 
Beine  seien  wie  eingeschlafen  und  es  „laufe  drin  wie  von  Ameisen“. 
Ueber  lanzinierende  Schmerzen  kann  er  nicht  klagen.  Dagegen  sei 
ihm  die  Brust  manchmal  wie  zugeschnürt,  er  habe  dann  Angst.  Sein 
Gedächtnis  sei  schlechter  geworden;  er  habe  oft  Aufträge  vergessen. 
Er  rege  sich  auch  jetzt  leicht  auf,  seine  Stimmung,  die  sonst  „immer 
froh  und  gut“  sei,  schlage  dann  leicht  in  Erregung  und  Zorn  um. 
„Leuten,  die  mich  ärgern,  sage  ich  nicht  mehr  Guten  Tag,  gebe  ich 
die  Hand  nicht  mehr,  denn  ich  bin  getaufter  Mennonit“. 

All  diese  Veränderungen  seien  langsam  gekommen  und  seit 
ca.  1  Jahr  deutlicher  merkbar  und  störend  geworden. 

Status:  58  Jahre  alter,  grauhaariger  Mann  in  massigem  Er¬ 
nährungszustand  mit  eingefallenen,  blassen  und  leeren  Gesichts¬ 
zügen,  welker  Haut,  roter  Nase  und  Acne  rosacea. 

Auf  den  Lungen  findet  sich  keine  Dämpfung,  dagegen  weite, 
wenig  verschiebliche  Grenzen.  Das  Atemgeräusch  ist  vesikulär  auf 
allen  Lungenteilen  untermischt  mit  einzelnen  giemenden,  mittel¬ 
blasigen  Rasselgeräuschen. 

Das  Herz  ist  von  normaler  Grösse,  die  Töne  leise  und  rein.  Der 
Gefässstamm  ist  nicht  verbreitert.  Blutdruck  135  mm  Hg  Riva  Rocci. 
Der  Puls  ist  gleichmässig,  mässig  gespannt.  Das  Arterienrohr  ist 
leicht  geschlängelt,  weich. 

.  Die  Leber  ist  etwas  vergrössert,  ziemlich  derb.  Die  übrigen 
Bauchorgane  und  der  Urin  sind  ohne  besonderen  Befund. 

Nervensystem:  Die  Pupillen  sind  eng,  gleich  und  nicht  weit 
entrundet.  Beide  sind  sowohl  bei  diffusem  Tages¬ 
licht  als  bei  künstlichem  Licht,  auch  bei  fokaler 
Beleuchtung,  absolut  lichtstarr. 

Die  konsensuelle  Reaktion  ist  beiderseits  negativ.  Die  Lid¬ 
schlussreaktion  ist  rechts  negativ,  links  positiv.  Die  Schmerz¬ 
dilatationsreaktion  ist  beiderseits  negativ.  Auf  Konvergenz 
reagieren  beide  Pupillen  sowohl  bei  Tages-  als  auch  bei  künstlichem 
Licht  schwach,  aber  stets  deutlich. 

Auf  Atropineinträufelung  tritt  beiderseits  gleichmässige,  aber  nur 
3 — 4  mm  betragende  Erweiterung  der  Pupillen  von  mehrtägiger 
Dauer  ein. 

Der  Augenbefund  ist  folgender:  Visus:  rechts  +  1,25,  0,9, 
links  +  1,25,  0,9. 

Der  Augenhintergrund  ist  normal,  speziell  ist  keine  Veränderung 
der  Papillen  feststellbar. 

Die  Sehschärfe  beträgt  beiderseits  mit  +  1,25,  0,9;  es  ist  wahr¬ 
scheinlich,  dass  sie  sich  mit  Zylindergläsern  noch  bessern  liesse. 

Residuen  einer  ehemaligen  Iritis  oder  Iridozyklitis  sind  nicht 

vorhanden. 

Die  übrigen  Hirnnerven  (speziell  Fazialis,  Hypoglossus,  Akustikus) 
sind  frei  von  Störungen. 

Motilität:  Das  Rombergsche  Phänomen  ist  leicht  positiv. 
Der  Gang  ist  etwas  unsicher,  schwankend,  leicht  ataktisch  (hat  sich 
iber  im  Laufe  der  Behandlung  gebessert).  Auch  im  Liegen  zeigt  der 
Patient  bei  manchen  Zielbewegungen  leichte  Ataxie. 

Die  Sensibilität  ist  in  allen  Teilen  ziemlich  normal:  keine  Kälte- 
hyperästhesie  des  Rumpfes,  kein  Verlust  des  Bewegungsgefühls  an 

No.  22. 


den  unteren  Extremitäten,  keine  Analgesie,  aber  ueichlich  subjektive 
Parästhesien,  keine  Hodenanalgcsie,  keine  Anästhesie  des  N.  ulnaris. 

Die  Sehnen-  und  Periostreflexe  sind  am  Unterkiefer  und  den 
Armen  in  normaler  Weise  auslösbar,  ja  sogar  etwas  lebhaft. 

Der  Patellarreflex  ist  rechts  normal,  links  sehr  schwach,  zeit¬ 
weise  gar  nicht  auslösbar. 

Die  Achillessehnenreflexe  fehlen  beiderseits  dauernd,  auch  bei 
Babinskistellung  und  Jendrassikhandgriff. 

Das  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Phänomen  ist  beiderseits  negativ. 

Die  Bauchdecken-  und  Kremasterreflexe  sind  beiderseits  in  nor¬ 
maler  Stärke  auslösbar.  Gedächtnis  und  Merkfähigkeit  sind  mässig, 
das  Rechnen  relativ  gut,  zurzeit  (bei  Alkoholabstinenz!)  sind  über¬ 
haupt  keine  gröbere  Störungen  der  Psyche  festzustellen.  Die 
Stimmung  ist  dauernd  gut,  nur  bei  den  Blutentnahmen  und  der  Lum¬ 
balpunktion  ist  B.  sehr  aufgeregt,  und  weint. 

Die  Wasser  in  annsche  Reaktion  war  am  21.  XI.  im 
Blut  und  am  26.  XI.  im  Liquor  cerebrospinalis  negativ. 
Da  Hough  in  der  Zeitschrift  für  die  ges.  Neurol.  u.  Psych.  X  mit¬ 
teilt,  dass  durch  Alkoholgenuss  durch  mehrere  Tage  der  „Wasser¬ 
mann“  negativ  werden  kann,  machte  ich  am  21.  XII.,  also  nach 
5  wöchiger  Abstinenz,  erneut  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  nsche  Reaktion  im 
Blut  mit  dem  gleichen  negativen  Resultat. 

Ausserdem  waren  im  Liquor  cerebrospinalis  die  E  i  w  e  i  s  s  - 
reaktion,  sowie  die  Nonne-Apelt  Phase  I-Reaktion  negativ. 
Ferner  bestand  keine  Zellvermehrung  im  Sediment  des 
Liquors;  auch  war  der  Liquor  druck  nicht  gesteigert. 

Epikrise:  Bei  dem  58jährigen  schweren  Wein-  und 
Schnapstrinker,  der  zudem  in  schlechten,  äusseren  Ernährungs¬ 
verhältnissen  lebt  (Hausierer,  halber  Vagabund)  haben  sich 
seit  4  Jahren  typische,  epileptische  Krämpfe  und  seit 
ca.  1  Jahr  Gehstörungen,  Beklemmungen  etc.  eingestellt. 

Der  klinische  Befund  ergab  eine  typische  alkohologene 
Polyneuritis  (Parästhesien,  Schmerzen,  Fehlen  der  Achilles¬ 
sehnenreflexe,  Verminderung  des  einen  Patellarreflexes,  leichte 
Unsicherheit  des  Ganges  u.  a.  m.)  und  eine  alkoholische 
Epilepsie,  die  ihren  ätiologischen  Charakter  auch  dadurch 
dokumentiert,  dass  sie  mehrmals  während  vieler  Monate,  in 
denen  B.  abstinent  gehalten  wurde,  nie  epileptische  oder  äqui¬ 
valente  Anfälle  zeitigte. 

Als  wichtigster  Nebenbefund  aber  interessiert  uns  die 
reflektorische  Lichtstarre  der  Pupillen,  die  mit  Miosis  einher¬ 
geht.  Sie  besteht  sicher  schon  über  1  Jahr  und  wurde  häufig 
nachkontrolliert. 

Bei  der  Kombination  des  Sehnenreflexverlustes  bezw.  der 
-Verminderung  auf  einer  Seite  mit  reflektorischer  Pupillen¬ 
starre  musste  man  anfangs  selbstverständlich  an  Tabes  dor- 
salis  oder  eine  andere  metaluetische  Erkrankung  denken. 
Aber  der  absolut  negative  Ausfall  aller  4  Syphilisreaktionen, 
besonders  der  mehrfach  wiederholten  (auch  schon  früher  war 
die  Blut-Wassermannreaktion  negativ  gewesen)  Wasser¬ 
mann  sehen  Reaktion  im  Blut  und  Liquor  cerebrospinalis 
lassen  eine  metaluetische  Aetiologie  der  nervösen  Erkrankung 
und  ihres  Symptoms  der  Pupillenstarre  als  unbegründet  und 
durchaus  unhaltbar  erscheinen;  ganz  abgesehen  davon,  dass 
der  Patient  selbst  auch  stets  eine  luetische  Infektion  streng 
negierte.  Gegen  die  luetische  Grundlage  der  die  Polyneuritis 
begleitenden  Epilepsie  sprach  ausserdem  der  Umstand,  dass 
die  Alkoholentziehung  allein  stets  genügte,  um  die 
Anfälle  während  monatelanger  Beobachtung  völlig  zu  ver¬ 
hindern;  ein  Verhalten,  das  nur  der  Alkoholepilepsie,  nicht 
aber  der  durch  eine  metaluetische  Erkrankung  des  Gehirns 
hervorgerufenen  eigen  ist. 

Somit  bleibt  für  das  uns  vor  allem  interessierende  Augen¬ 
symptom  per  exclusionem  nur  die  Annahme  einer  a  1  k  o  - 
hologenen  reflektorischen  Pupillen  starre 
übrig,  zu  der  auch  die  Anamnese  des  Kranken  vollauf  stimmt. 
Was  unseren  Fall  aber  von  den  Nonneschen  Fällen  unter¬ 
scheidet,  ist  das,  dass  er  mit  polyneuritischen  und  epileptischen 
Symptomen  kombiniert  war,  die  ihrerseits  wieder  rein  alko¬ 
holischen  Ursprungs  waren. 

Der  Fall  bietet  dadurch  ein  noch  grösseres  differential¬ 
diagnostisches  Interesse.  Denn  er  zeigte  zum  ersten  Male, 
dass  das  Symptomenbild  der  Pseudotabes  alcoholica  in  allen 
Einzelheiten  (auch  der  reflektorischen  Pupillenstarre)  die 
metaluetische  1  abes  dorsalis  täuschend  imitieren  kann. 
Zweifellos  ist  es  erst  jetzt  nach  Ausbildung  der  serologischen 
und  Liquoruntersuchungen  durch  Nonne  und  seine  Schüler 
möglich,  derartige  Fälle  von  der  echten  Tabes  dorsalis  abzu¬ 
grenzen.  Je  häufiger  derartige  Fälle  serologisch  untersucht 

3 


1202 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


werden,  um  so  mehr  Fälle  von  rein  alkohologener  reflek¬ 
torischer  Pupillenstarre  werden  sich  vermutlich  finden.  Dass 
diese  genaue  diffcrentialdiagnostische  Scheidung  von  ein- 
schneioender  therapeutischer  Bedeutung  ist,  ist  ohne  weiteres 
klai.  Und  dies  würde  (zumal  angesichts  der  heutzutage  so 
energisch  betriebenen  Chemotherapie  metaluetischer  Nerven¬ 
erkrankungen),  die  nicht  unwichtige  praktische  Konsequenz 
einer  bisher  rein  wissenschaftlich  interessierenden  Frage 
bedeuten. 


Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  Dresden  (Direktor:  Professor 

Dr.  E.  Kehrer). 

Ueber  Nitritintoxikation  bei  der  Injektion  der  B  e  c  k  sehen 

Wismutpaste. 

Von  Dr.  Theodor  Jensen,  Assistenzarzt. 

\  on  Jahr  zu  Jahr  häufen  sich  die  Vergiftungen  nach  der 
Anwendung  von  Bismuthum  subnitricum,  besonders  seitdem 
dasselbe  zu  röntgenologischen  Zwecken,  z.  B.  zum  Studium 
der  Magen-Darmbewegungen  und  neuerdings  in  Form  der 
Beck  sehen  Wismutpaste  bei  der  Behandlung  von  Fisteln  zur 
Anwendung  kommt. 

ln  der  Wien.  klin.  Wochenschr.  hat  Erd  heim  neuer¬ 
dings  ausführlich  über  die  Intoxikationsgefahren  bei  der 
B  e  c  k  sehen  Wismutpasteinjektion  berichtet.  Aber  keines  der 
vielfach  empfohlenen  Ersatzpräparate  hat  sich  einzubürgern 
vermocht,  auch  nicht  das  von  Brandes  gepriesene  Bis¬ 
mutum  carbonicum.  Hier  fällt  natürlich  die  Gefahr  einer 
Nitritintoxikation  fort,  doch  bleibt  die  Vergiftungsgefahr  mit 
metallischem  Wismut  nach  wie  vor  bestehen. 

Nach  der  gi undlegenden  Arbeit  von  Reich  müssen  wir 
eine  akute  und  subakute  Form  der  Intoxikation  bei  der  An¬ 
wendung  von  Bismuthum  subnitricum  annehmen.  Die  subakute 
Form  entsteht  durch  metallisches  Wismut.  Die  in  der 
Literatur  als  Nitritvergiftung  bekannte  akute  Form  kannte  man 
bereits  von  dem  zu  diagnostischen  Zwecken  in  der  Röntgeno¬ 
logie  oral  und  rektal  verabreichten  Bismuthum  subnitricum 
(Nowak  und  Gütig  1908  u.  a.).  Schon  wenige  Stunden 
nach  der  Verabreichung  des  Präparates  treten  die  ersten  Er¬ 
scheinungen  der  Vergiftung:  Unruhe,  grosse  Mattigkeit,  Er- 
bi  echen.  Zyanose,  Dyspnoe,  eigentümliche  Verfärbung  der 
Haut  auf,  und  wiederholt  erfolgte  in  kurzer  Zeit  der  Tod.  Die 
Bildung  von  Nitriten  aus  Bismuthum  subnitricum  geschieht 
durch  die  Fähigkeit  bestimmter  Bakterien.  Böhme  konnte 
in  Uebereinstimmung  mit  Maassen  in  einer  mit  Bacterium 
coli  geimpften,  mit  Bismuthum  subnitricum  versetzten  Bouil¬ 
lonkultur  Nitrite  nachweisen.  Nun  wird  verständlich,  dass  ein 
rektaler  Einlauf  von  Bismutum  subnitricum  bei  Mensch  und 
1  ier  genügt,  um  eine  letale  Nitritvergiftung  hervorzurufen. 
Nach  den  Untersuchungen  von  Pelz  vermögen  auch  gewisse 
Stämme  von  Staphylokokken  —  dagegen  niemals  Strepto¬ 
kokken  —  Nitrite  zu  bilden.  Diese  Untersuchungen  sind  auch 
bedeutungsvoll  für  das  Verständnis  der  Nitritvergiftung  nach 
der  Injektion  der  Beck  sehen  Wismutpaste  bei  Fisteln. 

Im  Gegensatz  zu  den  nicht  seltenen  subakuten'  Ver¬ 
giftungen  mit  metallischem  Wismut  sind  bis  jetzt  nur  2  Fälle 
der  akuten  Nitritvergiftung  oder,  genauer  gesagt,  von  einer 
Kombination  der  Wismut-  und  Nitritintoxikation  im  Anschluss 
an  die  B  e  c  k  sehe  Behandlung  mit  Bismuthum  subnitricum 
veröffentlicht  worden.  Bei  einem  Kind  von  Eggenberger 
zeigten  sich  die  ersten  Symptome  —  Appetitlosigkeit,  Uebel- 

keit,  Erbrechen,  Pulsbeschleunigung  auf  120  bis  130  _  erst 

0  Wochen  nach  der  Injektion.  Bei  dem  Patienten  von  Reich 
war  in  den  ersten  3  Tagen  nach  der  Injektion  das  Allgemein¬ 
befinden  gut  und  erst  am  4.  lag  traten  schwere  Intoxikations¬ 
erscheinungen  auf. 

In  beiden  Lallen  waren  Wunden  vorhanden,  welche  sicher 
mit  dem  Bacterium  coli  infiziert  waren.  Im  Reich  sehen 
I  all  war  die  Fistel  nach  einer  Appendektomie  entstanden  und 
Eggenberger  denkt  selbst  an  die  Möglichkeit,  dass  die 
Nitrite  wahrscheinlich  durch  vom  Darm  her  eingewanderte 
Bakterien  gebildet  wurden. 

Ein  Fall  von  reiner  Nitritvergiftung  nach  der  B  e  c  k  sehen 
Wismutpastenbehandlung  ist  bis  jetzt  in  der  Literatur  nicht 
bekannt.  Denn  die  der  Injektion  nicht  selten  folgende  Tem¬ 


peratursteigerung  (bis  39,5  am  Tag  nach  der  Injektion)  wird 
bei  Fehlen  anderweitiger  Intoxikationserscheinungen  bisher 
auf  einfache  Sekretstauung  zurückgeführt.  Kürzlich  haben 
wir  eine  Intoxikation  nach  der  Anwendung  der  Beck 
sehen  Wismutpaste  erlebt,  die  nicht  anders  als  eine  reine 
Nitritvergiftung  gedeutet  werden  kann;  denn  bereits  wenige 
Stunden  nach  der  zu  diagnostischem  und  therapeutischem 
Zwecke  vorgenommenen  Injektion  traten  die  ersten  Symptome 
einer  rapiden  Vergiftung  auf.  Es  handelt  sich  um  folgenden 
Fall: 

...  p-  s-  26  Jahre  alt.  Anamnese:  Familie  o.  B.  Die  Frau  selbst 
truher  me  ernstlich  erkrankt.  Mitte  April  1911  erste  Entbindung 
Wahrend  derselben  3  mal  von  der  Hebamme  in  Russland  innerlich 
untersucht.  Bereits  am  lag  p.  p.  hohes  Fieber  und  Schüttelfrost  und 
danach  ausgesprochenes  Krankheitsgefühl,  und  16  Wochen  bett¬ 
lägerig  wegen  eines  grossen  rechtsseitigen  parametritischen  Exsudats. 
Antang  September  1911  Periode  und  dabei  heftige  Schmerzen  in  der 
rechten  Unterbauchgegend  mit  hohem  Fieber.  Das  grosse  parametri- 
tische  Exsudat  wurde  im  Oktober  1911  2  mal  von  anderer  Seite  durch 
Inzision  von  der  Vagina  und  von  den  Bauchdecken  aus  entleert.  Von 
da  an  ständig  eitrige  Sekretion  aus  der  Bauchdecken-  und  Vaginal- 
wunde. 

Am  1.  VI.  12  erhob  ich  folgenden  Befund:  Kräftige  Frau  mit  ge¬ 
sunden  Organen.  2  cm  über  der  Mitte  des  rechten  Lig.  Poupartii 
liegt  in  einer  alten,  parallel  dem  P  o  u  p  a  r  t  sehen  Band  verlaufenden 
9  cm  langen  Narbe  eine  Fistelöffnung  von  Kleinfingerdicke.  Geringe* 
Druckempfindlichkeit  oben  median  von  der  eiterabsondernden  Fistel- 
ottnung.  Im  hinteren  Scheidengewölbe,  gleich  hinter  der  Portio  be¬ 
findet  sich  eine  zweite  eiterabsondernde  Wunde,  die  nach  dem  Er¬ 
gebnis  der  Sondenuntersuchung  mit  der  Bauchdeckenwunde  in  Zu¬ 
sammenhang  steht.  Uterus  von  normaler  Grösse,  anteflektiert,  etwas 
dextrovertiert,  rechts  in  seiner  Beweglichkeit  gehindert. 

Sowohl  das  oben  aus  der  Bauchwunde  wie  aus  der  Vaginalwunde 
ausfliessende  Sekret  wurde  wiederholt  sehr  genau  bakteriologisch 
untei sucht;  stets  wurden  in  demselben  der  Streptococcus  convolutus 
naemolyticus,  der  Staphylococcus  aureus  und  das  Bacterium  coli  ge¬ 
funden.  Da  jede  Therapie  vergeblich  war  und  die  Frau  einen  opera- 
twen  Eingriff  strikte  ablehnte,  entschlossen  wir  uns  im  August  1912 
nachdem  die  Fistel  bereits  11  Monate  lang  bestanden  und  die  Pa¬ 
tientin  seit  4  Monaten  afebrile  Temperaturen  hatte,  zur  Injektion 
der  Beckschen  Wismutpaste.  Es  wurde,  entsprechend  der  Beck- 
schen  Vorschrift  eine  33  proz.  Bismuthum-subnitricum-Lösung  mit 
l  aralfin-  und  Wachszusatz  verwendet  und  die  von  Beck  selbt  an¬ 
gegebene  ülasspritze  benutzt.  Vor  der  Injektion  wurde  das  Sekret 
aus  der  Fistel  möglichst  entleert  und  unter  ganz  leichtem  Druck  die 
tlussige  heisse  Paste  injiziert.  Die  ersten  Injektionen  wurden  in 
Beckenhochlagerung  von  der  Vaginalwunde  vorgenommen.  Dabei 
zeigte  sich,  dass  sich  die  Paste  sofort  wieder  aus  der  Bauchdecken- 
wunde  entleerte.  Jedesmal  wurden  ca.  30  ccm  injiziert,  von  der  ein 
eil  gleich  wieder  abfloss,  der  andere  Teil  der  Paste  lag  am  anderen 
lag  in  der  Scheide.  Im  ganzen  wurden  4  solcher  Injektionen  ohne 
die  geringste  Reaktion  vorgenommen. 

Da  die  Paste  gar  nicht  mit  der  ganzen  Abszesshöhle  in  Berührung 
gekommen  sein  konnte,  geschah  eine  2.  Injektion  am  13.  VIII.,  8  Uhr 
morgens  von  der  Bauchdeckenfistel  aus.  Die  Einspritzung  von 
ca.  30  ccm  der  Paste  erfolgte  unter  ganz  leichtem  Druck  und  ohne 
V  erletzung  der  Fistelöffnung.  Ein  Teil  der  Paste  floss  wieder  ab.  In 
dem  sofort  nach  der  Injektion  aufgenommenen  Röntgenbild  (s.  Fig.) 


Verbindung  zwi¬ 
schen  den  beiden 
Abszesshöhlen 


Abszesshöhle 
zwischen  Vagina 
u.  Bauchdecken¬ 
fistel 


Zweite  Abszess- 
•  höhle,  durch  die 
Aufnahme  erst 
festgestellt 


Bauchdecken¬ 

fistelöffnung 


entdeckte  ich  eine  zweite  Abszesshöhle  oberhalb  der  Articulatio  sacro- 
iliaca  sinistra,  welche  durch  einen  Kanal  mit  der  zwischen  Vaginal¬ 
und  Bauchdeckenwunde  gelegenen  Abszesshöhle  in  Verbindung  stand. 
Der  Beweis  für  den  ausgesprochen  diagnostischen  Wert  der  Beck¬ 
schen  Wismutpasteninjektion  war  somit  erbracht. 

Nun  beobachteten  wir  folgendes  Krankheitsbild:  18.  VIII.,  8  Uhr 
morgens  Injektion.  12  Uhr  mittags:  Die  Frau  ist  sehr  unruhig,  klagt 
über  Frösteln  und  grosse  Mattigkeit,  hat  keinen  Appetit.  4  Uhr  nach- 


.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1203 


ittasrs  sehr  starkes  Erbrechen,  ausgesprochen  motorische  Unruhe 
ul  sehr  grosse  Hinfälligkeit,  starke  Kopfschmerzen;  Temp.  40,4, 
als  klein,  weich,  irregulär,  sehr  frequent,  156  in  der  Minute.  Man 
it  den  Eindruck  einer  akuten  Vergiftung.  5  Uhr  30  Min.  nachmittags; 
•brechen.  Zunahme  der  Mattigkeit.  7  Uhr  abends:  Temp.  39,6,  Puls 
ein,  weich,  ca.  160.  Frau  transpiriert  sehr,  klagt  über  Kriebeln  in 
■n  Fingern  als  ob  sie  einschliefen,  zeitweise  starke  Dyspnoe,  Zya- 
ise  im  Gesicht,  starke  Kopfschmerzen. 

Da  nun  eine  einfache  Sekretstauung  auszuschliessen  und  eine 
.rgiftung  durch  die  Wismutpaste  anzunehmen  war,  wurde  in  die 
stel  warmes  steriles  Olivenöl  injiziert  und  auf  den  Darm  stark  ab- 
lirend  gewirkt.  Auch  kamen  Sauerstoffatmung,  subkutane  Koch- 
lzinfusionen,  Exzitantien  in  Anwendung. 

12  Uhr  nachts;  Erbrechen,  frequente  Atmung,  Dyspnoe. 

19.  VIII.,  2  Uhr  morgens;  Puls  140,  weich,  klein,  ziemlich  erheb- 
he  Dyspnoe,  Zyanose  der  Schleimhäute,  Gesichtsfarbe  fahlgrau, 
osse  Unruhe,  Reflexe  gesteigert,  Muskulatur  auf  Berührung  druck- 
lpfindlich,  öfteres  Erbrechen,  starke  Kopfschmerzen,  grosse  Mattig- 
it.  Diese  Erscheinungen  blieben  auch  am  15.  VIII.  noch  bestehen 
d  nahmen  ganz  allmählich  ab  (s.  Temperatur-  und  Pulskurve). 


In  den  nächsten  Tagen  vom  16.  ab  bestand  noch  grosse 
!  hwäche,  doch  erholte  sich  Pat.  ganz  allmählich,  so  dass  sie  9  Tage 
:  iter  das  Bett  auf  eine  Stunde  verlassen  konnte.  Auffallend  während 
i  ser  Zeit  waren  die  Klagen  über  Muskelschmerzen,  die  spontan  und 
i  Berührung  hauptsächlich  im  Quadrizeps  femoris  vorhanden  waren. 
L  Sekretion  der  Fistel  war  in  den  nächsten  Tagen  sehr  reichlich 
ij  wochenlang  mit  Paste  stark  vermischt. 

Leider  ist  auch  in  diesem  Fall,  wie  in  den  Fällen  von 
eich,  eine  Untersuchung  auf  Methämoglobinämie  unter- 
Hsen  worden.  Von  Interesse  ist  die  Feststellung,  dass  bei 
<;r  Nitritvergiftung  eine  Leukozytose  nicht  bestand  (Leuko- 
;  ten  7500).  Erst  nach  Wochen  hatte  dieselbe  Patientin  durch 
ne  Sekretstauung  Leukozytenwerte  von  50  000  erreicht. 

Wir  haben  in  diesem  Fall  klinisch  ganz  das  Bild  einer 
lidroyanten  Vergiftung  vor  uns,  mit  grosser  Mattigkeit,  Er¬ 
ichen,  Zyanose  und  plötzlicher  Pulsverschlechterung.  Die 
I  scheinungen  setzten  fast  momentan  nach  einer  mehr- 
findigen  Latenzperiode  ein.  In  erster  Linie  hat  die  Frau 
i  er  Widerstandsfähigkeit  zu  verdanken,  dass  sie  den  sehr 
>  lweren  Erscheinungen  nicht  erlag. 

Derartige  akute  Nitritvergiftungen  kannten  wir  bisher  nur 
I  i  oraler  Verabreichung  von  Bismuthum  subnitricum.  Beck 
ü  bst  glaubt,  dass  Nitritintoxikationen  nur  vom  Darm  aus  ent- 
f  hen  könnten.  Sie  verliefen  in  der  Regel  in  den  ersten 
1  Stunden  letal,  doch  fanden  wir  auch  glücklich  verlaufene 
Hie  (Nowak  und  Gütig).  Nach  meiner  Kenntnis  ist  mein 
Hl  die  erste  Nitritvergiftung  nach  der  Beckschen  Wismut- 
jsteinjektion  ohne  Kombination  einer  Wismutvergiftung, 
ch  heute,  4  Monate  nach  der  Injektion,  hat  die  Frau  noch 
vnc  Erscheinungen  einer  Wismutvergiftung  gezeigt,  obwohl 
'  täglich  darauf  geachtet  habe. 

Sgalitzer  sagt  in  seiner  kürzlich  erschienenen  Publi- 
Uion  über  Fistelbehandlung  mit  Beck  scher  Wismutpaste- 
ektion :  „Unter  welchen  Bedingungen  es  freilich  bei  der 
Usmutinjektionstherapie  zu  Intoxikationen  der  Nitritkoinpo- 
iite  kommt,  das  entzieht  sich  bisher  unserer  Kenntnis“.  Ich 
bube  bestimmt,  dass  die  Nitritintoxikation  in  meinem  Falle 
irch  das  Bacterium  coli  hervorgerufen  wurde,  ganz  wie  im 
Hl  von  Reich  und  Eggen  berge  r.  Denn  ebensogut 


wie  im  Dickdarm  und  in  der  Bouillonkultur  muss  das  Bac¬ 
terium  coli  auch  in  Abzesshöhlen  aus  Bismuthum  subnitricum 
die  gefährlichen  Nitrite  bilden  können.  Auffallend  ist  freilich, 
dass  nach  der  Nitritintoxikation  das  Bacterium  coli  nicht 
wieder  gefunden  wurde,  sondern  nur  noch  der  vorher  mit 
ihm  vergesellschaftete  Streptococcus  convolutus  haemolyticus 
und  der  Staphylococcus  aureus.  Man  muss  wohl  annehmen, 
dass  das  Bacterium  coli  von  den  durch  seine  Vermittlung  ge¬ 
bildeten  Nitriten  zugrunde  gerichtet  wurde. 

Ist  diese  Vorstellung  richtig,  so  muss  man  zur  Prophylaxe 
einer  Nitritintoxikation  verlangen,  dass  vor  der  Injektion  der 
Beck  sehen  Wismutpaste  durch  wiederholte  bakteriologische 
Untersuchungen  festgestellt  wird,  ob  Kolibazillen  vorhanden 
sind,  ja  sogar,  ob  Mikrokokken  anwesend  sind,  welche  in  der 
mit  Wismut  versetzten  Bouillonkultur  Nitrite  zu  bilden  ver¬ 
mögen.  Die  Existenz  der  Kolibazillen  und  die  im  Reagenzglas 
nachgewiesene  Bildung  von  Nitriten  muss  grösste  Vorsicht  bei 
Anwendung  der  Beck  sehen  Methode  fordern.  Der  Vorsichtige 
wird  in  Fällen,  in  denen  diese  beiden  Untersuchungen  positiv 
ausfallen,  ein  Ersatzpräparat  anwenden,  zunächst  etwa  das 
Bismuthum  carbonicum.  Berücksichtigt  man  das  bakterio¬ 
logische  Moment  in  den  Fällen,  in  denen  die  Beck  sehe 
Therapie  in  Anwendung  kommen  soll,  so  wird  die  Gefahr  der 
Vergiftung  in  Zukunft  wesentlich  geringer  sein  und  nur  von 
Seite  des  metallischen  Wismut  drohen. 


Aus  dem  Stadtkrankenhause  zu  Lüdenscheid. 

Ueber  die  hämatologische  Diagnose  der  Böteln. 

Von  Dr.  med.  Gerhard  Schwaer. 

Die  Berichte  über  Blutbefunde  bei  Rubeolen  sind  noch 
recht  spärlich.  Dies  hat  seinen  Grund  in  erster  Linie  wohl 
darin,  dass  Fälle  von  Röteln  wegen  der  Harmlosigkeit  ihrer 
Symptome  meist  gar  nicht  erst  dem  Arzte  zugeführt,  oder 
wenn  dies  geschieht,  oft  nicht  als  solche  diagnostiziert  werden. 
Jedenfalls  bekommen  Krankenhausärzte,  die  ja  für  genauere 
Blutuntersuchungen  fast  ausschliesslich  in  Betracht  kommen, 
relativ  selten  Fälle  von  Röteln  in  ihre  Behandlung.  Auch 
mehr  durch  Zufall  wurden  uns  kürzlich  3  Fälle  von  Röteln 
aus  einer  Privatschulanstalt  überwiesen,  die  draussen  als 
Masern  angesprochen  worden  waren  und  wegen  der  Gefahr 
der  Weiterverbreitung  unter  den  anderen  Schülern  isoliert 
werden  sollten. 

Der  erste  Fall,  ein  14  jähriger  Schüler,  wurde  uns  am  15. 1. 13 
wegen  Masernverdachtes  eingeliefert.  Es  bestand  bei  der  Auf¬ 
nahme  ein  kleinfleckiges,  nicht  konfluierendes  Exanthem  über  den 
ganzen  Körper,  besonders  auch  im  Gesicht,  einschliesslich  der  peri¬ 
oralen  Zone.  Die  Konjunktiven  waren  deutlich  gerötet,  über  den 
Lungen  waren  einige  bronchitische  Geräusche  zu  hören.  Koplik- 
sche  Flecken  fehlten.  Die  postaurikulären  Lymphdrüsen  waren  ge¬ 
schwollen  und  leicht  schmerzhaft.  Im  Urin  kein  Eiweiss,  kein  Zucker, 
kein  Diazo.  Höchste  Temperatur  37,8.  Keine  merkliche  Schuppung. 

Die  Eigenart  des  Exanthems,  die  geringe  Temperatur,  das 
Fehlen  der  Kopliks  und  der  Diazoreaktion,  die  typische  Drüsen¬ 
schwellung  liess  uns  von  vornherein  an  der  Diagnose  Masern 
zweifeln,  und  die  fehlende  Schuppung  bestärkte  uns  später  in 
der  Annahme,  dass  es  sich  vielleicht  um  Röteln  gehandelt 
habe. 

14  Tage  später  kamen  aus  derselben  Anstalt  zwei  weitere 
Fälle.  Bei  beiden  genau  dieselben  Erscheinungen.  Dasselbe 
Exanthem,  das  auch  den  behaarten  Kopf  mit  inbegriff.  Schwel¬ 
lung  der  postaurikulären  und  zervikalen  Lymphdrüsen.  Kon¬ 
junktivitis,  leichte  Bronchitis,  etwas  Schnupfen,  aber  keine 
Diazoreaktion,  keine  Kopliks  und  auch  im  Floritionsstadium 
nie  höhere  Temperaturen  als  37,8  in  der  Achsel. 

In  den  beiden  letzten  Fällen  wurde  auch  die  Untersuchung 
des  Blutes  vorgenommen  und  es  ergaben  sich  folgende  Re¬ 
sultate. 

Pat.  F.  B.,  16  Jahre,  Schüler.  31.  I.  Ausbruch  des  Exanthems. 

1.  II.  Morgens  Blutuntersuchung.  Leukozyten  12  000.  Davon 
Neutrophile  72  Proz.,  Lymphozyten  26  Proz.,  Eosinophile  A  Proz., 
grosse  Mononukleäre  At  Proz.,  Uebergangsformen  1  Proz. 

3.  II.  Exanthem  im  Abblassen.  Drüsenschwellung  besteht  noch. 
Leukozyten  18  000.  Neutrophile  57  Proz.,  Lymphozyten  37  Proz., 
Eosinophile  1  Proz.,  Mastzellen  A  Proz.,  grosse  Mononukleäre 
B/3  Proz.,  Uebergangsformen  3  Proz. 

7.  II.  Geheilt  entlassen. 


3' 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1204 


Fat.  F.  K.,  13  Jahre,  Schüler. 

31.  I.  Ausbruch  des  Exanthems. 

.  ..  II.  Morgens  Blutuntersuchung.  Leukozyten  10  500.  Neutro- 
P[H  e  Itoz.9  Lymphozyten  332U  Proz.,  Eosinophile  4  Proz.,  Baso- 
phile  A  Proz.,  grosse  Mononukleäre  3  Proz.,  Uebergangsformen 
2  Proz. 

3  II.  Exanthem  fast  ganz  geschwunden.  Drüsen  noch  ge¬ 
schwollen.  Leukozyten  10  500.  Neutrophile  42  Proz.,  Lymphozyten 
53  Eroz.,  Eosinophile  3  Proz.,  grosse  Mononukleäre  1  Proz.,  Ueber¬ 
gangsformen  1  Proz. 

7.  II.  Geheilt  entlassen. 

Wir  konnten  also  im  Höhestadium  des  Ausschlags  eine 
Hyperleukozytose  konstatieren,  die  im  Falle  No.  I  sogar  eine 
Neigung  zur  Progredienz  bekundete,  obwohl  die  klinischen 
Erscheinungen  bereits  im  Rückgang  begriffen  waren.  Bei  den 
Mischungsverhältnissen  der  einzelnen  Leukozytenarten  fiel 
eine  nicht  unbedeutende,  scheinbar  mit  dem  Steigen  der  Ge- 
samtleukozytenzahl  parallel  gehende,  relative  Lympho¬ 
zytose  auf. 

Wie  steht  es  nun  mit  den  Befunden  anderer  Unter¬ 
sucher?  Die  einen  berichten  von  normalen  oder  leicht  herab¬ 
gesetzten  Leukozytenwerten,  die  anderen  von  erhöhten. 
Ueber  die  Mischungsverhältnisse  besteht  eine  Uebereinstim- 
mung  in  noch  geringerem  Qrade.  Nur  soviel  kann  man  den 
Berichten  entnehmen,  dass  wohl  immer,  sofern  überhaupt 
Auszählungen  der  Mischungsverhältnisse  vorgenommen  wor¬ 
den  sind,  eosinophile  Zellen  gefunden  wurden,  wenn  auch  in 
wechselnder  Menge. 

I  rotz  alledem  kann  doch  immerhin  die  Blutuntersuchung 
auch  bei  Röteln  einiges  leisten.  Da  bei  dieser  Krankheit 
differentialdiagnostische  Erwägungen  wohl  hauptsächlich 
gegenüber  den  Masern  in  Betracht  kommen,  so  liegt  ein  Ver¬ 
gleich  des  Masernblutbildes  mit  den  bei  Röteln  erhobenen  Be¬ 
funden  nahe.  Nach  Nägel  i  gilt  für  das  Höhestadium  der 
Masern  eine  leichte  Verminderung  der  Leukozyten  sowie  das 
Verschwinden  der  Eosinophilen  als  Norm.  Dass  dieses  Blut¬ 
bild  nicht  auch  gleichzeitig  für  Röteln  charakteristisch  ist, 
wie  z.  B.  noch  im  Lehrbuche  „Innere  Diagnostik“  von  Paul 
Krause  angenommen  wird,  geht  zwanglos  aus  den  bei 
Röteln  erhobenen  Blutbefunden  hervor.  Im  Gegenteil  kann 
man  gerade  gegenüber  Masern  eine  für  die  Differentialdiagnose 
wichtige  Unterscheidung  machen  und  —  vorausgesetzt,  es 
liegen  keine  Komplikationen  vor  —  sagen,  dass  erhöhte 
Leukozytenwerte,  wie  sie  zweifellos  nicht  selten  bei  Rubeolen 
beobachtet  werden,  sowie  normale  Werte  für  die  Eosinophilen 
für  die  Diagnose  Röteln  sprechen  und  das  Vorliegen  eines 
Masernfalles  unwahrscheinlich  machen.  Es  lohnt  sich  also 
auch  hier  in  zweifelhaften  Fällen  seine  Zuflucht  zu  einer  Blut¬ 
untersuchung  zu  nehmen  und  auf  diese  Weise  die  Diagnose 
Masern  bzw.  Röteln  zu  sichern. 

Zusammenfassung:  Das  Verschwinden  der  Eosino¬ 
philen  auf  dem  Höchststadium  der  Erkrankung  ist  nur  für 
Masern  nicht  für  Röteln  typisch.  Auch  kann  man  eine  Leuko¬ 
penie  als  Norm  für  das  Floritionsstadium  der  Rubeolen  nicht 
anerkennen. 


Beitrag  zur  Aetiologie  der  Darminvaginationen. 

Von  Dr.  I  r  e  p  1  i  n,  Chefarzt  des  Hamburgischen.  Sechospitals 
Sahlenburg  bei  Kuxhaven. 

In  den  letzten  Jahren  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  4  Fälle 
von  Intussuszeption  des  Darmes  zu  beobachten,  von  denen 
namentlich  2  einen  interessanten  Beitrag  zur  Aetiologie  des 
Leidens  zu  liefern  geeignet  sind. 

Nur  bei  einem  von  diesen  4  Kranken  handelte  es  sich 
um  das  so  häufige  Bild  der  Invaginatio  ilio-colica  kleiner 
Kinder.  Diese  häufigste  Form  der  Invagination  bildet  ja,  recht¬ 
zeitig  zur  Operation  gebracht,  das  heisst  innerhalb  der  ersten 
24  Stunden,  oder  wie  Kock  und  Oerum  neuerdings  stati¬ 
stisch  feststellten,  innerhalb  der  ersten  50  Stunden,  eine  sehr 
dankbare  Aufgabe  für  die  Therapie.  Seitdem  man  sich  in 
England  und  Deutschland  namentlich  zum  sofortigen  ope¬ 
rativen  Vorgehen  entschlossen  hat,  werden  wohl  die  meisten 
dieser  Kinder  gerettet,  obgleich  der  Eingriff  fast  stets  an 
Kindern  im  zartesten  Alter,  an  Kindern  im  ersten  Lebensjahr 
vorgenommen  werden  muss.  Wilms  berechnet  61  Proz. 
Heilungen. 


No.  21 

Der  Verlauf  war  der  typische: 

•  Monate  alter  Knabe.  Besonders  kräftiges  Brustkind.  Keiner 
lei  Verdauungsstörungen  vorhergegangen.  Am  5.  III.  12  mittag: 
schreit  das  Kind  heftig  auf  und  erbricht,  dabei  macht  es  sofort  eine: 
ausserordentlich  elenden  Eindruck.  Nach  kurzer  Zeit,  etwa  5—10  Mi 
nuten,  erholt  es  sich  und  ist  ganz  vergnügt.  In  Zwischenräumen  voi 
ca.  A  Stunde  wiederholen  sich  diese  Anfälle.  Allmählich  werden  si. 
häufiger  aber  kürzer.  Das  Kind  erholt  sich  zwischen  den  einzelne' 
Anfällen  nicht  mehr.  Als  ich  gegen' 6  Uhr  abends  den  Jungen  zuers 
sah,  lag  er  blass  und  leise  wimmernd  da,  alle  10  Minuten  schrie  ei 
heftig  auf.  Während  der  Untersuchung  entleerte  sich  aus  dem  Darrr 
reichlich  blutiger  Schleim.  Der  Leib  war  weich  und  nicht  auf- 
getrieben.  Die  lleozoekalgegend  war  abgeflacht  (Dances  Symptom) 
Oberhalb  des  Nabels  in  der  Mittellinie  etwa  ein  unsicherer  Tumor 
palpabel,  der  sich  während  der  Schmerzattacken  etwas  nach  unten 
links  senkte.  Per  anum  kein  Palpationsbefund.  Diagnose:  Invagi¬ 
natio  ileocoecalis.  Sofort  Operation:  In  Aethernarkose  5  cm  langer 
Schnitt  in  der  Mittellinie.  Der  Invaginationstumor  wird  unter  pein¬ 
licher  Vermeidung  der  Eventration  anderer  Darmpartien  leicht  her¬ 
vorgehoben.  aber  nur  soweit,  dass  das  orale  Ende  zu  übersehen  ist 
Es  wird  dann  nach  der  von  Hutchinson  und  C  o  r  d  u  a  an¬ 
gegebenen  Weise  die  Desinvagination  durch  „leicht  melkenden“  Druck 
auf  das  aborale  Ende  der  Invagination  ausgeführt.  Der  Darm  ent¬ 
wickelt  sich  leicht  bis  zum  Schluss,  wo  die  Desinvagination  des 
Zoekums  mit  Wurmfortsatz  erst  gelingt,  bei  gleichzeitigem  Zug  am 
Heum.  Zoekum  und  Wurmfortsatz  sind  stark  geschwollen  und  ge¬ 
rötet,  die  Darmwand  hier  sehr  ödematös.  Das  auffallend  lange  Meso¬ 
kolon  wird  dann  durch  eine  perkutane  Seidennaht  an  das  Peritoneum 
parietale  geheftet. 

Schon  am  nächsten  Tage  nimmt  das  Kind  wieder  die  Brust.  Der 
Verlauf  gestaltet  sich  völlig  glatt.  Nach  10  Tagen  geheilt  entlassen. 
Jetzt  nach  1  Jahr  munter  und  rezidivfrei. 

Bemerkenswert  wäre  in  diesem  Fall  nur  die  in  so  kurzer 
Zeit  so  ungemein  weit  vorgeschrittene  Invagination.  Das 
Intussuszeptum  lag  mit  seiner  Spitze  in  der  Flexura  lienalis. 
Ermöglicht  war  das  durch  das  exquisK  lange  Mesozoekum. 

Da  aber  gerade  darin  auch  eine  erhebliche  Rezidivgefahr 
lag,  so  hielt  ich  die  Fixation  des  Mesozoekum  für  geboten, 
durch  die  eine  erneute  Einstülpung  und  weiteres  Vordringen 
des  Zoekums  für  immer  verhindert  wird. 

Im  zweiten  Falle  handelte  es  sich  um  eine  58  jährige  Frau,  die 
vor  25  Jahren  eine  Operation  wegen  Ovarialkystoms  durchgemacht 
hatte.  Sie  trug  als  Erinnerung  daran  eine  enorme  Bauchwandhernie. 
Als  ich  von  dem  Kollegen  zu  ihr  gerufen  wurde,  hatte  sie  die  Zeichen 
eines  schweren  mechanischen  Ileus  mit  heftigem  Erbrechen,  starker, 
sichtbarer  Darmperistaltik  und  völliger  Verhaltung  von  Stuhl  und 
Winden.  Der  Zustand  bestand  bereits  seit  36  Stunden.  Man  konnte 
bei  dem  erheblichen  Meteorismus  nichts  Besonderes  palpieren.  Es 
konnte  also  keine  bestimmte  Diagnose  gestellt  werden.  Wir  dachten 
an  alte  Stränge  von  der  früheren  Operation  herrührend,  die  zum 
Strangileus  geführt  haben  konnten. 

Es  wurde  sofort  laparotomiert.  Schnitt  in  der  Mittellinie.  Even¬ 
tration  der  geblähten  Dünndärme.  Da  zeigte  sich  dem  Querkolon 
entsprechend  eine  dicke  dunkelrote  wurstförmige  Geschwulst  von  | 
etwa  20  cm  Länge,  die  sich  sofort  als  Invagination  erkennen  liess. 
Die  Spitze  des  Invaginatums  war  als  derber  Tumor  in  der  Gegend 
der  Flexura  lienalis  zu  fühlen.  Desinvaginationsversuche  scheiterten 
völlig.  Da  der  Tumor  blaurot  erschien,  also  auch  die  Ernährung  der 
Invaginationsscheide  scheinbar  schon  gelitten  hatte,  entschloss  ich 
mich  zur  Resektion  des  ganzen  Invaginationstumors. 

Nach  Abtragung  desselben,  liessen  sich  die  Darmenden  soweit 
nähern,  dass  eine  primäre  Vereinigung  ausgeführt  werden  konnte.  Da 
aber  das  nicht  ohne  Spannung  möglich  war.  wurde  vor  Schluss  der 
Bauchdecken  ein  Gazetampon  in  die  Gegend  der  Naht  gelegt  und  der 
Darm  zu  Seiten  der  Naht  an  das  Peritoneum  parietale  geheftet. 
Diese  Vorsicht  zeigte  sich  im  Verlauf  auch  als  notwendig.  Nachdem 
während  der  ersten  14  Tage  der  Verlauf  ein  über  Erwarten  guter 
war  —  Stuhl  und  Winde  gingen  auf  natürlichem  Wege  ab  —  bildete 
sich  in  der  3.  Woche  doch  noch  eine  Kotfistel  aus;  ein  2  cm  langes 
Stück  Dickdarm  stiess  sich  nekrotisch  ab.  Die  Frau  fühlt  sich  mit 
ihrem  Anus  praeternaturalis  in  der  Mittellinie  so  wohl,  dass  sie  ihre 
volle  Tätigkeit  wieder  aufgenommen  hat  und  auch  jetzt  nach  2  Jahren 
durchaus  von  einem  operativen  Schluss  der  Darmfistel  nichts  wissen 
will. 

Die  Besichtigung  des  resezierten  Dickdarmstückes  ergab 
als  Ursache  der  Invagination  ein  an  der  Spitze  des  Invagi¬ 
natums  marschierendes,  pilzförmig  aufsitzendes  Adenokarzi¬ 
nom  des  Dickdarms. 

Durch  diesen  apfelgrossen  Tumor,  der  merkwürdigerweise 
vorher  nie  Beschwerden  gemacht  hatte,  wurde  die  Des¬ 
invagination  unmöglich  gemacht,  in  das  durch  Einstülprng 
und  Oedem  verengerte  Darmrohr  des  Invaginatums  liess  sich 
natürlich  der  grosse  und  auch  seinerseits  ödematöse  Tumor 
nicht  zurückstülpen.  Aber  auch  das  Intussuszipiens  war 
ödematös  und  erlaubte  dem  dicken  Tumor  keinerlei  Rück- 


Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1205 


ärtsbewegung,  da  es  sich  kragenartig  um  den  Stiel  des  Tu- 
ors  zusammengezogen  hatte. 

Wenn  nun  diese  2  Fälle  durchaus  bekannte  typische  Er¬ 
lernungen  darstellen,  so  bieten  die  nächsten  beiden  ein  ganz 
^solideres  Bild,  das  meiner  Ansicht  nach  entschiedene  Auf- 
erksamkeit  verdient. 

Es  handelt  sich  um  2  Knaben,  die  an  Purpura  rhemnatica 
:\v.  Erythema  nodosum  erkrankt,  auf  Grund  dieser  Allge- 
einerkrankungen  eine  Intussusccptio  colica  bzw.  ‘  jejunalis 
■kamen.  Da  bisher,  soweit  mir  die  Literatur  zugänglich  war, 
>er  diese  ätiologicshe  Veranlassung  zur  Invagination  nur  sehr 
>är  liehe  Berichte  vorliegen,  halte  ich  es  für  angezeigt,  meine 
üden  Fälle  zu  veröffentlichen.  R.  Lenz  mann  sagt  in 
iner  „Pathologie  und  Therapie  der  plötzlich  das  Leben  ge- 
hrdenden  Krankheitszustände“  bei  Besprechung  der  Invagi- 
ition :  „Neuestens  ist  von  holländischer  Seite  darauf  hin- 
;wiesen  worden,  dass  bei  Purpura  haemorrhagica  besonders 
t  Darminvaginationen  Vorkommen.  Sie  werden  dadurch  er- 
ärt.  dass  Blutungen  in  die  Darmwand  stattfinden,  und  dass 
irch  die  blutige  Infiltration  dieser  Darmteil  schwerer  wurde, 
ie  in  der  Norm.  Dadurch  wurde  er  erst  zur  Invagination 
sponiert.“ 

In  einem  sehr  instruktiven  Aufsatz  in  den  Grenzgebieten 
in  Aage  Kock  und  H.  P.  T.  0  e  r  u  m  heisst  es:  „Ein  merk- 
iirdiges  Zusammentreffen  besteht  in  einem  Fall,  zwischen 
ier  rezidivierenden  Koloninvagination  und  Purpura  Henoch; 
es  ist  kaum  ganz  zufällig  und  wird  auch  von  anderen  Ver- 
ssern  (Z  a  a  i  j  e  n)  erwähnt.  Ueber  den  Kausalitäts- 
sammenhang  bestehen  doch  nur  lose  Hypothesen.“ 

An  Stelle  dieser  „losen  Hypothesen“  glaube  ich  an  Hand 
r  beiden  folgenden  Fälle  ganz  bestimmte  Behauptungen  ja 
iweise  setzen  zu  können.  Ich  lasse  kurz  die  Kranken¬ 
schichten  folgen. 

1.  6  jähriger  Knabe,  bisher  völlig  gesund,  erkrankte  am  15.  V.  10 
;t  rheumatischen  Beschwerden,  Gelenkschmerzen  und  Fieber.  Am 
Igenden  Tag  zeigte  sich  an  Beinen,  Armen,  Brust  und  Bauchhaut 
'S  typische  Bild  des  Erythema  nodosum  seu  contusiforme.  Die 
hitrate  sind  sehr  zahlreich  und  schmerzhaft.  Am  Nachmittag  des- 
:  ben  Tages  Erbrechen.  In  der  Nacht  setzten  dann  plötzlich  heftige 
!  likschmerzen  ein,  die  sich  alle  Stunde  etwa  wiederholten.  Es 

irde  dabei  mehrfach  erbrochen  und  einige  Male  etwas  blutiger 
Dleirn  entleert.  Der  am  nächsten  Mittag  zugezogene  Kollege  stellte 
;  ort  die  Diagnose  Invagination  und  rief  mich  zu  Hilfe.  Es  war  ein 
itlicher  wurstförmiger  Tumor  rechts  unterhalb  des  Nabels  zu  pal- 
I  ren.  Der  Junge  sah  sehr  blass  und  verfallen  aus,  es  war  deut- 

I  ie  Dünndarmperistaltik  während  der  etwa  alle  10  Minuten  sich 
'  Verholenden  Anfälle  zu  sehen.  Die  Infiltrate  in  der  Haut  waren 
r;:h  sehr  deutlich. 

Operation:  Aethernarkose,  Schnitt  in  der  Mittellinie.  Es 
i  d  sich  eine  etwa  12  cm  lange  Invaginatio  iliaca  etwa  am  Ende  des 
r  tleren  Drittels  des  Ileums.  Die  Desinvagination  gelang  ohne  wesent- 
!  ie  Schwierigkeiten.  Es  fiel  auf.  dass  das  äusserste  Ende  des  inne- 
n  Zylinders  des  Invaginatums  nicht  nur  stark  ödematös  war.  son- 
-  n  sich  merkwürdig  derbe  anfühlte  in  seiner  ganzen  Zirkumferenz, 

I I  zwar  in  einer  Länge  von  etwa  3  cm,  während  der  übrige  Teil 
c;  Invaginatums  zwar  auch  ödematös,  aber  nicht  so  hart  war. 

1  den  übrigen  an  der  Invagination  nicht  beteiligten  Därmen  sah  man 
j  der  Serosa  multiple  Infiltrate  bläulich-roter  Färbung  von  Linsen - 

Bohnengrösse,  im  Aussehen  genau  den  grösseren  Infiltraten 
:  haut  entsprechend.  Auch  diese  fühlten  sich  derbe  an,  und  zeigten 
etliche  Prominenz.  Schluss  der  Bauchwunde,  glatte  Heilung.  Spä- 
|  hat  der  Junge  noch  hin  und  wieder  über  Leibschmerzen’ geklagt 
'  irwachsungen?)  ist  jetzt  aber  nach  3  Jahren  völlig  beschwerdefrei 
ai  ohne  Rezidiv. 

2.  13  jähriger  Junge.  Fr  war  wegen  einer  fast  völlig  ab- 
laufenen  Coxitis  osteomyelitica  bei  uns  im  Seehospital.  Plötz- 
iie  Erkrankung  mit  Fieber,  Gelenkschmerzen  und  einer  ausgedehn- 
i  Purpura  rheumatica  über  den  ganzen  Körper.  Namentlich  an  den 
:  nen  sehr  ausgedehnte  und  konfluierende  Petechien.  Am  2.  Tage 
1  Erkrankung  heftiges  Erbrechen,  Blutbeimengungen  im  Stuhl,  inten- 
t  er  Leibschmerz  lokalisiert  etwas  oberhalb  des  Nabels,  dort  deut- 
iie  Resistenz  fühlbar.  Kolikartig  einsetzende  Schmerzen  alle  halbe 
'  nde  etwa.  Keine  Darmperistaltik  zu  beobachten.  Diagnose:  In- 
i'tination.  3  Stunden  nach  den  ersten  Erscheinungen  Laparo- 

mie:  Aethernarkose.  Schnitt  in  der  Mittellinie.  Alle  zu  Gesicht 
cnmenden  Dünndärme  sind  mit  Petechien  übersät.  Im  oberen  Teile 

i  Jejunums  besonders  viele  Petechien.  Hier  findet  sich  eine  be- 
tnende  Invagination.  Der  Darm  ist  in  einer  3  cm  langen  Partie 
>  onders  stark  in  der  ganzen  Zirkumferenz  gerötet,  von  unzähligen 
:  echien.  Diese  ganze  Partie  ist  zu  einem  derben  Rnhr  umgestaltet 

ii  mit  dem  aboralen  Ende  etwas  1cm  weit  invaginiert.  Die  Des- 
lagination  war  sehr  leicht.  Der  Heilungsverlauf  unter  gleichzeitiger 
Sendung  von  Antirheumatizis  ein  völlig  glatter. 


Aus  diesen  beiden  Krankengeschichten  geht  mit  Deutlich¬ 
keit  hervor,  dass  die  Purpura  respektive  das  Erythema  no¬ 
dosum  die  unmittelbare  Veranlassung  gewesen  sind  für  die 
Invagination.  Auch  ist  der  Mechanismus  ja  sofort  klar.  Das 
durch  die  zufällig  an  dieser  Stelle  besonders  starke  Infiltration 
der  Darmwand  durch  eine  Purpuraeruption  in  seiner  ganzen 
Zirkumferenz  in  ein  starres  Rohr  umgewandelte  Darmstück, 
konnte  sich  seiner  Starrheit  wegen  nicht  an  der  Peristaltik  des 
Darmes  beteiligen.  Wenn  nun  in  dem  übrigen  Darm  die  nor¬ 
male  Peristaltik  von  statten  ging,  so  wurde  dieser  starre 
Darmteil  gleichsam  wie  ein  Fremdkörper  weitergeschoben 
und  invaginierte  sich  in  den  dorsalwärts  gelegenen  schlaffen 
Teil  des  Darmes.  Es  kommt  bei  diesem  Mechanismus  meiner 
Ansicht  nach  weniger  auf  die  Schwere,  wie  Lenzmann 
meint,  an,  als  auf  die  Starrheit  des  Darmrohres,  über  das  die 
peristaltische  Welle  sich  nicht  fortsetzen  kann.  Es  wird  dieser 
Darmteil  deshalb  als  quasi  Fremdkörper  weitergeschoben  und 
da  die  peristaltische  Welle  unterbrochen  ist,  so  bleibt  auch  der 
aboralwärts  folgende  Darmabschnitt  schlaff  und  vorläufig  ohne 
gleichlautende  Peristaltik,  eignet  sich  deshalb  besonders  gut 
zum  Intussuszipiens. 

In  beiden  Fällen  handelte  es  sich  um  die  bei  weitem  sel¬ 
teneren  Dünndarminvaginationen.  Auch  das  ist  erklärlich,  da 
eher  bei  dem  geringeren  Umfange  des  Dünndarmes  die  Bildung 
eines  starren  Rohres  zustande  kommt,  als  bei  dem  umfang¬ 
reicheren  Dickdarm.  Wie  beide  Krankengeschichten  zeigen, 
bedarf  es  einer  Infiltration  der  ganzen  Zirkumferenz  des  Dar¬ 
mes,  um  die  Peristaltik  zu  unterbrechen  und  eine  Einstülpung 
zu  verursachen,  während  die  massenhaften  kleineren  Ekchy- 
mosen  und  Petechien  in  der  Serosa  der  übrigen  Därme  keine 
Störungen  verursachen.  Schmerzen  entstanden  in  beiden 
Fällen  erst  bei  Eintritt  der  Invagination. 

Die  Therapie  hat  natürlich  dieselben  Aufgaben,  wie  bei 
anderen  Invaginationen.  Da  es  sich  hier  um  Dünndarmein¬ 
schiebungen  handelte,  so  waren  Vorkehrungen  gegen  eine 
Rezidivgefahr,  die  ja  unzweifelhaft  gross  ist  in  solchen  Fällen, 
nicht  möglich.  Beide  Male  verloren  sich  die  Erscheinungen 
der  Peliosis  in  der  Haut  sowie  die  Gelenkschmerzen  am  Tage 
nach  der  Operation,  wodurch  natürlich  die  Verhältnisse  gün¬ 
stigere  wurden  betreffs  Vermeidung  einer  Wiederkehr  des 
Anfalles.  Es  Hesse  sich  wohl  die  Frage  stellen:  soll  man 
überhaupt  operieren  und  nicht  lieber  das  Abklingen  der  Grund¬ 
krankheit  abwarten,  in  der  Hoffnung,  dass  sich  dann  die  Ein¬ 
schiebung  von  selbst  wieder  lösen  werde?  Ich  möchte  nicht 
zu  dem  Experiment  raten;  denn  das  Intussuszeptum  wird  nach 
kurzem  Bestehen  einer  Einschiebung  bereits  ein  so  starkes 
sekundäres  Oedem  zeigen,  dass  ein  Verschwinden  der  Aus¬ 
schwitzungen  infolge  Aufhörens  der  Peliosis  kaum  noch 
wesentlich  zu  spontaner  Desinvagination  beizutragen  imstande 
sein  dürfte. 

Auch  in  den  mir  zu  Gebote  stehenden  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Beschreibungen  der  Purpuraerkrankungen  fand  ich 
keine  genaueren  Angaben  über  das  Auftreten  von  Infiltrationen 
und  Blutungen  in  der  Darmwand.  Es  ist  das  wohl  darauf  zu¬ 
rückzuführen,  dass  die  Krankheit  sehr  selten  zum  Tode  führt 
und  eine  Autopsie  in  vivo  ja  auch  nur  stattfinden  kann  in  den 
ja  immerhin  nicht  häufigen  Fällen  von  Invagination,  die  zum 
operativen  Vorgehen  zwingen.  Leichte  Blutungen  aus  dem 
Darm  sind  ja  allerdings  auch  sonst  bei  Peliosis  beobachtet. 
Sie  allein  können  natürlich  noch  nicht  auf  eine  Invagination 
schliessen  lassen.  Erst  die  Ileuserscheinungen  und  der  pal- 
pable  Invaginationstumor  können  uns  zur  Laparotomie 
zwingen. 


Glättolin  als  Ursache  einer  hartnäckigen  Dermatitis  colli. 

Von  Dr.  med.  Julius  Kohn,  Spezialarzt  für  Hautkrank¬ 
krankheiten  in  Frankfurt  a.  M. 

August  vorigen  Jahres  wurde  ich  zu  einem  Herren  von  42  Jahren 
gerufen,  der  an  einer  akuten  Dermatitis  des  Halses  litt;  der  Patient 
gab  an,  dass  er  fast  ein  Jahr  an  diesem  lästigen  Amsschlag  erkrankt 
sei  und  schon  6 — 8  Spezialärzte  für  Hautkrankheiten  befragt  habe, 
ohne  Heilung  zu  finden. 

Er  führte  die  Entstehung  des  Ausschlags  auf  eine  Gewohnheit 
zurück,  nach  jeder  Automobilfahrt  den  Hals  mit  einer  2proz.  Salizyl- 
spirituslösung  ordentlich  abzureiben. 


1206 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22 


I.r  müsse  jetzt  weiche,  ungestärkte  Leinenkragen  tragen,  was 
inm  sehr  unangenehm  sei,  da  er  sich  dadurch  in  seinen  gesellschaft¬ 
lichen  Beziehungen  ausserordentlich  behindert  fühle. 

Bei  der  ersten  Untersuchung  fand  ich  die  Haut  des  Halses,  vor- 
zugsweise  an  den  Kieferwinkeln  —  an  den  Punkten,  wo  der  moderne 
bteh Umlegkragen  die  grösste  Reibung  erzeugt  —  ödematös  durch¬ 
tränkt;  sie  fühlte  sich  heiss  an;  es  zeigten  sich  kleine  Bläschen,  die 
ineinander  flössen,  juckten  und  schmerzten.  Die  ganze  Umgebung 
war  stark  gerötet;  kurz  alle  Anzeichen  einer  akuten  Reizung 
und  Entzündung. 

Dieser  akute  Zustand  heilte  in  5 — 6  Tagen,  durch  Einpinselungen 
mit  Lot.  Zinci  oder  noch  besser  mit  Dymalpuderungen,  wie  ich  über¬ 
haupt  Dymal  für  den  feinsten  und  austrocknendstem  Puder  halte. 

Um  nun  die  Haut  des  Halses  gegen  die  Reizung  durch  den  Steh¬ 
umlegkragen  —  in  diesem  Punkt  herrschte  bei  allen  Kollegen  voll¬ 
ständige  Uebereinstimmung  —  widerstandsfähiger  zu  machen,  be¬ 
strichen  wir  auf  den  Rat  eines  auswärtigen  Kollegen  den  ganzen 
Hals,  nachdem  der  akute  Reizzustand  vorüber  war,  mit  einer  1  proz. 
I  eerzinklösung  und  zwar  verwandten  wir  den  Liq.  carbon.  deterg. 
anglic. ;  nach  kurzer  Zeit  verstärkten  wir  die  Teerzinklösung  bis  zu 
^ — 10  Proz.  und  schliesslich  pinselten  wir  den  reinen  Liquor 
auf,  was  alles  ohne  jede  Reizung  ertragen  wurde. 

Nachdem  wir  nun  geglaubt  hatten,  den  Hals  nach  dieser  Methode 
gut  vorbereitet  zu  haben,  erlaubten  wir  dem  Patienten,  mit  einem 
gestärkten  Stehumlegkrageii  abends  in  Gesellschaft  zu  gehen  mit  dem 
Effekt,  dass  am  anderen  Morgen  der  Hals  wieder  genau  in  derselben 
Verfassung  war,  wie  stets,  wenn  ein  gestärkter  Stehumlegkragen 
getragen  wurde. 

Die  Geduld  unseres  beklagenswerten  Patienten  war  auf  eine 
hatte  Probe  gestellt  worden;  die  Teerzinkvorbehandlung  umfasste 
einen  Zeitraum  von  über  3  Monaten  und  jetzt  wieder  aufs  Neue  dieser 
Misserfolg. 

Eine  Lichtbehandlung  war  schon  vorher  vergeblich  versucht 
worden. 

Ich  sah  nun  den  Patienten  einige  Monate  nicht  mehr,  bis  er  mich 
vor  einigen  Wochen  rufen  liess,  angetan  mit  einem  hohen  Steh¬ 
umlegkragen  modernster  Art;  sein  Hals  nicht  gereizt,  in  einem  absolut 
normalen  Zustand. 

Uebergliicklich  erzählte  er  mir  von  seiner  plötzlichen  Heilung, 
die  ihm  durch  einen  Freund  geworden  ist.  Dieser  Freund  litt  monate¬ 
lang  an  dem  gleichen  Halsekzem,  wie  unser  Patient,  und  kam  auf 
den  Gedanken,  dass  das  Glättolin,  mit  dem  er  täglich  den  Rand  des 
frischen  Kragens  bestrich,  die  Ursache  seiner  Erkrankung  sei. 

In  dem  Augenblick,  in  dem  er  das  Glättolin  beiseite  liess,  war 
die  Reizung  der  Haut  verschwunden,  um  nie  wieder  zu  kommen. 

Und  genau  gerade  so  erging  es  unserem  Patienten,  der  uns  aus 
Unkenntnis  diesen  Umstand  verschwieg  und  auch  von  keinem  darnach 
gefragt  wurde,  dass  er  jedesmal  vor  Anlegen  des  Kragens  den  Rand 
fest  mit  Glättolin  bearbeitete. 

Das  Glättolin  hat  nun  folgende  Zusammensetzung: 

50  Teile  Talkum, 

50  Teile  Kanaubawachs, 

0,2  Benzaldehyd, 

0,5  Paraffin,  liquidum. 

Als  reizende  Bestandteile  können  nur  die  drei  letztge¬ 
nannten  Stoffe  in  Betracht  kommen. 

Von  Talkum  ist  bei  gesunder  Haut  noch  nie  eine  Reizung 
gesehen  worden. 

Der  geringe  Zusatz  von  Paraffin,  liquid.  0,5:100,0  könnte 
event.  verantwortlich  gemacht  werden,  in  noch  höherem 
Grade  die  Anwesenheit  von  0,2  Benzaldehyd,  des  Bitter¬ 
mandelöls. 

Das  Kanaubawachs  wird  gewonnen  von  einer  brasili¬ 
anischen  Palme  Copernicia  cerifera  Mart.,  die  es  an  der  Ober¬ 
fläche  ihrer  Blätter  ausscheidet. 

Die  ^bekannte  Duplizität  der  Fälle  führte  mir  kurze  Zeit  darauf 
iii  der  Sprechstunde  einen  Patienten  zu,  der  ebenfalls  an  einer 
Dermatitis  colli  litt,  welche  durch  die  Anwendung  des  Glättolins  ent¬ 
standen  war. 

Nachdem  die  akuten  Erscheinungen  verschwunden  waren,  rieb 
«f-  ^xperimenti  causa  den  Hals  des  Patienten  nur  mit  4 — 5  ober- 
rlachlichen  Strichen  mit  reinem  Kanaubawachs  ein  und  nach 
12  Stunden  trat  die  akute  Reizung  der  Haut  auf;  ich  machte  denselben 
Versuch  an  mir  selbst  und  noch  20 — 30  Personen,  aber  in  keinem 
rall  gelang  es  mir,  experimentell  auf  diese  Weise  eine  akute  Derma¬ 
titis  zu  erzeugen. 

Bei  der  weitverbreiteten  Anwendungsart  des  Glättolins 
ist  anzunehmen,  dass  in  unseren  zwei  Fällen  es  sich  um  eine 
besonders  starke  Empfindlichkeit  der  Haut  gegen  Kanauba¬ 
wachs  handelt. 

Ich  habe  geglaubt,  diesen  Fall  veröffentlichen  zu  müssen, 
da  solche  kleine  Aufklärungen  für  die  Praxis  von  grösster  Be¬ 
deutung  sind,  sowohl  für  den  behandelnden  Arzt,  als  auch  für 
den  leidenden  Patienten  und  vielleicht  wird  der  eine  oder 
andere  Kollege  meine  Beobachtung  bestätigen  können. 


Vorstehende  Mitteilung  habe  ich  in  kurzen  Zügen  ge¬ 
legentlich  einer  Versammlung  Südwestdeutscher  Dermato¬ 
logen  in  Frankfurt  am  17.  November  1912  gemacht. 

Ein  Kollege  aus  Köln,  der  der  Versammlung  beigewohnt 
hatte,  schrieb  mir,  dass  er  zufällig  am  Tage  nach  seiner  Rück¬ 
kehr  einen  gleichen  Fall  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  bei 
dem  ihm  bezüglich  der  Aetiologie  meine  Mitteilung  sehr  zu 
statten  gekommen  wäre.  (Vergl.  d.  Wochenschr.  No.  3,  S.  161.) 


Ueber  Lymphozytose  bei  Asthenikern  und  Neuropathen 
und  deren  klinische  Bedeutung. 

Von  Dr.  Rudolf  v.  H  o  e  s  s  1  i  n  in  München-Neu wittelsbach. 

(Schluss.) 

Neben  dem  lymphatischen  Apparat  spielt  aber  offenbar 
auch  die  Thymus  eine  grosse  Rolle  für  die  Entstehung  der 
Lymphozyten. 

Dass  die  Thymus  an  der  Veränderungen  des  Blutbildes 
beim  Basedow  im  Sinne  einer  Lymphozytose  beteiligt  ist,  wird 
besonders  durch  die  Erfahrung  von  Capelle  und  Bayer 
wahrscheinlich  gemacht,  die  nach  Entfernung  einer  ver- 
grösserten  Thymus  bei  einer  22  jährigen  Basedowkranken 
sofort  ein  normales  Blutbild  entstehen  sahen.  Schuh¬ 
macher  und  Roth  fanden  ebenfalls  bei  einer  Basedow- 
kranken,  die  mit  gleichzeitiger  Thymektomie  behandelt  wor¬ 
den  war,  dass  die  starke  Lymphozytose  (35  bis  47  Proz.) 
nach  der  Operation  sich  völlig  zur  Norm  zurückbildete.  Sie 
sind  geneigt,  die  Lymphozytose  beim  Basedow  und  anderen 
Erkrankungen  innersekretorischer  Drüsen  in  der  Hauptsache 
auf  eine  direkte  oder  indirekte  Beeinflussung  des  lymphati¬ 
schen  Apparates  durch  das  innere  Sekret  der  sich  unter 
pathologischen  Verhältnissen  befindlichen  Thymus  zurück¬ 
zuführen. 

Auch  bei  drei  wegen  Tracheostenosis  thymica  operierten 
Kindern  führte  die  partielle  Thymektomie  zu  starker  Reduk¬ 
tion  der  vorher  vorhandenen  hochgradigen  Lymphozytose, 
während  umgekehrt  durch  intravenöse  Injektion  von  Press¬ 
saft  einer  Basedowthymus  bei  zwei  Hunden  eine  aus¬ 
gesprochene  Lymphozytose  erzielt  wurde. 

Interessant  für  die  Beurteilung  der  Thymus  als  Bildungs¬ 
stätte  der  Lymphozyten  ist  auch  die  Beobachtung  von  R  a  ck- 
f  o  r  d  (bei  Wiesel),  der  einen  Knaben  wegen  Thymus¬ 
dämpfung  mit  Röntgenstrahlen  bestrahlte.  Nach  8  Wochen 
bedeutende  Besserung. 

Die  Zahl  der  Erythrozyten  betrug  vor  der  Behandlung  5  881  250, 
nach  der  Behandlung  5  906  000. 

Die  Zahl  der  Leukozyten  betrug  vor  der  Behandlung  24  000, 
nach  der  Behandlung  14  500. 

Die  Zahl  der  Neutrophilen  betrug  vor  der  Behandlung  25,6  Proz., 
nach  der  Behandlung  69,2  Proz. 

Die  Zahl  der  Lymphozyten  betrug  vor  der  Behandlung  61,8  Proz., 
nach  der  Behandlung  22,5  Proz. 

Der  Hämoglobingehalt  betrug  vor  der  Behandlung  70  Proz., 
nach  der  Behandlung  90  Proz. 

Neben  den  einem  Tierexperiment  gleichkommenden  Ope¬ 
rationsresultaten  von  Capelle  und  Bayer,  sowie  von 
Schuhmacher  und  Roth  ist  von  grösstem  Interesse  für 
das  Verständnis  vom  Einfluss  der  Thymus  auf  die  Lympho¬ 
zytose  die  jüngst  erschienene  Arbeit  von  Weiden  reich, 
der  darauf  hinweist,  dass  die  Thymus  selbst  eine  Bildungs¬ 
stätte  der  Lymphozyten  ist.  Er  fand  die  Lymphgefässe  der 
Thymus  strotzend  gefüllt  mit  Lymphozyten  und  hält  es  für 
unzweifelhaft,  dass  dieselben  in  Massen  in  den  Kreislauf  ab¬ 
geführt  werden. 

Auch  Maximow  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  die 
Thymus  ein  echtes  blutbildendes  Organ  ist,  eine  Quelle  der 
Lymphozyten  und  auf  einer  Stufe  steht  mit  den  Lymph¬ 
knoten  und  dem  adenoiden  Gewebe. 

Warum  bildet  sich  die  bei  Kindern  physiologische  Lympho¬ 
zytose  vom  II.  bis  15.  Jahre  an  zurück?  Doch  wohl,  weil  in 
dieser  Zeit  auch  die  Thymus  immer  mehr  zurückgeht. 

Wir  werden  also  durch  den  Befund  einer 
Lymphozytose,  einer  vermehrten  Lympho- 
zytenbildung  immer  darauf  hingewiesen, 
nach  Störungen  in  der  Funktion  der  lympha¬ 
tischen  Apparate  oder  der  Thymus  zu  suchen. 


3.  Juni  1913. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1207 


Dass  beim  Basedow,  einer  Krankheit,  die  zu  den  exquisite¬ 
sten  Funktionsstörungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion 
gehört,  pathologisch-anatomische  Veränderungen  im  Sinne 
einer  Hyperplasie  der  lymphatischen  Apparate  und  der  Thy¬ 
mus  und  Funktionsstörungen  derselben  vorhanden  sind, 
welche  die  Lymphozytose  erklären,  wurde  oben  erwähnt. 

Lässt  sich  nun  die  Lymphzytose  bei  Asthe¬ 
nikern  und  Neurosen  in  ähnlicher  Weise  er¬ 
klären  wie  beim  Basedow? 

Sie  erinnern  sich  vermutlich  alle  noch  mit  Vergnügen  an 
die  schönen  Vorträge,  die  uns  hier  im  ärztlichen  Verein  Herr 
v.  Pfaundler  über  die  kombinierten  Krankheitsbereit¬ 
schaften  oder  Diathesen  im  Kindesalter  und  Herr  Friedrich 
v.  Müller  in  den  Fortbildungskursen  über  die  exsudative 
Diathese  Czernys,  über  den  Lymphatismus  und  den  Arthri¬ 
tismus  C  o  m  b  y  s  gehalten  haben. 

C  o  m  b  y  fasst  mit  Bouchard  eine  Reihe  von  ver¬ 
schiedenen  Neurosen  und  Psychosen,  die  Migräne,  das  habi¬ 
tuelle  Kopfweh,  die  Neurasthenie,  den  Diabetes,  die  Gicht,  das 
Asthma,  die  Fettsucht,  die  Plethora  und  die  falsche  Anämie, 
die  Obstipation  und  die  nervösen  Diarrhöen,  die  intermit¬ 
tierende  Albuminurie  und  die  Glykosurie,  die  Ptose,  ver¬ 
schiedene  Dermatosen  und  vasomotorische  Störungen  unter 
dem  Namen  Arthritismus  zusammen,  der  in  vieler  Beziehung 
gleichwertig  dem  Status  neuro-lymphaticus  oder  thymico- 
lymphaticus  und  don  Diathesen  anderer  Autoren  ist. 

Was  ist  nun  das  Wesen  der  Diathesen? 

Comby  nimmt  bei  seinen  zum  Arthritismus  gezählten 
Krankheiten  eine  Autointoxikation  an,  ohne  dass  er  Anhalts¬ 
punkte  dafür  geben  kann,  wo  diese  Toxine  gebildet  werden; 
auch  v.  Pfaundler  vermeidet  es  absichtlich,  in  seinem  Vor¬ 
trag  im  ärztlichen  Verein  auf  das  Wesen  dieser  Diathesen 
einzugehen,  es  geht  aber  aus  dem  Inhalt  seines  erwähnten 
Vortrages  und  aus  dem  Namen,  den  er  für  die  Diathese  be¬ 
nützt  —  er  nennt  sie  neurolymphatische  Diathese  —  wohl 
sicher  hervor,  dass  er  an  den  Zusammenhang  mit  Verände¬ 
rungen  im  lymphatischen  System  denkt,  er  beschreibt  auch 
solche  bei  seinen  Kranken. 

In  neuer  Zeit  mehr  en  sich  immer  mehr  dieHinweise 
darauf,  dass  ein  Zusammenhang  der  Diathesen 
mit  dem  Status  lymphaticus  besteht  und  dass 
Koinzidenzien  zwischen  den  Diathesen  und 
Störungen  in  den  Blutgefässdrüsen  Vorhän¬ 
de  n  s  i  n  d.  Auch  v.  Pfaundler  spricht  dies  in  seinem  Re¬ 
ferat  über  die  Diathesen  im  Kindesalter  auf  dem  Kongress  für 
innere  Medizin  in  Wiesbaden  1911  aus,  er  betont  nur,  dass 
man  nicht  an  einen  Ausgang  von  einer  Wurzel,  sondern  an  ein 
plurizentrisches  System  denken  muss. 

Auch  E  p  p  i  n  g  e  r  und  Hess  sprechen  sich  in  ihrer  geist¬ 
reichen  Arbeit  über  die  Vagotonie,  einen  Symptomenkomplex, 
der  sich  vielfach  mit  dem  deckt,  was  die  obigen  Autoren  zu 
ihren  Diathesen  oder  Manifestationen  der  Diathesen  rechnen, 
darüber  aus,  dass  ein  Parallelismus  zwischen  ihren  Krank¬ 
heitsbildern  und  dem  Status  lymphaticus,  respektive  thymico- 
lyrnphaticus  besteht.  Sie  weisen  auch  auf  die  mannigfachen 
Beziehungen  ihrer  Krankheitsbilder  mit  Störungen  der  Drüsen 
mit  innerer  Sekretion  hin  und  es  scheinen  sich  immer  mehr 
Anhaltspunkte  dafür  zu  ergeben,  dass  diejenigen  Zustände, 
welche  zu  den  Diathesen  gezählt  werden,  in  Connex  zu  Blut- 
geiässdrüsen  stehen,  zu  den  Drüsen  mit  innerer  Sekretion. 

Ich  möchte  daher  unter  der  Diathese  oder 
der  Krankheitsbereitschaft  die  angeborene, 
konstitutionelle  Neigung  dieser  Drüsen  zu 
abnormer  Funktion  verstehen;  die  wirkliche 
Ausübung  dieser  veränderten  Funktion,  resp. 
Sekretion  wäre  dann  die  Manifestation  der 
Diathese. 

Die  unter  pathologischen  Verhältnissen  produzierten  Se¬ 
krete  der  Blutgefässdrüsen  können  wie  Gifte  oder  Toxine 
wirken,  auch  diese,  z.  B.  der  Alkohol  oder  das  Diphtheriegift 
haben  bei  verschiedenen  und  beim  gleichen  Individuum  ganz 
verschiedene  Lokalisationen  und  Manifestationen  zur  Folge. 
Da  kann  es  uns  bei  den  unendlich  komplizierten  Funktionen 
der  Blutgefässdrüsen  nicht  wundernehmen,  dass  je  nach  der 
vorwiegenden  Funktionsstörung  der  einen  oder  anderen  Drüse 


und  je  nach  den  Wechselwirkungen  der  verschiedenen  Blut¬ 
gefässdrüsen  unter  einander  auch  sehr  vielgestaltige  Krank¬ 
heitsbilder  entstehen,  die  dann  trotz  ihrer  Vielartigkeit  einen 
inneren  Zusammenhang  bewahren.  So  erklären  sich  die  kom¬ 
binierten  Diathesen  Pfaundlers. 

Neben  den  heute  von  mir  erwähnten  Krankheiten  von 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion,  dem  Diabetes,  und  der  Base¬ 
dow  sehen  Krankheit  kann  nach  meiner  Definition  der  Dia¬ 
thesen  bestimmt  auch  die  konstitutionelle  Fettsucht,  die  immer 
zu  den  Diathesen  gerechnet  wurde,  hier  eingereiht  werden, 
denn  gerade  die  konstitutionelle  Fettsucht  hängt  sicher  zu¬ 
sammen  mit  einer  durch  innere  Drüsensekrete  angeregten 
Stoffwechselanomalie.  Es  ist  interessant,  dass  auch  bei 
ihr  Caro  eine  starke  Lymphozytose  nachgewiesen  hat, 
ebenso  wie  B  o  r  c  h  a  r  d  t  bei  der  Akromegalie,  beim  Hypo¬ 
physistumor  und  beim  Myxödem,  sowie  der  Addison  sehen 
Krankheit,  also  auch  lauter  Krankheiten  der  Blutgefässdrüsen, 
auf  die  Lymphozytose  aufmerksam  macht. 

Bei  den  vielfachen  Beziehungen  der  verschiedenen  Stoff¬ 
wechselvorgänge  zu  den  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  könnte 
sehr  wohl  auch  an  eine  Beziehung  des  Harnsäurestoffwechsels, 
der  Gicht,  zu  diesen  Drüsen  gedacht  werden;  bis  jetzt  ist  dieser 
Zusammenhang*)  aber  noch  nicht  erwiesen,  sonst  könnte 
nach  meiner  Erklärung  der  Diathesen  die  Gicht  sehr  wohl  den 
Diathesen  zugezählt  werden.  Und  damit  wären  auch  die 
Wechselbeziehungen  zwischen  Gicht  und  Diabetes,  zwischen 
Gicht  und  Fettsucht  verständlich. 

Inwieweit  ist  es  nun  berechtigt,  die  Kran¬ 
ken  meiner  Gruppe  IV,  die  Neuropathen, 
Astheniker  und  verschiedene  Neurosen  zu 
den  Diathesen  zu  rechnen,  wenn  man  für  diese 
eine  innige  Beziehung  zu  den  Drüsen  mit 
innerer  Sekretion  verlangt? 

Die  Krankheitsbilder  meiner  Astheniker  und  Neuropathen 
ähneln  vielfach  denen,  welche  v.  Pfaundler  bei  seiner 
neuro-lymphatischen  Diathese,  Czerny  bei  der  exsudativen 
Diathese,  E  p  p  i  n  g  e  r  und  Hess  bei  seinen  Vagotonikern 
beschreibt.  Sie  wissen,  dass  auch  Comby  die  Neurasthenie 
und  viele  Neurosen  zu  seinem  Arthritismus  rechnet. 

Eines  der  augenfälligsten  Symptome,  das  v.  P  f  a  u  n  d  - 
1  e  r  mit  Recht  als  Scheinanämie  bezeichnet  und  auf  vaso¬ 
motorische  Störungen  zurückführt,  und  das  immer  wieder 
als  Symptom  des  Status  lymphaticus  und  thymico-lymphaticus 
angeführt  wird,  fand  sich  bei  einem  grossen  Prozentsatz 
meiner  Kranken  in  der  Gruppe  4. 

Wie  sich  diese  Scheinanämie  leicht  aus 
Sekretionsstörungen  der  Thymus  und  des 
chromaffinen  Systems  erklären  lässt,  können 
wir  auch  fast  alle  anderen  Symptome  der 
Astheniker  undNeuropathenverstehen,  wenn 
wir  uns  über  die  mannigfaltigen  Folgen  der 
Dysfunktion  der  Blutgefässdrüsen  orien¬ 
tieren.  Ein  Eingehen  auf  den  Mechanismus  aller  dieser 
Sekret-  oder  Hormonwirkungen  ginge  weit  über  den  Rahmen 
dieses  Vortrages  hinaus,  ich  möchte  nur  kurz  auf  die  physio¬ 
logische  Wirkung  der  Lymphdrüsen  und  der  Thymus  zu 
sprechen  kommen. 

Ueber  die  Physiologie  der  Sekrete  der  Lymphdrüsen  und 
lymphatischen  Apparate  ist  noch  merkwürdig  wenig  bekannt; 
es  ist  dies  sehr  leicht  verständlich,  da  solche  Ausschaltungs¬ 
versuche,  die  uns  über  die  physiologischeWirkung  der  anderen 
Blutgefässdrüsen,  z.  B.  der  Schilddrüse,  der  Nebenschilddrüse, 
der  Nebennieren  usw.  aufgeklärt  haben,  bei  der  Ausbreitung 
der  lymphatischen  Apparate  über  den  ganzen  Körper  unmög¬ 
lich  sind.  Es  ist  nur  bekannt,  dass  die  Lymphdrüsen  als  Filter 
wirken  und  dass  die  Presssäfte  von  Lymphdrüsen  ähnliche 
Eigenschaften  haben,  wie  diejenigen  der  Thymus. 

Ueber  die  Physiologie  dieses  letzteren  Organes  wurde  in 
den  vergangenen  Jahren  viel  gearbeitet;  alles  wissenswerte 


*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Durch  die  Arbeit 
Abels  (siehe  diese  Wochenschr.  No.  19.  pag.  1054),  nach  welcher 
die  Harnsäureausscheidung  in  Abhängigkeit  steht  vom  Splanchnikus- 
tonus,  erscheint  dieser  Zusammenhang  sehr  wohl  möglich,  da  der 
Sphnchnikustonus  abhängig  ist  von  der  Sekretion  der  Nebennieren, 
diese  wieder  von  der  Sekretion  anderer  Blutgefässdrüsen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22. 


1208 


ist  in  den  grossen  Arbeiten  von  Wiesel  und  B  i  e  d  1  zu¬ 
sammengestellt. 

Von  physiologischen  Wirkungen,  die  uns  hier  interes¬ 
sieren,  seien  nur  folgende  hervorgehoben: 

Die  Injektion  von  Thymusextrakt  führt  zu 
Blutdrucksenkung  und  Herzbeschleunigung 
(S  v  e  h  1  a).  Popielski  macht  Angaben  über  eine  vasokon- 
striktorisch  wirkende  Substanz  in  der  Thymus, 
das  Vasohypertensin.  Ebenso  sahen  F  a  r  i  n  i  und  V  i  d  o  n  i 
nach  Durchspülung  der  hinteren  Extremitäten  mit  Thymusextrakt 
lokale  konstriktorische  Wirkung.  Es  ist  natürlich  sehr  verlockend, 
die  Scheinanämie,  die  auf  einer  Vasokonstriktion  beruht,  mit  diesen 
vasokonstriktorisch  wirkenden  Substanzen  der  Thymus  in  Verbin¬ 
dung  zu  bringen. 

Auch  Stoffwechselstörungen,  die  Azetonurie  und 
P  hosphaturie  sahen  B  1  o  n  d  e  1,  sowie  T  a  r  u  1 1  i  und  C  u  r  a  - 
t  u  1  o  nach  Thymusfütterung. 

Klose  und  Vogt  sahen  nach  Hyperthymisation  bei  thymek- 
tomierten  Hunden  Durchfälle  und  anfallsweise  Herz¬ 
schwäche  auftreten. 

G  e  b  e  1  e  sah  nach  Thymusverfiitterung  bei  einem  Hunde  z  u  - 
sehendes  Verelenden  des  Tieres  und  Hart  und  Nord- 
mann  erzielten  durch  Implantation  von  Thymusdrüsen  in  die  Bauch¬ 
decken  Abmagerung,  Appetitlosigkeit  und  Trägheit. 
Sehr  interessant  ist  die  ausserordentlich  gesteigerte  Re¬ 
aktion  des  Herzens  auf  Hautreize  bei  Thymushyper¬ 
plasie:  sie  allein  erklärt  die  vielen  plötzlichen  Todesfälle  im  kalten 
Bad  bei  Thymuspersistenz  resp.  Hyperplasie,  ebenso  den  Ekzem¬ 
tod.  Die  bekannte  Empfindlichkeit  mancher  Astheniker  und  Neuro- 
pathen  gegen  Hautreize  würde  so  zu  erklären  sein. 

Ebenso  bedeutungsvoll  wie  die  Einflüsse  einer  ge¬ 
steigerten  Thymusfunktion  sind  die  Wirkungen 
des  Ausfalles  der  Thymusfunktionen,  wie  wir  sie  durch 
I  hymektomien  kennen.  Basch  sah  die  Tiere  weniger  in¬ 
telligent  werden.  Noch  wichtiger  sind  die  Versuche  von 
Klose  und  Vogt,  die  allmählich  völlige  Verblödung 
bei  thymektomierten  Hunden  eintreten  sahen  und  eine  völlige 
psychische  Veränderung  der  Tiere  beobachteten,  sogar  Nei¬ 
gung  zur  Selbstverstümmelung.  Die  Tiere  lädierten  sich 
wiederholt  durch  Bisse,  eines  biss  sich  den  Penis  ab  und  frass 
ihn  auf. 

Dabei  wurden  in  körperlicher  Beziehung  zwei  ver¬ 
schiedene  Stadien  festgestellt,  ein  erstes  der  gesteigerten  Fett¬ 
zunahme,  das  Stadium  adipositatis  und  ein  zweites 
der  Abmagerung  oder  Stadium  cachecticum;  das  erste 
verbunden  mit  Heisshunger,  das  zweite  mit  Muskelzittern, 
Analgesie,  Schwäche. 

Zu  den  Wirkungen  der  Thymus  gehören  aber  auch  die¬ 
jenigen  auf  die  übrigen  Organe,  speziell  diejenigen  mit  inneren 
Sekretionen;  nach  der  Thymektomie  werden  Milz,  Schild¬ 
drüse,  Pankreas,  Ovarien  und  Hoden  vergrössert,  besonders 
Milz  und  Pankreas;  bei  der  Hyperplasie  der  Thymus  findet 
sich  Vergrösserung  der  Schilddrüse,  Hypoplasie  der  Neben¬ 
nieren,  Kleinheit  des  Herzens,  enge  Aorta  und  enge  Blut¬ 
gefässe,  Hypoplasie  der  Genitalien,  infantiler  Uterus  mit  häu¬ 
figen  Menstruationsstörungen,  auch  mangelhafte  Behaarung  in 
der  Achsel  und  am  mons  veneris. 

Sie  sehen  also,  dass  die  Störungen  der  Thymusfunktion 
allein  schon  viele  der  bisher  als  nervös  bezeichneten  Sym¬ 
ptome  erklären  würden,  so  die  vasomotorischen  Störungen, 
verschiedene  Stoffwechselstörungen,  die  nervösen  Diarrhöen, 
die  Appetitlosigkeit,  die  Abmagerung,  die  Empfindlichkeit 
gegen  Hautreize,  die  Ohnmachtsgefühle.  —  Auch  eine  Reihe 
von  Entwicklungsstörungen,  wie  das  Tropfenherz,  der  infantile 
Uterus,  wie  wir  sie  bei  einzelnen  Asthenikern  und  Neuropathen 
finden,  könnte  durch  Störungen  der  Thymusfunktion  be¬ 
dingt  sein. 

Was  nun  die  psychischen  Veränderungen  unserer  Kranken 
betrifft,  so  haben  wir  ja  gehört,  welche  schweren  Störungen 
im  Gefolge  von  I  hymusstörungen  auftreten,  ebenso  wissen 
wir  längst,  welche  mannigfaltigen  Veränderungen  der  Psyche 
bei  Störungen  der  verschiedensten  Drüsen  mit  innerer  Sekre¬ 
tion,  so  z.  B.  bei  Veränderung  der  Geschlechtsdrüsen  oder 
unter  dem  Einfluss  der  Hypo-  und  der  Hyperthyreosis 
entstehen;  das  sehen  wir  am  besten  beim  Myxödem 
und  beim  Basedow.  Wir  können  uns  daher  sehr  gut  vor¬ 
stellen,  dass  nicht  nur  die  zahllosen  somatischen,  sondern  auch 
die  psychischen  Störungen  unserer  Astheniker  und  Neuro¬ 
pathen  unter  dem  Einfluss  von  Dysfunktionen  der  Blutdrüsen 


entstehen,  sogar  die  Entstehung  schwerer  Psychosen,  wie  der 
Dementia  praecox  Hesse  sich  durch  Vermittlung  der  Blut¬ 
gefässdrüsen  denken. 

Wenn  also  theoretische  Erwägungen  es  sehr  wahrschein¬ 
lich  machen,  dass  die  Asthenie  und  viele  neuropathische  Zu¬ 
stände  mit  dem  Status  thymico-lymphaticus  und  anderen  Stö¬ 
rungen  der  inneren  Sekretion  Zusammenhängen,  so  wird  dieser 
Zusammenhang  durch  die  von  mir  erhobenen  Blutbefunde 
noch  wahrscheinlicher  gemacht.  Die  Lymphozytose  ist  längst 
beim  Status  lymphaticus  festgestellt,  so  von  Borchardt, 
E  p  p  i  n  g  e  r  und  Hess,  S  c  h  r  i  d  d  e  u.  a. 

Es  wird  aber,  wie  S  c  h  r  i  d  d  e  hervorhebt,  auch  beim 
Status  lymphaticus  nicht  immer  zu  einer  Lymphozytose 
kommen  und  wir  dürfen  uns  nicht  wundern,  wenn  wir  bei 
Kranken  mit  gleichen  klinischen  Symptomen  einmal  Lympho¬ 
zytose  finden,  ein  anderes  Mal  nicht.  Sogar  bei  einer  so 
schweren  Erkrankung  des  lymphatischen  Systems,  wie  bei  der 
lymphatischen  Leukämie  und  besonders  bei  der  Pseudo¬ 
leukämie  kann  ja  auch  die  Lymphozytose  fehlen. 

Wie  eingangs  schon  erwähnt,  wurde  dementsprechend 
bei  gleichen  klinischen  Krankheitsbildern  manchmal  ein  ganz 
normales  Blutbild  gefunden,  manchmal  auch  neben  oder  statt 
der  Lymphozytose  eine  ausgesprochene  Eosinophilie.  Wir 
wissen  durch  die  Experimente  von  F  a  1 1  a  und  anderen,  dass 
die  Eosinophilie  dann  auftritt,  wenn  eine  Reizung  im  auto¬ 
nomen  Nervensystem  vorhanden  ist,  die  wir  bei  unseren 
Kranken  so  häufig  beobachten,  dass  Eppinger  und  Hess 
die  meisten  Symptome  unserer  Astheniker  und  Neuropathen 
mit  dem  gesteigerten  Vagustonus  in  Zusammenhang  bringen. 
Dass  aber  der  gesteigerte  Vagustonus  vom  Einfluss  der  krank¬ 
haften  Funktion  der  Blutgefässdrüsen  abhängt,  wurde  durch 
zahlreiche  experimentelle  Untersuchungen  wahrscheinlich  ge¬ 
macht.  Also  auch  die  Eosinophilie  kann  durch  Funktions¬ 
störungen  der  Thymus  und  anderer  Blutgefässdrüsen,  be¬ 
sonders  des  chromaffinen  Systems  ungezwungen  erklärt 
werden. 

Die  Zustände,  von  denen  wir  sprechen,  führen  ja  als  solche 
nie  zum  Tode,  wir  haben  also  selten  Gelegenheit,  unsere  kli¬ 
nische  Diagnose  pathologisch-anatomisch  zu  kontrollieren. 
Eppinger  und  Hess  haben  aber  in  Fällen,  die 
klinisch  meinen  neuropathischen  Zuständen 
gleichen,  das  häufige  Vorkommen  von  Thy- 
muspersistenz  und  starke  Entwicklung  des 
lymphatischen  Apparates  bei  der  Sektion 
feststellen  können. 

Seitdem  ich  während  der  Bearbeitung  des  heutigen 
Themas  auf  den  Zusammenhang  der  Asthenie  und  neuro¬ 
pathischen  Zustände  mit  dem  Status  lymphaticus  und  thymico- 
lymphaticus  und  den  Störungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekre¬ 
tion  aufmerksam  geworden  bin,  achte  ich  in  allen  einschlägigen 
Fällen  auf  im  Leben  nachweisbare  Veränderungen  an  den 
Drüsenapparaten.  Da  ist  mir  zunächst  die  grosse  Häu¬ 
figkeit  von  Schilddrüsenvergrösserungen  bei 
solchen  Kranken  aufgefallen;  bei  anderen  Kranken  fand  ich 
die  von  Friedr.  v.  Müller  bei  Basedowkranken  beschrie¬ 
benen  Drüsenvergrösserungen  in  der  seit¬ 
lichen  Halsgegend,  sehr  häufig  vergrösserte 
Mandeln  und  adenoide  Wucherungen  im 
Rachen,  bei  mehreren  Patienten  die  vergrösserten 
Zungenbälge,  auf  welche  kürzlich  S  c  h  r  i  d  d  e  besonders 
aufmerksam  gemacht  hat.  Ich  konnte  also  verschiedene  Be¬ 
funde  feststellen,  welche  auf  eine  Hyperplasie  des  lymphati¬ 
schen  Apparates  deuteten  und  so  den  Blutbefund,  die  Lympho¬ 
zytose  erklärten. 

Ein  klinischer  Nachweis  der  vergrösserten  Thymus  ist 
allerdings  bis  jetzt  nicht  möglich,  solange  die  Thymus  nicht 
bedeutend  vergrössert  ist;  auch  röntgenologisch  ist  die  Thy¬ 
mus  meist  nicht  zu  erkennen. 

Bei  Kranken,  deren  Thorax  photographiert  wurde,  liess 
sich  mehrmals  Tropfenherz  oder  eine  Vergrös¬ 
serung  der  Hilusdrüsen  konstatieren.  Als  Symptome 
der  Beteiligung  des  chromaffinen  Systems  fiel  mehrmals 
stärkere  Pigmentierung  auf.  Auch  Hypoplasie 
der  Genitalien,  infantiler  Uterus,  langes  Aus¬ 
bleiben  der  Periode,  ungenügende  Behaarung 


3  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


konnte  mehrmals  beobachtet  und  nun  richtig  gedeutet  werden, 
seitdem  ich  mein  Augenmerk  hierauf  richtete,  lauter  Sym¬ 
ptome  des  Status  lymphaticus. 

Auf  alle  diese  Dinge  wird  bei  den  Kranken  meiner 
Gruppe  *4  in  Zukunft  mehr  zu  achten  sein,  um  festzustellen, 
ob  ein  Zusammenhang  dieser  Krankheitsbilder  mit  dem  Status 
thymico-lymphaticus  anzunehmen  ist. 

Noch  ein  Umstand  macht  es  wahrscheinlich,  dass  dieser 
Zusammenhang  besteht,  das  ist  die  bekannte  Tatsache,  das$ 
die  zahlreichen,  bisher  als  nervös  geltenden  Erscheinungen, 
die  oft  im  Anschluss  an  die  Pubertätsjahre  ihren  Höhepunkt 
erreichen,  in  späteren  Lebensjahren  viel  seltener  auftreten 
oder  wenn  sie  in  der  Jugend  vorhanden  waren,  im  Alter  ab- 
klingen;  denn  Bartel  weist  darauf  hin,  dass  der  Lymphatis¬ 
mus  mit  dem  zunehmender  Alter,  besonders  vom  6.  Jahrzehnt 
an,  an  Häufigkeit  bedeutend  abnehme.  So  werden  denn  auch 
eine  Reihe  von  Krankheitssymptomen,  die  zu  den  neuro- 
pathischen  gezählt  wurden,  wie  das  Asthma,  die  exsudativen 
Prozesse  der  Haut,  die  sogen,  nervösen  Diarrhöen  usw.  mit 
dem  höheren  Alter  immer  seltener,  wie  auch  die  B  a  s  e  d  o  w  - 
sehe  Krankheit  vom  6.  Jahrzehnt  an  in  ihrer  Frequenz  sinkt. 
Auch  die  zurzeit  der  Menopause  hervortretenden  nervösen 
Störungen  werden  verständlich,  wenn  man  an  den  Einfluss  der 
Geschlechtsdrüsen  auf  andere  Blutgefässdrüsen  und  auf  die 
Psyche  denkt. 

Es  sprechen  also  nach  dem,  was  ich  vor¬ 
getragen  habe,  eine  Reihe  von  Gründen  dafür, 
dass  bei  den  Asthenikern  und  Neuropathen 
Störungen  der  inneren  Sekretion  des  lympha¬ 
tischen  Systems  und  der  Thymus,  sowie  ver¬ 
schiedener  anderer  Blutgefässdrüsen  für 
viele  Krankheitssymptome  verantwortlich 
zu  machen  sind. 

Wenn  wir  zu  der  Anschauung  kommen,  dass  diese  Krank¬ 
heiten  die  Folge  sind  einer  konstitutionellen,  vielfach  durch 
Vererbung  übertragenen  Krafikheitsbereitschaft  oder  Diathese, 
die  in  der  minderwertigen  Veranlagung  des  Blutgefässdrüsen¬ 
apparates  besteht,  so  verstehen  wir  viel  leichter  als  früher  die 
daraus  resultierenden  Krankheitsbilder  und  ihre  mannigfachen 
Kombinationen. 

Wir  erkennen  dann  mühelos  den  inneren  Zusammenhang 
aller  derjenigen  Zustände,  die  schon  seit  langer  Zeit  unter  dem 
Namen  Diathesen  zusammengefasst  wurden,  wir  begreifen 
jetzt,  warum  es  fliessende  Uebergänge  vom  Astheniker  zum 
echten  voll  ausgebildeten  Basedowkranken  gibt,  warum  der 
geheilte  Basedowkranke  nach  Jahren  an  nervösen  Diarrhöen 
oder  spastischer  Obstipation  erkrankt,  warum  der  Astheniker 
zeitweise  an  Glykosurie  leidet,  warum  sich  eine  konstitutio¬ 
nelle  Fettsucht  mit  Diabetes  kombiniert  oder  mit  Asthma 
bronchiale.  Immer  handelt  es  sich  um  Manifestationen  der 
konstitutionellen  Schwäche  der  Blutgefässdrüsen. 

Wie  sich  die  Krankheiten  der  Drüsenapparate  unter  gewissen 
Einflüssen  uniformen  können,  sah  ich  erst  neulich  in  exquisiter  Form. 
Ein  dem  Exitus  naher  Fall  von  chronischem  malignen  Granulom  wan¬ 
delte  sich  unter  dem  Einfluss  von  Thorium  und  Röntgenstrahlen  unter 
akuter  Rückbildung  aller  tastbaren  Lymphknoten  und  des  Milztumors 
und  völliger  Entfieberung  in  ein  Basedowoid  um,  während  gleichzeitig 
das  Blutbild  des  Granuloms,  lymphozytäre  Leukopenie  (mit  zuletzt 
nur  500  Lymphozyten)  in  Lymphozytose  von  47  Proz.  mit  im  ganzen 
4000  Lymphozyten  im  Kubikmillimeter  überging. 

Warum  in  einem  Fall  mehr  polyglanduläre  Erkrankungen 
auftreten,  während  ein  anderes  Mal  die  Symptome  auf  mono¬ 
glanduläre  Störungen  hinweisen,  ist  uns  nicht  bekannt;  auf 
Grund  der  ersteren  entwickelten  sich  die  asthenischen  und  viele 
der  bisher  zu  den  Neurosen  gerechneten  Krankheitszustände 
und  verschiedene  Stoffwechselanomalien.  Wird  das  Krank¬ 
heitsbild  dagegen  von  der  Funktionsstörung  eines  Drüsen¬ 
apparates  beherrscht,  so  entsteht  die  Basedow  sehe  Krank¬ 
heit,  das  Myxödem,  die  A  d  d  i  s  o  n  sehe  Krankheit,  die  Tetanie 
und  andere  monoglanduläre  Bilder. 

Bei  vielen  dieser  von  den  Blutgefäss¬ 
drüsen  abhängigen  Krankheitsbildern  finden 
wir  dauernd  oder  vorübergehend  Verän¬ 
derungen  im  Blutbild,  die  uns  auf  die  Ab¬ 
hängigkeit  dieser  Krankheiten  von  den  Blut¬ 
gefässdrüsen  hinweisen,  so  besonders  auch 
bei  vielen  Fällen  von  Asthenie  und  neuro- 

No.  22. 


1209 


pathischen  Zuständen,  für  welche  das  Blut¬ 
bild  eine  ähnliche  Bedeutung  hat  wie  für  den 
Basedow. 

Die  bisherige  Auffassung  von  der  Abhängigkeit  der 
Asthenie  und  vieler  neuropathischen  Zustände  von  einer  pri¬ 
mären  Erkrankung  des  Nervensystems  war  deswegen  eine 
so  unbefriedigende,  weil  sie  erstens  keinerlei  pathologisch¬ 
anatomisches  Substrat  zur  Stütze  hatte;  ferner,  weil  sie  uns 
bisher  in  therapeutischer  Richtung  so  wenig  gefördert  hat. 

Gerade  die  Kranken,  um  welche  es  sich  hier  handelt, 
haben  stets  an  die  ärztliche  Kunst  und  an  die  ärztliche  Ge¬ 
duld  die  grössten  Anforderungen  gestellt.  Wenn  man  denkt, 
welche  Vorteile  die  Lehre  von  den  inneren  Sekretionen  für 
die  Therapie  derjenigen  Krankheiten  gebracht  hat,  die  früher 
zu  den  Nervenkrankheiten  gezählt  wurden  und  jetzt  als  Se¬ 
kretionsanomalien  bestimmter  Blutgefässdrüsen  erkannt  sind, 
so  sehnt  man  sich  förmlich  für  die  asthenischen  und  anderen 
neuropathischen  Zustände  nach  einer  Erklärung,  welche  auch 
imstande  wäre,  eine  Aenderung  der  bisherigen  Therapie  her¬ 
beizuführen. 

Wenn  die  heute  von  mir  vorgetragene  Anschauung,  dass 
viele  Krankheitszustände  und  Krankheitssymptome,  die  bisher 
für  nervös  gehalten  wurden,  von  Funktionsstörungen  der  Blut¬ 
gefässdrüsen  abhängen,  so  zweifle  ich  nicht,  dass  auch  die 
Therapie  ihren  Nutzen  daraus  ziehen  wird. 

Fassen  wir  z.  B.  die  erwähnten  Zustände  als  Verände¬ 
rungen  und  Funktionsstörungen  im  lymphatischen  Apparat  auf, 
so  wird  es  uns  verständlich,  wie  manche  Behandlungs¬ 
methoden,  den  Stoffwechsel  anregende  hydropathische  Pro¬ 
zeduren,  gewisse  Badekuren,  der  Aufenthalt  im  Seebad  und  im 
Hochgebirge  oder  auch  eine  Veränderung  des  bisherigen  Kost¬ 
regimes,  z.  B.  Verhütung  eines  zu  reichlichen  Fleischgenusses 
bei  Neuropathen  und  Asthenikern  mit  Nutzen  verordnet 
werden. 

Vor  allem  verstehen  wir  es  jetzt  auch,  warum  ein  Mittel, 
das  bekannt  ist  wegen  seines  Einflusses  auf  die  Hyperplasien 
des  lymphatischen  Gewebes,  das  Arsenik,  bei  asthenischen 
und  neuropathichen  Zuständen  günstig  wirkt,  während  uns 
seine  Wirkung  unverständlich  wäre,  wenn  wir  diese  Zustände 
als  nervöse  auffassen. 

Es  ist  bekannt,  wie  gerade  bei  den  sogen. 
Scheinanämien  der  Neuropathen  das  Eisen 
völlig  versagt,  während  das  Arsen  oft  einen 
überraschenden  Erfolg  hat.  Es  hat  mich  nun  inter¬ 
essiert,  zu  kontrollieren,  ob  in  solchen  Fällen  auch  eine  Be¬ 
einflussung  der  Lymphozytose  zu  konstatieren  war,  wenn 
längere  Zeit  Arsenik  gegeben  wurde.  Ich  darf  mir  vielleicht 
erlauben,  Ihnen  noch  einige  diesbezügliche  Resultate  kurz  an¬ 
zuführen. 


M.  B.  vor  der  Behandlung  57  Proz.  neutrophile,  36  Proz.  Lymphoz. 


nach  „ 

Tf 

71 

TI 

Tf 

24 

Tf 

ft 

M.  M.  vor  „ 

V 

56 

1) 

* 

36 

Tf 

Tf 

nach  „ 

TI 

68 

TI 

ff 

29 

ff 

1t 

H.  Pf.  vor  „ 

n 

56 

Tf 

Tf 

40 

ft 

V 

nach  „ 

TI 

61 

V 

Tf 

33 

ff 

ft 

F.  B.  vor  „ 

Tf 

50 

ff 

Tf 

37 

ft 

tf 

nach  „ 

n 

72 

ff 

Tf 

26 

V 

tf 

L.  D.  vor  „ 

V 

40 

ff 

TI 

53 

V 

Tf 

nach  „ 

V 

62 

Tf 

TT 

26 

Tf 

TI 

E.  S.  vor  „ 

1) 

47 

Tf 

Tf 

47 

V 

Tf 

nach  „ 

ft 

70 

V 

Tf 

24 

Tf 

Tf 

Dabei 

nahm 

in  diesen 

Fäll 

1  e  n 

fast 

aus 

nahmslos  nach  der  Arsenikbehandlung  die 
absolute  Zahl  der  Neutrophilen  zu,  die  abso¬ 
lute  Zahl  der  Lymphozyten  ab. 

Der  erwähnte  Effekt  trat  meist  erst  nach  einer  Reihe  von 
Monaten  auf,  er  spricht  in  hohem  Grade  dafür,  dass  in  den 
behandelten  Fällen  das  lymphatische  System  im  Sinne  einer 
Einschränkung  seiner  Funktion  beeinflusst  wurde.  Wiederholt 
war  es  mir  möglich,  nach  längerem  Aussetzen  der  Arsenik¬ 
behandlung  wieder  den  früheren  Blutbefund,  neutrophile 
Leukopenie  und  Lymphozytose  nachzuweisen.  Die  eben  an¬ 
geführten  Beispiele  mögen  Ihnen  die  Wirkung  des  Arseniks 
auf  die  vorher  gefundenen  Blutveränderungen  demonstrieren 
und  gleichzeitig  einen  bescheidenen  Versuch  darstellen,  aus 

4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


den  heute  gegebenen  Erörterungen  einen  praktischen  Nutzen 
zu  ziehen. 

Schlusssätze. 

Die  Lymphozytose  findet  sich,  ebenso  wie  beim  Dia¬ 
betes,  bei  der  Fettsucht  und  beim  Basedow,  auch  bei 
Asthenikern,  Neuropathen  und  vielen  Neurosen.  Sie  weist 
auf  eine  Funktionsstörung  des  lymphatischen  Systems,  der 
1  hymus  und  der  Blutgefässdrüsen  überhaupt  hin. 

Die  Asthenie  und  andere  neuropathische  Zustände  sind 
aut  den  Status  lymphaticus  oder  thymico-lymphaticus  mit 
Beteiligung  anderer  Blutgefässdrüsen  zurückzuführen. 

Ihre  Zurechnung  zu  den  Diathesen  ist  berechtigt,  wenn 
wir  unter  Diathesen  eine  meist  ererbte,  konstitutionelle 
Neigung  der  Blutgefässdrüsen  zu  Dysfunktionen  verstehen. 
Durch  diese  Erklärung  wird  die  Zusammengehörigkeit  der 
verschiedenen  Diathesen  verständlich. 

Die  günstige  Wirkung  des  Arseniks  bei  manchen  neuro- 
pathischen  Zuständen  ist  zurückzuführen  auf  einen  Einfluss 
auf  das  lymphatische  System,  durch  welchen  es  die  neutro¬ 
phile  Leukopenie  und  die  Lymphozytose  beseitigt. 


Literatur. 

u-  u  3  r  fe  1 Uebe''  die  hypoplastische  Konstitution.  Wiener  klin. 

KrankhpStChrv19u8'i?0^  ~  Derselbe:  Ueber  Konstitution  und 
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Lymphozytose  des  Blutes  bei  Basedow  und  Struma.  Grenzgeb  d 

K  HpC  Th*  Bd'  ^  729‘,  r  K  1  0  s  e  und  V  o  g  t : :  KhMk  und  Bio¬ 

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rYvvvHSHhUingenTbei  Morbus  Basedowii.  Archiv  f.  klin.  Chir., 
LAAAV11,  H.  1  —  Lier:  Blutuntersuchungen  bei  Morb.  Basedowii 
Beitr.  z.  klin  Chir.,  Bd.  LXIX,  H.  2,  S.  201.  —  Loraud:  Die  Ent¬ 
stehung  der  Zuckerkrankheit.  Berlin  1903.  —  Paris  ot:  Action  sur 
la  Pression  arterielle  des  extraits  de  Ganglions  lymphatiques.  Comptes 
rendus  de  la  societe  de  Biologie.  Bd.  67,  p.  379.  —  Pfaundler- 
Ueber  kombinierte  Krankheitsbereitschaften  oder  Diathesen  im  Kin¬ 
desalter.  I  herapie  d.  Gegenwart,  Juli-August  1911.  —  Derselbe- 
Diathesen  in  der  Kinderheilkunde.  Verhandl.  d.  Deutschen  Koner  f 
rnnere  Med  XXVIII  1911  -  Roth:  BlutuntersuchuTen  Deufsche 
med.  Wochenschr.  1910,  No.  6.  —  Schuhmacher  und  Roth- 
aymektomie  bei  einem  Fall  von  Morbus  Basedowii  mit  My¬ 
asthenie.  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.,  XXV,  H.  4,  p.  746  —Stark- 
Deutsche  med  Wochenschr.  1911,  No.  47.  —  S  u  d  e  c  k:  Münch,  med! 
Wochenschr.  1911,  No.  16.  —  Weidenreich:  Die  Thymus  des  er¬ 
wachsenen  Menschen  als  Bildungsstätte  ungranulierter  und  granu¬ 
lierter  Leukozyten.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912  No  48  — 
Wiesel:  Pathologie  der  Thymus.  Lubarsch-Ostertag,  XV  2  — 
Gesamte  Literatur  bei  Biedl  und  Wiesel 


Die  Behandlung  der  Amöbendysenterie  mit  Emetin. 

\ on  Dr.  Q.  Baermann  und  Dr.  H.  Heinemann. 

(Schluss.) 


Aus  diesen  Ergebnissen  lassen  sich  bei  der 
relativ  kurzen  Beobachtungszeit  folgende 
Schlüsse  ziehen: 

I.  Das  Emetin  ist  ein  überaus  stark  amöbotropes  bzw. 
amobozides  Mittel,  das  bei  subkutaner  und  besonders  intra¬ 
venöser  Applikation  die  meisten  in  der  Darmwand  und  im 
üeschwiirsgrund  enthaltenen  Amöben  abzutöten  scheint.  Be- 
sonders  geschützt  liegende  Amöben  bleiben  verschont;  totale 
Amöbenabtötung,  soweit  dies  vorläufig  zu  beurteilen  und 
nachzuweisen,  wird  nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen  erreicht 
(Sudie  Sektionsberichte.)  Nach  10—70  Tagen  treten  wieder 
inö  len  auf,  diese  Amöben  sind  gewöhnlich  nur  vereinzelt, 
n  drei  allen  wurden  aber  ganz  plötzlich  massenhafte  junge 
Amöben  nachgewiesen,  so  dass  der  Eindruck  eines  hohen 
1  eilungsanreizes  erweckt  wurde,  in  einem  anderen  Falle 


traten  an  Stelle  der  vegetativen  Formen  plötzlich  massenhafte 
Zysten  auf. 

2.  Die  Zysten  werden,  so  weit  dies  bis  jetzt  festzustellen 
nicht  direkt  vom  Emetin  zerstört.  Eine  intermittierende  Be¬ 
handlung  wird  jedoch  ihrer  Bildung  in  einer  Reihe  von  Fällen 
vielleicht  zuvorkommen  können.  Es  ist  anzunehmen,  dass  die 
nach  einer  Emetinbehandlung  noch  vereinzelt  überlebenden 
Amöben  aus  der  Darmwand  auswandern  und  unter  den  ver¬ 
änderten  Lebensbedingungen  in  dem  Darm  und  dessen  Inhalt 
rasch  zur  Enzystierung  schreiten,  und  so  die  recht  häufig  ge 
binden  Zysten  zu  erklären  sind. 

3.  Es  gibt  emetinfeste  Amöbenstämme. 

4.  Nach  wiederholten  Injektionen  heilen  die  Geschwüre 
selbst  in  schwersten  letal  endigenden  Fällen  rasch  ab.  hi 
Schnitten  sind  entweder  keine  oder  nur  ganz  vereinzelte 
Amöben  nachzuweisen.  Diese  Tatsache  beweist  die 
ätiologische  Rolle  der  Dysenterieamöbe 
wohl  ziemlich  einwandfrei,  da  mit  dem  Ver¬ 
schwinden  der  Amöben  auch  der  Prozess,  so¬ 
weit  d  i  e  s  anatomisch  überhaupt  möglich, 
zum  Stillstand  und  zur  Ausheilung  kommt. 

5.  Als  besten  Modus  der  Therapie  würden  wir  Vor¬ 
schlägen:  1—2  intravenöse  (100  ccm  physiologische  NaCI- 
Lösung)  oder  subkutane  Injektionen  von  150—200  mg  daran 
anschliessend  im  Verlauf  von  8—10  Tagen  in  2— 3  tägigen 
Intervallen  je  nach  dem  Befund  4 — 5  subkutane  Injektionen 
von  je  100 — 120  mg.  Diese  Nachkuren  müssten  eventuell  inter¬ 
mittierend  wiederholt  gemacht  werden,  und  zwar  nach 
unseren  Erfahrungen  in  Abständen  von  3—4  Wochen.  Eine 
genaue  Ueberwachung  des  Stuhles  ist  hiezu  unbedingt  nötig 
und  muss  sich  über  Monate  erstrecken.  Die  intravenöse 
Maximaldosis  ist  250  mg  pro  60  Kilogramm  Körpergewicht  *). 

6.  Die  zurzeit  im  Handel  befindlichen  Emetine  differieren 
an  Wirksamkeit  erheblich. 

Die  glänzenden  Erfolge,  die  Rogers  selbst 
mit  Emetin  erzielte,  weichen  von  unseren 
eigenen  erheblich  ab.  Es  mag  dies  eventuell  an  den 
verschiedenen  Emetinen  liegen,  doch  müssen  noch  andere  Ur¬ 
sachen  mitspielen,  da  wir  auch  bei  dem  von  Rogers  selbst 
gesandten  Emetin  Misserfolge  hatten. 

Rogers  hat  sich  seine  Emetinresultate  dadurch  vielleicht 
verschleiert,  dass  er  mit  Ipecacuanha  nachbehandelt  und  so 
die  vereinzelt  auswandernden  Amöben  ausgeschaltet  hat.  Wir 
haben  gleichfalls  eine  Reihe  von  Fällen  mit  Ipecacuanha  nach¬ 
behandelt,  ohne  dadurch  den  Ausfall  besonders  zu  beeinflussen. 
Es  ist  auch  eine  sehr  langdauernde,  sehr  sorgfältige  Nach¬ 
kontrolle  nötig,  um  die  vereinzelt  wieder  auftretenden  Amöben 
nachzuweisen.  Die  rapide  Besserung  in  den  ersten  2  bis 
3  Tagen,  das  heisst  das  geradezu  plötzliche  Auftreten  guter, 
geformter  Stühle  nach  vorhergehenden  schwersten  dysen¬ 
terischen  Ei  scheinungen  kann  neben  der  Amöbenzerstörung 
eigentlich  nur  auf  eine  stark  adstringierende  Wirkung  des 
Emetins  zurückgeführt  werden,  denn  ausgedehnte  Geschwiirs- 
piozesse  können  sich  zwar  sehr  rasch  reinigen,  bedürfen  aber 
doch  einei  längeren  Abheilungszeit.  Nach  3 — 4  Tagen  werden 
die  Stühle  wieder  breiig,  es  treten  gewöhnlich  wieder  Blut- 
und  Schleimbeimengungen  auf,  das  Allgemeinbefinden 
schwankt.  Nur  bei  besonders  günstig  gelagerten  Fällen,  die 
mit  gei  inger  Geschwürsbildung  einhergehen,  bleibt  die  plötz¬ 
lich  auftretende  Besserung  bestehen  bzw.  geht  sie  direkt  in 
Fleilung  über.  Bei  den  chronischen,  schweren  Fällen  geht  die 
Besserung  langsam  und  allmählich  vor  sich.  Sie  wird  ge¬ 
wöhnlich  durch  die  hin  und  wiedr  auftretenden  Amöben  kaum 
gestört.  Wir  haben  wirklich  recht  verzweifelte  Fälle,  soweit 
dies  überhaupt  möglich  war,  sich  bessern  sehen. 

Vielleicht  gelingt  es  durch  eine  noch  genauere  Präzi¬ 
sierung  der  Behandlung,  durch  Feststellung  des  richtigen  Zeit¬ 
punktes  der  \\  iederbehandlung  die  bisherigen  Erfolge  zu  er¬ 
weitern  und  eventuell  auch  bei  Zystenträgern  eine  wirksame 
1  herapie  zu  entfalten.  Vielleicht  kann  auch  eine  Reindar¬ 
stellung  des  Alkaloids  die  amöbotrope  Eigenschaft  des  Emetins 
erheblich  steigern.  Dass  natürlich  neben  der  Emetintherapie 


D  Wir  behandeln  nach  diesem  Modus  zur  Zeit  weitere  10  Fälle; 
i  ie  Beobachtungszeit  ist  zu  kurz,  um  dieselben  schon  hier  zu  ver- 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1211 


die  bisher  erprobten  mehr  physikalischen  Behandlungs¬ 
methoden,  die  geregelte  Diät  zur  Unterstützung  des  Erfolges 
hcrangezogen  werden  müssen,  ist  selbstverständlich.  Uns 
kam  es  hier  besonders  darauf  an,  die  Wirkung  des  Emetins 
von  anderen  Mitteln  unbeeinflusst  zu  studieren. 

Es  ist  ein  grosses  Verdienst  Rogers,  einen 
V>eg  gewiesen  zu  haben,  der  zu  einer  wirk¬ 
samen  Bekämpfung  der  Amöbendysenterie, 
dieser  G  c  i  s  s  e  1  des  Ostens,  führen  kann. 

Krankengeschichten. 

Subkutan  behandelte  Fälle. 

1.  Dioernanah.  Sundanese.  Aufnahme  12.  VI.  12. 

Schwere  chronische  Amöbendysenterie.  Bisher  erfolglose  Be¬ 
handlung.  Eitrig-schleimige  oder  blutig-schleimige,  dünne  Stühle  mit 
wenig  fäkulenten  Beimengungen,  2—3  pro  die.  Reichlichst 
vegetative  Tetragenaamöben.  Insufficientia  cordis, 
schwere  allgemeine  Oedeme,  hochgradige  Anämie.  Hämoglobin 
20  Proz.,  Leukozyten  12  600,  Erythrozyten  1  600  000. 

Am  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

Am  25.  IX.  12  amöbenfrei,  1  Stuhl,  breiig,  fäkulent. 

Am  27.  IX.  12  kein  Stuhl. 

Am  28.  IX.  12  guter,  geformter,  etwas  schleimig-glänzender, 
braun  gefärbter  Stuhl.  Allgemeinbefinden  unverändert.  In  den  näch¬ 
sten  Wochen  tritt  langsam  eine  Besserung  des  Allgemeinbefindens 
ein,  die  Oedeme  verschwinden,  die  schwere  Anämie  bessert  sich,  die 
Stühle  sind  dauernd  breiig-schleimig,  dunkelbraun  gefärbt.  Die 
Stühle  bleiben  bis  zum  2.  XI.  frei  von  Amöben. 

Exitus  am  2.  XI.  12.  Die  Sektion  ergibt  im  ganzen  Kolon 
reichliche  und  ausgedehnte,  zum  Teil  runde,  glatte,  zum  Teil  radiär 
ausstrahlende,  das  Lumen  verengende  Narben.  Der  Darmschleim  ist 
frei  von  Amöben,  in  zahlreichen  Schnitten  aus  den  vernarbten  Par¬ 
tien  wird  nur  eine  einzige  in  der  Muskulatur  liegende, 
nicht  deformierte  Amöbe  nachgewiesen. 

2.  T  o  h  ah  O  e  h.  Chinese.  Aufnahme  4.  IX.  12. 

Chronische  Amöbendysenterie,  breiig-schleimige,  eitrige,  gä¬ 
rende  Stühle.  Die  Eiter-  und  Schleimbeimengungen  sind  entweder 
innig  vermischt  mit  den  breiigen  Stühlen  oder  in  grossen  Klumpen 
isoliert.  Reichlich  vegetative  Tetragenaamöben. 
Abgemagerter,  schwer  anämischer,  reduzierter  Mann.  Leichte 
Oedeme  der  Unterschenkel,  Hämoglobin  30  Proz.,  Leukozyten  5300, 
Erythrozyten  1  800  000.  Am  25.,  26.,  27.  IX.  12  j  e  60  mg  E  m  e  t  i  n 
(London)  subkutan. 

Die  Amöben  verschwinden  bereits  am  26.  IX.  12,  die  Stühle  wer¬ 
den  für  einige  Tage  breiig,  trocken,  das  Allgemeinbefinden  erheblich 
gebessert.  Dann  treten  wieder  schleimig-eitrige,  dünnbreiige  Stühle 
auf,  allgemeine  Oedeme,  zunehmende  Anämie  und  Kachexie. 

Am  5.  XI.  12  ist  der  Zustand  ein  recht  deplorabler.  Allgemeine 
schwere  Oedeme,  kolikartige  Schmerzen,  täglich  5 — 6  gärende,  eitrig¬ 
schleimige  Stühle.  Hämoglobin  20  Proz. 

Am  14.  XI.  werden  ganz  vereinzelte  Amöben  im 
Stuhl  nachgewiesen. 

Exitus  am  17.  XL  12.  Reichliche  Ankylostoma,  allgemeine 
Organdegeneration  und  Atrophie.  Im  Kolon  reichlich  zum  Teil  frisch 
verheilte  Narben  oder  in  voller  Heilung  begriffene,  gereinigte  schmale 
Ulzerationen  oder  flächenhafte  Geschwüre.  Im  Darmschleim  und  Ge¬ 
schwürsgrund  keine  Amöben.  In  Schnitten  ganz  vereinzelte  Amöben, 
die  etwas  entfernt  von  den  gereinigten  Geschwürsflächen  in  mehr 
oder  minder  normalem  Gewebe  oder  im  Narbengewebe  selbst  ein¬ 
geschlossen  liegen. 

3.  Ranoeredjoh.  Javane.  Aufnahme  22.  IX.  12. 

Schwere  akute  Form  mit  reichlichen  Blutschleimstühlen,  10  bis 

15  pro  die,  ziemlich  raschem  allgemeinen  Verfall.  Massenhaft 
Tetragenaamöben,  vegetative  Form.  Leukozyten 
11  000,  Hämoglobin  60  Proz.,  Erythrozyten  3  500  000. 

A  m  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan,  Oberschenkel. 

Am  25.  IX.  12  lebende  Amöben  bereits  verschwunden,  Stuhlzahl 
erheblich  reduziert  (2—3  pro  die).  Prostration  geringer.  Leukozyten 

5700. 

Am  26.  IX.  12  ist  der  Stuhl  zum  Teil  geformt,  mit  grossen,  isoliert 
liegenden  Blutschleimklumpen.  In  den  folgenden  8 — 10  Tagen  ganz 
erhebliche  allgemeine  Besserung,  normale,  blut-  und  schleimfreie  Stühle, 
Dann  treten  wieder  breiige,  manchmal  mit  Blut  oder  Eiter  vermischte 
Stühle  auf;  der  Allgemeinbefund  wieder  etwas  reduziert.  Die  Stühle 
werden  nach  8 — 10  Tagen  wieder  normal,  das  Allgemeinbefinden  hebt 
sich  wieder  deutlich.  Amöben  werden  in  dieser  Zeit  nicht  nach¬ 
gewiesen. 

Am  30.  X.  12  wird  wieder  eine  Amöbe  in  einer  Schleim¬ 
flocke  bei  sonst  gut  geformtem  Stuhl  nachgewiesen.  Hämo¬ 
globin  70  Proz.,  Leukozyten  3800,  Erythrozyten  3  800  000,  vereinzelte 
Zysten.  Seitdem  wieder  amöbenfrei,  Stuhl  dauernd  nor¬ 
mal,  Allgemeinbefinden  gut. 

Am  13.  XII.  12  vereinzelte  Zysten. 

4.  Mardani.  Soendanese.  Aufnahme  am  26.  VI.  12. 

Chronische  mittelschwere  Amöbendysenterie,  täglich  1—2  breiige 

oder  breiig-schleimige,  eitrige  Stühle.  Starke  Abmagerung  und  Atro¬ 


phie.  Oedeme  der  Unterschenkel.  Mässig  reichliche  vege¬ 
tative  Tetragenaamöben  und  Zysten,  erstere  alle 
3 — 4  Tage  nachweisbar.  Hämoglobin  40  Proz..  Leukozyten  3000, 
Erythrozyten  2  300  000. 

Am  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  E  m  e  t  i  n  (London)  sub¬ 
kutan. 

Am  25.  IX.  12  amöbenfrei,  die  Stühle  werden  geformt,  das  All¬ 
gemeinbefinden  bessert  sich  etwas,  Oedeme  verschwinden.  Die 
Stühle  wechseln,  sind  bald  geformt,  bald  schleimig-breiig. 

Am  8.  X.  12  treten  wieder  mässig  reichlich  Amöben 
auf,  ferner  am  11.  X.,  am  25.  X.  12;  von  dieser  Zeit  an  amöbenfrei. 
Stühle  dauernd  normal,  Allgemeinbefinden  gebessert. 

Am  25.  XI.  12  vereinzelte  Zysten. 

Am  13.  XII.  12  massenhafte  Zysten. 

5.  Sawang.  Javane.  Aufnahme  am  25.  IX.  12. 

Schwere  chronische  Amöbendysenterie,  allgemeine  Oedeme, 
Zeichen  schwerer  Herzdegeneration,  Stauungsnephritis.  Stühle  2 — 3 
pro  die,  breiig  mit  isolierten  oder  innig  vermischten  Blutschleim¬ 
beimengungen.  Reichlich  vegetative  Tetragena¬ 
amöben.  Hämoglobin  20  Proz.,  Leukozyten  5300,  Erythrozyten 
1  400  000. 

A  m  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

Am  25.  IX.  12  Stuhl  amöbenfrei,  geformt;  etwas  Blut-  und 
Schleimbeimengungen.  Der  Stuhl  wechselt  in  den  folgenden  Tagen, 
ist  bald  breiig,  etwas  geformt  mit  wenig  Schleim;  dann  wieder  ge¬ 
häufte,  schleimige,  dünne,  gelbe  Stühle.  Es  werden  am  6.  X. 
wieder  ganz  vereinzelte  Amöben  nachgewiesen. 
Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich  sehr  langsam.  Vorübergehend 
schwerste  Herzinsuffizienzerscheinungen.  Im  letzten  Monat  jedoch 
ganz  erhebliche  allgemeine  Besserung,  Herz-  und  Nierenerscheinungen 
gebessert,  Stühle  immer  etwas  breiig,  seit  dem  6.  X.  frei  von  vege¬ 
tativen  Formen. 

6.  Kasan.  IV.  Javane.  Aufnahme  am  28.  V.  12. 

Chronische  Amöbendysenterie  mit  gehäuften  (3 — 6  pro  die),  fast 

rein  schleimig-eitrigen  Stühlen  mit  nur  spärlichen  gelben  fäkulenten 
Beimengungen.  Reichlich  vegetative  tet  ragen  e  Amö¬ 
ben.  Allgemeine  Oedeme,  schwere  Anämie,  Hämoglobin  20  Proz., 
Leukozyten  5700,  Erythrozyten  1  200  000. 

Am  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

Am  25.  IX.  12  amöbenfrei.  Am  I.  X.  plötzlich  massen¬ 
hafte  Zysten.  Dieselben  verringern  sich  in  den  folgenden  Tagen 
an  Zahl.  Am  27.  X.  12  werden  wieder  vereinzelte  Amö¬ 
ben  nachgewiesen.  Mässig  reichlich  Zysten.  Der  Stuhl  war 
in  den  ersten  8  Tagen  nach  den  Injektionen  gebessert,  breiig,  auch 
geformt,  braun,  doch  traten  bald  wieder  rein  'eitrig-schleimige 
Stühle  auf. 

Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich  gleichfalls  nach  der  Be¬ 
handlung,  die  Oedeme  werden  gering,  kehren  dann  wieder  zurück. 

Am  30.  X.  12  Allgemeinzustand  wieder  sehr  schlecht,  der  Kranke 
ist  unfähig  zu  gehen;  Stuhl  wird  zeitweise  unwillkürlich  entleert. 
Keine  Amöben.  Vereinzelte  Zysten.  Hämoglobin  12  Proz.,  Erythro¬ 
zyten  800  000. 

Exitus  am  14.  XI.  12.  Im  Kolon  zahlreiche  abheilende  oder 
abgeheilte  gereinigte,  etwas  torpide  Ulzerationen.  Im  Darmschleim 
und  Geschwürsgrund  keine  Amöben,  doch  reichlich  Zysten.  In 
Schnitten  keine  Amöben,  Ulzerationen  gereinigt,  in  voller  Ab¬ 
heilung. 

7.  H.  H.  Europäer.  Aufnahme  am  28.  X.  12. 

Akute  mittelschwere  Amöbendysenterie  mit  blutig-schleimigen 
Stühlen,  leichte  Anämie,  leichte  Abmagerung.  Massenhafte 
vegetative  Tetragenaamöben. 

A  m  2.  XI.  12  125  mg  Emetin  (Merck)  subkutan.  Leich¬ 
ter  Brechreiz.  Schon  am  folgenden  Tag  erhebliches  Wohlbefinden, 
kein  Stuhl.  In  den  folgenden  2 — 3  Tagen  guter  geformter,  dunkler, 
amöbenfreier  Stuhl. 

A  m  5.  XI.  12  120  mg  E  m  e  t  i  n  (Merck)  subkutan. 

6.  XI.  wieder  breiig-schleimiger  Stuhl,  amöbenfrei. 

Am  8.  und  12.  XI.  12  je  60  mg  Emetin  (M  e  r  c  k)  sub¬ 
kutan. 

Die  Stühle  bleiben  bis  heute  amöbenfrei,  normal,  doch 
enthalten  sie  Zysten.  Allgemeinbefinden  ausgezeichnet. 

8.  I  j  o  e  t.  102.  Javanin.  Sialang.  Aufnahme  24.  IX.  12. 

Chronische,  mittelschwere  Amöbendysenterie,  starke  Anämie. 

Hämoglobiif  35  Proz.  Erythrozyten  1  800  000.  Stühle  bald  breiig¬ 
schleimig,  bald  geformt  und  ohne  pathologische  Beimengungen  oder 
mit  isolierten  Blutschleimklumpen.  Reichlich  vegetative 
tetragene  Amöben,  Schwere  Ankylostomiasis. 

A  m  3.  X.  und  5.  X.  12  j  e  120  mg  E  m  e  t  i  n  (Merck)  sub¬ 
kutan. 

Am  5.  XI.  12  breiiger,  etwas  gärender,  schleimiger,  doch  amöben¬ 
freier  Stuhl. 

A  m  8.  und  12.  XI.  12  je  60  mg  Emetin  (Merck)  sub¬ 
kutan.  Die  Stühle  werden  langsam  trocken,  geformt.  Das  All¬ 
gemeinbefinden  bessert  sich  langsam,  aber  deutlich.  Die  Frau  ist 
bis  heute  amöbenfrei. 

9.  Gopaloe.  Klingalese.  Aufnahme  am  20.  VII.  12. 

Chronische,  schwere  Amöbendysenterie,  hochgradige  Abmage¬ 
rung,  Oedeme  der  Beine,  schwere  Anämie.  Täglich  3 — 4  wässerige, 

4* 


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MUENCHKNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22 


!:!  Gig-schleimige,  lehmfarbene  Stühle.  Reichlich  vegetative 
ietragenaamöben.  Hämoglobin  <40  Proz.  Leukozyten  5000, 
Erythrozyten  2  000  000. 

Am  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

werden  noch  einige  Amöben  nachgewiesen.  Der 
Mann  bleibt  bis  zu  seinem  am  3.  X.  12  erfolgten  Exitus  amöben- 
frei.  Die  Stühle  haben  sich  in  dieser  Zeit  kaum  geändert,  nur  die 
arbe  \\  urde  normal,  braun.  Der  Mann  geht  unter  zunehmendem 
Marasmus  zugrunde. 

..  Ec*  der  Sektion  finden  sich  nur  mehr  einzelne  Abszesschen  mit 
grünem  Liter  gefüllt,  zahlreiche  durch  Annäherung  der  Falten  total 
verheilte  oder  in  voller  Heilung  begriffene  gereinigte  Ulzerationen. 
Lowohl  im  Darminhalt  als  in  dem  Inhalt  der  Ulzerationen  keine 
Amöben.  Dagegen  finden  sich  in  Gewebsschnitten 
nur  ganz  vereinzelte,  nicht  veränderte  Amöben. 

10.  Kar  ta  witana.  II.  182.  Javane.  Aufnahme  9.  X.  12 
Sehr  schwere,  chronische  Amöbendysenterie.  Schwere  Anämie 

Hämoglobin  30  Proz.,  Erythrozyten  1  800  000.  Beinödeme,  hoch¬ 
gradige  allgemeine  Atrophie,  kann  nicht  mehr  gehen.  Gehäufte  blutig¬ 
schleimig-eitrige  Stühle.  Tetragenaamöben  werden  alle 
“ ,  1  n  massig  reichlicher  Anzahl  nachgewiesen. 

Reichlich  Zysten.  Am  3.,  6.,  9..  12.  und  19.  XI.  12  je  60mg 
Emetin^  (Merck)  subkutan. 

Die  Stühle  sind  am  5.  XI.  amöbenfrei.  Sie  werden  in  den  ersten 
lagen  braun  und  wässerig,  dann  allmählich  geformt,  es  finden  sich 
aber  stets  Beimengungen  von  Blut  und  Schleim.  Das  Allgemeinbe¬ 
finden  bessert  sich  langsam. 

Am  2.  XII.  12  werden  wieder  Amöben  nachgewiesen,  vereinzelte 
Zysten.  Seitdem  wieder  amöbenfrei,  vereinzelte  Zysten.  Der  Mann 
kann  wieder  gehen,  die  Oedeme  sind  verschwunden.  Die  Anämie 
bessert  sich  langsam.  In  letzter  Zeit  wieder  mehr  abgemagert, 
blutig-schleimige  Stühle,  reichlich  Zysten. 

11.  Kertowikromo.  Javane.  Aufnahme  am  16.  IX.  12. 
Subakute,  leichte  Amöbendysenterie.  Allgemeine  Atrophie.  3  bis 

4  breiige  Stuhle  mit  grossen  isolierten  Blutschleimklumpen.  Reich¬ 
lich  vegetativeTetragenaam  oben.  Hämoglobin  40  Proz., 
Leukozyten  2300,  Erythrozyten  2  000  000. 

Am  26.  und  27.  IX.  12  je  60mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

Vom  26.  IX.  12  bis  5.  X.  12  amöbenfrei.  Am  5.  X.  12  wieder 
vereinzelte  Amöben.  Die  Stühle  bessern  sich  nach  der  In¬ 
jektion  erheblich,  bleiben  dauernd  gut  geformt  mit  isolierten  kleinen 
Blutschleimklumpen.  Allgemeinbefinden  gleichfalls  erheblich  gebessert 
Am  30.  XI.  12  vereinzelte  Amöben.  Die  Stühle  bleiben 
abgesehen  von  kleinen  Blut-Schleimbeimengungen  gut,  das  Allgemein¬ 
befinden  bessert'  sich  fortschreitend. 

12.  Sointowidjojo.  Javanin.  Aufnahme  am  26.  IX.  12 
Subakute  Amöbendysenterie,  mittelschwer.  Abgemagerte  Frau 

Unterschenkelödeme.  Stühle  2—3  pro  die,  breiig  mit  isolierten  Blut- 
schleimklumpen.  Reichlich  vegetative  Tetragena¬ 
amöben.  Reichlich  Zysten.  Hämoglobin  40  Proz.,  Leuko¬ 
zyten  3900,  Erythrozyten  2  800  000. 

A m  I^,]2ie60  mgEmetin  (London)  subkutan.  1 

Vom  2/.  IX.  12  bis  18.  X.  12  a  m  ö  b  e  n  f  r  e  i,  vereinzelte  Zysten: 
an  diesem  Ta  ge  und  am  25.  X.  12  reichlich  vegetative 
I  etragenaamöben.  Die  Stühle  sind  breiig  oder  geformt,  mit 
kleinen  Blutschleimkluinpen.  Anämie  bessert  sich  etwas.  Die  Frau 
nimmt  etwas  an  Gewicht  zu.  Hämoglobin  46  Proz. 

Am  18.  XI.  12  werden  neben  reichlichen  Zysten  wieder  ver¬ 
einzelte  Amöben  nachgewiesen.  Die  Stühle  sind  dauernd  fast 
schreftendtWaS  glänzend'  Der  Allgemeinzustand  bessert  sich  fort- 

Am  25.  XI.  und  13.  XII.  reichliche  Zysten. 

13.  A  h  H  a  p.  Chinese  No.  61.  Aufnahme  am  19.  X.  12. 

•  bDYe/ste,’  foudroyante  Amöbendysenterie  mit  enorm  gehäuften, 

rfintei](  Blutschleimstühlen.  Zeichen  von  Peritonealreizung.  Rapider 
Vertan.  Lxitus  imminent,  massenhaft  vegetative  Tetra¬ 
genaamöben. 

Am  26.  IX  12,  6  Uhr  abends,  60  mg  Emetin  (London) 
subkutan.  Am  27.  IX.  12  morgens  Exitus.  Sektion  direkt 
post  mortem. 

Enor™£e  grossulzeröse,  gangränöse  Amöbendysenterie  des  ganzen 
Kolons,  di  11  us e  nekrotisierende,  schorfige  Dysenterie  der  untersten 
Hälfte  des  lleums.  Sowohl  im  Darminhalt  als  auch  in  den 
G  e  sch  wuren  werden  massenhaft  bewegliche 
A  m  o  b  e  n  g  e  f  u  n  d  e  n,  besonders  reichlich  im  Ileum.  In  Gewebs¬ 
schnitten  des  Kolons  und  lleums  finden  sich  enorme  Amöbenmengen 
über  die  ganze  Lärmwand  verteilt.  Die  Amöben  sind  in  Kern-  und 
Protoplasmastruktur  nicht  verändert. 

Es  müssen  hier  einige  gemischt  behandelte  Fälle  an- 
gesch  ossen  werden,  die  wegen  erfolgloser  subkutaner 
Applikation,  intravenös  behandelt  wurden. 

14.  Kar  to  red  jo.  Javanin.  Aufnahme  am  25.  IX.  12 
Akute  Amobendysenterie,  ziemlich  leichter  Fall.  5—6  blutig- 

schleimige  Stühle  mit  massenhaften  vegetativen  Tetra¬ 
gen  a  a  m  ö  b  e  n.  Patientin  etwas  abgemagert.  Hämoglobin  60  Proz. 
Leukozyten  5600,  Erythrozyten  3  000  000. 


,  .A™  2?.  ]X.  !2  60  mg  Emetin  (Merck)  subkutan.  Stuhl 
z\\  eistundhch  untersucht.  Amöben  nach  2  Stunden  verschwunden 
Stuhl  bessert  sich  in  den  folgenden  Tagen  auffallend,  wird  geformt 
schleimfrei.  Nach  5  lagen  werden  die  Stühle  wieder  schleimig- 
breiig  Nach  10  Tagen  treten  zuerst  vereinzelt,  d  a  nn 
wieder  reichlich  Amöben  auf.  n 

,  .  I2,..100  mg  Emetin  (London)  :  50  ccm  physio- 

logische  Kochsalzlösung;  intravenös,  ohne  Nebenwirkungen 

Zuerst  ziemlich  normal  geformte,  dann  wieder  breiige  Stühle 
manchmal  mit  etwas  Schleimbeimengungen.  Hämoglobin  70  Proz 

^eit  em£m  Monat  gute  Stühle.  Die  Frau  macht  einen  absolut  ge¬ 
sunden  Eindruck. 

ui  XI1;  ,12  sind  den  Stühlen  plötzlich  wieder 

Blutschleimklumpen  beigemischt,  diese  enthalten 
enorme  Massen  vegetativer  Amöben. 

Am  15.  XII.  12  amöbenfrei,  Stuhl  wieder  normal. 

15.  Kassim.  Javane.  Aufnahme  am  21.  VIII.  12. 

Subakute  mittelschwere  Amöbendysenterie.  2  Stühle  pro  die 
gewöhnlich  breiig  oder  geformt  mit  isolierten  Blut-Schlcimklumptn’ 
Reichlich  vegetative  Tetragenaamöben.  Hämoglo¬ 
bin  75  I  roz.  Leukozyten  5000,  Erythrozyten  4  000  000. 

,„,Ani  24;»  25->  26-  Ix-  12  i  e  60  mg  Emetin  (London)  s  u  b  - 

\  ;  -,<Die  Amoben  verschwinden  am  25.  IX.  12.  Der  Stuhl  wird 
fur  3—4  Jage  frei  von  Blut  und  Schleim,  dann  treten  am  30  IX  V 
wieder  plötzlich  massenhaft  vegetative  Tetragenaamöben 
auf.  Die  Zahl  derselben,  20—30  pro  Gesichtsfeld,  ist  eine  so  auffallend 
grosse,  dass  fast  der  Eindruck  eines  Teilungs¬ 
anreizes  oder  einer  Auswanderung  aus  dem  Ge¬ 
webe  erweckt  wird.  Gleichzeitig  werden  die  Stühle  wieder 
breiig  mit  isolierten  Blutschleimklumpen.  Amöbenbefund  geht  in  den 
folgenden  Tagen  erheblich  zurück,  bleibt  jedoch  positiv 

i  •  V17?  1(?'  ,X'  12  je.  lOOgEmetin  (London)  :  50  ccm  physio¬ 

logischer  Kochsalzlösung  intravenös.  Sowohl  am  10.  X ,  1 1  X 
wie  an  den  folgenden  Tagen  werden  reichl  i’c  h”  A  ni  ö  - 
ben  aus  geschieden.  Der  Stuhl  ist  unverändert.  Leichte  zu¬ 
nehmende  Abmagerung,  zunehmende  Anämie,  Hämoglobin  64  Pro/ 
Leukozyten  6000,  Erythrozyten  3  800  000.  Wir  glaubten,  dass  es  sich 
hier  um  einen  emetinfest  gewordenen  Stamm  handelt 
Am  2.  XI.  12  125  mg  Emetin  (Merck)  subkutan.  Die 
Stuhle  werden  amöben  frei. 

Am  5.  XI.  12  60  mg  Emetin  (Merck)  subkutan 

Am  7.  XI.  12  120  mg  Emetin  (Merck)  subkutan 
Am  I0;  AL  12  60  mg  Emetin  (Merck)  subkutan. 

Die  Stuhle  bleiben  normal,  amöbenfrei.  Der  Mann  nimmt  an 
Gewicht  zu,  die  Anämie  bessert  sich  rasch.  Geheilt  entlassen. 

16.  Mengelseng.  Bengale.  Aufnahme  20.  VIII.  12. 

Sehr  schwei  e,  chronische  Amöbendysenterie.  Wässerig-eitrige, 
grau-schleimige  Stühle,  2—3  pro'  die,  mit  saurem  Geruch.  Oedeme 
der  Beine,  hochgradige  Abmagerung  und  Anämie.  Hämoglobin 
20  1  roz.  Leukozyten  3500,  Erythrozyten  1  200  000.  Mässig 
reichlich  vegetative  Tetragenaamöben. 

Am  24.,  25.,  26.  IX.  12  je  60  mg  Emetin  (London)  sub¬ 
kutan. 

Am  25.  IX.  12  noch  vereinzelte  Amöben.  Vom  26.  IX.  bis  2  X  12 
amöbenfrei.  Die  Stühle  werden  für  2  Tage  breiig  fäkulent,  Eiter  und 
Schleim  treten  an  Quantität  zurück.  Nach  dieser  Zeit  nehmen  sie  die 
alte  Beschaffenheit  wieder  an. 

Am  2.  X.  12  erscheinen  wie  im  Falle  Kassim  plötzlich 
e  n  o i  r  m  e  Mengen  von  jungen  vegetativen  Tetragena¬ 
amöben;  besonders  hier  hat  man  den  Eindruck  eines  starken 
i  eilungsanreizes. 

Am  3.  X.  12  70  mg  Emetin  (London)  intravenös; 
100  ccm  physiologische  Kochsalzlösung,  nach  der  Injektion  zweimali¬ 
ges,  müheloses  Erbrechen.  Von  diesem  Tage  an,  bis  zu 
dem  am  24.  X.  12  erfolten  Exitus  werden  keine  Amö¬ 
ben  mehr  ausgeschieden,  jedoch  einzelne  Zysten. 
Der  Stuhl  wurde  allmählich  rein  eitrig-schleimig.  Oedeme  und  Ab¬ 
magerung  und  allgemeine  Kachexie  nehmen  zu.  Hämoglobin  20  Proz. 
Erythrozyten  8  000  000. 

Bei  der  Sektion  sind  die  zahlreichen  tiefen  und  oberflächlichen 
Ulzerationen  teils  durch  Faltenannäherung  teils  durch  Randepitheli- 
sierung  bis  auf  ganz  oberflächliche  Erosionen  abgeheilt.  Weder  in 
dem  Geschwiirsgrund  noch  im  Darminhalt  Amöben. 

In  Gewebsschnitten  findet  man  keine  Amöben. 

17.  M.  Th.  Europäer.  Aufnahme  16.  XI.  12. 

Schwere  Attacke  einer  chronischen,  rezidivierenden  Amöben¬ 
dysenterie.  Die  Dysenterie  besteht  mit  Besserlingsintervallen  seit 
18  Monaten.  Vor  4  Monaten  Leberabszess.  Allgemeine  Abmagerung, 
leichte  Anämie,  Stühle  20 — 30  pro  die,  rein  blutig-schleimig  mit 
massenhaften  T etragenaamöben. 

Am  17.  XI.  12  120  mg  Emetin  (Merck)  subkutan. 

Am  18.  XI.  12  massenhaft  Amöben,  3  blutig-schleimige 
Stuhle.  120  mg  Emetin  (Merck)  subkutan. 

19.  XI.  12.  Mässig  reichliche  Amöben,  1  diinnfäkulenter,  etwas 
blutig-schleimiger  Stuhl. 

19.  bis  21.  XII.  breiig-schleimige  Stühle  mit  wenig  reichlichen 
Amöben.  120  mg  Emetin  (Merck)  subkutan. 

4  ,22,  *2  w‘eder  stinkende,  schleimige  Stühle  mit  reichlichen 

Amoben.  150  mg  E  m  e  t  i  n  (Merck)  subkutan. 

23.  XI.  Stuhl  breiig-schleimig,  vereinzelte  Amöben. 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1313 


24.  XI.  12.  150  ms  Emetin  (Merck)  intravenös.  Leich¬ 
ter  Schwindel  während  der  Injektion. 

Am  25.  XI.  12  dünner,  blutig-schleimiger  Stuhl  und  massig  reich¬ 
lich  Amöben.  Die  Stühle  bleiben  blutig-schleimig,  wässerig,  sehr 
stinkend.  3 — 6  pro  die,  wechselnd  reichlich  Amöben,  entzündlicher 
Tumor  der  Zoekalgegend. 

Am  9.  XII,  11.  XII..  13.  XII.  12  j  e  120  mg  Emetin  (Merck  II). 
Auch  hier  tritt  zwar  eine  Verminderung  der  Amöben  ein,  die  Stühle 
werden  gebundener,  doch  sind  stets  mässig  reichliche  Amö¬ 
ben  nachzuweisen.  Nach  einigen  Tagen  sind  die  Stühle  wieder  dünn. 
Wegen  Kopfschmerzen,  starkem  Schwindel  müssen  die  Emetininjek¬ 
tionen  ausgesetzt  werden.  Diese  Erscheinungen  gehen  nach  3  Tagen 
wieder  vollständig  zurück. 

Intravenöse  Applikation. 

18.  I  d  r  i  s  n  e  b  o.  Javane.  Aufnahme  am  3.  V.  12. 

Sehr  alte,  chronische  Amöbendysenterie.  Atrophischer,  abge- 
magerter  Mann  mit  leichten  Oedemen  der  Beine.  Im  Beginn  breiig¬ 
schleimige  oder  breiige  Stühle.  In  den  letzten  Monaten  fast  stets 
gute,  geformte  Stühle.  Früher  reichlich  Amöben,  zurzeit 
nur  vereinzelte  vegetative  Amöben,  dagegen  sehr 
reichlich  Tetragen  azysten.  Hämoglobin  40  Proz.  Leuko¬ 
zyten  3800,  Erythrozyten  2  500  000. 

Am  9.  IX.  12  wird  der  Stuhl  2  Katzen  per  os  mit  Fleisch  ver¬ 
füttert,  um  die  Einwirkung  des  Emetins  auf  die  Zysten  zu  eruieren. 
Katze  I  hat  nach  16  Tagen  dysenterische  Stühle,  mit  massenhaften 
vegetativen  Tetragenaamöben. 

A  m  9.  u  n  d  10.  X.  12  erhält  der  Mann  je  100  mg  Emetin 
(London)  :  30  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  intravenös, 
ohne  Nebenerscheinungen.  Die  Stühle  bleiben  gut,  ganz  geringe  Blut¬ 
schleimbeimengungen. 

Am  10.  X.  wird  noch  eine  vereinzelte  vegetative  Amöbe  und 
reichliche  Zysten  nachgewiesen,  dann  bleibt  der  Mann  bis  zum 
26.  X.  12  a  m  ö  b  e  n  f  r  e  i,  doch  enthält  sein  Stuhl  stets 

Zysten. 

Am  20.  X.  12  werden  wieder  2  junge  Katzen  mit  dem  noch 
zystenhaltigen,  doch  von  vegetativen  Amöben  freien  Stuhl  gefüttert. 
Dieselben  zeigen  am  2.  XI.  12  Dysenterierscheinungen  und  am  3.  XI.  12 
reichlich  vegetative  Amöben.  Ein  Einfluss  auf  die  Zysten  war  somit 
sicher  nicht  zu  konstatieren. 

Am  26.  X.  12  wurden  auch  im  Stuhl  des  Kranken  wieder 
massenhaft  vegetative  Tetragenaamöben  und 
vereinzelte  Zysten  nachgewiesen.  Diese  bleiben  bis 

3.  XI.  12  konstant. 

A  m  3.  XL  12  330  mg  Emetin  (Merck)  intravenös. 
3  Minuten  nach  der  Injektion  Ohnmacht,  schwere  exspiratorische  Dys¬ 
pnoe,  enorme  Pulsverlangsamung,  unwillkürliche  Stuhlentleerung,  Er¬ 
brechen.  Nach  5  Minuten  ist  der  Anfall  vorüber.  Seit  dieser  Zeit 
ist  der  Mann  amöbenfrei. 

Am  20.  XI.  12  2  Katzen  mit  Stuhl  gefüttert,  bleiben 

gesund. 

Der  Mann  hat  sich  sehr  erholt,  an  Gewicht  zugenommen,  die 
Stühle  sind  stets  breiig-schleimig,  etwas  blasig,  amöbenfrei.  In  den 
etzten  Tagen  wieder  vereinzelte  Zysten. 

19.  M  a  r  d  a  n.  Javane.  Aufnahme  am  10.  VII.  11. 

Chronische,  schwere  Amöbendysenterie.  Allgemeinbefinden  sehr 

eduziert.  Anämie.  Hämoglobin  40  Proz.,  Leukozyten  5000,  Erythro¬ 
zyten  2  200  000.  Abmagerung,  Oedeme,  unfähig  zu  gehen.  Stuhl  gelb, 
dünn  —  schleimig,  zeitweise  mit  Blutschleimklumpen.  Reichlich 
vegetative  Tetragenaamöben. 

Am  9.  und  10.  X.  12  je  100  mg  Emetin  intravenös:  30  ccm 
ohysiologischer  Kochsalzlösung,  ohne  Nebenwirkungen.  Bis  heute 
werden  keine  Amöben  nachgewiesen.  Die  Stühle  bleiben  lange 
Zeit  unverändert,  ebenso  das  Allgemeinbefinden.  Dann  werden  die 
Stühle  langsam  wieder  rein  fäkulent.  allmählich  geformt,  zeitweise 
)hne  pathologische  Beimengungen.  Das  Allgemeinbefinden  bessert 
>ich  fortdauernd,  die  Oedeme  verschinden. 

20.  Am  by  ah.  Javane.  Aufnahme  am  17.  VII.  12. 

Chronische  Amöbendysenterie  mit  dünnschleimigen,  eitrigen 

Stühlen,  2 — 5  pro  die.  Starke  Abmagerung.  Leichte  Oedeme  der 
Jnterschenkel.  Hämoglobin  50  Proz.,  Leukozyten  6700,  Erythrozyten 
3  300  000.  Unter  Emulsiontherapie  allmähliche  Erholung.  Die  Stühle 
werden  breiig,  neben  ihnen  finden  sich  stets  grosse  graugrüne  Eiter- 
plumpen.  Vegetative  Amöben  in  wechselnder  Anzahl, 
zinzelne  Zysten. 

Am  11.  X.  12  reichlich  vegetative  Tetragena- 

i  m  ö  b  e  n. 

Am  11.  X.  12  400  mg  Emetin  intravenös:  30  ccm  physio- 
ogischer  Kochsalzlösung.  Drei  Minuten  später  Erbrechen,  Ohnmacht, 
weicher,  kleiner  Puls,  enorme  Blässe.  Nach  5  Minuten  Erholung. 
Vom  11.  X.  12  bis  heute  keine  Amöben.  Vereinzelte  Zysten. 
Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich  langsam.  Die  Stühle  werden  ge- 
ormt,  doch  finden  sich  stets  isolierte,  graugrüne  Eiterklumpen. 

Am  19.  XI.  12  werden  2  Katzen  mit  Stuhl  per  os  infiziert, 
iie  bleiben  dauernd  gesund  und  amöbenfrei. 

Am  13.  XII.  Vereinzelte  Zysten. 

21.  Teo  Hoek  S  a  i.  664.  Chinese.  Aufnahme  am  2.  XI.  12. 

Schwere  chronische  Amöbendysenterie  mit  hochgradigster 

<achexie.  Stuhl  wässerig  oder  dünn,  eitrigschleimig.  Reichlich 
vegetative  Tetragenaamöben. 


9.  XI.  12.  200mg  Emetin  (Merck)  intravenös.  Leichter 
Schwindel,  Erbrechen.  Die  Stühle  ändern  sich  wenig,  werden  braun, 
wässerig,  3 — 4  pro  die,  amöbenfrei. 

Am  26.  XL  12  E  x  i  t  u  s.  Im  Kolon  massenhafte  gereinigte,  in 
voller  Heilung  begriffene  oder  bereits  abgehcilte  Ulzerationen.  We¬ 
der  im  Geschwürsgrund  noch  in  Schnitten  Amöben. 

22.  Kamin.  Sundanese.  Aufnahme  am  15.  XI.  12. 

Frische,  leichte  Amöbendysenterie,  3 — 4  fast  rein  blutigschleimige 
Stühle,  Allgemeinbefinden  wenig  beeinflusst,  etwas  abgemagert. 
Reichlich  vegetative  Tetragenaamöben. 

17.  XL  12.  150mg  Emetin  (Merck)  intravenös:  200 ccm 

physiologischer  Kochsalzlösung,  ohne  Nebenwirkungen. 

18.  XI.  12.  Gelbe,  dünnbreiige  Stühle,  amöbenfrei. 

18.  XI.  12.  100mg  Emetin  (Merck)  intravenös:  100 ccm 

physiologischer  Kochsalzlösung.  Die  Stühle  werden  in  den  folgen¬ 
den  Tagen  rasch  normal,  bleiben  bis  heute  amöbenfrei,  enthalten 
jedoch  vom  10.  XII.  12  an  mässig  reichlich  Zysten. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Die  Folgen  der  neuen  zahnärztlichen  Prüfungsordnung. 

Von  stud.  med.  Hans  Behrendt  in  Königsberg. 

Die  erhöhten  Anforderungen  an  Vor-  und  Ausbildung  des  zahn¬ 
ärztlichen  Nachwuchses  in  Deutschland  wurden  überall  freudig  be- 
grüsst,  erwartete  man  doch  jetzt  für  die  Zukunft  eine  Hebung  des 
zahnärztlichen  Standes  und  glaubte  die  Heranbildung  einer  wissen¬ 
schaftlich  und  technisch  auf  der  Höhe  stehenden  Zahnärzteschaft 
gesichert. 

Doch  diese  Hoffnung  hat  sich  nicht  ganz  erfüllt,  es  ist  manches 
anders  gekommen,  und  zwar  meiner  Ansicht  nach  aus  leicht  be¬ 
greiflichen  Gründen.  In  medizinischen  Kreisen  grösseres  Interesse 
für  diese  Erscheinung  zu  erwecken,  sie  auf  die  tatsächlichen  Vor¬ 
gänge  aufmerksam  zu  machen,  ist  der  Zweck  dieser  Ausführungen. 

Ich  möchte  zunächst  nicht  versäumen,  auch  an  dieser  Stelle  die 
zwar  allgemein  bekannte,  aber  von  vielen  nie  gern  zugegebene  Tat¬ 
sache  auszusprechen,  dass  mit  ganz  geringen  Ausnahmen  nur  die¬ 
jenigen  Zahnheilkunde  studieren,  die  sich  von  diesem  Berufe  pekuniäre 
Vorteile  versprechen  und  in  ihm  früher  selbständig  zu  werden  hoffen, 
als  jeder  andere  Vollmediziner.  Diese  Vorteile  bestanden  vor  In¬ 
krafttreten  der  neuen  Prüfungsordnung  im  Jahre  1909  vor  allem  in 
dem  bedeutend  kürzeren  Studium,  in  der  Möglichkeit,  sich  früh 
niederzulassen  und  in  der  durch  den  Mangel  an  Zahnärzten  be¬ 
gründeten  Hoffnung  auf  baldige,  erfolgreiche  Tätigkeit.  Es  ist  doch 
nun  klar,  dass  unter  diesen  Voraussetzungen  der  Zuzug  au  Studieren¬ 
den  sofort  nachlässt,  wenn  die  genannten  Vorteile  nicht  mehr  vor¬ 
handen  sind.  Dieser  Fall  ist  seit  1909  gegeben.  Das  Studium  der 
Zahnheilkunde  mit  der  jetzt  möglichen  philosophischen  Promotion 
(2 — 3  Semester)  ist  im  ungünstigsten  Falle  nur  um  1  Jahr  kürzer 
als  das  medizinische,  welches  dagegen  manche  Vorteile  gegenüber 
dem  ersten  aufzuweisen  hat,  z.  B.  die  halbjährige  Dienstzeit.  Die 
neue  Prüfungsordnung  verlangt  von  dem  jungen  Zahnarzt  in  3  Se¬ 
mestern  fast  dieselben  Leistungen,  für  die  ein  Mediziner  5  Semester 
Zeit  hat.  Zwar  braucht  er  in  den  einzelnen  Fächern  nicht  das  Gleiche 
zu  wissen,  doch  sieht  er  sich  in  Ermangelung  einer  bestimmten  Angabe 


Tabelle  1. 


Universität 

s.-s. 

1910 

w.-s. 

1910/11 

S.-S. 

1911 

w.-s. 

1911/12 

s.-s. 

1912 

w.-s. 

1912/13 

Vermehrung 
in  Proz. 
von 

1910-1912/13 

') 

s.-s. 

1892 

Berlin  .  .  . 

256 

224 

175 

121 

75 

74 

Proz. 

—  67,3 

157 

Bonn  .  .  . 

53 

47 

53 

45 

46 

24 

—  54,7 

3 

Breslau  .  .  . 

116 

105 

90 

77 

48 

38 

—  73,6 

25 

Erlangen  .  . 

5 

4 

14 

14 

12 

13 

+  160 

33 

Freiburg  .  . 

46 

36 

44 

34 

37 

36 

—  21,7 

2 

Giessen  .  . 

13 

7 

7 

8 

7 

1 

—  92,3 

5 

Göttingen 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Greifswald  . 

33 

31 

29 

23 

27 

20 

—  39.4 

— 

Halle  ... 

42 

37 

31 

31 

26 

21 

—  50 

7 

Heidelberg  . 

80 

69 

56 

49 

56 

45 

—  43,8 

— 

Jena  .... 

14 

15 

17 

14 

21 

16 

+  14,3 

1 

Kiel  .... 

17 

26 

23 

27 

19 

14 

—  17,6 

13 

Königsberg  . 

33 

32 

29 

26 

29 

15 

—  54,5 

4 

Leipzig  .  .  . 

114 

125 

126 

108 

89 

78 

—  30,6 

36 

Marburg  .  . 

50 

50 

53 

46 

44 

35 

—  30 

15 

München  .  . 

193 

153 

118 

79 

83 

94 

—  51,3 

3 

Münster  .  . 

39 

31 

15 

12 

19 

25 

—  35,9 

— 

Rostock  .  . 

44 

38 

38 

30 

37 

14 

—  68,2 

4 

Strassburg  . 

51 

41 

38 

36 

27 

23 

—  54,9 

12 

Tübingen  .  . 

13 

17 

15 

17 

16 

23 

+  76,9 

9 

Würzburg  . 

115 

114 

110 

108 

94 

76 

—  33,9 

8 

Insgesamt 

1327 

1202 

1081 

905 

812 

685 

-  48,4 

328 

*)  Die  Zahlen  der  letzten  Reihe  sind  dem  Werke  entnommen: 
„Die  deutschen  Universitäten“.  Für  die  Universitätsausstellung  in 
Chicago  von  Prof.  Dr.  L  e  x  i  s.  1892.  II.  Band. 


1214 


iMUENCHKNER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22 


\c  ranlasst.  alles  zu  lernen.  Denn  die  Sätze  *fler  Prüfungsordnung: 
der  Kandidat  muss  die  für  den  Zahnarzt  erforderlichen  Kenntnisse  in 
der  J  hysiologie.  Chemie  usw.  besitzen,  weisen  ihm  ebenfalls  kein 
engeres  Gebiet  zu  als  dem  Mediziner.  Daher  wird  denn  die  Zahl 
i  erer  immer  grösser,  die  zur  Vollmedizin  übergehen  resp.  sogleich  mit 
dir  beginnen,  mancher  mit  der  stillen  Absicht,  nach  bestandenem 
j-taatsexamen  doch  noch  Zahnarzt  zu  werden.  Also  kurz  gesagt: 
Die  Zahnheilkunde  ist  auf  dem  besten  Wege,  in  der  Medizin  aufzu- 
ge  len,  da  sich  der  zahnärztliche  Nachwuchs  immer  mehr  und  mehr 
aus  Vo  lmedizinern  zusammensetzt.  Das  gibt  jeder  zu.  Freund  und 
Feind  dieser  Erscheinung.  Welche  Entwicklung  der  Zahnheilkunde, 
die  Absonderung  oder  die  weitere  Verschmelzung  mit  der  Medizin, 
vom  hygienischen  und  sozialpolitischen  Standpunkte  aus  erstrebens¬ 
werter  ist,  das  ist  Meinungssache,  und  ich  will  und  kann  mir  in 
dieser  Frage  kein  Urteil  anmassen.  Mir  kommt  cs  lediglich  darauf 
an  den  ganz  ungeheueren  Rückgang  der  Zahl  von  Studenten  der 
Zahnheilkunde  festzustellen  und  weitere  Kreise  für  diese  Erscheinung 
ihre  Ursachen  und  eventuellen  Folgen  zu  interessieren. 

Den  klarsten  Beweis  liefert  vorstehende  Statistik,  die  ich  auf 
der  ai”tllch®n.  Verzeichnisse  und  mir  persönlich  zugegangener 
Mitteilungen  der  Universitätssekretariate  zusammengestellt  habe. 

c  c  ^imnUS  istJr.?iS!Itlich-  dass  d'e  Zahl  der  Studierenden  seit  dem 
.  ^  HP  48,4  Proz.,  d.  h.  fast  um  die  Hälfte,  zurückgegangen 

ist-  Nun  musste  zum  genauen  Vergleiche  noch  die  bedeutende  Zu¬ 
nahme  der  Bevölkerung  berücksichtigt  werden,  so  dass  dann  die  Ab¬ 
nahme  gegen  1910  immer  grösser,  dagegen  die  Differenz  gegen  1892 
immer  gennger  werden  würde.  Noch  übersichtlicher  gestaltet  sich 
das  Bild  bei  einer  Betrachtung  der  Zahlenentwicklung  innerhalb  der 
letzten  6  Jahre.  Ich  musste  mich  leider  dabei  auf  eine  mittlere 
und  eine  grossere  Universität  beschränken. 


Tabelle  2. 


,  Pffensicllthch  stellt  das  Studienjahr  1909/10,  das  erste  nach  In- 
krafttreten  der  neuen  Prüfungsordnung,  den  Höhepunkt  dar.  Ohne 
Berücksichtigung  dieser  Zahlen  ist  meiner  Meinung  nach  eine  Be¬ 
urteilung  des  heutigen  Verhältnisses  zwischen  Zahnheilkunde  und 
Medizin  unmöglich,  sie  müssen  vielmehr  als  Grundlage  für  alle  Er- 

ÄnUngn  m.  der  zahnärztlichen  Standes-,  Doktor-  und  Studienfrage 
gelten.  Quod  erat  demonstrandum!  ^ 


Bücheranzeigen  und  Referate. 


,R’  d.H  B  ?' s  -  R  e  y  m  0  n  d  -  Berlin  :  Physiologie  des  Menschen 
und  der  Saugetiere.  3.  Auflage.  647  Seiten  mit  139  Textfiguren  Ver¬ 
lag  von  A.  Hirschwald,  Berlin  1913.  Preis  14  M 

hai,HinnL  Hllllg?/n  (Jahren  hat  die  H  i  r  s  c  h  w  a  1  d  sehe  Verlagsbuch¬ 
handlung  den  Verfasser  vor  die  Aufgabe  gestellt,  für  das  durch  den 
PulSPneS  Bearbeiters  eingehende  J.  M  u  n  k  sehe  Lehrbuch  der 
l  hjsiologie  einen  Ersatz  zu  schaffen,  was  auch  im  Jahre  1907  durch 
Herausgabe  des  vorliegenden  Buches  geschah.  Zwei  Jahre  später 
konnte  die  zweite  Auflage  erscheinen,  der  jetzt  die  dritte  gefolgt  ist. 

,  ^uf  den  Inhalt  wurde  schon  früher  an  dieser  Stelle  hingewiesen 
und  das  Buch  als  gutes  Lehrbuch  empfohlen.  Vor  die  Neuherausgabe 
des  Buches  gestellt,  schien  es  dem  Verfasser  nicht  angezeigt,  den 
ursprünglich  gebotenen  Stoff  zu  vermehren,  es  wurden  nur  ver- 
altete  Angaben  durch  neue  ersetzt  und  Fehler  berichtigt.  Es  wäre 
aber  wohl  doch  im  Interesse  des  Buches  gelegen,  wenn  etwas  mehr 
aufgefnscht  worden  wäre.  Um  nur  zwei  Punkte  hervorzuheben,  so 
erhalt  der  Leser  keinen  Begriff,  welche  Bedeutung  heutzutage  die 
morphologische  und  biologische  Differenzierung  der  Leukozyten  für 
die  Medizin  erlangt  hat  und  wie  sehr  das  Elektrokardiogramm  und 
seuie  Deutung  in  den  Mittelpunkt  des  Interesses  gerückt  ist;  von  dem 
Elektrokardiogramm  wird  aber  in  dem  ganzen  Buche,  soweit  Referent 
linden  konnte,  nichts  erwähnt. 

\  iel leicht  könnte  der  Autor  seinen  Leserkreis,  der,  wie  aus  der 
raschen  Folge  der  Auflagen  hervorgeht,  kein  kleiner  sein  kann,  noch 
verg.ossern,  wenn  im  Buche  auf  diese  und  andere  neuerere  Errungen¬ 
schaften  der  Physiologie  etwas  mehr  Rücksicht  genommen  würde. 

K.  B  ii  r  k  e  r  -  Tübingen. 


n  St‘  tL®d'lc,:  La  Bi°l°Kie  synthetique.  Mit  118  Abbildungen. 
Paris  1912.  Verlag  von  A.  Poinat.  206  Seiten. 

.. ,  ,.pci  ,}  erfasser,  dessen  überraschende  Ergebnisse  über  organ- 
«ihnliche  Formbildungen  bei  der  Kombination  von  osmotischen  urid 
kolloidchemischen  Vorgängen  in  Einzelheiten  bereits  manchem 
bekannt  sein  durften,  fasst  in  dieser  neuesten  Veröffentlichung  seine 
-rlahrungen  in  einer  interessant  und  anregend  geschriebenen  Weise 
.usammen.  Ohne  Zweifel  muss  es  die  Bewunderung  erregen,  aus 
der,  zahlreichen  schonen  Abbildungen  zu  ersehen,  wie  mannigfache 
-  trukturen  durch  die  osmotische  Beeinflussung  kolloider  Systeme 


möglich  sind.  Wer  für  die  künstliche  Nachbildung  von  Zellstrukturen 
und  ebenso  von  Formen  ganzer  pflanzlicher  und  tierischer  Gebilde 
Interesse  hat,  wird  die  Ergebnisse  L  e  d  u  c  s  gern  und  eingehend 
studieren.  Denn  die  experimentelle  Arbeit  des  Verfassers  behält 
durchaus  ihren  Wert,  auch  wenn  man  sich  mit  der  Interpretation 
(ier  Erscheinungen  und  speziell  mit  deren  Analogiestellung  zu  be 
lebten  Organismen  nicht  einverstanden  erklärt.  Im  Gegensatz  zuin 
Verfasser  wird  wohl  mancher  der  Ansicht  sein,  dass  die  äussere 
Foiin  nicht  das  Hauptmerkmal  der  lebenden  Organismen  abgibt  und 
hPitSit  aheir  v11?]1  die  von  Leduc  geschaffene  Möglichkeit,  zu  einem 
öh  n  S  I”dlvlduum  aus  einfachen  anorganischen  Substanzen  form- 
ähnliche  Gebilde  physikalisch-chemisch  entstehen  und  scheinbar 
„wächsen  zu  lassen,  nicht  an  das  hohe  Ziel  der  Synthese  des  Lebens 
weraHre!cht  ^^l  aher  sind  die  mitgeteilten  Versuche  für  die 
Morphologie  und  Morphogonese  als  wichtige  Anfänge  einer  neuartigen 
und  interessanten  Forschungsrichtung  zu  begriissen. 

H.  Schade-  Kiel. 


Universität 

s.-s. 

1906 

1906/07 

S.-S. 

1907 

1907/08 

S.-S. 

1908 

60/8061 

co  X 

Inkrafttreten  d. neuen  Prüf.-Ordn. 

0161 

•s-s 

01/6061 

1910/11 

s.-s. 

1911 

1911/12 

c/)£ 

1912/13 

Berlin  .  . 

Strassburg  . 

212 

21 

223 

24 

215 

23 

241 

30 

266 

29 

277 

38 

266 

40 

333  256 
63;  51 

224 

41 

175 

38 

121 

36 

75 

27 

74 

23 

Flf.  Hermann  Till  man  ns:  Lehrbuch  der  Allgemeinen  Chirurgie. 

Itte,  vei  besserte  Auflage  mit  1  I  afel  und  767  zum  Teil  farbigen  Ab 
bildungen  im  Text.  Leipzig,  Veit  &  Cie.,  1913.  20  M.  686  S. 

AiirrJleben  e  x  e  r  s  Allgemeiner  Chirurgie  ist  das  Lehrbuch  der 
Allgemeinen  Chirurgie  von  I  lllmanns  an  erster  Stelle  zu  nennen 
Pie.. neue  Auflage  zeigt  wieder  wesentliche  Umarbeitungen  unter 
Bei  ncksichtigung  der  neuesten  Forschungsergebnisse.  Veraltete  Ab 
bildungen  wurden  durch  neue  ersetzt  und  am  Schlüsse  der  einzelnen 
Kapitel  ist  die  neuere  Literatur  angegeben. 

Die  wiederholt  gerühmten  Vorzüge  des  Buches,  die  klare  prä¬ 
zise  Fassung  und  Vollständigkeit  unter  Vermeidung  von  allem  uber- 
fhissigen  Beiwerk  zeichnen  auch  diese  neue  Auflage  aus,  die  Aerzten 
und  Studierenden  wärmstens  empfohlen  werden  kann. 

v.  Angerer. 


,  „i  iv  Sonnenbur  K-Berlin:  Pathologie  und  Therapie  der  Peri- 
typhlihs  (Appendizitis).  7.  Auflage.  Leipzig,  Vogel,  1913.  Preis 


Die  erste  Auflage  der  S  o  n  n  e  n  b  u  r  g  sehen  Monographie  er¬ 
schien  im  Jahre  1894,  als  eben  die  modernen  Lehren  von  der  Appendi¬ 
zitis  sich  durchzusetzen  begannen.  Die  stattliche  Reihe  von  7  Auf¬ 
lagen  des  weltbekannten  Buches  im  Verlauf  von  20  Jahren  gibt  uns 

kVnrffn  ceues  Blld,von  de:r  ungeahnten  Entwicklung,  welche  unsere 
Kenntnisse  von  der  vielumstrittenen  Krankheit  genommen  haben. 
Wie  sehr  So  nne  n  bürg  selbst  an  dieser  Entwicklung  mitgearbeitet 
hat,  braucht  nicht  hervorgehoben  zu  werden. 

Die  vorliegende  7.  Auflage  ist  in  mancher  Beziehung  gründlich 
umgearbeitet  worden  und  verrät  in  jedem  Kapitel  die  ausserordent- 
de.s  Verfassers,  der  am  1.  Januar  1912  über  im  gan¬ 
zen  3895  Appendizitisoperationen  verfügte.  Die  Einteilung  des  Buches 
ist  im  wesentlichen  die  gleiche  geblieben.  Die  Lehren,  die  in  der 
längen  Zeit  Gemeingut  der  Aerzte  geworden  sind,  hat  sich  Verf 
entschlossen  nur  in  kurzer,  knapper  Form  zu  bringen.  Es  lässt  sich 
vielleicht  darüber  streiten,  was  in  dies  Gebiet  zu  verweisen  ist 
Ref.  wurde  seinerseits  den  praktisch  so  ausserordentlich  wichtiger 
Anfangserscheinungen  der  Peritonitis  eine  weit  eingehendere  Berück¬ 
sichtigung  gönnen.  Dass  andererseits  die  Veränderungen  des  Blut¬ 
bildes  eine  sehr  ausführliche  Besprechung  gefunden  haben,  erklärt 
sich  aus  den  zahlreichen  Untersuchungen,  die  Verf.  und  seine  Schüler 
gerade  auf  diesem  Gebiete  angestellt  haben. 

Bezüglich  der  1  herapie  steht  Verf.  bei  allen  schweren  Fällen 
ganz  auf  dem  Standpunkte  der  Frühoperation.  In  der  Praxis  wird 
man  bei  den  scheinbar  leichten  Fällen  einen  individualisierenden 
.  tandpunkt  einnehmen  und  die  Indikation  zur  sofortigen  Operation 
von  dei  biologischen  Reaktion,  d.  h.  dem  Blutbild,  abhängig  machen. 

K  r  e  c  k  e. 


L.  Edinger:  Einführung  in  die  Lehre  vom  Bau  und  den  Ver¬ 
richtungen  des  Nervensystems.  Zweite,  vermehrte  und  verbesserte 
e4-,.M't  176  Abbildungen.  Leipzig,  Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel. 
1912.  234  Seiten.  Preis:  M.  6. — . 

Seit  s.eineT  ersten  Auflage  (vgl.  diese  Wochenschrift.  1909, 
pag.  2171)  ist  das  Werk  E  d  i  n  g  e  r  s,  das  offenbar  eine  seiner  Be¬ 
deutung  entsprechende  Verbreitung  gefunden  hat,  durch  drei  Vor¬ 
lesungen  und  eine  beträchtliche  Zahl  instruktiver  Abbildungen  ver¬ 
mehrt  worden.  Die  Vermehrung  erstreckt  sich  hauptsächlich  auf  das 
viszerale  Nervensystem,  auf  das  Kleinhirn  und  auf  die  Beziehungen 
zwischen  Aufbau  und  Funktion  des  Nervensystems;  aber  auch  im  ein¬ 
zelnen  findet  man  überall  das  erfolgreiche  Bestreben,  die  in  erster 
Lime  dem  Anfänger  dienende  Darstellung  auf  den  Stand  neuester  Er¬ 
kenntnisse  und  Anschauungen  zu  bringen.  Besonders  hervorgehoben 
sei  die  Iendenz  des  Büches,  über  divergente  Anschauungen  ver¬ 
schiedener  Autoren  objektiv  zu  referieren,  um  dem  Leser  eine  Ahnung 
\ on  den  vielen  noch  ungeklärten  Problemen  zu  geben,  die  das  reiche 
jebiet  in  anatomischer,  physiologischer  und  klinischer  Hinsicht  ent¬ 
halt,  und  ihn  so  zur  Mitarbeit  zu  ermuntern. 

Für  die  wünschenswerte  weitere  Verbreitung  des  Werkes  ist 
es  gexviss  nicht  unwesentlich,  dass  der  Verlag  den  sehr  mässigen  Preis 
trotz  des  vergrösserten  Umfanges  beibehalten  hat. 

O.  Ranke-  Heidelberg. 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1215 


Prof.  E.  Redlich:  Die  Psychosen  bei  Gehirnerkrankungen. 

Handbuch  der  Psychiatrie  von  Aschaffenburg.  3.  Abt.  2.  Hälfte. 
1.  Teil.  Leipzig  und  Wien  bei  Franz  D  e  u  t  i  c  k  e.  1912.  85  S.  3  M. 

In  der  Einleitung  erörtert  Verf.,  dass  die  Psychosen  bei  Gehirn- 
jrkrankungen  am  besten  gegen  die  immer  noch  von  verschiedenen 
Seiten  festgehaltenen  Bestrebungen  auf  Lösung  der  „Personalunion 
('wischen  Psychiatrie  und  Neurologie“  sprechen.  Denn  einerseits 
würde  der  Nurpsychiater  häufig  bei  diesen  Erkrankungen  Gefahr 
aufen.  neben  den  hervorstechenden  psychischen  Erscheinungen  die 
irundkrankheit  zu  übersehen,  während  andererseits  der  nur  neu¬ 
rologisch  ausgebildete  Arzt  bei  psychischen  Abweichungen  seiner 
Kranken  diesen  Symptomen  häufig  fremd  gegenüberstehen  würde. 

Zu  betonen  ist  weiter,  dass  es  keine  spezifischen  psychischen 
Krankheitsbilder  bei  organischen  Hirnerkrankungen  gibt,  aus  denen 
leraus  man  auf  die  Grundkrankheit  schliessen  könnte. 

In  6  Kapiteln  erörtert  Verf.  die  einzelnen  Hirnerkrankungen: 
rumoren,  Abszess,  Sinusthrombose  und  Enzephalitis,  Hunting- 
onsche  Chorea,  die  verschiedenen  Meningitisformen,  Blutung  und 
Erweichung,  multiple  Sklerose. 

Entsprechend  der  Wichtigkeit  und  Häufigkeit  wird  den  Tumoren 
der  weiteste  Raum  gewährt.  Die  psychischen  Erscheinungen  bei 
Hinigeschwiilsten  müssen  vorwiegend  durch  die  Drucksteigerung 
erklärt  werden.  Die  Fälle,  bei  denen  durch  den  Tumor  eine  Psychose 
ausgelöst  wird,  sind  selten,  meist  handelt  es  sich  um  psychische 
Störungen,  die  durch  Lokal-  und  Allgemeinsymptome  hervorgerufen 
werden. 

Wenn  auch  manche  psychische  Symptome  häufiger  durch 
Schädigung  bestimmter  Hirnteile  ausgelöst  erscheinen,  so  kann  doch 
noch  kein  allgemein  gültiger  Schluss  für  die  Lokalisation  der  psy¬ 
chischen  Störungen  gezogen  werden. 

Von  den  anderen  Erkrankungen  werden  noch  ausführlicher  be¬ 
handelt  die  verschiedenen  Meningitisformen  und  die  multiple  Sklerose. 
Von  den  ersteren  Erkrankungen  beansprucht  die  tuberkulöse 
Meningitis  wegen  der  frühzeitig  auftretenden  psychischen  Ver¬ 
änderungen  das  Interesse  des  Praktikers.  Für  das  Üeberwiegen  der 
Erkrankung  bei  Männern  nimmt  R.  den  Alkoholismus  in  Anspruch, 
der  häufig  als  auslösende  Ursache  angesehen  werden  kann. 

Bei  der  Besprechung  der  multiplen  Sklerose  beschäftigt  sich  der 
Verfasser  auch  mit  der  Frage  der  Kombination  dieser  Erkrankung 
mit  progressiver  Paralyse,  von  denen  eine  ganze  Reihe  von  Fällen 
in  der  Literatur  beschrieben  sind.  Verf.  kommt  zu  dem  Schluss, 
dass  dabei  wohl  meist  diagnostische  Irrtiimer  Vorgelegen  haben. 

Eine  reiche  Literaturzusammenstellung  erhöht  den  Wert  des 
Buches,  dessen  Studium  jedem  Praktiker  warm  empfohlen  werden 
kann.  Robert  Schumacher  -  Halle  a.  S. 

H.  E.  S  c  h  m  i  d  t  -  Berlin :  Kompendium  der  Röntgentherapie 
(Oberflächen-  und  Tiefentherapie).  Dritte  vermehrte  und  verbesserte 
Auflage.  Mit  80  Abbildungen.  Berlin  1913,  Verlag  von  A.  Hirsch- 
w  a  1  d.  Preis  ungeb.  5  M. 

Das  Büchlein,  welches  in  knapper  Form  alles  Wissenswerte 
über  Röntgentherapie  enthält,  ist  den  neuesten  Fortschritten  ent¬ 
sprechend  umgearbeitet  worden.  Im  technischen  Abschnitt  sind  die 
Dosierungsmethoden  eingehender  behandelt;  ferner  wird  die  Tiefen- 
therapie  entsprechend  berücksichtigt  und  durch  Abbildungen  er¬ 
läutert.  Zur  allgemeinen  Orientierung,  zur  Einführung  beim  prak¬ 
tischen  Arbeiten,  aber  auch  als  Nachschlagebuch  ist  das  Kompendium 
bestens  geeignet.  R.  Grashey  - München. 

Hausmann  -  Rostock :  Die  luetische  Erkrankung  der  Bauch¬ 
organe.  Sammlung  zwangloser  Abhandlungen  aus  dem  Gebiet  der 
Verdauungs-  und  Stoffwechselkrankheiten.  Bd.  IV.  H.  5.  64  S. 

Einzelpreis  M.  1.80. 

Die  monographische  Darstellung  dieses  wichtigen,  im  Zu¬ 
sammenhang  noch  wenig  behandelten  Gebietes  aus  der  Feder  des 
erfahrenen  Autors,  dem  wir  schon  eine  schöne  Arbeit  in  den  Er¬ 
gebnissen  der  inneren  Medizin  (Bd.  VII)  über  einige  einschlägige 
Krankheitsbilder  verdanken,  verdient  lebhafte  Anerkennung.  Vor 
allem  bei  der  Lektüre  des  ausführlich  behandelten  Abschnittes  über 
Magensyphilis  und  bei  der  Besprechung  der  luetischen  Retro- 
peritoneal-  und  Mesenterialtumoren  gewinnt  man  den  Eindruck, 
dass  es  in  der  Klinik  dieser  in  den  Lehrbüchern  fast  ganz 
übergangenen  und  deshalb  am  Krankenbett  kaum  beachteten  Krank¬ 
heitsformen  manches  zu  lernen  und  nachzuholen  gibt.  Die  von  H. 
geübte  und  immer  wieder  empfohlene  Gleit-  und  Tiefenpalpation 
scheint  auch  hier  die  richtige  Deutung  der  ungewöhnlichen  Befunde 
erst  zu  ermöglichen.  F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

E.  Sommer:  Ueber  Emanation  und  Emanationstherapie.  Otto 
G  m  e  1  i  n,  München  1913.  Zweite,  umgearbeitete  Auflage.  Mit  19  Ab¬ 
bildungen.  161  Seiten.  Preis  4  M. 

Das  kleine  Werk  gibt  in  der  Einleitung  eine  nahezu  erschöpfende 
Uebersicht  über  Natur  und  Wesen  der  radioaktiven  Körper  und  über 
die  biologischen  Eigenschaften  der  Radiumemanation.  Bei  der  Be¬ 
sprechung  des  Einflusses,  den  die  Emanation  auf  die  Fermente  des 
Stoffwechsels  sowie  auf  die  Löslichkeitsverhältnisse  harnsaurer  Salze 
ausiibt,  werden  die  neueren  Forschungsergebnisse  berücksichtigt. 
Die  physiologische  Wirkung  der  radioaktiven  Wässer  führt  der  Ver¬ 
fasser  nur  zum  Teil  auf  den  Gehalt  an  Emanation  zurück,  in  manchen 


Fällen  konzediert  er  ihr  allerdings  den  Hauptanteil  an  der  thera¬ 
peutischen  Wirkung  der  Brunnen.  Erschöpfend  und  sehr  instruktiv 
sind  die  Anwendungsweisen  der  Emanation  behandelt,  wobei  sogar 
des  Bieres  als  Emanationsträger  gedacht  wird.  Die  Indikationen  der 
Emanationstherapie  werden  ziemlich  weit  gefasst,  Diabetes  und 
Nephritis  chronic,  parenchymat.  gehören  nach  Ansicht  des  Referenten 
aber  nicht  zu  den  Krankheiten,  bei  denen  eine  therapeutische  Ein¬ 
wirkung  der  Emanation  erwartet  werden  darf.  Sehr  dankenswert 
ist  der  Hinweis  darauf,  dass  die  wahllose  Anwendung  höherer 
Emanationsdosen  Schädigungen  nach  sich  ziehen  kann.  Den  Schluss 
des  Buches  bilden  genaue  Besprechungen  von  allen  hier  in  Betracht 
kommenden  Präparaten  und  Apparaten,  sowie  ein  kurzer  Abriss  über 
die  Technik  der  Messmethoden.  Instruktive  Tabellen  erhöhen  die 
Uebersichtlichkeit  des  Werkes. 

Das  Buch  kann  allen  denen,  die  sich  schnell  über  den  heutigen 
Stand  der  Emanationstherapie  unterrichten  wollen,  empfohlen  werden. 

W.  Brasch-  München. 

Sanitätsbericht  über  die  Kgl.  bayer.  Armee  für  die  Zeit  vom  1.  Ok¬ 
tober  1909  bis  30.  September  1910.  Bearbeitet  von  der  Med.  Ab¬ 
teilung  des  Kgl.  bayer.  Kriegsministeriums  mit  5  graphischen  Dar¬ 
stellungen;  gedruckt  im  Kgl.  bayer.  Kriegsministerium. 

Dieser  Bericht  gibt  auf  107  Seiten  in  Gr.-Quart  eine  Uebersicht 
über  die  Gesundheitsverhältnisse  in  der  Armee,  wobei  sogleich  auf 
der  ersten  Seite  die  erfreuliche  Tatsache  zu  konstatieren  ist,  dass 
die  3  bayerischen  Armeekorps  einen  sehr  niedrigen,  das  3.  Korps 
überhaupt  den  niedrigsten  Krankenzugang  aller  deutschen  Armee¬ 
korps  hatten.  Es  fehlt  hier  an  Raum,  in  die  unendliche  Menge  von 
Zahlen  des  Krankenzu-  und  Abganges,  auf  die  Kasuistik,  auf  die  zahl¬ 
reichen  Operationen  (376)  usw.  einzugehen;  auch  die  Zahl  der  von  den 
hygienischen,  bakteriologischen  und  chemischen  Untersuchungssta¬ 
tionen  der  grösseren  Standorte  vorgenommenen  Prüfungen  und  Unter¬ 
suchungen  war  eine  ganz  erhebliche.  Dass  die  Sanitätsoffiziere  und 
Militärapotheker  der  bayerischen  Armee  auch  vielfach  literarisch 
tätig  sind,  beweist  das  Verzeichnis  der  Veröffentlichungen  mit  68  Num¬ 
mern.  Der  2.  Teil  enthält  auf  107  Seiten  eine  Menge  von  Tabellen 
zur  Erläuterung  des  Berichtes,  der  sich  würdig  seinen  Vorgängern 
anschliesst.  Reh. 

Alfons  Fischer:  Grundriss  der  sozialen  Hygiene,  für  Mediziner, 
Nationalökonomen,  Verwaltungsbeamte  und  Sozialreformer.  448  Seiten. 
70  Abbildungen.  Berlin  1913.  Julius  Springer.  Preis  geheftet 
M.  14.—,  gebunden  M.  14.80. 

So  jung  die  soziale  Hygiene  als  selbständige  Wissenschaft  ist, 
so  sehr  ihr  Arbeitsgebiet  und  ihre  Methodik  heute  noch  in  vielen 
Punkten  umstritten  wird,  besitzen  wir  doch  bereits  eine  ansehnliche 
Literatur,  sowohl  an  Einzelabhandlungen  und  Stoffsammlungen,  als 
auch  an  umfangreichen  Lehr-  und  Handbüchern.  Der  vorliegende 
Grundriss  will  eine  Einführung  in  die  soziale  Hygiene  für  Aerztc 
und  Staatswissenschaftler,  ein  Lehrbuch  für  Anfänger  sein.  Die 
soziale  Hygiene  beschäftigt  sich  mit  Erscheinungen  am  üesellschafts- 
körper,  mit  sozialen  Massen.  So  geht  auch  Fischer  nach  einigen 
einleitenden  Kapiteln  von  den  Tatsachen  und  Gesetzen  der  Bevölke¬ 
rungszusammensetzung  und  -bewegung  aus  und  zeigt,  unter  Berück¬ 
sichtigung  der  wirtschaftlichen  und  hygienischen  Zusammenhänge' 
die  wichtigsten  Faktoren  des  sozialen  Gesundheitslebens.  (Arbeit, 
Nahrung,  Wohnung,  Kleidung,  Hautpflege,  Erholung,  Fortpflanzung.) 
Dann  schildert  er  das  Zusammenwirken  dieser  Einflüsse  auf  die  ein¬ 
zelnen  Personenklassen,  die  in  Alters-  und  Berufsklassen  geglieaert 
sind.  Die  wichtigsten  Krankheitsarten  werden  fernerhin  in  ihren  Be¬ 
ziehungen  zu  den  sozialen  und  wirtschaftlichen  Verhältnissen  be¬ 
sonders  behandelt  und  schliesslich  werden  noch  einige  allgemeine 
Massnahmen  der  sozialen  Hygiene  (Arbeiterschutz  und  -Versicherung, 
private  und  öffentliche  Fürsorge  etc.)  kurz  geschildert.  Dank  der 
klaren  und  übersichtlichen  Anordnung  des  Stoffes  und  der  geschickten 
Darstellung,  die  auch  das  Lesen  der  zahlreichen  statistischen  Bei¬ 
spiele  dem  Ungeübten  erleichtert,  erfüllt  der  Grundriss  vortrefflich 
die  gesteckte  Aufgabe.  Er  bedeutet  einen  Fortschritt,  weil  er  wohl 
zum  ersten  Male  eine  scharfe  Abgrenzung  der  Aufgaben  und  ein  fest¬ 
gefügtes  System  der  sozialen  Hygiene  aufzubauen  versucht.  Deshalb 
war  auch  eine  eingehende  Erörterung  des  Begriffes  der  sozialen 
Hygiene  notwendig,  und  Fischers  Kritik  der  bisherigen  Definitions¬ 
versuche  ist  in  den  wichtigsten  Punkten  treffend.  Seine  eigene  Be¬ 
griffsbestimmung:  „Die  soziale  Hygiene  ist  die  Wissenschaft  von  den 
Beziehungen  zwischen  den  gesundheitlichen  und  den  sozialen  Ver¬ 
hältnissen  der  örtlich,  zeitlich  und  gesellschaftlich  zusammenhängen¬ 
den  oder  sonst  praktisch  zusammenfassbaren  Individuen  und  deren 
Nachkommen;  sie  ist  zugleich  ein  praktisches  Betätigungsfeld,  indem 
sie  den  jeweils  gegebenen  Umständen  entsprechende  Forderungen  zur 
Erhaltung  und  Vermehrung  der  Gesundheit  von  den  genannten  Be¬ 
völkerungsgruppen  aufstellt  und  zu  verwirklichen  sucht,“  ist  für  den 
jetzigen  Stand  brauchbar,  wenn  sie  vielleicht  auch  vereinfacht  und 
verbessernswert  werden  kann.  Eine  Wissenschaft  kann  nicht,  wie 
Fischers  Beispiele  es  andeuten,  gewissermassen  die  Lehre  vom 
kleineren  Uebel  sein.  Zwischen  wissenschaftlicher  und  praktischer 
Politik  zieht  auch  der  Nationalökonom  eine  scharfe  Grenze.  Die 
Wisschenschaft  zeigt  auf  Grund  ihrer  Beobachtungen  nur  die  gegen¬ 
seitige  Bedingtheit  und  Beeinflussung  öffentlicher  Massnahmen. 

Koebner  -  München. 


1216 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Neueste  Journalliteratur. 


Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  109.  Bd.,  5.  u.  6.  H. 

O.  Baehr:  Ueber  die  Polyurie  bei  subakuter  Nephritis.  (Aus 
dem  pathol.  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  B.)  (Mit  1  Abbildung) 
Nach  einmaliger  Injektion  kleiner  Urandosen  folgt  auf  eine  kurze 
enode  von  Oligurie  oder  normaler  Harnmenge  eine  zeitlich  be¬ 
schrankte  Periode  von  Polyurie  mit  fortschreitender  Gewichts¬ 
abnahme  .  Verweigerung  der  Nahrung  und  Exitus  in  völlig  atrep- 
tischem  Zustand  bei  dauernd  erhaltener  Harnsekretion.  Bei  weniger 
empfindlichen  Tieren  geht  die  Polyurie  in  eine  mehrere  Tage  an¬ 
haltende  Oligurie  und  dann  in  Genesung  über.  Diese  Polyurie  ist 
ater  nicht  bedingt  durch  eine  Schädigung  der  Nierenepithelien. 
sondern  der  Ausdruck  einer  diuretischen  Hyperfunktion  der  Glomeruli 
und  Nierenepithelien,  welche  vielleicht  in  letzter  Linie  auf  eine 
Storung  des  Gesamtstoffwechsels  durch  die  Uranintoxikation  zurück- 
zufuhren  ist. 


H.  Lüdke  und  L.  Fejes:  Untersuchungen  über  die  Genese 
der,.,hryPtogenetischen  Perniziösen  Anämien.  (Aus  der  med.  Klinik 
in  Wurzburg  und  der  II.  med.  Klinik  in  Pest.)  (Mit  1  Kurve  im  Text 
und  Iafel  V.) 

Die  perniziöse  Anämie  wurde  bisher  als  primäre  von  den  sog 
sekundären  Anämien  getrennt  und  als  in  ihrem  Wesen  bzw  ihrer 
Genese  unklar  und  kryptogenetisch  bezeichnet.  Den  Verfassern  ge- 
tOig  nun  in  ebenso  interessanten  als  mühevollen  Untersuchungen  der 
experimentelle  Nachweis,  dass  die  Ursache  solcher  perni¬ 
ziösen  Anämie  for  me  n  vielfach  eine  bakterielle 
Intoxikation  mit  hämolytisch  und  anämisierend 
wirksamen  Bakteriengiften,  speziell  den  Keimen 
c  e  1 ..  Darmflora,  d  a  r  s  t  e  1 1 1,  so  dass  diese  Anämieformen  keine 
primären,  sondern  den  durch  Darmwürmern  verursachten 
r-.näi,™*en  zu  ko°rdinieren  sind.  Das  Blutbild  bei  den 
kunst  ich  erzeugten  Anämien  entspricht  durchweg  dem  Blutbild- 
charakter  bei  der  menschlichen  perniziösen  Anämie,  und  durch 
wiederholte  kleinere  Dosen  der  anämisierenden  Bakteriengifte  liess 
sich  auch  der  progressive  Charakter  der  perniziösen  Anämie  künstlich 
hei  vori  ulen,  wie  schliesslich  auch  der  Obduktionsbefund  zeigte 
Durch  subkutane  oder  intravenöse  Einführung 
von  alkohollöslichen  Bakteriengiften  der  Keime 
u  e  i  Darmflora  liess  sich  also  ein  Krankheitsbild  experimentell 
heryorrufen,  das  in  Parallele  mit  der  menschlichen  perniziösen 
Anämie  gesetzt  werden  darf,  und  manche  perniziösen 
menschlichen  Anämien  sind  auf  die  Wirkung 
solcher  B  a  k  t  e  r  i  o  h  ä  m  o  1  y  s  i  n  e  zurückzuführen. 
Immerhin  kann  es  sich  nicht  um  eine  einfache  gastrointestinale  Auto- 
lntoxikation  dabei  handeln.  Gute  Wachstumsbedingungen  der  Darm¬ 
bakterien,  z.  B.  bei  Enteritis,  begünstigen  die  Produktion  virulenter 
und  stärker  hämolytisch  wirkender  Keime,  die  aus  ihnen  frei¬ 
werdenden  Lipoide  können  ihrerseits  wieder  zu  entzündlichen  Pro¬ 
zessen  in  der  Darmschleimhaut  führen.  Wie  diese  hämolysierend  und 
anämisierend  wirksamen  Substanzen  aus  den  Bakterien  frei  werden 
und  ins  Blut  gelangen,  um  im  Knochenmark  und  Blut  ihre  deletäre 
y  irkung  zu  entfalten,  warum  nur  bei  einzelnen  Individuen  eine  perni¬ 
ziöse  Anämie  beobachtet  wird,  warum  chronische  und  intensivere 
Eritzundungsprozesse  im  Intestinaltraktus  nicht  gewöhnlich  zur 
Bildung  hämotoxischer  Gifte  führen,  ist  noch  unklar. 

di  Rischer:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  anhaltender 
Blutdrucksteigerung  und  Nierenerkrankung.  (Aus  der  med  Klinik 
in  Tübingen.) 

Die  klinische  und  anatomische  Verwertung  von  550  Fällen  mit 
dauernder  Blutdrucksteigerung  ergab,  dass  bei  einem  dauernden  Druck 
von  über  140  mm  Hg  62  Proz.  der  Untersuchten,  bei  einem  Druck 
von  160  und  mehr  Millimeter  Hg  80  Proz.  eine  sichere  Nieren¬ 
schädigung  hatten.  In  keinem  einzigen  obduzierten  Falle  von 
dauernder  Hypertension  fehlten  anatomische  Veränderungen  an  den 
Nieren  nn  Sinne  einer  Nephritis,  auch  da,  wo  keine  klinischen  An¬ 
zeichen  für  Nephritis  bestanden,  fehlten  sie  nicht. 

A.  Weil:  Ueber  den  Einfluss  elektrischer  Reize  auf  Magen- 
peristaltik  und  -Sekretion  beim  Menschen.  (Aus  der  med.  Univ.- 

Klinik  in  Strassburg.) 

Beim  Menschen  hat  elektrische  Reizung  mit  Stromstärken,  die 
bei  therapeutischer  Anwendung  in  Betracht  kommen,  sei  es  direkt 
oder  vom  Vagus  aus,  galvanisch  oder  faradisch,  röntgenologisch 
nachweisbare  Aenderungen  der  normalen  Magenperistaltik  nicht  zur 
Folge,  der  Einfluss  auf  die  Sekretion  ist  zweifelhaft.  Der  Wert 
elektrischer  Behandlung  des  Magens  ist,  abgesehen  von  der 
psychischen  Komponente,  wohl  den  dabei  auftretenden  kräftigen 
Kontraktionen  der  Bauchwand  zuzuschreiben,  deren  Einfluss  auf 
Form  und  Lage  des  Magens  und  deren  zeitweilig  belebende  Wirkung 
auf  die  Magenperistaltik  eine  Tatsache  ist. 

L.  Lipowetzky:  Sphygmobolometrische  Untersuchungen  an 
Gesunden  und  Kranken  mittels  des  Sahli  sehen  sphygmobolo- 
graphischen  Verfahrens.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Bern.) 

Das  von  Sahli  angegebene  Verfahren  der  Sphygmobolographie 
mittels  des  modifizierten  J  a  q  u  e  t  sehen  Sphygmographen  ist  ein 
brauchbares  klinisches  Verfahren,  um  über  den  Zustand  der  Zir¬ 
kulation,  bzw.  die  Grösse  der  Herzarbeit,  sowie  der  Systole  Auf¬ 
schlüsse  zu  erhalten  und  speziell  den  Zustand  der  Zirkulation  bei 
Herzkranken  im  Verlaufe  einer  Behandlung  zu  verfolgen. 


No.  22. 


vei  einfachten 

Polemik. 


Sphygmobolometer.  Prioritätsangelegenheiten 


Erwiderung  auf  die  vorstehenden  Bemerkungen  von  Sahli-  Bern 

H.  Kämmerer  und  A.  Waldmann:  Blutmengebestira- 

mungen  nach  v.  Behring  und  andere  quantitative  Untersuchungen 
der  Blutbestandteile.  (Aus  dem  med.-klin.  Institut  der  Universitit 

München.)  (Mit  3  Kurven.) 

Die  v.  Behringsche  Blutmengemethode,  welche  auf  der 
Messung  der  Verdünnung  einer  in  die  Blutbahn  eingespritzten  Menge 
von  Tetanusheilserum  basiert,  ist  den  bisherigen  Blutmengemethoden 
vorzuziehen.  Die  normale  Durchschnittsmenge  des  Blutes  ist  1:10,2 
des  Körpergewichtes,  die  Abweichung  von  diesem  Durchschnitt  ist 
bei  pathologischen  Fällen  gering,  eine  gesetzmässige  Vermehrung  oder 
Verminderung  bei  bestimmten  Krankheitstypen,  z.  B.  Chlorose 
Nephritis,  Polyzythämie  liess  sich  nicht  konstatieren.  Körpermasse 
und  relatives  Blutgewicht  stehen  in  umgekehrtem  Verhältnis,  die 
Viskosität  des  Blutes  und  sein  spezifisches  Gewicht  gehen  im  grossen 
und  ganzen  parallel,  ebenso  die  Viskosität  des  Plasmas  und  dessen 
Eiweissgehalt.  Der  Durchschnittswert  der  Viskosität  betrug  für 
Vollblut  4,45,  für  Plasma  1,9,  der  Eiweissgehalt  des  Vollblutes  war 
20,45  Proz.,  der  des  Plasmas  7,8  Proz.;  letzterer  Wert  war  bei 
hydrämischen  Zuständen  und  bei  Blutkrankheiten  herabgesetzt.  Das 
spezifische  Gewicht  des  Blutes  war  normal  1057. 


G.  Grund:  Ueber  das  fest  gebundene  Chlor  im  Magensait, 
speziell  bei  Magenkarzinom.  (Aus  der  med.  Kinik  zu  Halle  a.  S.) 

Das  fixe  Chlor  im  Magensaft  Karzinomkranker  ist  bei  einer 
Sekretionsdauer  von  3Ä  Stunden  nicht  vermehrt.  Der  Mangel  an  HCl 
kann  also  nicht  daher  stammen,  dass  eine  normale  oder  annähernd 
normal  abgeschiedene  HCl-Menge  sekundär  durch  einen  alkalischen 
Saft  neutralisiert  und  so  vermindert  wird,  sondern  es  besteht  eine 
Insuffizienz  der  HCl-Produktion  in  der  gleichen  Weise,  wie  sie  sich 
bei  Achylie  aus  anderen  Gründen  findet. 

H.  Tachau:  Das  Verhalten  des  Blutzuckers  und  die  klinische 
Bedeutung  der  Blutzuckerbestimmung  beim  Diabetes  mellitus.  (Aus 

der  I.  inneren  Abteilung  des  Rudolf  Virchow-Krankenhauses  in  Berlin.) 

Die  Diagnose  eines  Diabetes  mellitus  wird  durch  die  Fest¬ 
stellung  einer  Hyperglykämie  in  nüchternem  Zustande  gesichert.  Ist 
der  Nüchternwert  nicht  erhöht,  so  kann  der  Eintritt  einer  erheblichen 
alimentären  Hyperglykämie  1  Stunde  nach  der  Aufnahme  von  50  <> 
Weissbrot  zur  Diagnose  führen.  Zur  Diagnose  eines  Nierendiabetes 
ist  die  Feststellung  eines  normalen  Blutzuckerwertes  in  nüchternem 
Zustande  und  des  Fehlens  einer  abnormen  Blutzuckersteigerung  nach 
der  Aufnahme  von  Kohlehydraten  nötig.  Die  Höhe  der  Hyper¬ 
glykämie  gibt  wichtige  Anhaltspunkte  für  die  Beurteilung  der  Schwere 
der  Stoffwechselstörung.  Die  Verfolgung  der  Blutzuckersenkung  gibt 
Auskunft  über  den  Erfolg  der  Behandlung,  die  möglichst  so  lange 
fortzusetzen  ist,  bis  der  Blutzuckergehalt  normal  ist. 

J.  E.  Müller:  Seltene,  durch  den  Diphtheriebazillus  hervor¬ 
gerufene  Erkrankungen.  (Aus  dem  pathol.  Institut  der  städtischen 
Krankenanstalten  zu  Dortmund.)  (Mit  Tafel  II.) 

2  Fälle  von  diphtherischen  Hautgeschwüren  bei  Geschwistern 
und  1  Fall  von  echter  diphtherischer  Entzündung  des  Dickdarms  irn 
Anschluss  an  eine  Rachendiphtherie. 

H.  v.  W  y  s  s:  Ueber  den  negativen  Druck  im  Thorax.  (Aus  der 
II.  med.  Klinik  in  München.)  (Mit  2  Abbildungen.) 

Eine  Trennung  der  Pleura  parietalis  von  der  Pleura  visceralis 
ist  unter  physiologischen  Verhältnissen  undenkbar,  ohne  dass  inan 
die  Adhäsion  zur  Erklärung  heranziehen  muss.  Die  Lehre  vom 
negativen  Druck  an  der  Berührungsfläche  der  Pleurablätter  besteht 
bei  richtiger  Definition  desselben  völlig  zu  Recht. 

Kleinere  Mitteilungen: 

A  u  f  r  e  c  h  t  -  Magdeburg:  Zur  Methodik  der  Perkussion. 

Prioritätsangelegenheiten.  Bamberger  -  Kronach. 


Zeitschrift  für  Immunitätsforschung  und  experimentelle 
Therapie.  16.  Bd.  2.  Heft  (Auswahl). 

Willy  Heimann  -  Göttingen :  Die  Säureagglutination  innerhalb 
der  Typhus-Paratyphusgruppe,  insbesondere  sogenannter  Paratyphus 
C-Bazillen. 

Die  von  Michaelis  eingeführte  Säureagglutination  hat  sich 
als  wertvoll  erwiesen.  Sie  ist  geeignet,  die  durch  das  biologisch- 
kulturelle  Verfahren  und  durch  die  spezifische  Agglutination  er¬ 
haltenen  Kriterien  zu  ergänzen.  Durch  ihre  Einfachheit  und  ihre  ge¬ 
ringere  Empfindlichkeit  der  spezifischen  Agglutination  gegenüber  ist 
sie  besonders  für  den  Praktiker  brauchbar. 

E.  Friedberger  und  G.  Kapsenberg  -  Berlin :  Die  Ana- 
phylatoxinbildung  aus  tierischen  Bakterien  und  durch  Plasma  an 
Stelle  von  Serum. 

Um  verschiedene  gegen  die  Anaphylatoxinlehre  erhobene  Ein¬ 
wände  zu  entkräften,  haben  die  Verf.  im  den  klassischen  Versuch 
statt  der  Kulturbazillen  solche  im  tierischen  Organismus  gewachsene 
und  statt  des  Serums  Plasma  eingesetzt.  Auch  unter  diesen  Be¬ 
dingungen  gelang  die  Gewinnung  eines  anaphylaktischen  Giftes.  Da¬ 
mit  ist  weiterhin  bewiesen,  dass  das  Anaphylatoxim  auch  im  Organis¬ 
mus  aus  Bakterien  entsteht. 

F.  H.  1' h  i  e  1  e  und  D.  Embleton:  Beobachtungen  über  die 
Hervorrufung  von  Temperaturveränderungen. 


.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1217 


Verf.  bestätigen  die  Angabe  Friedbergers  und  Mita  s.  dass 
naphylatoxin  in  grossen  Dosen  tödlich,  in  mittleren  temperatur¬ 
niedrigend  und  in  kleinen  iiebererregend  wirkt.  Das  Gift  entsteht 
irch  Spaltung  des  Antigens.  Die  verschiedenen  Antigene  verdanken 
re  verschiedene  Wirkung  ihrer  chemischen  Zusammensetzung.  Je 
ehr  Diaminobasen  das  Antigen  enthält,  um  so  toxischer  sind  seine 
paltungsprodukte.  Der  Körper,  der  in  vorbehandelten  und  iiber- 
npfindlich  gemachten  Tieren  die  Spaltung  zustande  bringt,  ist  ein 
nzym  und  kein  echter  Antikörper. 

3.  Heft. 

A.  ßesredka,  H.  Strobel  und  F.  J  u  p  i  1 1  e-  Paris: 

naphylatoxin.  Peptotoxin  und  Pepton  in  ihren  Beziehungen  zur 

naphyiaxie. 

Neue  Angriffe  auf  die  Anaphylatoxinlehre  Friedbergers, 
e  sich  auf  die  Gewinnung  des  Peptotoxins  aus  Peptonagar  sowie 
uf  die  Tatsache  stützen,  dass  die  Unempfindlichkeit  sich  bei  der 
achten  Anaphylaxie  anders  verhält,  als  bei  der  Vergiftung  mit 
naphylatoxin  oder  Peptonderivaten.  Sie  kommen  zu  dem  Schluss, 
ass  die  Wirkung  dieser  Substanzen  mit  der  Anaphylaxie  nichts 
smein  haben. 

J.  Bankowski  und  Z  c  y  m  a  n  o  w  s  k  i  -  Krakau :  Zur  toxi- 
hen  Wirkung  des  menschlichen  Blutserums. 

Nach  einer  Immunisierung  ist  das  menschliche  Blutserum  eine 
jwisse  Zeit  toxischer  als  im  normalen  Zustande.  Verf.  haben  fest¬ 
estem.  dass  dasselbe  im  Verlaufe  von  Typhus,  Masern  und  Scharlach 
er  Fall  sein  kann.  Allerdings  ist  zu  berücksichtigen,  dass  für  Meer- 
ihweinchen  auch  normales  Blutserum  in  geringerer  Menge  bereits 
iftig  ist.  Dagegen  ist  das  fötale  menschliche  Blutserum  nahezu 
toxisch,  was  die  Verf.  auf  den  Mangel  an  normalen  Antikörpern  zu- 
ickzuführen  geneigt  sind. 

Dold  und  A  o  k  i  -  Strassburg:  Beitrag  zur  Frage  der  Identität 
es  in  vitro  darstellbaren  Anaphylatoxins  mit  dem  in  vivo  ent¬ 
eilenden  anaphylaktischen  Gifte. 

Verf.  sind  der  Frage,  ob  die  Vergiftung  mit  Anaphylatoxin  der 
'Pischen  Anaphylaxie  in  vivo  entspricht,  mit  einer  besonderen  Ver- 
ichsanordnung  näher  getreten.  Kodama  hatte  gefunden,  dass  eine 
ehandlung  von  Pferdefleischeiweiss  mit  Alkohol  dem  Eiweiss  die 
ähigkeit  nimmt,  in  vivo  anaphylaktische  Antikörper  zu  bilden.  Sie 
ilbst  konnten  nun  nachweisen,  dass  dieselbe  Prozedur  auch  die 
ildung  von  Anaphylatoxin  in  vitro  unmöglich  macht.  Andererseits 
onnte  man  beide  Erscheinungen  mit  Bakterien  erzeugen,  die 
5  Tage  in  reinem  Alkohol  gehalten  waren.  Diese  Parallelität  spricht 
i  gewissem  Grade  für  eine  Identität  des  in  vivo  und  in  vitro  dar- 
estellten  Giftes.  L.  Saathoff  -  Oberstdorf. 

Zeitschrift  für  physikalische  und  diätetische  Therapie. 
J13.  Heft  5. 

J.  v.  Breemen  -  Amsterdam :  Französischer  und  deutscher 
heumatismus  und  seine  Behandlung. 

Unter  den  Fällen  von  „chronischem  Gelenkrheumatismus“  ist 
ne  relativ  grosse  Zahl,  die  unter  die  Rubrik  „Diathese  arthritique“ 
ingereiht  werden  müssen,  nach  Art  des  Verlaufs,  der  Heredität,  der 
eaktion  auf  therapeutische  Massnahmen.  Von  letzteren  ist  be- 
mders  wichtig  die  Diät  (kein  Alkohol,  Tabak,  Gewürze,  Nuklein); 
ie  lokalen  Prozeduren  dürfen  nicht  stark  erregen,  da  sonst  das  Gelenk 
ch  verschlimmert.  Man  wird  so  viele  Fälle  bessern,  die  bei  den 
ewöhnlichen  Massnahmen  des  chronischen  Gelenkrheumatismus 
eine  Fortschritte  machen. 

L.  H  o  f  b  a  u  e  r  -  Wien:  Zur  Frage  des  künstlichen  Pneumo- 

lorax. 

Der  künstliche  Pneumothorax  schädigt  durch  Herabsetzung  der 
italen  Retraktionskraft  der  Lunge,  der  wichtigsten  Hilfskraft  des 
achten  Herzens,  die  Zirkulation.  Seine  günstigen  Wirkungen  sind 
urch  funktionelle  Ruhigstellung  der  Lunge  (Bettruhe,  oberflächliche 
tmung,  Vermeidung  von  Bewegungen  und  Sprechen)  ebenso  zu 
rreichen,  wobei  man  seinen  schädlichen  Einfluss  umgeht. 

Goldscheider:  Bewegungsbehandlung  bei  inneren  Kränk¬ 
elten. 

Verf.  hebt  die  Wichtigkeit  der  Bewegungsbehandlung  bei  inneren 
rankheiten  hervor  und  gibt  einen  Ueberblick  über  die  wichtigsten 
lassnahmen  bei  Herzkrankheiten,  Arteriosklerose,  Lungen-  und  Ver- 
auungskrankheiten  etc. 

C.  H  i  s  s  -  Gastein :  Hypertension  und  ihre  Behandlung  mit 
iochfrequenzströmen. 

Hochfrequenzströme  vermindern  den  peripheren  Gefässwider- 
tand,  erhöhen  so  die  Arbeitskraft  des  Herzens.  Der  Blutdruck  bleibt 
ntweder  normal  oder  sinkt  langsam  oder  steigt,  wenn  er  infolge 
lerzschwäche  vermindert  war.  Erhöhter  Blutdruck  wird  zugleich 
nt  Besserung  des  Pulses  herabgesetzt,  intermittierender  oder 
regulärer  Puls  wird  normal. 

H.  Renz-Berlin:  Zur  physikalischen  Behandlung  der  Haut- 
rankheiten. 

Verf.  empfiehlt  hydriatrische  Prozeduren  und  Bogenlichtbehand- 
mg  bei  Ekzem,  Psoriasis,  Furunkulose,  Ulcus  cruris,  Akne,  Pity- 
iasis,  Hyperidrosis. 

A.  Sch  nee -Frankfurt  a.  M.:  Zur  Technik  der  Tieien- 

estrahlung. 

Ausführliche  Darstellung  der  biologischen  und  physikalischen 
ragen  mit  zahlreichen  Abbildungen.  L.  Jacob-  Würzburg. 


Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Band  100.  Heft  3. 

18)  0.  Hildebrand:  Beitrag  zur  Chirurgie  der  hinteren 
Schädelgrube  auf  Grund  von  51  Operationen.  (Chirurg.  Klinik  der 
Kgl.  Charitee  in  Berlin.) 

Für  intrazercbellare  Tumoren  spricht  ein  frühzeitiges  Auftreten 
von  Kopfschmerzen,  Erbrechen.  Stauungspapille  und  Schwindel,  für 
extrazerebellare  (meist  Tumoren  der  Akustikusregion)  eine  früh¬ 
zeitige  und  später  sehr  bedeutende  Beteiligung  der  Nervi  trigeminus, 
abducens,  facialis  und  acusticus,  eine  Störung  der  Artikulation, 
Phonation  und  des  Schluckaktes,  endlich  frühes  Auftreten  der 
Kochlear-  und  Vestibularstörungen.  Ihren  Sitz  am  Kleinhirnbrücken¬ 
winkel  hatten  7  solide  und  5  zystische  Geschwülste.  Eigentliche 
Akustikustumoren  waren  nur  4.  Alle  diesbezüglichen  Kranken¬ 
geschichten  wiesen  Druckschmerzen,  regulär  Kopfschmerzen,  in 
manchen  Fällen  Erbrechen,  Schwindel,  Störungen  durch  frühzeitig 
auftretende  Stauungspapille  mit  konsekutiver  Optikusatrophie,  Hör¬ 
störungen  und  Nystagmus  auf.  Bei  den  weichen  Tumoren  erfolgte 
die  Entwicklung  rascher  als  bei  den  harten.  H.  empfiehlt  die  zwei¬ 
zeitige  Operation,  die  erste  in  Lokalanästhesie,  die  zweite  in  Narkose. 
Es  ist  zweckmässig,  von  vornherein  den  Knochen  zu  opfern,  weil  die 
Nackenmuskulatur  einen  Hirnprolaps  verhindert.  Von  den  12  Ope¬ 
rierten  leben  jetzt  noch  und  sind  gesund  6.  In  das  Kapitel  der 
Meningitis  serosa  externa  fallen  teils  sicher  teils  mit  grosser  Wahr¬ 
scheinlichkeit  6  Fälle,  die  sämtlich  durch  die  Operation  sehr  ge¬ 
bessert,  zum  Teil  auch  geheilt  wurden.  Die  Diagnose  einer  primären 
Meningitis  serosa  erfährt  ihre  Bestätigung  erst  dann,  wenn  die  Sektion 
nichts  anderes  erweist  oder  wenn  der  Kranke  längere  Zeit  nach  der 
Operation  frei  von  Beschwerden  oder  wenigstens  von  einer  Zunahme 
der  Beschwerden  ist.  Weiterhin  bringt  H.  einige  Belege  dafür,  dass 
die  Symptome  des  Kleinhirntumors  auch  von  einem  Hydrocephalus 
acutus  internus  bewirkt  werden  können;  eine  Differentialdiagnose 
zwischen  beiden  Erkrankungen  ist  nicht  möglich.  Unter  5  Fällen  von 
Kleinhirnzyste  wurde  einmal  die  seltene  Kommunikation  der  Zyste 
mit  dem  4.  Ventrikel  beobachtet.  Der  ZystenLnhalt  war  meist  gelb 
und  eiweissreich;  er  gerann  in  der  Regel  bei  Zimmertemperatur. 
Dieselben  Symptome  wie  die  Zysten  machten  auch  die  soliden  Klein¬ 
hirntumoren,  die  in  5  Fällen  beobachtet  wurden.  Bei  der  Opera¬ 
tion  dieser  Fälle  wurde  zweimal  Atmungsstillstand  beobachtet,  der 
einmal  durch  Herzmassage  und  künstliche  Atmung  beseitigt  werden 
konnte.  Doch  starb  auch  dieser  Patient  am  nächsten  Tage.  In 
5  Fällen,  bei  denen  die  Diagnose  auf  raumbeengenden  Prozess  in  der 
hinteren  Schädelgrube  gestellt  wurde,  brachte  die  Operation  keine 
Aufklärung  und  die  Sektion  wies  die  Lokalisation  der  Geschwülste 
im  Pons  nach.  Die  klinischen  Symptome  dieser  Fälle  waren:  relativ 
spätes  Auftreten  des  Kopfschmerzes,  des  Erbrechens,  der  Stauungs¬ 
papille,  letztere  trotz  kurzer  Entwicklung  allerdings  weit  fort¬ 
geschritten,  Lähmung  im  Abduzens  und  Fazialis,  taumelnder  Gang, 
Schwäche  in  Arm  und  Bein,  Radialisparese.  Auch  die  Differential¬ 
diagnose  zwischen  Tumor  des  Kleinhirns  und  des  Stirnhirns  der 
anderen  Seite  ist  häufig  nicht  zu  entscheiden.  Einige  von  H.  beob¬ 
achtete  Fälle  beweisen  aufs  neue  diese  Erfahrung;  in  einigen  anderen, 
in  denen  eine  Operation  zur  Blosslegung  des  Kleinhirns  gemacht 
wurde,  wies  die  Sektion  Geschwülste  in  anderen  Teilen  des  Gross¬ 
hirns  nach.  Als  Gesamtresultat  ergab  sich,  dass  von  den  51  Fällen 
28  durch  die  Operation  radikal  zu  heilen  waren.  Von  diesen  28 
starben  4  im  Anschluss  an  die  Operation  oder  kurze  Zeit  danach 
=  14,3  Proz.  Die  hohe  Mortalität  kommt  auf  die  inoperablen  un¬ 
heilbaren  Fälle.  6  der  Fälle  starben  unter  den  Erscheinungen  der 
Atemlähmung,  2  davon  erholten  sich  zunächst  durch  künstliche 
Atmung  mit  Sauerstoff.  Es  ist  möglich,  dass  sich  durch  derartige 
Massnahmen  dieser  Prozentsatz  der  Mortalität  noch  herabdrücken 
lässt. 

19)  H.  Heyrovsky:  Kasuistik  und  Therapie  der  idiopathischen 
Dilatation  der  Speiseröhre.  Qesophagogastroanastomose.  (II.  Chirurg. 
Klinik  in  Wien  —  Hofrat  Prof.  Hochenegg.) 

Die  „idiopathische“  Erweiterung  beginnt  im  Brustteil  der  Speise¬ 
röhre  sich  auszubilden  und  schreitet  von  da  nach  oben  und  unten 
fort.  Der  Oesophagus  nimmt  infolgedessen  gewöhnlich  eine  Spindel¬ 
form  an.  Die  Beschwerden  sind  Dysphagie,  Regurgitation  der 
Speisen  und  des  Speichels  sowie  Druckgefühl  in  der  Brust  nach  der 
Nahrungsaufnahme.  Ein  Teil  der  Fälle  ist  identisch  mit  dem  chro¬ 
nischen  Kardiospasmus,  der  wahrscheinlich  auf  einer  Innervations¬ 
störung  im  Vagus  beruht.  Es  gibt  aber  auch  Fälle  von  idiopathischer 
Dilatation,  bei  denen  ein  Spasmus  der  Kardia  nicht  vorhanden  ist. 
Verf.  hat  zwei  einschlägige  Fälle,  bei  denen  die  Kardia  narbig  stark 
verengt  war,  dadurch  zur  Heilung  gebracht,  dass  er  nach  Aufklappung 
des  linken  Rippenbogens  den  Oesophagus,  ohne  die  Pleura  eröffnen 
zu  müssen,  stark  nach  unten  in  die  Bauchhöhle  zog  und  dann  mit 
dem  Magenfundus  anastomosierte. 

20)  W.  Meyer:  Der  Oesophaguskrebs  vom  Standpunkt  der 
thorakalen  Chirurgie.  (Chirurg.  Abteilung  des  deutschen  Hospitals 
in  New  York.) 

Verf.  hat  in  4  Fällen  den  Versuch  gemacht,  ein  Oesophagus¬ 
karzinom  zu  entfernen.  Sämtliche  Patienten  sind  bei  oder  kurz  nach 
der  Operation  gestorben.  Er  rät  auf  Grund  dieser  Erfahrungen  ab, 
die  Operation  in  einer  Sitzung  durchzuführen  und  hält  die  primäre 
Kokainisierung  und  scharfes  schrittweises  Lospräparieren  bezw.  wenn 
nötig  scharfes  Durchtrennen  des  Nervus  vagus  für  eine  Conditio 
sine  qua  non. 


1218 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


-1)  S.  Goto:  Pathologisch-anatomische  und  klinische  Studien 
uher  die  sog.  Myositis  ossuicans  progressiva  multiplex  (Hvperplasia 

t  ,?SS,!lcan[s1  Pr°Kress'va).  (I.  Chirurg.  Klinik  der  Kais  Uni¬ 
versität  Kiushiu  [Japan]  —  Prof.  Miyake.) 

Faii  <I-  bes^hrei.^  einen  an  einem  5  Jahre  alten  Knaben  beobachteten 
ffIL  i  «yositis  ossmeans  progressiva  multiplex.  Bei  dem  Pa- 
Sln  ’  vu  aussterdem  an  Mikrodaktylie  beider  Daumen  und  Gross¬ 
zehen  litt,  traten  während  der  Beobachtungszeit  unter  klini- 
harfo  J!?,eh.r  „oder  wenij>er  deutlichen  entzündlichen  Erscheinungen 
•  artA  "ä.ue Hungen  am  Kopf  und  Rücken,  schubweise  spontan  oder 

R^f,C,aSC^USFa,?  C!n  Trai™a  auf-  Gestützt  auf  die  histologischen 
Befunde  des  hailes  kommt  G.  zu  dem  Resultat,  dass  der  primäre  Sitz 

Ern^“n5  S1C1  au  die  Faszie  resP-  Aponeurose,  Sehne,  Periost, 
WiriLiJ-  fanden  aucb  aaf  den  Bandapparat,  insbesondere  des 
W  irbels,  beschrankt.  Das  Interstitium  des  Muskels,  das  bisher  von 
sämtlichen  Autoren  als  primärer  Sitz-  der  Affektion  angenommen 
wurtle,  muss  als  eine  sekundäre  Veränderung  durch  die  Fortsetzung 
der  Affektion  von  den  erwähnten  bindegewebigen  Elementen  an¬ 
gesehen  werden.  Die  Krankheit  ist  kein  entzündlicher  Prozess  trotz 
der  klinischen  Symptome,  sondern  ist  die  Folge  einer  lokalisierten 
Wucherung  der  bindegewebigen  Elemente  und  einer  dadurch  hervor- 
germenen  kapillaren  Blutung  resp.  eines  Oedemes  sowie  der  Zer- 
d'  „der  *)ontrakti,en  Muskelelemente.  Lues  spielt  ätiologisch 
keine  Rolle.  I  rauma  kann  die  Krankheit  hervorrufen;  doch  ist  auch 
eine  spontane  Entstehung  möglich. 

22)  R.  W e  n gl o ws k i  - Moskau :  Ueber  die  Halsfisteln  und  Zysten. 

Verf.  hat  eigene  embryologische  Untersuchungen  über  die  Ent¬ 
wich hing  des  Kiemenapparates,  über  die  Thymusbildung  und  die  Ent¬ 
wicklung  der  lateralen  Schilddrüsenlappen  ausgeführt.  Beim 
Menschen  kommen  5—6  Kiemenbogen  und  ebensoviel  nicht  offene 
Furchen  zur  Entwicklung.  Die  untere  Grenze  des  von  vorn  nach 
hinten  hegenden  Kiemenapparates  wird  für  ihn  und  die  aus  ihm  ent¬ 
springenden  Teile  durch  eine  durch  den  unteren  Zungenbeinrand 
gehende  Lime  gebildet.  Von  dem  im  Anfang  des  2.  Monats  ver- 
schwindemlen  Kiemenapparat  können  nur  frei  im  Gewebe  liegend» 

I  eilchen  von  mehrschichtigem  Epithel,  manchmal  Knorpelteilchen  usw. 
Zurückbleiben.  Alle  Missbildungen  und  Entwicklungsanomaliien,  die 
durch  unvollkommene  Rückentwicklung  des  Kiemenapparates  be¬ 
dingt  sind,  finden  sich  ausschliesslich  in  der  oberhalb  des  unteren 
Zungenbeinrandes  liegenden  Gegend.  Die  Thymus  wird  in  Form 
eines  langen  Kanals  aus  der  3.  Schlundtasche  gebildet,  der  schräg 
von  der  lateralen  Pharynxwand  bis  zum  Brustbein  hinzieht,  wo  sich 
die  eigentliche  1  hymussubstanz  entwickelt.  Persistieren  Reste  des 
Ganges,  so  können  sich  aus  ihnen  eine  laterale  Halsfistel  oder  Zysten 
entwickeln  Erhält  sich  der  ganze  Thymusgang,  so  resultiert  daraus 
eine  komplette  Fistel,  bleibt  nur  ein  Teil  übrig,  eine  inkomplette. 
Auch  die  lateralen  Schilddrüsenlappen  besitzen  einen  kurzen  früh 
verschwindenden  Kanal,  der  möglicherweise  persistieren  und  zur 
Bildung  von  Fisteln  und  Zysten  führen  kann.  Die  innere  Mündung 
solche i  Fisteln  wird  sich  lateral  vom  Kehlkopfeingang  befinden. 

23)  E  Jeger  und  W.  Israel:  Ueber  Neoimplantation  der 
Vena  renalis  in  die  Vena  cava,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Technik  der 
Gefassanastomose  End-zu-Seit.  (Experimentell-biolog.  Abteilung  des 
patholog.  Instituts  der  Kgl.  Charitee  in  Berlin  —  Prof.  Bickel.) 

Technische  Einzelheiten  über  die  im  Titel  genannte  Operation, 
die  mit  Hilfe  der  Gefässnaht,  Payr  scher  Prothesen  und  schmaler 
Rmgpi  otliesen  ausgeführt  wurde.  Die  Vena  renalis  wurde  an  ihrer 
F.inmiindungsstelle  in  die  Vena  cava  abgetrennt  und  weiter  oben  aufs 
neue  in  die  Hohlvene  implantiert.  Aus  den  Versuchen  ergeben  sich 
folgende  von  den  Verfassern  gezogenen  Schlüsse:  Die  Verpflanzung 
einer  Nierenvene  mit  gleichzeitiger  Exstirpation  der  anderen  Niere 
durfte  nur  ausnahmsweise  bei  besonders  schnellem  Arbeiten  und 
besonders  widerstandsfähigen  Tieren  möglich  sein.  Eine  gleichzeitige 
Verpflanzung  beider  Nierenvenen  hingegen  gelingt  offenbar  vor¬ 
züglich,  ebenso  diejenige  einer  Nierenvene  mit  sekundärer  Exstirpation 
der  anderen  Niere.  Ganz  unmöglich  hingegen  scheint  die  gleich¬ 
zeitige  Exstirpation  einer  Niere,  Verpflanzung  der  Vene  der  anderen 
Seite  und  Ligatur  der  Kava  zu  sein. 

" j)  W.  Röpke:  Ueber  die  operative  Behandlung  der  durch 
stuinple  Gewalt  entstandenen  Duodenalverletzungen.  (Chir.  Abt. 

des  städt.  Krankenhauses  in  Barmen.) 

In  einem  einschlägigen  Falle  (quere  Durchreissung  der  Pars 
ascendens  duodeni)  vcijeinigte  R.  das  proximale  Ende  des  Duodenum 
End-zu-Seit  mit  dem  Jejunum.  Das  distale  Ende  musste  bis  zum 
Jejunum  abgetragen  werden.  Das  Jejunumende  wurde  mit  dem 
Magen  an  dessen  Hinterwand  anastomosiert.  Heilung.  Für  die 
*st  d'e  Lokalisation  des  Schmerzes  nach  rechts  von  der 
Mittellinie  des  Bauches  und  in  die  Ileozoekalgegend  zu  verwerten, 
schliesslich  wird  die  Anlegung  einer  Zoekalfistel  prophylaktisch  oder 
„V1 ,  1and llir|g  der  Peritonitis  empfohlen,  die  zur  Darmspülung  und 
Einführung  von  Nährklistieren  benutzt  wird.  L  ä  w  e  n  -  Leipzig. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  20. 

i  1 !'  F-  1  u  °  11  c  1  k  0  f  f  lind  A-  W-  Smirnoif  -  Petersburg :  Ueber 
den  plastischen  Ersatz  von  Zwerchfelldefekten  durch  die  Fascia  lata. 

Verfasser  berichten  von  ihren  Versuchen,  an  Tieren  künstlich 

S  fnnp£aPpag  na?efekte  durch  die  Fascia  lata  zu  ersetzen;  ihre 
lunktionellen  Resultate  waren  bis  jetzt  ganz  gut  (bei  einer  Beob¬ 
achtungszeit  von  2 — 3  Monaten). 


No.  22 


■  i  Fd*.a  D  o  1 1  i  n  g  e  r  -  Pest :  Ueber  die  Reposition  der  Bruchenden 
in  Lokalanästhesie.  uen 

Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  verschiedenen  Methoden 
die  Bruchenden  in  Lokalanästhesie  zu  reponieren,  berichtet  Verf.  von 
seinen  Erfahrungen,  die  er  mit  der  Anästhesie  „mittels  Injektion 
zwischen  die  Bruchenden“  und  mit  der  „zirkulären  Leituncs 
anasthesie  ‘  gemacht  hat.  Er  beschreibt  seine  Technik  der  Anästhe¬ 
sierung  und  gibt  der  zirkulären  Leitungsanästhesie  den  Vorzug  vor 
der  Einspritzung  zwischen  die  Bruchenden,  da  letztere  Methode 
schmerzhafter  für  den  Patienten,  im  Erfolg  unsicherer  und  nicht  un¬ 
gefährlich  ist,  wenn  die  Novokain-Suprarenin-Lösung  (1  proz.)  direkt 
in  die  eröffneten  Blutgefässe  gelangt.  Reposition  und  Gipsverband 
konnte  völlig  schmerzlos  gemacht  werden. 

Max  Hirschler  -  Magdeburg:  Nervenschädigungen  bei  Plexus¬ 
anästhesie. 

Verf.  konnte  kürzlich  bei  der  K  u  1  e  n  k  a  m  p  f  f  sehen  Plexus¬ 
anästhesie  eine  Läsion  des  Plexus  im  Bereich  der  Vereinigungsstelle 
der  letzten  Zervikal-  mit  der  ersten  Thorakalwurzel  beobachten:  es 
war  eine  völlige  Entartungsreaktion  der  Beuger  des  Zeigefingers  vor¬ 
handen,  die  nach  4  Monaten  wieder  ganz  verschwand.  Bei  2  anderen 
Fallen  trat  eine  umschriebene  Sensibilitätsstörung  auf.  Diese  un¬ 
angenehmen  Verletzungen  erklären  sich  daraus,  dass  bei  der  Plexus¬ 
anästhesie  es  sich  fast  stets  um  eine  endo  neurale  Injektion  handelt, 
wobei  durch  die  Nadelspitze  eine  Läsion  der  Nervenfasern  Vor¬ 
kommen  kann.  Trotzdem  aber  verdient  die  Plexusanästhesie  weite 
Anwendung.  E.  Heim-  Oberndorf-Schweinfurt. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  20. 

J.  Veit-Halle  a.  S. :  Zur  Technik  des  Kaiserschnittes. 

Da  der  Kaiserschnitt  durchaus  im  Notfall  unter  schwierigen 
äusseren  Verhältnissen  von  relativ  ungeübten  Operateuren  aus¬ 
geführt  werden  muss,  so  ist  eine  Vereinfachung  der  Technik  zu  er¬ 
streben.  Die  vielen  neuen  Methoden,  die  seit  Frank  angegeben 
sind,  sind  gewiss  gut,  aber  alle  mehr  oder  weniger  kompliziert.  Veit 
empfiehlt  die  Operation  in  starker  Beckenhochlagerung  und  sorg¬ 
fältigem  Abdecken  der  Bauchhöhle,  sowie  Eventration  des  Uterus 
der  durch  queren  Fundalschnitt  eröffnet  wird.  Vermeidung  einer 
Beschmutzung  des  Bauchinnern  mit  Uterusinhalt  und  Blut  ist  das 
Ziel  dieser  Methode.  40  Fälle:  gute  Resultate. 

H.  D  r  e  w  s  -  Charlottenburg:  Ueber  die  Anwendung  des 
Narkophins  in  der  Geburtshilfe. 

Narkophin  hat  sich  als  Analgetikum  in  der  Geburtshilfe  bewährt, 
jedoch  unter  den  Bedingungen,  dass  es  in  der  Austreibungsperiode 
gegeben  wird,  und  dass  ferner  die  kindlichen  Herztöne  sorgfältig 
beobachtet  werden.  Bei  der  Behandlung  des  Abortus  imminens  ist 
es  ebenfalls  mit  gutem  Erfolge  anzuwenden. 

L.  F  r  o  r  i  e  p  -  Halberstadt:  Zur  Inversio  uteri. 

31  jährige  Ill.-para.  Vor  5  Wochen  Abgang  des  Fruchtwassers, 
vor  10  lagen  plötzliche  heftige  Blutungen.  Scheidentamponade. 
Blutung  steht.  Einlegen  eines  Metreurynter,  der  nach  3  Stunden 
geboren  wird;  keine  Blutung,  aber  auch  keine  Wehen.  Nach  langem 
Geburtsverlauf  Geburt  eines  asphyktischen  Kindes  aus  Schädellage. 
Retentio  placentae,  beim  Versuch  der  manuellen  Lösung  enorme 
Blutung  aus  dem  atonischen  Uterussack.  Künstliche  Inversio  uteri 
mit  nachfolgender  Totalexstirpation.  Dem  atonischen  Blutverlust 
erlag  die  Frau  Vs  Stunde  post  Operationen!.  Die  Uteruswand  war 
papierdünn,  die  Plazenta  war  mit  der  Uterusmuskulatur  so  fest  ver¬ 
wachsen,  dass  sie  bis  an  die  Serosa  ging.  Der  seltene  pathologisch- 
anatomische  Befund  ist  von  Rob.  Meyer  bereits  publiziert. 

E.  H  e  r  z  -  Rzeszow:  Ein  Fall  von  Uterusruptur  nach  Pituitrin. 

Der  Fall  betraf  eine  20  jährige  Primi-para,  bei  der  nach  57  stän¬ 
diger  sehr  schwacher  Wehentätigkeit  1  ccm  Pituitrin  gegeben  wurde. 
Nach  20  Minuten  sehr  heftige,  langdauernde  Wehen,  1  Stunde  nach 
der  Injektion  Tetanus  uteri  und  Kolpaporhexis.  Die  Zervix  ist  in 
ihrem  ganzen  vorderen  Umkreise  im  Scheidengewölbe  von  der 
Uteruswand  abgerissen.  Durch  diesen  Riss  werden  Frucht  und 
Plazenta  nach  2  Stunden  spontan  geboren.  Danach  Blutung.  Tam¬ 
ponade.  Guter  Wochenbettsverlauf.  Der  Riss  vernarbte.  —  Die 
Hypophy'senextrakte  sind  also  in  der  ersten  Geburtsperiode  un- 
verlässliche,  ja  zuweilen  gefährliche  Mittel  und  dürfen  erst  ver¬ 
abreicht  werden,  wenn  der  Muttermund  mindestens  Kleinhandteller¬ 
grösse  erreicht  hat.  H.  stellt  kurz  die  bisher  publizierten  ungünstigen 
Wirkungen  zusammen.  Werner-  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau,  Jahrgang  VII,  Heft  6. 

Hans  Reinhard  -  Osnabrück:  Ektopische  Schwangerschaft  und 
intraperitoneale  Blutung  aus  Ovarialzysten,  besonders  solchen  der 
Corpora  lutea.  (Aus  der  Hebammenschule  zu  Osnabrück  und  dem 
patholog.  Institut  der  Krankenanstalten  in  Bremen.)  (Mit  3  Figuren.! 

Seine  Resultate  fasst  Verf.  wie  folgt  zusammen: 

1.  Extrauteringravidität  ist  die  häufigste,  aber  nicht  alleinige 
Ursache  von  Hämatokelenbildung  oder  freier  intraperitonealer 
Blutung.  Neben  der  ektopischen  Schwangerschaft  kommt  der  Ruptur 
von  Ovarialzysten  die  hauptsächlichste  Bedeutung  für  das  Entstehen 
abdominaler  Blutungen  ex  genitalibus  zu. 

2.  \  on  besonderer  Bedeutung  sind  die  Blutzyfsten  der  Corpora 
utea,  dieselben  sind  häufiger  als  seröse  Corpus  luteum-Zysten.  er- 
i  eichen  aber  meist  nicht  deren  Grösse  und  rupturieren  infolgedsssen 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1219 


selten.  Den  bisher  bekannten  Fällen  konnten  hier  zwei  neue  hinzu- 
gefiigt  werden. 

3.  Die  Ruptur  von  Corpora  lutea  bzw.  deren  Zysten  erfolgt 
meist  einige  Tage  vor  dem  erwarteten  Eintritt  der  Menstruation. 
Die  häufigste  Ursache  ist  ein  akzidentelles  Trauma.  Es  ist  in  Zu¬ 
kunft  bei  der  Anamnese  genauer  darauf  zu  achten,  ob  immer  ein 
solches  Trauma  die  Ursache  der  Ruptur  ist,  oder  ob  noch  andere 
Ursachen  in  Frage  kommen. 

4.  Das  Vorkommen  mehrerer  Corpora  lutea  in  einem  Ovarium 
ist  nichts  besonderes:  auch  zystische  Degeneration  mehrerer  Corpora 
lutea  in  einem  Eierstock  ist  keine  grosse  Seltenheit.  Diese  „Degene- 
ratio  polyzystica  luteinalis  bzw.  e  corporibus  luteis“  ist  häufiger  mit 
Blasenmole  oder  Chorionepitheliom  vergesellschaftet;  spezifische 
Relationen  zwischen  ihnen  bestehen  nicht. 

5.  Corpus  luteum-Zysten  bei  Tubenschwangerschaft  sind  häufig, 

ihre  Ruptur  während  der  Qestation  bisher  nicht  bekannt.  Ruptur  von 
Zysten  eines  Corpus  luteum  graviditatis  ist  bisher  noch  nicht  be¬ 
schrieben,  hier  wird  der  erste  Fall  mitgeteilt:  derselbe  war  durch 
Tubenschwangerschaft  kompliziert  mit  unversehrter  äusserer  und 
innerer  Fruchtkapsel.  A.  Rieländer  -  Marburg. 

Zeitschrift  für  Kinderheilkunde.  6.  Bd.  5.  u.  6.  Heft.  1913 

A.  Niemann:  Ueber  den  Stoffwechsel  atrophischer  Säuglinge. 

Versuche  (im  Respirationsapparat)  an  2  atrophischen,  in  Repa¬ 
ration  befindlichen  Säuglingen  ergaben  beidemale  Ansatz  von  Eiweiss 
und  Fett,  sowie  eine  COs-Produktion,  die  mit  der  des  normalen 
Flaschenkindes  übereinstimmt.  Hinsichtlich  der  Wasserbilanz  ver¬ 
hielten  sich  beide  Säuglinge  verschieden. 

C.  T.  Noeggerath:  Elektrokardiogramme  schwächlicher 
Säuglinge. 

Die  Versuche,  aus  der  Kurvenform  auf  die  „Widerstandsfähig¬ 
keit  des  Herzens“  beim  kranken  Säugling  zu  schliessen,  führten  nicht 
zum  Ziel,  da  gesetzmässige  Parallelitäten  nicht  gefunden  werden 
konnten. 

K.  Bamberg:  Zur  Physiologie  der  Laktation  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  chemischen  Zusammensetzung  der  Frauenmilch 
milchreicher  Frauen  und  des  Einflusses  der  Menstruation. 

Auch  bei  erheblich  gesteigerter  Milchproduktion  leidet  die-  che¬ 
mische  Zusammensetzung  der  Milch  (Eiweiss,  Fett,  Zucker,  Ge¬ 
samtasche,  Kalk)  in  keiner  Weise.  Die  Menstruation  bewirkt  eben¬ 
falls  keine  wesentlichen  quantitativen  Veränderungen  der  Milch- 
zusammensetzung.  Milchreiche  Frauen  beanspruchen  auffallender¬ 
weise  keine  besonders  vermehrte  Kalorienzufuhr. 

C.  Beck:  Die  Behandlung  der  kindlichen  Tuberkulose  mit  dem 
Rosenbach  sehen  Tuberkulin. 

Durch  30  Krankengeschichten  gestützte  Empfehlung  dieses  Mittels 
für  die  Behandlung  der  Kindertuberkulose. 

B.  B  e  n  d  i  x :  Zur  Frage  des  Zuckerzusatzes  bei  der  unnatürlichen 
Ernährung. 

Bricht  eine  Lanze  für  den  gewöhnlichen  Rohrzucker,  der  dem 
vielgebrauchten,  teuren  Milchzucker  in  jeder  Hinsicht  überlegen  sei. 

Brückner:  Zur  Frage  der  fortgesetzten  Intubation  bei  der 
Behandlung  der  diphtherischen  Kehlkopfstenose. 

Sein  ziemlich  grosses  (Dresdener)  Material  veranlasst  Br.,  bei 
erschwerter  Extubation  die  sekundäre  Tracheotomie  der  fortgesetzten 
Intubation  vorzuziehen. 

C.  Cattaneo:  Untersuchungen  über  die  Reaktion  auf  humanes 
und  bovines  Tuberkulin  in  der  Kindheit. 

Am  gleichen  Kind  Tuberkulinproben  mit  menschlichem  und 
Rindertuberkulin.  Bei  Kindern  mit  innerer  Tuberkulose  hielten  sich 
die  positiven  Ausfälle  beider  Reaktionen  so  ziemlich  die  Wage,  bei 
Kindern  mit  chirurgischer  Tuberkulose  überwog  weit  das  Rinder¬ 
tuberkulin.  Gott. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  XII,  No.  1,  1913 

1)  Privatdozent  Dr.  W.  Birk:  Ueber  den  Einfluss  psychischer 
Vorgänge  auf  den  Ernährungserfolg  bei  Säuglingen.  (Aus  der  Kinder¬ 
klinik  in  Kiel.  Direktor:  Prof.  v.  Starck.) 

Ein  neuer  Beitrag  zur  Hospitalismusfrage.  Der  Autor 
beschreibt  2  Fälle,  in  denen  es  bei  den  beobachteten  Kindern  ohne 
jedes  Vorliegen  einer  Ernährungsstörung  oder  einer  Infektion  zu  einer 
mehr  weniger  grossen  Schädigung  gekommen  ist.  Der  erste  Fall 
wurde  im  Auguste  Victoriahaus  in  Berlin  beobachtet,  gedieh  unter 
Malzsuppenernährung  gut,  blieb  aber  ganz  plötzlich  auf  seinem  Ge¬ 
wicht  stehen,  auch  als  die  Nahrungsmenge  vermehrt  wurde.  Auf 
eine  andere  Abteilung  verbracht,  in  der  man  sich  bedeutend  mehr 
mit  ihm  beschäftigen  konnte  und  in  der  es  auch  Keks  zugefüttert  be¬ 
kommen  durfte,  blühte  das  Kind  auf.  Seine  Kurve  ging  rapid  in  die 
Höhe.  Nunmehr  einer  einzelnen  Pflegerin  in  sehr  komfortablem  Milieu 
übergeben,  blieb  das  Kind  sofort  wieder  zurück,  um  auf  die  vorige 
Station  zurückgebracht,  wieder  grosse  Gewichtszunahmen  zu  zeigen. 
Birk  nimmt  an,  dass  hier  der  Ernährungserfolg  durch  psychische 
Vorgänge  in  weitgehendem  Masse  beeinflusst  worden  ist  (Versagen 
der  Einzelpflegerin,  da  es  ihr  nicht  gelang,  der  Individualität  des 
Kindes  gerecht  zu  werden  usw.).  Allerdings  ist  der  Fall  nach  B. 
nicht  ganz  rein,  da  offenbar  auf  der  allgemeinen  (1.)  Station  doch 
eine  gewisse  Unterernährung  Platz  hatte.  Der  zweite  Fall  betrifft  ein 
Kind,  das  im  Kieler  Kinderkrankenhaus  anfangs  leidlich  gedeihend, 
später  schwere,  stets  tagelang  anhaltende  Zustände  von  Anorexie 


hatte  und  infolgedessen  vollkommen  in  seiner  Ernährung  zurückblieb. 
Auch  in  Aussenpflegc  —  bei  korrekten  Leuten,  die  selbst  Kinder 
hatten  —  blieb  jeder  Erfolg  aus.  Das  Kind  ging  mit  2  Jahren  unter 
den  Erscheinungen  zunehmender  Herzschwäche  zugrunde.  Die  Ob¬ 
duktion  ergab  nichts  von  Bedeutung.  Das  Kind  war  illegitim,  die 
Mutter  hochgradig  nervös.  Dieses  psychopathisch  veranlagte  Kind 
litt  offenbar  unter  einer,  wenn  auch  sorgfältigen,  so  doch  gänzlich 
ungeeigneten  Pflege.  Unter  der  mütterlichen  Pflege  wäre  der  für 
dasselbe  notwendige  stimulierende  Einfluss  von  ausen  sicher  erreicht 
worden.  Bei  dem  ersten  Fall,  der  nach  dem  ärztlichen  Urteil  kein 
Psychopath  war,  war  gleichfalls  der  richtige  Kontakt  zwischen  Ein¬ 
zelpflegerin  und  Kind  nicht  zustande  gekommen.  Der  Autor  be¬ 
zweifelt  nach  seinem  Schlusswort  nicht,  „dass  psychische  Vorgänge 
einen  grossen  Einfluss  auf  das  körperliche  Gedeihen  von  Säuglingen 
ausüben  können“.  Das  muss  unbedingt  zugegeben  werden.  Aber 
Referent  möchte  doch  unterstreichen,  dass  so  schwere  Vorkomm¬ 
nisse  —  wie  sie  B  i  r  k  schildert  (bei  Fall  2)  —  nur  bei  Psychopathen 
möglich  sind,  und  dass  dem  Autor  Fall  1  selbst  nicht  als  rein  erscheint. 

2)  Dr.  Martin  Kretschmer:  Ueber  die  Aetiologie  des  Schar¬ 
lachs.  (Aus  der  Kinderklinik  und  dem  hygienischen  Institut!  der 
Universität  Strassburg  i.  Eis.) 

Sammelreferat  über  die  bisherigen  Forschungsergebnisse  unter 
Mitteilung  eigener  Untersuchungen.  Die  Impfversuche  des  Autors 
(mit  Scharlachblut,  Blutserum,  Harn,  Zungenbelag,  Drüsenpunktat, 
Zerebrospinalflüssigkeit,  künstlich  erzeugtem  Blaseninhalt,  Haut¬ 
schuppen,  Organaufschwemmungen,  Streptokokken)  wurden  an  den 
gewöhnlichen  Laboratoriumstieren  (Mäusen,  Meerschweinchen, 
Kaninchen)  vorgenommen.  „Das  Ergebnis  der  Forschungen  nach  der 
Aetiologie  des  Scharlachs  ist  trotz  aller  Mühe  bisher  ein  negatives“. 

3)  Professor  Dr.  Arthur  Schlossmann:  Die  Arbeitsleistung 
des  Säuglings.  (Aus  der  akademischen  Kinderklinik  in  Düsseldorf.) 

Eine  Reihe  von  Berechnungen,  welche  dazu  führen,  die  Arbeits¬ 
leistung  des  Säuglings  (durch  Muskeltätigkeit)  höher  zu  bewerten,  als 
dies  bisher  geschah.  Ein  sehr  unruhiges  Kind  Heubners  z.  B. 
vollbrachte  12  Stunden  lang  (pro  Kilogramm  Muskulatur)  707  m/kg 
als  Stundenleistung  (\V  i  s  1  i  c  e  n  u  s  bei  der  bekannten  Faulhorn¬ 
besteigung  729  m/kg).  Die  sogenannten  Standardzahlen  für  die  Er¬ 
nährung  müssen  in  weitem  Masse  schwanken,  je  nachdem  es  sich 
um  ruhige  oder  unruhige  Säuglinge  handelt.  „Das  Temperament 
einerseits,  alle  Momente,  die  beunruhigend  auf  den  Säugling  ein¬ 
wirken,  anderseits,  werden  die  Höhe  der  Kalorienzahl  beeinflussen, 
deren  ein  Säugling  zum  Gedeihen  bedarf.“  Bei  respiratorischen  Stoff¬ 
wechselversuchen  am  Säugling  müssen  die  Bewegungen  des  Kindes 
im  Versuche  registriert  werden.  (Vergl.  d.  W.  No.  6,  S.  285.) 

4)  Dr.  Ernst  Schloss:  Bemerkungen  zu  einer  Kritik  von 
Professor  Leo  L  a  n  g  s  t  e  i  n  über  mein  Buch  „Ueber  Säuglings¬ 
ernährung“. 

Polemik.  Albert  Uffenheimer  -  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  Bd.  46,  3.  Heft. 

Zaloziecki  -  Leipzig :  Zur  Frage  der  „Permeabilität  der 
Meningen“,  insbesondere  Immunstoffen  gegenüber. 

Verf.  kommt  auf  Grund  seiner  mühevollen  Untersuchungen  zu 
folgenden  Resultaten:  „1.  Agglutinine  (Typhus,  Paratyphus)  können 
im  Liquor  erst  nachweisbar  werden,  wenn  sie  im  Serum  in  hoher 
Konzentration  Vorkommen;  mit  Zunahme  dieser  sowie  mit  Steigen 
des  Liquoreiweissgehaltes  nehmen  sie  an  „Menge“  im  Liquor  zu. 
2.  Den  gleichen  Gesetzen  gehorchen  auch  die  Hammelblutambozep¬ 
toren;  da  sie  normalerweise  nur  in  geringer  Konzentration  im  Serum 
vorhanden  sind,  sind  sie  im  normalen  Liquor  auch  in  der  Weil- 
Kafka  sehen  Anordnung  nicht  nachweisbar;  bei  jeder  Eiweiss¬ 
zunahme  des  Liquor  nimmt  auch  parallel  mit  dieser  die  Möglichkeit 
ihres  Nachweises  zu,  doch  ist  für  den  positiven  Ausfall  des  Nach¬ 
weises  auch  ihr  gleichzeitiger  Gehalt  im  Serum  massgebend.  4.  Hämo¬ 
lytisches  Komplement  tritt  im  Liquor  bei  allen  Krankheitsprozessen 
auf,  die  zu  Fibrinogenübertritt  in  den  Liquor  führen  und  bleibt  nur 
so  lange  nachweisbar,  als  im  Liquor  Gerinnselbildung  da  ist.  Bei 
Blutungen  mit  Durchbruch  hält  es  sich  mindestens  mehrere  Tage 
darin.  4.  Die  Untersuchung  auf  hämolytischen  Ambozeptor  und  auf 
Komplement  ist  diagnostisch  bedeutungslos,  da  sie  durch  die  ein¬ 
facheren  und  zuverlässigeren  Eiweissreaktionen  ersetzbar  sind.“ 

Michaelsen  -  Hamburg :  Beitrag  zur  kalorischen  Funktions- 
Prüfung  des  Vestibularapparates. 

Die  praktische  Bedeutung  der  B  ä  r  ä  n  y  sehen  Untersuchungs¬ 
methoden  wird  an  der  Hand  von  39  Fällen  dargelegt. 

S  a  u  e  r  -  Hamburg:  Fehlen  der  Bauchdeckenreflexe  bei  chro¬ 
nischem  Alkoholismus. 

Auf  die  Prüfung  der  Bauchdeckenreflexe  wird  nach  Verf.  ent¬ 
schieden  zu  wenig  Gewicht  gelegt.  Sie  kann  differentialdiagnostisch 
grosse  Dienste  leisten.  So  bei  Feststellung  des  chronischen  Alkoholis¬ 
mus,  bei  dem  nach  den  Erhebungen  des  Verf.  sehr  häufig  mindestens 
einer  der  6  Bauchdeckenreflexe  fehlt.  Bei  sehr  starken  Potatoren  mit 
drohendem  Delirium  findet  man  dagegen  diese  Reflexe  gesteigert. 

Grund-  Halle :  Ueber  Eosinophilie  im  Liquor  cerebrospinalis 
bei  Rautengrubenzystizerkus. 

Bei  einem  Fall  von  Zystizerkus  im  IV.  Ventrikel  fand  sich  eine 
ausgesprochene  Eosinophilie  des  Liquor  cerebrospinalis,  der  para¬ 
sitären  Natur  der  Erkrankung  entsprechend.  Würde  sich  dieser  Be¬ 
fund  als  konstant  bei  Zystizerkus  erweisen,  so  wäre  damit  ein  wichti- 


1220 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


'•rer  diagnostischer  Hinweis  bei  der  sonst  so  schwierig  zu  stellenden 
gewonnen.  Das  würde  unter  Umständen  auch  die  Vor" 

f4rhchkp?terh^Uniba  PKnktl°n/echtrertigen  trotz  ihrer  Sassen  Ge- 
grube  kC  t  be  raumbeengenden  Prozessen  der  hinteren  Schädel- 

1  Hi  g  e  r- Hamburg:  Ein  Beitrag  zur  Differentiadiagnose  zwi- 
schen  den  syphilogenen  Erkrankungen:  progressiver  Paralyse  und 
r;?be*  ^orsahs  und  dem  Alcoholismus  chronicus  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  „4  Reaktionen". 

*  .  Bifferentialdiagnose  zwischen  Tabes  und  Paralyse  einerseits 
“l0h0  IS*müs  ?ndererseits  gehört  oft  zu  den  schwersten  Auf- 
QPitpnÄnk°F^Int  docb  n?cb  Nonne  reflektorische  Pupillenstarre  in 
seltenen  Fallen  auch  bei  nichtluetischen  Alkoholikern  vor.  Hier 
fe""  hauhg  der  Ausfall  der  „4  Reaktionen“  (Wassermann  sehe 
id  '  w-  B  Ut  .un<?.  •1Jm  Lumbalpunktat,  Lymphozytose  und 
Phase-I-Reaktion)  entscheiden.  13  Krankengeschichten  illustrieren 
trefflich  das  Gesagte. 

...  j  c  b  u„m  ,m  und  Fleischmann  -  Hamburg:  Untersuchungen 
über  den  Alkoholgehalt  der  Spinalfliissigkeit  bei  Alkoholisten  und  Deli¬ 
ranten. 

S  c  h  u  m  m  berichtet  über  die  Methodik  des  Alkoholnachweises, 
deren  Einzelheiten  im  Original  nachgelesen  werden  müssen 

Auf  Grund  der  klinischen  Untersuchungen  konnte  Fleisch- 
™.a  u0!  ug,en jes  /oststellen:  Bei  akut  Betrunkenen  hält  sich  der 
Alkoholgehalt  des  Liquor  je  nach  genossener  Alkoholmenge  zwischen 
on  Pron?-  und  fäIlt  langsam  in  den  nächsten  2  Stunden.  Nach 

fi.  .  Ilden  lst  nichts  mehr  nachweisbar.  Nach  einmaliger  Alko¬ 
holgabe  ist  der  Alkoholgehalt  des  Liquor  ungefähr  proportional  der 
u!n^.eJ  v  o,en  QuanFtät.  Er  steigt  in  der  ersten  Stunde  schnell  an, 
u  *  ^und®n  auf  der  gleichen  Höhe  und  sinkt  dann  ebenso  schnell 
ab.  Nach  10  Stunden  ist  das  Lumbalpunktat  wieder  alkoholfrei.  Bei 
Deliranten  wurde  im  Liquor,  wenn  nach  24  ständiger  Alkoholabsti¬ 
nenz  punktiert  wurde,  fast  immer  Alkohol  vermisst,  was  Verf  zu 
dem  wohl  zu  weitgehenden  Schluss  verleitet,  dass  das  Delirium 
tremens  doch  als  eine  Abstinenzerscheinung  aufzufassen  sei.  Jeden- 
falls  ,^ird  aber  hierdurch  die  Ansicht  widerlegt,  dass  beim  Delirium 
der  Alkoholgehalt  des  Liquor  verhältnismässig  gross  sei. 

O.  Renner  - Augsburg. 

Frankfurter  Zeitschrift  für  Pathologie.  Begründet  von 
Eugen  A  1  b  r  e  c  h  t.  Herausgegeben  von  Bernhard  Fischer. 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  Wiesbaden  1913.  XII.  Band. 
2.  Heft. 

1)  v.  Wer  dt:  Zur  Histologie  und  Genese  der  miliaren  Leber- 

wo  S  dem  Pathol.-Anatom.  Institut  der  Universität  Inns¬ 
bruck.)  (Pommer.) 

.  Dje  n°r,mal?/weise  bis  zum  9.  Monat  in  der  fötalen  Leber  sich 
findenden  Blutbildungsherde  persistieren  bei  luetischen  Föten  auch 
na^  dJ?r  Gehurt.  Sie  haben  aber  mit  miliaren  Gummen  nichts 
ZI  i*!?-’  die  Granulome  mit  oder  ohne  Nekrosen  darstellen.  Offenbar 
sind  die  miliaren  Lebergummen  Folgen  von  ausgedehntem  Untergang 
von  Spirochäten  in  der  Leber. 

Pafhni  f  V  Ueber  Gchronose  bei  Mensch  und  Tier.  (Aus  dem 

1  athol.  Institut  des  Krankenhauses  im  Friedrichshain.)  (Pick) 

K^uull°SlP.chrono,Se  der  Tiere'  die  beim  Rinde.  Schwein  und 
£!br  b e°bachtet  wtirdc.  unterscheidet  sich  von  der  menschlichen 

sächUrh  HpV°v  3  6mi  <5?rch  lhre  Lokalisation;  während  dort  haupt- 
hpfnp  hrd  RnorPel  die  schwarze  Verfärbung  erkennen  lässt,  ist 
ierfärh/1 ^ei0cbro.nose  das  Skelett  vor  allem  dunkelbraun  bis  schwarz 
verfärbt.  Auch  die  inneren  Organe  der  Tiere  zeigen  häufig  starke 
lgmentablagerung.  Die  chemische  Untersuchung  des  Pigments 

wnhbt  tineV-  tlsenhaWge.n  Körper,  der  von  Melanin  verschiedet  ist! 
wahrscheinlich  ein  Derivat  des  Blutfarbstoffes  darstellt,  verwandt 
™  ,saaeren  Hamatin.  Es  ist  also  die  Ochronose  der  Tiere 

i?  m !licb  v.e/schieden  von  der  des  Menschen,  die  als  Stoff- 
dS^erkeraÄä  %nZfehen  isJ'  An  Stuelle  d«  Namens  Ochronose 
der  Tiere  vor  ^  SchmeV  die  Bezeichnung  Osteohämochromatose 

A  lb„r e  c£.t:  ?ur  Futslehung  der  myeloiden  Metaplasie  bei 

SSTS.fMliS1*  <Aus  der  "•  mediz- Kli,,ik  in 

Pyrödinvergiftungen  zeigen  alle  Versuchstiere  myeloide  Um- 

mvtd  t  S  dreruMlLZ’  z‘  r-  auch  myeloide  Herde  in  der  Leber.  Diese 
myeloiden  Leberherde  wurden  auch  bei  entmilzten  Tieren  nach- 

Se-n’  'vomit  der  Beweis  geliefert  ist,  dass  es  zu  ihrer  Entstehung 
"’cht  der  Einwanderung  von  Zellen  von  der  Milz  her  bedürfe  Die 

öfeVer'^t  ertraRe"  die  Vergiftung  durchschnittlich  länger  als 
die \crgleichstiere;  eine  Beobachtung,  die  bei  Vergiftungen  schon  öft^r 
*?™cht  xXurde’  und  das  lässt  daran  denken,  dass  bei  den  Ve^giffuSget 
"  f1?” nicbt  spezielle  Elemente  so  doch  Toxine  aus  der  schwer  ee- 
fckad‘gten.  and  mit  Zerfallsmaterial  gefüllten  Milz  in  die  Leber  ge- 
n  mtlPtdrd  h  Sekl!nduar  schädig:en,  was  bei  Fehlen  der  Milz  nicht 
dandn  9n  J®  V10!:  1Ch-  1S‘\  ?ie  Zerfallsprodukte  der  Zellen  gehen 
d  4)  EhS  Iv  f.  "r  16  Lymphdrüsen  oder  das  Knochenmark. 
vnn  V  F .  k  M  IX  ®. Bemerkungen  zu  der  vorstehenden  Arbeit 
von  F.  Alb  recht  über  myeloide  Metaplasie. 

Mernbergs  Versuche  berechtigen  nicht  das  Vnrknmmen 

Die6  Versuche1 's^e^nh  d®r  °rgan<F  bei  Blutgiftanämie  zu  leugnen. 
Versuche  Sternbergs  in  dieser  Frage  leiden  daran,  dass 


No.  22. 


Sternberg  wirklich  chronische  Anämien  nicht  erzeugte  und  dass 
seine  Kontrolluntersuchungen  nicht  brauchbar  sind. 

o)  ingier:  Ueber  die  bei  der  Schnüffelkrankheit  am  Rumof. 
Und  Lxtremitatenskelett  auftretenden  Veränderungen.  (Aus  dem 

Äm“ h m oi'u  des  Friedrichs,äd,e'  Krankenhauses  ™ 

..,r  R‘e,  Schnüffelkrankheit  steht  der  Ostitis  fibrosa  des  Menschen 
sehr  nahe.  Die  charakteristischen  Veränderungen  finden  sich  nicht 
nur  am  Schädel,  wo  sie  am  ausgesprochensten  sind,  sondern  auch 
m  übrigen  Skelett  infolge  ausgedehnter  Resorptions-  und  Neu¬ 
bildungsprozesse.  Die  Veränderungen  besonders  an  den  Knornel- 
knochengren^n  sind  wohl  makroskopisch  der  der  Rachitis  ähnlich 
babef"aber  m.ltlhr  nichts  zu  tun.  Die  Störungen  der  endochondralen 
Ossifikation  sind  bei  der  Schnüffelkrankheit  sekundär,  abhängig  von 
den  m  den  subchondralen  Zonen  lokalisierten  Resorptions-  und 
M  ucherungsherden.  Die  Schnüffelkrankheit  kommt  manchmal  ge- 

,ei!neil1  Wurfe  vor’  difL  familiäre  Häufung  lässt  an  Infektion 
als  Ursache  der  eigenartigen  Erkrankung  denken. 

.  6)  Schönberg:  Zur  Aetiologie  der  Cystitis  emphysematosa 

ein  Beitrag  zur  Gasbildung  der  Bakterien  der  Koligruppe.  (Aus  dem 

Pathol.-Anatom.  Institut  Basel.)  (Hedinger.) 

R.b*Mehrereu  Falle  mit  Zystitis  emphysematosa.  Die  gasbildenden 
Bakterien  gehören  anscheinend  der  Koligruppe  an,  unterscheiden  sich 
aber  vom  gewöhnlichen  Bacterium  coli  in  mancher  Beziehung,  be- 
sonders  durch  die  Fähigkeit,  in  nicht  zuckerhaltigen  Nährböden'  und 
auf  tierischem  Gewebe  Gas  zu  entwickeln. 

/\Flebbe-,  Ueber  da§  Magensarkom.  (Aus  dem  Pathol.  In¬ 
stitut  des  stadt.  Krankenhauses  zu  Wiesbaden.)  (Herxheimer.) 

Beschreibung  eines  Falles  von  diffusem  Magenlvmphosarkom  mit 
ausgedehnten  Metastasen  bei  einem  22  jährigen  Mann.  Die  Qe 
rhhJUi!  b  •lclun?  geht.  wahrscheinlich  von  der  Submukosa  aus 
Charakteristisch  für  sie  ist  der  Nachweis  eines  Bindegewebes  und 

ida*-  de™  der  LymPhdrüsen  vollständig  entspricht 
erkifanktedn  Paffen'6  aÜV  £UnStlge  Pr°Sn0Se  der  Radikaloperation  der 

/ j-v  s)  1 » a  m  m  a  n :  Zur  Pathologie  der  Adipositas  dolorosa 

München“.)  (Bor st3)'  1  (AUS  d£m  KgL  PathoL  Institute  zu 

,  Sf?he  die  ausführliche  Mitteilung  von  Schmincke:  Münch 
med.  Wochenschr.  S.  2138/1912.  Oberndorfer-  München 

Arbeiten  aus  dem  kaiserlichen  Gesundheitsamte.  44  Bd 

II.  Heft,  1913  mit  3  Tafeln.  '  ' 

Rauschbrändkadaverii?erIln  =  Ueber  d'e  Desinlek,i»"  von 

..  ,B?f  der  experimentellen  Untersuchung  über  die  Desinfektions- 
moglichkeit  von  Rauschbrandhäuten  stellte  es  sich  heraus,  dass 

a  Pn?Z-  uL  y  S  °J;  HndT-,5  proz-  Karbolsäurelösung  noch  nach 
4  Wochen  nicht  die  Rauschbrandbazillen  abtöteten.  Sublimat  in 
1  prom.  Losung  vernichtet  in  dieser  Zeit  zwar  die  Keime,  doch 
werden  die  Häute  auch  für  die  weitere  Verarbeitung  unbrauchbar. 
Die  bisher  als  brauchbar  erkannte  Methode  besteht  in  der  Be- 

vnnZ  onnr  ’f  ‘-C  k  e  1  f  1  ü  s  s  i  g  k  e  i  t“,  welche  in  Konzentrationen 
von  2  proz.  Salzsaure  und  10  proz.  Chlornatrium  in  24  Stunden  alle 
Rauschbrandkeime  in  Rinderhäuten  abtötet.  Die  Häute  werden  in 
grosse  Holzgefässe  gebracht  mit  Pickelflüssigkeit  (9  Liter 
Salzsaure  [25  proz.]  und  12  kg  Kochsalz  auf  100  Liter  Wasser)  über¬ 
gossen,  dass  sie  ganz  überdeckt  sind,  2  Tage  liegen  gelassen  und  dann 
nerausgenommen.  Sie  können  nunmehr  zur  Verwertung  freigegeben 

VV  CI  UCIJ. 

*  3)  Gärtner  Le  psi  us,  Hofer  —  Jena,  Berlin,  München: 

Gutachten  des  Reichsgesundheitsrates,  betreffend  die  Verunreinigung 
der  grossen  Röder  durch  die  Abwässer  der  Zellulosefabrik  von 
Kubier  und  Niethanner  in  Gröditz  in  Sachsen. 

r  *  4LK-  Lehmann,  Keller,  Spitta  —  Würzburg,  Berlin: 
Gutachten  des  Reichsgesundheitsrates,  betreffend  die  Abwässerbe¬ 
seitigung  der  Stadt  Offenbach  am  Main. 

•  h*'6  Ä»  Gutachten,  welche  unter  Verwendung  eines  grossen 
vissenschafthchen  Apparates  durchgeführt  wurden,  bieten  für  In¬ 
teressenten  ein  sehr  beachtenswertes  Unterlagenmaterial. 

f ...  3)  Erich  H  e  s  s  e  -  Berlin:  Ueber  die  Verwendbarkeit  der  „Eisen- 
ialiung  zur  direkten  Keimzählung  in  Wasserproben. 

Die  Arbeit  stellt  eine  Nachprüfung  der  von  P.  Th.  M  ü  1 1  e  r  an- 
g egebenen  Schnei  methode  der  bakteriologischen  Wasseruntersuchung 
dar-  inn  U\l/  e  r  falIt^  das  Wasser  unter  vorherigem  Zusatz  von  5  ccm 
auf  100  Wasser  mit  5  Tropfen  Liquor  ferri  oxychlorati 
aus,  färbte  den  Niederschlag  mittels  Gentianaviolettlösung,  zentri- 
tugierte  älsrlann  den  Niederschlag  und  zählte  in  einem  aliquoten  Teil 
des  Niederschlages  die  Bakterienmenge. 

..  ,Yerk  k?mn?l  bel  se*ner  Nachprüfung  zu  dem  Ergebnis,  dass  das 
11  'Je  r  sehe  Verfahren  nicht  die  Sicherheit  für  eine  genügende 
quantitative  Leistung  habe.  Die  Fehlerquellen  sind  zu  suchen  in  der 
„Unmöglichkeit,  auch  in  sehr  wohlgelungenen  Präparaten  eine  einiger- 
inassen  genaue  Zählung  der  Bakterien  vorzunehmen,  ferner  in  häufig 
nicht  zu  vermeidenden  Schwierigkeiten  und  Hindernissen  der  tecn- 
msc  len  Ausführung  und  schliesslich  in  der  Ungleichmässigkeit  der 
rallungsausbeute  .  Für  eine  schnelle  orientierende  Voruntersuchung 
von  Wasserproben  ist  die  M  ü  1 1  e  r  sehe  Methode  iedoch  sehr  wohl 
verwertbar. 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1231 


6)  Hirschbruch  und  M  a  r  g  g  r  a  f  -  Metz:  Zur  Frage  der 
Haltbarkeit  der  Typliusbazillen  auf  verschiedenen  Ficischarten. 

Typhusbakterien  wurden  auf  Rind-,  Kalb-,  Hammel-,  Schweine¬ 
fleisch  und  Kalbsleber  geimpft  und  sich  selbst  überlassen.  Es  konnte 
nachgewiesen  werden,  dass  auf  allen  Fleisch  arten,  gleich¬ 
gültig  ob  sie  in  gewöhnlicher  Temperatur  oder  im  Eisschrank  auf¬ 
bewahrt  wurden,  bis  zum  50.  Tage  Typhusbazillen  zu  finden  waren. 
Auf  der  Leber  lebten  sie  im  Eisschrank  noch  nach  22  Tagen. 

R.  0.  Neumann  - Qiessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  21,  1913. 

1)  Q  1  u  c  k  -  Berlin:  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Chirurgie 

der  oberen  Luft-  und  Speisewege.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung 
der  Laryngologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  am  14.  Februar  1913.) 

Die  Ausführungen  des  Verfassers  sowie  ganz  besonders  die 
demonstrierten  Fälle  zeigen,  dass  wir  von  den  subtilsten  konserva¬ 
tiven  Operationen  der  oberen  Luft-  und  Speisewege  bis  zu  den  radi¬ 
kalsten  und  eingreifendsten  in  der  Lage  sind,  durch  unsere  operativen 
Methoden  funktionelle  und  kosmetische  Dauerresultate  zu  erzielen. 

2)  Knud  F  a  b  e  r  -  Kopenhagen :  Anämische  Zustände  bei  der 
chronischen  Achylia  gastrica.  (Vortrag,  gehalten  in  der  medizinischen 
Gesellschaft  zu  Kopenhagen.) 

Verfasser  legt  im  Vorliegenden  dar,  dass  die  Gastritis  nicht  eine 
Folge  der  Anämie  ist,  und  dass  die  Gastritis  und  die  Anämie  nicht  auf 
einer  gemeinsamen  Ursache  beruhen,  sondern  dass  die  chronische 
Gastritis  mit  Achylie  der  Anämie  vorangeht  und  in  ursächlichem  Ver¬ 
hältnis  zu  der  Anämie  steht. 

3)  D  ö  1  k  e  n  -  Leipzig:  Ueber  Heilung  tabischer  Erscheinungen 
durch  Arsen  und  durch  Bakterienpräparate. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  haben  gezeigt,  dass  die  Entgif¬ 
tung  des  Tabesvirus  im  menschlichen  Körper  durch  eine  ganze  Reihe 
von  Bakterienpräparaten  —  sicher  auf  Zeit  —  erreicht  werden  kann. 
Der  Effekt  ist  nicht  durch  das  Bakterieneiweiss,  sondern  in  der 
Hauptsache  durch  Endotoxine  bedingt.  So  sind  sehr  rasch  ge¬ 
wachsene  Pyozyaneuskulturen  selbst  in  hohen  Dosen  nicht  stark 
wirksam.  Staphylokokkenvakzine  ist  selbst  in  grossen  Dosen  wenig 
wirksam,  die  Staphylokokkenvakzine  aber,  welche  einen  kurzdauern¬ 
den  autolytischen  Prozess  durchgemacht  hat,  vermag  in  geringen 
Mengen  intensive  Wirkung  zu  entfalten.  Die  Versuche  werden  noch 
weiter  fortgeführt. 

4)  Obermiller  -  Strassburg  i.  E. :  Ueber  Arsenlähmungen.  Ein 
Beitrag  zur  Beurteilung  der  Nebenwirkungen  des  Salvarsans  (özw. 
Neosalvarsans). 

Nach  Ansicht  des  Verfassers  spielen  überhaupt  bei  all  den  ver¬ 
schiedenen  Nebenwirkungen  des  Salvarsans  und  Neosalvarsans  andere 
Momente  als  die  Arsenvergiftung  keine  Rolle.  Im  besonderen  kommt 
dem  Wasserfehler,  d.  h.  dem  Vorhandensein  abgetöteter,  banaler 
Wassermikroben  in  sonst  sterilem  Lösungswasser  nach  den  hier  an- 
gestellten  Versuchen  praktisch  gar  keine  Bedeutung  zu.  Die  Reaktion 
auf  Salvarsan  und  Neosalvarsan  ist  rein  arsenotoxisch  und  bei  der 
Regellosigkeit  in  ihrem  Auftreten  eben  noch  abhängig  von  indivi¬ 
duellen  konstitutionellen  Verhältnissen  von  seiten  des  Patienten. 

5)  Leo  A  d  1  e  r  -  Berlin-Schöneberg:  Zur  Adrenalinbestimmung 
im  Blut. 

ln  Berücksichtigung  der  durch  Versuche  gefundenen  äusserst  ge¬ 
ringen  Adrenalinwerte  im  arteriellen  Blute  muss  der  Verfasser  mit 
anderen  Autoren  stark  bezweifeln,  dass  das  ins  Blut  sezernierte 
Adrenalin  ein  direkter  Regulatur  des  Blutdruckes  ist. 

6)  Vorkastner  - Greifswald :  Psychiatrie  und  Presse.  (Nach 
einem  am  17.  November  1912  im  Verein  der  Aerzte  des  Regierungs¬ 
bezirkes  Stettin  gehaltenen  Vortrag.) 

Nach  Ansicht  des  Verfassers  hat  die  Presse  eine  verhängnisvolle 
Rolle  bei  dem  Grosswerden  der  ganzen  gegen  die  Irrenärzte  ge¬ 
richteten  Bewegung  gespielt  und  sie  spielt  sie  zum  Teil  noch.  Von 
Verbesserungsvorschlägen  erscheint  der  folgende  am  ansprechend¬ 
sten:  Die  Irrenärzte  wählen  aus  ihrer  Mitte  eine  Kommission,  welche 
sich  mit  den  Standesvereinen  der  Presse  in  Verbindung  setzt  und 
sich  erbietet,  gewissermassen  als  Auskunftsbureau  über  zweifelhafte 
Irrsinnsfälle  zu  dienen,  ev.  solche  mit  einer  Pressekommission  zu 
prüfen.  Die  Kommission  soll  kein  Urteil  fällen,  sondern  sie  soll 
den  Zeitungen  ausführliches  Material  zur  Verfügung  stellen,  damit 
an  dessen  Hand  die  Presse  und  eventuell  das  Publikum  selbst  sich 
ein  Urteil  bilden  kann.  Dr.  Grassmann-  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  21,  1913. 

1)  W.  Z  a  n  g  e  m  e  i  s  t  e  r  -  Marburg  a.  L. :  Die  Anwendung  des 
neuen  Diphtherieschutzmittels  in  der  Marburger  Frauenklinik. 

Bei  Schwangeren  liegt  die  Reaktionsschwelle  für  das  Diphtherie¬ 
toxinantitoxingemisch  bei  etwa  30  mg,  wenn  keine  Diphtherie  vorauf¬ 
gegangen  war;  bei  überstandener  Diphtherie  war  die  zur  Reaktion 
notwendige  Menge  wesentlich  kleiner;  beim  Neugeborenen  ist  da¬ 
gegen  eine  Menge  von  100  mg  erforderlich.  Von  der  immunisierten 
Mutter  können  die  Schutzstoffe  auf  natürlichem  Wege  in  das  Kind 
übergehen;  auch  kann  das  Plazentarblut  zu  Immunisierungs-  und  Heil¬ 
zwecken  Verwendung  finden. 

2)  V  i  e  r  e  c  k  -  Marburg  a.  L.:  Technische  und  theoretische  Be¬ 
merkungen  zur  Anwendung  des  neuen  Diphtherieschutzmittels. 

Gibt  Einzelheiten  zur  Ausführung  der  subkutanen  Injektionen 
beim  Menschen,  sowie  zur  Beurteilung  der  örtlichen  und  allgemeinen 


Reizwirkungen.  Ferner  wird  die  Prüfung  des  Blutes  auf  seinen  Anti¬ 
toxingehalt  besprochen. 

3)  E.  v.  Behring;  Anhang. 

Bemerkungen  zur  Dosierung  seines  neuen  Diphtherieschutz¬ 
mittels,  namentlich  auch  in  den  Fällen  von  Ueber-  oder  Unterempfind¬ 
lichkeit. 

4)  E.  Gildemeister  und  K.  Baerthlein  -  Berlin :  Bak¬ 
teriologische  Untersuchungen  bei  darmkranken  Säuglingen. 

Verhältnismässig  häufig  waren  bei  darmkranken  Säuglingen  Bak¬ 
terien  der  giftarmen  Ruhrgruppe  zu  finden,  ferner  Bacterium  proteus, 
Bacterium  pyocyaneum,  Bacterium  coli  mutabile  und  Dahlem-Bak¬ 
terien,  endlich  Paratyphus-B-Bakterien  und  Gaertnerbazillen.  Es  ist 
anzunehmen,  dass  die  genannten  Mikroorganismen  in  einem  gewissen 
ätiologischen  Zusammenhang  mit  der  Darmerkrankung  stehen;  zur 
Entfaltung  ihrer  schädigenden  Wirkung  scheint  es  aber  erst  eines 
äusseren  Anlasses  (Diätveränderung  u.  ä.)  zu  bedürfen,  da  z.  B.  Ruhr¬ 
bazillen  auch  bei  gesunden  Säuglingen  gefunden  wurden. 

5)  G.  Steiner  -  Strassburg  i.  E. :  Histopathologische  Befunde  am 
Zentralnervensystem  syphilitischer  Kaninchen. 

In  den  bindegewebigen  Hüllen  des  Zentralnervensystems  sowie 
an  seinen  Gefässen  Hessen  sich  entzündliche  Reaktionen  in  Form 
von  mehr  oder  weniger  herdartigen  Zellinfiltrationen  nachweisen; 
diese  fanden  sich  auch  in  einzelnen  Spinalganglienzellengruppen,  in 
der  Grosshirnrinde,  im  Perineurium  einzelner  Spinalnervenbündel. 
Diese  entzündlichen  Veränderungen  waren  in  den  mehr  kaudalwärts 
gelegenen  Teilen  des  Rückenmarks  stärker  ausgeprägt. 

6)  M.  T  s  u  z  u  k  i -  Himeji  (Japan):  Antiluetin,  ein  neues  Mittel 
der  Kombinationstherapie. 

Das  Bitartrato-Kalium-Ammonium-Antimonoxyd,  Antiluetin 
genannt,  ist  durch  eine  hervorragend  parasitotrope  Wirkung,  bei  ge¬ 
ringer  organotroper  Wirkung  ausgezeichnet;  die  daraus  sich  er¬ 
gebende  starke  spirillozide  Wirkung  ist  eine  Folge  der  besonderen 
chemischen  Anordnung  des  Präparates,  wie  hier  näher  auseinander¬ 
gesetzt  wird. 

7)  M.  Tsuzuki,  K.  Ichibagase,  H.  Hagashi  und 
H  t  a  n  o  -  Himeji  (Japan) :  Die  therapeutische  Wirkung  des  Antiluetins. 

Antiluetin  erscheint  namentlich  auch  in  Kombination  mit  den 
übrigen  Syphilismitteln  als  ein  wirksames  Präparat  in  der  Therapie 
der  Lues.  Es  wird  subkutan  (zwischen  den  Schulterblättern)  mit 
möglichst  dünner  Nadel  in  steigenden  Mengen  von  0,025  bis  0,05,  ja 
bis  0,06  und  0,1  pro  die  injiziert.  Zur  Vermeidung  von  Schmerzen 
muss  dem  Präparat  etwas  Kokain  zugesetzt  werden. 

Rp.  Antiluetin 

Cocain,  hydrochlor.  aa  2,5 
Aq.  dest.  100,0 

MDS.  1 — 2  ccm  subkutan  zu  injizieren. 

Als  Dosis  therapeutica  sterilisans  magna  wird  0,75  g  angesehen. 

8)  Th.  Rosenheim  -  Berlin:  Ueber  Colitis  chronica  gravis. 

Die  mit  blutigen  und  eitrigen  Diarrhöen  einhergehende  Colitis 

chronica  gravis  kann  gewiss  nicht  in  allen  Fällen  Gegenstand  eines 
operativen  Eingriffes  sein.  Dass  aber  die  Anlegung  einer  Zoekalfistel 
bei  solchen  Kranken,  denen  gegenüber  alle  Hilfsmittel  der  internen 
Therapie  versagt  haben,  direkt  lebensrettend  wirken  kann,  zeigen 
einige  hier  mitgeteilte  Krankengeschichten.  Der  gute  Erfolg  solch 
einer  Zoekalfistel  beruht  auf  der  Entlastung  des  in  mehr  oder  weniger 
grosser  Ausdehnung  erkrankten  Dickdarmes  und  seiner  auf  diese 
Weise  ermöglichten  direkten  medikamentösen  Behandlung.  Neben 
der  Operation  hat  natürlich  eine  sorgfältige  diätetische  Kur  einher¬ 
zugehen.  Jeder  leichtere  Darmkatarrh  kann,  zumal  bei  anämischen 
und  nervösen  Personen,  in  die  schwere  Form  übergehen  und  ist  daher 
von  Anfang  an  gründlich  zu  behandeln. 

9)  J.  W.  McNee  -  Glasgow:  Zur  Frage  des  Cholestearingehaltes 
der  Galle  während  der  Schwangerschaft. 

Die  Untersuchung  des  Gallenblaseninhaltes  Schwangerer,  vorge¬ 
nommen  sowohl  nach  der  Methode  von  Windau  als  nach  der  von 
W  e  s  t  o  n  und  K  e  n  t,  ergab  einen  ganz  bedeutend  höheren  Gehalt 
an  Cholestearin,  als  er  in  der  Galle  anderer  Individuen  gefunden 
wird;  es  fanden  sich  Werte  bis  0,680  Proz.  In  denselben  Fällen 
wurde  auch  eine  Vermehrung  des  Cholestearingehaltes  in  den  Neben¬ 
nieren  festgestellt  (Landau);  darauf  ist  wohl  die  mehrfach  be¬ 
schriebene  Hypertrophie  der  Nebennierenrinde  während  der 
Schwangerschaft  zurückzuführen. 

10)  L.  A  s  c  h  o  f  f  -  Freiburg  i.  Br. :  Bemerkung  zur  obigen  Arbeit. 

Da  es  durchaus  zulässig  erscheint,  von  der  Beschaffenheit  des 

Gallenblaseninhaltes  auf  die  Zusammensetzung  der  Lebergalle  zu 
schliessen,  so  muss  angenommen  werden,  dass  in  die  Galle  schon 
relativ  früh  während  der  Schwangerschaft  eine  vermehrte  Chole- 
stearinausscheidung  stattfindet.  Da  nach  A  s  c  h  o  f  f  und  Bac- 
m  e  i  s  t  e  r  eine  Cholestearindiathese  in  ursächlichem  Zusammen¬ 
hänge  mit  der  Bildung  reiner  Cholestearinsteine  besteht,  so  ist  das 
Auftreten  von  Gallensteinanfällen  gerade  im  Anschluss  an  Gra¬ 
viditäten  gut  erklärlich. 

11)  Heinrich  L.  B  a  u  m  -  München:  Die  traumatische  Venen- 
thrombose  an  der  oberen  Extremität.  (Nach  einem  Vortrag  im  Aerztl. 
Verein  München  am  26.  Februar  1913.) 

Vergl.  den  Sitzungsbericht. 

12)  L  i  s  s  m  a  n  n  -  München:  Ein  Fall  von  seltener  Potenz¬ 
störung. 

Aspermatismus  bei  Kohabitation,  dagegen  normales  Ejakulat  bei 
Masturbation;  die  sonst  so  wertvolle  epidurale  Yohimbininjektion  blieb 
erfolglos. 


1222 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ihr^rV  iC*'- 1  e a\,S::  0ie  Behandlung  der  Tabes,  speziell 
ihrer  rudimentären  Form,  und  deren  Beziehungen  zu  psychopathischen 
Moriingen. 

Nach  einem  Vortrag,  gehalten  im  Verein  der  Aerzte  zu 

med  WochenTchr  19'3,  ^  in  N°'  21  1913  der  Münch- 

.  14>  Engelen -Düsseldorf:  Auffallende  Erscheinungen  bei 

einem  Falle  von  Urämie, 

Apoplektischer  Insult  mit  Auftreten  halbseitiger  Konvulsionen  von 
ausgeprägt  hysterischem  Charakter.  Exitus. 

.  iV?>  ß  i  e  r  e  r  -  Radautz  (Bukowina):  C  rede  scher  Handgriff 
und  Uterininversion.  * 

..  ,Per  Cr  e  de  sehe  Handgriff  war  durch  eine  Hebamme  eigen¬ 
mächtig  ausgefuhrt  worden;  Tod  wahrscheinlich  durch  Verblutung. 

Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  17. 

:  ^!nep  M,aS,er  Scliarlachstatistik.  (Med.  Klinik  Basel.) 
darunter  fr  m  H  ?4l Fa  e  mit. e,ner  Gesamtmortalität  von  1,2  Proz., 
Mnrtalffft?^  rmttelschwere  und  schwere  Fälle  (diese  mit  5,3  Proz. 

-lf  !«  ’phi  8ro-n  hatte  bei  einer  früheren  Statistik  aus  der  Basler 
S'li  f  FaUe  T1-1’77  Proz-  Mortalität.  Rezidivexantheme  käme? 
vtmulh  r,r-’  r*ei  .Q|15.°”  bmal-  Interkurrente  Affektionen  waren 
ziemlich  häufig,  in  beiden  Reihen  zusammen  62  mal,  hauptsächlich 
VarizeHen,  Masern.  Pertussis.  Bei  verschiedenen  Epidemien  war  ein 
Wechsel  der  Malignität  des  Virus  zu  erkennen, 
omal  kamen  „Retourncases ',  Infektionen  durch  bereits  entlassene 
(Vfi!I£nten  V0Ij  trotzdem  die  Kranken  meistens  8  Wochen  im  Spital 
?n£w-en  wuydfn;  gerade  von  den  früher  Entlassenen  wurden  keine 

r  ' i  i  ,‘C  lherap*e  war  rein  symptomatisch;  wie 

v  erf  an  einem  Ueberblick  neuerer  Statistiken  zeigt,  waren  die  Erfolge 
nicht  geringer  als  bei  Behandlung  mit  Serum,  Vakzine,  Salvarsan. 

xro„  .  ,V  1}  ?  r  -  Luzern :  Ueber  die  gegenwärtigen  Kenntnisse  be¬ 
treffend  Lichteinwirkung  auf  das  Auge. 

Uebersichtsreferat.  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

N°-  21.  R-  Müller  und  R.  0.  St  ein -Wien:  Die  Haut- 
Reaktion  be<  LUCS  UHd  'hre  Beziehung  zur  Wassermann  sehen 

••Iü  Entsetzung  der  Mitteilung  in  No.  11  (s.  Bericht  S.  662)  wird 

Aussehen verschjedener  Organextrakte  und  das 
Aussehen  und  den  Ablauf  der  spezifischen  Hautreaktion  berichtet. 

riiprA  D^  -Erfahrungen  zeigten  nur  ausnahmsweise  und  schwä- 

nu?  maHffnptFällpmH-PrirnKrStadlUm,i,  Ir?  Sekundärstadium  reagierten 
X  fp  mFf  r  f1'  aber  ausnahmslos  positiv,  dagegen  reagierten 
«Phr  H  fl-  ? 1  Q!'mm,a'  auch  lm  latent  gummösen  Stadium,  meist 
&S  ‘WV  (zweimal  bei  negativer  Wassermann  scher 
tZpThhP ‘  Pos‘tlv  reagierten  im  besonderen  noch  8  Fälle  von 
H?T>,  S  .paJ’eilchyrnatosa,  7  Fälle  sicherer  Gefässlues.  2  Fälle  von 
Hemiplegie  bezw.  Meningitis  luetica. 

i  •  Als  gichtigstes  Ergebnis  kann  die  Ausschliessung  eines  Gummas 
bei  negativem  Ausfall  der  Intrakutanreaktion  gelten  uummas 

latentoSDStlSr  ^  Verfasse/  nunmehr  bei  10  Fällen  klinisch 
negative  odTrTTt  t  ZUr  Zflt  d<Tf  Positiven  Intrakutanreaktion 
zeigten  wählend  1  ci?  ne|at,lve  w  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion 
reagiert  hSn  Lhf,  nw  J6'  manifester  Erscheinungen  positiv 

Srhalh^Wnphf  b  hi!  fd?SS  m,lt  emer  Ausnahme  bei  allen  etwa 
innerhalb  2  Wochen  nach  erfolgter  Intrakutanimpfung  dieWasser- 

rFr,,npSChe.Reaktt10”  zu. ei'ier  vollständig  positiven  wurde  Bei 
4  Fallen  mit  manifesten  Späterscheinungen  zeigten  dagegen  2  eine 

kjts akr„Esct„psa2  ein  Gleichbieibe" d-  »■«"»- 

slrtlf“*  der 

dip  r  er  ^erwertung  eingehender  eigener  Untersuchungen  gelangen 
die  Verfasser  zur  Aufstellung  etwa  folgender  Sätze:  Reiangen 

.  lAi er,  .halt  des  Blutes  an  Lipoiden  und  Fetten  zeigt  sehr  he- 
trachthche  individuelle  Schwankungen;  manche  Individuen  haben  kon¬ 
stitutionell  einen  auffallend  hohen  Lipoidspiegel. 

mellitusheNeX1iti:dpUnndF?ttWertev,-bfStehenofege'lmässiK  bei  Diabetes 
viditüt  ’  oft  hPi  ah  be  ,  verschiedenen  Blutkrankheiten,  bei  Gra- 
Psodasis  f  b  Arterioskler°se,  mitunter  bei  Tuberkulose  und  bei 

zerfan^zumTl’n^^o-d61'  Lipoide  dürfte  teils  auf  vermehrtem  Zell- 
zertail,  zumal  in  lipoidreichen  Organen,  teils  vielleicht  auf  einer 

f  ...  Zar  Ze‘I  des  Allgemeinwerdens  der  Lues  steigen  in  der  Ppp-pI 

Äf'd'ie  UpoiSte  t  «Ä 

Im  allgemeinen  haben  Luetiker  relativ  hohe  Lipoidwerte  D,p 

;wÄ:tnAdl11  der  W“““-  Klausnerrealftlon^ist 
o.  A.  Rösler-Graz:  Zur  Benzolbehandlung  der  Leukämie. 


_  No.  22. 

„„p-^ifi  über,  den  sehr  guten  Erfolg  der  Benzolbehandlung  in 
zwei  Fallen  von  Leukämie,  nachdem  die  Röntgen-  und  Arsenbehand 
Sfp  We,kungS  0S  l'nd,  eher  unzuträglich  gewesen  war.  Nach  anfäng- 
ifber  ^,eigf.run,g  fiel  die  Leukozytenzahl  mit  bedeutender  Vermin- 
erung  der  Myelozyten  in  kurzer  Zeit  zur  Norm  und  stieg  die  Zahl  der 
'.0rQen  Blutkörperchen.  Nach  der  Benzolkur  zeigte  sich  auch  das 
kanfplnTird  SafTer'  Mlt  taKhch  4  *  Benzol  (mit  Olivenöl  in  Gelodurat? 
fTTdTn  a  f  man  auskommen ;  die  geringen  Nebenerscheinungen 
wurden  durch  das  zeitweilige  Aussetzen  des  Mittels  leicht  beherrscht 
Ls  scheint  zu  genügen,  wenn  die  Kur  nicht  bis  zur  Erreichung  der 

d.eser  zLb7or?gesetnZ?»*Sc|0nJern  biS  Z“m  deu,licl,e"  Ahsillt™ 
«ni„J)„LL„S)lfcfe„e6eweeSsl(,dteer„.<l'C  S0“Mscher  *«■- 

Ergebnis  der  Untersuchungen:  Milzgewebe  (Kaninchen),  das  in 
hnllfip 1  lasmaku’tur  der  Einwirkung  einer  Emulsion  von  Typhus- 
dieselbenaUSgeSetZt  Wlfd'  b‘  det  m  Vitr°  spezifisclie  Agglutinine  gegen 

Vp  i  F|* V’  5  z  V  w  (  a  r  z  ul,d  A.  Selka-  Wien :  Das  röntgenologische 
V  hNatfh  RCS  J13?6'18  bf‘  gastrischen  Krisen  und  beim  Brechakte 

•  v  Nacb  Beschreibung  der  Befunde  anderer  schildern  die  Verfasser 
ihre  eigene  Beobachtung:  Synchron  mit  dem  Einziehen  der  Bauch¬ 
muskeln  steigt  der  Magenschatten  empor,  wobei  das  Antrum  ganz 
ontrahiert  ist,  der  antrale  Schatten  völlig  verschwindet,  der  Magen- 
schatten,  soweit  der  Fundus  reicht,  etwas  verschmälert,  die  Pars 
TTfLT  normalweit  ist.  Ebenso  tritt  synchron  mit  den  Einziehungen 
Bauchmuskeln  eine  Antiperistaltik  vom  Fundus  aufwärts  ein  die 
aber  unbedingt  nicht  als  aktive,  sondern  vorgetäuschte  passive 

dpICAhHaS  EmporPiessen  des  Mageninhaltes  infolge  der  Einziehung 
des  Abdomens  zu  deuten  ist.  Das  Zwerchfell  zeigt  sozusagen  Flauer 
bewegungen  nach  oben  und  unten,  ohne  als  Ganzes  tiefe?  zu  Feten 
Das  Antrum  befindet  sich  in  dem  von  G  r  o  e  d  e  1  beobachteten 
Bei  Brechbewegungen  während  einer  tabischen 
Krise  ist  der  Röntgenbefund  derselbe.  In  einem  tyischen  Falle  einer 
fphUpChen  KKSf,’-  ^  tr°tz  heftigster  Schmerzen  Brechbewegungeii 
fehlten,  ergab  die  Durchleuchtung  völlig  normale  Verhältnisse  auch 
eine  ganz  normale  Austreibungszeit.  ’  " 

veoIarpyorhöe!WltZ  St'  Joachimsthal:  Radiumemanation  bei  AI- 

D.  berichtet  kurz  über  bis  jetzt  16  Fälle  von  Alveolarovorhöp 

cHWifr6  u  Ur-C^i  die  Behandlung  mit  künstlich  aktiviertem  Wasser 
günstig  beeinflusst,  teilweise  geheilt  worden  sind.  Es  wurden  ver¬ 
wendet  protrahierte  Mundspülungen  mit  täglich  200  ccm  eine-, 
Wassers  von  einem  Emanationsgehalt  von  1  000  000  M  -F.  und  direktes 
Auflegen  von  mit  diesem  Wasser  getränkten  Wattestücken 

Wiener  klinische  Rundschau. 

.  i  N°.  12/13.  J.  J  i  a  n  u  -  Bukarest:  4  Fälle  von  Freileeim?  der 
Arterie  bei  Brand  infolge  Verstopfung  der  Arterie 

aus  er  ÄTtSi(frmtSi0\erSChenkTS'  Entfernung  eines  Embolus 
aus  der  Arteria  femoialis  bei  mumifizierter  Gangrän. 

Fusses.  Altene  le  rhrombektomie  wegen  trockenen  Brandes  des 

3.  I hrombektomie  mittels  doppelter  Arteriotomie  der  Arten-» 
ihaca  externa  und  der  Arteria  femoralis  Artenotomie  der  Arteria 

des  FussesdartR?SlSt;nnliHerantV»Ar-eriae  Iemoral's,  trockener  Brand 
ArterienfndPnR  1  RdnS  oblltencrten  Teiles  und  Anastomose  der 
Arterienenden.  Alle  Falle  wurden  geheilt. 

^1?'  1A/15:  E'  ^iesner-Germersheim:  Die  neueren  Methoden 
stücken?  '5  V°n  Tuberkelbazi"d"  im  Auswurf  und  Tn  Gewebs? 

welcheT'reLlifv  TlTT0 nl.l.VerbeSsert  die  Antiforminmethode, 
PpchHq+p  -i  atlc  ^rosse  Einfachheit  und  Sauberkeit  zukommt,  die 

dem  NachTeisSTnrThrTC.KUI1-nUm  etwa  10  Proz-  und  liefert  bei 
beTerunT  Tr  p!  ,,Taberkelbazillen  in  Gewebsstücken  eine  Ver- 

methodeTo  Fn?  r!?te  ‘""k 4\  Proz'  Die  Autodigestionsdoppel- 
Vorzüee  aber  -.„pi/ T  a  °  V  F  '  a  11  d  s  e  n  bat  zwar  unverkennbare 
l  H6»  d  1  sehr  grossen  Nachteil  der  Umständlichkeit 
jeruchsbelastigung  und  der  Unsicherheit  durch  starke  Wucherung 
der  die  Mischinfektion  bedingenden  Kokken.  Wucherung 

bei  fiebernd  in*  Phih^cT'  "  a  rtz  ‘  Basel :  Stoffwechseluntersuchungen 

"T  e,ner  f,ebernden  Chlorotischen. 

c  gebms  (8  Falle):  Entgegen  der  allgemeinen  I  ehrp  vnn  dpm 

F?ebernden  TtTckSnT^”  Fie+ber  kann  es  düngen,  bei  chronisch 
=  d  nTn  Ansatz  zu  bringen,  entweder  wenn  der 

ode  wenn  lfm  ?  kalorienreiche  Nahrungszufuhr  gestattet 
oaer  wenn  der  Körper  sich  an  das  langdauernde  Fieber  und  die  Unter 

Ä™e!ftgeWöh”t  '",d  ei"e  Ve™“'d<=™«  dersÄäto 

fizierteVi  Tn  e  T  ?  L  T  i‘ '  ’.  l!  I  z  k  u  s  ■  Zürich :  Ueber  eine  modi- 

tizierte  G  ro  ssic  h  sche  Jodtinkturdesinfektion  bei  Operationen. 

des  GroTsiThLb  SCvenAhmk  haben  sich  folgende  Modifikationen 
Ti/  L°  s  s  1  c  b  schen  Verfahrens  gut  bewährt:  Statt  der  10—12  proz 

CWorofoTm ^ntehrT  JocL  pur‘  3’  Alcohol.  absol  10. 

i  Tr-,T  U  M  H-an  Ias,stAAdiese  Mischung  meist  5,  selten 
ernt  siTdnnn  in^’A1,"  N,otfallen  1  M'nute  lang  einwirken  und  ent- 
undSchlelmhQ,' T  AbrClben  mi,'  96  proz-  Alkohol,  wodurch  Ekzeme 
Tn  lTT  T  T  TmTT  ver,mieden  werden.  Es  wird  überhaupt  nur 
„ntpr  raTSi  Ch  ku  z,  Xor  ^er  Operation  ausgeführt.  Bei  Kindern 
5  Jahren  wird  die  Jodtinkturdesinfektion  nicht  angewendet. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 


Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1223 


Amerikanische  Literatur. 

F.  F.  Russell:  Antityphusimpfung  bei  Kindern.  (Journ. 
m.  Med.  Assoc.,  Chicago  1913,  No.  5.) 

Verf.  berichtet  über  die  Resultate  der  Antityphusimpfung  bei 
59  Kindern,  ln  keinem  einzigen  Falle  wurden  schädliche  Wir- 
ungen  beobachtet  und  keines  der  geimpften  Kinder  erkrankte  am 
bdorninaltyphus,  obgleich  beinahe  die  Hälfte  der  Kinder  vor  dem 
ihre  1910  mit  dem  Antityphusscrum  behandelt  worden  sind.  Verf. 
laubt,  dass  die  Impfung  nach  je  drei  Jahren  wiederholt  werden 
'Ute.  Dass  das  jugendliche  Alter  dem  Abdominaltyphus  besonders 
usgesetzt  ist,  beweisen  die  Ergebnisse  der  Sterblichkeitsstatistik 
i  den  Vereinigten  Staaten  für  das  Jahr  1909.  Nach  denselben 
:arben  im  genannten  Jahre  10  722  an  dieser  Krankheit.  Darunter 
aren  3366  weniger  als  20  Jahre  alt. 

F.  E.  Park:  Behandlung  eines  Falles  perniziöser  Anämie  mit 
horiumstrahlen.  (Med.  Record,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

Die  Thoriumstrahlen  wurden  bei  einem  Patienten  angewandt,  der 
ch  bereits  in  einem  vorgeschrittenen  Stadium  der  Krankheit  be- 
nd.  Die  Besserung  war  eine  überraschend  schnelle.  Nach  einigen 
Rochen  erschien  das  Blutbild  normal  und  der  Patient  ist  gegenwärtig 
öllig  geheilt.  Ob  die  Heilung  eine  permanente  sein  wird,  muss  die 
ukunft  entscheiden. 

E.  M.  W  a  t  s  o  n :  Die  N  e  g  r  i  sehen  Körperchen  der  Lyssa, 
lourn.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

Die  N  e  g  r  i  sehen  Körperchen  weisen  morphologisch  zwei  allge- 
leine  Typen  oder  Phasen  auf.  und  zwar  hinsichtlich  des  Wachs- 
mis  und  der  Reproduktion.  Diese  zwei  Phasen  sind  in  ihrer  Ent- 
icklung  immer  zyklisch  und  entsprechen  einem  vervielfältigenden 
der  schizogenen  und  einem  reproduktiven  oder  sporogenen  Lebens- 
yklus.  Verf.  hält  die  Negri  sehen  Körperchen  für  protozoische 
arasiten  und  glaubt  sie  in  die  Unterordnung  der  Kryptozyten  oder 
likrosporidien  der  Sporozoen,  und  bestimmter  unter  die  Oligosporo- 
enea  der  Familie  der  Qlugeidae  einreihen  zu  dürfen,  welche  Formen 
ur  einen  Sporoblasten  bilden. 

R.  C.  Cabot:  Die  Lymphozytose  der  Infektion.  (Am.  Journ. 
led.  Sciences,  Phila.,  1913.  No.  3.) 

Infizierte  Wunden,  Furunkel  und  weitverbreitete  Streptokokken- 
denitis  von  tonsillärem  Ursprung  können  von  einer  so  starken 
ymphozytose  begleitet  sein,  dass  sie  der  polynukleären  Leuko- 
ytose  ähnlich  sieht.  Die  Ursache  dieser  Substitution  der  Lympho- 
ytose  für  die  gewöhnliche  polynukleäre  Leukozytose  ist  unbekannt, 
ie  Unterscheidung  zwischen  einer  solchen  Lymphozytose  (die  eine 
reitverbreitete  Adenitis  begleitet)  und  Leukämie  hängt  von  der  Fest- 
ellung  des  infektiösen  Ursprungs  der  Adenitis,  von  dem  geringeren 
rade  der  Lymphozytose  der  infektiösen  Form  und  vom  Verlauf  der 
rankheit  ab. 

R.  Ingebrigtsen:  Studien  über  die  Degeneration  und  Re- 
eneration  der  Achsenzylinder  in  vitro.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y., 
113,  No.  2.) 

Das  Gehirn  von  Hühnerembryonen,  von  6  Wochen  alten  Katzen, 
on  2  Monate  alten  Kaninchen  und  von  3  Monate  alten  Hunden  ent¬ 
wickelt  bei  der  Kultur  in  vitro  lange  Fäden,  welche  nach  ihrem 
/achstum,  ihren  anatomischen  und  färberischen  Eigenschaften  als 
'ahre  Achsenzylinder  angesehen  werden  müssen.  Aehnliche  Ge- 
ilde  entwickeln  sich  von  Spinalganglien  von  7  Monate  alten  Ka- 
inchen  und  vom  Rückenmark  von  6  Wochen  alten  Katzen  und 
on  2  Monate  alten  Kaninchen.  Wenn  diese  Fäden  an  ihrer  Ansatz¬ 
elle  durchschnitten  werden,  zeigen  sie  nach  20  Stunden  degenerative 
ränderungen  und  nach  2  Tagen  ist  die  Degeneration  eine  voll- 
ändige.  Nach  20  Stunden  beginnen  sich  neue  Achsenzylinder  vom 
mtralen  Teile  der  durchschnittenen  Nervenfasser  zu  bilden. 

F.  W.  Peabody:  Studien  über  den  inorganischen  Stoffwechsel 
2j  Lungenentzündung  mit  spezieller  Berücksichtigung  von  Kalzium 
nd  Magnesium.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

Bei  der  Lungenentzündung  ist  der  Stoffwechsel  inorganischer 
ubstanzen  von  den  normalen  Verhältnissen  wesentlich  verschieden, 
/ährend  Chlor,  Natrium  und  Kalzium  im  Körper  zurückgehalten 
erden,  werden  Kalium  und  Magnesium  in  normaler  oder  übergrosser 
ienge  ausgeschieden.  Während  der  Periode  der  Retention  ist  der 
hlorgehalt  des  Blutes  deutlich  geringer  als  unter  normalen  Ver- 
ältnissen.  der  Kalzium-  und  Magnesiumgehalt  ist  etwas  geringer. 
i  der  Chlorretention  spielt  die  Haut  keine  besondere  Rolle.  Da 
ein  Organ  grosse  Mengen  der  retinierten  Substanzen  aufspeichert, 
t  es  wahrscheinlich,  dass  sie  durch  den  ganzen  Körper  verteilt  sind. 

H.  J.  N  i  c  h  o  1  s  und  W.  H.  H  o  u  g  h :  Demonstration  der  Spiro- 
laeta  pallida  im  Liquor  cerebrospinalis  eines  Patienten  mit  Neuro- 
izidive  nach  Salvarsananwendung.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chi- 
igo,  1913,  No.  2.) 

Der  Patient  war  im  September  1911  mit  Lues  infiziert  worden, 
m  12.  November  intravenöse  Injektion  von  0,6g  Salvarsan;  be¬ 
hütende  Besserung;  Wiederholung  der  Injektion  am  16.  Dezember; 
at.  war  anscheinend  geheilt.  Im  Mai  1912  traten  Symptome  von 
eistesstörung  auf.  Wassermann  stark  positiv.  Kombinierte  Be- 
andlung  mit  Neosalvarsan  und  Quecksilber.  Am  30.  Juni  wurde 
ie  Lumbalpunktion  ausgeführt  und  3  g  des  Liquor  cerebrospinalis 
i  beide  Hoden  eines  Kaninchen  injiziert.  Am  19.  August  wurden 
ie  Hoden  untersucht.  Die  Spirochaeta  pallida  fand  sich  in  grosser 
Ienge  vor. 

S.  F 1  e  x  n  e  r  und  H.  N  o  g  u  c  h  i :  Kulturelle  Experimente  mit 
em  Virus  der  Poliomyelitis.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  No.  5.) 


Die  Experimente  wurden  mit  Berkefeldfiltraten  und  mit  Gewebe¬ 
substanzen  vorgenommen.  Der  Nährboden  bestand  aus  steriler  un- 
filtrierter  Aszitesflüssigkeit  oder  Gehirnextrakt,  welchem  Geweoa- 
fragmente  von  steriler  Kaninchenniere  und  eine  Lage  Paraffinöl  bei¬ 
gefügt  wurde.  In  einer  Anzahl  von  Experimenten  wurde  dieser 
Mischung  Agar-Agar  beigefügt.  Nach  mehreren  Tagen  erschienen 
winzige  Kolonien,  die  aus  kugelförmigen  Körperchen  von  der  Grösse 
von  0,15 — 0,3  ß  bestanden.  Die  Körperchen  traten  einzeln,  doppelt 
oder  in  Ketten  auf.  Die  von  den  Kolonien  geimpften  Affen  ent¬ 
wickelten  die  typischen  Symptome  der  Poliomyelitis. 

M.  C.  Foot:  Das  Wachstum  von  Hühnerknochenmark  in  vitro 
und  seine  Beziehungen  zur  Hämatogenese  im  erwachsenen  Organis¬ 
mus.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlusssätzen:  Die  Entwicklung  der 
polymorphonukleären  Leukozyten  von  einem  mesenchymalen  lym- 
phoiden  Zellentypus  ist  im  ausgewachsenen  Organismus  und  in  vitro 
im  Hühnerknochenmark  möglich.  Diese  Zellen  proliferieren  schnell 
durch  amitotische  Zellteilung  einer  unreifen  Form,  die  ihnen  sehr 
ähnlich  aber  kleiner  ist.  Alle  Zellen  des  Hühnerknochenmarks  können 
sich  in  einen  Zellentypus  verwandeln,  welcher  den  Bindegewebs¬ 
zellen  ähnlich  ist.  es  ist  jedoch  nicht  festgestellt,  ob  sie  mit  denselben 
identisch  sind. 

M.  L.  Neff:  Geistige  Symptome  bei  Niereninsufiizienz.  (Boston 
Med.  and  Surg.  Journ.,  1913,  No.  8.) 

An  der  Hand  von  sieben  praktischen  Fällen  zeigt  Verf.,  dass 
Niereninsuffizienz  häufig  von  geistigen  Symptomen  (Geistesver¬ 
wirrung,  Halluzinationen,  Melancholie  usw.)  begleitet  ist.  Diese 
Symptome  können  die  frühesten  Zeichen  beginnender  Erkrankung  sein 
und  können  in  vielen  Fällen  durch  Behandlung  der  Nephritis  gehoben 
werden. 

A.  Carrel:  Künstliche  Aktivierung  des  Wachstums  von  Binde¬ 
gewebe  in  vitro.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

Das  Verfahren  bestand  in  der  Messung  des  Wachstums  von 
Gewebefragmenten  in  normalem  Plasma,  welches  eine  bestimmte 
Quantität  eines  Gewebesaftes  enthielt.  Die  Extrakte  wurden  von 
Hühnerembryonen  (6 — 20  Tage  alt),  von  Milz,  Niere,  Muskel  usw. 
eines  ausgewachsenen  Huhnes,  von  der  Schilddrüse,  Milz  und  Muskel 
eines  ausgewachsenen  Hundes  und  von  der  Milz  eines  ausgewach¬ 
senen  Kaninchens  gewonnen.  Der  Nährboden  bestand  aus  einem 
Teile  Extrakt  und  zwei  Teilen  hypotonischen  Plasmas.  Die  meisten 
Experimente  wurden  mit  Herzgewebe  vom  Hühnerembryo  gemacht. 
Die  Gewebefragmente  waren  bald  nachdem  sie  in  den  Nährboden 
gelegt  worden,  von  einem  dichten  Ring  von  Bindegewebszellen  um¬ 
geben.  Auch  Haut-  und  Periostgewebe  wurde  gebraucht.  Bei 
allen  Experimenten  wuchs  das  Herz-,  Haut-  und  Periosteumgewebe 
im  Plasma,  das  ein  Extrakt  enthielt,  schneller  als  in  der  Kontroll- 
flüssigkeit.  Das  Wachstum  in  mit  Ringer  scher  Lösung  ver¬ 
dünntem  Extrakt  war  geringer  als  in  unverdünntem  Nährboden.  Von 
allen  Gewebeextrakten  beschleunigte  das  embryonale  Gewebe  das 
Wachstum  am  meisten.  Die  Wirkung  eines  Extraktes  schien  spe¬ 
zifisch  zu  sein  und  war  auf  Gewebe  von  einem  anderen  Tiere  der¬ 
selben  Spezies  begrenzt.  Die  embryonalen  Gewebe  verlieren  ihre 
Wirkung,  wenn  sie  während  10  Minuten  einer  Hitze  von  56°  C  aus¬ 
gesetzt  wurden. 

H.  Noguchi:  Kultur  von  Treponema  calligyrum  (n.  sp.)  von 
Kondylomen  des  Menschen.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  1.) 

An  der  Oberfläche  genitaler  oder  analer  Läsionen  syphilitischer 
oder  nichtsyphilitischer  Natur  wird  zuweilen  eine  Spirochäte  ge¬ 
funden,  die  dem  Treponema  pallidum  ähnlich  sieht  und  welche  nach 
ihren  allgemeinen  Eigenschaften  eine  Zwischenstellung  zwischen  dem 
Treponema  pallidum  und  der  Spirochaeta  refringens  einnimmt.  Verf. 
nennt  dieselbe  Spirochaeta  calligyrum.  Dieser  Mikroorganismus  ruft 
bei  Affen  und  Kaninchen  keine  pathologischen  Veränderungen  hervor. 

D.  H.  Currie:  Geschichte  eines  Typhusbazillenträgers.  (Journ. 
Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  1913,  No.  3.) 

Ein  Patient,  der  sich  im  Jahre  1908  vom  Typhus  abdominalis 
erholt  hatte,  gab  um  die  Mitte  des  letzten  Jahres  virulente  Typhus¬ 
bazillen  von  sich.  28  Personen  erkrankten  durch  ihn  am  Typhus¬ 
fieber,  wovon  vier  starben.  Der  Pat.  wurde  mit  einer  autogenen 
Vakzine  behandelt.  Zehn  Dosen  wurden  im  Verlaufe  zweier  Monate 
injiziert,  worauf  weder  in  den  Fäzes  noch  im  Urin  Typhusbazillen 
aufgefunden  werden  konnten. 

W.  T.  Belfield:  Röntgenbilder  der  Samenblasen.  (Journ. 
Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  1913,  No.  11.) 

Durch  einen  Einschnitt  in  das  Vas  deferens  oberhalb  der  Testis 
wird  eine  10 — 15  proz.  Kollargollösung  eingespritzt.  Die  Röntgen¬ 
bilder  weisen  eine  Peristaltik  der  Ampulla  und  der  Samengänge  im 
prostatischen  Teile  der  Harnröhre  ohne  das  Phänomen  der  Emission 
auf.  Sie  zeigen  auch  den  sphinkterartigen  Verschluss  der  Ampulla 
und  der  Samenblase.  Auch  der  häufig  vorkommende  Verschluss 
des  Ductus  ejaculatorius,  wodurch  die  Samenblase  in  eine  Retentions¬ 
zyste  verwandelt  wird,  wird  durch  das  Röntgenbild  anschaulich  ge¬ 
macht. 

M.  Manges:  Verschwinden  des  Zuckers  im  Harn  bei  Diabetes 
nach  Entfernung  von  Tumoren.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago, 
1913,  No.  9.) 

In  vier  Fällen  von  Diabetes  verschwand  der  Zucker  im  Harn 
dauernd  nach  Entfernung  von  Tumoren  in  der  Genitalsphäre.  In 
2  Fällen  bestanden  die  entfernten  Tumoren  in  Gebärmutterge- 


1 224 


MUENCHENER  MEDIZI  NISCHE  W0CHENSCHRIE1 


schwülsten,  in  den  anderen  2  fällen  wurde  die  erkrankte  Vorsteher¬ 
drüse  entfernt. 

^•,Cr?,ttii  D1!  Anwendung  der  Röntgenstrahlen  bei  intra- 
thorakalem  Kropf  und  Hyperplasie  der  Thymusdrüse.  (Journ.  Am 

Med.  Assoc.,  Chicago,  1913,  No.  2.) 

Die  Röntgenstrahlen  sind  für  die  Diagnose  des  intrathorakalen 

-V°n  ,grolssem  ^Vert-  Da  in  vielen  Fällen  von  Morbus 
asedo\\n  zugleich  eine  Hyperplasie  der  Thymusdrüse  gefunden  wird, 
sollten  die  Rontgenstrahlen  in  jedem  Kropffalle  angewandt  werden 
Wenn  eine  hypertrophierte  Thymusdrüse  als  Komplikation  eines 
Kropres  geiunden  wird,  sollte  die  Röntgenbehandlung  solange  ange- 
wandt  werden,  bis  eine  bedeutende  Verkleinerung  der  Thymus  statt¬ 
gefunden,  worauf  erst  die  Operation  auszuführen  ist. 

C.  F.  Craig:  Die  Auslegung  der  Resultate  der  Wasser- 
Ni)3  ” "  scben  Reaktion.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  1913, 

Die  Folgerungen  des  Verfassers  gründen  sich  auf  5216  Fälle 
™nE  Anwendung  der  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehen  Reaktion.  Davon  gaben 
29(J0  Patienten  eine  positive  und  2306  eine  negative  Reaktion.  Von 
der  r.e?ar”*zahl  wurden  bei  3516  Fällen  durch  dieselbe  sowie  durch 
die  klinische  Diagnose  syphilitische  Erkrankung  festgestellt.  1544  Pa¬ 
tienten  litten  an  anderen  Krankheiten,  aber  eine  positive  Reaktion 
trat  nur  bei  10  dieser  Patienten  (0,6  Proz.)  auf.  Verf.  hält  die 
Wassermann  sehe  Reaktion  für  eine  absolut  spezifische  Probe 
Fine  einmalige  negative  Reaktion  ist  jedoch  wertlos.  Nur  wenn  die 
Reaktion  nach  wiederholter  Anwendung  negativ  ausfällt,  darf  Sy¬ 
philis  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden. 

W  K  M  i  1 1  e  n  d  o  r  f :  Behandlung  der  gonorrhoischen  Binde- 
baut®ntzundung  mit  Gonokokkenvakzine.  (Med.  Record,  N.Y.,  1913, 

Verf.  behandelte  8  Fälle,  worunter  3  erwachsene  Personen,  mit 
uonokokkenvakzine.  In  allen  Fällen  war  die  subkutane  Injektion  der 
Vakzine  von  rapidem  Verschwinden  der  Symptome  begleitet. 

C.  G.  Levison:  Erfolgreiche  Behandlung  von  Blutungen  durch 
lokale  Anwendung  von  Pferdeserum.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chi¬ 
cago,  1913,  No.  10.) 

In  einem  Falle  von  Blasenoperation  wegen  einer  Blasenzyste 
trat  hartnäckige  Blutung  auf.  die  allen  gewöhnlichen  Mitteln  wider¬ 
stand.  Zuletzt  wurde  eine  geringe  Menge  Pferdeserum  in  die  Blase 
eingespritzt,  worauf  die  Blutung  sogleich  verschwand.  In  einem 
anderen  Falle  trat  die  Blutung  nach  einer  Gallenblasenoperation  auf 
Auch  hier  half  die  Einspritzung  des  Pferdeserums  in  die  Gallenblase 
nachdem  alle  anderen  Mittel  erfolglos  gewesen  waren. 

J.  H.  P  ra  1 1  und  F.  T.  Murphy:  Transplantation  von  Pan¬ 
kreasgewebe  in  die  Milz.  (Journ.  Exper.  Med.,  N.Y.,  1913,  No.  3.) 

Eine  Anzahl  Experimente  wurden  an  Hunden  gemacht  mit  folgen¬ 
den  Resultaten:  Pankreasgewebe,  das  von  seinen  ursprünglichen 
üefass-  und  Nervenverbindungen  getrennt  und  in  die  Milz  verpflanzt 
wird,  erhält  sich  am  Leben  und  funktioniert  vollständig  während 
mehrerer  Monate.  Ein  kleines  Stück  von  Pankreasgewebe,  das  aus 
Acini  bestand  und  in  welchem  keine  Langerhans sehen  Inseln 
nachgewiesen  werden  konnten,  verhinderte  die  Entwicklung  des  Dia¬ 
betes.  Der  Tod  trat  187  Tage  nach  der  Exstirpation  des  Pan¬ 
kreas  ein. 


No.  22. 


H.  Cushing:  lieber  symptomatische  Differenzierung  krank¬ 
hafter  Zustände  der  zwei  Lappen  der  Hypophyse.  (Am.  Journ.  Med 
Sciences,  Phila.,  1913,  No.  3.) 

Verf.  hält  dafür,  dass  übergrosses  Wachstum  des  Skelettes,  das 
unter  Umständen  mit  gewissen  Hautveränderungen  und  Hyper- 
trichosis  einhergeht,  ein  Zeichen  von  Hyperplasie  des  vorderen 
Lappens  ist.  Andererseits  sind  gewisse  Formen  von  Fettsucht  mit 
erhöhter  Assimilationsgrenze  für  Kohlehydrate  und  häufig  begleitet 
von  Trockenheit  der  Haut,  subnormaler  Temperatur  und  Puls,  charak¬ 
teristisch  für  Stoffwechselstörungen,  welche  durch  Insuffizienz  des 
hinteren  Lappens  verursacht  werden.  Hypotrichosis  und  sexuelle 
Dystrophie  sind  die  gewöhnlichen  Begleiter.  Auf  diese  Weise  können 
gewisse  klinische  Syndrome,  bei  welchen  übergrosses  Wachstum  in 
Verbindung  mit  adiposogenitaler  Dystrophie  auftritt,  erklärt  werden. 
Sie  sind  von  dem  Fröhlich  sehen  Syndrom  nicht  nur  durch  die 
Abwesenheit  eines  Hypophysentumors  mit  sellarer  Schwellung,  son¬ 
dern  auch  in  den  entsprechenden  Skelettveränderungen  verschieden. 
Kurz,  diese  physischen  Zustände  werden  als  Ausdruck  einer  Hyper¬ 
plasie  des  vorderen  Lappens,  entweder  in  Verbindung  mit  Hyper¬ 
plasie  des  hinteren  Lappens,  oder,  was  dasselbe  ist,  mit  Sekretions¬ 
stauung  des  hinteren  Lappens  ausgelegt. 

A.  A.  Berg:  Der  Einfluss  der  Gastroenterostomie  auf  Mageii- 
und  Duodenalgeschwüre.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago  1913, 
No.  12.) 

Die  einfache  Gastroenterostomie  kann  pylorische  und  Duodenal¬ 
geschwüre  nur  dann  beeinflussen,  wenn  sie  von  Pylorospasmus  be¬ 
gleitet  sind.  Wenn  dies  nicht  der  Fall  ist,  nimmt  alle  Nahrung  ihren 
Weg  durch  den  offenen  Pylorus,  auch  wenn  eine  Gastroenterostomie 
ausgeführt  worden  ist  und  die  Geschwürfläche  bleibt  daher  un¬ 
geschützt.  Der  Rückfluss  des  Duodenalinhalts  findet  nach  einer 
Gastroenterostomie  immer  statt  und  mildert  die  qualvollen  Sym¬ 
ptome  der  Hyperazidität,  begünstigt  aber  die  Heilung  des  Geschwüres 
keineswegs.  Die  Pylorektomie  schützt  gegen  das  Wiederauftreten 
eines  Geschwüres,  sie  ist  aber  von  einer  höheren  Mortalität  be¬ 
gleitet  als  die  Gastroenterostomie.  Die  letztere  begünstigt  mit  Aus¬ 
schaltung  des  Pylorus  die  Heilung  des  Geschwürs  und  verhindert  das 


\V  iederauftreten  eines  Geschwürs  wie  die  Pylorektomie  und  ist  üher 
dies  von  einer  weit  geringeren  Sterblichkeit  begleitet. 

R.  M.  Green:  Bluttransfusion  bei  der  Behandlung  geborstener 
Tubarschwangerschaft.  (Boston  Med.  and  Surg.  Journ.  1913,  No.  8 ) 
Direkte  Bluttransfusion  ist  von  Wert  bei  der  sofortigen  Behänd 
lung  cmer  geborstenen  Tubarschwangerschaft  mit  starker  Blutung 
und  kann  in  allen  Fallen  unmittelbar  nach  Stillung  der  Blutung  und 
mit  der  ursprur^hchen  Narkose  angewandt  werden.  Selbst  wenn  das 
Leben  der  Patientin  nicht  iii  drohender  Gefahr  steht,  ist  die  Bluttrans 

lUn10rVV°n  vdem  sie  d?n  Schock  mildert  und  die  Rekonvales¬ 

zenz  begünstigt.  Zwei  praktische  Fälle  von  Ruptur  der  Tubargra 
v.d.tat  wurden  vom  Verf.  mit  Erfolg  durch  Bluttransfusion  behandelt. 

A.  A  1 1  e  m  a  n  n. 


Spanische  Literatur. 


im  ^n'  *MäS  mMagrP:  Neue  Methode  der  Tuberkelbazillenfärbunu 

im  Sputum.  (Rev.  valenc.  de  cienc.  med.,  10.  Februar  1913.)  8 

rin  v,  a,f-  getrocknete  Präparat  wird  durch  3  maliges  Durchziehen 
Adlf+  h I^mme  oder  Erhitzen  bei  120 0  X  Stunde  lang  fixiert 
nach  Auftropfen  einiger  Tropfen  Lugolscher  Lösung  3 mal  ior 
ZfUw Ansteigen  von  Dämpfen  über  der  Flamme  erwärmt 
leichlich  mit  Wasser  gewaschen,  mit  Filtrierpapier  getrocknet,  nach 
Auttropfen  einiger  Tropfen  Gentianaviolettlösung  (  G.  1,0,  Acid  car 
bol.  cryst.  5,0,  Alcohol.  aba  10,0,  Aq.  dest.  100,0)  wieder  3  mal  bis 
Lu?nAljf?teigen  von  Dämpfen  über  der  Flamme  erwärmt,  in  25  proz 
Hj  Oi  bis  zum  Verschwinden  der  grünlichen  Farbe  entfärbt,  weite- 
m-t9fP*0Z‘  Alkohol  entfärbt,  gut  mit  destilliertem  Wasser  abgespüh 
'Wpt^1itrimPaPier  getrocknet>  30 — 40  Sekunden  mit  1  proz,  wässriger 
°SUng-  nachgffärbt>  im  Wasser  gewaschen,  getrocknet 
in  Kanadabalsäm  eingeschlossen.  Die  Tuberkelbazillen  sind  danach 
tief  rotviolett  gefärbt.  Man  findet  mit  dieser  Methode  weit  mehr  Ba- 
zillen  als  mit  der  alten  Z  i  e  h  1  sehen.  Sie  ist  ähnlich  der  Much- 
sehen,  aber^  nicht  mit  ihr  identisch. 

,  .  ,.R-  P,1  ä  y  A  r  m  e  n  g  0  1:  Die  Ungleichmässigkeit  der  Temperatur 
bei  lieberlosen  Tuberkulösen.  (Rev.  de  cienc.  med.  de  Barcelona  1913, 

anff^ÄafierbriJe  Tuberkulöse  ze‘gen  im  Gegensatz  zu  Gesunden  eine 
auffallende  Ungleichmassigkeit  der  Tageskurve,  die  unregelmässige 
Anstiege  und  Abstiege  zeigt,  während  die  Normalkurve  überhaupt  nur 
geringe  Schwankungen  und  dann  auch  nur  ein  geringes  Ansteigen 
gegen  die  lagesmitte  ergibt.  Bei  Bettruhe  ist  diese  Unregelmässig- 
Keit  u;S\nurubei  Tuberkulösen  zu  finden  und  ist  daher  diagnostisch 
von  Wert;  schon  bei  geringen  Körperanstrengungen  oder  Erregungen 
ist  sie  viel  ausgeprägter,  aber  auch  nicht  so  charakteristisch  für 
I  uberkmlose.  Bei  Ausheilung  der  Tuberkulose  verschwindet  die  Un- 
gleichmassigkeit  allmählich. 

9n  r  d  nJ  Myxödem  und  Basedow.  (Ac.  med.-quir.  espail. 
20.  1.  13,  Rev.  de  med.  y  cir.  präet.  21.  II.  13.) 

Bei  einem  älteren  Herrn  verschwanden  die  bestehenden  typischen 
tJasedowsymptome;  nach  einem  Intervall  mit  anscheinender  Gesund- 
neit  kommen  Myxödemsymptome:  typische  Hautveränderungen,  see- 
lische  Veränderungen  (Somnolenz,  Stupor,  Amnesie),  Kopfschmerzen. 
Verstopfung,  Grauwerden,  Symptome,  die  durch  Schilddrüsenbehand¬ 
lung  wesentlich  gebessert  wurden.  Von  den  Söhnen  des  Pat.  hat 
einer  eine  Struma,  ein  anderer  frühzeitiges  Grauwerden  und  auf¬ 
fallende  Korperlänge  (Hypophyse?). 

.  J.  Plan  eil  es:  Operatives  Verfahren  zur  Verhinderung  der 
Aszitesrezidive.  (La  crönaca  med.  10.  März  1913.) 

Verf.  will  durch  Einführung  eines  Seidenfadens,  der  Bauchhöhle 
und  Unterhautzellgewebe  in  Verbindung  hält,  ein  beständiges  Ab- 
fliessen  der  Peritonealflüssigkeit  in  das  Unterhautgewebe  bewerk¬ 
stelligen.  Er  führt  eine  grosse  gekrümmte  Nadel,  mit  Seide  versehen, 
dlJ?  Bauchhöhle,  sticht  sie  in  der  Nähe  wieder  heraus,  schneidet 
die  Seide  an  beiden  Stellen  im  Niveau  der  Haut  ab  und  lässt  sie 
durch  Erheben  der  Haut  im  Unterhautzellgewebe  verschwinden  Zwei 
Fälle  belegen  den  guten  Erfolg  der  Methode. 

J.  Marimön:  Ein  Fall  von  azephalozystischem  Echinokokkus 
der  Schilddrüse.  (Rev.  de  cienc.  med.  de  Barcelona,  Ref.:  Rev.  de 
med.  y  cir.  präet.  14.  Januar  1913.) 

Mitteilung  eines  Falles  der  seltenen  Affektion,  ein  Kind  von 
14  Jahren  betreffend.  Die  Zyste  war  vereitert. 

G.  Pittal  uga,  J.  Garcia  del  Diestro  und  M.  Vilä: 
Studien  über  kindliches  Kalaazar  und  die  Leishmania  infantum  in 
Spanien.  (Bol.  del  inst.  nac.  de  higiene,  31.  Dez.  1912.) 

Von  Pittaluga  war  bereits  (Münchener  med.  Wochen- 
schrift  1913,  S.  319)  auf  den  neuentdeckten  Leishmaniaherd  in  Spanien 
(Tortosa  im  Ebrodelta)  hingewiesen  worden.  In  der  vorliegenden 
Arbeit  beschreiben  die  Verfasser  4  Fälle  (mit  1  Autopsie)  ausführ¬ 
lich  und  schildern  ihre  Kulturversuche. 

E.  de  Oyarzäbal:  Drei  Fälle  von  sekundärer  Diphtherie  der 
Haut  und  Genitalschleimhaut.  (Rev.  de  Med.  y  Cir.,  7.  Januar  1913.) 

Es  handelte  sich  um  3  Mädchen  von  7,  11  und  3  Jahren.  Die 
beiden  ersten  hatten  neben  einer  Affektion  des  Mundes  bezw. 
Gaumens,  bestehend  in  Ulzerationen  mit  pseudomembranösen  Auf- 
agerungen,  eine  ganz  ähnliche  der  äusseren  Genitalien  (Klitoris  ur,d 
Labien);  im  dritten  Fall  trat  die  Genitalaffektion  erst  etwa  1  Monat 
später  auf  als  die  Munddiphtherie.  Die  Diagnose  war  in  allen  Fällen 
sehr  schwer  zu  stellen  und  konnte  erst  sicher  durch  den  Nachweis 
der  Diphtheriebazillen  gestellt  werden;  letztere  wurden  identifiziert 


Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1225 


irch  ihr  rasches  Wachstum,  durch  die  N  e  i  s  s  e  r  sehe  Färbung  und 
ircli  die  Säuerung  der  Nährbouillon.  Als  Ursache  dieser  Lokali- 
tion  der  Hautdiphtheric  betrachtet  auch  Verf.  die  Ausscheidung 
-r  Diphtheriebazillen  durch  den  Urin. 

V.  C  o  m  p  a  u :  Beitrag  zu  den  Resultaten  der  Behandlung  gonor- 
oischer  Gelenk-  und  Sehnenscheidenentzündungen  mit  Antimeniugo- 

)kkenserum.  (Rev.  de  med.  y  cir.  No.  1,  1913.) 

Die  besonders  von  französischen  Autoren  empfohlene  Behand- 
ng  der  gonorrhoischen  Gelenkaffektionen  hat  Verf.  in  4  Fällen 
ichgeprüft.  Bei  einer  Affektion  des  Radiokarpalgelenkes  besserte 
ne  Injektion  von  20  ccm;  aber  auch  eine  einige  Zeit  später  vorge- 
unmene  zweite  Injektion  vermochte  die  Funktion  nicht  ganz  herzu- 
ellen.  Eine  Tendovaginitis  der  Fussextensoren  wurde  durch  eine 
ste  Injektion  (24  stündige  Exazerbation,  starkes  lokales  Erythem) 
esentlich  gebessert,  durch  eine  zweite  12  Tage  später  (Erythem) 
lr  Heilung  gebracht.  Ganz  ähnlich  verlief  eine  Affektion  der  Tarso- 
etatarsalgelenke.  bei  der  nach  7  Tagen  reinjinziert  wurde.  Eine 
inz  frische  Schultergelenkaffektion  bedurfte  nur  einer  Injektion  zur 
sehen  Heilung;  auch  hier  trat  Exazerbation  und  Erythem  auf.  Die 
;nützten  Präparate  stammten  aus  dem  Institut  Pasteur  und  von 
orrough-Wellcome. 

V  i  1  a  n  o  v  a:  Ein  Fall  von  hereditärer  Lues  in  der  2.  Generation. 

^ev.  de  cienc.  med.  de  Barcelona  1913,  No.  2.) 

Der  Grossvater  des  Kindes  mütterlicherseits  war  sicher  luetisch. 
;ine  Frau  hatte  2  Aborte,  1  totgeborenes  Kind,  das  4.  Kind  starb 
it  2  Jahren.  Das  5.  Kind  war  die  Mutter  des  hier  beschriebenen 
:reditär-luetischen  Patienten.  Sie  bot  die  Hutchinson  sehe  Trias 
ld  eine  luetische  Sattelnase,  während  der  Vater  absolut  gesund  war, 
it  negativer  Anamnese  und  negativem  Wassermann.  Vor  der  Ge- 
irt  des  Kindes  3  Aborte. 

E.  Sacanella:  Die  Erfolge  der  transvesikalen  Prostatektomie. 
Jev.  balear  de  cienc.  med.,  15.  und  30.  Dezember  1912.) 

40  früher  mitgeteilten  Fällen  fügt  Verf.  hier  eine  neue  Serie  von 
—  teils  mit  Rhachianästhesie  operierten  —  Fällen  von  transvesi- 
der  Prostatektomie  hinzu.  Alle  Fälle  genasen  mit  gutem  funk- 
anellem  Erfolg. 

R.  Botey:  Das  914  in  der  Otorhinolaryngologie.  (Gaz.  med. 
ital.,  15.  Januar  1913.) 

Verf.  teilt  5  Fälle  von  Labyrintherkrankungen  luetischer  Natur 
it,  die  mit  Neosalvarsan  behandelt  wurden.  Zwei  Fälle  mit  Lues  II 
urden  günstig  beeinflusst,  2  von  Lues  hereditaria  nicht  bezw.  kaum, 
renso  nicht  ein  dritter  Fall  von  Lues  II.  Verf.  hält  das  Mittel  für 
indestens  so  wirksam  wie  das  Salvarsan. 

R.  Botey:  Ueber  die  Trepanation  des  Labyrinths  bei  nicht- 
trigen  Prozessen  desselben.  (Gac.  med.  catal.,  15.  Februar  1913.) 

Verf.  beschreibt  2  Fälle  von  Patienten  mit  einseitiger  Hörstörung, 
hrensausen  und  Gleichgewichtsstörung,  bei  denen  die  Diagnose  auf 
abyrinthaffektion  gestellt  und  nach  erfolgloser  Anwendung  aller 
odernen  Mittel  operiert  wurde.  Im  ersten  Fall  verschwanden  nach 
:r  radikalen  Operation  Geräusche  und  Schwindel  vollkommen,  im 
veiten  wurde  nur  eine  geringe  Besserung  erzielt;  hier  stellte  es 
ch  später  heraus,  dass  ein  intrazerebraler,  den  Akustikus  in  Mit- 
idenschaft  ziehender  Prozess  bestand.  Was  in  derartigen  Fällen 
e  Operationsmethode  anlangt,  so  wird  man,  wenn  die  Läsion  vesti- 
ilar  ist,  die  Canales  semicirculares  von  hinten  öffnen,  ohne  die 
auke  und  die  Gehörknöchelchen  zu  berühren;  bei  Raummangel  be- 
itzt  man  die  Methode  von  Neumatin,  sonst  die  von  Botey  oder 
u  1 1  i  n,  wobei  man  das  Innere  der  Kanälchen  auskratzt.  Bei  wenig 
;rschlechtertem  Gehör  oder  geringer  Belästigung  durch  Geräusche 
ird  die  Schnecke  geschont.  Was  die  Indikationen  der  Vestibul- 
Uomie  oder  der  Cochlektomie  anlangt,  so  sind  sie  heute  noch  sehr 
:hwer  zu  stellen.  Jedenfalls  lehrt  der  zweite  Fall,  dass  grosse 
orsicht  am  Platze  ist,  ganz  besonders  bei  Fällen  mit  Lues,  bei  denen 
t  der  Akustikus  mitbetroffen  ist. 

R.  Botey:  Soll  man  bei  der  Entfernung  der  Mandeln  und 
denoiden  unempfindlich  machen?  (Rev.  de  cienc.  med.  de  Bar- 
Jona  1913,  No.  1.) 

Verf.  verwirft  im  Prinzip  bei  den  genannten  Eingriffen  die  Allge- 
einnarkose  und  würde  sie,  wenn  er  von  den  Angehörigen  dazu  ge- 
ängt  würde,  nur  unter  Ablehnung  der  Verantwortung  machen.  Bei 
indem  unter  3  Jahren  arbeitet  er  ohne  Anästhesie;  bei  Kindern 
)n  3 — 10  Jahren  verwendet  er  Pinselungen  mit  10 — 15  proz.  Kokain 
ler  Alypin  und  bei  Erwachsenen  bisweilen  interstitielle  Injektionen 
)n  1  Proz.  Novokain.  Von  Kokain  hat  er  bei  Verwendung  in  mehr 
s  100  000  Fällen  nie  eine  Intoxikation  gesehen;  allerdings  benützt  er 
.'i  dessen  Applikation  nie  Watte,  bei  der  die  Gefahr  des  Tropfens 
id  damit  des  Verschluckens  grösserer  Mengen  gegeben  ist,  sondern 
;n  Pinsel.  M.  Kaufmann  -  Mannheim. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene. 

B  a  d  t  k  e  -  Charlottenburg:  Aufgaben  und  Erfolge  der  Woh- 
ingsaufsicht.  (Med.  Reform  No.  5.) 

Von  der  Betrachtung  des  neuen  preussischen  Wohnungsgesetz- 
itwurfs  ausgehend,  fordert  B.  Ausdehnung  der  Wohnungsaufsicht 
lf  alle  Wohnungen  ohne  Berücksichtigung  ihrer  Grösse  und  auch 
if  die  ländlichen  Bezirke.  Nach  den  Erhebungen  in  Hessen  und 
urttemberg  ist  der  Prozentsatz  der  beanstandeten  und  überfüllten 
'ohnungen  in  Kleinstädten  und  ländlichen  Gebieten  recht  erheblich, 
ie  im  Entwurf  geplante  Beschränkung  auf  die  Städte  über  10  000  Ein¬ 


wohner  hat  s.  E.  einen  politischen  Grund.  Man  will  die  Wohnungs¬ 
aufseher  nicht  in  die  Arbeiterwohnungen  der  Rittergüter  sehen  lassen. 
Auch  sollten  Bestimmungen  über  den  Mindestluftraum  und  Boden- 
fläc'ne  aufgenommen  werden.  Die  Ausführung  der  Wohnungsaufsicht 
ist  in  den  Städten  den  Gemeinden  zu  überlassen,  für  grössere  Land¬ 
bezirke  wäre  die  Aufstellung  von  Landeswohnungsaufsehern  wün¬ 
schenswert.  Neben  den  beruflich  in  der  Wohnungsaufsicht  tätigen 
Personen  sollte  aber  in  den  Wohnungsausschüssen  und  schliesslich 
in  den  städtischen  Deputationen  für  das  Wohnungswesen,  wie  unter 
Bezugnahme  auf  die  Charlottenburger  Organisation  ausgeführt  wird, 
Männern  und  Frauen  Gelegenheit  zu  ehrenamtlicher  Mitwirkung  ge¬ 
geben  werden.  In  engem  Zusammenhang  mit  der  Aufsicht  muss  der 
Wohnungsnachweis  stehen  und  eine  gesunde  Bodenpolitik  getrieben 
werden. 

M  u  g  d  a  n  -  Berlin  :  Die  hygienische  und  soziale  Bedeutung  des 
Versicherungsgesetzes  für  Angestellte.  (Ebenda,  No.  6.) 

Vortr.  sieht  den  grossen  hygienischen  Nutzen  des  Gesetzes  in 
der  Möglichkeit,  auch  dem  Mittelstand  die  Vorteile  der  Heilstätten¬ 
behandlung  gewähren  zu  können.  Vermutlich  wird  die  Reichsver¬ 
sicherungsanstalt  von  dem  Recht,  das  Heilverfahren  zu  übernehmen, 
in  gleicher  Weise  wie  Landesversicherungsanstalten  ausgiebig  Ge¬ 
brauch  machen. 

K  a  1  k  s  t  e  i  n  -  Bremen :  Der  neue  preussische  Wohnungsgesetz¬ 
entwurf.  (Ebenda.) 

Besprechung  und  Kritik  des  Entwurfs. 

L  e  n  n  h  off  -  Berlin:  Einiges  über  amerikanische  Kranken¬ 
häuser.  (Ebenda,  No.  7.) 

Eindrücke  von  der  ärztlichen  Studienreise  nach  Amerika. 

L  a  q  u  e  r  -  Wiesbaden :  Sonntagsruhe  und  soziale  Hygiene. 
(Arch.  f.  soz.  Hygiene  VIII,  1.) 

Die  erhöhte  Unfallhäufigkeit  am  Montag,  die  grosse  Zahl  der 
Körperverletzungen  am  Sonntag  und  am  Montag,  zeigen,  dass  der 
Alkoholismus  die  Vorteile  des  freien  Tages  vielfach  ins  Gegenteil 
verkehrt.  Darum  sollen  mit  den  notwendigen  Bestrebungen  auf  Aus¬ 
dehnung  der  Sonntagsruhe  solche  zur  Bekämpfung  des  Trunkes  und 
der  Trunkgelegenheit  einhergehen,  wofür  Beispiele  aus  den  australi¬ 
schen  Staaten  angeführt  werden. 

W.  Kulka-Wien:  Ueber  militärische  Körpererziehung  und  ihre 
Einwirkung  im  Alter  der  schulentlassenen  Jugend.  Zugleich  ein  Bei¬ 
trag  zum  anthropometrischen  Wert  des  P  i  g  n  e  t  sehen  und  Born¬ 
hardt  sehen  Index.  (Auch.  f.  soz.  Hygiene,  Bd.  VIII,  H.  1.) 

An  den  Zöglingen  einer  Kadettenschule  wurden  von  dem  Verf. 
durch  6  Jahre  Messungen  und  Wägungen  vorgenommen  und  auch 
sonst  Gesundheitszustand  und  körperliche  Leistungen  während  des 
Aufenthalts  in  der  Anstalt  fortlaufend  beobachtet.  Er  fand  dabei 
ein  den  Durchschnitt  überschreitendes  Längenwachstum  und  eine  sehr 
günstige  Entwicklung  der  Exkursionsbreite  des  Thorax.  Auch  be¬ 
züglich  des  Körpergewichts  waren  die  Ergebnisse  besser  als  bei 
gleichaltrigen  Personengrupen.  Trotzdem  blieb  von  den  in  den 
Heeresdienst  übertretenden  Zöglingen  ein  sehr  erheblicher  Prozent¬ 
satz,  obwohl  er  starken  körperlichen  Leistungen  dauernd  gut  ge¬ 
wachsen  war,  unter  der  von  P  i  g  n  e  t  als  gut  geforderten  Index¬ 
ziffer,  was  bezüglich  der  Bewertung  dieses  jetzt  viel  herangezogenen 
Verfahrens  für  Konstitution  und  Leistungsfähigkeit  zur  Vorsicht 
mahnen  muss. 

Neu  mann:  Lehrlingsuntersucliungen  im  Gremium  der  Wiener 
Kaufmannschaft.  (Ebenda.) 

Bei  den  über  2700  Untersuchten  wurde  nur  in  38  Proz.  der  Er¬ 
nährungszustand  gut  befunden,  sehr  schlecht  war  der  Zustand  des 
Gebisses,  22  Proz.  wurden  als  anämisch  bezeichnet,  11  Proz.  zeigten 
Spitzenkatarrhe.  Ein  grosser  Teil  der  Elemente,  die  für  andere  Be¬ 
rufe  zu  schwach  oder  zu  wenig  gesund  sind,  wendet  sich  dem  Han¬ 
delsgewerbe  zu. 

H  i  1 1  e  n  b  e  r  g  -  Zeitz :  Geburtenhäufigkeit,  Allgemeinsterblich¬ 
keit  und  Säuglingsmortalität  in  den  einzelnen  Regierungsbezirken 
Preussens  während  des  Jahres  1886 — 1910,  nach  Stadt  und  Land  ge¬ 
trennt.  (Ebenda.) 

Verf.  hat  für  die  letzten  25  Jahre  in  einer  16  Seiten  umfassenden 
tabellarischen  Zusammenstellung  die  einschlägigen  Zahlen  nach  den 
einzelnen  Gebietseinheiten  verarbeitet.  Von  wenigen  städtischen  und 
ländlichen  Bezirken  abgesehen  zeigt  die  Mehrzahl  der  Gebiete  eine 
sinkende  Geburtenziffer,  am  stärksten  in  Frankfurt  a/0„  Magde¬ 
burg,  Potsdam.  Im  allgemeinen  ist  durch  den  Rückgang  der 
Mortalität  trotzdem  ein  stellenweise  erheblicher  Geburtenüberschuss 
zu  verzeichnen.  Eine  weitere  Eindämmung  der  Säuglingssterblich¬ 
keit  lässt  hier  noch  manche  Wandlung  zum  Bessern  erwarten.  Ge¬ 
lingt  es  ferner,  einen  weiteren  Geburtenrückgang  hintanzuhalten 
(?  Ref.),  so  ist  zu  sonderlicher  Besorgnis  keine  Ursache. 

H  a  n  ss  e  n  -  Kiel:  Ueber  die  Sommersterblichkeit  der  Säuglinge 
nach  Untersuchungen  in  Kiel  1909,  1910  und  1911.  (Ebenda.) 

Der  heisse  Sommer  1911  hat  auch  für  Kiel  eine  erheblich  ver¬ 
mehrte  Säuglingssterblichkeit  hervorgerufen.  Sie  war  wohl  infolge 
der  Tätigkeit  der  Fürsorgestellen  und  anderer  kommunaler  Einrich¬ 
tungen  bei  den  unehelichen  Säuglingen  geringer  als  bei  den  ehe¬ 
lichen.  Diese  Tatsache  lässt  Verf.  den  Wunsch  äussern,  dass  auch 
den  ehelichen  Kindern  die  Fürsorgeeinrichtungen  und  spezialistische 
Hilfe  leichter  zugänglich  gemacht  werden  sollen.  Ferner  schlägt  er 
vor,  in  den  Seestädten  nach  amerikanischem  Beispiel  die  Säuglinge 
durch  Verbringung  an  die  See  oder  auf  Schiffe  der  grossstädtischen 
Hitze  zu  entziehen.  F.  P  e  r  u  t  z. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1226 


Inauguraldissertationen.1) 

E.  S  c  h  n  ii  r  p  e  j  -  Berlin  teilt  in  einer  Arbeit  über  Spontan- 
rakturen  bei  1  abes  dorsalis  einen  Fall  von  spon- 
fa,j.er  r?  c  k  e  n  f  r  a  k  t  u  r  mit,  der  auf  der  2.  med.  Klinik  der 
_d  nner  Charitee  zur  Beobachtung  kam.  Das  Ereignis  trat  fast 
Jahre  nach  erworbener  und  anfangs  nicht  spezifisch  behandelter 
.  ^  P/Diis  und  etwa  14  Jahre  nach  den  ersten  Symptomen  der  post- 
sypnintischen  Rückenmarkserkrankung  ein,  ohne  dass  die  geringste 
äussere  Gewalteinwirkung  nachweisbar  gewesen  wäre.  Zur  Er¬ 
klärung  glaubt  Verf.  eine  innere  Schädigung  des  befallenen  Knochens 
annchmen  zu  müssen.  (Berlin  1912,  23  Seiten.  H  Blanke) 


h  *  U  e  b  e  r  d  1  e  Gewichtsabnahme  der  Neugeborenen 
ha  Amandus  1  repper-Metz  an  der  Univ.-Frauenklinik  zu  Giessen 
unter  Verwertung  von  453  Fällen  Prüfungen  angestellt  und  gefunden, 
dass  die  iiewichtsabnahme  im  Verhältnis  zum  Anfangsgewicht  am 
K rossten  lst  nicht  ausgetragenen  und  schwachen  Kindern,  am 
niedrigsten  bei  den  Kindern  mittleren  Gewichts;  sie  steigt  dann  nicht 
nui  absolut,  sondern  auch  relativ  wieder  mit  zunehmendem  Anfangs¬ 
gewicht,  wofür  der  Grund  wohl  in  grösserer  Einwirkung  des  Geburts¬ 
traumas  zu  suchen  ist.  Geburtshilfliche  Operationen  haben  keinerlei 
m  grösserer  Gewichtsabnahme  sich  ausdrückende  Schädigung  der 
Kmder  zur  Folge;  desgleichen  gilt  dies  auch  nicht  im  allgemeinen 
nir  Krankheiten  der  Mutter  in  der  Schwangerschaft;  wohl  aber 
kommen  solche  Schädigungen  öfters  nach  langer  Geburtsdauer  und 
nach  Asphyxien  vor.  Die  zeitliche  Dauer  der  Gewichtsabnahme  über 
,  xTL2-  Lebenstag  hinaus  wird  im  wesentlichen  durch  die  Grösse 
der  Nahrungsaufnahme  bestimmt;  durch  Hinzutreten  von  Icterus 
neonatorum  wird  sie  verlängert.  (Giessen  1913,  24  S.  Otto  Kind  t.) 


Ueber  die  Röntgentherapie  der  Myome,  deren  Ein¬ 
führung  in  die  Therapie  ein  Verdienst  des  Münchener  Arztes 
J.  Deutsch  (1904)  ist.  berichtet  Erich  Kosminski  unter  Zu¬ 
grundelegung  des  Materials  der  Klinik  von  Dr.  Abel,  Berlin  in  einer 
Berliner  Dissertation  (1913,  38  Seiten,  S.  Ebering).  Wenn  die 
Röntgenbestrahlung  zwar  eine  gefahrlose  und  wirkungsvolle  Be¬ 
handlungsmethode  bei  manchen  Fällen  darstelle,  so  sei  doch  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  die  altbewährte  Operation  vorzuziehen.  Kos¬ 
minski  stellt  folgende  Forderungen  auf:  Alle  Myome,  bei  denen  eine 
Operation  kontraindiziert  ist,  sind  zu  bestrahlen.  Alle  jungen  Frauen 
mit  Myomen  eignen  sich  nicht  für  die  Röntgentherapie  (mit  Aus¬ 
nahme  der  ersten  Forderung).  Von  den  älteren  Frauen  dürfen  nicht 
bestrahlt  werden:  Myome,  die  zu  gross  sind,  die  subserösen,  sub¬ 
mukösen  und  polypösen,  solche,  die  Umwandlungen  in  ihrem  histo- 
log'schen  Bau  zeigen  (Verjauchung  usw.),  solche,  die  den  Verdacht 
dei  Malignität  erwecken,  bei  Komplikationen  mit  Tubenentzündungen, 
die  mit  Herzschwäche  und  Anämie  verbundenen.  Vor  jeder  Be¬ 
strahlung  ist  stets  eine  Probeabrasio  vorzunehmen. 


Nikolaus  Wilensky  hat  Untersuchungen  über  Oeso- 
phagektomie  undOesophagoplastik  bei  hochsitzen¬ 
den  Oesophaguskarzinomen  angestellt  und  darüber  in  einer 
Heidelberger  Dissertation  (1913.  23  Seiten,  J.  Hörning)  berichtet. 
Die  Oesophagektomie  ist  im  allgemeinen  ausführbar  in  den  Fällen, 
wo  die  untere  Grenze  des  Tumors  bei  nach  rückwärts  geneigtem 
Kopf  über  dem  Jugulum  steht.  Palpierbarkeit  von  aussen,  das  so 
ominöse  Zeichen  bei  Krebsen  anderer  Teile  des  Verdauungstraktus 
ist  keine  Gegenanzeige  für  die  Oesophagektomie.  Bei  der  Exstir¬ 
pation  müssen  alle  mitergriffenen  Nachbarorgane  mitentfernt  werden 
I  raliminare  Tracheotomie  und  Oesophagotomie  sind  möglichst  zu  ver¬ 
meiden,  dagegen  gewährt  vorherige  Gastrostomie  die  besten  Be¬ 
dingungen  der  Wundheilung.  Die  v.  H  a  c  k  e  r  s  c  h  e  P  1  a  s  t  i  k  in 
zwei  Sitzungen  ausgeführt,  gibt  dem  Pat.  eine  gut  funktionierende 
Speiseröhre.  Fritz  Loeb. 


Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Freiburg  i.  Br.  April  1913. 

E  n  ge  lhardt-T  rützschler  Else :  Ueber  den  doppelseitigen 
physiologischen  Antagonismus  von  Pilokarpin  und  Atropin  am 
isolierten  Froschherzen. 

He  d  de  Carl:  Ueber  Ovarialblutungen,  speziell  über  Blutungen 
dem  Corpus  luteum. 

Lang  Heinrich:  Der  gegenwärtige  Stand  der  Lupustherapie. 

v.  Rohden  Friedrich:  Zur  Blutzirkulation  in  der  Lunge  bei 
schlossenem  und  offenem  Ihorax  und  deren  Beeinflussung  durch 
Ueber-  und  Unterdrück. 

R  neben  Fianz:  Ueber  das  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen 
stromenden  Blute. 

Runge  Herrn.  Gust.:  Ueber 
Embolien. 

Stern  Ludwig:  Kulturkreis  und 

W  e  i  s  b  a  c  h  Walter :  Welches  ist 
der  Mundhöhle? 

Wolff  Herbert:  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Kalziums 
auf  die  Knorpelquellung. 


aus 


ge- 


mi 


postoperative  Thrombosen  und 

Form  der  geistigen  Erkrankung, 
die  beste  Methode  zur  Reinigung 


T  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26.  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


No.  22 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 


(Bericht  des  Vereins.) 
Sitzung  vom  12.  Februar  1913. 
Vorsitzender:  Herr  No  bis. 
Schriftführer :  Herr  Ochsenius. 


.^e.u  Lhle  referiert  1.  über  einen  Fall  von  transperitonealem 
zervikalen  Kaiserschnitt  nach  K  r  ö  n  i  g. 

2.  Demonstrationen. 

Herr  Nauwerck:  Ueber  Gallenergüsse  im  Bauchraum. 

v  iV  °m  Mandpunkte  des  pathologischen  Anatomen  aus  kann  das 
Vorkommen  der  von  Clairmont  und  v.  Haberer  aufgestellte, 
„gal  .gen  Peritonitis  ohne  Perforation  der  Gallenwege“  als  bewiese 
nicht  anerkannt  werden.  Das  Fehlen  einer  sichtbaren  Perforation  zur 
Zeit  der  Operation  oder  Sektion  schliesst  noch  nicht  aus,  dass  ein" 
solche  vorher  bestanden  hat.  Um  zu  sicheren  Schlüssen  zu  gelangen” 
muss  eine  ausgiebige  mikroskopische  Untersuchung  aller  in 
kommenden  Gebiete  vorgenommen  werden;  das  gilt  auch  für  die 
herangezogenen  Analogiefälle  durch  Unterbindung  des  Gallengangts 
lirhPp'^pen'  •  DaSi!  dfr  Chirurg  sich  alle  in  Betracht  zu  ziehenden  Mög- 
'c Seiten  einer  bestehenden  oder  voraufgegangenen  Perforation  wäh- 

der  Operation  zu  Gesichte  bringen  könnte,  darf  als  zweifelhaft 
p  eichnet  werden.  In  einem  Falle  massigen  Gallenergusses  in  das 
Peritoneum,  in  dem  weder  bei  der  Operation  noch  bei  der  Sektion 

HlneuPnrfu°ratlon  fe,funden  wurde,  ergab  das  Mikroskop,  dass  eine 
durch  Dehnung  infolge  Gallenstauung  verursachte  Ruptur  der  Gallen 
blase  voraufgegangen  war.  Ud“en" 

Herr  Ne  über  t:  Anlässlich  eines  am  selben  Vormittag  erfolglos 
weil  wegen  der  Schnelle  des  Verlaufes  etwas  zu  spät,  operier  e  i 
halles  von  Embolie  der  Pulmonalarterie  demonstriert  N.  die  gewon¬ 
nenen  Emboli  und  bespricht  den  vorherigen  Krankheitsverlauf  mit  be¬ 
sonderem  Hinweis  auf  das  Verhalten  der  Pulskurve.  sowie  di" 
Jpeiabon.  Es  gelang  dabei  durch  direkte  Herzmassage  die  Herz- 
Vonhi?-L|ZU  rbytbmis£her  Kontraktion  zu  bringen,  jedoch  nicht  die 
ex^r i rni e r e n* " ^  ^  Handkr£lft  reichte  nicht  hin-  die  Ventrikel  zu 

Kurzer  Ueberblick  der  Emboliegefahr  und  Prophylaxe  und 
der  miterlebten  Geschichte  der  von  Trendelenburg  erfundenen 
?ifrptli0n*  Schilderung  des  Ganges  der  Operation,  i.  e.  Arteriotomie 
der  Pulmonahs  mit  Demonstration  des  Instrumentars.  das  in  keiner 
chu  urgisch-gynakologischen  Klinik  operationsfertig  fehlen  dürfte. 

Herr  Fritz  Fraenkel:  Ueber  Glaukom. 
c  ,  •  “  werden  die  Ursachen  der  Drucksteigerung  erörtert  und  ver¬ 
schiedene  neuere  Glaukomtheorien  besprochen.  Von  den  modernen 
Glaukomoperationen  hat  F.  viermal  die  Trepanation  nach  E  1 1  i  o  t  mit 
dem  von  Schn  au  d  i  ge  1  angegebenen  Trepan  mit  befriedigendem 
Frfolge  ausgefuhrt.  Die  druckherabsetzende  Wirkung  des  Aderlasses 
kann  F  bestätigen  Zum  Schluss  wird  das  S  c  h  i  ö  t  z  sehe”  Tono¬ 
meter  demonstriert. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 


(Offizielles  Piotokoll.) 

XXI.  Sitzung  vom  8.  März  1913. 
Vorsitzender:  Herr  Rudolf  Panse. 


Tagesordnung: 

Herr  Galewsky:  Ueber  idiopathische  Hautatrophie. 

Herr  P.  Seifert:  Ueber  Sklerodermie. 

oi tr.  bespricht  die  Sklerodermie,  ihre  Beziehungen  zur  Ray- 
lmUMSChe^n  Kra"kheit'  zur  Erythromelalgie,  zum  Morbus  Basedow, 
dem  Myxödem  etc.;  er  weist  hin  auf  die  verschiedenen  Theorien  über 
das  Wesen  der  Sklerodermie  und  insbesondere  auf  die  Auffassung  von 
neurologischer  Seite,  nach  welcher  die  Sklerodermie  zur  Gruppe  der 
Organneurosen  gerechnet  und  ihre  letzte  Ursache  in  einer  ererbten 
oder  erworbenen  Störung  des  vegetativen  Nervensystems  gesucht 
wird  (lassirer). 

Im  Anschluss  daran  stellt  Vortragender  eine  Patientin  vor,  die. 
krankte11"061^  Fam‘  16  stamrnend-  vor  5A  Jahren  an  Sklerodermie  er- 

Befallen  sind  das  Gesicht,  der  Nacken  und  hauptsächlich  die 
Unterarme  und  Hände.  Die  Finger  sind  krallenförmig  gekrümmt, 
können  nicht  gestreckt  werden,  sind  versteift;  die  Haut  fühlt  sich 

(Sklerodaktylie)  ^  S  anzt  und  ’st  stellenweise  zyanotisch  verfärbt 

, .  ,Pa?  .pesielte  hat  durch  die  Glätte  und  Straffheit  der  Haut,  durch 
ue  Verkürzung  der  Lippen  und  Nasenflügel  einen  starren,  masken¬ 
artigen  Ausdruck  erhalten.  In  therapeutischer  Beziehung  waren 
lbrolysininjektionen  (Merck)  von  gutem  Erfolge  auf  die  sklero- 
dermischen  Veränderungen  der  Haut. 

,  Diskussion  über  die  Vorträge  der  Herren  Galewskv 
und  Seifert. 

,  .  o^p6rn  ^  3 -le-T^  s  k  y :  ln  der  Behandlung  der  Sklerodermie  hat  er 
bei  2  Lallen  mit  I  hiosinamin  bzw.  Fibrolysin  sehr  gute  Erfolge  gehabt, 
ln  dem  einen  Falle  bestand  eine  strangartige  Verdichtung  der  Haut 
am  Anus,  welche  die  Stuhlentleerung  erschwerte;  auch  diese  wurde 
zum  Verschwinden  gebracht.  Es  ist  zweckmässig,  nach  10—12  In- 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1237 


jektionen  eine  grössere  Pause  eintreten  zu  lassen.  Exantheme  scha¬ 
den  nichts  weiter. 

Herr  L  e  i  b  k  i  n  d  bemerkt,  dass  in  der  neuesten  Literatur 
Mesenterialdrüsenextrakt  zur  Behandlung  empfohlen  wird. 

Herr  Gotthold  Ehrlich  hat  vor  einiger  Zeit  hier  einen  Fall  von 
Akrodermatitis  atrophicans  mit  sklerodermieartigen  Veränderungen 
demonstriert,  der  dem  heute  vorgestellten  ganz  ähnlich  war.  Er  fragt, 
ob  im  vorliegenden  Falle  eine  äussere  oder  Witterungsschädigung 
vorliegt. 

Herr  G  a  1  c  w  s  k  y  verneint  diese  Frage.  Besonders  Leute  mit 
empfindlichen  Gefässsystem,  die  reizbare  Vasomotoren  haben  und  an 
Frostballen  und  ähnlichen  Störungen  leiden,  sind  zu  dem  besprochenen 
Krankheitsbild  disponiert.  Das  Auftreten  an  den  Händen  ist  wohl 

mehr  ein  Zufall. 

Herr  P.  Seifert:  Heber  neurotische  progressive  Muskel- 

atrophie. 

Vortr.  stellt  nach  kurzer  Besprechung  dieser  Krankheitsform  ein 
junges  Mädchen  von  15  Jahren  vor,  welches  seit  2  Jahren  an  neuro¬ 
tischer  progressiver  Muskelatrophie  leidet.  Die  Kranke  stammt  aus 
gesunder  Familie,  ist  vorher  nie  ernstlich  krank  gewesen,  hat  mit 
1J4  Jahren  normal  laufen  gelernt. 

Die  Erkrankung  begann  mit  allmählich  zunehmender  Atrophie  in 
den  kleinen  Fussmuskeln,  dem  Muse,  peroneus  und  Fxtensor  digi- 
torum  communis.  Dadurch  kam  es  zu  einem  Pes  varo-equinus  und 
Krallenstellung  der  Zehen  r.  >  1.).  Die  Wadenmuskulatur  ist  nur 
rechts  deutlich  atrophisch.  Die  Patellarreflexe  fehlen  beiderseits  voll¬ 
ständig,  es  bestehen  fibrilläre  Zuckungen  in  den  befallenen  Muskeln. 
Ganz  auffallend  ist  eine  fast  vollständige  elektrische  Unerregbarkeit 
der  erkrankten  Muskeln  auf  starken  galvanischen  und  faradischen 
Strom.  Gefühlsstörungen  und  Schmerzen  fehlen. 

Herr  H  e  i  t  m  ü  1 1  e  r:  Ueber  Kieferbrüche  und  deren  Behandlung. 

Der  Vortragende  bedauert,  wegen  der  Kürze  der  Zeit  nur  wenig 
auf  Allgemeines  eingehen  zu  können  und  beschränkt  sich  hauptsäch¬ 
lich  auf  die  Beschreibung  des  anatomischen  Bildes  der  Kieferbrüche 
und  deren  Behandlung  unter  Vorführung  zahlreicher  Lichtbilder.  Er 
spricht  Herrn  Prof.  Schröder,  Leiter  der  technischen  Abteilung 
des  zahnärztlichen  Instituts  an  der  Universität  Berlin,  öffentlich  seinen 
Dank  für  die  Ueberlassung  von  Diapositiven  zur  Ergänzung  seiner 
eigenen  Bilder  für  den  Vortrag  aus. 

H  e  i  t  m  ii  1 1  e  r  erwähnt  unter  den  Ursachen  besonders  die 
Kieferbrüche,  welche  durch  Zahnextraktionen  veranlasst  werden. 
Namentlich  sind  durch  den  Gebrauch  des  Zahnschlüssels  nicht  nur 
Brüche  des  Alveolarfortsatzes,  sondern  auch  Brüche  des  Kieferkör¬ 
pers  nicht  selten  hervorgerufen  worden.  Ferner  sind  Kieferbrüche 
veranlasst  durch  Zangen,  welche  zum  Trennen  von  Wurzeln  dienen, 
sowie  durch  Hebel  und  den  neuerdings  von  Part  sch  empfohlenen 
Drehmeissei,  namentlich  bei  schwierigen  Extraktionen  des  unteren 
Weisheitszahnes.  Den  Zahnschlüssel  sollte  man  überhaupt  nicht  mehr 
benutzen  Will  man  zusammenhängende  Zahnwurzeln  trennen,  so  ge¬ 
schieht  das  am  besten  durch  einen  Bohrer.  Bei  schwer  zu  entfernen¬ 
den  unteren  Weisheitszähnen  ist  es  besser,  nach  Aufnahme  eines 
Röntgenbildes  vor  der  Extraktion  unter  Lokalanästhesie  nach  Zuriick- 
klappung  des  Zahnfleisches  den  Knochen  hinter  dem  Weisheitszahn 
bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  fortzubohren. 

Redner  erwähnt  dann  die  spontanen  Kieferfrakturen,  zu  welchen 
Geschwülste,  Knochentuberkulose,  tertiäre  Lues,  Osteomyelitis  usw. 
Veranlassung  geben. 

Unter  den  Symptomen  ist  besonders  auffallend  die  Dislokation, 
welche  hauptsächlich  durch  den  Muskelzug,  aber  auch  durch  die  Rich¬ 
tung  der  Gewalteinwirkung  und  den  Verlauf  der  Bruchlinie  bedingt 
wird.  In  einzelnen  Fällen  kann  die  Dislokation  gänzlich  fehlen. 

Die  Diagnose  wird  namentlich  bei  Splitterbrüchen  durch  das 
Röntgenbild  wesentlich  erleichtert.  Es  empfiehlt  sich,  die  Röntgen¬ 
aufnahmen  für  diese  Zwecke,  anstatt  auf  der  dem  Bruch  entgegen¬ 
gesetzten  Seite  durch  Platten,  möglichst  durch  Films  zu  gewinnen, 
welche  der  Patient  selbst  im  Munde  mit  dem  Zeigefinger  fixiert. 

Die  Prognose  bei  der  Behandlung  von  Kieferbrüchen  ist  gerade 
durch  das  Zusammenarbeiten  von  Chirurg  und  Zahnarzt  eine  sehr 
günstige  geworden.  Dieselbe  ist  weniger  gut  bei  Splitterbrüchen  und 
bei  gewisen  Arten  von  Spontanfrakturen.  Bei  nicht  sachgemässer 
Behandlung  können  sich  Pseudarthrosen  entwickeln  oder  Heilungen 
der  Fragmente  in  abnormer  Stellung  zustande  kommen.  Auch  Fisteln 
können  noch  längere  Zeit  bestehen,  welche  durch  Nekrosen  oder  ab¬ 
gestorbene  Pulpen  von  Zähnen  in  der  Gegend  der  Bruchlinie  unter¬ 
halten  werden.  Auf  letzteren  Umstand  ist  früher  viel  zu  wenig  ge¬ 
achtet  worden.  Durch  den  Bruch  kann  die  Lebensfähigkeit  der  Pulpa 
der  benachbarten  Zähne  zerstört  werden.  Dieselbe  stirbt  dann  ab 
und  bildet  nach  Uebergang  in  Fäulnis  einen  ständigen  Infektionsherd. 
Man  kann  mit  Hilfe  des  Induktionsstromes  bei  äusserlich  intakten 
Zähnen  die  Vitalität  der  Pulpa  leicht  feststellen.  Der  Vortr.  hat 
selbst  mehrere  Fälle  beobachtet,  wo  länger  bestehende  Fisteln  an  der 
Bruchstelle  nach  Behandlung  benachbarter  Zähne  mit  zersetzter 
Pulpa  zur  Ausheilung  kamen. 

Der  Vortr.  zeigt  dann  an  Lichtbildern  die  verschiedenen  Arten 
von  Unterkieferbrüchen  im  Kieferkörper  und  im  aufsteigenden  Ast. 
Ferner  auch  Splitterbrüche  durch  Kugelschüsse  nach  Präparaten  aus 
der  Kaiser-Wilhelm-Akademie  zu  Berlin,  welche  experimentell  her¬ 
vorgerufen  waren.  Nach  den  Erfahrungen  in  den  neueren  Kriegen 
verursachen  auch  kleinkalibrige  Geschosse  wegen  der  Härte  des 
Unterkieferknochens,  selbst  aus  grösseren  Entfernungen  fast  immer 


erhebliche  Splitterungen.  Sodann  werden  Röntgenbilder  mit  Ein¬ 
lagerung  eines  Knochensplitters  und  einer  Zahnwurzel  in  der  Bruch¬ 
linie  gezeigt,  ferner  auch  Röntgenbilder  von  Spontanfrakturen. 

Weiter  bespricht  der  Redner  die  Therapie  bei  Kieferbrüchen, 
unter  Vorführung  zahlreicher  Lichtbilder.  Die  äusseren  Kieferver¬ 
bände,  welche  früher  fast  ausschliesslich  zur  Behandlung  von  Kiefer¬ 
brüchen  verwandt  wurden  und  häufig  nicht  die  Heilung  der  Frag¬ 
mente  in  abnormer  Stellung  verhindern  konnten,  werden  heutzutage 
für  sich  allein  nur  bei  geringen  Dislokationen  oder  als  Notbehelf  kurz 
nach  dem  Unfall  angelegt,  dann  auch  zusammen  mit  dentalen  Schienen. 
Es  folgen  Bilder  der  verschiedenen  Arten  der  extra-intraoralen  und 
intraoralen  Verbände. 

Die  Knochennaht  wird  heutzutage  nur  noch  selten  angewandt. 
Dieselbe  hat  noch  eine  gewisse  Berechtigung  bei  Brüchen  von  zahn¬ 
losen  Kiefern,  obgleich  es  auch  bei  diesen  durch  Kautschukschienen, 
welche  mit  roter  Guttapercha  unterlegt  sind  und  gegen  den  Ober¬ 
kiefer  fixiert  werden,  meist  gelingt,  eine  Heilung  herbeizuführen. 
Ferner  wird  die  Knochennaht  noch  bei  Splitterbrüchen  im  Kriege, 
zumal  wenn  zahnärztliche  Hilfe  nicht  zur  Hand  ist,  ausgeübt.  Vortr. 
erwähnt  den  Bericht  von  Hashimoto  in  Japan  über  Unterkiefer¬ 
schussfrakturen  im  japanisch-russischen  Kriege,  welcher  bei  Splitter- 
Frakturen  den  zertrümmerten  Knochen  entfernte  und  eine  V-förmig 
gebogene  Aluminiumschienc  in  den  Defekt  einführte. 

Das  Zusammenbinden  der  der  Bruchstelle  benachbarten  Zähne  bis 
zur  weiteren  Behandlung  ist  nur  auf  kurze  Zeit,  im  Zusammenhang 
mit  äusseren  Verbänden,  zulässig,  da  beim  längeren  Liegenlassen 
der  Fäden  die  Zähne  sehr  empfindlich  werden,  und  das  Zahnfleisch 
sich  entzündet.  Will  man  Fäden  anlegen,  so  müssen  dieselben  bei 
den  Schneide-  und  Eckzähnen  auf  dem  Lingulum  aufliegen,  um  ein 
Herabgleiten  auf  das  Zahnfleisch  zu  verhüten,  und  nach  jeder  Schlinge 
verknotet  werden. 

Bei  Kieferbrüchen,  deren  Fragmente  noch  Zähne  tragen,  ist  be¬ 
sonders  die  Einführung  der  Drahtschienen  nach  Hammond  und 
Sauer  sehr  zweckdienlich  gewesen.  Erleichtert  wird  die  An¬ 
fertigung  derartiger  Apparate  durch  das  zuerst  von  dem  Amerikaner 
G  u  n  n  i  n  g  und  später  unabhängig  von  ihm  von  dem  deutschen 
Zahnarzt  Süerssen  angewandte  Verfahren,  von  den  Fragmenten  in 
ihrer  dislozierten  Stellung  im  ganzen  oder  im  einzelnen  Abdrucke  zu 
nehmen  und  die  dadurch  hergestellten  Modelle  der  Bruchstücke  nach 
den  Zähnen  des  Oberkiefers  in  ihre  ursprüngliche  Stellung  zu  bringen, 
wodurch  man  ein  genaues  Modell  der  ursprünglichen  Form  des  Unter¬ 
kiefers  gewinnt. 

Vortr.  zeigt  dann  im  Lichtbilde  den  Gebrauch  der  schiefen  Ebene, 
welche  sich  an  die  Zähne  des  Oberkiefers  legt  und  bei  einseitigen 
Brüchen  im  aufsteigenden  Ast  den  dislozierten  Kiefer  wieder  in  die 
normale  Lage  bringt.  Ferner  die  von  Schröder  konstruierten 
doppelten  Gleitschienen,  welche  es  ermöglichen,  den  nach  beider¬ 
seitiger  Fraktur  der  Gelenkfortsätze  nach  hinten  gesunkenen  Unter¬ 
kiefer  wieder  nach  vorne  zu  bringen.  Sodann  folgen  Dentalschienen, 
welche  Scharniere  besitzen  und  zur  Reinigung  leicht  entfernt  werden. 

Besonders  schwierig  und  •  langwierig  gestaltete  sich  die  Be¬ 
handlung  von  veralteten  Unterkieferbrüchen.  Zur  Reposition  der 
Fragmente  findet  der  federnde  Draht,  die  Schraube,  die  schiefe  Ebene 
und  der  Zug  durch  intermaxillare  Gummibänder  Verwendung. 

Ein  weiteres  Bild  zeigt  eine  durch  Lues  zustande  gekommene 
Spontanfraktur  im  Unterkiefer,  welche  nach  Anlegung  einer  Schiene 
zur  Heilung  gekommen  ist. 

Die  Heilung  der  Oberkieferfrakturen  mit  Hilfe  von  dentalen 
Schienen  ist  leichter  als  die  des  Unterkiefers.  Einige  Bilder  zeigen 
derartige  Frakturen,  darunter  solche,  bei  denen  die  initiieren  Ge¬ 
sichtsknochen  gänzlich  von  der  Schädelbasis  abgetrennt  waren  (Ver¬ 
letzung  durch  Fahrstuhl).  Die  Heilung  wurde  durch  eine  Metallplatte 
nach  Art  der  Schiene  von  K  i  n  g  s  1  e  y  herbeigeführt,  welche  den 
Oberkiefer  bedeckte  und  deren  nach  aussen  stehende  Bügel  mit  einem 
Kopfnetz  durch  Gummibänder  verbunden  waren.  Durch  den  Gummi¬ 
zug  wurden  die  losgelösten  Gesichtsknochen  in  ihre  ursprüngliche 
Stellung  gebracht  und  dort  bis  zur  Verheilung  festgehalten. 

Zum  Schlusse  zeigt  Vortragender  eine  Anzahl  von  ihm  selbst 
behandelter,  frischer  und  veralteter  Kieferbrüche,  welche  derselbe 
ausschliesslich  durch  die  Anwendung  von  Drahtschienen  zur  Heilung 
gebracht  hat.  Die  Fälle  stammen  zum  Teil  aus  dem  Krankenhause 
Friedrichstadt  zu  Dresden. 

XXII.  Sitzung  vom  15.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Herr  Wert  her:  Demonstrationen  zur  Sklerodermie  und  Haut¬ 
atrophie. 

Herr  Weiser  (als  Gast):  Die  Diathermie. 

Die  Diathermie  oder  Thermopenetration  ist  ein  neuartiges  Ver¬ 
fahren,  mit  welchem  wir  den  elektrischen  Strom  direkt  im  Innern 
des  Körpers  am  Orte  unserer  Wahl  in  Stromwärme,  sog.  Joule  sehe 
Wärme,  umsetzen  können.  Wir  vermögen  dadurch  zugleich  eine 
nahezu  auf  einen  Krankheitsherd  beschränkte  aktive  Hyperämie  her¬ 
vorzurufen.  Das  Verfahren  wurde  1907  gleichzeitig  unter  dem  Namen 
„Diathermie“  von  Dr.  Nagelschmidt  -  Berlin  und  unter  dem 
Namen  „Thermopenetration“  von  Dr.  v.  Zeynek-Prag  in  die 
Therapie  eingeführt.  Die  Diathermie  hat  bis  jetzt  vorzugsweise  An¬ 
wendung  gefunden  bei  Gelenkaffektionen  gichtischer,  rheumatischer 
und  gonorrhoischer  Natur,  Neuralgien,  Lungenaffektionen,  Frauen¬ 
leiden,  Augenerkrankungen  usw.  Vielleicht  eröffnet  uns  die  Dia- 


1228 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


kiflose?  Cine  nCUe  Perspektive  für  die  Behandlung  der  Lungentuber- 
Der  Diathermieapparat  transformiert  den  städtischen  Weehcel 

urvo„  enonVoÄeQUenZ|tr0m-  Der  S*adtSromShStenei^eshpit 

Hing  von  Hl  VoU  und  eine  Frequenz  von  50  Perioden  ner  Sekunde 
‘e  Anschlussleitung  ist  für  20  Ampere  gesichert  Die  elektrischen 
Abmessungen  des  Apparates  sind  so  getroffen, dass  de ^  erzeuge 
Diathermiestrom  ähnliche  Stromstärke  und  -Spannung  wie  der  Säre 

durchSse/neI1eii(friTieiiohlerFChei^e* SiC"  ,T  *sem  jedoch  weS 

ft-MSÄndÄriÄ"1  annähernd  ',000“° 

ne«et7aSr,lJeSe*tZ  70n  der  elektr>schen  Stromwärme,  das  J  o  u  1  e  sehe 
ÄÄ*»  untefr  |onst  ^'eichen  Umständen  die  in  einem 
ektrischen  Leiter  erzeugte  Stromwärme  gleich  ist  dem  Produkt  ms 
dem  Widerstand  des  Leiters  und  dem  Quadrat  der  Stromstärke  D? 

trisnhpn  1Cw-dKÖI?er^  wurde  sich  infolge  seines  relativ  hohen  elek¬ 
trischen  Widerstandes  zur  direkten  Wärmetransformation  sreeiemet 
haben,  wenn  eine  Stromart  zur  Verfügung  gestanden  hä?e  die  man 
in  genügender  Stromstärke  gefahrlos  durch  den  Körper  senden  konnte 
Die  gewöhnlichen  Arbeitsströme  wie  z.  B.  der  städtische  Wechsel' 
?,  fr°“  l*ben  bereits  bei  relativ  geringer  Stromstärke  bei ihrer  Passfge 
dutch  den  Körper  eine  starke  Reiz-  bezw.  Schockwirkung  aus  nie 
Hochfrequenzströme  besitzen  nun  die  verblüffende  Senihäft  n 
gleicher  Stromstärke  und  Spannung  wie  die  gefährlichen  Wechsel 

FremT-  dc"  Körper  ^  Pa“siereE  Ohhe  S 

eine  Schädigung,  ja  sogar  ohne  irgend  eine  unangenehme  Empfindung- 
hervorzurufen  Sie  setzen  sich  infolge  des  hohen  Widerstandes  den 
sei  im  tierischen  Gewebe  finden,  in  reine  Stromwärme  um  Diese 

gSSCwelches ‘besagt1"  daVs ‘Ile  n"""'  S°R'  Quadratwurzelgesetz  fest- 

ihrer  hohen  Frequenz  rufen  dann  die  Diathermieströme  se lbstbei  eiier 
Stromstärke  von  3  Ampere  noch  keine  Reizwirkung  hefvor  Das 
Uiaraktemükum  der  Diathermieströme  ist  relativ  niedrige  Spannung 

Tesla  nHp  H-Atarke  (1,00-700  ^-3  Ampere)  wo  hingegen  dil 

lesia-  oder  d  Arsonvalströme  eine  hohe  Spannung  und  nfedricS 
Stromstärke  haben  (ca.  100  000  Volt  und  einige  Milliamn??  r5E 
Stromarten  Ist  die  hohe  Frecnenz  geSnSf  Zu  wTomEerzeulnE 

lÄÄSlf1  DÄ3SSB2 

xe«^  & 


No.  22. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

16-fo.  ordentliche  Sitzung  vom  5.  Mai  1913 
abends  7  Uhr  im  Sitzungssaal. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a. : 

l  n  i  t,  \er,®tzung  der  Schädelbasis  bei  Siebbeinoperation,  Rascher 
!od  nach  Nasenspulung.  Eitrige  Meningitis.  30jähr.  Mami 
^'ne  bene  von  Anginafällen  mit  sekundärer  Sepsis 
tumoren.  m  reseziertes  Masenkarzinom  bei  doppelseitigen  Ovarial- 

Riaci^«L«'iiRud'  ^°PP  ®nheinier:  Intravesikale  Behandlung  der 
Blasenpapillome  durch  Elektrolyse  ♦).  s  uer 

kalpJn«!”  bi,s*5r,  hauptsächlich  geübten  Methoden  der  intravesi- 
kalen  Geschwulstbehandlung  (Abtragung  durch  Schlinge  oder  Zange 
Kauterisation)  wesentliche  Nachteile  anhaften,  so  suchte  Vortr"  den 

zfehen  1SCnoL  S-K0m  zur.  Zerstörung  der  Blascnpapiltome heranz™ 
ziehen.  Gegenüber  der  inzwischen  publizierten  Methode  der  intra 

V  ^;;enZbel^ldlUn^  kommen  der  intravesikalen  Elek- 
,1  U  Vorteile  zu:  Das  eintachere  Instrumentarium,  sowie  die 
sentlich  geringere  Gefahr,  eine  Blasenperforation  zu  setzen  Die 
Methode  der  elekrolytischen  Behandlung  wird  in  der  folgenden 
lhufen  8'epaiidha*bt:  Auf  die  durch  buchte  Handtücher  abgedeckte 
gebracht5  die  Sh n  f -d  f  p!,0dt  in  Form  e'ner  Plattenelektrode 

benutzte  Vnrt? S  R  d‘6  ?  ®in*eführt-  Als  Blasenelektrode 
genutzte  vortr.  eine  Bougieelektrode,  die  vorne  einen  ?__s  mm 

DiegFleW€ta  te\!  tr^g,  und  die  Stärke  von  6  bzw.  10  Charieres  hatte 
h  "i,^k^°deT^-  6  !iann  an  stelle  eines  Ureterkatheters  in  die  ge- 
b  auchhchen  Urterenkystoskope,  Elektrode  No.  10  in  die  für  diese 
E  durchsnngigen  Instrumente  eingefügt  werden.  Nachdem  die 
Elektrode  möglichst  unter  den  Tumor  an  dessen  Stiel  herangebracht 
\var,  wurde  ein  Strom  von  ca.  60  Volt  Spannung  und  je  nach 
oieranz  des  Patienten  von  25 — 45  Milliampere  Stärke  eingeschaltet, 
rulem  man  sich  es  zunächst  etwa  3  mm  von  der  Peripherie  des 
Tumors  entfernt  hielt,  wurde  das  betreffende  Stück  des  Geschwulst- 

*)  Die  Originalarbeit  erscheint  in  der  Zeitschrift  für  Urologie. 


EH“  “ 

DiP  vn  (mt1St  zah'reiche  nekrotische  Gewebsfetzen  ausgeschwemmt 
Die  Vorteile,  welche  die  Methode  besitzt  sind  nach  des  VoHr  i  ' 
sicht  die  folgenden:  1.  die  technisch  festere ^  AusführbarkeE  gege  ‘ 

AvbPnHhderi,  Afbt^gung  mit  der  Schlinge  oder  der  Zange-  >  die  Ver 
wendbarkeit  dunner  Instrumente;  3.  die  geringe  Schmerzhaftigkeit' 
•  die  gelinge  Blutung  und  5.  die  Möglichkeit,  auch  nach  Abtragung 

Searbei?eCnhWUn  '  l?"  Zagehdrifei1  ™  der  BläsenwmM  gründlich  iu 
Behandlungsdauer,  trcT  Vertsse"  n?  £  EteSrSdff 

ve  WÄ  sää»  sfeSE? 

papillöm,  das  die  linke  Harnleitermiiiidung  vollkommen  überdeckt 
restlos  beseitigt.  Besondere  Erwähnung  verdien  d?r  Umstand  da« 
e£E,emV”d|r,e  Blase"S«chwulst  vollkommen  versehieden  gegen  den 

»£  SSE  KiMS'X  TtÄS« 
ÄPÄ  SStggT 

*»  Verdacht  auf  Malignitiit  erwecken  Es  wäif  ausser 

ordentlich  wichtig,  wenn  sich  in  diesem  verschiedenen  Verhalten 
gegenüber  dem  galvanischen  Strom  ein  diagnostisches  Kriterium 
hP^ebf-n  wuIde’  weil  gerade  die  Schwierigkeit,  die  gutartigen  von  den 
Geschwülsten  abzugrenzen,  das  Hauptargument  gegen  die 
intravesikale  Geschwulstbehandlung  darstellt. 

Herr  Edinger:  Ein  Ponstumor. 

Vortr  demonstriert  eine  Reihe  von  Schnitten  durch  einen  anfpl 
grossen  Tnmor  cier  Brücke.  Das  Interessante  daran  ist  dass  der' 
ErCh  die  untere  Oblongata  und  solche  durch  die  vordere 

LsehnSeDefenadusabkI)Pflt  kei7ne,,  Abweichung  vom  Normalen  erkennen 
mssen.  Der  aus  kleinen  Zellen  bestehende  Tumor  hat  sämtliche 

«nleh611  vT,  auseinandef  gesprengt,  keine  einzige  zerstört  Ein 
solches  Wachstum,  das  nicht  selten  gefunden  wird,  erklärt  es  warum 
wir  Hirntumoren  erst  wahrnehmen,  wenn  sie  schon  eine  relatTv  he 
‘Fachliche  Grösse  erreicht  haben.  Sie  wirken  eben  off  mehr  durch 

Bahü1eneSChrankUng  dCS  Schadels  aIs  durch  Vernichtung  einzelne! 
diesemeFaU.  M  e  1  f  e  n  h  e  1  m  e  r  *ibt  die  klinischen  Erläuterungen  zu 

G,lafüf/EEd-lngfr  spVcht  iiber  Ersatz  des  Kanadabalsams  durch 

ulatme  in  mikroskopischen  Präparaten. 

Seit  mehr  als  20  Jahren  hat  er  sich,  zuerst  mit  Weigert  zu 

SwSeBilli>eTesht;  d‘e  I?eckgläfr.r  und  den  Kanadabalsam  durch 
ZeUMoidnlattcn  za  ersetzen-,  A*Ie  möglichen  Lacke.  Zelluloidfilms, 
z-enuloidplatten,  die  verschiedensten  Zellitlösungen  wurden  im 

haben  "^alsfj^deEv“0?1'  v wesentliches  Resultat  wurde  erst  er- 
Chemike  pinSl  \°-  P-  Vorschlag  der  bekannte  photographische 
such?  mit  haEa  t?SC^ng’  in  dessen  Laboratorium  Ver- 
fabuLn  Höch.tf ?  PE,t0krrFPhlSEef  Qelatine  (Deutsche  Üelatine- 
schnitte  ’d!???hSphr  ht6‘  E  gclaakr  nun'  grosse  u”d  kleine  Gehirn¬ 
hatte  aber  nnch  ht  g  ,zu  ,^ach€,n-  Das  L  i  e  s  e  g  a  n  g  sehe  Verfahren 
hatte  aber  noch  viele  Mangel:  einige  wurden  durch  Nieuwen- 

lösun?  zu  hTtef’  ,der,  .empfohlen  hat,  die  Gelatine  mit  Formol- 
vlf  u  harten.  Im  hiesigen  neurologischen  Institut,  wo  man  das 

färbuigenfü?eFmrri?,UeS?ebl!?etHhat’  falI,en  -ietzt  für  die  Markscheiden- 
rarpung,  tut  Fibrillen  und  Hamatoxihnpräparate,  für  Karmin-  und 

andere  wasserunlösliche  Färbungen  alle  die  vielen  Prozeduren  des 

ntwasserns  und  Aufhellens  weg,  das  Deckglas  wird  erspart  Wir 

sScUh?nroedfrf!fe’-einerlei  °b  ewich  um  ein  kleines  versilbertes 
Elf  ?  U  du  einen  grossen  Weigertschnitt  durch  eine  ganze 

1  StundeCfn  1(^mispt]are  handelt,  nachdem  sie  gefärbt  sind,  für 
dann  d1  10  Proz.  Losung  photographischer  Gelatine.  Sie  werden 
her  <???«?  aStP-at/e  R5bracht-  ailf  der  die  gleiche  Gelatine  vor- 

fssen  All/  f  4  p  Und  mit  derselben  Gelatine  nochmals  über- 
ra  ln  ö  ,  A  e  diese  Prozm'ren  wurden  auf  einem  Tellerwärmer  bei 

Schnbtp  uf  n°mmenKiv"?ie  ferti«eii,  zunächst  noch  undurchsichtigen 
Schmtte  lasst  man  abkuhlen,  taucht  sie  dann  Vs  Stunde  in  10  proz 

SSÄ  f  Leim  Wasser  -WW  wird  „°„d 

?Ckn,enK  ,  Dann  werden  die  Schnitte  genau  so  durch- 
Schirht  aE  Kanadabalsam,  steinhart  und  haben  nur  eine  so  dünne 
das  sp  mp  ??  °?Se  Re‘dh  lichtbrechenden  Leimes  über  sich. 
immV  Ln  L  hklatcher  Vergrosserung  ebenso  gut  wie  mit  Oel- 

f ch  fiir  Fpf ••  F  h  MWeruen  können-  Das  Verfahren  eignet  sich 
J  ,  F/  a  bUFng’  MarchlPräparate  etc.,  nicht  aber  für  die  wasser- 
nrano  F  Anil  nfarhen,  also  z.  B.  nicht  für  Nisslpräparate;  auch  Golgi- 
BiSeb  w?raemen  Refahrdef.  In  seiner  grossen  Einfachheit  und 
S  nJnlui  voraussichtlich  bald  an  vielen  Stellen  Kanada- 

sfhae"rVes,vll?“kSySer  vou"'  ^  V"',ra‘*"de  Anzahl 


3.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1229 


Vorträge: 

Herr  F.  Blum :  Neue  Studien  über  die  Lebensfälligkeit  der 
Schilddrüse  und  der  Epithelkörperchen. 

Herr  R.  Griitzner:  Jodumsetzung  und  Jodspeicherung  in 
ihrem  Verhältnis  zur  Schilddrüse. 

Die  Jodumsetzung  wird  definiert  als  eine  Abspaltung  freien  Jods 
aus  Jodalkalien  und  Eintritt  einer  festen  chemischen  Bindung  an 
Eiweisskörper,  wahrend  die  Speicherung  nur  eine  Aufstapelung  be¬ 
deutet  und  in  der  Hauptsache  auf  physikalische  Kräfte  zurück¬ 
zuführen  sein  dürfte. 

Nach  einer  kurzen  Besprechung  der  wichtigsten,  das  Jod  der 
Schilddrüse  betreffenden  Tatsachen  wurde  über  eigene  Versuche 
berichtet,  in  denen  die  Anreicherung  der  Schilddrüse  an  Jod  in  or¬ 
ganische  Bindung  direkt  und  zahlenmässig  nachgewiesen  wurde.  Die 
nach  Exstirpation  der  Drüsen  auf  der  einen  Seite  zurückbleibenden 
Schilddrüsen  bei  4  Hunden  wurden  durch  Jodkaligaben  an  Jod  so 
sehr  angereichert,  dass  bei  etwa  gleichem  Drüsengewicht  die  doppelte 
Menge  Thyreoglobin  mit  ungefähr  dem  doppelten  Jodgehalt  erhalten 
wurde.  Diese  Fähigkeit  der  Schilddrüse  zur  Umsetzung  von  Jod 
in  organische  Bindung  wurde  nachdrücklich  als  eine  diesem  Organ, 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  allein,  zukommende  spezifische  Kraft 
gezeigt.  Angaben  anderer  Autoren,  die  auch  in  anderen  Fällen  solche 
Umsetzungen  beobachtet  zu  haben  glaubten,  wurden  im  Hinblick 
auf  deren  Methodik  kritisch  beleuchtet,  wobei  auf  das  von  Blum 
und  dem  Redner  ausgearbeitete  und  in  der  Zeitschrift  für  physio¬ 
logische  Chemie  erscheinende  Jodtrennungs-  und  Jodbestimmungs¬ 
verfahren  hingewiesen  wurde. 

Für  die  Frage  der  inneren  Sekretion  eines  Jodkörpers  aus  der 
Schilddrüse  dürfen  beliebig  ernährte  Tiere,"  die  unkontrollierbares 
Jod  aus  der  Nahrung  aufgenommen  haben  können,  nicht  in  Betracht 
gezogen  werden,  sondern  nur  jodfrei  ernährte  Versuchstiere.  Bei 
diesen  wurde  weder  in  Organen  noch  im  Blut  organisch  oder  anorga¬ 
nisch  gebundenes  Jod  aufgefunden.  Bei  Schlachthaustieren  dagegen 
im  Blut  gelegentlich  Spuren  anorganisches,  wie  organisches  Jod. 

Auch  gegenüber  Jodkaligaben  zeigt  die  Schilddrüse  ein  von 
anderen  Organen  abweichendes  Verhalten,  indem  diese  ziemlich  rasch 
das  kurze  Zeit  gespeicherte  Jod  abgeben,  die  Schilddrüse  es  aber 
dauernd  festhält. 

Nach  der  Mitteilung  von  Versuchen,  die  den  Abbau  von  Schild- 
drüsenjodeiweiss  sowohl  im  normalen,  wie  im  thyreopriven  Organis¬ 
mus  betrafen,  wurde  über  Experimente  berichtet,  die  diesen  Abbau 
in  der  Leber  zu  lokalisieren  gestatten.  Bei  diesen  wurde  die  Durch¬ 
blutung  des  überlebenden  Organs  (nach  E  m  b  d  e  n)  durchgeführt  und 
in  ziemlich  kurzer  Zeit  eine  beträchtliche  Vermehrung  des  anorgani¬ 
schen  Jods  konstatiert.  Andererseits  wurde  ein  analoger  Abbau  mit 
Leberextrakten  und  gehackter  Leber  unter  bestimmten  Bedingungen 
in  vitro  beobachtet,  ein  Befund,  der  bei  analogen  Versuchen  mit 
anderen  Organen  bis  jetzt  nicht  erhoben  wurde. 

Die  sämtlichen  Arbeiten  des  Biologischen  Instituts  ergaben  eine 
weitgehende  Bestätigung  der  früheren  Blum  sehen  Befunde  und  auf 
Grund  einer  Zusammenfassung  der  über  die  Rolle  des  Jods  in  der 
Schilddrüse  bekannten  Tatsachen  konnte  ausgesprochen  werden,  dass 
keine  von  diesen  für  eine  innere  Sekretion  des  Jodkörpers  der 
Schilddrüse  einwandfrei  geltend  gemacht  werden  kann. 

Herr  A.  Val.  Marx:  Organveränderung  bei  Störungen  der 
Schilddrüsentätigkeit. 

Völliger  oder  fast  vollkommener  Mangel  der  Schilddrüsentätig¬ 
keit  lässt  Toxine,  die  bei  der  Verdauung  gebildet  werden  frei  im 
Körper  kreisen.  Diese  Toxine  werden  von  lebenswichtigen  Organen 
verankert.  Folge  dieser  Verankerung  ist  zunächst  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  die  Tetanie.  Als  anatomisches  Substrat  des  klinischen 
Bildes  findet  man  schwere  Veränderungen  der  motorischen  Ganglien¬ 
zellen  und  ihrer  Fortsätze  im  Sinne  des  Schwundes  der  Tigroid- 
schollen,  sowie  Quellung  und  körnigen  Zerfall  der  Ganglienzellen- 
und  ihrer  Fortsätze.  Von  grösster  Bedeutung  für  die  Pathologie  sind 
jedoch  die  aus  dem  Tierexperiment  gewonnenen  Erfahrungen  bei 
mangelnder  Schilddrüsentätigkeit  sowie  bei  degenerierten  Schild¬ 
drüsen  (Struma).  Die  Resultate  der  Untersuchungen  lassen  sich  dahin 
zusammenfassen : 

1.  Mangelnde  Schilddrüsentätigkeit  bewirkt  bei  Ratten  und  Katzen 
das  Auftreten  einer  parenchymatösen  Nephritis  und  zwar  so,  dass 
Ratten  seltener  und  weniger  intensiv,  Katzen  bei  weitem  stärker 
und  dabei  auch  an  interstitiellen  Veränderungen  erkranken. 

2.  Mangelnde  und  mangelhafte  Schilddrüsentätigkeit  bewirkt 
beim  Hunde  das  Auftreten  einer  parenchymatösen  Nephritis,  welche 
bei  genügend  langer  Lebens-  bzw.  Krankheitsdauer  sukzessive  in 
die  chronische  interstitielle  Nephritis  schwerster  Form  übergeht. 

Die  Aetiologie  der  interstitiellen  Nephritis  ist  vielgestaltig.  Es 
gibt  aber  eine  Reihe  von  Fällen,  wo  wir  von  einer  genuinen  Schrumpt- 
niere  reden  und  wo  wir  über  die  Aetiologie  im  Unklaren  sind.  Wenn 
man  nach  Tierexperimenten  Schlüsse  ziehen  darf,  scheint  es  ange¬ 
bracht,  dass  man  dem  Gedankengang  nahetritt,  dass  in  vielen  dieser 
Fälle  eine  gestörte  Schilddrüsentätigkeit  vorliegt.  Der  seit  langem 
empirisch  festgestellte  Nutzen  der  Milchtherapie  dürfte  damit  zu  er¬ 
klären  sein,  dass  die  Milch  dem  erkrankten  Organ  —  der  Schild¬ 
drüse  —  Entlastung  bringt. 

Herr  E.  Mosbacher:  Schilddrüse  und  Konzeption. 

Eine  gewisse  Beeinflussung  der  Ovarialfunktion  durch  gestörte 
Schilddrüsenfunktion  oder  das  Fehlen  derselben  lehren  klinische  Er¬ 


fahrungen  (Struma,  Myom,  Menstruationsstörungen  bei  Morbus 
Basedowii  und  Mxyödem,  Metrorrhagia  strumipriva).  Die  experi¬ 
mentellen  Versuche  über  den  Einfluss  des  Ausfalles  der  Schilddrüse 
auf  die  Fortpflanzungsfähigkeit  ergeben  kein  einheitliches  Resultat. 
Die  Sichtung  des  thyreopriven  Tiermaterials  aus  dem  biologischen 
Institut  zwecks  Studium  der  Frage  Thyreoidea  und  Schwangerschaft 
hat  ergeben: 

1.  4  thyreoprive  Ratten,  3  thyreoprive  Hunde  und  1  thyreo- 
prive  Katze  haben  konzipiert.  1  thyreoprive  Hündin  wurde  von 
einem  thyreopriven  Hunde  belegt.  Ein  thyreopriver  Hund  wurde 
in  frühester  Jugend  seiner  Schilddrüse  beraubt  und  hat  später  den¬ 
noch  konzipiert.  Schilddrüsenausfall  plus  Epithelkörperchenausfall 
schädigen  demnach  die  Fortpflanzungsfähigkeit  nicht. 

2.  Die  Gravidität  wurde  von  den  schilddrüsenlosen  Tieren  mit 
einer  einzigen  Ausnahme  ohne  Schädigung  vertragen. 

3.  Während  der  Gravidität  wurde  bei  3  Ratten  die  Schilddrüse 
exstirpiert.  Die  Tiere  haben  den  Eingriff  gut  überstanden  und  aus¬ 
getragen. 

4.  Eine  thyreoprive  Ratte  und  ein  thyreopriver  Hund  sind  im 
Anschluss  an  das  Puerperium  zugrunde  gegangen. 

5.  9  thyreoprive  Tiere  haben  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Puerperium  ohne  jegliche  Störungen  vertragen. 

Alle  diese  Tiere,  die  trotz  Schilddriisenausfalls  konzipiert  haben, 
haben  den  Ausfall  der  Schilddrüse  an  sich  gut  vertragen  und  sind 
gesund  geblieben.  Bei  kranken  Tieren,  die  durch  den  Ausfall  der 
Schilddrüse  an  einer  Vergiftung  des  Gesamtorganismus  litten  (Te¬ 
tanie,  chronische  Kachexie)  wurde  Konzeption  nie  beobachtet.  Diese 
Tiere  wurden  sekundär  in  der  Funktion  ihrer  Keimdrüsen  geschädigt. 
Deshalb  wird  eine  direkte  Beinflussung  der  Keimdrüse  durch  die 
Schilddrüsenfunktion  abgelehnt. 

Kurze  Mitteilung  über  den  bemerkenswerten  Befund  von  orga¬ 
nisch  gebundenem  Jod  im  Eklampsieblut  nach  einer  neuen  Methode 
von  Blum  und  Griitzner.  Diese  Tatsache  (Gehalt  an  organisch 
gebundenem  Jod  im  Eklampsieblut,  und  der  Befund  von  Abder¬ 
halden,  nämlich  die  Fähigkeit  des  Eklampsieserums,  Schilddrüsen¬ 
gewebe  abzubauen,  zwingen  zu  dem  Schlüsse,  dass  bei  der  Eklampsie 
Schilddrüsenstoffe  an  den  Kreislauf  abgegeben  werden. 

Die  Diskussion  über  die  Vorträge  wird  auf  die  nächste 
Sitzung  vertagt. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  26.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Hippel. 

Schriftführer:  Herr  S  t  i  e  d  a. 

Herr  Zimmermann:  Einiges  über  Urotropin  und  seine  Be¬ 
deutung  für  die  Prophylaxe  und  die  Therapie  der  otogenen  Meningitis. 

(Erscheint  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für  Ohrenheilkunde.) 

Z.  weist  auf  den  erfreulichen  Umschwung  hin,  der  gerade  in  der 
jüngsten  Zeit  in  der  Prognosestellung  der  otogenen  Meningitis  ein¬ 
getreten  ist.  Während  man  früher  die  vom  Ohr  aus  induzierte  eitrige 
Entzündung  der  weichen  Hirnhaut  für  absolut  unheilbar  hielt,  ist  es 
heute  experimentell  wie  klinisch  einwandfrei  erwiesen,  dass  ein  der¬ 
artiger  Skeptizismus  nicht  mehr  zu  Recht  besteht.  Diese  Fortschritte 
verdanken  wir  neben  der  Verbesserung  unserer  diagnostischen  Hilfs¬ 
mittel  ganz  besonders  einer  exakten  Indikationsstellung  für  ein  ziel¬ 
bewusstes  therapeutisches  Handeln.  Daneben  spielen  aber  noch  eine 
ganze  Reihe  weiterer  kurativer  Massnahmen  eine  nicht  zu  unter¬ 
schätzende  Rolle.  Unter  diesen  bespricht  Vortr.  eingehend  die  Be¬ 
deutung  des  Urotropins  bei  interner  Verabreichung  als  des  modernsten 
und  in  seiner  Wirkungsweise  gerade  in  letzter  Zeit  vielerörterten 
Mittels. 

Das  Urotropin  wird,  wie  Crow  zum  ersten  Male  nachgewiesen 
hat,  ähnlich  wie  eine  Reihe  anderer  Substanzen  (Chloroform,  Jod, 
Salizylsäure  u.  a.  m.)  nach  subkutaner  oder  stomachaler  Applikation 
im  Liquor  cerebrospinalis  ausgeschieden  und  zwar  nicht  nur  konstant, 
sondern  auch  in  einer  Konzentration,  die  es  dem  Medikament  er¬ 
möglicht,  im  Hirnraum  noch  antibakterielle  Wirkungen  zu  entfalten. 
Ausserdem  wird  —  und  das  ist  zur  Erzielung  eines  therapeutischen 
Effektes  eine  weitere  notwendige  Voraussetzung  —  dieses  Gehalt¬ 
minimum  schon  erreicht  bei  therapeutisch  zulässigen  Dosen,  d.  h.  bei 
Quantitäten,  deren  Einverleibung  für  den  Pat.  keinerlei  unangenehme 
Nebenerscheinungen  zur  Folge  hat. 

Die  Wirkung  des  Urotropins  hat  man  sich  wohl  auch  hier, 
ähnlich  wie  im  Urin,  als  eine  Wirkung  des  Formaldehyds  vorzu¬ 
stellen.  Auch  im  Liquor  wird  wahrscheinlich  zu  irgend  einer  Zeit 
das  Hexamethylentetramin  zerlegt  und  in  seine  beiden  Komponenten 
Ammoniak  und  Formaldehyd  gespalten.  Während  es  nun  Denk 
und  Leischner  gelungen  ist,  den  freien  Formaldehyd  im  Liquor 
neben  dem  Urotropin  nachzuweisen,  war  es  dem  Vortr.  in  einer 
grossen  Reihe  von  experimentellen  Untersuchungen  nie  möglich, 
freien  Formaldehyd  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  zu  finden,  obwohl 
er  sich  dabei  einer  äusserst  empfindlichen  und  mit  Rücksicht  auf  die 
Labilität  des  Urotropins  allen  Anforderungen  genügenden  Methode 
bediente  (J  o  r  i  s  s  e  n  sehe  Reaktion  in  der  N  i  c  o  1  a  i  e  r  sehen 
Modifikation).  Vortr.  neigt  deshalb  der  Annahme  zu,  dass  im  Liquor 
der  Formaldehyd  —  eine  ausserordentlich  reaktionsfähige  Substanz  — 
quasi  in  statu  nascendi  eine  neue  Verbindung  eingeht,  in  der  ihm 


1230 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zwar  noch  die  bakterienhemmenden  Eigenschaften  zukommen,  in  der 
r  a  er  eben  als  ireier  Formaldehyd  nicht  mehr  nachzuweisen  ist. 
Ua  ausserdem  die  in  vitro  gefundenen  Verhältnisse  ja  auch  nicht 
ohne  weiteres  auf  die  im  lebenden  Organismus  gegebenen  Be- 

Si/ld’  S,°  andert  diese  D*vergenz  der  Befunde 
der  Tatsache,  dass  das  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  aus- 
geschiedene  Urotropn1  entwicklungshemmende  Eigenschaften  ent- 

Uiter c  1 1 Hum ^nWe cSe n  zur  0enugfe  eine  Krosse  Reihe  experimenteller 
7  Tg  '  s°wie  manni»fache  klinische  Erfahrungen,  unter 
denen  Z.  als  besonders  typische  Repräsentanten  die  Versuchsreihen 
Erows  und  v.  Canneghens  und  die  Fälle  Hinsbergs  und 
Fnnuhrt-  A*UCh  ein  f'1»ener>  an  der  Hallenser  Klinik  beob- 

PifpnLnc011  oto?en®r  SePs‘s  mit  meningitischen  Symptomen 
scheint  ebenfalls  ganz  in  diesem  Sinne  zu  sprechen.  Die  Veröffent- 
chungen  Stockmayers,  Ibrahims,  Flexners  u.  a  end- 

IohcJ  Mn  da-?!!f  h‘n’  dass  dem  Urotropin  auch  bei  der  Therapie 
pniäo  Meningitiden  der  verschiedensten  Aetiologie  (z.  B.  Meningitis 
epidemica)  eine  Bedeutung  zukommt. 

Vortr.  glaubt,  dass  alle  unsere  bisherigen  Erfahrungen  einen 
w‘Vder  Mo»lichkeit  Prophylaktischer  und  selbst  therapeu- 
^‘rkungen  des  Urotropms  bei  Meningitis  nicht  mehr  zulassen 
K*  DLht  desha1^  dringend  empfehlen,  in  Fällen,  in  denen  entzünd¬ 
liche  Prozesse  sich  in  der  Nähe  der  Dura  abspielen,  oder  in  denen 
une  Operation  am  Hirn  oder  seinen  Adnexen  beabsichtigt  ist,  das 
Urotropin  in  entsprechenden  Dosen,  zunächst  prophylaktisch  (15  bis 
2^0  g  pro  die)  zu  verabreichen,  und  selbst  dann  noch  einen  Versuch 

scheinimg'ge treten  i“  maChe"-  We"n  die  Me,,in![i,is  scho"  ”>  Kr- 

Zum  Schlüsse  regt  Vortr.,  dem  es  kürzlich  gelungen  ist  das  Uro- 
*r?lJ‘a  nach  interner  Verabreichung  bei  Kaninchen  auch  im'  Kammer- 
wasser  nachzuweisen,  noch  an,  auch  in  der  Ophthalmochirurgie  einen 

d!rSutZlt  diesem,Mitte'  za  machen,  was  bisher,  soweit  er sich Di 
mentVlS^ ratur  onent^ren  konnte,  noch  nicht  geschehen  ist.  Experi- 
h r  J  p  r V  v,t  -  Ch ' ' “  - u n ’  d!e  er  In  Gemeinschaft  mit  Privatdozent 

Vrer  ^  .e;mer  Uber,  den  ProPkvlaktischen  und  therapeutischen 
leOPt  hrff  CU  H  oplns  aiP  kur|stlich  infizierten  Auge  in  die  Wege  ge¬ 
leitet  hat,  sind  noch  nicht  so  weit  fortgeschritten,  dass  es  erwünscht 
erschiene  Ober  ihre  Resultate  hier  schon  etwas  zu  berichten 
f  ,  D>skussion.  Herr  Denker  kann  auch  aus  der  Zeit  seiner 
,.atlgkeit  den  günstigen  Einfluss  des  Urotropins  auf  den  Ver¬ 
fem  ^  otf?.senea  Meningitis  bestätigen;  in  einem  Falle  sah  er  direkt 
ach  dei  Einverleibung  des  Urotropins  die  Temperatur  abfallen  und 
nicht  wieder  anste.gen.  Er  weist  auf  die  von  M  a  c  k  e  r  n  o  „  -  New 
V  i  k  empfohlenen,  von  Erfolg  begleiteten  Versuche  hin,  das  Urotropin 
in  der  Lumbalgegend  direkt  in  den  Spinalsack  zu  injizieren-  zwei  von 
J"' Versuche  her  direkten  lokalen  Appli'kS  de” 
Urotropins  hatten  keinen  bemerkenswerten  Erfolg 

Herr  Scharfe:  Ich  weiss  nicht,  ob  es  den  Herren  Kollegen  he 
kannt  ist,  dass  von  verschiedenen  Autoren  (Cr  owe)  festgestellt  ist 
f,?  ded„aSNw°T0t;‘n  in  der  V,h=r  rtens°  sicher  ausgeschiedenwfrd  tlde 

oallmirw,.  ohf^SS  f  08  ,1:11  bei  entzündlichen  Erkrankmnren  der 
allengangt  ebenso  desinnzierend  wirken  muss  wie  hei  Heuen  Hon- 

Niere  und  der  Harnblase.  -  Da  ferner  das  m"  ei  ml  der  QalD  in  ,t, 
Darm  Belangt  so  hat  Chanfford  es  auch  ÄrmdtsMzto,"  be- 
nders  bei  I yphus  empfohlen.  Weitere  Versuche  können  ia  dann 
vielleicht  dazu  führen,  mit  diesem  Mittel  allgemeine  Wirkungen  zu  er 

weislich^zirlfu/ieren.'11  ^  Krankheiten’  -  Bazillen  im  ßfute  nact 
sehen“61”1'  Fielitz  11  konnte  in  2  Fällen  von  Sepsis  keinen  Erfolg 

1iohPiWintISeri,Sheimer:  0hne  den  gemeinsamen  in  Gang  befind- 
lof  iw  UC^Ungen  vorgreifen  zu  wollen,  möchte  ich  doch  schon 
nirU  bet°neJJ’  dass  die  desinfizierende  Kraft  des  Urotropins  wohl 

oder 

emj”geinv"rl?t  n‘ler  Perforierenden  Verletzungen  einstellen. 

tlsehe^ArztWd«;  CMmrS.'“"8  d6r  <«r  den  prak- 


No.  22. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Mai  1913. 

Vorsitzender:  Herr  D  e  n  e  k  e. 

Kranit  Freiser  demonstriert  einen  Fall  von  L  i  1 1 1  e  scher 

besondere  Art  dt"  plf"  ,FuSSe  eine  Deformltät  zeigt,  nämlich  eine 
lnrSp  •  ^es,1  e?  caIca'*eus,  zu  deren  Zustandekommen  2  Fak- 

und  2  Ävn"h:  '  das  Grundleiden.  der  Spasmus  der  Muskulatur 
und  -.  eine  vorhergegangene  quere  Tenotomie  der  Achillessehne. 

,ipr  Jno  dl?  Abschaltung  der  Wadenmuskulatur  fängt  allmählig 

^d  /  eh^Hnn  ri,Skehl  a,l-das  Debergevvicht  zu  bekommen 

und  zieht  dann  den  Kalkaneus  in  Steilstellung,  eine  Deformität  die 

SphzfÄf"  ,aS'  ebe,lso  -»-öKlich  machtf  wie  der' vorlierige 

_,Man,darf  daher  den  Achillessehnenzug  nicht  ganz  ausschalten 
scheepiast?k)V°rher  verkürzte  Sehne  nur  verlängern  (sog.  B  a  y  e  r  - 


Ist  es  aber  zur  queren  totalen  Durchschneidung  aus  irgend 
einem  Grunde,  wie  hier,  und  zur  Bildung  eines  spastischen  Pe« 
calcaneus  gekommen,  so  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  die  Achilles¬ 
sehne  offen  aufzusuchen  und  zu  verkürzen.  Es  hat  sich  übrigens 
uslier  stets  gezeigt,  dass  in  solchen  Fällen  die  früher  durchschnittenen 
"  ehnenenden  immer  zusammengeheilt  waren,  dass  aber  die  Sehne 
selbst  ausserordentlich  verlängert  war. 

2.  Pseudofibulatumor.  27  jähr.  Arbeiter.  August  1912  leichtes 
/efen  ,dei‘  !'echte"  Unterschenkel.  Im  Oktober  darauf 
Schmerzen  bei  der  Belastung,  im  oberen  Fibulateil  lokalisiert 

Harter  I  umor  der  oberen  Fibulahälfte,  im  Röntgenbild  an- 
sdieinend  im  Markrauin  sitzender  Tumor,  ohne  Periostbe- 

i-pin  l!  n  l°  b  11  ockenatrophie.  Wassermann  negativ 
kein  Fieber,  keine  Drusen.  6.  November  Operation  unter  der  An¬ 
nahme  eines  malignen  Tumors: 

Resektion  des  ganzen  oberen  Fibulateiles  und  Implantation  eines 
(  cm  langen,  2  cm  breiten  I  ibiaperiostknochenstreifens,  der  noch 
etwas  Mark  enthielt.  Prima  intentio.  Pat.  arbeitete  nach  %  Jahr 
wieder.  Die  Eröffnung  ergab  nun  keinen  Tumor,  sondern  einen  mit 
sterilem  Eiter  gefüllten  Hohlraum  mit  verdickter  sklerosierter  Korti- 
kahs.  Die  Nachfrage  bei  der  Vermutung  einer  aus  der  Jugend 
stammenden  Osteomyelitis  ergab  ein  negatives  Resultat 

h-  v 3- uu  udorT^kenmarkstumor-  37  jähriger  Beamter.  Kurzer 
dicker  Ihoiax;  Klagen  uber  zunehmende  Schwäche  beim  Gehen  seit 
3  Jahren,  links  mehr.  Vor  12  Jahren  Lues,  ausreichende  Kuren 
Wassermann  negativ,  Hirnnerven  gesund.  Hypalgesie  von  den 
ppiei-Stfn  Brastvv>rbeln  abwärts,  auf  den  Beinen  rechts  stärker  aus- 
gepragt.  I  atellar-  und  Fussklonus,  Babinski,  kein  Oppenheim  kein 
Mendel-Bechterew.  Diagnose  schwankte  zwischen  Rückenmarks¬ 
tumor  und  Kompression.  Die  Röntgendiagnose  ergab  eine  sich  unte  - 
der  ungeheuren  Adipositas  verbergende  kurze  S-förmige  Brust- 
skohose  rachitischen  Ursprunges. 

Auf  Entfettungskur  und  Stützkorsett  schnelle  Besserung  der 
Kompressionserscheitiungen. 

in  I^n  der  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Staude: 
40  Jahre  operativer  Behandlung  des  Uteruskarzinoms  beteiligen  sich 

r  t  l  m6rren  KoU-n!im  elkRieck.  Schottelius,  Eversmann, 
Calmänn,  Ruder  Deseniss  und  der  Vortr.  Ob  abdominal 
pc  eirctVaSlnap  °Perijrt  werden  soll,  ist  noch  immer  unentschieden; 
es  ist  eine  Frage  der  Erfahrung  des  einzelnen.  Die  erzielten  Re- 
sulta‘f  smd  mit  den  Fortschritten,  die  die  allgemeine  Chirurgie  ge¬ 
macht  hat,  langsam  besser  geworden.  Die  Aufklärung  des  Publikums 
battAnocJh  kein®  »rossen  Fortschritte  gemacht.  Das  Krankenhaus- 
matenal  ist  sehr  ungünstig:  die  Frauen  kommen  oft  mit  inoperablen 
Tumoren  Das  Material  der  guten  Privatpraxis  bietet  dagegen  bessere 

Spma5‘ ltaK-Verhf ltniSle-  Dauerresultate  sind  bei  beiden  Operations- 
methoden  bisweilen  überraschend  gut.  Fälle,  die  16,  14,  11  und 
7  i“a.  *  rezidivfrei  blieben,  werden  berichtet.  Der  vaginale  Weg 
fnhHptZt  Ftwas  V*0Ii  den  Gefahren  der  Peritonitis,  bietet  dafür  Gefahren 
p  der  oft  monatelang  dauernden  Heilung  der  paravaginalen  Wunden, 
Beckenphlegmonen  usw. 

hypertroph^  W"ISf:  Zur  Dia»nose  und  Behandlung  der  Prostata- 

Nach  einigen  einleitenden  Worten  über  Anatomie  und  Sympto- 

Proct  Pu  mafht  uW'  atu  d,ie  dia»I10stischen  Schwierigkeiten  der 
Prostatahypertrophie  aufmerksam,  da  die  rektale  Palpation  in  sehr 
vie  en  Fallen  absolut  unzuverlässig  ist.  In  solchen  Fällen  muss  un- 
^toskopiert  werden,  ev.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  sehe  Uretro- 
sk°pe  Differentialdiagnostisch  in  Betracht  kommen  alle  Nerven¬ 
krankheiten,  Prostataatrophie  und  primäre  Blasenerkrankung,  ferner 
Karzinome  und  Tuberkulosen  der  Prostata.  In  therapeutischer  Be- 
ziehung  ist  W  unbedingter  Anhänger  des  konservativen  Verfahrens, 
d.  h.  bei  Residualunn  des  Selbstkatheterismus.  Nur  bei  dauerndem 
Diang  profusen  Blutungen,  rezidivierender  Steinbildung,  fieberhaften 
Zustanden  und  Unmöglichkeit,  den  Katheterismus  auszuführen,  resp. 
dem  Patienten  beizubringen,  ist  Operation  notwendig.  Bei  Verwerfung 
p>nctafdere"  Operationen  lasst  W.  nur  die  suprapubische  Ektomie  der 

n°Sa  ca?  ibCfC- !°  afa  ™rzeit  »eiten.  Er  selbst  hat  unter 
40  FaHen  5  I  odesfalle.  An  Komplikationen  bei  den  am  Leben  Ge¬ 
bliebenen  hat  er  einmäl  eine  dauernde  Fistelbildung  erlebt,  ferner 
^pitJiaVjlg|,.EpidldyiTltlde"'  Thrombosen  der  Vena  femoralis  und 
vereinzelt  Storungen  der  Vita  sexualis,  insofern,  als  die  Ejaculatio 
seminis  in  die  Blase  hinein  stattfindet.  Im  übrigen  ist  W.  grosser 
inban»er  dFr..  Operation,  da  man  in  den  genannten,  sonst  doch 
^r!l,ren^i/al!eü  k^.ine  ändere  Heilungsmöglichkeit  hat  und  min¬ 
destens  80  Proz.  der  Kranken  vollkommen  gesund  wird.  Werner. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  März  1913. 

Vorsitzender : ,  Herr  S  c  h  m  i  1  i  n  s  k  y, 

Schriftführer :  Herr  Schaedel. 

I  lu  i  Oehlecker:  Ueber  Nebennierentumoren. 

NphO.  beruhtet  über  einen  operierten,  echten  Tumor  der  rechten 
wosen  nh  ’i  W°v  die  Da»fbezifha'i»  des  Tumors  zur  rechten  Niere 
wJ  !,  hvdiUr*h  eine,  Konargolubersichtsaufnahme  vom  uropoetischen 
SvmnLl  if  W,u.rde-M  Eme  eingehende  Schilderung  der  klinischen 
Md  .  echfe,ni  Nebennierengeschwülste  besonders  im  Gegen¬ 
satz  zi.m  Morbus  Addisonii,  wie  auch  Beobachtungen  über  das  Zu- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1231 


.Juni  1913. 


s  idekommen  des  Schulterschmerzes  als  Fernsymptom  des  Phre- 
,  usreizes  findet  sich  in  der  Zeitschrift  für  urologische  Chirurgie. 
(  nid  1,  Heft  1,  S.  44—74.) 

Diskussion:  Herr  Brauer. 

Herr  E.  Jacobsthal:  In  aller  Kürze  möchte  ich  Ihnen  über 
c  i  Beobachtung  an  einer  ganz  exzessiv  grossen  Geschwulst  der 
Meniere  berichten.  Der  etwa  54  Jahre  alte  Patient  Bl.  hatte  seit 
2  3  Jahren  ein  rapides  Anschwellen  seines  Leibes  bemerkt.  Ausser 
i  -in  „Rheumatismus“,  der  besonders  in  der  linken  Schulter  gefühlt 
\  rde,  hatte  er  nicht  viele  Beschwerden.  Man  exstirpiert  ihm 

-  liesslich  einen  25  Pfund  schweren  Tumor  der  linken  Nebenniere, 
die  übrigens  intakte  Niere  ganz  verdrängt  hatte.  Auf  dem  Durch- 

s  nitt  zeigte  die  Geschwulst  braungelbe  Farbe,  sie  war  sehr  ge- 
»reich  und  enthielt  zahlreiche  Erweichungsherde  und  Hämorrhagien. 
’Lroskopische  Diagnose:  Peritheliom  (Prof.  Dr.  Simmonds).  ln 
l  Geschwulst  wiesen  Prof.  Simmonds  und  Dr.  B  o  r  n  s  t  e  i  n 
ch  den  Froschaugenversuch  Adrenalin  nach. 

Ich  machte  nun  bald  nach  der  Exstirpation  einen  10  p  r  o  z. 
etonextrakt  aus  der  zerriebenen  Geschwulst,  schüttelte  den 
rakt  in  der  Kälte  und  Hess  ihn  dann  bei  Zimmertemperatur  stehen. 
":h  etwa  einer  Woche  fiel  mir  auf,  dass  der  Extrakt  eine  ganz 
jnkelolivgriine  Farbe  hatte.  Diese  Farbe  ging  einige 
'  'eilen  später  mehr  in  ein  Braungrün  über.  Als  ich  nun  von  dem 

>  irt  nach  dem  Ansetzen  des  Extraktes  in  den  Gefrierapparat 
*«olo  gebrachten  Materiale  4  Wochen  später  einen  weiteren  Extrakt 
i  er  sonst  gleichen  Bedingungen  ansetzte,  war  dieser  auch  nach 
v  -Chen  noch  wasserhell  mit  einem  ganz  leichten  Stich  ins  Gelbliche, 
v r  sehen  also,  dass  ein  sofort  aus  einer  Nebennieren- 
!  schwulst  an  gesetzter  Azetonextrakt  grün,  ein 
icii  Wochen  daraus  hergestellter  Extrakt  färb- 

»  ist.  Wie  ist  dies  Phänomen  zu  erklären?  Das  Adrenalin  bildet, 
:  bekannt,  grünliche  Zersetzungsprodukte.  So  erwies  sich  denn 
i  h,  wie  ich  mit  freundlicher  Hilfe  von  Dr.  B  o  r  n  s  te  i  n  feststellte, 
1  erste  grüne  Extrakt  als  adrenalin  haltig  (Salpeter- 
i  reprobe  etc.),  der  farblose  enthielt  kein  Adrenalin. 

ist  aber  Adrenalin  azetonlöslich.  In  unserem  Falle  wurde  aber 
1  Adrenalin  durch  das  in  der  ursprünglichen  Geschwulst  enthaltene 

-  sser  in  Lösung  gehalten.  Beweis  dafür:  durch  Zusatz  von 
ich  mehr  Azeton  zu  dem  klar  filtrierten  Extrakt 
»rdeinNiederschlagin  der  nunfarblos  werdenden 
Bissigkeit  erzeugt. 

Wie  aber  erklärt  es  sich,  dass  man  aus  demselben  Organ  zwei 
'*  verschiedene  Extrakte  erhalten  kann?  Dies  beruht  darauf,  dass 
I  Körpergewebe  die  Fähigkeit  haben,  wohl  auf  fermentativem 
liege  das  Adrenalin  schnell  zu  zerstören.  So  wurde 
l  ursprünglich  stark  adrenalinhaltige  Geschwulst  auch  beim  Ein- 
i  renlassen  adrenalinfrei  und  ergab  daher  diesen  farblosen  Extrakt. 

Herr  L  u  c  e  erblickt  in  dem  von  Herrn  O  e  h  1  e  c  k  e  r  in  so 
t  chaulicher  Weise  demonstrierten  Experimentum  in  vivo  einen 
l-kten  klinischen  Beweis  für  die  von  Head  aufgestellte  Theorie 
l  reflektierten  Schmerzes.  Dieser  reflektierte  Schulterschmerz  sei 
i  igens  charakteristisch  für  alle  in  oder  unterhalb  der  Zwerchfell- 
:>pel  sich  abspielenden  pathologischen  Prozesse,  wie  das  den  alten 
Lzten  ja  längst  aus  den  Beobachtungen  beim  Leberabszess  her 
;:iufig  gewesen  sei.  Herr  L.  macht  in  dieser  Beziehung  auf  die 
ten  subphrenischen  Exsudate  aufmerksam,  die  gar  nicht  so  selten 
r  Anschluss  an  wohlgelungene  Appendektomien  zur  Beobachtung 
:nmen  und  der  physikalischen  Untersuchung  sowohl  wie  der 

-  tgenoskopischen  Demonstration  sehr  schön  zugänglich  seien. 

Herr  Brauer:  Ueber  doppelseitigen,  traumatischen  Pneumo¬ 
lrax. 

Br.  spricht  über  einen  Fall  von  Pneumothorax  bei  einem 
Fischen,  der  sich  seit  Jugendzeit  als  „lebendes  Nadelkissen“  sehen 
Lt.  Bei  einer  derartigen  Schaustellung  brach  Pat.  zusammen  und 

►  r de  röntgenologisch  ein  doppelseitiger  Pneumothorax  festgestellt. 
*  tr.  erscheint  es  auffällig,  dass  Pat.  dicke,  gefüllte  Halsvenen  hatte 
1  spricht  über  die  verschiedenen  Druckverhältnisse  im  Thorax- 
an.  Er  unterscheidet:  1.  einen  intraalveolären,  2.  einen  inter¬ 
nalen  und  3.  einen  intramediastinalen  Druck. 

Herr  Schottmüller  und  Herr  Lempe:  Untersuchungen 
r  Wachstumsverschiedenheiten  des  Streptococcus  erysipelatos 
i  des  Streptococcus  vaginalis. 

(Erscheint  ausführlich  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 


'rein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  5.  Mai  1913. 

Herr  S  a  m  t  e  r  demonstriert  einen  Fall  von  geheilter  Rüeken- 
i-ksgeschwulst  —  es  handelte  sich  hier  um  ein  Zylindrom  —  und 
-  pricht  die  Differentialdia^nose  dieser  Geschwülste  zur  Tuber¬ 
ose  der  Wirbelsäule. 

Herr  Henke:  Neue  experimentelle  Versuche  zur  Frage  nach  der 
I  siologischen  Bedeutung  der  Tonsillen. 

Die  Anschauungen  über  die  Funktionen  der  Tonsillen  waren 
ner  sehr  verschieden.  Während  die  einen  Autoren  sie  für  sehr 
(ädliche  Organe  hielten,  Organe,  die  nur  Infektionserregern  als 
trittspforte  dienen,  wurden  sie  von  anderen  im  Gegenteil  als  sehr 
»htige  Schutzorgane  hingestellt.  Eine  dauernde  Wanderung  von 


Leukozyten  nach  der  Oberfläche  sollte  Infektionen  verhüten.  Die  erste 
Anschauung  Hess  sich  durch  Mangel  an  Beweisen  nie  aufrecht  er¬ 
halten,  dass  aber  auch  die  zweite  Ansicht  irrig  ist,  beweist  Herr  H. 
durch  seine  Versuche. 

H.  injizierte  Patienten,  denen  er  die  Tonsillen  entfernen  wollte, 
Russaufschwemmungen  unter  die  Schleimhaut  der  Nase.  Verschieden 
lange  danach,  bis  zu  6  Stunden  später,  wurde  dann  die  Tonsillektomie 
ausgeführt;  in  anderen  Fällen  spritzte  er  die  Aufschwemmungen  in 
das  Zahnfleisch.  H.  fand  nun  den  Russ  in  den  Lymphspalten  der 
Tonsillen  wieder,  mehr  im  Innern,  wenn  eine  kurze  Zeit  zwischen 
Einspritzung  und  Entfernung  lag,  mehr  in  den  peripheren  Teilen  und 
an  der  Oberfläche,  wenn  die  Zwischenzeit  länger  dauerte,  und  zwar 
wurden  bestimmte  Regionen  entsprechend  dem  Lymphwege,  den  die 
Russkörperchen  nahmen,  stärker  vollgepfropft  gefunden.  Dass  die 
Beförderung  nicht  durch  Leukozyten  erfolgte,  wird  dadurch  bewiesen, 
dass  auch  an  der  Leiche  der  gleiche  Erfolg  eintrat.  Diese  Tatsachen 
sprechen  dafür,  dass  die  Tonsillen  Analoga  der  Lymphdriisen  des 
Körpers  sind:  Bildner  von  Blutkörperchen  und  Filter.  Ein  morpho¬ 
logischer  Unterschied  besteht  nur  darin,  dass  den  Tonsillen  an  der 
Oberfläche  nach  dem  Rachenraume  zu  die  Kapsel  fehlt,  wodurch 
eine  leichte  Ausscheidung  des  Filtrates  ermöglicht  ist.  Eine  Ent¬ 
fernung  dieses  Organes  lässt  sich  dadurch  rechtfertigen,  wenn  man 
bedenkt,  dass  es  erkrankt  seinen  Zweck  doch  nicht  erfüllt  und  seine 
Entfernung  dem  ganzen  Körper  zu  Gute  kommt. 

Herr  Friedrich  spricht  über  neue  operative  Erfahrungen  beim 
Lungenemphysem  mit  Thoraxstarre.  Er  zeigt  einen  49  jährigen 
Kranken  mit  extremer  Thoraxstarre  bei  Lungenemphysem,  wo  nach 
Abtragung  der  2.  bis  7.  Rippe  in  je  4 — 6  cm  Ausdehnung  und  unter 
Zuriickklappung  des  Periostes  über  die  Rippenstümpfe,  sich  ein  sehr 
freies  Bewegungsspiel  der  Brustwand  erhalten  hat.  Die  Operation 
ist  vor  einem  Jahre  ausgeführt,  der  Kranke  in  Bezug  auf  seine  Be¬ 
schwerden  zurzeit  sehr  gebessert.  F.  hat  der  Operation  regelrechte 
Atmungsübungen  folgen  lassen  und  sieht  in  der  Kombination  von 
Operation  und  Uebungstechnik  einen  besonderen  Nutzeffekt.  F.  geht 
dabei  auf  die  von  ihm  zum  Chirurgenkongress  1910  entwickelte 
Theorie  des  Nutzens  der  Emphysemoperation  ein, 
bei  der  das  Hauptgewicht  auf  die  durch  die  freiere  Inspiration  und 
Exspiration,  sowie  durch  die  Raumverkleinerung  der  operierten 
Thoraxhälfte  erzielbare  Beeinflussung  des  Pulmonal¬ 
kreislaufes  und  der  ganzen  Zirkulation  gelegt  wird.  Je  grösser 
die  Erfahrung  des  Einzelnen  an  operativ  behandelten  Fällen  ist,  um 
so  weniger  kann  man  sich  der  Vorstellung  des  Nutzens  der  Opera¬ 
tion  in  geeignet  indizierten  Fällen  entziehen.  Es  ist  daher  vielmehr 
Aufgabe  der  Chirurgen,  die  Methodik  des  operativen  Vorgehens 
auszubauen,  als  aus  theoretischen  Erwägungen  heraus,  bei  der  bis¬ 
herigen  Unzulänglichkeit  vollen  Verständnisses  für  die  sich  ab¬ 
spielenden  Vorgänge,  das  ganze  Prinzip  über  Bord  zu  werfen.  Sehr 
bemerkenswert  stellt  sich  der  Zusammenhang  von  Besserung  eines 
54  jährigen  Emphysematikers  mit  ausgedehnter  Brustwand¬ 
resektion  dar,  wo.  F.  genötigt  war,  wegen  eines  Periostsarkoms 
der  Rippen  die  2.  bis  mit  6.  Rippe  und  mit  ihnen  die  ganze  Brust¬ 
wand  einschliesslich  der  Pleura  costalis  abzutragen.  Bei  der  Ope¬ 
ration  musste  ein  kleines  Metastasengebiet  aus  der  Lunge  ausge¬ 
schnitten,  die  Lungennaht  ausgeführt  werden.  Der  primäre  Brust¬ 
wandschluss  gelang  ohne  Zwischenfälle,  und  jetzt  bietet  der  Kranke 
eine  über  handtellergrosse  Lücke  in  der  Brustwand,  in  der  die  Lunge 
bei  Inspiration  stark  vorgewölbt  wird.  Diese  Lücke  bedingt  ein 
grösseres  respiratorisches  Bewegungsspiel  eines  grossen  Lungen¬ 
abschnittes,  eine  namhafte  Beeinflussung  des  pulmonalen  Kreislaufes 
und  der  beim  Emphysem  vorhandenen  Stromwiderstände  in  ihm. 
Auch  hier  würden  sonach  Bedingungen  geschaffen  sein,  ähnlich  denen, 
wie  sie  die  Emphysemoperation  mit  breiter  Rippenabtragung  her¬ 
beiführt,  so  dass  von  F.  —  zwar  mit  allem  Vorbehalt  —  doch  die 
Möglichkeit  des  physikalischen  Zusammenhanges  von  grosser 
Lückenbildung  in  der  Brustwand  und  hervorragender  Besserung  der 
Emphysembeschwerden  anschaulich  gemacht  wird.  Der  vorgestellte 
Kranke  befindet  sich  in  der  Tat  in  einem  hervorragend  guten  Zu¬ 
stand. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

,  Sitzung  vom  27.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Thor n. 

Herr  Blencke:  Der  augenblickliche  Stand  der  Frage  der  ange¬ 
borenen  Hüftverrenkung.  (Vortrag  mit  Lichtbildern  und  Demonstra¬ 
tion  einer  Anzahl  behandelter  Kinder.) 

B.  hat  bisher  276  Patienten  mit  407  Hüften  in  Behandlung  gehabt, 
von  denen  344  unblutig  eingerenkt  wurden.  Er  hat  bereits  im  Jahre 
1905  schon  einmal  über  diese  Frage  gesprochen  und  seine  Resultate 
waren  damals  59,8  Proz.  anatomische  Heilung.  Wenn  er  nun  von 
diesen  Fällen  absieht  umd  nur  die  von  diesem  Zeitpunkt  an  behandelten 
Fälle  berücksichtigt,  so  ist  das  Verhältnis  der  erzielten  Heilungen 
seitdem  ein  weit  besseres  geworden.  Er  erzielte  in  96,3  Proz.  ana¬ 
tomische  Heilungen  und  in  87,7  Proz.  anatomisch  und  funktionell  gute 
Resultate.  In  einem  einzigen  Falle  gelang  ihm  bei  einem  4  jährigen 
Mädchen  mit  doppelseitiger  Hüftverrenkung  die  Einrenkung  nicht;  sie 
wurde  noch  einmal  anderwärts  von  einer  Autorität  auf  diesem  Gebiete 
versucht,  aber  auch  ohne  Erfolg. 


1232 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  22 


Bl.  stellt  27  eingerenkte  Kinder  vor,  um  die  guten  Resultate  zu 
zeigen,  zugleich  aber  auch  einige  Fälle,  die  beweisen  sollen,  dass 
trotz  anatomischer  Einstellung  des  Kopfes  doch  das  funktionelle  Re¬ 
sultat  noch  zu  wünschen  übrig  lässt.  An  einer  Reihe  von  Lichtbildern 
mach t  er  dann  die  Verhältnisse  klar,  die  dafür  verantwortlich  zu 
machen  sind.  Bei  einem  Kinde  zeigte  sich  eine  starke  Anteversion 
des  oberen  Femurendes  auf  der  einen  Seite  im  Röntgenbilde;  es  be¬ 
stand  typisches  Luxationshinken  und  trotzdem  stand  der  Kopf  noch 
in  der  Pfanne  Das  Kind  lief  noch  nicht  lange.  El.  sah  es  dann 
erst  nach  /•»  Jahre  wieder  und  fand  das  Gehen  wesentlich  besser, 
trotzdem  an  dem  Kinde  nichts  gemacht  war;  das  Röntgenbild  zeigte 
nunmehr  fast  normale  Verhältnisse  und  von  einer  Anteversion  war 
nichts  mehr  zu  sehen.  —  Bisher  hat  er  bei  Kindern  im  repositions- 
fahigen  Alter  noch  niemals  einen  blutigen  Eingriff  machen  brauchen,  es 
ist  ihm  stets  bei  der  letzten  Serie  gelungen,  den  Kopf  richtig  ein¬ 
zustellen,  wenn  allerdings  auch  in  einigen  Fällen  eine  zweimalige 
Reposition  notwendig  war,  in  einem  Falle  sogar  eine  dreimalige  Es 
be  anden  sich  auch  mehrere  Kinder  darunter,  die  schon  anderwärts 
unblutig  behandelt  waren  ohne  Erfolg  und  trotzdem  gelang  es  doch 
noch  auf  unblutigem  Wege  ein  gutes  Resultat  zu  erreichen.  Bl 
steht  auf  den  Standpunkt,  dass  man  heutzutage  bei  Kindern  im 
repositionsfähigen  Alter  gut  die  blutige  Einrenkung  entbehren  kann. 

Herr  Kretschmann: 

Vor  einem  Jahre  sprach  ich  über  Paraffininjektionen  in  das 
gelahmte  Stimmband  zur  Wiederherstellung  der  Stimme.  Den 
Patienten,  welchen  ich  in  dieser  Weise  behandelt  damals  vor¬ 
stellte,  will  ich  heute  nochmals  vorführen.  Damals  war  die 
Stimme  noch  rauh  und  wenig  klangvoll,  heute  ist  sie  so 
günstig  entwickelt,  dass  man  ihr  nichts  mehr  von  der  damaligen 
Erkrankung  anmerken  kann.  Das  injizierte  Stimmband  steht  in 
Medianstellung,  das  gesunde  legt  sich  beim  Phonieren  glatt  an,  die 
Giessbeckenknorpel  stehen  gut  nebeneinander.  An  dem  Giessbecken¬ 
knorpel  der  gelähmten  Seite  sieht  man  beim  Glottisschluss  Be¬ 
wegungen.  Diese  sind  zurückzuführen  auf  Aktion  des  Muse,  crico- 
thyreoideus,  der,  wie  bekannt,  nicht  vom  N.  recurrens,  sondern  vom 
N.  laryngeus  sup.  innerviert  wird,  also  durch  die  Lähmung  des 
N.  recurrens  nicht  betroffen  ist.  Zur  Betrachtung  des  Kehlkopfbildes 
gebe  ich  einen  anastigmatischen  Spiegel  herum,  der  durch  einen  Hohl¬ 
schliff,  der  jegliche  Verzerrung  vermeidet,  ein  vergrössertes  Kehl¬ 
kopfbild  liefert. 

Herr  Weinbrenner  demonstriert : 

1.  Uterus  gravid,  mens.  III  mit  grossem  verjauchtem  Portio- 
karzinom,  durch  erweiterte  abdominale  Radikaloperation  bei  einer 
29  jährigen  Frau  exstirpiert,  die  5  mal  geboren  hat,  zuletzt  vor 
2  Jahren.  Anfang  Dezember  wässeriger  Ausfluss.  Die  folgenden 
Blutungen  wurden  für  die  Regel  gehalten.  Ende  Januar  Untersuchung 
und  Diagnose  auf  Karzinom.  Nach  14  Tagen  auffallendes 
deutliches  Wachstum.  Operation  in  Pantopon-Skopolamin- 
Narkose  und  Rückenmarksanästhesie,  abdominal  stets  bei  septischem 
verfall  ohne  Vorbehandlung  mit  scharfem  Löffel  und  Paquelin.  Heilung. 

2.  Uterus  myomatosus  mit  doppelseitigen  entzündlichen  Adnexen 
und  linkseitigem  Pyovarium.  Nach  Sondierung  des  Uterus  von 
anderer  Seite  bei  Cess.  mens,  heftiger  Schmerz,  Schüttelfrost,  hohes, 
durch  Monate  andauerndes  Fieber,  Brechneigung,  schlechter  Puls, 
zunehmender  Kräfteverfall.  Abundante  Menorrhagien  zwangen  zur 
Radikaloperation  per  laparot.  Der  myomatöse  Uterus  lag  fast  im  ent¬ 
zündlich  veränderten  Beckenbindegewebe,  links  bis  über  den  Nabel 
Pyovarium.  Schwere  Verwachsungen.  Bei  der  Lösung  platzt  das 
Pyovarium.  Im  linken  Ligamentum  latum  ein  zweiter  Abszess. 
Schwierige  Exstirpation  des  Uterus  und  der  Adnexe.  Drainage  nach 
der  Scheide.  Heilung.  W.  schätzt  den  Wert  der  Sonde  in  der 
Gynäkologie  sehr  gering  ein  und  ist  der  Ansicht,  dass  sie  so  gut 
wie  ganz  zu  entbehren  ist.  Jedenfalls  sollte  der  Gebrauch  äusserst 
eingeschränkt  werden  und  die  Sonde  weder  bei  der  Aufrichtung  des 
retroflektierten  Uterus  noch  zur  Austastung  des  Kavum  zu  diagnosti¬ 
schen  Zwecken  verwendet  werden. 

3.  Zirkumskriptes  Carzinoma  adenomatosum  cylindro-epitheliale 
der  Flexura  sigmoidea,  durch  Resektion  der  Flexur  bei  einer  40  jähr. 
Frau  gewonnen.  Diagnose  schwierig,  da  die  Symptome  des  kleinen 
Karzinoms  wenig  ausgesprochen  waren.  Die  Darmschlingen  waren 
durch  alte  perimetritische  Prozesse  im  Genitalbezirk  adhärent  und  das 
Karzinom  täuschte  durch  die  deutliche  Verbindung  mit  der  rechten 
Kante  des  nach  links  und  hinten  verlagerten  Uterus  des  Ovarium 
dieser  Seite  vor.  W.  hat  in  den  letzten  Jahren  4  Fälle  beobachtet,  in 
denen  die  Differentialdiagnose  Schwierigkeiten  machte,  meist  lagen 
bei  Verwachsungen  des  Darmes  Verwechslungen  mit  ovariellen  Neu¬ 
bildungen  nahe.  Glatte  Heilung 

Diskussion:  Herr  Thorn:  Es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob 
die  Sondierung  in  dem  von  Herrn  Weinbrenner  berichteten  Falle 
eine  Perforation  des  Uterus  und  die  schweren  Veränderungen  der 
Adnexe  zuwege  gebracht  hat,  so  viel  ist  aber  sicher,  dass  sie 
überflüssig  war  und  zwar  um  so  überflüssiger,  als  die  Menses  ausge¬ 
blieben  waren;  sie  war  direkt  kontraindiziert.  Es  herrschen  noch 
immer  recht  verkehrte  Ansichten  über  den  Wert  der  Uterussonde 
als  diagnostisches  Hilfsmittel;  ich  pflege  in  den  ärztlichen  Fortbil¬ 
dungskursen  immer  und  immer  wieder  vom  Gebrauch  der  Uterus¬ 
sonde  dem  Praktiker  abzuraten,  weil  sie  in  der  Hand  des  weniger 
Geübten  allzuleicht  schaden  kann. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  Januar  1913. 

^err  Gebert  demonstriert  3  männliche  Kranke  im  Alter  voi 
-U,  23  und  30  Jahren  mit  doppelseitiger  Periphlebitis  tuberculosi 

1  er  jüngste  weist  auf  dem  linken  Auge  ausser  zarten  Glaskörper 
trubungen  nur  eine  kleine  Netzhautblutung  auf,  die  während  mehr 
monatlicher  Beobachtung  nur  geringe  Neigung  zur  Rückbildung  zeigt, 
bei  dem  Aeltesten  findet  sich  neben  dem  bekannten  typischen  Bild, 
noch  Venenscheidenblutung  und  an  anderen  Stellen  Verschleiernm 
der  Venenwand.  Besserung  trat  bei  2  Kranken  unabhängig  vo 
Tuberkulinbehandlung  ein;  der  dritte  zeigte  als  Lokalreaktion  nac 
f  inj>r  Alttuberkulin  frische  Netzhauthämorrhagien  und  klagte  na  d 
der  nächsten  Injektion  spontan  über  beträchtliche  Verdunkelung  dir 
nach  _  lagen  zwar  zurückging,  aber  doch  zum  Abbrechen  der  Kur 
Veranlassung  gab.  ' 

Herr  v.  Heuss:  Die  Behandlung  des  varikösen  Symptomen- 
komplexes,  insbesondere  des  Unterschenkelgeschwürs  mit  der 
Mebrobmde.  (Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

.  ..  D  1  s  N  u  s  s  i  °  n ;  Herr  G  r  u  h  1  e  -  Pasing  anerkennt  die  fraglos 
schonen  Erfolge  der  Klebrobinde  bei  den  von  Dr.  v.  Heuss  dermrn 
stnerten  Patienten.  Nur  nimmt  es  ihn  wunder,  dass  gerade  in  der 
letzten  Zeit,  sich  mehrere  Patienten  bei  ihm  einstellten,  die  mit  de 
Klebrobinde  vorbehandelt  waren.  Eine  Erklärung  für  die  Misserfolge 
wäre  vielleicht  eine  unrichtig  angewandte  Technik. 

R  ,  G  r  u  h  1  e  ist  entschiedener  Anhänger  der  Dr.  Brannschen 
Behandlung  chronischer  Beinleiden.  B  r  a  n  n  wuirde  in  den  erste- 
Jahren  seiner  speziellen  Tätigkeit  zwar  verkannt  und  angegriffen 
Heute  finden  in  seinem  Institut  täglich  ca.  500  Patienten  sachgemässe 
Hute.  Braun  könnte  nicht  über  einen  so  immensen  Krankenstand 
verfugen,  wenn  er  nicht  durch  Berliner  und  auswärtige  Aerzte  aufs 
regste  durch  Zuweisungen  unterstützt  würde.  Der  Erfolg  geht  über 
alles.  So  haben  sich  mit  Unterstützung  von  Brann  die  Landesver-. 
Sicherungsanstalt  der  Hansestädte  (Sitz  Lübeck)  und  die  O.K.K. 
btiassburg  Spezialinstitute  für  Behandlung  chronischer  Beinleiden1 
eingerichtet.  Beide  Körperschaften  haben  die  besten  Erfahrungen 
gemacht. 


Im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Vorschlägen  verwirft  Brann 
alle  Verbandmethoden  mit  elastischem  Verbandmaterial.  Mit  un¬ 
elastischen,  technisch  nicht  leicht  zu  erlernenden  Verbänden  wird  er¬ 
acht,  dass  die  erkrankte  Extremität  innerhalb  des  Verbandes  bei 
Gehbew'egungen  einer  Selbstmassage  unterliegt.  Auf  Ruhelage  wEd 
von  vornherein,  abgesehen  von  verschwindenden  Ausnahmen,  Ver¬ 
zicht  geleistet.  Das  erste  Ziel  der  Behandlung  ist,  den  Patienten  i 
schmerzfrei  und  arbeitsfähig  zu  machen,  was  in  oft  frappant  kurzer 
zen  erreicht  wird.  Das  Anwendungsgebiet  der  Brannschen  Me- 
thode  ist  auch  kein  auf  Ulcus  cruris  beschränktes  wie  das  der 
K u0,',  und.  anderer .  Binden.  Voraussetzung  für  eine  erfolgreiche 
Behandlung  ist  aber  ein  individualisierendes  Eingehen  auf  die  Art  der  i 
vorliegenden  Erkrankungen,  die  sich  nicht  alle  aufzählen  lassen.  Mit 
dem  Verband  allein  ist  es  nicht  getan.  Alle  neueren  Errungenschaften 
wie  Röntgendiagnose,  Salvarsanimusion,  Lichtbehandlung  (Quarz- 
Gmpe)  usw.  werden  bei  gegebener  Indikation  angewendet,  auch  der 
Behandlung  innerer  Erkrankungen  wird  grösste  Beachtung  gewidmet.  1 
Uperative  Eingriffe  werden  nie  vorgenommen  und  selbst  solch 
scnweie  ralle,  die  nach  früherer  Anschauung  unbedingt  eine  Am¬ 
putation  erheischten,  werden  noch  der  Ausheilung  entgegengeführt. 

, .  Gruhle  gibt  all  den  Kollegen,  die  beabsichtigen,  spezialiter  ; 
die  Behänd hing  chronischer  Beinleiden  aufzunehmen,  zu  bedenken, 
dass  eine  Unkumme  von  Zeit  und  Mühe  erforderlich  ist,  um  schöne 
Resultate  zu  zeitigen. 

.,  ^irTz/,rumpp  bestätigt  aus  eigener  mehrjähriger  Erfahrung, 
dass  die  Klebrobinde  die  vom  Kollegen  v.  Heuss  hervorgehobenen 
guten  Eigenschaften  besitzt,  und  betont  vor  allem,  dass  die  Binde  ■ 
auch  auf  die  empfindliche  Kinderhaut  selbst  bei  mehrwöchigem  Liegen 
keinerlei  Reiz  ausübt.  I 

t_t  Herr  v.  Heuss  (Schlusswort):  Es  ist  mir  interessant,  von 

„  e' rn  Kollegen  Gruhle  zu  hören,  dass  bei  der  von  ihm  ge¬ 
übten  Br  a  n  n  sehen  Behandlung  das  Lithargyrum  ebenfalls  ausge 
dehnte  und  erfolgreiche  Anwendung  findet.  Das  Lithargvrum  1 
stellt  ja  mit  einen  der  Hauptbestandteile  der  Klebrobinde  dar.  Ich 
mochte  besonders  hervorheben,  dass  die  Methode  mit  der  Kiebro-  1 

binde  Uebung  und  sorgfältiges  Studium  bedarf.  Wenn  auch  als  : 

einziges  Material  bei  der  Durchführung  der  Behandlung  nur  die  I 

Klebrobinde  in  Anwendung  kommt,  so  ist  gerade  im  Hinblick  auf 
die  „Einfachheit  des  Materiales  doppelte  Sorgfalt  im  Anlegen  des 
Verbandes,  aber  auch  in  der  Durchführung  der  Nach-  ^ 
b  e  h  a  n  d  1  u  n  g  zu  verlangen.  Die  Behandlung  wird  immer  und 
unter  allen  Umständen  Sache  des  Arztes  zu  bleiben  haben.  Dass  es 
Versager  bei  der  Methode  gibt,  ist,  wie  bei  allen  Methoden,  nicht 
zu  vermeiden.  Immerhin  sprechen  die  300  Fälle,  über  die  ich  be¬ 
uchten  konnte,  mit  ihrem  durchwegs  günstigen  Ergebnis  ein  ge¬ 
wichtiges  Wort  für  die  Güte  der  Methode.  Ich  bin  gerne  bereit,  sie 
den  Hei  ren  Kollegen  einzeln  vorzuführen,  ebenso  wie  ich  bitte  um 
v  eitere  Mitteilungen  über  die  mit  der  Klebrobehandlung  gemachten 
Erfahrungen. 

Herr  S  t  i  e  1  e  r. 

Herr  Georg  Mayer:  Der  derzeitige  Stand  der  Weltseuchen. 


Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1233 


Sitzung  vom  12.  Februar  1913. 

Herr  Kämmerer:  Zur  Diagnose  der  Aktinomykose. 

Herr  L.  Seif:  Heber  neue  Wege  der  Neurosenforschung  und 

?handlung. 

M.  H.!  War  die  bisherige  Psychopathologie  zumeist  deskriptiv 
d  die  Therapie  im  allgemeinen  recht  arbiträr,  so  ist  es  Freuds 
rdienst,  das  Verständnis  des  Zusammenhanges  der  neurotischen 
mptome  mit  der  gesamten  Persönlichkeit  und  ihrer  Geschichte  und 
i  dem  Boden  dieses  Verständnisses  eine  kausale  und  individuelle 
erapie  angebahnt  zu  haben.  Seine  Arbeit  steht  auf  den  Schultern 
i  a  r  c  o  t  s,  P.  J  a  n  e  t  s  und  Bernheims. 

Während  das  bewusste  Denken  zielgerichtet  ist  und  sich  nach 
ischen.  ethischen  und  ästhetischen  Normen  richtet  und  damit  der 
■rklichkeit  anpasst,  sind  die  Inhalte  des  unbewussten  und  phan- 
tischen  Denkens  affektiv  und  egozentrisch  geordnet.  Dieser  letz- 
e  Fall  ist  auch  der  der  Neurose.  Die  neurotischen  Zustandsbilder 
j  Symptome  (auch  Träume  und  Phantasien)  sind  Symbole  und  An- 
.  elungen  auf  dahinterliegende,  unbewusste  psychische  Inhalte,  die 
:  h  um  dynamische  Zentren,  nämlich  Triebe,  Wünsche  und  Affekte, 

,  sich  vorzugsweise  auf  das  Thema  der  Kindheit,  der  Macht  und  der 
:  xualität  beziehen,  gruppieren,  diese  in  dem  weiten  Sinne,  wie  es 
|  eud  tut,  genommen.  Durch  die  Wirkung  einer  psychischen  In- 
:  nz,  der  Zensur,  deren  Art  und  Umfang  durch  die  Gesellschaft  mit- 
1  stimmt  wird,  in  die  das  Individuum  hineingeboren  ist,  führen  jene 
iebc  und  Wünsche  zu  einem  psychischen  Konflikte  mit  der  übrigen 
i  rsönlichkeit  und  werden  aus  dem  Motive  der  Peinlichkeit  und  Un- 
■reinbarkeit  abgespalten,  dissociiert.  d.  h.  ins  Unbewusste  verdrängt, 
i  'ie  aber  dadurch  ihre  Wirksamkeit  eingebiisst  zu  haben.  Sie  setzen 

•  h  vielmehr  indirekt  auf  dem  Wege  der  Verschiebung,  der  Symbol- 

•  J  Symptombildung,  wieder  ins  Bewusstsein  hinein  durch.  Das  neu- 
i  ische  Symptom  ist  also  eine  Kompromissbildung  aus  bewussten  und 
newussten  Tendenzen.  Gesunde  und  neurotische  Personen  kärnp- 
ji  mit  denselben  Konflikten:  dass  diese  pathogen  werden,  hängt  von 
r  andersartigen  Stellungnahme  ab,  die  der  Neurotiker  zu  ihnen 
i  lmt  (Konstitution).  Der  Kranke  gibt  für  sein  Symptom  immer 
e  e  falsche  Motivierung  an  (Rationalisation,  Jones),  die  wahre  er- 
Gnt  er  nicht,  sie  ist  ins  Unbewusste  verdrängt.  Durch  die  neuro- 
t  :he  Erkrankung  aber  wird  die  Persönlichkeit  des  Kranken  und  ihre 
itwicklung,  Reifung  und  Anpassung  an  die  Wirklichkeit,  an  das 
Iren,  schwer  gestört:  und  es  geht  nicht  nur  durch  die  Aufrecht- 
e.altung  der  Verdrängung  als  solcher,  sondern  auch  durch  die  Aus- 
Faltung  von  wichtigen  Triebkräften  eine  grosse  Menge  wertvoller 
f  chischer  Energie  dem  Kranken  für  die  Lösung  seiner  aktuellen 
Lnensaufgaben  verloren.  Nehmen  wir  zur  Veranschaulichung  bei¬ 
selsweise  den  Waschzwang:  Der  Furcht  vor  dem  physischen 
hmutze  und  seiner  Abwehr  durch  das  Waschen  (Rationalisierung) 
t  sprechen  im  Unbewussten  die  Selbstvorwürfe  wegen  des  mora- 

I  :hen  Schmutzes  (Onanie,  Incestphantasien  etc.;  pathogener  Kon- 
f  t  also  =  moralischer  Konflikt).  Der  Kranke  ist  im  Leben  schwer 
:  lemmt.  Durch  die  Wiedereinführung  jener  verdrängten  Wünsche 
i  Bewusstsein  wird  der  Kranke  unter  der  Mithilfe  des  Arztes  in  die 
[ge  gesetzt,  die  Maske  seiner  Symptome  abzuwerfen,  d.  h.  zu  den 
\  'drängten  Wünschen  eine  bewusste  und  bessere  Stellung  ein- 
i  lehmen,  sie  entweder  zu  korrigieren  oder  bewusst  zu  beherrschen 
r  :r  sie  in  soziale  Bahnen  zu  bringen  (Sublimierung)  und  sich  damit 
r  Wirklichkeit  anzupassen  —  reculer,  pour  mieux  sauter. 

So  führt  die  psychoanalytische  Methode  den  nervösen  Kranken 
l!  den  Arzt  endlich  in  dieselbe  und  der  Wissenschaft  allein  würdige 
Gation,  wie  sie  in  den  übrigen  Zweigen  der  Medizin  heute  fast  iiber- 
i  gang  und  gäbe  ist:  den  Kranken  gründlich  zu  beobachten,  nichts 
i  gleichgültig  oder  unwichtig  zu  nehmen,  und  auf  Grund  der  Be¬ 
achtung  die  Natur  des  Kranken  zu  unterstützen,  aber  nicht,  wie 

!"  früher  wohl  ärztliche  Eitelkeit  wollte,  zu  verbessern. 

Die  Einwände  gegen  die  Psychoanalyse  entspringen  wissen- 
aftlichen,  gesellschaftlichen,  persönlichen  und  besonders  sexuellen 
:erströmungen.  aus  denen  heraus  die  Gegner,  statt  ihr  Nichtwissen 
>:n  einzugestehen,  ihren  Unglauben,  ihr  Misstrauen,  ihren  Witz  und 
h  Warnungen  gegen  die  Psychoanalyse  inszenieren.  Die  Wissen- 
i  aft  aber  hat  vorurteilslos  nachzuprüfen,  ja  der  Wurzel  jener  Vor¬ 
eile  selber  nachzuspüren:  und  diese  eigene  Nachprüfung  an  sich 
lbstanalyse)  und  anderen  kann  durch  keine  Lektüre  ersetzt  wer- 
l.  Die  Haupteinwände  zerfallen  in  theoretische  und  praktische, 
.tere  richten  sich  besonders  gegen  das  Deutungsverfahren  und  die 
Qualität.  Die  Deutung  ist  nicht  das  Ergebnis  willkürlicher  Ueber- 
( ungen  a  priori,  sondern  jahrelanger  empirisch  gewonnener  Be¬ 
lichtungen,  deren  Richtigkeit  durch  die  Tatsachen  kontrolliert  und 
)  viesen  werden  kann.  Warum  gerade  die  sexuellen  Konflikte  eine 
grosse  Rolle  in  der  Erzeugung  der  Neurosen  spielen  sollen,  ist  eine 
ne  Tatsachenfrage.  Mit  der  Feststellung  aber,  dass  es  so  ist, 
eidet  der  Einwand,  dass  die  sexuellen  Momente  erst  in  das  Ma- 
ial  hineingedeutet  würden,  aus  und  erweist  sich  als  ein  ärztliches 
•  rurteil  gegen  die  Beschäftigung  mit  sexuellen  Problemen. 

Die  Frage  aber,  ob  es  wünschenswert  sei,  die  doch  verdrängten 
;  uellen  Triebregungen  zu  wecken,  ist  eine  praktische  Angelegenheit 
(1  damit  zu  beantworten,  dass  die  Wiedereinführung  derselben  in 
l>  Bewusstsein  zu  einer  Lösung  der  Konflikte  und  damit  zum  Auf- 
ren  der  Symptome  führe.  Lässt  sich  etwa  der  Gynäkologe  von  den 
E denken  seiner  Kranken  abhalten,  die  sexuelle  Untersuchung  und 
Ehandlung  zu  befürworten?  Auf  den  Vorwurf,  diese  Behandlung 
s  gefährlich  und  schädlich,  ist  zu  sagen,  sie  müsse  es  nicht  not- 
s  ndig  sein  und  sei  es  jedenfalls  nicht  mehr  als  eine  andere  Be¬ 


handlung  auch,  z.  B.  die  chirurgische.  Jedenfalls  ist  eine  genaue 
Kenntnis  der  Technik  die  unerlässliche  Voraussetzung  dafür,  Kranke 
psychoanalytisch  zu  behandeln.  Auf  die  allerneueste  Mode  aber, 
von  Patienten,  die  nicht  den  Mut  haben,  ihre  Behandlung  zu  Ende  zu 
führen,  sondern  abbrechen  und  sich  hinter  ihre  Widerstände  ver¬ 
schanzen  und  es  vorziehen,  „ihre  Lebenslüge  aufrecht  zu  erhalten", 
das  Material  zu  sammeln  und  als  Beweise  für  die  Schädlichkeit  oder 
Unwissenschaftlichkeit  der  Psychoanalyse  zu  verwerten,  muss  er¬ 
widert  werden,  dass  in  solchem  Falle  der  Unkenntnis  über  Psychoana¬ 
lyse  parallel  geht  der  Mangel  an  Verständnis  für  jene  Widerstände 
der  Kranken.  Was  aber  den  Heilwert  der  Analyse  angeht,  so  kann 
sie  es  mit  jeder  anderen  Form  der  Psychotherapie  aufnehmen  und 
Erfolge  aufweisen,  die  neben  denen  anderer  Methoden  wohl  bestehen 
können.  Eine  Panazee  ist  sie  natürlich  ebensowenig.  Die  Nachteile 
der  Dauer  und  Kosten  der  Kur  aber  sind  durch  eine  weitere  Vervoll¬ 
kommnung  der  Technik  und  Ausbreitung  ihrer  Kenntnis  gewiss  zu 
verringern. 

Die  Psychoanalyse  ist  noch  eine  junge  Wissenschaft;  nichts  ist 
in  ihr  fertig,  vieles  noch  zu  tun  und  im  Werden,  und  theoretisch  mag 
manches  noch  eine  bessere  Fassung  finden, .aber  dennoch  vermag  sie 
schon  heute  ein  Verständnis  neurotischer  Krankheitszustände  und  Er¬ 
folge  als  Behandlungsmethode  aufzuweisen,  wie  sie  auf  andere  Weise 
nicht  zu  gewinnen  sind.  Die  Psychoanalyse  ist  keine  bequeme  Me¬ 
thode.  Sie  rüttelt  an  uralten  Denkgewohnheiten,  wissenschaftlichen, 
gesellschaftlichen,  moralischen  und  sozialen  Vorurteilen,  die  das  Ge¬ 
setz  der  Trägheit,  das  für  den  menschlichen  Geist  nicht  weniger  als 
für  die  übrige  Natur  gilt,  geheiligt  hat.  Wie  treffend  zeichnet  doch 
Goethe  schon  diese  Situation:  „Kommt  einer,  der  etwas  Neues 
bringt,  das  mit  unserem  Credo,  das  wir  seit  Jahren  nachbeten  und 
wiederum  anderen  überliefern,  in  Widerspruch  steht,  und  es  wohl 
gar  zu  stürzen  droht,  so  regt  man  alle  Leidenschaften  gegen  den  auf 
und  sucht  ihn  auf  alle  Weise  zu  unterdrücken.  Man  sträubt  sich  da¬ 
gegen,  wie  man  nur  kann;  man  tut,  als  höre  man  nicht;  man  spricht 
darüber  mit  Geringschätzung,  als  wäre  es  gar  nicht  der  Mühe  wert, 
es  nur  anzusehen  und  zu  untersuchen;  und  so  kann  eine  neue  Wahr¬ 
heit  lange  warten,  ehe  sie  sich  Bahn  macht!“  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Herr  I  s  s  e  r  1  i  n  verweist  darauf,  dass  der 
Vortragende  keinen  Versuch  gemacht  hat,  seine  der  Lehre  Freuds 
zustimmenden  Behauptungen  irgendwie  zu  begründen.  Auch  bei  dem 
von  ihm  zitierten  eigenen  Fall  hat  er  sich  darauf  beschränkt,  einfach 
zu  sagen,  die  Zeit  erlaube  ihm  nicht,  Genaueres  darzulegen.  Der 
Zeitmangel  dürfe  aber  nicht  als  Entschuldigungsgrund  dafür  ange¬ 
sehen  werden,  dass  man  nicht  darlege,  warum  eine  Beschmutzungs¬ 
furcht  eigentlich  eine  Masturbationserinnerung  sei.  Uebrigens  sei 
das,  was  der  Vortragende  angedeutet  habe,  nur  eine  sehr  unvoll¬ 
kommene  Analyse,  denn  nach  Freuds  und  des  Vortragenden  An¬ 
schauungen  müsse  alles  auf  den  Oedipuskomplex  zurückgeleitet  wer¬ 
den.  Wie  sei  das  aber  im  erörterten  Falle  gelungen  und  wie  mög¬ 
lich?  Iss  erlin  weist  auf  die  Schwierigkeiten  hin.  Masturbiert 
hätten  die  meisten  Menschen;  nur  sehr  wenige  bekämen  Be¬ 
schmutzungsfurcht  —  warum  aber  diese?  Freud  bleibt  nichts 
übrig,  als  auf  eine  organisch  gedachte  sexuelle  Konstitution  zurück¬ 
zugehen.  Was  könne  aber  gegen  diese  die  Psychoanalyse  nützen? 

I  s  s  e  r  1  i  n  weist  den  Vortragenden  nochmals  auf  einfache  kurze 
Beispiele  aus  Freuds  Schriften  hin,  an  denen  er  in  seinem  vorher¬ 
gehenden  Vortrag  die  Unmöglichkeit  der  Freud  sehen  Methode 
demonstriert  hat.  Er  bittet  den  Vortragenden,  darauf  einzugehen. 
Ueberhaupt  versteht  Isserlin  nicht,  wie  die  Methodenfrage  ein¬ 
fach  stillschweigend  übergangen  werden  konnte.  Vortragender  habe 
darauf  hingewiesen,  dass  bedeutende  Entdeckungen  von  der  Schul¬ 
medizin  leider  nicht  anerkannt  worden  wären  Das  sei  leider  wahr, 
doch  habe  darum  noch  nicht  jede  neue,  radikale  und  absonderliche 
Behauptung  recht.  Eine  sorgfältige  Prüfung  der  Methodik  sei  das 
beste  Vorbeugungsmittel  gegen  Abirrungen  jeder  Art;  daran  lasse  es 
aber  die  Freud  sehe  Schule  völlig  fehlen. 

Der  Sexualitätsbegriff  Freuds  sei  keineswegs  so  unbestimmt, 
wofür  Isserlin  Belege  bringt.  Die  Deutungsmechanismen  seien 
immer  noch  völlig  unbewiesen  und  arten  beständig  in  lächerliche  Vor¬ 
stellungsgymnastik  aus.  Ein  Dogma  sei  auch,  dass  Neurose,  Traum 
etc.  ein  sinnvolles  Geschehen  sei;  die  Analytiker  verwechseln 
das  Prinzip  des  zureichenden  Grundes  mit  dem  des  Sinnes.  Ihre 
Lehren  stellen  zum  Teil  auch  einen  Rückfall  in  überwundene  pastoral- 
medizinische  Dogmen  dar,  welche  die  Psychose  als  Ausdruck  mensch¬ 
licher  Verworfenheit  betrachteten.  —  Die  Gefahren  der  Analyse  seien 
beträchtlich,  wofür  I  s  s  e  f  1  i  n  Beweise  hat.  Es  helfe  nichts,  zu  be¬ 
haupten,  jedes  wirksame  Verfahren  sei  gefährlich.  Es  werde  kein 
Verfahren  in  der  Medizin  geduldet,  das  sich  über  seine  Grundlagen 
und  Tragweite  so  unklar  sei.  Im  übrigen  sei  bisher  von  besonderen 
Erfolgen  nichts  gesehen  worden.  Freuds  eigene  Bemerkungen 
weisen  auf  die  Grenzen  seiner  Therapie  hin. 

Herr  Kraepelin:  Der  Haupteinwand,  der  gegen  die  An¬ 
schauungen  Freuds  erhoben  werden  muss,  ist  nicht  die  über¬ 
mässige  Betonung  der  Sexualität,  sondern  die  Unzulänglichkeit  seiner 
wissenschaftlichen  Methodik.  Sie  wird  durch  zwei  Eigentümlich¬ 
keiten  gekennzeichnet,  einmal  die  masslose'  Verallgemeinerung  ein¬ 
zelner  Beobachtungen,  sodann  die  Aufstellung  beweisloser  Behaup¬ 
tungen.  Damit  hängt  zusammen  die  unbekümmerte  Vernachlässigung 
von  Einwänden  und  gesicherten  Erfahrungen.  So  nimmt  die  F  r  e  u  d- 
sche  Ursachenlehre  auf  die  wichtigen  Tatsachen*  der  Familien¬ 
forschung  gar  keine  Rücksicht,  insofern  sie  zufälligen  Lebensereig- 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF" 


mssen  gegenüber  der  vererbten  Anlage  eine  entscheidende  Rolle  bei- 
rnisst;  sie  übersieht  die  traumatische  und  alkoholische  Hysterie, 
S.ie  ny?terie  der  Naturvölker,  für  die  eine  Entstehung  nach  dem 
i  r  e  u  d  sehen  Schema  ganz  ausgeschlossen  ist,  da  hier  über¬ 
all  von  Kämpfen  zwischen  Libido  und  Verdrängung  gar  keine 
.,5?  f,sein™  , nn-,  Auch  die  aus  grossen  Beobachtungsreihen  ge¬ 
schöpfte  1  atsache,  dass  in  München  an  Hysterie  ganz  vor- 
zugs  weise  die  vom  Lande  kommenden  jungen  Dienstmädchen, 
nicht  aber  die  geborenen  Münchnerinnen  oder  gar  die  Töchter 
gebildeter  Stände  erkranken,  für  die  jener  Kampf  allenfalls  in  Be¬ 
tracht  kommen  könnte,  ist  mit  der  Freudschen  Auffassung  durch¬ 
aus  unvereinbar.  Die  ganze  Lehre  von  den  Komplexen,  die  Jahr¬ 
zehnte  hindurch  „ohne  Usurierung“  eine  massgebende  Herrschaft 
aus  dem  Unbewussten  heraus  ausüben  sollen,  steht  mit  den  sichersten 
ui  undtatsachen,  insbesondere  dem  Gesetze  von  dem  Verblassen 
aller  nicht  geübten  Erinnerungsbilder,  im  schroffsten  Widerspruche. 
Irgendwelche  Beweise  für  diese  ganz  ungeheuerliche  Annahme  sind 
bisher  in  keiner  Weise  erbracht  worden;  auch  die  J  ung sehen  Asso- 
ziationsversuche  sind  gänzlich  ungeeignet,  sie  zu  stützen.  Die  vom 
Vortragenden  aufgestellte  Behauptung,  dass  das  nicht  gerichtete 
Denken  in  besonderem  Grade  egozentrisch  und  affektiv  beeinflusst 
sei,  muss  entschieden  bestritten  werden;  vielmehr  spielen  bei  ihm 
V0!  a.  em  stehende  Denkgewohnheiten,  sprachliche  Anknüpfungen, 
räumliche  und  zeitliche  Koinzidenzen  eine  massgebende  Rolle.  Es 
ist  daher  durchaus  nicht  besonders  geeignet,  verborgene  Wünsche 
aufzudecken. 

i  u  ,könnte  diese  Kanze’  die  Grundforderungen  wissenschaft¬ 
licher  Methodik  schroff  vernachlässigende  Richtung  ruhig  dem  Pro- 
zesse  der  Selbstzersetzung  überlassen,  deren  Spuren  sich  in  der 
Sektenbildung  und  in  dem  Auftreten  der  „wilden“  Psychoanalyse 
schon  deutlich  zeigen.  Sie  hat  indessen  zwei  äusserst  bedenkliche 
Seiten,  die  uns  zwingen,  mit  grösster  Entschiedenheit  dagegen  Stel- 
lung  zu  nehmen.  Einmal  führt  sie  zu  einem  weitgehenden  Verzicht 
aut  die  klinische  Diagnostik;  da  nicht  nur  die  Zwangsneurosen  und 
die  Hysterie,  sondern  auch  die  Dementia  praecox,  das  manisch- 
epressive  Irresein,  die  Paranoia,  ja  sogar  der  Alkoholismus  sexuelle 
Wurzeln  haben,  wird  mehr  und  mehr  von  einer  feineren  Unterschei¬ 
dung  der  einzelnen  Krankheitsbilder  abgesehen  und  jeder  vorkom¬ 
mende  Kranke  einfach  schematisch  psychoanalysiert.  So  entsteht 
ein  gänzlich  falsches  Bild  von  den  Behandlungserfolgen,  insofern  die 
vielen  Genesungen,  die  dem  natürlichen  Verlauf  des  Leidens  ent¬ 
sprechen,  als  psychoanalytische  Erfolge  angesehen  werden.  Es  soll 
nicht  geleugnet  werden,  dass  auch  der  ungeheure  suggestive  Druck 
den  die  Psychoanalyse  ausübt,  vielfach  heilsam  wirkt.  Wo  man  dem 
Kranken  mit  allen  Mitteln  die  Ueberzeugung  einhämmert,  dass  nur 
durch  die  Aufdeckung  von  „Sexualkomplexen“  Besserung  zu  er¬ 
warten  sei,  wird  diese  öfters  tatsächlich  eintreten,  wo  es  den  ver¬ 
einten  Bemühungen  von  Arzt  und  Patienten  gelungen  ist,  einen  an¬ 
nehmbaren  „Komplex  zutage  zu  fördern.  Auf  der  anderen  Seite 
muss  aber  das  Verfahren,  namentlich  in  seiner  heutigen,  wahllosen 
Anwendung,  als  recht  gefährlich  bezeichnet  werden.  Die  Erfahrungen 
dm  ich  von  Kranken  und  deren  Angehörigen  über  die  geradezu 
scheusslichen  Wirkungen  der  Psychoanalyse  in  einer  Reihe  von 
rallen  gesammelt  habe,  waren  erschütternde,  und  sie  sind  es  ge¬ 
wesen,  die  mich  veranlassen,  auf  das  eindringlichste  vor  dieser  Be¬ 
handlung  zu  warnen.  Es  ist  nicht  bewiesen  und  kann  auch  nicht  be¬ 
wiesen  werden,  dass  die  Psychoanalyse  therapeutisch  mehr  leistet 
als  andere  stark  wirkende  Suggestiverfahren;  dass  sie  aber  unbe- 
RPCnhanbiftren  Sckade"  anzurichten  vermag,  muss  ich  nach  meinen 

fernfnS  Urn8:en  fur  dl,ruchaus  sicher  erklären.  Das  fühle  ich  mich 
verpflichtet,  auszusprechen,  um  mich  vor  dem  Vorwurfe  zu  schützen- 
„Gui  tacet,  consentire  videtur“. 

Herr  L  ö  w  e  n  f  e  1  d  erinnert  zunächst  an  die  Bemerkung,  welche 
er  in  der  Diskussion  über  den  I  s  s  e  r  1  i  n  sehen  Vortrag  bereits 
machte,  dass  es  heutzutage  schwerer  als  je  ist,  eine  Uebersicht  über 
den  Stand  der  Psychoanalyse  zu  geben,  da  auf  diesem  Gebiete  in 
euerer  Zeit  in  wichtigen  Fragen  ein  Umschwung  zum  Teil  bereits 
eingetreten  ist,  zum  Teil  sich  vorbereitet.  Speziell  haben  die  An¬ 
schauungen  über  die  Rolle  des  sexuellen  Faktors  in  der  Neurosen- 
v,6’  ?le  AVOn>  S0  vielen  Seiten  angegriffen  wurden,  eine  sehr 
weitgehende  Aenderung  erfahren.  Freud  selbst  hat  bereits  seit 
längerer  Zeit  das  sexuelle  Trauma  als  Wurzel  der  Neurose  auf- 
gegeben  und  S  t  e  k  e  1  nach  seinen  jüngsten  Mitteilungen  sich  der 
Auffassung  Adlers  angeschlossen,  nach  welcher  dem  sexuellen 
dUrCh  d'e  Psychoanalyse  zutage  gefördert  wird,  im 
llcJeP.nurR  eine  symbolische  (keine  reelle)  Bedeutung  zu¬ 
kommt.  Bei  der  Beurteilung  des  therapeutischen  Wertes  der  Psycho¬ 
analyse  seitens  derjenigen,  welche  diese  Methode  vorwaltend' oder 

def  HprrnS  vh  kultiv‘.eren-  macht  sich,  wie  auch  die  Ausführungen 
des  Herrn  \  ortragenden  gezeigt  haben,  immer  die  Neigung  geltend 
dm  Leistungen  der  anderen  früher  und  auch  jetzt  noch  gebrauchten 
psychotherapeutischen  Verfahren  herabzudrücken,  um  die  Vorteile 
der  Pschoanalyse  in  helleres  Licht  zu  setzen.  Wie  hoch  man  aber 
auch  diese  veranschlagen  mag,  so  ist  doch  nicht  zu  leugnen,  dass  der 

Hr,ab  ‘SCh<l  ^  Crtc  r  Me*bode  zurzeit  noch  ein  sehr  beschränkter  ist, 
da  sie  in  kaum  5  Proz.  der  in  Betracht  kommenden  Fälle  sich  durch¬ 
fuhren  lasst  und  namentlich  bei  Zuständen,  die  eine  rasche  Erleich- 
muss'8’  n°  IR  mac  ien’  auf  deren  Anwendung  verzichtet  werden 


No.  21 


v-  Malaise:  M.  H.!  Der  Herr  Vortragende  erkennt  ein« 
Gefahr  der  psychoanalytischen  Behandlung  nur  an,  wenn  sie  von  Lin 
geübten  ausgeführt  werde  und  Herr  Löwenfeld  erklärt,  dass  er 
im  Gegensatz  zu  Herrn  K  r  a  e  p  e  1  i  n,  keine  Gefahren  dieser  Be 
handlung  gesehen  habe.  Ich  habe  nun,  wie  wohl  jeder  Fachkollert 
im  Laufe  der  letzten  Jahre  eine  ganze  Anzahl  von  Patienten  gesehen 
die  verschieden  lange,  auswärts  oder  hier  nach  Freud  und  zwar 
von  durchaus  nicht  ungeübten,  sondern  grösstenteils  „führenden' 
t  sychoanalytikern  behandelt  worden  waren,  diese  Behandlung  aui. 
gegeben  hatten.  Ich  habe  mich  an  diesen  Kranken  überzeugt  dasv 
diese  Behandlungsmethode  grosse  Gefahren  und  zwar  der  ver- 
schiedensten  Art  mit  sich  bringe.  Einmal  durch  die  übermässige 
Betonung  der  Sexualität,  nicht  dadurch,  dass  sexuelle  Dinge  über¬ 
haupt  berührt  werden,  selbst  solche  intimer  Natur,  sondern  dadurch 
dass  das  Sexuelle  an  den  Haaren  herbeigezogen  wird  und  die  harm¬ 
losesten  Dinge  krampfhaft  sexuell  gefärbt  werden.  Hat  man  Ge¬ 
legenheit,  Aufzeichnungen  von  Assoziationsversuchen  durchzusehen 
so  bieten  diese  immer  dasselbe  Bild:  zuerst  fallen  dem  Patienten 
immer  durchaus  konvenable  Worte  ein,  aber  schon  nach  kurzer 
Zeit  bei  den  harmlosesten  Worten  nur  mehr  Assoziationen  der 
sattigsten  Art.  Es  ist  dies  kein  Wunder,  wenn  man  sich  von  der  Art 
des  \  orgehens  der  Psychoanalytiker  überzeugt;  z.  B.  wird  eine 
Dame  gefragt,  was  ihr  bei  dem  Wort  Flügel  einfalle,  Antwort-  Be'h^ 
stein.  Was  beim  Worte  Bechstein?  Antwort:  nichts.  Es  wird  nun 
insistiert  und  betont,  dass  jetzt  der  wichtige  Moment  gekommen  sei 
Endlich  sagt  sie:  Bimssteine.  Welche  Form  haben  Bimssteine?  Ant¬ 
wort  :  der  meine  ist  rund.  Dies  passt  nicht  ins  Schema  und  es  wird 
weiter  gefragt,  welche  Form  sie  gewöhnlich  hätten  Nach 
längerem  Besinnen  fällt  der  Dame  ein,  eine  Freundin  habe  einen 
solchen  länglicher  Form  —  jetzt  ist  es  gewonnen:  der  Phalluskult 
feiert  seine  Auferstehung.  Dass  es  nicht  von  allen  Pat.  gut  vertra"--n 
wird,  wenn  ihnen,  oft  schon  in  der  1.  oder  2.  „Sitzung“  erklärt  wird 
sie  hatten  den  Wunsch,  vom  Arzte  ein  Kind  zu  haben,  hätten  Inzest¬ 
gedanken  nach  Vater  oder  Mutter,  oder  einer  jungen  Frau,  sie  habe 
den  Wunsch  mit ‘ihrem  4  jährigen  Jungen  sexuell  zu  verkehren  ist 
klar  und  Falle  beweisen,  dass  dieses  Vorgehen  zu  schwerstem 
psychischen  Zusammenbruch  geführt  hat.  Eine  weitere  Gefahr  is* 
darin  zu  sehen,  dass  auch  Symptome  organischer  Natur  für  „Kom¬ 
plexe  gehalten  werden.  Einem  54  jährigen  Herrn,  der  in  einem  Vor- 
*ra?e.i  tzlich  unwohl  wird,  so  dass  er  nicht  weitersprechen  kann 
und  der  alle  Anzeichen  hochgradiger  Arteriosklerose  aufweist,  wird 
empfohlen,  zu  koitieren,  was  er  seit  7  oder  8  Jahren  nicht  mehr  getan 
hatte.  3  Monate  später  starb  er  an  einer  Apoplexie,  nachdem  er 
auch  psychisch  insofern  schwer  geschädigt  worden  war,  als  er 
impotent  war  und  ihn  auf  Schritt  und  Tritt  der  Gedanke  nicht  mehr 
veiliess.  ich  kann  nur  durch  den  Koitus  gesund  werden  und  dazu 
bin  ich  unfähig. 

Weiterhin  stellt  der  vielfach  gegebene  Rat,  seine  Zwangs- 
Ideen  etc.  durch  (extramatrimoniellen)  Koitus  zu  vertreiben,  eine 
naheliegende  Gefahr  dar,  wie  die  nicht  wenigen  Fälle  beweisen,  die 
bei  Befolgung  dieser  Verordnung  zwar  ihre  Zwangsideen  nicht  ver¬ 
loren  aber  eine  Gonorrhöe  akquiriert  haben. 

Endlich  werden  einzelne  Symptome  und  auch  der  ganze  Zustand 
durch  die  psychoanalytische  Behandlung  nicht  selten  verschlimmert, 
c  0  schreibt  ein  Kranker,  nach  monatelanger  Behandlung,  er  werde 
immer  schlechter  als  besser  und  habe  jetzt  auch  noch  durch  die  Angst, 
einen  wichtigen  Traum  zu  vergessen,  seinen  guten  Schlaf,  das  einzige 
^as.ce,r  ..gehabt  habe>  verloren.  Ein  Anderer  sagte:  Ich  bin  zum 
Zweifelsüchtigen  geworden  durch  die  Frage,  die  zwangsartig  immer 
wieder  auftauchte,  habe  ich  auch  richtig  assoziiert,  habe  ich  nicht 
das  Wichtigste  vergessen  usw.  usw. 

Solche  Fälle  sind  aber  nicht  nur  mir  bekannt,  sondern  Jedem, 
det  sich  mit  der  Behandlung  von  Psychoneurosen  befasst  und  es 
ist  schwer  denkbar,  dass  sie  gerade  denen,  die  sie  verschuldet  haben, 
den  Psychoanalytikern  selbst,  unbekannt  bleiben. 

Herr  Wittenberg. 

Herr  S  e  i  f  (Schlusswort) :  M.  H.l  Nur  Herrn  I  s  s  e  r  1  i  n  s  nega¬ 
tive  und  ausfällige  Darstellung  des  Gegenstandes  veranlasste  mich,  zu 
versuchen,  die  anderen  und  positiven  Erfahrungen  eines  seit  Jahren 
analytisch  Arbeitenden  Ihnen  hier  auch  vorzutragen,  ein  Versuch,  der 
nicht  die  Absicht  hat.  Sie  zu  überzeugen,  als  vielmehr  zu  eigener 
iNächprufung,  zur  Beobachtung  an  sich  und  an  anderen  anzuregen 
und  dafür  zu  interessieren.  Herr  Isserlin  spricht  von  der  Un- 
oewiesenheit  und  Gewaltsamkeit  der  psychoanalytischen  Methode  als 
Deutungsveriahren.  Nun.  m.  H.,  in  der  Dementia  praecox  können  Sie 

Kranken  ihre  krankhaften  Produkte  und  deren  Deutung  un¬ 
mittelbar  nacheinander  Vorbringen  hören,  nach  allen  Regeln  des  Deu- 
tungsvei  fahrens,  wie  es  Freud  in  seiner  Traumdeutung,  die  die 
Kranken  doch  nicht  kennen,  beschrieben  hat.  Oder:  Ein  mir 
tremder  Kollege  erzählte  mir  im  Kreise  von  Kollegen,  die  die  Traum¬ 
deutung  verulkten,  er  habe  geträumt:  ^seine  Hündin  habe  tuberku¬ 
löses  Sputum  gefressen,  er  sei  darüber  traurig  geworden  und  habe 
sich  gedacht,  nun  könne  er  sie  nicht  länger  mehr  im  Hause  behalten". 

Als  ich  ihm  darauf  sagte,  er  beunruhige  sich  wohl  darüber,  dass  eine 
ihm  nahestehende  Dame  von  ihm  schwanger  sei,  erwiderte  er  auf- 
geregt  und  aufs  höchste  erstaunt:  „Woher  wissen  Sie  das?  Ja,  seit 
14  lagen  schon  warte  ich  auf  Nachricht,  ob  die  Regel  noch  nicht  em- 
getrotfen  ist.  Jener  Kollege  hatte  den  persönlichen  wissenschaft¬ 
lichen  Mut,  mich  aufzufordern,  den  Skeptikern  die  Deutung  mitzu- 


.  Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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dien.  Diese  Kontrolle  und  Bestätigung  durch  die  Tatsachen  aber 
tösst  uns  in  der  analytischen  Arbeit  auf  Schritt  und  Tritt  auf.  Kann 
ine  wissenschaftliche  Methode  sich  eine  bessere  Begründung  wiin- 

chen? 

Herr  Kraepelin  verneint  den  affektiven  Charakter  des  un- 
ewussten,  phantastischen  Denkens  und  der  ihm  entstammenden  Ein¬ 
ille,  für  ihn  ist  nach  dem  elementarsten  Naturgesetze,  wie  er  sagt, 
er  Komplex,  d.  h.  etwas,  was  nicht  lebt,  tot.  Dem  aber  widerspricht 
ie  psychologische  Erfahrung,  die  die  affektive  Auswahl  und  Ver- 
niipfung  der  Einfälle  und  die  Wirksamkeit  unbewusster  Faktoren 
ohl  kennt,  vor  allem  aber  alle  psychoanalytische  Erfahrung  und 
er  Aufbau  jeder  Neurose,  ich  erinnere  Sie  nur  an  das  Beispiel  des 
V aschzwanges.  Oder:  nehmen  Sie  als  weiteres  Beispiel  unter  un- 
ähligen  eine  Hysterie  mit  seit  einem  Jahre  dauernden  sehr  lästigen 
’arästhesien  der  Zunge  und  rechten  Hand,  alles  dies,  seitdem  der 
ieliebte,  der  zur  Heiratsbedingung  den  vorsexuellen  Verkehr  ge¬ 
iacht  hatte,  den  sie  aber  aus  Rücksicht  auf  die  Moral  und  ihre  Fa- 
ulie  ablehnte,  sie  verlassen  hatte.  Ist  der  Komplex,  dem  doch  auch 
ie  Erinnerung  an  die  sehr  affektbesetzten  Hand-  und  Zungenküsse 
ngehört,  in  jenen  lästigen  Parästhesien  nicht  doch  sehr  lebendig  ge¬ 
wesen?  Gerade  der  „Verschüttung“  verdankt  Pompeji  nach  Freuds 
eistvollem  Vergleiche  den  so  „lebendigen“,  unmittelbaren  und  rezen- 
m  Charakter. 

Etwas  merkwürdig  berührt  es  mich,  dass  man  mir,  der  ich  unter 
cn  hier  Anwesenden  ausser  L  ö  w  e  n  f  e  1  d  vielleicht  am  meisten 
lieh  damit  beschäftigt  habe,  die  Hypnose  und  ihre  Leistungsmöglich- 
eiten  entgegenhält;  ich  glaube,  deren  Erfolge,  ihren  Wert,  ihre 
’iefe  und  Dauer  wohl  zu  kennen.  Warum  ich  denn  dann 
’sychoanalyse  mache?  Nun,  m.  H„  ich  bin  aus  der  Not  dazu  ge- 
ommen,  und  ebensowohl  auch  alle  anderen  Analytiker,  Freud  an 
irer  Spitze,  aus  der  Not  des  Nichtverstehens  des  Kranken  und  des 
Jichthelfenkönnens.  Und  weil  uns  und  unseren  Kranken  die  Psycho- 
nalyse  etwas  Wertvolles  gibt,  das  uns  die  Schule  nicht  gab.  be- 
ienen  wir  uns  ihrer,  auch  trotz  der  Angriffe  der  Gegner.  Mit  Un¬ 
lauben  und  Misstrauen  und  Hohn  und  moralischen  Warnungen  hat 
ich  in  der  Wissenschaft  noch  nie  etwas  weder  beweisen  noch  wider- 
jgen  lassen.  Wir  aber  vertrauen  auf  unsere  bisherige  Erfahrung,  auf 
lie  Zukunft  und  die  ewige  Macht  der  Wahrheit. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  30.  Januar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Kraus. 

Schriftführer:  Herr  Wilhelm  V  o  i  t. 

Herr  Grünbaum:  Demonstrationen:  a)  Portiokarzinom, 
)  Elephantiasis  der  Klitoris. 

Herr  Görl:  Subjektives  zur  Salvarsantherapie  der  Syphilis  in 
ler  Praxis. 

Infolge  des  sehr  verschiedenen  Verlaufes  der  Syphilis  ist  es 
nmöglich,  völlig  beweisende  Statistiken  über  den  Erfolg  oder  Miss- 
rfolg  von  Medikamenten  aufzustellen,  vielmehr  ist  der  subjektive 
lindruck  des  behandelnden  Praktikers  massgebend. 

Wenn  auch  der  Ausfall  der  Syphiliskomplementreaktion  ein  ob- 
ektives  Urteil  über  die  Heilung  der  Syphilis  ursprünglich  erwarten 
iess,  so  haben  sich  die  darauf  gesetzten  Hoffnungen  doch  nicht  er- 
iillt,  da  die  Reaktion  nicht  so  spezifisch  ist,  dass  sie  in  jedem  Falle 
nit  den  klinischen  Tatsachen  übereinstimmt. 

Der  positive  Ausfall  ist  für  die  Diagnose  wichtiger  als  eine 
legative  Reaktion;  auf  jeden  Fall  aber  darf  die  Syphilisreaktion 
licht  als  Wegweiser  für  die  Therapie  gelten,  vielmehr  ist  letztere 
lur  nach  klinischen  Gesichtspunkten  zu  bemessen:  Hat  der  Praktiker 
m  Zweifelsfalle  doch  einmal  eine  Blutuntersuchung  zu  machen,  so  gibt 
hm  die  v.  Düngern  sehe  Syphilisreaktion,  die  leicht  auszuführeu 
st,  ziemlich  sicheren  Aufschluss. 

Bei  ambulanter  Behandlung  ist  nur  die  kombinierte  Queck- 
;ilber-Salvarsantherapie  am  Platze  und  zwar  ist  stets  mit  der  Hg- 
Jehandlung  zu  beginnen  und  im  Verlauf  oder  gegen  Schluss  werden 
! — 3  Salvarsaninjektionen  gemacht.  Bei  diesem  Verfahren  habe  ich 
n  ungefähr  100  Fällen  nie  üble  Zufälle  gesehen.  Die  Lues  verläuft 
jei  dieser  Behandlung  viel  milder,  besonders  Schleimhauterschei- 
lungen  verschwinden  rasch;  greift  die  Therapie  in  den  ersten  Wochen 
lach  der  Infektion  ein,  dann  tritt  in  der  Anzahl  der  Fälle  klinisch 
ind  serologisch  Heilung  ein.  die  zum  Teil  schon  2  Jahre  anhält.  In  der 
.ekundären  Periode  wirkt  Hg  nachhaltiger  als  Salvarsan  in  den  Dosen, 
vie  es  ambulant  gegeben  werden  kann,  während  Salvarsan  mehr 
Einfluss  auf  die  Syphilisreaktion  zu  haben  scheint. 

Verwendet  wurde  meist  Neosalvarsan  Dosierung  III  als  erste 
njektion  und  zwar  stets  intravenös,  die  späteren  Dosen  je  nach 
Verträglichkeit.  Alt-  und  Neusalvarsan  sind  in  der  Heilwirkung  gleich. 

Von  Störungen  beobachtete  ich  ein  sog.  Neurorezidiv  am 
Akustikus,  bei  einem  Patienten,  der  keine  Hg-Vorkur  machen  wollte, 
:inen  grossmakulösen  Ausschlag  bei  einer  Hysterika  und  einmal 
darke  Diarrhöen  bei  einer  Patientin  mit  Enteritis  gummosa  sowohl 
lach  Alt-  als  Neusalvarsan. 

Der  Unterschied  der  jetzigen  Erfolge  bei  kombinierter  Hg-Sal- 
.arsanbehandlung  gegenüber  der  einfachen  Quecksilbertherapie  ist  ein 
mich  auffälliger  und  spricht  so  sehr  zu  Gunsten  des  Salvarsan,  dass 
js,  wenn  irgend  angängig,  der  Praktiker  in  Verwendung  bringen 

nuss. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  28.  Mai  1913. 

Demonstrationen  vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Stettiner  demonstriert  einen  dreimonatlichen  Säugling 
mit  Atresia  ani  cum  fistula  vestibularis.  Die  Mutter  hatte  das  aus 
einer  gesunden  Familie  stammende  Kind  wegen  Stuhlverstopfung  zum 
Arzt  gebracht.  Der  Mastdarm  mündet  in  die  Vagina,  an  der  Stelle 
des  Anus  befindet  sich  eine  Erhabenheit.  Das  Kind  soll  jetzt  operiert 
werden. 

Tagesordnung: 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  E.  B  u  m  m :  Ueber 
die  Erfolge  der  Röntgen-  und  Mesothoriumbehandlung  bei  Karzinom 
der  weiblichen  Genitalien. 

Herr  Levy-Dorn:  Eine  Heilung  bringt  die  Röntgenbestrahlung 
bei  Carcinoma  nicht  zustande,  mit  Rezidiven  muss  immer  gerechnet 
werden.  Ob  die  Radiotherapie  mit  den  Massendosen  ein  weniger 
gefährlicher  Eingriff  ist  als  die  Operation,  ist  zu  bezweifeln. 

Herr  E.  Schmidt:  Schon  vor  10 — 12  Jahren  haben  franzö¬ 
sische  und  amerikanische  Autoren  über  ähnliche  Heilerfolge  bei  Kar¬ 
zinom  mit  geringeren  Strahlenmengen  berichtet.  Die  Steigerung  der 
Dosen  ist  neu  und  nicht  unbedenklich,  teils  wegen  der  Spät¬ 
schädigungen,  welche  ohne  vorheriges  Erythem  z.  B.  an  inneren 
Organen  in  Gestalt  unstillbarer  Diarrhöen  Vorkommen  können,  teils 
wegen  der  Frühschädigungen;  die  Tumoren  zerfallen  rapid,  dadurch 
Gefahr  der  Metastasierung  und  des  Durchbruchs  in  Körperhöhlen. 
Auch  mit  kleinen  Dosen  lassen  sich  Erfolge  erzielen. 

Uebrigens  ist  die  Toleranz  der  Vaginalschleimhaut  keineswegs 
erwiesen,  auch  hier  hat  man  Erytheme  beobachtet. 

Herr  Paul  Lazarus:  Die  ultrapenetrierenden  y-Strahlen, 
gleichgültig  ob  des  Radiums  oder  des  Mesothoriums,  sind  die  wirk¬ 
samen.  Lazarus  zieht  das  Radium  dem  Mesothorium  vor,  weil 
es  haltbarer  und  gleichmässiger  ist.  Die  Radiotherapie  des  Kar¬ 
zinoms  ist  schon  vor  6  Jahren  methodisch  von  Wickham  und 
D  e  g  r  a  y  ausgeübt  worden.  Lazarus  befürwortet  grosse  Dosen 
bei  starker  Filterung,  weil  kleine  Dosen  Reizung  hervorrufen:  in 
der  Nähe  der  mit  schwachen  Strahlenmengen  behandelten  Tumoren 
entstehen  neue. 

Herr  R  o  1 1  e  r  hat  bei  einem  inoperablen  Rektumkarzinom  nach 
Anlegung  eines  Anus  praeternaturalis  intravenöse  Injektionen  mit 
Mesothoriumflüssigkeit  vornehmen  lassen  und  dabei  beobachtet,  dass 
nach  %  Jahr  das  Karzinom  sich  von  den  jauchigen  Massen  gereinigt 
hat,  dass  an  seiner  Stelle  ein  derbes  narbiges  Gewebe  auf¬ 
getreten  ist,  also  ähnliche  Veränderungen  wie  bei  den  B  u  m  m  sehen 
Fällen.  Das  Karzinom  ist  aber  nicht  geheilt.  Am  Anus  naturalis 
sowie  praeternaturalis  sind  neue  Knoten  entstanden. 

Herr  Bickel  erwähnt  im  Anhang  an  den  R  otter  sehen  Fall, 
dass  das  intravenös  injizierte  Mesothorium  teilweise  in  den  Darm 
ausgeschieden  wird. 

Bestrahlungsversuche  am  Ovarium  sowie  am  Auge  des  Ka¬ 
ninchens  mit  Mesothorium  haben  ergeben,  dass  auch  bei  relativ 
grossen  Dosen  die  Wirkung  erst  nach  einigen  Wochen  auftritt. 

Herr  C.  Lewin:  Die  Radiotherapie  leistet  bei  Karzinomen  nicht 
mehr  als  andere  Methoden.  Erfolge  ähnlicher  Art  sind  auch  mit 
lokaler  Behandlung,  mit  Arsenikalien,  erzielt.  Lew  in  erwähnt 
einen  Fall,  welchen  er  durch  Einspritzung  der  eigenen  Aszites¬ 
flüssigkeit  (Autoserotherapie)  VA  Jahr  hindurch  beobachtet  hat.  Er¬ 
folge  hat  die  Fermentbehandlung  und  auch  die  Chemotherapie  aufzu¬ 
weisen.  Es  handelt  sich  mehr  oder  weniger  immer  um  Zufalls¬ 
heilungen.  Die  Radiotherapie  mit  kleinen  Dosen  hat  sich  in  den 
seltensten  Fällen  bewährt,  mit  grossen  Dosen  müssen  noch  weitere 
Erfahrungen  abgewartet  werden. 

Herr  Brieger  hält  die  Bestimmung  des  Antifermenttiters  nach 
der  Jochmann  - Al  ii  11er  sehen  Methode  für  die  Frage  der  Re¬ 
zidivbildung  für  notwendig  und  erläutert  dies  an  einigen  Fällen. 
Therapeutisch  ist  die  Pankreatindarreichung  ratsam. 

Herr  Franz:  Die  Behandlung  mit  Mesothorium  ist  teuer.  Die 
Wirkung  des  Mesothoriums  ist  oberflächlich.  Zu  versuchen  ist  eine 
Kombination  von  Mesothoriumbestrahlung  mit  intravenöser  Injektion 
von  Metallverbindungen.  Das  Portiokarzinom  lässt  sich  mit  Meso¬ 
thoriumbestrahlung  heilen,  unsicher  ist  der  Dauererfolg,  umsomehr, 
als  sich  die  Natur  des  Portiokrebses  oft  schwer  beurteilen  lässt. 
Die  Mesothoriumbestrahlung  reinigt  die  Oberfläche  des  Krebses  und 
beseitigt  die  Jauchung,  erleichtert  dadurch  die  Operation,  mitunter 
ermöglicht  die  Strahlenbehandlung  die  Operation  eines  vorher  unbe¬ 
weglichen  inoperablen  Tumors. 

Herr  C  s  i  1 1  a  g  als  Gast  demonstriert  einen  Apparat  zur  Messung 
der  radioaktiven  Strahlen. 

Herr  Hammerschlag  berichtet  von  einem  Fall  von  Vulva¬ 
karzinom,  welches  während  der  Röntgenbestrahlung  eines  Pruritus 
vulvae  entstanden  ist. 

Herr  Falk  hat  mit  der  Radiotherapie  bei  Karzinomen  der  weib¬ 
lichen  Genitalien  nur  Teilerfolge,  d.  h.  Reinigung  der  Geschwüre, 
Beseitigung  der  Jauchung,  aber  keine  Dauerheilung  gesehen. 

Herr  Klemperer  hat  mit  Auronatriochloridinjektionen  bei 
Tiergeschwülsten  Rückbildungen  erzielt.  Innerliche  Verabreichung 
bei  Krebserkrankung  des  Menschen  blieb  ohne  Erfolg.  Die  genannten 
Metallverbindungen  sind  Kapillargifte  im  Sinne  Heubners,  rufen 
Ernährungsstörungen  in  den  Tumoren  der  Tiere  hervor  und  be- 


1236 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wirken  dadurch  deren  Verkleinerung.  Bei  menschlichen  Krebsen 
ist  die  \  askularisation  anders  als  bei  Tiergeschwülsten.  In  der 
menschlichen  Leber  hat  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  kapilläre  Nekrosen  gefunden. 
Vor  der  Anwendung  dieser  Metallverbindungen  ist  daher  zu  warnen 
_  R. 

Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  9.  Mai  1913. 

Dr.  Norbert  Swoboda  stellt  einen  Fall  von  Syphilis  hereditaria 
tarda  mit  Pseudoparalysis  dolorosa  humeri  und  Osteoperiostitis  gum¬ 
mosa  bei  einem  3  jährigen  Kinde  vor.  Der  Fall  wurde  von  anderer 
Seite  als  Schlüsselbeinbruch,  Skrophulose  etc.  gedeutet;  nach  richtiger 
Diagnose  und  entsprechender  Behandlung  schwanden  die  genannten 
Erscheinungen. 

Dr.  M.  Haudek:  Luxatio  femoris  centralis. 

Der  vorgestellte  Mann  verunglückte  vor  VA  Jahren,  als  er 
von  einem  Eisenbahnwagen  absprang.  Er  konnte  noch  ein  Stück 
gehen,  brach  dann  zusammen.  Man  hielt  es  wegen  einer  starken 
Schwellung  am  Trochanter  für  eine  heftige  Kontusion.  Jetzt  steht  das 
Bein  in  Aussenrotation,  die  Beugung  ist  bis  zu  60°  möglich,  die  Ab- 
und  Adduktion  sowie  die  Rollung  sind  gesperrt.  Der  Schenkelkopf 
befindet  sich,  wie  das  Röntgenbild  zeigt,  im  Becken,  es  hat  sich  um 
denselben  eine  neue  Pfanne  gebildet.  Der  Mann  hinkt  nur  wenig. 

Privatdozent  Dr.  Leopold  Freund:  Eine  neue  Methode  zur 
Bestimmung  der  Radiosensibilität. 

Um  genaue  Prüfungen  der,  wie  er  anzunehmen  allen  Grund  hat, 
bei  verschiedenen  Personen  und  unter  bestimmten  somatischen  Ein¬ 
flüssen  bei  denselben  Individuen  verschiedenen  Hautempfindlichkeit 
gegen  Röntgenstrahlen  vornehmen  zu  können,  ging  der  Vortr  in  fol¬ 
gender  Weise  vor:  Er  benützte  Radiumträger  und  eine  Mesothorium- 
Kapsel  als  otrahlencjuelle,  applizierte  einen  solchen  Apoarat  verschie- 
denen  Individuen  unter  analogen  Bedingungen  durch  gleichlange  Zeit¬ 
räume  auf  der  Haut,  so  dass  diese  Personen  quantitativ  und  quali¬ 
tativ  gleiche  Strahlendosen  bekamen.  Um  nun  den  Grad  der  Reaktion 
bei  den  einzelnen  Menschen  zu  messen,  stellte  er  sich  Rötungsskalen 
her,  so  dass  er  die  Grade  der  jeweiligen  Reaktion  mittels  dieser  Far- 
henskala  mit  befriedigender  Exaktheit  feststellen  konnte.  Mit  dieser 
Methode  prüfte  er  sodann  die  Radiosensibilität  von  18  Personen  und 
es  zeigte  sich  dabei,  dass  die  Haut  verschiedener  Menschen  auf  Ra- 
diumstrahlungen  von  gleicher  Intensität  verschieden  stark  reagiert 

,.®?  auch  die  einzelnen  Hautstellen  am  Körper  derselben  Person 
bezüglich  der  Radiosensibilität  grosse  Differenzen  aufweisen.  Je 
naher  die  untersuchte  Stelle  dem  Herzen  lag.  um  so  kräftiger  reagierte 
sie.  Selbst  symmetrische  Stellen  der  beiden  Körperhälften  reagier- 
tgn  verschieden,  ein  und  derselbe  Körperteil  zeigte  zu  verschiedenen 
Zeiten  eine  nicht  ganz  identische  Reaktion. 

,  ,  D?,r  Vortr.  führt  noch  weitere  Details  seiner  Untersuchungsresul¬ 
tate  mit  dieser  Methode  an  und  glaubt,  dass  man  von  ihr  auch  in  der 
Praxis  werde  Gebrauch  machen  können,  wenn  man  zu  the-a- 
peubschen  Zwecken  sehr  grosse  Strahlendosen  zu  verabfolgen  be¬ 
absichtigt  Man  wird  dann  vorher  mit  dieser  Methode  die  Radio- 
sensibihtat  prüfen  und  wird,  wenn  diese  auffallend  gross  ist,  die  Be- 
strahlung  unterlassen,  um  den  Kranken  nicht  zu  schädigen. 

,  .  Rroh. v»  Fiseisberg  stellt  3  Fälle  von  Thoraxwandresektion 
bei  Kezidive  nach  operierten  Mammakarzinomen  vor  und  berichtet 
über  einen  4.  Fall.  Es  wurden  bei  Benützung  des  Ueberdruckver- 
f  ah  re  ns  mehrere  Rippen  reseziert,  in  einem  Falle  auch  ein  Stück  des 
Mernums,  alles  Krankhafte  entfernt  und  der  Defekt  durch  Heran¬ 
ziehung  der  Haut  der  anderen  Mamma  gedeckt.  In  einem  Falle  wurde 
auch  ein  Knoten  aus  der  Lunge  entfernt,  es  trat  Pyopneumothorax 
auf  und  die  Kranke  starb  nach  3  Wochen.  2  Operierte  überlebten 
den  zweiten  Eingriff  4  Jahre,  dann  kam  es  zu  Rezidiven;  in  einem 
ralle  wurde  die  Rezidivoperation  erst  vor  kurzer  Zeit  ausgeführt. 

•  i.  l  L v‘  Fiseisberg:  Grundsätze  und  Vorschläge  zur  Ver¬ 
einheitlichung  des  ersten  Verbandes  bei  akzidentellen  Wunden. 

,  Unter  Demonstration  mehrerer  nach  seiner  Angabe  in  Gemein¬ 
schatt  mit  Dr.  R  osmanit  hergestellten  „Rettungskoffer“  (für  Eisen¬ 
bahnen,  Fabriken  etc.)  entwickelt  der  Vortr.  in  grossen  Zügen  den 
einfachsten  und  sichersten  Weg  für  die  Anlegung  des  ersten  Ver¬ 
bandes  bei  akzidentellen  Wunden.  Eine  solche  Wunde  sei  nicht  ab¬ 
zuspulen,  auch  nicht  mit  gelösten  Desinfektionsmitteln  zu  behandeln, 
sondein  möglichst  frühzeitig  zu  okkludieren,  wozu  am  besten  die 
weisse  sterile  Gaze  dient.  Nur  bei  stärkerer  Blutung  wird  man  die 
Wunde  tamponieren.  Frakturen  sind  selbstverständlich  möglichst 
bald  zu  immobilisieren.  Die  in  verschiedener  Grösse  hergestellten 
Kettungskoffer,  aus  starkem  Holze  gefertigt,  enthalten  darum  in  der 
Hauptsache  nur  mehrere  mit  Heftpflasterstreifen  verklebte  Blech¬ 
dosen,  in  welchen  sterile  weisse  Gaze  fächerförmig  in  Streifen  zu- 
sammengelegt  ist,  und  von  Instrumenten  nur  eine  in  steriler  Papier- 
uille  aufbewahrte  Kornzange  zur  eventuellen  Tamponade  für  den 
rzt.  Der  Arzt  oder  Laie,  welche  die  erste  Hilfe  leisten,  werden  an¬ 
gewiesen  eine  Blechdose  zu  öffnen,  die  Gaze  an  einem  Zipfel  zu 
lassen  und  sie  auf  die  W  unde  zu  legen,  ohne  diese  zu  berühren  Mit 
einem  beiliegenden  viereckigen  Leinwandstücke,  welches  an' allen 
Ecken  Bänder  hat,  wird  der  einfache  Verband  fertiggestellt.  Der 
Gebrauch  von  Mastisol  oder  Jodtinktur  durch  Laien  sei  nicht  emp¬ 
fehlenswert. 


No.  22. 

- - 

Ur.  S.  Federn:  Ueber  abweichende  Gefässversorgung  dpr 
Mamma  bei  diffuser  Hypertrophie  derselben. 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  eines  Falles  von  Hvper 
trophia  diffusa  mammae  seitens  Dr.  E  r  d  h  e  i  m  s  teilt  F.  mit.  dass  er 
in  diesem  Falle  nicht  wie  bei  anderen  Frauen  im  Puerperium  son 
dern  wie  bei  nährenden  Frauen  die  Arteria  intercostalis  anterior  sud 
nur  dann  unterdrücken  konnte,  wenn  er  sie  zur  Seite  ihrer  Ana 
stomose  mit  der  Art.  intercost.  post.,  also  gegen  die  Achselhöhle  za 
komprimierte.  Wenn  seine  Beobachtung  richtig  ist,  was  nachzu 
prüfen  wäre  so  würde  er  in  dem  gesteigerten  Blutzuflusse  zur 
Mamma  die  Ursache  ihrer  diffusen  Hypertrophie  erblicken  und'  man 
konnte  versuchen,  ehe  man  zu  einem  schweren  Eingriffe  schreitet 
die  Art.  intercost.  anter.  sup.  gegen  die  Anastomose  mit  der  Intercost' 
post ,  also  gegen  die  Aorta  thoracica  zu  unterbinden.  Eine  Atrophie 
der  Mamma  wäre  dann  nicht  zu  befürchten,  weil  noch  die  Verbinclune 
mit  der  Art.  mammaria  int.  bestehen  bleibt. 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  15.  Mai  1913. 

P.  Saxl:  Ueber  die  Störungen  im  Eiweissstoffwechsel  Krebs¬ 
kranker. 

Aeltere  und  neuere  in  der  Literatur  niedergelegte  Untersuchungen 
führten  zu  folgendem  Bild  der  Störung  im  Eiweissabbau  von  Krebs¬ 
kranken:  Der  gesamte  Eiweissumsatz  wurde  bei  einigen  ausge- 
wahiten  Fällen  von  Karzinom  vermehrt  gefunden,  in  anderen  Fällen 
wurde  diese  Steigerung  vermisst.  Der  Eiweissabbau  ist  gestört  irn 
Sinne  einer  relativen  Harnstoffverminderung,  auf  deren  Kosten  eine 
vermehrte  Ammoniakbildung  und  Abscheidung  mangelhaft  oxydierter 
Eiweissschlacken  stattfinden.  So  kommt  es  im  Harn  zu  einer  relativen 
Vermehrung  des  gesamten  Reststickstoffes,  des  Neutralschwefels,  der 
üxyprotemsäuren,  des  kolloidalen  Stickstoffes,  der  Polypeptide.  End¬ 
lich  findet  sich  im  Harn  Krebskranker  eine  Vermehrung  des  leicht 
oxydierbaren  Schwefels  (Schwefelreaktion  nach  Salomon  und 
Saxl).  Das  Bild  der  Störung  im  Eiweissabbau  von  Krebskranken 
erinnert  insofern  an  das  bei  Rhodanverfiitterung  gewonnene 
(Ed  l  n  g  er.Clemens,  A.Maye  r),  als  auch  bei  der  letzteren  eine 
beim  Menschen  nicht  sehr  erhebliche  Steigerung  des  gesamten 
Eiweissumsatzes  stattfindet.  Ferner  wurden  eine  Vermehrung  der 
Ammoniakausscheidung.  starke  Vermehrung  des  Neutralschwefels  und 
Vermehrung  der  leicht  oxydierbaren  Schwefelfraktion  (nämlich  des 
ausgeschiedenen  Rhodans)  gefunden.  Die  genannten  Autoren  fassten 
die  bei  der  Verfütterung  des  ungiftigen  Rhodans  auftretenden  Stö¬ 
rungen  im  Eiweissstoffwechsel  als  Wirkungen  geringster  Mengt." 
intermediär  abgespaltener  Blausäure  auf.  Der  Aehnlichkeit  der  beiden 
Bilder  der  Stoffwechselstörung  nachgehend,  fand  Vortr.  folgendes- 
1.  Nach  Verfutterung  geringer  Mengen  von  Rhodannatrium  (15g) 
an  gesunde  Menschen,  tritt  eine  Vermehrung  der  Oxyproteinsäuren 
auf,  die  einige  Tage  anhält.  2.  Es  tritt  ebenso  für  einige  Tage 
eine  positive  Schwefelreaktion  (nach  Salomon  und  Saxl)  am 
3.  Die  quantitative  Untersuchung  der  täglich  im  Harn  ausgeschiederien 
Rhodanmengen  ergab  bei  Krebskranken  sehr  häufig  150— 200  mg, 
bei  anderen  Kranken  in  der  Regel  30 — 100  mg,  ganz  selten  150  mg 
So  dürfte  die  Schwefeloxydationsreaktion  von  Salomon  und 
Saxl  grossenteils  ein  Nachweis  vermehrten  Rhodans  sein.  Es  dürfte 
fernerhin  die  Vermehrung  des  Rhodans  im  Organismus  Krebskranker 
den  Eiweissabbau  im  Sinne  mangelhafter  Oxydation  beeinflussen. 
Ueber  die  Herkunft  des  Rhodans  im  Organismus  lassen  sich  nur 
Vermutungen  aufstellen. 

S.  B  o  n  d  i  und  H.  Salomon:  Klinische  Untersuchungen  über 
den  Duodenalinhalt  des  Menschen. 

H.  Ep  p  in  g  er:  Zur  Pathologie  der  Milz. 

Zuerst  wird  berichtet,  dass  die  Jodzahl  des  von  Cholesterin  und 
Cholesterinestern  befreiten  Blutfettes  vor  und  nach  Splenektomie 
Schwankungen  zeigt.  Nach  experimenteller  Milzentfernung  sinkt  die 
Jodzahl  auf  ein  Minimum,  nach  Toluylendiaminvergiftung  ist  dieselbe 
hoch.  Analoge  Untersuchungen  wurden  auch  im  menschlichen  Blute 
bei  den  verschiedensten  krankhaften  Zuständen  vorgenommen.  Hier 
zeigten  sich  sehr  hohe  Jodzahlen  bei  hämolvtischen  Prozessen,  z.  B. 
bei  perniziöser  Anämie,  hämolytischem  Ikterus.  hvpertrophis'’!ier 
Leberzirrhose  und  auch  bei  Ikterus  catarrhalis.  Weiters  wird  über 
die  Urobilinbestimmungen  im  Stuhle  berichtet.  Die  normalen  Werte 
pro  die  sind  0.15  g.  Unter  pathologischen  Umständen  sind  grosse 
^  chwankungen  zu  bemerken:  die  höchsten  Werte  wurden  beim  hämo- 
v  tischen  Ikterus  gefunden  (3 — 4  g),  sehr  hohe  Zahlen  zeigten  sieh 
bei  perniziöser  Anämie,  gewissen  Formen  von  „Icterus  catarrhalis“ 
und  bei  mehreren  Fällen  von  Zirrhose,  die  mit  Ikterus  einherging. 
Nachdem  man  weiss.  dass  das  Urobilin  aus  zerstörtem  Hämatin  lier- 
i  ührt,  so  kann  es  als  Mass  der  Hämolyse  verwendet  werden.  Es 
v  ird  weiter  auf  das  Parallelgehen  von  hohen  Jodzahlen  und  von 
hohen  Urobilinwerten  hingewiesen.  Bei  den  hämolytischen  Ikterus- 
fällen  ist  die  Splenektomie  indiziert;  dabei  zeigte  sich,  dass  die  Uro¬ 
bilinwerte  im  Stuhl  auf  normale  Zahlen  herabsinken.  Da  sich  zeigte, 
welchen  enormen  Einfluss  die  Splenektomie  auf  die  Hämolyse  hat  — 
objektiv  gemessen  an  den  Urobilinwerten  — ,  so  schien  es  indiziert, 
in  anderen  Fällen  von  gesteigerter  Hämolyse  ebenfalls  aus  thera¬ 
peutischen  Gründen  die  Splenektomie  vorzunehmen.  In  dem  Sinne 
winden  bei  2  Fällen  von  echter  perniziöser  Anämie  die  scheinbar 
nicht  vergrösserten  Milzen  entfernt.  Der  Erfolg  war  ein  glänzender: 
Die  Zahl  der  Erythrozyten  hob  sich  rasch  auf  normale  Werte;  starke 
Körpergewichtszunahme  bis  zu  10kg.  Die  Urobilinwerte  sanken  auf 
untei  normale  Zahlen,  die  Patienten  fühlten  sich  vollkommen  gesund. 


5.  Juni  191.5. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1237 


'lachdem  seit  der  Operation  erst  2  Monate  verlaufen  sind,  so  kann 
latürlich  von  Dauerheilung  noch  keine  Rede  sein,  jedenfalls  sind  aber 
diese  Resultate  ausserordentlich  ermutigend.  Es  wird  nun  auch  über 
iperative  Erfolge  bei  2  Füllen  von  „hypertrophischer  Leberzirrhose“ 
icrichtet.  Der  Ikterus  schwand  rasch  und  es  trat  Besserung  des 
Allgemeinbefindens  ein.  Im  ganzen  ist  in  relativ  kurzer  Zeit  an 
10  Patienten,  bei  denen  Zeichen  gesteigerter  Hämolyse  bestanden, 
die  Splenektomie  vorgenommen  worden.  Ein  Teil  der  Patienten 
zeigte  einen  sog.  B  a  n  t  i  sehen  Symptomenkomplex.  Der  Erfolg  war 
;tets  ein  ausgezeichneter.  Die  histologische  Untersuchung  der  Milzen 
zeigte  in  einem  Teil  (perniziöse  Anämie,  hämolytischer  Ikterus) 
.norme  Hyperämie  in  dem  Milzsinus,  in  einem  anderen  Teile  Fibro- 
idenic  („Ban  tische  Krankheit“,  hypertrophische  Leberzirrhose). 
Es  wird  mit  der  Möglichkeit  gerechnet,  dass  die  Fibroadenie  einen 
Beilungsprozess  gegenüber  der  gesteigerten  hämolytischen  Eigen¬ 
schaft  der  Milz  darstellt.  Die  Veränderungen  der  Leber  scheinen  in 
einem  Teil  der  auch  anatomisch  beobachteten  Fälle  von  hyper¬ 
trophischer  Leberzirrhose  sehr  gering  zu  sein;  in  vorgeschrittenen 
Fällen  erinnern  sie  an  die  Veränderungen  bei  chronischer  Toluylen- 
diaminvergiftung.  Wahrscheinlich  sind  alle  drei  Krankheitsbilder  — 
perniziöse  Anämie,  hämolytischer  Ikterus  und  hypertrophische  Leber¬ 
zirrhose  —  auf  eine  gemeinsame  Ursache  zurückzuführen,  vielleicht 
auf  gesteigerte  splenogene  Hämolyse.  Je  nachdem,  ob  das  Knochen¬ 
mark  standhält  oder  nicht,  sind  die  klinischen  Symptome  verschieden; 
ebenso  kann  die  Fähigkeit  der  Leber,  den  dauernden  Schädigungen, 
die  durch  eine  erhöhte  Gallenfarbstoffbildung  gesetzt  wird.  Wider¬ 
stand  zu  leisten,  verschieden  sein.  Gleichzeitig  mit  den  Rückver¬ 
änderungen  (Fibroadenie)  in  der  Milz  können  die  Symptome  sich 
ebenfalls  verschieden  geben. 

An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  lebhafte  Diskussion,  an 
welcher  die  Herren  E.  R  a  n  z  i,  Charnas,  E.  P  r  i  b  r  a  m,  J.  E  x  n  e  r, 
E.  Z  a  k  und  K.  v.  Noorden  teilnahmen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte. 

Sitzung  vom  20.  Mai  1913. 

Nach  Bekanntgabe  des  Einlaufes  brachte  der  1.  Vorsitzende,  Herr 
B  e  r  g  e  a  t,  zunächst  ein  Zirkular  des  Aerztlichen  Bezirksvereins 
München  an  die  hier  in  Betracht  kommenden  Vereine  zur  Verlesung, 
worin  unter  Bezugnahme  auf  den  §  16  der  Standesordnung  (§  16 
lautet:  Irgendwelchen  Personen  zum  Zwecke  der  Krankeniiberwei- 
sung  Entgelt  oder  Vorteile  zu  bieten,  ist  verboten)  ersucht  wird,  zur 
Frage  der  Dichotomie,  der  Teilung  des  Honorars  zwischen  dem  zu¬ 
weisenden  Arzte  und  dem  Operateur,  Stellung  zu  nehmen.  Als  Ein¬ 
leitung  der  zu  diesem  Punkte  der  Tagesordnung  sich  entwickelnden 
Diskussion,  an  welcher  sich  ausserdem,  zum  Teil  wiederholt,  die 
Herren  Hofrat  Craemer,  Höflmayr,  Prof.  Klein,  Hofrat 
Spatz,  L a  m  p  i  n  g,  Grassmann.  W  u  t  h,  Hofrat  Sartorius, 
Neger,  Med.-Rat  G  r  u  b  e  r.  v.  Baeyer,  Med. -Rat  V  o  c  k  e, 
v.  Schnorr  beteiligten,  erörterte  der  1.  Vorsitzende  allgemeine  Ge¬ 
sichtspunkte  über  das  Zusammenarbeiten  zweier  oder  mehrerer 
Aerzte.  Er  führte  zunächst  aus,  dass  bei  einem  solchen  Zusammen¬ 
wirken  mehrerer  Aerzte  naturgemäss  auch  in  der  Honorarfrage  eine 
Verständigung  und  Regelung  stattfinden  könne.  Der  natürlichste  Weg 
sei  der,  dass  die  in  Betracht  kommenden  Kollegen  ihre  Rechnung  ge¬ 
trennt  stellen,  doch  scheine  ihm  auch  der  andere  Weg  nicht  aus- 
zuschliessen,  dass  für  eine  gesamte  ärztliche  Leistung  je  nach  den 
Umständen  auch  eine  gemeinsame  Honoraraufstellung  erfolge.  Es 
sei  zweifellos  verwerflich,  wenn  lediglich  für  den  Dienst  der  Zu¬ 
weisung  ohne  entsprechende  ärztliche  Leistung  eine  Entlohnung  statt¬ 
finde.  und  es  müssten  Abmachungen,  bei  denen  es  sich  um  Gewährung 
von  „Prämien“  für  Zuweisung  von  Patienten  handle,  unter  allen  Um¬ 
ständen  verurteilt  werden.  Es  war  auch  bisher  schon  allgemein  ge¬ 
brandmarkt.  wenn  z.  B.  durch  Anstalten  etc.  zuweisenden  Aerzten 
Prozente  angeboten  werden.  In  diesen  Fällen  sei  nicht  nur  der  Geber 
sondern  auch  der  Empfänger  solcher  Gelder,  insbesondere  auch  der¬ 
jenige,  welcher  sie  beansprucht,  zu  verurteilen,  ln  jedem  Falle  müsse 
aber  der  genaue  Nachweis  solcher  zweifelhafter  Beziehungen  geführt 
werden.  Seitdem  das  Zirkular  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  er¬ 
gangen  ist,  seien  nun  auch  in  München  gegen  einzelne  Aerzte  kon¬ 
krete  Vorwürfe  hinsichtlich  Dichotomie  erhoben  worden.  Dazu  sei 
im  allgemeinen  zu  bemerken,  dass  der  oben  gemeinte  Nachweis,  so¬ 
weit  dem  Vorsitzenden  bekannt  sei,  bisher  in  München  in  keinem 
Falle  erbracht  sei  und  dass  auch  seitens  des  Publikums  keine  Klagen 
darüber  an  uns  gelangt  seien.  Es  scheine  ihm  mit  dem  Ausdruck 
„Dichotomie“,  dessen  Sinn  bei  uns  bisher  wenig  gebräuchlich  ist  und 
missdeutet  werden  kann,  eine  gewisse  Verwirrung  entstanden  zu  sein, 
weshalb  er  der  Ansicht  sei,  dass  man  dieses  Fremdwort  besser  durch 
eine  sinngemässe  deutsche  Umschreibung  ersetzen  solle,  damit  nicht 
unnötigerweise  eine  Beunruhigung  innerhalb  der  Aerzteschaft  und 
eine  Verdächtigung  anständiger  kollegialer  Verhältnisse  Platz  greife. 
Es  sei  unbedingt  zu  fordern,  dass  in  jedem  Falle  eine  genaue  Fest¬ 
stellung  der  tatsächlich  vorliegenden  Verhältnisse  stattfände.  Ueber 
die  in  Betracht  kommenden  mannigfaltigen  Verhältnisse  der  Praxis 
erwarte  er  von  der  Diskussion  weitere  Aufklärung. 

Zunächst  nimmt  Herr  Craemer  Veranlassung,  auf  das  ent¬ 
schiedenste  zu  betonen,  dass  er  auch  heute  den  in  der  Dichotomie 
liegenden  Missbrauch  auf  das  schärfste  verurteile,  dass  jedoch,  wie 
er  schon  in  der  vorigen  Sitzung  bemerkt  habe,  das  Verlangen  ganz 


gerechtfertigt  sei,  dass  z.  B.  der  Internist,  welcher  die  wichtige  ärzt¬ 
liche  Vorarbeit  für  die  Operation'  geleistet  habe,  dafür  auch  ent¬ 
sprechend  honoriert  werde.  Betreffs  des  Modus  finde  er  es  besser, 
wenn  im  allgemeinen  getrennte  Rechnungen  gestellt  werden.  Im 
ähnlichen  Sinne  führte  Herr  Höflmayr  aus,  dass,  wenn  ganz  un¬ 
gerechtfertigterweise  gegen  einzelne  Kollegen  -der  Vorwurf  der 
Dichotomie  erhoben  werde,  die  Folgen  davon  nicht  etwa  nur  den 
angegriffenen  Arzt  träfen,  sondern  auf  den  ganzen  ärztlichen  Stand 
zurückfallen.  Herr  Klein  setzte  in  längeren  Ausführungen  eingehend 
auseinander,  unter  welchen  ganz  verschiedenen  Verhältnissen  nach 
seinen  persönlichen  Erfahrungen  zwei  oder  auch  viel  mehr  Aerzte 
an  der  Behandlung  eines  einzelnen  chirurgischen  Falles  Teil  nehmen 
können  und  wie  wünschenswert  im  einzelnen  Falle  die  Mithilfe  des 
erstbehandelnden  Arztes  für  den  Operateur  sei.  Auf  Grund  zahl¬ 
reicher  konkreter  Fälle  zeichnete  er  die  verschiedenen  Situationen 
beim  Zusammenarbeiten  mehrerer  Kollegen  und  hob  hervor,  dass  die 
mannigfaltigen  Interessen  aller  beteiligten  Faktoren  es  im  konkreten 
Falle  sehr  wohl  rechtfertigen,  dass  eine  gemeinsame  Rechnungsstel¬ 
lung,  am  besten  unter  Nennung  der  Namen  der  beteiligten  Aerzte, 
stattfinde.  In  dem  Zusammenarbeiten  mehrerer  Kollegen  in  ehrlicher 
und  ernster  Arbeit  sieht  Klein  einen  grossen  Vorteil  gerade  für  die 
betreffenden  Kranken.  Ein  Missverhältnis  zwischen  dem  Honorar 
des  Operateurs  und  des  Internisten  bestehe  erfahrungsgemäss  nicht 
selten,  die  Bewertung  des  Honoraranspruches  für  die  einzelnen  Be¬ 
teiligten  sei  im  konkreten  Falle  öfter  eine  schwankende  und  schwie¬ 
rige.  Nach  seiner  Meinung  liege  es  auch  nicht  immer  im  Interesse 
des  Publikums,  getrennte  Rechnungen  von  z.  B.  gleich  4 — 5  behandeln¬ 
den  Aerzten  zu  erhalten,  er  halte  es  infolgedessen  für  richtig  und 
kollegial,  wenn  auf  einer  gemeinsamen  Rechnung  die  Namen  der  an 
der  Behandlung  beteiligten  Aerzte  ersichtlich  gemacht  werden.  Herr 
Höflmayr  führt  andere  Fälle  an,  wo  er  eine  gemeinsame  Rech¬ 
nungsstellung  für  durchaus  berechtigt  hält,  und  verweist  u.  a.  auch  auf 
die  Interessen  des  praktischen  Arztes,  welcher  mit  seinen  Ansprüchen, 
wie  die  Erfahrung  lehrt,  sich  andernfalls  nicht  selten  zurückgestellt 
sieht.  Solange  es  sich  um  ein  anständiges  Zusammenarbeiten 
mehrerer  Aerzte  handle,  halte  er,  wie  die  Vorredner,  ein  Eingreifen 
in  diese  privaten  Verhältnisse  für  unzulässig  und  er  müsse  ebenfalls 
energische  Verwahrung  dagegen  einlegen.  Herr  Spatz  erklärt  zu 
den  bisher  vorgebrachten  Fällen,  dass  niemand  den  dabei  beteiligten 
Kollegen  einen  Vorwurf  machen  könne;  immerhin  seien  Missdeu¬ 
tungen  möglich;  um  sich  vor  solchen  zu  schützen,  tue  man  gut  daran, 
in  allen  Fällen  getrennte  Rechnung  zu  stellen.  Herr  L  a  m  p  i  n  g  be¬ 
tont  besonders,  dass  bei  gemeinsamer  Rechnungsstellung  ein  Haupt¬ 
gewicht  auf  die  entsprechende  ärztliche  Leistung  •  gelegt  werden 
müsse.  Herr  Grassmann  spricht  sich  im  allgemeinen  für  ge¬ 
trennte  Rechnungsstellung  aus,  gibt  jedoch  die  Berechtigung  zu  ge¬ 
meinsamer  Rechnungsstellung  bei  gewissen  Situationen  durchaus  zu. 
Der  Internist  möge  dem  die  gemeinsame  Rechnung  ausstellenden 
Operateur  in  solchen  Fällen  selbständig  den  Betrag  des  auf  ihn  (den 
Internisten)  entfallenden  Honoraranteiles  angeben.  Herr  Neger 
bringt  seine  von  einem  französischen  Arzte  erholte  Information  über 
die  in  Frankreich  vielfach  bestehende  Dichotomie  zur  Kenntnis,  aus 
welcher  die  Begründung  und  richtige  Bewertung  dieser  bei  den  dor¬ 
tigen  Aerzten  nicht  seltenen  Gepflogenheit  hervorgeht  und  sie  in 
mancher  Hinsicht  in  ein  anderes  Licht  rückt.  Wie  auch  Herr  Höfl¬ 
mayr  in  einer  späteren  Ausführung  betont,  ist  das  Publikum  bei 
uns,  wie  in  Frankreich,  über  den  Wert  der  ärztlichen  Arbeit,  welche 
der  Operation  vorausgehen  muss,  offenbar  häufig  durchaus  im  un¬ 
klaren  und  lässt  es  an  der  entsprechenden  Schätzung  derselben 
fehlen.  Herr  Klein  bringt  dazu  verschiedene  Belege  aus  der  Praxis 
und  verurteilt  nochmals  den  in  der  eigentlichen  Dichotomie  liegen¬ 
den  Missstand,  bezüglich  welcher  Herr  Höflmayr  jede  weitere 
Diskussion  sehr  überflüssig  findet,  da  sie  hier  im  NStV.  keinen  Ver¬ 
treter  habe.  In  seinen  Schlussworten  führt  Herr  Bergeat  aus, 
dass  man  auch  in  der  Frage  der  Dichotomie  als  das  Primäre  den 
Anstand  unter  den  Kollegen  voraussetzen  und  nicht  durch  allzu  enge 
Bestimmungen  und  Verbote  gewissermassen  ein  Misstrauen  gegen  die 
Aerzte  im  allgemeinen  auf  diesem  Gebiete  dokumentieren  dürfe.  Die 
gemeinsame  Rechnungsstellung  müsse,  da  sie  unter  ganz  anständigen 
kollegialen  Verhältnissen  weit  verbreitet  sei,  nach  seinem  Eindrücke 
doch  auch  dem  praktischen  Bedürfnisse  entsprungen  sein  und  neben 
den  anderen  Gesichtspunkten  auch  im  Interesse  des  erstbehandeln¬ 
den  Arztes  zugelassen  werden.  Die  Hauptsache  sei,  dass  es  sich 
bei  einer  Honorarzuweisung  um  eine  wirklich  ärztliche  Leistung 
handle  und  dass  beim  Aufwerfen  der  Frage  nach  Dichotomie  für 
jeden  einzelnen  Fall  festgestellt  werde,  ob  der  im  §  16  der  Standes¬ 
ordnung  liegende  Sinn  verletzt  worden  sei.  Für  ganz  unzuträglich 
müsse  er  es  halten,  wenn  durch  allgemeine  Bezeichnungen,  wie  es 
auch  der  Ausdruck  „Dichotomie“  sei,  schlechthin  anständige  ärzt¬ 
liche  Verhältnisse  in  Verdacht  gezogen  werden  könnten.  Es  gelang¬ 
ten  sodann  hinsichtlich  der  Dichotomiefrage  folgende  Sätze  zu  ein¬ 
stimmiger  Annahme: 

1.  Der  Neue  Standesverein  Münchener  Aerzte  steht  in  dieser 
Frage  auf  dem  Boden  des  §  16  der  Standesordnung; 

2.  Dichotomie,  soweit  unter  diesem  Ausdruck  Teilung  des  Hono¬ 
rars  zwischen  dem  zuweisenden  Arzte  und  dem  Operateur 
(Gewährung  eines  Zuweisungsgeldes)  bezeichnet  werden  soll, 
ist  als  standesunwürdig  verboten; 

3.  aus  der  Tatsache  einer  für  mehrere  Aerzte  gemeinsamen 
Rechnungsstellung  ist  an  sich  ein  Vorwurf  nicht  abzuleiten; 

4.  die  Honorarbeträge  müssen  der  wirklich  geleisteten  ärztlichen 
Tätigkeit  entsprechen. 


1238 


JVVUENCEIENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


To,r  *n  Yor^er»ckter  Zeit  gelangte  man  zum  weiteren  Punkt  der 

AjftwaW^Miez^'fühS  f  Et|5ett.ekommission  des  Vereins  für  freie 
c  u  «ni‘  ,.niezu  führte  Herr  Hoflmayr  in  Kürze  an«:  dasc  hip 

stämleUI\^ rursaclu  °wor den°n  d-Urch  ,b^stimmte  zutage  getSene  Mis  ? 

s,hlsn?;  Kar* 

!^?c- ranke?  ™usste,  wie  die  Jurisdiktion  zwischen  der  Etiketteknm 
mission  und  den  in  Betracht  kommenden  Standesvereinen  abzueren 
zen  sei,  so  musste  eine  Beschlussfassung  über  die  einzelnen  Sätze 
au  die  nächste  Sitzung  vertagt  werden.  Die  Versammlung  beschloss 
jedoch,  zunächst  einen  Delegierten  als  Vertreter  des  Neuen  Standes 
Vereins  in  diese  Kommission,  welche  eine  rein  beratende  nhn» 

D^N^e  rSei"  fl1,  abzuo''dnen  und  wählte  hierfür  einstimmig  Herrn 
L  r.  Negei,  welcher  die  Annahme  der  Wahl  erklärte  Der  i  v«r 
sitzende  berichtete  endlich  noch  kurz  über  die  Schritte  welche  bis." 

er  ohne  Erfolg,  auf  Grund  der  Beschlüsse  der  letzten  Miteliederver- 
sammlung  mit  der  Absicht  getan  worden  sind,  für  die  Bedürfnisse  der 
praktischen  Aerzte  die  Möglichkeit  zu  schaffen,  Sektionen  zu  einem 

SSSÄSÄSftSF 


No.  2 


Verschiedenes. 


Ein  Mahnwort  an  alle  Herren  Kollegen! 

ständ^Urdiej: ü5held"ne  JPe°baC¥ \\g  der  AP0theken  kam  ich  auf  Miss- 
b Ute  ich  alle  Avo thek/r'  Z  K°tSfn  nicht  vorenthalten  darf  und 
Umständen  zur^ Anzeige'  zu 6 bringen ^  art“S  arbeiten’  Unter  ”a,le"-‘ 

SSrÄssHSS-Ks 

släs«!S|5lr=s 

fissssssi 

nichtUgnründdsindUndeni  Sich  dle  Apotheker,  dass  wir  Aerzte  Ihnen  oft 

sssS  SS 

damit  endlich  diese  Schlamperei  aufhört  entgegenzutreten. 

n  a  r  Q  r  p“  ibeü  t?ie  auf0 iedes  diesbezügliche  Rezept  re  center 
voVden  Ri^hfer  Ken  S'e  ""  Nicl>tbeachta„gsfalle  jeden  ApotHekel 

kumSDShrfebikn '  “  "“r  im  des  arzneibedärftigen  In, 1,1,- 

Dr.  P  .  .  .  pp. 


A“S  lf7„  "r  Jfl,resl”!ricl>1  der  Münchener  Trinkeriiirsorseslelle. 

in  f  70  Beratungsstunden  wurden  137  Fälle  —  127  Männer 

^=3£vEiaritSS 

SäsSSKslSsS^s: 


46, 


15, 

_a. 

69. 


.loTä,  der  bekannten  Alkoholdelikte  bereits  vorbestraft  und  160  k,. 
e  LJ  eJva“r  2>dSem  m0ralis?l'e"  Ü.HI  wirtscK»  d  6  £ 

Si,ari'ur3a5üTre„Z“islfen'  Wle  M"%  dcr 

Mit  a)  Trunksucht  waren  belastet 

.  davon  44  von  väterlicher  Seite, 

”  +  rbV)en'  Und  Geisteskrankheiten  (Selbstmord)  .  . 

r  ,  ,  Summa  oy. 

12  THnkeE'dtreMi  mal,  Klinik  "'aren  berei: 

läufig  2  wurden  zur  völligen  Abstinenz  gebracht;  von  den  aus  de 
orjahre  übernommenen  Fällen  zeigten  14  günstige  Erfolge  sn  h-jc 
mit  einem  positiven  Nutzeffekt  von  27  Fällen  gerechnet  werden  kam 

awsÄitt-  «sä 

was  noch  alles  an  organisatorischer  Arbeit  zu  leisten  ict  ,iar 
über  heisst  es  am  Schlüsse  des  Berichtes:  *’  dar 

e  i  n  e  sfe  ft  besold  et  erf^'p  erfwe'st  ,s{ich  die  Aufstellung  mindesten: 

ääKss&I 

sidierslelfen^inncith'Vüi'^rfne^wel^he^sic^vvedeMiiEllellanstahui 

ä'.mt  sss-  ÄiaS 

eiserner  Strenge  zur  Enthaltsamkeit  und  Arbeit eezivSngen  »Vrd™ 
nur 1  rkurzeSeZeiEezurüdthaften,ri"nfüss1tenerSA  bVeffu  n  R*e 
pz'eree zu  Ihrem  'eignen0 ^h'iitU 

lange  Zeit  zu  internieren  sind.“  Allgemeinheit  auf 

ivr.  Ca  a  s  e  1 1  a. 


Aus  den  Parlamenten. 

Deutscher  Reichstag. 

wiede?  dd6err  VanlV^T^0?--^ Trbei  der  Beratung  des  Heeresetat 
I  pT  ,  . r  Ma.  lgeI  an  Sanitätsoffizieren  zur  Sprache  Es  werde: 
m  Etat  eine  grossere  Anzahl  neuer  Stellen  gefordert  und  demgegcn 

se tzu n g U dfeser° S  t  e?l  e ^ f1  «P ^  daJa“f  hinffewiesen.  dass  die  Be 
jetzt  bei  den  flh  Schwierigkeiten  stossen  könnte,  da  schoi 

Li.,*  r  dei?  über-  und  Assistenzarztsteilen  ungefähr  die  Hälft. 

trotzdTm'gut  vfrSlf  e3abe'ra8:en  e-twa  50a  der  Diens'  Erd  ata 

S?  ÄTtÄ  svtSht  SsftS; 

nfi?pM  Zah  von  ^ivilärzten,  zum  Teil  auf  Grund  vertraglicher  Ver 
*  "nf\zu;  Verfügung.  Der  Kriegsminister  erklärte  den  Au^ 
Schluss  dei  Juden  von  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  für  unrichtig 
es  seien  bereits  mehrere  aufgenommen;  die  Stellen  an  dieser  \nshlt 
sind  erhöht  und  soffen  im  nächsten  Jahre  um  weitere  erhöht 
^erd?J1’  dadui!cfl  hofft  man  im  Laufe  der  Jahre  die  Lücken  im 

s.rei,ÄrSS  2Ä!zi  .SSfSÄJS 

üWfÄ 

Beruf  steigern  sonenfTie^Gewährung  Ion' ' Stipendien''  a  n  ^M  Jdiiin- 
udierende,  die  später  in  das  Sanitätskorps  eintreten  wollen  ferner 

*,™ ^  unhg"eflrd  dem  1 L  £','1  daS 

sie  ungetanr  dem  Leutnant,  der  mit  ihnen  zu  gleicher  Zeit  das 
schlage  wufdeTaber  von  dlfn^S  Jg/n 

sSSässseS 

unzieren  nach  einer  Reihe  von  Jahren  die  Studienzeit  auf  die 
Pensionsberechtigung  anzurechnen,  wird  angenommen  M  K 


Therapeutische  Notizen. 

.  Bas  Histamin  steht  nach  Hermann  F  ü  h  n  e  r  -  Freihur 
Pharmako  ogisch  dem  Pituitrin  nahe  (Ther.  Mon  -Hefte  1 3  3' 

im  GeSnStezrU7umrpi5f-!e-  b<Trkt  das  Histamin  einen  Tonusabfel 
Bei  der  Katze  hein  k-ltu.ltrin>  das.  Pjne  T  onussteigerung  hervoriui! 
beider  M i Hel  ’na he^ ,  KaWv' ° "n' " d  Meerschweinchen  ist  die  Wirkum 

m«^ ^/em  SÄ&  Be'm  MenSChen  scbein*  "0d"  ^ 


Juni  191.J. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1239 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  ch  e  n,  den  2.  Juni  1913. 

—  Die  Diskussion  über  „D  i  c  li  o  t  o  m  i  c“  in  den  beiden  grossen 
udiener  Standesvereinen,  Aerztlicher  Bczirksverein  München  und 
iier  Mundesverein  Münchener  Aerzte,  hat,  wie  nicht  anders  zu 

>  '  arten  war,  zur  einstimmigen  Verurteilung  dieser  Unsitte  geführt. 
]i  Lntei  schied  in  den  beiderseitigen  Auffassungen  ergab  sich  nur 
:  der  rrage,  wie  man  sich  der  gemeinsamen  Rechnungsstellung 
hrerer  Aerzte  gegenüber,  unter  deren  Deckmantel  sehr  leicht 
i  hotomie  getrieben  werden  kann,  stellen  soll.  Wenn  der  zu- 
isende  Arzt  der  Operation  seines  Patienten  beiwohnt  und  der 

<  irurg  liquidiert  dafür  dem  Patienten  einen  Betrag,  der  sehr 
sentlich  höher  ist,  als  der  betr.  Arzt  für  seine  Dienstleistungen 

s  st  zu  rechnen  gewöhnt  ist,  so  setzt  sich  der  Chirurg  der  solches 
i  dadurch  bei  den  Aerzten  in  Vorteil  gegenüber  anderen,  die  das 
i  iche  zu  tun  ablehnen.  Von  da  zur  Dichotomie  ist  nur  ein  Schritt 
I  Aerztliche  Bezirksverein  hat  darum  durchaus  folgerichtig  ge- 
i  ’delt,  wenn  er  verlangt,  dass  der  zuweisende  Arzt  für  seine  Be- 
i  hungen  selbst  Rechnung  stellt.  Wenn  er  diese  Forderung  bei 
s  >en  Mitgliedern  durchzusetzen  vermag,  so  ist  damit  dem  Miss- 
I  uch,  den  man  treffen  will,  seine  wichtigste  Grundlage  entzogen  Der 
;  ie  Standesverein  Münchener  Aerzte  ist  weniger  weit  gegangen. 
G  Gründen,  die  aus  der  auf  S.  1237  d.  No.  abgedruckten  Diskussion 
e  ichtlich  sind,  hat  er  von  einem  Verbot  der  gemeinsamen  Rechnungs- 
sllung  Abstand  genommen  und  nur  verlangt,  dass  die  Honorar- 
I  räge  für  den  zuweisenden  Arzt  der  wirklich  geleisteten  ärztlichen 

I  igkeit  entsprechen  müssen.  Das  ist  kein  prinzipieller  Unterschied 

I I  es  wäre  ganz  verfehlt,  etwa  von  einer  laxeren  Beurteilung  der 
i  hotomie  im  Neuen  Standesverein  zu  sprechen.  In  der  Praxis 
\  d  von  einem  verschiedenen  Verhalten  der  Mitglieder  beider 
\  eine  in  dieser  Frage  um  so  weniger  die  Rede  sein,  als  in  der 
[  kussion  im  Neuen  Standesverein  immer  wieder  hervorgehoben 
*'  zl>  welchen  Missdeutungen  die  gemeinsame  Rechnungsstellung 
’  ass  geben  kann.  Es  wird  darum  bei  den  Mitgliedern  des  Neuen 
-  ndesvereins  die  getrennte  Rechnungsstellung  auch  in  Zukunft  nicht 
i  der  die  Regel  sein,  wie  bei  den  Mitgliedern  des  Aerztlichen  Be- 
'  :svereins. 

—  Der  preussische  Minister  des  Innern  hat  einen  Erlass  heraus- 
:  eben,  der  durch  Vermittlung  der  Aerztekammern  aui  die  Aerzte 
1  in  einzuwirken  bestimmt  ist,  dass  sie  den  Verordnungen 
>n  stark  wirkenden  Arzneimitteln  stets  eine  aus- 

■  :hende  Gebrauchsanweisung  hinzufügen.  Wie  angebracht  eine 

■  Mahnung  ist,  geht  aus  folgenden  in  dem  Erlass  angeführten 

<  eptbeispielen  hervor: 

Natr.  salicyl.  25,0;  dazu  die  Anweisung,  zu  Hause  das  Pulver 
in  25  Teile  zu  teilen,  jeden  Teil  aufzubewahren  und  dann  zu 
gegebener  Zeit  die  Hälfte  einer  solchen  Dosis  einzunehmen. 

Antipyretic.  compt.  10,0;  dazu  die  Anweisung,  messerspitzen¬ 
weise  zu  nehmen. 

Phenazetin  0,4  (für  ein  Kind);  dazu  die  Anweisung,  nach  Vor¬ 
schrift  >2  Pulver  zu  nehmen. 

1  Sublimatpastille;  dazu  die  Anweisung,  zum  Gebrauch  in 
einer  Bierflasche  (!!)  mit  Essig  aufzulösen. 

Die  hier  gekennzeichnete  Art  der  Verschreibung  von  stärk¬ 
enden  Arzneimitteln  ist  in  der  Tat  im  höchsten  Grade  be- 

1  klich. 

—  Das  preussische  Kriegsministerium  lässt  Merkblätter 
er  die  üblen  Folgen  des  übermässigen  Alkohol¬ 
nus  s  e  s  an  alle  Soldaten  verteilen.  Vom  Herbst  ab  sollen 

i:he  Merkblätter  alljährlich  an  die  neu  eingestellten  Rekruten 
teilt  werden. 

—  Die  preussische  Akademie  der  Wissen- 
i  a  f  t  e  n  hat  zu  wissenschaftlichen  Unternehmungen  u.  a.  bewilligt: 

■i  Privatdozenten  für  innere  Medizin  Dr.  Erich  Grafe  in  Heidel- 
<?  zu  Untersuchungen  über  den  Mechanismus  und  die  Bedeutung 

*  Stickstoffretention  mit  Ammoniaksalzen  1000  M„  dem  a.  o.  Pro¬ 
bor  der  Anatomie  an  der  Kieler  Universität  Dr.  Friedrich  Meves 
i Untersuchungen  über  die  Befruchtung  bei  Seetieren  800  M.,  dem 
.  Professor  für  Anatomie  und  Anthropologie  Dr.  Paul  S  c  h  i  e  f  f  e  r  - 

cker  in  Bonn  zu  Untersuchungen  über  das  Verhalten  von 
Ekeln  und  Haut  bei  Menschen  und  Tieren  400  M.  (hk.) 

—  Dem  Hamburger  Forschungsinstitut  für  Krebs  und  Tuber¬ 
ose  ist  von  einem  Wohltäter,  der  nicht  genannt  sein  will,  ein 
»rag  von  20  000  M.  zur  Verfügung  gestellt  worden  zur  Errichtung 
i:r  Abteilung  für  Pilzforschung.  Der  Verein  hat  daher 
i:n  diesen  Zwecken  dienenden  zweiten  Pavillon,  der  ebenfalls 
i  dem  Terrain  des  Eppendorfer  Krankenhauses  errichtet  werden 
[,  in  Auftrag  gegeben.  Im  Interesse  der  Behandlung  und  Erkennung 
Melier  Krankheiten  ist  die  Angliederung  einer  Pilzforschung- 
Eilung  an  ein  bestehendes  grosses  Krankenhaus  besonders  au- 
i  tsreich.  Die  Leitung  der  neuen  Abteilung  wird  Dr.  H.  C.  Plaut 
I  rnehmen.  (hk.) 

—  Am  25.  Mai  feierte  Generalarzt  a.  D.  Dr.  Kappesser  in 
I  mstadt  das  seltene  Fest  des  60  jährigen  Doktorjubi- 
iims.  Dr.  Kappesser  ist  am  4.  Juni  1830  geboren.  Bald 
ih  Vollendung  seiner  Studien  in  Giessen  und  Heidelberg  trat 

•  in  den  Grossherzoglich  hessischen  Militärdienst  ein.  wo  er  fast 
Mrend  seiner  ganzen  Dienstzeit  bei  den  hessischen  Kavallerie¬ 


regimentern  stand.  Im  Feldzug  1866  war  der  Jubilar  als  Oberarzt 
zum  Haupthospital  des  8.  Bundesarmeekorps  kommandiert,  den  Krieg 
1870/71  machte  er  als  Regimentsarzt  des  Garde-Chevauleger-Regi- 
ments  bei  der  Truppe  mit  und  zuletzt  versah  er  den  Dienst  des 
Divisionsarztes  bei  der  Grossh.  hessischen  Division.  —  Schon  lange 
vor  Bier  trat  Kappesser  für  die  Hyperämiebehandlung 
ein;  zur  Anwendung  der  methodischen  Schmierseifen¬ 
einreibungen  gegen  skrofulöse  Drüsenschwellungen,  Karies  usw. 
gab  er  die  erste  Anregung.  Der  Jubilar  erfreut  sich  trotz  seiner 
83  Lebensjahre  geistiger  und  körperlicher  Frische;  in  der  letzten 
Zeit  beschäftigt  er  sich  mit  der  Niederschrift  seiner  Lebenserinnc- 
rungen  und  mit  lokalhistorischen  Studien. 

—  Der  Prosektor  am  städtischen  Krankenhaus  zu  Mannheim 
Dr.  Karl  Theodor  Fahr  ist  vom  1.  Oktober  1913  ab  zum  Prosektor 
des  Allgemeinen  Krankenhauses  zu  Hamburg-Barmbeck  berufen 
worden,  (hk.) 

—  Der  III.  österreichische  Tuberkulosetag  wurde 
am  25.  Mai  1.  J.  in  Wien  unter  zahlreicher  Beteiligung  von  Ver¬ 
tretern  der  Behörden  und  Aerzten  abgehalten.  Am  Tage  zuvor  beriet 
das  Zentralkomitee  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Oesterreich. 
Es  wurden  von  den  Generalsekretären  die  Berichte  über  die  Ar¬ 
beiten  des  abgelaufenen  Jahres  erstattet,  sodann  vom  Universitäts¬ 
dozenten  Dr.  Teleky  über  praktische  Tuberkulosebekämpfung,  Sta¬ 
tistik,  Heilstättenprojekte  und  speziell  Sonnenheilstätten  etc.  referiert 
und  hierüber  auch  eingehend  debattiert.  Ueber  den  Betrieb  der 
Fürsorge-  und  Auskunftsstellen  sprach  Universitätsprofessor  Dr. 
Pfeiffer  in  Graz.  Am  Tuberkulosetag  führte  den  Vorsitz  Graf 
Dr.  Hans  La  risch,  welcher  auch  über  die  Tätigkeit  der  Organi¬ 
sationen  in  den  einzelnen  Kronländern  referierte.  Hervorzuheben 
wäre  seine  Mitteilung,  dass  der  heuer  gegründete  Tiroler  Volks¬ 
verein  auf  dem  Palmschloss  bei  Brixen  eine  Volksheilstätte 
zu  errichten  beabsichtigt.  Das  Land  Tirol  hat  die  Zinsengarantie 
für  ein  Darlehen  übernommen.  Dort  will  auch  das  Zentralkomitee 
eine  Heilstätte  bauen.  Man  hofft,  dass  sich  daselbst  ein  grosser 
österreichischer  Tuberkulosekurort  entwickeln  werde.  Er  erwähnte 
ferner  der  erfolgreichen  Tätigkeit  des  steierischen  Vereins,  des  Salz¬ 
burger  Volksvereins,  des  Krainer  Landeshilfsvereins,  der  Triester 
Krankenkasse,  der  zwei  Vereine  in  Böhmen,  ‘des  mährischen  und 
galizischen  Tuberkulosevereins,  der  Wiener  Lupusheilstätte  etc.  Der 
Tiroler  Landessanitätsreferent  Dr.  v.  Kutsche  ra  besprach  den 
neuen  Sonnenkurort  Palmschloss  bei  Brixen  (1860 m  hoch)  und 
hob  die  klimatischen  und  landschaftlichen  Vorzüge  dieses  Dolomiten- 
ortes  hervor,  ferner  das  bisherige  Ergebnis  der  wissenschaftlichen 
Beobachtungen  hinsichtlich  der  Sonnenscheindauer.  Windstille, 
Wintertemperaturen  u.  dergl.  Diese  prächtige  Sonnenheilstätte  — 
auch  die  Errichtung  von  Privatsanatorien  ist  daselbst  geplant  — 
dürfte  sich  für  Fälle  chirurgischer  Tuberkulose  mindestens  ebenso 
eignen  wie  die  Schweizer  Winterkurorte.  Prof.  Frhr.  v.  Pirquet 
hielt  sodann  den  angekündigten  Vortrag:  „Diagnose  und  Klinik  der 
kindlichen  Tuberkulose“,  an  welchen  sich  eine  Diskussion  anschloss. 
Sodann  teilte  Dr.  Erich  Bruck  aus  Breslau,  der  hiezu  eingeladen 
worden  war,  seine  reichen  Erfahrungen  über  die  Aufgaben  der  Aus- 
kunfts-  und  Fürsorgestellen  mit  und  erntete  damit  reichen  Beifall. 
Auch  dieses  Thema  war  Gegenstand  einer  lebhaften  Diskussion. 
Weitere  Beratungsgegenstände  bildeten:  Die  Frage  des  Zusammen¬ 
hanges  der  Tuberkulose  mit  der  Berufswahl,  die  Schwierigkeiten  der 
statistischen  Erfassung  der  Berufsschädigungen,  die  Tuberkulose¬ 
fürsorge  der  Staatsbahnen  etc.  Die  Mitglieder  des  Tuberkulosetages 
besichtigten  auch  die  Pirquet  sehe  Kinderklinik,  wobei  ihr  Inter¬ 
esse  auf  den  Dachgarten  gelenkt  wurde,  der  eine  Sonnen¬ 
lichtbehandlung  in  Wien  ermöglicht. 

—  Die  Leitung  des  17.  Internationalen  medizinischen 
Kongresses  in  London,  für  den  sich  auch  unter  den  deutschen 
Aerzten  lebhaftes  Interesse  zu  erkennen  gibt,  versendet  ein  Rund¬ 
schreiben,  in  dem  nähere  Mitteilungen  über  Reisevergünstigungen, 
Hotels  und  Pensionen,  Verbindungen  in  London  etc.  gemacht  werden. 
Das  Büro  des  Kongresses,  13,  Hinde  Street,  London  W„  erteilt 
weitere  Auskünfte.  Wir  erinnern  daran,  dass  das  Programm  des 
Kongresses  auszugsweise  in  No.  9,  S.  499  d.  W.  veröffentlicht  wan 

—  Ein  Internationaler  Kongress  für  Neurologie, 
Psychiatrie  und  Psychologie  wird  von  der  Schweize¬ 
rischen  neurologischen  Gesellschaft,  einem  Auftrag  des  Amsterdamer 
Kongresses  1907  entsprechend,  vom  7. — 12.  September  1914  in  Bern 
veranstaltet  werden.  Das  Organisationskomitee  besteht  aus  den 
Herren  Dubois,  v.  Monakow,  Ladame,  Bing,  Schnyder 
und  Veragut h. 

—  Man  schreibt  uns:  Die  soeben  in  ihrer  ersten  Nummer  er¬ 
schienene  Bibliographische  Monatsschrift  (Zentral¬ 
organ  der  Medizin)  wird  von  H.  Albert  Hellmers  (Hamburg  23) 
redigiert  und  will  die  gesamte  medizinische  Weltliteratur  in  syste¬ 
matischer  Weise  sofort  nach  Erscheinen  unter  einem  Hauptstichwort 
und  unter  Anführung  des  ganzen  Titels,  des  Verfassers,  der  Band- 
Nummer  und  Seitenzahl  bibliographisch  ordnen.  Die  oft  beklagte 
publizistische  Ueberproduktion,  die  Tatsache,  dass  von  den  exakten 
Naturwissenschaften  die  Medizin  allein  in  Deutschland  noch  keine 
genügende  und  aktuell  bibliographische  Verarbeitung  fand,  und  das 
Interesse,  das  aus  praktischen  Gründen  einer  solchen  zuverlässigen 
Bibliographie  entgegengebracht  wird,  haben  Herrn  H.  Albert  Hell¬ 
mers  zu  der  verdienstvollen  Herausgabe  seiner  Monatsschrift  er¬ 
mutigt,  die  im  Fachliteraturverlag  von  T  o  e  1 1  e,  Hamburg,  erscheint 
und  pro  Jahr  30  M.  kostet. 


1240 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


—  Infolge  des  lebhaften  Auswandererverkehrs  ist  der  Nord¬ 
deutsche  Lloyd  veranlasst,  eine  Anzahl  von  Aerzten  für  die  Dampfer 
der  Nordamerika-Fahrten  neu  einzustellen.  Anmeldungen 
sofort  beim  Leipziger  Verband,  Leipzig,  Dufourstrasse  18. 

Cholera.  Straits  Settlements.  In  Singapore  sind  in  der 
Zeit  vom  14.-17.  April  3  Cholerafälle  festgestellt  worden 

„na  rTP?s/-i,  Türkei*  ,n  Dfedda  vom  4.— 10.  Mai  1  Erkrankung 
“ld  1  ~  Ae^ypten.  Vom  3.-9.  Mai  erkrankten  35  (und 

starben  14)  Personen  an  der  Pest.  —  Aden.  In  der  Zeit  vom 

t7'  uPnl  bls,  3*  Mai,  smd  in  Aden  an  der  Pest  10  Personen  er¬ 
krankt  und  3  gestorben.  —  Niederländisch  Indien.  Vom  23.  April 
bis  6.  Mai  wurden  auf  Java  aus  dem  Bezirke  Malang  257  Er- 
k[anKu.ngen.  .  (uad  247  Todesfälle)  gemeldet.  —  Hongkong.  Vom 
30.  Marz  bis  5  April  4  tödlich  verlaufene  Erkrankungen,  davon 
[  l0  •  nN  Viktoria.  —  China.  Zufolge  Mitteilung  vom  19.  April 
Ha  (,.in,  fäkhoi  die  I  est  sowohl  an  räumlicher  Ausdehnung  wie  an 
Heftigkeit  des  Auftretens  zugenommen;  die  Zahl  der  Pesttodesfälle 
allein  in  der  Stadt  wird  auf  1000—2000  geschätzt.  Aus  der  Um¬ 
gegend  von  Kanton  wurden  zufolge  Mitteilung  vom  29.  April  zahl¬ 
reiche  Pesterkrankungen  gemeldet.  —  Philippinen.  In  Manila  wurden 
y°m  J*  Januar  bis  12.  April  8  Pesterkrankungen,  davon  7  mit 
tödlichem  Ausgang,  angezeigt.  —  Britisch  Ostafrika.  Vom  1  bis 
24.  April  wurden  aus  Mombassa  5  tödlich  verlausene  Pestfälle  und 
aus  Kisumu  1  solcher  Fall  gemeldet. 

-In  der  20.  Jahreswoche,  vom  11.— 17.  Mai  1913,  hatten  von 

HAimLn?6'1  Stvdoon*  uJ?er  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Heidelberg  mit  28,6,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit  2,4  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Ge¬ 
storbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Graudenz.  an  Diphtherie 
und  Krupp  in  Altona.  V  d  K  G  -A 

(Hochschulnachrichten.) 

„  i  e  r  u  ,  Dem  Privatdozenten  für  allgemeine  Pathologie  und 
pathologische  Anatomie  an  der  Berliner  Universität  Prof.  Dr  Richard 

■  1  ?~h  e,1  fm  Lehrau{trag:  für  pathologische  Anatomie  und 
Histologie  fm  Studierende  der  Zahnheilkunde  erteilt  worden  (hk  ) 
ambur.g*  Am  Allgemeinen  Krankenhause  Eppendorf  zu 
Hamburg  ist  eine  Abteilung  für  Physiologie  errichtet  und  als  Vor- 

berufen'  Tor itn.  Pr°,eSS“r  Dr-  C  o  h  n  h  e  i  m .  Heidelbe,  e 

•  J£na*  Das  neue’  unter  Beihilfe  der  Karl  Zeiss-Stiftung  mit 
einem  Kostenaufwand  von  einer  halben  Million  Mark  errichtete  patho¬ 
logische  Institut  der  Universität  wurde  am  31.  v.  Mts  durch  einen 
Festakt  eröffnet.  Prof.  Rüssle  hielt  einen  Vortrag  über  die  er- 
zieherische  Bedeutung  der  Pathologie  für  den  Arzt. 

Leipzig.  Der  Geheime  Medizinalrat  Prof.  Dr  F  A  Hoff- 
m  a  n  n,  Direktor  der  medizinischen  Universitätspoliklinik  in  Leipzig, 
worden  *Wlrkllchen  Qeheimen  Rat  mit  dem  Titel  Exzellenz  ernannt 

Die  frequenz  der  Universität  hat  wiederum  eine 
erhebliche  Zunahme  aufzuweisen,  die  Zahl  der  Immatrikulierten  hat 

|  £ners&n  Dif  befr'wiübl 

Ser  881  Dir  7o'm  9213V  daruner  Sllld  immatrikuliert  1005 
gtgei.  881.  Die  Zahl  der  Mediziner  beträgt  400  gegen  312. 

r  r  H'  D,V  ordentl*  Professor  und  Direktor  des  pathologischen 

r,,|  T  TI,eodor  La  n  (tha  n.  Ist  auf 
,-cf  iMf,  !?}3.  m  dea  Ruhestand  versetzt  worden.  Langhaus 
st  1839  zu  Usingen,  Reg.-Bez.  Wiesbaden,  geboren,  wurde  1868 
Privatdozent  in  Marburg,  kam  dann  als  ordentl.  Professor  nach 

ge  schrie  he  G/2  ”iaC?  B?rn'  Die  Stü^le  wird  zur  Bewerbung  aus¬ 
geschrieben.  (Vergl.  den  Inseratenteil  d.  No.)  (hk.)  _ Dr  F  I  a  n  - 

d  a  u  hat  sich  für  Anatomie  habilitiert. 

n  l^i0rj^aU/^'  a*  °*  Professoren  wurden  ernannt* 

d'p^16  Ps?iat,\e)-rDr.  Au  bar  et  (Ophthalmologie)  und 
Ur.  Rechou  (medizinische  Physik). 

,  0  11  f  p,ei*  r*  Dr.  De  lmas  wurde  zum  a.  o.  Professor  der 

Anatomie  und  Embryologie  ernannt.  uer 

Toulouse.  Zu  a.  o.  Professoren  wurden  ernannt*  Dr  Pic- 

Physik)nat0mie  Und  Embryologie)  und  Dr.  Escande  (medizinische 

n.  -Pira-gT  H?frat  Tschermak  hat  den  Ruf  als  Direktor  des 
physiologischen  Instituts  an  der  deutschen  med.  Fakultät  angenommen'. 
Wien.  Prof  Dr.  Alexander  Fraenkel,  Vorstand  einer 

UnterHH?60  A*te-llunkr  an  der  Wiener  Allg.  Poliklinik,  wurde  vom 
Unterrichtsministerium  mit  der  Abhaltung  klinischer  Vor  esungen  über 

Semesters  aiifevnom^  niit  Begiil”  des  laufenden  Sommer- 

ailf?ei?ommen.  Damit  wurde  an  der  Wiener  Poliklinik  die 

£15  uaf  klm,k  ^schaffen  und  zum  ersten  Male  wurden 

Ste™ede(  ’Vfo t  ft?" iFr2nU-,a(adSmiSChe7  B°*="  -  An  die 

lene  aes  h'rol.  JJr.  Ern^t  Ludwig,  der  mit  Ende  dieses  Sommer 

Semesters  in  den  Ruhestand  tritt,  soll  Prof.  Abderhalden  -  Jena  in 

Vorschlag  gebracht  worden  sein;  derselbe  ist,  wie  bereits  verlautet 

auch  geneigt,  der  Berufung  nach  Wien  Folge  zu  leisten  Der  hervor" 

f-Suit  FürkmoWVnei  Cm  Sr°SSeK  °ewinn  fÜr  unsere  medizinische 
mtt  dem"  Ti5  r h orle.sange(1  uber  gerichtliche  Chemie  soll  der 

Rat  I>  m Charalder  eines  o.  o.  Professors  versehene  Reg.- 

a\i  „ r*  Juhus  Mauthner  bestellt  werden.  —  Prof.  Karl  H 
v.  N  o  o  r  d  e  n  verlasst,  wie  wir  schon  gemeldet  haben  mit  dem  Fmlo 
n!f^F ^ommersemesters  die  medizinische  Fakultät,  um  sich  wieder 
mich  Frankfurt  a.  M.  zurückzubegeben.  Es  wurden  in  medizinischen 
und  politischen  Blattern  bereits  einige  Namen  hervorragender  Kliniker 


des  In-  und  Auslandes  genannt,  welchen  Noordens  Lehrkan 
iur  innere  Medizin  angetragen  wurde;  alle  diese  Meldungen  sind  a  , 
falsch  oder  verfrüht,  da  die  Wiener  medizinische  Fakultät  in  die. 
Besetzungstrage  bisher  noch  keinen  Vorschlag  erstattet  1 
Dagegen  ist  es  sicher,  dass  die  interne  Klinik  weil.  v.  Neussc 
aufgelassen  wird  und  die  zur  Verfügung  stehenden  Räume  zur  ; 
Haltung  von  Vorlesungen  über  propädeutische  Chirurgie  in  4ussii 
genommen  sind.  U88‘ 

(B  e  r  i  c  h  t  i  g  u  n  g.)  In  No.  21,  S.  1182  wurde  der  Bericht  ül- 
den  „Aerzt  liehen  Bezirksverein  München“  irrtü 
hch  als  Bericht  über  den  „Münchener  Aerzteverein  für  freie  4r 
wähl  bezeichnet. 


Korrespondenz. 


Bitte  der  Deutschen  GesellscTiaft  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertun 

h.  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschern» 
hat  sich  eines  grossen  Interesses  seitens  der  Aerzte  zu  erfreue 
^ie  bedarf  indessen,  will  sie  ihrem  Ziele  einer  erfolgreichen  Prop 
sanda  und  der  Errichtung  einer  Zentrale  näher  kommen,  ein, 
\\eit  grosseren  Anzahl  von  Mitgliedern  aus  Aerzte-  wie  auch  aS 
^n«tkre'Seni  Die  Kollegen  seien  deswegen  auch  an  dieser  Stel 
gebeten  in  ihrem  Kreise  in  diesem  Sinne  zu  wirken.  Anmeldung! 
sind  an  den  Schatzmeister  der  Gesellschaft,  Dr.  Eger,  Dresden* 

3nrhe'cS/ra^Sev,ZH  richtDn-.  Der  Jahresbeitrag  ist  3  Mark  mindesten 
doch  ist  ein  höherer  Beitrag  dringend  erwünscht.  Dafür  wird  dt 
i  uhmlichst  bekannte,  in  Aerzte-  wie  in  Laienkreisen  weitverbreitet 
„G  esundheitslehrer  umsonst  geliefert. 

Ferner  bittet  die  Gesellschaft  dringend  darum,  dass  ihr  halt 

innerhaUi  h  6  Best,rebu"Z?n  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei,  di 
innerhalb  der  Aerzteschaft  und  ausserhalb  im  Gange  sind,  bekann 

aphUHe+  w  vden-’  .  Es  hegt  wesentlich  im  Interesse  solcher  neuge 
g  n  tdeten  Vereinigungen  selbst,  wenn  ihre  Satzungen,  Vorstand4- 
Mitglieder  usw.  auch  bei  der  Deutschen  Gesellschaft  vermerkt  sinj 
älfpnIS 'trti  einruRei  von  Kommissionen,  Ausschüssen.  Auskunft-? 
nte  fc  J°kren  Charakters,  die  ihre  Tätigkeit  ohne  Fühlung  mit  de 
Deutschen  Gesellschäft  ausüben.  Diese  bedarf  aber,  da  sie  bestände 
um  Auskünfte  angegangen  wird,  notwendig  eines  möglichst  voll 
ständigen  Ueberbhckes  über  die  gesamten  nach  dieser  Richtun, 
laufenden  Bestrebungen.  Mitteilungen  dieser  Art  nimmt  der  Schrift 
fuhi  er,  Dr.  Neustätte  r,  Dresden-Hellerau  entgegen.  • 


Zu  „Gelenkwinkelmesser“  von  Dr.  Schütz,  Münch,  med.  Wocher 

schrift  No.  19. 

-  „  ,In  Bd:  VI  dues  Archivs  für  Orthopädie,  Mechanotherapie  und  Ur 
fallchu  urgie  habe  ich  ein  Winkelmessermodell  veröffentlicht  da 
technisch  wesentlich  einfacher  und  auch  den  Miller  sehen  Finger 
gelenkmesser  ersetzend  arbeitet.  Es  ist  in  zahlreichen  Exemplaren  i 
?u  Sehen0"  K°Uegen  und  durch  C*  K  1  a  e  s,  Köln,  Ster.iengass 

Dr.  Landwehr,  Spezialarzt  für  Orthopädie  in  Köln. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  Mönchen 


während  der  20.  Jahreswoche  vom  11.  bis  17.  Mai  1913. 
Bevölkerungszahl  622000. 

fphipJodmUiriSaAuen:  A,nSeb?|'ene  Lebensschwäche  einschl.  Bildung! 
InH  fV1  ^  A  orÜSC  *W'  (aber  60  Jahre)  5  (4),  Kindbettfieber  -  (1 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  1  (1)  Scharlach  —  (- 
Masern  u.  Röteln  1  (— ),  Diphtherie  u.  Krupp  -  (2),  Keuchhusten  2(- 

ParatyPhusi  -  (-\’  akut*  Gelenkrheumatismus  - (- 
übertragbare  7  lerkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswu 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (1),  Starrkrampf  —  (— 
Blutvergiftung  —  (3)  Tuberkul.  der  Lungen  26  (21),  Tuberkuf  and.  Orj 
(auch  Skrofulöse)  2  (5),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  1  (1),  Lungen 
S£U Vr^hPP9 5f®wle.ka,t.arrhal-usw.  10(12),  Influenza  -  (1),  veneri 
P.ofr  (2)’  and*. ube.rtragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfiebei 

fiÄ  ?c  "  ar[eVStr,ahl,enPl  zkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel 
fleber  usw.  —  (— ),  Zuckerkrankh  (ausschl.  Diab.  insip.)  2  (2),  Alkoholis 
mus  —  (1),  Entzünd,  u  Katarrhe  der  Atmungsorg.  1  (6),  sonst.  Krankh 

fnh  rgan®n 1  a(2)’  ^rg/nA  Herzleiden  17  (18),  Herzschlag,  Herz 
lahmung  (ohne  nah.  Angäbe  d  Grundleidens)  1  (2),  Arterienverkalkunj 

4  (4)  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  2  (2),  Gehirnschlag  7  (4) 

Sf<!SmSSaSh,Al  (1)nKr!mp^e  dJ  Kinder  2  (1)’  sonst.  Krankh.  d.  Nerven- 
n(o5)’  ^!:0pl!!e^er  K'nder  4  (— ),  Brechdurchfall  1  (1),  Magen- 
pnlrUnH  D  nTkvtarr1hü  ^urcrhfa11’  Ch°!era  nostras  19  (12),  Blinddarm- 
MilT  Krankb*  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u, 

,5rankh-  d*  Verdauungsorg.  -  (3),  Nierenentzünd.  3  (4) 
M0n  u-ij  rankk'  d'  Barn-  u.  Geschlechtsorg.  4  (—),  Krebs  18  (13),  sonst- 
eubildungen  5  (6),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh.  der 

4  (1.n  ,SeIbstmord  3  (4),  Mord,  Totschlag,  auch 

5  hÜin?)  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  (-), 
tTP^Phb0en^nnte  Todesursachen  2  (3),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  170  (167)  '  ' 


_  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwochi 


VerIie  VOD  -  Dnlck  von 


DieMfinchene»  Medizinische  Wochenschrift  erscheint  wöchentlich 
im  Umfanc  von  durchschnittlich  7  Bogen.  .  Preis  der  einzelnen 
Nnnimer  80  -d  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
M  t.—.  *  Übrig«  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren  : 

Fürdie  Redaktion  Arnulfstr.26.  Bürozeit  der  Redaktion  8'/a— 1  Uhr. 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heysestrasse  26. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  23.  10.  Juni  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  Marburg  (Direktor: 

Prof.  Dr.  W.  Zange  meiste  r). 

Ein  Handgriff  zur  Umwandlung  der  Gesichtslage. 

Von  W.  Z  a  n  g  e  m  e  i  s  t  e  r  in  Marburg. 

Die  Versuche,  Gesichtslagen  in  Schädellagen  umzu¬ 
wandeln,  reichen  bekanntlich  weit  zurück.  Namentlich  zu 
einer  Zeit,  als  man  in  jener  Lage  eine  schwere  Geburts- 
komplikation  sah,  durch  die  der  Fortgang  der  Kindsausstossung 
in  der  Regel  verhindert  würde,  hat  es  nicht  an  Verfahren  ge¬ 
fehlt,  welche  für  eine  solche  Umwandlung  empfohlen  wurden 
(Justine  S  i  e  g  e  m  u  n  d  e,  G  u  i  1 1  e  m  e  a  u,  Mauriceau, 
V  i  a  r  d  e  1,  D  i  o  n  i  s  u.  a.).  Eine  gewisse  praktische  Be¬ 
deutung  gewannen  aber  erst  die  Vorschläge  von  Baude- 
1  o  c  q  u  e,  dessen  Handgriffe  zugleich  die  Basis  für  moderne 
Umwandlungsmethoden  abgegeben  haben. 

Mit  dem  von  Boer  erfolgten  Nachweis,  dass  die  meisten 
Gesichtslagen  mit  günstigem  Ausgang  für  Mutter  und  Kind 
spontan  verlaufen,  hat  die  Tendenz,  Gesichtslagen  umzu¬ 
wandeln,  naturgemäss  erheblich  abgenommen,  und  wenn  man 
die  heutigen  Verhältnisse  in  Betracht  zieht,  muss  man  fest¬ 
stellen,  dass  die  Umwandlung  der  Gesichtslagen  nur  von  ver¬ 
hältnismässig  wenigen  Geburtshelfern  systematisch  geübt 
wird;  ich  meine  damit  nicht  das  Bestreben,  möglichst  alle 
Gesichtslagen  umzuwandeln,  sondern  die  Einführung  der  Um¬ 
wandlung  nach  gewissen  Grundsätzen  in  das  Bereich  der 
operativen  Geburtshilfe.  Dies  hat  seine  Ursache  darin,  dass 
wir  bisher  noch  nicht  über  ein  Verfahren  verfügten,  welches 
mit  einer  gewissen  Sicherheit,  Leichtigkeit  und  Ungefährlich- 
keit  die  Umwandlung  ermöglichte. 

Nach  den  älteren  Methoden,  die  lediglich  darauf  aus¬ 
gingen,  die  Kopfhaltung  zu  verändern  (B  a  u  d  e  1  o  c  q  u  e),  hat 
Schatz  zuerst  auf  die  Bedeutung  hingewiesen,  welche  die 
Korrektion  der  lordotischen  Rumpfhaltung  bei  Gesichtslage  für 
Jen  Erfolg  einer  Umwandlungsmethode  hat.  Schatz  ging 
sogar  so  weit,  einen  Handgriff  zu  empfehlen,  welcher  aus¬ 
schliesslich  die  Veränderung  der  Rumpfhaltung  bei  Ge¬ 
sichtslagen  zwecks  deren  Umwandlung  anstrebte.  Sein  1873 
ingegebenes  Verfahren  beschränkt  sich  auf  äussere  Hand¬ 
griffe,  durch  welche  dieses  Ziel  erreicht  werden  soll.  Offenbar 
uif  Grund  der  Erfahrung,  dass  die  Methode  keineswegs 
mtner  zum  Ziele  führte,  hat  Schatz  später  die  Veränderung 
Jer  Rumpfhaltung  durch  einen  äusserlich  und  innerlich 
inzuwendenden  Handgriff  zu  erreichen  versucht,  indem  die 
im  Kinn  vorbeigeführte  innere  Hand  die  Brust  nach  dem 
Kücken  des  Kindes  hin  verschiebt,  während  die  äussere  Hand 
Jen  Steiss  nach  der  entgegengesetzten  Seite  drängt J). 

In  dem  Bestreben,  sowohl  die  Kopf-  wie  die 
Rumpfhaltung  anzugreifen,  um  die  Umwandlung  zu  be¬ 
werkstelligen,  haben  Ziegenspeck,  v.  Weiss  und 
P  e  t  e  r  s  die  Handgriffe  von  Baudelocque  und  Schatz 
lacheinander  bzw.  nebeneinander  angewandt.  Erst  T  hör  n 
gebührt  aber  das  Verdienst,  einen  einheitlichen  kombiniert 
uiszuführenden  Handgriff  angegeben  zu  haben,  welcher  die 
Korrektion  der  Rumpf-  u  n  d  Kopfhaltung  gleichzeitig  lierbei- 
üihren.  soll.  T  h  o  r  n  sucht  den  Kopf  dadurch  zu  drehen,  dass 
„‘r  mit  der  inneren  Hand  an  den  Vorsprüngen  des  Gesichts  an¬ 
greift  oder  zwei  Finger  über  das  Hinterhaupt  führt,  um  es 
terabzuholen,  während  gleichzeitig  durch  äussere  Mani- 

*)  Siehe  Sänger  und  v.  H  e  r  f  f :  Enzyklopädie  der  Qeb.  u, 

lyn.,  Bd.  I,  pag.  385. 

No.  23. 


pulationen  die  Lordose  der  Gesichtslage  in  die  normale  Rumpf¬ 
haltung  bei  Schädellage  übergeführt  wird. 

Das  T  h  o  r  n  sehe  Verfahren  ist  namentlich  an  der  Ber¬ 
liner  Universitäts-Frauenklinik  jahrelang  systematisch  ange¬ 
wandt  worden.  Dem  Eingriff  haften  aber  nicht  unbedeutende 
technische  Schwierigkeiten  an,  die  seiner  allgemeineren  An¬ 
wendung  hindernd  im  Wege  stehen,  und  die  auch  bereits  Ab¬ 
änderungsvorschläge  gezeitigt  haben. 

Nach  meinen  Erfahrungen  ist  die  beste  Technik  für  den  T  li  o  r  n  - 
sehen  Handgriff,  wie  sie  auch  zur  Zeit  meiner  Assistententätigkeit 
an  der  Berliner  Universitäts-Frauenklinik  geübt  wurde,  die  folgende: 

Die  dem  Hinterhaupt  entsprechende  Hand  (also  bei  erster  Ge¬ 
sichtslage  die  rechte  u.  u.)  geht  (in  Narkose)  ganz  in  die  Scheide 
ein  und  wird  voti  hier  mit  gestreckten  Fingern  am  Hinterhaupt 
voi beigeführt;  die  Verwendung  eines  Gleitmittels  für  die  Hand  (flüs¬ 
sige  Kaliglyzerinseife)  ist  vorteilhaft. 

Das  Hinterhaupt  wird  nun  möglichst  weit  umgriffen  und  in  einer 
Wehenpause  herabgezogen.  Eine  vollständige  Rektifikation  der 
Kopfhaltung  ist  aber  zunächst  nicht  möglich:  dazu  ist  ein  Nachgreifen 
(am  Hinterhaupt)  erforderlich  und  hierzu  wieder  muss  die  erreichte 
Kopfstellung  durch  Eindrücken  mit  der  äusseren  Hand  in  der  Gegend 
des  Gesichtes  fixiert  werden.  Gelingt  es  nicht,  die  zunächst  erreichte 
Kopfstellung  zu  fixieren  (um  mit  der  inneren  Hand  nachzugreifen), 
so  weicht  das  Hinterhaupt  sofort  nach  oben  zurück. 

Ist  das  Hinterhaupt  auf  den  Beckeneingang  herabgezogen,  so 
muss  die  Rumpfhaltung  korrigiert  werden,  um  dem  sonst  unfehlbaren 
Rezidiv  der  Gesichtslage  vorzubeugen.  Das  geschieht  dadurch,  dass 
die  äussere  Hand  die  Brust  nach  der  Seite  des  Rückens  drängt, 
während  eine  Hilfsperson  das  Beckenende  der  Frucht  nach  der 
Bauchseite  derselben  hinüberschiebt;  die  innere  Hand  fixiert  in¬ 
zwischen  das  Hinterhaupt  im  Beckeneingang. 

Die  Schwierigkeit  der  Umwandlung  mittels  des  Thorn- 
schen  Handgriffes  liegt  also  zunächst  darin,  dass  das  Hinter¬ 
haupt  nicht  in  einem  Zuge  herabgebracht  werden  kann,  und 
dass  das  Nachgreifen  absolut  von  der  Möglichkeit  der  Fixation 
der  erreichten  Kopfstellung  durch  die  äussere  Hand  abhängt, 
einer  Vorbedingung,  die  durch  straffe  dicke  Bauchdecken,  volle 
Harnblase  und  schlechte  Narkose  in  Frage  gestellt  werden 
kann.  Erschwerend  kommt  weiterhin  in  Betracht,  dass  der 
Handgriff  von  der  Unterstützung  einer  Hilfsperson  abhängig  ist. 

Eine  Gefahr  der  Umwandlung  liegt  darin,  dass  das 
langausgezogene  Hinterhaupt  beim  Herabziehen  in  eine  Quer¬ 
stellung  kommt,  durch  welche  es  das  oft  schon  ohnehin  ge¬ 
dehnte  untere  Uterinsegment  belastet,  dies  um  so  mehr,  als  auf 
ihm  noch  die  Hand  des  Operateurs  liegt  und  arbeitet. 

Als  Beweis  dieser  Gefahr  führe  ich  die  Tatsache  an,  dass 
unter  68  Umwandlungen  der  Berliner  Frauenklinik  zweimal  eine 
Uterusruptur  eingetreten  ist  (O  p  i  t  z). 

Diese  Verhältnisse  haben  zur  Folge,  dass  der  Thorn- 
sche  Handgriff  nur  von  absolut  geschickter  und  geübter  Hand 
durchführbar  ist  und  versucht  werden  soll  und  keinesfalls  dem 
geburtshilflich  weniger  beschäftigten  Praktiker  empfohlen 
werden  kann.  Sie  sind  weiterhin  schuld  daran,  dass  die  Um¬ 
wandlung  der  Gesichtslage  sich  selbst  an  geburtshilflichen 
Kliniken  noch  verhältnismässig  wenig  in  die  operative 
Therapie  eingebürgert  hat. 

Um  die  technische  Durchführbarkeit  zu  erleichtern,  hat  G  1  ö  c  k  - 
n  e  r  empfohlen,  die  der  Gesichtsseite  entsprechende  Hand  (also  bei 
erster  Lage  die  linke)  zu  benutzen,  um  mit  ihr  das  Hinterhaupt 
herabzuholen,  ln  ähnlicher  Weise  empfahl  später  Opitz,  mit  der 
gleichen  Hand  hinter  dem  Kopf  einzugehen,  jedoch  nur  die  ausge¬ 
streckten  4  Finger  über  das  Hinterhaupt  zu  führen,  um  dasselbe 
herabzuziehen,  mit  dem  Daumen  aber  an  den  Vorsprüngen  des  Ge¬ 
sichtes  anzusetzen,  um  die  Rotation  des  Kopfes  zu  erleichtern. 

Ich  habe  beide  Modifikationen  versucht,  halte  sie  aber  für 
keineswegs  geeignet,  die  Schwierigkeiten  der  Kopfrotation  nach  dem 
T  h  o  r  n  sehen  Verfahren  zu  beseitigen. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  verwende  ich  nun  einen 
Handgriff,  welcher  im  Grunde  genommen  auf  den  früher  be- 

1 


MUENGHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


kannten  Verfahren  basiert,  welcher  aber  in  seiner  Kom¬ 
bination  doch  etwas  Neues  darstellt  und  vor  allem  den  Vorteil 
hat,  dass  er  von  einer  Person  in  technisch  durchaus  leichter 
und  verhältnismässig  ungefährlicher  Weise  ausgeführt  werden 
kann. 


Die  der  Gesichtsseite  entsprechende  Hand  geht  neben  dem 
Kinn  in  die  Höhe  und  hakt  mit  dem  Daumen  in  den  Mund  ein 
Die  Spitzen  der  ausgestreckten  Finger  suchen  die  Brust  auf; 
während  nun  das  Kinn  mit  dem  Daumen  in  die  Höhe  geschoben 
wird,  drängen  die  Fingerspitzen  die  Brust  nach  der  Rücken¬ 
seite.  Gleichzeitig  schiebt  die  äussere  Hand  den  Steiss  nach 
der  Bauchseite  des  Kindes. 

Es  leuchtet  sofort  ein,  dass  die  Hand  hier  auf  derjenigen 
Seite  arbeitet,  auf  welcher  das  untere  Uterinsegment  am 
wenigsten  gedehnt,  und  auf  welcher  am  meisten  Raum  vor¬ 
handen  ist.  Ferner  ist  der  Handgriff  mit  zwei  Händen,  also 
von  einer  Person  ausführbar. 


Ich  habe  den  Handgriff  bisher  in  5  Fällen  ausgeführt  bezw.  von 
meinen  Assistenten  ausführen  lassen.  In  3  Fällen  ist  er  spielend 

im  il-  Un?>enG  m  1  Palle  misslang  er,  weil  eine  Meningozele, 
ein  leichter  ürad  von  Hydrozephalus  sowie  eine  fötale  Struma  die 
Korrektion  unmöglich  machten.  Es  sind  das  Fälle,  in  denen  die  Um¬ 
wandlung  naturgemäss  unterbleiben  soll,  falls  die  Diagnose  recht- 
ff™*  ^stellt  wird.  In  unserem  Falle  wurde  die  Situation  bei  der 

iJ-lhwaJld  Unr  efka‘mt  und  die  Wendung  und  Extraktion  ange¬ 
schlossen,  die  ohne  Schwierigkeiten  gelang. 

h  In  einem  zweiten  Falle  gelang  die  Umwandlung  nicht,  weil  das 
Hinterhaupt  bei  primärer  Qesichtslage  ausserordentlich  stark 
aLsgezogen  war  und  nach  den  Korrektionsversuchen  wieder  an  den 

dprCkT?Mmnf  krucht .gedrängt  wurde.  Dass  bei  primärer  Qesichtslage 
der  Rumpf  eine  besonders  grosse  Tendenz  hat,  wieder  in  seine 
lordotische  Haltung  zurückzukehren,  und  selbst  nach  Gelingen  der 
„m™dlun/  sich  die  Qesichtslage  auch  infolge  der  Deformation  des 
Hinterhauptes  oft  wieder  herstellt,  ist  bekannt  und  bereits  von 
h  o  r  n  und  Opitz  hervorgehoben  worden.  Uebrigens  ist  das 
durchaus  nicht  die  Regel,  da  gerade  bei  primären  Gesichtslagen  die 
Umwandlung  oft  sehr  leicht  gelingt.  s  e 


Die  Umwandlung  einer  Gesichtslage  kann  und  soll  natur¬ 
gemäss  nicht  in  jedem  Fall  gemacht  oder  versucht  werden 
Denn  abgesehen  davon,  dass  eine  Reihe  von  Gesichtslagen 
erst  erkannt  werden,  wenn  der  Kopf  schon  im  Becken  steht 
handelt  es  ich  hier  um  einen  intrauterinen  Eingriff,  der  nur 
dann  berechtigt  ist,  wenn  er  die  Aussichten  für  Mutter  oder 
Kind  besser  gestaltet,^  als  sie  bei  Gesichtslage  in  dem  be- 
ti effenden  Fall  sind.  Eine  präzise  Indikationsstellung 
für  die  Vornahme  der  Umwandlung  stösst  aber  zurzeit  noch 
auf  Schwierigkeiten,  weil  die  Prognostik  gewisser  Kompli- 
kahonen  bd  Gesichtslage  nur  innerhalb  bestimmter  Grenzen 
möglich  ist,  und  weil  eben  aus  diesem  Grund  die  Erfolge  der 
Umwandlung  nicht  ganz  leicht  zu  beurteilen  sind. 

Ausserdem  lassen  sich  auch  die  Erfolge  der  Umwandlung 
um  mit  einer  gewissen  Reserve  verwerten.  Denn  das  für 
statistische  Ermittlungen  zurzeit  allein  in  Betracht  kommende 


Thornsche  Verfahren  wurde  erst  in  einer  relativ  be 
schränkten  Zahl  von  Fällen  angewandt.  Mit  der  von  mir  an 
gegebenen  Methode  müssen  aber  erst  weitere  Erfahrungei 
gesammelt  werden. 

Betrachten  wir  zunächst  einige  statistische  Daten.  Die  Umwand 
lung  nach  1  horn  wurde  an  der  Berliner  Frauenklinik  69  mal,  d.  i 
in  16  1  roz.  der  Fälle  von  Gesichtslagen,  angewandt;  sie  gelan 
mechanisch  in  77  Proz.  dieser  Fälle.  Die  kindliche  Mortalität  betm* 
nach  gelungener  Umwandlung  21  Proz.,  nach  misslungener  Umwand 
,u!?&  4y.  ,Proz-  bei  allen  Umwandlungen  zusammen  26  Proz  Dii 
mütterliche  Mortalität  betrug  nach  der  Umwandlung  3  Proz 

Vergleichen  wir  hiermit  die  Prognose  der  Gesichtslagen  im  allge- 
meinen  (und  zugleich  diejenige  der  Schädellagen): 
e  .  Uesichtslagen  musste  eingegriffen  werden  in  25  Proz  (be 
Schadellagen  in  etwa  10  Proz.). 

/,  .  Y tte rBcHe  Mortalität  betrug  bei  Gesichtslagen  0,6  Proz 

(bei  Schadellagen  0,5  Proz.). 

Die  kindliche  Mortalität  betrug  bei  Gesichtslagen  14  Proz  (bei 
Schadellagen  2,3  Proz.). 

Bei  Gesichtslagen,  welche  spontan  verliefen,  starben  9  Proz 
uli  Kinde i ,  bei  solchen,  bei  denen  in  irgendeiner  Weise  operativ  ein 
gegriffen  werden  musste,  55  Proz. 

Es  geht  aus  diesen  Zahlen  hervor,  dass  bei  Gesichtslagen 
um  15  Proz.  häufiger  eingegriffen  werden  muss  als  bei  Schädel- 
o  H1’  das.?  ^ie  kindliche  Mortalität  bei  Gesichtslagen  um 
1-  Proz.  höher  ist  als  bei  Schädellagen,  während  die  mütter¬ 
liche  Mortalität  im  ganzen  nur  wenig  erhöht  ist.  Die  Aus¬ 
sichten  ändern  sich  aber  bei  Gesichtslagen  sehr  wesentlich 
wenn  operativ  eingegriffen  werden  muss;  die  kindliche  Pro¬ 
gnose  ist  dann  um  46  Proz.  in  Summa  schlechter 


Berücksichtigt  man  diese  Tatsachen,  so  ergibt  sich,  dass 
die  Umwandlung  zweifellos  dort  angebracht  ist,  wo  bei 
Gesichtslagen  voraussichtlich  operativ  eingegriffen  werden 
muss.  Andererseits  ist  die  Umwandlung  in  ihren  Resultaten 
ungünstiger  als  diejenige  der  spontan  verlaufenden  Gesichts¬ 
lagen,  weshalb  eine  systematische  Umwandlung  (möglichst) 
aller  Gesichtslagen  nicht  berechtigt  wäre.  Jedoch  ist  dabei  zu 
bedenken,  dass  einmal  die  Resultate  der  Umwandlungen 
im  ganzen  dadurch  verschlechtert  werden,  dass  dieser  Eingriff 
häufig  gerade  in  solchen  Fällen  vorgenommen  wurde,  in  denen 
schon  Komplikationen  vorhanden  waren  und  sowieso  ein¬ 
gegriffen  werden  musste.  Diese  Fälle  haben  aber,  wie  aus 
obigen  Zahlen  hervorgeht,  ohne  weiteres  eine  viel  schlechtere 
Prognose.  Zum  anderen  treffen  die  Resultate  der  Um¬ 
wandlung  lediglich  für  die  T  h  o  r  n  sehe  Methode  zu,  und  sie 
stammen  aus  einer  Zeit,  in  der  dieselbe  noch  ein  junges  Ver¬ 
fahren  darstellte,  über  welches  weder  bezüglich  der  Indi¬ 
kationsstellung  noch  der  Technik  abschliessende  Vorschriften 
gegeben  werden  konnten.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  bei 
Verwendung  eines  weniger  eingreifenden  und  technisch  leich¬ 
teren  Verfahrens,  wie  z.  B.  der  von  mir  angegebenen  Methode, 
die  Resultate  so  viel  besser  werden,  dass  man  auch  berechtigt 
ist,  Gesichtslagen  dann  umzuwandeln,  wenn  ohne  das  Be¬ 
stehen  anderweitiger  Störungen  dieser  Eingriff  verhältnis¬ 
mässig  leicht  und  ungefährlich  erscheint.  Hierüber  können 
nur  grössere  klinische  Erfahrungen,  die  allmählich  gesammelt 
werden,  entscheiden. 


Auf  Grund  dieser  Erwägungen  und  der  heutigen  Er¬ 
fahrungen  möchte  ich  folgende  Indikationen  für  die  Um¬ 
wandlung  gelten  lassen: 


1.  Verzögerung  des  Kopfeintrittes  nach 
gesprungener  Blase  und  erweitertem  Mutter¬ 
mund. 

Erfahrungsgemäss  vertragen  die  Kinder  in  Gesichtslage 
eine  Geburtsverzögerung  erheblich  schlechter  als  diejenigen 
in  Schädellage;  und  doch  tritt  sie  gerade  in  dieser  Haltung 
leichter  ein  als  in  der  gewöhnlichen  Kopflagenhaltung.  Kleine 
Hindernisse,  wie  sie  durch  geringe  Grade  von  Beckenenge, 
grossen  Kopf  oder  Wehenschwäche  bedingt  werden,  wirken 
auf  die  Geburtsmechanik  bei  Gesichtslage  ungünstiger  ein  als 
bei  Schädellage. 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  es  bei  grossen  Kindern 
läufiger  zu  Gesichts-  bzw.  Stirneinstellung  kommt  als  bei 
anderen,  und  dass  auch  Wehenschwäche  bei  diesen  Ein¬ 
stellungen  nicht  selten  ist. 

Diese  Geburtsverzögerung  kommt  besonders  auch  bei 
solchen  Stirneinstellungen  zustande,  welche  nach  erweitertem 
Muttermund  nicht  bald  in  Gesichtseinstellungen  übergehen. 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2.  \\  enn  Gesichts  -  oder  Stirn  einstellungen 
bestellen,  die  eine  Geburtsverzögerung  wahr- 
sch  ein  lieh  machen,  empfiehlt  sich  die  Um¬ 
wandlung  aus  prophylaktischen  Gründen. 

Hierher  gehören  massige  Grade  von  Beckenenge,  nament¬ 
lich  wenn  schon  bei  früheren  Geburten  ein  Missverhältnis  von 
(“(:  '!.cn  Zljta£e  trat,  grosse  Kinder,  Wehenschwäche, 
„alte  Erstgebärende.  Gerade  bei  Erstgebärenden  ist  die  Um¬ 
wandlung  ein  anderen  Eingriffen  überlegenes  Verfahren,  weil 
die  rigiden  Weichteile  dem  Durchtritt  des  Kopfes  in  Gesichts¬ 
lage  einen  ungleich  grösseren  Widerstand  entgegenbringen 
und  weil  bei  Erstgebärenden  andere  Eingriffe  gefährlicher  sind 
als  sonst  (Wendung-Extraktion,  Gesichtslagenzange). 

Inwieweit  die  Indikationsstellung  auf  frühzeitig  erkannte 
Gesichts-  oder  Stirnlagen  allgemein  auszudehnen  ist,  bei  denen 
die  Umwandlung  infolge  der  Beweglichkeit  des  Kopfes  und 
der  noch  nicht  fortgeschrittenen  Retraktion  des  Uterus  ver¬ 
hältnismässig  leicht  ist  (namentlich  wenn  sie  nach  der  von 
mir  angegebenen  Methode  gemacht  wird),  muss  erst  die  Er¬ 
fahrung  lehren. 

T  h  o  r  n  hat  seinerzeit  zwar  empfohlen,  bei  „primären“ 
Gesichtlagen  nicht  umzuwandeln,  weil  die  Umwandlung  hier 
öfters  nicht  zum  Ziele  führt.  Er  hat  aber  diese  Gegen¬ 
indikation  später  selbst  wieder  zurückgezogen.  Ich  kann  auf 
Grund  meiner  Erfahrungen  bestätigen,  dass  in  einzelnen 
Fällen  (siehe  oben)  die  primäre  Gesichtslage  zwar  eine  grosse 
Tendenz  hat,  sich  wieder  herzustellen,  dass  aber  zumeist  die 
Umwandlung  gerade  hier  spielend  leicht  gelingt  und  den  Ge¬ 
burtsverlauf  abkürzt. 

3.  Wenn  bei  Gesichts-  oder  Stirneinstel¬ 
lung  Ereignisse  eintrete  n,  welche  eine  bal¬ 
dige  Geburtsbeendigung  wünschenswert 
erscheinen  lassen,  die  Wendung  jedoch  nicht 
mehr  möglich  ist,  und  der  Spontanverlauf  in 
Gesichtslage  voraussichtlich  zu  lange  dau¬ 
ern  wird. 

Man  macht  hier  die  Umwandlung,  entweder  um  den  Kopf¬ 
eintritt  ins  Becken  zu  beschleunigen,  oder  um  bei  dringenden 
Anlässen  den  wenig  aussichtsvollen  und  nicht  ungefährlichen 
Versuch  einer  „hohen  Zange“  bei  Gesichtslage  zu  umgehen. 
Gelingt  .nämlich  die  Umwandlung,  so  lässt  sich  der  Kopf 
unter  Umständen  nach  dem  H  o  f  m  e  i  e  r  sehen  Verfahren  ins 
Becken  imprimieren,  oder  man  ist  in  der  Lage,  den  Versuch 
dner  „hohen  Zange“  wenigstens  bei  Schädellage  vorzu- 
nehmen. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Indikationen  bildet  die  Um¬ 
wandlung  der  Gesichtslage  zweifellos  ein  in  geeigneten  Fällen 
iir  Mutter  und  Kind  segensreiches  Verfahren,  welches  sich 
>$inen  festen  Platz  in  der  operativen  Geburtshilfe  erringen 
ind  behaupten  wird. 

Ls  erscheint  hier  vielleicht  am  Platze,  auch  mit  einigen  Worten 
ui  diejenigen  Verhältnisse  einzugehen,  von  welchen  die  Möglich- 
L ® G  der  Umwandlung  und  die  Folgen  derselben 
ibhängen,  d.  h.  auf  die  „Vorbedingungen“  und  die  sogen. 
Kontraindikatione  n“,  weil  ihre  Nichtbeachtung  naturgemäss 
las  ganze  Verfahren  zu  diskreditieren  imstande  ist. 

Zu  den  Vorbedingungen  sind  folgende  zu  zählen: 

I.  Die  Blase  muss  gesprungen  sein  bezw.  bei  der  Umwandlung 
esprengt  werden. 

II.  Der  Kopf  muss  mit  seinem  grössten  Umfang  noch  über  dem 
Seckeneingang  stehen  und  eine  gewisse  Beweglichkeit  haben. 

Bei  im  Becken  stehendem  Kopf  ist  die  Umwandlung  zwar 
usführbar  (einzelne  Fälle  von  Stirnlage  und  mentoposteriorer  Ge- 
ichtslage),  jedoch  liegen  dabei  besondere  Verhältnisse  vor.  Im  allge- 
leinen  besitzen  wir  bei  i  m  Becken  stehendem  Kopf  in  der  Zange 
ui  besseres  Mittel,  um  im  Falle  der  Not  einzugreifen. 

Andererseits  ist  die  Umwandlung  durch  die  Einschränkung  der 
eweglichkeit  des  Kindes  nicht  ganz  so  beschränkt  wie  die  Wendung, 
'sofern  sie  sich  gelegentlich  dort  noch  gut  durchführen  lässt,  wo  die 
•  endung  infolge  vorgeschrittener  Retraktion  nicht  mehr  möglich  ist. 

III.  Der  Muttermund  muss  wenigstens  hand¬ 
ellergross  sein. 

Dies  ist  nötig,  weil  die  Umwandlung  durch  Einführen  der  ganzen 
and  vorgenommen  werden,  und  weil  die  Geburt  nach  der  Um- 
andlung  in  möglichst  kurzer  Zeit  zu  Ende  gehen  soll,  um  das  Kind 
cht  an  Asphyxie  zu  verlieren.  Ausserdem  kann  bei  der  Uinwand- 
ng  die  Nabelschnur  Vorfällen  und  dadurch  die  Wendung  und  Ex¬ 
aktion  nötig  werden. 

IV.  Das  Kind  muss  lebend,  lebensfähig  und  le- 
e  n  s  f  r  i  s  c  h  sein. 


12*13 


Bei  totem  Kind  ist  die  Perforation  stets  vorzuziehen,  ebenso 
R?1  11  *.? 1  *  lebensfähigem  Kind,  falls  sich  hier  überhaupt  ein 
Eingreifen  als  notwendig  erweist.  Bei  bereits  vorhandener 
As  p  li i  y  x  i  e  lohnt  sich  die  Umwandlung  im  allgemeinen  nicht,  da  der 
Eingriff  an  sich  schon  eine  gewisse  Schädigung  der  kindlichen  Respira- 
“on  mit  sich  bringt,  und  da  sich  die  Geburt  nach  der  Umwandlung 
meist  noch  eine  gewisse  Zeit  hinzieht. 

V.  Die  Spontangeburt  in  Schädellage  muss 
nicht  nurmechanisch  möglich,  sondern  auch  in  ab¬ 
sehbarer  Zeit  zu  erwarten  sein. 

...  ,  ausser  der  Gesichtseinsteilung  vorhandenen  Schwierigkeiten 
dürfen  ein  gewisses  Mass  nicht  überschreiten,  um  den  Erfolg  des 
Eingriffes  nicht  allzusehr  in  Frage  zu  stellen.  Wiewohl  leichte  Grade 
von  Beckenenge,  Wehenschwäche,  Rigidität  der  Weichteile  u.  dergl. 
öfters  gerade  den  Anlass  zur  Umwandlung  geben,  so  würde  eine  Ver¬ 
zögerung  der  Geburt  nach  der  Umwandlung  um  viele  Stunden  den 
Erfolg  insofern  in  Frage  stellen,  als  die  Kinder  einige  Zeit  nach 
der  Umwandlung  erfahrungsgemäss  nicht  selten  asphyktisch  werden 

Als  unterste  Grenze  für  die  Conj.  vera  bei  plattem  Becken  und 
normal  grossem  Kind  möchte  ich  8,5  cm  angeben;  jedoch  muss  dabei 
der  Verlauf  früherer  Geburten  berücksichtigt  werden. 

Als  Kontraindikationen  haben  zu  gelten: 

I.  Drohende  Uterusruptur. 

Da  die  Geburt  nach  der  Umwandlung  eine  Zeitlang  fortdauert 
und  da  ausserdem  die  Umwandlung  mit  einer  gewissen  Belastung  des 
unteren  Uterinsegmentes  verbunden  ist,  ist  sie  bei  bereits  bestehender 
Ueberdehnung  des  unteren  Uterinsegmentes  möglichst  zu  unterlassen. 

II.  AlleZustände,  welcheeinesofortigeGeburts- 

beendigung  im  Interesse  von  Mutter  und  Kind  er¬ 
heischen  (Eklampsie,  vorzeitige  Plazentarlösung.  Infektionsfieber, 
Asphyxie.  Nabelschnurvorfall  u.  dergl.),  es  sei  denn,  dass  die  Wen¬ 
dung  nicht  mehr  möglich  ist  und  die  Umwandlung  nur  als  Vorakt  für 
eine  Impression  oder  hohe  Zange  vorgenommen  wird. 

III.  Placenta  praevia  oder  tiefer  Sitz  der  Pla- 
z  e  n  t  a  wegen  der  Gefahr  einer  Zervixzerreissung  und  wegen  der 
Unsicherheit  der  Blutstillung. 

IV.  Enges  Becken,  wenn  die  Conj.  vera  kleiner  als  7,5  cm 
ist;  da  ein  ausgetragenes  Kind  unter  solchen  Umständen  unzerstückelt 
kaum  lebend  geboren  wird. 

V.  Abnorme  Grösse  oder  Gestalt  des  kindlichen  Kopfes  (Hydro¬ 
zephalus,  Anenzephalus,  Enzephalozele),  fötale  Struma  u.  a.  Die  Um¬ 
wandlung  misslingt  hier  oft  und  ist  ausserdem  im  Hinblick  auf  die  un¬ 
günstigen  Lebensaussichten  der  betreffenden  Kinder  zwecklos 


Mitteilung  aus  der  medizinischen  Abteilung  des  chemischen 
Universitätslaboratoriums  zu  Freiburg  i.  Br. 

Ueber  kolorimetrische  Bestimmungsmethoden:  Die  Be¬ 
stimmung  des  Gesamtcholesterins  im  Blut  und  in  Organen. 

Von  W.  Autenrieth  und  Albert  Funk. 

Siebente  Abhandlung. 

Cholesterin,  das  zuerst  in  der  Galle  aufgefunden  wurde, 
ist  bekanntlich  im  Blut  und  in  fast  allen  Flüssigkeiten  und  Ge¬ 
weben  des  menschlichen  und  tierischen  Körpers  in  geringer, 
in  der  Marksubstanz  des  Gehirns  und  der  Nerven  aber  in 
reichlicherer  Menge  vorhanden.  Dass  die  meisten  Gallen¬ 
steine  des  Menschen  der  Hauptsache  nach  aus  kristallisiertem 
Cholesterin  bestehen,  ist  ebenfalls  eine  schon  längst  bekannte 
Tatsache.  An  manchen  Orten  des  menschlichen  Organismus 
finden  sich  neben  freiem  Cholesterin  Oelsäure-  und  Palmitin¬ 
säure-Cholesterinester  vor,  oder  aber  es  sind  überhaupt  nur 
diese  Ester  vorhanden. 

Karl  Hürthle1)  hat  als  Erster  aus  Blutserum  Chole- 
steryloleat  und  Cholesterylpalmitat  im  kristallisiertem  Zu¬ 
stande  erhalten  und  hat  auch  diese  beiden  Ester  unter 
E.  Baumann  durch  Erhitzen  von  Cholesterin  mit  Oelsäure, 
bzw.  mit  Palmitinsäure  auf  200°  künstlich  darstellen  können. 
Hürthle  hat  nicht  nur  aus  menschlichem  Blutserum,  son¬ 
dern  auch  aus  Serum  vom  Hund,  Schwein,  Hammel  und  Pferd 
sowie  aus  einer  Hundelymphe,  die  aus  dem  Ductus  thoracicus 
aufgefangen  war,  die  kristallisierten  Cholesterinester  erhalten. 

A.  Windaus  2)  hat  dann  in  dem  Digitonin,  einem  Digi- 
talisglukosid,  eine  Substanz  gefunden,  die  in  alkoholischer 
Lösung  nur  das  freie  Cholesterin  in  Form  einer  schwer  lös¬ 
lichen  Molekularverbindung,  des  Digitonincholeste- 
r  i  d  s,  ausfällt,  nicht  aber  die  im  Blutserum  vorkommenden 
Ester  des  Cholesterins.  Das  Digitonincholesterid  entsteht 


')  Zeitschrift  für  physiol.  Chemie  21,  331  (1895/96). 

2)  Berichte  der  Deutschen  chem.  Ges.  42,  238  (1909)  und  Zeit¬ 
schrift  für  physiol.  Chemie  65,  110  (1910). 


1* 


1244 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


durch  direkte  Vereinigung  von  je  1  Molekül  Digitonin  und 
Cholesterin  und  zwar  ohne  Austritt  von  Wasser: 

C.'.5  11(11  Ojh  -f  C'-‘7  Hll  O  ~  Csa  Hl:18  O29 

Digitonin  -f-  Cholesterin  =  Digitonincholesterid. 

Die  Digitoninmethode  eignet  sich  somit  ausgezeichnet  zur 
Unterscheidung  und  Trennung  des  freien  Cholesterins  von 
seinen  Estern.  So  elegant  diese  Methode  ist,  so  setzt  sie 
andererseits  eine  gewisse  Erfahrung  und  Sicherheit  im  quan¬ 
titativen  chemischen  Arbeiten  voraus;  sie  wird  daher  in 
der  Hand  des  im  chemischen  Arbeiten  wenig  Geschulten  leicht 
unrichtige  Werte  liefern.  Ausserdem  erfordert  die  Digitonin¬ 
methode  verhältnismässig  viel  Ausgangsmaterial,  z.  B.  30  bis 
50  ccm  Blut  oder  Serum,  eine  Menge,  die  nicht  immer  zur 
Verfügung  stehen  dürfte.  Gelangt  nämlich  zu  wenig  Digitonin¬ 
cholesterid  zur  Wägung,  so  kann  schon  ein  kleiner  Wägungs¬ 
fehler,  wie  auch  die,  freilich  nur  geringe  Löslichkeit  des 
Cholesterids  in  90  proz.  Alkohol  im  Gesamtresultate  einen  er¬ 
heblicheren  Fehler  verursachen.  Endlich  kommt  noch  in  Be¬ 
tracht,  dass  eine  Cholesterinbestimmung  nach  der  Digitonin¬ 
methode  einschliesslich  der  Extraktion  ziemlich  viel  Zeit,  näm¬ 
lich  8  Tage,  beansprucht.  Die  Digitoninmethode  kann  aus 
diesen  Gründen  nicht  als  eine  leicht  und  rasch  ausführbare, 
klinische  Methode  bezeichnet  werden.  Sie  wird  aber  immer 
an  erster  Stelle  in  Betracht  kommen,  wenn  in  einer  Körper¬ 
flüssigkeit  oder  einem  Organteile  die  Menge  an  vorhandenem 
freien  Cholesterin  und  von  gebundenem  „Estercholesterin“ 
quantitativ  bestimmt  werden  soll. 

Wir  haben  uns  die  Aufgabe  gestellt,  eine  solche  Bestim¬ 
mungsmethode  für  das  Gesamtcholesterin  auszuarbeiten,  die 
bei  möglichster  Einfachheit  in  der  Ausführung,  wenigstens  für 
praktische  Zwecke,  hinreichend  genaue  Resultate  liefert.  Da¬ 
bei  haben  wir  unser  Augenmerk  besonders  auch  darauf  ge¬ 
richtet,  die  ausserordentlich  umständlichen  und  zeitraubenden 
Methoden,  die  für  die  Extraktion  der  Cholesterinkörper  aus 
Blut,  Serum  und  den  Organen  bisher  fast  ausschliesslich  an¬ 
gewandt  wurden,  möglichst  zu  vereinfachen.  Nach  ver¬ 
schiedenen  Misserfolgen  ist  uns  die  Lösung  dieser  Aufgabe 
geglückt;  wir  beschreiben  im  folgenden  eine  kolorimetrische 
Bestimmungsmethode  des  Gesamtcholesterins,  die  bei  hin¬ 
reichender  Genauigkeit  als  eine  für  praktische  Zwecke 
brauchbare,  klinische  Methode  bezeichnet  werden  kann. 
Nach  den  Ergebnissen  unserer  Versuche  kann  von  den 
Farbreaktionen  des  Cholesterins  nur  die  Reaktion  von 
Lieber  in  a  n  n  -  Burchard  für  eine  quantitative  kolori¬ 
metrische  Bestimmung  unserer  Substanz  in  Betracht  kommen. 
Diese  Probe  besteht  darin,  dass  man  die  Lösung  des  Chole¬ 
sterins  in  Chloroform  mit  Essigsäureanhydrid  und  wenig  kon¬ 
zentrierter  Schwefelsäure  versetzt;  es  tritt  dann  ganz  vorüber¬ 
gehend  eine  rote  Färbung  auf,  die  in  Blau,  Blaugrün  und 
schliesslich  in  Grün  übergeht.  Sind  nur  Spuren  von  Chole¬ 
sterin  vorhanden,  so  tritt  die  grüne  Färbung  erst  nach  einigen 
Minuten,  aber  dann  meist  direkt  auf.  Die  Farbennuance  sowie 
die  Intensität  der  Färbung,  d.  i.  der  Grad  der  Farbstärke,  die 
von  einer  bestimmten  Menge  Cholesterin  hervorgerufen 
werden,  sind  von  verschiedenen  äusseren  Bedingungen  ab¬ 
hängig;  wie  wir  gefunden  haben,  beeinflussen  in  dieser  Hinsicht 
die  Menge  der  angewandten  Schwefelsäure,  ferner 
Temperatur,  Belichtung  sowie  Zeit  die  Lieber- 
m  a  11  n  sehe  Cholesterinprobe.  Nur  bei  Beobachtung  dieser 
Gesichtspunkte  und  genauem  Innehalten  der  unten  gegebenen 
Vorschrift  erhält  man  bei  Anwendung  von  ein  und  derselben 
Cholesterinmenge  auch  den  gleichen  Farbenton  von  gleicher 
Farbstärke.  Auch  die  physiologisch  wichtigen  Cholesterin¬ 
ester,  das  Cholesterinoleat  und  Cholesterinpalmitat,  geben  die 
Lieb  ermann  sehe  Cholesterinprobe  und  zwar  in  gleicher 
Weise  und,  ihrem  Cholesteringehalte  entsprechend,  von 
gleicher  Farbstärke  wie  das  freie  Cholesterin.  Auch 
das  Oxycholesterin,  das  nach  L.  Darm  Städter  und 
J.  L  i  f  s  c  h  i'i  t  z 3)  beim  Erhitzen  von  Cholesterin  mit  alko¬ 
holischer  Kalilauge  entsteht  und  das  nach  J.  L  i  f  s  c  h  ii  t  z 4) 
sich  im  normalen  Blute  des  Menschen  vorfinden  soll,  gibt 
die  Li  e b  e  r  m a n  n  sehe  Probe.  Mit  Hilfe  unserer  kolori- 


3)  Berichte  der  Deutschen  ehern.  Qes.  31,  1122  (1898)  und  Zeit¬ 
schrift  für  physiol.  Chemie  50,  436  (1906/07). 

4)  Zeitschrift  für  physiol.  Chemie  53,  140  (1907). 


metrischen  Methode  finden  und  bestimmen  wir  also  die  s  ä  tu  t- 1 
liehen,  im  Blute  oder  in  einem  Organ  vorhandenen  Chole¬ 
sterinkörper.  Wir  haben  diese  Methode  für  das  Autenrieth- 
Koenigsberger  sehe  Kolorimeter  ausgearbeitet. 

A  u  s  f  ü  h  r  u  n  g.  Mit  Hülfe  einer  geeichten  Kapillarpipette  misst 
man  2  ccm  von  dem  vorher  gut  gemischten  Blute  oder  vom  klaren 
Serum  ab,  bringt  diese  Menge,  unter  Nachspülen  der  Pipette  mit 
wenig  Wasser,  ohne  Verlust  in  ein  ca.  50  ccm  fassendes  Erlenmeyer- 
kölbchen,  fügt  20  ccm  25  proz.  Kalilauge  hinzu  und  erhitzt  dieses  Ge¬ 
misch  unter  zeitweiligem  Umschütteln  2  Stunden  lang  in  einem 
kochenden  Wasserbade.  Diesem  alkalischen  Gemisch  wird  dann 
nach  dem  Erkalten  das  Cholesterin  vollständig  entzogen  und  zwar 
entweder  mit  Hilfe  von  Aether  —  Aethermethode  (a)  oder 
mittels  Chloroform  —  Chloroformmethode  (b). 

a)  Aethermethode.  Man  bringt  den  Inhalt  des  Erlen- 
meyerkölbchens,  ohne  mit  Wasser  zu  verdünnen51),  in 
einen  Scheidetrichter,  fügt  50  ccm  Aether  hinzu  —  man  nehme  nicht 
weniger,  sonst  bildet  sich  leicht  eine  schwer  trennbare  Emulsion 
indem  man  mit  diesem  Aether  vorher  das  Erlenmeyerkölbchen  aus¬ 
spült,  und  schüttelt  nun  mindestens  5  Minuten  lang  kräf¬ 
tig  durch.  Man  giesst  dann  die  Aetherschicht,  die  sich  fast  augen¬ 
blicklich  von  der  wässerig-alkalischen  Flüssigkeit  trennt,  in  eine 
trockene  Kochflasche  ab,  bringt  wiederum  50  ccm  Aether  in  den 
Scheidetrichter  und  verfährt  wie  das  erste  Mal,  also  schüttelt 
mindestens  5  Minuten  lang  tüchtig  aus.  Auf  diese  Weise  werden 
sechs  Auszüge  mit  je  50  ccm  Aether  hergestellt,  die  selbstverständ¬ 
lich  vereinigt  werden.  Man  giesst  dann  diese  Auszüge,  aus  denen 
sich  am  Boden  der  Kochflasche  meist  wenig  wässerige  Flüssigkeit  aus¬ 
scheidet,  durch  ein  trockenes  Filter  und  destilliert  den  Aether  voll¬ 
ständig  ab.  Das  Cholesterin  bleibt  hierbei  in  vielen,  wenn  auch  nicht  ■ 
in  allen  Fällen,  rein  weiss  und  häufig  schön  kristallisiert  zurück.  Die 
Lösung  dieses  Rückstandes  in  warmem  Chloroform  wird  unter  Nach¬ 
spülen  in  ein  100  ccm-Messkölbchen  gegossen,  dann  mit  Chloroform, 
bis  zur  Marke  aufgefiillt  und  gut  gemischt.  Schliesslich  wird  das 
Cholesterin  in  der  so  erhaltenen  Chloroformlösung  in  der  unten  an¬ 
gegebenen  Weise  kolorimetrisch  bestimmt.  Enthält  das  zu  unter¬ 
suchende  Blut  oder  Serum  voraussichtlich  weniger  als  120  mg  Chole¬ 
sterin  in  100  ccni,  so  löst  man  den  erhaltenen  Cholesterinrückstand 
nicht  auf  100,  sondern  nur  auf  50  ccm  Chloroform. 

b)  Chloroformmethode.  Man  bringt  den  Inhalt  des 
Erlenmeyerkölbchens,  also  das  alkalische  Reaktionsgemisch  aus  Blut 
oder  Serum  plus  Kalilauge,  in  einen  kleineren  Scheidetrichter,  giesst 
25 — 30  ccm  Chloroform  hinzu  —  nicht  weniger,  um  Fünulsionsbildung 
möglichst  zu  verhindern  —  und  schüttelt  5  Minuten  lang 
kräftig  durch;  dann  lässt  man  die  meistens  etwas  trübe  Chloro¬ 
formschicht  in  ein  trockenes  Kölbchen  abfliessen  und  schüttelt  die 
wässerig-alkalische  Flüssigkeit  noch  viermal  in  der  gleichen  Weise 
mit  je  20  ccm  Chloroform  jeweils  mehrere  Minuten  lang 
gründlich  aus.  Auch  hierbei  empfiehlt  es  sich  nicht,  das  Blut- 
Laugegcmisch,  nach  dem  Erhitzen,  mit  Wasser  zu  verdünnen,  weil 
sonst  beim  darauffolgenden  Schütteln  mit  Chloroform  zu  leicht  Emul¬ 
sionsbildung  eintritt.  Um  einen  Verlust  zu  vermeiden,  spült  man 
daher  das  Kochkölbchen,  in  dem  sich  das  Gemisch  befand,  mehrere 
Male  mit  Chloroform  aus.  Die  erhaltenen  5  Chloroformauszüge,  die 
selbstverständlich  vereinigt  werden,  sind  meist  etwas  getrübt  und 
häufig  grünlich  oder  bräunlich  gefärbt.  Wir  haben  in  dem  wasser¬ 
freien  Natriumsulfat  =  Natrium  sulfuricum  siccum  eine  Substanz 
gefunden,  die  den  Farbstoff  beim  Umschütteln  mit  niederreisst  und  die 
gleichzeitig  die  Chloroformlösung  entweder  vollständig  oder  nahezu 
vollständig  klärt.  Man  versetzt  also  das  Gemisch  der  erhaltenen  Chloro¬ 
formauszüge  je  nach  Färbung  und  Trübung  mit  5  oder  10  g  ent¬ 
wässertem  Natriumsulfat,  schüttelt  einige  Minuten  tüchtig  durch, 
giesst  dann  durch  ein  trockenes  Filter  in  ein  trockenes  100  ccm- 
Messkölbchen  und  füllt  schliesslich  unter  Ausspülen  des  Filters  mit 
Chloroform  bis  zur  Marke  auf.  Man  erhält  auf  diese  Weise  fast 
immer  eine  klare  und  farblose  Chloroformlösung.  Eine  etwa  noch 
vorhandene  schwache  Trübung  beeinträchtigt  die  kolorimetrische  Be¬ 
stimmung  des  Cholesterins  nicht,  denn  sie  verschwindet  später  auf 
Zusatz  von  Essigsäureanhydrid  und  konzentrierter  Schwefelsäure. 

Beide  Extraktionsmethoden,  die  Aether-  sowie  die 
Chloroformmethode,  sind  einander  durchaus  gleich¬ 
wertig,  indem  beide  nach  unseren  zahlreichen  Versuchen  bei 
dem  gleichen  Blute  oder  Serum  auch  gleiche  Cholesterinwerte 
liefern,  vorausgesetzt  freilich,  dass  das  alkalische  Reaktions¬ 
gemisch  mit  grösseren  Mengen  Lösungsmittel,  Aether 
oder  Chloroform,  wiederholt  und  recht  gründlich 
ausgeschüttelt  wird.  Die  Chloroformmethode  als  die  ein¬ 
fachere  in  der  Ausführung  und  die  rascher  zum  Ziele  führende 
Methode  möchten  wir  immer  dann  empfehlen,  wenn  eine 
grössere  Reihe  von  Cholesterinbestimmungen  auszuführen  ist, 
und  es  zudem  an  einer  geeigneten  Einrichtung  (Destillation  mit 

°)  Verdünnt  man  das  alkalische  Reaktionsgemisch  mit 
Wasser,  so  bildet  sich  beim  darauffolgenden  Ausschütteln  mit  Aether 
oder  mit  Chloroform  nur  zu  oft  eine  schwer  trennbare  Emulsion, 
während  sich  Aether  sowie  Chloroform  fast  sofort  klar  abscheiden, 
wenn  das  alkalische  Gemisch  nicht  mit  Wasser  verdünnt  wird. 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Wasserdampf)  zum  Abdestillieren  grösserer  Aethermengen, 
jeweils  300  ccm  Aetherlösung,  fehlt.  Andrerseits  möchten  wir 
die  Aethermethode  als  die  elegantere,  wenn  auch  zeitrauben¬ 
dere  bezeichnen. 

Kolorimetnsche  Bestimmung  des  Cholesterins  in  der  hergcstellten 

Chloroformlösung. 

Erfordernisse:  1.  Reines  Chloroform.  2.  Essigsäure- 
anhydrid.  3.  Reine  konzentrierte  Schwefelsäure.  4.  Eine  2  ccm 
fassende  Kapillarpipette  zum  Abmessen  des  Blutes  oder  Serums. 
5.  Eine  (hl  ccm  fassende  Kapillarpipette  zum  Abmessen  der  Schwefel¬ 
säure.  o.  Ein  10  ccm  fassendes,  graduiertes  Messzylinderchen  mit 
Glasstöpsel.  7.  Das  Autenrieth-Koenigsberger  sehe  Ko¬ 
lorimeter  mit  Cilasstöpseltrog  und  einem  geeichten  Vergleichskeil  für 
die  Cholesterinbestimmung. 

Afan  p  i  ii  f  c  die  Reagentien.  ob  sie  keine  Färbung 
mit  einander  geben,  indem  man  in  dem  Messzylinderchen  (6)  5  ccm 
Chloroform  (0+2  ccm  Essigsäureanhydrid  (2)  -f  0,1  ccm  Schwefel¬ 
säure  (3)  mischt  und  das  Gemisch  20  Minuten  im  Dunkeln  stehen 
lässt.  Das  Gemisch  darf  hierbei  keinerlei  Färbung  annehmen. 

Man  misst  von  der  nach  der  Aether-  oder  Chloroform¬ 
methode  erhaltenen  Chloroformlösung  (100  ccm)  genau 
5  ccm  ab  und  zwar  entweder  mittels  einer  geeichten  Pipette 
oder  direkt  in  dem  Messzylinderchen  (6),  falls  dieses  genau 
geeicht  ist,  fügt  2  ccm  Essigsäureanhydrid,  sowie  mit  der  Ka¬ 
pillarpipette  (5)  genau  0,1  ccm  konzentrierte  Schwefelsäure 
hinzu  und  schüttelt  um.  Schon  vorher  hat  man  sich  in  einem 
geräumigen  Becherglase  warmes  Wasser  von  32—35°  C  be¬ 
reitet,  in  das  man  das  Messzylinderchen  mit  dem  Gemisch 
stellt.  Man  lässt  nun  das  Ganze  im  Dunkeln,  am  ein¬ 
fachsten  im  verschlossenen  Arbeitstische,  15  Minuten  lang 
stehen.  Das  Gemisch  hat  sich  hierbei  entweder  rein  grün  ge¬ 
färbt  oder  grün  mit  einem  Stich  ins  Bräunliche  oder  Bläuliche. 
Man  giesst  nun  eine  Probe  desselben  in  den  Glasstöpseltrog 
des  Kolorimeters  und  verschiebt  dann  den  geeichten  Ver¬ 
gleichskeil  in  der  üblichen  Weise  bis  zur  gleichen  Färb¬ 
st  ä  r  k  e.  Ein  wiederholtes  Einstellen  des  Keils  auf  die  gleiche 
Farbstärke  ist  wie  bei  allen  kolorimetrischen  Bestinnnungs- 
methoden  auch  hier  zu  empfehlen.  Aus  der  Eichungskurve  des 
Vergleichskeils  erfährt  man  dann  in  Milligrammen  die  Menge 
Cholesterin,  die  dem  bei  gleicher  Farbstärke  am  Kolorimeter 
abgelesenen  Skalenteile  entspricht  und  die  in  5  ccm  der 
Chloroformlösung  enthalten  ist.  Es  empfiehlt  sich  eine  Kon- 
trollprobe  anzusetzen.  Wir  selbst  haben  bei  unseren  vielen 
Cholesterinbestimmungen  stets  zwei  Versuche  angesetzt,  und 
wir  haben  bei  genau  gleicher  Arbeitsweise  bei 
beiden  Proben  auch  gleiche  Farbstärke  bei  ein  und  dem¬ 
selben  Skalenteile  gefunden.  Zeigt  die  erhaltene  gefärbte 
Chloroformlösung  nicht  ganz  genau  die  gleiche  Farbennuance 
mit  der  Farblösung  im  Vergleichskeile,  so  muss  man  photo¬ 
metrisch,  also  auf  gleiche  Lichtstärke,  einstellen. 

Beispiel.  2  ccm  Blut  wurden  in  der  angegebenen  Weise  mit 
Kalilauge  erhitzt,  dann  wurde  nach  der  Aethermethode  gearbeitet  und 
das  ausgeschüttelte  Cholesterin  schliesslich  auf  100  ccm  Chloroform 
gelöst.  Gleiche  Farbsltärke:  bei  Skalenteil  64  des  Kolorimeters 
=  0,204  mg  Cholesterin,  nach  der  Eichungskurve,  in  den  angewandten 
5  ccm  Chloroformlösung  oder  20  X  0,204  =  4,08  mg  in  100  ccm 
dieser  Lösung  oder  in  den  untersuchten  2  ccm  Blut.  100  ccm  dieses 
Blutes  haben  somit  50  X  4,08  =  204  mg  oder  0,204  g  Cholesterin 
enthalten. 

Wenn  man  mit  2  ccm  Blut  oder  Serum  arbeitet  und  das  aus¬ 
gezogene  Cholesterin  auf  100  ccm  Chloroform  löst,  so  hat  man  den 
bei  gleicher  Farbstärke  aus  der  Eichungskurve  entnommenen  Chole¬ 
sterinwert  nur  mit  1000  zu  multiplizieren,  um  in  Milligrammen  die 
Menge  Cholesterin  zu  erfahren,  die  in  100  ccm  des  untersuchten 
Blutes  oder  Serums  enthalten  ist. 

Eichung  des  Vergleichskeils  und  Konstruktion  der  Eichungskurve. 

Wie  bei  allen  kolorimetrischen  Bestimmungsmethoden,  die  mit 
Hilfe  des  Autenrieth-Königsberger  sehen  Kolorimeters 
ausgeführt  wurden,  ist  ein  Vergleichs  keil“)  notwendig,  der  zu¬ 
nächst  zu  eichen  ist.  Dieser  Keil  ist  mit  einer  haltbaren,  licht¬ 
beständigen,  grünlich  gefärbten  Lösung  gefüllt,  die  wir  durch  Mischen 
von  Lösungen  gefärbter  anorganischer  Salze  bereiten.  Die  Eichung 
des  Vergieichskeils  erfolgt  mit  chemisch  reinem  Cholesterin 
C-jtHhO  .  HsO,  von  dem  0,1  g  auf  50  ccm  Chloroform  gelöst  wird. 

5  ccm  von  dieser  Stammlösung  werden  dann  mit  Chloroform  auf 
100  ccm  verdünnt  und  wechselnde  Mengen  dieser  letzteren  Chole¬ 
sterinlösung,  nämlich  1,  2,  3,  4  ccm  etc.  derselben,  werden  jeweils 


°)  Solche  Vergleichskeile  mit  Eichungskurve  können  von  der 
hiesigen  Firma  F.  Heilige  &  Co.  bezogen  werden. 


1245 


mit  Chloroform  genau  auf  5  ccm  verdünnt,  dann  in  der  oben  ange¬ 
gebenen  Weise  im  Messzylinderchen  (6)  jeweils  mit  2  ccm  Essigsäure- 
anhydrid  +  0,1  ccm  Schwefelsäure  gemischt  und,  nach  15  Minuten 
langem  Stehen  in  Wasser  von  32— 35°  im  Dunkeln,  kolorimetrisch 
untersucht.  Die  bei  gleicher  Farbstärke  abgelesenen  Skalenteile 
werden  notiert. 

mg  Cholesterin  in  5  ccm  Lösung:  0,1  0,2  0,3  0,4  0,5 

Gleiche  Farbstärke  bei  Skalenteil:  83  65  46  28  9. 

Zur  Konstruktion  der  Eichungskurve  des  Vergleichskeils  trägt 
man  dann  in  Mdligrammen  die  Menge  Cholesterin  von  5  ccm  der 
Chloroformlösung  auf  die  Abszissen-  und  die  zugehörigen,  bei  gleicher 
Farbstärke  am  Kolorimeter  abgelesenen  Skalenteile  auf  die  Ordinaten- 
achse  eines  Koordinatensystems  ein.  Die  Verbindungslinie  der  je¬ 
weiligen  Schnittpunkte  der  beiden  Koordinaten  bildet  dann  die 
Eichungskurve  des  Vergleichskeils. 


Bemerkunge  n.  Zweckmässigerweise  saugt  man  das 
Blut,  das  untersucht  werden  soll,  direkt  aus  der  Schnittwunde 
mittels  der  2  ccm-Kapillarpipette  (4)  auf  und  lässt  es  in 
das  Kölbchen  abfliessen,  in  welchem  das  Blut  mit  20  ccm 
Kalilauge  erhitzt  werden  soll.  Kann  eine  Blutprobe  aus  irgend 
einem  Grunde  nicht  sofort  abgemessen  werden,  so  versetze 
man  sie  mit  einer  die  Gerinnung  hemmenden,  also  mit  einer 
kalkfällenden  Substanz,  nämlich  mit  0,2  bis  0,3  Proz.  festem 
Fluornatriu m  oder  mit  0,1  Proz.  festem  Kalium- 
oxalat. 

In  der  Literatur  begegnet  man  wiederholt  der  Angabe, 
dass  Cholesterin  aus  einer  stark  alkalischen,  zumal 
Seife  enthaltenden  Flüssigkeit  mittels  Aether  oder  Chloro¬ 
form  nicht  quantitativ  ausgeschüttelt  werden  könne.  Um  diese 
Angaben  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prüfen,  haben  wir  eine  nach 
der  Aethermethode  sechsmal  mit  je  50  ccm  Aether  ausge¬ 
zogene  Blutprobe  (2  ccm),  noch  weitere  sechsmal  mit  je 
50  ccm  Aether  ausgeschüttelt.  Die  letzten  6  Auszüge  hinter- 
liessen  beim  Abdestillieren  des  Aethers  einen  winzigen  Rück¬ 
stand,  der  keine  quantitativ  bestimmbaren 
Mengen  von  Cholesterin  mehr  enthalten  hat.  Bei  einem 
weiteren  Versuche  wurden  2  ccm  Blut  mit  0,4  g  Sapo  medi- 
catus  versetzt;  dies  ist  eine  Menge  Seife,  die  selbst  aus  einem 
sehr  fettreichen  Blute  (2  ccm)  durch  Erhitzen  mit  Alkalilauge 
kaum  je  entstehen  dürfte.  In  100  ccm  des  betreffenden  Blutes 
hatten  wir  wiederholt,  ohne  den  Zusatz  der  Seife,  180—190  mg 
Cholesterin  nachgewiesen,  bei  dem  Versuche  unter  Zu¬ 
satz  von  Seife  aber  186  mg  desselben  bestimmt.  Die 
Seife,  die  dem  Blute  zugesetzt  wurde,  war  cholesterinfrei,  wie 
uns  ein  Versuch  ergeben  hat.  —  Auf  Grund  der  Ergebnisse 
unserer  Versuche  kommen  wir  zu  dem  Schlüsse,  dass  Chole¬ 
sterin  und  seine  beiden  physiologisch  wichtigen  Ester  sich 
selbst  aus  einer  stark  alkalischen  Flüssigkeit  und  bei 
Gegenwart  von  viel  Seife,  praktisch  genommen, 
mit  Aether  sowohl  wie  mit  Chloroform  quantitativ  aus- 
schiitteln  lassen.  Nur  muss  das  alkalische  Blutgemisch 
wiederholt  und  jeweils  längere  Zeit  und  zwar  recht 
gründlich  mit  viel  Aether  oder  Chloroform  ausgeschüttelt 
werden  ).  Für  klinische  Zwecke  wird  es  wohl  in  den 
meisten  Fällen  gleichgültig  sein,  ob  man  beispielsweise  in 
100  ccm  einer  Blutprobe  230  mg  Cholesterin  findet  statt  der 
236  oder  238  mg,  die  vielleicht  in  der  Tat  darin  vorhanden  sind. 


7)  Wer  im  Besitze  einer  gut  funktionierenden  Schlittel- 
ma  sch  ine  ist,  der  möge  die  in  Frage  kommende  Flüssigkeit  6  mal 
je  10  Minuten  lang  mit  je  50  ccm  Aether  oder  5  mal  mit  je  20  ccm 
Chloroform  ausschiitteln. 


1246 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Unsere  Extraktions-  und  Bestimmungsmethode  des  Chole¬ 
sterins  liefert  für  Rlut  und  Blutserum  die  gleichen  oder  nahezu 
die  gleichen  Cholesterinwerte  wie  die  Methoden  nach 
Kumagava-Suto-Shimidzu8 *),  nach  Weston- 
K  e  n  t  °)  und  nach  A.  Windaus  (1.  c.). 

Herr  Dr.  med.  Seiichi  Sakai  hat  in  der  hiesigen  Poli¬ 
klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  M  o  r  a  w  i  t  z  die  Blutsera  von  einer 
grösseren  Zahl  Kaninchen  untersucht  und  hat  unter  anderem 
darin  die  Fettsäuren  (Fett)  nach  dem  Verfahren  der  drei  oben 
genannten  Japaner  bestimmt. 

Die  bei  diesen  Arbeiten  erhaltenen  un verseifbaren 
Rückstände,  die  sämtliches  Cholesterin  aus  dem  in  Arbeit 
genommenen  Serum  enthalten  mussten,  hat  uns  Herr  Dr. 
Sakai  bereitwilligst  überlassen.  In  5  Fällen  haben  wir  so¬ 
wohl  in  diesen  unverseifbaren  Rückständen,  erhalten  also  nach 
dem  Verfahren  von  Kumagava-Suto-Shimidzu,  als 
auch  in  dem  zugehörigen  ursprünglichen  Kaninchen¬ 
serum,  nach  unserer  Aethermethode  das  Cholesterin,  quanti¬ 
tativ  kolorimetrisch  bestimmt  und  hierbei  nahezu  überein¬ 
stimmende  Cholesterinwerte  erhalten.  In  je  100  ccm  Serum 
von  5  verschiedenen  Kaninchen  wurden  an  Cholesterin  ge¬ 
funden: 

I.  II.  III.  IV.  V. 

nach  Kumagava-Suto-Shimidzu :  80—82  56  -  58  61—62  32—34  30—31  mg 

„  Autenrieth-Funk:  88  60—62  68  40  35 

Nach  unserer  einfachen  Methode  wurde  immer  etwas 
m  e  h  r  Cholesterin  gefunden  als  nach  derjenigen  der  drei  Ja¬ 
paner;  die  letztere  Methode  ist  recht  umständlich  in  der 
Ausführung  und  ausserordentlich  zeitraubend. 

Es  scheint  ein  gewisser,  wenn  auch  nicht  vollständiger 
Parallelismus  zwischen  der  im  Blutserum  des  Kaninchens  vor¬ 
handenen  Fettsäure  (Fett)  menge  und  der  Menge  an 
Cholesterin  zu  bestehen.  Wenn  der  Fettsäuregehnlt  des 
Serums  gross  war,  fand  sich  fast  immer  auch  viel  Cholesterin 
darin  vor,  und  umgekehrt  war  bei  Vorhandensein  von  wenig 
Fett  im  Serum  auch  dessen  Cholesteringehalt  vermindert. 
Diese  Tatsache  ist  aus  der  folgenden  Zusammenstellung  zu 
ersehen,  in  der  die  Fettsäure-  und  Cholesterinwerte  ver¬ 
schiedener  normaler  und  lipämischer  Kaninchenseren  auf¬ 
genommen  sind: 

Normales  Kaninchenserum. 

Proz.  an  Fettsäuren:  0.182  0,184  0,214  0.242  0,245 

„  „  Cholesterin:  0,016  0,017  0,019  0,025  0^026 

Lipämisches  Kaninchen  serum 10). 

Proz.  an  Fettsäuren:  0,420  0,502  0.602  0,652  0,654  1,036  1,156 

„  „  Cholesterin:  0,056  0,050  0,069  0,065  0,058,  6,105  o’l05 

Noch  besser  kommt  der  Parallelismus  im  Fettsäure-  und 
Cholesteringehalt  des  Kaninchenserums  bei  graphischer  Dar¬ 
stellung  zum  Ausdruck.  Aus  den  unten  aufgenommenen  Kur¬ 
ven  ist  aber  auch  deutlich  zu  ersehen,  dass  im  lipämisch  ge¬ 
machten  Kaninchenserum  die  Menge  an  Cholesterin  keines¬ 
wegs  proportional  der  Fettsäuremenge  steigt,  denn  die  letztere 
kann  in  einem  solchen  Serum  auf  das  8 — 10  fache  von  der¬ 
jenigen  des  normalen  Serums  steigen,  während  der  Chole¬ 
sterinwert  hierbei  nur  verdoppelt  oder  höchstens  verdrei¬ 
facht  ist. 

Unsere  Extraktions-  und  Bestimmungsmethode  des 
Cholesterins  liefert  die  gleichen,  meist  sogar  etwas  höhere 
V  erte  wie  die  umständliche  und  höchst  zeitraubende  Me¬ 
thode  von  Weston  und  Keilt u).  Herr  Dr.  med.  Hen- 
n  e  s,  ein  Mitarbeiter  von  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Bac- 
mcister,  hat  nach  der  letzteren  Methode  eine  sehr  grosse 
Zahl  Cholesterinbestimmungen  ausgeführt;  wir  verdanken  ihm 
verschiedene  Blutproben  und  Sera,  die  von  ihm  nach  der 
Weston-Kent-Methode  untersucht  worden  waren,  und  von 
denen  wir  gleichzeitig  nach  unserer  Methode  das  Cholesterin 
bestimmt  haben.  Die  Uebereinstinmmng  in  den  nach  den 
beiden  Methoden  ermittelten  Cholesterinwerten  ist  in  fast  allen 
Fällen  eine  überraschend  gute  gewesen.  Für  beide  Be- 

8)  Kumasava-Suto:  Biochemische  Zeitschrift  VIII,  212 
(1908).  Shimidzu:  Ebenda  XVIII,  237  (1910). 

’)  Weston  und  Ke  nt:  Journal  of  medical  Research,  Juli  1912. 

10)  Anämie  und  nach  Palminfütterung. 

“)  Journ.  of  Medical  Research,  Juli  1912. 


Stimmungsmethoden 

abgemessen. 


Auf  den  Ordinaten  sind 
in  Milligrammen  die  in 
100  ccm  Blutserum  ent¬ 
haltenen  Cholesterin- 
sowie  die  zugehörigen 
Fettsäuremengen  ein¬ 
getragen;  die  letzteren 
müssen  jeweils  mit  fünf 
multipliziert  werden, 
um  die  richtigen  Werte 
für  die  Fettsäuren  von 
100  ccm  Serum  zu  er¬ 
fahren. 


a  =  Normales 
Kaninchenserum, 
b  =  Lipämisches 
Blutserum. 


In  je  100  ccm  Serum  wurden  an  Cholesterin  gefunden: 


1.  U lb r ich  .  . 

2.  Trescher  . 

3.  Pfeiffer  II  j 

4.  M  a  u  s  e  r  | 

5.  S  a  1 1 1  e  r  |  ' 

6.  Birkenmair 

7.  Frei 


nach  Weston-Kent: 

0,128  g 

0,143  g 
«.  0,085  g 
ß.  0,085  g 
«.  0,214  g 
ß.  0,216  g 
«.  0,120  g 

ß.  0,120  g 
a.  0,164  g 
ß.  0,163  g 
0,076  g 
0,084  g 
0,083  g 
0,093  g 


/ 

\ 

/  Blut 
\  Seru 
I  Blut 
)  Serum 


m : 


nach  Autenrieth-Funk: 
0,140  g 
0,140  g 
«.  0,090  g 
ß.  0,095  g 

0,210  g 

ß.  0,215  g 

«.  0,110  g 

ß.  0,110  g 

«.  0,160  g 
ß.  0,160  g 

0,085  g 
0,095  g 
0,085  g 
0,095  g 


Auch  in  der  Galle  kann  das  Cholesterin  nach  der  von 
uns  beschriebenen  Methode  ohne  jede  Schwierigkeit  be¬ 
stimmt  werden;  die  Gallenfarbstoffe  bleiben  infolge  ihres 
sauren  Charakters  in  der  Alkalilauge  gelöst  und  gehen  beim 
Ausschütteln  weder  in  den  Aether,  noch  in  das  Chloroform 
über;  wir  haben  absolut  farblose  Aether-  und  Chloroform¬ 
auszüge  erhalten.  Wegen  des  relativ  hohen  Cholesterin¬ 
gehaltes  der  Galle  verwendet  man  für  eine  Bestimmung  nach 
unserer  Methode  nur  1  ccm  Galle.  Herrn  Dr.  med.  MacNee 
verdanken  wir  die  Ueberlassung  einer  Probe  Menschengalle,  in 
der  er  selbst  sowohl  nach  Weston  und  K  e  n  t  als  auch  nach 
Windaus  das  Cholesterin  quantitativ  bestimmt  hatte;  die 
von  Dr.  MacNee  ermittelten  Cholesterinwerte  stimmen  mit 
den  von  uns  gefundenen  Werten  gut  überein.  1  Liter  der 
untersuchten  Galle  enthält 


nach  Weston-Kent:  6,08  g, 

„  Windaus:  6,8  g, 

„  Autenrieth-Funk:  Aethermethode :  6,50  g, 

Chloroformmethode:  6,56  g  Cholesterin. 

Windausmethode:  Endlich  haben  wir  von  einem  Blute, 
dessen  Cholesteringehalt  nach  der  Aether-  wie  Chloroformmetliode 
wiederholt  zu  0,190  und  0,196  Proz.  von  uns  ermittelt  wurde,  das 
Oesamtcholesterin  nach  der  Windausmethode  bestimmt.  Da  die 
Vorbereitung  des  Blutes  oder  Serums  für  die  Bestimmung  des  Cho¬ 
lesterins  nach  dieser  Methode  und  diese  selbst  nicht  allgemein  be¬ 
kannt  sein  dürfte,  möge. eine  Beschreibung  derselben  an  dieser  Stelle 
kurz  folgen:  50  ccm  Blut  oder  Serum  werden  allmählich  unter  150 
bis  200  g  wirksamen  gebrannten  Gips  gerührt,  dann  wird  das  Ge¬ 
misch  im  Luftbade  bei  100°  2 — 3  Stunden  gut  ausgetrocknet  und 
hierauf  im  „Soxhlet"  6  Tage  lang  mit  Aether  ausgezogen,  wobei 
täglich  10  bis  12  Stunden  erhitzt  wird.  Der  erhaltene  Aetherauszug 
wird  filtriert,  der  Aether  abdestilliert,  der  Rückstand,  der  hierbei 
bleibt,  in  20  ccm  absolutem  Alkohol  gelöst,  in  diese  Lösung,  zur  Ver¬ 
seifung  der  vorhandenen  Cholesterinester,  1  g  metallisches  Natrium 
eingetragen  und  alsdann  noch  %  Stunde  auf  einem  kochenden  Wasser- 


10.  Juni  191,1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1247 


bade  erwärmt.  Nun  wird  mit  ca.  30  ccm  Wasser  verdünnt,  1  bis  2  g 
Natriumbikarbonat  zugefügt  und  1  Stunde  auf  dem  Wasserbade  er¬ 
wärmt,  um  das  gebildete  Natriumcholesterylat  (C^Hv.  ONa)  voll¬ 
ständig  zu  zerlegen.  Das  Cholesterin  wird  jetzt  der  alkalisch 
reagierenden  Massigkeit  durch  g  r  ü  n  d  1  i  ch  e  s  Ausschütteln  mit 
6  Portionen  Aethei  von  je  50  ccm  vollständig  entzogen  der 
Aether  aus  den  vereinigten  Auszügen  abdestilliert,  der  bleibende 
Rückstand  in  20  ccm  heissem  Alkohol  von  90  Pro/.,  gelöst,  40  bis 
('0  ccm  1  pi  oz.  alkoholische  Digitoninlösung  heiss  zugegeben,  um 
geschüttelt  und  ^  das  Gemisch  im  Eisschrank  oder  sonst  an  einem 
kühlen  Orte  1  I  ag  lang  stehen  gelassen.  Das  ausgeschiedene  Digi- 
tonin-Cholesterid  (s.  oben)  wird  in  einem  gewogenen  Goochtiegel 
oder  auf  gewogenem  Filter  ohne  Verlust  gesammelt,  mit  wenig 
eisgekühltem  90  proz.  Alkohol  sowie  mit  Aether  ausgewaschen  und  bei 
100°  bis  zum  konstanten  Gewicht  getrocknet,  was  in  1  bis  2  Stunden 
erreicht  wird.  Durch  Multiplikation  der  erhaltenen  Gewichtsmenge 
an  Cholesterid  mit  0,2431  erfährt  man  dann  das  Gewicht  des  vor¬ 
handenen  Cholesterins.  Aus  den  abgemessenen  50  ccm  Blut  haben 
wir  0,3976^  g  Digitonin-Cholesterid  erhalten,  entsprechend  0,2431 
X  0,3976  —  0,09667  g  Cholesterin  oder  100  ccm  dieses  Blutes  haben 
0,1933  g  Cholesterin  enthalten,  während  wir  nach  der  Aethermethode 
einen  Cholesteringehalt  von  0,190  g  und  nach  der  Chloroformmethode 
einen  solchen  von  0,194  g  ermittelt  haben.  —  Die  in  Frage  kommenden 
Methoden  für  die  quantitative  Bestimmung  des  Gesamtcholesterins  im 
Blut  oder  Serum  dürften  nach  den  Ergebnissen  unserer  Versuche 
einander  gleichwertig  sein. 

Bemerkenswert  scheint  uns  eine  von  uns  gemachte  Beob¬ 
achtung  zu  sein,  dass  sich  nämlich  in  einem,  etwa  3  Monate 
alten,  stark  in  Fäulnis  übergegangenen  Blute  nach  der  Digi- 
toninmethode  keine  Spur  von  Cholesterin  mehr  nachweisen 
liess,  während  wir  nach  unserer  Aether-  sowie  Chloroform¬ 
methode  0,185  Proz.  Cholesterin  ermittelt  haben.  Es  musste 
also  durch  Fäulnis  aus  dem  Cholesterin  und  seinen  Estern  eine 
Substanz  entstanden  sein,  die  noch  die  L  i  e  b  e  r  m  a  n  n  sehe 
Farbreaktion  gibt,  die  aber  nicht  durch  Digitonin  gefällt  wird. 
Wir  werden  in  dieser  Richtung  noch  weitere  Versuche  an¬ 
stellen. 

Es  wurde  oben  gezeigt,  dass  die  beiden  physiologisch  in  Frage 
kommenden  Cholesterinester  die  Lieberman.nsche  Re¬ 
aktion  geben,  und  zwar  erhält  man  bei  ihrer  kolorimetrischen  Unter¬ 
suchung,  entsprechend  ihrem  Cholesteringehalte,  die  gleiche 
Kurve  wie  mit  freiem  Cholesterin.  Um  so  auffallender 
erscheint  uns  eine  Bemerkung  von  Israel  Lifschütz  aus  neuester 
Zeit,  die  lautet:  „Wie  wiederholt  an  anderer  Stelle13)  dargetan, 
geben  die  reinen  Fetts äureester  des  Cholesterins 
sowie  des  Oxycholesterins  weder  die  Liebermann  sehe  Chole¬ 
sterinreaktion  noch  die  Essigschwefelsäurereaktion.“  Um  diese 
Widersprüche  aufzuklären,  haben  wir  mit  den  in  Frage  kommenden 
Estern  quantitative  kolorimetrische  Versuche  angestellt.  Das 
uns  in  liebenswürdigster  Weise  von  Herrn  Prof.  A.  Windaus  über- 
assene  Cholesterylpalmitat  schmolz  nach  dem  Umkristallisieren 
ms  Azeton  scharf  bei  78°  und  das  Cholesteryloleat,  ebenfalls  ein 
Windauspräparat,  schmolz  aus  Alkohol  umkristallisiert  bei  43 — 45°. 
5eide  Ester  waren  somit  rein:  sie  haben,  wenn  überhaupt,  höchstens 
ninimale  Spuren  von  freiem  Cholesterin  enthalten. 

I.  75  mg  Cholesteryloleat  wurden  in  50  ccm  Chloroform  gelöst 
ind  5  ccm  dieser  Lösung  mit  Chloroform  auf  100  ccm  verdünnt. 

>  ccm  der  letzteren  Lösung  zeigten  dann  gleiche  Farbstärke  bei  Skalen  - 
eil  60  unseres  Kolorimeters  =  0,23  mg;  20  X  10  X  0,23  — :  46  mg 
Cholesterin  waren  somit  in  der  ursprünglichen  Lösung  vorhanden: 
lurch  Multiplikation  mit  1,55  erfährt  man  dann  den  entsprechenden 
Vert  für  das  Cholesteryloleat,  somit  46  X  1,55  =  71,2.  —  Abgewogen: 

'5  mg,  gefunden:  71,2  mg  Cholesteryloleat. 

II.  47,2  mg  Cholesterylpalmitat  wurden  in  der  gleichen  Weise 
intersucht;  gleiche  Farbstärke  bei  Skalenteil  72  =  0,15  mg  in  5  ccm 
'der  20  X  10  X  0,15  —  30  mg  Cholesterin  in  der  ursprünglichen 
-ösung;  die  Multiplikation  mit  1,61  ergibt  den  entsprechenden  Pal- 
nitatwert,  also  1,61  X  30  r-  48,3  mg  Palmitat.  —  Abgewogen  47,2  mg, 
;efunden:  48,3  mg  Cholesterylpalmitat. 

Die  Ergebnisse  dieser  beiden  Versuche  be¬ 
tätigen  somit  die  Richtigkeit  unserer  obigen  An¬ 
gaben.  Es  ist  wünschenswert,  dass  Herr  J.  Lifschütz  seine 
viederholt  aufgestellte  Behauptung,  dass  die  beiden  in  Frage  kom- 
nenden  Cholesterinester  die  Liebermann  sehe  Reaktion  nicht 
eben,  selbst  zurücknimmt,  damit  diese  unrichtige  Angabe  in  der 
■iteratur  endlich  gestrichen  wird. 

A.  Grigaut14)  hat  eine,  ebenfalls  auf  der  Liebcr- 
n  a  n  n  sehen  Reaktion  basierende  kolorimetrische  Bestim- 
nungsmethode  desCholesterins  beschrieben,  mit  der  wir  aber 


12)  Biochemische  Zeitschr.  48,  382  (1913). 

“)  Medizinische  Klinik  1907,  No.  42.  —  Monatsh.  f.  prakt.  Der- 
latol.  45,  390  und  457.  — :  Biochemische  Zeitschr.  20,  483  und  484 

1909). 

")  Comptes  rend.  des  Seances  de  la  societe  de  Biolog.  T.  LXV1II, 
91,  827  (1910)  und  T.  LXXI,  441,  513  (1911). 


bei  verschiedenen  Versuchen  stets  erheblich  zu  wenig  Chole¬ 
sterin  gefunden  haben,  z.  B.  nur  120— 130  mg,  statt  190— 194  mg 
in  100  ccm  einer  sehr  oft  von  uns  untersuchten  Blutprobe. 
Offenbar  wird  das  Blut  nach  der  Grigautmethode  mit  dem 
Lösungsmittel  nicht  genügend  ausgezogen. 


In  der  folgenden  Zusammenstellung  sind  verschiedene  von 
uns  ermittelte  Cholesterinwerte  von  Blut-  und  Serumproben 
aufgenommen,  die  wir  zum  Teil  gemeinschaftlich  mit  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  S  c  h  1  i  m  p  e  r  t  und  Frl.  cand.  med. 
Huffmann  ausgeführt  haben.  Die  Cholesterinwerte  sind  in 
Milligrammen  für  100  ccm  Blut  oder  Serum  angegeben. 


1.  Normales  Menschenblut 

2.  Normales  Menschenblut 

3.  Normales  Menschenblut 

4.  Gravid  im  10.  Monat,  Blut 

5.  Gravid  im  9.  Monat,  Blut 

6.  Gravid  im  9.  Monat,  Blut 

7.  Gravid  im  7.  Monat,  Blut 

8.  Gravid  im  9.  Monat,  Blut 

9.  Tuberkulös,  anämisch,  Blut  J 

10.  Gravid  im  8.  Monat,  Blut  J 

11.  Eklampsieblut 

12.  Serum  des  Eklampsie¬ 
blutes  11 

13.  Anämie,  30  Hämoglobin-  j 
einheiten  von  15  mg  Fe 

in  100  ccm  Blut 

14.  Anämie,  26  Hämogl.-Einh. 

15.  Syphilis15),  Blut 


a.  Aethermethode  150  =  0,15 
ß.  Chloroformmethode  154  =0,154 
a.  Aethermethode  140  =0,14 
ß.  Chloroformmethode  143  =0,143 
a.  Aethermethode  144  =  0,144 
ß.  Chloroformmethode  144  =0,144 
Chloroformmethode  280  =  0,28 
Chloroformmethode  285  =  0,285 
Chloroformmethode  240  =  0,24 
Chloroformmethode  210  =  0,21 
Chloroformmethode  220  =  0,22 
«.  Aethermethode  170  =0,17 
ß.  Chloroformmethode  176  =0,176 
«.  Aethermethode  300  =  0,30 
ß.  Chloroformmethode  304  =  0,304 
a.  Aethermethode  236  =  0,236 
ß.  Chloroformmethode  240  =  0,24 
«r.  Aethermethode  310  =  0,31 
ß.  Chloroformmethode  316  =0,316 

Chloroformmethode  168  =0,168 

Chloroformmethode  140  =0,14 
Chloroformmethode  140  =  0,14 


W  ir  haben  in  der  letzten  Zeit  die  Gelegenheit  gehabt,  bei  einem 
raue  von  Xanthoma  tuberosum  den  operierten  Tumor  auf 
seinen  Cholesteringehalt  zu  untersuchen.  Auch  das  Blutserum  der 
betreffenden  Person  und  zwar  solches  das  vor  und  nach  der  Ope¬ 
ration  aufgesammelt  wurde,  lag  zur  Untersuchung  vor.  Der  Tumor 
wog  im  frischen  Zustande  32  g;  nach  dem  Trocknen  bei  100°  bis  zum 
konstanten  Gewicht  wurden  aus  ihm  12,3  g  gelbliches  Fett  und  3.5  g 
trockene,  bräunlich  gefärbte,  zu  einem  Pulver  leicht  zerreibliche 
Substanz  gewonnen.  Von  beiden  wurde  getrennt  der  Cholesterin¬ 
gehalt  bestimmt. 


1.  Serum.  Dieses  war  so  Cholesterin  re  ich,  dass  bei  Verwen¬ 
dung  von  2  ccm  desselben  schliesslich  mit  Chloroform  auf  200  ccm 
verdünnt  werden  musste,  um  in  ein  günstiges  Ablesungsbereich 
unseres  Vergleichskeils  zu  kommen.  Der  Chloroformauszug  (Chloro¬ 
formmethode)  war  stark  rötlich  gefärbt,  wie  wir  es  sonst  nie  be¬ 
obachtet  haben,  wurde  aber  bei  längerem  Schütteln  mit  viel  Natrium¬ 
sulfat  entfärbt.  100  ccm  Serum  vor  der  Operation  enthielten  580  mg 

0,58  Proz.  Cholesterin,  100  ccm  nach  der  Operation  enthielten 
544  mg  =  0,54  Proz.  Cholesterin. 

2.  Fett,  aus  dem  Tumor  erhalten.  Nur  die  Aethermethode 
führte  zum  Ziele.  Bestimmt:  1,88  Proz.  Cholesterin. 

3.  Tumor,  vorher  bei  100°  bis  zum  konstanten  Gewicht  aus¬ 
getrocknet.  Bestimmt:  2,20  Proz.  Cholesterin. 

Nach  den  Ergebnissen  unserer  Untersuchungen  enthält  das 
normale  Menschenblut  in  100  ccm  140—160  mg 
=  0,14  bis  0,16  Proz.  Gesamtcholesterin,  also  freies  plus,  in 
Form  von  Oelsäure-  und  Palmitinsäureestern  vorhandenes 
Cholesterin.  Bei  Schwangerschaft  scheint  der  Chole¬ 
steringehalt  des  Blutes  fast  immer  stark  vermehrt  zu  sein, 
wie  auch  von  anderer  Seite  bereits  gefunden  wurde.  In  dem 
einen  Falle  von  Eklampsie  war  der  Cholesteringehalt  so¬ 
wohl  im  Gesamtblut  (0,24  Proz.),  wie  besonders  im  Serum 
(0,32  Proz.)  stark  vermehrt.  M.  Bürger  und  Beumer16) 
haben  in  einem  Eklampsieblute  fast  den  gleichen  Cholesterin¬ 
gehalt,  nämlich  einen  solchen  von  0,25  Proz.  gefunden.  Sehr 
stark  vermehrt  fanden  wir  die  Cholesterinmenge  im  Serum 
bei  einem  Falle  von  Xanthoma  tuberosum,  nämlich 
einen  Cholesteringehalt  von  0,58  Proz.  vor  der  Operation  und 
einen  solchen  von  0,54  Proz.  nach  der  Operation.  Auch  der 
Tumor  selbst  und  das  daraus  gewonnene  Fett  wurden  sehr 
Cholesterin  reich  befunden;  auf  die  Trockensubstanz 
bezogen  fand  sich  im  ersteren  2,20  Proz.  und  in  Fett  1,88  Proz. 
Gesamtcholesterin  vor. 


15)  Diese  Blutprobe  verdanken  wir  Herrn  Dr.  med.  Taege. 
1B)  Berl.  klin.  Wochenschr.  3,  112  (1913). 


1248 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Wir  haben  nach  unserer  Methode  auch  von  einem 
Organ,  nämlich  von  der  Leber,  das  Gesamtcholesterin 
quantitativ  bestimmt.  Zum  Vergleiche  wurde  der  Cholesterin¬ 
gehalt  der  gleichen  Leberprobe  nach  der  Methode  von 
Harry  J.  Cor  per17)  ermittelt.  Hierbei  hat  sich  ergeben, 
dass  unsere  einfache,  leicht  auszuführende  Methode,  mit  Hilfe 
derer  eine  Cholesterinbestimmung  von  irgend  einem  Organ 
in  ca.  3  Stunden  bequem  ausgeführt  werden  kann,  der  um¬ 
ständlichen  und  äusserst  zeitraubenden  C  o  r  p  e  r  sehen  Me¬ 
thode  durchaus  gleichwertig,  wenn  nicht  überlegen  ist;  die 
letztere  erfordert  zudem  ziemlich  viel  Ausgangsmaterial 
(10 — 15  g)  trockenes  Leberpulver),  falls  das  zu  untersuchende 
Organ  nicht  ausnehmend  viel  Cholesterin  enthält.  Auch  bei 
dieser  Untersuchung  haben  wir  nach  der  Aether-  wie  nach 
der  Chloroformmethode  die  gleichen  Cholesterinwerte  er¬ 
halten.  Jeweils  2  g  Leberpulver  wurden  mit  je  20  ccm  Kali¬ 
lauge  (mit  25  Proz.  KOH)  2  Stunden  im  Wasserbade  erhitzt; 
die  aus  diesen  alkalischen  Reaktionsgemischen  erhaltenen 
Aether-  und  Chloroformauszüge  waren  vollkommen  klar  und 
farblos;  die  kolorimetrische  Untersuchung  derselben  bereitete 
keinerlei  Schwierigkeit,  indem  leicht  auf  gleiche  Farbstärke 
eingestellt  werden  konnte.  Die  zerkleinerte  Leber  wurde  zu¬ 
nächst  bei  100°  bis  zum  konstanten  Gewicht  ausgetrocknet, 
dann  zu  einem  feinen  Pulver  zerrieben.  Untersuchungen: 

I.  Nach  Corper:  15  g  Leberpulver  lieferten  0,0297  g 
=  0,198  Proz.  Cholesterin.  Bei  einer  Kontrollbestimmung  wurden  aus 
15g  Leberpulver  0,0302  g  =  0,202  Proz.  Cholesterin  erhalten. 

II.  Nach  Autenrieth-Funk: 

a)  Acthermethode.  Das  alkalische  Reaktionsgemisch 
wurde  6  mal  mit  je  50  ccm  Aether  gründlich  ausgeschüttelt;  das  auf 
diese  Weise  aus  2  g  Leberpulver  erhaltene  Cholesterin  wurde  in 
Chloroform  auf  100  ccm  gelöst;  5  ccm  dieser  Lösung  lieferten  bei  ihrer 
kolorimetrischen  Untersuchung  gleiche  Farbstärke  bei  Skalenteil  63 
=  0,208  mg  =  0,208  Proz.  Cholesterin. 

ß )  Chloroformmethode.  Das  Cholesterin  aus  2  g 
Leberpulver  war  auf  100  ccm  Chloroform  gelöst;  gleiche  Farbstärke 
(s.  oc)  bei  Skalenteil  62  =  0,214  mg  =  0,214  Proz.  Cholesterin. 


Ueber  Mittelohrfisteln  und  Perforationen  an  der  Schädel¬ 
basis,  Zysten  und  abnorme  Knochenbildungen  daselbst. 

Von  Prof.  Riedel  in  Jena. 

Auf  dem  Chirurgenkongress  1897  habe  ich  das  Präparat 
einer  Kiemengangsfistel,  die  ins  Mittelohr  führte,  demonstriert. 
Das  Präparat  stammte  von  einem  5  jährigen  Mädchen,  das 
mit  einer  kleinen  Hauteinstülpung  am  rechten  Kieferwinkel 
geboren  wurde.  Eltern  gesund,  doch  leidet  der  Vater  an  an¬ 
geborener  Schwerhörigkeit  rechterseits;  er  war  nie  krank  an 
dem  Ohre;  das  Trommelfell  ist  normal.  Das  Kind  entwickelte 
sich  im  Gegensätze  zu  drei  älteren  Geschwistern  auffallend 
kümmerlich;  es  litt  öfters  an  Erbrechen  mit  leichtem  Fieber. 
Ostern  1895  kam  es  zu  sehr  schweren  Erscheinungen:  40° 
Temperatur,  exzessives  Erbrechen.  Puls  aber  nicht  verlang¬ 
samt,  sondern  klein  und  frequent,  und  jetzt  klagte  das  Kind 
zum  ersten  Male  über  das  rechte  Ohr.  Ein  zugezogener 
Ohrenarzt  konstatierte  Rötung  des  Trommelfelles,  sprach  sich 
aber  dahin  aus,  dass  eine  gewöhnliche  Mittelohrentzündung 
nicht  vorliege.  Der  Sturm  ging  auch  bald  wieder  vorüber. 

Im  Januar  1896  trat  ganz  schmerzlos  eine  geringfügige 
Schwellung  am  Kieferwinkel  auf;  sie  perforierte  alsbald  und 
nun  erinnerte  man  sich  der  angeborenen  Hauteinstülpung  an 
jener  Stelle;  sie  war  ganz  in  Vergessenheit  geraten.  Am 
27.  I.  96  wurde  das  Kind  operiert.  Die  Fistel  war  umgeben 
von  einem  bis  zu  1  lA  cm  dicken  Schlauche;  derselbe  ver¬ 
jüngte  sich  nach  oben  bis  auf  einen  2 — 3  mm  dicken  Strang, 
ging  an  der  vorderen  Fläche  des  Proc.  styloideus  nach  oben. 
Er  wurde  noch  7  mm  weit  verfolgt  und  dann  quer  durch¬ 
schnitten.  Eine  feine  Sonde  wurde  jetzt  in  das  ca.  1  mm  weite 
Lumen  des  Testierenden  Kanales  eingeführt;  sie  lief  noch 
1 — 2  cm  in  die  Höhe,  befand  sich  unzweifelhaft  im  Mittelohre. 
Das  Kind  behielt  also  den  obersten  Abschnitt  des  mit  dem 
Mittelohrc  in  Verbindung  stehenden  Kanales  in  der  Tiefe  zu¬ 
rück;  die  Exstirpation  desselben  war  bei  dem  kümmerlichen 
Allgcmeinzustande  der  Patientin  ganz  unmöglich. 


17)  The  Journal  of  Biological  Chemistry,  Bd.  XI,  27,  37  und 
Bd.  XII,  197  (1912). 


Die  Wunde  heilte  rasch  und  das  Kind  entwickelte  sich 
von  da  an  sehr  gut;  es  hat  nie  wieder  Erbrechen  und  Fieber 
bekommen;  die  Hörfähigkeit  war  und  blieb  eine  ganz  normale. 

Die  Untersuchung  des  Präparates  ergab,  dass  zwei  voll¬ 
ständig  von  einander  getrennte  Hohlräume  in  dem  6—7  cm 
langen  Schlauche  existierten.  Der  obere,  ins  Mittelohr 
führende  Kanal  ist  auffallenderweise  mit  vollständig  ausge¬ 
bildeter  Haut  ausgekleidet,  während  der  untere,  perforierte 
Abschnitt  mehrschichtiges  Epithel  trägt.  Durch  die  Teilung  des 
Kanales  in  zwei  vollständig  von  einander  getrennte  Abschnitte 
erklärt  sich  der  klinische  Verlauf  des  Falles:  Jahrelang 
spielten  leichte  entzündliche  Prozesse  im  oberen  Teile  des 
Kanales,  nur  einmal  (Ostern  1895)  wurde  eine  heftigere 
Attacke  beobachtet,  aber  auch  sie  führte  nicht  zu  Otitis  media; 
es  kam  nur  zu  leichter  Rötung  des  Trommelfelles,  dann  ging 
die  Entzündung  wieder  zurück;  der  untere  Teil  des  Kanales 
nahm,  weil  getrennt  vom  oberen,  nicht  Teil  an  derselben;  er 
rührte  sich  erst  Januar  1896,  worauf  die  Perforation  der  Fistel 
durch  die  äussere  Haut  erfolgte. 

Weil  der  oberste  Teil  des  Kanales  in  der  Tiefe  zurück¬ 
geblieben  war,  verfolgte  ich  mit  einiger  Sorge  das  weitere 
Schicksal  des  Kindes;  es  entwickelte  sich  zu  einem  kräftigen 
Mädchen;  das  Ohr  blieb  durchaus  gesund,  bis  sich  Ende 
Juli  1912  ohne  jede  nachweisbare  Ursache  unter  ziemlich  leb¬ 
haften  Beschwerden,  aber  ohne  Fieber  anscheinend  ein 
Furunkel  am  unteren  Rande  des  Trommelfelles  im  rechten 
äusseren  Gehörgange  entwickelte.  Der  Ohrenarzt  sprach 
von  gleichzeitiger  Reizung  des  Mittelohres.  Bald  perforierte 
das  Trommelfell  im  unteren  Quadranten;  gleichzeitig  entleerte 
sich  seröser  Eiter  aus  dem  sogen.  Furunkel;  dieser  Eiter  schien 
aber  unter  dem  Trommelfelle  durch  gleichfalls  aus  dem  Mittel¬ 
ohre  zu  kommen.  Mitte  August  stieg  die  Abendtemperatur 
auf  37,5,  doch  verlor  sich  das  Fieber  alsbald  bei  Bettruhe; 
die  Schmerzen  Hessen  nach.  Im  Läufe  des  September  ent¬ 
leerten  sich  (auswärts)  grössere  Pfropfe,  anscheinend  von 
Epithel,  aus  dem  Furunkel.  Anfangs  Oktober  war  Patientin 
gesund  bei  vollständig  erhaltener  Hörfähigkeit  und  geheiltem 
Trommelfelle;  sie  ist  gesund  geblieben.  Niemals  war  der 
Warzenfortsatz  irgendwie  geschwollen,  selten  empfindlich  auf 
Druck. 

Ganz  klar  gestellt  ist  der  Fall  nicht;  möglich,  dass  der 
dicht  am  Trommelfelle  sitzende  Furunkel  die  Otitis  media  an¬ 
geregt  hat,  dass  von  ihm  aus  Mikroorganismen  unter  dem 
Trommelfelle  durch  ins  Mittelohr  gekrochen  sind.  Habe  ich 
es  doch  selbst  erlebt,  dass  nach  der  Aufmeisselung  einer 
Exostose  des  äusseren  Gehörganges  (auswärts)  eine  schwere 
Otitis  media  einsetzte,  die  zur  Nekrose  des  Tegmen  tympani 
und  Gehirnabszess  mit  nachfolgendem  Exitus  führte. 

Denkbar  ist  aber  auch,  dass  das  Testierende  Kanalstück 
eine  Rolle  spielte,  dass  sich  in  dieser  Ausstülpung  des  Mittel- 
ohrcs  immer  einige  Mikrokokken  aufhalten,  für  gewöhnlich 
unschädlich,  Jahr  und  Tag  ruhig  sich  verhaltend,  dann  aber 
gelegentlich  mehr  oder  weniger  rasch  einen  entzündlichen 
Prozess  anregend  in  Analogie  mit  den  Kokken,  die  in  Krypten 
von  Tonsillen  sitzen;  sie  brauchen  sich  nicht  zu  rühren, 
können  sich  aber  rühren;  ich  bleibe  also  weiter  in  Sorge  um 
das  Schickal  der  Patientin.  , 

Es  fragt  sich  nun,  ob  wir  ein  Unikum  vor  uns  haben,  dem 
jede  klinische  Bedeutung  fehlt,  oder  ob  noch  analoge  Beob¬ 
achtungen  existieren.  Die  Antwort  lautet,  dass  wenigstens 
ein  und  zwar  ein  ganz  sicherer  Fall  von  Mittelohrfistel  existiert. 
Er  ist  von  de  R u y t er  operiert,  wurde  von  ihm  privatim 
auf  dem  Chirurgenkongress  1897  erwähnt.  Kürzlich  teilte  er 
mir  auf  Anfrage  mit,  dass  er  seine  Kranke  in  Gegenwart  eines 
Ohrenarztes  operiert  habe  und  dass  gar  kein  Zweifel  darüber 
bestände,  dass  die  Fistel  ins  Mittelohr  eingemündet  habe;  sie 
seien  direkt  in  demselben  gewesen:  „Ich  kann  nur  nochmals 
betonen,  dass  das  Mittelohr  nach  unten  offen,  dass  mit  dem 
Fistelgange  ein  ganz  gesundes  überhäutetes  Knochenstück  ab¬ 
getragen  und  als  ein  Teil  des  Os  tympani  angesprochen 
wurde.  Das  Knochenstück  war  in  die  Fistelwand  eingelagert 
und  fest  umwachsen.“*)  Leider  ist  Patientin  nicht  wieder  auf- 

*)  Der  genaue  Bericht  lautet: 

Amanda  S.,  16  Jahre  alt,  aufgenommen  13.  VIII.  94. 

Fistel  vor  dem  Sternokleido,  etwa  an  der  Grenze  des  oberen 
Drittteiles.  Bei  der  Operation  wurde  ein  etwa  kleinfingerlanger 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1249 


/ ii treiben,  so  dass  man  im  unklaren  darüber  bleibt  ob  sie  sich 
lauernder  Gesundheit  erfreut  oder  gleichfalls  Störungen  er- 
ebt  hat.  Dieser  I  all  ist  also  völlig  einwandfrei,  während  man 
:i  in  meinem  Zweifel  hegen  kann,  weil  ich  nur  die  Sonde  im 
Wittelohre  gehabt,  letzteres  nicht  von  unten  eröffnet,  also  nicht 
lineingesehen  habe.  Nim,  ich  halte  Irrtum  meinerseits  für 
iusc<- schlossen,  die  Sonde  lief  glatt  nach  oben;  sic  konnte  nur 
ui  Mittelohr  sein.  Die  schweren  Störungen  vor  der  Operation, 
lie  Rötung  des  Trommelfelles  bei  der  letzten  Attacke,  der 
instand,  dass  Eieber  und  Erbrechen  aufhörten  nach  Ent- 
ernung  des  Schlauches  resp.  der  Fistel,  alles  das  spricht 
jeichzeitig  dafür,  dass  die  Fistel  in  Kommunikation  mit  dem 
dittelohre  stand. 

Es  scheint  nun,  als  ob  in  die  untere  Mittelohrwand  nicht 
’loss  Fisteln  einmünden,  sondern  als  ob  dort  vielleicht  noch 
udere  angeborene  Anomalien  spielen,  die  bestimmte  Durch- 
' r  ü  c  h  e  von  Mittelohreiterungen  erklären.  Denkt 
uan  sich  den  Knochen  dort  an  zirkumskripter  Stelle  sehr  ver- 
liinnt  oder  ganz  fehlend,  oder  vielleicht  sogar  eine  Aus- 
tülpung  des  Miteiohres  nach  unten,  wie  sie  die  von  mir  ope- 
ierte  Kranke  zurzeit  re  vera  hat,  so  wäre  der  Weg  des  Eiters 
n  die  Schädelbasis  gewiesen.  Ich  glaube  fünf  solche  Fälle 
»periert  zu  haben,  drei  sichere  (1 — 3)  und  zwei  etwas  un- 
ichere  (4  und  5): 

No.  1.  Frau  Hermine  B„  23  Jahre  alt,  aufg.  25.  VI.  96. 

\  or  3  Monaten  Knacken  im  Ohr,  alsbald  Schmerzen  in  (lern¬ 
ten,  dieselben  zogen  sich  später  nach  dem  Nacken.  Gehör  zu- 
ehmend  schlechter,  seit  Wochen  ganz  taub.  Etwas  Ausfluss  aus  dem 
usseren  Gehörgange. 

St.:  Nacken  und  das  Terrain  unter  dem  Ohre  bis  zum  Kehlkopfe 
m  diffus  geschwollen,  hart  infiltriert,  nur  oben  fluktuierend, 
bends  39,0,  am  nächsten  Morgen  desgleichen. 

Inzision  hinten  führt  auf  Eiter,  der  noch  ziemlich  oberflächlich 
Jgt.  Aus  der  Tiefe  hinter  dem  Stkl.  quillt  Eiter;  beim  Verfolgen  des- 
;lben  blutet  es  plötzlich  stark  aus  dem  grossen  Emissarium,  Sinus 
ansversus  ist  also  nicht  thrombosiert.  Nach  Durchschneidung  des 
tkl.  führt  der  Weg  nach  oben,  der  Finger  kommt  in  einen  Raum,  der 
orne  vom  Unterkiefergelenk  hinten  vom  Proc.  mast,  begrenzt  ist; 
a  der  Decke  dieses  Raumes  ist  eine  kleine  Lücke  fühlbar,  durch 
eiche  eine  dünne  Sonde  ins  Mittelohr  dringt.  Warzenfortsatz  ist 
takt,  Periost  haftet  überall,  wenn  es  auch  etwas  aufgelockert  ist. 

Das  Fieber  fiel  nach  diesem  Eingriffe  sofort  ab.  Pat.  spürte  schon 
n  nächsten  Tage  Rauschen  im  Ohre;  dann  besserte  sich  die  Hör- 
higkeit  rasch;  sie  war  schon  am  13.  Juli  ganz  normal.  Das  Trom- 
elfell  war  nicht  perforiert.  Pat.  entlassen,  laut  Brief  im  Oktober 
iheilt.  Neuerdings  angestellte  Recherchen  blieben  erfolglos. 

No.  II.  Frau  Sch.,  37  Jahre  alt,  aufg.  24.  VII.  96. 

Im  Februar  1896  Influenza,  danach  Schmerzen  in  beiden  Ohren, 
ild  vorüber.  Pfingsten  Schmerzen  im  rechten  Ohre  und  in  der  rech- 
n  Kopfseite.  Abszess  hinter  dem  Ohre  wird  gespalten.  Von  nun 
i  zunehmende  Schwellung  des  Halses  und  des  Hinterkopfes,  Ent¬ 
erung  von  Eiter  aus  dem  Halse,  hinter  Tonsille  herausfliessend. 
irzeit  brettharte  Schwellung  vom  Nacken  bis  zur  Klavikula;  ober- 
ilb  derselben  ein  grosser  Abszess,  der  sofort  gespalten  wird.  Fistel 
iterhalb  des  Proc.  mastoid.,  letzterer  etwas  schmerzhaft  auf  Druck, 
rommelfell  leicht  weisslich  getrübt,  eingezogen.  Hammerfortsatz 
jiziert.  Uhr  wird  bis  zu  15  cm  Entfernung  gehört;  subjektive  Ge- 
usche.  Rechter  Gaumenbogen  geschwollen. 

30.  VII.  Spaltung  der  unterminierten  Nackenhaut,  von  dort  aus 
urchschneidung  des  Stkl.;  man  kommt  an  die  Schädelbasis  und 
e  Innenseite  des  aufsteigenden  Kieferastes.  Von  dort  geht  die 
mde  weiter  nach  innen,  ist  durch  die  Schleimhaut  der  hinteren 
ichenwand  fühlbar.  Perforationsstelle  hinter  der  Tonsille  wird  nicht 
ifunden,  ebensowenig  Perforation  ins  Mittelohr  von  der  Schädel- 
isis  aus.  Drainage  der  hinten  bis  zum  M.  scal.  ant.  sich  erstrecken- 
■n  grossen  Abszesshöhle. 

Verlauf  nicht  ungestört,  es  kam  wiederholt  zur  Retention  von  Se- 


stelgang  herauspräpariert,  dann  etwa  1  cm  unter  der  Spitze  des 
oc.  styl,  abgetragen.  Die  Fistel  heilte  äusserlich  nach  mehr- 
chem  Auskratzen  zu.  Eine  nebenbei  bestehende  eitrige  Mittelohr- 
itzündung  wurde  mit  Spülungen  behandelt,  aber  nicht  mit  der  Fistel 
Zusammenhang  gebracht. 

Pat.  kehrte  4  Monate  nach  der  Entlassung  zurück,  weil  die  Fistel 
ieder  aufgebrochen  war;  es  bestand* alternierende  Eiterung  aus  Ohr 
id  Fistel.  Nun  operierten  wir  (de  Ruyter  und  Jansen) 
meinschaftlich.  Die  Fistel  wurde  über  die  Spitze  des  Proc.  styl, 
naus  verfolgt;  sie  mündete  in  den  vorderen  Abschnitt  der  Pauken¬ 
ihle  unmittelbar  hinter  dem  Trommelfell.  „Um  sie  freizulegen, 
usste  die  vordere  Hälfte  der  unteren  Gehörgangswand  mit  fort¬ 
nommen  werden.  Aus  diesem  Umstande  ergab  sich  auch  die  Not- 
endigkeit,  den  Fazialis  freizulegen,  der  darauf  mit  einer  mehr- 
öchentlichen  Lähmung  reagierte“.  In  das  obere  Fistelwandstück 
ar  ein  Stück  Knochen  organisch  eingewachsen.  Prof.  Langer- 
ms  bestätigte  durch  mikroskopische  Untersuchung  die  Diagnose 
f  kongenitale  Halsfistel. 

No.  23. 


kret;  am  1.  IX.  musste  die  fünfmarkstückgrosse  Abszesshöhle  noch¬ 
mals  freigelegt  werden;  6  Wochen  später  eröffnete  ich  mit  Rücksicht 
auf  die  fortgesetzten  Klagen  der  Patientin  den  Warzenfortsatz,  fand 
aber  keinen  Eiter  in  demselben.  Allmählich  heilten  die  Wunden  aus; 
Pat.  wurde  30.  II.  geheilt  entlassen,  ist  seitdem  gesund  geblieben. 

Laut  Bericht  des  Herrn  Kreisphysikus  Dr.  Roth-  Zeulenroda 
vom  Februar  1913  ist  das  Gehör  der  Pat.  jetzt  völlig  normal.  Flü¬ 
sterstimme  wird  auf  Zimmerlänge  gehört.  Zeitweise  besteht  Brau¬ 
sen  am  Ohre,  angeblich  bei  trüber  Witterung. 

N°.  III.  Wilhelm  V.,  16  Jahre,  aufgenommen  27.  III.  87. 

Der  kräftige  Knabe  bekam  vor  4  Wochen  Schmerzen  hinter  dem 
rechten  Ohre,  nachdem  in  früheren  Jahren  Otorrhöe  bestanden  hatte. 
Vor  kurzem  erfolgte  Aufbruch  hinter  dem  Ohre. 

Zurzeit  sind  Nacken-  und  rechte  Halsseite  ganz  extrem  ge¬ 
schwollen;  Pat.  hält  seinen  Kopf  völlig  steif,  schreit  bei  der  ge¬ 
ringsten  Berührung  und  beim  Versuche,  den  Kopf  zu  drehen;  er  sieht 
verfallen  aus,  fiebert  hoch  (39,5  Morgentemperatur). 

Deshalb  sofortige  Spaltung  der  Fistel;  sie  führt  auf  den  Warzen¬ 
fortsatz  zu,  doch  erweist  sich  letzterer  an  der  Oberfläche  als  völlig 
gesund;  Aufmeisselung  desselben  ergibt  negatives  Resultat.  Jetzt 
findet  sich  eine  nach  der  Schädelbasis  hin  führende  Fistel;  sie  wird 
dilatiert  und  nun  gerät  man  in  einen  gewaltigen  unter  der  Schädel¬ 
basis  gelegenen  Hohlraum;  Schädel  dort  von  Periost  entblösst,  ringsum 
periostale  Wucherungen.  Der  untersuchende  Finger  kommt  bis  zum 
For.  jug.  resp.  bis  zum  Proc.  styloideus;  keine  Lücke  im  Knochen  fühl¬ 
bar.  Drainage  der  Höhle. 

Sofortiger  Fieberabfall;  15.  IV.  Drains  bereits  entfernt.  21.  V. 
geheilt  entlassen. 

No.  IV.  Joh.  G.  Sch.,  Landwirt,  70  Jahre  alt,  aufgenommen 
7.  IV.  89. 

Pat.  leidet  seit  3  Monaten  an  Kopfschmerzen  und  Ohrenfluss; 
vor  ‘4  Wochen  trat  eine  Geschwulst  hinter  dem  Ohre  auf,  allmählich 
verging  sie  wieder,  um  dann  ihre  alte  Grösse  abermals  zu  erreichen. 

St.  pr. :  Schwellung  nach  unten  und  hinten  vom  Proc.  mast., 
dem  Gebiete^  des  oberen  Drittels  des  Muse,  sternocl.  mast,  ent¬ 
sprechend.  Schwellung  fluktuiert  nicht,  ist  aber  auf  Druck  sehr 
empfindlich.  Kopfschmerzen  gehen  stets  von  dieser  Stelle  aus. 
Eitriger  Ohrenfluss,  Gehör  erloschen. 

Inzision  II  dem  M.  sternocleido,  mit  Seitenschnitt  auf  den 
Proc.  mast.  Es  findet  sich  in  der  Tiefe  der  Muskulatur  ein  Abszess; 
das  Gewebe  ist  entzündlich  infiltriert;  Periost  vom  Schädel  leicht 
abzulösen,  vom  Proc.  mast,  ebenfalls;  Knochen  überall  normal;  nur 
an  der  Schädelbasis  glaubt  man  mit  der  Sonde  auf  eine  kleine 
rauhe  Knochenpartie  zu  stossen. 

14.  4.  Entlassung.  Kopfschmerzen  geringer. 

Laut  Angabe  des  Herrn  Dr.  M  a  n  n  e  1  -  Geisa,  der  den  Kranken 
später  behandelte,  heilte  der  Abszess  binnen  4  Wochen  aus;  auch 
die  Eiterung  aus  dem  Ohre  versiegte  bald,  doch  blieb  Pat.  schwer¬ 
hörig.  Er  starb  im  Mai  95  an  Tabes  im  Alter  von  76  Jahren. 

No.  V.  Ernestine  L.,  46  Jahre  alt,  aufgenommen  3.  I.  94. 

Pat.  bekam  im  Juni  93  linkerseits  Ohrenschmerzen,  im  An¬ 
schlüsse  daran  einen  Knoten  hinter  dem  linken  Ohre,  der  einige 
Wochen  später  auswärts  von  einem  Arzte  inzidiert  wurde;  die 
Inzision  entleerte  Eiter. 

Im  Oktober  bildete  sich  tiefer  unten  ein  Knoten,  der  vor  einiger 
Zeit  perforierte.  Niemals  ist  Eiter  aus  dem  Ohre  abgeflossen. 

St.  pr. :  Am  äusseren  Rande  des  Sternokleido,  2  Finger  breit 
unterhalb  der  Spitze  des  Proc.  mast,  ein  markstückgrosser  Abszess, 
an  zwei  Stellen  perforiert;  die  Weichteile  in  der  Umgebung  hart 
infiltriert.  Pat.  hält  den  Kopf  nach  links  geneigt,  völlig  steif;  beim 
Versuche,  den  Kopf  nach  der  anderen  Seite  zu  drängen,  empfindet  sie 
Schmerzen  oben  in  der  linken  Nackenmuskulatur.  Im  linken  Ohre 
und  in  der  Halswirbelsäule  nichts  Abnormes  nachweisbar. 

5.  I.  Narkose.  Der  Abszess  liegt  zum  Teil  auf,  zum  Teil  vor 
dem  Sternokleido;  von  ihm  führt  eine  Fistel  in  die  Tiefe  bis  an  die 
Schädelbasis,  um  dort  anscheinend  blind  zu  endigen.  Auskratzung 
und  Drainage  des  Fistelganges. 

Am  6.  stieg  die  Temperatur  abends  auf  38,0,  später  war  sie 
normal.  Mit  granulierender  Wunde  entlassen  20.  1. 

Die  ersten  3  Patienten  boten  wohl  ein  Krankheitsbild,  wie 
es  vom  B  e  z  o  1  d  sehen  Durchbruche  des  untersten  Teiles  vom 
Warzenforsatze  gezeichnet  wird.  Aber  im  Falle  I  war  letz¬ 
terer  völlig  frei  von  periostaler  Schwellung  und,  was  die 
Hauptsache  ist,  die  Sonde  lief  von  einem  zwischen  Kiefer¬ 
gelenk  und  gesundem  Proc.  mast,  gelegenen  Raum  aus  durch 
eine  Lücke  nach  oben  ins  Mittelohr.  In  den  Fällen  II  u.  III  gelang 
das  Einführen  einer  Sonde  nicht;  bei  ihnen  wurde  aber  durch 
Aufmeisseln  des  Proc.  mastoid.  der  Nachweis  geführt,  dass  der¬ 
selbe  frei  von  Eiter  war.  Thrombophlebitis  des  Sinus  trans- 
versus,  die  ja  zur  Abszessbildung  an  der  Schädelbasis  führen 
kann,  fehlte  in  beiden  Fällen,  Tuberkulose  mit  eventuell  den 
gleichen  Folgen  selbst  mit  Sequestrierung  der  unteren  Mittel¬ 
ohrwand  desgl.,  also  bleibt  nur  Perforation  an  der  genannten 
Stelle  übrig  und  Bildung  der  Abszesse  an  der  Schädelbasis  mit 
dem  harten  Infiltrat  vom  Nacken  bis  fast  zur  Mittellinie  des 
Halses  vorne  bei  schweren  Allgemeinleiden.  In  den  Fällen  IV 

2 


1250 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


lind  V  wurden  die  Warzenfortsätze  nicht  eröffnet;  es  fehlt 
also  der  sichere  Beweis,  dass  sie  gesund  waren;  bei  der 
raschen  Ausheilung  der  Abszesse  zweifle  ich  nicht  daran, 
glaube  deshalb  an  Perforation  des  Mittelohres  in  die  Schädel¬ 
basis.  Alle  Pat.  wurden  geheilt.  Es  fehlt  also  bis  jetzt  ein 
genauer  Sektionsbefund  über  derartige  Fälle;  bei  der 
Seltenheit  derselben  und  der  günstigen  Prognose  wird  man 
auch  schwerlich  auf  Sektionen  rechnen  können,  wohl  aber 
dürfte  bei  weiteren  Operationen  von  tiefen  Halsphlegmonen 
bei  Otitis  media  gelegentlich  wieder  den  geschilderten  analoge 
Durchbrüche  beobachtet  werden,  und  zwar  von  Fachleuten, 
weil  jetzt  auch  so  schwere  Fälle  wahrscheinlich  den  Ohren¬ 
kliniken  zugehen  werden.  Möglich,  dass  volle  Klarheit  ge¬ 
schaffen  wird,  wenn  erfahrene  Ohrenärzte  Kranke  mit  Per¬ 
foration  in  die  Schädelbasis  operieren. 

Branchiogenen  Fisteln,  die  in  den  Pharynx  führen,  ent¬ 
sprechen  am  Kieferwinkel  gelegene  Zysten,  doch  sind  Fisteln 
viel  häufiger  als  Zysten.  Wir  haben  auch  den  ins  Mittelohr 
führenden  Fisteln  entsprechende  Zysten  zu  erwarten. 
Ich  glaube  drei  derselben  operiert  zu  haben,  also  mehr,  als  bis 
jetzt  Fisteln  bekannt  sind.  Natürlich  ist  der  Nachweis,  dass 
diese  Zysten  oben  und  unten  abgeschlossenen  Fisteln  ihren 
Ursprung  verdanken,  ausserordentlich  schwer  zu  führen.  Die 
von  mir  operierten  Kranken  litten  nicht  an  Hörstörungen;  nur 
der  Umstand,  dass  die  Zysten  sehr  hoch  bis  zur  Schädelbasis 
hinaufgingen  (Fall  a)  oder  dass  sich  mehr  oder  weniger  derbe 
Bindegewebsstränge  vom  obern  Teile  der  Zysten  bis  zur 
Schädelbasis  verfolgen  liessen  (Fall  b  u.  c),  konnte  die  An¬ 
nahme  rechtfertigen,  dass  diese  Zysten  branchiogener  Natur 
seien,  entsprechend  den  ins  Mittelohr  führenden  Fisteln.  Zum 
Glücke  existiert  nun  in  der  Literatur  wenigstens  eine  Beob¬ 
achtung,  die  ein  gleichzeitiges  Vorkommen  von  schwerer  an¬ 
geborener  Ohranomalie  und  Zystenbildung  demonstriert,  so 
dass  man  für  beide  als  Ursache  Entwicklungsstörungen  an¬ 
nehmen  darf.  Der  Fall  ist  beschrieben  von  Willy  Sachs  in 
der  Festschrift  für  K  o  c  h  e  r,  Wiesbaden  1891,  Bergmanns 
Verlag,  p.  71;  erst  dieser,  dann  meine  eigenen  Fälle: 

Frau  H.,  25  Jahre,  op.  17.  VIII.  76. 

Seit  714  Jahren  entwickelt  sich  langsam  eine  zystische  Ge¬ 
schwulst  am  linken  Kieferwinkel,  etwas  unterhalb  desselben,  nach 
hinten  begrenzt  vom  vorderen  Rande  des  Stkl.,  nach  vorne  bis  zur 
Mitte  des  horizontalen  Kieferastes  reichend;  sie  erstreckt  sich  gegen 
die  Tiefe  des  Halses  zu,  ist  aber  vom  Munde  aus  nicht  zu  fühlen. 

Pat.  ist  auf  dem  linken  Ohre  taub:  auffallende  Enge  des  Meat. 
ac.  ext.  Rudimentäre  Andeutungen  eines  Trommelfelles,  der  Hammer¬ 
griff  ist  als  ein  quer  in  der  Trommelhöhle  liegender  Streifen  erkenn¬ 
bar.  Niemals  hat  Ohrenfluss  bestanden. 

Bei  der  Operation  wird  die  Wand  der  Zyste  angestochen:  es 
entleert  sich  eine  dicke  rahmartige  Masse  von  gelber  Farbe  mit  viel 
fadenziehendem  Schleim.  Es  gelang  nicht,  den  Balg  herauszubringen; 
er  erstreckte  sich  gegen  Oesophagus  und  Wirbelsäule  und  war  so 
mürbe,  dass  er  nicht  den  Zug  der  Pinzette  aushielt.  Man  entleerte  die 
Zyste  nach  Kräften  und  drainierte  die  Höhle,  wodurch  Heilung  er¬ 
zielt  wurde. 

a)  Albert  T.,  25  Jahre  alt,  aufg.  6.  VI.  95. 

Seit  &U  Jahren  Zyste  unter  und  hinter  dem  rechten  Kieferwinkel. 
Sie  liegt  vor  den  Gefässen,  geht  fast  bis  zur  Schädelbasis  hinauf;  kein 
Strang  nach  oben.  Exstirpation  leicht.  Geheilt  entlassen. 

b)  Frau  Lina  P.,  45  Jahre,  aufg.  12.  XII.  05. 

Seit  ca.  einem  Jahre  hat  sich  langsam  und  schmerzlos  eine  jetzt 
etwas  über  walnussgrosse  Geschwulst  unter  dem  rechten  Kiefer¬ 
winkel  vor  dem  M.  sternocl.  entwickelt.  Bei  der  Freilegung  der¬ 
selben  sieht  man,  dass  ein  ca.  2  mm  dicker,  vom  oberen  Ende  des 
Tumors  ausgehender  Strang  in  der  Länge  von  ca.  3  cm  unter  dem 
M.  stylohoid.  verschwindend  hinter  dem  Proc.  styl,  an  die  Schädel¬ 
basis  geht.  Dort  wird  der  Strang  abgetragen,  die  Zyste  (Dermoid 
mit  epithelialem  Inhalte)  leicht  exstirpiert. 

24.  XII.  geheilt  entlassen. 

c)  Ernst  R.,  25  Jahre  alt,  aufg.  5.  II.  02. 

Seit  1)4  Jahren  Zyste  unter  dem  rechten  Kieferwinkel,  einmal 
inzidiert,  wobei  gelbes  Wasser  abgeflossen  sein  soll.  Op.  ergibt,  dass 
die  Zyste  oben  vor  dem  Proc.  styl,  endet;  vom  oberen  Ende  der¬ 
selben  geht  ein  weisser  Strang  zur  Schädelbasis  vor  dem  Proc.  nach 
dem  Mittelohre  zu.  Zyste  liegt  vor  den  Gefässen.  hat  deutliches 
Epithel.  Exstirpation  leicht.  Geheilt  entlassen. 

Schade,  dass  es  Kocher  nicht  gelang,  die  Zyste  zu  ex- 
stirpieren.  Man  hätte  vielleicht  die  Zyste  bis  an  die  untere 
Wand  der  Paukenhöhle  verfolgen,  dadurch  völlige  Klarheit 
über  die  Genese  derselben  schaffen  können,  aber  auch  ohne 
genauen  Operationsbefund  ist  der  Fall  von  grossem  Werte, 
weil  er  das  Zusammentreffen  von  angeborener  Ohranomalie 


mit  Zystenbildung  demonstriert;  man  wird  ein  solches  Zu¬ 
sammentreffen  kaum  als  ein  rein  zufälliges  betrachten  können. 
Durch  diesen  Fall  ist  natürlich  nicht  bewiesen,  dass  auch  die 
von  mir  operierten  Zysten  vom  ersten  Kiemenspalte  aus¬ 
gegangen  sind,  aber  man  muss  andererseits  die  Frage  auf¬ 
werfen,  wie  sie  sonst  zustande  gekommen  sein  sollen;  vom 
zweiten  Kiemenspalt  ausgehende  Zysten  waren  es  nicht;  sie 
liegen  tiefer,  schicken  auch  keine  Bindegewebsstränge  nach 
oben  an  die  Schädelbasis;  ich  hatte  einmal  eine  hochgelegene 
Zyste  vor  mir  (Fall  a);  zweimal  lagen  sie  tief,  schickten 
Stränge  nach  oben  (b  u.  c);  wie  sollen  diese  Stränge  anders 
erklärt  werden,  als  durch  Obliteration  von  Fisteln?  Das  Ge¬ 
hörorgan  braucht  ja  gar  nicht  dabei  zu  leiden,  ist  doch  auch 
die  Hörfähigkeit  des  oben  erwähnten  Kindes  mit  veritabeler 
Fistel  eine  ganz  normale;  aus  dem  Umstande,  dass  die  drei 
Operierten  normale  Hörfähigkeit  hatten,  lässt  sich  also  nicht 
schliessen,  dass  die  Zysten  nicht  branchiogenen  Ursprungs 
sind.  Fall  b  und  c  differieren  ja  in  der  Weise,  dass  dort  der 
Strang  hinter  dem  Proc.  styl.,  hier  vor  demselben  (ent¬ 
sprechend  der  Fistel  des  Kindes)  an  die  Schädelbasis  ging, 
aber  das  hat  wohl  wenig  zu  sagen,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  ein  Irrtum  meinerseits  vorliegen  kann. 

Dieses  Terrain  an  der  Schädelbasis  ist  offenbar  Tummel¬ 
platz  von  noch  weiteren  Entwicklungsanomalien,  wofür 
ich  gleich  zwei  Beobachtungen  bringen  kann.  Die  eine  bezieht 
sich  auf  eine  Zyste,  die  weit  hinten  oben,  hinter  dem  langen 
Kopfe  des  Biventr.  resp.  dem  Stylohyoideus  und  den  Gefässen 
bis  zum  Proc.  mastoid.  hin  an  der  Schädelbasis  sich  ent¬ 
wickelt  hatte.  Die  zweite  Beobachtung  demonstriert  höchst 
auffallende  knöcherne  resp.  knorpelige  Missbildungen  an  der 
Schädelbasis,  die  zu  einem  recht  fatalen,  jahrelang  dauernden 
L.eiden  Anlass  gegeben  hatten; 

d)  Frau  Pauline  E.,  37  Jahre,  aufg.  11.  III.  02. 

Seit  Weihnachten  Entwicklung  einer  jetzt  hühnereigrossen  Zyste 
unter  dem  rechten  Stkl.;  der  Muskel  ist  abgehoben,  Geschwulst  steht 
weit  nach  hinten  vor.  Gleichzeitig  besteht  Kropf.  Bogenschnitt  er¬ 
gibt,  dass  die  Zyste  hinter  dem  langen  Kopfe  des  Biventer  und  seit¬ 
lich  hinter  den  Gefässen  bis  zum  Proc.  mast,  hin  sich  entwickelt  hat; 
sie  hat  keine  Beziehungen  zu  Schlund  und  Mittelohr.  Exstirpation 
der  Zyste  sowie  des  grössten  Teiles  vom  Kropfe.  23.  III.  geheilt  ent¬ 
lassen. 

e)  Frau  Julie  E.,  49  Jahre  alt,  aufg.  16.  IX.  97. 

Vater  starb  früh  an  Lungenentzündung,  Mutter  an  Schwindsucht, 
keine  angeborenen  Anomalien  in  der  Familie. 

Vor  10  Jahren  bekam  Pat.  Schmerzen  in  der  linken  Gesichts¬ 
seite  und  hinter  dem  linken  Ohre,  desgleichen  in  der  Gegend  hinter 
der  linken  Tonsille;  sie  gingen  vorüber,  als  sich  Eiter  aus  dem 
Munde  entleert  hatte.  Derartige  Anfälle  wiederholten  sich  von  jetzt 
an,  dauerten  tage-,  selbst  wochenlang,  sie  endeten  mit  dem  Aus¬ 
werfen  von  etwas  Eiter.  War  letzterer  entleert,  so  hatte  Patientin 
wochenlang  Ruhe.  Das  Leiden  verschlimmerte  sich  1889  nach  Schar¬ 
lachfieber,  desgleichen  nach  Influenza  1892,  die  Anfälle  häuften  sich; 
weiterhin  wurde  jeden  3.  bis  4.  Tag  Eiter  entleert,  doch  bemühte  sich 
der  Arzt  vergebens,  die  Austrittsstelle  des  Eiters  zu  finden;  er  hielt 
das  Leiden  zuerst  für  nervös,  sprach  dann  aber  von  Eiterung  an  der 
Schädelbasis.  Oefter  schwollen  in  letzter  Zeit  die  Drüsen  am  Halse 
an,  wenn  die  Entleerung  des  Eiters  stockte.  Zuletzt  litt  Pat.  an 
Schwindelgefühl,  hatte  auch  einmal  Erbrechen  dabei. 

Status  praesens:  Kräftige  Frau.  Negativer  Befund  sowohl  aussen 
wie  innen  im  Halse.  Schnitt  auf  den  vorderen  Rand  des  Stkl.  hoch 
oben  ergibt  zunächst  ganz  normale  Verhältnisse,  dann  kommt  hart 
am  Kieferwinkel  die  Spitze  eines  Fortsatzes  zum  Vorschein,  der 
ca.  6  cm  lang  zur  Schädelbasis  hinaufzieht.  Er  ist  oben  unterbrochen 
durch  eine  bindegewebige  Pseudarthrose  mit  zentralem  Knorpelkerne, 
schickt  sodann  hoch  oben  einen  schmalen  Fortsatz  nach  vorne  und 
endet  an  der  Schädelbasis.  An  diesem  Fortsatz  inseriert  sich  ein 
Teil  des  M.  stylohyoid.;  ein  zweiter  Teil  desselben  geht  an  einen 
zweiten,  anscheinend  ganz  normalen.  114  cm  hinter  dem  vorderen 
gelegenen  zweiten  Proc.  styloid. 

Nach  Abmeisselung  des  langen  Prozessus  findet  man  oberhalb 
desselben  noch  ein  flaches,  bohnengrosses  Knorpelstück,  was  mit  der 
Gaumenmuskulatur  zusammenhängt;  letztere  folgt  deutlich  einem 
Zuge  an  dem  Knorpelstücke;  dasselbe  wird  entfernt.  Ein  Rezessus, 
in  dem  Eiter  retiniert  gewesen  sein  könnte,  wird  nicht  gefunden. 
Ausstopfung  der  Wunde  mit  Jodoformgaze.  Verlauf:  zuerst  Schling¬ 
beschwerden  ohne  Fieber,  später  leichte  Temperatursteigerung  mit 
Entleerung  von  ziemlich  viel  Eiter.  Gegen  Mitte  Oktober  bemerkt 
Pat.  wieder  übelriechenden  Eiter  im  Munde,  aber  nur  einmal.  Pat. 
wurde  21.  X.  geheilt  entlassen,  stellte  sich  aber  VA  Jahre  später 
wieder  vor,  weil  die  alten  Schmerzen  wieder  aufgetreten  waren, 
während  sie  nichts  wieder  von  Eiterentleerung  aus  dem  Munde  be¬ 
merkt  hatte.  Die  Schmerzen  hörten  nach  vierwöchentlicher  Be¬ 
handlung  in  der  hiesigen  Nervenklinik  auf  und  zwar  definitiv,  wie  Pat. 
Januar  1913  brieflich  berichtet;  sie  befindet  sich  zurzeit  völlig  wohl. 


MUENCHENEfr  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 25 1 


10.  Juni  1013. 

Was  ich  während  der  Operation  an  Anomalien  feststellen  konnte, 
habe  ich  gleich  zu  skizzieren  versucht;  beistehend  diese  Skizze,  die 

selbstverständlich  die  Tiefendimen¬ 
sionen  nicht  berücksichtigt,  über¬ 
haupt  ganz  schematisch  ist.  Was 
oben  im  Texte  gesagt  ist,  erklärt 
wohl  genügend  die  Figur;  was 
längsgestreift  gezeichnet  ist,  be¬ 
deutet  den  oben  sich  teilenden  Muse, 
stylohyoideus  sowie  die  am  ovalen 
Knorpelstücke  festsitzende  Oaumen- 
resp.  Rachenmuskulatur. 

Die  Zyste  im  Falle  d  unter¬ 
schied  sich  wesentlich  von  den 
sub  a — c  geschilderten ;  sie  lag 
viel  weiter  nach  hinten  und 
seitlich  hinter  den  Qefässen. 
Sie  hatte  den  typischen  Inhalt 
eines  Dermoides,  ist  jedenfalls  auf  abgesprengte  Epithelreste 
zurückzuführen;  eine  aberrierte  Struma  kommt  schwerlich  in 
Frage.  Ganz  aussergewöhnlich  dürfte  Fall  e  sein. 

Selbstverständlich  habe  ich,  wie  kürzlich  K  ü  1 1  n  e  r  *), 
wegen  all  der  besprochenen  Anomalien  unsere  hiesigen  Ver¬ 
treter  der  Anatomie  und  der  Entwicklungsgeschichte  kon¬ 
sultiert.  Wie  K  I  a  a  t  s  c  h  die  in  Breslau  operierte  Hyomandi- 
bularfistel  auf  eine  Hemmungsbildung  im  Gebiete  der  ersten 
Kiemenspalte  zurückführt,  so  sprachen  sich  hier  die  Herren 
Maurer  und  v.  Bardeleben  betreffs  der  Genese  der 
beschriebenen  Fisteln,  Perforationen  und  Zysten  in  gleichem 
Sinne  aus.  Die  .wunderlichen  Knochenbildungen  im  Falle  e 
führte  Herr  Maurer  auf  weit  zurückliegende  Entwicklungs¬ 
zeiten  zurück,  soweit  sich  aus  meiner  Darstellung  überhaupt 
Schlüsse  ziehen  Hessen.  Auch  hier  wird  es  darauf  ankommen, 
dass  dem  Fachgelehrten  weiteres  genau  beobachtetes  Material 
geliefert  wird;  erst  dann  kann  er  ein  sicheres  Urteil  abgeben. 
Ich  war  sehr  zufrieden,  dass  der  unsichere  Fall  einen  so  guten 
Ausgang  hatte.  Objektiv  lag  nichts  Abnormes  vor;  ich 
konnte  nur  in  der  Angabe  der  Patientin,  dass  sie  von 
Zeit  zu  Zeit  Eiter  aus  dem  Halse  entleere,  eine  Indikation 
zum  Einschneiden  finden;  im  Halse  sah  man  aber  nichts 
Krankhaftes.  „Etwas“  musste  aber  doch  da  oben  stecken, 
also  „en  avant“  und  damit  wurde  der  sonderbare  Fall  einiger- 
niassen  klargestellt;  nur  den  supponierten  Rezessus,  der  den 
Eiter  enthalten  sollte,  fand  ich  nicht;  existierte  er  nur  zeit¬ 
weise,  wenn  die  am  Knorpelstückchen  fixierte  Gaumen- 
muskulatur  sich  zusammen-  und  die  Schleimhaut  hinter  sich 
herzog?  oder  habe  ich  ihn,  ohne  es  bei  der  tiefen  Lage  des 
Operationsfeldes  zu  merken,  zerstört?  Ich  weiss  es  nicht. 
Die  Hauptsache  ist,  dass  Patientin  auf  die  Dauer  von  ihrem 
quälenden  Leiden  befreit  wurde. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena  (Direktor:  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Ueber  pseudo-cholezystitische  Symptome  bei  Typhus. 

Von  weiland  Privatdozent  Dr.  H.  Bennecke. 

Schmerzen  im  Verlaufe  eines  Typhus  .gehören  zu  den 
Seltenheiten;  sie  kommen  nur  bei  einigen  wenigen  Kompli¬ 
kationen  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit  vor,  weshalb 
man  im  allgemeinen  sagen  kann,  dass  irgendwie  erhebliche 
Schmerzen  als  alarmierendes  Symptom  aufzufassen  sind. 
Ueber  einen  derartigen  Symptomenkomplex,  den  wir  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  mehrfach  beobachten  konnten,  und  der  in 
der  Literatur  nicht  erwähnt  oder  nur  kurz  gestreift  ist,  möchte 
ich  im  folgenden  berichten,  da  er  einiges  Interesse  bean¬ 
spruchen  dürfte. 

Es  handelt  sich  um  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend 
von  mehr  oder  weniger  kolikartigem  Charakter,  die  uns  mehr¬ 
mals  vor  die  Frage  stellten,  ob  unter  der  Diagnose  Chole¬ 
zystitis  operiert  werden  sollte.  Dies  geschah  tatsächlich  in 
einem  Falle,  bei  dem  die  erwartete  Cholezystitis  bzw.  ein 
subphrenischer  Abszess  nicht  bestand. 

In  Rücksicht  auf  die  nahen  Beziehungen  der  Typhus¬ 
bazillen  zur  Galle  bzw.  Gallenblase  ist  die  Vermutung  einer 
akuten  typhösen  Entzündung  dieses  Organs  trotz  ihres  nach- 


*)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1913,  No.  13. 


gewiesenermassen  seltenen  Vorkommens  bei  derart  im  Vorder¬ 
gründe  stehenden  klinischen  Zeichen  wohl  zu  verstehen.  Mög¬ 
licherweise  kommen  derartige  trügerische  Fälle  öfter  vor  und 
könnten  fälschlicherweise  die  Indikation  zu  einer  Operation 
abgeben,  die  vermeidbar  ist. 

1.  M.  P.,  20  Jahre,  Köchin.  Schwerer,  durchaus 
typischer  Typhus;  bakteriologisch  und  serologisch  sicher¬ 
gestellt;  anamnestisch  und  klinisch  in  der  2.  Woche. 

Bei  der  Aufnahme  am  27.  IX.  06  geringe  Bronchitis.  Leib  ziem¬ 
lich  stark  gespannt,  nicht  druckempfindlich.  Leber  schneidet  mit 
dem  Rippenbogen  ab,  ist  nicht  nachweislich  vergrössert. 

Am  I.  X.  06  rechts  hinten  Dämpfung  und  abgeschwächtes  Atmen, 
etwas  oberhalb  bronchiales  Atmen.  Temperatur  39,5.  Klagt  über 
Schmerzen  beim  Husten:  Leib  nicht  empfindlich. 

3.  X.  Hustenreiz  hat  nachgelassen. 

4.  X.  Klagt  über  Leibschmerzen  zwischen  Nabel  und  rechtem 
Rippenbogen;  kein  objektiv  nachweisbarer  Qrund.  Temperatur  40,5. 

5.  X.  Immer  noch  Schmerzen  im  oberen  rechten  Bauch¬ 
quadranten  nahe  dem  Rippenbogen.  Temperatur  zwischen  39 
und  39,5. 

10.  X.  Lungen  frei;  rechts  hinten  unten  keine  Dämpfung  mehr; 
ab  und  zu  wieder  Klagen  über  Schmerzen  an  der  alten  Stelle. 

16.  X.  Schmerzfrei,  Temperatur  39.  Von  jetzt  ab  geht  die 
Temperatur  staffelförmig  nach  unten,  in  den  Lungen  ist  nie  wieder 
etwas^  nachweisbar,  über  Schmerzen  wird  nicht  mehr  geklagt. 

Epikrise:  Es  bestand  eine  ausgesprochene  Pleuritis  exsu¬ 
dativa;  3  Tage  nach  dem  Schwinden  der  klinischen  Symptome 
traten  mehrere  Tage  anhaltende,  gleichmässige  Schmerzen  im  rechten 
oberen  Bauchquadranten  auf,  während  kein  Seitenstechen,  Husten 
oder  Schmerzen  im  Bereiche  der  Pleura  vorhanden  waren. 

2.  O.  Sch.,  19 jähriger  Schmied  aus  M.  Mittelschwerer 
Typhus,  mit  leichtem  Rezidiv. 

7.  1.  07.  Aufnahme  in  der  2.  Woche.  Bakteriologisch  und  sero¬ 
logisch  sichergestellt.  Bei  der  Aufnahme  Leib  gleichmässig  ziemlich 
stark  aufgetrieben,  gespannt,  ist  in  der  Magengrube  auf¬ 
fallend  druckempfindlich.  Kein  lleozoekalgurren.  Blase 
zwischen  Nabel  und  Symphyse.  Nach  Entleerung 
von  etwa  6 — 700  ccm  Resturin  verschwinden  die 
Schmerzen. 

13.  I.  07.  Sensorium  klarer.  Gestern  und  vorgestern  je  ein 
hoher  Einlauf  wegen  des  peritonitische  Symptome  hervorrufenden 
Meteorismus  (Zwerchfell  3.  Zwischenrippenraum).  Danach  reichliche 
Stuhlentleerung,  Abgang  von  Gasen,  so  dass  das  Zwerchfell  bis  zur 
5.  Rippe  herabgeht. 

15.  I.  Immer  noch  Schmerzen  im  Bauche,  die  an  Peritonitis 
denken  lassen. 

Vom  18.  I.  ab  fieberfrei  und  scheinbar  ungestörte  Rekon¬ 
valeszenz,  bis  am  15.  II.  unter  Anstieg  der  Temperatur  bis  auf  39,5 
das  erwähnte  10  tägige  Rezidiv  einsetzte.  Nachts  vom  1.  zum 
2.  Tage  setzten  langsam  schlimmer  werdend, 
starke  Schmerzen  am  rechten  Rippenbogen  ein. 
die  spontan  bestanden,  auf  Druck  in  der  Gallen¬ 
blasengegend  schlimmer  wurden  und  etwa  4  Tage 
lang  a  h  h  i  e  1 1  e  n.  Leber  nicht  vergrössert.  Im  übrigen  aber 
wieder  Typhussymptome:  Typhuszunge,  Bronchitis,  Milztumor, 
Roseolen,  keine  Veränderung  des  Stuhlganges.  Später  extrasysto¬ 
lische  Arythmie,  die  etwa  3  Wochen  lang  anhielt,  bei  der  Entlassung 
und  der  8  Wochen  später  erfolgten  Wiedervorstellung  jedoch  voll¬ 
kommen  geschwunden  war. 

E  p  i  k  r  i  s  e :  Bei  diesem  Kranken  lassen  sich  sehr  deutlich 
3  verschiedene  Arten  von  Bauchschmerzen  unterscheiden:  1.  in  der 
Magengegend,  die  hervorgerufen  werden  durch  die  gefüllte  Blase, 
2.  diffuse  peritoneale  Reizsymptome,  die  sich  zwanglos  durch  den 
toxischen  Meteorismus  erklären  lassen,  3.  kolikartige  Schmerzen  am 
rechten  Rippenbogen,  die  auf  Druck  in  der  Gallenblasengegend 
stärker  werden  und  zeitlich  mit  dem  Beginn  eines  Rezidivs  zusammen¬ 
fallen,  aber  vorher  abklingen. 

3.  F.  M.,  29  jähriger  Eisenbahnarbeiter  aus  L.  Mittel- 
schwerer,  klinisch,  bakteriologisch  und  sero¬ 
logisch  sichergestellter  Typhus.  Aufnahme  (26.  II.  11) 
am  7.  Krankheitstage  bei  klarem  Sensorium.  Rechts  hinten  unten 
Knisterrasseln,  ohne  Veränderung  des  Perkussionsschalles.  Bauch 
aufgetrieben,  besonders  zwischen  dem  Rippenbogen,  ln  der  Gallen¬ 
blasengegend  besteht  ein  ausgesprochener  Druckschmerz,  der  zu 
reflektorischer  Muskelspannung  führt,  wodurch  in  der  Gallenblasen¬ 
gegend  tagelang  eine  Resistenz  vorgetäuscht  wird.  Leber  von  Darm 
überlagert,  nicht  palpabel.  Im  Urin  kein  Eiweiss,  kein  Zucker,  kein 
Gallenfarbstoff. 

28.  II.  Das  Knisterrasseln  hat  zugenommen. 

1.  III.  Viel  Husten  und  gelbliches  pneumonisches  Sputum. 

2.  III.  Rechts  hinten  unten  Dämpfung  mit  reichlicherem  Knister¬ 
rasseln,  Temperatur  bis  40,5. 

4.  III.  Status  idem.  Stimmfremitus  verstärkt,  immer  noch 
Schmerzen;  kein  Auswurf. 

10.  III.  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend,  in  der  Zwischen¬ 
zeit  vorübergehend  geringer,  heute  so  unerträglich,  dass  Morphium- 
mjektionen  nötig  werden.  Stuhl  angehalten,  nur  auf  Einlauf  zu  er¬ 
zielen.  Die  Schmerzen  dauern  in  gleicher  Weise  ununterbrochen 
2  Tage  und  2  Nächte. 


2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  23. 


1252 


14.  III.  Rechts  hinten  unten  massive  Dämpfung,  darüber  bron¬ 
chiales  Atmen. 

15.  III.  Deutlichere  Zeichen  von  Exsudat;  bei  der  Punktion  wird 
eine  trübe  leukozyten-  und  siegelring-zellenhaltige  Flüssigkeit  ge¬ 
wonnen,  die  I'yphusbazillen  1  :  100  agglutiniert,  aber  steril  ist.  Das 
Exsudat  geht  schnell  zurück,  ist  am  21.  III.  nicht  mehr  nachweisbar. 
Nach  der  Punktion  des  Exsudates  gehen  die  Schmerzen  und  die 
Bauchdeckenspannung  in  der  Gallenblasengegend  rasch  zurück. 
Patient  erholt  sich  gut  und  schnell. 

Epikrise:  Bei  sich  entwickelnder  Pneumonie  bestehen 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend,  die  kurz  vor  dem  klinisch 
möglichen  Nachweise  einer  metapneumonischen  Pleuritis  eine  ausser¬ 
ordentliche  Steigerung  erfahren. 

4.  v.  M„  32  jähriger  Oberleutnant.  Es  handelt  sich  um  einen 
jener  eigenartigen  Fälle,  die  klinisch  vollkommen  das  Bild  des  Typhus 
geben  (langsamer  Beginn,  belegte  Zunge,  anfängliche  Durchfälle, 
Bronchitis,  Milztumor,  Roseolen,  aufgetriebener  Leib,  durchaus 
typische  Fieberkurve),  bei  dem  jedoch  der  Nachweis  der  Typhus¬ 
bazillen  weder  im  Blute,  noch  im  Stuhlgang  gelang  und  bei  dem  auch 
weder  für  Typhus,  noch  Paratyphus,  Agglutination  auftrat.  Auf¬ 
nahme  30.  IV.  10  Mitte  bis  Ende  der  2.  Krankheitswoche. 

Am  30.  IV.  10.  Leib  etwas  aufgetrieben,  tympanitisch,  nicht 
druckempfindlich.  Leberdämpfung  am  Rippenbogen,  Milz  palpabel. 

9.  V.  Klagt  über  Schmerzen  in  der  Magengrube,  besonders  nach 
dem  Essen,  Stuhl  nur  nach  Einlauf.  Danach  und  vielleicht  unter  dem 
Einfluss  von  warmen  Umschlägen  verschwinden  die  Schmerzen. 

10.  V.  Nachts  lässt  Pat.  den  Arzt  holen  wegen  unerträglicher 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend  und  etwas  weiter  nach  unten 
bis  fast  zum  Nabel.  Leber  und  Gallenblase  nicht  palpabel.  Andeutung 
von  defense  musculaire.  Temperatur  wieder  etwas  höher;  39,3  gegen¬ 
über  38,5  an  den  vorhergehenden  Tagen.  Leukozyten  3500.  Im  Urin 
Spuren  von  Eiweiss,  keine  Zylinder,  keine  Leukozyten,  Diazo 
sehr  stark  positiv,  stärker  als  am  Aufnahmetage.  Im  Kote  keine 
Typhusbazillen. 

11.  V.  Abgang  von  Schleim  im  Stuhl.  Schmerzen  geringer,  aber 
noch  sehr  quälend.  Herz  und  Lunge  frei.  Milz  von  gestern  auf  heute 
deutlich  kleiner  geworden.  Sie  ist  im  Gegensatz  zum  vorher¬ 
gehenden  Tage  nicht  mehr  fühlbar. 

13.  V.  Rechts  hinten  unten  scharfes  Atmen  ohne  Nebengeräusche. 
Schmerzen  unverändert,  so  dass  Pat.  keine  Nahrung  zu  sich  nimmt. 
Blut  steril,  Temperatur  38,7. 

14.  V.  Die  Schmerzen  lassen  nach. 

In  4  I  agen  tritt  unter  lytischer  Entfieberung  und  völligem 
Schwinden  der  Bauchschmerzen  die  Rekonvaleszenz  ein,  die  un¬ 
gestört  bleibt. 

Nach  etwa  4  Wochen,  wo  Pat.  seinem  Berufe  nachgegangen  war, 
wieder  leicht  fieberhafte  Erkrankung:  unregelmässiges  Fieber,  Stuhl¬ 
verhaltung,  Schmerzen  im  rechten  Oberbauch,  aber  wesentlich  ge¬ 
ringer  als  früher.  Kein  Milztumor.  Lunge  und  Pleuren  bei  wieder¬ 
holter,  von  verschiedenen  Aerzten  vorgenommenen  Untersuchungen 
vollkommen  frei.  Serologisch  und  bakteriologisch  auch  jetzt  für 
Typhus  negatives  Resultat.  Nach  0,3  Kalomel  klingt  die  Attacke  ab, 
Pat.  blüht  in  wenigen  Wochen  auf  und  ist  bis  jetzt,  d.  h.  2  Jahre, 
vollkommen  beschwerdefrei  gewesen.  Erst  seit  dieser  2.  Attacke 
fühlt  er  sich  wieder  im  Vollbesitz  seiner  Kräfte.  Mehrmalige  Röntgen¬ 
untersuchungen  ergaben,  dass  das  rechte  Zwerchfell  vollkommen  frei 
beweglich  war.  Irgendwelche  Anhaltspunkte  für  Tuberkulose  fehlten 
vollkommen. 

Epikrise:  Bei  diesem  nur  aus  dem  klinischen  Verlaufe  dia¬ 
gnostizierten,  bakteriologisch  und  serologisch  dagegen  negativen 
Typhus  traten  zu  Anfang  der  3.  Woche  äusserst  heftige  kolikartige 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend  ein,  die  sich  nach  Wochen 
wiederholten.  Nach  der  ersten  Attacke  Zeichen  von  Anschoppung  im 
rechten  Unterlappen  und  Abgang  von  Schleim  im  Stuhlgange. 

5-  A;  33  jährige  Ehefrau.  Aufgenommen  am  15.  VIII.  10. 
11.  rag  eines  klinisch,  bakteriologisch  und  serologisch  sichergestellten 
lyphus,  der  zunächst  einen  leichten  Eindruck  machte,  nach  etwa 
10  tägiger  Pause  aber  zu  einem  schweren,  schliesslich  in  völlige  Ge¬ 
nesung  übergehenden  Rezidiv  führte.  Bei  der  Aufnahme  war  der 
Leib  stark  tympanitisch  aufgetrieben,  nicht  empfindlich.  Leber¬ 
dämpfung  am  Rippenbogen.  Leukozyten  5125.  Leichte  febrile 
Albuminurie.  Pat.  war  fast  entfiebert,  als  sie  am  28.  VIII;  (22.  Krank¬ 
heitstag)  nachts  plötzlich  an  starken  Schmerzen  in  der  Gallenblasen¬ 
gegend  erwachte,  so  dass  der  Arzt  gerufen  werden  musste.  Tem¬ 
peratur  jetzt  39,7,  gegenüber  37  am  Abend  vorher.  Bauch  nicht  be¬ 
sonders  aufgetrieben,  Leber  1 — 2  Querfinger  unter  dem  Rippenbogen; 
m  der  Gallenblasengegend  fühlt  man  eine  undeutliche  glatte 
Resistenz,  die  auf  Druck  ausserordentlich  schmerzhaft  ist.  Leuko- 
zyten  7750;  kein  Erbrechen;  keine  Rückenschmerzen;  keine  Bron- 
chitis,  n  ur  etwas  rauhes  Atmen  rechts  hinten  unten. 
Kein  Husten  und  kein  Auswurf.  Zunge  etwas  belegt.  Zoekum  nicht 
druckempfindlich.  Nierengegend  frei. 

Am  nächsten  Morgen  waren  die  Schmerzen  geringer,  kein 
Ikterus;  kein  Gallenfarbstoff  im  Urin;  palpatorischer  Befund  un¬ 
verändert.  Im  Laufe  des  Tages  klangen  die  Schmerzen  allmählich 
ab,  erfuhren  am  Vormittage  des  3.  Tages,  wo  völlige  Appetitlosigkeit 
bestand,  noch  eine  kurze  Steigerung  kolikartigen  Charakters,  dann 
klangen,  unter  Zurückgehen  der  Bauchdeckenspannung  und  der  Leber- 
vergrösserung,  die  Schmerzen  in  den  nächsten  6  Tagen  ab.  Pat.  war 
jetzt  etwa  10  Tage  fieberfrei;  Lungenverändernngen  bestanden  nicht. 


bis  das  Rezidiv  einsetzte,  bei  dem  wieder  alle  Typhussymptome  vor¬ 
handen  waren.  Dabei  kam  es  links  hinten  unten  zu  einer  bald  ab- 
Ulingenden  Schallverkürzung.  Pat.  hat  sich  danach  sehr  gut  erholt 
und  ist  seit  2  Jahren  vollkommen  schmerzfrei  geblieben.  Anhalts¬ 
punkte  für  eine  Cholelithiasis  bestehen  auch  jetzt  nicht. 

Epikrise:  Der  mit  hohem  Fieberanstieg  einhergehende  Anfall 
am  Anfang  der  4.  Woche  hatte  kolikartigen  Charakter  und  dauerte 
3  Tage;  im  Gegensatz  zu  allem  übrigen  war  er  durch  eine  klinisch 
nachweisbare  Leberschwellung  ausgezeichnet,  die  nicht  zu  Ikterus 
führte.  Keine  Anhaltspunkte  für  entzündliche  Prozesse  oder  Steine 
in  der  Gallenblase. 

6.  A.  P.,  12  jähriger  Hofmeisterssohn  aus  B.  Aufgenommen  am 
11.  XI.  10  mit  klinisch,  bakteriologisch  und  serologisch  sicher¬ 
gestelltem  Typhus  am  Ende  der  3.  Woche.  Leukozyten  1750.  Am 
Aufnahme-  und  am  nächsten  Tage  war  der  rechte  obere  Bauch¬ 
quadrant  nahe  dem  Rippenbogen  ausgesprochen  druckempfindlich. 
Auch  bestand  spontaner  Schmerz,  der,  wie  der  für  sein  Alter 
intelligente  Pat.  von  selbst  angab,  besser  war,  wenn  er  sich  auf  die 
rechte  Seite  legte.  Der  Leib  war  dabei  aufgetrieben,  die  Leber  eben 
fühlbar.  Von  seiten  anderer  Organe,  speziell  den  Lungen  und  der 
Pleura,  Hess  sich  ausser  der  symptomatischen  Bronchitis  Krankhaftes 
nicht  nachweisen. 

Epikrise:  An  diesem  nur  leichten  Falle  ist  bemerkenswert, 
dass  die  Schmerzen  in  der  Lebergegend  durch  rechte  Seitenlage  ge¬ 
bessert  wurden. 

7.  F.  K„  32  jähriger  Schutzmann  aus  A.  Der  Fall  wurde  schon 
an  anderer  Stelle  besprochen1);  es  handelt  sich  um  eine  Milzruptur, 
im  Anschluss  an  welche  sich  ein  atypisch  verlaufender,  aber  bak¬ 
teriologisch.  serologisch  und  autoptisch  sichergestellter  Typhus  an¬ 
schloss.  Während  des  ganzen  Krankheitsverlaufs  vom  Unfalltage 
an  bestanden  Schmerzen  in  der  Milzgegend,  die  auf  das  zerrissene 
Organ  und  die  entzündlichen  Veränderungen  in  der  Umgebung  be¬ 
zogen  werden  müssen.  Ausserdem  bestand  eine  hochgradige  Bron¬ 
chitis,  die  das  bei  Typhus  gewöhnliche  Mass  erheblich  überschritt. 
Etwa  in  der  4.  Krankheitswoche  stellten  sich  kolikartige  Schmerzen 
in  der  Gallenblasen-  und  Lebergegend  ein,  die  periodisch  ausser¬ 
ordentlich  heftig  waren,  dann  aber  wieder  nachliessen,  ohne  jedoch 
ganz  zu  verschwinden.  Das  Befinden  des  Kranken  war  auch  in  den 
„anfallsfreien“  Zeiten  durch  die  Schmerzen  beeinträchtigt.  Es 
handelte  sich  um  einen  spontanen  dumpfen  Druck  am  rechten  Rippen¬ 
bogen,  der  sich  bei  der  Palpation  erheblich  steigerte  und  zeitweise 
nach  dem  Rücken  ausstrahlte.  Zu  Beginn  der  Schmerzen  stieg  die 
Iemperatur  von  38,5  auf  39,3.  Die  Leukozyten  betrugen  4375. 
Einige  Tage  nach  Einsetzen  der  Schmerzen  wurden  frische  Roseolen 
am  Bauche  beobachtet,  ohne  dass  jedoch  ein  richtiges  Rezidiv  zur 
Ausbildung  kam. 

..1°  Tag:e  nach  Beginn  der  Schmerzen  stellte  sich  nachts  plötzlich 
Schüttelfrost,  Erbrechen  und  grosse  Abgeschlagenheit  ein.  Leuko¬ 
zyten  11  750.  Temperatur  40,  während  sie  am  Tage  vorher  nur  37,4 
betrug.  Dabei  bestanden  ausserordentlich  heftige  Schmerzen  irn 
i  echten  Oberbauch  am  Rippenbogen.  Die  Schmerzen  reichten  etwas 
weiter  nach  abwärts,  liessen  aber  die  Zoekumgegend  frei.  Die  Leber 
war  * — ^  Querfinger  unter  dem  Rippenbogen  als  scharfer  Rand  zu 
tiihlen,  also  wohl  nicht  geschwollen.  In  der  Gallenblasengegend 
selber  fand  sich  kein  Tumor;  es  bestand  kein  Ikterus.  Die  Lippen 
\yaren  trocken,  der  Puls  klein,  130.  Die  Bronchitis  war  unverändert, 
die  Atmung  nicht  wesentlich  beschleunigt.  Am  Nachmittag  dieses 
Tages  konzentrierten  sich  die  nach  dem  Rücken  ausstrahlenden 
Schmerzen  immer  mehr  auf  die  Gallenblasengegend.  Hier  bestand 
detense  musculaire,  während  der  übrige  Bauch  wohl  etwas  gespannt 
und  aufgetrieben,  aber  nicht  schmerzhaft  war.  Kot  und  Urin  liessen 
Besonderes  nicht  erkennen.  Es  sei  ganz  besonders  hervorgehoben, 
dass  sich  an  der  Pleura  Krankhaftes  nicht  nachweisen  liess. 

Wegen  des  ganzen  Krankheitsbildes,  der  Leukozytose  und  des 
^•«wer  -an^en  Eindrucks,  den  der  Pat.  machte,  wurde  er  mit  der 
Differentialdiagnose  „okkulte  Eiterung“,  „subphrenischer  Abszess“, 
„1  erinephritis  ,  „eitrige  Cholezystitis“  der  chirurgischen  Klinik  über- 
wiesen.  In  Rücksicht  auf  ausgesprochene  Schmerzhaftigkeit  des 
freien  Endes  der  12.  Rippe  wurde  durch  Herrn  Geheimrat  Lexer 
mit  der  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  subphrenischer  Abszess  unter 
Eröffnung  der  Pleura  von  einem  Flankenschnitt  aus  nach  Resektion 
mehrerer  Rippen  die  Zwerchfellkuppe  freigelegt.  Es  fand  sich  jedoch 
kein  subphrenischer  Abszess,  und  vor  allen  Dingen  war  die 
I  leura  im  Operationsgebiet  glatt  und  glänzend 
und  frei  von  jeglichen  Entzündungen.  Der  Flanken¬ 
schnitt  wurde  jetzt  verlängert,  und  von  ihm  aus  die  Bauchhöhle  er- 
ortnet;  durch  Inspektion  und  Palpation  der  in  Betracht  kommenden 
Oigane  konnte  weder  an  der  Leber,  noch  der  Gallenblase,  noch  der 
i  echten  Niere,  dem  Zoekum,  dem  Wurmfortsatz  oder  sonstwo  in  der 
rechten  Seite  des  Bauches  irgend  etwas  Krankhaftes  entdeckt  werden. 
Die  Operationswunde  wurde  daher  sofort  wieder  geschlossen,  der 
Kranke  erholte  sich  nun  zunächst  ganz  gut.  Das  Fieber  ging  nach 
dem  Eingriff  5  Tage  herunter,  bis  am  6.  Tage  unter  leichtem  An¬ 
steigen  der  Temperatur  ein  Herpes  der  Unterlippe  auftrat.  Die  Lunge 
Imtte  sich  rechts  bereits  wieder  angelegt.  Von  jetzt  ab  bis  zu  dem 
o  läge  später  erfolgenden  Tode  bestand  ein  unregelmässig  inter¬ 
mittierendes,  mässig  hohes  Fieber  bis  39,  eine  ziemlich  starke  Bron¬ 
chitis  und  Beschleunigung  der  Herzaktion.  Die  nach  der  Ope- 


0  Ishioka:  Med.  Klinik  1913. 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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ration  völlig  verschwundenen  Schmerzen  in  der 
Qallenblasengegend  traten  langsam  wieder  auf, 
jedoch  ohne  den  ursprünglich  kolikartigen  Cha¬ 
rakter.  Nach  5  lagen  traten  septische  Blutungen  in  den  Unter¬ 
schenkeln  auf,  und  2  Tage  vor  dem  Tode,  d.  h.  11  Tage 
nach  der  Operation,  wurden  beiderseits  geringfügige 
Exsudate  bemerkt.  Eine  Punktion  der  rechten  Pleura  ergab 
jedoch  nur  2  ccm  einer  stark  hämorrhagischen  Flüssigkeit.  Am 
nächsten  Tage  schien  sich  eine  Pneumonie  des  rechten  Mittellappens 
entwickelt  zu  haben.  Unter  dem  Zeichen  zunehmender  Herzschwäche 
trat  der  Tod  ein. 

Bei  der  Sektion  fanden  sich  nun  ausser  der  Milzruptur  und  in  Aus¬ 
heilung  begriffenen  Typhusgeschwüren  in  der  linken  Brustseite  2  bis 
300 ccm  eines  hämorrhagischen  Exsudates;  auf  der  rechten  Seite  da¬ 
gegen  bestand  ein  etwa  114  Liter  grosser,  vollkommen  klarer,  seröser 
Erguss  mit  ausserordentlich  reichlichen  Fibrinmassen,  die  sich  zwi¬ 
schen  Zwerchfell  und  Lunge  niedergeschlagen  hatten.  Es  liess  sich 
bei  der  Sektion  noch  mit  Sicherheit  feststellen,  dass  die  Punktions¬ 
nadel  in  diese  Massen  hineingeraten  war  und  das  freie  Exsudat  über¬ 
haupt  nicht  getroffen  hatte.  Man  darf  den  Fall  wohl  so  deuten,  dass 
der  Typhus  bereits  ausgeheilt  war,  als  die,  vielleicht  durch  den 
Herpes  klinisch  markierte  septische  Infektion  erfolgte,  die  den  Tod 
des  geschwächten  Patienten  herbeiführte. 

An  dieser  Stelle  unterlasse  ich  es  absichtlich,  eine  weitere  Ana¬ 
lyse  des  Falles  zu  geben.  Nur  die  Feststellung,  die  sich  wohl  schon 
aus  der  Schilderung  des  autoptischen  Befundes  ergibt,  hebe  ich  hervor, 
dass  alle  bei  der  Operation  und  Sektion  Beteiligten  übereinstimmend 
der  Ansicht  waren,  dass  der  völlig  klare  rechtseitige  Pleuraerguss 
nicht  Folge  der  Operation  war;  die  Wunde  war  vollkommen  reak¬ 
tionslos  und  links,  entfernt  vom  Orte  der  Operation,  fand  sich  eine 
eitrige  Pleuritis,  die  offenbar  per  continuitatem  von  der  Milz  aus  sich 
entwickelt  hatte. 

Alle  die.se  Fälle  haben  unverkennbar  das  gemeinsam, 
dass,  mehr  oder  weniger  akut,  unter  kolikartigem  Ver¬ 
la  u  f  e  eine  oft  scharf  in  der  Qallenblasengegend 
lokalisierte  Schmerzhaftigkeit  auftrat,  die  bis 
zu  mehreren  Tagen  anhielt. 

Die  Schmerzen  waren  auch  spontan  vor¬ 
handen,  steigerten  sich  jedoch’bei  der  Pal¬ 
pation  und  wurden  teils  als  dumpfer  Druck  und  Spannung, 
teils  als  exazerbierendes  Ziehen  und  zusammenkrampfendes 
Zerren  geschildert.  Es  bestanden  graduelle  Unterschiede,  die 
aus  den  Krankengeschichten  deutlich  zu  entnehmen  sind  und 
das  Allgemeinbefinden  bald  wenig,  bald  sehr  stark  störten. 
Einige  Male  konnte  reflektorische  Muskelspan- 
n  u  n  g  konstatiert  werden.  In  dem  Falle  5  liess  sich  auch 
eine  deutlich  palpable  Leberschwellung  nachweisen. 

Einige  Male  reichten  die  Schmerzen  bis  fast 
zur  Nabelgegend  herab,  in  dem  einen  Falle  ging  den 
soeben  charakterisierten  Sch  merzen  eine  ausgesprochene 
Schmerzhaftigkeit  in  der  Gegend  des  leicht  ge¬ 
blähten  Zock  um  voraus.  Mit  Ausnahme  des  7.  Falles 
strahlten  aber  die  Schmerzen  niemals  bis 
zum  Rücken,  in  den  Oberschenkel  oder  andere  Körper¬ 
teile  aus,  obgleich  bei  den  letzten  5  Fällen  gerade  hierauf  be¬ 
sonders  geachtet  wurde.  Mehrmals  bestand  S  t  u  h  1  Ver¬ 
haltung,  einmal  wurde  der  Abgang  von  Schleim 
beobachtet  (Fall  4).  Zur  Verwechselung  dieser  Schmerzen 
und  Schmerzattacken  mit  solchen,  die  bei  Typhus  durch 
Meteorismus  des  Zoekum  zustande  kommen  und  den  Verdacht 
auf  Appendizitis  erwecken  können,  war  niemals  Gelegenheit 
gegeben.  Schüttelfrost  wurde  mehrmals  beobachtet, 
erklärt  sich  aber  bei  Fall  7  durch  die  zu  dieser  Zeit  ein¬ 
setzende  Sepsis.  Die  Temperatur  wies  ein  wech¬ 
selndes  Verhalten  auf.  In  dem  einen  Falle  (5)  stieg 
sie  rapid  in  die  Höhe,  um  trotz  Weiterbestehens  der  Schmerzen 
nach  wenigen  Stunden  wieder  abzufallen.  Erbrechen 
wurde  in  keinem  der  Fälle  beobachtet. 

Bemerkenswert  ist,  dass  bei  4  von  den  7  Fällen 
(1,  2,  3,  7)  sich  rechts  ein  mehr  oder  weniger 
grosses  ple  uritisches  Exsudat  fand,  von  denen  2 
durch  Punktion  sichergestellt  werden  konnten,  und  dass  im 
Falle  3,  nach  Ablassen  des  Ergusses  und  seiner  raschen  Re¬ 
sorption  gleichzeitig  die  Schmerzen  schwanden;  in  einem  Falle 
dagegen  bestanden  die  ausgesprochenen  Zeichen  pneumoni¬ 
scher  Infiltration  des  rechten  Unterlappens. 

Wie  soll  man  nun  die  Schmerzentstehung 
in  diesen  Fällen  erklären? 

Es  sei  sogleich  gesagt,  dass  ein  gemeinsamer  Ursprung 
der  Schmerzen  nicht  nachgewiesen  werden  konnte  und  auch  | 


schon  dem  klinischen  Befunde  nach  unwahrscheinlich  ist,  dass 
aber  doch  eine  gemeinsame,  Erklärungsmöglichkeiten  bietende 
Basis  gefunden  wurde. 

Zunächst  dachten  wir  an  Cholezystitis  wegen  der  Lokali¬ 
sation  der  Schmerzen  und  der  sonstigen  Symptome;  es  musste 
auch  an  Gallensteinanfälle  gedacht  werden,  in  Rücksicht  auf 
den  bisweilen  kolikartigen  Charakter  der  Schmerzanfälle. 
Indessen  spricht  der  Umstand,  dass  in  keinem  der  beob¬ 
achteten  Fälle  Ikterus  auftrat,  und  dass  in  den  ersten  6  Fällen 
die  Schmerzen  nicht  bis  zum  Rücken  ausstrahlten,  schon  auf 
Grund  klinischer  Beobachtung  dagegen,  dass  entzündliche 
Prozesse  in  der  Gallenblase  sich  abspielten.  Eine  Bestätigung 
für  die  Nichtbeteiligung  der  Gallenblase  lieferte  der  7.  Fall,  der 
in  vivo  und  post  mortem  autoptisch  untersucht  werden 
konnte,  wobei  die  Gallenblase  als  völlig  intakt  befunden  wurde. 
Ob  es  eine  toxische  Lähmung  der  Gallcnblasenwandung  gibt, 
ähnlich  wie  am  Darme,  die  durch  Zerrung  am  Peritoneum 
die  Schmerzen  auslösen  könnte,  ist  mir  nicht  bekannt.  In 
dem  Falle  5  könnte  mit  dieser  Möglichkeit  gerechnet  werden. 

Wenn  diese  Befunde  und  Ueberlegungen  zu  der  Ansicht 
führen,  dass  entzündliche  Prozesse  in  der  Gallenblase  als  Ur¬ 
sache  der  Schmerzen  nicht  in  Betracht  kommen,  so  wird  man 
auch  die  Frage,  ob  in  ihrer  Umgebung  lokalisierte  peritoni- 
tische  Prozesse  (Pericholezystitis)  die  Schmerzen  hervor- 
rufen,  nicht  zu  diskutieren  brauchen,  denn  es  ist  nicht  ein¬ 
zusehen,  weshalb  von  anderswo  herstammende,  entzündliche 
Prozesse  sich  gerade  an  dieser  Stelle  lokalisieren  sollten, 
zumal  nach  den  Schilderungen  von  Liebermeister, 
S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r  u.  a.  die  Peritonitis  typhosa,  diese  seltene, 
durch  den  Typhusbazillus  selber  hervorgerufene  echte  Typhus¬ 
komplikation,  eine  ausgesprochene  Neigung  zu  diffuser  Aus¬ 
breitung  auf  das  Bauchfell  besitzt. 

Die  Nieren  oder  die  Nierenbecken  für  die  Schmerzen  ver¬ 
antwortlich  zu  machen,  liegt  kein  Grund  vor,  selbst  nicht  in 
den  Fällen,  bei  denen  in  der  fraglichen  Zeit  eine  für  einen 
Typhus  mehr  oder  weniger  starke  Albuminurie  und  Zy- 
lindrurie  bestand. 

Die  Beobachtung  der  ausgesprochenen  Druckschmerz¬ 
haftigkeit  der  12.  Rippe  in  dem  7.  Falle  lässt  daran  denken, 
ob  vielleicht  periostitische  oder  osteomyelitische  Prozesse  an 
den  Rippen  in  Betracht  kommen.  In  keinem  der  übrigen 
Fälle  waren  die  Rippen  druckempfindlich;  bei  der  wieder¬ 
holten  Perkussion  und  Palpation  würde  das  den  Untersuchern 
wohl  nicht  entgangen  sein. 

Die  für  die  Erklärung  nötigen  Einschränkungen  nach  der 
negativen  Seite  hin  Hessen  sich  zweifellos  noch  vermehren. 
Ehe  ich  auf  die  mehr  allgemeingültigen  positiven  Erklärungs¬ 
versuche  eingehe,  möge  Fall  5  besonders  besprochen  sein, 
der  eine  Sonderstellung  einehmen  dürfte.  Es  ist  der  einzige 
Fall,  bei  dem  eine  deutliche  Lebervergrösserung  nachgewiesen 
werden  konnte;  der  ausserordentlich  starke  Schmerzanfall 
setzte  in  der  fieberfreien  Zeit  zwischen  eigentlichem  Typhus 
und  schwerem  Rezidiv  unvermittelt  und  akut  mit  hohem 
Fieber  und  ausgesprochen  entzündlichen  Erscheinungen  ein. 
Eine  Leukozytose  bestand  nicht,  was  in  dubio  für  eine  echte 
Typhuskomplikation  sprach.  Ausser  der  Lebervergrösserung 
fand  sich  über  dem  rechten  Unterlappen  verschärftes  Atmen, 
das  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  zeitlich  nach  der  Leber¬ 
vergrösserung  zustande  kam,  jedenfalls  später  nach¬ 
gewiesen  wurde.  Wenn  auch  die  Möglichkeit  eines 
kleinen  Lungeninfarktes  (Höne  k)  nicht  sicher  ausgeschlossen 
werden  kann,  so  ist  er  bei  der  ganzen  Sachlage  doch  un¬ 
wahrscheinlich;  es  sei  aber  in  Rücksicht  auf  die  weiter  unten 
gemachten  Ausführungen  hier  auf  dies  eigenartige  Zusammen¬ 
treffen  von  vagen  Lungenerscheinungen  und  Leberschwellung 
hingewiesen.  In  Rücksicht  auf  letztere,  die  Anamnese,  den 
Verlauf  und  die  Unmöglichkeit,  andere  Organveränderungen 
nachzuweisen,  dürfte  es  am  wahrscheinlichsten  sein,  dass  wir 
es  hier  mit  einer  akuten  Hepatitis  zu  tun  haben.  Dieses  zu¬ 
erst  von  Talma2)  beschriebene,  kürzlich  durch  Schultz  e3) 
in  Erinnerung  gebrachte  Krankheitsbild  soll  häufiger  vor- 


2)  Talma:  Die  gutartige  parenchymatöse  Hepatitis.  Berliner 
klin.  Wochenschr.  1891,  S.  1110. 

3)  Fr.  Schultze:  Ueber  heilbare  akute  Hepatitis.  Deutsches 
Archiv  i.  klin.  Med.  1912,  Bd.  108,  H.  3. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


kommen,  als  es  diagnostiziert  wird;  da  es  keine  Krankheit 
sui  generis  zu  sein  scheint,  da  sich  ferner  zwischen  den  Schil¬ 
derungen  I  almas,  Schultzes  und  der  vorliegenden  Be¬ 
obachtung  weitgehende  Analogien  finden,  und  da  schliesslich 
die  submiliaren,  oft  sehr  reichlichen  Leberzellennekrosen  beim 
Iyphus  etwas  ganz  Bekanntes  sind,  wird  man  sich  gern  ent- 
schliessen,  unseren  Fall  in  diese  Rubrik  einzureihen;  ob  die 
von  Schnitze  beschriebenen  Zellinfiltrationen  auch  bei  ihm 
bestanden,  muss  unentschieden  bleiben.  Man  kann  sich  sehr 
wohl  vorstellen,  dass  diese  Hepatitis  das  erste  Zeichen  des 
beginnenden  Rezidivs  war,  das  10  Tage  später  klinisch  zum 
Ausbruch  kam,  und  kann  daran  denken,  dass  die  Leber- 
schwellung  weiter  nichts  als  die  Folge  der  neuerlichen  Ueber- 
schwemmung  des  Blutes  mit  Typhusbazillen  ist,  die  das 
Rezidiv  erzeugte  und  diesem  ja  vorausgehen  muss.  Nach 
unserer  heutigen  Auffassung  vom  Wesen  der  Infektion,  spez. 
des  1  yphus,  liegt  es  nahe,  eine  Ueberempfindlichkeit  der 
Leber  —  und  vielleicht  auch  der  Lunge  —  anzunehmen  und 
so  das  Zustandekommen  der  eigenartigen  Leber-  und  Lungen¬ 
symptome  in  einer  Zeit  scheinbar  ungestörter  Rekonvaleszenz 
zu  ei  klären,  wo  jedenfalls  sonstige  typhöse  Symptome  fehlten. 

Oie  Annahme  einer  akuten  Hepatitis  zur  Erklärung  der 
Schmerzen  lässt  sich  auf  die  anderen  Fälle  nicht  übertragen. 
Es  liegen  andere  Erklärungsmöglichkeiten  auch  näher. 


Eine  solche  bietet  die  von  Schottmüller  wiederholt 
betonte  hochgradige,  lokale,  zu  defense  musculaire  führende 
Schmerzhaftigkeit  der  Muskeln  infolge  wachsartiger  Degene¬ 
ration  und  Blutungen.  Es  ist  bekannt,  dass  gerade  der  Rectus 
abdominis  von  diesen  Veränderungen  besonders  oft  befallen 
wird.  Weiterhin  ist  bemerkenswert,  dass  in  dem  7.  Falle  bei 
der  Sektion  frische  Blutungen  hier  und  in  verschiedenen 
anderen  Muskeln  notiert  wurden.  Die  Möglichkeit*  dass  diese 
pseudo-cholezystitischen  Schmerzen  durch  die  genannten 
Muskelveränderungen  zu  erklären  sind,  liegt  noch  deshalb 
um  so  näher,  als  die  Schmerzen  zu  einer  Zeit  auftraten,  von 
dei  man  annehmen  kann,  dass  auch  die  Muskelveränderungen 
auf  der  Höhe  der  Entwicklung  standen. 

Aber  hierdurch  dürften  sich  noch  nicht  alle  Fälle  erklären 
lassen.  Deshalb  wird  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  Pleura- 
und  Lungenveränderungen  gelenkt.  Es  ist  bekannt,  dass  bei 
der  Pneumonie4)  und  der  Pleuritis  sehr  oft  abdominale 
Schmerzen  entstehen  können,  während  der  eigentliche  Sitz 
der  Erkrankung  von  Schmerzen  teils  gänzlich,  teils  fast  voll¬ 
kommen  verschont  bleibt.  So  sei  an  die  appendizitischen 
Symptome  bei  Pneumonie  erinnert,  sowie  an  den  von  T  h  i  e  - 
in  a  n  n  r>)  beschriebenen  Fall,  der  bei  rechtsseitiger  Pneumonie 
unter  den  Erscheinungen  und  der  Diagnose  „akute  Chole¬ 
zystitis“  operiert  wurde,  ferner  an  die  wenig  beachteten  Ar¬ 
beiten  H  ö  n  c  k  s  a)  und  ähnliches. 

Nun  scheint  mir  höchst  bemerkenswert,  dass  in  4  von 
unseren  Fällen  ausgesprochene  pleuritische  Exsudate  auf  der 
rechten  Seite  bestanden,  die  man  sehr  wohl  für  die  Schmerzen 
am  rechten  Rippenbogen  und  in  der  Gallenblasengegend  ver¬ 
antwortlich  machen  kann.  Weiterhin  scheint  sehr  bemerkens- 
veit,  dass  in  anderen  Fällen  gerade  in  der  Gegend  des  rechten 
Unterlappens  lokalisierte  bronchitische  Erscheinungen  vor¬ 
handen  waren,  von  denen  manche  durchaus  die  Vermutung 
äglich  aufkommen  lassen,  ob  nicht  auch  hier  gering¬ 
fügige,  der  Diagnose  nicht  zugängliche  pleuritische  Ver¬ 
änderungen  Vorlagen. 

In  diesem  Zusammenhänge  sei  nochmals  auf  die  eben  er¬ 
wähnten  Arbeiten  Höncks  verwiesen,  der  sich  wiederholt 
mit  der  Rolle  des  Sympathikus  als  Vermittler  zwischen  einer 
primären  und  sekundären  Krankheit  befasste.  Auch  er  be¬ 
obachtete  das  häufige  Zusammentreffen  von  abdominalen 
Symptomen  mit  Lungenerscheinungen,  vom  einfachen  Katarrh 


4)  v.  Hampeln  (Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  49,  1892)  war 

Sn* w“S *-W2hl  erste  Deutsche>  der  nachdrücklich  hierauf  hinwies, 

reflektönsche  Prozesse  durch  Vermittlung  des  Phrenikus  annahm 
un.d  d‘e  enterogene  Pneumonie  (Le  i  ch  t  enst  e  r  n,  Aufrecht) 
vuidigt. ,  bpater  ist  periodisch  mehrfach  hierüber  geschrieben  worden. 

J  *  h  i  ema  n  n:  Rechtsseitige  Pneumonie  unter  den  Erschei- 
iprvf/1  ver  ?kuten  Cholezystitis.  Korrespondenzblatter  des  Allgem. 
Aerzt .  ^Vereins  von  Thüringen,  1912,  H.  5,  S.  288. 

,  Ho"ck:  Fortschritte  der  Medizin  1909,  No.  33  und  Die  Rolle 
des  Sympathikus.  Jena,  G.  Fischer,  1907. 


No.  23. 

bis  zur  Pneumonie,  und  glaubt,  dass  diese  gegebenenfalls  stets 
von  einer  Appendizitis  ausgehen  und  dass  es  durch  Vermitt¬ 
lung  des  Sympathikus  teils  zu  Hyperämien,  teils  zu  Katarrhen 
der  Bronchien  komme  und  dass  embolischen  Prozessen  Vor 
schub  geleistet  werde.  Er  verlegt  also  die  Entstehung  appeu- 
dizitischer  Schmerzen  bei  Pneumonie  in  die  Appendix,  indem 
er  diese  unter  allen  Umständen  für  das  primär  erkrankte  Or¬ 
gan  ansieht.  Dass  er  embolische  Prozesse  für  die  Entstehung 
der  Pneumonie  ausserdem  verantwortlich  macht,  sei  erwähn? 
aber  hier  nicht  weiter  kritisiert,  jedenfalls  sagt  er:  „Sind  bei 
Lungenentzündungen  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend  vor¬ 
handen,  so  ist  der  Fortsatz  krank,  oder  er  war  es  vor  kür¬ 
zerer  oder  längerer  Frist.“  Weiter  sagt  er:  „Ich  bin  daher 
langst  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  Entzündungen 
des  Blinddarms  oder  anderer  Darmteile  (Gallenblase!)  viel 
häufiger  der  Grund  zu  einer  Lungenentzündung  oder  einer 
der  genannten  Krankheiten  sind,  wie  man  es  sich  bisher 
träumen  lässt.“ 

Hier  schliesst  sich  nun  eine  auch  in  anderer  Beziehung 
bemerkenswerte  Arbeit  von  B  a  h  r  d  t 7)  an,  in  der  über  4  bis 
5  Fälle  von  Cholezystitis  berichtet  wird,  die  dadurch  aus¬ 
gezeichnet  sind,  dass  „bei  den  ersten  oder  sogar  vielen 
Attacken  Symptome  von  der  Leber  und  Gallenblase  über¬ 
haupt  fehlen  und  nur  Fieber  mit  Symptomen  von  seiten  der 
Lunge  und  der  Bronchien  auftritt“;  diese  waren  teils  rechts 
teils  linksseitig,  traten  vor,  gleichzeitig  mit,  oder  kurz  nach 
den  fieberhaften  Cholezystitisattacken  auf,  um  auffallend  rasch 
nach  den  entzündlichen  Gallenblasensymptomen  oder  nach 
Abgang  des  Gallensteines  restlos  zurückzugehen.  Klinisch 
gewann  B  a  h  r  d  t  bei  seinen  Fällen,  offenbar  unter  dem  Ein¬ 
druck  besonders  des  ersten,  die  Ansicht,  d  a  s  s  d  i  e  Lungen¬ 
symptome  stets  und  oft  längere  Zeit  vor  den 
Symptomen  der  primär  erkrankten  Gallen¬ 
blase  a  u  f  t  r  ä*t  e  n,  so  dass  er  drei  Perioden  unterscheidet: 
1.  okkulte  Cholangitis,  2.  vage  cholangitische  Symptome  ohne 
Ikterus  bei  vermutlich  vorhandenem  Stein,  3.  ausgesprochene 
Cholelithiasis  mit  Cholezystitis  und  Cholangitis.  B  a  h  r  d  t 
stellt  eingehende  Erwägungen  zur  Erklärung  der  eigentüm¬ 
lichen  Lungenerkrankungen  an  und  kommt  schliess¬ 
lich  zu  der  Annahme  einer  Infektion  auf  dem 
Wege  der  Lymph-  und  Blutbahn  vom  Duode¬ 
num  aus.  Das  ist  für  seine  Fälle,  soweit  das  Duodenum 
als  Ausgangspunkt  für  die  Infektion  in  Betracht  kommt, 
namentlich  unter  Berücksichtigung  der  Mitteilungen  Frau  - 
kes8 *),  durchaus  einleuchtend.  Franke  hat  nämlich  durch 
Injektionspräparate  den  unmittelbaren  Zusammenhang  des 
Lymphgefässsystems  der  Lunge  mit  dem  der  Bauchhöhle 
nachgewiesen;  so  gelang  es  ihm  von  der  Lunge  aus  Lyrnph- 
gefässe  und  Drüsen  bis  unter  das  Pankreas  zu  infizieren  und 
'er  vermutet,  dass  das  Verhalten  der  Lungenlymphgefässe  in 
der  Pathologie  der  Pneumonie  eine  Rolle  spielt. 

Nur  gellt  aus  B  a  h  r  d  t  s  Arbeit  hervor,  dass  er  das  ganze 
Problem  vielleicht  zu  sehr  vom  rein  bakteriologischen  Stand¬ 
punkt  aus  auffasst;  ich  möchte  glauben,  dass  heutzutage  eine 
etwas  modifizierte  Erklärung  näher  liegt.  Diese,  und  das  ist 
das  besonders  Interessante,  auch  wenn  er  es  schliesslich  ab¬ 
lehnt,  deutet  übrigens  Bahr  dt  selber  an,  wenn  er  sagt: 
„Man  könnte  höchstens  noch  an  Diffusion  von  Leukozyten 
denken“,  wobei  ihm  offenbar  Gedanken  vorgeschwebt  haben, 
wie  sie  von  manchen  Forschern  auf  dem  Gebiete  der  Anaphy¬ 
laxie  ausgesprochen  sind,  dass  nämlich  die  Leukozyten  bei 
überempfindlichen  lieren  als  Ueberträger  von  Substanzen  in 
Betracht  kommen,  die  anaphylaktische  Reaktionen  auszulösen 
imstande  sind. 

Vergleicht  man  nun  die  Ausführungen  Bahrdts, 
Höncks,  Frankes  und  die  vorliegenden,  denen  sich  auch 
die  Mitteilungen  älterer  Autoren  über  appendizitische  Sym¬ 
ptome  bei  Pneumonie  anschliessen  lassen,  so  leuchtet  ein,  dass 
ihnen  offenbar  dieselben  Krankheitssymptome  zugrunde  liegen 
und  dass  sie  nur  in  den  Erklärungen  abweichen.  Gemeinsam 
sind  allen  eine  Grundkrankheit  und  sekundäre 

,  .i,  Bahr  dt:  Zur  Diagnose  der  Gallensteine,  Respirationsorgane 
und  Cholezystitis.  Münch,  med  Wochenschr.  1912,  No.  43. 

*)  .Karl  Franke:  Ueber  die  L.ymphgefässe  der  Lunge,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Erklärung  der  Baucherscheinungen  bei  Pneumonie. 
Deutsche  Zeitschr,  f.  Chir.  1912,  Bd.  119. 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1255 


krankhafte  Veränderungen  des  Körpers,  die  den 
klinischen  Symptomen  nach  zeitlich  so  dicht  beieinander 
liegen,  dass  von  den  Autoren  ein  kausaler  Zusammenhang 
angenommen  wird.  Als  Bindeglied  sehen  sie  nervöse  Pro¬ 
zesse  teils  des  Vagus,  teils  des  Sympathikus  an,  und  zwar 
soll  es  sich  bald  um  reine  Reflexwirkungen,  bald  um  organi¬ 
sche  Reizungen  handeln,  wie  z.  B.  durch  entzündete  Lymph- 
gefässe  bei  Franke.  Dies  führt  ohne  weiteres  über  zu  den 
jüngst  erschienenen  Ausführungen  R  ö  s  s  1  e  s ")  über  den  Be¬ 
griff  der  zweiten  Krankheit,  womit  zum  Ausdruck  gebracht 
wird,  dass  es  sich  um  Leiden  handelt,  die  erst  auf  der  Basis 
eines  örtlich  und  dem  Wesen  nach  ganz  verschiedenen  patho¬ 
logischen  Prozesses  sich  entwickeln.  R  ö  s  s  1  e  sieht  den 
Vagus  als  das  ausschlaggebende  Bindeglied  zwischen  Quellen¬ 
krankheit  und  zweiter  Krankheit,  wenigstens  soweit  die 
Genese  des  Magengeschwürs  in  Betracht  kommt,  an. 

Auch  v.  Bergmann10)  schliesst  sich  in  seiner  Arbeit 
über  das  spasmogene  Ulcus  pepticum  dieser  Ansicht  R  ö  s  s  - 
I  e  s  an.  Erinnert  man  sich  nun  weiter  der  wichtigen  Rolle, 
die  nachweislich  dem  Vagus  und  vielleicht  auch  dem  Sym¬ 
pathikus  in  der  Lehre  von  der  Anaphylaxie  beigemessen 
werden  muss,  so  liegt  ein  grosses  klinisches  und  experimen¬ 
telles  Tatsachenmaterial  vor,  das  den  in  Rede  stehenden 
abdominalen  Symptomen  das  Merkwürdige  nimmt.  S  i  e 
dürften  aufzufassen  sein  als  der  klinische 
Ausdruck  der  Genese  einer  zweiten  Krank¬ 
heit  bzw.  eines  lokalen  anaphylaktischen 
Vorgangs. 

Hierdurch  bekommen  die  in  Rede  stehenden  Dinge  wohl 
eine  über  die  klinische  Beobachtung  hinausgehende  Bedeutung. 
Es  wird  ja  zwar  oft  unmöglich  sein,  die  Quellenkrankheit  an- 
zugeben.  Für  unsere  Fälle  liegt  es  nahe,  die  Typhusinfektion 
als  solche  dafür  verantwortlich  zu  machen.  Tut  man  das,  so 
ist  damit  ohne  weiteres  die  Erklärung  gegeben,  weshalb  in  dem 
einen  Falle  die  Leber,  in  anderen  Fällen  die  Muskelblutungen 
und  in  dem  Rest  die  pleuritischen  Prozesse  die  Quelle  der 
Schmerzen  sind. 

Schlussfolgerung. 

Es  kommen  im  Verlaufe  gewöhnlicher  Typhusfälle 
Schmerzen  oft  kolikartigen  Charakters  vor,  die  den  Eindruck 
cholezystitischer  Prozesse  machen.  Der  Symptomenkomplex 
verläuft  jedoch  ohne  Ikterus  und  ohne  Ausstrahlen  der 
Schmerzen  nach  dem  Rücken.  Es  konnte  durch  klinische  und 
anatomische  Beobachtung  höchst  wahrscheinlich  gemacht 
werden,  dass  cholezystitische  Veränderungen  nicht  vorliegen. 
Die  Schmerzen  lassen  sich  vielmehr  auf  verschiedene  Weise 
erklären:  durch  akute  Hepatitis,  durch  Muskelverände¬ 
rungen  infolge  von  Blutung  und  Degeneration  und  durch 
Pleuritis.  Sie  sind  aufzufassen  als  der  klinische  Ausdruck 
der  Entstehung  einer  zweiten  Krankheit  im  Sinne  R  ö  s  s  1  e  s 
oder  einer  lokalen  Ueberempfindlichkeitsreaktion  im  Sinne  der 
Anaphylaxielehre. 


Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Universitätsklinik  und  Poliklinik 
zu  Berlin  (Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  A.  Bier). 

Zur  Therapie  der  Raynaudschen  Krankheit. 

Von  Dr.  Richard  Schreiber. 

Bei  konservativer  Behandlung  schwer  verletzter  und  er¬ 
frorener  Finger  hat  N  o  e  s  s  k  e  mit  der  von  ihm  angegebenen 
Methode  des  Fingerkuppenschnittes  und  anschliessender 
energischer  Saugbehandlung  die  besten  Resultate  erzielt.  Es 
gelang  ihm  hiermit,  Fingerglieder,  die  nur  noch  an  einem  sehr 
schmalen,  dünnen,  schlecht  ernährten  Hautlappen  hingen, 
lebens-  und  funktionsfähig  zu  erhalten.  Diese  günstigen  Er¬ 
folge  veranlassten  N  o  e  s  s  k  e  auch  die  Behandlung  eines 
Falles  von  Raynaud  scher  Krankheit  in  der  geschil¬ 
derten  Weise  durchzuführen,  nachdem  die  interne  Therapie 
absolut  versagt  hatte  und  Versuche,  mittels  Saugbehandlung 


B)  R  ö  s  s  1  e :  Das  runde  Geschwür  des  Magens  und  des  Zwölf¬ 
fingerdarmes  als  zweite  Krankheit.  Mitteil.  a.  d.  Grenzgebieten  1912, 
Bd.  25,  H.  3  u.  4. 

10)  v.  Bergmann:  Das  spasmogene  Ulcus  pepticum.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1913,  No.  4. 


eine  Besserung  zu  erzielen,  vergeblich  gewesen  waren.  Die 
schwer  zyanotischen,  zum  Teil  schwarzblauen  und  sehr 
schmerzhaften  Fingerglieder  wurden  an  der  Kuppe  quer 
inzidiert  und  darauf  in  der  Saugglocke  einem  starken  nega¬ 
tiven  Druck  ausgesetzt.  Der  Erfolg  war  überraschend;  nach 
etwa  anderthalb  Tagen  war  die  Patientin  völlig  schmerzfrei, 
die  Zyanose  an  den  inzidierten  Fingern  war  gänzlich  ge¬ 
schwunden  und  hatte  einer  normalen  Färbung  Platz  gemacht. 
Die  Patientin  wurde  nach  den  Inzisionen  etwa  noch  10  Tage 
lang  regelmässig,  zweimal  täglich,  der  Saugbehandlung  aus¬ 
gesetzt  und  dann  ohne  jede  Beschwerde  „g  e  h  e  i  1 1“  ent¬ 
lassen.  Ihr  Zustand  war  14  Wochen  später  unverändert 
günstig  gebli«eben.  Gelegentlich  des  Chirurgenkongresses  1910 
—  also  nach  etwa  weiteren  18  Wochen  —  besprach  Noesskc 
die  günstigen  Erfolge  dieses  Falles  („Patientin  wurde  völlig 
g  e  h  e  i  1 1“)  und  empfahl  die  Methode  der  Nachprüfung. 

Noesskes  Vorschlag  war  einleuchtend,  und  das  mehr 
oder  weniger  gänzliche  Versagen  des  bisherigen  therapeuti¬ 
schen  Rüstzeuges  —  quoad  Heilung  —  liess  diese  Methode 
freudige  Aufnahme  finden.  Wenigstens  habe  ich  in  den  vor¬ 
liegenden  Publikationen,  die  infolge  der  relativen  Seltenheit 
der  Krankheit  nicht  allzu  reichlich  sind,  keine  gegenteilige  An¬ 
sicht  vertreten  gefunden.  Es  wäre  nun  wünschenswert,  zu 
wissen,  ob  in  den  bisherigen,  so  behandelten  Fällen  von 
Raynaud  scher  Krankheit  wirklich  „Heilungen“  resp. 
langdauernde  Besserungen  oder  nur  vorübergehende 
Erfolge  erzielt  wurden.  Letzteres  trifft  nämlich  bei  einem 
Falle  zu,  den  wir  nach  der  N  o  e  s  s  k  e  sehen  Methode  be¬ 
handelten  und  der  anfänglich  die  glänzendsten  Resultate  ver¬ 
sprach.  Zunächst  will  ich  die  Krankengeschichte  unseres 
Falles  folgen  lassen  und  dann  zur  Besprechung  der  Therapie 
etc.  übergehen. 

14.  I.  1910.  B.  M.,  36  Jahre,  Ehefrau.  Hereditär  ist  nichts  nach¬ 
weisbar,  Eltern  und  alle  Geschwister  sind  noch  am  Leben  und  gesund. 
Pat.  hat  keinen  Abort  durchgemacht,  hat  11  mal  entbunden.  2  Kinder 
sind  an  Infektionskrankheiten,  3  in  frühester  Jugend  an  unbekannten 
Krankheiten  gestorben,  6  Kinder  leben  und  sind  gesund.  Pat.  hat  als  Kind 
Masern  durchgemacht,  vom  18.  bis  36.  Lebensjahre  5  mal  im  Kranken¬ 
hause  gelegen  wegen  Lungen-,  Magen-  und  Nervenleiden.  Pat.  will 
stets  sehr  nervös  gewesen  sein  und  bei  jeder  geringsten  Aufregung  an 
Zittern  und  Kopfschmerzen  gelitten  haben.  Seit  Anfang  1907  Blaufär¬ 
bung  und  Gefühl  von  Eingeschlafensein  der  Finger,  beginnend  an  der 
Spitze  des  rechten  Mittelfingers,  dann  übergehend  auf  den  ganzen  II., 
III.  und  IV.  rechten  Finger;  hierauf  zeigten  sich  dieselben  Symptome 
an  den  gleichen  Fingern  der  linken  Hand.  Häufige,  bisweilen  fast  un¬ 
erträgliche,  stechende  Schmerzen  in  den  erkrankten  Fingern.  Vor 
wenigen  Wochen  begann  das  Gefühl  von  Taubheit  auch  im  linken 
V.  Finger,  während  er  rechts  noch  frei  ist.  Patientin  erhielt  dagegen 
Senfbäder,  wurde  aber  sonst  nicht  weiter  deswegen  behandelt.  Der 
rechte  Mittelfinger  bot  von  jeher  die  schwersten  Erscheinungen;  an 
seiner  Kuppe  entstand  vor  ca.  3  Wochen  (Weihnachten  1909)  eine 
Eiterung,  weswegen  sie  der  Kgl.  chir.  Poliklinik  zur  Behandlung  über¬ 
wiesen  wurde. 

Status:  Kleine,  mässig  genährte,  sehr  nervöse  Frau.  Keine 
Oedeme,  keine  Exantheme,  keine  Drüse<nschwellungen.  Leichter  Ex¬ 
ophthalmus  beiderseits,  leicht  vergrösserter  rechter  Schilddrüsen¬ 
lappen.  Auffällig  tritt  die  spitze  anämische  Nasenspitze,  welche  sich 
kalt  anfühlt,  in  Erscheinung.  Sehnenreflexe  gesteigert.  Pupillen¬ 
reaktion  o.  B.  Augenhintergrund  normal.  Patientin  ist  beiderseits 
etwas  schwerhörig,  mässige  Skleroseerscheinungen  an  den  Trommel¬ 
fellen.  —  Lungenbefund:  Klopfschall  rechts  hinten  oben  verkürzt,  da¬ 
selbst  deutlich  verschärftes  Inspirium,  keine  Rasselgeräusche.  —  Herz 
nicht  verbreitert,  keine  Geräusche;  Puls  mittelvoll,  mittelkräftig, 
80  Schläge  in  der  Minute,  bei  geringster  psychischer  Erregung  erheb¬ 
lich  beschleunigt  bis  zu  120  Schlägen,  keine  nachweisbare  Sklerose 
der  peripheren  Gefässe.  —  Abdomen  o.  B.  —  Urin  o.  B.  —  Deutlicher 
Fingertremor.  An  beiden  Händen  fallen  die  3  mittleren  Finger  durch 
ihre  dunkle  schwarzblaue  Färbung  und  die  ausgesprochene  Abkühlung 
auf,  in  geringerem  Grade  auch  der  linke  V.  Finger.  Gefühl  von  Taub¬ 
sein,  Ameisenlaufen,  heftige,  stechende  Schmerzen.  Hypästhesie 
resp.  Anästhesie  für  thermische  Reize,  Berührungsqualitäten  und  leichte 
Nadelstiche  an  der  Beugeseite  stärker  als  an  der  Streckseite,  und 
zwar  an  allen  befallenen  Fingern  nur  die  beiden  Endglieder  betreffend, 
während  die  Grundphalangen  wohl  zyanotisch  und  kalt  sind,  aber 
keine  anormalen  Sensibilitätsunterschiede  aufweisen.  Auf  der  Höhe 
der  rechten  Mittelfingerkuppe  erbsengrosser  subkutaner  Abszess,  der 
anfangs  als  genuines  Panaritium  imponiert,  nach  Feststellung  der  übri¬ 
gen  Symptome  aber  als  angioneurotische  Ernährungsstörung  gedeutet 
werden  muss. 

Diagnose:  Raynaudsche  Krankheit,  daneben  einige  Sym¬ 
ptome  von  Basedow. 

Eröffnung  des  Abszesses,  Entleerung  von  etwas  dickem  gelben 
Eiter,  Saugbehandlung  mit  Klapp  scher  Fingerglocke  in  üblicher 
Weise. 


1256 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2c 


19.  I.  10.  Operation.  Abszess  ist  abgeheilt.  An  den  3  mitt¬ 
leren  Fingern  der  rechten  Hand  Fingerkuppenschnitt  (nach 
Kn  oke-Noesske).  7  rotz  der  festgestellten  Gefühlslosigkeit  der 
1  ingerspitzen  werden  die  Inzisionen  als  sehr  schmerzhaft 
empfunden,  so  dass  ein  Aetherrausch  eingeleitet  werden  muss.  Wäh¬ 
rend  aus  den  Schnittwunden  des  Zeige-  und  Ringfingers  sehr  dunkles 
lilut  tropfenweise  hervorquillt,  blutet  anfangs  die  Wunde  des  Mittel¬ 
fingers  gar  nicht.  Handsaugglas;  forcierte  Evakuierung.  Starke, 
anfangs  sehr  dunkle,  dann  heller  werdende  Blutung  aus  dem  II  und 
m  u£er\  7  Minuten  langes  Saugen.  Gesamtblutverlust  30  ccm. 
wach  Abnahme  des  Saugglases  sehen  die  behandelten  Finger  viel 
heller  ais  die  betreffenden  der  anderen  Hand,  ja  fast  normal  aus. 
VV  undtamponade.  Steriler  Verband,  ambulante  Behandlung. 
wm  L  Pat.  hat  nachts  anfänglich  starke  Schmerzen  und 
Hitzegeiuhl  in  den  operierten  Fingern  verspürt.  Die  drei  Finger 
zeigen  rosige  Hautfärbung  und  fühlen  sich  fast  normal  warm  an. 
Deutlicher  Unterschied  gegenüber  den  Fingern  der  nichtbehandelten, 
linken  Hand.  Saugbehandlung  15  Minuten,  geringer  Blutverlust 
22.  I.  10.  Pat.  ist  in  geschilderter  Weile  täglich  im  Saugglas 
behandelt  worden,  Besserung  ist  bestehen  geblieben.  Aus  familiären 
Gründen  Aufnahme  in  die  Klinik. 


Therapie:  rechte  Hand  zweimal  täglich  10  Minuten  Saugbe¬ 
handlung,  linke  Hand  Heissluftkasten. 


17.  II.  10.  Pat.  wird  gebessert  in  ambulante  Behandlung  ent¬ 
lassen.  Die  etwas  indolente  Frau  ist  mit  dem  erzielten  Erfolge  zu¬ 
frieden.  will  wieder  arbeiten  (als  Federkräuslerin)  und  verweigert 
Operation  der  linken  Hand.  Gute  lineäre  Narben  auf  den  operierten 
Fingerkuppen.  Die  behandelten  Finger  rechts  haben  normale  Färbung 
fühlen  sich  wärmer  als  die  Finger  der  linken  Hand  an,  sind  schmerz¬ 
frei;  Par-  und  Hypästhesien  gebessert;  bisweilen  auf  tretende  leichte 
Zyanose  und  subjektive  Kälteempfindung.  Auch  an  der  linken  (mit 
Heissluft  behandelten)  Hand  haben  die  Empfindungsqualitäten  und  die 
Schmerzen  sich  etwas  gebessert,  während  die  Zyanose  und  die  ob¬ 
jektive  Abkühlung  nur  wenig  beeinflusst  sind. 

Patientin  entzog  sich  durch  Fernbleiben  der  weiteren 
ambulanten  Behandlung  und  Kontrolle.  Der  erzielte  Erfolg 
musste  als  erheblich  angesehen  werden,  da  die  —  nach  dem 
Noessk  eschen  Verfahren  —  behandelten  Finger  ganz 
Schmer  zfrei,  fast  normal  gefärbt  und  wärmer  geworden 
waren  und  die  Sensibilität  sich  soweit  gebessert  hatte,  dass 
Patientin  der  Ansicht  war,  sie  könnte  ihre  lang  aufgegebene, 
subtile  Arbeit  wieder  aufnehmen.  Der  Vergleich  mit  den 
analogen  Verhältnissen  des  Noessk  eschen  Falles  berech¬ 
tigte  uns  zu  der  Annahme,  dass  eine  voraussichtliche  „Hei¬ 
lung  ,  oder  doch  anhaltende,  erhebliche  Besserung  erzielt  sei. 
Auch  bei  schweren  Fingerverletzungen  mit  drohender 
Gangrän,  sowie  bei  Behandlung  von  Knochenpanaritien  hatten 
wir  die  Vorzüge  der  Methode  kennen  gelernt.  In  dem  Lehr¬ 
buch  der  Chirurgie  von  Wullstein-Wilms  1910  schrieb 
K  1  a  p  p  daher  beim  Kapitel  „R  a  y  n  a  u  d  sehe  Gangrän“: 
„Neuerdings  hat  N  o  e  s  s  k  e  den  plausiblen  Vorschlag  gemacht, 
die  venöse  Stase  in  Fällen  von  gangrändrohender  Asphyxie 

Finger  dadurch  zu  behandeln,  dass . Ich  habe  mich 

von  der  sehr  günstigen  Wirkung  überzeugen  können“. 

Ich  will  hier  schon  vorwegnehmen,  dass  wir  nach  unseren 
jetzigen  Erfahrungen  die  günstige  Wirkung  der  Methode 
nm  für  sagen  wir  —  akute  Asphyxie  bei  schweren  Ver¬ 
letzungen  und  im  Verlaufe  der  Panaritiumbehandlung  unein¬ 
geschränkt  bestätigen  können,  aber  bei  chronischer  As¬ 
phyxie  der  Raynaud  sehen  Krankheit  nicht  mehr  an  obigem 
Urteil  (Klapp)  festhalten  können. 

Nach  vielfachen  vergeblichen  Aufforderungen  kam  Pat.  am  2.  Mai 
1912  wieder  in  die  Poliklinik.  Zwischen  den  betreffenden  Fingern 
beider  Hände  war  absolut  kein  Unterschied  zu  konstatieren.  Die 
drei  mittleren  Finger  beiderseits,  sowie  der  linke  fünfte  Finger  waren 
dunkelblau,  fast  noch  zyanotischer  als  vor  Beginn  der  früheren  Be¬ 
handlung.  Pat.  klagte  über  die  heftigsten,  sich  häufenden  Schmerzen 
und  Parasthesien.  Es  bestand  Hypästhesie  in  ausgesprochenem  Masse, 
Stecknadeln  und  Streichhölzer,  die  man  ihr  zu  halten  gab,  fühlte  sie 
nicht  und  verlor  sie  bei  geschlossenen  Augen.  Zu  feinerer  Arbeit  war 
sie  nicht  fähig,  worüber  sie  sehr  unglücklich  war.  Sensibilität  für 
grobe  Warmedtferenzen.  Berührungsqualitäten  und  Nadelstiche  war 
erheblich  herabgesetzt.  Die  früheren  Operationsnarben  waren  noch 
als  feine  Linien  erkennbar.  Wie  lange  bestand  nun  dieser  Grad  der 
Erkrankung  wieder?  Nach  Aussage  der  Pat  war  sie  nach  ihrer  Ent¬ 
lassung  aus  der  Klinik  (17.  II.  10)  anfänglich  sehr  befriedigt  gewesen, 
sie  konnte  ihrer  gewohnten  Arbeit  wieder  nachgehen,  hatte  in  der 
rechten  Hand  gar  keine,  in  der  linken  mässige  Schmerzen.  Die 
Besserung  der  linken  Hand  hielt  etwa  3 — 4  Wochen  an,  um  dann 
dem  Zustande  vor  der  Behandlung  wieder  zu  weichen.  Aber  die 
operierte  Hand  blieb  doch  wenigstens  gebrauchsfähig,  schmerzfrei, 
warm  und  ziemlich  normal  sensibel,  bis  nach  einer  Gesamtzeit  von 
Monaten  sich  alle  alten  Beschwerden  im  Verlaufe  von 
Xr  Wachen  wieder  eingestellt  hatten,  um  in  den  bis  zur  neuerlichen 
Vorstellung  vergangenen  2  Jahren  fast  noch  stärker  zu  werden  als 


q  u?aS  Wo  also  der  erhoffte  Erfolg!  Vor  Heilung  kein« 

Spur!  Wohl  eine  Besserung  für  etwa  3  Monate!  Vielleicht  könnt, 
das  ja  gegenüber  den  Misserfolgen  aller  übrigen  therapeutische! 
Massnahmen  als  ein  relativ  günstiges  Resultat  betrachtet  werden 
Man  kann  doch  aber  nicht  gut  die  Pat.  einer  periodisch  sich  wieder 
holenden  Operation  unterziehen.  W'ir  kehrten  nun  wieder  zur  Heiss 
luftbehandlung  zurück.  Zwar  nicht  zum  Heissluftkasten,  um  Ver 
brennungen  zu  vermeiden,  wohl  aber  zur  kräftigen  Heissluftdusch«. 
(Klappscher  Heissluft-Gri-Apparat).  Die  Finger  der  linken  Han' 
wurden  5  Minuten  lang  —  etwa  1  m  von  der  Ausströmöffnung  de 
Apparates  entfernt  —  einer  in  zentripetaler  Richtung  wirkende! 
Heissluftmassage  ausgesetzt.  Und  mit  welchem  Resultat?  Wir  er  ! 
reichten  denselben  Zustand,  wie  er  an  der  operierten  Hand  anfänelicl 
bestanden  hatte.  Die  Finger  waren  jetzt  rot,  schmerzfrei  Par 
asthesien  waren  geschwunden,  die  Sensibilität  deutlich  gebessert  Da 
natürlich  nicht  zu  erwarten  war,  dass  dieser  Befund  von  länger 
Dauer  sein  würde,  so  sollte  Pat.  täglich  zur  Behandlung  wieder 
kommen.  Sie  kam  aber  erst  am  5.  Tage  wieder  und  zwar  in  frohester 
Laune.  Die  einmalige,  5  Minuten  währende  Behandlung  hatte  genügt 
um  eine  3  7  age  anhaltende,  erhebliche  Besserung  zu  erzielen,  so  dass 
Pat.  ihre  alte  Beschäftigung  (Federkräuseln)  wieder  hatte  aufnehmen 
können.  Am  4.  Tage  hatten  sich  die  Beschwenien  wieder  eingestellt 
allerdings  nicht  ganz  so  stark  wie  vordem.  Pat.  wurde  darauf 
ca.  8  W  ochen  in  geschilderter  Weise  an  beiden  Händen  in  Pausen 
von  etwa  5—6  Tagen,  solange  hielt  die  vollkommene  Besserung 
immer  an,  behandelt.  Abgesehen  von  diesen  kurzfristigen,  sehr  guten 
Resultaten  schien  die  Erkrankung  sich  auch  im  allgemeinen  gebessert 
zu  haben,  denn  -nach  Abklingen  der  Besserungsperioden  traten  dR 
Attacken  nicht  mehr  so  stürmisch  in  die  Erscheinung  wie  früher 
Nachdem  Pat.  2  Monate  lang  regelmässig  zur  Behandlung  gekommen 
war,  ist  sie  wieder  völlig  ferngeblieben. 


Diese  ziemlich  befriedigenden  Erfahrungen,  die  wir  mit 
der  starken  Heissluftdusche  gemacht  hatten,  veranlassten  mich 
sie  noch  in  einem  weiteren,  schweren  Fall  von  Raynau  d  - 
scher  Gangrän  einer  Nachprüfung  zu  unterziehen. 


Es  handelte  sich  um  eine  42jähr.  Frau  S.  R„  die  als  Kind  Masern 
und  Diphtherie  durchgemacht  hat,  sonst  aber  ganz  gesund  gewesen 
1.st- ,  *1.ri  Alter  von  22  Jahren  (1893)  ersten  Partus  durchgemacht,  Kind 
{?. ^  j  ,1Sw  g?suV *?•  „  ^  Jahre  später  (1902)  zweiter  normaler  Partus, 
Kind  lebt  gleichfalls,  soll  sehr  nervös  sein.  Kein  Abort.  Während  des 
ersten  W  ochenbettes  will  Pat.  einem  heftigen  Schreck  ausgesetzt  ge¬ 
wesen  sein  (Nachbarin  wollte  sie  vergiften,  was  misslang,  worauf 
erstere  neben  dem  Bett  der  Wöchnerin  auf  eine  dritte  Person  mit 
Kuchenbeil  einhieb  ?),  woraufhin  sie  einen  heftigen  Krampfanfall  — 
ohne  Bewusstseinsstörungen  oder  Verletzungen  —  erlitten  haben, 
will  Im  Laufe  der  nächsten  Tage  wäre  dann  eine  Milchstauung  mit 
anschliessender  Brustdrüsenvereiterung  eingetreten. 

5  Jahre  später  hätten  sich  dann  unbestimmte,  ziehende  Schmer¬ 
ze11..™  ganzen  Körper,  Gemütsbewegungen,  Angstgefühl  etc.  von  7  bis 
8  wöchiger  Dauer  eingestellt  und  hätten  sich  dann  allmählich  ver¬ 
loren.  Nach  weiteren  3  Jahren  traten  dann  wieder  ähnliche  Be¬ 
schwerden  mit  krampfartigen  Rückenschmerzen  und  häufigen  Er¬ 
regungszuständen  auf.  Der  behandelnde  Arzt  soll  zwecks  Hebung 
dieser  Erscheinungen  zu  einer  nochmaligen  Gravidität  geraten  haben 
Wahrend  dieser  zweiten  Schwangerschaft  (1902)  soll  ihr  Wasser, 
beim  Aufwischen  des  Fussbodens,  unter  den  Händen  gefroren  sein 
und  bald  darauf  die  Spitze  des  rechten  Zeigefingers,  dann  des  rechten 
K  emfingers  gangränös  geworden  und  abgefallen  sein.  Seit  damals 
Blaufärbung  der  Hände,  Gefühl  von  Taubsein  und  Kribbeln,  anfangs  1 
periodische  Attacken  —  später  dauernde  heftige  Schmerzen  in  sämt¬ 
lichen  Fingern,  bisweilen  auch  in  den  Füssen  und  Ohren.  Seit  An¬ 
fang  Dezember  1912  beginnende  Gangrän  an  der  Spitze  des  linken 
kleinen  Fingers. 

Befund:  Kleine,  etwas  blasse,  sehr  gut  genährte,  auffallend 
redselige  Pat.  Keine  Oedeme.  Exantheme,  Drüsenschwellungen.  Pu- 
pillarreflexe  o.  B.  Kornea-  und  Rachenreflexe  herabgesetzt.  Patellar- 
refiexe  beiderseits  gesteigert.  Augenhintergrund  o.  B. 

Brust-  und  Bauchorgane  o.  B.  Menses  regelmässig,  o.  B.  Puls 
etwas  gespannt,  regelmässig,  90  Schläge.  Patientin  klagt  über  Blasen- 
beschwei  den,  zeitweise  hält  sie  den  Urin  24  Stunden,  zeitweise  muss  i 
sie  sehr  häufig  urinieren.  Urin:  frei  von  pathologischen  Bestand¬ 
teilen.  Wassermann  negativ.  Tremor  der  Finger,  die  wie  die  Hände 
dunkelblau-rot  verfärbt^  und  kalt  sind.  Handflächen  trocken.  An  den 
Spitzen  des  rechten  Zeigefingers  und  Kleinfingers  unregelmässige 
Narben,  während  die  Endphalangen  um  ein  Drittel  verkürzt  er¬ 
scheinen.  Das  Nagelglied  des  linken  Kleinfingers  zeigt  in  seiner 
distalen  Hälfte  eine  trockene,  nicht  deutlich  demarkierte  Weichteil¬ 
gangrän.  Differenzierung  für  Warmequalitäten  an  sämtlichen  Fingern 

aufgehoben,  Sensibilität  für  Berührung  an  den  Beugeseiten _ an  bei- 

den  Zeigefingern  und  rechten  Mittelfinger,  auch  an  den  Streckseiten  — 
deutlich  herabgesetzt,  Schmerzgefühl  für  Nadelstiche  überall  erhalten. 
Subjektiv:  Ameisenlaufen,  Kältegefühl,  heftige  Schmerzen,  besonders 
uenn  die  Hände  in  kaltes  oder  warmes  Wasser  gehalten  werden. 
Dieselben  Sensationen  auch  in  den  Füssen,  die  sich  kalt  anfiihlen. 
aber  keine  Zyanose  aufweisen.  Pat.  hat  bisweilen  das  Gefühl,  als  ob 
sie  auf  Nadeln  tritt.  Schmerzen.  Kältegefühl  an  den  Ohren,  die  aber 
keinen  objektiv  pathologischen  Befund  ergeben. 

Pat.  wurde  jeden  zweiten  Tag  je  5  Minuten  einer  Heissluft - 
massage  an  beiden  Händen  ausgesetzt.  Nach  etwa  vierzehntägiger 


10.  Juni  1*9 1 3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


257 


Jehandlung;  waren  alle  Beschwerden  geschwunden,  die 
jangrän,  die  nicht  fortgeschritten  ist,  scharf  demarkiert  und  in 
rtummifikationszustand  übergeführt.  Nach  im  ganzen  vierwöchiger 
Jehandlung  (3  mal  wöchentlich)  war  der  Befund  folgender: 

Hände  rot,  als  ob  sie  soeben  aus  einem  Heissluftkasten  kämen, 
eucht,  bisweilen  schwitzend,  keine  Schmerzen,  Wärmedifferenzen 
verden  prompt  angegeben,  leichteste  Berührungen  mit  Haarpinsel 
verden  gespürt  und  lokalisiert.  Gangrän  demarkiert  sich  weiter. 

Hierauf  habe  ich  die  bisherige  Therapie  unterbrochen.  Pat.  ist 
eit  15  Wochen  —  abgesehen  von  Versorgung  der  Gangrän  —  ohne 
.•de  Behandlung.  Der  Zustand  ist  seitdem,  Pat.  stellt  sich 
wöchentlich  vor,  unverändert  gut  geblieben. 

Meines  Erachtens  haben  wir  mit  der  beschriebenen  Heiss- 
ufttherapie  Resultate  erzielt,  denen  die  sonstigen  therapeu- 
isclien  Massnahmen  nicht  an  die  Seite  zu  stellen  sind.  Von 
iner  Heissluftkastenbehandlung  möchte  ich  jedoch  abraten, 
Ia  hierbei  leichter  Verbrennungen  an  den  hypästhetischen 
iliedern  auftreten  könnten.  Wandel  empfiehlt  Eintauchen 
n  warmes  Wasser,  wodurch  es  gelingen  soll,  die  schmerz- 
laften  Anfälle  meist  rasch  zu  beseitigen.  Bei  unserem  zweiten 
'alle  wurden  gerade  im  Wasser,  auch  im  warmen,  die 
Schmerzen  verstärkt  ausgelöst.  B  e  n  s  a  u  d  e  hat  in  3  von 
1  Fällen  bemerkenswerte  Resultate  mit  heisser  Luft  von  50° 
■rzielt.  Die  lokalen  Qefässkrämpfe  wurden  gemindert,  zum 
Teil  ganz  zum  Schwinden  gebracht,  die  Zyanose  beseitigt,  die 
Schmerzen  verringert,  die  drohende  Gangrän  ausgeschaltet. 
Hs  Nachteile  der  Methode  wäre  die  Notwendigkeit  eines  be- 
onderen  Instrumentariums  und  die  lange  Dauer  der  Behand- 
ung  —  in  zwei  Fällen  mussten  die  Patienten  drei  Monate  lang 
äglich  2—4  Stunden  unter  der  heissen  Luftdusche  bleiben  — 
inzusehen.  Trotzdem  ist  Bensaude  der  Ansicht,  dass 
lieses  Verfahren  jeder  anderen  Behandlungsmethode  bei 
Raynaud  scher  Krankheit  überlegen  sein.  Diese  Auffassung 
timmt  mit  der  unseren  im  allgemeinen  überein,  wie  auch  die 
ehr  günstigen  Resultate,  nur  dass  wir  eine  erheblich  kürzere 
Sehandlungsdauer  für  hinreichend  —  eine  2 — 4  stiindige  even- 
uell  sogar  für  gefährlich  —  halten  und  ein  „besonderes  Instru- 
nentarium“  für  eventuell  überflüssig.  Eine  kräftige  Heissluft¬ 
lusche  mit  elektrischem  Anschluss,  wie  sie  heute  bereits  zum 
leliebten  Rüstzeuge  vieler  Aerzte  gehört,  genügt  wahrschein- 
ich  auch;  da  wir  jedoch  mit  besonders  starkem  Heissluftstrom 
;earbeitet  haben,  so  haben  wir  kein  bündiges  Urteil  über  die 
Virksamkeit  der  gewöhnlichen  Duschen.  Ich  will  auch  noch 
:uf  die  Publikationen,  die  sich  mit  einer  Prüfung  der 
1  o  e  s  s  k  e  sehen  Methode  beschäftigen,  kurz  eingehen. 
iskes  wie  Schepelmann  empfehlen  sie  zur  Behandlung 
Irohender  Gangrän,  der  erstere  bei  schwerer  traumatischer 
Verletzung,  der  andere  bei  plötzlicher  Gewebsasphyxie  infolge 
iperativer  Gefässverletzungen  gelegentlich  Exzision  einer 
chweren  kontrahierenden  Narbenschrumpfung  mit  erheblicher 
iehnenverkiirzung.  (Einen  ganz  analogen  Fall  konnten  wir 
brigens  kürzlich  auch  beobachten.)  Schepelmann  stellt  in 
einer  Arbeit  unter  anderem  die  Forderung  auf,  die  Klappsche 
üngersaugglocke  öfters  abzunehmen,  um  nicht  auch  die 
r  t  e  r  i  e  1 1  e  Blutzufuhr  zu  unterbinden.  Bei  Anwendung 
ines  Handsaugglases  statt  einer  Fingerglocke  ist  solches  kaum 
u  befürchten,  ausserdem  wird  mit  dem  grösseren  Glase  auch 
ine  stärkere  Wirkung  der  Stauung  erzielt. 

Fehsenfeid  hat  ebenfalls  bei  Finger-  und  Zehenver- 
itzungen  mit  dem  Noesskeschen  Verfahren  gute  Erfolge 
ezeitigt.  Auch  er  erwähnt,  dass  die  von  N  o  e  s  s  k  e  einge- 
iihrte  Methode  sich  bei  schweren  Formen  venöser  Stase,  wie 
ie  bei  Raynaud  scher  Krankheit  (lokale  Asphyxie)  und  bei 
Erfrierung  Vorkommen,  gut  bewährt  haben  soll.  Eigene  Er- 
ahrungen  scheint  er  in  dieser  Hinsicht  nicht  zu  besitzen. 
Schliesslich  noch  die  Arbeit  von  P  i  e  n  i  n  g,  die  mir  leider  nur 
i  einem  Referat  Vorgelegen  hat,  aus  dem  für  unsere  Zwecke 
icht  zu  ersehen  war,  ob  es  sich  um  den  von  N  o  e  s  s  k  e 
>ereits  publizierten,  oder  noch  um  weitere,  derart  versorgte 
alle  von  Raynaud  scher  Krankheit  handelt. 

Nochmals  möchte  ich  betonen,  dass  auch  wir  mit  den  Er- 
olgen  der  N  o  e  s  s  k  e  sehen  Methode  bei  schwer  verletzten, 
um  Teil  nur  noch  an  schmalen  Hautbrücken  hängenden, 
sphyktischen  Fingergliedern  und  bei  Behandlung  schwerer 
inochenpanaritien  sehr  zufrieden  waren.  Bei  Behandlung  der 
iayn  au  d  sehen  Krankheit  jedoch  hat  sie  das,  was  sie  er- 
loffen  Hess,  nicht  bestätigt.  Es  ist  ja  sehr  leicht  möglich,  dass 

No.  23. 


in  unserem  Falle  besondere  Verhältnisse  Vorlagen,  die  einen 
längerdauernden  Erfolg  verhindert  haben.  Sollten  anderwärts 
in  dieser  Hinsicht  bessere  Resultate  erzielt  sein,  so  wäre  es 
wünschenswert,  wenn  sie  veröffentlicht  würden. 

Literat  ur. 

Noesske:  Zur  konservativen  Behandlung  schwerer  Extremi¬ 
tätenverletzungen  und  gangränverdächtiger  Glieder.  Zentralbl.  f. 
Chir.  1909,  No.  40.  —  Derselbe:  Zur  Prophylaxe  und  Therapie 
drohender  Fingergangrän  bei  „R  a  y  n  a  u  d  scher  Krankheit“.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1909,  No.  47.  —  Derselbe:  Demonstration  zur 
Behandlung  der  venösen  Stase  und  drohenden  Gangrän.  Verhandl. 
d.  Deutschen  Gesellschaft  f.  Chir.  1910,  I..  pag.  248.  —  Knoke:  Bei¬ 
trag  zur  konservativen  Therapie  schwerster  Extremitätenver¬ 
letzungen  und  drohenden  Gangrän.  Münch,  med.  Wochenschr.  1909, 
No.  39. — -Klapp:  Raynaud  sehe  Gangrän.  Im  Lehrbuch  der 
Chirurgie  von  Wullstein-Wilms.  III.  Bd„  1910,  pag.  93.  — 
Wandel:  Ein  Fall  von  Raynaudscher  Krankheit.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1909,  No.  4.  —  Bier:  Hyperämie  als  Heilmittel. — 
Bensaude:  Traitement  du  syndrome  de  M.  Raynaud  par  les 
douches  d’air  chaud.  Gaz.  des  höp.  1909,  No.  145.  Ref.  in  Jahres¬ 
bericht  über  die  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Chir.  XV.  Jahr¬ 
gang.  —  Eskes:  Beitrag  zum  Noesskeschen  Verfahren  bei 
schwerer  Extremitätenverletzung  und  drohender  Gangrän.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1910,  No.  33.  —  Schepelmann:  Beitrag  zur 
Bekämpfung  drohender  Gangrän.  Reichs-Medizinal-Anzeiger  1910, 
No.  2,  pag.  17.  —  Fehsenfeid:  Ein  Beitrag  zur  Noesske  sehen 
Behandlung  der  venösen  Stase.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 
No.  44.  —  Piening:  Beitrag  zur  Therapie  lokaler  Asphyxie  bei 
Raynaudscher  Krankheit.  Disser.  Kiel  1910. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  St.  Johannis-Hospitals  in 
Bonn  (Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  Gar  re). 

Zur  Behandlung  der  Varizen  mittelst  des  Spiralschnittes. 

Von  Dr.  Hans  Th.  Geinitz,  Assistenzarzt. 

Die  operative  Varizenbehandlung  nach  Rindfleisch 
beruht  darauf,  dass  durch  einen  spiralförmig  um  die  Extre¬ 
mität  gelegten  Schnitt  bis  auf  die  Faszie  sämtliche  varikös 
entarteten  Venenbahnen  durchtrennt  und  zur  Verödung  ge¬ 
bracht  werden.  Es  leuchtet  ein,  dass  diese  Operationsmethode 
mit  ungleich  grösserer  Garantie  besonders  bei  diffus  verteilten 
Varizen  deren  Verödung  bewirken  kann  und  somit  das  stö- 
rendste  Moment  in  der  Heiltendenz  der  Ulcera  und  der  chro¬ 
nischen  Oedeme  viel  sicherer  beseitigt,  als  es  die  Unterbindung 
oder  die  Exstirpation  von  einzelnen  Venenabschnitten  erreicht, 
die  bei  diffusen  Venektasien  gar  nicht  einmal  möglich  sein 
kann.  Doch  es  werden  auf  die  Weise  nicht  nur  Venen,  sondern 
auch  Nerven  und  Lymphbahnen  durchtrennt  und  es  erheben 
sich  Bedenken,  ob  nicht  dadurch  Schädigungen  gesetzt  werden, 
die  die  Vorteile  der  Methode  beeinträchtigen.  Für  die  Be¬ 
wertung  der  Operation  sind  deshalb  folgende  Vorfragen  vor¬ 
anzustellen:  1.  Wird  nicht  durch  Verletzung  sensibler  Nerven 
infolge  des  Spiralschnittes  eine  derartige  Herabsetzung  der 
Sensibilität  der  Haut  erzeugt,  dass  neue  Noxen  weniger 
empfunden,  zu  erneuten  Geschwüren  Veranlassung  geben? 
2.  Wird  trotz  Aufhebung  des  Druckes  der  Venenbahnen  und 
Verbesserung  der  Abflussbedingungen  durch  die  Kollateralen 
in  der  Tiefe  eine  genügende  Entsaftung  garantiert,  so  dass 
keine  Oedeme  bleiben  oder  entstehen,  wenn  sämtliche  sub¬ 
kutanen  Lymphbahnen  und  Gewebsspalten  zur  Verödung  ge¬ 
bracht  sind?  3.  Ist  der  übergrosse  Venendruck  das  Haupt¬ 
moment  der  Ulcera,  nach  dessen  Beseitigung  dieselben  heilen, 
oder  ist  in  manchen  veralteten  Fällen  die  Atrophie  und 
schlechte  Ernährung  der  Haut  und  des  Unterhautzellgewebes 
so  fortgeschritten,  dass  die  Geschwüre  nicht  beeinflusst 
werden,  sogar  vielleicht  in  den  Wunden  des  Operations¬ 
schnittes  neue  Ulzerationen  entstehen  können?  4.  Sind  bei 
engerer  Schnittführung  der  Spiraltouren  nicht  Hautnekrosen 
zu  befürchten? 

F  r  i  e  d  e  1,  der  die  Methode  von  Rindfleisch  veröffentlichte, 
führt  die  Krankengeschichten  von  7  mit  Spiralschnitt  behandelten 
Fällen  an.  Alle  sind  durch  die  Operation  wesentlich  gebessert,  2  ge¬ 
heilt  und  rezidivfrei,  davon  einer  noch  nach  fast  2  Jahren.  Bei  dreien 
sind  kleine  Geschwüre  in  der  Spiralnarbe  wieder  aufgebrochen,  der 
Zustand  jedoch  objektiv  und  subjektiv  viel  besser  als  vor  dem  Ein¬ 
griff.  Bei  den  2  anderen  glatte  Heilung,  aber  noch  zu  kurz  nach  der 
Operation,  als  dass  F  r  i  e  d  e  1  zu  abschliessendem  Urteil  kommen 
kann.  Ueber  Sensibilitätsstörungen  und  Oedeme  ist  nichts  gesagt,  als 
dass  bei  dem  einen,  noch  in  Behandlung  stehenden  Fall  die  Oedeme 
sehr  zurückgegangen  seien.  Hautnekrosen  seien  auch  bei  enger  An- 

3 


1-^8 _ _ MüENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _  No.  23 


Ordnung  der  Spiralen  nicht  zu  befürchten.  Aehnlich  günstige  Re¬ 
sultate  berichtet  Kayser:  11  von  13  Fällen  seien  durch  die  Spiral¬ 
schnittoperation  sehr  günstig  beeinflusst,  bei  2  sei  die  Behandlung  noch 
nicht  abgeschlossen,  dagegen  seien  5  schon  seit  Jahresfrist  geheilt 
und  arbeitsfähig.  Nur  bei  einem  habe  sich  ein  neues  Ulcus  gebildet 
und  bei  einem  anderen  sei  wegen  Verwachsung  mit  dem  Schienbein 
die  Heilung  des  Geschwürs  ausgeblieben  und  erst  durch  eine  opera¬ 
tive  Loslösung  ermöglicht.  Die  endgültige  Vernarbung  jedoch  sei  so 
fest  und  derb,  dass  man  die  Ueberzeugung  gewinne,  es  handle  sich 
um  Dauerheilungen.  Die  Oedeme  nähmen  beträchtlich  ab.  Sensi¬ 
bilitätsstörungen  hat  Kayser  nicht  beobachtet. 

Einige  30  Fälle  von  Varizen  mit  Ulcera  cruris  hat  B  i  r  c  h  e  r  mit 
der  fraglichen  Methode  behandelt;  bei  15—20  mit  sehr  gutem  Erfolg, 
Fälle,  die  über  1  Jahr  geheilt  und  vollkommen  arbeitsfähig  sind;  eben¬ 
so  8  Fälle  von  unkomplizierten  Varizen,  die  geheilt  sind.  Worauf  die 
Misserfolge  der  übrigen  Fälle  beruhen  erwähnt  er  nicht. 

Auch  P  o  1 1  a  k  bringt  10  Fälle  mit  gutem  Resultat. 

Von  Stieda  wird  ein  Fall  mitgeteilt:  eine  wegen  Geschwüre 
und  Oedeme  des  Unterschenkels  seit  134  Jahren  invalidisierte  Frau 
sei  durch  die  Spiralschnittbehandlung  wieder  arbeitsfähig  geworden. 
Die  Oedeme  seien  völlig  geschwunden;  ein  leichtes  „Kribbeln“  am 
Fussrücken  bestände  als  einzige  Belästigung  bei  der  Kranken  noch 
fort. 

Alle  diese  Autoren  empfehlen  für  geeignete  Fälle  die  Methode 
des  Spiralschnittes.  Dagegen  hat  Lindemann  sehr  ungünstige  Er¬ 
folge  bei  7  mit  dieser  Methode  behandelten  Patienten  erzielt.  Bei  fast 
allen  seien  hartnäckige  neue  Geschwüre  in  den  Narben  des  Ringel¬ 
schnittes  aufgebrochen;  2  hätten  Hypästhesien,  und  bei  dem  einen  sei 
starkes  Oedem  des  Beines  noch  vorhanden  (Umfang  3  cm  grösser  als 
auf  der  anderen  Seite),  trotzdem  Patient  wegen  anderer  Leiden  fast 
stets  im  Bett  liege.  Er  verwirft  die  R  i  n  d  f  1  e  i  s  c  h  sehe  Operations¬ 
methode  gänzlich,  da  sie  mehr  Nachteile  bringe  als  nütze. 

Gestützt  auf  die  guten  Erfahrungen,  die  damals  F  r  i  e  d  e  1 
und  Kayser  veröffentlichten,  und  welche  die  theoretischen 
Bedenken  durch  Tatsachen  zu  beseitigen  schienen,  haben  wir 
vor  2  Jahren  an  6  Fällen  die  Operation  des  Spiralschnittes  an¬ 
gewandt.  Bei  allen  handelte  es  sich  um  diffus  verteilte 
Varizen,  die  durch  einfache  Unterbindung  oder  Exstirpation 
nicht  zu  beseitigen  gewesen  wären.  Ueberall  bestanden  seit 
vielen  (4—30)  Jahren  Krampfadern,  in  ausgedehntem  Masse, 
und  setzten  die  Patienten  in  ihrer  Leistungsfähigkeit  herab. 
Bei  5  Patienten  waren  daneben  Ulcera  vorhanden,  die  bei 
jahrelanger  Behandlung  nicht  geheilt  oder  immer  wieder  auf¬ 
gebrochen  waren.  Auch  bei  dem  letzten  hatte  ein  Ulcus  lange 
Zeit  bestanden,  war  jedoch  zurzeit  geschlossen.  Das  Tren¬ 
delenburg  sehe  Phänomen  war  an  5  Fällen  positiv,  jedoch 
waren  die  Varizen  so  diffus  und  von  den  hinteren  Venen¬ 
stämmen  mitgespeist,  dass  die  Ligatur  der  V.  Saphena  allein 
zu  ihrer  Beseitigung  nicht  genügt  hätte.  Stärkere  Oedeme 
fanden  sich  bei  keinem  der  Patienten. 

Die  Operation  wurde  in  der  ursprünglich  angegebenen 
Weise  ausgeführt;  wir  machten  3  Spiraltouren  um  den  Unter¬ 
schenkel,  das  Ulcus  kam  jedesmal  zwischen  2  Spiralen  zu 
liegen.  Ein  primärer  Wundschluss  wurde  im  Sinne  des  Autors 
vermieden,  der  Wundgraben  durch  Tamponade  offengehalten. 
Bei  zweien  wurde  die  Ligatur  der  Vena  saphena  mitausgeführt. 
Während  der  Nachbehandlung  wurden  die  Granulationen  stets 
geätzt,  um  nach  Vorschrift  feste,  tief  einschneidende  Narben 
zur  Verhütung  eines  Rezidivs  zu  erhalten.  Die  Heilungsdauer 
war  sehr  verschieden.  Während  wir  3  Patienten  nach  4  bis 
5  Wochen  aufstehen  lassen  konnten  und  nach  etwa  6  Wochen 
entliessen,  und  zwar  mit  geheilter  Operationswunde  und  ab¬ 
geheilten  Ulzerationen,  verzögerte  sich  die  Heilung  bei  den 
übrigen.  Eine  Patientin  wurde  erst  10  Wochen  nach  der 
Operation  mit  geschlossenen  Wunden  entlassen,  ein  anderer 
Kranker  erst  nach  5  Monaten,  und  die  letzte  Patientin,  die 
auf  ihren  Wunsch  in  der  8.  Woche  mit  noch  offenem  Ulcus  und 
Oedemen  fortging,  kam  10  Wochen  später  als  völlig  arbeits¬ 
unfähig  wieder  und  bedurfte  noch  einer  6  wöchentlichen  kon¬ 
servativen  Behandlung,  ehe  das  Ulcus  und  die  wieder  auf¬ 
gegangene  Operationswunde,  dann  aber  definitiv,  abheilten. 

Hautnekrosen  haben  wir  nicht  erlebt.  Die  Sensibilität  war 
in  keinem  Falle  gestört.  Aber  nur  der  erste  in  kurzer  Zeit 
glatt  geheilte  Fall  war  bei  der  Entlassung  frei  von  Oedemen. 
Alle  anderen  hatten  derartige  Oedeme  am  Fuss  und  Unter¬ 
schenkel,  dass  wir  den  Patienten  dringend  rieten,  tagsüber  das 
Bein  zu  wickeln.  Auch  hatte  sich  bei  den  meisten  trotz  eifriger 
Uebungen  vorübergehend  eine  Bewegungsbeschränkung  im 
Fussgelenk,  geringe  Schmerzen  und  Müdigkeitsgefühl  im  Fuss 
zurzeit  der  Entlassung  entwickelt. 


Alles  in  allem  schienen  nach  mehrwöchentlicher  Behänd 
lung  die  vorläufigen  Operationsresultate  so  mangelhaft,  das- 
wir  der  neuen  Methode  zunächst  recht  skeptisch  gegenüber 
standen,  zumal  auch  das  kosmetische  Ergebnis  zurzeit  der  Ent 
lassung  nichts  weniger  wie  schön  war. 

Um  so  erstaunter  waren  wir  aber  über  die  S  p  ä  t  r  e  s  u  1 
täte.  Als  wir  nach  \lA—  2  Jahren  Nachfragen  anstellten 
haben  sich  3  Patienten  hier  persönlich  vorgestellt;  und  zwai 
die,  welche  nach  5  und  10  Wochen  entlassen  waren,  sowie  die 
Patientin,  welche  wegen  nicht  verheilter  Geschwüre  unc 
starker  Oedeme  anfangs  zum  zweiten  Male  aufgenommer 
werden  musste.  Von  2  anderen  bekamen  wir  schriftlich  Mit 
teilung;  nur  der  Patient,  welcher  5  Monate  lang  hier  geleger 
hatte,  war  nicht  aufzufinden.  Bei  den  5  Patienten  war  dei 
Erfolg  ein  ausserordentlich  guter.  Nirgends  war  das  alte 
Geschwür  oder  ein  neues  in  der  Spiralnarbe  wieder  auf- 
gebrochen,  die  Narben  waren  fest,  bedeckt  mit  guter,  nicht 
schilfernder  Haut,  die  keine  Tendenz  zum  Aufbrechen  zeigte 
Die  Narben  lagen  jetzt  im  Niveau  der  übrigen  Haut,  waren 
nicht  wie  anfangs  tief  einschneidend.  Nur  in  einem  Falle  hatte 
sich  in  einer  Varizenbahn  ein  Rezidiv  gebildet,  jedoch  ohne 
Beschwerden,  und  jedenfalls  gegenüber  den  früheren  diffuser 
Krampfadern  geringfügig.  Sensibilitätsstörungen  Hessen  sich 
nirgends  nach  weisen.  Auch  bestanden  keine  Oedeme  mehr; 
die  Umfänge  der  operierten  Extremitäten  zeigten  keine 
Differenz  im  Vergleich  zu  den  nicht  operierten  Seiten.  Aller¬ 
dings  hatten  2  Operierte  noch  aus  Vorsicht  und  wegen  der 
anfangs  vorhandenen  Schwellung  das  Bein  gewickelt  oder 
Gummistrümpfe  getragen.  Das  Resultat  war,  wie  gesagt,  in 
allen  5  Fällen  überraschend  gut.  Auch  subjektiv  gaben  die 
Patienten  an,  sehr  zufrieden  und  viel  leistungsfähiger  zu  sein 
als  vor  der  Operation.  Auch  ein  Patient,  der  infolge  alter 
Schenkelhalsfraktur  eine  stärkere  Verkürzung  des  operierten 
Beins  hatte,  und  ein  anderer  66  jähriger,  der  aus  abliegender 
Ursache  nur  „zeitweise  arbeitsfähig“  sein  wollte,  betonten, 
dass  eine  weitgehende  Besserung  nach  der  Rindfleisch- 
schen  Operation  eingetreten  sei. 

Wir  konstatieren  nochmals,  dass  unsere  Fälle  bei  der  Spät- 
untersuchung  nach  Jahr  und  Tag  ein  so  überraschend  gutes 
Ergebnis  zeigten,  wie  wir  es  im  Laufe  der  ersten  Nachbehand¬ 
lung  und  auch  noch  bei  der  Entlassung  nie  erwartet  hatten. 
Auf  Grund  dieser  Dauerresultate  möchten  wir  die  Rind¬ 
fleisch  sehe  Methode  nicht  mehr  vollständig  entbehren.  Sic 
stellt  unseres  Erachtens  eine  vorzügliche  Ergänzungsoperation 
dar:  in  den  Fällen,  wo  die  Varizen  diffus  sind. 

Ueber  die  Frage,  ob  man  zur  rascheren  Heilung  die 
Spiralwunde  nach  Unterbindung  aller  Venen  primär  wieder 
schlossen  kann,  ohne  den  Erfolg  in  Frage  zu  stellen,  stehen 
uns  keine  eigenen  Beobachtungen  zur  Verfügung.  Bircher 
hat  keine  guten  Erfolge  damit  erzielt,  während  P  o  1 1  a  k  bei 
einfachen  Varizen  ohne  Ulcus  die  primäre  Naht  empfiehlt.  Es 
lässt  sich  wohl  erst  bei  jahrelanger  Beobachtungsdauer  ent¬ 
scheiden,  ob  nach  primärem  Verschluss  der  Wunde,  der  ja 
eine  wesentlich  kürzere  Heilungsdauer  garantiert,  leichter 
Rezidive  auftreten,  als  wenn  durch  Tamponade  und  Aetzung 
eine  breite,  starrere  Narbe  sich  dem  Wiederauswachsen  der 
Varizen  entgegenstellt.  Unsere  Narben  waren  nach  \Vi  Jahren, 
also  zu  einer  Zeit,  in  der  man  eine  weitere  Veränderung  der¬ 
selben  nicht  mehr  anzunehmen  hat,  fest,  breit,  gut  epitheliali- 
siert,  auch  kosmetisch  keineswegs  auffallend  und  unschön,  ln 
einem  Fall  hatte  sich  zwar  mit  dem  Flacher-  und  Weicher¬ 
werden  der  Operationsnarben  ein  unbedeutendes  Rezidiv  ent¬ 
wickelt;  auf  der  anderen  Seite  muss  man  aber  bedenken,  dass 
eine  Verwachsung  der  Narben  auf  Knochenunterlage,  z.  B.  der 
Tibiavorderfläche  wegen  Periostzerrung  und  wegen  Gefahr 
neu  auftretender  Ulcera  an  diesen  schlechternährten  Stellen 
vermieden  werden  muss. 

Dass  ein  Ulcus  bei  der  Operation  immer  zwischen  zwei 
Spiraltouren  zu  liegen  hat,  und  am  besten  noch  durch  seitliche 
Längsschnitte  ganz  Umschnitten  wird,  ist  mehrfach  schon  in 
früheren  Arbeiten  betont  worden.  Ist  es  doch  zur  Heilung 
des  Ulcus  nötig,  dass  dasselbe,  auch  von  distal  her,  von 
jedem  Stauungsdruck  abgeschlossen  bleibt. 

Einen  sicheren,  idealen  Erfolg  garantiert  die  Rind¬ 
fleisch  sehe  Operation  nicht,  das  zeigen  schon  die  von 


IOl  jlini  19i3-  _  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1259 


F  r  i  e  d  e  1  ei  wähnten  Fälle,  in  denen  sich  neue  kleine  Ulcera 
in  der  Narbe  des  Spiralschnittes  bildeten;  das  geht  aus 
Bir chers  Veröffentlichung  hervor,  der  in  30  Fällen  nur  15 
bis  20  gute  Resultate  erreichte.  Und  besonders  die  von 
Lindemann  publizierten  7  Fälle  sind  sämtlich  nicht  mit 
befriedigendem  Ausgang  nach  der  Spiralschnittmethode  opc- 
riert,  sondern  haben  starke  Oedeme  und  hartnäckige  neue 
Ulcera  davongetragen.  Sie  dokumentieren  sich  schon  durch 
eine  auffallend  langsame  I  endenz  zur  Heilung.  Auch  der  eine 
von  uns  nicht  mehr  kontrollierbare  Fall,  der  5  Monate  zur 
Heilung  bedurfte,  gehört  möglicherweise  zu  dieser  Kategorie 
der  schlechten  Erfolge. 

Für  die  Iatsache,  dass  viele  Fälle  durch  den  Spiralschnitt 
günstig  beeinflusst,  manche  jedoch  sogar  verschlimmert 
werden,  sind  die  möglichen  Erklärungen  nur  unbefriedigend. 
Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  etliche  Fälle  eine  derartig 
schlechte  Ernährung  der  Haut  haben,  dass  trotz  Beseitigung 
des  Hauptschadens  die  Heiltendenz  zu  gering  ist,  um  Ge¬ 
schwüre  und  neu  gesetzte  Wunden  zu  epithelialisieren;  und 
dass  eine  genügende  Entsaftung  durch  die  Kollateralen  der 
Tiefe  manchmal  nicht  hergestellt  werden  kann,  vielleicht 
wegen  Thromben  oder  variköser  Erweiterungen  der  tiefen 
Venen. 

Wie  bei  vielen  Operationen  sind  auch  bei  der  Methode 
des  Spiralschnittes  eine  Reihe  Misserfolge  eingetreten  und 
fürder  zu  erwarten,  die  vorauszusehen  man  nicht  imstande  ist. 
Die  Methode  aber  deshalb  vollständig  aufzugeben,  ist  man 
nach  den  zahlreichen  guten  Erfolgen  an  Fällen,  die  allen  son¬ 
stigen  Behandlungen  getrotzt  haben,  nicht  berechtigt.  Man 
wird  sich  der  Methode  auch  in  Zukunft  gern  bedienen,  wo 
zahlreiche  diffus  verteilte  Varizen  eine  Behandlung  verlangen, 
und  wo  diese,  mit  oder  ohne  Vergesellschaftung  durch  Oedeme 
und  Ulzerationen,  vermittels  der  einfachen  Unterbindung  der 
Venenstämme  nicht  beseitigt  werden  können.  Nur  bei  weit¬ 
gehender  Atrophie  der  Haut  und  bei  Vermutung  von  Throm¬ 
bosen  oder  Varizen  in  der  Tiefe  ist  die  Operation  nicht  ratsam 
wegen  Gefahr  neuer  Geschwüre  und  Oedeme.  Naturgemäss 
wird  man  auch  bei  spezifischen  Ulcera,  deren  Ursache  nicht  in 
Krampfadern  zu  suchen  ist,  durch  Spiralschnitt  keinen  Erfolg 
erwarten  können,  wie  das  schon  B  i  r  c  h  e  r  hervorhebt.  In 
allen  diesen  Fällen  ist  die  konservative  Behandlung  am  Platz. 

Misserfolge  werden  trotz  allem,  wie  überall,  nicht  aus- 
bleiben,  doch  sind  die  Spätresultate  unserer  Fälle  so  günstig, 
dass  man  den  Wert  der  Spiralschnittoperation  nicht  ver¬ 
kennen  kann. 

Literatur. 

1.  G.  Friedei:  Operative  Behandlung  der  Varizen,  Elephan¬ 
tiasis  und  Ulcus  cruris.  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  86,  1908.  — 
2.  P.  Kays  er:  Zur  Behandlung  der  varikösen  Symptomenkomplexe 
mit  dem  Spiralschnitt  (nach  Rindfleisch -Friedei)  Bruns’ 
Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  68,  1910.  —  3.  E.  B  i  r  c  h  e  r :  Zur  Behandlung 
der  Varizen  und  des  Ulcus  cruris.  Zentralbl.  f.  Chir.,  No.  13,  1911.  — 
4.  P  o  1 1  a  k :  Zur  Behandlung  des  varikösen  Symptomenkomplexes 
mit  dem  Spiralschnitt  nach  Rindfleisch-Riedel.  Wiener 
klin.  Wochenschr.,  No.  26,  1911.  —  5.  Stieda:  Zur  operativen  Be¬ 
handlung  des  Ulcus  cruris  varicosum.  Reichsmedizinalanzeiger,  No.  26, 
1911.  —  6.  A.  Lindemann:  Zur  Behandlung  der  Unterschenkel¬ 
geschwüre.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie,  Bd.  114,  1912. 


Aus  dem  Fortbildungsinstitut  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
in  Mailand  (Direktor:  Prof.  L.  M a n g i  a g  a  1 1  i). 

Jeber  die  Verwendbarkeit  der  Abderhaldenschen 
Reaktionen  bei  der  Serumdiagnose  der  Schwangerschaft. 

Von  Dr.  Francesco  Maccabruni,  Assistent. 

Die  in  jüngster  Zeit  von  Abderhalden  angegebenen 
Methoden  zur  Serumdiagnose  der  Schwangerschaft  haben,  der 
Wichtigkeit  der  Sache  sowie  der  Zuverlässigkeit  des  Er¬ 
finders  gemäss,  das  grösste  Interesse  der  Kliniker  und 
Forscher  erweckt.  Zahlreiche  Autoren  haben  demzufolge  die 
neuen  Methoden  und  namentlich  jene  der  Dialyse  nachgeprüft. 

Die  Resultate  der  diesbezüglichen  Untersuchungen  von 
Frank  und  H  eimann,  Franz,  Franz  und  J  a  r  i  s  c  h 
md  nachträglich  von  Pfeiffer,  Piorkowski,  Henkel, 
Mauser,  Murray,  Schlimpert  waren  fast  durchweg 
positiv;  auch  Decio  und  Ferrai  in  Italien  konnten  die 
Angaben  Abderhaldens  vollständig  bestätigen.  Nur 


Meyer  und  später  Freund  und  Brah  m  ist  es  nicht  ge¬ 
lungen,  gleichartige  günstige  Erfolge  zu  erzielen.  Engel- 
h  o  r  n  teilte  unlängst  seine  absolut  negativen  Resultate  mit. 

Auch  ich  habe  diese  neue  Methode  nachgeprüft,  indem  ich 
dazu  ein  umfangreiches  klinisches  Material,  nämlich  über 
100  Fälle,  in  Betracht  zog. 

Bei  der  technischen  Ausführung  der  betr.  Untersuchungen 
habe  ich  ganz  genau  die  Massregeln  von  Abderhalden 
befolgt. 

Meine  nach  der  polarimetrischen  und  dialytischen  Me¬ 
thode  ausgeführten  Versuche  ergeben  die  völlige  Bestätigung 
der  Abderhalden  sehen  Lehre.  Die  nachgeprüfte  Reak¬ 
tion  fiel  bei  den  Schwangeren  beinahe  stets  positiv,  bei  nicht¬ 
schwangeren  Frauen  und  bei  Männern  negativ  aus. 

Die  Reaktion  pflegt  schon  im  Beginne  der  Gravidität  auf¬ 
zutreten  und  kann  wohl  noch  14  Tage  nach  der  normalen 
Geburt  sowie  nach  einer  Fehlgeburt  Vorkommen. 

Es  ergibt  sich  daraus,  dass  diese  Reaktion  auch  in  ge¬ 
richtsärztlicher  Beziehung  ihre  Tragweite  besitzt. 

Die  verschiedenartigen  Erkrankungen  der  Schwangeren 
und  der  Wöchnerinnen  üben,  wie  es  scheint,  keinen  nach¬ 
weisbaren  Einfluss  auf  die  Reaktion  und  demzufolge  auch  nicht 
auf  die  Erzeugung  der  Fermente  im  Mutterorganismus  aus. 

Ich  möchte  ferner  hervorheben,  dass  die  Reaktion  sogar 
beim  Vorhandensein  einer  Blasenmole  positiv  ist.  Das  gleiche 
gilt  für  die  extrauterine  Gravidität;  die  Abderhalden- 
sclie  Reaktion  besteht  noch  eine  Zeitlang  nach  tubarer  Fehl¬ 
geburt  sowie  nach  einer  Tubenruptur.  In  einem  einzigen 
Falle,  bei  welchem  die  Erscheinungen  24  Tage  vor  der  Serum¬ 
probe  auftraten,  blieb  die  Reaktion  negativ. 

In  ganz  besonderer  Weise  bemerkenswert  waren  4  meiner 
Fälle,  bei  welchen  nach  der  bei  der  Aufnahme  der  betreffen¬ 
den  Kranken  zweifelhaften  Diagnose  das  Reaktionsresultat 
durch  den  chirurgischen  Eingriff  als  zutreffend  bestätigt  wurde. 

In  dem  ersten  dieser  Fälle  war  das  Vorhandensein  einer  extra¬ 
uterinen  Gravidität  ziemlich  fest  gegründet;  die  Reaktion  fiel  aber 
negativ  aus  und  dann  lieferte  die  Operation  den  Nachweis,  dass  es 
sich  um  eine  im  Stiel  gedrehte  Eierstockszyste  handelte. 

Der  zweite  Fall  schien  gleichfalls  eine  extrauterine  Schwanger¬ 
schaft  zu  sein,  die  Abderhalden  sehe  Reaktion  gab  ein  negatives 
Resultat  und  die  Laparotomie  liess  einen  Tubeuabszess  konstatieren. 

In  dem  dritten  Falle  bestand  der  Verdacht,  dass  es  ich  um  ein 
durch  die  Schwangerschaft  kompliziertes  Fibrom  handelte.  Die  Re¬ 
aktion  war  positiv;  der  weitere  Verlauf  begründete  die  Aussage,  dass 
Gravidität  auszuschliessen  war;  durch  Abschabung  wurden  mikro¬ 
skopisch  nachgewiesenc  Abortreste  herausgezogen. 

Im  vierten  und  letzten  Fall  war  dem  Anscheine  nach  ein  Fibrom 
vorhanden;  die  Reaktion  blieb  negativ  und  die  nachträgliche  Ab¬ 
schabung  brachte  die  Ausschliessung  jedes  Eibestandteilek 

Unter  85  Fällen  habe  ich  also  nur  eine  negative  und  zwei 
zweifelhafte  mit  Gravidität  verbundene  Reaktionen  konsta¬ 
tiert;  ausserdem  erhielt  ich  eine  positive  Reaktion  ohne 
Schwangerschaft  (Eierstockszyste).  Bei  einer  mit  Meningitis 
behafteten,  6  Monate  Schwangeren  waren  Einspritzungen 
mit  Kolloidalsilber  und  Antistreptokokkenserum  verabreicht 
worden  und  ich  möchte  hier  die  Frage  aufwerfen,  ob  diese 
Arzneimittel  das  Ausbleiben  der  Reaktion  herbeiführen 
konnten?  —  In  einem  weiteren  Falle  ist  diese  undeutlich  ge¬ 
wesen;  es  handelte  sich  um  eine  luetische  Frau,  deren  Fötus 
schon  vor  mehreren  Tagen  abgestorben  war.  Ich  meine,  dass 
unter  dieser  Voraussetzung  die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe  Reak¬ 
tion  vielleicht  auch  zur  Diagnose  der  Zurückhaltung  der  ab¬ 
gestorbenen  Frucht  dienen  kann. 

Wenn  ich  die  Ergebnisse  meiner  Versuche  zusammen¬ 
fasse,  so  finde  ich,  dass  gegenüber  einer  Anzahl  von  80  und 
mehr  Fällen  mit  einem  deutlichen  positiven  Resultat  bloss 
4  Fälle  zweifelhaft  resp.  negativ  gewesen  sind;  diese  letzteren 
können  eigentlich  den  hohen  Wert  der  Abderhalden  sehen 
Methoden  bei  der  Serumdiagnose  der  Gravidität  durchaus 
nicht  vermindern.  Es  wäre  gerade,  wie  wenn  man  heutzutage 
die  tatsächliche  Tragweite  der  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  sehen  Reak¬ 
tion  zur  Syphilisdiagnose,  trotzdem  dieselbe  zuweilen  nicht 
ganz  spezifisch  erscheint,  einfach  verneinen  wollte!  — 

Die  Abderhalden  sehe  Reaktion  mittels  der  Dialyse 
habe  ich  ferner  mit  Fötusserum  geprüft;  im  Gegensatz  zu  den 
Behauptungen  D  e  c  i  o  s  ist  es  mir  gelungen,  manchmal  einen 
positiven  Befund  festzustellen. 


3* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


1 200 


Dass  das  fötale  Serum  die  Reaktion  zeigen  kann,  kann  in 
keiner  Weise  die  Lehre  Abderhaldens  erschüttern:  ich 
finde  nichts  fremdartiges  darin,  dass  zuweilen  —  vielleicht 
wegen  eines  besonderen  Zustandes  der  Plazenta  —  die  anti¬ 
plazentaren  Fermente  aus  dem  Mutterplasma  durch  die 
Plazenta  selbst  in  den  Fötus  gelangen  können.  Durch  die 
genaueste  Untersuchung  der  Plazenta  bei  dem  Vorkommen  der 
positiven  Reaktion  wären  ja  wichtige  Erscheinungen  zu  finden. 
Ausserdem  ist  wohl  zu  vermuten,  dass  manche  aus  der 
Plazenta  herkommenden  Stoffe  auch  in  den  Blutkreislauf  des 
Fötus  gelangen  und  in  demselben  die  Fermentbildung  direkt 
hervorrufen  können. 

Die  Dialysiermethode  habe  ich  ferner  auch  zur  Prüfung 
des  Harns  von  schwangeren  und  nichtschwangeren  Frauen, 
der  Zerebrospinalflüssigkeit  sowie  des  Amnionwassers  ange¬ 
wandt.  Der  Harn  der  Schwangeren  ergab  unsichere  Resul¬ 
tate,  so  dass  ich  es  überflüssig  erachte,  dieselben  mitzuteilen. 

Die  Prüfung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  betraf  zwei 
Schwangere  mit  Meningitis  resp.  Eklampsie:  in  beiden  Fällen 
fiel  die  Reaktion  vollständig  negativ  aus. 

Das  Dialysat  des  Amnionwassers  kann  zuweilen  eine  po¬ 
sitive  Reaktion  geben;  dieselbe  hängt  aber  nicht  von  spezi¬ 
fischen  antiplazentaren  Fermenten,  sondern  von  Stoffen  ab, 
welche  bereits  in  demselben  vorhanden  waren:  die  Reaktion 
pflegt  zwar  die  gleiche  auch  im  Kontrollröhrchen  zu  sein. 

Abderhalden  hat  zuerst  und  nach  ihm  haben  D  e  c  i  o 
sowie  andere  Autoren  die  wichtige  Rolle  der  Prüfung  der  im 
Blutplasma  der  Schwangeren  enthaltenen  Fermente  hervor¬ 
gehoben  zur  Erklärung  einiger  Erscheinungen,  welche  bei 
der  normalen  sowie  bei  der  pathologischen  Gravidität  Vor¬ 
kommen.  Solche  Erscheinungen  hängen  vielleicht  von  einer 
ungenügenden  Bildung  oder  von  einer  exzessiven  Erzeugung 
dieser  Fermente  ab. 

Die  betr.  Beobachtungen  beziehen  sich  namentlich  auf 
Eklampsie. 

Die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  liefern  keinen 
positiven  Beitrag  zur  Lösung  der  Frage.  In  den  spärlichen 
von  mir  studierten  Fällen  von  Albuminurie,  hartnäckigem  Er¬ 
brechen  und  Eklampsie  habe  ich  weder  eine  sehr  schwache, 
noch  eine  hochgradige  Reaktion  wahrgenommen. 

Ueber  eine  weitere,  die  Abderhalden  sehe  Lehre  be¬ 
rührende  Frage-,  habe  ich  eingehendere  Studien  gemacht, 
nämlich,  ob  die  Reaktion  die  Plazenta  allein  oder  gleichzeitig 
den  Fötus  betrifft. 

Ich  habe  bereits  einige  Resultate  erhalten,  auf  Grund  deren 
man  die  Vermutung  aufstellen  könnte,  dass  auch  der  Fötus  eine 
Rolle  bei  der  Bildung  der  Schutzfermente  spielt;  bisher  sind 
meine  Untersuchungen  aber  noch  zu  spärlich,  um  Schluss¬ 
folgerungen  zu  ziehen. 


Weitere  Erfahrungen  mit  kolloidalem  Palladiumhydroxydul 

(Leptynol). 

Von  Privatdozent  Dr.  M.  Kauffmann  in  Halle. 

In  No.  10,  Jahrg.  1913  dieser  Wochenschrift  hatte  ich  auf 
Grund  einer  Reihe  von  mir  beobachteter  Fälle  von  Fettsucht, 
die  mit  Einspritzungen  von  paraffinlöslichem  kolloidalem 
Palladiumhydroxydul  behandelt  worden  waren,  dieses  Mittel 
empfohlen.  Seither  sind  mit  diesem  Präparat  über  200  Fälle 
behandelt  worden  —  ich  selbst  verfüge  über  weitere  Er¬ 
fahrungen  bei  über  30  Fällen.  Fast  ausnahmsweise  günstige 
Ergebnisse  sind  bei  solchen  Fällen  von  hochgradiger  Fettsucht 
erzielt  worden,  bei  welchen  eine  wesentliche  Einschränkung 
der  Nahrungszufuhr  streng  durchzuführen  war.  Häufiger 
waren  anfängliche  Abnahmen  von  3  bis  zu  5  kg  wöchentlich 
zu  konstatieren  ohne  jede  Störung  des  Allgemeinbefindens. 
24  Stunden  nach  den  ersten  Einspritzungen  beobachtete  ich 
selbst  Abnahmen  von  1,8  bis  2,3  kg,  die  wohl  hauptsächlich 
als  Wasserverluste  aufzufassen  sind;  andererseits  kann  auch 
eine  bedeutende  Einschmelzung  von  Fettgewebe  durch 
Wasserretention  verschleiert  werden.  Dagegen  sind  die  Fälle 
von  geringer  Adipositas,  bei  welchen  die  Nahrungsaufnahme 
nicht  genügend  kontrolliert  werden  kann,  weniger  dankbar 
für  die  Leptynolwirkung.  Bei  ambulanter  Behandlung  wird 


man  zweckmässig  den  Patienten  eine  gewisse  Vorsicht  bei 
der  Nahrungsaufnahme  empfehlen. 

Es  sollen  hier  vor  allen  Dingen  einige  Punkte  besprochen 
werden,  welche  auf  Grund  meiner  Erfahrungen  und  solcher 
von  anderen  Kollegen  für  die  Anwendung  des  Mittels  wichtig 
sind  und  deshalb  eines  kurzen  Hinweises  bedürfen. 

Bei  einem  weiteren  Fall  von  D  e  r  k  u  m  scher  Krankheit 
habe  ich  trotz  Anwendung  von  höheren  Dosen  (bis  130  mg 
Pd(OHL>  auf  einmal)  einen  vollständigen  Misserfolg  gesehen. 
Ich  kann  also  von  weiteren  Versuchen  bei  dieser  Art  von 
Fettsucht  nur  abraten.  Fernerhin  habe  ich  gefunden,  dass  die 
Ueberschwemmung  des  Organismus  mit  mindestens  110  mg 
Pd(OH)a  in  der  Zeit  von  2  bis  5  Tagen  bessere  Resultate 
zeitigt.  Bei  Fällen,  bei  denen  die  Injektionen  nur  etwa  in  Zeit¬ 
räumen  von  je  14  Tagen  geschehen  können,  habe  ich  80  bis 
100  mg  Pd(OH)a  auf  einmal  injiziert,  und  zwar  sogar  —  bei 
viel  Fettgewebe  —  in  dieselbe  Stelle,  sonst  aber  die  Hälfte 
der  Dosis  auf  der  anderen  Seite.  Man  kann  ohne  schädliche 
Nachwirkungen  bis  zu  140  mg  Pd(OHL  auf  einmal  injizieren; 
bei  konstitutioneller  Adipositas  ergab  sich  öfters  die  Not¬ 
wendigkeit,  zweimal  wöchentlich  70  bis  80  mg  zu  injizieren. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  die  nach  den  Injektionen 
sich  einstellende  Euphorie;  denn  sie  gerade  ermöglicht  es. 
Diätbeschränkungen  verhältnismässig  leicht  zu  ertragen,  bei 
vielen  Fällen  lässt  sogar  das  Hungergefühl  auffallend  nach. 
Manche  Patienten  versicherten  mir,  man  könne  „fast  von  der 
Luft  leben“  und  ohne  Mühe  fasten.  Bei  mehreren  Fällen  von 
konstitutioneller  Adipositas,  bei  welchen  an  und  für  sich  die 
Nahrungsaufnahme  schon  eine  geringe  war,  konnte  ich  diese 
ohne  Störungen  des  Allgemeinbefindens  noch 
weiter  einschränken  und  erzielte  mit  etwas  höheren  Dosen 
des  Mittels  zum  Teil  ganz  rapide  Gewichtsabnahmen.  Diese 
Euphorie  erkläre  ich  als  Wirkung  der  unter  dem  Einfluss  des 
kolloidalen  Palladiumhydroxyduls  als  Katalysators  erhöhten 
Oxydation  und  zwar  speziell  der  Ermüdungsstoffe.  W  ei¬ 
ch  a  r  d  t  -  Erlangen  sandte  mir  eine  Arbeit  zu,  die  er  schon 
im  Jahre  1907  veröffentlicht  hat1).  Wie  ich  aus  derselben  er¬ 
sehe,  sind  wir  unabhängig  voneinander  zu  denselben  Resul¬ 
taten  gekommen.  W  e  i  c  h  a  r  d  t  fand  nämlich,  dass  Injek¬ 
tionen  von  massigen  Mengen  kolloidalen  Palladiums  bei  Ver¬ 
suchstieren  diese  nach  24 — 48  Stunden  aktiv  immun  gegen 
Eiweissabspaltungsantigen  machten.  Es  war  dann  ihre  Lei¬ 
stungsfähigkeit  wesentlich  höher  als  bei  normalen  Tieren. 
Vermutlich  erzeugt  das  Schwinden  von  Ermüdungsstoffen 
(Kenotoxin  —  Weichardt)  subjektiv  eine  Euphorie  und 
weiterhin  eine  Verminderung  des  Hungergefühls;  auch  das 
Schlafbedürfnis  liess  bei  mehreren  Fällen  nach. 

Aber  auch  Fälle  analog  der  aktiven  Immunisierung 
Weichardts  habe  ich  beobachten  können,  die  viele  Monate 
nach  den  Einspritzungen  über  die  früher  oft  in  höherem  Masse 
bestehende  leichte  Ermüdbarkeit  nicht  mehr  zu  klagen  hatten. 
Personen,  welche  manchmal  kaum  lA  Stunde  zu  gehen  ver¬ 
mochten,  konnten  nach  den  Einspritzungen  bis  zu  30  km  täg¬ 
lich  zurücklegen  —  was  natürlich  für  die  Gewichtsabnahme 
auch  mit  ausschlaggebend  war. 

Bei  mageren  Personen  sind  geringere  Mengen  von  Palla¬ 
dium  angezeigt:  so  nahm  ein  schmächtiger  Mann  nach  Injek¬ 
tion  von  50  mg  Palladiumhydroxydul  1,8  kg  an  einem  Tage  ab 
trotz  reichlich  l)4facher  Aufnahme  von  fester  und  flüssiger 
Nahrung.  Es  trat  sogar  Mattigkeit  ein.  Vermutlich  ist  letztere 
zurückzuführen  auf  eine  stark  erhöhte  Oxydation  (auch  von 
Eiweiss?),  die  bei  Personen  mit  normalem  Oxydationsver¬ 
mögen  durch  einen  Katalysator  noch  mehr  gesteigert  wird, 
als  bei  solchen,  deren  Oxydationskraft  nicht  hinreicht,  um  Fett 
genügend  zu  verbrennen.  Bei  stark  vermindertem  Oxy¬ 
dationsvermögen  oder  bei  „schwer  oxydablem“  Fett  kann  ein 
positiver  Katalysator  weniger  Wirkung  erzielen,  denn  diese 
besteht  eben  darin,  dass  sie  schon  vor  sich  gehende  chemische 
Reaktionen  beschleunigt.  Es  würden  also  bei  mageren  Per¬ 
sonen  geringere  Mengen  von  Palladiumhydroxydul,  etwa 
10  mg,  vollkommen  ausreichen,  um  die  genannte  Euphorie  zu 
erzielen  (z.  B.  bei  Alkohol-  und  Morphiumentziehungen). 


')  W.  Weichardt:  Physiopathologische  Wirkung  kolloidaler 
Metalle.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1907.  No.  28. 


Id.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1391 


Infiltrate  habe  ich  bei  sehr  fetten  Personen  im  allgemeinen 
gar  nicht  beobachtet.  Wie  mir  wiederholt  mitgcteilt  wurde, 
traten  diese  aber  bei  Frauen  zuweilen  nachträglich  ein. 
Natürlich  darf  ein  Korsett  die  Injektionsstcllc  nicht  drücken. 
Man  fettet  diese  am  zweckmässigsten  täglich  mit  gelber  Vase¬ 
line  ein;  vor  Druck  und  Reibung  schützt  man  sie  durch  einen 
kleinen  Schutzverband.  Zuweilen  tritt  —  auch  bei  Frauen 
häufiger  —  Verfärbung  und  zirkumskripte  Rötung  der  Haut 
auf;  aber  diese  lokalen  Reizerscheinungen  gehen  gewöhnlich 
rasch  zurück. 

Was  die  für  die  Wirkung  des  Präparates  notwendige 
Muskelarbeit  anbetrifft,  so  erkläre  ich  sie  folgendermassen: 
Durch  Muskelarbeit  wird  erfahrungsgemäss  immer  eine  kleine 
Temperatursteigerung  erzeugt.  Nun  wird  allgemein  durch 
Wärme  die  Wirkung  der  Katalysatoren  gesteigert.  Ein  Bei¬ 
spiel  hierfür  ist  auch  das  Abendfieber:  Vermutlich  sind 
die  Fiebertoxine  als  Katalysatoren  anzusehen,  welche  die 
Oxydationsprozesse  beschleunigen.  Da  normalerweise  die 
Abendtemperatur  etwa  0,5 0  höher  ist,  als  die  Morgentem¬ 
peratur,  so  wirkt  das  Fiebertoxin  als  Katalysator  abends 
energischer,  daher  kann  oft  bei  einer  Morgentemperatur  von 
37°  abends  eine  solche  von  40°  beobachtet  werden.  Analog 
könnte  also  auch  die  mit  der  Muskelarbeit  verbundene  Wärme¬ 
entwicklung  die  katalytische  Wirkung  des  Pd(OH)s  erhöhen. 

Infektionen  sind  nicht  zu  befürchten,  da  das  kolloidale 
Palladiumhydroxydul  stark  antiseptisch  ist.  So  beobachtete 
ich  bei  Palladiumlösungen,  die  mit  arabischem  Gummi  ver¬ 
setzt  waren,  niemals  Schimmelbildung.  Auch  Prof.  Paal  hat 
bei  offenstehenden  Palladiumlösungen,  die  organische  Sub¬ 
stanzen,  z.  B.  Eiweisskörper  enthielten,  niemals  Schimmel¬ 
bildung  oder  Fäulnis  gesehen. 

Auf  die  häufigen  Anfragen  von  Kollegen,  ob  das  Mittel 
auch  wirklich  unschädlich  sei,  kann  ich  nur  darauf  hinweisen, 
dass  ich  mir  selbst  im  Laufe  der  Zeit  über  1  g  Palladium  in¬ 
jiziert  habe  und  mich  des  besten  Wohlseins  erfreue.  —  Auch 
hei  mehreren  Fällen  von  Störungen  der  inneren  Sekretion  der 
Drüsen  sind  mir  günstige  Erfolge  berichtet  worden.  Wie  ich 
schon  früher  betonte,  wird  das  Mittel  am  besten  wirken  bei 
seiner  Kombination  mit  einer  sorgfältig  überwachten  Diätkur. 
Meine  besten  Erfolge  habe  ich  bei  solchen  Fällen  von  inten¬ 
siver  Fettsucht  gesehen,  die  nicht  sich  einer  schematischen  Kur 
unterzogen,  sondern  sich  nur  im  ganzen  im  Essen  und  Trinken 
konsequent  einschränkten.  Hier  liessen  sich  in  4  Wochen 
Gewichtsabnahmen  von  6 — 8  kg  erzielen,  bei  5  Fällen  in 
6  Wachen  bis  zu  10,5  kg. 


Aus  der  kgl.  dermatologischen  Universitätsklinik  in  Würzburg 
(Vorstand:  Prof.  Dr.  K.  Zieler). 

Ueber  Aluminium  lacticum,  ein  haltbares  Ersatzpräparat 
der  essigsauren  Tonerde. 

Von  Dr.  Alfred  Perutz,  Assistenten  der  Klinik. 

Die  als  Liquor  aluminii  subacetici  bekannte  8  proz.  wäs¬ 
serige  Lösung  des  basischen  Aluminiumazetates  hat  den  Nach¬ 
teil  der  geringen  Haltbarkeit.  Auch  die  Herstellung  der 
Lösung  mit  3  proz.  Borsäure  bietet  keine  grossen  Vorteile. 
Ebenso  haftet  den  übrigen  als  Ersatzpräparate  vorgeschla¬ 
genen  Tonerdesalzcn  Alsol  (Aluminium  acetotartaricum)  und 
Alumnol  (Aluminium  naphtholsulfonicum)  derselbe  Fehler 
an.  Das  Bedürfnis  nach  einem  brauchbaren  Präparate,  das 
den  Indikationen  der  essigsauren  Tonerde  gerecht  wird,  ist 
also  nicht  zu  bestreiten.  Diesen  Ansprüchen  scheint  das 
milchsaure  Aluminium  (Aluminium  lacticum)  der  Firma 
C.  H.  Boehringer  Sohn  in  Nieder-Ingelheim  a.  Rh.  zu  genügen. 
Die  konzentrierte  (7  proz.)  Lösung  ist  eine  klare  Flüssigkeit, 
die  sich  anscheinend  nicht  zersetzt,  jedenfalls  monatelang  klar 
bleibt.  Bei  längerem  Stehen  wachsen  allerdings  zuweilen 
Pilze  in  der  Lösung,  die  durch  Filtrieren  leicht  zu  entfernen 
sind.  Die  filtrierte  und  aufgekochte  Lösung  zeigte  keine  Ver¬ 
änderungen  ihres  Gehaltes  an  milchsaurer  Tonerde  (Mitteilung 
von  Prof.  Faust).  Ebenso  haben  wir  eine  Veränderung  in 
der  Wirkung  solcher  Lösungen  nicht  feststellen  können. 

Das  Aluminium  lacticum  ist  seit  mehr  als  einem  halben 
Jahre  an  der  Klinik  in  ausgedehntem  Masse  verwendet 


worden,  in  ähnlicher  Weise  wie  sonst  die  essigsaure  Tonerde. 
Dabei  wurden  bisher  giftige  oder  überhaupt  schädliche  Wir¬ 
kungen  nicht  beobachtet,  wenn  auch  kein  Tonerdesalz  als 
„absolut  ungiftig“  zu  bezeichnen  ist  [S  i  e  m  OL 

Dieses  Präparat  wurde  bei  ungefähr  50  Patienten  längere 
Zeit  angewendet,  um  sowohl  seine  antiphlogistische  Wirkung 
—  bei  verschiedenen  Hautentzündungen  und  Ulzerationen  — , 
als  auch  seine  adstringierende  Eigenschaft  —  als  Spülmittel 
bei  Erkankungen  der  Blasen-,  Harnröhren-  und  Mundschleim¬ 
haut  —  zu  versuchen. 

Bei  20  Fällen  von  varikösen  Ulcera  cruris  wurde  das 
Aluminium  lacticum  in  lA — 2  proz.  Lösung  als  feuchter  Ver¬ 
band  verwendet.  Empfindlichere  Patienten  klagten  bei  dieser 
Konzentration  über  leichtes  V\ — Vt  Stunde  nach  der  Appli¬ 
kation  dauerndes  Brennen.  Sonst  wurde  das  Mittel  subjektiv 
gut  vertragen  und  kein  Unterschied  gegenüber  der  gleich 
starken  essigsauren  Tonerdelösung  bemerkt.  Objektiv  konnte 
bald  eine  Reinigung  des  Geschwürsgrundes  wahrgenommen 
werden.  Der  Granualtionsvorgang  wurde  nicht  beeinträchtigt, 
eher  gefördert.  Bei  7  anderen  Ulzerationen  —  teils  Ulcera 
traumatica,  teils  Ulcera  cruris  gummöser  Natur  —  war  die 
Wirkung  eine  gleich  gute. 

Nur  ein  Patient  mit  ulzeriertem  Lupus  des  Gesichtes  nach 
Pyrogallussäurebehandlung  gab  an,  dass  ihm  die  1  proz.  Lö¬ 
sung  von  Aluminium  lacticum  sehr  starke  Schmerzen  ver¬ 
ursache,  so  dass  sie  ausgesetzt  werden  musste,  während  ihm 
die  1  proz.  Lösung  von  essigsaurer  Tonerde  und  2  prom. 
Sublimat  kaum  Schmerzen  bereitete. 

Bei  12  Syphilitikern  wurde  eine  1  proz.  Lösung  von  milch¬ 
saurer  Tonerde  als  Mundwasser  zur  Mundpflege  während  der 
Quecksilberkur  gegeben.  Es  wurde  gut  vertragen  und  gern 
genommen.  Auch  bei  Stomatitis  wirkte  es  ähnlich  günstig 
wie  essigsaure  Tonerde.  Einige  Patienten  behaupteten,  das 
Aluminium  lacticum  sei  angenehmer. 

Bei  Entzündungen  —  5  Patienten  mit  Ekzemen  und  Der- 
matitiden  —  übte  es  in  1  proz.  Lösung  die  gleich  gute  anti¬ 
phlogistische  Wirkung  aus  wie  die  essigsaure  Tonerde. 

7  Patienten  mit  Harnröhren-  und  Blasenerkrankungen,  ins¬ 
besondere  postgonorrhoischen  Katarrhen,  wurden  mit  gutem 
therapeutischen  Erfolg,  ohne  dass  Schmerzen  auftraten,  ge¬ 
spült.  Die  Konzentration  war  bei  Spülungen  1  :  1000 — 1  : 500 
(1  :  200  verursachte  zuweilen  eine  vorübergehende  Reizung). 
Eine  Wirkung  auf  vorhandene  Bakterien  konnte  nicht  fest¬ 
gestellt  werden,  wohl  aber  eine  deutliche  Beeinflussung  der 
vorhandenen  Eiterung. 

Das  Aluminium  lacticum  kann  somit  als 
brauchbares  Ersatzpräparat  der  essigsauren 
Tonerde  angewendet  werden.  Es  besitzt  ihr 
gegenüber  den  Vorteil  der  Haltbarkeit  in 
klarer  Lösung  bei  gleich  bleiben  der  Konzen¬ 
tration. 


Aus  dem  Garnisonlazarett  Darmstadt. 

Kampferöl  bei  Peritonitis  und  Douglasabszess. 

Von  Oberstabsarzt  B  1  e  c  h  e  r. 

In  den  letzten  2  Jahren  habe  ich  unter  50  Appcndic- 
ektomien  5  mal  Kampferöl  intraperitoneal  verwendet.  Ich 
habe  mich  dabei  nach  der  Vorschrift  von  Hirschei  des 
1  proz.  bedient  und  vor  Schluss  der  Bauchhöhle  jedesmal  bis 
100  g  in  diese  eingegossen  und  es  dort  instrumenteil  oder 
durch  Hoch-  bezw.  Seitenlagerung  möglichst  zu  verteilen  ge¬ 
sucht.  Sämtliche  5  Fälle  sind  geheilt,  während  der  einzige 
Todesfall  unter  den  50  Operierten  einen  Kranken  betraf,  bei 
dem  die  Entzündung  des  Peritoneums  nicht  so  vorgeschritten 
war,  dass  eine  Kampferölbehandlung  nötig  erschien,  und  der 
dann  nach  8  Tagen  an  peritonealer  Sepsis  einging.  Die  üb¬ 
liche  Behandlung  mit  subkutaner  und  rektaler  Kochsalzinfu¬ 
sion.  Physostigmin,  Heissluft  fand  dabei  gleichmässig  in  allen 
Fällen  statt. 

1.  24  jähriger  Mann.  Erkrankt  vor  36  Stunden  mit  Magen¬ 
schmerzen.  mehrmaligem  Erbrechen.  38,1,  96.  Schwerkranker  Ein- 


1)  Siem:  Dissertation  Dorpat  1886  (zitiert  nach  H.  H.  Meyer 
und  R.  Gottlieb:  Die  experimentelle  Pharmakologie  1910,  I.  Aufl., 
S.  418. 


1262 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


druck,  brettharte  Spannung  des  ganzen  Leibes,  anfallsweise  Schmer¬ 
zen  in  der  Mitte,  wobei  sich  der  Kranke  windet.  4.  XI.  Median¬ 
schnitt,  überall  zwischen  den  Dünndärmen  rahmiger  Eiter,  Wurmfort¬ 
satz  gangränös,  Zigarettendrain  in  den  Douglas.  5.  XI  Wohlbefinden. 
6.  XI.  Darmtätigkeit  beginnt.  8.  XI.  Ikterus.  9.  XI.  Durchfälle, 
Tenesmus.  13.  XI.  Douglasabszess  nachweisbar.  Eröffnung.  Heilung. 

2.  22  jähriger  Mann.  Erkrankt  vor  24  Stunden,  mehrmaliges  Er¬ 
brechen.  38,4,  108.  Starke  Bauchdeckenspannung.  9.  VII.  Schräg¬ 
schnitt,  zwischen  den  Dünndärmen  reichlich  fäkulenter  Eiter.  Wurm¬ 
fortsatz  an  einer  Stelle  brandig,  Kotstein.  2  Zigarettendrains.  Zu¬ 
nächst  Wohlbefinden.  16.  III.  Stuhldrang,  Schleimausfluss.  19.  III. 
Douglasabszess  nachweisbar,  Eröffnung.  27.  III.  Nochmaliger  Ab¬ 
szess,  Eröffnung.  Heilung. 

3.  20  jähriger  Mann.  Erkrankt  vor  36  Stunden.  Diffuse  Schmer¬ 
zen,  starke  Bauchdeckenspannung,  rechts  stärker.  22.  IV.  Schräg¬ 
schnitt,  kotiges  trübes  Exsudat  zwischen  den  Därmen,  Wurmfortsatz 
brandig.  Drains  in  die  Bauchdecken.  Zunächst  Wohlbefinden. 
23.  IV.  Darmtätigkeit  beginnt.  26.  IV.  Stuhlgang,  Schleimabsonde¬ 
rung.  21.  IV.  Douglasabszess  nachweisbar,  Eröffnung.  4.  V.  Neuer 
Abszess,  Eröffnung.  Heilung. 

4.  28  jähriger  Mann.  Früher  wiederholt  Magenschmerzen  und 
Erbrechen.  Vor  36  Stunden  mit  Magenschmerzen  und  Erbrechen  er¬ 
krankt.  38,2,  120.  Schwerkranker  Eindruck.  Ziemlich  starke  Auf¬ 
treibung,  Bauchdeckenspannung.  Lokaldiagnose  nicht  möglich. 
12.  IX.  Medianschnitt.  Ueberall  zwischen  den  Dünndärmen  Eiter. 
Wurmfortsatz  perforiert.  Zigarettendrain  in  den  Douglas.  15.  IX. 
Beginn  der  Darmtätigkeit.  16.  IX.  bis  20.  IX.  Magenlähmung,  Becken¬ 
hochlagerung,  Magenspülung.  24.  IX.  Stuhldrang.  Harndrang.  30.  IX. 
Douglasabszess  nachweisbar,  Eröffnung.  Heilung. 

5.  20  jähriger  Mann.  Vor  4  Tagen  mit  Erbrechen  erkrankt. 
39,5,  120.  Schwerkranker  Eindruck.  Bauchdeckenspannung  und 
Druckempfindlichkeit  des  ganzen  Leibes,  rechts  stärker.  22.  X. 
Schrägschnitt;  reichlich  dünnflüssiger  Eiter  parazoekal  bis  zur  Leber 
und  zwischen  den  Dünndärmen.  Wurmfortsatz  total  brandig.  Ziga¬ 
rettendrain.  23.  X.  37,6,  100.  24.  X.  Schwarzes  Erbrechen,  Magen¬ 
spülung,  Beckenhochlagerung  bis  30.  X.  25.  X.  Beginn  der  Darm¬ 
tätigkeit.  2.  XI.  Stuhldrang.  Schleimabsonderung.  4.  XI.  Douglas¬ 
abszess  nachweisbar,  Eröffnung.  Heilung. 

In  den  meisten  Fällen  war  der  sofortige  Erfolg  auffallend: 
das  subjektive  Wohlbefinden  am  nächsten  Tage  im  Gegensatz 
zu  dem  schweren  Krankheitsbilde  am  Tage  vorher,  gleich¬ 
zeitig  guter  Puls  und  Temperaturabfall  —  nur  im  5.  Fall 
hielten  die  bedrohlichen  Erscheinungen  noch  einige  Tage  an. 
Allen  Fällen  gemeinsam  war  nun  eine  Komplikation:  der 
Douglasabszess;  er  trat  jedesmal  unter  den  charakteristischen 
Symptomen  auf,  von  denen  ich  als  auffällig  besonders  den 
quälenden  Tenesmus*  mit  Schleimabfluss  erwähnen  möchte. 
Die  Eröffnung  erfolgte  nach  R  o  1 1  e  r  nach  vorhergehender 
Punktion  vom  Mastdarm  aus,  zweimal  bildete  sich  eine  neue 
Eiterung,  nach  deren  Eröffnung  dann  rasche  Ausheilung  er¬ 
folgte.  R  o  1 1  e  r  sah  —  allerdings  1900  —  in  %  seiner  Epi- 
tvphlitisfälle  Douglasabszesse,  aber  das  war  vor  der  Früh¬ 
operationsära,  er  hat  auch  nur  drei  am  4.  Tage,  sonst  immer 
nach  dem  8.  Tage  operiert.  Ich  habe  unter  meinem  früheren 
Material  nur  selten  Douglasabszesse,  bei  den  übrigen  45 
Appendizektomien,  unter  denen  sich  noch  viele  mit  Eiterung 
befanden,  jedenfalls  keine  beobachtet.  Obwohl  andererseits 
die  Autoren,  Hirschei,  Krecke,  die  über  Peritonitis¬ 
behandlung  mit  Kampferöl  berichtet  haben,  sie  nicht  gesehen 
haben,  möchte  ich  die  Douglasabszesse  in  meinen  Fällen  doch 
als  Folge  dieser  Behandlung  ansehen;  jedenfalls  habe  ich  in 
den  beiden  letzten  Fällen  daraufhin  die  Kranken  schon  vor¬ 
her  auf  das  Auftreten  dieser  Komplikation  vorbereiten  können. 
Es  drängt  sich  nun  die  Frage  auf,  ob  vielleicht  die  Art  der 
Drainage  von  Einfluss  war;  ich  muss  zugeben,  dass,  so  wichtig 
mir  die  Bauchdeckendrainage  erscheint,  so  skeptisch  ich  der 
Bauchhöhlendrainage  gegenüberstehe;  meist  begnügte  ich 
mich  mit  einem  Zigarettendrain;  aber  in  Fall  1  und  4  ging 
er  von  der  Mittellinie  in  den  Douglas  und  blieb  bis  zum  Auf¬ 
hören  der  Sekretion  liegen  —  trotzdem  der  Abszess!  In  den 
nicht  mit  Kampferöl  behandelten  übrigen  eitrigen  Fällen  war 
andererseits  die  Drainage  nicht  sorgfältiger,  und  es  trat  kein 
Abszess  auf. 

Die  Entstehung  des  Douglasabszesses  ist  nach  R  o  1 1  e  r 
auf  das  Hcrabsinken  entweder  des  primären  Infektionsstoffes 
nach  der  Perforation  oder  des  Exsudates  nach  entstandener 
diffuser  Peritonitis  zurückzuführen  —  beidemale  folgt  die 
Infektion  dem  Gesetz  der  Schwere  und  verdankt  der  Douglas¬ 
abszess  wesentlich  mechanischer  Ursache  seine  Entstehung. 
Von  den  Theorien  andererseits,  die  über  die  Wirksamkeit  der 
Kampferölbehandlung  bei  Peritonitis  aufgestellt  sind,  hat  die 


ursprüngliche  Glimm  sehe  am  meisten  für  sich  —  sie  nimmt 
eine  Behinderung  der  Resorption  durch  Verlagerung  der  ab¬ 
führenden  Lymphbahnen  an.  Denn  diese  Wirkung  tritt  ja 
sofort  auf.  während  eine  reaktive  Entzündung,  die  nach 
Höhn  e  der  wirksame  Moment  darstellt,  erst  nach  einigen 
lagen  einsetzt;  im  späteren  Verlauf  werden  aber  wohl  beide 
Faktoren  Zusammenarbeiten.  Die  physikalischen  Eigen¬ 
schaften  des  Oels  —  sein  leichtes  spezifisches  Gewicht  und 
seine  Adhäsion  spielen  dabei  wohl  auch  eine  wichtige  Rolle. 
Man  kann  sich  —  vielleicht  zu  grob  mechanisch  —  vorstellen, 
dass  das  Herabsinken  des  Exsudates  zwischen  den  „geölten“ 
Darmschlingen  sehr  erleichtert  ist,  dass  das  Del  über  dem 
Exsudat  steht,  auf  demselben  eine  dünne  Schicht  bildet  und 
das  spezifisch  schwerere  in  den  abhängigsten  Teieln  zurück¬ 
hält.  Diesem  —  übrigens  autoptisch  beobachteten  —  „Ein¬ 
geöltsein“  der  Därme  entspricht  dann  noch  eine  allgemein 
gelobte  Wirkung  der  Kampferölbehandlung,  die  allerdings  in 
einem  gewissen  Gegensatz  zu  der  Höhne  sehen  Theorie 
der  reaktiven  Entzündung  und  zu  den  N  o  v  a  k  sehen  Tier¬ 
versuchen  steht:  das  Ausbleiben  von  Adhäsionen,  die  Ab¬ 
kapselungen  im  oberen  Bauchraum  herbeiführen  und  das  un¬ 
gestörte  Ansammeln  des  Exsudates  am  tiefsten  Punkte  ver¬ 
hindern  könnten.  —  Einschieben  möchte  ich  hier,  dass  post¬ 
operative  Ilcusfälle  nach  Kampferöl  nicht  beobachtet  sind;  der 
einzige  derartige  Fall  meines  Materials  betraf  einen  nicht  mit 
Kampferöl  behandelten  mittelschweren  Kranken.  — 

Unter  diesen  durch  das  Oel  geschaffenen  mechanischen 
Verhältnissen,  bei  der  behinderten  Resorption  und  schliesslich 
noch  bei  der  durch  die  reaktive  Entzündung  gesteigerten 
Exsudatbildung  ist  die  Entstehung  einer  Eiteransammlung  im 
Douglas  leicht  verständlich.  Weitere  Vorbedingung  scheint 
dabei  zu  sein,  dass  dieser  dauernd  der  tiefste  Punkt  der  Bauch¬ 
höhle  bleibt;  es  traf  das  bei  Fall  1,  2,  3  zu;  während  hier 
die  ersten  Zeichen  des  Douglasabszesses  am  4. — 7.  Tage  ain- 
treten,  stellten  sie  sich  dagegen  bei  Fall  4  und  5,  bei  denen 
wegen  akuter  Magenlähmung  mehrere  Tage  Beckenhoch¬ 
lagerung  eingehalten  werden  musste,  entsprechend  später  — 
am  11. — 12.  Tage  ein.  Ich  möchte  nun  das  Auftreten  von 
Douglasabszessen  keineswegs  als  eine  ungünstige  Folge  der 
Kampferölbehandlung  auffassen  —  im  Gegenteil.  Sie  ist  in 
ihrer  Wirkung  meines  Erachtens  mit  der  Stauung  bei  infek¬ 
tiösen  Prozessen  an  den  Extremitäten  zu  vergleichen:  zu¬ 
nächst  Herabsetzung  der  weiteren  Bakterien-  und  Toxin¬ 
resorption  durch  mechanischen  Verschluss  der  abführenden 
Blut-  und  Lymphbahnen,  dann  Steigerung  der  reaktiven  Ent¬ 
zündung  und  erhöhte  Bildung  von  antitoxischen  und  anti- 
bakteriellen  Stoffen;  und  ist  die  Resorption  der  Entzündungs¬ 
produkte  nicht  möglich,  kommt  es  auch  hier  rasch  zu  aus¬ 
gedehnter  Eiteransammlung,  nach  deren  einfacher  Entleerung 
Heilung  erfolgt.  Und  hier  wie  dort  kann  man  streiten,  ob  es 
im  einzelnen  Falle  dem  Organismus  nicht  möglich  gewesen 
wäre,  auch  ohne  Behandlung  der  Infektion  Herr  zu  werden 
und  ob  ihm  nicht  Eiteransammlung  und  spätere  Entleerung 
hätte  erspart  werden  können.  Mir  scheint  aber  grundsätzlich 
im  allgemeinen  die  Lokalisation  und  Ausschaltung  des  infek¬ 
tiösen  peritonealen  Exsudates  eine  geringere  Gefahr  für  den 
Organismus  zu  sein  als  es  der  Resorption  zu  überlassen. 

Wenn  wir  nun  nach  Kampferölbehandlung  Eiteransamm- 
lungen  erwarten  müssen  und  durch  dauernde  Beckcntief- 
lagerung  ihre  Lokalisation  im  Douglas  erstreben  werden,  wäre 
die  Möglichkeit  zu  erwägen,  sie  durch  geeignete  Drainage  von 
der  Operationswunde  von  vornherein  abzuleiten  und  die 
spätere  Inzision  zu  ersparen.  Es  scheint  der  Zigarettendrain 
hier  nicht  zu  genügen,  da  die  Gaze  nach  einiger  Zeit  durch 
das  eintretende  Sekret  verstopft  ihre  Leitungsfähigkeit  ein- 
büsst;  künftig  werde  ich  daher  bei  Kampferölbehandlung  gleich 
bei  der  Operation  ein  nicht  umwickeltes  dickes  Glas-  bzw* 
Gummidrain  bis  in  den  Douglas  führen  und  dort  bis  zu  einer 
Woche  liegen  lassen. 

Literatur. 

Rotte  r:  D.  med.  Wochenschr.  1900,  S.  628.  —  Hirschei: 
Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  2004,  dort  auch  die  ältere  Literatur. 


0.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1263 


Ein  Fall  von  Missed  labour. 

Von  E.  Kreisch,  Frauenarzt  in  Coblenz. 

Am  6.  Oktober  1908  suchte  mich  Frau  A.  P.,  24  Jahre  alt,  nulli- 
iara,  auf,  um  über  ihren,  ihr  rätselhaften  Zustand  Klarheit  zu  be- 
ommen.  Die  letzten  Menses  waren  AJitte  September  1907  gewesen 
nd  die  Geburt  wurde  demgemäss  zu  Ende  Juni  erwartet.  Als  dann 
u  dieser  Zeit  eines  Morgens  sehr  heftige,  krampfartige  Schmerzen 
u  Leibe  auftraten,  schickte  man  zur  Hebamme.  Sie  fand  noch  gar 
eine  Oeffnung  und  vertröstete  die  Kreissendc.  Am  Abend  hörten 
ie  Schmerzen  auf.  Am  nächsten  Morgen  fühlte  sich  die  Frau  leidlich 
iohl  und  ging  wieder  ihrer  Arbeit  nach;  es  fiel  ihr  nur  auf,  dass  die 
is  dahin  recht  lebhaften  Kindsbewegungen  völlig  sistierten.  Ein 
Ende  Juli  konsultierter  Arzt  stellte  den  baldigen  Eintritt  der  Geburt 
i  Aussicht.  Es  vergingen  August  und  September,  die  Geburt  trat 
icht  ein.  Als  sich  dann  anfangs  Oktober  abendliches  'Hitzegefühl 
instellte,  entschloss  sich  die  Patientin  weiteren  Rat  einzuholen. 

Die  leidlich  gut  genährte  Patientin  hat  einen  dem  Ende  einer 
iravidität  entsprechend  ausgedehnten  L.eib.  Er  birgt  einen  völlig 
ledian  liegenden,  längsovalen,  ganz  unverschieblichen  Tumor  mit 
latter  Oberfläche,  über  dem  die  Bauchdecken  bretthart  angespannt 
ind,  so  dass  ein  genaueres  Durchtasten  unmöglich  ist.  Keine  Herz- 
öne,  keine  sonstigen  Geräusche  nachweisbar.  Die  Portio  steht  sehr 
och.  in  der  Mittellinie.  Der  Muttermund  ist  geschlossen,  die  Zervix 
rhalten  und  scheinbar  in  den  Tumor  übergehend;  jedenfalls  fühlt 
tan  neben  dem  Tumor  kein  zweites,  als  Uterus  zu  deutendes  Ge- 
ilde.  Bei  einer  am  8.  Oktober  in  Narkose  vorgenommenen  Unter- 
uchung  lässt  sich  die  Portio  absolut  nicht  herunterziehen.  Sonde 
nd  Dilatatoren  stossen  nach  etwa  7  cm  auf  einen  glatten  Wider- 
tand.  Digitalexploration  wegen  des  Hochstandes  der  Portio  nicht 
usfiihrbar.  Die  Diagnose  schwankt  zwischen  Retention  einer  aus- 
etragenen,  abgestorbenen  Frucht  in  utero  und  ausgetragener 
Extrauteringravidität  mit  toter  Frucht.  In  den  folgenden  Tagen 
teigt  die  Temperatur  abends  bis  39,5,  daher  wird  am  14.  Oktober 
ur  Operation  geschritten. 

Schnitt  in  der  Mittellinie.  Der  Tumor  gehört  dem  Uterus  an, 
och  zeigt  dieser  statt  der  ihm  sonst  im  hochschwangeren  Zustand 
igenen  dunkel  blau-roten  Färbung  ein  ins  grünliche  schimmerndes, 
üssfarbenes  Aussehen.  Abstopfen  der  Bauchhöhle,  Eröffnung  des 
Iterus  durch  queren  Fundalschnitt;  dabei  fällt  die  erstaunliche  Dünne 
er  Muskulatur  auf.  Es  entleert  sich  grünlich-gelb  verfärbtes  Frucht¬ 
wasser  in  spärlicher  Menge.  Extraktion  des  Kindes,  fast  blutloses 
bschälen  der  Plazenta.  Exstirpation  des  Uterus  ohne  Adnexe,  breite 
>rainage  nach  der  Scheide  zu  und  Verschluss  der  Bauchwunde.  Die 
’atientin  macht  eine  ungestörte  Rekonvaleszenz  durch  und  fühlt  sich 
eitdem  wohl. 

An  dem  exstirpierten  Organ  ist  besonders  die  höchstens  V2  cm 
etragende  Wandstärke  auffallend.  Die  Plazenta  stellt  eine  grünlich 
erfärbte,  filzige  Masse  dar.  Das  Kind,  ein  Knabe  ohne  Deformi¬ 
lten,  ist  stark  mazeriert. 

Das  Wesentliche  des  Missed  labour  besteht  in  dreierlei;  Auftreten 
ergeblicher  Geburtsbestrebungen  am  normalen  Ende  der  Schwanger- 
chaft,  Absterben  des  Fötus  während  der  Wehen,  oder  kurz  nach 
eren  Sistieren,  schliesslich  Retention  der  abgestorbenen  Frucht  im 
iterus,  ohne  dass  mechanische  Hindernisse  für  den  Austritt  vorlägen. 

In  meinem  Falle  lag  die  Ursache  ohne  Zweifel  in  einer  un- 
enügenden  Entwicklung  der  Uterusmuskulatur,  die  wohl  auf 
ifantilistischer  Basis  beruhte.  Ausnahmsweise  kann  sicherlich  auch 
in  solcher  Uterus  ein  Ei  bis  zur  Reife  beherbergen.  Der  Uterus 
leiner  Patientin  war  ein  schlaffer  Sack  mit  einer  fundalen  Wand- 
tärke  von  höchstens  %  cm;  der  war  nicht  imstande,  eine  nennens¬ 
werte  Arbeit  zu  leisten.  Eine  gewisse  Erregbarkeit  war  wohl  vor- 
anden,  aber  die  Kontraktionen  waren  völlig  unzureichend.  Auf- 
illend  ist  dabei  das  Absterben  der  Frucht.  Bedenkt  man  dagegen, 
ie  zäh  ein  Kindsleben  z.  B.  bei  Beckenenge  und  tagelang  anhal- 
mden,  stürmischen  Wehen  sich  erhält,  so  kann  man  mit  der  Inten- 
ität  der  Wehen  den  Fruchttod  nicht  erklären.  Anders  stände  es 
ielleicht  mit  der  Frage,  ob  nicht  eine  andauernde  Zusammenziehung, 
in  Tetanus  geringen  Grades,  bestanden  hat,  der  zum  Fruchttod 
ihrte.  Auch  in  den  bislang  veröffentlichten  Beobachtungen  ist  eine 
usreichende  Erklärung  für  das  schnelle  Absterben  des  Fötus  nicht 
u  finden.  Man  muss  sich  mit  dem  Faktum  bescheiden. 

Was  die  Therapie  angeht,  so  passt  sicherlich  kein  Vorgehen  auf 
Ile  Fälle.  Ob  man  mit  einer  mehr  oder  weniger  konservativen,  oder 
ün  exspektativen  Methode  zum  Ziele  gelangen  kann,  wird  am  besten 
on  Fall  zu  Fall  bei  genauer  Ueberwachung  der  Kranken  entschieden 
erden  können.  Ein  grundlegender  Unterschied  besteht  sicherlich 
arin,  ob  die  Blase  noch  steht,  oder  nicht.  In  letzterem  Falle  sollte 
lan  sich  wegen  der  Gefahr  der  Infektion  des  Uterusinhaltes  nicht 
llzu  lange  mit  einem  abwartenden  Verhalten  begnügen,  sondern  die 
ekannten  Erweiterungsmittel  bald  durch  ein  Schnittverfahren  er- 
2tzen.  Wenn  das  vaginal  ausführbar  ist,  um  so  besser;  ich  ver¬ 
meide  es  nicht,  weil  die  Portio  sich  nicht  herunterziehen  und  eine 
eniigende  Freilegung  des  Operationsfeldes  sich  also  nicht  ermög- 
chen  liess.  Dass  ich  schliesslich  zur  Exstirpation  des  Uterus 
chritt,  war  bei  der  Aussichtslosigkeit  einer  exakten  Naht  der  dünnen 
ebärmutterwand  selbstverständlich. 


Aus  dem  orthopädischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 

(Leiter:  Prof.  R  i  t  s  c  h  1). 

Modifizierter  Heftpflastergipsverband  bei  der  Klumpfuss- 

behandlung. 

Von  Dr.  J.  Lewy  in  Freiburg  i.  Br. 

Wer  vielfach  Gelegenheit  zur  Behandlung  angeborener 
Klumpfiisse  hat,  wird  immer  einmal  wieder  auf  einen  Fall 
stossen,  bei  welchem  der  übliche  redressierende  Gipsverband, 
auch  der  mit  Heftpflasterstreifen  kombinierte  Verband,  seinen 
Zweck  nicht  recht  erfüllt,  weil  er  sich  vorzeitig  lockert  und 
abgestreift  wird.  Die  Kinder  verstehen  es  mit  einer  oft  über¬ 
raschenden  Geschicklichkeit,  sich  allmählich  der  Fessel  des 
redressierenden  Verbandes  zu  entledigen,  indem  sie  nach  und 
nach  die  Füsse  aus  dem  Verbände  nach  oben  zurückziehen. 

Untersucht  man  die  Fälle,  bei  denen  sich  Schwierigkeiten 
ergeben,  genauer,  so  findet  man,  dass  es  sich  meist  um  sehr 
lebhafte,  willensstarke  Kinder  handelt,  die  mit  grosser  Aus¬ 
dauer  an  ihrer  Befreiung  aus  dem  Verbände  arbeiten,  und 
dass  bei  ihnen  das  Fersenbein  auffallend  klein  ist. 

Das  Abstreifen  des  Verbandes  liesse  sich  verhüten,  wenn 
man  das  Knie  in  den  Verband  einbezöge.  Allein  ein  derartiger 
Verband  würde  nicht  nur  unnötigerweise  das  Kind  belästigen, 
er  wäre  auch  schwer  sauber  zu  halten  und  bei  der  länger¬ 
dauernden  Ruhigstellung  des  Beines  für  die  Muskulatur  und 
insbesondere  das  Kniegelenk  nicht  gleichgültig. 

Da  die  vor  der  Eingipsung  vorgenommene  Fixierung  des 
Fusses  in  redressierter  Stellung  durch  Heftpflasterstreifen  an 
sich  ebenfalls  nicht  zur  hinreichenden  Sicherung  des  Verbandes 
genügt,  habe  ich  folgende  Modifikation  versucht  und,  wie  hier 
gleich  erwähnt  sei,  bewährt  gefunden: 

Nach  Entfettung  der  Haut  durch  Aether  wird  ein  1 — 2  cm  breiter 
Streifen  Leukoplast,  in  der  Mitte  des  Fussriickens  beginnend,  über 
Innenrand,  Sohlenfläche,  Aussenrand  des  in  redressierter  Stellung  ge¬ 
haltenen  Fusses  hinweg 
an  der  Aussenseite  des 
Unterschenkels  bis  in  die 
Nähe  des  Kniegelenk¬ 
spaltes  hinauf  geführt  und 
durch  Querstreifen  am 
Unterschenkel  befestigt. 

Der  Längsstreifen  soll  so 
lang  gewählt  werden,  dass 
er  das  Knie  noch  um  etwa 
Unterschenkellänge  über¬ 
ragt.  Am  Aussenrande  des 
Fusses,  wo  die  Weichteile 
den  stärksten  Druck  auszuhalten  haben,  unterpolstert  man  den  Heft- 
pflastertreifen  zweckmässig  mit  einem  Stück  Molton. 

Nun  wird  über  einem  Trikotschlauch  der  bei  den  Grundgelenken 
der  Zehen  beginnende  und  bis  'zum  Knie  reichende  Gipsverband  an¬ 
gelegt.  Bevor  die  letzten  Touren  umgewickelt  werden,  wird  der 
das  Knie  überragende  Teil  des  Heftpflasterstreifens  nach  unten  um¬ 
geschlagen  und  so  in  den  Gipsverband  mit  eingegipst.  Der  Längs¬ 
streifen  bildet  alsdann  ein  n>  dessen  innerer  Schenkel  dem  Unter¬ 
schenkel  fest  anliegt,  während  der  Aussenschenkel  mit  der  Gips¬ 
hülse  vereint  ist. 

Eine  Trennung  von  Unterschenkel  und  Gipshülse  ist  unter  diesen 
Verhältnissen  nur  möglich,  wenn  sich  der  Heftpflasterstreifen  von  der 
Haut  löst.  Das  kann  man  im  allgemeinen  durch  gute  Fixierung  be¬ 
sonders  an  der  Umschlagstelle  verhindern.  Aber  auch  der  Versuch, 
den  Unterschenkel  aus  dem  Verbände  zu  ziehen,  wird  den  Kindern 
dadurch  verleidet,  dass  bei  dieser  Bewegung  gleichzeitig  an  dem 
Heftpflaster  gezerrt  und  ein  gewisser  Schmerz  erzeugt  wird,  der  die 
kleinen  Patienten  davon  abhält,  ihre  Befreiungsgelüste  zu  forcieren. 

Die  beschriebene  Modifikation  des  Verbandes  hat  sich  mir 
für  die  in  Rede  stehenden  besonderen  Ausnahmefälle  gut  be¬ 
währt.  Legten  wir  bei  Patienten,  die  sich  erfahrungsgemäss 
aus  den  gewöhnlichen  Verbänden  in  wenigen  Tagen  befreit 
hatten,  experimenti  causa  an  einem  Fuss  den  bis  dahin  üb¬ 
lichen,  am  andern  den  modifizierten  Verband  an,  so  war 
ersterer  in  wenigen  Tagen  abgestreift,  während  letzterer 
wochenlang  in  seiner  Stellung  blieb.  Ich  kann  daher  den 
kleinen  technischen  Kunstgriff  zur  weiteren  Anwendung  emp¬ 
fehlen.  Zu  achten  ist  darauf,  dass  man  den  Heftpflasterstreifen 
an  seiner  Umbiegungsstelle  nicht  etwa  mit  durchschneidet, 
wenn  man  den  Rand  des  Verbandes  in  der  Kniekehle  aus¬ 
schneidet,  um  eine  freie  Beweglichkeit  des  Kniegelenkes  zu 
sichern. 


1264 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Qiessen  (Prof.  V  o  i  t). 

Automatische  Entwicklung  von  Röntgenplatten. 

Von  Privatdozent  Dr.  A.  Weber,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Im  Jahre  1910  habe  ich  in  dieser  Wochenschrift1)  einen  Apparat 
für  automatische  Entwicklung  von  Röntgenplatten  angegeben,  lin 
Laufe  der  Zeit  hat  sich  bei  demselben  ein  Uebelstand  gezeigt,  der 
zu  einer  Abänderung  des  Mechanismus  drängte.  Es  wurde  nämlich 
die  Zentrifugalpumpe,  die  den  Entwickler  in  ständiger  Bewegung  hielt, 
mit  der  Zeit  von  der  Entwickelflüssigkeit  angegriffen.  Um  das 
unmöglich  zu  machen,  hätte  man  die  Pumpe  aus  Edelmetall  verfertigen 
müssen,  was  den  Preis  ungebührlich  erhöht  hätte. 

Im  folgenden  sei  der  Apparat  in  seiner  neuen  Gestalt  kurz 
beschrieben.  Das  Entwicklungsgefäss  selbst  besteht,  wie  bei  dem 
früheren  Modell,  aus  einer  Glasküvette  mit  den  Innenmassen 
55:40:1,4cm.  Vorder-  und  Rückwand  bilden  zwei  Scheiben  von 
Schaufensterglas,  wahrend  die  Schmalseiten  durch  einen  stark- 
wandigen  Gummischlauch  gebildet  werden,  der  zwischen  die  beiden 
Glasscheiben  gepresst  ist.  Die  Röntgenplatte  wird  von  einem  Metall¬ 
rahmen  gehalten  in  die  mit  Entwickler  gefüllte  Küvette  getaucht.  Der 
aus  der  Flüssigkeit  herausragende  Teil  des  Rahmens  hängt  an  einem 
Wagebalken,  der  an  der  Küvette  angebracht  ist.  Durch  ein  Laufge¬ 
wicht  wird  der  Balken  ausbalanziert  und  dann  vermittelst  eines  ein¬ 
fachen  Uhrwerkes  in  pendelnde  Bewegungen  versetzt.  Auf  diese 
Weise  wird  die  Platte  in  der  Küvette  auf  und  nieder  bewegt,  ohne 
dass  sie  aus  der  Flüssigkeit  herausgehoben  wird.  Das  Uhrwerk 
läuft  7  Minuten  lang.  Da  bei  dem  neuen  Modell  keine  empfindlichen 
J  eile  des  Mechanismus  mit  dem  Entwickler  in  Berührung  kommen, 
und  da  die  ganze  Konstruktion  überaus  einfach  ist,  sind  Störungen 
nicht  zu  befürchten.  Von  dem  ersten  Modell  unterscheidet  sich 
das  vorliegende  auch  durch  seinen  wesentlich  geringeren  Preis  und 
gewährt  dabei  dieselben  Vorteile  wie  jenes2). 


Ueber  die  Ursache  der  Beriberikrankheit. 

Erwiderung  von  Dr.  H.  Sch  au  mann. 

Unter  dieser  Ueberschrift  wendet  sich  Eijkman  in  No.  lü  der 
Münch,  med.  Wochenschr.,  S.  871  gegen  einige  von  Wieland  in 
einem  Vortrage  gemachte  Aeusserungen,  welche  sich  zum  Teil  auf 
seine  eigene  Stellung  zur  Aetiologie  der  Beriberi,  zum  Teil  auch 
auf  N  o  c  h  t  s  und  meine  Arbeiten  beziehen. 

Mit  Rücksicht  auf  Eijkman  kann  ich  nicht  zugeben,  dass 
seine  Stellung  zur  vorliegenden  Frage  eine  derartig  bestimmte  und 
klare  gewesen  ist,  wie  man  aus  Eijkmans  Einspruch  schliessen 
muss.  Im  besonderen  möchte  ich  der  Angabe  Eijkmans,  „dass 
er  sich  (unter  Aufgabe  der  Intoxikationstheorie)  in  seinen  späteren 
Untersuchungen  ganz  der  Natur  der  Schutzstoffe  zu¬ 
gewandt  hätte“,  widersprechen. 

Bezüglich  der  „Teilhungertheorie“  hat  Grijns  allerdings  früher 
einmal  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  Nerven¬ 
degeneration,  wie  sie  bei  Beriberi  auftritt,  auf  den  Mangel  der 
Nahrung  an  noch  unbekannten  Körpern,  die  in  diesem  Sinne  von 
Bedeutung  sein  könnten,  möglicherweise  zurückzuführen  wäre. 
Zwischen  einer  Vermutung  und  einer  festen  Begründung  dieser  Auf¬ 
fassung  —  Wieland  spricht  sich  mit  Rücksicht  auf  meine  Arbeiten 
in  diesem  Sinne  aus  —  scheint  mir  aber  ein  wesentlicher  Unterschied 
zu  sein. 

Die  weitere  Begründung  meiner  Einwände  mit  Einzelangaben 
über  die  hier  in  Frage  kommenden  Punkte  findet  sich  in  einer  Er¬ 
widerung,  welche  demnächst  im  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropen¬ 
hygiene  erscheinen  wird. 


Ueber  intravenöse  Dauerinfusion. 

Nachtrag  zu  meiner  gleichlautenden  Arbeit  in  No.  19  d.  W. 

Von  Dr.  M.  Friedemann  in  Langendreer. 

Kurz  nach  Erscheinen  meiner  Arbeit  über  intravenöse  Dauer- 
infusion  erhielt  ich  ein  Schreiben  von  Herrn  Privatdozent  Dr.  E. 
Holzbach  -  I  übingeii.  der  seine  Ueberraschung  darüber  ausspricht, 
dass  mir  seine  Publikationen  über  denselben  Gegenstand  entgangen 
seien  Herr  H  o  1  z  b  a  c  h  erwartet,  dass  ich  nach  Kenntnisnahme 
dei  selben  nochmals  auf  den  Gegenstand  zurückkommen  werde,  was 
ich  hiermit  gern  tue. 

Holzbach  berichtet  in  mehreren  Arbeiten1)  z.  T.  sehr  ein- 
gehend  über  interessante  Versuche,  die  er  an  verschiedenen  Tieren 

D  Münch,  med.  Wochenschr.  1910,  No.  32. 

*)  Ler  Apparat  wird  von  Herrn  Mechaniker  Schmidtgail 
in  Giessen  hergestellt. 

)  Expei  imentell-pharmakologische  Studie  zur  Frage  der  peri¬ 
tonitischen  Blutdrucksenkung.  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol., 
Bd.  /().  Ueber  die  Verhütung  und  Behandlung  der  postoperativen 
Bauchfellentzündung.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  39.  — 
Die  pharmakologischen  Grundlagen  für  eine  intravenöse  Adrenalin¬ 
therapie  bei  der  Peritonitis.  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  No.  21. 
'  ^l,r  nach  den  Ursachen  der  peritonitischen  Blutdrucksen¬ 

kung  und  ihre  Beeinflussung  durch  pharmakologische  Agentien.  Med.- 
naturw.  Verein  Tübingen.  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  No.  42. 


—  Fröschen,  Kaninchen,  Katzen  etc.  —  anstellte,  um  die  Wirkung 
des  Adrenalins  und  anderer  Mittel  zunächst  bei  der  Blutdrucksenkung 
durch  Gifte  wie  Arsen  und  Veronal,  dann  vor  allem  bei  der  peri¬ 
tonitischen  Blutdruckerniedrigung  zu  studieren.  Er  kommt  etwa 
zu  dem  Schluss,  dass  das  Baryt,  welches  imstande  ist.  das  er¬ 
schlaffte  Kapillarsystem  zur  Konstriktion  zu  bringen,  das  wirksamste 
Mittel  bei  der  peritonitischen  Blutdrucksenkung  sei,  dass  aber  seine 
schädlichen  Nebenwirkungen  eine  Anwendung  beim  Menschen  leider 
verbieten.  Aber  auch  das  Adrenalin,  obgleich  es  nur  auf  die  Arterien 
nicht  aber  auf  Kapillaren  konstringierend  wirke,  gebe  gute  Resultate 
wenn  man  seine  nur  flüchtige  Wirkung  durch  langdauernde  intra¬ 
venöse  Instillation  zur  kontinuierlichen  mache. 

Aehnlich  wie  Koll  in  Barmen,  dessen  Arbeit  ich  erwähnte,  ist 
auch  Holzbach  dazu  übergegangen,  die  im  Tierversuche  ge¬ 
machten  Erfahrungen  am  Krankenbett  zu  verwerten.  Seine  klinischen 
Erfahrungen  mit  der  „über  viele  Stunden  ausgedehnten  langsamen 
Instillation  der  Heidenhain  sehen  Adrenalinkochsalzlösung“  waren 
durchaus  ermutigend,  gelang  es  doch  selbst  bei  schweren  post¬ 
operativen  Peritonitisfällen  den  Blutdruck  auf  diese  Weise  stunden¬ 
lang  hochzuhalten.  Auch  gab  H.  einen  Apparat  an,  in  dem  die  zu 
mrundierende  Lösung  sich  lange  Zeit  auf  Körpertemperatur  hielt2) 

Es  bestätigt  sich  also  meine  in  der  1.  Arbeit  ausgesprochene 
Annahme,  dass  der  naheliegende  Gedanke  einer  kontinuier¬ 
lichen  intravenösen  Zufuhr  der  Kochsalz-(Adrenalin-)Lösung  auch 
von  anderen  verwirklicht  ist. 

Allerdings  kam  es  auch  H  o  1  z  b  a  c  h  (wie  Koll)  nur  darauf  an. 
das  Adrenalin  auf  diese  Weise  wirksamer  zu  machen,  während 
meine  Empfehlung  der  Dauerinfusion  allgemeiner  war  und  sich  auch 
auf  andere  Lösungen,  vor  allem  NaCl-Lösung  ohne  Zusatz 
(z.  B.  bei  grosser  Austrocknung  der  Gewebe,  bei  septischen  Pro¬ 
zessen  zwecks  Durchspülung  des  Organismus),  NaCl-Lösung  mit  Di- 
galen,  Kollargollösung  etc.  bezog. 

So  leid  es  mir  tut,  die  interessanten  Publikationen  Holz¬ 
bachs  (vielleicht  auch  noch  solche  anderer  Autoren  über  verwandte 
Gegenstände)  bei  Abfassung  meiner  Arbeit  nicht  gekannt  zu  haben 
soviel  glaubte  ich  auch  ohne  vollständige  Literatur - 
durchsich  t  konstatieren  zu  können,  dass  die  intravenöse  Dauer- 
mfusion  jedenfalls  nicht  s  o  bekannt  ist  und  so  häufig  angewandt 
wird,  dass  es  unangebracht  wäre,  darauf  hinzuweisen. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Die  Assistenten-  und  Praktikantenfrage. 

Von  Qeh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Sprenge.l  in  Braunschweig. 

Die  im  vorigen  Jahr  begründete  Vereinigung  der  Kran¬ 
ke  n  h ia  u  sä  r  z  t  e  hat  in  ihrer  Hauptversammlung  am  25.  März  er. 
das  obige  I  hema  zur  Erörterung  gestellt.  Die  Verhandlung  dürfte 
deshalb  eine  besondere  Beachtung  verdienen,  weil  hier  zum  ersten¬ 
mal  eine  grössere  Zahl  von  Krankenhausärzten  öffentlich  ihr  Votum 
abgegeben  haben.  Die  Krankenhausärzte  bilden  hier  zweifellos  die 
sachverständigste  Instanz;  denn  in  ihren  Händen  ruht  ja  die  Aus¬ 
bildung  der  Medizinalpraktikanten.  Wir  teilen  im  nachfolgenden  die 
authentische  Niederschrift  des  Referenten  mit,  dessen  klare  und  durch¬ 
dachte  Ausführungen  das  allgemeine  Interesse  erregen  werden.  Im 
Anschluss  daran  fand  eine  ausgiebige  Diskussion  statt,  deren  Ergebnis 
die  einstimmige  Annahme  der  aufgestellten  Leitsätze  war.  Die  Ver¬ 
einigung  beschloss,  bei  den  zuständigen  Stellen  eine  Abänderung  der 
Bestimmungen  über  das  praktische  Jahr  im  Sinne  der  Leitsätze  des 
Referenten  zu  erbitten.  Den  wesentlichsten  Teil  der  Eingabe  bildet 
das  hier  mitgeteilte.  Wir  wünschen,  dass  die  Eingabe  in  dieser  bren¬ 
nenden  und  dringenden  Frage  von  Erfolg  begleitet  sein  möge  zum 
Besten  in  gleicher  Weise  des  ärztlichen  Standes  und  der  Fortbildung 
seines  Nachwuchses  wie  unseres  deutschen  Krankenhauswesens,  wel¬ 
ches  wir  allen  Grund  haben  in  seiner  Eigenart  zu  stützen. 

Geh.  Med. -Rat  Prof.  S  p  r  e  n  g  e  1  -  Braunschweig:  Die  Assisten¬ 
ten-  und  Praktikantenfrage. 

Referent  schickte  der  Diskussion  über  die  von  ihm  vor¬ 
geschlagenen  und  dem  Einladungsschreiben  beigefügten  „Leitsätze“ 
(cf.  unten)  einige  allgemeine  Bemerkungen  vorauf,  die  er 
nach  folgenden  Gesichtspunkten  gliederte: 

I.  Besteht  in  der  Assistenten-  und  Praktikantenfrage  vom 
Standpunkt  der  Krankenhausleiter  eine  Notlage  und  in  wel¬ 
cher  Hinsicht? 

II.  Welches  ist  ihre  Ursache? 

III.  Ist  ein  spontaner  Ausgleich  zu  erwarten? 

*s^  srescLehen,  um  eine  Aenderung  herbeizuführen? 

v.  Welche  Schritte  empfehlen  sich  für  die  Zukunft,  resp.  nach 
welchen  Gesichtspunkten  ist  vom  Standpunkt  der  Kranken¬ 
hausärzte  die  „Assistenten-  und  Praktikantenfrage“  zu 
regeln,  um  gesunde  Verhältnisse  herbeizuführen? 

Ad  I:  Besteht  in  der  Assistenten-  und  Praktikantenfrage  vom  Stand¬ 
punkt  der  Krankenhausleiter  eine  Notlage  und  in  welcher  Hinsicht? 

Dass  eine  Notlage  besteht,  beweist  schon  der  vollbesetzte  Saal; 
wir  würden  schwerlich  zusammengekommen  sein,  um  über  die 

2)  Die  rektale  kontinuierliche  Kochsalzinfusion.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1911,  No.  21. 


10.  Juni  1013. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


26f> 


Praktikantenfrage  zu  diskutieren,  wenn  wir  uns  nicht  durch  das 
gegenwärtige  Regime  aufs  ernstlichste  bedrückt  und  geschädigt  fühl¬ 
ten.  Wir  können  aber  aucli  des  Genaueren  sagen,  in  welcher  Hin¬ 
sicht  wir  die  Notlage  empfinden.  Sie  liegt 

1.  Im  Assistentenmangel. 

Vortragender  verweist  für  den  ziffernmüssigen  Beweis  auf  die 
von  ihm  im  Herzogtum  Braunschweig  und  bei  einer  Reihe  grösserer 
Krankenhäuser  veranstaltete  Umfrage,  aus  welcher  hervorging,  dass 
fast  überall  entweder  alle,  oder  ein  Teil  der  Assistentenstellen  mit 
Medizinalpraktikanten  besetzt  waren  (cf.  Sprengel:  Zur  Frage 
des  praktischen  Jahres  der  Mediziner.  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schrift  1911,  No.  13  und  36). 

Part  sch  (Das  prakt.  Jahr  der  Mediziner.  Besprochen  auf 
Grund  einer  von  der  schlesischen  Aerztekammer  angestellten  Er¬ 
hebung  1911,  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  677)  konnte  fest¬ 
stellen,  dass  bei  37  Krankenanstalten  der  Bedarf  an  Assistenten  nur 
•Imal  gedeckt  war,  33  mal  nicht! 

Dasselbe  beweisen  die  zahllosen  Gesuche  um  Assistenten  in  allen 
gelesenen  Wochenschriften  und  die  immer  mehr  steigenden  Gehalts¬ 
angebote,  während  die  Gesuche  seitens  der  Assistenten  völlig  fehlen. 

Dasselbe  beweisen  die  persönlichen  Erfahrungen  jedes  einzelnen, 
die  durch  Beispiele  belegt  werden. 

Dasselbe  beweisen  endlich  die  Einrichtungen  derjenigen  An¬ 
stalten,  bei  welchen  sich  der  Assistentenmangel  besonders  fühlbar 
macht.  Vortr.  exemplifiziert  (cf.  übrigens  Sprengel  1.  c.)  nament¬ 
lich  auf  die  von  den  Irrenanstalten  getroffene  Einrichtung  der  sog. 
„Anstaltsärzte“,  die  fast  notwendig  zu  einer  Stagnation  in  diesen  der 
geistigen  Ventilation  ganz  besonders  bedürftigen  Anstalten  führen 
muss. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  durch  diesen  Assistentenmangel 

2.  ein  unwürdiges  Verhältnis  zwischen  Chef  und 

Assistent  sich  herausbilden  kann. 

Schon  der  Zwang  zum  annoncieren,  um  Assistenten  zu  be¬ 
kommen,  ist  unwürdig  und  verhindert  die  Möglichkeit  der  Auswahl,  so 
dass  es  last  Glückssache  ist,  wenn  man  tüchtige  Hilfskräfte  anstellen 
kann.  Gewöhnlich  muss  man  nehmen,  was  man  bekommt. 

Es  entsteht  unter  solchen  Umständen 

3.  die  Befürchtung,  dass  die  Krankenanstalten  die 
mangelnden  Assistenten  durch  unerlaubte  oder 

unerwünschte  Aushilfekräfte  ersetzen. 

Zu  den  ersteren  gehört  die  überall  unter  den  Augen  der  Auf¬ 
sichtsbehörden  und  mit  deren  Unterstützung  geübte,  obwohl-  zweifel¬ 
los  ungesetzliche  Anstellung  der  Praktikanten  in  Assistentenstellen; 
zu  den  letzteren  die  Heranziehung  geschulter  Wärter  an  Stelle  von 
Assistenten. 

Eine  Folge  dieses  Notstandes  muss  sich  mit  der  Zeit  insofern 
heraussteilen,  als  einerseits  das  vorhandene  grosse  Material  nicht  in 
der  für  die  Aerztewelt  erspriesslichen  Weise  verwertet,  andererseits 
die  Kraft  der  Anstaltsleiter,  die  auf  die  Beihilfe  wissenschaftlicher 
Hilfskräfte  angewiesen  sind,  in  falscher  Weise  ausgenutzt  wird. 

Man  stelle  sich  ein  grösseres  oder  auch  nur  ein  mittleres  Kran¬ 
kenhaus  ohne  Assistenten  vor,  um  die  Folgen  klar  zu  erkennen. 
Dieser  Zustand  würde  schon  heute  in  allerweitestem  Umfange  be¬ 
stehen,  wenn  das  für  die  Medizinalpraktikanten  geltende  Gesetz,  in¬ 
sonderheit  der  §  15,  durchgeführt  würde.  Lediglich  das  Ueberschrei- 
ten  des  Gesetzes  unter  Beihilfe  resp.  Zulassung  der  Behörden  hat  bis 
jetzt  —  durch  die  gesetzlich  verbotene  Einstellung 
der  Medizinalpraktikanten  als  Assistenten  —  die 
schwersten  Uebelstände  vermeiden  lassen.  Das  kann  unmöglich  auf 
die  Dauer  dem  Sinne  der  Gesetzgebung  entsprechen. 

Ad  II:  Welches  ist  die  Ursache  der  Notlage? 

Man  ist  sich  heute  allgemein  darüber  einig,  dass,  wenn  nicht  als 
einzige,  so  doch  als  wesentliche  Ursache  der  bestehenden  Notlage  das 
praktische  Jahr  angesehen  werden  darf;  schon  das  zeitliche  Zu¬ 
sammentreffen  beider  macht  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich. 

Man  kann  diesen  Zusammenhang  umsomehr  amiehmen,  als  er 
theoretisch  überaus  erklärlich  ist. 

Das  praktische  Jahr  bedeutet  für  den  Mediziner  nicht  bloss 
selbstverständlich  eine  neue  starke  Belastung,  die  auf  der  grundver¬ 
kehrten  und  offenbar  rein  schablonenmässig  konstruierten  Vorschrift 
aufgebaut  ist,  dass  der  junge  Mediziner,  um  Assistent  zu  wer¬ 
den,  erst  Praktikant  werden,  d.  h.  eine  Lehrzeit  II.  Ranges  durch¬ 
machen  muss. 

Die  Vorbildung  durch  das  praktische  Jahr  ist  lediglich  für  die 
Ausübung  der  freien  Praxis  gedacht  und  kann  als  Vorbildung  für  die 
Assistententätigkeit  unmöglich  angesehen  werden,  weil  die  Assisten¬ 
tenzeit  dem  Prinzip  nach  —  ebenso  wie  das  praktische  Jahr  —  ledig¬ 
lich  eine  Modalität  des  Lernens  bedeutet,  während  die  freie  Praxis 
die  Betätigung  des  Gelernten  und  die  Verantwortlichkeit  gegenüber 
der  Oeffentlichkeit  in  sich  schliesst. 

Besonders  nachteilig  wirkend  ist  aber  die  getroffene  Einrichtung 
deshalb,  weil  das  praktische  Jahr  den  Aberglauben  gezeitigt  hat,  als 
ob  es  die  Assistententätigkeit  überflüssig  mache.  Kein  Wunder!  Da 
man  diesen  Aberglauben  offiziell  sanktioniert,  indem  man  die  Prakti¬ 
kantenzeit,  nicht  aber  —  wie  früher  —  die  Assistentenzeit  als  aus¬ 
reichend  für  die  Praxis  eingerichtet  hat! 

No.  23. 


Ad  III:  Ist  ein  spontaner  Ausgleich  zu  erwarten? 

Ein  solcher  könnte  sich  allenfalls  auf  2  Wegen  anbahnen. 

a)  Durch  Steigerung  der  Zahl  der  Medizinstudierenden. 

Diese  Zahl  ist  —  wie  Part  sch  (1.  c.)  für  Breslau  genauer  be¬ 
rechnet  hat  —  schwankend.  Aber  obwohl  seit  1910/11  die  Zahl  der 
Examenkandidaten  wieder  in  starkem  Ansteigen  begriffen  ist  und  die 
höchsten  früheren  Ziffern  erreicht,  hat  sich  eine  Besserung  der  Ver¬ 
hältnisse  nicht  eingestellt.  Der  Grundsatz,  dass,  je  stärker  die  Kon¬ 
kurrenz  wird,  um  so  aussichtsvoller  die  persönliche  Ausbildung  durch 
Assistententätigkeit  sein  sollte,  ist  in  die  Masse  der  Mediziner 
offenbar  nicht  eingedrungen.  Im  Gegenteil,  je  grösser  die  Konkur¬ 
renz  wird,  umsomehr  scheint  sich  das  Streben  zu  entwickeln,  mög¬ 
lichst  schnell  in  eine  sichere,  wenn  auch  bescheidene  Stelle  ein¬ 
zurücken. 

Aber  selbst  wenn  dieser  Eindruck  sich  weiterhin  nicht  be¬ 
stätigen  und  das  Assistentenangebot  um  etwas  wachsen  sollte,  so 
wäre  damit  die  Frage,  ob  das  praktische  Jahr  in  seiner  gegenwärti¬ 
gen  Form  fortbestehen  soll,  selbstverständlich  nicht  im  positiven  Sinne 
gelöst:  die  Einrichtung  als  solche  würde,  wie  Referent  an  der  Hand 
der  „Leitsätze“  (cf.  unten)  weiter  ausführt,  unter  allen  Umständen 
schwere  Bedenken  haben. 

b)  Die  von  einigen  Seiten  ausgesprochene  Vermutung,  dass  der 
Assistentenmangel  sozusagen  ein  scheinbarer  sei,  insofern  man  sich 
mit  den  billigeren  Praktikanten  begnüge,  dass  demnach  ein  spontaner 
Ausgleich  erfolgen  werde,  wenn  man  das  Gesetz  genauer  respek¬ 
tieren  und  die  Einstellung  der  Praktikanten  als  Assistenten  rigoros 
verhindern  würde,  hält  Referent  in  jedem  Punkt  für  unzutreffend. 

Das  Umgekehrte  ist  richtig:  man  stellt  Praktikanten  ein,  weil 
man  beim  besten  Willen  keine  Assistenten  bekommen  kann. 

Wollte  man  aber  durch  schärfere  Kontrolle  die  Einstellung  der 
Praktikanten  hindern,  so  würden  die  Praktikanten  allerdings  den 
grösseren  Krankenhäusern,  die  heute,  weil  sie  keine  Remuneration 
geben,  fast  frei  davon  sind,  in  grösserer  Zahl  Zuströmen,  es  würde 
aber  in  den  kleinen  Krankenhäusern,  die  heute  ihren  Assistentenbedarf 
fast  ausschliesslich  mit  Praktikanten  decken,  ein  derartiger  Notstand 
eintreten,  dass  der  Dienst  überhaupt  nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten 
wäre. 

Nach  beiden  Gesichtspunkten  ist  demnach  ein  spontaner  Ausgleich 
der  Notlage,  auf  den  die  massgebenden  Instanzen  —  nach  ihrem 
Säumen  zu  urteilen  —  immer  noch  rechnen,  nicht  zu  erwarten. 

Ad  IV :  Was  ist  geschehen,  um  eine  Aenderung  herbeizuführen? 

Seitens  der  Regierungen  seit  der  1908  erlassenen  sogen.  „An¬ 
weisung“  über  das  praktische  Jahr  der  Mediziner  (cf.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1908,  No.  30)  nichts  weiter,  als  dass  man  die  Ueber- 
tretung  dieser  „Anweisung“  in  breitestem  Umfang  zugelassen  hat  — 
ein  lür  alle  Teile  unwürdiger  und  schlechthin  unbegreiflicher  Zustand. 

Von  sonstigen  Versuchen.  Abhilfe  zu  veranlassen,  erwähnt  Re- 
fernt  folgende: 

Die  8.  Generalversammlung  des  Zentralkomitees  für  das  ärzt¬ 
liche  Fortbildungswesen  in  Preussen  1908.  Die  völlig  ziellose  Diskus¬ 
sion  verlief  im  Sande. 

Die  Versammlung  preussischer  Med.-Beamten  vom  27.  April 
1912.  —  Ein  Resultat  ist  nach  aussen  nicht  bekannt  geworden;  die 
Bemühung  des  Referenten,  zu  der  Beratung  zugelassen  zu  werden, 
wurde  ihm  als  Nichtpreussen  abgelehnt. 

Eine  Beratung  der  Universitätsprofessoren,  die  im  Januar  1913 
in  Halle  stattgefunden  haben  soll.  —  Das  Resultat  der  Beratung  ist 
nicht  bekannt  geworden. 

Beratung  verschiedener  Aerztekaminern,  Schlesien,  Rhein¬ 
provinz. 

Seitens  der  Krankenhausärzte  wurde  eine  ziemlich  grosse  Kund¬ 
gebung  von  dem  Referenten  im  Verein  mit  Prof.  Bart  h- Danzig  im 
August  1911  veranstaltet  durch  eine  Eingabe  an  den  Bundesrat 
und  an  sämtliche  deutsche  Einzelregierungen,  an  welcher  sich  280 
grössere  Krankenanstalten  unterschriftlich  beteiligten. 

Es  ist  auf  diese  Eingabe  weder  vom  Bundesrat  noch  von  einer 
einzigen  Einzelregierung  eine  Antwort  erfolgt. 

Von  den  Zeitschriften  dürfte  sich  die  Münch,  med.  Wochenschr. 
am  eingehendsten  mit  der  Frage  des  praktischen  Jahres  beschäftigt 
haben. 

Ad  V :  Nach  welchen  Gesichtspunkten  ist  vom  Standpunkt  der  Kran¬ 
kenhausärzte  die  Assistenten-  und  Praktikantenfrage  zu  regeln,  um 
gesunde  Verhältnisse  herbeizuführen? 

Die  Antwort  auf  diese  Frage  leitet  zu  den  gedruckt  vorliegenden 
Leitsätzen  über,  an  deren  Hand  Referent  seine  Ansichten  über  die 
wünschenswerte  Gestaltung  der  Verhältnisse  entwickelt. 

Leitsätze  für  die  Diskussion  über  das  praktische  Jahr. 

1.  Der  Gedanke  des  sogen,  praktischen  Jahres,  d.  h.  der  ein¬ 
jährigen  praktischen  Ausbildung  jedes  Arztes  nach  Beendi¬ 
gung  der  Universitätsstudien,  ist  im  Prinzip  richtig. 

2.  Die  ideale  Form  der  Ausführung  dieses  Gedankens  ist  die 
Assistententätigkeit;  erst  in  zweiter  Linie  und  als  Notbeheli 
die  Praktikantentätigkeit. 

3.  Deshalb  sind  diejenigen  gesetzlichen  Vorschriften  zu  be¬ 
seitigen,  welche  diesem  Grundsatz  im  Wege  stehen,  vor  allem 
die  Bestimmung,  dass  nur  der  Assistent  werden  kann,  der  das 
sogen,  praktische  Jahr  erledigt  hat. 


4 


1266 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


4.  Hie  Versammlung:  halt  es  für  das  einfachste,  freiheitlichste  und 
praktisch  zuverlässigste,  den  §  59  der  Prüfungsordnung  dahin 
umzuandern,  dass 

„nach  bestandener  ärztlicher  Prüfung  eine  einjährige 
praktische  Ausbildung  im  Krankenhaus  oder  in  einer  Uni¬ 
versitätspoliklinik  vorgeschrieben  wird,  die  als  Assistent 
oder  als  Praktikant  zu  erlangen  ist,  und  zwar  in  jeder 
der  grossen  Disziplinen :  interne  Medizin,  Chirurgie  Ge- 
burtshilfe,  Irrenheilkunde,  pathol.  Anatomie." 

5.  Um  dem  formellen  Bedenken  bezüglich  der  Vorschriften  über 
Attestieren  und  Rezeptieren  zu  begegnen,  empfiehlt  es 
sich,  die  „Approbation“  zu  teilen  in  eine  bedingte  für  den  Dienst 
des  praktischen  Jahres  und  eine  definitive  für  die  freie  Praxis. 

i  u  Nach  Sprengel  muss  an  dem  Gedanken  eines  praktischen 
Jahres  unbedingt  festgehalten  werden.  Die  Idee  ist  richtig,  nur  die 
Ausführung  unglücklich  und  verkehrt.  (Leitsatz  1.) 

Schon  die  historische  Entwicklung  spricht  für  die  prinzipielle  Bei¬ 
behaltung  einer  gründlichen  praktischen  Ausbildung  des  Mediziners 
nach  Beendigung  der  Universitätsstudien;  denn  gerade  dieser  Ge¬ 
danke  wurde  vom  Aerztevereinsbund  angeregt,  von  einer  Kommission 
vorberaten  und  vom  Aerztetag  in  Weimar  1891  angenommen  (cf 
Partsch  1.  c.). 

Der  Aerztestand  würde  sich  selbst  desavouieren,  wenn  er  heute 
eine  entgegengesetzte  Ansicht  ausspräche. 

^  ^Der  Gedanke  ist  aber  auch  nach  theoretischen  Erwägungen  ge- 

Man  braucht  nur  an  die  eigene  Ungelenkheit  nach  bestandenem 
Examen,  an  die  Ungewohntheit  des  Verkehrs  mit  Kranken  und  Publi¬ 
kum  zurückzudenken,  um  das  für  selbstverständlich  zu  halten. 

Das  wird  auch  trotz  aller  Verbesserung  der  Methodik  des  Uni- 
versitats-Unterrichts  —  Verbesserung  des  Anschauungsunterrichts, 
der  Dorsale  und  klinischen  Auditorien,  der  path.-anat.  und  Labora¬ 
torium-Kurse  usw.  —  die  Referent  voll  anerkennt,  immer  so  bleiben, 
sogai  noch  zunehmen,  weil  die  Belastung  der  Universitätsstudien 
durch  theoretische  Fächer  erheblich  gewachsen  ist  und  es  an  Zeit  und 
Gelegenheit  zur  Berührung  mit  den  Kranken  fehlt.  Der  einzige 
Hinweis,  dass  an  den  grossen  Kliniken  in  Berlin,  München  usw. 
zwischen  3  und  400  Praktikanten  eingeschrieben  sind,  oder  ein 
Blick  in  einen  modernen  Studienplan  (cf.  z.  B.  Friedrich  Müller 
„Wie  studiert  man  Medizin?“  Ernst  Reinhardt.  München)  ge¬ 
nügen,  um  zu  beweisen,  dass  eine  Betätigung  am  Krankenbett 
wahrend  der  Universitätszeit  eine  bare  Unmöglichkeit  ist;  sie 
beweisen  zugleich,  dass  eine  weitere  Belastung  der  Universitätszeit 
und  der  Universitätslehrer  durch  Uebertragung  der  praktischen  Tätig- 
u  aü  di-  Universitäten,  wie  es  z.  B.  Kaufman  n  angeregt  hat 
schlechterdings  unausführbar  ist. 

Nicht  noch  mehr  Theorie,  sondern  mehr  Praxis  ist  notwendig, 
und  diese  kann  sehr  wohl  und  in  durchaus  naturgemässer  Weise 
durch  Ausnutzung  des  ungeheuren  Materials  der  Krankenhäuser  unter 
Leitung  der  Krankenhausärzte  erfolgen. 

Die  ideale  Form  der  Ausführung  dieses  Ge¬ 
dankens  ist  die  Assistententätigkeit,  erst  in  zwei- 
t  e  r  L  i  n  i  e  u  n  d  a  1  s  Notbehelf  diePraktikantentätig- 
k  e  i  t.  (Leitsatz  2.) 

Auch  diese  Forderung  ist  die  ursprüngliche,  s.  Z  von 
Ziemssen  aufgestellte  These. 

S  p  r  e  n  g  e  1  stellt  sich  durchaus  auf  denselben  Standpunkt  und 
sucht  ihn  möglichst  bestimmt  herauszuarbeiten,  namentlich  gegenüber 
der  nicht  ganz  klaren  Formulierung  von  Partsch. 

AcciJtPnl!!1  Pha/vih  (1-  c.)  verlangt,  dass  wir  „die  Praktikanten  als 
Assistenten  bescha  ftigen  dürfen,  so  ist  das  schliesslich  nicht  viel 
mehr  als  was  heute  überall  geschieht,  damit  wird  aber  weder  der 

Ausbüdmig gewährt Uert'  ^  iU,1Re"  Mediziner  die  bestmögliche 

Spreng  e  1  verlangt  mehr.  Er  will,  dass  womöglich  jeder 
junge  Arzt  Assistent  wird,  und  dass  derjenige  der 
1  Jahr  lang  Assistent  gewesen  ist,  nicht  Prakti- 
satz°3 )  '  m  heutl8:ei1  Sin»e)  zu  werden  braucht.  (Leit- 

Punker  WskuS.  S  pr' 6  ” 1  a,s  de"  Wenden 

AssÄÄ 

L  die  Zerrissenheit  des  gegenwärtigen  praktischen  Jahres  be- 
sertigt  und  eine  Vertiefung  in  ein  bestimmtes  Gebiet  der 
Medizin  gestattet,  was  um  so  unbedenklicher  ist,  als  die 
Berührungsflächen  dieser  Gebiete  sich  trotz  aller  Speziali¬ 
sierung  vergrössert  haben; 
die  persönliche  Verantwortlichkeit  gewährleistet; 
das  Einarbeiten  in  eine  bestimmte  Methodik  eines 
Lehrers  sichert; 

4'  ?fpge"s^itrige1s.  U'"1  ebe  11  zwischen  Lehrer  und  Schüler  und 
m  o  i  a  1  i  s  c  h  e  Einwirkung  seitens  einer  überragenden 
Persönlichkeit  ermöglicht. 

,  „  einerseits  einem  zu  früh  einsetzenden  Spezialistentum  vorzu- 

h  e  i  t  n  enhdPar  nrerSMtS  dl<T  ganze  Organisation  nach  möglichst  frei- 
!e  1 1 1  ehe  n  Gesichtspunkten  zu  regeln,  verlangt  Sprengel  dass 

?S  i)clki1SCnhe  .J?hr  (womöglich  als  Assistent)  in  einer  der 
grossen  Disziplinen  —  Interne  Medizin,  Chirurgie,  Geburtshilfe 
Irrenheilkunde,  path.  Anatomie  —  abzuleisten  ist.  (Leitsatz  4.)  Eine 


2. 

3. 


gewisse  hierdurch  bedingte  Verschiedenheit  in  der  praktischen  Rich- 
tUugi  idei  Acrzte  ist  lediglich  ein  Gewinn  und  besser,  als  dB 
schablonenmässige,  aber  oberflächliche  Dressur. 

Die  Befürchtung,  dass  bei  diesem  Modus  die  vorhandenen  Assi- 
stentenstelleii  nicht  ausreichen  würden,  trifft  bei  der  heutigen  Massen 
haitigkeit  der  Krankenhäuser  nicht  zu.  Um  auf  alle  Fälle  jeder  mög¬ 
lichen  Schwierigkeit  der  Unterkunft  zu  begegnen  und  dem  Einzelnen 
keinen  Zwang  anzutun,  soll  die  Möglichkeit,  das  praktische 
Jahr  auch  im  heutigen  Sinne  abzudienen,  fortbestehen,  also  Jeder 
nach  Belieben  sein  praktisches  Jahr  als  Assistent  oder  als  Prakti 
kant  abdienen  dürfen. 

Die  formellen  Bedenken  bezüglich  der  Vorschriften  über  Atte 
stieren  und  Rezeptieren  (Leitsatz  5)  sind  durch  die  Gewährung  einer 
bedingten  und  einer  definitiven  Approbation  —  die  erstere  für 

das  praktische  Jahr,  die  letztere  für  die  freie  Praxis  gültig  _  mit 

Leichtigkeit  zu  beseitigen. 

Einige  Nebenfragen  erledigen  sich  nach  Vorstehendem  von  selbst: 
Es  ist  selbstverständlic h,  dass  das  praktische  Jahr  erst 
nach  Absolvierung  des  Staatsexamens  abgeleistet  werden  kani 
weil  sonst  der  junge  Mediziner  unfrei  ist  und  seine  Zeit  mit  der 
theoretischen  Arbeit  zum  Examen  zersplittert. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  der  praktische  Dienst 
wie  man  auch  gewollt  hat,  nicht  etwa  als  praktisches  Semester 
zwischen  das  Universitätsstudium  interkaliert  und  auf  die  Universität 
abgewalzt  werden  kann. 

Endlich  ist  nach  Sprengel  die  Ableistung  des  halben  prak¬ 
tischen  Jahres  in  einem  Garnisonlazarett  dringend  zu  widerraten,  weil 
das  die  ganze  Einrichtung  von  Neuem  zerreissen  und  die  Assistenten- 
not  in  Permanenz  erklären  würde. 

S  P  r  ®  *  e  1  he83  nicht  den  geringsten  Zweifel,  dass  seine  theo¬ 
retischen  Satze  —  aus  denen  man  freilich  kein  Glied  herausnehinen 
Uait  sich  in  der  Praxis  glänzend  bewähren  werden. 

e-  v,  Anu.->  ailT?d?uernden  ausgiebigen  Diskussion  beteiligten 
sich  zahlreiche  Redner.  s 

a)  Zu  den  allgemeinen  Ausführungen- 
Allerseits  wird  zugegeben,  dass  das  praktische  Jahr  schuld  an 
dem  Assistentenmangel  sei.  Es  werden  auch  einige  Umstände  er¬ 
wähnt,  welche  mit  schuld  sind:  Die  seitdem  gesteige'rte  Zahl  an 
Krankenhäusern  überhaupt  und  ihr  Wachstum,  also  der  grössere  Be- 
ari  an  Assistentenstellen.  —  Es  sind  besonders  an  grossen  Anstalten 
zu  viele  Praktikantenstelien  geschaffen  worden,  aber  dafür  Assi¬ 
stentenstellen  nicht  eingegangen.  —  Früher  blieben  die  Assistenten 

Sf  2  dahr,eJatlg’  w®r  erst  ein  Jahr  Praktikant  war.  glaubt 
weiterer  Ausbildung  nicht  mehr  zu  bedürfen.  —  Der  Assistenten- 
mangel  bedroht  überall  den  geordneten  Krankenhausbetrieb.  —  Da- 
eigenturrUiche  Wesen  des  deutschen  Krankenhauses  beruht  auf  dem 
geordneten  Zusammenwirken  von  Chefärzten  und  Assistenten,  und  für 
le  Ausbildung  des  deutschen  Arztes  war  früher  charakteristisch,  dass 
er  eine  systematische  Lehrzeit  als  Assistent  suchte.  Dies  ist  durch 
die  Einführung  des  praktischen  Jahres  anders  geworden.  Der  Assi¬ 
si  entenmangel  bedroht  somit  den  Kern  unseres  Krankenhauswesers 
Auch  das  persönliche  Verhältnis  zwischen  Chefarzt  und  Assistent 
wird  zerstört,  wenn  einerseits  der  Praktikant  nach  Belieben  in  kurzen 
Fristen  seine  Stelle  wechseln  kann,  andererseits  Assistenten  wie 
^u«rlk^niten  mehr  sich  suchen  lassen  und  Bedingungen  zu 

im  r?t,Su ^nt  ^a^en'  iat  dazu  geführt,  dass  durch  Ueberbieten 
m  Gehalt,  durch  Anpreisung  verlockender  Nebenumstände  Anstalten 
Assistenten  heranzuziehen  suchen. 

Die  Ausstellung  der  Zeugnisse  für  Praktikanten  kann  die  Chef- 
arzte  in  unangenehme  Situation  versetzen.  Während  die  Universitäts- 
Lihrer  beim  Staatsexamen  durch  eine  geordnete  Prüfung  sich  von  den 
Kenntnissen  der  Kandidaten  überzeugen  können,  ist  der  Krankenhaus¬ 
arzt  viel  mehr  auf  einen  allgemeinen  Eindruck  angewiesen,  der  bei 
vurzfristiger  Hauer  der  Anwesenheit  des  Praktikanten  recht  er- 
^wert  ist.  —  Wahrend  die  Universitätslehrer  zu  diesem  Zwecke 
angestel  t  sind,  erwartet  man  vom  Krankenhausarzt,  dass  er  sich  frei- 
willig  mit  seinen  Praktikanten  beschäftige,  er  hat  aber  jetzt  dazu  noch 
en  --chaden,  dass  das  praktische  Jahr  ihn  der  Assistenten  beraubt. 
—  Besonders  von  kleineren  Krankenhäusern  wird  berichtet,  dass  sie 
völlig  vor  dem  Nichts  stehen;  Es  ist  untersagt  worden,  Praktikanten 
einzuste  len,  ohne  dass  gleichzeitig  ein  Assistent  vorhanden  sei;  sie 
können  letztere  nicht  bekommen  und  dürfen  nun  auch  sich  nicht  mit 
Praktikanten  behelfen. 

„Znu  1  h  e  s  e  1  und  2.  Man  stimmt  einstimmig  zu,  wünscht  vor 
r.  ü?-geiD  dass  der  Praktikant  selbständige  Funktionen  ausüben 
•  ul'  i  n  ^edner  betont,  dass  an  kleinen  Krankenhäusern  es  sich 
nicht  ohne  weiteres  verlohne,  nur  Assistenten  anzustellen,  es  sei  hier 
nützlich,  wenn  derselbe  oder  der  Praktikant  zwischen  innerer  und 
hiruigischer  Station  wechseln  und  so  beide  kennen  lernen  könne, 
uer  Referent  betonte  demgegenüber,  dass  diese  Meinung  nicht  sehr 
verschieden  von  der  seinigen  sei,  es  komme  ihm  der  Hauptsache  nach 
auf  die  Methodik  an.  — 

if»mMDlruei  Aerzte  grösserer  Krankenhäuser  nehmen  überhaupt 
D  ne  Praktikanten  mehr  an,  weil  sie  in  den  kurz  wechselnden 
Iraktikanten  keine  brauchbaren  Kräfte  gefunden  haben.  —  Ein 
<  dner  betont,  dass  der  Praktikant  in  seiner  gegenwärtigen  Stellung, 

\\  o  ihm  verantwortliche  Handlungen  nicht  übertragen  werden  dürfen, 
schon  dem  1  ersorial  gegenüber  als  minderwertig  erscheine.  —  Er 
schhesst  sich  daher  der  Behauptung  an,  dass  zur  Ausbildung  des 
Arztes  nur  eine  verantwortliche  Tätigkeit  von  Nutzen  sei. 

Ein  Mitglied  hat  schriftlich  sich  dahin  ausgesprochen,  dass  die 
Mediziner  von  den  Universitäten  zwar  mit  viel  theoretischen  Kennt- 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1267 


nissen  abgingen,  aber  so  viele  praktische  Einzelclinge  noch  lernen 
müssten,  dass  dazu  ein  Wechsel  zwischen  mehreren  Abteilungen 
notwendig  sei.  Auch  dürfe  man  den  Gegenstand  nicht  von  dem 
Standpunkte  ansehen,  welche  Bedürfnisse  die  Krankenhausärzte 
hätten,  sondern  nur  was  für  die  allgemeine  ärztliche  Ausbildung  not¬ 
wendig  sei.  Demgegenüber  wird  hervorgehoben,  dass  man  eben  für 
beide  Teile  des  gegenwärtigen  praktischen  Jahres  den  Nutzen  be¬ 
streite  und  bei  der  erstrebten  Abänderung  beide  Interessen  in 
gleicher  Richtung  sich  bewegten.  Man  müsse  unterscheiden,  welche 
Aufgabe  der  Universität  in  der  ärztlichen  Ausbildung,  welche  der 
Krankenhaustätigkeit  und  welche  der  späteren  ärztlichen  Fortbildung 
zuzuweisen  sei  und  man  dürfe  nicht  der  Assistentenzeit  zumuten,  was 
in  den  beiden  anderen  geleistet  werden  könne.  Es  sei  daher  auch  eine 
bessere  Verständigung  als  bisher  zwischen  diesen  drei  Faktoren  not¬ 
wendig,  welche  jetzt  keine  gegenseitige  Fühlung  haben. 

Zu  Punkt  3.  Eine  Diskussion  erfolgt  nicht.  Man  stimmt  in 
Konsequenz  von  Leitsatz  2  einstimmig  bei. 

Zu  These  4.  Von  mehreren  Seiten  wird  Aenderung  des 
Namens  Praktikant  vorgeschlagen,  man  will  lieber  Volontär-  oder 
Hilfsarzt  sagen.  —  Ein  Redner  betont  auch  hier,  dass  vielleicht 
mancher  Spezialarzt  nur  eine  kürzere  allgemeine  Ausbildung,  aber  auf 
verschiedenen  Gebieten  wünschen  wird.  Referent  betont  nochmals, 
dass  er  diese  Möglichkeit  nicht  abschneiden  will,  sondern  das  Prakti- 
kantentum  in  dem  gegenwärtigen  Sinn  dem  Arzt  freistellen  will.  Wer 
den  Wunsch  hat,  Praktikant  zu  sein,  dem  soll  man  es  lassen.  Man 
soll  aber  die  Möglichkeit  wieder  eröffnen,  die  Assistentenlaufbahn  so 
durchzumachen,  wie  dies  früher  als  das  Richtige  galt  und  hofft,  dass 
dann  von  selbst  die  Mehrheit  der  Aerzte  diesen  Weg  wählen 
wird.  —  Ein  Mitglied  hebt  im  Anschluss  daran  hervor,  den  Anstoss 
zur  Einführung  des  praktischen  Jahres  habe  bekanntlich  der  Wunsch 
der  Aerzteschaft  gegeben,  allen  Aerzten  die  Möglichkeit  einer  Aus¬ 
bildung  an  Krankenhäusern  zu  verschaffen  und  man  habe  damals 
gerade  die  Assistententätigkeit  im  Auge  gehabt,  wie  sie  früher  allein 
bekannt,  aber  bei  der  geringeren  Zahl  an  Stellen  nicht  jedem  erreich¬ 
bar  war.  Man  habe  wohl  die  Form  des  praktischen  Jahres  deshalb 
eingeführt,  weil  man  fürchtete,  nicht  genug  Assistentenstellungen  zur 
Verfügung  zu  haben.  Jetzt  sei  das  anders  und  es  sei  nur  logisch,  zum 
Ausgangspunkt  zurückzugehen.  Referent  betont  auch  hier,  wenn 
jemand  aus  irgend  einem  Grunde  eine  regelmässige  Assistentenstelle 
nicht  erhalten  könne,  so  müsse  ihm  dafür  die  Möglichkeit  als  Prak¬ 
tikant  sich  zu  beschäftigen,  offen  bleiben. 

Zu  Leitsatz  5  erfolgt  keine  Besprechung. 

Alle  Leitsätze  wurden  einstimmig  angenommen  und  der 
Vorstand  beauftragt,  eine  entsprechende  Eingabe  den  zuständigen  Be¬ 
hörden  vorzulegen.  Es  wurde  noch  die  Frage  gestreift,  ob  das 
zweite  militärische  Diensthalbjahr  auf  die  Praktikanten-  oder  Assi¬ 
stentenpflichtzeit  angerechnet  werden  könne.  Einige  Stimmen  haben 
sich  dafür  erhoben.  Referent  ist  unter  Zustimmung  fast  aller  An¬ 
wesenden  unbedingt  dagegen,  weil  bei  der  völligen  Verschiedenheit 
des  Sanitätsdienstes  dadurch  der  ganze  Zweck  der  einjährigen 
Krankenhaustätigkeit  umgeworfen  werde.  Auch  hält  er  es  nicht  für 
richtig,  wenn  die  Aerzte  hier  eine  Vergünstigung  erstrebten,  welche 
kein  anderer  Berufsstand  besitze. 


Grenzen  der  Reklame. 

Von  Dr.  L  i  n  g  e  1  in  Bad  Steben. 

Auf  der  Anklagebank  eines  bayerischen  Landgerichts  sassen 
sechs  bisher  unbescholtene  Frauen  und  harrten  ihrer  Verurteilung  zu 
Gefängnisstrafen.  Das  kam  so. 

Monate  hindurch  war  in  der  vielgelesenen  Zeitung  einer  Provinz¬ 
stadt,  dem  „Amtsblatt  des  Stadtmagistrats,  des  Kgl.  Landgerichts  und 
verschiedener  Amtsgerichte“  folgende  Annonce  erschienen: 

„Damen  wenden  sich  beim  Ausbleiben  gewisser  Vorgänge 
vertrauensvoll  an  Frau  M.  in  Zürich.  Viele  Dankschreiben.“ 

Ein  Schweizer  Gericht  sah  sich  veranlasst,  bei  der  weisen  Frau, 
die  ihre  Ankündigungen  mit  vollem  Namen  gezeichnet  hatte,  Haus¬ 
suchung  zu  halten,  und  fand  aus  aller  Herren  Länder  Briefe,  die  auf 
Bestellung  des  Abtreibemittels  —  auf  ein  solches  führte  ja  unver¬ 
kennbar  der  Sinn  des  Inserats  —  lauteten.  Die  Züricher  Behörde 
überwies  diese  Schreiben  zur  Ahndung  den  zuständigen  Gerichten. 
Wer  die  Worte  der  Bestellung  vorsichtig  gesetzt  hatte,  entging 
der  Anklage.  Aridere  sechs  Frauen  aber  mussten  wegen  Versuches 
eines  Verbrechens  wider  das  keimende  Leben  verurteilt  werden. 

Während  der  Gerichtsverhandlung  rührten  die  Vertreter  der 
gleichen  Presse,  deren  Annonce  mittelbar  das  ganze  Unheil  ange¬ 
richtet  hatte,  geschäftig  die  Feder,  um  nun  auch  die  Schande  der 
Verurteilten,  dieser  Opfer  einer  verbrecherischen  Reklame,  in  die 
Oeffentlichkeit  zu  tragen.  — 

Eine  Berliner  Firma  verschleisst  ein  angebliches  Nervenheilmitte! 
und  gefällt  sich  seit  Jahr  und  Tag  in  aufdringlicher  Reklame,  die 
schliesslich  folgende  Blüte  treibt: 

„Wie  Nervöse  sterben!  Nervöse  sterben  anders  wie  die 
Andern.  Oft  an  Herzleiden,  oft  an  Rückenmarksschwindsucht  oder 
an  Gehirnerweichung,  oft  im  Wahnsinn  oder  durch  Selbstmord, 
oft  an  den  Folgen  der  Trunksucht.  Auch  der  Tod  durch  Unglücks¬ 
fall  trifft  Nervöse  häufig  usw.“ 

Der  verbrecherische  Sinn  dieser  Auslassung  spekuliert  auf  die 
bekannte  quälende  Krankheitsfurcht  der  Nervenkranken.  Ein  spalten¬ 


langer  Satz  nach  Art  objektiver  Berichterstattung  dem  redaktionellen 
'[  eil  einer  Unzahl  von  Blättern  und  Blättchen  angegliedert  preist 
das  Erzeugnis  und  hetzt  mit  einer  verlogenen  Symptomatik  ver¬ 
ängstigte  Kranke  zum  Kauf.  — 

Eine  angesehene  Berliner  Wochenschrift,  für  welche  bisweilen 
die  Besten  der  Nation  die  Feder  führen,  füllt  durch  lange  Monate  eine 
grosse  Seite  ihrer  Ausgaben  mit  einem  Erguss,  der  also  beginnt: 

„Woher  stammt  diese  wunderbare  Gewalt!  Das  ganze  Land 
ist  erstaunt  über  die  wunderbaren  Taten,  die  Herr  M.  vollbringt: 
den  Unheilbaren  wird  wieder  Vertrauen  eingeflösst.  Aerzte  una 
Prediger  erzählen  staunend  von  der  Einfachheit,  mit  welcher  dieser 
moderne  Wundertäter  Blinde  und  Lahme  mit  Erfolg  behandelt  .  .  . 
Gewisse  Leute  sagen,  dass  ich  eine  göttliche  Kraft  besitze,  sie 
nennen  mich  himmlischen  Wundertäter  usw.“ 

Das  ist  nicht  mehr  reklamehafter  Ueberschwang;  das  ist  doch 
gröbster  Unfug,  mit  dem  die  Zeitschrift  ihre  Spalten  befleckt.  Frei¬ 
lich  bezahlt  der  „Wundertäter“  für  das  Erscheinen  seiner  Annonce 
jeweils  über  1300  Mk.  (!) 

Auch  Wahrsager  und  Charakterdeuter  künden  da  ihre  Künste. 
Andere  Gaukler  locken  zum  Kauf  von  Mast-  und  Entfettungspillen, 
bieten  Büsten-  und  Schönheitsmittel.  Nährmittelfabrikanten  para¬ 
dieren  mit  glänzenden  Attesten  deutscher  Hochschulprofessoren.  — 

Eines  Pariser  Doktors  elektrischer  Gürtel  heilt  — •  so  liest  man 
in  zahllosen  Blättern  —  Gedächtnisschwäche  so  gut  wie  den  Krampf¬ 
aderbruch,  Leberleiden  nicht  minder  erfolgreich  wie  die  Impotenz. 

Der  elektrische  Haarkamm  einer  Firma,  die  ihren  Beutezug  von 
München  aus  organisiert,  „gibt  den  Haarpapillen  achtundzwanzigfache 
Anregung“  .  .  .  Den  marktschreierischen  Text  ihrer  Inserate  gar¬ 
nieren  Bilder:  Zwei  identische  Frauengestalten;  der  einen  Haupthaar 
ist  dünn  und  grau,  das  der  anderen  prangt  in  üppiger  Fülle.  In  der 
Hand  der  letzteren  der  elektrische  Kamm.  Die  Darstellung  soll  und 
muss  den  Eindruck  erwecken,  dass  der  Kamm  die  in  der  Wiedergabe 
hervorgehobene  Aenderung  der  Haartracht  erzielt  hat.  Wie  diese 
Bilder  wirklich  zustande  kommen,  erzählte  jüngst  der  „Gesundheits¬ 
lehrer“.  „Die  Firma  liess  eine  Berliner  Charaktertänzerin  photo¬ 
graphieren.  und  zwar  für  die  Aufnahme,  welche  den  krankhaften  Haar¬ 
boden  darstellen  soll,  mit  nach  hinten  gebürstetem  eingefettetem  und 
weissüberpudertem  Haar;  für  die  zweite  Aufnahme,  welche  den 
Erfolg  des  Kammes  veranschaulichen  muss,  wurde  falsches  Haar  an¬ 
gesteckt,  das  weit  über  die  Hüften  herabfiel.“  — 

Diese  kurze  Lese  aus  dem  endlos  lärmenden  Tanz  moderner 
Zeitungsreklame. 

Es  ist  ein  bedeutsames  Zeichen  des  Verfalls  unserer  Sitten,  dass 
auch  ein  angesehener  Teil  der  Presse  sich  ohne  Scheu  in  den  Dienst 
skrupelloser  Erwerbssucht,  ja  offenkundig  betrügerischer  Unternehmen 
stellt.  Dass  die  Presse  durch  Verbreitung  erwähnter  und  tausend 
ähnlicher  Schwindelannoncen  den  guten  Geschmack  verletzt,  den  Ton 
verdirbt,  der  einen  gedeihlichen  Geschäftsverkehr  begleitet  und  die 
vertrauensseligen  Käufer  empfindlich  schädigt,  liegt  klar  zutage  und 
ist  nicht  weniger  bedenklich  als  die  unbestrittene  Tatsache,  dass  sie 
durch  Züchtung  uferloser  Anpreisungen  den  reellen  Handel  schwer 
drückt. 

Nur  dem  Unwert  ist  solcher  Art  Reklame  unentbehrlich;  er 
braucht  sie.  sich  in  Wert  zu  setzen,  und  schreit  das  Bessere  nieder. 
Da  wehrt  die  Ehrlichkeit  sich  —  widerwillig  —  mit  der  gleichen 
Waffe.  Enorme  Spesen  verteuern  nun  die  Erzeugnisse,  schmälern 
den  Gewinn  und  belasten  den  Käufer;  den  kaufmännischen  Mittel¬ 
stand  töten  sie. 

Die  Flasche  eines  mit  viel  Lärm  vertriebenen  Haarwassers  kostet 
im  Einzelkauf  2  M.  Ihr  Inhalt  stellt  einen-  Wert  von  20 — 30  Pi. 
dar.  Auf  die  einzelne  Flasche  entfallen  ca.  1  M.  Reklamespesen.  Der 
Rest  von  70 — 80  Pf.  verteilt  sich  auf  Herstellung  und  Reingewinn. 
Wer  das  Haarwasser  kauft,  zahlt  also  für  jede  Flasche  ca.  1  Mk. 
Steuer  an  die  Presse. 

Aber  die  Zeitung  baut  doch  ihre  wirtschaftliche  Existenz  wesent¬ 
lich  auf  den  Ertrag  der  Inserate!  Wie  kann  sie  den  gesteigerten 
Anforderungen  des  Nachrichtendienstes  und  ihren  vielseitigen  kul¬ 
turellen  Aufgaben  gerecht  werden,  wenn  sie  nicht  auch  die  Einnahme¬ 
quellen  reichlicher  speist?  Der  oft  erhobene  Einwurf  schiesst  über 
das  Ziel.  Der  Annoncenteil  der  erwähnten  Berliner  Wochenschrift 
trägt  pro  Ausgabe  35 — 40  Tausend,  also  im  Jahr  IA — 2  Millionen 
Mark  Rohgewinn.  Sonder  Zweifel  machte  der  Verlag  auch  bei  ge¬ 
wissenhafter  Sichtung  der  Aufträge  noch  ein  gutes  Geschäft. 

Die  vermehrten  Ansprüche  an  die  Presse  sind  übrigens  nicht 
zunächst  die  Folge  der  Begehrlichkeit  der  Leser,  sondern  der 
Konkurrenz  der  Zeitungen  unter  sich.  Man  kann  verständige  Leute 
oft  sagen  hören:  wir  wollen  gar  nicht,  dass  unser  Blatt  täglich 
zwei-  oder  gar  dreimal  erscheint;  wir  hätten  keine  Zeit,  es  jeweils 
durchzulesen.  Lieber  weniger  und  besser!  Wir  wollen  ein  möglichst 
treffendes  Bild  der  Tagesgeschichte,  aber  keine  Sensationen.  —  Ge¬ 
rade  die  Aussicht  auf  den  reichen  Gewinn  der  Annoncenwirtschaft 
lockt  ein  journalistisches  Unternehmen  nach  dem  anderen  aus  dem 
Boden  und  hetzt  die  Verleger  zu  kostspieligen  Manövern  des  ge¬ 
schäftlichen  Wettstreites.  Dass  dann  mit  der  Menge  des  Gebotenen 
der  Appetit  der  Leser  wächst,  ist  kein  Wunder. 

Die  Förderung  schöngeistiger  und  sittlicher  Ziele  der  Presse 
durch  den  schrankenlosen  Ausbau  der  Reklame  ist  problematisch. 
Wie  kann  die  Presse  Kulturträger  sein,  klären  und  bilden,  wenn  ihr 
eigenes  Gebaren  Grundsätzen  des  Rechts  und  der  Rechtlichkeit  zu¬ 
widerläuft,  wenn  sie  unlauteren  Machenschaften  die  Wege  bahnt  und 

4* 


1268 _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  23, 


sich  von  der  Unredlichkeit  bezahlen  lässt?  Auch  bei  der  Presse 
heiligt  der  Zweck  nicht  die  Mittel.  „Charakterlosigkeit  verdirbt  die 
Politik“,  zerstört  von  Grund  aus  das  Wirtschaftsleben. 

Die  Presse  wendet  ein  *) :  „Es  kann  nicht  Aufgabe  der  Zeitung 
bzw.  ihres  Inseratenteiles  sein,  den  Leuten,  die  nicht  alle  werden, 
als  Berater  und  Beschützer  zur  Seite  zu  stehen.  Wenn  jemand  so 
dumm  ist,  auf  derartige  Inserate  hereinzufallen,  so  soll  er  eben  den 
Schaden  tragen."  Mag  sein,  dass  kein  geschriebenes  Gesetz  die 
Presse  zwingt,  ihre  Leser  vor  Schaden  zu  bewahren.  Aber  gelten 
nicht  auch  für  ein  Zeitungsunternehmen  die  Gebote  der  Sittlichkeit 
und  des  geschäftlichen  Anstandes?  Der  Abonnent  steht  als  Geschäfts¬ 
freund  seiner  Zeitung  nahe.  Die  Zeitung  liefert  ihn  unbedenklich 
Ausbeutern  aus. 

Vertritt  die  Presse  ernsthaft  den  Grundsatz,  dass  ein  jeder  sie 
gegen  Entgelt  brauchen  kann,  so  wie  er  will,  dann  beklage  sie  sich 
nicht,  wenn  man  sie  auch  wie  eine  Metze  wertet  und  unter  Kon¬ 
trolle  hält. 

Hinter  der  „Dummheit  der  Leser“  den  eigenen  Mangel  an  Ge¬ 
wissen  zu  verstecken,  ist  Unrecht.  Zudem  tut  die  Presse  —  den 
Inserenten  willfährig  —  alles,  um  die  Täuschung  der  Leser  gelingen 
zu  lassen.  Auch  der  Erfahrene  kann  ihr  unterliegen.  Platz,  Wort¬ 
satz,  Typen  der  Annonce  genau  dem  sog.  redaktionellen  Teil  ange¬ 
passt.  Oft  genug  bricht  sie  auch  in  diesen  ein  unter  „Sport“,  „kurzen 
Mitteilungen“  etc. 

Ein  zweiter  Einwurf:  „Der  Schwindel  tritt  in  so  vielfältiger 
und  wechselnder  Gestalt  auf,  dass  es  auch  den  gewissenhaftesten 
und  kundigsten  Beurteilern  oft  schwer  wird,  ein  berechtigtes  Heil¬ 
mittel  von  Schwindel  zu  unterscheiden.  Mit  welchen  Mitteln  soll  ein 
lnseratengeschäft  unterscheiden,  was  ein  reelles  Geschäft  und  was 
Schwindel  ist?“ 

Kein  Mensch  mutet  dem  Annoncenredakteur  zu.  in  jedem  Fall 
eines  fragwürdigen  Auftrages  ein  gültiges  Urteil  zu  fällen.  Es  kann 
sich  für  die  Zeitung  niemals  darum  handeln,  festzustellen,  ob  ein  in 
der  Anzeige  gepriesenes  Heilmittel  wirksam  oder  wertlos  ist:  wohl 
aber  kann  und  muss  sie  solche  Inserate  ablehnen,  die  nur  die 
„Dummen“  nicht  zu  deuten  wissen.  Für  Anzeigen  betrügerischen 
Sinnes,  denen  das  Stigma  des  Unreellen  verborgener  haitet,  kann  die 
Zeitung  nur  dann  verantwortlich  gemacht  werden,  wenn  sie  die  An¬ 
nonce  druckt,  trotzdem  von  berufener  Seite  gegen  das  betr.  Unter¬ 
nehmen  Warnung  erging. 

Behördliche  Warnungen  (vom  Polizeipräsidium  oder  dem  Ge¬ 
sundheitsrat  dieser,  jener  Stadt)  haben  bislang  schon  die  schmutzige 
Flut  unehrlicher  Reklame  abgewehrt. 

Der  Damm  ist  nicht  breit  genug. 

Möchten  die  Aerztekammern  in  einem  Appell  an  die  Bezirks¬ 
vereine  dahin  wirken,  dass  deren  Mitglieder  den  Inseratenteil  ihrer 
Blätter  beachten  und  gegebenenfalls  den  zuständigen  Gesundheitsrat 
zu  Hilfe  rufen,  dann  würde  der  Presse  allenthalben  der  Anhalt  ent¬ 
wunden.  Nur  Ausflüchte  sind’s,  die  sie  entgegenhält.  Den  Annoncen¬ 
ertrag  will  sie  sich  nicht  schmälern  lassen. 

Vor  Jahren  spannte  eine  bedeutende  Münchener  Firma  auch  den 
Papst  vor  ihren  Wagen.  Sie  liess  Bilder  desselben  in  Form  von 
Heiligenbildchen  hersteilen  und  verteilte  sie  in  grossen  Mengen  an 
Filialen  und  Schulen.  Die  Rückseite  der  Bilder  trug  eine  amtliche  Be¬ 
stätigung  des  Herrn  Staatssekretärs  Merry  del  Val,  dass  Seine 
Heiligkeit  die  ....  Fabriken  zu  seinen  Hoflieferanten  ernannt  habe. 
Als  ich  gegen  diese  Geschmacklosigkeit  in  einem  Tagblatt  Einspruch 
erheben  wollte,  verweigerte  die  Redaktion  anfangs  die  Aufnahme 
meiner  Zuschrift.  Der  Redakteur  schrieb  mir  wörtlich:  „Aufnahme  in 
fraglicher  Sache  leider  unmöglich,  nachdem  wir  mit  K  .  .  .  Fabriken 
in  geschäftlicher  Verbindung  stehen  und  es  infolgedessen  nicht  an¬ 
gängig  ist.  gegen  eine  Firma  im  textlichen  Teil  zu  schreiben,  die  im 
Inseratenteil  mit  allen  Anpreisungen  vorzufinden  ist  .  .  .  .“ 

Die  Presse  hört  sich  gern  die  siebente  Grossmacht  nennen.  Als 
ihren  Herrscher  bezeichnet  sie  die  öffentliche  Meinung.  Ich  meine, 
ihre  Regierungsform  ist  die  Tyrannei  kapitalistischer  Eigensucht. 


Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen. 

In  No.  20  der  Miinch.  med.  Wochenschr.  versucht  Herr  Kollege 
Dr.  Goetz- Leipzig-Plagwitz  den  Antrag  Leipzig-Land  („der  Aerzte- 
tag  fordert  die  Aerzte  auf,  nur  gegen  Bezahlung  bei  gemeinnützigen 
Unternehmungen  ärztlich  tätig  zu  sein“)  zu  begründen  und  gegen  die 
Angriffe  des  Herrn  Bez.-Arztes  Dr.  Pürckhauer  (in  No.  15  der 
Münch,  med.  Wochenschr.)  zu  verteidigen,  meines  Erachtens  mit 
wenig  Erfolg. 

Bedenklich  erscheint  es  schon,  dass  Kollege  Goetz  einen 
(beabsichtigten)  Aerztetagsbeschluss  selbst  abzuschwächen  für  nötig 
hält,  indem  er  sagt,  die  Aerzte  sollen  „aufgeforder  t“,  aber  nicht 
..gezwungen“  werden.  Wenn  der  deutsche  Aerztetag  als 
Organisation  „auffordert“  etwas  zu  tun  oder  zu  lassen,  so  bedeutet 
das  für  die  standestreuen  Kollegen  eben  den  Zwang,  entweder 
darnach  zu  handeln  oder  auszutreten!  So  sollte  doch  wohl  auch  die 
Resolution  Goetz-  Leipzig  seinerzeit  in  Stuttgart  aufgefasst  werden: 
„Der  38.  deutsche  Aerztetag  fordert  alle  standestreuen  Kollegen 


*)  Die  angeführten  Einwände  sind  die  wörtliche  Wiedergabe  aus 
dem  Antwortschreiben  der  Redaktion  einer  grösseren  angesehenen 
Zeitung,  mit  der  ich  mich  über  dies  Thema  benommen  hatte. 


auf,  Verträge  mit  Krankenkassen  nicht  mehr  direkt  abzu- 
schliessen  etc.“! 

Vielleicht  richtig,  aber  wenig  bedeutungsvoll  mag  es  sein,  die 
für  gemeinnützige  Unternehmungen  arbeitenden  Aerzte  als  Partei 
zu  bezeichnen.  Jndes  haben  diese  dadurch  noch  nicht  die  Fähigkeit 
verloren,  in  der  Sache  auch  ein  Urteil  zu  haben,  das  sogar  besser  sein 
kann  als  das  der  Entgelt  fordernden,  jedoch  der  Sache  ferner- 

stehenden  Aerzte,  die  man  mit  demselben  Rechte  als  Gegen¬ 

partei  bezeichnen  könnte! 

Es  ist  weiter  die  Rede  von  „Verschenken  der  Arbeits- 
k  r  a  f  t“.  Ist  das  wirklich  gar  so  gewaltig?  Werden  solche  Auf¬ 
gaben  nicht  meist  spielend  —  und  dabei  doch  „gut  und  gewissen¬ 

haft“  —  erledigt?  Verschenken  Andere  nicht  auch  von  ihrem  Fach¬ 
wissen?  Z.  B.  der  Offizier  des  B.  als  Sanitätskolonnenführer  bei  der 
Ausbildung  der  Mannschaft,  der  Schlossermeister  als  Führer¬ 
stellvertreter  bei  Behelfsarbeiten?  Werden  nicht  zuweilen  noch 
höhere,  ethische  Werte  verschenkt,  wenn  der  Eine  militärischen  Geist 
in  die  Leute  bringt,  der  Andere  bei  den  Wehrkraftjungen  die  Liebe 
zum  Vaterland  und  zur  Natur  fördert? 

Ganz  unhaltbar  ist  der  künstlich  aufgebauschte  Unterschied 
zwischen  der  geforderten  (!)  ärztlichen  Berufsleistung 
und  der  ungerechten  Kennzeichnung  der  Tätigkeit  aller  Anderen  als 
„Sport,  Zeitvertreib  oder  interessante  Neben¬ 
beschäftigung“.  Die  Gegenpartei  erweist  sich  als  schlecht 
unterrichtet  über  die  Beweggründe  zur  Schaffung  von  Sanitäts¬ 
kolonnen,  Säuglingsfürsorgestellen,  Wehrkraftvereinen  etc.!  Wenn 
Aerzte  jeden  Wehrkraftjungen  einmal  vor  der  Aufnahme  untersuchen 
und  sonst  vielleicht  ab  und  zu  als  Berater  tätig  sind,  so  leisten  sie 
ungleich  weniger  als  die  Leiter  und  zahlreichen  Unterführer,  die  aller¬ 
dings  gründlichen  „Zeitvertreib“  an  nicht  zu  wenigen  Sonntagen 
haben,  aber  nicht  aus  Sport,  sondern  aus  vaterländischem  Pflicht¬ 
gefühl! 

Andere  Schwächen  der  Verteidigung,  dass  die  gesamte  ärzt¬ 
liche  Tätigkeit  gemeinnützig  sei,  dass  der  Idealis¬ 
mus  nur  dann  echt  sei,  wenn  er  auch  den  Weg  zum  Geldbeutel 
findet  (!)  —  darbende  Idealisten  sind  also  niemals  echt!  — ,  sollen 
hier  nur  angedeutet  werden. 

Zu  energischem  Widerspruch  könnten  die  Schlusssätze  reizen, 
mit  denen  eine  Disqualifikation  der  gemeinnützig  tätigen 
Aerzte  versucht  wird.  Indes  wer  nicht  mit  Katzbuckeln  oder  Liebe¬ 
dienerei  eine  gemeinnützige  Tätigkeit  betreibt,  wem  Ordens-  und 
Titelsucht  fremd  ist,  weil  er  niemals  überhaupt  an  eine  Bezahlung 
gedacht,  der  wird,  auch  wenn  ihn  ungesucht  vielleicht  Orden  und 
Titel  erreicht  hat,  durch  solche,  wenig  freundliche  Ausführungen  sich 
nicht  getroffen  fühlen. 

Zum  Schluss  aber  soll  festgestellt  werden,  dass  Kollege  Goetz 
sich  selbst  widerspricht  durch  seinen  Vorschlag,  der  nach 
Pürckhauer  ideal  veranlagte  Arzt  solle  sein  Honorar  dem  gemein¬ 
nützigen  Unternehmen  wieder  zur  Verfügung  stellen!  Dr.  Goetz 
müsste  auch  hier  durch  den  Aerztetag  „auffordern“  lassen,  dass 
jeder,  auch  der  nach  Goetz  ideal  veranlagte  Arzt,  das  Gleiche  zu 
tun  habe:  denn  sonst  „überbietet“  ja  der  Eine  den  Andern,  er  stempelt 
sich  selbst  ungewollt  zum  Wohltäter  und  läuft  erst  recht  Gefahr, 
deshalb  unvermutet  einen  Orden  zu  erhalten! 

Somit  dürfte  Kollege  Goetz  nicht  allzuviel  zu  gunsten  seines 
Antrages  Leipzig-Land  bewiesen  haben  und  man  sollte  meinen,  die 
gegenwärtigen  Zeiten  seien  für  die  Aerzteschaft  viel  zu  ernst,  als 
dass  man  wegen  einer  doch  wahrlich  nicht  welterschütternden  Streit¬ 
frage  Unfrieden  unter  die  Aerzteschaft  bringt  und  nebenbei  bewirkt, 
das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  auch  in  Kreisen  zu 
gefährden,  mit  denen  wir  bisher  uneigennützig  zum  Wohle  des  Ganzen 
zusammengearbeitet  haben.  Auch  erscheint  es  keinesfalls  notwendig, 
den  MaterialismusunsererZeit  auch  noch  durch  besondere 
„Anträge“  zu  steigern! 

Hofrat  Dr.  G.  Sch  eiding  -  Hof,  Kolonnenarzt. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Bemerkungen  zur  Behandlung  der  Lungentuberkulose  in 
der  allgemeinen  Praxis  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Wilmsschen  Pfeilerresektion*). 

Von  Dr.  Hans  Doerfler  in  Weissenburg  i.  B. 

Mit  der  Erkenntnis,  dass  die  Tuberkulose  der  Lunge  heilbar  ist, 
hat  in  den  letzten  Dezennien  nicht  nur  eine  neue  Aera  der  Bekämp¬ 
fung  dieser  furchtbaren  Volkskrankheit  überhaupt  mit  Macht  ein¬ 
gesetzt,  auch  die  Therapie  der  Tuberkulose,  speziell  der  Lungen¬ 
tuberkulose,  hat  vielseitige  und  umwälzende  Anregung  aus  dieser 
Erkenntnis  geschöpft.  Hygiene.  Bakteriologie,  Innere  Medizin  und 
Chirurgie  —  sie  alle  sind  in  den  letzten  Jahren  mit  neuen  und  scharfen 
Waffen  gegen  diesen  furchtbaren  Feind  unseres  Volkskörpers  zu  viel¬ 
versprechendem  Angriffe  übergegangen. 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Märztagesversammlung  1913  des 
Aerztlichen  Bezirksvereins  für  Südfranken. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1269 


10.  Juni  1913. 


Der  praktische  Arzt,  der  schliesslich  als  äusserster  Dosten  die 
neugeschmiedete  Waffe  im  Einzelkampfe  Mann  gegen  Mann  zu  führen 
hat.  konnte  an  den  Errungenschaften  unserer  Wissenschaft  nicht  acht¬ 
los  vorübergehen.  So  ist  im  Laufe  der  Jahre  allmählich  fast  unmerk¬ 
lich  eine  Umänderung  unseres  therapeutischen  Rüstzeuges  der 
Lungentuberkulose  gegenüber  eingetreten,  eine  Umänderung,  die  ja 
ui  den  letzten  Jahren  auch  unseren  Verein  veranlasst  hat,  in  mehreren 
Sitzungen  mit  dieser  Materie  sich  zu  befassen. 

Wenn  ich  mir  heute  erlaube,  einige  Bemerkungen  zur  Frage  der 
Behandlung  der  Lungentuberkulose  in  der  Praxis  ihnen  vorzutragen, 
so  geschieht  dies  einmal  aus  dem  Grunde,  weil  wir  bisher  fast  nur 
der  bakteriotherapeutischen  Seite  dieser  Frage,  hier  also  der  Tuber¬ 
kulinbehandlung,  unsere  Aufmerksamkeit  gewidmet  haben,  und  fürs 
andere,  weil  es  zweckdienlich  erscheint,  aus  einer  bestimmten 
grösseren  Praxis  heraus  die  aus  der  Zusammenfassung  aller  thera¬ 
peutischen  Faktoren  gewonnenen  Erfahrungen  eines  Arztes  mit¬ 
zuteilen. 

Ich  will  heute  alles,  was  sich  auf  Vorbeugung,  genauer  Ana¬ 
mnese,  Untersuchungsmethoden  etc.  bezieht,  ausser  acht  lassen  und 
Ihnen  im  folgenden  einfach  schildern,  zu  welcher  Art  der  Behandlung 
der  Lungentuberkulose  ich  im  Laufe  der  Jahre  gekommen  bin,  d.  h. 
welche  Methoden  ich  bei  der  Behandlung  solcher 
Kranken  als  bewährt  befunden  habe. 

Haben  wir  nach  genau  erhobener  Anamnese  bei  einem  Kranken 
die  Diagnose  Lungentuberkulose  gestellt,  so  richtet  sich  unser  thera¬ 
peutisches  Handeln  1.  nach  dem  Stadium  der  Krankheit  und  2.  nach 
den  Lebensverhältnissen  des  Kranken. 

Die  Lungentuberkulose  tritt  uns  entweder  im  Stadium  der 
Tuberkelbildung  im  Lungengewebe  (Petruschkys 
sekundäres  Stadium)  oder  des  mit  Gewebszerfall  verbun¬ 
denen  Ulzerationsprozesses  (Petruschkys  tertiäres 
Stadium)  entgegen.  Die  dem  letzten  Stadium  eigentümliche  Kom¬ 
plikation  durch  Mischinfektion  gibt  unserem  Handeln  in 
recht  häufigen  Fällen  die  Richtlinie  an. 

Nehmen  wir  zuerst  einen  Fall  im  Stadium  der 
Tuberkelbildung  im  Lungengewebe  ohne  Ge¬ 
webszerfall.  Klinisch  fallen  darunter  alle  die  Fälle,  die 
wir  in  der  Praxis  als  Anfangsfälle  bezeichnen,  wenn  sie 
auch  pathologisch-anatomisch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nichts 
anderes  darstellen  als  die  sekundäre  Form  der  in  der  Jugend  akqui¬ 
rierten  primären  tuberkulösen  Lymphdrüsenerkrankung.  In  diesem 
sekundären  Stadium  der  Tuberkelbildung  im  Lungengewebe  finden 
wir  meist  nur  leichte  oder  deutliche  Dämpfungen  oberhalb  der 
Schulterblattgräte  —  meiner  Ansicht  nach  hier  am  ersten  und  deut¬ 
lichsten  —  und  in  der  Fossa  supraclavicularis  mit  charakteristischer 
Einengung  des  Schallfeldes,  vereinzelte  Rasselgeräusche 
oft  erst  bei  Hustenstössen,  in  nicht  veralteten  Fällen  immer 
Hustenreiz,  keinen  oder  wenig  Auswurf  — ;  Fieber  kann 
in  leichtem  Grade  vorhanden  sein,  fehlt  aber  meist;  Abmagerung 
kann  vorhanden  sein,  fehlt  aber  häufig,  Nachtschweisse  be¬ 
obachten  wir  wohl  auch  hie  und  da,  sie  fehlen  aber  auch  hier  noch 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle;  Bluthusten  ist  oft  das  erste  Symptom, 
das  die  Leute  zum  Arzte  führt,  fehlt  aber  allermeist  und  erreicht 
in  diesem  Stadium  niemals  höhere  Grade;  Appetitlosigkeit, 
Magenbeschwerden,  Müdigkeit  und  Unlust  zur  Ar¬ 
beit,  Stiche  auf  der  Brust  und  im  Rücken.  Abmage¬ 
rung,  Blässe  der  Gesichtsfarbe  führen  solche  Patienten 
oft  zum  Arzte,  ohne  dass  der  Kranke  an  eine  Lungenerkrankung 
selbst  denkt.  Da,  wie  gesagt,  Hustenreiz  in  solchen  frischen 
Fällen  niemals  fehlt,  sollen  wir  bei  verdächtig  aussehenden 
Patienten  immer  danach  fragen.  Er  wird  uns  oft  erst  auf  Be¬ 
fragen  angegeben  und  ist  uns  dann  ein  Mahnzeichen,  unter  allen 
Umständen  die  Lunge  einer  eingehenden  Untersuchung  zu  unter¬ 
ziehen.  Nicht  selten  ist  es  eine  akute  Bronchitis  in  einem  Unter¬ 
lappen,  eine  trockene  oder  nasse  Pleuritis,  die  den  Patienten  zum 
Arzte  führen  und  uns  die  Erkenntnis  der  Tuberkulosenspitzenerkran¬ 
kung  vermitteln.  Auch  die  meisten  tuberkulösen  Analfisteln  werden 
uns  fast  ausnahmslos  das  gleichzeitige  Bestehen  einer  noch  wenige 
oder  auch  gar  keine  Erscheinungen  machenden  Lungenspitzentuber¬ 
kulose  des  Anfangsstadiums  finden  lassen. 

W  i  e  sollen  wir  uns  therapeutisch  solchen  Fällen  gegen¬ 
über  verhalten. 

Zunächst  müssen  wir  —  nach  meiner  langjährigen  Erfahrung  ist 
dies  der  einzig  richtige  Weg  —  dem  Patienten  offen  sagen, 
dass  er  an  Tuberkulose  leidet.  Wir  können  dies  um  so 
leichter,  als  wir  sofort  hinzusetzen  dürfen,  dass  es  sich  um  eine 
eminent  heilbare  Krankheit  handelt.  Wir  müssen  dies  tun,  weil 
alles  hinsichtlich  eines  Erfolges  davon  abhängt,  dass  der  Patient 
die  Gefahr  kennt,  die  ihm  bei  Nichtbefolgung  des  ärztlichen  Rates 
droht,  und  seine  nächsten  Lebensjahre  auf  diese  Krank'heitsbehandluiig 
einstellt.  Diese  Einstellung  des  ganzen  Lebenszuschnittes  auf  die  Er¬ 
krankung  muss  nicht  immer  eine  die  Arbeitsfähigkeit  beeinträchtigende 
sein,  wird  aber  in  den  meisten  Fällen  für  mehr  oder  weniger  lange 
Zeit  eine  absolute  Ruhezeit  erfordern.  Bei  vermögenden  Kranken 
pflegt  der  Entschluss  zur  Ruhe  leicht  erreicht  zu  werden,  bei  den  un¬ 
selbständigen  Existenzen  kommen  uns  in  unserem  therapeutischen 
Vorgehen  die  Segnungen  der  sozialen  Gesetzgebung  in  hervorragen¬ 
dem  Masse  entgegen. 

Wir  wissen,  dass  tuberkulöse  Herde  am  raschesten  und  sicher¬ 
sten  zur  Ausheilung  kommen,  wenn  sie  in  Ruhe  gelassen  wer¬ 
den.  Wir  empfehlen  darum  allen  solchen  Patienten,  wo  nur  immer 
angängig,  zunächst  für  4—6  Wochen  absolute  Bettruhe.  Wenn  man 


dem  Patienten  mit  dem  nötigen  Ernste  die  Sachlage  vorstellt,  wird 
dem  ärztlichen  Verlangen  in  den  allerseltensten  Fällen  Widerstand 
entgegengesetzt.  Während  wir  für  den  Krankheitsfall  versicherten 
Patienten  vor  allem  den  Aufenthalt  in  einem  Sanatorium,  in  einem 
Krankenhause  oder  in  einer  Walderholungsstätte  zu  verschaffen 
suchen,  ahmen  wir  für  unsere  Privatpatienten,  welchen  diese  hervor¬ 
ragenden  Heilfaktoren  nicht  so  bequem  zur  Verfügung  stehen,  dieses 
dort  einzuhaltende  Ruheregime  möglichst  naturgetreu  im  Privathause 
nach.  Da  sich  unsere  Kranken  zumeist  aus  ländlichen  Kreisen  rekru¬ 
tieren.  gilt  es.  sich  eingehend  mit  den  Wohnungsverhältnissen  des 
betr.  Kranken  zu  befassen.  Wo  nur  irgend  möglich,  soll  er  nicht  im 
Wohnzimmer,  in  dem  sich  auf  dem  Lande  einzig  und  allein  das  täg¬ 
liche  Familienleben  abspielt,  sondern  in  einem  eigenen,  womöglich 
nach  Süden  gelegenen,  der  Sonne  zugänglichen  Raume,  seine  Lager¬ 
stätte  finden.  Da  bei  unseren  ländlichen  Verhältnissen  die  Schlaf¬ 
zimmer  wegen  der  Nähe  des  dicht  angebauten  Stalles  die  feuchtesten 
und  ungesündesten  Räume  des  Hauses  darstellen,  soll  man  immer  ver¬ 
suchen,  einen  besonderen  Raum,  und  wäre  es  auch  die  ein¬ 
fachste  Bodenkammer  für  diese  Liegekur  zu  wählen.  Ist  kein  anderer 
Raum  als  das  gemeinschaftliche  Schlafzimmer  vorhanden,  so  soll 
wenigstens  dieses  dadurch,  dass  ein  Fenster  Tag  und  Nacht  geöffnet 
erhalten  bleibt  und  alles  mögliche  Gerümpel  aus  dem  Zimmer  ent¬ 
fernt  wird,  zu  einem  halbwegs  tauglichen  Krankenzimmer  umgewan¬ 
delt  werden.  Wenn  man  das  Bett  in  die  Nähe  des  Fensters  stellt  und 
Tag  und  Nacht  dem  wohlzugedeckten  Patienten  die  frische  Luft  direkt 
zukommen  lässt,  kann  man  in  der  Tat  oft  nahezu  das  erreichen,  was 
wir  durch  eine  Freiluftliegekur  zu  erlangen  gewohnt  sind.  Ich  er¬ 
innere  mich  hier  lebhaft  einer  Patientin,  die  diese  Anordnung  ge¬ 
wissenhaft  befolgte,  dicht  am  geöffneten  Fenster  wochenlang  gelegen 
war  und  schliesslich  nicht  nur  von  der  Sonne  braun  gebrannt,  sondern 
in  der  Tat  völlig  ausgeheilt  worden  ist.  Der  Hinweis  auf  die  Er¬ 
folge  der  in  unserer  Gegend  wohlbekannten  Lungenheil-  und  Wald¬ 
erholungsstätten  mit  ihren  Freiluftkuren  unterstützt  deutlich  unsere 
diesbezüglichen  Ratschläge. 

Um  der  kranken  Lunge  wirklich  Ruhe  zu  verschaffen,  müssen  wir 
vor  allem  dafür  Sorge  tragen,  dass  der  Husten  beseitigt  wird. 
Solange  die  Hustenstösse  die  Lunge  Tag  und  Nacht  hin  und  her 
peitschen,  kann  die  Ruhe  bedürftige  Tuberkulose  nicht  zur  Ausheilung 
kommen.  Ich  habe  daher  mit  sichtbarem  Erfolge  seit  Jahrzehnten  an 
dem  Grundsätze  festgehalten,  die  ersten  Wochen  der  Liegekur  dazu 
zu  benützen,  durch  grosse  Morphiumdosen  die  Lunge  mög¬ 
lichst  ruhig  zu  stellen.  Meines  Erachtens  ist  Morphium  in  der  Behand¬ 
lung  der  Lungentuberkulose  das  unentbehrlichste  und  segensreichste 
Mittel,  welches  wir  zur  Ruhigstellung  der  Lunge  besitzen.  Grosse 
Dosen  sind  aber  nötig,  wenn  wir  wirklich  beispielsweise  die  ganze 
Nacht  ohne  Hustenstoss  hinbringen  lassen  wollen. 

Als  sehr  zweckmässig  und  zuverlässig  wirkend  hat  sich  mir  zu 
diesem  Zwecke  die  Verordnung  eines  Decoct.  rad.  Seneg.  10  auf  170 
+  Morph,  mur.  0,06  bei  Männern  und  0,05  bei  Frauen  erwiesen,  wenn 
es  nicht  in  seiner  Wirkung  durch  zweistündige  Löffelgaben  verzettelt 
wird,  sondern  auf  die  Nachmittag-  und  Abendstunden  konzentriert 
wird.  Ich  pflege  nachmittags  von  2 — 4  Uhr  3  mal  je  1  Esslöffel,  6  Uhr 
abends  die  Abendmahlzeit,  bestehend  aus  Milch  oder  Suppe,  und 
von  7 — H9  Uhr  4  mal  halbstündig  einen  Esslöffel  voll,  also  im  ganzen 
7  Esslöffel  voll  von  dieser  Mixtur  geben  zu  lassen.  Das  ist  natürlich 
eine  grosse  Morphiumdosis  in  wenigen  Stunden  gegeben.  Die  Wir¬ 
kung  ist  nahezu  in  allen  Fällen  hinsichtlich  der  Beseitigung  des 
Hustenreizes  eine  prompte.  Die  Nächte  werden  meist  ohne  jeden 
Hustenreiz  zugebracht.  Morgens  löst  sich  der  Auswurf  leicht  und 
wird  durch  Räuspern  bequem  herausbefördert.  Diese  zauberhafte 
Wirkung  dieser  Medikation  auf  den  Husten,  der  bisher  den  Patienten 
nicht  nur  gequält,  sondern  noch  mehr  beängstigt  hat,  gewinnt  den 
Kranken  sofort  für  unsere  Kur  und  lässt  ihm  die  Unbequemlichkeit 
der  Liegekur  bald  erträglich  erscheinen.  Unter  der  Wirkung  dieses 
starken  Arzneimittels  lasse  ich  die  Lunge  resp.  den  Patienten  14  Tage 
stehen.  .Meist  genügen  4  Gläser  hievon  für  diesen  Zeitraum.  Auch 
nach  dieser  Zeit  darf,  solange  noch  der  geringste  Husten  besteht, 
für  die  Dauer  der  Liegekur  mit  Morphium  nicht  gespart  werden. 
Jetzt  genügen  aber  2  mal  täglich  zu  nehmende  Morphiumeinzeldosen 
von  0,01  früh  und  0,015  abends,  um  die  erreichte  Wirkung  zu  er¬ 
halten.  Ich  habe  diese  Art  der  Anfangsbehandlung  in  hunderten  von 
Fällen  seit  Jahren  angewandt,  niemals  einen  Morphinisten  gezüchtet 
und  sicher  die  Heilung  in  vielen  Fällen  hiedurch  e  i  n  g  e  1  e  i  t  e  t. 
Ich  möchte  Ihnen  dieses  Vorgehen :  also  6 — 8 wöchentliche 
Bettruhe  und  Morphiummedikation  in  der  von 
mir  angegebenen  Weise  als  Anfangskur  jeder  mit 
Hustenreiz  einhergehenden  Lungentuberkulose 
aus  reicher  Erfahrung  heraus  wärmste  ns  emp¬ 
fehlen.  Dass  die  stopfende  Wirkung  des  Morphiums  durch  täg¬ 
lichen  Einlauf,  besonders  bei  Trinkern  paralysiert  werden  muss,  ver¬ 
steht  sich  von  selbst. 

Die  Liegezeit  benützen  wür  zugleich  dazu,  um  durch  regelmässige, 
früh  und  abends  auszuführende  Aftermessungen  uns  einen 
Ueberblick  über  Körpertemperatur,  durch  14  tägiges  Wiegen  einen 
solchen  über  die  Gewichtsschwankungen  zu  verschaffen. 
Durch  Abklatschungen  und  Abreibungen  des  Oberkörpers 
mit  kaltem  Wasser  früh  und  abends  vermindern  wir  die  Schweiss- 
neigung,  begünstigen  die  Abhärtung  und  bereiten  auf  stärkere  Kalt¬ 
wasserapplikationen  zweckmässig  vor. 

Die  Ernährung  bei  fieberlosen  Kranken  sei  möglichst  reich¬ 
lich  und  muss  sich  allerdings  während  der  Nachmittagsmedikation 
auf  den  Vormittag  zusammendrängen.  Ich  pflege  hier  alles  zu  ge- 


1270 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


statten,  mit  Ausnahme  von  Bier,  das  doch  oft  Hustenreiz  macht  und 
in  diesem  Stadium  der  Hustenbeseitigung  unter  allen  Umständen  weg¬ 
zulassen  ist. 

Nach  Absolvierung  der  Senegamorphiumkur  pflege  ich  die 
Liegekur  weiter  dazu  zu  benützen,  ein  Kreosot-  oder  Guajakolprä- 
parat  dem  Patienten  zuzuführen.  Die  Dr.  Sch  mey  sehen  Peru- 
balsam-üuajakolkapseln  sowohl  als  auch  die  gewöhnlichen  Kreosot¬ 
kapseln  haben  sich  mir  meist  besonders  hinsichtlich  der  Vermehrung 
der  Esslust  gut  bewährt.  Ich  weiss  so  wenig  wie  Sie,  ob  Kreosot 
und  seine  Derivate  eine  spezifische  Wirkung  auf  tuberkulöse  Prozesse 
auszuüben  imstande  sind,  sicher  ist.  dass  manche  Patienten  sehr  bald 
lebhafte  Esslust  äussern,  sicher  aber  auch,  dass  andere  durch  das 
ständige  Aufstossen  dieser  Mittel  eine  Einbusse  an  ihrem  Appetit  er¬ 
leiden.  Individualisieren  ist  hier  die  Aufgabe  des  Arztes.  Die  Kreo¬ 
sotwirkung  tritt  selbstverständlich  meilenweit  hinter  den  Haupt¬ 
heilfaktoren:  Ruhe,  Freiluftliegekur  etc.  zurück. 

Haben  wir  uns  nach  mehrwöchentlicher  Liegekur  mit  der  Art  der 
Erkrankung  und  des  Erkrankten  vertraut  gemacht,  ist  es  uns  ge¬ 
lungen,  des  heilungsstörenden  Hustenreizes  möglichst  Herr  zu  wer¬ 
den,  so  treten  wir  in  das  Stadium  der  T  uberkulinbehand- 
1  u  n  g  dann  ein.  wenn  unser  Patient  vollständig  fieberlos  ist  und  die 
ambulante  Behandlung,  welche  auf  dem  Lande  wegen  der  weiten  Ent¬ 
fernungen  einzig  und  allein  in  Betracht  kommt,  durchführbar  er¬ 
scheint.  Ich  will  mich  auf  die  Details  der  Tuberkulinbehandlung 
heute  nicht  einlassen,  Kollege  M  e  h  1  e  r  -  Georgensgemünd  hat  uns 
wiederholt  über  diese  Fragen  seine  Erfahrungen  mitgeteilt.  Ich 
möchte  nur  folgendes  hiezu  sagen :  Die  ambulante  Tuberku¬ 
linbehandlung  kann1  jeder  energische  zielbe¬ 
wusste  Arzt,  der  s  e  i  ne  Klientel  in  der  Hand  hat.  mit 
r  u  g  und  Re  cht  ausüben  und  erfolgreich  durch¬ 
führen  Es  ist  nicht  richtig,  wie  manche  Autoren  behaupten,  dass 
die  absolut  nötigen  Messungen  in  der  ambulanten  Praxis  nicht  mit 
der  notwendigen  Genauigkeit  wochenlang  durchgeführt  werden 
können.  Meine  Patienten  messen  am  Tage  alle  4  Stunden  im  After 
ihre  Körpertemperatur  und  schreiben  sie  in  ein  Büchlein  ein,  nicht  nur 
tagelang,  sondern  monate-  und  jahrelang,  solange  ich  es  .für  not¬ 
wendig  halte.  In  unserer  Gegend  hat  man  hier  keine  Schwierigkeiten 
zu  überwinden.  Die  ambulante  Behandlung  durch  Tuberkulin¬ 
einspritzungen  lässt  sich  also  ausgezeichnet  und  ohne  Schaden  durch¬ 
fuhren.  soferne  man  eben  die  wissenschaftliche  Grundlage  dieser  Be- 
handlungsart  beherrscht  und  Gebrauch  macht  von  der  Erfahrung  die 
zahllose  Tuberkulinbehandler  sich  und  uns  praktischen  Aerzten  er¬ 
rungen  haben.  Die  Tuberkulinbehandlung  ist  aber  auch  insoferne 
von  besonderem  Segen  für  den  Patienten  dadurch,  dass  er, 
monatelang  dieser  sich  unterziehend,  auch  in  hygienischer  Beziehung 
Y ie,.?u^reiD r  ^ie  ärztlichen  Anordnungen  befolgt  als  wenn  er  ausser 
ärztlicher  Behandlung  stünde,  und  für  den  Arzt,  als  er  jede  kleine 
Schwankung  des  Befindens  des  Tuberkulösen  Jahre  hindurch  zu  kon- 
ti olheren  vermag  und  jederzeit  sofort  die  entsprechenden  Mass- 
nahmen  zur  Anwendung  bringen  kann.  Für  den  beschäftigten  prakt 
Arzt  halte  ich  die  Behandlung  mit  Tuberkulin  aus  fertig  gelieferten 
Ampullen  für  die  bequemste  und  reinlichste.  Wir  können  in  unserer 
Sprechstunde  nicht  serienweise  unsere  Spritzpatienten  uns  bestellen. 

.  c desmalige  irische  Herstellung  und  sorgfältige  Sterilisierung  des  gan- 

PPsrstes  ist  zu  zeitraubend.  Die  in  Ampullen  gelieferten  In¬ 
jektionen  sind  bequem  und  sauber.  Der  Preis  kommt  bei  den  mini- 
malen  Dosen,  die  wir  heute  anwenden,  nicht  mehr  so  viel  in  Betracht 
Ich  selbst  verwende  seit  mehreren  Jahren  steril  in  Ampullen  geliefer¬ 
tes  Alttuberkulin,  das  in  verschiedener  Stärke  von  0,0025  bis  4  mg 
geliefert  wird.  Von  Probeinjektionen  mache  ich  wegen  ihrer  unkon¬ 
trollierbaren  Wirkung  gar  keinen  Gebrauch.  Die  Diagnose  gelingt 
einem  sorgfältigen  Untersucher  auch  ohne  eine  solche.  Ich  bin  im 
Lauf  der  Jahre  —  ich  ube  die  ambulante  Tuberkulinbehandlung  etwa 
seit  8  Jahren  aus  —  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die  Tuber¬ 
kuhnbehandlung  ambulant  nur  statthaft  ist,  wenn  sie  mit  den  schwäch¬ 
sten  Losen  beginnt  (etwa  den  4.  Teil  von  0,0025  mg)  und  sich  lang- 
sam  in  die  Hohe  bewegt,  und  nur  dann,  wenn  keinerlei  Steigerungen 
der  l  emperatur  über  0,3°  der  vorher  bestimmten  Normaltemperatur 
und  über  37.6—37,8  in  ano  in  den  der  Injektion  folgenden  4—6  Tagen 
zu  beobachten  ist.  Um  Erfolg  zu  erzielen  und  vor  jeder  Schädlichkeit 
sicher  zu  sein  genügt  eine  alle  8  Tage  wiederholte  Injektion.  Ueber 
4  mg  steige  ich  fast  niemals.  Da  ich  eine  Ampulle  oft  zu  4  Injektionen 
verwende,  vergehen  mehrere  Monate,  bis  ich  von  0,0025  auf  4  mg 
gestiegen  bin.  Oft  kann  diese  Dosis  niemals  erreicht  werden  wegen 
der  Empfindlichkeit  der  Patienten  gegen  solche  höhere  Dosen.  Meines 
Ei  achtens  kommt  es  gar  nicht  darauf  an,  hohe  Dosen  oder  gar  Gift- 
festigkeit  zu  erreichen,  sondern  eine  gewisse  Minimalreaktion 
am  Iuberkelherd  durch  die  Injektion  zu  erzielen.  Dass  dies  durch 
minimale  Dosen  ohne  Gefahr  geschieht,  lehren  uns  eben  unsere  Tem- 
peraturkurveni  die  wirklich  einen  feinsten  Barometer  für  die  Wirkung 
oder  Nichtwirkung  des  Heilmittels  darstellen.  Achten  wir  darauf 
unsere  Injektionsdosen  so  gering  zu  gestalten,  dass  37,8  im  After  nicht 
ubei  stiegen  wird,  werden  wir  nicht  schaden,  aber  besseres  erreichen, 
als  dies  jemals  in  früherer  Zeit  ohne  Tuberkulin  möglich  war.  Ich 
bm  der  Ansicht,  dass  zunächst  die  Tuberkulin  s  pr  i  tz- 
J?"  U""K  am  besten  ein  halbes  bis  ein  ganzes 
a.  r  fortgesetzt  wird,  dann  in  Etappen  mit  viertel- 
jährigen  Pausen  wieder  in  einem  Vierteljahr  in  An  - 

zt £♦' j  u,  n  g  k  0  111  m  1  Mil diesem  Verfahren  habe  ich  zweifellos  er¬ 
reicht,  dass  von  unseren  Tuberkulösen  nicht  so  viele  und  so  frühe 

früfrU-?e  gLehfen:  als  vordem:  der  Fatalismus  unseren  Tuberkulösen 
gegenüber  hat  einem  gesunden  Optimismus  Platz  gemacht.  Heute  ge¬ 


lingt  es  uns  mit  diesem  Mittel,  Menschen  lange  Jahre  zu  erhalten, 
die  wir  früher  in  kürzester  Frist  zu  verlieren  gewohnt  waren.  Das 
ist  der  unzweifelhafte  Eindruck,  den  ich  im  Laufe  von  27  Jahren  ärzt¬ 
licher  Tätigkeit,  die  man  in  eine  Periode  ohne  und  eine  solche  mit 
1  uberkulinbehandlung  unwillkürlich  zu  teilen  veranlasst  ist,  ge¬ 
wonnen  haben.  Wir  Praktiker  müssen  also  in  Anbetracht  der  Wich¬ 
tigkeit  dieses  Heilfaktors  in  der.  Tuberkulosebehandlung  mit  aller 
Energie  daran  festhalten,  dass  diese  ambulante  Tuberkulinbehandlun'T 
vor  allem  dem  Praktiker  gehört  und  keinesfalls  auf  Sanatorien 
und  Krankenhäuser  beschränkt  werden  darf. 

Soviel  über  die  Tuberkulinbehandlung. 

Dass  wir  alle  hygienischen  Faktoren  für  unsere  Patienten  aus¬ 
zunützen  suchen,  versteht  sich  von  selbst.  Ein  mächtiger  Heilfaktor 
scheint  mir  bei  fieberlosen  Tuberkulösen,  die  eine  kräftige  Kaltwasser¬ 
behandlung  schon  vertragen,  die  Anwendung  morgendlicher 
Kaltwasserduschen  zu  sein.  Wo  Wasserleitung  vorhanden, 
können  wir  sie  an  diese  anschliessen,  wo  nicht,  sie  durch  kräftige 
Rücken-  und  Brustgüsse  aus  einer  Giesskanne  ersetzen.  Diese  star¬ 
ken  Hautreize  scheinen  mir  ausser  durch  die  gründliche  Abhärtung  vor 
allem  auch  durch  eine  Erhöhung  des  Stoffwechsels  und  daraus  resul¬ 
tierende  Anregung  der  Esslusst  und  Steigerung  des  Wohlgefühls  so 
segensreich  zu  wirken.  Wir  sollten  dieses  der  Heilanstaltsbehandlung 
abgelauschte  Verfahren  wo  nur  immer  möglich  in  den  Heilschatz  für 
die  Aussenbehandlung  unserer  Tuberkulösen  einfiigen. 

Soll  man  die  Patienten  in  frischer  Luft  sich  bewegen  lassen  oder 
nicht ?  Die  Bewegung  im  Freien  ist  jedenfalls  erst  dann  er¬ 
laubt,  wenn  jeder  Hustenreiz  verschwunden  und  viele  Wochen  kein 
Fieber  mehr  vorhanden  ist.  Erst  wenn  der  Herd  in  voller  Rückbil¬ 
dung  und  Vernarbung  begriffen  ist  (Zeichen:  Verschwinden  der 
Rasselgeräusche  und  des  Fiebers,  zunehmende  Dämpfung  bei  Schwä¬ 
cherwerden  des  Atmungsgeräusches),  kann  vorsichtiges  Gehen,  mit 
Liegen  abwechselnd,  ohne  Schaden,  ja  oft  mit  Nutzen  für  alle  Funk¬ 
tionen  des  Körpers  empfohlen  werden.  Jedenfalls  haben  wir  soviel 
in  den  letzten  Jahren  gelernt,  dass  der  Tuberkulöse  eher  gesundet 
wenn  er  sich  ruhig  verhält,  als  wenn  er  täglich  stundenlang  in  die 
frische  Luft  gejagt  wird. 

Ein  paar  Worte  verdient  die  Komplikation  der  beginnen¬ 
den  Lungentuberkulose  mit  einem  pleuritischen  Exsudate; 
wir  wissen,  dass  ein  solches  langsam  und  ohne  besondere  Beschwer¬ 
den  entstehende  Pleuraexsudat  oft  die  erste  Krankheitserscheinung 
ist,  welche  die  Tuberkulösen  zum  Arzte  führt  —  Lungensymptome 
konnten  in  solchen  Fällen  bis  zur' Stunde  vorher  ganz  fehlen  —  und 
dass  diese  langsam  entstehenden  Exsudate  im  Rippenfellraum  fast 
alle  auf  einer  Tuberkulose  des  Rippenfelles  oder  der  Lunge  beruhen 
Wenn  man  bei  einem  Exsudate  der  Pleura  genau  die  Lungenspitzen 
untersucht,  wird  man  eine  leichte  Dämpfung  derselben  Seite  sehen 
vermissen,  ohne  dass,  wje  manchmal,  das  Exsudat  selbst  die  Schall- 
differenz  der  Spitze  hervorgerufen  hat.  Ich  habe  nun  die  hundertfältig 
bestätigte  Erfahrung  gemacht,  dass  es  für  die  Heilung  einer  solchen 
ursächlichen  Lungen-  und  Pleuratuberkulose 
kein  besseresHeilmittel  als  die  rechtzeitige  Weg¬ 
nahme  des  Exsudates  gibt.  Es  ist  die  Regel,  dass  ein  noch 
nicht  zu  sehr  vorgeschrittener  Tuberkuloseherd  nach  der  Entleerung 
des  Exsudates  auszuheilen  beginnt  und  in  den  allermeisten  Fällen 
ganz  verheilt.  Die  von  Ihnen  punktierten  und  für  ihr  ganzes  Leben 
gesund  gebliebenen  Exsudatpatienten  sind  nichts  anderes  als  aus¬ 
geheilte  1  uberkulosen.  Ich  habe  beobachtet,  dass  eine  wochen-  und 
monatelang  mit  Fieber  einhergehende  Lungentuberkulose,  die  allem 
Anscheine  nach  zum  Tode  zu  führen  schien,  sofort  ein  anderes  Gesicht 
bekam,  wenn  ein  pleuritisches  Exsudat  auftrat  und  es  zur  Punktion 
kam.  Gewöhnlich  kann  man  nach  einer  solchen  Punktion,  die  aller¬ 
dings  gründlich  zu  machen  ist  und  möglichst  das  ganze  Exsudat  ent- 
ternen  muss,  nach  Ablauf  von  2 — 3  Wochen  ein  langsames  Sinken  der 
Temperatur,  wiederkehrende  Esslust,  Wiederaufleben  des  Patienten 
und  häufig  volle  Ausheilung  nicht  nur  der  Pleuritis  sondern  auch  der 
vorher  so  hartnäckigen  Lungentuberkulose  erleben.  Das  Exsudat 
muss  aber  wenigstens  14  Tage  auf  die  Lunge  eingewirkt  haben.  Ich 
habe  es  schon  früher  an  anderer  Stelle  einmal  ausgesprochen  dass 
die  Wegnahme  der  Flüssigkeitssäule,  welche  14  Tage  auf  die  Lunge 
gedrückt  hat,  wahrscheinlich  eine  mächtige  Hyperämie  der  ent¬ 
lasteten  Lunge  bewirkt  und  so  die  Heilung  anbahnt.  Dass  es  nicht 
die  durch  das  Exsudat  bewirkte  Ruhigstellung  der  Lunge  ist, 
welche  hier  so  gut  wirkt,  geht  daraus  hervor,  dass  beim  Unterlassen 
der  Punktion  und  Abwarten  der  spontanen  Aufsaugung  —  also  bei 
fortdauernder  Ruhigstellung  der  Lunge  —  nicht  nur  oft  eine  Aus¬ 
heilung  der  Lungentuberkulose  ausbleibt,  sondern  durch  die  bleiben¬ 
den  Narbenschädigungen  der  Lunge  eine  Dauerschädigung  derselben 
geschaffen  werden  kann.  So  möchte  ich  also  lebhaft  für 
eine  regelmässige  Entleeerung  des  Pleuraexsu¬ 
dates  plaidieren  und  dafür  eintrete  n,  dass  Sie  kein 
Pleuraexsudat,  das  punktierbar  ist.  unpunktiert 
lasse  n.  Unterlassen  Sie  die  Punktion,  so  geben  Sie  eine  Heilchance 
der  ursächlichen  Tuberkulose  gegenüber  aus  der  Hand  und  wissen 
nicht,  inwieweit  die  ohne  Punktion  zurückbleibende  Schwartenbildung 
dauernden  Schaden  für  die  Lunge  bringen  kann.  Ich  glaube  auch, 
dass  der  Versuch  gerechtfertigt  wäre,  künstlich  statt  des  heute  zur 
Behandlung  der  Lungentuberkulose  vielbenützten  künstlichen  Pneu- 
mothorax  eine  Flüssigkeitsansammlung  in  dem  Pleuraraum  der  ei- 
krankten  Seite  zu  etablieren  und  zu  erproben,  ob  nach  14  tägiger  Ein- 
Wirkung  der  Flüssigkeitssäule  und  nachfolgender  Wegnahme  der¬ 
selben  Heilung  nicht  in  der  gleichen,  ja  besseren  Weise  erreicht  wird, 
wie  durch  die  Schaffung  eines  künstlichen  Pneumothorax, 


10.  Juni  1913. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1271 


Schwieriger  und  zweifelhafter  im  Erfolg  wird  unsere  Aufgabe, 
wenn  wir  1  uberkulöse  mit  beginnendem  Gewebszer¬ 
fall  —  Petruschkys  111.  Stadium  —  also  Fälle  vorgeschrit¬ 
tener  und  fortschreitender  Lungentuberkulose  vor  uns  haben.  Dank 
der  gleichzeitigen  Mischinfektion  und  der  Aufsaugung  der  Zerfalls¬ 
produkte  haben  wir  es  hier  mit  Kranken  mit  andauerndem  kon¬ 
sumierenden,  mehr  oder  weniger  hohem  Fieber,  starkem  Husten, 
reichlichem  bazillenhaltigen  Auswurf,  Neigung  zu  Lungenblutungen, 
Abmagerung  etc.,  also  mit  den  früheren  sog.  Schwindsuchtskandi¬ 
daten,  zu  tun.  Hier  finden  wir  ausgebreitete  Dämpfung  in  einem  oder 
beiden  Oberlappen,  verschärftes  Atmen  mit  mehr  oder  weniger  zahl¬ 
reichem  Rasseln,  Bronchialatmen,  schliesslich  Einziehung  der  betr. 
Thoraxpartie.  Kavernenbildung  usw.  Hier  wird  unsere  Aufgabe 
schwieriger,  aber  keineswegs  hoffnungslos.  Es  besteht  kein  Zweifel 
darüber,  dass  auch  solche  Fälle  unseren  heutigen  Hilfsmitteln  oft  noch 
zugänglich  sind  und  zu  gutem  Ausgang  geführt  werden  können.  Hier 
gilt  es  nur,  mit  grösster  Energie  zielbewusst  den  Kampf  aufzunehmen. 
Solche  Kranke  müssen  darüber  unterrichtet  werden,  dass  nur  dann 
eine  Heilung  oder  lebensermöglichende  Besserung  denkbar  ist,  wenn 
sie  für  ein  halbes  bis  ganzes  Jahr  sich  ausschliesslich  der  Pflege  ihrer 
kranken  Lunge  hinzugeben  bereit  sind.  Der  Hinweis  auf  den  Ernst 
der  Lage  zusammen  mit  den  Hilfsmitteln  der  sozialen  Gesetzgebung 
beseitigt  auch  hier  die  entgegenstehenden  Schwierigkeiten.  Unsere 
Hauptaufgabe  ist  es  zunächst  auch  hier,  durch  eine  Liegekur  in  gut 
gelüftetem  Raume  —  Tag  und  Nacht  muss  das  Fenster  monatelang 
ofiengehalten  werden  —  die  Mischinfektion  zu  überwinden  und  den 
fieberhaften  Zustand  in  einen  fieberlosen  umzuwandeln.  Auch  hier  ist 
die  Ruhigstellung  der  Lunge  durch  hohe  Morphiumdosen,  verbunden 
mit  der  Liegekur,  das  souveräne  Mittel.  Man  ist  erstaunt,  wie  oft  die 
konsequente  Durchführung  der  obengeschilderten  arznei-physikali¬ 
schen  Heilmethode  auch  in  solchen  Fällen  ein  hartnäckiges  Fieber 
schwinden  lässt  und  neue  Genesungsaussicht  eröffnet.  Es  kann  aller¬ 
dings  wochenlang  dauern,  bis  wir  soweit  gelangt  sind;  die  Hoffnung 
soll  man  nicht  so  bald  sinken  lassen.  Also  Ruhigstellung  der  Lunge, 
reiche  Zufuhr  kräftiger  aber  Abwechslung  bietender  Kost,  kalte  Ab¬ 
waschungen  des  Oberkörpers  zur  Minderung  der  Schweissneigung 
früh  und  abends,  Versuch  mit  Kreosotmedikation,  aber  vor  allem 
stetiger  Genuss  frischer  Luft  spielen  auch  hier  die  Hauptrolle.  Ist  es 
gelungen,  das  Fieber  allmählich  zu  bannen,  somit  die  Mischinfektion 
zu  überwinden,  die  allgemeinen  Körperkräfte  zu  heben,  so  wird  man 
auch  hier  versuchen,  durch  vorsichtig  angewendete  Tuberkulininjek¬ 
tionen  die  Heiltendemz  der  kranken  Lungenpartie  zu  unterstützen. 
Kann  man  eine  solche  Tuberkulinspritzkur  in  solchen  Fällen  wirklich 
zur  Durchführung  bringen  —  und  wir  können  es.  wenn  mehrere  Wochen 
absolute  Fieberfreiheit  besteht  —  so  können  wir  wieder  neue  Hoff¬ 
nung  schöpfen  und  sind  oft  überrascht,  welcher  Rückbildung  auch 
ausgedehnte  Erkrankungsherde  unter  der  Einwendung  dieses  mäch¬ 
tigen  Heilfaktors  noch  fähig  sind. 

Hier  einige  Worte  über  die  Bedeutung  der  Walder¬ 
holungsstätten  für  solche  Kranke.  Ich  halte  die  Walderholungs¬ 
stätten,  auch  wenn  sie,  wie  gewöhnlich,  nur  Tagespflege  bieten,  für 
ein  ganz  hervorragendes  Mittel,  unsere  Heilbestrebungen  auch  bei 
vorgeschrittenen  Fällen  kräftiglichst  zu  unterstützen.  Jede  kleine 
Stadt,  jeder  ländliche  Bezirk,  in  dem  umschriebene  grössere  tuber¬ 
kulöse  Zentren  sich  befinden,  sollte  eine  solche  besitzen.  Seit  wir 
in  Weissenburg  eine  Walderholungsstätte  haben,  erleben  wir  es  täg¬ 
lich,  dass  Kranke,  welche  durch  ihre  misslichen  Wohnungs-  und  Ver¬ 
mögensverhältnisse  zu  Hause  trotz  Anwendung  alLr  Mittel  und  Liege¬ 
kur  nicht  besser  werden,  auf  der  Walderholungsstätte  plötzlich  wieder 
aufleben,  an  Körpergewicht  zunehmen  und  zu  vorübergehender,  ja 
bisweilen  dauernder  relativer  Heilung  gebracht  werden.  Freilich  sind 
die  Walderholungsstättenkranken  meist  fhberlose  Patienten  und 
darum  hier  die  Heilungsaussichten  bessere.  Der  Gewinn,  dass  durch 
die  Walderholungsstüttpn  dm  Kranken  tagsüber  von  dem  innigen  Ver¬ 
kehr  mit  ihrer  Familie  abgehalten  werden,  an  Reinlichkeit,  besonders 
in  Bezug  auf  Unschädlichmachung  des  Auswurfes  und  ständigen  Luft¬ 
genuss  gewöhnt  werden,  wird  noch  grösser  dadurch,  dass  wir  sie 
auch  für  spätere  ZQt  zu  verständnisvollerem  Eingehen  auf  unsere 
therapeutischen  Massnahmen  erziehen  können.  Jedenfalls  ist  uns 
Weiss°nburger  A°rzt°n  die  Walderholungsstätte  eine  wirksame  Waffe 
in  der  Bekämpfung  der  einheimischen  Tuberkulose  geworden  und 
möchten  wir  sie  nicht  mehr  miss°n. 

Was  aber  wollen  wir  mit  d°n  Fällen  anfangen,  die  allen 
unseren  therapeutischen  Hilfsmitteln  Trotz  b  i  e  t  °  n, 
und.  wenn  auch  langsam,  doch  sicher  dem  Tode  entgegen  zu  gehen 
scheinen? 

Dass  wir  ausgedehntere  Fälle  der  doppelseitigen  Lungen¬ 
tuberkulose,  b~sondnrs  wenn  siQ  mit  Kaverrmnbildung  einhergeben, 
und  vorgeschrittene  Kehlkopftuberkulose  nicht  mehr  zur  Heilung 
bringen,  damit  müssen  wir  uns  allerdings  aHinden. 

Es  darf  ab°r  auch  hier  kurz  eingeschaltet  werden,  das«  die 
energische  Lokalbehandlung  der  noch  nicht  vorgeschrittenen  Kehl- 
hnnffnbcrkulose  durch  einen  SpeHalarzt  zusammen  rrut  den  übrigen 
Heilfaktoren  doch  manchmal  noch  ein  recht  gutes  Heilresnltat  er¬ 
zielt,  wenn  es  wohl  auch  feststeht,  dass  in  jedem  Falle  der  Kompli¬ 
kation  mit  Kehlkopftuberkulose  die  Aussichten  der  Ausheilung  der 
Lungentuberkulose  wesentlich  schlechtere  sind. 

Für  solche  schwere,  fortschreitende  Fälle,  wenn 
sie  sich  auf  eine  Seite  beschränken,  hat  uns  die  Chi¬ 
rurgie  in  den  letzten  Jahren  neue  Heilungsaussichten  eröffimt. 
So  hat  die  Etablierung  eines  künstlichen  Pneumothorax  auf 
der  kranken  Seite  in  den  letzten  5  Jahren  nach  Brauers  Vor¬ 


gang  schon  manchen  schönen  Erfolg  aufzuweisen.  Wie  Sie  wissen, 
wird  dabei  von  Zeit  zu  Zeit  Stickstoff  in  den  Pleuraraum  eingelassen, 
„die  dadurch  bedingte  Ruhigstellung  und  der  Kollaps  der  Lunge  soll 
die  Lymphzirkulation  verringern,  die  Toxinresorption  verlangsamen 
und  die  Bindegewebsbildung  vermehren“.  Ich  selbst  habe  über  dieses 
Verfahren  keine  persönliche  Erfahrung.  Zweifellos  steht  fest,  dass 
in  manchen  Fällen  ein  gutes,  ja  überraschendes  Resultat  erzielt  wer¬ 
den  kann.  Sicher  scheint  mir  aber  auch  zu  sein,  dass  die  Methode 
nur  in  den  Fällen  anzuwenden  ist.  in  welchen  keine  Verwachsungen 
zwischen  Lunge  und  Rippenfell  bestehen,  dass  sie  recht  häufig  im 
Stiche  lässt,  den  Patienten  manche  Unbequemlichkeit  und  Gefahr  zu¬ 
mutet  und  in  der  Praxis  kaum  Eingang  finden  wird. 

Friedrich  hat  dann  auf  Anregung  Brauers  versucht,  eine 
Heilung  der  vorgeschrittenen  Lungentuberkulose  dadurch  zu  er¬ 
reichen,  dass  er,  im  Sinne  der  alten  Schedeschen  Empyem- 
Operation  die  Rippen  nahezu  der  ganzen  kranken 
Seite  wegnahm,  so  ein  Zusammensinken,  bessere  Durchblutung 
und  Schrumpfungsmöglichkeit  der  Lunge  anbahnte“.  Wenn  auch 
Friedrich  über  einige  schöne  Erfolge  berichten  konnte,  so  hat  die 
Methode,  soviel  ich  die  Situation  übersehe,  doch  wegen  ihrer  grossen 
Gefahren  keinen  rechten  Eingang  gefunden.  Die  Wegnahme  so 
grosser  Rippenstücke  bei  einem  durch  jahrelanges  Leiden  immer 
heruntergekommenen  Patienten  wird  gefährlich  „durch  die  einer  sol¬ 
chen  eingreifenden  Operation  folgende  Schockwirkung  und  die  mit 
der  Entknochung  eines  Teiles  des  Thorax  einhergehende  Verschie¬ 
bung  des  Mediastinums,  wodurch  nicht  nur  für  das  Herz  grosse  Ge¬ 
fahren  verbunden  sind,  sondern  auch  ein  Hin-  und  Herpendeln  der 
Luft  erzeugt  wird“  (Wilms).  Ich  selbst  habe  diese  Methode  bei 
einem  seit  Monaten  hochgradig  fiebernden  20  jährigen  Mädchen, 
dessen  ganze  linke  Lunge  durch  Tuberkulose  schwer  zerstört  war,  in 
einer  Sitzung  ausgefiihrt.  Der  Operation  folgte  sofort  hochgradige 
Zyanose  und  Exitus  letalis  innerhalb  der  ersten  24  Stunden.  Ich 
habe  mich  seitdem  nicht  mehr  zu  einem  solchen  Eingriff  entschliessen 
können. 

Da  teilte  Wilms-  Heidelberg  auf  dem  vorigjährigen  Chirurgen¬ 
kongress,  nachdem  er  schon  vorher  seine  Methode  veröffentlicht 
hatte,  mit,  dass  es  ihm  in  12  Fällen  gelungen  sei,  durch  eine  scho¬ 
nende  Rippenresektion,  die  er  heute  thorakoplasti- 
sche  Pfeilerresektion  nennt,  die  Gefahren  des  Friedrich- 
schen  Verfahrens  zu  vermeiden  und  recht  erfreuliche  Besserung  ja 
Heilungen  dieser  Fälle  zu  erreichen.  In  No.  9  des  Jahrganges  1913 
der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift  berichtet  derselbe  Autor 
bereits  über  34  nach  seiner  Methode  behandelte  Kranke.  Die  Me¬ 
thode  besteht  darin,  dass  zuerst  auf  der  hinteren  Seite  der  be¬ 
treffenden  Thoraxhälfte  durch  einen  Hautschnitt  zwei  Querfinger  nach 
aussen  von  der  Wirbelsäule  und  parallel  zur  inneren  Begrenzungs¬ 
linie  des  Schulterblattes  die  Gegend  der  1. — 8.  Rippe  vermittels 
dreier,  die  Muskulatur  in  Abständen  quer  durchtrennender  Schnitte 
freigelegt  wird  und  aus  der  1. — 8.  resp.  9.  Rippe  je  ein  Rippenstück 
voii  3 — 4  cm  reseziert  wird.  Bei  gleichzeitiger  Beteiligung  des  Unter¬ 
lappens  bedarf  es  der  Stäbchenresektion  paravertebral  aus  der  1.  bis 

8.  Rippe.  In  den  Fällen,  in  denen  nach  erfolgter  Wundheilung  kein 
voller  Erfolg  erzielt  wird,  fügt  Wilms  dieser  ersten  Operation 
nach  6 — 8  Wochen  noch  vorne,  parasternal  die  Resektion  eben  solch 
kleiner  Rippenstücke  aus  der  1.— 5.  resp.  6.  Rippe  zu.  ev.  bei  weiter 
notwendig  werdender  Eindellung  noch  den  Interkostalschnitt  im 
7.  Interkostalraum  hinten  und  im  6.  Interkostalraum  vorne  hinzu, 
welches  Verfahren  die  Wegnahme  auch  grosser  Stücke  aus  der  7.  bis 

9.  Rippe  ermöglicht.  Nach  Wilms  eignen  sich  für  die  chirurgische 
Behandlung  im  wesentlichen  „Fälle  mit  einseitiger  chronischer  Er¬ 
krankung,  bei  denen  die  Lungenschrumpfung  durch  Retraktion  des 
Thorax  ausgeprägt  ist,  trotz  der  ausgesprochenen  Retraktion  rezi¬ 
divierende  Blutungen,  starker  Husten  oder  reichlicher  Auswurf  be¬ 
stehen“.  „Die  Verkleinerung  des  Lungenvolumens  geschieht  nicht  nur 
durch  Einsinken  der  Rippenbögen  allein  bei  dieser  Art  von 
Pfeilerresektion,  sondern  auch  durch  Herunterfallen  und  An¬ 
näherung  der  Rippen  untereinander“.  „Je  ausgedehnter  der 
Prozess  speziell  im  Unterlappen  ist,  desto  vorsichtiger  sollen  die 
chirurgischen  Eingriffe  ausgeführt,  jedenfalls  auf  2  Sitzungen  verteilt 
werden.“  In  manchen  Fällen  ist  der  Erfolg  schon  nach  der  hinten 
aufgeführten  Operation  schon  so  gut,  dass  man  von  einem  zweiten 
Eingriff  vorne  ganz  abs°hen  kann. 

Ich  habe  diese  Wilmssche  Operation  im  vorigen  Jahre  in 
3  Fällen  auszuführen  Gelegenheit  gehabt  und  kenn  die  von  Wilms 
dieser  Operation  zugesnrochenen  Erfolge  vollinhaltlich  bestätigen. 
Die  Operation  hat  gehalten,  was  Wilms  versprochen  hat.  In  alPn 
drei  Fällen  verschwand  das  Fieber  nach  wenigen  Wochen.  Husten 
und  Auswurf  gingen  in  auffallender  Weise  dauernd  zurück,  der 
ouälende  Hustenreiz  verschwand  bei  allen  drei  Patienten  gänzlich, 
alle  dr«i  Patienten,  die  vor  Jahresfrist  hoffnungslos  darnPderlagen. 
sind  bis  heute  bei  befriedigendem  Allgemeinbefinden  am  Leben  und 
z.  T.  ihrer  Tätigkeit  wieder  zurückgegeben.  BQ  der  Neuheit  und 
VViebtigkeit  der  Sache  will  ich  ihnen  die  Krankengeschichten  kurz 
mitteilen.  Einen  Patienten  habe  ich  Ihnen  zur  Nachuntersuchung 
mitgebracht. 

Fall  1.  Frl.  St.  aus  W„  24  Jahre  alt.  erblich  belast°t,  er¬ 
krankt  1904.  Damals  RHO.  oberhalb  der  Schulterblattgräte  Dämp¬ 
fung  und  feinblasiges  Rasseln.  Häufig  Fieber.  Liegekur  ohne 
wesentlichen  Erfolg.  Winter  1005/6  Aufenthalt  in  Davos.  Gute  Er¬ 
holung.  Verschwinden  des  Fiebers.  Mit  absoluter  Dämpfung  RHO. 
und  aufgehobenem  Atmungsgeräusch  kehrt  Patient°n  von  Davos  zu¬ 
rück.  7  Monate  lang  in  Stellung.  Dann  wegen  Rückfall  nach  Hause. 


1272 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Januar  bis  Mai  1911  krank  in  auswärtigem  Krankenhause.  Mai  1911 
Kavernensymptome  RVO.  Seitdem  bettlägerig.  Von  Januar  1912 
ms  2.  Mai  1912  stets  abends  hochfiebernd,  niemals  unter  39—39,8. 
Appetitlos,  zunehmender  Kräfteverfall.  Am  Tage  der  Operation 
o9r,  r!r ol5e.2.der  Befund:  Stark  abgemagerte  Patientin,  Körper- 
gewicht  89  I  «und,  Iemperatur  .$9,8,  ständiger  Hustenreiz,  viel  münzen- 
tormiger  Auswurf  mit  reichlichen  Bazillen.  Die  rechte  Brusthälfte 
bleibt  beim  Einatmen  bedeutend  zurück.  Ueber  dem  rechten 
Schlüsselbein  starke  Einziehung.  Ueber  der  ganzen  Vorderfläche  der 
rechten  Brusthälfte  steinharte  absolute  Dämpfung  im  ganzen  Bereiche 
diesei  Dampfung  hauchendes  Atmen  von  bronchialem  Charakter  und 
zahlreichem  klingenden  Rasseln,  besonders  im  Bereich  der  2.  bis 
4  Rippe.  RHO  absolute  Dämpfung  bis  zur  Mitte  des  Schulter- 
blaues.  RHU.  relative  Dämpfung.  Ueberall  hauchendes  Atmungsge- 
i misch  von  bronchialem  Charakter.  RHO.  beim  Husten  klingendes, 
weiter  unten  über  den  ganzen  Mittel-  und  Unterlappen  verbreitet 
zahlreiches  Rasseln. 

Die  steinharte  Dämpfung,  das  starke  Retrecissement  der  rechten 
vorceren  Brusthälfte  sprechen  für  ausgedehnte  Schrumpfungsvor- 
gange  der  rechten  Lunge  und  der  mit  ihr  verwachsenen  Pleura  costa- 
,  ■  il  *  atientin  seit  4  Monaten  ständig  hoch  fiebert,  immer  mehr 
abmagert  und  dem  Ende  entgegengeht,  wird  Wi  1ms  sehe  Operation 
voi  geschlagen.  Am  2.  Mai  Operation  nach  vorheriger  subkutaner 
Injektion  von  Morph.  Mur.  0.01,  Skopolamin  0,0005,  leichter  Aether- 
troptnarkose;  Bauchlage.  Es  wird  von  der  1.— 9.  Rippe  hinten 
neben  der  Wirbelsäule  je  ein  2—3  cm  langes  Rippenstück  subperiostal 
ieseziert  und  die  Wunde  vollkommen  durch  Naht  geschlossen.  Opera- 
tion  sehr  gut  überstanden,  obwohl  Kräfteverfall  schon  bedeutend  und 
das  Emsinken  der  hinteren  Thoraxpartie  ein  gewaltiges.  Gazerolle 
auf  einziehende  Rippenstücke,  Heftpflasterverband.  Wundverlauf 
gJatt.  Die  ersten  14  Tage  wegen  der  starken  Schmerzen  an  der 
Resektionsstelle  ist  reichlich  Morphium  nötig.  Ab  28.  Mai  fieberlos, 
bestes  Befinden,  Auswurf  ganz  wenig.  Heute  (März  1913)  folgen¬ 
der  Befund:  Seit  Monaten  fieberfrei,  frischrote  Gesichtsfarbe  mit 
leicht  zyanotischem  Einschlag,  leichte  Zyanose  der  Fingernägel.  Ge¬ 
wicht  90  Piund.  Guter  Appetit,  gutes  Allgemeinbefinden.  Husten 
bedeutend  geringei  als  vor  der  Operation,  aber  bei  Körperbewegungen 
doch  noch  quälend.  RVO.  im  Bereich  der  2.-3.  Rippe  deutliche 
Hei zpalpationen  sicht-  und  fühlbar.  Herzdämpfung  fehlt  an 
normaler  Stelle.  Die  Herzdämpfung  beginnt  in  der  Mitte  des 
Biustbeines  und  geht  in  die  absolute  Dämpfung  RVO.  über.  RVO. 
hauchendes  vesikuläres  Atmen,  ganz  vereinzelte  Rasselgeräusche.’ 
jv  u;  aufgehobenes  Atmungsgeräusch.  RHO.  absolute  Dämpfung  nur 
bis  zur  Schulterblattgräte,  dann  voller  Lungenschall,  ganz  spär- 
liches  Rasseln;  RH.  überall  schönes  vesikuläres  Atmen.  Resultat: 
he  Patientin,  die  vor  Jahresfrist  aufgegeben,  lebt  heute  noch  und 
f1  ,SIch  eines  relativen  Wohlbefindens,  ist  allerdings  nicht  ar¬ 
beitsfähig.  Auffällig  ist  die  mächtige  Verlagerung  des 
Heizens  in  die  rechte  Brusthälfte  nach  oben  zwi- 
sehen  die  2.  und  3.  Rippe  zu.  Diese  Verlagerung  war  schon 
vor  der  Operation  eingeleitet  und  ist  nach  der  Operation  nur  deut- 
licher  in  die  Erscheinung  getreten.  LHO.  besteht  verschärftes 
A  m .i n gsge rausch  onne  Rasseln.  Nach  dem  in  der  Me  hier  sehen 
Heilanstalt  aufgenommenen  Röntgenbilde  soll  hier  eine  kleine  Kaverne 
bestehen,  die  aber  physikalisch  nicht  nachweisbar  ist. 

•  u  ,u.  u  23  jähriger  Militärpensionist  aus  B.  Vor  ein¬ 

einhalb  Jahren  beim  Militär  an  Lungentuberkulose  erkrankt  und  des¬ 
halb  pensioniert.  Nunmehr  seit  Monaten  abendliches  Fieber,  viel 
Husten  und  Auswurf.  Befund:  Leidlicher  Kräftezustand.  RVO.  fast 
absolute  Dampfung  bis  zur  4.  Rippe  nach  unten  in  absolute  Dämpfung 
übergehend  RHO.  und  RHU.  absolute  Dämpfung.  Ueberall  rSter- 

PfS tpbgR,Sn S-ai^ tes , A t,meIl’  beirn  Husten  RHO.  klingendes  Rasseln. 
Rechte  Brusthalfte  stark  eingezogen.  Pektoralfremitus  überall  er- 

S  e";i  Pr0boenPUnktl,°n.  n^atiY-  Umfang  des  Brustkorbes  in  Brust- 
w  arzenlmie  80  cm  bei  Mittelstellung.  Halber  Brustumfang  links 
42,5  cm,  rechts  37,5cm,  also  rechts  5  cm  weniger  auf  der  gesunden 

spfnn/m  V““  19]u  w  l]ms  sehe  Operation.  Von  der  1.  bis 
8.  Rippe  wird  hinten  neben  der  Wirbelsäule  je  ein  2)4—3  cm  langes 

sofort  naanphm^H°,fUngKdeS  U'PPenfelles  reseziert.  Rippenstücke  sinken 
sofort  aneinander,  aber  nicht  sichtbar,  ein.  Pleura  stark  verdickt 
nirgends  verletzt.  Puls  nach  Operation  unverändert,  kräftig;  voll¬ 
ständiger  Verschluss  der  Wunde  bis  auf  1  Glasdrain.  Nach  Mit¬ 
teilung  des  behandelnden  Arztes,  Herrn  Dr.  Singer  in  Pappen- 
heim,  erfolgte  die  Heilung  glatt  und  die  Erholung  in  rascher  Weise 
Heute  weist  der  Patient  folgenden  Befund  auf:  Sehr  gutes  Angel 
meinbefinden  Pat.  verrichtet  leichte  Feldarbeit;  Auswurf,  wie  sfeh 

LGs  Kffr rier^p w ? Hnt  V‘,  W‘C  nlch.*s“’  Hasten  bat  Ranz  nachgelassen, 
i  as ..N°rPPrge\vicht,  das  zur  Zeit  der  Operation  104  Pfund  b^truv 

be  ragt  heute  116  Pfund.  Brustumfang  in  der  Brustwarzenlinie  bei 

S?!r'inatr86cm'  111  tiefster  Ausatmung  80cm.  Rechte  Brust- 
lialfte  Umfang  44,5  cm  gegen  37,5  cm  vor  der  Operation  trotz  der  aus¬ 
gedehnten  Rippenresektion.  RVO.  bis  zur  4.  Rippe  noch  leicht  ge- 

gehend6 RVO^ü h er a  1 1 ’  ,all"ldhlich..na1ch  u"t=n  in  vollen  Schall  über- 
gehend  RVO.  uberall  lautes  vesikuläres  Atmen,  RHO.  vesikuläres 

ohne  R^sieliUS¥?fil1mSS » ' 5  R1asscl^räusche,  RHU.  vesikuläres  Atmen 
cHUfu  L,..  ’.1!  ,  '  beIler  Lungenschall.  RHO.  Dämpfung  bis  zum 
Schulterblattwinkel.  Resultat:  Der  damals  anscheinend  dem  Tode 
entgegengehende  Patient  erfreut  sich  heute  eines  recht  guten  Wohl- 

des  rech,e" 


V  f?  u  3*  t-  Metzgermeistersfrau  aus  W..  erblich  belastet 
Vor  4  Jahren  an  tuberkulösem  Lungenspitzenkatarrh  der  linken  Seite 
erkrankt.  Damals  schon  deutliche  Dämpfung  bis  herab  zur  4.  Rippe 
und  LH.  bis  zur  Mitte  des  Schulterblattes.  Damals  Tuberkulin- 
spntzkur  und  Liegekur  mit  Besserung  des  Allgemeinbefindens,  aber 
°b!\e  Bes£seranK  des  Lungenbefundes.  Vom  15.  Mai  bis  15.  November 
1911  Aufenthalt  im  Sanatorium  zu  Haunstein  bei  Deggendori  mit 
yeni  Resultat,  dass  das  Körpergewicht  um  19  Pfund  von  121  auf 
140  Pfund  stieg,  Lungenbefund  und  Bazillenbefund  nicht  gebessert 
wurden.  Seitdem  alle  3 — 4  Wochen  mehrtägige  Fieberperiode,  immer 
quaiender  Husten  und  reichlicher  Auswurf.  Befund  am  22.  Juli  I9P 
(tag  der  Operation):  Wohlgenährte  Frau.  Körpergewicht  130  Pfund’ 
Quellender  Husten;  täglich  beinahe  eine  halbe  Spuckschale  voll 
r  re’tr|Rpm  Auswurf.  Erst  die  vorige  Woche  wieder  39,2  bis 
39,6.  Leichte  Andeutung  von  Trommelschlegelfingern.  Auf  der  ganzen 
linken  Lungenseite  vorne  und  hinten  absolute  Dämpfung,  LV.  ampho- 
risches  Atmen,  in  der  linken  Achselhöhlengegend  Rasseln.  LHO 
und  LHJ.  überall  zahlreiches  Rasseln  mit  nahezu  bronchialem  At- 
mungsgeräusch.  Linke  Brusthalfte  bleibt  beim  Einatmen  etwas  zu 
ruck.  Die  rechte  Lunge  zeigt  keinerlei  Dämpfung,  aber  LHU  mässiir 
zahlreiches,  mntelgrossbiasiges  Rasseln.  W  il  m  s  sehe  Operation  am 
.  o  U  I,  ^  011  der  1. — RiPPe  werden  neben  der  Wirbelsäule 

n.  3  3;- ,cm  grosse  Rippenstücke  subperiostal  reseziert.  Keine 
1  leuraverletzung,  da  diese  verdickt  und  leicht  ablösbar.  1  Rip0e 
wegen  tiefer  Lage  und  steilen  Aufstieges  etwas  schwieriger  wegzu- 
nehmen.  Vollständiger  Verschluss  der  Wunde  bis  auf  ein  Drain  gege” 
Bett  der  1.  Rippe,  da  dieses  sich  nicht  gut  vernähen  lässt.  Puls 
nach  Operation,  die  mit  Aether  nach  vorheriger  Skopolaminmorphimn- 
emspritzung  ausgeführt  worden  war,  und  abgesehen  von  vorüber¬ 
gehender  stärkster  Zyanose  gut  verlief,  recht  gut.  Wundheilung  und 
Rekonvaleszenz  erfolgten  in  befriedigender  Weise.  Heute  (März  1913) 
iVrdJ?  gender  HUund  erhoben.  Pat.  hat  sich  ausgezeichnet  erholt 
Das  Körpergewicht  ist  von  130  auf  148  Pfund  gestiegen.  Seit  August 
Trnö  iah^es  k5in  Fieber  mehr,  abgesehen  von  einer  im  Oktober 
‘ul2  u  1  age  dauernden  Fiebersteigung,  die  durch  eine  akute  Bron¬ 
chitis  bedingt  war.  Der  quälende  Hustenreiz  ist  verschwunden  Fs 
besteht  ganz  wenig  Husten  und  ganz  wenig  Auswurf.  LVO.  auch 
heute  noch  Dämpfung,  jetzt  aber  hier  vesikuläres  Atmen  mit  ganz 
spärlichem  Rasseln,  LHO.  und  LHU.  absolute  Dämpfung,  aber  überall 

Pnccii  areS  o^tmenwäVr  verschiedenen  Stellen  mittelgrossblasiges 
Rasseln  zu  hören.  RHU.  auch  heute  Dämpfung  und  deutlich  mittel- 
gi  ossblasiges  Rasseln.  Resultat:  Fieber,  Husten  und  Auswurf  hat  die 
Patientin  ganz  verloren,  das  Allgemeinbefinden  hat  sich  wesentlich 
gebessert,  I  at.  ist  imstande  ihrem  Haushalte  vorzustehen.  Es  be¬ 
steht  auch  heute  noch,  wenn  auch  viel  seltener  als  vor  der  Operation 
Neigung  zu  vorübergehenden  Bronchitiden.  Eine  volle  Ausheilung 
der  erkrankten  Lungenpartie  ist  noch  nicht  erfolgt.  Die  hier  not¬ 
wendige  Nachoperation  an  der  Vorderseite  des  Thorax  wurde  bis 
heute  leider  noch  nicht  zugegeben,  wird  aber  wohl,  wenn  der  Erfolg 
bestand  haben  soll,  noch  hinzugefügt  werden  müssen. 

Fassen  wii  das  Resultat  der  drei  nach  W  i  1  m  s  operierten  Fäll“ 
zusammen,  so  ergibt  sich  folgendes:  Alle  drei  Kranke,  die  nur  kurze 
Lebensdauer  noch  vor  sich  hatten,  sind  heute  bei  verhältnismässig 
gutem  Wohlbefinden  am  Leben.  Die  lebenverlängernde  Wirkung 
der  Operation  steht  also  ausser  Zweifel.  Zwei  der  Patienten  sind 
sogar  in  gewissem  Umfang  arbeitsfähig  geworden.  Der  Husten  und 
Auswurf  haben  in  allen  drei  Fällen  prompt  nach  der  Operation  in 
auffälliger  Weise  nachgelassen.  Fieber  ist  bei  allen  drei  Fällen 
geschwunden,  die  Esslust  bei  allen  drei  Fällen  wiedergekehrt.  Leider 
konnte  in  allen  drei  Fällen  nur  die  paravertebrale  Operation  ausge- 
fuhrt  werden.  Keiner  dieser  drei  Fälle  kann  bis  zur  Stunde  als 
vollkommen  geheilt  betrachtet  werden.  Im  Fall  1  wäre  wegen  der 
starken  Verziehung  des  Herzens  und  in  Fall  3  zur  Verstärkung  der 
Lungenschrumpfung  die  parasternale  Operation  sicher  sehr  am  Platze. 

Die  Funktion  oei  Lunge  erfährt  zweifellos  durch  die  Operation 
eine  wesentliche  Besserung.  Ich  kann  mir  es  nicht  anders  vorstellcn. 
als  dass  diese  Funktionsbesserung  auf  eine  ausgedehnte  Erholung 
des  erkrankten  Lungengewebes  zurückzuführen  ist.  Die  Aufhellung 
ces  Schalles,  die  Wiederkehr  vesikulären  Atmens  an  Stellen,  die  vor- 
hei  bronchiales  oder  aufgehobenes  Atmen  aufgewiesen  haben,  sowie 
die  Zunahme  der  Exkursionsfähigkeit  der  betreffenden  Brusthälfte, 
nhLSfe'  da,S  BandlTass  »i  Fall  2  uns  gezeigt  hat,  sprechen  zweifels¬ 
ohne  für  diese  meine  Anschauung.  Ich  stehe  nach  der  aus  diesen 
drei  Fallen  gewonnenen  Erfahrung  nicht  an,  die  W  i  1  m  s  s  c  h  e  P  fei¬ 
ler  Resektion  der  Rippen  für  verzweifelte,  keiner 
H  e  i  i  u  n  g  sonst  zugängige  einseitige  Lungen¬ 
tuberkulosen  als  berechtigt  zu  empfehlen.  Man 
muss  sich  bei  der  Auswahl  freilich  an  die  W  i  1  m  s  sehen  Vorbe- 
Uingungen  halten:  Ein  Retrecissement  des  Thorax  muss  mehr  oder 
weniger  vorhanden  sein,  zum  mindesten  ein  Zurückbleiben  der  be¬ 
treffenden  Thoraxhälfte  beim  Einatmen  muss  angedeutet  sein.  Der 
rozess  soll  möglichst  einseitig  sein,  ein  kleiner  unbedeutender 
Herd  der  anderen  Seite  -bietet  noch  keine  Gegenanzeige  dar.  Die 
pei ation  setzt  keinerlei  Schock;  auch  bei  elenden  Patienten  ist 
man  verwundert,  wie  wenig  der  Puls  in  seiner  Qualität  durch  die 
UPe  at.on  Beeinträchtigung  erfährt.  Das  ist  der  fundamentale  Unter- 
setued  der  W  1 1  m  s  sehen  Operation  vor  der  F  r  i  e  d  r  i  c  h  sehen  aus¬ 
gedehnten  Rippenresektion.  Dieser  Unterschied  wird  dazu  beitragen, 
der  Opei  ation  allmählich  ihr  Bürgerrecht  zu  erwerben.  Meiner  An- 
sicht  nach  sollte  man  bei  jedem  Falle  einseitiger  Lungentuberkulose, 
der  die  W  1 1ms  sehen  Vorbedingungen  erfüllt,  und  sonst  sicher  ver- 


10.  Juni  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1273 


loreu  ist.  die  Ausführung  der  W  i  1  m  s  sehen  Operation  in  Erwägung: 
ziehen.  Sicher  könnte  manches  verlorene  Leben  so  länger  erhalten 
werden.  Wie  es  allerdings  mit  den  Dauererfolgen  beschaffen  sein 
wird,  lässt  sich  heute  noch  nicht  s?"en.  Immerhin  ist  doch  schon 
viel  gewonnen,  wenn  man  für  Jahre  den  Tod  durch  eine,  wie  es 
scheint  ungefährliche  Operation  hinauszuschieben  imstande  ist. 

Ich  bin  am  Schlüsse.  Wir  haben  gesehen,  wie  in  dem  letzten 
Jahrhunderte  die  verschiedenen  medizinischen  Spezialwissenschaften 
auch  uns  Praktikern  auf  dem  Oebiete  der  Schwindsuchtsbehandlung 
wertvolle  Anregung  und  Bereicherung  unseres  Heilschatzes  gebracht 
haben.  Wollen  wir  im  Interesse  der  leidenden  Menschheit  uns  die 
Portschritte  der  Wissenschaft  auch  in  der  allgemeinen  Praxis 
z  u n  u  t  z c  m achc  n  und  die  Behandlung  eines  Tuberkulösen  nicht 
wie  früher,  als  eine  aussichtslose  Last,  sondern  als  eine  Auf¬ 
gabe.  die  doch  recht  oft  unseren  Patienten  gute  Erfolge,  uns  aber 
manche  Freude  bereitet,  fortan  betrachten. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Dr.  Karl  B  1  ü  in  e  1  -  Halle  a/S. :  Die  ambulante  Therapie  der 
Lungentuberkulose  und  ihre  häufigsten  Komplikationen.  *)  Urban 
&  Schwarzenberg,  Berlin  und  Wien,  1913.  Preis  6  M.,  geb. 
8  M.  204  Seiten. 

Ein  Buch  über  ambulante  Behandlung  der  Lungentuberkulose 
von  einem  Heilstättenarzte  besprechen  zu  lassen,  heisst  das  nicht  den 
Verfasser  in  die  Hand  des  Gegners  liefern?  Zur  Beruhigung  also 
gleich  eingangs  die  Erklärung,  dass  Referent  selbst  praktischer  Arzt 
war  und  weiss,  wie  oft  es  nötig  ist,  solche  Kranke  ambulant  zu  be¬ 
handeln,  wenn  sie  entweder  nicht  fortgehen  können  oder  nicht  wollen. 
Und  es  ist  im  Interesse  der  praktischen  Aerzte  nur  zu  wünschen,  dass 
eine  solche  Behandlung  gelehrt  und  systematisch  durchgeführt  wird. 
Nicht  nur  wegen  ihrer  so  schon  bedrohten  Existenz,  sondern  weil  sie 
sonst  einfach  bei  vielen  Tuberkulösen  ohnmächtig  die  Hände  in  den 
Schoss  legen  müssten.  Wir  können  trotzdem  immer  noch  verlangen, 
dass  sie  geeignete  Fälle,  die  durch  Kassen  oder  eigenen  Geldbeutel 
in  der  Lage  sind,  es  zu  zahlen,  einer  Heilanstalt  überweisen.  Auch 
dann  wird  oft  noch  eine  ambulante  Behandlung  erforderlich  sein. 
Denn  wer  bleibt  so  lange  in  der  Heilanstalt,  wie  es  ideal  wäre? 
B 1  ü  m  e  1  drückt  diese  und  ähnliche  Bedenken  in  der  Einleitung 
aus.  Wir  können  auch  mit  folgendem  Satze  recht  zufrieden  sein: 

„Die  Grundlage  der  Therapie  der  Lungentuberkulose  ist  auch 
heute  noch  das  hygienisch-diätetische  Heilverfahren,  wie  es  von 
Hermann  B  r  e  h  m  e  r  in  Görbersdorf  begründet,  später  fortent¬ 
wickelt  und  ausgebaut  worden  ist.  Das  soll  auch  die  Widmung  des 
Buches  an  den  Altmeister  unserer  Kunst  besagen,  der  leider  die 
ungeheure  Verbreitung  nicht  mehr  erleben  konnte,  die  seinen  schöp¬ 
ferischen  Gedanken,  seiner  Methodik  im  Laufe  der  20  Jahre  nach 
seinem  Tode  geworden  ist.“ 

Der  erste  Teil,  m.  E.  der  wichtigste,  behandelt  die  hygienisch¬ 
diätetische  Therapie.  Geradezu  entzücken  muss  jeden  Heilstättenarzt 
auf  Grund  seiner  täglichen  Erfahrungen  der  Anfang,  in  dem  verlangt 
wird,  dass  jeder  Arzt  sogleich  bei  der  ersten  Konsultation  seine 
Tuberkulösen  messen  lässt.  „Ohne  Kenntnis  der  Temperatur  ge¬ 
gebene  Verordnungen  können  dem  Kranken  manchmal  verhängnisvoll 
werden“  und:  „Fiebernde  gehören  unbedingt  ins  Bett.“  Not¬ 
gedrungen  sind  von  der  ambulanten  Behandlung  ausgeschlossen 
solche,  deren  häusliche  Verhältnisse  und  deren  Persönlichkeit  die 
ordnungsgemässe  Durchführung  der  Kur  verhindern.  Da  der  Arzt  die 
Kranken  nicht  so  beaufsichtigen  kann  wie  das  Sanatorium,  muss  er 
sich  genau  über  Familienverhältnisse,  Wohnräume,  Tageslauf,  soziale 
Lage  usw.  unterrichten,  um  seine  Verordnungen  danach  zu  geben. 
Freilich  wird  er  wohl  auch  empfinden,  dass  bei  den  meisten  diese 
Verordnungen  nicht  so  durchgeführt  werden,  wie  im  Sanatorium,  wo 
sie  einfach  erzwangen  werden  müssen.  „Das  bin  ich  so  gewöhnt“, 
ist  ein  Satz,  der  bei  der  Aufnahme  in  die  Heilanstalt  gestrichen  wird, 
während  er  im  Hause  herrscht.  Der  Verfasser  sagt  selbst: 
„Ausser  dem  Klima  und  der  veränderten,  abwechslungsreicheren 
Kost  wirken  noch  die  Entfernung  vom  Geschäft,  von  der  Hausarbeit, 
das  Verschontsein  von  den  täglichen,  kleinen  Aufregungen  in  der 
Familie,  Pünktlichkeit  in  Pflege  und  Abwartung  mit  zur  Erreichung 
des  Erfolges.  Die  in  der  Anstalt  ausgeübte  strenge  Aufsicht  fehlt  bei 
der  ambulanten  Behandlung  ganz;  deshalb  können  Behandlungen  am 
Wohnort  der  Kranken  nur  bei  solchen  Patienten  durchgeführt  werden, 
die  Willen  und  Verständnis  genug  haben,  sich  selbst  im  Zaume  zu 
halten.  Ein  wesentliches  Moment  für  aufgeregte  Kranke  bietet  in  den 
Anstalten  auch  die  psychische  Beruhigung,  die  dem  Kranken  die 
dauernde  Nähe  und  stete  Hilfsbereitschaft  der  Aerzte  verschafft.“ 

In  fast  durchaus  einwandfreier  klarer  und  moderner  Weise 
werden  behandelt:  Freiluftkur,  Liegekur,  Wohnung,  Liegestuhl,  Be¬ 
wegung  und  Arbeit,  Berufs-  und  Ortswechsel,  Atemübungen,  Luft¬ 
bäder,  Kleidung.  Folgender  Satz  über  den  Berufswechsel  verdient 
die  weiteste  Verbreitung,  da  mit  diesem  Begriffe  der  unsinnigste 
schematische  Missbrauch  getrieben  wird:  „Ueber  das,  was  an  Be¬ 
rufen  für  die  Lungenkranken  schädlich  ist,  gehen  die  Ansichten  noch 
auseinander.  Es  wird  vielfach  jede,  auch  die  schwerste  Arbeit,  wenn 
sie  nur  im  Freien  ausgeführt  werden  kann,  der  Tätigkeit,  die  in  ge- 


*)  Der  Titel  muss  aber  doch  heissen  „ihrer“  häufigsten  Kom¬ 
plikationen.  L. 


schlosseneti  Räumen  ausgeübt  wird,  vorgezogen.  Nach  meinem  Er¬ 
achten  mit  Unrecht.  Es  kommt  doch  vor  allem  auf  die  Konstitution 
des  Kranken  an,  ob  er  z.  B.  die  schwere  Muskelarbeit  als  Landmann 
oder  Gärtner  leisten  kann.  Ist  seine  Muskulatur  entsprechend  aus¬ 
gebildet,  er  bisher  an  diese  Arbeit  gewöhnt  gewesen,  so  ist  es  doch 
etwas  anderes,  als  ob  wir  einem  Arbeiter,  der  Muskelarbeit  nicht 
kennt  —  ich  nenne  Schneider,  Zigarrenarbeiter  —  plötzlich  Land¬ 
arbeit  empfehlen.“  Sodann  finden  die  Hydrotherapie  und  die  diäte¬ 
tische  Behandlung  eine  ausführliche  Besprechung.  Auf  einzelne  min¬ 
destens  fragliche  Punkte  sei  aber  auch  in  diesem  ersten  Teile  hin¬ 
gewiesen.  Ich  glaube  nicht,  dass  die  Wirkung  der  guten  Luft  allzu¬ 
oft  überschätzt  wird.  Dass  sie  keineswegs  ein  Spezifikum  ist  und 
gewissermassen  wie  eine  auf  eine  Wunde  gebrachte  Salbe  heilt, 
ist  ja  selbstverständlich.  Wenn  man  aber  beispielsweise  in  den  letzten 
Wochen  in  eine  grosse  Stadt  fuhr  und  selbst  nachempfand,  was  alle 
Leute  klagten,  dass  der  Staub  bei  dem  scharfen  kalten  Winde  ge¬ 
radezu  entsetzlich  sei,  und  dass  eigentlich  kein  Mensch  ohne  Katarrh 
herumlaufe,  so  muss  man  doch  die  gute  Luft  der  Wald-  und  Berg¬ 
sanatorien  etwas  höher  einschätzen,  als  es  der  Verf.  zu  tun  scheint. 
Ich  stimme  auch  nicht  bei,  dass  man  den  Patienten  nachts  bei  ge¬ 
schlossenem  Fenster  schlafen  lassen  soll,  wenn  draussen  die  Tem¬ 
peratur  unter  Null  ist,  da  der  Temperaturunterschied  zwischen 
Zimmer-  und  Aussenluft  genügend  Ventilation  schaffe,  denn  ich  wurde 
als  Praktiker  oft  genug  auch  im  Winter  beim  morgendlichen  Betreten 
der  Schlafstuben  zurückgeworfen.  Vor  Sonnenbädern  von  der  Dauer 
einer  Stunde  möchte  ich  bei  Lungenkranken  direkt  warnen  (S.  27). 
Dass  die  Sanatorien  ab  und  zu  einen  kleinen  Seitenhieb  bekommen, 
nehmen  wir  dem  Verfasser  nicht  so  sehr  übel:  wir  vergelten  das  ge¬ 
legentlich  mit  Gleichem.  Aber  im  allgemeinen  sind  sie  wohl  nicht 
mehr  so  ganz  berechtigt;  so  „das  Schema  der  Liegekur“  (S.  11),  die 
„schematische  Mastkur  der  Sanatorien“  (S.  34).  Recht  hat  aber  der 
Verfasser  damit,  dass  der  Arzt,  wenn  er  Besitzer  der  Anstalt  ist, 
und  den  Versuch  macht,  seinen  Kranken  die  Mastgedanken  auszu¬ 
treiben,  sofort  in  den  Verdacht  der  Geldschneiderei  kommt. 

Endlich  ein  Wort  über  die  Alkoholfrage.  „Ich  halte  Ab¬ 
stinenzprinzipien  Lungenkranken  gegenüber  nicht  für  gerecht¬ 
fertigt.  Man  kann  für  sich  selbst  auf  diesem  Standpunkt  stehen, 
hat  aber  trotzdem  die  Pflicht,  wenn  man  von  dem  mässigen 
Genuss  von  Bier  oder  Wein  Nutzen  für  seine  Kranken  sieht,  es  ihnen 
wie  ein  Medikament  zukommen  zu  lassen.  Man  soll  durchaus  die 
Kranken  auf  die  Gefahren  der  Unmässigkeit,  wie  oben  schon  erwähnt, 
hinweisen,  aber  als  Propagandaobjekte  für  die  Abstinenzbewegung 
sollen  uns  unsere  Kranken  nicht  dienen.  Also  ein  bis  zwei  Flaschen 
alkoholärmeres  Bier  den  Tag  oder  bis  zu  einer  halben  Flasche  Wein 
kann  man  im  allgemeinen  ohne  Bedenken  geniessen  lassen.“ 

Was  der  Verfasser  da  sagt,  ist  unlogisch.  Denn  „Abstinenz¬ 
prinzipien“  Lungenkranken  gegenüber  anzuwenden,  geschieht  doch 
von  den  Aerzten,  die  es  tun,  nicht  deshalb,  weil  sie  persönlich  auf 
dem  Abstinenzstandpunkte  stehen  (es  tun  dies  sogar  Aerzte,  die  nicht 
auf  diesem  Standpunkte  stehen),  sondern  aus  der  oft  mühsam  und  unter 
innerem  Widerstande  erarbeiteten  Ueberzeugung,  dass  es  aus  Grün¬ 
den,  die  hier  zu  erörtern  viel  zu  weit  führen  würde,  für  die  Kranken 
während  ihrer  Kur  besser  und  nützlicher  sei,  nichts  Alkoholisches  zu 
geniessen.  Mit  wie  zarten  Fingern  der  Verf.  die  Frage  anfasst,  be¬ 
sagt  für  den  Kenner  ein  einziger  anscheinend  harmloser  Ausdruck: 
„Alkoholärmeres  Bier.“ 

Der  zw'eite  Teil  behandelt  die  spezifische  Therapie.  Ich  glaube 
nicht,  dass  es  erforderlich  ist,  darauf  hier  ausführlich  einzugehen. 
Der  praktische  Arzt,  der  sie  anwenden  will,  wird  sich  in  diesem  oder 
einem  anderen  Buche  ausführlich  darüber  unterrichten  müssen;  Ein¬ 
zelheiten  zu  geben,  ist  hier  zwecklos.  Im  übrigen  ist  das  Ansichts¬ 
sache.  Ich  selbst  halte  die  Tuberkulintherapie  noch  nicht  für  reif 
zur  Einführung  in  die  ambulante  Behandlung  und  weiss,  dass  ich  mich 
damit  in  Widerspruch  zu  einigen  Hochtories,  aber  im  Einverständ¬ 
nisse  mit  den  meisten  Heilstättenfachkollegen  befinde.  Wenn  prak¬ 
tische  Aerzte  in  einer  Debatte  erklärten,  man  müsse  doch  etwas  tun 
und  man  behalte  die  Kranken  so  immer  unter  Aufsicht,  so  hat  das 
eine  Berechtigung.  Aber  das  dazu  verwendete  Mittel  ist  zwei¬ 
schneidig,  und  dass  man  diesen  Zweck  auch  mit  der  hygienisch¬ 
diätetischen  Behandlung  erreichen  kann,  zeigt  gerade  das  vorliegende 
Buch.  Der  Abschnitt  ist  aber  sonst  verständlich  und  klar,  vorsichtig 
und  ohne  Fanatismus  geschrieben.  Auch  die  Chemotherapie  findet 
Erwähnung. 

3.  Teil:  Die  medikamentöse  Therapie.  Ihr  Hauptwert  liegt 
darin,  „dass  sie  die  Durchführbarkeit  der  hygienisch-diätetischen 
und  spezifischen  Behandlung  erleichtert  und  das  schnellere  Erreichen 
guter  Erfolge  ermöglicht.  Darin  begrenzt  sich  oft  ihre  Leistungs¬ 
fähigkeit.“  Das  Buch  will  den  alten  Unfug  beseitigen  helfen,  dass 
der  über  Husten  Klagende  zuerst  einmal  Morphium,  der  über  Stechen 
Klagende  eine  Einreibung  bekommt.  „Aber  symptomatisch  behandeln 
ohne  Diagnose,  ohne  das  Suchen  danach  oder  aus  Unkenntnis  einer 
sachgemässen  Therapie  kann  gefährlich  werden  für  die  Kranken.  Wer 
tagtäglich  sieht,  wieviel  Unheil  diese  symptomatische  Behandlung 
anrichtet,  der  lernt  sie  mit  äusserster  Vorsicht  verwerten.“  Es 
werden  besprochen  Mittel  für  das  Allgemeinbefinden  (Kräftigungs¬ 
mittel:  Brom,  Valeriana,  Eisenarsen  usw.),  gegen  Schmerzen 
(Packungen,  Jothion),  Husten:  (Heroin.  Codein,  Dionin,  Pantopon 
u.  a.),  Auswurf  (Lösungsmittel;  dabei  Hinweis  auf  die  Untersuchung 
des  Auswurfes),  Herz  (Dyspnoe),  Appetit,  Magen-  und  Darmkatarrh, 
Nachtschweisse,  Schlaf. 


1274 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Die  operative  Therapie  (4.  Abschnitt)  wird  wohl  für  den  prak- 
lisch cn  Arzt  nicht  in  Betracht  kommen,  wohl  aber  die  rechtzeitige 
und  richtige  Stellung  der  Diagnose  und  Prognose  dafür. 

Dasselbe  gilt  meines  Erachtens  für  die  den  Anfang  des  5.  Teiles 
(Komplikationen)  bildende  Behandlung  der  Kehlkopftuberkulose.  Die 
übrigen  Abschnitte  dieses  letzten  Teiles  bieten  wiederum  für  den 
Praktiker  höchst  beachtenswerte  Mitteilungen  über  die  Behandlung 
von  Blutungen  (Bettruhe,  psychische  Ruhe,  Immobilisierung,  kein 
Morphium,  wenn  nötig  Heroin,  Sorge  für  Stuhlgang,  Gelatine,  Kalk¬ 
salze,  Kochsalz,  Abbinden),  Pleuritis,  Darmtuberkulose  und  einzelne 
sonstige  schwerere  Komplikationen. 

Im  ganzen:  Ein  gutes  und  brauchbares  Buch.  Ich  hoffe,  das 
auch  durch  mein  genaues,  wenn  auch  nicht  immer  zustimmendes 
Eingehen  auf  seinen  Inhalt  gezeigt  zu  haben. 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 


,  .  ^ e  Ouervain-Basel:  Spezielle  chirurgische  Diagnostik. 

4.  Auflage.  Leipzig,  Vogel,  1913.  Preis  18  M. 

Die  heutige  Generation  der  Medizinstudierenden  geniesst  gegen¬ 
über  der  älteren  ganz  beträchtliche  Vorzüge.  Durch  vorzügliche 
Hilfsmittel  des  Unterrichts  und  durch  vortreffliche  Lehrbücher  ist 
nir  das  Lernen  in  hervorragender  Weise  erleichtert.  Unter  diesen 
Lehrbüchern  steht  das  an  dieser  Stelle  wiederholt  besprochene 
G.  uer  vainsche  obenan;  um  seinetwillen  würde  mancher  das  Stu¬ 
dium  der  Chirurgie  gerne  noch  einmal  von  neuem  beginnen  Der 
Studierende  empfindet  es  vielleicht  nicht  einmal  so,  und  nur  der 
Aeltere  kann  beurteilen,  was  in  diesem  Buche  alles  versteckt  liegt. 

Die  neue  Auflage,  die  nach  \lA  Jahren  der  dritten  folgen  musste, 
zeigt  überall  zahlreiche  Vervollständigungen  und  Verbesserungein 
Man  muss  immer  aufs  neue  staunen,  mit  welcher  Gewandtheit  der 
Verf.  differentialdiagnostische  Schemata  fiir  die  verschiedensten  Ge¬ 
biete  aufzustellen  in  der  Lage  ist,  mag  es  sich  nun  um  Sehstörungen 
bei  Hirnkrankheiten,  um  die  Erscheinungen  bei  Darmverschluss,  um 
die  Formen  der  Spina  bifida,  um  die  Symptome  der  Handgelenkver¬ 
letzungen  handeln. 

Die  Zahl  der  Abbildungen  ist  wiederum  in  bemerkenswerter 
Weise  vermehrt  und  ergänzt.  Besonders  wertvoll  sind  zahlreiche 
schematische  Röntgenbilder  von  Erkrankungen  des  Magendarm¬ 
kanales.  Auch  sonst  hat  der  Abschnitt  über  Diagnostik  der  Bauch¬ 
erkrankungen  manche  Umänderung  erfahren.  In  gewissem  Sinne 
kann  das  Lehrbuch  fast  als  eine  chirurgisch-innere  Diagnostik  be¬ 
zeichnet  werden.  K  r  e  c  k  e. 


Gross:  Allgemeine  Therapie  der  Psychosen.  (Asch  affe  n- 
b  u  r  g,  Handbuch  der  Psychiatrie.  D  e  u  t  i  c  k  e,  Leipzig  und 
Wien,  1912.) 

Der  Verfasser  schickt  dem  eigentlichen  Thema  eine  ausführliche 
Besprechung  der  Prophylaxe  der  Geisteskrankheiten  voraus,  in  der 
er  2  getrennte  Probleme  behandelt:  Die  Einschränkung  der  Erzeugung 
geistig  gefährdeter  Nachkommenschaft  und  die  Möglichkeit  der 
geistigen  Gesunderhaltung  der  einmal  geborenen  Menschen.  Die  Be¬ 
kämpfung  des  Alkoholismus  und  der  Syphilis  werden  als  die 
dringendsten  Aufgaben  betrachtet. 

Dann  folgt  die  Unterbringung  der  Geisteskranken  und  eine  Be¬ 
schreibung  der  Anlage  und  der  Einrichtungen  der  Irrenanstalt.  Der 
Rückgang  der  zerstreuten  Bauweise  und  des  kolonialen  Systems 
wird  bedauert,  aber  doch  die  gedrängte  Bauweise  unter  Anwendung 
grösserer  Gebäude  befürwortet. 


Sehr  lesenswert  sind  die  Artikel  über  direkte  Psychotherapie, 
Religion  und  Philosophie,  Beschäftigungstherapie,  sowie  Unter¬ 
haltung,  die  teilweise  kurz,  aber  inhaltsreich  sind.  Da  die  Therapie 
der  Psychosen  hauptsächlich  solche  Fragen  behandelt,  die  mit  der 
Versorgung  der  Kranken  eng  Zusammenhängen,  ist  es  erklärlich,  dass 
besonders  die  Probleme  der  Bettbehandlung,  Isolierung,  Bäder  und 
Ernährung  besprochen  worden  sind. 

Das  Kapitel  der  medikamentösen  Behandlung  bringt  unter 
anderem  eine  Zusammenstellung  der  Hypnotika  und  Sedativa. 

Auch  die  modernen  Therapeutika  zum  Kampfe  gegen  die  pro¬ 
gressive  Paralyse  (Tuberkulin  und  Nukleininjektionen)  sind  ausführ¬ 
lich  besprochen  worden;  wenn  das  Salvarsan  die  darauf  gesetzten 
Hoffnungen  nicht  erfüllt  hat,  hätte  es  doch  wohl  nicht  nur  ganz  kurz 
gestreift  werden  dürfen.  Sehr  kurz  ist  ferner  die  chirurgische 
1  herapie  abgetan  worden,  die  doch  gerade  in  den  letzten  Jahren  viel 
an  Interesse  gewonnen  hat;  gar  nicht  erwähnt  sind  die  schon  seit 
dem  Altertum  bekannte  Trepanation,  die  Punktion  und  der  Balken- 
stich  nach  Anton  und  v.  Bramann.  Die  Schultze-Bossischen 
Vorschläge  werden  als  eine  Ueberschätzung  der  ursächlichen  Rolle 
des  somatisch-sexuellen  bei  psychischen  Störungen  bezeichnet; 
ebenso  werden  mit  Recht  die  Freud  sehen  Theorien  abgelehnt. 

Dann  wird  noch  die  Familienpflege  im  Sinne  von  A  1 1  und  die 
Fürsorge  der  aus  den  Anstalten  Entlassenen  besprochen.  Zum 
^chluss  folgt  ein  reichhaltiges  Literaturverzeichnis,  aus  dem  man 
leicht  den  Weg  zu  allen  Einzelfragen  findet. 

Die  Abhandlung  gibt  ein  gutes  Bild  über  den  derzeitigen  Stand 
der  I  herapie  der  Psychosen.  Manfred  G  o  1  d  s  t  e  i  n  -  Halle 


Die  Sanitätsausrüstung  des  Heeres  im  Kriege.  Bibliothek  v.Coler- 
v.  S  c  h  j  e  r  n  !  n  g,  Bd.  XXXVII;  bearbeitet  von  Dr.  W.  Niehues, 
Oberstabsarzt  im  Kriegsministerium.  527  Seiten  mit  239  Ab¬ 
bildungen  auf  73  Tafeln  und  im  Text.  Preis  24  Mark  Berlin 
Verlag  von  August  H  i  r  sc  h  w  a  1  d. 


1913. 


Aui  den  ersten  Blick  mag  das  Erscheinen  dieses  Buches  be¬ 
sonders  dem  Sanitätsoffizier  etwas  unmotiviert  Vorkommen,  weil  ja 
in  der  Kriegssanitätsordnung  und  deren  Beilagen  eine  Beschreibung 
der  Sanitätsausrüstung  des  Heeres  für  den  Krieg  niedergelegt  und 
teilweise  auch  mit  Abbildungen  versehen  ist.  Wenn  man  aber  berück¬ 
sichtigt  —  und  das  hat  der  Verfasser  in  seinem  Vorworte  auch  ausge¬ 
sprochen  — ,  dass  es  nicht  genügt,  dass  der  Bataillonsarzt  seinen 
Imanteriesanitätswagen  oder  der  Hygieniker  sein  tragbares  bak¬ 
teriologisches  Laboratorium  kennt,  sondern  dass  jeder  Sanitätsoffizier 
mit  der  ganzen  Ausrüstung  vertraut  sein  muss,  da  er  im  Felde 
wie  im  Frieden  —  wie  der  Offizier  —  bald  da  bald  dort  hingestellt 
werden  kann,  so  wird  das  Urteil  hierüber  ein  anderes  sein.  Es 
wird  zwar  jedem  Sanitätsoffizier  in  verschiedenen  Kursen  Gelegen¬ 
heit  gegeben,  die  Kriegsausrüstung  kennen  zu  lernen,  aber  da  nur  an 
wenig  Standorten,  nämlich  am  Korpssitz,  Sanitäts-  und  Traindepots 
sich  befinden,  die  die  Dinge  enthalten,  um  die  es  sich  handelt,  so 
ist  es  schwierig  für  Sanitätsoffiziere  auswärtiger  Standorte,  den  In¬ 
halt,  die  Packordnung  etc.  der  verschiedenen  Fahrzeuge  stets  vor 
Augen  zu  haben.  Aus  diesem  Grunde  ist  das  vorliegende  Buch  fiir 
jede  Lazarettbibliothek  eine  Bereicherung,  aber  auch  jeder  Sanitäts¬ 
offizier  des  Beurlaubtenstandes  wird  seine  Kenntnisse  bezüglich  oer 
Sanitätsausrüstung  durch  die  Lektüre  desselben  bereichern;  es  ist  ein 
Nachschlagebuch,  das  in  allen  einschlägigen  Fragen  Aufschluss  gibt. 
Der  Inhalt  gliedert  sich  in  die  Ausrüstung  der  Heeresangehörigen,  der 
Sanitätsmannschaften,  der  Sanitätsoffiziere,  der  Truppe,  ferner  der 
Sanitätskompagnie,  des  Feldlazaretts,  des  Lazarettzuges,  des  Etappen¬ 
sanitätsdepots  und  schliesst  mit  einem  recht  brauchbaren  Sachregister, 
in  dem  aber  die  Feldlazarette  fehlen.  Auch  die  Kriegslazarette  sind 
nicht  erwähnt.  Sehr  gehoben  wird  der  Wert  des  Buches  durch  zahl¬ 
reiche  gute  Abbildungen,  die  allerdings  den  hohen  Preis  bedingen, 
und  durch  die  Berücksichtigung  der  historischen  Entwicklung  mancher 
Ausriistungsgegenstände,  so  z.  B.  des  Infanteriesanitätswagens,  des 
Krankenwagens,  der  Krankentragen,  Bestecke  usw.  Auf  Tafel  2 
sind  die  Bezeichnungen  für  Bild  9  und  10  zu  vertauschen. 

Ausser  den  Sanitätsoffizieren  wird  Jeder,  der  das  Buch  in  die 
Hand  bekommt,  aus  demselben  ersehen,  wie  für  erkrankte  und  ver¬ 
wundete  Angehörige  der  Armee  gesorgt  ist.  Reh. 

Mutterschaft:  Ein  Sammelwerk  für  die  Probleme  des  Weibes 
als  Mutter,  herausgegeben  in  Verbindung  mit  52  Mitarbeitern  von 
Adele  Schreiber.  822  ?,  371  Abbildungen.  Preis  geh.  20  M„ 
geb.  25  M.  Verlag,  Albert  Langen.  München  1913. 

Wie  häufig  bei  sozial-hygienischen  Untersuchungen,  so  kann 
auch  bei  der  Erörterung  der  Probleme  der  Mutterschaft  nur  durch 
Zusammenfassung  der  Ergebnisse  medizinischer,  sozialwissenschaft¬ 
licher  und  juristischer  Forschung  sachliche  Klarheit  geschaffen 
werden.  Adele  Schreiber  hat  das  grosse  Verdienst,  in  dem  vor¬ 
liegenden  Werke  unter  Heranziehung  der  berufensten  Vertreter  der 
einzelnen  Teilgebiete  zum  ersten  Male  eine  umfassende,  wissenschaft¬ 
liche  und  schöne  Uebersicht  über  die  vielfachen  Zusammenhänge  ge¬ 
geben  zu  haben,  die,  in  der  Entwicklung  der  Kultur-  und  Wirtschafts¬ 
geschichte,  Ethik  und  Hygiene  bedingt,  die  Frage  der  Mutterschaft, 
ihres  Schutzes  und  ihres  Rechtes,  zu  einer  so  ausserordentlich  ver¬ 
wackelten  machten. 

Vortrefflich  ist  der  Aufbau  des  Werkes.  Einer  programmatischen 
Einleitung  (Lily  Brau  n)  folgt  die  Erörterung  der  historischen  und 
theoretischen  Grundlagen.  Die  Aufsätze  von  Privatdozent  Paul 
Bartels  (Die  Mutter  in  Sitte  und  Brauch  der  Völker),  Prof.  Josef 
Kollier  (Die  Mutter  im  Rechte  der  Völker)  und  des  Soziologen 
Dr.  Müller- Ly  er  (Die  Ehe)  sind  besonders  hervorzuheben. 
Einige  weitere  Aufsätze  (Adele  Schreiber:  Anbahnung  neuer 
Sittlichkeitsbegriffe,  Dr.  Gertrud  Woker:  Naturwissenschaftliche 
Streiflichter  über  das  Problem  Mutterschaft  und  Beruf)  leiten  dann  zu 
den  für  die  praktische  Arbeit  bedeutsamen  Artikeln  über  und  die 
Namen  Alfons  Fischer,  Henriette  F  ii  r  t  h:  Gustav  T  ugendreich 
und  viele  ande-e  bürgen  bereits  für  den  wissenschaftlichen  Ernst, 
mit  dem  jede  Einzelforderung  erörtert  und  begründet  wird.  Be¬ 
sonderes  Interesse  darf  auch  die  internationale  Vergleichung  der 
Lage_  der  Mutter  beanspruchen,  umsomehr,  als  Sachverständige 
aus  fast  allen  Kulturländern  hieran  niitgearbeitet  haben.  Eine  will¬ 
kommene  Beigabe  bedeuten  die  Aufsätze  über  die  Darstellung  der 
Mutter  in  der  bildenden  Kunst,  Karrikatur  und  Dichtung,  sowie  die 
grosse  Zahl  der  feinsinnig  zusammengestellten  und  künstlerisch  wert¬ 
vollen  Abbildungen. 

Die  Wahl  der  Mitarbeiter  ist  geschickt.  Es  geht  ein  einheit¬ 
licher  Zug  durch  das  ganze  Werk,  wie  andererseits  auf  besonders 
strittigen  Gebieten  Vertreter  verschiedener  Anschauungen  zu  Worte 
kommen.  Freilich  stehen  nicht  alle  Aufsätze  auf  vollkommen  gleicher 
Höhe.  Verbot  auch  der  beschränkte  Raum  eine  erschöpfende  Dar¬ 
stellung,  so  hätte  doch  in  einzelnen  Kapiteln  manches  Moment 
schäl  fer  betont  werden  müssen.  So  durfte  unter  den  „Frau'Mi- 
forderungen  an  der  Gesetzgebung“  die  Berufsvormundschaft  nicht 
unerwähnt  bleiben;  bei  dem  Kapitel  zur  Ammenfraee  steht  die  Für¬ 
sorge  fiir  das  Ammenkind  zu  stark  im  Hintergründe  und  die  Dar¬ 
stellung  des  Krippenwesens  leidet  unter  der  Verteilung  auf  zwei 
Kapitel.  Hier  wird  vor  allem  eine  Erörterung  der  völligen  Umge¬ 
staltung  des  Krippenwesens  durch  dis  moderne  Anstaltshygpne  ver¬ 
misst.  und  bei  der  Aufzählung  der  zurzeit  bestehenden  Krippen¬ 
anstalten  fehlen  gerade  die  besten.  Schliesslich  ist  es  vielleicht  nicht 
sein  geschmackvoll,  dass  die  betrüblichen  Erscheinungen  im  Bunde 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


iür  Mutterschutz  au  zwei  verschiedenen  Stellen  in  peinlicher  Aus¬ 
führlichkeit  dargestellt  sind. 

Doch  sind  das  kleine  Mängel  gegenüber  der  grossen  Leistung, 
die  das  umfangreiche  Werk  bedeutet.  Bei  der  grossen  Wichtigkeit, 
die  das  Problem  des  Mutterschutzes  für  die  Rassenhygiene  und 
Eugenik,  Säuglingsfürsorge,  Versicherungsmedizin  und  andere  Teil¬ 
gebiete  der  sozialen  Hygiene  hat,  kann  das  Werk,  wiewohl  es  sich 
'  or  allem  an  gebildete  Laien  wendet,  auch  den  Aerzten  wertvolle 
Anregungen  bieten.  Koebner- München. 

Schularztbericht  über  die  Volks-  und  Bürgerschule  zu  St.  Wenzel 
in  Brux  für  das  Schuljahr  1911/12.  Dienstinstruktion  für  die  städti¬ 
schen  Schidärzte  in  Brüx.  Von  Dr.  R  o  p  p  e  r  t.  Stadtarzt  und  Schul¬ 
arzt.  Brüx  1913.  7ü  Seiten. 

In  der  wohl  gegen  25  000  Einwohner  zählenden  Kohlen-  und 
Industriestadt  Böhmens  sind  2  Schulärzte  angestellt.  Der  Bericht  des 
einen  liegt  vor  und  zeigt  eine  ausserordentlich  fleissige  Tätigkeit. 
Bei  Schulbeginn  wurden  von  diesem  einen  Schularzt  während  einiger 
Tage  1722  Kinder  auf  ansteckende  Krankheiten  untersucht.  Alle 
Eltern  wurden  vor  der  körperlichen  Schuluntersuchung  veranlasst, 
einen  Fragebogen  auszufüllen.  Die  gelegentlich  der  eingehenden 
Untersuchungen  (es  wurde  sogar  Körpertemperatur  und  Bauch¬ 
umfang  festgestellt)  gefundenen  Gebrechen  und  Krankheiten  wurden 
den  Eltern  nach  Art  und  Bedeutung  in  fünf  verschiedenen  Texten 
zwecks  Herbeiführung  ärztlicher  Behandlung  mitgeteilt.  Solche  Mit¬ 
teilungen  wurden  im  Laufe  des  Jahres  über  2500  hinausgegeben. 
Alle  Schüler  (1803)  wurden  zweimal  im  Jahre  untersucht,  kränkliche 
und  schwächliche  öfter.  Dem  Schularzt  stand  ein  eigenes  schulärzt¬ 
liches  Untersuchungszimmer  zur  Verfügung.  Ueber  alle  Erkran¬ 
kungen  wird  ausführlich  an  der  Hand  von  zahlreichen  Zusammen¬ 
stellungen  berichtet.  Die  gefundene  Zahl  von  299  Lungenspitzen¬ 
katarrhen  neben  3  Fällen  vorgeschrittener  Lungentuberkulose  ist  auf¬ 
fallend.  Bezüglich  der  Wertung  selbst  kleiner  Lymphdriisenreihen 
am  Hals  und  Nacken  als  ersten  Ausdruck  vollzogener  Infektion  mit 
Tuberkulose  (Skrofulöse)  scheint  mir  der  Herr  Berichterstatter  doch 
etwas  zu  weit  zu  gehen,  wenn  er  so  auf  54,1  Proz.  skrofulöse 
Kinder  kommt.  Die  Berufs-  und  Wohnungsverhältnisse  der  Ange¬ 
hörigen  namentlich  von  Lungenkranken  und  Skrofulösen  wurden  ein¬ 
gehend  erhoben,  die  Wachstums-  und  Entwicklungsverhältnisse  der 
Schüler  mit  bekannten  Messungen  und  Wägungen  verglichen.  Die 
anfangs  unter  den  andernorts  gefundenen  Mittelzahlen  stehenden 
Schüler  erholten  sich  während  der  Unterrichtsjahre  so  bedeutend, 
dass  sie  die  in  Vergleich  gezogenen  Altersklassen  übertrafen. 

Aus  der  Dienstesinstruktion  ist  bemerkenswert,  dass  der  Schul¬ 
arzt  bei  Errichtung  von  Neubauten,  bei  Umbauten,  bei  der  Abfassung 
der  Stundenpläne,  auch  hinsichtlich  der  Hausaufgaben  sowie  gelegent¬ 
lich  der  Lehrerkonferenzen  gehört  ’  wird.  Die  künftigen  Unter¬ 
suchungen  werden  sich  nur  auf  die  Ein-  und  Austretenden,  sowie  die 
Kranken  und  Krankheitsverdächtigen  erstrecken.  Massregeln  gegen 
Weiterverbreitung  ansteckender  Erkrankungen  soll  und  kann  der 
Schularzt  rasch  und  selbständig  treffen  gegen  nachträgliche  Ge¬ 
nehmigung  durch  den  zuständigen  Stadtarzt.  Sonst  unterscheidet  sich 
die  Dienstesanweisung  nicht  wesentlich  von  der  bei  uns  üblichen. 
Es  erhellt  aus  ihr  nicht,  ob  die  Schulärzte  in  Brüx  Praxis  ausiiben 
können  oder  nicht,  also  nebenamtlich  oder  hauptamtlich  wirken. 

Doern  berge  r  -  München. 

P.  O  u  d  i  n  und  A.  Zimmern:  Radiotherapie  (Roentgentherapie, 
Radiumtherapie,  Phototherapie).  Paris,  B  a  i  1 1  i  e  r  e  et  Fils.  Preis 
geb.  14  Frs. 

Das  500  Seiten  starke  Kompendium  bemeistert  das  grosse  Gebiet 
der  Strahlentherapie,  auf  dem  die  Franzosen  ja  sehr  tätig  sind,  in 
ansprechender  Weise.  Die  technischen  und  experimentellen  Grund¬ 
lagen  werden  zum  Teil  sogar  etwas  eingehender  behandelt.  Die 
strittigen  Indikationen  werden  mit  möglichst  objektiver  Kritik,  unter 
Berücksichtigung  der  ausländischen  Stimmen  vorgeführt.  Die  Ab¬ 
bildungen  sind  bescheiden.  R.  Grashey  - München. 

J.  Lamberg.  Leitfaden  der  ersten  Hilfe.  Berlin-Wien.  Ur¬ 
ban  &  Schwarzenberg  1913.  275  Seiten.  Preis  M.  6. 

Der  vorliegende  Leitfaden  unterscheidet  sich  von  anderen  früher 
besprochenen  ähnlichen  Werken  zunächst  dadurch,  dass  hier  zum 
ersten  Male  eine  Geschichte  der  Entwicklung  des  Samariterwesens 
gegeben  wird.  Ferner  werden  die  plötzlichen  Erkrankungen  aus¬ 
führlicher  als  sonst  behandelt,  um  dem  Helfer  das  Wesen  dieser 
Unfälle  möglichst  klar  zu  gestalten  und  dadurch  ein  sachgemässes 
Eingreifen  zu  ermöglichen.  Auch  die  Strassengeburt  wird  besprochen. 
Da  es  bei  Verschüttung,  bei  Bränden,  bei  elektrischen  Unfällen  etc. 
vor  allem  darauf  ankommt,  die  Verunglückten  sicher  aus  der  ge¬ 
fährdenden  Umgebung  zu  bringen  und  auch  den  Retter  vor  Schaden 
zu  bewahren,  wird  der  Besprechung  der  technischen  Massnahmen 
ein  breiterer  Raum  eingeräumt  als  dies  gewöhnlich  geschieht. 

Der  reiche  Inhalt  des  Buches,  der  sich  auf  dreissigjährige  prak¬ 
tische  Erfahrung  aufbaut,  ward  durch  zahlreiche  gute  Bilder  veran¬ 
schaulicht.  Dr.  Neger. 

Kuhfahl:  Hochgebirgs-  und  Winterphotographie.  Verlag 

von  Wilhelm  Knapp,  Halle  a.  S.,  1912. 

„Dem  Bergsteiger  und  Winterfreund  soll  das  Buch  ein  Ratgeber 
sein,  wenn  er  auf  seinen  Fahrten  neben  touristischen  oder  sportlichen 


1275 


Zwecken  auch  photographische  Ziele  verfolgt“.  Sie  alle,  und  deren 
sind  es  nicht  wenige,  werden  in  dem  flottgeschriebenen  Büchlein  einen 
Freund  finden,  der  ihnen  über  die  nicht  unbeträchtlichen  Schwierig¬ 
keiten  der  Gebirgs-  und  Winterphotographie  rasch  hinwegzukommen 
helfen  wird.  Oberndorfer  -München. 

Mentor:  Erfahrungen  eines  alten  Landschafters,  wie  man  nach 
der  Natur  malen  lernt.  Von  Dr.  J.  M  a  n  e  f  e  1  d.  (Mit  12  Bildern 
nach  Originalen  des  Verfassers.)  Leipzig.  D  i  e  t  e  r  i  c  h  sehe  Ver¬ 
lagsbuchhandlung  Theod.  Weicher.  Geb.  3  Mark. 

Was  das  Büchlein  will,  sagt  der  Titel.  Dass  es  an  dieser 
Stelle  angezeigt  wird,  geschieht  in  der  Annahme,  dass  es  manchem 
Kollegen,  der  selbst  künstlerische  Neigungen  besitzt,  nützlich  sein 
kann,  mehr  aber  noch,  weil  Aerzte  oft  in  die  Lage  kommen,  einem 
Erholungsbedürftigen  zu  raten,  ihm  Ablenkung  und  völlig  veränderte 
Lebensweise  zu  empfehlen.  Solchen  einen  einfachen  Landaufenthalt 
genussreich  zu  machen,  ist  das  Malerbüchlein  wohl  geeignet,  wenn 
nur  ein  wenig  Talent  zum  Zeichnen  vorhanden  ist.  Das  Buch  ist  in 
einfachem  Plauderton  geschrieben;,  es  ist  kein  Lehrbuch,  sondern 
lässt  der  Begabung  den  grössten  Spielraum.  Dafür  zeigt  es  das 
eigentlich  Handwerkerliche  sehr  genau  und  erspart  dadurch  dem 
Lernenden  unangenehme  Erfahrungen. 

Neueste  .Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  101.  Bd.,  1.  und 
2.  Heft. 

L.  Jacob:  Ueber  das  spezifische  Gewicht  des  Harns  bei  Krank¬ 
heiten,  seine  Abhängigkeit  vom  Gesamttrockenrückstand  und  von  den 
einzelnen  Bestandteilen  des  Harns.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Wiirzburg.) 

Die  direkte  Bestimmung  der  Trockensubstanz  des  Harns  nach 
Neubauer  zeigt,  dass  die  Gesamtmenge  der  festen  Stoffe  des 
Harns  sehr  wechselnd  ist.  Bei  Stauungszuständen  z.  B.  ist  sie  relativ 
und  absolut  vermehrt,  trotz  geringer  Nahrungszufuhr,  bei  Nephritis 
teils  normal,  teils  in  weiten  Grenzen  schwankend.  Zieht  man  vom 
Gesamttrockenrückstand  den  Anteil,  der  auf  Harnstoff  +  NaCl  trifft, 
ab,  so  erhält  man  den  sogen,  reduzierten  Trockenrückstand,  der  beim 
Gesunden  14 — 24  g  beträgt,  bei  Krankheiten  aber  von  1 — 48  g 
schwankt;  man  erhält  durch  den  Vergleich  dieser  Werte  unter  sich 
und  mit  dem  Gesamttrockenrückstand  einen  tieferen  Einblick  in  die 
Ausscheidung  der  festen  Stoffe  als  durch  die  Bestimmung  des  spez. 
Gewichts  oder  die  Kryoskopie  allein.  Auf  das  spez.  Gewicht  trifft 
beim  Gesunden  etwas  mehr  als  die  Hälfte  seitens  des  Harnstoffes 
+  NaCl,  das  übrige  trifft  auf  die  anderen  gelösten  Substanzen,  die 
aber  beim  Kranken  manchmal  über  2U  des  gesamten  spez.  Gewichts 
betragen  (reduziertes  spez.  Gewicht).  Der  Anteil  des  dysoxydablen 
Kohlenstoffes  am  reduzierten  Trockenrückstand  kann  bis  60  Proz.  be¬ 
tragen,  ist  aber,  besonders  bei  chronischer  Nephritis,  sehr  wechselnd. 
Der  Eiweissgehalt,  wie  er  gewöhnlich  bei  Nephritis  und  beim  Stau¬ 
ungsharn  vorkommt,  ist  unwesentlich  für  die  Höhe  des  spez.  Ge¬ 
wichtes.  Die  Gefrierpunktserniedrigung  geht  im  grossen  und  ganzen 
parallel  dem  spezifischen  Gewicht. 

P.  Baetge:  Zur  Eventratio  diaphragmatica  mit  elektrokardio- 
graphischen  Untersuchungen.  (Aus  der  med.  Klinik  Düsseldorf.)  (Mit 
17  Abbildungen.) 

Nach  kurzer  Mitteilung  zweier  Fälle  sucht  der  Verf.  an  Hand 
einer  eigenen  Beobachtung  zu  zeigen,  dass  die  typische  Verlagerung 
des  Herzens  nach  rechts  bei  der  Eventratio  diaphragmatica  eine 
grosse  Rolle  spielt  beim  Zustandekommen  des  elektrokardio- 
graphischen  Bildes.  Bei  der  Entstehung  dieses  seltenen  Krankheits¬ 
bildes  kommt  eine  Entwicklungsanomalie  der  Lungen  und  eine  hie¬ 
durch  bedingte  Störung  des  intrathorakalen  Gleichgewichts  als  pri¬ 
märe  Ursache  mit  in  Frage. 

O.  Roth:  Zur  Frage  des  „Iktere  hemolisinique“  (C  h  a  u  f  f  a  r  d). 

(Aus  der  med.  Universitätsklinik  in  Zürich.) 

Bei  einem  Fall  von  perniziöser  Anämie  mit  den  Zeichen  hoch¬ 
gradigster  Erythrozytenzerstörung  konnten  die  Erscheinungen  der 
Autohämolyse  und  Autoagglutination  nachgewiesen  werden.  Diese 
sind  wahrscheinlich  Folgen  einer  primären  strukturellen  Schädigung 
der  Erythrozyten,  wodurch  dieselben  imstande  sind,  die  eigenen 
Isohämolysine  resp.  Agglutinine  zu  binden;  die  Annahme  eines  iktere 
hemolysinique  im  Sinne  Chauffards  als  eines  typischen  Krank¬ 
heitsbildes  erscheint  unbegründet. 

Fr.  H.  McCrudden:  Die  Bedeutung  des  Kalziums  für  das 
Wachstum.  (Aus  dem  Rockfeiler  Institute  Hospital,  New  York.) 
(Mit  Tafel  1  und  2.) 

In  manchen  Fällen  von  Infantilismus  besteht  eine  mangelhafte 
Entwicklung  des  Skeletts  infolge  Störung  des  Kalziumstoffwechsels. 
Die  Knochen  sind  zart  und  brüchig,  grosse  Mengen  Kalzium  gehen 
durch  den  Stuhl  verloren,  der  Harn  ist  fast  frei  von  Kalzium. 
Andere  Formen  des  Zwergwuchses  zeigen  keine  Störung  des  Kalzium¬ 
stoffwechsels,  ihre  Knochen  sind  von  normaler  Solidität.  Solche 
Fälle  zeigen  keinen  Mangel  an  Wachstumsmaterial,  sondern  an 
„Wachstumstrieb“. 

O.  Renner:  Ueber  die  Innervation  der  Niere.  (Aus  der  inneren 
Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  in  Augsburg.)  (Mit  2  Text¬ 
abbildungen  und  Tafel  3,  4.) 

Nach  anatomischen  und  physiologischen  Vorbemerkungen,  wo¬ 
bei  insbesondere  der  Einfluss  des  Vagus  und  Splanchnikus  auf  die 


1276 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


;  lerensekretion  erörtert  wird,  folgt  eine  Besprechung  der  reflek¬ 
torischen  und  zentralen  Beeinflussung  der  Nierentätigkeit,  woran  sich 
Oie  Sensibilität  und  die  pharmakologische  Einwirkung  auf  die  Nieren- 
innervation  anschliesst.  Die  Nierensekretion  ist  ein  aus  2  Kompo¬ 
nenten  zusammengesetzter  Vorgang,  aus  der  Tätigkeit  im  Nieren- 
gefasssystem  und  der  Funktion  der  Nierenepithelien  in  den  Harn¬ 
kanälchen.  Nur  der  Nerveneinfluss  auf  die  Vasomotoren  der  Niere 
ist  bisher  untersucht.  Welchen  Nerveneinfliissen  der  drüsige  Teil  der 
:  lcre  zugänglich  ist,  ob  auch  hier  wie  bei  anderen  doppelsinnig 
innervierten  Organen  der  Antagonismus  zwischen  Vagus  und  Sym¬ 
pathikus  gewahrt  ist,  ist  eine  noch  ungeklärte  Frage. 


11.  Freund  und  Fr.  Marchand:  Ueber  das  Verhalten  des 
Blutzuckers  im  Fieber.  (Aus  der  med.  Klinik  Heidelberg.) 

Die  im  Fieber  häufig  zu  beobachtende  Hyperglykämie  ist  nur 
zum  I eil  durch  die  erhöhte  Körpertemperatur  hervorgerufen;  das 
wesentliche  scheint  die  Art  und  vor  allem  die  Schwere  der  Infektion 
zu  sein.  Der  erhöhte  Zuckergehalt  des  Blutes  ist  als  Symptom  der 
Infektion  neben  dem  Fieber  aufzufassen,  ohne  in  ursächlichem  Zu¬ 
sammenhang  mit  der  erhöhten  Körpertemperatur  zu  stehen. 


W  i  1 1  i  c  h :  Heber  den  Wert  der  Karellkur  zur  Behandlung  von 
Kreislaufstörungen.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Stadtkranken¬ 
hauses  Johannstadt  zu  Dresden.)  (Mit  2  Kurven.) 

Die  Karellkur  ist  sowohl  allein  als  auch  in  Verbindung  mit  relativ 
geringen  Dosen  von  Herzmitteln  oder  Diureticis  durchaus  geeignet, 
bei  Störungen  des  Kreislaufes,  besonders  rein  kardialer  Natur,  mit 
Stauungserscheinungen  jeden  Grades  eine  völlige  Kompensation  der 
Herztätigkeit  herbeizuführen.  Nach  langdauerndem  Gebrauch  von 
Herzmitteln  bzw.  nach  deren  Versagen  lässt  sich  mit  einer  strengen 
Karellkur  eine  Kreislaufstörung  beseitigen  und  das  Herz  für  andere 
Mittel  empfänglich  machen,  eine  Wiederholung  der  Kur  ist  im  Bedarfs¬ 
fälle  unbedenklich.  Bei  Herzinsuffizienz  infolge  Vitium  cordis,  Peri¬ 
karditis,  arteriosklerotischer  Myokarditis,  Nephritis  ist  die  Kom¬ 
bination  von  Karell  mit  Medikamenten  angezeigt.  Die  Kur  ist  bei 
Kranken  mit  urämischen  Symptomen  kontraindiziert.  Die  Steigerung 
der  Diurese  und  der  Kochsalzauschwemmung  mit  promptem  Ver¬ 
schwinden  von  Oedemen  und  Höhlenhydrops  steht  im  Vordergrund, 
die  Arhythmie  und  abnorme  Herzfreauenz  werden  weniger  beein¬ 
flusst,  der  pathologisch  gesteigerte  Blutdruck  sinkt  oft 'erheblich. 
Das  völlige  Versagen  der  Kur  hat  eine  prognostisch  ungünstige  Be¬ 
deutung.  Die  Kontrolle  der  NaCl-Bilanz  ist  ein  feines  Reagens  für  die 
Wirkung  der  Kur  und  die  Erkennung  des  Eintrittes  der  Kompensation, 
insbesondere  auch  für  eine  event.  Wiederholung  der  Kur,  bei  der  die 
Flüssigkeitsbeschränkung  und  die  Kochsalzarmut  der  Diät  als  koor¬ 
diniert  wirkende  Faktoren  anzusehen  sind. 


F.  G.  Benedict:  Der  Einfluss  der  Nahrungsaufnahme  auf  den 
Stoffwechsel.  (Aus  dem  Nutrition  Laboratory  of  the  Carnegie  Insti¬ 
tution  of  Washington,  Boston,  Massachusetts,'  Vereinigte  Staaten  von 
Nordamerika.) 

Mit  der  Aufnahme  von  allen  Arten  von  Nahrungsmitteln  ist  ein 
erhöhter  Stoffwechsel  verbunden,  dessen  Intensität  von  der  Nahrung 
abhängig  ist.  Die  am  längsten  anhaltende  Erhöhung  fand  sich  nach 
Aufnahme  von  Proteiden,  aber  auch  nach  Kohlehydratzufuhr  fand  sich 
eine  erhebliche  Erhöhung.  Die  Steigerung  des  Stoffwechsels  war 
nach  Aufnahme  von  Eiweisskörpern  viel  grösser  als  nach  Kohle¬ 
hydraten,  doch  reagierte  der  Körper  rascher  auf  letztere  als  auf 
Proteide.  Der  Einfluss  von  Dextrose  war  am  geringsten,  Lävulose 
und  Rohrzucker  riefen  eine  grössere  Stoffwechselzunahme  hervor. 
Aus  der  Nahrung  werden  also  Stoffe  aufgenommen,  welche  durch 
das  Blut  an  die  Zellen  gebracht,  diese  zu  erhöhter  Tätigkeit  anregen 
und  wahrscheinlich  Säurecharakter  haben. 

W'  N  onnenbruch:  Zur  Kenntnis  der  Funktion  der  Stauungs¬ 
niere.  (Aus  der  med.  Klinik  Wiirzburg.) 

Die  Stauungsniere  kann  funktionell  der  echten,  diffusen  Nephritis 
gleichen,  bei  der  die  Funktion  der  Glomeruli  und  Tubuli  gestört  ist 
Die  Stauungsniere  gleicht  hinsichtlich  der  NaCl-Retention  der  tubu- 
lären,  hinsichtlich  der  Oligurie  der  schweren  vaskulären  Form  der 
Nephi  itis,  ebenso  in  Bezug  auf  N-Retention.  Die  Wasserretention  ist 
''!er  ^er  nicht  dadurch  bedingt,  dass,  wie  bei  der  echten  Nephritis, 
die  Niere  das  Wasser  nicht  ausscheiden  kann,  sondern  dadurch,  dass 
der  Körper  das  Wasser  zurückhält,  ebenso  das  NaCl.  Kommt  die 
miese  mit  steigender  Herzkraft  wieder  in  Gang,  so  verschwinden 
die  Wasser-,  NaCI-  und  N-Retention,  die  Niere  arbeitet  dann  wieder 
wie  eine  gesunde,  im  Gegensatz  zur  nephritischen  Niere. 

Focke:  Kleine  Mitteilungen, 

Was  bedeuten  die  neuen  Befunde  von  G  o  1 1 1  i  e  b  und  O  g  a  w  a 
über  die  Digitoxinresorption  für  die  ärztliche  Praxis? 

Das  Digipuratum  ist  ein  brauchbares  Digitalispräparat.  Weil 
aber  wichtige,  wirkungssteigernde  und  gefahrmindernde  Stoffe  aus 
den  Blattern  bei  der  Herstellung  des  Digipuratums  entfernt  werden 
so  verdient  das  Digipuratum  nicht  als  „gereinigtes“  Digitalisextrakt 
oder  als  eine  Verbesserung  der  Folia  Digitalis  titrata  bezeichnet  zu 
werden. 

R.  Gott  lieb:  Erwiderung  auf  die  vorstehende  Kritik  von 
Focke. 

Ueber  den  therapeutischen  Vergleich  von  Digipuratum  und  Fol. 
ig.  td.  kann  erst  eine  jahrelange  Erfahrung  am  Krankenbette  end¬ 
gültig  entscheiden. 

J.  Ci  tron:  Heber  die  Bedeutung  der  Antikörper  bei  der 
I  uberkulose.  (Erwiderung  auf  die  unter  gleichem  Titel  erschienene  I 


Arbeit  von  Johannes  Schürer,  dieses  Archiv,  109.  Bd.,  1.  und 
Heit,  pag.  112  f.)  (Aus  der  II.  med.  Universitätsklinik  zu  Berlin) 

J.  Sch  u  rer:  Bemerkungen  zu  vorstehender  Erwiderung. 

Bamberger  -  Kronach. 

Zeitschrift  für  Immunitätsforschung  und  experimentelle 

Therapie.  16.  Band.  4.  Heft  (Auswahl). 

/•J?-!  *  e  ^  e  l*nd  U-  Embleton:  Aktive  und  passive  Ueher- 

empiindlichkeit  gegen  Tuberkelbazillen  und  die  Beziehungen  /„r 
Tuberkuhnreaktion  beim  Menschen. 

crpn,,iY^+ßSSe'r  bestätigen, dass  es  gelingt,  durch  Injektion  von  fein 
^Pfer.en  uberkclbazillen  Meerschweinchen  überempfindlich  zu 

reiarUIM  anaPliylaktische  Erscheinungen  zu  erzielen.  Die  Ueber- 
emptindhchkeit  kann  von  einem  aktiv  überempfindlichen  Meer- 
tai.'f  e’n,.anderes  Passiv  übertragen  werden,  ebenso  von 
hochgradig  tuberkulmempfindlichen  Menschen.  Mit  abgepassten 
ose n  von  I  uberkuhn  konnte  man  bei  aktiv  überempfindlichen  Meer¬ 
schweinchen  entweder  Fieber  oder  Temperatursenkung  erreichen 
dagegen  me  eine  kutane  Reaktion.  Aus  ihren  Versuchen  schliesseii 
die  Autoren,  dass  der  reagierende  Antikörper,  der  mit  Tuberkulin  bei 
uberkulosen  die  charakteristische  Reaktion  hervorruft,  identisch  ist 
mit  dem,  der  bei  aktiv  oder  passiv  überempfindlichen  Meer- 
scnweinchen  Anaphylaxie  und  Temperaturveränderungen  verursaciit 

Dieselben:  Einige  Beobachtungen  bei  der  Wasser  in  a  n  n  - 
sehen  Reaktion. 

Aus  den  Resultaten  der  Autoren  sei  folgendes  hervorgehoben’ 
Die  komplementbmdende  Eigenschaft  eines  Serums  ist  unabhängig 
von  dem  Reichtum  eines  Gewebes  an  Spirochäten  oder  deren  Zerfalls- 
prodiikten.  Syphilitische  Orgaiiextrakte  binden  nicht  besser  als  nieht- 
syphilitische.  Die  antigene  Eigenschaft  dieser  letzten  ist  eng  an  die 
Phosphatide  gebunden,  dagegen  nicht  an  besondere  physikalische 
Zustände  oder  an  Cholesterin.  Die  Seren  von  urämischen  oder 
nar  „!sierten  Patienten,  auch  Leichensera,  besitzen  antikomplemen- 
tare  Eigenschaften  und  geben  keine  echte  Wassermannreaktion.  Das 
Komplement  bei  der  Wassermann  sehen  Reaktion  wird  gebunden 
wie  bei  Rezeptoren  zweiter  Ordnung  und  kann  wieder  frei  gemacht 
werden:  es  wird  nicht  vergiftet  oder  durch  Fermente  vernichtet. 
Wenn  man  zwei  antikomplementäre  Substanzen  zusammenmischt,  so 
wird  die  komplementadsorbierende  Kraft  des  Gemenges  viel  grösser 
als  die  Summe  der  Mengen,  die  durch  die  einzelnen  Komponenten 
allein  adsorbiert  wird.  Durch  die  Injektion  von  Geweben  homogener 
Herkunft  erwirbt  das  Serum  das  Vermögen,  eine  echte  Wasser- 
m  a  n  n  sehe  Reaktion  zu  geben. 

H.  Dold  und  S.  Ogata:  Weitere  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
wässerigen  Organextraktgifte. 

Verfasser  haben  früher  gezeigt,  dass  die  unmittelbare  Todes¬ 
ursache  nach  intravenöser  Injektion  von  wässerigen  Organextrakten 
bei  Kaninchen  in  der  intravitalen  Gerinnung  in  den  Lungenarterien 
liegt.  Es  lag  nahe  diese  Wirkung  durch  vorherige  oder  gleichzeitige 
Injektion  von  Blutegelsubstanz  aufzuheben,  und  das  gelang  auch 
tatsächlich  nach  dem  Vorgänge  von  B  laizot  und  Gley.  Ebenso 
wie  diese  Autoren  konnten  Verfasser  aber  auch  feststellen,  dass  das 
Hirudin  nur  gegen  einfache,  dagegen  nicht  gegen  mehrfach  tödliche 
Dosen  der  Organextrakte  schützt.  Das  ebenfalls  blutgerinnungs¬ 
hemmende  Pepton  zeigte  keine  sichere  und  eindeutige  Wirkung.  — 
Von  mehreren  Autoren  ist  die  Ansicht  ausgesprochen  worden,  dass 
die  Giftigkeit  der  Organextrakte  auf  der  Wirkung  kleinster  in  der 
Flüssigkeit  suspendierter  Partikel  beruht.  Diese  Angabe  konnten  die 
Verfasser  nicht  bestätigen.  Sie  konnten  Tusche,  Karmin,  Kaolin  und 
Argill  den  Kaninchen  in  relativ  grossen  Dosen  intravenös  einspritzen, 
ohne  dass  die  Tiere  daran  zugrunde  gingen. 

L.  S  a  a  t  h  o  f  f  -  Oberstdorf. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  122.  Band,  1. — 2.  Heft. 

1913. 

S.  Muroya:  Experimentelle  Untersuchungen  über  Novokain 
bei  Paravertebralinjektion.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  der  Universität 

Heidelberg.) 

150  Versuche  an  98  Kaninchen  mit  paravertebraler,  subkutaner 
und  intravenöser  Injektion  von  Novokain.  Die  tödliche  Dosis  bei 
subkutaner  Injektion  des  Novokains  betrug  0,35—0,39  pro  kg  Körper¬ 
gewicht  beim  Kaninchen.  Subkutaninjektion  von  0,169  pro  kg  ver¬ 
ursacht  keine  Vergiftungserscheinungen,  paravertebral  injiziert 
wirken  0,155  oder  0,135  g  pro  kg  noch  tödlich,  0,025  g  paravertebral 
wirken  nicht  mehr  giftig.  Diese  grössere  Gefährlichkeit  der  Para¬ 
vertebralinjektion  ist  die  Folge  der  raschen  Resorptionsgeschwindig- 
keit  bei  dieser  Applikationsweise.  Durch  Nebeninjektion  von  Gelatine¬ 
oder  Kochsalzlösung  mit  oder  ohne  Adrenalinzusatz  kann  nun,  wie 
Verfasser  nachwies,  die  Resorption  des  Novokains  mechanisch  ver¬ 
ringert  werden;  wendet  man  Gelatine  mit  Adrenalin  als  Schutzlösung 
an,  so  kann  die  Dosis  der  Paravertebralinjektion  bis  zu  2/s  oder  noch 
mehr  der  Subkutaninjektion  gesteigert  werden.  Des  weiteren  stellte 
Verfasser  fest,  dass  nach  vorhergehender  paravertebraler  Injektion 
von  5  proz.  Gelatinelösung  mit  Adrenalinzusatz  in  der  Höhe  des 
6.  Brustwirbels  bei  einer  nun  folgenden  epiduralen  Injektion  von 
gefärbter  0,5  proz.  Novokain-Adrenalinlösung  in  einigen  Versuchen 
sich  die  Blaufärbung  ziemlich  auf  das  Gebiet  der  Barrikade  be¬ 
schränkte.  Obwohl  eine  Schutzwirkung  der  Barrikade  zweifelhaft 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1277 


10.  Juni  1913. 


ist,  hält  \  erfasser  doch  das  Verfahren  für  praktisch  anwendbar 
speziell  für  Operationen  an  der  unteren  Bauchgegend. 

W.  Q  o  e  b  e  1  -  Köln  :  Chirurgische  Erfahrungen  aus  dem  Balkan- 

kriege. 

Vergl.  Allgem.  Aerztl.  Verein  Köln,  Sitzung  vorn  13.  Januar  1913. 
Miincli.  med.  Wochenschr.  No.  9,  1913,  pag.  496. 

A.  P  o  1  a  c  c  o  und  A.  Neu  m  ann:  Zur  Aetiologie,  Symptomato¬ 
logie  und  Pathogenese  der  akuten  Darmstrangulation.  (Aus  detn 
k.  k.  Lagerspital  in  Bruck  a.  L.  und  der  Prosektur  des  k.  k.  Garnisoti- 
spitals  No.  1  in  Wien.) 

Bei  der  Operation  des  im  Anschluss  an  einen  Stoss  in  die  Magen¬ 
grube  akut  erkrankten  Kanoniers  fand  sich  das  Jejunum  ungefähr  in 
der  Mitte  durch  einen  ca.  8,5  cm  langen,  dünnen,  ringförmigen  Binde- 
gewebsstrang  inkarzeriert,  der  von  einer  Ileumschlinge  zur  anderen 
ging.  Zwischen  den  Dünndarmschlingen  fanden  sich  überall  stärkere 
und  schwächere  Bindegewebsstränge  mit  Anhängen  von  Erbsenform 
und  -grosse.  Durchtrennung  der  Einschnürung;  Heilung.  Das  Zu¬ 
standekommen  der  Strangulation  denkt  sich  Verfasser  so,  dass  zwei 
der  eben  genannten  Korpuskula  mit  der  Spitze  verwachsen  sind, 
so  dass  nach  Annähung  der  Ileumschenkel  ein  Ring  zustande  kam, 
in  den  die  Jejunumschlinge  hineinschlüpfen  konnte,  um  bei  Entfernung 
der  Schenkel  der  Ileumschlinge  voneinander  stranguliert  zu  werden. 
Die  Korpuskula  sind  aufzufassen  als  das  Produkt  einer  abgelaufenen 
Peritonitis.  Auffallend  war  ferner  an  dem  Fall  eine  Bradykardie 
(52  Pulse)  durch  reflektorische  Vagusreizung. 

Walther  Speck:  Luxation  der  Hand  radiahvärts  mit  isolierter 
Luxation  des  Kahnbeins  volarwärts.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung' 
des  Diakonissenhauses  zu  Leipzig-Lindenau.) 

Röntgenbefund  bei  einem  27  jährigen  Arbeiter,  dessen  Hand  durch 
ein  Schwungrad  „stark  gestaucht  und  überbogen“  wurde.  Reposition 
gelang  nach  Auffüllung  der  Gelenkkapsel  mit  Vz  proz.  Novokain¬ 
lösung  (nach  Payr).  Literatur  über  Kahnbeinluxationen. 

Otto  Warschauer:  Ueber  freie  Faszientransplantation. 
(Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  St.  Vincenzstifts  in  Hannover.) 

Nach  einem  Ueberblick  über  die  Literatur  werden  die  von 
T  hole  mit  freier  Faszientransplantation  operierten  Fälle  be¬ 
sprochen:  in  10  Fällen  von  Bauchbriichen  und  Bauchwanddefekten 
hatte  die  Transplantation  vollen  Erfolg,  einmal  wurde  Faszie  nach 
Resektion  eines  Kiefergelenks  transplantiert  zur  Verhütung  von 
Ankylose.  Versuche,  abgestossene  Sehnen  durch  freie  Faszien¬ 
transplantation  zu  ersetzen,  hatten  erst  Erfolg,  als  T  h  ö  1  e  die 
Fäszienstreifen  in  Stücke  der  V.  saphena  einscheidete. 

J.  Mayesima:  Ein  durch  die  F  o  e  r  s  t  e  r  sehe  Operation 
erfolgreich  behandelter  Fall  von  Erythromelalgie.  (Aus  der  Kaiserl. 
Chirurg.  Universitätsklinik  Kyoto  [Japan].) 

Eine  hartnäckige  Erythromelalgie  bei  einer  Hysterika  wurde 
durch  F  o  e  r  s  t  e  r  sehe  Operation  (Resektion  der  4.  und  5.  hinteren 
Lumbal-  sowie  1.  und  2.  Sakralwurze!)  sehr  günstig  beeinflusst. 

Franz  Kuhn:  Zuckerinfusionen,  ein  Prophylaktikum  gegen 
Thrombose.  (Norberthospital-Hauptstrasse,  Berlin-Schöneberg.) 

Kuhn  weist  zunächst  teils  unter  Anwendung  einer  neuen  Me¬ 
thode  nach,  dass  dem  Zucker  im  Reagenzglas  gerinnungshemmende 
Wirkung  zukommt,  auch  innerhalb  des  Gefässsystems  hemmt  er  die 
Gerinnung  des  Blutes.  Die  gerinnungsverzögernde  Eigenschaft  des 
Zuckers  ist  jener  der  Salze  zu  vergleichen.  Da  der  Zucker  ausserdem 
eine  ernährende,  eine  antitoxische  und  eine  blutdruckhebende 
Wirkung  entfaltet,  empfiehlt  es  sich,  der  intravenösen  Kochsalz¬ 
infusion  Zucker  zuzusetzen  und  zwar  empfiehlt  es  sich,  4  Proz. 
Traubenzucker  zu  einer  0,85  proz.  Kochsalzlösung  zuzusetzen,  diese 
Lösung  ist  isotonisch.  Auf  Grund  der  Untersuchungen  von 
Schücking  setzt  Kuhn  noch  Natrium  und  Kalziumsacharat  zu  und 
empfiehlt  also:  Dextrose  4,0,  Natriumsacharat  0,04,  Kalzium¬ 
sacharat  0,04,  Natriumchlorat  0,85,  Aqua  dest.  100,0  als  Normallösung. 

Die  abgeteilte  Menge  der  Substanzen  liefert  B.  Braun- 
Melsungen. 

F.  L.  Dumont:  Experimentelle  Beiträge  zur  Pathogenese  der 
akuten  hämatogenen  Osteomyelitis.  (Aus  dem  Institut  zur  Er¬ 
forschung  der  Infektionskrankheiten  der  Universität  Bern.) 

Experimentelle  Untersuchungen  am  Kaninchen,  die  sich  besonders 
mit  der  Entstehungsweise  der  allerersten  Anfänge  der  eitrigen  Osteo¬ 
myelitis  beschäftigen.  Aus  den  Ergebnissen  der  sorgfältigen  Arbeit 
sei  folgendes  hervorgehoben: 

Am  wachsenden  Kaninchen  kann  man  durch  intravenöse  Injektion 
von  Staphylokokkenkulturen  eine  akute  hämatogene  eitrige  Osteo¬ 
myelitis  erzeugen.  Bedingung  ist  aber,  dass  die  Kulturen  auf 
Kaninchenblut  hämolytisch  wirken. 

Wirksam  waren  Kulturen  sowohl  von  Staphylococcus  pyogenes 
aureus  als  auch  von  albus,  ausschlaggebend  ist  die  Virulenz. 

Ein  „Bac.  osteomyelitidis“  (Hencke)  existiert  nicht.  L  e xe  r  s 
Erklärung,  dass  die  Staphylokokken  am  Ort  ihrer  Ablagerung  in  den 
feinsten  Gefässen  der  Metaphyse  hauptsächlich  zu  Haufen  aus- 
wachsen  und  so  zum  Kern  eines  Eiterherdes  werden,  ist  durch 
Dumonts  Versuchsanordnung  experimentell  bewiesen. 

Rene  Leriche:  Chirurgische  Gedanken  über  die  Heliotherapie, 
besonders  bei  tuberkulösen  Erkrankungen  im  Kindesalter.  (Aus  der 
Chirurg.  Universitätsklinik  in  Lyon.) 

Poncet,  des  Verfassers  Lehrer,  hat  als  erster  die  wirkliche 
therapeutische  Wirkung  der  Sonnenstrahlen  gezeigt,  sie  bei  allen 
möglichen  tuberkulösen  und  nicht  tuberkulösen  Erkrankungen  an¬ 


gewandt.  Man  sollte  daher  die  Heliotherapie  als  P  o  n  c  e  t  s  Methode 
bezeichnen : 

Kurze  Mitteilungen: 

Bertelsmann:  Soll  im  Intermediärstadium  der  akuten 
Appendizitis  operiert  werden?  (Aus  dem  Roten  Kreuz  in  Kassel.) 

Bertelsmann  erklärt  sich  als  Anhänger  der  Appendizitis¬ 
operation  auch  noch  im  intermediären  Stadium.  Von  590  Operationen 
in  4  Jahren  verlor  er  3  Proz.,  in  keinem  Falle  ist  der  unglückliche 
Ausgang  der  Operation  im  intermediären  Stadium  zuzuschreiben. 
Seiner  Ansicht  nach  liegen  auch  noch  im  intermediären  Stadium  die 
Verhältnisse  für  eine  Operation  günstig,  da  die  Wehrkräfte  des  Peri¬ 
toneum  noch  mobil  sind.  Bei  älteren  fest  abgekapselten  Abszessen 
ist  allerdings  das  Peritoneum  sehr  sorgfältig  zu  schützen,  hier  wurde 
gewöhnlich  der  Wurmfortsatz  nicht  mit  entfernt.  Zur  Vermeidung 
von  Bauchbrüchen  wurde  in  Fällen,  wo  das  Peritoneum  nicht  voll¬ 
ständig  verschlossen  werden  konnte,  prinzipiell  nachoperiert. 

Bertelsmann:  Zur  Technik  der  Appendektomie.  (Aus  dem 
Roten  Kreuz  in  Kassel.) 

Bertelsmann  trägt  gewöhnlich  den  an  der  Basis  ge¬ 
quetschten  Wurmfortsatz  mit  Paquelin  ab  und  benutzt  zum  Abbinden 
und  Versenken  K  u  h  n  sches  Katgut,  die  Versenkungsnaht  wird  erst 
nach  Abtragung  des  Wurmfortsatzes  angelegt.  Der  bis  an  die  Basis 
gangränöse  Prozessus  wird  zunächst  mit  Durchstechungsnaht  ab¬ 
gebunden. 

Rene  Leriche:  Dehnung  des  Plexus  solaris  wegen  tabischer 
gastrischer  Krisen.  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik  in  Lyon.) 

Bei  einem  Patienten  mit  Rezidiv  nach  F  o  e  r  s  t  e  r  scher  Ope¬ 
ration  erzielte  Leriche  Heilung  durch  Dehnung  des  Plexus  solaris 
nach  J  a  b  o  u  1  a  y. 

S.  B.  de  Groot:  Erwiderung  auf  die  kritischen  Bemerkungen 
Ritters  zu  meiner  Arbeit  über  das  Entstehen  und  Verschwinden 
von  Lymphdriisen.  F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Paderborn. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  p.  v  Brun  s. 
84.  Band,  1.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp,  1913. 

Das  Prof.  Em.  Reczey  gewidmete  und  mit  seinem  Porträt  ge¬ 
zierte  Heft  enthält  ausschliesslich  Arbeiten  von  seinen  ehemaligen  und 
jetzigen  Schülern. 

Paul  K  u  z  m  i  k  gibt  aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  neuen 
St.  Johanniskrankenhauses  in  Pest  Beiträge  zur  operativen  Behand¬ 
lung  der  Venektasien  der  unteren  Extremität.  Nach  geschichtlichen 
Bemerkungen  über  die  Varizenbehandlung  und  solchen  über  prophy¬ 
laktische  Massnahmen  geht  K.  auf  die  T  rendelenburg  sehe 
Unterbindung  der  Saphena,  die  M  a*d  e  1  u  n  g  sehe  Operation  des  Äus- 
präparierens  der  diktierten  Venen  und  die  N  a  r  a  t  h  sehe  Modi¬ 
fikation,  die  D  e  1  b  e  t  sehe  Operation  näher  ein,  er  findet  sämtliche 
Methoden  eingreifend  und  nicht  genügend  den  Erfolg  sichernd  und 
heilte  seit  1908  auf  einfache  und  schnelle  Art  seine  Vari-zenkranken 
auch  bei  hochgradiger  Affektion  und  ohne  entstellende  Narben, 
indem  er  die  erweiterte  Vene  längs  ihres  Verlaufes  an  mehreren 
Stellen  ohne  Auspräparieren  derselben  mittelst  Seidenfaden  umsticht. 
Die  Vorbereitung  wird  am  Tag  vor  der  Operation  in  stehender  Stellung 
nach  Abrasieren  der  Haut  durch  Bestreichen  mit  photographischem 
Entwickler  vorgenommen  und  dann  mittels  spitzem  Lapisstift  die 
erweiterte  Vene  nebst  sämtlichen  Ausbuchtungen  bezeichnet.  Nach¬ 
dem  diese  so  dunkel  markiert  sind,  wird  der  Entwickler  im  Bad  ab¬ 
gewaschen,  am  nächsten  oder  drittfolgenden  Tag  die  Operation  in 
allgemeiner  Anästhesie  oder  Lumbalanästhesie  vollzogen,  die  Haut 
nach  Abwaschung  mit  Aether  2  mal  mit  5  proz.  Jodkali  bestrichen, 
wodurch  die  früher  schwarze  Zeichnung  gelb  wird  (Jodsilber).  Die 
Umstechungen  beginnen  zentral  mit  Seidenfaden  mit  stark  ge¬ 
krümmter  Nadel.  Ein-  und  Ausstechen  geschieht  0,4 — 0,5  cm  vom 
Rand  des  Blutgefässes  entfernt  und  soll  die  Nadel  womöglich  bis 
zur  Faszie  dringen,  jeder  Faden  wird  sofort  geknüpft,  indem  ein 
1,5 — 2  cm  langes  Gazeröllchen  unter  denselben  gelegt  wird,  was  das 
Zusammenpressen  der  Gefässwand  sichert  und  Durchschneiden  des 
Fadens  vermeidet.  Diese  Umstechungen  werden  in  einer  Entfernung 
von  ca.  5  cm  angebracht  so,  dass  bei  Einmündung  eines  jeden  Seiten¬ 
zweiges  eine  solche  angebracht  wird.  Bei  grossen  buchtigen  kaver¬ 
nösen  Partien  werden  die  Umstechungen  dichter  (ev.  sich  kreuzend) 
angelegt.  Der  Verband  wird  am  12.  Tag  gewechselt,  die  Nähte  dabei 
entfernt,  die  Stelle  mit  Dermatol  bestreut,  das  Bein  noch  2—3  Tage 
steril  verbunden.  Am  14. — 15.  Tag  wird  das  erste  Bad  verordnet. 
Die  Gefässränder  mit  verletzter  Intima  wachsen  nach  12  Tagen  voll¬ 
kommen  zusammen,  die  anfangs  (durch  wandständige  Blutgerinnsel) 
dicken  Stränge  verschwinden  nach  kurzer  Zeit. 

Tibor  v.  Verebely  berichtet  über  den  Zottenkropf,  bespricht 
die  Einteilung  der  epithelialen  Halsgeschwülste  und  teilt  (unter 
116  Kropffällen  der  letzten  V/z  Jahre)  3  Fälle  von  auffällig  zottiger 
Struktur  nebst  einem  4.  Fall  aus  D  o  1 1  i  n  g  e  r  s  Klinik  mit.  (2  sog. 
Papillome  und  1  Zystadenom  papilliforme  proliferans,  im  4.  Fall  er¬ 
schien  das  Zottengewächs  als  fast  nebensächlicher  Befund  in  einer 
Zyste.) 

Mich.  Horvath  berichtet  über  die  nach  Reposition  von  kon¬ 
genitalen  Hiiftluxationen  entstandenen  Oberschenkeldeformitäten  und 

bespricht  die  postoperativen  Deformierungen  des  oberen  Femurendes, 
12  Fälle  von  Coxa  vara  nach  270  Repositionen  (8,2  Proz.  der  Fälle), 
er  plädiert  für  die  Reposition  wenn  möglich  im  2.-3.  Lebensjahr, 
bei  älteren  Kindern  soll  die  Reposition  so  vorgenommen  werden, 


1278 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


dass  das  mit  ihr  verbundene  Trauma  möglichst  gering  ist.  Bei  älteren 
Kindern  darf  mar.  allzu  starke  Oelenkstarre  nicht  zustande  kommen 
assen.  Zu  diesem  Zweck  muss  der  Verband  häufig  gewechselt  und 
auf  d!ese  Art  das  Minimum  der  Fixationszeit  bestimmt  werden.  Auch 
wahrend  der  Nachbehandlung  sollen  gewaltsame  Eingriffe  nach  Mög¬ 
lichkeit  vermieden  werden. 

Des.  Räskay  berichtet  über  die  Dauerresultate  der  ver¬ 
schiedenen  Behandlungsarten  der  Harnröhrenstrikturen  nach  seinen 
r.riahr ungen  an  517  Fällen  (23  mit  äusserem  Harnröhrenschnitt. 
11_  interne  Urethrotomien,  361  mit  gewöhnlicher  temporärer  Dehnung 
behandelt).  Bei  letzterer  wurde  nach  Einführung  des  filiformen 
Dougie  dieses  24  48  Stunden  in  der  Harnröhre  belassen  und  dann 
die  weitere  Dehnung  bis  zu  Char.  18—19  mit  Olivenbougie,  von  da 
mit  B  e  n  i  q  u  e  sehen  Sonden  ausgeführt.  Bei  der  internen  Urethro- 
tomie  benützt  R.  das  A  1  b  a  r  r  a  n  sehe  Instrument,  der  Einschnitt 
wurde  immer  doppelseitig  gemacht,  Catheter  ä  double  courant 
dann  noch  24— 36  Stunden  in  der  Harnröhre  belassen,  dann  englische 
Katheter  10 — 12,  nach  6  Tagen  wurde  der  ständige  Katheter  weg¬ 
gelassen  und  Pat.  10 — 14  Tage  eirmr  systematischen  Sondenbehand¬ 
lung  mit  Ueberdehnung  der  Harnröhre  unterzogen. 

Theod.  v.  Wenczel  referiert  aus  der  Frauenklinik  No.  1  zu 
cst  über  Thrombosen  und  Embolien  nach  gynäkologischen  Ope- 
rationen,  bespricht  Prophylaxe,  Diagnose  und  Behandlung.  Nach 
überstandener  Operation  (Laparotomie)  wird  Bewegung  im  Bett  ge¬ 
stattet,  am  8.  Tag  wird  es  den  Pat.  überlassen,  ob  sie  aufstehen 
wollen,  die  meisten  verbringen  12— 14  Tage  zu  Bett.  Nach  336  Ovario- 
tomieu  konstatierte  H.  4  mal  Thrombose  (2  mal  mit  Lungenembolie). 

Milos  Bogdäno  witsch  gibt  eine  Arbeit  über  Appendix  und 
weibliche  Genitalien,  bespricht  speziell  die  Differentialdiagnose 
zwischen  Appendizitis  und  entzündlichen  Erkrankungen  der  weib- 
hchen  Genitalien,  von  Stieldrehung,  von  Ovarienzysten  extrauteriner 
und  1  ubargravidität  und  die  schwierige  Unterscheidung  chronischer 
appendizitärer  gynäkologischer  Erkrankungen.  Panchow  fand  bei 
400  Adnexoperationen  in  22  Proz.  die  Appendix  als  Ursache,  die 
meisten  Gynäkologen  raten  (wie  auch-  B.)  gelegentlich  jeder  Laparo¬ 
tomie  den  Appendix  aufzusuchen  und  im  Fall  der  geringfügigsten  Ver¬ 
änderungen  zu  exstirpieren. 

Des.  B  a  1  ä  s  bespricht  die  Bedeutung  chirurgischer  Eingriffe  in 
der  Bauchhöhle  bei  Kindern,  beleuchtet  speziell  die  Verhältnisse  bei 
Appendizitis,  Ileus  und  Peritonitis  gegenüber  Erwachsenen.  Bei  der 
Diagnose  der  Appendizitis  ist  die  bifnanuelle  Untersuchung  vom 
Rektum  aus  oft  von  unschätzbarem  Wert,  da  besonders  im  3. — 4  Jahr 
die  Druckschmerzhaftigkeit  wegen  der  tiefen  Lage  des  Zoekum  fehlen 
kann.  Die  die  Perityphlitis  begleitende  Urinstörung  kann  in  Form 
selbständiger  Erkrankung  bei  Kindern  auftreten.  Die  Prognose  ist 
bei  Kindern  sehr  viel  ernster  (=  30  Proz.  Mort.) 

Ernst  Boross  berichtet  aus  dem  Franz-Josefspital  zu  Pest 
über  die  eingeklemmten  Uretersteine.  Während  in  der  Untersuchung 
der  Nierensteine  die  Röntgenuntersuchung  das  wichtigste  Verfahren 
zu  sein  scheint,  gibt  bei  Uretersteinen  die  zystoskopische  Unter- 
suchung  (Ui  etei  katheterismus)  wertvollere  Resultate,  womit  wir 
auch  den  Platz  der  Einklemmung  ziemlich  genau  feststellen  können 
Von  12  Fallen  B.s  waren  die  Steine  4  mal  im  Hals  des  Nierenbeckens. 

8  mal  im  vesikulären  unteren  Teil  eingeklemmt.  Röntgen  nur  3  mal 
positiv.  B.  empfiehlt  sterile  Oelinjektionen,  er  führt  den  Ureter¬ 
katheter  7—8  bis  zur  Einklemmung,  beölt  ausgiebig  die  Schleimhaut, 
es  gelingt  dann  entweder  den  Stein  mit  der  Uretersteinzange  zu 
fassen  oder  Stückchen  abzubrechen  und  durch  Wiederholung,  durch 
den  Ureterkatheter  injizierte  10—15  g  warmen  Glyzerins  helfen  durch 
regere  peristaltische  Bewegungen  und  Kontraktionen  des  Ureters  die 
gelockerten  Steinchen  in  der  Regel  in  die  Blase  zu  bringen. 

Moriz  C  h  u  d  o  v  z  k  y  berichtet  aus  dem  allgemeinen  Kranken- 
liause  in  Sätoraljaujhel  über  Blasenbrüche.  Unter  2238  Fällen  von 
Hermenoperationen  wurde  44  mal  die  Blase  im  Bruch  konstatiert 
(Wolfler).  Ch.  teilt  5  Fälle  näher  mit  (die  auf  550  Hernienfälle 
überhaupt  entfallen),  die  zeigen,  dass  die  Heilung  dabei  eine  günstige 
ist,  wenn  wir  bei  der  Ausführung  der  Operation  die  spezifischen 
Umstände  des  Falles  berücksichtigen. 

Aladar  Fischer  berichtet  über  die  chirurgische  Behandlung  der 
Ectopia  testis  und  schildert  u.  a.  ein  9  mal  mit  Erfolg  angewandtes 
Verfahren,  indem  ein  Faden  am  unteren  Pol  des  Hodens  in  Entfernung 
von  5  mm  durch  die  Haut  gestochen  und  über  ein  Gazeröllchen  ge¬ 
knotet  wird,  sodann  an  einer  vom  Aussenrand  des  betreffenden  Fusses 
über  bohle  und  an  einer  Seite  bis  über  das  obere  Drittel  herauf¬ 
reichende  Gipsschiene  befestigt  wird,  so  dass  der  Hoden  entsprechend 
herabgezogen  gehalten  wird. 

E.  P  o  1 1  a  t  s  c  h  e  k  berichtet  über  Kehlkopfoperationen  auf  direk¬ 
tem  Wege.  P.  benützt  seit  VA  Jahren  sowohl  zur  direkten  Laryngo¬ 
skopie  als  Bronchoskopie  mit  sehr  gutem  Erfolge  Skopolamin  (i  Std. 
nnt  »1er  Operation  2 — ^  dmg  [0,0003])  subkutan,  zuweilen  mit 
9’  j  a01,  20 — 25  proz.  Novokainlösung  lässt  sich  die  er¬ 

forderliche  Anästhesie  erreichen.  P.  benützt  bei  Operationen  den 
1  r  u  n  i  n  g  sehen  Spatel  und  schildert  die  Vorteile  der  Schwebe¬ 
laryngoskopie. 

D.  Röna  berichtet  aus  dem  Krankenhaus  in  Baja  über  Lymph¬ 
angioms  cyst.  mesenterii  und  schildert  einen  durch  Operation  ge¬ 
heuten  Fall  einer  mehrkammerigen,  von  der  Radix  mesenterii  ausge¬ 
gangenen  Zyste. 

Joh.  Safranek  referiert  aus  der  rhinol.  Klinik  über  bös¬ 
artige  Geschwülste  der  Nasenhöhle  und  der  Nasennebenhöhlen  und 


geht  unter  Mitteilung  von  9  betreffenden  Krankengeschichten  aui 
Diagnose,  Behandlung  etc.  ein.  betont  u.  a.  wiederholtes  Nasenbluten 
nicht  genau  lokalisierte  Schmerzen  („Kopfweh“),  Störungen  seitens 
der  Augen,  I  hränenträufeln  etc.  als  frühe  Symptome,  geht  auf  Diffe¬ 
rentialdiagnose  und  besonders  die  bei  Erkrankung  der  Nebenhöhle 
wichtige  Frühdiagnose  ein.  Bösartige  Geschwülste  der  Nasenhöhle 
und  der  Nebenhöhlen  sollen  nach  S.  in  jedem  Falle  operativ  be¬ 
handelt  werden,  ausgenommen  wenn  der  Tumor  in  die  Schädelhöhle 
durchgebrochen,  wenn  er  Metastasen  macht  oder  der  Kräftezustand 
des  Patienten  sehr  schlecht  ist. 

Karl  v.  Schiller  bespricht  aus  dem  Elisabeth-Armenspital  in 
.  d,e  eNtzundimgswldrige  Wirkung  der  passiven  Hyperämiebehand¬ 
lung.  Nach  Scu.  besteht  die  Wirkung  der  Stauungsbehandlung  darin 
dass  eine  passive  Hyperämie  auftritt,  später  eine  Hyperlymphie  DL 
Verteilung  der  Leukozyten  ist  so  modifiziert,  dass  dieselben  in  den 
Venen  und  in  der  Venenwandung  ein  perivasales  Infiltrat  bilden.  Die 
Leukozyten  gehen  in  ihrer  Wanderung  durch  eine  eigenartige  De¬ 
generation  zugrunde.  Die  Bakterien  gehen  durch  die  Wirkung  dei 
aus  den  zugrunde  gegangenen  Leukozyten  stammenden  proteolyti¬ 
schen  Enzyme  zugrunde  im  Sinne  der  Büchner  sehen  Autolvse 
Bei  der  Wirkung  der  Stauungsbehandlung  scheint  die  Stauungslymphe 
die  grösste  Rolle  zu  spielen,  speziell  die  eigenartige  Lymphozvten- 
degeneration  und  die  Bakterienauflösung  hängt  von  der  Einwirkung 
des  Oedems  ab  und  zwar  je  stärker  das  Oedem  in  dem  Gewebe 
desto  ausgeprägter  sind  diese  Erscheinungen.  Diese  Wirkung  ist  ani 
ausgesprochensten,  wenn  die  Stauung  gleich  vom  Anfänge  der  Ent¬ 
zündung  angewendet  ward.  Auch  ein  schon  ausgebildetes  Infiltrat  wird 
durch  die  Stauung  günstig  beeinflusst  und  zwar  um  so  günstiger,  nach 
je  kürzerem  Bestände  die  Stauung  angewendet  wird.  Die  Nach- 
Wirkung  der  Stauungsbehandlung  ist  längere  Zeit  anhaltend,  der 
Leukozytenzerfall  und  die  Bakterienarretierung  resp.  Vernichtung 
derselben  dauert  noch  mehrere  Stunden  lang  an  nach  der  Sistierun" 
der  Stauung.  Bei  übermässiger  Stauung  treten  Hämorrhagien  auf 
und  der  für  die  Stauung  charakteristische  Leukozytenzerfall  und 
Bakterienarietierung  finden  nicht  mehr  statt,  die  Entzündung  nimmt 
inren  normalen  Verlauf. 

K;  U  d  v  a  r  h  e  1  y  i  behandelt  die  Genese,  Symptomatologie  und 
operative  Behandlung  der  durch  Mittelohreiterung  enstandenen  Ge¬ 
hirnabszesse  und  zwar  betreffs  Symptome.  Diagnose  und  Behandlung, 
bespricht  speziell  die  Operation  des  otogenen  Hirnabszesses. 

Karl  Borszeky  bespricht  die  Indikationen  und  Technik  der 
Pylorusausschaltung  im  Anschluss  an  die  Erfahrungen  der  R.-Klinik. 

Franz  v.  Fayhis  berichtet  über  experimentelle  Pankreasresek¬ 
tion  und  Pankreatoenterostomie. 

Franz  O  b  ä  1  gibt  eine  Arbeit  über  primäre  Tvphlitis,  deren 
Vorkommen  (der  alten  T.  stercoralis  ähnlich)  er  zugibt,  sie  kann 
von  der  akuten  und  chronischen  Appendizitis  leicht  unterschieden 
werden. 

7 heodor  v.  Mutschenbacher  bespricht  neuere  Fortschritte 
auf  dem  Gebiete  der  plastischen  Operationen  im  Hinblick  auf  318  Ope- 
^tfonen  der  R.schen  Klinik  (35  Blepharopl.,  83  Rhinopl.,  106  CheilopL, 

.  Meloplast.  und  65  diverse  plastische  Eingriffe).  Allgemeinnarkose 
wird  im  allgemeinen  vermieden,  Lokalanästhesie  und  subkutane  In¬ 
jektion  mit  1  proz.  Novokain  (int.  Med.  v.  Veronal  oder  Morph) 
evö,-  ,-uPgsanästhesi.e  angewandt.  Zur  Naht  verwendet  M.  aus- 
ich  danne  Seide.  Unter  Beigabe  einer  grossen  Anzahl  von 
Abbildungen  schildert  M.  die  hauptsächlichen  Plastiken  und  die  Ei- 
fahrungen  der  Reczey  sehen  Klinik  hierbei. 

Kornel  v  Läng  berichtet  über  abszedierende  Stirnhöhlen¬ 
eiterungen  im  Anschluss  an  10  näher  besprochene  Fälle  (75  Proz.  ge¬ 
nesen)  darunter  7  Radikaloperationen  (1  K  i  1 1  i  a  n  -,  2  Riedel- 
und  4  K  u  h  n  t  sehe  Operationen). 

Hugo  Unterberg  bespricht  die  operative  Heilung  der  rebel¬ 
lischen  Zystitiden  mittels  Blasencurettage  und  zeitweiliger  Blasen- 

r  behandelt  danach  von  der  Fistel  aus  mit  1—3  proz.  Silber¬ 
nitratlosung,  wodurch  die  vollkommensten  Erfolge  zu  erzielen  sind. 

..  Bäron  und  Theod.  Bär  sony  geben  eine  Arbeit  über 

die  Röntgenuntersuchung  der  Hernien. 

Johann  Fon  g  ö  berichtet  über  die  Appendizitis  der  Frauen  im 
Anschluss  an  181  Fälle  (161  Appendizitisoperationen).  Er  teilt  24  Fälle 
kurz  mit  und  reiht  daran  12  reine  gynäkologische  Fälle,  die  uiffe- 
rentialdiagnostisch  wichtig  sind. 

I  heod.  Hiittl  gibt  eine  Mitteilung  über  die  Aktinomykose  des 
Wurmfortsatzes  und  teilt  einen  Fall  näher  mit. 

Nada  I  y  o  v  i  t  y  gibt  einen  Beitrag  zur  Kasuistik  dfer  gutartigen 
Magengeschwulste  und  teilt  den  Fall  eines  apfclgrossen,  von  der 
bubmukosa  ausgehenden  Fibroms  mit,  das  durch  die  vordere  Magen¬ 
wand  transgastrisch  entfernt  wurde.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  21,  1913. 

G  e  1  i  n  s  k  y  -  Berlin:  Die  Extensionsbehandlung  bei  Kalkaneus- 
fraktur  und  den  Verletzungen  der  Mittelfussknochen. 

An  der  Hand  eines  Falles  von  Kalkaneusfraktur  schildert  Verf. 
genau  seine  Extensionsbehandlung:  unter  die  Fusssohle  wird  ein  der 
ussioim  angepasstes  Brett  gelegt  und  die  Fusswölbung  durch  einen 
Gummischwamm  ausgefüllt;  dann  wird  die  Hackengegend  durch  einen 
zwischen  Achillessehnenansatz  und  Kalkaneus  durchgezogent'i 
starken  Silberdraht  auf  das  Fussbrett  festgebunden,  während  der 
Vmderfuss  durch  Heftpflasterstreifen  vorne  auf  das  Brett  fixiert  wird; 
an  de i  Mitte  des  Fussbrettes  wird  ein  Extensionszug  von  mehreren 
fuiid  angebracht.  Nach  4  Wochen  wird  der  Silberdraht  und  das 


10.  Juni  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1279 


Fussbrett  entfernt.  Diese  Methode  verdient  den  Vorzug  vor  der 
,  S  t  e  i  n  m  a  n  n  sehen  Nagelextension,  da  sie  nur  eine  ganz  geringe 
Verletzung  setzt  und  nicht  zur  Fistelbildung  führt.  Das  Resultat  der 
Behandlung  war  ein  sehr  gutes.  (Mit  2  Abbildungen.) 

Ernst  M  ii  1 1  e  r  -  Stuttgart :  Beitrag  zur  Operation  gelähmter 

Füsse. 

Die  Operationsmethode  des  Verfassers  bei  Res  calcaneus  para- 
lytieus  besteht  darin,  dass  er  als  Ersatz  für  die  gelähmten  Waden- 
inuskeln  an  der  Innenseite  den  M.  flexor  hall,  long.,  an  der  Aussen- 
seite  den  M.  peroneus  brev.  benützt.  In  anderen  Fällen,  wo  durch 
Lähmung  der  Muskulatur  die  Füsse  ihren  Halt  verloren  haben,  führt 
Verf.  die  Arthrodese  des  Talotarsalgelenkcs  aus;  die  Technik  für 
beide  Methoden,  die  gute  Resultate  geben,  ist  eingehend  mitgeteilt. 

Felix  Pohl-  Warmbrunn:  Lieber  Phenolkampferbehandliing  ver¬ 
schiedener,  auch  tuberkulöser  Gelenkcrkrankungen  und  kalter 
Abszesse. 

Verf.  macht  seit  3  Jahren  mit  überraschendem  Erfolge  bei  akuten 
eitrigen,  aber  auch  bei  chronischen,  destruierenden  Gelenkentzün¬ 
dungen  Einspritzungen  von  Phenolkampfer  in  das  kranke  Gelenk. 
Nach  der  ersten  Einspritzung  (2  ccm)  tritt  meist  starke  Reaktion 
auf,  während  die  folgenden  Injektionen  fast  gar  keine  Reaktion  mehr 
hervorrufen.  Diese  Phenolkampfcrinjektionen  erzielten  auch  bei 
kalten  Abszessen,  wo  Jodoformglyzerin  erfolglos  blieb,  rasche 
Besserung.  Einige  Fälle  von  frappantem  Erfolg  sind,  zum  Teil  mit 
Abbildungen,  wiedergegeben.  E.  Heim-  Oberndorf-Schweinfurt. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  21,  1913. 

Pobedinsky-  Moskau ;  Die  Erfolge  des  Kaiserschnitts  in 
Russland  in  den  letzten  25  Jahren. 

Statistische  Mitteilungen  über  die  Zahl  und  die  Resultate  der 
Sectio  caesarea  in  der  russischen  Literatur  und  in  der  Klinik  des  Ver¬ 
fassers.  Sehr  gute  Erfolge. 

G.  W.  M  a  1  y  -  Reichenberg:  Ueber  eine  seltenere  Art  des  Zu¬ 
standekommens  von  Uterusverletzungen. 

Beim  Versuch  einen  artifiziellen  Abort  im  2.  Schwangerschafts¬ 
monat  einzuleiten,  wird  durch  stumpfe  Metalldilatatoren  die  vordere 
Uteruswand  von  der  Zervix  aus  bei  normaler  Anteflexion  perforiert. 
Entsprechende  Wundversorgung  per  laparotomiam  liess  den  Fall  gün¬ 
stig  verlaufen. 

W.  L  i  e  p  m  a  n  n  -  Berlin :  Retentio  placentae  und  Pituglandol. 

Bericht  über  einen  Fall,  wo  durch  1  ccm  Pituglandol  eine  durch 
Crede  nicht  zu  entfernende  Plazenta  durch  eine  dadurch  erzielte  Wehe 
spontan  geboren  wurde.  Empfehlung  der  Hypophysenextrakte  als 
vorzügliches  Mittel  zur  Einschränkung  der  Luxuszange  und  der 
manuellen  Plazentarlösung. 

Bela  Nädory-Pest:  Einfache  chirurgische  Versorgung  des 

Nabelschnurrestes. 

Verf.  empfiehlt  folgende  Methode:  Nach  Aufhören  der  Pulsation 
der  Nabelschnur  wird  die  abzubindende  Partie  mit  in  1  prom.  Subli¬ 
matlösung  getauchter  Watte  gut  abgewaschen,  an  der  Uebergangs- 
stelle  von  Nabelhaut  und  Nabelschnur  mit  einem  starken  Seidenfaden 
fest  abgefunden  und  unmittelbar  darüber  ganz  kurz  abgeschnitten 
(natürlich  wird  die  übliche  zweite  Ligatur  3 — 4  Querfinger  weit  von 
der  ersten  vorher  noch  angelegt,  auch  mit  Seidenfaden);  der  Stumpf 
wird  gleich  mit  Tinct.  jodi  gut  bepinselt,  und  die  Fadenenden  werden 
(urzgeschnitten.  Nach  dem  Bade  von  neuem  Jodtinktur,  dann  Watte 
md  Verband;  tägliches  Baden;  eventuell  wiederholte  Bepinselung  mit 
lodtinktur  nach  jedem  Bade,  bis  der  Stumpf  abfällt.  Die  Jodtinktur 
cann  auch  nach  Abfall  des  Stumpfes  angewendet  werden,  wenn  die% 
ieilung  des  Nabeltrichters  nicht  vollständig  sein  sollte. 

Die  Methode  verhütet  die  Gefahr  der  Infektion  dadurch,  dass 
ler  minimal  kleine  Stumpf,  mit  Jodtinktur  geätzt,  in  kürzester  Zeit 
;introcknet  und  nicht  verletzt  werden  kann;  es  kann  keine  Nach- 
üutung  eintreten,  denn  das  Abbinden  der  Blutgefässe  ist  vollständig 
ind  dauerhaft.  Nach  Abfall  des  Stumpfes  ist  keine  Nachbehandlung 
nehr  nötig;  denn  es  bleibt  nur  ein  glatter,  reiner  Nabeltrichter  zu- 
•ück.  Es  ist  eine  so  einfache  und  sichere  und  dabei  so  gefahrlose  und 
nllige  Methode,  dass  sie  auch  den  Hebammen  getrost  empfohlen 
werden  kann.  Werner-  Hamburg. 

Zeitschrift  für  gynäkologische  Urologie.  Band  IV,  Heft  2. 

F.  E  b  e  1  e  r  -  Dortmund:  Zur  Bekämpfung  der  Retentio  uriuae 

lurch  Pituitrin.  (Aus  der  gyn.  Klinik  der  Akademie  zu  Köln  und  der 
itädtischen  Frauenklinik  Dortmund.) 

Verf.  stellte  seine  Versuche  an  45  Frauen  an,  darunter  21  Spontan- 
mtbindungen.  Die  Injektionen  wurden  intramuskulär  vorgenommen, 
lie  Wirkung  trat  nach  10  Minuten  bis  zu  mehreren  Stunden  ein,  die 
lusgeschiedene  Urinmenge  betrug  bis  zu  2  Liter.  Verf.  hält  das 
htuitrin  für  ein  ausgezeichnetes  Mittel  zur  Bekämpfung  der  Retentio 
irinae,  wenn  es  bei  gefüllter  Blase  injiziert  wird. 

Emil  H  a  i  m  -  Budweis:  Beitrag  zu  den  Blasenerkrankungen  bei 
mtzündlichen  Erkrankungen  der  Adnexe.  (Mit  2  Abbildungen.) 

Bericht  über  2  einschlägige  Fälle;  der  zweite  Fall  ist  dadurch 
ron  Interesse,  dass  die  Blase  sich  langsam  ausdehnend  um  die 
Jervix  uteri  herum  auf  die  Hinterseite  derselben  ausgebreitet  und 
•o  auch  die  hintere  Vaginalwand  vor  sich  ausgebuchtet  hatte, 
deichsam  eine  Cystocele  posterior  bildend.  Verf.  kommt  zu  dem 
Schlüsse,  dass  auch  bei  eitrigen  Adnextumoren  schwere  Blasen- 
'eränderungen  mit  enormer  Ausweitung  und  eigentümlicher  Diver- 
ikelbildung  der  Blase  (Cystocele  posterior)  Vorkommen  können,  ein  * 


Grund  mehr,  bei  Behandlung  der  Erkrankungen  der  Uterusadnexe 
den  Konservatismus  nicht  allzu  weit  zu  treiben. 

J.  P.  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Kopenhagen :  Ueber  die  extraveslkale  Aus¬ 
mündung  der  Harnleiter  bei  Frauen.  (Aus  der  gynäkol.  Abteilung  des 
„Rigshospitals“.)  (Mit  3  Abbildungen.) 

Mitteilung  eines  einschlägigen  Falles  mit  ausführlichem  Bericht 
über  den  zystoskopischen  Befund  und  Operation.  Besprechung  der 
Aetiologie,  Diagnose  und  Therapie  derartiger  Missbildungen.  Im 
ganzen  finden  sich  in  der  Literatur  19  Fälle,  die  einer  operativen  Be¬ 
handlung  unterzogen  wurden. 

ü.  W.  M  a  1  y  -  Reichenberg:  Ein  Fall  von  aussergewöhnliclier 
Blasensteinbildung  an  einem  Fremdkörper.  (Privat-Frauenklinik 
Dr.  Maly.)  (Mit  einer  Abbildung.) 

22  jährige  Näherin  mit  starken  Harnbeschwerden  seit  einem 
Jahre.  Zystoskopisch  wurde  eine  Haarnadel  nachgewiesen,  an  der 
sich  perlenartig  aufgereiht  7  weit  über  Haselnuss  grosse  schön 
facettierte  Steine  befanden.  Entfernung  des  Fremdkörpers  durch 
Sectio  alta. 

Jos.  S  e  n  g  e  -  Dresden:  Zur  Kasuistik  der  Fremdkörper  in  der 
weiblichen  Harnblase.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in  Dresden.)  (Mit 
einer  Tafel.) 

15  jähriges  Mädchen,  bei  welchem  zystoskopisch  eine  in  der 
Blase  liegende  Haarnadel  nachgewiesen  wurde.  Entfernung  mittels 
Häkchen  unter  Leitung  des  Zystoskops. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Zeitschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  7.  Heft  1  u.  2.  1913. 

R.  Lederer:  Ueber  „Bronchotetanie“,  ein  noch  nicht  beschrie¬ 
benes  Krankheitsbild  der  Spasmophilie. 

Bei  spasmophilen  Kindern  können  neben  Krämpfen  sonstiger 
glatter  Muskeln  auch  solche  der  Bronchialmuskeln  bestehen,  und  zwar 
durch  Wochen  hindurch,  so  dass  es  zu  Atelektasen  und  Folgeerschei¬ 
nungen  kommt.  Sie  gehen  mit  hohem  Fieber  und  allen  klinischen 
Zeichen  einer  pneumonischen  Infiltration  einher  und  lassen  sich  ledig¬ 
lich  durch  das  Röntgenverfahren  im  Verein  mit  elektrischer  Unter¬ 
suchung  diagnostizieren  — ■  im  Leben;  die  Sektion  ergibt  einen 
charakteristischen  anatomischen  Befund. 

Eckert:  Die  pharmakologische  Prüfung  des  vegetativeii  Ner¬ 
vensystems  im  Kindesalter. 

Prüfung  nach  dem  Vorgänge  von  Eppinger  und  Hess. 
Uebereinstimmung  zwischen  klinischem  Befund  und  Ausfall  der  Re¬ 
aktion  ergab  sich  nur  bei  jüngeren  Kindern  —  und  auch  da  nur  bis 
zu  einem  gewissen  Grade. 

H.  Finkeistein:  Zur  Einteilung  der  Ernährungsstörungen  des 
Säuglings. 

Verlangt  schärfere  Definition  von  „Ernährungsstörung“  und  Ein¬ 
teilung  mehr  nach  klinischen  als  nach  rein  ätiologischen  Prinzipien. 

J.  K.  Fried  jung:  Ernährungsstörungen  der  Brustkinder  und 
Konstitution. 

Eltern  und  Grosseltern  von  ernährungsgestörten  Brustkindern 
weisen  in  auffallendem  Masse  Funktionsstörungen  ihres  Darmtraktes 
auf:  vererbte  Organminderwertigkeit  (Adler). 

F.  G  ö  p  p  e  r  t :  Der  Darm  bei  foudroyant  verlaufender  Genick¬ 
starre. 

Im  Darm  und  den  Mesenterialdrüsen  fand  G.  ähnliche  Erweite¬ 
rungen  der  Blutgefässe  (ohne  Spur  von  Entzündung),  wie  sie  als 
Wirkung  gewisser  „Kapillargifte“  bekannt  sind.  Analogieschluss: 
solche  Genickstarrefälle  erliegen  nicht  der  Infektion,  sondern 
toxischen  Produkten. 

Götzky:  Ueber  die  klinische  Bedeutung  der  Kubitaldrüsen- 
schwellungen. 

Doppelseitig  sind  sie,  zumal  bei  Säuglingen,  meist  luetischer 
Aetiologie  (Röntgenbild  zeigt  nicht  selten  alte  Periostitiden  der  Unter¬ 
armknochen);  einseitige  Schwellungen  sind  meist  nicht  luetisch. 

Harriehausen  und  J.  W  i  r  t  h :  Toxinbefunde  im  Blute  diph¬ 
theriekranker  Kinder. 

Mit  der  Römer  sehen  Methode  gelang  der  Nachweis  sowohl 
von  Diphtherietoxin  als  auch  von  -antitoxin  in  derartigem  Blute. 

H.  Koeppe:  Ueber  die  Wirkung  des  auf  den  Lymphwegen  den 
Drüsen  zugeführten  Tuberkulins. 

Die  Pirquet  sehe  Impfung  am  Arm  vermag  Axillardrüsen¬ 
schwellungen  zum  Verschwinden  zu  bringen;  überhaupt  scheint  die 
Impfung,  auch  an  anderen  Stellen,  die  regionären  Drüsen  manchmal 
günstig  zu  beeinflussen.  G  ö  1 1. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  55,  Heft  3.  Jahrgang  1913. 

15)  N.  A  n  i  t  s  c  h  k  o  w:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Neubildung  des  Granulationsgewebes  im  Herzmuskel.  (Aus  dem 
Pathol.  Institut  der  Kais.  Militärmedizinischen  Akademie  zu  St.  Peters¬ 
burg.) 

Die  F.rage  nach  den  feinen  histologischen  Veränderungen  bei 
entzündlicher  Neubildung  des  Myokards  suchte  A.  durch  experimen¬ 
telle  Untersuchung  zu  entscheiden  (Durchziehen  von  Ligaturen,  Zel- 
loidinfäden,  zelloidingetränkter  Ligaturen  etc.  durch  das  Herz);  er 
stellte  fest,  dass  bei  den  Entzündungs-  und  Einheilungsprozessen  in 
erster  Linie  hämatogene  (Leukozyten  und  Lymphozyten),  in 
zweiter  Linie  autochthone  Zellelemente  teilnehmen.  Die  lymphoiden 
Wanderzellen  sollen  sich  in  Makrophagen,  Polyblasten  (Maximow) 
und  in  Fremdkörperriesenzellen,  sowie  in  geringerer  Zahl  zu  Plasma- 


1280 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


zellen  umwandeln,  z.  T.  auch  zu  ruhenden  Zellen  werden.  Im  Myo¬ 
kardstroma  nehmen  ausser  den  Fibroblasten  eigenartige  (durch 
die  Kernform  charakteristische)  Zellelemente  teil,  die  A.  als  Myo- 
zyten  oder  Zellen  myogenen  Ursprungs  bezeichnet.  Dadurch,  dass 
A.  bei  einigen  Entzündungsstadien  aus  den  Resten  zerfallener  Herz¬ 
muskelfasern  solche  indifferente  Myozyten  hervorgehen  sah,  glaubt 
er  auf  eine  Verwandtschaft  mit  den  Herzmuskelfasern  schliessen  zu 
dürfen  und  betrachtet  auch  die  präformierten  Myozyten  „sozusagen 
als  Muskelelemente  mit  verlorengegangener  kontraktiler  Substanz". 
Diese  degenerativen  Myozyten  haben  bei  den  Entziindungsvorgängen 
noch  eine  Zeitlang  eine  gewisse  Proliferationsfähigkeit,  mischen  sich 
den  anderen  Granulationszellen  bei,  sollen  sich  aber  weder  an  der 
Bildung  des  Narbengewebes  beteiligen  noch  die  Fähigkeit  zur  Mus¬ 
kelregeneration  besitzen;  ob  sie  in  Fibroblasten  übergehen  können, 
lässt  A.  unentschieden. 

Durch  diese  Myozyten  wird  das  histologische  Bild  der  Myokard- 
entzundungen  ein  ausserordentlich  schwer  deutbares;  A.  hat  diese 
Myozyten  auch  im  menschlichen  Herzen  gesehen. 

16)  Celina  Z  a  1  e  w  s  k  a  -  Ploska :  Ueber  2  Fälle  von  Zweiteilung 
des  Rückenmarks.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  der  Universität  Bern.) 

Unter  Zusammenstellung  der  Literatur  beschreibt  Verf.  ein¬ 
gehend  histologisch  2  Fälle,  von  denen  der  erste  bei  einer  50  jährigen 
(an  Quecksilbervergiftung  verstorbenen)  Frau  kombiniert  mit  Spina 
bifida  ocCulta  zufällig  gefunden  wurde,  während  der  zweite  bei  einem 
8  Monate  alten  Knaben  kombiniert  mit  subkutaner  Myelomeningozele 
testgestellt  wurde.  Missbildungen  dieser  Art  sind  auf  sehr  früh  ein¬ 
tretende  Störungen  in  der  Anlage  der  Medullarlinie  zurückzuführen 
im  Sinne  der  Experimente  von  Hertwig  und  H  o  1 1  m  a  n  n. 

17)  Shigeru  K  u  s  a  m  a  -  Tokio;  Ueber  Aufbau  und  Entstehung  der 
toxischen  Thrombose  und  deren  Bedeutung.  (Aus  dem  Pathologischen 
Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br.) 

Aus  den  eingehenden  Untersuchungen  des  Verfassers  können  nur 
einzelne  Resultate  hier  herausgegriffen  werden:  K.  konnte  durch 
intravenöse  Injektion  der  verschiedenartigsten  Substanzen  toxische 
Thrombosen  in  den  kapillären  und  präkapillären  Qefässen  erzeugen, 
so  durch  Injektion  homologer  Blutbestandteile  (Serum,  Hämoglobin- 
lösung  und  durch  künstliche  Hämolyse  gewonnener  Blutkörperchen- 
schatten),  ferner  durch  artfremde  Sera  (Hund  und  Rind)  sowie  durch 
verschiedene  hämolytisch  wirkende  Substanzen  (Aether.  Glyzerin) 
und  sonstige  Gifte  (Abrin),  wie  auch  abgetötete  Bakterienauf¬ 
schwemmungen.  Die  so  entstandenen  kapillären  und  postkapillären 
I  hrombosen  sind  verschiedener  Natur,  indem  als  Baumaterial  in  Be¬ 
tracht  kommen  jeweils  Blutplättchen.  Blutkörperchenschatten,  Blut¬ 
trümmer,  Leukozyten  und  Fibrin,  je  nach  der  Wirkung  der  betr 
Schädlichkeiten;  es  erscheint  dem  Verf.  erwiesen,  dass  nicht  primäre 
Fibringerinnung  als  auslösendes  Moment  der  Thrombenbildung  an¬ 
zusehen  ist,  sondern  Veränderungen  (Agglutination,  Zerfall  etc.) 
der  morphologischen  Blutbestandteile  (Plättchen, 
Erythrozyten  und  Blutschatten)  und  Stromverlangsamung 
an  derartige  primäre  „Kernbildung"  schliesst  sich  dann  die  Koagula¬ 
tion  an. 

18)  George  B  a  e  h  r  -  New  York:  Ueber  experimentelle  Glome¬ 
rulonephritis.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.) 

B.  konnte  durch  intravaskuläre  Injektion  von  ganz  geringen 
Urannitratdosen  in  die  Nierenarterie  eine  der  menschlichen  Glome¬ 
rulonephritis  sehr  ähnelnde  Nierenerkrankung  bei  Kaninchen  hervor- 
rufen,  einmal  gelang  dies  in  ganz  besonders  ausgesprochener  Weise 
auch  bei  subkutaner  Injektion  *).  Durch  intraarterielle  (Art.  renalis) 
Injektion  von  verdünnter  Jodlösung  konnte  B.  das  typische  Bild  der 
rem  tubulären  Schrumpfniere  mit  sekundären  Gefässveränderungen 
erzeugen. 

19)  A.  Läwen:.  Ueber  einen  Fall  von  kongenitaler  Wirbel-, 
Bauch-,  Blasen-,  Genital-  und  Darmspalte  mit  Verdoppelung  des 
Zoekum  und  des  Wurmfortsatzes.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  und 
der  Chirurg.  Klinik  zu  Leipzig.) 

Kleinere  Mitteilungen: 

Hans  Günther:  Ueber  angeborene  Kinnscharten  und  Kinn¬ 
furchen,  sowie  einige  andere  Missbildungen  iin  Bereich  des  I.  Kiemen¬ 
bogens.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Leipzig.) 

Referiert  über  solche  Missbildungen  im  allgemeinen  und  berichtet 
über  angeborene  Kinnfurchen  (T-förmig)  bei  2  erwachsenen  Männern 
von  denen  der  eine  noch  doppelseitige  Anlagen  von  Fistula  auris 
congenita  aufwies.  H.  M  e  r  k  e  1  -  Erlangen. 

Archiv  fiir  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

72.  Band,  2.  Heft. 

E.  Krauss:  Die  Wirkung  der  Nitrite  auf  die  Körpertemperatur 
des  normalen  und  des  durch  Gehirnreizung  hyperthermisch  ge¬ 
machten  Kaninchens. 

..  ,,?•  Jacobj:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Wirkung  der  Nitrite  auf 
die  Körpertemperatur  des  Kaninchens.  (Pharmakol.  Institut  Tübingen  ) 

bei  normalen  Kaninchen  bewirken  Amylnitrit  und  Natr.  niitrosum 
eine  Herabsetzung  der  Temperatur.  Tiere,  die  durch  Wärmestich 
hyperthermisch  gemacht  waren,  reagierten  fast  ebenso  wie  die  nor¬ 
malen;  nur  tiel  ein  protrahierterer  Verlauf  der  Temperatursenkung 
uni.  J.  suchte  nun  die  Frage  zu  beantworten,  ob  die  Zirkulations- 
underungen  und  Veränderungen  der  Blutverteilung  mit  den  Tem- 

■  4  IS}<;g.el  hat  (Kongress  für  innere  Medizin  1907)  durch  sub¬ 
kutane  Injektion  von  Urannitrat  beim  Hund  eine  typische  Schrumpf¬ 
niere  mit  Herzhypertrophie  etc.  erzeugt. 


peraturschwankungen  in  Zusammenhang  zu  bringen  seien,  so  dass 
man  dadurch  dem  Verständnis  des  Wärmeregulierungsmechanismus 
bei  den  Stichkaninchen  näher  komme.  Auf  Grund  seiner  Unter¬ 
suchungsergebnisse  vertritt  er  die  Anschauung,  dass  es  sich  bei  den 
sogenannten  wärmeregulierenden  Zentren  in  erster  Linie  um  nervöse 
Apparate  des  Gehirns  handle,  die  durch  den  von  ihnen  ausgehenden 
lonus  die  Breite  der  Strombahn  der  Hautgefässe  zu  verändern  ver¬ 
mögen,  also  um  solche,  die  in  Beziehung  zum  sympathischen  Nerven¬ 
system  stehen  und  dabei  gleichzeitig  wohl  auch  in  einer  gewissen 
Beziehung  zu  den  Ventrikeln,  vor  allem  dem  ersten  Ventrikel  und 
dem  Infundibulum. 

H.  Walbaum:  Ein  Beitrag  zur  Klarstellung  des  Mechanismus 
der  Wärmeregulation  beim  normalen  und  dem  durch  Gehirnreizung 
W  armestich)  hyperthermisch  gemachten  Kaninchen.  (Pharmakolog 

Institut  Tübingen.) 

Beim  Kaninchen  hat  die  Atmung  keinen  nennenswerten  Einfluss 
aut  die  Körpertemperatur,  obwohl  das  Tier  keine  Schweissdriisen 
besitzt,  selbst  dann  nicht,  wenn  kalte,  trockene  Luft  eingeatmet  wird 
Der  Regulationsapparat  der  Haut  wirkt  sehr  prompt.  Geschorene 
Kaninchen  jedoch  können  auch  trotz  20 0  Aussentemperatur,  trotz 
Einschränkung  der  Wärmeabgabe  durch  Kontraktion  der  Hautgefässe 
und  trotz  Mehraufnahme  von  Futter,  ihre  Temperatur  nicht  aufrecht 
erhalten.  Beim  Wärmestich  werden  wahrscheinlich  nervöse  Zentral¬ 
apparate  erregt,  die  mit  dem  Hautgefässsystem  in  direkter  Be¬ 
ziehung  stehen;  denn  die  nach  Wärmestich  auf  tretende  Hyperthermie 
bleibt  aus,  wenn  die  Kaninchen  geschoren  sind  und  so,  wenigstens  in 
den  ersten  lagen  nach  der  Scherung,  eine  erhöhte  Kontraktion  der 
Hautgefässe  zeigen.  Da  die  Tonussteigerung  der  Gefässe  schon  be 
steht,  kann  sie  durch  den  Wärmestich  nicht  mehr  hervorgerufen 
werden,  die  Hyperthermie  bleibt  aus.  Bei  der  noch  vorzunehmendf'n 
anatomischen  Untersuchung  der  Gehirne  soll  auf  diese  Beziehungen 
besonders  geachtet  werden.  L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Archiv  für  Hygiene.  79.  Band.  1.  Heft.  1913. 

1)  Jean  Louis  Burckhardt  (Basel)  -  Würzburg:  Experimen- 
telle  Studien  über  den  Einfluss  technisch  wichtiger  Gase  und  Dämpfe 
auf  den  Organismus  (XXXIV).  Zur  Kenntnis  des  Zyangases  (Dizyan). 

Es  sollte  festgestellt  werden,  ob  das  in  Hochofengasen  und  bei 
der  Leuchtgasfabrikation  vorkommende  Zyan  gas  (Dizyan)  mit 
Luft  gemischt  akute  Schädigungen  hervorruft.  Als  Versuchstiere 
wurden  Katzen  gewählt,  welche  Gasen  gegenüber  meist  sehr  emp¬ 
findlich  sind  und  Kaninchen,  die  ziemlich  resistent  sind.  Zum 
Versuch  wurde  das  Zyangas  dargestellt  aus  Zyanquecksilber.  Die 
Wirkung  des  Gases  ist  in  bezug  auf  den  Symptomenkomplex  genau 
so  wie  bei  der  Blausäure,  wenn  das  Zyangas  an  Giftigkeit  auch 
nicht  die  Blausäure  erreicht.  Katzen  können  das  Gas  in  Kon¬ 
zentrationen  von  0,1  mg  pro  Liter  ca.  14  Stunde  lang  ohne  Gefahr  ein- 
a*rJ)en'  9,2  mg  pro  Liter  dagegen  wirkt  innerhalb  weniger  Stunden 
tödlich  Kaninchen  vertragen  0,4  mg  pro  Liter  sehr  gut  und  die  töd¬ 
liche  Konzentration  liegt  erst  zwischen  0,6  und  0,8  mg  pro  Lite»-. 
Nachdem  Reizung  der  Schleimhäute,  Atemnot  und  Krämpfe  auf¬ 
getreten  sind,  ei  folgt  der  Tod  anscheinend  durch  Lähmung  des  Atem¬ 
zentrums. 

2)  Springer  -  Rostock :  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels 
des  Bacillus  diphtheriae. 

Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  die  Ermittelung  der 
Wachstumsschnelligkeit,  der  Kohlensäureproduktion,  der  Säurepro- 
duküon  und  des  Anstieges  der  Bakterienmenge:  ausserdem  auf  den 
Nährstoffumsatz.  Ueberall  gibt  sich  eine  Periodizität  zu  erkennen, 
die  selbst  unter  den  günstigsten  Lebensbedingungen  sich  bemerkbar 
macht,  wiewohl  es  zunächst  den  Eindruck  erweckte,  als  ob  diese 
Periodizität  auf  eine  Schädigung  der  Bazillen  durch  ihre  Stoff¬ 
wechselprodukte  und  die  starke  Säuerung  des  Nährbodens  zurück¬ 
zuführen  sei.  Es  zeigte  sich  ferner,  dass  eine  Bakterieneinheit  nicht 
immer  die  gleichen  Stoffwechselprodukte  erzeugt.  Im  Gegensatz  zu 
Roux  und  Yersin  erwies  sich  bei  den  Versuchen  des  Verf.  die 
zur  Erzielung  eines  grösseren  Toxingehaltes  angegebene  Durchlüftung 
der  Diphtheriekultur  als  ungeeignet. 

R.  O.  Neumann  - Giessen. 

Vierteljahrschrift  für  gerichtliche  Medizin  und  öffentliches 
Sanitätswesen.  1913.  I.  Supplement. 

1)  Ueber  die  Unterscheidung  der  Menschen  und  Tierknochen 

in  forensischer  Beziehung.  Von  Beumer  -  Greifswald. 

Verf.  hat  die  Frage  geprüft,  welches  die  geringsten  Eiweiss- 
anreger  sind,  die  sich  im  menschlichen  frischen  Knochengewebe 
nachweisen  lassen  und  gefunden,  dass  bei  0,25  g  Feilmehl  die  Her- 
kuntt  der  Knochen  sich  nachweisen  lässt  und  glaubt,  dass  dies  bei  der 
stets  prompt  eintretenden  Reaktion  auch  wohl  bei  kleinen  Mengen 
möglich  sein  wird. 

Bezüglich  der  Zeit,  in  der  Eiweiss  im  menschlichen  Knochen- 
gewebe  noch  vorhanden  und  nachweisbar,  stellt  er  fest,  dass  das 
Gelingen  des  Nachweises  von  der  verfügbaren  Knochenmenge  ab¬ 
hange,  bei  20  g  gelang  der  sichere  Beweis  noch  bei  Knochen,  die  bis 
zu  100  Jahren  in  der  Erde  gelegen  hatten. 

Bei  Knochen,  die  im  Wasser  gelegen  hatten,  konnte  selbst  bei 
ganz  geringen  Mengen  (0,25)  noch  nach  Monaten  der  Nachweis 
von  Eiweiss  nach  der  biologischen  Methode  erbracht  werden. 

Bei  Einwirkung  hoher  Hitzegrade  (gekochter  oder  verbrannter 
Knochen)  ist  der  Eiweissnachweis  nicht  mehr  möglich. 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2)  Untersuchungen  an  Menschen-  und  Tierknochen.  Von  Ken- 
z  c  r  e  s  -  Klausenburg  (Ungarn). 

Das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  ist,  dass,  wenn  man  die 
Zahl  und  die  Weite  der  Hävers  sehen  Kanäle  misst,  es  möglich  ist. 
die  menschlichen  Knochen  von  tierischen  zu  unterscheiden.  Am 
meisten  Schwierigkeiten  ergab  die  Unterscheidung  der  Präparate  von 
Pferde-  und  Menschenknochen,  dagegen  liess  sich  das  Präparat  des 
Kalbsknochens  sowohl  von  dem  des  Pferdeknochens  als  auch  von  den 
P'äparaten  der  Menschenknochen  ganz  leicht  und  sicher  unter¬ 
scheiden. 

3)  Mitteilungen  und  Ausblicke.  Von  K  o  c  k  e  1  -  Leipzig. 

Verf.  verlangt,  dass  in  allen  Fällen  von  gewaltsamer  Tötung 

und  auch  bei  Selbstmordfällen,  in  denen  die  wenn  auch  noch  so  ent¬ 
fernte  Möglichkeit  einer  Tötung  von  anderer  Hand  in  Betracht  kommt, 
von  Anfang  an  ein  wohlerfahrener,  mit  derartigen  Fragen  vollkommen 
vertrauter  Arzt  zugezogen  werde;  vor  allem  seien  zur  Ausführung 
näherer  Untersuchungen  (z.  B.  mikroskopischer,  chemischer  oder 
photographischer)  die  gerichtsärztlichen  Universitäts¬ 
institute  heranzuziehen.  Ueberhaupt  müsste  die  krimina¬ 
listische  Praktik,  soweit  sie  medizinisch-natur¬ 
wissenschaftliche  Fragen  betrifft,  für  die  g  e  r  i  c  h  t  s  - 
ärztlichen  Institute  gewonnen  und  festgehalten  und  nicht 
in  den  Händen  von  Juristen  oder  gar  niederen  Poli¬ 
zeibeamten  gelassen  werden. 

4)  Die  Bedeutung  der  Wassermann  sehen  Reaktion  für  den 
Gerichtsarzt.  Von  Bohne-  Hamburg. 

Bohne  ist  auf  Qrund  eigener  Erfahrung  sowie  der  Literatur¬ 
berichte  zu  der  Anschauung  gekommen,  dass  die  Wassermann- 
sche  Reaktion,  so  gross  ihr  Wert  auch  für  den  praktischen  Arzt  ist, 
für  den  Qerichtsarzt  nur  geringe  Bedeutung  habe.  Er  habe  keinen 
Fall  in  der  Literatur  gefunden,  in  dem  vor  Gericht,  sei  es  in  straf¬ 
rechtlicher,  in  zivilrechtlicher  oder  endlich  in  versicherungsrechtlicher 
Beziehung  die  Wassermann  sehe  Reaktion  auf  den  Richter¬ 
spruch  von  ausschlaggebender  Bedeutung  gewesen  sei.  Die  Was- 
s  e  r  m  a  n  n  sehe  Reaktion  gebe  dem  Gerichtsarzt  auch  niemals  zu¬ 
verlässige  Aufschlüsse  über  die  Fragen,  die  er  zu  stellen  hat. 

5)  Kasuistische  Mitteilungen  von  Bohne-  Hamburg  über  Be¬ 
fund  einer  Kugel  im  Gehirn,  die  sich  der  an  einem  Herzleiden  Ver¬ 
storbene  in  selbstmörderischer  Absicht  vor  12  Jahren  in  den  Kopf 
schoss,  dann  plötzlicher  Tod  bei  einem  17  jährigen  Mädchen  durch 
Blutung  in  den  4.  Ventrikel  als  Folge  eines  kleinwalnussgrossen 
Glioms  des  Kleinhirns,  ferner  Tod  infolge  einer  Meningitis,  die  sich 
an  einen  Stoss  in  das  Gesicht  anschloss. 

5)  Ueber  Haarverletzungen  durch  Ueberfahren.  Von  Lochte- 
Göttingen.. 

Lochte  berichtet  über  die  verschiedenen  Formen,  die  sich  bei 
überfahrenen  Haaren  finden,  eine  völlige  Zermalmung  des  Haar¬ 
schaftes,  mehr  oder  minder  starke  Verbreiterung  mit  Bildung  von 
Hohlräumen  und  Fissuren,  Frakturen  des  Haares  mit  Splitterungen, 
Knickungen  des  Haares.  Diese  kommen  auch  bei  Einwirkung 
stumpfer  Gewalten  vor.  Nur  beim  Ueberfahren  wurden  be¬ 
obachtet  völlige  Haarenden  oder  Haartrümmer  (Haarlocken),  be¬ 
sonders  häufig  beim  Ueberfahren  auf  Asphalt.  Die  Länge  der  ver¬ 
letzten  Stelle  bleibe  im  allgemeinen  hinter  der  Breite  des  Haares 
zurück.  Bei  Frauen  können  Haarzertrümmerungen  durch  Einwirkung 
stumpfer  Gewalt  ohne  Verletzung  der  Kopfschwarte  Vorkommen. 

7)  Zur  Entstehung  von  Verletzungen  an  Leichen  durch  Tiere. 
Von  Z  i  e  m  k  e  -  Kiel. 

Z.  erwähnt  einen  Fall,  bei  dem  anfänglich  angenommen  wurde,  es 
handle  sich  um  Schussverletzungen  am  Kopfe.  Es  fanden  sich  bei  der 
gerichtsärztlichen  Untersuchung  in  der  linken  Schläfengegend  zwei 
etwa  fünfpfennigstückgrosse  rundliche  oberflächliche  Wunden  mit 
schmalen  eingetrockneten  Rändern,  die  bei  oberflächlicher  Beobach¬ 
tung  wohl  den  Eindruck  von  Einschussöffnungen  machen  konnten, 
indes  zweifellos  durch  Tierbisse  entstanden  waren;  die  wirkliche 
Todesursache  war  eine  Zyankalivergiftung. 

Ferner  beschreibt  er  den  Befund  an  einer  Leiche  eines  ertrun¬ 
kenen  Werftarbeiters,  die  am  Tage  nach  der  Verunglückung  aus  dem 
Wasser  gefischt  wurde  und  über  und  über  mit  unzähligen  kleineren 
und  grösseren  Seesternen  - —  Asteroiden  —  bedeckt  war;  die  Tiere 
hatten  sich  so  sehr  an  der  Leiche  festgesogen,  dass  sie  grösstenteils 
noch  an  der  Oberfläche  der  Haut  hafteten,  als  die  Leiche  einige  Tage 
nach  der  Auffindung  ins  Sektionszimmer  gebracht  wurde. 

Am  auffälligsten  war  bei  den  durch  diese  Tiere  bei  den  Leichen 
gesetzten  Verletzungen,  dass  diese,  obwohl  postmortal,  blutunter¬ 
laufen  waren.  Dies  könne  leicht  zu  Irrtümern  führen,  wenn  man  die 
Ursache  der  Verletzung  nicht  kenne. 

8)  Tod  durch  Schock  nach  körperlicher  Misshandlung.  Von 
Ziemke-  Kiel. 

Z.  berichtet  über  ein  Sektionsergebnis  bei  einer  Leiche,  die 
Spuren  zahlreicher  Misshandlungen,  darunter  5  Rippenbrüche  auf¬ 
wies,  jedoch  keine  schweren  Verletzungen  lebenswichtiger  Organe. 
Im  Lungengewebe  konnten  nur  vereinzelte  Fettembolien  nach¬ 
gewiesen  werden,  die  für  den  Eintritt  des  Todes  als  belanglos  an¬ 
zusehen  waren.  Z.  nimmt  als  Todesursache  Schock  an,  d.  h.  eine 
durch  Reizwirkung  auf  gewisse  Nerven  zustande  gekommene 
Lähmung  der  Atmung  und  des  Herzens  mit  Trübung  oder  Aufhebung 
des  Bewusstseins.  Als  Ursache  des  Eintritts  von  Schock  sei  nach 
den  Untersuchungen  von  C  r  i  1  e  eine  plötzliche  reflektorische  Läh¬ 
mung  aller  blutdruckerhöhenden  Sympathikusfasern  anzunehmen,  so 
dass  der  Blutdruck  im  ganzen  Gefässgebiet.  besonders  stark  in  den 


1281 


Abdominalgefässen  durch  Erweiterung  der  Baucharterien  und  -venen, 
momentan  sinke  und  das  Herz  gewissermassen  Leerarbeit  leisten 
müsse. 

9)  Der  Regierungsentwurf  1912  eines  österreichischen  Straf¬ 
gesetzbuches.  Von  H  a  b  e  r  d  a  -  Wien. 

H  a  b  e  r  d  a  gibt  eine  nähere  Darstellung  der  für  den  Arzt  wichti¬ 
gen  Bestimmungen  des  Entwurfs  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass 
man  diesen,  von  einzelnen  Wünschen  abgesehen,  im  wesentlichen  nur 
zustimmen  könne.  Nach  dem  Entwurf  erfahre  die  ärztliche  Sach¬ 
verständigentätigkeit  im  Strafverfahren,  die  in  Oesterreich  unter  dem 
bisher  geltenden  Strafgesetz  vielseitiger  sei  als  in  Deutschland,  keine 
Einschränkung,  ein  Umstand,  der  im  Interesse  des  Ansehens  und  der 
Stellung  der  gerichtlichen  Medizin  und  ihrer  Vertreter  durchaus  er¬ 
freulich  sei. 

10)  Ueber  die  Bedeutung  des  Nachweises  kleinerer  Mengen  von 
Fruchtwasserbestandteilen  in  den  Luftwegen  Neugeborener  für  die 
Feststellung  der  Todesursache.  Von  Ungar-  Bonn. 

Ungar  vertritt  die  Ansicht,  dass  dem  Nachweis  kleinerer 
Mengen  von  Fruchtwasserbestandteilen  in  den  Lungen  Neugeborener 
eine  besondere  diagnostische  Bedeutung  nicht  beigelegt  werden 
könne.  Man  könne  aus  einem  solchen  Befunde  nicht  ohne  weiteres 
den  Schluss  auf  eine  natürliche  Todesursache  ziehen,  und  es  wäre 
deshalb  nicht  berechtigt,  sich  auf  Grund  eines  solchen  Befundes  in 
einer  Weise  zu  äussern,  welche  dem  Richter  Veranlassung  geben 
könnte,  von  einer  weiteren  Verfolgung  der  Sache  abzustehen.  Ein 
solcher  Befund  würde  keineswegs  ausschliessen,  dass  das  Kind  durch 
einen  Verschluss  der  äusseren  Respirationsöffnungen  oder  dergleichen 
gewaltsam  erstickt  worden  sei  oder  dass  fahrlässige  Tötung  infolge 
Unterlassung  des  nötigen  Beistandes  vorliege.  Es  könne  ja  gelegent¬ 
lich  Fruchtwasser  in  die  Luftwege  gelangen,  ohne  dass  dadurch 
schon  der  Tod  des  Kindes  herbeigeführt  würde. 

11)  Die  Bedeutung  der  Kopfgeschwulst  als  Zeichen  der  vitalen 
Reaktion.  Von  Ziemke -Kiel. 

Verf.  hat  durch  Untersuchungen,  deren  Ergebnisse  mit  denen 
anderer  Forscher  übereinstimmen,  den  einwandfreien  Nachweis  er¬ 
bracht,  dass  sich  Kopfgeschwülste  von  histologisch  gleichem  Bau 
und  ähnlicher  Mächtigkeit,  wie  am  lebenden  Kinde  auch  nach  dem 
Tode  des  Kindes  entwickeln  könne.  Die  Kopfgeschwulst  allein  dürfe 
daher  niemals  als  Beweis  dafür  angesehen  werden,  dass  ein  Kind 
noch  während  der  Geburt  gelebt  habe.  Da  sie  sich  auch  bilden  könne, 
wenn  das  Kind  schon  vor  der  Geburt  abgestorben  sei,  komme  ihr 
als  Lebenszeichen  keine  Bedeutung  bei. 

12)  Traumatisches  Osteom  der  Lendenwirbelsäule  nach  Huf¬ 
schlag.  Von  K.  v.  S  u  r  y  -  Basel. 

Östeombildung  infolge  eines  durch  Hufschlag  verursachten 
Bruches  der  Querfortsätze  des  2.  und  3.  Lendenwirbels,  wobei  die 
überschüssige  Kallusbildung  die  Grundlage  für  den  Tumor  gab. 

13)  Ueber  den  Nachweis  der  Fett-  und  Bleispur  bei  Kleider¬ 
schussverletzungen.  Von  L  o  c  h  t  e  -  Göttingen. 

Die  von  Lochte  angestellten  Versuche  ergaben,  dass  bei  Nah¬ 
schüssen  mit  Revolvern  auf  Kleidern  sich  eine  B  1  e  i  s  p  u  r  nach- 
weisen  lasse,  und  zwar  Bleijodid,  das  in  charakteristischen  hexago¬ 
nalen  Tafeln  kristallisiere.  Es  finde  sich  im  wesentlichen  nur  auf  der 
Seite  des  Einschusses.  Bei  Büchsen  Schüssen  mit  Langblei¬ 
geschoss  wurde  bei  Nah-  und  Fernschüssen  nur  eine  undeutliche  Blei¬ 
spur  erhalten;  bei  Schüssen  mit  einer  Browningpistole  und 
Nickelgeschossen  fehlt  die  Bleispur.  Zerschellt  das  Nickel-  oder  Blei¬ 
geschoss  nach  dem  Durchbohren  der  Kleidung  auf  metallenen  Gegen¬ 
ständen,  so  finden  sich  bei  Blei-  und  Nickelgeschossen  Bleispuren  auf 
der  Ausschussseite  des  Stoffes.  Der  Nachweis  der  Bleispur  sei  aber 
zweifelhaft,  wenn  die  Kleidung  mit  Bleistaub  oder  Bleifarbe  verun¬ 
reinigt  ist. 

Fettspuren  fanden  sich  bei  den  Versuchen  unter  37  Schüssen 
nur  9  mal,  es  kann  dies  daher  kommen,  dass  die  Geschosse  über¬ 
haupt  nicht  gefettet  sind,  oder  dass  eine  alte  Patrone  verwendet 
wurde,  deren  Fett  bereits  zersetzt  ist,  oder  dass  bei  Nahschüssen  die 
Kleider  Feuer  fangen  und  die  Fettspur  verbrennen  kann. 

14)  Zur  Frage  der  Todesursache  bei  Erhängen.  Von  Nippe- 
Königsberg. 

Verf.  prüfte  die  von  Gumprecht  aufgestellte  These,  dass  bei 
der  Erhängung  neben  dem  Luft-  und  Blutabschluss  als  Todesursache 
eine  Läsion  des  verlängerten  Markes  und  seiner  lebenswichtigen 
Zentren,  namentlich  des  der  Atmung,  und  mit  seiner  Vereinigung 
der  motorischen  und  sensiblen  Bahnen,  durch  Quetschung  bei  der 
Suspension  statthabe,  richtig  sei.  Er  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass 
in  Fällen,  die  ohne  Knochendislokation,  d.  h.  ohne  Brüche  oder  Luxa¬ 
tionen  einhergehen,  eine  direkte  Schädigung  der  Oblongata  durch  die 
Suspension  nicht  bedingt  sei,  zumal  deren  maximale  Dicke  überhaupt 
nicht  in  den  eventuellen  Gefahrenbereich  des  Zahnes  usw.  gerate. 

15)  Die  strafrechtlichen  Grundlagen  der _ Sterilisation.  Von  Ro¬ 
senfeld-  Münster. 

Rosenfeld  bespricht  die  verschiedenen  Fälle,  bei  denen  der 
Arzt  vor  die  Frage  gestellt  ist,  ob  er  einem  Patienten  männlichen 
oder  weiblichen  Geschlechtes  die  Möglichkeit  der  Fortpflanzung  durch 
einen  Eingriff  (Kastration  oder  Röntgenisierung)  nehmen  soll.  Er 
scheidet  dabei  die  Fälle  in  zwei  Gruppen,  einmal  solche,  in  denen 
der  Eingriff  therapeutisch  indiziert  ist  und  dann  diejenigen,  in  denen 
andere  Gründe  dafür  sprechen.  Unter  den  letzteren  kommen  medi¬ 
zinisch  z.  B.  rein  diagnostische,  dann  individuelle  Gründe  (z.  B. 
Bequemlichkeitsrücksichten,  kosmetische  Gründe  u.  dgl.),  ferner 
fiskalische,  endlich  allgemein  sozialpolitische,  sozialhygienische  und 
rassenhygienische  Erwägungen  in  Betracht. 


1282 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


16)  Die  Begutachtung  von  Massenvergiftungen  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Methylalkoholvergiftung.  Von  F.  Strass- 
m  a  n  n  -  Berlin. 

Strassmann  erörtert  an  der  Hand  der  Massenvergiftungen  in 
Berlin  1911/12  die  verschiedenen  Aufgaben,  die  der  Begutachter  in 
solchen  Fällen  zu  lösen  hat. 

17)  Ueber  das  Verhalten  des  Morphins  gegen  Fäulnis.  Von 

C.  1 p  s  e  n -  Innsbruck. 

I  ps  en  spricht  sich  dahin  aus,  dass  das  Morphin  auch  gegen 
zersetzende  Einflüsse  noch  durch  Monate  widerstandsfähig  genug  sei, 
und  dass  es  gelinge,  es  in  faulenden  Flüssigkeiten  nach'  9  Monaten 
und  wahrscheinlich  auch  später  chemisch  nachzuweisen. 

18)  Ein  Fall  von  fötaler,  vollständiger  Atresie  des  Aortenostiums 
mit  Stenose  der  aufsteigenden  Brustaorta  und  Hypoplasie  des  linken 
Ventrikels  und  Vorhofes  auf  dem  Boden  einer  angeborenen  Endo¬ 
karditis.  Von  C.  Ipsen- Innsbruck. 

Der  Fall  betrifft  ein  im  Alter  von  10  Tagen  verstorbenes  Kind, 
bei  dem  der  Tod  infolge  einer  Lungenentzündung  eingetreten  ist.  Bei 
Lebzeiten  des  Kindes  zeigte  sich  übermässig  blau-violette  Verfärbung 
der  Haut  im  Gesichte  und  an  den  Schleimhäuten  sowie  am  ganzen 
Körper. 

19)  Das  Versicherungsgesetz  für  Angestellte.  Von  Mugdan- 
Berlin. 

M  u  g  d  a  n  bespricht  die  für  den  Arzt  wissenswerten  Bestim¬ 
mungen  dieses  Gesetzes. 

20)  Emphysem  und  Unfall.  Von  Rumpf-  Bonn. 

Das  Emphysem  kann  nach  Rumpf  durch  einen  Unfall  oder 
ein  dem  Unfall  gleichzustellendes  Ereignis  entstehen  oder  bei  vor¬ 
handener  Anlage  ausgelöst  werden:  1.  durch  schwere  Kontusion  des 
Brustkorbes,  mit  oder  vielleicht  auch  ohne  Rippenbrüche  und  an¬ 
schliessende  Pleuritis,  welche  eine  Beschränkung  der  inspiratorischen 
Hebung  des  unteren  Brustkorbes  im  Gefolge  haben;  2.  durch  Ein¬ 
atmung  schädlicher  Gase  oder  anderer,  die  Bronchien  und  das  Lungen¬ 
gewebe  schädigender  Substanzen.  Als  dritte  Art  käme  diejenige  in 
Betracht,  welche  einer  Senkung  der  Rippen  durch  Kyphose  der  Wirbel¬ 
säule  ihre  Entstehung  verdankt. 

21)  Ueber  Isoagglutinine.  Von  B  o  h  n  e  -  Hamburg. 

Da  bisherige  Arbeiten  die  Isoagglutinine  —  agglutinierende  Im¬ 
munkörper  eines  Serums,  die  gegen  artgleiche  Blutkörper¬ 
chen  gerichtet  sind  —  in  neuerer  Zeit  zur  individuellen  Blutdiagnose 
zu  verwerten  suchen,  hat  Bohne  Untersuchungen  zur  Nachprüfung 
der  Arbeiten  über  diese  Frage  vorgenommen.  Er  kommt  zum  Teil  zu 
übereinstimmenden  Resultaten  mit  diesen,  wonach  das  Vorkommen 
von  Isoagglutininen  durchaus  nicht  selten  sei. 

22)  Ueber  Selbstverletzungen.  Von  Lochte-  Göttingen. 

Verf.  bespricht  die  für  den  beamteten  Arzt  vor  allem  in  Betracht 

kommenden  Kategorien  von  Selbstverletzungen,  nämlich  die  auf  dem 
Gebiete  der  Arbeiterversicherung,  dem  Gebiete  der  gerichtlichen 
Medizin  und  auf  militärärztlichem  Gebiete  und  erörtert  die  Punkte,  die 
für  Erkennung  und  Beurteilung  der  Selbstverletzungen  von  wesent¬ 
licher  Bedeutung  ist.  Bei  dem  gelegentlich  gehäuften  Auftreten  von 
Selbstverletzungen  spiele  die  Suggestion  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Rolle,  namentlich  auf  religiösem  Gebiete  (Geisselfahrten  der  Flagel¬ 
lanten  im  Mittelalter,  die  Sekte  der  sich  selbst  verstümmelnden 
Skopzen  in  Russland). 

23)  Ueber  Selbstverletzungen  in  ihren  Beziehungen  zu  abnormen 
Zuständen  des  Geisteskranken.  Von  Tintemann  - Göttingen. 

Fintemann  führt  eine  grosse  Zahl  von  Selbstverletzungen  bei 
Geisteskranken  auf,  unter  Hervorhebung  dessen,  was  in  gewisser 
Weise  für  einzelne  Zustände  charakteristisch  ist  und  für  sie  in  Be¬ 
tracht  kommt.  Strenge  Gesetzmässigkeiten,  die  rein  aus  Art  und 
Form  der  Verletzung  eine  Diagnose  des  zugrunde  liegenden  Zustandes 
ermöglichen,  liegen  bezüglich  der  Beziehungen  zwischen  Selbstver¬ 
letzungen  und  abnormen  Geisteszständen  nicht  vor.  Es  lassen  sich  in 
einer  Reihe  von  Fällen  vielleicht  aus  der  Form  der  Verletzung,  dem 
etwaigen  Motiv,  soweit  ein  solches  überhaupt  nachweisbar  ist,  ge¬ 
wisse  Rückschlüsse  auf  den  Geisteszustand  des  Täters  ziehen,  eine 
sichere  Diagnose  könne  nur  eine  eingehende  Untersuchung  bringen. 
Den  von  Geistesgesunden  zum  Zwecke  der  Erreichung  eines  be¬ 
stimmten  Vorteils  gesetzten  Selbstverstümmelungen  gegenüber  sind 
beim  Geisteskranken  Motiv  und  Handlung  auf  dasselbe  nicht  zweck¬ 
entsprechend. 

24)  Degenerationspsychosen  und  Dementia  praecox  bei  Krimi¬ 
nellen.  Von  A  s  c  h  a  f  f  e  n  b  u  r  g  -  Köln  a.  Rh. 

In  der  vorliegenden  Arbeit  bespricht  Aschaffenburg  die 
Frage  der  Entstehung  von  Geisteskrankheiten  bei  Kriminellen  und 
fasst  seine  Ausführungen  dahin  zusammen,  dass  die  Haft  und  die 
mit  der  \  erhaftung  verbundene  psvchische  Erregung  bei  prädispo¬ 
nierten  Menschen  neben  anderen  Formen  der  Psychose  auch  Syn¬ 
drome  auslösen,  die  einen  deutlich  psychogenen  Charakter  tragen 
VVeder  die  Entstehung  dieser  Zustände  in  der  Haft,  noch  ihr  Schwin¬ 
den  nach  der  Enthaftung  beweisen,  dass  es  sich  um  psychogene 
E  n  t  a  r  t  u  n  g  s  z  u  s  t  ä  n  d  e  handeln  müsse.  Es  seien  vielmehr 
weit  öfter  als  im  Allgemeinen  angenommen  werde,  nur  Exazerba¬ 
tionen  oder  die  ersten  deutlichen  Symptome  der  Dementia  prae- 
c  o  x.  Die  Haft  gebe  ihnen  nur  die  eigenartige  Färbung,  die  sie  mit 
der  sehr  viel  selteneren  wirklich  psychogenen  Haftpsychose  ge¬ 
meinsam  habe. 

-ö)  Ueber  die  Errichtung  einer  Station  zur  psychologischen 
und  tierphysiologischen  Erforschung  der  Menschenaffen.  Von 

M.  Rothmann  -  Berlin. 

Verf.  bezeichnet  es  in  ausführlicher  Begründung  als  ein  dringen¬ 


des  Ertordernis,  eine  Beobachtungsstation  für  anthropomorphe  Affen 
einzurichten,  die  für  die  untersuchenden  Forscher  nicht  allzuschwer 
zu  erreichen  ist,  den  Menschenaffen  günstige  klimatische  Bedingungen 
bietet,  eine  möglichst  billige  Beschaffung  des  Materials  gewährleistet 
und,  wenn  irgend  möglich,  gestattet,  die  asiatischen  und  afrikani¬ 
schen  Menschenaffen  gemeinschaftlich  zu  halten  und  in  ihrem  Seelen¬ 
leben  und  ihrer  Verstandestätigkeit  zu  vergleichen. 

26)  Zur  Entstehung  sexueller  Perversitäten  und  ihrer  Beurteilung 
vor  Gericht.  Von  Z  i  e  m  k  e  Kiel. 

Z.  sieht  die  perverse  Triebrichtung  ausnahmslos  als  eine  Teil¬ 
erscheinung  eines  allgemein  veränderten  psychischen  Habitualzu- 
standes  an,  sei  es,  dass  bei  der  betreffenden  Person  von  Jugend 
auf  eine  psychopathische  Allgemeinkonstitution  vorhanden  war  cha¬ 
rakterisiert  durch  das  gehäufte  Auftreten  von  Zeichen  der  Entartung, 
sei  es,  dass  die  psychische  Veränderung  die  Form  von  bestimmten 
ausgesprochenen  geistigen  Störungen  angenommen  hatte.  Meist  sei 
auch  ein  richtiges  okkasionelles  Moment  nachweisbar,  das  die  Aus¬ 
lösung  des  ersten  Sexuallebens  veranlasste  und  das  infolge  seiner 
lebhaften  Gefühlsbetonung  eine  für  die  sexuelle  Triebrichtung  be¬ 
stimmende  Bedeutung  gewann;  ferner  sei  bemerkenswert  das  unge¬ 
wöhnliche  frühe  Auftreten  und  die  abnorme  Stärke  des  Sexualtriebes 
Der  Sexualtrieb  sei  zunächst  in  der  Jugend  objektiv,  erst  allmählig 
komme  es  auf  Grund  individueller  Erfahrungen  zur  Bildung  eines 
Sexualobjektes. 

Bei  der  Beurteilung  vor  Gericht  müsse  stets  zunächst  der  Ver¬ 
such  gemacht  werden,  aus  der  psychischen  Analyse  der  Gesamt¬ 
persönlichkeit  klar  zu  stellen,  wie  die  perversen  Handlungen  zu¬ 
stande  gekommen  sind.  Aus  der  Auffälligkeit  der  sexuellen  Hand¬ 
lung  allein  schon  auf  einen  Mangel  an  strafrechtlicher  Verantwortung 
zu  schliessen,  sei  unzulässig. 

27)  Das  Bewahrliaus  für  Geisteskranke  mit  gemeingefährlichen 
Neigungen.  Von  H  e  r  m  k  e  s  -  Eickelborn. 

H  e  r  m  k  e  s  vertritt  die  Anschauung,  dass  das  mit  der  allge¬ 
meinen  Irrenanstalt  verbundene  Bewahrhaus  für  Geisteskranke  mit 
gemeingefährlichen  Neigungen  ausschliesslich  für  Kranke  bestimmt 
sein  soll,  die  in  ihrem  eigenen  Interesse  anstaltspflegebedürftig  seien, 
die  aber  wegen  ihrer  gefährlichen  Eigenschaften  einer  festen  Be¬ 
wahrung  bedürfen.  Strafgefangene  Geisteskranke  sollen  möglichst 
schnell  in  psychiatrischen  Strafanstaltadnexen  Aufnahme  finden  den 
allgemeinen  Irrenanstalten  sollen  sie  erst  dann  überwiesen  werden, 
wenn  der  Strafvollzug  beendet  oder  wegen  unheilbarer  Geisteskrank¬ 
heit  aufgehoben  sei  und  die  Kranken  selbst  in  ihrem  eigenen  Interesse 
anstaltspflegebedürftig  seien.  Die  nicht  ausgesprochen  geisteskranken 
Psychopathen,  welche  im  Interesse  der  öffentlichen  Sicherheit  und 
Ordnung  nicht  in  der  Freiheit  gelassen  werden  können,  gehören  nicht 
in  die  allgemeinen  Irrenanstalten,  sondern  in  andere  Anstalten,  etwa 
in  entsprechend  eingerichtete  Arbeits-  bezw.  Korrektionshäuser. 

28)  Beruht  das  psychiatrische  und  Unfallneurosegutachten  besser 
auf  der  Diagnose  oder  unmittelbar  auf  dem  Befunde.  Von  W  C  i  m  - 
b  a  1  -  Altona. 

C.  hält  für  notwendig  eine  reinliche  Scheidung  der  gesamten 
psychiatrischen  Gutachtertechnik  von  der  theoretischen  Krankheits¬ 
lehre.  Was  den  objektiven  Untersuchungsmethoden  noch  fehle,  sei 
der  Ausbau  der  allgemeinverbindlichen  Norm  über  die  Wertung  ge¬ 
wisser,  noch  kaum  diskutierter  Einzelbefunde  und  Symptomen- 
komplexe  und  eine  verständliche  einheitliche  Nomenklatur.  C.  schlägt 
vor,  bei  den  zuständigen  Behörden  die  Errichtung  klinisch-forensischer 
Institute  zu  beantragen,  deren  Sprüche  wie  die  des  Reichsgerichtes 
die  Grundlage  weiterer  Entscheidungen  bilden  können  und  die  gleich¬ 
zeitig  die  letzte  wissenschaftliche  Berufungsinstanz  bilden  sollen. 
Ferner  sollte  eine  aus  Klinikern  und  Praktikern  gemischte  Kommission 
sich  bilden,  welche  die  einschlägigen  Arbeiten  als  wissenschaftliche 
und  sprachlich  sichtende  Instanz  sammeln  und  verwerten  sollte,  um 
so  die  dringend  notwendige  Einheitlichkeit  in  Grundsätzen  und  Aus¬ 
drücken  anzubahnen.  S  p  a  e  t  -  Fürth. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  22,  1913. 

1)  N.  B  u  m  m  -  Berlin:  Ueber  Erfolge  der  Röntgen-  und  Meso- 
thoriumbestrahlung  beim  Uteruskarzinom.  (Vortrag,  gehalten  in  der 
Sitzung  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  7.  Mai  1913.) 

cf.  pag.  1068  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

2)  Louis  W  i  c  k  h  a  m  -  Paris :  Allgemeine  histologische  Verände¬ 
rungen  der  Gewebe  unter  dem  Einfluss  der  Strahlenwirkung.  (Vor¬ 
trag,  gehalten  auf  dem  internationalen  Kongress  für  Physiotherapie 
zu  Berlin  im  Mürz  1913.) 

cf.  Spezialreferat  der  Münchener  med.  Wochenschr.  1913,  S.  778. 

3)  Ludwig  Pincussohn-  Berlin :  Ueber  die  Einwirkung  des 
Lichts  auf  den  Stoffwechsel.  (Vortrag,  gehalten  auf  dem  4.  inter¬ 
nationalen  Kongress  für  Physiotherapie.) 

cf  Spezialreferat  der  Münchener  med.  Wochenschr.  1913,  S.  778. 

4)  H.  S  t  r  a  u  s  s  und  S.  Brandenstein  -  Berlin :  Röntgen¬ 
untersuchungen  bei  chronischer  Obstipation.  (Nach  einem  am  13.  Fe¬ 
bruar  1913  in  der  Hufe  1  a  n  d  ischen  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrag.) 

Die  vorliegenden  Röntgenuntersuchungen  haben  auf  diesem  Ge¬ 
biete  den  Wert  älterer  Untersuchungsmethoden  nicht  verdrängt,  son¬ 
dern  aufs  neue  in  eine  helle  Beleuchtung  gerückt.  Ausserdem  aber 
geben  sie  uns  nicht  unwichtige  Fingerzeige  zur  Beurteilung  eines 
schon  früher  angenommenen  Zusammenhanges  zwischen  Koprostase 
und  lokalen  Entziiiidungsprozessen. 

5)  Karl  K  1  i  e  n  e  b  e  r  g  e  r :  Die  Radiographie  in  der  Diagnostik 
der  Nephrolithiasis.  (Nach  einem  Demonstrationsvortrag  im  Kranken- 
hausabend  des  ärztlichen  Bezirksvereins  zu  Zittau  am  3.  April  1913.) 


0.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1283 


Die  Radiographie  ist  nur  eine  der  klinischen  Untersuchungs¬ 
nethoden  bei  der  Diagnose  von  Nierensteinen,  die  kritisch  und  skep- 
iscli  zusammen  mit  dem  übrigen  klinischen  Material  verwertet  wer- 
len  soll  und  die  nicht  gegen  die  Ergebnisse  der  klinischen  Anamnese 
md  des  klinischen  Untersuchungsbefundes  ausgespielt  werden  daif. 

6)  M.  R  o  t  h  m  a  n  n  -  Breslau:  Kritische  Untersuchungen  über 
lie  Methoden  der  Viskosimetrie  des  Blutes. 

Das  Blut  als^  Suspensionsflüssigkeit  gehorcht  nicht  dem  Poi- 
.  e  u  i  1 1  e  sehen  Gesetz.  Seine  innere  Reibung  ist  vielmehr  eine 
. (implizierte  Funktion  des  treibenden  Druckes,  des  Quotienten  aus 
(örperchengrösse  und  Kapillardurchmesser  und  der  relativen  Zahl  der 

(örperchen. 

Alle  auf  dem  P  o  i  s  e  u  i  1 1  e  sehen  Gesetz  basierenden  Methoden 
ler  Blutviskosimetrie.  die  diese  Tatsache  nicht  berücksichtigen,  geben 
laher  keine  vergleichbaren  Resultate. 

Da  es  z.  Z.  noch  nicht  möglich  ist.  die  Beziehungen  der  Blut- 
iskosität  zu  den  genannten  Faktoren  exakt  zu  formulieren,  erscheint 
■s  im  Interesse  der  Vergleichbarkeit  der  von  den  verschiedenen 
\utoren  gewonnenen  Resultate  geboten,  sich  über  die  Dimensionen 
ler  Kapillare  und  über  die  Flöhe  des  treibenden  Druckes  zu  einigen. 

7)  A.  E  p  h  r  a  i  m  -  Breslau :  Zur  Theorie  des  Bronchialasthma. 
Vortrag,  gehalten  im  Verein  deutscher  Laryngologcn  zu  Stuttgart.) 

Verf.  ist  der  Ansicht,  dass  die  Asthmadisposition  in  einer  chro- 
lisch-desquamativen  Entzündung  der  Bronchialschleimhaut  besteht. 

8)  K.  Baerthlein  -  Berlin :  Ueber  Mutation  bei  Diphtherie. 
Vortrag,  gehalten  auf  der  7.  Tagung  der  Freien  Vereinigung  für 
Mikrobiologie  in  Berlin  1913.) 

Es  werden  Mutationsvorgänge  beschrieben,  die  sich  iiberein- 
-itimmend  bei  zahlreichen  Diphtheriestämmen  und  bei  einer  Anzahl 
eon  diphtherieverdächtigen  Kulturen  feststellen  Hessen,  die  aus 
Dzaenafällen  isoliert  waren. 

9)  A.  Strubell  -  Dresden :  Pharmakodynamische  Probleme. 
1.  Oie  pharmakologische  Beeinflussung  des  opsonischen  Index  durch 
Eiweisspräparate  und  durch  Lezithiu-Perdynamin. 

Lezithin-Perdynamin  bewirkte  beträchtliche  Veränderungen  des 
opsonischen  Index  im  günstigen  Sinne,  also  einer  deutlichen  Stei¬ 
gerung  des  Index  gegen  Staphylokokken  und  Tuberkelbazillen.  Die 
Versuche  sind  noch  nicht  abgeschlossen. 

10)  A.  S  c  h  a  n  z  -  Dresden :  Zur  A  b  b  o  1 1  sehen  Behandlung  der 
Skoliose. 

Verf.  nimmt  Stellung  gegen  die  Abbott  sehe  Methode  der 
-tkoliosenbehandlung.  Die  demonstrierte  experimentelle  Skoliose  sei 
überhaupt  keine  Skoliose  und  die  gezeigten  Ueberkorrekturen  skolio- 
tischer  Verbiegungen  sind  keine  Ueberkorrekturen,  sondern  es 
handelt  sich  nur  um  künstliche  Thoraxdeformitäten,  welche  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Thoraxdeformierung  bei  Skoliose  be¬ 
sitzen.  Es  sind  also  nur  Scheinkorrekturen  und  die  alte  Skoliose 
muss  rezidivieren. 

11)  Theodor  Hausmann:  Ueber  die  einfachste  Gramfärbungs¬ 
methode. 

Man  lege  auf  das  Deckglas  oder  den  Objektträger  ein  Stück 
Filtrierpapier  von  der  Grösse  des  Deckglases  und  giesst  eine  1  proz. 
wässerige  Lösung  des  gewöhnlichen  käuflichen  Gentianviolettes 
auf.  Die  Färbung  ist  in  der  gewohnten  Zeit  vollendet. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  22,  1913.^ 

1)  F.  L  o  e  f  f  1  e  r  -  Greifswald :  Die  Verwendung  von  trocken 
erhitzten  Mikroorganismen  und  von  solchen,  die  mit  verdauenden 
Fermenten  behandelt  sind,  als  Antigene,  unter  besonderer  Berücksich¬ 
tigung  der  Tuberkelbazillen. 

Keimfreie  Antigene  sind  mittels  trockenen  Erhitzens  verschie¬ 
dener  Mikroorganismen  auf  70°  zu  erhalten.  Mit  derartigem  Material 
aus  Tuberkelbazillen,  die  bereits  nach  1 — 2  Tagen  abgetötet  sind, 
können  Hunde  und  Kaninchen  gegen  hochpathogene  Tuberkelbazillen 
immunisiert  werden.  Dagegen  scheint  sich  solches  Material,  welches 
durch  Einwirkung  von  pflanzlichen  oder  tierischen  Fermenten  (Carne- 
vorin,  Trypsin)  auf  Tuberkelbazillen  erhalten  worden  ist,  weder  zu 
immunisierenden  noch  zu  therapeutischen  Zwecken  zu  eignen.  Mit 
dem  Serum  eines  Kaninchens,  das  mit  abgetöteten  Menschentuberkel¬ 
bazillen  hochimmunisiert  worden  war,  Hessen  sich  gute  Heilerfolge 
beim  tuberkulösen  Meerschweinchen  erzielen. 

2)  K.  M  o  m  o  s  e  -  Heidelberg:  Zur  Kenntnis  der  antigenen  Wir¬ 
kung  der  entfetteten  Tuberkelbazillen. 

Eine  aus  entfetteten  Tuberkelbazillen  hergestellte,  T.A.C.  be- 
zeichnete  Emulsion  enthält  fast  keine  säurefesten  Bazillen  mehr. 
Injektion  beim  gesunden  Menschen  führte  unter  Temperatursteigerung 
zu  örtlicher  Rötung  und  Schwellung,  im  Blute  zum  Auftreten  kom- 
plementbindender  Antikörper:  das  nicht  inaktivierte  Serum  von  Phthi¬ 
sikern  reagierte  ausnahmslos  positiv  gegen  T.A.C.  Mit  dem  Mittel 
vorbehandelte  Tiere  schienen  gegenüber  einer  nachfolgenden  In¬ 
fektion  mit  Tuberkelbazillen  vom  Typus  humanus  eine  vermehrte 
Resistenz  zu  besitzen. 

3)  E.  G.  D  r  e  s  e  1  -  Heidelberg:  Beitrag  zur  Statistik  der  Tuber¬ 
kulosesterblichkeit  in  Baden. 

Eine  statistische  Zusammenstellung  zeigt,  dass  in  Baden  in  den 
Jahren  1906/10  die  Tuberkulosesterblichkeit  in  allen  Altersklassen  er¬ 
heblich  geringer  war  als  in  den  Jahren  1881/85.  Insbesondere  war 
bei  der  Säuglingssterblichkeit  an  Tuberkulose  ein  Abfall  bis  auf  die 
Hälfte  zu  verzeichnen. 


4)  H.  N  a  k  a  n  o  -  Tokio :  Ueber  Teilungsformen  der  reinge- 
ziiehteten  Syphilisspirochäten. 

Beobachtungen  an  Reinkulturen  der  Spirochaeta  pallida  scheinen 
zu  der  Annahme  zu  berechtigen,  dass  wenn  eine  Teilung  erfolgt, 
diese  sich  in  querer  und  nicht  in  der  Längsrichtung  vollzieht. 

5)  W  i  1  m  s  -  Heidelberg:  Operative  Behandlung  des  Plattfusses 
und  Klumpfusses. 

Zur  Besserung  der  Fusswölbung  und  Fussform  bei  Plattfuss  ist 
nicht  nur  die  Ankylosierung  des  Talonavikulargelenkes  durch  keil¬ 
förmige  Resektion,  sondern  auch  die  Einfügung  der  resezierten 
Knochenkeile  zwischen  Kalkaneus  und  Kuboideum  auszuführen.  Bei 
schweren  Fällen  von  Plattfuss  muss  auch  noch  die  Ankylose  zwischen 
Kalkaneus  und  Talus  nach  voraufgehender  Redression  des  Kalkaneus 
angestrebt  werden.  Die  Störung  des  Ganges  ist  trotz  der  ausge¬ 
dehnten  Ankylosierung  nicht  wesentlich.  Beim  Klumpfuss  empfiehlt 
sich  das  umgekehrte  Vorgehen:  keilförmige  Resektion  des  lateralen 
Teiles  im  Chopart  sehen  Gelenk  und  Einfügung  des  Knochenkeiles 
auf  der  medialen  Seite.  Die  feste  Fixierung  in  gewaltsam  redres- 
sierter  Stellung  geschieht  in  beiden  Fällen  am  besten  erst  nach  5  bis 
8  Tagen  in  Lokalanästhesie. 

6)  E.  R  a  u  t  e  n  b  e  r  g  -  Berlin-Lichterfelde :  Vorhofpuls  und 
Venenpuls. 

Nach  einem  Vortrage  im  Verein  für  innere  Medizin  und  Kinder¬ 
heilkunde  in  Berlin  am  17.  März  1913,  ref.  in  No.  12,  1913  der  Münch, 
med.  Wochenschr. 

7)  D.  M.  K  a  p  1  a  n  -  NewYork :  Analyse  der  Spinalflüssigkeit  und 
des  Blutserums  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Neurologie. 

Verf.  hat  bei  syphilitischen  und  parasyphilitischen  Erkrankungen 
des  Nervensystems  mit  normalem  Zellgehalt  im  Liquor  cerebrospinalis 
auch  die  Wa.-R.  negativ  gefunden,  dagegen  eine  positive  Wa.-R.  fast 
stets  von  Pleozytose  begleitet.  Negative  Wa.-R.  ist  bei  Tabes 
häufiger  als  bei  Paralyse  zu  beobachten. 

8)  Hess- Berlin:  Heilung  eines  Falles  von  Carcinoma  nteri 
nach  Probeauskratzung. 

Die  41  Jahre  alte  Patientin,  bei  der  die  einwandfreie  Unter¬ 
suchung  der  durch  die  Auskratzung  gewonnenen  Geschwulstbröckel 
die  Diagnose  Adenokarzinom  ergab,  ist  jetzt,  4  Jahre  nach  diesem 
Eingriff,  klinisch  vollkommen  geheilt.  Nach  Besprechung  der  ver¬ 
schiedenen  Theorien  über  die  „Spontanheilung“  von  Karzinomen  be¬ 
tont  Verf.  mit  Recht,  dass  das  Vorkommen  derartiger  vereinzelter 
Fälle  niemals  auf  die  gründliche  chirurgische  Therapie  verzichten 
lassen  sollte. 

9)  v.  Hansemann  -  Berlin :  Bemerkungen  zu  vorstehendem 
Bericht. 

Verf.,  der  die  mikroskopische  Untersuchung  des  Hess  sehen 
Präparates  ausführte,  bestätigt  die  Diagnose  Adenokarzinom,  dessen 
Heilung  nicht  spontan,  sondern  dadurch  zustande  kam.  dass  bei  der 
Auskratzung  alle  Geschwulstkeime  vollständig  entfernt  wurden.  In 
einem  anderen  Falle  konnte  in  dem  nach  der  Probeauskratzung  wegen 
Karzinom  total  exstirpierten  Uterus  mikroskopisch  keine  Spur  mehr 
von  Karzinom  gefunden  werden. 

10)  Ernst  F  r  ä  n  k  e  1  -  Bonn :  Methode  zur  bakteriologischen 
Untersuchung  des  leeren  Magens. 

Die  Prüfung  geschieht  mit  einer  unter  möglichst  aseptischen 
Vorkehrungen  ausgeführten  Spülung  des  nüchternen  Magens  mit 
400  ccm  steriler  NaCl-Lösung  und  bezieht  sich  auf  mikroskopischen 
und  kulturellen  Bakteriennachweis,  auf  Feststellung  der  Keimzahl, 
Tierversuch  usw. 

11)  A.  P  in  k  u  s  s  -  Berlin:  Die  Mesothoriumbehandlung  bei 
hämorrhagischen  Metropathien  und  Myomen. 

Mesothorium,  in  Kapseln  in  das  hintere  Scheidengewölbe,  und 
zwar  möglichst  in  die  Nähe  der  Ovarien,  eingelegt,  zeigte  gute 
Wirkung  bei  Uterusblutungen  infolge  von  Myomatosis,  chronischer 
Metritis,  hämorrhagischer  Metropathie  zumal  im  präklimakterischen 
Alter;  es  ist  gelegentlich  imstande,  die  operative  Behandlung  zu  er¬ 
setzen. 

12)  Richard  M  ü  h  s  a  m  -  Berlin:  Exstirpation  der  Milz  und  der 
linken  Niere  wegen  Ueberfahrung. 

Vortrag  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am  28.  April 
1913,  ref.  in  No.  19,  1913  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

13)  E.  B  u  r  c h  a  r  d  -  Berlin:  Einige  spezifische  Indikationen  des 
Aleudrins. 

Aleudrin  hat  sich  vielfach  als  ein  vorzügliches  Analgetikum, 
Sedativum  und  Hypnotikum  bei  allerlei  neuralgischen  und  nervösen 
Zuständen,  besonders  auch  bei  einigen  Angstneurosen  (Phrenokardie) 
erwiesen.  Kein  Schwindel  oder  Benommenheit,  auch  nicht  bei  vor¬ 
zeitigem  Aufwachen.  Dosis  bis  dreimal  täglich  0.5 — 1,0  g. 

14)  Cramer  -  Zehlendorf-Berlin :  Eisen- Jodozitin-Präparate  in 
der  Kinderpraxis. 

Eisenjodozitin  bewährte  sich  bei  Anämie*,  Skrofulöse,  Rachitis. 
Tuberkulose,  chronischen  Hautausschlägen  der  Kinder  als  ein  gutes 
und  von  unangenehmen  Beiwirkungen  freies  Mittel  und  ist  vielleicht 
auch  bei  der  kindlichen  'Lues  mit  Vorteil  zu  verordnen. 

15)  Alexander  S  c  h  o  s  s  b  e  r  g  e  r  -  Neusatz:  Zwei  Fälle  von 
Eklampsie  geheilt  mit  Hypophysenextrakt. 

Zur  Verwendung  kam  das  Pituglandol  Roche  in  zweimaliger  In¬ 
jektion  von  je  1,1  ccm. 

16)  Alfred  G  i  s  e  1  -  Zürich  :  Die  Styptica  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Erystyptikum  „Roche“. 

Das  Erystiptikum  „Roche“  ist  bekanntlich  eine  Kombination  von 
Hydrastin  und  Sekakornin  und  vereinigt  in  sich  die  therapeutischen 
Wirkungen  der  beiden  genannten  Mittel.  Als  Kontraindikation  bei 


1284 


MUFNCHENER  MEDIZI  NISCHE  WQCH  ENSCHRIFT. 


Genitalblutungen  Kelten  solche  während  der  Schwangerschaft  und 
intra  partum.  Möglicherweise  sind  auch  Hämorrhagien  ausserhalb 
der  weiblichen  Genitalsphäre  ein  Anwendungsgebiet  für  das  Erv- 
stiptikum. 

17)  Ernst  P  o  r  t  n  e  r  -  Berlin:  Das  gehäufte  Auftreten  von  Exan¬ 
themen  nach  dem  Gebrauch  von  Kopaivabalsam. 

Bestätigt  die  jüngst  hier  von  Fischer  veröffentlichte  Beob¬ 
achtung,  führt  sie  auf  ungeeignete  Beschaffenheit  des  gegenwärtigen 
1  räparates  zurück  und  rät  durchaus  zur  Verwendung  des  01.  santali. 

PS)  E.  S  c  h  o  1 1 1  ä  n  d  e  r  -  Barmen:  Geber  Zahnwurzelspitzeii- 
resektion. 

Zur  Beseitigung  von  Granulationsherden  an  der  Wurzelspitze, 
wie  sie  im  Gefolge  chronischer  Periodontitis  auftreten,  empfiehlt  sich 
nach  deren  Darstellung  mittels  des  Röntgenverfahrens  die  Eröffnung 
der  Alveole  unter  Bildung  eines  nach  der  Kaufläche  zu  konvexen 
Schleimhautlappens,  sorgfältige  Auskratzung,  nötigenfalls  vervoll¬ 
ständigt  durch  Abtragung  der  Wurzelspitze  mit  dem  Bohrer  Pri¬ 
märer  Verschluss  der  Wunde  durch  Naht. 

Id)  Gustav  S  p  i  c  s  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Neuer  mehrteiliger  In¬ 
strumentensterilisator,  automatisch  genügende  Sterilisation  garan¬ 
tierend. 

20)  Bruno  r  h  i  e  m  e  -  Berlin:  Quarzlampe  für  medizinische 
Zwecke.  Baum-  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913,  No.  18. 

I  h.  Kocher:  Zur  operativen  Behandlung  der  Wanderniere. 

Verf.  hat  schon  früher  vorgeschlagen,  die  Nähte  der  Nephropexie 
nur  als  Provisorium  zu  betrachten  und  die  solide  Fixation  der  Niere 
so  anzubahnen,  dass  man  eine  ca.  3  cm  im  Durchmesser  haltende  von 
der  Kapsel  befreite  Stelle  des  Nierenparenchyms  freigelegt  lässt  und 
einen  Jodoformtampon  von  der  Hautwunde  bis  zur  Niere  ■  einlegt, 
der  2—3  Wochen  liegen  bleibt,  so  dass  ein  granulierender  Kanal  ent¬ 
steht,  der  sich  dann  zu  einer  soliden  Narbe  umbildet.  Der  einzige 
Nachteil  dabei  ist,  dass  die  Kranken  4 — 6  Wochen  in  ärztlicher  Ueber- 
waclmng  bleiben  müssen.  Verf.  hat  deshalb  noch  eine  andere  Me¬ 
thode  mit  gutem  Erfolg  versucht:  nach  Freilegen  der  Niere  wird 
ein  20  cm  langer  und  10  cm  breiter  Faszienstreifen  dem  Oberschenkel 
entnommen,  in  der  Mitte  in  Längsrichtung  eine  Inzision  gemacht,  der 
untere  Nierenpol  in  diese  Oeffnung  hineingesteckt  und  festgenäht. 
Dann  hebt  man  durch  Anspannen  der  Zipfel  dieser  Tasche  die  Niere 
und  fixiert  die  Zipfel  durch  Nähte.  Man  kann  so  jede  gewünschte 
Lage  der  Niere  erzielen,  die  fest  in  der  Tasche  ruht. 

F.  Miese  her:  Zur  Kenntnis  der  Mammatumoren  des  Mannes. 
(Pathol.  Institut  Basel.) 

Beschreibung  und  Abbildung  eines  gutartigen  Epithelioms  zur 
Gruppe  der  Hamartome  (E.  A  1  b  r  e  c  h  t)  gehörend. 

L.  Jacob-  Wiirzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  22.  H.  J  a  n  u  s  c  h  k  e  -  Wien :  Geber  Entzündungshemmung. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  11.  IV.  13  S 
Bericht  S.  957. 

,  0.  W  e  1 1  m  a  n  n  -  Wien :  Zur  klinischen  Bedeutung  des  Chole¬ 
sterinnachweises  im  Blutserum. 

W.  gibt  eine  Probe  an,  die  auf  dem  Prinzip  der  Salkowsky- 
schen  Cholesterinprobe  und  einer  Ausgestaltung  der  Methode  von 
Ne  u  m  a  n  n  und  Herrmann  beruht.  Im  wesentlichen  wird  1  ccm 
Blutserum  in  einem  langhalsigen  Messkolben  mit  einer  Mischung  von 
je  10  ccm  konzentrierter  Schwefelsäure  und  Chloroform  stark  ge¬ 
schüttelt  und  24  Stunden  in  Dunkelheit  auf  Eis  aufbewahrt.  Dann 
Uebergiessen  in  eine  Eprouvette  von  bestimmtem  Lumen  und  be¬ 
stimmter  Glasdicke.  Kontrolle  der  Reaktion  (Rotfärbung  der  Chloro- 
formschicht)  mit  eigenem  Apparat  (Rubinglaskeil  des  Fleischl- 
schen  Hämometers).  Näheres  im  Original  einzusehen.  Die  etwas 
grobe  Methode  genügt  für  praktische  Zwecke  durchaus.  Die  Unter¬ 
suchung  zahlreicher  Fälle  zeigt  eine  Erhöhung  des  Cholesterinspiegels 
bei  Arteriosklerose.  Nephritiden,  Erkrankungen  der  Leber,  nicht  ex- 
ulzerierende  Geschwülste,  azidotischem  Diabetes,  bei  einigen  Nerven¬ 
erkrankungen,  Prozessen  mit  lokaler  pathologischer  Cholesteatose. 
Line  Verminderung  der  Cholesterinwerte  fand  sich  bei  den  Tumoren 
und  bei  einigen  Nervenkrankheiten  (Beteiligung  der  Blutdrüsen).  Auf 
die  verschiedenen  Theorien  über  die  Rolle  des  Cholesterins  usw 
lässt  sich  hier  nicht  eingehen. 

Br  and  weiner  und  O.  Hoch -Wien:  Mitteilungen  über 
Gonorrhöe. 

Zusammenfassung:  Kutisreaktionen  und  Stichreaktionen  mit  Auf¬ 
schwemmungen  abgetöteter  Gonokokken  sind  diagnostisch  nicht  zu 
verwerten.  —  Bei  unkomplizierter  oder  komplizierter  Urethritis  totalis 
sind  Stichreaktionen  mit  autogenen  Gonokokkenvakzinen  bei  gleicher 
Dosis  quantitativ  stärker  als  solche  mit  allogenen.  —  Mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  ist  anzunehmen,  dass  wesentliche  Differenzen 
unter  den  verschiedenen  Gonokokkenstämmen  bestehen. 

J.  I  i  1 1  g  r  e  n  und  A.  1  r  ö  1 1  -  Stockholm:  Ein  Fall  von  Arthritis 
paratyphosa  tarsi. 

6  jähriger  Knabe.  Die  Fussgelenkskomplikation  (Tarsus),  welche 
die  Entleerung  von  Eiter  nötig  machte,  zeigte  sich  in  der  4.  bis 
5.  Woche  nach  Ablauf  der  Allgemeinerscheinungen.  Bemerkenswert 
Itü*  ^ie  se^ene  Lokalisation  und  das  Fehlen  eines  prädisponierenden 
Momentes  hierfür.  1 


B.  O.  P  r  i  b  r  a  m  -  Wien :  Geber  Seekrankheit. 

^  er/-  hat,  ausgehend  von  der  Beobachtung,  dass  bei  den  von  der 
Seekrankheit  befallenen  in  grösserer  Zahl  die  Zeichen  eines  gesteicer 
ten  Vagustonus  gefunden  werden,  weiter  auf  Grund  der  Tatsache 
dass  jenseits  des  40.  Lebensjahres  nicht  nur  der  Vagustonus  nhvsio’ 
logischerweise  sinkt,  sondern  auch  die  Disposition  zur  Seekrankheit 
abnimmt,  Versuche  mit  einer  Atropinbehandlung  der  Seekrankheit 
gemacht.  In  5  Fällen,  darunter  auch  beim  Verf.  selbst,  zeigte  die  Fin 
spntzung  von  1  mg  Atropin  sulfur.  einen  günstigen  Erfolg,  möglicher" 
weise  prophylaktische  Wirkung. 

V.  Reis- Lemberg:  Ein  Beitrag  zur  Ophthalmomyiasis. 

j-, Ueb erblick  über  die  Kasuistik.  Beschreibung  eines  Falles  in  dem 
im  Bindehautsack  die  Larve  einer  Schlammfliege,  wahrscheinlich  Fri 
stalis  tenax  gefunden  wurde. 

.  C  1  a  i  r  m  o  n  t  -  Wien  und  v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck:  Gibt  es 
eine  gallige  Peritonitis  ohne  Perforation  der  Gallenwege'-* 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Nauwerck  und  Lübke  m 
No.  14  der  Berl.  med.  Wochenschr. 

i  v'  j  z  1  li  a  r  z  und  A.  S  e  1  k  a  -  Wien :  Das  röntgenologische 
Verhalten  des  Magens  bei  gastrischen  Krisen  und  beim  Brechakte 

Nachtrag  zu  dem  Aufsatz  in  No.  21. 

.  .  \V  Fr  ä  n  k  e  1  -  Wien:  Das  neue  chemische  Laboratorium  der 
k.  k.  osterr.  Gesellschaft  für  Erforschung  und  Bekämpfung  der  Krebs¬ 
krankheit. 

Beschreibung  mit  Abbildungen. 

L.  T  e  1  e  k  y  -  Wien :  Ketzerische  Betrachtungen  zur  Schularzt- 
irage. 

Die  Ausführungen  I  .s  gipfeln  in  der  Forderung  der  Behand¬ 
ln  n  g  der  kranken  Schulkinder  (Lehrlinge)  in  Schulpolikliniken  mit 
}  pezialarzten,  vor  allem  für  Ohren-,  Nasen-  und  Augenkrankheiten 
(unentgeltliche  Abgabe  von  Augengläsern),  wozu  auch  die  ärztliche 
Beratung  für  die  Berufswahl  kommen  müsste.  T.  erwartet  davon 
nicht  eine  Schädigung  des  ärztlichen  Standes,  vielmehr  werde  die 
Wertschätzung  ärztlicher  Leistung  und  das  Bedürfnis  nach  dem  Arzte 
weiter  zunehmen. 

H.  Pfeiffer- Graz:  Zur  Frage  der  anaphylaktischen  Vergü¬ 
tung. 

Erwiderung  auf  die  Arbeit  von  R.  Kraus  und  P.  Kirsch¬ 
bau  m  in  No.  20. 


Prager  medizinische  Wochenschrift. 

No.  12.  F.  Schwerdtfeger  -  Halle  a.  S. :  Noviform  in  der 
oto-rhino-laryngologischen  Praxis. 

Nach  den  Erfahrungen  an  der  laryngologischen  Klinik  in  HaHa 
eignet  sich  Noviform  gut  zum  Ersatz  des  Jodoforms. 

No.  13.  F.  Luksch-Prag:  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  des 
Morbus  Buhlii. 

Bei  einem  Kinde  mit  dem  Symptomenkomplex  der  Buhl  sehen 
Krankheit  war  eine  durch  ein  typisches  Bacterium  coli  bedingte  Bak- 
teriämie  festzustellen.  In  deren  Folge  entstand  Verstopfung  bezvv 
1  hrombenbildung  in  kleineren  und  grösseren  Gefässen  und  dadurch 
kam  es  zu  hämorrhagischen  Erosionen  im  Magen,  Myomalagic  des 
Herzmuskels,  hämorrhagischem  Infarkt  der  Niere,  schliesslich  Paren¬ 
chymdegeneration  in  verschiedenen  Organen. 

No;_  15.  N.  L  u  r  j  e  -  Lewin  (Geltschberg) :  Ein  Beitrag  zur  medi¬ 
kamentösen  Therapie  der  Lungentuberkulose. 

Nach  Erfahrungen  bei  20  Tuberkulösen  war  die  Kombination  von 
Kalium  sulfoguajacolicum  mit  steigenden  Arsendosen  mit  2  Ausnahmen 
eifolgreich,  bei  einzelnen  schweren  Fällen  unerwartet  wirksam. 

No.  17.  0.  Bail -Prag:  Geber  Luftozonisierung. 

Zunächst  betont  B.  die  grossen  Verschiedenheiten  der  Empfind¬ 
lichkeit  gegen  ozonisierte  Luft.  Bei  manchen  Menschen  ist  sie  so 
gross,  dass  ein  Ozongehalt  von  einigermassen  desinfizierender  Wir¬ 
kung  nicht  ertragen  würde.  Eine  bakterizide  Wirkung  kommt  auch 
der  sehr  staik  ozonisierten  Luft  im  allgemeinen  nicht  zu.  Bezüglich 
der  desodorisierenden  Wirkung  bestehen  Unterschiede:  Manche  Ge¬ 
rüche  (Ammoniak.  Schwefelwasserstoff,  schweflige  Säure,  ver 
dampfte  Buttersäure,  gewisse  Parfüms,  Tabakgeruch  u.  a)  werden 
nur  mehr  oder  weniger  gemildert  oder  verdeckt  und  bleiben  neben 
dem  Ozongeruch  wahrnehmbar.  Andere  Gerüche  werden  geändert. 
So  werden  Fäulnisgerüche  in  einen  viel  weniger  belästigenden,  aber 
liai  tnäckigen  „Leim  -Geruch  verwandelt  und  der  Ozongeruch  wird 
erst  nach  dieser  Aenderung  bemerkbar,  was  auf  eine  wirkliche  che¬ 
mische  Verbindung  (Oxydation)  des  Ozons  mit  den  Fäulnisgasen 
schhessen  lässt.  Die  Möglichkeit  ist  vorhanden,  dass  auch  die  Aus- 
dimstungsstoffe  des  Menschen  zum  Teil  einer  solchen  Oxydierung 
durch  Ozonisierung  der  Luft  zugänglich  sind  und  dass  so,  wenn  auch 
nicht  eine  Luftverbesserung,  so  eine  Luftverschönerung  stattfinden 
kann.  Linen  Ersatz  für  die  Ventilation  bildet  die  Ozonisierung  selbst¬ 
verständlich  nicht.  Vorerst  bedarf  es  auch  noch  mancher  Verbesse¬ 
rung  in  dei  1  echnik  der  Luftozonisieruug.  Bergest-  München. 


Russische  Literatur. 

M.  Zaussailow  -  Jekaterinoslaw:  Geber  die  Verwendung  des 

Zitronensaftes  zu  therapeutischen  Zwecken.  (Wiestnik  obszczest- 

wennoi  hygieny,  Oktober  1912.) 

Ausgepresster  Zitronensaft  übt  in  einer  Dosis  von  1—2  Glas  täg¬ 
lich  auf  gichtische  Erkrankungen,  sowie  auf  Blutkrankheiten  einen 
überaus  günstigen  Einfluss  aus.  Die  Wirkung  des  Zitronensaftes  ist 
nicht  allein  durch  seinen  Gehalt  an  Zitronensäure  zu  erklären,  die 
ein  Lösungsmittel  für  die  Harnsäure  darstellt,  sondern  hauptsächlich 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1285 


ladurch,  dass  er  die  Lebenstätigkeit  der  zeitigen  Elemente  anregt 
ind  die  Oxydationsprozesse  in  ihnen  steigert.  In  dieser  Beeinflussung 
ler  zelligen  Elemente  findet  auch  der  Umstand  seine  Erklärung,  dass 
>eim  Gebrauch  von  Zitronensaft  der  Appetit  zunimmt,  die  Ernährung 
.ich  bessert,  die  Blutbildung  im  Organismus  eine  Steigerung  erfährt. 
Uisserdem  übt  die  Zitronenkur  weder  auf  die  Verdauungsorgane  noch 
iuf  die  Verdauung  selbst  irgend  einen  schädlichen  Einfluss  aus,  die 
Vrrkung  ist  im  Gegenteil  in  der  ungeheueren  Mehrzahl  der  Fälle  eine 
einstige.  Schliesslich  ist  hervorzuheben,  dass  eine  derartige  Kur 
m  Gegensatz  zu  den  Mineralwässern  den  Körper  nicht  schwächt, 
.ondern  kräftigt.  Der  Autor  hält  sich  demnach  für  berechtigt,  die 
Anwendung  des  Zitronensaftes  in  gewissen  Fällen  warm  zu  empfehlen. 

S.  Abulow  -  Baku :  Ueber  die  Abortivbehandlung  der  Syphilis. 
Russische  Zeitschr.  f.  Haut-  u.  Geschlechtskrankheiten  [russisch], 
slovember-Dezember  1912.) 

Von  26  längere  Zeit  hindurch  beobachteten  Patienten  mit 
lotorisch  luetischem  Primäraffekt,  mit  zumeist  negativer,  selten  posi- 
iver  W  assermann  scher  Reaktion,  wurde  an  4  die  Exzision  des 
Schankers  vorgenommen,  erhielten  7  einmal  und  4  zweimal  Salvarsan 
ntravenös,  machten  6  eine  Hg-Kur  und  eine  ein-  oder  zweimalige 
■^alvarsankur  durch,  wurden  2  ausschliesslich  mit  Hektin,  einer  mit 
ig,  einer  mit  Hektin  und  Hg  und  schliesslich  einer  mit  Neosalvarsan 
«handelt.  In  sämtlichen  4  Fällen,  in  denen  der  Schanker  exzidiert 
vurde,  war  ein  Misserfolg  zu  konstatieren:  die  Syphilis  nahm  in 
hnen  ihren  gewöhnlichen  Verlauf.  Ebensowenig  übte  das  Hektin 
iuf  die  Entwicklung  der  Krankheit  irgend  einen  Einfluss  aus.  Die 
in  allerersten  Beginn  der  Erkrankung  eingeleitete  Hg-Kur  schob  zwar 
las  Auftreten  der  sekundären  Erscheinungen  etwas  hinaus,  vermochte 
edoch  nicht  ihnen  vorzubeugen;  auch  war  die  Beeinflussung  der 
Wa.-R.  nur  eine  geringe.  Dagegen  blieben  sämtliche  Patienten,  die 
n  dieser  oder  jener  Kombination  Salvarsan  (und  Neosalvarsan) 
jrhalten  hatten,  während  der  gesamten  Beobachtungsdauer  von 
8ekundärerscfieinungen  völlig  frei  und  wiesen  auch  bei  wiederholter 
Jntersuchung  stets  einen  negativen  Ausfall  der  Wa.-R.  auf.  Somit 
st  für  die  Behandlung  des  Primäraffekts  zwecks  Vorbeugung  von 
Mlgemeinerscheinungen  von  allen  Mitteln  das  Salvarsan,  allein  oder 
n  Kombination  mit  Quecksilber,  das  rationellste  und  zuverlässigste. 
In  Fällen  jedoch,  wo  neben  dem  Primäraffekt  noch  eine  positive 
Wa.-R.  nachzuweisen  ist,  ist  der  Erfolg  der  Abortivkur  meist  weniger 
sicher. 

K.  Georgie  wsky-  Charkow :  Ueber  die  Rolle  der  Drüsen 
mit  innerer  Sekretion  bei  der  Pathogenese  des  Diabetes  mellitus. 

iCharkowsky  medizinsky  Journal  1912,  Bd.  XIV,  No.  9.) 

Bereits  1895  konnte  Prof.  Georgiewsky  zeigen,  dass  wenn 
Hunden  Schilddrüsensaft  (vom  Rinde)  wiederholt  subkutan  injiziert 
oder  Schilddrüse  verfüttert  wurde,  bei  den  Tieren  neben  anderen 
Erscheinungen  von  Hyperthyreoidismus,  wie  Tachykardie,  Polyurie, 
Polyphagie,  Gewichtsverlust,  auch  eine  ziemlich  erhebliche 
Qlykosurie  auftrat.  Seitdem  ist  es  zahlreichen  anderen  Forschern 
nachzuweisen  gelungen,  dass  im  Zustand  des  Hypothyreoidismus 
die  Fähigkeit  des  Organismus  Kohlehydrate  abzubauen  gesteigert 
wird.  Es  lag  daher  der  Gedanken  nahe,  beim  Diabetes  mellitus 
künstlich  einen  Zustand  von  Hypothyreoidismus  zu  schaffen,  um  die 
4ssimilierungsfähigkeit  des  Organismus  für  Kohlehydrate  zu  steigern 
und  dadurch  die  Zuckerausscheidung  herabzusetzen.  Als  hierfür  ge¬ 
eignetes  Mittel  erwies  sich  das  Antithyreoidin  Moebius,  mit  dem 
bekanntlich  beim  Morbus  Basedowii  die  Erscheinungen  des  Hyper¬ 
thyreoidismus  wirksam  bekämpft  werden.  Der  Autor  berichtet  nun 
über  einen  Fall  von  Diabetes,  kombiniert  mit  mittelschwerer  Base¬ 
dow  scher  Krankheit,  in  welchem  das  Moebius  sehe  Antithyreoidin 
in  Dosen  von  10  ccm  pro  die  nicht  nur  auf  den  Morbus  Basedowii, 
sondern  auch  auf  den  Diabetes  mellitus,  höchstwahrscheinlich  durch 
Herabsetzung  der  inneren  Sekretion  der  Schilddrüse,  eine  aus¬ 
gesprochen  günstige  Einwirkung  ausgeübt  hat. 

M.  L  i  f  s  c  h  i  t  z  -  Charkow:  Ueber  die  funktionelle  Diagnostik 
der  Pankreaserkrankungen.  (Charkowsky  medizinsky  Journal  1912, 
Bd.  XIV,  No.  9  und  10.) 

Der  Autor  unterzog  einer  eingehenden  experimentellen  Prüfung 
die  gebräuchlichsten  klinischen  Methoden  der  funktionellen  Diagnostik 
der  Pankreaserkrankungen,  wobei  er  auch  das  peptische  Vermögen 
der  Darmbakterien  studierte.  Vor  allem  konnte  festgestellt  werden, 
dass  ein  prinzipieller  Unterschied  zwischen  der  Wirkung  des  Pankreas¬ 
fermentes  Trypsin,  des  in  der  Dünndarmschleimhaut  enthaltenen 
Fermentes  Erepsin  und  mancher  bakterieller  Fermente  auf  Eiweiss¬ 
stoffe  nicht  existiert;  alle  diese  Fermente  beeinflussen  einige  native 
Eiweisskörper,  wie  das  Kasein;  auf  Eiereiweiss  wirkt  jedoch  das 
Erepsin  gar  nicht,  während  es  Peptone  bis  zu  den  tiefsten  Abbau¬ 
stufen  spaltet.  Hieraus  folgt,  dass  ein  negativer  Ausfall  der 
Untersuchung  der  Fäzes  auf  Verdauung  des  Kaseins,  d.  h.  ein  Aus¬ 
bleiben  der  Kaseinverdauung,  eine  grössere  Bedeutung  besitzt  für  die 
Diagnose  einer  Störung  der  sekretorischen  Funktion  der  Bauch¬ 
speicheldrüse  als  der  positive  Ausfall  für  das  Ausschliessen  einer 
Pankreaserkrankung,  da  sowohl  das  Erepsin  wie  auch  manche  bak¬ 
terielle  Fermente  ebenfalls  das  Kasein  verdauen,  wenn  auch  in  ge¬ 
ringem  Masse.  Immerhin  spricht  eine  beträchtliche  Verdauung  des 
Kaseins  durch  den  Fäkalauszug  mit  einem  sehr  hohen  Grade  von 
Sicherheit  dafür,  dass  die  sekretorische  Funktion  der  Bauchspeichel¬ 
drüse  erhalten  ist.  Sehr  wichtig  und  wertvoll  für  die  Zwecke  der 
klinischen  Diagnostik  ist  die  Kontrolle  der  Untersuchungsergebnisse 
der  Kaseinverdauung  durch  die  Untersuchung  auf  Verdauung  von 


Eiereiweiss  (mittels  Mett  scher  Röhrchen).  Gleichzeitig  mit  der 
Untersuchung  der  Fäzes  auf  ihren  Gehalt  an  proteolytischem  Ferment 
ist  es  wünschenswert,  si'e  auch  auf  das  Vorhandensein  von  dia- 
statischem  Ferment  zu  untersuchen,  wobei  von  diesem  dasselbe  gilt 
wie  von  jenem,  nämlich  dass  das  diastatische  Ferment  des  Pankreas 
eine  bedeutend  intensivere  Wirkung  entfaltet  als  die  Diüstase  des 
Dünndarms  und  der  Darmbakterien.  Hingegen  ist  die  Untersuchung 
der  Fäzes,  sowie  des  Mageninhaltes  auf  fettspaltendes  Ferment 
(Lipase)  von  fast  gar  keiner  klinischen  Bedeutung.  Ueberhaupt  ist 
die  Untersuchung  der  Fäzes  auf  Pankreasfermente  ergebnisreicher 
als  die  Analyse  des  Mageninhalts  nach  einem  Oelprobefrühstiick. 
Noch  besser  ist  es.,  diese  beiden  Verfahren  miteinander  zu  kom¬ 
binieren. 

B.  S  c  h  a  p  o  s  c  h  n  i  k  o  w  -  Odessa :  Die  Angina  pectoris,  ihre 
Pathogenese  und  Therapie.  (Therapevticzeskoje  Obosrenije  1912, 
No.  22—24.) 

Auf  Grund  seiner  klinischen  Erfahrungen  und  orthodiagraphischen 
Untersuchungen  kommt  der  Autor  zu  folgenden  Anschauungen  über 
Pathogenese  und  Therapie  der  in  der  Ueberschrift  genannten  Krank¬ 
heit.  Der  Angina  pectoris  vera  liegt  eine  Aortitis  und  eine  sich 
ihr  anschliessende  Koronaritis  zugrunde.  Dagegen  wird  eine 
Neuritis  des  Plexus  cardiacus  nur  ausnahmsweise  gefunden.  Sie 
kann  sich  nur  in  dem  Falle  entwickeln,  wenn  der  entzündliche  Prozess 
auf  die  äussere  Hülle  der  Aorta  übergreift,  d.  h.  bei  der  Ausbildung 
einer  Periaortitis.  Die  Neuritis  ist  sodann  als  neue  Komplikation  zu 
betrachten,  und  zwischen  ihr  und  der  Angina  pectoris,  die  auf  einer 
Erkrankung  der  Koronararterien  beruht,  existiert  kein  enger  Zu¬ 
sammenhang.  Eine  Neurose  des  Plexus  cardiacus  kann  nicht  den 
Ausgangspunkt  für  alle  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
irradiierenden  Schmerzen  bilden.  Ueberhaupt  ist  der  medizinische 
Begriff  einer  Neurose  als  funktioneller  Störung  ohne  organische  Ver¬ 
änderungen  im  Nervengewebe  unvereinbar  mit  den  schweren  Anfällen 
und  den  plötzlichen  Todesfällen  im  Verlaufe  der  Angina  pectoris. 
Ebensowenig  vermag  die  Reflextheorie  uns  eine  deutliche  und 
bestimmte  Vorstellung  von  dem  Zustande  der  Organe  im  Anfall  von 
Angina  pectoris  zu  vermitteln.  Das  Wesen  der  genannten  Krankheit 
besteht  einzig  und  allein  in  einem  Spasmus  der  Kranz¬ 
arterien  und  der  benachbarten  arteriellen  Gefässe,  die  von  der 
Brustaorta  entspringen.  Dieser  Krampf  der  veränderten  und  leicht 
erregbaren  Gefässe  scheint  in  einem  recht  engen  Zusammenhänge  mit 
der  inneren  Sekretion  des  Herzens  selbst  zu  stehen.  Das 
Herz  vermag  wie  jedes  andere  Körperorgan,  unter  gewissen  un¬ 
günstigen  Verhältnissen  zeitweilig  sein  Sekret  in  einem  der  Norm 
gegenüber  gesteigerten  Masse  oder  in  konzentrierterer  Form  zu  pro¬ 
duzieren.  Nehmen  wir  nun  an,  dass  während  des  Anfalls  von  An¬ 
gina  pectoris  ein  besonderes  Hormon  ausgeschieden  wird,  das  wohl 
zur  Gruppe  der  sy  mpathikotr  open  Substanzen  gehört,  so 
können  wir  uns  manche  krankhaften  Erscheinungen,  die  früher  bei 
der  Herrschaft  der  Theorie  der  nervösen  Reflexe  in  ihrem  Zustande¬ 
kommen  unklar  blieben,  jetzt  dem  Verständnis  näher  bringen.  Mit  der 
Erweiterung  unserer  Kenntnisse  von  der  inneren  Sekretion  eröffnen 
sich  uns  nun  die  Wege  für  die  rationelle  Behandlung  der  Angina 
pectoris. 

S.  Melk  ich -Moskau:  Ueber  die  Ausblasung  pleuritischer 
Exsudate.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  18.) 

Der  Autor  wandte  die  Ausblasung  pleuritischer  Ergüsse  nach 
dem  H  o  1  m  g  r  e  n  sehen  Verfahren  in  8  Fällen  an.  Benutzt  wurde 
der  Apparat  von  Mosny  und  Stern.  Verf.  konnte  sich  davon 
überzeugen,  dass  in  technischer  Hinsicht  die  Methode  von  Holm- 
gren  vor  der  Aspiration  unbedingt  den  Vorzug  verdient:  es  gelingt 
dabei  in  der  Tat,  Exsudate  von  beliebiger  Grösse  bis  auf  den  letzten 
Tropfen  zu  entleeren,  ohne  bei  dem  Kranken  irgend  welche  unange¬ 
nehme  Empfindungen  hervorzurufen.  Indiziert  ist  diese  Ausblasung 
insbesondere  in  sämtlichen  Fällen  von  eitrigem  Erguss,  und  zwar  als 
Eingriff,  der  der  Radikaloperation  (Rippenresektion)  voraufzugehen 
hat  und  einem  Kollaps  infolge  raschen  Sinkens  des  Druckes  in  der 
Pleurahöhle  vorzubeugen  vermag.  Mit  Nutzen  kann  man  auch  die 
Ausblasung  anwenden  zur  Erleichterung  der  Atemnot  bei  grossen 
Transsudaten  und  zur  Behandlung  umfangreicher  verschleppter 
seröser  Exsudate  in  der  fieberfreien  Periode.  Akute  seröse  Ex¬ 
sudate  dagegen  sind  für  die  Anwendung  des  H  o  1  m  g  r  e  n  sehen  Ver¬ 
fahrens  nicht  geeignet  und  müssen  nach  den  üblichen  Regeln  bekämpft 
werden.  Die  Behauptung  von  Holmgren,  Achard  und  For- 
1  a  n  i  n  i,  dass  die  Anwesenheit  von  Luft  zwischen  den  entzündeten 
Flächen  der  Pleurablätter  den  Verwachsungen  bei  akuter  Pleuritis 
vorzubeugen  imstande  sei;  beruht  mehr  auf  theoretischen  Erwägungen 
und  hat  sich  wenigstens  in  den  Fällen  des  Autors  nicht  bewahrheitet. 
Im  Gegenteil,  die  an  Stelle  des  Exsudates  eingeführte  Luftmenge  soll 
eine  möglichst  kleine  sein. 

W.  Baldo  wsky -Moskau:  Zur  Lehre  von  den  Eierstocks¬ 
abszessen.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  18.) 

Seine  in  der  gynäkologischen  Abteilung  des  Alt-Katharinen¬ 
krankenhauses  zu  Moskau  gesammelten  Erfahrungen  resümiert  der 
Autor  folgendermassen.  Streptokokken  vermögen  einen  Ovarial- 
abszess  nicht  nur  im  Puerperium,  sondern  auch  ausserhalb  desselben 
hervorzurufen.  Der  Streptokokkenabszess  braucht  nicht  immer  diffus 
zu  sein,  er  kann  auch  solitär  sein,  wobei  hauptsächlich  das  Corpus 
luteum  befallen  wird.  Der  primäre  Herd,  aus  welchem  die  Erreger 
in  den  Eierstock  eindringen,  befindet  sich  in  der  Gebärmutter,  aus 
der  sie  vornehmlich  auf  dem  Wege  der  Lymph-  und  Blutgefässe, 


1286 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


seltener  durch  die  1  üben  in  das  Ovarium  invadieren.  Der  Eierstocks¬ 
abszess  kann  einen  chronischen  Verlauf  nehmen;  in  diesem  Falle 
atrophiert  mitunter  das  gesamte  eigentliche  Ovarialgewebe  und  wird 
durch  narbiges  Bindegewebe  ersetzt.  Unter  gewissen  Umständen 
kann  der  Abszess  exazerbieren,  eine  Quelle  verschiedener  Störungen 
.werden,  durchbrechen  und  eine  allgemeine  Peritonitis  verursachen. 

eim  geringsten  Verdacht  auf  Eierstocksabszess  ist  der  Eiterherd  zu 
entfernen. 

•  J'"  e  ‘  z.e  r  '  ^os*<au  ’  Ueber  die  Säuglingssterblichkeit 

in  den  Fabriken  in  Abhängigkeit  von  der  benutzten  Ernährungs¬ 
weise.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  19.) 

Eine  sich  auf  101  Fabrikarbeiterinnen,  die  369  Kinder  geboren 
latten,  erstreckende  Rundfrage  ergab  folgendes.  Von  den  befragten 
Muttern  haben  nur  etwa  40  Proz.  ihre  Kinder  an  der  Brust  allein 
gestillt,  und  auch  diese  nur  eine  äusserst  kurze  Zeit  (bis  zu  3  Mo¬ 
naten);  von  diesem  Zeitpunkte  an  sinkt  der  Prozentsatz  der  Stillenden 
schon  um  ein  Bedeutendes,  und  mehr  als  Monate  reichen  Brust- 
nahrung  aHein  bereits  weniger  Frauen.  Die  enorme  Säuglingssterb¬ 
lichkeit  in  den  ersten  3  Monaten  und  insbesondere  im  zweiten  Lebens- 
erklärt  sich  eben  durch  die  frühe  Darreichung  von  gemischter 
Nahrung.  Von  den  verstorbenen  Kindern  entfällt  fast  die  Hälfte 
auf  diejenigen,  welche  in  einem  Alter  bis  zu  3  Monaten  neben  der 
'  rus,t  auch  md  Brei  gefüttert  wurden.  Von  diesen  gemischt  ernährten 
Kindern  sterben  zwei  Drittel  innerhalb  der  ersten  beiden  Lebens¬ 
jahre.  An  den  Ueberlebenden  wird  eine  hochgradige  Abzehrung 
beobachtet;  manchmal  weisen  allerdings  die  Kinder  eine  beträcht- 
hche  Gewichtszunahme  auf,  aber  nur  im  Anfang;  bald  bleibt  ihre 
Gewichtskurve  hinter  der  Norm  weit  zurück,  wobei  die  Abweichung 
von  der  Norm  dem  Beginn  der  Darreichung  von  gemischter  Nahrung 
direkt  proportional  ist:  je  früher  die  Breifütterung  begonnen  hat 
desto  weiter  bleibt  das  Gewicht  hinter  dem  normalen  zurück. 

A.  L  i  p  s  k  e  r  o  w  -  Moskau :  Zur  operativen  Behandlung  der 
Knochenbrüche.  (Medizinskoje  Obosrenije  1912,  No.  21.) 

Die  Erfahrungen  des  Autors  lehrten,  dass  nur  bei  einer  opera- 
tivcii  Behandlung  der  Knochenbrüche  nicht  allein  eine  richtige  Lage- 
rung  der  Bruchenden,  sondern  auch  eine  Fixierung  derselben  mög- 
lieh  ist.  Insbesondere  ist  dieses  Verfahren  indiziert,  sobald  zwischen 
die  Bruchenden  sich  Muskelgewebe  interponiert  hat.  Auch  kommt 
bei  regelrechter  Anlegung  einer  Knochennaht  eine  Verkürzung  des 
Knochens  nicht  zur  Beobachtung.  Brüche  der  Patella,  des  Schlüssel¬ 
beins  und  des  Unterkiefers  erfordern  vor  allem  die  Knochennaht,  da 
nur  diese  ein  richtiges  Zusammenwachsen  der  Bruchstücke  gewähr- 
»eisiet.  Bei  der  operativen  Behandlung  der  Knochenbrüche  mittels 
Naht  ist  jedoch  der  schnellen  Ausführung  der  Operation  und  der 
exakten  Blutstillung  sorgfältige  Beachtung  zu  schenken,  wobei 
auch  lamponade  oder  Drainage  möglichst  zu  vermeiden  ist.  Bei 
frischen  Knochenbrüchen  bildet  die  Syphilis  eine  Kontraindikation 
gegen  die  Anlegung  der  Knochennaht. 

A.  Bylina-Kiew:  Zur  Lehre  von  der  motorischen  Funktion 
des  Darmes  und  über  die  Wirkung  des  Hormonais.  (Prakticzesky 
Wratsch  1912,  No.  40—43.) 

Zur  Anwendung  kam  das  Zueizersche  Hormonal  in  16  Fällen 
von  chronischer  Verstopfung.  In  den  3  Fällen  von  spastischer 
Obstipation  war  ein  Misserfolg  zu  konstatieren.  Von  den  13  Fällen 
von  atonischer  Obstipation  wurde  mit  den  intravenösen  Hor¬ 
monaleinspritzungen  bei  10  Patienten  ein  Dauererfolg  erzielt,  während 
bei  einem  Kranken  der  Effekt  nur  ein  temporärer  war,  und  in  den 
übrigen  2  Fallen  jeglicher  Effekt  ausblieb.  Von  subjektiven  Empfin¬ 
dungen,  die  die  Hormonalinjektion  begleiten,  treten  als  ständige  Er¬ 
scheinungen  Kopfschmerzen  und  Blutandrang  zum  Kopfe  in  den  Vor- 
dergrund.  Objektiv  manifestieren  sich  diese  Symptome  in  einer  Rötung 
des  Gesichts  und  der  Konjunktiven.  Diese  Erscheinungen  dürften  als 
Warnung  vor  der  Anwendung  des  Mittels  in  denjenigen  Fällen  dienen, 
m  denen  eine  leichte  Vulnerabilität  der  Gehirngefässe,  wie  bei  all¬ 
gemeiner  Arteriosklerose,  vorauszusetzen  ist.  Von  objektiven 
Symptomen  wurde  besonders  das  Verhalten  des  Pulses  und  des  Blut¬ 
drucks  beachtet.  Wenn  auch  der  Blutdruck  eine  Neigung  zum  Sinken 
aufweist,  so  doch  nur  für  eine  kurze  Zeit,  da  bereits  12—15  Minuten 
nach  der  Injektion  der  systolische  Druck  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
den  ursprünglichen  Wert  erreichte.  Der  Puls  wurde  gewöhnlich 
Minuten  frequenter,  ohne  dass  sich  seine  Regelmässigkeit 
und  Fülle  veränderten.  Nur  ein  einziges  Mal  erlebte  der  Autor  einen 
schweren  Kollaps,  der  erst  in  iVs  Stunden  behoben  wurde;  das  End¬ 
resultat  der  Hormonalinfusion  war  dabei  ein  gutes.  Das  Urteil  des 
Autors  lautet  dahin,  dass  das  Hormonal  in  zahlreichen  Fällen  un¬ 
zweifelhaften  und  dauernden  Nutzen  bringt,  vornehmlich  bei 
atonischer  Obstipation. 

,  L*'  M  a  m  u  1  i  a  n  z  -  Wladikawkas:  Ueber  das  Neosalvarsan. 

(Prakticzesky  Wratsch  1912,  No.  43  u.  44.) 

Hinsichtlich  der  lechnik  der  Herstellung  von  Lösungen  für  die 
intravenöse  Infusion  kommen  dem  Neosalvarsan  nach  Ansicht  des 
Autors  zweifellose  Vorzüge  vor  dem  Altsalvarsan  zu.  Als  Heilmittel 
besitzt  das  neue  Präparat  deutlich  ausgeprägte  antisyphilitische 
Eigenschaften  und  ist  in  dieser  Hinsicht  dem  alten  Salvarsan  an  die 
Seite  zu  stellen.  Den  stärksten  therapeutischen  Effekt  entfaltet  die 
einmalige  intravenöse  Infusion  des  Neosalvarsans  auf  den  Primär¬ 
affekt,  sowie  auf  fast  sämtliche  Manifestationen  der  Sekundärperiode 
und  auf  gummöse  Geschwüre  in  der  Mundhöhle,  während  die  Be¬ 
einflussung  von  Hautgummen  eine  schwächere  ist  als  beim  Alt¬ 
salvarsan.  Nebenerscheinungen,  und  zwar  mitunter  stark  aus- 


gesprochene  kommen  auch  beim  Neosalvarsan  vor,  und  deslialh 
bei  seiner  Anwendung  Vorsicht  geboten.  nalb  ,st 

Pn  'V-  ?  a  rJ  k  a  j  a  '  Petersburg:  Ueber  den  Einfluss  des  Lienin 
No  5ü  uUf5?)e  Blutzusamraensetzui,S-  (Prakticzesky  Wratsch  l""' 

Das  Urteil  der  Verfasserin  über  die  Wirkung  des  Lienin  hei 
"*n(laUtet  re?ht  günstig-  Der  Po  eh  Ische  Milzextrakt  in 
S  nfr  wurde  von  den  Patienten  gern  genommen  und  be¬ 
wirkte  in  sämtlichen  Fallen  eine  Zunahme  der  Anzahl  der  Erythro 
zyten.  eine  Steigerung  des  Hämoglobingehaltes  und  ein  Ansteigen 

malsKbeobadiTethtS‘  Unangenehme  Nebenerscheinungen  wurden  nie- 

D.  Grinew-  Petersburg:  Ueber  Bau  und  Funktion  der 

[tüslilchl  Bd"  xvn”N'n1jn-  <Archiv  ,flr  blok*- 

Die  Anzahl  der  L a  n ge  r  h  a  n s sehen  Inseln  ist  ohne  Zweifel 
grossen  Schwankungen  unterworfen.  Ebenso  weist  die  Grösse  der 
Inseln  beträchtliche  Schwankungen  auf.  Ferner  sind  Uebergangs- 
formen  zwischen  den  Inseln  und  den  gewöhnlichen  Driisenazini  vor¬ 
handen.  Auch  besteht  ein  Parallelismus  zwischen  den  Affektionen 
dei  Inseln  und  den  yeränderungen  in  den  Azini.  Schliesslich  fehlt 
eine  deutlich  ausgeprägte  Membran  um  die  Inseln.  Auf  Grund  dieser 
seiner  Untersuchungsergebnisse  kommt  der  Autor  zu  dem  Schluss, 
dass  die  La  ngerhans  sehen  Inseln  in  anatomischer  Beziehung 
keine  Gebilde  sui  generis  sind,  sondern  das  gleiche  epitheliale  Drüsen- 
gewebe  wie  die  Azini,  aber  in  einem  gewissen  funktionellen  Zustand 
oder  sogar  im  Stadium  der  regressiven  Metamorphose.  Kommt  den 
Inseln  keine  konstante  Struktur  zu,  so  liegt  auch  kein  genügender 
Grund  vor,  ihnen  eine  spezielle,  nur  ihnen  allein  eigentümliche 
Funktion  zuzusprechen.  Azini  wie  Inseln  nehmen  beide  gleicherweise 
an  der  inneren  Funktion  des  Pankreas  teil. 

.  W.  K  1  i  m  e  n  k  o  -  Petersburg :  Das  Keuclihusteiiheilserum  und 
(Archiv  für  biolog.  Wissenschaften  (russisch  I, 

Da.  AV1I,  No.  2.) 

Das  von  ihm  auf  dem  Wege  der  Immunisierung  von  Tieren  mit 
dem  Bor  de  t-  Gen  gou  sehen  Pertussisbazillus  hergestellte  und 
a"  emem  grosseren  Krankenmaterial  erprobte  Keuchhustenheilserum 
halt  Klimenko  für  spezifisch.  Es  vermag  zwar  nicht  die  Krank¬ 
heit  zu  kupieren,  übt  jedoch  sowohl  auf  die  Anzahl  als  auch  auf  die 
Marke  der  krampfhaften  Keuchhustenanfälle  eine  günstige  Wirkung 
aus,  verkürzt  die  Dauer  der  Erkrankung,  erleichtert  ihren  Verlauf 
und  beeinflusst  auch  ihre  Komplikationen,  falls  sie  vom  Keuchhusten- 
bazillus  hervorgerufen  sind.  Soll  das  Serum  eine  Heilwirkung  ent¬ 
falten,  so  muss  es  dem  Organismus  wiederholt  einverleibt  werden 
und  zwar  subkutan  und  rektal.  Die  Einzeldosis  beträgt  für  Säuglinge 
10  ccm  subkutan  und  25—50  ccm  per  rectum,  für  Kinder  unter  3  Jahren 
-5  ccm  und  50  ccm,  für  Kinder  über  3  Jahren  50  ccm  subkutan  und 
ebensoviel  oder  noch  mehr  per  rectum.  Das  Serum  wird  abwechselnd 
subkutan  und  rektal  appliziert,  wobei  behufs  Vermeidung  von 
Anaphylaxie  die  Intervalle  nicht  länger  als  10  Tage  sein  dürfen. 

.  D.  ü  r  i  n  e  w  -  Petersburg :  Die  Lipoide  und  ihr  Phosphorgeiialt 
bei  der  chronischen  tuberkulösen  Infektion  des  Organismus.  (Archiv 

für  biolog.  Wissenschaften  (russisch],  Bd.  XVII,  No.  4.) 

Bei  der  tuberkulösen  Infektion  der  Meerschweinchen  erfährt  die 
chemische  Zusammensetzung  der  Zelle  fast  sämtlicher  Gewebe  und 
Organe  in  ihrem  lipoiden  Bestandteil  quantitative  wie  qualitative  Ver¬ 
änderungen,  die  sich  in  einer  Verringerung  des  Phosphorgehaltes  der 
Lipoide  und  in  einem  Ersatz  der  einen  Lipoidart  durch  eine  andere 
aussern.  Während  nun  die  Gesamtmenge  der  Lipoide  und  des  in 
ihnen  enthaltenen  Phosphors  bei  der  Tuberkulose  in  fast  allen 
Organen  der  Norm  gegenüber  verringert  ist,  weist  die  Cholesterin¬ 
menge  in  den  einen  Organen  eine  Abnahme,  in  anderen  jedoch  eine 
Zunahme  auf.  Der  Lezithingehalt  ist  hingegen  überall  herabgesetzt. 

a  em  Aascheine  nach  ein  Teil  der  Lezithine  in  Kephalin  und 
ähnliche  Verbindungen  übergeht.  Die  Organe,  deren  Lipoid-  und 
Phosphorgehalt  bei  der  Tuberkulose  am  meisten  leidet,  sind  die 
~ange’  die  Leber  und  das  Knochenmark;  am  stärksten 

affiziert  sind  die  Lungen. 

J.  S  c  h  i  r  o  k  o  g  o  r  o  w  -  Dorpat ;  Ueber  den  Einfluss  des  Sal- 
varsans  auf  die  Organe.  (Archiv  f.  biolog.  Wissenschaften  f russisch |, 
Bd.  XVII,  No.  4.) 

Bei  Kaninchen  und  Mausen  bewirkt  das  Salvarsan  in  nicht- 
toxischen  Dosen  eine  fettige  Degeneration  in  Leber,  Herz  und  Nieren. 

J.  G  e  r  b  s  m  a  n  n  -  Rostow  a.  Don:  Salvarsan  und  Neosalvarsan. 

( Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  42.) 

Von  160  Neosalvarsaninfusionen  gewann  der  Autor  den  Ein¬ 
druck,  dass  das  Neosalvarsan  bei  weitem  schwächer  wirkt  als  das 
alte  Präparat,  obwohl  die  angewandten  Dosen  und  die  Häufigkeit  der 
Einspritzungen  grössere  waren  als  beim  Salvarsan.  Andererseits 
zeichneten  sich  die  unerwünschten  Nebenwirkungen  beim  Neo¬ 
salvarsan  trotz  strengster  Asepsis  und  sorgfältiger  Vermeidung  des 
sog.  Wasserfehlers  durch  weit  grössere  Häufigkeit  und  beträchtlichere 
Schwere  aus  als  beim  Salvarsan.  Es  ist  daher  viel  zweckmässiger, 
ausschliesslich  das  Altsalvarsan  zu  benutzen,  obwohl  in  der  Tat  das 
Neosalvarsan  sich  ausserordentlich  leicht  löst  und  eine  neutrale 
Reaktion  besitzt. 

N.  Pharmakowsky-Samara:  Mehr  als  400  Katarakt¬ 
operationen  mit  nachfolgender  Durchspülung  der  vorderen  Augen¬ 
kammer.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  43.) 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1287 


Ph.  führt  die  Kataraktoperation  nach  dem  allgemein  üblichen 
Verfahren  aus  und  schliesst  an  die  Extraktion  des  Linsenkerns  eine 
Durchspülung  der  vorderen  Augenkammer  mit  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  an.  Diese  Spülungen  haben  folgende  Vorzüge:  sie  beugen 
einer  Infektion  des  Auges  durch  die  in  dasselbe  eingeführten  Instru¬ 
mente  vor,  besonders  wenn  die  Konjunktiven  nicht  ganz  gesund  sind; 
ferner  verhindern  sie  eine  Infektion  des  Auges  durch  die  in  ihm 
zurückbleibenden  Kortikalmassen  und  Blutgerinnsel,  die  ein  gutes 
Nahrmedium  für  Bakterien  abgeben;  weiter  verringern  sie  den 
Prozentsatz  der  Nachkatarakte,  scheinen  sie  im  allgemeinen  eine 
grössere  Sehschärfe  zu  gewährleisten  und  die  Häufigkeit  der  Iritiden, 
der  konsekutiven  Glaukome  und  der  verschiedenen  konsekutiven 
Verlagerungen  und  Verwachsungen  der  Iris  herabzusetzen.  Schliess¬ 
lich  ist  man  vermittelst  der  beim  ersten  Auftreten  von  verschiedenen 
infektiösen  Entzündungen  in  der  Augenkammer  vorgenommenen 
Spülungen  bisweilen  imstande,  sämtliche  infizierte  Elemente  aus  der 
vorderen  Kammer  rechtzeitig  zu  entfernen  und  hierdurch  einem 
Verlust  des  Auges  vorzubeugen. 

E.  L  a  n  d  a  -  Odessa:  Zur  Kasuistik  der  Blutungen  aus  den  weib¬ 
lichen  Genitalien  auf  hämophiler  Grundlage.  (Wratschebnaja  Gazeta 
1912,  No.  45.) 

In  den  5  vom  Verf.  angeführten  Fällen  handelt  es  sich  um 
schwere  und  langdauernde  Genitalblutungen,  deren  Verlauf,  klinisches 
Bild  und  sonstige  Begleitumstände  auf  zugrundeliegende  Hämophilie 
hinweisen.  Da  in  hereditärer  Beziehung  nichts  Positives  ermittelt 
werden  konnte,  so  ist  wohl  in  diesen  Fällen  das  Vorhandensein  einer 
sporadischen  Bluterkrankheit  anzunehmen.  Jedenfalls  verdient  die 
Tatsache  Beachtung,  dass  unter  den  zu  Blutungen  aus  den  weiblichen 
Genitalien  führenden  Momenten  auch  die  Hämophilie  eine  Rolle 
spielen  kann. 

W.  I  w  a  n  o  w  -  Nowoczerkassk:  Das  Neosalvarsan  bei  Malaria 
und  Syphilis.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  47.) 

Das  Neosalvarsan  wurde  in  7  Fällen  von  Malaria,  6  Fällen  von 
Lues  und  in  einem  Falle  von  Rekurrens  angewandt.  Die  Neben¬ 
wirkungen  und  reaktiven  Erscheinungen  waren  recht  massig.  Auf 
die  Malariasplasmodien  wirkt  das  Neosalvarsan  spezifisch  ein;  bald 
nach  der  Injektion  verschwinden  die  Parasiten  aus  dem  Blute  und 
sind  auch  bei  wiederholter  Untersuchung  nicht  mehr  nachzuweisen. 
Dass  sie  jedoch  nicht  gleich  endgültig  zugrunde  gehen,  beweist  der 
Umstand,  dass  in  2  Fällen  Rezidive  beobachtet  wurden.  Als  sehr 
wirksam  erwies  sich  das  Neosalvarsan  auch  bei  der  Syphilis,  bei  der 
namentlich  die  frischen,  sekundären  Erscheinungen  günstig  beeinflusst 
werden. 

J.  F  r  e  n  k  e  1  -  Charkow:  Ist  das  Sperma  des  Syphilitikers 
kontagiös?  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No  .48.) 

Auf  Grund  seiner  Erwägungen  kommt  der  Autor  zu  der  Ueber- 
zeugung,  dass  das  Sperma  des  Syphilitikers  sensu  stricto  nicht 
kontagiös  sei;  folglich  existiere  auch  nicht  eine  Infektion  von  seiten 
des  Vaters,  und  daher  sei  die  Mutter  eines  hereditär  luetischen  Kindes 
im  besten  Falle  latent  syphilitisch.  Das  spezifische  luetische  Virus 
in  Gestalt  der  Spirochaete  pallida  ist  nicht  imstande  in  das  Ei  ein¬ 
zudringen,  es  vermag  nur  ausschliesslich  den  Fötus  zu  infizieren,  und 
zwar  auf  dem  Wege  des  Blutstroms  von  der  Mutter  her. 

S.  Feinsinger  -  Gouv.  Kiew:  Die  Behandlung  der  Dysenterie 
mit  Dysenterieheilserum  und  Versuch  der  Anwendung  von  Diphtherie¬ 
heilserum  bei  der  Dysenterie.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  48.) 

Insgesamt  kamen  während  der  Epidemie  207  Dysenteriefälle  zur 
Registrierung;  von  diesen  wurden  113  ohne  Serum,  55  Patienten 
mit  Dysenterieheilserum  und  39  dysenteriekranke  Kinder  mit 
Diphtherieheilserum  behandelt.  Das  Dysenterieserum  gelangte  in 
mittelschweren  und  schweren  Ruhrfällen  zur  Verwendung.  Gleich 
nach  der  ersten  oder  zweiten  Injektion  stellte  sich  eine  hochgradige 
Besserung  ein;  die  Tenesmen,  die  heftigen  Leibschmerzen,  die 
Häufigkeit  der  Stuhlentleerungen,  die  Menge  des  Blutes  und  des 
Schleimes  nahmen  ab  und  das  Allgemeinbefinden  besserte  sich  be¬ 
trächtlich.  Nach  der  dritten  Einspritzung  schwanden  sämtliche 
Krankheitssymptome,  traten  Appetit  und  normaler  Stuhlgang  auf  und 
hielten  sich  die  Patienten  für  genesen.  Der  Effekt  der  Serumbehand¬ 
lung  war  ein  dermassen  guter,  dass  es  schwer,  ja  unmöglich  ist,  ihn 
auf  einen  einfachen  Zufall  und  nicht  auf  die  spezifische  Wirkung  des 
Serums  zurückzuführen.  Von  den  Behandelten  starben  bloss  2,  und 
zwar  ausserordentlich  verschleppte  Fälle.  Bei  39  ruhrkranken  Kindern 
wurde  versuchsweise  Diphtherieheilserum  angewandt;  der  Erfolg  war 
auch  hier  ein  guter  und  der  Eindruck  von  dieser  eigenartigen  Be¬ 
handlungsmethode  ein  recht  günstiger. 

D.  G  u  r  a  r  i  -  Petersburg  und  Pjatigorsk:  Der  Einfluss  des  Sal- 
varsans  und  Neosalvarsans  auf  die  Wassermann  sehe  Reaktion. 
(Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  48.) 

Seit  1911  wendet  der  Autor  systematisch  provokatorische  Sal- 
varsaninjektionen  an  in  Fällen  von  latenter  Lues  mit  negativer  Wa.-R., 
sodann  bei  Affektionen  des  Nervensystems  und  der  inneren  Organe, 
falls  in  der  Anamnese  Syphilis  vorhanden  und  die  Wa.-R.  eine  nega¬ 
tive  ist,  und  endlich  bei  diagnostisch  unklaren  Erscheinungen  an  der 
Haut  oder  den  Schleimhäuten.  Fällt  nach  einer  solchen  provokato¬ 
rischen  Salvarsaneinverleibung  die  Wa.-R.  positiv  aus,  so  ist  die 
Diagnose  Lues  gesichert.  Ausserdem  benutzt  G  u  r  a  r  i  die  pro¬ 
vokatorische  Salvarsanapplikation  als  Prüfstein  für  die  Dauerhaftig¬ 
keit  der  vermuteten  Ausheilung  einer  Syphilis.  Bleibt  ein  Jahr  nach 
Abschluss  der  Behandlung  nach  einer  Salvarsaninfusion  die  Wa.-R. 


dauernd  negativ,  so  ist  aller  Grund  zu  der  Annahme  vorhanden,  dass 
die  Heilung  eine  völlige  und  endgültige  ist. 

O.  U  r  s i  n  -  Krassnoje  Sselo:  Ist  die  Reaktion  von  Russo  für 
die  Diagnose  des  Abdominaltypbus  brauchbar?  (Wratschebnaja 
Gazeta  1912,  No.  49.) 

Die  Ru  sso  sehe  Reaktion  (mit  Methylenblau)  wurde  im  Harn 
von  419  Kranken  und  7  Gesunden  angestellt.  Es  ergab  sich,  dass 
diese  Reaktion  bei  den  allerverschiedensten  Krankheiten  positiv  aus¬ 
fällt  und  daher  weder  für  den  Abdominaltyphus  noch  für  irgend  eine 
andere  Erkrankung  als  diagnostisches  Zeichen  dienen  kann;  sie  weist 
nur  auf  die  Intensität  der  Färbung  des  Harns  hin  und  beruht  auf 
keinem  chemischen  Vorgang,  sondern  stellt  eine  rein  physikalische 
Erscheinung  dar,  d.  h.  eine  einfache  Farbenmischung.  In  Anbetracht 
alles  dessen  ist  die  Russo  sehe  Methylenblaureaktion  der  Ver¬ 
gessenheit  anheimzugeben. 

A.  N  ü  r  e  n  b  e  r  g-  Petersburg:  Ueber  das  Z  u  e  1  z  e  r  sehe 
Hormonal.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  49  u.  50.) 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  kommt  der  Autor  zu  einem  ab¬ 
sprechenden  Urteil  über  das  Z  u  e  1  z  e  r  sehe  Hormonal,  welches  als 
wirksames  Prinzip  kein  Peristaltikhormon  enthalten  soll,  dessen 
Existenz  überhaupt  durch  nichts  erwiesen  sei.  Der  Wert  der  intra¬ 
muskulären  Hormonalinjektionen  für  die  Behandlung  der  chronischen 
Obstipation  ist  ein  ganz  geringer;  sie  sind  zwar  ungefährlich,  rufen 
aber  Fieber  und  beträchtliche  Schmerzen  hervor.  Was  nun  die 
intravenösen  Infusionen  anlangt,  so  erfordern  sie  ein  weiteres  Studium 
der  Indikationen,  Kontraindikationen  und  der  Dosierung  und  sind  nur 
unter  klinischen  Verhältnissen  zulässig. 

M.  K  o  n  o  p  1  e  w  -  Petersburg:  Ueber  die  Veränderungen  der 
Blutgefässe  beim  Scharlach.  (Wratschebnaja  Gazeta  1912,  No.  50.) 

In  den  Wandungen  der  Blutgefässe  treten  beim  Scharlach  bereits 
frühzeitig  Veränderungen  ein,  die  einen  entzündlich-degenerativen 
Charakter  tragen.  Diese  Veränderungen  erstrecken  sich  auf  die  drei 
Schichten  der  Gefässwand:  die  Intima,  Media  und  Adventitia.  Die 
Intima  wird  primär  befallen  und  weist  alle  Stadien  von  trüber  Schwel¬ 
lung  bis  zur  Nekrose  auf.  In  der  Media  leiden  gleicherweise  die 
elastischen  wie  die  Muskelfasern.  In  der  Adventitia  betreffen  die 
Veränderungen  das  Bindegewebe,  das  elastische  Gewebe  und  die 
kleinen  Gefässe;  es  stellt  sich  frühzeitig  eine  kleinzellige  Infiltration 
ein,  die  auf  Media  und  Intima  übergreift.  Die  Erkrankung  der 
Koronararterien  zeichnet  sich  im  Vergleich  mit  den  übrigen  Arterien 
desselben  Falles  durch  ganz  besondere  Hochgradigkeit  aus,  sowie 
durch  die  Anwesenheit  von  Ablagerungen  in  der  Intima,  die  aller¬ 
dings  auch  in  anderen  Arterien  (wie  z.  B.  in  der  Art.  renalis)  an¬ 
getroffen  werden.  Die  Venen  erleiden  die  gleichen  Veränderungen 
wie  die  Arterien,  aber  in  noch  weit  höherem  Masse;  in  initialen 
Fällen  sind  in  den  Venen  Nekrosen  der  Wandung  und  in  weit  vor¬ 
geschrittenen  Fällen  Thrombophlebitis  zu  konstatieren.  Diese  Gefäss- 
alterationen  beim  Scharlach  vermögen  viele  Tatsachen  aus  dem 
klinischen  Verlauf  der  Krankheit  zu  erklären  und  entbehren  auch  nicht 
eines  praktischen  Interesses. 

W.  G  1  i  n  c  z  i  k  o  w  -  Petersburg:  Die  Veränderungen  der 
v.  Pi  r  quetschen  Kutanreaktion  bei  Tuberkulösen  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  Kumysbehandlung.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  42 — 44.) 

Unter  dem  Einfluss  der  Kumyskur  findet  im  Organismus  der 
Lungentuberkulösen  eine  hochgradige  Steigerung  der  Produktion 
spezifischer  tuberkulöser  Antikörper  statt,  und  zwar  setzt  diese  ge¬ 
steigerte  Produktion  ungefähr  einen  Monat  nach  Einleitung  der 
Kumysbehandlung  ein.  Die  Vermehrung  der  Menge  der  spezifischen 
Antistoffe,  welche  den  Organismus  zu  einer  erfolgreichen  Bekämpfung 
der  eingedrungenen  Krankheitserreger  befähigen,  findet  ihren  Aus¬ 
druck  in  einer  Verstärkung  der  v.  Pirquet  sehen  Kutanreaktion, 
deren  Ausfall  unter  der  Einwirkung  der  Kumyskur  immer  deutlicher 
und  prägnanter  wird.  In  den  Fällen  des  Autors  ging  die  Verstärkung 
der  v.  Pirquet  sehen  Reaktion  Hand  in  Hand  mit  einer  beträcht¬ 
lichen  Besserung  nicht  nur  des  Allgemeinzustandes  der  Patienten, 
sondern  auch  des  lokalen  Lungenbefundes.  Gleichzeitig  mit  dem  mehr 
oder  minder  bedeutenden  Stärkerwerden  der  Kutanreaktion  waren 
erstlich  bei  sämtlichen  Kranken  ohne  Ausnahme  eine  mitunter  sehr 
erhebliche  Gewichtszunahme,  sodann  bei  Fiebernden  ein  rasches 
Sinken  der  Temperatur  bis  zur  Norm,  ferner  eine  Abnahme  und  in 
manchen  Fällen  ein  völliges  Schwinden  des  Hustens,  von  seiten  der 
Lungen  ein  gänzliches  Verschwinden  der  Rasselgeräusche  und  der 
verschärften  Atmung,  eine  Verringerung  der  gedämpften  Bezirke  und 
ein  Kleinerwerden  von  Kavernen  zu  konstatieren.  In  sämtlichen 
Beobachtungen  trat  somit  ein  vollkommener  Parallelismus  zwischen 
den  Veränderungen  in  der  Stärke  der  Kutanreaktion  und  denen  im 
Befinden  des  Patienten  zutage,  d.  h.  eine  durchgängige  Wechsel¬ 
beziehung  zwischen  dem  Umfang  der  Produktion  von  spezifischen 
Schutzstoffen  im  Organismus  und  dem  Erfolg  seines  Kampfes  gegen 
die  eingedrungenen  Infektionskeime. 

M.  B  a  r  a  n  c  z  i  k  -  Petersburg:  Die  diagnostische  Bedeutung 
der  Schmerzpunkte  an  der  Wirbelsäule  und  der  Hauthyperalgesien 
beim  runden  Magengeschwür.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  43  u.  44.) 

Die  Schmerzhaftigkeit  der  Dornfortsätze  der  Brustwirbel  ist 
beim  runden  Magengeschwür  von  grosser  diagnostischer  Bedeutung 
und  vermag  auch  über  seinen  Sitz  wertvolle  Aufschlüsse  zu  geben. 
Was  dagegen  die  Hauthyperalgesien  anlangt,  so  geht  allerdings  von 
allen  Erkrankungen  des  Magens  das  Ulcus  rotundum  am  häufigsten 
mit  einer  Steigerung  der  Schmerzempfindlichkeit  der  Haut  in  Form 
der  charakteristischen  H  e  a  d  sehen  Zonen  einher.  Es  ist  jedoch  zu 


1288 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


berücksichtigen,  dass  ein  häufigeres  Auftreten  von  Hauthyperalgesien 
beim  runden  Magengeschwür  in  Zusammenhang  steht  mit  einer 
giösseren  Häufigkeit  und  Stärke  der  selbständigen  schmerzhaften 
Sensationen  in  der  Magengegend  beim  Ulcus.  Bei  Magenkarzinom 
wird  indes  eine  Steigerung  der  Schmerzempfindlichkeit  der  Haut  nur 
sehr  selten  beobachtet.  Alles  in  allem  ist  der  diagnostische  Wert 
der  Hauthyperalgesien  bei  Magenerkrankungen  ein  recht  geringer. 

M.  M  a  1  i  n  o  w  s  k  y  -  Kasan :  Ueber  den  Einfluss  des  Pituitrins 
auf  die  Geburtswehen.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  42.) 

In  entsprechender  Dosis  verstärkt  das  Pituitrin  die  Geburtswehen 
rasch  und  prompt.  Der  intrauterine  Druck  während  der  Wehen  wird 
unter  dem  Einflüsse  dieses  Mittels  bedeutend  gesteigert  (in  den  Fällen 
des  Autors  durchschnittlich  um  etwa  30  mm  Hg),  während  die  Dauer 
der  Wehen  deutlich  abgekürzt  wird  (im  Mittel  um  Vs  Minute). 
Wahrend  der  Wehenpausen  ist  der  intrauterine  Druck  noch  immer 
erhöht,  wenn  auch  nur  um  einen  geringen  Betrag  (im  Durchschnitt 
um  5  mm  Hg);  die  Dauer  der  Pausen  ist  eine  viel  kürzere  als  sonst 
(durchschnittlich  um  eine  ganze  Minute).  Die  unter  dem  Einflüsse 
des  Pituitrins  gesteigerte  Geburtstätigkeit  trägt  in  der  Mehrzahl  der 
Falle  einen  physiologischen  Charakter  und  die  Pituitrinwehen  be¬ 
wahren  den  normalen  Rhythmus.  Jedoch  werden  fast  in  jedem 
Falle  von  Pitintrinanwendung  bald  in  stärkerem,  bald  in  geringerem 
Grade,  je  nach  der  benutzten  Dosis,  sog.  Sturmwehen  beobachtet, 
deren  mittlere  Dauer  11  Minuten  beträgt,  die  jedoch  weder  für  die 
Mutter  noch  für  die  Frucht  irgendwelche  üble  Folgen  nach  sich 
zu  ziehen  scheinen.  Das  Optimum  seiner  Wirkung  entfaltet  das 
Pituitrin  in  der  Austreibungsperiode  und  am  Ende  der  Eröffnungs¬ 
periode;  hier  ist  es  für  Mutter  und  Kind  ein  völlig  ungefährliches 
Mittel.  Im  Frühstadium  der  Eröffnungsperiode  jedoch  vermag  das 
Pituitrin  einen  echten  Tetanus  der  Gebärmutter  hervorzurufen,  der 
bis  zu  17  Minuten  anhalten  kann;  während  der  tetanischen  Kon¬ 
traktionen  sinkt  die  Herztätigkeit  des  Kindes  (bis  auf  50—60  Schläge 
in  der  Minute),  aber  in  der  Folge  gewinnen  die  Uteruskontraktionen 
wieder  physiologischen  Charakter  und  normalen  Rhythmus,  und  die 
Kinder  werden  lebend  und  ohne  Asphyxie  geboren.  Die  Dosis  des 
Pituitrins  hat  1  ccm  zu  betragen;  die  Wirkung  tritt  nach  ca.  3—7  Mi¬ 
nuten  ein  und  erstreckt  sich  durchschnittlich  über  eine  ganze  Stunde. 
Nachgeburtsperiode  und  Wochenbett  verlaufen  ohne  jegliche  Kom¬ 
plikationen,  namentlich  ward  keine  Uterusatonie  beobachtet.  Erkran¬ 
kungen  des  Herzens  und  der  Nieren  bilden  eine  Kontraindikation 
gegen  die  Anwendung  des  Mittels. 

N.  B  o  1  i  a  r  s  k  y  -  Petersburg:  Die  Frühoperation  bei  akuter 
Appendizitis.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  45  u.  46.) 

B.  tritt  warm  für  die  Frühoperation  der  Appendizitis  ein,  die  er 
für  die  beste  Behandlungsmethode  dieser  Erkrankung  hält,  da  sie, 
in  den  ersten  24  Stunden  ausgeführt,  die  Wurmfortsatzentzündung 
radikal  und  überdies  in  kürzester  Frist  zur  Ausheilung  bringt  und 
eine  minimale  Sterblichkeit  aufweist.  Nur  durch  ausgedehnte  An¬ 
wendung  der  Frühoperation  sei  es  möglich,  die  bis  jetzt  hohe 
Appendizitismortalität  herabzurdriicken  und  Bauchfellentzündungen, 
sowie  Abszessen  vorzubeugen. 

S.  Ostrowsky  -  Petersburg :  Die  Engel-Turnau  sehe 
Reaktion  bei  Säuglingen.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  45.) 

Bei  Brustkindern  war  die  Engel-Turnau  sehe  Reaktion  in 
96,2  Proz.  der  Fälle  positiv  und  bei  Flaschenkindern  in  96,7  Proz. 
negativ.  Die  Reaktion  ist  ganz  ohne  Zweifel  von  praktischem  Wert, 
unter  anderem  auch  für  die  Ammenwahl. 

M.  B  a  r  a  n  c  z  i  k  -  Petersburg :  Ueber  die  Beeinflussung  des 
Blutes  durch  Jodpräparate.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  45.) 

Jodpräparate  rufen  ziemlich  erhebliche  Veränderungen  sow'ohl 
in  dem  physikalisch-chemischen  Verhalten,  als  auch  in  der  mor¬ 
phologischen  Zusammensetzung  des  Blutes  hervor.  Vor  allem  wird 
unter  dem  Einflüsse  von  Jodpräparaten  die  Blutviskosiltät  erhöht. 
Gleichzeitig  damit  nimmt  auch  das  spezifische  Gewicht  des  Blutes 
zu,  das  jedoch  der  Steigerung  der  Viskosität  nicht  parallel  geht. 
Die  Anzahl  der  weissen  Blutkörperchen  weist  eine  bedeutende  Zu¬ 
nahme  auf,  wobei  sich  hauptsächlich  die  polymorphkernigen  Leuko¬ 
zyten  vermehren.  Was  nun  die  Arteriosklerose  anlangt,  so  ist  die 
Heilwirkung  der  Jodpräparate  bei  dieser  Erkrankung  nicht  durch  die 
Beeinflussung  der  Blutviskosität  zu  erklären,  sondern  eher  durch 
Veränderung  der  osmotischen  Spannung  in  den  Gefässen  und  Ge¬ 
weben  bedingt. 

A.  Jurgelunas  - Moskau :  Ueber  Serumanaphylaxie.  (Russky 
Wratsch  1912,  No.  47.) 

Die  Versuche  des  Autors  zeigten,  dass  mit  Pferdeserum  vor¬ 
behandelte  Meerschweinchen  bei  wiederholter  Injektion  des  gleichen 
Serums  zu  74  Proz.  zugrunde  gehen,  dagegen  bei  Einführung  von 
Eselserum  zu  24  Proz.,  von  Rinderserum  zu  22  Proz.,  von  Hunde¬ 
serum  zu  21  Proz.  und  von  Ziegenserum  zu  13  Proz.  Die  Serum¬ 
anaphylaxie  ist  somit  keine  streng  spezifische  Reaktion.  Nichts¬ 
destoweniger  ist  es  unbedingt  geraten,  in  Fällen,  wo  nach  Ablauf 
der  anaphylaktischen  Inkubationsperiode,  d.  h.  12 — 15  Tage  nach 
der  ersten  Injektion  von  Pferdeserum  (z.  B.  von  Diphtherieheilserum) 
eine  Reinjektion  erforderlich  ist,  Heilsera  von  Rindern  oder  Eseln  zu 
benutzen.  Sera  von  gleicher  Abkunft  sind  auch  für  die  Schutz¬ 
impfungen  bei  der  Diphtherie  zu  verwenden.  Tierexperimente  des 
Verfassers  ergaben,  dass  das  Normalserum  des  Rindes  und  des  Esels 
weder  eine  allgemeine  noch  eine  lokale  Reaktion  hervorruft,  ins¬ 
besondere  keine  nekrotisierenden  Eigenschaften  besitzt. 


No.  23. 


ß  ,  N-  Svenson-Kiew:  Seröse  Pleuritis  bei  Wurmfortsatz- 
entzundung.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  47.) 

Ausser  der  eitrigen  Entzündung  der  Pleura,  der  Begleiterschei 
nung  des  subdiaphragmatischen  Abszesses,  werden  bei  der  Appendi- 
zitis  gutartige  Pleuritiden  mit  sterilem  serösem  Exsudat  beobachtet 
Diese  kommen  entweder  durch  Ausbreitung  des  entzündlichen  Pro¬ 
zesses  längs  des  Colon  ascendens  auf  die  Leberoberfläche  und  durch 
das  Diaphragma  hindurch  auf  die  Pleura  pulmonalis  oder  aber  durch 
aseptischen  Infarkt  zustande.  Der  Verlauf  dieser  serösen  Brustfell¬ 
entzündungen  ist  ein  günstiger,  ihre  Behandlung  eine  konservative 

K.  Scho  ne -Petersburg:  Ueber  Scharlachrezidive.  (Russk'" 
Wratsch  1912,  No.  48.) 

In  10  Fällen,  in  denen  bei  der  Aufnahme  ins  Krankenhaus  ganz 
zweifelloser,  durch  den  weiteren  Krankheitsverlauf  völlig  gesicherter 
Scharlach  diagnostiziert  worden  war,  trat  während  des  Rekonvales 
zenzstadiums  eine  erneute  Eruption  des  Exanthems  mit  Temperatur¬ 
steigerung,  Angina  und  charakteristischer  Zunge  auf.  Es  handelt  sich 
hier  demnach  um  echte  Scharlachrezidive,  die  von  anderen  ähnlich-1’! 
Erkrankungen  streng  abgegrenzt  werden  konnten.  In  7  Fällen  war 
der  Rückfall  leichter,  in  2  Fällen  schwerer  als  die  ursprüngliche 
Krankheit  und  in  einem  Falle  führte  er  zum  Tode.  Die  Rezidive 
wurden  je  einmal  am  7.  und  11.  Krankheitstage,  dreimal  in  der 
3.  Woche,  viermal  in  der  4.  und  einmal  in  der  6.  Krankheitswoche 
beobachtet.  Am  häufigsten  kommen  somit  Scharlachrezidive  in  de: 
3.  und  4.  Krankheitswoche  vor. 

L.  Axionow- Petersburg:  Das  Wachstum  des  Diphtherie- 
bazilius  auf  Tellurserum.  (Russky  Wratsch  1912,  No.  52.) 

Der  Autor  ist  geneigt  dem  Conradi-Troch  sehen  Tellur¬ 
nährboden  nicht  so  sehr  eine  praktische,  als  vielmehr  theoretische 
Bedeutung  zuzusprechen.  Allerdings  besitzt  dieser  Nährboden  viele 
Vorzüge:  der  Diphtheriebazillus  wächst  auf  ihm  unter  allen  Um¬ 
ständen  ohne  Ausnahme;  es  ist  möglich  das  Vorhandensein  des 
Diphtherieerregers  bloss  mittels  der  Aussaat  auf  Tellurserum  nach- 
zuweisen;  die  Kolonien  schwärzen  sich  frühzeitig  (bereits  nach 
12  Stunden);  die  bipolare  Granulation  färbt  sich  intravital.  Aber 
ausser  dem  Diphtheriebazillus  geben  auch  einige  andere  Bakterien 
dunkle  Kolonien,  so  dass  nur  Diphtheriebazillen  möglichst  in  Rein¬ 
kultur  ein  typisches  Wachstum  aufweisen.  Ueberdies  verlangt  das 
Verfahren  doppelt  so  viel  Zeit  und  Material  als  die  sonstigen 
Methoden..  A.  D  w  o  r  e  t  z  k  y  -  Moskau. 


Inauguraldissertationen.1) 

Die  sozialen  Bestrebungen  zur  Verhütung  des 
Alcoholismus  chronicus  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Bürgerlichen  Gesetzbuches  und 
des  Reichsstrafgesetzbuches  hat  Bruno  Warth  auf  An¬ 
regung  von  Prof.  Ho  che  unter  Verwendung  eines  Materials  von 
560  Fällen  in  einer  Freiburger  Dissertation  untersucht.  Die  Haupt¬ 
forderungen  zur  Bekämpfung  der  Trunksucht  sind:  1.  Entmündigung 
soll  auch  vom  Staatsanwalt  ausgesprochen  werden  können.  2.  Der 
Entmündigte  soll  vom  Gericht  aus  einer  Heilanstalt  überwiesen  wer¬ 
den  können.  3.  Errichtung  besonderer  Heilanstalten  für  Trinker. 
4.  An  Stelle  des  „Wirtshausverbotes“  Verpflichtung  zur  völligen  Ent¬ 
haltsamkeit  unter  gleichzeitiger  Ueberweisung  in  einen  Abstinenten¬ 
verein.  5.  Unterbringung  eines  wegen  einer  strafbaren  Handlung  in¬ 
folge  1  runksucht  Verurteilten  in  eine  Trinkerheilanstalt  auf  unbe¬ 
stimmte  Zeitdauer.  6.  Widerrufliche  Entlassung.  Bei  vorheriger  Ent¬ 
lassung  ebenfalls  Ueberweisung  in  einen  Abstinentenverein.  7.  Zu¬ 
erkennen  des  Rechtes,  derartig  Verurteilte  vom  Gericht  aus  ohne 
Ueberweisung  zur  Landespolizeibehörde  direkt  einer  Heilanstalt  zu¬ 
weisen  zu  können.  (Freiburg  i.  B.  1913,  74  Seiten.  Karlsruhe. 
G.  Brau  n.)  Fritz  L  o  e  b. 


Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  Mai  1913. 

Müller  Karl  Wilhelm:  Ueber  Morbus  gelatinosus  des  Peritoneums 
bei  Appendizitis. 

L  i  e  b  e  c  k  Adolf :  Das  Tentamen  abortus  provocandi  deficiente  gravi- 
ditate  und  seine  rechtliche  Bedeutung. 

Horney  Erwin:  Die  klinische  Bedeutung  der  malignen  Ovarial¬ 
tumoren,  berechnet  nach  dem  Materiale  der  Greifswalder  Univer¬ 
sitäts-Frauenklinik  in  der  Zeit  vom  1.  April  1910  bis  1.  Ok¬ 
tober  1912. 

Knappe  Wilhelm:  Die  Generationspsychosen  in  der  Provinzial- 
Heil-  und  Pflegeanstalt  zu  Osnabrück. 

Andersch  Eugen:  Bauchdeckenfibrome  der  Frau;  Aetiologie,  Dia¬ 
gnose,  Prognose  und  Therapie. 

Frieling  Bernhard:  Was  leistet  die  Frühoperation  (innerhalb  der 
ersten  24  Stunden)  bei  akuter  Appendizitis  im  Vergleich  mit 
anderen  Behandlungsmethoden?  Erläutert  an  480  Appendizitis¬ 
fällen  (1907—1911). 

Felldin  Franz:  Ueber  die  Prinzipien  der  modernen  Technik  des 
abdominalen  Kaiserschnittes. 

Stapf f  Martin:  Maligner  Mischtumor  der  Parotis  mit  Hodenaplasie, 
diffuser  metastatischer  Pleurakrebs. 


‘)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


10.  Juni  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  1289 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Amerika. 

(Eigener  Bericht.) 

Urteile  der  amerikanischen  Presse  über  Dr.  Friedmann  und 
sein  Tuberkuloseheilmittel. 

Die  Bundesbeamten,  welchen  die  Prüfung  des  Friedmann- 
sclien  Tuberkuloseheilmittels  übertragen  wurde,  haben  kürzlich  ihren 
Bericht  über  dasselbe  veröffentlicht.  Derselbe  fiel  für  den  Ent¬ 
decker  des  neuen  Heilmittels  nicht  gerade  günstig  aus.  Dr.  Fried- 
inann  hatte  versprochen  alle  Tatsachen  in  betreff  seines  Tuber¬ 
kuloseheilmittels  der  Kommission  vorzulegen.  Die  letztere  erklärt 
jedoch,  dass  er  seinem  Versprechen  nicht  nachkam  und  dass  er 
allen  Aufforderungen,  die  an  ihn  ergingen,  auswich.  In  dem  Bericht 
der  Kommission  heisst  es:  „Wir  dürfen  den  möglichen  therapeutischen 
Wert  des  Präparates  nicht  ausser  acht  lassen,  aber  andererseits  ist 
es  notwendig,  dass  wir  uns  gegen  einen  zu  grossen  Optimismus 
hinsichtlich  seines  Wertes  hüten.  Ohne  auf  Einzelheiten  über  den 
Zustand  der  behandelten  Patienten  einzugehen,  sind  wir  berechtigt 
zu  sagen,  dass  die  Wirkungen,  welche  soweit  erzielt  worden  sind, 
nicht  das  Vertrauen  in  das  Heilmittel  rechtfertigen,  welches  durch 
eine  ausgedehnte  Reklame  erwreckt  worden  ist.  Nach  unserer  Mei¬ 
nung  hat  diese  weitgehende  Reklame  vielleicht  viel  Schaden  ange¬ 
richtet,  insofern  sie  das  Vertrauen  tuberkulöser  Patienten  in  allge¬ 
mein  anerkannte  Heilmethoden  erschüttert  und  deren  Anwendung 
unterbrochen  hat.“ 

Als  Dr.  Friedmann  in  NewYork  ankam,  war  ihm  die  öffent¬ 
liche  Meinung  günstig  gestimmt.  Die  Aerzteschaft  war  zwar  miss¬ 
trauisch,  aber  schwieg  und  die  medizinische  Presse  verhielt  sich 
neutral.  Die  grossen  täglichen  Zeitungen  sprachen  sich  mit  grossem 
Wohlwollen  über  Dr.  Friedmann  aus.  Auch  das  Volk  sah  seiner 
Ankunft  mit  grossen  Erwartungen  entgegen.  Obschon  der  Amerikaner 
gegen  alles  Fremde  misstrauisch  ist,  so  hat  doch  die  deutsche  Wissen¬ 
schaft  hierzulande  einen  so  guten  Klang,  dass  man  von  vornherein 
annahm,  dass,  was  von  Deutschland  kommt,  auch  gut  sein  muss;  es 
war  eben  nicht  allgemein  bekannt,  dass  Dr.  Friedmann  in  seinem 
eigenen  Lande  mit  seinem  Heilmittel  noch  keine  namhaften  Erfolge 
zu  verzeichnen  hat.  Dr.  Friedmann  demonstrierte  seine  Heil¬ 
methode  in  verschiedenen  Städten  und  es  wurden  viele  Patienten  mit 
derselben  behandelt.  Von  durchschlagenden  Erfolgen  hat  man  jedoch 
soweit  noch  nicht  viel  gehört.  Doch  soll  eine  Anzahl  von  Patienten 
bedeutend  gebessert  worden  sein. 

Was  zuerst  Misstrauen  gegen  Herrn  Dr.  Friedmann  er¬ 
weckte,  war  seine  Geheimtuerei  und  die  Weigerung,  trotz  früheren 
Versprechens,  die  Herstellung  seiner  Vakzine  offen  darzulegen.  Aber 
erst  als  es  bekannt  wurde,  dass  eine  Aktiengesellschaft,  die  Eisner- 
Mendelsohn  Company,  zur  Ausbeutung  des  Friedmann  sehen 
Tuberkuloseheilmittels  gegründet  worden,  und  dass  Friedmann 
125  000  Dollars  in  barem  Geld  und  1  800  0000  Dollars  in  Aktien  er¬ 
halten  sollte,  brach  der  Sturm  los.  Nicht  nur  die  medizinischen  Zeit¬ 
schriften,  sondern  auch  die  meisten  grossen  täglichen  Zeitungen 
äusserten  sich  in  sehr  absprechendem  Sinne  über  Dr.  Friedmann. 
Eines  der  einflussreichsten  medizinischen  Journale  veröffentlichte 
einen  bitteren  Artikel  gegen  den  deutschen  Arzt.  Darin  heisst  es: 
„Wir  können  die  Tatsache,  dass  das  Heilmittel  ein  Geheimmittel  ist, 
ausser  Acht  lassen,  wir  können  die  unehrenhafte  Handlungsweise 
Friedmanns  übersehen,  wir  können  selbst  die  möglichen  Ge¬ 
fahren,  die  in  seiner  Behandlungsmethode  liegen,  ignorieren,  aber  eine 
Tatsache  tritt  klar  und  deutlich  hervor  und  sollte  besonders  betont 
werden,  Friedmann  hat  keine  Beweise,  keine  Evidenz  erbracht, 
dass  er  die  Tuberkulose  heilen  kann.“ 

Nicht  so  grimmig  gehen  die  täglichen  Zeitungen  mit  Herrn 
Friedmann  ins  Gericht,  aber  auch  sie  sprechen  sich  meist  sehr 
abfällig  über  seine  Handlungsweise  aus.  Ein  einflussreiches  Blatt 
schreibt:  „Die  Sachverständigen  des  öffentlichen  Gesundheitsdienstes 
behandeln  Herrn  Dr.  Friedmann  in  ihrem  Bericht  gewiss  sehr 
nachsichtig.  Sie  hüten  sich,  die  Handlungsweise  des  Herrn  Fried¬ 
man  n  mit  der  Heilmethode,  für  welche  er  so  grosse  Erfolge  be¬ 
ansprucht,  zu  verwechseln.  Wenn  man  das  Urteil  ausschliesslich  auf 
das  Betragen  und  die  Handlungsweise  des  deutschen  Arztes  während 
seines  Aufenthaltes  in  diesem  Lande  gründen  wollte.  Würde  es  ziem¬ 
lich  gewiss  in  nicht  milden  Ausdrücken  verdammend  lauten.  Aber  es 
besteht  immer  noch  die  Möglichkeit,  dass,  obgleich  seine  ethische 
Handlungsweise  unentschuldbar  ist  und  seine  Reklamemethode  mehr 
ein  Streben  nach  Reichtum  verrät  als  der  Menschheit  zu  dienen,  alles 
oder  zum  grossen  Teile  das  ist,  was  er  dafür  beansprucht.  Die  Ver¬ 
mutungen  stehen  einer  solchen  Schlussfolgerung  entgegen,  aber  die 
Fachmänner  sind  nicht  gewillt,  ihre  Ueberzeugung  auf  blosse  Ver¬ 
mutungen  zu  gründen.  Die  ganze  Welt  muss  hoffen,  dass  das  Fried- 
m  ann  sehe  Heilmittel  sich  besser  bewährt  als  sein  Betragen.  Was 
uns  nottut,  ist  ein  Tuberkuloseheilmittel,  und  ob  sein  Entdecker  sich 
damit  ein  Vermögen  erwirbt,  ist  von  untergeordnetem  Belang.  Aber 
wenn  das  Mittel  ein  wirkliches  Heilmittel  ist,  so  muss  man  sagen, 
dass  sein  Entdecker  durch  seine  Handlungsweise  den  Wert  desselben 
bedeutend  heruntergesetzt  hat.“  „Dieses  melancholische  Ende  der 
Friedmann  sehen  Mission  in  diesem  Lande,  sagt  ein  anderes  Blatt, 
bestätigt  eine  weitverbreitete  Ansicht,  dass  Dr.  Fried  man  ns 
Motive  nicht  wissenschaftlich  und  human,  sondern  kommerzieller 
Natur  sind.“ 

Inzwischen  hat  die  neugegründete  Aktiengesellschaft  beschlossen, 
in  36  Staaten  Tuberkuloseinstitute  nach  Art  der  Paste  urschen 


Lyssainstitute  zu  errichten.  Auf  diese  Weise  gedenkt  man  den  Bun¬ 
desgesetzen  auszuweichen.  Es  wäre  dann  Sache  der  einzelnen 
Staaten,  zu  entscheiden,  ob  das  neue  Heilmittel  in  ihrem  Gebiete  zu¬ 
zulassen  sei.  Es  wird  berichtet,  dass  arme  Patienten  unentgeltlich 
behandelt  werden  sollen.  „Die  Reichen  werden  für  die  Armen  zu  be¬ 
zahlen  haben.“  A.  A  1 1  e  m  a  n  n. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

XV.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für 

Gynäkologie 

in  Halle  a.  S.  vom  14.  bis  17.  Mai  1913. 
Berichterstatter:  Prof.  Dr.  Karl  B  a  i  s  c  h,  Oberarzt  der  Universitäts- 
Frauenklinik  in  München. 

I.  Vorsitzender:  Herr  V  e  i  t  -  Halle  a.  S. 

I.  Schriftführer:  Herr  B  a  i  s  c  h  -  München. 

I. 

Thema  des  Kongresses: 

Die  Beziehungen  der  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Nieren  sowie 

der  Störungen  der  inneren  Sekretion  zur  Schwangerschaft. 

Herr  Fromme-  Berlin :  Die  Beziehungen  der  Erkrankungen  des 
Herzens  zu  Schwangerschaft.  Geburt  und  Wochenbett. 

Die  Lehre  von  der  Hypertrophie  des  Herzens  bei  normalen 
Schwangeren  kann  nicht  aufrecht  erhalten  werden.  Eine  Erstarkung 
des  Herzens  während  dieser  Zeit  ist  anzunehmen.  Die  Komplikation 
von  Herzerkrankungen  mit  Schwangerschaft  kommt  in  etwa  20  Proz. 
vor.  Von  200  Frauen  mit  Herzerkrankungen  sterben  3  während 
Schwangerschaft,  Geburt  oder  Wochenbett.  80  Proz.  aller  herzkran¬ 
ken  Frauen  bleiben  von  Symptomen  ihrer  Erkrankung  verschont.  In 
5 — -9  Proz.  kommt  es  zu  Frühgeburt,  in  4 — 8  Proz.  zum  Abort.  Von 
ausschlaggebender  Bedeutung  ist  das  Verhalten  des  Herzmuskels. 
Frauen  mit  Myokarditis  sind  besonders  gefährdet.  Frauen,  die  wäh¬ 
rend  Schwangerschaft  und  Geburt  keine  klinischen  Erscheinungen 
ihrer  Herzerkrankung  haben,  bedürfen  keiner  Therapie;  es  sind  ledig¬ 
lich  diätetische  Massnahmen  anzuwenden  Bei  leichteren  Kompen¬ 
sationsstörungen  hat  in  jedem  Falle  zuerst  eine  medikamentöse  Thera¬ 
pie  Platz  zu  greifen,  ebenso  bei  schwereren  Störungen,  wenn  es  sich 
um  Erstgebärende  handelt,  die  vor  der  Gravidität  keine  Dekompen¬ 
sation  hatten,  oder  um  Mehrgebärende,  bei  denen  frühere  Gravidi¬ 
täten  normal  verlaufen  waren  und  keine  höheren  Grade  der  Herz¬ 
muskelerkrankungen  vorhanden  sind.  Kommt  man  mit  der  medi¬ 
kamentösen  Therapie  nicht  bald  zum  Ziele,  so  hat  in  jedem  Monat 
die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  stattzufinden,  ebenso  wenn 
die  Dekompensation  des  Herzens  öfters  in  derselben  Schwangerschaft 
wiederkehrt.  Mit  der  Beseitigung  der  Schwangerschaft  wird  man 
weiter  in  allen  den  Fällen  nicht  allzulange  zögern  dürfen,  wenn  vor 
der  Schwangerschaft  Dekompensationserscheinungen  vorhanden 
waren  oder  wenn  frühere  Schwangerschaften  mit  schweren  Stö¬ 
rungen  verliefen.  Bei  Kompensationsstörungen  während  der  Geburt 
ist  diese  durch  operative  Extraktion  des  Kindes  abzukürzen.  Jungen 
Mädchen,  die  schon  vor  der  Ehe  öfters  schwere  Dekompensations¬ 
erscheinungen  ihres  Herzens  hatten,  muss  die  Heirat  energisch  wider¬ 
raten  werden. 

Herr  Z  a  n  g  e  m  e  i  s  t  e  r  -  Marburg:  Die  Beziehungen  der  Er¬ 
krankungen  der  Harnorgane  zu  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett. 

Die  Häufigkeit  der  physiologischen  Albuminurie  der  Schwanger¬ 
schaft  ist  in  den  letzten  Wochen  26  Proz.  Sie  ist  die  Folge  einer  man¬ 
gelhaften  Blutversorgung  der  Niere.  Das  Eiweiss  verschwindet  im 
Wochenbett  rasch.  Die  Häufigkeit  der  Pyelitis  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  die  in  der  Regel  durch  Bacterium  coli  verursacht  ist,  beträgt 
0,6  Proz.,  ihre  Mortalität  etwa  2  Proz.  Der  Prozess  ist  in  der  Regel 
deszendierend,  die  Keime  wandern  direkt  vom  benachbarten  Darm  in 
das  Nierenbecken.  Die  Nephropathia  gravidarum  (Nephritis  gravi¬ 
darum)  findet  sich  in  2  Proz.  Erstschwangere  sind  mehr  disponiert 
Die  Häufigkeit  der  Eklampsie  bei  Nephritis  gravidarum  beträgt  etwa 
8  Proz.  Die  Ursache  liegt  in  einer  durch  die  Schwangerschaft  ge¬ 
gebenen  transudativen  Diathese,  durch  welche  es  zu  einer  Nieren¬ 
schwellung  und  damit  zu  mangelhafter  Blut-  und  Sauerstoffversor¬ 
gung  der  Niere  kommt.  Vielleicht  kommen  für  die  Diathese  toxische 
Einflüsse  in  Betracht.  Die  Prognose  des  Kindes  wird  bei  der  Nephro¬ 
pathia  verschlechtert  durch  häufigen  vorzeitigen  Geburtseintritt,  intra¬ 
uterines  Absterben  und  hohe  Sterblichkeit  intra  partum.  Relativ 
selten  tritt  eine  vorzeitige  Lösung  der  Plazenta  ein.  Letztere  findet 
sich  besonders  bei  chronischer  Nephritis.  Der  Wochenbettsverlauf 
wird  durch  Nierenerkrankungen  im  allgemeinen  nicht  gestört.  Die 
Prognose  der  chronischen  Nephritis  mit  Schwangerschaft  ist  ernster 
als  die  der  Nephropathie.  Die  Mortalität  schwankt  zwischen  12  bis 
14  Proz.  Frauen  mit  gleichzeitiger  Myokarditis  sind  besonders  ge¬ 
fährdet.  Die  Komplikation  der  Nierentuberkulose  und  Schwanger¬ 
schaft  ist  sehr  selten.  Die  Prognose  wird  durch  diejenige  des  Nieren¬ 
leidens  gegeben.  Nach  Nephrektomie  beobachtet  man  meist  ungestör¬ 
tes  Befinden  in  der  Gravidität. 

Herr  S  e  i  t  z  -  Erlangen :  Die  Störungen  der  inneren  Sekretion  in 
ihren  Beziehungen  zu  Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett. 

Seitz  legt  dem  Kongress  eine  ausführliche  Monographie  über 
dieses  Thema  vor,  die  zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet  ist.  Er  be¬ 
handelt  ausführlich  die  einzelnen  inneren  sekretorischen  Drüsen  und 


1290 


MUENCHKNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF' 


No.  23. 


deren  Erkrankungen  (Schilddrüse,  Epithelkörperchen,  Thymus,  Hypo¬ 
physe,  Epiphyse,  Nebennieren,  Pankreas  und  Ovarien)  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett.  Weitere 
Kapitel  sind  der  Osteomalazie,  den  Beziehungen  zwischen  Mamma 
und  Schwangerschaft  und  der  Plazenta  als  Drüse  mit  innerer  Sekre¬ 
tion  gewidmet.  Die  Monographie  muss  als  grundlegende  und  zu¬ 
sammenfassende  Arbeit  über  unsere  derzeitigen  Kenntnisse  bezeichnet 
werden,  die  ausserdem  eine  Reihe  neuer,  selbständiger  Forschungs¬ 
ergebnisse  bringt. 

Referate. 

Herr  P.  S  c  h  ä  f  e  r  -  Berlin:  Elektrokardiographische  Unter¬ 
suchungen  bei  der  Gebärenden. 

Bei  35  Frauen  konnte  vor  und  nach  der  Geburt  ein  Unter¬ 
schied  der  Herzaktion  durch  Auskultation  und  Perkussion,  Blutdruck 
und  Puls  nicht  festgestellt  werden.  Bei  der  elektrokardiographischen 
Untersuchung  liess  sich  in  20  Fällen  eine  erhebliche  Steigerung  des 
Verhältnisses  J:F  feststellen.  Bei  7  Fällen  blieb  das  Verhältnis  inner¬ 
halb  der  Fehlergrenzen  gleich,  während  es  sich  in  8  Fällen  ver¬ 
minderte.  Der  Grund  jler  Steigerung  ist  die  Mehrarbeit  des  Herzens 
unter  der  Geburt,  während  eine  Verlagerung  des  Herzens,  Heben  oder 
Senken  der  Spitze  nur  wenig  Einfluss  haben  . 

Herr  H.  N  e  u  -  Heidelberg:  Zur  Therapie  der  Herzerkrankungen 
in  der  Schwangerschaft. 

ln  jedem  behandlungsbedürftigen  Fall  der  Komplikation  Herz¬ 
fehler  +  Gravidität  ist  die  dem  Herzleiden  adäquate  Behandlung  ein¬ 
zuleiten;  sie  besteht  in  einer  sachgemässen  Digitalisierung  des  Her¬ 
zens;  für  die  Behandlung  aller  ernsteren  Dekompensationen  ist  die 
endovenöse  Strophanthintherapie  Fraenkels  augenblicklich  die 
beste  Therapie.  Die  Graviditätsunterbrechung  wird  nur  befürwortet, 
wenn  bei  vorhergegangenen  Graviditäten  ernsthafte  und  schwer  zu 
beeinflussende  Dekompensationen  bestanden  haben  (z.  B.  bei  progre¬ 
dienter  Myokarderkrankung),  dann  aber  erst  nach  vorausgeschicktem 
Digitalisierungsversuch  mit  intravenöser  Strophanthininjektion  und 
unter  der  Bedingung  konsekutiver  Sterilisierung.  Individuen  mit  Nei¬ 
gung  zu  offensichtlichen  Insuffizienzen  ist  der  Ehekonsens  nicht  zu  er¬ 
teilen.  Bei  Frühgraviditätsinsuffizienzen  ist  die  schonende  Uterus¬ 
entleerung  angezeigt.  Die  chirurgischen  Mittel  zur  Einleitung  der  Ge¬ 
burt  sind  wegen  der  schnellen  Umschaltung  des  Kreislaufs  die  gefähr¬ 
lichsten  und  nur  ganz  ausnahmsweise  zu  wählen.  Die  Inhalations¬ 
narkose  bei  Herzfehlerkranken  ist  nicht  unbedenklich. 

Herr  J  a  s  c  h  k  e  -  Giessen :  Nierenerkrankungen  in  der  Schwan¬ 
gerschaft  herzkranker  Frauen. 

Sowohl  die  normale  Schwangerschaft  an  sich  wie  alle  mit  länger¬ 
dauernder  Hypertonie  einhergehenden  NierenerkranKungen  stellen 
grössere  Ansprüche  an  die  Leistungsfähigkeit  des  Herzmuskels. 
Namentlich  die  rasch  wechselnden  starken  Ansprüche  unter  der  Ge¬ 
burt  kommen  dafür  in  Betracht.  Während  reine  Klappenfehler  in  der 
Gravidität  keine  ungünstige  Prognose  geben  und  auch  bei  gleich¬ 
zeitiger  oder  allein  bestehender  Herzmuskelerkrankung  nur  in  etwa 
0,5—1  Proz.  der  Fälle  ein  irreparables  Versagen  zu  fürchten  ist.  ver¬ 
düstert  sich  die  Prognose  ganz  ausserordentlich,  wenn  dazu  noch  die 
starken,  durch  eine  hypertonische  Nierenerkrankung  gestellten  An¬ 
sprüche  sich  gesellen.  Bei  Zusammentreffen  dieser  Komplikationen 
darf  man  daher  nicht  lange  zuwarten,  sondern  muss  bald  durch  Gra¬ 
viditätsunterbrechung  eine  Verminderung  der  an  das  Herz  gestellten 
Anforderungen  herbeiführen. 

Herr  H  o  1  z  b  a  c  h  -  Tübingen :  Ueber  Schwangerschaftsnierc  und 
Nephritis  in  graviditate. 

H  o  1  z  b  a  c  h  hält  den  Begriff  „Schwangerschaftsniere“  für  ana¬ 
tomisch  nicht  genügend  fundiert  und  rät  dringend,  erst  hier  Klarheit  | 
zu  schaffen.  Denn  im  anatomischen  Bild  sehen  wir  degenerative 
und  entzündliche  Prozesse  ebenso  ohne  scharfe  Grenze  ineinander 
übergehen  wie  bei  der  klinischen  Beobachtung.  Unser  Streben  muss 
sein,  im  Einzelfall  festzustellen,  ob  eine  Niereninsuffizienz 
vorliegt  oder  nicht.  Das  können  wir  mit  Hilfe  der  S  c  h  1  a  y  e  r  sehen 
bunktionsprüfungen.  deren  Bedeutung  eingehend  erörtert  wird.  Die 
Eklampsie  darf  nicht  im  Zusammenhang  mit  der  Nierenerkrankung 
als  solcher  behandelt  werden. 

Herr  K.  B  a  i  s  c  h  -  München :  Untersuchungen  über  das  spätere 
Schicksal  herz-  und  nierenkranker  Schwangerer. 

Baisch  berichtet  über  Beobachtungen  und  Nachuntersuchungen 
bei  205  herz-  und  250  nierenkranken  Schwangeren  und  Kreissenaen, 
sowie  über  450  Fälle  von  Schwangerschaftsniere  aus  der  Münchener 
Frauenklinik  innerhalb  der  letzten  12  Jahre  (21  000  Geburten)  DD 
Nephritis  grav.  fand  sich  mit  226  Fällen  in  1,7  Proz.  ln 
o7  Proz.  trat  Eklampsie  dazu.  Von  den  Eklamptischen  starb  ein 
Viertel.  Von  den  Nephritischen  ohne  Eklampsie  ist  nur  eine  Frau  mit 
gleichzeitiger  inkompensierter  Myodegeneratio  cordis  gestorben.  In 
40  1  roz.  erreichte  die  Schwangerschaft  ihr  normales  Ende,  21  Proz. 
i  x>int!er-  )varen  die  übrigen  unreif.  Von  den  nachuntersuchten 
110  Nephritischen  sind  9  in  den  nächsten  Jahren  gestorben,  von  60 
Eklamptischen  6=10  Proz.  Als  dauernd  invalid  haben  sich  10  Proz 
erwiesen.  Von  13  Frauen  mit  B  r  i  g  h  t  scher  Niere  sind  4  in  der  Klinik 
gestorben,  2  in  den  nächsten  Jahren.  Von  200  Schwangeren  mit  Klap¬ 
penfehlern  bekamen  die  Hälfte  Kompensationsstörungen  in  der  Schwan¬ 
gerschaft,  ein  Viertel  hochgradig.  5  Frauen  sind  in  der  Geburt  ge¬ 
storben.  ln  den  nächsten  Jahren  sind  noch  weitere  3  Frauen  ihrem 
Herzleiden  erlegen.  Von  den  Nachuntersuchten  fühlten  sich  50  Proz 
gesund,  45  Proz.  waren  krank,  5  Proz.  gestorben.  Ein  Drittel  der  Kin¬ 
der  wurde  nicht  ausgetragen.  Von  den  Frauen  mit  Myokarditis  sind 
5  wahrend  der  Geburt  gestorben,  2  in  den  nächsten  Jahren  In 


40  Proz.  aller  Herzkranker  traten  atonische  Blutungen  auf.  Die 
1  herapie  kann  in  leichten  und  mittelschweren  Fällen  konservativ  mit 
interner  Behandlung  des  Herzleidens  sein,  in  schweren  Fällen,  ins¬ 
besondere  stets  bei  Myokarditis  und  bei  Kombination  mit  Nephritis 
ist  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  indiziert. 

Herr  A  s  c  h  n  e  r  -  Halle :  Untersuchungen  über  die  Schwanger- 
schaftsalbuminurie. 

pi  ze*gte  s.ich  bei  Anwendung  des  Dialysierverfahrens,  dass  das 
Eklampsieharneiweiss  von  Schwangerenserum  abgebaut  wurde,  das 
Harnciweiss  bei  gewöhnlicher  Nephritis  dagegen  nicht.  Das  Harn 
eiweiss  bei  Schwangerschaftsniere  wurde  ebenfalls  von  Schwangeren- 
serum  abgebaut,  jedoch  bedeutend  schwächer  als  das  Eklampsic- 
liarneiweiss.  Das  Serum  von  Eklamptischen  baute  das  eigene  Eiweiss 
schlechter  ab  als  das  Serum  von  normalen  Schwangeren,  was  auch 
mit  der  entsprechenden  Plazentarreaktion  iibereinstimmt.  Das  Harn 
eiweiss  der  Schwangerschaftstoxikosen  ist  daher  von  andersartiger 
chemischer  Beschaffenheit  im  Sinne  leichterer  Abbaubarkeit  und 
vielleicht  auch  von  anderer  Provenienz  als  das  gewöhnliche  Nenhri- 
tikereiweiss. 

Herr  W  a  1 1  h  a  r  d  -  Frankfurt  a.  M. :  Herzleiden  und  Stoff- 
Wechselstörungen  in  der  Schwangerschaft. 

Insuffizienzerscheinungen  der  Aorta  stehen  nicht  selten  in  Zu¬ 
sammenhang  mit  Aortitis  bzw.  Aneurysma  a  o  r  t  a  e.  Aus  einer 
eigenen  Beobachtung  sowie  aus  der  Literatur  geht  hervor,  dass  bei 
Eintritt  von  Wehen  nicht  selten  Ruptura  aortae  eintritt.  Es  ist  des¬ 
halb  die  Schwangerschaft  durch  Sectio  caesarea  zu  unterbrechen  und 
die  Patientin  zu  sterilisieren.  Die  hypothyreotische  Wachs¬ 
tumshemmung  des  Knochens  führt  in  Gegenden,  welche 
mit  endemischem  Kropf  stark  belastet  sind,  zum  ungleichmässig 
allgemein  verengten  Becken  und  auf  diesem  Wege  zu  Störungen  des 
Geburtsverlaufes.  Dies  illustriert  eine  geographische  Karte  über  die 
Verbreitung  der  kretinischen  Degeneration  im  Kanton  Aargau 
(Schweiz)  von  E.  B  i  r  c  h  e  r. 

Herr  K  r  e  i  s  s  -  Dresden :  Herzfehler  und  Schwangerschaft. 

Von  23  577  Geburten,  einschliesslich  Aborte  der  Jahrgänge  1903 
bis  1912  der  Dresdner  Frauenklinik  wurde  26  mal,  mithin  in  1,1  Proiu. 
aller  Geburten,  wegen  hochgradig  dekompensiertem  Herzfehler  die 
Schwangerschaft  artifiziell  unterbrochen.  Darunter  waren  16  Fehler 
der  Mitralklappen,  3  Fehler  der  Aortenklappen,  7  Fälle  von  Erkran¬ 
kungen  des  Myokards.  Von  diesen  26  Frauen  starben  4,  d.  h 
15,5  Proz.,  bei  Abzug  von  2  Fällen,  die  an  Sepsis  ad  exitum 
kamen,  nur  7,5  Proz.  Bezüglich  der  Frage  der  Schwangerschafts¬ 
unterbrechung  wird  folgender  konservativer  Standpunkt  vertreten: 
Zuerst  Versuch,  ob  die  Dekompensation  nicht  mit  Mitteln  der  internen 
Medizin  zu  beheben  ist.  Bei  Misslingen  sofortige  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft.  Ohne  vorherigen  Versuch  ist  auf  Grund 
unserer  Erfahrungen  die  Schwangerschaft  zu  unterbrechen:  bei  ange¬ 
borener  Pulmonalstenose,  bei  Perikarditis  mit  Exsudatbildung,  bei 
frischer  Endokarditis,  bei  ausgesprochener  Insuffizienz,  bei  Kypho¬ 
skoliose,  sowie  in  Fällen,  in  denen  der  Herzfehler  mit  Tuberkulose. 
Nephritis,  perniziöser  Anämie,  grossen  Strumen  etc.  kombiniert  ist. 
Derartige  Komplikationen  treffen  wir  in  50  Proz.  aller  Fälle,  davon 
allein  Nephritis  in  34,6  Proz.  Bei  der  operativen  Entbindung  kommen 
bei  lebensfähigem  Kind  der  vaginale  oder  klassische  Kaiserschnitt 
in  Betracht;  ersteren  lehnen  wir  bei  stärkeren  Stauungserschei¬ 
nungen  wegen  Gefahr  der  Blutung  ab  und  ersetzen  ihn  durch  den 
klassischen  Kaiserschnitt,  womöglich  in  hoher,  extraduraler  Sakral¬ 
anästhesie.  In  weniger  ernsten  Fällen  bedienen  wir  uns  der  Me- 
treuryse  (14  mal  von  26  Fällen),  3  mal  wurde  atonische  Nachblutung 
beobachtet.  Auf  13  lebensfähige  Kinder  haben  wir  eine  Mortalität 
von  4  —  30  Proz.  zu  verzeichnen. 

Herr  S  e  1 1  h  e  1  m  -  Tübingen:  Die  Beziehungen  der  Fort- 
pflanzungsfunktioii  zuin  Herzen  des  Weibes. 

S  e  1 1  h  e  i  m  zeigt  an  einer  graphischen  Darstellung,  dass  eine 
ausgewachsene  Frau  während  der  Blüte  ihrer  Jahre  zufolge  der 
regelmässigen  Verluste  von  Menstrualblut  ihr  eigenes, 
etwa  bis  zum  18.  Jahre  erreichtes  Körpergewicht  verdoppelt. 
Dazu  kommt  die  Periode  aufbauender  stofflicher  Leistung  bei  der 
F  r  u  c  h  t  e  n  t  wi  c  k  1  u  n  g  und  Ernährung  des  Kindes.  Bei  6  Kin¬ 
dern  hat  die  Mutter  den  eigenen  Aufbau  zweimal  wieder¬ 
holt  Der  nach  diesen  Leistungen  gemutmasste  und  nach  ser 
von  Sellh.eim  vorgenommenen  physiologischen  Untersuchung  des 
Pulses  wahrscheinlich  gemachte  Geschlechtsunterschied  des  Herzens 
entbehrt  auch  nicht  einer  anatomischen  Grundlage.  Im  Gegensatz 
zur  männlichen  Kurve  zeigt  das  weibliche  Herzwachstum  ganz  deut¬ 
lich  vom  20. — 40.  Jahre  ein  Sistieren.  Den  zu  erwartenden,  zeit¬ 
weise  hohen  Anforderungen  an  das  weibliche  Herz  durch  die  Auf¬ 
gaben  der  Fortpflanzung  entspricht  eine  Retardierung  der  Massen¬ 
zunahme  für  die  Zeit,  in  welcher  physiologischerweise  diese  Mehrbe¬ 
lastung  zu  erwarten  ist,  mit  der  Möglichkeit  einer  wiederholten 
spielenden  Anpassungsfähigkeit  an  wirklich  eintretende  Mehrbe¬ 
lastungen  durch  puerperale  Vorgänge. 

Herr  K  r  ö  m  e  r  -  Greifswald :  Störung  der  Nierenfunktion  bei 
Eklampsie. 

Unter  Ausschluss  der  seltenen  eiweissfreien  Fälle  findet  man 
in  der  Regel  bei  Eklampsie  neben  der  starken  Eiweiss-  und  Zylinder¬ 
ausscheidung  die  Oligurie  bei  hohem  spezifischen  Gewicht,  insbe¬ 
sondere  die  Kochsalzretention,  die  bei  keinem  hydropischen  Fall  fehlt. 
Plötzlicher  Absturz  der  Chlorkurve  zeigt  die  drohende  Eklampsie  an, 
ebenso  nach  beendeter  Eklampsie  Rezidive  im  Wochenbett.  Die 
atypischen  eiweissfreien  Fälle  mit  normaler  Kochsalzausscheidur.g 
sind  eine  Ausnahme;  sie  lassen  keine  Prognose  zu  und  liefern  das 


0.  Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1291 


geeignete  Material  für  die  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  sehe  Behandlung.  Funk¬ 
ionsprüfung  der  Eklampsieniere  mit  Phenolsulfonphthalein  bestätigte 
lie  Tatsache,  der  schweren  eklamptischen  Nierenschädigung,  insofern 
mr  20 — 40  Proz.  des  Farbstoffes  insgesamt  ausgeschieden  wurden, 
ii  den  ersten  2  Stunden  bis  25  Proz.,  bei  gesunden  Schwangeren  75 
ezv .  60  Proz. 

Herr  Heyne  mann  -  Halle  a.  S. :  Herz-  und  Zwerchfellstand 
n  der  Schwangerschaft. 

Bei  allen  untersuchten  42  Schwangeren  war  das  Zwerchfell  am 
inde  der  Schwangerschaft  deutlich  emporgedrängt,  und  zwar  um 
* — 4  cm.  Das  Herz  war  dadurch  schräger  gestellt  und  am  Ueber- 
ang  in  die  grossen  Qefässe  gewissermassen  abgeknickt.  Hierdurch 
st  eine  Vermehrung  der  Arbeitsleistung  des  Herzens  am  Ende  der 
Schwangerschaft  und  die  Entstehung  der  akzidentiellen  Sclnvanger- 
chaftsgeräusche  bedingt. 

Herr  V  o  g  t  -  Dresden :  Morbus  Addisonii  und  Schwangerschaft. 

Es  findet  sich  in  der  ganzen  Literatur  nur  ein  einziger  Fall 
on  Morbus  Addisonii  und  Schwangerschaft,  von  Barlow,  mitge¬ 
eilt.  Die  Ursache  der  Erkrankung  war  Lues  der  Nebennieren.  Ein 
weiter  Fall  wurde  in  der  Dresdener  Frauenklinik  vor  mehreren 
ahren  beobachtet,  mit  Tuberkulose  beider  Nebennieren.  Der  V  e  r  - 
auf  der  Schwangerschaft  und  Geburt  ist  in  den  beiden 
•Tillen  ungestört  gewesen.  Einer  weit  grösseren  Gefahr  als  in 
ler  Schwangerschaft  und  Geburt  sind  die  Frauen  mit  Morbus  Addi- 
,onii  im  Frühwochenbett  ausgesetzt. 

Herr  Oskar  Frankl- Wien:  lieber  die  Ovarialfunktion  bei 
florbus  Basedowii. 

In  6  Fällen  wurde  die  Periodeblutung  mit  Einsetzen  des  Morbus 
tasedowii  quantitativ  geringer,  ihre  Dauer  kürzer.  Es  waren  darunter 
eichte,  aber  auch  schwere,  selbst  tödlich  verlaufene  Fälle.  Voll- 
:ommenes  Ausbleiben  der  Periode  zu  Beginn  des  Morbus  Basedowii 
and  sich  in  10  Fällen,  ln  4  derselben  stellte  sich  die  Periode  nach 
wenigen  Monaten  wieder  ein.  Es  waren  hierunter  leichte  und 
;chwere  Fälle.  Die  anderen  6  Fälle  zeigten  Ausbleiben  der  Men- 
itruation  durch  lange  Zeit,  resp.  vollkommenes  Ausbleiben  der 
Wenses.  Diese  Fälle  waren  durchweg  als  schwer  zu  bezeichnen. 
Heraus  folgt,  dass  das  Verhalten  der  Periode  im  Beginne  des 
Worbus  Basedowii  keinen  Anhaltspunkt  gibt,  die  Schwere  des  Falles 
:u  beurteilen.  Wo  aber  die  Periode  dauernd  ausbleibt,  handelt  es 
.ich  um  schwere  Fälle.  Der  Morbus  Basedowii  beruht  nicht  auf  der 
)varialschädigung,  diese  ist  vielmehr  thyreotoxischen,  hyperthyreo- 
jenen  Ursprunges  und  als  Syndrom  der  Krankheit  aufzufassen. 
Jicses  Syndrom  ist  von  klinisch-prognostischer  Bedeutung. 

Herr  Landsberg  -  Halle  a.  S. :  Die  Bedeutung  der  inner- 
;ekretorischen  Drüsen  für  den  Stoffwechsel  in  der  Schwangerschaft. 

Es  zeigte  sich,  dass  nach  Ovarialexstirpation  in  der  Sclnvanger- 
ichaft  im  Gegensatz  zur  Norm  eine  allerdings  geringe  Beschleunigung 
ies  Eiweissstoffwechsels  eintritt.  Nach  Injektion  von  Extrakt  aus 
Corpora  lutea  vera  ist  eine  Verringerung  der  Stickstoffausscheidung 
'.u  beobachten.  Nach  Exstirpation  der  Thyreoidea  in  der  Schwanger¬ 
schaft  findet  eine  geringere  Herabsetzung  der  Stickstoffausscheidung 
statt  als  ausserhalb  der  Schwangerschaft.  Einige  Zeit  nach  der 
Ovarialexstirpation  wurde  bei  fortdauernder  Schwangerschaft  in 
l  Fällen  auch  die  Thyreoidea  entfernt.  Es  zeigte  sich  eine  auffallende 
Kleinheit  der  Thyreoidea  nach  Ovarialexstirpation.  Der  Stoffwechsel 
var  etwas  stärker  herabgesetzt  als  bei  reiner  Thyreoideaexstirpation. 

Herr  J.  Novak-Wien:  Nebenniere  und  Genitale. 

Novak  hat  Versuche  an  146  Ratten  ausgeführt,  um  den  Einfluss 
les  Nebennierenausfalls  auf  das  Genitale  festzustellen.  Da  die  Ratten 
iber  akzessorisches  Nebennierengewebe  verfügen,  so  handelt  es  sich 
)ei  ihnen  um  keinen  vollständigen  Ausfall  der  Nebennierenfunktion, 
mildern  um  eine  Hypofunktion,  welche  in  den  meisten  Fällen  nach 
cürzerer  oder  längerer  Zeit  zum  Tode  führt.  Die  der  Nebennieren 
leraubten  Ratten  zeigen  eine  mangelhafte  Entwicklung  des  Genitale 
jegenüber  den  Kontrolltieren  des  gleichen  Wurfes.  Sie  ist  um  so 
Jeutlicher  ausgesprochen,  je  jünger  das  Tier  ist.  Die  Potenz  und 
iie  Konzeptionsfähigkeit  nebennierenloser  Tiere  ist  stark  herabge¬ 
setzt.  Bei  2  schwangeren  Ratten  hatte  die  Nebennierenexstirpation 
ceine  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  zur  Folge. 

Herr  J.  Novak-  Wien  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  O.  P  o  r  g  e  s 
md  R.  Strisower:  Ueber  eine  besondere  Form  von  Glykosurie 
n  der  Gravidität  und  ihre  Beziehungen  zum  echten  Diabetes. 

Von  14  Frauen  mit  erheblicherer  Schwangerschaftsglykosurie 
zeigten  die  meisten  einen  normalen  Blutzuckerwert.  Bei  3  Fällen 
erreichte  er  die  obere  Grenze  der  Norm  (dabei  in  einem  Falle 
K63  Proz.  Zucker  im  Harn!).  Nur  in  2  Fällen  war  der  Blutzucker 
zeitweise  erhöht.  Doch  trat  bei  beiden  Fällen  auch  bei  einem 
loch  normalwertigen  Blutzuckergehalt  eine  Glykosurie  auf.  Bei 
nehreren  Fällen  verschwand  die  Glykosurie  selbst  bei  kohlenhydrat- 
reier  Kost  nicht  völlig,  bewegte  sich  aber  andererseits  selbst  bei 
<ohlehydratreicher  Kost  in  mässigen  Grenzen.  Dies  spricht  dafür, 
lass  die  Schwangerschaftsglykosurie  in  der  Regel  auf  einer  Ueber- 
.'mpfindlichkeit  der  Niere  gegen  den  Blutzucker,  nicht  auf  einer  Stö¬ 
rung  der  Zentren  für  die  Zuckeregulation  beruhe.  Nur  in  einzelnen 
Fällen  sind  beide  Momente  miteinander  kombiniert.  Der  normale 
Hutzuckergehalt  unterscheidet  die  Schwangerschaftsglykosurie  von 
:inem  Diabetes  in  der  Schwangerschaft.  Ausführung  zweier  letal 
verlaufener  Fälle  von  Schwangerschaftsdiabetes. 

Herr  E  n  g  e  1  h  o  r  n  -  Erlangen :  Ueber  die  Beeinflussung  des 
Hämoglobinkatalysators  in  der  Schwangerschaft  ( W  e  i  c  h  a  r  d  t  sehe 
Reaktion). 

Vortragender  fand  in  der  Mehrzahl  normaler  Schwangerschaften 


die  Katalysatorenreaktion  des  isoliert  hergestellten  Hämoglobins  er¬ 
höht.  Gleichartige  Erhöhungen  sind  bei  anderen  Proteotoxikosen 
(z.  B.  Karzinom)  nachzuweisen.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  22,  S.  1195 
erschienen.) 

Herr  S  c  h  I  i  m  p  e  r  t  -  Freiburg:  Experimentelle  Untersuchungen 
zur  Physiologie  der  Hypophyse. 

Mittels  der  von  B  i  s  s  e  m  s  k  i  angegebenen  Methode  wurde 
nachgewiesen,  dass  in  dem  wässerigen  Extrakte  der  Hypophyse 
schwangerer  Kühe  nicht  mehr  Hypophysin  enthalten  ist  als  in  der 
nichtschwangerer  Tiere.  Das  Hypophysin  ist  ausschliesslich  auf  den 
Hinterlappen  beschränkt  und  findet  sich  nicht  in  anderen  Hirnteilen, 
speziell  auch  nicht  in  den  entwicklungsgeschichtlich  dem  Hypophysen- 
hinterlappen  nahestehenden  Gebilden.  Das  Hypophysin  liess  sich 
schon  bei  Rinderembryonen  von  der  zehnten  Woche,  bei  Menschen¬ 
föten  vom  sechsten  Monat  an  konstant  nachwcisen. 

Herr  Walther  Lindemann  -  Halle  a.  S. :  Quantitative  Gesamt- 
fett-Cholesterin-  und  Cholesterinesterbestimmungen  bei  Eklampsie  und 
Amenorrhoe. 

Es  wurde  gefunden,  dass  die  Gesamtfett-  und  Lipoidmenge  bei 
7  Fällen  von  Eklampsie  im  Durchschnitt  verringert  war.  Das  freie 
Cholesterin  war  relativ  ziemlich  beträchtlich  erhöht.  Die  Ester 
zeigten  keine  Vermehrung  (alles  verglichen  mit  der  hochgraviden 
Frau).  Bei  der  Amenorrhoe  (5  Fälle)  waren  im  Durchschnitt  die 
Fettwerte  gegenüber  der  Norm  erhöht,  die  Esterzahlen  schwankten 
im  einzelnen  erheblich  von  ganz  niedrigen  zu  ganz  hohen  Werten. 

Herr  H  e  i  m  a  n  n  -  Breslau:  Ueber  die  Beziehungen  von  Thymus 
und  Ovarien  zum  Blutbild. 

Der  Thymus  übermittelt  dem  Blut  lymphozytosesteigernde,  die 
Ovarien  lymphozytosehemmende  Stoffe.  Bei  Frauen  mit  Amenorrhoe. 
Metrorrhagien,  klimakterischen  Patientinnen  führt  die  vermehrte 
innere  Sekretion  der  Ovarien  zum  Abfallen  der  prozentischen  Lympho¬ 
zytenwerte  beim  Darniederliegen  der  Ovarialtätigkeit  zum  Steigen. 

Herr  Bauereisen  - Kiel:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
den  Einfluss  der  Schwangerschaft  auf  Leber  und  Nieren. 

Vortragender  benützte  die  vitale  Lithiokarminfärbung  zur  Fest¬ 
stellung  von  Leber-  und  Nierenschädigungen  in  der  Schwangerschaft. 
Bei  12  graviden  Meerschweinchen  konnte  er  dreimal  die  für  die 
Funktionsstörung  lebender  Zellen  typische  diffuse  Kernfärbuug  in  der 
Leber  und  viermal  in  der  Niere  nachweisen.  während  die  gleich¬ 
behandelten  Kontrolliere  normale  Färbung  aufwiesen. 

Herr  E.  Mosbacher  - Frankfurt  a.  M. :  Klinisch-experimentelle 
Beiträge  zur  Frage  Thyreoidea  und  Schwangerschaft. 

Alle  schwangeren  Tiere  (30  Meerschweinchen,  3  Katzen),  die 
mit  Schilddrüse  gefüttert  wurden,  haben  mit  2  Ausnahmen  abortiert. 
Konfrontiere,  die  mit  gleichen  Rationen  von  Hammelfleisch  gefüttert 
wurden,  trugen  aus.  Schilddrüsensubstanzen,  dem  Organismus  ein¬ 
verleibt,  führen  zu  Abort.  Thyreoglandol  (Hoffmann,  La  Roche 
&  Co.)  wirkt  manchmal  auf  den  Uterusmuskel  kontraktionsauslösend. 
Von  40  Frauen,  denen  Thyreoglandol  in  wechselnden  Mengen  injiziert 
worden  ist,  zeigten  12  eine  Wehenvermehrung  und  Wehenver¬ 
stärkung.  In  12  Fällen  wurde  nach  der  unwirksamen  Thyreoglandol- 
injektion  die  Kombination  Adrenalin-Thyreoglandol  angehäuft.  (Adre¬ 
nalin  0,2,  das  allein  stets  ohne  Wirkung  ist.)  Dabei  in  7  Fällen 
eklatante  Wirkung,  oft  pituitrinähnlicher  Effekt. 

Herr  S  e  1 1  h  e  i  m  -  Tübingen :  Innere  Sekretion  der  Keimdrüsen 
und  Knochenwachstum. 

Beim  kastrierten  männlichen  Rehkitz  bleibt  die  Bildung  des  ge¬ 
weihtragenden  Stirnzapfens,  welcher  normalerweise  schon  im  ersten 
Jahr  gebildet  wird,  und  damit  jegliche  Geweihbildung  aus.  Wartet 
man  mit  der  Kastration  bis  die  Tiere  älter  geworden  und  die  Stirn¬ 
zapfen  gebildet  sind,  so  setzt  die  Verschneidung  an  Stelle  des  regel¬ 
mässig  intermittierenden  Knochenwachstums,  bei  welchem  Aufsetzen 
des  Geweihes,  also  Knochenproduktion,  mit  dem  Abwerfen  des  Ge¬ 
weihes,  also  Aufhören  der  Knochenproduktion,  regelmässig  ab¬ 
wechseln,  eine  permanente  Knochenproduktion.  Eine  Demarkierung 
zwischen  Geweih  und  Sfirnzapfen  zur  gewohnten  Zeit  bleibt  aus. 
Das  auf  das  Knochenwachstum  des  Organismus  hemmend  wirkende 
innere  Sekretionsprodukt  der  Keimdrüse  wird  in  späteren  Jahren 
periodisch,  und  zwar  synchron  mit  der  Wellenbewegung  des  Fort¬ 
pflanzungslebens  gebildet. 

Herr  Bernhard  Asch n er-  Halle :  Schwangerschaftsverände¬ 
rungen  der  Zirbeldrüse. 

Histologisch  findet  man  geringe  Vermehrung  der  im  Zwischenge¬ 
webe  liegenden  fetthaltigen  Vakuolen.  Charakteristische  Schwanger¬ 
schaftselemente,  wie  man  sie  bei  der  Hypophyse  findet,  fehlen.  Sehr 
auffallend  ist  der  Unterschied  in  den  entsprechenden  Zirbeldrüsen¬ 
formen  beim  Rind  und  beim  Menschen. 


Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  Mai  1913. 

Herr  Hammesfahr  berichtet  über  einen  Fall  von  Pseudo¬ 
myxom  der  Appendix.  Es  handelte  sich  um  einen  38  jährigen  Patien¬ 
ten,  der  seit  8  Jahren  trägen  Stuhlgang  hatte.  Auf  einem  Spazier¬ 
gange  erkrankte  er  plötzlich  mit  Symptomen  einer  Blinddarmentzün¬ 
dung.  In  der  Ileozoekalgegend  ein  nierenförmiger,  leicht  verschieb¬ 
licher  Tumor  von  glatter  Oberfläche  palpabel.  Im  Stuhl  Blut.  Im 
Röntgenbild  Aussparung  im  Zoekum.  Bei  der  Operation  wird  ein 
prall  elastischer  Tumor,  von  blasser  Farbe,  ohne  Verwachsungen  ge¬ 
funden,  der  die  Appendix  darstellt.  Länge  ca.  12  cm.  Der  Tumor 


1292 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23 


wird  mit  dem  umgrenzenden  Teil  des  Ileum  und  des  Zoekum  entfernt 
w°fa.“f  das  1  eum  seitlich  ins  Zoekum  eingenäht  wird.  Der  Tumor 
enthalt  zahgelatinosen  durchsichtigen  Schleim,  Schleimhaut  des  Pro- 
zessus  erhalten,  blass. 

Zur  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Müller: 
Penetrierende  Kniewunden  des  Friedens. 

Herr  S  c  h  r  o  t  h  berichtet  über  seine  Erfahrungen  in  30  Fällen 
von  Knieverletzungen  durch  stumpfe  Gewalt.  Schuss-  und  Nadel¬ 
verletzungen  heilten  stets  aseptisch,  es  musste  nur  manchmal  der 
riemdkorper  entfernt  werden.  —  Bei  Ausfluss  von  Synovia  rät  er, 
stets  eine  Eröffnung  des  Gelenkes  anzunehmen  und  darnach  zu  ver¬ 
fahren.  Zur  Eröffnung  des  Gelenkes  rät  er  den  Querschnitt  mit 
Durchschneidung  der  Lig.  patellae  inf.  an.  Die  Funktion  leidet  nicht 
mehr  als  bei  Längsschnitten,  der  Wundverlauf  ist  schneller. 
r]  K  1  a  pp  berichtet  über  einen  Fall,  wo  sich  ein  Mann  einen 

ilassplitter  ins  Gelenk  gestossen  hatte,  selbst  herausgezogen,  glatte 
Heilung,  so  dass  er  militärischen  Dienst  ausüben  konnte.  Nach 
3  Jahren  Schmerzen  beim  Gehen  im  Gelenk.  Bei  der  Operation  wird 
ein  ü  assphtter  gefunden,  der  zwischen  den  Menisken  in  der  Tibia  ein- 

fn(=e,and‘St  Qtatte* HetaT  SChleil'e-  '™dl"'Ch  ei”e  F“rCl,e  <laSelbS, 

Herr  Körte:  Kolonkarzinome. 

Die  Mortalität  bei  Dickdarmresektionen  beträgt  32  Proz  ;  sie  ist 
hoher  als  bei  Dünndarmresektionen,  da  die  Darmnaht  am  Dickdarm 

D'dS  k?mmt  daher’  dass  das  Mesokolon  kurz  ist  und 
der  Dickdarm  bei  Resektionen  z.  T.  vom  Peritoneum  entblösst  wird- 
terner  sind  die  Appendices  epiploicae  oft  hinderlich,  die  Ernährung 
ist  schlechter  als  beim  Dünndarm  infolge  der  Gefässverteilung,  ausser¬ 
dem  tritt  leichter  eine  Beschmutzung  mit  Kot  ein.  Die  Gefahren  bei 
Dickdarmresektionen  bestehen  also  in  Kollaps  und  Peritonitis  ent¬ 
weder  infolge  von  Beschmutzung  mit  Kot  oder  durch  Nahtinsuffizienz. 

Deswegen  wird  schon  seit  langem  die  zwei-  und  dreizeitige 
Operation  ausgefuhrt  Bei  der  Wahl  der  Operation  muss  zwischen 
komplizierten  und  unkomplizierten  Fällen  unterschieden  werden.  Zu 
ei  steren  gehört  zunächst  der  Darmverschluss.  Solche  Patienten  sind 
wenig  widerstandsfähig.  Die  Resultate  bei  Darmverschluss  bei  ein¬ 
zeiliger  Operation  60-75  Proz.  Mortalität.  Der  Darmverschluss  hat 
seinen  häufigsten  Sitz  an  der  Flexura  sigmoidea,  am  seltensten  am 
Zoekum.  Bei  Verschluss  rät  er  jede  eingreifende  Operation  zu  ver¬ 
meiden,  die  Kolostomie  ist  zunächst  anzuraten. 

Z“  den  komplizierten  Fällen  gehören  ferner:  Abszedierung,  In- 
vagination.  \  erwachsungen  mit  anderen  Organen.  Er  rät  bei-  allen 
komplizierten  Fällen  die  mehrzeitige  Operation,  bei  unkomplizierten 
Fallen  kann  man  einzeitig  operieren. 

Ueber  die  Vereinigung: 

1.  Der  Murphyknopf  ist  allgemein  verlassen. 

2.  End  zu  End :  Hierbei  sind  die  Lumina  häufig  verschieden  weit 

Peritoneum  ist  nicht  zirkulär  vorhanden.  n  weit’ 

3-  £e.!te  zu  Seite:  Gibt  keine  ideale  Vereinigung. 

4.  K  o  r  t  e  rät  End  zu  Seite. 

Um  den  Gefahren  der  Peritonitis  zu  entgehen,  rät  er  offen 
zu  lassen  und  möglichst  extraabdominal  zu  operieren 

Drainage  und  Tamponade  nicht  ratsam. 

,  ,^s  Palliativoperation  kommt  nur  die  Enteroanastomose  in  Be- 

traclit  Die  einseitige  Durchtrennung  zum  Tumor  hin  hat  keinen 
Zweck,  die  doppelseitige  Durchtrennung  ist  sogar  gefährlich 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  19.  März  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Nobis. 
Schriftführer:  Herr  Ochse  nius 


ffehnilen/rBrÖhn,iK:  L  Sprach]iche  Demonstration  von  2  Fällen  an¬ 
geborener  Gaumenspalte,  bei  denen  Länge  und  Beweglichkeit  des 

dpsrN^neWhnnenen  tQaumensegels  nur  einen  teilweisen  Abschluss 
:!fltNaS^nr,aCheüf.  gestatten,  und  die  Sprache  nach  wie  vor  schwer 
aSf  dl^/anfh  m  ‘eben  1S|‘  Der  E‘ufluss  des  organischen  Mangels 
demonstriert  b  dUnff  Wlrd  a”  der  Hand  der  einzelnen  Sprachlaute 

2.  Demonstration  eines  Fremdkörpers,  der  im  Verlauf  eines  Bier¬ 
scherzes  beim  I' nn keil  in  den  Hypopharynx  geraten  war.  Es  handelte 
sich  um  eine  käferähnliche  Zelluloidplatte  mit  spitzen  Fortsätzen. 
..  Ampben  der  Erstuntersuchung  bei  frischen  Verletzungen  der 
ausseren  Nasenstirngegend.  Diese  sieht  der  Vortragende  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen  und  theoretischen  Erwägungen: 

ctfiinmr  'ni  dDf  .  kindlichen  Inspektion  des  Naseninneren  zur  Fest- 
steHung,  ob  Polypen  oder  Eiter  mit  dem  Verdacht  auf  Nebenhöhlen- 

inn e r n  ^nach we i sb a rT ” ’  Und  °b  Zeichen  frischer  Verletzung  des  Nasen- 
b)  in  dem  schriftlichen  Festlegen  des  Erstbefundes. 

,Padurph  wird  dem  ev.  Spätbegutachter  die  Beurteilung  des  ur- 
mftaiiphf11  ZUnamTenban^e^ |  zw'schen  Trauma  und  Spätstörungen  er¬ 
möglicht,  wahrend  umgekehrt  ein  Vernachlässigen  dieser  Aufsrahen 

keite„rführeU„ta„b„aren  Sch"ieri!!kdt"1 

unri  PfllhplÜf  jjlf'f  an  ausserordentlich  stark  entwickelten  Gaumen- 
und  Rachenmandelwucherungen.  Nachdem  vor  ungefähr  8  Tagen 


beide  Gaumentonsillen  gründlich  abgetragen  waren,  zeigte  sich  dieset 
Jage  dfr  ,Nachuntfrsuchung,  dass  die  gleichfalls  ganz  ausser 
ordentlich  stark  entwickelte  Rachenmandel  sehr  tief  in  den  Pharvn\ 
meingewuchert  ist,  so  dass  beiderseits  neben  dem  Zäpfchen  eir 
quer  verläuiemJer  fingerdicker  Wulst  von  blassgraurötlicher  Färbum- 
mm!  'h  kann  also  in  diesem  Falle  die  gewucherte  Rachen 
mandel  direkt  besichtigen.  -  Als  Gegenstück  hierzu  zeigte  He  r 
F  1  m  m  e  n  ein  reichlich  huhnereigrosses  Präparat,  das  den  Typus  de<t 
juvenilen  Nasen-Rachenpolypen  oder  -tumors  darstellt.  Diese  sehr 
hlstolopsch  gutartigen,  aber  infolge  ihres  unbeschränkten 
Wachsens  zumeist  Menmg't15  und  Exitus  verursachenden  Tumore! 
Pecrden  bekanntlich  bereits  von  Homer  ganz  ausserordentlich  genau 
beschrieben.  Ihre  Ursprungs-  und  Insertionsstelle  pflegt  die  Vorder¬ 
flache  der  obersten  Halswirbel  oder  auch  die  benachbarte  Partie  der 
Basis  crann  zu  bilden;  breitbasig  aufsitzend  wuchert  der  Tumor  von 
hbroser,  in  dem  Jugendstadium  vielfach  auch  von  fibrosarkomatöser 
*-  f.ru  ^tur-  zunächst,  in  den  Nasenrachenraum,  diesen  sehr  bal  l 
gänzlich  ausfullend  Sodann  wuchert  die  Geschwulst  in  die 
Lhoanen  hinein,  weil  sie  sich  hierher  ohne  jeglichen  Widerstand  aus¬ 
breiten  kann.  Es  pflegen  sich  lange  Forstätze  zu  bilden  di“ 
die  Nase  beiderseits  völlig  ausfüllen  und  in  die  Nebenhöhlen 
und  die  Orbffa  eindringen.  Oftmals  wird  Amaurose  verursacht  u! : 
schliesslich  infolge  Druckusur  die  Basis  cranii  und  die  Dura  mater 
zerstört,  worauf  dann  Meningitis  und  Exitus  eintreten.  Das  vor- 
liegende  Präparat  wurde  am  28.  II.  09  durch  Operation  unter  Kokain- 
anasthesie  per  vias  naturales  von  einem  8  jähr.  Mädchen  gewonnen 
welches  bislang  rezidivfrei  geblieben  ist.  Von  der  ziemlich  gefähr 
liehen  und  in  weit  vorgeschrittenen  Fällen  wohl  kaum  zu  umgehen- 
den  Voroperation  der  temporären  Oberkieferresektion,  wurde  also  in 
voi  hegendem  Falle  Abstand  genommen.  Am  Präparat  ist  einerseits 
sehr  schon  die  leicht  höckerige  Insertionsstelle  sowie  ande!e!sd!s 
sind  die  beiden  den  Choanen  entsprechenden  Fortsätze  zu  erkennen 
woraus  ersichtlich,  dass  der  Vomer  diese  beiden  Fortsätze  trennte' 
mussteUm°r  3  S°  gewissermassen  auf  dem  Vomer  reitend  erscheinen 

Der  zweite.  Fall  betrifft  einen  10  jähr.  Jungen  mit  nur  linkerseits 
vorhandenem  einfachem  Nasenpolypen,  welche  die  linke  Nasenhöhle 
bereits  ganz  ausfullen  und  so  ohne  weiteres  von  vorn  zu  sehen  sind, 
n'h  Gegenstück  hierzu  bddet  ein  Präparat,  das  einen  in  seiner  ganzen 
Oberfläche  epffhehsierten  Nasenpolypen  von  beträchtlicher  Grösse 

HnlSPte  M  D”«Ser  Tu,mor  hing  einem  7°jahr  Gutsbesitzer  aus  der 
linken  Nasenoffnung  heraus  und  verlegte  die  linke  Hälfte  der  Mund- 

offnung  fast  vollständig,  indem  er  weit  über  die  Oberlippe  hcrunter- 
baumelte.  Die  Hauptbeschwerden  des  Patienten  bestanden  nicht 
e  \va  in  de i  beiderseits  vorhanden,  totalen  Nasenverstopfung,  soli¬ 
dem  in  den  Beschwerden  bei  der  Nahrungsaufnahme,  indem  diese 
nur  noch  von  rechts  seitwärts  her  sich  ermöglichen  Hess  i 

fellhochstand°es  H,:  D'e  BedeutunK  des  habituellen  Hnkseitigen^ Zwerch- 

Wiewohl  auch  in  der  letzten  Zeit  wiederholt  auf  die  Beziehungen 
zwischen  den  Fullungszuständen  der  Eingeweide  und  den  Zirkulations¬ 
organen  aufmerksam  gemacht  worden  ist  (so  von  Herz,  Römheld,  ' 
1  ecklenburg  u.  a.).  scheint  doch  die  Bedeutung  der  dadurch  be- 
dingten  Storungen  noch  nicht  genügend  in  ihrer  Wichtigkeit  ge¬ 
würdigt  worden  zu  sein.  * 

Eines  der  häufigsten  Zeichen  in  der  Erscheinungsreihe  ist  de- 
linkseitige  habituelle  Zwerchfellhochstand,  der  sich  perkutorisch 

CICht«  ']?ch,weis,e,n  lässJ:  aIs  .röntgenographisch  und  hier  in¬ 
folge  der  auffallenden  Magenblase  nicht  zu  übersehen  ist. 

t  •  •  lch  kommen  für  die  Pneumatose  der  Eingeweide  in  erster  I 

Linie  die  Aerophagie  der  Raschesser,  der  Zahnlosen  und  der  Nervösen 
m  Betracht,  in  zweiter  die  Blähungszustände  infolge  fermentativer 
Prozesse  (Garungskatarrhe)  und  endlich  die  Tonusverminderung  der 
Eingeweide  zentraler  (psychischer)  und  peripherer  Natur  (allgemeine  i 
bch wachezustande,  Zirkulationsstörungen,  Klimakterium  und  Traumen 
somatischer  und  psychischer  Art). 

«Men  Ffilten  tritt  als  Folge  eine  Blähung  des  Magens  mit 
v  er  0-u!e  Beteiligung  des  Kolons,  besonders  der  Flexura  sinistra  ein, 
Vorwolbung  des  Epi-  und  Mesogastriums  und  des  linken  Rippen¬ 
bogens,  Zwerchfellhochstand  bis  zur  Eventratio  diaphragmatica 
spuna  mit  verminderter  respiratorischer  Verschieblichkeit,  Vergrösse- 
ning  dei  absoluten  Herzdampfung  infolge  von  Querlagerung  des 
erzens  und  Anpressung  an  die  vordere  Brustwand,  häufig  mit  extra- 
mamillarem  und  verbreitertem  Spitzenstoss  und  systolisch  unreinem 
o  ei  gerauschai  tigern  Spitzenton.  Weiterhin  findet  man  verstärkte 
A^entuaüon  des  zweiten  Aortentones,  inäquale  und  allorhythmische 
Herztätigkeit,  öfter  mit  zahlreichen  Extrasystolen,  deutlichem  Vencn- 
ranz  am  Rippenbogen  und  an  den  Zwerchfellansätzen,  stärkere  Fiil- 
ung  der  lundehautvenen  und  des  Augenhintergrundes,  klopfende 
Kaiotiden  und  Femporales  und  behinderte  Atmung,  meist  in  Form 
von  Iachypnoe,  gdegentUeh  auch  Atemsperre.  Fast  immer  ist  so-  1 
wohl  der  Rippenbogen,  als  auch  die  Interkostalmuskulatur  des  3.  bis  i 
’•  ^Psimms  druckschmerzhaft  und  der  Nervus  thoracicus  longus  im 
ganzen  Verlaufe  bis  hinter  die  Klavikula.  —  Der  Blutdruck  ist  in 
den  meisten  Fallen  erhöht,  der  Urin  reich  an  Uraten  und  Phosphaten. 

Subjektiv  entsprechen  diesen  Befunden  Klagen  über  Schmerz  in 
er  Herzgegend,  meist  ausserhalb  des  Spitzenstosses,  gelegentlich 
ausstrahlend  um  den  Thorax  herum  in  der  Höhe  des  Zwerchfells 
™fd.in,a r?..£er  bnken  Schulter  hin;  Herzklopfen  mit  lebhaftem  Angst- 
ge  uh],  Gahnzwang  Beklemmung  beim  Atmen;  Kongestion  nach  dem 
Kopie  mit  Augenflimmern,  Ohrensausen.  Schwindel,  Ohnmacht; 

-  cn w  ere  in  den  Gliedern,  Ausbruch  kalten  Schweisses  und  grosse 


).  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1293 


ostraiion,  besonders  bei  der  akuten  Exazerbation  infolge  von  Auf¬ 
gungen,  raschem  Essen,  Ueberladung  des  Magens,  nach  raschem 
inken  COs-haltiger  Flüssigkeiten  und  beim  Uebergang  zur  hori- 

mtalen  Lage. 

Diesen  mehr  akuten  Zuständen  schliessen  sich  die  chronischen, 
it  den  mehr  weniger  in  Permanenz  erklärten  Erscheinungen  gleicher 
ft  an  und  es  kommen  hinzu  Stauung  im  rechten  Ventrikel,  im 
iken  Vorhof,  Auswölbung  der  Aorta  nach  rechts,  Druck  auf  die 
iva  sup.,  Veränderung  des  Abgangswinkels  der  Coronaria  dextra, 
auung  in  der  linken  Lunge  und  alle  Zeichen  der  Einklemmung  des 
•rzens. 

Die  Kranken  werden  zunehmend  nervös,  neigen  zu  Gemiits- 
pressionen,  schlafen  schlecht,  zeigen  Gewichtsabnahme  und  er¬ 
bliche  Verminderung  der  körperlichen  und  geistigen  Leistungs- 

higkeit. 

Wichtig  ist,  dass  der  beschriebene  Symptomenkomplex  keine 
irliebe  für  Alter  und  Geschlecht  im  Allgemeinen  zeigt,  dass  er  sehr 
:rbrpitet  ist,  dass  er  zu  vielen  diagnostischen  und  prognostischen 
rtümern  (Lebensversicherung!)  führt,  dass  er  wohl  die  hauptsäch- 
he  Grundlage  der  Herzneurosen  schlechthin  bildet  und  dass  er  nach 
n  bisherigen  Beobachtungen  bei  den  Individuen,  die  länger  als 
i  Jahre  beobachtet  werden  konnten,  entweder  zur  Arteriosklerose 
lirte  (insonderheit  zur  Koronarsklerose)  oder  aber  deren  frühestes 
:ichen  darstellt,  wenn  er  dauernd  vorhanden  war  oder  häufig  auftrat. 

Weiteres  über  diesen  Zusammenhang  und  über  die  Therapie  soll 
ausführlicher  Darstellung  folgen. 

Herr  Neubert:  Demonstration  von  Röntgenphotographien. 

Dr.  Neubert  spricht  dann  referierend  über  Röntgenologisches 
:i  Nasennebenhöhlenerkrankungen. 

Rückblick  auf  die  Begründer  und  Ausbildner  (S  c  h  e  i  e  r,  W  i  n  k- 
i  r,  S  p  i  e  s  s,  C  o  a  k  1  e  y,  G  o  1  d  m  a  n  n,  K  i  1 1  i  a  n,  v.  Eiken, 
uttner,  Rhese,  Brunzlow,  Q  u  o  d  i,  Burger  etc.),  die 
t  allgemeinen  Ansicht  sind,  dass  die  Methode  keineswegs  bean- 
iruche,  die  bisher  üblichen  diagnostischen  zu  verdrängen,  aber 
anche  Lücke  in  glücklichster  Weise  ausfülle.  Ihren  Wert  ver- 
:nnen  kann  nur  derjenige,  der  nicht  ihre  persönliche  Bekanntschaft 
anacht  habe.  Besonders  aufklärend,  ja  richtunggebend  für  nach- 
lgende  Operationen  ist  die  exakte  Darstellung  der  anatomischen 
pographischen  Verhältnisse  der  Nebenhöhlen  (Grösse,  Form, 
uochenwanddicke,  Septer.bildung,  vor  allem  der  Stirnhöhle).  Die 
ithologisch-diagnostische  Bewertung  des  Röntgenbildes  erlaubt 
ickschlüsse  auf  Erkrankung  einer  Höhle  und  sichert  fast  immer  die 
t  schwierige,  ja  manchmal  unmögliche  Differentialdiagnose,  welche 
r  Höhlen  erkrankt  ist,  gibt  Aufschluss  über  den  Grad  durch  Inten- 
tät  der.  Verdunkelung  und  Verwaschensein  der  Höhlengrenzen, 
echnik  der  Aufnahmen  am  liegenden  Patienten  und  Bedeutung  der 
urchstrahlungsrichtung.  Nach  Br  u  n  z  1  o  w  ist  z.  B.  die  Entschei- 
mg,  ob  Eiter  aus  hinteren  Siebbeinzellen  oder  der  Keilbeinhöhle 
ammt,  oder  aus  beiden,  nicht  ohne  Röntgenbild  zu  treffen.  Doch 
linzidieren  diese  Erkrankungen  nach  R  h  e  s  e  s  röntgenographisch- 
>erativen  Erfahrungen  von  1 10  Fällen  in  662/3  Proz.  Nach  S  c  h  e  i  e  r 
:deuten  die  häufigen  leichten  Verschleierungen  der  Siebbeinhöhlen 
ich  leichtere  Erkrankung,  beträchtliche  Verschleierungen  bedeuten 
ets  Eiterung. 

Möglichkeit  der  diagnostischen  Hilfe  der  Röntgenographie  des 
arzenfortsatzes.  Methode  von  L  a  n  g  e  -  Cincinnati,  der  schrägen 
urchleuchtung  der  Mastoidzellen  von  der  Gegend  unterhalb  der 
ninentia  parietalis  nach  Mastoid  unter  Vorbiegen  der  Ohrmuschel. 

Im  Anschluss  an  den  Vortrag  Demonstration  von  über  20  Licht- 
Idern  von  Röntgenplatten  einschlägiger  Fälle  eigener  röntgeno¬ 
gischer  Praxis,  ferner  Lichtbilderdemonstration  von  4  typischen 
:adien  des  Zustandes  von  Hypoplasie  des  Hüftgelenkes  ohne  kon- 
mitale  Luxation  mit  einseitiger  und  mit  verschiedengradiger  doppel- 
itiger  und  mit  starker  doppelseitiger  Luxation  in  Beziehung  auf 
:n  Zustand  des  Gelenkes  und  Schenkelhalses  bei  dem  vorher  ge- 
:igten  Fall  von  Coxa  valga  mit  L  i  1 1 1  e  scher  Krankheit. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Pi  otokoll.) 

XXIII.  Sitzung  vom  29.  März  1913. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  m  a  1 1  z. 

Herr  Dr.  phil.  S  c  h  a  u  m  a  n  n  -  Hamburg  (als  Gast)  :  Einige 
:ue  Einblicke  in  die  Physiologie  und  Pathologie  der  Ernährung. 

Vortragender  wies  zunächst  darauf  hin,  dass  es  sich  um  ein  neues 
irschungsgebiet  handelt  und  dass  er  daher  nicht  etwa  in  der  Lage 
äre,  ein  in  sich  abgeschlossenes  und  fertiges  Ganzes  zu  bieten, 
imerhin  aber  hätten  die  zu  besprechenden,  ursprünglich  zur  Auf- 
ärung  der  Aetiologie  der  Beriberi  unternommenen  Untersuchungen 
i  Ergebnissen  geführt,  welche  für  die  Physiologie  und  Pathologie 
■r  Ernährung  überhaupt  eine  grosse  Bedeutung  zu  haben  scheinen 
id  daher  wohl  ein  allgemeineres  Interesse  beanspruchen  dürften. 

Sämmtliche  hierhergehörige  Tierversuche  fussen  auf  der  von 
i  j  k  m  a  n  n  entdeckten  Polyneuritis  der  Hühner,  welche  auch  experi- 
entell  durch  geschliffenen  bzw.  von  sämtlichen  Fruchthäuten  be- 
eiten  Reis  hervorgerufen  werden  kann. 

Nicht  völlig  entschälter,  d.  h.  nur  von  den  Spelzen  befreiter  Reis 
ift  die  Krankheit  nicht  hervor.  Ei  jk  mann,  Grijns  und  Axel 
ölst  setzten  diese  Versuche  fort  und  fanden  hierbei,  dass  auch  eine 


Reihe  anderer  Nahrungsmittel  bei  einseitiger  Verfütterung  an  Tiere  zu 
Polyneuritis  führt.  Bei  einer  anderen  Anzahl  von  Nahrungsmitteln 
blieben  die  Versuchstiere  (Hühner  und  Tauben)  dagegen  gesund,  auch 
wenn  diese  Nahrungsmittel  einseitig  verfüttert  wurden.  Erhitzen  auf 
höhere  Temperatur  (110  bis  120°)  bewirkte,  dass  sonst  bekömmliche 
Nahrungsmittel  in  dem  angedeuteten  Sinne  pathogen  wurden. 
Schaumann  zeigte  dann,  dass  man  eine  Neuritis  auch  bei  anderen 
als  den  bis  dahin  zu  derartigen  Versuchen  herangezogenen  Tieren, 
z.  B.  bei  Hunden,  Katzen,  Affen  und  Ziegen  hervorrufen  kann  und 
dass  eine  Anzahl  von  Schutzstoffen  ausser  den  schon  bekannten  (Reis¬ 
kleie,  Bohnen  von  Phaseolus  radiatus  und  Erbsen)  prophylaktisch  und 
heilend  wirken.  Unter  diesen  Schutzstoffen  standen  Hefe  und  Stier¬ 
hoden  oben  an.  Auch  gelang  es  S.,  eine  Anzahl  von  sonst  bekömm¬ 
lichen  Nahrungsmitteln,  z.  B.  Fleisch  durch  Auslaugen  oder  durch  Er¬ 
hitzen  mit  Sodalösung  in  solche  zu  verwandeln,  die  Pclyneuritis  her¬ 
vorriefen:  Sehr  überraschend  war  die  Heilwirkung  einiger  dieser 
Schutzstoffe  bei  Tieren,  welche  durch  einseitige  Ernährung  mit  patho¬ 
genen  Nahrungsmitteln  gelähmt  waren.  Verf.  geht  dann  auf  die  Er¬ 
nährungsversuche  an  Menschen  ein,  welche  von  F  1  e  t  c  h  e  r,  Fra¬ 
ser  und  Ellis  in  Indien  vorgenommen  wurden  und  welche  ebenfalls 
ergaben,  dass  eine  Kost,  welche  vorzugsweise  aus  geschliffenem  Reis 
bestand,  Beriberi  nach  sich  zog,  während  genau  dieselbe  Kost,  in  wel¬ 
cher  nur  der  geschliffene  durch  halbentschülten  Reis,  d.  h.  noch  mit 
den  Fruchthäutchen  versehenem  ersetzt  war,  keine  Beriberi  zur 
Folge  hatte.  Vortr.  bespricht  dann  die  verschiedenen  für  die  Aetio¬ 
logie  der  Beriberi  aufgestellten  Theorien,  besonders  die  neben 
anderen  Erklärungsversuchen  von  Grijns  aufgestellte  Hypothese, 
dass  die  Pathogenese  der  Beriberi  auf  gewisse,  nicht  näher  bezeich- 
nete  Defekte  der  Nahrung  zurückgeführt  werden  könnte.  N  o  c  h  t 
gab  dann  dieser  Auffassung  einen  präziseren  Ausdruck,  indem  er  dar¬ 
auf  hinwies,  dass  es  sich  um  eine  Mehrzahl  von  Defekten  in  den  patho¬ 
genen  Nahrungsmitteln  handeln  müsste,  da  anscheinend  dieselben  Ur¬ 
sachen  bald  zu  Beriberi  bzw.  Segelschiff-Beriberi,  bald  zu  Skorbut 
führen. 

Diese  Auffassung  fand  durch  die  Untersuchungen  S.s  eine  Be¬ 
stätigung.  Diese  ergaben,  dass  es  sich  bei  der  Wirkung  der  Schutz¬ 
stoffe,  wie  Hefe,  Stierhoden  usw.  um  eine  Kollektivwirkung  handeln 
muss.  Von  den  in  den  Schutzstoffen  wirksamen  Körpern  ist  ein  anti-  - 
neuritisch  wirkendes  Prinzip  bisher  aus  verschiedenen  Stoffen  rein 
dargestellt  worden.  Es  handelt  sich  bei  diesem  um  eine  oder  mehrere 
Stickstoffbasen,  von  welchen  schon  sehr  kleine  Mengen  genügen,  um 
die  für  Tauben  durch  einseitige  Ernährung  mit  geschliffenem  Reis 
hervorgerufenen  Lähmungen  zu  beseitigen.  Offenbar  ist  dies  aber 
nur  einer  der  bei  der  Kollektivwirkung  der  Schutzstoffe  in  Betracht 
kommenden  Körper,  da  dieser  Körper  wohl  eine  sehr  ausgesprochene 
antineuritische  Wirkung  übt,  dagegen  aber  nicht,  wie  die  natürlichen 
Schutzstoffe  selbst,  imstande  ist,  die  Versuchstiere  im  Ernährungs¬ 
gleichgewicht  zu  erhalten.  Diese  Auffassung  wird  bestätigt  durch  die 
Untersuchungen  C  o  o  p  e  r  s,  denen  zufolge  es  sich  um  wenigstens 
zwei  verschiedene  Substanzen  handeln  muss.  Aehnliche  Schlüsse 
lassen  die  Untersuchungen  Osbornes  und  M  a  n  d  e  1  s  sowie  die¬ 
jenigen  von  Hopkins  zu. 

Vortr.  weist  dann  noch  darauf  hin,  dass  die  Schutzstoffe  den 
Phosphorstoffwechsel  in  ausgesprochener  Weise  beeinflussen  und  be¬ 
gründet  diese  Auffassung  durch  eine  Reihe  von  Beobachtungen.  Nach¬ 
dem  Vortr.  dann  noch  darauf  auferksam  gemacht  hat,  dass  es  sich 
bei  den  hier  wirksamen  Körpern  um  solche  handelt,  die  sich  nur  in 
relativ  sehr  geringen  Mengen  in  den  meisten  Nahrungsmitteln  finden 
und  die  sehr  unbeständig  sind,  bespricht  er  die  Vorgänge  bzw.  künst¬ 
lichen  Eingriffe,  durch  welche  diese  lebenswichtigen  Stoffe  aus  den 
Nahrungsmitteln  entfernt  oder  in  ihnen  zerstört  werden,  so  dass  diese 
Nahrungsmittel  dann  für  eine  vollwertige  Ernährung  nicht  mehr  ge¬ 
nügen.  Zum  Schluss  erwähnt  Vortr.  noch  die  Versuche  Röhls  und 
Stepps  und  die  besonders  interessanten  Versuche  Axel  H  o  1  s  t  s 
und  seiner  Mitarbeiter,  Fröhlich  und  Fürst,  welche  ein  Licht 
auf  die  Aetiologie  des  Skorbuts  werfen  und  gleichzeitig  zu  biologisch 
und  physiologisch  sehr  wichtigen  Ergebnissen  geführt  haben.  Nach¬ 
dem  Vortr.  dann  noch  die  sogen.  „Azyklopoese“,  d.  h.  die  Unfähigkeit 
des  Organismus  des  Menschen  und  der  höheren  Tiere,  aus  alipha- 
thischen  Aminosäuren  zyklische,  wie  z.  B.  Tyrosin  und  Tryptophan 
zu  bilden,  besprochen  hat,  kommt  er  zu  dem  Schluss,  dass  diese 
Forschungsergebnisse  zusammen  die  alte  Auffassung  umstossen 
müssen,  nach  welcher  ein  genügender  Gehalt  der  Nahrung  an  Kohle¬ 
hydraten  oder  Fett.  Eiweiss,  mineralischen  Bestandteilen  und  Wasser 
für  eine  vollwertige  Ernährung  genügt.  Zu  diesen  eigentlichen  Nähr¬ 
stoffen  muss  sich  ausser  dem  bereits  isolierten  antineuritisch  wirken¬ 
den  Prinzip  allem  Anschein  nach  noch  eine  Mehrzahl  anderer  der¬ 
artiger,  spezifisch  wirkender  Körper  gesellen,  und  ferner  dürfen 
dem  Nahrungseiweiss  gewisse,  zyklische  Aminosäuren  nicht  fehlen, 
um  die  vollkommene  Erhaltung  des  tierischen  Organismus  zu  ge¬ 
währleisten.  Der  Mangel  einer  oder  mehrerer  dieser  Körper  muss 
aber  je  nach  der  Verschiebung  der  Wirkungsart  und  Wirkungsstärke 
zu  voneinander  verschiedenen,  mehr  oder  weniger  typischen  Aus¬ 
fallserscheinungen,  d.  h.  zu  verschiedenen  Krankheitsbildern  führen. 
Wenn  nun  auch  die  bislang  vorliegenden  Forschungsergebnisse  bei 
weitem  noch  nicht  genügen,  um  hieraus  den  wünschenswerten  prak¬ 
tischen  Nutzen  zu  ziehen,  so  bietet  diese  Auffassung  aber  vielleicht 
doch  die  Grundlage,  um  die  Aetiologie  einer  Anzahl  von  Stoff¬ 
wechselkrankheiten,  zu  welchen  Beriberi,  Skorbut,  Möller-Bar- 
1  o  w  sehe  Krankheit.  Rachitis  und  wahrscheinlich  auch  Pellagra  zu 
rechnen  sind,  besser  zu  ergründen,  als  es  bis  jetzt  möglich  ist.  Da 
es  nicht  möglich  ist,  die  vielen  hier  in  Frage  kommenden  Momente  in 


1294 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


einem  kurzen  Referat  zu  erschöpfen,  so  sei  im  übrigen  auf  den  Ori- 
ginalvortrag  hingewiesen. 


No.  23. 


für  s  k  U  s  s  '  o  n :  Der  Vorsitzende  dankt  dem  Vortragenden 
seine  ausserordentlich  interessanten  Ausführungen,  die  ein  uns 
wi  ol  dUfhk  fS  ledgeblct  der  Ernährungslehre  in  so  überraschender 
VVeise  aufheHen  und  uns  zeigen,  welch  grosse  Rolle  in  der  Ernährungs- 

^vvnri0gie  einZTne,  SL°ffe  spielen’  die  uns  zum  Teil  eben  erst  bekannt 
geworden,  zum  Teil  aber  auch  noch  ganz  unbekannt  sind. 

,  Uerr  H  i  e  t  s  c  h  e  1  fragt  den  Vortragenden,  ob  ihm  aus  eigenen 

Arfof^mde!1  H»-fuSUuCl]ungen  Schutzstoffe  der  von  ihm  erwähnten 
Art  auch  in  der  Milch  bekannt  sind.  Die  Frage  des  Nahrungsschadens 
im  allgemeinen  Sinne  —  hat  ja  für  kein  Lebensalter  so  grosse  Be¬ 
deutung  wie  für  das  Säuglings-  und  Kindesalter.  Die  Barlow- 
sche  Krankheit  hängt  zweifellos  mit  einer  Veränderung  der  Milch 
zusammen,  wenn  auch  nicht  derart,  dass  das  einfache  Aufkochen  der 
Milch  zu  dieser  Veränderung  hinreicht.  Es  kann  sogar  die  Bar- 
o  w  sehe  Krankheit  bei  Säuglingen  mit  abgekochter  Milch  geheilt 
werden,  wenn  das  Kochen  nur  kurze  Zeit  stattfand.  Wahrschein- 

rulgen7'^?  Nahrung*  ®  Kochprozess  viel  tiefer  eingreifende  Verände- 

Fnrc.^err  Faust:  Es  ist  dankenswert,  dass  der  Vortragende  seine 
r  rscliungsergebnisse  über  die  Beriberi  hier  vorgetragen  hat.  Auf 
der  internationalen  Hygieneausstellung  1911  in  Dresden  befand  sich 
eine  sehr  instruktive  Sonderausstellung  über  Beriberi  vom  Ham¬ 
burger  Institut  für  Tropenhygiene. 

Uns  interessiert  vor  allem,  was  für  Reis  wir  Europäer  hier  ge- 
messen  —  ob  mit  oder  ohne  Silberhäutchen  —  wenn  auch  der  Reis 
sonst  für  uns  eine  geringere  Rolle  spielt. 

•  Untersuchungen  von  Schau  mann  haben  gezeigt,  wie 
wichtig  es  ist,  bei  der  Behandlung  von  Stoffwechselstörungen  Gewicht 
auf  die  Zufuhr  frischen  Gemüses  und  Obst  zu  legen.  Wenn  aber 

^,SnCha.Um„a  "n  SrgM  dass  die  Wirkung  der  künstlichen  Nähr¬ 
mittel  hauptsächlich  auf  ihrem  Reichtum  an  Phosphatiden  und  ver¬ 
wandten  Stoffen  beruhe,  so  muss  man  mit  solcher  Deutung  wohl  vor¬ 
sichtig  sein;  vielleicht  ist  die  Wirkung  mehr  auf  den  Gehalt  an  Mal¬ 
tose  zu  beziehen. 


Herr  A  s  c  h  e  n  h  e  i  m  fragt,  ob  der  Vortragende  annimmt,  dass 
die  erwähnten  besonderen  Schutzstoffe  unverändert  resorbiert  wer- 
liegeii  °b  S'e  im  Darmkanal  unter  Umständen  Zersetzungen  unter¬ 
em  KBerr  ?  c  b.*.,u  a.  n  n  •  Ueber  das  Vorkommen  der  besprochenen 
btotte  in  der  Milch  liegen  eine  ganze  Anzahl  von  Untersuchungen 

S1K  CL  Z‘  Y°n  F  u 11  k  solche  Stoffe  aus  der  Milch  isoliert 
er° nicht  °b  d'C  erbabene  Menge  zur  Identifizierung  hiiireichte.  weiss 

Was  die  Wirkung  gekochter  Milch  betrifft,  so  gibt  es  darüber 

/U»nA[  eit'  .D(rr  betr-  Autor  arbeitete  mit  dem  Soxhlet- 
pparat,  die  Milch  wurde  lange  erhitzt  und  dann  an  Affen  verfüttert. 
ie  Tiere  erkrankten  sämtlich  an  Barlow scher  Krankheit.  Die 
Untersuchungen  sind  alle  einwandfrei  durchgeführt 

Banr,l0^,SCtle  £raakheit  durch  gekochte  Milch  zu  heilen  ist 
u  möglich.  Nach  einer  neuen  amerikanischen  Arbeit  besteht 
hKSfr  sekochter  und  ungekochter  Milch  ein  grosser  Unterschied 
hinsichtlich  der  Koagulation;  gekochte  Milch  gerinnt  in  grossen 

OhTf"’  ?ie«+man-  gelegfntlicb  auch  >m  Stuhlgang  auffinden  kann. 
Ob  das  zutrifft,  wäre  erst  noch  zu  untersuchen. 

.  He!7n  Faust  gegenüber  bemerkt  er.  dass  er  die  erwähnte  Son- 
derausstellung:  seinerzeit  selbst  zusammengestellt  hat 

Wir  gemessen  in  Europa  meist  geschliffenen  Reis,  der  von  den 
Fruchthauten  befreit  ist  und  dadurch  ein  besseres  Aussehen  erhalten 
Ifnoi*  1  . anlbucrg  kann  man  auch  den  vorgedämpften  „cured  rice" 
a  ten,  er  duifte  aber  kaum  in  grösseren  Mengen  genossen  werden. 

npünH5  d!f  gute  )YEkung  der  künstlichen  Nährpräparate  auf  ihrem 
Gehalt  an  den  in  Rede  stehenden  phosphorhaltigen  Stoffen  beruht 
•  ^mimh  sicher  bezeichnen.  Ein  hervorragender  Chemi- 
bat’  H^ie  ^cb-..  bekannt  ist,  gerade  im  Malzextrakt  sehr  grosse 
d',es“  Körpers  entdeckt.  In  Mellins  Food  ist  vor  allem 

fnthH-ten'  r>MaJZ  1St  Auszug  aus  gekeimter  Gerste.  Letztere 
enthalt  allerdings  Diastase,  aber  diese  spielt  hierbei  sicher  keine  Rolle 
Die  Liebigsche  Suppe  wird  mit  gekeimter  Gerste  bereitet. 

ass  eine  Zerstörung  der  fraglichen  Stoffe  im  Körper  erfolgt  ist 
unwahrscheinlich.  Versuchsergebnisse  liegen  darüber  nicht  vor.  Man 

bG^der  “sJniS  ’  W°  Si<bT,irkeni-  Vermutlich  spielen  sie  erst  später, 
intnlnLftTnif'  f’ ..,eineRoHe.  Jedoch  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass 
üSlfw!  wahread  der  Verdauung,  durch  eine  abnorme  Bak- 
erienfloiä  eine  Zerstörung  dieser  Körper  bewirkt  werden  kann 
Bei  der  grossen  Schwierigkeit,  verschiedene  Formen  von  Bakterien 
oder  Hefe  aus  dem  Darminhalt  zu  isolieren,  ist  das  nicht  mit  Sicher¬ 
heit  zu  entscheiden.  Die  Darstellung  des  in  Frage  stehenden  Körpers 
ist  in  emem  kleinen  Versuchslaboratorium  nicht  möglich,  da  sehr 

Vorh-6  rn!fnf-eijl,  deS  *°hstoffes  zur  Verarbeitung  kommen  müssen. 
Vortr.  hat  sich  neuerdings  zu  diesem  Zwecke  mit  einer  grossen 
chemischen  Fabrik  in  Verbindung  gesetzt;  trotzdem  ist  es  ihm  bisher 
nicht  gelungen,  genügende  Mengen  zu  erhalten. 

Rerr  R  i  e  t  sc  hei:  Die  erwähnten  Versuche  über  experimen¬ 
telle  Barl  o  w  sehe  Krankheit  stammen  von  Hart.  Lange  Sterili¬ 
sierung  der  Milch  bewirkt  bei  Affen,  auch  bei  ausgewachsenen  aus¬ 
gesprochene  Barlow  sehe  Krankheit.  *  dlls 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Mai  1913. 
Vorsitzender;  Herr  Marchand. 
Schriftführer;  Herr  R  i  e  c  k  e. 


krankhafte!}  Zuständen!^  Sä,,resehal<  des  Bl.des  w 

i : .  .  - Vor t bespricht  zuerst  die  verschiedenen  Methoden  der  quan¬ 
titativen  Bestimmungen  der  im  Blut  befindlichen  Säuren. 

.  „  der  ?arnstoff,  im  Körper  synthetisch  durch  Zusammen- 
,agfe/a!lg  von  Ammoniak  und  Kohlensäure  entsteht,  so  entziehen  bei 
^reten  von  Sauren  im  Blut  dieselben  das  Ammoniak  der  Harnstofi- 

m  nCn  “"l  ?S  }Yird  Y'ne  Vermehrung  der  Ausscheidung  des 
A  m  m  o  n  i  a  k  s  1 1  c  k  s  t  o  f  f  s  im  Urin  die  Folge  sein.  Jedoch  kann 
es  auch  durch  eine  primäre  Störung  der  Harnstoffsynthese,  ohne  dass 
^auren  im  Blute  auttreten,  zu  einer  vermehrten  Ammoniakstickstofi- 
ausscheidung  kommen,  weswegen  die  AmmoniakstickstoffausschG- 
dung  im  Urin  allein  kein  sicherer  Massstab  für  die  Anwesenhei 
von  Sauren  im  Blute  ist.  c  nneit 


Ebenso  ist  es  mit  der  Bestimmung  des  Partial 
dHUCk„e?  der  Kohlensäure  in  der  A  1  v  e  o  1  a  r  1  u  f  t.  Da 
schon  allein  durch  eine  erhöhte  Reizbarkeit  des  Respirationszentrunn 

nJthMn!?aldrUC7  de.r  Kohlensäure  sinken  kann  und  ausserdem  bei 
pathologischen  Zustanden  die  Alveolarluft  sehr  oft  nicht  gleichmässb 
Alvpmm?n^eSe-  isf’  S°  u kann  der  Kohlensäurepartialdruck  der 
gelten  Uft  niCht  3  S  nchtlger  Massstab  für  die  Blutalkaleszenz 


Auch  die  Bestimmung  des  Kohlensäuregehaltes 
i  m  Blute,  welche  nach  H  a  1  d  a  n  e  und  Z  u  n  t  z  gleich  dem  Partial- 
drucle  der  Kohlensäure  der  Alveolarluft  ist,  gibt  uns  nicht  die  Gesamt- 
alkaleszenz  sondern  nur  denjenigen  Teil  der  Alkaleszenz  des  Blutes 
an,  welcher  an  Karbonat  gebunden  ist  und  diesen  Teil  auch  nicht 
genau,  da  das  Karbonat  als  Mono-  und  Bikarbonat  vorkommt 
Ausserdem  kann  der  Kohlensäuregehalt  durch  andere  Massnahmen 
(starke  Lungenventilation  etc.)  variieren. 

Die  M  i  n  e  r  a  1  b  e  s  t  a  n  d  t  e  i  1  e  des  Blutes  zu  bestimmen  und 
hieraus  -  chlusse  auf  die  Anwesenheit  von  Säuren  im  Blute  zu  ziehen 
ist  ebenfalls  kein  genauer  Massstab  für  die  Grösse  der  Blut¬ 
alkaleszenz,  da  die  Elemente  verschiedene  Wertigkeit  besitzen  können 
und  das  Verfahren  wegen  seiner  Umständlichkeit  nicht  zu  ge¬ 
brauchen  ist.  s 

Bei  allen  bis  jetzt  genannten  Methoden  der  Blutalkaleszenz- 
bestimmung  hat  man  keine  Rücksicht  auf  die  Eiweisskörper  des 
Blutes  genommen.  Nun  ist  aber  bekannt,  dass  die  Eiweisskörper 
grosse  Mengen  von  Säuren  und  Basen  in  sich  aufnehmen  können, 
ohne  dass  die  Reaktion  der  Eiweisslösung  hierdurch  entsprechend 
geändert  wurde  Die  Titration  des  Blutes,  welche  die  Eiweiss- 
und  Mineralalkaleszenz  der  Blutflüssigkeit  ermitteln  könnte,  ist  bei 
Bestimmung  der  Blutalkaleszenz  ebenfalls  nicht  zu  gebrauchen,  da 
durch  Zusatz  der  Indikatoren  und  der  Titrierflüssigkeit  das  Blut  in 
seiner  Zusammensetzung  geändert  wird  und  die  Eiweisskörper  grosse 
Mengen  der  Titriersäuren  resp.  Basen  festlegen.  Der  gleiche  Ein¬ 
wand  ist  gegen  die  Titration  von  lack-  oder  deckfarbigem  Blute  zu 
erheben. 

Die  einzige  Methode,  die  über  die  Menge  der  im  Blute  befind¬ 
lichen  Sauren  mit  Sicherheit  etwas  auszusagen  vermag,  ist  die  Be- 
stnnmung  der  Wasserstoffionen  in  demselben.  Dabei  kommen  zwei 
Methoden  in  Betracht;  1.  die  kolorimetrische  (Friedenthab 
und  2.  die  elektrometrische  (Hob  er).  Die  kolorimetrische  steht 
hinter  der  elektrometrischen  an  Genauigkeit  weit  zurück,  weil  das 
|  lut  eine  sehr  kompliziert  zusammengesetzte  eiweissreiche  Flüssig- 
keit  ist  und  meist  eine  leicht  gelbliche  Farbe  besitzt.  Dagegen  gibt 
die  kolorimetrische  Methode  bei  einheitlichen  eiweissfreien  klaren 
Flüssigkeiten  sehr  genaue  Resultate. 

Die  beste  Methode  der  Alkaleszenzbestimmung  des  Blutes  ist 
die  elektrometrische  oder  Gaskettenmethode.  Zwar  gibt  auch  diese 
Methode  nicht  genau  die  absoluten  Alkaleszenzwerte  der  Blutflüssig- 
„R  während  des  Lebens  an,  aber  die  Schwankungen  der  Blut- 
alkaleszenz,  die  relativen  Alkaleszenzwerte,  können  einwandfrei 
und  absolut  zuverlässig  ermittelt  werden. 

R.  hat  nun  vereint  mit  Mitarbeitern  bei  einer  grossen  Anzahl 
von  normalen  und  kranken  Menschen  und  Tieren  mittels  der  elektro- 
metr.schen  (Gasketten-)  Methode  Blutalkaleszenzbestimrmmgen  ars- 
getuhrt  und  gefunden,  dass  im  normalen  nüchternen  Zustande  die 
I  .caktion  der  Blutflüssigkeit  leicht  alkalisch  und  sehr  geringen  Schwan¬ 
kungen  unterworfen  ist.  Das  Gesamtblut  zeigt  einen  geringeren  Grad 
von  A  kaleszenz  als  das  Blutplasma  an,  da  die  Blutkörperchen  als 
korpuskulare  Elemente  den  elektrischen  Strom  schlechter  leiten  als 
das  BlutpDsma.  Nach  Aufnahme  einer  reichlichen  Fleischnahrung 
wnd  in  den  ersten  beiden  Stunden  der  Verdauung  die  Blutalkaleszenz 
etwas  hoher,  offenbar  weil  Salzsäure  in  den  Magen  sezerniert  wird, 
in  den  spateren  Stunden  dagegen  nimmt  sie  wieder  ab  und  erreicht 
öfter  noch  niedrigere  Zahlen  als  anfangs. 

,dfr,  Gravidität  ist  die  Blutalkaleszenz  nicht,  wie  verschiedene 
i  ■  auptet  hatten,  geringer  als  normal.  Da  sie  nach  Nierenexstirpation 
ei  suche  bei  Hunden),  Lungenkrankheiten,  nicht  abnimmt  und  auch 
duich  den  Darm  eine  Ausscheidung  von  eventuell  im  Körper  ent¬ 
stehenden  Sauren  oder  Basen  bei  normalem  Stoffwechsel  nicht  nach- 


).  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1295 


■wiesen  werden  kann,  so  sind  wohl  die  Hauptrcgulierungsvorrich- 
ngen  in  der  Beschaffenheit  des  Blutes  selbst  gelegen.  Durch  das 
orhandensein  von  schwachen  Säuren  und  Basen,  neutralen  basischen 
mren  Salzen,  Eiweisskörpern  im  Blute  wird  bei  Auftreten  von 
jnormen  Säuren  die  Reaktion  gar  nicht  oder  nur  wenig  geändert. 

Durch  künstliche  Säurezufuhr  per  os  konnte  R.  einen  Unter- 
liied  zwischen  Fleisch-  und  Pflanzenfresser  nicht  konstatieren.  Bei 
•erem  Magen  vertrug  der  Hund  eine  HCl-Qabe  per  os  ebenso 
hlecht  oder  noch  schlechter  als  das  Kaninchen.  Wurde  dagegen 
■r  Magen  vor  der  Säuregabe  mit  Fleisch  gefüllt,  so  vertrugen  beide 
ergattungen  grössere  Säuremengen,  offenbar  deswegen,  weil  durch 
is  Fleisch  die  Säure  im  Magendarm  abgestumpft  wurde.  Da  nun 
ich  bei  intravenöser  Zufuhr  der  Säure  kein  Unterschied  zwischen 
ichternen  und  mit  Fleisch  gefütterten  Tieren  bestand,  so  ist  wohl 
r  Schluss  berechtigt,  dass  nur  im  Darm  durch  das  Fleischeiweiss 
ne  relative  Schutzwirkung  gegenüber  der  Säure  möglich  ist,  im 
termediären  Stoffwechsel  dagegen  die  Qiftwirkung  der  Säure  durch 
is  aus  dem  Fleisch  entstehende  Ammoniak  nicht  paralysiert  wird, 
ie  Versuche  Walters  sind  dadurch  zu  erklären,  dass  dessen 
unde  Fleisch  gefressen  hatten  und  die  Kaninchen  nicht,  weswegen 
e  Hunde  die  Säure  per  os  besser  vertrugen  als  die  Kaninchen. 

Ein  Unterschied  in  der  Alkaleszenzabnahme  des  Blutes  nach 
ilzsäurezufuhr  zwischen  Fleisch-  und  Pflanzenfressern  war  nicht  zu 
mstatieren.  Es  besteht  eine  individuelle  Empfindlichkeit  einzelner 
iere  gegenüber  der  Säurezufuhr,  da  die  Vergiftungssymptome  bei 
irschieden  grosser  Alkaleszenzabnahme  des  Blutes  bei  den  einzelnen 
ieren  in  Erscheinung  traten.  Die  Blutalkaleszenz  wurde  bei  sämt- 
;hen  Tieren  nach  Säurezufuhr  niedriger,  schlug  aber  nur  einmal 
rekt  vor  dem  Tode  des  Tieres  in  die  saure  Reaktion  um.  Es  be¬ 
eist  dies  wieder,  dass  nur  bei  einer  alkalischen  Blutreaktion  ein 
eben  überhaupt  möglich  ist. 

Bei  Vergiftungen  von  Tieren  mit  Natrium  arsenicosum,  Sublimat, 
oluylendiamin,  Natrium  oxalatum,  Natrium  nitrosum  und  Morphium 
ird  auf  der  Höhe  der  Vergiftung  nicht  selten  eine  Steigerung  der 
lutalkaleszenz  gefunden.  Erst  im  agonalen  Zustande  nimmt  die 
lutalkaleszenz  ab.  Die  Abnahme  ist  aber  nicht  durch  die  Vergiftung 
1  und  für  sich,  sondern  durch  den  agonalen  Zustand  bedingt,  da  auch 
;i  allen  möglichen  anderen  Erkrankungen  in  der  Agone  eine  Ab¬ 
ihme  der  Blutalkaleszenz  gewöhnlich  gefunden  wird.  Die  Ursache 
erfür  ist  wohl  in  einem  Versagen  der  Regulierungsvorrichtungen  im 
lute  selbst,  in  abnormen  Spaltungen,  Zersetzungen  und  Kohlensäure- 
lhäufung  im  Blute  und  Körpergewebe  zu  suchen. 

Die  Untersuchungen  der  Blutalkaleszenz  bei  Coma  diabeticum 
iben  zu  dem  Resultat  geführt,  dass  bei  den  meisten  Patienten  die 
rsache  des  Coma  diabeticum  keine  reine  Säureintoxikation  sein 
inn,  sondern  dass  nebenbei  noch  eine  spezifische  giftige  Salzwirkung 
eser  Säuren  oder  andere  toxische  Momente  mitspielen  müssen.  Als 
rund  für  eine  derartige  Auffassung  wird  angeführt,  dass  bei  einem 
oma  diabeticum  die  Blutalkaleszenz  ganz  normal,  bei  weiteren  7 
ohl  verringert  aber  nicht  in  dem  Masse  niedrig  war,  dass  eine 
:ine  Säurewirkung  angenommen  werden  musste.  Bei  2  Patienten 
urde  durch  Alkalizufuhr  die  Blutreaktion  während  der  Dauer  des 
omas  normal  gehalten,  trotzdem  starben  diese  Patienten  und  die 
Ikalizufuhr  blieb  ohne  Wirkung.  Hervorzuheben  ist,  dass  die  Aus¬ 
kleidung  von  Azeton  und  Azetesigsäure  nicht  stets  der  Höhe  der 
lutalkaleszenz  parallel  geht,  bei  Fleischfettkost  nimmt  die  Blut- 
kaleszenz  der  Diabetiker  gewöhnlich  ab,  bei  Pflanzenkost  zu. 

R.  wendet  sich  weiterhin  gegen  die  Czerny-Keller  sehe 
heorie,  welche  die  Ursache  des  Krankheitsbildes  der  magendarm- 
anken  Säuglinge  in  einer  allgemeinen  Säurevergiftung  sieht.  Wohl 
eten  nach  den  Untersuchungen  bei  derartigen  schwerkranken 
indem  Säuren  im  Blute  auf,  welche  die  Blutalkaleszenz  vermindern, 
"doch  gestalten  sie  die  Blutalkaleszenz  nicht  so  niedrig,  dass  nun 
ne  reine  Säurewirkung  angenommen  werden  muss.  Die  vermehrte 
mmoniakstickstoffausscheidijng  ist  bei  diesen  Kindern  offenbar  der 
auptsache  nach  infolge  einer  primären  Störung  der  Leberfunktion 
."rvorgerufen. 

Bei  den  schwersten  urämischen  Erscheinungen  können  voll- 
ommen  normale  Blutalkaleszenzwerte  Vorkommen,  infolgedessen 
ann  der  urämische  Symptomenkomplex  nicht  durch  eine  Säurever- 
iftung  erklärt  werden. 

Bei  Nervenkranken  ist  die  Blutalkaleszenz  in  der  Regel  normal, 
ei  Gehirnkranken  werden  ab  und  zu  erhöhte  Alkaleszenzwerte  ge- 
inden.  Es  sind  deshalb  alle  in  der  Literatur  geäusserten  Ansichten 
nd  Spekulationen,  welche  die  Ursache  von  Gehirn-  und  Nerven- 
rkrankungen  in  der  Anwesenheit  von  abnormen  Säuren  im  Blute 
liehen  wollen,  hinfällig. 

Bei  fieberhaften  Affektionen,  bei  Herz-  und  Lungenerkrankungen 
urden  in  der  Regel  normale  Alkaleszenzwerte  des  Blutes  festgestellt. 

Bei  Lebererkrankungen  (Zirrhose,  akuter  Leberatrophie)  fand 
ch  meist  eine  erhöhte  Blutalkaleszenz,  offenbar,  weil  die  Harnstoff- 
ynthese  primär  gestört  ist.  Bei  diesen  Erkrankungen  wird  also 
otz  vermehrter  Ammoniakstickstoffausscheidung  im  Urin  keine  Ver- 
ugerung,  sondern  im  Gegenteil  eine  Vermehrung  der  Blutalkales- 
enz  gefunden.  Nun  gelangen  bei  der  akuten  gelben  Leberatrophie 
urch  Zerfall  des  Leberparenchyms  auch  Säuren  in  den  allgemeinen 
reislauf.  Je  nachdem  nun  die  gestörte  primäre  Harnstoffbildung 
der  die  Säureentstehung  an  Ausdehnung  gewinnt,  wird  sich  die 
Hutalkaleszenz  erhöhen  oder  normal  resp.  niedriger  werden.  Bei 


Lebertumoren  fand  sich  öfter  eine  erhöhte  Blutalkaleszenz,  während 
bei  andersartig  lokalisierten  Tumoren  dieselbe  normal  war.  Bei 
Ikterus  war  sie  meist  normal,  einmal  erhöht,  weil  scheinbar  die 
Leberfunktion  dabei  gelitten  hatte. 

Bei  Blutkrankheiten  bewegen  sich  die  Blutalkaleszenzwerte 
innerhalb  der  Norm,  nur  perniziöse  Anämien  haben  eine  Neigung  zu 
einer  Alkaleszenzverminderung.  Auch  bei  Stoffwechselerkrankungeu 
wurde  kein  erhöhter  Säuregehalt  des  Blutes  konstatiert.  Bei  Gicht 
wurde  während  des  Gichtanfalles  und  ausserhalb  desselben  keine 
Erniedrigung  der  Blutalkaleszenz  gefunden.  Es  können  deswegen  die 
jenigen  Theorien  der  Gicht,  welche  die  Ausscheidung  der  Urate  im 
Körper  durch  eine  Verringerung  der  Blutalkaleszenz  erklären  wollen, 
nicht  richtig  sein. 

Herr  Stephan  demonstriert  einen  Fall  von  sog.  paralytischer 
Oesophagusektasie  mit  Kardiospasmus. 

Ein  32  jähriger,  bislang  vollkommen  gesunder  Landwirt  erlitt 
vor  5  Jahren  dadurch  einen  schweren  Unfall,  dass  er  von  einem 
wütenden  Bullen  angegriffen  und  gegen  eine  Steinwand  gepresst 
wurde.  Aerztlicherseits  wurden  multiple  Rippenbrüche  und,  ver¬ 
mutungsweise,  ein  Hämothorax  sinister  diagnostiziert.  Während  des 
ca.  3  monatigen  Krankenlagers,  das  ohne  Komplikation  verlief,  bot 
der  Kranke  keinerlei  Symptome  eines  psychischen  Insults  dar. 
%  Jahre  nachher  bemerkte  er  erstmals,  dass  er  bisweilen  beim 
Schlucken  Schwierigkeiten  hatte,  „den  Bissen  durch  die  Kehle  zu 
würgen“.  Insbesondere  fühlte  er  Beschwerden  beim  Schlucken  von 
Wasser.  Ungefähr  lYz  Jahre  blieb  dieser  Zustand  der  gleiche,  ohne 
dass  das  Allgemeinbefinden  gestört  war.  Später  gesellten  sich  sehr 
heftige  Schmerzen  unter  dem  Brustbein  hinzu,  die  stundenlang  nach 
dem  Essen  anhielten.  Er  nahm  rapid  an  Gewicht  ab  und  bemerkte 
in  den  letzten  Monaten  schliesslich,  dass  ein  grosser  Teil  der  Speisen 
nach  einiger  Zeit  wieder  ohne  eigentliche  Würgbewegungen  in  den 
Mund  zurückfloss.  Im  ganzen  hatte  er  20  kg  an  Gewicht  verloren.  — 
Bei  der  ersten  Untersuchung  mit  der  Magensonde  blieb  diese  zu¬ 
nächst  15  cm  hinter  der  Zahnreihe  stecken;  sie  konnte  unter  starkem 
elastischen  Widerstand  weitergeführt  werden;  nach  weiteren  5  cm 
wurde  sie  plötzlich  frei,  so  dass  die  sondierende  Hand  das  Gefühl 
hatte,  in  einen  grossen  Hohlraum  mit  der  Sonde  gelangt  zu  sein. 
35  cm  hinter  der  Zahnreihe  floss  unter  leichtem  Pressen  250  ccm 
einer  schleimigen,  fadriechenden,  gelblichweissen  Flüssigkeit  aus  der 
Sonde.  Nach  ca.  47  cm  wurde  die  Sonde  von  einem  neuen  elastischen 
Hindernis  aufgehalten,  das  nach  einigem  kurzen  Druck  plötzlich  nach¬ 
gab  und  die  Sonde  in  den  Magen  gelangen  liess.  Jetzt  wurde  sämt¬ 
licher  dünnflüssiger  Inhalt  ausgepresst.  —  Differentialdiagnostisch 
kamen  ein  tiefsitzendes  Carcinoma  oesophagi,  eine  Narbenstriktur 
mit  sekundärer  Ektasie,  ein  tiefes  Divertikel  und  die  im  Titel  ange¬ 
führte  Erkrankung  in  Betracht.  Die  weiteren  Untersuchungen  ergaben 
mit  Sicherheit  das  letztere.  Röntgenologisch  zeigte  sich  nach  Wismut¬ 
mahlzeit  ein  wurstförmiger,  ca.  4  cm  breiter  Schatten  im  Holz- 
k  n  e  c  h  t  sehen  Raum  bei  Durchleuchtung  im  1.  schrägen  Durchmesser, 
der  zwei  Drittel  der  Oesophaguslänge  nach  oben  reichte  und  unten 
spindelförmig  an  der  Kardia  endigte.  Therapeutisch  wurde  zunächst  der 
Oesophagus  wegen  der  bestehenden  Oesophagitis  regelmässig  gespült, 
die  Kardia  mit  Sonden  dilatiert  und  für  längere  Zeit  die  Sonden¬ 
ernährung  durchgeführt.  Während  das  Allgemeinbefinden  nach 
6  Wochen  ausserordentlich  gehoben  wurde  und  die  Ektasie  des  Oeso¬ 
phagus  auf  ca.  150  ccm  Fassungsvermögen  zurückging,  blieb  der 
Kardiospasmus  unverändert;  es  schien  sogar,  als  ob  er  unter  der 
Sondierung  stärker  geworden  war.  Zur  Prüfung  der  Kraus  sehen 
Theorie-,  die  bei  Oesophagusektasie  mit  Kardiospasmus  eine  primäre 
Vaguserkrankung  annimmt,  wurde  die  pharmakologische  Prüfung  des 
autonomen  Nervensystems  durchgeführt.  Zur  objektiven  Messung 
der  Oesophagusweite  dienten  das  Fassungsvermögen,  das  Atem¬ 
volumen  und  die  respiratorischen  Schwankungen  des  Oesophagus. 
Es  liess  sich  dabei  kurvenmäsig  zeigen,  dass  bei  Atropinisierung  mit 
der  Verstärkung  des  Kardiospasmus  regelmässig  eine  Erschlaffung 
des  Oesophagus  einherging.  Der  Grad  der  Erschlaffung  entsprach  der 
Stärke  der  Vaguslähmung;  durch  subkutane  Injektion  von  3  mg 
Atropin  innerhalb  24  Stunden  vergrösserte  sich  das  Fassungsver¬ 
mögen  von  150  ccm  Waser  auf  fast  350  ccm,  während  der  Kardio¬ 
spasmus  so  hochgradig  wurde,  dass  eine  weiche  Sonde  mittleren 
Kalibers  die  Kardia  nicht  mehr  passierte.  Mit  Aussetzen  der  Atro¬ 
pinisierung  schwanden  nach  wenigen  Stunden  die  Symptome.  Es 
ergab  sich  also  einwandfrei,  dass  die  Kraus  sehe  Hypothese  zu 
Recht  besteht,  nach  der  eine  organische  oder  funktionelle  Erkrankung 
des  Vagus  in  seinem  autonomen  Teil  zum  Bild  der  Oesophagus¬ 
ektasie  mit  Kardiospasmus  führen  kann.  Die  Versuche  mit  Pilo¬ 
karpin  zeitigten  kein  eindeutiges  Resultat,  während  Adrenalin  ohne 
Wirkung  blieb.  Die  Untersuchung  des  zentralen  und  peripheren 
Nervensystems  bei  diesem  Kranken  ergab  keinen  pathologischen  Be¬ 
fund.  Dagegen  bestanden  neben  dem  oben  ausgeführten  Leiden 
Tachykardie,  eine  Sekretionsverminderung  der  Speicheldrüsen, 
Achyla  gastrica,  Splanchnoptose  und  atonische  Obstipation.  Da 
sämtliche  Symptome  nach  einem  Unfall  bei  einem  sonst  gesunden, 
insbesondere  psychisch  völlig  intakten  Mann  aufgetreten  waren,  lässt 
sich  das  Krankheitsbild  als  traumatische  Neurose  des  kranial¬ 
autonomen  Nervensystems  im  Sinne  einer  Hypotonie  deuten.  In¬ 
wieweit  es  Beziehungen  zur  „Vagotonie“  hat,  die  neuerdings  auch 
mehr  als  „reizbare  Schwäche“,  denn  als  Hypertonie  sensu  strictiori 
aufgefasst  wird,  wird  erst  nach  weiteren  Erfahrungen  zu  entscheiden 
sein. 


1296 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  23. 


Herr  Assmann:  Demonstration  von  Röntgenaufnahmen,  be¬ 
treffend: 

1.  (im  Anschluss  an  den  Vortrag  des  Herrn  Stephan)  zwei 
früher  am  Städtischen  Krankenhause  in  Dortmund  (Oberarzt  Dr. 
Rindfleisch)  beobachtete  Fälle  von  idiopathischer  Oesophagus- 
dilatation  mit  typischem  röntgenologischen  Befunde. 

2.  mehrere  autoptisch  kontrollierte  Fälle  von  Miliartuberkulose. 
Vortragender  ist  der  Ansicht,  dass  die  einzelnen  Fleckchen  durch 
die  einzelnen  plattennahen  Tuberkel,  nicht  durch  Summationswirkung 
hervorgerufen  werden,  da  bei  zahlreichen  autoptischen  Kontrollen 
stets  eine  völlige  LJebereinstimmung  zwischen  der  Grösse  der  Fleck¬ 
chen  auf  der  Röntgenplatte  und  der  Knötchen  im  anatomischen  Be¬ 
funde  festgestellt  wurde,  die  verschiedenen  Fälle  aber  Verschieden¬ 
heit  untereinander  hinsichtlich  der  Grösse  und  Anordnung  der 
Fleckchen  bzw.  Knötchen  zeigen.  Teils  handelte  es  sich  um  sub¬ 
akute  Miliartuberkulose  bei  Kindern  mit  Knötchen  von  Stecknadel¬ 
kopf-  bis  Linsengrösse,  teils  um  akute  Dissemination  zahlloser  mohn¬ 
samengrosser  Tuberkel.  In  letzterem  Falle  zeigte  das  Röntgenbild 
in  Uebereinstimmung  mit  den  Beobachtungen  von  A  c  h  e  1  i  s  auf 
Summationswirkung  der  Tuberkel  und  Oedem  bezogene  allgemeine 
Trübung  und  innerhalb  derselben  feinste  Fleckchen,  die  als  Ausdruck 
der  einzelnen  Tuberkel  angesprochen  werden. 

Erörterung  der  Differentialdiagnose,  bei  der  miliare  Karzinose, 
disseminierte  Abszesschen  bei  Septikopyämie  und 

3.  Bronchiolitis  obliterans  erwähnt  wurden,  von  der  ein  Fall 
kürzlich  beobachtet  war.  Auf  Grund  der  klinischen  Erscheinungen 
(hochgradige  Dyspnoe,  Zyanose,  auffallend  voller  Schall  mit  leicht 
tympanitischem  Beiklange,  einzelne  Rasselgeräusche,  sonst  kein  er¬ 
heblicher  physikalischer  Befund)  und  des  Röntgenbildes  war  die 
falsche  Diagnose  auf  Miliartuberkulose  gestellt  worden.  Das  Röntgen¬ 
bild  zeigte  ganz  wie  bei  der  Miliartuberkulose  allgemeine  Trübung 
und  innerhalb  derselben  Stecknadelkopf-  bis  kleinlinsengrosse  Fleck¬ 
chen.  Bei  der  Autopsie  zeigten  sich  die  Lungen  durchsetzt  von  ent¬ 
sprechend  grossen  fibrösen  Knötchen,  die  durch  einen  in  das  Gebiet 
der  Bronchiolitis  obliterans  fallenden  Prozess  hervorgerufen,  nicht 
Miliartuberkel  waren. 

Herr  Hübschmann  demonstriert  Präparate  von  Granu¬ 
lationsgeschwülsten,  die  ein  dem  Bilde  der  Miliartuberkulose  ähn¬ 
liches  Bild  zeigen.  (Erscheint  als  Originalartikel.) 

Herr  Heller  berichtet  über  einen  Fall  von  Kardiospasmus  mit 
spindelförmiger  Dilatation  des  Oesophagus,  bei  dem  eine  extra- 
muköse,  subdiaphragmatische  Kardioplastik  mit  gutem  Er¬ 
folg  ausgeführt  worden  ist.  Zur  Freilegung  des  Operationsfeldes 
Aufklappung  des  linken  Rippenbogens  nach  Marwedel,  Um¬ 
schneidung  des  Peritonealrings  am  Hiatus  oesophageus  und  Vor¬ 
ziehen  des  Oesophagus  in  einer  Länge  von  ca.  10 — 12  cm  in  die 
Bauchhöhle.  Dadurch  wird  der  ganze  ca.  3  cm  lange  kontrahierte 
unterste  Oesophagusabschnitt  und  ein  Teil  der  spindelförmigen  Dila¬ 
tation  übersichtlich.  Längs  Spaltung  der  Längs-  und  Ring- 
muskulatur  bis  auf  die  Submukosa  vom  untersten  Ab¬ 
schnitt  der  spindelförmigen  Dilatation  bis  in  die  Kardia  hinein  auf  der 
Ventral-  und  Dorsalseite  des  Oesophagus.  Die  Muskelinzision  klafft 
weit  und  das  Schleimhautrohr  erweitert  sich  auf  ca.  Zweifinger¬ 
stärke.  Bauchnaht.  Demonstration  des  Patienten.  Derselbe  kann 
seit  der  Operation  feste  Nahrung  jeder  Form  ohne  Beschwerde 
schlucken. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  Februar  1913. 

Kassabericht  und  Literaturberatung. 

Herr  Baum:  Die  traumatische  Thrombose  an  der  oberen 
Extremität. 

Herr  B  a  u  m  spricht  über  traumatische  Thrombose  an  der  oberen 
Extremität,  und  zwar  über  die  Form,  welche  bei  sonst  gesunden 
Personen  plötzlich  infolge  von  stärkerer  Muskelanstrengung  des 
Armes,  allermeist  des  rechten,  auftreten.  Derartige  Fälle  sind  bisher 
von  v. 'S  c  h  r  ö  1 1  e  r,  Schepelmann,  Heineke  und  Rosen¬ 
thal  insgesamt  nur  7  in  der  Literatur  bekannt  geworden.  B.  hat 
eine  solche  Thrombose  der  rechten  Vena  axillaris  und  subclavia  im 
Anschluss  an  das  Heben  schwerer  Gegenstände  bei  einer  52  jährigen 
Dame  gesehen.  Die  klinischen  Erscheinungen  waren  im  wesentlichen 
dieselben  wie  bei  den  übrigen  veröffentlichten  Fällen:  Rasch  nach  dem 
„1  rauma“  sich  einstellende  Schmerzen  und  starke  Schwellung  des 
ganzen  Armes  bis  in  die  Fossa  supraclavicularis  mit  mässiger 
Zyanose,  beträchtlicher  Erweiterung  der  Hautvenen  und  Druckemp¬ 
findlichkeit  im  Sulcus  bicipitalis  internus,  in  der  Axilla  und  der  Fossa 
supraclavicularis  ,ohne  dass  ein  eigentlicher  Strang  zu  fühlen  gewesen 
wäre;  die  vorhandenen  Motilitätsstörungen  und  zeitweiligen  Parästher 
sien  müssen  auf  das  starke  Oedem  zurückgeführt  werden.  Da  auch 
heute,  nach  1  34  Jahren,  immer  noch,  besonders  nach  Inanspruchnahme 
des  Armes.  Schwellung  und  Schmerzen  nicht  völlig  fehlen,  ist  an- 
zunehmen,  dass  die  thrombosierte  Hauptvene  nicht  wieder  wegsam 
geworden  und  die  venöse  Kollateralbahn  nicht  ganz  ausreichend  ist. 

Bei  dem  Zustandekommen  derartiger  Thrombosen,  die  als  reine 
Konglutinationsthrombosen  im  Sinne  von  Eberth.  Schimmel¬ 
busch,  Aschoff,  Zurhelle  u.  a.  betrachtet  werden  müssen, 
wirkt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  Verlangsamung  des  Venenblut¬ 


stromes  (Rückstauung  durch  forcierte  Exspiration  bei  geschlossenem 
Larynx?)  und  eine  Schädigung  der  Venenwand  (Quetschung  durch 
die  gespannten  Muskeln,  Abreissen  der  Vasa  vasorum)  zusammen. 

Herr  D  öder  lein:  Ueber  die  Behandlung  mit  Röntgenstrahlen 
und  Mesothorium  in  der  Gynäkologie,  besonders  beim  Uteruskarzinom. 

Vortr.  berichtet  über  die  seit  dem  vor  einem  Jahre  über  das 
gleiche  Thema  gehaltenen  Vortrag  erzielten  Fortschritte  in  der 
Radiotherapie. 

Dank  der  Arbeiten  der  Freiburger  Klinik  ist  es  jetzt  gelungen, 
die  mit  der  Röntgentherapie  verbundenen  Gefahren,  besonders  die 
der  Verbrennung,  mit  Sicherheit  auszuschalten  und  dabei  gleichzeitig 
die  Intensität  der  Bestrahlung  ausserordentlich  zu  steigern,  wodurch 
sich  die  Zuverlässigkeit  dieser  Therapie  in  sehr  erfreulicher  Weise 
erhöht  hat.  Durch  die  jetzt  in  kurzer  Zeit  zu  verabreichenden 
grossen  Dosen  gelingt  es  nicht  nur,  die  Kranken  sehr  viel  rascher  zu 
heilen,  sondern  auch  die  Indikationsbreite  besonders  für  die  Myom¬ 
kranken  zu  vergrößern,  da  auch  jugendliche  Kranke  mit  Erfolg 
behandelt  werden  können.  Besonders  wichtig  ist  dabei,  dass  das  bei 
der  früheren  Bestrahlungsart  stets  zu  beobachtende  „Reizstadium“ 
das  mit  Verstärkung  der  Blutungen  einherging,  ausgeschaltet  ist.  Fs 
ist  deshalb  auch  möglich,  solche  Myomkranke,  die  ununterbrochen 
bluten  oder  die  so  ausgeblutet  sind,  dass  man  ihnen  dieses  Ueber- 
gangsstadium  nicht  mehr  zumuten  konnte,  jetzt  der  Röntgentherapie 
zu  unterziehen.  Auch  solche,  bei  denen  die  Myome  Kompressions¬ 
erscheinungen  machten,  konnten  von  uns  mit  Erfolg  behandelt 
werden,  da  durch  die  hohe  Strahlendosis  in  der  Regel  eine  so  prompte 
Verkleinerung  der  Geschwulst  eintritt,  dass  die  Kompressions¬ 
erscheinungen  rasch  zurückgehen. 

Ein  weiterer  grosser  Fortschritt  in  der  neuen  intensiven  Be¬ 
strahlung  ergibt  sich  bei  der  Behandlung  der  Uteruskarzinome,  bei 
denen  bisher  die  Strahlentherapie  versagte.  Besonders  erfolgreich 
erwies  sich  hiebei  die  Anwendung  des  von  Hahn  dargestellten  Meso¬ 
thoriums,  das  vor  den  Röntgenstrahlen  einmal  den  grossen  Vorzu- 
der  leichteren  Anwendungsweise  hat,  da  eben  nur  mit  Mesothorium 
gefüllte  Kapseln  in  das  Karzinom  eingelegt  zu  werden  brauchen,  die 
durch  Tampons  festgehalten,  mehrere  Tage  an  Ort  und  Stelle  bleiben 
können. 

Durch  fortlaufende  mikroskopische  Untersuchung,  deren  Präpa¬ 
rate  durch  Projektion  demonstriert  werden,  konnte  Vortr.  die  an  den 
Karzinomzellen  selbst  durch  die  Radiotherapie  veranlassten  Zerfalls- 
erscheinungen  nachweisen,  die  in  kurzer  Zeit  zum  Untergang  und 
vollkommenen  Verschwinden  der  Karzinomherde  führen.  Die  gleichen 
Veränderungen  wurden  früher  von  Exner  und  neuerdings  von 
Aschoff  an  dem  K  r  ö  n  i  g  sehen  Material  in  Freiburg  konstatiert. 

j  inÜ  e.s’  die  Strahlentherapie  so  auszubauen,  dass  bei  ge¬ 
nügender  Dosis  auch  die  entsprechende  Tiefenwirkung  erzielt  wird, 
dann  wäre  durch  sie  eine  operationslose  Heilung  der  Uterus¬ 
karzinome  möglich,  was  angesichts  der  schwer  zu  erreichenden  und 
immer  noch  unbefriedigenden  Operationsresultate  auf  das  wärmste 
begrüsst  werden  müste. 

o  t.  V?,rtr'  berichtet  über  eine  Reihe  von  Fällen,  die  durch  diese 
Behandlung  in  kurzer  Zeit  so  verändert  wurden,  dass  man  auf  eine 
Heilung  hoffen  darf.  Er  glaubt,  dass  diese  neue  Karzlnombehandlung 
schon  jetzt  in  ein  solches  Stadium  getreten  ist,  dass  es  nicht  unbe¬ 
rechtigt  erscheint,  nicht  bloss  die  ungünstigsten,  sondern  sogar  auch 
günstige  Fälle  damit  behandeln  zu  dürfen.  Er  stimmt  den  von 
Christof  M  ü  11er  in  Immenstadt  für  das  Mammakarzinom  auf- 
gestellten  Grundsätzen  bei,  der  um  so  bessere  Resultate  erzielen 
konnte,  je  weniger  fortgeschritten  das  Karzinom  beim  Beginn  der 
Behandlung  war  und  je  günstiger  dabei  noch  der  allgemeine  Kräfte¬ 
zustand  war. 

(Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  der  Monatsschrift  für 
Gebuitsh.  u.  Gyn.,  Bd.  37,  H.  5,  und  weitere  Mitteilungen,  namentlich 
über  die  eingehaltene  Technik,  berichtet  v.  Seuffert  in  der 
„Strahlentherapie“,  April  1913.) 

Diskussion:  Herr  Gustav  Klein:  Schon  1904—1907  habe 
a  .  *  *  z  e  durch  Röntgenisieren  inoperabler  Halskarzinome 

des  Uterus  ein  Aufhören  der  Jauchung,  Blutung  und  des  Schmerzes, 
sowie  eine  Wachstumshemmung  des  Karzinoms  und  Umwallung  mit 
einem  derben  Bindegewebsmantel  erreicht.  Seitdem  haben  wir  in  der 
gynäkologischen  Poliklinik  bei  9  inoperablen  Uteruskarzinomen  und 
12  mal  nach  Radikaloperation  solcher  Karzinome  prophylak¬ 
tisch  röntgenisiert,  in  mehreren  Fällen  mit  erstaunlich  günstigem 
Erfolge,  z.  B.  trotz  2  maliger  Scheidenrezidive  Heilung  noch  nach 
U  Jahren. 

Ebenso  günstig  sind  unsere  Erfolge  bei  Ovarialkarzinomen,  die 
teils  wir,  teils  Dr.  B  r  u  e  g  e  1  und  Dr.  K  a  e  s  1 1  e  bestrahlt  haben,  und 
besonders  bei  einem  Mammakarzinom,  das  trotz  dreimaliger  Rezidive 
heute,  nach  534  Jahren,  rezidivfrei  ist  (vgl.  Münch,  med.  Wochenschr., 
No.  17). 

Herr  Kaestle  bespricht  die  Schwierigkeiten  objektiver  Röhren¬ 
härtemessung  und  der  Röntgenstrahlendosimetrie. 

Die  Verabreichung^  einer  „dosis  sterilisans  magna“  bei  Myom¬ 
bestrahlungen  in  einer  Sitzung,  die  auf  ein  Maximum  an  Widerstands¬ 
fähigkeit  zugeschnitten  sein  muss,  verstösst  gegen  den  in  der  Heil¬ 
kunde  allgemein  gültigen  Satz,  rächt  grosse  Mengen  (Maximaldosen) 
differenter  Heilmittel  anzuwenden,  wo  kleinere  genügen.  Das  Ziel 
der  Myombestrahlungen  wird  bei  verschiedenen  Frauen  mit  sehr  ver¬ 
schiedenen  Röntgenstrahlenmengen  erreicht.  Zu  weitgehende  Klein¬ 
feldbestrahlungen  gleichen  überfeinen  Zielübungen;  man  wird  oft 


Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1297 


rnebenschiessen.  Die  Lage  der  Ovarien  ist  nicht  immer  zuverlässig 
i  tzustellen.  Weitgehende  Kleinfeldbestrahlung  (12  Abdominalfelder) 
rschuldet  Strahlenvergeudung,  unnütze  Bestrahlung  der  Därme 
1  Blase,  unnütz,  selbst  wenn  sie  die  Beschiessung  ohne  dauernden 
chteil  ertragen  sollten  —  was  immerhin  noch  nicht  bewiesen  ist. 

Gemässigte  Felderbestrahlung  verdankt  die  gynäkologische 
ntgentherapie  Manfred  Fränkel.  Kaestle  bestrahlt  Ovarien 
d  Myome  von  3 — 5  abdominalen  und  2  dorsalen  Einfallspforten 
s  mit  Röhren  von  6 — 8  Benoist  Härte  bei  1 — 1,5  Milliampere  Röhren¬ 
omstärke;  gefiltert  wird  jetzt  meist  mit  1  mm  —  selten  3  mm  — 
:ken  Aluminiumblechen  im  Blendenrohr,  früher  mit  4 — 8facher 
ge  von  Schildleder.  Von  jeder  Einfallspforte  werden  4/s — 4  Voll- 
sis  (Sabouraud-Noire-Holzknecht)  der  gefilterten 
rahlen  in  einer  oder  mehreren  Sitzungen  verabreicht.  An  einem 
ge  können  auch  mehrere  Dosen  gegeben  werden.  Nach  1 — 2  Serien 
weitgehende  Besserung,  nach  120 — 300  x  meist  der  volle  Erfolg 
sielt. 

Reizblutungen  kamen  ebensowenig  zur  Beobachtung  wie  andere 

uitgenschäden. 

Weitgehende  Einwirkungen  der  Röntgenstrahlen  —  ähnlich  den 
m  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  vorgeführten  —  auf  histologisch  sichergestellte 
irzinome  weiblicher  Abdominalorgane,  selbst  Heilungen,  sind  von 
rschiedener  Seite  mitgeteilt  und  beschrieben  worden. 

Bei  inoperablen  Karzinomen  wird  man  mit  Röntgenstrahlen  un¬ 
denklicher  vergehen  als  bei  Myombestrahlungen  künftighin,  unter 
nständen  mit  abnorm  grossen  Dosen  stark  gefilterter  Strahlen  nach 
r  ö  n  i  g  und  H  a  u  c  k  und  Döderlein.  Kaestle  und  Brue- 
;  1  haben  ein  —  ihnen  von  Prof.  Klein  überwiesenes  —  Karzinom- 
zidiv  der  Mamma  nach  mehrfach  vorhergegangenen  Operationen 
•rläufig  geheilt;  als  durch  Röntgenbestrahlung  weitgehend  gebessert 
innen  2  inoperable  Ovarialkarzinome  bezeichnet  werden. 

Als  Vorbehandlung  nachfolgender  Karzinombestrahlung  ver¬ 
endet  Kaestle  —  je  nach  Sachlage  —  Arsonvalisation  oder 
iathermie. 

Ueber  den  Wert  dieses  Vorgehens  lassen  sich  bisher  nur  Ver- 
utungen,  kein  sicheres  Urteil  äussern. 

Ob  das  neue  Verfahren  nach  Krönig  und  Hauck  in  der 
irzinombehandlung  mehr  leisten  wird,  als  die  bisherigen  Methoden, 
eibt  abzuwarten. 

Herr  S  i  e  1  m  a  n  n ;  Die  Erfolge  der  gynäkologischen  Röntgen- 
erapie,  über  die  Ihnen  Herr  Geheimrat  Döderlein  und  die 
ideren  Diskussionsredner  berichtet  haben,  sind  enorm  und 
;cken  sich  im  ganzen  mit  meinen  Erfahrungen,  die  ich  in  nunmehr 
jähriger  Erfahrung  röntgenologischer  Tätigkeit  gesammelt  habe. 

Bezüglich  der  Erfolge  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenbestrahlung 
is  Uteruskarzinoms  bin  ich  allerdings  etwas  skeptisch  geworden, 
/ohl  gelang  es  öfters,  die  Jauclmng  zum  Stillstand  zu  bringen, 
ohl  wirkten  die  Röntgenstrahlen  schmerzstillend,  so  dass  wochen- 
ng  die  Narkotika  ausgesetzt  werden  konnten,  doch  gelang  es  nicht, 
is  traurige  Geschick  eines  qualvollen  Karzinomtodes  abzuwenden, 
agegeti  habe  ich  zwei  Fälle  von  intraperitonealem  Sarkom  —  das 
ne  vor  2%  Jahren  bei  eingetretenem  Rezidiv  von  chirurgischer  Seite 
r  inoperabel  erklärt  —  durch  Röntgenbestrahlung  bis  jetzt  erhalten 
innen,  während  das  zweite  nach  Ansicht  des  Chirurgen,  der  wegen 
ngetretener  Darmbeschwerden  eine  Enterostomie  machte,  nach  der 
öntgenbestrahlung  bedeutend  kleiner  geworden  ist. 

Ueber  meine  bei  klimakterischen  Blutungen,  Uterusmyomen 
id  Osteomalazie  mittels  Röntgenstrahlen  erzielten  Erfolge  habe  ich 
uf  dem  VI.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft  1911  he¬ 
chtet.  Ich  hielt  mich  damals  ganz  an  die  Albers-Schön- 
ergsche  Methode  und  erzielte  dabei  in  ca.  70  Proz.  der  Fälle  Er- 
)lge.  Die  Resultate  sind  inzwischen  bessere  geworden,  da  ich 
iniges  aus  der  verbesserten  Technik  der  verschiedensten  Forscher 
ür  zu  eigen  machte.  Bezüglich  etwaiger  Hautschädigungen  konnte 
:h  noch  vor  einigen  Wochen  in  der  Gynäkologischen  Gesellschaft 
rklären,  dass  ich  bei  meinen  tausenden  Bestrahlungen,  die  ich  im 
.aufe  der  Zeit  ausgeführt,  niemals  ein  Erythem  ernsterer  Natur 
esehen  habe.  Nun  ist  die  Patientin,  von  der  Herr  Geheimrat 
>ö der  lein  soeben  berichtete,  in  meiner  röntgenologischen  Be- 
andlung  gewesen.  Zur  objektiven  Beurteilung  des  Falles  bedarf  es 
idessen  wohl  einiger  weiterer  Angaben.  Patientin  wurde  mir  im 
lai  v.  J.  von  ihrem  Hausarzte  mit  dem  zugezogenen  Gynäkologen, 
inem  hiesigen  Universitätsprofessor,  zur  Bestrahlung  zugewiesen, 

!a  alle  Mittel,  auch  eine  im  Februar  1912  vorgenommene  Aus- 
ratzung,  bezüglich  der  Blutungen  erfolglos  gewesen.  In  2  Serien 
rurde  im  Juni  und  Juli  bestrahlt  mit  dem  Erfolge,  dass  vom  August 
b  die  Menstruation  sistierte.  Bestrahlt  wurde  nach  Alb  er  s- 
bchönberg  an  Bauch  und  Rücken,  Entfernung  oben  30  cm, 

|  nren  22—24  cm.  an  jeder  Stelle  ca.  14—15  x  verabfolgt,  gemessen  mit 
lolzknecht-Sabouraud.  Lederfilter  von  5  mm  Dicke.  Kein  Erythem, 
icht  einmal  Bräunung  der  Haut.  Im  November  und  Dezember  be- 
| and  sich  Patientin  auswärts,  wo  erneute  Blutungen  auftraten.  Daher 
mfang  Januar  4  weitere  Bestrahlungen,  ganz  unter  denselben  Be¬ 
ingungen,  dieselbe  Entfernung,  dieselbe  Dosis,  nur  statt  5  mm  I.eder- 
ilter  unter  3  mm  Aluminiumfilter,  da  wir  wissenschaftlich  davon  aus- 
i  ringen,  dass  Aluminium  besser  filtriere  als  Leder.  Weil  nach 
Schatz  1  mm  Aluminium  —  13  mm  Leder,  geschah  diesmal  die 
Bestrahlung  noch  unter  ungleich  grösserer  Filtration  der  weichen 
Prahlen.  Trotzdem  die  von  Herrn  Geheimrat  Döderlein  ge¬ 


schilderten  Schädigungen  der  Haut.  Nun  ist  aber  des  in  diesem 
Falle  auserordentlich  wichtigen  Faktums  keine  Erwähnung  getan,  dass 
Patientin  an  Diabetes  leidet  und  dass  bei  Zuckerkranken  die  Dis¬ 
position  zu  einer  Hautschädigung  von  vornherein  grösser  ist.  dürfte 
doch  wohl  allbekannt  sein,  wobei  das  labile  Nervensystem  unserer 
Patientin  —  sie  gibt  auch  an,  an  Herzstörungen  zu  leiden  —  ganz 
ausser  Betracht  bleiben  soll.  Herr  Geheimrat  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  schil¬ 
dert*):  »•  •  •  cs  traten  streifenförmige  Rötungen  am  Kreuzbein  auf, 
die  wir  anfangs  als  Folgen  des  Druckes  der  Unterlage  ansahen  und 
denen  wir  wenig  Bedeutung  beilegten.  Schon  nach  wenigen  Tagen 
aber  bekam  Patientin  eine  ausgedehnte  Rötung  am  Kreuzbein  .  .  . 
Uebergreifen  noch  vorne  .  .  .“  Welcher  objektive  Beobachter  denkt 
da  nicht  sofort  an  die  leicht  lädierbare  Haut  der  Zuckerkranken,  wo 
erfahrungsgemäss  das  verschobene  Hemd  hinten  und  der  Druck  der 
Bettdecke  vorne  schwere  Hautveränderungen  hervorrufen  kann.  Bei 
unserer  Patientin  kommt  noch  hinzu,  dass  sie  seit  2  Monaten  fast 
ununterbrochen  blutete.  So  stark  ausgeblutete  Patienten  haben  auch 
ohne  Diabetes  eine  recht  empfindliche  Haut.  Es  kommt  ferner  hinzu, 
dass  die  Patientin  gleich  nach  der  Bestrahlung,  die  diesmal  keinen 
Erfolg  hatte,  in  die  Klinik  transportiert  und  dort  operiert  wurde 
(Auskratzung),  was  bei  einer  Diabetikerin  mit  ohnedies  labilem 
Nervensystem  doch  einen  gewissen  Nervenschock  zur  Folge  hat. 
Welche  Schädigungen  chemischer  oder  thermischer  Natur  (heisse 
Bäder,  Waschungen  etc.,  bei  Nichtdiabetikern  ganz  harmlose  Dinge!) 
die  Patientin  sonst  getroffen  haben  können,  entzieht  sich  meiner 
Beurteilung.  Von  einer  Ueberdosierung  kann  selbstverständlich  keine 
Rede  sein,  denn  15  x  repräsentieren  ungefäsr  den  3.  Teil  der  ins¬ 
besondere  bei  der  Aluminiumfiltration  erlaubten  Strahlenmenge,  zu¬ 
mal  Patientin  ein  halbes  Jahr  vorher  dieselbe  Menge  bei  in  Bezug  auf 
Hautschutz  viel  weniger  wirksamer  Lederfiltration  ertragen  hatte. 
Die  übrigen  Bedingungen,  parallele  Funkenstrecke,  Amperemeter, 
M-Amperemeter,  Messung  nach  Holzknecht-Sabouraud  sind 
immer  dieselben  geblieben,  wie  aus  meinen  schriftlichen  Aufzeich¬ 
nungen  zu  ersehen  ist.  —  Die  Schilderungen  des  Herrn  Geheimrat 
Döderlein  bezüglich  etwaigen  Verschuldens  des  Röntgenthera¬ 
peuten  scheinen  mir  auch  im  allgemeinen  etwas  zu  schwarz  gemalt 
zu  sein.  So  strenge  urteilt  ja  nicht  einmal  das  Reichsgericht,  das 
deutlich  in  einer  Entscheidung  zum  Ausdruck  gebracht  hat,  dass  der 
Röntgenologe  „zur  Anwendung  der  nach  dem  jeweiligen  Stande  der 
Röntgenwissenschaft  bestehenden  Vorsichtsmassregeln  verpflichtet 
ist.“  Wenn  man  die  besten  Apparate,  die  die  Technik  herstellen  lässt, 
besitzt  und  die  anerkannten  Messmethoden  beherrscht,  ist  man  vor 
seinem  Gewissen  gerechtfertigt.  Im  übrigen  stimme  ich  ganz  mit 
Herrn  Prof.  Klein  überein,  dass  sich  mit  Sicherheit  ein  Erythem 
wohl  nie  ganz  wird  ausschliessen  lassen  trotz  aller  Vorsichtsmass¬ 
regeln.  Wird  doch  berichtet,  dass  nach  einer  Kopfaufnahme  ein 
Haarausfall,  nach  einer  Thoraxdurchleuchtung  Erythem  auf  der 
Brust  aufgetreten  ist,  so  dass  der  Begriff  der  Idiosynkrasie  wohl 
nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen  sein  dürfte.  Sehen  wir  doch 
auch  sonst,  dass  z.  B.  nach  einer  Sublimatinjektion  schwerste  zum 
Tode  führende  Enteritis  eintritt,  während  in  anderen  Fällen  10  bis 
20  Injektionen  anstandslos  ertragen  werden.  —  Von  Herrn  Kollegen 
Kaestle  haben  Sie  soeben  gehört,  dass  auch  bei  Anwendung  der 
besten  Messapparate  beim  Ablesen  bei  durchaus  Geübten  eine 
Differenz  von  33  Proz.  sich  ergeben  kann.  Dass  diese  Differenz  bei 
den  grossen,  auch  von  Döderlein  adoptierten  Dosen  der 
Freiburger  Klinik  verhängnisvoller  werden  muss,  wie  bei  den 
kleinen  Albers-Schönbergs,  liegt  wohl  auf  der  Hand. 
Obwohl  ich  bei  meinen  Bestrahlungen  die  Dosis  von  20  x 
kaum  überschritten  haben  dürfte  —  zahlreich  wurde  dieselbe  an¬ 
standslos  ertragen  — ,  sah  ich  doch  noch  in  2  weiteren  Fällen  leichte 
Erytheme,  von  denen  das  eine  allerdings  ohne  Berufsstörung  in  zirka 
8  Tagen,  allein  unter  Einpuderung,  glatt  abheilte.  Da  ich  in  früheren 
Jahren  bei  Einhalten  der  Albers-Schönberg  sehen  Maximal¬ 
dose  von  10  x  niemals  auch  nur  die  geringste  Hautschädigung  ge¬ 
sehen  hatte,  bin  ich  selbst  auf  die  Gefahr  hin,  dass  die  Behandlung 
jetzt  etwas  länger  dauert,  zu  dieser  Dosis  wieder  zurückgekehrt. 
Ich  kompensiere  die  so  etwas  länger  dauernde  Behandlungszeit  da¬ 
durch,  dass  ich  jetzt  unter  denselben  Kautelen  gleichzeitig  mit  einem 
zweiten  Apparate  von  zwei  Seiten  bestrahle.  Auf  der  Bauchseite 
bestrahle  ich  4  Felder,  von  beiden  Seiten  je  eines  und  hinten  eines, 
in  Summa  7  Felder,  so  dass  ich  im  ganzen  70  x  verabfolgen  kann, 
womit  sich  recht  gute  Resultate  erzielen  lassen.  Das  letzte  kinds¬ 
kopfgrosse  Myom,  das  ich  bestrahlte,  schwand  schon  nach  ca.  50  x 
unter  Eintreten  von  Amenorrhoe.  Es  ist  doch  auch  sonst  in  der 
Medizin  nicht  üblich,  grössere  Dosen  anzuwenden,  wenn  man  mit 
kleineren  zum  Ziele  kommt.  Wozu  also  500  x  oder  gar  mehrere 
tausende  hineinsenden,  wenn  ev.  schon  50  x  genügen?  Die  bei  so 
grossen  Dosen  von  französischen  Forschern  mikroskopisch  nachge¬ 
wiesene  Schädigung  der  Darmepithelien,  Zotten,  Lieberkühn- 
schen  Drüsen  etc.  gibt  doch  zu  denken  Anlass. 

Herrn  Prof.  Klein  möchte  ich  entgegnen,  dass  das  jugendliche 
Alter  bei  den  Myompatienten  keine  Kontraindikation  für  die  Be- 


*)  Bei  der  Durchsicht  des  Korrekturbogens  nehme  ich  Anlass 
zu  konstatieren,  dass  Patientin  12  Tage  nach  dieser  Schilderung  aus 
der  Klinik  entlassen  wurde  und  kurz  darauf  in  Feldafing  längere  Zeit 
verweilte.  Demnach  scheint  diese  „schwere  Röntgenschädigung“ 
zur  Abheilung  gelangt  zu  sein. 


98 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF 


No.  2 . 


Strahlung  bietet.  Mein  jüngstes,  unter  Oligorrhöe  zum  Verschwinden 
gebrachtes  Myom  gehört  einer  Patientin  von  28  Jahren  an.  Aus  der 
Literatur  sind  Fälle  bekannt  geworden,  dass  solche  Kranke  nach 
Jahren  gesunde  Kinder  zur  Welt  gebracht  haben. 

c  .  Pie  Karzinombestrahlungen  des  Herrn  Prof.  Klein  in  Gemein¬ 
schaft  mit  Herrn  Kollegen  Eltze  aus  früheren  Jahren  waren  uns 
h.er  m  München  wohl  bekannt.  Das  Geschick,  nicht  zitiert  worden 
zu  sein,  teilt  er  mit  Herrn  Kollegen  Deutsch,  der.  als  Erster  über- 
haupt,  schon  1904  Myome  bestrahlte,  was  ausdrücklich  auf  dem  vor¬ 
letzten  Rontgenkongresse  von  Prof.  Albers-Schönberg  kon¬ 
statiertwurde  gegenüber  der  aufgestellten  Behauptung,  ein  Franzose 
nabe  als  Erster  sich  mit  Myombestrahlungen  befasst. 

Herr  v.  S  e  u  f  f  e  r  t :  Die  Verwendung  von  Strahlen,  die  weniger 
als  mit  3  mm  Aluminium  gefiltert  sind,  ist  unheimlich.  Wir  ver¬ 
wenden  3  mm  Alumimumfilter  und  ebenso  die  Freiburger  Klinik  und 
wir  wissen  auch  genau,  warum  wir  nicht  schwächere  Filter  nehmen- 
denn  m  Freiburg  haben  sie  mit  1mm  und  mit  2  mm-Aluminiumfilter 
noch  Hautschadigungen  erlebt,  mit  3  mm  dagegen  trotz  der  grossen 
Zahl  der  so  bestrahlten  Fälle  niemals.  Auch  die  in  letzter  Zeit 
so  gerne  gegen  die  gynäkologische  Röntgentherapie  ins  Treffen  ge- 
nihrten  Falle  von  „Spätverbrennungen“  lassen  die  Filtrierung  mit 
wenigstens  3  mm  Aluminium  ratsam  erscheinen;  denn  beim  genauen 
Studium  dieser  Fälle  findet  man,  dass  stets  schwächere  Filter  ver¬ 
wendet  wurden,  so  in  dem  am  meisten  bekannt  gewordenen  Falle 
von  Isserlin  ein  Filter  von  1  mm  Aluminium.  Von  „Spätverbren- 
nungen“  nach  Bestrahlungen  mit  3  mm-Aluminium-  oder  gleich¬ 
wertigen  Filtern  hat  man  dagegen  bisher  in  keinem  einzigen 
Falle  gehört. 


Was  die  zur  Erzielung  der  Amenorrhoe  nötige  Strahlen  menge 
betrifft,  so  sind  auch  wir  davon  überzeugt,  dass  in  manchen  Fällen 
schon  50,  ja  nur  20  x  genügen  würden.  Da  wir  aber  bei  der  ersten 
Bestrahlung  n  i  e  wissen  können,  ob  ein  solcher  Fall  vorliegt  und  in 
jedem  Falle  mit  einer  so  geringen  Dosis  eine  Reiz  Wirkung 
erzeugen  und  damit  gefährliche  Blutungen  hervorrufen  können,  so 
zwingt  uns  schon  der  oberste  therapeutische  Grundsatz,  nil  nocere, 
in  jedem  Falle  sofort  eine  Dosis  zu  geben,  von  der  wir  möglichst 
sicher  sind,  dass  sie  wenigstens  keine  schädliche  Reizwirkung  aus¬ 
löst  und  diese  Dosis  liegt  um  200  x.  Eine  Maximaldosis  ist  dies 
übrigens  noch  lange  nicht,  denn  wir  können  mit  unserem  Instrumen¬ 
tarium  auch  die  doppelte  Dosis  und  mehr  in  der  ersten  Sitzung  ein¬ 
verleiben  und  zwar  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  ohne  toxische 
Wirkungen.  Ob  und  wie  oft  wir  mit  unseren  vielen  Feldern  die 
Ovarien  treffen,  können  wir  nicht  beweisen.  Vorläufig  muss  uns  die 
Tatsache  genügen,  dass  wir  bisher  stets  mit  unserer  Methode  d°n 
gewünschten  Erfolg  erreicht  haben. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  13.  Februar  1913. 
Vorsitzender:  Herr  Kraus. 


Herr  J.  Kraus  demonstriert: 

1.  einen  Mann,  dem  am  15.  Januar  1913  ein  etwa  400  g  schweres 
Ahornstiick  von  der  Kreissäge  gegen  das  linke  Auge  geschleudert 
worden  war.  Durch  den  heftigen  Anprall  stürzte  der  Verletzte  so- 
fort  zusammen,  konnte  sich  aber  rasch  wieder  erheben.  Etwa 
stunden  nach  dem  Unfall  sah  K.  den  Patienten  zum  ersten  Male. 
Dicht  unterhalb  der  inneren  2/a  der  Augenbraue  eine  seichte,  leicht 
gelappte  Hautwunde,  Augenlider  suggilliert,  subkoniunktivale  Blu- 
tungen,  massiger  Exophthalmus,  Kornea.  Iris  intakt,  Linse  an  Ort  und 
„  e,\  PuP'lle  mittelweit,  starr.  Ophthalmoskopisch  ausgedehnte 
präretinale  und  retinale  Blutungen,  besonders  in  der  Papillengegend, 
Papille  selbst  nicht  zu  sehen.  Bulbusbewegungen,  besonders  nach 
oben  und  unten  schmerzhaft,  erscheinen  nicht  gestört.  Da  keinerlei 
Lichtempfindung  vorhanden,  sich  auch  in  den  folgenden  Tagen  keiner¬ 
lei  Besserung  einstellte,  musste  die  Diagnose  Verletzung  bezw.  Zer- 
reissung  des  Optikus  gestellt  werden,  und  zwar  wurde  dieselbe  nahe 
ciem  üptikuseintritt  in  den  Bulbus  angenommen  wegen  der  wohl 
sicherlich  nach  dem  Spiegelbild  vorliegenden  Gefässzerreissungen  am 
Üptikuseintritt.  Line  Verletzung  des  Optikus  im  knöchernen  Kanal 
erschien  ausgeschlossen,  da  für  eine  Schädelbasisfraktur  keinerlei  An¬ 
haltspunkte  gegeben.  Mit  der  zunehmenden  Resorption  der  Blu¬ 
tungen  kam  allmählich  an  Stelle  der  Papille  ein  weisser  Schimmer 
zum  Vorschein,  doch  ist  erst  jetzt  die  ursprüngliche  Optikuseintritts¬ 
stelle  zum  grössten  Teil  zu  übersehen.  Im  umgekehrten  Bild  sieht 
man  ein  nicht  absolut  scharf  begrenztes,  weisses  Oval,  in  dem  die 
mittlere  Partie  einen  mehr  grauen  Farbenton  hat.  Gefässe  sieht  man 
nur  am  unteren  inneren  Rand  austreten,  über  der  Austrittsstelle  noch 
eine  kleine  Blutung  von  derselben  Gegend  zieht  in  den  auch  sonst 
grosse  gefoi  mte  I  riibungen  zeigenden  Glaskörper  ein  schlauchartiges 
icbilde,  das  wohl  mit  Bestimmtheit  als  ein  abgerissenes  Retinalgefäss 
anzusehen  ist,  das  flottierend  nach  vorne  zieht.  Oben  innen  am  Rand 
der  Optikuseintrittsstelle  noch  grössere  Blutungen,  am  oberen  Rand 
irische  chorioretimtische  Veränderungen,  zwischen  denen'  die  Sklera 
durchschimmert.  Gefässe,  die  nach  oben  innen  und  oben  aussen  von 
p'f"’  sind  nicht  zu  entdecken.  Das  ophthalmoskopische 
®‘ld  d.er  p  apiIle  entspricht  einer  Kolobombildung  des  Optikus.  Dia¬ 
gnose.  „Ruptur  des  Optikus  dicht  am  Eintritt  in  den  Bulbus  durch 


stumpfe  Gewalt  .  Die  Hautwunde,  die  anfangs  eiterte,  heilte  mi 
dui-ch  Granulation,  Lid  ebenso  wie  Bulbus  vollkommen  normal  be 
weglich.  Sensibilität  der  Kornea.  Nach  völliger  Resorption  alle 
Blutungen  soll  Patient,  nochmals  demonstriert  werden. 

2.  einen  Mann,  der  im  Jahre  1905  wegen  einer  Episkleritis  in  Be 
nand  ung  kam  Die  damals  vorgenommene  Spiegeluntersuchung  er 
gab  beim  Blick  ganz  nach  rechts  das  Vorhandensein  eines  breite 
weissgrauen  Stranges,  der  gleich  der  Sehne  eines  Bogens  durch  de 
rlaskorper  zog.  Um  die  weiter  rückwärts  gelegene  Ansatzstelle  de 
Narbenstranges  war  ein  Pigmentbaum  und  alte  kleine  chorioret, 
mtische  Herde  zu  sehen,  die  nach  vorne  gelegene  Insertionsstelle  de 
Narbenstranges  war  auch  nach  Atropinisation  nicht  zu  sehen  Au 
Grund  dieses  Spiegelbefundes  stellte  K.  die  Frage,  ob  Patient  frühe, 
eine  Verletzung  erlitten  habe,  die  bejaht  wurde.  Im  Jahre  1889  se 
ihm  ein  Eisensphtter  ins  Auge  geflogen,  der  Splitter  aber  nicht  ge 
runden  worden  Angestellte  Sideroskopuntersuchung  positiv.  Die 
Lintrittsstelle  des  Splitters  muss  in  der  Sklera  gelegen  sein,  sie  is< 

wC^LmeJiri  ffU  erkenn^n-  zudem  besteht  eine  massige  Pinguecula 
o  der  -  Phtter  zu  suchen,  war  nach  dem  ophthalmoskopischen  Bilde 
klar,  nämlich  ausserhalb  des  Bulbus  in  der  Nähe  des  Rectus  externus 
also  doppelte  Perforation  des  Bulbus.  Inzision  der  Bindehaut  über 
der  Insertion  des  Rectus  externus.  Durchtrenen  der  Tennonschen 
Kapsel,  Einfuhren  des  grossen  Handmagneten  mit  spitzem  Ansatz 
Mit  demselben  wird  der  in  Narbengewebe  eingebettete  Splitter  nach 
vorne  gezerrt,  mit  der  Schere  abgetrennt,  Naht  der  Bindehautwunde 
Nach  der  Operation  waren  die  bei  seitlicher  Bewegung  des  Bulbus 
angegebenen  leichten  Schmerzempfindungen  geschwunden,  die  Ept 
skleritis  heilte  bald,  ist  aber  in  der  Zwischenzeit  wieder  zweimal 
wiedergekehrt  und  hat  mit  dem  Unfall  nichts  zu  tun.  Patient  ist 
Rheumatiker  und  leidet  an  chronischer  Nephritis. 

3.  einen  aus  kosmetischen  Gründen  entfernten  Bulbus  mit  hoch- 
gradiger  Staphylombildung. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  Juni  1913. 


Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Hirsch  demonstriert  einen  Fall,  bei  dem  koxitische  Er¬ 
scheinungen  durch  eine  Nadel  verursacht  wurden,  die  4  Wochen 

RöiftgeYbUdes')105  'm  Mastdarm  gelegen  hatte.  (Demonstration  des 

rpfi^L^2-11  ?e™erk*  9.err  Rott.er-  dass  Koxitiserscheinungen  häufig 
i  eilektonsch  durch  Fissura  ani  bedingt  werden. 

Dazu  Herr  F u  1  d  und  Herr  Hirsch. 

Herr  Silber  st  ein:  Zur  Behandlung  der  Kniegelenksankylose. 

Nach  einer  seit  10  Jahren  geheilten  Osteomyelitis  hatte  sich  eine 
rechtwinklige  Ankylose  des  Kniegelenkes  eingestellt.  (Kinemato- 
graphische  Demonstration  des  Ganges.)  Der  operative  Erfolg  ist  ein 
sehr  günstiger.  (Patientendemonstration.) 

Heir  Paul  Lazarus  demonstriert  eine  Patientin  mit  Magen- 
iiicus,  die  mit  glanzendem  Erfolge  mit  der  E  i  n  h  o  r  n  sehen  Duodenal¬ 
sonde  7  Wochen  hindurch  ernährt  worden  ist.  Es  war  fast  Vs  des 

|0.m-rpWnhteo  X0rhr5r  Zl!  Verll,st  gegangen,  der  Zustand  also  be- 
™  ;ch-  5urcb  die  Kur  deren  Indikationen  vielseitig  sind,  wurden 
-7  I  fund  Zunahme  erzielt.  Nach  der  Behandlung  war  die  Ptosis 
des  Magens  vermindert. 

-  •  9a5u  demonstriert  Herr  Kuhn  seine  auf  einer  Wirkung  einer 
Spiralfeder  beruhende  Duodenalsonde.  der  gegenüber  Herr  Lazarus 
die  absolute  Ungefahrhchkeit  der  Einhornsonde  betont. 


Tagesordnung. 

,  Max  Cohn:  Die  atmosphärische  Luft  in  der  Bauchhöhle 
nach  Abdominaloperationen.  (Kurze  Mitteilung  mit  Lichtbildern.) 

, e.'  yor*[a£ende  weist  darauf  hin,  dass  bei  Bauchoperationen 
sehi  leicht  grossere  Mengen  von  Luft  in  die  Bauchhöhle  gelangen 
können.  Ebenso  kann  es  bei  Pneumothoraxoperationen  bei  sogen. 

Cr  .9unktlon  dazu  kommen,  dass  Luft  in  die  Bauchhöhle 
S  an?.'  die  sicb  dann  bei  aufrechter  Stellung  zwischen  Leber  und 
SwfPhfe  ar,sfmme  t.  Der  Vortragende  zeigt  das  Röntgenbild  eines 
derartigen  Fal  es.  Im  Abdomen  herrscht  nach  Ansicht  des  Vortr. 
positiver  Druck,  und  als  Beweis  dafür  sieht  er  an,  dass  aus  einer 
n-c*  Bauchwunde  sich  die_  Eingeweide  von  selbst  hei  vordrängen. 
Die  stelle  an  der  die  Luft  sich  in  der  Bauchhöhle  findet,  steht  mit 
dem  spezifischen  Gewicht  der  Luft  in  Verbindung.  Beim  Stehen 
steigt  sie  stets  in  den  hyperphrenischen  Raum.  Die  demonstrierten 
Rontgenbdder  beweisen,  dass  nicht  jede  im  Abdomen  beobachtete 
1 }  mpanie  aut  Meteorismus  beruht. 

9J.  s,k  11  *  s  i  °  n  ’  Herr  Levy-Dorn  hat  nach  Bauchoperationen 
harmlos"  Phanome,le  beobachtet  und  erklärt  dieselben  meist  als 

Herr  Hammerschlag:  Ueber  Abortbehandlung. 

Es  ist  eine  weitverbreitete  irrige  Ansicht,  bei  jeder  Blutung 
uii  leginnenden  Schwangerschaft  die  Abortausräumung  vorzunehmen. 
Fieitz  und.  Fromme  haben  derartige  Blutungen  exspektativ  be- 
nanctelt  und  haben  über  den  Ausgang  derartiger  Blutungen  folgende 
Beobachtungen  angestellt.  Sie  erhielten  dabei  in  35,4  Proz  ein 
Kmd  und  in  31  Proz.  sogar  ein  ausgetragenes  Kind,  und 
<.nla,r  ,hattfnt-  d‘e  Blutungen  zum  I  eil  sehr  lange  gedauert,  zum  Bei- 
I  ^  mal  o  läge,  5  mal  2  Wochen,  7  mal  5 — 7  Wochen  und  mehr- 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1299 


fach  sogar  mehrere  Monate.  Auch  wiederholte  Blutungen  waren  zu 
beobachten.  Als  Kriterium,  ob  ein  Abort  eintreten  wird  oder  nicht, 
st  das  Verhalten  des  inneren  Muttermundes  zu  betrachten.  Ist  auch 
dieser  geöffnet,  so  ist  durch  exspektative  Behandlung  der  Abort  nicht 
aufzuhalten.  Das  gleiche  wie  die  Oeffnung  des  inneren  Muttermundes 
beweisen  abgegangene  Teile,  die  jedoch  vom  Arzt  selbst  zu  sehen 
sind.  Beim  Absterben  der  Frucht,  beim  sog.  Missed  Abort,  ist  es 
meist  nicht  nötig,  die  Schwangerschaft  zu  unterbrechen.  Nur  bei 
Komplikation  hat  in  solchen  Fällen  die  Behandlung  aktiv  zu  sein, 
lieber  die  Behandlung  des  septischen  Abortes  gehen  die  Ansichten 
ebenfalls  sehr  weit  auseinander.  Sicher  ist,  dass  eine  aktive  Therapie 
oft  zum  Exitus  an  Septikopyümio  führt.  Winter  hat  den  Satz  auf¬ 
gestellt.  dass  man  beim  Nachweis  hämolytischer  Streptokokken  jede 
aktive  Therapie  zu  unterlassen  hat.  Er  geht  beim  septischen  Abort 
jetzt  stets  exspektativ  vor  und  hält  die  hämolytischen  Streptokokken 
für  die  gefährlichsten.  Die  Statistik  Winters  ist  die  folgende: 
Bei  aktivem  Vorgehen  beim  Abort  hatte  er  9,8  Proz.  Mortalität; 
handelte  es  sich  um  hämolytische  Streptokokken  31,2  Proz.  Bei 
exspektativem  Verhalten  waren  bei  53  Fällen  keine  Todesfälle  zu 
verzeichnen,  unter  diesen  befanden  sich  11  hämolytische.  Bei  ex¬ 
spektativem  Verhalten  ist  die  Menge  der  in  die  Blutbahnen  über¬ 
gehenden  Keime  gering,  und  dies  kann  die  günstigen  Erfolge  Win¬ 
ters  erklären.  Jedoch  ist  hervorzuheben,  dass  nicht  alle  Autoren 
gleicher  Ansicht  sind,  und  B  o  n  d  y  sagt  zum  Beispiel  ausdrücklich, 
dass  der  bakteriologische  Befund  hämolytischer  Streptokokken  durch¬ 
aus  nicht  mit  dem  klinischen  Ausgang  konform  geht.  Schliesslich 
demonstriert  er  die  W  i  n  t  e  r  sehe  Abortzange,  die,  richtig  an¬ 
gewendet,  nach  ihm  ein  wertvolles  Instrument  ist. 

Diskussion:  Herr  Qottschalk  hat  bei  septischem  Abort 
von  einem  schonenden  Eingriff  von  anderen  Verfahren  niemals  Scha¬ 
den  gesehen;  unter  den  gegebenen  Indikationen  hält  er  die  Win¬ 
ter  sehe  Abortzange  für  unnötig,  und  eine  schonende  Kürettage  für 
nicht  gefährlich  und  für  ein  gutes  Mittel,  sitzengebliebene  septische 
Teile  zu  entfernen.  Wolff-Eisner. 


Wissenschaftl.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  9.  Mai  1913. 

Herr  S  c  h  1  o  f  f  e  r: 

a)  Bericht  über  einen  Fall,  bei  welchem  er  vor  16  Jahren  eine 
Zelluloidplatte  zum  Ersatz  der  vorderen  Wand  der  Stirnhöhle  ein¬ 
gesetzt  hatte  und  die  heute  noch  unverändert  im  Gewebe  sitzt. 

b)  Bericht  über  einen  Fall  von  akuter  Nephritis  mit  Anurie, 
welche  sich  im  Anschluss  an  eine  Angina  entwickelt  hatte.  Wegen 
Versagens  aller  Mittel,  die  Harnsekretion  anzuregen,  wurden  beide 
Nieren  dekapsuliert.  Beide  Nieren  waren  etwas  grösser, 
kongestioniert,  die  Fettkapsel  serös  durchtränkt,  die  Kapsel  leicht  ab¬ 
lösbar,  die  Nierenoberfläche  grob  granuliert.  Die  histologische  Unter¬ 
suchung  eines  exzidierten  Nierenstückchens  ergab  das  Bild  einer  Glo¬ 
merulonephritis.  Nach  der  Operation  stellte  sich  die  Nierensekretion 
wieder  ein.  Der  Harn  ist  jetzt  klar,  enthält  Spuren  von  Eiweiss,  je¬ 
doch  keine  Zylinder.  Die  Hemiplegie,  die  schon  vor  Auftreten  der 
Nephritis  bestanden  hatte,  dauert  unverändert  fort,  sonst  ist  jedoch 
die  Patientin,  die  wohl  ohne  Operation  ihrer  Nephritis  erlegen  wäre, 
gesund. 

c)  Ueber  Förster  sehe  Operation  bei  spastischen  Lähmungen. 
Besprechung  der  theoretischen  Grundlagen  und  der  Technik  der 
Förster  sehen  Operation  und  Demonstration  einschlägiger  Fälle. 

Herr  E.  Kraus:  Sphärolithe  in  der  Schilddrüse. 

ln  einem  hühnereigrossen  Adenom  der  Schilddrüse  waren  viele 
doppelbrechende  Konkremente  zu  finden.  Diese  hatten  meist  Linsen¬ 
oder  Kugelform,  erreichten  eine  Grösse  von  150  /j  und  zeigten  eine 
grosse  Mannigfaltigkeit  in  ihrem  Aussehen.  Es  handelte  sich  um 
Kalziumkarbonate  und  -phosphate.  Die  Ursache  der  Konkrement¬ 
bildung  dürfte  in  einer  abnormen  Beschaffenheit  des  von  krankhaftem 
Tumorgewebe  gelieferten  Kolloids  oder  in  einer  sekundären  Verände¬ 
rung  desselben,  z.  B.  durch  Eindickung,  zu  suchen  sein. 

Herr  Elschnig:  Ueber  das  menschliche  albinotische  Auge. 

Die  genaue  anatomische  Untersuchung  der  Augen  eines  voll¬ 
kommen  albinotischen  Mädchens  hat  ergeben,  dass  das  gesamte  Pig¬ 
mentepithel  des  Auges,  ebenso  wie  die  in  das  Uvealgewebe  ein¬ 
gestreuten  Klumpenzellen  von  feinstkörnigem  und  im  Iris-  und  Ziliar¬ 
körperbereich  auch  grobkörnigem,  aber  sehr  blassem  Pigment  in  wech¬ 
selnder  Intensität  eingenommen  ist.  dass  aber  jede  Spur  nadelförmi¬ 
gen  Pigmentes  im  Pigmentepithel  fehlt.  Eine  Fovea  centralis 
fehlt.  Im  zentralsten  Bereiche  ist  die  Ganglienzellenschichte  wie 
im  normalen  Auge  am  Rande  der  Fovea  verdickt,  die  äussere  Kör¬ 
nerschicht  ist  mit  der  äusseren  granulierten  Schicht  zu  einer  ausser¬ 
ordentlich  schütter  kernhaltigen  Schicht  verschmolzen;  die  übrigen 
Schichten  sind  unverändert.  Den  Zapfen  sind  auch  im  Zenrtum 
Stäbchen  zwischengelagert.  Auch  die  ophthalmoskopischen  Beobach¬ 
tungen  (auch  mit  dem  Gullstrand  sehen  Ophthalmoskop)  an 
sechs  Albinos  scheinen  das  regelmässige  Fehlen  der  Fovea  im 
albinotischen  Auge  zu  bestätigen.  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  23.  Mai  1913. 

Privatdozent  Dr.  A.  Schiff  demonstriert  einen  Mann,  der  mit 
echter  Gicht  behaftet  ist.  Neben  schweren  chronisch-arthritischen 
Prozessen  an  den  Händen,  akuter  Arthritis  eines  Fussgelenkes,  Peri¬ 
ostitis  einer  Tibia,  Tophis  der  Haut,  der  Handrücken  und  Ohrmuschel 
sicht  man  am  Ober-  und  Unterschenkel  zahlreiche,  bis  über  nuss¬ 
grosse  Knoten,  welche  subkutan  gelegen  und  zumeist  unempfind¬ 
lich  sind;  nur  einzelne  Knoten  sind  schmerzhaft  und  von  geröteter 
Haut  bedeckt.  Die  Schnittfläche  eines  solchen  exzidierten  Knotens 
zeigt  eine  weissglänzende  Masse,  welche  die  Murexidreaktion  gibt, 
Eine  seltene  Lokalisation  der  Gicht. 

Privatdozent  Dr.  H.  N  e  u  m  a  n  n  stellt  aus  der  Augenklinik 
Fuchs  einen  Kranken  mit  sogen,  supranukleärer  Blicklähinung  vor. 
Pat.  weist  zerebellare  Ataxie  der  linken  oberen  Extremität,  hoch¬ 
gradige  Gleichgewichtsstörungen,  Blicklähmung  etc.  auf.  Er  ist  über¬ 
dies  nicht  imstande,  die  Augen  konjugiert  in  die  Endstellung  zu 
bringen,  es  folgt  aber  mit  seinen  Augen  einem  vorgehaltenen,  sich 
bewegenden  Gegenstände  (Finger,  Bleistift)  und  vermag  dann  die 
Augen  konjugiert  bis  in  den  lateralen  Augenwinkel  zu  bringen.  Durch 
Drehen  auf  dem  Drehstuhle  kann  man,  was  auch  für  die  Diagnose 
wichtig  ist,  nur  die  langsame  Phase  eines  Nystagmus  erzeugen,  was 
der  Vortr.  eingehend  bespricht. 

Diskussion:  Prof.  Dr.  Sachs. 

Dr.  Hans  König  st  ein  stellt  einen  Fall  von  Xeroderma  pig¬ 
mentosum  Kaposi  vor. 

Professor  Dr.  Ranzi  zeigt  einen  Mann,  beii  welchem  vor 
2Vs  Jahren  ein  Akustikustumor  entfernt  wurde.  Die  Krankheits¬ 
erscheinungen  waren  damals:  Kopfschmerzen,  Stauungspapille,  voll¬ 
kommene  Taubheit  und  leichte  Fazialisparese  links,  horizontale  Ataxie, 
schwankender  Gang  etc.  Der  Tumor  (Fibrosarkom)  war  walnuss¬ 
gross  und  wurde  in  Stückchen  entfernt.  Der  Mann  ist  jetzt  arbeits¬ 
fähig,  die  Ataxie  ist  geschwunden,  der  Gang  fast  normal;  die  links¬ 
seitige  Taubheit,  Fazialisparese  und  der  Nystagmus  sind  unverändert, 
der  Visus  ist  besser. 

An  der  chirurgischen  Klinik  v.  Eiseisberg  wurden  bisher  mit 
der  Diagnose  eines  Tumors  des  Kleinhirnbrückenwinkels  17  Fälle 
operiert,  von  welchen  13  starben,  und  zwar  2  nach  dem  ersten  Akt. 
In  15  Fällen  wurde  der  Tumor  exstiirpiert.  In  11  Fällen  war  der 
Tumor  über  eigross,  es  Überstand  nur  ein  Fall  die  Operation  (seit 
3%  Jahren  geheilt);  von  4  Fällen  mit  kleinen  Tumoren  überlebten 
3  den  operativen  Eingriff.  Dass  die  Grösse  der  Tumoren  eine  wich¬ 
tige  Rolle  für  den  Erfolg  bedeutet,  das  hat  auch  Hildebrand 
in  seiner  bezüglichen  Arbeit  betont. 

Primararzt  Dozent  Dr.  Lotheisen  demonstriert:  1.  einen 
Mann,  der  mit  Lungenabszess  mit  Durchbruch  in  die  Pleura  behaftet 
war  und  durch  Blosslegung  der  apfelgrossen  Höhle  geheilt  wurde. 
In  einem  anderen  Falle  von  Lungengangrän  ging  nach  der  Operation 
ein  Lungensequester  ab,  der  einen  grossen  Teil  des  rechten  Unter¬ 
lappens  umfasste.  Alle  diese  Fälle  wurden  in  Lokalanästhesie  ope¬ 
riert. 

2.  Einen  Mann,  den  er  wegen  multipler  tuberkulöser  Darm¬ 
stenosen  zweimal  operierte,  wobei  mehr  als  die  Hälfte  des  Gesamt¬ 
darmes  ausgeschaltet  wurde,  ohne  dass  es  dem  Manne  schadete. 

Prof.  Dr.  P.  Clairmont:  Demonstrationen  zur  Magenresection 
wegen  Ulcus  ventriculi. 

Unter  Vorstellung  von  6  ehemaligen  Kranken  der  Klinik 
v.  Eiseisberg,  die  wegen  Magengeschwüren  mittels  Resektion 
behandelt  und  geheilt  wurden,  unter  ^Demonstration  von  zahl- 
reichen  Präparaten  und  statistischen  Tabellen  führt  der  Vortr. 
aus,  dass  an  besagter  chirurgischer  Klinik  in  den  letzten  Jahren 
immer  häufiger  bei  Magengeschwüren  die  Resektion  gemacht  wurde, 
weil  eben  die  Gastroenterostomien  keine  befriedigenden  Resultate 
lieferten.  Im  ganzen  wurden  46  Fälle  mit  verschiedenen  Methoden 
operiert.  9  Operierte  sind  gestorben.  Von  den  übrigen  37  Fällen 
wurden  29  geheilt,  je  2  blieben  ungeheilt,  resp.  sind  unbekannt  oder 
sie  verschlechtern  sich  nach  anfänglichem  Wohlbefinden.  2  Fälle 
sind  später  gestorben.  In  11  Fällen  wurde  die  Querresektion,  in 
37  die  Methode  Billroth  II  und  in  einem  Fall  Billroth  1  angewandt. 
Bei  der  Querresektion  sind  alle  Fälle  durchgekommen.  Die  Todes¬ 
ursache  war  6  mal  Peritonitis,  3  mal  akute  Blutung  aus  einem  Ulcus 
pepticum  oder  Stenosierung  im  Bereiche  der  Anastomose.  Die 
Heilungsresultate  bessern  sich  mit  den  Jahren.  Der  Vortr.  lesiimieit 
somit,  dass  man  bei  Geschwüren,  welche  nicht  am  Pylorus  sitzen, 
die  Resektion  ausführen  sollte,  bei  weit  vorgeschrittenen  Fällen 
aber  nur  die  Gastroenterostomie. 

An  der  Diskussion  beteiligten  sich  Dr.  Martin  Haudek, 
der  die  Fortschritte  der  Röntgendiagnostik  der  Magengeschwüre  be¬ 
sprach,  dann  Privatdozent  Dr.  Schur,  Prof.  Alex.  Fraenkel, 
Prof.  Schnitzler  und  der  Vortragende  selbst.  Prof.  Fraenkel 
empfahl  bei  Ulcus  am  Pylorus  und  an  der  kleinen  Kurvatur  die 
Gastroenterostomie  mit  sicherer  Pylorusausschaltung,  was  er  öfters 
mit  Erfolg  geübt  hat.  Prof.  Schnitzler  macht,  wie  v.  E  i  s  e  1  s  - 
b  e  r  g,  in  letzterer  Zeit  in  solchen  Fällen  gleichfalls  nur  die  Ouer- 
resektion  und  empfiehlt  die  Resektion  auch  für  die  Fälle  von  Ulcus 
ad  pylorum  an  Stelle  der  Gastroenterostomie.  Diese  sei  nur  für  Fälle 


1.300 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2. 


zu  icservieren,  welche  der  Resektion  unüberwindliche  technische 
Schwierigkeiten  darbieten. 

*  ro1-  K  D  a  stellt  aus  der  Klinik  v.  Noorden  zwei  Fälle  von 
starker  Wachstumsstörung  vor.  Im  ersten  Falle  handelte  es  sich 
uni  einen  9  jährigen  Knaben,  der  bis  zum  5.  Lebensjahre  wegen  aus¬ 
gesprochenen  Myxödems  nicht  wuchs,  geistig  sich  nicht  entwickelte 
etc  eine  1  hyreoidbehandlung  beseitigte  das  Leiden,  doch  zeigen 
sieb  noch  deutliche  Störungen  an  einzelnen  Knochen.  Die  Schild- 
dnisc  fehlt  hier  nicht  ganz,  da  man  die  Thyreoidüntabletten  seit 
.  Ja',re  nicht  mehr  reicht  und  myxödemartige  Erscheinungen  nicht 
wieder  aufgetreten  sind.  Im  zweiten  Falle  (15%  jähriger  Knabe) 
\ts  „t  eine  Dystrophia  adiposo-genitalis  wahrscheinlich  hypo- 
physarer  Natur  bei  chronischem  Hydrozephalus.  Bei  etwas  reich¬ 
licherem  Fettgehalt  der  Nahrung  treten  Fettstühle  auf. 


Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 


Sitzung  der  Pädiatrischen  Sektion  v  o  m  29.  Mai  1913. 

(Originalbericht.) 

E.  Mayerhoier  zeigt  ein  2%  Monate  altes  Kind  mit  Pyloro- 
spasmus.  Ls  wurde  14  Tage  nach  der  Geburt  abgestillt,  bekam  da¬ 
raut  Verdauungsstörungen  und  krampfartiges  Erbrechen  und  magerte 
hochgradig  ab.  Das  Kind  trank  gierig,  dann  traten  Magensteifung, 
Schmerzen  und  Erbrechen  ein.  Es  zeigte  subnormale  Temperaturen 
und  htt  an  Obstipation.  Durch  Magenspülungen  wurde  der  krampf- 
artige  Charakter  des  Erbrechens  beseitigt  und  es  wurde  seltener 
«i?  W1£d  mit  abgedrückter  Frauenmilch  und  Eiweissmilch  er- 
nahD.  Der  Zustand  hat  sich  gebessert  und  das  Kind  nimmt  schon 
ziemlich  reichlich  Nahrung  auf,  das  Gewicht  ist  aber  noch  sehr 
niedrig.  Es  wird  eine  systematische  Sondierung  des  Pylorus  vor¬ 
genommen  werden.  —  E.  R  a  c  h  bespricht  den  radiologischen  Befund. 

.  ....  •  N  0  b  *  I  zc*gt  ein  5%  Jahre  altes  Kind  mit  intestinalem  In- 
fantilismiis.  Seit  dem  ersten  Lebensjahre  besteht  eine  schwere  Er- 
nahrungsstörung,  fast  nach  jeder  Nahrungszufuhr  tritt  Erbrechen  ein. 
Das  Kind  wiegt  jetzt  8  kg  und  hat  ungefähr  die  Grösse  eines  ein- 
jahngen  Kindes.  Die  Magenspülung  ergab  eine  fast  vollständige 
Anaziditat.  Das  Kind  bekommt  Frauenmilch  und  erbricht  jetzt  weni¬ 
ger  als  früher. 

Frhr.  CI.  v.  Pirquet  demonstriert  ein  5  Jahre  altes  Mädchen 
mit  Varizellen  und  Rubeolae.  Die  Varizellenerkrankung  ging  mit 
hohem  Fieber  einher;  die  Rubeolae  traten  ohne  Fieber  und  ohne  Pro- 
dromalerscheinungen  18  Tage  nach  der  ersten  Erkrankung  auf.  Auf 
die  Diagnose  leitete  ausserdem  das  Fehlen  der  Koplik  sehen 
Flecken.  Das  Exanthem  der  Rubeolae,  welches  über  den  ganzen 
Körper  verbreitet  ist,  ist  dem  Masernausschlag  ähnlich.  Die  Drüsen 
sind  nur  wenig  vergrössert. 

B.  Sperk  bespricht  die  Krankengeschichte  eines  Falles  von 
Adams-Stokessichem  Syndrom  nach  Diphtherie.  Im  Dezember 

Yar  ^e,r  damals  3  jährige  Knabe  an  Kehlkopfdiphtherie  erkrankt 
Tl  yie  elektrokardiographische  Untersuchung  hatte  damals  einen 
naibrhythmus  ergeben,  welcher  auch  noch  Ende  März  1912  nach¬ 
weisbar  war.  Fast  1  Jahr  später  traten  bei  diesem  Künde  Anfälle 
v,0!!  Bewusstlosigkeit  auf,  während  derselben  bestand  Herzkammer- 
Stillstand  Auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  hatte  das  Kind  eine  abnorm 
niedrige  Pulszahl  von  etwa  30  in  der  Minute.  Die  Anfälle  sind  auf 
Hnnanamie  infolge  der  Bradykardie  zu  beziehen.  Pat.  ist  wohl  das 
jüngste  Kind,  bei  welchem  der  Adams-Stokes  sehe  Symptomen- 
komplcx  beobachtet  wurde.  Wahrscheinlich  liegt  ein  myokarditischer 
Prozess  vor,  welcher  durch  Schwielenbildung  zur  Unterbrechung 
oder  Kompression  des  Reizleitungssystems  im  Herzen  geführt  hat. 
p  ii  A‘  j  t  besPricht  die  elektrokardiographische  Analyse  des 
FaHes  und  die  auf  dieselbe  begründete  therapeutische  Beeinflussung 
der  Anfalle. 

Donath  Hedwig  demonstriert  und  bespricht  die  s  p  h  v  g  m  o  - 
graphischen  Kurven  des  Falles. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 


Academie  de  medecine. 


Sitzung  vom  18.  März  1913. 


Fernresultate  der  konservativen  Operationen  der  Ovarien. 

Walther  bringt  über  die  mit  partieller  Resektion  oder  Igni- 
punktui  ausgefuhrten  Operationen  an  den  Ovarien  eine  Statistik  aus 
dem  Spital  Pitie  aus  den  Jahren  1901—1912.  Von  139  Operierten 
konnten  98  wieder  ermittelt  werden,  in  68  Fällen  mit  völliger  Heilung, 
in  18  nur  unvollständige  und  in  8  ohne  Heilung,  in  4  Fällen  war  ein 
HrUCA uEmS:riff  (Hysterektomie)  wegen  rezidivierender  Entzündung 
ll  Ad?exe  angezeigt.  Die  funktionelle  Bedeutung  der  teilweise 
reseziei  teil  Ovarien  ist  durch  die  Anzahl  der  nachfolgenden 
Schwangerschaften  erwiesen;  von  den  73  Operierten,  welche  in  dieser 

ofWetnta£  !p  Be,tr.acht .  kommen,  d.  i.  mit  partieller  doppelseitiger 
odei^ totaler  Resektion  einer  und  partieller  der  anderen  Seite,  bekamen 

Rii^kfÜMpn  H:»Kinder  6  “,"!nd  2  ie  zwei  Kinder).  Die  Furcht  vor 
Ruckfallen  die  immer  möglich  sind  und  eine  neue  Operation  er- 

nldgn’  lu  C!ne  wun!g  berechtigte,  da  unter  den  139  Fällen  nur  8  mal 

S  „K:a££erSCJeinUnfn  inach  der  konservativen  Behandlung  be¬ 
stehen  blieben  und  nur  4  mal  eine  zweite  Operation  erheischten. 


Konferenz  über  das  studentische  Wohnungswesen  a 
den  Hochschulen  des  deutschen  Sprachgebietes 


in  München,  24.  Mai  1913. 


Der  T  itel  dieser  Veranstaltung  lässt  bereits  vermuten,  dass  a 
den  deutschen  Hochschulen  Veränderungen  im  studentischen  Wo! 
nungswesen  eingetreten  und  Verhältnisse  geschaffen  sein  müssen  di 
die  Notwendigkeit  einer  öffentlichen  Erörterung  begründeten  Ted 
Aktion  für  die  deutsche  Studentenschaft  ist  des  Interesses  weite 
Ki  eise  sicher.  Auch  diese  Veranstaltung,  deren  Vorarbeit  auf  eine  An 
regung  des  Leiters  des  Sekretariats  „Sozialer  Studenten  Arbeit* 
Ur.  Sonnenschein,  bereits  seit  Monaten  von  einem  Arbeit«; 
ausschuss  geleistet  wurde,  hat  weite  Kreise  interessiert.  Ausser  de 
Rektoren  der  3  Münchener  Hochschulen  und  einer  stattlichen  Zahl  voi 
Professoren,  waren  Vertreter  der  Universitäten  Erlangen.  Würzbure 
Berlin,  Leipzig,  Tübingen,  Wien  und  Prag  erschienen  und  auch  Ver 
tle.  r,  c*ei  bayerischen  Staatsminislerien  und  des  Stadtmagistrats  voi 
München  waren  anwesend.  Die  Beteiligung  der  Studentenschaft  wa 
überaus  rege  Nach  begrüssenden  Worten  des  Vorsitzenden,  Geh 
Justizrat  Prof.  Dr.  C.  G  a  r  e  i  s.  des  Rektors  der  Universität  München 
ei  örterte  der  erste  Referent,  Dr.  Sonnenschein,  die  allgemeinei 
Aufgaben  und  Ziele  einer  studentischen  Wohnungsreform.  Er  wie 
zunächst  auf  die  Eigentümlichkeit  der  deutschen  Studentenwohnungei 
T  dfr  ^orP  ,der  Kmzelbude  hin,  in  der  der  Individualismus  seiner 
Ausdruck  finde,  während  in  anderen  Ländern  das  Kollege-  odei 
Internatsystem  vielfach  vorherrsche.  Die  studentische  Einzelbudc 
zeige  jedoch  eine  Reihe  von  Schäden,  die  auf  hygienischem  kul¬ 
turellem  und  Ökonomischem  Gebiete  liegen. 

B<T.  ReIercnt  deutet  bereits  3  Gruppen  von  Reformvorschläge] 
an,  zunächst  eine  organisierte  Wohnungsvermittlung,  als  lebendige 
Verbmdung  behördlich  zentralisierter  Arbeit  mit  ausserbehördlichei 
studentischer  und  privater  Hilfstätigkeit,  deren  Mittelpunkt  ein  be¬ 
sonderes  Wohnungsamt  der  Hochschulen  oder  das  öffentliche  Woh- 
mingsamt  der  Hochschulstadt  selbst  bilden  könnte.  Das  Wohnungs- 
amt  hätte  die  Grundsätze  der  in  einer  Wohnungsliste  empfohlenen 
Wohnungen  aufzustellen  und  vor  allem  auch  eine  bestimmte  Kontrolle 
auszuuben.  Eine  zweite  Gruppe  von  Reformvorschlägen  könnte  die 
Frage  der  Innenausstattung  umfassen.  Zu  diesem  Zwecke  könnte 
dem  Wohnungsamt  eine  Beratungsstelle  angegliedert  werden,  in  der 
das  Augenmerk  auf  eine  Besserung  der  Innenausstattung  der  ein- 
zelnen  .Studentenbuden  im  Zusammenhang  mit  den  mitwirkenden  Ver- 
miUlerorgamsationen  zu  richten  wäre.  Der  individuelle  Geschmack 
und  die  soziale  Lage  der  Vermieter  müssten  hiebei  Berücksichtigung 
Bl"  weiterer  Ausbau  könnte  sich  in  der  Richtung  von 
Studentenheimen  bewegen.  Für  deutsche  Verhältnisse  käme  vor  allem 
das  mittlere  und  kleine  Studentenheim  in  Frage.  Mit  besonderem 
Nachdruck  wird  in  dem  einleitenden  Referat  darauf  hingewiesen, 
ass  die  voihandenen  Uebelstände  erst  auf  Grund  einer  umfassenden 
studentischen  Wohnungsstatistik  klar  zu  erkennen  sind  und  daher  Er¬ 
hebungen  vor  allem  angestellt  werden  müssten. 

B(-r  2.  Refei ent,  Prof.  Kau p-Miinchen,  sucht  die  gesundheitliche 
Seite  des  studentischen  Wohnungsproblems  zu  erörtern.  Einleitend 
wird  hervorgehoben,  dass  Lage  und  Art  der  Studentenbuden  mit  den 
allgemeinen  Wohnverhältnissen  der  Hochschulstädte  im  engsten  Zu¬ 
sammenhänge  stehen.  Kleinere  Universitätsstädte  mit  langsamer 
Entwicklung  zeigen  noch  patriarchalische  Verhältnisse  und  einen 
tamihen  haften  Zusammenhang  zwischen  Vermieter  und  Mieter.  Ganz 
anders  liegen  die  Verhältnisse  in  den  modernen  Grossstädten.  Die 
Umgebung  der  Hochschulen,  namentlich  der  Universitäten,  hat  durch 
Utybildung  im  Zentrum  der  Städte  ein  verändertes  Aussehen  be¬ 
kommen,  ferner  bringen  die  dichte  Verbauung  und  hochragende  Miets¬ 
kasernen  durch  schlechte  Belichtung,  Wärmestauung  in  Hinter-  und 
Seitengebäuden  auch  für  die  Studentenbuden  gesundheitliche  Ge¬ 
il  iren  mit  sich.  Eine  Flucht  nach  der  Peripherie  ist  nur  den  besser 
situierten  Studenten  möglich.  Einen  sehr  instruktiven  Einblick  in 
das  studentische  Wohnungswesen  bietet  für  deutsche  Hochschulen 
eine  Erhebung  in  Prag  im  Jahre  1910.  Hier  werden  auch  Mindest- 
forclerungen  für  Buden  erörtert.  Der  Referent  begründet  eingehend 
die  Forderung  von  mindestens  10  qm  Bodenfläche,  also  etwa  30  cbm 
Luitraum  für  ein  Kabinett  oder  ein  kleines  Zimmer,  das  an  Stu- 
Ae'lte”  ZUI  Atwermietung  kommt.  Er  verlangt  auch  eine  direkte 
Belichtung  durch  ein  Fenster  von  der  Strasse  oder  von  einem 

2°vierenj-a0i  .  ai's’  ^erner  £l|te  Heizvorrichtungen,  ausreichendes 
AJobihar,  direkten  Zugang  vom  Korridor  oder  Treppenhaus,  vor  allem 
jedoch  auch  grösste  Reinlichkeit  hinsichtlich  Bettwäsche,  Aufräumung, 
Freisein  von  Ungeziefer,  Abort  usw. 

Die  Piager  Erhebung  hat  von  diesen  Gesichtspunkten  aus  recht 
ungünstige  Verhältnisse  erkennen  lassen.  Fast  22  Proz  der  Stu¬ 
dentenbuden  hatten  einen  Luftraum  unter  30  cbm  und  in  den  kleinsten 
Buden  waren  nur  selten  die  Studenten  allein,  sondern  vielfach  mit 
anderen  Attermietern  zusammengepfercht.  Die  Belichtung  der  Woh¬ 
nungen  war  häufig  ungenügend;  17  Proz.  der  Buden  zeigt  eine  zu 
geringe  Helligkeit.  2  Proz.  waren  nicht  heizbar.  Es  lag  die  Präge 
nahe  ob  auch  in  München  ähnliche  Uebelstände  wahrzunehmen  sind. 
w!,  c  ereilt  konnte  lnefiir  nur  aus  den  Materialien  des  statistischen 
lOhmmgsamtes  für  einige  typische  Studentenstrassen,  namentlich 
auch  im  Medizmerviertel,  Anhaltspunkte  gewinnen.  Bekanntlich  ist 
cf!  Abyermietung  namentlich  im  5.,  6.  und  9.  Bezirk  eine  überaus 
i  Abvermictlll,g  jst  in  diesen  Bezirken  vielfach  nicht  eine 
Nebeneinnahme,  sondern  die  Haupteinriahmsquelle.  Im  Mediziner¬ 
viertei  konnte  im  Jahre  1905  für  etwa  30  Proz.  der  abvermieteten 


1301 


io.  Juni  1913.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zimmer  und  Schlafstellen  ein  Luftraum  von  unter  30  cbm  ermittelt 
werden,  wobei  allerdings  anzunehmen  ist,  dass  dieser  Prozentsatz  für 
Studentenbuden  allein  etwas  kleiner  sein  dürfte.  Einige  Zimmer 
.varen  auch  nur  indirekt  belichtet  oder  hatten  eine  ungenügende 
leizvorrichtung  usw.  Besondere  Feststellungen  für  Studierende  der 
lerärztlichen  Hochschulen  knapp  vor  der  Konferenz  ergaben  immerhin 
,ei  10  Proz.  der  Studentenbuden  einen  ungenügenden  Luftraum,  hie 
md  da  Beschwerden  über  Ungeziefer,  Unreinlichkeit,  schlechte  Be¬ 
ichtling,  namentlich  jedoch  auch  Klagen  über  hohe  Preise  im  Ver¬ 
reich  mit  anderen  Hochschulstädten. 

Die  gesundheitlichen  Gefahren,  die  in  unhygienischen  Buden  den 
studierenden  bedrohen,  scheidet  der  Referent  in  direkte  und  indirekte. 
Zu  den  indirekten  rechnet  er  die  Möglichkeit  der  Erwerbung  von 
Schinutzkrankheiten  durch  Ungeziefer  und  Unreinlichkeit,  dann  auch 
Jie  Gefahr  einer  Uebertragung  von  Tuberkulose  durch  tuberkulöse  In¬ 
sassen  der  Wohnung.  —  Von  den  indirekten  Gefahren  wurde  der 
Zusammenhang  zwischen  Bude  und  Alkoholmissbrauch,  dann  auch 
Jie  Möglichkeit  der  Erwerbung  einer  Geschlechtskrankheit  be¬ 
sprochen.  Die  Bude  bezw.  Vermieter  und  andere  Wohnungsinsassen 
sollen  ein  Fernhalten  jeder  Prostitution  von  der  Wohnung  gewähr¬ 
leisten  und  weiters  im  Hinblick  auf  die  Verhältnisse  in  anderen 
irossstädten,  wie  namentlich  Berlin,  die  Abvermietung  von  Studenten¬ 
buden  in  Strassen  mit  Dirnenbetrieb  untersagt  werden.  Wenn  auch 
Jie  studentische  Wohnungshygiene  mit  der  allgemeinen  Wohnungs¬ 
hygiene  im  engsten  Zusammenhänge  steht,  so  ist  doch,  ähnlich  wie 
für  andere  Gesellschaftsgruppen,  eine  Besserung  anzustreben,  für 
deren  Beginn  der  Referent  eine  sorgfältige  studentische  Wohnungs- 
Statistik  für  besonders  wichtig  hält. 

Die  weiteren  Referate  befassten  sich  vorwiegend  mit  bestimmten 
Fragen  einer  Reform. 

Privatdozent  Dr.  Günther  -  Berlin  besprach  die  Anfänge  einer 
Wohnungsvermittlung  und  tritt  für  ein  besonderes  Wohnungsamt  ein, 
dessen  genauere  Organisation  eingehend  erörtert  wird. 

Dr.  Franz-  Düren  berichtet  über  die  verschiedenen  Formen 
von  Studentenheimen,  die  insbesondere  im  Auslande  zu  finden  sind. 
Für  deutsche  Verhältnisse  käme  vorwiegend  die  kleine  Studenten¬ 
pension  unter  Leitung  vertrauenswürdiger  Frauen  in  Frage. 

Schliesslich  werden  von  Referendar  A  m  e  1  u  n  x  e  n-Köln  die  ver¬ 
schiedenen  Anfänge  von  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  des  studenti¬ 
schen  Wohnungswesens,  die  sich  hier  und  da  zeigen,  zusammen¬ 
fassend  besprochen. 

In  der  Diskussion  brachte  eine  Reihe  von  Rednern,  nament¬ 
lich  Vertreter  anderer  Hochschulen,  die  vorhandenen  Uebelstände, 
wie  auch  besondere  Massnahmen  für  eine  Reform  zum  Ausdruck.  Es 
Hess  sich  hiebei  nicht  vermeiden,  auch  von  den  sog.  sturmfreien 
Buden  zu  sprechen,  als  ein  Vertreter  der  Universität  Leipzig  den 
Zusammenhang  zwischen  diesen  Buden  und  der  Möglichkeit  einer 
Abvermietung  besprochen  hatte.  Von  studentischer  Seite  wurde  vor 
jedem  Versuch,  durch  eine  Reform  studentischer  Wohnungen  auch 
die  Sittlichkeit  zu  reglementieren,  gewarnt. 

Dieser  Standpunkt  kam  in  der  Nachmittagssitzung  durch  eine 
Erklärung  einzelner  Gruppen  der  Studentenschaft  noch  besonders 
zum  Ausdruck.  Eine  Klärung  der  Anschauungen  wurde  erst  in  einer 
ausserordentlich  zahlreichen  Akademikerversammlung  im  grossen 
Saale  der  Tonhalle  am  Abend  erreicht,  als  Prof.  v.  G  r  u  b  e  r  die  ge¬ 
sundheitlichen  und  sexuellen  Gefahren,  die  den  Studenten  in  nicht  ein¬ 
wandfreien  Buden  bedrohen,  in  eindringlichen  Worten  erörterte  und 
eine  Wohnungsauslese  als  dringend  erforderlich  bezeichnete.  Die 
Hochschulbehörden  könnten  nur  einen  studentischen  Wohnungsnach¬ 
weis  durch  eine  Wohnungsvermittlung  mit  Kritik  der  Buden  in  sitt¬ 
licher  Beziehung  schaffen.  Keine  Hochschulbehörde  würde  einen 
anderen  Standpunkt  einnehmen  können.  Die  akademische  Freiheit 
wäre  hiedurch  jedoch  in  keiner  Weise  beeinträchtigt,  da  keinerlei 
Zwang  ausgeübt  werden  solle  und  es  dem  Studenten  überlassen  bleibe, 
von  dem  Wohnungsnachweis  Gebrauch  zu  machen,  oder  sich  auf 
eigene  Faust  eine  ihm  passend  erscheinende  Wohnung  zu  suchen. 

Der  Vorsitzende  der  Medizinerschaft  gab  noch  eine  besondere 
Erklärung  ab,  dass  eine  völlige  Uebereinstimmung  in  Bezug  auf 
studentische  Sittlichkeit  und  Ethik  mit  Prof.  v.Gruber  bestehe  und 
die  Studentenschaft  bereit  sei,  an  der  studentischen  Wohmmgsreform 
rege  mitzuarbeiten.  K  a  u  p. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztliclier  Bezirksverein  Nürnberg. 

Aus  der  Sitzung  vom  29.  Mai  1913. 

Der  Vertrag  mit  der  Schreinerinnungskasse  wird  aufgehoben. 
Die  Kasse  ist  mit  Zahlungen  fast  Tt  Jahre  im  Rückstand  und  die  be¬ 
hördlich  angeordnete  Erhöhung  der  Beiträge  (‘A  Proz.)  —  die  Ge¬ 
hilfenschaft  verweigerte  die  Beitragserhöhung,  weshalb  die  Arbeit¬ 
geber  die  Verwaltungsbehörden  anriefen  —  genügt  nicht  zur  soforti¬ 
gen  Regelung.  . . 

Die  Gemeindekrankenkasse  erklärt  sich  bereit,  Operationen,  bei 
denen  der  Patient  zur  Operation  in  ein  Privatkrankenhaus  gebracht 
und  am  gleichen  Tag  wieder  in  seine  Wohnung  zurückkehrt,  als  Lei¬ 
stungen  in  der  Sprechstunde  des  Arztes,  nicht  als  Aufnahmen  in  die 
Klinik  zu  behandeln  und  zu  honorieren.  Für  durch  der.  i  ransport 
entstehende  Schädigung  des  Patienten  trägt  der  Arzt  die  Verantwor¬ 
tung,  auch  wenn  nach  vertrauensärztlicher  Begutachtung  die  Ge¬ 
nehmigung  zur  Operation  erteilt  war.  Die  Auswahl  der  Fälle  muss 
daher  mit  grosser  Vorsicht  geschehen. 


Der  Magistrat  teilt  auf  Anfrage  mit,  dass  niemand  Pflichtmitglied 
zweier  Krankenkassen  im  Sinne  des  Krankenversicherungsgesetzes 
sein  könne,  wohl  aber  freiwilliges  Mitglied  in  2  solchen  Kassen,  resp. 
Pflichtmitglied  in  einer  und  freiwilliges  in  der  anderen.  Doppeit- 
krankengeldbezug  sei  erlaubt,  Doppeltliquidation  nach  seiner  Meinung 
nicht. 

Antrag  Dr.  Wachtel:  Die  Kontrolluntersuchungen  durch  Spe¬ 
zialärzte  sollten  nicht  mehr  in  deren  Sprechstunde,  sondern  am  neu¬ 
tralen  Platz  vorgenommen  werden,  da  der  Patient  leicht  im  Kontroll- 
arzt  einen  höher  bewerteten  Arzt  sehe,  an  den  er  sich  in  kommenden 
Fällen  wende.  Der  Antrag  wird  abgelehnt,  ein  Vorschlag,  die  Spe¬ 
zialärzte  im  Turnus  abwechseln  zu  lassen,  ward  dem  Geschäftsaus¬ 
schuss  zur  Erwägung  hinübergegeben. 

Die  Regierung  von  Mittelfranken  hat  sich  an  die  Aerztc- 
kammer  gewandt,  um  Stellung  zu  nehmen  zur  Einführung  der 
Schulzahnpflege  auf  dem  Lande.  Die  Herren  Stein- 
hard  und  Gernert  referieren:  Die  Schulzahnpflege  sei  ein 
Teil  der  schulärztlichen  Tätigkeit;  bis  jetzt  bestehen  Schul¬ 
ärzte  auf  dem  Lande  in  Württemberg  und  Sachsen-Meinigen; 
die  Einrichtung  findet  Anerkennung,  ln  Bayern  sind  in  Kauf¬ 
beuren  und  Schwabmünchen  schulärztliche  Einrichtungen  ge¬ 
schaffen  und  neuerdings  sucht  Neustadt  a/H.  einen  Schularzt  im 
Hauptamt.  Sonst  bestehen  nur  in  den  grösseren  und  mittleren  Städten 
Schulärzte.  Die  Einführung  der  schulärztlichen  Einrichtungen  auf 
dem  'Lande  sei  im  Prinzip  zu  fordern  und  zu  begünstigen.  Die  Schul¬ 
zahnpflege  sei  in  übertriebener  und  einseitiger  Weise  hervorgehoben 
worden.  Die  Behauptungen,  dass  die  schlechten  Zähne  schuld  an 
Infektionskrankheiten,  am  Mangel  körperlicher  und  geistiger  Entwick¬ 
lung  seien,  sind  in  dem  Umfang,  wie  behauptet,  unrichtig.  Wenn  es 
so  schlimm  wäre,  wie  die  zum  Teil  fanatischen  Anhänger  der  spe¬ 
ziellen  Schulzahnpflege  angeben,  wenn  die  Kinder  mit  schlechten 
Zähnen  nennenswerte  Träger  und  Verbreiter  von  Infektionen  wären, 
dann  müssten  bei  den  angeblich  90 — 95  Proz.  Kindern  mit  schlechten 
Zähnen  die  Schulen,  Erholungsstätten  fast  geschlossen  werden.  Die 
Schulzahnpflege  sei  Modesache  geworden.  Besser  Waldschulen  und 
ähnliches  schaffen,  als  „mit  beträchtlichem  Geldaufwand  den  Kindern 
Gebisse  schaffen,  mit  denen  die  Kinder  nichts  anzufangen  wissen“. 
Herr  Gernert  beleuchtet  namentlich  die  praktischen  Schwierig¬ 
keiten.  Die  Zahnärzte  auf  dem  Land  sind  spärlich,  die  Beizie'nung 
der  Techniker  aber  bei  deren  noch  schlechteren  Ausbildung  auf  dem 
Land  doppelt  zu  verwarfen;  auch  die  Ausführung  der  Zahnbehand¬ 
lung  sei  unter  gegebenen  Verhältnissen  zu  schwierig.  Von  einer 
eventuellen  Beiziehung  der  Techniker  zur  Zahnbehandlung  auf  dem 
Land  sprach  ein  Gutachten  des  Herrn  Merkel  (Bezirksarzt  Nürn¬ 
berg-Land),  während  die  Untersuchung  der  Schulkinder  und  die  An¬ 
legung  der  Gesundheitsbögen  alljährlich  von  den  Bezirksärzten  er¬ 
folgen  sojle.  Beide  Referenten  erklären  aber:  Schulärzte  auf  dem 
Lande  sind  wünschenswert;  sie  sollen  auch  die  Zahnverhältnisse  der 
Kinder  beobachten;  erst  auf  Grund  dieser  Beobachtungen  kann  ent¬ 
schieden  werden,  ob  besondere  Einrichtungen  dafür  geschaffen  wer¬ 
den  müssen.  Bis  dahin  obliegt  es  den  Lehrern,  durch  Aufklärung  im 
Unterricht  bessernd  zu  wirken.  Das  Plenum  tritt  völlig  diesem  Stand¬ 
punkt  bei. 

Von  den  Anträgen  zum  Aerztetag,  für  die  den  Delegierten  — 
soweit  nicht  früher  Stellungnahme  stattfand,  z.  B.  Antrag  Kissingen  — 
freie  Hand  bleibt,  kam  es  nur  bezüglich  des  Antrags  Leipzig-Land  zu 
ausführlicher  Erörterung  durch  ein  Referat  des  Herrn  Stau  dt  er. 
Der  Sinn  der  Erörterung  war  etwa  der:  Der  mehrfach  zurückgezogene 
Antrag  wird  die  Ursache  von  Meinungsverschiedenheiten  sein;  die 
temperamentvollen  Entgegnungen  der  früheren  Jahre,  namentlich  aus 
dem  Kreise  bayerischer  Sanitätskolonnenärzte,  haben  sich  schon 
wiederholt.  Trotzdem  ist  dem  Antrag  eine  grössere  Gefolgschaft  als 
früher  wahrscheinlich;  er  ist  etwas  allgemeiner  abgefasst  und  nicht 
mehr  so  speziell  auf  die  Sanitätskolonnen  abzielend  wie  früher;  die 
Enttäuschung  derRVO.mit  ihrer  erweiterten  Versicherungsgrenze,  die 
zunehmende,  unter  phrasenhaftem  Missbrauch  von  Humanität  und 
Patriotismus  verlangte  verbilligte  ärztliche  Hilfe  an  Flieger,  Auto¬ 
mobilfahrer,  Wehrkraftvereine  u.  ä.  machen  ja  unzweifelhaft,  dass  ein 
Einhalt  nötig  ist.  Es  handelt  sich  nun  darum,  dem  Verlangen  um 
honorarfreie  ärztliche  Berufstätigkeit  entgegenzutreten,  nicht  einer 
ehrenamtlichen  Tätigkeit  der  Aerzte  als  Menschen,  die  natürlich 
ebenso  ungehindert  bleiben  müsse  als  die  entsprechende  Tätigkeit 
anderer  Menschen.  Das  Prinzip  des  Antrags  Leipzig  sei  mit  Begren¬ 
zung  richtig.  Eine  Durchführung  ins  einzelne  begegne  grossen 
Schwierigkeiten.  Man  müsse  viele  Rücksichten  nehmen,  so  auf  die 
Aerzte,  die  in  solcher  Ehrentätigkeit  die  Freude  ihrer  Arbeit  gefunden 
und  denen  es  gefühlsmässig  unmöglich  sei,  für  diese  Herzenstätigkeit 
sich  honorieren  zu  lassen,  auf  im  Beginne  und  in  der  Versuchszeit  be¬ 
findliche  soziale  Bestrebungen,  auf  Wohltätigkeitshandlungen  von 
Wohltätigkeitsvereinen  an  Unbemittelte  und  wirklich  Bedürftige,  auf 
die  historische  Entwicklung  am  einzelnen  Ort.  Für  die  gleiche  Tätig¬ 
keit  z.  B.  gerade  der  Sanitätskolonnenärzte  möge  in  Leipzig-Land 
Honorierung  möglich  und  einwandfrei  sein,  wie  sie  an  anderen  Stel¬ 
len  mit  Kränkung  von  trefflichen  Kollegen,  mit  Schädigung  der  Sache 
verknüpft  sei.  Bei  aller  Anerkennung  des  Prinzips  des  Leipziger  An¬ 
trags,  soweit  er  eine  Beschränkung  der  ehrenamtlichen  Tätigkeit  bei 
sogen,  gemeinnützigen  Einrichtungen  erstrebt,  müsse  die  Prüfung,  bei 
welchen  Einrichtungen,  in  welchem  Masse  und  wann  das  möglich  sei, 
den  lokalen  Organisationen  überlassen  bleiben.  Die  Vorstandschaft 
legt  einen  solchen  Antrag  vor,  der  einstimmig  angenommen  wird  und 
auch  beim  Aerztetag  eingebracht  werden  soll. 


302 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


Eine  Stellungnahme  wegen  der  vertrauensürztlichen  Tätigkeit  bei 
der  Angestelltenversicherung  —  die  Versicherung  schickt  ihie  Patien¬ 
ten  jetzt  ohne  Vertrag  zu  den  Aerzten,  die  durch  Verbot  der  Organi- 
sation  eineii  Vertrag  als  Vertrauensärzte  zu  schliessen  ablehnten  — 
wird  bis  nach  dem  Aerztetag  vertagt. 

Herr  Main  z  e  r  referiert  über  die  Mustersatzung.  Da  der  Inhalt 
der  Satzungen  ja  bekannt  ist,  genügt  die  Mitteilung,  dass  sie  in  ihren 
1  nnzipien  als  Grundlinien  unserer  Vertragsarbeit  gelten  sollen,  ohne 
in  düng  auf  fcinzelheiten.  Um  die  Honorierung  der  Extraleistungen 
und  die  Verhältnisse  zu  Krankenkassen  und  Privatkliniken  zu  er- 
örtern,  und,  von  breiterer  Basis  ausgehend,  wirksamer  zur  Geltung 
bringen  zu  können,  soll  (nach  einem  Antrag  Staudter)  eine  ge¬ 
meinsame  Besprechung  mit  den  Kollegen  grösserer  Städte  und  ein 
tunlichst  gemeinsames  Vorgehen  durch  Vermittlung  von  Aerzte- 
kammern  und  Beiräten  angebahnt  werden. 

Die  weiteren  Erörterungen  sind  mehr  von  lokalem  Interesse. 

Mainzer. 


Verschiedenes. 


Therapeutische  Notizen. 


Erfolgreiche  Behandlung  des  Gelenkrheumatis¬ 
mus  mit  Elektrargol. 

Die  pharmazeutische  Chemie  hat  in  der  Neuzeit  wohl  nur  wenige 
so  eklatant  wirkende  Heilmittel  hervorgebracht  wie  das  Elektrargol, 
welches  besonders  in  der  Behandlung  schwerer  Formen  des  Gelenk¬ 
rheumatismus  und  anderer  rheumatischer  Erkrankungen  die  grösste 
Beachtung  verdient. 

Line  Reihe  von  Kliniken  und  Krankenhäusern  haben  auf  inneren 
und  anderen  AbteUungen  dieses  elektrische  Kolloidalsilber  ihrem 
Heilschatz  einverleibt.  Einem  grösseren  Kreise  der  Aerzte  ist  die 
\\  lrkung  des  Elektrargol  unbekannt,  wegen  des  mangelhaften  Ver¬ 
trauens  zu  dem  bisher  bekannten  chemischen  Kolloidalsilber 

Bei  den  rheumatischen  Formen,  welche  deutlich  einen  bak¬ 
teriellen,  septischen  Charakter  aufweisen,  wirkt  es  unzweifelhaft  ent¬ 
giftend  auf  die  Bakteriengifte  und  sofort  schmerzbefreiend.  Nicht 
selten  nach  der  2.  Spritze  vollständige  Heilung  schwerer  Fälle.  Die 
Einspritzungen  erfolgen  schmerzlos  und  reaktionslos  in  den  Glutaeus 
medius  in  der  D  u  h  o  t  sehen  Linie  nach  Vorschrift  von  Sc  h  i  n  d  1  e  r 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  No.  20.  Fabrikant  ist  die  Fabrik 
Clin-Paris,  Vertreter  Dr.  med.  W  a  i  k  -  Berlin-Wilmersdorf.  Haupt- 

?nnnltMV0I},(S  z  e  r  £aVs  der  Wiener  Klinik  in  der  Med.  Klinik 
1909.  No.  44.  Eine  ausführlichere  Beschreibung  erfolgt  von  mir  dem¬ 
nächst  andernorts.  Dr.  S  c  h  ö  n  f  e  1  d  -  Mannheim. 


Mo  i,Zur  SJV™,0*116  rapie  der  Lungentuberkulose. 
Nach  einer  Mitteilung  von  Dr.  Hinze,  Direktor  des  Allgemeinen 
Ki ankenhauses  in  Zaleszczyki,  werden  dort  seit  einem  Jahre  Ver¬ 
suche  über  die  Wirkung  subkutaner  Phosphorinjek¬ 
tionen  bei  Lungentuberkulose  Erwachsener  angestellt  Es 
™fne  einigen  Kubikzentimetern  einer  Lösung  Ol.  Phosphor, 
’u ’ begonnen,  bald  zu  1,0:100,0  übergegangen  und  hiervon  in 
Abstanden  von  einigen  Tagen  je  5—6  ccm  durch  längere  Zeit,  minde¬ 
stens  3— 4  Wochen  hindurch,  injiziert.  Es  trat  immer  eine  Besse¬ 
rung  der  Allgemeinerscheinungen.  Stillstand  der  lokalen  Symptome 
Gewichtszunahme,  Steigerung  des  Appetits,  Aufhören  der  Nacht- 
schweisse  und  subjektives  Wohlbefinden  ein.  Schädliche  Neben¬ 
wirkungen,  ausser  einer  lokalen  Reizung  an  der  Injektionsstelle  (Ober¬ 
arm)  in  einigen  Fällen,  wurden  nicht  beobachtet.  Die  Versuche  wer¬ 
den  noch  fortgesetzt. 


Ueber  den  Einfluss  der  Pilznahrung  auf  den  Verlauf  von 
u^ren^kh^ltenuhat  A‘  Kak  owski-  Kiew  (Therap.  Monats- 
.... te ..  f)  sehr  interessante,  eingehende  Beobachtungen  ver- 
ottentheht.  K.  verwendete  bei  seinen  Untersuchungen  den  völlig 
ungiftigen,  einwandfrei  zubereiteten  Steinpilz,  den  in  Russland  am 
au  igsten  gegessenen  Pilz.  Den  betreffenden  Patienten  wurde  der 
uz  mittags  und  abends  als  Gemüse,  und  auserdem  zweistündlich  als 
Dekokt  verabreicht. 

K.  kommt  zu  folgenden  Schlüssen:  Der  Genuss  von  Pilzen  ruit 
oei  der  chronisch  parenchymatösen  Nephritis  eine  bedeutende  Ver¬ 
schlimmerung  hervor:  Zunahme  der  Oedeme,  des  Eiweisses  und  der 
organisierten  Harnelemente,  Verschlechterung  des  Allgemeinbefindens. 
Bei  der  chronischen  interstitiellen  Nephritis  war  die  schädigende 
Wirkung  der  Pilznahrung  nicht  auffallend;  dagegen  rief  sie  bei  der 
akuten  Nephntis  neben  einer  stärkeren  Diurese  eine  Vermehrung  des 
:1V'  sissgehaltes  und  der  organisierten  Elemente  hervor  und  versetzte 
die  Niere  in  einen  heftigen  Reizzustand. 

i  Weid.?rräi  da^er  dringend  d‘e  besonders  in  Russland  sehr  ver¬ 
bleite  e  Sitte  den  Nierenkranken  an  Stelle  der  Fleischkost  Pilze  zu 
verordnen.  Die  schädliche  Wirkung  der  Pilze  schreibt  er  vor  allen 
Dingen  dem  grossen  Stickstoffgehalt  derselben  zu,  der  zu  einem  be- 
tiachthchen  Teile  den  Arnidosäuren  angehört.  Kr 


W.  Uff  eno  r  de -Göttingen  (Therap.  Monatshefte  1913,  4) 
wendet  sich  gegen  die  von  Benjamin  vorgeschlagene  Behand¬ 
lung  der  Ohrkomplikation  bei  Scharlach:  „sich  auf 
-  pulungen  mit  warmen  Borwasserlösungen  zu  beschränken,  wenn  das 
I  rommelfell  injiziert  und  vorgewölbt  ist“.  Uffe  norde  rät  mit 


einer  ausreichenden  Parazentese  nicht  zu  lange  zu  zögern  und  a 
keinen  Lall  die  Spontanperforation  abzuwarten,  ehe  man  sich  zu  eine 
-.mgrifr  entschhesst.  U.  sieht  in  der  rechtzeitigen  Parazentese  d 
von  geübter  Hand  ausgeführt  wird,  die  einzige  rationelle  Massnahm 
z  narbe  heil  ^°mP hkationsgefahren  der  Scharlachotitiden  entgegn 

Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 


München,  den  9.  Juni  1913. 

—  . Vor  den  ärztlichen  Ehrengerichten  in  Bade 
waren  ,m  Jahre  1912  50  Fälle  (davon  18  rückständige)  anhängk 
hiervon  wurden  37  erledigt  und  zwar  34  durch  Beschluss,  3  dune 
förmliches  ehrengerichtliches  Verfahren.  Erkannt  wurde  13  m 
auf  Einstellung,  8  mal  auf  Warnung,  6  mal  auf  Freisprechung 
5  mal  auf  Verweis  und  Geldstrafe,  3  mal  auf  Verweis,  2  mal  auf  A! 
leliiiung  der  Einleitung  eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens.  Beii 
vi1/  e  nf  g  e  r  1  c  h  t  s  h  0  f  wurden  7  Fälle  anhängig,  von  denen  3  durc 
Verwerfung  der  Berufung  bzw.  Beschwerde,  je  1  durch  Zurücknahm 
der  Berufung,  Aufhebung  der  ehrengerichtlichen  Entscheidung,  Auf 
hebung  des  Eroftnungsbeschlusses  erledigt  wurden. 

—  Man  schreibt  unsau  s  Wien:  Das  im  Jahre  1904  ver 
storbene  korrespondierende  Mitglied  der  kaiserl.  Akademie  du 

Ä1SKchafte"  ^ro*'  See  gen  hat  dieser  ein  Legat  voi 
1/3  Millionen  Kronen  unter  der  Bedingung  hinterlassen,  dass  sie  eii 
Forschungsinstitut  für  Physiologie  des  Stoffwechsels  errichte  um 
betreibe.  Die  Akademie  hat  sich  nach  dem  Ableben  der  bisherige! 
Nutzniesserin  und  nach  reiflicher  Prüfung  entschlossen,  dieses  Legi 
anzutreten.  Das  neue  Institut  soll  „See  ge  ns  Institut  für  Physiologe, 
des  Stoffwechsels  heissen  und  ausschlieslich  Forschungen  auf  den 
Gebiete  der  chemisch-physikalischen  Vorgänge  im  lebenden  Körpei 
dienen.  Line  zweite  der  Akademie  angebotene  Schenkung  seiten; 
der  Begründer  und  Besitzer  der  biologischen  Versuchsanstalt,  derer 
Gesamtwert  auf  rund  Vs  Million  Kronen  bewertet  wird,  befindet  siel 
noch  im  Unterhandlungsstadium.  I11  Ausübung  des  dieser  AkademL 
auf  dem  Internationalen  Radiologenkongress  in  Paris  1912  über¬ 
tragenen  ehrenvollen  Mandates  wurden  offizielle  Radiumetalom 
(Normalmasse)  für  Frankreich,  das  Deutsche  Reich  und  England  her¬ 
gestellt,  für  die  Vereinigten  Staaten  und  Japan  sind  diese  in  Vor¬ 
bereitung.  Ueber  Einladung  der  balneologischen  Gesellschaft  hat  die 
Akademie  Versuche  über  die  Aufnahme  von  Radiumemanation  in  den 
menschlichen  Körper  ausführen  lassen.  Und  da  können  war,  hieran 
anknupfend,  gleich  mitteilen,  dass  sich  über  Beschluss  des  Wiener 
medizinischen  Professorenkollegiums  in  der  Vorwoche  die  Professoren 
Meyer  (als  Dekan),  S  c  h  a  u  t  a  und  Riehl  zum  Minister- 
Präsidenten  und  zu  den  Ministern  des  Innern  und  der  Finanzen  be¬ 
gaben,  um  diese  neuerlich  zu  bitten,  der  medizinischen  Fakultät  e  i  11 
Gram  m  R  a  d  i  u  m  zur  Verfügung  zu  stellen.  Man  will  nach  den 
jüngsten  Erfolgen  mit  Mesothorium  bei  gewissen  Krebsformen  auch 
in  Wien  umfangreiche  Heilversuche  anstellen  und  braucht  hiezu  grosse 
Radiummengen.  Wie  bereits  verlautet,  soll  der  Wunsch  der  Fakultät 
bald  erfüllt  werden.  Wir  besitzen  zwar  schon  im  allgemeinen 
Krankenhause  an  der  Klinik  Riehl  eine  k.  k.  Radiumstation;  sie  ist 
aber  keine  Institution  für  die  Forschung,  sondern  vorläufig  nur  eine 
Leih-  und  Bezugstelle  für  Radiumpräparate,  von  welcher  die  Aerztf« 
geg,en  ein  bestimmtes,  keineswegs  niedrig  gehaltenes  Entgelt  die 
Radiumtrager  für  /*— 1  Tag  borgen  können.  Die  Station  bekam  im 
ganzen  /%  G  r  a  m  m  Radium  und  liess  daraus  15  Radiumträger  von 
verschiedener  Grösse  und  Form  herstellen.  Damit  kann  aber  den 
grösseren  Ansprüchen  der  Kliniken  und  Abteilungen  nicht  mehr  Ge¬ 
nüge  geleistet  werden. 


—  Die.  Bemühungen  des  Wiener  Bakteriologen  Prof.  Dr.  Rudolf 
K  r  a  u  s,  eine  Aktion  zur  Bekämpfung  der  Kriegsseuchen  und  der 
Seuchen  im  Frieden  einzuleiten,  haben  schon  zu  schönen  Resultaten 
geführt.  Prof.  Kraus  hat  im  Vereine  mit  dem  Wiener  Arzte 
Dr.  Josef  \\  inte  r,  der  auch  die  Mittel  hiefür  beisteuerte,  eine  ganze 
Reihe  mo  b  il  e  r  Feldlaboratorien  anfertigen  lassen  und  sie 
dem  Ministerium  für  Landesverteidigung  zur  Verfügung  gestellt.  Die 
eisten  Bakteriologen  von  Wien,  Prag,  Graz,  Innsbruck,  Lemberg, 
Krakau,  Brünn  und  Triest  haben  sich  für  den  Kriegsfall  zur  Leitung 
eines  solchen  Epidemielaboratoriums,  deren  jedem  1 — 2  Assistenten 
und  ein  ausgebildeter  Laborant  beigegeben  werden,  verpflichtet. 
Jedes  solche  Laboratorium  ist  mit  seinen  Apparaten  und  sonstigen 
Utensilien  in  4  grossen  Kisten  untergebracht.  Ausserdem  wurde 
durch  Abhaltung  von  Ausbildungskursen  über  Infektionskrankheiten 
tur  die  Beistellung  von  brauchbaren  Pflegerinnen  im  Kriegsfälle  vor¬ 
gesorgt.  Besagte  Laboratorien  werden  auch  zu  Friedenszeiten  beim 
Ausbruche  einer  grösseren  Epidemie  in  unseren  Ländern  aktiviert 
und  der  Zivilsanitätsverwaltung  im  Bedarfsfälle  zur  Verfügung  ge¬ 
stellt  werden. 

—  Die  Stadtvertretung  von  Augsburg  hat  mit  allen  gegen 
eine  stimme  die  Errichtung  eines  Krematoriums  beschlossen. 

—  Durch  Erlass  des  Kgl.  Ministeriums  des  Innern  vom  20.  April 
werden  die  Satzungen  der  Kgl.  orthopädischen  Klinik  ne! 
der  Kgl.  Landesanstalt  für  krüppelhafte  Kinder  in  München,  die  im 
f?,er d.'  J-  in  Betrieb  genommen  werden  wird,  veröffentlicht.  In  die 
Klinik  können  Kranke  beiderlei  Geschlechts  aufgenommen  werden,  die 
Jn  einem  oi  thopädischen  Gebrechen  leiden,  das  geheilt  oder  wesent- 


10.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ich  gebessert  werden  kann.  Die  Preise  für  Wohnung  und  Verpfle- 
rung  betragen  in  der  I.  Klasse  für  ein  Kind  bis  zu  14  Jahren  6  M.. 
iir  eine  ältere  Person  10  M„  in  der  II.  Klasse  im  Einzelzimmer  4  und 
.  M..  im  gemeinsamen  Zimmer  3  und  6  M.  und  in  der  III.  Klasse  2  und 
M.  In  der  I.  und  II.  Klasse  werden  die  Kosten  für  ärztliche  Behand- 
ung  besonders  berechnet. 

—  Die  Wahlen  zur  preuss.  Zahnärztekammer  sind  auf 
irund  der  Verordnung  vom  16.  Dezember  1912  erstmalig  ausgeschrie¬ 
en  worden.  Die  Kammer  wird  aus  31  Mitgliedern  bestehen. 

-  Das  „Ae  rzt  liehe  Handbuch  für  Bayern  1913“ 
16.  Jahrgang  des  Aerztlichen  Schematismus),  nach  amtlichen  Quellen 
erausgegeben  von  N.  Z  w  i  c  k  h,  Rat  im  K.  Statistischen  Landesamt, 
Ist  soeben  erschienen.  Die  Zahl  der  Praxis  ausübenden  Aerzte  stieg 
on  3262  auf  3329,  also  um  67.  Auf  je  100  000  Einwohner  treffen  47 
im  Vorjahre  47)  Aerzte,  bei  der  städtischen  Bevölkerung  92  (92), 
i  München  147  (141),  auf  je  100  000  Personen  der  Landbevölkerung 
reffen  in  Oberbayern  41  (42),  in  der  Oberpfalz  19  (19)  Aerzte. 
Veibliche  Aerzte  praktizieren  in  München  (9),  Nürnberg  (2).  Ansbach 
nd  Brückenau  (je  1).  (Verlag  der  M.  R  i  e  g  e  r  sehen  Universitäts- 
uchhandlung  in  München;  Preis  M.  2.20,  mit  Schreibpapier  durch- 
chossen  M.  2.70.) 

—  Die  13.  Generalversammlung  des  Zentralkomitees  für  das 
rztliche  Fortbildungswesen  in  Preussen  findet  am 
4.  Juni,  nachmittags  5Vs  Uhr,  im  Kaiserin-Friedrich-Haus  in  Berlin 

tatt. 

—  Der  Vorstand  des  Aerzteausschusses  von 
iross-Berlin  hat  sich  neu  konstituiert.  Der  Vorstand  besteht 
ir  das  nächste  Jahr  aus  Herrn  K  a  e  h  1  e  r  als  erstem  Vorsitzendem, 
ferrn  M  o  1 1  als  zweitem  Vorsitzendem,  Herrn  J  o  a  c  h  i  m  als  erstem 
ieschäftsführer,  Herrn  S.  Alexander  als  zweitem  Geschäfts- 
ihrer,  Herrn  Paasch  als  Beisitzer. 

i  —  Die  vor  kurzem  eröffnete  Lupusheilstätte  in  Giessen 
>t  nicht  die  erste  ihrer  Art.  Wie  uns  mitgeteilt  wird,  wurde  die 
.upusheilstätte  des  Vaterländischen  Frauenvereins  Graudenz  bereits 
n  Jahre  1908  eröffnet;  ihr  kommt  also  der  Ruhm  zu,  die  erste 
upusheilstätte  in  Deutschland  gewesen  zu  sein. 

—  Der  IV.  Kongress  der  Internationalen  Gesell- 
chaftfür  Chirurgie  findet  vom  14.  bis  18.  April  1914  in  New 
ork  statt.  Die  amerikanischen  Kollegen  beabsichtigen,  für  die  Mit¬ 
lieder  des  Kongresses  eine  Reise  durch  die  Hauptstädte  Nordameri- 
as  zu  veranstalten.  Die  ganze  Abwesenheit  von  Europa  würde  in- 
ügedessen  ca.  4  Wochen  beanspruchen.  Als  Verhandlungsthemata 
ir  den  Kongress  sind  in  Aussicht  genommen:  I.  de  Quervain, 
lartmann,  Lecene,  Mayo,  Moynihan  und  Payr;  Ulcus 
entriculi  et  duodeni.  II.  Morest  in;  Pfropfung  in  der  plastischen 
Jürurgie,  Villa  rd:  Gefässpfropfung,  Ulmann  und  Lex  er: 
’fropfung  und  Transplantation.  Carrel:  Transplantation  von  Or- 
anen.  III.  Witzei:  Technik  der  Amputationen  im  allgemeinen, 
e  c  i :  Amputation  des  Arms  und  Vorderarms,  K  u  z  m  i  k :  Amputation 
er  Hand  —  Amputation  des  Oberschenkels,  Binnie,  Durand  und 
enzi:  Amputation  des  Unterschenkels  und  des  Fusses.  Delegierter 
ir  Deutschland  ist  Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  Sonnenburg,  Ber- 
n  W„  Hitzigstr.  3,  welcher  gern  bereit  ist,  jede  auf  den  Kongress 
ezügliche  Auskunft  zu  erteilen. 

:  —  Die  Jahresversammlung  des  Vereins  Bayerischer 
'  s  y  c  h  i  a  t  e  r  findet  am  27.  und  28.  J uni  1913  in  der  Kgl.  psychiatrischen 
linik  zu  München  statt.  Referat:  Die  paranoiden  Erkran- 
ungen.  Referenten:  v.  H  ö  ss  1  i  n  -  Eglfing,  S  t  r  a  n s  k y  -  Wien, 
orträge:  Kräpelin-  München :  Ueber  Hysterie.  Reichardt- 
/iirzburg:  Ueber  Störungen  der  Körpertemperatur  und  der  vaso- 
lotbrisch-trophischen  Funktionen  bei  Gehirnkranken.  vanVelzen- 
sachimsthal  bei  Berlin:  Ueber  das  Gedächtnis.  K  1  e  i  st  -  Erlangen : 
eber  paranoide  Wahnbildung.  F  i  s  c  h  e  r  -  Prag:  Das  Alter  und  die 
erlaufsformen  der  progressiven  Paralyse.  A  1 1  e  r  s  -  München:  Die 
bderhalden  sehe  Serodiagnostik  der  Psychosen.  Specht- 
rlangen:  Zur  Frage  der  exogenen  Schädigungstypen.  Spiel- 
a  y  e  r  -  München :  Anatomische  Demonstrationen.  Kolb-  Erlangen : 
weikernige  Ganglienzellen.  P  1  a  u  t  -  München:  Ueber  Halluzinose 
er  Syphilitiker.  W  e  i  le  r  -  München:  Krankendemonstrationen, 
ss  e  r  1  i  n  -  München:  Ueber  die  Bedeutung  von  Gefühlsvorgängen 
r  die  Reproduktion,  v.  R  a  d  -  Nürnberg:  Ueber  motorische  Apraxie, 
edingt  durch  halbseitige  Balkenläsion  (mit  Projektionen).  Am  Vor- 
rend  —  26.  VI.  —  ab  6  Uhr  nachm.  Zusammenkunft  im  Hotel  Stachus 
ti  Karlsplatz,  I.  Stock.  Beginn  der  Sitzungen  in  der  Klinik  9  Uhr 
orm.  Am  29.  VI.  Besichtigung  der  neuen  oberbayerischen  Heil-  und 
flegeanstalt  Haar. 

I  —  Von  den  „Studies  from  the  Rockefeiler  Insti- 
u  t  e  for  Medical  Researc  h“  ist  der  16.  Band  (Sonderdrucke) 

schienen. 

•  —  Pest.  Aden.  Vom  4.  bis  10.  Mai  sind  an  der  Pest  in  Aden 
Personen  erkrankt  und  9  gestorben.  —  Britisch  Ostindien.  In  der 
oche  vom  20.  bis  26.  April  erkrankten  10  156  und  starben  9111  Per- 
inen  an  der  Pest.  —  Brasilien.  In  Bahia  vom  9.  März  bis  5.  April 
Erkrankungen  und  4  Todesfälle,  in  Pernambuco  (unter  einer  Be- 
llkerung  von  210  000  Personen)  während  des  Jahres  1912  20  Todes- 
lle.  —  Ecuador.  In  Guayaquil  und  Umgebung  im  April  19  Erkran- 
jngen  und  6  Todesfälle.  —  Hawaii.  In  2  Ortschaften  am  2.  und 
Mai  2  Erkrankungen  und  1  Todesfall. 

—  In  der  21.  Jahreswoche,  vom  18. — 24.  Mai  1913,  hatten  von 
.‘utschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 


1303 

Berlin-Lichterfelde  mit  25,6,  die  geringste  Berlin-Friedenau  mit 
2,4  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel- 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Berlin-Lichterfelde,  an 
Masern  und  Röteln  in  Graudenz,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin- 
Lichterfelde.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Am  Mittwoch,  den  11.  Juni,  um  12  Uhr  findet  im 
Garten  der  Kgl.  Charitee  die  Enthüllung  der  Büste  Ernst 
v.  Leydens  statt. 

Dresden.  Prof.  Dr.  H.  C  o  n  r  a  d  i,  erster  Bakteriologe  an 
der  Kgl.  Zentralstelle  für  öffentliche  Gesundheitspflege  zu  Dresden, 
hat  sich  an  der  Technischen  Hochschule  für  Bakteriologie  habilitiert. 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  Br.  3163  immatrikulierte  Studierende  zählt  im 
laufenden  Sommersemester  die  Universität  Freiburg  i.  Br.  Davon 
sind  1246  in  der  medizinischen  Fakultät  (darunter  40  Odontojogen 
und  42  Pharmazeuten).  Der  Staatsangehörigkeit  nach  sind  3010  Reichs¬ 
deutsche,  ferner  153  Ausländer  (darunter  71  Russen).  Dazu  kommen 
134  Hospitanten.  Die  Gesamtfrequenz  beträgt  3297.  (hk.) 

Giessen.  Für  das  Fach  der  Augenheilkunde  habilitierte  sich 
der  Assistent  an  der  Universitäts-Augenklinik  Dr.  Adolf  Jess  mit 
einer  Antrittsrede  über:  „Die  sympathische  Ophthalmie“.  —  Prof.  Dr. 
Danneman  n,  Extraordinarius  für  Psychiatrie  ist  zum  Direktor 
der  Landes-Heil-  und  Pflegeanstalt  Philippshospital  bei  Goddelau  er¬ 
nannt  worden  unter  Verleihung  des  Titels  Medizinalrat.“ 

H  a  1 1  e  a.  S.  Für  das  durch  den  Tod  v.  Bramanns  verwaiste 
Ordinariat  der  Chirurgie  waren  vorgeschlagen  worden:  primo  et  aequo 
loco  Lex  er- Jena  und  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  -  Zürich;  secundo  loco 
1.  König-  Marburg,  2.  Schmieden  -  Berlin;  tertio  loco  S  t  i  e  d  a  - 
Halle  a.  S.  Prof.  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  -  Zürich  ist  berufen  worden.  — 
Prof.  Abderhalden  hat  einen  Ruf  nach  Wien  als  Nachfolger  des 
in  den  Ruhestand  tretenden  Hofrates  Ludwig  erhalten. 

M  ü  n  s  t  e  r  i.  W.  Die  Zahl  der  immatrikulierten  Studierenden 
beträgt  in  diesem  Wintersemester  2209,  mit  Einschluss  von  189  Stu¬ 
dentinnen.  Zum  Hören  der  Vorlesungen  sind  ausserdem  berechtigt 
156  Personen,  so  dass  die  Gesamtfrequenz  an  der  hiesigen  Universität 
sich  auf  2365  stellt.  Der  medizinisch-propädentischen  Abteilung 
(medizinisches  Studium  innerhalb  der  ersten  5  Semester  bis  zur  ärzt¬ 
lichen  Vorprüfung  einschliesslich)  gehören  mit  Einschluss  der  Stu¬ 
dierenden  der  Zahnheilkunde  298  Immatrikulierte  an,  darunter  13  Stu¬ 
dentinnen.  —  Die  Stadtverordnetenversammlung  bewilligte  in  ihrer 
Sitzung  am  4.  d.  M.  aus  Anlass  des  Regierungsjubiläums  des  Kaisers 
eine  Stiftung  von  200  000  M.  für  Freibetten  in  der  neu  zu 
errichtenden  Universitätsklinik.  Die  Freibetten  sollen  für 
ortsarme  Kranke  bestimmt  sein. 

Tübingen.  Habilitiert  hat  sich  der  Assistent  am  pharmako¬ 
logischen  Institut  Dr.  Hermann  Walbaum  mit  einer  Probevorlesung 
über  „Die  Toxikologie  der  Schlangengifte“,  (hk.) 

Basel.  Die  Gesamtzahl  der  immatrikulierten  Studenten  und 
Zuhörer  beträgt  im  Sommersemester  1913  1037,  wovon  122  Damen. 
Medizin  studieren  271,  davon  nur  20  Damen.  Russischer  Nationalität 
sind  72,  gar  keine  Russinnen.  Um  der  drohenden  Invasion  aus 
Deutschland  zu  begegnen,  ist  man  im  Begriffe,  noch  strengere  Be¬ 
dingungen  zu  treffen,  da  sonst  Raummangel  zu  befürchten  steht. 

Innsbruck.  Der  mit  dem  Titel  und  Charakter  eines  o.  Uni¬ 
versitätsprofessors  bekleidete  a.  o.  Professor  für  Dermatologie 
Dr.  Ludwig  Merk  wurde  zum  o.  Professor  dieses  Faches  ernannt. 

Neapel.  Dr.  E.  Cacace  habilitierte  sich  als  Privatdezent 
für  Kinderheilkunde. 

Pest.  Dr.  M.  Goldzieher  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  pathologische  Anatomie. 

Prag.  Der  o.  Professor  der  Physiologie  und  medizinischen 
Physik  an  der  Tierärztlichen  Hochschule  in  Wien  Hofrat  Dr.  Armin 
Tschermak  Edl.  v.  Seysenegg  wurde  zum  o.  Professor  der 
Physiologie  an  der  deutschen  Universität  ernannt. 

Rom.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  DDr.  A.  S  a  1  m  o  n 
(Neurologie),  A.  Maurizi  und  St.  Rebaudi  (Geburtshilfe  und 
Gynäkologie);  A.  Pi  perno  (Zahnheilkunde). 

Wien.  Der  mit  dem  Titel  eines  a.  o.  Universitätsprofessors 
bekleidete  Privatdozent  für  Psychiatrie  und  Neurologie  Dr.  Emil 
R  a  i  m  a  n  n  wurde  zum  a.  o.  Professor  der  forensischen  Psychiatrie 
ei  nannt. 

(Todesfälle.) 

In  Charlottenburg  starb  im  Alter  von  62  Jahren  der  bekannte 
Hygieniker,  Privatdozent  an  der  technischen  Hochschule  in  Char¬ 
lottenburg,  Prof.  Dr.  Theodor  Weyl.  Er  war  ein  fruchtbarer 
Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Hygiene  und  besonders 
verdient  durch  ein  grosses  „Handbuch  der  Hygiene“. 

In  Turin  starb  der  Direktor  der  Irrenklinik,  Prof.  Dr.  Antonio 
M  a  r  r  o. 

Dr.  A.  Bochenek,  ausserordentlicher  Professor  der  Anatomie 
an  der  med.  Fakultät  zu  Krakau. 

Dr.  R.  D  ick,  Privatdozent  für  Geburtshilfe  an  der  med.  Fakultät 
zu  Bern. 

Dr.  Henry  S.  U  p  s  o  n,  Professor  der  Neurologie  an  Western 
Reserve  University  Medical  Department  zu  Cleveland. 

Dr.  Louis  A.  Duhring,  früher  Professor  der  Dermatologie  an 
der  Universität  von  Pennsylvanien  zu- Philadelphia. 

Dr.  Gge.  H.  Powers,  früher  Professor  der  Augenheilkunde  an 
der  California-Universität  zu  San  Franzisko. 


1 304 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


Korrespondenz. 


Leipziger  Verband  und  Berufsbuchhandel. 

.  Erklärung,  die  der  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes  in 

*  °;-i  ^7  •  k,  Aerztlichen  Mitteilungen  als  Entgegnung  auf  unseren 
Artikel  in  No.  18,  S.  1016  dieser  Wochenschriit  veröffentlicht,  zwingt 
uns  leider  abermals  zu  einer  Abwehr. 

Fi  Zunächst  müssen  wir  uns  gegen  die  gänzlich  unbegründete 
Unterstellung  verwahren,  wir  hätten  in  dem  Streit  mit  Dr.  Kuhns 
uns  des  Börsenvereins  der  Buchhändler  angenommen.  Tatsächlich 
sind  wir  ausschliesslich  für  die  von  Dr.  Kuhns  schwer  angegriffenen 
Interessen  unseres  Blattes  eingetreten  und  haben  im  Gegenteil  wieder¬ 
holt  zum  Ausdruck  gebracht,  dass  wir  das  rücksichtslose  Vorgehen 
des  Börsenvereins  gegen  die  Vereinsbuchhandlung  missbilligen  *). 
Dieser  unser  Standpunkt  war  dem  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes 
bekannt. 


Ebenso  unbegründet  ist  der  Vorwurf,  wir  hätten  von  den  uns  in 
vertraulicher  Weise  übergebenen  ehrengerichtlichen  Urteilen  einen 
unberechtigten  Gebrauch  gemacht.  Die  Urteile  sind  uns  nicht  ver¬ 
traulich  übergeben  worden;  wir  hätten  diese  Beschränkung  auch 
nicht  angenommen;  denn  wir  haben  auf  diese  Urteile  ein  moralisches 
Anrecht.  Die  Verhandlung  vor  dem  sächsischen  Ehrengerichte  be¬ 
zweckte.  nachdem  Herr  Dr.  Kuhns  vor  dem. in  München  von  ihm 
angerufenen  Schiedsgericht  den  Rückzug  angetreten  hatte,  den  Aus¬ 
trag  des  zwischen  ihm  und  uns  schwebenden  Streites.  Das  fehlte 
geiade  noch,  dass  Herr  Dr.  Kuhns,  der  uns  schon  durch  die 
gewählte  Form  der  Selbstanzeige  in -Nachteil  gesetzt  hatte,  uns  auch 
noch  die  Urteile  vorenthalten  hätte.  Trotzdem  haben  wir  die  Urteile 
nur  so  weit  verwendet,  als  zur  Widerlegung  der  falschen  Dar¬ 
stellung  in  der  Erklärung  des  Vorstandes  des  Leipziger  Verbandes 
unbedingt  erforderlich  war,  und  wir  haben  insbesondere  den  vom 
Leipziger  Ehrenrat  Herrn  Dr.  Kuhns  gemachten  peinlichen  Vor¬ 
wurf  fahrlässigen  Handelns  nicht  erwähnt.  Da  von  Herrn  Dr.  K  u  h  n  s 
und  vom  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes,  sehr  zu  unserem  Be¬ 
dauern,  von  Anfang  an  das  Herausgeberkollegium  der  Münchener 
medizinischen  Wochenschrift  in  den  Streit  hereingezogen  wurde, 
so  hatten  wir  selbstverständlich  auch  die  Urteile  dem  Herausgeber- 
Kollegium  vorzulegen.  Es  hat  von  uns  also  kein  unbefugter  Gebrauch 
der  Urteile  stattgefunden. 

Wenn  wirklich  die  vom  sächsischen  Ehrengericht  ergangenen  Ur¬ 
teile,  obwohl  sie  doch  freisprechend  sind,  das  Licht  der  Oeffentlich- 
keit  nicht  vertragen,  so  hätten  wir  nichts  dagegen  gehabt,  wenn  der 
Vorstand  des  L.V.  auf  die  Sache  nicht  mehr  zurückgekommen  wäre 
Nachdem  das  doch  und  zwar  in  einer  Weise  geschehen  ist  die 
uns  entgegen  den  Tatsachen  ins  Unrecht  setzt,  geht  es  nicht  an',  uns 
,•»]  dT  'iacht'‘ägliche  Proklamierung  der  Vertraulichkeit  der  Urteile 
die  Möglichkeit  der  Verteidigung  abzuschneiden. 


In  sachlicher  Beziehung  kritisiert  der  Vorstand  des  Leipziger 
\  erbandes  unsere  Richtigstellungen  in  No.  18  dieser  Wochenschrift, 
leider  ohne  sie  abzudrucken,  worum  wir  ersucht  hatten,  und  auch  ohne 
den  Wortlaut  der  Urteile  bekannt  zu  geben.  Es  wird  also  alles 
leingehalten,  was  den  Lesern  ein  objektives  Bild  ermöglicht  hätte. 
Immerhin  bequemt  sich  der  Vorstand  zu  dem  Eingeständnis,  der 
Lhrenrat  habe  die  Ansicht  ausgesprochen,  Herr  Dr.  Kuhns  habe  sich 
„in  seiner  Kampfesstimmung  wohl  nicht  ganz  ge¬ 
nügend  unterrichtet  und  habe  deshalb  fahrlässig 
g  e  h  a  n  d  e  1 1  . 


.../tatsächlich  hat  der  Ehrenrat  eine  wesentlich  schärfere  Sprache 
geiulirt.  Aber  auch  aus  dieser  beschönigenden  Fassung  geht  hervor, 
dass  der  Lhrenrat  von  der  objektiven  Unwahrheit,  aber  auch  von  der 
schwerwiegenden  Bedeutung  der  Behauptung  des  Herrn  Dr  K  u  h  n  s 
uberzeugt  war.  Sonst  hätte  er  ihm  nicht  den  Vorwurf  fahrlässigen 
Handelns  gemacht,  weil  er  die  strittige  Behauptung  verbreitet  hat, 
ohne  sich  vorher  genau  über  ihre  Richtigkeit  zu  informieren 

So  sieht  das  freisprechende  Urteil  der  ersten  Instanz  aus! 

-i/  u  Vst  geradezu  unbegreiflich,  wie  der  Vorstand  des  Leipziger 
erbandes  sich  entschlossen  konnte  angesichts  dieser  Tatsache  in 
semer  Erklärung  in  No.  17  der  Aerztl.  Mitteilungen  zu  behaupten, 
mr.  Kuhns  sei  „in  beiden  Instanzen“  von  dem  Vorwurf  der  Un¬ 
wahrheit  freigesprochen  worden. 

Der  Ehrengerichtshof,  die  2.  Instanz,  hat  Herrn  Dr.  Kuhns 
lediglich  von  dem  vom  Ehrenrat  ausgesprochenen  Tadel  befreit,  da 
er  der  Ansicht  war,  es  habe  keine  Fahrlässigkeit  des  Herrn  Dr 

LUr5o^w0rgelM8:e^  "•? nn  er  an  die  Wahrheit  der  ihm 
5.!  m  a  <- h  t  e  n  Mitteilungen  glaubte.  Das  heisst  doch  mit 
dürren  Worten:  Die  Angaben  des  Herrn  Kuhns  waren  objektiv  un- 
warn  ,  Herr  Kuhns  war  aber  im  guten  Glauben. 

F nd,  aT£esjcIVs  dieser  unbestreitbaren  Tatsachen  bringt  es  der 
Vorstand  des  Leipziger  Verbandes  über  sich,  auch  jetzt  noch  zu 
schreiben,  er  halte  seine  Erklärung  vom  15.  April  (Dr.  Kuhns 
sei  in  beiden  Instanzen  von  dem  Vorwurf,  von  der  Wahrheit  ab¬ 
gewichen  zu  sein,  freigesprochen  worden)  vollinhaltlich  aufrecht  und 
er  habe  daran  auch  nicht  ein  Wort  zu  ändern' 


e  Wenn  man  sich  loyal  auf  den  Standpunkt  der  Entscheidung  de 
sächsischen  Ehrengerichtes  stellt,  so  ergibt  sich  folgende  Sachlage 

,  Herr  Dr.  K  u  h  n  s  hat  in  No.  48,  1910  der  Aerztlichen  Mi 
teil ungen  über  den  Buchhändlerstreit  Behauptungen  veröffentlich 
die  sich  als  irrtümlich  erwiesen  haben;  die  daran  geknüpften  Ar 

Münch,  med.  Wochenschr.  No.  5,  1911,  S.  288  und  No.  1. 

Y  S  Y  Yy  w.  /  1 0. 


Verlag  von  J.  F  Keitmann  in  München.  —  Druck 


griffe  auf  die  Münchener  medizinische  Wochenschrift  bezw.  den 
Verleger  sind  daher  hinfällig.  Herr  Dr.  Kuhns  hat  die  Bi 
hauptungeri  aber  nicht  wider  besseres  Wissen,  sondern  auf  Gnu 
unrichtiger  Information  aufgestellt. 

Wenn  dieser  Sachverhalt  von  beiden  Teilen  anerkannt  wordi 
wäre,  so  wäre  damit  der  leidige  Streit  aus  der  Welt  geschai 
worden.  Statt  dessen  verbleibt  der  Vorstand  des  Leipziger  Ve 
bandes  beharrlich  bei  der  jetzt  von  4  Gerichtshöfen**)  als  ui 
haltbar  erwiesenen  Fiktion  „von  der  völligen  Richtigkeit  der  von  de. 
Herrn  Generalsekretär  aufgestellten  Behauptungen“. 

Der  Vorstand  des  Leipziger  Verbandes  erklärt  am  Schlusv 
seines  Artikels,  er  werde  auf  weitere  „Angriffe  und  Richtigstellungen 
unsererseits  nicht  mehr  antworten.  Unter  den  geschilderten  Verhall 
nissen  ist  es  für  ihn  allerdings  das  Klügste,  den  gründlich  vei 
fahrenen  Karren  auf  freiem  Felde  stehen  zu  lassen.  Redaktion 


Zur  Injektion  konzentrierter  Sal  »arsanlösimg. 

Herr  Dr.  Paul  Ravaut  in  Paris  ersucht  uns  festzustellen,  das, 
er  früher  als  Dr.  D  u  h  o  t  die  Methode  der  konzentrierten  Salvarsai 
injektion  angegeben  habe.  Er  habe  seine  Mitteilung  darüber  der  irai 
zosischen  dermatologischen  Gesellschaft  am  6.  Februar  d.  J.  voi 
getragen,  während  der  Artikel  des  Dr.  Duhot  erst  am  15.  Februa 
erschienen  sei.  also  9  Tage  später.  Herr  Dr.  Duhot  dagegen  gib 
an  (d.  W.  No.  20,  S.  1088),  dass  sein  erster  Artikel  am  1.  Februal 
erschienen  sei.  Wir  müssen  es  den  beiden  Herren  umsomehr  über! 
lassen,  die  weiteren  Auseinandersetzungen  über  diese  Prioritätsfrag 
unter  sich  abzumachen,  als  beide  offenbar  unabhängig  voneinande 
zu  der  Methode  gekommen  sind  und  der  Zeitunterschied  in  jeden 
Falle  ein  ganz  unbedeutender  ist.  Red 


Vereinigung  deutscher  und  russischer  Kur-  und  Badeärzte. 

Der  Aerztliche  Bezirksverein  Bad  Kissingen  sendet  uns  mit  de 
Bitte  um  Abdruck  drei  Schreiben,  die  ihm  in  Sachen  der  in  No.  2 
S.  1184  d.  W.  veröffentlichten  Korrespondenz  zugegangen  sind  \Vi 
geben  nachstehend  den  Inhalt  der  Schreiben  in  Kürze  wieder: 

1.  Herr  Dr.  Hermann  Mayer  erklärt,  dass  er  die  Ermächtigung 
seinen  Namen  unter  die  Beitrittsaufforderungen  zu  setzen,  nich 
erteilt  habe;  er  habe  den  Vorsitz  der  Vereinigung  niedergelegt  und 
sei  aus  dieser  ausgetreten. 

2.  Die  Firma  Werrmann  &  Herrmann.  G.  m.  b.  H ,  bei 
streitet,  dass  dis  Einsendung  von  20  M.  eine  Conditio  sine  qua  noi 
zur  Erlangung  der  Satzungen  der  Vereinigung  gewesen  sei.  Wer  dei 
Mitgliedsbeitrag  nicht  unter  Nachnahme  senden  wollte,  erhielt  aucl 
so  ohne  weiteres  die  Mitgliedskarte. 

3.  Herr  Dr.  med.  Alexander  G  u  1 1  m  a  n  n  teilt  mit,  dass  in  dei 
am  31.  Mai  c.  stattgehabten  Mitgliederversammlung  einstimmig  be-| 
schlossen  wurde,  den  Verein  aufzulösen. 

Die  ganze  Angelegenheit  ist  also  ebenso  prompt  wie  glücklicli 
erledigt.  _  ]^eti 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  21.  Jahreswoche  vom  18.  bis  24.  Mai  1913. 
ßevölkerungszahl  622  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs 
fehler  11  (91),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  1  (5),  Kindbettfieber  —  (—) 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (1),  Scharlach  1  (-) 
Masern  u.  Röteln  —  (1),  Diphtherie  u.  Krupp  2(— ),  Keuchhusten  1  (2) 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus)  —  ( — ),  akut.  Gelenkrheumatismus  1  (— ) 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut 
Trichinenkrankh.  —  (-),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  Starrkrampf  -  (-) 
Blutvergiftung  —  (— ),Tuberkul.  der  Lungen  30  (26),Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  3  (2),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  (1),  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  17  (10),  Influenza  —  (— ),  veneri¬ 
sche  Krankh.  2  (2),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber 
Ruhr, Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat. Cholera,  Wechsel¬ 
heber  usw.  1  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  1  (2),  Alkoholis¬ 
mus  —  ( — ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  4  (1),  sonst.  Krankh 
d.  Atmungsorgane  4  (1),  organ.  Herzleiden  14  (17),  Herzschlag,  Herz- 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  1  (1),  Arterienverkalkung 
2  (4),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  4  (2),  Gehirnschlag  8  (7). 
Geisteskrankh.  —  (1),  Krämpfe  d.  Kind.  —  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven¬ 
systems  7  (3),  Atrophie  der  Kinder  5  (4),  Brechdurchfall  1  (1),  Magen¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  7  (19),  Blinddarm- 
»?/zand‘  ^  ^ — )»  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
Milz  2  ( — ),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  ( — ),  Nierenentzünd.  9  (3), 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (4),  Krebs  13  (18),  sonst. 
Neubildungen  4  (5),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  1  ( — ),  Krankh.  der 
Bewegungsorgane  1  (4),  Selbstmord  3  (3),  Mord,  Totschlag,  auch 
H'nncht.  (2),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  3  (3), 
and.  benannte  Todesursachen  6  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (1). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  180  (170). 


)  Vergl.  die  Urteile  des  Kgl.  Landgerichts  Leipzig.  Miinch. 
med.  \\  ochenschr.  1911,  No.  13,  S.  718  lind  des  Kgl.  Oberlandesgerichts 
Dresden,  Miincli.  med.  Wochenschr.  No.  25,  S.  1381. 

_ ‘)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


Di«  Mftnchcnet  Medizinischt  Wochen»chrift  erncheint  wöchentlich 
hi  Un»l»BC ’on  durchschnittlich  7  Bogen.  •  Preis  der  einzelnen 
Kummer  HU rt .  •  Bezugspreis  in  Deutschlsnd  vierteljährlich 
jl  6.—.  •  Obrif«  Bezugsbedingungen  siehe  suf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  »dressieren  : 

Pbrdle  Redaktion  Amulfstr.M.  Börozeit  der  Redaktion  SV, —  I  Uhr. 
Für  Abonnement  an  I.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Paul  Heesestrasse  ». 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Moste,  Theatinerstrasse  8. 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  24.  17.  Juni  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Augenklinik  zu  Kiel  (Direktor:  Professor 

L.  Hein  e). 

Ueber  die  Höhe-  des  Hirndruckes  bei  einigen  Augen¬ 
krankheiten* *). 

Von  Professor  Heine. 

Ueber  die  Bedeutung  der  isolierten  Hirndruck¬ 
steigerung  —  ohne  dass  dabei  im  Lumbalpunktat  irgend 
etwas  Pathologisches  zu  finden  wäre  —  sind  die  Akten  noch 
nicht  geschlossen. 

P.  de  R  i  d  d  e  r  (Brüssel  08)  u.  a.  halten  den  Druck 
für  einen  „inkonstanten  Faktor“,  dem  gegenüber  betonen 
Quincke,  Nonne,  Sänger  u.  a.  die  hohe  Bedeutung  der 
einfachen  Drucksteigerung  für  die  Diagnose  der  Menin¬ 
gitis  s  p  1.  oder,  um  mit  W  e  i  t  z  Q  zu  sprechen,  für  die  Kon¬ 
statierung  eines  Reizzustandes  der  Meningen. 

Einen  Grund  für  diese  Differenz  in  den  Auffassungen 
glaube  ich  darin  gefunden  zu  haben,  dass  die  Ergebnisse  der 
Lumbalpunktion  wesentlich  von  der  angewandten  Technik 
abhängig  sind.  Sticht  man  die  Kanüle  in  der  bekannten  Weise 
ein,  lässt  man  dann  sofort  den  Liquor  im  Steigrohr  aufsteigen 
und  liest  alsobald  die  Höhe  der  Wassersäule  ab,  so  wird  man 
häufig  bedeutungslose,  schnell  vorübergehende  Steigerungen 
sehen.  Ich  lege  deshalb  auf  folgende,  peinlichst  überein¬ 
stimmend  beobachtete  Technik  ausschlaggebenden  Wert: 
Pat.  befindet  sich  in  seitlicher  Horizontallage,  die  Kniee  sind 
—  nicht  zu  energisch,  um  Anstrengung  zu  vermeiden  — 
gegen  den  Leib  angezogen,  der  Rücken  gekrümmt.  Nun  wird 
die  Nadel  eingestochen  und  mit  Mandrin  solange  liegen  ge¬ 
lassen,  bis  sich  der  Patient  völlig  beruhigt  hat.  Nun  erst  wird 
der  möglichst  kurze  Gummischlauch  mit  Steigrohr  ange¬ 
schlossen  und  das  Steigen  beobachtet:  der  höchste  Betrag 
wird  notiert  und  Kanüle  mit  Steigrohr  nach  der  Uhr 
5  Minuten  liegen  gelassen.  Der  erst  jetzt  abgelesene  Wert 
scheint  mir  dem  vitalen  Hirndruck  am  nächsten  zu  kommen: 
er  ist  meist  etwas  oder  erheblich  niedriger  als  der  zuerst  ab¬ 
gelesene  und  es  ist  wohl  möglich,  dass  er  durch  Fistelung  zu 
niedrig  erscheint.  Dann  würden  wir  also  eine  Hirndruck¬ 
steigerung  übersehen  —  oder  den  zuerst  abgelesenen  Wert 
als  den  richtigen  ansehen  müssen.  Ich  habe  mich  aber  zu 
obiger  Auffassung  entschlossen,  um  dem  Vorwurf  zu  entgehen, 
zu  oft  Drucksteigerung  gefunden  zu  haben.  Für  die  Richtig¬ 
keit  der  angewandten  Technik  scheint  mir  auch  die  Kon¬ 
stanz  der  Druck  höhe  zu  sprechen,  die  bei  mehrfachen 
Punktionen  gefunden  wurde,  wenn  diese  etwa  alle  8  Tage 
wiederholt  wurden. 

So  fand  sich  bei  einem  4  jährigen  Jungen  bei  1.  280,  nach  7  ccm 
210;  2.  270,  nach  10  ccm  160:  3.  330,  nach  7  ccm  220;  4.  400,  nach 
15  ccm  250;  5.  380,  nach  4  ccm  350;  wobei  1.  und  3.  in  Narkose  aus¬ 
geführt  wurden.  Die  schiefe  Kopfhaltung  hatte  sich  bei  diesem 
Nystagmuspatienten  inzwischen  wesentlich  gebessert  und  eine  nach 
längerer  Zeit  ausgeführte  Lumbalpunktion  ergab  12& — 130  (wurde 
nichts  abgelassen). 

ln  einem  anderen  Falle  fand  sich  bei  einem  2  Jahre  alten  Jungen 
mit  Nystagmus  zunächst  220,  später  160,  dann  170,  dann  200,  bei  der 
5.  Lumbalpunktion  100,  und  als  das  Kind  dabei  einschlief  150  (wohl 
infolge  der  tieferen  Atmung).  In  dieser  Zeit  lernte  das  Kind  — •  für  die 
Mutter  überraschend  schnell  —  laufen. 

Auch  über  die  Höhe  des  physiologischen  Hirndruckes 
oder  dessen  obere  Grenze  sind  die  Meinungen  geteilt. 


*)  Auf  Wunsch  der  Redaktion  sind  die  Krankengeschichten  und 
ausführlichere  Literaturerwähnung  weggelassen.  H. 

*)  Neurol.  Zentralbl.  1910,  No.  19. 

No.  24. 


Quincke  gibt  als  obere  Grenze  bekanntlich  125  mm  Liquor 
an,  Nonne  150.  Aus  dem  soeben  genannten  Grunde  habe 
ich  die  letztere  Zahl  als  die  Grenze  der  Norm  angenommen, 
rechne  eine  geringe  Steigerung  bis  200,  eine  mittlere  bis  300 
und  nenne,  was  darüber  ist,  eine  hochgradige. 


Lumbaldruck 

bis  150 

bis  200 

bis  300 

über  300 

bei 

Nystagmus . 

7 

7 

9 

2 

Herp.  com.,  Kerat.  dendr. 

3 

9 

11 

2 

Ulcus  corn . 

10 

4 

3 

Augenverletzungen  .... 

5 

8 

5 

Iridozyklitis  . 

4 

1 

2 

Chorioretinitis  . 

7 

3 

7 

1 

Sympathische  Ophthalmie  . 

3 

Keratitis  parench . 

3 

1 

2 

Glaukom . 

3 

4 

3 

Hydrozephalus . 

2 

2 

1 

7 

Meningitis  serosa . 

2 

Lues  cerebri  . 

4 

12 

9 

6 

Enzephalitis  und  Retinitis  . 

6 

4 

9 

3 

Tumor  cerebri . 

1 

3 

1 

12 

Multiple  Sklerose . 

2 

4 

3 

Migräne  ophthalm . 

2 

1 

1 

1 

Tabes  . 

4 

2 

5 

Paralyse . 

1 

1 

2 

Basedowsche  Krankheit  .  . 

1 

Strabismus  conv . 

1 

Retinitis  pigmentosa  .... 

1 

Alkoholismus . 

1 

Ein  Blick  auf  die  Tabelle  zeigt,  dass  —  Drucksteigerungen 
jeden  Grades  bei  Augenaffektionen  keine  Seltenheiten  sind. 
Dass  bei  Tumor  cerebri,  Lues  cerebri,  Hydrozephalus  der 
Druck  gesteigert  ist,  wird  nicht  überraschen,  eher,  dass  es 
darunter  auch  Fälle  gibt,  die  keine  Steigerung  zeigen.  Bei 
diesen  Affektionen  ist  ja  aber  —  wird  man  sagen  —  das  Auge 
nur  sekundär  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Andererseits  aber 
gibt  es  offenbar  Augenaffektionen,  die  ihrerseits  primär  auf- 
treten  und  den  Hirndruck  steigern,  denn  wenn  unter  18  meist 
perforierenden  Augenverletzungen  der  Hirndruck  13  mal 
(8  mal  in  geringerem,  5  mal  in  mittlerem  Grade)  gesteigert  war, 
so  kann  das  nicht  dem  Zufall  und  nicht  der  Technik  auf 
Rechnung  gesetzt  werden.  Zumal  wenn  sich  nach  gleicher 
Technik  untersucht  der  Druck  später  normalisierte.  Aber 
auch  bei  Ulcus  corneae  und  Keratitis  superficialis  finden  wir 
unter  17  Fällen  7  mal  (4  mal  geringe,  3  mal  mittlere)  Druck- 
Steigerung.  Aus  der  Darlegung  der  klinischen  Bilder  wird  sich 
ergeben,  dass  es  sich  in  allen  diesen  Fällen  um  sogen,  reine 
Augenkrankheiten  gehandelt  hat,  deren  primäre  Natur  nicht 
zu  bezweifeln  ist.  Findet  sich  also  der  Hirndruck  gesteigert, 
so  kann  es  entweder  ein  sogen.  Zufall  sein,  den  wir  durch 
sorgfältige  körperliche  Allgemeinuntersuchung  auszuschalten 
suchen,  oder  aber  der  ursächliche  Zusammenhang  ist  nicht  in 
Abrede  zu  stellen. 

Finden  wir  also  bei  irgend  einem  Augenleiden  gesteigerten 
Hirndruck,  so  hegen  die  folgenden  3  Möglichkeiten  vor:  1.  die 
Hirndrucksteigerung  ist  Folge  einer  (primären)  Augenkrank¬ 
heit,  oder  2.  ist  die  Augenaffektion  die  Folge  des  gesteigerten 
Hirndruckes  oder  3.  sind  beide  die  Folgen  einer  übergeord¬ 
neten  Noxe,  wie  z.  B.  die  Lues  einerseits  spezifische  chro¬ 
nische  Meningitis  mit  Hirndrucksteigerung  und  anderseits 
Chorioretinitis,  Iritis  u.  a.  bedingen  kann.  Da  wir  nun  ausser 
Lues  und  Tuberkulose  relativ  wenig  solcher  übergeordneten 
Noxen  kennen,  so  v/erden  wir  in  einer  Reihe  von  Krankheits¬ 
bildern  zunächst  die  Hirndrucksteigerung  ätiologisch  für  diese 
oder  jene  Augenkrankheit  verantwortlich  machen  dürfen,  so¬ 
lange  wir  eben  die  Ursache  der  ersteren  noch  nicht  kennen. 

1 


1306 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ein  Beispiel  für  dieses  letztere  Verhältnis  scheint  mir  der 
Nystagmus  zu  sein. 


Die  letzten  Jahre  haben  uns  eine  ganze  Reihe  von  Ar¬ 
beiten  übei  diesen  Gegenstand  gebracht,  welche  uns  zeigen, 
dass  das  Problem  noch  viel  komplizierter  ist,  als  man  bisher 
annahm.  Die  25  Fälle,  an  denen  ich  meine  Studien  gemacht 
habe,  enthalten  leider  keinen  Fall  von  Bergmannsnystagmus, 
ferner  keinen  labyrinthären  Nystagmus.  Ob  sich  bei  diesen 
auch  etwa  der  Befund  einer  Mcningealreizung  bestätigen  wird, 
bleibe  dahingestellt. 

Nur  7  m  al  fand  sich  ein  Hirndruck  unter  150, 
18  mal  eine  Steigerung,  und  zwar:  7mal  eine  geringe,  9mal 
eine  mittlere  und  2  mal  eine  hochgradige. 

Eswar  also- unter  25  Fällen  der  Druck  min¬ 
destens  18m  algesteigert,  „mindestens“  darf  ich  wohl 
sagen,  da  nach  der  Darlegung  der  Technik  eher  eingeworfen 
werden  kann,  dass  ich  zu  selten,  keineswegs  aber,  dass  ich 
zu  oft  eine  Steigerung  notiert  habe. 


Dass  von  diesen  25  Fällen  19  sicher,  2  vermutlich  an¬ 
geboren  waren,  spricht  für  die  Auffassung,  dass  eine  Hirn- 
affektion  mit  Drucksteigerung  („Mcningealreizung“)  das  pri¬ 
märe  darstellte.  Von  den  19  angeborenen  Fällen  von  Nystag¬ 
mus  war  der  Hirndruck  5  mal  normal,  1-4  mal  gesteigert,  und 
zwar:  6 mal  in  geringem,  6 mal  in  mittlerem  und  2 mal  in 
hohem  Grade. 

In  4  Fällen  von  akquiriertem  Nystagmus  fand  sich  1  mal 
keine,  3  mal  Steigerung,  und  zwar:  1  mal  geringe,  2  mal 
mittlere. 

In  2  zweifelhaften  Fällen  war  der  Druck:  1  mal  normal 
1  mal  mittel  gesteigert. 

Diese  25  Fälle  von  Nystagmus  möchte  ich  in  5  Gruppen 
einteilen: 


bei  ffuter  Sehschärfe,  ohne  dass  sich 
sonst  irgend  eine  Komplikation  von  seiten  des  Nervensystems,  des 

ul'?'1  SiUSUw  nachweisen  liesse.  Von  diesen  waren  kongenital  4. 
akquiriert  2  Normal  war  der  Druck  2  mal,  g  steigert  4  mul. 

hlvrtnt* v  e  Jon  Nyst£^mus  bei  doppelseitiger  „kongenitaler  Am- 

S  Druck 3,  SdgTrtcnV8"" ‘  “  koni!eni,ak"  ~  ”<>r- 

normal  a“S  °kl"arer  Ursachc-  Dnlck  2,ral 

steigert  3  FÜlle  V°n  Nystasmus  bei  Chorioretinitis.  Druck  3  mal  ge- 


1 


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,5,  3  f‘ibe  v°n  Nystagmus,  wobei  der  Visus  wegen  Jugend  oder 
Idiotie  nicht  zu  bestimmen  war.  Druck  3  mal  gesteigert. 

Was  das  Verhältnis  der  Sehschärfe  zum 
ystagmus  anbetrifft,  so  ist  zu  bemerken,  dass  es  einer¬ 
seits  volle  Sehschärfe  bei  regulärem 
Nystagmus  gibt,  und  dass  anderer¬ 
seits  trotz  früh  aufgetretener  Seh¬ 
schwäche  ein  typischer  Nystagmus 
nicht  unbedingt  zur  Ausbildung  zu 
gelangen  braucht.  Wo  sich  Nystag¬ 
mus  und  Sehschwäche  gleichzeitig 
finden,  braucht  also  ein  Abhängig¬ 
keitsverhältnis  nicht  unbedingt  zu 
existieren.  Gleichwohl  glaube  ich, 
ein  solches  in  meinen  Fällen  meist 
annehmen  zu  sollen  und  zwar  in  dop¬ 
peltem  Sinne:  ich  glaube,  dass  so¬ 
wohl  der  Nystagmus  die  Seh¬ 
schwäche,  wie  auch  letztere  ersteren 
bedingen  kann.  Für  die  bald  post 
partum  bemerkten  Formen  möchte 
ich  glauben,  dass  der  Nystagmus  die 
Sehschwäche  bedingt,  für  die  Fälle 
von  Nystagmus  „aus  okularer  Ur- 
p..„  _  Sache  das  Umgekehrte.  In  anderen 

a  cu  sind  beide  Parallelsymptome  einer  höheren  Noxe. 
Dabei  mochte  ich  mit  einigen  Worten  der  bei  Nystag¬ 
muspatienten  nicht  so  selten  anzutreffenden  schiefen 
Kopfhaltung  (s.  Bild)  gedenken.  Man  fasst  diese  wohl 
am  ungezwungensten  auf  als  eine  Blickparese  oder  als  einen 
Reizzustand  in  den  Blickzentren  derart,  dass  bei  der  schiefen 
Kopfhaltung  die  grösstmögliche  Ruhelage  der  Augen  gegeben 
lst>  was  beim  Normalen  eben  die  Primärstellung  darstellt. 


Bei  solcher  schiefer  Kopfhaltung  finden  wir  öfter  zahlenmässiv 
anzugebende  Verbesserungen  der  beim  Blick  gradaus  wesent¬ 
lich  beeinträchtigten  Sehschärfe,  was  wir  weiter  unten  bei 
den  therapeutischen  Konsequenzen  wieder  berühren  werden 
Was  den  ophthalmoskopischen  Befund  an¬ 
betrifft,  so  fanden  sich  9  mal  Abnormitäten,  von  denen  indes 
2  in  das  Gebiet  der  kongenitalen  Anomalien  gehören,  so  in 
einem  Fall  beiderseits  Konus  nach  unten  und  Pseudoneuritis,  im 
anderen  Coloboma  optici  duplex.  Der  Befund  einer  Optikus¬ 
atrophie  mit  Chorioretinitis  periph.  in  2  Fällen  charakterisiert 
diese  als  hereditär-syphilitische.  Auch  ein  dritter  Fall  scheint 
sich  durch  Chorioretinitis  periph.  und  Hutchinson  sehe 
Zähne  als  syphilitisch  zu  erweisen.  Besonders  zu  beachten 
bitte  ich  aber  den  5  m  a  1  erhobenen  Befund  einer 
leichten,  meist  temporalen  Abblassung  einer 
oder  beider  Papillen,  in  3  Fällen  ohne,  in  2  Fällen  mit 
einer  gewissen  Funktionsstörung.  Diese  letztere  bestand  je¬ 
doch  in  beiden  Fällen  einzig  und  allein  in  einer  Erhöhung  der 
adaptiven  Reizschwelle.  Die  Dunkeladaptation  betrug  nach 
Piper  gemessen  nach  45  Minuten  in  einem  Falle  85  und  77, 
im  anderen  67,  was  sicher  schon  pathologisch  ist.  Ich  möchte 
deshalb  auch  diese  Befunde  leichtester  Abblassungen  bewerten 
als  Zeichen  einer  Erkrankung  des  zerebrospinalen  Systems, 
ähnlich  wie  wir  es  bei  der  multiplen  Sklerose  und  der  von 
B  ehr-')  beschriebenen  komplizierten  infantilen  Optikusatrophie 
sehen.  Suchen  wir  für  die  postulierte  Meningitis  nach  einer 
Ursache,  so  finden  wir  in  3  Fällen  Lues  hered.,  in  8  Fällen 
akute  fieberhafte  Krankheiten  (Pertussis,  Masern,  Scharlach 
Nervenentzündung,  Gehirnentzündung)  angegeben,  doch  muss  , 
fraglich  bleiben,  ob  der  Nystagmus  dadurch  erzeugt  oder  nur 
\  ei  schlimmert  sei,  meist  lagen  diese  Erkrankungen  ja  auch 
Jahre  zurück,  so  dass  ein  Zusammenhang  schwer  zu  er¬ 
weisen  ist. 

Was  die  Therapie  anbetrifft,  so  ist  es  nur  logisch,  dass 
wir,  wenn  wir  die  Ursache  nicht  zu  beseitigen  vermögen, 
doch  möglichst  die  sekundären  und  tertiären  Folgen  be¬ 
kämpfen,  also  den  Druck  allmählich  herabzusetzen  suchen. 
Diese  Probe  auf  das  Exempel  schlug  denn  auch  in  6  Fällen 
unverkennbar  günstig  aus  und  zwar  wurde  sowohl  das  All¬ 
gemeinbefinden  wie  speziell  der  Nystagmus  und  besonders  die 
schiefe  Kopfhaltung  zum  Teil  vorübergehend,  zum  Teil 
dauernd  beseitigt. 

Auch  von  V  e  1 1  e  r  ■*)  ist  in  einem  Falle  von  Nystagmus 
und  Sehschwäche  bei  einem  42  Jahre  alten  Potator  ohnc- 

Augenspiegelbefund  Heilung  durch  2  Lumbalpunktionen 
erzielt. 

Es  sei  mit  gestattet,  mich  nun  zur  zweiten  Gruppe  von 
Augenki ankheiten  (s.  lab.)  zu  wenden,  in  die  ich  den  Herpes 
corneae  spl.,  den  Herpes  zoster,  die  Keratitis  dendritica, 
buHosa,  neuroparalytica  und  die  Dystrophia  epithelialis 
(L.  Fuchs)  rechnen  möchte. 

Ist  es  beim  Nystagmus  von  vornherein  unwahrscheinlich, 
dass  er  seinerseits  die  Hirndrucksteigerung  bedinge,  ist  es 
vielmehr  naheliegend,  ein  umgekehrtes  Abhängigkeitsver- 
hältnis  anzunehmen,  so  ist  dieses  auf  die  oben  genannten 
Koi  nealerkr  ankungen  nicht  ohne  weiteres  anzuwenden,  denn 
eine  Koi  nealaffektion,  zumal  eine  traumatische,  kann  sehr  wohl 
eine  Lumbaldrucksteigerung  setzen. 

Auch  ist  es  vielleicht  nur  eine  andere  Ausdrucksweise, 
wenn  von  Meningitissymptomen  „infolge  aszendierender  In¬ 
fektion  bei  Herpes  zoster“  gesprochen  wird  (Pass  er  a, 
Chauffard  und  R  e  n  d  u,  B  i  r  k  h  ä  u  s  e  r).  Andererseits 
spricht  nach  ersterem  Autor  der  Befund  von  Mikroorganismen 
(Pneumokokken,  Meningokokken,  Strepto-  und  Staphylo- 
kokken)  im  Lumbalpunktat  für  die  zentrale  Ursache  des  Her- 
pes.  Heilbrun  ‘)  glaubte  in  seinem  Falle  an  Tuberkulose 
und  heilte  ihn  durch  Tuberkulinkur. 

In  den  25  von  mir  genauer  untersuchten  Fällen  „neuro- 
t  i  s c  h  er  Kornealaffektionen“  handelte  es  sich  um 
1  Fälle  von  Herp.  corneae  spl.  Normal  war  der  Lum¬ 
baldruck  nur  in  2  Fällen,  doch  fand  sich  in  einem  von  diesen 


2)  Klin.  M.-Bl.  f.  A.  09 

3)  Annales  d’Oc.,  143,  p. 

4)  Kl.  M.  f.  A.,  April  13. 


17.  Juni  1013. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


1307 


beiden  eine  Albuminvermehrung  im  Punktat;  in  9  Fällen  war 
er  gesteigert  und  zwar  4  mal  wenig,  4  mal  massig,  1  mal  stark. 
Sodann  kamen  3  Fälle  von  Herpes  zoster  zur  Unter¬ 
suchung.  Alle  diese  zeigten  Lumbaldrucksteigerung  mittleren 
ürades.  Auch  7  Fälle  von  K.  dendritica  zeigten  sämt¬ 
lich  Steigerung  und  zwar  4  mal  geringe,  2  mal  mittlere,  1  mal 
starke. 

2  Fälle  von  K.  bullosa  zeigten  beide  mittlere  Steige¬ 
rung. 

1  Fall  von  Dystrophia  epith.  zeigte  geringe  Steige¬ 
rung.  Normal  war  der  Druck  in  einem  Falle  von  K.  neuro- 
paralytica,  untersucht  allerdings  erst  '%  Jahr  nach  der 
Basisfraktur. 

Anamnestisch  fand  sich  —  mit  Vorbehalt  im  Sinne  der 
Aetiologie  zu  verwenden  —  1  mal  Influenza,  3  mal  H.  zoster, 
6  mal  kleine  örtliche  Traumen,  15  mal  trotz  sorgfältigen  Be¬ 
fragens  nichts. 

Eine  Irisbeteiligung  fand  sich  von  einfacher  Hyper¬ 
ämie  bis  zu  schwerer  Iritis  und  Zyklitis  15  mal. 

Die  Tension  wurde  genau  gemessen  in  14  Fällen,  davon 
war  sie  nicht  verändert  6  mal,  5  mal  fand  sich  die  Tension  ge¬ 
steigert,  3  mal  herabgesetzt. 

Eine  Sensibilitätsprüfung  der  Kornea  wurde  in  21  Fällen 
vorgenommen.  7  mal  fand  sie  sich  ausserhalb  des  befallenen 
Teiles  der  Kornea  normal,  14  mal  auch  da  herabgesetzt  oder 
erloschen. 

Eine  Bestimmung  des  Blutdruckes  nach  Riva-Rocci 
wurde  11  mal  vorgenommen,  6  mal  fand  er  sich  gesteigert 
(150  Hg  und  mehr),  5  mal  normal. 

Ueberblicken  wir  zusammenfassend  diese  25  Fälle  von 
„n  eurotischen  Kornealaffektione  n",  so  sehen 
wir  noch  klarer  als  beim  Nystagmus  die  Häufigkeit  der  Hirn¬ 
drucksteigerung,  nur  3  mal  war  diese  nicht  zu  konstatieren. 
Nun  scheidet  Fall  25  (K.  neuroparalyt.)  eigentlich  aus,  da  er 
erst  %  Jahre  später  punktiert  wurde.  Auch  Fall  7  ist  inso¬ 
fern  nicht  eindeutig,  als  sich  zwar  keine  Hirndrucksteigerung 
(180  und  nach  5  Minuten  120),  wohl  aber  ein  vermehrter 
Albumingehalt  des  Liquors  feststellen  Hess.  Bleibt  eigentlich 
als  einziger  Fall  von  Herpes  zoster  ohne  Hirndruckalteration 
ein  Fall,  der  einen  70  Jahre  alten  Mann  betraf,  dessen  Blut¬ 
druck  150  doch  wohl  schon  als  etwas  erhöht  angesehen  werden 
muss,  so  dass  die  von  ihm  geklagten  Schwindelanfälle  viel¬ 
leicht  als  prämonitorisches  Symptom,  der  alle  Frühjahr  rezi¬ 
divierende  Herpes  vielleicht  als  neurotisches  Aequivalent  auf¬ 
zufassen  sein  dürfte. 

Wie  der  Nystagmus  —  oder  wenigstens  die  oben  ge¬ 
schilderten  Formen  desselben  — ,  so  scheinen  mir  auch  der 
Herpes  corn.  und  verwandte  Zustände  ihre  häufigste  Ursache 
in  einer  Hirndrucksteigerung  zu  haben.  Bei  der  Häufigkeit  der 
iritischen  Komplikationen  liegt  es  ja  nahe,  an  eine  toxische 
oder  infektiöse  Noxe  zu  denken,  welcher  die  beiden  so  viele 
Parallelen  bietenden  Organe:  die  Meningen  wie  die  Uvea 
ihren  Reizzustand  zu  verdanken  haben.  Hier  taucht  wieder 
die  Frage  auf,  ob  der  Herpes  u.  ä.  durch  die  Hirndruck¬ 
steigerung  bedingt  ist  —  wie  ich  glaube  —  oder  ob  er  viel¬ 
leicht  der  toxischen  oder  infektiösen  Noxe  selbst  seine  Ent¬ 
stehung  verdankt,  ob  er  also  ein  Parallelsymptorn  zur  Hirn¬ 
drucksteigerung  ist,  wie  ich  Meningitis  und  Uveitis  als 
Parallelsymptome  auffassen  möchte.  Eine  gewisse  Entschei¬ 
dung  in  dieser  Frage  scheint  mir  der  Effekt  der  künstlichen 
Herabsetzung  des  Hirndruckes  herbeiführen  zu  können.  In 
der  Tat  glaubte  ich  einige  Male  eine  ganz  evident  günstige 
Wirkung  der  Lumbalpunktion  zu  sehen. 

Besonders  überzeugend  war  mir  in  dieser  Hinsicht  die  Kranken¬ 
geschichte  eines  60  Jahre  alten  Kapitäns  R.,  welcher  9  Wochen  lang 
topisch  mit  allen  üblichen  Mitteln  wegen  einer  K.  dendr.  nach 
H.  zoster  ophth.  behandelt  war.  Trotzdem  ging  der  Prozess  ständig 
vorwärts. 

Am  28.  IV.  10  wurde  er  in  die  Klinik  aufgenommen  und  am  30.  IV. 
punktiert.  V.:  Finger  in  1  m.  Der  Lumbaldruck  wurde  von  230  auf 
150  herabgesetzt.  Bereits  am  4.  V.  wurde  Aufhellung  der  Kornea 
konstatiert. 

Vom  4.  V.  an  bekam  Pat.  täglich  5  g  JK. 

Am  7.  V.  wurde  der  Lumbaldruck  nochmals  von  250  auf  die 
Norm  herabgesetzt. 

Am  10.  V.  wurde  weitere  Aufhellung  notiert  und  Pat.  entlassen. 
Am  12.  V.  bereits  V35.  Am  30.  V.  — 2,0  D.  B/io.  Später  — 3,0  D.  5/b. 


Es  ist  zu  betonen,  dass  der  Anfang  der  Besserung  jeden¬ 
falls  nicht  auf  die  Jodtherapie  bezogen  werden  kann.  Ich  kann 
mich  dem  Eindruck  nicht  verschliessen,  dass  auch  in  anderen 
Fällen  durch  die  Lumbalpunktion  die  Dauer  der  Korneal- 
affektion  abgekürzt  wurde. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Giessen  (Prof.  Dr.  V  o  i  t). 

Ueber  intravenöse  Injektionen  kleiner  Mengen  von 
Menschenblut  bei  der  Behandlung  schwerer  Anämien. 

Von  Privatdozent  Dr.  Arthur  Weber,  Assistent  der  Klinik. 

Vor  einigen  Jahren  habe  ich  im  Deutschen  Archiv  für 
klinische  Medizin  *)  eine  Methode  zur  Behandlung  schwerer 
Anämien  angegeben,  die  in  wiederholter  intravenöser  Trans¬ 
fusion  kleiner  Mengen  —  5  ccm  — -  defibrinierten  Menschen¬ 
blutes  besteht.  Ich  konnte  damals  über  7  Fälle  berichten,  die 
mit  dieser  Methode  behandelt  wurden.  Das  Ergebnis  meiner 
Versuche  war  das,  dass  man  mit  solchen  kleinen  Transfusionen 
die  gleichen  Erfolge  erzielen  kann,  wie  mit  der  Arsenbehand¬ 
lung  oder  mit  grossen  Transfusionen.  In  5  der  damals  be¬ 
obachteten  Fälle  trat  im  Anschluss  an  wiederholt  ausgeführte 
Transfusionen  eine  sehr  wesentliche  Besserung  ein 2).  Auch 
in  den  zwei  Fällen,  in  denen  auf  die  Transfusion  keine  nennens¬ 
werte  Besserung  folgte,  zeigte  die  fortlaufende  Beobachtung 
des  gefärbten  Blutpräparates,  dass  die  kleinen  Transfusionen 
einen  Reiz  auf  das  Knochenmark  ausübten.  Das  war  zu  er¬ 
kennen  in  dem  vermehrten  Auftreten  von  Leukozyten,  zu¬ 
weilen  auch  von  kernhaltigen  Erythrozyten  im  strömenden 
Blut. 

Während  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  nach 
den  kleinen  Transfusionen  keine  ernsteren  Reaktionserschei¬ 
nungen  beobachtet  wurden,  kam  es  in  einem  Fall  doch  zu 
einem  4  tägigen  hohen  Fieber,  als  dessen  Ursache  eine  Ver¬ 
dichtung  im  rechten  Unterlappen  angesehen  werden  musste. 
Es  blieb  damals  unklar,  ob  es  sich  um  einen  entzündlichen 
oder  einen  thrombotischen  Vorgang  gehandelt  hat. 

Nach  Abschluss  der  erwähnten  Arbeit  haben  wir  nun 
weitere  Versuche  mit  den  kleinen  Transfusionen  angestellt 
und  haben  unser  Hauptaugenmerk  darauf  gerichtet,  wie  man 
die  Reizerscheinungen  verhindern  kann,  die  sich  in  einer  Reihe 
von  Fällen  einstellten,  wenn  auch  viel  seltener  und  weniger 
ausgesprochen  als  nach  den  bisher  üblichen  grossen  Trans¬ 
fusionen.  Wir  glauben  nun  in  der  Tat  ein  sehr  einfaches  Mittel 
zur  Verhütung  der  Reaktionserscheinungen  gefunden  zu  haben 
und  zwar,  ohne  die  Wirkung  der  Transfusion  abzuschwächen. 
Dies  Mittel  besteht  darin,  dass  man  das  zur  Transfusion  be¬ 
stimmte  Blut  nicht  direkt  nach  der  Entnahme  und  Defibri¬ 
nierung  injiziert,  sondern  erst  nach  6 — 24  stündigem  Stehen 
im  Eisschrank. 

Unser  Verfahren  bei  der  Transfusion  gestaltet  sich  folgender- 
massen:  Wir  entnehmen  einem  jugendlichen  Individuum,  das  nicht 
an  einer  Infektions-  oder  Stoffwechselkrankheit  leidet,  mittels  einer 
Punktionsnadel  unter  aseptischen  Kautelen  20 — 30  ccm  Blut  aus  der 
gestauten  Kubitalvene,  das  Blut  fliesst  in  ein  trockenes,  steriles 
Erlenmeyerkölbchen.  Hier  wird  es  durch  langsames  5  Minuten 
langes  Schlagen  mit  einem  sterilen  Qlasstab  defibriniert.  Das  Fibrin 
setzt  sich  dabei  als  ein  kompakter  Kuchen  an  den  Stab  ab.  Dann 
wird  das  defibrinierte  Blut  durch  eine  vierfache  Lage  von  sterilem 
Mull  in  ein  zweites  trockenes,  steriles  Kölbchen  filtriert,  dieses  mit 
Watte  verschlossen  und  für  24  Stunden  in  den  Eisschrank  gestellt. 
Unmittelbar  vor  der  Transfusion  wird  das  Blut  in  warmem  Wasser 
ungefähr  auf  Körpertemperatur  erwärmt  und  nachdem  die  inzwischen 
sedimentierten  Erythrozyten  wieder  gründlich  aufgeschüttelt  sind, 
werden  5  ccm  des  so  vorbehandelten  Blutes  mit  einer  einfachen 
Pi  obepunktionsspritze  ganz  langsam  in  die  Vena  cubitalis  injiziert. 
In  der  Regel  genügt,  eine  einfache  Stauung,  um  mit  der  Kanüle  in  das 
Lumen  der  Vene  zu  gelangen,  nur  in  Ausnahmefällen  mussten  wir  die 
Vene  freilegen. 

Nach  der  geschilderten  Methode  haben  wir  innerhalb  der 
letzten  4  Jahre  insgesamt  46  Transfusionen  an  18  verschie¬ 
denen  Kranken  ausgeführt.  Auf  40  Transfusionen  erfolgte 
nicht  die  geringste  Reaktion  subjektiver  oder  objektiver  Natur, 
6  mal  kam  es  zu  leichten  Reaktionen,  die  in  keinem  Fall  einen 


*)  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  97,  1909. 

")  Allerdings  war  diese  Besserung  keine  dauernde.  Alle  Patien¬ 
ten,  die  wir  weiter  im  Auge  behalten  konnten,  sind  innerhalb  der 
nächsten  Jahre  gestorben. 


1* 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24 


bedrohlichen  Charakter  annahmen.  Wir  stehen  daher  nicht 
an,  die  kleinen  Iransfusionen  als  eine  harmlose  Methode  zu 
bezeichnen.  —  Ich  möchte  hier  nicht  näher  darauf  eingehen, 
wie  es  zu  erklären  ist,  dass  durch  24  ständiges  Stehen  die 
Luftigkeit  des  defibrinierten  Blutes  herabgemindert  wird; 
wahrscheinlich  wird  das  beim  Defibrinieren  freigemachte 
ribrinferment  zerstört.  —  Dass  übrigens  diese  „Entgiftung“ 
keine  vollkommene  ist,  sondern  nur  die  kleine  Dosis  von 
0  CC1P  harmlos  ist,  grössere  Dosen  aber  durchaus  nicht,  zeigte 
uns  folgende  Beobachtung: 

schwpfi'nApi?H,s!lriSer  Fuhrmann’  kam  am  4.  Oktober  1911  mit  einem 
eS  halte«: ^  perniziöser  Anämie  in  die  Klinik,  nachdem  er 
handelt0  Jih°r  ar!  der  gleichen  Krankheit  in  der  Klinik  be- 

Rp!  Ha,  d  -*n  sfhr  gutem  Zustande  entlassen  worden  war.  — 
weite,  i n  Auf  nahl,ne  verschlechterte  sich  das  Befinden  noch 

Blutes  teu  SA  ai}Ch,  ei"e  7 ransfusion  von  5  ccm  defibrinierten 
aktinn’vertritJ  e  nachder  Aufnahme  ausgeführt  und  ohne  jede  Re- 
raoide  (frn.e';  subkutane  Arseninjektionen  hielten  den 

rapide  fortschreitenden  Verfall  nicht  auf.  Es  sollte  daher  der  Ver- 

hchen^Anfmie  YVp"’  duJfh  ei,nf  grosse  Transfusion  der  bedroh- 
,  (2J  Proz-  Hämoglobin,  800  000  Erythrozyten)  zu  be- 
LTr  ni»  lf  hat,t.^  mehrere  hundert  Kubikzentimeter  Menschenblut 
‘',der  ,°hen  geschi^ leierten  Weise  defibriniert  und  24  Stunden  im  Eis- 

fiessenk  Jfehtn  las,sen-  Da?  auf  Körpertemperatur  erwärmte  Blut 
lessen  wir  ganz  langsam  in  die  Vene  einfliessen.  Nachdem  ca 

Patient1  nSSt!  U'arfn  <in  ,Zeit  von  8  Minuten)  bekam  der 
und  Pötni?  rw  rPu  s'  und  Atembeschleunigung,  ferner  Hustenreiz 

AnzeSen  &riedr  pSt1C htes‘  Pa  Ulls  diese  Symptome  als  die  ersten 
w  l  Reaktionserscheinungen  nach  Transfusionen  bekannt 
tem  h J  d  .d  Operation  sofort  abgebrochen.  Unmittelbar  nach 
i.aO-  Herausnehmen  der  Kanüle  aus  der  Vene  erfolgte  mehrfaches 
heftiges  Würgen,  dabei  Schweissausbruch  am  ganzen  Körper  Die 
Temperatur  betrug  in  diesem  Moment  37,2°,  der  Puls  112  Eine 

sSeifnaC?  de7  Tj;ansfusion  bekam  der  Pabent  einen  typischen 
41,?!  •  KSr  U.llter  Temperaturanstieg  auf  38,7°.  Dabei  war  das 
2“  sehr  schlecht;  es  hob  sich  erst  nach  wiederholten 
Kampherinjektionen.  Am  nächsten  Tage  blieb  die  Temperatur  noch 
gesteigert  gegenüber  der  Zeit  vor  der  Transfusion.  Bleibende  un- 
gunsbge  folgen  hatte  diese  Attacke  nicht,  im  Gegenteil,  6  Tage 
sputei  waren  Erythrozyten  und  Hämoglobin  auf  das  doppelte  des 

Ä?"  lr^Siü%Z  geStiegen-  Diese  Besserung  hielt  auch 
7ci !  1  f  afd  bei  der  Entlassung  —  2  Monate  später  —  betrug  die 

globins  Ti s'rti«rir?rten  5’5  MOhcnien,  der  Prozentgehalt  des  Hämo- 
globms  115,  das  Körpergewicht  war  um  13,6  kg  gestiegen.  Wieweit 

d‘?.J,ransfusl0n  a”  dieser  Besserung  Schuld  ist,  müssen  wir  unent¬ 
schieden  lassen,  da  der  Patient  auch  Arsen  bekam. 

Von  den  Fällen,  die  in  den  letzten  4  Jahren  mit  Bluttrans¬ 
fusionen  behandelt  wurden,  bekamen  15  ausserdem  noch 
A! sen,  meist  subkutan,  so  dass  ihre  Krankengeschichten  kein 
iteil  iibei  die  heilende  Wirkung  der  kleinen  Transfusionen 
p1!,,1  .  gestatten.  Ich  gehe  deshalb  nicht  weiter  auf  diese 
alle  ein,  möchte  jedoch  darauf  hinweisen,  dass  wir  Arsen 
und  Transfusionen  von  vornherein  kombiniert  gebraucht 
haben,  nicht  etwa  das  Arsen,  nachdem  die  Transfusionen  ver¬ 
sagt  hatten. 

Di  ei  unserer  Fälle  sind  ausschliesslich  mit  Transfusionen 
behandelt  worden,  weil  wir  es  für  wünschenswert  hielten, 
unseren  alten  Fällen  noch  einige  neue  hinzuzufügen,  an  denen 
man  die  Wirksamkeit  der  kleinen  Transfusionen  studieren 

k0p!?.,e- .  ~ ,  Ich  gebe  hier  die  Krankengeschichten  dieser 
o  Falle  im  Auszug  wieder. 

srhui'rtenM  49  Jahre;  Sei,1  seinem  13-  Jahre  habe  er  einen 
öfteT  feigen  musste  während  seiner  zweijährigen  Militärzeit 
Ster,  Ho^  iDl ‘enst  befreit  werden,  weil  er  an  Uebelkeit  litt;  war 
de «°  MnSpnf  b  as^-,  V°r£  11  Jahren  bedeutende  Verschlimmerung 
g  SenS-’  V1,el  Aufstossen  und  mehrfach  Blutbrechen. 
Letzteres  wurde  einmal  so  stark,  dass  er  ohnmächtig  hinfiel  und  im 
Anschluss  daran  10  Wochen  lang  krank  zu  Bette  lag  Vor  5  Jahre™ 
Rhmfnä  langdauernde  Magenschmerzen  mit  Erbrechen,  aber  keine 
.  ge"-  ^  Monate  vor  der  Aufnahme  heftigste  Magenschmerzen 
mit  Erbrechen,  ob  mit  Blut,  kann  er  nicht  angeben.  —  1 — 2  Stunden 
nach  jeder  Nahrungsaufnahme  Schmerzen  und  Druck  in  der  Magen- 
0  t  nSaUHeS  •A!lfs1t.ossen  und  Erbrechen,  aber  ohne  Blutbei- 
DhI-  darniederliegender  Appetit.  Mit  diesen  Beschwerden 
suchte  der  Patient  am  30.  April  1909  die  Klinik  auf. 

rsucbung|b^und :  mittelgrossv  schmächtiger  Knochenbau. 
Sxtfemathi  Und  FettP°lster  sehr  mässig  entwickelt.  Hautfarbe 
Srltete h £  ff  ’  JA  „eigenartlg  graugelbem  Farbenton,  sichtbare 
ÄS utl evebunua s  sehr  ,blass:  Kein  Ikterus,  keine  Oedeme, 
sychisches  \  erhalten  normal.  Leichte  Vergrösserung  der  Leisten- 

te!nSen’  SnnSt-  keine  Brüsenschwellungen.  — s  An  Lunge  und  Herz 
keine  nachweisbaren  Veränderungen.  Leber  und  Milz  nicht  fühlbar. 
Die  Gegend  des  Magens  ist  nicht  druckschmerzhaft.  Der  Urin  enthält 
tiweiss  in  Spuren,  im  Zentrifugat  keine  Zylinder.  Blutuntersuchung: 


Hämoglobin:  38  Proz., 

Leukozyten:  10200, 

Erythrozyten:  2  641  000. 

1.  V.  1909.  Ausheberung  nach  Probefrühstück: 

15S  ccm  Rückstand, 

40  freie  Salzsäure, 

68  Gesamtazidität, 

Kein  Blut.  ....  - 

Therapie:  Ulcusdiät. 

10.  V.  Blutuntersuchung: 

Hämoglobin:  32  Proz., 

Leukozyten:  7300, 

Erythrozten:  2  216  000. 

Besondetrthe0iten.nPräParat  "ach  May-Qra"wald  gefärbt:  Ohne 

nierten' RhitP«  ”  nr  a  S  e  Transfusion  von  5  ccm  defibri- 
Sf  Unmittelbar  nach  der  Transfusion  leichte  Rötung  de« 

Beschwerden111?  i°tnstlgen  obiektiven  Erscheinungen,  subjektiv  keine 

iuf  37  U' dte'm,2 A'An- nuC1  der  rransfusion  steigt  die  Temperatui 
aut  .v/,3  .dann  (2  stündlich  gemessen)  37,4—37,5—37,4“  Puls  um, 
Atmung  steigen  dabei  kaum  an.  ’  ’  '  ™ls  un° 

auf  37,5  ®V’  Pat'  ll3t  gut  gescblafen>  nochmals  Temperaturanstieg 

“0-  V.  _I  emperatur  normal.  Befinden  gut. 

Z4.  v.  Blutbefund:  Hämoglobin:  28  Proz., 

Leukozyten:  5200, 

,  ,  Erythrozyten:  2664000. 

Im  Farbepraparat  geringe  Aniso-  und  Poikilozytose. 

?7  v  m  vtuhigang  kein  Blut>  ,.im  Urin  kein  Urobilin. 

SCeSra?ufSeigUtnt-sdi37?^khe"  wie  nacTdeCe'rsfet 

normal.  *  gt  b  37,5  an'  Sie  lst  am  nächsten  Tage  wieder 

3.  VI.  Blutbefund:  Hämoglobin:  30  Proz., 

Leukozyten:  10  200, 

,  ...  „  ..  Erythrozyten:  3  360  000. 

_  gefaiDbten  Präparat  spärliche  gekörnte  Erythrozyten 
’ •  V)-  Blutbefund:  Hämoglobin:  31  Proz., 

Leukozyten:  8  400, 

,  ...  „  ..  Erythrozyten:  3  340  000. 

Anisozytose  rbt6n  Praparat  keine  kernhaltigen  Erythrozyten,  geringe 

h!Vvt  KfIi,ne  Veränderungen  am  Augenhintergrund. 

' yird  auf  seinen  dringenden  Wunsch  entlassen.  Das 
2,9  kC  gestiegen11  Hatte  S‘Ch  Sehr  gehoben’  das  °ewicht  war  um 

In  diesem  Fall  ist  nach  zwei  Transfusionen  keine  nennens¬ 
werte  Besserung  eingetreten. 

v-h  Patient  A.,  39  Jahre  alt.  Aufnahme  12.  Dezember  1910. 

war  sonst  Masen?  und  Lungenentzündung  durchgemacht, 

traten  io^n  d#  U"iÄ  Sah  ,ffut  aus-  Die  ersten  Beschwerden 

Ohvpne  Mai  1910  auf:  Mattigkeit,  Kopfschmerzen  und  häufiges 

losigkliatUSSVh7P-CLgefUhHUnter  dem,  rechten  RiPPenbogen,  Appetit- 
sefilm  Arft  T?nnfp  WUrd.C  zunelimend  blasser.  Er  bekam  von 
52  7r°Pf,ea  verschrieben,  worauf  alle  Beschwerden  und  die 

war  er  wfede?  testete  schwande"- .  nach  7  wöchentlicher  Krankheit 
ai  fr  wieder  imstande,  seine  Arbeit  zu  verrichten.  Es  ging  ihm  nun 

ne$emSahri„0k'.°b^t,DanJ.  Ira,en  die  allen  Beschwerden 

Chien  \t?rkL  r  v4?irfkte?  M,asse  auf‘  Mitte  November  hatte  er 
einen  starken  Schüttelfrost,  gleichzeitig  Erbrechen  und  Durchfall 

Bel^f  uWseine  Y11—  5aId  Sv  Stark’  dass  er  nicht  irnstande  war,  ausser 
Schwindel  auf  bC'  )edem  Versuch  aufzustehen,  trat  sofort  starker 

7ustandteH^,?fUTbe-Und:  Hinfälligkeit,  guter  Ernährungs- 

S  ad,’h  Hautfarbe  ausserst  blass,  etwas  gelblich.  Konjunktiven 
'ssgelb,  keine  Oedeme.  Geistiges  Verhalten  normal,  keine 

S t iiri mtYn  S£ f f cb we U u n ge n ,  a n  den  Brust-  und  Bauchorganen  keine 
Storungen.  Urm  kein  Eiweiss,  kein  Zucker,  Indikan  +,  Urobilin  ++. 
Blutbefund:  Hämoglobin:  26  Proz., 

Erythrozyten :  656  000, 

Leukozyten:  4200. 

tnnhite  f1f|arbt€n  Präpa£af.  Poiküo-  und  Anisozytose.  Polychroma- 
toPhihe  und  einige  kernhaltige  Erythrozyten. 

nieripn"  rYJLc  1  n  f  r  a  v  e  n  ö  s  e  I  n  j  e  k  t  i  o  n  von  4  ccm  defibri- 
«te  T  mt  B  ,  es’  das,  Yon  c,nem  Patienten  mit  Polycythaemia  rubra 
stammt.  Irgendwelche  Erscheinungen  subjektiver  oder  objektiver 
Natur  werden  nach  der  Transfusion  nicht  beobachtet  I 

e  .  16 •  X1L  ,  In  d,er  vergangenen  Nacht  starke  Unruhe,  Kopf- 
schmei  zen  und  am  Morgen  Brechreiz. 

Ftwas  Erbrechen,  Appetitlosigkeit.  Pat.  bekommt 
Acid.  mur.  mit  Extr.  Condur. 

20.  XII.  Blutbefund:  Hämoglobin:  40  Proz., 

Erythrozyten:  1028  000, 

Leukozyten:  5000. 

3.  I.  11.  Blutbefund:  Erythrozyten:  1  656  000, 

Leukozyten:  6800. 

17.  I.  11.  Blutbefund:  Hämoglobin:  45  Proz., 

Erythrozyten :  1  654  000, 

Leukozyten:  5000. 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1309 


Bisherige  Gewichtszunahme  3,5  kg. 

24.  I.  Zweite  Transfusion  (5  ccm). 

_  .  *•  ,  Irgendwelche  Reaktionserscheinungen  sind  auf  die 

Transfusion  hin  nicht  eingetreten. 

27.  I.  Blutbefund:  Hämoglobin:  50  Proz., 

„  _  Erythrozyten  :1  716  000. 

6.  II.  Blutbefund:  Hämoglobin:  66  Proz., 

Erythrozyten:  2  180  000, 

Leukozyten :  5000. 

Im  gefärbten  Präparat  nichts  Pathologisches  mehr  zu  erkennen. 
17.11.  Blutbefund:  Hämoglobin:  77  Proz., 

Erythrozyten:  2  432  000. 

Leukozyten:  5200. 

Blutbild  normal. 

19.  II.  Dritte  Transfusion  (5  ccm  von  einem  Fall  von 
Polycythaemia  rubra).  Nach  der  Transfusion  steigt  die  Temperatur 
auf  37,5°  an,  irgendwelche  Beschwerden  hat  Patient  nicht. 

20.  II.  Heute  noch  einmal  lemperatur  bis  37,4°  angestiegen. 

27.  II.  Blutbefund:  Hämoglobin:  80  Proz., 

Erythrozyten :  3  536  000. 

Leukozyten:  8600. 

16.  III.  Blutbefund:  Hämoglobin:  105  Proz., 

Erythrozyten :  3  960  000, 

Leukozyten:  8000. 

Gewichtszunahme  von  15  kg. 

Blutbefund:  Hämoglobin:  38  Proz., 


Bis  Ende  August  hinein  war  dann  Pat.  arbeitsfähig  und 
beschwerdefrei.  Hier  ist  also  ein  Fall  von  schwerer  Anämie 
nur  unter  Anwendung  von  Salzsäure  mit  Kondurango  und 
3  Transfusionen  sehr  wesentlich  gebessert  worden.  Im  De¬ 
zember  trat  ein  Rezidiv  auf,  wegen  dessen  er  am  4.  Oktober 
1911  wieder  die  Klinik  aufsuchte.  Ueber  den  Verlauf  dieses 
Rezidivs,  während  dessen  eine  gröbere  Transfusion  versucht 
wurde,  ist  eingangs  dieser  Arbeit  berichtet  worden. 


3.  F  a  1 1.  A.  23  Jahre.  Aufnahme  10.  VI.  1912. 

Vor  5  Jahren  hatte  er  zum  ersten  Male  Beschwerden.  Stiche 
in  der  Herzgegend  und  Herzklopfen  bei  schwerer  Arbeit.  Nach 
einigen  Tagen  Bettruhe  war  er  wieder  arbeitsfähig.  Anfangs  April 
1912  traten  wieder  dieselben  Herzbeschwerden  auf;  bei  jeder  Körper¬ 
anstrengung  Herzklopfen  und  Atemnot.  Bei  Gelegenheit  eines 
längeren  Wegs  am  18.  April  1912  bekam  er  einen  Schwächeanfall, 
seitdem  ist  er  bettlägerig. 

Untersuchungsbefund:  1,65  mittelgross,  50,2  kg  schwer.  Musku¬ 
latur  und  Fettpolster  sehr  dürftig.  Hautfarbe  leichenblass,  leicht 
gelblich,  auch  die  sichtbaren  Schleimhäute  extrem  blass.  Geistiges 
Verhalten  normal.  Keine  Drüsenschwellungen.  —  Ueber  der  linken 
Lungenspitze  geringe  Schallverkürzung  und  vereinzelte  feinblasige 
Rasselgeräusche.  Das  Herz  ist  nach  links  verbreitert.  Masse : 

4  *  15 

-~p*  Der  Spitzenstoss  ist  hebend,  den  I.  Ton  hört  man  in  1/a  m 

Entfernung.  In  der  Gegend  des  Spitzenstosses  fühlt  man  ein  deut¬ 
liches  Schwirren.  An  der  Herzspitze  hört  man  ein  präsystolisches 
Geräusch.  Der  Puls  ist  sehr  klein  und  weich,  regelmässig.  Die  Milz¬ 
kuppe  ist  eben  fühlbar.  Der  Urin  ist  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 
Er  enthält  Indikan  und  etwas  Urobilin.  Die  Magenausheberung  nach 
Probefrühstück  ergibt  eine  starke  Achylie.  Im  Stuhlgang  kein  Blut, 
keine  Parasiteneier. 

Blutbefund:  Hämoglobin:  38  Proz., 

Erythrozyten:  1  520  000, 

Leukozyten:  6800. 

Im  gefärbten  Präparat  zahlreiche  kernhaltige  Erythrozyten, 
Polychromatophilie,  Aniso-  und  Poikilozytose. 

12.  VI.  Intravenöse  Transfusion  von  5  ccm  defibri- 
nierten  Blutes.  Keinerlei  Beschwerden  darnach. 

20.  VI.  Blutbefund:  Hämoglobin:  48  Proz., 

Erythrozyten:  2  460  000, 

Leukozyten:  5200. 

22.  VI.  2.  intravenöse  Transfusion.  Darnach  keine 
Reaktionserscheinungen. 

25.  V.  Allgemeinbefinden  sehr  gut.  2  kg  Gewichtszunahme. 

Blutbefund:  Hämoglobin:  46  Proz., 

Erythrozyten :  2  470  000, 

Leukozyten:  5800. 

30.  VI.  3.  intravenöse  Transfusion.  Darnach  keine 
Reaktionserscheinungen. 

2.  VII.  Blutbefund:  Hämoglobin:  72  Proz., 

Erythrozyten :  3  200  000, 

Leukozyten:  4400. 

Starke  Aniso-  und  Poikilozytose,  vereinzelte  punktierte  und 
kernhaltige  Erythrozyten. 

6.  VII.  4.  Bluttransfusion  ohne  nachfolgende  Reaktion. 

8.  VII.  Blutbefund:  Hämoglobin:  80  Proz., 

Erythrozyten :  4  260  000, 

Leukozyten:  4000. 

16.  VII.  5.  Bluttransfusion  8  ccm.  Das  Blut  stammte 
von  der  Schwester  des  Patienten.  Es  hatte  zuvor  24  Stunden  im 
Eisschrank  gestanden.  Eine  halbe  Stunde  nach  der  Transfusion  trat 
ein  starker  Schüttelfrost  auf,  der  eine  halbe  Stunde  lang  dauerte, 


Temperaturanstieg  auf  38,8°,  starke  Schmerzen  im  Kopf,  sowie  in 
Knie-  und  Fussgelenken. 

17.  VII.  Temperatur  früh  37,6°,  mittags  38°,  abends  38,6°. 
Patient  hat  noch  Kopfschmerzen,  zeitweise  auch  Gelenkschmerzen. 

18.  VII.  Heute  Temperatur  normal,  völliges  Wohlbefinden. 
Hämoglobin:  95  Proz.,  Erythrozyten:  5  640  000. 

26.  VII.  Entlassung.  Sehr  gutes  Allgemeinbefinden.  Hautfarbe 
vollkommen  normal.  4,8  kg  Gewichtszunahme. 

In  diesem  Fall  von  schwerer  Anämie,  der  noch  durch 
einen  Spitzenkatarrh  und  eine  Mitralstenose  kompliziert  war, 
wurde  bei  ausschliesslicher  Anwendung  von  5  Transfusionen 
eine  weitgehende  Besserung  erzielt.  —  Die  starke  Reaktion, 
die  auf  die  letzte  Transfusion  folgte,  hatte  möglicherweise 
ihre  Ursache  in  der  erhöhten  Dose,  die  injiziert  wurde. 

Wir  können  auf  Grund  der  in  der  hiesigen  Klinik  inner¬ 
halb  der  letzten  4  Jahre  gemachten  Erfahrungen  nur  bei  der 
Auffassung  bleiben,  die  ich  in  meiner  oben  erwähnten  Arbeit 
über  den  Wert  intravenöser  Transfusionen  von  5  ccm 
Menschenblut  bei  der  Behandlung  schwerer  Anämien  aus¬ 
sprach,  dass  man  nämlich  mit  den  kleinen  Transfusionen  im 
Verein  mit  den  hygienischen  und  diätetischen  Massnahmen, 
wie  sie  ein  Krankenhaus  ermöglicht,  die  gleichen  Erfolge  er¬ 
zielen  kann  wie  mit  Arsen  oder  der  Transfusion  grösserer 
Blutmengen.  —  Ja,  wir  glauben  jetzt  sogar  sagen  zu  dürfen, 
dass  man  die  kleinen  Transfusionen  vorziehen  sollte,  weil 
sie  viel  ungefährlicher  sind,  als  die  grossen  und  dabei  das 
gleiche  leisten.  Die  schlechten  Resultate  mit  der  Transfusion, 
die  Bennecke8)  jüngst  beobachtete,  sind  unseres  Erachtens 
dadurch  erklärt,  dass,  wie  der  Autor  selbst  sagt,  die  „Trans¬ 
fusion  als  Ultimum  refugium  meist  in  den  terminalen  Stadien 
der  Krankheit  ausgeführt  wurde“.  —  In  einem  solchen  Stadium 
kann  man  auch  vom  Arsen  nichts  erwarten,  an  dessen  Wirk¬ 
samkeit  bei  schweren  Anämien  wohl  niemand  zweifelt.  Es 
können  daher  Benneckes  Fälle  nicht  gegen  den  Wert  der 
Transfusionsbehandlung  sprechen.  Ueber  andere  neuerdings 
wieder  empfohlene  Methoden  der  Anämiebehandlung,  sei  es 
mittels  subkutaner  Blutinjektion  nach  Ziemssen4)  oder 
direkter  Transfusion5)6)7)8),  bei  der  die  Arterie  des  Spenders  mit 
der  Vene  des  Empfängers  durch  Naht  verbunden  wird,  fehlen 
mir  eigene  Erfahrungen.  Besonders  bei  der  direkten  Trans¬ 
fusion  liegt  ein  grosser  Nachteil  in  der  sehr  schwierigen 
Technik.  Auch  ist  der  Eingriff  für  den  Spender  nicht  ganz 
klein. 


Aus  der  dermatologischen  Abteilung  des  Rudolf-Virchow- 
Krankenhauses  in  Berlin. 

Ueber  tausend  subkutane  Neosalvarsaninjektionen. 

Von  Dr.  Wilhelm  Wechselmann. 

In  der  Gebrauchsanweisung,  welche  dem  Neosalvarsan 
von  den  Höchster  Farbwerken  beigelegt  ist,  findet  sich  be¬ 
züglich  der  subkutanen  Anwendung  des  Präparates  folgende 
Warnung:  „Das  Neosalvarsan  kann  intravenös  oder  intra¬ 
muskulär  angewandt  werden,  während  die  subkutane  Injektion 
unter  allen  Umständen  wegen  der  Gefahr  der  Infiltratbildung 
zu  vermeiden  ist.“ 

Unter  solchen  Umständen  konnte  es  zwecklos,  wenn  nicht 
verwegen  erscheinen,  wiederum  den  Versuch  einer  subkutanen 
Einverleibung  des  Neosalvarsans  zu  machen.  Ich  ging  aber 
trotzdem  an  diese  Versuche  heran,  weil  ich  stets  die  Hetze 
gegen  die  subkutane  Methode  als  ein  schweres  Unrecht  emp¬ 
funden  habe.  Man  hat  geflissentlich  übersehen,  dass  die  Ein¬ 
führung  meiner  subkutanen  Methode  nicht  etwa  nur  die  Ver¬ 
legung  des  Salvarsandepots  vom  Muskel  in  das  Unterhaut¬ 
zellgewebe  bedeutete,  sondern  dass  meine  Anweisung 4)  zu¬ 
erst  den  Hinweis  auf  die  Gefährlichkeit  des  Methylalkohols 
für  das  Auge  enthielt,  welche  damals  den  Aerzten  so  gut  wie 
unbekannt  war;  die  Ausschaltung  dieser  Gefahr  war  aber  für 
das  weitere  Schicksal  der  Salvarsantherapie  in  dem  damaligen 


3)  Bennecke:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  511. 

4)  Esch:  Münch,  med.  Wochenschr.  1911,  S.  2154. 

5)  Zubozycki:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1913,  S.  95. 
8)  Flörcken:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  2663. 

7)  Payr:  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  793. 

8)  Hotz:  Zeitschr.  f.  Chirurgie  1910,  Bd.  104,  S.  603. 

H  D.  med.  Wochenschr.  1910,  No.  30. 


1.310 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zeitpunkt  unbedingt  ausschlaggebend.  Einen  wesentlichen 
Fortschritt  bedeutete  ferner  die  Neutralisation  und  die  Ein¬ 
engung  der  zu  injizierenden  Flüssigkeit.  Im  Anfang  fand 
unsere  Methode  sicherlich  auch  die  unbewusste  Anerkennung 
zahlreicher  Autoren,  welche  durch  die  Erfindung  von  aller¬ 
hand  Modifikatiönchen  Anteil  an  dem  Ruhm  der  Methode 
nahmen.  Als  man  aber  —  zu  Unrecht  —  die  Methode  ächtete, 
überliessen  sie  die  Anfeindungen  mir  ganz  allein.  Dies  hielt 
mich  aber  nicht  ab,  die  subkutane  Salvarsaninjektion  neben 
der  durch  ihre  Schmerzlosigkeit  bestechenden  intravenösen 
Einverleibung  für  bestimmte  Fälle  beizubehalten  und  den  Ver¬ 
such  zu  machen,  alle  ihr  anhaftenden  Mängel  tunlichst  zu  be¬ 
seitigen  (vergl.  darüber  meine  Bemerkungen  in  der  Hufe- 
1  a  n  d  i  sehen  Gesellschaft,  14.  März  1912;  Ref.  in  Med.  Klinik). 
Dazu  veranlasste  mich  vor  allem  der  Umstand,  dass  ein  so 
unentbehrliches  Mittel  im  Kampfe  gegen  eine  Volkskrankheit, 
wie  das  Salvarsan,  Gemeingut  aller  Aerzte  sein  muss  und  in 
einer  Methodik,  welche,  wie  die  intravenöse  Injektion,  die  minu¬ 
tiöseste  Technik  erfordert,  einen  guten  Teil  seinesZweckes  ver¬ 
fehlt.  Daher  rechtfertigt  sich  das  Bestreben,  neben  der  intra¬ 
venösen  Methode  auch  die  anderen  Methoden  der  Einverleibung 
des  Salvarsans  immer  und  immer  wieder  in  Angriff  zu  nehmen 
und  zu  versuchen,  sie  von  den  ihnen  anhaftenden  Mängeln  zu 
befreien.  Nun  haftet  sicher  ein  'Teil  dieser  an  dem  Präparat, 
ein  I  eil  an  der  Technik.  In  ersterer  Beziehung  erschien  uns 
nun  mit  dem  Neosalvarsan  in  Uebereinstimmung  mit  unseren 
früheren  günstigen  Erfahrungen  beim  Uebergang  von  den 
sauren  und  alkalischen  Salvarsanlösungen  zu  neutralen  Emul¬ 
sionen  in  dessen  neutraler  Reaktion  a  priori  ein  grosser  Vorteil 
zu  liegen,  der  durch  die  leichte  Löslichkeit  des  Präparates  eine 
wesentliche  Steigerung  erfuhr.  Wir  prüften  daher  von  neuem 
die  subkutane  Einverleibung  des  Neosalvarsans  selber  in  den 
verschiedensten  Anordnungen.  Unsere  ersten  zaghaften  Ver¬ 
suche  verliefen  zu  unserer  Verwunderung  mit  einer  minimalen 
Schmerzhaftigkeit  und  ohne  die  allergeringste  Infiltratbildung; 
die  Injektionsstelle  war  überhaupt  dauernd 
unkenntlich.  So  verliefen  etwa  100  Injektionen  und  wir 
waren  der  Meinung,  dass  das  Problem  gelöst  sei,  als  doch 
einige  —  wenn  auch  nicht  übermässig  starke  —  Abweichungen 
des  Verlaufes  eintraten,  welche  uns  veranlassten,  vor  Ver¬ 
öffentlichung  der  Methode  tausend  Injektionen  zu  machen,  um 
eine  möglichst  genaue  Anschauung  von  allen  lokalen  und  all¬ 
gemeinen  Nebenwirkungen  zu  erlangen.  Ich  habe  diese 
tausend  Injektionen  alle  selber  gemacht  und  niemals  eine 
Nekrose  verursacht 2).  Nachdem  die  ersten  Injektionen 
August  1912  gemacht  sind,  ist  es  wohl  auch  ausgeschlossen, 
dass  eine  solche  später  in  die  Erscheinung  treten  könnte. 

Da  wir  beim  Altsalvarsan  gesehen  hatten,  dass  Säug¬ 
linge  die  für  intravenöse  Injektion  gebrauchte  alkalische 
Lösung  in  der  Konzentration  von  0,1/50  im  allgemeinen 
auch  subkutan  ohne  wesentliche  lokale  Reaktion  ver¬ 
trugen,  spritzten  wir  zunächst  auch  Neosalvarsan  in 
der  für  die  intravenöse  Injektion  angegebenen  Kon¬ 
zentration  von  0,1/30  ein.  Da  wir  aber  so  Erwachsenen  nur 
zu  geringe  Dosen  einverleiben  konnten  und  auch  dabei  einmal 
heftige  Schmerzen  auftraten  bei  einem  Patienten,  welcher 
schon  mehrere  Injektionen  ohne  jede  Schmerzhaftigkeit  ver¬ 
tragen  hatte,  drängte  sich  uns  die  Ueberzeugung  auf,  dass  die 
Schmerzhaftigkeit  nicht  von  der  angewandten  Konzentration 
abhängen  könnte.  Hatten  wir  ja  doch  auch  bei  missglückten 
intravenösen  Injektionen  von  anderer  Seite  unbeabsichtigte 
subkutane  Injektionen  dünner  Salvarsanlösungen  mit  den 
grässlichsten  Schmerzen,  Infiltrationen  und  ausgedehnten 
Nekrosen  beantwortet  gesehen.  Wir  schritten  daher  zu  kon¬ 
zentrierten  Neosalvarsanlösungen  in  einem  sehr  geringen 
Flüssigkeitsquantum  (0,7  proz.  Kochsalzlösung  aus  frisch 
destilliertem,  sterilem  Wasser)  und  spritzten  0,1— 0,5  Neo¬ 
salvarsan  in  1  ccm  gelöst  mit  der  gewöhnlichen  Pravazspritze 
ein.  Wir  haben  so  Einzeldosen  bis  0,9  in  1  ccm  NaCl-Lösung 
einverleibt.  Am  besten  scheint  eine  Lösung  von  0,1  Neosal¬ 
varsan  in  1  ccm  NaCl  vertragen  zu  werden  und  die  passendste 
Flüssigkeitsmenge,  welche  sich  durch  Verdrängungserschei- 


..  ")  Einmal  sah  ich  nach  einer  von  einem  Assistenten  ganz  ober¬ 
flächlich  intrakutan  gemachten  Injektion  eine  oberflächliche  kleine 
Hautnekrose. 


No.  24. 


nungen  noch  nicht  schmerzhaft  bemerklich  macht,  um  3  ccm 
zu  liegen.  Das  Präparat  löst  sich  dabei  so  leicht  auf,  dass  es 
genügt,  das  Neosalvarsan  in  ein  Glasschälchen  zu  tun,  die  kalte 
Flüssigkeit  hinzufügen  und  etwas  hin-  und  herzuschwenken. 
Für  ,ganz  konzentrierte  Lösungen  muss  man  die  Lösungs¬ 
flüssigkeit  etwas  anwärmen. 

Der  Akt  der  Einspritzung  wird  kaum  empfunden,  auch 
nicht  bei  ganz  konzentrierten  Lösungen.  Viermal  trat  indes 
unmittelbar  danach  ein  heftiger  neuralgischer,  bis  in  die  Fuss- 
spitze  ausstrahlender  Schmerz  auf,  welcher  jedoch  nach 
wenigen  Minuten  vorüberging,  wie  man  solches  auch  bei 
Quecksilberinjektionen  etc.  erlebt.  Auch  nachher  tritt  bei  der 
überwältigenden  Majorität  der  Injektionen  nach  Schilderung 
der  Patienten  ein  kaum  nennenswerter  Schmerz  auf.  Dem¬ 
gegenüber  klagen  einzelne  einige  Stunden  nach  der  Injektion 
über  lebhaftes  Brennen  in  der  Umgebung  der  Injektionsstelle, 
welches  etwa  2  Stunden  anhält,  die  Nachtruhe  aber  nicht 
stört.  Vielfach  wurde  mir  von  Patienten  erklärt,  dass  die 
Injektionen  weit  weniger  schmerzhaft  seien,  als  vorher 
empfangene  Salizylquecksilberspritzen.  So  konnte  ich  denn 
öfter  Serien  von  20  und  mehr  Injektionen  bei  demselben  ambu¬ 
lanten  Patienten  machen,  ohne  die  geringsten  Unbequemlich¬ 
keiten  zu  erzeugen.  In  anderen  seltenen  Fällen  musste  ich 
wegen  der  Schmerzhaftigkeit  von  der  subkutanen  Methode 
Abstand  nehmen.  Nun  kennt  man  ja  die  Verschiedenheit  in 
der  Schmerzhaftigkeit  auch  bei  den  Quecksilberinjektionen 
und  es  zeigte  sich  auch  hier,  dass  die  verschiedene  Empfindung 
nicht  nur  an  der  Empfindlichkeit  des  Patienten,  sondern  an 
näher  zu  eruierenden  Modalitäten  der  Technik  liegen  müsse; 
denn  die  Patienten  gaben  an,  dass  eine  grosse  Zahl  von  Injek¬ 
tionen  schmerzlos  gewesen  seien,  während  eine  einzige  dann 
lebhafte  Schmerzen  auslöste.  Gewöhnlich  waren  die  schmerz¬ 
haften  Injektionen  auch  von  vorübergehenden  Schwellungen 
begleitet,  während  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Injektionen 
absolut  ohne  jede  Schwellung  und  ohne  die 
geringste  Infiltratbildung  vorübergingen,  so  dass 
ich  oft  Erwachsene  und  Säuglinge  den  meine  Abteilung  be¬ 
suchenden  Aerzten  vorstellen  konnte,  welche  10  Injektionen 
erhalten  hatten  und  bei  denen  Niemand  feststellen  konnte,  an 
welcher  Stelle  ich  die  Einspritzungen  gemacht  hatte.  In  einem 
kleinen  Prozentsatz  der  Fälle  kam  es,  wie  gesagt,  vorüber¬ 
gehend  zu  leichten  ödematösen  Schwellungen,  welche  sich 
aber  nach  wenigen  Tagen  resorbierten.  3  mal  sah  ich  zir¬ 
kumskripte  Erweichungen  und  Rötungen,  welche  aber  auch 
ohne  Eröffnung  in  2  Wochen  resorbiert  wurden.  Einmal  kam 
eine  derbere,  über  walnussgrosse  Infiltration  vor,  wie  man 
solche  bei  Kalomelinjektionen  erlebt.  N  i  e  brauchte  wegen 
dieser  Infiltrate  ein  Patient  das  Bett  zu  hüten.  Im  ganzen 
waien  die  Erscheinungen  zumeist  bedeutend  geringer,  wie 
nach  Quecksilberinjektionen  und  erreichten  auch  in  den 
stärker  reagierenden  Fällen  kaum  die  Höhe,  wie  bei  Injek¬ 
tionen  von  Ol.  einer.  So  gelang  es  auch,  den  anfänglich 
giossen  Widerstand  der  Krankenhauspatienten,  welche  die 
Schmerzen  der  subkutanen  gegenüber  der  ganz  schmerzlosen 
intravenösen  Injektion  gewissermassen  als  Zurücksetzung 
empfanden,  zu  überwinden,  nachdem  ich  in  der  Privatpraxis 
mich  vorher  überzeugt  hatte,  dass  die  Beschwerden  der 
Patienten  nicht  allzugrosse  waren,  da  ich  die  Behandlung 
selbst  bei  zarten  Damen  durchführen  konnte,  ohne  Widerstand 
zu  finden.  Manche  sensible  Privatpatienten  zogen  sogar  die 
subkutanen  Injektionen  den  intravenösen  vor,  weil  sie  danach 
nicht  die  leisen  Empfindungen  von  Unbehagen  hatten,  wie  nach 
intravenösen.  Nekrosen  kamen  mir  nie  vor.  Es  zeigte  sich 
ferner,  dass  die  Unzuträglichkeiten  entschieden  mit  Fehlern 
der  Technik  im  Zusammenhang  stehen.  Es  kommt  alles 
darauf  an,  dass  man  nicht  in  das  subkutane  Fettgewebe,  nicht 
in  die  besonders  schmerzempfindliche  Faszie,  nicht  in  den 
Muskel  injiziert,  sondern  genau  über  der  Faszie  das  Flüssig¬ 
keitsdepot  setzt.  Nach  einiger  Uebung  fühlt  man  —  besonders 
bei  mageren  Individuen,  welche  man  für  den  Anfang  allein 
sich  auswählen  sollte  —  genau  den  elastischen  Widerstand 
der  Faszie  gegenüber  der  mehr  der  Berührung  feuchten 
Tones  gleichkommenden  Empfindung  bei  Festsitzen  der  Nadel 
irn  Fettgewebe  oder  im  Muskel.  Schwierigkeiten  machen 
Patienten  mit  reichlichem,  an  der  Faszie  fest  adhärierenden 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1311 


Fettpolster,  bei  welchen  eine  genaue  Bestimmung  der  Faszie 
manchmal  unmöglich  ist;  bei  dieser  kommen  daher  fast  aus¬ 
schliesslich  die  nicht  geglückten  Injektionen  vor.  Als  Ort  der 
Injektion  bevorzugten  wir  die  Umgegend  der  Trochanter 
inajor,  weil  dort  die  Faszie  am  derbsten  ist;  doch  benutzten 
wir  auch  manchmal  mit  Erfolg  die  Rückengegend;  nur  tragen 
hier  die  Schmerzen,  wenn  sie  gelegentlich  auftreten,  für  einige 
Tage  den  Charakter  einer  leichten  Interkostalneuralgie. 

Ueber  3  Jahre  lang  habe  ich  täglich  darüber  gegrübelt, 
warum  denn  eine  so  grosse  Zahl  subkutaner  Alt-  und  Neo- 
salvarsaninjektionen  gänzlich  ohne  Infiltrat,  ein  Teil 
aber  mit  heftiger  Gewebsreaktion  verläuft.  Man  kann  nun 
einige  Tage  nach  der  subkutanen  Injektion,  falls  dieselbe  mit 
Infiltratbildung  verlaufen  ist,  genau  erkennen,  welche  Fehler 
man  gemacht  hat,  d.  h.  welchen  Teil  man  mit  Salvarsanlösung 
infiltriert  hat.  Hat  man  zu  oberflächlich  in  die  Fettschicht  in¬ 
jiziert,  so  hat  man  ein  sehr  ausgedehntes  unregelmässig  kon- 
touriertes,  nicht  allzuhartes,  sich  mit  der  Haut  verschiebendes 
Infiltrat  vor  sich.  Hat  man  das  lockere  Bindegewebe  zwi¬ 
schen  Fett  und  Faszie  infiltriert,  was  auch  bei  mageren  Indi¬ 
viduen  mit  leicht  verschieblicher  Haut  leicht  vorkommt  und 
was  man  eventuell  schon  während  der  Injektion  als  runde 
Quaddel  sehen  oder  fühlen  kann,  so  hinterbleibt  eine  runde 
oder  längliche  Schwiele.  Die  Infiltration  der  starren  Faszie 
wird  sofort  stark  schmerzhaft  empfunden  und  macht  auch 
nachher  durch  Tage  die  lebhaftesten  Beschwerden.  Die  Ver¬ 
hältnisse  sind  ganz  analog  denen  bei  intravenösen  und  para¬ 
venösen  Injektionen.  Nur  die  in  den  Hohlraum  gelangende 
Salvarsanlösung  macht  keine  Reaktion;  die  Injektion  in  das 
lockere  Zellgewebe  ruft  anfangs  nur  leichtes  Brennen  hervor, 
bewirkt  aber  Verhärtung  des  infiltrierten  und  resorbierenden 
Gewebes  auf  weite  Strecken  hin;  die  Injektion  in  die  Venen¬ 
wand  ruft  heftigen  Schmerz  hervor  und  wird  mit  steinharten 
isolierten,  strangartigen  Verdickungen  der  Venenwand  be¬ 
antwortet. 

Nun  ist  eine  korrekte  subkutane  Injektion  technisch  be¬ 
deutend  schwerer,  als  eine  korrekte  intravenöse.  Ich  habe 
aber  in  letzter  Zeit  ein  objektives  Merkmal  dafür  gefunden, 
ob  die  Spitze  der  Nadel  richtig  sitzt.  Wenn  nämlich  die 
Nadelspitze  genau  auf  der  Faszie  liegt  und 
kein  Bindegewebsbälkchen  das  Lumen  ver- 
schliesst,  fliesst  die  vorsichtig  eingespritzte 
Flüssigkeit  teilweise  wieder  aus  der  Nadel 
zurück.  Ich  prüfe  daher  jedesmal  vor  Ein¬ 
spritzung  der  Salvarsanlösung  durch  Injek¬ 
tion  von  0,7  p  r  o  z.  Kochsalzlösung  den  rich¬ 
tigen  Sitz  der  Nadelspitze.  Gebraucht  man 
eine  leicht  gehende  Rekordspritze,  so  fühlt 
man  schon  an  der  ohne  die  geringste  Kraft¬ 
anstrengung  erfolgenden  Entleerung  der 
Spritze,  dass  man  in  ein  Lumen  injiziert, 
während  die  Infiltration  des  Gewebes  einen 
deutlichen  Widerstand  erkennen  lässt.  Wer 
korrekte  subkutane  Injektionen  machen  will,  muss  so  geübt 
sein,  dass  er  diese  Differenzen  sicher  fühlt. 

Nebenwirkungen  wurden  nicht  beobachtet, 
obgleich  wir  Einzeldosen  bis  0,9  Neosalvarsan  und  Gesamt¬ 
dosen  von  6  g  gegeben  haben,  kam  es  nie  —  bei  täglicher 
Kontrolle  —  zu  Eiweissausscheidung  im  Harn  und  nur  einmal  zu 
einigen  Urtikariaflecken  an  den  Vorderarmen  * 3).  Erbrechen  oder 
Durchfall  kamen  nicht  vor.  Sehr  bemerkenswert  ist,  dass  die 
erste  Injektion  bei  Primäraffekten  oder  frischen  Syphiliden 
mit  hoher  Temperatursteigerung  über  39  0  einherging,  wie  wir 
dies  bei  der  intravenösen,  nicht  aber  der  subkutanen  Injektion 
von  Altsalvarsan  gewöhnt  sind;  die  folgenden  Injektionen 
wurden  auch  hier  ohne  jede  Temperatursteigerung  vertragen. 
Die  Jarisch-Herxheimer  sehe  Reaktion  tritt  besonders 
lebhaft  ein.  Es  ist  dies  bezeichnend  dafür,  dass  die  Resorption 
und  die  Einwirkung  des  Neosalvarsan  bei  subkutaner  An¬ 
wendung  derjenigen  bei  intravenöser  Anwendung  sehr  nahe 
steht.  Man  hat  der  Anwendung  der  von  Lange  und  mir  an¬ 


*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur.  In  den  letzten 
Tagen  beobachtete  ich  bei  einem  mit  schwerer  Knochenlues  be¬ 
hafteten,  vielfach  mit  Hg  behandelten  dreijährigen  Kind  eine  an¬ 
scheinend  günstig  verlaufende  hämorrhagische  Nephritis. 


gegebenen  neutralen  Salvarsanemulsion  den  Vorwurf  gemacht, 
dass  sie  schlechter  resorbiert  würde  als  die  alkalischen  oder 
sauren  Lösungen.  Dies  ist  ganz  unrichtig,  wie  kürzlich  Homer 
B.  Swift1)  in  einer  experimentellen  Untersuchung  im  Rockc- 
feller-Institut  nachgewiesen  hat.  Er  fand  bei  intramuskulären 
Injektionen  die  Resorption  am  gleichmässigsten  nach  neutraler 
Injektion,  weniger  bei  alkalischer,  am  unregelmässigsten  bei 
saurer.  Es  hängt  dies  von  den  Gewebsschädigungen  ab, 
welche  am  geringsten  bei  der  neutralen  Emulsion  ist.  Bei 
saurer  Injektion  bildet  sich  eine  ganz  dicke  fibröse  Kapsel, 
welche  die  Resorption  sehr  behindert.  Daher  hat  sich  auch  die 
Einspritzung  von  saurem  Salvarsan  in  öligen  Emulsionen  nach 
den  Untersuchungen  von  dalla  Favera  (Riform.  med. 
No.  19  u.  20,  1912;  s.  auch  Deutsche  med.  Wochenschr.  1913, 
No.  23)  therapeutisch  als  unwirksam  erwiesen,  weil  sich  die 
eingespritzte  Masse  noch  nach  vielen  Monaten  in  nekrotischen 
und  teilweise  verkalkten  Herden  unverändert  nachweisen 
lässt.(  ln  diesen  Knoten  finden  sich  nach  186  Tagen  noch  er¬ 
hebliche  Mengen  nicht  resorbierten  Arsens.  Die  histologische 
Untersuchung  ergab  das  typische  Bild  der  Salvarsannekrose. 
Diese  geht  mit  Zerstörung  aller  Zellen  einher,  führt  also  auch 
zur  Zerstörung  der  Blutgefässe,  so  dass  der  nekrotische  Herd 
wie  ein  Fremdkörper  im  Gewebe  liegt  und  wahrscheinlich 
niemals  eine  Resorption  des  in  ihm  enthaltenen  Arsens  statt- 
fi’ndet.  Demgegenüber  wird  das  neutrale  Neosalvarsan  be¬ 
deutend  besser  resorbiert,  weil  es  eine  viel  geringere 
Entzündung  und  Nekrotisierung  setzt,  als  das  Altsalvarsan, 
wie  die  histologischen  Präparate  erweisen.  Vom  Neosalvar¬ 
san  werden  daher  75 — 85  Proz.  in  einer  Woche  resorbiert, 
nach  6  Wochen  findet  man  nur  noch  5  Proz. 

Entsprechend  dieser  schnellen  Resorption  —  bei  richtiger 
Injektion  in  das  Unterhautbindegewebe  —  kommt  es  eben  nicht 
zur  Entfaltung  der  nekrotisierenden  Wirkung.  Diese  hängt 
vorzüglich  davon  ab,  ob  eine  eingespritzte  Flüssigkeit  sich  an 
der  Stelle  der  Einspritzung  eindickt  oder  schnell  resorbiert 
wird.  So  macht  z.  B.  nach  Goldmann4)  selbst  Pyrrholblau, 
wenn  es  sich  an  der  Stelle  der  Einspritzung  eindickt,  umschrie¬ 
bene  Nekrosen.  Es  ist  daher  energische  Massage  nach  der 
Injektion  empfehlenswert.  Das  gleiche  ist  bei  jeder  Queck¬ 
silber-  und  Salvarsaninjektion  in  den  Muskel  der  Fall,  während 
es  bei  subkutaner  Injektion,  wie  ich  dies  immer  betont  habe, 
vornehmlich  von  einem  Fehler  der  Technik  abhängt, 
ob  es  zu  Nekrosen  kommt  oder  nicht.  Die  Nekrose  der 
Haut  hat  nur  den  Nachteil,  dass  man  sie  sieht,  während  die 
Nekrose  des  Muskels  zwar  unsichtbar  ist,  aber  wichtige  Teile 
schädigt  und  die  Gefahr  der  Thrombose  und  der  Fortleitung 
der  Nekrose  zu  den  Nerven  in  sich  birgt.  Es  kommt  daher 
neben  der  intravenösen  Salvarsananwendung  in 
erster  Linie  nicht  die  intramuskuläre,  sondern  die  subkutane 
in  Betracht. 

Es  ist  aber  für  viele  Fälle  nötig,  neben  der  intravenösen 
Methode  auch  über  eine  andere  zu  verfügen. 

Lässt  sich  ja  doch  die  intravenöse  Methode  bei  Säug¬ 
lingen  kaum  durchführen;  ebenso  erscheint  eine  vorsichtige 
subkutane  Salvarsanzufuhr  bei  geschwächten  Herz-  und 
Nierenkranken,  mit  schweren  Stoffwechselstörungen  Be¬ 
hafteten  angebracht,  da  eine  brüske  Belastung  der  Nieren  da¬ 
bei  fortfällt.  Dies  gilt  besonders  auch  für  die  Salvarsan¬ 
anwendung  bei  Scharlachkranken. 

Dazu  kommt,  dass  dabei  die  Wirkungen  auf  die  klinischen 
Symptome  der  Syphilis  unzweifelhaft  ausgezeichnete,  ja  wie 
es  scheint,  der  bei  intravenöser  Anwendung  überlegene  sind. 
Sic  erinnern  vielfach  wieder  an  die  ersten  Zeiten  der  Sal- 
varsaneinführung,  wo  wir  bei  Anwendung  eines  etwas  toxi¬ 
scheren  Präparates  viel  frappierendere  Wirkungen  gesehen 
haben,  als  später  mit  den  besser  entgifteten.  Nun  scheint  auch 
mir  das  Neosalvarsan  etwas  toxischer  zu  sein,  als  das  Alt¬ 
salvarsan,  weswegen  ich  es  für  die  intravenöse  Anwendung 
hinter  diesem  zurückstelle.  Diese  etwas  grössere  Toxizität 
scheint  aber  bei  subkutaner  Einführung  für  den  Organismus 
belanglos,  jedoch  für  die  Heilwirkung  von  grosser  Bedeutung 
zu  sein;  „es  bestehen  eben  zwischen  voller  Heilwirkung  und 


3)  Journal  of  experimental  Medic.,  XVII,  1913,  S.  83. 

4)  Die  äussere  und  innere  Sekretion  im  Lichte  der  vitalen  Fär¬ 
bung.  Bruns’  Beiträge,  Bd.  64. 


1312 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


Toxizität  eines  chemotherapeutischen  Präparates  der  Natur 
der  Sache  nach  gewisse  Beziehungen“  (Salvarsantherapie, 
Bd.  II,  S.  112).  So  gelingt  auch  die  Erreichung  einer  nega¬ 
tiven  W  assermann  sehen  Reaktion  bei  subkutaner  An¬ 
wendung  von  Neosalvarsan  nach  unseren  bisherigen  Er¬ 
fahrungen,  über  welche  demnächst  Herr  Dr.  Eicke  berichten 
wird,  leichter. 

luter  diesen  Umständen  haben  wir  den  Versuch  gemacht, 
wenn  irgend  angängig,  neben  der  intravenösen  Altsarvarsan- 
injektion  den  Luikern  ein  oder  mehrere  subkutane  Neosalvar- 
saninjektionen  in  Dosen  von  0,5  zu  verabfolgen,  um  sowohl 
eine  dauerhaftere,  wie  auch  spezifisch  etwas  differente  Heil¬ 
wirkung  zu  erzielen.  Die  Durchführung  einer  vollen  sub¬ 
kutanen  Salvarsankur  scheitert  einstweilen  noch  oft  an  dem 
Widerstand  der  Patienten,  allerdings  mehr  bei  den  Kranken¬ 
hauspatienten,  wie  bei  den  Privatpatienten. 

Wenn  ich  mir  nun  auch  bewusst  bin,  dass  ich  das  im 
zweiten  Band  meiner  Salvarsantherapie  (S.  23)  aufgestellte 
Ideal,  eine  subkutane  oder  intramuskuläre  reizlose  Sal- 
varsanapplikaton  zu  finden,  nicht  ganz  erreicht  habe,  so  halte 
ich  die  Methode  doch  für  so  brauchbar,  das  ich  sie  zu  ver¬ 
öffentlichen,  keinen  Anstand  trage.  Ich  überwinde  dabei  die 
Furcht,  dass  wieder  durch  unzweckmässige  Anwendung 
Schädigungen  verursacht  werden  können,  welche  dann  fälsch¬ 
lich  der  Methode  zur  Last  gelegt  werden  könnten.  Die  Ge¬ 
schichte  lehrt,  dass  dasselbe  sich  bei  Einführung  der  sub¬ 
kutanen  Methode  der  Quecksilberinjektionen  ereignete.  M  i  - 
belli  )  erzählt,  dass  die  subkutanen  Quecksilberinjektionen 
zunächst  nur  von  wenigen  Spezialisten  zufriedenstellend  aus¬ 
geführt  werden  konnten:  il  metodo  ipodermico  nella  pratica 
sifiloiatrica  e  rimasto  per  gran  tempo  una  prerogatriva  esclu- 
siva  in  mano  a  pochi  specialisti.“  Von  den  meisten  Dermato¬ 
logen  wurde  die  Methode  als  undurchführbar  abgelehnt  und 
cs  bedurfte  zahlloser  Versuche,  welche  besonders  Georg 
S  mir  n  off  in  Helsingfors  unverdrossen  unternahm,  um  zu 
ei  weisen,  dass  es  möglich  war,  die  von  vielen  Gegnern  her- 
vorgehobeuen  schweren  Mängel  der  Methode  durch  grosse 
Sorgfalt  und  strenge  Technik  zu  vermeiden. 

So  gebe  auch  ich  mich  der  Hoffnung  hin,  dass  die  sorg¬ 
fältige  und  verständnisvolle  Mitarbeit  vieler  Aerzte  zur  Ver¬ 
vollkommnung  der  subkutanen  Methode  führen  wird  und  damit 
das  Anwendungsgebiet  des  Ehr  lieh  sehen  Heilmittels  eine 
allgemeine  werden  wird.  Dies  erscheint  mir  auch  das  beste 
Mittel,  um  das  künstlich  genährte  Vorurteil  gegen  das  Sal- 
varsan  bei  den  Aerzten  und  Kranken  zum  Verschwinden  zu 
bringen. 


t 

Aus  der  chirurgisch-orthopädischen  Abteilung  der  Universitäts- 

Kinderklinik  Graz  (Leiter:  Prof.  Dr.  Hans  Spitzy). 

Zur  Behandlung  von  Skoliosen  durch  Gipsverbände 

nach  Abbott. 

Von  Dr.  Philipp  Erlache  r. 

Der  Skoliosenbehandlung  stellen  sich  wegen  des  kom¬ 
plizierten  Baues  der  Wirbelsäule  und  ihrer  Verbindung  mit 
dem  übrigen  Skelette,  sowie  wegen  der  Mannigfaltigkeit  der 
Entstehungsursachen  ihrer  Verkrümmungen  grosse  Schwierig¬ 
keiten  entgegen.  Ausserdem  haben  wir  noch  gegen  einen  oft 
schon  auf  Jahre  zurückgehenden  Bestand  der  Skoliose  und 
vor  allem  auch  gegen  die  meist  mangelnde  Ausdauer  der 
Patienten  anzukämpfen.  Alle  diese  Schwierigkeiten  haben  zu 
immer  neuem  Studium  und  immer  neuen  Versuchen  angeregt 
und  die  besten  Vertreter  der  Orthopädie  haben  sich  mit  grös¬ 
serem  oder  geringerem  Erfolge  an  der  Lösung  dieser  brennen¬ 
den  Frage  beteiligt. 

So  lassen  denn  auch  unsere  bisherigen  Behandlungs¬ 
methoden  an  Mannigfaltigkeit  nichts  zu  wünschen  übrig  und 
dies  allein  schon  lässt  auf  den  oft  mangelhaften  und  nicht 
immer  befriedigenden  Erfolg,  der  mit  den  einzelnen  Methoden 
zu  erzielen  war,  schliessen. 

Wohl  aber  hatten  neuere  Untersuchungen  Tatsachen  zu- 
tage  geföidert,  die  dazu  angetan  sind,  eine  dem  Entwicklungs- 


5)  Del  metodo  ipodermico  nella  cura  della  sifilide.  La  terapia 
climca,  Palermo  1899. 


gange  der  Skoliose  mehr  angepasste  Behandlungsweise  an¬ 
zubahnen.  So  haben  Spitzy  und  Klapp  den  philogene- 
tischen  Vorgang  der  Haltungsentwicklung  vom  Vierfüssler 
zum  Homo  erectus  klargestellt  und  die  Notwendigkeit  dieser 
Wiederholung  bei  der  körperlichen  Erziehung  des  Kindes  be¬ 
tont.  Erst  im  Vorjahre  hat  Spitzy  neuerlich  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  die  zusammengekauerte  kyphotische  Mittel- 
s  t  e  1 1  u  n  g,  wie  sie  der  Embryo  einnimmt,  bei  der  Körper¬ 
aufrichtung  und  normalen  Haltungsentwicklung  auch  insofern 
eine  grosse  Rolle  spielt,  als  sich  aus  dieser  primären  kyphoti- 
schen  Mittelstellung  auch  die  bei  der  aufrechten  Haltung  später 
sich  vorfindenden  physiologischen  Krümmungen  erst  ent¬ 
wickeln  müssen,  dass  aber  diese  Mittelstellung  als  Ruhelage 
immer  wieder  eingenommen  wird,  wenn  irgendwelche  Stö¬ 
rungen  die  normale  Haltungsentwicklung  behindern  oder 
unterbrechen  (vgl.  degenerativer  Rundrücken,  schlaffer  Rund¬ 
rücken,  seniler  Rundrücken).  Wie  nun  jedes  andere  Gelenk 
gerade  aus  der  Mittelstellung  die  Bewegungen  nach  allen 
Richtungen  im  weitesten  Ausmasse  gestattet,  so  sind  auch  bei 
der  Wirbelsäule  in  dieser  leicht  kyphotischen  Mittelstellung 
alle  Bänder  am  schlaffsten,  alle  Gelenke  im  weitesten  Masse 
frei,  während  bei  jeder  anderen  Stellung  die  Bänder-  und 
Knochenhemmungen  immer  mehr  in  Aktion  treten,  je  mehr 
sich  die  Einstellung  der  Wirbelsäule  einer  Extremstellung 
nähert:  Bei  der  Extension  verzahnen  sich  die  Gelenkfortsätze 
der  Körper  und  die  Dornfortsätze,  werden  die  rückwärtigen 
Anteile  der  Wirbelkörper  gepresst,  während  die  ventralen 
Bänder  ad  maximum  gespannt  sind;  bei  der  forcierten  Beu¬ 
gung  (Kyphosierung)  werden  die  Wirbelkörper  im  vorderen 
Anteil  gepresst  und  auch  ihre  Gelenkfortsätze  sind  in  sich 
wieder  gesperrt.  Daher  ist  gerade  aus  der  Mittel  Stellung, 
wie  schon  L  o  v  e  1 1  hervorgehoben  hat,  auch  die  extreme  Seit¬ 
beugung  am  ehesten  erreichbar  und  aus  demselben  Grunde 
ist  diese  leicht  kyphotische  Mittelstellung  als  die  Ausgangs¬ 
stellung  für  die  seitliche  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  zu  be¬ 
trachten. 

Diese  Tatsachen  sind  deshalb  von  Wichtigkeit,  weil  man 
bisher  die  Korrektur  der  Wirbelsäulenverkrümmungen  (ab¬ 
gesehen  z.  B.  von  L  o  v  e  1 1,  der  schon  Versuche  in  Vorbeuge¬ 
haltung  machte  und  B  e  e  1  y)  immer  in  Streckstellung  und 
Lordose  versucht  hat,  was  natürlich  um  so  schwerer  ist,  je 
mehr  bei  starker  Streckung  die  einzelnen  Wirbel  unterein¬ 
ander  sich  verhakten,  abgesehen  von  dem  grossen  Wider¬ 
stande,  den  eine  starke  Längsspannung  jeder  seitlichen  Ver¬ 
krümmung  überhaupt  entgegensetzt.  Diese  Ueberlegungen 
geben  uns  einen  Fingerzeig,  dass  es  vorteilhafter  wäre,  erst 
durch  leichtes  Kyphosieren  der  Wirbelsäule  bis  zur  Mittel¬ 
stellung  die  Sperre  der  Wirbel  untereinander  aufzuheben,  und 
dann  erst  die  Korrektur  der  Skoliose  zu  versuchen.  Ich  ver¬ 
suchte,  diese  Grundsätze  bei  der  Kriechmethode  zu  verwerten, 
indem  wir  die  Kinder  einen  Katzenbuckel  machen  Hessen, 
durch  Annäherung  der  entsprechenden  Hand  dem  gleich¬ 
namigen  Knie,  wodurch  auch  eine  stärkere  Korrektur  der 
Deformität  in  der  Kriechstellung  zu  erreichen  war. 

Von  ähnlichen  Ueberlegungen  ausgehend  hat  nun  der 
Amerikaner  Abbott  eine  Behandlungsmethode  durch  Gips¬ 
verbände  angegeben,  durch  die  er,  wie  aus  den  Photographien 
und  Röntgenbildern,  die  seiner  Arbeit  beigegeben  sind,  ersicht¬ 
lich  ist,  ausserordentliche  Erfolge  erzielen  konnte.  Auch  wir 
haben  diese  Methode  seit  einem  halben  Jahre  an  unserer  Klinik 
ausgeprobt  und  hatten  Gelegenheit,  bei  ungefähr  36  Verbänden 
die  Technik  des  Verfahrens  des  genaueren  kennen  zu  lernen, 
sowie  auch  die  Erfolge  bei  den  16  Fällen,  die  wir  bisher  so 
behandelt  haben,  nachzuprüfen. 

Das  Verfahren  besteht  im  wesentlichen  darin,  die  Kinder 
auf  einem  eigens  dazu  konstruiertem  Tische  auf  etwas  durch¬ 
hängenden  Gurten,  am  Rücken  liegend,  in  leicht  kyphotischer 
Stellung  (Vorbeugehaltung)  zu  lagern,  und  dann  die  Korrektur 
bzw.  „Ueberkorrektur“  der  Skoliose  zu  versuchen.  Und  zwar 
wird  dabei  lediglich  die  primäre  Skoliose  berücksichtigt, 
während  die  kompensierenden  sekundären  Verkrümmungen 
anfangs  ganz  ausser  acht  gelassen  werden;  denn  die  zu  er¬ 
zielende  „Ueberkorrektur“  besteht  nicht  in  einem  „in  das 
Gegenteil  Verkehren“  der  Krümmungen,  sondern  in  einem 
„Hinüberführen“  der  primären,  oft  kurzbogigen,  z.  B.  rechts- 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1313 


konvexen  Brustskoliose  in  eine  flachere,  linkskonvexe  Total¬ 
skoliose,  wobei  uns  die  bereits  vorhandenen  sekundären,  kom¬ 
pensatorischen  Krümmungen  die  Arbeit  bedeutend  erleichtern. 
Dieser  linkskonvexe  Bogen  zeigt  in  seiner  Mitte  natürlich 
eine  der  ursprünglichen  rechtskonvexen  Primärkrümmung 
entsprechende  Delle.  Auffallend  ist  die  Leichtigkeit,  mit  der 
es  bei  einiger  Uebung  gelingt,  im  Verbände  diese  „Ueber- 
korrektur“  zu  erreichen,  die  natürlich  vorläufig  nur  die  Luft¬ 
figur  betrifft,  während  die  anatomischen  Verhältnisse  noch 
kaum  eine  Aenderung  erfahren  haben. 

Wenn  auch  ähnliche  Versuche,  wie  sie  dem  Verfahren 
A  b  b  o  1 1  s  zugrunde  liegen,  schon  früher  angestellt  wurden 
(L  o  v  e  1 1,  B  e  e  1  y,  W  u  1 1  s  t  e  i  n,  Schanz),  so  liegt  das 
Neue  vor  allem  darin,  dass  Abbott  durch  einen  glücklichen 
Griff  alles  dies  vereinigt  und  die  dadurch  erreichte  Ueber-, 
korrekturstellung  ausserdem  noch  im  Qipsverbande 
festgehalten  hat. 

Aber  noch  auf  einen  anderen  Vorteil  dieser  Methode 
gegenüber  den  bisherigen  möchte  ich  besonders  hinweisen, 
der  in  den  deskoliosierenden  Kräften  liegt.  Bei 
allen  früheren  Verfahren  liess  man  in  der  verschiedensten 
Weise  von  aussen  redressierende  Kräfte  kürzere  oder 
längere  Zeit  auf  die  Deformität  einwirken;  hörten  diese  Kräfte 
auf,  so  verschwand  auch  gleichzeitig  wieder  ihre  Wirkung. 
B  e  e  1  y  z.  B.  hat  im  B  e  e  1  y  sehen  Barren  auch  schon  in  Vor¬ 
beugehaltung  seitliche  Züge  auf  Skoliosen  einwirken  lassen, 
doch  nur  ganz  kurze  Zeit,  höchstens  M — 1  Stunde  im  Tage. 
Aber  schon  beim  Aufstehen  vom  Barren  wurde  durch  die 
Aufrichtung  des  Körpers  die  Wirkung  dieser  Züge  durch  die 
im  entgegengesetzten  Sinne  wirkende  Schwerkraft  wieder 
aufgehoben.  Anders  im  Abbottverbande!  Hier  kommen 
hauptsächlich  2  Kräfte  zur  Geltung,  die,  da  sie  nicht  im  Ver¬ 
bände  angebracht  sind,  sondern  teils  im  Körper  selbst  liegen, 
teils  durch  die  Stellung  bedingt  sind,  ständig  fortwirken. 
Es  sind  dies  die  Schwerkraft,  und,  worauf  besonders  wir  den 
grössten  Wert  legen:  die  Respiration.  Die  Schwerkraft, 
die  bisher  unseren  Bestrebungen  immer  entgegengearbeitet 
hat,  ist  von  dem  Augenblicke  an  unser  Bundesgenosse,  wo  es 
uns  gelingt,  den  Scheitelpunkt  der  bisherigen  Verkrümmung 
über  die  Mittellinie  hinüberzubringen,  und  so  den  über  der 
Krümmung  liegenden  Teil  des  Rumpfes  eine  deskoliosierende 
Zugwirkung  entfalten  zu  lassen.  Aeusserlich  macht  sich  dies 
in  einer  starken  Schiefstellung  des  Oberkörpers  gegen  das 
Becken  bemerkbar,  worauf  umsomehr  zu  achten  ist,  als  ja  die 
Wirkung  der  Schwerkraft,  jetzt  im  deskoliosierenden  Sinne, 
beim  Stehen  und  Gehen,  beim  Sitzen,  ja  selbst  beim  Liegen 
fortdauert.  Nur  in  der  Horizontallage  wäre  sie  aufgehoben. 
Diese  Stellung  können  aber  die  Patienten  wegen  des  Ver¬ 
bandes  nicht  einnehmen,  sondern  sie  fühlen  sich  am  wohlsten 
mit  halbaufgerichtetem  Oberkörper;  somit  hält  die  Wirkung 
der  Schwerkraft  auch  die  Nacht  über,  wenn  auch  vielleicht 
etwas  vermindert,  an. 

Ein  noch  treuerer,  ständiger  und  nachhaltiger  wirkender 
Bundesgenosse  ist  uns  aber  die  Respiration.  Spitzy 
hat  besonders  in  seinen  letzten  Arbeiten  wieder  den  innigen 
Zusammenhang  zwischen  Atmung  und  Körperhaltung  betont 
und  nachgewiesen,  dass  wir  die  mangelhafte  Brustatmung 
geradezu  als  Grund  einer  eigenen  Gattung  des  Rundrückens, 
den  er  den  respiratorischen  nennt,  anschuldigen  müssen,  wie 
auch  schon  R  e  d  a  r  d  und  Hofbauer  auf  eine  „mangelhafte 
Ausbildung  des  Brustkastens  bei  völligem  Verschluss  der 
Nase“  und  dadurch  bedingter  Mund-  und  Bauchatmung  hin¬ 
gewiesen  haben.  Aber  bedenken  wir  lediglich,  dass  die  At¬ 
mung  als  lebenswichtige  Funktion  nie  aussetzt,  so  ist  damit 
schon  ihr  kolossaler  Einfluss  auf  die  Formung  des  Brustkorbes 
und  damit  auch  indirekt  auf  die  Wirbelsäule  verständlich. 
Wenn  man  auch  schon  früher  durch  Ausschneiden  von  Fen¬ 
stern  auf  der  eingefallenen  Seite  auf  ein  Wiederheraustreten 
der  Brustwand  hoffte,  so  war  diese  Hoffnung  wohl  fast  immer 
auf  die  Wirkung  eines  auf  der  Konvexseite  ausgeübten  Druckes 
begründet,  sei  es  dass  dieser  durch  Züge  bei  der  Anlegung  des 
Verbandes  ausgeübt  wurde  oder  aber  nachträglich  durch  ein¬ 
geschobene  Kissen  oder  Pelotten  geschah.  Auch  wenn 
Meniere  durch  Einschiebung  von  Luftkissen  und  rhyth¬ 
misches  Aufblasen  derselben  die  Atmung  im  deskoliosierendem 

No.  24. 


Sinne  zu  beeinflussen  gedenkt,  so  geschieht  dies  alles  doch 
nur  einige  Zeit,  verhältnismässig  kurze  Zeit  am  Tage  in  auf¬ 
rechter  „redressierter“  Stellung,  in  welcher  ein  Ausweichen 
der  Wirbelsäule  und  des  Thorax  am  schwierigsten  ist.  Im 
Abottverbande  sind  nun  die  Verhältnisse  derart,  dass  die  bis¬ 
her  konvexe  Seite  der  Brust,  die  bei  den  Skoliotikern  die  aus¬ 
giebigsten  Atemexkursionen  aufweist,  bei  der  Verkrümmung 
so  weit  als  möglich  eingeengt  wird,  so  dass  ihre  Atem¬ 
bewegungen  dort  in  hohem  Masse  behindert  scheinen,  während 
die  früher  eingesunkene,  von  der  Atmung  nahezu  ausge¬ 
schaltete  Konkavseite  jetzt  erhöhte  Atembewegungen  zeigt, 
die  durch  ein  grosses,  in  den  Verband  eingeschnittenes  Fenster 
gefördert  und  dort  zugleich  kontrolliert  werden  können.  Dabei 
spielen  besonders  zwei  Umstände  eine  wichtige  Rolle.  Einer¬ 
seits  wird  gewiss  die  früher  komprimierte  Thoraxseite  passiv 
entfaltet  und  dadurch  allein  schon  zu  erhöhter  Tätigkeit  an¬ 
geregt,  anderseits  bedingt  aber  auch  die  Einengung  der  früher 
aktiven  Konvexseite  eine  vermehrte  Tätigkeit  der  anderen; 
denn  bei  jedem  Versuche  der  Rippenhebung  der  Konvexseite 
werden  die  Rippen  bei  ihren  Bewegungen  an  den  Gipsverband 
stossen,  dadurch  der  Thorax  von  diesem  abgedrängt  und  in 
der  allein  möglichen  Richtung  gegen  das  grosse  weit  offene, 
rückwärtige  Fenster  hingeschoben.  Die  Folgen  machen  sich 
auch  alsbald  bemerkbar.  Die  frühere  Konkavseite  dehnt  sich 
mächtig  aus,  die  Interkostalräume  weiten  sich,  die  Rippen 
machen  kräftige,  messbare  Exkursionen  und  die  Thoraxwand 
wird  bei  jedem  Atemzuge  mehr  aus  dem  Fenster  heraus¬ 
geschoben. 

Wir  sehen  also  nicht  allein  eine  Weitung,  sondern 
insbesondere  auch  eine  Drehung  des  Thorax  eintreten;  das 
hat  nun  anderseits  wieder  zur  Folge,  dass  der  Rotation  der 
Wirbel  im  korrigierenden  Sinne  entgegengearbeitet  wird, 
wenn  auch  anfänglich  nur  der  bewegliche  Rippenring  dieser 
intendierten  Drehung  Folge  leistet. 

Um  nun  die  Atemexkursionen  der  Rippen,  bzw.  das 
Herauskommen  der  hinteren  Brustwand  aus  dem  Verbände 
direkt  messen  zu  können,  habe  ich  nebenstehenden  Respira¬ 
tionsmesser  konstruiert  (Fig.  1),  der  im  wesentlichen  aus 
einer  beweglichen  Pe- 
lotte  besteht,  die  auf 
Metallklötzchen,  die  in 
den  Gipsverband  ein¬ 
gegipst  werden,  fest¬ 
geschraubt  werden 
kann.  Dadurch  sind 
für  jede  Messung  voll¬ 
ständig  gleiche  Grund¬ 
werte  gegeben,  somit 
können  die  abgelese¬ 
nen  Zahlen  ohne  wei¬ 
teres  miteinander  ver¬ 
glichen  und  das  Her¬ 
ausrücken  der 

Brustwand  in  Gia-  Fig.  j.  Respirationsmesser  in  Tätigkeit. 

den  (11,5°  =  1  mm) 

direkt  abgelesen  werden.  Die  beigegebenen  Kurven  bedürfen 
kaum  einer  weiteren  Erklärung.  Der  erste  Ausschlag  gibt 
das  Maximum  der  Exspirations-,  der  zweite  das  Maximum  der 
Inspirationsbewegung  an,  dann  folgen  die  Brustwand¬ 
exkursionen  einer  Minute,  die  Zahl  der  Teilstriche,  um  die  die 
zweite  Kurve  höher  steht  als  die  erste,  gibt  durch  11,5  geteilt 
die  Millimeter  an,  um  die  die  Brustwand  seit  der  letzten 
Messung  herausgekommen  ist  (Fig.  2  a  u.  b). 

Nun  möchte  ich  noch  kurz  besprechen,  wie  wir  die  Kinder 
auf  diese  Verbände  vorbereiten:  Durch  orthopädisches  Turnen, 
durch  Freiübungen,  durch  Kriechen,  wobei  besonders  darauf 
geachtet  wird,  dass  die  Kinder  dabei  schon  möglichst  die¬ 
selbe  Stellung  einnehmen  wie  später  im  Verbände;  „ferner 
wird  die  Wirbelsäule  durch  Anwendung  verschiedener  Ap¬ 
parate  nach  Möglichkeit  mobilisiert.  Gleichzeitig  aber  suchen 
wir  dadurch  und  durch  zahlreiche  andere  Uebungen  die 
Rückenmuskulatur  soweit  zu  kräftigen,  dass  das  Kind  dann 
später  imstande  ist,  sich  selbst  gerade  zu  halten.  Und  end¬ 
lich,  worauf  wir  besonderen  Wert  legen:  die  Kinder  müssen 
vorher  ordentlich  atmen  lernen.  Atemübungen  und  zwar  ein- 

2 


1314 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


seitige  Atemübungen  mit  der  bisher  konkaven  Brustseite  nehmen 
einen  breiten  Raum  in  der  Vorbereitung  auf  den  Qispverband 
ein.  Um  nun  die  Kinder  an  die  gewiss  eigenartigen  Verhält- 


j  W'vteV/Mv^W.V'AVvA 

r 


z. 


3. 


Fig.  2  a.  Respirationskurve  der  K.  M. 

1  =  Bewegungen  der  linken  hinteren  Brustwand  vor  dem  Verbände.  2  =  Bewesrumren 
derselben  Stelle^  sofort  nach  Verbandanlegen.  Die  Exkursionen  sind  jetzt  3  mal  so  tief 
3  3  Wochen  spater.  Die  Brustvvand  ist  1  cm  herausgerückt. 


AftAwJWWAWWt 


l . .  //vWwVW^vvvvVi 


VzwvwaazvVW/avwwv'J 


3  _  |L/AW\'iaWW\UVvvW.’.vV 

V 

Fig.  2  b.  Respirationskurve  der  F.  H. 

1  =  sofort  nach  Verbandanlegung.  2  und  3  =  Heraustreten  der  Thoraxwand  nach  Be¬ 
engung  der  Bauchatmung  und  Atmung  der  rechten  Brustseite.  4  =  14  Tage  später. 


nisse  im  Verbände  zu  gewöhnen,  sie  unter  möglichst  gleichen 
Bedingungen  schon  vorher  das  Atmen  zu  lehren,  damit  wir 
dann  die  respiratorische  Komponente  gleich  von  den  ersten 
Tagen  an  voll  ausnutzen  können,  habe  ich  an  Stelle  des  bisher 
üblichen  Wolm  in  unserem  Turnsaal  einen  Schrägbock 
(Fig.  3)  aufstellen  lassen,  der  es  uns  ermöglicht,  die  Kinder 

fast  genau  dieselbe 
Stellung  einnehmen 
zu  lassen,  wie  später 
im  Verbände,  der  auch 
gleichzeitig  die  Atem¬ 
bewegungen  der  Tho¬ 
raxwand  der  bisher 
gesunden  Konvexseite 
möglichst  hindert, 
während  die  Bewe¬ 
gungen  der  Bauch¬ 
wand  durch  die  herab¬ 
hängenden  Beine  er¬ 
schwert  werden.  Mit 
Vorteil  kann  bei  die¬ 
sen  vorbereitenden 
Uebungen  die  auch 
von  Hofbauer  emp- 
pfohlene  Nasenatmung 
verwendet  werden, 
die,  da  sie  eine  Er¬ 
schwerung  der  In¬ 
spiration  darstellt,  die 
Patienten  zwingt,  die 
auxiliären  Hilfsmus- 

.  ,  ,  ,  .  kein  in  Tätigkeit  zu 

ziehen,  wodurch  eine  „stärkere  Erweiterung  der  oberen  Brust¬ 
kastenabschnitte  durch  extreme  Rippenerhebung  eingeleitet 
wird.  Von  diesen  Vorbereitungen  wird  nur  in  Ausnahmefällen 
und  nur  sehr  ungern  abgesehen. 


Fig.  3.  Sclirägbock  bei  rechts  konvexer  Brustskoliose 
Atemexkursionen  sind  hauptsächlich  nur  mit  der 
linken  (konkaven)  Brustseite  möglich. 


Was  die  Auswahl  der  Fälle  betrifft,  so  haben  wir  fast 
duichwegs  fixierte  rachitische  Skoliosen  in  Behandlung  ge¬ 
nommen,  die  alle  eine  starke  1  orsion  der  Wirbelsäule  und 
einen  stark  ausgebildeten  Rippenbuckel  aufwiesen.  Nur  der 
kammartig  vorspringende,  spitzwinkelige  Rippenbuckel,  wie 
ei  besonders  bei  alten,  korsetttragenden  Skoliotikern  häufig 
anzutreffen  ist,  wurde  von  vorneherein  als  für  die  Verband- 
behandlung  ungeeignet  angesehen.  Abbott  selbst  hat  in 
seinei  eisten  Arbeit  von  2  kongenitalen,  1  rachitischen,  5  ha¬ 


bituellen  und  2  paralytischen  Skoliosen  berichtet,  die  er  mit 
gutem  Erfolge  behandelt  hat.  was  er  durch  Photos  und  Rönt¬ 
genbilder  erhärtet;  in  seiner  zweiten  Arbeit,  in  der  er  18  Fälle 
näher  beschreibt,  konnte  ich  nur  3  rachitische,  3  paralytische, 
2  kongenitale  und  1  habituelle  feststellen,  während  bei  den 
übrigen  eine  nähere  Angabe  über  die  Natur  der  Skoliose  fehlt 
Wie  die  Gipsverbände  anzulegen  sind,  dafür  gibt  uns 
A  h  b  o  1 1  in  seiner  zweiten  Arbeit  ebenfalls  ganz  genaue  Vor¬ 
schriften,  die  auch  wir  im  wesentlichen  befolgt  haben,  abge¬ 
sehen  von  kleinen  Modifikationen,  die  übrigens,  wie  die  De¬ 
monstration  Abbotts  am  Orthopädenkongress,  Berlin  1913, 
zeigte,  mit  den  Abänderungen  übereinstimmten,  die  er  selbst 
i  an  seiner  ursprünglichen  Methode  vorgenommen  hat,  und  die 
I  ich  hier  nur  in  Grundzügen  wiederholen  will.  Wählen  wir 
wieder  als  Beispiel  die  so  häufige  rechtskonvexe  Brust- 
skohose,  so  werden  dem  Kinde  zuerst  zwei  Trikots  angezogen 
zwischen  denen  Filzpolster  (Sattelfilz  oder  Kotzenfilz)  für  die 
vorstehenden  Knochenteile  und  die  Stellen,  die  einen  grösseren 
Zug  auszuhalten  haben,  cingenäht  sind.  Ferner  wird  die  Kon¬ 
kavseite  erst  so\veit  mit  Filzlagen  gepolstert,  bis  die  äussere 
Form  ungefähr  beiderseits  gleich  ist,  dann  werden  noch  Filz- 


Fig.  5. 


„  Schema  der  Filzpolsterung, 

F*lzP.la,te  über  dem  Rippenbuckel  und  die  ganze  rechte  Seite,  b  =  3 fache 
Filzlage,  die  Konkavität  auszufDIlen;  iiber  dem  zweiten  Trikot  kommt  unmittelbar  vor 
dem  Gipsverband  noch  eine  solche  3  fache  Filzlage,  um  dem  G  pskorsette  die  Uebei 
korrektur_or.il  zu  geben  Beide  Filzlagen  werden  dann  durch  das  grosse  Fenster  enb 
fernt.  c  =  F.lzplatte  für  die  linke  Hülte,  d  =  für  die  linke  Schulter 


lagen  darauf  gelegt,  bis  das  Bild  einer  „Ueberkorrektur“  zu 
sehen  ist.  Nun  wird  das  Kind  in  der  schon  oben  erwähnten 
leicht  kyphotischen  Mittelstellung  auf  den  Tisch  gelegt,  der 
im  wesentlichen  aus  einem  Rahmengestell  besteht,  in  dessen 
Mitte  das  Kind  auf  einer  schräg  zugeschnittenen  Hängematte 
aus  Segelleinen  oder  auf  2  verschieden  gespannten  Gurten, 
gelagert  ei  scheint.  Jetzt  können  an  dem  Kinde  nach  den  ver¬ 
schiedensten  Richtungen  Züge  angebracht  werden.  Das 
Becken  niht  auf  einer  Querleiste  auf,  die  Beine  werden  eie- 
\  iert,  das  linke  stärker,  um  dadurch  schon  eine  leichte  Schief¬ 
stellung  des  Beckens  zu  erzielen.  Ebenso  wird  der  linke  Arm 
eleviert,  wenn  möglich  soweit,  bis  die  Klavikula  senkrecht 
steht.  Jetzt  werden  Becken  und  Schultergürtel  durch  breite 
Flanellbinden  nach  rechts  fixiert,  der  rechte  Arm  ist  dabei 
tief  gesenkt;  der  breite  Brustzug  nach  links,  dem  die  Haupt¬ 
aufgabe  zufällt  und  der  über  den  Scheitelpunkt  der  Rechts- 
kon\  exität  dei  Brustwirbelsäule  und  den  Rippenbuckel  gehen 
muss,  ist  dreiteilig.  Vorerst  werden  die  beiden  Enden,  die 
um  den  Körper  und  den  linken  Rahmenteil  gehen,  geknotet 
und  dabei  die  ganze  Brustwirbelsäule  so  stark  nach  links  hin- 
gezogen,  dass  wir  jetzt  eine  sanfte,  nach  links  und  rückwärts 


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ig.  4.  Lagerung  auf  dem  Tische  und  Anlegung  der  Züge  (besonders  des  3  teilig.  Brustzuges). 

.onvexe  Totalskoliose  haben,  jedenfalls  aber  soweit,  dass  die 
’iojektion  des  Keilwirbels  nach  links  von  der  Mittellinie  fällt. 
'Jun  wird  der  in  der  Mitte  der  Brust  vorne  abgehende  dritte 
\rrn  der  Binde  durch  Schlitze  der  beiden  anderen 
lurchgesteckt  und  nach  links  unten  geführt  und  dort 
lefestigt,  wodurch  hauptsächlich  eine  Rotation  des 
ganzen  Thorax  nach  links  und  rückwärts  erreicht  wird 
Pig.  4).  In  dieser  Stellung  wird  dann  der  Gipsver- 
>and  angelegt.  Nach  Abnahme  vom  Tische  werden 
n  den  noch  weichen  Verband  über  der  bisher  ein¬ 
gesunkenen  Brustseite,  also  links  und  hinten,  ein 
(rosses  Fenster  ausgeschnitten,  die  darunterliegenden 
ülzlagen  entfernt  und  so  reichlich  Raum  geschaffen, 

Jamit  das  Kind  dorthinaus  ausweichen  kann.  In  der 
echten  Seite  und  links  vorne  werden  schmale 
Jchiessscharten  eingeschnitten,  um  später  dort  Filz- 
üreifen  einziehen  zu  können. 

Von  einem  gut  sitzenden  Verbände  müssen  wir 
tusser  der  „Ueberkorrektur“  noch  verlangen,  dass  er, 

,vie  es  jetzt  auch  Abbott  macht,  vorne  bis  zur 
Symphyse  reicht,  da  sonst  die  Kinder  bei  der  be- 
linderten  Thoraxatmung  einfach  nur  die  Bauch- 
itmung  benützen  würden,  und  so  der  Effekt  der  Re¬ 
spiration  auf  die  Thoraxkonfiguration  ausbleiben 
niisste.  Dies  zeigt  sich  auch  sofort,  wenn  der  Ver- 
land  vorne  zu  kurz  ist.  Das  Abdomen  wölbt  sich 
rallonartig  unter  dem  Rande  des  Gipsverbandes  vor, 
iie  Thoraxbewegungen  werden  messbar  flacher, 
lusserdem  wird  durch  Einschneiden  des  Verbandes 
ler  Zustand  auf  die  Dauer  unerträglich.  Wenn  aber 
ler  Verband  bis  zur  Symphyse  reicht  und  den 
Jauchdecken  der  kyphotischen  Mittelstellung  ent¬ 
sprechend  geformt  ist,  ist  dieses  Ausweichen  der  vor- 
leren  Bauchwand  bei  den  Diaphragmabewegungen 
inmöglich.  Auch  sie  werden  dann  wenigstens  zum 
Teil  zum  Herausdrängen  der  Brustwand  aus  dem  Ver- 
landfenster  ausgenützt.  Eine  Schädigung  der  Zirku- 
ationsverhältnisse  (behinderter  Abfluss  aus  der  ge¬ 
samten  unteren  Körperhälfte)  im  Sinne  Hofbauers 
ind  Eppingers  haben  wir  bei  unseren  Fällen  nie 
leobachtet;  denn  die  Kinder  sind  vorgeübt,  die  Ein¬ 
schränkung  ist  keine  brüske,  ausserdem  gehen  sie 
lerum  und  machen  Bewegung,  und  schliesslich  blei- 
oen  sie  die  erste  Zeit  in  der  Anstalt  unter  ständiger 
Aufsicht,  so  dass  der  Verband  bei  Unzukömmlichkeiten 
sofort  entfernt  werden  könnte,  obwohl  dies  bisher 
loch  nie  notwendig  war.  —  Rückwärts  wird  der  Ver¬ 
sand  nur  soweit  ausgeschnitten,  als  zum  Sitzen  un¬ 
bedingt  nötig  ist,  um  die  kyphotisierte  Stellung  zu  er- 
lalten.  Die  Schulter  der  eingefallenen  Seite,  also  die 
inke  in  unserem  Falle,  soll  nach  oben  und  vorne  ge-  Fig. 
Jrängt  werden,  während  die  rechte  zurückgedrängt 
ind  der  Gips  rückwärts  tief  ausgeschnitten  sein  soll. 

Die  weitere  Behandlung  im  Gipsverbande  ist  sehr  ein¬ 
fach  und  besteht  im  wesentlichen  aus  den  Atemübungen,  die 
letzt  besonders  fleissig  fortgesetzt  werden.  (Neuerdings 
laben  auch  Biesalsky,  Joachimsthal,  Lange 


und  V  u  1  p  i  u  s  die  Wichtigkeit  der  Atemübungen  wäh¬ 
rend  der  Verbandbehandlung  ausdrücklich  hervorgehoben.) 
Sind  die  ersten  Tage  vorüber,  an  denen  die  Rinder 
über  starkes  Unbehagen  und  über  die  Einengung  klagen, 
am  liebsten  das  Bett  hüten  und  nachts  nur  wenig  schlafen, 
stehen  sie  bereits  wieder  auf,  gehen  sie  umher  und 
atmen  sie  vor  allem  tief  und  kräftig  (die  Kinder  machen  in 
der  Anstalt  stündlich  Tiefatemübungen  —  wenn  möglich  im 
Freien  —  und  werden  angewiesen,  sie  auch  zuhause,  ständig 
fortzusetzen).  So  bessert  sich  der  Zustand  sehr  rasch  wieder, 
—  ja  es  ist  direkt  auffallend,  wie  die  Kinder  nach  einigen 
Wochen  im  Verbände  anfangen  dick  zu  werden  —  und  wir 
haben  dann  weiter  nichts  zu  tun,  als  der  heraustretenden 
Brustseite  Platz  zu  machen,  dort  die  Atmung  in  keiner  Weise 
zu  behindern,  dagegen  auf  der  anderen  Seite  sie  durch  Ein¬ 
legen  von  Filzstreifen  (ungefähr  jede  Woche),  soweit  eben 
Platz  wird,  einzuengen  bzw.  eingeengt  zu  erhalten. 

Dieser  Verband  wird  nun  mindestens  6 — 8  Wochen  oder 
auch  länger  getragen,  und  nach  seiner  Abnahme  sehen  wir 
auch  bereits  die  Erfolge  unserer  Behandlungsweise.  Das 
Rückenrelief  ist  ein  ganz  anderes  geworden,  die  eingefallene 


Fig.  6a.  A.  L.  Vor  der  Behandlung. 
Rachit.  rechts  konvexe  Brustskohose  III.  Grade=. 
Fixation,  starke  Torsion,  starker  Rippenbuckel. 


6c.  A.  L.  Nach  3 monatlicher  Behandlung. 
Geradliniger  Verlauf  der  Dornfortsätze. 


Fig.  6d.  A.  L.  Nach  3  monatlicher  Behandlung. 
(Int  Zelluloidmieder.)  Leichte  links  konvexe 
Totalskoliose.  (Ueberkorrekturstellüng.) 


Seite  ist  stark  oder  ganz  in  gleicher  Höhe  mit  dem  jetzt  be¬ 
deutend  kleineren  Rippenbuckel,  die  linke  Schulter  ist  höher 
als  die  rechte,  ja  der  erste  Anblick  zeigt  das  Bild  einer  völligen 
Ueberkorrektur.  Die  Fixation  der  Wirbelsäule  ist  stark  zu- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


rückgegangen,  die  Dornfortsatzlinie  verläuft  fast  gerade  und 
nur  bei  stärkerem  Vor-  oder  Seitwärtsbeugen  bemerken  wir 
noch,  um  bei  unserem  Bilde  zu  bleiben,  im  Verlaufe  der  Dorn¬ 
fortsätze  die  ursprüngliche  dextrodorsale  Verkrümmung,  doch 
auch  diese  schwindet  in  den  folgenden  Verbänden.  Freilich 
im  Röntgenbilde  sehen  wir  auch  jetzt  noch  deutlich  die  pri¬ 
märe  Skoliose  allerdings  oft  bedeutend  abgeflacht. 
Wesentlich  wird  nun  bei  dieser  Verbandsbehandlung  sein,  ein¬ 
mal  die  \  erbände  solange  fortzusetzen,  bis 
diese  überkorrigierte  Stellung  dem  Kinde 
zur  Ruhehaltung  geworden  ist  und  dann  diese 
Stellung  möglichst  lange  —  1  Jahr  und  länger  —  fest- 
z  uh  alten,  bis  sich  der  Körper  ganz  den  neuen 
Verhältnissen  angepasst  hat.  Dies  lässt  sich  er¬ 
reichen  durch  leichte  schalenförmige  Apparate  (Zelluloidmieder) 
oder  Schienenkonstruktionen;  denn  nur  durch  langes 
Einhalten  dieser  Stellung  ist  eine  wirkliche 
Umformung  auch  der  Knochen  im  Sinne  des 
Wolffschen  Gesetzes  zu  erwarten. 

Abbott  betont,  dass  er  auch  bei  Skoliosen  mit  starken 
Gegenkrümmungen  (S-förmige  Skoliosen)  durch  Anlegen  ent¬ 
sprechender  Gegenzüge  gute  Erfolge  erzielen  konnte.  Für  die 
kindlichen  Verhältnisse  muss  dies  aber  eine  Einschränkung  in¬ 
sofern  erfahren,  als  bei  sehr  kurzbogigen  doppelseitigen 
rhachitischen  Verkrümmungen,  bei  denen  oft  die  beiden 
starken  und  hochsitzenden  Krümmungen  an  dem  kurzen 
Rumpfe  des  kleinen  Kindes  nahezu  mit  gleichem  Radius  ein¬ 
ander  folgen,  Gegenzüge  kaum  mehr  anzubringen  sind, 
und  dann  die  Aussichten  auf  Erfolg  sehr  gering  werden, 
namentlich  wenn  damit  noch  kyphotische  Einstellungen  ver¬ 
gesellschaftet  sind.  Hingegen  werden  sich  jene  im  frühen 
Kindesalter,  gleichsinnig  mit  der  Sitzkyphose  entstandenen, 
hauptsächlich  im  unteren  Brust-  und  oberen  Lendenanteil 
liegenden  rechts-  oder  linksseitigen  Skoliosen  mit  leichten 
sekundären  Krümmungen  gut  für  diese  Behandlungsart  eignen. 

Für  die  Art  der  Verbandanlegung  spielt  die  Seite,  nach 
der  die  ursprüngliche  Skoliose  gerichtet  ist,  an  sich  keine 


Rolle;  wohl  aber  verdient  die  Lage  des  Herzens  insofern  eine 
Berücksichtigung,  als  bei  der  Korrektur  der  rechtskonvexen 
Skoliosen  das  Herz  von  einer  Einengung  befreit  wird,  während 
bei  den  linkskonvexen  das  Gegenteil  der  Fall  ist.  Deshalb 
eignen  sich  auch  die  viel  häufigeren  dextrodorsalen  Skoliosen 
besser  für  diese  Behandlungsart.  So  konnten  wir  beobachten, 
dass  die  einzige  sinistrodorsale  Skoliose  unter  unseren  161 
Fällen  besonders  immer  in  den  ersten  Wochen  nach  der  An¬ 
legung  eines  neuen  Verbandes  schlechter  (blasser)  aussah,  als 
die  übrigen  Kinder  selbst  dann,  wenn  der  Verband  an  sich 
sonst  nicht  die  geringsten  Beschwerden  verursachte;  und  auch 
bei  der  Durchsicht  der  Fälle  A  b  b  o  1 1  s  fällt  auf,  dass  von  den 
6  sinistrodorsalen,  die  er  erwähnt,  bei  den  ersten  3  ein  gros¬ 
se!  es  Unbehagen  (very  nervous)  und  längerer  Bettaufenthalt 


als  bei  den  anderen  ausdrücklich  aufgezeichnet  ist,  wälirem 
bei  den  übrigen  meist  ein  Vermerk  über  das  Befinden  de 
Patienten  unmittelbar  nach  der  Verbandanlegung  überhaun 
fehlt.  F 

Abbott  hat  in  seinen  Fällen  durchwegs  gute  Erfolgt 
erzielen  können,  die  er  durch  Photos  und  zum  Teil  auch  durcl 
Rontgenbilder  erhärtet.  Einzelne  dieser  Fälle  befinden  siel 
bereits  2A  Jahre  ausser  Behandlung  und  sind  von  ihrer  ur 
sprünglichen  Skoliose  vollkommen  geheilt.  Die  bis  jetzt  ai 
unserer  Klinik  erreichten  Erfolge  können  natürlich  wegen  dei 
kurzen  Behandlungsdauer  keine  Dauerresultate  vorstellei 
(Fig.  6  und  7);  sie  sind  dem  Bedürfnisse  entsprungen,  eint, 
allen  theoretischen  Anforderungen  gerecht  werdende  Behand¬ 
lungsart  bei  allen  den  Patienten  anzuwenden,  denen  mit  den 
bisherigen  Methoden  eine  ausreichende  Hilfe  nicht  hatte  ge¬ 
bracht  werden  können  —  und  sie  sind  besser,  als  wir  sie  mit 
den  bisher  üblichen  hatten  erreichen  können. 

Wenn  die  Methode  auch  bei  der  allseitigen  Nachprüfung, 
die  sie  gewiss  an  allen  vorurteilsfreien  Kliniken  finden  wird 
Einschränkungen  für  gewisse  Fälle  erfahren  wird  und  eine 
Reihe  von  Formen  der  Skoliose  werden  ausscheiden  müssen 
(fixierte  kurzbogige  Doppelkriimmungen;  spitzwinkeliger, 
kammartiger  Rippenbuckel,  stärkere  linkskonvexe  Brust¬ 
skoliosen),  so  sind  wir  doch  der  bestimmten  Ansicht,  dass  in 
dieser  Methode  ein  brauchbarer  Weg  vorliegt,  um  wieder 
einen  I  eil  unseres  ungeheuren  Skoliosenmaterials  wenigstens 
einer  weitgehendsten  Besserung  zuzuführen  und  so  dem  Ideal 
der  Skoliosenbehandlung  wieder  einen  Schritt  näher  zu 
kommen. 


Aus  dem  Deutschen  Hospital  New  York. 

Die  chirurgische  Behandlung  des  Oesophaguskarzinoms1). 

Von  Dr.  Willy  Meyer  in  New  York. 

Herr  Pr.  und  m.  H.!  Das  mir  in  diesem  Symposium  zu¬ 
erkannte  Thema:  „Die  chirurgische  Behandlung  des  Oeso¬ 
phaguskarzinoms“  verpflichtet  mich  nicht  notwendigerweise, 
Sie  mit  chirurgischen  Details  zu  unterhalten.  Im  Gegenteil 
habe  ich  mir  vorgenommen,  dem  Gegenstand  einen  all¬ 
gemeinen  Gesichtspunkt  abzugewinnen.  Da  meine  Zuhörer¬ 
schaft  hier  hauptsächlich  aus  praktischen  Aerzten  besteht,  er¬ 
scheint  es  mir  besser  angebracht,  kurz  einzugehen  auf  die 
Teilung  der  Verantwortlichkeit  zwischen  Hausarzt  und 
Chirurg  in  der  Aufgabe,  Patienten,  die  von  Oesophagus¬ 
karzinom  befallen  sind,  das  Leben  zu  retten.  Natürlich  drängt 
sich  diesbezüglich  allen  hier  Anwesenden  gleich  die  Frage  auf: 
Welche  Resultate  können  die  Chirurgen  uns  zeigen?  Haben 
dieselben  schon  Patienten  mit  Karzinom  im  Brustteil  des 
Oesophagus  durch  Operation  gerettet?  Diese  Frage  gibt  dem 
Chirurgen  das  Recht  zu  der  Gegenfrage:  Kann  der  Hausarzt 
einem  solchen  Patienten  Hoffnung  machen,  dass  er  ihn  ohne 
Operation  durchbringen  wird?  Kann  er  mit  gutem  Gewissen 
den  Verwandten  des  Patienten  irgend  eine  andere  Prognose 
stellen,  als  dass  derselbe  in  ungefähr  12 — 15  Monaten  sicher 
sterben  wird  und  einem  in  jeder  Beziehung  bedauernswerten 
Zustande  und  kläglichen  Ende  entgegen  geht?  Kann  der  Haus¬ 
arzt,  trotz  Radium,  etwas  anderes  sagen,  als  dass  der  Patient 
an  einer  Krankheit  leidet,  deren  Sterblichkeitsziffer  100  Proz. 
ist?  Ganz  gewiss  nicht! 

Wird  andererseits  der  Chirurg  gefragt:  Können  Sie  einem 
Patienten,  der  einen  intrathorakalen  Oesophaguskrebs  hat, 
einen  Hoffnungsschimmer  geben?  so  kann  derselbe  heute  zu¬ 
versichtlich  und  mit  gutem  Gewissen  „ja“  antworten.  Jawohl, 
meine  Herren,  vertrauen  Sie  dem  Chirurgen  den  Patienten  an, 
ehe  er  zum  hoffnungslosen  Fall  geworden  ist.  Ueberweisen 
Sie  ihm  den  Patienten,  ehe  der  Krebs  Zeit  gehabt  hat,  um  sich 
zu  greifen,  bevor  er  anliegende  Organe  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogen  hat,  vor  allen  Dingen,  bevor  er  beide  Nervi  vagi  in¬ 
volviert  hat.  Lassen  Sie  ihn  den  Patienten  haben,  ehe  des 
letzteren  Widerstandskraft  und  Gewicht  abgenommen  haben. 
In  einem  Worte,  geben  Sie  ihm  Gelegenheit  zur  Operation, 
solange  der  Krebs  noch  im  Frühstadium  ist  und  auf  die 

M  l)  } ortras’  gehalten  vor  der  Harlem  Medical  Association, 
NewYork,  am  5.  M;irz  1913,  als  Teil  eines  Symposiums  über  Oeso¬ 
phaguskarzinom. 


Fig.  7b.  K.  T.  Nach  5monatl.  Behandlung; 
im  Zelluloidmieder. 


Fig.  7a.  K.  T.  Vor  der  Behand¬ 
lung.  Sehr  starke  rechts  konvexe 
Brustskoliose  mit  Gegenkrüm¬ 
mungen. 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1317 


Speiseröhre  selbst  beschränkt  ist.  Wenn  Sie  dies  tun,  meine 
Herren,  so  hat  der  Patient  wirkliche  Aussicht  auf  Rettung. 

Selbstredend  bin  ich  mir  wohl  bewusst,  dass  nicht  selten 
der  Patient  mit  maligner  Speiseröhrenstriktur  den  Familien¬ 
arzt  zum  erstenmal  aufsucht,  wenn  die  Krankheit  schon  grosse 
Fortschritte  gemacht  hat.  Da  muss  man  natürlich  mit  den 
gegebenen  Verhältnissen  rechnen.  Betonen  möchte  ich  je¬ 
doch,  dass  auch  vorgeschrittenere  Fälle  dem  Chirurgen  so 
bald  als  möglich  überwiesen  werden  sollten.  Lassen  Sie  den 
Chirurgen  entscheiden,  ob  der  Patient  noch  radikal  operiert 
werden  kann.  Nur  die  Erziehung  der  Laienwelt  seitens  der 
Aerzte  kann  solch  bedauerlichem  Spätkommen  der  Patienten 
abhelfen.  Diese  Erziehung  darf  einsetzen,  sobald  einmal  ein 
positiver  Erfolg  bei  der  Resektion  des  Oesophagus  wegen 
Karzinom  erreicht  ist.  Auf  jeden  Fall  ist  der  Zeitpunkt,  wann 
der  Chirurg  Patienten  dieser  Art  zugewiesen  erhalten  sollte, 
der,  wenn  Sie,  meine  Herren,  zu  der  Ueberzeugung  ge¬ 
kommen  sind  —  besser  noch,  sobald  der  Verdacht  in  Ihnen 
erwacht  ist  — ,  dass  ein  Oesophaguskrebs  vorliegt.  Von  dem 
Augenblick  an  kann  der  Hausarzt  nichts  mehr  für  den 
Patienten  tun,  als  im  Verein  mit  dem  Chirurgen  die  Diagnose 
zu  präzisieren.  Von  dem  Augenblick  an,  vorausgesetzt,  dass 
der  Patient  bereit  ist,  sich  operieren  zu  lassen,  lässt  sich 
keinerlei,  wie  immer  geartete  innere  Behandlung  mehr 
rechtfertigen. 

Mit  der  Frage,  wie  man  sich  vergewissern  kann,  dass 
man  es  mit  einem  Oesophaguskrebs  zu  tun  hat,  wie  die  Dia¬ 
gnose  des  Falles  sicher  gestellt  werden  kann,  haben  meine 
Herren  Vorredner  sich  beschäftigt.  Meinerseits  wünsche  ich 
nur  einen  Punkt  nochmals  nachdrücklich  zu  betonen:  Wenn 
ein  Patient  zu  Ihnen  kommt  und  über  Schwierigkeiten  beim 
Schlucken  klagt,  untersuchen  Sie  ihn  sofort  aufs  allergründ¬ 
lichste,  oder  lassen  Sie  ihn  sofort  aufs  allergründlichste  vom 
Spezialisten  untersuchen;  und  wenn  kein  Kardiospasmus  oder 
Divertikel  gefunden,  wenn  kein  äusserer  Druck  auf  den 
Oesophagus  durch  ein  Aneurysma,  einen  Mediastinaltumor 
oder  durch  geschwollene  Drüsen  ausgeübt  wird,  wenn  keine 
Verätzungsstriktur  vorliegt,  auch  keine  andere  gutartige 
Narbenstenose,  z.  B.  infolge  eines  Ulcus  tuberculosum,  spe- 
cificum  oder  pepticum  (letzteres  an  der  Kardia),  ich  sage,  wenn 
Sie  alle  solche  andere  Möglichkeiten  für  Erschwerung  des 
Schluckens  ausschliessen  konnten,  was  wohl  in  80  Proz. 
solcher  Fälle  geschehen  wird,  dann,  meine  Herren,  steht  ein 
Patient  vor  Ihnen,  dem  der  Tod  sein  Siegel  auf  die  Stirn  ge¬ 
drückt  hat.  Behandeln  Sie  ihn  nicht  abwartend,  überweisen 
Sie  ihn  sofort  dem  Chirurgen,  denn  nur  im  Anfang  dieser 
Krankheit  hat  der  Patient  wirklich  Aussicht,  durch  das  Messer 
noch  gerettet  werden  zu  können,  und  zwar  nicht  nur  für  einen 
kurzen  Zeitpunkt,  sondern  dauernd. 

Sie  wünschen  nun  natürlich  zu  wissen,  was  mich  so  zu¬ 
versichtlich  macht  —  welches  Recht  ich  habe,  hier  vor  Sie 
ünzutreten  und  Ihnen  frühzeitigste  Ueberweisung  dieser  Art 
von  Patienten  an  den  Chirurgen  als  notwendig  vorzustellen.  Der 
Gründe  dafür  sind  mehrere:  Der  erste  Grund  ist  die  Natur  der 
Krankheit  im  allgemeinen.  Anfänglich  wächst  der  Oesophagus- 
■crcbs  langsam  und  bildet  nur  ganz  allmählich  Metastasen. 
Meist  fängt  er  einseitig  an  der  Wand  an,  ähnlich  dem  Mast- 
Jarmkrebs,  und  nur  langsam  fortschreitend  wird  er  zirkulär 
jnd  umklammert  später  die  Nervi  vagi,  welche,  wie  Sie 
wissen,  vom  Aortenbogen  abwärts  rechts  und  links  dicht  am 
Oesophagus  entlang  verlaufen.  Der  Krebs  ist,  wie  gesagt, 
mfangs  noch  auf  den  Oesophagus  lokalisiert  und  bleibt  auch 
so  lange  genug,  wenn  er  früh  entdeckt  wird,  um  den  unver¬ 
meidlichen  Zeitverlust  bei  der  Diagnose  und  während  der 
Vorbehandlung  für  die  Operation  im  Hospital  zu  decken. 
Kurz,  der  erste  Grund  ist  der,  dass  in  den  Anfangsstadien  der  _ 
Oesophaguskrebs  beinahe  als  ein  gutartiges  Gewächs  ange¬ 
sprochen  werden  könnte,  und  pathologisch-anatomisch  ist  es 
?ewiss,  dass  von  allen  Krebsen,  vom  Mund  bis  zum  After, 
meiner  eine  gutartigere  Prognose  gibt,  als  gerade  der  hier 
Jiskutierte. 

Der  zweite  Grund  ist,  dass  wir  angesichts  der  jetzt  vor- 
iegenden  Methoden  und  auf  Grund  der  in  unablässiger 
Tururgischer  Arbeit  seit  1904  aufgehäuften  Erfahrungen,  bei 
uhiger  Abwägung  der  Tragweite  unserer  Worte,  sagen 


dürfen,  dass,  unter  günstigen  Vorbedingungen,  der  Operierte 
wohl  am  Leben  bleiben  kann. 

Der  dritte  Grund  ist,  dass  die  bisherigen  Misserfolge  in 
der  chirurgischen  Behandlung  des  Ocsophaguskrebses  haupt¬ 
sächlich  dadurch  verursacht  sind,  dass,  meines  Wissens,  noch 
kein  Chirurg  Gelegenheit  hatte,  einen  Fall  unter  günstigen 
Vorbedingungen  zu  operieren. 

Lassen  Sie  mich  daher  noch  einmal  wiederholen:  Ein 
Patient,  der  Schwierigkeiten  beim  Schlucken  hat,  ist  ein 
ernster  Fall,  der  sofortiger  und  gründlichster  Aufmerksamkeit 
bedarf.  Wenn  sich  mit  den  vorhandenen  diagnostischen 
Mitteln:  der  genauen  klinischen  Untersuchung,  dem  Gebrauch 
praktischer  Sonden  (Schreiber,  C  a  1 1  m  a  n  n)  Radio¬ 
graphie,  Oesophagoskopie,  möglichst  mit  Entfernung  eines 
kleinen  Stückes  aus  der  verdächtigen  Stelle  zur  mikroskopi¬ 
schen  Untersuchung,  eine  zweifellose  Diagnose  nicht  stellen 
lässt,  die  Wahrscheinlichkeit  aber  für  Krebs  spricht,  dann 
sollte  der  Patient  dem  Chirurgen  für  eine  Probethorakotomie 
übergeben  werden.  Nach  den  vorliegenden  Statistiken  ist  die 
Probethorakotomie  jetzt  ein  ebenso  sicherer  Eingriff  wie  die 
Probelaparotomie  und  sollte  daher  ohne  Zaudern  zur  An¬ 
wendung  kommen,  wo  sie  indiziert  erscheint.  Erweist  sich 
dann  die  Diagnose  „Krebs“  als  richtig,  so  muss  der  Chirurg 
vorbereitet  sein,  die  Operation  sofort  in  geeigneter  Weise 
weiter  fortzusetzen. 

Lassen  Sie  uns  nun  einen  Augenblick  annehmen,  dass  der 
Patient  dem  Chirurgen  in  einem  Zustande  zugeführt  wurde, 
der  zu  erfolgreicher  Operation  Gelegenheit  liess,  dass  die 
Operation  erfolgreich  war  und  dass  der  Patient  sich  unter 
unseren  verbesserten  und  bewährten  Verfahren  der  Nach¬ 
behandlung  von  dem  Eingriffe  erholt  hat.  In  welcher  Ver¬ 
fassung  befindet  er  sich  nun?  Ist  das  Leben  für  ihn  noch 
lebenswert?  Oder  ist  sein  Zustand  derart,  dass  es  besser  ge¬ 
wesen  wäre,  er  wäre  ohne  Operation  gestorben? 

Zur  Beantwortung  dieser  Frage  wird  es  nun  doch  not¬ 
wendig,  auf  einige  chirurgische  Details  einzugehen.  Bei 
unserer  jüngst  ausgearbeiteten  Operationsmethode,  der  wir 
den  Vorzug  geben,  benutzen  wir  für  die  Gastrostomie  ein  Ver¬ 
fahren,  in  dem  die  grosse  Kurvatur  des  Magens  nach  J  i  a  n  u 
in  einen  langen  Schlauch  umgewandelt  wird.  Am  Fundus 
bleibt  der  Schlauch  mit  dem  Magen  verbunden  und  öffnet  sich 
dort  in  den  vom  Magen  übrig  gebliebenen  Teil,  während  das 
andere  Ende  des  Schlauches  frei  beweglich  ist 2).  Dieser 
Schlauch  wird  nun  zur  Rekonstruktion  des  Oesophagus  be¬ 
nutzt,  und  zwar  erstens,  wenn  bei  der  Voruntersuchung  ein 
hochsitzendes  Karzinom  gefunden  wurde,  durch  extrathorakale 
Verlagerung  des  Schlauches,  nach  Jianu,  in  Verbindung  mit 
extrathorakaler  Umlagerung  des  oralen  Oesophagusstumpfes, 
nach  v.  Mikulicz,  K  e  1 1  i  n  g,  Ach,  zur  Zeit  der  Resektion 
des  Tumors  und  nachfolgender  Vereinigung  beider  Enden 
(extrathorakale  Oesophagoplastik);  oder  zweitens  durch  intra¬ 
thorakale  Verlagerung  des  Schlauches  nach  Art  meiner  Ver¬ 
suche  am  Tier  (Zentralbl.  f.  Chir.,  No.  8,  22.  Febr.  1913),  wenn 
sich  bei  der  Voruntersuchung  ein  tiefsitzendes  Karzinom  ergab, 
wobei  dann  der  orale  Oesophagusstumpf  in  situ  verbleibt  und 
mit  dem  in  die  Thoraxhöhle  durch  das  Foramen  oesophageum 
eingeführten  „Jianuschlauch“  verbunden  wird  (intrathorakale 
Oesophagoplastik). 

Vorläufig  haben  beide  Verfahren  neben  Vorteilen  auch 
noch  ihre  zweifelhaften  Seiten.  Intrathorakale  Oesophago¬ 
plastik  würde  den  Patienten  am  vollkommensten  wieder  her- 
stellen,  und  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  die  Methode 
natürlich  ideal.  Aber  die  Operation  kann  nur  einzeitig  ge¬ 
macht  werden,  soweit  sich  bis  jetzt  übersehen  lässt,  während 
extrathorakale  Oesophagoplastik  den  Vorteil  hat,  dass  sie  stets 
zwei-  oder  mehrzeitig  ausgeführt  werden  kann.  Hier  aber 
wissen  wir  noch  nicht,  ein  wie  langer  Oesophagusstumpf  bei 
solcher  Umlagerung  am  Leben  bleiben  wird.  Nekrotisierung 
und  zirkumskripte  Phlegmone  könnten  eine  spätere  Haut¬ 
plastik  illusorisch  machen.  Lebt  aber  jeder  so  umgelagerte 
Oesophagusstumpf,  einerlei  wie  lang,  so  würde  extrathorakale 
Oesophagoplastik  die  Methode  der  Wahl  werden,  es  sei  denn, 

2)  Eine  am  26.  Dezember  1912  nach  Jianus  Methode  operierte 
Frau  von  46  Jahren  mit  Speiseröhrenkrebs  wurde  vor  der  Versamm¬ 
lung  demonstriert.  Das  freie  Ende  des  Rohres  befindet  sich  in  Höhe 
des  dritten  Rippenknorpels. 


1318 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24 


dass  sich  ein  Weg  fände,  auch  die  intrathorakale  Verlagerung 
zu  einer  zweizeitigen  Operation  zu  machen. 

Herr  Präsident  und  meine  Herren!  Das  war  nun  zwar  ein 
sehr  skizzenhafter  Ueberblick,  aber  er  dürfte  doch  genügt 
haben,  um  in  Ihnen  den  Eindruck  zu  erwecken,  dass  angesichts 
sicheren  I  ödes  bei  palliativer  Behandlung,  jedoch  mög¬ 
licher  Rettung  bei  chirurgischem  Verfahren,  letzterem  Vor¬ 
gehen  entschieden  der  Vorzug  gegeben  werden  sollte.  Und 
so  ist  denn  mein  Schlusswort  das  folgende: 

Frühdiagnose  und  Frühoperation  vorausgesetzt,  darf  der 
Chirurg  heute  mit  gutem  Gewissen  zu  radikaler  Operation  des 
thorakalen  Oesophaguskrebses  raten. 

Um  solche  Sachlage  zu  ermöglichen  und  günstige  Vor¬ 
bedingungen  für  den  Ausgang  der  Operation  zu  schaffen, 
dürfen  Kranke,  die  über  Schluckbeschwerden  klagen,  nicht  ab¬ 
wartend  behandelt  werden. 

Nachschrift.  Dieser  Vortrag  wurde  am  5.  März 
gehalten.  9  läge  später,  am  14.  März,  resezierte  Dr.  F. 

I  o  r  e  k,  besuchender  Arzt  am  Deutschen  Hospital  in 
New  York,  bei  einer  67  jährigen  Patientin  den  Oesophagus 
wegen  einer  malignen  Striktur  hinter  dem  Aortenbogen,  mit 
Erfolg.  Der  Fall  war  ein  frühzeitiger;  es  handelte  sich  um  ein 
Epitheliom,  nicht  ganz  zirkulär;  beide  Nervi  vagi  konnten  ab¬ 
präpariert  werden.  Patientin  ist  geheilt  und  befindet  sich 
heute,  mehrere  Wochen  nach  der  Operation,  vollkommen 
wohl  ).  Einzelheiten  über  die  hochinteressante  Operation 
bleiben  Kollegen  I  oreks  Veröffentlichung  Vorbehalten. 
Nahezu  um  dieselbe  Zeit  traf  das  Märzheft  der  Beitr.  z.  klin. 
Chir.  (Bd.  83,  2)  hier  ein.  In  demselben  berichtet  J.  H. 
Zaaijer  über  eine  glücklich  verlaufene  Resektion  eines  Kar¬ 
zinoms  der  Kardia  und  des  untersten  Oesophagusendes  aus 
der  Leidener  Klinik.  Beide  Fälle  zusammengenommen  liefern 
den  Beweis,  dass  das  Oesophaguskarzinom  an  irgend  einer 
Stelle  der  Speiseröhre  mit  Erfolg  operiert  werden  kann  — 
ohne  Frage  eine  gewaltige  Anregung  für  die  weitere  Ent¬ 
wicklung  dieses  Zweiges  der  operativen  Chirurgie. 


Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  (Direktor:  Prof. 
Dr,  M.  Wilms)  und  der  serologischen  Abteilung  (Vorstand: 
Prof.  v.  Düngern)  des  Instituts  für  Krebsforschung  (Direktor: 

Geheimrat  Czerny,  Exzellenz)  zu  Heidelberg. 

Ueber  Serodiagnostik  der  Geschwülste  nach  v.  Düngern. 

V  on  Dr.  P  a  v  1  o  s  Ar.  P  e  t  r  i  d  i  s,  Volontärassistent  der  Klinik. 

Nachdem  v.  Düngern  die  Komplementbindungsreaktion 
bei  malignen  Geschwülsten  so  weit  ausgebildet  hatte,  dass  sie 
diagnostisch  verwertbar  zu  sein  schien,  habe  ich  damit  be¬ 
gonnen,  veranlasst  durch  Prof.  Wilms,  die  Reaktion  bei 
Kranken  der  chirurgischen  Klinik  anzustellen. 

Dieses  Material  ist  zur  Prüfung  besonders  geeignet,  da 
die  klinisch  dunklen  Fälle,  für  welche  die  Serumreaktion  ja 
besonders  wertvoll  ist,  durch  die  Autopsie  in  vivo  klar  gestellt 
werden  können.  Auch  handelt  es  sich  hier  häufig  um  be¬ 
ginnende  Fälle,  während  das  Material  v.  Dungerns  im 
Samariterhaus  zum  grössten  T  eil  aus  Fällen  mit  grossen 
rumoren  und  häufigen  Rezidiven  bestand. 

Auch  habe  ich  mich  bemüht,  die  einzelnen  Krankheiten 
so  weit  wie  möglich  klinisch  aufzuklären.  Ausser  den  tumor- 
verdächtigen  habe  ich  noch  andere  chirurgische  Krankheiten 
gewissermassen  zur  Kontrolle  herangezogen,  und  speziell 
solche  ausgewählt,  die  nach  den  Beobachtungen  v.  Dün¬ 
gt  i  n  s  am  leichtesten  mitreagieren  und  die  auch  durch 
andere  Serumreaktionen  schwer  abgegrenzt  werden  können. 
Nur  syphilitische  Sera  wurden  nicht  untersucht,  da  sie  in  der 
chirurgischen  Klinik  nicht  vorkamen. 

Ich  habe  zuerst  die  Methode  angewandt,  welche  v.Dun- 
g  e  r  n  in  seiner  zweiten  Mitteilung  *)  beschrieben  hat.  Und 
als  positiv  nur  diejenigen  Fälle  gerechnet,  bei  denen  das  Serum 

0,05  ccm  unerwärmt  auch  mit  ^  NaOH  0,2  ccm  gehemmt  hat, 
dagegen  erwärmt  0,1  ccm  nicht  gehemmt  hat. 

G  Nach  einer  telegraphischen  Mitteilung  vom  10.  Juni  wurde 
die  I^atientin  hnde  Mai  geheilt  entlassen.  Red. 

')  V.  Düngern:  Ueber  Serodiagnostik  der  Geschwülste  mittels 
Komplement bmdungsreaktion,  II.  Miinch.  med.  Wochenschr.  No.  2.  1912. 


Nachdem  dann  v.  Düngern  die  Methode  in  der  Weise 
modifiziert  hat,  dass  die  Sera  mit  NaOH  zusammen  auf  54"  ^ 
erwärmt  wurden  und  abgestuft  mit  einer  bestimmten  gleicl 
bleibenden  Extraktdose  0,8  ccm  zur  Prüfung  gelangten,  habe 
ich  diese  Form  der  Reaktion2)  auch  für  meine  Untersuchungei 
benutzt,  da  sie  wesentlich  einfacher  ist  und,  wie  es  scheint 
auch  noch  etwas  spezifischere  Resultate  gibt. 

Die  genaue  Beschreibung  der  Methode  und  die  genauer 
Protokolle  von  70  Fällen  habe  ich  in  dem  „Lyon  ChirurglcaT“, 
schon  gegeben.  Hier  möchte  ich  mich  darauf  beschränken, 
die  Resultate  kurz  zu  erwähnen. 

Nach  der  neuesten  Art  der  Reaktion  waren  damals  11 
Fälle  meines  Materials  untersucht.  Es  fanden  sich  7  Fälle  von 
malignen  Tumoren;  5  davon  reagierten  positiv.  Die  2  nega¬ 
tiven  waren  ein  Rektumkarzinom  und  ein  Lymphosarcoma 
colli;  gerade  bei  diesen  Tumorformen  hat  auch  v.  Düngern 
häufiger  als  bei  anderen  malignen  Geschwülsten  negative 
Reaktion  beobachtet.  7  Fälle  von  anderen  Krankheiten,  und 
zwar  von  Spondylitis,  Cholelithiasis,  Ulcus  pylori,  Hernia. 
Fusskaries,  Parotisabszess,  Prostatahypertrophie  reagierten 
alle  negativ. 

Bei  den  Untersuchungen  mit  der  älteren  Methode  wurden 
zeitweise  weniger  positive  Fälle  erzielt.  Nachdem  die  Extrakt¬ 
dose  dann  von  0,6  ccm  auf  0,8  ccm  erhöht  war,  wurden  die 
Resultate  besser.  —  Im  ganzen  berichtete  ich  über  70  Fälle, 
unter  denen  27  maligne  Tumoren  sich  befanden.  Unter  den 
27  I  umorfällen  waren  16  deutlich  positiv  und  11  negativ. 
Unter  den  43  anderen  Krankheiten  ohne  Tumorverdacht  rea¬ 
gierten  38  negativ  und  5  positiv.  Die  negativen  waren: 
Rektalgeschwür,  Cholezystitis,  Prostatahypertrophie,  Gonitis. 
Koxitis,  subakute  Myelitis,  Makrochilie,  Hydrozephalus  inter¬ 
nus,  Osteomyelitis,  Struma,  Hodentuberkulose,  Ulcus  ven- 
triculi,  Hydronephrose,  Bursitis,  Epulis,  Spondylitis,  Fuss¬ 
karies.  Hernia.  Unter  den  5  positiven  waren  Kniegelenktuber¬ 
kulose,  Hodentuberkulose,  Aktinomykose  und  1  Fall,  bei  dem 
Kachexie  und  allgemeine  Splanchnoptose  bestand,  und  bei  der 
Operation  ein  Tumor  im  Abdomen  nicht  gefunden  werden 
konnte.  —  Bei  allen  diesen  70  Fällen  habe  ich  die  Wasser¬ 
mann  sehe  Reaktion  angestellt,  welche  nur  bei  2  Patienten 
positiv  war.  Bei  dem  einen  handelte  es  sich  um  Kniegelenk¬ 
tuberkulose,  und  bei  dem  anderen  um  Prostatahypertrophie  | 
ohne  Verdacht  auf  Malignität  und  ohne  Anhaltspunkt  auf  Lues 
in  der  Anamnese. 

In  der  letzten  Zeit  habe  ich  noch  eine  andere  Reihe  von 
21  Fällen  mit  der  neuesten  Methode  untersucht,  die  bis  jetzt 
nicht  veröffentlicht  worden  ist.  In  dieser  Reihe  habe  ich 
mehrere  Fälle  nach  der  Operation  untersucht,  während  früher 
fast  ausschliesslich  vor  der  Operation  das  Blut  entnommen 
wurde. 

Bevor  ich  über  meine  neuen  Fälle  berichten  werde, 
möchte  ich  der  Uebersicht  halber  die  Art  der  Anstellung  der 
Reaktion  in  Form  einer  Tafel  auf  der  nächsten  Seite  angegeben. 

Wenn  das  I  umorextrakt  allein  in  Verdünnung;  1 : 5  von  1  ccm 
an  die  Hämolyse  hernmt,  kann  man  versuchen,  dasselbe  in 
einer  schwächeren  Verdünnung,  d.  h.  1:10  zu  nehmen,  in  welcher 
Verdünnung  die  Antigenaufschwemmung  allein  nicht  hemmen  darf. 

Bei  diesen  22  Fällen  handelte  es  sich  10  mal  um  maligne  Tumoren 
und  12  mal  um  andere  Krankheiten.  Bei  den  ersten  10  Fällen  war 
die  Reaktion  nur  1  mal  negativ:  8  mal  war  sie  deutlich  positiv  und 
1  mal  zweifelhaft.  Unter  den  12  letzten  Fällen  fanden  sich  9  mal 
negative  und  3  mal  positive  Reaktionen.  Es  ist  bemerkenswert,  dass 
bei  2  dieser  3  positiven  Fälle  wahrscheinlich  Tuberkulose  vorlag; 
bei  dem  dritten  Fall  war  klinisch  die  Diagnose  Carcinoma  oder  Ulcus 
ventriculi  gestellt,  bei  der  Operation  wurde  kein  Tumor  gefühlt. 

1.  Carcinoma  mammae  —  Tumorreaktion:  negativ. 

2.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 
positiv. 

3.  Ulcus  (3)  Carcinoma  (?)  ventriculi,  operativ  Carcinoma  — 

I  umorreaktion:  positiv. 

4.  Darmtumor,  mikroskopisch  Carcinoma  — <  Tumorreaktion: 
positiv. 

5.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 
positiv. 


2)v.  Düngern:  Ueber  Serodiagnostik  der  Geschwülste  mittels 
Komplementbindungsreaktion,  III.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  26, 

)  Pavlos  A.  Petridis:  Sero-diagnostic  des  tumeurs  malignes: 
Kcaction  de  von  Düngern.  Lyon  Chirurgical,  1.  Fevrier  1913, 
page  133—150. 


17.  Juni  1913. 


1319 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I 

(I 

Kontrolle 

A  B 

Komplementaufschwemmung  1:20,  d.  h. 
frisches  Meerschweinchenserurn  1  ccm  -|- 
19  ccm  (0,8  proz.)  physiol.  Kochsalzlösung 

1  ccm 

1  ccm 

1  ccm 

1  ccm 

1  proz.  in  Alkohol  aufgenommenes  Azeton¬ 
extrakt  aus  Blutkörperchen  (Blut  vonPara- 
Ivtiker)  1  ccm  +  4  ccm  (0,8  proz.)  physiol. 
Kochsalzlösung. 

0,8 

ccm 

0,8 

ccm 

1,6 

ccm 

Patientenserum  1  -f-  2  Na  OH  (1  Teil 
io  ^aOH  -f-  4  Teile  [0,8 proz.]  physiol. 
Kochsalzlösung)  während  l/a  Stunde  bei 
54°  C  im  Wasserbad  erwärmt 

0,3 

ccm 

0,15 

ccm 

0,6 

ccm 

gut  mischen  durch  Schütteln  und  3  Stunden  lang  bei  Zimmertemperatur 
stehen  lassen;  dann  fügt  man 


sensibilisiertes  Rinderblut  l  ccmj  1  ccm|  1  ccm;  1  ccm 


gut  mischen  durch  Schütteln,  3  Stunden  lang  bei  Zimmertemperatur 
stehen  lassen  und  dann  ablesen,  ln  dem  Fall,  dass  die 


Reaktion  positiv  ist,  Hämolyse 

0 

0 

total 

total 

Zur  Konstatierung  aber  einer  positiven 
Reaktion  ist  es  nicht  notwendig,  dass  die 
kleinsten  Serumdosen  Hemmung  ergeben; 
positive  Reaktion  ist  dann  zu  konstatieren, 

0 

0 

oder 

total 

total 

wenn  0,1  ccm  (0,3  ccm  der  Mischung  mit 
NaOH)  Hemmung  ergibt 

total 

6.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 
positiv. 

7.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 
zweifelhaft. 

8.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 

positiv. 

9.  Carcinoma  des  Colon  sigmoideum,  operativ  bestätigt  — 
Tumorreaktion:  positiv. 

10.  Carcinoma  ventriculi,  operativ  bestätigt  —  Tumorreaktion: 
positiv. 

Bei  allen  diesen  Fällen  war  die  Wassermann  sehe  Reaktion 
negativ. 

1.  Epulis  —  Tumorreaktion:  negativ. 

2.  Prostatiker,  operativ  Prostata  etwas  atrophisch  —  Tumor¬ 
reaktion:  negativ. 

3.  Fusskaries,  Verdacht  auf  Tuberkulose  —  Tumorreaktion: 
positiv. 

4.  Lymphangitis  cervicalis  acuta  —  Tumorreaktion:  negativ. 

5.  Halstumor, .  operativ  Drüsenentzündung  —  Tumorreaktion: 
negativ. 

6.  Koxitis  —  Tumorreaktion:  negativ. 

7.  Achselphlegmone  —  Tumorreaktion:  negativ. 

8.  Kombustio  beider  Beine,  Zystitis,  Verdacht  auf  Tuberkulose  — 
Tumorreaktion:  positiv. 

9.  Fussgelenkentziindung  —  Tumorreaktion:  negativ. 

10.  Ulcus  (?)  Carcinoma  (?)  ventriculi,  bei  Operation  kein 
Tumor,  kein  Ulcus  —  Tumorreaktion:  positiv. 

11.  Morbus  Hodgkin  —  Tumorreaktion:  negativ. 

12.  Handverletzung  —  Tumorreaktion:  negativ. 

Bei  allen  diesen  Fällen  war  die  Wassermann  sehe  Reaktion 
negativ. 

Ein  Fall  hat  eine  zweifelhafte  Reaktion  gezeigt. 

Wenn  man  nun  alle  meine  bis  jetzt  untersuchten  91  Fälle 
berücksichtigt,  kann  man  folgendes  feststellen: 

Die  Magenkarzinome  haben  mir  die  besten  Resultate  ge¬ 
geben.  Die  bis  jetzt  untersuchten  Magenkarzinomc  sind  12, 
und  haben  10  mal  positiv,  einmal  negativ  und  einmal  zweifel¬ 
haft  reagiert.  —  Besonders  bei  denjenigen,  welche  mit  der 
neuesten  Methode  untersucht  worden  sind,  habe  ich  aus¬ 
gezeichnete  Resultate  gehabt.  Es  sind  in  allem  7,  von  denen 
nur  eines  zweifelhaft,  alle  anderen  dagegen  positiv  reagiert 
haben. 

Von  7  untersuchten  Prostatikern,  bei  denen  klinisch  kein 
Verdacht  auf  Malignität  vorhanden  war,  und  die  Diagnose 
operativ  und  manchmal  auch  mikroskopisch  bestätigt  wurde, 
haben  alle  7  negativ  reagiert.  —  5  Cholelithiasisfälle  haben  alle 
5  negativ  reagiert.  —  Dasselbe  gilt  für  4  Strumafälle,  bei  denen 
keine  Malignität  vorhanden  war;  alle  4  reagierten  negativ. 

Von  11  Fällen  chirurgischer  Tuberkulose  haben  8  negativ 
reagiert  und  3  positiv.  Diese  Tatsache  bestätigt  die  früheren 
Angaben,  dass  unter  den  anderen  Krankheiten  die  Tuberkulose 
diejenige  ist,  welche  am  häufigsten  positiv  reagiert. 

Von  den  Tumorfällen  ist  das  Rektumkarzinom  dasjenige, 
welches  mir  die  schlechtesten  Resultate  gegeben  hat.  3  Rek¬ 


tumkarzinome  untersuchte  ich,  und  alle  3  zeigten  eine  deut¬ 
liche  Hämolyse.  —  Bösartige  Geschwülste  anderer  Teile  des 
Verdauungskanals  haben  mir  bessere  Resultate  gegeben; 
4  solche  Fälle  reagierten  3  mal  positiv  und  einmal  negativ. 

Unter  den  nach  der  neuesten  Methode  untersuchten 

17  Fällen  von  malignen  Tumoren  reagierten  13  positiv, 

3  negativ  und  1  zweifelhaft. 

Unter  den  nach  der  neuesten  Methode  untersuchten 

19  Fällen  von  anderen  Krankheiten  reagierten  16  negativ  und 
3  positiv. 


Die  mit  der 
neuesten 
Methode  unter¬ 
suchten  Fälle 

Bösartige  Geschwülste 

Andere  Krankheiten 

Zahl 

Tumorreaktion 

Zahl 

Tumorreaktion 

Positiv 

Nega¬ 

tiv 

+  Proz. 

—  Proz 

'Positiv 

Nega¬ 

tiv 

-f-  Proz.  —  Proz. 

36 

17 

13 

3 

81,2 

18,7 

19 

3 

16 

15,7  84,2 

Ein  Fall  nur  hat  eine  zweifelhafte  Reaktion  gezeigt. 


Ueber  die  Benutzung  von  Sekundärstrahlen  zur 
Verstärkung  der  Röntgenstrahlenwirkung. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Von  Dr.  med.  Alexander  Pagenstecher 
(Braunschweig). 

Für  die  Verstärkung  der  Röntgenstrahlenwirkung  bei  der 
Behandlung  inoperabler  Geschwülste  ist  bisher  die  Wirkung 
der  Sekundärstrahlung  viel  zu  wenig  berücksichtigt  worden. 
Nur  Christen  erwähnt  (Strahlentherapie  Band  1,  Seite  65) 
die  induzierte  Röntgenwirkung  und  zieht  als  erster  einige 
Schlüsse  über  die  Wirkung  der  Sekundärstrahlen.  Ich  selbst 
hatte  vor  einigen  Monaten  Gelegenheit,  die  auffallend  prompte 
Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  mit  Kuprase  vorbehandeltes 
Tumorgewebe  festzustellen  (vergl.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1913,  S.  1038)  und  dabei  kam  mir  der  Gedanke,  dem  ich  weiter 
nachgehen  will,  ob  es  sich  nicht  auch  in  diesem  Falle  um  die 
Wirkung  von  Sekundärstrahlen  handeln  könnte,  indem  die 
eingespritzte  kolloidale  Kupferlösung  vielleicht  elektiv  sich  in 
den  Tumorzellen  ablagert  und  von  diesen  einzelnen  dort 
deponierten  Kupferteilchen  sekundäre,  auf  die  einzelnen 
Tumorzellen  wirkende  Strahlen  ausgehen.  Ich  ging  dieser 
Annahme  theoretisch  nach  und  suchte  vor  allem  nach  einem 
Präparat,  das  ein  Studium  dieser  Frage  an  einem  lokalen 
Prozess  gestattet,  um  dadurch  eine  Unterlage  für  die  An¬ 
nahme  einer  Fernwirkung  kolloidaler  Lösungen  zu  gewinnen*). 
Ein  solches  Präparat  muss  in  einer  Flüssigkeit  in  kleinsten 
Teilchen  suspendiert  sein,  eine  Injektion  in  das  Tumorgewebe 
und  dadurch  eine  Infiltration  desselben  gestatten.  Für  die 
Feststellung  der  Metallart  sind  folgende  Ueberlegungen 
wichtig.  Es  muss  zu  den  Injektionsversuchen  ein  Metall  mit 
weicher  Sekundärstrahlung  verwendet  werden,  denn  die  mini¬ 
mal  kleinen,  im  Tumorgewebe  verteilten  Metallteilchen  senden 
nach  allen  Seiten  ihre  weichen  Sekundärstrahlen  aus,  und  es 
besteht  keine  Gefahr,  dass  sie,  bevor  sie  wirken,  absorbiert 
werden,  da  jedes  einzelne  Teilchen  durch  Tumorgewebe  von 
dem  anderen  getrennt  ist.  Physikalisch  ist  weiter  festgestellt 
(vergl.  Pohl:  Röntgenphysik),  dass  man  dann  den  grössten 
Nutzeffekt  in  der  Sekundärstrahlung  erhält,  wenn  die  primäre 
Strahlung  um  ein  geringes  härter  ist  als  die  sekundäre.  Bei 
der  Weichheit,  der  von  den  Metallen  ausgesandten  Sekundär¬ 
strahlen,  soll  man  also  zur  Erzeugung  der  Primärstrahlen  tun¬ 
lichst  weiche  Röhren  verwenden.  Nach  diesen  Ueberlegungen 
muss  man  in  der  Praxis  wie  folgt  Vorgehen.  Man  muss  primär 
Röntgenstrahlen  produzieren,  die  eben  imstande  sind,  den 
Tumor  in  seiner  ganzen  Dichte  zu  durchdringen;  das  lässt 
sich  bei  der  heutigen  Ausbildung  der  Filtertechnik  unschwer 
durch  Filter  erreichen.  Ausserdem  muss  man  den  Tumor  mit 
dem  Metallpräparat,  das  zur  Erzeugung  der  Sekundärstrahlen 
dienen  soll,  infiltrieren.  Neben  den  von  den  Metallen  ausgehen¬ 
den  Sekundärstrahlen  kommt  es  durch  diese  Infiltration  zur 
Quellung  und  Hyperämie,  also  auch  im  alten  Sinne  zur  Sen¬ 
sibilisierung  des  Tumors.  Wert  zu  legen  ist  natürlich  auf  eine 


*)  Qauss  schlägt  Kollargol  vor  (siehe  Qauss-Lembcke: 
Röntgentiefentherapie  S.  116). 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


möglichst  feine  Verteilung  des  Metalles,  da  jedes  einzelne 
Metallteilchen  gleichsam  eine  eigene  kleine  Röntgenröhre  dar¬ 
stellt.  Auf  der  Suche  nach  einem  geeigneten  Präparat  fiel 
mir  die  Publikation  S  p  u  d  e  s  in  die  Hände  (Zeitschr.  für 
Krebsforschung,  Bd.  XII.  Heft  2).  Derselbe  hatte  Ferrum  oxy- 
dulatum  nigrum  Riedel  in  feinster  Aufschwemmung  zur 
elektromagnetischen  Reiz-Arsenbehandlung  des  Krebses  ver¬ 
wendet,  und  es  ist  ihm  gelungen,  den  Tumor,  in  diesem  Falle 
ein  Gesichtskarzinom,  mit  der  Eisenaufschwemmung  voll¬ 
kommen  zu  infiltrieren.  Ich  glaube,  dass,  da  die  Sekundär¬ 
strahlung  des  Eisens  relativ  weich  ist,  sich  Versuche  mit 
diesem  Präparat  lohnen  werden.  Leider  habe  ich  bisher  noch 
keine  Gelegenheit  gehabt,  dies  Verfahren,  dessen  theoretische 
Grundlagen  ich  hier  gegeben  habe,  zu  probieren.  Ich  glaube 
aber,  dass  ein  derartiges  Vorgehen  Erfolg  versprechen  wird 
und  es  in  allen  Fällen  von  oberflächlichen  Prozessen  ein¬ 
schliesslich  der  Mammakarzinome  und  der  Drüsenmetastasen 
zu  einer  rascheren  Beeinflussung  der  Geschwulst  durch  die 
Röntgenstrahlen  kommen  wird,  zumal  da  wir  diese  Methode 
mit  der  Kreuzfeuermethode  Holzknechts  kombinieren 
können  und  so,  ohne  die  Haut  zu  überlasten,  die  einzelnen 
Metallteilchen  zur  Aussendung  von  Sekundärstrahlen  bringen 
können.  Ist  diese  Beeinflussung  der  Tumoren  durch  kombi¬ 
nierte  Eisen-Röntgenbehandlung  erwiesen,  so  muss  es  im 
weiteren  Verfolg  dieses  Gedankenganges,  wie  es  bereits,  aller¬ 
dings  mit  geringem  Erfolg,  versucht  wurde,  gelingen,  auch 
tiefer  gelegene  Geschwülste  zu  sensibilisieren,  vielleicht  zeigt 
hier  die  auffallende  Beeinflussung  des  Sarkoms  den  Weg, 
indem  die  kolloidalen  Metallösungen  durch  elektive  Ablage¬ 
rung  in  den  Tumorzellen  das  geeignete  Material  zur  Pro¬ 
duktion  der  Sekundärstrahlen  sind,  oder  wir  erreichen,  wie 
bei  Erkrankungen  des  Magendarmtraktus,  die  Sensibilisierung 
durch  Einführung  von  Metallsalzen  in  das  betreffende  Organ 
(vergl.  Archives  of  the  Röntgen  Ray,  Bd.  XII,  S.  248,  1911). 
Um  aber  mit  dieser  Einführung  einen  Erfolg  zu  haben,  muss 
es  vorher  gelingen,  die  primären  Röntgenstrahlen  so  mit  den 
sekundären  abzustimmen,  dass  sie  die  grösstmöglichste 
Energie  entwickeln,  d.  h.  dass  die  primären  nur  um  ein  ge¬ 
ringes  härter  sind  als  die  sekundären. 

Alles  dies  sind  zunächst  nur  theoretische  Erörterungen, 
mit  deren  praktischer  Nachprüfung  ich  in  Gemeinschaft  mit 
Herrn  Dr.  Löwenthal  beschäftigt  bin.  Es  würde  mich 
freuen,  wenn  die  Praxis  schon  jetzt  aus  diesen  Andeutungen 
Nutzen  ziehen  und  das  Verfahren  praktisch  ausprobieren 
könnte. 


Ueber  Hautimplantation  an  Stelle  der  freien  Faszien¬ 
plastik*!. 

Von  Dr.  Otto  Loewe  in  Frankfurt  a.  M. 

Die  Chirurgie  des  letzten  Jahrzehnts  zeigt  ein  immer 
wachsendes  Bedürfnis  nach  plastischem,  in  die  Tiefe  der 
Körpergewebe  versenkbarem  Material.  Die  Versuche  mit 
nicht  tierischen  Stoffen,  wie  Silberplatten  und  Netzen  und 
Zelluloid,  haben  wegen  ihrer  geringen  Einheilungstendenz  und 
der  Gefahr  der  späteren  Ausstossung  eine  allgemeinere  An¬ 
wendung  nicht  gefunden.  Besser  hat  sich  tierisches  Material, 
wie  Elfenbein  und  Horn,  bewährt,  doch  wird  das  erstere  im 
Gewebe  angegriffen  und  brüchig,  und  über  das  Horn  liegen 
noch  zu  wenig  Erfahrungen  vor.  Deshalb  haben  die  Ver¬ 
suche  mit  freier  Ueberpflanzung  von  grösseren,  aus  dem 
Körper  des  Patienten  selbst  entnommenen  Faszienstücken  das 
grösste  Interesse  bei  den  Chirurgen  gefunden,  und  das  Ver¬ 
fahren  ist  in  wenigen  Jahren  zu  einer  ungeahnten  Vielseitig¬ 
keit  entwickelt  worden.  Um  nur  einige  der  wichtigsten  An¬ 
wendungsformen  der  Faszienplastik  zu  erwähnen,  möchte  ich 
Sie  daran  erinnern,  dass  es  gelang,  alle  möglichen  Defekte 
der  Bauchwand,  der  Hirnhaut,  an  Sehnen  und  Gelenkbändern 
mit  Faszienstücken  zu  überbrücken,  dass  man  die  Ptosis  durch 
einen  zwischen  Lidknorpel  und  Stirnmuskel  eingeschalteten 
Faszienlappen  geheilt  hat,  dass  ankylotisch  gewordene  Ge¬ 
lenke  nach  ihrer  Trennung  durch  eingelegte  Faszie  an  er¬ 
neuter  knöcherner  Vereinigung  gehindert  wurden,  dass  man 


: )  Nach  einem  Vortrag  im  Aerztlichen  Verein  zu  Frankfurt  a.  M. 


No.  24. 


den  offenstehenden  Pylorus  bei  der  Gastroenterostomie  durch 
ein  umgelegtes  Faszienband  verengert,  dass  man  den  Draht¬ 
ring  bei  der  Operation  des  Mastdarmvorfalles  durch  einen 
Faszienstreifen  ersetzt  hat.  Sie  werden  sich  erinnern,  dass 
Herr  Siegel  in  unserem  Verein  über  einen  durch  eine  ähn¬ 
liche  Operation  geheilten  Fall  von  Inkontinenz  nach  Resectio 
recti  berichten  konnte,  und  dass  Herr  Rothschild  uns 
einen  sehr  interessanten  Fall  einer  durch  Faszienplastik  ge¬ 
heilten  Kukullarislähmung  vorgestellt  hat. 

1  rotz  dieser  überraschenden  Brauchbarkeit  der  Faszie  zu 
allen  möglichen  Zwecken  der  Plastik  hat  das  Verfahren  doch 
einige  Nachteile,  die  eine  Verbesserung  wünschenswert 
machen.  Zunächst  ist  die  Faszie  ein  sehr  dünnes  Gewebe 
und  reicht  daher  an  Stellen,  wo  sie  zur  Verstärkung  dienen 
soll,  nicht  völlig  aus.  Ferner  ist  sie  nur  selten  von  der  Ope¬ 
rationswunde  aus  zu  erreichen,  oder  wenn  sie  es  ist,  bedeutet 
doch  ihre  Fortnahme  eine  Schwächung  der  betreffenden 
Körperstelle.  Muss  man  aber  die  Faszie  an  einer  von  dem 
Operationsfeld  entfernten  Körperstelle  entnehmen,  so  bedingt 
die  dadurch  entstehende  zweite  Narbe  einen  oft  peinlichen 
kosmetischen  Fehler,  ausserdem  kann,  wenn  die  Plastik,  wie 
so  oft,  unvermutet  nötig  wird,  die  Asepsis  in  Gefahr  kommen. 
Es  lag  daher  nahe,  ein  plastisches  Material  zu  suchen,  das 
von  jeder  Operationsstelle  aus  zu  gewinnen  ist.  Versuche 
mit  Muskel  und  Fettgewebe  haben  wenig  befriedigt.  So 
drängte  alles  zu  experimenteller  Tiefenverpflanzung  der  Haut. 

Es  ist  ja  auffallend,  dass  man  trotz  der  häufigen  Haut¬ 
transplantationen  an  der  Körperoberfläche  dieses  Material  für 
Plastiken  im  Körperinnern  verschmäht  hat.  Das  kommt  wohl 
daher,  dass  die  Haut  von  ähnlichen  Vorurteilen  belastet  ist, 
wie  manche  andere  Gewebselemente  des  Körpers.  Ebenso 
wie  das  Peritoneum  jahrelang  als  äusserst  empfindlich  gegen 
Bakterien  verschrieen  war,  während  wir  jetzt  seine  Wider¬ 
standskraft  ohne  besondere  Besorgnis  täglich  auf  die  Probe 
stellen,  oder  wie  man  bis  in  die  letzte  Zeit  die  Faszie  für  be¬ 
sonders  durch  Nekrose  und  Infektion  gefährdet  glaubte,  so 
steht  die  Haut  in  dem  Ruf,  ein  gar  nicht  keimfrei  zu  machendes 
Bakteriennest  zu  sein.  Seit  Einfiihrimg  der  Joddesinfektion 
ist  jedoch  trotz  theoretischer  und  laboratoriumsexperimenteller 
Einwände  die  Frage  der  Hautsterilisierung  praktisch  gelöst. 
Auch  dafür  sind  die  im  folgenden  aufgeführten  Versuche  ein 
neuer  Beweis. 

Die  Technik  der  Einpflanzung  ist  äusserst  einfach.  Das 
zu  versenkende  Hautstück  wird  dem  Wundrand  in  beliebiger 
Ausdehnung  entnommen,  nachdem  vorher  die  Epithelschicht 
mit  einem  Messer  durch  Abradieren,  genau  als  ob  man  einen 
Klecks  wegradierte,  sorgfältig  entfernt  ist,  so  dass  das  Korium 
freiliegt.  Die  der  Rückseite  anliegende  Fettschicht  wird  ge¬ 
nau  wie  bei  der  Bildung  eines  Krause  sehen  Lappens  mit 
einer  C  o  o  p  e  r  sehen  Schere  entfernt.  Dann  wird  der  so  auf 
seiner  Unter-  und  Oberfläche  angefrischte  Lappen  nach  einem 
erneuten  Jodanstrich  in  die  ihm  bestimmte  Lage  in  das  sub¬ 
kutane  oder  subfasziale  Gewebe  gebracht  und  mit  einigen 
feinen  Katgutnähten  fixiert.  Dann  werden  die  deckenden 
Schichten  und  die  Haut  darüber  vereinigt. 

Das  Verfahren  ist  bisher  an  7  Patienten  in  9  Einzelfällen 
erprobt  worden.  Da  es  sich  darum  handelte,  die  Methode 
ohne  grössere  Gefährdung  der  Patienten  durchzuführen,  habe 
ich  mich  mit  einer  Ausnahme  auf  Verpflanzungen  in  das  sub¬ 
kutane  Gewebe  beschränkt  und  zunächst  auf  Implantationen 
in  die  Körperhöhlen  verzichtet. 

Ueber  folgende  Fälle  kann  ich  bis  jetzt  berichten:  Der  erste, 
der  mir  überhaupt  die  Idee  zur  Hauteinpflanzung  gab,  war  eine  Ver¬ 
letzung  des  Extensor  pollicis,  die  sich  nach  den  üblichen  Methoden 
nicht  vereinigen  liess.  Es  wurde  ein  riemenförmiges  Hautstück  von 
etwa  3  cm  Länge  und  Ve  cm  Breite  zwischen  den  Sehnenstümpfen 
eingenäht  Die  Einheilung  vollzog  sich  glatt,  wenn  auch  die  Funktion 
nicht  vollkommen  wurde,  weil  infolge  von  Wundkomplikationen  an 
der  Hand  erst  spät  mit  Bewegungen  begonnen  werden  konnte.  Bei 
dem  nächsten  Patienten  handelte  es  sich  um  eine  Leistenbruchanlage, 
bei  der  statt  der  üblichen  Faszienraffung  ein  Hautstück  in  der  Grösse 
von  7  zu  3  cm  der  Faszie  aufgenäht  wurde.  Es  folgte  eine  Operation 
wegen  Retroflexio  uteri,  die  nach  Alexander-Adam  ausgeführt 
wurde  mit  der  Modifikation,  dass  beide  Leistenkanäle  mit  Hautlappen 
in  der  Grösse  von  5  zu  2Vz  cm  gedeckt  wurden.  Obwohl  sich  ein 
namatom  bildete,  das  entleert  werden  musste,  heilte  die  Haut  glatt 
ein.  Weiterhin  wurde  bei  einer  medianen  Laparotomie  wegen  Adnex¬ 
ei  krankurig  bei  gleichzeitig  bestehendem  Nabelbruch  die  ganze 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1321 


Schnittlinie  durch  einen  versenkten  Hautlappen  von  10  cm  zu  4  cm 
verschlossen.  Danach  kam  wieder  ein  doppelseitiger  Leistenbruch, 
bei  dem  die  Leistenkanalwände  durch  »Hautstücke  von  5  zu  214  cm 
Grösse  verstärkt  wurden.  Beim  nächsten  Fall  wurde  zum  erstenmal 
ein  Hautlappen  unter  die  Muskulatur  versenkt  und  zwar  handelte  es 
sich  um  eine  atypische  Blasenhernie,  die  durch  einen  Schlitz  der 
Fascia  transversa  ausgetreten  war.  Es  wurde  nach  Versenkung  der 
Blase  und  Naht  der  Oeffnung  ein  Hautstiick  von  6  zu  3  cm  der  Fascia 
transversa  aufgepflanzt  und  darüber  die  Muskulatur  mit  dem  Leisten¬ 
band  vereinigt. 

Während  diese  Fälle  alle  ohne  Komplikation  zur  Heilung  kamen, 
ist  bei  dem  letzten  Patienten  eine  Infektion  eingetreten.  Die  Ope¬ 
ration,  eine  Kastration  vom  Leistenkanal  aus,  war  durch  narbige 
Verwachsungen  sehr  erschwert,  wenn  diese  technischen  Schwierig¬ 
keiten  die  Eiterbildung  auch  nicht  erklären.  Es  musste  2  Wochen 
nach  der  ersten  Operation  ein  grosser  Abszess  im  Skrotum  entleert 
werden.  Dabei  wurde  die  Gelegenheit  benutzt,  den  Zustand  des 
Lappens  zu  kontrollieren.  Er  war  abgesehen  von  dem  unteren  Rand, 
der  im  Abszess  gelegen  hatte,  fest  eingeheilt.  Er  wurde  exzidiert 
und  von  Herrn  Willi  Schmidt,  der  sich  speziell  mit  der  Histologie 
der  Haut  beschäftigt,  untersucht,  wofür  ich  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  besten  Dank  ausspreche. 

Auf  dem  mikroskopischen  Bild  sieht  man  eine  starke  Rundzellen¬ 
infiltration  der  Randteile,  an  den  Gefässen  einen  Schwund  der 
Intima,  stellenweise  auch  der  Media,  aber  eine  ziemlich  gute  Erhaltung 
der  Färbbarkeit  der  elastischen  Fasern.  Talg-  und  Schweissdriisen 
sind  teils  verschwunden,  teils  sehr  in  Rückbildung. 

Nach  diesem  Bild  scheint  es  also,  als  ob  das  Schicksal  der 
verpflanzten  Hautstücke  in  einem  Verlust  ihres  spezifischen 
üewebscharakters  und  in  Umwandlung  in  eine  Bindegewebs- 
platte  bestände.  Das  Ergebnis  der  Nachuntersuchungen 
scheint,  soweit  die  Kürze  der  Beobachtungszeit  einen  Schluss 
zulässt,  das  zu  bestätigen,  denn  man  kann  deutlich  den  ein¬ 
gepflanzten  Lappen  als  straffe  Narbenplatte  tasten. 

Die  Versuche  haben  also  zu  folgendem  Ergebnis 
geführt: 

1.  Es  lassen  sich  ausgedehnte  Hautstücke  nach  Entfernung 
der  Epithelschicht  in  das  subkutane  und  subfasziale  Gewebe 
verpflanzen. 

2.  Die  Einheilungstendenz  der  versenkten  Hautstücke  ist 
sehr  gross,  selbst  bei  bestehender  Infektion  in  der  Nach¬ 
barschaft. 

3.  Die  eingeheilten  Hautstücke  scheinen  in  eine  feste 
Bindegewebsplatte  umgewandelt  zu  werden. 

4.  Irgendwelche  subjektive  Beschwerden  nach  der  Ope¬ 
ration  sind  nicht  bekannt  geworden. 


Aus  der  Kgl  Universitäts-Frauenklinik  (Geh. -Rat  Dr.  Döder- 
1  e  i  n)  und  dem  pathologischen  Institut  der  Kgl.  Universität 
München  (Prof.  Dr.  Borst). 

Ueber  plötzliche,  klinisch  rätselhafte  Todesursachen 
während  oder  kurz  nach  der  Geburt, 

unter  Zugrundelegung  eines  Falles  von  akuter  Pankreas¬ 
nekrose. 

Von  Dr.  Hans  Saenger, 

früher  Assistent  am  pathologischen  Institut,  derzeit  Assistent 

an  der  Frauenklinik. 

Wir  haben  über  einige  unerwartete  Todesfälle  im  Verlaufe 
der  Geburt  zu  berichten,  die  im  letzten  Jahre  an  der  Münchener 
Universitäts-Frauenklinik  beobachtet  und  im  pathologischen 
Institute  genauer  untersucht  worden  sind. 

Für  den  Arzt  oder  auch  die  Hebamme,  die  eine  Geburt 
übernommen  haben,  kann  es  kaum  ein  schrecklicheres  Ereignis 
geben,  als  den  plötzlichen  Tod  einer  kurz  vorher  anscheinend 
blühend  gesunden  Mutter.  Sonst  ist  schwerlich  verantwort¬ 
licher  ärztlicher  Beistand  zur  Stelle,  wenn  ein  als  gesund 
geltender  Mensch,  wie  der  Blitz  aus  heiterem  Himmel  einer 
Krankheit  erliegt.  Hier  war  aber  Arzt  oder  Hebamme  da,  es 
wurde  untersucht,  vielleicht  wurden  Medikamente  verabreicht, 
vielleicht  auch  kleinere  Eingriffe  gemacht,  alles  wird  für  völlig 
in  Ordnung  erklärt,  alles  ist  gut  gegangen,  da  mit  einem  Male 
tritt  die  Katastrophe  ein  und  unter  verschiedenartigen  Sym¬ 
ptomen  tritt  rasch  und  unaufhaltsam  der  Tod  ein.  Ratlos 
steht  der  Arzt  da,  denn  die  Frau  hat  gar  nicht  oder  nur  un¬ 
bedeutend  geblutet,  eine  Ruptur  ist  den  Umständen  nach  aus- 
zuschliessen,  das  Herz  und  die  Atmungsorgane  waren  intakt 
befunden  worden. 

No.  24. 


Sind  nun  gar  von  seiten  des  Arztes  noch  neue,  wenig  er¬ 
probte  Arzneimittel  verabreicht  worden,  so  wird  er  selbst  sich 
die  Frage  vorlegen,  ob  nicht  diese  vielleicht  den  Tod  bewirkt 
haben.  Der  Fall  von  akuter  Pankreasnekrose,  den  wir  weiter 
unten  ausführlich  besprechen  werden,  fiel  gerade  in  die  Zeit, 
in  der  an  der  hiesigen  Klinik  Versuche  mit  neuen  Mitteln 
wie  Pituglandol,  Laudanon,  Pantopon-Skopolamin  und  Narko- 
phin-Skopolamin  begonnen  wurden.  Wenn  der  Frau  diese 
Mittel  eingespritzt  worden  wären,  so  hätte  man  sich  des  Ge¬ 
dankens,  dass  irgend  eines  dieser  Gifte  den  Tod  bewirkt  haben 
könnte,  schwerlich  erwehren  können. 

Wenn  der  M  o  m  b  u  r  g  sehe  Schlauch  oder  die  Gauss- 
sche  Aderpresse  angewandt  worden  wären,  hätte  man  sicher 
von  dem  unerwünschten  Resultat  einer  Pankreasquetschung 
oder  von  einem  Schock,  verursacht  durch  Druck  auf  den 
Plexus  solaris,  gesprochen. 

Nach  den  meisten  solcher  plötzlicher  Todesfälle  kommen 
dann  die  Angehörigen  der  Verstorbenen  und  klagen  den  Arzt 
an,  er  habe  alles  verschuldet.  Da  gibt  es  nur  einen  Ausweg, 
die  genaueste,  sachgemässe  Obduktion  und  histologische 
Untersuchung  der  Leiche.  Diese  wird  in  den  allermeisten 
Fällen  die  Todesursache  eruieren  und  die  Beklagten  rechtlich 
reinwaschen.  Doch  haben  Arzt  und  Hebamme  aufgeregte 
Tage  hinter  sich  und  das  Publikum  verzeiht  ihnen  nicht. 

Für  den  Praktiker  ist  es  daher  wichtig,  jede  Möglichkeit 
solcher  plötzlicher  Todesarten  zu  kennen,  wenn  es  für  ihn 
auch  schwer  und  meist  unmöglich  sein  wird,  eine  exakte  Dia¬ 
gnose  zu  stellen.  Er  kann  dann  immerhin  sagen,  dies  und 
jenes  kommt  vor. 

Während  der  Geburt  kann  eine  Frau  natürlich  auch  einer 
Apoplexie  erliegen.  So  gehören  z.  B.  eklamptische,  schwere 
Hirnblutungen  nicht  zu  den  Seltenheiten.  Abgesehen  von  den 
in  diesen  Fällen  nachweisbaren  Lähmungen  wird  sich  die 
Eklampsie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  durch  ihre  hauptsäch¬ 
lichsten  Symptome,  die  Krampfanfälle,  die  Oedeme  und 
Albuminurie  schon  zu  erkennen  gegeben  haben. 

Die  genuine  Eklampsie  ist  zwar  eine  rätselhafte  Erkran¬ 
kung,  doch  möchten  wir  sie,  da  wir  sie  jedenfalls  diagnosti¬ 
zieren  können,  nicht  in  dieses  Thema  aufnehmen.  Anders  ver¬ 
hält  es  sich  schon  mit  atypischen,  oft  sehr  foudroyanten  Fällen 
von  Eklampsie,  den  Fällen  von  Eklampsie  sine  convulsionibus 
oder  denen,  die  ungemein  rasch,  schon  nach  einem  Anfall,  töd¬ 
lich  enden.  Diese  können  nicht  immer  richtig  gedeutet  werden. 

Viele  Erkrankungen,  die  oft  ein  der  Eklampsie  durchaus 
ähnliches  Symptomenbild  bieten  und  sogar  Pseudoeklampsie 
genannt  worden  sind,  wie  Pneumonie,  Sepsis,  Meningitis, 
Enzephalitis,  Gehirnabszesse,  Tumor  cerebri,  Epilepsie,  Urämie 
in  der  Schwangerschaft,  können  zwar  sehr  rasch,  innerhalb 
weniger  Tage  zum  Tode  führen,  werden  aber  für  Arzt  und 
Umgebung  selten  die  peinlichen  Situationen  herbeiführen,  die 
oben  beschrieben  wurden.  Ihre  richtige  Deutung  ist  aber  oft 
ausserordentlich  schwer;  wie  Schick  eie  sagt,  ist  die  Dia¬ 
gnosenstellung  eine  reine  Gefühlssache.  Sie  beweisen,  dass 
man  bei  jeder  Eklampsie,  auch  der  anscheinend  typischen,  auf 
die  Vornahme  der  Autopsie  dringen  muss,  erstens  in  der  Hoff¬ 
nung,  in  dem  Dunkel  der  Eklampsie  einige  Klarheit  zu  schaffen, 
zweitens  um  überhaupt  die  Diagnose  zu  sichern. 

Wir  haben  erst  vor  ganz  kurzer  Zeit  vor  einem  hierher¬ 
gehörigen  Fall  gestanden,  in  dem  es  uns  nicht  möglich  war, 
eine  sichere  Diagnose  zu  stellen.  Am  4.  III.  wurde  die 
29  jährige  R.  T.  bewusstlos  eingeliefert.  Sie  war  im  8.  Monat 
schwanger.  Es  wurde  in  Erfahrung  gebracht,  dass  sie  seit 
dem  1.  III.  wegen  heftigen  Kopfwehs  und  Krankheitsgefühls 
in  ärztlicher  Behandlung  stand.  Am  4.  III.  sei  sie  plötzlich 
komatös  geworden.  Anfälle  habe  sie  nicht  gehabt.  Sie  bot 
folgende  Erscheinungen:  Frau  von  mittlerem  Ernährungszu¬ 
stand.  Temperatur  38,2,  Puls  140,  kräftig;  leicht  zyanotisches 
Aussehen.  Keine  Krämpfe,  kein  Erbrechen,  keine  Oedeme. 
Herz  und  Lungen  ohne  Befund.  Im  Urin  viel  Eiweiss  (7  Proz.). 
Keine  Nackenstarre.  Pupillen  gleich  gross,  mittelweit, 
reagieren  auf  Lichteinfall.  Patientin  antwortet  auf  Berührung 
mit  abwehrenden  Bewegungen,  auf  Anreden  gar  nicht.  Ein 
Arzt,  der  die  Frau  vorher  gesehen  hatte,  glaubte,  Alkohol¬ 
geruch  wahrgenommen  zu  haben,  er  überlieferte  die  Patientin 
mit  der  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  „Eklampsie“.  Differential- 

3 


1322 


diagnostisch  kam  also  in  Betracht  Alkoholvergiftung  Ek¬ 
lampsie  und  Gehirnerkrankung.  Es  wurden  zwei  Venaesek- 
tioiien  gemacht,  kurz  nach  der  zweiten  Venae-sectio,  10  Stun¬ 
den  nach  ihrer  Einlieferung,  verschied  die  Patientin.  Die  im 
pathologischen  Institut  ausgeführte  Sektion  ergab  folgenden 
efund:  Uterus  gravidus  mens.  VIII.  Eiterige  Leptomeningitis 
an  der  Basis  und  Konvexität  des  Hirns.  Septikämie.  Sep¬ 
tischer  Milztumor.  Schwangerschaftsnieren.  Fettleber 
Parench.  Degen,  des  Myokards.  Alte  Perikarditis.  Tracheitis! 

m  Ausstrich  des  Eiters  grosse,  plumpe,  grampositive  Stäb¬ 
chen  und  Pneumokokken.) 

Es  gibt  aber  noch  weit  überraschendere  Todesursachen 
im  Verlaufe  der  Geburt.  Vor  allem  den  plötzlichen  Tod  an 
e™b°lie.  Olshausen  hat  als  erster  in  Deutsch¬ 
land  1864  einen  wohl  einwandfreien  Fall  beschrieben. 

,vi.ri^LbFtr-I  eine  29  jährige  Zweitgebärende,  während  einer  lang- 
,Vengen  troffnungsperiode.  Um  Wehen  anzuregen,  wurden  heisse 

dVr  f  "altSnChen  mH  iemer  ClysopomPe  verabreicht.  Während  der 
dritten,  von  einer  Hebamme  ausgeführten  Spülung  fing  die  Kreissende 
an  über  Beklemmung  zu  klagen.  Das  Mutterrohr  wurde  sofort  ent- 
P‘e  FraU  ,nchtete  sich  im  Bette  in  die  Höhe,  fiel  aber  so- 
g Jf/ch  besinnungslos  um  und  verschied  in  höchstens  einer  Minute 

iiphYpcZUCneneec*^e4Spirationsbewe8:uilgei1  und  Verzerrung  des  Ge¬ 
sichtes.  Die  8  Stunden  p.  m.  ausgeführte  Sektion  ergab  als  einzige 

R,°ndHepUrSalhe  eme  ,Me"ge  vo"  Luftblasen  in  den  Uterinvenen  im 
Bindegcu ebe  zwischen  den  Blättern  des  rechten  Ligamentum  latum, 

Dipd<ni  Spermat!kalvenen-  der  Cava  inferior  und  im  rechten  Herzen’ 
Die  Uteruswand  knisterte  beim  Bestreichen.  Im  Uterus  lagen  zwei 
Fruchte,  beide,  bruchtblasen  waren  unverletzt,  es  bestand  keine 
Blutung  infolge  vorzeitiger  Plazentarlösung.  Die  Plazenten  waren 
™,d.urcl}  dast  emgedrungene  Spülwasser  und  mit  diesem  unter- 

rÄ  h?!*  t.eilJeisf  abgelöst.  Das  Rohr  muss  also  anstatt  nur 
die  Scheide  m  den  Uterus  eingeführt  worden  sein. 

Diesei  Fall  gibt  ein  so  anschauliches  Bild  davon,  wie  man 
sich  dieses  katastrophale  Ereignis  vorzustellen  hat,  dass  wir 
ihn  kurz  nach  Olshausen  referiert  haben.  Olshausen 
erwähnt  dann  noch  eine  ganze  Reihe  ähnlicher  Fälle  aus  der 
ausländischen  Literatur.  Später  wurden  von  Zeit  zu  Zeit 
wieder  Fälle  von  Luftembolie  veröffentlicht.  Meist  aber  über 
solche  im  Gefolge  von  operativen  Massnahmen  bei  Placenta 
praevia  und  bei  Laparatomien.  Die  Atonie  post  partum  scheint 
besonders  gefahrdrohend  zu  sein.  Zorn  beschreibt  einen  Fall 
von  Luftembolie  nach  einer  heissen  Spülung  des  atonischen 
Uteius.  Vavra  verlor  eine  Frau  während  der  Uterustam- 
ponade  unter  gleichen  Verhältnissen.  Die  Luft  soll  unter 
solchen  Umständen  direkt  in  die  klaffenden  Uteroplazentar- 
gefassc  gepresst  werden. 

Plötzliche  Todesfälle  infolge  von  aseptischer  Embolie 
p.Jegen  erst  mehrere  Tage  nach  der  Entbindung  einzutreffen. 

1  tahei  sollen  sie  hier  keine  Erwähnung  finden. 

m  ^Ein^  ^eiterJe’  allerdings  auch  seltene  Ursache  raschen 
..ödes  Gebärender  können  Perforationen  und  Blutungen  von 
Magen-  und  Duodenalgeschwüren  abgeben,  ebenso  Durch¬ 
bruche  von  alten  tuberkulösen  und  typhösen  Darmgeschwüren 
und  von  gangräneszierten  Wurmfortsätzen  1).  Diese  latent  be¬ 
stehenden  Krankheiten  können  durch  die  Geburt  eine  rapide 
Verschlechterung  erfahren  und  durch  den  Wehenschmerz 
cacluert  werden.  Handelt  es  sich  um  indolente  Per¬ 
sonen,  so  setzen  die  schweren  Erscheinungen  ganz  unerwartet 
®in-  hierhergehörigen  Fall  sah  Dr.  Nürnberger  im 

Jahre  1912  in  der  Poliklinik. 

Frau' n“  J'r„ypnWHUrde  -?ie-  P°likl!nik  zu  einer  28  jährigen  Primipara, 
hatte  pft  ie  f“  emip.n  Tagen  über  Leibschmerzen  zu  klagen 
,E.S  fand  sich  umschriebene  Druckschmerzhaftigkeit  in  der 
™0SägegHend  7ld  redektorische  Bauchdeckenspannung.  Stuhl¬ 
gang  vorhanden.  Zunge  belegt.  Temp.  38,2.  Graviditas  mens  VIII 

s  eTrrPndngePSC  l0SSen-  DlC  Diagnose  wurde  auf  Appendizitis  ge- 
u1?  Operation  angeraten.  Diese  wurde  verweigert  Zwei 

p,>,df  rh  hin^ugez°gene  Aerzte  erklärten,  es  handle  sich  nur  um  einen 

Am  14.  V.  wurde  die  Poliklinik  wieder  von 
der  Hebamme  angerufen  mit  der  Angabe  Frau  G  nahe  «nohpn 

etwaU"5eMiZdenf^PSiCh  f  w"  Schlecht  Bei  unserer  Ankunft,  die 
etwa  15  Minuten  spater  erfolgte,  zeigte  die  Frau  bereits  eine  typische 

schmaSrzhaK0mpn  Lejb  'vaI  ?«feetriebe„,  nicht  besonders 

sclimerzhaft.  I  uls  klein  und  weich,  frequent  und  kaum  zu  fühlen 

ft“  Temperatur  39,5  (nach  Angabe  der  Hebamme 
der  Geburt  36,9),  Zunge  trocken,  grosse  Mattigkeit.  Sofortige 

Dl  i\uchMs.i.nd  Bälle  von  intraabdomineller  Verblutung  infolge  von 
Ruptur  der  Milz  oder  eines  Aneurysma,  weiter  aus  zerrissenen  Jh. 
tomtischen  Adhäsionen,  einige  Male  beschrieben  worden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


_ _ No.  24. 

5Sle.rung  in  die  Kli"ik-  Brau  moribund.  Von  der  Operation  wird 
Abstand  genommen.  Iod  nach  einer  halben  Stunde.  Die  zuerst  ver 
weigerte,  dann  von  einem  praktischen  Arzte  vorgenommene  Sektion 
ergab  Appendizitis  perforativa.  Diffuse  Peritonitis.  tl0n 

•  i  Eei  Plotzlichcm  Jode  einer  Gebärenden  muss  auch  in 
jedem  Falle  eine  Vergiftung  ausgeschlossen  werden.  Diese  ist 
meist  die  Folge  von  Verwechslungen  und  Unachtsamkeit. 

Nun  aber  kommen  wir  zu  einem  ganz  eigenartigen  Todes- 
tall,  der  in  seinem  Zusammentreffen  mit  der  Geburt  in  der 
Literatur  noch  nicht  beschrieben  ist.  Wir  wollen  ihn  daher 
etwas  breiter  schildern.  Er  ist  im  pathologischen  Institut 
unter  Leitung  von  Herrn  Prof.  Borst  und  Dr.  Hueck  von 
mu  auf  das  genaueste  untersucht  worden. 

Am  14.  \  .  1912  9  Uhr  4(1  Min.  abends  kam  die  26  iähricre 
verheiratete  Kellnerin  Frau  E.  S„  die  bereits  3  mal  geboren  hatte 
nit  Wehen  in  die  Frauenklinik.  Sie  soll,  wie  wir  später  erfuhren’ 
kurz  vorher  noch  reichlich  gegessen  und  Bier  getrunken  haben  Nach 

Schief iacrpabe  1St  ,?aS  erSte  Kind  während  der  Geburt  infolge  von 
Schieflage  zugrunde  gegangen.  Das  zweite  kam  spontan,  lebend 
starb  jedoch  mit  3 A  Monaten  an  unbekannter  Krankheit.  Die  dritte 
Schwangerschaft  endete  als  Abortus.  Während  ihrer  jetzigen 
Schwaaigerschäft  sd  sie  immer  gesund  gewesen.  Die  Untersuchung 
eigab  folgendes:  Kräftige,  anscheinend  völlig  gesunde  Frau.  Sehr  stark 
entwickeltes,  subkutanes  Fettgewebe.  Herz  und  Lungen  zeigen  keine 
Besondersten.  Im  Harn  findet  sich  eine  ganz  geringe  Spur  Eiweiss 
nfi  L?edemf'  uK/ T  Gedunsenheit.  Geburtshilfliche  Untersuchung1 

lieirt^rn  HSeH  H  der  Schwangerschaft,  das  Kind 

liegt  im  11.  H.H.L.,  es  lebt,  ist  mittelgross.  Die  äusseren  Beckenmascp 

^.”d  normal.  Lntcr  kräftiger,  nicht  besonders  schmerzhafter  Wehen- 
tatigkeit  erfolgt  um  11  Uhr  10  Min.  abends,  IH  Stunden  nach  dem 
-lritutt,  die  leichte  Spontangeburt  eines  lebenden,  sofort  kräftig 
schreienden  Kindes  von  48  cm  Länge  und  2800  g  Gewicht.  5  Minuten 

Pla7entWirdri  di?,  ,Nachgeburt  spontan  ausgestossen.  Kind  sowie 
Plazenta  und  Eihaute  zeigen  nichts  Pathologisches.  10  Minuten  nach 
Gebf[  d£r  Plazenta  äussert  die  Pat.  dem  jourhabenden  Arzt  sie  sei 
cht  froh  dass  es  diesmal  so  schnell  und  gut  gegangen  sei  Kur/ 

regten  aM^  Dip  FUrück  •“ 5d  oS  trittu  heft>ges  Erbrechen  von  Speise- 
lesten  aut.  Die  Frau  wird  ohnmächtig,  zuerst  an  den  Extremitäten 

d?nn  a,T1  Körper  leicht  zyanotisch  und  stirbt.  Herzmassage  und  - 
künstliche  Atmung  bleiben  erfolglos.  ^massage  und 

Der  ganze  Verlauf  dieser  Erscheinungen  war  vollständig 
ubei laschend.  Es  waren  hier  absolut  keine  Manipulationen 
an  der  Frau  gemacht  worden  und  sie  hatte  kein  Medikament 
bekommen  Wir  konnten  dem  pathologischen  Anatomen  als 
I  odesursache  nur  Vermutungen  aussprechen,  die  dahin  gingen 
es  müsse  sich  um  eme  Embolie,  eventuell  Luftembolie  oder 
um  eme  Eklampsie  ohne  Krämpfe  handeln.  Die  klinische  Sek¬ 
tion  wurde  von  Herrn  Prof.  B  o  r  s  t  am  15.  Mai  11  Stunden 

(gekürzt)1  txltüS  vorgenommen  und  ergab  folgenden  Befund 

Sebr  ga  {  genährte  Leiche  von  kräftigem,  gedrungenem 
orpeibau,  mit  breitem,  dickem  Hals,  Totenstarre  vorhanden  Stark 

In  der,  Ba“chha“'  stdae”  Abdomä 
starK  vorgewolbt.  Bauchdecken  ziemlich  gespannt.  Brüste  gross 

w^kef^^u^^^MTu  mit  grof.sen  blauroten  Läppchen,  stark  ent’ 
wickeit.  Aus  den  Milchgangen  lasst  sich  milchige  Flüssigkeit  aus- 

QMe^Lk^ebSh?“  Di???11“86"  and  besonders  der  Magen  durch 
gebläht.  Die  Venen  an  der  grossen  Kurvatur  des  Magens 

fcfph  n*S  ark-ü11  flüssigem  Blut  gefüllt.  Darmserosa  glatt  und 
If!chtV,UteLus  uberragt  die  Symphyse  um  10cm.  Das  grosse  Netz 
RpidpCfterSeitS  +n  derf.QalIenblasengegend  mit  der  Leber  verwachsen 
Beide  Lungen  strangformig  verwachsen.  Von  Thymus  ziemlich  an¬ 
sehnliche  I  eile  erhalten.  Der  linke  Ventrikel  befindet  sich  noch  in 

na  if^H6’  d?-  rechte  ballona>‘tig  aufgetrieben.  Vena  magna  cordis 
und  ihre  Hauptaste  stark  mit  Blut  gefüllt.  Nirgends  lässt  sich  in  den 
Herzvenen  etwas  von  Luftbläschen  nachweisen.  Das  Blut  im  rechten 
ÄSÄ  Beimischung  von  Luftbläschen.  Der  Stamm  und 
pc6f;  aupta?f®  d?r  Arteria  pulmonahs  mit  nur  flüssigem  Blut  gefüllt 
es  finden  sich  nicht  einmal  Leichengerinnsel.  Auch  aus  dem  linken 

Ve n t ri k el^Rbifi  n op1  flllssiges  Blut-  Unter  dem  Endokard  im  linken 
Ventrikel  Blutungen,  diese  entsprechen  dem  Verlauf  des  Haimt- 
schenkels  des  Reizleitungssystems.  P 

rechts0undarifntsZavrt’  f?hne  Thromben.  Die  Wandung  des  Herzens 
und  links  kräftig,  aber  nicht  übermässig  stark  entwickelt, 
^amthehe  Herzklappen  zart.  Aorta  relativ  eiig,  aber  sehr  elastisch 
Herzfleisch  von  graubraunroter  Farbe.  Tonsillen  ein  wenig  fest,' 
e^T1,  lgb..gro^s-  B®r  lymphoide  Rachenring  ebenfalls  gut  entwickelt' 
-childdruse  dunkelbraunrot  verfärbt,  relativ  gross.  Die  Lungen  ein 
wenig  gebläht,  überall  blaurot  verfärbt,  stark  durchfeuchtet  kin  den 

gro^es^Cornus^ntp  dunk|Gsch%G‘rzbcbrob  Im  rechten  Ovar’ium  ein  ■ 

Ovarium.  Uterusinn^nkTeV 

mSolftolS  ÄernSSd  Bescl,a,fe”heit’  "Intends  Thromben 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1323 


liehe  und  vergrösserte  Lymphknötchen.  Lymphapparate  des  Darmes 
nicht  vergrössert,  eher  atrophisch.  Leber  sehr  gross,  blaurot.  Läpp¬ 
chenzeichnung  ziemlich  undeutlich.  Im  Magen  eine  Unmenge 
Speisebrei.  Magenschleimhaut  livide.  Im  Duodenum  zahlreiche 
Blutungen  in  der  Schleimhaut.  Gallenwege  intakt.  Pankreas  gross, 
zweiter  Teil  besonders  im  Schwanz  stark  durchblutet,  keine  Er¬ 
weichung  des  Pankreasgewebes.  Ductus  pancreaticus  ohne  erkenn¬ 
bare  Veränderungen.  Das  Fettgewebe  in  der  Umgebung  des  Pankreas 
intakt.  Nebennieren  sehr  gross.  Rinde  fetthaltig.  Marksubstanz  sehr 
scharf  abgegrenzt.  Hypophysis  cerebri  klein.  Am  Gehirn  ausser 
einigen  subduralen,  unbedeutenden  Blutaustritten  im  Bereich  der 
Mantelspalte  nichts  Besonderes. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:  Stauungsorgane,  Stauungs¬ 
blutungen  im  Herzmuskel  und  in  den  Meningen.  Pankreasblutung. 
Status  post  partum. 

Sofort  nach  der  Sektion  wurden  Stückchen  von  sämtlichen  Or¬ 
ganen  in  Formal  fixiert.  Nebennieren  und  sympathische  Ganglien 
wurden  in  Miiller-Formol  gelegt  und  zeigten  tags  darauf  eine  schöne 

Chromfärbung. 

Mikroskopisch  untersucht  wurden  folgende  Organe:  Herz,  Lunge, 
Pankreas,  Leber,  Milz,  Nieren,  Magen,  Dünndarm,  Grosshirnrinde, 
Hypophyse,  verschiedene  Lymphdriisen,  Schilddrüse.  Epithelkörper¬ 
chen,  Thymus,  Ganglion  cervicale  superius,  Karotisknötchen,  Corpus 
luteum,  Nebennieren,  Uterus  (Plazentarstelle),  Mammae,  Tonsillen, 
Appendix. 

Im  folgenden  sollen  nur  die  Organe  mit  pathologisch-histologi¬ 
schem  Befund  besprochen  werden. 

Pankreas  (Mittelstück  und  Schwanzteil). 

Die  grösste  Zahl  der  Läppchen  enthält  runde  und  keilförmige 
nekrotische  Herde,  die  in  ihrer  Ausdehnung  variieren.  Bald  ist  nur 
ein  Teil,  bald  das  ganze  Läppchen  zerstört.  Die  nekrotischen  Herde 
sind  relativ  scharf  konturiert  und  liegen  inmitten  von  gut  erhaltenem 
Drüsenparenchym.  An  vielen  Stellen  finden  sich  intraazinöse  Fett¬ 
zellen  in  den  geschädigten  Partien.  Die  Kerne  des  Stiitzgerüsts  sind 
jeweils  mitzerstört.  Ueberall,  um  stärker  nekrotische  Stellen  herum 
sieht  man  sehr  starke  Blutungen,  die  Erythrozyten  sind  teils  er¬ 
halten,  teils  ausgelaugt.  Eisenreaktion  ist  erfolglos.  Leukozyteninfil¬ 
trate  finden  sich  nirgends.  Nach  Weigert  färbt  sich  kein  Fibrin. 
Fbensowenig  Bakterien.  Die  Pankreasgefässe  und  Ausführungsgänge 
in  den  erhaltenen  Partien  weisen  keine  Veränderungen  auf.  Hie  und 
da  finden  sich  Läppchen,  an  denen  eine  eigentliche  drüsige  Struktur 
nicht  mehr  zu  erkennen  ist,  dermassen  haben  sich  die  übrigens  meist 
gut  erhaltenen  Parenchymzellen  aus  ihrer  Verbindung  gelöst  und 
liegen  einzeln  wirr  durcheinander.  Ihre  eckige  Form  haben  sie  be¬ 
halten.  Die  Langerhans sehen  Zellinseln  sind  ziemlich  zahlreich, 
meist  gut  erhalten.  Die  nekrotischen  Flecken  geben  degenerative, 
stäubchenförmige  Fettfärbung.  Das  intraazinöse  und  interstitielle 
Fettgewebe  zeigt  jeweils  schon  charakteristische  Veränderungen; 
seine  bindegewebigen  Bestandteile  sind  nekrotisch.  Nur  an  wenigen 
Stellen  gibt  sich  der  Inhalt  der  Fettzellen  noch  als  Neutralfett  zu  er¬ 
kennen  (Sudan  III,  Rotfärbung  mit  Nilblau),  grösstenteils  ist  es  in 
Fettsäuren  gespalten.  Dies  erkennt  man  daran,  dass  die  Nadel-  und 
Kristallbüschel,  die  man  überall  an  den  Fetttropfen  sieht,  mit  Nilblau 
tiefblau  gefärbt  werden  und  im  Polarisationsapparat  Doppelbrechung 
zeigen,  die  beim  Erwärmen  nicht  verschwindet.  Die  Smith- 
Diet  rieh  sehe  Färbung  zeigt  keine  Schwärzung  und  die  Benda¬ 
sche  Reaktion  auf  fettsauren  Kalk  ist  positiv  (Grünfärbung  nach  Bei¬ 
zung  mit  Neurogliabeize  bei  37°). 

Braune  Kristalle  und  Berner  sehe  Halbmonde  finden  sich  (noch) 
nicht  vor. 

Der  mikroskopische  Befund  an  der  Leber  ist  bemerkens¬ 
wert;  er  erbringt  vielleicht  einen  weiteren  Beweis  von  der 
grossen  Giftigkeit,  die  man  den  aktivierten  Pankreasfermenten 
stets  zuschreibt.  , 

Es  finden  sich  nämlich  ausser  zahlreichen  frischen,  nekrotischen 
Stellen,  die  nur  in  der  Peripherie  der  Läppchen  liegen  und  mit  Quel¬ 
lung  und  Aufhellung  des  Zellprotoplasmas  und  verwaschener  Kern- 
iärbung  einhergehen,  ausgedehnte  Verfettungen  der  Kupfer  sehen 
Sternzellen.  Und  zwar  besteht  diese  Verfettung  nicht  in  einer  An¬ 
häufung  von  Neutralfetten  in  den  Sternzellen,  sondern  die  Fetttröpf- 
:hen  geben  mikrochemische  Reaktionen,  auf  Grund  derer  wie  sie  nach 
Jen  neueren  Untersuchungen  [Kawamura  u.  a.1)]  als  cholesterin¬ 
haltig  ansprechen  dürfen. 

Aehnliche  Veränderungen  zeigt  die  Leber  bei  akuter  Peri¬ 
tonitis,  Sepsis  usw.  [Hu  eck2)],  kurz  bei  Zuständen,  in  denen 
wir  eine  schwere  Schädigung  gerade  jener  Zellen  annehmen 
dürfen,  die  mit  dem  (durch  Bakterien  und  Toxine)  gleichfalls 
veränderten  Blut  in  innigen  Konnex  kommen.  In  diesem  Falle, 
wie  eben  bei  so  schweren  Störungen  des  PfortaderQuell- 
gebietes  sind  es  ja  diese  Zellen,  die  zuerst  bespült  werden. 

Die  Fibrinfärbung  bleibt  auch  bei  der  Leber  resultatlos.  Leuko¬ 
zyteninfiltration  und  Blutungen  bestehen  nicht.  Die  Leberzellen  ent- 
lalten  z.  T.  Fetttröpfchen,  doch  ist  keine  spezifische  Lokalisation  der 
verfetteten  Partien  zu  erkennen. 


‘)  Kawamura:  Jena,  G.  Fischer,  1911. 

2)  Hueck:  Habilitationsschrift,  München  1911. 


Herz: 

Der  Herzmuskel  zeigt  im  mikroskopischen  Bilde  undeutliche 
Querstreifung  und  totale  Fragmentation  der  einzelnen  Fasern.  Die 
Kernfärbung  ist  überall  eine  gute. 

Lungen: 

In  der  Lunge  stösst  man  auf  sämtlichen  Schnitten  auf  ausser¬ 
ordentlich  stark  gefüllte  Blutkapillaren.  Stellenweise  sieht  man  auch 
Blutungen  in  die  Alveolarwände  und  in  das  Alveolarlumen.  Sub¬ 
pleural  fallen  viele  mit  Leukozyten  gefüllte  Gefässe  auf.  Fetttropfen 
finden  sich  in  keinem  der  Gefässe. 

Schilddrüse  und  Epithelkörperchen: 

Die  Schilddrüse  enthält  mit  Kolloid  gefüllte  Drüsenschläuche  und 
einige  scharf  umschriebene  Knoten,  deren  Follikel  viel  kleiner  sind, 
als  die  Hauptmasse.  Im  rechten  Lappen  findet  sich  oben  aussen, 
ca.  1  cm  tief  in  der  Substanz  der  Drüse,  ein  gut  entwickeltes  Epithel¬ 
körperchen.  Die  übrigen  Epithelkörperchen  lagen  an  normaler  Stelle 
und  weisen  mikroskopisch  keine  Veränderungen  auf. 

Thymus: 

Im  Thymus  fällt  eine  sehr  reichliche  Entwicklung  der  Mark¬ 
substanz  auf;  sehr  zahlreiche  Hassalsche  Körperchen  sind  in  ihr 
eingelagert. 

Die  Nieren  und  sämtliche  übrigen  mikroskopisch  untersuchten 
Organe  weisen  nichts  Bemerkenswertes  auf. 

Es  handelt  sich  also  zweifellos  um  eine  ganz  akute  Pan¬ 
kreasnekrose  mit  ausgedehnten  Hämorrhagien.  Einhergehend 
mit  frischen,  schwer  toxischen  Schädigungen  der  Leber. 

Die  akute  Pankreasnekrose,  auch  Fettgewebsnekrose  und 
wegen  der  meist  erfolgten  Durchblutung  des  Pankreasgewebes 
auch  hämorrhagische  Pankreatitis  und  Pankreasapoplexie  ge¬ 
nannt,  ist  eine  recht  seltene  Erkrankung.  Immerhin  finden 
sich  einige  hundert  Fälle  in  der  Literatur.  Die  Krankheit  be¬ 
fällt  fast  ausschliesslich  sehr  fette  Personen,  so  dass  die  Adi¬ 
positas  geradezu  einen  Habitus  dafür  abgibt.  Ihre  Erschei¬ 
nungen  setzen  meist  auf  der  Höhe  der  Verdauung,  bei  stark 
gefülltem  Magen,  ganz  plötzlich  mit  sehr  heftigen  Schmerzen 
und  Erbrechen  ein.  Der  Sitz  der  Schmerzen  ist  das  Epi- 
gastrium  und  die  Hypochondrien.  Die  Patienten  verfallen 
rasch  und  gehen  oft  schon  in  den  ersten  Stunden,  in  anderen 
Fällen  nach  1 — 2  Tagen  im  Kollaps  zugrunde.  Beschränken 
sich  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  auf  das 
Pankreas,  so  ergibt  der  Sektionsbefund  im  Verhältnis  zur 
Schwere  des  Krankheitsbildes  wenig  Positives.  Am  meisten 
in  die  Augen  springend  pflegen  Blutungen  in  das  Pankreas¬ 
gewebe  zu  sein,  die  in  einigen  Fällen  gering,  in  anderen  aller¬ 
dings  beträchtlich  sein  können,  ohne  dass  sie  aber  als  Ver¬ 
blutungstod  in  Betracht  kämen.  Im  Pankreasparenchym  kann 
man  meist  bei  genauer  Betrachtung  kleine  opake  Herde,  die 
Nekrosen,  erkennen.  Die  Nekrosen  können  auch  im  subperi- 
tonealen  Fettgewebe  der  Umgebung  zu  sehen  sein  und  schliess¬ 
lich  das  ganze  Bauchfell  mit  weissen,  seifigen  Flecken  durch¬ 
setzen.  In  jedem  Fall  muss  aber  eine  eingehende  mikro¬ 
skopische  und  mikrochemische  Untersuchung  ausgeführt 
werden,  um  postmortale  Veränderungen  auszuschliessen. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  das  Zusammentreffen  von  akuter 
Pankreasnekrose  mit  der  Geburt  bisher  noch  nicht  be¬ 
schrieben.  In  der  Literatur  findet  sich  nur  ein  Todesfall  in¬ 
folge  von  „akuter  Pankreatitis  im  Wochenbett“  von  H  a  i  d  1  e  n 
(Zentralbl.  für  Gyn.  1884,  No.  39).  Es  handelte  sich  um  eine 
33  jährige  Erstgebärende,  die  in  den  letzten  Wochen  der 
Schwangerschaft  über  heftige  Leibschmerzen  geklagt  hatte. 
In  der  6.  Woche  des  Puerperiums  erkrankte  sie  dann  unter 
starken  Schmerzen  und  Erbrechen.  Sie  kollabierte  und  starb 
nach  96  Stunden.  Die  Sektion  und  histologische  Unter¬ 
suchung  (Prof.  Ziegler)  ergaben  eine  hämorrhagische  Pan¬ 
kreatitis  infolge  von  Entzündung. 

Als  Ursache  der  Pankreasnekrose 3),  wobei  es  zu  einer 
Selbstverdauung  kommen  soll,  spricht  C  h  i  a  r  i  hauptsächlich 
Traumen  an,  weiter  Stauungen  des  Pankreassekretes  durch 
Steine  im  Ductus  pancreaticus  oder  choledochus  nahe  der 
Papille.  Entzündungen  des  Organs  sollen  auch  Fettgewebs¬ 
nekrose  verursachen  können.  Andere  glauben  an  die  Wirkung 
von  regurgitiertem  Duodenalinhalt.  E  p  p  i  n  g  e  r  nimmt  an, 
dass  Stauung  des  Pankreassekretes  allein  nicht  genügt,  um 
die  Nekrosen  im  Pankreas  zu  erzeugen.  Nach  ihm  kann  das 
Sekret  erst  durch  Galle  oder  Enterokinase  des  Darmsaftes, 
manchmal  auch  durch  Blut,  besonders  nach  Fettnahrung, 
aktiviert  werden. 

3)  Literatur  siehe  F.  Alb  recht:  Pathologie  der  Bauchspeichel¬ 
drüse.  Lubarsch-Ostertag,  XV.  Jahrg.,  II.  Abt.,  1911. 


3' 


1324 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


In  unserem  Falle  muss  man  neben  einer  erhöhten  Dis¬ 
position,  Adipositas  und  Alkoholismus,  neben  den  erfüllten  Vor¬ 
bedingungen,  es  war  wenige  Stunden  vor  der  Entbindung, 
reichlichste  Nahrungsaufnahme  erfolgt,  wohl  sicher  in  erster 
Linie  das  Geburtstrauma  als  ursächliches  Moment  in  Betracht 
ziehen.  Der  naheliegende  Einwand,  ähnliche  Fälle  seien  noch 
nicht  beschrieben  und  müssten  doch  häufiger  sein,  ist  be¬ 
rechtigt,  doch  nicht  beweisend.  Zu  der  an  und  für  sich  hoch¬ 
gradigen  Raumbeengung  in  der  Leibeshöhie  am  Ende  der 
Schwangerschaft  kam  hier  die  hochgradige,  auch  intraabdomi¬ 
nelle  Fettansammlung  und  die  kurz  vor  Wehenbeginn,  diesen 
vielleicht  beschleunigende,  starke  Füllung  des  Magens.  Man 
kann  sich  da  recht  gut  den  hohen  Druck  vorstellen,  der  intra¬ 
abdominell  geherrscht  haben  muss  und  auch  auf  das  Pan¬ 
kreas  gepresst  hat.  Der  rasche  Verlauf  der  Geburt,  Z{A  Stun¬ 
den  seit  Wehenbeginn  und  die  konsekutive  grosse  Druck¬ 
schwankung  im  Leibe  hat  dann  Pankreasgefässe  zum  bersten 
gebracht.  Das  fettreiche  Blut  wieder  konnte  den  sich  reich¬ 
lich  in  die  Risse  des  Pankreasgewebes  ergiessenden  Pankreas¬ 
saft  aktivieren  und  die  überaus  giftige  Substanz  erzeugen,  die 
nach  den  Untersuchungen  zahlreicher  Autoren  den  Tod,  einen 
Vergiftungstod  mit  Autotoxinen,  herbeiführt.  Ob  die  Organe 
der  Frau  an  und  für  sich  schon  durch  Schwangerschaftsgifte 
geschädigt  waren,  lässt  sich  nicht  beweisen.  Die  Nieren 
waren  intakt,  die  Veränderungen  in  der  Leber  so  akute,  dass 
sie  ungezwungen  als  eine  Folgewirkung  des  giftigen  Pankreas- 
sekretes  im  Blute  gelten  können. 

Der  Tod  erfolgte  allerdings  schockartig,  doch  müssen  wir, 
da  wir  bei  der  pathologisch-anatomischen  Untersuchung  aus¬ 
gesprochene  und  typische  Organveränderungen  fanden,  an 
der  causa  mortis  „akute  Pankreasnekrose“  festhalten. 


Typhusepidemie  bei  einem  Dragonerregiment. 

Von  Dr.  Schmiz,  Oberstabsarzt  und  Dr.  Kessler,  Stabsarzt. 


Eine  zwar  kleine,  aber  völlig  übersehbare  Typhusepi¬ 
demie,  deren  Entstehung  und  Verlauf  sich  bis  in  kleinste 
Einzelheiten  verfolgen  lässt,  trat  im  Februar  1911  bei  einem 
Dragonerregiment  in  S.  auf.  Sie  bietet  in  mannigfacher  Be¬ 
ziehung  so  viel  Interessantes,  dass  es  sich  verlohnt,  sie  zur 
allgemeinen  Kenntnis  zu  bringen. 

Zwischen  dem  18.  II.  bis  18.  III.  11  wurden  wegen  Typhus 
und  I  yphusverdacht  21  Dragoner  von  einer  Eskadron  des  Regiments 
™  Lazarett  aufgenommen.  Der  Tag  der  Lazarettaufnahme  ist  aus 
Tabelle  1  ersichtlich. 


Tabe 

Ile  1. 

Februar 

März 

18. 

22.  23. 

25.  26.  |  27. 

3.  4  5.  8.  14.  16.  18. 

1 

1  |  2 

2  3  3 

i  1  i  2  |  i  ;  2  |  1  |  1 

Die  Diagnose  lyphus  war  am  22.  II.  gesichert  und  sofort 
wmden  in  der  Eskadron,  aus  welcher  die  bis  dahin  zugegangenen 
zwei  Leute  stammten,  die  weitgehendsten  prophylaktischen  Mass¬ 
nahmen  getroffen.  Die  gesamten  Unteroffiziere  und  Mannschaften 
dieser  Eskadron  wurden  abgesondert,  belehrt,  täglich  ärztlich  be¬ 
obachtet,  deren  Temperaturen  gemessen  und  Blut-,  Stuhl-  und  Urin- 
proben  der  bakteriologischen  Untersuchung  überwiesen. 

Bis  zum  25.  II.  hatten  6  1  yphuserkrankte  Lazarettaufnahme  ge- 
tunden.  Eine  Ansteckungsquelle  liess  sich  bei  keinem  aus- 
mdig  machen,  aber  aus  dem  Umstande,  dass  kurz  hintereinander 
o  Kianke  zugegangen  waren,  wurde  der  Schluss  gezogen,  dass  ein 
gemeinsamer  Infektionsherd  vorliegen  müsste  und  mit  weiteren  Zu¬ 
gängen  zu  jechnen  sek  Da  bis  jetzt  nur  Mannschaften  einer  Eskadron 
von  verschiedenen  Stuben  und  aller  drei  Jahresklassen  erkrankt 
waren,  so  konnte  die  Ansteckungsquelle  weder  in  der  gemeinsamen 
Regimentsküche  noch  in  der  Kantine  liegen.  Als  einzige  Gelegenheit 
kam  dann  nur  noch  die  Kaisergeburtstagsfeier  in  Frage,  wo  diese 
Eskadron  für  sich  allein  in  einer  Gartenwirtschaft  gefeiert  hatte. 
Und  Lieser  Tag  lag  gerade  noch  in  der  Infektionsbreite.  Durch 
Lrmittlungen  in  dieser  Wirtschaft  konnte  alsbald  festgestellt  w'er- 
^ie  ^u^er  ^es  Wirtes,  die  in  dessen  Haushalt  tätig  ist, 
V  01  i*  •  ren  yphus  durchgemacht  hatte,  dass  ferner  vor  4  Jahren 
eine  Magd  und  vor  2  Jahren  ein  Kind  des  Wirtes  an  Typhus 
erkrankt  waren.  Ein  Zusammenhang  dieser  beiden  letzten  Erkran¬ 
kungen  war  unmöglich,  da  die  Magd  bereits  längst  das  Haus  ver¬ 
lassen  üatte,  als  das  Kind  erkrankte.  Von  der  ganzen  Familie  des 
Wirtes  und  dessen  Personal  wurden  darauf  Stuhl-  und  Urinproben 
bakteriologisch  untersucht.  Diese  jedoch  ergaben  ein  negatives  Re¬ 
sultat  und  das  letzte  Glied  der  Kette  konnte  nicht  absolut  sicher 
nachgew  lesen  werden.  Da  aber  Dauerausscheider  nicht  regelmässig. 


sondern  oft  nur  schubweise  Typhusbazillen  ausscheiden.  so  lag  es 
uns  sehr  nahe,  die  Mutter  des  Wirtes  als  Bazillenträgerin  anzusehen 
und  anzunehmen,  dass  durch  diese  Frau  das  Essen  zum  Ueber 
mittler  der  Typhuskeime  wurde.  Wie  richtig  diese  Auffassung  w'ar 
zeigten  die  späterhin  vorgenommenen  Blutuntersuchungen  der  Ea’ 
milienmitglieder  des  Wirtes,  wobei  das  Blut  der  Mutter  des  Wirtes 
eine  positive  Serumreaktion  gegenüber  Typhusbazillen  ergab  Die 
eingeschlagenen  prophylaktischen  Massnahmen  wurden  ohne  Äende- 
rung  fortgesetzt  und  nach  dem  25.  II.  kamen  noch  die  aus  Tabelle  I 
zu  ersehenden  Krankenzugänge  in  das  Lazarett. 

Ueber  das  klinische  Bild  dieser  Epidemie  ist  zu  be¬ 
richten,  dass  die  ersten  Krankheitszeichen  vorwiegend  in 
Halsschmerzen,  Kopfschmerzen  und  allgemeiner  Mattigkeit 
bestanden.  Nur  wenige  Kranke  zeigten  im  weiteren  Verlauf 
das  typische  Bild  des  Typhus  abdominalis  mit  diarrhoischen 
Stühlen.  An  Komplikationen  traten  bei  einem  Verstopfung  der 
linken  Schenkelblutader  auf,  bei  einem  anderen  Lungenent¬ 
zündung  und  bei  einem  dritten,  nachdem  er  bereits  in  einem 
Genesungsheim  war,  eine  Pleuritis  mit  Stauung  im  Pfortader¬ 
kreislauf.  Die  meisten  litten  mehr  oder  weniger  an  Ver¬ 
stopfung  und  hatten  nur  vorübergehend  dünnen  Stuhl.  Auch 
waren  darunter  einige  so  leichte  Erkrankungen,  dass  die  Leute 
ihren  Dienst  fortgesetzt  hätten,  wenn  sie  nicht  durch  die  täg¬ 
lichen  Temperaturmessungen,  Gesundheitsbesichtigungen  und 
durch  die  bakteriologischen  Untersuchungen  herausgefunden 
worden  wären.  Ein  Beispiel  dafür,  dass  bei  Typhusepidemien 
gar  mancher  Typhuskeime  aufnimmt,  die  aber  so  wenig  oder 
gar  keine  krankhaften  Erscheinungen  hervorrufen,  dass  der 
Infizierte  der  klinischen  und  bakteriologischen  Diagnose 
entgeht. 

Von  den  21  im  Lazarett  aufgenommenen  Mannschaften 
sind  alle  als  infiziert  anzusehen,  ausgenommen  der  eine  von 
den  beiden  am  5.  III.  aufgenommenen  Dragonern,  der,  nur  aus 
Krankheitsfurcht,  über  Kopf-,  Hals-  und  Brustschmerzen  klagte 
und  als  infektionsverdächtig  aufgenommen  wurde.  Er  war 
kerngesund,  und  wie  sich  später  herausstellte,  hatte  er  über¬ 
haupt  nicht  an  der  Feier  teilgenommen.  Dieser  Mann  war  der 
einzige,  auf  den  ohne  Zweifel  die  täglichen  Untersuchungen 
suggestiv  gewirkt  hatten,  während  umgekehrt  alle  übrigen 
eher  ihre  Beschwerden  zu  verheimlichen  suchten. 

Was  den  Zeitpunkt  der  Infektion  der  einzelnen 
Kranken  angeht,  so  spricht  der  verhältnismässig  grosse  Zeit¬ 
raum  von  etwa  30  Tagen,  während  dessen  die  Lazarettauf- 
nahmen  erfolgten  dafür,  dass  nur  die  ersten  im  Lazarett  auf¬ 
genommenen  Kranken  sich  durch  das  Abendessen  am  27.  I. 
infiziert  haben  und  in  der  Zwischenzeit  bis  zur  Lazarettauf- 
nahme  Kontaktinfektionen  in  der  Eskadron  setzten.  Dem  je¬ 
doch  widersprechen  die  Ermittelungen,  die  ergaben,  dass  die 
meisten  Kranken  Tag  und  Stunde  genau  angeben  konnten, 
seit  wann  sie  sich  unwohl  fühlten.  Die  Berechnung  der  Inku¬ 
bationszeit  nach  diesen  Angaben  •  schwankt  dann  zwischen 
12 — 21  Tagen  nach  dem  27.  I. 

Die  Behandlung  war  eine  ganz  individuelle,  mehr 
symptomatische. 

Keiner  der  Kranken  ist  gestorben. 

Bei  einem  der  Kranken  wurden  einmal  in  der  fieberfreien 
Zeit  Paratyphusbazillen  im  Stuhl  gefunden,  die  wahrscheinlich 
von  Genuss  rohen  Fleisches  herrühren. 

Drei  Wochen  nach  Zugang  des  letzten  Kranken  wurde  die 
Absperrung  aufgehoben  und  die  Schlussdesinfektion  vor¬ 
genommen.  Die  Epidemie  war  damit  abgeschlossen. 

Die  Tatsache,  dass  der  Infektionsherd  auf  eine  Eskadron 
eingedämmt  werden  konnte  und  weitere  Infektionen  in  andere 
Eskadronen  des  Regiments  nicht  gesetzt  wurden,  ist  sowohl 
ein  Stützpunkt  für  die  angenommene  Infektionsquelle,  als  auch 
ein  sichtbares  Zeichen  dafür,  was  rasches  Auffinden  des  In¬ 
fektionsherdes  und  gewissenhaft  durchgeführte  hygienische 
Massnahmen  bei  der  Bekämpfung  einer  Typhusepidemie  zu 
leisten  vermögen. 

Ferner  sei  noch  berichtet,  dass  ausser  den  angeführten 
Mannschaften  von  den  Teilnehmern  dieser  Kaisergeburtstags¬ 
feier  noch  nachweislich  die  Frau  des  Wachtmeisters  und  der 
Schwager  des  Wirtes  an  Typhus  abdominalis  erkrankten, 
deren  Infektion  nach  dem  klinischen  Bilde  Ende  Januar  statt¬ 
gefunden  hat. 

Da  die  Entstehung  und  der  Verlauf  dieser  Epidemie  so 
klar  vor  uns  liegen,  fragten  wir  uns  noch,  ob  vielleicht  eine 


17.  Juni  1913,  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1325 


Erklärung  dafür  zu  finden  sei,  warum  nur  Mannsehaften  und 
keine  Unteroffiziere  und  warum  von  etwa  100  Mann,  die  an 
dem  infizierten  Essen  teilgenommen  hatten,  gerade  etwa 
20  Proz.  eine  Typhusinfektion  durchgemacht  haben.  Mit  einem 
Schlage  kam  hierin  Klarheit,  als  gewisserinassen  die  Tisch¬ 
ordnung  bei  der  Feier  wieder  hergestellt  und  dar  Gang  des 
Essens  nochmals  gemacht  wurde.  Die  Unteroffiziere  bekamen 
ein  anderes  Essen  wie  die  Mannschaften,  welche  Kartoffelsalat 
mit  kaltem  Rinderbraten  erhielten  und  in  einem  grossen  Saal 
an  3  langen  Tischen  speisten.  Von  den  Kranken  sassen  bei¬ 
nahe  alle  am  1.  Tisch,  2  davon  am  2.  Tisch,  ebenso  viele  am 
3.  Tisch  und  einer  allein  in  der  Wirtsstube.  Die  Verabfolgung 
der  Speisen  war  so  geregelt,  dass  zuerst  die  Leute  des  ersten 
Tisches  der  Reihe  nach  an  den  Schanktisch  herangingen,  da¬ 
selbst  Teller  und  Essgeschirr  nahmen  und  dann  an  ein  Durch¬ 
reichfenster  der  Küche  traten,  wo  ihnen  auf  den  dargebotenen 
Teller  aus  einer  Schüssel  Kartoffelsalat  ausgeschöpft  und  aus 
einer  anderen  Schüssel  das  Fleisch  gelegt  wurde.  Nachdem 
die  Leute  des  1.  Tisches  versorgt  waren,  folgte  der  2.  Tisch 
und  zuletzt  der  3.  Tisch.  Sämtliche  Leute  des  1.  Tisches 
gaben  an,  dass  in  der  Küche  auf  einem  Tische  neben  dem 
Herd  zwei  grosse  Schüsseln  mit  Salat  und  eine  dritte  Schüssel 
mit  Fleisch  derart  hintereinander  gestanden  hätten,  dass  die 
eine  der  Salatschüsseln  dicht  neben  dem  Herde,  die  andere 
etwas  weiter  entfernt  und  dahinter  dann  das  Fleisch  gestanden 
hätte.  Nach  übereinstimmenden  Angaben  wollen  alle  Leute 
des  1.  Tisches  aus  der  dem  Herde  am  nächsten  stehenden 
Salatschüssel  ihre  Portion  erhalten  haben.  Von  den  5  anderen 
Infizierten,  die  nicht  am  1.  Tisch  sassen,  konnten  die  beiden 
des  2.  Tisches  keine  näheren  Angaben  über  den  Essens¬ 
empfang  machen.  Von  den  beiden  des  3.  Tisches  holte  sich 
der  eine  sein  Essen  zugleich  mit  den  Leuten  des  1.  Tisches. 
Der  andere  kam,  ebenso  wie  der  Mann,  der  in  der  Wirtsstube 
an  einem  4.  kleinen  Tisch  allein  sass,  erst  gegen  1 1  Uhr  in  das 
Lokal.  Diese  beiden  Hessen  sich  ihr  Essen  nachgeben  und 
speisten  für  sich  allein.  Aus  welcher  Schüssel  der  Salat 
stammte,  konnte  jedoch  keiner  angeben.  Dieser  Zusammen¬ 
hang  zwischen  Erkrankung,  Sitzweise  und  Empfang  des 
Essens  ist  ein  so  auffallender,  dass  er  ein  ursächlicher  sein 
muss  und  die  Infektion  sich  ungezwungen  in  folgender  Weise 
erklären  lässt.  Die  Kartoffeln  wurden  angeblich  mittags,  nach¬ 
dem  sie  gekocht  waren,  zu  Salat  hergerichtet.  Eine  der  mit 
Salat  gefüllten  Schüsseln  hat  die  Mutter  des  Wirtes  her¬ 
gerichtet  und  wahrscheinlich  beim  Zerschneiden  der  Kar¬ 
toffeln  dieselben  infiziert.  Der  Salat  blieb  in  der  Küche  und 
zufälligerweise  kam  gerade  die  infizierte  Schüssel  dicht  neben 
den  warmen  Herd,  so  dass  sich  die  Bazillen  bis  zur  Essens¬ 
ausgabe  um  6  Uhr  reichlich  vermehren  konnten.  Wenn  auch 
nicht  mehr  festgestellt  werden  konnte,  aus  welcher  von  den 
beiden  Schüsseln  die  beiden  zuletzt  gekommenen  Leute  ihren 
Salat  erhielten,  so  dürfte  doch  die  Annahme  sehr  nahe  liegen, 
dass  sie  von  den  Resten  der  infizierten  Schüssel  ihr  Teil  er¬ 
hielten,  ebenso  wie  der  Schwager  des  Wirtes,  der  auch  Kar¬ 
toffelsalat  gegessen  und  erst  nach  getaner  Arbeit  sein  Essen 
eingenommen  hatte.  Unaufgeklärt  bleibt  nur  die  Infektion  der 
Frau  des  Wachtmeisters,  da  sie  ausdrücklich  verneint,  Salat 
gegessen  zu  haben. 

Was  die  bei  dieser  Epidemie  angewandten  bakterio¬ 
logischen  Untersuchungsmethoden  angeht,  so 
sei  kurz  erwähnt,  dass  mit  dem  Serum  der  in  Kapillaren  ent¬ 
nommenen  Blutproben  die  Gruber-Widal sehe  Reaktion 
vorgenommen  und  der  übrigbleibende  Blutfaden  jedesmal  in 
Peptonglyzeringalle  angereichert  wurde.  Agglutination  von 
1  : 100  wurde  als  positiv  und  1  : 50  als  verdächtig  bezeichnet. 
Zum  Nachweis  der  Typhusbazillen  aus  den  angereicherten 
Blutfäden  und  den  Ausscheidungen  diente  die  Malachitgrün- 
platte,  kombiniert  mit  der  Lackmus-Milchzucker-Kristalivio- 
lettagarplatte.  Das  Gesamtergebnis  der  bakteriologischen 
Untersuchungen  ist  aus  Tabelle  2  ersichtlich. 


Tabelle  2. 


Anzahl 

der 

Fälle 

Widal 

1 :  100 

Widal 

1:50 

Widal 

negativ 

Typhusbazillenbefunde 

Blutkultur 

Stuhl 

Urin 

Kranke  mit 
Bazillen 

20 

11 

4  1  5 

3 

8 

2 

10 

Die  Tabelle  zeigt  deutlich  die  Ueberlegenheit  der  Serum¬ 
reaktion  gegenüber  der  Bakterienzüchtung,  so  dass  auch  auf 
Grund  dieser  Resultate  die  für  die  Praxis  wichtige  Folgerung 
gezogen  werden  kann,  dass  die  Agglutinationsprüfung  für  die 
Diagnosenstellung  und  Klärung  einer  Typhusepidemie  eine 
grössere  Aussicht  auf  positive  Resultate  liefert  als  die  Bak¬ 
terienzüchtung. 

Da  die  Ursache  dieser  Epidemie  unzweifelhaft  der  durch 
eine  Bazillenträgerin  infizierte  Kartoffelsalat  sein  dürfte,  so  soll 
zugleich  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  erst  eine  mit  Sicher¬ 
heit  durch  Kartoffelsalat  hervorgerufene  Typhusepidemie  be¬ 
schrieben  ist  (Hecker  und  Otto:  Deutsche  Militärärztl. 
Zeitschr.  1909,  H.  22). 

Ferner  ist  bei  dieser  Epidemie  noch  bemerkenswert,  dass 
sie  durch  eine  Frau  hervorgerufen  wurde,  die  schon  vor 
20  Jahren  Typhus  abdominalis  überstanden  hat. 


Ueber  einen  durch  Operation  geheilten  Fall  von 
puerperaler  Sepsis. 

Von  Dr.  Brix  in  Flensburg  (Diakonissenanstalt). 

Die  Beschreibung  dieser  Operation  soll  dazu  dienen,  auf 
einige  Schutzmassregeln  aufmerksam  zu  machen,  die  mir  für 
grössere  Eingriffe  im  kleinen  Becken,  im  besonderen  auch  für 
die  Entfernung  der  septische  Keime  enthaltenden  Gebär¬ 
mutter,  von  Bedeutung  zu  sein  scheinen. 

Bei  einer  42  Jahre  alten  Frau  G.,  wurden  am  30.  XI.  12  wegen 
starker  Blutungen  nach  Abort  im  4.  Monat  Eireste  ausgeräumt.  Noch 
am  selben  Abend  stieg  die  Temperatur  auf  38,8,  blieb  am  1.  XII. 
und  2.  XII.  unter  37°.  bis  sie  am  3.  XII.  unter  Schüttelfrost  auf 
39,4  emporschnellte.  Die  Schüttelfröste  und  Fieberanstiege  wieder¬ 
holten  sich  am  5.  XII.,  7.  XII.,  8.  XII.  und  10.  XII.  mit  Temperaturen 
bis  über  40 u.  In  der  fieberfreien  Zeit  fühlte  sich  die  Kranke  zwar 
ziemlich  wohl,  wurde  aber  doch  allmählich  schwächer,  so  dass  wir 
uns  am  11.  XII.  zur  Operation  entschlossen. 

Fieberkurve. 


a  —  Ausräumung  der  Abortreste.  X  r=  Schüttelfrost,  am  10.  XII. 
nicht  ausgesprochen,  b  =  mittags  12  Uhr  Unterbindung  der  Art.  und 
Ven.  hypog.  und  Entfernung  des  Uterus. 

Nach  Längsschnitt  durch  die  sehr  fettreichen  Bauchdecken  und 
erfolgter  Beckenhochlagerung  wurden  die  Därme  zurückgedrängt  und 
üb°r  dieselben  das  fettreiche  Netz  bis  ins  kl 'ine  Becken  hinein  ge¬ 
lagert.  Nach  Bedeckung  des  Netzes  mit  feuchtwarmen  Kompressen 
ging  ich  nach  Schlitzung  des  Peritoneums  stumpf  um  die  Art.  und 
Ven.  hypog.  dextr.  herum,  wobei  es  durch  Einreissen  zu  einer  ziem¬ 
lich  starken  Blutung  aus  der  Vene  kam.  Beide  Gefässe  wurden  ober¬ 
halb  des  Einrisses  mit  einem  starken  Katgutfaden  gemeinschaftlich 
unterbunden,  nicht  durchschnitten.  In  derselben  Weise  fand  links 
nach  Beiseiteschiebung  des  Ureters  die  Unterbindung  beider  Gefässe 
statt.  Der  Uterus  wurde  nunmehr  bis  auf  den  Scheid^nschlauch 
freigelegt  und  letzterer  mit  einer  W  e  r  t  h  e  i  m  sehen  Klemme  zu¬ 
sammengepresst.  Jetzt  vernähte  ich  die  seitlichen  Oeffnungen  im 
Peritoneum  beiderseits  fortlaufend  bis  nahe  an  den  Uterus  und  legte 
durch  den  vorderen  (der  Blase  zugewandten)  Peritonealrand  eine 
tabaksbeutelartige  Naht  mit  langem  Faden.  Eine  gleiche  Naht  wurde 
an  dem  hinteren  (dem  Rektum  zugewandten)  Peritonealrand  angelegt. 
Durch  Zug  an  den  langen  Enden  dieser  beiden  Fäden  entstand  ein 
Hohlraum,  in  welchem  man  nunmehr  sozusagen  extraperitoneal  den 
Scheidenschlauch  nach  Unterlegen  einer  Kompresse  durchschneiden 
und  einige  blutende  Scheidengefässe  umstechen  konnte.  Die  End=n 
der  beiden  langen  Fäden  befestigte  ich  an  einer  Oehrsonde  und  schob 
sie  durch  die  Scheide  nach  aussen.  In  derselben  Weise  wurde  ein 
Xeroformgazestreifen  hindurchgeführt.  Durch  Anziehen  der  nach 
aussen  gelagerten  Fäden  bildete  sich  drinnen  ein  in  die  Scheide 
hineinreichender  Trichter,  der  nicht  nur  das  Wundbett  im  Becken, 
sondern  auch  die  Wundränder  der  Scheide  vollständig  bedeckte.  Um 
ein  Zurückweichen  dieses  Peritonealtrichters  zu  verhüten,  befestigte 
ich  nach  Schluss  der  Bauchhöhle  an  die  aus  der  Scheide  heraus¬ 
hängenden  Fäden  ein  kleines  Gummirohr  und  dieses  unter  leichten 
Zug  mit  Heftpflaster  am  Bein. 

Der  Wundverlauf  und  das  Allgemeinbefinden  waren  nach  diesem 
Eingriff  auffallend  gut,  es  traten  keine  oder  doch  nur  geringe  Blasen¬ 
beschwerden  auf.  keine  Darmstörungen.  Eine  geringe  Anschwellung 
des  linken  Beines  am  etwa  8.  Tage  verschwand  schon  nach  2  bis 


1326 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


3  Tagen  wieder.  Schüttelfröste  traten  nicht  mehr  auf.  die  Temperatur 
blieb  normal,  nur  am  21.  XII.  stellte  sich  etwas  Fieber  ein,  welches 
durch  eine  Abszessbildung  in  der  Bauchnaht  bedingt  war  und  nach 
Spaltung  der  Haut  und  Zellschicht  schwand. 


1  =  Bauchwunde. 

2  =  Blasengegend. 

3  =  Uterus. 

4  =  Scheiden¬ 

schlauch. 

5  =  Wertheimsche 

Klammer. 

6  =  Peritonealnaht 

über  den  seit¬ 
lichen  Wund¬ 
betten. 

7  =  langer  Faden, 

tabaksbeutelartig 
durch  den  vor¬ 
deren  Peritoneal¬ 
rand  gelegt. 

8  =  wie  7,  durch  den 

hinteren  Perito¬ 
nealrand  gelegt. 

9  =  Rektum. 


\  on  Wichtigkeit  scheint  mir  bei  dem  geschilderten  Ver¬ 
fahren  zunächst  die  Benutzung  des  Netzes  zum  Abdecken  zu 
sein.  Natürlich  ist  das  Netz  nicht  immer  und  nicht  immer 
gleich  gut  dazu  zu  verwerten,  aber  in  den  Fällen,  wo  es  mög¬ 
lich  war,  schienen  mir  die  Patienten  den  Eingriff  auffallend  gut 
zu  tiberstehen.  Es  spielt  dabei  wohl  weniger  die  Herabsetzung 
der  Infektionsgefahr  eine  Rolle,  als  der  Schutz  der  Dünndarm¬ 
schlingen  gegen  Abkühlung,  der  nach  meiner  Ansicht  einfacher 
und  schonender  durch  das  gefässreiche  Netz,  als  durch  einen 
Peritoneallappen,  wie  es  Mackenrodt  vorgeschlagen  hat, 
erreicht  wird.  Während  der  Operation  muss  gut  darauf  ge¬ 
achtet  werden,  dass  das  Netz,  welches  besonders  bei  Becken¬ 
hochlagerung  Neigung  hat,  zurückzurutschen,  in  seiner  Lage 
bleibt.  Mit  darübergelegten  Kompressen  aber  lässt  sich  das 
bei  einiger  Sorgfalt  ganz  gut  erreichen. 

Ein  zweiter  Punkt,  welcher  mir  beachtenswert  erscheint, 
ist  der,  dass  nach  Eröffnung  des  Scheidenschlauches  die 
strenge  Asepsis  aufhört,  man  daher  bestrebt  sein  soll,  vor 
diesem  Akt  möglichst  alle  Eingriffe  in  der  Bauchhöhle  zu 
beenden.  Bei  der  Uterusexstirpation  könnte  vielleicht  das 
oben  angegebene  Verfahren  in  vielen  Fällen  dazu  die  Mög¬ 
lichkeit  bieten.  Noch  besser  wäre  es,  wenn  man  nach  Durch- 
schneidung  des  Scheidenschlauches  die  blutenden  Scheiden- 

^-Se  n*c^. von  ^er  Bauchhöhle  aus  zu  umstechen  brauchte. 
Möglicherweise  könnte  dies  nach  Schluss  derselben  von 
aussen  durch  die  Scheide  geschehen  *); 

Endlich  bietet  das  Hineinziehen  des  Peritonealtrichters  in 
—  abgesehen  von  der  Bedeckung  der  ganzen 
Wundfläche  — -  noch  den  Vorteil,  dass  die  sich  etwa  seitlich 
m  uen  W  undhöhlen  ansammelnden  Sekrete  zwischen  Trichter 
und  Scheide  nach  aussen  fliessen  können. 

Ueber  die  Notwendigkeit  operativen  Vorgehens  bei  puer¬ 
peraler  Sepsis  will  ich  hier  keine  Betrachtungen  anstellen. 
Im  vorliegenden  Falle  entschloss  ich  mich  nach  Beratschlagung 
r-'u  <?em  dosierenden  Arzt  der  Diakonissenanstalt,  Herrn 
ueheimrat  Dr.  S  c  h  a  e  d  e  1  und  dem  Frauenarzt  Herrn 
Di.  Westphalen  zur  Operation,  weil  die  Schüttelfröste 
zu-,  und  die  Kräfte  der  Patientin  abnahmen. 


*)  Bei  einem  vor  über  3  Wochen  operierten  Fall 
Karzinom  war  eine  Umstechung  überhaupt  nicht  nötig 
verlauf  war  auch  in  diesem  Falle  ein  sehr  guter. 


von  Uterus- 
Der  Wund- 


Traumatische  Scheidenruptur  mit  Dünndarmvorfall. 

Von  Dr.  F.  Vogel,  Brunnenarzt  in  Bilin-Sauerbrunn. 

Der  Vorfall  von  Baucheingeweiden  durch  Zerreissung  der 
Bauchdecken  bildet  an  sich  kein  seltenes  Vorkommnis,  des¬ 
gleichen  wird  bei  spontanen  oder  traumatischen  Rupturen  von 
Uterus  und  Vagina  intra  partum  nicht  allzu  selten  das  Zutage¬ 
treten  von  Darmpartien  beobachtet.  Traumatische  Scheiden¬ 
rupturen  mit  Darmvorfall  extra  partum  sind  jedoch  sehr 
seltene  Verletzungen,  wenn  man  von  den  bei  operativen  Ein¬ 
griffen  (Exkochleationen  etc.)  im  hinteren  Scheidengewölbe 
unbeabsichtigten  Eröffnungen  der  Peritonealhöhle  und  dem 
dabei  möglichen  Vorfall  von  deren  Inhalt  absieht.  Zu  den 
wenigen  bisher  veröffentlichten  Beobachtungen  von  solchen 
will  ich  kurz  im  Folgenden  über  einen  Fall  berichten,  der 
mir  auch  durch  die  begleitenden  Umstände  bemerkenswert 
erscheint. 

Q;  W.,  68  Jahre  alte  Wirtschaftsbesitzersgattin,  stammt  aus 
gesunder  Familie.  Sie  hat  10  mal  geboren,  das  1.  Mal  im  Alter  von 
j-Ü,  das  letzte  Mal  im  Alter  von  40  Jahren.  Schon  nach  der  Ge¬ 
burt  des  1.  Kindes  entwickelte  sich  ein  Genitalprolaps,  der  sich  ini 
H.u  •  xr  Jahre  allmählich  vergrösserte.  Anfänglich  ging  der  Vor- 
,a“  Ff1  Nacht  zurück,  seit  ungefähr  20  Jahren  konnte  sich  die  Frau 
•  u  Vorfall  nicht  mehr  reponieren.  Zu  einer  Operation  konnte 
steh  die  rrau  nicht  entschliessen  und  ein  Zurückhalten  des  Prolapses 
durch  I  essare  liess  sich  wegen  des  sofort  auftretenden  Dekubitus 
nicht  durchführen.  Ausser  einer  vor  9  Jahren  durchgemachten  Blind¬ 
darmentzündung  war.  die  Frau  nicht  ernstlich  krank.  Sie.  leidet 
seit  mehreren  Jahren  infolge  des  sehr  defekten  Gebisses  an  einen: 
chronischen  Magenkatarrh. 

Am  23.  VIII.  v.  J.  wurde  ich  gegen  Abend  dringend  zu  ihr 
gerufen,  mit  der  Angabe,  es  sei  mit  ihrem  Bruche  etwas  passiert 
Die  bei  meinem  Eintreffen  erhobene  Anamnese  ergab,  dass  sich  die 
rrau  auf  folgende  Weise  verletzt  hatte.  Sie  hatte  sich  in  den  Stall 
begeben,  im  Begriffe,  eine  Kuh  zu  melken.  Als  sie  sich  bückte,  um 
.as,  Futer  zu  waschen,  trat  sie  ein  daneben  stehender  Ochse  von 
rückwärts  gegen  den  Vorfall.  Sie  fühlte  sofort  einen  heftigen  Schmerz 
und  bemerkte,  dass  etwas  aus  dem  Vorfall  heraustrat,  was  sie  beim 
Zusehen  als  Darm  erkannte.  Sie  wickelte  sich  den  Darm  in  Fetzen, 
wie  sie  eben  im  Stalle  zur  Hand  lagen,  stützte  sich  ihn  von  unten 
mit  den  Händen  und  ging,  beiderseits  von  Angehörigen  unterstützt, 
aus  dem  Stalle  etwa  40  Schritt  in  die  Wohnung  und  begab  sich  ins 
Bett,  wo  sie  mein  Eintreffen  erwartete. 

S  t  a  t  u  s  p  r  a  e  s  e  n  s :  Die  grazile,  schlecht  genährte  Frau  ist 
kollabiert  und  klagt  über  äusserst  heftige  Schmerzen.  Lungen-  und 
Herzbefund  normal.  Puls  115  in  der  Minute,  regelmässig,  klein.  Das 
Abdomen  ist  stark  eingezogen,  zeigt  hauptsächlich  in  der  rechten 
Unterbauchgegend  Druckschmerzhaftigkeit.  Die  Umgebung  des 
äusseren  Genitales  ist  mit  Blut  besudelt.  Aus  demselben  tritt  ein 
zweimannsfaustgrosser  Vorfall  vor,  an  dessen  unterer  Kuppe  die  ver¬ 
breiterte  und  elongierte  Portio  sichtbar  ist.  In  der  Umgebung  des 
äusseren  Muttermundes  Erosionen.  An  beiden  Seiten  des  Prolapses 
handtellergrosse  Dekubitusgeschwüre.  An  der  Rückseite  desselben 
ein  in  der  Mittellinie  etwas  schräg  verlaufender  Einriss  von  etwa 
4  cm  Länge,  durch  den  ein  mannskopfgrosses  Konvolut  von  Dünn¬ 
darmschlingen  prolabiert  ist  Dasselbe  liegt  zwischen  den  obdu¬ 
zierten  Oberschenkeln  und  ist  in  schmutzige  Fetzen  eingewickelt,  mit 
denen  der  Darm  verklebt  ist.  Nach  deren  vorsichtiger  Entfernung 
zeigt  es  sich,  dass  die  Darmschlingen  untereinander  ebenfalls  ver¬ 
klebt  und  mit  Blutgerinnseln  bedeckt  sind.  An  zahlreichen  Stellen 
des  Darmes  und  am  Mesenterium  befinden  sich  blutige  Suffusionen, 
jedoch  ist  die  Serosa  nirgends  verletzt. 

Ich  schlug  der  Patientin  und  deren  Angehörigen  sofort  die 
Abgabe  in  ein  Krankenhaus  vor,  es  wurde  mir  aber  entschieden 
abgelehnt  mit  der  Motivierung,  die  Verletzte  hielte  den  Transport 
nicht  aus.  So  blieb  mir  denn  nichts  übrig,  als  an  die  Versorgung  der 
Verletzung  zu  gehen  (etwa  1 14  Stunde  nach  dem  Zustandekommen 
derselben).  .  Nachdem  ich  die  Umgebung  so  gut  es  ging  desinfiziert 
hatte,  befreite  ich  den  Darm  mittels  Kochsalztupfern  von  den  groben 
anhaftenden  Unreinigkeiten  und  spülte  ihn  mit  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  ab  und  ging  an  die  Reposition  des  Darmes.  Der  Versuch, 
dieselbe  in  Rückenlage  zu  Ende  zu  führen,  erwies  sich  als  äusserst 
schwierig.  So  liess  ich  die  Frau  in  Knie-Ellbogenlage  bringen.  Die 
weiteren  Repositionsmanöver  waren  zwar  auch  ein  schweres  Stück 
Arbeit,  führten  aber  doch  zum  Ziele.  Obzwar  die  Reposition  ohne 
Narkose  ausgeführt  wurde,  war  sie  doch  für  die  Frau  nicht  besonders 
schmerzhaft.  Zum  Schlüsse  reponierte  ich  den  nun  zutage  tretend0!! 
Uterus  und  die  Adnexe,  führte  durch  den  Riss  einen  Gazestreifen 
ins  kleine  Becken  zur  Drainage  und  tamponierte  die  Vagina  sorg¬ 
fältig  aus. 

Nach  dem  Eingriff  erholte  sich  die  Frau  rasch  und  der  Verlauf 
war  der  nach  einer  aseptischen  Operation.  In  der  auf  die  Verletzung 
folgenden  Nacht  erfolgte  eine  äusserst  reichliche  Stuhlentleerung. 
Ausser  leichtem  Meteorismus,  der  einige  Tage  anhielt,  geringfügigem 
Aufstossen  und  zweimaligem  Erbrechen  am  4.  Tage  und  Fieber  bis 
38,4°  C.  zeigten  sich  keinerlei  peritoneale  Reizerscheinungen.  Die 
Rissverletzung  heilte  unter  reichlicher  Sekretion  per  secundam  in 
4  Wochen,  und  derzeit  ist  die  Frau  in  der  Lage,  ihre  häuslichen 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1327 


Arbeiten  wie  vor  der  Verletzung  zu  verrichten.  Der  Prolaps  wird 

7wprkTwnh|)niilf"iifUrU<ik8:ehalten’  da  ein  einKefülirtes  Pessar  seinen 

'  ""'Crl,alb  "'C"iBCr  TaKe  1,1  der  Scheide 

J^er^r  fuSänKigen  Literatur  sind  nur  wenige  ähnliche  Fälle 
fc  .Pden’  R°inrnel  )  berichtet  über  eine  Verletzung,  wo  bei  einer 
38  jährigen  Frau  ohne  vorhergegangenes  Trauma  nach  Heben  eines 
schweren  Kessels  durch  eine  Rissstelle  im  hinteren  Scheidengewölbe 
ein  mannskopfgrosser  Dünndarmvorfall  auftrat.  Die  Frau  erlag  der 
Verletzung.  Von  weiteren  Scheidenrupturen  berichten  Qrense  r 
bei  Retroversio  uteri  gravidi  mit  Aszites.  Fehling  und  Roki- 

•  "iS  v  n  i  ^61  a  u  terusprP  ^Ps’  °rabow  bei  Qewebsbriichigkeit 
infolge  hohen  Alters  und  Gamples*)  nach  veraltetem  Iiämatom. 

^Sain  ri?1*  e*nen  hall  mit,  wo  bei  einer  61jährigen  Frau,  der 
vor  10  Jahren  der  Uterus  samt  Adnexen  vaginal  entfernt  worden 
\\  ar.  durch  Auffallen  auf  den  nach  der  Operation  entstandenen  kleinen 
Vagmalprolaps  eine  Berstungsruptur  desselben  mit  Vorfall  des 
ganzen  Dünndarms  zustande  gekommen  war.  Nach  vergeblichen 
Repositionsversuchen  durch  den  gerufenen  Arzt  wurde  die  Frau  in 
ein  Krankenhaus  überführt,  wo  die  Reposition  ebenfalls  nicht  gelang 
und  erst  die  vorgenommene  Laparotomie  zum  Ziele  führte  Der  Fall 
ging  in  Heilung  aus. 


Bei  dem  von  mir  beschriebenen  Fall  ist  der  Mechanismus 
der  Verletzung  ohne  weiteres  klar.  Dadurch,  dass  die  Frau 
den  Weg  ins  Bett  zu  Fuss  zurücklegte,  vergrösserte  sich  der 
anfangs  wohl  kleine  Vorfall  so,  dass  der  ganze  bewegliche 
Darmteil  zutage  trat.  Ich  stimme  E  s  a  u  vollständig  bei,  wenn 
er  die  Forderung  erhebt,  dass  eine  derartige  Verletzung  einem 
Spital  zuzuweisen  ist.  Andererseits  geht  aus  dem  Verlauf  des¬ 
selben  hervor,  mit  was  für  Infektionsstoffen  das  Peritoneum 
fertig  zu  werden  vermag,  da  der  Darm  mit  dem  Pflaster  des 
Stalles  in  unmittelbare  Berührung  kam,  und  dann  von  der  Frau 
in  Fetzen,  die  im  Stalle  umherlagen,  eingehüllt  wurde,  gewiss 
auch  kein  aseptisches  Material.  Dass  die  beschränkten  Ver¬ 
hältnisse  des  Privathauses  keine  so  exakte  Wundversorgung 
ermöglichen  wie  das  Spital,  ist  ebenfalls  klar.  Dass  die  er- 
fahrungsgemäss  sehr  schwierige  Reposition  einer  so  grossen 
Darmpartie  durch  den  engen  Riss  in  der  Vagina  durchgeführt 
werden  konnte,  liegt  wohl  in  der  Anwendung  der  Knieellen¬ 
bogenlage,  wo  der  negative  Druck  in  der  Bauchhöhle  grösser 
ist,  wie  selbst  bei  extremer  Beckenhochlage,  und  ich  empfehle, 
falls  ein  Kollege  in  die  Lage  kommen  sollte,  sich  mit  einer 
ähnlichen  Verletzung  befassen  zu  müssen,  die  Reposition  in 
Knieellenbogenlage  zu  versuchen. 


zu  beschaffende  Hilfsmittel  —  Begiessen  der  Plazenta  mit 
heisse  m,  am  besten  kochendem  Wasser  — ,  nachdem  es 
schon  lange  Zeit  mir  gute  Dienste  erwiesen  hat,  den  Kollegen 
und  besonders  auch  den  Hebammenlehrern  unter  ihnen  zur 
Nachprüfung  empfehlen. 


Beitrag  zur  Behandlung  gastrischer  Krisen. 

Von  Dr.  Max  Fuchs  in  Liegnitz. 

Bei  der  Untersuchung  eines  über  Magenschmerzen  klagenden 
Patienten  sollte  der  Arzt  es  nie  unterlassen,  ausser  den  üblichen 
Untersuchungmethoden  (Prüfung  auf  Druckempfindlichkeit,  Hyper¬ 
azidität,  okkultes  Blut  usw.)  sich  über  etwaige  Tabes  zu  ver¬ 
gewissern  als  Ursache  der  sogen,  gastrischen  Krisen.  Die  Er¬ 
kennung  derselben,  wenn  dile  Tabes  manifest  ist,  gehört  ja  wohl 
zu  den  leichtesten  Aufgaben  der  Diagnostik.  Sehr  schwierig  ge¬ 
staltet  sie  sich  jedoch,  wenn  die  Krisen  zu  den  allerersten  Erschei¬ 
nungen  einer  Tabes  gehören.  Wenn  man  aber  bei1  der  Untersuchung 
an  die  Möglichkeit  einer  Tabes  denkt,  so  wird  die  Feststellung  der¬ 
selben  auch  aus  anderen  Begleiterscheinungen  möglich  sein,  und  damit 
entgeht  man  peinlichen  Verlegenheiten,  die  eine  Fehldiagnose  in  einem 
solchen  Falle  zur  Folge  haben  müsste.  Und  manche  erfolglose 
Gastroenterostomie  würde  unterbleiben,  wenn  der  Operateur  vorher 
an  die  Möglichkeit  einer  Tabes  denken  würde. 

Bei  der  Behandlung  der  Krisen  spielt  das  Morphium  die  Haupt¬ 
rolle.  Für  kurzdauernde  Anfälle  ist  diese  Behandlung  zweifellos 
zweckmässig,  und  sie  wird  auch  stets  im  Anfalle  anzuwenden  sein. 

Wenn  jedoch  die  Krisen  sich  viele  Tage  und  Wochen  hinziehen, 
dann  droht  dem  Patienten  die  Gefahr  des  Morphinismus.  Aus  diesem 
Grunde  entschliessen  sich  viele  Patienten  lieber  zur  Ertragung  ihrer 
Schmerzen,  als  zur  Fortsetzung  der  Morphiumbehandlung. 

In  einem  solchen  Falle  liegt  es  nahe,  ein  Verfahren  anzuwenden, 
das  einen  sicheren  Erfolg  in  der  Behandlung  der  gastrischen  Krisen 
erwarten  lässt.  Das  ist  die  Lumbalinjektion  mit  Novokain-Supra- 
renin.  Ich  habe  bei  einer  Tabikerin,  die  unter  gastrischen  Krisen 
Monate  hindurch  ohne  Unterbrechung  gelitten  hatte  und  bei  der  die 
verschiedensten  Behandlungsmethoden  ohne  den  geringsten  Erfolg 
gewesen  waren,  diese  Methode  in  Anwendung  gebracht.  Zwei  Injek¬ 
tionen  innerhalb  weniger  Tage  genügten,  um  Pat.  seit  5  Monaten 
dauernd  schmerzfrei  zu  machen. 

Ich  glaubte,  diesen  Erfolg  mitteilen  zu  sollen,  da  gerade  bei  den 
gastrischen  Krisen  unsere  medikamentösen,  diätetischen  und  physi¬ 
kalischen  Behandlungsmethoden  stets  versagen  und  der  Hinweis  auf 
ein  Erfolg  versprechendes  Verfahren  sicher  mit  Freuden  begriisst 
werden  dürfte.  Jedenfalls  fordert  dieses  Verfahren  zur  Nachprüfung 
auf,  umsomehr,  als  es  sehr  einfach  ist  und  bei  etwaiger  Wiederkehr 
der  Krisen  mit  Erfolg  wieder  angewendet  werden  kann. 


Leichtes  Erkennen  kleinster  Plazentardefekte. 

Von  Dr.  Ad.  Leop.  Scherbak,  Frauenarzt  in  Brünn. 

Das  Fehlen  bedeutender  Stücke  der  Nachgeburt  ist  leicht  fest¬ 
zustellen  und  seine  Konsequenzen  für  das  Verhalten  des  Arztes  sind 
ganz  klare.  Dagegen  kann  manchmal  nur  schwierig  entschieden 
werden,  ob  ein  kleinerer  Defekt  an  der  Oberfläche  des  Fruchtkuchens 
wirklich  vorliegt  oder  nur  vorgetäuscht  ist.  Jeder  erfahrene  Geburts¬ 
helfer  kennt  die  Viertelstunden  peinlichen  Zweifels,  ob  er  in  einem 
solchen  Falle  einen  Eingriff  von  der  Bedeutung  der  Uterusaustastung 
unternehmen  oder  sich  untätig  auf  beobachtendes  Warten  beschränken 
soll.  —  Der  Zufall  zeigte  mir  ein  höchst  einfaches  Mittel,  die  Voll¬ 
ständigkeit  des  Fruchtkuchens  müheloser  und  viel  genauer  zu  be¬ 
urteilen,  als  ich  es  vorher  gekonnt  hatte.  Als  ich  das  noch  siedende 
Wasser,  worin  die  Instrumente  zur  Dammnaht  gekocht  hatten,  einmal 
in  eine  Schüssel  abgoss,  in  welcher  die  Plazenta  lag,  fiel  mir  die 
merkwürdige  Farbenänderung  auf,  welche  die  mütterliche  Seite  des 
Fruchtkuchens  augenblicklich  einging.  Während  diese  Fläche  in 
frischem  Zustande  sowohl  das  Gewebe  der  Plazentarlappen  wie  die 
anhaftenden  Blutgerinnsel  in  einem  so  gleichmässigem  Rot  zeigt,  dass 
die  Gerinnsel  eigentlich  mehr  durch  ihre  Abstreifbarkeit  als  durch 
ihre  Farbe  zu  erkennen  sind,  bringt  das  kochende  Wasser  sofort  eine 
dreifache  Farbenscheidung  hervor.  Alles  anklebende  Blut  wird  viel 
dunkler,  tiefbraun  bis  bräunlichschwarz,  alles  Plazentargewebe  viel 
lichter,  graurötlich  oder  rosafarbig,  die  Dezidua  zu  einer  grauen, 
gelblichen,  manchmal  bläulichen  oder  graugrünen  deutlichst  sicht¬ 
baren  sammtigen  Schichte.  Die  kleinsten  Stückchen,  die  aus  dieser 
Schichte  fehlen,  sind  durch  den  Farbenkontrast  dem  ersten  Blicke 
klar,  anderswo  sind  wieder  aufgerauhte,  verdächtige  Stellen  oder 
flottierende,  losgewühlte  Lappen  als  ganz  zu  erkennen.  Dazu  kommt 
noch,  dass  die  Hitze  des  Wassers  die  flachliegende  Plazenta  zur 
Schrumpfung  und  dadurch  annähernd  zu  jener  Wölbung  bringt,  die 
sie  innerhalb  der  Uterushöhle  besessen  hatte.  So  legen  sich  ganz 
ungezwungen  und  ohne  künstliches  Dazutun  lose  Kotyledonen  in  ihren 
richtigen  Zusammenhang.  —  Ich  möchte  dieses  einfache,  überall  leicht 


*)  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  1902.  Bd.  CXXI,  pag.  121. 
3)  Breisky:  Deutsche  Chirurgie,  Bd.  LX,  zit.  bei  Rommel. 
3)  Zentralblatt  für  Gynäkologie  1911,  No.  28,  pag.  1023. 


Die  Heilgymnasten  in  Schweden  und  in  Deutschland. 

Von  Dr.  L  u  b  i  n  u  s  in  Kiel. 

Durch  Königliche  Kabinettsordre  vom  8.  April  1910  wurde  in 
Stockholm  ein  Komitee  hervorragender  Fachmänner  gebildet,  um 
Vorschläge  für  die  Satzungen  einer  gymnastischen 
Hochschule  und  einer  mit  der  gymnastischen  Hochschule  zu  ver¬ 
einigenden  Heilgymnastenschule  auszuarbeiten. 

Da  über  die  Zweckmässigkeit  der  Ausbildung  von  Heilgymnasten 
auch  bei  uns  in  Deutschland  die  Ansichten  unter  den  Aerzten,  be¬ 
sonders  den  Spezialärzten  für  Orthopädie,  auseinandergehen,  dürften 
die  Ausführungen  dieses  schwedischen  Komitees  über  diese  Frage  von 
Interesse  sein.  Ist  doch  Schweden  dasjenige  Land,  von  dem  für 
Europa  vor  nunmehr  100  Jahren  die  Heilgymnastik  ihren  Ausgang 
nahm.  Ich  will  deswegen  versuchen,  eine  möglichst  getreue  Ueber- 
setzung  derjenigen  Abschnitte  der  Arbeiten  dieses  schwedischen 
Komitees  in  Nachfolgendem  zu  geben,  die  sich  mit  der  Frage  der 
Ausbildung  von  Heilgymnasten  resp.  Heilgymnastinnen  befassen: 

Unterweisung  derMedizin  studierendenJugend 
i  n  Heilgymnastik.  —  Da  die  Heilgymnastik  nur  eine  der  vielen 
Heilfaktoren  darstellt,  welche  heutzutage  den  Aerzten  zu  Gebote 
stehen,  soll  nach  Auffassung  des  Komitees  die  Ausbildung  der  Aerzte 
in  derselben  nicht  von  den  übrigen  medizinischen  Fächern  abge¬ 
sondert  erfolgen,  sondern  in  Zusammenhang  mit  ihnen,  da  nur  so 
dieselbe  sich  eine  wissenschaftliche  Stellung  sichern  kann. 

Bestimmte  Vorschläge  nach  dieser  Richtung  zu  machen,  sieht 
sich  das  Komitee  nicht  in  der  Lage.  Es  ist  vielmehr  der  Ansicht, 
dass  diese  Frage  der  Neuordnung  des  mechanotherapeutischen 
Unterrichts  nur  durch  ein  Zusammenwirken  der  medizinischen  Fakul¬ 
täten  gelöst  werden  kann. 

Ausbildung  der  Heilgymnasten.  —  Dagegen  hat  das 
Komitee,  dessen  Aufgabe  es  ist,  seine  Ansichten  betreffend  Neu¬ 
organisation  des  gymnastischen  Zentralinstitutes  darzulegen,  sich 
verpflichtet  gefühlt,  über  die  Ausbildung  von  Heilgymnasten  be¬ 
stimmte  Vorschläge  zu  machen,  weil  zurzeit  beim  Zentralinstitut  die 
Ausbildung  von  Heilgymnasten  in  grösserer  Zahl  üblich  ist. 

Am  besten  wäre  es  natürlich,  wenn  die  Aerzte  selbst  diese  Art 
der  Therapie  allein  handhaben  könnten.  Der  Arzt  mit  seinem  vollen 
Verständnis  für  die  Krankheiten  würde  ja  stets  der  beste  Ausüber 


No.  24. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


dieser  Behandlung  sein.  Eine  solche  Anordnung  wird  einstweilen 
aber  sicher  unüberwindlichen  Schwierigkeiten  begegnen,  denn  es  ist 
undenkbar,  dass  die  Aerzte  allein  imstande  sein  sollten,  alle  Personen, 
für  welche  eine  derartige  Behandlung  in  Frage  käme,  selbst  zu  be¬ 
handeln. 

Die  Arbeitskraft,  welche  der  Arzt  repräsentiert,  würde  auch 
recht  teuer  kommen.  Es  ist  deshalb  notwendig,  dass  stets  für  die 
Ausbildung  von  Heilgymnasten  gesorgt  wird,  welche  unter  der 
Leitung  von  Aerzten  heilgymnastische  Behandlung  geben  können. 

Die  schwedische  Heilgymnastik,  welche  am  gymnastischen 
Zentralinstitut  sich  entwickelt  und  ausgebildet  hat,  hat,  wie  allen 
bekannt  ist,  dadurch,  dass  sie  für  Kranke  und  Schwache  von  grossem 
Nutzen  gewesen  ist  und  noch  ist,  sich  selbst  und  dem  schwedischen 
Namen  grosses  Ansehen  verschafft,  trotz  aller  mehr  oder  weniger 
berechtigten  Kritik,  die  dann  und  wann  gegen  einen  Teil  ihrer  Aus- 
über  geübt  worden  ist. 

Unser  Volk  kann  nunmehr  schwerlich  diese  Therapie  entbehren. 
Das  Bedürfnis  nach  derselben  wird  eher  grösser  werden,  was  nicht 
zum  wenigsten  daraus  hervorgeht,  dass  Heilgymnasten  in  steigendem 
Masse  von  den  Krankenhäusern  angestellt  werden. 

Auch  muss  gesagt  werden,  dass  es  in  Mechanotherapie  aus- 
gebildete  Aerzte  nur  in  den  grossen  Städten  gibt,  während  das  Be¬ 
dürfnis  nach  heilgymnastischer  Behandlung  für  das  ganze  Land 
vorliegt. 


Es  dürfte  damit  erwiesen  sein,  dass  man  für  die  Ausbildung  von 
guten,  verständigen  und  gewissenhaften  Heilgymnasten,  die  zur  Ver¬ 
fügung  der  Aerzte  und  Patienten  stehen,  sorgen  muss. 

Der  Staat,  welcher  bis  jetzt  die  heilgymnastische  Ausbildung 
gefördert  hat,  kann  diese  nicht  im  Stiche  lassen,  sondern  hat  Ver¬ 
pflichtungen  dieselbe  zu  erhalten  und  weiter  zu  fördern. 

Das  Komitee  hält  es  für  am  vorteilhaftesten,  dass  mit  der 
gymnastischen  Hochschule,  welche  ja  nach  dem  Vorschläge  des 
Komitees  an  die  Stelle  des  jetzigen  gymnastischen  Zentralinstituts 
treten  soll,  eine  Schule  zur  Ausbildung  von  Heilgymnasten  vereinigt 
wird,  für  welche  besondere  Statuten  in  Kraft  treten  müssen. 

Zweck  und  Umfang  der  Heilgymnastenschule. -- 
Die  Heilgymnastenschule  soll  gymnastische  Bewegungsgeber  für 
Kranke  ausbilden,  d.  h.  Ausiiber  der  manuellen  Mechanotherapie,  die 
vom  Arzte  vorgeschrieben  werden  muss.  Ihre  Ausbildung  soll  des¬ 
halb  teils  praktisch  technisch,  teils  theoretisch  in  dem  Umfange  er¬ 
folgen,  dass  sie  eine  anatomische  und  physiologische  Unterlage  zum 
Verständnis  der  Bewegungen  und  des  Bewegungsrezeptes  nebst  einer 
gewissen  Kenntnis  der  Krankheitslehre  erhalten,  auf  dass  der  Heil¬ 
gymnasiast  die  vom  Arzte  gegebenen  Verordnungen  verstehen  kann. 

Das  Komitee  ist  der  Meinung,  dass  der  Unterricht  sich  über  zwei 
Jahre  erstrecken  soll. 

Der  Qrund  dafür,  dass  das  Komitee  nicht  weniger  als  zwei 
Jahre  vorschlagen  kann,  liegt  darin,  dass  dasselbe  der  Ansicht  ist. 
dass  in  die  Ausbildung  eine  längere  Dienstzeit  an  einer  im  Anschluss 
an  ein  Krankenhaus  für  diesen  Zweck  eingerichteten  Poliklinik  ein¬ 
begriffen  sein  muss. 

Bedingungen  für  den  Eintritt.  —  Als  Bedingungen 
für  die  Aufnahme  in  die  Heilgymnastenschule  hat  das  Komitee  vor¬ 
geschlagen:  schwedisches  Bürgerrecht,  gesunden  Körper  und  Alter 
unter  30  Jahren.  Als  weitere  Bedingungen  werden  gefordert 
Abiturientenexamen,  jedoch  mit  der  Einschränkung,  dass  für  Frauen 
das  Abgangsexamen  einer  höheren  Mädchenschule  genügt.  Diese 
Bedingungen  stimmen  überein  mit  den  Forderungen,  die  zurzeit  vom 
Zentralinstitut  bezüglich  des  Eintrittes  gestellt  werden. 

Lebendes  Unterrichtsmaterial  und  Unter¬ 
richt  s  r  ä  u  m  e.  —  Gemäss  jetzt  geltender  Statuten  für  das  Zentral- 
uistitut  soll  dort  eine  von  der  Direktion  zu  bestimmende  Anzahl  poli¬ 
klinischer  Patienten  von  beiden  Geschlechtern  kostenlos  behandelt 
werden,  aber  auch  ein  Teil  gegen  Vergütung,  deren  Höhe  von  der 
Dnektion  festgesetzt  wird.  Auch  schwache  Schulkinder  sollen  dort 
behandelt  werden.  Damit  aber  auch  Unterricht  in  heilgymnastischer 
Behandlung  wirklicher  Kranker  erteilt  werden  kann,  soll  nach  Ansicht 
des  Komitees  eine  heilgymnastische  Poliklinik  im  Zusammenhang  mit 
einem  Krankenhause  eingerichtet  werden,  in  welcher  unter  Leitung 
eines  Piofessors  der  heilgymnastischen  Schule  mit  Unterstützung 
eines  Assistenten  die  Schüler  heilgymnastische  Behandlung  zu  geben 
lernen. 

Lehrpersonal.  —  Das  Komitee  schlägt  vor,  dass  der  Unter¬ 
richt  an  der  betreffenden  Schule  erteilt  werde  teils  von  einem  an  der 
^.chule  Angestellten  Lehrer,  nämlich  einem  Professor  in  Heilgymnastik 
mit  \  erpflichtung  zum  Unterricht  in  Krankheitslehre,  einem  männ¬ 
lichen  und  weiblichen  Assistenten  in  Heilgymnastik  und  einem 
Assistenten  an  der  heilgymnastischen  Poliklinik,  teils  von  bestimmten 
Lehrern  der  gymnastischen  Hochschule,  nämlich  dem  Professor  in 
Anatomie  und  Histologie,  einem  Assistenten  in  Anatomie,  dem  Pro¬ 
fessor  für  Physiologie,  welcher  auch  Unterricht  in  allgemeiner  Be¬ 
wegungslehre  geben  soll  und  den  Lehrern,  welche  für  Turnen  er¬ 
forderlich  sind. 


Ausser  dem  vorstehenden  eingehenden  Bericht  des  schwedische 
Komitees  gestatte  ich  mir  die  Anschauungen  zweier  schwedische 
Orthopäden,  die  auf  diesem  Gebiete  Erfahrungen  besitzen,  bekam 
zu  geben: 

Dr.  H  a  g  1  u  n  d  -  Stockholm  fordert : 

1.  Vollständige  liennung  der  Ausbildung  von  tüchtigen,  mechanc 
therapeutischen  Assistenten,  welche  unter  Leitung  von  Aerzten  di 
Mechanotherapie  ausüben,  und  der  Ausbildung  von  Lehrern  un 


Lehrerinnen  in  physischer  Erziehung,  welche  die  verbesserte 
physische  Erziehung  in  den  Schulen,  deren  der  Staat  gegenwärtig  so 
sehr  bedarf,  handhaben. 

2.  Fortfall  aller  quasi-medizinischen  Bildung  aus  der  Ausbildung 
unserer  mechanothcrapeutischen  Assistenten. 

Dr.  H  o  1  nt  d  a  h  1  -  Malmö  ist  selbst  Vorstandsmitglied  und  Haupt¬ 
lehrer  an  dem  südschwedischen  Institut  zur  Ausbildung  von  Heil¬ 
gymnastinnen  in  Lund,  welches  im  Januar  1909  durch  die  Königlich 
medizinische  Direktion  genehmigt  wurde.  Der  Lehrplan  dieser  An¬ 
stalt  stimmt  völlig  überein  mit  dem  des  gymnastischen  Zentral¬ 
institutes  in  Stockholm. 

Die  deutsche  Heilgymnastin.  —  Als  ich  Anfang  der  90  er  Jahre 

wahrend  meiner  Assistentenzeit  begann,  mich  mit  orthopädischen 
und  mechanotherapeutischen  Studien  zu  beschäftigen,  entging  es 
mir  nicht,  dass  Schweden  auf  dem  Gebiete  der  orthopädischen  und 
allgemeinen  Heilgymnastik  Deutschland  gegenüber  weit  voraus  war. 
In  den  meisten  deutschen,  chirurgischen,  medizinischen  und  ortho¬ 
pädischen  Kliniken  war  damals  von  einer  aktiven  Uebungstherapie 
noch  nicht  die  Rede,  wenn  man  darunter  nicht  das  Ausführen  von 
rreiubungen  und  passiven  Redressionen  versteht:  während  in 
Schweden  bereits  seit  einem  Jahrhundert  die  Heilgymnastik  in  voller 
Blute  stand.  Wo  aber  in  grösseren  Städten  und  Badeorten  Mechano¬ 
therapie  getrieben  wurde,  geschah  es  mit  Hilfe  der  medikomecha- 
mschen  Apparate  Dr.  Zanders  oder  mit  Hilfe  von  in  Schweden 
ausgebildeten  Heilgymnasten. 

Ich  beschloss  deswegen  nach  Stockholm  zu  gehen,  um  hier  dieses 
System  zu  studieren  und  fand  dort  Kollegen  aus  aller  Herren  Länder, 
die  zu  gleichem  Zweck  dorthin  gekommen  waren;  sowohl  die' 
maschinelle  Gymnastik  Zanders,  wie  die  manuelle  schwedische- 
Heilgymnastik  habe  ich  dort  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  gehabt 
Ich  gewann  die  Ueberzeugung,  dass  die  schwedische  Heilgymnastik 
em  hoch  bedeutsamer  Heilfaktor  sowohl  auf  dem  Gebiete  der  inneren 
Medizin,  wie  der  Orthopädie  und  Chirurgie  ist,  und  beschloss  in  Kiel 
ein  heilgymnastisches,  orthopädisches  Institut  zu  gründen.  Im  Laufe 
der  Jahre  reifte  dann  in  mir  der  Entschluss  in  Deutschland  selbst 
Heilgymnastinnen  auszubilden. 


Bestimmend  für  mich  waren  besonders  folgende  Gesichtspunkte- 
Erstens  hielt  ich  die  Sache  selbst  für  gut,  ferner  stellte  ich  fest,  dass 
Jahr  für  Jahr  ein  grosser  Prozentsatz  der  am  Zentralinstitut  in 
Schweden  ausgebildeten  Heilgymnastinnen  und  Heilgymnasten  aus- 
^andeiden,  und  besonders  in  Deutschland  ein  lohnendes  Feld  für  ihre 
l  atigkeit  landen,  schliesslich  musste  ich  die  Erfahrung  machen,  dass 
deutsche.  Hinge  Damen  und  Herren,  welche  in  Schweden  sich  aus- 
bilden  wollten,  vom  Zentralinstitut  zurückgewiesen  wurden. 

Grund  dieser  Tatsachen  sagte  ich  mir,  muss  einerseits  in 
Deutschland  ein  Bedürfnis  nach  Heilgymnastinnen  bestehen  und 
zweitens,  wenn  dasselbe  wirklich  vorhanden  ist,  so  ist  es  fraglos 
richtiger,  dieses  Arbeitsfeld  deutschen,  jungen  Mädchen  zugänglich 
zu  machen,  als  es  Ausländern  zu  überlassen.  Im  Jahre  1900  legte 
ich  deswegen  in  einer  Eingabe  dem  Herrn  Kultusminister  meinen  Plan 
vor  und  stellte  das  Ersuchen,  mein  Unternehmen  durch  Einsetzung 
einer  staatlichen  Prüfungskommission  zu  unterstützen.  Das  Kultus¬ 
ministerium  wandte  sich  an  die  medizinische  Fakultät  Kiels,  sowohl 
uni  r.bcr  meine  Qualifikation,  als  auch  über  den  Wert  der  Sache  selbst 
Aiiskumt  zu  erhalten.  Die  Fakultät  wandte  sich  zwecks  näherer 
Oi  lentierung  an  Vertreter  der  medizinischen  Fakultät  in  Stockholm 
um  Auskunft.  Die  Antwort  der  letzteren  lautete  in  jeder  Beziehung 
günstig. 

Dementsprechend  befürwortete  die  Kieler  Fakultät  mein  Gesuch, 
und  erfüllte  das  Kultusministerium  mein  Ersuchen  um  Einsetzung 
einer  Prüfungskommission.  Der  Vertreter  des  Medizinalwesens  bei 
der  Königlichen  Regierung  in  Schleswig  und  der  ordentliche  Pro¬ 
fessor  für  Chirurgie  in  Kiel  wurden  als  staatliche  Prüfungskommissäre 
für  die  an  meiner  Anstalt  abzuhaltenden  Prüfungen  von  Heil¬ 
gymnastinnen  bestellt. 


.  ~  .  1  mein  r  jctn  verwirKiicnt  worden  war, 

Hess  ich  es  mir  angelegen  sein,  auch  mit  weiteren  Kollegenkreisen 
diese  Angelegenheit  zu  besprechen.  Besonders  war  es  Hoffa,  mit 
dem  ich  Fühlung  nahm. 


v/niie  grosses  Auineben  von  der  Sache  zu  machen,  habe  ich 
seit  nunmehr  ±0  Jahren  junge  Damen  zu  Heilgymnastinnen  aus- 
gcbildet.  Ich  habe  mich  zunächst  mit  einer  kleineren  Schülerinnen¬ 
zahl  begnügt,  um  erst  selbst  einmal  einen  Ueberblick  zu  gewinnen, 
Wie  sich  diese  Heilgymnastinnen  in  unsere  deutschen  Verhältnisse 
eintugten;  denn  dass  dieselben  mit  den  ärztlichen  Interessen  vielleicht 
kollidieren  konnten,  war  immerhin  möglich.  Ich  suchte  einer  solchen 
Ge  ahr  yorzubeugen,  einerseits  dadurch,  dass  ich  im  Unterricht  jede 
Gelegenheit  benutzte,  ihnen  die  Grenzen  ihres  Arbeitsgebietes  klar 
zu  machen,  andererseits  aber  auch  dadurch,  dass  in  das  Prüfungs¬ 
zeugnis  der  Passus  aufgenommen  wurde,  dass  es  ihnen  nur  gestattet 
sei  nach  ärztlicher  Vorschrift  Heilgymnastik  und  Massage  aus- 
zuuben,  und  dass  jede  selbständige  Behandlung  von  Kranken  den 
sorortigen  Verlust  des  Titels  Heilgymnastin  nach  sich  zöge  8  Jahre 
verflossen,  ohne  dass  irgend  eine  Klage  seitens  der  Kollegen  an  mich 
gelangte.  Dann  gründeten  sehr  gegen  meinen  Willen  zwei  junge 
anHprp  ‘n  Vfu^  T  gymnastisches  Institut  und  etwas  später  zwei 
IrzS  für  Orthopädie.erregten  ^  Anstoss  bei  dorl*“  Spezial- 
Selbständig  in  dem  Sinne,  dass  sie  sich  befugt  hielten  Kranke 

ahprH'^ene  hH  -,wie  die  Kurpfuscher  zu  behandeln,  'arbeiten 

allerdings  auch  die  Heilgymnastinnen  in  Leipzig  und  Halle  nicht  Sie 


17.  Juni  1913. 


1329 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


geben  nur  Heilgymnastik  und  Massage  Patienten,  die  ihnen  von 
Aerzten  überwiesen  werden.  Aber  auch  mit  dieser  Einschränkung  ist 
die  Gründung  gymnastisch-orthopädischer  Insti- 
tute  durch  Heilgymnastinnen  in  grossen  Städten,  die 
ärztlich  geleitete  orthopädische  Anstalten  besitzen,  zu  verwerfen. 
Denn  der  praktische  Arzt  hat  auf  deutschen  Hochschulen  gegenwärtig 
noch  wenig  Gelegenheit  sich  in  Orthopädie  und  Heilgymnastik  aus¬ 
zubilden,  oder  aber.  wo  sie  vorhanden  ist,  wird  sie  wegen  Ueber- 
häutung  mit  anderem  Arbeitsstoff  nicht  benutzt.  Deswegen  besitzt 
er  in  orthopädischen  Krankheitsfällen  nicht  die  durchaus  nötige  Sach¬ 
kenntnis,  um  Heilgymnastinnen  für  den  einzelnen  Fall  die  nötigen, 
speziellen  Uebungsanweisungen  geben  zu  können,  oder  die  Frage 
zu  entscheiden,  ob  überhaupt  Heilgymnastik  am  Platze  ist  und  nicht 
vielmehr  ein  operativer  Eingriff,  ein  Stützapparat  oder  Aehnliches. 

Dass  Heilgymnastinnen  sich  aber  privatim  niederlassen  und  den 
Aerzten  für  Behandlung  ihrer  internen  Kranken  mit  Heilgymnastik 
und  Massage  zur  Verfügung  stehen,  halte  ich  für  durchaus  richtig. 
Es  wird  auf  diese  Weise  endlich  einmal  ein  brauchbarer,  tüchtiger 
Ersatz  geschaffen  für  die  in  vielen  Fällen  höchst  mangelhaft  aus¬ 
gebildeten  sog.  Masseure  und  Masseusen. 

Auf  dem  grossen  Gebiete  der  chronischen  Erkrankungen  der 
Athmungsorgane,  des  Herzens,  Magens  und  Darmes,  der  Nerven  so¬ 
wie  Stoffwechselkrankheiten  leistet  die  Heilgymnastin  schon  jetzt 
dem  Arzt  gute  Dienste  und  ward  es  sicher  in  der  Folge  noch  mehr 
tun,  wenn  die  Wertschätzung  der  physikalischen  Heilmethoden  all¬ 
gemeiner  geworden  sein  wird. 

Ich  habe  von  Leipzig  auch  keine  Klagen  mehr  gehört  und  zu 
meiner  Freude  mich  überzeugen  können,  dass  eine  Anzahl  an¬ 
gesehener  Leipziger  Aerzte  mit  grosser  Anerkennung  von  der  Tätig¬ 
keit  dieser  Damen  spricht.  Von  der  Gesamtzahl  meiner  Schüle¬ 
rinnen  haben  sich  6  privatim  niedergelassen,  arbeiten  aber  aus¬ 
schliesslich  nach  Anweisung  von  Aerzten,  8  sind  angestellt 
an  orthopädischen  Anstalten,  die  Mehrzahl  wird  in  Sanatorien, 
inneren  und  Nervenkliniken  und  besonders  in  Badeorten  von  Aerzten 
beschäftigt.  Besonders  in  letzteren  ist  die  Nachfrage  so  gross,  dass 
nicht  alle  Posten  haben  besetzt  werden  können.  Auch  ersuchen  mich 
vielfach  Orthopäden  um  Ueberlassung  von  Heilgymnastinnen  für  ein¬ 
zelne  ihrer  Patienten,  die  sie  zur  Nachbehandlung  nach  Hause  ent¬ 
lassen  wollen. 

Mein  Standpunkt  in  dieser  Frage  ist  demnach  folgender:  Die 
hundertjährigen  Erfahrungen  Schwedens,  die  Einführung  der  Heilgym- 
riastinnenausbildung  in  Dänemark,  die  grosse  Anzahl  der  in  Deutsch¬ 
land  und  allen  anderen  Ländern  des  Kontinents  tätigen  Heilgym¬ 
nastinnen,  die  stetig  wachsende  Nachfrage  nach  Heilgymnastinnen 
seitens  der  Professoren  und  Aerzte  auf  dem  Gebiete  der  Orthopädie, 
Chirurgie  und  inneren  Medizin  und  meine  eigenen  Erfahrungen  be¬ 
weisen,  dass  der  Beruf  der  Heilgymnastin  seine  Existenzberechtigung 
hat.  Selbst  Gymnastik  und  Massage  in  erheblichem  Umfange  beson¬ 
ders  bei  den  weniger  wohlhabenden  Kreisen  auszuüben,  ist  für  alle 
beschäftigten  Aerzte  weder  aus  physischen,  noch  sozialen  Gründen 
möglich:  zudem  ist  die  Ausbildungsmöglichkeit  in  Heilgymnastik  für 
Aerzte  in  Deutschland  zurzeit  noch  eine  sehr  geringe. 

Die  individuelle  heilgymnastische  Einzelbehandlung  der  zahl¬ 
losen  poliklinischen  Skoliosen  durch  Aerzte  allein  ist  undurchführbar; 
den  jetzt  in  Aufnahme  gekommenen  Behandlungsmodus  mit  einfachen, 
turnerischen  Uebungen  unter  Leitung  eines  Turnlehrers  und  ärztlicher 
Oberaufsicht  halte  ich  bezüglich  der  Skoliose  für  fast  wertlos;  nur 
mit  Hilfe  sachgemäss  ausgebildeter  Hilfskräfte  lässt  sich  hier  wirklich 
Gutes  erreichen.  (Vergl.  meine  Abhandlung  über  Skoliosenbehand¬ 
lung  in  der  Schule,  Zeitschr.  f.  orthop.  Chir.,  Bd.  26.) 

Die  Gefahr,  dass  in  einzelnen  Fällen  eine  Heilgymnastin  einem 
Arzte  Konkurrenz  machen  könnte,  ist  nicht  ohne  weiteres  von  der 
Hand  zu  weisen,  die  vieljährigen  Erfahrungen  mit  schwedischen  und 
deutschen  Heilgymnastinnen  haben  bislang  aber  bewiesen,  dass  diese 
Gefahr  in  Wirklichkeit  keine  grosse  ist. 

Die  männlichen  und  weiblichen  orthopädischen  Kurpfuscher  re¬ 
krutieren  sich  aus  anderen  Kreisen  als  aus  dem  der  staatlich  ge¬ 
prüften  Heilgymnastinnen.  Bezüglich  der  Ausbildung  kann  ich  auf 
meine  in  dieser  Angelegenheit  veröffentlichte  Abhandlung  in  der 
Zeitschr.  f.  orthop.  Chir.,  Bd.  28,  S.  59  verweisen,  da  meine  dort 
gemachten  Ausführungen  ganz  und  gar  übereinstimmen  mit  dem  vor¬ 
her  erwähnten  schwedischen  Bericht. 

Der  einzige  Punkt,  in  dem  ich  anderer  Auffassung  bin,  ist  die 
Forderung  des  Abiturientenexamens  für  männliche  Heilgymnasten. 
Das  geht  mir  zu  weit,  bedarf  hier  aber  keiner  weiteren  Erörterung, 
weil  es  sich  für  Deutschland  nur  um  die  Ausbildung  weiblicher  Per¬ 
sonen  handelt. 

Die  deutsche  Heilgymnastin  —  ich  verstehe  darunter  nur  die¬ 
jenigen  Damen,  welche  eine  zweijährige  Ausbildung  und  staatliches 
Zeugnis  haben  —  hat  ebenso  wie  ihre  schwedische  Schwester  eine 
sorgfältige,  gediegene  Ausbildung,  die  sie  voll  befähigt,  unter  ärzt¬ 
licher  Leitung  eine  segensreiche  Tätigkeit  zum  Heile  unserer  Kran¬ 
ken  zu  entfalten  und  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  dem,  was  man 
in  Deutschland  allgemein  unter  Masseuse  versteht.  Das  beweisen  am 
besten  die  zahlreichen  Anerkennungen,  welche  von  berufenster,  ärzt¬ 
licher  Seite  über  meine  Schülerinnen  vorliegen. 

Mit  dem  Beschluss  der  Gesellschaft  für  orthopädische  Chirur¬ 
gie  vom  9.  April  1912  stimme  ich  also  bezüglich  der  selbständigen 
Tätigkeit  der  Heilgymnastinnen  überein.  Anders  denke  ich  über  die 
Ausübung  der  orthopädischen  Gymnastik  an  ärztlichen  Instituten. 

No.  24. 


Dafür  brauchen  wir,  wie  die  Nachfrage  der  Spezialärzte  für 
orthopädische  Chirurgie  am  besten  selbst  lehrt,  gut  ausgebildete 
Hilfskräfte.  Der  ärztliche  Assistent  ist  meines  Erachtens  nicht  dazu 
da,  tagein  tagaus  seine  Hauptarbeitskraft  für  Massage  und  Heilgym¬ 
nastik  zu  verbrauchen,  dessen  Interessen  liegen  in  der  Hauptsache 
auf  dem  Gebiet  der  Diagnostik,  orthopädisch-chirurgischen  Behand¬ 
lung,  Verbandtechnik,  Röntgenologie  und  Begutachtung,  und  das  mit 
Recht. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Die  Musterverträge  der  Krankenkassenkommission  des 
Deutschen  Aerztevereinsbundes  und  die  ärztlichen  Tarif¬ 
verträge. 

Von  Dr.  med.  Franz  Koebner. 

Auf  die  mannigfachen  Herausforderungen,  die  die  Verhandlungen 
um  die  Reichsversicherungsordnung  und  ihre  endgültige  Gestaltung 
für  die  deutsche  Aerzteschaft  bedeuteten,  hat  diese  eine  sachliche 
und  selbstbewusste  Antwort  gegeben.  Bald  nach  dem  Erscheinen  der 
amtlichen  „Mustersatzungen“  für  die  Krankenkassen  veröffentlicht  der 
„Leipziger  Verband“  als  Heft  30  „Musterverträge  für  die  verschie¬ 
denen  kassenärztlichen  Systeme“  *).  Neben  den  Vertragsentwürfen 
enthält  das  Heft  eingehende  Erläuterungen. 

Es  darf  vorausgeschickt  werden,  dass  die  Krankenkassen¬ 
kommission  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes  die  ihr  gestellte  Auf¬ 
gabe,  die  Forderungen  und  Wünsche  des  Aerztestandes  mit  den 
ihnen  entgegenstehenden  Bestimmungen  des  Gesetzes  in  Einklang  zu 
bringen,  in  geschickter  und  scharfsinniger  Weise  sehr  befriedigend 
gelöst  hat.  Die  vorgeschlagenen  Vertragsparagraphen  werden  in  den 
„Erläuterungen“  erschöpfend  begründet,  und  die  juristisch  recht  ver¬ 
wickelten  Verhältnisse  sind  übersichtlich  und  klar  zusammengestellt. 
Hinsichtlich  der  Einzelheiten  der  Verträge  darf  daher  auf  das  Original 
verwiesen  werden.  Zweck  dieses  Aufsatzes  ist  es,  einige  prinzipielle 
Fragen  hervorzuheben. 

In  Hinsicht  auf  die  kollektive  Regelung  der  Arbeitsbedingungen 
beobachten  wir  verwandte  Entwicklungstendenzen  unter  den  ver¬ 
schiedensten  sozialen  Verhältnissen.  Ist  zunächst  die  Vereinigung 
der  Berufsgenossen  (Koalition)  als  einziger  Weg  zur  Verwirklichung 
der  wirtschaftlichen  Freiheit  erkannt,  so  wird  weiterhin  die  primitive 
—  kriegerische  —  Form  des  Ausgleiches,  sozialer  und  wirtschaftlicher 
Gegensätze:  Streik  und  Aussperrung,  durch  die  höhere  friedliche  des 
Vertrages  zwischen  den  einander  gegenüberstehenden  Gruppen  ab¬ 
gelöst.  Vereinbarungen  dieser  Art  nennt  die  Volkswirtschaftslehre 
„T  arifverträg  e“.  Zimmermann  gibt  im  Handwörterbuch 
der  Staatswissenschaften  folgende  Begriffsbestimmung  des  Tarifver¬ 
tragswesens:  „Der  Tarifvertrag  im  weitesten  Sinne  ist  eine  genossen¬ 
schaftliche  (kollektive)  Vereinbarung  zwischen  2  Parteien  mit  Massen¬ 
anhang  oder  Masseneinfluss,  deren  widerstreitende  Interessen  inner¬ 
halb  desselben  Wirschaftsgebietes  durch  Aufrichtung  bestimmter 
Schranken  für  eine  gewisse  Zeitdauer  in  einen  friedlichen  Gleich¬ 
gewichtszustand  gebracht  werden  sollen.  Der  Tarifvertrag  soll  also 
den  wirtschaftlichen  Konkurrenzkampf  aller  gegen  alle  innerhalb  der 
sich  gegenüberstehenden  Gruppen  für  die  Vertragszeit  durch  eine 
Allgemeinordnung,  die  einen  Waffenstillstand  in  sich  schliesst,  ab- 
lösen'h  Das  prinzipiell  Bedeutungsvolle  ist  also  nicht  eigentlich  der 
„Tarif“,  d.  h.  die  Festlegung  der  Art  der  Leistung  und  ihrer  finan¬ 
ziellen  Gegenleistung,  sondern  der  Abschluss  des  Vertrages  zwischen 
grossen,  einander  gewachsenen  Organisationen  und  die  Vereinbarung 
über  die  Umstände,  die  die  soziale  und  wirtschaftliche  Stellung  des 
einzelnen  im  Geltungsbereiche  des  Tarifvertrags  bedingen  (Arbeits¬ 
normenvertrag  [S  i  n  z  h  e  i  m  e  r]).  Diese  theoretischen  Begriffe  fin¬ 
den  in  den  „Musterverträgen“  ihre  praktische  Verwirklichung.  In 
der  Geschichte  der  ärztlichen  Organisation  lässt  sich  seit  den  Zeiten 
des  „Aerztlichen  Manifests“  des  Dr.  Warmiensis  und  der  ersten 
Aerztestreiks  bis  zu  dem  grosszügigen  Versuch,  der  für  das  Deutsche 
Reich  einheitlichen  Krankenversicherung  friedliche  Vertragsverhält¬ 
nisse  zwischen  Krankenkassen  und  Aerzten  auf  einer  einheitlichen 
Basis  an  die  Seite  zu  stellen,  jene  Entwicklung  verfolgen,  die  in 
grösserem  Massstabe  die  gewerkschaftlichen  Organisationen  aller 
Kulturvölker  beobachten  lassen. 

Denn  die  Anwendbarkeit  des  Tarifvertrages  beschränkt 
sich  keineswegs  auf  die  gewerblichen  Verhältnisse.  Zimmermann 
hebt  das  in  dem  oben  zitierten  Artikel  ausdrücklich  hervor  und  führt 
als  Beispiel  neben  Tarifverträgen  anderer  geistiger  Berufe  die  Ab¬ 
kommen  zwischen  Krankenkassen  und  Aerzten  an.  In  der  Tat  hat 
die  wirtschaftliche  Organisation  der  Aerzte  in  den  letzten  Jahren  sehr 
erfolgreiche  Tarifvertragspolitik  getrieben,  und  der  Wiederholung 
mancher  für  beide  Parteien  und  die  Allgemeinheit  betrüblicher  Kämpfe 
ist  dadurch  für  die  Zukunft  vorgebeugt.  Als  Beispiele  mögen  nur  das 
Abkommen  mit  den  Lebensversicherungsgesellschaften  und  der  Tarif¬ 
vertrag  mit  der  Krankenkasse  der  deutschen  Reichspost-  und  Tele¬ 
graphenverwaltung  genannt  werden.  Auch  manche  Vereinbarungen 
zwischen  Krankenkassen  und  Vereinen  für  freie  Arztwahl  sind  wirt- 
schaftspolitisch  reine  Tarifverträge.  Die  ethische  und  soziale  Bedeu¬ 
tung  der  freien  Arztwahl  wird  bei  dieser  Feststellung  durchaus  nicht 


*)  Buchhandlung  des  Verbandes  der  Aerzte  Deutschlands. 
Leipzig  1913.  55  Seiten.  Preis  80  Pf. 


4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCEIRIFT. 


1330 


No.  34. 


übersehen.  Alle  diese  Vertrüge  sind  zwischen  Organisationen  ge¬ 
schlossen.  Auch  hier  hat  sich  eine  Spezialisierung  durchgesetzt. 
Der  einzelne  ist  von  der  Erkämpf ung  der  für  ihn  notwendigen  Ver¬ 
tragsbedingungen  entlastet.  Der  Verein  und  sein  Aerztesekretär  ver¬ 
treten  seine  Interessen  besser.  Ist  der  Vertrag  geschlossen,  so  steht 
es  jedem  irei,  unter  gewissen  Voraussetzungen  in  ihn  einzutret&n. 
Dieses  System  hat  sich  an  vielen  Orten  für  Kassen  und  Aerzte  bestens 
bewährt.  Die  Aerzte  verdanken  ihm  dort  nicht  nur  eine  erhebliche 
Besserung  ihrer  wirtschaftlichen  Lage;  auf  dieser  Grundlage  Hessen 
sich  auch  die  Wünsche  der  Aerzte  nach  Erhaltung  der  Freiheit  ihres 
Standes  mit  den  sozialen  Interessen  des  Staates  und  der  Allgemein¬ 
heit  vereinigen.  Es  ist  nur  folgerichtig,  dass  der  Aerztetag,  der 
Aerztevereinsbund  und  der  Leipziger  Verband  auf  diesem  Wege  die 
beste  Lösung  der  durch  die  RVO.  gegebenen  Lebensfragen  des  ärzt¬ 
lichen  Standes  erblickten.  Der  erste  Abschnitt  der  „Begründungen“ 
gibt  die  allmähliche  Reifung  dieses  Gedankens  wieder:  Verträge  zwi¬ 
schen  ärztlichen  Organisationen  und  Krankenkassen  sollen  in  Zukunft 
eine  Regel  ohne  Ausnahme  sein,  und  die  Mustersatzungen  sollen  für 
das  ganze  Reich  als  einheitliche  Grundlage  dieser  Abmachungen 
dienen. 

V  o  raussetzung  jedes  Tarifvertrages  sind  starke  festgefügte 
Di  gamsationen  auf  beiden  Parteien.  In  den  gewerblichen,  wie  in 
anderen  Tarifverträgen  ist  dies  als  Grundsatz  mit  der  Zeit  anerkannt 
worden.  Hier  liegt  die  einzige  Gewähr  für  die  Innehaltung  der  Ab- 
mach ungen.  Die  Versicherten  sind  durch  das  Gesetz  gezwungen,  sich 
zu  grossen  Verbänden  zusammenzuschliessen  und  sich  ihren 
Satzungen  zu  unterwerfen.  Mit  Recht  setzt  die  Krankenkassen¬ 
kommission  die  gleichmässige  Organisation  kassenärztlicher  Vereine, 
J!1  lm  Pebie.te  eines  Versicherungsamts  als  erstes  Mittel  der 

Selbsthilfe  an  die  Spitze  der  Begründung  der  Musterverträge  Sie 
berichtet,  dass  die  Organisation  der  kassenärztlichen  Vereine,  mög- 
Iichst  gleichmässig  durch  das  ganze  Reich,  fast  vollendet  ist.  Die 
1  eilnahtne  an  der  Kassenpraxis  setzt  die  Mitgliedschaft  im  Verein 
voraus.  Die  ärztlichen  Vereine  selbst  übernehmen  nach  den  Ver- 
tragen  (i?  10)  die  Ueberwachung  der  kassenärztlichen  Tätigkeit  durch 
ärztliche  Kontrollinstanzen.  *So  sind  beide  Vertragsparteien  in  der 
Lage,  für  die  Innehaltung  der  Abmachungen  durch  ihre  Mitglieder  zu 
bürgen.  Wie  jeder  I  arifvertrag,  so  enthalten  auch  die  Musterver¬ 
träge  eingehende  Bestimmungen  für  Einigungskommissionen  und 
Schiedsgerichte  zur  Beilegung  von  Streitigkeiten,  die  aus  dem  Ver- 
ti  agsverhältnis  entstehen  könnten  (§  13).  Betonen  zwar  die  „Begrün¬ 
dungen“  die  Bedeutung  der  Geschlossenheit  der  Organisation  als  Mit- 
tel  der  Selbsthilfe,  so  darf  hinzugefügt  werden,  dass  diese  Festigkeit 
auch  als  beste  Gewähr  für  spätere,  dauernd  friedliche  Verhältnisse  zu 
begriissen  ist. 


Die  N  o  t  w  e  n  d  i  g  k  e  i  t  von  Tarifverträgen  ist  also  überall  da 
gegeben,  wo  zahlreiche,  relativ  kleine  Einzelwirtschafter  einem 
grossen  \\  irtschaftskomplex  im  Arbeitsvertrage  gegenüberstehen; 
und  es  ist  dabei  gleichgültig,  ob  dieser  an  Umfang  überragende  Ver¬ 
tragspartner  der  Iechnik  und  Wirtschaftsordnung  (Industrie,  Handel, 
Kapitalismus)  oder  der  Gesetzgebung  (Krankenkassen)  sein  Entstehen 
und  seine  günstige  Stellung  verdankt.  Schon  den  durch  das  erste 
Krankenversicherungsgesetz  geschaffenen  Kassen  gegenüber  waren 
die  einzelnen  Aerzte  so  gut  wie  machtlos.  An  die  Missstände,  die  sich 
hieraus  ergeben  haben,  sei  nur  kurz  erinnert  (Verletzung  der  Standes- 
ehre  bei  Bewerbungen,  Honorarfestsetzung  etc.).  Durch  die  neue 
*> VP:  wird  der  Kreis  der  Versicherten  entgegen  allem  Warnungen  der 
ärztlichen  Standesvertretungen  bedeutend  erweitert;  die  freie  Praxis 
wird  noch  mehr  eingeschränkt.  Auf  der  anderen  Seite  besteht  im 
uesetz  die  I  endenz,  die  kleinen  Kassen  einzuschränken  und  möglichst 
alle  Versicherten  zum  Zusammenschluss  in  grossen  Organisationen  zu 
zwingen.  Hierdurch  und  durch  eine  Fülle  weiterer  Bestimmungen 
wird  die  Uebermacht  der  grossen  Kassen  noch  verstärkt.  Lückenlos 
in  Stadt  und  Land  soll  die  Organisation  der  Versicherten  werden 
Lbenso  einheitlich  müssen  also  überall  die  ärztlichen  Vereine  aus- 
gebudet  sein  Die  „Begründungen“  bestätigen  dies:  „Zum  ersten 
Male  werden  durch  das  ganze  Reich,  von  wenigen  Lücken  abgesehen, 
u  ierall  den  gesetzlichen  Zwangskoalitionen  der  Krankenkassen,  resp. 
Krankenkassenverbände  die  geschlossenen  ärztlichen  Lokalorgani- 
sationen  und  nicht  mehr  die  einzelnen  Aerzte  als  Vertragsschliessende 
gegenuberstehen.“  Nicht  überall  aber  kann  mit  einem  Schlage  die 
reie  Arztwahl  durchgeführt  werden.  Die  Existenzbedingungen  man¬ 
cher  Aerzte  und  die  besonderen  Verhältnisse  einzelner  Kassen  stehen 
dem  entgegen.  Es  ergab  sich  daher  die  Notwendigkeit,  den  Abschluss 
des  Vertrages  durch  die  Organisation  auch  dort  zu  ermöglichen  wo 
mir  ein  oder  mehrere  Aerzte  in  ihn  eintreten  können.  Die  Muster¬ 
verträge  tragen  dem  Rechnung,  indem  sie  Entwürfe  von  Kollektiv- 
Verträgen  für  freie  Arztwahl  (Entwurf  I)  und  von  Kollektivverträgen 
in  die  nur  ein  oder  mehrere  Aerzte  eintreten  können  (Entwurf  II) 
enthal  en.  Aber  auch  im  letzteren  Falle  bleibt  allein  der  Verein  ver- 
tragschhessende  Partei. 

f  ,  Difiu0rm  ^jr -Tarifverträge  ist  meben  den  im  Vorhergehenden 
estgestellten  grundsätzlichen  Bedingungen  von  geringerer  Bedeutung 
Das  bestehende  Recht  widmet  ihnen  keine  spezielle  Betrachtung. 
Selbst  die  Haftung  der  Vertragspartner  für  die  Innehaltung  des  Ver¬ 
lages  durch  ihre  Mitglieder  ist  juristisch  nicht  unwidersprochen.  Die 
gegenseitige  Sicherheit  beruht,  wie  erwähnt,  stets  in  der  Stärke  bei¬ 
der  Organisationen.  Es  kann  festgesetzt  werden,  dass  durch  den 
Anschuss  an  den  vertragschliessenden  Verein  und  durch  die  Ve¬ 
rlichtung  auf  seine  Satzungen  der  Eintritt  in  den  Vertrag  ohne  wei- 
leres  vo.lzogen  ist;  es  kann  aber  auch  zwischen  jedem  Vereins- 
mitghed  und  dem  Arbeitgeber  (der  Kasse)  ein  spezieller  „Dienst¬ 


vertrag  auf  der  Grundlage  des  Tarifvertrages  geschlossen  werden 
der  lediglich  den  Sinn  hat,  das  Vertragsverhältnis  der  einen  Partei  zu 
jedem  Mitgliede  der  anderen  ausdrücklich  zu  bestätigen.  Der  „Dienst¬ 
vertrag"  kann  natürlich  nur  die  Bestimmungen  wiederholen,  die  im 
allgemeinen  Vertrag  ausgesprochen  sind.  Letzterer  wird  zum  „Man¬ 
telvertrag“,  in  dessen  „Rahmen“  die  „Dienstverträge“  abgeschlossen 
werden.  Für  die  Festsetzung  der  Vertragsbedingungen  durch  Ver¬ 
einbarung  zwischen  den  Organisationen  bleibt  also  dieser  formelle 
Unterschied  belanglos.  Die  „Musterverträge“  entsprechen  formellen 
W  ünschen  dieser  Art  durch  Entwürfe  zu  Dienstverträgen  (Entwürfe 
111  und  IV).  In  Verbindung  mit  der  obenerwähnten  Teilung  ergeben 
sich  also  4  Vertragsschemata. 

Der  Inhalt  der  Tarifverträge  betrifft,  wie  bereits  eingangs  ge¬ 
legentlich  der  Definition  betont  wurde,  Festsetzungen  ideeller  und 
materieller  Art.  Und  gerade  die  „Musterverträge“  zeigen,  dass  neben 
dem  „Ianf  eine  Fülle  ideeller  Gesichtspunkte  auf  dem  Wege  des 
I  arifvertrags  geregelt  werden  können.  Der  Nationalökonoin 
Dr.  1  I  a  u  t  hat  in  seinem  jüngst  erschienenen  Buche  **)  den  inter¬ 
essanten  Nachweis  geliefert,  dass  in  der  gewerkschaftlichen  Be- 
wegung  der  Aerzte  die  Wünsche  nach  angemessener  Honorierung  der 
ärztlichen  Leistungen  durchaus  nicht  immer  die  treibenden  Kräfte 
gewesen  sind.  Auch  viele  Aufsätze  in  den  Organen  der  ärztlichen 
Verbände  heben  diesen  Gesichtspunkt  immer  wieder  hervor  Auch 
die  Forderungen  des  Stuttgarter  Aerztetages,  die  für  die  Redaktion 
der  „Musterverträge  '  massgebend  waren,  zeigen  das  gleiche  Bild 
Diese  betreffen  a)  Förderung  der  freien  Arztwahl,  b)  Einigungskom¬ 
missionen  und  .Schiedsgerichte,  c)  Kontrollinstanzen,  d)  Verhinderung 
der  Behandlung  durch  Kurpfuscher,  e)  angemessene  Honorierung 
Und  schliesslich  sollen  die  Verträge  f)  „die  durch  die  Erhöhung  der 
Versicherungsgrenze  und  die  Ausdehnung  der  Versicherung  auf  Selb¬ 
ständige,  namentlich  in  ländlichen  Bezirken,  drohende  Vernichtung 
der  Privatpraxis  verhindern,  und  auch  die  ärztliche  Behandlung  der 
hiervon  erfassten  Personen,  sowie  aller  Mitglieder,  die  über  2000  M 
Gesamteinkommen  haben,  nach  der  Art  und  den  ortsüblichen  Honorar- 
satzen  der  Privatpraxis  sicherstellen.“  Die  Erhaltung  der  Privat¬ 
praxis,  des  persönlichen  Vertrauensverhältnisses  zwischen  Arzt  und 
Patient,  die  Erhaltung  der  freien  Berufsausübung,  die  Furcht  vor 
Bürokratisierung  steht  hier  im  Vordergründe. 

Der  Tarif  selbst  hat  also  eine  doppelte  Aufgabe.  Die  Honorare 
der  Kassen  sollen  je  nach  der  Leistungsfähigkeit  der  Versicher- 
ten  abgestuft  werden,  die  freiwillig  den  Kassen  Betretenden, 
vor  allem  die  Selbständigen,  sollen  keinen  Anspruch  auf  ärztliche 
Behandlung  haben,  sollen  Privatpatienten  bleiben.  Um  diese  Be- 
dingungen  im  Einklang  mit  dem  Gesetz  zu  verwirklichen,  schlagen  di«1 
„Musterverträge“  eine  Einteilung  der  Versicherten  in  4  Klassen  vor' 
Klasse  A  und  B  umfassen  die  zur  Versicherung  Verpflichteten 
(Zwangsmitglieder),  Klasse  C  die,  welche  eine  frühere  Zwangsver- 
sicherung  freiwillig  fortsetzen,  Klasse  D  die,  welche  freiwillig  in  die 
Versicherung  eintreten.  Die  Zwangsmitglieder  werden  auf  die 
Klassen  A  und  B  verteilt,  je  nachdem  ihr  Berufseinkommen  weniger 
oder  mehr  als  1800  M.  beträgt.  Die  Normierung  der  2000  M.-Grenze 
erwies  sich  auf  Grund  der  gesetzlichen  Bestimmungen  als  ebenso 
undurchführbar,  wie  die  Berücksichtigung  des  Gesamteinkommens 
Die  vorgeschlagene  Grenze  entspricht  der  obersten  Lohnklasse.  Von 
Gruppe  C  wurden  noch,  um  Härten  zu  vermeiden,  diejenigen  abge¬ 
trennt,  die  weniger  als  Jahr  ihre  Versicherung  fortsetzen.  Hier 
wird  nicht  Aufsteigen  in  eine  höhere  soziale  Schicht,  sondern  vorüber¬ 
gehende  Arbeitslosigkeit  als  Grund  der  freiwilligen  Versicherung 
angenommen;  diese  Mitglieder  werden  daher  den  Zwangsversicherten 
(Gruppen  A  und  B)  gleichgestellt.  Als  Honorare  werden  für 
Gruppe  A  die  Mindestsätze  der  Gebührenordnung,  für  Gruppe  B 
50  Proz.  und  für  Gruppe  C  100  Proz.  Zuschlag  zu  diesen  Sätzen  als 
angemessen  erachtet.  Einige  notwendige  Ergänzungen  der  Gebiihren- 
oidnung  (Narkose  bei  Geburten  etc.)  sind  besonders  aufgeführt; 
die  Kilometergelder  erfahren  eine  spezielle  Regelung.  Für  Gruppe 
A  soll  auch  die  Pauschalierung  der  Zahlungen  der  Kasse  zulässig 
b'r  Linzelmitglieder,  15  M.  bei  Familienversicherung). 
Rabatte  sollen  nur  erlaubt  sein,  wenn  die  Kasse  trotz  Erhebung  des 
höchsten  gesetzlich  zulässigen  Beitragsfusses  nicht  mehr  als  di** 
Regelleistungen  erfüllen  kann. 

Die  i  d le  e  1 1  e  n  Wünsche  waren  auf  der  Grundlage  dieses 
ianfes  leicht  in  die  Verträge  hineinzuarbeiten.  Gruppe  D,  die  Selb- 
ständigen  und  nebenberuflich  Tätigen,  sind  im  Vertrage  ausgenommen, 
sie  verbleiben  der  Privatpraxis  und  erhalten  von  der  Kasse  nur 
Krankengeld  und  Heilmittel.  Der  möglichsten  Förderung  der  freien 
Arztwahl  ist  durch  die  Bestimmung  Rechnung  getragen  dass  Ver¬ 
trage  mit  einem  oder  wenigen  Aerzten  nur  für  die  Behandlung  der 
Kranken  aus  Gruppe  A  vorgesehen  sind,  für  Gruppe  B  und  C  wird 
überall  freie  Arztwahl  gefordert.  Der  Ausschluss  der  Behandlung  der 
Kassenmitglieder  durch  Kurpfuscher  ist  in  allen  Vertragsentwürfen 
ausgesprochen,  und  durch  die  Einführung  der  Sonntagsruhe  erhalten 
die  Aerzte  ein  Recht,  auf  das  sie  bisher  als  fast  einzige  unter  allen 
Berufen  verzichten  mussten. 

Kritisch  darf  bemerkt  werden,  dass  die  Abstufung  der  Honorare 
nach  der  wirtschaftlichen  Lage  der  Behandelten  auch  vom  unpartei¬ 
ischen  Standpunkte  als  berechtigt  anerkannt  werden  muss.  Sie  ent- 
spricht  nicht  nur  einer  für  die  Privatpraxis  selbstverständlichen  Ge¬ 
pflogenheit,  sie  steht  auch  im  Einklang  damit,  dass  die  Erhaltung 

..  „  P’auD  Der  Gewerkschaftskampf  der  deutschen  Aerzte. 
Volkswirtschaftliche  Abhandlungen  der  badischen  Hochschulen  Karls¬ 
ruhe  1912. 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Gesundheit  in  wirtschaftlich  bessergestellten  Kreisen  subjektiv 
höher  bewertet  wird  und  dass  jene  auch  die  Zeit  des  Arztes  be¬ 
deutend  mehr  in  Anspruch  zu  nehmen  pflegen.  Auch  aus  dem 
Ausschluss  von  Rabatten,  sobald  die  Kasse  ihre  Regelleistunge« 
überschreitet,  kann  ein  Vorwurf  nicht  begründet  werden.  Gewiss 
werden  Erweiterungen  der  Kassenleistungen  vom  sozialhygienischen 
Standpunkte  aus  begriisst  werden.  Gerade  die  Aerzte  haben  in  dieser 
Hinsicht  wertvolle  Pionierarbeit  geleistet.  Hier  sei  nur  an  die  Tätig¬ 
keit  der  Kommission  für  Arbeiterhygiene  und  Statistik  des  Münchener 
Aerztevereins  für  freie  Arztwahl  und  an  viele  Massnahmen  der 
Säuglings-  und  Tuberkulosefürsorge  erinnert.  Aber  der  wichtigste 
sozialhygienische  Fortschritt,  den  die  Krankenversicherung  bedeutet, 
ist  die  Einführung  der  freien  ärztlichen  Behandlung  selbst.  Selbst¬ 
verständlich  muss  diese  Leistung  bezahlt  werden,  wie  jede  andere 
auch.  Wie  keine  Kasse  daran  denken  wird,  ihre  Regelleistungen  zu 
überschreiten,  bevor  sie  ihre  Verpflichtungen  hinsichtlich  der  Apotheke 
und  des  gesetzmässigen  Krankengeldes  erfüllt  hat,  so  darf  sie  auch 
auf  Kosten  der  ärztlichen  Ansprüche  nicht  freiwillige  Leistungen 
bieten.  Die  Höhe  der  geforderten  Honorare  entspricht  ebenfalls  nur 
der  Billigkeit.  Zweck  der  Versicherung  ist  es  ja,  wirtschaftlich 
Schwache  durch  Ausgleich  der  Risiken  zu  wirtschaftlich  Starken  zu 
machen.  Sind  die  Versicherten  aber  nicht  als  Unbemittelte  anzusehen, 
so  dürften  die  Sätze  der  Gebührenordnung,  die  seit  100  Jahren  kaum 
erhöht  worden  sind,  sicherlich  nicht  unangemessen  erscheinen. 

Anderer  Ansicht  kann  man  bezüglich  des  Ausschlusses  der  frei¬ 
willig  Beitretendem  von  freier  ärztlicher  Behandlung  sein.  Hier 
waren  ideologische  Gesichtspunkte,  allgemeine  politische  Anschau¬ 
ungen  massgebend,  die  vom  sozialpolitischen,  vielleicht  auch  vom 
privatwirtschaftlichen  Standpunkt  des  einzelnen  Arztes  aus  zu  be¬ 
dauern  sind.  Wenn  Plaut  in  seinem  oben  erwähnten  Buche  in 
dem  Kampf  der  Aerzte  mit  den  Kassen  ein  Ringen  des  liberalistischen 
mit  dem  sozialistischen  Prinzip,  in  dem  Kassenkampf  einen  Klassen¬ 
kampf  sieht,  so  geht  er  sicherlich  zu  weit;  zuzugeben  ist  aber, 
dass  weite  Kreise  der  Aerzte,  verbittert  durch  das  mangelnde  Ver¬ 
ständnis  der  Behörden  und  Kassen  für  ihren  Beruf,  dem  fortschritt¬ 
lichen  Gedanken  der  sozialen  Versicherung  mit  nicht  ganz  gerecht¬ 
fertigter  Skepsis  gegenüberstehen.  Wenn  auch  die  Begründungen 
darauf  hinweisen,  dass  hier  recht  leistungsfähige  Kreise  in  Betracht 
kommen  und  dass  das  Gesetz  selbst  bei  Zustimmung  des  Ober¬ 
versicherungsamtes  die  Möglichkeit  eines  solchen  Ausschlusses  dieser 
Versicherten  von  freier  ärztlicher  Behandlung  gibt  (§  215,  Abs.  2),  so 
darf  auf  der  anderen  Seite  nicht  vergessen  werden,  dass  gerade  in 
den  Kreisen  des  Mittelstandes  der  Gedanke  der  sozialen  Versicherung 
ständig  an  Boden  gewinnt  und,  dass  die  Aerzte  diesen  starken  Be¬ 
dürfnissen  werden  Rechnung  tragen  müssen.  Die  Erfüllung  dieser 
Forderungen  der  Musterverträge  wird  also  in  hohem  Grade  von  den 
Anschauungen  der  Bevölkerung  abhängig  sein. 

Die  jetzt  bevorstehende  Entwicklung  ist  schwer  vorauszusagen. 
Durch  die  Musterverträge  haben  sich  die  Aerzte  auf  den  Boden  des 
Gesetzes  gestellt.  Die  Erfüllung  ihrer  gerechten  und  begründeten 
Forderungen  ist  Bedingung  nicht  allein  für  die  Zukunft  des  Aerzte- 
standes,  sondern  auch  für  die  Verwirklichung  der  hohen  Aufgaben  der 
Volksgesundung,  die  die  Schöpfer  des  grossen  Werkes  der  Kranken¬ 
versicherung  im  Auge  hatten. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

Ueber  die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Sero- 

diagnostik*). 

Von  A.  v.  Wassermann. 

Meine  Herren!  Gestatten  Sie  mir  zunächst  meiner  Freude  und 
meinem  Dank  dafür  Ausdruck  zu  geben,  als  geborener  Bayer  hier 
vor  den  Kollegen  meines  engeren  Heimatlandes  das  Wort  ergreifen 
zu  dürfen.  Wenn  wir  die  Geschichte  der  Medizin  durchblättern,  so 
dürfte  es  keinem  Widerspruch  begegnen,  dass  wir  in  den  letzten 
3  Dezennien  die  wichtigste  und  umwälzendste  Periode  erlebt  haben, 
welche  die  wissenschaftliche  Medizin  seit  ihrem  Bestehen  aufzuweisen 
hat.  Der  Grundzug,  welcher  diese  Periode  charakterisiert,  lässt  sich 
dahin  definieren,  dass  das  ätiologische  Denken  seinen  Einzug 
in  die  medizinische  Forschung  gehalten  hat. 

In  der  ersten  Periode  dieser  Epoche,  welche  durch  die  Namen 
Pasteur,  Virchow  und  Koch  gekennzeichnet  ist,  beschäftigte 
sich  die  Wissenschaft  fast  ausschliesslich  damit,  die  Ursachen  und  das 
Wesen  der  wichtigsten  Krankheitsprozesse  exakt  wissenschaftlich 
festzustellen.  Diese  Periode  hinterliess  uns  als  wichtigste  Errungen¬ 
schaft  den  Begriff  der  S  p  e  z  i  f  i  z  i  t  ä  t  in  der  Biologie  der 
Krankheitsprozesse,  d.  h.  die  Tatsache,  die  zuerst  an  den  Infektions¬ 
krankheiten  gewonnen,  sich  aber  inzwischen  weit  über  diese  hinaus 
Geltung  und  Wichtigkeit  verschafft  hat,  dass  es  Krankheitsursachen 
gibt,  welche  immer  nur  eine  ganz  bestimmte  Krankheit  hervorrufen. 
Die  zweite  Periode  ist  dadurch  gekennzeichnet,  dass  die  Forschung, 
nunmehr  im  Besitze  dieser  grossen  und  grundlegenden  Wahrheit,  und 
dank  der  Koch  sehen  Methodik  im  Besitze  und  Kenntnis  der  wich¬ 
tigsten  Krankheitserreger,  dazu  überging,  die  Vorgänge  zu  studieren. 


*)  Aerztlicher  Fortbildungsvortrag,  gehalten  am  17.  V.  in  München. 


1331 


welche  sich  unter  dem  Einflüsse  des  Eindringens  dieser  Krankheits¬ 
erreger  im  lebenden  Organismus  abspielen.  Das  konnte  nur  auf  dem 
Wege  des  Experimentes  geschehen  und  daher  können  wir  kurz  kc-- 
sagt  diese  zweite  Periode  als  die  „Experimentelle“  gegenüber  der 
vorher  hauptsächlich  ätiologisch-deskriptiven,  bezeichnen.  Das 
wesentlichste  Ergebnis  des  Studiums  der  Vorgänge  beim  Eindringen 
von  Krankheitserregern  in  den  lebenden  Organismus  ist  nun  die 
Ergriindung  des  allgemein  gültigen  Gesetzes,  dass  der  lebende 
Organismus  darauf  mit  einer  Reaktion  antwortet, 
die  zum  Zweck  hat,  den  eingedrungenen  Krank¬ 
heitserreger  auszuschalten,  indem  er  Stoffe  be¬ 
reitet,  welche  geeignet  sind,  diesem  Ziel  zu  dienen. 
Zum  ersten  Male  wurden  derartige  Stoffe  bei  der  Einverleibung  von 
Diphtherie-  und  Tetanusgift  an  Tieren  von  Behring  vor  ungefähr 
20  Jahren  entdeckt  und  schon  bei  dieser  ersten  Entdeckung  konnte 
Behring  zeigen,  dass  das  Gesetz  der  Spezifizität  auch  für  diese 
biologischen  Reaktionsprodukte  gilt,  indem  bei  Einverleibung  von 
Diphtheriegift  der  Organismus  nur  solche  Produkte  macht,  welche 
imstande  sind,  dieses  zu  neutralisieren  aber  nicht  beispielsweise  das 
Tetanusgift  und  umgekehrt.  Ausgehend  von  dieser  epochalen  Ent¬ 
deckung  wurden  nun  diese  Verhältnisse  in  einer  ungeheuren  Variation 
studiert  und  geprüft,  indem  Tieren  experimentell  alle  möglichen  In¬ 
fektionserreger  und  nicht  nur  diese,  sondern  überhaupt  körperfremdes 
Material,  z.  B.  körperfremde  rote  Blutkörperchen,  körperfremdes 
Eiweiss,  Fermente,  Organe,  einverleibt  wurden,  und  nun  die  Körper¬ 
säfte,  vor  allem  das  Blutserum  daraufhin  untersucht  wurden,  ob  und 
welche  spezifischen  Reaktionsprodukte  im  Anschluss  an  diese  Ein¬ 
griffe  aufgetreten  waren.  Es  zeigte  sich  bald,  dass  in  dieser  Hin¬ 
sicht  scheinbar  eine  ungemein  grosse  Mannigfaltigkeit  obzuwalten 
schien.  Man  erzielte  Substanzen  im  Serum,  welche  Gifte  neutrali¬ 
sierten  und  bezeichnete  sie  als  Antitoxine,  andere,  welche  Bakterien¬ 
emulsionen  zusammenklumpen,  bezeichnete  man  als  Agglutination, 
andere,  welche  Eiweisslösungen,  z.  B.  Serum  oder  das  Kasein  in  der 
Milch  ausfällten,  benannte  man  Präzipitine;  wieder  andere,  welche 
korpuskulare  Elemente,  also  Zellen,  z.  B.  Bakterien  oder  Blut¬ 
körperchen  auflösen,  nannte  man  Lysine  oder  allgemein  Zytolysine. 
Die  ganze  Gruppe  zusammengenommen  wurde  als  Antikörper  be¬ 
zeichnet.  Bei  allen  aber  erwies  sich  die  Spezifizität,  d.  h.  sie  waren 
immer  nur  gegen  dasjenige  Material,  das  sogem  Antigen,  gerichtet, 
unter  dessen  Einfluss  sie  entstanden  waren.  Gesetzmässig  konnte 
man  also  sagen,  die  Einführung  eines  körperfremden  Antigens  in  den 
lebenden  Organismus  erzeugt  einen  spezifischen  Antikörper  gegen 
dieses  Antigen.  Gleichzeitig  konnte  man  nachweisen,  dass  diese  spe¬ 
zifischen  Antikörper  nicht  nur  experimentell  bei  Tieren  zu  erzeugen 
sind,  sondern  auch  spontan  bei  Menschen  unter  dem  Einflüsse  der 
betreffenden  Infektionserreger  auftreten.  Damit  war  die  Möglichkeit 
für  die  Serodiagnostik  gegeben,  die  dann  auch  Gr  über  sowie 
W  i  d  a  1  bei  Typhus  als  erste  benutzten.  Das  Prinzip  ist  ganz  klar, 
es  besteht  darin,  dass  man  in  den  Körperflüssigkeiten,  besonders  dem 
Blutserum,  Antikörper  gegen  einen  bestimmten  Infektionserreger 
nachweist  und  nun  daraufhin  den  diagnostischen  Schluss  macht, 
dass  der  betreffende  Organismus  unter  dem  Einflüsse  dieses  Krank¬ 
heitserregers  stehen  muss,  also  an  der  durch  den  Infektionserreger 
bedingten  Krankheit  leidet:  Gr  über  und  Widal  hatten  zu  ihrer 
Serodiagnostik  das  Auftreten  derjenigen  Stoffe  benutzt,  welche 
Bakteriensuspensionen  agglutinieren. 

Obwohl  man  nun  selbstredend  bei  allen  möglichen  anderen  In¬ 
fektionskrankheiten  sich  bemühte,  auf  Grund  dieses  Prinzips  eine 
Serodiagnostik  zu  erzielen,  konnte  doch  durch  einen  langen  Zeitraum, 
beinahe  ein  Jahrzehnt,  ein  irgendwie  nennenswerter  Fortschritt  nicht 
erreicht,  d.  h.  für  keine  andere  Krankheitsgruppe  ein  praktisch 
brauchbares  serodiagnostisches  Verfahren  erzielt  werden.  Der  Um¬ 
schwung  in  dieser  Hinsicht  vollzog  sich  erst  1906  und  1907.  als  es  mir 
im  Verein  mit  meinen  Mitarbeitern  A.  Neisser  und  C.  Bruck 
gelang,  eine  Serodiagnostik  unter  Benutzung  der  Bordet-Gengou- 
schen,  seit  langem  bekannt  gewesenen  Komplementbindung,  für  Anti¬ 
körper  bei  Tuberkulose,  bei  Syphilis  und  bei  latentem  Rotz  auszu¬ 
arbeiten,  die  dann  unmittelbar  von  anderen  Forschern  in  ganz  ana¬ 
loger  Weise  für  Echinokokkendiagnose  und  anderes  verwendet  wurde. 

Wenn  wir  uns  nun  fragen,  woran  es  lag,  dass  solange  Zeit  kein 
Fortschritt  möglich  war,  während  wir  von  diesem  Moment  an  bis  in 
die  heutigen  Tage  auf  diesem  Gebiete  unausgesetzt  solche  ver¬ 
zeichnen  können,  so  lautet  die  Antwort  darauf,  dass  man  sich  über  die 
Grundlage  der  Serodiagnostik,  d.  h.  über  das  Wesen  und  den  Zweck 
der  beim  Einverleiben  von  Infektionserregern  oder  von  körper¬ 
fremdem  Material  auftretenden  spezifischen  Stoffe,  keine,  oder  richtig 
gesagt,  falsche  Vorstellung  gemacht  hatte.  Mein  Leitfaden  für  meine 
serodiagnostischen  Forschungen  war,  wie  ich  stets  erklärte,  das  un¬ 
entwegte  Festhalten  an  den  Ansichten  Ehrlichs,  der  die  Vor¬ 
gänge  bei  der  Infektion,  d.  h.  bei  dem  Eindringen  von  Infektions¬ 
erregern  in  Analogie  mit  den  Vorgängen  bei  der  Ernährung,  d.  h.  bei 
der  Assimilierung  der  Nährstoffe  setzte. 

Meine  eigentliche  Aufgabe  für  heute  Abend  ist  es  also.  Ihnen 
meine  Herren,  diese  wissenschaftlichen  Grundlagen;,  die  zur  Aufrichtung 
der  bisherigen  Serodiagnostik  geführt  haben,  und  die  zweifellos 
noch  dazu  führen  werden,  dass  dieses  Gebiet  in  nicht  zu  ferner 
Zeit  eine  ungeahnt  weitere  Ausbreitung  auf  andere  Krankheitspro¬ 
zesse  erfahren  wird,  hier  auseinanderzusetzen  und  Ihnen  gleichzeitig 
zu  zeigen,  wie  einfach  sich  im  Grunde  ein  scheinbar  so  kompliziertes 
biologisches  Gebiet  präsentiert,  wie  die  scheinbar  neuesten  und 

4* 


1332 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


überraschendsten  Entdeckungen  immer  wieder  nur  einfache  Ableitun 
gen  mit  einer  etwas  anderen  Methodik  von  einem  aber  dem  w  eh' 
tigsten  therapeutischen  Naturgesetz  sind. 

Um  dies  verstehen  zu  können,  müssen  wir  uns  die  Frage  vor- 
iegen,  was  der  Organismus  macht,  wenn  Moleküle  in  ihn  &hine?n- 

Bestandteilen  sebie^^mf'  ?ualität  oder  Quantität  zu  den  normalen 
nestaiu  teilen  seiner  Safte,  also  vor  allem  des  Blutes,  gehören  Da 

nmcherl1  wasn  es0viMarn'Uf’|eri  vfrsucht  zunächst  das  Natürlichste  zu 
’i  fS  CS  £  bJ’  nämlich  das  unerwünschte  Molekül  herauszu- 
ye  ;  ’  d'  h‘  zu  eliminieren.  Wie  steht  es  aber  damit?  Da  liegen  die 
.  erhaltnisse  so,  dass  ihm  dieses  Verfahren  nur  offen  steht  solange 
das  betreffende  Molekül  nicht  grösser  ist,  als  der  Durchmesse/  der 
iren  der  Exkretionsorgane,  also  z.  B.  des  Nierenfilters,  der  Schweiss- 
drusen,  der  Darmzotten  usw.  Ist  das  nicht  der  Fall,  dann  wird  so- 
JS,™  fl  be^effende,  Substanz  nicht  durch  eine  ihr  innewohnende 
chemische  Verwandtschaft  zu  gewissen  Zellen  im  Organismus 
testgehalten  wird,  diese  sofort  ausgeschieden.  Somit  gilt  dieser 
VVeg  nur  für  die  Substanzen  mit  kleinstem  Molekül.  Dies  sind 
uejenigen,  welche  nach  der  modernen  physikalischen  Chemie  echte 

mntn"*?,  e-"lgeh,en-  ,Djc  Richtigkeit  dieses  Satzes  kennt  ja  jeder  von 
Ihnen.  Es  ist  jedem  bekannt,  dass  beispielsweise  eine  Jodverbindung 
Jodkah,  ungemein  schnell  ausgeschieden  wird,  ebenso  andere  leicht 
oshebe  Salze,  weil  sie  eben,  wie  schon  Graham  wusste  äusSs 
eicht  durch  die  Poren  tierischer  Membranen  durchtreten  d  h 

giaccSieren’ mNiUI?  Mennt  aber  die  Physikalische  Chemie  eine 'zweite 
Klasse  von  Molekülen,  die  besonders  in  den  letzten  Jahren  nne-pm^m 

fä  lf  schön  evonWrrde'h  Sindt-U,ld  der,en  Hauptcharakteristikum* eben- 

alls  schon  von  Graham  festgestellt  war,  nämlich  darin  beruhend 
IJrtaöhp  n'?bt  durch  bensche  Membranen  hindurchtreten  können  Die 
^achef  .hie/fuP  hat  uns  das  Ultramikroskop  dadurch  ad  oculos 
demonstriert,  dass  diese  Moleküle  sich  durch  ihre  Grösse  aus 

einfachen  Salzmolekü'l  ‘na"  Sind  ein  G°liath  im  Ver£leicb  zu  einem 
Cm  c’alzmolekul.  Diese  grossen,  nicht  durch  die  Poren  tieri¬ 
scher  Membranen  hindurchgehenden  Moleküle,  welche  keine  echte 

Ära&SFS?  ”“I  mHe"r  °der  »eniier  Ä 

gewissen  Gleichgewichtszustände  suspendiert  sind,  nennen  wir 
Kolloide.  Zu  diesen  Kolloiden  gehören  aber  die  unter  physiologischen 
und  pathologischen  Verhältnissen  wichtigsten  Substanzen  für  den 

a!le,  organfischen  Bestandteile  pflanzlicher  und 
tierischer  Zellen,  kolloidaler  Natur  sind.  Wenn  also  ein  Mensch 
beispielsweise  an  Syphilis  erkrankt  ist,  so  befinden  sich  in  seinem 

k oll okÖalen'Mo IekÖden  ^S°  organisfe  Qebilde>  die  sich  aus  solchen 
Bestandteilen  ÖS  n  zusammensetzen,  welche  nicht  zu  den  normalen 
!,2t  £'h  F  ?  Organismus  gehören.  Diese  kann  der  Organismus 
icht  durch  Exkretionsorgane  ausscheiden,  sie  sind  für  die  Poren 

5?e*Ä  A«f*Ä'-ei;  T l  Auf  dle  Weise 

tue  es  gibt.  Auf  die  gleiche  Art,  wie  jeder  Staat  —  und  der  Organis¬ 
mus  ist  ja  ein  Zellstaat  —  verfährt,  wenn  Individuen  bei  ihm  auf- 
tieten,  die  nicht  in  den  Rahmen  des  Staates  passen,  die  er  aber  nicht 
ausweisen  kann.  Er  sucht  sie  zu  amalgamieren d. h  so  urazuforS-n 
dass  sie  nun  in  ihren  ganzen  Eigenschaften  und  Gepflogenheiten  sich 
h ™hr  ™"de'!  »brizen  unterscheiden,  sondern 2  Ä 
vwhnt  verschmelzen  und  als  „anormales“  verschwinden.  Auf  die 
\  eihaltmsse  im  Zeilstaate  übertragen  hiesse  das:  der  Organismus 

höre!i  uni01H>e  Mo?eKÜIe’  die.  nicht  zu  seinem  normalen  Bestand  ge- 
nacheö  11  niCht  ausscheiden  kann,  dadurch  verschwinden  zu 
machen,  dass  er  sie  zu  einem  Bestandteil  seiner  selbst  macht  Das 
ist  aber  bei  kolloidalen  Substanzen  nur  möglich  auf  chemischem 

dCHS  er°SSen  MOlek“1S  «lÄS 

wilp  ne’  e  e  { atigkeit,  zu  der,  wie  wir  wissen,  gewisse,  in  ihrem 

benutzt  wlrden^dip"^^6  Sabstanzen  seitens  des  Organismus 
enutzt  weiden,  die  wir  Fermente  benennen. 

j  y?.  wird  nun  jedem  von  Ihnen  sicher  bereits  aufgefallen  sein 
dass  dieser  Vorgang,  den  ich  Ihnen  hier  analysiere,  nichts  anderes 
sogV  Assimilierung,  die  ja  bei  der  Ernährung  sich  tätlich 
wiederholt,  und  so  wird  Ihnen  nun  auch  klar  werden,  wie  richtig 
die  vor  Jahren  ausgesprochene  Idee  Ehr  lieh  s  war.  dass  die  Vor- 
Frn"h  bCim  Elüdrjngen  von  Infektionserregern  und  diejenigen  bei  der 

SvSiKfpSfi  dHCken'  -[m  ,erstpren  Falle,  beispielsweise  bei  der 
byphihsinfektion,  dringen  in  den  Organismus  körperfremde  Moleküle 

E1inährIHnkgr0S?P1^Cih  kleinen  Tieres-  der  Spirochäte,  ein  und  bei  der 
Krnf  r  g’^b  .sp,'ie  ?7flse  wenn  wir  ein  Beefsteak  essen,  führen  wir 

fst  PdeÖreVnrgakn0g  °!da  f  Molekll!e  e‘nes  Rindes  ein.  Biologisch  aber 
ist  der  Vorgang  insofern  ganz  gleich,  als  in  beiden  Fällen  der 

wKafsnlmph1"1?  dass  er  sowohl  das  Rindermolekül 

öu  seinem  F^phn/  nni°  ekU  ?‘Cht  alS  S°IcheS  bei  sich  duldet,  sondern 
zu  seinem  Eigentum  zu  machen,  zu  assimilieren  sucht,  also  abbaut 

wozu  er  Fermente  bedarf.  Der  ganze  Unterschied,  und  wie  Sie  gleich 
sehen  werden,  immer  unter  ganz  bestimmten  Bedingungen  der  Wahl 

isenfcld?annPf°fte’  besJeht  darin’  dass’  wenn  wir  ein  Beefsteak 
essen,  der  Organismus  die  zum  völligen  Abbau  der  Rindermoleküle 

wernf  Sofrörnh 'Te n  Fermen‘en  bere)ts  vorgebildet  besitzt,  während, 
wenn  Spirochäten  in  uns  hereingelangen,  er  diese  Fermente  nicht 

Zceatln\at’  Td5rn  ei:st  bilden  muss.  Aber  ich  sagte  soeben,  dass 

d  h  riüntprSCihied  a-lch  aur  S0  lange  gilt’  als  wir  das  Beefsteak, 
d  l  das  Rindereiweiss  oder  das  Hiihnereiweiss  oder  die  Kuhmilch 

,ml  IC  f!0hn!lche  Art,  und  Weise-  wie  wir  sie  vom  ersten  Tage 
unseres  Lebens  an  gewöhnt  sind  einzuführen,  nämlich  in  den  Magen- 

*)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1907. 


No.  24. 


Srhm5afibringen‘  ??rt  befinden  sich  diese  Fermente.  Wie  verhält 
gelir  i  ™  “  UI?  faS  m  ja  in  die  Möglichkeit  des  Experimentes 
Kermi  i  ’  v e 1  ,wir  den  Magendarmkanal  mit  seinen  vorgebildeten 
hcrmenten  umgehen  und  beispielsweise  die  Kuhmilch  wie  wir  m 
ausdrucken,  parenteral,  d.  h.  in  das  Blut  oder  unter  die  Haut  eE 
Kanmchens  spritzen?  Da  können  wir  die  Anpassungsfähigkeit  Hpc 
ebenden  Organismus  nur  bewundern.  Um  dies  zu  würdigen,  wollen 
•  '  ,kurz  betracbten*  wie  der  Organismus  verfährt,  wenn  Kuhmilch 
in  den  Magendarmkanal  kommt.  Er  fällt  dann  zunächst  die  im 
l  l!hffnS10I\SS  ei°hgewicht  befindlichen  Kaseinmoleküle  mit  Hilfe  des 
Labfermentes  aus.  Alsdann  baut  er  diese  ausgefällten  Moleküle  zu 
den  kleineren  Bausteinen  -  in  der  E.  Fischer  sehen  Nomenklatf.r 
zu  I  eptiden  —  ab,  also  er  zerlegt  sie  chemisch,  um  sie  dann  zu 
seinem  Eigentum  zu  machen.  Genau  das  gleiche  sehen  wir 

infizieren^  wl  ^uhmilch  unte[  Umgehung  des  Magendarmkanales 
injizieren.  Wir  können  dann  konstatieren,  dass  in  dem  Blut  neue 

smd16^3^1^6  St0ffe  auftreten-  welche  vorher  nicht  darin  gewesen 
Hp  dVS<v,  duSu  wenn  Wlr  das  Blutserum  eines  solchen  Kaninchens  zu 
der,  Kuh.miIcb  zusetzen,  eine  Fällung  des  Kaseins  auftritt.  Es  haben 
sich,  wie  wir  sagen,  Präzipitine  gebildet,  wie  ich  Ihnen  das  hi  r 
demonstriere.  Weiterhin  können  wir  aber  nachweisen  dass  nicht 
nur  razipitine  aufgetreten  sind,  sondern  auch  diejenigen’ Substanzen 
die  wir  Ambozeptoren  nennen  und  die  in  Verbindung  mit  gewissen 

SnhTta  erWClSm  in  iedeJT1  frischen  Blut  vorhandenen  fermentähnlichen 
“  ubstanzen,  die  wir  Komplemente  nennen,  einen  peptischen  Ablrm 
der  Eiweissmolekule  bewerkstelligen,  also  ungefähr  die  gleiche 

Eiweissstoffen611’  W‘C  daS  PePSin  °der  Trypsin  im  Darm  »eglnüber 

nicht^!'  /pehen  d^maacb’  dass  der  Organismus  imstande  ist,  wenn 
i'f*  zu  seinem  Bestände  gehörige  kolloidale  Moleküle  ins  Blut  ge 
+weJche  von  Haus  aus  die  zum  Abbau  nötigön  Fermeme 
icht  besitzt,  diese  zu  bereiten.  Dies  gilt  nun  nicht  nur  für  Kuhmilch 
sondern  für  jedes  körperfremde  Molekül,  das  nicht  in  das  Blut  gehört’ 

sparsam  ?rgan‘smhuf.  verfährt  aber  in  dieser  Hinsicht  äussersi 
spaisam,  d.  h.  er  bildet  immer  nur  diejenige  Substanz  die  gerade 

K?,hg  1Sn  un?  das  betreffende  Molekül  abzubauen.  Wenn  wir  ihm 
Cu  pb^n>  ,so  rnacht  er  nicht  Fermente,  welche  gleichzeitig 
'cb  ahzubäuen  imstande  sind,  sondern  nur  solche,  die  auf 

vipt™  C.bufbgestimnat  sn|d-.  Von  dieser  Tatsache  habe  ich  ja  vor 
\  leien  Jahren  zuerst  praktischen  Gebrauch  gemacht,  indem  ich  die 
e-r  .Finverleibung  körperfremden  Eiweisses  im  Serum 
auftretenden  prazipitierenden  Substanzen  als  biologische  Differcn 
z.erungsmethorle  empfahl,  eine  Methode,  die  ja  seitdem  überall  be- 
.onders  für  die  gerichtliche  Medizin,  angenommen  ist. 

auch  kDr  ÖIT  hier,  eben  Auseinandergesetzten  wird  Ihnen  nun 

Q  lbk  r  W  17hher  kam’  dass  seit  der  Entdeckung  der 
b  6  rT  ^  ö d  a  schen  Serodiagnostik  bei  Typhus  bis  zur  Ent- 

FoHsUchgritteaideöpdiamnOStik+-dlr  Sypbilis  ein  irSend  nennenswerter 
■  u!  ser°diagnostischem  Gebiete  nicht  gemacht  worden 
ist  auch  nicht  gemacht  werden  konnte,  einfach  deshalb,  weil  man 
diese  Vorgänge  von  dem  einseitigen  Standpunkte  der  Mikro- 
höflnföw”  btraC,\ete’  und  der  Ansicht  war,  dass  diese  Substanzen 

bildet  kMnnSnöhnkheilten  ,S1  v  nUr  gegrenüber  den  Mikroorganismen 
bilden.  Man  nahm  also  als  Voraussetzung  an,  dass,  wenn  man  eine 

Serodiagnostik  bei  Infektionskrankheiten  schaffen  will,  man  immer 
zuerst  im  Besitze  der  betreffenden  Kultur  sein  muss.  Sie  habe ö  aber 
c  >en  gesehen,  dass  es  sich  hier  um  ein  ganz  allgemein  gültiges  bio- 
ha^!nfhnS  Gesetfz  handelt,  dass  die  Mikroorganismen  hierfür  über¬ 
fremden' LnS-Hfeirn  m  ^trfcht  kommen>  als  sie  sich  aus  körper- 
Mf^,d  •  k  i  da i  en  Molekülen  aufbauen,  wir  also  als  Antigen  zum 
derartlger  spezifischer  Substanzen  im  Serum  glr  nicht 

BeGfi^fiö,,00ro^niSrripn’T  sond.erT1  nur  deren  kolloidaler  Leibessubstanzen 
bedürfen.  Diese  finden  sich  aber  natürlich  in  jedem  Extrakt  aus 
einem  Organe,  das  Sitz  der  betreffenden  Infektion  ist,  so  dass  man 
nun  befreit  von  der  ausschliesslich  bis  dahin  üblich  gewesenen  Ver¬ 
wendung  von  Kulturen  wurde  und  statt  der  bis  dahin  allein  üblich 
gewesenen  morpho  ogischen  Elemente  die  kolloidalen  Moleküle,  aus 
denen  sich  diese  Elemente  zusammensetzen,  verwendet.  Diese  Idee 
erwies  sich  als  sehr  fruchtbar,  denn  dadurch  konnte  erst  die  Sero- 

slvEpit  ukÖ  *mPhlJiS,T  bei  ^elcber  wir  ja  heute  noch  nicht  mit 
^cherheit  über  die  Kulturen  der  Spirochaete  pallida  verfügen,  ge- 

frcba^rn  wf?.rd®n-  Vor  allen  Dingen  aber  erwies  sie  sich  als  äusserst 
irucntbar  für  den  gesamten  weiteren  Ausbau  dieses  Gebietes  Bald 
f“h,.de^  Entdeckung  der  Serodiagnostik  der  Syphilis  veranlasste 
icn  die  damals  als  Assistenten  bei  mir  arbeitenden  DDr.  P  o  r  g  e  s 
und  G.  Meier,  Studien  darüber  anzustellen,  welcher  Art  die  in 
einem  für  die  Serodiagnostik  der  Syphilis  brauchbaren  Organextrakt 
vorhandenen  Moleküle  sind,  indem  ich  sie  beauftragte,  mit  Hilfe  der 
Differenzierung  durch  Alkohol  nachzusehen,  ob  diese  Moleküle 
eiweissartiger  Natur,  d.  h.  durch  Alkohol  fällbar  oder  vielleicht 
hpoider  Art,  d.  h.  in  Alkohol  löslich  seien. 

Bei  diesen  Versuchen  ergab  sich,  dass  das  letztere  der  Fall  war, 
d-,.h-  die  wirksamen  Moleküle  waren  in  Alkohol  löslich,  also  fett¬ 
artiger  Natur.  Damit  war  etwas  völlig  Neues  entdeckt 

^TööTf!11’  namllch  die  Tatsache,  dass  spezifische 
Stoife  im  Serum,  nicht  nur,  wie  man  bis  dahin  an¬ 
genommen  hatte,  gegenüber  eiweissartigen,  son- 
Meprl"uai}Ch  &eAenüber  lipoiden,  d.  h.  fettartigen 
M  o  le  k  u  l  e  n  a  u  f  t  r  e  t  e  n.  Die  weiteren  Studien  dieses  neuen 
rundes  brachten  dann  eine  weitere  Ueberraschung,  indem  es  sich 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1333 


zeigte,  dass  bei  der  Syphilis  im  Serum  Stoffe  auftreten,  welche  auch 
mit  dem  alkoholischen  Extrakt  aus  normalen  Tierorganen,  bei 
denen  also^  von  Syphilis  gar  keine  Rede  sein  kann,  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  eine  spezifische  Reaktion  gaben.  Das  schien  an¬ 
fänglich  mit  unserer  damals  bestandenen  Ansicht  ganz  unvereinbar 
und  ganz  unerklärlich,  und  tatsächlich  ist  ja  über  diesen  Punkt  eine 
umfangreiche  Literatur  entstanden,  ja,  viele  Autoren  waren  sogar 
geneigt  deshalb  anzunehmen,  die  Serodiagnostik  der  Syphilis  könne 
rieht  spezifisch  für  die^  Syphilis  sein,  bis  dann  die  Erfahrung  an 
vielen  hunderttausend  Fällen  eben  zeigte,  dass  sie  doch  spezifisch 
ist.  Und  dennoch  hat  das  soeben  Vorgetragene,  wenn  Sie  über¬ 
legen,  durchaus  nichts  Ueberraschendes,  wenn  wir  bei  der  Lues  und 
bei  einer  Reihe  anderer  Krankheiten  sehen,  dass  bei  Serum  nicht  nur 
allein  mit  Antigen,  das  Spirochätenmoleküle  enthält,  sondern  auch 
mit  Antigen,  das  nur  aus  lipoiden  Bausteinen  normaler  Zellen  be¬ 
steht,  Reaktion  eintritt.  Um  dies  zu  verstehen,  müssen  wir  die  Patho¬ 
genese  der  Lues  vom  biologischen  Standpunkt  aus  etwas  betrachten. 
Dann  sehen  wir,  dass  bei  der  Lues  zwei  Arten  von  Molekülen,  die 
nicht  zum  normalen  Bestandteile  der  Säfte  gehören,  vorhanden  sind. 

Die  eine  Art  sind  die  von  aussen  eingedrungenen  Spirochäten, 
die  Ursache  der  Lues,  ich  möchte  es  als  das  exogene  aphysiologische 
Molekül  bezeichnen.  Das  zweite  sind  die  durch  die  destruktive 
Tätigkeit  der  Spirochäten  auf  die  Körperzellen  und  durch  deren 
Zerfa'l  auftretenden  Moleküle.  Diese  sind  bei  der  Lues  hauptsächlich 
lipoitLr  Natur,  weil  die  Spirochäte,  wie  wir  wissen,  ganz  besondere 
Affinität  zu  den  lipoidreichsten  Zellen,  roten  Blutkörperchen,  Zentral¬ 
nervensystem,  also  überhaupt  zu  den  Fettsubstanzen  hat.  Infolge¬ 
dessen  werden  in  einem  syphilitischen  Organismus  noch  eine  zweite 
Art,  normalerweise  nicht  in  dieser  Quantität  vorhandener  Moleküle 
frei,  die  ich  als  endogene  aphysiologische  Moleküle  bezeichnen  möchte. 

Beide  muss,  nach  dem  oben  Auseinandergesetzten,  der  Organis¬ 
mus  wegschaffen.  Für  beide  bedarf  er  demnach  fermentartiger  Sub¬ 
stanzen,  und  so  werden  Sie  daher  verstehen,  dass  die  Körpersäfte 
des  Syphilitikers  nicht  nur  mit  dem  sog.  spezifischen,  d.  h.  Spiro¬ 
chätenmaterial  enthaltenden,  sondern  auch  mit  dem  normalen  Antigen 
Reaktion  ergeben.  Ebenso  wird  Ihnen  aber  verständlich  sein,  dass  die 
zuverlässigere  und  spezifischere  Reaktion  die  andere  ist,  indem  eben 
nur  bei  Lues,  abgesehen  von  einigen  anderen  ätiologisch  entstehenden 
Krankheiten  Spirochäten  Vorkommen,  während  Zellzerfall  mit  Frei¬ 
werden  von  Lipoidmolekülen  doch  auch  bei  anderen  konsumierenden 
Krankheiten  Vorkommen  kann,  so  dass  unter  Umständen  die  Körper¬ 
säfte  auch  bei  diesen  Krankheiten  eine  Reaktion  mit  normalen 
Lipoiden  aufzuweisen  imstande  sind,  wie  dies  ja  durch  die  praktische 
Erfahrung  bestätigt  wurde.  Ohne  weiteres  wird  Ihnen  weiter  ver¬ 
ständlich  sein,  dass  diese  zum  Zwecke  des  Moleküleabbaues  vom 
Organismus  bestimmten  Substanzen  sich  überall  dort  im  Organismus 
bilden,  wo  sie  benötigt  werden.  Sind  sie  im  Magendarmkanal  nötig, 
wie  das  physiologisch  bei  der  Ernährung  der  Fall  ist,  so  finden  wir 
sie  dort,  sind  sie  im  Blut  nötig,  indem  solche  Moleküle  ins  Blut  ge¬ 
langen,  so  können  wir  sie  im  Blutserum  nachweisen,  sind  sie  im 
Zentralnervensystem  nötig,  indem  dortselbst  derartige  krankhafte 
Prozesse  sich  abspielen,  so  lassen  sie  sich  in  der  Lumbalflüssigkeit 
nachweisen.  Diese  leicht  einzusehende  Tatsache  ist  nun  ebenfalls  von 
grosser  praktischer  Wichtigkeit,  indem,  wie  dadurch  gegeben  ist, 
dass  der  Nachweis  beispielsweise  von  spezifischen  Fermenten  gegen¬ 
über  luetischem  Antigen  im  Blutserum  absolut  nicht  beweisend  dafür 
ist,  dass  eine  Lues  des  Zentralnervensystems  vorliegt.  Hierfür  ist 
nur  beweisend  die  Untersuchung  der  Lumbalflüssigkeit,  wie  ich  das 
seinerzeit  mit  meinem  Mitarbeiter  Plaut  nachgewiesen  habe.  Leider 
wird  dieser  Punkt  in  der  Praxis  noch  viel  zu  wenig  berücksichtigt, 
denn  bei  dem  geringen  Stoffaustausch  zwischen  Lumbalflüssigkeit 
und  Blut  kommt  es  natürlich  sehr  oft  vor,  dass  man  bei  syphilitischen 
Veränderungen  des  Zentralnervensystems  im  Blutserum  nichts  findet, 
dagegen  sehr  starke  positive  Reaktion  in  der  Lumbalflüssigkeit.  Man 
sollte  also  in  der  Praxis  bei  einer  etwaigen  Diagnosenstellung  auf 
Paralyse  oder  Tabes  oder  sonstige  syphilitische  Veränderungen  im 
Zentralnervensystem,  nie  versäumen,  sich  diese  Verhältnisse  vor 
Augen  zu  halten  und  demgemäss  neben  dem  Blutserum  die  Lumbal¬ 
flüssigkeit  zu  untersuchen. 

Meine  Herren!  Wenn  Sie  meine  bisherigen  Ausführungen  ver¬ 
folgen,  so  werden  Sie  ersehen  haben,  dass  mit  der  Aufdeckung  der 
Serodiagnostik  der  Syphilis  und  den  sich  daran  anschliessenden 
Arbeiten,  besonders  ein  prinzipiell  wichtiger  Punkt  entdeckt  wurde, 
der  die  Aussicht  bot,  die  Serodiagnostik  auf  neue  Krankheitsgebiete, 
die  mit  Infektion  gar  nichts  zu  tun  haben,  auszudehnen.  Dieser 
Punkt  liegt  darin,  dass  man  dadurch  erkannt  hat, 
dass  der  Organismus  nicht,  wie  bis  dahin  allgemein 
angenommen  wurde,  derartige  zum  Abbau  von 
Molekülen  bestimmte  Substanzen  gegen  absolut 
heterogene  körperfremde  Substanzen,  sondern 
auch  gegen  endogene  im  Organismus  selbst  ent¬ 
standene  Moleküle  erzeugt,  sofern  dieselben  nach 
ihren  Mengenverhältnissen  oder  nach  ihrer  ganzen 
Beschaffenheit  nicht  zu  der  normalen  Säfte¬ 
zusammensetzung  passen.  Ich  habe  auf  diese  Tatsachen, 
bei  Gelegenheit  einer  Diskussion  in  der  Medizinischen  Gesellschaft 
in  Berlin  vor  einer  Reihe  von  Jahren,  sehr  ausführlich  hingewiessn 
(Berliner  klin.  Wochenschr.  1910,  No.  26,  S.  1252  u.  f.). 

Abderhalden  hat  für  diese  Verhältnisse  in  neuester  Zeit 
die  treffende  und  kurze  Bezeichnung  „der  blutfremden  Stoffe“  ein¬ 


geführt.  Ich  hatte  von  diesen  Ihnen  eben  auseinandergesetzten 
Grundsätzen  ausgehend  bereits  im  Jahre  1906  und  1907  (Zeitschr.  f. 
eperim.  Pathologie  u.  Therapie  1907)  im  Verein  mit  meinem  Mit¬ 
arbeiter  Ci  tron  nachgewiesen,  dass  die  Körperfrerndheit  einer 
Substanz  durchaus  keine  Bedingung  dafür  ist,  dass  sich  im  Körper 
fermentartige  Substanzen  dagegen  bilden.  Denn  wir  konnten  für  so 
körpereigene  Substanzen,  wie  es  die  Albumosen  und  gewisse  Peptone 
sind,  Ambozeptoren  nicht  nur  nachweisen,  sondern  durch  Vorbehand¬ 
lung  mit  diesen  Substanzen  steigern.  Ja,  wir  konnten  auch  zeigen, 
dass  dies  nicht  auf  Proteide  beschränkt  ist,  indem  wir  bei  Glykogen 
das  gleiche  dartun  konnten.  In  anderer  Versuchsanordnung  ist  das 
von  Hei  ln  er  bewiesen  worden,  der  für  diese  in  den  Körpersäften 
auftretenden  Substanzen  den  Namen  „Schutzfermente“  einführte,  um 
damit  zu  kennzeichnen,  dass  der  Organismus  sich  durch  sie  gegen 
die  nicht  zu  seinem  normalen  Körperhaushalt  gehörenden  Substanzen 
zu  schützen  sucht.  Es  ist  Ihnen  bekannt,  dass  Abderhalden,  der 
durch  seine  jahrelangen  rein  physiologischen  Studien  über  den  Abbau 
der  Eiweissmolekiile  zu  den  gleichen  Ergebnissen  gelangte,  dieses 
Prinzip  dazu  verwandte,  um  eine  Serodiagnostik  der  Schwanger¬ 
schaft  zu  versuchen.  Das  dürfte  für  Sie  nach  dem  eben  Gehörten 
nichts  Ueberraschendes  mehr  haben.  Wir  wissen  durch  die  Unter¬ 
suchungen  von  Veit  und  S  c  h  m  o  r  1,  dass  in  der  Gravidität  Teile 
der  Rlazenta  (Chorionzotten)  in  den  Kreislauf  gelangen.  Das  sind 
Eiweissmolekiile,  die  normal  nicht  in  das  Blut  gehören,  also  aphysio¬ 
logische  endogene  Moleküle,  demgemäss  muss  der  Organismus,  der 
sie  nicht  ausscheiden  kann,  sie  abbauen,  was  sich  nachweisen  lässt. 
Die  ersten  Versuche  in  dieser  Richtung  sind  vor  Jahren  von 
Weichardt  gemacht  worden. 

Betrachten  wir,  meine  Herren,  das  soeben  Gesagte,  so  sehen 
Sie,  dass  das  gesamte  Gebiet  der  Serodiagnostik  von  einem  einzigen 
Gesetze  beherrscht  wird,  einem  Gesetz,  das  ich  als  das  Gesetz  der 
Assimilation  bezeichnen  möchte,  welches  die  Lehre  der  Ernährung, 
sowie  diejenige  der  Resorption  jedes  Krankheitsproduktes,  sei  es 
infektiös  oder  im  Körper  selbst  entstanden,  beherrscht,  also  das 
wichtigste  Gesetz  für  Heilungsvorgänge  im  Organismus  darstellt. 
Dieses  Gesetz  lässt  sich  dahin  definieren,  dass  der  Organismus 
imstande  ist,  Substanzen  zu  bilden,  welche 
aphysiologische,  abbaufähige,  nicht  ausscheid¬ 
bare  Moleküle,  seien  sie  eiweissartig,  fett-  oder 
kohlehydratartig,  chemisch  so  abzubauen  ver¬ 
mögen,  dass  sie  ihres  aphysiologischen  Charakters 
entkleidet  und  zu  physiologischen  Bestandteilen 
des  Organismus  werden.  Auf  Grund  dieses  Gesetzes  werden 
Sie  nun  ohne  weiteres  verstehen,  dass  die  Methoden,  wie  man  Sero¬ 
diagnostik  treiben  kann,  ganz  verschiedene  sind,  dass  aber  das  Wesen 
der  Serodiagnostik  immer  dasselbe  ist.  Es  kommt  immer  nur  darauf 
an  nachzuweisen,  dass  derartige  spezifische  abbauende  Substanzen 
in  den  Körperflüssigkeiten  sich  gebildet  haben.  Das  kann  man 
machen,  indem  man  diese  Fermente  als  solche  direkt  nachweist,  oder 
aber  wir  können  es  in  der  Art  vollbringen,  dass  wir  nachweisen, 
dass  im  Blutserum  vorhandene  Fermente  bei  der  Mischung  mit  diesen 
Molekülen  verbraucht,  gebunden  werden;  das  tun  wir  bei  der  Kom¬ 
plementbindung;  oder  aber  wir  können  nachweisen,  dass  bei  der 
Mischung  der  betreffenden  Moleküle  mit  den  Körpersäften  eine  Ver¬ 
änderung  in  der  physikalisch-chemischen  Beschaffenheit  der  Moleküle 
eintritt.  Das  machen  wir  bei  der  sog.  Meiostagmin-  und  Epiphanin- 
reaktion,  wobei  wir  nachweisen,  dass  die  Oberflächenspannung  einer 
derartigen  Molekülsuspension  sich  verändert;  oder,  wie  das  Ab¬ 
derhalden  vorschlug,  durch  Beobachtung  der  Veränderung  des 
optischen  Drehungsvermögens  des  Proteidmoleküles.  Endlich  aber 
können  wir  es  nachweisen,  indem  wir  zeigen,  dass  die  betreffenden 
Moleküle  bei  der  Vermischung  mit  den  Körpersäften  chemisch  ab¬ 
gebaut  werden,  indem  wir  direkt  die  Abbauprodukte  chemisch  nach¬ 
weisen,  wie  dies  gleichfalls  Abderhalden  vorschlägt.  Man  ver¬ 
fährt  dann  so,  dass  man  das  Antigen  mit  der  zu  prüfenden  Körper¬ 
flüssigkeit  in  einen  Dialysierschlauch  gibt  und  nun  nachsieht,  ob  sich 
Pepton  bildet. 

Es  ist  also  ohne  weiteres  klar,  dass  wir  hier  noch  nicht  am  Ende 
unseres  Könnens  angelangt  sind,  vielmehr  jede  Methode,  welche  ge¬ 
eignet  ist,  die  entstehende  Veränderung  eines  Molekiiles  oder  Auf¬ 
treten  von  bestimmten  Fermenten  anzuzeigen,  eine  neue  sero¬ 
diagnostische  Methode  bedeutet.  Es  ist  aber  weiterhin  auch  leicht 
verständlich,  dass  es  hier  etwas  ganz  Neues  eigentlich  nicht  gibt. 
Es  sind  immer  dieselben  Prinzipien,  fassend  auf  dem  Gesetz,  das  ich 
Ihnen  hier  auseinandergesetzt  habe.  Es  bedarf  heute  nur  mehr  der 
konsequenten,  zielbewussten  und  fleissigen  Prüfung,  um  festzustellen, 
gegen  welche  Moleküle  bei  den  verschiedensten  Krankheiten  sich 
feimentartige  Substanzen  in  Körperflüssigkeiten  nachweisen  lassen. 

Welche  Methodik  man  dazu  verwendet,  sowie  die  Frage,  ob 
das  gewonnene  Resultat  alsdann  praktisch  verwertbar  ist,  sind  Sache 
der  rein  praktischen  Erfahrung,  dafür  ist  massgebend,  ob  nicht  auch 
bei  anderen  Krankheiten  oder  selbst  im  normalen  Zustande  Fermente 
Vorkommen,  die  sich  ähnlich  verhalten,  so  dass  dann  ein  dia¬ 
gnostischer  Rückschluss  nicht  möglich  ist.  Natvirgemäss  spielt  dabei 
die  Beherrschung  der  betreffenden  Methodik,  das  Innehalten  aller 
Kontrollen,  eine  ausschlaggebende  Rolle,  so  dass  Ihnen  auch  ver¬ 
ständlich  sein  wird,  weshalb  jede  derartige  Serodiagnostik  in  ihren 
Jugendjahren  eine  starke  Belastungsprobe  aushalten  muss,  indem  die 
widersprechendsten  Urteile  darüber  zutage  treten.  Wichtigstes  für 
die  Praxis  ist  bereits  aus  dem  Ihnen  soeben  analysierten  Gesetze 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Assimilation  abgeleitet  und  geschaffen  worden.  Ungemein 
Wichtiges  wird  sich  zweifellos  noch  daraus  ergeben,  so  dass  die 
Lehre  der  experimentellen  Diagnostik  beute  bereits  gleichberechtigt 
neben  der  experimentellen  Therapie  steht.  Niemals  aber  soll 
man  vergessen,  dass  jedes  serodiagnostische 
Resultat  immer  nur  das  Vorhandensein  ferment¬ 
artiger  Substanzen  gegenüber  einem  gewissen 
a  physiologischen  Molekül  d  a  r  s  t  e  1 1 1.  Die  Verwertung 
dieses  Ergebnisses  für  den  Kranken  ist  und  bleibt  Sache  des  Arztes. 
Nie  soll  und  kann  die  diagnostische  Kunst  des  Arztes  durch  den  fern 
vom  Krankenbett  stehenden  Laboratoriumsforscher  ersetzt  werden. 
Dei  letztere  darf  immer  nur  ein,  wenn  auch  sehr  wichtiger  und  unter 
Umständen  entscheidender  diagnostischer  Helfer  für  den  Arzt  bleiben, 
der  den  Gesamtorganismus  zu  beurteilen  hat. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

Aug.  Weismann:  Vorträge  über  Deszendenztheorie.  3.  um¬ 
gearbeitete  Auflage.  Jena,  G.  Ei  sc  her,  1913.  Geb.  13  M. 

Dass  ein  solches  Buch  wiederholt  neue  Auflagen  erlebt,  spricht 
ebensosehr  für  seine  Leser  als  für  seinen  Verfasser.  Wir  gönnen 
froh  sein,  beide  zu  haben.  Der  verehrungswürdige  Verfasser  hat 
vor  11  Jahren  das  Vorwort  zur  ersten  Auflage  mit  den  Worten  be¬ 
gonnen:  „Wenn  ein  arbeitsfreudiges  Leben  sich  seinem  Ende  zuneigt, 
so  regt  sich  wohl  der  Wunsch,  die  Hauptergebnisse  desselben  zu 
einem  abgerundeten  und  in  sich  harmonischen  Bild  zusammen¬ 
zufassen.“  In  diesem  verflossenen  Jahrzehnt  ist  durch  den  Neubau 
der  Vererbungslehre,  durch  den  Vorstoss  der  Anhänger  von  der 
Lehre  der  Vererblichkeit  erworbener  Eigenschaften,  durch  die  Fort¬ 
schi  itte  der  Zellforschung  ungeheuer  Vieles  gearbeitet  worden,  was 
in  Weismanns  ureigenstes  Arbeitsgebiet  hineingehört.  Wer  die 
Fortentwicklung  des  Darwinismus  kennen  lernen  will,  sei  auf  diese 

37  Vorträge  über  Deszendenztheorie  angelegentlichst  verwiesen;  wer 
sie  aber  kennt  und  sich  für  die  Fortschritte  von  Büchern  interessiert, 
der  lese  aus  dieser  3.  Auflage  .den  22. — 26.  Vortrag,  und  er  wird  mit 
Bewunderung  erkennen,  wie  der  immer  noch  geistig  jugendliche 
W  e  i  s  m  a  n  n,  dem  wir  die  Lehre  von  der  Germinalselektion  ver¬ 
danken,  und  der  noch  heute  an  der  Vorstellung  eines  aus  materiellen 
Anlagen  zusammengesetzten  Keimplasmas  festhält,  sich  mit  den  an¬ 
dringenden  neuesten  Forschungsergebnissen  auseinandersetzt. 

R.  R  ö  s  s  1  e  -  Jena. 

Proi.  Dr.  D.  G'e  r  h  a  r  d  t  -  Würzburg :  Herzklappenfehler.  Mit 

38  Textabbildungen  und  2  Tafeln.  Wien  und  Leipzig,  Alfred  Holder. 
>913.  206  S.  Preis  7.40  M. 

Das  vorliegende  Werk  erscheint  innerhalb  des  Rahmens  der  von 
weil.  Hermann  Nothnagel  herausgegebenen,  jetzt  von  Prof.  Dr.  L. 
v.  Frankl-Hoch  wart  fortgeführten  Speziellen  Pathologie  und 
J  herapie.  Nach  G.  machen  Herzklappenfehler  in  den  Spitälern  etwa 
2 — 5  Proz.,  in  der  Privatpraxis  jedoch  einen  weitaus  grösseren  Teil 
der  Kranken  aus.  In  der  Darstellung  über  die  allgemeinen  Ent¬ 
stehungsbedingungen  dieser  Krankheit  gibt  Verfasser  zunächst  eine 
Statistik  über  die  Beteiligung  der  Geschlechter  und  der  verschiedenen 
Lebensalter  und  begründet  seine  eigenen  Beiträge  mit  seinen  per¬ 
sönlichen  Erfahrungen  an  300  Kranken  mit  Klappenfehlern,  zum 
grössten  Teil  aus  der  Baseler,  zum  kleinen  Teil  aus  der  Würzburger 
Klinik.  Die  Möglichkeit,  dass  ein  notorischer  Klappenfehler  aus- 
heilen  kann,  wird  auch  vom  Verfasser  zugegeben.  Unter  den  Folge¬ 
zuständen  der  Klappenfehler  findet  besonders  die  Hypertrophie  hin¬ 
sichtlich  ihrer  Entstehungsbedingungen  und  ihrer  Wirkungen  ein¬ 
gehende  Darstellung,  dann  besonders  auch  die  Begriffe  der  physio¬ 
logischen  und  pathologischen  Dilatation  des  Herzens,  welche  ja  noch 
jungst  zu  Kontroversen  geführt  haben.  Eine  früher  zu  wenig  betonte 
Frage  ist  die  nach  den  Ursachen  der  Dekompensation,  welche  betreff 
aller  wichtigen,  hierin  zusammenwirkenden  Faktoren,  also  besonders 
des  Zustandes  des  Herzmuskels,  des  Hinzutretens  neuer  Erkran¬ 
kungen,  besonders  der  rekurrierenden  Endokarditis,  eingehend  er¬ 
örtert  wird.  Gegenüber  früheren  Meinungen  ist  die  experimentell 
festgestellte  Tatsache  hervorzuheben,  dass  das  hypertrophische  Herz 
augenscheinlich  keine  geringere  Reservekraft  hat  als  das  normale. 
Unter  den  interkurrenten  Erkrankungen,  welche  die  Kompensation 
stören,  wird  besonders  auch  der  Einfluss  der  Gravidität  gewürdigt; 
aus  dem  Material  des  Verfassers  geht  betreffs  der  Komplikation  der 
Herzfehler  von  seiten  anderer  Organe  neuerdings  hervor,  dass  Herz¬ 
fehler  und  manifeste  Tuberkulose  sich  zwar  kombinieren  können, 
aber  doch  recht  selten.  Bezüglich  der  neurotischen  Herzbeschwerden 
macht  G.  über  die  Bedeutung  der  Extrasystolen  die  Anmerkung,  dass 
wir  noch  kein  objektives  Unterscheidungsmittel  kennen,  ob  es  sich 
dabei  um  Herzschwäche  oder  nervöse  Beeinflussung  des  Herzens 
handelt.  In  dem  weiteren  Hauptabschnitte  über  die  allgemeinen 
Symptome  und  die  Diagnose  werden  die  Ergebnisse  der  neuen  Physio¬ 
logie  und  der  experimentellen  Pathologie  hinsichtlich  der  Charak¬ 
terisierung  und  Bewertung  der  Geräusche  über  dem  Herzen  beson¬ 
ders  ausgiebig  verwertet.  Manche  frühere  Anschauungen  müssen  sich 
in  diesem  Abschnitte  über  die  Diagnose  wieder  eine  Korrektur  ge¬ 
fallen  lassen,  z.  B.  die  palpatorischen  Anzeichen  der  Herzhypertrophie. 
Hinsichtlich  der  Deutung  des  verstärkten  Spitzenstosses  vertritt  auch 
G.  die  Ansicht,  dass  es  kaum  möglich  ist,  zu  unterscheiden,  ob  diese 


No.  24. 


Erscheinung  mehr  durch  Hypertrophie  als  durch  Dilatation  des  linken 
Ventrikels  verursacht  wird.  Den  Abschnitt  über  die  Deutung  der 
Rontgenbilder,  wovon  übrigens  einige  hervorragende  Auswahlstücke 
dem  Werk  beigefiigt  sind,  sähe  man  gerne  noch  etwas  breiter  ange¬ 
legt;  auch  die  Ausführungen  über  Blutdruck  und  besonders  über  das 
Elektrokardiogramm  sind,  was  ja  offenbar  im  Plane  des  Werkes  ge- 
Xgen  ist,  knapp  gehalten.  Hinsichtlich  des  Elektrokardiogramms 
.u.!«ilt  G.,  dass  es  für  die  Prognose,  für  die  Beurteilung  der  Leistungs- 
tahigkeit  des  Herzmuskels  eine  nur  unsichere  Handhabe  biete.  Von 
beite  73  ab  folgt  eine  prägnante  Ausführung  über  die  relativen 
Klappeninsuffizienzen,  wobei  G.  meint,  dass  man  vielleicht  das  Vor¬ 
kommen  relativer  oder  muskulärer  Mitralinsuffizientien  überschätzt. 
Ein  in  vielen  Monographien  nicht  genügend  berücksichtigtes,  aber 
doch  praktisch  ausserordentlich  wichtiges  Kapitel,  nämlich  das  über  die 
Prognose  der  Klappenfehler,  findet  auf  Grund  des  G  e  r  h  a  r  d  t  sehen 
Materiales  wichtige  Beiträge,  besonders  auch  hinsichtlich  der  pro¬ 
gnostischen  Bedeutung  der  verschiedenen  Arrhythmieformen.  Die 
Erfahrungen  des  Verfassers  sprechen  nicht  dafür,  dass  die  Aorten- 
irisuffizienz  die  schlechteste  Prognose  gebe.  In  dem  Kapitel  der 
I  herapie  vertritt  G.  den  Standpunkt  frühzeitiger  Digitalisdarreichung 
auch  bei  frisch  entstandenen  Klappenfehlern  und  gibt  überhaupt  sehr 
wertvolle  Winke  für  die  Digitalismedikation,  welche  er  auch  bei 
Aorteninsuffizienz  nicht  für  unrichtig  hält.  Schade,  dass  auch  in 
diesem  Werke  mit  Zugrundelegung  eines  durchaus  klinisch  beob¬ 
achteten  und  vorbildlich  gesichteten  Materials  über  die  reellen  Indi¬ 
kationen  und  Heilwirkungen  der  Behandlung  mit  elektrischen  Bädern 
der  Herzklappenkranken  sich  nichts  findet,  denn  es  würde  die  Ver¬ 
öffentlichung  exakter  Beobachtungen  hierüber  —  bei  dem  so  starken 
Inskrautschiessen  dieser  Art  Therapie  —  ein  aktuelles  Postulat  sein. 
Mit  Recht  betont  G.  die  Wichtigkeit  der  psychischen  Behandlung 
Herzkranker.  Im  speziellen  Teil  des  Werkes  werden  nun  die  ein¬ 
zelnen  Klappenfehler  nach  anatomischen  Verhältnissen,  Mechanik. 
Symptomen,  Diagnose  unter  Beigabe  von  Abbildungen  vortrefflich 
instruktiver  Präparate  im  einzelnen  erörtert  und  besonders  dürfte 
das  Kapitel  über  die  Mitralstenose  und  jenes  über  Aorteninsuffizienz, 
welche  unter  Berücksichtigung  aller  neuen  wichtigen  Arbeiten 
unseren  gegenwärtigen  Wissensstand  mit  grosser  Prägnanz  wieder¬ 
geben,  das  eingehende  Interesse  auch  der  engeren  Fachkollegen  für 
sich  beanspruchen.  Wichtig  sind  in  dieser  Hinsicht  besonders  auch 
die  Untersuchungen  über  das  Zustandekommen  des  Pulsus  celer  bei 
Aorteninsuffizienz.  Ein  Literaturverzeichnis  und  die  schon  erwähnten 
Röntgentafeln  beschlossen  das  Werk,  welches  durch  die  glücklicne 
Vereinigung  grosser  praktischer  Erfahrung  des  Verfassers  und  her¬ 
vorragendem  Vertrautsein  mit  den  Ergebnissen  der  neueren  experi¬ 
mentellen  und  klinischen  Forschung  zu  einem  höchst  wertvollen  Be¬ 
standteile  des  grossen  Nothnagel  sehen  Werkes  geworden  ist. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

H.  Quincke  und  G.  Hoppe-Seyler:  Die  Krankheiten  der 
Leber.  2.  Aufl.,  mit  14  Tafeln,  bearbeitet  von  G.  Hoppe-Seyler. 
Wien  und  Leipzig  1912,  A.  Holder.  Preis  brosch.  20.50  M. 

Die  2.  Auflage  des  bekannten  Werkes  ist,  von  Hoppe-Seyler 
neu  bearbeitet,  12  Jahre  nach  der  1.  Auflage  erschienen.  Die  ein¬ 
gehendste  Umarbeitung  haben  die  Kapitel  über  Physiologie  und  all¬ 
gemeine  Pathologie  der  Leber,  über  Cholelithiasis  und  über  Ikterus 
ci  fahren,  entsprechend  der  grossen  Zahl  von  neuen  Untersuchungs- 
ergebnissen,  die  in  dieser  Zeit  gewonnen  wurden  Es  sei  beispiels¬ 
weise  nur  angeführt,  dass  die  Zahl  der  Arbeiten  über  allgemeine 
I  athologie  der  Leber  auf  weit  über  das  Doppelte  angewachsen  ist. 
Auch  der  Abschnitt  über  Leberzirrhose  ist  fast  um  das  doppelte  ver- 
grössert  und  auch  sonst  sind  überall  im  klinischen  Teil  zahlreiche  Er¬ 
gänzungen  eingefügt.  Einzelne  Kapitel,  so  das  über  hämolytischen 
Ikterus  und  über  B  a  n  t  i  sehe  Krankheit  kamen  neu  hinzu.  In  einem 
Nachtrag  sind  noch  die  Arbeiten  des  Jahres  1912  verwertet.  So  gibt 
das  Buch  die  zurzeit  vollständigste  und  gründlichste  Darstellung  des 
weiten  Gebietes;  der  Praktiker  findet  jede  einschlägige  Frage  dis¬ 
kutiert  oder  beantwortet,  der  wissenschaftlich  Arbeitende  eine  klare 
Darstellung  aller  wesentlichen  Probleme  und  einen  sicheren  Führer 
zu  allen  Einzelfragen  und  zur  Spezialliteratur.  14  Tafeln,  alle  nach 
Photographien  vom  Lebenden  oder  von  Leichen  geben  die  Topo¬ 
graphie  und  die  anatomischen  Veränderungen  bei  den  Lebererkran¬ 
kungen  wdeder  und  ergänzen  so  die  Ausführungen  des  klinischen 
‘ei*es-  L.  J  a  c  o  b  -  Wiirzburg. 

H.  J.  Hamburger:  Physikalisch-chemische  Untersuchungen 
über  Phagozyten.  Wiesbaden,  J.  F.  Bergmann  1912.  Preis  9  M. 

W;er  Hamburgers  Buch  über  osmotischen  Druck  und  Ionen¬ 
lehre  kennt,  der  wird  gern  und  erwartungsvoll  auch  dieses  Werk  in 
die  Hand  nehmen,  das  sich  durch  die  gleiche  Klarheit  und  Ueber- 
sichtlichkeit  auszeichnet  und  eines  der  bedeutendsten  Probleme  der 
neueren  biologischen  Forschung  behandelt.  Die  Abstufungen  einer 
wichtigen  Lebenseigenschaft,  der  Phagozytose,  unter  der  Einwirkung 
bestimmter  Stoffe  hat  H.  in  zahlreichen  Versuchen  exakt  studiert. 
Ich  will  aus  den  interesanten  Ergebnissen  nur  einige  wenige  heraus¬ 
greifen.  Besonderes  Interesse  dürfte  in  der  Zeit  der  Kalziumbrote 
der  Einfluss  der  Kalziumionen  auf  die  Fresszellentätigkeit  erregen. 
Durch  den  Zusatz  ganz  geringer  Kalziummengen  wird  nämlich  die 
Phagozytose  bedeutend  gesteigert,  was  sich  nicht  nur  in  vitro,  sondern 
auch  in  vivo  nachweisen  liess.  Die  Wirkung  ist  in  erster  Linie 
eine  beschleunigende  und  wahrscheinlich  auf  die  Zellenzyme  gerichtet. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1335 


17.  Juni  1 9 13. 

Auch  praktisch  sind  diese  Versuche  keineswegs  bedeutungslos,  da 
eine  Anreicherung  des  Kalziums  im  Blut  gelingt.  Die  Wirkung  fett¬ 
lösender  Substanzen,  vor  allem  der  Narkotika,  wie  Chloroform, 
Chloralhydrat,  Alkohol  etc.  ist  besonders  deswegen  merkwürdig, 
weil  der  längst  bekannte  Einfluss  dieser  Substanzen  auf  die  Ganglien¬ 
zellen  ein  ganz  analoger  ist.  Kleine  Mengen  wirken  beschleunigend 
—  exzitierend,  grosse  Mengen  verlangsamend  —  narkotisierend. 
(Mit  Alkohol  hatte  Ref.  an  menschlichen  Leukozyten  schon  1907  die 
gleichen  Resultate,  vgl.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907.  No.  39.) 
Hamburger  stellt  sich  vor,  dass  bei  der  Auflösung  der  fraglichen 
Körper  in  der  lipoiden  Substanz  der  Zelloberfläche  diese  erweicht 
wird  und  damit  die  amöboiden  Bewegungen  erleichtert  werden.  Die 
Aehnlichkeit  mit  der  narkotischen  Wirkung  erscheint  um  so  grösser, 
wenn  wir  hören,  dass  für  die  Beeinflussung  der  Phagozytose  auch 
das  von  Meyer  und  Over  ton  gefundene  Teilungsgesetz  gilt. 
Durch  noch  manch  anderen  wichtigen  Versuch  hat  es  Ham¬ 
burger  verstanden,  die  Aufmerksamkeit  neuerdings  für  die  in  ihrer 
Bedeutung  bald  über-  bald  unterschätzte  Phagozytose  in  Anspruch 
zu  nehmen.  Es  ist  zu  hoffen  und  zu  wünschen,  dass  die  von  ihm 
gegebenen  Fingerzeige  recht  anregend  auf  die  künftige  Forschung 
wirken  und  auch  bald  pathologische  Verhältnisse  in  die  Fragestellung 
mit  einbezogen  werden.  H.  K  ä  m  m  e  r  e  r  -  München. 

Annalen  des  städt.  allgemeinen  Krankenhauses  zu  München. 

Festschrift  zum  100  jährigen  Bestehen  des  städt.  Krankenhauses  1.  d.  1. 
1813 — 1913.  Im  Verein  mit  den  Aerzten  dieser  Anstalten  heraus¬ 
gegeben  von  Prof.  Dr.  J.  v.  Bauer.  Bd.  XV,  1909 — 1910.  Mit 
63  Abbildungen  im  Text.  16  Tafeln  und  1  Plan.  München  1913, 
J.  F.  Lehman  n.  Preis  20  M. 

Der  Wert  der  vorliegenden  Bandes  liegt  in  der  von  H.  Ker¬ 
sch  e  n  s  t  e  i  n  e  r  abgefassten  „Geschichte  der  Münchener 
Krankenanstalten,  insbesondere  des  Krankenhauses  1.  d.  Isar“. 
Hier  wird  nicht  nüchtern  Tatsache  an  Tatsache  gereiht.  Auf  gründ¬ 
liches  Quellenstudium  sich  stützend,  bringt  Kersch  en  steiner 
in  meisterhafter  Darstellung  einen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die 
Entwicklung  der  Münchener  Krankenhäuser,  dessen  Lektüre  für 
jedermann,  auch  den  Laien,  in  hohem  Grade  anregend  ist.  Ein  gutes 
Stück  Kulturgeschichte  wird  hier  abgehandelt.  Da  werden  die 
Narrenkeichen  geschildert,  in  deren  erstickendem  Dunst  die  Kranken 
in  dunklen,  bretterverschlagenen  Ställen  garstige  Lumpen  zur  ge¬ 
meinsamen  Lagerstätte  hatten.  Im  Siechenhause  zu  Schwabing 
mussten  die  Insassen  durch  Holzklappern  und  mit  dem  Zurufe:  „Gebts, 
weils  lebts!  Wann’s  nimmer  lebts,  könnts  nimmer  geb’n!“  die  mit¬ 
leidigen  Bürger  zum  Almosengeben  ermuntern.  Durch  zahlreiche 
Zeichnungen,  Pläne  und  photographische  Abbildungen,  ausserdem 
durch  die  Reproduktion  von  Kostordnungen,  von  wundärztlichen 
Diagnosen  und  epidemiologische  Notizen  aus  früheren  Jahrhunderten 
erhält  man  ein  anschauliches  Bild  von  den  damaligen  Verhältnissen. 

Wertvoller  noch  sind  die  Biographien  der  Männer,  welche  sich 
um  den  Bau  und  die  Weiterentwicklung  des  Krankenhauses  1.  d.  1. 
verdient  gemacht  haben.  Der  Autor  hat  diese  zum  Teil  recht  aus¬ 
führlich  gehalten.  Die  Lebensgeschichte  des  Krankenhauserbauers 
Haeberl  nimmt  55  grosse  Seiten  ein;  sie  ist  aber  auch  ausser¬ 
ordentlich  lehrreich.  So  berührt  es  tragisch,  dass  der  anfänglich  ge¬ 
feierte  Erfinder  der  Ventilationsanlagen  und  von  Spülaborten  und 
von  „Boxen“  in  seinen  späteren  Jahren  wegen  des  mangelnden 
Funktionierens  seiner  Einrichtungen  bittere  Anfeindungen  und 
Kränkungen  erleiden  musste,  dass  auch  er  einen  erfolglosen  Kampf 
gegen  die  Wanzen  geführt  hat. 

Ein  literarisches  Kabinetstück  ist  die  Schilderung  von 
J.  N.  Ringseis.  Der  Autor  hat  sich  sichtlich  Mühe  ge¬ 
geben,  der  von  medizinischer  Seite  so  viel  geschmähten  Persön¬ 
lichkeit  des  mystisch-philosophierenden  Schwärmers  gerecht  zu 
werden.  Aus  seiner  Darstellung  geht  hervor,  dass  der  Kliniker, 
welcher  die  Krankheiten  als  die  schlimmen  Folgen  des  Sündenfalles 
ansprach  und  sie  mit  Sakramenten  und  Gebeten  bekämpft  wissen 
wollte,  doch  ein  in  seiner  Art  hochbedeutender  und  interessanter 
Mensch  war.  Das,  was  Kerschensteiner  über  Walther, 
Strohmeyer,  Rothmund  den  älteren,  G  i  e  1 1,  P  f  e  u  f  e  r, 
Nussbaum  und  Ziemssen  schreibt,  liest  sich  wie  eine  Ge¬ 
schichte  der  Medizin  des  letzten  Jahrhunderts,  doppelt  anregend 
dadurch,  dass  der  Autor  es  versteht,  durch  Schilderung  der  da¬ 
maligen  Verhältnisse,  der  vielfachen  persönlichen  Konflikte,  durch 
Anektoden  und  vor  allem  durch  eine  glänzende  Diktion  das  Interesse 
des  Lesers  zu  fesseln. 

Der  Herausgeber  dieses  Buches,  J.  Baue  r,  ahnte  wohl  kaum, 
dass  auch  seiner  in  diesen  Blättern,  die  den  Toten  geweiht  sind, 
wehmutsvoll  sollte  gedacht  werden. 

Neben  dieser  gross  angelegten  und  gross  durchgeführten  Ge¬ 
schichte  der  Münchener  Krankenanstalten  enthält  der  15.  Band  der 
Annalen  noch  Berichte  über  Bau  und  Organisation  des  städtischen 
Krankenhauses  1.  d.  I.  von  Krankenhausverwalter  S  c  h  m  i  d  1 1  e  r 
und  lange  statistische  Aufstellungen  über  den  Verbrauch  von  Arznei¬ 
stoffen,  von  Wein  usw.  usw.  Die  Tätigkeit  der  chirurgischen  Klinik, 
des  pathologischen  Institutes  des  Krankenhauses  r.  d.  I.  und  des 
städtischen  Sanatoriums  in  Harlaching  ist  auch  in  vielen,  vielen 
Zahlen  und  Tabellen  zusamengestellt. 

Der  dritte  Teil  des  Bandes  wird  durch  eine  Reihe  von  wissen¬ 
schaftlichen  Arbeiten  aus  den  verschiedenen  Abteilungen  ausgefüllt. 

L.  R.  Müller-  Augsburg. 


A.  Hoc  he:  Dementia  paralytica.  Handbuch  der  Psychiatrie 
von  Aschaffenburg.  Leipzig  und  Wien,  Fr.  D  e  u  t  i  c  k  e.  1912. 

Verf.  verweist  bezüglich  der  ausführlichen  Schilderung  der 
Paralyse  auf  Kräepelins  vortreffliches  Lehrbuch  und  führt  nur 
die  prinzipiell  wichtigsten  psychischen  und  körperlichen  Aeusserungs- 
formen  an.  Unter  letzteren  wird  z.  B.  erwähnt,  dass  Fälle  von 
reflektorischer  Pupillenstarre,  die  nicht  Tabes  und  Paralyse  sind,  nur 
noch  1,4  Proz.  ausmachen,  während  einige  Autoren  auch  noch  diese 
Ausnahmen  leugnen  Die  Häufigkeit  der  Paralyseerkrankung  unter 
den  Syphilisinfektionen  wird  mit  1 — 4,6  Proz.  angegeben.  Im  übrigen 
scheint  nach  den  bisherigen  Statistiken  eine  Abnahme  der  Erkran¬ 
kungen  zu  bestehen.  Die  durchschnittliche  Dauer  der  Krankheit  be¬ 
trägt  vom  Zeitpunkt  der  sicheren  Diagnose  gerechnet  2Vu  Jahre. 

Die  kürzlich  wieder  aufgeworfene  Frage  der  Heilbarkeit  wird 
vom  Verf.  dahin  beantwortet,  dass  es  sichere  Fälle  von  Heilung 
nicht  gibt. 

Einen  breiteren  Raum  nehmen  Diagnose,  Ursache  und  Wesen 
der  Paralyse  ein.  Die  Betrachtungen  über  die  Ursache  gipfeln  darin, 
dass  eine  Paralyse  ohne  vorangehende  Syphilis  nicht  möglich  ist. 
Spirochäten  sind  bei  Paralyse  noch  nicht  gefunden,  es  wird  vielmehr 
eine  Toxinwirkung  angenommen. 

Die  Behandlung  erstreckt  sich  auf  die  Prophylaxe  und  aui  die 
Therapie  bei  evidenter  Paralyse.  Die  erstere  scheint  erfolglos, 
die  letztere  erzielt  nicht  nur  keine  Besserung,  sondern  in  gewissem 
Prozentsatz  sogar  Verschlechterung.  Nur  Jodkali  kann,  weil  un¬ 
schädlich,  gegeben  werden. 

Ein  Abschnitt  über  Forensisches  und  grösseres  Literatur¬ 
verzeichnis  vervollständigen  die  Arbeit. 

Die  pathologische  Anatomie  der  Paralyse  wird  von  Alzheimer 
im  allgemeinen  Teil  des  Handbuches  abgehandelt  werden., 

Bei  der  ausserordentlichen  Wichtigkeit  der  Erkrankung  ist 
Hoch  es  übersichtliche  Darstellung  für  jeden  Arzt  von  grossem 
Werte.  R.  Jaeger  -  Halle. 

A.  P  a  s  s  o  w  -  Berlin:  Trommelfellbilder.  Ein  Atlas  für  den 
praktischen  Gebrauch.  Mit  26  farbigen  lithographischen  Tafeln. 
Jena,  Gustav  Fischer,  1912.  Preis  12  M. 

Der  Atlas  ist  eine  Frucht  1Ü  jähriger  Sammlung.  Neu  und  sehr 
zu  begrüssen  ist,  dass  Pas  so  w  bei  einigen  Krankheiten  das 
1  rommelfellbild  zu  verschiedenen  Zeiten  von  der  Entstehung  bis  zur 
Heilung  hat  malen  lassen,  z.  B.  die  akute  Mittelohrentzündung  und  die 
traumatische  Perforation  des  Trommelfells.  Auch  das  Aussehen  des 
Trommelfells  bei  verschiedener  Beleuchtung  ist  sehr  instruktiv.  Dass 
ausser  dem  Trommelfell  ein  Streifen  des  Gehörgangs  mitgezeichnet 
worden  ist,  kommt  insbesondere  den  Perforationen  der  Membrana 
Shrapnelli  und  den  Gehörgangsfrakturen  sehr  zu  statten. 

Bei  Einsenkung  des  Trommelfells  beginnt  auffallenderwei.se  der 
dreieckige  Reflex  immer  am  Umbo,  so  dass  der  Anfänger  in  den 
Irrtum  verfallen  könnte,  als  ob  dies  die  Regel  sei.  Auf  dein  Schema 
des  normalen  Trommelfells  (S.  7)  dagegen  ist  der  dreieckige  Reilex 
abgeriiekt  dargestellt.  Auch  sitzt  hier  der  Sulkusreflex  anstatt  aui 
dem  Gehörgang  auf  dem  Trommelfell.  Im  übrigen  aber  sind  die 
Bilder  sowohl  in  der  Zeichnung  als  auch  in  der  Farbe  meist  vor¬ 
züglich  gelungen.  Der  P  a  s  s  o  w  sehe  Atlas  wird  deshalb  ins¬ 
besondere  für  den  Unterricht  ausgezeichnete  Dienste  leisten. 

Scheibe-  Erlangen. 

Ernst  Küster:  Anleitung  zur  Kultur  der  Mikroorganismen. 

Für  den  Gebrauch  in  zoologischen,  botanischen,  medizinischen  und 
landwirtschaftlichen  Laboratorien.  2.  Auflage.  Mit  25  Abbildungen. 
Verlag  von  B.  G.  T  e  u  b  n  e  r.  Leipzig  und  Berlin  1913.  218  Seiten. 
Preis  8  Mark. 

Derjenige,  welcher  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Auflage  des 
Buches  1907  sich  mit  dem  Inhalt  desselben  vertraut  gemacht  hat, 
wird  sich  freuen,  dass  es  nun  wieder  dem  neuesten  Standpunkt  ent¬ 
spricht.  Denn  das  kleine  Werk  ist  eine  grosse  Fundgrube  für  alles, 
was  der  Naturwissenschafter  zur  Kultur  seiner  Mikroorganismen 
braucht.  Es  lässt  nie  im  Stich,  und  weil  es  kein  trockenes  Rezept¬ 
buch  ist,  sondern  durch  das  anregende  Beiwerk  aus  der  Physiologie 
und  Biologie  so  ausserordentlich  anziehend  und  lehrreich  wirkt,  so 
wird  es  zu  einem  unentbehrlichen  Helfer  im  Laboratorium. 

Wer  Vieles  bringt,  bringt  Jedem  etwas!;  und  so  kommt  der 
Botaniker,  der  Zoologe  und  der  Landwirtschafter  auf  seine  Rechnung. 
Für  den  Mediziner  aber  scheint  mir  es  besonders  wertvoll,  weil  er 
hier  so  vieles  vom  botanisch-naturwissenschaftlichen  Standpunkte 
aus  hört,  was  ihm  leider  sonst  vielfach  entgeht.  Der  Einteilung  nach 
blieb  es  im  Wesentlichen  gleich,  aber  dem  Inhalte  nach  ist  vieles 
Neue  hinzugekommen  und  auch  der  neuesten  Literatur  wurde  mög¬ 
lichst  Rechnung  getragen. 

Recht  unvorteilhaft  erscheint  dem  Ref.  das  dünne,  merkwürdig 
gelbliche  Papier,  welches  den  Druck  der  anderen  Seite  stark  durch¬ 
leuchten  lässt  und  das  Lesen  erschwert.  Hier  kann  der  Verlag  leicht 
Abhilfe  schaffen.  R.  O.  Neu  mann  -  Giessen. 

K.  v,  Buchka:  Das  Lebensmittelgewerbe.  Ein  Handbuch  für 
Nahrungsmittelchemiker,  Vertreter  von  Gewerbe  und  Handel,  Apo¬ 
theker,  Aerzte,  Tierärzte,  Verwaltungsbeamte  und  Richter.  Akade¬ 
mische  Verlagsgesellschaft  m.  b.  H.  Leipzig  1913.  1.  Lieferung. 

Seitdem  im  Jahre  1879  in  Deutschland  ein  Nahrungsmittel- 
gesetz  erlassen  worden  ist,  hat  sich  das  Interesse  für  die  Her- 


1336 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


k unft  der  Nahrungsstoffe,  die  Bereitung  der  Nahrungsmittel  und  deren 
Verfälschungen  ausserordentlich  verallgemeinert.  Das  beweist  unter 
anderen  die  Ueberzahl  von  Büchern  und  Publikationen  auf  diesem 
weitverzweigten  Gebiet. 

IWD“  Nahrungsmittelgewerbe  ist  heute  eine  so  umfassende 
Disziplin,  dass  die  hunderte  von  Einzelbetrieben,  welche  mit  der 
Nahrung  und  Ernährung  zu  tun  haben,  einen  Zusammenhang  nicht 
mehr  erkennen  lassen  würden,  wenn  sie  nicht  durch  das  Nahrungs- 
rmttelgesetz  an  das  einheitliche  Gewerbe  erinnert  würden.  In  der 
at  ist  diese  Massnahme,  welche  bei  der  Gewinnung  der  Rohstoffe 
und  deren  Verarbeitung,  bei  der  Ein-  und  Ausfuhr  der  Rohstoffe  und 
deren  Erzeugnissen,  bei  der  Aufmachung  der  Waren,  der  Ueber- 
imd  .itersuchun&,  bei  der  Beurteilung  und  bei  dem  Verkehr 
it  Nahrungsmitteln,  sodann  bei)  deren  Verfälschungen  und  bei  der 
Rechtsprechung  eine  wichtige  Rolle  spielt,  das  bindende  Element 
Ke,nnt,Il15’  der  Bestimmungen  ist  ebenso  wichtig  für  die  auf- 
sichttnhrende  Behörde  als  wie  für  diejenigen,  welche  sich  mit  der 
lerstellung,  der  Zubereitung  und  dem  Vertriebe  befassen 

Da  es  bisher  kein  grösseres  Werk  gibt,  welches  in  diesem  Sinne 
das  gesamte  Nahrungsmittelgewerbe  ausführlich  dargestellt  wieder¬ 
gibt,  so  ist  der  Herausgeber  mit  einem  Stabe  sehr  bekannter  Prak¬ 
tiker  an  diese  Aufgabe  erfreulicherweise  herangetreten,  womit  gleich¬ 
geben  istCh  Cine  Bürgschaft  ftir  ein  Qelinsen  des  Unternehmens  ge- 

Das  Werk  soll  in  2  Bänden  von  zusammen  100—110  Bogen  in 
Lieferungen  a  2  M.  erscheinen  und  in  schneller  Folge  herauskommen. 

Zunächst  liegt  die  erste  Lieferung  als  Einleitung  vor  mit 

N  a  Tr  r,  T”  a:  ^TQUtz  über  »Die  menschliche 

Nahrung  der  über  die  Zusammensetzung  der  Nahrungsmittel,  die 
Verdauung,  Beschaffenheit  der  Nahrung,  Eiweissstoffe,  Fette,  Kohle¬ 
hydrate  und  Nahrwertbestimmung  handelt.  Ihm  folgt  der  Anfang 
eines  Abschnittes  von  K.  v.  Buchka  „Ueber  Allgemeines“,  der 
aber  erst  in  der  2.  Lieferung  vollendet  wird. 

\V  ir  werden  am  Schluss  des  ersten  Bandes  wieder  auf  das  Werk 
zuruckkommen  sehen  aber  den  einzelnen  Lieferungen  schon  jetzt 
mit  grossem  Interesse  entgegen.  R.  0.  N  e  u  m  a  n  n  -  Giessen. 


Heinrich  Walther:  Leitfaden  zur  Pflege  der  Wöchnerinnen 
und  Neugeborenen.  Zum  Gebrauche  für  Wochenpflege- 
und  Hebamme  lisch  uler  innen.  Mit  einem  Vorwort  zur 
1.  Auflage  von  ueh.  Med.-Rat  Professor  Dr.  Löhlein  t  Vierte 
vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Mit  31  Textfiguren.  25  Tem- 
peraturzettel  im  Briefumschlag.  Wiesbaden,  Verlag  von  J.  F.  B  e  r  g  - 
mann,  1913.  206  Seiten. 

Der  von  Walther  verfasste  Leitfaden  liegt  nunmehr  in  der 
*  'i0r*  Beweis  für  die  grosse  Verbreitung,  die  dieses 
uch  gefunden  hat.  Um  dem  erhöhten  allgemeinen  Interesse  für 

^  ‘ntTS1IereRWn0Ch?,nbT-..Und  Säu2lin?shygiene  Rechnung ,  zu 
tragen,  ist  das  Buch  allenthalben  umgearbeitet  worden.  Als  Des¬ 
infektionsmethode  ist  die  Heisswasser-Alkohol-Sublimat-Desinfektion, 

wnrTf 1  A"  T/*S<ln  und  Sachsen  vorgeschrieben  ist,  beibehalteii 
worden  Die  Wochnerinnendiät  ist  nach  modernen  Prinzipien  um¬ 
gearbeitet.  Das  Stillgeschäft  ist  ausführlicher  dargestellt,  besonderer 
Wert  wird  auf  das  Selbststillen  gelegt.  Unbrauchbare  Figuren  sind 
durch  bessere  ersetzt;  die  bisherige  Zahl  von  12  Abbildungen  ist 
aut  31  vermehrt  worden.  Die  Neuauflage  wird  sicher  nicht  nur  in 
den  Kreisen  der  Wochenpflegerinnen  und  Hebammen,  sondern  auch 
bei  den  interessierten  Aerzten  eine  günstige  Aufnahme  finden. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 


Eder:  Rezepte  und  Tabellen  für  Photographie  und  Repro¬ 
duktionstechnik.  Verlag  von  Wilhelm  Knapp,  Halle  a.  S. 
i  i  .r  u.  Buch  erscheint  in  8.  Auflage,  ein  Beweis  für  seine  Unent- 
>elii  lichkeit.  Es  bringt  in  gedrängter  Kürze  die  verlässigen  Rezepte 
j er  .gebräuchlichen  photographischen  Verfahren  und  der  Repro¬ 
duktionstechnik,  dann  alle  nur  in  Betracht  kommenden,  in  Beziehung 
zur  Photographie  und  zur  Reproduktionstechnik  stehenden  Tabellen. 

Oberndorfer  -  München. 


Neueste  Journaliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Mediziu.  110.  Band,  3.  bis 
6.  Heft. 

br-  Laquer:  Höhenklima  und  Blutneubildung.  (Aus  dem  Isti- 
tuto  Internationale  Scientifico,  Angelo  Mos  so,  Col  d’Olen.)  (Mit 
6  Kurven.) 

Bei  einem  gesunden  jungen  Mann  bewirkt  ein  4  wöchentlicher 
Aufenthalt  in  2900  m  Höhe  eine  Zunahme  der  roten  Blutkörperchen 
und  des  Hämoglobins  in  der  Volumeneinheit.  Diese  setzt  in  der 
(:  W  oche  langsam  ein  und  erreicht  erst  nach  15  Tagen  den  höchsten 
Wert  von  -f- 15  Proz.  für  die  Erythrozyten  und  +  16  Proz.  für  Hämo¬ 
globin,  der  dann  gleichmässig  festgehalten  wird.  Hämoglobin  und 
Erythrozyten  verlaufen  völlig  parallel.  Nach  der  Rückkehr  kehren 
die  Et  ythrozyten  plötzlich,  das  Hämoglobin  allmählich  im  Verlauf  von 
?  Wochen  zum  früheren  Durchschnittswert  zurück.  Diese  relative 
Zunahme  im  Kapillarblut  entspricht  einer  tatsächlichen  Blut- 
n  e  u  bi  1  d  u  n  g.  Nach  stärkerer  Muskelarbeit  tritt  im  Hochgebirge 
eine  Verminderung  der  Blutkonzentration  der  Fingerbeere  auf  die 
wahrscheinlich  vasomotorische  Ursachen  hat.  6  Hunde,  denen  ein 
Aderlass  von  zirka  der  halben  Blutmenge  gemacht  wurde,  benötigten 


zum  W  iederersatz  im  Durchschnitt  16  Tage  in  einer  Höhe  von  2900  m 
in  der  Ebene  rund  70  Proz.  mehr  Zeit.  Das  Höhenklima  ii  b t 
einen  spezifischen  Reiz  auf  die  Blutneubildung 
aus,  als  dessen  ursächliche  Komponente  der  ver¬ 
hinderte  Partialdruck  des  Os  anzusehen  ist.  Mit 
dem  neuen  Hämoglobinometer  (A  u  t  e  n  r  i  e  t  h  &  Co.)  lässt  sich  bei 
mehrmaliger  Ablesung  der  Blutfarbstoff  auf  rund  +  1  Proz  eenau 
bestimmen.  ' 

HochgebTge^  n  b  e  *  m  llbd  O-  B.  Weber:  Die  Blutneubildiing  im 


, .  Bei  allen  untersuchten  Männern  (und  2  Frauen)  zeigten  sowohl 
die  Blutkörperchen  wie  das  Hämoglobin  bedeutend  höhere  Werte  im 
Höhenklima,  als  man  sonst  gewohnt  ist.  Diese  hohen  Zahlen  für 
Hämoglobin  und  Blutkörperchen  lassen  sich  nicht  anders  deuten  als 
durch  wn-khehe  Neubildung  von  Blutkörperchen  infolge  längeren  Auf¬ 
enthaltes  im  Hochgebirge. 

i  i  N'  Voorhoeve:  Zur  Lehre  des  Kalkstoffwechsels.  I.  Tuber¬ 
kulose  und  Kalkstoffwechsel.  (Aus  der  inneren  Universitätsklinik  zu 
Amsterdam.) 


i-  u  B<A  vergleichenden  Untersuchungen  über  die  Grösse  der  täg¬ 
lichen  Kalkeinfuhr,  bei  der  normale  Individuen  und  tuberkulöse  Pa¬ 
tienten  im  Kalkgleichgewicht  sind,  zeigte  sich  bei  den  letzteren  ein 
grosseres  Kalkbedürfnis,  d.  h.  also  eine  Neigung  zur  Dekalzifikation. 
Lüeser  Befund  wäre  zunächst  an  einem  grösseren  Material  nachzu- 


1  i  m  T  1  f  5Lr:  Ueber  die  Wirkung  des  Extraktes  aus  dem  Infundibu- 
arted  der  Glandula  pituitaria  unter  pathologischen  Verhältnissen. 
(Untersuchungen  über  den  N-  und  den  Mineralstoffwechsel.)  (Aus 
dem  Laboratorium  der  med.  Klinik  in  Klausenburg.) 

Die  subkutane  Darreichung  von  Pituitrin  hat  den  Eiweissstoff¬ 
wechsel  nicht  verschlechtert  und  eine  vorübergehende  Retention  von 
1  ,  Ca  und  Mg  verursacht.  Jedenfalls  kann  man  das  Pituitrin  bei 
Osteomalazie  und  Rhachitis  längere  Zeit  geben,  ohne  den  Eiweiss¬ 
stoffwechsel  zu  stören. 

Pli.  Schöpf:  Ueber  Nährklystiere  mit  Eiweissabbauprodukten 
und  deren  Einfluss  auf  den  respiratorischen  Stoffwechsel  und  die 
Warmeproduktion.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Heidelberg.) 

Nährklystiere  mit  Eiweissspaltungsprodukten  können  in  ziemlich 
hoher  Konzentration  (14 — 22  Proz.)  aufgenommen  werden  (Riba, 
Ha  pan).  Die  Ausnutzung  in  lOstündigen  Versuchen  betrug  68  bis 
90Proz.  Im  Anschluss  an  solche  Nährklysmen  kommt  es  zu  einer  er¬ 
heblichen  Steigerung  der  Wärmeproduktion,  die  85—170  Proz.  (in  Pro¬ 
zenten  des  Kaloriengehalts  des  im  Klysma  aufgenommenen  Eiweiss 
ausgedrückt)  betrug.  Infolge  dieses  Anreizes  der  verwendeten  Ei¬ 
weisspräparate  zu  stärkerer  Wärmeproduktioii  erscheint  ihre  aus¬ 
schliessliche  Darreichung  iii  Form  von  Nährklystieren  kalorisch  un- 
zweckmässig,  so  dass  gleichzeitig'  per  os  oder  rectum  grössere  Men¬ 
gen  von  Fett  oder  Kohlehydraten  zu  geben  sind. 

H.  W  ö  r  n  e  r:  Toleranz  gegen  Galaktose  bei  direkter  Einführung 
in  den  Pfortaderkreislauf.  (Aus  der  med.  Klinik  des  städtischen  Kran¬ 
kenhauses  Frankfurt  a.  M.) 

Die  I  oieranz  gegen  Galaktose  ist  bei  direkter  Einführung  dieser 
/.uckerart  in  den  portalen  Kreislauf  nach  Phosphorvergiftung  herab¬ 
gesetzt.  Die  Ursache  hierfür  ist  in  einer  Parenchymschädigung  der 
Leber  zu  suchen. 

Chr.  Schöne:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wirk¬ 
samkeit  grosser  Serumdosen  bei  der  Diphtherievergiftung.  (Aus  der 
med.  Klinik  der  Universität  Greifswald.) 

Soweit  von  Tierexperimenten  auf  menschliche  Infektionserkran¬ 
kungen  Schlüsse  möglich  sind,  lässt  sich  folgendes  sagen:  Unter  den 
schweren  menschlichen  Diphtherieerkrankungen  gibt  es  solche,  die 
unter  den  Erscheinungen  der  Intoxikation  tödlich  enden  ohne  jede 
Ausbreitung  auf  die  Luftwege,  bei  denen  das  Gift  vom  Gaumen- 
Rachenraum  aus  resorbiert  wird.  Auch  bei  Diphtherieformen  mit  star- 
kei  Obei  flächenausbreitung  spielt  häufig  die  reine  Giftwirkung  mit 
anschliessender  Herzparalyse  eine  Rolle.  Diese  Fälle  enden  meist 
am  4.  bis  8.  I  age  oder  am  Ende  der  2.  Woche  tödlich.  Analog  den 
I  lerversuchen  würden  hier  relativ  kleine  Mengen  Heilserum  in  den 
ersten  Stunden  oder  allerersten  lagen  zur  Heilung  ausreichen,  z.  B. 
bei  einem  Kinde  von  25  kg  jedenfalls  weniger  als  5000  AE.  bei  intra¬ 
venöser  Zufuhr.  In  einem  späteren,  sehr  kurzdauernden  Zeitabschnitt 
konnte  wohl  nur  das  10 — 20  fache  dieser  Dosis  lebensrettend  wirken. 
Die  Bestimmung  dieses  Zeitpunktes  wird  auch  für  den  erfahrenen  Arzt 
kaum  möglich  sein,  abgesehen  von  den  grossen  Kosten  einer  solchen 
Serumbehandlung. 

O.  Thorspecken:  Beitrag  zum  Ausbau  der  intravenösen 
Strophanthintherapie.  (Mit  2  Abbildungen.) 

Bei  chronischer  Herzinsuffizienz  soll  man  Strophanthin  intravenös 
anwenden,  wenn  die  galenischen  Präparate  schlecht  oder  gar  nicht 
mehr  vertragen  werden,  w^enn  Kompensationsstörungen  mit  Magen- 
darinleiden  kompliziert  sind,  und  sonst  dyspeptische  Nebenwirkungen 
vermieden  werden  sollen,  besonders  aber  bei  Stauungszuständen  vom 
hepatischen  Typus  und  bei  Anfällen  von  kardialem  Asthma  und  Lun¬ 
genödem  Schrumpf  nierenkranker. 

E.  H  e  s  s  e :  Die  Beziehungen  zwischen  Kropfendemie  und  Radio¬ 
aktivität. 

Das  Radium  ist  nicht  imstande  Kropf  zu  erzeugen.  Die  von 
radioaktivem  Gestein  gewisser  geologischer  Formationen  in  die  Luit 
ubeitietende  Emanation  bzw.  ausgehende  Strahlung  ist  zu  gering,  um 
einen  Einfluss  auf  den  Organismus  auszuüben.  Ebensowenig  kann 
die  im  i  rinkwasser  enthaltene  Emanation  als  Kropfursache  an¬ 
gesprochen  werden;  denn  es  lässt  sich  eine  Gesetzmässigkeit  in  der 


17,  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1337 


Verbreitung  des  Kropfes  und  dem  Vorkommen  von  aktiven  Wässern 
ausscbliessen. 

Fr.  Marchand:  Ueber  ungewöhnlich  starke  Lymphozytose  im 

Anschluss  an  Infektionen.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Heidelberg.) 

Unter  dem  Einfluss  verschiedener  Infektionserreger  (Staphylo-, 
Streptokokken,  Paratyphus,  Tuberkulose  etc.)  entwickeln  sich  Stö¬ 
rungen  an  den  Bildungsstätten  der  Blutzellen,  welche  zu  Lympho¬ 
zytose,  Driisenschwellungen,  Milzschwellung  und  häufig  zu  einer  er¬ 
heblichen  Verminderung  der  polymorphkernigen  Zellen  führen,  was 
insbesondere  gegenüber  der  lymphatischen  Leukämie  und  Pseudo¬ 
leukämie  in  Betracht  kommt. 

J.  Löwy:  Zur  Kenntnis  des  Morbus  Addisonii.  (Aus  der  med. 
Universitätsklinik  R.  v.  Jak  sch,  Prag.)  (Mit  Tafel  V.) 

Die  Beobachtung  an  einem  21  jährigen  Manne  zeigte,  dass  der 
Schwund  der  Nebennierenrinde  bei  Erhaltensein  des  chromaffinen 
Systems  unter  den  klinischen  Symptomen  des  Morb.  Addisonii  zum 
Tode  führt;  die  Ursache  ist  also  nicht  immer  in  einer  Erkrankung 
des  chromaffinen  Systems  zu  suchen  Die  dabei  vorhandene  Myasthenie 
und  der  niedrige  Blutdruck  braucht  seine  Ursache  nicht  in  einer  Hypo¬ 
plasie  des  Adrenalinsystems  zu  haben.  Der  Hyperplasie  des  lympha¬ 
tischen  Apparates  entspricht  nicht  immer  eine  Hypoplasie  des  chrom¬ 
affinen  Gewebes. 

Th.  Christen-  Bern :  Neue  Experimente  zur  dynamischen 
Pulsdiagnostik.  (Mit  3  Abbildungen.) 

In  dieser  Arbeit,  die  zugleich  eine  Antwort  auf  die  Ausführungen 
von  Sahli  (dieses  Archiv,  Bd.  109,  5.  u.  6.  Heft)  darstellt,  betont 
Chr.  die  Unanfechtbarkeit  des  Energometerprinzips,  wodurch  mit  Ge¬ 
nauigkeit  die  Füllung  des  Pulses  und  die  mechanische  Energie  des 
Pulsstosses  gemessen  werden  kann.  Dagegen  hat  das  Sahli  sehe 
Sphygmobolometer  einen  systematischen  Elastizitätsfehler,  wodurch 
man  die  gesuchte  Grösse  stets  zu  klein  findet. 

0.  Müller  und  K.  V  ö  c  h  t  i  n  g:  Zur  Frage  des  Herzschlag¬ 
volumens.  (Aus  der  med.  Klinik  Tübingen.)  (Mit  17  Kurven.) 

Das  nach  O.  Frank  geschriebene  optische  Sphygmogramm  der 
Subklavia  oder  Karotis  des  Menschen  zur  relativen  Bemessung  ein¬ 
tretender  Aenderungen  des  Herzschlagvolumens,  sei  sie  durch  physi¬ 
kalische  oder  chemische  Reize  bedingt  (Bäder,  Arzneimittel)  hat  seine 
praktische  Brauchbarkeit  erwiesen.  Aendert  sich  die  leicht  ausmess¬ 
bare  Höhe  dieser  Kurve  wesentlich,  während  der  aufnehmende  Re¬ 
zeptor  unverschoben  bleibt,  so  ändert  sich  das  Herzschlagvolumen 
in  gleichem  Sinne.  Aendert  sich  die  Kurvenamplitüde  nicht  nennens¬ 
wert,  so  ändert  sich  auch  das  Herzschlagvolumen  nicht  wesentlich. 
Bei  einem  Druck  über  250  mm  Hg  muss  man  auf  Fehler  gefasst  sein, 
darf  also  hier  das  Verfahren  nicht  mehr  anwenden.  Immerhin  ist  die 
Frank  sehe  Sphygmographie  kostspielig  und  kompliziert. 

F.  Gaisböck:  Beitrag  zur  Klinik  hämolytischer  Anämien  mit 
herabgesetzter  osmotischer  Erythrozytenresistenz.  (Aus  der  med. 
Klinik  der  Universität  Innsbruck.) 

Bei  den  3  Fällen  fanden  sich  konstitutionelle  Eigentümlichkeiten 
z.  T.  schon  in  der  Aszendenz  (Nasenbluten,  Asthma),  die  dem 
Organismus  schon  das  Zeichen  einer  körperlichen  Minderwertigkeit 
aufdrückten,  insbesondere  Hypoplasie  des  Gefässystems,  enge  Aorta, 
konzentrische  Hypertrophie,  orthostatische  Albuminurie,  Hyperplasie 
des  gesamten  Lymphsystems,  Persistenz  der  Thymusdrüse,  exsuda¬ 
tive  Diathese,  Bronchialasthma.  Wie  Fall  3  zeigt,  kann  die  hämo¬ 
lytische  Anämie  mit  herabgesetzter  Erythrozytenresistenz  gelegent¬ 
lich  in  akuter,  foudroyanter  Weise  verlaufen. 

N.  Voorhoeve:  Zur  Lehre  des  Kalkstoffwechsels.  2.  Einfluss 
grosser  Kalkgaben  auf  die  Kalkbilanz.  (Aus  der  inneren  Universitäts¬ 
klinik  zu  Amsterdam.) 

Bei  erwachsenen  normalen  Männern  wird  bei  Verabreichung 
einer  Extrakalkgabe  ein  bedeutendes  Quantum  dieser  Zulage  retiniert. 
Wochenlang,  so  lange  die  Extrakalkgabe  erfolgt,  wird  täglich  ein  Teil 
der  Extragabe  retiniert,  so  dass  die  totale  Quantität  aufgespeicherten 
Kalkes  stets  grösser  wird.  Nach  dem  Aussetzen  der  Extragabe  fängt 
der  Organismus  an,  den  aufgespeicherten  Kalk  auszuscheiden.  Die 
Retention  von  Extrakalkgaben  wurde  auch  bei  Tuberkulösen  ge¬ 
funden,  die  sich  nur  durch  die  tuberkulöse  Infektion  von  normalen 
Menschen  unterschieden. 

G.  B.  Gr  über;  Zur  Frage  über  das  Zustandekommen  des  pep¬ 
tischen  Magen-  und  Duodenalgeschwürs.  (Aus  dem  pathol.  Institut 
des  Krankenhauses  r.  d.  I.  in  München.) 

Die  Theorie  von  der  Natur  der  peptischen  Geschwüre  als  „zwei¬ 
ter  Krankheit“,  entstanden  als  Ausdruck  einer  vagotonischen  Re¬ 
flextätigkeit,  ausgelöst  durch  Erkrankung  entfernter  Körperorgane, 
vor  allem  des  Peritoneums  und  der  Appendix,  kommt,  wenn  über¬ 
haupt,  nur  für  einen  kleinen  Bruchteil  der  peptischen  Geschwüre  in 
Betracht.  Pathologisch-anatomisch  ist  eine  solche  Beziehung  nicht 
bewiesen,  bzw.  wohl  unbeweisbar.  Die  Aetiologie  des  Ulcus  pepti- 
cum  ist  sicher  eine  vielgestaltige  (toxische,  entzündliche,  mechanische 
Einflüsse  wie  Druck  von  Gallensteinen,  verkalkte  Drüsen  kommen  in 
Frage),  auch  die  Bedeutung  endokarditischer  und  atheromatöser  Pro¬ 
zesse  für  die  Genese  des  Ulcus  pepticum  auf  embolischem  Wege  — 
besonders  bei  älteren  Leuten  —  darf  nicht  unterschätzt  werden. 

N.  B.  Förster:  Wie  hoch  ist  der  Dextrose:  Stickstoff-Quotient 
bei  schwerstem  Diabetes?  (Aus  der  med.  Klinik  des  New' York 
Hospital.) 

Auch  bei  den  schwersten  Diabetesformen  ist  der  Dextrose:  Stick¬ 
stoff-Quotient  unter  4. 

F.  Gaisböck:  Klinische  Untersuchungen  über  das  Aussetzen 
des  Pulses  bei  tiefer  Atmung  (P.  inspiratione  intermittens)  und  bei 


forcierter  Muskelaktion.  (Aus  der  med.  Klinik  der  k.  k.  Universität 
in  Innsbruck.)  (Mit  7  Kurven.) 

Das  intermittierende  Aussetzen  des  Pulses  kann  auf  verschiedene 
Weise  Zustandekommen: 

Bei  der  tiefen  Inspiration  kommt  es  ausser  der  durch  den  nega¬ 
tiven  inthrathorazischen  Druck  bedingten  ausgiebigen  Blutverschie¬ 
bung  in  das  venöse  und  Lungengefässgebiet  zu  einer  verminderten 
Füllung  der  Ventrikel  und  des  grossen  Kreislaufs.  Bei  der  chronischen 
Mediastinitis  kann  der  Blutzufluss  aus  den  Venen  auch  noch  durch 
Verziehung  und  Verengerung  der  zarten  Gefässwände  gehindert  wei¬ 
den.  Diese  Störungen  der  Blutströmung  und  Blutverteilung  fuhren 
zu  einer  Einengung  des  Vasomotorenzentrums,  wodurch  es  zu  Vaso¬ 
konstriktion  in  der  Peripherie  kommen  kann,  zumal  in  Gefassgebieten, 
die  starke  Vasomotorentätigkeit  besitzen.  Die  letztere  wird  noch  be¬ 
günstigt  durch  forcierte  Muskelaktion  und  erhöhte  psychische  Inten¬ 
tion,  so  dass  es  zu  raschem  Versagen  der  Muskelkraft,  besonders  in 
den  Extremitäten  kommt.  Auch  auf  rein  psychogenem  Wege  kann 
es  zu  extremer  Vasokonstriktion  in  grösseren  Gefassen  kommen,  von 
der  rein  mechanischen  bis  zur  rein  psychogen  bedingten  Intermission 
des  Pulses  gibt  es  Uebergänge.  Die  Disposition  für  dieses  Phänomen 
ist  hauptsächlich  gegeben  bei  Individuen  mit  konstitutioneller  oder  er¬ 
worbener  Labilität  der  Gefässe  (vasomotorische  Neurosen)  oder  durch 
angeborene  Hypoplasie  und  funktionelle  Minderwertigkeit  des  Ge¬ 
fässystems.  . 

A.  A.  Hy  m  ans  v.  d.  Bergh  und  J.  Snapper:  Die  Farb¬ 
stoffe  des  Blutserums.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Groningen.) 

Das  Serum  gesunder  Personen  ist  niemals  vollkommen  mrblos. 
Die  Farbe  wechselt  von  blassgelb  bis  ziemlich  stark  braungelb,  ln 
jedem  Serum  findet  sich  Bilirubin  und  Lutei'n.  Im  Serum  kann  man 
viel  Bilirubin  neben  wenig  Lutei'n  finden,  oder  viel  Lutem  neben 
wrenig  Bilirubin,  oder  auch  von  beiden  viel  oder  wenig.  Bei  Dia¬ 
betes  und  chronischer  interstitieller  Nephritis  fand  sich  hohei  Lutein- 
gehalt.  Das  Serum  enthält  auch  beim  Gesunden  Bilirubin,  also  gibt 
es  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  physiologische  Cholämie,  die 
zur  Frage  reizt:  Was  ist  eigentlich  Ikterus,  gehört  dazu  noch  etwas 
anderes  als  die  Gegenwart  von  Gallenfarbstoffen  im  Blut  2  Bei 
Gallenstauung  und  inkompensierten  Herzfehlern  findet  sich  der  Bih- 
rubingehalt  des  Serums  vermehrt,  bei  Tuberkulose  und  Nephritis 
herabgesetzt.  Die  Ursache  der  physiologischen  Cholämie  die  \yohl 
kaum  auf  einfache  Gallenstauung  zurückzuführen  ist,  bedarf  der  Aut- 
klärung. 

A.  Mahlo:  Ueber  die  Wirkung  des  Opiums  auf  den  mensch¬ 
lichen  Magendarmkanal.  (Aus  der  med.  Poliklinik  in  Freilnirg  l.  B.) 
(Mit  18  Abbildungen  im  Text.) 

Das  Opium  hat  seine  Hauptwürkung  im  Dickdarm,  wo  es  z.  a. 
trotz  Rizinusöl  in  1  Falle  zu  einem  33  stündigen  Verweilen  der  Kon¬ 
trastmahlzeit  kam,  in  2  Fällen  zu  einem  24  stündigen  Venveilen. 
Einen  erheblichen  Einfluss  übt  es  auf  den  Dünndarm  aus,  wo  sich  in 
6  Versuchen  eine  Verzögerung  der  Entleerung  auf  5— 8  Stünden  fand. 
Die  Einwirkung  auf  den  Magen  besteht  in  einer  anfänglichen  Reizung 
der  peristaltischen  Bewegungen  mit  nachfolgender  Lähmung  und  in 
einer  getrennten  Einwirkung  der  Phenantrengruppe.  die  im  Sinne 
einer  Kontraktion  des  Sphinkter  antri  pylori  wirkt,  während  die  Deri¬ 
vate  der  Isochinolingruppe  durch  Herabsetzung  des  Tonus  eine  Dila¬ 
tation  des  Magens,  und  zwar  hauptsächlich  des  Magensackes  herbei¬ 
führen.  Eine  erhebliche  Verzögerung  der  Entleeriingszeit  des  Magens 
wurde  nur  in  einem  Falle  beobachtet.  Die  Opiumwirkung  aur  den 
Magendarmtraktus  ist  als  inkonstant  zu  bezeichnen.  Opium  hat  eine 
intensivere  Wirkung  auf  den  durch  Rizinusöl  gereizten  Darm  wie  auf 
den  normalen.  Opium  und  Rizinusöl  scheinen  die  gleichen  Angr  ins¬ 
punkte  im  Darm  zu  haben. 

G.  C  a  v  i  n  a :  Untersuchungen  über  den  Stoffwechsel  bei  der 
lymphatischen  Leukämie  während  der  Röntgenbestrahlung.  (Aus  dem 
Laboratorium  des  Ospedale  Maggiore  in  Bologna.) 

Der  Verf.  untersuchte  den  Eiw'eissstoffwechsel.  die  Harnsäure- 
menge  sowie  den  im  Urin  ausgeschiedenen  Harnstoff  und  Ammoniak, 
ferner  die  Schwefel-  und  Phosphorbilanz.  Die  wohltätige  V  irkung 
der  Röntgenstrahlen  äusserte  sich  in  einer  beschleunigten  Zerstörung 
der  weissen  Blutkörperchen  und  in  einer  Behinderung  ihrer  Bildung, 
sowie  iii  einer  Begünstigung  des  Gesamtstoffwechsels. 

Bamberger  -  Kronach. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Band  XXVI,  Heft  1. 
1913.  Herausgegeben  von  L.  Brauer-Eppendorf. 

Kasimir  D  1  u  s  k  i  und  Stefan  R  u  d  z  k  i  -  Zakopane :  Ueber  die 
klinische  Bedeutung  der  M  o  r  o  sehen  Tuberkulinreaktion.  (Auf 
Grund  von  500  eigenen  Beobachtungen.) 

Unter  den  500  Kranken  befanden  sich  253  Männer  und  247  Frauen 
(darunter  14  Kinder  unter  15  Jahren).  Auf  das  erste  T  u  r  b  a  n  sehe 
Stadium  entfielen  257,  auf  das  II.  157,  auf  das  III.  86  Patienten. 
Bei  481  Patienten  war  die  Tuberkulose  aktiv,  bei  15  halbaktiv,  bei 
4  inaktiv;  49  Proz.  der  Kranken  hatten  Bazillen  im  Sputum.  — 
Wichtig  ist  genaue  Einhaltung  der  Einreibungstechnik  (Epigastrium!). 
Unter  Annahme  der  M  o  r  o  sehen  Unterscheidung  von  3  Rea’ktions- 
graden  wurde  bei  579  Proben  der  erste  Grad  in  288  Fällen,  der 
zweite  in  71,  der  dritte  nur  in  22  Fällen  konstatiert;  in  198  Fällen 
war  das  Ergebnis  negativ.  Allgemeinerscheiniingen  traten  nie  auf; 
einmal  wurde  bei  einer  positiven  Reaktion  ein  flüchtiges  allgemeines 
Erythem  beobachtet.  —  Die  M  o  r  o  sehe  Reaktion  ist  spezifisch. 
33  Proz.  von  Fällen  sicherer  Tuberkulose  reagieren  negativ.  Die 


1338 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


positiven  Reaktionen  nehmen  mit  dem  Alter  der  Patienten  deutlich 
ab.  Die  diagnostische  Bedeutung  der  Reaktion  ist  gerimr  immerhin 

cüum  Seltener. Leichterkrankten  am  häufigsten,  die  im  II.  und  III.  Sta- 

prognostische  Bedeutung  ist  grösser,  insofern  als  die  Pro- 
gnose  um  so  besser  ist,  je  stärker  die  Reaktion  ausfällt;  umgekehrt 
ar  bei  klinisch  festgestellter  Tuberkulose  und  negativer  Reaktion 

aUfnPnn AiP)eI1  ein  ^günstiger.  Darin  liegt  der  Wert  der 
Methode.  Das  Auftreten  der  M  o  r  o  sehen  Reaktion  wird  durch 
spezinsche  Behandlung  abgeschwächt  oder  aufgehoben  d 

Hymans  van  den  Bergh  A.  A.-Groningen,  de  J  osselin 

mf.  i«ifc£i'p£Ln.”tiäLh"t  "••N””spees;  Eini8e  E 

P5ier,  l^rlseitjger^^u^^eentubericulosef^ie  seilher*  erfolg- 

iür  SÄ  wu rde,  die  Anlegung  eines  künstlichen  Pneumothorax 
für  enaubt.  Bei  richtiger  Technik  haften  dem  Verfahren  keine 
direkten  Gefahren  an.  Der  Punktionsmethode  ist  vor  der  Inzisions- 
methode  der  Vorzug  einzuräumen.  Auf  Grund  von  13  eigenen  Be¬ 
obachtungen,  worunter  4  mal  eine  Verbreitung  der  Tuberkulose  auf 
die  „gesunde  Seite,  2  mal  eine  Aktivierung  der  geringen  Erkrankung 
der  nichtbehandelten  Seite  sich  einstellte,  halten  die  Autoren  sich  fü? 
verpflichtet,  darauf  hinzuweisen,  dass  diese  Möglichkeiten  seither 
nicht  scharf  genug  erwähnt  wurden.  Auch  ist  dem  Auftreten  eines 
Da  dfPeXrUfai  eS  ,nicbt  immer  eine  günstige  Bedeutung  beizulegen 
iinid  i,r  a!’r  e!,ne,s  Burchbruches  in  die  Lunge  besteht  (1  eigene 
eobachtung),  soll  das  Exsudat  teilweise  entleert  werden  sobald  es 
einen  gewissen  Umfang  erreicht  hat.  ’  S0Dald  es 

Wilh.  K  ohne- Göttingen:  Ueber  den  Einfluss  der  Generations- 
vorgange  auf  die  Lungentuberkulose. 

n  .,I)ie  ^fra?-ei  )velcflen  Einfluss  die  Schwangerschaft  und  das  Puer- 

antwn  wU  v,Lung.entuberkllIose  haben-  ist  immer  noch  nicht  be¬ 
antwortet.  K  o  h  n  e  legt  seiner  Arbeit  29  an  der  Göttinger  städtischen 

D?e  StiS^haf  n  be°bachtet.e  FälIeDmit  88  Geburten  zugrunde. 
Die  Statistik  hat  den  Vorzug  langer  Beobachtungszeiten  und  der 

Mitberucksichtigung  der  häuslichen  Verhältnisse.  Einleitung  des 

N-?chtlAh7artefHCia  f  Und  der  .kunstlichen  Frühgeburt  kam  nicht  vor. 
Nach  Abzug  der  brauen,  welche  vor  Eintritt  in  die  ständige  Beob- 

nWU\L!inM  °nfr  meh,:ere  Geburten  (mit  Ausnahme  von  3  Fällen 
ne  Verschlechterung  ihres  Befindens)  durchgemacht  haben,  bleiben 

nLSr  Se^V  zu,  besP,ecben-  Bei  16  von  diesen  wu^de  kein 
pa“^  Emfluss,  darunter  7  mal  sogar  eine  Besserung  festgestellt. 

n  5  Faben  wurde  ein  ungünstiger  Einfluss  festgestellt,  der  in  2  Fällen 
allerdings  erst  nach  K— 1  Jahr  einsetzte.  Bei  allen  Patientinnen 
handelte  es  sich  nicht  um  besonders  leichte  Fälle,  die  nur  das 
Bild  eines  Spitzenkatarrhs  darboten.  Die  günstigen  Resultate  lassen 
sich  vielleicht  erklären  durch  die  bessere  Durchblutung  äer Respfea 
lonsorgane  wahrend  der  Gravidität.  -  Tuberkulosen  mit  Schrumm 
fungstendenz  werden  durch  die  Gravidität  günstig  beeinflusst  in 
vielen  Fallen  wird  Schrumpfungstendenz  hervorgerufen.  Das  Stillen 
soll  unbedingt  verboten  werden.  Eine  Veranlassung  zur  Verhütung 
Ahn  ,Konze.pt‘on  bei  Phthisikern  liegt  im  allgemeinen  nicht  vor. 
^rnHr-lUS  aüte  1CAauIu  lst  nur,  an^ezeigt  bei  bereits  nachweisbarer  Pro- 
z^spä?2  dCr  btblse  während  der  Gravidität,  kommt  aber  meist 

..  An.dlr  s 5  n  "  Kristen-Kristianssand:  Einige  Untersuchungen  über 
die  klinische  Anwendbarkeit  der  lokalen  Tuberkulinreaktionen 

;„„wAnrde,riSen  l13*  ,zar.  Entscheidung  der  Frage:  Kann  die  Kon- 
junktivalreaktion  als  elektive  Methode  angewandt  werden,  um  die- 
J  a!gemQrUPPe  ^°.n  hfejviduen  auszusondern,  unter  denen  die  mani¬ 
feste  klinische  Tuberkulose  auftritt?  mehrere  Jahrgänge  einer  Unter- 
offiziersschule  derart  untersucht,  dass  zu  Beginn  und  in  der  Mitte 
atr  3  jährigen  Schulzeit  die  Konjunktivalreaktion  vorgenommen  wurde 

TTnl?1|fi9SÄU'?r  u”terdauernder  ärztlicher  Ueberwachung  standen. 
Unter  26w  Schülern  der  Jahrgange  1905—1911  reagierten  33  d.  h.  13  Proz 

ÜrV  !>"  derse+lberL  ?,eit  traten  3  Lungentuberkuloseerkrankungen 
Frkrinto.n61^^84611  war,en  vor  der  im  ersten  Jahre  erfolgenden 
Erkrankung  Kutis-  und  Konjunktivalreaktion  negativ,  bei  dem  zweiten 

hPia«Wpreni-F  °r  der  im  -3-  JaAe  er!olsenden  Erkrankung  wiederholt 
hrödt  ^aa'F°iien  ne.Katlv-  Per  dritte,  im  ersten  Jahre  bereits  er- 
hpfakepdei  ba  rea?ierte  bei  der  Aufnahmeuntersuchung  bereits  auf 
u  dd  p-°menhP°Slti--  ,9ie  Konjunktivalreaktion  repräsentiert  also 
wMpkh.S  ErSChtlhr  far .  Mass1enuntersuchungen  hinsichtlich  der  Ent¬ 
wicklung  klinischer  I  uberkulose.  Jedoch  spricht  bei  unbegründeten 
protralnerten  Fieberzuständen  die  Negativität  der  Konhmktival- 
reaktion  gegen  den  tuberkulösen  Charakter.  Nach  Andersens  Er- 
t-abl"urn?renK  spncbt  d?s  Fehlen  der  Konjunktivalreaktion  bei  mani- 
ester  I  uberkulose  nicht  sicher  für  einen  ungünstigen  Verlauf,  eben¬ 
da?11™  nWm  kFafttlge  Reaktion  günstigen  Verlauf  vermuten  lässt.  — 
die.  Kutisreaktion  betrifft,  so  fand  A.  unter  144  Schülern 

könrn^ Aiac°Slti1Ve  pReAtl0nu1'  zu  wen‘g,  aIs  dass  man  annehmen 
s  nnte,  däss  die  Reaktion  bei  jedem  Organismus,  der  einmal  mit 

tuberkulösem  Virus  in  Kontakt  gewesen  ist,  sich  zeigte.  Anderer- 

S;JeaKn'ertern  ba  lbrem  Austritt  aus  der  Schule  84—86  Proz. 
positiv.  Der  Grund  ist  nach  A.  zu  suchen  in  einer  Sensibilisierung 
durch  die  frühere  Kutisprobe;  w  urde  nämlich  nur  einmal,  am  Schlüsse 
SSACPr  J  sp  ^agierten  nur  53  Proz.  positiv. 

ncirativp  KJirArPaWden  ■ E,ndruck’  dass  möglicherweise  durch  die 
negative  Kutisreaktion  eine  Gruppe  von  Individuen  ausgesondert  wird 
die  wegen  mangelnder  Selbstimmunisierung  bei  einer  Infektion  be¬ 
sonders  gefährdet  ist.  P.  S  c  h  1 1  p  p  e  -  DanSadt 


_ _ _ No.  24. 

s ,  pBe ar3^e  k,lnischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.Bruns 
M.  Band,  2.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp  1913. 

scheiß1 SSrf 2US  d?r  chirurgischen  Klinik  und  dem  anaiomi- 
Inr  mI"i’  Pathologisch-anatomischen  Institut  zu  Zürich  eine  Arbeit 
Ono  Mobilisation  und  Verlagerung  des  Magens  und  Duodenums  hei 

Hin  rdn°nifa"cha“l4Ma?ent  Und  ‘"A™  Abschnitt  der  Speiseröhre,  wozu 

l  kt  nach  14  günstig  verlaufenen  Ko  eher  sehen  Resektion 

a“te  BAfiTAt  (Rand"|krose>  verlaufener  Fad ‘  vTr- 

die  Snä.mS  nlf"l  dert*Un-er  Beigabe  entsprechender  Abbildung  m 
H  ®  genauere  Gefassanatomie  des  Magens  spez.  die  Blutversorinmir 
des  Duodenums  und  die  Ursachen  der  Nahtinsuffizienz  (Nekrose  Hpc 

?"n°uraSalS?rS,<le$)  lmd  geh!  dam  a“f  «'e  EStion  Je“  l£ 

p  .,  s  na  Lr  em,  wozu  er  einen  leicht  bogenförmigen  Schnitt  im 
*  ltoneum  parietale,  nahe  am  Foramen  Winslowii  beginnend  um! 

11  tor  DarSefton^T'6  herabziclle"d  empfiehlt.  Ebenso  bespricht“^? 
Setes  S?  M^in«L?enaHereM  Gefässanatomie  des  oralen  Magen- 
g  etes  de  Mobilisation  des  Magens;  diese,  die  auf  eine  Durch 

Re-SShfn  Lm'  proJund/  ventric.  hinausläuft,  ist  bei  der  üblichen 
Resektion  des  Magenkarzinoms  untunlich,  kommt  jedoch  bei  einer 
von  vornherem  subtotalen  Resektion  als  Erleichterung  sehr  in  Be 
,  a  |l|;  Bezüglich  der  Resektion  der  Kardia  und  des  unteren  Teiles 
S  ,n°  fPhag,US  Br'  Iiacb  Leichenversuchen  analog  dem 

)r\v  SC  ,en  Vorschläge  der  Mobilisation  auf  transdiaphrae- 
7  i  hpfn Cm  NfVegC  AZU’  eine  Mettmde  der  Mobilisation  des  Magens 
zu  befürworten,  wodurch  man  diesen  nach  vorgängiger  Gastrostomie 

,n  den  ThBoa"vh50hleÄ^r  die  isolierte  Kardia  und  den  OesophS 

den  Thorax  hinaufstulpen,  den  Tumor  invaginieren  und  dann  vom 

dneenMethodetradien  1?""  (.intradl0raka*e  Methode  der  Resektion), 
schüdert  th  d  d  Unter  Beigabe  von  Abbildungen  näher 

KarlsntophdJ'Qn-?tCk.befrichtA^  dem  städischen  Krankenhause  zu 

c  Isr  uhe  die  Spatzustande  nach  Dickdarmausschaltung  durch  Entero- 

stoni  e?,0SDieZW!nph  On  leit'm  FlexHra  sigmoidea  (Ileosigmoido- 

‘  *  d  ?  Operation  längere  Zeit  überlebenden  49  Fälle 
•  Aen  Su  e  Anastomosenfunktion  und  keinerlei  Ausfallserscheinungen 
im  Korperhaushalt.  Unter  32  Fällen,  bei  denen  wegen  Colitis  ch?on 
Perilcohtis  die  Ausschaltung  gemacht  wurde,  sind  6  (nur  weibhehe 
isonen),  bei  denen  nach  1 — 5  Jahren  wieder  Störungen  der  Darm¬ 
funktion  auftraten  (Obstipation,  Darmspasmen),  v.  B  hält  nach 
seinen  Erfahrungen  die  Operation  bei  chronischer  Kolitis  und  Peri- 

störungend  de^f^ifdfd  b6‘  Taberculosis  coli  und  schweren  Funktions- 
des  Rfktum  nn°H  HP  Fl  ^  'dUKCzeiRt'  vorausgesetzt  das  Freisein 
PaUiaF  F  d  u  •  Flexura  sigm.  von  Erkrankung,  ebenso  als 

defKÖto°nPern!pnAbeirniCht  m6hr  radJkal  entfernbaren  Karzinomen 
des  Kolon.  Die  Anastomose  ist  von  Seit  zu  Seit  oder  End  zu  Seit 

aussmtuhren  mit  Verschluss  des  abführenden  Ileum.  —  Bei  Kranken 

sigmoto!änEndU  a  60  Spasmen  ist  das  Ilsum  mit  der  Flexura 

sigmoideä  End  zu  End  zu  vereinigen  und  der  proximale  Stumpf 

ddr  .F!exura  Slgra-  als  Schleimfistel  vorzulagern  oder  das  Kolon  in 
!!AZei  nZli  exstirpieren.  Bei  chronischer  hartnäckiger  Obstipation 
und  Megalokolonbildung  im  Colon  transvers.,  Colon  asc.  oder  Zoekum 
ist  die  Exstirpation  des  Zoekum,  Colon  asc.  und  zwei  Drittel  des 
Colon  transvers  auszufuhren  mit  Einpflanzung  des  Ileum  End  zu 
End  in  den  distalen  Stumpf  des  Restes  des  Colon  transvers  Dick- 
daimerkiankungen  auf  schwerer  nervöser  Basis,  sind  nach  v.  Br. 
zu  operative!  Behandlung  meist  ungeeignet. 

Kin.?uma  BoHies  gibt  aus  der  Klinik  zu  Leiden 
eine  Mitteilung  über  intraperitoneale  Verwundung  der  Harnwege. 

latitef  RehLto  zwei  naher  mitgeteilte  Fälle,  deren  einer  bei  konser- 
m'l,  Behandlung,  der  andere  nach  Laparotomie  und  sekundärer 

Fotop^10)1  tdCr  be,treffe,nde(?.  NJere  zw  Heilung  kam,  studierte  B.  die 
Folgen  intraperitonealer  Verletzungen  durch  Tierexperimente  und 
kommt  zu  folgenden  Schlüssen:  Genesung  findet  statt  in  der  Weise 
dass  es  der  aseptischen  fibrinösen  Peritonitis  gelingt,  dem  ein- 
fliessenden  Harn  einen  Wall  entgegen  zu  werfen.  Bei  eitriger  und 
dann  immer  infektiöser  Peritonitis  findet  man  die  Wunde  der  Harn- 
to tokf10  d6r  Baucbbohle  offen  geblieben.  Bisweilen  kann  bei  lokaler 

totfakt  Apn°Ch  M6  atlVC  Qfnesunff  folgen  durch  Abkapselung  eines 
lntia-,  auch  wohl  eines  extraperitonealen  Abszesses,  worin  dann  der 
durchschnittene  Ureter  offen  einmündet. 

,  ..  p.  Klemm  gibt  aus  dem  II.  Stadtkrankenhause  zu  Riga  Bei- 
trage  zur  Kenntnis  der  infektiösen  Osteomyelitis  (auf  Grundlage  von 
4Ö0fDrhpne^  Beobacbtur|gen)-  278  Fälle  betrafen  Röhrenknochen, 
fallen  8  7kprze  T^f  K'>ochen;  in  27,8  Proz.  war  die  Tibia  be- 
LaÄ  in  l8’7u  P/oz.  der  Femur,  in  13,4  Proz.  die  Hüfte  primär.  Die 

Fernn^  Wac  lstlIms.  si,ld  3IT1  meisten  betroffen  (untere 

rernur-,  obere  I  lbiaepiphyse  sind  Prädilektionsherde).  In  88  Proz 
der  Falle  handelte  es  sich  um  Staphylomykose.  Von  Komplikationen 
konstatierte  K.  in  31.9  Proz.  Epiphysenlösungen,  in  25,9  Proz  Gelenk- 
ei  krankungen.  Die  Mortalität  von  54  akuten  Fällen  betrug  16,6  Proz. 
BÄcb  der  Behandlung  rät  K.,  wo  man  mit  Aufmeisselung  nicht 
auskommt,  zur  I  otalresektion  der  erkrankten  Diaphvse.  K.  bespricht' 
der  Reihe  nach  sein  grosses  Material;  unter  54  Fällen  akuter  Tibia- 

tie  rifl1  DZi  ?'  AWl]rde  2o,mal  Aufmeisselung  der  Diaphyse  (par- 
S’ J7!  tdtaIe  Aufmeisselung,  15  mal  Totalresektion.  6  mal  Ober¬ 
schenke  amputation  vorgenommen;  u.  a.  berichtet  K.  über  einen  Fall 

\der  Skapula’  4  FäIle  akuter  Osteomyelitis  der 
Klavjlcula,  2  der  seltenen  primären  Osteomyelitis  sterni,  9  der  Kiefer 
etc.  --  Von  den  320  Fallen  verliefen  60  (18,7  Proz.)  mit  multipler 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1339 


Lokalisation,  von  den  -  akuten  gaben  22  (48,8  Proz.)  positiven  Blut¬ 
befund,  von  diesen  starben  72,7  Proz. 

A.  Läwen  berichtet  aus  der  Leipziger  Klinik  über  doppelseitige 
Ureterolithotomie  bei  kalkuiöser  Anurie.  Er  bespricht  die  An¬ 
sichten  der  Autoren  über  die  Therapie  bei  doppelseitigem  Ver¬ 
schluss  des  Ureters  und  teilt  einen  Fall  mit  günstigem  Ausgang  mit. 
Doppelseitige  Nierenkalkulose  ist  in  14,9  Proz.  der  Fälle  beobachtet. 
Die  doppelseitige  extraperitoneale  Ureterolithotomie  mit  Hilfe  der 
Israe  Ischen  Schnittführung  kommt  bei  der  kalkulösen  Anurie  in 
Betracht,  wenn  es  sich  um  Einklemmung  der  Steine  im  iliakalen  oder 
pelvinen  Abschnitt  der  Ureteren  handelt.  Die  (tiefe)  extraperitoneale 
Ureterolithotomie  zur  Behebung  kalkuiöser  Anurie  ist  nur  gestattet, 
wenn  das  Nierenbecken  der  zu  dem  verschlossenen  Ureter  gehörigen 
Niere  frei  von  Steinen  gefunden  wird.  Die  Feststellung,  an  welcher 
Stelle  der  Steineinklemmung  und  ob  das  Nierenbecken  frei  von 
Konkrementen,  hat  vor  allem  durch  Radiographie  zu  geschehen.  Vor 
der  Ausführung  einer  doppelseitigen  Ureterolithotomie  ist,  wenn  die 
Anurie  noch  nicht  lange  besteht,  der  Versuch  gerechtfertigt,  die 
Konkremente  auf  unblutigem  Wege  (durch  Ureterendilatation  oder 
intrarenale  Injektion)  zu  entfernen.  —  Bestehen  schwere  urämische 
Symptome,  so  ist,  auch  wenn  alle  Vermutungen  für  doppelseitige 
Ureterolithotomie  zutreffen,  die  ein-  oder  doppelseitige  Nephrostomie 
vorzuziehen,  da  die  Inzision  der  schwer  geschädigten  Nieren  in 
solchen  Fällen  ein  Moment  darstellt,  das  den  Wiedereintritt  der 
Nierenfunktion  beschleunigt. 

Walter  A  1 1  s  c  h  u  1  gibt  aus  der  Prager  Klinik  einen  Beitrag  zur 
Chirurgie  des  Magenkarzinoms.  Bericht  über  612  in  der  Zeit  von 
1895 — 1911  (Prof.  Dr.  Wölf ler)  beobachtete  Fälle,  wovon  377 
auf  das  männliche,  235  auf  das  weibliche  Geschlecht  entfallen.  A.  be¬ 
tont  die  Wichtigkeit  der  Untersuchung  auf  das  Fehlen  freier  Salz¬ 
säure,  des  Nachweises  sakraler  Insuffizienz  und  der  Röntgenunter¬ 
suchung,  bespricht  dann  zunächst  die  nicht  operierten  Fälle  (190), 
von  denen  110  für  jeden  Eingriff  aussichtslos  erschienen,  80  den  vor¬ 
geschlagenen  Eingriff  verweigerten,  dann  die  Probelaparotomien  (139), 
die  Palliativoperationen  mit  äusserer  Fistel  (17  Gastrostomien  und 
Jejunostomien)  und  geht  dann  auf  die  mit  Gastrostomie  behandelten 
Fälle  (193)  näher  ein,  für  die  er  35,2  Proz.  postoperative  Mortalität 
berechnet;  (bei  Männern  43,7  Proz.,  bei  Weibern  25  Proz.).  Die 
W  ö  1  f  1  e  r  sehe  Gastroenterostomia  antecolica  wurde  56  mal  mit 
primärer,  5  mal  mit  sekundärer  Braun  scher  Anastomose  aus¬ 
geführt  (mit  35,2  Proz.  Mortalität);  nie  wurde  danach  Circulus  vitiosus 
gesehen;  95  mal  wurde  die  Gastroenterostomia  post,  nach  v.  Hacker 
vorgenommen  mit  19  Proz.  Mortalität.  Bezüglich  der  64  Resektionen 
gibt  A.  kurze  Auszüge  der  Krankengeschichten,  als  Methode  der 
Wahl  betrachtet  A.  die  II.  B  i  1 1  r  o  t  h  sehe  Methode,  vergrösserte 
Drüsen  bilden  keine  Kontraindikation,  falls  die  Resektion  sich  als 
unmöglich  erweist,  ist  bei  Pylorusstenose  die  Gastroenterostomie  mit 
doppelter  fortlaufender  Seidennaht  anzulegen.  Die  G.  retrocolica  wird 
wegen  der  raschen  Ausführbarkeit  vorgezogen,  am  besten  mit  kurzer 
Schlinge  nach  Czerny,  Petersen.  Von  der  Anwendung  des 
Murphyknopfes  ist  man  an  der  Prager  Klinik  gänzlich  abgekommen. 
Gastrostomie  und  Jejunostomie  werden  nur  als  Ausnahmsoperationen 
ausgeführt.  _ 

Jul.  Denk  schildert  aus  dem  Ludwigsspital  und  Karl-Olga- 
Krankenhaus  in  Stuttgart  die  Resultate  von  601  Appendizitisoperationen 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Frühoperation,  unter  Bezug 
auf  die  an  den  v.  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r  sehen  Abteilungen  1907 — 1912 
gemachten  Erfahrungen  (59,2  Proz.  bei  Männern),  er  geht  auf  Aetio- 
logie,  Diagnose,  pathologische  Anatomie,  Komplikationen,  unter  An¬ 
führung  einzelner  Fälle  näher  ein,  Kotsteine  fanden  sich  in  30  Proz. 
der  akuten  Fälle,  in  13  Proz.  der  Frühoperationen  fand  sich  Peritonitis 
in  einzelnen  Fällen  schon  nach  13  Stunden,  bei  35  der  Frühoperationen 
fanden  sich  abgekapselte  Abszesse.  Für  die  FrLihoperationen  be¬ 
rechnet  D.  0,4  Proz.  Mortalität,  für  die  96  Spätoperationen  14  Proz., 
für  das  Intermediärstadium  9  Proz.,  für  die  Intervalloperationen 
(134  Fälle)  0,7  Proz.  Mortalität  (ein  Todesfall  an  Lungenembolie). 
Auch  v.  H.  ist  absoluter  Anhänger  der  Frühoperation,  d.  h.  man  soll 
jede  akute  Appendizitis  sofort  nach  Sicht  operieren,  vorausgesetzt 
dass  die  Diagnose  sicher  gestellt  und  allgemeine  Kontraindikationen 
(die  die  Operation  gefährlicher  erscheinen  lassen  als  das  Zuwarten) 
fehlen.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  22. 

D.  K  u  1  e  n  k  a  m  p  f  f  -  Zwickau :  Zur  Anästhesierung  des  Plexus 
brachialis. 

Verf.  stellt  alle  die  bei  der  Plexusanästhesie  beschriebenen  Stö¬ 
rungen  zusammen  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  Ursache  für 
diese  gleichgearteten  Krankheitsbilder  in  einer  Pleuraverletzung  oder 
in  dem  Anstechen  eines  Interkostalnerven  zu  suchen  ist.  (Die  inter¬ 
essante  Arbeit  ist  am  besten  durch  eigene  Lektüre  zu  studieren.) 

F.  0  e  h  1  e  c  k  e  r  -  Hamburg :  Zur  Klinik  und  Chirurgie  des  Ner¬ 
vus  phrenicus. 

Verf.  bespricht  zuerst  die  hohe  klinische  Bedeutung  des  „Phreni- 
kussymptomes“  bei  den  verschiedensten  Erkrankungen;  nicht  nur 
entzündliche,  sondern  auch  mechanische  Reize  können  an  den  Phreni¬ 
kusendigungen  den  Schulterschmerz  auslösen,  den  wir  bei  Erkran¬ 
kungen  der  Pleura,  des  Perikards,  der  Lungen,  aber  auch  bei  Pro¬ 
zessen  im  Bauch  beobachten  können.  Dann  schildert  er  an  der  Hand 
von  einigen  selbstoperierten  Fällen  die  Technik  der  Phrenikotomie  und 
stellt  die  Indikationen  für  dieselbe  auf;  sie  kommt  besonders  dann  in 


Frage,  wenn  eine  Entfaltung  der  kranken  unteren  Lungenpartien  nicht 
mehr  zu  erwarten  ist  und  der  Pat.  von  seinen  lästigen  Schulter¬ 
schmerzen  befreit  werden  kann.  (Nähere  Details  sind  am  besten  in 
der  ausführlichen,  interessanten  Arbeit  selbst  nachzulesen.) 

v.  Hacker- Graz:  Operative  Verengerung  der  Magenfistel 
mittels  freier  Faszienplastik. 

Das  vom  Verf.  mitgeteilte  Verfahren  stellt  eine  neue  Verwen¬ 
dung  der  praktischen  K  i  r  s  c  h  n  e  r  sehen  freien  Faszienplastik  dar; 
zur  Verengerung  einer  insuffizient  gewordenen  Magenfistel  entnahm 
Verf.  kürzlich  einen  Faszienstreifen  aus  dem  Oberschenkel,  12  cm 
lang  und  2  cm  breit,  drehte  ihn  zu  einem  Strang  zusammen,  führte 
diesen  mittels  einer  gebogenen  Kocher  sehen  Sonde  von  rechts  und 
von  links  um  die  Fistel  herum  und  zog  dann  die  gekreuzten  Enden 
soweit  an,  dass  das  in  die  Fistel  eingeführte  Rohr  gut  umschlossen 
war,  und  vereinigte  sie  durch  Naht.  Der  Erfolg  war  sehr  gut;  Magen¬ 
inhalt  floss  nicht  mehr  nach  aussen;  das  lästige  Ekzem  heilte  ab. 
Verf.  empfiehlt  diese  Methode  zur  Nachprüfung,  wenn  es  gilt,  die 
Mündung  nach  aussen  gehender  Kanäle  bzw.  Fisteln  zu  verengern. 

Fritz  K  ö  n  i  g- Marburg:  Umführungszange  für  den  Draht  oder 
die  Giglisäge  bei  Knochenoperationen. 

Verf.  empfiehlt  die  von  ihm  konstruierte  Umführungszange, 
welche  besonders  für  das  Durchführen  der  G  i  gl  i  sehen  Drahtsäge 
oder  eines  Silberdrahtes  unter  dem  Knochen  sehr  geeignet  ist.  (Mit 
2  Abbildungen.)  E.  Heim-  Oberndorf-Schweinfurt. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  XXXI.  3/4.  Heft. 

17)  Hayashi  und  M  a  t  s  u  o  k  a :  Angeborene  Missbildungen 
kombiniert  mit  der  kongenitalen  Hüftverrenkung. 

25  eigene  Beobachtungen  und  140  weitere  aus  der  Literatur  wer¬ 
den  übersichtlich  zusammengestellt.  Am  häufigsten  findet  sich  Kom¬ 
bination  mit  Klumpfuss,  dann  mit  Genu  recurvatum. 

18)  Hayashi  und  Matsuoka:  Ueber  die  Erblichkeit  der 
angeborenen  Hüftgelenkverrenkung. 

Verfasser  fanden  unter  230  Fällen  14  erbliche  und  5  familiär 
vorkommende  Hiiftluxationen. 

19)  Löwenstein  -  Breslau :  Hemmungsmissbildungen  an  der 
oberen  und  unteren  Extremität. 

Multiple  Missbildungen  an  Fingern  und  Zehen,  Madelung,  Schä¬ 
delasymmetrie. 

20)  N.  A  1 1  i  s  o  n  -  St.  Louis :  Muskelgruppenisolierung  zur  Be¬ 
seitigung  spastischer  Lähmungen. 

Verf.  hat  in  25  Fällen  90  proz.  oder  etwas  schwächeren  Alkohol 
in  die  freigelegten  motorischen  Nerven  spastischer  Muskelgruppen 
injiziert  und  unter  energischer  gymnastischer  Nachbehandlung  Gutes 
davon  gesehen. 

21)  A  1  b  e  e  -  NewYork :  Knochentransplantation  bei  tuberkulöser 
Spondylitis. 

Die  Dornfortsätze  der  kranken  Wirbel  werden  gespalten,  in  die 
Lücke  wird  ein  der  Tibia  entnommenes  Knochenprisma  eingesetzt. 
Tierversuche  zeigen  einwandfrei  die  Einheilung  des  Knochenstückes. 
Die  knöcherne  Ruhigstellung  und  Ankylosierung  hat  unzweifelhaft 
Wert,  therapeutischen  wie  auch  kosmetischen. 

22)  Chawa  Bychowsky  -  München :  Ein  Fall  von  angeborener 
Ellbogenankylose  eines  im  Wachstum  zurückgebliebenen  und  miss¬ 
gebildeten  Armes. 

23)  S  c  h  e  d  e  -  München:  Die  Röntgenbehandlung  der  Knochen- 
und  Gelenktuberkulose. 

Die  beste  Wirkung  wurde  bei  tuberkulösen  Fisteln  und  bei 
sekundär  infizierten  Tuberkulosen  gesehen.  Sch.  glaubt,  dass  die 
Wirkung  der  Röntgenstrahlen  der  der  Sonnenstrahlen  verwandt  ist, 
wenn  auch  bedeutend  schwächer.  Schädigungen  der  Epiphysen  wur¬ 
den  nicht  gesehen.  Die  Röntgentherapie  ist  stets  mit  allgemeiner 
Behandlung  und  mit  orthopädischen  Massnahmen  zu  verbinden. 

24)  H.  N  e  u  h  o  f  -  NewYork :  Angeborener  Schulterhochstand. 
Familiärer  Typ. 

Die  Sprengel  sehe  Deformität  wird  als  Ausdruck  des  Atavis¬ 
mus  aufgefasst. 

25)  E.  F  aj  k  -  Berlin:  Fötale  Entwicklungsstörungen  am  Becken 
und  an  der  Wirbelsäule  als  Ursache  von  Deformitäten,  insbesondere 
von  Skoliosen  und  angeborener  Hüftluxation. 

Interessante  Präparate  und  Röntgenbilder. 

26)  F.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  Die  Behandlung  der  Patellar- 
fraktur,  eine  neue  Methode  zur  Rekonstruktion  des  Streckapparates. 

Besteht  eine  Diastase,  so  ist  der  Muskel  mitverletzt,  der  Reserve¬ 
streckapparat  eingerissen.  Die  exakte  Naht  des  letzteren  ist  zu¬ 
sammen  mit  parostaler  Patellarnaht  auszuführen.  Nach  12  Tagen 
mediko-mechanische  Nachbehandlung.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  22.  1913. 

Erich  O  p  i  t  z  -  Giessen :  Ueber  die  Wirkung  von  Radiumemana¬ 
tion  auf  Uterusblutungen. 

Ebenso  wie  Kästle  hat  auch  Verf.  beobachtet,  dass  Radium¬ 
emanation  günstige  Erfolge  bei  Uterusblutungen  zeitigte.  Vielleicht 
ist  das  auf  die  eventuelle  gichtische  Aetiologie  derartiger  „essen¬ 
tieller“  Menorrhagien  zu  beziehen. 

J.  S  c  h  o  1 1 1  ä  n  d  e  r  -  Wien :  Nochmals:  über  die  Bestimmung 
der  Schwangerschaftsdauer  auf  Grund  histologischer  Plazentarbefunde 
und  über  etwaige  praktische  Verwertbarkeit  dieser  Befunde. 

Polemisch-kritische  Antwort  auf  den  gleichnamigen  Artikel  in 
No.  11  des  Zentralblattes  von  Peters  mit  Angabe  einer  ganzen  Reihe 


1340 


_ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


forensisch  interessanter  hypothetischer  Fälle,  deren  Entscheidung 
durch  die  Beiunde  an  den  Plazenten  zu  erledigen  wäre 

.  lilos  B  o  g  d  a  n  o  w  i  t  s  c  h  -  Pest:  Entbindung  bei  vollständiger 
Lähmung  des  Rumpfes. 

Eine  37  jährige  13.-para  bemerkt  eine  seit  dem  3.  Qraviditäts- 
nionat  zunehmende  Lähmung,  die  zu  einer  vollkommenen  Lähmung 
des  ganzen  Körpers  vorn  von  der  Infraklavikulargrube  und  hinten  vom 
4.  Brustwirbel  abwärts  führte.  Schmerzlos  erfolgte  die  Geburt  des 
Kindes.  Im  Wochenbett  erlag  die  Frau  ihrem  Leiden,  als  dessen  Ur¬ 
sache  ein  grosser  komprimierender  und  das  Rückenmark  in  seinem 
ganzen  Querschnitt  erweichender  Tumor:  Fibroendothelioma  psam- 
mosum  durae  matris  spinalis  ad  regionem  atlantis  durch -die  Sektion 
aufgedeckt  wurde.  Die  Geburt  verlief  in  völliger  Empfindungslosig- 
keit,  ohne  Hilfe  der  Bauchmuskulatur,  die  gelähmt  war,  glatt  und 
rasch.  Der  Fall  lehrt  weiter,  dass  die  motorischen  Funktionen  des 
Uterus  vom  Rückenmark  unabhängig  sind  und  dass  dieselben  von  den 
peripheren  Nervenzentren.  welche  in  der  Gebärmutter  lokalisiert  sind, 
ausgelost  werden.  Auch  in  neurologischer  Beziehung  ist  der  Fall' 
wegen  der  Schwierigkeiten  der  Differentialdiagnose  bemerkenswert. 

Werner  -Hamburg. 

Zeitschrift  für  gynäkologische  Urologie.  Band  4,  Heft  3. 

W.  Beckmann-St. Petersburg :  Kaiserschnitt  wegen  Schei- 
denstenose  mit  vorausgegangener  Blasenfisteloperation.  (Aus  der 
gynakol.  Abt.  des  Obuchow-Frauenhospitals  in  St.  Petersburg.) 
ri  o'  Ja^ri?e  be‘  welcher  der  Verf.  im  Jahre  vorher  eine 

Llasenscheidenfistel  operativ  beseitigt  hatte:  jetzt  wurde  die  Frau 
nach  3  tägigem  Kreissen  mit  abgestorbenem  Kinde  und  übelriechendem 
Fiuchtwasser  eingeliefert.  Scheide  narbig  stark  verengt  Sectio 
caesarea  mit  supravaginaler  Amputation  des  Uterus.  Verlauf  bis  auf 
einen  Bauchdeckenabszess  glatt. 

A.  H  ir  s  c  h  b  e  r  g  -  Berlin:  Ueber  einen  seltenen  Sitz  von  Liga¬ 
tursteinen  der  weiblichen  Harnblase.  (Aus  der  Klinik  und  Poliklinik 

Tafef)raUenkrankheiten  V°n  Pr°f'  W'  Nagel"  Berlin.)  (Mit  einer 

40  jährige  Frau  (V.-para),  wegen  linksseitiger  Tubengravidität 
von  anderer  Seite  operiert.  Stark  anämische  Frau  mit  Incontinentia 
urmae,  in  der  Scheide  dicke,  mit  Harnsalzen  inkrustierte  Seidenliga¬ 
turen.  Zystoskopisch  Blasenschleimhaut  gerötet;  im  Trigonum,  dicht 
hinter  dem  Sphinkter  findet  sich  eine  Fistel.  Entfernung  der  Liga¬ 
turen  mit  den  Steinen,,  die  Fistel  schloss  sich  spontan  g 

den  Ureterocele “yesicalisF* '  “r  Kenn,nis  lnte™l'ttere- 

.... -Mitteilung  eines  Falles,  in  welchem  zystoskopisch  eine  inter- 
nnttierende  Ureterocele  vesicalis  zu  beobachten  war 

M  Kawasoye- Formosa:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  ana- 
v^rande[ung  der  Nieren  nach  dem  künstlichen  Ureter- 
rTStabWldu^en.)er  K&  '  Universitäts-Frauenklinik  zu  Kiel.)  (Mit 

vnn  Ä!*teilung,en  'der  anatomischen  Veränderungen  bei  einem  Fall 
dronephrose.  bei  dem  die  Sektion  des  Versuchstieres  309  Tage 
ach  dem  Ureterverschluss  stattfand.  Verf.  kommt  zu  dem  Schluss, 
dass  vom  Nierenparenchym  die  Glomeruli  am  widerstandsfähigsten 

I  irpt'p  Pie  AmS1Chtä dass  j‘e  Niere  der  nichtoperierten  Seite  durch  den 
Ureter  Verschluss  cler  anderen  Seite  anatomische  Veränderungen  er- 

bestimmteste  abrf'  aUf  QrUnd  Sdner  Untersuchungen  auf  das  aller- 

mann- Wien:  Zur  Kenntnis  der  Blutung  ins 

in  Wien?  AuS  der  gynakoL  Abt-  des  k-  k-  Krankenhauses  Wieden 

hurt  2[n™hrJ-Se  FJau  P-*para)>  nach  einer  schweren  langdauernden  Ge- 
Versc  S?stinAmiasUTnae:  Flltula  vesi.covaginalis  mit  ventilartigem 
mmfCRiS*S'  Am,5-  ^age  aach  der  Aufnahme  plötzlicher  Exitus  in¬ 
folge  Blutung  in  das  Lager  der  rechten  Niere.  Ausführlicher  Obduk 
tionsbericht  und  Besprechung  der  Aetiologie;  im  vorliegenden  Falle 
musste  eine  bestehende  Nephritis  als  prädisponierendes  eine  Harn- 
retention  als  auslösendes  Moment  angenommen  werden.’ 

.  .  am ®  ?  u  e. 1 r.e.‘  s  e  n  -  Kiel:  Ein  Fall  von  postoperativ  ent- 

S5ST  Weü  e®SeiS„a°  Tafen“5  d"  Kel'  u”-ersi.ä(s-Fraue„. 

«ÄS  F{?1  %  VftSXEZ 

Operation.  Am  3.  läge  p.  op.  Diphtherie.  %  Jahre  später  Operation 
wegen  linksseitiger  Hydronephrose  infolge  Stenose  des  Ureters’  Ex 
st.rpation  des  Tumors  mit  schrägem  Lumbalschnit ^  Beschreibung' 
Falles  Para  S>  Besprechung  der  Aetiologie  und  der  Diagnose  des 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Band  77,  Heft  4. 

heteroloees  FIwpL  S?  Durph,ässigkeit  des  Magendarmkanals  für 
ncteroioges  Eiweiss  bei  ernahrungsgestörten  Säuglineen  (KJinicpiiP 

sSr,"™®er*n,er^h“™";)  e<«  » -  or»  Unii% 

.  e  Die  weiteren  Versuche  mit  Rinder-  und  Pferdeeiweiss  ergaben 
dass  bezüglich  der  Durchgängigkeit  der  verschiedenen  Eiweisskörner 
6  Unte.rscbiede  nicht  bestehen.  Graduelle  Unterschiede 
deuten  darauf  hin,  dass  das  Hühnereiweiss  viel  leichter  die  Dann- 
•a' ',ierp  beim  Eintritt  einer  Funktionsschwäche  passiert  Die  prak- 
,  Bedeutung  der  vorliegenden  Untersuchungen  liegt  nach  Verf 
in  der  Möglichkeit,  mittels  dieser  Methodik  über  die  Funktionstüchtig- 


No.  24. 


Iceit  des  Darmes  bereits  zu  einer  Zeit  Aufschluss  zu  erhalten 
wahrend  der  seine  Kräfte  eine  klinisch  erkennbare  Einbusse  noch 
nicht  erlitten  haben.  Weitere  Untersuchungen  sollen  nach  dieser 
Richtung  angestellt  werden. 

16)  Hans  Hahn:  Die  Durchlässigkeit  des  Magen-Darmkanales 
ei  nahrungsgestörter  Säuglinge  für  an  heteroioges  Eiweiss  gebundenes 
Antitoxin.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Heidelberg  Dir 
Prof.  E.  M  o  r  o.) 

...  fasser  hält  auf  Grund  der  erhobenen  Befunde  den  Schluss 
tur  berechtigt,  dass  in  der  lat  Antitoxin,  das  in  grösserer  Menge 
\  ei  tattert  wird,  die  Darmwand  speziell  von  jungen  und  ernährungs- 
gestorten  Säuglingen  zu  passieren  vermag,  auch  wenn  es  an  hetero¬ 
ioges  Eiweiss  gebunden  ist.  Da  es  sich  freilich  nur  um  die  Re¬ 
sorption  von  Spuren  von  Antitoxin  handeln  kann,  sind  diese  Er¬ 
gebnisse  in  Ergänzung  der  Lust  sehen  Versuche  zwar  von  grossem 
theoretischen  Interesse  aber  ohne  praktische  Bedeutung. 

17)  Anna  F  r  a  n  k  -  Hannover :  Die  Anwendung  der  Molke¬ 
therapie  bei  ruhrartigen  Darmkatarrhen  und  ihre  Erfolge.  (Aus  der 
Universitäts-Kinderklinik  zu  Göttingen.  (Dir.  Prof.  F  Göppert) 
(Schluss.) 

Krankengeschichten. 

Kleine  Mitteilungen: 

I.  M.  S  o  1  d  i  n  -  Berlin-Wilmersdorf :  Ueber  einen  Fall  von  ver¬ 
zögertem  Mekoniumabgang. 

II.  0.  I  h  o  r  s  p  e  c  k  e  n  -  Bremen :  Berichtigung. 

Gesellschaftsberichte.  Literaturbericht,  zusammengestellt  von 

A.  Niemann  -  Berlin. 

I.  Sammelreferat:  Die  Fi  n  k  e  1  s  t  ei  n  -  M  e y  e  r  sehe  Eiweiss- 

milch,  von  A.  B  e  n  e  f  e  y  -  Berlin.  II.  Einzelreferate.  Buchbespre¬ 
chungen.  o.  R  o  m  m  e  1  -  München. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
allgemeinen  Pathologie.  Band  56,  Heft  1,  1913. 

1) .  George  B  a  e  h  r  -  NewYork :  Ueber  die  Sekretion  von  Gly- 
kogen  in  Diabetikernieren.  (Ein  Beitrag  zur  Frage  der  funktionellen 
Einteilung  der  Hauptstücke  Tubuli  contorti  prim,  ordin.) 

.  .  ^  Verfolgung  der  von  Asch  off  und  Suzuki  durch  intra- 
vitale  Färbung  (Granula!)  gewonnenen  Resultate  (morphologische  und 
funktionelle  Dreiteilung  der  gewundenen  Kanälchen)  konnte  B.  er¬ 
weisen,  dass  bei  den  Diabetikernieren  die  Glykogenspeicherung  nicht 
in  den  H  e  n  l  e  sehen  Schleifen,  sondern  in  den  geraden  Abschnitten 
der  Hauptstücke,  den  sog.  Uebergangsstücken.  stattfindet,  von  den 
Glomeruhn  aus  nach  abwärts  an  Intensität  zunehmend. 

2)  Hch.  E.  Frühwald:  Zwei  Fälle  von  kongenitaler  Trichter¬ 
brust.  (Aus  dem  I.  anatomischen  Institut  in  Wien.) 

r-,  ,  ^  Fälle  dieser  als  kongenitale  Bildungsanomalie  aufgefassten 
Deformität  (bei  einem  79jähr.  Schuster  (!  Ref.)  und  einem  Kino  von 
83  cm  Grosse). 

3)  Otto  Hess:  Ueber  die  bei  der  akuten  gelben  I.eberatrophie 
auftretenden  Regenerationsprozesse.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu 
Leipzig.) 

An  der  Hand  dreier  genau  histologisch  untersuchter  Fälle  glaubt 
H„  oass  uie  als  solche  feststellbaren  Regenerationsprozesse 
z.  1.  von  den  zentralen,  erhalten  gebliebenen  Leb  e.r  zellen  aus¬ 
gehen,  z.  1 .  aber  auch  in  sehr  intensiver  Weise  durch  Sprossung 
von  den  mterlobulären  Gallengärigen  abzuleiten  sind;  nach  H 
gehört  zur  vollständigen  Entwicklung  der  Gallengangepithelien  zu 
funktionstüchtigem  Lebergewebe  die  organische  Verbindung  der 
dei  ^wucherten  Gallengänge  mit  Resten  von  Leberparenchym. 

4)  Giovanni  C  a  s  t  i  g  1  i  o  n  i :  Untersuchungen  über  Transplan- 
tahon  von  Blutgefässen.  (Aus  dem  klinischen  Institut  für  ärztliche 
Fortbildung  in  Mailand  und  dem  Pathol.  Institut  zu  Freiburg  i  B) 

Während  nach  den  experimentellen  Untersuchungen  des  Ver¬ 
fassers  die  autoplastischen  arterio-arteriellen  Transplantationen  zu 
sehr  guten  fun  <tionellen  Endergebnissen  führen,  sind  dieselben  bei 
den  arteno-venösen  Experimenten  (sowohl  bei  den  homoio-hetero- 
plastischen,  wie  auch  bei  den  autoplastischen  Einpflanzungen)  w'egen 
der  Gefahr  der  Thrombenbildung  nicht  allzu  günstig. 

5)  Edgar  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d :  Leberzirrhose  und  Kalkinfarkt  der 
Nierenpyramiden.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  zu  Genf.) 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergaben  die  bemerkenswerte 
Koinzidenz  von  Kalkinfarkt  der  Nierenpyramiden  mit  Leberzirrhose  in 
91,6  Proz.  der  Zirrhosefälle  (unter  47  Kalkinfarktfällen  fand  sich 
andererseits  nur  3  mal  keine  Leberzirrhose).  Offenbar  liegt  beiden 
Erscheinungen  gemeinsam  eine  allgemeine  chemische  Stoffw^echsel- 
storung  zugrunde.  Die  Kalkablagerung  findet  sich  im  Pyramiden¬ 
gebiet  und  zwar  in  der  Tunica  propria  der  He  nie  sehen  Schleifen. 

...  6>  Folke  Henschen  und  Hilding  Bergstrand:  Studien 

über  die  Melanose  der  Darmschleimhaut.  (Aus  der  Pathol -anat 
Abteilung  des  Karolinischen  Instituts  zu  Stockholm.) 
n  •  haben  das  zuerst  von  So  lg  er  und  neuerdings  von 

Pick  beschriebene  gelbe  amorphe,  intra-  und  extrazelluläre  eisen- 
negative  und  säurefeste  Pigment  in  der  Tunica  propria  der’  Darm¬ 
schleimhaut  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchungen  gemacht-  sie 
konnten  feststellen,  dass  chronische  kachektische  Krankheiten  bei 
Entstehung  der  melanotischen  Darmpigmentierung  keine  Rolle  spielen, 
dass  ferner  40—50  Proz.  aller  Individuen  jenseits  der  60  er  Jahre 
solches  I  igment  in  mikroskopisch  nachweisbarer  Menge  besitzen  und 
dass  offenbar  bei  dessen  Entstehen  die  chronische  Obstipation 
eine  wichtige  Rolle  spielt  (50  Proz.  aller  an  Obstipation  leidenden 


IV.  J uni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1341 


Individuen  haben  stärkere  oder  schwächere  Melanose).  Das  Mela¬ 
nosepigment  entsteht  intrazellulär  und  zwar  in  wandernden  Elementen 
des  bindegewebigen  Schleimhautstromas  und  soll  weder  mit  den 
sog.  Melanien  noch  mit  den  lipoiden  Abnutzungspigmenten  („Lipo- 
fuscine“  nach  Borst)  identisch  sein. 

7)  Qeorg  Herzog:  Ueber  hyaline  Thrombose  der  kleinen 
Nierengefässe  und  einen  Fall  von  Thrombose  der  Nierenvene.  (Aus 
dem  Pathol.  Institut  zu  Leipzig.) 

In  den  beiden  ersten  Fällen  (64  jähr.  Mann  mit  kruppöser 
Pneumonie:  10 jähr.  Knabe  mit  kryptogenetischer  Peritonitis)  fand 
sich  erst  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  ausgedehnte  Fibrin- 
abscheidung  (hyalin)  in  den  meisten  ülomcruli  —  im  zweiten  auch 
Fibrinthrombose  in  den  Vasa  afferentia  — ;  zweifellos  spielten  sie, 
da  sie  bestimmt  intra  vitam  entstanden  sind,  eine  Rolle  bei  dem 
tödlichen  Ausgang.  Ihre  Entstehung  führt  H.  auf  Wirkung  von  im 
Blute  kreisenden  Toxinen  zurück,  die  auch  zu  Epithelschädigungen  im 
übrigen  Kanalsystem  geführt  hatten.  Im  dritten  Falle  fanden  sich  bei 
einer  22 jähr.  I.-para,  die  an  Eklampsie  verstorben  war,  doppel¬ 
seitige  fast  totale  Rindennekrosen  infolge  von  hyalin-thrombotischem 
Verschluss  des  grösstenTeiles  der  Arteriae  interlobulares  sowie  vieler 
Qlomeruli  und  Vasa  afferentia,  während  sich  ausserdem  auch  noch 
hyaline  Fibrinabscheidungen  in  den  Lungenkapillaren  und  an  den 
1  ungenalveolarwänden  feststellen  Hessen;  im  letzteren  Falle  macht  H. 
die  primäre  Graviditätsnephritis  verantwortlich  für  das  Zustande¬ 
kommen  dieser  Fibrinabscheidungen.  In  dem  letzten  mitgeteilten  Fall 
(53  jähr.  Frau,  gestorben  an  Lungenembolien  nach  Magenresektion 
wegen  Karzinom)  kam  es  vielleicht  im  Anschluss  an  eine  retro¬ 
grade  Embolie  aus  den  Beinvenen  zu  einer  totalen  Thrombose  ces 
linken  Nierenvenenstammes  mit  fast  kompletter  Nekrose  der  Mark¬ 
substanz  der  Niere;  dabei  fand  sich  noch  sekundäre  Epithel¬ 
degeneration  im  Rindengebiete  mit  bereits  im  Gang  befindlichen  Re¬ 
generationsprozessen.  H.  Merkel-  Erlangen. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 
72.  Band,  3.  Heft. 

Alwens:  Experimentelle  Studien  über  den  Einfluss  des  Sal- 
varsans  und  Neosalvarsans  auf  den  Kreislauf  und  die  Nieren  gesunder 

und  kranker  Tiere.  (Med.  Klinik  Frankfurt  a.  M.) 

Vergiftung  von  gesunden  Kaninchen  durch  hohe  Dosen  von 
Salvarsan  (intravenös)  führte  zu  mehr  weniger  starker  Nephritis 
vom  Typus  der  vaskulären  (nach  Schlayer)  mit  den  entsprechen¬ 
den  funktionellen  und  anatomischen  Veränderungen.  Der  Wasser¬ 
fehler  hatte  keinen  Einfluss  auf  das  Auftreten  und  den  Verlauf  der 
Nephritis.  Bei  rascher  Infusion  hoher  Dosen  trat  starke  Blutdruck¬ 
senkung  und  schwere  Funktionsstörung  der  Nieren  mit  fast  völligem 
Erlöschen  der  Diurese  auf;  dieselben  Veränderungen,  wie  sie 
Schlayer  und  He  di  n  ge  r  auch  für  die  Arsenvergiftung  be¬ 
schrieben  haben  mit  dem  gleichen  anatomischen  Befund.  Neosal- 
varsan  machte  klinisch  keine  Nephritis,  anatomisch  nur  geringe 
Nierenschädigung,  bei  hohen  Dosen  die  gleichen,  wenn  auch  an 
Intensität  geringeren  Veränderungen  wie  das  Salvarsan.  Tiere  mit 
experimenteller  vaskulärer  Nephritis  (durch  Kantharidin)  waren  auch 
für  kleinste  Salvarsandosen  enorm  empfindlich,  solche  mit  tubulärer 
Nephritis  zeigten  ebenfalls  schwere  anatomische,  aber  geringere 
funktionelle  Störungen.  Tiere  mit  Trikuspidalinsuffizienz  zeigten 
bei  kleinsten  Dosen  starke  Blutdruckerniedrigung,  solche  mit  Aorten¬ 
insuffizienz  eine  viel  geringere. 

E.  v.  Kn  aff  1- Lenz:  Sind  Schimmelpilze  imstande  aus 
Antimonverbindungen  flüchtige  Körper  zu  bilden?  (Pharm.  Institut 
Wien.) 

Schimmelpilze  können  nach  Gosios  aus  löslichen  und  unlös¬ 
lichen  Arsenverbindungen  flüchtige  Körper  bilden.  Bei  den  Antimon- 
verbindung'm  ist  dies  jedoch,  wie  die  Versuche  der  Verf.  zeigten, 

nicht  der  Fall. 

H.  Fühner:  Pharmakologische  Untersuchungen  über  das 
Kolchizin  und  seine  Derivate.  (Pharm.  Institut  Freiburg  i.  Br.) 

Die  Derivate  sind  zum  Teil  viel  weniger  giftig  als  die  Mutter¬ 
substanz,  so  dass  man  sie  statt  dieser  bei  der  Behandlung  der 
Gicht  versuchen  sollte.  L.  J  a  c  o  b  -  Würzburg. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  ,  1913. 
74.  Band,  2.  Heft. 

1)  Max  Oker-Blom  -  Bern :  Ueber  die  keimtötende  Wirkung 
des  ultravioletten  Lichtes  in  klarem,  getrübtem  und  gefärbtem 
Wasser. 

Zu  den  Versuchen  wurde  der  Trinkwassersterilisator  „Type 
Nogier-Triquet  Ms“  benutzt.  Verf.  fand  gleichwie  frühere  Unter¬ 
sucher  vor  ihm,  dass,  wenn  das  Wasser  vollkommen  klar  und  farb¬ 
los  ist,  bei  einer  angemessenen  Durchflussgeschwindigkeit  steril 
werden  kann.  Beim  Berner  Leitungswasser  gelang  es,  ca.  10  000 
Keime  im  Kubikzentimeter  und  bei  einer  Geschwindigkeit  von  50  bis 
90  Liter  in  der  Stunde  abzutöten.  Wurde  die  Durchflussgeschwindig¬ 
keit  auf  die  Menge  von  180  Litern  erhöht,  dann  konnten  nicht  alle 
Bakterien  abgetötet  werden.  Ist  das  Wasser  durch  Ton  getrübt,  so 
wird  die  keimvernichtende  Wirkung  des  ultravioletten  Lichtes  er¬ 
heblich  abgeschwächt.  Es  wurde  nun  versucht,  derartige  Trübungen 
nachzuahmen,  durch  Zusatz  von  Chlorbaryum,  und  die  gelbliche 
Verfärbung  wurde  durch  Zufügen  von  Vesuv  in  erreicht,  doch 
zeigten  die  Versuche,  dass,  auch  wenn  die  nachgebildeten  Trübungen 


3  mal  so  stark  waren  wie  natürliche  Lehmtrübungen,  die  Wir¬ 
kung  fast  kaum  litt.  Es  müssen  demnach  in  den  Tontrübungen  andere 
hemmende  Substanzen  sein,  die  den  ultravioletten  Strahlen  ein 
Hindernis  sind.  Auch  Auszüge  von  Torf  hemmten  stark  die  Wirkung. 
In  bezug  auf  die  Resistenz  verhalten  sich  die  zugesetzten  Keime  ver¬ 
schieden.  Vibrio  el  Tor  war  am  empfindlichsten.  Koli-  und  Para- 
typlnis  sind  etwas  widerstandsfähiger,  die  „Wasserbakterien“ 
scheinen  aber  am  resistentesten  zu  sein.  Der  Apparat  selbst  bedarf 
noch  mancher  Verbesserungen. 

2)  Max  Oker-Blom  -  Bern:  Ueber  die  Wirkungsart  des  ultra¬ 
violetten  Lichtes  auf  Bakterien. 

Verf.  stellte  sich  die  Frage,  ob  die  keimvernichtende  Wirkung 
der  ultravioletten  Strahlen  in  einer  Erzeugung  von  Ozon  oder  Wasser¬ 
stoffsuperoxyd  oder  einer  sekundären  Oxydation  des  lebenden  Proto¬ 
plasmas  der  Zelle  begründet  sei.  Er  suchte  sie  zu  entscheiden  durch 
die  Bestimmung  des  Sauerstoffverbrauches  in  1  Liter  Wasser,  nach¬ 
dem  das  Wasser  bestrahlt  war.  Seine  Resultate  sind  so,  dass  er 
annehmen  muss,  dass  die  keimvernichtende  Wirkung  eine  direkte 
Wirkung  der  kurzwelligen  Strahlen  auf  das  lebende  Protoplasma 
darstellt. 

3)  A.  G.  G  u  r  k  o  und  J.  Hamburger  -  Tiflis :  Zur  Frage  über 
die  Kultur  des  Plasmodiums  der  tropischen  Malaria  nach  Bass 
und  Johns. 

Es  wird  in  einer  vorläufigen  Mitteilung  berichtet,  dass  es  den 
Verf.  gelang,  nach  dem  Verfahren  von  Bass  und  Johns  in  einem 
Versuch  eine  Reinkultur  in  drei  Generationen  zu  bekommen. 

4)  Bernh.  H  e  n  n  i  n  g  s  e  n  -  Stockholm :  Eine  neue  Methode  zur 
Beurteilung  der  fäkalen  Verunreinigung  eines  Wassers,  gegründet  aut 
die  Veränderlichkeit  des  Gasbildungsvermögens  von  Bacterium  coli. 

Auf  Grund  der  Erfahrungen,  die  man  mit  der  bisher  angewandten 
Methode  der  Kolititerbestimmung  gemacht  hat  und  die  einer  geteilten 
Auffassung  Raum  gibt,  arbeitete  Verf.  eine  Methode  aus,  die  das  Gas¬ 
bildungsvermögen  der  Bakterien  sich  zu  Nutze  macht.  Er  weist  nach, 
dass  mit  seinem  Gasmessungsapparat  einfacher  und  sicherer  auf  das 
Vorkommen  fäkaler  Verunreinigungen  geprüft  werden  kann,  als  es 
mit  der  Kolititerbestimmungsmethode  der  Fall  ist.  Ein  Hauptmoment 
der  Unklarheit  in  bezug  auf  die  Bedeutung  des  Koli  im  Wasser  sieht 
Verf.  darin,  dass  unter  bestimmten  Verhältnissen  die  Eigenschaften 
des  Koli  sich  ändern  und  vor  allen  Dingen  die  Gasbildung  verloren 
gehen  kann.  Daher  entstehen  für  den  Untersucher  Schwierigkeiten, 
ob  er  es  mit  Koli  aus  Fäkalien  zu  tun  hat  und  ob  etwa  eine  neue 
Art  entstanden  ist.  Er  ist  selbst  der  Meinung,  einer  solchen  neuen 
Art  auf  die  Spur  gekommen  zu  sein,  die  er  als  Varietät  des  Bact. 
coli  mit  dem  Namen  Var.  anaerogenes  bezeichnen  möchte  und 
die  das  Gasbildungsvermögen  ganz  verloren  hat. 

5)  F.  L  ie  dk  e  -  Königsberg:  Zur  Säuglingssterblichkeit  in 
Königsberg  i.  Pr. 

Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  den  kongenitalen  Status 
des  Kindes,  auf  seine  Ernährung,  Kleidung  und  Wartung,  auf  seine 
Wohnung,  auf  die  ökonomische  Lage  seiner  Familie,  auf  sein  Krank¬ 
heitsbild  und  wurden  im  August  und  September  1911  an  100  ge¬ 
storbenen  Säuglingen  ausgeführt. 

Die  Resultate  sind  ähnlich,  wie  sie  anderweit  bei  derartigen 
Untersuchungen  gefunden  wurden.  Die  Sterblichkeit  nimmt  zu  mit 
der  W  ohnungsdichtigkeit  und  der  Wohnungstem¬ 
peratur.  Dann  spielt  die  künstliche  Ernährung  eine 
Hauptrolle,  welche  wiederum  eine  Folgeerscheinung  ökonomi¬ 
scher  Zustände  ist  und  mit  der  Industrialisierung  und  der  Frauen- 
erwerbsarbeit  zusammenhängt.  Ein  grösseres  Kontingent  der  Ge¬ 
storbenen  stellten  auch  die  unehelich  Geborenen.  In  sehr  vielen 
Punkten  ist  die  Frage  der  Säuglingssterblichkeit  eine  soziale  Frage. 

6)  A.  G.  G  u  r  k  o  -  Tiflis:  Vier  Fälle  von  Kala-Azar. 

Beschreibung  von  vier  Fällen  von  Kala-Azar  bei  Jugendlichen. 

Es  sind  dies  die  ersten,  welche  im  Krankenhaus  näher  bekannt 
worden  sind.  Am  Schluss  der  Arbeit  wird  mitgeteilt,  dass  ausserdem 
noch  5  weitere  Fälle  diagnostiziert  wurden. 

7)  B  i  n  d  s  e  i  1  -  Strassburg :  Bakteriologischer  Sektionsbefund 
bei  einem  chronischen  Typhusbazillenträger. 

Es  handelte  sich  um  einen  73  jährigen  Pfründner,  der  klinisch 
und  bakteriologisch  sicheren  Typhus  durchgemacht  hatte  und  seit 
1906  Typhusbazillen  ausschied.  Bei  der  Sektion  wurden  in  der 
Gallenblase,  in  den  Gallengängen,  in  der  Leber,  im  Duodenum  und 
Dünndarminhalt,  auch  im  Dickdarminhalt,  in  den  vorhandenen  Gallen¬ 
steinen  und  in  der  Tiefe  der  Submukosa  der  Gallenblasenwand 
Typhusbazillen  gefunden.  Mageninhalt,  Milz,  Niere,  Mesenterial¬ 
drüsen,  Pankreas,  Herzblut,  Knochenmark  und  Urin  war  frei  von 
Bazillen. 

8)  Hugo  Kühl-  Kiel :  Die  Milchsäurelangstäbchen. 

Einige  zusammenfassende  Worte  über  die  Beziehungen  der 
langen  Milchsäurestäbchen  zur  Darmflora. 

9)  F.  K.  K  1  e  i  n  e  und  B.  E  c  k  a  r  d:  Ueber  die  Lokalisation  der 
Spirochäten  in  der  Rückfallfieberzecke  (Ornithodorus  monbata). 

Bei  der  Untersuchung  von  23  Exemplaren  Ornithodorus 
m  o  u  b  a  t  a  fanden  sich  Spirochäten  im  Eierstock,  den  Koxaldrüsen, 
in  den  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Schläuchen,  der  Kopfdrüse,  dem  Magen 
und  den  Speicheldrüsen.  Vielfach  waren  sie  sehr  lang,  zu  Zöpfen 
vereinigt  und  es  konnte  Querteilung  gut  beobachtet  werden.  Die 
Frage,  ob  die  Spirochäten  als  solche  in  die  Eier  gelangen  oder  etwa 
aus  Chromatinkernen  auswachsen,  konnte  durch  Infektionsversuche 
zu  Gunsten  der  ersteren  Annahme  entschieden  werden. 


1342 


M UENCHENKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Är  »is  ‘ÄKÄÄtÄSlf  £ 

neint,  dass  die  übliche  Züchtung  auf  Löfflernährboden  und  die  p-ir 

de?  RotheMheI1NähdrIS!teSe  "n*  Ki?niigt-  Ks  wird  in  erster  Linie 
uer  Kotnesctie  Nährboden  mit  Lackmus  empfohlen,  der  die  Sän-e- 

ildung  der  echten  Diphtherie  zu  erkennen  gibt.  Ferner  ist  zu  achten 

die  Lokalisation  der  Körner,  die  Nichtspaltbarkeit  des  Dextrins 

die  Avirulenz  für  Tiere  und  die  Spezifität  der  AgglutfnaTiom 

R.  O.  Neumann  - Giessen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift  No.  23,  1913. 

1)  Hermann  K  ü  1 1  n  e  r  -  Breslau :  Das  Ulcus’  duodeni. 

und  Thcrarüp  Ct  S1C,h  ^ber  di£  Aetiol°Sie,  Symptomatologie 

und  1  herapie  des  Ulcus  duodeni.  Die  Radiologie  gibt  wichtige 

Anhaltspunkte  für  die  Diagnose.  Die  Prognose  des  unbeeinflussten 
Heilungsverlaufes  ist  erheblich  ungünstiger  wie  die  des  Ulcus 
ventriculi;  der  Uebergang  in  Karzinom  ist  allerdings  sehen  Dil 
neueren  therapeutischen  Bestrebungen  tragen  vorwiegend  chirur- 
gischen  Charakter,  und  zwar  hat  die  grösste  Bedeutung  die  Gastro- 
Nrir"h ° ^i  1° '  ev.cntu£:11  mit  künstlicher  Stenosierung  des  Pylorus 
NjäbehLdS  wbotek'1“  sys,ema,isch  durchtreführte  diätetische 

J™1™«  des  •.PÖpl>viaktikümU  Mallebrein"  ätii' hi'iekiionserr’^c“  ,md 

„„  u  i  d?ril.  Chloraluminium  Mailebrei  ns  wurden  im  Tier- 
Diphtherie  zweifellos  günstige  Erfolge  erzielt.  50  Proz. 
der  -Tl«  f  warden  geheilt  und  bei  den  übrigen  zum  mindesten  eine 
beträchtliche  Verlängerung  des  Lebens  erreicht.  Die  Wirkung  scheint 
im  wesenthchen  eine  antitoxische  zu  sein;  denn  das  Mittel  erzeugte 
f  pfl  t  e  tp‘ P  i  p' 6  " ' 6  . k  e  1  n  ea  h  so  lute  Bakterizidie  in  der  Wunde  und  ent- 
letK  •deI11  r£me.ü1,..DlPhtherietoxin  gegenüber  ähnliche  Heileffekte 
\  le  bei  der  bazillären  Infektion.  Dagegen  lieferte  es  Infektions- 
pi oz essen  gegenüber,  die  ohne  eine  wesentliche  direkte  ToxinwirkuU 
einhergehen,  wie  bei  Typhus,  Milzbrand  und  Tuberkulose  g™ur,- 
sichere  Resultate.  Die  beobachtete  Fernwirkung  des  Präparates 
scheint  einen  Vorzug  gegenüber  den  von  v.  Behring  benutzten 
Chlorpraparaten  darzustellen.  uenuizien 

3)  B,1,üh  dorn -Göttingen:  Untersuchungen  über  die 

therapeutisch  wirksame  Dosierung  von  Kalksalzen  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Spasmophilie, 

Zur  Erreichung  einer  raschen  und  sicheren  Wirkung  müssen  beim 
^  augling  sehr  grosse  Kalkdosen  angewandt  werden,  das  Kalzium- 

der^gj?  ao1  ,D!'e  Wirkung  ist  prompt,  aber  vorübergehend, 

der  Kalk  ist  deshalb  bei  akuter  Spasmophilie  sehr  wertvoll,  doch 

dm” Wahl  SiCh  FUChv  für  die  Dauerbehandlung  der  Spasmophilie.  In 
de  Wahl  der  Ernährung  ist  dabei  keine  Beschränkung  geboten. 

~  J  Louis  Wickham- Paris:  Allgemeine  histologische  Ver¬ 
änderungen  der  Gewebe  unter  dem  Einfluss  der  Strahlenwirkung. 

(Vortrag,  gehalten  aut  dem  internationalen  Kongress  für  Physio¬ 
therapie  zu  Berlin  im  März  1913.)  yM0 

Cf.  Spezialreferat  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913 

Sa.kÄJ*1  urM  ,und  Belicitas  Felten-Stoltzenberg- 
.  an K t  1  eter  a  d.  Nordsee:  Die  Sonnenbehandlung  der  chirurgischen 
und  Broncmaldrusentuberkulose  an  der  See.  (Nach  einem  auf  der 
Hr'  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Münster  in 
der  Abteilung  Chirurgie  gehaltenen  Vortrage.) 

Cf.  pag.  2423  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1912. 

_  I,  v  La,rl  B  e  r.t  ZJ:  1 1  -  Berlin:  Uebungsbehandlung  bei  Little- 

lt.haHnnranrhH,t  einer  neuen  Gehstütze.  (Nach  einer  Demon- 

stiation  auf  dem  XII.  deutschen  Orthopädenkongress  in  Berlin.) 

pezialreterat  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

Fluors  ütt°  Abraham:  z,,r  Xerasebehandlung  des  weiblichen 

vetrn?fnpyrJperfa^Sf.rwerfundene  Xerase’  ein  Gemisch  von  reiner 
nn  i  K-h  tS  ’  ab  garfahiger,  obergäriger  Bierhefe  mit  Bolus,  Zucker 

Ne lkenöl,SviSv7Ur?  ,,ocl\ZUr  Vermeidung  des  üblen  Geruches  mit 
Nelkenöl  versetzt.  Sie  wird  am  besten  in  der  Art  appliziert  dass 

man  zweimal  in  der  Woche  im  Spekulum  5—8  g  Xerasepulver  ’in  die 

eiEienttl  ’  dasselbe  nach  8— 24  Stunden  durch  Kamillenspülung 
entfernen  lasst  und  an  den  übrigen  Abenden  von  der  Patientin  selbst 

hrHi^erpSettab  Ctte  möglichst  tief  in  die  Scheide  einführen  lässt,  deren 
entfernt  tC  S‘6  am  ndchsten  Morgen  durch  Kamillentheespülung 

^  arnek  ros- Berlin:  Mitteilungen  aus  der  Zahnheilkunde. 

<  i  trag,  gehalten  m  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  30.  April  1913  ) 

'  vaffr  L009  der  Mnnch.  med.  Wochenschr.  1913. 

Perikarditis  K  0  1  b  ’  Heidelberg:  Die  chirurgische  Behandlung  der 

Uebersichtsreferat.  Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  23,  1913. 

a  b X  1  a  u  s  lind  St.  Baecher  -  Wien :  Ueber  Beziehungen  des 
ntitoxmgehaltes  des  Diphtherieserums  zu  dessen  Heilwert. 

•  we.rt  e‘nes  Diphtherieserums  muss  nicht  notwendiger¬ 
er  rec^n™  Als  ehalt  an  Antitoxin  durchaus  ent¬ 

sprechen.  Als  baktoren,  welche  für  gewisse  Abweichungen  verant- 


_ _ _ No.  24. 

Anolov^nf “c machen  sind-  k°mmen  u.  a.  eine  besondere  Avidität  der 
6  s  vieI3  em  besonderes  Verhalten  des  einen  oder  andern 
■  g,anisrnus  mit  Bezug  auf  die  Giftbindung  in  Betracht.  Um  die  Heil 
Wirkung  eines  Serums  genau  beurteilen  zu  können  müssen  die  Be 
obachtungszeiten  mindestens  4  Wochen  betragen  Be’ 

Rpi  Ni^tiCfIielibIe'Brumerl:  Die  Tuberkulose  im  Kindesalter. 
Bu  Nachforschungen  über  die  Verbreitung  der  Tuberkulose  snin,, 

SlrtUnsfndChoehäenk,ZWiSCHhen,  F:illen’  die  "“r  mit  T ubÄSmÄ? 
T^,Ld  sind,  ohne  klinische  Symptome  zu  bieten,  und  solchen  die  m 

"  BeSfr  rkt1°de^?t0,;bC'1  Sind‘  QleicI>wohl  hält  es  schwer, 
kommen  Für  „  Fdfr  Verbreitung  der  Kindertuberkulose  zu  be- 
u  ler,-  bur  die  Entscheidung  der  Diagnose  kommt  in  der  Praxis 

dSlmTSed|iei?i  rqRuets^he  kutane  Tuberkulinprobe  mit  unver- 
uiinntem  I  uberkulin  in  Betracht.  Der  Nachweis  von  Tuberkelha7i1lpn 

fe/nStrn^epden  ßlutC-  ^e-gegrn-t  mehr  oder  weniger  berechtigten  Zwei- 
•  j  j  rognose  ist  im  frühen  Kindesalter  meist  ganz  schlecht  da 

‘fine  “nd  fn,ßetl:er,SJaHhre1.der  *nfektion  audl  tuberkullS  Erkran- 
k ung  zu  folgen  und  diese  dann  tödlich  zu  enden  pflegt  Der 

Prophylaxe  dient  gewissenhafte  Absonderung  kleiner  Kinder  "beson 
ders  in  den  4  ersten  Lebensjahren  von  Personen  mit  offener  Tuberku 
iose,  und  allgemeine  Kräftigung  namentlich  auch  in  der  Pubertät 

desalter.^  L  u  s  1 '  Heidelberg:  Die  Pathogenese  der  Tetanie  im  Kin- 

, ,  ■  Pr?b®v£rrl.esung,  gehalten  zur  Erlangung  der  venia  docendi  an  der 
Universität  Heidelberg  am  31.  Januar  1913  oocenai  an  der 

o*  t*. e  Vjy  "  Berlm:  Die  Anwendung  der  radioaktiven  Suh 

pyorrhöe56'  MU"d’  '",d  Zahnkrankheiten*  einschliesslich  der  Alveolär- 

In  den  verschiedensten  Formen  angewendet,  haben  die  radio. 
|akbven  Präparate  heilende  oder  wenigstens  bessernde  Wirkung  er- 
w  l  ?  lassen  bei  Psoriasis  der  Mundschleimhaut,  Pyorrhoea  alveo- 
der  Zabne  obne  Eiterung,  marginaler  Gingivitis,  Leu- 
k°p„akJ|Ader  Zung?  und  des  Mundes,  Zahnfisteln  und  Stomatitis  ulce- 

n?s  ^er^S^ä^k^de^’präJiarat^sf'6  Anwendung  ist  die  vorherige  Kennt- 
5)  K  n  a  u  t  h  -  Würzburg :  Paratyphus  B. 

■  pater  eiaer  Reihe  von  Paratyphus-B-Fällen  fand  sich  einmal 
eine  Eiterung  der  Harnrohre,  ein  anderes  Mal  ein  Abszess  unter  dem 
M  rectus  femoris.  Beide  Male  konnten  im  Eiter  Paratyphus-B-Ba- 

&  ffiK7w“eVWerden’  di'  a“f  dem  Ä 

M  ^iaXi S  c  h  ^  ‘  d  -  Potsdam:  Neuere  Erfahrungen  mit  Melubrin. 
i  ^  u  ^ r  1  n  bewahrte  sich  bei  akuten,  subakuten  und  chro- 
kürh611  b°rmen  des  Gelenkrheumatismus,  auch  beim  einfachen  Mus¬ 
kelrheumatismus,  ferner  als  Analgetikum  bei  Cephalalgie,  Trigeminus- 

i:  dyT^°^h0'f hen  Beschwerden  sowie  auch  als  Sedativum 

bei  nervöser  Sch  aflosigkeit.  Es  besitzt  auch  bei  recht  hohen  Dosen 
von  8  g  pro  die  keine  schädlichen  Nebenwirkungen 

Pylorus  durch  Netzf " Bielefeld :  u«schnürung  und  Verschluss  des 

?rr,oiUm  deiJ,  Pylo[us.  bei  Ulcus  duodeni  zu  verschliessen,  hat  Verf. 

2  mal  zunächst  mit  einem  Seidenfaden  den  Pylorus  abgeschnürt  in 
der  so  entstandenen  Schnürfurche  einen  leicht'  torquierten  Netzzipfel 

Nähten  befestigt1"  Anspannung  rings  herumgeführt  und  mit  wenigen 

lUn/derKperLwPs.Pi”g'Frank,,,rt  M':  D'e  R  e  "  " 

Gemeint  ist  hier  ausschliesslich  die  Appendizitis-Peritonitis,  bei 
der  an  der  R  e  h  n  sehen  Klinik  3  Formen  unterschieden  werden:  a)  die 

rechts  "und  ifrfk«  [e^hten  Ueibseite  und  des  Beckens;  b)  Peritonitis 
Dip  M^r+iiS  b  uT  Co!°n  Pansversum;  c)  Peritonitis  universalis. 
ne  Mortalität  wachst  rapid  mit  Ausdehnung  der  Peritonitis  Das 

ue^Exs'ud^te^f  H  ^  ^  h  n  sehen  Behandlung  bestehe  in  der  Entfernung 
lld  m  rwdnrli?  h(  °kne  oder  gr(Lsse  allgemeine  Kochsalzspülung 
E  wrdpn^  vfi  des  Douglas  bei  Beckentieflagerung  des  Kranken. 

Es  werden  die  Vorteile  dieses  Verfahrens  gegenüber  dem  von  Rot- 

LVn^eiilbfei!  erD/°8' u1!.’  der  das  Exsudat  durch  Austupfen  entfernt  und 
«  ?pdie  Bauchböhle  völli8:  schliesst.  Die  Mortalität  beträgt  bei 
R  e  h  n  18  Proz.,  bei  R  o  1 1  e  r  21,8  Proz. 

uau  ^  '  a  Z  ü  3  S  "Greifswald:  Beiträge  zur  klinischen  Verwertbar- 
Ij^sier  verfahr  ent  e  r  h  a  1  d  e  n  schen  Schwangerschaftsreaktion  (Dia- 

ereal^trh  lÜr*?  ZCf  bej.^ Schwangerschaft  angestellten  Proben 

ergab  sich  nur  2  mal  eine  Fehldiagnose.  Von  7  Karzinomseris  bauten 
5  das  Tumorgewebe,  niemals  aber  Plazenta  ab.  J 

a  nu  ‘  e  v  e  r  { -  Osnabrück :  Lehren  für  die  Desinfektion  in 

t^de/Hanir'vo  “I?  fUr  d'?i  BehfndlunS  der  Nachgeburtsblutungen 
an  der  Hand  von  42  manuellen  Plazentarlösungen. 

•  kann  auf  die  Antisepsis  einstweilen  noch  nicht 

verzichtet  werden;  insbesondere  sollte  auch  stets  eine  Desinfektion 
t  er  ausseren  Genitalien  der  Gebärenden  vorgenommen  werden  Bei 

nnlr[kRHenn?  UtUnfen’Dauf  die  man  durch  Messen  des  Blutabganges 
und  Beachtung  des  Breitendurchmessers  des  Uterus  frühzeitig  auf¬ 
merksam  wird,  wird  zweckmässig  der  Bissmannsche  AoUei- 
kompressor  angewendet.  Von  42  Frauen,  bei  welchen  manuelll  pil- 

ferFrSn”Tese%"Sf„griff«WOrden  Waren'  S,arben  aber  nich>  a” 

Uterusi)nversion.A1SberS'Berlin:  Z"r  TI,eraP|e  Puerperalen 

Es  wird  sofortige  manuelle  Reposition  und  wegen  der  Neie-imv 
(amp^fade' gefordert!  Nachblutung  sorglältiee  Uterus-  und  Scheiden- 


17.  Juni  1913, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1343 


,  *“i...^ans  ^  P  P  c  n  li  e  i  m  -  Berlin :  Die  Behandlung  klimakteri¬ 
scher  Storungen  mit  Adamon. 

Bei  den  Beschwerden  des  natürlichen  oder  künstlichen  Klimak- 
teriums  ist  Adamon  in  Dosen  von  3 — 6  Tabletten  zu  0,5  pro  die 
ein  gutes  Sedativum;  es  wirkte  gelegentlich  auch  als  Anaphrodi- 

siakum. 

13)  Robert^ A  m  m  a  n  n  -  Zürich  ;  Ueber  Brompräparate. 

•  j  „Sedobrol  nennen  sich  Brombouillontabletten,  welche  das  Salz 
in  der  Suppe  ersetzen  und  eine  ausgiebige  Bromwirkung  ohne  wesent¬ 
liche  Schädigungen  entfalten. 

A.  Speck-Breslau:  Ein  Fall  von  ..Pseudohäinatemesis“. 

Im  Magen  der  hereditär  luetischen  Patientin  waren  zusammen- 
gc troffen.  Stärke  aus  der  Nahrung  und  Jodkali,  aus  welchem  das  zum 
Mundspülen  benutzte  und  verschluckte  H2O2  Jod  freimachte  Irti  Er¬ 
brochenen  zeigte  sich  die  bekannte  Jodstärkereaktion. 

15)  Egon  H  a  r  t  u  n  g  -  Neukölln-Berlin :  Photographie  von  Rönt¬ 
genschirmbildern. 

Beitrag  zur  röntgenkinematographischen  Aufiiahmetechnik.  An¬ 
ordnungen  für  das  Verfahren  und  seine  Zwecke.  Baum -München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1913.  No.  19. 

.Nae  ge  li  -Tübingen:  Ein  typischer  Fall  von  ungeheilter  trau- 
matischer  Neurose  unter  dem  System  der  Rentenabfindung. 

Verf.  beschreibt  ausführlich  einen  Fall  von  traumatischer  Neu¬ 
rose,  der  zuerst  längere  Zeit  wegen  ganz  ungenügender  Untersuchung 
als  organisches  Nervenleiden  anerkannt  wurde,  schliesslich  aber, 
nach  14  Begutachtungen  in  18  Jahren  dauernd  als  schwere  Neurose 
mit  40  Proz.  Rente  entschädigt  werden  musste.  Jedem  deutschen 
Gutachter  sind  ja  solche  Fälle  bekannt;  aber  es  ist  für  ihn  nützlich, 
zu  sehen,  dass  Verf.  solche  Fälle  mit  Recht  seinen  Schweizer 
Kollegen  als  warnendes  Beispiel  hinstellt  und  dass  er  vielen  damit 
ein  ihnen  ziemlich  unbekanntes  Krankheitsbild  schildert.  Denn  unter 
dem  System  der  Kapitalabfindung  bei  traumatischer  Neurose,  wie  es 
in  der  Schweiz  besteht,  ist  es  offenbar  seltener,  dass  „durch  eine 
unselige  Gesetzgebung  mit  all  ihren  Nachteilen  die  traurigsten  medi- 
zinischen  Artefakte  geschaffen  werden  können“. 

E.  Stier  lin  und  A.  V  i  s  c  h  e  r  -  Basel:  Erfahrungen  mit  dem 
Mastisolverband  im  serbisch-türkischen  Kriege. 

Der  Mastisolverband  bewährte  sich  in  Hunderten  von  Fällen 
sehr  gut.  Nach  Bepinselung  der  Wundumgebung  mit  Mastisol  wurde 
ein  Stück  Vioformgaze  auf  die  Wunde  gelegt  und  ein  Barchent¬ 
stück  darüber  festgeklebt.  Die  Nachuntersuchung  vieler  Verbände 
zeigte,  dass  sie  sehr  gut  hielten  und  die  Wunden  meist  glatt  darunter 
verheilten.  Auch  zu  Zugverbänden  an  Stelle  des  teueren  Leukoplasts 
bewährte  sich  Mastisol  sehr  gut.  L.  Jacob-  Würzburg. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  23.  A.  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien :  Grundzüge  und  Vor¬ 
schläge  zur  Vereinheitlichung  des  ersten  Wundverbandes. 

Vorgetragen  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am  9.  V.  13. 
S.  Bericht  S.  1236. 

K.  J  a  w  o  r  s  k  i  und  Z.  Szymanowski  -  Krakau :  Beitrag  zur 
Serodiagnostik  der  Schwangerschaft. 

Zur  Technik  der  Abderhalden  sehen  Reaktion  wird  u.  a.  be¬ 
tont,  dass  das  Plazentarpräparat  vollkommen  peptonfrei  und  der 
Dialysator  für  Eiweiss  absolut  undurchgängig  sein  muss.  Die  Dialy¬ 
satoren  sind  z.  B.  von  sehr  ungleichmässiger  Qualität  und  die  Dauer 
ihrer  Gebrauchsfähigkeit  ist  schwer  zu  beurteilen.  Auf  Grund  von 
70  Untersuchungen  lässt  sich  sagen:  Die  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe  Re¬ 
aktion  tritt  bereits  in  den  frühesten  Schwangerschaftsmonaten  auf. 
Sie  bleibt  im  Wochenbett  während  14  Tagen  positiv.  Bei  der  Extra¬ 
uteringravidität  ist  sie  diagnostisch  wertvoll.  Bei  Eklampsie  und 
bei  Hyperemesis  fällt  die  Probe  auffallend  schwach  aus.  Durch  das 
Serum  von  Karzinomkranken  wurde  das  Plazentareiweiss  nicht  ge¬ 
spalten. 

E.  Luithlen  und  V.  Mucha-Wien:  Die  experimentelle  und 
klinische  Analyse  des  „Salvarsanfiebers“. 

Die  Analyse  klinischer  Fälle  und  eine  Reihe  von  Tierversuchen, 
wo  sowohl  der  Spirochätenzerfall  als  auch  der  sogen.  Wasserfehler 
sicher  auszuschliessen  war,  weitere  Beobachtungen,  wo  bei  vor¬ 
handenen  oder  infolge  der  Salvarsaninjektion  aufgetretenen  Gewebs¬ 
zerstörungen  das  Fieber  sich  prompt  einstellte,  führten  die  Verf.  zu 
dem  Ergebnis,  dass  tatsächlich  das  Salvarsanfieber  grossenteils  als 
ein  „Zellzerfallsfieber“  aufzufassen  ist.  Bei  offenen  (exulzerierten) 
Formen  der  Lues  entsteht  die  Herxheimer  sehe  Reaktion,  bei  den 
geschlossenen  erfolgt  eine  Aufsaugung  der  Zerfallsprodukte  in  den 
Kreislauf  und  damit  das  Fieber,  event.  auch  manche  der  Intoxikations¬ 
erscheinungen  wie  Schwindel,  Kopfweh,  Erbrechen.  So  wäre  es 
event.  auch  zu  erklären,  dass  meist  nur  auf  die  erste  Injektion  von 
Salvarsan  Fieber  folgt,  nicht  mehr  auf  die  zweite,  wenn  sich  die 
Krankheitsprodukte  zurückgebildet  haben. 

K.  U  1 1  m  a  n  n  -  Wien:  Zur  Organotropie  der  Salvarsan- 
präparate.  (Schluss  folgt.) 

P.  Albrecht  -  Wien :  Operation  der  hypertrophischen  Phimose. 

Beschreibung  eines  Verfahrens  mit  Zeichnungen. 

E.  K  e  y  -  Stockholm:  Ein  Fall  operierter  Embolie  der  Arteria 
femoralis. 

Es  gelang  durch  die  Operation  (Arteriotomie,  Entfernung  des 
Embolus,  Gefässnaht)  volle  Wiederherstellung  zu  erzielen. 


Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  17.  A.  Lorenz:  Ein  Fall  von  doppelseitigem  angeborenem 
Defekt  des  Radius. 

Der  Fall  ist  ungewöhnlich,  wegen  der  Geringfügigkeit  der 
ausserdem  bestehenden  Missbildungen  (mässiger  Pes  valgus  bzw. 
calcaneovalgus),  des  geringen  Grades  der  Klumphandstellung  bei 
voller  Gebrauchsfähigkeit  beider  Hände,  und  wegen  des  Fehlens  jeder 
Missbildung  an  den  Händen.  Die  Behandlung  bestand  in  dem  erfolg¬ 
reichen  Redressement  der  Varusstellung  der  Hand  und  Infraktion  der 
Ulna  in  der  Mitte. 

No.  18.  K.  Siess  und  E.  Störk-Wien:  Das  Blutbild  bei 
lymphatischer  Konstitution. 

Als  kurzes  Ergebnis  der  eingehenden  Untersuchungen  heben  die 
Verf.  hervor:  das  Blutbild  des  Lymphatikers  weicht  von  der  Norm 
nicht  wesentlich  ab.  Am  meisten  fällt  auf  die  sehr  reichliche  Menge 
von  Blutplättchen  und  die  geringe  Zahl  von  Eosinophilen.  Dagegen 
besteht  weder  eine  ausgesprochene  Leukopenie  noch  eine  absolute 
Lymphozytose.  Auf  äussere  Schädlichkeiten  (Prüfung  der  Knochen¬ 
marksfunktion  durch  Gelatineinjektionen  nach  v.  Decastello  und 
K  r  j  u  k  o  f  f)  reagieren  die  Granulozyten  und  Lymphozyten  träger 
als  beim  Normalen. 

No.  19.  G.  No  bl- Wien:  Zur  Kenntnis  des  hyperplastischen 
Gesichtsödems. 

Beschreibung  von  4  Fällen  dieser  ziemlich  selten  vorkommenden, 
hochgradig  entstellenden,  elephantiasisartigen,  ödematösen  und 
fibrillären  Infiltration  besonders  der  Gesichtshaut  („solides  Oedem“ 
der  Engländer).  Auch  in  diesen  Fällen  hat  sich  der  Prozess  an 
Erysipel  angeschlossen.  Bemerkungen  zur  Pathologie  und  Diagnostik. 
Protrahierte  Massagekuren  können  zu  einer  weitgehenden  Besse¬ 
rung,  selten  zur  vollen  Heilung  führen. 

No.  19.  M.  Damask-Wien:  Beitrag  zur  Behandlung  des 
Fiebers  bei  der  Lungentuberkulose. 

Bei  38  Fällen  hochfebriler  Phthise  (septischer  Hyperpyrexie) 
gelang  es,  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  durch  (3—12)  intravenöse 
Injektionen  des  kolloidalen  Elektrokuprols  (1 — 2  bis  höchstens  5  ccm) 
das  Fieber  wirksam  und  meist  dauernd  herabzusetzen  und  zugleich 
eine  tonisierende  Allgemeinwirkung  zu  erzielen.  Am  besten  reagieren 
die  Fälle  mit  Mischinfektion.  Für  subfebrile  Fälle  von  Phthise 
empfiehlt  D.  die  sog.  Hoedemaker-Pillen  (Aspirin  10,0,  Acid.  arseni- 
cos.  0,01  für  100  Pillen),  welche  allerdings  nicht  bei  Blutungen  und  den 
erethischen  Formen  der  Phthise  angezeigt  sind. 

No.  19.  E.  W  e  i  s  s  -  Pistyan :  Die  klinische  Bedeutung  ge¬ 
steigerter  Hauttemperaturen  über  erkrankten  Gelenken. 

Zum  Unterschied  von  den  Beobachtungen  anderer  betont  W„ 
dass  lokale  Steigerung  der  Hauttemperatur  nicht  nur  bei  Gelenk¬ 
tuberkulose,  sondern  auch  bei  chronischem  Gelenkrheumatismus  vor¬ 
kommt.  Bei  diesem  bildet  sie  ein  brauchbares  meist  weniger  gün¬ 
stiges  prognostisches  Zeichen  in  Bezug  auf  Nachschübe,  Verschlim¬ 
merungen  usw.  Im  übrigen  sind  oft  bei  den  Gelenkerkrankungen  die 
Temperaturen  sowohl  an  den  verschiedenen  Hautstellen  verschieden 
und  zeigt  auch  die  einzelne  Hautstelle  selbst  sehr  verschiedenes 
Verhalten.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten. 

R.  Ruge-Kiep.  Einige  Worte  über  die  Verbreitung  von  Pocken, 
Tuberkulose  und  Typhus  in  den  Tropen.  (Archiv  für  Schiffs-  und 
Tropenhygiene,  Bd.  16,  1912,  H.  1.) 

Sehr  dankenswerte  Zusammenstellung  der  geographischen  Ver¬ 
breitung  obiger  Seuchen,  deren  Bedeutung  durch  das  Interesse, 
welches  die  Malaria-  und  die  Schlafkrankheitsforschung  bei  den 
Tropenärzten  fand,  im  letzten  Jahrzehnt  etwas  verdrängt  war.  Die 
Verbreitung  der  Pocken  ist  stets  und  überall  abhängig  von  der  Art 
und  Weise,  wie  die  Impfung  durchgeführt  wird.  In  Siam  haben  die 
Pocken  bisher  mehr  Todesfälle  verursacht  als  Pest-,  Cholera,  Malaria 
und  Ruhr  zusammen.  Das  wäre  eine  Gegend,  geeignet,  von  den 
Impfgegnern  bereist  zu  werden.  In  China,  Indien,  Afrika,  im  tro¬ 
pischen  und  subtropischen  Amerika  steht  die  Tuberkulose  als  Volks¬ 
krankheit  und  Todesursache  vielfach  an  erster  Stelle.  Auch  der 
Typhus  ist  für  viele  tropische  und  subtropische  Gegenden,  so  für 
Indien,  für  das  afrikanische  Mittelmeergebiet,  für  Südafrika,  Zentral¬ 
amerika,  Brasilien.  Westindien,  Volksseuche.  Die  Tropenärzte  haben 
nicht  nur  die  Aufgabe,  diese  Krankheiten  zu  bekämpfen,  sondern  vor 
allem  die  von  Pocken,  Tuberkulose  und  Typhus  freien  Gegenden 
frei  zu  erhalten. 

B  e  s  e  n  b  r  u  c  h  -  Tsingtau :  Zur  Epidemiologie  der  Pocken  in 
Nordchina.  (Daselbst,  H.  2.) 

Die  Pocken  sind  in  Nordchina  eine  ausgesprochene  Krankheit 
des  Kindesalters.  Unter  1858  Chinesen,  welche  B.  in  der  Quarantäne¬ 
station  Syfang  untersuchte,  fand  er  711  =  38,267  Proz.  Pockennarbige. 
Aus  dieser  Ziffer  und  der  Zahl  der  der  Seuche  zum  Opfer  Gefallenen 
errechnet  er  die  Morbidität  in  Shantung  auf  48,17  Proz.,  die  Mortali¬ 
tät  auf  4  Prom. 

C.  Schilling  und  N  a  u  m  a  n  n  -  Berlin:  Ueber  die  Verteilung 
des  Arsens  im  tierischen  Organismus.  (Daselbst,  H.  4.) 

Milz-  und  Nierenzellen  der  zu  den  Versuchen  benutzten  Kanin¬ 
chen  enthielten  relativ  grosse  Arsenmengen,  weniger  die  Leber;  Ge¬ 
hirn-  und  Rückenmarkszellen  waren  frei  von  Arsen.  Auch  die 
Erythrozyten  binden  nur  wenig  Arsen.  Das  Arsenophenylglyzin  ist 
als  chemotherapeutisches  Heilmittel  besonders  geeignet,  weil  es  von 


13-4-4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ckn  Organen  im  ganzen  wenig  absorbiert  wird,  daher  seine  parasito- 
trope  Wirkung  voll  entfalten  kann. 

C.  C.  Bass -New  Orleans:  Neue  Gesichtspunkte  in  der  Immuni- 
tatslenre.  ihre  Anwendung  bei  der  Kultur  von  Protozoen  und  Bak- 
tenen  im  Blute  und  zu  therapeutischen  Zwecken.  (Daselbst,  H.  4.) 

Die  Ursache  der  häufigen  Misserfolge  bei  Blutkulturen  von 
i  rotozoen  oder  Bakterien  sieht  B.  in  der  Entwicklung  von  Komple¬ 
ment  einige  Stunden  nach  der  Blutentnahme.  Bringt  man  die  Kul- 
turen  jedoch  sofort  in  eine  Temperatur,  welche  die  Komplement¬ 
bildung  hemmt,  ohne  jedoch  die  Mikroorganismen  zu  zerstören,  so 
gelingt  die  Kultur.  So  ist  B.  angeblich  die  Züchtung  der  Malaria¬ 
parasiten  in  Blutkulturen  gelungen.  Einzelheiten  über  das  Ver¬ 
fahren  enthält  die  Arbeit  nicht.  Umgekehrt  wird  man  die  Komple- 
mentbildung  und  das  Zusammenwirken  von  Komplement  und  Ambo¬ 
zeptor  zu  therapeutischen  Zwecken  fördern  müssen. 

O-  S  c  h  n  e  i  d  e  r  -  Adana:  Febris  recurrens  und  sein  Zusammen- 
tretien  mit  Malaria  in  Nordsyrien.  (Daselbst,  H.  5.) 

Das  Rückfallfieber  ist  in  Nordsyrien,  ebenso  wie  in  Afrika,  die 
spezifische  Schlafquartierskrankheit,  übertragen  durch  Zecken,  deren 
Bestimmung  noch  aussteht.  Von  klinischen  Kennzeichen  sind  be¬ 
merkenswert:  das  Fehlen  des  Schüttelfrostes  und  deutliche  Schwel¬ 
lung  der  Papille  des  Ductus  Stenonianus.  Nicht  selten  ist  ein  Miss- 
yerhältnis  zwischen  Pulsfrequenz  und  Fieberhöhe  zu  beobachten, 
ähnlich  wie  beim  Typhus,  wie  überhaupt  Rekurrens  bis  in  die  neueste 
v'e^ach  unter  der  Flagge  „Typhomalaria“  segelte.  Unter 
52  Fallen  sah  Sch.  10  gleichzeitige  Infektionen  mit  Malaria,  die  jedoch 
das  Krankheitsbild  des  Rekurrens  nicht  wesentlich  änderten,  es  höch¬ 
stens  noch  typhusähnlicher  machten.  Neben  dem  teuren  Salvarsan 
fand  Verf.  ein  sehr  geeignetes  Mittel  in  dem  billigeren  und  milder 
wirkenden  Arrhenal  (5  cg  intravenös). 

N  H.  Swellengrebel  -  Amsterdam :  Beitrag  zur  Kenntnis 
der  Biologie  der  europäischen  Rattenflöhe  (Ceratophyllus  fasciatus 

Bose.)  (Daselbt,  H.  6.) 

Der  Mensch  stellt  für  Ceratophyllus  fasciatus  einen  ebenso 
günstigen  \\  irt  dar,  wie  die  Ratte.  Hungernde  Flöhe,  die  aber  schon 
früher  Blut  gesogen  hatten,  blieben  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
6—7  Tage,  bei  grosser  Hitze  und  Feuchtigkeit  21  Tage  am  Leben. 
Dementsprechend  fanden  sich  in  den  Monaten  Juli-September  die 
meisten  Flöhe  auf  Ratten  in  Amsterdam.  Von  gasförmigen  Ver¬ 
tilgungsmitteln  wirkten  am  besten  schweflige  Säure  und  Formalin. 
von  flüssigen:  1  Teil  Petroleum  auf  2  Teile  Liquor  cresol.  saponat 
lOproz.  oder  2— 4  proz.  Kaliseife  (R  e  d  e  k  e  r).  Die  auf  die  Haut 
einzureibenden  Mittel  haben  wenig  Bedeutung. 

•  .S  c  h  ü  f  f  n  e  r  und  W.  A.  Kuenen:  Die  gesundheitlichen 
Verhältnisse  des  Arbeiterstandes  der  Senembah-Maatschappy.  (Da¬ 
selbst,  H.  9.) 

Beriberi,  früher  die  wichtigste  Krankheit  unter  den  Arbeitern 
der  S.-M.,  ist  seit  1897,  d.  h.  seit  Einführung  einer  modifizierten  Er¬ 
nährung  —  Gemüse  und  Fleisch  zur  Reiskost  —  stetig  zurückgegangen 
bis  zum  Jahre  1907.  Seit  1907  sind  wieder  Fälle  aufgetreten,  aber 
nur  unter  den  Chinesen.  Ein  Versuch,  auf  der  1908/09  am  meisten 
von  Beriberi  heimgesuchten  Pflanzung  durch  Einführung  von  rotem, 
nur  mit  der  Handmühle  gemahlenem  Reis  die  Krankheit  zu  verhüten, 
gelang  vollkommen;  der  einzige  im  November  1910  dort  erkrankte 
Fall  betraf  einen  chinesischen  Aufseher,  der  sich  mit  scharf  ge¬ 
schliffenem  und  poliertem  Siamreis  beköstigt  hatte.  Die  therapeuti¬ 
schen  und  prophylaktischen  Erfahrungen  von  Sch.  und  K.  haben 
die  durch  die  Forschungen  von  Eykman,  Vorderman,  Brad- 
d  o  n,  Fraser  u.  a.  .besonders  aber  von  Schaumann  gewonnene 
Annahme,  dass  die  Ursache  der  Beriberi  in  einem  Partialhunger  an 
einer  organischen  Phosphorwirkung  zu  suchen  sei,  vollauf  bestätigt 
Neu  ist  die  Beobachtung  p  e  1 1  a  g  r  a  ähnlicher  Erytheme  bei  den 
Beriberikranken. 

H.  Schaumann  -  Hamburg:  Ueber  die  Darstellung  und  Wir¬ 
kungsweise  einer  der  in  der  Reiskleie  enthaltenen,  gegen  experi¬ 
mentelle  Polyneuritis  wirksamen  Substanzen.  (Daselbst,  H.  11.) 

Jj)aF  w’e  er  bereits  bei  der  Tagung  der  Deutschen  tropen- 
medizim, sehen  Gesellschaft  im  September  1911  mitteilen  konnte  aus 
der  Reiskleie  2  Substanzen  zu  isolieren  vermocht,  von  denen  die  eine 
ein  kohlehydrathaltiges  Phosphatid,  die  andere  ein  P-haltiges  Ge- 
imsch  verschiedener  Kohlehydrate  darstellt,  aus  dem  sich  ein  P-freier 
kristallisierbarer  Körper  abscheiden  liess.  Dieser  Körper,  den  Sch 
auch  als  Aktivator  bezeichnet,  übt  auf  die  bei  Tauben  experimentell 
hervorgerufene  Polyneuritis  eine  deutlich  heilende  Wirkung  aus, 
scheint  aber  nebenbei  noch  einen  giftigen  Bestandteil  zu  enthalten! 
Die  lechmk  der  Darstellung  eignet  sich  nicht  zum  kurzen  Bericht. 

A.  Lyse  11- Kassel:  Cyclophorus  (Anopheles)  nigripes  Staeger 
(nov.  gen.).  (Daselbst,  H.  13.) 

Schöne  Untersuchungen  über  Ei,  Larve  und  Puppe  von  Anopheles 
nigripes,  dessen  Larven-  und  Puppenstadien  bisher  nicht  bekannt 
waren.  Die  grosse  Schwierigkeit,  ein  Gelege  zu  erhalten,  überwand 
t.  durch  Haltung  der  Mücken  in  einer  feuchten  Kammer.  Das  Ei 
unterscheidet  sich  von  allen  bisher  bekannten  Stechmückeneiern 
durch  einen  soliden  Schwimmgürtel.  Aber  auch  in  der  Larven-  und 
1  uppeuiorm  fand  E.  so  zahlreiche  Unterschiede  von  anderen  An- 
oplielcsarten,  dass  er  für  die  Stechmücke  das  neue  Genus  Cyclophorus 
aufstellte. 

O.  Pei  per -Daressalam:  Die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  in 
Deutsch-Ostafrika.  (Daselbst,  H.  13.) 

Ergänzung  der  im  Beih.  2,  1911  dieses  Archivs  erschienenen 
Arbeit  von  P.  Was  P.  dort  festgestellt  hatte,  auf  Grund  von  Massen¬ 


untersuchungen,  mit  der  kutanen  Tuberkulinreaktion  v.  Pirquets 
dass  nämlich  die  Tuberkulose  unter  der  farbigen  Bevölkerung 
Deutsch-Ostafrikas  in  langsamem,  stetigem  Fortschreiten  begriffen 
sei  und  dass  als  Infektionsquelle  für  die  Neger  in  erster  Linie  die 
Inder  und  Goanesen  in  Betracht  kommen,  wurde  bei  Durchsicht  der 
Medizinalberichte  des  Schutzgebietes  und  der  Generalrapporte  der 
kaiserlichen  Schutztruppe  durchaus  bestätigt  gefunden.  Verf.  fordert 
strenge  Isolierung  der  im  Lande  wohnenden  Kranken  und  Ver¬ 
hinderung  weiterer  Zuwanderung  tuberkulöser  Individuen. 

K.  J  u  s  t  i  -  Hongkong:  Beobachtungen  über  Urobiiinurie  in  der 
Tropenpraxis.  (Daselbst,  H.  13.) 

Die  Kontrolle  der  Urobilinausscheidung  mittels  der  Fluoreszenz- 
probe  von  Schlesinger  stellt  nach  den  Erfahrungen  des  Verf 
ein  sehr  schätzenswertes  Hilfsmittel  bei  der  Differentialdiagnose 
tropischer  Krankheiten  dar.  Bei  Malariaersterkrankungen  war  sie 
stets  ausgesprochen  stark  vorhanden,  verschwand  aber  bei 
energischer  Chininbehandlung.  Bei  Rezidivformen  verschwindet  sie 
schneller,  meist  schon  mit  dem  Fieberabfall,  tritt  aber  vielfach  als 
warnendes  Zeichen  vorher  auf.  Ihr  rasches  Verschwinden  bei  der  ChinLi- 
behandlung  ist  differentialdiagnostisch  verwertbar,  wenn  Lebererkran¬ 
kungen  neben  Malaria  in  Betracht  kommen.  Wenn  Zirrhose,  Gumma 
oder  Leberabszess  im  Spiele  sind,  bleibt  sie  trotz  Chinintherapie  be¬ 
stehen.  Bei  Pocken  fehlt  sie  im  Initialfieber  (Differentialdiagnose 
gegen  Malaria),  tritt  erst  auf  mit  dem  Ausbruch  des  Exanthems. 

Petzold  t-Muansa:  Bericht  über  die  Ausbreitung  der  Wurm- 
krankheit  in  der  Stadt  Muansa  und  dereii  nächster  Umgebung.  (Da¬ 
selbst,  H.  15.) 

Die  Wurmkrankheit  wurde  von  den  alljährlich  in  den  ver- 
seuchten  Küstengebieten  beschäftigten  Plantagenarbeitern  einge- 
|  schleppt.  P  e  t  z  o  1  d  stellte  unter  1347  Untersuchten  einen  Ver¬ 
seuchungsindex  von  17  Proz.  fest.  Gerade  die  gesunden  Wurm- 
träger  bilden  die  grösste  Gefahr  für  die  Ausbreitung  der  Seuche. 

*  3  Wurmträger  wiesen  ausgesprochene  Krankheitserscheinungen 
auf.  Verf.  veranschlagt  die  Infektion  durch  Trinkwasser  auf  50  Proz, 
die  übrigen  50  Proz.  würden  dann  a  conto  der  Infektion  durch  Haut 
und  per  os  zu  setzen  sein. 

Bekämpfungsmassnahmen:  Belehrung  der  eingeborenen  Bevölke¬ 
rung  und  der  Europäer,  strengstes  Verbot  der  Kotablage  ausserhalb 
der  Latrinen,  ev.  Bestrafung,  Ermittelung  und  Behandlung  sämtlicher 
Wurmträger,  Warnung  vor  Gemüsen  und  Salaten.  Verbesserung  der 
Brunnen-  und  Wasserschöpfstellen.  Zuschütten  infizierter  Wasser¬ 
stellen.  Anlage  von  Latrinen,  Desinfektion  derselben. 

A.  Leber:  Ueber  ein  kleinblasiges  Exanthem  auf  Sumatra. 

(Daselbst,  H.  15.) 

Verf.  beobachtete  auf  Sumatra  eine  den  sog.  Sanaga-  oder 
weissen  Pocken  ähnliche  Erkrankung.  Wie  bei  der  Samoapocke  fehlt 
das  Suppurätionsheber.  überhaupt  die  Suppuration,  die  Erkrankung 
verläuft  in  8 — 10  Tagen  ohne  stärkere  Temperatursteigerungen  und 
Beschwerden.  In  den  kleinen,  etwa  hirsekorngrossen  Bläschen  fan¬ 
den  sich  wie  bei  der  Samoapocke  kleinste,  extra-  und  intrazellulär 
gelagerte  Körperchen,  die  bei  Giemsafärbung  rot  oder  violett  er- 
schienen.  Ueberimpfung  auf  die  Meerschweinchenhornhaut  gelang. 
Zelleinschlüsse,  ähnlich  den  Guarnerikörperchen,  wurden  nicht  ge¬ 
funden. 

K.  Shiga:  Ein  epidemieartiger  Kakke-(Beriberi-)ausbruch  in 
einem  Gefängnis  in  Korea.  (Daselbst,  H.  15.) 

Sh.  konnte  bei  genauer  Nachforschung  keine  einzige  Tatsache  er¬ 
mitteln,  welche  für  Infektion  sprach,  wohl  aber  verschiedene  Er¬ 
nährungsstörungen  begünstigende  Momente,  Beschränkung  der  Be¬ 
wegung,  Ueberfüllung  der  Zellen,  schlechte  Luft  etc.  Die  in  der 
Literatur  niedergelegten  Mitteilungen  über  „Beriberiinfektionen“  be¬ 
dürfen  einer  kritischen  Sichtung. 

W.  S  c  h  ü  f  f  n  e  r  -  Deli :  Der  Wert  einiger  Vermifuga  gegenüber 
dem  Ankylostomum,  mit  Bemerkungen  über  die  Wurmkrankheit  in 
Niederländisch-Indien.  (Daselbst,  H.  17.) 

Vergleichende  Untersuchungen  im  grossen  Stil  über  die  Wirk¬ 
samkeit  des  Extract.  filic.  mar.,  der  Areca  catechu,  des  Thymotals,  des 
Eukalyptusöls,  des  /LNaphthols  und  des  Thymols.  Thymol  erwies 
sich  allen  anderen  Vermifuga  weit  überlegen,  wenn  man  als  Kri¬ 
terium  der  Wirksamkeit  die  Zählung  der  Würmer  mit  Auswaschen 
des  Stuhles  zugrunde  legte.  Nicht  zu  unterschätzen  war  die  Neben¬ 
wirkung  auf  Askariden.  Trichozephalen  und  alle  Arten  von  Tänien. 
Die  einzige,  aber  strengste  Gegenanzeige  der  Thymolverabreichung 
bildet  Dysenterie.  Auf  den  Kopf  der  gesamten  Arbeiterschaft  der 
Senembah-Maatschappy  kamen  40  Ankylostomen  und  2  Askariden, 
oder,  wenn  man  Chinesen  und  Javanen  auseinander  hält,  auf  jeden 
Chinesen  26  Ankylostomen  und  1  Askaris,  auf  jeden  Javanen  52  An¬ 
kylostomen  und  3  Askariden.  Die  Bekämpfung  der  Ankylostomiasis 
ist  eine  der  wichtigsten  Kulturaufgaben  in  der  Hygiene  der  Tropen. 

A.  B  r  o  d  e  n,  J.  Rodhain,  G.  Co  rin:  Le  Salvarsan  et  la 
Trypanose  humaine.  (Daselbst,  H.  22.) 

,,  J°.ie  Versuche  begannen  1910.  In  den  Jahren  1910/11  haben  die 
Verff.  im  ganzen  76  Kranke  behandelt,  z.  T.  mit  Salvarsan  allein,  z.  T. 
mit  Salvarsan.  kombiniert  mit  Trypaflavin  und  mit  Tryparosan. 

-o  Proz.  der  Behandelten  zeigten  „une  guerison  apparante“.  d.  h.  sie 
waren  länger  als  8  Monate  trypanosomenfrei,  2  sogar  über  14  Monate. 
Obwohl  B.  hier  nur  von  einer  scheinbaren  Heilung  spricht,  glaubt  e' 
doch  in  diesen  Fällen  an  eine  definitive  Heilung.  Wo  deutliche  Ver¬ 
änderungen  am  Zentralnervensystem  nachweisbar  waren,  war  das 
Salvarsan  ohne  Erfolg.  Die  Erfolge  im  1.  Stadium  (34  Proz.)  waren 
jedoch,  da  B.  das  Mittel  in  1 — 3  Einspritzungen  im  Zeitraum  weniger 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Tage  oder  höchstens  einer  Woche  verabfolgte,  so  überraschend,  dass 
er  glaubt,  hier  von  einer  Therapia  magna  sterilisans  im  wahren  Sinne 
sprechen  zu  dürfen.  Auffallend  war  die  ausserordentliche  Duldsam¬ 
keit  der  Kranken  für  Salvarsandosen  bis  zu  1,0  g. 

Uthemann  - Tsingtau :  Wie  begegnet  das  Schutzgebiet  Kiau- 
tschou  der  andringenden  Pestgefahr?  (Daselbst,  H.  23.) 

ln  der  Geschichte  der  Seuchenbekämpfung  in  den  deutschen 
Kolonien  werden  die  Abwehrmassregeln,  welche  das  Gouvernement 
unseres  Schutzgebietes  Kiautschou  in  den  Monaten  Januar  bis  April 
1911  gegen  die  Einschleppung  der  Lungenpest  vom  Norden  her  ge¬ 
troffen  hatte,  für  alle  Zeiten  vorbildlich  sein.  Das  Marine-Sanitäts¬ 
offizierskorps  des  Schutzgebietes  hat  sich  unter  Leitung  des  Verf. 
hervorragende  Verdienste  um  den  glücklichen  Erfolg  dieser  Mass¬ 
nahmen  erworben.  Zwei  Wege  waren  es,  auf  denen  die  Einschlep¬ 
pung  drohte:  erstens  der  Schiffahrtsweg  von  Tschifu  und  Dairen 
(Dalny)  und  zweitens  die  Shantung-Eisenbahn.  War  doch  die  Seuche, 
von  ihrem  ursprünglichen  Herde  in  der  Mandschurei  etappenweise 
ausschliesslich  den  Verkehrswegen  folgend,  weitergekrochen.  In  wel¬ 
cher  Gefahr  Tsingtau  geschwebt  hat,  wurde  klar,  als  man  erfuhr,  dass 
ein  Chinese,  der,  von  Tschifu  zu  Schiff  kommend,  Tsingtau  passiert 
hatte,  in  Kiautschou  (81  km  von  Tsingtau  entfernt)  auf  dem  Wege 
vom  Bahnhof  zur  Stadt  an  Pest  gestorben  war.  Planmässig  und  ziel¬ 
bewusst  setzte  am  16.  I.  11  zunächst  die  Ueberwachung  des  Schiffs¬ 
und  des  Eisenbahnverkehrs  ein.  In  Anbetracht  des  allgemeinen  Reise¬ 
fiebers,  welches  alljährlich  um  diese  Zeit  aus  Anlass  des  chinesischen 
Neujahrsfestes  die  ganze  chinesische  Bevölkerung  ergreift,  wurden 
jedoch  am  25.  I.  verschärfte  Massnahmen  getroffen,  welche  in  der 
Errichtung  einer  grossen  Quarantänestation  in  Syfang  für  die  aus 
dem  Hinterland  eintreffenden  Reisenden,  in  verschärften  Quarantäne¬ 
vorschriften  für  die  Schiffe  und  vor  allem  in  der  militärischen  Ab¬ 
sperrung  des  ganzen  Stadtgebietes  —  der  Land-  und  Seegrenze  — 
durch  einen  Postenkordon  bestanden.  Eine  2.  Sperre,  von  Chinesen 
besetzt,  wurde  Anfang  Februar  vom  Bezirksamt  Litsun  an  der  Grenze 
des  Schutzgebietes  eingerichtet.  Auf  der  Shantungbahn  wurde  eine 
Ueberwachung  ausserdem  auf  2  vorgeschobene  Posten  in  Tsinanfu 
und  in  Fangtse  ausgeübt.  Begünstigt  wurde  die  Absperrung  des 
Schutz-  und  des  Stadtgebietes,  durch  starke  Schneefälle  und  Regen¬ 
güsse,  welche  die  Wege  fast  unpassierbar  machten,  geschweige  denn 
einen  Verkehr  abseits  der  Wege  ermöglichten. 

Der  Güter-  und  Warenverkehr  wurde  nur  insofern  beeinträchtigt, 
als  4er  Transport  von  Häuten,  Fellen,  Papier,  Lumpen  und  Knochen 
verboten  wurde.  Nach  kritischer  Prüfung  der  angeordneten  Be¬ 
kämpfungsmassnahmen  kommt  Verf.  zu  dem  Schluss,  dass  die  strengen 
Massregeln  im  Hinblick  auf  die  grosse  Gefahr,  welche  Tsingtau  durch 
die  Lungenpest  drohte,  gerechtfertigt  waren,  dass  das  Verfahren  sich 
durchaus  bewährt  hat  und  dass  bei  Wiederholung  der  Gefahr  als 
einzige  Milderung  etwa  eine  Verkürzung  der  Ouarantänefrist  für 
Schiffe,  welche  7  Tage  betrug,  ins  Auge  zu  fassen  wäre. 

H.  Schaumann:  Zu  dem  Problem  der  Beriberiätiologie.  (Da¬ 
selbst,  H.  24.) 

Sch.  stellt  fest,  dass  er  bei  Beginn  seiner  Arbeiten  über  die 
Beriberiätiologie,  welche  er  auf  Veranlassung  von  N  o  c  h  t  unternahm, 
keine  Vorarbeiten  vorfand,  welche  das  Problem  von  der  chemisch¬ 
physiologischen  Seite  aus  in  Angriff  genommen  hatten.  Er  weist  auf 
das  Verdienst  von  E  i  j  k  m  a  n  und  G  r  i  j  n  s  hin,  den  Tierversuch 
in  die  Beriberiforschung  eingeführt  zu  haben,  und  stellt  eine  Reihe 
nicht  unwesentlicher  Behauptungen  Funks,  welche  geeignet  sind, 
Schaumanns  Verdienste  um  die  Aetiologie  der  Beriberi  in  den 
Schatten  zu  stellen,  richtig.  Die  Arbeit  enthält  gleichzeitig  beachtens¬ 
werte  Ausblicke  für  die  Weiterbearbeitung  des  Problems. 

(Schluss  folgt.) 

Inauguraldissertationen.1) 

Aus  einer  an  sich  sehr  dürftigen  Arbeit  aus  der  sonst  recht  gute 
Dissertationen  anregenden  2.  med.  Klinik  der  Berliner  Charitee  über 
die  Erfolge  der  Hafermehlkur  bei  Diabetes  von 
A.  Pawlowski  geht  hervor,  dass  diese  Therapie  einen  sehr  gün¬ 
stigen  Einfluss  auf  die  Azidosis  ausübt,  und  sie,  wenn  vorhanden,  zum 
Schwinden  bringt.  Nicht  nur  in  den  leichteren,  sondern  auch  in 
schweren  Azidosen  ist  sie  hilfreich.  In  zwei  leichten  Fällen  war  auch 
auf  die  Glykosurie  ein  sehr  schöner  Erfolg  zu  erzielen.  Im  all¬ 
gemeinen  wurden  2  tägige  Hafermehlkuren  mit  je  250  g  Mehl  ver¬ 
ordnet.  (Berlin  1913,  17  S.,  H.  Blanke.) 

Unter  Benützung  des  Materials  von  Prof.  Krpnig- Frei¬ 
burg  i.  Br.)  liefert  Fritz  H  a  p  k  e  einen  Beitrag  zur  Fr  ag  e  d  e  s 
verspäteten  Blasensprungs.  Für  die  Therapie  dieses  Er¬ 
eignisses  stellt  er  folgende  These  auf:  Tritt  im  Verlaufe  der  Geburt 
irgend  eine  verdächtige  Erscheinung  auf,  die  auf  verspäteten  Blasen¬ 
sprung  schliessen  lässt,  oder  stellen  sich  bei  stehender  Blase  sogar 
bedrohliche  Zustände  für  Mutter  und  Kind  ein,  ohne  dass  es  sich  um 
Kompression  der  Nabelschnur  handelt,  so  schreite  man  unverzüglich 
zur  künstlichen  Blasensprengung.  Die  Geburt  wird  dadurch  beschleu¬ 
nigt  und  fördert  ein  lebendes  Kind  zutage,  ohne  die  Mutter  in  Gefahr 
zu  setzen.  (Freiburg  i.  Br.  1913,  55  S.,  E.  A.  Günther.) 

Fritz  L  o  e  b. 


*)  Zusendung  von  Dissertationen  an  die  Adresse  der  Redaktion: 
München,  Arnulfstrasse  26,  erbeten.  Besprechung  Vorbehalten. 


Neuerschienene  Dissertationen. 

Universität  Erlangen.  März — Mai  1913. 

Thauer  Julius:  Ueber  Koinzidenz  von  Ovarialgeschwülsten  mit 
Myomen. 

Ewald  Gottfried:  Ueber  die  Bedeutung  der  freien  HCl  für  die 
Pepsinverdauung  und  über  die  psychische  und  chemische  Beein¬ 
flussung  der  Magensekretion.  Nebst  Bemerkungen  über  die  Indi¬ 
katorenmethode  zur  HCl-Bestimmung.  (Aus  dem  Ambulatorium 
der  med.  Klinik  der  Universität  Erlangen.) 

Denck  Paul:  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Verlaufes  der  Infektionen  mit 
Bac.  paratyphi  B  (mit  einem  Obduktionsbefund).  (Aus  der  Kgl. 
med.  Universitätsklinik  Erlangen  [Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Pen- 
z  o  1  d  t]  und  der  Kgl.  bakteriol.  Untersuchungsanstalt  Erlangen 
[Prof.  Dr.  Weichardt]). 

Mirsberger  Franz :  Ueber  Digitalis  Winckel. 

Winter  Ludwig:  Ueber  gestielte  kleinzystische  Degeneration  der 
Ovarien. 

Beermann  Ewald:  Zwei  Fälle  von  metastatischer  Strumitis. 

Schulz  Franz:  Endergebnis  bei  der  Behandlung  der  Radiusbrüche. 

Zah'n  Friedrich:  Ein  Fall  von  Volvulus  des  ganzen  Dünndarms,  des 
Zoekums  und  Colon  ascendens  bei  Mesenterium  ileocoecale  com¬ 
mune. 

Stock  Otto:  Beitrag  zu  den  Unglücksfällen  bei  geburtshilflichen 
Operationen  und  ihrer  gerichtsärztlichen  Begutachtung. 

Günther  Eduard:  Bericht  über  88  eingeklemmte  Leistenhernien. 

Kossinsky  Johann:  Laesiones  pepticae  (erosiones,  ulcera  et  ci- 
catrices)  ventriculi  et  duodeni.  Eine  statistische  Studie.  (Aus 
dem  pathol.  Institut  Erlangen  [Prof.  Dr.  G.  Hause  rl.) 

Karamitsou  Theodor:  Das  tuberkulöse  Fieber  und  seine  Behand¬ 
lung  in  der  Lungenheilstätte  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
spezifischen  Behandlung.  (Aus  der  Lungenheilstätte  Fürth  i.  B. 
[Leitender  Arzt:  Dr.  Julius  Zille  r].) 

Universität  Freiburg  i.  Br.  Mai  1913. 

Bergmann  August:  Abgekapseltes  Angiom  der  Orbita. 

Denk  Julius:  Resultate  von  601  Appendizitisoperationen  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  Frühoperation. 

Griesbach  Walter:  Ueber  Milchsäurebildung  aus  Kohlehydrat  im 
lackfarbenen  Blute. 

Hapke  Fritz:  Zur  Frage  des  verspäteten  Blasensprunges. 

Kroemer  Hans:  Die  Aortennarbe  der  Aorta  thoracica. 

Küppers  Egon:  Plethysmographische  Untersuchungen  an  Demen- 
tia-praecox-Kranken. 

Roedel  Werner:  Ueber  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Genera¬ 
tionsvorgängen  und  Schwerhörigkeit. 

Seggelke  Karl:  Forensische  Beurteilung  der  Remissionen  im  Ver¬ 
lauf  der  Dementia  praecox. 

Wart h  Bruno:  Die  sozialen  Bestrebungen  zur  Verhütung  des  Alko¬ 
holismus  chronicus  unter  besonderer  Berücksichtigung  des  Bürger¬ 
lichen  Gesetzbuches  und  des  Reichs-Strafgesetzbuches. 

Westermaier  Hans:  Radiumtherapie  in  der  Gynäkologie. 

Universität  Heidelberg.  April  und  Mai  1913. 

Flies  eher  Alfons:  Ein  Fall  von  Glioma  retinae  mit  Phthisis  bulbi. 

Coerper  Carl:  Ueber  zuckerspaltende  Fermente  in  den  Fäzes  des 
gesunden  und  kranken  Säuglings. 

W  i  1  e  n  s  k  y  Nicolaus:  Ueber  Oesophagektomie  und  Oesophagoplastik 
bei  hochsitzenden  Oesophaguskarzinomen. 

Rossknecht  Ernst:  Häufung  dysontogenetischer  Bildungen  im 
Zentralnervensystem. 

Universität  Jena.  Mai  1913. 

Schulz  Konrad:  Die  Verbreitung  der  Bakterien  im  Waldboden. 

Küttler  Arthur:  Die  Anatomie  von  Oliva  peruviana  Lamarck. 

Schüler  Paul :  Syndaktylie  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger. 

Universität  München.  Mai  1913 

Crone  Emil  von  der:  Ueber  Chondrodystrophia  foetalis. 

Aubry  Ludwig:  Ueber  das  Verhalten  der  Serumeiweisskörper  gegen 
Trypsin. 

Kupermann  L. :  Placenta  praevia  und  ihre  Behandlung  nach 
Braxton-Hicks. 

Deisenhofer  Ludwig:  Einige  Fälle  von  Beckenverletzungen. 

Finkei  Josef:  Ueber  die  zirkumskripte  Muskelverknöcherung  bei 
neuropathischer  Gelenkerkrankung.  Ein  kasuistischer  und  kri¬ 
tischer  Beitrag. 

Schreiner  Wilhelm:  Ein  Fall  von  Ruptur  eines  Aneurysma  der 
Arteria  basilaris  infolge  von  Niesen. 

Lamezan  Kurt  Frhr.  v.:  Ueber  Transplantationen  experimentell 
erzeugter  atypischer  Epithelwucherungen. 

Haff  Robert:  Blutbildung  in  der  embryonalen  Hiilinerleber. 

Friedberg  Eduard:  Ein  klinischer  und  pathologisch-anatomischer 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  Kapselstars. 

Pflüger  Hans :  Ein  Beitrag  zur  Differentialdiagnose  zwischen  den 
syphilogenen  Erkrankungen:  progressive  Paralyse  und  Tabes 
dorsalis  und  dem  Alkoholismus  chronicus  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  „4  Reaktionen“  auf  Grund  von  15  klinisch  be¬ 
obachteten  Fällen. 

Bäumler  Christian:  Ueber  Kombination  der  Entwicklungs¬ 
hemmung  des  uropoetischen  Systems  und  solcher  des  weiblichen 
Genitale. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WQCHENS CH R I FT. 


Universität  Tübingen.  Mai  1913. 

\  och  fing  Karl:  Zur  Frage  des  Herzschlagvolumens. 

Universität  Würzburg.  Mai  1913. 

Degen  har  dt  Wilhelm:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Klinik  der  soli¬ 
tären  Knochenzysten. 

Ki  t  tstei  ner  Karl:  Weitere  Beiträge  zur  Physiologie  der  Schweiss- 
drusen  und  des  Schweisses. 

N  f>kiilos  ^UKen '  B’c  konservative  Behandlung  der  Chirurg.  Tuber- 
Starcke  O.:  Zwei  seltene  Ursprungsstätten  des  Qehirnabszesses. 


No.  24. 


Auswärtige  Briefe. 

Schweizer  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

„ocn.BekämMfli"K-  d<jr  Volkskrankheiten.  —  Zürcherisches  Medizinal- 
kenkasse  "cdlzlna  pr“  unKen*  —  Grundsätze  für  Verträge  mit  Kran- 

ii  Zjf Jch. Ihnen  in  einem  früheren  Briefe1)  berichtete,  haben  auf 
.  t  ,  •  ,0nReinHS  arztliehen  Mitgliedes  des  Schweizerischen  National- 
m'I  <5  ’  ^und^sra,t  .und  Parlament  dem  Volke  die  Abänderung  des 
cie  Seuchenbekämpfung  betreffenden  Artikels  der  Bundes- 

sfpt&SfMnLempf0,hlen' ■  Am  4-  Mai  hat  hierüber  die  Volksabstimmung 
107  107  UM  d-  es  lst  der  neue  Ve rfassu ngsart ikel  mit  164  765  Ja 
^egen  Hl/  19/  Nein  genehmigt  worden.  Die  Beteiligung  an  der  Ab- 

-V^r  lehr  fl.a“-  111  einzelnen  Kantonen  direkt  miserabel.  Es 
nancelte  sich  eben  nicht  um  eine  die  Gemüter  erregende  politische 
Urhp  Flne  d'e  Persönlichen  Interessen  direkt  berührende  Wirtschaft- 
'  v  in,viele"  Gegenden  war  wenig  oder  nichts  zur  Auf¬ 

klärung  dei  Stimmberechtigten  getan  worden.  Ein  grosser  Teil  der 

!Jein  1St.  RrwdSatzllch1en  Neinsagem  zuzuschreiben  und 

gesbime  kpntnn^eaKer/)\eiS.?  auch  einige  sonst  stets  fortschrittlich 
weisen  E  £  t  f  Ostschweiz  verwerfende  Mehrheiten  aufzu- 
\veisen.  Die  \V  estschweiz  dagegen,  die  sonst  für  eidgenössische  Ge- 
setzesvorlagen  mit  zentralisierender  Tendenz  nur  schwer  zu  haben 
Onn  l£v rtC  aaffaflle”d  starke  bejahende  Mehrheiten.  Eine  direkte 
Opposition  widerfuhr  der  Vorlage  bloss  durch  die  Naturheilvereine 
I  reinen  ^schämenden  Beweis  ihrer  kulturellen  Rückständig¬ 

keit  lieferten  und  wieder  so  recht  bewiesen  haben,  wie  ihnen  gewisse 
Axiome,  auf  welche  sie  sich  festgelegt  haben,  weit  über  die  angeblich 
l)urrhhm>n  allei,3  gepachtete  Forderung  der  Volkswohlfahrt  gehen. 
Durch  die  .neue  Verfassungsbestimmung  hat  nun  der  Bund  das  Recht 
erhalten,  nicht  mehr  bloss  zur  Bekämpfung  „gemeingefährlicher  Eni 
dem.en  und  Viehseuchen“  gesetzliche  Massnahmen zu  ^treffen,  % 
^b'^r'ge  Bestimmung  lautete,  sondern  er  ist  nunmehr  in  weiterem 
'  ,n  e,befu^  zur  Bekämpfung  „übertragbarer  oder  stark  verbreiteter 
n2nr  wSRtl^er  Kraükheiten“  von  Menschen  und  Tieren.  Damit  ist 
nun  der  Boden  geebnet  für  ein  eidgenössisches  Tuberkulose- 
gesetz,  dessen  Ausarbeitung  die  erste  Folge  der  Verfassungsände- 

erste/Tini^  Um  dessentwille'n  überhaupt  die  ganze  Aktion  in 
S  S  ~,ime  >n  Szene  gesetzt  wurde.  Sodann  wird  voraussichtlich 
der  Bund  auch  der  Erforschung  und  Bekämpfung  des  Kropfes  und  des 
Kretinismus  seine  materielle  und  ideelle  Hilfe  angedeihen  lassen.  Ent- 
Äd°Ch  der  Araiee  unseres  kleinen  Landes  jährlich  ca.  3000  Wehr¬ 
pflichtige  wegen  Kropfleidens.  Schliesslich  hoffen  auch  diejenigen 
ärztlichen  Kreise  welche  sich  speziell  der  Krebsforschlg  widmen 
nunmehr  aut  die  Unterstützung  ihrer  Bestrebungen  durch  den  Staat’ 
y  ■■  V™  keinem  guten  Geiste  beseelt  war  das  Volk  des  Kantons 
Zürich,  das  über  ein  neues  Medizinalgesetz  vor  einigen 

den”  habt  erf'es  m'TrT  abzugeben  hatte-  Die  gesetzgebenden  Behör- 
den  hatten  es  m  Uebereinstimmung  mit  dem  Aerztestand  für  zeit- 

pinp^D &e_halten,  das  aus  dem  Jahre  1854  stammende  Medizinalgesetz 
einer  Revision  zu  unterziehen  und  es  hatte  der  neue  Gesetzentwurf 

FTwarmTlTplfeipBi  llRUa1R  d/-S  kant?na,en  Parlamentes  erhalten.  Wider 
r.Ln  n*  1  ieideJ  das  Gesetz  in  der  Volksabstimmung  nicht  die 
Genehmigung  eies  Souveräns  gefunden,  sondern  ist  mit  erheblicher 
Stimmenmehrheit  verworfen  worden.  Neben  den  etlichen  tausend 
l  t'^mbereehtigten.  welche  grundsätzlich  jeden  Stimmzettel  mit  Nein 
ausfullen  ist  dieses  Resultat  besonders  der  fanatischen  Agitation  der 
Naurhe.lvereine  zuzuschreiben.  Deren  Anhänger  hatten  schon 

Versuch  ’|ratp Ke"  m  den  gesetzgebenden  Behörden  den 

y.wifr  gfinacbt’  ,das  Prinzip  zu  durchbrechen,  wonach  im  Kanton 
Zürich  die  Krankenbehandlung  nur  den  im  Besitze  des  eidgenössischen 

l>  ForeHSP^mlnd  lCfh71 1 patentierten  Aerzten  gestattet  ist.  Sie  hatten 
die  Forderung  auf  Zulassung  einer  zweiten  Aerztekategorie  gestellt 
md  es  sollte  darnach  den  „Naturheilärzten“  nach  Anhörung  gewisser’ 

}  orlesungen  an  der  Universität  Gelegenheit  zur  Ablegung  einer  Prii- 

,mtP  gRb0tv,n-WLei  den  l'nd  .ihnen  darauf  die  Ausübung  des  Arztberufes 
unter  Beschränkung  am  die  physikalische  Therapie  gestattet  werden 

bare'  ab’ 

■ r  zu  schaffen,  die  zwar  imstande  sein  würden,  eine  ge- 

d  a  ge  ge  n ' '  k  a  um  °  i  e  r  k'l  frh  6  -ahuszui.il,en’ . deren  diagnostische  Kenntnisse 
(aa,ge,gen  kaum  merklich  über  diejenigen  gewöhnlicher  Kurpfuscher 

hPm  ei  i ffeycsen  waren.  Hingegen  wollte  der  Gesetzgeber  der  Natur- 
,c  künde  dadurch  entgegenkommen,  dass  er  die  Ausstellung  eines 
atentes  lur  die  Anwendung  der  Naturheilmethoden  (Massage.  Licht-, 

’)  Münch,  med.  Wochenschr.  1912,  S.  1732. 


AriV  “nd  asseranwendungen).  aber  auf  Verordnung  des  patentierten 
Arztes  vorsah.  Man  glaubte  umsomehr  damit  den  Wünschen  (|Pr 
V olksmehrheit  genügend  entgegenzukommen,  als  ia  im  Jahre 
1904  die  Initiative  der  Naturheilvereine  auf  Freigabe  der  ärztlichen 
waaXISrwn  Zürcher  Volke  mit  wuchtigem  Mehr  verworfen  worden 
Mirhic  ^  k1  d‘?  Anhang5r  der  Naturheilkunde  verlangten  alles  oder 
mchts,  gaben  demnach  die  Verwerfungsparole  aus  und  ihren  Lieber 
Leibungen  schenkte  das  Volk  Gehör.  So  bleibt  es  denn  einst weden 
1)0/4.  Gesetz,  das  den  Naturheilkundigen  gar  keine  Rechte  gibt 
c  x'aie  e|  aicbt  ausgeschlossen,  dass  unter  dem  Einfluss  dieses 
momentanen  Eriolges  ein  neuer  Vorstoss  für  die  Freigabe  der  Heil 

sPtlpciU!1!er"°mmen  wurde-  Debrigens  haben  auch  noch  andere  Ge 
setzesbestimmungen  zu  der  Verwerfung  beigetragen,  so  die  geplante 

mitfpClnraHkUAS  '1!  fdCr  Dublikation  „nd  im  Vertriebe  von  Geheim 
mittein,  die  Abschaffung  der  Selbstdispensation  der  Aerzte  überall  da 
ZI  Apotheken  bestehen  oder  errichtet  werden  Send 

lieh  die  Schaffung  neuer  Gesundheitsbeamter.  Besonders  schade  ist 
,s  arn  den,  ^bscbmtt  des  Gesetzes,  der  vom  Berufsgeheimnis  des 
Arztes  handelt  und  wofür  die  folgende,  der  modernen  Auffassung 
durchaus  entsprechende  Prägung  gefunden  worden  war:  „Die  Mcdi- 
zinaipersonen  mit  Ausnahme  der  Tierärzte,  sowie  die  Hebammen 
haben  über  Geheimnisse,  welche  ihnen  in  ihrer  beruflichen  Eigenschaft 
anvertraut  werden  oder  zu  ihrer  Kenntnis  gelangen.  Schweifen  zu 

pC3f/herenVf|ern  SI^  nicbt  durcb  d‘e  anvertrauende  Person  oder  deren 
Rechtsnachfolger  oder  durch  Gesetze  und  Verordnungen  von  dieser 
ripl'Cr  ,erltbu.nden  werden  oder  sofern  nicht  durch  die  Offenbarung 
des  Geheimnisses  eine  schwere  Gefährdung  dritter  abgewendet  wer 

strafbar”“'  Unbefllgte  PreiSKabe  des  beruflichen  Geheimnisses  ist 

Das  aus  dem  Jahre  1899  stammende  Reglement  über  die  pid 
genossischen  Medizinalprüfungen  ist  durch  eine  üeue  Ver- 
2pd'\unfR  ers^tzt  worden,  die  schon  für  das  laufende  Semester  in  Kraft 
gesetzt  wurde  und  welche  auch  für  den  Studiengang  des  MedfeS er* 
eihebhche  Veränderungen  bringt.  Der  Erlass  hat  eine  recht  länge 
Leidensgeschichte  hinter  sich,  ehe  er  Gesetz  wurde,  und  gleichwohl 
hSiRdabm  mancber  .Wunsch  der  Aerzte  unerfüllt  geblieben  Zwar 
mte  die  vorbereitende  Behörde  alle  Interessenten  eingeladen 
unsche  und  Vorschläge  für  die  Abänderung  der  Prüfungsordnung 
nzureichen,  und  es  war  von  dieser  Gelegenheit  durch  ärztliche 
Jrgamsationen,  Dozenten  und  einzelne  Aerzte  reichlich  Gebrauch  ve 
macht  worden.  Allein  die  geäusserten  Vorschläge  erwiesen  sich  als" 
derart  auseinandergehend  und  vielfach  unvereinbar,  dass  es  für  die 
Prufungsbehorde  schwierig  war,  gestützt  darauf  einen  befriedigenden 
Entwurf  auszuarbeiten.  Auch  die  Vorschläge  der  Schweiz  Aerzte 

fe^^ach^Reduktin06™!  WllnS(:be  "acb  Entlastung  der  Medizinstuden¬ 
ten,  nach  Reduktion  des  naturwissenschaftlichen  Unterrichtes  zu¬ 
gunsten  der  klinischen  Fächer  und  nach  Einführung  eines  obligatori¬ 
schen  Assistentenjahres  gipfelten,  konnten  oder  wollten  von  den  muss 
gebenden  Instanzen  nicht  berücksichtigt  werden.  Der  endgültige  Ent- 
wurt  hat  denn  auch  Aerztekommission  und  Aerztekammer  so  weiig 

diP  ätd'8  'DaSS  diese  ^em  Departement  des  Innern  direkt  vorschlugen 
die  ganze  Revisionsarbeit  zu  unterbrechen  und  auf  einen  Zeitpunkt  zu’ 
verschieben,  da  sich  die  Meinungen  besser  abgeklärt  haben  würden 

wim/ut  yp°tnCh  rRe  wurde  indessen  nicht  entsprochen  und  der  Fnt- 
wurt  ist  seither  Gesetz  geworden.  Als  wichtigste  Neuerung  bringt  Pr 

bSherMindäZäfen  C'nCh  V1e,rlangeru"£  der  Mindest-Studiendauer  von 
mfc  v°  fuf  nunmebr  11  Semester.  In  weiten  Kreisen  ist  man  mit 
dieser  Verlängerung  nicht  einverstanden;  denn  sie  erhöht  die  Studieu- 
kosten  noch  mehr  und  ist  daher  geeignet,  wenig  bemi  tehe  St  - 
dierende  von  der  medizinischen  Laufbahn  fernzuhalten  Auch  ist  zu 

Ze  t"aCäf  die  Rplrnm  mChr  das.Studium  verlängert  wird,  desto  weniger 
den  i  i  d‘emBeVe,dung  einer  Assistentenstelle  verwendet  werde.  Von 
n  11  .Semestern  müssen  mindestens  6  an  einer  schweizerischen 
Universität  absolviert  werden.  Von  der  Einführung  eines  praktischen 
Jahres  nach  dem  Vorbilde  Deutschlands  wurde,  hauptsächlich  gestützt 
aut  die  vielen  ungünstigen  Beurteilungen,  die  von  dorther  einliefen 
von  vornherein  Umgang  genommen.  Ernstlich  diskutiert  wurde  da¬ 
gegen  das  Postulat  eines  obligatorischen  Assistentenjahres  nach  ab- 
gelegtem  Maatsexamen.  Doch  konnte  sich  auch  diese  Forderung 
'iSi  dlTchs<-tzen  wohl  hauptsächlich,  weil  die  Kliniker  und  Spital- 

zu  häufigen  s  1  6,1  “"geeigneter  Elemente  und  einen 

“  d  e"  Wechsel  ihrer  Assistenten  befürchteten.  Hingegen  kann 
Pm\d  Q  neufn  Bestimmungen  eines  der  klinischen  Semester  (nach 
keb  an  dl'rC1  ?ne  6  monatliche  ununterbrochene  Tätig- 

ne*  i^frzu  anei'ka'mten  Krankenanstalt  (eine  sogen.  Unter- 
msistentenstelle)  ersetzt  werden.  Die  bisherige  Dreiteilung  der  Prü- 
ung  in  eine  naturwissenschaftliche,  eine  anatomisch-physiologische 
d  die  eigentliche  Fachprüfung  wurde  beibehalten.  Die  erste  wird 
gewöhnlich  nach  dem  2.,  die  zweite  nach  dem  4.  bis  5.  Semester  ab- 

UnSichte^1  £0Sk^ ^3t  FUfi  kGnschränkung  des  naturwissenschaftlichen 
Unterrichtes  ist  keine  Folge  gegeben  worden.  Und  doch  wäre  hier 
ein  gangbarer  Weg  zur  Entlastung  des  Studenten  gewesen,  denn  der 
MitteM-hmp^cfph^b6  Dnterrmht  an  den  meisten  schweizerischen 
.Vp  1  Rh  teht  zurzei,t  auf  hoher  Stufe-  Es  wird  nun  zwar  in  den 

fesunve^  ,mTUg1Ren  \erlangt’  das,s  die  naturwissenschaftlichen  Vor¬ 
singen  und  Kurse  besonders  den  Bedürfnissen  der  zukünftigen 
Mediziner  angepasst  sein  sollen;  während  bisher  die  Medizinstudenten 
überall  auf  gemeinsamen  Unterricht  mit  den  Studierenden  de?  philo¬ 
sophischen  Fakultät  angewiesen  sind  und  deshalb  den  Unterrichts- 

fääven  Cl TF.'  Jh?  ‘b^  Bedurfn,sse  zu  wenig  kompendiösen  Form  emp- 
fangen.  Da  aber  die  eidgenössischen  Behörden  auf  die  Organisation 
der  von  den  Kantonen  unterhaltenen  Universitäten  keinen  direkten 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1347 


Einfluss  besitzen  und  die  Universitäten  in  solchen  Sachen  recht  kon¬ 
servativ  sind,  so  ist  zu  befürchten,  dass  die  genannte  Bestimmung 
noch  lange  ein  frommer  Wunsch  bleiben  werde.  An  den  Anforde¬ 
rungen  für  die  anatomisch-physiologische  Prüfung  wurde  nichts 
Wesentliches  geändert.  Dagegen  hat  der  in  den  klinischen  Semestern 
zu  bewältigende  Stoff  eine  erhebliche  Vermehrung  erfahren.  So  wur¬ 
den  als  neue  obligatorische  Fächer  in  den  Studienplan  aufgenommen: 
Das  Praktizieren  an  der  pädiatrischen,  dermatologischen  und  psych¬ 
iatrischen  Klinik,  der  Besuch  einer  oto-laryngologischen  Klinik  oder 
Poliklinik,  ein  praktischer  Kurs  im  Rezeptieren  und  Dispensieren,  der 
bakteriologische  Kurs  und  eine  Vorlesung  über  Unfallmedizin.  So  hat 
sich  nunmehr  der  Mediziner  bei  seiner  Zulassung  zur  Fachprüfung 
über  den  Besuch  der  nachfolgenden  23  Kliniken,  Vorlesungen  und 
Kurse  auszuweisen:  1.  allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Ana¬ 
tomie,  2.  spezielle  pathologische  Anatomie,  3.  allgemeine  Chirurgie, 
4.  Hygiene,  5.  gerichtliche  Medizin,  6.  Arzneimittellehre,  7.  Unfall¬ 
medizin,  8.  medizinische  Klinik,  9.  pädiatrische  Klinik,  10.  dermato- 
logisch-venereologische  Klinik,  11.  chirurgische  Klinik,  12.  geburts¬ 
hilfliche  Klinik,  13.  ophthalmologische  Klinik,  14.  psychiatrische  Klinik, 
15.  medizinische  und  chirurgische  Poliklinik.  16.  oto-laryngologische 
Klinik  oder  Poliklinik,  17.  chirurgischer  Operationskurs,  18.  geburts¬ 
hilflicher  Operationskurs,  19.  Sektionskurs,  20.  mikroskopischer  Kurs 
in  pathologischer  Anatomie,  21.  bakteriologischer  Kurs.  22.  prak¬ 
tischer  Kurs  im  Rezeptieren  und  Dispensieren,  23.  3  vollständig  zu 
beobachtende  Geburten. 

In  entsprechender  Weise  wurde  auch  die  Zahl  der  Prüfungs¬ 
fächer  vermehrt.  Darunter  ist  als  wichtigste  Neuerung  die  Erhebung 
der  Unfallmedizin  zum  Prüfungsfach  zu  erwähnen,  ein  Schritt,  der 
besonders  mit  Rücksicht  auf  das  bevorstehende  Inkrafttreten  des 
schweizerischen  Unfallversicherungsgesetzes  getan  wurde  und  wo¬ 
mit  die  Schweiz  einstweilen  ihren  Nachbarstaaten  vorangegangen  ist. 

Dem  zukünftigen  Medizinstudenten  wird  also  besonders  in  den 
klinischen  Semestern  ein  reichlich  volles  Mass  Arbeit  zugeteilt  und  er 
soll  dazu  ein  halbes  Jahr  mehr  verwenden  als  seine  Vorgänger.  Ge¬ 
wiss  ist  eine  gründliche,  vielseitige  Ausbildung  des  Mediziners  schon 
während  des  Studiums  zu  befürworten.  Aber  es  fragt  sich  doch,  ob 
unsere  neue  Verordnung  nicht  bereits  zu  weit  geht.  Jedenfalls  wird 
die  so  vielseitig  beklagte  Ueberbürdung  des  Studierenden  nicht  ver¬ 
mindert  werden.  Der  Wagen  ist  noch  erheblich  mehr  belastet  wor¬ 
den,  ohne  dass  an  anderer  Stelle  für  eine  entsprechende  Entlastung 
gesorgt  worden  wäre.  Als  obligatorische  Durchschnittsanforde¬ 
rungen  gehen  die  neuen  Verordnungen  entschieden  zu  weit  und  Ver¬ 
schiedenes  hätte  ohne  Schaden  dem  freiwilligen  Studium  besonders 
leistungsfähiger  Studierender  oder  der  Zeit  nach  Absolvierung  des 
Staatsexamens  überlassen  werden  dürfen. 

Die  von  der  Schweizerischen  Aerztekammer  ausgearbeiteten  und 
den  kantonalen  Aerzteorganisationen  zur  Diskussion  unterbreiteten 
Grundsätze  für  die  Verträge  zwischen  Aerzten  und 
Krankenkassen  wurden  kürzlich  in  ihrer  definitiv  bereinigten 
Form  den  Schweizer  Aerzten  zur  Urabstimmung  vorgelegt.  Bei 
schwacher  Beteiligung  (die  Zahl  der  stimmberechtigten  Aerzte  betrug 
2409)  wurden  die  Grundsätze  mit  642  Ja  gegen  29  Nein  genehmigt. 
Damit  ist  nun  für  das  ganze  Land  eine  einheitliche  Grundlage 
geschaffen,  nach  welcher  sich  die  Kollegen  bei  den  demnächst  be¬ 
ginnenden  Unterhandlungen  mit  den  Krankenkassen  zu  richten  haben. 
Für  diejenigen  Landesteile,  wo  die  Krankenversicherung  schon  lange 
festen  Fuss  gefasst  hat,  bringen  die  Grundsätze  den  Aerzten  kaum 
etwas  Neues.  Dagegen  war  es  für  diejenigen  Gegenden,  wo  das  Ver¬ 
sicherungswesen  erst  auf  Grund  des  neuen  Gesetzes  Eingang  finden 
wird,  dringend  erwünscht,  den  Kollegen  in  Gestalt  solcher  Normalien 
einen  festen  Umriss  zu  verschaffen,  innert  welchem  es  ihnen  möglich 
ist  einen  standesgemässen  Krankenkassenvertrag  abzuschliessen.  Ich 
kann  es  mir  erlassen  auf  Einzelheiten  einzugehen,  da  keine  wesent¬ 
lichen  Abweichungen  von  den  in  Deutschland  zum  gleichen  Zweck 
aufgestellten  Grundsätzen  vorliegen  dürften.  Das  Hauptgewicht  wird 
darauf  gelegt,  dass  die  Verträge  nicht  von  einzelnen  Aerzten,  sondern 
von  den  Organisationen  und  zwar  von  möglichst  umfassenden  Or¬ 
ganisationen  abgeschlossen  werden  sollen.  Der  sonst  heikelste  Punkt, 
die  Honorarfrage,  spielt  in  den  Normalien  keine  Rolle.  Denn  die 
Bezahlung  nach  Einzelleistungen  ist  im  Gesetze  festgelegt  und  die 
Tarife  hierfür  werden  nicht  zwischen  Aerzten  und  Krankenkassen 
vereinbart,  sondern  von  den  Kantonsregierungen  aufgestellt,  unter 
Ansetzung  von  Minimal-  und  Maximalansätzen.  Beim  Vertrags¬ 
abschluss  mit  den  einzelnen  Kassen  wird  es  sich  dann  darum  handeln, 
welche  der  verschiedenen  möglichen  Tarifstufen  zur  Anwendung 
kommen  soll.  Für  einen  grossen  Teil  der  Kassen  wird  natürlich  ohne 
Weiteres  der  Minimaltarif  bewilligt  werden  müssen,  aber  es  sollte 
doch  möglich  sein,  dass  für  Kassen,  deren  Mitglieder  ökonomisch 
bessergestellt  sind,  eine  höhere  Tarifstufe  in  Anrechnung  gebracht 
wird.  Die  von  der  Unfallversicherungsanstalt  den  Krankenkassen 
überwiesenen  Fälle  dürfen  nach  den  Grundsätzen  nicht  auf  der  Basis 
der  Krankenkassentarife  behandelt  werden,  sondern  es  sind  hiefiir 
von  der  Aerztekammer  direkt  mit  der  Unfallversichcrungsanstalt 
höhere  Taxen  zu  vereinbaren.  Auch  das  Schiedsgerichtverfahren  ist 
bereits  im  Gesetze  festgelegt  und  gibt  deshalb  ebenfalls  nur  zu 
wenigen  Bestimmungen  Anlass.  Im  übrigen  werden  gewisse  Unter¬ 
schiede  gemacht  zwischen  den  anerkannten  Krankenkassen,  denen 
gegenüber  die  Aerzte  durch  die  gesetzlichen  Vorschriften  bis  zu 
einem  bestimmten  Punkte  gebunden  sind  und  den  freien  Kranken¬ 
kassen,  welchen  sie  als  ebenfalls  völlig  freie  Vertragspartei  gegenüber¬ 
treten  können.  Dr.  N. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

XV.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für 

Gynäkologie 

in  Halle  a.  S.  vom  14. — 17.  Mai  1913. 

Berichterstatter:  Prof.  Karl  B  a  i  s  c  h. 

II. 

I.  Vorsitzender :  Herr  Veit-  Halle  a.  S.;  I.  Schriftführer: 
Herr  B  a  i  s  c  h  -  München. 

Herr  Z  i  n  s  s  e  r  -  Berlin:  Ueber  die  Giftigkeit  des  Harns  Ge¬ 
bärender  und  Eklamptischer. 

Zinsser  hat  in  zahlreichen  Versuchen  weder  die  Harne 
Kreissender,  noch  die  Eklamptischer  toxisch  im  Sinne  Pfeiffers 
gefunden.  Er  lehnt  es  danach  ab,  auf  Grund  der  biologischen  Aus¬ 
wertung  des  Harns  auf  das  Vorhandensein  einer  Eiweisszerfallstoxi¬ 
kose  bei  der  Gebärenden  oder  bei  der  Eklamptischen  zu  schliessen. 
Meerschweinchen  mit  Urannephritis  schieden  im  anaphylaktischen 
Schock  ebenso  toxische  Harne  aus  wie  gesunde  Tiere.  Anderseits 
waren  mit  Serum  vorbehandelte  nephritische  Tiere  gegen  Serurn- 
reinjektion  nicht  empfindlicher  wie  nierengesunde. 

Herr  Albert-  Dresden :  Nephritis  und  Eklampsie  bei  eitriger 
Mikrokokken-Endometritis. 

Eine  Pluripara  stirbt  6  Stunden  nach  schneller  spontaner  Ent¬ 
bindung  an  Eklampsie,  6  Stunden  später  Obduktion  (Schmort)  er¬ 
gibt  eitrige  Endometritis,  Nephritis,  Eklampsie;  die  Dezidua  ist  herd- 
und  strichweise  eitrig  infiltriert,  und  es  finden  sich  noch  Gram-positive 
Diplokokken.  Albert  bemerkt  dazu,  dass  eine  solche  Endometritis 
auch  auserhalb  der  Schwangerschaft  besteht,  ohne  nennenswerte  Er¬ 
scheinungen  zu  machen,  und  dass  die  Erkrankung  Konzeption  zulässt. 

Herr  F  e  t  z  e  r  -  Königsberg  i.  Pr.:  Ueber  Nierenfunktion  in  der 
Schwangerschaft  und  bei  Schwangerschaftstoxikosen. 

Ein  klarer  Einblick  in  die  Art  der  Nierenarbeit  ist  nur  durch 
experimentelle  Prüfung  ihrer  Funktion  zu  gewinnen.  Manche  Nieren 
scheiden  in  der  Schwangerschaft  bei  der  Belastungsprobe  eine  Koch¬ 
salzzulage  verlangsamt  aus.  Bei  kochsalzreicher  Diät  kommt  es  zur 
Retention,  ohne  dass  Oedeme  von  Anfang  an  nachweisbar  zu  sein 
brauchen.  Solche  Fälle  verlangen  kochsalzarme  Diät.  Reine  Milch¬ 
diät  ist  unzweckmässig,  weil  sie.  wenn  genügend  kalorienreich,  zu 
eisenarm  und  viel  zu  stickstoffreich  ist.  Bei  der  Eklampsie  tritt  (auch 
ohne  nachweisbare  Oedeme)  eine  über  längere  Zeit  sich  hinziehende 
Mehrausfuhr  von  Kochsalz  hauptsächlich,  aber  auch  von  Stickstoff 
auf.  Die  Mehrausfuhr  wird  aber  nicht  wie  bei  der  gesunden  Niere 
durch  Konzentrationserhöhung,  sondern  durch  entsprechende  Ver¬ 
mehrung  der  Harnmenge  geleistet.  Beim  Erlöschen  der  Eklampsie 
tritt  die  Niere  fast  plötzlich  von  einem  Zustand  schwerst  beeinträch¬ 
tigter  Funktion  in  einen  solchen  sehr  bedeutender  Arbeitsleistung  über. 
Es  kann  sich  also  nicht  um  eine  kranke  Niere  handeln,  die  gesundet 
und  allmählich  wieder  zur  vollen  Funktion  gelangt.  Es  muss  sich 
um  toxische  Einflüsse  handeln,  die,  ähnlich  wie  bei  der  Narkose,  vor¬ 
übergehend  die  Funktion  aufheben,  und  zwar  wahrscheinlich  in  erster 
Linie  die  Funktion  der  Nierengefässe.  Dafür  spricht  die  nachweis¬ 
bare,  im  Wochenbett  persistierende  Ueberempfindlichkeit  der  Nieren¬ 
gefässe. 

Herr  S c  h  1  a y  e  r -  München  (auf  Einladung  des  Kongresses): 

Die  Indikationsstellung  zur  Schwangerschaftsunterbrechung  bei 
Nierenveränderungen. 

Die  Unterscheidung  von  Schwangerschaftsniere  und  echter  Ne¬ 
phritis  scheint  S  c  h  1  a  y  e  r  unzweckmässig,  ja  fehlführend.  Beide 
lassen  sich  oft  nicht  voneinander  unterscheiden.  Es  fragt  sich  über¬ 
haupt,  ob  die  Sonderstellung  der  Schwangerschaftsniere  gerecht¬ 
fertigt  ist.  Er  empfiehlt  als  Ausgang  für  die  Indikation  zur  Schwan¬ 
gerschaftsunterbrechung  die  Art,  wie  die  Nierenschädigung  auf  den 
Organismus  einwirkt.  Die  Einwirkung  einer  Nierenschädigung  kann 
sich  äussern  in  Urämie,  Herzhypertrophie  mit  Hypertension.  Oedem 
und  endlich  Veränderungen  der  Ausscheidung  von  Wasser.  Salz  etc. 
Auf  Grund  seiner  klinischen  Beobachtungen  gibt  S  c  h  1  a  y  e  r  Anhalte, 
wann  er  bei  den  einzelnen  Erscheinungen  Unterbrechung  oder  Nicht¬ 
unterbrechung,  provozierten  Abort  oder  Frühgeburt  für  indiziert  hält. 
Er  weist  auf  eine  einfache  Methode  hin.  welche  gestattet,  in  vielen 
Fällen  ein  hinreichendes  Urteil  über  den  Zustand  der  kranken  Niere 
zu  erhalten:  Verfolgung  der  Tagesausscheidung  bei  bestimmter  Mahl¬ 
zeit.  Diese  Methode  kann  gleichzeitig  auch  zeigen,  dass  nicht  selten 
eine  vermeintlich  harmlose  Schwangerschaftsniere  trotz  Verschwin¬ 
den  des  Albumens  tastächlich  noch  nicht  ausgeheilt,  sondern  nur 
latent  geworden  ist.  So  erklären  sich  B  a  i  s  c  h  s  Befunde,  dass 
Nierenveränderungen  während  der  Schwangerschaft  doch  häufiger  als 
gedacht  dauernde  Nierenschädigungen  zurücklassen. 

Herr  Ad.  Schmidt-  Halle  (als  Gast) :  Herzleiden  und  Schwan¬ 
gerschaft. 

In  der  Praxis  der  Herzkrankheiten  spielt  heute  die  Bewertung 
der  auskultatorischen  Phänomene  und  überhaupt  der  Klappenfehler 
vielfach  noch  eine  zu  grosse  Rolle.  Die  Intensität  des  Geräusches  und 
die  Akzentuation  der  Töne  gehen  keineswegs  immer  der  Grösse  des 
Herzfehlers  parallel.  Das  gilt  auch  für  die  Mitralstenose,  deren  Son¬ 
derstellung  ich  im  übrigen  anerkenne.  Viel  wichtiger  sind  die  Grösse 
des  Herzens,  die  Veränderungen  des  Pulses,  die  dauernde  Stauung 
in  der  Leber  und  im  kleinen  Kreislauf,  und  vor  allem  die  Leistungs¬ 
fähigkeit  des  Herzmuskels  oder  die  Reservekraft.  Nicht  jede  De¬ 
kompensation  des  Herzens  hat  dieselbe  schlimme  Bedeutung  für  die 


1.348 


AIUFNCHENHR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


I  rognose.  Es  kommt  darauf  an,  aus  welcher  Ursache  sie  entstanden 
war,  welche  Form  sie  zeigt  und  wie  sie  auf  Digitalis  und  Ruhe  re- 
fer''.  'Venn  hieur  Yon  der  Myokarditis  gesagt  wurde,  dass  sie  durch 
die  Schwangerschaft  und  Niederkunft  fast  immer  so  verschlimmert 
wird,  dass  man  aus  ihr  eine  absolute  Indikation  zum  künstlichen  Abort 
ableiten  muss,  so  kann  sich  das  doch  nur  auf  die  schwereren  Fälle 
beziehen.  Fs  gibt  aber  zahlreiche  leichtere  Fälle,  die  sich  lediglich 
in  leichten  Rhythmusstorungen,  in  einer  auffallenden  Beschleunigung 
und  einem  Schwächerwerden  des  Pulses  nach  leichten  körperlichen 
Anstrengungen  erkennen  lassen,  für  die  eine  solche  Indikation  nicht 
gilt.  Und  zwischen  diesen  und  den  schwereren  Formen  gibt  es  alle 
möglichen  Uebergänge.  Man  muss  annehmen,  dass  die  leichten  For¬ 
men  der  Myokarditis  nach  Anginen  und  anderen  Infekten  bakteriell- 
toxischen  Ursprungs  sind.  Fs  fragt  sich,  ob  nicht  auch  die  Schwan¬ 
gerschaft  nerzkranke  mehr  auf  dem  Wege  toxischer  Momente  schä- 
cligt  als  durch  mechanische  Inanspruchnahme.  In  therapeutischer  Hin- 
sicht  mochte  ich  vor  der  Aufstellung  zu  fester  Normen  warnen.  Man 
soll  sich  nicht  darauf  festlegen,  dass  eine  Myokarditis,  eine  De¬ 
kompensation  in  der  ersten  Hälfte  der  Schwangerschaft,  eine  Kom- 
H'Ün  Yon  H,erz'ei53ei1  mit  Nephritis  jedesmal  die  künstliche 
Unterbrechung  der  Schwangerschaft  indiziert.  Es  bleibt  nichts  anderes 
übrig,  als  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden. 

c  •  ^  0  h  r  -.Halle  ^a*s  Gast) :  Ueber  die  innere  Sekretion  der 

Speicheldrüsen  und  ihre  Beziehungen  zu  den  Genitalorganen. 

Von  einer  inneren  Sekretion  der  Speicheldrüsen  ist  bisher  ab- 
gesehen  von  den  nichtbestätigten  älteren  Versuchen,  nichts  bekannt 
Die  klinische  Erfahrung  spricht  aber  entschieden  dafür,  dass  auch 
diese  Druse  in  dem  grossen  System  der  endokrinen  Organe  eine  Rolle 
spielt,  und  dass  speziell  hier  Beziehungen  mit  der  Funktion  der 

V0Ihegi?n-  Auch  ist  bekannt,  dass  nach  Ovariotomien 
Speicheldrusenschwellungen  auftreten,  die  zum  Teil  allerdings  be¬ 
dingt  sind  durch  Infektion  und  durch  Sekretstauung  infolge  mangel¬ 
hafter  Nahrungsaufnahme.  Bekannt  ist  auch  die  Erkrankung  der  Geni¬ 
talorgane  beim  Mumps.  Sehr  interessant  sind  Beobachtungen  des 
Vortragenden,  in  denen  auch  bei  Lues  gleichzeitig  Hoden  und  Speichel- 
iiisen  erkiankt  waren.  Einen  sicheren  Zusammenhang  mit  einer 
inneren  Sekretion  scheinen  die  Beobachtungen  zu  beweisen,  die  Vor¬ 
tragender  bei  Genitalinfantilismus,  Hypoplasie  und  Hypofunktion  der 
jemtalorgane  bei  Morbus  Basedowii,  beim  Status  thymico-lymphati- 
.be'  endogener  Fettsucht  auf  thyreogener  genitaler  und  hvpo- 
physarer  Basis  gemacht  hat.  Im  ganzen  hat  Vortragender  17  Fälle 
von  Storungen  innerer  Drüsensekretion  beobachtet,  bei  denen  der 

mlv'ii  0ltiec^imP  eX.  tV  Schwellung  der  Ohrspeicheldrüse,  der  Sub- 
maxillar-,  Sublingual-Blaudin-Nuhnschen  Drüse  und  in  einzelnen  Fällen 
auch  der  Tränendrüsen  vorhanden  war.  In  einzelnen  Fällen  waren 
hochgradige  Vergrosserungen  der  Gebilde  sichtbar  und  beträchtliche 
Entstellungen  des  Ges^hts.  Allein  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Hais¬ 
und  Kopfspeicheldrusenschwellung  betrachtet,  gehören  diese  Beobach¬ 
tungen  unter  den  Begriff  des  M  i  k  u  1  i  c  z  sehen  Svmptomenkom- 
Nexes.  Vortragender  weist  darauf  hin.  dass  es  sich  bei  der  sogen. 

M  i  k  u  1 1  cz  sehen  Erkrankung  nicht  um  eine  selbständige  Erkran¬ 
kung,  sondern  um  einen,  unter  verschiedenen  pathologischen  Bedin¬ 
gungen  vorkommenden  Symptomenkomplex  handelt.  Es  handelt  sich 
dabei  entweder  um  eine  primäre  Konstitutionsanomalie,  wie  z  B  bei 

HPrniSinfaintl  1SmUS’  ?der  um  eme  erworbene-  z-  B.  nach  Exstirpation 
wltP  Up0nga-ny  oder. anderer  Drüsen  mit  innerer  Sekretion.  Im 
letzteren  Falle  ist  vielleicht  die  Speicheldrüsenschwellung  ebenso  als 
kompensatorische  Hyperplasie  aufzufasseri  wie  die  Schilddrüsen¬ 
schwellung  nach  Entferung  der  Ovarien  oder  im  Klimakterium. 

der  Mamma  breCht  MHnChen:  Z"r  Frase  der  inneren  Sekretion 

Voi  ti  agender  kommt  auf  Grund  seiner  experimentellen  Versuche 
zu  dem  Ergebnisse,  dass  eine  frühzeitige  operative  Entfernung  der 
JiaiFma  be'.]un8:e,n  Lämmern  keinen  nachweisbaren  Einfluss  hat  auf 

insbSo^deruT«  o/  •??re  ganzen-  der  einzelnen  Organsysteme, 
insbesondere  des  Genitales,  ebensowenig- auf  Eintritt  und  Verlauf  von 

FasScr  QHpacV1Rtat  m nd  Geburtseintritt.  Es  darf  daher  bei  strenger 
Fassung  des  Begriffes  der  inneren  Sekretion  die  Mamma  nicht  als 
innersekretorische  Drüse  aufgefasst  werden.  Vortragender  fand  bei 
ausgedehnter  experimenteller  Nachprüfung  der  Injektionsversuche  mit 
Brustdrusenextrakt  eine  Hemmung  der  Ovarialfunktion,  beim  mS 
spen  nach  Injektion  von  Mammin  Ausbleiben  der  Periode  Ob  es 
fehler  um  spezifische  Wirkungen  der  Brustdrüsenextrakte  handelt, 

•h  ™  iCh'  y.erschieden,e  Beobachtungen  legen  die  Annahme  einer 
cuich  anderen  Organextrakten  zukommenden  toxischen  Wirkung  nahe 

che  Physiol°£isch  nicht  in  den  Kreislauf  gelangen, 
werden  nur  bei  besonders  reichlicher  Anhäufung  während  der  Lakta¬ 
tion  resorbiert  und  üben  dann  die  experimentell  beobachtete  hem¬ 
mende  \\  irkung  auf  die  Ovarialfunktion  aus. 

cT  A*  M  e  y„er-  Tübingen  :  Ueber  Pyelitis  und  ihre  Beziehungen 
zur  Schwangerschaft.  (Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

prrifio  c  '*  z  "  G|essen  :  Neue  Beiträge  zur  Pyelitis  gravidarum. 

Bei  160  Schwangeren  fanden  sich  im  Nieren-  und  Bhsenharn  Bak- 
ter.en  in  fast  */3  der  Fälle,  jedoch  nur  in  knapp  ein  Fünftel  der  Fälle 
gleichzeitig  I  yurie.  Unter  den  Fällen  mit  Pyurie  spielt  das  Bacterium 
coh  die  hervorragendste  Rolle.  12  von  den  160  Frauen  hatten  ein™ 
ausgesprochene  Erkrankung  an  Pyelitis.  Dass  in  den  Fällen,  bei  denen 
der  Nierenharn  steril  war,  sich  dieselben  Bakterien  im  Blasenharn 

ÄeWiÄrSt  “  der  Pyeli,iS  a"flra*“'  »rtcw  (0r  au™ 

der  Pyelitis"  gravidarmn. '  ^rei’s"  ald :  Ae.io.oyie  Beh,„dl„„s 


ai  F.Kr?emer  berichtet  über  38  Fälle  von  Pyelitis,  von  denen 
•U  Beziehung  zur  Schwangerschaft  zeigten.  Rezidive  ereigneten  sich 
in  derselben  wie  in  wiederholten  Schwangerschaften.  Die  Pyelitis  ist 
wp frh} r e  1  cb e ii  Fallen  eine  ausserordentlich  langwierige  Erkrankung, 
welche  auf  Infektionskrankheiten  zuriiekgreiit.  Schwangerschaft 
bildet  durch  Behinderung  der  Ureterpassage  Gelegenheit  zur  Rezidiv - 
bildung.  Nierenbeckenspiilung  und  -drainage  sind  nur  symptomatische 
ehandlungen,  welche  durch  die  Dauerbeobachtung  und  besonders 
durch  die  \  akzinetherapie  ergänzt  werden  müssen.  In  jedem  Falle 
muss  die  Möglichkeit  eines  tuberkulösen  Grundleidens  ins  Auge  ge- 
tasst  w  erden.  Bei  allen  sclnveren  Erkrankungen  spielen  angeborene 
Nieren-Ureterenanomahen  eine  wesentliche  Rolle.  B 

ii  *  Herr  Kr  oem  er- Greifswald:  Eiterniere  bei  Verschluss  und 
Unterbrechung  des  Ureters. 

,  ■  er demonstriert  eine  Serie  von  exstirpierten  Nieren 

welche  die  Kombination  von  Pyelonephrose  mit  erworbener  oder  an¬ 
geborener  Ureterstriktur  zeigen.  Die  Mehrzahl  der  Präparate  betrifft 
tuberkulöse  Nieren,  darunter  1  mit  Tuberkulose  der  Nebenniere  und 
Morbus  Addisonii.  der  Rest  der  Fälle  kongenital  verlagerte  Nieren  mit 
schwerer  Pyelonephrose. 

.  Herr  Lichtens  tein -Leipzig:  Weitere  Erfahrungen  mit  der 
ab  wertenden  Eklampsiebehandlung. 

Von  94  mit  Aderlass  und  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  behandelten  Fällen  star- 
Ö  f5’3  PJoz,\  Die  Kindersterblichkeit  betrug  37,3  Proz.  für  alle 

und  .1,6  für  die  lebensfähigen  Kinder.  42  Proz.  der  Eklampsien  vor 
der  Geburt  heilten  interkurrent.  74  Eklampsien  wurden  in  geschlos- 
sener  Serie  hintereinander  geheilt.  Bei  dieser  Frequenz  kam  während 
16  Monaten  kein  I  odesfall  vor.  Die  Notwendigkeit  der  aktiven 
lherapie  ist  also  nicht  nur  durch  nichts  bewiesen,  diese  ist  vielmehr 
als  schädlich  zu  verlassen  und  durch  die  abwartende  zu  ersetzen. 

Herr  R.  F  r  e  u  n  d  -  Berlin:  Zur  Eklampsietherapie. 
v  ,  y?n  Oktober  1912  bis  April  1913  sind  46  Eklampsiefälle  in  der 
i  '  >1  .ante  der  von  Leipzig  vorgeschlagenen  „abwartenden  Behand- 
Ä.JAder£s?e  mit  Nark°tika)  unterzogen  worden.  Es  starben 
4  Mutter  an  Eklampsie,  4  heilten  in  der  Gravidität  aus.  Ein  schwerer 
Fall  von  Schwangerschaftseklampsie  im  6.  Monat  verschlechterte 
iQC^*Zl,^ebends  h?1  ,der  abwartenden  Therapie  und  musste  nach 
'  ^fur,den  aus  V)taler  Indikation  mittels  Hysterotomia  anterior  be- 
endet  werden,  worauf  Heilung  erfolgte.  Die  Mortalität  der  Kinder 
ist  bei  dieser  Therapie  erheblich  gestiegen,  sie  beträgt  41,9  Proz 
gegen  17,1  Proz.  bei  der  Frühentbindung.  Bezüglich  der  Behandlung 
der  übrigen  Graviditätstoxikosen  berichtet  Freund  über  18  Fälle 
Ob  Toxikodermien  und  2  Fälle  von  Hyperemesis).  Die  ersten  3  Haut- 
talle  heilten  nach  Injektion  von  Gravidenserum,  die  folgenden  4  nach 
1  ferdeserum;  bei  den  letzten  9  Dermatosen  und  den  2  Fällen  von 
Hyperemesis  wurden  je  200  ccm  Ringer  sehe  Lösung  subkutan 
verabreicht.  Davon  heilten  alle  ab  bis  auf  die  5  Hautfälle,  von  denen 
einer  sich  völlig  refraktär  erwies,  die  übrigen  4  rezidiv  wurden;  3  von 
letzteren  heilten  schliesslich  spontan. 

Herr  Kehrer- Dresden:  Ueber  den  Kalkgehalt  des  Blutes 

•n  \f/r  u^yul0A0ß,sc^en  und  pathologischen  Schwangerschaft,  sowie 
im  Wochenbett. 

o-a.-c  0*6  Werte  für  den  Kalkgehalt  des  Blutes  bei  normaler  Schwan¬ 
geischaft  sind  erhöht.  Eine  physiologische  Kalkverarmung  in  der 
?äwa"fferschaft  gibt.es  daher  nicht.  Bei  Nephritis  gravidarum  findet 
sich  eine  geringe,  bei  Eklampsia  gravidarum  eine  beträchtliche  Ab- 
nahme  des  Llutkalkgehaltes.  Im  normalen  Frühwochenbett  (9.  und 
bL  tfg  P-  P-  findet  sich  eine  beträchtliche  Abnahme  des  Blutkalk¬ 
gehaltes,  welche  auf  den  Blutverlust  bei  der  Geburt  die  Milch¬ 
absonderung  irn  Wochenbett  und  vielleicht  auch  auf  die  nicht  ganz 
zweckmassige  Ernährung  der  Wöchnerinnen  (kalkarme  Nahrung  der 
enStei\u^  °chenbettstage)  zu  beziehen  ist  und  mit  einem  in  80  Proz 
hln^  !ISüeH,tlnun  nachweisbaren  tetanoiden  Zustand  in  Zusammen- 
hang  stehen  durfte.  Im  Wochenbett  von  Frauen,  die  am  Ende  der 
Schwangerschaft  Nephritis  oder  Eklampsie  hatten,  zeigte  sich  ein  auf¬ 
fallender  Anstieg  der  Kalkwerte  gegenüber  normaler,  Wöchnerinnen 
.  Lampe- München  (als  Gast):  Basedowsche  Krank¬ 

heit  und  Genitale. 

pden,  Hallen  von  Basedow  (25)  liess  sich  ein  Schutzferment 
gegen  Lasedowsclnlddruse  und  in  den  meisten  Fällen  ein  Schutz¬ 
ferment  gegen  Thymus  und  Ovarium  feststellen,  d.  h.  die  Abder- 
'  ;  nen,sc  e  Reaktion  fiel  bei  Basedowserum  +  Schilddrüse  immer, 
bei  Basedowserum  +  Thymus  und  Basedowserum  -f  Ovarium  in 
c  en  meisten  Fallen  positiv  aus.  Proben  von  Basedowserum  4-  ande¬ 
ren  Substratem  wie  Niere,  Leber,  Muskelgewebe  etc.,  zeigten  stets 
ein  negahves  Resultat.  Aus  diesen  Befunden  ergibt  sich  1.,  dass  es 

mn«  üfnHpH  L  a  s  e  d  o  wschen  Krankheit  um  einen  Dysthyreoidis- 
nius  handelt;  2.,  dass  in  den  meisten  Fällen  von  Basedow  die  Thy¬ 
musdrüse  dysfunktioniert;  3.,  dass  bei  Basedow  in  den  meisten  Fällen 
ue  Keimdrüsen  von  ihrer  normalen  Tätigkeit  abweichen.  Die  somit 
bewiesene  Dysfunktion  der  Keimdrüsen  bei  Basedow  ist  als  eine 
sekundäre,  unter  dem  Einflüsse  der  dysfunktionierenden  Schilddrüse 
zustande  gekommene  Erscheinung  aufzufassen 

Herren  E.  v.  Graff  und  J.  Novak-Wien:  a)  Basedow¬ 
sche  Krankheit  und  Genitale. 

Ra<orJebriiS  der  Untersuchung  von  36  basedowkranken  Frauen: 
,mweid  ° W  SC  ' j  Krankheit  ist  häufig  kombiniert  mit  Zeichen  von 
f  am^mUSi  -nd,  Menstruationsstorungen,  die  namentlich  als  Oligo- 
J  1A TanFrrJ10eLder  Krkrar.lkunS  häufig  vorangehen.  — In  vielen  Fällen 
■  t-ht  die  Erkrankung  in  zeitlichem  und  wahrscheinlich  auch  kausalem 
Zusammenhang  mit  den  drei  wichtigsten  Phasen  des  Geschlechts¬ 
lebens:  Pubertät,  Gravidität,  Klimakterium.  In  vielen  Fällen  muss  in 


17.  Juni  1913. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


1349 


der  genitalen  Unterfunktion  die  Ursache  der  Basedow  sehen  Krank¬ 
heit  gesucht  werden:  2  beweisende  Beispiele:  Ausbruch  der  Krank¬ 
heit  nach  Operation  bzw.  Röntgensterilisation  bei  vorher  gesunden 
Frauen. 

b)  Schilddrüse  und  Gestation. 

ochilddriisenvergrösserung  in  der  Gravidität  nur  in  44 — 49  Proz., 
meist  war  die  Schilddrüse  schon  vor  der  Gravidität  grösser  (Unter¬ 
suchung  von  501)  Nulliparen  ergab  40  Proz.  mit  Struma).  —  Im 
Wochenbett  Rückgang  nach  weiterer  Zunahme  intra  partum.  —  Spon¬ 
tane  und  alimentäre  ülykosurie  bei  Frauen  mit  Struma  häufiger: 
15,8  Proz.  bzw.  58  Proz.  gegen  11,2  Proz.  bzw.  24  Proz.  bei  Frauen 
ohne  Schilddrüsenvergrösserung.  Umgekehrt  bei  diesen  häufiger 
Albuminurie  22,1  Proz.  gegen  16,6  Proz.  Albuminurie  bei  Frauen  mit 
Struma.  —  Bei  Eklamptischen  fehlt  die  Schwangerschaftsstruma  rela¬ 
tiv  oft.  —  Die  Vorstellung,  dass  das  Klimakterium  zur  Vergrösserung 
der  Schilddrüse  disponiere,  wird  auf  Grund  des  untersuchten  Materials 
abgelehnt. 

Herr  v.  F  r  a  n  q u  6  -  Bonn:  Kastration  in  der  Schwangerschaft 
wegen  Osteomalazie.  Untersuchung  der  Ovarien. 

29jährige  lll.-para  mit  typischer  Osteomalazie;  Kastration  im 
4.  Monat  nach  vergeblicher  Phosphorbehandlung.  Dauerheilung.  In 
den  Ovarien  2  gleich  grosse  Corpora  lutea;  aber  keine  Hypertrophie 
der  interstitiellen  Drüse.  Redner  glaubt,  dass  die  histologischen  Be¬ 
funde  der  Ovarien  Osteomalazischer  eher  gegen  als  für  die  Beteili¬ 
gung  der  interstitiellen  Drüse  sprechen  und  nichts  für  die  des  Corpus 
luteum  beweisen.  Auch  klinisch  ist  nur  der  heilende  Einfluss  der 
Kastration  erwiesen,  nicht  aber,  dass  in  den  Ovarien  die  primäre  Ur¬ 
sache  der  Erkrankung  zu  suchen  ist. 

Herr  M  a  n  s  f  e  1  d  -  Pest :  Hypoplasie  des  Adrenalsystems  bei 
tödlicher  Atonie. 

Zuerst  bei  einer  spontanen  Inversio  uteri,  dann  bei  einer 
tödlichen  Atonie  konnte  Mansfeld  die  Hypoplasie  der 
Marksubstanz  sowie  eine  auffallende  Verminderung  des  Adrenalin¬ 
gehaltes  der  Nebennieren  feststellen. 

Herr  Schickele  -  Strassburg :  Wehenerregende  Substanzen 
und  innere  Sekretion. 

Die  in  dem  Pituitrin  vorhandene  wehenerregende  Substanz  hat 
mit  der  blutdrucksteigernden  nichts  zu  tun.  Sie  findet  sich  auch  in 
Extrakten  der  Hypophysis  (Vorder-  oder  Hinterlappen),  welche  auf 
den  Blutdruck  keine  Wirkung  haben.  Eine  Spezifität  der  wehen¬ 
erregenden  Substanz  für  den  Hinterlappen  ist  also  nicht  vorhanden. 
Wehenerregende  Substanzen  finden  sich  auch  ausserhalb  der  Hypo¬ 
physis,  und  zwar  im  Ovarium,  Corpus  luteum,  Uterus,  Schilddrüse, 
Brustdrüse,  ebenso  im  Fötus  und  in  der  Plazenta.  Das  Blutserum  der 
Nabelschnur,  ebenso  der  Schwangeren  enthält  ebenfalls  derartige 
Substanzen,  ln  gleichem  Masse  gilt  dies  für  Nieren,  Leber  und  Milz. 
Diese  Substanzen  finden  sich  sowohl  während  als  auch  ausserhalb  der 
Gravidität.  Eine  stärkere  Wirkung  gravider  Organe  konnte  nicht  mit 
Sicherheit  nachgewiesen  werden. 

Herr  K  a  1 1  e  d  e  y  -  Pest :  Zur  Lehre  von  der  Aetiologie  und 
Organotherapie  der  Uterusblutungen. 

Vortragender  behandelte  mit  Ovariumextrakt  21  Fälle  von  Dys¬ 
menorrhöe  und  beobachtete  vollständige  Heilung.  Von  den  21  Fällen 
wurden  während  der  Behandlung  5  gravid.  K  a  1 1  e  d  e  y  betrachtet 
laut  diesen  Resultaten  die  Hypofunktion  der  Ovarien  als  die  Ursache 
der  Dysmenorrhöe.  Die  Meno-  bzw.  die  Metrorrhagie  behandelte 
Kalledey  in  41  Fällen  mit  Hypophysenextrakt  mit  gutem  Erfolge. 
Mit  Corpus-luteum-Extrakt  hatte  er  5  Blutungen  zum  Stehen  ge¬ 
bracht. 

Herr  A  s  c  h  -  Breslau :  Das  Erbrechen  der  Schwangeren. 

Gelüste  und  Abneigungen  sind  als  Ausfluss  wiedererwachter  In¬ 
stinkte  (Mneme  der  fötalen  Zelle)  zu  deuten;  wo  dem  erhöhten  Nah¬ 
rungsbedürfnis  in  der  Schv/angerschaft  eine  gesteigerte  Esslust  zur 
Seite  steht,  besteht  weder  Nausea  noch  Erbrechen  (primitive  Völker, 
unkultivierte  Klassen);  erst  die  durch  das  Kulturleben  unterdrückte, 
normale  Steigerung  der  Appetenz  bringt  das  Missverhältnis  zwischen 
Bedürfnis  und  Gemeingefühl  hervor.  So  entsteht  ein  dauerndes 
Ueberhungertsein.  Bei  Ueberhungerten,  auch  nicht  Schwan¬ 
geren,  Heruntergekommenen,  Anämischen  tritt  Abneigung  vor  Nah¬ 
rungsaufnahme,  auch  Erbrechen  nach  solcher  auf.  Zugleich  mit  dem 
Schwangerschaftsödem  tritt  häufig  eine  Schwellung  der  Schleimhaut 
der  oberen  Atmungswege  auf;  es  entsteht  ein  Epipharyngeal¬ 
katarrh;  dieser  ruft  Erbrechen  hervor.  Eine  dritte  Ursache  bilden 
krampfartige  Kontraktionen  im  Gebiet  der  Gebärmuttermuskulatur. 
Auch  hier  keine  Neurose,  sondern  ein  Reflex. 

Herr  Schröder  - Rostock :  Ueber  die  zeitlichen  Beziehungen 
der  Ovulation  und  Menstruation. 

Vortr.  hat  seine  Erfahrungen  an  555  genau  durchgearbeiteten 
Fällen  gewonnen,  aus  denen  er  292  als  normal  hat  ansprechen  können. 
In  100  Fällen  war  das  Endometrium  normal  und  mit  ihm  verglichen 
wurde  der  Bau  des  jeweiligen  Corpus  luteum.  Aus  diesem  Vergleich 
geht  hervor,  dass  der  reife  Eifollikel  zwischen  dem  14.  und  16.  Tag 
eines  vierwöchentlich-regelmässigen  Zyklus  (vom  Beginn  der  Menses¬ 
blutung  gerechnet)  platzt,  vom  15. — 20.  Tag  nur  Frühstadium  eines 
Corpus  luteum  und  während  des  Prämenstruums  nur  reife  Corpora 
lutea  sich  finden. 

Herr  L.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Breslau :  a)  Vasomotorische  Phänomene 
am  Kopf  durch  Extrakte  innerer  Drüsen. 

Die  bei  Kastrierten  auftretenden  Gesichtshyperämien  deuten  auf 
eine  elektive  Beeinflussung  der  Kopfgefässe  durch  die  Ovarien.  Ex¬ 
perimentelle  Prüfung  mittels  des  H  u  e  r  t  h  1  e  sehen  Verfahrens: 
Durchschneidung  der  Karotis,  Kanülen  in  beiden  Stümpfen,  mit  Mano¬ 


meter  und  Kymographion  verbunden,  schreiben  senkrecht  über¬ 
einander  den  allgemeinen  und  speziellen  Kopfdruck  an.  (Der  peri¬ 
pherische  Stumpf  spritzt  gleichfalls,  weil  ihm  retrograd  durch  den 
Circulus  arteriosus  Willisii  Blut  aus  der  anderen  Karotis  und  den 
Vertebrales  zugeführt  wird.)  Druckhöhenmessung  in  Millimeter  vor 
und  nach  der  Injektion  von  Blutdrüsenextrakten  ergab  elektive  Kon¬ 
striktion  der  Kopfgefässe  durch  Adrenalin  und  Hypophysen-Hinter- 
und  Mittellappen  (der  letztere  wurde  isoliert  beim  Pferd  präpariert), 
isolierte  Vasodilatation  durch  Epi-  und  Luteoglandol  (von  Laroche 
hergestellte  Extrakte  der  Zirbeldrüse  und  des  Corpus  luteum).  — 
Es  handelt  sich  um  eine  objektive,  exakte  und  durch  den  Allgemein¬ 
körperdruck  gut  kontrollierte  neue  biologische  Methode  der  Prüfung 
endokriner  Drüsen. 

b)  Zum  Hauptthema:  Die  von  Fraenkel  empfohlene 
Therapie  der  Osteomalazie  mittels  Milch  kastrierter  Ziegen  oder 
Blutserum  von  Frauen  mit  Ausfallserscheinungen  setzt  nicht  bio¬ 
chemische  Antikörper  voraus,  sondern  das  Ueberwiegen  der  anta¬ 
gonistischen  Drüsensekrete.  —  Die  von  Fraenkel  festgestellte 
Terminbestimmung  der  Ovulation  (etwa  19  Tage  nach  Eintritt  der 
letzten  Menstruation)  ward  von  allen  Neueren,  auf  dem  Kongress 
selbst  vom  Referenten  und  Schroeder  bestätigt.  —  Das  Corpus- 
luteum-Gesetz  ist  im  Referat  von  S  e  i  t  z  anerkannt,  durch  L  o  e  b 
und  Landsberg  mittels  anderer  Methodik  bestätigt  worden;  es  ist 
wohl  also  nunmehr  als  allgemein  angenommen  zu  betrachten. 

Herr  O. O. Fellner-Wien :  Tierversuche  zur  inneren  Sekretion. 

1.  In  der  Plazenta,  den  Eihäuten,  den  Corpus-luteum-haltigen 
Ovarien  sind  Stoffe  enthalten,  welche  bei  subkutaner  und  intraperi¬ 
tonealer  Injektion  Wachstum  der  Mamma  und  Mammilla,  Vergrös¬ 
serung  des  Uterus,  Brunst  bezw.  Graviditätserscheinungen  an  der 
Schleimhaut  des  Uterus,  Vergrösserung  und  Graviditätserscheinungen 
an  der  Vagina,  Vergrösserung  der  Nebennierenrinde,  parenchymatöse 
Nephritis  hervorrufen.  2.  Milchsekretion  konnte  nicht  beobachtet  wer¬ 
den.  3.  An  dem  herausgeschnittenen  überlebenden  Meerschweinchen¬ 
uterus  erzeugen  die  wässerigen  Alkoholätherextrakte  kräftige  Kon¬ 
traktionen. 

Herr  Herr  mann  -  Breslau :  Zur  Chemie  des  Ovariums  und  des 
Corpus  luteum. 

In  wässerigen  Extrakten  vom  Corpus  luteum  fand  Vortragender 
Inonit,  Milchsäure  und  Cholin,  ausserdem  ein  Pentaminolipophos- 
piiatid.  Die  intravenöse  Injektion  von  0,01  g  bewirkte  beim  Ka¬ 
ninchen  Schwellung  und  Hyperämie  der  Uterushörner  und  Sekretion 
der  Brustdrüse. 

Herr  Gräfenberg:  Ueber  spontane  Lävulosurie  in  der 
Schwangerschaft. 

Gräfe (n berg  macht  Mitteilung  von  einer  spontanen  Lävu¬ 
losurie,  die  er  bei  zwei  graviden  Schwestern  beobachtet  und  die 
immer  nur  in  der  Gravidität  offenbar  wurde.  Trotz  der  Ausschei¬ 
dung  sehr  grosser  Lävulosemengen  war  bei  beiden  Patientinnen  der 
Blutzuckerspiegel  nicht  gestiegen. 

Herr  A.  M  e  y  e  r  -  Tübingen :  Die  Bedeutung  des  Infantilismus 
in  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Recht  häufig  sind  verspäteter  Eintritt  der  ersten  Menstruation 
oder  Dysmenorrhöe.  Da  es  sich  oft  um  konstitutionelle  Minderwertig¬ 
keit  handelt,  ist  gynäkologische  Behandlung  meist  erfolglos,  oft  noch 
nachteilig.  Widerstandsunfähigkeit  gegen  körperliche  Beschwerden 
und  frühzeitiges  Versagen  gegen  die  Anforderungen  des  Lebens  führen 
in  der  Zeit  der  sozialen  Gesetzgebung  schon  in  der  Jugend  zu 
Rentenansprüchen.  Eine  etwaige  Heirat  wird  nicht  selten  wegen 
des  mangelhaften  Sexualtriebes  und  wegen  Kohabitationsbeschwerden 
zu  einem  wahren  Martyrium.  Wegen  Sterilität  vorgenommene  Ein¬ 
griffe  sind  meist  zwecklos,  darum  überflüssig  und  zuweilen  recht 
gefährlich.  Eine  endlich  erreichte  Konzeption  endet  oft  mit  Abort. 
Unter  der  Geburt  machen  sich  unnachgiebige  Weichteile,  infantiles 
Becken  und  Wehenschwäche  sehr  nachteilig  bemerklich,  steigern  die 
Gefahr  von  Weichteilrissen  und  Infektion.  Gegen  eine  entstandene 
Infektion  ist  das  infantile  Individuum  weniger  widerstandskräftig. 
Etwaige  Narkosen  bedeuten  eine  besondere  Gefahr.  Stillunfähigkeit 
drückt  der  Mutter  noch  im  Wochenbett  den  Stempel  der  Minder¬ 
wertigkeit  auf.  Im  Bereiche  der  Gynäkologie  stellt  der  mangelhaft 
gebildete  Damm  eine  Disposition  zu  Prolaps  dar.  Angeborene  Retro- 
flexionen  sind  sicher  an  etwaigen  gynäkologischen  Klagen  unschuldig 
und  bedürfen  keiner  Behandlung.  Die  Windungen  der  infantilen  Tube 
schliessen  die  Gefahr  der  Extrauterinschwangerschaft  in  sich.  In¬ 
fantile  Stigmata  sprechen  bei  entzündlichen  Adnextumoren  unklarer 
Aetiologie  für  Tuberkulose,  bei  Ovarialtumoren  für  Dermoide  und 
lassen  bei  Beckentumoren  an  Nierendystopie  denken.  Der  Infantilis¬ 
mus  hat  also  grosses  prognostisches,  diagnostisches  und  therapeuti¬ 
sches  Interesse.  Die  infantilen  Individuen  sind  die  geborenen  In¬ 
validen.  die  sehr  früh  der  Allgemeinheit  zur  Last  fallen. 

Herr  B a  um m  -  Breslau :  Blasenfisteloperation. 

Es  handelt  sich  um  eine  Voroperation  zwecks  Freilegung  sehr 
versteckt  liegender  Blasenfisteln.  Es  wurde  die  ganze  vordere  Hälfte 
der  Vulva  Umschnitten  und  in  die  Tiefe  dringend  wurden  alle  Weich¬ 
teile  weit  hinein  ins  Becken  an  der  Rückseite  der  vorderen  Becken¬ 
wand  abgelöst.  Durch  Zug  an  dem  ausgelösten  Vuivateil  kam  die 
Fistel  soweit  herab,  dass  sie  genäht  werden  konnte.  Naht  des 
Bogenschnittes  und  Drainage  der  dahinterliegenden  mächtigen  Wund¬ 
höhle.  Glatte  Heilung  in  2  Fällen. 

Herr  Schickele-  Strassburg :  Neue  Blasenscheidenfistel¬ 
operation. 

1.  Laparotomie:  Beiderseitige  Tubenunterbindung.  Quere  Er¬ 
öffnung  der  vorderen  Plica,  quere  Durchtrennung  des  vorderen 


1 350 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


>cheidengewölbes.  Durch  diese  Oeffnung  wird  der  Fundus  uteri 
herausgeleitet:  seroseröse  Naht  in  zwei  Etagen  zwischen  hinterer 
Nasen-  und  hinterer  Uteruswand.  Schluss  der  Bauchhöhle.  2.  Vagi- 
naier  Akt.  Entstellen  der  Portio,  breite  Anfrischung  der  uiueren 
Fistelo  fnung.  möglichst  weite  Ablösung  der  Blasenschleimhaut  von 
dei  bcheidenwand.  Exakte  Naht  der  Scheiden  wand  auf  die  vordere 
Wand  des  Corpus  uteri.  Der  Fundus  uteri  ragt  also  in  die 
hintere  Blasen  wand  hinein  und  bildet  den  Verschluss  der  Fistel- 
öfinung. 


60.  Versammlung  mitleirheinischer  Aerzte 

zu  Bad  Kreuznach  am  18.  Mai  1913. 

Sanitätsrat  Dr.  Eich  holz  begriisst  die  Versammlung  und  er- 
onnet  die  wissenschaftliche  Sitzung.  —  Eine  Diskussion  ist  nach  den 
lepflogenheiten  der  mittelrheinischen  Versammlung  ausgeschlossen. 

Als  erster  Redner  eröffnet  Prof.  Dr.  W  e  r  n  e  r  -  Heidelberg 
den  Reigen  der  Vorträge:  Ueber  Behandlung  der  Geschwülste  mit 
radioaktiven  Substanzen  (nicht  über  Radiumtherapie  wie  angekiin- 
digt). 

Von  den  radioaktiven  Substanzen  kommen  nur  die  hochwertigen 
!?,,  e.  und  die  Emanation  des  Radiums,  das  Mesothorium  und  das 
I  horium  X  für  die  Geschwulstbehandlung  in  Betracht.  Man  ver- 
w  endet  die  Radiumsalze  und  das  Mesothorium  vorwiegend  für  äussere 
Applikation,  worunter  jede  Anwendung  in  einer  Form  zu  verstehen 
isi,  bei  der  die  radioaktive  Substanz  nicht  mit  Körperbestandteilen 
vermengt  wird,  das  I  hör  X  und  die  Emanation  des  Radiums  dagegen 
vorwiegend  für  die  innere  Applikation,  von  deren  verschiedenen  Arten 
nui  die  Injektion,  sowohl  die  intravenöse,  wie  die  intratumorale  bei 
den  Geschwülsten  w  irksam  ist.  Trinkkuren  können  mit  Rücksicht  auf 
die  Empfindlichkeit  des  Magendarmtraktes  nur  bei  Lokalisation  des 
I  umors  in  diesen  Organen  als  ernsthafte  Adjuvantien  gelten.  —  Die 
Applikation  ist  1.  ausser  lieh,  worunter  jede  Anwendung  in  ge¬ 
schlossener  F orm,  in  Kapseln,  Platten,  Pasten  oder  als  Tampon  zu 
verstehen  ist,  2.  innerlich  als  Inhalation,  Trinkkur  oder  Injektion  lös- 
licliei  oder  unlöslicher  Salze.  In  den  letzten  Jahren  trat  ein  grosser 
Umschwung  in  der  Auswahl  und  in  der  Verwendung  der  Strahlen  ein. 

Erüher  wurden  alle  Strahlen  verwendet,  jetzt  werden  nur  dD 
optimalen  Strahlenqualitäten  (=  penetrationsfähigsten,  welche  elektiv 
wirken,  d.  h.  pathologische  Gewebe  stärker  angreifen)  verwendet  und 
ausgewählt.  Eine  Ausnahme  bilden  ulzerierte  Tumoren,  bei  denen 
auch  die  a -Strahlen  zur  Wirkung  kommen  und  die  stärkste  Wirkung 
gewünscht  wird.  —  Die  Dosierung  hat  ebenfalls  eine  ungeheuere 
erfahren,  anstatt  2U— 30  mg  2-3  Stunden,  werden  jetzt 
20— 30  000  mg-btunden  (60— 80  mg  in  wochenlanger  Dauer)  ange¬ 
wendet.  Was  man  früher  mit  Röntgen  zu  erreichen  suchte  gelingt 
heute  in  vollkommenster  Form  mit  radioaktiven  Substanzen!  —  Der 
grosse  Voi  teil  liegt  in  dem  Fortfall  der  Röntgenschädigungen  und  der 
oequemeren  Möglichkeit  der  Anwendung. 

'pUu^  bf*  der  Injektion  —  lokal  oder  intravenös,  erstere  mit 
unlöslichen  Salzen  als  Emulsion,  letztere  mit  löslichen  —  sind  wir 
zu  hohen  Dosen  gekommen.  Sowohl  bei  der  Injektion  als  auch  bei 
der  Inhalation  (Emanation)  ist  man  von  früher  1000—2000  zu  1  Million, 
ja  bis  4—o  Millionen  Macheeinheiten  gekommen.  Bei  der  Knochen-’ 
plombe  sogar  bis  20  Millionen  M.-E.  Doch  ist  die  allgemeine  Wirkung 
nicht  immer  gleichgültig.  Es  tritt  bei  hohen  Dosen  Lymphopenie 
Veränderung  des  Knochenmarkes,  schwere  Darmstöruiig  mitunter 
aut,  ja  auch  I  odesialle  sind  mitunter  zu  verzeichnen. 

Bei  malignen  Tumoren  kommt  die  Trinkkur  kaum  in  Frage  mit 
Ausnahme  von  Magenkarzinomen,  wo  sie  mitunter  als  Adjuvans  etwas 
Die  Inhalation  ist  auch  nur  ein  Adjuvans,  ebenso  die 

Badekur. 

..  D'e  formen  der  Wirkung  sind:  1.  Atrophie.  Dies  ist  die  er¬ 
wünschte  Wirkung.  2.  Die  Kolliquation,  die  oft  zu  Metastasen- 
biluung  tulirt  und  3.  die  Nekrose,  welche  durchaus  unerwünscht  ist 
und  durch  extreme  Ueberdehnung  der  Behandlung  hervorgerufen  wird. 

T  le  Nekrose  führt  auch  leicht  zu  den  unangenehmen  und  gefürchteten 
Blutungen. 

Die  besten  Resultate  (bis  90  Proz.  Heilung)  werden  bei  den  Haut- 
Karzinomeii  erzielt,  bei  subkutanen  sinkt  der  Prozentsatz  schon  auf 
*  >  ü0.2”  während  die  schwersten,  früher  als  absolut  infaust  be¬ 

trachteten  Fälle  immer  noch  in  10 — 12  Proz.  sich  soweit  bessern, 
dass  sich  die  Leute  oft  noch  nach  längerer  Zeit  gesund  fühlen, 
iesp.  für  gesund  halten.  Es  gibt  refraktäre  Tumoren,  die  nicht  nur 
jeder  Behandlung  trotzen,  sondern  eine  oft  leider  rapide  Ver¬ 
schlimmerung  im  Anschluss  an  die  radioaktive  Behandlung  zeigen. 
Da  heisst  es  die  Behandlung  ganz  aussetzen.  Es  gibt  Schein! 
Heilungen  trotz  des  günstigsten  sogar  histologischen  Erfolges. 

Wirksam  unterstützt  wird  der  Effekt  durch  Injektion  des  vom 
Vortragenden  eingeführten  Enzytol  (borsaures  Cholin),  das  die  Strah¬ 
lenwirkung  imitiert.  Auf  die  Haut,  das  Blut,  die  Milz,  die  Lymph- 
ui usen,  die  männlichen  und  weiblichen  Geschlechtsdrüsen,  die  Lm- 
u  yonen,  sowie  auf  die  7  umoren  wirkt  es  bei  intravenöser  Injektion 
oder  sogar  auch  bei  subkutaner  Einspritzung  am  Orte  der  Wahl  eben¬ 
so  wie  die  direkte  Bestrahlung  mit  dem  Röntgenapparate  oder  mit 
ladioaktiven  Substanzen.  Bei  Sarkomen  werden  auch  Arsenverbin- 
bjjigen  (Atoxyl,  Salvarsan.  Neosalvarsan,  Arsacetin  etc.)  verwendet 
Ehe  Wirkung  ist  in  10—15  Proz.  eine  eklatante  Rückbildung.  Die 
Schlussfolgerung  und  Zusammenfassung  ist:  1.  Trotz  vorläufiger  Er¬ 
folge  ist  a  lies  zuoperieren,  was  zu  operieren  möglich  ist.  Eine 
Ausnahme  bilden  die  Hautepitheliome,  bei  welchen  sofort  radioaktive 


Behandlung  angewendet  werden  soll.  2.  Was  nicht  mehr  zu  operieren 
ist  und  was  früher  als  absolut  infaust  aufgegeben  wurde,  soll 
„  n,?  ® c  h  behandelt  werden,  und  zwar  kombiniert  mit  allen  zu¬ 
gänglichen  Methoden. 

Die  scheinbar  vollkommene  Rückbildung  garantiert  noch  keines¬ 
wegs  die  Dauerheilung,  auch  histologisch  festgestellte  Karzinomfrei¬ 
heit  der  erkrankt  gewesenen  Partien  ist  kein  sicherer  Anhaltspunkt. 

aber  ist  es  besser,  bei  den  Erfolgen  aller  jungen  Methoden  von 
wesentlichen  Besserungen  statt  von  Heilungen  zu  sprechen 

.  u  I,  Dr:  H  a  c  k  e  n  b  r  u  c  h  -  Wiesbaden :  Ueber  die  Distraktions- 
behandlutig  der  Frakturen. 

Nachdem  1893  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  den  durchschnittenen  Gipsverband 
mit  Distraktion  einführte  und  1901  Käfer-Odessa  die  Distraktions¬ 
klammer  für  dieselbe  Methode  in  Anwendung  brachte,  hat  Hacken- 
V  11  c  h  ,eine  wesentliche  Verbesserung  mit  seiner  Distraktions¬ 
klammer  bezweckt.  • — Dieselbe  ermöglicht  nicht  nur  Längs-,  sondern 
auch  ts  e  1 1  e  n  distraktion.  Beim  Unterschenkel  wird  bei  recht¬ 
winkliger  Kniebeugung  unter  Zuhilfenahme  von  Faktiskissen  seine 
Kdammer  im  Gipsverband  befestigt;  doch  ist  die  Anwendung  bei 
Scimt liehen  nxtremitätenbriiehen  möglich.  (Ausführlicher  in  Münch 
med.  Wochcnschr.  1912,  No.  27.  Von  Dr.  Hackenbruch  ver! 
otteiitlicht,  ferner  schon  wiederholt  vorgestellt.  D.  Ref.) 

Einige  Röntgenphotographien  zeigen  die  schönen  Heilerfolge 
bet  schwersten  Frakturen. 

!v  °'o  D*r‘  Brüning-  Giessen :  Das  Ulcus  duodeni. 

Die  Berichte  darüber  sind  in  Amerika  sehr  viel  häufiger,  nicht 
weil  bei  uns  die  Krankheit  so  viel  seltener  ist.  sondern  w^eil  bei 
uns  die  anatomische  Bezeichnung  ulcus  pylori  sehr  oft  in  den 
gleichen  Fällen  gebraucht  w'ird. 

Nach  M  o  y  n  i  h  a  n  gehört  zur  klinischen  Diagnose  die  Trias  der 
Symptome:  1.  Periodizität,  2.  Hungerschmerz,  3.  Hyperchlorhydrie. 
j  ie  1  eriodizität  zeigt  sich  darin,  dass  nach  wochen-  ia  monatelangen 
Ruhepausen  kürzer  oder  länger  dauernde  Attacken  auftraten.  Das 
Schmerzgefühl  unterscheidet  sich  von  Ulcus  ventriculi  dadurch,  dass 
benri  Magenulkus  die  Schmerzen  sofort,  beim  Ulcus  pylori  nach 
1—2  Stunden,  beim  Ulcus  duodeni  erst  3—4  Stunden  nach  der  Mahl 
zeit  aultreten.  Doch  stimmt  diese  Angabe  nicht  ganz  genau.  Blu¬ 
tungen  sind  auch  nur  ein  Spätsymptom  und  nicht  charakteristisch 
für  das  Ulcus  duodeni.  Auch  die  Angabe,  dass  der  Druckschmerz 
über  dem  Nabel  einen  diagnostischen  Wert  besitze,  gegenüber  dem 
hoher  lokalisierten  Ulcus-ventriculi-Schmerz  ist  nicht  sicher  zu  ver¬ 
werten.  Kurz  und  gut  die  Diagnose  ist  nicht  leicht  und  es  gehört  viel 
Erfahrung  dazu,  sie  sicher  stellen  zu  können,  viel  Erfahrung  ins¬ 
besondere  in  der  richtigen  Deutung  der  für  die  Diagnose  so  wichtigen 
Rontgenbilder. 

Die  I  herapie  soll  nach  Brüning  mehr  eine  interne  sein,  die 
chirurgische  Behandlung  ist  die  Ultima  ratio.  Dann  soll  aber  die 
Gastroenterostomie  mit  Pylorusausschaltung  angestrebt  werden.  Wo 
die  ,v.y D  ‘  s  e  1  s  b  e  r  g  sehe  Methode  wiegen  zu  grosser  Schwäche  nicht 
ausführbar  ist,  kann  man  die  einfache  Gastroenterostomie  machen, 
doch  hat  er  nach  den  Erfahrungen  der  Giessener  chirurgischen  Klinik 
darnach  nach  Jahren  Rezidive  gesehen.  Das  Ulcus  callosum  soll 
wie  ein  Karzinom  behandelt  werden.  Der  Operation  soll  man  immer 
eine  interne  Behandlung  folgen  lassen. 

Prof.  Dr.  T  r  e  u  p  e  1  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  Funktionsprüfung 
der  Nieren. 


Wir  leben  im  Zeitalter  der  präzisen  Diagnostik  und  sind  dabei 
eminent  angewiesen  auf  die  Funktionsprüfung  der  Nieren. 

Die  blosse  Untersuchung  des  Urins  auf  Eiweiss  und  die  Unter- 
suchung  des  Sedimentes  gibt  kein  richtiges  Bild  von  der  Funktions- 
tuchtigkeit  der  Nieren.  Die  Glomeruli  scheiden  das  Wasser  aus,  die 
I  ubuli  sondern  die  festen  Bestandteile  ab.  Die  normale  Empfindlich¬ 
keit  zeigt  unter  pathologischen  Verhältnisse  Abweichungen  Fine 
Ueber-  oder  Unterempfindlichkeit  dieser  beiden  Systeme  führt  zu 
einei  Aenderung  in  der  Ausscheidung  der  Wassermengen  und  der 
testen  Bestandteile. 

Die  Glomeruli  und  die  Tubuli  können  nicht  mehr  so  rasch  und 
so  leicht  das  Wasser  resp.  die  festen  Bestandteile  ausscheiden 

Dies  sind  die  grundlegenden  Gedanken  S  c  h  1  a  y  e  r  s  und  seiner 
Mitarbeiter  Ta  kyasu  und  Hedinger.  Es  kam  Schlayer 
darauf  an,  festzustellen,  wie  die  Wasser-,  wie  die  Kochsalzausschei- 
düng  abläuft,  wäe  ferner  sich  die  Nieren  bei  der  Ausscheidung  kör¬ 
perfremder  bubstanzen  verhalten.  Als  körperfremder  Stoff  von 
konstanter  Ausscheidung  hat  sich  Milchzucker  für  die  Glomeruli.  das 
Jodkali  für  die  Tubuli  bewährt.  Milchzucker  kann  nur  pölari- 
nietiisch  bestimmt  werden  und  ausserdem  muss  das  Kochsalzgleich- 
ge wicht  hergestellt  werden.  2  g  intravenös  injizierter  Milchzucker 
wird  zu  60— 90  Proz.  in  weniger  als  5  Stunden,  Jodkali  innerlich  ge¬ 
geben  (0.5  g)  in  weniger  als  60  Stunden  im  wesentlichen  ausgeschie- 
den.  Abweichungen  sind  auf  funktionelle  Störungen  der  Glomeruli 
ries^\i’  zurückzuführen.  Daneben  geht  auch  eine  Veränderung 
der  Wasser-  und  K  o  c  h  s  a  I  z  ausscheidung  einher,  und  zwar 
nach  S  c  h  I  a  y  er,  G  onzen  u.  a. :  Polyurie  mit  normaler  NaCl- 
Ausscheidung  bei  Schädigung  leichter  Art  der  Glomeruli,  Oligurie 
Kochsalzausscheidung  in  hoher  Konzentration  bei  sclnverer 
Schädigung  der  Glomeruli,  ungenügende  NaCl-Ausscheidung  bei 
Schädigung  der  I  ubuli.  Diese  Untersuchung  ist  nur  in  Kliniken  exakt 
durchführbar. 

Rowntree  und  Geraghty  haben  eine  Methodik  an¬ 
gegeben,  das  Gesamtbild  der  Nierenleistungsfähigkeil  zu  er¬ 
halten  (Milchzucker-  und  Jodkaliausscheidung  und  die  Art  der  Funk¬ 
tionsstörung).  Als  Teststoff  dient  ihnen  Phenolsulfonphtalein. 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Die  Methodik  ist  folgende :  Nach  Entleerung  der  Blase  und 
eventuellem  1  l  inken  von  200—400  g  Wasser  wird  1  ccm  einer  Phenol- 
sulfonphtaleinlösung  (6  mg  in  1  ccm)  intravenös  injiziert  (weni¬ 
ger  genau  ist  die  intramuskuläre  Injektion).  Dann  wird  mit  Verweil¬ 
katheter  in  den  folgenden  10  Minuten  der  Harn  aufgefangen  und 
auf  Phenolsulfonphtalein  untersucht.  Bei  Zusatz  von  Natronlauge 
kündigt  Ph.  sich  durch  rote  bis  rotviolettc  Farbe  an.  Die  Gesamt¬ 
menge  des  in  der  1.  und  separat  des  in  der  2.  Stunde  (wenn  nötig 
auch  in  der  3.)  ausgeschiedenen  Ph.  wird  unter  Zusatz  von  je  10  ccm 
einer  10  proz.  NaOH-Lösung  mit  Autenrieth  schem  Kalorimeter 
quantitativ  bestimmt.  Normal  erscheint  Ph.  in  5—7  Minuten,  und 
/.war  60 — 90  Proz.  in  den  ersten  2  Stunden.  Verzögerung  und  Ver¬ 
minderung  der  Ausscheidung  beweist  die  funktionelle  Undichtigkeit 
der  Nieren.  Durch  Ureterenkateterismus  ist  dies  für  die  einzelnen 
Nieren  zu  erkennen  möglich.  Diese  funktionellen  Prüfungsresultate 
sind  unabhängig  von  der  Eiweiss-  und  Sedimentausscheidung.  Darin 
besteht  in  prognostischer  Beziehung  ihr  grosser  Wert.  Sie  ist  im 
Gegensatz  zur  S  c  h  1  a  y  e  r  sehen  Methode,  welche  viel  exaktere 
Schlüsse  auf  die  Art  und  den  Sitz  der  Erkrankung  zu  ziehen  gestattet 
so  einfach,  dass  der  praktizierende  Arzt  sie  zur  Ausführung  bringen 
kann.  (Die  intravenöse  Injektion  und  der  Verweilkatheter,  obgleich 
beides  in  sauberen  Händen  gefahrlose  Eingriffe,  sind  zeitraubend  und 
dürften  die  allgemeine  Einführung  in  der  Praxis  verhindern.  D.  Ref.) 

Sanitätsrat  Dr.  Heuse  -  Biebrich :  Erweiterung  der  vorderen 
Augenkammer. 

Um  die  Frage  der  Heilung  des  Glaukoms  zu  studieren  hat 
Heuse  2  Versuche  am  Kaninchen  angestellt,  die  vordere  Augen¬ 
kammer  zu  vertiefen  und  das  Kammerwasser  durch  den  dabei  ent¬ 
stehenden  Spalt  abzuleiten.  Bei  Versuch  I  wurde  die  Conjunctiva 
bulbi  an  der  Uebergangsfalte  bis  zum  Limbus  corneae  abgetrennt  und 
durch  einen  Stich  in  die  vordere  Augenkammer,  ein  Stückchen  Mund¬ 
schleimhaut.  die  vorher  sterilisiert  wurde,  so  eingebettet,  dass  das 
Epithel  nach  vorne  zu  liegen  kam.  Das  mikroskopische  Bild  des  nach 
12  Wochen  enukleierten  Auges  zeigte,  dass  der  Lappen  eingeheilt  und 
teils  bindegewebig  eingehüllt,  teils  durch  einen  epithelialen  Ueberzug 
abgeschlossen  war. 

In  diesem  Einhüllungsprozess  findet  er  eine  Erklärung  für  die 
Erfolglosigkeit  der  bisherigen  operativen  Therapie  des  Glaukoms 
in  der  Erzielung  von  Dauer  heilungen. 

Bei  Versuch  II  bettete  er  anstatt  des  Schleimhautstückchens  ein 
ausgeglühtes  Silberplättchen  ein,  auch  in  diesem  Falle  war  die  Re¬ 
aktion  ganz  gering.  Im  mikroskopischen  Bild  zeigte  sich  das  Iris¬ 
epithel  erhalten,  aber  nicht  in  den  Spalt  ragend,  den  das  Silber- 
plättchen  verursacht.  Unterhalb  des  Plättchens  hatte  sich  nach  der 
Kornea  eine  Ausschwitzung  abgelagert,  ohne  jedoch  ein  Hindernis, 
für  den  Abfluss  des  Kammerwassers  in  den  gebildeten  Spalt  zu  sein. 

Heuse  hält  die  Erweiterung  der  vorderen  Augenkammer  für 
geglückt,  und  überlässt  es  Kontrollversuchen,  besonders  am  Men¬ 
schen,  festzustellen.  ob  aus  dem  entstandenen  Spalte  das  Kammer¬ 
wasser  zu  entweichen  vermag.  Aus  Gesundheitsrücksichten  von  der 
Praxis  zurückgezogen,  kann  Heuse  seine  Versuche  nicht  praktisch 
verwerten,  hofft  aber  die  Anregung  zu  weiteren  Arbeiten  auf  diesem 
Gebiete  gegeben  zu  haben. 

Dr.  G  u  r  a  d  z  e  -  Wiesbaden :  Ueber  Klutnpfuss-  und  Plattfuss- 

behandlung. 

Guradze  ist  für  das  Redressement  mit  der  Hand.  Den 
Widerstand  obstinater  Kinder  beseitigt  er  durch  Eingipsen  des  Knies 
bis  über  die  Hüfte  in  rechter  oder  spitzwinkliger  Stellung.  Er  ver¬ 
wendet  mit  Vorliebe  die  periostale  Sehnenplastik  anstatt  der  Aus- 
meisselung  des  Tarsus.  Er  verwendet  ferner  einen  selbstkonstruier¬ 
ten  Apparat  mit  beweglichem  Gelenk  und  zeigt  an  Gipsabgüssen 
schöne  Heilerfolge. 

Nach  diesem  Vortrage  schritt  man  zur  Wahl  des  Versammlungs¬ 
ortes  im  nächsten  Jahre.  Einladungen  lagen  vor  von  Wiesbaden 
und  Bad  Homburg  v.  d.  H„  gewählt  wurde  Wiesbaden,  doch  hält 
die  einladende  Med.  Gesellschaft  von  Homburg  ihre  Einladung  für 
das  nächstfolgende  Jahr  (1915)  aufrecht. 

Dr.  H  e  i  1  e  -  Wiesbaden :  Ueber  epidurale  Injektionen  bei  Ischias. 

Er  verwendet  epidurale  Injektionen  zur  Heilung  von  Ischias  und 
epiduralen  Neuralgien  und  zur  Auslösung  von  Anästhesie.  Der  Spinal¬ 
sack  reicht  bis  zum  2.  Sakralwirbel,  von  da  ab  ist  ein  extraduraler 
Raum.  Wenn  in  diesen  injiziert  wird,  so  wird  nur  indirekt  der  epi¬ 
durale  Raum  von  der  Injektion  getroffen.  Beim  Eingehen  von  der 
hinteren  Wand  der  Wirbelkörper  ist  es  gut  möglich,  ohne  den  Spinal¬ 
sack  zu  eröffnen  die  epidurale  direkte  Injektion  vorzunehmen.  Er 
verwendet  100 — 150  ccm  Kochsalzlösung,  damit  die  Flüssigkeit  auch 
an  die  Nervenwurzeln  kommt.  Die  Methode  ist  nur  nach  guter  Ein¬ 
übung  an  der  Leiche  bei  bestimmten  schwersten  Fällen  —  wenn  die 
gewöhnlichen  Methoden  der  Behandlung  versagen  —  anzuwenden. 
Er  nimmt  kein  Kokain,  um  sich  vergewissern  zu  können,  wann 
Schmerzen  im  Nervgebiet  auftreten.  (Er  könnte  ja  nach  der  Aus¬ 
lösung  von  Schmerzen,  wenn  er  dadurch  genügend  orientiert  ist, 
Kokainlösung  injizieren.  D.  Ref.)  Er  glaubt  durch  seine  Beobach¬ 
tungen  und  durch  Röntgenogramme  bewiesen  zu  haben,  dass  der  Epi¬ 
duralraum  kein  Zylinder,  sondern  geteilt  ist  (worüber  ausführlicher 
im  v.  Langenbeckschen  Archiv  zu  berichten  er  in  Aussicht  stellt). 

Med. -Rat  Dr.  K  u  p  f  e  r  b  e  r  g  -  Mainz:  Zur  Therapie  bei  engem 
Becken. 

Die  Abnahme  der  Geburtenziffer  bedingt  eine  weit  höhere  Wert¬ 
schätzung  des  werdenden  kindlichen  Lebens  als  je  zuvor.  Ausser¬ 
dem  hat  das  werdende  Kind  ein  Recht  auf  das  Leben.  400  000  Kin¬ 
der  sterben  in  Deutschland  im  1.  Lebensjahre,  200  000  durch  Schüdi- 


1351 


gungen  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft,  in  der  Geburt 
und  in  den  ersten  Lebenstagen.  Antikonzeptionelle  Mittel,  leicht¬ 
fertige  Indikation  zur  Sterilisation  oder  zur  Einleitung  des  künstlichen 
Abortes.  Coitus  interruptus,  kurzum  derWunsch,  den  Nachwuchs  einzu¬ 
schränken  sind  die  Ursachen  der  Geburtenverminderung.  Wir  müssen 
also  alles  daran  setzen,  wenigstens  das  bereits  erzeugte  kindliche 
Leben  zu  erhalten.  Dies  führt  neben  dem  Kaiserschnitt  und  der  künst¬ 
lichen  Frühgeburt  zu  den  beckenerweiternden  Operationen  bei  engem 
Becken.  Pubotomie  von  oben  nach  unten  (D  öder  lein),  von  unten 
nach  oben  (B  u  m  m).  Hiebei  gab  es  aber  immer  noch  4  Proz.  tote 
Mütter  und  20  Proz.  tote  Kinder.  Die  Resultate  Hessen  also  noch  viel 
zu  wünschen  übrig,  zumal  da  die  Beschwerden,  die  zurückblieben, 
oft  recht  bedeutende  waren.  Frank-  Köln  hat  auf  dem  Peters¬ 
burger  Gynäkologenkongress  1909  eine  neue  Methode  der  subkutanen 
Symphyseotomie  mit  dem  Messer  von  einer  kleinen  Einstichöffnung 
aus,  nach  Herabziehung  des  Mous  veneris  mitgeteilt,  was  eine  be¬ 
deutende  Vereinfachung  und  Verbesserung  der  alten  Zweite  Ischen 
Symphyseotomie  darstellt.  Trotz  der  auffallend  guten  Resultate  für 
Mutter  und  Kind  und  dem  Mangel  an  Nebenverletzungen,  über  die 
Frank  berichten  konnte,  wurde  die  Mitteilung  von  den  Gynäko¬ 
logen  kühl  aufgenommen.  Kupferberg  hat  24  Fälle  so  operiert, 
90  Proz.  lebende  Kinder,  100  Proz.  lebende  Mütter,  keine  unange¬ 
nehmen  Folgen,  ausser  2  mal  Incontinentiae  urinae  wegen  Ueber- 
dehnung  des  Sphinkter  urinae  (durch  Paraffininjektionen  bald  geheilt). 
Er  hatte  keine  schwere  Blutung,  keine  grösseren  Hämatome,  keine 
Gehstörungen.  Kehrer-  Dresden  hat  nach  den  Mitteilungen  im 
Archiv  f.  G.  ebenfalls  glänzende  Erfolge.  K.  hofft,  dass  diese  Opera¬ 
tion  dazu  beitragen  wird,  die  Mortalität  für  Mutter  und  Kind  bei 
engem  Becken  auf  ein  Minimum  herabzusetzen. 

Dr.  S  t  e  i  n  -  Wiesbaden  :  Zur  chirurgischen  Behandlung  der  Fa¬ 
zialislähmungen. 

Wenn  es  auch  nicht  gelingt,  durch  chirurgische  Eingriffe  die 
Verzerrung  im  Gesichtsausdruck  beim  Sprechen,  Essen  usw.  zu  be¬ 
seitigen,  so  gelingt  es  doch,  in  der  Ruhestellung  einen  normalen  Ge¬ 
sichtsausdruck  herzustellen.  Von  den  verschiedenen  Methoden  hat  er 
die  Busch  sehe  Silberdrahtmethode  zum  Vorbild  genommen.  Diese 
besteht  im  Hinaufziehen  der  herabhängenden  Oberlippe  durch  einen 
am  Os  zygomaticum  befestigten  Silberdraht.  Die  Erfolge  sind  nur 
vorübergehender  Art,  da  der  Draht  mit  der  Zeit  durchschneidet.  Er 
verwendet  statt  des  Silberdrahtes  die  freie  Faszienplastik.  Ein  20  cm 
langer,  1)4  cm  breiter,  aus  der  Eascia  lata  genommener  Streifen  wird 
mit  einer  eigens  für  diesen  Zweck  geformten  langen  Nadel  um  das 
Os  zygomaticum  und  die  kranke  Lippe  geführt.  Ein  Paraffinlager  in 
der  Lippe  gibt  einen  festeren  Halt  und  verhindert  eine  spitze  Ecke 
der  Faszie.  Er  hält  es  für  einen  Dauererfolg,  da  er  noch  nach  1  Jahr 
das  gute  Resultat  beibehielt.  (Erscheint  in  d.  W.) 

Ein  Festmahl  im  neuen  eleganten  Bäderhaus  mit  kurzen  An¬ 
sprachen  von  Dr.  E  i  c  h  h  o  1  z,  dem  Bürgermeister  der  Stadt  Kreuz¬ 
nach  und  Dr.  Gigglberger.  gewürzt  durch  die  hervorragenden 
gesanglichen  Leistungen  des  Kollegen  B  r  e  n  d  e  1  gaben  der  Ver¬ 
sammlung  einen  würdigen  Abschluss.  Duschinsky-  Mainz. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft, 

Sitzung  vom  11.  Juni  1913, 

Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin, 

Sitzung  vom  2.  und  9.  Juni  1913,  und 

Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie, 

Sitzung  vom  9.  Juni  1913,  siehe  auf  S.  1355  dieser  Nummer. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  1.  April  1913. 

Vorsitzender:  Herr  I.uce. 

Schriftführer :  Herr  Kehl. 

Herr  Lippmann:  Demonstration  der  Döhle  sehen  Leuko¬ 
zyteneinschlüsse  beim  Scharlach. 

Her  Lippmann  bespricht  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Unter¬ 
suchungen  zur  Aetiologie  des  Scharlachs  und  vor  allem  die  Gründe 
gegen  die  Annahme  der  Streptokokken  als  primäre  Erreger.  Das  Auf¬ 
treten  der  positiven  Wassermann  sehen  Reaktion  und  der  Heil¬ 
erfolg  des  Salvarsans,  den  er  in  vielen  Fällen  sah,  scheinen  dagegen 
für  Protozoen  als  Erreger  zu  sprechen.  Diese  Gründe  sind  aller¬ 
dings  nicht  mehr  stichhaltig,  denn  die  positive  W.-R.  kommt  auch  bei 
Krankheiten  vor,  die  sicher  nicht  durch  Protozoen  hervorgerufen  sind 
(z.  B.  Lepra)  und  andererseits  wirkt  nach  seinen  Erfahrungen  das 
Salvarsan  im  wesentlichen  auf  die  sekundären  Halserscheinungen, 
nicht  aber  auf  den  Scharlach  primär  ein,  so  dass  er  mehr  an  einen 
Einfluss  des  Salvarsans  auf  die  sekundär  in  die  Tonsillen  einge¬ 
drungenen  Mundspirochäten  (Analogie  mit  Angina  Plaut-Vincent) 
glaubt  als  an  eine  primäre  Beeinflussung  des  Scharlachs. 

Doehles  1911  und  1912  erschienene  Arbeiten  zu  dieser  Frage 
stehen  demnach  im  Mittelpunkt  des  Interesses.  Er  fand  konstant 
beim  Scharlach  in  den  Leukozyten  kokkengrosse,  scharf  abgegrenzte 
Einschlüsse  im  Protoplasma,  die  sich  leicht  mit  Michaelis  Azur¬ 
blau  färben  lassen.  Nachdem  er  einmal  eine  Art  Spirochäte  als  Ein¬ 
schluss  fand,  sprach  er  ganz  allgemein  die  Einschlüsse  als  Erreger 


1352 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


des  Scharlach  (Spirochaeta  scarlatinae)  an.  Diese  Einschlüsse  finden 
sich  nun  nach  anderen  und  des  Vortragenden  gemeinsam  mit  H  u  f  - 
schmidt  gemachten  Untersuchungen  konstant  beim  schweren 
Scharlach.  Dagegen  vermisste  L.  sie  einige  Male  bei  leichten  Fällen. 
Andererseits  finden  sich  die  Einschlüsse  bei  einer  grossen  Reihe 
anderer  Erkrankungen  (besonders  Pneumonie,  Diphtherie,  Typhus), 
so  dass  sie  sicher  nicht  als  spezifische  Erreger  des  Scharlach  in  Frage 
kommen. 

L.  fand  nun  weiter  ein  auffallendes  Parallelgehen  des  Einschluss¬ 
befundes  mit  dem  Auftreten  von  Urobilinogen  im  Urin,  das  bekannt- 
lich  beim  Scharlach  fast  konstant  ist.  Bei  den  Fällen  mit  negativem 
Einschlussbefund  fehlte  es,  dagegen  war  es  auch  bei  den  anderen 
Krankheitsgruppen  vorhanden,  bei  denen  sich  Einschlüsse  fanden. 
Da  Urobihnogenauftreten  eine  Folge  von  Zellzerfall  ist,  folgert  L„ 
dass  die  Einschlüsse  Zellreste  sind,  um  so  mehr,  als  Paschen 
histologische  Befunde  beim  Scharlach  veröffentlicht  hat,  die  eine 
starke  Nekrobiose  in  der  Haut  zeigten,  in  deren  Umgebung  Zellen  mit 
ähnlichen  Einschlüssen  konstant  vorkamen. 

Es  wurde  dann  eine  Reihe  Mikrophotogramme  und  mikro¬ 
skopische  Präparate  gezeigt. 

Diskussion:  Herr  Paschen  frägt  den  Herrn  Vortragenden, 
ob  er  bei  seinen  Ausstichpräparaten  eine  Hofbildung  um  die  Döhle- 
sehen  Einschlüsse  beobachtet  hat.  In  den  unter  dem  Mikroskop  ein- 
gestellten  Präparaten  und  in  den  projizierten  Mikrophotogrammen 
hat  P.  ebensowenig,  wie  in  seinen  Präparaten  eine  Hofbildung  ge¬ 
sehen.  Das  Fehlen  einer  Hofbildung  spricht  nach  Ansicht  von  P. 
dagegen,  dass  cs  sich  bei  den  „Einschlüssen“  um  phagozytierte,  also 
nicht  den  Leukozyten  eigene  Elemente  handelt.  Nach  Ansicht  von  P. 
handelt  es  sich  um  Veränderungen  im  Leukozyten  selbst  unter  dem  Ein¬ 
fluss  einer  toxischen  Substanz.  P.  hat  vor  Jahren  bei  Pocken-  und 
Kinderlymphe  Veränderungen  in  den  Leukozyten  beschrieben,  die  durch 
toxische  Substanzen  des  Variola-  resp.  Vakzinevirus  hervorgerufen 
werden.  Es  handelt  sich  dabei  um  schwere  Veränderungen  in  den 
Kernen,  die  sich  hauptsächlich  in  einer  Karyorrhexie  abspielen.  Es 
,  °mtfllt,^abei  oft  zu  regelmässigen  gänseblümchenähnlichen  Formen; 
häufig  lösen  sich  dabei  diese  Gebilde  auf;  es  werden  kleine  runde 
und  ovale  Körper  frei,  bei  denen  ein  Kernrest  von  einem  Protoplasma¬ 
saum  umgeben  ist;  gelegentlich  ist  neben  einem  grösseren  runden 
Kemrest  noch  ein  kleinerer  sichtbar.  Diese  Formen  erinnern  manch¬ 
mal  an  Kalaazar  und  können  so  als  Protozoen  imponieren,  während 
sie  in  der  Tat  nur  Abkömmlinge  von  Leukozyten  sind. 

In  den  mit  Pyronin  Methylgrün  gefärbten  Blutausstrichen  von 
Scharlachkranken  sind  die  Döhleschen  Einschlüsse  rot  gefärbt; 
es  handelt  sich  also  nicht  um  Chromatin,  sondern  vielleicht  um  Ab¬ 
kömmlinge  der  Nukleolarsubstanz.  Der  Kern  selbst  scheint  nicht 
verändert  zu  sein. 

Herr  W  o  hl  wi  11:  Ueber  akute  und  chronische  multiple  Sklerose. 

Die  Strümpell-Müller  sehe  Theorie  von  der  endogenen 
Entstehung  der  multiplen  Sklerose  basiert  bekanntlich  auf  der  An¬ 
nahme  zweier  wesensverschiedener  Prozesse,  der  eigentlichen  mul¬ 
tiplen  Sklerose  resp.  multiplen  Gliose  und  der  als  Endprodukt  disse- 
memerter  Entzündungsprozesse  auftretenden  sekundären  multiplen 
Sklerose.  Zu  letzterer  rechnen  sie  auch  die  sog.  akuten  Fälle. 

Vor.tr-  wi|l  an.  Hand  der  Untersuchungsergebnisse  in  zwei  akuten 
r allen  die  Berechtigung  dieser  Trennung  nachprüfen.  Er  demonstriert 
zunächst  die  histologischen  Besonderheiten  dieser  Fälle  und  kommt 
dann  zu  folgenden  Schlüssen  bezüglich  der  Pathogenese: 

Die  Beziehung  zwischen  Gef  ässsy  stein  und  sklerotischen 
Herden  ist  in  die  Augen  springend.  Auffallend  ist,  dass  die  Herde 
nicht  den  Kapillarverbreitungsgebieten  der  Gefässe  entsprechen. 
Wahl scheinlich  sind  lokale  Zirkulationsstörungen  dafür 
zu  beschuldigen,  dass  die  Herde  an  einer  beliebigen  Strecke  des 
Gefassverlaufs  anftreten.  Dass  die  Infiltrationsvorgänge  in  den  Ge- 
fassscheiden  in  so  hohem  Masse  massgebend  für  den  Prozess  sind, 
dass  die  übrigen  Vorgänge  an  Nerven-  und  Gliagewebe  von  ihnen 
abhängig  sind,  ist  nicht  wahrscheinlich,  weil  diese  zellige  Infiltration 
cier  ( jefässscheiden  an  den  für  den  Herd  in  Betracht  kommenden 
zentralen  Gefässen  nicht  ausgesprochener  ist  als  an  den  übrigen 
Gebissen  innerhalb  des  Herdes,  und  sie  auch  an  frischen  Herden  nicht 
ausnahmslos  angetroffen  wird. 

Die  Gliaproliferation  kann  nicht  als  reine  Ersatz- 
v  uchei  ung  nach  dem  Markscheidenzerfall  aufgefasst  werden,  weil 
sie  sehr  früh  auftritt  und  z.  B.  über  das  bei  sekundärer  Degeneration 
gesehene  hinausgeht,  auch  an  Stellen  auftritt,  wo  Markzerfall  nicht 
nachweisbar  ist.  Umgekehrt  kann  aber  auch  der  letztere  nicht  durch 
eine  erdrückende  Wirkung:  der  proliferierenden  Glia  erklärt  werden. 

a  es  hierfür  völlig  an  Analogien  fehlt  und  da  Herde  auch  ohne 
Wucherung  faseriger  Glia  auftreten  (periphere  Nerven,  Gross-  und 
Kiemhirnrinde).  Wenn  in  der  Peripherie  der  Herde  Gliawucherung 
bei  noch  intaktem  Mark  gefunden  wird,  so  ist  das  als  einfaches  über 
das  Ziel  ^chiessen  der  Gliarcaktion  erklärlich.  Schwer  verständlich 
aber  wäre  wenn  die  erdrückende  Wirkung  der  wuchernden  Glia 
das  Massgebende  wäre,  dass  diese  Wirkung  —  wie  sich  am  Mark- 
scheidenbild  ergibt  —  plötzlich  mit  so  scharfer  Grenze  aufhört.  End¬ 
lich  kommt  die  so  verschiedenartige  Anlage  der  Glia  in  der  grauen 
und  weissen  Substanz  in  Herden,  welche  beide  betreffen,  nie  zum 
Ausdruck. 

Nach  allem  scheinen  Markscheidenzerfall,  Gliawucherung  und 
Gebisswanderkrankung  sämtlich  primär  zu  sein. 

Ein  Vergleich  mit  den  chronischen  Fällen  ergibt  keine  prin¬ 
zipiellen  Unterschiede.  Es  trifft  auf  die  akute  multiple 


SKlerose  nicht  zu,  wenn  Müller  den  Fällen  sekundärer  mul¬ 
tipler  Sklerose  ein  Mitzugrundegehen  der  nervösen  Elemente,  im 
Zentrum  der  Herde  auch  eine  Zerstörung  der  Glia  zuschreibt.  Um¬ 
gekehrt  finden  sich  auch  bei  typischer  chronischer  multipler  Sklerose 
Herde  in  den  peripheren  Nerven,  areolierte  Herde  etc.,  die  man  früher 
als  der  echten  multiplen  Sklerose  fremd  betrachtete. 

Insbesondere  sind  aber  auch  bei  dieser  die  Beziehungen  der 
Herde  zu  den  Gefässen  sowie  die  Erkrankung  ihrer  Wände  am 
frischen  Herde  deutlich  nachweisbar.  Andererseits  bestehen  aber 
doch  gewisse  Differenzen,  die  namentlich  darin  zum  Ausdruck 
kommen,  dass  in  den  typischen  Fällen  auch  die  frischen  Herde 
eine  viel  weniger  lebhafte  Wachstumsenergie  zeigen  als  in  den 
akuten  Fällen.  Diese  Unterschiede  sind  nur  quantitativer  Natur,  aber 
quantitativ  sind  die  Differenzen  gegenüber  anderen  Enzephalitis-  und 
Myehtisformen  überhaupt  nur.  Es  handelt  sich  um  eine  grosse 
Gruppe  herdförmig  auftretender  entzündlicher  Prozesse  im  Zentral¬ 
nervensystem,  aus  der  sich  gewisse  typische  Bilder  herausschälen 
lassen,  die  aber  an  der  Grenze  ineinander  übergehen. 

In  klinischer  Beziehung  verhalten  sich,  wie  zuerst  Marburg 
betont  hat,  die  akuten  Fälle  auch  nicht  wesentlich  anders  als  die 
chronischen,  insbesondere  zeigen  $ie  auch  den  charakteristischen 
Verlauf  in  Schüben  mit  Remissionen  und  Exazerbationen.  Be¬ 
merkenswert  ist  eine  häufig  beobachtete,  manchmal  das  ganze  Krank¬ 
heitsbild  beherrschende  Trübung  des  Sensoriums  in  den  akuten  Fällen. 

Was  ferner  von  klinischen  Gesichtspunkten  zu  Gunsten  der  endo¬ 
genen  Theorie  angeführt  wird,  ist  ebenfalls  nicht  stichhaltig.  Von 
den  etwa  15  bekannt  gewordenen  Fällen  familiärer  multipler  Sklerose 
halten  die  wenigsten  einer  strengen  Kritik  stand.  Obduziert  wurden 
nur  die  Fälle  von  Eich  hörst.  Da  die  Differentialdiagnose  gegen¬ 
über  den  eigentlichen  hereditären  Erkrankungen  sehr  schwer  sein 
kann,  so  muss  bei  nur  klinisch  beobachteten  Fällen  der  Nachweis  des 
für  multiple  Sklerose  charakteristischen  Verlaufs  verlangt  werden- 
dieser  ist  nur  in  den  Fällen  von  Reynolds  erbrächt. 

Auch  die  heterologe  Vererbung:  neuropathische  Belastung  u.  dgl 
scheint  keine  Rolle  zu  spielen.  Die  Statistiken,  die  das  Gegenteil  , 
beweisen  wollen  (R  o  e  p  e  r)  sind  nicht  verwertbar,  weil  es  an  einem 
nach^  den  gleichen  Gesichtspunkten  untersuchten  Vergleichsmaterial 
an  Gesunden  fehlt.  Die  Erfahrungen  der  praktischen  Neurologen 
sprechen  jedenfalls  nicht  für  eine  grosse  Bedeutung  dieser  Momente 

Die  Auffassung,  dass  für  die  Entstehung  der  multiplen  Sklerose 
endogene  Momente  (inklusive  etwa  im  Organismus  selbst  ent¬ 
standener  schädlicher  Stoffe)  in  erster  Linie  in  Frage  kommen,  ge¬ 
winnt  nach  allem  immer  weitere  Verbreitung. 

Herr  Trömner:  Gehirndemonstration  eines  Falles  von  mul¬ 
tipler  Sklerose, 

Herrn  W  o  h  1  w  i  1 1  s  Vortrag  veranlasst  mich,  folgenden  Fall 
von  ungewöhnlich  schnellem  Verlauf  bekannt  zu  geben.  Ein  zehn¬ 
jähriger  Junge,  erblich  belastet,  sowohl  durch  seine  zweimal  schwer¬ 
mütig  gewesene  Mutter  als  auch  durch  seinen  Vater,  welcher  vor  der 
Geburt  des  Patienten  einen  Selbstmordversuch  beging,  erkrankte 
Ostern  1904  ziemlich  plötzlich  mit  Schwindel  und  etwas  taumelndem 
Gang.  Wenige  Tage  nach  einer  ohrenärztlichen  Untersuchung  trat 
noch  Erbrechen  hinzu,  zuerst  fast  nach  jeder  Mahlzeit,  dann  seltener. 

6  Wochen  nach  Beginn  der  Erkrankung  konstatieite  ich:  etwas 
schwerfälliges,  linkisches  Wesen,  Klopfempfindlichkeit  des  ganzen 
Koptes,  schwachen,  horizontalen  Nystagmus,  geringe  Fazialisparese 
icchts,  spastisch  ataktischen  Gang  und  Ataxie  der  rechten  Hand, 
geringe  Reflexsteigerung  der  rechten  Seite,  jedoch  nur  mit  Fuss- 
klonus.  Bei  einer  späteren  Untersuchung  war  die  Intentionsataxie 
der  rechten  Seite  noch  weiter  ausgesprochen.  Der  Augenhintergrund 
blieb  normal.  Die  Diagnose  wurde  durch  den  Beginn  mit  Schwindel, 
üangstörung  und  Erbrechen  auf  die  hintere  Schädelgrube  hingelenkt; 
die  ataktische  Störung,  ohne  Sensibilitätsstörungen,  wies  auf  das 
rechte  Kleinhirn  hin;  und,  da  sowohl  für  Tumor  als  auch  für 
Abszess  charakteristische  Symptome  fehlten,  nahm  ich,  zumal  der 
Nystagmus  und  die  eigentümliche  Gangstörung  noch  darauf  hinwies, 
eine  im  Kleinhirn  lokalisierte,  multiple  Sklerose  von  ungewöhnlich 
schnellem  Verlauf  an.  Die  Beschwerden  nahmen  dann  ziemlich 
schnell  zu,  es  traten  - —  nach  dem  Bericht  des  auswärtigen  Haus¬ 
arztes  Kopfschmerz,  Benommenheit,  Sehschwäche  auf  einem  Auge 
und  Inkontinentia  urinae  auf,  und,  nach  einem  Gesamtverlauf  von  etwa 
3  Monaten,  trat  der  Tod  ein. 

Die  Sektion  bestätigte  meine  Annahme:  multiple  Sklerose  des 
Kleinhirns;  an  5  Stellen  des  Kleinhirnmarks,  besonders  in  der  rechten 
Hemisphäre,  unregelmässige,  rötlichgraue  Herde,  der  grösste  davon 
in  der  Gegend  des  Nucleus  dentatus  rechts.  Der  Fall  zeigt  1.  einen 
wie  schnellen  Verlauf  die  akute  multiple  Sklerose  resp.  disseminierte 
Enzephalomyelitis  nehmen  kann  und  2.  die  Wichtigkeit  halbseitiger 
lntentionsataxie  bei  geringer  Reflexsteigerung  für  die  Diagnose  gleich¬ 
seitiger  Kleinhirnherde. 

Diskussion:  Herr  L  ü  1 1  g  e. 

Herr  A.  Jacob  betont,  dass  sich  in  all  seinen  Fällen  von 
multipler  Sklerose  - — -  auch  in  chronischen  —  akute  Herde  vorn 
gleichen  histologischen  Gepräge  auffinden  und  dass  sich  alle  histo¬ 
logischen  Uebergänge  zwischen  den  akuten  und  chronischen  Herden 
feststellen  Hessen.  Die  Herde  von  verschiedenem  Alter  unterschieden 
S1u  ,yoriiehmlich  durch  die  Art  und  Lagerung  der  Abbauzellen,  die 
sich  ähnlich  entwickeln  wie  bei  der  sekundären  Degeneration  und  die 
einen  guten  Rückschluss  gestatten  auf  das  Alter  der  betreffenden 
Herde.  Weiterhin  hebt  J.  die  entzündlich-infiltrativen  Gefässerschei- 
nungen  nervor,  die  sich  in  allen  Fällen  fanden;  es  Hess  sieh  in  allen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1353 


17.  Juni  1913. 


Fällen  keine  beginnende  Herdentwicklung  ohne  schwere  entzünd¬ 
liche  Vorgänge  an  den  Gefässen  feststellen.  Die  Herde  stehen  im 
innigsten  Abhängigkeitsverhältnis  zu  den  Gefässen.  Diffuse  entzünd¬ 
liche  Vorgänge  leichteren  Grades  finden  sich  auch  im  übrigen  C.N.S. 
In  ganz  frischen  Herden  wandern  nicht  selten  die  entzündlichen  Ge- 
fässeleinente  in  das  Nervengewebe  selbst  aus  und  führen  hier  zu 
ausgesprochen  myelitischen  Erscheinungen.  Bei  der  Frage  nach  der 
Aetiologie  verdienen  diese  histologischen  Befunde  die  grösste  Be¬ 
achtung. 

(Weitere  Diskussion  wird  vertagt.) 

Herr  Nonne:  Demonstriert  Noguchipräparate  eines  Paralytiker¬ 
gehirns. 

Herr  Nonne  zeigt  ihm  von  N  o  g  u  c  h  i  vom  Rockefeller 
Institute  in  New  York  geschickte  Präparate  von  Spirochäten  in  Hirn¬ 
schnitten.  Es  sind  Präparate,  die  der  bekannten  Publikation  von 
Noguchi  zugrunde  liegen.  Es  handelt  sich  zweifellos  um  Spiro- 
chaeta  pallida.  Wie  Noguchi  mitgeteilt  hat,  finden  sich  die  Spiro¬ 
chäten  diffus  im  Gewebe  und  in  allen  Schichten  der  Rinde,  ausser 
in  der  obersten  Neurogliaschicht  und  ausser  in  der  Pia  mater.  In 
den  Adventialräumen  der  Gefässe  liegen  sie  nicht.  Hingegen  sah 
Nonne  zusammen  mit  Dr.  E.  Paschen,  einem  Spirochätenkenner, 
eine  Spirochäte  in  einem  kleinen  Gefäss. 

Ob  entsprechend  den  für  Paralyse  charakteristischen  Kranken¬ 
geschichten  Noguchis  es  sich  auch  anatomisch  um  echte  Paralyse 
handelte,  konnte  an  den  Levaditipräparaten,  die  allein  Nonne  Vor¬ 
lagen,  nicht  entschieden  werden. 

Es  ist  erstaunlich,  in  welchen  Mengen  sich  die  Spirochäten,  zu¬ 
weilen  geradezu  in  Nestern  angeordnet,  in  den  Präparaten  finden. 
Die  pathologische  Anatomie  wird  zu  entscheiden  haben,  ob  die  Spiro¬ 
chäten  in  der  Tat  regellos  verteilt  sind,  resp.  ob  sie  gleichmässig  an 
die  entzündlichen  und  an  die  rein  degenerativen  Prozesse  oder  nur 
an  einen  dieser  beiden  Prozesse  gebunden  sind. 

Auffallend  war  für  Nonne  an  den  Präparaten  die  auffallende 
Länge  und  die  auffallend  zahlreichen  Schlängelungen  der  Spirochäten. 

In  der  nächsten  Zeit  wird  man  sich  wieder  von  neuem  experi¬ 
mentellen  Untersuchungen  mit  Tabes  und  Paralyse  widmen  müssen. 

Nonne  referiert  kurz  die  Wandlung  der  Anschauung  über  das 
Wesen  der  Paralyse  und  Tabes,  speziell  in  Hinsicht  auf  ihren  Zu¬ 
sammenhang  mit  Syphilis,  und  bezeichnet  als  Markstein  in  dieser 
Lehre  das  Studium  der  Schlafkrankheit  durch  die  Engländer,  Franzosen 
und  in  Deutschland  durch  Spielmeyer. 

Den  Anschauungen  Ehrlichs,  dass  die  Remissionen  der  Para¬ 
lyse  auf  einer  durch  die  Antigene  bedingten  Spirillolyse  beruhten, 
vermag  sich  Nonne  nicht  anzuschliessen  und  verweist  auf  die  dies¬ 
bezüglich  schon  in  Frankfurt  von  Auerbach  gemachte  Entgegnung. 

Nonne  bespricht  dann  die  eventuellen  praktischen  Kon¬ 
sequenzen  der  Noguchi  sehen  Befunde,  die  man  noch  nicht  über¬ 
schätzen  soll;  die  Tatsache,  dass  bei  Paralyse  und  Tabes  sehr  vieles 
im  anatomischen  Bild  rein  degenerativ  und  damit  einer  Restitutio  ad 
integrum  nicht  zugängig  ist,  besteht  auch  jetzt  noch  zu  Recht. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  März  1913. 

Herr  v.  Baeyer:  1.  Künstliche  Beine.  2.  Intermittierende  Ex¬ 
tension. 

Diskussion:  Herr  Lange  spricht  seine  Zustimmung  zu  den 
Grundsätzen  aus,  die  Kollege  v.  Baeyer  über  die  Konstruktion 
der  Prothesen  entwickelt  hat.  Er  frägt  an,  ob  der  Vortragende  stets 
das  Tuber  oschii  als  Stützpunkt  benutzt  und  empfiehlt  die  Stumpf¬ 
bildung  nach  Vaughetti. 

Herr  v.  Baeyer  (Schlusswort)  hat  ausser  in  den  ersten  Tagen 
nie  Klagen  über  Beschwerden  am  Tuber  ischii  gehört.  Wenn  ein  Druck 
auf  den  Arcus  pubis  durch  die  Prothese  ausgeübt  wird,  so  ist  das 
ein  Konstruktionsfehler,  weil  der  Schambeinbogen  unter  allen  Um¬ 
ständen  unbelastet  bleiben  muss. 

Herr  R.  v.  Ho  esslin:  Ueber  Lymphozytose  bei  Asthenikern 
und  Neuropathen  und  deren  klinische  Bedeutung. 

(Der  Vortrag  erschien  in  No.  21  u.  22  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Men  nach  er  berichtet  über  Blutbe¬ 
funde  an  asthenischen  und  neuropathischen  Kindern:  es  fand  sich 
neben  anderem  fast  immer  relative,  meistens  auch  absolute 
Lymphozytose  und  Eosinophilie.  Er  sieht  in  dem  Verhalten  der  Bluter 
einen  Grund  mehr,  die  einschlägigen  Fälle  der  Gruppe  des  Neuro- 
arthritismus  einzureihen. 

Herr  Hecker:  Die  Beobachtung  von  Lymphozytose,  die  der 
Vortragende  bei  den  Asthenikern  gemacht  hat,  stimmt  gut  zu  den 
Blutbefunden,  die  wir  z.  Z.  bei  einer  Gruppe  von  Kindern  erhoben 
haben,  die  ebenfalls  „Asthenie“  in  gewissen  Funktionsbezirken  auf¬ 
weisen;  ich  meine  die  Kinder  mit  periodischer  Azeton  ämie. 
Sie  zeigen  eigenartige  Verdauungsstörungen,  teils  katastrophal  mit 
plötzlichem  unstillbarem  Erbrechen  und  starkem  Verfall,  teils  länger 
hingezogen  mit  nur  zeitweiligem  Erbrechen,  Appetitlosigkeit  und 
Kräfte  verfall;  in  allen  Fällen  ist  dabei  mehr  weniger  starke  Azeton¬ 
körperausscheidung  vorhanden.  Der  Befund  von  Lymphozytose  so¬ 
wohl  im  Intervall  als  besonders  stark  im  Anfall  war  ein  regelmässiger. 
—  Die  Brücke  zwischen  Blutbefund  und  klinischen  Symptomen  dachte 


ich  mir  so:  die  azetonämischen  Kinder  zeigten  alle  eine  ausge¬ 
sprochene  Schwäche  in  der  Verdauung  des  Fettes,  dessen  Ver¬ 
arbeitung  im  Darm  oder  im  Stoffwechsel  erhöhte  Schwierigkeiten  zu 
bieten  schien.  Nun  spielen  die  Ursprungsstätten  der  Lymphozyten, 
die  Lymphknoten,  nach  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  eine  be¬ 
deutsame  Rolle  im  Fettstoffwechsel  als  Organe  der  inneren  Fettver¬ 
dauung;  auch  die  Lymphozyten  selbst  produzieren  fettspaltende  Fer¬ 
mente.  Man  könnte  sich  nun  bei  den  Kindern  mit  der  Fettverdau- 
ungsschwäche  die  Lymphozytose  als  Abwehr-  und  Schutzmassregel 
des  Körpers  denken  gegenüber  dem  Fett  oder  aber  man  kann  sich 
die  Lymphozytose  erklären  als  infantilistischen  Zustand:  das  Blut 
hat  eine  Zusammensetzung,  wie  wir  sie  nur  im  Säuglingsalter  finden. 
Damit  hätten  wir  bei  den  Azetonämikern  eine  konstitutionelle  „Krank¬ 
heitsbereitschaft“,  eine  Diathese,  vor  uns,  für  welche  wir  in  der 
Schwäche  des  lymphatischen  Systems  bzw.  dessen  fettverdauendem 
Anteil  zwar  nicht  einen  „Krankheitssitz“,1  wohl  aber  eine  gewisse 
Topographie  gewonnen  hätten. 

Gegenüber  Herrn  v.  Pfaundler  bemerkt  Herr  Hecker, 
dass  absolute  Zählungen  aus  begreiflichen  Gründen  nur  bei  einem 
Teil  der  Patienten  ausgeführt  werden  konnten  und  hier  war  die 
Lymphozytose  meist,  nitht  immer,  absolut.  —  Was  den  Termin  des 
Auftretens  von  Azeton  im  Urin  angeht,  so  kann  ich  bestimmt  ver¬ 
sichern,  dass  in  den  2  Fällen,  in  denen  ich  speziell  daraufhin  unter¬ 
suchte,  die  Reaktion  schon  in  der  ersten  Harnportion  nach  dem  Er¬ 
brechen  positiv  war,  ja  das  Azeton  fand  sich  in  dem  einen  Fall 
schon  vor  dem  Erbrechen.  Seine  Entstehung  kann  also  unmöglich 
nur  auf  die  Inanition  zurückgeführt  werden. 

Herr  Pfaundler  meint,  dass  relative  Lywohozytose  bei  Lym¬ 
phatismus  häufig  vorkomme.  Einen  Schluss  auf  Störungen  in  der 
Funktion  des  lymphoiden  Systemes  zu  ziehen,  sei  jedoch  nur  dann 
gestattet,  wenn  auch  absolute  Lymphozytose  vorhanden  ist,  wie 
es  neuerdings  namentlich  Siess  und  S  t  o  e  r  k  verlangen.  Diese 
Autoren  haben  bei  einer  grösseren  Zahl  von  Individuen  mit  Stigmata 
von  Status  lymphaticus  die  absolute  Lymphozytose  fast  durchweg 
vermisst. 

Lymphozytose  ist  jedenfalls  ein  nur  fakultatives  Zeichen  bei 
Status  lymphaticus.  sowie  auch  beim  azetonämischen  Erbrechen.  Ein¬ 
schliesslich  d°r  lymphatischen  Leukämie  existiert  keine  einzige 
Lymphdrüsenaffektion,  bei  der  die  Lymphozytose  obligat  ist.  Der 
Parenchymwert  des  lvmphoiden  Gewebes  ist  beim  Status  lymphaticus 
ursprünglich  vermindert  infolge  zirrhotischer  Prozesse.  Die  Neu¬ 
bildung  und  Mehrbildung  von  lymphoiden  Horden  ist  nach  Bartel 
und  Stein  eine  kompensierende.  Namentlich  in  den  mukös  e  n 
Lympboidherdmi  können  die  Ausschwankungsbedingungen,  auf  die 
es  beim  Blutbild  hauptsächlich  ankommt,  veränderte  sein. 

In  diagnostischer  Hinsicht  wird  man  darauf  Rücksicht  zu  nehmen 
haben,  dass  zahlreiche  Krankheitsprozesse  auf  das  Blutbild  nach¬ 
haltigen  Einfluss  haben  und  dass  die  Schwankungsbreite  der  Lymnho- 
zvtenzahl  auch  in  der  Norm  eine  atissergewöhnlich  grosse  ist.  Dies 
gilt  namentlich  von  Kindern,  bei  denen  Benjamin  Schwankungen 
des  LvmDhozytengehaltes  zwischen  20  und  70  Proz.  fand  (gesunde 
Brustkinder).  Auch  technische  Details  haben  grossen  Einfluss  auf 
das  Zählungsergebnis. 

Beim  azetonämischen  Erbrechen  der  Kinder  tritt  das  Azeton 
meist  erst  einige  Stunden  nach  Beginn  des  Anfalles  auf  und  scheint 
mit  der  Nahrungskarenz  in  Zusammenhang  zu  stehen.  Allerdings 
reagiert  nur  eine  gewisse  Klasse  von  Kindern  so  rasch  auf  Unter¬ 
ernährung.  Das  Erbrecht"  der  Azetonämiker  tritt  ausgesprochen 
familiär  und  psychogen  auf. 

Herr  Kr  ecke:  Aus  den  interessanten  Ausführungen  des  Herrn 
Vortragenden  scheint  mir  für  den  Praktiker  besonders  der  Umstand 
Bedeutung  zu  haben,  dass  wir  bei  vielen  neurasthenischen  Zuständen 
nicht  mehr  mit  dem  grossen  Sammelbegriff  der  Neurose  zu  rechnen 
haben,  sondern  dass  diesen  neurotischen  Zuständen  sehr  greifbare 
körperliche  Veränderungen  zugrunde  liegen.  Wenn  die  Unter¬ 
suchungen  auf  diesem  Gebiete  mit  dem  bisherigen  Erfolge  weiter  aus¬ 
gebaut  werden,  so  eröffnen  sich  für  die  Therapie  ganz  ungeahnte 
Neuerungen.  Für  den  Chirurgen  scheint  die  Anschauung,  dass  die 
Drüsen  mit  innerer  Sekretion  zu  den  Funktionen  des  Nervensystems 
die  innigsten  Beziehungen  haben,  sehr  wahrscheinlich.  Haben  wir 
doch  in  den  letzten  Jahren  mehr  und  mehr  eingesehen,  dass  eines  der 
bekanntesten  Organe  der  inneren  Sekretion  sehr  wohl  schwere  ner¬ 
vöse  Zustände  hervorzurufen  vermag.  Von  der  Schilddrüse 
wissen  wir.  dass  sie  durch  Störungen  ihrer  Funktion  die  schwersten 
Veränderungen  im  Zirkulationsapparat  sowohl  wie  im  Nervensystem 
hervorrufen  kann.  Wir  haben  somit  bei  sehr  vielen  Nervösen  nicht 
mehr  mit  dem  unklaren  Begriff  der  Neurose,  sondern  mit  dem  sehr 
wohl  fassbaren  Begriff  der  Thyreose  zu  rechnen. 

Die  Zahl  der  Strumen,  die  zu  thyreotischcn  Veränderungen  des 
Gesamtorganismus  führen,  ist  eine  sehr  beträchtliche.  Unter  den 
272  Strumen,  die  bei  mir  in  den  letzten  3  Jahren  operiert  wurden, 
konnten  bei  60  Proz.  thyreotische  Veränderungen  nachgewiesen 
werden. 

Was  den  Untersuchungen  des  Herrn  Vortragenden  einen  be¬ 
sonderen  Reiz  gibt,  ist  der  Umstand,  dass  er  bei  seinen  Neurastheni¬ 
kern  so  häufig  eine  Lvmohozytose  angetroffen  hat.  Bekanntlich  geht 
auch  die  Thyreose  mit  einer  Lymphozytose  einher.  Und  wenn  auch 
die  Lymphozytose  vielleicht  nicht  so  häufig  ist.  als  von  Kocher 
angegeben  wird,  so  muss  ich  doch  auch  nach  meinen  Untersuchungen 
sagen,  dass  bei  etwa  60  Proz.  der  Thyreosen  eine  Lymphozytose 


1354 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


angetroffen  wird.  Andere  Autoren  der  neueren  Zeit,  besonders 
-  t  a  r  c  k,  sind  zu  ähnlichen  Resultaten  gekommen. 

Dass  die  Nervenstörungen  bei  Kropfkranken  in  der  Tat  mit  den 
erundet ungen  der  Schilddrüse  als  solchen  Zusammenhängen,  ist 
ucht  nur  ein  Ergebnis  der  klinischen  Beobachtung,  sondern  ergibt 
sich  mit  voller  Sicherheit  aus  den  Erfolgen  der  angewandten  Therapie. 
Beruhen  die  thyreotischen  Nervenstörungen  in  der  Tat  auf  einer 
i  unktionsstorung  der  Schilddrüse,  so  müssen  die  nervösen  Störungen 
mit  der  Exstirpation  der  Schilddrüse  verschwinden. 

ZuL  Prüfung  dieser  Frage  haben  wir  in  letzter  Zeit  an  eine 
grosse  Peine  von  Strumektomierten  Fragebogen  hinausgehen  lassen, 
um  zu  erfahren,  ob  ihre  nervösen  Veränderungen  sich  gebessert  haben. 

us  dem  Jahre  1911,  also  aus  einer  genügend  zurückliegenden  Zeit, 
naben  im  ganzen  44  Kranke  geantwortet.  Von  diesen  44  Kranken 
gaben  42  an,  dass  ihre  Nervenbeschwerden  entweder  völlig  geheilt 
oder  wesentlich  gebessert  sind.  Nur  bei  2  Kranken  ist  der  Erfolg 
der  Operation  ausgeblieben.  Ich  habe  Ursache  anzunehmen,  dass  es 
smh  bei  diesen  beiden  Kranken  um  rein  hysterische  Beschwerden 
handelt. 

Von  den  42  gebesserten  Kranken  geben  20  an,  dass  sie  durch  die 
Operation  ihre  Beschwerden  vollkommen  verloren  haben,  14  wurden 
sehr  bedeutend  gebessert.  8  in  massigem  Grade  gebessert.  Man  darf 
mit  den  erreichten  Erfolgen  zufrieden  sein  und  kann  aus  denselben 

Fä1fehnnfiirWH  B. ' 6  d  e  .u  t  u  n  S  d  *  e  S  c  h  i  1  d  d  r  ü  s  e  in  manchen 

r allen  für  die  Entstehung:  der  Neurosen  hat. 

Venn  unsere  Rechnung  lückenlos  stimmen  soll,  so  muss  durch 
die  (Operation  auch  die  Lymphozytose  beseitigt  werden,  und  in  der 
lat  konnten  wir  bei  nicht  wenigen  Kranken,  die  zur  Untersuchung 
kamen  ein  nicht  unerhebliches  Zurückgehen  der  Lvmohozytenzahl 
teststellen.  So  konnte  ich  erst  vor  wenigen  Tag^n  2  Patienten  unter¬ 
suchen.  bei  denen  die  Lymphozytenzahl  von  36  auf  21  Proz.  ge- 
sunken  war. 

Herr  v.  H  o  e  s  s  I  i  n  (Schlussbemerknng) :  Herrn  v.  Pfaundler 
mochte  ich  erwidern,  dass  die  absoluten  Werte  der  Lvmphozvten  oft 
recht  beträchtliche  waren,  z.  B.  2906,  3078,  3523,  3738,  5460.  4500, 
4.->46  usf.  Es  handelte  sich  um  die  kHnen  Lvmphozvten,  nicht  um 
pathologische  Lymphozytenformen.  Auf  die  Blutplättchen  wurde  bei 
den  Auszahlungen  nicht  geachtet. 

Herr  Rosenberger;  Ueber  Duodenaltherapie. 

M.  H.!  Verhältnismässig  spät  hat  sich  die  Medizin  an  die  Er- 
\?/k  k"?  des,  menschlichen  Duodenums  gewagt.  Die  geschichtliche 
Vahrheit  verlangt  allerdings,  dass  ich  die  1896  bezw.  1897  ange- 
stellten  Versuche  Hemmeters  und  Kuhns  erwähne,  den  Zwölf¬ 
fingerdarm  zu  erreichen,  indem  sie  in  den  Magen  einen  Ballon 
bzw  mehrere  Ballons  brachten,  die  im  Innern  einen  Kanal  bargen 
durch  welchen  die  Sonde  in  den  Darm  vorgeschoben  werden  sollte’ 
Aus  naheliegenden  Gründen  bewährte  sich  aber  das  Verfahren  nicht 
und  die  medizinische  Literatur  schwieg  10  Jahre  lang  über  derartige 
estrebungen,  bis  1906  Gross  von  ganz  anderen  Voraussetzungen 
ausgehend,  erfolgreich  die  Frage  wieder  aufgriff.  Die  Gross  sehe 
^onde  sehen  Sie  hier;  ein  6  mm  dicker  Gummischlauch,  dessen  untere 
Lude  eine  schwere  Metallkugel  trägt,  von  1  cm  Durchmesser.  Der 
kranke  schluckt  die  Sonde  und  nicht  mehr  der  Untersucher  führt  sie 
in  den  Darm,  sondern  die  Peristaltik.  Leiteten  Gross  nur  diavnosti- 
sehe  wissenschaftliche  Bestrebungen,  so  entschloss  sich  Einhorn, 
die  Sonde  nicht  nur  dazu  zu  verwenden,  um  etwas  aus  dem  Darm 
herauszuholen,  sondern  auch,  um  Nahrung  und  Medik^nrnG  in  den¬ 
selben  zu  befördern.  Gross  liess  sein  Rohr  nur  kurze  Zeit  im 
Körper  des  Patienten  Einhorn  aber  belicss  es  tage-  und  wochen¬ 
lang.  Li  musste  deshalb  den  Schlauch  dünner,  den  Ansatz  leichter 
und  zierlicher  wählen.  Seine  Sonde  mit  leichter  Metallolive  sehen 

w  na'  -1?16  -01lvf  lst  zam  Aufschrauben,  sie  oxydiert  sich  leicht. 
Nachdem  ich  einmal  eine  Sonde  nach  12  Tagen  herausgezog-n  hatte 
die  im  Darm  fast  ganz  aufgegangen  war.  liess  ich  mir  von  der 
rirrna  Stiefenhofer  Ansätze  aus  Hartgummi  von  ein^m  Stück 
machen,  die  ich  dann  mit  einem  längeren  Stiel  versehen  Hess,  weil 
ich  zwei  Oliven  im  Laufe  weiterer  Versuche  im  Darm  verlor 
mW  »  i  dl!r.Sonde  entweder  abends  einführen,  das  ist  sicherer, 

man  in  der  Sprechstunde  sondieren  will. 

Im  ersteren  Lall  lasst  man  80  cm  Schlauch  auf  einmal  schlucken 

narh^fn6!«",  Zfuerst  cm  Iiach  Grösse  des  Patienten,  dann’ 

S  0if  '10Ch  emAge  Zentimeter.  20  Minuten  später  mag 

,btn!-nh?.UOdenUm  Sein-  T  °b  dies  der  Fal1  ist'  erkennt  man  an  der 
nkhT  an  dPrUM nbiaseir  Luft  Wird  101  Mas:en  empfunden,  im  Darm 
Kr^nkpn  Jiu  l  lr0be:-t:an  SauKt  am  Schlauch  und  lässt  dann  den 
mler  bp rs t ^n nph  tr!nken:  'S.*  man  !m  Darm-  so  kommt  keine  Milch 
SJr  nSnÄÄ1?  Warten:  an  der  Zweisondenprobe:  neben 

snrh?  h  SmndeTfllhrit  man  noch  einen  Magenschlauch  ein  und  ver¬ 
sucht,  aus  beiden  Inhalt  zu  gewinnen;  diese  Probe  hat  gelegentlich 

enfhabpnin^  FheS  b!tcress,e:  an  den  irl  etwa  gewonnener' Flüssigkeit 
Duodpnabnii  H  dun  Aziditätsverhältnissen  derselben;  der 

i  U°i denaln^a  f  lst  a!kal|sch  gegen  Lackmuspapier,  amphoter  gegen 
LlCp!1U4  ink  ur’  £auer.  gfsen.  Phenolphthalein,  sauer  oder  alkalisch 
gegen  Alizarin,  Dimethylamidoazobenzol;  endlich  erwähne  ich  dm 

dnen^Werfhaben016  bl°SS  bd  Verwendung  von  Metalloliven 

vnn  Ansaugen  ist  nur  dann  gefahrlos,  wenn  nach  den  Versuchen 

schritten  wiJdSrein  Unterdru?k  von  20  cm  Quecksilber  nicht  über¬ 
schritten  wird.  Lazarus  schaltete  deshalb  zwischen  Schlauch  und 

-  augspritze  einen  dickwandigen  Kolben,  der  ein  Manometer  trägt. 


Es  war  mir  nun  von  Anfang  an  peinlich,  dass,  wenn  Unterdrück  im 
System  war,  ich  längere  Zeit  bis  zu  seinem  Ausgleich  warten 
musste,  wollte  ich  nicht  durch  plötzliches  Oeffnen  den  Darm  einer 
unvermittelten  beträchtlichen  Durckschwankung  aussetzen.  Mittels 
eines  Zweiweghahnes  schaltete  ich  neben  die  Saug-  eine  Druckspritze 
und  vermehrte  allerdings  dadurch  die  Unannehmlichkeiten  des  In- 
strumentariums,  seine  Unhandlichkeit  und  seinen  hohen  Preis. 


Diesen  Misslichkeiten  weicht  eine  Vorrichtung  aus,  die  mir  die 
rirrna  Stiefenhofer  nach  meinen  Angaben  hergestellt  hat.  Ein 
nn?i'te  M  Messzylinder  zu  50  ccm  trägt  einen  Gummistopfen  mit  zu- 
und  ableitendem  Rohr.  Zwischen  beiden  ist  ein  Ventil  angebracht, 


dessen  Hebel  mit  einem  auf  einem  Schraubengewinde  laufenden 
Gewicht  beschwert  ist.  Führt  man  das  Gewicht  nahe  an  den  Stütz¬ 
punkt  des  Ventils,  so  tritt  schon  bei  einem  geringen  Unterdrück  Luft 
von  aussen  in  den  Zylinder,  entfernt  man  die  Last,  so  kann  man 
einen  erheblicheren  Unterdrück  erreichen.  Die  äusserste  Grenze, 
die  man  bei  diesem  Apparat  nicht  überschreiten  kann,  liegt  bei  — 25  cm 
Quecksilber. 

Wenn  man  während  des  Saugens  den  Versuch  abbrechen  will, 
kann  man  durch  langsames  Nähern  des  Gewichts  zum  Stützpunkt  des 
nebels  allmählich  den  Ausgleich  zwischen  dem  atmosphärischen  und 
dem  Druck  im  Zylinder  herbeiführen. 

Die  Ernährung  durch  die  Sonde  geschah  nach  Lazarus  mit 
einer  Spritze,  die  den  Urologen  unter  Ihnen  als  eine  vergrösserte 
Jan  et  sehe  Spritze  bekannt  sein  dürfte.  Die  meine  fasst  100  ccm. 
Der  Stab  des  Kolbens  trägt  ein  Schraubengewinde,  auf  dem  ein  Ring 
mit  zwei  Klammern  läuft.  Letztere  greifen  in  den  oberen  Verschluss 
der  Spritze  ein.  Die  Spritze  wird  gefüllt,  indem  man  den  Ring  mit 
,en  Kammern  ganz  zurückschraubt,  den  Kolben  zurückzieht  und  dann 
äenRmg  vordreht,  dann  schraubt  sich  der  Kranke  den  Inhalt  langsam 
in  den  Darm. 

ir  £in?  so|che  Fütterung  dauert  bis  zu  20  Minuten,  sie  muss  unter 
Umstanden  10—12  mal  am  Tag  wiederholt  werden.  Oft  liegt  dabei 
die  Spritze  auf  dem  Bauch  des  Patienten,  denn  das  kann  eine  wichtige 
Grundbedingung  des  Gelingens  einer  Kur  erfordern:  die  Flüssigkeit 
muss  womöglich  körperwarm  beigebracht  werden.  Schlägt  man  nun 

bl P  r  ue  in  THcher’  so  ereignen  sich  die  unangenehmsten  Zwischen- 
a  le.  Ich  spreche  aus  Erfahrung!  Die  Klammern  der  Spritze  ver¬ 
engen  sich,  der  Kranke  dreht  weiter  und  der  Stempel  rückt  nicht 

si>hH?preSbQeiite  Vi°m  FACik’  das  lst  arKer'ich.  Der  Schlauch  knickt 
sich,  beim  Schrauben  fühlt  Patient  natürlich  die  gewaltige  Druck¬ 
steigerung  m  der  Spritze  nicht,  plötzlich  ändert  sich  die  Lage,  der 

?n4Cth/nna  mrdMreK  V™  ästigen  Fall  löst  sich  die  Sonde  vom  Glas¬ 
et2  und  die  Nährlösung  spritzt  weit  umher  (ich  habe  selbst  ge- 

en;,dafhs  fie  ,bls  zu.ru  5  m  entfernten  Wand  flog,  und  sage  Ihnen 
das,  um  Ihnen  die  Hohe  des  Druckes  zu  veranschaulichen!);  oder 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  ganze  Druck  trifft  für  einen  Augenblick  an  eng  umschriebener 
Stelle  die  Darmwand:  Vor  einem  solchen  Ereignis  hat  meine  Patienten 
und  mich  ein  gnädiges  Geschick  bewahrt. 

Diese  Unanehmlichkeiten  und  Gefahren  fallen  bei  einem  Apparat 
weg.  den  die  Firma  Stiefenhofer  nach  meinen  Angaben  her¬ 
stellt:  Die  Nahrung  oder  das  Heilmittel  werden  in  eine  Wärmeflasche 
gebracht,  deren  Stopfen  zwei  Bohrungen  trägt,  für  das  zu-  und  ab¬ 
leitende  Rohr.  Letzteres  wird  in  die  Sonde  gesteckt,  an  ersteres 
ist  eine  federnde  Druckspritze  geschlossen.  Das  ableitende  Rohr  ist 
kurz  unter  dem  Stopfen  abgeschnitten  und  mit  einem  Gummischlauch 
verlängert,  weil  die  Innenwand  der  Thermosflaschen  natürlich  nur 
aus  dünnstem  Glas  bestehen  darf,  um  die  Temperaturen  auszuhalten. 

Ich  lege  besonderes  Gewicht  darauf,  dass  die  Nahrung  mit  einer 
federnden  Spritze  in  kleinen  Mengen  ruckweise  beigebracht  wird, 
denn  der  Darm  will  keinen  gleichmässigen  sickernden  Zufluss,  wie 
ihn  die  Spritze  nach  Lazarus  bewirkt,  sondern  die  Beobachtungen 
an  Fistelhunden,  am  Bauchfenster  nach  Katsch  lehren,  dass  der 
Magen-  und  Darminhalt  in  „Schüssen“  weiterbefördert  werden,  die 
alleidings,  wie  die  Mitteilungen  Holzknechts  zuerst  zeigten, 
am  Dickdarm  sehr  selten  werden. 

Natürlich  bin  ich  nicht  imstande.  Ihnen  auf  Grund  der  spärlichen 
Veröffentlichungen  in  der  Literatur  und  meiner  eigenen  Unter¬ 
suchungen  auch  nur  ein  entferntes  Bild  von  den  Eigenschaften  des 
krankhaft  veränderten  Duodenalinhalts  zu  geben;  ich  bitte  nur  einige 
kurze  Bemerkungen  darüber  machen  zu  dürfen,  was  mir  an  meinen 
Kranken  auffiel:  In  der  Regel  war  das  Duodenum  früh,  wenn  der 
Kranke  nüchtern  war,  vollständig  leer;  es  gelang  auch  bei  langem 
Saugen  nicht,  Flüssigkeit  zu  gewinnen.  Diesen  Fällen  steht  schroli 
eine  Einzelbeobachtung  gegenüber,  bei  der  kurz  nach  dem  Einführen 
des  Schlauches  am  Abend  Saft  aus  der  Sonde  zu  sickern  begann, 
in  solchen  Mengen,  dass  im  Laufe  der  Nacht  ungefähr  50  ccm  aufge¬ 
fangen  werden  konnten.  Die  dunkelbraungelbe  Flüssigkeit  enthielt 
alle  Fermente  des  Duodenums.  Ich  betone,  dass  die  Kranke  keine 
Durchfälle  hatte,  zeitweise,  aber  nicht  periodisch,  an  Erbrechen 
galliger  Massen  litt  und  von  mir  wegen  eines  chronischen  Magenge¬ 
schwürs,  das  schon  öfters  geblutet  hatte,  sondiert  wurde.  Der  Druck 
muss  ziemlich  bedeutend  im  Darm  gewesen  sein,  weil  die  Kranke  in 
üblicher  Weise,  mit  erhöhtem  Kopf,  im  Bette  lag.  Die  Menge  der 
ausgelaufenen  Flüssigkeit  kann  ich  nicht  angeben,  weil  eben  nachts 
ein  grösserer  Teil  ins  Bett  lief,  ehe  eine  Flasche  an  das  Sondenende 
gelegt  wurde.  Wir  haben  es  hier  wahrscheinlich  mit  einem  neuen 
Krankheitsbild  zu  tun:  dem  kontinuierlichen  Duodenalsaftfluss,  einem 
Gegenstück  zur  Gastrosuccorrhoea  continua. 

Die  erste  Krankheit,  die  Einhorn  mit  seiner  Sonde  behandelte, 
war  das  runde  Magengeschwür;  bei  ihm,  wie  bei  kaum  einer  anderen 
Krankheit,  kann  man  mit  der  Duodenalsonde  sehr  schöne  Erfolge  er¬ 
leben.  Es  ist  so  einleuchtend,  dass  ein  Magen  desto  eher  Neigung 
zeigt,  auszuheilen,  wenn  er  nicht  nur  leer  ist,  sondern  der  Patient 
auch  noch  wohl  genährt  wird.  Die  Schmerzen  brauchen  übrigens 
gar  nicht  sofort  aufzuhören,  sie  können  2 — 3  Tage  noch  fortdauern, 
bei  einer  meiner  Kranken  dauerten  sie  sogar  8  Tage  und  trotzdem 
schritt  die  Heilung  fort;  es  war  eine  Freude,  die  Kranken  förmlich 
aufblühen  zu  sehen.  Das  Körpergewicht  steigt  rasch  und  die  Bes¬ 
serung  schreitet  noch  nach  dem  Herausnehmen  der  Sonde  weiter. 
Ich  Hess  sie  nie  länger  als  12  Tage  liegen. 

Skalier  spritzte  vernebelte  Arzneien  in  Sauerstoff  als  Vehikel 
mit  einem  eigenen  Insufflator  in  die  Sonde,  er  verwendete  Menthol, 
Oleum  Eucalypthi,  Glyzerin  bei  Verstopfung,  Schmidt  rühmt  so¬ 
wohl  in  seiner  vorläufigen  Mitteilung,  als  auch  in  seinem  Buch  gegen 
saure  Gäiungsdyspepsie  Sauerstoffeinblasungen.  Persönlich  ver¬ 
wendete  ich,  da  mein  Apparat  frei  von  Metall  ist,  Wasserstoffsuper¬ 
oxyd  gegen  atonische  Obstipation  mit  räulnisbeschwerden.  Ferner 
gab  ich  auf  diesem  Wege  Anthelminthika,  wo  Klystiere  längst  nicht 
mehr  wirkten,  und  konnte  dann  noch  Würmer  beseitigen.  Die  eine 
dieser  Patientinnen  hatte  kurz  zuvor  bei  starker  Hyperazidität  eine 
Magenblutung  gehabt,  so  kam  ich  zuerst  auf  den  Gedanken,  die  Tiere 
unter  Schonung  des  Magens  so  zu  beseitigen.  Bei  Anchylostomiasis 
dürfte  meines  Erachtens  die  Duodenalsonde  das  Instrument  der  Wahl 
sein. 

C.  Funck  heilte  ein  diabetisches  Koma  und  beseitigte  die 
Zuckerausscheidung  durch  Duodenalspülungen  mit  Alkali. 

Zum  Zweck  der  Ernährung  gab  Einhorn  Eier,  Milch  und  Milch¬ 
zucker,  bis  zu  2700  C  im  ganzen  jeden  Tag.  Mit  Emulsionen  von 
Eigelb,  Mandelmilch,  Milch,  Rohrzucker,  Milchzucker,  Honig  und  Fett 
gelang  es  mir,  wesentlich  mehr,  bis  zu  3400  C  gelegentlich  am  Tag  bei¬ 
zubringen.  Ich  schaltete  auch  öfters  die  Milch  ganz  aus,  weil  ich 
Gerinnselbildung  fürchtete.  Als  Fett  eignet  sich  tierische  Butter 
nicht,  weil  sie  auch  im  frischen  Zustand  freie  Fettsäuren  enthält, 
auch  ist  sie  wegen  ihres  Wassergehaltes  unwirtschaftlicher,  als 
Pflanzenmargarine,  von  der  ich  bis  zu  300  g  am  Tag  verfütterte. 

Einige  Minuten  nach  jeder  Mahlzeit  Hess  ich  Kamillenthee  ein¬ 
geben,  einerseits,  um  die  Sonde  zu  reinigen,  andererseits,  um  den  ge¬ 
fährdeten  Wasserhaushalt  ohne  Tropfklystiere  auf  seiner  Höhe  zu 
halten.  Die  Patienten  können  zwischen  den  einzelnen  Fütterungen 
sogar  spazieren  gehen. 

Nachteiliges  habe  ich  bei  der  Anwendung  des  Schlauches  nicht 
erlebt.  Betonen  will  ich,  dass  ich  meine  sämtlichen  Patienten  mit 
einer  Ausnahme  in  ihren  Wohnungen  behandelte.  Es  waren  nur 
Kassenpatienten,  die  also  nicht  über  besondere  Bequemlichkeiten 


1 355 


verfügten  Ich  hebe  dies  hervor,  um  zu  zeigen,  dass  auch  die  L  a  - 
z a r u s sehe  Methode  durchaus  keine  besonderen  Ansprüche  erhebt 
Wahrscheinlich  hat  die  Grosssche  Erfindung  nur  das  Eis  ge¬ 
brochen,  es  ist  zu  erwarten,  dass  die  unblutige  Behandlung  des 
Dünndarms  und  seiner  Nachbarorgane  in  nächster  Zeit  noch  weiter 
entwickelt  wird.  Einhorn  hat  schon  eine  Methode  angekiindigt, 
Pylorusstenosen  vom  Duodenum  aus  mit  einem  aufblasbaren^  Ballon 
zu  dehnen.  Das  Wichtigste  aber  wird  ein  dignostisches  Gebäude 
sein,  wie  wir  es  für  die  Magen-  und  Stuhluntersuchung  schon  be¬ 
sitzen.  Das  ist  Sache  der  Kliniken  in  weitaus  erster  Linie,  wenn  auch 
der  einzelne  Spezialist  es  sich  natürlich  zur  Ehre  rechnen  wird,  zur 
Bereicherung  seines  Faches  das  Seine  beizutragen.  Heute  hoffe  ich, 
wenigstens  einige  von  Ihnen  davon  überzeugt  zu  haben,  dass  die 
Duodenalsonde  ein  Instrument  ist,  das  wegen  der  Leichtigkeit  seiner 
Handhabung,  seiner  Gefahrlosigkeit,  auch  seitens  der  praktischen 
Aerzte  in  ausgedehntem  Masse  verwendet  zu  werden  verdient,  und 
wäre  es  auch  nur  zur  Behandlung  des  chronischen  Magengeschwürs. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  Juni  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Der  Vorsitzende,  Herr  Orth,  hält  auf  den  dahingeschiedenen 
Prof.  W  e  y  1  einen  Nachruf. 

Tagesordnung: 

Herr  Westenhöfe  r:  Kurze  Mitteilung  mit  Demonstration 
der  Organe  eines  nach  Friedmann  behandelten  Falles  von 
Tuberkulose. 

Am  Abend  des  14.  Februar  wurde  in  elendem  Zustande  ein 
amerikanischer  Kollege,  der  vor  3  Wochen  zur  Friedmannbehandlung 
nach  Berlin  gekommen  war,  blutspuckend  aufgefunden  und  der 
Charitee  eingeliefert,  wo  er  bald  starb. 

Die  Lungen  enthalten  zahlreiche  Lungenkavernen,  ein  Aneu¬ 
rysma  der  Arteria  pulmonalis,  aus  welchem  die  tödliche  Blutung  er¬ 
folgt  war.  Daneben  fand  sich  eine  Miliartuberkulose,  die  über  die 
Lunge  und  über  alle  Organe  ausgebreitet  war.  An  der  Injektions¬ 
stelle  im  Muskel  fanden  sich  mikroskopisch  Tuberkelbazillen  und  die 
bekannten  anatomischen  Erscheinungen  einer  Tuberkulose.  Aus  dem 
mitgeteilten  Fall  ist  ein  Zusammenhang  der  Miliartuberkulose  mit  der 
Injektion  nicht  zu  erweisen,  jedenfalls  ist  aber  eine  Miliar¬ 
tuberkulose  trotz  der  Behandlung  zustande  gekommen,  und  sogar 
an  der  Stelle,  an  der  das  schützende  Depot  angelegt  war.  Bei 
früheren  Versuchen  im  Berliner  pathologischen  Institut  konnten  Meer¬ 
schweinchen  mit  den  Friedmannbazillen  infiziert  werden.  Gegen¬ 
wärtig  behauptet  Friedmann  die  völlige  Avirulenz  seiner  Kultur, 
hat  aber  keinerlei  Versuche  mitgeteilt  und  in  dieser  Beziehung  sein 
gegebenes  Wort  nicht  eingehalten. 

Diskussion:  Frau  Lydia  Rabinowitsch-Klempner 
hat  aus  dem  Abszess  eines  Friedmannpatienten  einen  säure¬ 
festen  Bazillus  erhalten.  Friedmann  hat  ihr  jedoch  mitgeteilt, 
dass  es  sich  zufällig  um  einen  anders  behandelten  Patienten  handle. 
T  r  u  d  e  a  u  und  Balduin  haben  ebenfalls  aus  einem  Friedmann¬ 
abszess  eine  Kultur  erhalten.  Neben  säurefesten  Bazillen  fand  sich 
noch  ein  anderer.  Und  es  ist  die  Ansicht  amerikanischer  Aerzte,  dass 
Friedmann  eine  Mischkultur  verwendet. 

Die  Tuberkulose  mit  Kaltblüterbazillen  zu  behandeln  ist  durch¬ 
aus  nicht  neu.  Küster,  Klebs  u.  a.  haben  derartige  Versuche 
angestellt.  Ob  der  jetzige  Friedmannbazillus  im  Gegensatz  zum 
früheren  wirklich  avirulent  ist,  werden  Versuche  mit  der  in  ihrer 
Hand  befindlichen  Kultur  lehren. 

Herr  Schleich  hebt  hervor,  dass  vor  den  erzielten  Resultaten 
die  Skepsis  schweigen  müsse  und  stellt  den  Antrag,  dass  die  Berliner 
medizinische  Gesellschaft  eine  Untersuchungskommission  ernennen 
möge. 

Herr  Max  Wolff  berichtet  über  Friedmannfälle,  die  er  gesehen 
hat.  1.  Einen  Spitzenkatarrh,  der  nicht  gebessert  wurde. 

2.  Eine  traumatische  Pleuritis,  die  verschlimmert  wurde.  Die 
Piorkowskikultur  zeigte  auf  den  Verlauf  der  Tuberkulose  bei  Meer¬ 
schweinchen  keinen  Einfluss. 

Herr  Karfunkel  fand  in  den  Friedmann  sehen  Abszessen 
stets  einen  nicht  säurefesten  Bazillus,  in  der  Piorkowskikultur  neben 
säurefesten  einen  nicht  säurefesten  Bazillus,  der  allein  wuchs.  Diese 
nicht  säurefesten  Bazillen  erzielen  dieselben  Resultate  wie  der  Fried¬ 
mannbazillus.  doch  geben  sie  keine  Abszesse. 

Bei  schwerer  Tuberkulose  ist  vorsichtige  Dosierung  erforderlich. 

Herr  Fritz  Lesser  weist  darauf  hin,  dass  histologisch  sich 
tuberkulöse  Strukturen  auch  an  den  Tuberkulininjektionsstellen  finden. 

Herr  Fritz  Meyer  betont  dasselbe  und  weist  darauf  hin,  dass 
auch  in  der  Pirquetpapel  sich  histologisch  Tuberkel  finden.  Die 
Piorkowskikultur  ist  für  Tiere  avirulent,  ein  aus  ihr  hergestelltes 
Tuberkulin  tötet  tuberkulöse  Tiere  nicht.  Anwendung  beim  Menschen 
ergab  bei  schwerer  Tuberkulose  in  keinem  Falle  wirkliche  Besserung 
(4  Wochen  lang  wurde  eine  solche  beobachtet  und  kann  dies  leicht 
dazu  führen,  ein  solches  Mittel  als  Tuberkuloseheilmittel  anzusehen). 

Herr  Piorkowski  betont,  dass  noch  vor  kurzem  Herr 
Meyer  von  diesem  seinem  Tuberkulin  sehr  begeistert  war  und  ver¬ 
misst  ein  Empfehlungsschreiben  von  Bandelier  und  einen  Bericht 


1356 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ätto  Wi'rklJeSelt  tat"  a"erdinß  ""r  in  ei"em  Fa"e  ei,,e 

aller '  DeuHirhLTf3!?  C  Het0nt,Rda®S  d,ic  medizinische  Gesellschaft  mit 
ahei  Deutlichkeit  von  Herrn  Friedmann  abrücken  müsse  weil 

dieser  die  Ansicht  verbreitet  hat.  als  wäre  die  Tatsache  dass  der 

ehiBeweis  lür  af/pP  medizinischen  Gesellschaft  gehalten  wurde, 
ein  Beweis  für  die  Gute  seines  Präparates. 

...  H.crr  ?:  Wassermann:  Kurze  Mitteilung  mit  Demonstration 
p5nf  dMn  N.achweis  von  Spirochäten  im  Gehirn  bei  Paralyse  durch 
Prof.  Marinescu  in  Bukarest.  ■ 

•  ^ie  Wassermann  sehe  Reaktion  hat  die  nahe  Beziehung 
rÄ!»  abeS|  Paralyse  und  Syphilis  ergeben.  Welcher  Art  die 
Beziehungen  waren,  blieb  jedoch  im  unklaren. 

Marinescu  konnte  nun  wie  Noguchi  bei  Paralyse  in  der 
Hirnrinde  (auch  in  den  tieferen  Schichten)  Spirochäten  nachweism 
S  zwar  bis  zu  60  in  einem  Gesichtsfeld.  Dass  es  Sicht  in  aü^n 
Fallen  sondern  nur  vereinzelt  gelingt,  führt  er  auf  die  Technik  zurück, 
an  m  DkUSi‘°n:  ^err  Cltron  erwähnt,  dass  Levaditi  bei 

tont'  ipPSSLlSeRuara  ytäker  ASpiM0Chiiten  auf£efunden  hat.  Er  be¬ 
tont  che  lokale  Bildung  der  Antikörper  an  der  Stelle  des  Herdes 

fr  meint,  dass  bei  Paralyse  die  Antikörper  in  der  LumbalflüssSkSft 

!Kecaan  werdfn-  Man  muss  hier  lokal  das  Heilmittel  anwenden* 

hnhSidSw  n°n  Pil  ieute  zu  Qebote  stehenden  Mitteln  ev.  nur 
kolloidales  Quecksilber  verwendbar. 

H^rr  Lewandowski  hebt  hervor,  dass  die  metasyphilitischen 
Erkrankungen  vom  Parenchym  ausgehen.  Die  C  i  t  r  o  n  sehen  Aus¬ 
führungen  sind  daher  unzutreffend.  Wolff-Eisner 


No.  24. 


Verein  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  2.  Juni  1913. 

Tagesordnung: 

-z  Diskussion  zu  dem  Vortrag  des  Herrn  Brugsch- 
Zur  Behandlung  der  schweren  Fälle  von  Diabetes  mellitus. 

.  ,neiT  Czerny:  Die  Berücksichtigung  der  Eiweisskcmponente 
in  der  Ernährung  ist  auch  für  den  kindlichen  Diabetes  von  Be¬ 
deutung.  Die  Kohlehydratdosierung  reicht  nicht  aus  Trotz  der 
infausten  Prognose  des  kindlichen  Diabetes  gelang  es  bisweilen  durch 
erzfeClenankUng  ^  ElWeissmenge  günstige  Resultate  für  ein  Jahr  zu 

tv  T,  E.ebx  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d:  Neues  für  die  Gewöhnung  des 
Diabetikers  ist  nicht  angeführt  worden.  Diese  gelingt  auch  nur  bei 
alteren  Diabetikern  Eine  Nahrungseinschränkung  führt  oft  zu  Gewichts 
Verlusten,  zur  Gefahr  einer  Tuberkuloseinfektion  etc.  Eine  Ueber- 

!Ä  SÄT““  Di“  8i,t  auc"  «r  Ä 

E  L6  nr-HKmd  sall.er  tro/z  hoher  Kohlehydrattoleranz  und  positiver 

B  He^r  7  fi  1  7  ü  Ä  wieder  WPisches  Koma  ohne  Azidosis. 
Herr  Zulzer.  Seine  Versuche  über  die  Beziehungen  des  Pan 

wt3nS  Ucd  neir  Ntrb^nnierSn  Zl'm  Diabetes  werden  in  denArbeitender 
\\  iener  Schule  nicht  genügend  hervorgehoben.  Er  empfiehlt  die  Hor- 

DÄ3B£d,e  er  3etZt  als  gefahrl0S  bezeichnet’  für  schwere  akute 

T.  Herr  “ajnni.Uvy:  Die  Therapie  des  Diabetes  ist  von  der 
für  SJÜe  ZeHad”urchfüh;nbearEi"S<:l,ränkUng  dCr  Ei'veisszufuhr  ist  m,r 

^Untersuchungen6  doch^niclit^^uIeachfeEblejben* 
Weder  eine  übermässige  Zuckervergeudung  noch  Hemmung  S 
Oxydation  der  Kohlehydrate  erklären  die  beim  Diabetes  bestehende 
-  torung,  sondern  beide  Faktoren  wirken  zusammen.  Eine  Einschrän¬ 
kung  des  Nahrungsbedarfes  spez.  der  Eiweisszufuhr  ist  sicher  zweck 

S.U"?tis:.e  »«influssm«  des  DiabeSs  I“cl 

Her,'  rnS'11,1  mchj  als  erwiesen  za  betrachten  ist. 

^eri  e  •  laf  von  der  Einschränkung  der  Nahrung  und  soe 
zieh  der  Eiweisszufuhr  in  schweren  Fällen  günstige  Resultate 
sehen  und  bisweilen  sogar  Gewichtszunahmen  erzielt  S 

werdeif  WCltere  Dlskussion  wird  in  der  nächsten  Sitzung  fortgesetzt 

W.-E. 

Pädiatrische  Sektion. 

Sitzung  vom  9.  Juni  1913. 

Tagesordnung: 

congeHnha.  EriCH  Mii,ler:  Z,,r  Behandlung  und  Klinik  der  Lues 

n„.J?PJ°rtPPnde  berichtet  über  vergleichende  Ergebnisse  von 
Xecksilber-,  Salvarsan-  und  Neosalvarsanbehandlung,  welches  er  in 
konzentrierter  Lösung  spritzt  (0,1  Salvarsan  in  2  ccm  Kochsali" 
n  sung).  Bei  dieser  Methodik  bleiben  Schädigungen  aus  die  Krank 
heitserscheinungen  verschwinden  sehr  schnell,  die  WaisermSn-' 
ieaktion  wird  oft  erst  nach  Monaten,  nach  3—7  Kuren,  negativ  die 
Mortalität  der  sehr  elenden  Kinder  betrug  70  Proz.  Die  Prognose 
i  ii ei  geistigen  Entwicklung  ist  sehr  ungünstig. 

neu  O.  Herbst:  Klinische  Demonstrationen, 
und  kr^Töru^  H?renKn,abe  m‘4  Tuberkulose  des  weichen  Gaumens 
kulose?  St  U  *  d  U  3  naCh  rranensack°Peration  wegen  Tuber- 


2.  ein  14  Tage  alter  Säugling  mit  Weichheit  und  Verbiegung  des 
I  horaxknorpels,  die  nicht  auf  Rachitis  beruht.  W 

IerKr  E.  Schloss:  Zur  Behandlung  der  Rachitis  auf  Grund 
'  on  Stoffwechseluntersuchungen. 

n.  A.m  zweckmässigsten  ist  die  Kombination  der  Behandlung  mit 
I  hosphor- Lebertran  und  Kalziumazetat,  wie  seine  Stoffwechsel- 
\ ersuche  ergeben.  Ebenso  ist  zweckmässig  Plasmon  und  Kaseon- 
phosphorsaurer  Kalk.  Bei  dieser  Behandlung  bessert  sich  die  Kal¬ 
zium-  und  Phosphorbilanz. 

t  u  3iC\r  ^A?e?^sner:  Zur  Sonnenbehandlung  der  chirurgischen 
Tuberkulose.  (Mit  Demonstrationen.) 

Während  25  Sonnentagen  hat  Vortr.  die  Heliotherapie  ange¬ 
wandt  und  die  Kinder  in  Badehosen  und  Strohhüten  der  Sonne  aus- 
gesetzt  Das  Allgemeinbefinden  besserte  sich,  die  Muskelkraft  nahm 
zu.  oft  trockneten  Fisteln  aus  und  gingen  Abszesse  zurück.  Drüsen- 
pakete  verschwanden  etc.  Operationen  werden  natürlich  nicht  unter 
allen  Umständen  unnötig. 

Herr  H.  G  i  f  f  h  o  r  n:  Der  Einfluss  des  Fettes  auf  den  Stoffwechsel 
bei  molkenarmer  und  molkenreicher  Nahrung. 

Bei  fettarmer  Kost  sah  er  starke  Fettausscheidung.  Bei  Fett- 
a«  m  dm  Verbesserung  der  Fettresorption  und  eine  Verbesserung 
des  N-I -Mg-Stoffwechsels.  Wie  diese  Beeinflussung  des  Stoff¬ 
wechsels  zusammenhängt,  ist  nicht  geklärt.  Jedenfalls  scheint  durch 
Eett  eine  Begünstigung  des  Gewebstoffwechsels  aufzutreten. 

Herr  Herbst  demonstriert  erhebliche  Phlebektasien,  die  Muskel¬ 
entwicklung  des  gleichseitigen  Armes  ist  eine  gute,  der  linke  Arm 
ist  kurz  und  dünn.  Der  Vortragende  vermutet  eine  kongenitale 
Hypoplasie  der  Venenwand.  Hd 


für 


Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

(Eigener  Bericht.) 

Gemeinschaftliche  Sitzung  mit  dem  Verein 
innere  Medizin  vom  9.  Juni  1913. 

Tagesordnung: 

Herr  S  t  i  c  h  -  Göttingen  (a.  G.):  Ueber  den  heutigen  Stand  der 
Organtransplantationen. 

Es  scheint  ein  hoffentlich  nur  vorübergehender  Stillstand  in  der 
Organtransplantation  eingetreten  zu  sein.  Das  Thema  gehört  vor 
dieses  Forum,  das  auch  theoretisch-wissenschaftliche  Fragen  zu  be¬ 
handeln  hat. 

Die  Nachprüfung  der  C  a  r  r  e  1  sehen  Versuche  an  der  Garre- 
schen  Klinik  erweckte  ungeheure  Hoffnungen.  Trotz  aller  Skepsis 
musste  man  doch  hoffen,  dass  homoioplastische  Transplantationen 
A4  n™  Menschen  möglich  sein  werden  (d.  h.  von  Mensch  zu 
Mensch).  Vortr.  demonstriert  eine  Reihe  von  Präparaten,  welche 
gelungene  hetero-  und  homöoplastische  Gefässtransplantationen  zei¬ 
gen.  Er  gibt  dann  einen  Ueberblick  über  Technik  und  Methodik  der 
üefassnaht  und  gibt  der  Ansicht  Ausdruck,  dass  es  nicht  die  Technik 
allein  ist,  welche  die  Erfolge  der  Gefässchirurgie  bedingt,  sondern  eine 
Durchführung  der  Asepsis,  welche  die  bei  Laparotomien  üblichen  viel¬ 
fach  ubertreffen  muss.  Die  Erfolge  waren  makroskopisch  und  funktio¬ 
nell  ausgezeichnet,  doch  war  nur  bei  autoplastischer  Transplan- 
tation  eine  mikroskopische  Einheilung  vorhanden,  in  allen  anderen 
r allen  ist  das  eingeheilte  Stück  allmählich  von  körpereigenem  Ge¬ 
webe  substituiert  worden,  und  zwar  sowohl  bei  hetero-  wie  bei 
homoioplasüscher  Transplantation.  Bei  Wirbellosen  und  niederen 
,  iroeltieren  sind  ausgedehnte  homoio-  und  heteroplastische  Trans¬ 
plantationen  möglich.  Ueber  die  Gründe  ist  theoretisch  viel  ge- 
arbeitet  worden  (Toxizität,  Atresie  im  Sinne  Ehr  lieh  s,  Auslösung 
der  Bildung  von  Antikörpern).  Nach  Schöne  gelingt  die  Hauttrans¬ 
plantation  bei  blutsverwandten  Personen,  so  dass  also  eine  Reihe 
homoioplasüscher  Transplantationen  gelungen  ist:  aber  der  Erfolg 
stellt  sich  nur  in  einer  bestimmten  Prozentzahl  ein.  Bei  homoioplasti- 
acher  1  ransplantation  von  Geschwülsten  kann  man  die  Zahl  der  an¬ 
gehenden  Iransplantationen  experimentell  steigern. 

Die  erste  autoplastische  Nierentransplantation  hat  1902  Ull- 
m  a,n,ü-  aus£eführt;  Carrel  hatte  die  ersten  Dauererfolge;  er  hat 
auch  Nieren  ui  die  Ihacagefässe  eingepflanzt.  Beim  Menschen  kommt 
praktisch  die  autoplastische  Nierentransplantation  fast  niemals  in 
rrapv  A41  hornoi°Plastischer  Nierentransplantation  gingen  die  Tiere 
nach  3  Monaten  an  Erscheinungen  zugrunde,  die  Carrel  als  nicht 
ganz  urämieartig  bezeichnet,  die  aber  doch  nicht  anders  gedeutet 
werden  können.  Ebenso  haben  die  zahlreichen  Versuche  von 
.r, 11  g  %  fA4bei  b°mö°Plastischer  Nierentransplantation  nie  ein  Leben 
über  3  Monate  hinaus  ergeben.  Heteroplastische  Transplantationen 
haben  me  Erfolg  gehabt  und  dürfen  von  einem  kritischen  Chirurgen 
nicht  mehr  ausgeführt  werden. 

Ueberpflanzung  der  Schilddrüse  ist  Carrel  autoplastisch  ge¬ 
lungen  doch  hatte  der  Hund  noch  eigene  Schilddrüse,  so  dass  der 

tiTTTuh  n'+Cht  e!ndp,tig  W3o  Vortr.  sind  von  3  autoplastischen 
Ihyreoideätransplantatmnen  2  gelungen.  Auch  die  mikroskopische  ' 

hnmninni  TP  ™Ilk°mmen1  erhalten.  Schlecht  sind  die  Resultate  von 
homoioplastischen  1  ransplantationen. 

i  Pic  Milz  ist  autoplastisch  2  mal  von  Carrel  transplantiert  wor¬ 
den,  homoioplastische  Versuche  liegen  nicht  vor. 

...n  ,  P  T/d  Lunge  sind  homoioplastisch  von  Carrel  transplantiert 
^  h  ei"‘Sen.  Stunden  traten  Stauungen  im  Herzen  ein. 

Nach  2  lagen  machte  eine  Halsphlegmone  dem  Versuch  ein  Ende. 


17.  Juni  1913. 


1357 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Schliesslich  schildert  Vortr.  eine  Kropftransplantation,  bei  der  die 
sofort  erloschenen  Reflexe  sich  wieder  einstellten,  wenn  auch  nur 
vorübergehend. 

Alle  Versuche  zur  Besserung  der  Verhältnisse  bei  der  homoio- 
plastischen  Transplantation  sind  misslungen. 

Diskussion:  Herr  Valentin  berichtet  über  Faszientrans- 
plantation  in  die  Bauchhöhle.  Diese  ist  sowohl  auto-  wie  homoio- 
plastisch  transplantierbar.  Die  Faszie  wird  sehr  bald  sehr  kernreich. 
Die  Faszie  unterscheidet  sich  somit  von  allen  anderen  Geweben. 

Herr  Unser  demonstriert  eine  neue  Methode  der  Gefässvereini- 
gung,  welche  gute  Resultate  gibt.  Heteroplastische  Venen  bewirken 
sofort  Gerinnung,  Arterien  nicht.  Er  demonstriert  eine  grosse  Anzahl 
von  Transplantatiqnspräparaten  und  widerspricht  der  Ablehnung  der 
homoioplastischen  Transplantation  seitens  Stich,  wofür  er  anführt, 
dass  das  Blut  der  anthropoiden  Affen  dem  Menschen  näher  steht, 
als  den  tieferstehenden  Affen.  Schliesslich  demonstriert  er  einen  Pa¬ 
tienten,  dem  ein  Stück  Vena  saphena  mit  Erfolg  in  den  Verlauf  der 
Femoralis  eingesetzt  wurde. 

Herr  Rosenstein  führt  den  Misserfolg  von  Transplantationen 
partiell  auf  die  Unruhe  und  falsche  Lage  des  Tieres  nach  dem  Eingriff 

zurück. 

Herr  Stich:  Schlusswort.  Wolff-Eisner. 


Wissenschaft!.  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  April  1913. 

(Nachträglich.) 

Herr  Hoke  und  Herr  Ri  hl:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Pulsverspätung. 

Pulsverspätung  bedeutet  den  Zeitabschnitt  zwischen  Beginn  der 
Systole  des  linken  Ventrikels  und  Auftreten  des  Aortenpulses;  An¬ 
spannungszeit  nennt  man  den  Zeitintervall  zwischen  Beginn  der  Ven¬ 
trikelsystole  und  Eröffnung  der  Aortenklappen.  Es  wurden  Experi¬ 
mente  unternommen,  um  Beobachtungen  über  die  Variierbarkeit  der 
Pulsverspätung  zu  sammeln.  Die  Versuchstiere  (Kaninchen  und 
Katzen)  wurden  aufgespannt,  tracheotomiert,  meist  kurarisiert  und 
künstlich  ventiliert.  Der  Karotispuls  wurde  mittels  des  H  ü  r  t  h  1  e  - 
sehen  Tonometers  registriert,  die  Herzabteilungen  nach  der  Knoll- 
schen  Suspensionsmethode  verzeichnet.  Das  mittels  Zirkels  ab¬ 
gemessene  Intervall  zwischen  Beginn  des  Karotispulses  und  Beginn 
der  Systole  der  linken  Herzspitze  ergab  die  Dauer  der  Pulsverspä¬ 
tung.  Ergebnisse:  1.  Bei  der  Extrasystole  ist,  wde  bereits  Hering 
früher  festgestellt  hatte,  die  Pulsverspätung  grösser,  um  so  grösser, 
je  vorzeitiger  die  Extrasystole  ist.  2.  Beim  Pulsus  alternans  ist  die 
Pulsverspätung  des  kleinen  Pulses  grösser.  3.  Aortenkompression  bis 
zu  einer  Stunde  führt  meistens  zu  keiner  Vergrösserung  der  Puls¬ 
verspätung.  Bei  Pulsus  alternans  kann  durch  Aortenkompression 
dieser  und  damit  die  Vergrösserung  der  Pulsverspätung  der  kleineren 
Pulse  zum  Verschwinden  gebracht  werden.  4.  Ausgiebige  Aderlässe 
aus  der  Karotis,  Verblutung  aus  der  Pulmonalis  führen  zur  Vergrösse¬ 
rung  der  Pulsverspätung.  5.  Vagusreizung  kann  zu  Verlängerung, 
Akzeleransreizung  zur  Verkürzung  der  Pulsverspätung  führen. 
6.  Längerdauernde  Dyspnoe  infolge  Aussetzens  der  künstlichen  Ven¬ 
tilation  bewirkt  auch  nach  beiderseitiger  Vagotomie  eine  Vergrösse¬ 
rung  der  Pulsverspätung.  Beide  Faktoren  scheinen  für  die  Grösse 
der  Pulsverspätung  massgebend  zu  sein. 

1.  Die  Kontraktilität:  Digitalis  und  Adrenalin  in  kleinen 
therapeutischen  Dosen  gegeben  verstärken  die  Kontraktilität  und 
bewirken  eine  Verminderung  der  Pulsverspätung.  Glyoxylsäure  führt 
bei  Auftreten  des  Pulsus  alternans  zu  einer  Verlängerung  der  dem 
kleinen  Pulse  entsprechenden  Pulsverspätung.  Aehnlich  wirkt  län¬ 
gerdauernde  Erstickung.  Vagusreiznng  kann  die  Verspätung  ver- 
grössern,  Akzeleransreizung  vermindern. 

2.  Geänderte  diastolische  Füllung  der  linken 
Kammer:  Vermehrte  Füllung  (Aortenkompression,  Digitalis,  Ad¬ 
renalin)  kann  eine  Verminderung  der  Pulsverspätung  bedingen,  ver¬ 
minderte  Füllung  (Aderlässe  aus  der  Karotis,  Pulinonalisdurchschnei- 
dung)  führt  stets  zur  Vergrösserung  derselben. 

3.  Die  Höhe  des  Aortendruckes  und  die  durch  ihn 
bedingte  geänderte  Durchblutung  des  Herzmus¬ 
kels:  Ein  hoher  Aortendruck  (infolge  von  Aortenkompression,  Digi¬ 
talis.  Adrenalin)  begünstigt  die  Durchblutung  der  Kammermuskels, 
niederer  Aortendruck  verschlechtert  sie.  Für  Adrenalin  kommt  ausser 
der  Erhöhung  des  Aortendruckes  und  des  spezifischen  Einflusses  auf 
die  Kontraktilität  seine  koronargefässerweiternde  Eigenschaft  hinzu. 

.Herr  v.  F  u  n  k  e  berichtet  über  4  Fälle  von  akutem  Morbus  Base- 
dowii.  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  30.  Mai  1913. 

Privatdozent  Dr.  A.  v.  Decastello  stellt  eine  53jährige  Frau 
vor,  bei  welcher  eine  Splenektomie  bei  perniziöser  Anämie  gemacht 
wurde.  Sie  bot  anfangs  Dezember  1912  das  klassische  Bild  der  per¬ 
niziösen  Anämie  mit  gastrischer  Achylie,  hatte  eine  sehr  grosse,  derbe 
Milz,  leichten  Ikterus,  Oedeme  an  den  Beinen  etc.  Der  Zustand  ver¬ 


schlechterte  sich  später,  die  Beine  schwollen  stärker  an,  es  bestand 
Aszites  und  Sopor,  die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  sank  auf 
750  000.  Nun  wurde  die  Milz  entfernt,  wobei  sich  aus  der  Bauchhöhle 
eine  grosse  Menge  hämorrhagischer  Flüssigkeit  entleerte.  In  der  Re¬ 
konvaleszenz  eine  schwere  diffuse  Bronchitis  und  ein  ausgebreiteter, 
tiefgehender  Dekubitus.  Trotzdem  rasche  Besserung  aller  Erschei¬ 
nungen,  auch  das  Blutbild  nähert  sich  schon  dem  normalen.  Die  Frau 
hat  um  mehrere  Kilogramm  an  Körpergewicht  zugenommen.  Der  Vor¬ 
tragende  weist  auf  die  enge  Verwandtschaft  der  perniziösen  Anämie 
mit  den  anderen  Formen  der  hämolytischen  Anämien  hin  und  bespricht 
die  Rolle,  welche  die  Milz  in  solchen  Fällen  spielt. 

Weiters  stellt  v.  D.  einen  13  jährigen  Knaben  vor,  der  an  Spleno¬ 
megalie  und  Ikterus  leidet.  Dabei  treten  bei  ihm  in  grossen  Inter¬ 
vallen  Schmerzattacken  von  grosser  Intensität  auf.  Die  Schmerzen 
sind  in  der  rechten  Nierengegend  lokalisiert  und  dauern  bis  zu 
8  Tagen.  Seine  Milz  ist  mächtig  vergrössert,  die  Leber  überragt  den 
rechten  Rippenrand  um  2  Querfinger.  Der  Harn  enthält  viel  Urobilin 
und  Bilinogen,  auch  reichlich  Gallenfarbstoff.  Der  Fall  gehört  in  das 
Gebiet  der  Splenomegalie  mit  hämolytischer  Anämie,  ohne  sich  in 
eine  der  typischen  Formen  einreihen  lassen  zu  können.  Auch  hier  soll 
die  Splenektomie  vorgenommen  werden. 

Assistent  Dr.  Hans  Pollitzer  stellt  aus  der  Klinik  Ortner 
einen  Fall  von  Splenomegalia  haemolytica  vor.  Bei  dem  jetzt  13  jähr. 
Mädchen  bestand  seit  dem  5.  Lebensjahre  Gelbsucht,  dann  wurde 
ein  Milztumor  gefunden,  es  traten  später  im  Abdomen  Schmerz¬ 
attacken  auf,  alle  14  Tage  sich  wiederholend.  Leichte  Chloranämie, 
dabei  aber  die  Zeichen  der  dauernden  Anämisierung  etc.  Splen¬ 
ektomie  vor  3  Wochen.  Der  Ikterus  schwand  rasch,  im  Blute 
finden  sich  die  Veränderungen,  die  man  nach  jeder  Splenektomie 
findet.  Die  Koliken  sind  jetzt  häufiger,  treten  alltäglich  auf  und 
es  ist  noch  fraglich,  ob  es  sich  um  Cholelithiasis  oder  um  wirkliche 
Koliken  handelt. 

Diskussion:  Prof.  R  a  n  z  i,  Dr.  Finsterer. 

Dr.  Josef  K.  Fried  jung  demonstriert  einen  6K  jähr.  Knaben, 
der  mit  Poliomyelitis  acuta  und  einer  Pseudohypertrophie  der  Waden¬ 
muskeln  behaftet  war.  Seit  4  Jahren  hat  sich  der  Zustand  des 
Kindes  wesentlich  gebessert. 

Prim.  Priv.-Doz.  Dr.  H.  Schur  und  Dr.  S.  Plaschkes:  Zur 
Indikationsstellung  bei  der  Behandlung  der  Lungentuberkulose  mit 
dem  künstlichen  Pneumothorax. 

Die  Autoren  besprechen  zunächst  die  überaus  günstigen  Re¬ 
sultate,  die  sie  in  Uebereinstimmung  mit  allen  anderen  Klinikern 
bei  der  Behandlung  schwerer  und  mittelschwerer  Fälle  von  Lungen¬ 
tuberkulose  mit  der  Pneumothoraxbehandlung  erzielten.  Ebenso  wie 
andere  Autoren  kommen  auch  sie  zu  der  Frage,  ob  man  nicht  auch 
initiale  Fälle  mit  Aussicht  auf  schnellen  Erfolg  der  Behandlung  zu¬ 
führen  sollte.  Die  Frage,  ob  der  Pneumothorax  auch  auf  den  tuber¬ 
kulösen  Prozess  und  die  Lungen  günstig  einwirkt,  erscheint  den 
meisten  Autoren  bewiesen:  sie  ist  es  aber  nicht,  da  die  Wirkungs¬ 
weise  des  Pneumothorax  unbekannt  ist  und  er  möglicherweise  Er¬ 
scheinungen  beeinflussen  könnte,  die  nur  den  schweren  Fällen  zu¬ 
kommen.  Die  klinische  Beobachtung  ergab  für  die  leichteren  Fälle 
keinen  sicheren  Beweis:  ebensowenig  Hessen  die  bereits  bekannten 
Wirkungen  des  Pneumothorax  auf  eine  sichere  Wirkung  auf  die 
initialen  Fälle  schliessen.  Sie  unternahmen  es  deshalb,  durch  direkte 
Tierexperimente  der  Frage  näher  zu  treten,  ob  der  Pneumothorax  das 
Auftreten  initialer  Tuberkulose  irgendwie  beeinflusse. 

Zahlreiche  Tierversuche  mit  intravenöser  Infektion  (Bacillus 
tub.  bovinus  und  B.  humanus)  nach  angelegtem  Pneumothorax  er¬ 
gaben  ein  negatives  Resultat,  d.  h.  es  war  kein  Unterschied  zu¬ 
gunsten  der  komprimierten  Seite  zu  finden.  Die  Idee,  dass  möglicher¬ 
weise  die  Lungenkompression  durch  Verhinderung  der  Lungen¬ 
bewegung  die  Aspiration  der  Bazillen  erschwere,  führte  zu  einer 
zweiten  Versuchsreihe  mit  trachealer  Infektion.  Auch  diese  Ver¬ 
suchsreihe  hatte  ein  negatives  Ergebnis.  Es  ergibt  sich  also  für  die 
gestellte  Frage  die  Antwort,  dass  eine  günstige  Beeinflussung  der 
initialen  Tuberkulose  durch  einen  kurz  andauernden  Pneumothorax 
nicht  zu  erwarten  sei.  Die  günstige  Beeinflussung  der  schweren 
einseitigen  Tuberkulose  dürfte  auf  die  Verhinderung  der  Resorption 
von  Toxinen  und  darauf  zurückzuführende  Besserung  des  Allgemein¬ 
befindens  zu  beziehen  sein.  Nicht  mit  Sicherheit  kann  entschieden 
werden,  ob  nicht  eine  indurative  Veränderung  der  Lunge,  wie  sie 
einzelne  Autoren  bei  natürlichem  oder  künstlichem  Pneupiothorax 
fanden,  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  verhindere  resp.  die  Herde 
zur  Ausheilung  bringe,  weil  die  Autoren  in  ihren  Tierversuchen, 
offenbar  wegen  der  Kürze  der  Lebensdauer  der  Tiere  (3 — 5  Wochen), 
stärkere  bindegewebige  Veränderungen  der  Lungen  nicht  nachweisen 
konnten.  Sollte  dies  der  Fall  sein,  so  blieben  die  initialen  Fälle  von 
der  Indikationsstellung  ebenso  streng  ausgeschlossen  wie  bisher,  weil 
die  Ausheilung  der  Tuberkulose  nur  durch  schwere  Veränderungen 
des  Lungengewebes  zu  erzielen  wäre.  Das  Hauptgebiet  des  Indi¬ 
kationsbereiches  sind  somit  schwere,  vorwiegend  einseitige  Prozesse 
mit  schweren  Allgemeinerscheinungen. 

In  der  Diskussion  pflichtet  Direktor  Dr.  S  o  r  g  o  dem  Vortr. 
bei,  dass  nur  schwere  einseitige  Phthisen  und  nicht  leichte  Fälle 
Objekt  dieser  Behandlung  sein  können.  Von  9  Fällen  schwerer, 
fieberhafter  progredienter  Phthisen  war  die  Therapie  in  7  Fällen 
machtlos,  nur  2  Fälle  wurden  bisher  günstig  beeinflusst.  Vieles 
spricht  dafür,  dass  der  künstliche  Pneumothorax  den  tuberkulösen 
Prozess  in  der  anderen  Lunge  ungünstig  beeinflusst.  Solche  Fälle 
sollten  vorher  einer  längeren  entsprechenden  Anstaltsbehandlung  zu¬ 
geführt  werden,  um  die  progrediente  Tendenz  des  Prozesses  zum 


1358 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


Stillstand  zu  bringen  Die  zweite  Kategorie  von  Fällen  mit  chro¬ 
nischem  Verlaut  und  Neigung  zum  Stationärwerden  gibt  in  der  Mehr- 
zahl  der  Falle  ein  befriedigendes  Resultat.  Der  Redner  bespricht 
sodann  die  Komplikationen,  welche  in  einzelnen  Fällen  auftreten  und 
zur  Vorsicht  in  der  Auswahl  der  Kranken  mahnen.  —  Dr.  M.  W  e  i  s  s 
\\  eist  am  seine  neue  Harnprobe,  die  Urochromogenprobe,  hin,  deren 
konstant  positiver  Ausfall  ihm  die  Aussichtslosigkeit  einer  Tuber¬ 
kulin  behänd  1  ung  anzeigte.  Diese  Harnprobe  sollte  auch  bei  der 
I nd : ka  tionsstell  ung  tiir  einen  künstlichen  Pneumothorax  herangezogen 
werden  Uebngens  nimmt  er  diesen  Eingriff  nicht  vor,  solange 
andere  bekannte  Massnahmen  (Land-  oder  Anstaltsaufenthalt.  Tuber- 
kiihntherapie)  nicht  vergebens  erschöpft  sind.  —  Prof.  R  a  n  z  i  be- 
r‘cht,et’  dass  er  an  der  Klinik  v.  Eiseisberg  bei  der  Anlegung 
des  künstlichen  Pneumothorax  schwere  Erscheinungen,  wohl  infolge 
von  Luitembohe,  beobachtet  habe.  In  3  Fällen  traten  Krämpfe  der 
Extremitäten,  Hemiplegie,  Aphasie  etc.  auf,  welche  Erscheinungen  bei 
allen  I  atienten  rasch  wieder  zuriiekgingen.  —  Priv.-Doz.  Dr.  Schun 
betont  im  bchlussworte,  dass  bei  der  Pleuritiskomplikation  das  Ex¬ 
sudat  häufig  vollständig  entleert  wurde  und  der  Verlauf  sodann  ein 
günstiger  war.  Schwere  Zufälle,  wie  sie  R  a  n  z  i  erwähnt  habe, 
hat  er  in  seinen  Fällen  nicht  erlebt. 


Verein  alkoholgegnerischer  Aerzte  in  München. 

irsfi/ili  ci6p  Vere,ins  am  6-  VI.  13  im  hygienischen 

Institut ^ berichtete  Dr.  Engels  über  seine  Bemühungen,  in  die 

K mse  der  Automobilbesitzer  und  Chauffeure  über  die  Gefahren  des 
A  kohols  Aufklärung  zu  tragen.  Erfreulicherweise  erklärten  sich  der 
Allgem.  Deutsche  Automobil-Klub  und  die  Siidd.  Chauffeurschule  zur 
Verteilung  von  Merkblättern  bezw.  Abhalten  von  Vorträgen  bereit 
wahrend  der  K.  B.  Automobil-Klub  sich  ablehnend  verhielt 
a  1 1  Su  M,auptr?f®rent  des  Abends  sprach  Prof.  Hecker  über 
„Alkohol  u  n  d  Schule“.  Er  zeigte  zunächst  an  der  Hand  um¬ 
fangreichen  statistischen  Materials  die  Verbreitung  des  Alkohol¬ 
genusses  unter  der  Schuljugend;  Alkohol  genossen  haben  nach  Kö¬ 
nig  bereits  24  Proz.,  Froh  lieh -Wien  32  Proz.,  Landesschulrat 
in  Steiermark  18  Proz.,  während  Hecker  selbst  bei  seinen  umfäng- 

£nnnhizn  Erhe|W,Ilffen  m  .3  Münchener  Schulen  unter  mehr  als 
SUOO  Kindern  56  Proz.  eruierte.  Dass  ein  auch  nur  geringer  Alkohol¬ 
konsum  den  kindlichen  Körper  schädigt,  zeigen  zahlreiche  Beobach- 

dprSeAilnJnniSe-bSt-  ohne,.dTekteIZKranK'heitserscheinunsen  macht  sich 
h  !m  :,uPndIlchen  Körper  z.  B.  schon  beim  Wachstum 
geltend;  aus  den  interessanten  Wachstumstabellen  von  Lange  geht 
hervor,  dass  alkoholtnnkende  Kinder  bis  zum  11.  Lebensjahre  hinter 
DlTcbscbndtsmass  Zurückbleiben,  im  Gegensatz  zu  Abstinenten, 
wahrend  von  da  an  eine  Umkehrung  eintritt.  Diese  auffallende 
Erscheinung  erklärte  m  der  Diskussion  Dr.  Teilhaber  mit  der  ab- 

rip!iin^rHier.lkWirnUnK  des  AIkobols  auf  den  >m  Pubertätsalter  stehen¬ 
den  kindlichen  Organismus.  Bei  Besprechung  der  Alkoholwirkung 

ricrk.pl?  ^-nktl,on.<Tn  verweist  Redner  auf  die  grosse  Schwie- 

ngkeit  und  Unzulässigkeit  von  Alkoholversuchen  mit  Kindern  und 
erwähnt  die  meist  schon  bekannten  Untersuchungen  von  Bunge 
hei  tI h™  k:ra.^peIin  und  seinen  Schülern  an  Erwachsenen,  wo- 
®!J ÄP'  J vorübergehender  Steigerung  der  motorischen  Arbeit  und 
“a  ‘V^  geistigen  Leistung  durchweg  qualitative  Verschlech¬ 
te,  ung  der  Ltz.eren  sich  zeigte.  Genauer  Einblick  in  die  Psyche 
nd  den  Intellekt  alkoholisierter  Kinder  ergab  sich  ohne  direkte 

fie  fo^B aVTw^ 5e"unte,rs.l.ThTlgel,n  über  Schülerleistungen  wie 
1  Vnn?  vy  i'W  ;  dem  holländischen  Verein  abstinenter  Aerzte 
und  vom  Vortragenden  selbst  in  ausgedehntem  Masse  angestellt 
™[t\Ter Ä,das  Gleiche  Resultat:  mit  zunehSem  Aikoliol- 
nnH  Anff  t  S  h  ht  -ns:  der  Eortgangsnote,  Abnahme  des  Fleisses 
und  Auffassungsvermögens.  Fehlerquellen  können  ja  allerdings  aus 
dp«  iVPei1rSch,edenhtelt* der  Fragestellung,  der  subjektiven  Anschauung 
des  Lehrers  usw.  entspringen,  aber  die  Masse  und  Gleichartigkeit  des 

tiLlrb,isfeHSplaSFen  das,Re?ultat  doch  beweiskräftig  erscheinen:  wich- 
t  ger,'^  de.r  Emwand,  dass  nicht  so  sehr  der  Alkohol,  sondern 
das  Milieu,  in  dem  das  Kind  aufwächst,  seine  Leistungen  beeinflusst 

genuss^ntef'dL^ml  t6*- °v-r5äChHcher  Betrachtunß  der  Alkohol- 
anü^  lU  tCr  dui"  B™letanerkindern  grosser  und  die  Notenqualität  im 

q  üeinnnrsch  echter  zu  sein.  Wenn  aber  nachgewiesen  wird  dass 
•mu  .ara]ebsmus  zwischen  Aikohol  und  Noten  Verschlechterung  sich 
auch  innerhalb  eines  bestimmten,  möglichst  eng  begrenzten  günstigen 

H'endUngU^Stlg,en  ^llieus  zei8:t’  wenn  überall  die  Notenverschlechterung 
Hand  in  Hand  geht  mit  der  Zunahme  des  kindlichen  Alknholkonsums 

a?lehfJSdieenserhnmWhild  a'S  hinfälliff  zurückgewiesen  und  dem  Alkohol 

Hecker  le  “e„  «temeSSe"  Werd,!n:  u"d  llieser  Be"’eis 

illzcih'  IletHm  'TVTT","8  des  Aikohnlzenusses  unter  der  Schul- 
lehrung  md  Vo-rir;  v.°?  speziellem  Alkoholunterricht,  Be- 

-.u-  nHff  U • d  k  an.d  afe  n  mcbt  vieI-  sondern  legt  besonders  Wert  auf 
dekr  Schule  auf  Gewöhnung  an  ein  Leben  ohne  Alkohol  in 

<rh„iw ’  b.esof?.ders  m  Pensionaten,  Internaten,  auf  alkoholfreien 
Schulfesten  Ausflügen  und  kirchlichen  Feiern,  wie  Firmung  u  ä 

WaZmlprhihaft  ’St  1,1  C!ieSei  Rlchtung  durch  sportlichen  Betrieb,  die 
,  und  verwandte  Unternehmungen  schon  viel  vor- 

gearbeitet  worden,  wichtig  ist  aber  immer  noch  das  gute  Beispiel  der 

?Cht  abstinent  Zl1  sein  brauchin.  aber  bei  den 

2flr  aiH  i^n"  aVs.Padasogischen  Rücksichten  das  Bei- 

wer  kt  nÄ  Se  lV  SamDei,  geben  müssen:  ebenso  wünschens¬ 
wert  ist  nach  Ansicht  des  Redners  eine  stärkere  aktive  Beteiligung 


der  Lehrerschaft  an  sportlichen  Uebungen.  Für  Kinder,  welche  be- 
icits  erblich  unter  dem  Alkoholismus  der  Eltern  leiden,  oder  durch 
unsere  I  rinksitten  geistig  bereits  geschädigt  sind,  soll  dadurch  ge¬ 
sorgt  werden,  dass  sie  in  neuzugründenden  Psychopathenheimen 
untergebracht  werden. 

In  der  ausserordentlich  regen  Diskussion,  an  der  sich  auch  Lehrer 
unu  _  chulärzte  beteiligten,  wurde  u.  a.  der  Wunsch  ausgesprochen,  die 
Hecker  sehen  Untersuchungen  in  den  nächsten  Jahren  zu  wieder¬ 
holen,  wobei  sich  wohl  ein  grösserer  Prozentsatz  der  abstinenten  Kin¬ 
der  zeigen  dürfte.  Einig  wrar  die  Versammlung  iri  der  Anschauung 
dass  weltliche  und  geistliche  Pädagogen  und  Schulbehörden,  auch 
Rektoren  der  Mittelschulen,  angegangen  werden  sollen,  noch  inten- 
sner  als  bisher  der  alkoholfreien  Jugenderziehung  ihr  Augenmerk 
zuzuwenden. _ Dr.  C  a  s  e  1 1  a. 

Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

F.  E.  Park  teilt  im  Medical  record,  Bd.  83,  S.  429,  1913,  einen 
f*  tc?n  P  ^  r  n  i  z  i  ö  s  e  r  Anämie  mit,  der  einen  40  jährigen  Mann 
netrittt,  welcher  seit  6  Jahren  krank  war;  nach  langdauernden  Re¬ 
nnen  trat  1912  ein  bedrohlicher  Rückfall  ein.  Erythrozytenzahl 
1,2  Millionen  Der  Fall  wurde  erfolgreich  mit  intravenösen 
1  h  o  r 1  u  m  -  X  - 1  n  j  e  k  t  i  o  n  e  n  behandelt.  Er  erhielt  jeden 
zweiten  Tag  20  000  ME.  Erythrozytenzahl  nach  4  Wochen  4,8,  nach 

5  Wochen  ca.  5,3  Millionen.  Er  wurde  bei  völligem  Wohlbefinden 
entlassen.  j 

Bei  der  R  i  z  i  n  u  s  ö  1  b  e  h  a  n  d  1  u  n  g  der  Blinddarin- 

Mnl  ZH  ftd  Un  gmratBS  °ur  ^  e  'teKassel  zu  grösster  Vorsicht  (Ther. 
Mon.-Hefte  13,  3).  Er  beobachtete  zahlreiche  Fälle  mit  schwerster 
Ferlorationsperitonitis,  die  Rizinusöl  genommen  und  bald  nach  Ein¬ 
nahme  des  Mittels  sehr  schwere  Erscheinungen  bekommen 
hatten.  A 

de.r  Therapie  des  Scharlachs  wird  man  nach 
Erich  ß  e  n  j  a  m  i  n  -  München  (Ther.  Monatshefte  1913,  2)  der  Diät 
ein  Hauptaugenmerk  zuzuwenden  haben:  vorwiegend  Milch  und 
“speisen;  von  der  zweiten  Woche  ab  Beigabe  von  Gelees  und 
Mehlspeisen,  Reis  mit  verschiedenen  Obstsorten;  vom  Ende  der 

gewöhnlkh°enheKoasbt.  ^  Fehl6n  ^  KomPlikationen  Übergang  zur 

Die  Serumtherapie  ist  bei  allen  schweren  Fällen  angezeigt, 
zumal  wenn  neben  'sehr  hohen  Temperaturen  schwere  zerebrale  Er- 
sciemungen,  schlechter  Puls,  Zyanose,  kühle  Extremitäten  vorhanden 
sind.  B.  bevorzugt  eine  einmalige  hohe  Dosis  des  Moser  scheu 

tprnmS‘  S3?1  ü1“55  das  Herz  durch  Kampfer,  Koffein  gekräftigt 
]H^drotberaPeiutlsche  Massnahmen  sind  bei  hohem  Fieber 
hrrrh’ T 50  en  aberJS0  schonend  wie  möglich  vorgenommen 
nicht  zu  niedrigemPera  S  ade'  Wie  UebergiessaPgswassers  sei 

Das  Salvarsan  hat  noch  keine  sicheren  Erfolge  aufzuweisen 
Eine  grosse  Sorgfalt  ist  der  Mundreinigung  zuzuwenden  bei 
lungeren  und  benommenen  Kindern  mit  der  Spritze. 

„  N  e  P  b  r  i  t  i  s  soll  die  übliche  blande  Diät  während  der  ersten 

3  Wochen  verordnet  werden.  Bei  Auftreten  von  Hydropsien  ist  die 
kochsalzarme  Diät  anzuordnen.  Bei  chronischem  Charakter  der  Er¬ 
krankung  sind  die  strengen  Diätvorschriften  ohne  Bedeutung  Von 
Diuretizis  in  jeder  Form  ist  abzusehen.  Bei  Urämie  Aderlass. 

Zur  Immunisierung  der  Geschwister  empfiehlt  sich  die  An¬ 
wendung  von  gewöhnlichem  Pferdeserum  (5—7  ccm)  Die  Schutz¬ 
wirkung  dauert  allerdings  nur  12 _ 14  Tage.  JJ“1 

,  ,  *n  e‘aer  längeren  Abhandlung  über  die  moderne  Wund- 

behandUng  ,m  Kriege  und  im  Frieden  stellt  Graf- 
vnnSefiPm  cf"  BauPtleitsatz  auf,  dass  die  moderne  Wundbehandlung 
vnr,r-d  Standpunkt  auszugehen  hat,  die  natürlichen  Heilungs- 
'Trfailge  zu  unterstützen  und  die  Abwehreinrichtungen  des  Organis- 

Daher  iftnes  iPt/r  ”  tmöglichst  zar,  Geltung  kommen  zu  lassen, 
vor/i  n  hrnPH  verpönt,  an  einer  Wunde  längere  Manipulationen 
™  u  m  \die  dazu  dienen  sollen,  die  Wunde  keimfrei  zu  machen, 
Ü/n  tCLn‘e  gelingt  ohne  mit  unseren  Desinfektionsmitteln 
g  o  seien  Schaden  anzurichten.  Ein  einfacher  Anstrich  mit  Jod- 

de^Um^mJ71^  5w°Z;,  Tbymol11lösun^  genügt  für  die  Desinfektion 
NlillvSSanl  KpH  uYlindel  die  sf,lbsX  nur  mit  einem  einfachen  sterilen 
eMm  SH  a  drbedeaCkt  ^erflen1so11-  die  Verwundungen  im  Kriege 
mphehlt  Graf  die  Bepinselung  der  Wundumgebung  mit  Mastisol, 
das  neben  seiner  arretierenden  Wirkung  auf  die  Bakterien  den  Vorteil 
at,  dass  die  \erbände  auf  der  damit  bestrichenen  Haut  festkleben 
wlal'n6  B,ndenu™vicklung  unnötig  machen.  Bei  beschmutzten 
Wunden  rat  G  r  a  f  dazu,  eine  3  proz.  Wasserstoffsuperoxydlösung 
auf  die  Wunde  zu  giessen,  durch  die  aller  Schmutz  leicht  heraus¬ 
geschwemmt  wird.  Nur  bei  schwer  infizierten  Wunden  will  Graf 
entweder  die  ganze  Wundfläche  oder  bei  sehr  grossen  Wunden  doch 
wenigstens  die  Wundränder  exzidiert  haben.  Für  die  Gelenk- 
vei  e  zungen  im  Kriege  sieht  Graf  in  dem  für  die  Friedensfrakturen 

rwe:,rhrMaaVrert  veBierenden  Gipsverband  ein  direkt  antiseptisch 
wirkendes  Mittel,  um  das  gebrochene  Glied  vor  der  Infektion  zu 
Schutzen.  (Therap.  Monatshefte  1913,  5)  {(r 


17.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1359 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  16.  Juni  1913. 

—  Im  Ranzen  Deutschen  Reich  wird  in  diesen  Tagen  das 
25  j  ä  h  r  i  g  e  Regierung  sjubiläum  Kaiser  Wilhelms  11. 
festlich  begangen.  Auch  die  Aerzteschaft  nimmt  daran  herzlichen 
Anteil.  Das  Leben  hat  den  Kaiser  in  innigste  Berührung  mit  Aerzten 
und  ärztlicher  Kunst  gebracht,  ln  dem  seinem  Regierungsantritt 
vorhergehenden  Jahre  hat  er  die  engen  Grenzen,  die  dem  ärztlichen 
Können  gesteckt  sind,  zu  fühlen  bekommen;  er  hat  aber  auch  er¬ 
fahren  können,  wie  viel  Segen  trotzdem  ärztliche  Kunst  und  Wissen¬ 
schaft  einem  in  Not  befindlichen  Kranken  zu  spenden  vermögen. 
Er  hat  das  reichlich  anerkannt,  indem  er  den  Aerzten,  denen  er 
in  der  schweren  Zeit  der  Erkrankung  seines  Vaters  näher  getreten 
ist,  Zeit  ihres  Lebens  ein  Freund  blieb  und  indem  er  dem  Fortschritt 
der  Heilkunde  sein  regstes  Interesse  zuwandte.  Die  lange,  segens¬ 
reiche  Friedensperiode,  die  die  Regierung  des  Kaisers  Deutschland 
gebracht  und  die  eine  ungeahnte  Entwicklung  aller  Werke  des 
Friedens  ermöglicht  hat,  ist  keiner  Wissenschaft  mehr  zugute  ge¬ 
kommen  als  der  Medizin.  Die  Zeit  der  Regierung  Kaiser  Wil¬ 
helms  II.  bildet  die  Zeit  der  höchsten  Blüte,  die  der  deutscneu 
Medizin  je  zu  erreichen  vergönnt  war.  Der  Kaiser  hat  aber  auch 
dafür  gesorgt,  dass  die  lange  Friedenszeit  nicht  zu  einem  Kapua  für 
das  deutsche  Volk  wurde.  Es  ist  sein  eigenstes  Verdienst,  dass 
über  der  Pflege  des  Friedens  der  gesunde  wehrhafte  Geist  der 
Deutschen  nicht  unterging,  dass  der  Sinn  für  Heranziehung  eines 
kräftigen  Geschlechtes  geweckt,  die  Notwendigkeit  der  Pflege  des 
Körpers  als  gleichberechtigter  Faktor  neben  der  Ausbildung  des 
Geistes  in  der  Schule  anerkannt  wurde.  Die  Deutschen  als  sport¬ 
liebendes  Volk  sind  eine  Erscheinung  der  letzten  25  Jahre  und  nicht 
denkbar  ohne  den  persönlichen  Einfluss  des  Kaisers.  Mit  nichts 
konnte  daher  seine  Jubelfeier  passender  eingeleitet  werden, 
als  mit  der  grandiosen  Heerschau  des  deutschen  Sport  im  neuen 
Berliner  Stadion.  So  hat  unter  der  Regierung  des  Kaisers  nicht  nur 
die  Verhütung  und  Heilung  von  Krankheiten  glänzende  Fortschritte 
aufzuweisen,  sondern  das  deutsche  Volk  steht  gesünder,  kräftiger, 
zu  jedem  Wettkampf  im  internationalen  Leben  besser  gerüstet  als 
vordem,  vor  uns.  Darum  rufen  auch  die  Aerzte:  Heil  dem 
Kaiser! 

—  Eine  wirksame  Unterstützung  der  Arznei¬ 
mittelkommission  des  Deutschen  "Kongresses  für  Innere 
Medizin  ist  in  der  Haltung  der  württembergischen  Aerzte  gegeben, 
wie  sie  in  einem  Beschluss  der  vereinigten  Revisionskommissionen 
des  Esslinger  Delegiertenverbandes  zum  Ausdruck  gekommen  ist. 
Bei  Beratung  der  3.  Auflage  der  —  sehr  zweckmässig  zusammen¬ 
gestellten  —  „Arzneiverordnung  bei  den  württembergischen  Kranken¬ 
kassen“  wurde  im  Prinzip  anerkannt,  dass  solche  Arzneipräparate, 
die  den  Grundsätzen  der  Arzneimittelkommission  nicht  entsprechen, 
von  der  Anwendung  in  der  Kassenpraxis  ausgeschlossen  sein  sollten. 
Dabei  wurde  durchaus  nicht  verkannt,  dass  die  Klassifizierung  der 
Mittel  auf  den  Arzneimittellisten  der  Kommission  nur  nach  Inhalt 
und  Form  der  Anzeigen  erfolgt.  Es  ist  hocherfreulich,  aus  solchen 
Kundgebungen  zu  erkennen,  dass  weite  Kollegenkreise  das  Unter¬ 
nehmen  der  Arzneimittelkommission  gutheissen  und  in  ihren  Grund¬ 
sätzen  berechtigte  Forderungen  des  ärztlichen  Standes  erblicken. 
Je  mehr  solcher  Kundgebungen  an  die  Oeffentlichkeit  kommen,  um 
so  leichter  wird  es  sein,  auch  auf  dem  Gebiete  des  Arzneimittel- 
unwesens  die  Wünsche  des  Mediziners  gegenüber  den  sehr  beträcht¬ 
lichen  Widerständen  zur  Geltung  zu  bringen.  (Therap.  Monats¬ 
hefte  1913,  H.  6,  S.  468.) 

- —  Zur  Mitwirkung  bei  der  Bekämpfung  der  Tierseuchen  wurde 
eine  Kgl.  Bayerische  Veterinärpolizeiliche  Anstalt  er¬ 
richtet. 

—  Der  Aerztliche  Verein  Frankfurt  a.  M.  hat  in 
seiner  Sitzung  vom  26.  v.  Mts.  die  Tagesordnung  des  diesjährigen 
Aerztetags  beraten.  Dabei  wurden  die  Anträge  Leipzig-Land  und 
Hessischer  ärztlicher  Landesverein  an  die  Kommission  zurück¬ 
verwiesen,  die  Anträge  Kempten,  Düsseldorf,  Strassburg  und  Hildes¬ 
heim  wurden  einstimmig  angenommen.  Zur  Impffrage  wurde  der 
Delegierte  beauftragt,  sich  strikte  für  den  Impfzwang  auszusprechen. 

—  Zum  Gedächtnis  an  den  verstorbenen  verdienten  langjährigen 
Augsburger  Krankenhausoberarzt  Dr.  Friedrich  Müller  haben 
dessen  Kinder  eine  Stiftung  im  Betrage  von  10  000  M.  bei  der 
Stadt  Augsburg  errichtet  mit  der  Bestimmung,  dass  die  nach  Abzug 
der  Verwaltungskosten  verbleibenden  Renten  dem  Krankenhaus¬ 
oberarzt  der  inneren  Abteilung  zur  Verfügung  gestellt  werden  sollen 
zum  Zwecke  der  Anschaffung  medizinischer  Werke  und  Instrumente, 
zur  Förderung  der  medizinischen  Wissenschaften  und  Unterstützung 
bedürftiger  Kranker,  ohne  Unterschied  der  Konfession. 

—  Der  Zyklus  von  Fortbilungsvorträgen,  den  das  Lan¬ 
deskomitee  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  in  Bayern  unter 
Heranziehung  hervorragender  auswärtiger  Kräfte  veranstaltete,  hat 
am  14.  ds.  seinen  Abschluss  gefunden.  Auf  die  schon  erwähnten  bio¬ 
logischen  Vorträge  von  v.  Wassermann  und  Abderhalden 
folgten  die  Vorträge  von  K  r  ö  n  i  g  -  Freiburg  über  die  nicht-opera¬ 
tive  Behandlung  der  Myome  und  Karzinome  und  von  Hoff¬ 
man  n  -  Bonn  über  die  Fortschritte  in  der  Erkennung  und 
Behandlung  der  Syphilis.  Die  vier  letzten  Vorträge  ge¬ 
hörten  den  Chirurgen:  Sauerbruch  sprach  über  Gehirn¬ 
chirurgie,  Payr  über  die  operative  Behandlung  ankylosierter  Ge¬ 
lenke,  Lexer  über  die  praktische  Verwertung  der  freien  Trans¬ 


plantation  und  v.  Eiseisberg  über  Gehirntumoren.  Es  sind  also 
die  aktuellsten  Fragen,  die  die  Medizin  zurzeit  bewegen,  behandelt 
worden,  und  zwar  jeweils  von  Männern,  die  auf  dem  betr.  Gebiete 
selbst  bahnbrechend  gewesen  sind.  Die  Bekanntschaft  dieser  Männer 
zu  machen,  erhöhte  den  Gewinn,  den  die  Hörer  von  dieser  aus¬ 
gezeichneten  Vortragsserie  hatten.  Den  Vortragenden  wie  dem  ver¬ 
anstaltenden  Komitee  gebührt  der  wärmste  Dank  der  Münchener 
Aerzteschaft.  —  Die  meisten  Vorträge  werden  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  erscheinen. 

—  Die  Aerzte  des  Berliner  Gewerkenkrankenvereins, 
eines  seit  etwa  50  Jahren  bestehenden  Verbandes  zahlreicher  Orts¬ 
krankenkassen,  die  zusammen  gegen  220  Aerzte  mit  festem  Gehalt 
angestellt  haben,  haben  beschlossen,  zum  nächsten  Jahr  ihre  Verträge 
zu  kündigen.  Dieser  Schritt  zeigt,  dass  auch  innerhalb  der  fest  an- 
gestellten  Kassenärzte  die  Notwendigkeit  eingesehen  wird,  anlässlich 
der  RVO.  neue  Verträge  abzuschliessen,  die  dann  hoffentlich  in 
Fühlung  mit  der  Organisation  festgelegt  werden. 

—  Der  Lupusausschuss  des  D.  Zentr.-Kom.  z.  Bekämpfg. 
d.  Tuberkulose  wird  am  21.  Oktober  in  Berlin  tagen.  Neben  dem 
Bericht  über  die  Tätigkeit  der  Kommission  wird  über  endogene 
und  ektogene  Entstehung  und  über  neuere  Behandlungsmethoden  des 
Lupus  verhandelt. 

—  Das  Programm  der  3.  internationalen  Konferenz  für 
Krebsforschung  in  Brüssel  ist  jetzt  erschienen.  Die  Konferenz 
dauert  vom  1. — 5.  August.  Die  Verhandlungsgegenstände  sind:  1.  Die 
Anwendung  der  physikalisch-chemischen  Verfahren  bei  der  Behand¬ 
lung  des  Krebses.  Anwendung  chemischer  Mittel  nach  Radikal¬ 
operationen.  2.  Vakzinationstherapie  und  Serumtherapie  der  Ge¬ 
schwülste.  3.  Statistik  der  Krebskrankheit.  Oertliche  Verbreitung. 

4.  Aetiologie  des  Krebses.  5.  Einrichtungen  für  die  Fürsorge  Krebs¬ 
kranker  (Fürsorgestellen  usw.).  6.  Pflege  der  Krebskranken  und 
Unterricht  in  dieser  Pflege.  7.  Bericht  über  den  Stand  der  Krebs¬ 
forschung  und  Krebsbekämpfung  in  den  einzelnen  Ländern,  unter 
Vorlage  der  betreffenden  Drucksachen,  Schriften  für  Aerzte,  Merk¬ 
blätter  für  das  Volk  usw.  Am  4.  August,  5  Uhr  p.  m.  ist  die 
Sitzung  der  internationalen  Kommission  für  die  Nomenklatur  der 
Geschwülste.  Anmeldung  bei  Dr.  Henseval.  Palais  du  Cinquante- 
naire,  Brüssel.  Mitgliedsbeitrag  25  Franken. 

—  Die  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in  Mün¬ 
chen  hat  in  den  letzten  Jahren  einen  einem  Neubau  fast  gleich¬ 
kommenden  Erneuerungs-  und  Erweiterungsumbau  erfahren.  Das  alte 
Hauptgebäude  an  der  Lindwurmstrasse  wurde  um  ein  Stockwerk 
erhöht,  ein  an  dieses  anschliessendes  neues  Hauptgebäude,  das  die 
Säuglingsabteilung  und  den  grossen  Hörsaal  enthält,  wurde  an  der 
Goethestrasse  errichtet.  Eine  kurze  Beschreibung  des  Umbaues  mit 
Grundrissen  und  Ansichten  findet  sich  in  „Der  Baumeister,  Monats¬ 
hefte  für  Architektur  und  Baupraxis“,  April  1913. 

—  Das  War  Departement.  Office  of  the  Surgeon  General  in 
Washington  veröffentlicht  ein  Heft  mit  Mikrophotographien 
von  Spirochäten.  Entamöben,  Plasmodien,  Trypanosomen, 
Leishmania,  N  e  g  r  i  sehen  Körperchen  und  Helminthen.  Die  auf 
17  Tafeln  in  Lichtdruck  reproduzierten  Photographien  verdienen 
wegen  ihrer  vorzüglichen  Ausführung  Erwähnung. 

—  In  der  von  Smith  Ely  Jelliffe  und  Wm.  A.  White 
herausgegebenen  Sammlung  „Nervo  us  and  Mental  Disease 
Monograph  Serie  s“  (NewYork,  the  Journal  of  Nervous  and 
Mental  Disease  Publishing  Company)  ist  als  16.  Heft  eine  Abhandlung 
von  Ivan  W  i  c  k  m  a  n  in  Stockholm  über  „Akute  Poliomye¬ 
litis,  Heine-Medins  Disease“  erschienen.  Die  Frage  der 
H.-M. sehen  Krankheit  wird  hier  von  berufenster  Seite  unter  Bei¬ 
fügung  eines  ausführenden  Literaturverzeichnisses  zusammenfassend 
dargestellt. 

—  Vom  30.  Juni  bis  11.  Juli  1913  findet  an  der  Düsseldorfer 
Akademie  für  praktische  Medizin  ein  Kursus  für  soziale 
Medizin  statt.  Ferner  werden  im  Laufe  des  Jahres  1913 
folgende  Kurse  abgehalten:  Ein  wöchentlicher  Kursus  über  Bauch¬ 
chirurgie  für  chirurgische  und  gynäkologische  Aerzte  vom  12.  bis 
18.  Oktober;  Kursus  über  Diagnostik,  Pathologie  und  Therapie  der 
Krankheiten  des  Herzens  und  der  Gefässe  vom  20. — 29.  Oktober; 
Kursus  über  Hautkrankheiten  einschliesslich  Lichtbehandlung  vom 

5.  November  bis  10.  Dezember;  Vorlesungen  für  Aerzte  von  Düssel¬ 
dorf  und  der  näheren  Umgebung  an  8  Sonntagnachmittagen  von 
November  1913  bis  Februar  1914.  (hk.) 

—  Pest.  Türkei.  In  Djedda  vom  11.  bis  16.  Mai  1  Erkrankung 
und  1  Todesfall.  —  Aegypten.  Vom  17.  bis  23.  Mai  erkrankten  18 
(und  starben  8)  Personen  an  der  Pest.  —  Aden.  Vom  11.  bis  17.  Mai 
11  Erkrankungen  und  11  Todesfälle.  —  Britisch  Ostindien.  In  den 
beiden  Wochen  vom  27.  April  bis  10.  Mai  erkrankten  8933  +  4990  und 
starben  7896  +  4452  Personen  an  der  Pest.  —  Hongkong.  Vom  6.  bis 
26.  April  21  Erkrankungen  (davon  13  in  der  Stadt  Viktoria)  und 
19  Todesfälle.  —  China.  In  der  Stadt  Amoy  sind  vom  5.  bis 
12.  Mai  17  Personen  an  der  Pest  gestorben.  —  Britisch  Ostafrika. 
Vom  25.  April  bis  14.  Mai  wurden  in  Mombassa  17,  in  Nairobi  und 
Kisumu  je  2  Pestfälle  festgestellt,  die  bis  auf  1  Fall  in  Kisumu  tödlich 
verliefen.  —  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  vom  31.  März  bis  12.  April 
9  Erkrankungen  und  4  Todesfälle. 

—  In  der  22.  Jahreswoche,  vom  25.  bis  31.  Mai  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Jena  mit  39,2,  die  geringste  Berlin-Wilmersdorf  mit  5,5  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  (V.  d.  K.  G.-A.) 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Der  ordentliche  Professor  für  Kinderheilkunde  an  der 
Berliner  Universität  Geh.  Medizinalrat  Dr.  A.  Czerny  ist  zum 


1360 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  24. 


ordentlichen  Professor  an  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  für  das 
inilitarürztliche  Bildungswesen  ernannt  worden,  (hk.) 

Bonn.  4460  immatrikulierte  Studierende  zählt  in  diesem 
Somrnersemester  die  Universität  Bonn.  Davon  sind  in  der  medi- 
.Fakllltät  851.  Der  Staatsangehörigkeit  nach  sind 
v)_4  Deutsche  und  436  Ausländer,  darunter  42  Russen.  Dazu  kommen 
208  Hörer.  Die  Gesamtzahl  der  Berechtigten  ist  mithin  4668.  (hk.) 

Dresden.  Dem  dirigierenden  Arzt  an  der  städtischen  Heil- 
und  Pflegeanstalt  Geheimrat  Dr.  Ganser  wurde  der  Albrechtsorden 
I.  Klasse  mit  der  Krone,  dem  dirigierenden  Arzt  der  inneren  Abteilung 
des  Krankenhauses  Johannstadt  Prof.  Dr.  Rostoski  der  Titel 
Medizinalrat  und  dem  Prosektor  .  am  gleichen  Krankenhause 
Dr.  Geipel  der  Professortitel  verliehen. 

Erlangen.  Fri  laufenden  Sommersemester  sind  an  hiesiger 
Universität  1291  Studierende  immatrikuliert,  wozu  noch  42  Hörer 
kommen.  Den  einzelnen  Fakultäten  nach  sind  vertreten  (Medi¬ 
ziner  356  (9  Damen),  Zahnärzte  9,  Pharmazeuten  92,  Juristen  208 
(3  Damen),  Theologen  256,  Philosophen  I.  und  II.  Sektion  370 
(11  Damen).  —  Am  Donnerstag  den  12.  Juni  begeht  die  Universität 
die  Feier  des  25  jährigen  Regierungsjubiläums  S.  M.  des  Deutschen 
Kaisers  durch  einen  akademischen  Festakt  in  der  Aula  mit  Rede. 

Giessen.  Die  Gesamtzahl  der  Studierenden  im  Sommer- 
semster  beträgt  1535,  inbegriffen  40  Hörer  und  56. Hörerinnen.  Davon 
studieren  Medizin  338,  Tierheilkunde  213,  Pharmazie  28. 

Halle  a.  S.  Prof.  Abderhalden  hat  die  Berufung  nach 
Wien  abgelehnt. 

Heidelberg.  Am  12.  Juni  wurde  das  Landeskrüppelheim, 
das  unter  ärztlicher  Leitung  von  Prof.  V  u  1  p  i  u  s  steht,  feierlich 
eingeweiht.  —  Die  Universität  Heidelberg  zählt  im  laufenden  Sommer¬ 
halbjahr  2617  immatrikulierte  Studierende.  Davon  sind  in  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  869.  Der  Staatsangehörigkeit  nach  sind:  2316 
Reichsdeutsche  und  301  Ausländer,  darunter  161  Russen.  Hierzu 
kommen  175  Hörer  (Hospitanten).  Mithin  beträgt  die  Gesamtfrequenz 
2792.  (hk.) 

Köln.  Dem  Dozenten  für  soziale  Hygiene  an  der  Kölner  Aka¬ 
demie  für  praktische  Medizin,  städtischen  Beigeordneten  Dr.  Peter 
Krautwig  ist  der  Professortitel  verliehen  worden,  (hk.) 

Leipzig.  Die  Gesamtzahl  der  in  diesem  Sommersemester 
an  der  Leipziger  Universität  immatrikulierten  Studierenden  be¬ 
trägt  5171,  davon  in  der  medizinischen  Fakultät  841,  ausserdem 
87  Studierende  der  Zahnheilkunde.  Der  Staatsangehörigkeit  nach 
sind  4517  Reichsdeutsche,  ferner  654  Ausländer,  darunter  321  Russen. 
Ausserdem  haben  832  Personen,  ohne  inskribiert  zu  sein,  die  Erlaubnis 
zum  Besuch  der  akademischen  Vorlesungen  erhalten;  daher  die 
Gesamtsumme  der  Hörer  6003.  (hk.)  —  Der  I.  Assistent  und  Pro¬ 

tektor  am  Pathologischen  Institut  in  Leipzig,  Herr  Dr.  Verse,  ist 
zum  Professor  ernannt  worden.  —  Das  neue  städtische  Krankenhaus 
in  Leipzig  (St.  Georg)  ist  am  1.  Juni  in  Betrieb  genommen  worden. 

Münster  i.  W.  Der  Provinziallandtag  der  Provinz  West- 
ialen  hat  kürzlich  bei  seiner  54.  Tagung  für  den  Ausbau  der  Universi- 
tät  500  000  M.  bewilligt.  Die  gleiche  Summe  wurde  durch  Beschluss 
der  Stadtverordnetenversammlung  vom  4.  Juni  d.  J.  bewilligt,  so  dass 
der  Staatsunterrichtsverwaltung  für  den  genannten  Zweck  von  der 
Provinz  Westfalen  und  der  Stadt  Münster  im  ganzen  eine  Million  Mark 
zur  Verfügung  gestellt  ist.  In  Aussicht  genommen  ist  der  völlige  Aus¬ 
bau  der  medizinischen  Fakultät,  deren  klinischer  Teil  bisher  noch 
fehlt.  Gleichzeitig  damit  soll  die  evangelisch-theologische  Fakultät 
errichtet  werden,  so  dass  alsdann  alle  Fakultäten  an  der  Universität 
Münster  vollständig  vertreten  sind.  Das  für  die  klinischen  Bauten  in 
Aussicht  genommene  Gelände  genügt  allen  Anforderungen. 

Tübingen.  In  diesem  Semester  zählt  die  Universität  2234 
(gegen  2048  im  Sommersemester  1912)  immatrikulierte  Studenten 
M  ,H°rer-  Medizin  studieren  428  (356),  darunter  Frauen 
18  (12),  Zahnheilkunde  18  (16). 

Gra  z.  Dr.  Heinrich  di  Gaspero  wurde  als  Privatdozent  für 
Neurologie  und  Psychiatrie  bestätigt. 

Kopenhagen.  Dozent  für  Kinderheilkunde  Dr.  S.  Monrad 
wurde  zum  Professor  (tit.)  ernannt. 

Prag.  Dr.  Emil  Starkenste. in  wurde  als  Privatdozent  für 
Pharmakologie  und  Pharmakographie  an  der  medizinischen  Fakultät 
der  deutschen  Universität  zugelassen. 

N  e  a  p  e  1.  Dr.  Giorgio  Castelli,  bisher  Assistent  am  Georg- 
Speyer-Haus  in  Frankfurt  a.  M.,  hat  sich  für  allgemeine  Pathologie 
habilitiert. 

W  i  e  n.  Prof.  Dr.  Emil  Abderhalden  in  Halle  a.  d.  S.  hat  die 
an  ihn  ergangene  Berufung,  an  Stelle  des  zurücktretenden  Prof.  Ernst 
Ludwig  die  Lehrkanzel  für  medizinische  Chemie  zu  übernehmen, 
abgelehnt.  Wie  die  politischen  Blätter  übereinstimmend  mit- 
teuen,  soll  Prof.  A  bderhalden  seine  Ablehnung  mit  den  nicht 
entsprechenden  Einrichtungen  des  Wiener  pathologisch-chemischen 
Institutes  motiviert  haben;  auch  fürchte  er,  bei  der  grossen  Hörer¬ 
zahl  in  Wien  durch  die  Anforderungen  des  Unterrichtes  in  seinen 
wissenschaftlichen  Arbeiten  behindert  zu  werden.  —  Dr.  Walter  K  o  1  - 
m  e  r  hat  sich  als  Privatdozent  für  Histologie  habilitiert. 


(Todesfälle.) 

Der  Stadtbezirksarzt  a.  D.  Geh. 
75  Jahre  alt  in  Dresden  gestorben. 

Dr.  J.  W.  Kyger,  Professor  der 
versität  Kansas  School  of  Medicine. 


Medizinalrat  Dr.  N  i  e  d  n  e  r, 
Kinderheilkunde  an  der  Uni- 


LUDKcrmeaanie. 

Hie  zur  Erinnerung  an  unseren  verstorbenen  Vorsitzenden  ge- 
pragte  Medaille  ist  fertiggestellt  und  von  der  Wiirttembergischen 
Metallwarenfabrik  Mayer  &  Wilhelm  in  Stuttgart  zu  beziehen. 

ei  reis  eines  silbernen  Exemplars  ist  auf  5  M.,  der  eines  bronzenen 
auf  3  M.  festgesetzt,  zuzüglich  20  Pf.  Porto.  Bei  Bestellungen,  denen 
der  Betrag  nicht  beigefügt  ist,  wird  angenommen,  dass  Postnach¬ 
nahme  erwünscht  sei. 

Der  Geschäftsausschuss  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  April  1913. 


Iststärke  des  Heeres: 

71357  Mann,  208  Kadetten,  148  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unteroffiz.- 

vorschüler 

i.  Bestand  waren 

am  31.  März  1913: 

1314 

3 

2.  Zugang: 

1  im  Lazarett: 

1414 

10 

13 

j  im  Revier: 

1235 

( in  Summa: 

2649 

10 

13 

lm  ganzen  sind  behandelt: 

3963 

10 

16 

°/oo  der  Iststärke: 

55,5 

48,1 

108,1 

dienstfähig: 

2493 

9 

12 

°/oo  der  Erkrankten: 

629,1 

900,0 

750,0 

gestorben: 

8 

*/ «o  der  Erkrankten: 
dienstunbrauchbar : 

2,0 

-  — 

— 

3.  Abgang:  < 

mit  Versorgung: 

24 

_ 

_ 

ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 

4 

entlassen : 

21 

_ 

anderweitig: 

110 

_ 

_  4 

in  Summa: 

2660 

9 

12 

4.  Bestand 

in  Summa: 

1301 

1 

4 

bleiben  am  J 

°/oo  der  Iststärke: 

18,3 

4,8 

27,0 

30.  April  1913: 

davon  im  Lazarett: 

1057 

1 

4 

davon  im  Revier: 

246 

— 

— 

d,  *  Von..den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Blutvergntung  1,  Lungentuberkulose  1,  Knochentuberkulose  1,  Lungen¬ 
entzündung  1,  Bi  ustfellentzündung  1,  septischer  Mandelentzündung  1 
Blinddarmentzündung  1  und  Wirbelsäulenbruch  1. 

Ausserdem  starb  1  Mann  ausserhalb  der  militärärztlichen  Be¬ 
handlung  infolge  Erhängens. 

Dei  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  April  9  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  22.  Jahreswoche  vom  25.  bis  31.  Mai  1913. 

Bevölkerungszahl  622  U00. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  11  (11  *),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  5  (1),  Kindbettfieber  —  (—), 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  2  (— ),  Scharlach  -  (1), 
Masern  u.  Röteln  3  (  ),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (2),  Keuchhusten  1  (1), 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus) akut.  Gelenkrheumatismus  -(1), 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut, 
Trichinenkrankh.  -  (-),  Rose  (Erysipel)  -  (-),  Starrkrampf  -  (-), 
Blutvergiftung  1  {-),  Tuberkul.  der  Lungen  14(30),  Tuberkul.  and.  Org 
(auch  Skrofulöse)  2  { 3 ),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  —  ( — ),  Lungen- 
entzünd.,  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  11  (17),  Influenza  1  (— ),  veneri¬ 
sche  Krankh.  3  (2),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber, 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
heber  usw.  —  (1),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  3  (1),  Alkoholis- 
mus  —  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  3  (4),  sonst.  Krankh. 
d.  Atmungsorgane  3  (4),  organ.  Herzleiden  16  (14),  Herzschlag,  Herz- 
lahrnung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Qrundleidens)  4  (1),  Arterienverkalkung 
3  (2),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  3  (4),  Gehirnschlag  10  (8), 
Geisteskrankh.  1  ( — ),  Krämpfe  d.  Kinder  5  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven- 
Systems  7  (7),  Atrophie  der  Kinder  3  (5),  Brechdurchfall  4(1),  Magen- 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  11  (7),  Blinddarm- 
m1.i  oTöi’  Kranich,  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
Milz  2  (2),  sonst.  Krankh.  d,  Verdauungsorg.  5  (5),  Nierenentzünd.  1  (9), 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u  Geschlechtsorg.  3  (3),  Krebs  14  (13),  sonst. 
Neubildungen  1  (4),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  —  (1),  Krankh  der 
Bewegungsorgane  1  U),  Selbstmord  2  (3),  Mord,  Totschlag,  auch 
Hmncht.  1  (— ),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  10  (3), 
and.  benannte  Todesursachen  2  (6),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  —  (— ) 
Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  173  (180). 


Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

VerUl£  V0U  J-  F  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdrucke™  A.Q..  München. 


Dir  MtüMhatai  Medixini* *chc  W  och  rn»ch  rift  erscheint  wöchentlich 
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MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zn  adressieren  : 

Ffir die  Redaktion  Amnlfstr.2Ö.  Bürozeit  der  Redaktion  P/,~  1  Ifhr 
Für  Abonnement  an  I.  F.  Lehmann’s  Verlag,  Pani  He^sestrasse  21. 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Theatinerstrasse  H. 


Medizinische  Wochenschrift 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  25.  24.  Juni  1913. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  26. 


60.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Die  Differentialdiagnose  der  Pocken*). 

Von  Dr.  C  h.  B  ä  u  m  1  e  r,  Prof.  emer.  der  med.  Klinik,  Wirkl. 

Geh.  Rat  in  Freiburg  i.  Br. 

M.  H.!  Zwei  Umstände  legten  es  mir  nahe,  über  die 
Differentialdiagnose  der  Pocken  vor  Ihnen  zu  sprechen: 
erstens  und  vor  allem  die  Vorkommnisse,  die  gerade  vor 
einem  Jahre  an  verschiedenen  Orten  in  Baden,  unter  diesen 
auch  hier  in  Freiburg,  einige  Aufregung  hervorriefen,  dann 
aber  die  sich  mir  bietende  Gelegenheit,  Sie  mit  einem  Werke 
bekannt  zu  machen,  in  welchem  die  in  Betracht  kommenden 
diagnostischen  Fragen,  namentlich  hinsichtlich  der  bei  den 
Pocken  vorkommenden  Ausschläge,  in  so  erschöpfender 
Weise  behandelt  sind,  wie  es  bis  jetzt  nirgends  der  Fall  ge¬ 
wesen  ist.  Ein  englischer  Arzt,  Dr.  F.  T.  R  i  c  k  e  1 1  s,  ärzt¬ 
licher  Aufsichtsbeamter  der  Londoner  Pockenhospitäler,  hat 
die  ausgedehnten  Erfahrungen,  die  er  seit  vielen  Jahren  in 
seiner  Stellung  sammeln  konnte,  unterstützt  durch  seinen 
Kollegen  Dr.  J.  B  y  1  e  s,  der  die  photographischen  Dar¬ 
stellungen  lieferte,  in  dem  bereits  1908  erschienenen  Buch 
„The  diagnosis  of  smallpox“  niedergelegt.  Auf  1 10 
gewöhnlichen  und  12  Farbenphotographien  sind  die  bei  den 
Pocken  und  bei  einigen  anderen  Krankheiten,  die  am  häufigsten 
zu  Verwechslung  mit  ihnen  Veranlassung  geben,  vorkommen¬ 
den  Erscheinungen  an  der  Haut  dargestellt.  Das  Werk,  um 
dessen  Erscheinen  in  deutscher  Sprache  ich  mich  bemühen 
werde,  ist  auf  meinen  Antrag  der  hiesigen  Universitäts¬ 
bibliothek  einverleibt  worden  und  damit  Ihnen  zugänglich 
gemacht. 

Lassen  Sie  mich  Ihnen  zunächst  den  allgemeinen 
Verlauf  der  Pockenerkrankung  an  einigen  Temperatur¬ 
kurven  ins  Gedächtnis  zurückrufen.  (Einige  typische  Kurven 
nach  Ricketts  und  Byles,  Curschmann  [Variola  mit 
Eiterungsfieber],  V  a  r  i  o  1  o  i  d  [ohne  solches]  nach  Wunder¬ 
lich,  Kurven  von  geimpfter  Variola  und  von  Vak¬ 
zine  werden  projiziert.)  Bei  Variola  vera,  wie  sie  an  nicht 
Geimpften  oder  bei  solchen,  bei  denen  der  Impfschutz  voll¬ 
kommen  erloschen  ist,  als  schwere  Erkrankung  mit  der  Aus¬ 
schlagsform  der  „V.  confluens“  auftreten  kann,  sehen  wir  nach 
12 tägiger  Inkubationszeit  plötzlich  unter  heftigen 
Allgemeinerscheinungen,  nicht  selten  mit  Erbrechen,  hohes 
Fieber  mit  besonders  heftigen  Kreuzschmerzen  auf¬ 
treten.  Dieses,  von  Ricketts  und  Byles  als  „t  o  x  ä  mi¬ 
sch  e  s“  bezeichnete  Fieber  dauert  3 — 4  Tage,  ist  nicht  bloss, 
wie  hohes  Fieber  bei  anderen  Infektionskrankheiten,  von  einer 
allgemeinen  gleichmässigen  Hautrötung,  sondern  häufig  von 
einem  ganz  besonders  starken,  nicht  selten  hämorrha¬ 
gischen  Erythem  in  der  Unterbauch-  und  der  I  n  - 
guinalgegend  begleitet,  das  Theod.  Simon  zuerst 
genauer  beschrieben  hat.  Es  wird  daher  auch  als  Simon- 
sches  Erythemdreieck  bezeichnet.  Ausser  diesem  kommt  aber 
namentlich  bei  durch  Vakzination  noch  teilweise  immun  ge¬ 
bliebenen  Kranken  auch  ein  über  den  ganzen  Körper 
sich  ausbreitendes  fleckiges  Erythem,  manchen 
Arzneierythemen  ähnlich,  vor. 

Im  Laufe  des  3.  Krankheitstages  beginnt,  zuerst  im  Ge¬ 
sicht  und  am  behaarten  Kopf,  der  Ausschlag  sich  zu  ent¬ 
wickeln  und  während  das  Fieber,  meist  schon  am 
4.  Tag  bedeutend,  in  leichten  Fällen  (Variolois)  bis 
zur  Fieberlosigkeit  zurückgeht,  breitet  sich  der- 


*)  Nach  einem  im  Verein  Freiburger  Aerzte  gehaltenen  Vor¬ 
trag. 

No.  25. 


selbe  rasch  aus,  spärlicher  am  Rumpf,  namentlich  an 
dessen  Vorderseite,  reichlicher  gegen  die  E  n  d  t  e  i  1  e  der 
Glieder  hin,  erst  in  Form  rasch  wachsender  Knötchen,  die  sich 
verbreitern  und  durch  Austritt  von  Serum  unter  die  Epi¬ 
dermis  flache,  meist  in  der  Mitte  vertiefte  (gedellte),  gefächerte 
Bläschen  mit  infiltrierter  Basis  bilden.  Am 
5.  Krankheitstag  ist  der  Ausschlag  gewöhnlich  voll  entwickelt, 
der  Kranke  dabei  ganz  oder  nahezu  fieberlos.  Während  nun 
der  Inhalt  der  Bläschen  sich  schnell  trübt  und  unter  gleich¬ 
zeitiger  stärkerer  Schwellung  der  ganzen  mit  Ausschlag  be¬ 
deckten  Haut  aus  den  Bläschen  Pusteln  werden,  be¬ 
ginnt  die  Temperatur  aufs  neue  anzusteigen. 
Es  folgt  unter  dem  Ausreifen  der  Pusteln  und  ihrer  Eintrock¬ 
nung  und  Verkrustung  das  in  günstig  verlaufenden  Fällen  8  bis 
10  Tage  dauernde,  oft  noch  höhere  Grade  als  das  anfängliche 
toxämische  Fieber  erreichende  lytisch  abfallende  Eite¬ 
rungsfieber. 

Für  den  Arzt,  der  einen  Pockenfall  von  Anfang  an  zu 
beobachten  Gelegenheit  hat  und  der  darauf  vorbereitet  ist, 
dass  es  sich  um  Pocken  handeln  könnte,  weil  am  Orte  oder  in 
der  Gegend  Pockenfälle  Vorkommen,  ist  die  Diagnose  vom 
4.  oder  5.  Tage  an  leicht.  Wo  die  Möglichkeit  der  Ansteckung 
klar  ist,  kann  unter  Berücksichtigung  der  Inkubationszeit 
schon  am  1.  oder  2.  Krankheitstag  mit  grosser  Wahrschein¬ 
lichkeit,  bei  Vorhandensein  des  Simon  sehen  Erythems  mit 
Sicherheit  die  Diagnose  gestellt  werden.  Eine  sehr  wichtige 
Unterstützung  leistet  dabei  die  B  1  u  t  u  n  t  e  r  s  u  c  h  u  n  g.  Von 
Anfang  an  ist  nach  den  Untersuchungen  von  R.  Pick  (1898), 
von  Courmont  und  Montagnard  (1900),  von  E.  Weil 
(1901),  von  O.  Naegeli1)  Leukozytose  vorhanden,  im 
Stadium  der  Pustelbildung  noch  vermehrt.  Als  den  Pocken, 
und  zwar  schon  im  Anfangsstadium,  ja  in  der  Inkubation  eigen¬ 
tümlich  ist  dabei  die  grosse  Zahl  der  grossen  mono¬ 
nukleären  Leukozyten  (Ehrlich)  oft  in  ausser¬ 
ordentlich  grossen  Exemplaren  (Naegeli).  Dieselben 
können  40 — 45  Proz.  der  Leukozyten  ausmachen.  Auch 
prachtvolle  Myelozyten,  eosinophile  wie  neutrophile, 
kommen  besonders  im  Beginn  der  Eiterung  vor,  auch 
Normoblasten  sind  keine  Seltenheit  (Naegeli).  Die 
grosse  diagnostische  Wichtigkeit  dieser  Blut¬ 
befunde  wird  durch  die  Angabe  Courmonts  erwiesen,  dass 
er  alle  zweifelhaften  Fälle  ohne  jede  Ausnahme  nach  dem 
Blutbild  richtig  diagnostiziert,  und  dass  er  in  keinem  einzigen 
Fall  von  Pocken  diesen  charakteristischen  Blutbefund  ver¬ 
misst  habe.  Naegeli  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bei 
Kindern  eine  hohe  Zahl  von  Mononukleären  an  sich  schon 
häufig,  und  dass  dann  die  Kombination  mit  zahlreichen  Myelo¬ 
zyten  und  Normoblasten  erst  entscheidend  sei. 

Im  Stadium  der  beginnenden  und  des  voll  ent¬ 
wickelten  Ausschlages  ergeben  sich  diagnostische 
Schwierigkeiten,  wenn  die  Anamnese  und  insbesondere  der 
Bericht  über  die  dem  Ausschlag  vorangegangenen  Erschei¬ 
nungen  mangelhaft  sind,  und  wenn  es  sich,  wie  bei  durch  vor¬ 
ausgegangene,  aber  nicht  mehr  genügend  schützende  Impfung 
so  häufig,  um  eine  modifizierte  Form  der  Pocken,  um 
Variolois,  handelt. 

Im  Stadium  der  Knötchenbildung  des  Ausschlags  können 
vor  allem  die  Masern  mit  Pocken  verwechselt  werden. 
Auch  bei  diesen  tritt  der  Ausschlag  erst  nach  mehrtägigem 
Fieber  und  nach  Rückgang  der  anfänglichen,  dann  aber 
während  der  Eruption  mit  raschem  Ansteigen 
der  Fiebererscheinungen,  gewöhnlich  am  4.,  nicht  wie  bei  den 
Pocken  am  3.  Krankheitstag  auf.  Auch  bei  den  Masern  ist  das 


*)  Blutkrankheiten  und  Blutdiagnostik.  Leipzig  1908,  S.  444. 

1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21 


1362 


üesicht  zuerst  befallen.  Namentlich  bei  jugendlichen  Er¬ 
wachsenen  haben  zuweilen  die  im  Gesicht  und  am  Hals,  insbe¬ 
sondere  aber  an  den  Handrücken  auftretenden  Masernefflores- 
zenzen  eine  so  ausgesprochene  Knötchen  form,  dass  an  einem 
Orte,  wo  Pocken  Vorkommen,  oder  zu  Zeiten,  wo  die  Möglich¬ 
keit  einer  Einschleppung  von  Pocken  vorhanden  ist,  der  Arzt 
leicht  in  den  Irrtum  verfallen  kann,  einen  solchen  Fall  als 
Pockenfall  zu  diagnostizieren.  W.  T.  Council  man2)  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  an  den  Pockenknötchen  von  An¬ 
fang  an  mit  einem  Vergrösserungsglas  schon  die  Bläschen¬ 
bildung  wahrgenommen  werden  könne.  Ricketts  und 
Byles  geben  an,  dass  noch  weit  häufiger  Pockenfälle 
mit  einem  über  den  ganzen  Körper  sich  verbreitenden  toxämi- 
schen  fleckigen  Erythem  zunächst  für  Masern  gehalten 
wurden.  Für  Masern  haben  wir  aber,  wenn  bereits  ein 
Ausschlag  vorhanden  ist,  der  Zweifel  erregen  kann,  ein  ausser¬ 
ordentlich  wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel  in  der  bei 
ihnen  so  besonders  stark  ausgesprochenen  Diazoreak- 
t  i  o  n  des  Harns.  Die  gleichfalls  für  die  Maserndiagnose  wich¬ 
tigen  Koplik  sehen  Flecke  in  der  Wangenschleimhaut 
sind  gewöhnlich  schon  verschwunden,  wenn  ein  deutlicher 
Hautausschlag  vorhanden  ist.  Für  den  Masernaus¬ 
schlag  ist  ganz  kürzlich  eine  ähnlich  sorgfältige  Studie, 
wie  die  von  R.  und  B.  für  den  der  Pocken,  von  Freih.  v.  Pir¬ 
quet3)  veröffentlicht  worden. 

Von  ery  thematösen  und  papulösen  Ausschlags¬ 
formen  können,  wenn  Pockenverdacht  in  der  Luft  liegt,  Fälle 
von  Urtikaria,  bei  Bläschen-  und  Pustelausschlä¬ 
gen  Fälle  von  Erythema  multiforme  und  solche  mit  septischen 
Pusteln,  vor  allem  aber  syphilitische  Exantheme  Aehn- 
lichkeit  mit  Pocken  darbieten.  Um  zu  einem  sicheren  Urteil 
zu  gelangen,  die  bei  Pocken  notwendigen  prophylaktischen 
Massnahmen  nicht  zu  versäumen,  anderseits  aber  auch  nicht 
Unnötiges  anzuordnen,  wo  keine  Pocken  vorliegen,  ergibt  sich, 
w  o  immer,  sei  es  durch  das  Krankheitsbild  allein,  sei  es  durch 
Nebenumstände,  der  Gedanke  an  Pocken  wachgerufen  wird, 
für  den  Arzt  die  Pflicht,  auf  das  sorgfältigste  die  Anamnese 
unter  Berücksichtigung  der  Inkubationszeit  der 
Pocken,  die  Eieberverhältnisse,  bei  vorhandenem 
Ausschlag  dessen  Form  und  Verteilung  über  den 
K  ö  r  p  e  r,  die  Begleiterscheinungen  in  der  Mund-  und  Rachen¬ 
höhle,  an  den  Atmungsorganen  und  am  Herzen  (Endokarditis 
septica ! ),  an  der  Milz  und  den  Lymphknoten  am  ganzen 
Körper  (Syphilis!)  zu  erheben. 


d  Bei  der  Syphilis  sind  es  nicht  sowohl  im  Entstehen  begriffen! 

apeln,  die  im  Anfang  einige  Aehnlichkeit  mit  beginnenden  Pockei 
naben  können,  als  vielmehr  die  viel  selteneren  vesikulären  um 
P  us  tu  losen  Ausschläge,  deren  Ausbruch  ganz  akut  und  mi 
zuweilen  hohem  F  i  e  b  e  r  verbunden  sein  kann.  Aber  diese; 
rieber  zeigt  nicht,  wie  das  im  Beginn  der  Pocken,  einen  Rück- 
gang,  _  wen  n  der  Ausschlag  erscheint,  es  ist  zuweiler 
von  Anfang  an,  und  dann  oft  für  lange  Dauer,  stark  remittierend,  e; 
Kann,  wie  m  einem  von  mir  beobachteten  Falle,  einer  Malaria- 
mtermittens  ähnlich  verlaufen.  Syphilitische  Ausschläge  unterscheider 
jjj“’  T>ag,die  einzelne  Effloreszenz  noch  so  grosse  Aehnlichkeit  mii 
einer  Pockenpapel  oder  Pustel  haben,  vor  allem  dadurch,  dass  die 
-ruption  nicht  rasch,  in  2 — 3  Tagen,  abgeschlossen  ist. 

RCuhuj]Weiu  e  sr,ch  fortsetzt,  wenn  sie  nicht  durch  spe¬ 
zifische  Behandlung  beeinflusst  wird.  Damit  hängt  es  auch  zu- 

daSS  verschie,dene  Formen  und  Entwicklungsstadien 
d)T ,  E t tl oreszenze n  zu  gleicher  Zeit  sichtbar  sind.  Zu  be¬ 
achten  ist  ferner,  dass  syphilitische  Ausschläge  häufig  über  den 
lzen  Körper  verbreitet,  auch  an  den  Stellen  sich  finden, 
d  e  vom  Pockenausschlag  gewöhnlich  verschont 
Ei  ® 1  b,?  n’“?d  das1s  sie  oft  g  r  u  p  p  e  n  w  e  i  s  e  auftreten.  Schwierig 
lrdle  Entscheidung  werden,  wenn,  wie  in  einem  Falle,  den  ich 

Ausschlacr  V  Hi?  In -Pforzbef‘m  sah-  ein  syphilitisch  Kranker  mit 
Fr.rnrmnlm  Pocken  in  modifizierter  Form  mit  nicht  reichlicher 
hpHPHp°rnFmk0rnmt'  n  diesem  Balle  konnte  wegen  der  Verschieden¬ 
heit  der  Effloreszenzen,  von  denen  viele  ein  von  Pockeneffloreszenzen 

fP^mmndeS  ;VerhaIteT  zeigten, .  dann  aber  einerseits  wegen  der 
Ps‘selba^n,  für  eine  1  ockeninfektion  sprechenden  anam- 
nes  tischen  Momente,  anderseits  wegen  der  leicht  nachzuweisen- 
•ckn  anderweitigen  syphilitischen  Erscheinungen  die  Diagnose  auf 
das  gleichzeitige  Vorhandensein  beider  Krank- 

Pockenkranken  isoliert”*  ^  Kra'nke  War  “nd  blieb  mit  den  llbri«" 


2)  Ar‘ike'  Smallpox  in  W.  Oslers  und  Th.  McCraes 
Sj  stem  of  Medecine.  Vol.  II,  S.  294. 

Ereih.  v.  Pirquet:  Das  Bild  der  Masern  auf  der  Haut. 


Bleiben  Zweifel  bestehen,  so  müssen  die  Massnahmen  gt 
troffen  werden,  die,  wenn  die  weitere  Beobachtung  den  Fa 
als  eine  Pockenerkrankung  feststellt,  nichts  Notwendig! 
haben  versäumen  lassen.  Sehr  grosse  Schwierigkeiten  für  d 
Diagnose  können  sich  zuweilen  ergeben,  wenn  herun 
wandernde  Arbeitsuchende,  insbesondere  Ausländer  mit  nicl 
zu  verstehender  Sprache,  erkranken  und  dem  Arzt  zur  En 
Scheidung  vorgeführt  werden.  In  solchen  Fällen  ist  zunäch- 
strengste  Isolierung  notwendig,  bis  die  weitere  Beobachtun 
Klarheit  geschaffen  hat. 

Auf  eine  mit  einem  Bläschenausschlag  einhergehende  Ii 
fektionskrankheit,  die  in  Ländern,  in  welchen  Pocken  noc 
häufiger  Vorkommen,  oder  da,  wo  Verdacht  auf  Pockeneir 
Schleppung  besteht,  eine  grosse  diagnostische  Wichtigkeit  bt 
sitzt,  die  Varizellen,  will  ich  erst  nachher  zu  spreche 
kommen,  wenn  ich  Sie  mit  den  von  Ricketts  und  Byle 
in  den  Vordergrund  ihrer  Darstellung  gebrachten  Merkmale 
des  Pockenausschlages  bekannt  gemacht  habe.  Vorher  abe1 
lassen  Sie  mich  Ihnen  eine  kurze  Schilderung'  des  hiesige 
Pockenvorkommnisses  im  vorigen  Jahr  gebe 
und  einige  allgemeine  Bemerkungen  vorausschicken. 

An  Orten,  die  wie  Freiburg  i.  Br.  nahe  den  Grenzen  vo, 
Ländern  gelegen  sind,  in  welchen  der  Impfzwang  nicht  si 
streng  gehandhabt  wird,  wie  im  Deutschen  Reich,  ist  die  Ge 
fahr  einer  Einschleppung  der  Pocken  nie  ganz  ausgeschlossen 
Wir  haben  hier  von  Zeit  zu  Zeit  Gelegenheit  gehabt,  dies  zi 
erfahren,  indem  namentlich  aus  der  Schweiz  und  über  dai 
Eisass  aus  Frankreich  teils  schon  an  Pocken  Erkrankte,  teil: 
noch  in  der  Inkubationszeit  Befindliche,  bei  denen  erst  hiefl 
die  Krankheit  zum  Ausbruch  kam,  in  die  Klinik  aufgenommer 
werden  mussten.  Ein  derartiger  Fall,  ich  glaube,  es  war  dei 
letzte,  der  noch  unter  meiner  Leitung  der  Klinik  zur  Beob 
achtung  kam,  war  besonders  bemerkenswert. 

Eine  36jähr.  Frau,  die  in  Berlin  ein  kleines  Ladengeschäft  betrieb 
var  zur  Erholung  mit  ihrem  9 jähr.  Sohn  nach  Luzern  gereist 
Nach  längerem  Aufenthalt  daselbst  kam  sie  am  15.  Mai  1893  auf  der 
Ruckreise  nach  Berlin  hierher  und  wollte  sich  hier  noch  einige 
tage  aufhalten.  Am  20.  Mai  erkrankte  sie  hier  mit  Fiebererschei¬ 
nungen  und  als  am  22.  Mai  ein  Ausschlag  auftrat,  wurde  von  den 
nausleuten  ein  Arzt  gerufen,  der  jedoch  erst,  nachdem  der  Ausschlag 
pustulös  geworden  war,  Verdacht  schöpfte,  dass  es  sich  um  Pocken 
handeln  könnte.  Erst  am  29.  Mai  wurde  sie  ins  Nothospital,  das 
hier  im  Jahre  1871  speziell  für  Pockenfälle  errichtete  Haus,  einge- 
liefert.  Das  bereits  vorhandene  Eiterungsfieber  ging  mit  Abend¬ 
temperaturen  bis  39,1  einher.  Erst  am  18.  Krankheitstage  war  die 
Kranke  fieberfrei  und  erst  Ende  Juni  konnte  sie  genesen  entlassen 
werden.  Die  zeitlichen  Verhältnisse  bewiesen,  dass  die  Ansteckung 
in  Luzern  um  den  8.  Mai  stattgefunden  haben  musste.  Der  Sohn, 
der  stets  auch  noch  während  der  8  Tage  nach  der  Erkrankung  der 
Mutter,  also  noch  nach  voller  Entwicklung  des  Ausschlages,  das 
Zimmer  mit  der  Kranken  geteilt  hatte,  blieb  vollkommen  ge¬ 
sund,  da  er  durch  seine  erstmalige  Impfung  noch  geschützt  war 
Auch  eine  Weiterverbreitung  der  Krankheit  hat  damals  hier  nicht 
stattgefunden.  Dagegen  war  dies  der  Fall  gewesen  bei  einer  im 
Jahre  1880  geschehenen  Einschleppung  der  Krankheit  durch  einen  aus 
Bern  zugereisten  Arbeiter.  Derselbe  wurde  wegen  einer  Ver¬ 
letzung  am  Schienbein  in  die  hiesige  chirurgische  Klinik  ange¬ 
nommen.  Als  in  der  ersten  Nacht  Fieber  und  Kopfschmerz,  die  sich 
nicht  aut  die  Verletzung  am  Bein  zurückführen  Hessen,  auftraten, 
wurde  er  auf  die  medizinische  Klinik  verlegt.  Am  Tage  nach  der 
Verlegung  trat  ein  Ausschlag  auf,  der  alsbald  als  pockenverdächtig  zu 
erkennen  war.  Der  Kranke  wurde  nun  in  das  Notspital  verlegt  und 
machte  eine  leichte  Variolois  durch.  Die  Kurve  des  Falles  ist  in 
meinem  Artikel  Pocken  in  der  Deutschen  Klinik  am  Eingang 
des  20.  Jahrhunderts  auf  Seite  401  mitgeteilt.  Alle  Kranke  des 
-0  Betten  enthaltenden  Saales  und  alle,  die  mit  dem  Kranken  zu  tun 
gehabt  hatten,  wurden  geimpft.  Trotzdem  erkrankte  einer  derselben 
an  einer  sehr  leichten  Variolois,  ein  Studierender,  der  den  klini¬ 
schen  Vorstellungen  des  Kranken  im  Notspital  beigewohnt  hatte,  ohne  | 
sich  vorher  impfen  zu  lassen,  bekam  eine  mittelschwere  Form  von 
Variola  confluens,  die  zahlreiche  entstellende  Narben  im  Gesichte 
hinterliess. 

In  den  letzten  Jahren  sind  nun  nicht  nur  an  den  den 
Grenzen  des  Reiches  nahegelegenen  Orten,  sondern  auch 
im  Herzen  Deutschlands  mehrfach,  nicht  bloss  ver¬ 
einzelte  Pockenfälle,  sondern,  wie  z.  B.  in  Frankfurt  a.  M., 
kleine  örtliche  Epidemien  vorgekommen.  Dies  ist  nicht  zu 
verwundern,  wenn  man  die  heutigen  Verkehrsverhältnisse,  die 
Verschiebungen  von  oft  grösseren  Arbeitermassen  aus  ent¬ 
fernten,  namentlich  östlichen  Gegenden  und  den  Umstand  in 
Betracht  zieht,  dass  die  Inkubationszeit  der  Pocken 
bis  zum  ersten  Auftreten  von  Krankheitserscheinungtn 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1363 


12  I  a  £  e  beträgt  und  dass  Impfung  und  Wiederimpfung  zwar 
einen  ausserordentlich  hohen,  aber  doch  nur  einen  zeitlich  be¬ 
schränkten  Schutz  gewähren. 

Zur'  Einschleppung  der  Krankheit  durch  ausländische  Ar¬ 
beiter  gehörten  nun  auch  die  Pockenerkrankungen  in  ver¬ 
schiedenen  badischen  Amtsbezirken  im  vorigen  Jahr 
und  die  Verschleppung  hierher  nach  Freiburg  in  der  zweiten 
Hälfte  April  1912.  Als  einer  der  wenigen  hiesigen  Aerzte,  die 
eigene  Erfahrungen  über  die  Pocken  haben,  wurde  ich  am 
22.  April  von  Herrn  Dr.  Otto,  der  für  den  auf  einer  Reise 
abwesenden  Herrn  Prof.  I)r.  Schüle  die  innere  Abteilung 
des  Diakonissenhauses  versah,  eine  Kranke  anzusehen  ge¬ 
beten,  bei  der  sich  nach  mehrtägigem  hohen  Fieber  ein  pocken¬ 
verdächtiger  Ausschlag  entwickelt  hatte.  Schon  nach  dem 
Aussehen  des  Ausschlages,  der.  als  ich  ihn  zu  sehen  bekam, 
bereits  in  das  Stadium  der  ausgesprochenen  Bläschenbildung 
eingetreten  war,  konnte  kein  Zweifel  bestehen,  dass  es  sich 
um  Pocken  handelte.  Herr  Dr.  Otto  hatte  die  Frau,  die  mit 
einem  Bediensteten  des  Diakonissenhauses  verheiratet  ist, 
aber  nicht  in  diesem,  sondern  in  der  Nachbarschaft  wohnte, 
alsbald  nach  dem  Erkranken  in  das  Diakonissenhaus  aufge¬ 
nommen  und  isoliert.  Es  ergab  sich  nun  aber  nach  Fest¬ 
stellung  der  Diagnose  die  sehr  wichtige  Frage  nach  der 
Quelle  der  Ansteckung.  In  Freiburg  und  insbesondere 
im  Diakonissenhaus  war  damals  kein  verdächtiger  Fall  vor¬ 
gekommen.  War  etwa  die  Frau  in  der  Zeit,  die  für  ihre  An¬ 
steckung  in  Betracht  kam,  also  12  Tage  vor  dem  ersten  Auf¬ 
treten  von  Krankheitserscheinungen,  14  Tage  vor  Ausbruch 
des  Ausschlags  in  Form  von  Knötchen,  irgendwo  auswärts 
gewesen?  Dies  war  nicht  der  Fall.  Oder  hatte  sie  von  irgend 
woher  Gegenstände  geschickt  erhalten,  die  etwa  mit  Pocken¬ 
kranken  in  Berührung  gekommen  sein  konnten?  Durch  Nach¬ 
fragen  in  dieser  Richtung  erfuhr  man,  dass  sie  an  Ostern,  und 
zwar  am  b.April,  von  einer  in  Pforzheim  wohnenden  Schwe- 
;  ster  eine  Sendung  bekommen  hätte,  enthaltend  Ostereier  und 
einen  Unterrock,  den  diese  Schwester,  die  im  Kinder spital 
in  Pforzheim  tätig  war,  vorher  getragen  hatte.  In  dieses 
Kinderspital  war  nun  anfangs  April  ein  Kind  von  Leuten,  die 
in  Mühlacker  in  einer  Ziegelfabrik  beschäftigt  waren,  wegen 
vermeintlicher  Masern  aufgenommen  worden,  die 
sich  aber  bald  als  P  o  c  k  e  n  entpuppten.  Mit  der  Pflege  dieses 
Kindes  hatte  die  Schwester  nichts  zu  tun  gehabt,  sie  war  viel¬ 
mehr  in  der  Küche  beschäftigt,  aber  sie  war  auch  in  das 
Krankenzimmer  des  Kindes  gekommen.  Rechnet  man  nun  zu 
der  Zeit  des  Empfangs  der  Sendung  am  6.  April  die  Inku¬ 
bationszeit  von  12  Tagen  hinzu,  so  ergibt  sich  der  18.  April, 
■also  genau  der  Tag,  an  welchem  die  ersten  Krankheits¬ 
erscheinungen  bei  der  hiesigen  Kranken  aufgetreten  waren. 
Zu  hohem  Fieber  hatten  sich  alsbald  heftige  Kreuz¬ 
schmerzen  gesellt,  am  Unterleib  trat  eine  inten¬ 
sive  Hautrötung  auf,  und  am  20.  April,  dem  3.  Krank¬ 
heitstag,  war  der  papulöse  Ausschlag  im  Gesicht  und  an 
den  Vorderarmen  erschienen.  Am  22.  April,  als  ich  die  Kranke 
sah,  waren  die  einzelnen  Effloreszenzen  an  allen  befallenen 
Stellen  bereits  in  typischer  Bläschenform  entwickelt.  Auch 
die  Verteilung  des  Ausschlags  bot  einige  sehr  charak¬ 
teristische  Merkmale.  Es  waren  nämlich  ausser  dem  mässig 
befallenen  Gesicht  die  Körperteile,  an  welchen  infolge 
der  Beschäftigung  oder  des  Druckes  von 
Kleidungsstücken  eine  stärkere  Blutfüllung 
der  Haut  sich  ausgebildet  hatte,  ganz  besonders 
dicht  mit  Ausschlag  bedeckt.  Dies  waren  besonders  die 
Vorderarme  und  Hände,  welche,  da  die  Frau  sich  viel 
mit  Waschen  beschäftigt  hatte,  eine  stärker  durchblutete  Haut 
darboten,  und  dann  die  Stellen  an  den  Unterschenkeln, 
an  welchen  oberhalb  der  Knöchel  der  Rand  der  Stiefel 
einen  stärkeren  Druck  ausgeübt  hatte.  Dort 
bildeten  dicht  stehende  Effloreszenzen  jederseits  einen 
mehr  als  zwei  Finger  breiten  Ring,  während  oberhalb  nur 
wenige,  unterhalb  eine  etwas  grössere  Zahl  vereinzelter 
Effloreszenzen  sich  fand. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  hatte  ich  im  Jahre  1871,  als  ich 
in  London  als  Arzt  tätig  war,  bei  einer  an  Pocken  erkrankten 
deutschen  Dame  in  der  Mitte  der  Oberarme  einen 
schmalen  Ring  dicht.st.ehe.nder  Pockenpusteln,  ent¬ 


sprechend  der  Stelle,  an  welcher  der  dichter  gestrickte 
Aermelrand  der  Unterjacke  dem  Arm  etwas  fester  angelegen 
und  eine  stärkere  Reibung  verursacht  hatte,  beobachtet.  Eine 
derartige  Bevorzugung  chronisch  gereizter  Hautstellen  ist 
gewiss  schon  von  manchem  Arzt  gesehen  worden.  Dass  sie 
einem  so  ausgezeichneten  Beobachter  wie  Ferd.  Hebra  in 
Wien  nicht  entgangen  ist,  beweist  folgende  Stelle  aus  seinem 
mit  Kaposi  herausgegebenen  Lehrbuch  der  Hautkrank¬ 
heiten1):  „Einen  merklichen  Einfluss  auf  die  Menge  der 
Blattern  an  gewissen  Partien  üben  vorausgegangene  Be¬ 
schäftigungen,  oder  der  durch  gewisse  eng  anliegende  Klei¬ 
dungsstücke  und  Verbände  bedingte  Druck  der  betr.  Körper¬ 
teile“,  was  an  Beispielen  noch  weiter  ausgeführt  ist.  Aber 
es  ist  das  Verdienst  von  R  i  c  k  e  1 1  s,  auf  diese  Verhältnisse 
des  Ausschlages  und  überhaupt  auf  die  Verteilung  des¬ 
selben  über  den  Körper  und  auf  die  grosse  dia¬ 
gnostische  und  namentlich  auch  differential-dia¬ 
gnostische  Bedeutung  derselben  mit  Nachdruck  hinge¬ 
wiesen  und  durch  eine  grosse  Zahl  sehr  demonstrativer  Photo¬ 
graphien  sie  illustriert  zu  haben.  (Eine  Anzahl  derselben  wird 
epidiaskopisch  projiziert.) 

Erhebliche,  oft  grosse  Schwierigkeiten,  die  Pocken  nach 
ihrer  Haupterscheinung,  dem  Ausschlag,  zu  erkennen,  sind 
erst  aufgetreten,  seitdem  die  Krankheit  durch  die  Kuhpocken¬ 
impfung  bei  denen,  die,  wenn  geimpft,  überhaupt  noch  von 
ihr  befallen  werden,  in  vielen  Fällen,  namentlich  hinsichtlich 
des  Ausschlages,  so  sehr  verändert  und  abgeschwächt  worden 
ist,  was  ja  auch  in  der  Bezeichnung  „V  a  r  i  o  1  o  i  s“  seinen 
Ausdruck  gefunden  hat.  Auch  schon  bei  dem  der  Kuhpocken¬ 
impfung  vorausgegangenen,  in  der  Absicht,  namentlich  Kinder 
zu  einer  passenden  Zeit  die  Krankheit,  der  sie  doch  nicht  ent¬ 
gehen  würden,  durchmachen  zu  lassen,  zuerst  im  Orient  ge¬ 
übten  Impfverfahren  mit  Einimpfung  der  wahren 
Pocken  hat  man  eine  Abschwächung  der  Krankheit,  die  sich 
hauptsächlich  auch  in  der  Verminderung  der  Sterblichkeit 
äusserte,  beobachtet.  Einer  der  hervorragendsten  Aerzte 
Englands  zu  Ende  des  18.  und  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts, 
John  Haygarth3)  in  Chester,  woselbst  im  Jahre  1774  von 
14  713  Einwohnern  nur  1060  nie  Pocken  gehabt  hatten,  grün¬ 
dete  1778  dort  eine  Gesellschaft  zur  Förderung  dieser  „Ino- 
k  u  La  t  i  o  n“,  die  1721  von  Lady  Montague,  der  Gattin  des 
englischen  Gesandten  in  Konstantinopel,  von  dort,  wo  sie  sich 
schon  länger  eingebürgert  hatte,  nach  England  eingeführt 
worden  war.  Haygarth  gibt  an,  dass  seit  der  Gründung 
dieser  Gesellschaft  bis  zum  Jahre  1782  416  Inokulationen  ge¬ 
macht  wurden  mit  nur  2  Todesfällen.  Aber  nachdem  Edward 
Jenner  1796  die  Wirksamkeit  der  Kuh  Pockenimpfung 
für  Verhütung  der  Pockenansteckung  erwiesen  und  damit  die 
Vakzination  wissenschaftlich  begründet  hatte,  begrüsste 
Haygarth  dieselbe  als  „die  glücklichste  und  wohltätigste 
Verbesserung,  welche  die  medizinische  Wissenschaft  je  er¬ 
reicht  habe“. 

•  Durch  diese  verschiedenen  Impfverfahren,  insbesondere 
aber  durch  die  allgemeine  Verbreitung,  welche  die  Vakzi¬ 
nation  seit  einem  Jahrhundert  in  allen  zivilisierten  Ländern 
gewonnen  hat,  ist  der  Charakter  der  Pocken,  wenn  dieselben 
Vakzinierte  befallen,  ein  wesentlich  anderer  geworden. 
Hauptsächlich  sind  es  jetzt  die  Varizellen  mit  ihrem 
pockenähnlichen  Ausschlag,  wie  er  bei  sehr  leichten  Pocken¬ 
fällen  vorkommt,  die  mit  Pocken  verwechselt  werden  können. 

Auftreten,  Form  und  Verlauf  des  Ausschlages, 
nicht  zum  mindesten  aber  auch  seine  Verteilung  und 
Ausbreitung  über  den  ganzen  Körper  bilden  für  die  Vari¬ 
zellen  den  Pocken  gegenüber  sehr  wichtige  Unterscheidungs¬ 
merkmale.  Mit  oder  ohne  Fieber  spriessen  am  ersten  Tag 
der  Erkrankung  auf  umschriebenen,  nicht  infiltrierten 
roten  Flecken  sehr  rasch  steile,  einfache,  nicht  wie  bei  den 
Pocken  breite  zusammengesetzte"  (fächerige)  Bläschen  auf, 
deren  Inhalt,  kaum  getrübt,  eintrocknet.  Ihre  n  i  c  h  t,  wie  bei 
den  Pocken,  infiltrierte  Basis  ist,  wie  Ricketts  her¬ 
vorhebt  und  abbildet,  oft  nicht  kreisrund,  sondern  zuweilen 
zackig  und  an  Stellen,  an  welchen  die  Haut  Dehnungen  unter¬ 
worfen  ist,  oval.  Ueberhaupt  zeigen  die  Effloreszenzen 


4)  B.  I,  S.  216,  II.  Aufl.,  1872. 

5)  Brit.  med.  Journal  1913,  1.  III.,  mit  einem  Bild  Haygarth  s. 

U 


1364 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


eine  viel  grössere  Ungleichmässigkeit,  als  die  der  Pocken. 
Auftreten  und  Entwicklung  des  Ausschlages  sind  nicht  so 
schnell  vollendet  wie  bei  den  Pocken,  so  dass 
frische  Bläschen  und  verkrustete  zu  gleicher  Zeit  an 
verschiedenen  Stellen  des  Körpers  zu  sehen  sind.  Während 
bei  den  Pocken  das  Gesicht  verhältnismässig  am  meisten  be¬ 
fallen  ist,  der  Rumpf,  namentlich  an  der  Vorderseite  viel 
weniger,  die  Achselhöhlen  ganz  frei  bleiben,  sind  bei  den 
Varizellen  diese  Körperstellen  mehr  als  das  Gesicht,  die  Bauch¬ 
seite  des  Rumpfes  oft  mehr  als  die  Rückenseite,  und  ebenso 
auch  die  Achselhöhlen  mit  Effloreszenzen  besetzt.  Die  Ex¬ 
tremitäten  sind  bei  den  Varizellen  viel  weniger 
befallen  als  bei  den  Pocken  und,  gleichfalls  im  Gegensatz  zu 
oiescn,  die  distalen  Abschnitte  derselben  noch  weniger 
als  die  proximalen.  Da  es  sich  bei  beiden  Krankheiten  doch 
um  eine  auf  dem  Blutwege  zustande  kommende  örtliche  Rei¬ 
zung  der  Hautstellen,  an  welchen  Ausschlag  auftritt,  handelt, 
ist  es  auffallend,  dass  die  durch  ihre  Lage  oder  voraus¬ 
gegangene  Reizung  zum  Befallenwerden  bei  den  Pocken 
bevorzugten  Stellen  bei  den  Varizellen  oft  frei  bleiben. 
Weitere  Unterschiede  der  Varizellen  von  den  Pocken  sind  die 
verschiedene  Inkubationszeit  von  zwischen  13 
und  17  Tagen  (L.  Thomas,  Clem.  Dukes),  das  Fehlen  des 
den  Pocken  zukommenden  Blutbefundes,  das  Nicht¬ 
geschütztsein  vor  den  Pocken  durch  durchge¬ 
machte  Varizellen  und  umgekehrt. 

Die  Varizellen  sind  durchaus  nicht  eine  bloss  bei 
Kindern  vorkommende  Krankheit  und  namentlich  bei  Er¬ 
wachsenen  mit  derberer  Haut  kann  die  Entscheidung,  ob  es 
sich  um  Pocken  oder  Varizellen  handelt,  oft  sehr  schwierig 
sein.  R  i  c  k  e  1 1  s  und  B  y  1  e  s  haben  daher  auch  auf  mehreren 
Tafeln  Varizellen  bei  Erwachsenen  abgebildet. 

M.  H.l  Die  Wichtigkeit  einer  frühzeitigen  Erkennung 
eines  Pockenfalles  wird  durch  die  vorjährigen  Erfahrungen 
wieder  auf  das  Ernstlichste  eingeprägt.  Ausgehend  von  der 
Einschleppung  der  Krankheit  aus  Russisch-Polen  nach 
Mühlacker,  wo  sich  ein  wegen  häufigen  Ortswechsels  der 
Eltern  der  Impfung  entgangenes  Kind  befand,  wurde  die  Krank¬ 
heit  durch  dieses  Kind  nach  Pforzheim,  weiterhin 
in  die  AmtsbezirkeDurlach  und  Bühl,  in  letzterem  in 
die  Kreispflegeanstalt  Hub,  woselbst  23  Erkran¬ 
kungen  mit  4  Todesfällen  vorkamen,  nach  Karlsruhe  und 
Er  e  i  b  u  r  g,  mit  je  I  bezw.  2  Fällen,  verschleppt.  Im 
ganzen  kamen  im  Grossherzogtum  Baden  im  2.  und 
3.  Quartal  des  Jahres  1912,  auf  diese  eine  Quelle  in  Mühl¬ 
acker  zurückzuführen,  73  Erkrankungen  mit  8  Todesfällen, 
also  10,9  Proz.  der  Erkrankten  vor  °).  Da  heisst  es  also 
wachsam  sein.  Dies  ist  besonders  wichtig,  wenn,  wie  jetzt  im 
Balkan,  durch  einen  Krieg  Seuchenherde  geschaffen  worden 
sind,  von  denen  aus  nicht  bloss  Pocken,  sondern  auch  das 
Eieckfieber  und  die  Cholera  bei  dem  nach  Beendi¬ 
gung  des  Krieges  lebhaft  werdenden  Verkehr  von  und  nach 
jenen  Ländern  Verschleppung  namentlich  der  mit 
einer  langen  Inkubationszeit  einhergehenden  In¬ 
fektionskrankheiten,  wie  der  Pocken  und  des  Fl  eck - 
f  i  e  b  e  r  s,  sehr  leicht  möglich  ist.  Nach  den  in  der  Berliner 
klinischen  Wochenschrift  (1913,  No.  6  und  8)  aus  den  Ver¬ 
öffentlichungen  des  Reichsgesundheitsamtes  mitgeteilten  Sani¬ 
tätsberichten  wurden  in  Oesterreich  vom  19.  bis  25.  Ja¬ 
nuar  5  Pockenfälle,  von  Fleckfieber  77,  in  Ser¬ 
bien  bis  4.  Februar  von  F 1  e  c  k  f  i  e  b  e  r  320  mit  142  Todes¬ 
fällen  verzeichnet,  in  Oesterreich  vom  6.  bis  12.  April 
112  Fleckfieber  fälle,  aber  nur  1  Pockenfall  vom 
\  om  13.  bis  19.  April.  Die  österreichische  Regierung 
hat  bei  Triest  im  Seelazarett  San  Bartolomaeo  für  die  Tau- 
scnde  von  seinerzeit  aus  Bosnien  und  der  Herzegowina  in  die 
l  iirkei  ausgewanderten  Mohammedanern,  die  während  des 
Krieges  in  grösstem  Elend  wieder  in  ihrer  frühere  Heimat 
zurückkehren  wollten,  eine  Quarantänestation  und  Kranken¬ 
haus  eingerichtet,  in  welchem  die  ausschliesslich  auf 
dem  Seeweg  über  Salonichi  Zurückzubefördernden  Aufnahme 
tinden.  Von  Dr.  K.  P  o  t  p  e  s  c  h  n  i  g  g  -  Graz  und  den  Dok- 
toien  L.  A  i  z  t  und  W.  Karl-  Wien,  die  als  Aerzte  in  diesem 

Nach?ragei913  ^jjte7ilungen  3US  Und  fÜr  Baden-  Jahrgg>  m2’  No-  18> 


Lazarett  tätig  sind,  liegen  bereits  Berichte  über  anPocken- 
wie  an  Eieckfieberkranken  gemachte  Beob¬ 
achtungen7)  vor.  Die  bayerische  Regierung  hat,  im  Ein¬ 
verständnis  mit  dem  Reichskanzler,  die  Untersuchung  von 
Durchwanderern,  die  aus  Balkanländern  kommend,  nur  auf 
diesem  Wege  die  Grenze  überschreiten  dürfen,  auf  der  Grenz¬ 
station  Markt-Redwitz  angeordnet.  Nicht  nur  dem  Arbeiter¬ 
stand  angehörende,  sondern  Reisende  jeder  Art  können  in  Ge¬ 
genden,  in  denen  eine  erhebliche  Infektionsmöglichkeit  be¬ 
steht,  angesteckt  werden  und  in  der  Inkubationszeit  noch 
weite  Reisen  zurücklegen,  ehe  sie  erkranken,  und  Aerzte, 
die  an  Orten  tätig  sind,  die  am  Weltverkehr  liegen  und  viel 
besucht  werden,  wie  unsere  Stadt,  können  in  die  Lage 
kommen,  sich  mit  derartigen  Fällen  befassen  zu  müssen. 


Aus  dem  Seelazarett  San  Bartolomeo  und  dem  hygienischen 

Institut  Graz. 

Vorläufige  Mitteilung  über  bakteriologische  Befunde  bei 

Flecktyphus. 

Von  Prof.  Paul  Th.  Müller  in  Graz. 

Anlässlich  einer  unter  den  bosnischen  Rückwanderern, 
die  im  Seelazarett  San  Bartolomeo  bei  Triest  in  Quarantäne 
lagen,  ausgebrochenen  Flecktyphusepidemie  hatte 
ich  —  dank  der  Anregung  und  dem  Entgegenkommen  des 
ärztlichen  Leiters  des  Lazaretts,  Herrn  Dr.  Marius  Kaiser, 
Gelegenheit,  bakteriologische  Untersuchungen  über  den  Er¬ 
reger  dieser  Krankheit  anzustellen,  deren  Ergebnisse  ich  hier 
summarisch  mitteilen  möchte,  während  die  Einzelheiten  der 
Untersuchungen  in  einer  ausführlichen  Publikation  beschrieben 
werden  sollen. 

In  allen  untersuchten  Fällen  fanden  sich  bei  mikroskopi¬ 
scher  Durchmusterung  von  Giemsapräparaten  zeitweise  im 
Blute  spärliche  Diplokokken,  Diplobazillen,  isolierte  Kokken 
und  ovoide  Stäbchen  vor,  die  meist  mit  einer  schmalen  Kapsel 
umgeben  waren;  4  mal  wurden  diese  Bazillen  auch  bei  be¬ 
reits  entfieberten  Patienten  im  Blute  angetroffen. 

Die  kulturelle  Untersuchung  des  Blutes  von  11  Kranken 
ergab  5  mal  ein  positives  Resultat:  Wachstum  der  Diplo¬ 
bazillen  in  Bouillon.  Die  Weiterzüchtung  der  Stäbchen  auf 
festen  Nährböden  (Azsitesagar)  gelang  jedoch  nur  3  mal.  Die 
isolierten  Kulturen  zeigten  alle  Merkmale,  die  Fuerth  vor 
kurzem  (1912)  in  seiner  ausführlichen  Arbeit  über  den  Fleck¬ 
typhus  in  Tsingtau  beschrieben  hatte.  Es  handelt  sich  um 
ein  unbewegliches  Stäbchen,  das  je  nach  dem  Nährboden  auch 
fast  reine  Kokkenform  zeigen  kann,  mit  Vorliebe  zu  zweien 
oder  in  kurzen  Ketten  angeordnet  ist,  auf  Bouillon  zur  Bildung 
eigentümlicher  Degenerationsformen  neigt  (Keulen-  und  Hantel¬ 
formen,  Scheibenformen,  gewundene,  unregelmässig  verdickte 
Fäden),  zuerst  Gram-positiv  ist,  später  aber  meist  nach 
Gram  entfärbt  wird.  Auf  Agar  wächst  der  Bazillus  unmittel¬ 
bar  nach  seiner  Isolierung  nur  sehr  langsam  und  kümmerlich, 
besser  auf  Aszitesagar.  Nach  wiederholten  Ueberimpfungen 
zeigt  er  aber  auf  festen  Nährböden  ziemlich  üppiges  Wachs¬ 
tum,  nur  auf  Löfflerserum  gedeiht  er  schlecht.  In  Bouillon 
ruft  er  ganz  schwache  Trübung,  nach  längerer  Zeit  einen 
schleimigen  Bodensatz  hervor.  Gelatine  (auf  der  er  unmittel¬ 
bar  nach  seiner  Isolierung  überhaupt  nicht  anging),  wird  nicht 
verflüssigt,  Zuckerarten  werden  nicht  vergoren;  Lackmus¬ 
molke  und  die  Barsiekow sehen  Nährböden  werden  nicht 
verändert  oder  doch  nur  ganz  schwach  gerötet.  Die  Tier¬ 
pathogenität  der  Kulturen  ist  eine  sehr  geringe.  Mäuse  gehen 
nur,  wenn  sie  mit  enormen  Dosen  der  Bakterien  geimpft 
werden,  binnen  24  Stunden  zugrunde,  wobei  sich  die  Diplo- 
bazillenformen  im  Blut  und  allen  Organen  finden.  Ein  Kanin¬ 
chen  ging  nach  7  Tagen  ohne  positiven  Bazillenbefund  plötz¬ 
lich  ein.  Ein  mit  der  Kultur  geimpfter  Affe  zeigte  keine  be¬ 
sonderen  Krankheitserscheinungen;  allerdings  hatten  auch  2 
mit  Leichenblut  intraperitoneal  infizierte  Makaken  nicht  mit 
Temperaturschwankungen  reagiert. 

Nach  allem  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  in 
San  Bartolomeo  isolierten  Stäbchen,  die  übrigens  zum 
Teil  nur  eine  sehr  kurze  Lebensdauer  aufwiesen,  mit  den  von 


7)  Wiener  klinische  Wochenschrift  1913,  No.  20. 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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F  u  e  r  t  h,  Rabinowitsch,  eventuell  auch  mit  den  von 
Predtjetschensky  beschriebenen  Bakterien  identisch 
Sinf  iL  .  ,i 

Weitere  Untersuchungen  über  dieselben,  speziell  über  ihre 
Ausscheidung  mit  den  Sekreten  und  Exkreten  der  Kranken, 
sowie  über  Agglutinations-  und  Komplcmentbindungsreak- 
tionen  sind  im  Gange. 


Neues  über  das  Wesen  der  Ischias  und  neue  Wege 
für  die  operative  Behandlung  des  Leidens*). 

Von  Dr.  A.  Stoffel,  Spezialarzt  für  orthopädische  Chirurgie 

in  Mannheim. 

M.  H.!  Als  „Ischias“  definieren  unsere  neurologischen 
Lehrbücher  die  Neuralgie,  welche  den  N.  ischiadicus  und  seine 
Endäste  befällt.  Als  klinisches  Hauptsymptom  heben  sie  den 
ischialgischen  Schmerz  hervor,  der  dem  Verlaufe  des  Nerv, 
ischiadicus  folgend  durch  die  Glutäalgegend  und  die 
hintere  Fläche  des  Oberschenkels  bis  zur  Kniekehle  und  weiter 
ins  Peronealgebiet,  seltener  ins  Tibialisgebiet  hinabzieht.  Bei 
der  Behandlung  hört  man  von  Massnahmen,  die  auf  die  Beein¬ 
flussung  des  N.  ischiadicus  hinzielen. 

Ich  brauchte  diese  kurzen  Bemerkungen  nicht  voraus¬ 
zuschicken;  die  Tatsache,  dass  man  das  Leiden  als  „Ischias“, 
als  eine  Affektion  des  „N.  ischiadicus“  bezeichnete,  würde  ge¬ 
nügen,  um  klarzulegen,  dass  man  sich  den  erkankten  Nerven 
als  ein  Ganzes,  als  eine  Einheit  vorstellte.  In  sehr  deut¬ 
licher  Weise  kommt  diese  Auffassung  auch  durch  die  blutigen 
Massnahmen,  die  man  zur  Heilung  der  Ischias  in  Anwendung 
brachte,  zum  Ausdruck.  Bei  der  blutigen  Dehnung  hat  man 
den  N.  ischiadicus  freigelegt,  den  gekrümmten  Zeigefinger 
unter  ihn  geschoben  und  den  Patienten  daran  kräftig  hoch¬ 
zuheben  gesucht.  Weiter  kommt  die  Injektion  in  Betracht, 
bei  der  der  Nerv  als  ein  Ganzes  aufgefasst  wird.  Diesen  Ver¬ 
fahren  liegt  also  ein  Gedanke  zugrunde:  Der  N.  ischiadicus, 
der  ein  einheitliches  Gebilde  darstellt,  ist  erkrankt  und  wird 
daher  als  I  n  d  i  v  i  d  u  u  m,  als  ein  E  i  n  z  e  1  w  e  s  e  n  behandelt. 

Sind  wir  nun  mit  diesem  Gedankengang  und  den  darauf 
basierenden  blutigen  Behandlungsmethoden  auf  dem  richtigen 
Wege? 

Die  Ischias  ist  eine  Neuralgie.  Man  versteht  unter  Neu¬ 
ralgie  Schmerzen,  welche  durch  die  Erkrankung  eines  sen¬ 
siblen  Nerven  bedingt  sind.  Der  Name  Neuralgie  hat  also 
sowohl  eine  symptomatologische,  als  auch  eine  anatomische 
Bedeutung.  Also  sensible  Elemente  im  N.  ischiadicus 
sind  es,  die  erkrankt  sind,  und  die  die  Schmerzen  auslösen. 
Mit  der  Konstatierung  dieser  Tatsache  kommen  wir  für  die 
Auffassung  über  das  Wesen  der  Ischias  und  vor  allem  für  die 
Behandlung  des  Leidens  ein  gutes  Stück  vorwärts. 

Ehe  wir  diesem  Gedankengange  weiter  Raum  geben, 
wollen  wir  uns  zum  Vergleich  kurz  die  Verhältnisse  ver¬ 
gegenwärtigen,  die  wir  im  Gesicht  bei  der  Neuralgie  des  N. 
trigeminus  vorfinden. 

Die  sensiblen  Fasern  für  das  Gesicht  werden  von  den 
3  Aesten  des  N.  trigeminus  geliefert. 

Die  motorischen  Fasern  für  die  mimische  Gesichtsmusku¬ 
latur  sind  im  N.  facialis  enthalten.  Mithin  sind  sensible  und 
motorische  Fasern  im  Gesicht  streng  voneinander  getrennt. 
Handelt  es  sich  nun  um  neuralgische  Schmerzen  im  Gesicht, 
so  sprechen  wir  mit  vollem  Recht  von  einer  Neuralgie  des 
Trigeminus,  da  dieser  Nerv  rein  sensibler  Natur  ist  (auf  die 
dem  Ganglion  Gasseri  angelagerte  Portio  minor,  die  moto¬ 
rische  Fasern  enthält,  sei  hier  keine  Rücksicht  genommen). 
Wir  können  aber  den  Sitz  der  Neuralgie  noch  näher  analy¬ 
sieren,  da  die  Natur  den  N.  trigeminus  in  3  Aeste,  die  an 
verschiedenen  Stellen  den  Schädel  verlassen,  zerlegt  hat,  und 
wir  sprechen  daher  von  einer  Neuralgie  des  L,  2.  und  3.  Astes. 
Durch  die  anatomischen  Verhältnisse  sind  wir  also  im  Gesicht 
direkt  gezwungen,  motorische  und  sensible  Fasern  scharf  von 
einander  zu  trennen  und  die  Masse  der  sensiblen  Fasern  in 
3  Portionen  zu  zerlegen.  Der  Therapie  (ich  spreche  von  der 
operativen)  waren  von  vornherein  die  Wege,  die  sie  zu  gehen 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  dem  12.  Kongress  der  Deutschen  ortho¬ 
pädischen  Gesellschaft  Berlin,  Ostern  1913. 


hatte,  genau  vorgeschrieben.  Der  N.  facialis  kam  gar  nicht 
in  Betracht.  Am  Trigeminus  richtete  sich  der  Eingriff  dar¬ 
nach,  welcher  der  drei  Aeste  oder  wie  viele  Aeste  von  der 
Neuralgie  befallen  waren. 

Nehmen  wir  nun  einmal  an,  die  motorischen  und  sensiblen 
Fasern  des  Gesichtes  sammelten  sich  an  der  Gehirnbasis  zu 
einem  Nervenstamm  —  er  sei  N.  faciei  genannt  —  und  dieser 
Nervenstamm  verliesse  den  Schädel  an  einer  Stelle,  um  dann 
allmählich  am  Gesicht  seine  motorischen  und  sensiblen  Ele¬ 
mente  abzugeben.  Wir  hätten  dann  die  gleichen  Verhältnisse, 
wie  sie  der  N.  ischiadicus  an  der  Rückseite  des  Beines  bietet. 
Und  ich  glaube,  dass  wir  dann  heute  nicht  von  einer  Neuralgie 
der  sensiblen  Nerven  (N.  trigeminus),  sondern  analog 
der  Ischias  von  einer  Neuralgie  des  N.  faciei 
sprechen  würden. 

Damit  habe  ich  schon  ziemlich  klar  angedeutet,  worauf 
meine  Ausführungen  hinzielen.  Wir  müssen  den  N.  ischiadicus 
in  seine  motorischen  und  sensiblen  Elemente,  die  ich  „Bahnen“ 
genannt  habe,  zerlegen.  Wie  wir  bei  Neuralgien  im  Gesicht 
den  N.  facialis  unberücksichtigt  lassen,  so  müssen  wir  bei 
einer  Ischias  von  den  motorischen  Bahnen  des  N.  ischiadicus 
vollkommen  abstrahieren.  Sogar  bis  ins  Kleinste  müssen  wir 
die  Verhältnisse,  welche  die  Nerven  des  Gesichtes  bieten,  zu 
erreichen  suchen:  wir  müssen  die  sensiblen  Bahnen,  deren 
im  N.  ischiadicus  mehrere  enthalten  sind,  von  einander  schei¬ 
den,  da  sie  selbständige  Gebilde  sind  und  wie  die  einzelnen 
Aeste  des  N.  trigeminus  einzeln  für  sich  erkranken  können. 

M.  H.!  Sie  wissen,  dass  ich  in  den  letzten  Jahren  mehr¬ 
mals  dargelegt  habe,  dass  die  grossen  Extremitätennerven  nur 
die  Summe  vieler  motorischer  und  sensibler  Bahnen,  die  zu 
einem  lockeren  Gefüge  geeint  sind  und  an  bestimmten  Stellen 
durch  Anastomosen  mit  einander  verbunden  sind,  darstellen, 
und  dass  ich  immer  darauf  hinarbeite,  die  Technik  unserer 
Nervenoperationen  den  anatomischen  Verhältnissen  der  Ner¬ 
ven  anzupassen.  So  stellte  ich  bestimmte  Verhaltungsmass- 
regeln  für  die  Naht  durchtrennter  Nerven  auf,  so  leitete  ich 
die  Nerventransplantation  in  andere  Bahnen,  so  schuf  ich  für 
die  Behandlung  der  spastischen  Lähmungen  eine  Operation, 
und  so  hoffe  ich,  der  blutigen  Behandlung  der  Ischias  neue 
Wege  zeigen  zu  können. 

Wenn  wir  uns  an  der  Leiche  eines  Erwachsenen  den 
N.  ischiadicus  vom  Plexus  sacralis  bis  zur  Knöchelgegend 
samt  allen  seinen  Aesten  herauspräparieren,  in  Formol  fixieren 
und  in  dünnem  angesäuertem  Alkohol  mazerieren,  dann 
können  wir  ihn  ohne  grosse  Mühe  in  alle  seine  Bahnen  zer¬ 
legen.  Haben  wir  seine  Endäste,  z.  B.  den  N.  cutaneus  surae 
medialis  oder  die  Muskeläste  für  die  Mm.  peronaei  etc.,  in 
situ,  ehe  sie  vom  Körper  losgetrennt  wurden,  durch  ver¬ 
schiedenfarbige  Glasperlen  signiert,  so  sind  wir  in  der  Lage, 
die  einzelnen  Bahnen  mehr  oder  minder  weit  nach  oben  mit 
Sicherheit  zu  bestimmen.  Ein  derartig  gewonnenes  Präparat 
kann  ich  Ihnen  zeigen.  Der  ganze  Nerv  stellt  ein  Flechtwerk 
dar,  in  dem  wir  zahlreiche,  in  der  Längsrichtung  ziehende 
Fasern  unterscheiden  können.  Dadurch,  dass  der  Nerv  bis 
ins  einzelne  aufgesplittert  ist,  wurden  viele  Anastomosen 
sichtbar,  die,  wenn  man  am  Nerven  nur  die  Hauptbahnen  dar¬ 
stellt,  wie  es  z.  B.  bei  Operationen  der  Fall  ist,  lange  nicht  so 
stark  in  Erscheinung  treten.  In  diesem  Flechtwerk  kennen 
wir  auf  Grund  der  Glasperlenbezeichnung  die  motorischen  und 
die  sensiblen  Bahnen.  Uns  interessieren  heute  nur  die  sen¬ 
siblen  Bahnen. 

Greife  ich  einige  der  sensiblen  Bahnen  heraus,  so  nenne 
ich  den  N.  cutaneus  surae  lateralis,  der  sich  fast  ausnahmslos 
ohne  Mühe  bis  über  die  Gesässfalte,  ja  in  den  Plexus  sacralis 
hinein  verfolgen  liess;  ferner  den  N.  cutaneus  surae  medialis, 
der  etwas  oberhalb  der  Mitte  des  Oberschenkels  mit  der  mo¬ 
torischen  Bahn  für  den  M.  triceps  surae  Verbindungen  eingeht; 
des  weiteren  das  sensible  Endstück  des  N.  peroneus  super¬ 
ficialis,  die  Nn.  cutanei  dorsales  medialis  et  intermedius,  zu¬ 
letzt  die  sensiblen  Anteile  des  N.  peroneus  profundus  etc. 
Alle  diese  sensiblen  Bahnen  sind  völlig  gleichwertig,  eine  jede 
verdiente  mit  dem  gleichen  Recht  wie  z.  B.  der  N.  cutaneus 
femoris  posterior  einen  besonderen  Namen. 

Die  Natur  hat,  als  sie  die  grossen  Nervenstämme  schuf  — 
Gründe  ökonomischer  Natur  werden  dabei  wohl  massgebend 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1 366 


No.  25. 


gewesen  sein  — ,  uns  Operateuren  unsere  Aufgabe  nicht  ge¬ 
rade  erleichtert.  Wie  leicht  fiele  uns  manche  Nervenoperation, 
wenn  die  einzelnen  Bahnen  genau  so  wie  die  Nn.  glutaei 
superior  et  inferior  oder  der  N.  cutaneus  femoris  posterior 
isoliert  für  sich  zum  Rückenmark  verliefen.  Das  Bestreben 
der  Natur,  die  Peripherie  sicher  und  vielseitig  zu  versorgen, 
wird  wohl  der  Grund  gewesen  sein,  dass  einzelne  Nerven¬ 
bahnen  durch  Anastomosen  verknüpft  worden  sind.  Dass 
diese  Anastomosen  aber  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
den  Austausch  von  Nervenfasern  zwischen  zwei  Nervenbahnen 
besorgen,  sehen  wir  z.  B.  bei  den  Folgezuständen  der  Polio¬ 
myelitis.  Wie  oft  treffen  wir  von  den  Extensoren  des  Fusses 
nur  den  M.  tibialis  anticus  gelähmt.  Da  sind  die  in  nächster 
Nachbarschaft  verlaufenden  Bahnen  der  Mm.  extensores  digi- 
torum  et  hallucis  longi,  die  mit  gesunden  Ganglienzellen  in 
Verbindung  stehen,  nicht  hilfreich  für  die  .gefährdete 
Schwesterbahn  eingesprungen.  Die  Tibialis-anticus-Bahn 
steht  verlassen  da,  weil  sie  von  Natur  als  ein  auf  sich  ange¬ 
wiesenes  Gebilde,  das  von  seiner  Ganglienzellengruppe  im 
Rückenmark  bis  zum  Muskel  reicht,  angelegt  ist. 

Wenn  wir  uns  ursprüngliche  Verhältnisse  vorstellen 
wollen,  so  haben  wir  uns  an  der  Rückseite  des  Beines  viele 
einzelne  Nervenbahnen,  die  teils  zu  den  Muskeln  ziehen,  teils 
sensibler  Natur  sind,  herablaufend  zu  denken.  An  einigen 
Stellen  des  Beines  ist  dieser  Zustand  noch  heute  vorhanden. 
Ich  denke  dabei  an  die  Nn.  glutaei  superior  et  inferior  und 
den  N.  cutaneus  femoris  posterior,  die  vom  Rückenmark  zu 
ihrem  Bezirk  isoliert  verlaufen,  ohne  mit  anderen  Bahnen  in 
Verbindung  zu  treten.  Sie  wurden  mit  besonderen  Namen 
belegt;  jede  Bahn  im  N.  ischiadicus  ist  ihnen  aber  gleich¬ 
zustellen. 

Wir  müssen  uns  noch  kurz  darüber  orientieren,  welche 
Nervenbahnen  die  Rückseite  der  unteren  Extremität  mit  sen¬ 
siblen  Fasern  ausstatten.  Be¬ 
ginnen  wir  mit  der  Haut.  In 
die  sensible  Versorgung  der 
Gesässgegend  teilen  sich  die 
Nn.  clunium  superiores,  medii 
et  inferiores.  Am  Oberschenkel 
kommt  in  der  Hauptsache  der 
N.  cutaneus  femoris  posterior 
in  Betracht.  An  der  Rückseite 
des  Unterschenkels  und  am 
ganzen  Fuss  sind  zu  nennen: 
der  N.  cutaneus  surae  mediaiis, 
der  N.  cutaneus  surae  lateralis, 
der  N.  suralis,  der  die  Ver¬ 
einigung  der  eben  erwähnten 
Nerven  darstellt,  die  Endäste 
der  Nn.  peronaei  profundus  et 
superficialis  und  die  Nn.  plan¬ 
tares. 

Von  diesen  sensiblen  Bahnen 
imponieren  einige  als  selb¬ 
ständige  Nerven,  da  sie  einzeln 
für  sich  zum  Rückenmark  ver¬ 
laufen.  Ich  nenne  hier  die 
Nn.  cutanei  femoris  posterior 
et  lateralis.  Andere  sensible 
Bahnen  haben  sich  aneinander¬ 
gelegt  und  bilden  zusammen 
mit  motorischen  Bahnen  den 
sogen.  Nervus  ischiadicus. 

Sie  wissen,  dass  ich  be¬ 
wiesen  habe,  dass  die  ein¬ 
zelnen  Bahnen  im  Nerven¬ 
stamme  immer  an  einer  be¬ 
stimmten  Stelle  verlaufen.  Diese  Tatsache  dürfte,  wie  wir 
nachher  hören  werden,  für  die  Behandlung  der  Ischias  auch 
von  grosser  Bedeutung  sein. 

Wenn  wir  darüber  Aufschluss  haben  wollen,  an  welcher 
Stelle  des  Nervenquerschnittes  die  im  N.  ischiadicus  zu¬ 
sammengeschlossenen  sensiblen  Bahnen  verlaufen,  so  ver¬ 
weise  ich  vor  allem  auf  die  in  meinem  Laboratorium  ange¬ 
fertigten  Nervenmodelle,  über  die  ich  kurz  folgendes  sagen 


Fig.  1. 

Modell  der  Nervenbahnen  des  N.  tibialis 
und  N.  peronaeus  in  der  distalen  Hälfte 
des  Oberschenkels  nnd  in  der  Kniekehle. 
Das  Modell  stellt  die  Oebilde  in  doppelter 
Lebensgrösse  dar.  Die  Nervenbahnen  (in 
Wachs  gegossen)  sind  in  verschiedenen 
Farben  gehalten.  Aus  dem  N.  tibialis  ist 
ein  Stück  entfernt,  um  die  Topographie  des 
Nervenquerschnittes  zu  demonstrieren. 
Vergl.  Fig.  2. 


möchte:  Den  Modellen  liegen  die  Befunde  an  ca.  50  Leichen 
und  bei  ca.  110  Operationen  zugrunde.  Die  Leichennerven 
wurden  in  entsprechender  Weise  präpariert  und  vor  allem  in 
ihrem  Querschnitt  gezeichnet.  Darnach  wurde  das  Modell  in 
vergrössertem  Massstabe  angefertigt,  eine  sehr  mühsame 
Arbeit,  die  unendlich  viel  Zeit  erforderte  (Fig.  1  u.  2).  Um 
den  Kollegen,  die  zu  anatomischen  Untersuchungen  keine  Zeit 
haben,  das  Studium  der  inneren  Topographie  der  Nerven  zu 
erleichtern,  lasse  ich,  der  Anregung  eines  Kollegen  folgend, 
die  Modelle  vervielfältigen.  Ich  plane  im  Laufe  des  Sommers 
und  Herbstes  alle  Nerven  an  den  chirurgisch  wichtigen  Ge¬ 
genden  des  Körpers  in  dieser  Weise  durch  Modelle  dar¬ 
zustellen. 

Wir  hörten  oben,  dass  eine  Neuralgie  in  sensiblen 
Nervenbahnen  lokalisiert  ist.  Mithin  scheiden  für  die  Ischias 
die  in  dem  sogen.  N.  ischiadicus  enthaltenen  motorischen 
Bahnen  vollkommen  aus.  Von  der  Neuralgie  können  nun  eine 
oder  mehrere  sensible  Bahnen  betroffen  sein.  Wir  haben  dann 
z.  B.  von  einer  Neuralgie  des  N.  cutaneus  surae  mediaiis  oder 
lateralis,  die  nach  meinen  Beobachtungen  sehr  häufig  ist,  von 
einer  Neuralgie  der  sensiblen  Plantarbahnen,  die  schon  beob¬ 
achtet  wurde  und  sehr  hartnäckig  sein  soll,  von  einer  Neur¬ 
algie  der  Nn.  dorsales  intermedius  et  mediaiis,  event.  auch  von 
der  Neuralgie  einer  Gelenkbahn  etc.  zu  sprechen. 

M.  H.!  Ich  kenne  keinen  N.  ischiadicus,  ich 
kenne  nur  viele  motorische  und  sensible 
Nervenbahnen,  die  an  der  Rückseite  des 
Beines  herabziehen. 

Ich  kenne  auch  keine  Ischias,  sondern  nur 
eine  Neuralgie  einer  oder  mehrerer  der  eben 
genannten  sensiblen  Bahnen. 

Ich  komme  nun  zu  einem  wichtigen  Punkte:  Je  nachdem 
die  eine  oder  die  andere  sensible  Bahn  erkrankt  ist,  werden 
ganz  verschiedene  Krankheitsbilder  resultieren.  Die  Schmer¬ 
zen  werden  in  ganz  bestimmte  Gebiete  verlegt,  die  Druck¬ 
schmerzhaftigkeit  verläuft  in  einer  bestimmten  Linie,  resp.  sie 
findet  sich  an  ganz  bestimmten  Stellen;  die  Schmerzen  werden 

Fig.  2. 

Proximaler  Stumpf  des  N.  tibialis 
der  Fig.  1,  stark  vergrössert  und 

etwas  schematisiert. 

a  =  Bahn  des  N.  cutan.  sur.  me¬ 
diaiis. 

b  =  Bahn  f.  Mm.  gastroenemii 
und  die  dorsalen  Teile  des 
M.  soleus. 

c  =  Bahn  f.  die  ventralen  Teile 
des  M.  soleus. 

d  =  Bahn  f.  M.  flexor  halluc. 
longus. 

e  =  Bahn  f.  M.  tibialis  posticus. 
f  =  Bahn  f.  M.  flexor  digit.  Ion- 
gus. 

Der  Rest  des  Nervenquerschnittes 
stellt  in  der  Hauptsache  die  mo¬ 
torischen  Bahnen  für  die  kurzen 
Fussmuskeln  und  die  Bahnen  der 
sensiblen  Nn.  plantares  dar. 


durch  bestimmte  Körperlagen  und  -haltungen  hervorgerufen 
und  beseitigt;  das  Gehen  wird  in  verschiedener  Weise  er¬ 
schwert;  es  kommt  zu  verschiedenen  Stellungsanomalien  des 
Körpers  etc. 

Mechanische  Verhältnisse,  die  in  der  Topographie  der 
ei  krankten  Bahn  ihre  Erklärung  finden,  spielen  bei  allen  diesen 
Erscheinungen  die  wichtigste  Rolle.  Ich  denke  dabei  an  die 
Lage  der  einzelnen  Nervenbahnen  im  N.  ischiadicus,  an  die 
Beteiligung  der  Bahn  am  inneren  Plexus  des  Nerven,  an  die 
Art  des  Verlaufes  der  Bahn  ausserhalb  des  Nervenstammes, 
an  die  Stelle  des  Durchtrittes  der  Nervenbahn  durch  die 
Faszie,  an  die  Lage  des  Hautbezirkes  etc.  Es  ist  für  mich  klar, 
dass  z.  B.  eine  Neuralgie  des  N.  cutaneus  surae  mediaiis,  der 
im  Nervenstamme  oberflächlich  liegt,  der  zum  Teil  schon  in 
der  Kniekehle  die  Faszie  perforiert  und  weithin  extrafaszial 
verläuft,  andere  Symptome  setzen  muss,  als  eine  Neuralgie 
einer  Plantarbahn,  die  zentral  im  Nervenstamme  verläuft, 
während  des  grössten  I  eiles  ihres  Verlaufes  in  dem  weichen, 
verschieblichen  Nervenstamme  eingebettet  ist  und  wenig  Be¬ 
ziehungen  zur  Faszie  hat. 


dorsal 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1367 


Ich  muss  mich  heute  mit  diesen  Andeutungen  begnügen. 
Eine  exakte  Ausarbeitung  und  Klarlegung  der  einzelnen  Ver¬ 
hältnisse  wird  von  mir  in  Angriff  genommen  werden. 

Wenn  wir  die  Krankheitsbilder,  die  aus  der  Erkrankung 
der  einzelnen  Bahnen  resultieren,  gruppieren,  so  werden  wir 
in  der  Lage  sein,  für  die  Neuralgie  der  einzelnen 
Bahnen  ganz  bestimmte  Symptomen  kom¬ 
plexe  aufzustellen.  Das  allgemeine,  diffuse, 
oft  wechselnde  Bild  der  „Ischias“  wird  sich  in 
einzelne  scharf  präzisierte  Bilder  auflöse  n. 
Diese  einzelnen  Bilder  sind  der  Ausdruck  der  Erkrankung  der 
einzelnen  Bahnen. 

Die  Auffassung,  dass  die  sog.  Ischias  durch  die  Erkrankung 
bestimmter  sensibler  Nervenbahnen  bedingt  ist,  muss  auch 
durch  unsere  operative  Therapie  zum  Ausdruck  gebracht 
werden.  Wir  haben  jetzt  nicht  mehr  den  Nervus 
ischiadicus,  sondern  die  erkrankte  Bahn  in 
Angriff  zu  nehmen.  Blutigen  Dehnungen  des  ganzen 
Nerven  kann  ich  also  nicht  das  Wort  reden.  Von  Injektionen 
verspreche  ich  mir  vor  allem  nur  dann  etwas,  wenn  dorsal 
und  oberflächlich  gelegene  Bahnen  erkrankt  sind.  Liegt  eine 
Bahn  zentral  oder  gar  ventral,  so  dürfte  sie  viel  schwerer 
durch  Injektionen  zu  beeinflussen  sein.  Auf  diese  Umstände 
sind  wohl  die  Erfolge  aber  auch  die  Misserfolge  der  Injektionen 
zurückzuführen.  Dass  man  des  öfteren  Erfolge  hat,  liegt 
vor  allem  an  der  günstigen  Lage  der  2  Hauptbahnen,  der  Nn. 
cutanei  surae  medialis  et  lateralis,  die  oft  affiziert  sind.  Sie 
liegen  rein  dorsal.  Verliefen  diese  Bahnen  zufällig  ventral,  so 
hätte,  glaube  ich,  die  Infiltrationsmethode  einen  sehr  schweren 
Stand  gehabt. 

M.  H.!  Wenn  es  uns  gelingt,  bei  der  Operation  die  Bahnen, 
die  sich  durch  die  klinische  Untersuchung  und  Beobachtung 
als  erkrankt  erweisen,  zu  analysieren  und  herauszugreifen, 
dann  können  wir  sie  durch  Resektion  und  nachfolgende  Neu- 
rexheirese  vollkommen  ausschalten. 

Diesen  Weg  habe  ich  bei  schwerer  Ischias  beschritten. 

Die  allgemeine  Technik  der  von  mir  geübten  Operation 
gestaltet  sich  folgendermassen :  Die  erkrankte  sensible  Bahn 
wird  in  der  exaktesten  Weise  analysiert  und  dargestellt,  alle 
motorischen  Bahnen  bleiben  absolut  unberührt.  Dann  wird 
die  Bahn  von  distal  nach  proximal  in  möglichst  grosser  Aus¬ 
dehnung  mobilisiert,  wobei  eine  Lädierung  einer  motorischen 
Bahn  streng  vermieden  wird.  Das  Mobilisieren  kann  man  in 
der  Ausdehnung  von  15  cm  und  mehr  durchführen. 

Ehe  man  die  Bahn  proximal  und  distal  abschneidet,  fasst 
man  sie  an  ihrem  proximalen  und  distalen  Ende  mit  einer 
Nervenzange.  Nun  erst  wird  die  Bahn  oben  und  unten  ab¬ 
getrennt.  Damit  ist  die  Resektion  der  Bahn  beendet.  Es  folgt 
die  Neurexheirese  des  distalen  und  des  proximalen  Stumpfes. 
Wir  beginnen  mit  dem  distalen.  Der  Stumpf  wird  mittels  der 
daranhängenden  Zange  solange  rotiert,  bis  er  abreisst.  Am 
proximalen  Stumpf  müssen  wir  etwas  vorsichtiger  zu  Werke 
gehen,  um  nicht  die  Rotation  und  die  nicht  zu  vermeidenden 
Zerrungen  auf  die  motorischen  Nervenbahnen  zu  übertragen. 
Durch  vorsichtiges  Ziehen  und  Drehen  wird  auch  der  proxi¬ 
male  Stumpf  stark  geschädigt.  Ich  fügte  die  Neurexheirese 
der  Resektion  hinzu,  um  sicher  zu  gehen.  Vielleicht  kann  man 
auch  die  Neurexheirese  entbehren.  Nun  wird  die  Hautwunde 
geschlossen. 

Die  Operation  bereitet  dem,  der  die  subtile  Nerventechnik 
beherrscht  und  sich  in  dem  inneren  Aufbau  des  Nerven  aus¬ 
kennt,  absolut  keine  Schwierigkeiten.  Er  kann  Garantie 
leisten,  dass  keine  motorischen  Bahnen  verletzt  werden.  Auf 
der  anderen  Seite  möchte  ich  dringend  davor  warnen,  ohne 
exakte  Vorstudien  an  der  Leiche  an  die  Operation  heran¬ 
zugehen. 

Ueber  Erfolge  etwas  auszusagen,  wäre  heute  verfrüht. 
Bei  der  Ischias  können  nur  Dauererfolge,  die  sich  über 
mehrere  Jahre  erstrecken,  massgebend  sein.  Ich  will  nur  das 
Eine  sagen:  Es  gelang  mir,  durch  die  Operation  die  Ischias¬ 
schmerzen  in  der  einwandfreiesten  Weise  zu  kupieren.  Die 
Patienten  konnten  nach  der  Operation  alle  die  Körperstel¬ 
lungen  wieder  einnehmen,  die  ihnen  früher  infolge  der  Dehnung 
der  erkrankten  Bahnen  sehr  starke  Schmerzen  bereiteten, 
konnten'  niesen  und  husten,  ohne  Schmerzen  zu  empfinden. 


Kurzum,  die  sogenannte  Ischias  war  kupiert.  Ich  bin  auch 
überzeugt,  dass  der  Erfolg  dauernd  sein  wird,  da  die  er¬ 
krankten  Bahnen  in  der  radikalsten  Weise  entfernt  wurden. 
Einer  der  Patienten  kann  als  beginnendes  Dauerresultat  gelten, 
da  die  Operation  11  Monate  zurückliegt.  Der  Patient,  der  an 
einer  sehr  schweren  Ischias  litt,  ist  bis  jetzt  absolut 
schmerzfrei. 

Was  die  sensiblen  Ausfallerscheinungen  betrifft,  so  hatte 
ich  ja  nicht  geglaubt,  dass  die  ganze  von  den  exstirpierten 
Nervenbahnen  versorgte  Hautzone  anästhetisch  werden 
würde,  war  aber  doch  überrascht,  wie  klein  die  absolut 
anästhetische  Zone  war.  Grösser  war  das  Gebiet,  in  dem  der 
Patient  die  Spitze  der  Nadel  als  einen  Druck  empfand,  in  dem 
also  eine  Herabsetzung  der  Sensibilität  zu  konstatieren  war. 
So  lagen  die  Verhältnisse  direkt  nach  der  Operation.  Bald 
stellte  sich  eine  Besserung  der  Sensibilität  in  dem  betreffenden 
Gebiete  ein. 

Niemals  war  dem  Patienten  die  Sensibili¬ 
tätsverminderung  störend  gewesen,  und  nie¬ 
mals  hatten  sich  an  der  Haut  irgendwelche 
„trophische“  Störungen  gezeigt.  Die  relativ  ge¬ 
ringen  Sensibilitätsstörungen  sind  dadurch  zu  erklären,  dass 
zwischen  den  Endigungen  der  verschiedenen  Nerven  am  Fuss 
weitverzweigte  Verbindungsnetze  existieren,  so  dass  auch 
nach  völligem  Ausfall  des  einen  Nerven  sein  Sensibilitätsbezirk 
nur  unbedeutend,  auf  keinen  Fall  in  der  der  anatomischen  Aus¬ 
breitung  des  Nerven  entsprechenden  Weite  eingeschränkt  ist. 

Ueber  die  Deutung  des  Erfolges  der  Exstirpation  der  er¬ 
krankten  Bahnen  möchte  ich  heute  nur  das  sagen,  dass  die 
Schmerzlosigkeit  nicht  nur  auf  die  Unterbrechung  in  der  Leitung 
der  schmerzhaften  Nervenbahn,  sondern  auch  auf  die  sekundär 
eintretende  Veränderung  des  stehengebliebenen  Restes  der 
Nervenbahn  und  damit  des  ganzen  sensiblen  Neurons  zurück¬ 
zuführen  ist.  Durch  diese  degenerative  Ver¬ 
änderung  wird  der  ganze  schmerzleitende 
Strang  ausgeschaltet. 

Ich  möchte  jetzt  noch  ganz  kurz  die  Krankengeschichte 
des  ersten  von  mir  operierten  Patienten  bringen: 

Es  handelt  sich  um  einen  29  jährigen  Lehrer  am  Mannheimer 
Gymnasium,  der  Mitte  Juli  1908  in  dem  Augenblicke,  als  er  einen 
Tisch  wegrücken  wollte,  einen  plötzlichem  stechenden  Schmerz  in 
der  rechten  Hüfte  verspürte.  Allmählich  dehnte  sich  der  Schmerz 


Fig.  5. 

Dr.  M.,  29  J  ,  nach  der  Opera¬ 
tion.  Aufnahme  vom  26.  Sept. 
1912.  Nachdem  die  Ischias 
durch  die  Operation  beseitigt 
war,  bildete  sich  die  Skoliose 
von  selbst  zurück. 


Fig.  3. 

Dr.  M.,  29  J  ,  schwere  Ischias 
(Ischias  skoliotica).  Vor  der 
Operation.  Aufnahme  vom 
22.  Juni  1912. 


Fig.  4. 

Dr.  M.,  29  J.,  schwere 
Ischias  (Ischias  skolio¬ 
tica).  Vor  der  Operation. 
Aufnahme  vom  22.  Juni 
1912. 


auf  die  Rückseite  des  rechten  Oberschenkels  und  die  Aussenseite  des 
Unterschenkels  aus.  Die  Schmerzen  wurden  so  erheblich,  dass  Gehen 
unmöglich  wurde.  Sehr  starke  Schmerzen  beim  Niesen.  Bald  nach 
dem  Beginn  der  Erkrankung  soll  sich  eine  Schiefstellung  des 'Rumpfes' 


1368 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


etabliert  haben.  Ende  Juli  1908  wurden  2  Heidelberger  Aerzte  kon¬ 
sultiert,  die  eine  Ischias  diagnostizierten.  Es  folgte  nun  eine 
/wöchentliche  Behandlung  in  einer  Heidelberger  Klinik;  nur  geringe 
Besserung  wurde  erzielt.  Die  Skoliose  blieb  bestehen,  ln  den 
4  folgenden  Jahren  oft  schmerzhafte  Anfälle,  die  ein  Stärkerwerden 
der  Skoliose  verursachten  und  den  Patienten  ins  Bett  zwangen.  Aber 
auch  in  den  Intervallen  war  er  nie  ganz  schmerzfrei  und  konnte 
niemals  gerade  stehen  oder  gehen.  Am  13.  Juni  1912  ein  sehr 
heftiger  Rückfall.  Als  ich  den  Patienten  sah,  klagte  er  über  die 
heftigsten  Schmerzen  am  Becken,  an  der  Rückseite  des  Oberschenkels 
and  vor  adem  an  der  Aussenseite  der  Wade  und  an  dem  äusseren 
Knöchel.  Er  lag  zusammengekrümmt  im  Bett.  Ein  Versuch,  sich  aus¬ 
zustrecken,  bereitete  ihm  die  heftigsten  Schmerzen.  Beim  Stehen 
bot  er  das  typische  Bild  einer  Ischias  scoliotica.  Aus  Fig.  3  und  4  ist 
d|e..Haltung  des  Patienten  ersichtlich,  die  er  einnahm,  wenn  er  sich 
Muhe  gab,  gerade  zu  stehen.  Nachdem  ich  durch  eine 
8  tägige  Behandlung  eigentlich  nur  eine  Verschlechterung  erzielt 
hatte,  entschloss  ich  mich  zur  Operation  (24.  Juni  1912).  die  ich  schon 
lange  vorher  mehrmals  an  Leichen  geübt  hatte.  Die  Nn.  cutanei 
surae  lateralis  et  mediales,  die  sich  durch  die  klinische  Untersuchung 
als  erkrankt  erwiesen  hatten,  wurden  exstirpiert.  Sofort  nach  der 
Operation  waren  die  Ischiasschmerzen  behoben,  Pat.  konnte  ausge¬ 
streckt  im  Bette  liegen.  Niesen  erzeugte  nicht  mehr  die  frühere 
schmerzhafte  Reaktion.  Nach  einigen  Tagen  konnte  er  ohne 
Schmerzen  Gehversuche  machen.  Nach  15  Tagen  wurde  er  aus  dem 
Krankenhause  entlassen.  Er  blieb  bis  zum  heutigen  Tage  völlig  frei 
von  jedem  Ischiasschmerz. 

Interessant  war  das  Verhalten  der  Skoliose.  Einige  Tage  nach 
der  Operation  war  von  einem  Nachlassen  der  pathologischen  Haltung 
nichts  zu  bemerken.  Auch  bei  der  Entlassung  des  Patienten  aus  dem 
Krankenhause  konnte  man  nicht  behaupten,  dass  er  sich  besser  hielte 
als  vor  der  Operation.  Patient  verreiste  bald  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Krankenhause  nach  Norddeutschland;  ich  sah  ihn  erst  am 
26.  September  1912  wieder  und  konnte  zu  meiner  Freude  konstatieren 
dass  die  Skoliose  sozusagen  vollständig  geschwunden  war  (Fig  5)’ 

?.met„Be,!,andlunK  der  Skoliose  hat  nicht  stattgefunden.  Heute  ist 
die  Skoliose  nicht  mehr  sichtbar. 

Ich  erwähne  den  Patienten  weniger  wegen  des  Resultates 
(von  einem  Dauerresultat  kann  erst  in  einigen  Jahren  die  Rede 
sein)  als  vielmehr  deshalb,  weil  die  Operation  an  diesem 
Patienten  als  Experiment  auf  meine  vorhin  vorgetragenen  An¬ 
sichten  über  das  Wesen  der  Ischias  gelten  kann.  Dieser 
Patient  ist  ein  Beweis  dafür, 

1.  dass  die  Erkrankung  einer  oder  mehrerer  bestimmter 
Bahnen  im  sogenannten  N.  ischiadicus  die  sogenannte  Ischias 
erzeugt; 

2.  dass  durch  Ausschaltung  der  erkrankten  Bahnen  die 
„Ischias“  kupiert  wird; 

3.  dass  eine  Erkrankung  einer  sensiblen  Ischiadikusbahn 
eine  Verbiegung  der  Wirbelsäule  zur  Folge  haben  k^nn; 

4.  dass  nach  Ausschaltung  der  erkrankten  Bahnen  die 
Skoliose  von  selbst  weicht. 


Meine  Erfahrungen  mit  der  Stoffe  Ischen  Operation 
bei  spastischen  Lähmungen. 

Von  Dr.  G.  Hohmann  in  München,  Spezialarzt  für  ortho¬ 
pädische  Chirurgie. 

Wie  die  Aussprache  auf  dem  heurigen  Orthopädenkon¬ 
gress  über  diese  Operation  zeigte,  hat  die  anfängliche  Zurück¬ 
haltung  gegenüber  der  neuartigen,  wenn  auch  durch  exakte 
Vorarbeiten  und  Untersuchungen  begründeten  Methode  einer 
zunehmenden  Anwendung  des  Verfahrens  bei  den  dazu  ge¬ 
eigneten  Fällen  Platz  gemacht.  Noch  auf  dem  vorjährigen 
Kongress  kamen  Bedenken  wegen  der  technischen  Schwierig¬ 
keit  der  Methode,  der  Rezidivgefahr  usw.  zur  Geltung,  auch 
war  man  mit  den  bisherigen  Operationsmethoden,  der 
I  enotomie  und  Sehnentransplantation,  so  zufrieden,  dass  man 
dem  neuen  Vorschläge  sich  noch  etwas  ablehnend  oder  ab¬ 
wartend  gegenüber  verhielt.  Das  ist  anders  geworden.  Wie 
die  heurigen  Mitteilungen  von  den  verschiedenen  Seiten 
zeigten,  hat  man  sich  mit  dem  neuen  Verfahren  praktisch  be- 
fasst  und  konnte  trotz  mancher  Misserfolge  doch  im  ganzen 
über  gute  Resultate  berichten.  Insbesondere  wurde  auf  allen 
Seiten  hervorgehoben,  dass  das  Stoffe  Ische  Verfahren, 
namentlich  an  der  oberen  Extremität,  d.  h.  bei  den  spastischen 
Handlähmungen  ausser  Konkurrenz  mit  allen  bisherigen  Me- 
•.hoden  steht,  während  einige  Redner  an  der  unteren  Extre¬ 
mität  Fenotomie  und  Redressement  noch  nicht  entbehren  zu 
können  glaubten. 


Bei  der  Bedeutung  der  Stoffel  sehen  Untersuchungen 
über  die  Topographie  des  Nervenquerschnittes  und  der  daraus 
folgenden  wichtigen  Ergebnisse  für  die  Nervenchirurgie,  so¬ 
wohl  für  die  Behandlung  der  spastischen  Lähmungen,  als  auch 
für  die  Nerveniiberpflanzungen,  sei  es  gestattet,  die  Erfah¬ 
rungen  mitzuteilen,  die  ich  bisher  mit  der  Stoffel  sehen 
Operation  gemacht  habe. 

Ich  habe  zweimal  am  N.  tibialis  in  der  Kniekehle  wegen 
spastischen  Spitzfusses,  einmal  am  Tibialis  hinter  dem  Malleolus 
internus  wegen  Hohlfuss,  zweimal  am  Medianus  oberhalb  der 
Ellenbeuge  wegen  Flexionspronationskontraktur  der  Hand, 
einmal  am  Medianus  oberhalb  des  Handgelenkes  wegen 
Daumenflexionskontraktur,  zweimal  am  Obturatorius  wegen 
Adduktionskontraktur  der  Hüftgelenke  operiert.  Die  Eingriffe 
an  I  ibialis  und  Medianus  betrafen  Fälle  von  zerebraler 
Hemiplegie  des  Kindesalters,  die  am  Obturatorius  er¬ 
folgten  bei  Littlescher  Gliederstarre.  Meine  Re¬ 
sultate  sind  bis  jetzt  durchweg  gute.  Es  gelang  die  Spitzfuss- 
stellung  zu  beseitigen,  ohne  dass  bei  der  Operation  oder  nach- 


Fig.  la.  Vor  der  Operation.  Fig.  1  b.  Nach  der  Operation. 


her  eine  I  enotomie  der  Achillessehne  notwendig  wurde  (Fig.  1 
und  2  a  und  b).  Durch  den  Eingriff  am  Tibialis  hinter  dem 
Malleolus  internus  gelang  es,  die  spastische  Hohlfussbildung, 
infolge  deren  es  zu  einem  schmerzenden  „Ballen“  am 
I.  Metatarsophalangealgelenk  gekommen  war,  zu  bessern,  so 


Fig.  2a.  Vor  der  Operation.  Fig.  2b.  Nach  der  Operation. 


dass  Patientin  schmerzfrei  geht.  Die  Handkontrakturen  i 
wurden  beseitigt.  Während  vorher  die  Hände  wegen  der  bei 
intendierten  Bewegungen  sofort  enntretenden  Krämpfe  in  den 
Beugemuskeln  der  Hand  und  Finger  unbrauchbar  waren,  sind 
sie  jetzt  für  allerlei  Hantierung  zu  benutzen,  eine  Patientin  ist 
jetzt  als  Blumenbinderin  tätig,  vermag  also  die  schwierige 
Arbeit  des  Erfassens  und  Haltens  feiner  Gegenstände  zu 
leisten.  Ihre  Hand,  die  vorher,  wenn  sie  etwas  erfasst  hatte, 
durch  den  eingetretenen  Krampf  den  Gegenstand  willkürlich 
nicht  mehr  loslassen  und  auch  passiv  nur  mit  Mühe  geöffnet 
werden  konnte,  war  sofort  nach  der  Operation  weich  und  liess 
sich  aktiv  öffnen  und  schliessen,  jeder  Muskelkrampf  war  auf¬ 
gehoben,  die  vorher  in  die  Hohlhand  fest  eingeschlagenen 
Daumen  liessen  sich  frei  abduzieren  und  strecken.  Ferner  war 
die  Pronationskontraktur  der  Vorderarme,  die  in  einem  Falle 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1369 


recht  erheblich  ausgeprägt  war.  alsbald  beseitigt,  der  Vorder¬ 
arm  kann  jetzt  aktiv  weit  supiniert  werden  (Fig.  3  und  4, 
a,  b,  c,  d,).  I  )ie  Spasmen  der  Adduktoren  der  Oberschenkel, 


Fig.  3a.  Vor  der  Operation. 


Fig.  3  b.  Nach  der  Operation. 


Fig.  3c.  Vor  der  Operation. 


Fig.  3d.  Nach  der  Operation. 


Fig.  4  a.  Vor  der  Operation. 


Fig.  4  b.  Nach  der  Operation. 


Fig.  4  c.  ^or  der  Operation.  Fig.  4d.  Nach  der  Operation.. 

die  namentlich  beim  Gehen  auftraten,  wurden  beseitigt,  der 
Gang  ist  leichter  und  freier,  die  Knie  schleifen  nicht  mehr 
aneinander. 

Sämtliche  Fälle  waren  schon  vorher  von 
anderer  Seite  teils  mit  Tenotomie,  teils  mit 
Sehnenraffung,  teils  mit  Sehnenverpflan¬ 
zung  behandelt  worden,  in  allen  war  teils  nach  an¬ 
fänglicher  Besserung  ein  Rezidiv  eingetreten,  teils,  wie  bei 
der  einen  Handkontraktur  (Fig.  3),  wo  zur  Stärkung  der  Anta¬ 
gonisten  eine  Raffung  der  Extensorensehnen  des  Vorderarmes 
ausgeführt  wurde,  war  nach  der  Operation  sogar  nicht  die 
No.  25. 


mindeste  Aenderung  des  Zustandes  cingctreten.  Der  Spitz- 
fuss  (Fig.  2)  war  vorher  schon  3  mal  tenotomiert  worden,  und 
jedesmal  war  es  zum  Rezidiv  gekommen.  Dies  spricht  gewiss 
nicht  zu  gunsten  der  alten  Methoden.  Und  wer  Erfahrung  mit 
der  Behandlung  namentlich  von  Littlefällen  hat,  wird  die  Bei¬ 
spiele  von  Rezidiven  der  Spitzfüsse  usw.  nach  Tenotomien 
leicht  vermehren  können. 

Warum  versagen  die  bisherigen  Methoden 
so  oft?  Weil  sie  das  durch  den  zentralen  Prozess  gestörte 
Muskelgleichgewicht  an  der  betreffenden  Extremität  nicht  ent¬ 
scheidend  beeinflussen  können.  Wir  sehen  —  in  der  über¬ 
wiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  wenigstens  —  nur  gewisse 
Gruppen  von  Muskeln  in  einem  spastischen  Zustand,  die 
Beuger  der  Hand,  des  Fusses,  des  Knies,  die  Adduktoren  der 
Oberschenkel,  die  Pronatoren  der  Hand  usw.,  und  dement¬ 
sprechend  sehen  wir  die  Kontrakturen,  weil  die  Antagonisten, 
die  von  dem  Krampfzustand  verschont  sind,  gegenüber  diesen 
ständig,  bezw.  bei  jeder  Intention  stark  erregten  Muskel¬ 
gruppen  nicht  aufzukommen  vermögen.  Das  Muskelgleich¬ 
gewicht  ist  gestört.  Unser  Ziel  muss  sein,  es  wieder  herzu¬ 
stellen.  Das  vermag  die  Tenotomie  meist  nicht.  Sie  kann 
eine  reelle  Sehnenverkürzung,  wie  sie  bei  sehr  lang  be¬ 
stehenden  Kontrakturen  durch  Schrumpfung  sich  entwickelt, 
wohl  beseitigen,  der  Krampfzustand  der  betreffenden  Muskel- 
gruppen  aber  bleibt  bestehen,  und  wenn  die  narbige  Ver¬ 
bindung  zwischen  den  Sehnenenden  wieder  hergestellt  ist, 
kann  früher  oder  später  der  Spasmus  des  Muskels  wieder  zur 
Wirkung  kommen  und  zur  Kontraktur  des  Gliedes  führen,  von 
jenen  Fällen  abgesehen,  bei  denen  die  Tenotomie  so  gründlich 
gemacht,  das  heisst  eine  so  erhebliche  Verlängerung  der 
Achillessehne  erfolgt  ist,  dass  sich  die  entgegengesetzte  Defor¬ 
mität,  statt  des  ehemaligen  Spitzfusses,  ein  Hackenfuss  aus¬ 
bildet.  Erfahrungen,  die  wohl  alle  Orthopäden  kennen.  Es 
fehlt  eben  bei  der  Tenotomie  die  Dosierungsmöglichkeit. 

Was  die  Sehnenverkürzung  durch  Raffung  be¬ 
trifft.  so  ist  sie  an  und  für  sich  ein  sehr  problematischer  Ein¬ 
griff.  Ganz  besonders  aber  ist  dies  bei  spastischen  Zuständen 
der  Fall,  wobei  die  spastischen  Muskeln  ja  fortwährend  be¬ 
strebt  sind,  die  operativ  verkürzten  antagonistischen  Muskeln 
wieder  zu  dehnen.  Das  entspricht  auch  ganz  unserer 
Erfahrung. 

Die  Sehnen  Verpflanzung  endlich  suchte 
das  Muskelgleichgewicht  dadurch  zu  beeinflussen, 

,  dass  sie  einen  Teil  der  spastisch  erregten  Muskeln, 
z.  B.  der  Beuger  des  Handgelenkes  auf  die  Dorsalscite 
zur  Verstärkung  des  Einflusses  der  Strecker  ver¬ 
pflanzte.  Meist  gelang  es  auch,  die  vorher  bestandene 
Beugekontraktur  der  Hand  zu  beseitigen,  aber  zu 
einer  wirklichen  Funktion  im  Handgelenk  kam  es 
nicht.  Meist  sah  man  jetzt  das  Handgelenk  ungefähr 
in  Mittelstellung  stehen  bleiben,  allein  es  war  eigen¬ 
tümlich  starr,  gewissermassen  fixiert,  aktive  Be¬ 
wegungen  waren  nur  in  geringem  Ausmasse  mög¬ 
lich.  Was  hatte  man  gemacht?  Man  hatte  die 
in  einem  spastischen  Zustand  befindlichen  Muskeln  zur  Ver¬ 
stärkung  der  Funktion  gesund  innervierter  Muskeln  ver¬ 
wendet  und  konnte  keine  andere  Wirkung  erzielen.  Denn  so 
wie  diese  Muskeln  an  ihrem  ursprünglichen  Ansatzpunkte  es 
durch  ihren  Krampfzustand  zu  einer  Kontraktur  gebracht 
hatten,  so  mussten  sie  dies  auch  an  ihrem  neuen  Wirkungs¬ 
orte  tun.  Sie  sind  eben  nicht  imstande,  eine  normale  oder  nur 
halbwegs  normale  Funktion  auszuüben.  Darum  musste  die 
Operation  der  Sehnenverpflanzung,  die  sich  bei  den  schlaffen 
Lähmungen  nach  Poliomyelitis  usw.  so  glänzend  bewährt  hat, 
bei  den  spastischen  Zuständen  so  gut  wie  versagen. 

Es  gilt,  den  spastischen  Erregungszustand  in  diesen  Mus¬ 
keln  erheblich  herabzusetzen,  und  das  gelingt  nur  durch  die 
Stoffel  sehe  Operation  am  peripheren  Nerven.  Nur  wenn 
die  motorischen  Bahnen,  die  die  betreffenden  Muskeln  ver¬ 
sorgen,  teilweise  ausgeschaltet  werden,  wie  es  durch  die  iso¬ 
lierte  Entfernung  derselben  geschieht,  nur  dann  ist  es  möglich, 
die  Krampfzustände  in  der  Peripherie  so  herabzusetzen,  dass 
die  Antagonisten  wieder  zu  ihrem  Rechte  kommen  können. 
Nicht  gelingt  es  mit  dieser  Operation  die  athetotischen  Be¬ 
wegungen  zu  beseitigen. 


>70 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Selbstverständlich  ist  es  mit  der  Operation  allein  nicht 
getan,  sondern,  wie  nach  fast  allen  orthopädischen  Ope¬ 
rationen,  ist  eine  lang  fortgesetzte  konsequente  Uebungsbe- 
handlung,  die  sich  namentlich  den  geschwächten  Antagonisten 


diesem  Falle  darin,  dass  man  einen  Lappen  von  einem  oder 
mehreren  funktionstüchtigen  Muskeln  des  Gesichtes  abspaltete, 
um  ihn  subkutan  an  den  Ort  der  gelähmten  Muskulatur  zu 


zuwendet,  durchzuführen.  Eine  richtige  Nachbehandlung  ist 
vor  allem  auch  deshalb  wichtig,  um  Rezidive  zu  vermeiden. 
Was  die  Rezidivgefahr  betrifft,  so  habe  ich  bisher  kein  Rezidiv 
erlebt. 

Zweimal  habe  ich  neuralgiforme  Schmerzen, 
einmal  5 — 6  Tage,  einmal  2  Wochen  nach  der  Operation  in 
der  operierten  Extremität  beobachtet,  die  aber  nach  einigen 
l  agen  allmählich  wieder  vergingen.  Ob  es  sich  um  Nerven- 
stumpfschmerzen  oder  um  Neuralgien  handelt,  wie  sie  bei 
Spastikern  bisweilen  beobachtet  werden,  hier  unter  der  Wir¬ 
kung  des  Eingriffes,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Stoffel 
hat  diese  Schmerzen  bisher  noch  nicht  beobachtet. 

Wie  Stoffel  möchte  auch  ich  aus  meiner  Erfahrung 
nachdrücklichst  betonen,  die  Heilung  der  Wunden  gut  abzu¬ 
warten,  die  Nähte  nicht  zu  früh  zu  entfernen  und  nicht  zu  bald 
mit  dem  Abbiegen  der  Gelenke  zu  beginnen,  da  die  Heilungs¬ 
dauer  bei  spastischen  Lähmungen  offenbar  infolge  der  Irri- 
tierung  durch  athetotische  Bewegungen  etwas  länger  ist 
als  sonst,  im  Durchschnitt  2 — 2lA  Wochen.  Es  erschwert 
und  verzögert  sonst  die  Nachbehandlung  in  unangenehmer 
Weise,  wenn  die  Wundränder  auseinanderweichen  und  sich 
nur  langsam  durch  Granulation  mit  Hinterlassung  keloider 
Narben  schliessen. 

Geeignet  zur  Operation  sind  vor  allem  die  Little- 
fälle,  die  spastischen  Halbseitenlähmungen 
der  Kinder  (zerebrale  Hemiplegie)  der  verschiedensten  Aetio- 
logie,  auch  spastische  Kontrakturen  nach  Apoplexien  Er¬ 
wachsener  können  mit  dieser  Methode  beseitigt  werden. 

Ungeeignet  sind  die  Fälle,  die  mit  starken  choreati¬ 
schen  Bewegungen  verbunden  sind,  Hydrozephalus,  Idiotie. 
Bei  den  Formen,  bei  denen  neben  den  Spasmen  wirkliche 
Lähmung  von  Muskeln  besteht,  ist  von  der  Operation  ein 
nicht  zu  grosser  Effekt  zu  erwarten,  diese-  Fälle  dürften  sich 
mehr  für  die  nach  den  neuen  Stoffel  sehen  Grundsätzen  zu 
gestaltende  Nervenplastik  eignen. 

Freilich  ist  die  Zeit  zur  endgültigen,  abschliessenden  Be¬ 
urteilung  der  ganzen  Frage  noch  zu  kurz.  Aber  das  Eine 
steht  fest,  dass  es  uns  gelingt,  in  Fällen  von  Krampflähmungen 
der  Glieder,  in  denen  die  bisherigen  Methoden  versagt  haben, 
so  wesentliche  Besserung  der  Funktion  zu  bringen,  .dass  es 
sich  wohl  lohnt,  dieser  Methode  die  grösste  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden.  Vor  der  F  ö  r  s  t  e  r-  sehen  Resektion  hinterer 
Wurzeln,  die  ja  ebenfalls  für  spastische  Kontrakturen  emp¬ 
fohlen  und  angewendet  wird,  hat  die  Stoffel  sehe  Operation 
vor  allem  den  grossen  Vorzug  der  Ungefährlichkeit,  während 
bei  jenem  Eingriffe  doch  immerhin  eine  erhebliche  Lebens¬ 
gefahr  durch  sekundäre  Infektion  des  Rückenmarkes  besteht. 
Nach  den  bisher  vorliegenden  Ergebnissen  habe  ich  die  Hoff¬ 
nung,  dass  die  Stoffel  sehe  Operation  einmal  als  ein  sehr 
nennenswerter  Fortschritt  in  der  Nervenchirurgie  angesehen 
wird. 


Aus  der  chirurgisch-orthopädischen  Anstalt  von  Dr.  Stein  in 

Wiesbaden. 

Die  kosmetische  Korrektur  der  Fazialislähmung  durch 
freie  Faszienplastik*). 

Von  Dr.  med.  Albert  E.  Stein  in  Wiesbaden. 

Die  Heilung  der  Fazialislähmung  wird  seit  langer  Zeit  von 
seiten  der  Chirurgen  angestrebt.  Die  Methoden,  welche  man 
in  Anwendung  gezogen  hat,  sind  zweifach:  einmal  versuchte 
man,  dem  gelähmten  funktionsuntüchtigen  Nerven  von  einem 
benachbarten  gesunden  Nerven  her  neue  Kraft  durch  Auf- 
pfropfung  eines  Teiles  des  gesunden  Nerven  zuzuführen 
(F  a  u  r  e  und  Furat,  Hackenbruch,  Cushing,  Bal¬ 
lone  e  und  Stewart,  Körte,  F  r  a  z  i  e  r  u.  a.);  das  andere 
Mal  wandte  man  sich  an  Stelle  der  Nervenplastik  der  Mus¬ 
kelplastik  zu.  Das  Prinzip  des  Eingriffes  bestand  in 


*)  Nach  einem  auf  dem  42.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Chirurgie  gehaltenen  Vortrage. 


führen  und  dort  zu  befestigen  (L  e  x  e  r,  Nordmann, 
E  d  e  n).  Die  zuerst  genannte  Methode  der  Nervenplastik  aus 
dem  Gebiete  des  Nervus  accessorius  oder  des  Nervus  hypo- 
glossus  ist  in  den  letzten  Jahren  wohl  kaum  mehr  ausgeübt 
worden,  weil  die  mit  ihr  erzielten  Erfolge  nicht  befriedigten. 
Die  Methode  der  Muskelplastik,  die  wohl  überhaupt  erst  er¬ 
dacht  wurde,  weil  die  Nervenplastik  die  erwarteten  Erfolge 
nicht  zeitigte,  scheint  auch  nicht  mit  Sicherheit  Erfolge  zu 
geben;  denn  es  ist  bisher  nur  ganz  vereinzelt  über  sie  berichtet 
worden.  Zudem  hat  sie  eine  sehr  entstellende  Narbenbildung 
zur  Folge,  so  dass  eigentlich  nur  die  eine  Verunstaltung  des 
Gesichtes  durch  die  andere  ersetzt  wird. 

Wir  müssen  uns  daher  wohl  vorläufig  mit  der  Tatsache 
abfinden,  dass  es  eine  einigermassen  sichere  chirurgische  Me¬ 
thode  zur  funktionellen  Heilung  der  kompletten  Fazialis¬ 
lähmung  bis  jetzt  nicht  gibt.  Nun  ist  aber  die  Entstellung  der 
an  Fazialislähmung  leidenden  Patienten  eine  ausserordentlich 
hochgradige  und  vielfach  durch  den  Umstand,  dass  die  davon 
■  Betroffenen  in  der  Öffentlichkeit  unbedingt  auffallen  und  auch, 
soweit  ungebildete  Kreise  in  Betracht  kommen,  zum  Gespött 
Anlass  geben,  noch  erschwert.  Es  lag  daher  nahe,  diesen  Un¬ 
glücklichen,  welche  durch  ihr  Leiden  häufig  in  ihrem  Fort¬ 
kommen  direkt  gehindert  oder  aber  zum  mindesten  in  ihrem 
Lebensgenüsse  beträchtlich  beschränkt  sind,  wenigstens  da¬ 
durch  teilweise  zu  helfen,  dass  man  versuchte,  unter  Verzicht 
auf  die  Wiederherstellung  der  Funktion  des  gelähmten  Nerven, 
die  verzerrten  Gesichtszüge,  im  Ruhezustand  wenigstens,  auf 
operativem  Wege  in  ihre  natürliche  Lage  zurückzubringen. 
Diese  gewissermassen  rein  kosmetische  Operation  wirkt 
psychisch  geradezu  glänzend  auf  die  an  kompletter  Fazialis¬ 
lähmung  leidenden  Patienten  und  ist  imstande,  sie  in  sozialer 
Beziehung  unter  Umständen  sehr  wesentlich  zu  fördern.  Ihre 
Ausführung  wird  daher  stets  in  Fällen  indiziert  sein,  bei  denen 
eine  funktionelle  Besserung  oder  Heilung  der  Lähmung  mit 
konservativen  Mitteln  nicht  mehr  zu  erwarten  ist,  und  so¬ 
lange  eine  sichere  chirurgische  Methode  zur  Wiederherstellung 
der  Funktion  des  gelähmten  Nerven  noch  nicht  bekannt  ist 
oder  bereits  vergeblich  versucht  wurde. 

Ein  Versuch  in  der  angegebenen  Richtung  ist  vor  einigen  Jahren 
von  Busch1)  gemacht  worden.  Dieser  Autor  versuchte,  den  infolge 
der  Lähmung  herabgesunkenen  Mundwinkel  dadurch  zu  heben,  dass 
er  von  der  Gegend  des  Jochbeins  aus  einen  Silberdraht  durch  die 
Wange  hindurch  zum  Mundwinkel  und  von  dort  aus  wieder  zurück 
nach  dem  Jochbogen  führte.  Durch  Anziehung  der  so  gebildeten 
Silberdrahtschlinge,  welche  in  der  Gegend  des  Jochbogens  verknotet 
und  dort  versenkt  wurde,  gelang  es,  den  Mundwinkel  genügend  zu 
heben  und  den  Mund  wieder  geradezustellen.  In  der  Folge  hat 
Momburg2)  über  einige  Fälle  berichtet,  die  er  nach  der  von 
Busch  vorgeschlagenen  Methode  erfolgreich  behandelte.  Er  hat 
ein  Instrument  angegeben,  das  die  Form  einer  bajonettartig  ab¬ 
gebogenen  Schusterahle  hat,  und  das  die  Durchführung  des  Silber¬ 
drahtes  durch  die  Masse  des  Wangenfleisches  wesentlich  erleichtert. 
Ausserdem  hat  er  vorgeschlagen,  den  Silberdraht  mit  seinem  einen 
Ende  hinter  dem  Jochbein  herumzuführen  und  die  Verknüpfung  der 
beiden  Drahtenden  über  dem  Jochbein  vorzunehmen,  um  auf  diese 
Weise  das  Heruntersinken  des  ganzen  Drahtes  infolge  des  dauernd 
wirkenden  Zuges  der  gelähmten  Muskulatur  zu  verhindern.  Auch 
hielt  er  es  für  zweckmässig,  am  Mundwinkel  selbst  einige  Zeit  vor 
Vornahme  der  eigentlichen  Operation  für  die  hier  herumzulegende 
Drahtschlinge  einen  Widerhalt  zu  schaffen  in  Form  eines  vorher  hier 
versenkten  2  cm  langen  besonderen  Drahtstückes  oder  der  Erzeugung 
einer  festen  inneren  Narbe  durch  mehrere  Alkoholinjektionen. 

Ich  habe  die  Busch  sehe  Methode  gleichfalls  in  2  Fällen 
von  Fazialislähmung  vorzunehmen  Gelegenheit  gehabt.  Leider 
aber  ist  das  zunächst  natürlich  vorhandene  sehr  gute  kos¬ 
metische  Resultat  auf  die  Dauer  nicht  erhalten  geblieben.  Es 
machten  sich  2  Missstände  bemerkbar:  einmal  klagten  die 
Patienten  sehr  über  die  Unbequemlichkeiten  und  teilweise 
stechenden  Schmerzen,  welche  die  Enden  des  Silberdrahtes 
beim  Kauen  ihnen  verursachten;  dann  aber  zeigte  es  sich, 
dass  nach  einigen  Monaten  der  Mundwinkel  wieder  herunter¬ 
sank,  obwohl  der  Drahtknoten  an  der  ursprünglichen  Stelle 

*)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1910,  No.  13.  (Buch  hat  kürzlich 
auch  einen  Fall  nach  derselben  Methode,  die  Stein  beschreibt,  ope¬ 
riert  und  in  Z.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  68,  H.  2/3  veröffentlicht.  Red.) 

2)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1910,  No.  24. 


24.  Juni  191.3. 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


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der  Versenkung  in  der  Höhe  des  Jochbeins  noch  vollkommen 
deutlich  durch  die  Haut  hindurch  von  aussen  zu  fühlen  war. 
Die  vorgenommene  Röntgenuntersuchung  ergab,  dass  der 
Silberdraht  in  der  Mitte  der  Wange  gebrochen  war.  Offenbar 
ist  dies  die  natürliche  Folge  der  andauernden  Bewegungen  und 
Zerrungen,  denen  der  Draht  beim  Kauen,  Sprechen  usw.  fort¬ 
während  ausgesetzt  ist.  Dieser  Nachteil  der  Silberdraht- 
rnethode  wird  sich  aber  natürlich  auch  bei  veränderter  Technik 
keinesfalls  vermeiden  lassen. 

Ich  bin  nun  in  einem  weiterhin  operierten  Falle  anders 
vorgegangen  und  habe  den  Silberdraht  durch  eine  freie 
Faszienplastik  mit  Erfolg  ersetzt.  Die  Faszie  wurde 
dem  Oberschenkel  entnommen.  Im  übrigen  bin  ich,  was  das 
Prinzip  der  Operation  betrifft,  durchaus  den  ursprünglich  von 
Busch  angegebenen  Vorschriften  gefolgt.  Die  Befestigung 
der  Faszie  erfolgte  am  Periost  des  Jochbeins.  Den  von 
Momburg  gemachten  Vorschlag,  am  gelähmten  Mund¬ 
winkel  gewissermassen  ein  Widerlager  für  die  Zugvorrichtung 
(Silberdraht  bzw.  Faszienstreifen)  zu  schaffen,  habe  ich  von 
Anfang  an  befolgt.  Ich  bin  aber  bereits  bei  meinen  ersten 
Fällen  nicht  dem  Vorschläge  Momburgs  entsprechend  vor¬ 
gegangen;  denn  das  Einlegen  eines  kurzen  Stückes  Silberdraht 
schien  mir  nicht  ratsam  zu  sein,  weil  die  Enden  dieses  Draht¬ 
stückes  doch  zweifellos  beim  Sprechen  den  Patienten  ge¬ 
nieren  müssen.  Die  Erzeugung  eines  Narbenstranges  durch 
Einspritzung  einer  alkoholischen  Lösung  hielt  ich  dagegen  in 
ihrem  Erfolge  für  nicht  sicher  und  auch  für  nicht  genau  genug 
dosierbar.  Ich  wählte  deshalb  einen  anderen  Weg  und  schaffte 
das  erwünschte  Widerlager  durch  die  Vornahme  einer 
kleinen  Paraffininjektion  an  der  in  Betracht 
kommenden  Stelle  seitlich  vom  gelähmten»  Mundwinkel. 
Dieses  Vorgehen  hat  den  grossen  Vorteil,  dass  eine  Reizung 
ausgeschlossen  ist  und  dass  man  sowohl  Ort  wie  Form  des 
Widerlagers  zu  bestimmen  durchaus  in  der  Hand  hat.  Es 
genügt  eine  ganz  kleine  Menge  (ca.  %  ccm  von  Paraffin,  vom 
Schmelzpunkt  ca.  50°  C).  Ich  verwende  die  von  mir  früher 
zu  anderen  Zwecken  empfohlene  Paraffinmischung3)  und  nicht 
reines  Hartparaffin,  welches  sich  weniger  leicht  injizieren  lässt 
und  auch  eher  zu  Reizungen  Anlass  gibt.  Die  Injektion  er¬ 
folgt  mit  der  von  mir  früher  beschriebenen  Paraffinschiauben- 
spritze  4).  Zwischen  der  Vornahme  der  eigentlichen  Operation 
und  dieser  Voroperation  muss  man  natürlich  eine  gewisse 
Zeit  warten,  damit  das  Paraffinlager  sich  an  dem  Orte  der 
Injektion  befestigen  kann  resp.  von  Bindegewebssträngen 
durchwachsen  wird,  wie  ich  dies  früher  auf  Grund  experimen¬ 
teller  Untersuchungen  geschildert  habe 5 6).  Im  allgemeinen 
dürften  2 — 3  Wochen  Wartezeit  für  das  kleine  hier  in  Betracht 
kommende  Paraffindepot  genügen.  Die  weiteren  Details  be¬ 
züglich  der  Vornahme  der  Faszienplastik  ergeben  sich  aus  der 
nachfolgenden  ausführlichen  Krankengeschichte: 

Es  handelte  sich  um  einen  38  jährigen  Taglöhner,  welcher  vor 
15  Jahren  eine  Lungenentzündung  und  als  Kind  „Halsdrüsenentzün- 
dung“  hatte.  Patient  ist  Vater  von  3  gesunden  Kindern.  Vor  8  Jahren 
(nach  der  Geburt  der  Kinder)  infizierte  er  sich  mit  Lues.  Er  wurde 
längere  Zeit  mit  Quecksilbereinspritzungen  behandelt.  3  Jahre  später 
stellte  sich  plötzlich  ohne  Vorboten  ganz  spontan  eine  Lähmung  der 
rechten  Gesichtshälfte  ein.  Seither  leidet  Patient  auch  vielfach  an 
Kopfschmerzen.  Nach  Eintritt  der  Lähmung  wurde  Patient  wiederholt 
mit  Einspritzungen  und  mit  Jodkali  behandelt.  Ausserdem  wurde 
von  anderer  Seite  eine  Operation  zur  Heilung  der  Lähmung  vor¬ 
genommen  (Nervenpfropfung).  Alle  diese  Versuche  waren  erfolglos. 
Die  Lähmung  besserte  sich  nicht  und  blieb  immer  auf  der  gleichen 
Stufe  stehen. 

Es  handelte  sich  also  im  vorliegenden  Falle  um  eine  komplette 
Fazialislähmung,  voraussichtlich  auf  luetischer  Basis  beruhend.  Da 
der  Versuch  einer  Nervenplastik  in  diesem  Falle  bereits  ohne  Erfolg 
gemacht  worden  war,  so  eignete  sich  der  Fall  ganz  besonders  gut 
für  die  Korrektur  durch  Faszienplastik.  Die  Operation  gestaltete  sich 
folgendermassen: 

Voroperation :  Injektion  von  ca.  14  ccm  Paraifinmischung  vom 
Schmelzpunkt  50°  C  in  die  Gegend  seitlich  und  oberhalb  des  rechten 
Mundwinkels  ca.  Vz  cm  vom  Mundwinkel  selbst  entfernt.  Die  in¬ 
jizierte  Masse  wird  durch  Druck  von  aussen  in  eine  längliche  Form 
gepresst,  so  dass  ein  wurstförmiges,  ca.  2  cm  langes  Depot  entsteht, 
dessen  Mitte  vom  rechten  Mundwinkel  getroffen  wird. 


3)  Zu  beziehen  von  Dr.  Brettschneiders  Apotheke, 

Berlin  N.,  Oranienburgerstr.  37. 

')  D.  med.  W.  1910,  9.  Fabr.  P.  A.  S  t  o  s  s  N  a  c  h  f..  Wiesbaden. 

6)  Stein:  Paraffininjektionen.  Theorie  u.  Praxis.  Stuttgart  1904. 


Drei  Wochen  später  wird  die  eigentliche  Operation  vor- 
nommen. 

Es  wurde  zunächst  an  der  Aussenseite  des  rechten  Ober¬ 
schenkels  die  Faszie  von  einem  ca.  20  cm  langen  Schnitt  aus  frei¬ 
präpariert,  durch  2  in  einer  Entfernung  von  ca.  Vz  cm  von  einander 
verlaufende  parallele  Schnitte  in  der  obengenannten  Länge  gespalten 
und  von  der  Unterlage  gelöst.  Das  obere  und  untere  Ende  dieses 
Vz  cm  breiten  und  20  cm  langen  Faszienstreifens  wurde  vorläufig 
noch  nicht  durchschnitten.  Die  Hautwunde  wurde  nun  wiederum  mit 
vier  Michel  sehen  Klammern  provisorisch  verschlossen. 

Darauf  wurde  die  rechte  Wange  in  folgender  Weise  zur  Auf¬ 
nahme  des  Faszienstreifens  vorbereitet. 

Zunächst  wurde  ein  ca.  Vs  cm  langer  Schnitt  an  der  Innenseite 
des  früher  injizierten  Paraffindepots  und  senkrecht  zu  diesem  ober¬ 
halb  des  rechten  Mundwinkels  gemacht,  und  darauf  ein  gleicher 
Schnitt  an  der  Aussenseite  dieses  Paraffindepots.  Nunmehr  wurde 
durch  einen  Schnitt  oberhalb«des  Jochbogens  dieser  selbst  in  einer 
Ausdehnung  von  ca.  2Vz  cm  freigelegt  und  von  dieser  Wunde  aus 
die  gestielte  bajonettförmige  Nadel  nach  dem  inneren  Schnitte  am 
rechten  Mundwinkel  durch  die  Wange  hindurchgeführt  und  dort  aus 
der  vorhandenen  Wunde  ausgestochen.  Das  Instrument  wurde  vor¬ 
läufig  von  einem  Assistenten  in  dieser  Stellung  gehalten.  Jetzt  wurde 
die  Wunde  am  Oberschenkel  wieder  geöffnet  und  der  Faszienstreifen 
am  oberen  und  unteren  Ende  abgeschnitten,  in  Kochsalzlösung  ab¬ 
gespült,  und  darauf  mit  einem  Faden  an  der  in  der  unteren  medialen 
Wunde  steckenden  gestielten  Nadel  befestigt.  Die  Nadel  wurde  mit 
dem  Faszienstreifen  durch  die  Wange  durchgezogen,  bis  das  eine 
Ende  des  Faszienstreifens  aus  der  Wunde  über  dem  Jochbogen  heraus¬ 
trat.  Dieses  Ende  wurde  mit  einer  Naht  sofort  befestigt.  Nunmehr 
wurde  das  andere  Ende  des  Faszienstreifens  unter  der  Hautbrücke 
zwischen  den  beiden  Wunden  am  Mundwinkel  hindurchgezogen  und 
in  gleicher  Weise  von  der  Jochbogenwunde  aus  wie  das  erstemal 
nach  oben  durch  die  Wange  durchgezogen.  Die  beiden  Enden  wurden 
in  der  oberen  Wunde  vereinigt  und  mit  mehreren  Katgutnähten  am 
Periost  des  Jochbogens  fixiert,  nachdem  vorher  eine  Ueberkorrektur 
im  Sinne  der  Hebung  des  rechten  Mundwinkels  vorgenommen 
worden  war.  Darauf  folgte  Verschluss  der  3  Wunden  im  Gesicht 
mit  Seidennähten,  und  definitiver  Verschluss  der  Wunde  am  Ober¬ 
schenkel  mit  Michel  sehen  Klammern,  nachdem  zuvor  die  Faszien¬ 
wunde  durch  eine  fortlaufende  Katgutnaht  geschlossen  worden  war. 

Es  trat  sowohl  an  der  Stelle  der  Faszienentnahme  am 
rechten  Oberschenkel,  wie  auch  an  den  Operationswunden  im 
Gesicht  primäre  Heilung  ein.  Der  Erfolg  der  Operation  war, 


wie  die  Abbildungen  zeigen,  ein  durchaus  zufriedenstellender. 
Die  Schiefstellung  des  Mundes  war  so  gut  wie  völlig  beseitigt. 
Das  Resultat  hat  sich  in  der  folgenden  Zeit  (seit  Vornahme  der 
Operation  ist  1  Jahr  verstrichen)  gut  erhalten.  Auch  auf 
den  Zustand  des  rechten  Auges,  dessen  Lider  ja  infolge  der 
Fazialislähmung  nicht  geschlossen  werden  können,  hat  die 
Operation  insofern  eine  günstige  Einwirkung  gehabt,  als  der 
Bulbus  nunmehr  durch  das  mitgehobene  Unterlid  etwas  besser 
gedeckt  ist  wie  früher.  Das  starke  Tränen  des  Auges  hat 
daher  wesentlich  nachgelassen.  Selbstverständlich  ist  auch 
der  Ausdruck  des  Auges  infolge  der  Hebung  des  Unterlides 
ein  wesentlich  besserer  geworden.  Die  Narben  der  Operation 
im  Gesicht  sind  nicht  mehr  zu  sehen. 

Was  die  Stellung  des  Mundes  betrifft,  so  sei  nochmals 
betont,  dass  sich  die  Korrektur  natürlich  nur  auf  die  Gerad- 
stellung  in  der  vollkommenen  Ruhelage  beziehen  kann.  So¬ 
bald  die  in  dieser  Weise  korrigierten  Patienten  sprechen  oder 
lachen  oder  kauen,  kurz  sobald  sie  die  Muskulatur  der  ge- 

2“ 


1372 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  25 


sunden  Seite  in  irgend  einer  Weise  in  Aktion  setzen,  tritt  die 
Sehiefhaltung  wieder  zutage.  Aber  auch  so  ist  den  Patienten 
aus  den  eingangs  erwähnten  Gründen  ein  grosser  Dienst 
geleistet. 


Eine  Vereinfachung  der  dynamischen  Pulsdiagnostik. 

Von  Dr.  Th.  Christen,  Privatdozent  in  Bern. 

In  No.  15  dieser  Wochenschrift  vom  Jahre  1911  habe  ich 
eine  Darstellung  der  dynamischen  Pulsdiagnostik 
welche  keinerlei  mathematische  Kenntnisse 


Trotzdem 
lieh,  Mühe, 
und  zwar 
Gründen: 

1.  Die 


hatte 
Eu  ss 
aus 


die  neue 
zu  fassen, 
folgenden 


gegeben, 
voraussetzt. 


Methode,  besonders  anfäng- 


ausdrücklich  hervorgehoben.  Die  Volumkurvc  ist  einfacher  zl 
konstruieren,  weil  man  hiefür  bloss  die  gefundenen  Blut¬ 
volumina  über  den  zugehörigen  Druckwerten  einzutragen 
braucht,  ohne  die  Energiewerte  berechnen  zu  müssen.  Die 
Energiekurve  dagegen  bietet  den  Vorteil,  dass  man  aus  ihrem 
Gipfel  ohne  weiteres  das  Energiemaximum  ersieht. 

Es  soll  aber  im  folgenden  gezeigt  werden,  wie  man  die 
Konstruktion  der  Energiekurve  tatsächlich  umgehen  kann, 
ohne  deshalb  auf  eine  leichte  und  übersichtliche  Beurteilung 
der  Energiewerte  verzichten  zu  müssen. 

ad  3.  Die  dritte  Schwierigkeit,  die  Berechnung  der  En¬ 
ergiewerte,  lässt  sich  mit  Hilfe  eines  einfachen  Mittels  mn- 


ganze  Frage¬ 
stellung  war  vollständig  neu 
und  weicht  grundsätzlich  ab 
von  den  bisher  geläufigen 
Ideen  über  Pulsmechanik. 
Zudem  ist  in  den  letzten 
2  Jahren  das  Energometer- 
prinzip  mehrfach  angefochten 
worden.  Auch  konnte  ich, 
mangels  eines  genügenden 
klinischen  Materials,  keine 
umfassenden  Beweise  für 
die  praktische  Brauchbarkeit 
meiner  Methode  beschaffen. 

2.  Die  geometrische  Dar¬ 
stellung  der  Eigenschaften 
des  Pulses  in  Form  der 
dynamischen  Diagramme 
(Stauungskurven)  ist  dem 
Mediziner  noch  etwas  un¬ 
gewohnt.  Ausserdem  er¬ 
schien  es  wohl  manchem 
als  unnötige  Komplikation, 
dass  man  von  jedem  Pulse 
zwei  verschiedene  Dia¬ 
gramme,  die  Volumkurve 
und  die  Energiekurve,  ab¬ 
leiten  sollte. 

3.  Eine,  wenn  auch  be¬ 
scheidene  arithmetische  Auf¬ 
gabe  ist  die  jeweilige  Be¬ 
rechnung  der  Energie  als 
das  Produkt  aus  Druck  und 
Volumen. 

ist  folgendes 


V-4.o. 


88  88C)8?S8<5&S88<i8?S8C>8SS80g9S8Ci8S88C> 
^  ^  O  C  § 

V  fy  **5  «r,  k 


1'tOO 


1300 


1100 


Hiezu 
bemerken : 
ad  1. 


zu 


Was  die  erste 
Schwierigkeit  betrifft,  so 
lässt  sie  sich  allerdings  nicht 
aus  der  Welt  schaffen.  Je 
ungewohnter  neue  Gedanken 
sind,  desto  länger  dauert  es, 
bis  sie  allgemein  anerkannt 
werden.  Um  so  fruchtbarer 
sind  sie  dann  aber  auch, 
sie  eben  ein  neues  Ge- 
des  Denkens  eröffnen. 
Unanfechtbarkeit  des 
einem 


weil 

biet 

Die 

mit 


isoo  grcm 


cm  * 


Energometerprinzipes  lässt  sich 
einfachen  Leichenexperiment  ad  oculos  demon¬ 
strieren.  Die  Beschreibung  findet  sich  in  Bd.  110,  S  382 
des  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med. 

Die  praktische  Verwertung  der  Energometrie  geschah  zu¬ 
erst  durch  Herrn  Dr.  Hapke  an  dem  reichhaltigen  klinischen 
Material  des  Herrn  Prof.  v.  Bergmann  am  städtischen 
Krankenhause  in  Altona.  (Vergl.  Bericht  des  30.  Kongr  f 
innere  Med..  1913  und  Zentralbl.  f.  Herz-  u.  Gef.-Krankh.  1913, 
No.  10.  (Eine  ausführliche  Arbeit  erscheint  in  einer  der 
nächsten  Nummern  d.  W.  Red.)  '  ■  , 

ad.  2.  Dass  die  Energiekurve  gegenüber  der  Volumkirrve 
nichts  gi  undsätzlich  neues  bedeutet,  habe  ich  von  Anfang  an 


gehen,  so  dass  zukünftig  auch  der  grösste  Feind  des  Zahlen¬ 
rechnens  die  Methode  wird  gebrauchen  können. 

Zu  diesem  Zwecke  habe  ich  eine  Graphik  konstruiert, 
welche  die  Eigenschaft  hat,  dass  alle  auf  der  gleichen 
Hyperbel  gelegenen  Punkte  den  gleichen  Energiewert  dar¬ 
stellen.  Am  linken  Rande  der  Graphik  (Fig.  1)  sind  die 
Volumwerte,  d.  h.  die  „Füllung“  des  Pulses* 1)  angegeben,  und 


»Auch  hier  wieder  muss  ich  ausdrücklich  hervorheben,  dass 
diese  Volum  werte  nicht  das  Pulsvolumen  sondern  die  „F ii  1  - 

1  u  ri  g  des  Pulses  bedeuten,  d.  h.  die  systolische  Volumzunahme  unter 
der  Manschette.  Diese  wird  bei  einem  bestimmten  Manschettendruck 
ein  Maximum,  eben  dann,  wenn  dank  dem  Manschettendruck  die 
Arterie  wahrend  der  Diastole  zusammenklappt. 


24.  Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1373 


ani  unteren  Rande  die  Werte  des  Manschettendruckes,  gegen 
welche  diese  Füllung  stattfindet.  Das  Produkt  dieser  beiden 
Grössen  ist  die  gesuchte  mechanische  Energie  des  Pulsstosses. 


Hat  man 
eine  Füllung 


z.  B.  bei  einem  Manschettendruck  von  160  — 

von  2,5  ccm  gemessen,  so  sucht  man  auf  der 
horizontalen  Skala  am  unteren  Rande  der  Figur  den  Druck¬ 
wert  160  und  steigt  von  hier  senkrecht  auf  bis  zum  Niveau  2,5. 
Die  durch  diesen  Punkt  gehende  Hyperbel  ist  sowohl  am 
oberen  als  auch  am  rechten  Rand  der  Figur  mit  400  be¬ 
zeichnet. 

Das  will  sagen,  die  mechanische  Energie  des  beobachteten 


160 


s 

cm- 


Pulsstosses  betrage  400  g-cm.  In  der  Tat,  wenn  man 
multipliziert  mit  2,5  ccm,  so  erhält  man  400  g-cm. 

Aber  nicht  nur  die  Berechnung  der  Energiewerte  erspart 
uns  diese  Graphik.  Wir  umgehen  damit  auch  die  Konstruktion 
der  Energiekurve.  Zeichnen  wir  nämlich  in  diese  Graphik 
eine  Volumkurve  ein,  so  können  wir  unmittelbar  sehen,  wo 
der  Energiegipfel  liegt.  Es  ist  dies  derjenige  Punkt,  welcher 
die  höchstwertige  Hyperbel  erreicht. 

Als  Beispiel  möge  Fig.  2  dienen.  Dort  sind  in  die  Graphik  zwei 
Volumkurven  eingezeichnet.  Die  erste  (Punkte  1 — 12)  stammt  von 
einem  normalen  Individuum.  Bei  ihr  fällt  der  Volumgipfel  ungefähr 
mit  dem  Energiegipfel  zusammen,  denn  sowohl  dieser  Gipfel  (Punkt  6) 
als  die  zwei  folgenden  Punkte  (7  und  8)  liegen  zwischen  den  Hyper¬ 


beln  260  und  280.  Für  diese  Punkte  beträgt  also  die  Energie 
ca.  270  gern.  Alle  anderen  Punkte  dagegen  liegen  bei  minderwertigen 
Hyperbeln,  so  der  nächstfolgende  Punkt  (9)  und  der  unmittelbar  vor 
dem  Gipfel  gelegene  Punkt  (5)  bei  Hyperbel  240. 

Anders  verhält  sich  die  zweite,  flachere  Volumkurve.  Sie  wurde 
von  einem  ausgesprochenen  Arteriosklerotiker  gewonnen.  Dort  sind 
die  Gipfelpunkte  (17  und  18)  bei  den  Hyperbeln  280  und  320  gelegen. 
Trotzdem  von  hier  an  die  Volumkurve  wieder  sinkt,  liegen  doch  die 
zwei  folgenden  Punkte  (19  und  20)  bei  der  höherwertigen  Hyperbel 
340  und  erst  der  letzte  Punkt  (21)  entspricht  wieder  einem  niedrigeren 
Energiewert,  nämlich  290  gern,  da  er  zwischen  den  Hyperbeln  280  und 
300  liegt. 

Man  erkennt  also  hier  ohne  Konstruktion  der  Energie¬ 
kurve,  wo  der  höchste  Energiewert  liegt,  es  zeigt  sich  die 

bekannte  Eigenschaft  der 
Hypertonien,  dass  der  Ener¬ 
giegipfel  bei  einem  höheren 
Drucke  liegt  als  der  Volum¬ 
gipfel,  und  —  was  für  die 
allgemeine  Einführung  der 
dynamischen  Pulsdiagnostik 
von  besonderem  Vorteil  ist 
—  man  erhält  zu  je¬ 
dem  Punkte  der  Vo¬ 
lumkurve  durch  blos¬ 
ses  Ein  tragenin  die 
Graphik  ohne  jede 
Rechnung  gleich 
audh  den  zugehöri¬ 
gen  Energiewert,  in¬ 
dem  man  einfach  die  zu¬ 
nächst  liegende  Hyperbel 
entweder  nach  links  oben 
oder  nach  rechts  unten  ver¬ 
folgt  bis  an  den  Rand  der 
Graphik  und  dort  den  ge¬ 
suchten  Energiewert  direkt 
abliest. 

Wem  diese  Art  der  gra¬ 
phischen  Darstellung  viel¬ 
leicht  noch  etwas  fremd¬ 
artig  vorkommt,  der  möge 
sich  nur  an  die  bekannten 
Terrainkarten  erinnern,  auf 
welchen  alle  diejenigen 
Punkte  durch  Kurven  ver¬ 
bunden  sind,  welche  die 
gleiche  Höhe  über  Meer 
haben.  Nur  handelt  es  sich 
beim  Terrain  um  unregel¬ 
mässig  verlaufende  Kurven, 
während  die  graphische  Dar¬ 
stellung  des  Zusammen¬ 
hanges  zwischen  der  me¬ 
chanischen  Energie  des 
Pulsstosses,  der  Füllung  des 
Pulses  und  dem  Man¬ 
schettendruck  eine  regel¬ 
mässige  Hyperbelschar  er¬ 
gibt.  Es  beruht  dies  auf  der 
einfachen  Tatsache,  dass  die 
mechanische  Energie  des 
Pulsstosses  gegen  eine 
pneumatische  Manschette 
der  Füllung  und  dem  Man- 


Produkte  aus 


gleich  ist  dem 
schettendrucke. 

Die  Einführung  der  neuen  Graphik2)  bedeutet  somit  einen 
doppelten  Vorteil :  die  Umgehung  der  Konstruktion 
der  Energiekurve  und  den  Wegfall  jeglicher 
Rechnung. 


das 


2)  Die  Firma 
Energometer 


Hausmann  A.G.  in  St.  Gallen  (Schweiz),  welche 
herstellt,  liefert  auch  die  Blätter  mit  der  Graphik 


137-1 


No.  35. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  der  med.  Klinik  zu  Jena  (Direktor:  Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Ueber  die  Prognose  und  Therapie  der  Meningitis. 

Von  Privatdozent  Dr.  V.  Reichinann,  Assistenzarzt  der  Klinik. 


In  der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Neurologie  und  Psych¬ 
iatrie,  Bd.  XI,  H.  5  habe  ich  zu  diesem  Thema  kurz  das  Wort 
ergriffen.  Damals  wies  ich  darauf  hin,  dass  es  nicht  gestattet 
ist,  von  einer  Meningitis  zu  reden,  wenn  Bakterien  ohne  Ver¬ 
änderungen  des  Liquor  cerebrospinalis  gefunden  werden, 
ebensowenig  als  wir  von  einer  Sepsis  sprechen,  wenn  wir 
ausser  dem  Bakterienbefund  im  Blut  keine  entsprechenden 
klinischen  Erscheinungen  vor  uns  haben,  zumal  heutzutage, 
wo  es  uns  scheint,  als  hätte  jene  Zeit,  wo  man  wenig  Mikroben 
fand,  gerade  in  das  Gegenteil  umgeschlagen.  Dass  in  der 
Tat  bei  dem  Befunde  von  pathogenen  Mikroorganismen  im 
Liquor  durchaus  nicht  immer  eine  Meningitis  vorliegt,  lehrte 
uns  ein  kürzlich  beobachteter  Fall.  Es  handelte  sich  um  eine 
Sepsis  durch  hämolytische  Staphylokokken,  von  denen  die 
Blutagarplatten  geradezu  überschwemmt  waren.  Auf  der 
Höhe  der  Erkrankung  klagte  die  betreffende  Patientin  über 
Kopfschmerzen.  Irgendwelche  andere  meningitische  Erschei¬ 
nungen  waren  nicht  nachweisbar.  Die  Lumbalpunktion  ergab 
keinen  erhöhten  Druck.  Eine  unbedeutende  Zellvermehrung 

/22  x  1 1\ 

(  eine  fragliche  Opaleszenz  bei  Anstellung  der 


Nonne  sehen  Phase  I  und  dieselben  hämolytischen  Staphylo¬ 
kokken  wie  im  Blute.  Bei  diesen  geringen  Liquorverände¬ 
rungen  ist  es  wohl  nicht  gestattet,  von  einer  Meningitis  zu 
reden,  da  solche  bei  fieberhaften  Erkrankungen  nichts  Unge¬ 
wöhnliches  sind.  Der  Fall  [l]  ging  auf  intravenöse  Kollargol- 
injektionen  in  Heilung  aus. 

Dagegen  kann  an  einer  Meningitis  bei  fehlenden  Bak¬ 
terien  wohl  kaum  ein  Zweifel  bestehen,  wenn  hochgradige 
Pleozytose,  mehr  oder  weniger  starke  Eiweissvermehrung 
und  hoher  Druck  des  Liquors  vorhanden  sind.  Gerade  diese 
Formen  sind  die  prognostisch  günstigen.  Sie  sind  noch  wenig 
bekannt.  Es  ist  daher  gestattet,  auf  diese  in  der  Literatur  als 
sterile,  aseptische  oder  fälschlicherweise  als  seröse  bezeich- 
nete  Formen  von  Meningitis  kurz  einzugehen.  Sie  unter¬ 
scheiden  sich  von  den  echten  serösen  Formen  nur  durch  die 
eitrige  Beschaffenheit  des  Liquors.  Ihre  Aetiologie  ist  ent¬ 
weder  unbekannt,  oder  sie  entstehen,  was  häufiger  ist,  im  An¬ 
schluss  an  einen  eitrigen  Prozess  in  der  Nähe  des  Gehirns 
(bei  Vereiterung  der  lufthaltigen  Höhlen  und  Zellen  des 
Schädels),  oder  im  Gehirn  selbst  (bei  Hirnabszess). 

Die  ersteren  (mit  unbekannter  Aetiologie)  pflegen  oft  sehr 
plötzlich  einzusetzen,  um  dann  gewöhnlich  nach  wenigen 
Tagen  abzuflauen.  Sie  können  den  Fällen  von  epidemischer 
Genickstarre  in  ihrem  klinischen  Bilde  so  ähnlich  werden, 
dass  man  sie  bei  vorhandener  Epidemie  sicher  für  abortive 
Fälle  dieser  Art  halten  würde.  An  der  oben  angegebenen 
Stelle  haben  wir  einen  derartigen  geheilten  Fall  beschrieben, 
wo  sämtliche  charakteristischen  Symptome  der  Genickstarre, 
auch  ein  grosser,  stark  entzündeter  Herpes  labialis  bestanden. 

Auch  hat  N  i  e  d  e  n  [3]  aus  unserer  Klinik  vor  4  Jahren 
einen  hiehergehörigen  Fall  mitgeteilt,  wo  ebenfalls  klinisch  eine 
vollentwickelte  Meningitis  mit  eitrigem  Liquor  bestand,  den  er 
jedoch  wegen  mangelnden  Bakterienbefundes  und  wegen  des 
günstigen  Ausgangs  als  Meningitis  serosa  auffasste,  zu  der 
sicher  fliessende  Uebergänge  bestehen.  Neuerdings  sind  diese 
Fälle  nebst  einem  weiteren  Beitrag  von  Zabel  [2]  zusammen¬ 
gestellt  und  kritisch  beleuchtet  worden. 

Die  zweite  Gruppe  von  aseptischen  Meningitiden,  deren 
Ausgangspunkt  also  ein  eitriger  Prozess  in  der  Nähe  oder  im 
Gehirn  selbst  ist,  kann  ebenfalls  foudroyant  verlaufen  mit 
sämtlichen  Symptomen  einer  Gehirnhautentzündung,  sowie 
mit  schweren  Veränderungen  des  Liquors  (trüber  bis  eitriger 
Liquor  mit  ca.  100 — 500  Zellen,  zumeist  neutrophile,  pro 
Kubikmillimeter),  und  trotzdem  pflegt  ein  günstiger  Ausgang 
zu  erfolgen.  Ein  hierher  gehöriger  Fall  ist  ebenfalls  von  uns 
beschrieben  worden.  Schon  damals  erwähnten  wir,  dass,  so¬ 
lange  die  Leukozytenzahl  500  nicht  übersteigt,  immer  noch 
mit  einem  gutartigen  Ausgang  gerechnet  werden  darf,  was 
sich  bei  dem  erst  in  den  letzten  Tagen  wiederum  in  der 
hiesigen  Ohrenklink  beobachteten  Fall  bestätigt  hat: 


Fine  Patientin,  die  wegen  eines  Empyems  der  Stirnhöhle  operiert 
war,  bekam  24  Stunden  nach  der  Operation  heftige  Kopfschmerzen, 
Nackensteifigkeit  und  Fieber.  Die  Lumbalpunktion  ergab  einen  stark 
erhöhten  Druck.  Der  Liquor  war  diffus  trübe,  er  setzte  in  wenigen 
Minuten  eitrige  Flocken  ab.  Die  Leukozytenzahl  betrug  -8XI*. 

Die  kulturelle  Untersuchung  auf  Bakterien  verlief  wiederholt  negativ. 

Die  Kranke,  welche  in  mannigfacher  Hinsicht  ein  höchst  inter¬ 
essantes  Krankheitsbild  bot,  erholte  sich  völlig  wieder.  (Der  Fall 
wird  von  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Zange  ausführlich  beschrieben 
werden.) 

Dies  sind  alle  Fälle  von  aseptischen  Meningitiden, 
welche  wir  überhaupt  in  den  letzten  Jahren  beobachteten.  Sie 
sind  sämtlich  in  Heilung  ausgegangen,  ihre  Prognose 
ist  daher  eine  durchaus  günstige.  Uebrigens 
haben  darauf  besonders  französische  Forscher,  vor  allem 
W  i  d  a  1  schon  vor  6  Jahren  hingewiesen,  während  sie  bei 
uns  fast  noch  unbekannt  sind.  Es  soll  sich  nach  diesem  Autor 
die  septische  Form  von  dieser  noch  dadurch  unterscheiden,  1 
dass  die  Leukozyten  im  Gegensatz  zur  aseptischen  fast  alle 
zerstört  sind,  was  wir  ebensowenig  wie  Zabel  bestätigen 
können.  Wir  fanden  gerade  in  den  schwersten,  akut  ver¬ 
laufenen  Fällen  von  septischen  Meningitiden  weitaus  den 
grössten  Teil  der  Leukozyten  sehr  gut  erhalten  (s.  Abbildung 
zu  meiner  Arbeit  in  der  Deutschen  Zeitschrift  für  Nervenheil¬ 
kunde,  Bd.  42),  eben  weil  vielleicht  der  Exitus  erfolgte,  bevor  i 
es  zum  Zerfall  der  Leukozyten  hatte  kommen  können. 

Aber  auch  unter  den  bakteriellen  Meningitiden  gibt  es 
eine  Gruppe,  die  eine  günstige  Prognose  gibt,  und  zwar  ist  es 
diejenige,  über  welche  Uffenorde  [4]  auf  dem  vorjährigen 
Kongress  der  otologischen  Gesellschaft  zu  Hannover  be¬ 
richtete,  wo  im  Anschluss  an  eitrige  Prozesse  der  Schädel¬ 
kapsel  sich  eine  bakterielle  Meningitis  entwickelt,  wenn  in 
diesen  Fällen  nur  immer  die  Quelle  der  Eiterung  beseitigt  wird. 
Es  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  auch  Uffenorde,  ebenso  wie 
wir,  in  anderen  Fällen  wiederholt  vergeblich  nach  Bakterien 
geforscht  hat. 

Alle  übrigen  bakteriellen  Formen  nun,  wozu  allerdings  das  i 
Gros  der  Meningitiden  gehört,  verlaufen  fast  gesetzmässig  zum 
Tode,  um  welche  Bakterien  es  sich  auch  immer  handeln  mag. 
Unter  mehr  als  100  Meningitiden  dieser  Art,  welche  wir  in 
den  letzten  Jahren  in  unserer  Klinik  beobachteten,  konnten 
wir  bisher  nur  einen  einzigen  einwandfreien  Fall  von  Heilung 
mitteilen. 

Ganz  besonders  infaust  sind  aber  nach  den  meisten 
Autoren  die  Aussichten  bei  der  tuberkulösen  Meningitis.  Hier 
liegen  auch  die  Verhältnisse  von  vornherein  meist  viel 
schwerer.  Gewöhnlich  handelt  es  sich  dabei  nicht  nur  um 
eine  Durchseuchung  der  Hirnhäute  mit  Tuberkelbazillen,  son¬ 
dern  meist  des  gesamten  Körpers,  und  während  sonst,  wenn 
irgendwo  dem  Gehirn  eine  bakterielle  Invasion  droht,  wie  mit 
einem  Schlage  Millionen  von  Leukozyten  zur  Abwehr  bereit 
stehen,  erfolgt  hier  auf  die  Einwanderung  der  Tuberkelbazillen 
nur  eine  äusserst  langsame  Reaktion:  der  Liquor  bleibt  klar; 
es  werden  nur  die  leicht  bewaffneten,  die  Lymphozyten,  und 
dazu  noch  in  viel  geringerer  Zahl  mobil  gemacht  und  erst, 
wenn  gleichsam  die  Schlacht  schon  verloren  ist,  beteiligen  sich 
ab  und  zu  auch  die  übrigen  Leukozyten  am  Kampfe. 

Trotzdem  kann  jedoch  darüber  kein  Zweifel  bestehen,  dass 
auch  die  tuberkulöse  Meningitis  in  sehr  seltenen  Fällen  aus¬ 
heilen  kann.  Ja,  es  scheint  sogar  die  Zahl  der  jährlich  ge¬ 
heilten  Fälle  immer  grösser  zu  werden.  In  allen  diesen  wird 
fast  ohne  Unterschied  der  Lumbalpunktion  das  Hauptverdienst 
an  dem  günstigen  Ausgange  zugeschrieben. 

Fragen  wir  uns,  inwieweit  hierzu  eine  Berechtigung  be¬ 
steht.  so  lässt  sich  jedenfalls  soviel  sagen,  dass  die  Punktion 
niemals  allein  den  günstigen  Ausgang  hervorgerufen  haben 
kann,  sonst  müssten  wir  diesem  viel  häufigej  begegnen.  Auch 
haben  wir  nach  dem  Vorschläge  anderer  Autoren  (z.  B. 
Schlesinger  [5]  und  R  i  e  b  o  1  d  [6])  durch  energische 
Liquorentziehungen  keinesfalls  bessere  Resultate  erreicht,  ob¬ 
wohl  wir  innerhalb  2—3  Wochen  zwischen  200  und  500  ccm 
abliessen,  nicht  einmal  dadurch,  dass  wir  vom  Lumbal¬ 
teil  aus  Rückgrat-  und  Schädelhöhle  mit  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  durchspülten.  Wir  taten  dies  allerdings  nur  dann, 
wenn  der  Liquor  dicke,  eitrige  Flocken  enthielt.  Man  könnte 
nun  hier  einwenden,  dass  man  aber  vor  Einführung  der 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1375 


Lumbalpunktion  so  gut  wie  gar  nichts  von  einer  Heilung,  be¬ 
sonders  der  tuberkulösen  Meningitis  hörte.  Dabei  ist  jedoch 
wohl  zu  berücksichtigen,  dass  man  zu  jener  Zeit  überhaupt 
nicht  in  der  Lage  war,  eine  Meningitis  mit  Sicherheit  zu  dia¬ 
gnostizieren.  Kam  es  dann  in  einem  solchen  Falle  zur  Heilung, 
so  schloss  man  aus  eben  diesem  Grunde  die  Menin¬ 
gitis  aus. 

Da  wir  nun  durch  die  Untersuchung  des  Liquors  imstande 
sind,  die  Hirnhautentzündung  in  einem  Zustand  zu  erkennen, 
wo  die  rein  klinischen  Erscheinungen  noch  fast  völlig  fehlen, 
so  müssen  wir  uns  weiter  fragen,  ob  die  geheilten  Fälle  viel¬ 
leicht  nichts  anderes  sind,  als  geheilte  Frühstadien  der  Menin¬ 
gitis,  die  natürlich  früher  erst  recht  nicht  als  solche  erkannt 
wurden.  Dass  diese  viel  eher  ausheilen,  wie  vorgeschrittene 
Fälle,  daran  kann  wohl  nicht  gezweifelt  werden.  Dem¬ 
nach  wäre  die  Zunahme  der  geheilten  Fälle  in  der  Literatur 
nicht  etwa  die  Folge  einer  besseren  Therapie,  sondern 
nur  einer  verfeinerten  Diagnostik.  Sicherlich  trifft  dies  für 
viele  Fälle  zu  und  zwar  besonders  für  diejenigen,  welche 
sich  schon  nach  wenigen  Tagen  zurückbilden.  Aber  ebenso 
bestimmt  könnten  wir  sagen,  dass  dies  durchaus  nicht  immer 
der  Fall  ist.  Und  gerade  unter  derjenigen  Gruppe,  die  die  un¬ 
günstigste  Prognose  gibt,  der  tuberkulösen  Meningitis,  be¬ 
finden  sich  in  der  Literatur  sehr  schwere  in  Heilung  über¬ 
gegangene  Fälle  (s.  Fall  von  Rieb  old  [6],  Cottin  [7], 
Warrington  [8],  Hochstetter  [9]).  Alle  diejenigen 
aber,  die  noch  immer  an  einer  Ausheilung  der  tuberkulösen 
Meningitis  zweifeln,  müssen  die  Fälle  von  J  a  n  s  s  e  n  [10], 
Tyrrel  Brooks  und  Alexander  Gibson  [11]  überzeugen, 
ln  beiden  bestätigte  die  nachträgliche  Sektion  die  früher  iiber- 
standene  tuberkulöse  Meningitis. 

Wenn  wir  nun  oben  erwähnten,  dass  wir  der  Lumbal¬ 
punktion  durchaus  nicht  allein  das  Verdienst  der  Heilung  zu¬ 
schreiben,  so  unterschätzen  wir  sie  doch  keineswegs  als  thera¬ 
peutisches  Mittel,  da  es  fast  kein  Symptom  der 
Meningitis  gibt,  das  durch  sie  nicht  günstig  beeinflusst 
wird.  Wenn  es  sich  hiebei  auch  immer  nur  um  vorüber¬ 
gehende  Besserung  handelt,  so  sind  wir  während  dieser  Zeit 
doch  imstande,  den  vorher  benommenen  Kranken  Nahrung  bei¬ 
zubringen  und  so  indirekt  die  Heilung  zu  fördern.  Wir  unter- 
liessen  sie  daher  in  keinem  Falle  von  Meningitis. 

In  welcher  Weise  soll  nun  die  Punktion  vorgenommen 
werden?  Hiefür  lässt  sich  natürlich  kein  Schema  aufstellen. 
Ein  jeder  Fall  verlangt  ein  anderes  Regime.  Allgemein  kann 
man  aber  sagen,  dass  man  in  allen  Fällen,  wo  Be¬ 
nommenheit  besteht,  punktieren  soll,  und 
zwar  so  oft,  als  man  durch  sie  noch  eine  gün¬ 
stige  Wirkung,  insbesondere  auf  das  Sen- 
sorium  wahrnehmen  kann.  So  ist  es  gewöhnlich 
nötig,  in  den  ersten  Tagen  täglich  zu  punktieren.  Von  mehr 
als  einer  Punktion  pro  Tag  haben  wir  nur  selten  Nutzen  ge¬ 
sehen.  Weniger  massgebend  sind  in  dieser  Hinsicht  die 
Veränderungen  des  Liquors  selbst,  insbesondere  was  den 
Druck  anbetrifft,  der  sich  gerade  bei  Kindern  noch  lange  auf 
pathologischer  Höhe  halten  kann,  wenn  schon  längst  alle 
klinischen  Erscheinungen  verschwunden  sind. 

Schwieriger  ist  die  Frage  zu  entscheiden,  wieviel  Liquor 
man  bei  einer  Punktion  ablassen  soll.  Ist  die  Hirnhaut¬ 
entzündung  die  Folge  eines  Hirnabszesses,  so  wird  man 
wegen  der  Gefahr  der  Perforation  bei  rascher  Druck¬ 
änderung  sich  mit  wenigen  Kubikzentimetern  begnügen. 
In  allen  anderen  Fällen  kann  man  etwas  dreister  Vor¬ 
gehen,  Wir  sind  aber  auch  hier  in  der  letzten  Zeit  etwas 
vorsichtiger  geworden,  nachdem  in  zwei  Fällen,  wo  ausgiebige 
Entleerungen  von  32  und  40  ccm  bei  je  einer  Punktion  statt¬ 
fanden,  die  vorher  vorhandenen  Kopfschmerzen  sich  ver¬ 
stärkt  hatten.  Wir  pflegen  neuerdings  nicht  einmal  bis  zum 
normalen  Druck  von  120  mm  Wasser  herabzugehen,  da  wir 
auf  dem  Standpunkt  stehen,  dass  ein  gewisser  Ueberdruck 
nicht  nur  nichts  schadet,  sondern  sogar  als  Heilfaktor  ange¬ 
sehen  werden  kann.  Denn  wie  bekannt,  finden  die  meisten 
pathogenen  Bakterien,  insbesondere  die  Tuberkelbazillen  im 
sauerstoffreichen  Blute  ein  besseres  Fortkommen  als  im  sauer¬ 
stoffarmen.  Durch  die  Zunahme  des  Hirndruckes  wird  der 
venöse  Abfluss  des  Blutes  gehemmt:  es  kommt  zur  Stauung. 


Darum  sehen  wir  auch  auf  dem  Sektionstisch  in  allen  Fällen 
von  Meningitis  die  Venen,  besonders  der  Hirnkonvexität,  sehr 
stark  gefüllt.  Aber  nach  dem  Weigert  sehen  Gesetze  über¬ 
trifft  auch  hier  die  Gegenreaktion  weit  das  notwendige  Mass, 
die  sich  eben  in  den  Hirndruckerscheinungen  (Benommenheit. 
Atmungs-  und  Pulsverlangsamung)  kundgibt.  Nur  dieses  Zu¬ 
viel  müssen  wir  daher  bekämpfen,  genau  so,  wie  wir  auch 
gegen  ein  länger  anhaltendes  übermässig  hohes  Fieber  Vor¬ 
gehen  müssen.  Andererseits  wird  man  aber  gut  tun,  in  allen 
Fällen,  wo  man  eine  Meningitis  zu  befürchten  hat  (also  bei  allen 
Eiterungen  des  knöchernen  Schädels)  prophylaktisch  zu  stauen. 
Schon  an  anderer  Stelle  hatten  wir  erwähnt,  dass  wir  insbe¬ 
sondere  bei  tuberkulöser  Meningitis  von  dieser  Stauung  einen 
günstigen  Einfluss  auf  das  Leiden  zu  bemerken  glauben. 
Wiederholt  beobachteten  wir  unter  derselben  eine  länger 
anhaltende  Besserung  auf  die  Lumbalpunktion,  als  ohne 
sie.  Die  einmal  unter  Kontrolle  des  Liquordruckes  an¬ 
gelegte  Staubinde,  wobei  sich  der  Druck  nur  um  ca.  30  bis 
40  mm  Wasser  erhöhen  darf,  bleibt  während  der  ganzen 
Krankheit  liegen.  Ja,  es  ist  sogar  gefährlich,  sie  auf  der  Höhe 
der  Erkrankung  abzunehmen,  da  wir  wiederholt  danach  plötz¬ 
liches  Fieber  beobachteten. 

Ferner  empfiehlt  es  sich  nach  den  Versuchen  von 
van  Ganeghem  [12],  dem  es  gelang,  experimentell  er¬ 
zeugte  Meningitis  bei  Kaninchen  und  Hunden  durch  Urotropin 
zu  heilen,  zumal  wenn  er  es  einige  Tage  vorher  gab,  dieses 
Mittel  in  steigenden  Dosen  anzuwenden. 

Neuerdings  versucht  Manwaring  [13]  experimentell 
erzeugte  tuberkulöse  Meningitis  bei  Tieren  durch  Subdurale 
Injektionen  von  Leukozyten  zu  heilen.  In  einigen  Fällen  hat 
er  damit  einen  günstigen  Erfolg  gehabt.  Die  früher  von 
J  a  n  s  s  e  n  vorgeschlagene  Behandlung  mit  hohen  Dosen  Von 
Jodkali  [10]  wird  anscheinend  von  niemand  mehr  an¬ 
gewandt. 

Schliesslich  noch  einige  Worte  über  die  Ernährung  bei 
Meningitis,  die  gerade  bei  benommenen  Kranken,  was  ja  häufig 
der  Fall  ist,  auf  grosse  Schwierigkeiten  stösst  und  daher  von 
grösster  Bedeutung  ist.  Es  magern  die  Kranken  in  kurzer 
Zeit  rapide  ab,  da  sie  weder  Festes,  noch  Flüssiges  zu  sich 
nehmen,  so  dass  man  sich  beim  letalen  Ausgang  fragen  muss, 
ob  dieser  nicht  mehr  infolge  der  mangelhaften  Ernährung 
eingetreten  ist,  als  durch  die  Krankheit  selbst.  Auch  die  Nähr¬ 
klysmen  bleiben  häufig  ohne  den  gewünschten  Erfolg:  meist 
können  sie  von  den  Kranken  gar  nicht  gehalten  werden.  In 
solchen  Fällen  gelang  es  uns  oft  noch,  durch  einen  Kunstgriff 
die  Ernährung  noch  weiter  durchzuführen,  solange  noch  keine 
totale  Schlucklähmung  eingetreten  war.  Er  besteht  darin,  dass 
wir  den  Kindern  —  meist  handelt  es  sich  ja  um  solche  —  ein 
Schläuchchen  in  den  Mund  führen  und  durch  Heberwirkung 
die  Nährflüssigkeit  in  den  Mund  fliessen  lassen.  Sofort  saugt 
das  auch  schon  benommene  Kind  sehr  energisch  und  in 
weniger  als  1  Minute  sind  z.  B.  100 — 200  g  Milch  ver¬ 
schwunden.  Es  ist,  als  ob  den  Kindern  die  alte  Kunst  des 
Saugens  plötzlich  wieder  einfiele.  —  Es  sind  aber  dabei  einige 
Vorsichtstnassregeln  zu  beobachten:  1.  dürfen  den  Kindern 
nicht  zu  grosse  Portionen  zugemutet  werden,  da  sie  ohne 
Atmungspause  mit  grosser  Geschwindigkeit  ihr  vorgehaltenes 
Quantum  leeren;  2.  darf  der  Schlauch  nicht  zu  dünn  sein,  da 
in  letzterem  Fall  von  dem  ohnehin  geschwächten  Kind  eine 
grössere  Saugkraft  verlangt  wird,  welche  womöglich  ganz 
wegfallen  soll  und  3.  gelingt  es  nicht  immer  zum  erstenmal, 
den  kleinen  Kranken  zum  Schlucken  zu  bringen,  bei  starker 
Benommenheit  überhaupt  nicht  mehr,  aber  in  jedem  Fall,  wo 
es  seither  noch  möglich  war,  wenigstens  von  Zeit  zu  Zeit  thee- 
löffelweise  Flüssigkeit  zuzuführen.  Die  Wirkung  ist  eine 
eklatante:  die  vorher  halb  ausgetrockneten  Kranken  be¬ 
kommen  wieder  einen  normalen  Turgor,  das  Körpergewicht 
hebt  sich;  leider  ist  sie  in  allen  bakteriellen  Formen  meist  nur 
vorübergehend.  Ist  einmal  Schlucklähmung  eingetreten,  so 
soll  man  versuchen,  noch  durch  Sondenernährung  weiter  zu 
kommen.  Wir  haben  in  vorstehendem  erwähnt,  dass  auch 
schwere  tuberkulöse  Meningitiden  ausheilen  können.  Wir 
dürfen  daher  den  Kampf  mit  dieser  Krankheit  mit  allen  uns 
zu  Gebote  stehenden  Mitteln  führen  und  ihn  nicht  eher  auf¬ 
geben,  als  bis  der  Kranke  die  Augen  geschlossen  hat. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Literatur. 

J.  V.  Reichmann:  Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  3. 
S.  158.  —  2.  Zabel:  Meningitis  purulenta  aseptica.  Mitteil.  a.  d. 
ürenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir.  1912,  Bd.  25.  —  3.  N  i  e  d  e  n :  Zur  Kenntnis 
der  Meningitis  serosa.  Inaug.-Dissert.  Jena  1909.  —  4.  Uffenorde: 
Die  therapeutischen  Erfahrungen  über  die  otogene  Meningitis  in  der 
Göttinger  Ohrenklinik.  Verhandl.  d.  Deutschen  otol.  Gesellschaft 
Hannover  1912,  S.  69.  —  5.  Schlesinger:  Berliner  klin.  Wochen¬ 
schrift  1906,  No.  25.  —  6.  Rieb  old:  Zur  Frage  der  Heilbarkeit  und 
der  I  herapie  der  tuberkulösen  Meningitis.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1906,  S.  1709.  —  7.  Göttin:  Revue  de  medec.  1912,  No.  10,  ref.  im 
Zentralbl.  f.  d.  ges.  innere  Med.  u.  ihre  Grenzgeb.  IV,  S.  174.  — 
8.  W  a  r  r  i  n  g  t  o  n :  Lancet,  17.  XII.  1910,  S.  1755,  Fall  6.  —  9.  H  och¬ 
st  etter:  Ueber  die  Heilbarkeit  der  tuberkulösen  Hirnhaut¬ 
entzündung.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1912,  S.  554.  — 

10.  Janssen:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1896,  S.  169.  — 

11.  T.  Brooks  und  A.  Gibson:  Lancet,  21.  IX.  1912.  — 

12.  van  Ganeghem:  Experimentelle  Untersuchungen  zur  Uro¬ 
tropinbehandlung  bei  Meningitis.  Verhandl.  d.  Deutschen  otol.  Ges. 
Hannover  1912,  S.  86.  —  13.  Man  wa  ring:  ref.  im  Zentralbl.  f.  d. 
ges.  innere  Med.  u.  ihre  Grenzgeb.  I,  S.  105  u.  V,  S.  90. 


Aus  der  Lungenheilstätte  Cottbus  bei  Kolkwitz. 

Zur  Goldzyanbehandlung  der  Lungentuberkulose. 

Von  Dr.  J  u  n  k  e  r,  dirigierender  Arzt. 

Nach  der  Veröffentlichung  von  Bruck  und  Glück  über 
erfolgreiche  Behandlung  des  Lupus  mit  intravenösen  Gold¬ 
zyaninfusionen  (Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  2)  wurden 
von  uns  einige  Fälle  von  Lungentuberkulose  dieser  Behandlung 
unterzogen.  Es  kann  damit  natürlich  noch  keinerlei  abschliessen¬ 
des  Urteil  über  die  Methode  abgegeben  werden.  Wir  haben 
aber  einige  Erfahrungen  gemacht,  die  teilweise  von  den  Be¬ 
obachtungen  der  anderen  Autoren  bei  Hauttuberkulose  ab¬ 
weichen.  Ihre  Mitteilung  kann  deshalb,  insbesondere  da  Fälle 
reiner  Lungentuberkulose  meines  Wissens  noch  nicht  ver¬ 
öffentlicht  sind,  schon  jetzt  nützlich  erscheinen  und  Anhalts¬ 
punkte  zur  rationellen  Verwendung  des  Präparates  bei 
Lungentuberkulose  für  andere  Nachprüfer  geben.  Bis  jetzt 
sind  6  Fälle  schon  längere  Zeit  (bis  zu  3  Monaten)  behandelt, 
bei  5  anderen  ist  die  Behandlung  erst  kürzere  Zeit  begonnen. 

Alle  Fälle  waren  weibliche,  fieberfreie  Lungentuberkulosen 
ohne  Komplikationen  mit  positivem  Bazillenbefund,  deren  Pro¬ 
gnose,  ohne  gerade  schlecht  zu  sein,  doch  als  zweifelhaft  be¬ 
zeichnet  werden  musste. 

Was  zunächst  die  Technik  anbetrifft,  so  müssen  die 
intravenösen  Infusionen  ebenso  sorgfältig,  wie  beim  Salvarsan 
gemacht  werden,  worauf  ja  Bruck  eingehend  hingewiesen 
hat.  Die  intravenöse  Infusionstechnik  muss  vollständig  be¬ 
herrscht  werden,  denn  bei  dem  geringen  Blutdruck,  den 
Lungentuberkulose  oft  zeigen,  begegnet  es  einigen  Schwierig¬ 
keiten,  immer  eine  genügende  Füllung  der  Vene  zu  erreichen. 
Wir  haben  nur  frisch  destilliertes,  sorgfältig  filtriertes  und 
sterilisiertes  Wasser  zur  Verdünnung  verwandt.  Begonnen 
haben  wir  die  Versuche,  indem  wir  1  ccm  der  1  proz.  Stamm¬ 
lösung  von  Aurum-Kalium  cyanatum  Merck  (=  0,01  Prä¬ 
parat)  noch  stark  verdünnt  mit  0,6  proz.  Kochsalzlösung  ein- 
fliessen  Hessen. 

Danach  traten  regelmässig  ebenso  wie  bei  der  in  einem 
anderen  Falle  beobachteten  Anfangsdosis  von  0,02  ziemlich 
beträchtliche  Temperatursteigerungen  bis  39 *,  die 
allerdings  rasch  wieder  abklangen,  auf.  Sie  wiederholten  sich 
aber  bei  jeder  Infusion.  Dabei  wurde  über  etwas  Kopf¬ 
schmerz  geklagt,  ebenso  war  eine  leichte,  vorübergehende 
Albuminurie,  sonst  keine  Nebenwirkung,  aufgetreten. 

Dieses  fast  regelmässige  Auftreten  von  Temperatur¬ 
steigerungen  in  den  von  uns  behandelten  Fällen  reiner 
Lungentuberkulose  bei  Dosen,  die  noch  unter  den  von  B  r  u  c  k 
bei  Kombination  mit  viszeraler  Tuberkulose  empfohlenen 
liegen,  weist  auf  eine  grössere  Empfindlichkeit  der  reinen 
Lungentuberkulosen  hin.  Es  dürfte  dies  vielleicht  durch  die 
alte  Beobachtung  zu  erklären  sein,  dass  die  den  Lupus  kom¬ 
plizierende  Lungentuberkulose  meist  verhältnismässig  chro¬ 
nisch  und  wenig  aktiv  ist.  Die  Beobachtung  steht  jedenfalls 
auch  im  Gegensatz  zu  der  Bettmanns  (Münch,  med. 
Wochenschr.  1913,  No.  15),  der  ausdrücklich  erwähnt,  dass 
1  emperatursteigerungen  selten  oder  gering  waren.  Auch  wir 
haben,  wie  bereits  Bruck  und  Glück,  beobachtet,  dass  in 


2  Fällen  ganz  einwandfreie  Herdreaktionen  über  der 
Lunge  auftraten,  die  sich  in  vermehrtem  Husten  und  Auswurf 
und  in  deutlich  vermehrtem  Rasseln  sowie  pleuritischen  Reiz¬ 
erscheinungen  äusserten.  Diese  Herdreaktionen  waren  so  auf¬ 
fallend  und  einwandfrei,  wie  ich  sie  beim  Tuberkulin  kaum  je¬ 
mals  gesehen  habe,  und  weisen  entschieden  auf  einen  elek- 
tiven  Einfluss  des  injizierten  Mittels  zum  tuberkulösen  Lungen¬ 
herd  hin. 

Anhaltende  Schädigungen  haben  wir  davon  nicht  gesehen. 
Aufgefallen  ist  uns  allerdings,  als  neigten  die  mit  Goldzyan  be¬ 
handelten  Fälle,  die  früher  fieberfrei  gewesen  waren,  auch 
nach  Abklingen  der  Reaktionen  leichter  dazu,  aus  anderen 
Ursachen  (Menses,  Bewegung,  Stuhlverhaltung)  zu  fiebern  wie 
vorher.  Es  Hesse  dies  an  eine  Mobilisierung  der  fiebererregen¬ 
den  1  uberkulosegifte  denken,  die  vielleicht  einmal  als  nützlich 
erkannt  werden  wird,  zunächst  aber  —  solange  wir  dies  nicht 
wissen  —  zur  Vorsicht  mahnt. 

Der  Eindruck  von  der  therapeutischen  Wirkung 
der  Goldzyanbehandlung  bei  reiner  Lungentuberkulose  ist 
nicht  ungünstig.  Der  objektive  Befund  besserte  sich  in  dreien 
der  Fälle  rascher,  als  wir  von  vornherein  erwartet  hätten. 
Der  Ernährungszustand  hat  allerdings  in  2  Fällen  infolge  der 
mehrmaligen  Fieberreaktionen  etwas  gelitten,  das  Körper¬ 
gewicht  ist  zurückgegangen. 

Bei  langjähriger  Anwendung  des  Tuberkulins  bin  ich  zu 
der  Ansicht  gekommen,  dass  Fieberreaktionen  bei  Lungen¬ 
tuberkulosen  auf  alle  Fälle  zu  vermeiden  sind.  Auch  die 
Provozierung  von  stärkeren  physikalisch  nachweisbaren 
Herdreaktionen  dürfte  nach  unseren  analogen  Tuberkuliner¬ 
fahrungen  ein  zweischneidiges  Schwert  sein  und  die  Ent¬ 
stehung  neuer  Herde  befördern  können.  Wenn  wir  auch  den 
Mechanismus  der  Goldzyaneinwirkung  noch  nicht  kennen  und 
nicht  wissen,  wie  er  sich  zu  dem  des  Tuberkulins  verhält, 
glaube  ich  doch,  dass  diese  Erwägungen  auch  hier  zu  Recht 
bestehen.  Es  dürfte  der  bedeutsamen  Entdeckung  Brucks 
und  der  Einbürgerung  seiner  Behandlungsmethode  nur  förder¬ 
lich  sein,  wenn  von  vornherein  auf  eine  möglichst  reaktions¬ 
lose  Methode  hingearbeitet  wird.  Es  braucht  nur  an  die  Ge¬ 
schichte  der  7  uberkulinbehandlung  erinnert  zu  werden. 

Wir  sind  deshalb  zu  bedeutend  nied¬ 
rigeren  Dosen  übergegangen  und  glauben,  beob¬ 
achtet  zu  haben,  dass  auch  diese  die  Lungentuberkulose  in 
gleich  günstiger  Weise,  wie  die  höheren  Dosen,  beeinflussen 
können,  ohne  Fieberreaktionen  auszulösen.  Wir  arbeiten 
jetzt  wenigstens  im  Beginn  nur  noch  mit 
Milligrammen.  Als  Anfangsdosis  würde  ich 
empfehlen,  Lungentuberkulosen  1  mg,  wenn 
dieses  ohne  Fieberanstieg  ertragen  wird, 
3  mg  oder  5  mg  zu  injizieren,  1  oder  höchstens 
2  dg  würden  wir  raten,  nicht  zu  überschreiten; 
jedenfalls  die  ausgesprochenes  Fieber  aus¬ 
lösende  Dosis  zu  vermeiden.  Das  wären  bedeutend 
niedrigere  Dosen,  als  sie  Bruck  für  Lupusbehandlung  an¬ 
gegeben  hat.  Wir  würden  uns  so  dem  Schema  der  milden 
Tuberkulinbehandlung  nähern.  Auch  haben  wir  nicht  mehr 
öfter  als  jeden  3. — 4.  Tag  injiziert. 

Es  ist  a  priori  durchaus  wahrscheinlich,  dass  das  Präparat, 
wenn  man  ihm  eine  rein  bakterizide  Wirkung  supponiert, 
in  dieser  starken  Verdünnung  injiziert,  noch  auf  den  Tuberkel¬ 
bazillus  einwirkt,  konnten  doch  Koch  und  Behring  eine 
hemmende  Wirkung  auf  den  Tuberkelbazillus  noch  in  vitro 
in  einer  1—2  millionenfachen  Verdünnung  feststellen,  bei  Lö¬ 
sung  in  Blutserum  immerhin  auch  noch  bei  20— 50  000  facher 
Verdünnung  (nach  Bruck  1.  c.). 

Von  einer  Kombination  mit  Tuberkulinbehandlung,  von  der 
Bruck  und  Bettmann  besonders  günstige  Erfolge  bei 
Lupus  gesehen  haben,  haben  wir  absichtlich  noch  abgesehen, 
da  es  uns  wichtig  erscheint,  zunächst  die  Wirksamkeit  für  sich 
allein  zu  erproben.  Es  wird  sonst  schwer  sein,  zu  entscheiden, 
was  auf  das  Konto  des  Tuberkulins  und  was  auf  das  Konto 
des  Aurum-Kalium  cyanatum  zu  setzen  ist.  Es  dürfte  so 
leichter  möglich  sein,  klinische  Wirkungsweise  und  Indi¬ 
kationen  des  neuen  Präparates  festzulegen. 

Bei  dem  zweifellos  elektiven  Einfluss  der  Goldzyan¬ 
verbindung  auf  tuberkulöse  Herde  mag  es  zunächst  noch  da- 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1377 


hingestellt  bleiben,  wieweit  dieser  durch  die  physikalischen 
Wirkungen  des  Goldes  (Kapillarlähmung  nach  H  e  u  b  n  e  r, 
Münch,  med.  Wochenschr.  1913,  No.  7)  oder  durch  eine  direkte 
Wirkling  auf  das  Tuberkulosevirus  zu  erklären  ist. 

Um  dem  etwaigen  Einwand  zu  begegnen,  dass  die  Tem¬ 
peratursteigerungen  durch  den  „Wasserfehler“  analog  wie 
beim  Salvarsan,  verursacht  sein  könnten,  möchte  ich  aus¬ 
drücklich  noch  bemerken,  dass  Kontrollinfusionen  mit  grös¬ 
seren  Mengen  der  von  uns  benutzten  sterilen  Kochsalz¬ 
lösung  reaktionslos  ertragen  wurden. 


Aus  dem  Institut  für  Orthopädie  und  Medikomechanik  von 
Dr.  v.  B  a  e  y  e  r  und  Dr.  B  e  r  g  e  a  t  in  München. 

Zur  Behandlung  granulierender  Wunden. 

Von  Dr.  Hermann  Bergeat. 

Die  Behandlung  der  granulierenden  Wunden  und  Ge¬ 
schwüre  bildet  dasjenige  Gebiet  der  Chirurgie,  auf  welchem 
noch  heute  in  fast  unvermindertem  Mass  und  kaum  bestritten 
die  Grundsätze  der  antiseptischen  und  vorantiseptischen  Zeit 
in  Geltung  stehen:  Noch  sind  feuchte  Verbände  mit  anti¬ 
septischen  Lösungen  und  Salbenverbände,  noch  die  Aetzmittel 
und  vor  allem  die  Wundstreupulver  allenthalben  in  Gebrauch 
und  in  hohem  Ansehen  bei  Aerzten  und  Kranken.  Die  Brauch¬ 
barkeit  dieser  Mittel  im  allgemeinen  und  die  Vorzüge  einzelner 
von  ihnen  lassen  sich  nicht  bezweifeln,  aber  doch  hat  der  träge 
und  langwierige  Verlauf  vieler  solcher  Wunden  immer  noch 
etwas  recht  Unbefriedigendes  an  sich  und  lässt  die  Frage 
aufwerfen,  ob  die  bisherige  Behandlungsweise  durchaus  die 
zweckmässigste  ist,  ob  sie  den  Wundverlauf  wirklich  günstig 
beeinflusst  und  ob  nicht  vereinzelt  sogar  eher  eine  Verzöge¬ 
rung  und  Hemmung  der  Heilvorgänge  herbeigeführt  wird. 
Diesen  nicht  selten  unbefriedigenden  Erfahrungen  entspricht 
die  fortgesetzte  Suche  nach  neuen  wirklich  idealen  Wund¬ 
mitteln  und  die  noch  keineswegs  erloschene  Diskussion  über 
die  Behandlung  granulierender  Wunden. 

Zweck  des  Folgenden  ist,  in  aller  Kürze  ein  Verfahren  zu 
empfehlen,  das  sich  uns  bereits  in  einer  Reihe  von  Fällen  so 
gut  bewährt  hat,  dass  sich  von  ihm,  wenigstens  für  einen  Teil 
der  genannten  Wunden,  eine  Verbesserung  oder  Bereicherung 
der  Therapie  erwarten  lässt.  Es  ist  dies  die  Anwendung  des 
trockenen  Luftstromes  in  Form  des  kalten  oder  warmen  Luft¬ 
gebläses,  zu  dessen  Erzeugung  derzeit  der  vielverbreitete  sog. 
Föhnapparat  wohl  das  beste  und  bequemste  Mittel  darstellt. 
Die  Applikation  ist  die  denkbar  einfachste,  indem  man  nur  den 
Luftstrom  so  lange  über  die  Wunde  streichen  lässt,  bis  eine 
vollständige  Abtrocknung  derselben  erfolgt  ist.  Dies  wird  bei 
Verwendung  warmer  Luft  zwar  rascher  erreicht,  im  Prinzip 
handelt  es  sich  hier  aber  nicht  um  eine  Heissluftbehandlung, 
sondern  um  ein  Austrocknungsverfahren.  Dasselbe  ist  auch 
trotz  mancher  Berührungspunkte  wesentlich  verschieden  von 
der  mehr  oder  weniger  verbandlosen  („offenen“)  trockenen 
Wundbehandlung  durch  fortgesetzte  langsame  Lufteinwirkung 
oder  mit  Hilfe  des  Sonnenlichtes,  wie  wir  sie  von  Wagner1 2), 
Bernhard"),  H  ä  b  e  r  1  i  n  3)  u.  a.  beschrieben  finden. 

Die  Vorzüge  des  Verfahrens  sind  folgende:  Die  über¬ 
mässige  Granulationsbildung,  welche  augenscheinlich  einer 
raschen  Vernarbung  im  Wege  steht,  wird  in  kurzer  Zeit  auf 
das  wirksamste  eingeschränkt;  es  ist  erstaunlich,  wie  nicht 
selten  schon  in  einer  einzigen  Sitzung  von  z.  B.  5—10  Minuten 
Dauer  die  höckerige,,  gequollene,  missgefärbte  Wundfläche 
(ohne  Schorfbildung)  eine  gleichmässig  flache,  spiegelnde, 
frische  Beschaffenheit  annimmt.  Damit  verbindet  sich  die  Ein¬ 
schränkung  des  Sekretes,  das  in  übermässiger  Menge  auf  der 
Wunde  stagnierend,  gleichfalls  die  Epithelisierung  zu  hindern 
scheint.  Das  Verfahren  ist  in  jedem  Sinne  vollständig 
reizlos  für  die  Wunde  und  ihre  Umgebung  und  frei  von  allen 
Belästigungen,  wie  sie  durch  die  Farbe  und  den  Geruch 
mancher  pharmazeutischer  Präparate  hervorgerufen  werden. 

Ein  nicht  geringer  Vorteil  besteht  auch  darin,  dass  dem 
Patienten  jeder  Schmerz  erspart  bleibt. 


1)  Wagner:  Zentralbl.  f.  Chirurgie  1903,  58. 

2)  Bernhard:  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  1. 

3)  Häberlin:  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  42. 
No.  25. 


Der  gesamte  Heilverlauf  erfährt  mindestens  in  zahlreichen 
Fällen  eine  entschiedene  Beschleunigung,  die  da  besonders  in 
die  Augen  fällt,  wo  es  sich  um  längere  Zeit  hindurch  nach  der 
bisherigen  Weise  behandelte  Wunden  und  Geschwüre  handelt, 
deren  Heilung  kaum  vorwärts  zu  bringen  war.  Als  Beispiel 
kann  die  Beobachtung  dienen,  dass  eine  7  cm  lange,  im 
Durchschnitt  \lA  cm  breite  Wunde  (Inzision  bei  Phlegmone), 
nachdem  die  übermässige  Granulation  und  Sekretion  ver¬ 
geblich  mit  Argent.  nitr.  bekämpft  worden  war,  in  7  Tagen 
zur  vollständigen  Vernarbung  gebracht  wurde.  Zu  den  vielen 
Vorteilen  einer  so  raschen  Heilung  gehört  auch  der,  dass  da, 
wo  eine  medikomechanische  Nachbehandlung  erforderlich  ist, 
diese  um  so  früher  und  wirksamer  einsetzen  kann. 

Alles  in  ■  allem  ist  die  beschriebene  Austrocknung  der 
Wunde  mit  Luft  ein  überaus  einfaches,  rein  physikalisches 
Verfahren,  das  tatsächlich  alle  Forderungen  erfüllt,  nach  denen 
wir  gewohnt  sind,  den  Wert  eines  Mittels  in  der  Wundbehand¬ 
lung  zu  bemessen.  Die  guten  Erfolge  sind  allerdings  kaum 
zu  erreichen,  wenn  nicht  eine  aktivere  Behandlung  dieser 
Wunden  überhaupt  eintritt;  d.  h.  es  muss  die  Austrocknung 
mindestens  täglich  einmal  vorgenommen  werden.  Dieser 
Zeitaufwand  wird  gelohnt  durch  den  Zeitgewinn  im  ganzen 
und  die  sichtbare  Befriedigung  und  das  steigende  Vertrauen 
der  Kranken.  Dann  lässt  sich  die  ganze  Wundbehandlung  oft 
ohne  jedes  andere  Mittel  zu  Ende  bringen.  Deshalb  braucht 
man  aber  noch  nicht  pedantisch  auf  andere  Beihilfen  zu  ver¬ 
zichten  und  insbesondere  kann  eine  sorgfältige  Pflege  der 
Wunden,  z.  B.  durch  Entfernung  der  Randborken  mit  ab¬ 
gekochtem  Wasser  oder  einfacher  Wachssalbe  und  durch 
Bekämpfung  der  Sekretverhaltung  nicht  genug  empfohlen 
werden. 

Ausser  den  oben  kurz  gestreiften  Momenten  dürfte  noch 
ein  Umstand  störend  auf  den  Heilprozess  einwirken,  nämlich 
die  mechanische  Reizung  durch  die  der  Wunde  unmittelbar 
aufliegenden  Verbandstoffe  und  durch  das  brüske  Abreissen 
derselben  von  der  Wunde.  Wir  haben  deshalb  in  letzter  Zeit 
den  Versuch  gemacht,  durch  ein  gefenstertes  Filzstück  oder 
Wattwülste  die  Wunde  gegen  die  unmittelbare  Berührung  mit 
dem  Verband  zu  schützen;  wie  es  den  Anschein  hat,  mit  nütz¬ 
licher  Wirkung. 

Der  Krankenbestand  einer  medikomechanischen  Anstalt 
gibt  selbstverständlich  nicht  die  Möglichkeit  zu  einer  umfas¬ 
senden  Prüfung  aller  einschlägigen  Fragen.  So  fehlt  uns  bis¬ 
her  die  Erfahrung  für  die  Behandlung  grosser  Brandwunden 
und  auch  diejenige  über  die  Verwendbarkeit  des  Verfahrens 
zur  Vorbereitung  von  Transplantationen.  Nach  vielen  Rich¬ 
tungen  verspricht  das  Verfahren  Erfolg. 

Um  eine  Nachprüfung  in  grösserem  Umfange  anzuregen, 
glaubte  ich  die  Veröffentlichung  nicht  hinausschieben  zu  sollen. 


Ein  einfaches  Verfahren  der  tracheo-bronchialen  Injektion 
zur  Asthmabehandlung. 

Von  L.  G  r  ü  n  w  a  1  d. 

Die  von  Novotny  zuerst  geübte  endobronchiale  Ein¬ 
spritzung  ist  nur  dem  geübten  Techniker  zugängig.  Nicht 
viel  weniger  umständlich  ist  das  Verfahren  mit  dem  von 
Ephraim  angegebenen  Apparat.  Beide  Arten  der  Anwen¬ 
dung  sind  ausserdem  mit  nicht  geringen  Belästigungen  für  den 
Patienten  verknüpft.  Das  Prinzip  direkter  Einführung  anästhe- 
sierend-vasotonischer  Lösungen  ist  aber  in  der  Behandlung 
gewisser  asthmatischer  Zustände  so  wertvoll,  dass  es  sich 
lohnt,  ihm  weitere  Verbreitung  zu  verschaffen.  Die  An¬ 
wendung  kann  nun  ohne  grosse  Apparate,  bloss  mit  einer 
Kehlkopfspritze,  erfolgen.  Voraussetzung  ist  natürlich  die  Be¬ 
herrschung  laryngologischer  Technik.  Bei  sehr' empfindlichen 
Patienten  geht  eine  Bespiilung  des  Kehlkopfeinganges,  wohl 
auch  Rachens  mit  20  proz.  Alypinlösung  (event.  auch  Novo¬ 
kain  10  proz.)  mit  der  Spritze  voraus.  Sonst  —  und  zwar  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  —  gelingt  die  unmittelbare  Einführung 
der  Spritze  in  den  Kehlkopf,  mindestens  oberhalb  der  Glottis, 
leicht.  Tritt,  wie  gewöhnlich,  Stimmritzenverschluss  oder 
Husten  ein,  so  wartet  man  auf  das  nachfolgende  krampfhafte 
Inspirium  und  benützt  dessen  ersten  Moment,  um  die  Ein¬ 
spritzung  kräftig  in  die  Tiefe  zu  lenken;  im  selben  Augenblick 

3 


1378 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


gebietet  man,  während  die  Instrumente  selbstverständlich 
rasch  zurückgezogen  werden,  Loslassen  der  Zunge  und  Unter¬ 
drückung  des  Hustens,  fordert  sogar  auf,  womöglich  noch 
mehr  tief  zu  atmen.  Das  gelingt  meistens.  Aber  selbst,  wo 
der  Husten  nicht  unterdrückbar  ist,  pflegt  so  viel  von  der  Ein¬ 
spritzung  in  die  Tiefe  gelangt  zu  sein,  dass  die  hierfür  charak¬ 
teristischen  Erscheinungen  auftreten:  Gefühl  von  Kälte,  dann 
von  Relzigsein,  bis  zum  Epigastrium  hinunter,  jedenfalls  bald 
Gefühl  des  Freiwerdens  der  Atmung.  Diese  augenblickliche 
inu]  die  nachherige  Dauerwirkung  verbürgen  die  Gleichwertig¬ 
keit  des  \  erfahrens  mit  den  oben  erwähnten  komplizierteren: 
Die  Injektion  gelangt  eben  auch  in  die  Bronchien.  Zur  Ein- 
spritzung  verwende  ich  ca.  1  ccm  der  mit  destilliertem 
Wasser  auf  Vio  Prom.  verdünnten  vorrätigen  Suprareninlösung, 
event.,  bei  Reizzuständen,  zu  gleichen  Teilen  mit:  Novo¬ 
kain  0,3,  Natr.  chlor.  0,08,  Aq.  dest.  ad  10,0  (Ephraim). 

W  i  r  k  s  a  m,  und  zwar  —  genau  in  der  gleichen  Weise, 
wie  unterdessen  von  mehreren  Beobachtern  für  die  direkten 
Verfahren  beschrieben  —  auflängereZeithinaus,  hat 
sich  das  Verfahren  vor  allem  dort  erwiesen,  wo  Zuschwel¬ 
lungen  im  Bronchialbaum  bestehen;  in  der  Mehrzahl  asthma¬ 
tischer  und  asthmoider  Zustände  aber  handelt  es  sich  um 
solche  auf  Grund  latenter  (trockner!),  aber  auch  manifester 
Bronchitis.  Unwirksam  muss  die  lokale  Behandlung  dort 
sein,  und  war  es  auch,  wo  es  sich  um  reflektorische 
(meist  nasal  bedingte)  Atemstörungen  oder  um  Einwirkungen 
allgemeiner  Art  (Heufieber)  handelte.  Auf  Einzelheiten  der 
Krankengeschichten  näher  einzugehen,  behalte  ich  mir  für 
später  vor,  ebenso  auf  die  Frage,  wie  sich  die  mit  „Eosino¬ 
philie“  (Kristalle  und  Spiralen  im  Auswurf)  einhergehenden  Zu¬ 
stände  dieser  Art  gegenüber  anderen  verhalten. 

Bei  den  obenbezeichneten,  bisher  behandelten  Fällen  ge¬ 
nügten  gewöhnlich  ein  bis  zwei  Einspritzungen  zur  mitunter 
auf  mehrere  Monate  vorhaltenden,  wenn  nicht  dauernden  Be¬ 
seitigung  der  hauptsächlichen  (beängstigenden),  wenn  nicht 
aller  Beschwerden. 


Im  übrigen  beweisen  unsere  Resultate  bereits,  dass  es 
sich  bei  der  oft  geradezu  zauberhaften  Umgestaltung  des 
sc  weren  Kiankheitsbildes  nicht,  wie  die  mit  Bronchoskopie 
arbeitenden  Therapeuten  (zuletzt  noch  Heilskov  und 
Mahler)  meinten,  um  den  heilenden  Effekt  mechanischer 
Reizung  im  Bronchialbaum  handelt,  sondern  nur  um  Anämi- 
sierung  resp.  Anästhesierung.  Man  darf  sich  daher  vielmehr 
vorstellen,  dass  ein  Circulus  vitiosus  (Reizung-Reaktion- 
Wiederreizung)  gesprengt  worden  ist. 


Aus  dem  Knappschaftskrankenhause  im  Fischbachtal  Kr.  Saar¬ 
brücken  (Chefarzt  Dr.  D  r  ü  n  n  e  r). 

Ein  Wort  zur  Frage  des  frühen  Aufstehens  nach 
Bauchoperationen. 

Eine  eigene  Erfahrung. 

\ on  Dr.  Kohlschütter,  Assistenzarzt. 

Die  Ansicht,  dass  das  frühe  Aufstehen  nach  Operationen 
nicht  nur  nicht  schädlich,  sondern  von  grossem  Vorteil  ist  ge¬ 
winnt  immer  mehr  an  Boden.  Deshalb  möchte  ich  hier  kurz 
eine  eigene  Erfahrung  darüber  mitteilen.  Da  ja  Aerzte  nicht 
so  häufig  in  die  Lage  kommen  werden,  aus  eigener  Erfahrung 
darüber  zu  berichten,  wird  es  von  Interesse  sein,  aus  dem 
i  U  f  e  e'nes  Arztes  die  Bestätigung  zu  hören,  wie  gut  ihm 
das  ii  ühe  Aufstehen  nach  der  Operation  bekommen  ist. 

Rh  hatte  seit  etwa  7  Jahren  einen  rechtsseitigen  Leistenbruch, 
der  zunächst  nur  wenig  heraustrat,  sich  aber  im  Laufe  der  Jahre  ver- 
Pin  S0eim’  d^-lch  Tkein  Bruchband  trug.  Vor  der  Operation  besteht 
«prn  ?  SSeitlS|r  Lfeistenbruch>  der  ins  Skrotum  herabtritt  und  das¬ 
selbe  etwa  zu  Zweifaustgrösse  erweitert,  ln  horizontaler  Körperlage 
gelingt  es  nicht  sicher,  den  Bruch  vollständig  zu  reponieren. 

.  Ani  19.  IX.  wurde  die  Hernie  in  Lokalanästhesie  operiert,  nach- 
dem  ich  /&  Stunde  vorher  eine  Injektion  von  0,02  Morphium  erhalten 
hatte.  Nach  der  typischen  Eröffnung  des  Bruchsackes  fand  sich  ein 
grosser  Netzklumpen,  welcher  weit  mit  der  Bruchsackwand  und,  wie 
die  Abtastung  erkennen  liess,  auch  mit  der  vorderen  Bauchwand  ver¬ 
wachsen  war.  Er  liess  sich  durch  die  ziemlich  enge  Bruchpforte 
nicht  reponieren.  Die  Bruchpforte  musste  daher  unter  Spaltung  des 
Museums  obhquus  internus  und  transversus  nach  obenhin  mit  breiter 


Eröffnung  der  Bauchhöhle  erweitert  werden.  Erst  dann  gelang  es,  zu 
reponieren.  Naht  des  Bauchfelles  und  der  Muskulatur.  Fasziennaht 
nach  Hakenbruch.  Verlauf  o.  B. 

n  yerspürte  von  der  Operation  im  grossen  ganzen  sehr  wenig. 

,s  Einzige,  was  mir  stärkere  Schmerzen  bereitete,  waren  die  Mani- 
pulationen  am  Peritoneum.  Das  Zerren  am  Peritoneum  verursachte 
schliesslich  auch  einen  kleinen  Kollaps,  von  dem  ich  mich  jedoch 
schnell  wieder  erholte. 

T?ee  der  Operation  und  am  folgenden,  also  20.  IX.  lag  ich 
zu  Dett.  An  diesen  beiden  Tagen  verspürte  ich  einen  spannenden 
M-  u!6rz  de,(  Operationswunde.  Geschlafen  habe  ich  in  den  beiden 
IN  achten  ziemlich  schlecht,  zumal  ich  zunächst  gezwungen  war,  auf 
em  Rücken  zu  liegen,  da  mir  die  Seitenlage  noch  Schmerzen  ver- 
ursachte.  Die  Temperatur  betrug  am  Tage  der  Operation  nachmittags 
a  o’i  f?Igenden  Tage  morgens  37,1°  und  nachmittags  37,9°. 

„.'.ft  als£  dem  2-  Tase  nach  der  Operation,  durfte  ich  aufstehen. 
Mit  Hilfe  des  Krankenwärters  kleidete  ich  mich  an  und  ging,  freilich 
noch  etwas  gekrümmt  und  unsicher,  zum  Liegestuhl,  in  dem  ich  diesen 
,.a g  verbl  achte.  Mit  dem  Moment,  wo  ich  das  Bett  verlassen  hatte, 
fühlte  ich  mich  ganz  bedeutend  wohler  und  frischer;  ich  versuchte 
auch  schon  ein  paarmal  durch  das  Zimmer  zu  gehen,  was  mir  auch 
leidlich  gelang.  An  diesem  Tage  verfügte  ich  auch  schon  wieder 
über  einen  guten  Appetit,  der  an  den  beiden  ersten  Tagen  zu  wiin- 
schen  übrig  liess.  Am  Abend  erfolgte  auf  einen  Einlauf  reichlich 
Muhlgang.  Ich  mass  morgens  36,7°  und  nachmittags  37,7°.  Die 
darauf  folgende  Nacht  schlief  ich  schon  recht  gut.  Den  22.  IX.  ver- 
b rächte  ich  wieder  im  Liegestuhl  und  dehnte  meine  Gehversuche  mit 
Hilfe  eines  Stockes  schon  etwas  weiter  aus.  Temperatur  morgens 
36,5  ,  nachmittags  37,2°.  Am  23.  IX.,  also  dem  4.  Tage  nach  der 
Operation,  konnte  ich  mich  bereits  wieder  allein  ankleiden.  Ich  ging 
an  diesem  Tage  schon  in  unser  gemeinsames  Esszimmer  zum  Essen 
und  wagte  auch  schon  einen  kurzen  Spaziergang  im  Garten  Die 
l  emperatur  ging  von  diesem  Tage  an  auf  die  Norm  zurück,  indem  ich 
mcht  mehi  über  37  mass.  Am  24.  IX.  hatte  ich  mich  schon  so  weit 
erholt,  dass  mir  das  Gehen  nur  noch  geringe  Beschwerden  machte. 
Am  25.  IX.,  also  am  6.  Tage  nach  der  Operation,  konnte  ich  bereits 
wieder  anfangen,  meinen  Dienst  zu  versehen.  Wenn  ich  mich  auch 
noch  nicht  an  der  Assistenz  bei  Operationen  beteiligen  konnte,  so 
übernahm  ich  doch  meine  Station  wieder,  erledigte  den  Verband¬ 
wechsel  und  die  Visiten.  Am  26.  IX.  (7.  Tag)  Entfernung  der  Klam¬ 
mern.  Prima  intentio.  Die  Narbe  ist  fest.  Heute,  am  29.  IX.  (10  Tag) 
bin  ich  vollkommen  ohne  irgendwelche  Beschwerden.  Der  Gang  ist 
in  gleicher  Weise  unbehindert  wie  früher,  auch  strengt  mich  längeres 
Gehen  keineswegs  mehr  an. 


So  habe  ich  mich  selbst  davon  überzeugt,  wie  aus¬ 
gezeichnet  das  frühe  Aufstehen  zu  einer  schnellen  und  guten 
Heilung  beitrug;  Es  ist  ja  wohl  keine  Frage,  dass  beim  Auf¬ 
sein  der  ganze  Stoffwechsel  ein  bedeutend  besserer  ist,  als 
wenn  man,  im  Bett  liegt.  Der  Organismus  erholt  sich  von  dem 
durch  die  Operation  gesetzten  Schock  auf  diese  Weise  viel 
schneller,  Kräfte  und  Appetit  kehren  schnell  zurück. 

Eine  wichtige  Rolle  spielt  dabei  natürlich  auch  die  Be¬ 
günstigung  der  Peristaltik.  Dass  die  Operationswunde  durch 
das  Aufstehen  Schaden  erleide,  ist  wohl  nicht  zu  befürchten, 
da  ja  in  den  2  Tagen  die  Wunde  fest  verklebt  ist.  Eine  über¬ 
mässige  schädliche  Anspannung  der  Wunde  wird  ja  durch  die 
noch  bestehenden  Schmerzen  verhindert.  Man  könnte  viel¬ 
leicht  Bedenken  haben,  dass  gerade  die  Fasziennarbe  dadurch 
nicht  fest  wird.  Ich  glaube  jedoch,  dass  gerade  die  Abwechs¬ 
lung  zwischen  Bewegung  und  Ruhe  den  besten  Einfluss  auf 
den  Heilverlauf  hat.  Durch  die  Bewegung  wird  von  vorn- 
herein  eine  lästige  übermässige  Narbenkontraktur  verhindert. 
Während  früher  die  Herniotomierten  nach  dreiwöchentlicher 
Bettruhe  aufstanden  und  dann  infolge  der  starken  Kontraktur 
noch  sehr  schlecht  gehen  und  sich  zunächst  gar  nicht  gerade 
halten  konnten  und  in  diesem  Zustande  ihre  Arbeit  wieder 
aufnehmen  mussten,  gehen  sie  jetzt  nach  3  Wochen  flott  und 
ohne  irgendwelche  Beschwerden  an  ihre  Arbeit  Dass  tat¬ 
sächlich  keine  Schädigung  des  Heilverlaufes  durch  das  frühe 
Aufstehen  erfolgt,  habe  ich  an  mir  selber  erfahren  und  habe 
es  bei  vielen  anderen  Patienten  gesehen.  In  unserem  Kranken¬ 
hause  stehen  sämtliche  Operierte  mit  Hernien  und  einfachen 
Laparotomien  am  zweiten  Tage  nach  der  Operation  in  der 
oben  beschriebenen  Weise  auf.  Sämtliche  erholen  sich  rasch 
der  Heilverlauf  ist  immer  ohne  Störung.  Ich  kann  mich  keines 
Falles  entsinnen,  in  dem  das  frühe  Aufstehen  schlechte  Folgen 
gehabt  hätte.  3  Wochen  nach  der  Operation  verlassen  die 
Patienten  das  Krankenhaus  und  gehen  ohne  Störung  ihrem 
bergmännischen  Berufe  nach,  bei  dem  sie  allerdings  zunächst 
3  Monate  lang  leichtere  Arbeit  erhalten.  Der  Dauererfolg  ist 
auch  ein  guter;  ich  kenne  bisher  keinen  Fall,  in  dem  ein  Re¬ 
zidiv  eingetreten  ist. 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Durch  diese  meine  kurze  Mitteilung  fühlt  sich  hoffentlich 
der  eine  oder  der  andere  veranlasst,  auch  einen  Versuch  zu 
machen  und  seinen  operierten  Patienten  dieselbe  grosse  An¬ 
nehmlichkeit  und  Erleichterung  zu  verschaffen. 


Aus  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Köln  (I.  Chirurg. 

Abteilung:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  B  a  r  d  e  n  h  e  u  e  r). 

Beitrag  zum  Krankheitsbild  der  Ostitis  fibrosa. 

Von  Assistenzarzt  Dr.  Therstappen. 

Bei  der  Diskussion  einander  ähnlicher  Krankheitssym¬ 
ptome  und  deren  Zusammenstellung  in  ein  zirkumskriptes 
Krankheitsbild  ist  die  Veröffentlichung  jedes  Falles,  besonders 
wenn  diese  nicht  so  sehr  häufig  sind, -wohl  angebracht.  Es 
sei  mir  deshalb  gestattet,  den  in  der  Literatur  bereits  be¬ 
kannten  Fällen  den  folgenden  hinzuzufügen: 

E.  R.,  21  Jahre,  Bürogehilfe.  Familienanamnese  belanglos, 
insbesondere  hinsichtlich  seines  jetzigen  Leidens.  Er  selbst  will 
bis  zu  seinem  7.  Lebenjahre  immer  gesund  gewesen  sein,  ohne 
Kinderkrankheiten  und  speziell  Rachitis  gehabt  zu  haben.  Damals 
habe  er  selbst  eine  zuerst  kaum  sichtbare  Schwellung  an  der 
rechten  Stirn  bemerkt,  die  gleichmässig  langsam  zu  der  jetzigen 
Grösse  angewachsen  sei.  Einer  Ursache  für  die  Entstehung  der  Ge¬ 
schwulst,  irgendeines  Traumas  etc.,  weiss  er  sich  nicht  zu  entsinnen. 
Beschwerden  von  seiten  der  Geschwulst  fehlten  zunächst  vollständig 
bis  vor  2  Jahren,  wo  er  zum  ersten  Male  einen  ziehenden  Schmerz 
in  der  Geschwulst  verspürte,  Beschwerden,  die  langsam  häufiger  und 
intensiver  auftraten.  Im  ganzen  waren  die  Schmerzen  so  wenig  be¬ 
deutend,  dass  er  erst  vor  einigen  Tagen  den  Arzt  konsultierte,  der 
ihn  nach  Köln,  dem  Bürgerhospital  zur  Operation  überwies. 


Es  handelte  sich  um  einen  mittelgrossen,  ziemlich  kräftig  ge¬ 
bauten  Mann,  in  genügendem  Ernährungszustand,  mit  leicht  geröteter 
Gesichtsfarbe.  Das  Knochensystem  vollkommen  normal.  Am  rechten 
oberen  Orbitalrand  beginnend  sieht  man  eine  zunächst  flache,  un¬ 
begrenzte,  später  jedoch  mehr  umschriebene  bis  daumenbreit  über 
das  übrige  Schädeldach  sich  erhebende  Geschwulst  nach  schräg  oben 
zum  Scheitelbein  hinziehen,  wo  sie  ungefähr  in  Höhe  der  Ohrmuschel 
mit  ziemlich  scharfer  Grenze  abschneidet.  Die  vollständig  schmerz¬ 
lose  Geschwulst  selbst  hat  knochenharte  Konsistenz  und  gehört  an¬ 
scheinend  dem  knöchernen  Schädeldache  an;  die  im  übrigen  unver¬ 
änderte  Kopfschwarte  ist  gut  verschieblich.  Der  obere  Orbitalrand 
:  ist,  wie  schon  bemerkt,  leicht  verdickt,  doch  lässt  sich  ein  Ueber- 
greifen  der  Gesphwulst  auf  die  rechte  Augenhöhle  nicht  nachweisen. 
1  Der  rechte  Augapfel  steht  nicht  vor.  auch  ergibt  die  Untersuchung 
einen  völlig  normalen  Augenbefund.  Die  übrigen  Körperorgane  zeigen 
ebenfalls  normalen  Befund.  Puls  regelmässig,  weich,  mittelvoll,  76  in 
der  Minute,  Blutdruck  140  mm  Hg.  Wassermann,  mehrfach  angestellt, 
•  negativ.  Auf  der  Röntgenplatte,  und  zwar  in  seitlicher  Aufnahme, 
sieht  man  an  der  oben  beschriebenen  Stelle  einen  zur  Seite  hin 
ziemlich  scharf  abgegrenzten,  nach  unten  in  das  obere  Augendach 
übergehenden  Schatten,  der  von  zahlreichen  helleren  Partien  durch¬ 
setzt  ist,  die  Durchleuchtung  des  übrigen  Schädels  ergab  nichts  Auf¬ 
fallendes. 

Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker.  Die  stete,  wenn  auch  lang¬ 
same  Zunahme  der  Geschwulst,  verbunden  mit  den  in  letzter  Zeit  auf- 
;  getretenen  Schmerzen,  Hess  eine  Operation  indiziert  sein,  die  von 
Herrn  Geheimrat  Bardenheuer  ausgeführt  wurde : 

Sagittalschnitt  über  der  Mitte  der  Geschwulst  und  Ablösung  der 
Kopfschwarte  von  der  vorgetriebenen  Partie  des  Schädeldaches. 
Ausmeisselung  eines  ovalen,  9  cm  langen,  534  cm  breiten  Stückes  des 
1  Schädeldaches,  wobei  sich  zeigte,  dass  die  Geschwulst  die  Wandung 
des  rechten  Sinus  frontalis  ergriffen  hat.  An  dieser  Stelle  blutete 
der  Knochen  nach  der  Durchmeisselung  erheblich.  Der  Knochen  Hess 
sich  von  der  Dura  gut  abheben,  die  Dura  selbst  bot  nichts  Besonderes. 
Deutliche  Hirnpulsation,  keine  Abflachung  oder  starke  Vorwölbung 
des  Gehirns  in  den  Knochendefekt.  Die  hintere  Stirnhöhlenwand  und 
teilweise  auch  die  obere,  wurde  weggenommen,  die  Kopfschwarte 


über  der  uneröffneten  Dura  vernäht  und  der  obere  Wundpol  wegen 
der  nicht  vollständig  zu  stillenden  Knochenblutung  drainiert. 

Am  Abend  des  Operationstages  musste  der  Verband  wegen 
Durchblutung  erneuert  werden,  im  übrigen  heilte  die  Wunde  primär. 

3  Wochen  nach  der  ersten  Operation  wurde  der  Knochen- 
defekt  im  Schädel  durch  Tibiaspäne  gedeckt  (Operation:  Se¬ 
kundärarzt  Dr.  Luxemburg).  Von  der  Vorderfläche  der 
Tibia  wurden  2  dünne  Knochenspäne  mit  samt  dem  Periost  abge- 
meisselt,  schräg  in  den  Knochendefekt  gelegt,  und,  das  Periost  der 
Dura  zugewendet,  durch  einige  Katgutnähte  am  Rand  des  Knochen¬ 
defektes  befestigt.  Die  Knochenspäne  heilten  reaktionslos  ein.  so  dass 
Patient  nach  ca.  4  Wochen  entlassen  werden  konnte.  Der  Ent¬ 
lassungsbefund  ergab,  dass  eine  Ecke  des  hinteren  Knochenspans 
etwas  über  das  Niveau  des  Scheitels  sich  erhoben  hatte,  der  Knochen¬ 
defekt  im  übrigen  durch  das  Implantat  fest  verschlossen  war.  Der 
Schädel  war  der  Operationsstelle  gegenüber  links  abgeflacht,  die 
Hautnarbe  schmal,  druckempfindlich  und  auf  der  Unterlage  leicht 
adhärent.  Die  vor  der  Operation  angegebenen  ziehenden  Schmerzen 
waren  nicht  mehr  aufgetreten,  die  Untersuchung  der  Körperorgane 
ergab  keinen  erwähnenswerten  Befund. 

Das  exstirpierte  Stück  des  Schädeldaches  ist  stark  verdickt  und 
schwer  an  Gewicht.  Das  Periost  gerötet,  jedoch  zart.  Die  der 
Dura  zugewandte  Fläche  von  normaler  Wölbung.  Auf  dem  Durch¬ 
schnitt  zeigt  das  Knochenstück  mondsichelförmige  Gestalt.  An  der 
breitesten  Stelle  misst  es  nicht  ganz  2  cm.  Die  Tabula  interna  ist 
leicht  verdickt  und  sendet  Ausläufer  in  die  Diploe,  während  die 
Tab.  ext.  ihre  normale  Dicke  zeigt  und  scharf  gegen  die  Diploe  ab¬ 
gegrenzt  ist.  Diese  selbst  ist  stark  verdickt  und  erweckt  den  An- 

Bild  1. 


i 


1  =  Sägestelle.  2  —  Tab.  ext.  3  =  fibröses  Gewebe.  4  =  verdickter  Knocliensaum. 
5  =  Tab.  int.  6  =  Knochenbälkchen.  7  =  fibröses  Gewebe  (Fasermark).  8  =  Hintere 

Wand  des  Sinusfront. 

schein,  als  ob  sie  die  Tabula  ext.  und  interna  auseinandergedrängt 
hätte.  Sie  zeigt  ein  schmutzig-graurötliches  Aussehen  mit  mehr  oder 
weniger  scharf  begrenzten  eingelagerten  weisslichen  Partien.  Um¬ 
säumt  ist  das  exstirpierte  Knochenstück  von  einem  Kranz  kompakten 
Knochens,  mit  Ausnahme  der  Stelle,  wo  es  nach  vorn  mit  unscharfer 
Grenze  in  die  hintere  Stirnhöhlenwand  übergeht.  Mikroskopisch 
sehen  wir  die  leicht  verbreiterte  Tab.  ext.  mit  im  übrigen  normal 
angeordneten  Knochenlamellen.  Zwischen  Knochen-  und  Gefässwand 
der  die  Tab.  ext.  und  int.  durchziehenden  Blutgefässe  ist  fibröses 
Bindegewebe,  von  demselben  Typus  wie  das  Bindegewebe  an  Stelle 
des  Knochenmarkes,  gewuchert.  An  der  Grenze  zwischen  Tab.  ext. 


Bild  2. 


1  =  fibröses  Mark.  2  =  rarefiziertes  Knochenbälkchen.  3f=  Blutgefässe.  4  =  Osteo¬ 
blasten.  5  =  Tabul.  ext. 

und  Diploe  sehen  wir  nur  an  einzelnen  kleinen  Stellen  geringe 
Knochenrarefizierung,  während  sonst  die  Grenze  zwischen  Tab.  ext., 
Tab.  int.  und  Diploe  mit  scharfer  Linie  verläuft.  Das  Mark  ist  stark, 
an  der  grössten  Konvexität  des  exstirpierten  Knochenstückes  bis  zu 
1 34  cm  verbreitert.  Es  besteht  aus  zellreichem  und  gefässreichem 
fibrillärem  Bindegewebe,  das,  wie  schon  erwähnt,  um  die  Gefässe 
der  Tab.  ext.  und  int.  sowie  in  die  durch  lakunäre  Arrosion  ent- 

3* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


I08C1 


standerien  Knochenlücken  hingewuchert  ist  und  an  letzteren  Stellen 
besonders  zellreich  ist.  In  diesem,  die  Stelle  des  Knochenmarkes  ein¬ 
nehmenden  Bindegewebe  sieht  man  einzelne  von  der  Spongiosa  iibrig- 
gebliebene  Knochenbälkchen,  die  fast  sämtlich  Zeichen  von  Knochen- 
resorptioij  bieten.  Fast  alle  Knochenbälkchen  zeigen  kalkarme  resp. 
kalkfreie  Säume  wie  bei  der  Osteomalazie;  ausserdem  finden  sicli 
an  ihnen  Ausbuchtungen  nach  Art  der  „H  o  w  s  h  i  p  sehen  Lakunen“. 
ln  diese  Stellen  ist  nach  Auflösung  der  osteoiden  Substanz  das  fibröse 
Mark  hineingewuchert.  Auffallend  ist,  dass  sich  bei  dem  ausgedehnten 
Knochenresorptionsprozess  nur  hier  und  da,  ganz  vereinzelt  ein 
Osteoklast  findet. 

Es  handelt  sich  also  um  eine  Rarefizierung  des  Knochens 
und  Ersatz  durch  wucherndes  Bindegewebe.  Daneben,  aller¬ 
dings  nur  an  ganz  vereinzelten  kleinen  Stellen  geringe 
Knochenneubildung.  Auf  den  ersten  Blick  könnte  man  an  ein 
Osteosarkom  denken,  für  das  eine  derartige  Neubildung  von 
verschiedenen  Seiten  gehalten  worden  ist.  Dagegen  spricht 
ihr  langsames  Wachstum,  die  verhältnismässig  geringe 
Knochenauftreibung,  ihre  auf  den  Knochen  beschränkte  Lokali¬ 
sation,  ohne  nach  Durchbruch  der  Tab.  ext.  oder  int.  auf  seine 
Umgebung  überzugreifen  und  ohne  Metastasen  zu  bilden. 
Auch  die  Gleichförmigkeit  der  Spindelzellen  mit  ihrer  reich¬ 
lichen  fibrillären  Zwischensubstanz  möchte  ich  gegen  Sarkom 
anführen.  Die  Riesenzellen,  die  in  mehr  oder  weniger  grosser 
Anzahl  in  allen  bisherigen  Fällen  beschrieben  sind,  fehlen  in 
unserem  Falle  fast  gänzlich,  sei  es  nun,  dass  sie  dem  Binde¬ 
gewebe  zwischengelagert  sind  oder  sich  als  Osteoklasten  an 
dem  Knochenabbau  beteiligen.  Ganz  vereinzelt  sieht  man  sie 
den  einzelnen  noch  vorhandenen,  schon  stark  zerfallenen 
Spongiosabälkchen  angelagert,  was  besonders  bei  dem  weit 
vorgeschrittenen  Prozess  auffällt.  Andererseits  könnte  man 
daran  denken,  dass  die  Spärlichkeit  der  Riesenzellen  dem 
langsamen  Abbau  des  Knochens  entspricht.  Wir  sehen  also, 
dass  die  Deutung  unserer  Knochengeschwulst  Schwierigkeiten 
begegnet.  Elefantiasis,  Akromegalie,  Lymphangiom,  Osteom, 
Sarkom,  Lues,  Rachitis  können  differentialdiagnostisch  aus¬ 
geschlossen  werden.  Bezüglich  der  beiden  letzten  Krank¬ 
heiten  wäre  zu  bemerken,  dass  die  Wassermann  sehe 
Reaktion  mehrfach  negativ  war,  auch  sonst  keine  Zeichen  für 
Lues  nachzuweisen  waren,  ferner  ergab  die  Röntgendurch¬ 
leuchtung  des  ganzen  Skeletts  einen  normalen  Befund.  Was 
unseren  Fall  von  den  anderen  als  Ostitis  fibrosa  (v.  Reck- 
1  i  n  g  h  a  u  s  e  n),  Ostitis  deformans  (Paget)  beschriebenen 
Fällen  unterscheidet,  ist  die  sehr  geringe  Knochenneubildung 
gegenüber  der  weit  vorgeschrittenen  Knochenauflösung,  doch 
dürften  das  nur  quantitative  Unterschiede  sein,  wie  ja  über¬ 
haupt  die  bis  jetzt  bekannten  Fälle  nicht  alle  vollständig  mit¬ 
einander  übereinstimmen.  Auch  unter  der  Bezeichnung 
Leontiasis  ossea  (V  i  r  c  h  o  w),  worunter  Bockenheimer 
u.  a.  eine  der  Ostitis  fibrosa  identische,  andere  eine  ihr  ähn¬ 
liche  Krankheit,  B  o  i  t  eine  auf  die  Kopfknochen  beschränkt 
bleibende  Ostitis  fibrosa  verstanden  wissen  wollen,  sind  der¬ 
artige  Knochenprozesse  beschrieben,  während  Virchow 
selbst  von  einer  diffusen  sklerosierenden  Hyperostose  der 
Schädel-  und  Gesichtsknochen  spricht.  Die  Bezeichnung  ist 
jetzt  wohl  allgemein  verlassen,  weil,  wie  auch  Bocken¬ 
heimer  meint,  gewöhnlich  keine  hochgradige  Entstellung 
besteht,  und  über  das  Wesen  der  Erkrankung  nichts  damit 
gesagt  ist. 

Mit  v.  Recklinghausen  möchte  ich  annehmen,  dass 
der  pathologische'  Prozess  mit  einer  Zerstörung  des  Knochens 
wie  bei  der  Osteomalazie  beginnt,  dass  dann  das  Mark  in 
Fasermark  umgewandelt  wird  und  dieses  wieder  Knochen 
bildet,  wie  das  an  einer  Stelle  des  Präparates  zu  sehen  ist. 
Das  Mengenverhältnis  von  abgebautem  und  neugebildetem 
Knochen  und  dein  metaplasierten  Fasernmark  ist  verschieden 
gross,  wie  auch  die  Art  des  Bindegewebes  in  den  einzelnen 
Fällen  verschieden  ist. 

Das  weitere  Schicksal  des  Bindegewebes  ist  verschieden. 
Dei  Knochenprozess  kann  Stillstehen  und  ist  dann  gutartig, 
anderseits  können  sich  auf  dem  Boden  des  Bindewebes 
Fibrome  entwickeln  oder  Sarkome  mit  allen  Eigenschaften 
eines  malignen  1  umors.  Häufig  wurde  auch  Zystenbildung 
beobachtet  oder  eine  Kombination  dieser  drei,  was  z.  B. 
Frangenheim  an  verschiedenen  Stadien  der  Krankheit 
glauben  lässt.  Das  Bindegewebe  soll  sich  als  Reaktion  auf 
i  dutergüsse  oder  Zirkulationsstörungen  an  den  einem  Druck 


besonders  ausgesetzten  Stellen  entwickeln.  Es  soll  hier  nicht 
näher  auf  die  Entstehung  der  Knochenzysten  eingegangen 
werden,  doch  huldigt  man  neuerdings  nicht  mehr  der  An¬ 
nahme,  dass  Knochenzysten  ausschliesslich  auf  dem  Boden 
einer  Geschwulst  entstehen,  sondern  auch  im  Gefolge  einer 
Ostitis  fibrosa  ohne  Geschwulstbildung  auftreten  können. 

Auch  die  alte  Auffassung  von  einer  allgemeinen  Knochen¬ 
erkrankung  bei  Ostitis  fibrosa  kann  nicht  als  sicher  richtig 
hingestellt  werden,  seitdem  Fälle  genau  beobachtet  und  be¬ 
schrieben  sind,  wo  die  Krankheit  unzweifelhaft  auf  eine  Stelle 
des  Skeletts  lokalisiert  war.  Dabei  macht  das  Fortschreiten 
der  Krankheit  an  der  Grenze  eines  Knochens  nicht  Halt,  son¬ 
dern  geht,  wie  auch  in  unserem  Falle,  ohne  Demarkierung  auf 
den  benachbarten  über. 

Hinsichtlich  der  Ursache  des  Leidens  sind  wir  bis  jetzt 
auf  Vermutungen  angewiesen.  Es  wird  da  von  fehlerhafter 
Veranlagung,  Veränderung  der  Hypophysis,  Persistieren  der 
Thymus,  Nervenstörungen,  entzündlichen,  traumatischen  oder 
durch  Stoffwechselstörungen  bedingten  chemischen  Reizen 
gesprochen  oder  von  einer  Kombination  verschiedener  der¬ 
selben.  Unser  Fall  bietet  keine  Handhabe  zur  Unterstützung 
dieser  Theorien,  insbesondere  wusste  Pat.  sich  eines  Traumas 
nicht  zu  entsinnen.  Erwähnt  sei  ferner  noch  die  Frage  der 
Behandlung.  Entsprechend  den  zahlreichen  angenommenen 
ätiologischen  Momenten  wurde  alles  mögliche  in  konservativer 
Hinsicht  versucht,  jedoch  anscheinend  ohne  jeden  Erfolg.  In 
Fällen,  wo  der  Knochenprozess  stillsteht  und  weder  durch 
Grösse  noch  Lokalisation  Beschwerden  verursacht,  oder  wo 
er  bereits  das  ganze  Skelett  ergriffen  hat,  wäre  eine  Operation 
zwecklos,  weil  der  Erfolg  dem  Eingriff  nicht  entspräche; 
anders,  wenn  der  Prozess  ständig  fortschreitet,  Beschwerden 
verursacht,  und  durch  seine  Lage,  besonders  am  Schädel,  eine 
Beeinträchtigung  resp.  Zerstörung  benachbarter  Organe  be¬ 
fürchten  lässt.  Dieses  war  auch  die  Indikation  zur  Operation 
unseres  Patienten. 

Literatur. 

Barde  n  heuer  und  Lossen:  Leontiasis  ossei.  Festschrift 
zur  Eröffnung  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Köln  1904.  — 
Bockenheimer:  Ueber  die  diffuse  Hyperrostose  der  Schädel- 
und  üesichtsknochen,  s.  Ostitis  deformans  fibrosa  (Virchow,  Leon¬ 
tiasis  ossea).  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  85.  1908.  —  Bocken¬ 
heimer:  Die  Zysten  der  langen  Röhrenknochen  und  die  Ostitis 
fibrosa.  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  81.  —  v.  Eiseisberg:  Zur 
Kasuistik  der  knöchernen  Tumoren  des  Schädeldaches.  Archiv  f.  klin. 
Chir.,  Bd.  81.  —  CTaugele:  Zur  Frage  das  Knochensystem  und  die 
Ostitis  fibrosa.  v.  Recklinghausen.  Archiv  f.  klin.  Chir., 
Bd.  83.  -  v.  Haberer:  Zur  Frage  das  Knochensystem  und  die 
Ostitis  fibrosa.  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  82.  -  v.  Hartmann: 
Zur  Kenntnis  der  Ostitis  fibrosa.  Bruns  Beiträge,  Bd.  73,  1911.  — 
Klestadt:  Ein  Fall  atypischer  Ostitis  deformans.  Ueber  die 
klinischen  Formen  des  Ostitis  chron.  deform,  fibr.  Bruns  Beitr.. 
Bd.  75.  M  i  1  n  e  r:  Historisches  und  Kritisches  über  Knochenzysten, 
Chondrome,  fibröse  Ostitis  und  ähnliche  Leiden.  Deutsche  Zeitschrift 
a  r  ,ChirA  Bd-  " —  Stilling:  Ueber  Ostitis  deformans.  Virchovvs 
Aicluv,  Bd.  113.  —  Röpke:  Die  solitären  Zysten  der  langen  Röhren¬ 
knochen.  Archiv  für  klin.  Chir.,  1908,  VIII.  —  v.  Haberer:  Zur 
Frage  der  Knochenzysten,  zugleich  ein  Beitrag  zur  freien  Knochen¬ 
transplantation.  Archiv  für  klin.  Chir.,  1910,  XII.  —  Boit-  Ueber 
Leontiasis  ossea  und  Ostitis  fibr.  Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd.  97.  — 
Burchard:  Zur  Diagnose  der  chondromatösen,  fibrösen  und  zysti¬ 
schen  Degeneration  der  Knochen.  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der 
Röntgenstrahlen,  Bd.  18,  1912.  —  Tietze:  Ergebnisse  der  Chirurgie 
und  Orthopädie  1911.  Bruns  Beiträge,  Bd.  52. 


Die  Errichtung  von  Säuglingspflegematerial-  und  Wäsche¬ 
depots  im  Anschluss  an  die  bestehenden  Säuglings¬ 
fürsorgeeinrichtungen  oder  als  eigene  Institutionen. 

Von  Dr.  O.  R  e  i  n  a  c  h  in  München. 

Neben  den  wichtigen  Fragen  der  allgemeinen  und  sozialen 
Hygiene  (Wohnungs-,  I  rinkwasser-,  Volksernährungsverhältnisse  etc.) 
und  den  Problemen  der  durch  Reichsgesetz  zu  regelnden  Schwan¬ 
geren-  und  Wochenbettbeihilfen,  der  Berufsvormundschaft,  Kost- 
kinderbergung  und  -aufsicht  hat  die  neuzeitliche  Säuglingsfürsorge¬ 
bewegung  sich  als  spezielle  vordringliche  Aufgabe  gestellt  die  Be¬ 
ratung  der  Mütter  und  materielle  Unterstützung  in  Fragen  der  Er¬ 
nährung  und  Pflege  des  Kindes. 

Der  Arzt  in  seinen  Beratungsstellen,  die  Fürsorgeschwester  und 
Hebamme  bei  ihren  Besuchen  klären  die  Mutter  zur  Zeit  auf  über 
die  Wichtigkeit  des  Selbststillens;  durch  materielle  und  Natural¬ 
unterstützung  sucht  man  der  mündlichen  Belehrung  Nachdruck  und 


24.  Juni  1913. 


MUHNCHHNKR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1381 


trfolff  zu  verschaffen.  Bei  künstlicher  Ernährung  sucht  neben 
Beratung  die  Abgabe  von  trinkfertiger  Säuglingsnahrung  unter- 
stutzend,  vo!  beugend  gegen  Erkrankungen  und  erzieherisch  zu 
wirken.  Auf  dem  Gebiete  der  Ernährungsfrage  des  Säuglings  hat  in 
,ri.  Mähren  Belehrung  und  Unterstützung  mehr  oder  minder 

reichlich  Platz  gegriffen. 

Die  Pflege  des  Säuglings  Äber  wird  zurzeit  im  wesentlichen 
nur  durch  mündliche  und  gedruckte  Belehrung  in  rationelle 
■Bahnen  zu  lenken  versucht.  Die  zwar  für  den  Zweck  der  Pflege- 
ausiibung  sehr  geeigneten  Baar-Stillprämien  werden  leider  diesem  von 
den  Empfängern  zurzeit  nur  in  geringem  Umfange  dienstbar  gemacht 
£  Sowohl  auf  dem  Gebiete  der  Ernährung  als  der  Pflege  des 
Säuglings  dürfte  aber  Belehrung  allein  in  vielen  Landesbezirken  doch 
nur  langsam  zum  Ziele  führen. 

Vieles  kann  man  ja  mit  persönlicher,  belehrender  Einwirkung 
wohl  erreichen,  ich  erinnere  nur  an  die  Erfolge  auf  dem  Gebiete 
der  Stillpropaganda  in  Gunzenhausen  durch  Medizinalrat  Eidam,  der 
allein  durch  mündliche  Belehrung  in  einigen  Dörfern  seines  Bezirkes 
die  Stillfrequenz  von  30  Proz.  auf  90  Proz.  brachte:  ähnliches  wird 
auch  aus  Hessen  etc.  berichtet.  Doch  nicht  überall  ist  man  so  glück¬ 
lich  mit  der  Beratung  allein  gewesen. 

Auch  gelingt  es  bekanntlich  vielerorts  nur  schwer,  die  Mütter 
zur  regelmässigen  Kontrolle  in  die  Beratungsstellen  zu  bringen,  wenn 
man  ihnen  nicht  Unterstützung  in  irgend  einer  Form  gibt,  sei  es  mit 
Stillbeihilfen,  Materialien  oder  —  bei  künstlicher  Aufzucht  —  mit 
Nahrung  aus  der  Milchküche. 

Eine  kleine  Stichprobe  zu  dieser  Frage  aus  einer  Statistik  der 
Fnirsorgestelle-Frühlingstrasse  27  sei  angeführt.  Herr  Dr.  Grimm 
hat  sämtliche  Kinder,  die  1911  die  Fürsorgestelle  frequentierten,  durch 
die  Fürsorgeschwester  nachträglich  nochmal  im  Jahre  1912  aufsuchen 
lassen,  um  die  Zahl  und  das  Befinden  der  noch  lebenden  Kinder 
festzustellen. 

Von  den  Brustkindern,  die  zu  Stillunterstützungen  erhielten, 
waren  5  Proz.;  von  den  Kindern,  die  Nahrung  aus  der  Milchküche 
bezogen,  10  Proz.  innerhalb  ihres  ersten  Lebensjahres  gestorben. 
Dass  dagegen  die  lediglich  zur  Beratung  —  ohne  positive  Pflege¬ 
nder  Ernährungsbeihilfe  —  gekommenen  Kinder  eine  bedeutend  höhere 
:  Sterblichkeit  zeigten.  17  Pioz.,  ist  mindestens  bemerkenswert. 

Ganz  besonders  auf  dem  Gebiete  der  Pflege  dürfte  neben  Be¬ 
lehrung  eine  positive  Unterstützung  dringend  geboten  sein. 

Die  tägliche  Beobachtung  zeigt  uns  sowohl  in  Aussenfiirsorge 
als  auch  im  Säuglingsheim.-  dass  gut  gepflegte  Kinder  viel  seltener 
an  Ernährungsstörungen  erkranken  und  vorhandene  Erkrankungen  in 
der  Verdauungssphäre  rascher  ausheilen  bei  richtiger  Pflege.  Doch 
wieviele  Mängel  sehen  wir  heute  noch  —  wenigstens  in  München  und 
Oberbayern,  wahrscheinlich  auch  anderwärts  —  bei  vielen  Müttern 
in  der  Ausübung  der  Pflege  des  gesunden  und  des  kranken  Säuglings. 

Man  frage  die  Fürsorgeschwester,  in  welchem  Zustande 
sie  die  Kinder  nicht  selten  zu  Hause  liegend  findet,  in  durch¬ 
nässten  Windeln  und  mit  stark  penetrantem  Geruch,  mit  ent¬ 
zündeter,  geröteter  Haut  an  der  Gesässgegend;  besehen  wir 
die  übrige  Wäsche  des  Kindes  und  den  Kinderwagen,  die 
Aufbewahrung  der  Milch  und  der  Trinkutensilien  etc.!  Auch 
in  den  Beratungsstellen,  wo  ja  allerdings1  viele  Mütter  den 
Wunsch  haben,  zu  paradieren,  finden  sie  erstgenannte  Momente  noch 
häufig  genug  konstatierbar.  Bei  Brustkindern  wird  ja  vieles  durch 
die  Brustmilch  ausgeglichen,  d.  h.  grösseres  Unheil  verhütet,  aber 
bei  künstlicher  Ernährung  ist  bekanntlich  die  Pflege  von  ebenso  ein¬ 
schneidender  und  fundamentaler  Bedeutung,  wie  die  Ernährungsweise. 

Es  ist  bekannt,  dass  es  bei  vielen  Müttern,  weniger  am  Ver¬ 
ständnis  als  am  materiellen  Können  fehlt.  Wenn  ein 
Säugling  per  Tag  15—20  Windeln  braucht  und  die  Mutter  besitzt 
diese  Zahl  nicht,  so  bleibt  er  entweder  nass  und  mit  Stuhl  beschmutzt 
liegen,  oder  die  Windeln  werden  in  halbgewaschenem  und  halb- 
I  getrocknetem  Zustande  wieder  verwendet,  zum  Schaden  des  Kindes; 
so  geht  es  mit  der  übrigen  Körper-  und  Bettwäsche.  Andere,  zur 
Pflege  und  Wartung  des  Kindes  notwendige  Utensilien  sind  oft  nur 
in  einem  Exemplar  vorhanden.  Ganz  besonders  noch  in  Tagen  der 
i  Krankheit-  fehlt  es  am  Nötigsten  zur  Durchführung  der  ärztlichen 
Verordnungen. 

Aus  einer  kleinen  Umfrage  bei  den  Freciuentanten  —  ohne  Aus¬ 
wahl  —  der  Fürsorgestelle  Frühlingstrasse  27  ergab  sich  folgendes: 

Von  60  Müttern  hatten  19  5 — 10  Windeln  im  Besitz  (nach  eigener 
Angabe),  18  hatten  10 — 15  Windeln,  10  hatten  10 — 20  Windeln  und  13 
|  über  20  Windeln. 

In  der  ersten  angeführten  Gruppe  wurden  angeblich  gebraucht 
‘  Tag  und  Nacht  biis  10  Stück  in  9  Fällen,  10—15  Stück  in  6  Fällen, 
mehr  als  15  Stück  in  4  Fällen. 

In  der  zweiten  Gruppe:  bis  10  Stück  in  6  Fällen,  10—15  Stück 
i  in  5  Fällen,  mehr  als  15  Stück  in  7  Fällen. 

In  der  dritten  Gruppe:  bis  10  Stück  in  5  Fällen,  10 — 15  Stück  in 
j  zwei  Fällen,  mehr  als  15  Stück  in  3  Fällen. 

In  der  letzten  Gruppe:  bis  10  Stück  in  3  Fällen,  10 — 15  Stück 
in  3  Fällen,  mehr  als  15  Stück  in  7  Fällen. 

Ich  halte  es  auf  Grund  praktischer  Beobachtung2ii  für  notwendig, 
eine  weitere  Verbesserung  der  Pflege  des  Säuglings  anzu- 
|  bahnen  dadurch,  dass  man  der  Belehrung  hinzufügt  die  dauernde 
systematische  Unterstützung  mit  Wäsche  und 
anderem  Pflegematerial. 

In  der  Tat  geschieht  auf  dem  Gebiete  der  Wäscheverteilung 
I  schon  manches  durch  den  Frauenverein  vom  Roten  Kreuz,  durch 
I  Wöchnerinnenvereine,  Seraphisches  Liebeswerk.  Hauspflege-  und 


sonstige  Frauen  vereine,  aber  wohl  meist  nur  für  kürzere  Zeit  und 
in  relativ  beschränktem  Masse;  auch  in  Weihnachtsbescherungen 
aller  möglichen  Vereine  wird  Wäsche  in  bescheidenem  Umfange  ver¬ 
teilt.  Auch  die  Wanderkörbe  des  Roten  Kreuzes  zurzeit  sind  ausser¬ 
ordentlich  wichtig.  Aus  dem  Generalbericht  des  bayer.  Roten  Kreuzes 
vom  Jahre  1911  entnehme  ich,  dass  Wäscheverteilung  zurzeit  als 
Wöchnerinnenunterstützung  oder  auch  direkt  als  Stillprämie  in  fol¬ 
genden  Arten  gegeben  wurden. 

Oberbayer  n.  Wäsche  auch  als  Stillbeitrag  in  Aichach, 
Pfaffenhofen,  Piding;  als  Wöchnerinnenunterstützung  in  Aibling, 
Berchtesgaden,  Dachau,  Garmisch.  Dietramszell,  Lechhausen,  Leng¬ 
gries,  Mühldorf,  München,  Reichenhall,  Solln,  Starnberg,  Tegern¬ 
see,  Tölz,  Wasserburg. 

Niederbayern.  Wäsche  als  Stillprämie,  statt  in  bar,  in 
Simbach.  Auch  als  Stillprämie  in  Straubing,  Zwiesel,  Regen;  als 
Wöchnerinnenunterstützung  in  Dingolfing.  Griesbach.  Landshut, 
Regen,  Straubing,  Vilsbiburg,  Zwiesel. 

R  h  e  i  n  p  f  a  1  z.  Wäsche  als  Stillprämie  an  39  Frauen  in  Neu¬ 
stadt  a.  H.,  als  Wöchnerinnenunterstützung  in  Neustadt,  Landstuhl. 
Otterberg,  Pirmasens,  St.  Ingbert,  Forst,  Zweibrücken. 

O  b  e  r  p  f  a  1  z.  16  Zweigvereine  gewähren  Wäsche  als  Wöch¬ 
nerinnenunterstützung. 

Schwaben.  Als  Wöchnerinnenunterstützung  wird  Wäsche 
verabreicht  in  Augsburg  (100  Kinderwäschepakete  im  Werte  von  je 
4  M.)  Göggingen. 

Ober-,  Mittel-  und  Unterfranken.  Als  Wöch- 
nerinnenunterstiitzung:  Kromach.  Kulmbach-Land,  Wunsiedel,  Kipfen- 
berg,  Rothenburg,  Weissenburg,  Aschaffenburg.  Castell,  Hofheim, 
Schweinfurt. 

Die  Verteilung  von  Wäsche  und  sonstigen 
P  f  1  e  g  e  a  r  t  i  k  e  1  n  soll  in  eigens  errichteten  Depots 
stattfinden.  Mein  Vorschlag  geht  also  dahin,  systematische 
Unterstützungen  zu  geben  aus  eigens  für  diesen  Zweck  errichteten 
Säuglings-Pflege  material-  und  Wäschedepots. 

Diese  können  vorhandenen  Institutionen  der  Säuglingsfürsorge 
organisch  angegliedert  werden,  wie  Fürsorgestellen.  Krippen,  Säug- 
lingsbewahranstalten,  Säuglingsheimen,  auch  Landkrankenhäusern;  in 
kleinen  Orten  können  dieselben  in  der  Wohnung  einer  Vertrauens¬ 
person  sich  befinden. 

Was  soll  ein  solches  Pflegematerialdepot  ent¬ 
halten? 

1.  Wäsche,  vor  allem  reichlich  Windeln,  Bettwäsche,  Ueberziige, 
Kinderkleidung. 

2.  Wasch-  und  Seifenlappen,  Badetücher.  Handtücher,  Bett¬ 
tücher  etc.,  Seife. 

3.  Waschgefässe  für  Gesicht.  Badewännchen,  Watte,  Kämme. 

4.  Gummieinlagen,  auch  Körbe  oder  Bettchen  für  Säuglinge  mit 
Matratze.  Kinderwagen. 

5.  Wärmekrüge  aus  Steingut,  Kinderwage,  Thermometer  für  Bad 
und  Fieber. 

6.  Artikel  für  Schwierigkeiten  bei  Brusternährung:  Saughiitchen, 
Milchpumpapparate  etc. 

7.  Artikel  für  künstliche  Ernährung:  Sauger,  Flaschen,  Flaschen¬ 
bürsten,  kleine  Kühlapparate  für  Milchaufbewahrung  etc. 

8.  Gedruckte  Anweisungen  über  Pflege  und  Ernährung  des 
Kindes,  über  Stillen,  Milchbehandlung  etc. 

9.  Für  Gebrauch  der  Schwester,  Hebamme  oder  Arzt  für  kranke 
Kinder:  Kampferinjektionsspritze,  Darm-  und  Magenspülvorrichtung, 
Maximalthermometer  etc. 

Ein  Teil  der  genannten  Dinge  kann  leihweise  abgegeben  werden, 
die  Wäsche  wohl  meist  als  Geschenk. 

Wo  soll  ein  Depot  errichtet  werden? 

ln  Städten  und  auch  den  kleinsten  Dörfern,  wo  Institutionen 
der  Säuglingsfürsorge  bestehen,  soll  das  Depot  diesen  als  inte¬ 
grierender  Bestandteil  angegliedert  werden.  In  Orten,  wo  noch  keine 
Säuglingsfürsorgeorganisationen  bestehen,  kann  das  Säuglings¬ 
pflegematerialdepot  einstweilen  die  alleinige  Fürsorgeinstitution 
darstellen  und  die  dort  fungierende  Vertrauensperson  bei  jeder 
Abgabegelegenheit  gleichzeitig  Stillpropaganda  treiben.  Auch  in 
Grossstädten  kann  in  Bezirken,  wo  keine  Beratungsstelle  etc. 
ist,  das  Depot  als  Fürsorgestation  eingerichtet  werden.  In  vor¬ 
handenen  Fürsorgeräumen  kann  ein  eigenes  Zimmer  mit  den  Depot¬ 
utensilien  installiert  werden,  sonst  genügt  auch  ein  eigener  Depot¬ 
materialschrank,  dessen  zweckmässige  Einrichtung  event.  von  den 
Zentralen  angegeben  werden  kann. 

Wer  verwaltet  das  Depot? 

In  grossen  Städten,  kleineren  Städten  und  Märkten  die  Für¬ 
sorgeschwester  oder  die  angeschlossene  Anstalt.  Auf  dem  flachen 
Lande  die  Frau  Bürgermeister,  Lehrerin,  Hebamme,  Aerzte.  Am 
zweckmässigsten  wäre  es,  wenn  das  Rote  Kreuz  oder  die  sonstigen 
Frauenvereine  die  Verwaltung  und  Installation  übernehmen  wollten. 

Wer  besorgt  die  Abgabe? 

Obige  Personen.  Die  Abgabe  von  Material  aus  dem  Depot 
geschieht  auf  Begutachtung  der  Fürsorgeärzte  und  Aerzte  überhaupt, 
der  Hebamme,  des  Bürgermeisters.  Waisenpflegerinnen  etc.  durch 
Bons.  Die  Desinfektion  der  Pflegeartikel  ist  im  Kran¬ 
kenhause.  in  der  Fiirsorgestclle  oder  bei  Hebammen  etc.  zu  besorgen. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  gerade  in  Städten,  wo  das  Gros  der 
Aerztewelt  der  Säuglingsfürsorgebewegung  z.  T.  noch  wenig  sym¬ 
pathisch  gegenübersteht,  die  Aerzte  von  solchen  Bons  lieber  Gebrauch 
machen  werden,  als  von  der  Zuweisung  der  Kinder  in  die  vielfach 
nur  einem  Arzte  unterstehenden  Beratungsstellen. 


1382 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Die  Beratungsstelle  könnte  auch  als  Stillprämien  solche  Bons 

austeilen. 

Wie  sind  die  Mittel  aufzubringen? 

Entweder  durch  eigene  Mittel  für  diese  Zwecke  oder  ein  Teil  der 
z.  Z.  für  Stillprämien  z.  T.  grossen  Summen  könnten  diesem  Zwecke 
zugute  kommen. 

Wie  erwähnt,  ist  in  Simbach  und  in  Neustadt  a.  H.  ein  solcher 
Modus  bereits  eingeführt  und  von  Straubing  heisst  es  im  Berichte 
des  Roten  Kreuzes:  „Die  Gewährung  von  Kinderwäsche  als  Still¬ 
prämie  bewährt  sich  sehr  gut.“ 

Viele  Bedenken,  die  die  Barzahlung  der  Stillprämien  in  weiten 
Kreisen  hervorruft,  fielen  weg,  da  es  ja  leider  kein  Geheimnis  ist,  dass 
die  Stillprämien  vom  Vater  oft  in  Alkohol  umgesetzt  werden,  auch 
von  den  Müttern  für  andere  Zwecke  verausgabt  werden.  Armen-  und 
Stiftungsreferate  der  Gemeinden  können  eingreifen. 

In  kleineren  und  grösseren  .Städten  kann  das  System 
Brocken  haus  angewandt  werden,  um  vom  besser  Situierten  ge¬ 
brauchte  oder  nicht  mehr  benötigte  Wäsche  zu  erhalten.  Ein  Zentral¬ 
komitee  lässt  in  allen  einschlägigen  Familien  gegen  Ende  des  Ge¬ 
burtsjahres  eines  Kindes  Wäschespenden  u.  dergl.  abholen,  desinfi¬ 
zieren  und  herrichten. 

Höhe  der  Mittel! 

Rechnet  man  als  meist  dringendstes  Bedürfnis  für  ein  Kind 
30  Windeln  im  ganzen,  so  entspricht  dies  einer  Unterstützung  von 
10—12  M.  pro  Kind,  also  der  Höhe  einer  seither  usuellen  Minimal¬ 
stillprämie. 

Werden  im  vorgeschlagenen  Brockenhausmodus  grosse 
Wäschedepots  durch  Komitees  oder  die  Säuglingsfürsorge¬ 
vereine  aufgestapelt,  stellt  sich  die  Durchführung  noch 
billiger.  Auch  dürften  zentralisierte  Abschlüsse  mit  grossen 
Firmen  ähnlich  wie  bei  den  Militärmaterialdepots,  weitere 
Reduktionen  ermöglichen,  auch  bei  genannten  Pflegeartikeln. 

Ich  stelle  mir  vor,  dass  die  Säuglingsfürsorgekreisverbände 
oder  die  Zweigvereine  des  Roten  Kreuzes  den  Einkauf  be¬ 
sorgen  und  die  Materialien  dann  an  die  Gemeinden  etc. 
abgeben. 

Auf  welcher  Grundlage  soll  eine  Ver¬ 
teilung  des  D  e  p  o  t  m  a  t  e  r  i  a  1  s  stattfinden? 

Die  Bedürftigen  —  deren  Würdigkeit  durch  Arzt,  Heb¬ 
amme.  Fürsorgeschwester,  Armenpflegschaftsrat,  Waisen¬ 
pflegerin.  Bezirksinspektor,  Bürgermeister  festgestellt  wer¬ 
den  kann  —  erhalten  einen  Bon,  der  der  Depotverwalterin 
einzuhändigen  ist.  Die  Unterstützung  aus  dem  Depot  kann 
gegeben  werden:  1.  Als  Stillunterstüt^ung,  in  welchem  Falle 
die  Mutter  sich  einer  Dauerkontrolle,  wie  bei  der  seitherigen 
Stillprämieabgabe  unterziehen  muss.  ev.  in  Beratungsstellen 
beim  Arzt  oder  beim  Bezirksarzt:  2.  als  Pflegebeihilfe  bei 
künstlich  ernährten  Kindern  oder  in  Krankheitsfällen. 

Nähere,  örtlich  ebenfalls  zu  differenzierende  Modifikationen 
sind  von  den  zuständigen  Organisationen  festzulegen. 

Abgesehen  von  der  gewiss  anzuerkennenden  Zweck¬ 
mässigkeit  solcher  Depots  im  Interesse  der  Komplettierung 
und  zweckentsprechenden  Ausgestaltung  der  modernen  sog. 
offenen  unmittelbaren  Säuglingsfürsorge  würde  die  Be¬ 
teiligung  weiterer  Aerztekreise  an  einer  sol¬ 
chen  mehr  neutral  gehaltenen  Institution  wahrscheinlich  zu 
erwarten  sein;  ferner  wäre  es  ein  weiterer  Schritt,  den  Natural- 
unterstützungsmodus  —  dessen  Beliebtheit  in  Materialien  und  auch  in 
Wäsche  bei  den  Empfängern,  wie  oben  erwähnt,  und  dessen  prak¬ 
tische  Durchführbarkeit  bereits  bewiesen  ist  —  auf  dem  Gebiete  des 
Säuglingsschutzwesens  mehr  und  mehr  einzuführen. 


bohrt,  während  die  innere  mit  der  äusseren  durch  grössere  ein¬ 
geschraubte  Kanälchen  verbunden  ist.  Diese  münden  in  das  mittlere 
Lumen.  Dieses  geht  über  in  den  Abfluss,  der  mit  einem  Schlauch 
in  die  Kanalisation  oder  in  ein  Spülbecken  geleitet  wird.  Hat  man  das 
Instrument  eingeführt  und  die  Platte  gegen  den  Introitus  vaginae 
angedrückt,  dann  öffnet  man  den  Wasserleitungshahn.  Das  Wasser 
fliesst  dann  durch  den  Schlauch  •  in  den  Zufluss.  Oeffne  ich  nun 
den  den  Zufluss  verschliessenden  Hahn,  dann  wird  das  Wasser  ge¬ 
zwungen.  in  der  Richtung  der  Pfeile  durch  die  feinen'  Oeffnungen  zu 
fliessen.  Er  bespült  die  Scheidewand  und  fliesst  dann  sofort 

durch  die  Kanälchen  in  das  Lumen  und  von  dort  in  den 
Abflussschlauch  in  der  Pfeilrichtung  zur  Kanalisation  oder  in 

einen  Eimer.  Der  Apparat  wird  am  besten  durch  einen 

Schlauch  mit  einer  Mischbatterie  verbunden.  Ist  diese  nicht 

vorhanden,  so  verwendet  man  zweckentsprechend  einen  Warm¬ 
wasserapparat  (Prof.  Junkers),  der  eine  genau  regulierbare  Tem¬ 
peratur  gewährleistet.  Aber  auch  das  gewöhnliche  Leitungswasser 
wird  ohne  grössere  Unannehmlichkeit  vertragen.  Dieses  neue  Prinzip 
hat  durch  seine  eigenartigen  Wirkungen  nicht  nur  gynäkologisches, 
sondern  überhaupt  allgemein-hygienisches  Interesse.  Folgende  Vor¬ 
teile  kommen  in  Frage: 

1.  Die  Vaginalwand  wird  unter  dem  regulierbaren  Wasserdruck 
vollständig  gereinigt.  Es  bleibt  auch  nicht  eine  Spur  der  Sekrete 
zurück,  da  das  abfliessende  Wasser  neben  der  Spülwirkung  eine  inten¬ 
sive  Heberwirkung  ausiibt. 


r-Partiv 


Portio 


i  (/Vaginal  * 
\^^)y  Wand 


Zufluss 


/Vaginal 
V/and. 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


Lieber  Druckscheidenspülungen  in  der  gynäkologischen 
Praxis  vor  vaginalen  Operationen  und  bei  der  Prosti¬ 
tuiertenuntersuchung. 

Von  Dr.  Dreuw  in  Berlin. 

Die  Scheidenspülung  mit  Hilfe  des  Irrigators  und  des  Mutterrohrs 
beruht  auf  dem  Prinzip,  dass  das  aus  den  Oeffnungen  der  Mutter¬ 
spitze  ausfliessende  Wasser  an  der  Seite  des  Rohres  und  den 
Wänden  der  Vagina  entlang  ausfliesst,  wobei  die  Sekrete  neben 
dem  Mutterrohr  weggespült  werden. 

Die  folgende  Scheidenspülmethode,  die  ich  dann  anwende,  wenn 
es  sich  darum  handelt,  ein  von  allem  Scheidensekret  befreites  mikro¬ 
skopisches  Präparat  der  Zervix  zu  bekommen  oder  die  durch  Vaginal¬ 
sekret  verdeckten  kleinen  Ulzerationen  der  Diagnose  zugängig  zu 
machen,  beruht  auf  einem  von  dem  obigen  vollständig  verschiedenen 
Prinzip. 

Es  besteht  darin,  dass  das  aus  feinen  Oeffnungen  eines  Rohres 
austretende  Wasser  die  Vaginalwand  trifft,  die  Sekrete  dann  durch 
Kanälchen  in  ein  mittleres  Sammelrohr  mitführt,  um  dann  nach 
aussen  hin  abzufliessen. 

Fig.  1  zeigt  einen  Längsschnitt  durch  den  von  mir  konstruierten 
Scheidenspüler.  Der  Scheidenspiiler  (Fig.  1)  hat  die  Gestalt  eines 
Spekulums.  Am  Ende  ist  eine  Querplatte  angebracht,  die  den  Introi¬ 
tus  vaginae  nach  aussen  hin  abschliesst.  Der  Spüler  ist  doppel¬ 
wandig,  und  zwar  ist  die  äussere  Wand  mit  feinen  Oeffnungen  durch- 


2.  Im  Gegensatz  zur  Mutterrohrspülung  gelangt  auch  nicht  ein 
Tropfen  der  Spülflüssigkeit  auf  den  Boden,  auf  den  Untersuchungs¬ 
stuhl  oder  auf  die  Kleidung  etc.,  sondern  die  Spülflüssigkeit  wird 
durch  den  Abflussschlauch  direkt  in  die  Kanalisation  oder  in  einen 
bereitstehenden  Eimer  geleitet. 

3.  Krankheitskeime  können  daher  nicht  übertragen  werden. 

4.  Die  Diagnose,  namentlich  von  kleinen  Geschwüren,  Erosionen, 
Ulcus  molle,  syphilitischen  Plaques,  Psoriasis  mucosae  etc.,  die 
leicht  vom  Scheidensekret  übertüncht  werden,  wird  erleichtert. 

5.  Leichte  Handhabung.  (Lediglich  Einführen  und  Auf  drehen  der 
Wasserleitung.) 

Statt  der  Wasserleitung  kann  auch  ein  hochstehender  Irrigator 
verwandt  werden,  um  mit  der  Spülung  noch  desinfizierend  und  ad¬ 
stringierend  zu  wirken.  (Holzessig,  Lysol,  Lysoform  etc.) 

7.  Namentlich  unmittelbar  vor  vaginalen  Operationen  gewähr¬ 
leistet  die  neue  Methode  wegen  der  Kombination  von  Spül-  und  Saug¬ 
wirkung  wohl  die  gründlichste  Reinigung  der  Vaginalwand,  die  man 
sich  denken  kann.  Was  dem  Apparat  vor  allem  bei  der  Prostituierten¬ 
untersuchung  seine  Bedeutung  verleiht,  ist  die  Verbesserung  der 
mikroskopischen  und  makroskopischen  Diagnosensicherung.  Denn 
es  ist  klar,  dass  das  dem  Orificium  externum  anhaftende  Vaginal¬ 
sekret,  durch  welches  die  Platinöse  vorher  hindurch  muss,  ehe  sie  in 
den  Zervikalkanal  eindringt,  zunächst  an  der  Platinöse  hängen  bleibt. 
Da  nun  das  Vaginalsekret  viele  den  Gonokokken  ähnliche  Kokken  ent¬ 
hält,  so  muss  selbstverständlich  die  Diagnosenstellung  erschwert  wer¬ 
den  im  Gegensatz  zum  Vorhandensein  von  reinem  Zervikalsekret.  Na¬ 
mentlich  für  die  Prostituiertenuntersuchung  eignet  sich  die  Methode, 
denn  die  bisher  angewandte  Irrigatorspülung  hat  sich  bei  der  Pro¬ 
stituiertenuntersuchung  gar  nicht  bewährt,  da  das  mit  infektiösen 
Keimen  beladene  Wasser  neben  dem  Mutterrohr  auf  den  Unter- 
suchungsstuhl,  auf  den  Boden  und  die  Kleidung  des  Arztes  spritzt. 
Andererseits  ist  wegen  des  geringen  Druckes  die  Reinigung  auch  nicht 
im  entferntesten  so  intensiv  wie  bei  obigem  Apparat.  Auch  das  Ab¬ 
tupfen  mit  Watte  bedingt  nur  ein  Verwischen  des  Sekretes. 


GALERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER. 


ILLY 


T  HORN. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  IVochenschrift.  Blatt  323,  1913. 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1383 


Meiner  Meinung  nach  ist  es  bei  starkem  Fluor  erforderlich, 
will  man  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  den  höchsten  Grad 
der  Genauigkeit  erreichen,  vorher  eine  exakte  Scheidendruckspülung 
zu  machen,  was  bei  entsprechender  Einrichtung  kaum  einen  Zeit¬ 
verlust  bedingt,  da  nach  der  Einführung  des  ausgekochten  Apparates 
lediglich  die  Wasserleitung  aufgedreht  wird.  Die  Füllung  des  Irri¬ 
gators,  das  Aufziehen  oder  Aufhängen  desselben,  das  Vorbeifliessen 
des  Wassers  auf  den  Boden  etc.,  alle  diese  Uebelstände  sind  bei  Ge¬ 
brauch  des  obigen  Apparates  nicht  vorhanden. 

Nach  demselben  Prinzip  ist  ein  Spülspekulum  konstruiert  (Fig.  2). 

Das  Spekulum  ist  doppelwandig.  Aus  dem  Oeffnungen  a 
strömt  das  Wasser  aus,  benetzt  die  Scheidenwand  und  die 
Portio  und  fliesst  durch  die  Kanälchen  ab,  Dreht  man  die  Wasser¬ 
leitung  ab,  so  hat  man  ein  völlig  gereinigtes  Gesichtsfeld  vor  sich. 
Der  Zufluss  geschieht  durch  den  Schlauch  d,  der  mit  der  Wasser¬ 
leitung  verbunden  ist.  Es  handelt  sich  also  um  ein  Spekulum,  das 
jederzeit  eine  Auspülung  zulässt,  selbst  wenn  das  Spekulum  sich  in 
der  Scheide  befindet. 

Die  Apparate  werden  hergestellt  vom  Medizin.  Warenhaus.  Ber¬ 
lin,  Karlstr.  31. 


Der  Antifluor,  ein  neues  Instrument  zur  Trocken¬ 
behandlung  der  Scheidenkatarrhe. 


Von  Privatdozent  Dr.  W.  Li ep mann  in  Berlin. 


Vor  dem  wohl  am  meisten  im  Gebrauch  befindlichen  Apparat, 
dem  „Siccator“  von  Nassauer,  hat  der  nachstehend  abgebildete 
Apparat  folgende  Vorteile. 


1.  Sein  billiger 
Preis. 

2.  Er  ist  in 
allen  Teilen  aus¬ 
einander  zu  neh¬ 
men  und  ausser¬ 
ordentlich  leicht 
zu  reinigen  und 

gegebenenfalls 
durch  Kochen  zu 
sterilisieren. 

3.  Das  Innenrohr, 
das  eigentliche  Pulver¬ 
rohr,  ist  durch  eine 
Schutzkappe  vor  der  Be¬ 
schmutzung  mit  dem  Va¬ 
ginalschleim  geschützt. 

4.  Die  Schutzkappe 
dient  gleichzeitig  zur 

Entfaltung  der  Scheidenschleimhaut,  was  durchaus  notwendig  ist,  um 
das  Pulver  überall  hingelangen  zu  lassen.  (Die  Luftentfaltung  der 
Scheide,  wie  sie  nach  Nassauer  mit  dem  „Siccator“  zu  erreichen 
sein  soll,  hat  sich  mir  nicht  bewährt.) 

Es  empfiehlt  sich,  den  Apparat,  der  vom  Medizinischen  Waren¬ 
haus  A.-G.,  Berlin  NW.,  Karlstr,  31,  für  3.50  M.  hergestellt  wird, 
den  Patientinnen  nur  zur  Nachbehandlung  zu  eigener  Benutzung  in  die 
Hand  zu  geben.  Er  kommt  in  3  Grössen  in  den  Handel,  die  jeweils 
notwendige  Grösse  hat  der  Arzt  zu  bestimmen.  Als  Pulver  ver¬ 
wende  ich  das  Lenizet.  (Nähere  Angaben  über  die  Art  meiner 
Behandlung  siehe  Therapeutische  Monatshefte  1910,  Dezemberheft.) 


Arbeiten  über  harte  Röntgenstrahlen. 

Erwiderung  auf  den  Artikel  des  Herrn  Dr.  Q  r  o  e  d  e  1  in  No.  20 
dieser  Wochenschrift. 

Von  Ingenieur  Friedrich  Dessauer  in  Frankfurt  a.  M. 
(früher  Aschaffenburg). 

Herr  Dr.  G  r  o  e  d  e  1  hat  in  No.  20  der  Münchener  medizinischen 
Wochenschrift  zu  meiner  Arbeit  in  No.  13  „Ueber  harte  Röntgen¬ 
strahlen“  einige  Bemerkungen  gemacht,  die  darauf  hinauslaufen,  dass 
er  die  von  mir  mitgeteilten  Resultate  für  irrtümlich  hält  und  dass 
er  auf  jeden  Fall  meine  Behauptung,  dass  der  harte  Strahlenanteil 
der  Emission  einer  Röntgenröhre  der  Hauptsache  nach  im  Anfang  der 
einzelnen  Stromimpulse  entstehe,  für  durchaus  unbewiesen  halte. 

Damit  nun  kein  Irrtum  entsteht  —  Herr  Dr.  G  r  o  e  d  e  1  be¬ 
gründet  vorläufig  seinen  Einwand  nicht  und  verweist  auf  eine  spätere 
Arbeit  — ,  möchte  ich  nur  bemerken,  dass  meine  Untersuchungen 
natürlich  experimentell  streng  durchgeführt  und  richtig  sind.  Es 
handelt  sich  bei  meiner  Arbeit  nicht  um  Vermutungen,  sondern  um 
experimentell  bestätigte  Dinge.  Die  einzelnen  Versuche  werde  ich 
demnächst  ausführlich  publizieren.  Uebrigens  steht  in  meiner  Arbeit 
nicht,  dass  der  harte  Strahlenanteil  der  Emission  im  Anfang  des 
einzelnen  Stromimpulses,  sondern,  wie  unzweideutig  aus  dem  Texte 
und  Abbildungen  hervorgeht,  dass  dieser  harte  Strahlenanteil  haupt¬ 
sächlich  im  Anfänge  des  Aufleuchtens  der  Röntgenröhre  entsteht. 

Drei  Punkte  sind  es,  in  denen  ich  das  hauptsächliche  Ergebnis 
meiner  Untersuchungen  zusammenfassen  kann. 

1.  Ein  und  dieselbe  Röhre  gibt  härtere  Strahlung  dann  ab,  wenn 
man  sie  in  gewissen  Grenzen  mit  geringerer  Schlaganzahl  betreibt, 
also  die  Frequenz  reduziert. 


2.  Sie  gibt  härtere  Strahlung  dann  ab,  wenn  die  Dauer  des 
Impulses,  der  sie  durchleuchtet,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  abge¬ 
kürzt  wird. 

3.  Die  Härte  der  von  der  Röhre  ausgehenden  Strahlung  nimmt 
mit  der  Stromdichte  zu,  das  heisst  mit  der  Stromintensität  pro 
Zeiteinheit  bezogen  auf  den  Quadratzentimeter  Kathodenfläche. 

Wenn  Herr  Dr.  Groedel  zu  anderen  Ergebnissen  gekommen 
ist,  so  dürfte  eine  abweichende  Versuchsanordnung  daran  schuld 
tragen. 


- . - 

Willy  Thorn  f. 

Gedächtnisrede,  gehalten  in  der  Medizinischen  Gesellschaft 

zu  Magdeburg. 

Der  Platz  unseres  Vorsitzenden  Thorn  ist  leer.  Die 
letzte  wissenschaftliche  Sitzung  am  24.  April  bildete  den  Ab¬ 
schluss  seiner  Tätigkeit  und  wenige  Tage  später  erschütterte 
uns  die  Kunde:  Thorn  ist  gestorben.  Auf  der  Höhe  seines 
Schaffens  wurde  er  uns  entrissen,  eine  nekrotisierende  Angina 
mit  folgender  Sepsis  fällte  den  Mann,  der  so  stark  unter  uns 
stand,  dass  wir  es  nicht  begreifen  können,  ihn  nicht  mehr 
zu  haben. 

Wenn  ich  heute  sein  Bild  noch  einmal  Ihnen  im  Spiegel 
seines  Lebens  und  Wirkens  zeigen  will,  so  sage  ich  wohl  vielen 
unter  Ihnen  nicht  viel  Neues.  Vielleicht  auch  nicht  Genügen¬ 
des.  Denn  es  ist  auch  für  mich  nicht  leicht,  wenn  ich  auch 
sein  Freund  war,  die  ungewöhnliche  Erscheinung  T  h  o  r  n  s 
mit  Worten  zu  erschöpfen. 

Thorn  ist  nicht  alt  geworden.  Er  ist  geboren  am 
19.  November  1857  zu  Herborn  in  Hessen-Nassau.  Sein  Vater 
war  dort  Hüttendirektor.  Er  besuchte  das  Gymnasium  in 
Wetzlar,  Giessen  und  Mainz  und  machte  in  Mainz  im  Jahre 
1876  sein  Abiturientenexamen.  Dann  folgte  die  Studentenzeit 
in  Giessen  und  Halle,  wohin  es  ihn  noch  oft  im  späteren  Leben 
zurückzog.  Er  hatte  sich  als  freier  Bursche  dort  wacker  ge¬ 
schlagen  und  allzeit  brachte  er  in  Erinnerung  an  diese  schönen 
Jahre  den  ersten  Semestern  seiner  Korps  ein  grosses  Ver¬ 
ständnis  entgegen,  wurde  immer  wieder  jung  mit  ihnen  und 
förderte  und  unterstützte  ihre  Bestrebungen  bis  in  die 
letzte  Zeit. 

Während  seiner  klinischen  Studien  begeisterte  ihn  sein 
Lehrer  V  o  1  k  m  a  n  n  für  die  Chirurgie  und  es  war  seine  Ab¬ 
sicht,  Chirurg  zu  werden.  Nach  seinem  Staatsexamen  in  Halle 
im  Jahre  1882  trat  er  zunächst  bei  Olshausen  als  Assistent 
ein,  vertiefte  sich  immer  mehr  in  das  Spezialgebiet  der 
Frauenheilkunde  und  folgte  auch  später  Olshausen  nach 
seiner  Berufung  nach  Berlin.  Von  dort  kam  er  im  August  1888 
nach  Magdeburg.  1890  heiratete  er  die  Tochter  unseres  da¬ 
maligen  Oberbürgermeisters  Bötticher.  Die  Ehe  blieb  kinder¬ 
los.  Im  Jahre  1904  wurde  ihm  vorzeitig  der  Titel  Sanitätsrat 
verliehen.  1906  übernahm  er  die  Leitung  der  neugegründeten 
gynäkologischen  Abteilung  der  städtischen  Krankenanstalten 
und  als  Anerkennung  für  seine  Leistungen  als  Arzt  erhielt  er 
Weihnachten  1911  den  Professortitel. 

Seine  Tätigkeit  als  Arzt  liegt  in  der  Zeit,  in  der  das 
Gebiet  der  Gynäkologie  mächtig  ausgebaut  wurde.  An  diesem 
A.ufbau  ist  er  wesentlich  beteiligt  und  die  Arbeitsmasse,  die  er 
bis  zu  seinem  Tode  als  Frauenarzt  und  Wissenschaftler  tech¬ 
nisch  und  geistig  bewältigt  hat,  ist  ungeheuer  gross.  Nicht 
weniger  wie  80  Arbeiten  entstammen  seiner  Feder,  gewiss 
etwas  ganz  Ungewöhnliches  für  einen  Arzt,  den  die  Praxis 
kaum  eine  Stunde  frei  lässt. 

Es  gibt  kaum  ein  praktisches  Gebiet  der  Gynäkologie,  in 
das  er  nicht  gelegentlich  auf  Grund  seiner  grossen  Erfahrung 
hineingeleuchtet  hat. 

Von  Bedeutung  sind  seine  Abhandlungen:  „Ueber 
Atrophia  uteri“  (Zeitschrift  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  XVI, 
Heft  1,  Naturforscherversammlung  zu  Hamburg,  Zentralbl.  f. 
Gyn.,  1894  etc.).  Thorn  lieferte  zuerst  den  exakten  Nach¬ 
weis  einer  physiologischen  puerperalen  Form  der  Laktations¬ 
atrophie,  wie  sie  heute  allgemein  anerkannt  wird.  Be¬ 
kannt  ist  ferner  die  von  Thorn  angegebene  Methode  der 
manuellen  Umwandlung  der  Gesichts-  und  Stirnlagen  (Zeit¬ 
schrift  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  31).  Die  Methode  ist  vielfach  an- 
gefochten  worden  und  es  lässt  sich  über  die  Verwendbarkeit 
streiten.  Aber  die  Lehrbücher  werden  den  Thorn  sehen 
Handgriff  auch  ferner  berücksichtigen  müssen,  da  er  in  der 


1 384 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Praxis  die  gefährlichere  Wendung  ersetzen  soll  und  nach  den 
Erfahrungen  an  der  Olshausen  sehen  Klinik  auch  kann. 
Es  würde  zu  weit  führen,  auf  viele  andere  wertvolle  Arbeiten, 
in  denen  meist  die  praktischen,  therapeutischen  Gesichtspunkte 
vorherrschen,  einzugehen. 

Wir  selbst  haben  einen  grossen  Teil  seiner  Publikationen 
in  der  Medizinischen  Gesellschaft  in  Form  von  kürzeren  und 
längeren  \  orträgen  gehört,  und,  wenn  wir  uns  daran  erinnern, 
so  müssen  wir  sagen,  es  war  immer  ein  Genuss,  Thorn  zu¬ 
zuhören.  Charakteristisch  für  seinen  Vortrag  war  die  ihm 
eigene  vorzügliche  Diktion,  er  sprach  in  der  markigen  Sprache 
seiner  Heimat,  klar  und  ausdrucksvoll  und  würzte  oft  mit  treff¬ 
lichen,  humoristischen  Bemerkungen.  In  der  Debatte  war  er 
der  Meister  und  hatte  eine  erdrückende  Ueberlegenheit.  Sein 
Auftreten  in  der  Diskussion  konnte  im  Augenblick  auf  den 
Gegner  brüskierend  wirken,  seine  drastische  Art  und  scharfe 
Kritik  entmutigend.  Es  lag  ein  despotischer  Zug  in  seinem 
Wesen,  der  oft  verstimmte,  auch  manchen  zum  Feind  machte. 
Wir  wollen  an  dieser  Eigenschaft,  die  wir  bei  Männern  der 
Tat  häufig  finden,  nicht  schweigend  vorübergehen,  aber  sic 
gehörte  doch  so  notwendig  auch  zu  ihm,  wie  seine  glänzen¬ 
den  Eigenschaften,  die  ihm  die  Hochachtung  aller,  auch  seiner 
Feinde,  sicherstellcn  mussten. 

Nachdem  er  dem  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Gynäkologie  lange  Jahre  fern  geblieben  war,  wählte  man  ihn 
dennoch  vor  zwei  Jahren  in  den  Vorstand.  Er  hat  die  freie 
Vereinigung  mitteldeutscher  Gynäkologen  mitbegründet  und 
im  Wechsel  mit  Halle  und  Jena  oft  als  Vorsitzender  geleitet. 
Hier  sowohl,  wie  in  der  nordwestdeutschen  Gesellschaft  für 
Gynäkologie  in  Hamburg,  arbeitete  er  fleissig  und  fruchtbar 
mit,  nicht  mit  der  stürmischen  Begeisterung  für  jede  neue 
Idee  und  jeden  neuen  Versuch,  denen  er  oft  skeptisch  ent¬ 
gegentrat,  und  für  die  er  nicht  gleich  zu  haben  war,  sondern 
mit  gediegenen  praktischen  und  therapeutischen  Vorschlägen, 
die  er  aus  seiner  grossen  Erfahrung  und  seinem  riesigen 
Material  als  klares  Ergebnis  herausschälte.  So  verstand  er 
es  auch  glänzend,  in  den  Fortbildungskursen  und  in  def  Medi¬ 
zinischen  Gesellschaft  den  Stoff  in  seinen  Vorträgen  den  prak¬ 
tischen  Bedürfnissen  der  Aerzte  stets  anzupassen.  In  der  Ent¬ 
wicklung  dieser  Fortbildungskurse  und  unserer  Gesellschaft 
sind  seine  Verdienste  ausserordentlich  hochzustellen.  Bei 
seiner  bewunderungswürdigen  Gewandtheit  in  der  Leitung 
wissenschaftlicher  Gesellschaften  war  er  vornehmlich  berufen 
auch  hier  die  Führung  zu  übernehmen  und  so  wurde  er  bei 
dem  Wechsel  des  Vorsitzes  Anfang  dieses  Jahres  zum  Vor¬ 
sitzenden  gewählt.  Und  doch  nicht  ohne  allerlei  Bedenken. 
Aber  schon  die  kurze  Zeit,  in  der  er  leitete,  musste  auch  den 
letzten  Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Wahl  zerstreuen,  und 
es  musste  auch  den  Zweiflern  bald  klar  werden,  dass  er  der 
Beste  war,  den  wir  wählen  konnten. 

Wir  werden  ihn  hier  sehr  entbehren.  Aber  nicht  minder 
wird  er  anderswo  fehlen,  wird  er  in  der  Stadt,  in  der  Provinz 
und  weit  über  die  Provinz  hinaus  vermisst  werden:  auf  dem 
Gebiete  der  sozialen  Fürsorge.  In  sozialen  mit  unserem  Be¬ 
rufe  eng  zusammenhängenden  Fragen  trat  er  erst  in  den 
letzten  Jahren  so  recht  in  Erscheinung,  einige  Verdienste  auf 
diesem  Gebiet  liegen  aber  auch  schon  weiter  zurück. 

Es  sei  daran  erinnert,  dass  wir  seinen  Anregungen  und 
seinem  energischen  Eintreten  im  ärztlichen  Bezirksverein  die 
heutige  segensreiche  Form  der  Unterstützungskasse  für  Aerzte 
und  Arztwitwen  verdanken. 

Die  grosszügigen  Aufklärungen  über  das  Krebsleiden  im 
^mne  Winters  zur  Verbesserung  der  Frühdiagnose  gingen 
von  ihm  aus,  und  er  war  es,  der  seinerzeit  in  Abhandlungen 
über  diese  Frage  die  Notwendigkeit  der  pathologischen 
Anstalt  in  Magdeburg  immer  wieder  betonte,  bis  sie  endlich 
auf  sein  Betreiben  hin  eingerichtet  wurde. 

Ei  ist  der  eigentliche  Organisator  der  Säuglingsfürsorge 
ui  unscicm  Bezirk  und  wer  auf  diesem  Gebiete  seine  Arbeit 
kennen  lernen  will,  der  lese  seine  Abhandlungen  „über  die 
Ei  gebnisse  einer  Stillstatistik  im  Regierungsbezirk  Magde¬ 
burg'  (Ergebnisse  der  Säuglingsfürsorge,  Heft  4)  und  „über 
die  Organisation  der  Säuglingsfürsorge  auf  dem  platten  Lande 
der  Provinz  Sachsen“  (Zeitschrift  für  Säuglingsschutz,  Heft  12). 

„  d  nicht  zuletzt,  welch  gesundes  und  starkes  soziales 
1  iiipnndcn  ging  in  Wort  und  Schrift  von  ihm  aus,  wenn  er 


auftrat  und  zum  Kampf  aufrief  gegen  die  Gefahren,  die 
unserem  Volke  durch  die  Auswüchse  des  Malthusianismus 
drohen.  Er  forschte  den  Ursachen  des  Geburtenrückganges 
nach  und  die  Notwendigkeit  gesetzlicher  Bestimmungen  für 
den  künstlichen  Abort,  über  die  er  in  deutschen  Aerztekreisen 
eine  erregte  Debatte  hervorrief,  die  Notwendigkeit  des  Ver¬ 
bots  des  luti auterinpessars  zum  Zweck  der  Schwangerschafts¬ 
verhütung  wurde  in  einer  so  überzeugenden  und  im  besten 
Sinne  des  Wortes  rücksichtslosen  Weise  von  ihm  propagiert 
und  die  Mittel  zur  Bekämpfung  dieser  Ursachen  so  grosszügig 
m  Vorschlag  gebracht,  dass  der  Vorsitzende  des  Kongresses 
der  Deutschen  Gynäkologie,  der  in  der  vergangenen  Woche 
in  Halle  tagte,  wohl  sagen  konnte:  Uns  wird  in  diesen  für  die 
Volks  Wohlfahrt  so  wichtigen  Fragen  Thorn  fehlen,  und  wir 
haben  einen  Thorn  dafür  nötig. 

Geht  schon  aus  alledem  hervor,  dass  wir  in  Th  o  r  n  einer 
ungewöhnlichen  Erscheinung  gegenüberstehen,  so  würde  doch 
wesentliches  an  seiner  Würdigung  fehlen,  wenn  wir  seine 
Sonderstellung  als  Arzt  und  Kollege  nicht  noch  hervorheben 
w  iirden.  Es  ist  kein  Zufall,  dass  er  als  Frauenarzt  so  gesucht 
war  und  keine  Gewohnheit,  wenn  ihn  die  Aerzte  als  Kon¬ 
siliarius  so  sehr  schätzten.  Sein  Auftreten  war  imponierend. 
Seine  stets  gut  gepflegte  Erscheinung  erweckte  den  Eindruck 
grosser  Vornehmheit,  klar  und  durchdringend  wie  sein  Blick 
war  sein  Urteil,  seine  Ruhe  und  Sicherheit  und  die  Sorgfalt 
oei  ärztlichen  Massnahmen  war  bewundernswert.  Je  grösser 
die  Schwierigkeit,  um  so  grösser  seine  Ruhe,  kein  lautes  un¬ 
williges  Wort  störte  den  Ernst,  der  über  seiner  Arbeit  lag. 

p°t”uiru?.  er  gera^e  >n  den  schwierigsten  Situationen  das 
Gefühl  der  Sicherheit  auf  seine  Umgebung. 

Glosse  Sauberkeit,  exaktes  Operieren  und  absolute  Blut¬ 
stillung  waren  ihm  wichtiger,  wie  ein  Rekord  der  kürzesten 
Zeitdauer  der  Operation.  Und  seine  Erfolge  waren  glänzend. 
Das  beweisen  seine  Statistiken  auf  vielen  Gebieten  der  opera¬ 
tiven  Gynäkologie.  Auch  seine  Sorgfalt  in  der  Indikations- 
stellung  muss  hervorgehoben  werden,  Konzessionen  gab  es 
für  ihn  hier  nicht,  am  allerwenigsten  zum  eigenen  Vorteil,  nur 
die  Ueberzeugungstreue  leitete  ihn.  Das  sicherte  ihm  bei  den 
Kollegen  ein  unbegrenztes  Vertrauen..  Und  viele  von  Ihnen, 
die  sich  mit  Vertrauen  auch  in  anderen  Dingen  und  in  eigener 
Not  an  ihn  wandten,  haben  erfahren,  dass  er  immer  bereit 
v  ar,  sich  uneigennützig  mit  seiner  ganzen  Person  einzusetzen, 
wenn  es  galt,  Unrecht  abzuwehren  oder  zu  Recht  zu  ver¬ 
helfen.  Es  sind  viele  zu  ihm  gekommen,  auch  Nichtärzte,  und 
venn  ei  seine  Unterstützung  zusagte,  dann  versagte  er  nie. 
Was  er  anfing,  führte  er  mit  eisernem  Willen  durch  Darin 
hegt  seine  seltene  Grösse.  Das  verschaffte  ihm  den  unge¬ 
heuren  Respekt  in  den  geistig  und  gesellschaftlich  führenden 
Kreisen. 

D.  }^ar  ei  *n  smner  I  ätigkeit  ein  Pflichtmensch  strengster 
Richtung,  so  war  er  doch  das  Gegenteil  eines  Philisters,  er 
schätzte,  so  lange  er  körperlich  darunter  nicht  litt,  die  Gesellig- 
keit,  ci  liebte  die  glänzende  Gesellschaft,  und  wer  in  den 
prunkvollen  Räumen  seiner  Wohnung  seine  Gastlichkeit 
kennen  gelernt  hat,  wer  ihn  noch  besser  in  ruhigen  Stunden 
einmal  in  seinem  herrlichen  Garten  für  sich  haben  konnte, 
der  entdeckte  bald  in  dieser  Brust  ein  warmes  und  rührend 
freundliches  Herz  und  in  vielen  seiner  Briefe  und  seiner 
schönen  Gedichte  an  seine  Freunde  offenbart  sich  ein  so 
selten  tiefes  Gemüt,  wie  es  der  starke  Mann  sonst  nicht  ver¬ 
raten  konnte.  In  zwangloser  Plauderei  konnte  man  sich 
ebensowenig  wie  sonst  der  suggestiven  Wirkung  seiner  Per¬ 
sönlichkeit  entziehen  und  man  wurde  oft  überrascht  durch 
seine  Vielseitigkeit  und  Sachkenntnis  und  begriff  nicht,  woher 
er  die  Zeit  nahm  zu  anderen  Studien,  vor  allem  zu  seiner 
Vertiefung  in  die  Geschichte  und  in  die  Politik. 

So  Hesse  sich  noch  manches  sagen,  aber  es  ist  kaum 
möglich,  ihn  ganz  zu  erschöpfen.  Alles  in  allem  genommen 
steht  er  vor  uns  als  eine  gerade  in  der  jetzigen  Zeit  so  seltene 
Erscheinung  eines  ganzen  und  freien  deutschen  Mannes. 

Und  wie  er  im  Leben  war,  so  sahen  wir,  seine  Freunde 
und  Aerzte,  ihn  auf  dem  Krankenlager  und  Sterbebett,  bis 
zur  letzten  Stunde  ein  ganzer  Mann. 

Ueberschaut  man  Thorns  Schaffen  und  Wirken,  so  er¬ 
scheinen  sie  eine  ununterbrochene  Kette  grosser  Erfolge, 
und  das  Sieghafte  seines  Wesens  dünkt  als  der  Ausdruck 


24.  Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1385 


dieser  Erfolge,  und  doch  liegt  über  diesem  grossen  Leben  auch 
eine  menschlich  ergreifende  Iragik,  die  dem  Vertrauten  im 
Grunde  seines  tiefen  Auges  zuweilen  sich  nicht  verbergen 
konnte,  und  der  er  selbst  kurz  vor  seinem  Ende  Ausdruck  gab 
in  den  Worten:  Das  ist  das  Verhängnis  meines  Lebens,  dass 
ich  meine  Erfolge  stets  erzielte,  wenn  es  für  mich  persönlich 
zu  spät  war. 

Es  ist  nutzlos  und  nicht  in  seinem  Sinne,  klagend  zu  er¬ 
wägen,  was  er  uns  noch  alles  hätte  sein  können.  Halten  wir 
uns  an  das,  was  er  uns  war  und  was  er  geschaffen  hat.  Die 
Summe  seines  Lebens  ist  gewiss  gross  genug.  Arbeiten  wir 
in  1  hör  ns  Sinne  weiter,  so  ehren  wir  sein  Andenken  und 
ehren  —  unseren  Stand!  Weinbrenner. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Die  Monopolisierung  der  Unfalltherapie. 

Ein  Mahnwort  zum  Elberfelder  Aerztetag. 

ln  dubiis  libertas,  in  necessariis  unitas! 

Ueber  das  in  den  letzten  Nummern  dieses  Blattes  ventilierte 
Thema  „Aerzte  und  gemeinnützige  Unternehmungen“  sind  die  An¬ 
sichten  offenbar  sehr  geteilt.  Ohne  näher  darauf  eingehen  zu  wollen, 
muss  man  u.  E.  Sch  ei  ding  durchaus  Recht  geben,  wenn  er  sagt: 

- - man  sollte  meinen,  die  gegenwärtigen  Zeiten  seien  für  die 

Aerzteschaft  viel  zu  ernst,  als  dass  man  wegen  einer  doch  wahrlich 
nicht  welterschütternden  Streitfrage  Unfrieden  unter  sie  bringt  und 
das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  noch  weiter  gefährdet.“ 

Dieser  zurzeit  gänzlich  untergeordneten  Frage  nämlich  stehen 
jetzt  weit  einschneidendere  und  bedeutungsvollere  Angelegenheiten 
gegenüber,  die  den  einsichtigen  Arzt  bewegen  und  bekümmern  und 
ihn  veranlassen,  die  leider  immer  noch  so  grosse  Schar  indolenter 
und  quietistischer  Kollegen  zu  deren  Beachtung  aufzurufen. 

Als  einer  der  mächtigsten  Faktoren,  die  bei  der  für  uns  wichtig¬ 
sten  Zeiterscheinung,  der  vielbeklagten  zunehmenden  Proletarisierung 
unseres  Standes,  mitwirken,  ist  das  Vorgehen  zu  bezeichnen,  das  von 
kurzsichtigen  Aerzten  dem  Reichsversicherungsamt  und  den  Berufs¬ 
genossenschaften  (und  damit  auch  den  Krankenkassen)  in  Gestalt  der 
Monopolisierung  der  Unfalltherapie  durch  bestimmte 
Fachärzte  empfohlen  worden  ist. 

Weil  manche  Aerzte  durch  unzureichende  Behandlung  Ver¬ 
letzter  erhöhte  Unfallrenten  verschuldet  haben,  deshalb  wurde  be¬ 
kanntlich  den  sämtlichen  bisher  zuständigen  Aerzten  die  Be¬ 
handlung  „schwerer“  Verletzungen  entzogen  und  bestimmten  „Fach¬ 
ärzten“  übertragen  (wobei  als  „schwere“  Verletzung  alles  gilt,  was 
über  eine  einfache  Hautwunde  hinausgeht).  Die  Ueberweisung 
an  diese  Fachärzte  aber  erfolgt  auf  Grund  der  Ent¬ 
scheidung  des  betr.  kaufmännischen  oder  tech¬ 
nischen  Bürobeamten  der  Kasse,  ja  vielfach  sogar 
der  Fabrikportiers! 

Die  bisherigen  Aerzte  sind  damit  also  von  der  Behandlung  fast 
sämtlicher  Verletzungen  ausgeschlossen  (sie  dürfen  z.  B.  nicht  einmal 
mehr  ein  Staubkörnchen  von  der  Bindehaut  entfernen 1)  und  —  was 
wohl  bisher  einzigartig  auf  diesem  Gebiete  dasteht  —  Laien  sind  zu 
ihrer  Bevormundung  bestellt  (vgl.  auch  „Die  Arbeiterversorgung“ 
1912,  No.  12:  „Der  Verwaltungsbeamte  muss  sich  so  viel  medizinisches 
Verständnis  aneignen,  um  in  der  Regel  entscheiden  zu  können,  ob  ein 
Facharzt  zuzuziehen  ist  oder  nicht“). 

„Hier  steht“,  so  sagt  Dr.  R.  in  No.  832  des  Ae.  V.,  „wahrhaftig 
nicht  die  materielle  Einbusse  im  Vordergrund,  sondern  viel¬ 
mehr  die  Einbusse,  die  der  Arzt  an  Ansehen,  an  Berufsfreudigkeit,  an 
Erweiterung  seines  Wissens  und  Könnens,  an  eigener  Wertschätzung 
erleidet.  Und  welchen  Eindruck  muss  es  auf  die  auf  ihn  angewiesene 
Bevölkerung  machen,  wenn  ihm  alle  „äusseren“  Fälle  weggenommen 
werden?  Ueber  kurz  oder  lang  gilt  er  dann  auch  in  den  noch  ver¬ 
bleibenden  inneren  Erkrankungen  als  nicht  auf  der  Höhe  stehend. 
Welche  Quelle  persönlicher  Kränkungen  wird  da  erschlossen!“ 

Die  so  entstehende  weitere  Proletarisierung  des  Aerztestandes 
muss  mit  allen  Mitteln  verhütet  werden.  Das  liegt  nicht  nur  im 
Interesse  der  Aerzte  selbst,  sondern  ist  vielmehr  auch  von  höchster 
Wichtigkeit  für  die  auf  sie  angewiesene  Bevölkerung.  Denn  mit 
Recht  sagt  Nassauer  (Münch,  med.  Wochenschr.  1909,  No.  25): 

„Mit  dem  Niedergang  der  Persönlichkeit  des  Arztes  geht  Hand 
in  Hand  der  Niedergang  in  seiner  Kunst!“ 

Und  so  dürfte  es  angesichts  dieser  Bevormundung  und  Herab¬ 
setzung,  ja  Verächtlichmachung  des  ganzen  Aerztestandes  zugunsten 
einiger  „Unfall-Monopolärzte“  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  Besselmann  recht  hat  mit  seiner,  in  No.  49/10  der  Aerztl. 
Mitt.  aufgestellten  Grundforderung: 

„Die  generelle  Zuweisung  von  Unfallkranken  an  bestimmte  Fach¬ 
ärzte  stellt  eine  unerlaubte  Einmischung  der  Berufsgenossenschaften 
in  das  natürliche  Verhältnis  zwischen  Arzt  und  Kranken  und  eine 


*)  Die  Augenunfälle  sind  ausdrücklich  sämtlich  den  bisherigen 

Aerzten  entzogen. 

No.  25. 


nicht  statthafte  Beschränkung  ärztlicher  Berufstätigkeit  dar“;  denn 
—  so  ist  den  Vertretern  der  berufsgenossenschaftlichen  Interessen 
zu  entgegnen  —  die  obenerwähnten  ungeeigneten 
ärztlichen  Elemente  können  und  müssen  durch 
Vermittlung  der  ärztlichen  Instanzen  rektifiziert 
bzw.  eliminiert  werden,  ohne  dass  man  durch  die 
in  den  Leitsätzen  empfohlenen  generellen  Mass- 
n  a  hmen  das  Können  und  die  Gewissenhaftigkeit 
sämtlicher  Nicht-Monopol  ärzte  öffentlich  herab¬ 
zusetzen  braucht. 

Unter  Hintansetzung  aller  nebensächlichen  Fragen  ist  also  jetzt 
als  wichtigste  ärztliche  Forderung  aufzustellen: 

Den  Aerzten  muss  im  Prinzip  die  Fähigkeit  und 
Gewissenhaftigkeit  zugetraut  werden,  dass  sie 
bei  Unfällen  nötigenfalls  von  selbst  auf  Spezial- 
bzw.  Krankenhausbehandlung  hinweisen.  Die 
durch  die  „Leitsätze“  des  Reichsversicherungs¬ 
amts  eingeführte  Bevormundung  der  Aerzte  durch 
Laien  ist  als  des  Aerztestandes  unwürdig  zu  be¬ 
trachten  und  zu  beseitigen  und  an  ihre  Stelle  als  Normal¬ 
verfahren  dasjenige  der  Tiefbaugenossenschaft  in  Berlin-Wilmersdorf 
zu  setzen:  Statt  nämlich  in  der  obenbeschriebenen  unschönen  Weise 
zu  verfahren,  bittet  diese  Korporation  auf  die  vom  Arbeitgeber  er¬ 
stattete  Unfallanzeige  hin  den  behandelnden  Arzt  (natürlich  gegen 
Honorierung)  um  kurze  Auskunft  über  die  Lage  des  Falles,  die  Pro¬ 
gnose  und  die  Zulänglichkeit  des  von  der  Kasse  gewährten  Heil¬ 
verfahrens,  sowie  „ob  darüber  hinausgehend  von  ihrer 
Seite  schon  jetzt  irgendwelche  Massnahmen  zur 
Erzielung  eines  möglichst  günstigen  Heilerfolges 
sich  treffen  lasse  n“.  Esch. 


Dichotomie  unter  Aerzten. 

Löbliche  Redaktion! 

In  No.  21  Ihres  sehr  geschätzten  Blattes  vom  27.  Mai  d.  J.  ver¬ 
öffentlicht  Herr  Dr.  Max  Nassauer  eine  sehr  interessante  stan¬ 
desärztliche  Studie  „Dichotomie  unter  Aerzten“.  Nachdem  diese 
Studie,  wenn  auch  in  sehr  fesselnder  Form  doch  einen  Trugschluss 
enthält,  der,  wenn  widerspruchlos  akzeptiert,  geeignet  ist,  in  unsere 
Standesbegriffe  Verwirrung  hineinzutragen,  sei  es  mir  gestattet,  zu 
diesem  Aufsatz  einige  Bemerkungen  zu  machen. 

Herr  Dr.  Nassauer  beginnt  damit,  die  Dichotomie  als  un¬ 
ethisch  und  unmoralisch  und  damit  als  standesunwürdig  zu  brand¬ 
marken,  womit  nur  jeder  standesbewusste  Arzt  einverstanden  sein 
wird.  Dann  aber  versenkt  er  sich  mit  Herz  und  Pflichtgefühl  in  die 
Frage  der  Dichotomie,  führt  eine  Reihe  von  Beispielen  an,  in  denen 
der  praktische  Arzt  durch  rechtzeitige  Diagnose,  rechtzeitige  Indika¬ 
tionsstellung  für  die  Operation,  Abgabe  seines  Patienten  an  einen 
Chirurgen  oder  anderen  Spezialisten  eine  tödliche  Krankheit  verhin¬ 
dert  oder  das  Leben  des  Patienten  gerettet  hat.  Er  sagt:  „Es  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  segensreichste  Leistung  in  all 
diesen  Fällen  der  praktische  Arzt  vollbracht  hat.  Er  vor  allem  hat 
das  Recht,  diese  Lebensrettung  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen.“ 
Dr.  Nassauer  führt  dann  aus,  dass  der  praktische  Arzt  für  diese 
seine  Leistung  durch  ein  Honorar  von  3,  5,  10  M„  der  Chirurg  durch 
ein  Vielfaches  dessen,  was  der  praktische  Arzt  erhält,  belohnt  werde, 
und  stellt  dann  die  Bitterkeit  des  praktischen  Arztes,  der  bei  der 
Bilanz  am  Jahresschlüsse  den  mageren  Lohn  seiner  Tätigkeit  über¬ 
blickt,  der  Befriedigung  des  Chirurgen  über  dessen  Bilanz  gegen¬ 
über.  um  zum  Schluse  zu  kommen,  dass  der  Chirurg  der  zuweisenden 
Kollegen,  denen  er  den  grossen  materiellen  Gewinn  verdankt,  mit 
Dankbarkeit  gedenken  müsse.  Ueber  die  weiteren  Ausführungen 
Dr.  Nassauers,  in  welcher  Weise  der  Chirurg  dieser  Dankbarkeit 
in  standeswürdiger  Weise  Ausdruck  zu  geben  habe,  ist  nichts  wei¬ 
teres  zu  bemerken,  aber  das  eben  im  Auszug  Wiedergegebene  ent¬ 
hält  eine  meines  Erachtens  gefährliche  Folge  von  Schlüsse, n.  Herr 
Dr.  Nassauer  spricht  von  „Lebensrettung“,  die  der  Arzt  als  Ver¬ 
dienst  für  sich  in  Anspruch  nehmen  kann,  die  also  bei  der  Bewertung 
seiner  Leistung  mit  in  Rechnung  gezogen  werden  sollte.  Das  Ge¬ 
fährliche  dieses  Grundsatzes  wird  sofort  klar,  wenn  wir  von  der 
anderen  Eventualität  ausgehen.  Die  von  dem  praktischen  Arzt  emp¬ 
fohlene  Operation  hat  ihren  Zweck  nicht  erreicht,  das  Leben  wurde 
nicht  gerettet!  War  dann  die  absolute  Leistung  des  praktischen 
Arztes  nicht  die  gleiche?  Ich  meine,  dass  Herr  Dr.  Nassauer  den 
Fehler  begeht,  bei  Bewertung  der  ärztlichen  Leistung 
den  erzielten  Erfolg  mit  in  Rechnung  zu  ziehen,  und 
diese  Art  der  Ueberlegung  halte  ich  für  sehr  gefährlich,  weil  in  dem 
Augenblicke,  in  welchem  der  Arzt  seine  Leistung  nach  dem  Erfolge 
bewertet,  auch  eine  Entwertung  derselben  durch  den  Misserfolg 
eintreten  müsste,  eine  gefährliche  und  ungerechte  Konsequenz,  die 
ja  das  Publikum  ohnehin  gerne  zu  ziehen  bereit  ist.  Ich  meine,  dass 
der  praktische  Arzt,  wie  jeder  Arzt,  seine  Arbeit 
nur  nach  der  tatsächlichen  Leistung  zu  bewerten 
hat,  ganz  ohne  Rücksicht  auf  deren  Erfolg,  den  er 
ja  stets  erstrebt,  wenn  auch  nicht  immer  erreicht. 
Wird  doch  auch  der  praktische  Arzt  in  zwei  Fällen  der  gleichen  Er¬ 
krankung,  welche  die  gleiche  Arbeitsleistung  von  ihm  forderten,  die 
gleiche  Note  liquidieren,  wenn  auch  der  eine  dieser  Patienten  genas, 
der  andere  starb.  Und  in  diesem  Sinne  verlangt,  um  bei  dem  Bei¬ 
spiele  des  Herrn  Dr.  Nassauer  zu  bleiben,  die  mühevolle,  geistig 

4 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


und  körperlich  schwierige  Tat  des  operierenden  Chirurgen  eine 
wesentlich  höhere  Bewertung,  als  der  Rat  des  die  Operation  emp- 
tchlenden  praktischen  Arztes.  Und  der  von  dem  praktischen  Arzte 
zugezogene  Chirurg  hat  nicht  einmal  die  Verpflichtung  zu  einer  be¬ 
sonderen  Dankbarkeit  gegen  diesen,  denn  die  Empfehlung  —  wenn 
sie  auch  dem  Chirurgen  materielle  Vorteile  brachte  —  geschah 
emzig  und  allein  nur  im  Interesse  des  Patienten, 
dieser  allem  hat  also  dem  praktischen  Arzte  seine  Dankbarkeit  zu 
bezeugen.  Dass  der  Chirurg  den  Patienten  dem  praktischen  Arzte 
nicht  entfremden  darf,  denselben  zur  Operation  und  Nachbehandlung 
zuzuziehen  hat,  sind  selbstverständliche  ärztliche  Standesregeln,  wel¬ 
che  mit  der  Dichotomie  nichts  zu  tun  haben,  aber  die  Dichotomie  ist 
etwas  so  verwerfliches,  dass  dieselbe  auch  nicht  durch  geistreiche, 
aoer,  wie  ich  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  trügerische  Schlüsse 
des  Herrn  Kollegen  Nassauer  den  Schein  einer  ethischen  und 
moralischen  Grundlage  erhalten  darf,  welche  zu  geben  auch  Herrn 
Dr.  Nassauer  gewiss  fernlag. 

Hochachtungsvoll  ergebenst 

Wien,  12.  VI.  1913.  Prof.  E.  Finger.. 


Fortbildungsvorträge  und 
Uebersichtsreferate. 

lieber  die  diagnostische  Bedeutung  des  Nachweises  von 
auf  blutfremde  Stoffe  eingestellten  Fermenten*). 

Von  Emil  Abderhalden  in  Halle  a.  S. 

M.  H.!  Ich  möchte  einleitend  etwas  über  die  Grundlagen  und 
die  Entwicklung  der  Vorstellung  blutfremder  Stoffe  und  von  Fer¬ 
menten,  die  auf  diese  eingestellt  sind,  vortragen. 

Wenn  wir  die  Entwicklung  des  Forschungsgebietes  Physio¬ 
logie  etwas  eingehender  betrachten,  dann  erkennen  wir  sofort, 
dass  s>e  von  derjenigen  der  Gebiete  Physik  und  Chemie  in 
hohem  Masse  abhängig  ist.  Jeder  neue  Befund  auf  diesen  Gebieten, 
jeder  Fortschritt  der  Methodik,  jeder  neue  Gedankenflug  bringt  neue 
Impulse  zur  Verfolgung  biologischer  Probleme.  Dieser  enge  Zu¬ 
sammenhang  der  Gebiete  Physik  und  Chemie  einerseits  und  der 
Physiologie  andererseits  wird  sofort  verständlich,  wenn  wir  daran 
erinnern,  dass  unser  Bestreben  dahin  geht,  die  in  der  lebenden  Zelle 
sich  abspielenden  Prozesse  auf  Vorgänge  und  Gesetzmässigkeiten 
zuruckzuführen,  die  sich  auch  in  der  unbelebten  Natur  finden.  Ist 
der  Erfolg  nach  dieser  Richtung  auch  zurzeit  noch  ein  kleiner,  so  sind 
doch  schon  so  zahlreiche  wichtige  Resultate  gewonnen  worden,  dass 
wir  mit  grossem  Vertrauen  der  Weiterentwicklung  der  biologischen 
Forschung  entgegensehen  dürften.  Vor  allen  Dingen  hat  die  chemi¬ 
sche  Forschung  seit  L  i  e  b  i  g,  W  o  e  h  1  e  r,  Lavosier  bis  in  die 
neueste  Zeit,  ich  nenne  nur  Baeyer,  Emil  Fischer  und  Will- 
staetter,  der  Biologie  unschätzbare  Dienste  erwiesen.  Ihr  ver¬ 
danken  wir  Grundlagen,  auf  denen  sich  in  kurzer  Zeit  ein  gewaltiges 
Gebäude  biologischer  Forschung  entwickelt  hat. 

Vor  allen  Dingen  hat  der  Zellstoffwechsel  eine  ein¬ 
gehende  Bearbeitung  gefunden.  Immer  exakter  wurden  die  Frage¬ 
stellungen  und  immer  eindeutiger  die  Befunde.  Vor  allen  Dingen 
fesselt  unser  Interesse  die  Frage  nach  der  Art  des  Abbaus  be¬ 
stimmter  Verbindungen  durch  die  Körperzellen.  Wir  begnügen  uns 
längst  nicht  mehr  mit  der  Gegenüberstellung  des  Stoffwechselanfangs¬ 
und  -endproduktes.  Die  Tatsache,  dass  z.  B.  Traubenzucker  schliess¬ 
lich.  zu  Kohlensäure  und  Wasser  verbrennt,  vermag  uns  für  sich 
allein  nicht  zu  befriedigen.  Wir  wollen  wissen,  welche  Abbaustufen 
durchlaufen  werden,  bis  die  genannten  Stoffwechselendprodukte  ent¬ 
standen  sind.  Es  stehen  uns  mancherlei  Methoden  und  Wege  zur 
Verfügung,  um  in  die  Feinheiten  des  Zellstoffwechsels  einzudringen. 
Wir  können  einmal  versuchen,  die  Zwischenstufen  beim  Abbau  be¬ 
stimmter  Verbindungen  zu  fassen,  oder  wir  entwerfen  auf  Grund 
unserer  chemischen  Kenntnisse  alle  jene  Abbaustufen,  die  überhaupt 
denkbar  sind,  und  legen  diese  gewissermassen  zur  Begutachtung  der 
Zelle  vor.  Vermag  sie  das  dargereichte  Produkt  weiter  zu  ver¬ 
arbeiten,  dann  schliessen  wir,  dass  die  betreffende  Verbindung  der 
Zelle  vertraut  war.  Lässt  dagegen  die  Zelle  diese  unberührt,  dann 
vermuten  wir,  dass  sie  normalerweise  als  Zwischenprodukt  im  Abbau 
jenes  Produktes,  dessen  Zerlegung  in  der  Zelle  wir  studieren  wollen, 
nicht  auf  tritt.  Man  muss  allerdings  bei  derartigen  Schlüssen  Vorsicht 
üben,  weil  es  sich  gezeigt  hat,  dass  die  Zelle  einerseits  nur  mit 
Spuren  zu  arbeiten  gewohnt  ist  und  ferner  die  momentanen  Be¬ 
dingungen  oft  entscheidend  sind.  Diese  künstlich  nachzuahmen,  ist 
uns  unmöglich,  weil  wir  sie  noch  lange  nicht  genügend  übersehen. 
Dazu  kommt  noch,  dass  gewiss  in  unserem  Organismus  oft  manche 
Zellarten  Zusammenarbeiten,  wenn  es  gilt,  eine  bestimmte  Verbindung 
in  bestimmter  Richtung  zu  zerlegen. 

Den  unermüdlichen  Bestrebungen  zahlreicher  Forscher,  ich  nenne 
hier  Knoop,  Neubauer,  Embden,  Friedmann,  ist  es  ge¬ 
lungen,  den  Beweis  zu  führen,  dass  die  Zelle  z.  B.  Aminosäuren  über 
mancherlei  bestimmte  Zwischenstufen  zu  den  Stoffwechselendproduk- 
ten  abbaut.  Das  gleiche  gilt  vom  Traubenzucker  und  von  den  Bau¬ 

*)  Vortrag,  gehalten  vor  dem  Landesverband  für  das  ärztliche 
r  ortbildungswesen  in  Bayern,  den  21.  Mai  1913  in  München. 


steinen  der  Nukleinsäuren,  vor  allem  von  den  Purinbasen 
(S  c  h  i  1 1  e  n  h  e  1  m,  Jones,  Wiechowski  u.  a.L 

Dieser  stufenweise  Abbau  ist  von  verschiedenen  Ge¬ 
sichtspunkten  aus  von  grossem  Interesse.  Einmal  erkennen  wir,  dass 
die  Zelle  in  der  Lage  ist,  mit  den  ihr  zur  Verfügung  gestellten 
Lnergievorräten  sehr  sparsam  umzugehen.  Die  Pflanze  hat  mittels 
der  Sonnenenergie  unter  Vermittlung  von  Chlorophyll  z.  B.  Trauben¬ 
zucker  aus  Kohlensäure  und  Wasser  gebildet.  Es  wurde  bei  dieser 
Synthese  eine  ganz  bestimmte  Menge  von  Energie  verbraucht.  Genau 
die  gleiche  Menge  wird  im  tierischen  Organismus  wieder  frei,  wenn 
aus  dem  Traubenzucker  als  Stoffwechselendprodukte  Kohlensäure  und 
Wasser  hervorgegangen  sind.  Dadurch,  dass  die  Zelle  nicht  mit  einem 
Schlage  diese  Verbindungen  bildet,  sondern  spaltet  und  Sauerstoff 
anlagert  und  wieder  spaltet  usw.,  macht  sie  einen  Bruchteil  von 
Energie  nach  dem  anderen  frei.  Je  nach  der  Funktion,  zu  der  die 
Zelle  Energie  benötigt,  wird  auf  diese  Weise  ohne  Verschwendung 
Energie  zur  Verfügung  gestellt. 

Die  Zwischenstufen  im  Abbau  von  bestimmten  Verbindungen 
haben  noch  nach  einer  ganz  anderen  Richtung  eine  grosse  Bedeutung. 
Wir  wissen,  dass  die  tierische  Zelle  umfassende  Synthesen  ausführen 
kann.  So  bildet  sie  z.  B.  aus  Kohlehydraten  Fett,  aus  Aminosäuren 
Zucker  usw.  Diese  Umwandlungen  haben  ausserordentlich  an  Klar¬ 
heit  gewonnen,  seitdem  wir  wissen,  dass  beim  Abbau  der  genannten 
Verbindungen  Abbaustufen  entstehen,  von  denen  aus  leicht  Brücken 
zu  allen  möglichen  Verbindungen  geschlagen  werden  können.  Gleich¬ 
zeitig  ist  klar  geworden,  dass  die  tierische  Zelle  aus  ganz  einfachen 
Bruchstücken  komplizierte  Moleküle  aufbauen  kann. 

Sind  somit  unsere  Kenntnisse  über  mancherlei  Vorgänge  in  der 
tierischen  Zelle  recht  umfassende  geworden,  so  müssen  wir  anderer¬ 
seits  gestehen,  dass  das  wichtigste  und  grundlegendste  Problem  der 
Erforschung  der  Zelle,  nämlich  die  Frage  nach  ihrem  Aufbau,  noch 
fast  vollständig  der  Beantwortung  harrt.  Wenn  wir  eine  Maschine 
vor  uns  sehen,  die  bestimmte  Funktionen  erfüllt,  dann  ist  unsere  erste 
Frage  die  nach  ihrer  Konstruktion.  Würden  wir  vom  chemischen 
und  physikalischen  Standpunkte  aus  irgend  eine  Zelle  genau  definieren 
können,  dann  würden  in  kurzer  Zeit  ungezählte  Fragestellungen  eine 
eindeutige  Antwort  erhalten.  Leider  kennen  wir  zurzeit  wohl  be¬ 
stimmte  Komplexe  von  Verbindungen,  die  in  jeder  Zelle  wiederkehren, 
nicht  aber  deren  feineren  Bau.  Wir  treffen  immer  wieder  Eiweiss¬ 
stoffe,  Fette,  Phosphatide,  Kohlehydrate  und  Nukleoproteide  an.  Wir 
wissen  aber  sehr  wenig  darüber,  wie  diese  hochmolekularen  Ver¬ 
bindungen  im  einzelnen  aufgebaut  sind.  Es  besteht  auch  wenig  Hoff¬ 
nung,  dass  unsere  Kenntnisse  in  dieser  Richtung  in  absehbarer  Zeit 
bessere  sein  werden.  Nur  über  einen  Punkt  herrscht  vollständige 
Klarheit.  Wir  können  all  diese  komplizierten  Verbindungen  unter 
Wasseraufnahme  in  immer  einfachere  Produkte  spalten,  bis  schliess¬ 
lich  einfachste  Spaltstücke  übrig  bleiben,  die  bei  weiteren  Eingriffen 
ihren  Charakter  einbüssen  würden.  Wir  wollen  diese  einfachen  Ver¬ 
bindungen,  die  als  Endprodukte  der  hydrolytischen  Zerlegung  zu¬ 
sammengesetzter  Produkte  übrig  bleiben,  als  Bausteine  bezeichnen. 
Traubenzucker  ist  z.  B.  der  Baustein  des  Glykogens,  die  Amino¬ 
säuren  sind  die  Bausteine  der  Eiweissstoffe.  Fügen  wir  derartige 
Bausteine  unter  Wasserabspaltung  wieder  zusammen,  dann  gelangen 
wir  wieder  zu  den  kompliziert  gebauten  zusammengesetzten  Ver¬ 
bindungen. 

Uns  interessiert  in  erster  Linie  die  Frage,  wie  die  Bau¬ 
steine  unter  sich  verknüpft  sind,  in  welcher  Reihenfolge 
sie  sich  folgen,  kurz  welche  Struktur  das  kompliziert  gebaute  Molekül 
hat.  Ein  Beispiel  möge  zeigen,  wie  ausserordentlich  schwer  die  Be¬ 
antwortung  dieser  Frage  ist.  Wir  wollen  annehmen,  zwei  zusammen¬ 
gesetzte  Verbindungen  hätten  uns  die  gleichen  Bausteine  in  gleicher 
Zahl  und  in  genau  dem  gleichen  Mengenverhältnis  ergeben.  Sind  nun 
beide  Verbindungen  identisch?  Nehmen  wir  an,  dass  drei  ver¬ 
schiedene  Bausteine  am  Aufbau  der  betreffenden  beiden  Verbindungen 
beteiligt  waren,  dann  können  wir  durch  Zusammenfügen  der  einzelnen 
Bausteine  in  verschiedener  Reihenfolge  allein  schon  sechs  ver¬ 
schiedene  Verbindungen  aufbauen.  Zum  besseren  Verständnis  seien 
die  drei  Bausteine  mit  A,  B  und  C  bezeichnet.  Wir  können  einmal 
die  Reihenfolge  A-B-C  wählen,  ferner  A-C-B,  B-A-C,  B-C-A,  C-A-B 
und  schliesslich  C-B-A.  Nun  kennen  wir  z.  B.  etwa  16  verschiedene 
Aminosäuren,  die  sich  bei  der  Hydrolyse  von  Eiweissstoffen  aller 
Art  immer  wieder  finden.  Lassen  wir  diese  16  Bausteine  in  ver¬ 
schiedener  Reihenfolge  sich  folgen  und  nehmen  wir  an,  dass  die  Art 
der  Bindung  immer  die  gleiche  sei,  dann  kommen  wir  bereits  in  die 
Billionen  von  Formen!  Wie  sollten  wir  da  hoffen  können,  in  Bälde 
klare  Einsicht  in  die  Struktur  und  Konfiguration  von  so  kompliziert 
gebauten  Stoffen  zu  gewinnen! 

Das  Eine  können  wir  mit  voller  Sicherheit  zum  Ausdruck  bringen, 
nämlich  dass  jede  Zellart  besonders  geartete  Zell¬ 
bestandteile  hat.  Einmal  spricht  dafür  schon  der  Umstand, 
dass  jede  Zellart  Besonderheiten  in  der  Art  ihres  Stoffwechsels  zeigt. 
Jede  Zellart  hat  auch  besondere  Funktionen.  Wir  kennen  ferner  eine 
ganze  Anzahl  von  Befunden,  die  sich  nur  mit  der  Annahme  ver¬ 
einigen  lassen,  dass  jede  Zellart  einen  besonders  gearteten  Bau  hat. 
Dieser  ist  bedingt  durch  die  Struktur  der  am  Aufbau  der  Zelle  be¬ 
teiligten  Verbindungen  und  durch  deren  Wechselbeziehungen  unter 
einander. 

Wir  wollen  einige  Beweise,  die  wir  dafür  anführen  können, 
dass  Zellen  mit  besonderer  Funktion  auch  spe¬ 
zifisch  gebaute  Zellbestandteile  besitzen,  anführen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1387 


24.  Juni  1913. 


Es  erregte  seinerzeit  grosses  Aufsehen,  als  man  die  Beobachtung 
machte,  dass  ganz  einfach  organisierte  Lebewesen  scheinbar  Ver¬ 
standestätigkeit  zeigten.  So  sieht  man  unter  dem  Mikroskop,  wenn 
man  dem  einzelligen  Lebewesen  Vampyrella  Spirogyra  verschieden¬ 
artige  Algenfäden  vorlegt,  dass  es  immer  die  gleiche  Art  herausfindet 
und  als  Nahrung  benützt.  Wie  kommt  es,  dass  diese,  wenigstens  vom 
morphologischen  Standpunkte  aus  betrachtet,  so  einfache  Zelle  im¬ 
stande  ist,  eine  bestimmte  Algenart  zu  erkennen?  Der  Chemiker 
vermag  die  Zellen  der  einzelnen  Algenarten  nicht  zu  charakterisieren. 
Dem  genannten  Lebewesen  müssen  Erkennungsmerkmale  bekannt  sein. 
Sollte  nicht  zunächst  die  Struktur  der  Zellwand  ihm  wegleitend  sein? 
Auf  welche  Art  und  Weise  greift  die  Zelle  den  Algenfaden  an?  Offenbar 
mittels  Stoffen,  die  wir  in  jeder  Zelle  antreffen  und  die  Fermente  ge¬ 
nannt  worden  sind.  Es  ist  das  grosse  Verdienst  Emil  Fischers, 
mit  allem  Nachdruck  betont  zu  haben,  dass  es  viele  Fermente  gibt, 
die  in  ganz  spezifischer  Weise  auf  bestimmte  Verbindungen  eingestellt 
sind.  Die  geringste  Aenderung  in  der  Struktur  oder  gar  der  Kon¬ 
figuration  genügt  oft,  um  dem  Ferment  die  Möglichkeit  zu  nehmen, 
die  betreffende  Verbindung  zu  verändern.  Emil  Fischer  hat  die 
Fermente  mit  Schlüsseln  verglichen  und  das  Substrat  mit  einem 
Schloss.  Genau  so,  wie  ein  bestimmter  Schlüssel  nur  ein  Schloss 
öffnet,  vermag  ein  bestimmtes  Ferment  nur  eine  bestimmte  Ver¬ 
bindung  anzugreifen  und  zu  verändern. 

Kehren  wir  zu  unserer  Vampyrella  zurück!  Sie  eilt  mit  ihren 
Schlüsseln  —  den  Fermenten  —  von  Algenfaden  zu  Algenfaden.  Ver¬ 
geblich  versucht  sie  die  Zellwand  aufzuschliessen.  Ihre  Schlüssel 
öffnen  das  vorhandene  Schloss  nicht.  Endlich  trifft  sie  auf  eine  Algen¬ 
art,  auf  deren  Zellwand  ihre  Fermente  eingestellt  sind.  Es  wird  mit 
ihrer  Hilfe  eine  Bresche  in  diese  gelegt.  Der  Zellinhalt  wird  nun 
zugänglich  und  als  Nahrung  vertilgt.  Die  einzelne  Zelle  zeigt  uns 
mittels  ihrer  Fermente  an,  dass  die  verschiedenen  Algenarten  einen 
ganz  verschiedenen  Bau  besitzen! 

Wir  wissen  ferner,  dass  jede  Zellart  in  unserem  Organismus 
Stoffe  herstellt,  die  in  einer  anderen  Zellart  eine  ganz  bestimmte 
Wirkung  entfalten.  Da  immer  nur  ganz  bestimmte  Zellen  von  einem 
bestimmten  Sekretstoff  beeinflusst  werden,  so  geht  daraus  klar  her¬ 
vor,  dass  zwischen  diesem  und  dem  Bau  der  betreffenden  Zellen  be¬ 
stimmte  Beziehungen  bestehen  müssen.  Es  sei  z.  B.  daran  erinnert, 
dass  das  von  der  Nebenniere  produzierte  Adrenalin  nur  auf  vom 
Nervus  sympathicus  innervierte  Organe  eingestellt  ist. 

Ein  besonders  schönes  Beispiel  zur  Illustration  der  innigen  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Sekretstoff  und  Zellart  liefern  jene  seltenen  Fälle 
von  H  e  r  m  a  p  h  r  o  d  i  t  i  s  m  u  s  v  e  r  u  s,  die  z.  B.  bei  Fasanen  beob¬ 
achtet  worden  sind.  Man  kennt  Tiere,  die  auf  der  einen  Seite  das 
Gefieder  des  Männchens  und  auf  der  anderen  dasjenige  des  Weib¬ 
chens  zeigen.  Beide  Gefiederarten  gehen  in  der  Mittellinie  des 
Körpers  ohne  jede  Vermittlung  ineinander  über.  Diese  Tiere  besitzen 
auf  der  einen  Seite  einen  Hoden  und  auf  der  anderen  ein  Ovarium. 
Wir  wissen,  dass  von  diesen  Keimdrüsen  ausgehende  Sekretstoffe 
die  bereits  angelegten  sekundären  Geschlechtscharaktere  zur  vollen 
Entfaltung  bringen.  Nun  ist  es  ganz  undenkbar,  dass  die  von  den 
genannten  Drüsen  abgegebenen  Stoffe  an  der  Mittellinie  des  Körpers 
haltmachen!  Sie  kreisen  vielmehr  an  allen  Körperzellen  vorbei. 
Es  sind  jedoch  die  vom  Hoden  abgegebenen  Stoffe  nur  auf  die  „männ¬ 
lichen“  Zellen  eingestellt  und  die  des  Ovariums  nur  auf  solche  mit 
„weiblichem“  Typus. 

Weitere  Beweise  für  den  eigenartigen  Bau  der  verschieden¬ 
artigen  Zellen  hat  die  ganze  Immunitätsforschung  ergeben. 
Ferner  verdanken  wir  mancherlei  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete 
dem  Bestreben,  Gewebe  zu  transplantieren.  Endlich  zeigt 
die  Chemotherapie  —  Ehrlich,  U  h  1  e  n  h  u  t  h  u.  a.  — *,  dass 
die  einzelnen  Gewebe  spezifisch  organisiert  sein  müssen.  Auch  die 
Pathologie  liefert  ein  reiches  Material  in  dieser  Richtung. 

Wir  können  das  ganze  Problem  noch  in  anderer  Richtung  an- 
p'acken  und  uns  die  Frage  vorlegen,  welche  Beziehungen 
zwischen  den  Bestandteilen  unserer  Nahrung  und 
denen  unserer  Körperzellen  bestehen.  Wenn  wir  nämlich 
unsere  Nahrung  genauer  betrachten,  dann  erkennen  wir,  dass  wir 
fortwährend  Zellen  mannigfaltiger  Art  aufnehmen.  Können  unsere 
Körperzellen  deren  Bestandteile  direkt  übernehmen  und  verwerten? 

Das  Studium  der  Verdauung  musste  eine  klare  Ant¬ 
wort  auf  diese  Frage  geben.  Es  hat  ergeben,  dass  im  Magendarm¬ 
kanal  Fermente  zugegen  sind,  die  unsere  Nahrungsstoffe  hydrolytisch 
bis  zu  den  einfachsten  Bausteinen  zerlegen  können.  Nur  für  den 
Abbau  der  Zellulose  brauchen  wir  die  Tätigkeit  der  Darmflora.  Wenn 
wir  auch  zurzeit  noch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  entscheiden 
können,  wie  weit  normalerweise  der  Abbau  der  zusammengesetzten 
Nahrungsstoffe  im  Darmtraktus  geht,  so  steht  doch  so  viel  ganz 
sicher  fest,  dass  er  sehr  weit  geht.  Die  Annahme,  dass  die  Ver¬ 
dauung  nur  den  Zweck  habe,  kolloidale  und  daher  nicht  dif¬ 
fundierbare  Stoffe  in  solche  Abbaustufen  zu  verwandeln,  die 
die  Darmwand  passieren  können,  ist  nicht  mehr  halt¬ 
bar.  Die  Verdauung  hat  vielmehr  den  Zweck, 
durch  tiefgehendenAbbau  den  spezifisch  gebauten, 
bestimmten  Zellarten  angehörenden  Nahrungs¬ 
stoffen  ihre  Eigenart  zu  nehmen.  Es  wird  Baustein  von 
Baustein  gelöst,  bis  nichts  mehr  an  den  ehemaligen  Bau  erinnert. 
Der  tierische  Organismus  übernimmt  normalerweise  nichts,  was  nicht 
seines  speziellen  Charakters  entkleidet  ist. 


Dass  der  Abbau  der  einzelnen  Nahrungsstoffe  im  Magendarm¬ 
kanal  ein  sehr  weitgehender  ist,  konnte  teils  aus  dem  Studium  des 
Darminhalts  erschlossen  werden.  Ganz  eindeutig  waren  die  Beiunde 
allerdings  nicht,  weil  man  den  Darminhalt  immer  nur  in  einer  be¬ 
stimmten  Phase  der  Verdauung  untersuchen  kann.  Man  findet  dann 
alle  möglichen  Abbaustufen  noch  beieinander.  Eine  grosse  Stütze 
erhielt  die  Annahme,  dass  in  der  Hauptsache  die  Verdauung  zu  den 
einfachsten  Bausteinen  der  Nahrungsstoffe  führt,  durch  die  erfolg¬ 
reichen  Versuche,  Hunde  mit  vollständig  bis  zu  ihren  Bausteinen 
zerlegten  Nahrungsstoffen  zu  ernähren.  Nachdem  es  geglückt  ist, 
Hunde  bis  zu  3  Monaten  mit  Aminosäuren,  Traubenzucker,  den  Bau¬ 
steinen  der  Fette  und  den  anorganischen  Bausteinen  zu  ernähren, 
ja  sogar  grosse  Gewichtszunahmen  zu  erzeugen,  kann  nicht  mehr 
daran  gezweifelt  werden,  dass  wir  die  Bausteine  der  Nahrungsstoffe 
als  die  eigentlichen  Nahrungsstoffe  zu  betrachten  haben.  Gleichzeitig 
ist  durch  diese  Studien  der  längst  ersehnte  Traum  der  künst¬ 
lichen  Darstellung  der  Nahrungsstoffe  im  Prinzip  in 
Erfüllung  gegangen,  denn  wir  können  alle  Bausteine  der  Nahrungs¬ 
stoffe  im  Reagenzglas  bereiten. 

Unsere  Körperzellen  erfahren  nie,  welcher  Art 
die  aufgenommene  Nahrung  war.  Fortwährend  gelangen 
die  gleichen  indifferenten  Bausteine  zur  Resorption.  Alles,  was  vom 
Darme  aus  dem  grossen  Blutkreisläufe  zugeführt  wird,  unterliegt  noch 
der  Kontrolle  durch  die  Leberzellen.  Durch  die  Pfortader  werden 
alle  Stoffe  diesen  zur  Verfügung  gestellt.  Mancher  Stoff  wird  weiter 
abgebaut,  mancher  zur  Synthese  verwandt  und  wieder  andere 
werden  zurückgehalten  und  allmählich  in  bestimmter  Konzentration 
wieder  entlassen.  Allerlei  Paarlinge  werden  gebildet.  Vor  allem 
dürfte  manches  Produkt  bakterieller  Tätigkeit  in  der  Leber  so  ver¬ 
wandelt  werden,  dass  es  dem  Blutplasma  nicht  mehr  fremd  ist. 

Jahraus  und  -ein  erhalten  die  Körperzellen 
stets  diegleiche  Nahrung,  ist  doch  das  Blutplasma  in  letzter 
Linie  als  der  Nährboden  der  Zellen  unserer  Gewebe  zu  betrachten. 
Nie  erleben  diese  Ueberraschungen.  Immer  kehren  die  gleichen 
Nahrungsstoffe  wieder.  Jede  Zelle  verarbeitet  diese  in  einmal  fest¬ 
gelegten  Bahnen.  So  kommt  es,  dass  das  Blut  nicht  nur  arteigene, 
sondern  normalerweise  nur  plasmaeigene  Stoffe  enthält. 

Dem  Blute  droht  eine  weitere  Gefahr,  die  zur  Folge  haben 
könnte,  dass  ihm  fremdartiges  Material  übergeben  wird. 
Es  sind  dies  die  zahlreichen  verschiedenartigen 
Körperzellen  mit  ihren  besonderen  Stoffwechsel¬ 
vorgängen.  Wie  wir  eingangs  betont  haben,  spricht  alles  dafür, 
dass  jede  Zelle  mit  besonderen  Funktionen  einen  besonderen  Bau 
hat.  Daraus  folgt,  dass  auch  ein  besonders  gearteter  Stoffwechsel 
vorhanden  sein  muss.  Würde  eine  bestimmte  Zelle  mit  ihrem  Inhalt 
ins  Blut  gelangen,  dann  wäre  ohne  Zweifel  ein  plasmafremdes  Element 
in  diesem.  Es  genügt  auch  schon,  dass  von  bestimmten  Zellen  Stoffe 
abgegeben  werden,  die  noch  den  Charakter  der  betreffenden  Zellart 
tragen.  Jede  einzelne  Zelle  wird  normalerweise  ihren  Stoffwechsel 
so  durchführen,  dass  nur  Stoffe  sie  verlassen,  die  ihrem  ganzen  Bau 
nach  dem  Blute  vertraut  sind.  Die  Lymphe  mit  ihren  Hilfsorganen, 
den  Leukozyten  und  den  L.ymphdriisen,  sorgt  ausserdem  noch  dafür, 
dass  der  Zelle  entschlüpfte,  noch  nicht  genügend  abgebaute  Stoffe 
noch  ihren  letzten  Schliff  erhalten,  ehe  sie  dem  Blute  übergeben 
werden. 

So  vollzieht  sich  normalerweise  der  gesamte 
Zellstoffwechsel  in  streng  geregelten  Bahnen. 
Ueberall  entstehen  Stoffwechselzwischen-  und  endprodukte,  die  den 
betreffenden  Zellarten  vertraut  sind.  Das  Blut  wird  in  seiner  Zu¬ 
sammensetzung  in  engen  Grenzen  konstant  erhalten.  Dadurch  wird 
bewirkt,  dass  die  Zellen  stets  auf  die  gleichen  Stoffe  treffen,  vor  allen 
Dingen  wird  auch  der  Blutweg  als  solcher  rein  erhalten,  kommt  ihm 
doch  die  Aufgabe  zu,  mancherlei  ganz  spezifisch  gebaute,  zum  Teil 
gewiss  recht  empfindliche  Stoffe  bestimmten  Zellarten  zuzuführen! 
Würde  das  Blut  beständig  von  allen  möglichen  Stoffen  überschwemmt, 
so  wäre  ein  so  ausserordentlich  fein  regulierter  Stoffwechsel  ganz 
undenkbar. 

Der  Darmkanal  mit  seinen  Fermenten  bildet 
eine  mächtige  Barriere  gegen  die  Aussenwelt  und 
die  Körperzellen  mit  ihren  Fermenten  schützen 
ihrerseits  das  Blut  vor  dem  Eindringen  blut¬ 
fremder  Zellbestandteile.  Die  Leber  ist  einerseits  als 
wichtiges  Schutzorgan  zwischen  Darm  und  den  grossen  Kreislauf  ein¬ 
geschaltet  und  die  Lymphe  sorgt  anderseits  dafür,  dass  von  den 
Zellen  normalerweise  nichts  Fremdartiges  an  das  Blut  übergeht. 

Was  geschieht,  wenn  diese  Schutzmassregeln 
durchbrochen  werden?  Schon  W  e  i  n  1  a  n  d  stellte  sich  die 
Frage,  ob  der  Rohrzucker,  ein  aus  zwei  Bausteinen  —  Trauben- 
und  Fruchtzucker  —  aufgebauter  Zucker,  abgebaut  wird,  wenn  man 
ihn  mit  Umgehung  des  Darmkanals  direkt  in  die  Blutbahn  bringt. 
Verfüttert  man  Rohrzucker,  dann  wird  er  durch  das  Ferment  Invertin 
in  seine  Bausteine  zerlegt.  Nur  diese  gelangen  zur  Resorption.  Gibt 
man  zu  Rohrzucker  Blutplasma  von  einem  gewöhnlich  ernährten 
Hunde,  dann  bleibt  der  zugesetzte  Zucker  ganz  unverändert.  Hat 
man  jedoch  dem  Versuchstiere  vorher  Rohrzucker  in  die  Blutbahn 
gebracht,  dann  vermag  das  Plasma  ihn  zu  spalten.  Es  tritt  Invertin 
auf.  Man  kann  den  Nachweis  der  Spaltung  rein  chemisch  oder  vauch 
physikalisch  führen.  Bringt  man  z.  B.  Plasma  +  Rohrzucker  in  ein 
Polarisationsrohr,  dann  erkennt  man,  dass  das  Gemisch  eine  be¬ 
stimmte  Drehung  aufweist.  Sie  bleibt  konstant,  wenn  das  Blut- 

4* 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Plasma  von  einem  normalen  Tiere  stammte.  Nimmt  man  jedoch 
solches  von  einem  Versuchstiere,  dem  Rohrzucker  unter  Umgehung 
des  Darmkanals  zugeführt  worden  ist,  dann  ändert  sich  die  Drehung, 
ts  findet  eine  Spaltung  in  Frucht-  und  Traubenzucker  statt. 

Führt  man  bestimmte  Eiweissstoffe  unter  Umgehung  des 
Darmkanals  zu,  dann  treten  im  Blutplasma  Fermente  auf,  die  das 
Eiweiss  spalten.  Sie  waren  vor  dieser  Art  der  Zufuhr  nicht  nach¬ 
weisbar.  Diese  Fermente  sind  spezifisch  auf  Eiweiss  eingestellt.  Sie 
bauen  z.  B.  Kohlehydrate  nicht  ab.  Dagegen  sind  sie  nicht  nur  auf 
das  eingeführte  Protein  eingestellt.  Nimmt  man  statt  Eiweiss  Zellen 
oder  Extrakte  aus  solchen,  so  erhält  man  meist  keine  streng  spe¬ 
zifischen  Fermente.  Offenbar  ist  die  Art  der  Zufuhr  zu  grob,  um  be¬ 
sondere  Feinheiten  in  der  Fermentbildung  auszulösen. 

Die  Fähigkeit  des  Blutplasmas,  Eiweiss  abzubauen,  lässt  sich  mit 
zwei  Methoden  demonstrieren.  Einmal  kann  man  Plasma  +  Eiweiss 
in  einen  Dialysierschlauch  füllen  und  beobachten,  ob  Eiweissabbau¬ 
stufen  —  Peptone  —  in  der  Aussenflüssigkeit  auftreten.  Es  ist  dies 
dann  der  Fall,  wenn  das  Plasma  von  einem  Tiere  stammt,  dem  man 
einige  Zeit  vorher  Eiweiss  mit  Umgehung  des  Darmkanals  bei¬ 
gebracht  hat.  Ferner  kann  man  aus  Eiweiss  im  Reagenzglas  Pepton 
bereiten  und  dieses  dann  im  Polarisationsrohr  der  Wirkung  von 
Plasma  aussetzen.  Die  Aenderung  der  Drehung  zeigt  uns  den  Abbau 
des  Peptons  an.  Das  erstere  Verfahren  ist  die  D  i  a  1  y  s  i  e  r  - 
methode  und  das  letztere  die  optische  Methode.  Beide 
lassen  uns  in  verschiedener  Form  das  gleiche  erkennen,  nämlich 
Hydrolyse  eines  bestimmten  Substrates  durch  Fermente. 

Nachdem  festgestellt  worden  war,  dass  der 
tierische  Organismus  die  Zufuhr  von  artfremder 
und  arteigenen,  jedoch  denaturierten  Stoffen  mit 
der  Bildung  von  Fermenten  beantwortet,  die  die 
Aufgabe  haben,  den  versäumten  Abbau  in  der  Blut¬ 
bahn  nachzuholen,  musste,  dem  eingangs  be¬ 
sprochenen  Gedankengang  folgend,  geprüft  wer¬ 
den,  ob  solche  Abwehr  m  assregeln  auch  anzutreffen 
sind,  wenn  zwar  arteigene,  jedoch  blutplasmafremde 
Stoffe  der  Blutbahn  überantwortet  werden. 

In  der  Literatur  waren  Beobachtungen  von  S  c  h  m  o  r  1  nieder¬ 
gelegt,  wonach  während  der  Schwangerschaft  sich  Chorionzotten¬ 
zellen  ablösen  und  in  die  Blutbahn  gelangen  können.  W  e  i  c  h  a  r  d  t 
hat  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  eine  Zytolyse  in  der  Blutbahn 
eintreten  könnte.  Ferner  hat  Veit  die  Beobachtungen  von 
S  c  h  m  o  r  1  erweitert.  Es  schien  somit  ein  Experiment  vorzuliegen, 
das  die  Natur  selbst  anstellt  und  das  uns  gestattet,  das  Verhalten  des 
tierischen  Organismus  gegenüber  arteigenem,  jedoch  plasmafremdem 
Material  zu  prüfen.  Da  es  nun  nicht  sehr  wahrscheinlich  war,  dass 
beständig  Chorionzotten  während  der  ganzen  Schwangerschaft  ab¬ 
gerissen  werden,  und  ferner  festgestellt  ist,  dass  ca.  14  Tage  bis 
3  Wochen  nach  erfolgter  Zufuhr  artfremder  und  arteigener  Stoffe  die 
Fermente  im  Blutplasma  sich  nicht  mehr  nachweisen  lassen,  so  war 
es  zum  vorneherein  unwahrscheinlich,  dass  man  stets  während  der 
Gravidität  auf  Plazentaeiweiss  eingestellte  Fermente  antreffen  würde. 
Der  praktische  Versuch  zeigte  jedoch  bald,  dass  während  der  ganzen 
Zeit  der  Schwangerschaft  und  14—21  Tage  darüber  hinaus  im  Blute 
rermente  anzutreffen  sind,  die  Plazentaeiweiss  abbauen.  War  damit 
schon  die  Basis,  von  der  ausgegangen  worden  war,  zum  grossen  Teil 
erschüttert,  so  zwang  vollends  die  Tatsache,  dass  sich  auch  bei 
Stuten  die  Gravidität  mittels  der  erwähnten  Fermente  feststellen 
lässt,  zur  Aufgabe  der  Annahme,  dass  verschleppte  Chorionzotten¬ 
zellen  die  beobachtete  Fermentbildung  anregen.  Wir  müssen  uns. 
vielmehr  vorstellen,  dass  entweder  lebhafte  Stoffwechselvorgänge 
oder  zerfallende  Zellen  bewirken,  dass  in  der  mütterlichen  Blutbahn 
fremdartige  Stoffe  kreisen.  Es  wäre  auch  denkbar,  dass  in  gewissem 
^inne  die  Plazenta  als  solche  dem  Organismus  neuartig  ist,  und  dass 
das  Blut  von  den  neuen  Zellen  mit  ihrer  besonderen  Funktion  mit 
Stoffen  versehen  wird,  die  ihm  ganz  ungewohnt  sind. 

Sei)  dem,  wie  ihm  wolle,  Tatsache  ist,  dass  man  jede 
Schwangerschaft  mittels  des  oben  erwähnten 
Uialysierverfahrens  und  der  optischen  Methode 
erkennen  kann.  Als  Substrat  wählt  man  koagulierte  Plazenta 
?/ eic  uUS  P'azen*aeiweiss  bereitetes  Pepton,  falls  man  das  letztere 
Verfahren  anwendet.  Niemals  wurde  bis  jetzt  beobachtet,  dass 
Plasma  resp.  Serum  bei  korrekter  Anwendung  der  Methoden  von 
nicht  schwangeren  Individuen  Plazenta  abbaute.  Spritzt  man  jedoch 
einem  nicht  schwangeren  Tiere  —  es  kann  auch  ein  Männchen  sein  — 

1  lazentapepton  oder  -eiweiss  in  die  Blutbahn,  dann  erhält  man  nach 
ca.  3  i  agen  ebenfalls  Abbau  von  Plazentaeiweiss  oder  -pepton. 

,  B  Pjipri  war  es  unwahrscheinlich,  dass  die  Fermente  spezifisch 
auf  Proteine  bestimmter  Organe  eingestellt  sind,  hatten  doch  die 
versuche  mit  Zufuhr  von  artfremden  und  arteigenen  Stoffen  ergeben, 
dass  zwar  Fermente  auftreten,  die  auf  bestimmte  Klassen  von  Ver¬ 
bindungen  eingestellt,  jedoch  nicht  für  eine  einzige  Verbindung 
spezitisch  sind.  Nun  wies  schon  die  Beobachtung,  dass  Serum  von 
schwangeren  Individuen  z.  B.  koaguliertes  Karzinomgewebe  nicht 
abbaut  und  auch  andere  Organeiweissstoffe  nur  in  besonderen  Fällen 
angreift,  darauf  hiii^  dass  offenbar  doch  die  blutfremden,  jedoch  art¬ 
eigenen  I  roteine  Fermenten  rufen,  die  ausserordentlich  spezifisch 
wirksam  sind. 

Die  Annahme  von  streng  spezifisch  wirkenden 
rermenten,  die  auf  plasmafremde  Stoffe  eingestellt 
sind,  eröffnen  der  Forschung  ganz  gewaltige,  kaum 


zu  über  sehen  de  Perspektiven.  Wir  können  uns  nämlich 
in  Uebereinstimmung  mit  den  oben  erörterten  Schutzmassnahmen  des 
Organismus  gegenüber  dem  Eindringen  blutfremden  Materiales  vom 
Darmkanal  und  von  den  Zellen  aus  und  unseren  Kenntnissen  des 
Zellstoffwechsels  wohl  vorstellen,  dass  dann,  wenn  z.  B.  eine  be¬ 
stimmte  Zellart  pathologisch  verändert  wird,  ihr  Stoffwechsel  zu 
Produkten  führt,  die  an  und  für  sich  blutfremd  sind  und  trotz  aller 
Anstrengungen  nicht  dauernd  vom  Blute  fern  gehalten  werden  können 
W  ürden  unsere  chemischen  Kenntnisse  ausreichende  sein,  dann  wären 
wir  in  der  Lage,  diesen  fremdartigen  Produkten  direkt  in  der  Blut¬ 
bahn  nachzuspüren.  Allein,  wir  vermögen  einmal  solche  Stoffe 
nicht  zu  charakterisieren  und  ferner  treten  sie  in  so  geringen  Mengen 
auf.  dass  wir  sie  gar  nicht  fassen  können.  Das  ist  der  Grund,  wes- 
halb  wir  einen  indirekten  Weg  eingeschlagen  haben.  Wir  stellen 
das  bluttremde  Material  dadurch  fest,  dass  wir  die  auf  dieses  ein¬ 
gestellten  Fermente  nachweisen.  Der  Abbau  von  Plazentagewebe 
durch  Blutserum  von  Schwangeren  verrät  uns  die  Anwesenheit  von 
blutfremden,  der  Plazenta  ursprünglich  zugehörenden  Stoffen.  Finden 
wir,  dass  ein  bestimmtes  Serum  ausschliesslich  Schilddrüsengewebe 
abbaut,  dann  spricht  alles  dafür,  dass  im  betreffenden  Organismus 
die  Schilddrüse  abgeartet  ist  und  entweder  ein  Sekret  liefert,  das 
eine  anormale  Zusammensetzung  besitzt,  oder  aber  es  geben  die  Zellen 
neben  dem  Sekrete  noch  Stoffe  ab,  die  ungenügend  abgebaut  sind 
und  noch  den  Charakter  bestimmter  Bestandteile  der  betreffenden 
Zellen  tragen. 

Indem  wir  einem  bestimmten  Serum  alle  möglichen  Organ- 
eiweissstoffe  vorlegen  und  prüfen,  welches  Organ  von  ihm  abgebaut 
wird,  prüfen  wir  indirekt  die  Funktion  der  einzelnen  Organe.  Nur 
dann,  wenn  eine  Anomalie  irgendwelcher  Art  vorliegt,  finden  wir 
™  J  B!u*  d‘e  sog.  Abwehrfermente.  Sie  bauen  das  fremdartige 
Material  ab  und  entkleiden  es  damit  seiner  Eigenart.  Gewiss  ist 
dieser  Abbau  sehr  oft  ein  wichtiger  Schutz,  oft  wird  es  jedoch  in  der 
Blutbahn  zur  Bildung  von  Stoffen  kommen,  die  für  den  Organismus 
nicht  gleichgültig  sind. 

Wir  würden  es  nicht  wagen,  bereits  von  einer  Diagnostik  der 
Organfunktionen  auf  Grund  der  im  Blute  nachweisbaren  Abwehr¬ 
fermente  zu  sprechen,  wenn  nicht  schon  zahlreiche  wichtige  Beob¬ 
achtungen  vorliegen  würden.  So  konnte  zunächst  festgestellt  werden, 
dass  in  manchen  Fällen  von  Eklampsie  vom  Serum  neben 
Plazentagewebe  auch  Lebergewebe  abgebaut  wird.  Kein  anderes 
Gewebe  mit  Ausnahme  von  Schilddrüse  wurde  angegriffen. 
Bei  Salpingitis  und  allen  möglichen  Erkrankungen  blieb 
1  lazentagewebe  unabgebaut.  Neben  zahlreichen  eigenen  Be¬ 
obachtungen  sei  speziell  auf  diejenigen  von  Schiff  und 
Schwarz  verwiesen.  Bei  Dementia  praecox  wurde 
festgestellt,  dass  Schilddrüse  und  vor  allem  Hoden  resp 
Ovarien  dem  Abbau  unterliegen,  während  z.  B.  Fälle  von 
manisch-depressivem  Irresein  im  Serum  keine  Abwehr¬ 
termente  besitzen,  die  auf  die  genannten  Organe  eingestellt  sind, 
rauser  und  Wege  ne  r  geben  übereinstimmend  an,  dass  männ¬ 
liche  Individuen,  die  an  Dementia  praecox  leiden,  nur  auf  Hoden  und 
niemals  auf  Ovarien  eingestellte  Abwehrfermente  aufwiesen  Um¬ 
gekehrt  bauen  weibliche  Kranke  nur  Ovarien  ab.  Bei  der  Base- 
d  o  w  sehen  Krankheit  konnte  ich  selbst  Abbau  von  Schilddrüse 
und  Ovarien  feststellen.  Lampe  und  Papazolu  fanden  an  einem 
grosseren  Materiale  Abbau  von  Thymus  und ,  Schilddrüse.  Das 
Ovarium  wird  nicht  immer  abgebaut. 

Endlich  sei  der  Beobachtungen  von  Bauer  gedacht,  der  mittels 
meiner  Methoden  zeigen  konnte,  dass  sich  Erkrankungen  der 
Schilddrüse  in  sehr  schöner  Weise  erkennen  lassen,  wenn  man 
auf  aie  entsprechenden  Abwehrfermente  im  Blute  fahndet.  Auch  die 
bis  jetzt  zur  Erklärung  mancher  ätiologisch  noch  dunkeln 
Augenerkrankungen  (sympathische  Ophthalmie  usw.)  unter- 
nBfTlrl}ene.n  ^ersuche  haben  gezeigt,  dass  die  Abwehrfermente  spe¬ 
zifisch  eingestellt  sind.  Endlich  sei  erwähnt,  dass  auch  Hau  t- 
erkrankungen  mittels  des  Dialysierverfahrens  auf  ihre  Aetiologic 
geprüft  worden  sind. 

Ganz  besonders  bedeutungsvoll  ist  die  Beob¬ 
achtung,  dass  Serum  von  Karzinom  trägem  Pla¬ 
zenta  nicht  abbaut,  wohl  aber  Krebsgewebe.  Diese 
Feststellung  ist  neuerdings  durch  die  umfassenden  Untersuchungen 
von  Epstein  bestätigt  worden.  Von  37  Seren  von  Karzinom- 
trägern  reagierten  36  spezifisch  auf  Karzinomeiweiss.  Von  47  Fällen 
von  Nichtkarzinomkranken  baute  nur  einmal  das  Serum  Karzinom¬ 
eiweiss  ab. 

Ein  Prüfstein  für  die  Brauchbarkeit  der  Methoden  bedeutet  der 
ungewöhnlich  interessante  Fall  von  P  a  1 1  a  u  f.  Er  teilt  mit,  dass 
I  umorgewebe,  das  von  einer  61  Jahre  alten  Frau  stammte,  von  sicher 
wirksamem  Karzinomserum  nicht  abgebaut  wurde.  Auffallenderweise 
vermochte  Schwangerenserum  einen  Abbau  herbeizuführen'  Die 
pathologisch-anatomische  Diagnose  lautete :  Malignes  Chorion¬ 
epitheliom! 

Wir  wollen  noch  hinzufügen,  dass  Infektionskrank- 
h  eiten  ein  ganz  vorzügliches  Material  zur  Untersuchung  mittels 
des  Dialysierverfahrens  und  der  optischen  Methode  abgeben.  Sobald 
sich  im  Organismus  fremde  Zellen  ansiedeln,  ist  das  harmonische 
Zusammenwirken  der  Zellen  gestört.  Die  Schutzwehren  sind  durch¬ 
brochen.  Jede  Infektion  kommt  einer  Stoffzufuhr  mit  Umgehung  des 
Uarmkanales  gleich.  Diese  neuen  Zellarten  haben  ihren  eigenen  Bau, 
ihren  eigenen  Stoffwechsel  und  besondere  Funktionen.  Sie  können 


mmamm 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1389 


bIutfremdes  Material  auf  die  mannigfaltigste  Art  liefern.  Einmal  kann 
der  Nährboden  —  das  Gewebe,  das  von  ihnen  befallen  ist  —  so  zer- 
^  *  "’frden-  ^ss  fremdartige  Abbaustufen  entstehen.  Dann  können 
die  Mikroorganismen  selbst  zerfallen,  oder  aber  sie  sezernieren  dem 
Blute  völlig  fremdartiges  Material.  Wir  zweifeln  nicht  daran,  dass 
es  möglich  sein  wird,  die  einzelnen  Infektionskrankheiten  mittels 
der  erwähnten  Methoden  zu  erkennen.  Eigene  Studien  mit  Tuber¬ 
kulose  sind  sehr  ermunternd.  Interessanterweise  wurden  nur  dann 
immer  Tuberkelbazillen  abgebaut,  wenn  Miliartuberkulose 
vorlag,  während  bei  käsiger  Pneumonie  nur  ab  und  zu  auf 
diese  Bazillen  eingestellte  Abwehrfermente  vorhanden  waren,  da¬ 
gegen  wurde  das  käsige  Gewebe  abgebaut. 

Wahrscheinlich  lässt  sich  auch  die  Syphilis  mittels  der  ent¬ 
sprechenden  Abwehrfermente  erkennen.  Man  würde  dann  neben  der 
W  assei  mann  sehen  Reaktion  eine  weitere  Methode  besitzen, 
die  event.  wertvolle  Aufschlüse  ergibt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  ausdrücklich  her¬ 
vorgehoben,  dass  wir  selbstverständlich  nicht 
annehmen,  dass  nur  die  Eiweissstoffe  Abwehr¬ 
fermente  bewirken.  Selbstverständlich  wird  jeder  zusammen¬ 
gesetzte  blutfremde  Bestandteil  zur  Bildung  von  Fermenten  Anlass 
geben  können.  Wir  haben  unser  Interesse  zunächst  auf  den  Nach¬ 
weis  der  eiweissabbauenden  Fermente  konzentriert,  weil  wir  über 
Methoden  verfügen,  die  den  Nachweis  eines  Abbaus  eindeutig  ermög¬ 
lichen.  Die  Zerlegung  von  minimalen  Mengen  von  Fett  oder  Kohle¬ 
hydraten  usw.  können  wir  zurzeit  noch  nicht  einwandfrei  nach- 
weisen.  Selbstverständlich  wird  man  später  die  Methoden  auch 
nach  dieser  Seite  erweitern. 


Die  vorgetragenen  Gedankengänge  und  die  vorgeschlagenen 
Methoden  haben  ohne  Zweifel  das  für  sich,  dass  sie  einfach  sind. 
Unsere  Vorstellungen  über  den  Nachweis  von  Dysfunktionen  von 
Organen  sind  eng.  verkettet  mit  Gedankengängen,  die  sich  beim  Stu¬ 
dium  des  normalen  Zellstoffwechsels  und  vor  allem  der  Verdauung 
ergeben  haben.  Ein  immenses  Arbeitsgebiet  ist  eröffnet  worden. 
Vielleicht  werden  Dysfunktionen  von  bestimmten  Organen  bei  Er¬ 
krankungen  gefunden  werden,  bei  denen  man  gar  nicht  vermutet  hat, 
dass  das  Fehlen  einer  bestimmten  Organfunktion  ausschlaggebend 
ist.  Reiche  Resultate  erwarten  wir  vom  systematischen  Studium 
bestimmter  Erkrankungen  während  verschiedener  Stadien.  Ein  und 
derselbe  Fall  muss  immer  wieder  untersucht  werden.  Um  ein  Bei¬ 
spiel  herauszugreifen,  so  wird  es  vielleicht  möglich  sein,  zu  er¬ 
kennen,  welches  Organ  z.  B.  bei  der  Basedowschen  Krankheit 
zuerst  versagt.  Vielleicht  setzt  die  Thymus  mit  ihrer  normalen 
Funktion  aus.  Ihr  folgt  vielleicht  die  Schilddrüse  und  erst  zuletzt 
erkrankt  auch  das  Ovarium,  weil  ihm  bestimmte  Sekretstoffe  von 
der  Schilddrüse  aus  nicht  mehr  zugeführt  werden.  So  Hesse  sich 
auch  die  Korrelation  der  einzelnen  Organe  systematisch  festlegen. 

Man  kann  auch  therapeutische  Studien  treiben  und  ver¬ 
folgen,  ob  eine  bestimmte  Therapie  ein  dysfunktionierendes  Organ 
wirklich  beeinflusst.  Man  wird  den  Erfolg  einer  Karzinom¬ 
operation  verfolgen  können. 

Endlich  gibt  vielleicht  das  weitere  Studium  einzelner  Fälle  An¬ 
haltspunkte  zu  einer  Abwehrfermenttherapie.  Da  wir 
jedoch  zurzeit  über  keine  eindeutigen  Tatsachen  auf  diesem  Gebiete 
verfügen,  wollen  wir  die  Möglichkeit  einer  solchen  zielbewussten 
Therapie  nur  andeuten.  Wir  meinen  dabei  nicht  die  Serumtherapie 
im  allgemeinen  (Zinsser.Freund),  sondern  eine  Therapie,  bei  der 
auf  bestimmte  Substrate  eingestellte  Fermente  zugegen  sind. 

Zum  Schluss  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  die  Feststellung, 
dass  der  Organismus  —  wahrscheinlich  spielen  hierbei  die  Leukozyten 
eine  grosse  Rolle  - —  auf  bestimmte  Substrate  spezifisch  eingestellte 
Fermente  mobil  macht,  einen  weiteren  Beweis  für  die  Annahme  ge¬ 
liefert  hat,  dass  jede  einzelne  Zellart  über  ganz  spezifisch  aufgebaute 
Bestandteile  verfügt.  Wir  sind  dabei,  diese  Vorstellung  durch  direkte 
Versuche  zu  prüfen.  Da  offenbar  jede  einzelne  Zelle  imstande  ist, 
Teile  ihres  Baues  je  nach  Bedarf  einzureissen,  so  muss  sie  auch  über 
Fermente  verfügen,  die  auf  diese  Zellbestandteile  eingestellt  sind. 

Bedeuten  auch  die  entwickelten  Gedankengänge  und  die  zu 
ihrer  Verfolgung  ausgearbeiteten  Methoden  einen  kräftigen  Vorstoss 
in  zum  Teil  noch  ganz  unbekanntes  Land  und  winken  auch  schon 
Erfolge,  so  darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  wir  nur  von 
bescheidenen  Fortschritten  sprechen  dürfen.  Wir  arbeiten  nämlich 
mit  Stoffen  —  Fermenten  — ,  die  wir  nicht  kennen.  Wir  erkennen 
ihr  Vorhandensein  nur  an  ihrer  Wirkung.  Erst  dann  wird  der  Er¬ 
folg  der  begonnenen  Forschung  ein  voller  sein,  wenn  die  Fermente 
als  solche  uns  bekannt  sein  werden,  und  wir  auch  die  Substrate  genau 
definieren  können. 


Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Wassermann  hat 
in  seinem  in  No.  24  veröffentlichten  Vortrage  eine  Darstellung  der 
Entwicklung  der  Lehre  und  der  Grundlagen  des  Nachweises  der  auf 
plasmafremde  Substanzen  eingestellten  Fermente  gegeben,  die  zum 
Widerspruch  herausfordert.  Wassermann  ist  bekannt,  dass  es 
ihm  und  anderen  nie  geglückt  ist,  Fermente  im  Blute  nachzuweisen, 
die  auf  bestimmte  Substrate  eingestellt  sind.  Er  weiss,  dass  ich  1906 
bereits  von  blutfremden  Stoffen  gesprochen  und  im  Jahre  1909  die 
ersten  experimentellen  Arbeiten  über  das  Auftreten  von  auf  art-  und 
blutfremde  Stoffe  eingestellten  Fermenten  mitgeteilt  habe.  Wasser- 
m  a  n  n  kennt  meine  erste  Zusammenfassung  über  die  Resultate  dieser 
Versuche  genau.  Erst  1910  hat  Wassermann  dann  jene  Diskus¬ 
sionsbemerkung  —  ohne  mich  zu  nennen  —  gemacht,  auf  die  er  sich 


in  No.  .24  auf  Spalte  1,  S.  1333  unten,  bezieht.  Ich  überlasse  es 
dem  objektiven  Urteil  der  Leser,  zu  entscheiden,  ob  Wasser¬ 
manns  Darstellung  eine  gerechte  ist.  Ich  verweise  auf  meine  Zu¬ 
sammenfassung  in  der  Med.  Klinik  1909  und  auf  meine  Abwehrfer¬ 
mente,  1.  Auf!.,  1912,  2.  Aufl.  1913.  Man  vergleiche  das  dort  Mit¬ 
geteilte  mit  den  früheren  Veröffentlichungen  von  Wassermann 
und  dem  Inhalt  seines  jetzigen  Vortrages. 


Der  in  der  vorigen  Nummer  erschienene  Vortrag  des  Herrn 
Geh.  R.  v.  Wassermann  musste  gedruckt  werden,  ohne  dass 
die  Korrektur,  die  leider  zu  spät  eintraf,  berücksichtigt  werden  konnte. 
Der  Wortlaut  des  Vortrags  entspricht  daher  dem  nach  einem  Steno¬ 
gramm  hergestellten  nicht  revidierten  Manuskript,  während  der  revi¬ 
dierte  Inhalt  in  dem,  demnächst  im  Verlage  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  erscheinenden  Sammelheft  über  die  Fortbildungsvorträge  zu 
lesen  sein  wird.  Red. 


Bücheranzeigen  und  Referate. 

H.  Bayer:  Ueber  Vererbung  und  Rassenhygiene.  Vortrag. 
Jena,  G.  Fischer,  1912. 

Der  durch  seine  Vorlesungen  über  allgemeine  Geburtshilfe  so 
weit  bekannte  Strassburger  Gynäkologe  bespricht  hier,  von  der 
Rassenhygiene  und  deren  langsamer,  aber  stetiger  Anerkennung  und 
Verbreitung  ausgehend,  die  Grundlagen  der  Vererbungslehre.  Das 
Gebiet  ist  gross  und  mit  so  mannigfachen  Theorien  besetzt,  dass 
jeder  Darsteller  sich  im  Kampfe  derselben  eine  zu  eigen  machen 
muss.  Das  tut  auch  B.  öfter,  indem  er  z.  B.  die  de  V  r  i  e  s  sehen 
Mutationen  auf  die  Mendel  scheu  Grundlagen  zurückführt.  Darin 
werden  ihm  viele  nicht  folgen.  B.  weist  die  Möglichkeit,  etwa  aus 
den  jetzt  bekannten  Daten  die  Vererbungsvorgänge  der  höheren  Lebe¬ 
wesen,  speziell  beim  Menschen,  zu  erklären,  zurück:  die  Möglichkeit, 
richtig  begründete  Rassenhygiene  im  positiven  Sinne  zu  treiben,  lehnt 
er  ab,  solche  im  verhütenden,  ausmerzenden  Sinne  gibt  er  zu. 

Das  Heft  ist  mit  vortrefflich  ausgeführten  Schematen  versehen, 
die  zur  Klärung  der  Darstellung  mit  ihren  leider  unumgehbaren  neu¬ 
gebildeten  technischen  Ausdrücken  wesentlich  beitragen. 

Allen  seinen  Lesern  wird  es  die  unermessliche  Bedeutung  der 
Vererbungsvorgänge  und  -gesetze  vor  Augen  führen.  Auch  damit 
ist  für  die  Einsicht  viel  gewonnen.  Heute  glauben  noch  viele  Laien 
dieses  Gebiet  ohne  Gefahr  für  sich  und  andere  betreten  zu  dürfen. 

Grober-  Jena. 

Lehrbuch  der  klinischen  Diagnostik  innerer  Krankheiten,  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  Untersuchungsmethoden,  bearbeitet 
von  Esser,  Finkelnburg,  Gerhardt,  Hertel,  Jamin, 
Krause,  Lommel,  Mohr,  Ortner,  Staehelin,  Sturs¬ 
berg,  Wandel,  Winternitz.  Ziegler,  herausgegeben  von 
Prof.  Dr.  Paul  Krause  in  Bonn.  2.  Auflage.  Mit  3  Tafeln  und 
440  grossenteils  farbigen  Figuren  im  Text.  1050  Seiten.  Jena  1913. 
Verlag  von  Gustav  Fischer.  Preis  18  M. 

Das  Werk,  dessen  zweite  Auflage  der  ersten  rasch  gefolgt  ist. 
hat  eine  eingehende  und  gründliche  Durcharbeitung  in  allen  Ab¬ 
schnitten  erfahren.  Der  Herausgeber  hat  sich  eifrigst  bemüht,  im 
Verein  mit  seinen  Mitarbeitern  die  mancherlei!  Ungleichmässigkeiten 
der  einzelnen  Kapitel  der  ersten  Auflage  zu  beseitigen  und  eine  völlig 
zuverlässige  Bearbeitung  darzubieten.  Den  von  der  Kritik  früher  ge- 
äusserten  Wünschen  ist  Rechnung  getragen  worden.  Das  Streben 
des  Herausgebers  nach  Verbesserung  und  Vervollkommnung  des 
Buches  zeigt  auch  das  neu  aufgenommene  Kapitel  über  die  Diagnostik 
der  Unfallkrankheiten  (Stursber g),  das  alles  Wichtige  in  klarer 
Fassung  dem  Lernenden  vorführt.  Das  Autorenverzeichnis  bringt 
uns  biographische  Notizen  über  viele  Männer,  welche  an  dem  Ausbau 
der  klinischen  Diagnostik  hervorragend  beteiligt  gewesen  sind,  ein 
sehr  willkommener  Zuwachs,  die  Geschichte  der  Medizin  bei  den 
Studierenden  zu  fördern.  Eine  Anzahl  von  Bildern  sind  durch 
bessere  ersetzt,  viele  sind  neu  hinzugekommen.  Von  der  ersten  Auf¬ 
lage  ist  bereits  die  russische  Uebersetzung  erschienen. 

Plan  und  Aufbau  des  Werkes,  Verteilung  des  Stoffes  an  die  Mit¬ 
arbeiter  sind  gleich  geblieben.  Wir  haben  die  Einteilung  bei  der 
Besprechung  der  ersten  Auflage  in  dieser  Wochenschrift  wieder¬ 
gegeben.  Der  Ernst,  mit  dem  die  Aufgabe  erfasst  und  durchdrungen 
ist,  ist  wohltuend.  Einer  gewaltigen  Fülle  von  Arbeit  hat  es  bedurft, 
um  ein  solches  Werk  zu  schreiben,  das  nun  mehr  und  mehr  wie  aus 
einem  Guss  hergestellt  sich  erweist.  Die  Anerkennung  des  Geleisteten 
ist  dem  Buche  sicher.  W.  Zinn-  Berlin. 

Neue  deutsche  Chirurgie,  herausgegeben  von  P.  v.  B  r  u  n  s,  5.  Bd. 

Prof.  Dr.  M.  v.  Brunn:  Die  Allgemeinnarkose  mit  91  Abb., 
F.  Enke.  Stuttgart  1913.  Einzelpr.  M.  18.60. 

Seit  Kappeller  vor  mehr  als  3  Jahrzehnten  in  Lieferung  20 
der  deutschen  Chirurgie  die  Anästhetika  behandelt,  hat  sich  in  der 
Lehre  von  der  Narkose  unendlich  viel  geändert.  Nicht  allein,  dass  das 
Chloroform  wegen  seiner  grösseren  Gefährlichkeit  gegenüber  dem 
Aether  mehr  und  mehr  an  Gebiet  verloren,  eine  grosse  Anzahl  von 
Verbesserungen  der  Narkosetechnik  (Kombination  der  Anästhetika 
mit  Sauerstoff,  mit  peroraler  Intubation  und  Ueberdruck  iTiegel- 
Henl  el)  eingeführt  worden  sind,  auch  die  Sakral-  und  Lumbal¬ 
anästhesie,  die  durch  viele  Verbesserungen  mehr  und  mehr  bevo>‘- 


1390 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


zugte  Lokalanästhesie  und  Leitungsanästhesie  haben  wesentliche 
Neuerungen  gebracht,  so  dass  es  begreiflich,  dass  die  Lehre  von  der 
Allgemeinnarkose  bei  umfassender  Darstellung  all  der  Er¬ 
gebnisse  neuerer  Arbeiten,  technischer  Verbesserungen  etc.  allein 
einen  stattlichen  Band  der  neuen  deutschen  Chirurgie  füllt;  finden  wir, 
doch  nicht  allein  bez.  Aether-  und  Chloroformnarkose  Vorbereitung, 
Wirkungsweise  ev.  Komplikationen  und  übler  Folgen,  betr.  der  Ein¬ 
wirkungen  auf  die  inneren  Organe,  alle  Modifikationen  in  der  An¬ 
wendung  theoretisch  und  praktisch  erörtert,  die  Indikationen  und 
Kontraindikationen  etc.  besprochen,  sondern  auch  betr.  der  Chlor¬ 
äthylnarkose,  des  Bromäthyls,  des  Stickoxyduls,  der  Skopolamin-Mor¬ 
phium-  und  Pantoponskopolaminnarkose  alle  Einzelheiten  gewürdigt 
und  theoretisch  und  praktisch  dargestellt.  91  gute  Textabbildungen 
erläutern  die  zahlreichen  verschiedenen  Apparate  zur  Narkose,  ver¬ 
schiedene  Masken,  Kombinationen  mit  O-Zufuhr  (Roth,  Dräger 
etc.).  Instrumente  und  Handgriffe  zur  Bekämpfung  der  Gefahren 
der  Narkose,  Apparate  zur  künstlichen  Atmung  (Lewin),  Apparate 
zur  Ueberdrucknarkose  (Lotse h,  Steinmann.  Schoemaker. 
0.  B  r  u  n  s  etc.  Ueberall  tritt  die  Berücksichtigung  der  ausgedehnten 
neueren  Literatur  hervor.  Wie  v.  Br.  hervorhebt,  ist  der  Ausbau 
der  Mischnarkosen  und  Kombinationsnarkosen  und  speziell  die 
grössere  Verwendung  der  Narkose  für  kurzdauernde  Eingriffe  (Aether- 
rausch,  Bromäthyl-,  Chloräthyl-  und  Stickoxydulnarkose)  ein  wesent¬ 
licher  Fortschritt  der  Neuzeit.  Das  übersichtliche  und  ausführliche 
Werk  v.  Brunns  kann  jedem  Arzt  bestens  empfohlen  werden,  da 
nur  genaue  Kenntnis  und  Abwägung  der  mit  der  Narkose  ver¬ 
bundenen  Gefahren,  Beherrschung  der  technischen  Massnahmen  dem 
Narkotiseur  die  gewünschte  Sicherheit  verleiht.  Schreiber. 

Otto  K  ö  r  n  e  r  -  Rostock:  Lehrbuch  der  Ohren-,  Nasen-  und 
Kehlkopfkrankheiten.  Nach  klinischen  Vorträgen  für  Studierende  und 
Aerzte.  Dritte,  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Wiesbaden, 
J.  F.  Bergmann,  1912.  Preis  11  M. 

War  in  der  zweiten  Auflage  des  K  ö  r  n  e  r  sehen  Lehrbuches  der 
rhino-laryngologische  Teil  im  Verhältnis  zum  otologischen  etwas  kurz 
ausgefallen,  so  hat  der  Verfasser  in  der  neuen  Auflage  sich  bemüht, 
denselben  zu  vervollständigen  und  unter  anderem  die  Nebenhöhlen¬ 
eiterungen  ausführlicher  besprochen  und  die  Autoskopie  und  Tracheo- 
Bronchoskopie  neu  eingefügt.  Trotzdem  ist  der  Umfang  immer  noch 
ein  verhältnismässig  kleiner.  Die  Vorzüge  des  Körner  sehen  Lehr¬ 
buches,  welche  besonders  in  grosser  Klarheit  und  Uebersichtlichkeit 
bestehen,  gelten  natürlich  auch  für  die  neue  Auflage.  Es  wird  sicher¬ 
lich  trotz  der  starken  Konkurrenz  eines  der  gelesensten  Lehrbücher 
der  Oto-Laryngologie  bleiben.  Scheibe-  Erlangen. 

Albcrs-Schönberg:  Die  Röntgentechnik.  4.  Auflage. 
726  Seiten,  342  Abbildungen,  17  Tafeln.  Verlag  Gräfe  &  Si  Ilern. 
Hamburg  1913.  Preis  23  M. 

Einen  Mangel  an  Lehrbüchern  der  Röntgentechnik  haben  wir 
in  Deutschland  nicht  mehr,  übrigens  erscheinen  jährlich  neue.  Aber 
die  allerersten,  das  von  G  o  c  h  t  und  Albers-Schönberg,  haben 
feste  Wurzeln  gefasst  und  sich  im  Siegeslauf  die  Welt  erobert.  So 
erscheint  denn  die  „Röntgentechnik“  von  Albers-Schönberg 
jetzt,  10  Jahre  nach  der  ersten,  bereits  in  4.  Auflage,  und  aus  einem 
Bändchen  von  Oktavformat  mit  260  Seiten  ist  ein  stattlicher  Band 
in  Lexikongrösse  mit  725  Seiten  geworden.  Gegenüber  der  3.  Auflage 
fasst  das  Buch  nur  55  Seiten  mehr,  aber  dabei  ist  der  Satzspiegel 
der  Seiten  grösser  genommen,  so  dass  das  Mehr  gegenüber  der 
vorigen  Auflage  dennoch  ein  ganz  Bedeutendes  ist.  Der  physikalische 
1  eil  hat  wieder  W  a  1 1  e  r  -  Hamburg  zum  Verfasser,  während  der 
medizinische  Teil  diesmal  mehrere  Autoren  aufweist.  Zahnarzt 
Hauptmeyer  hat  an  dem  Kapitel  über  „Die  Untersuchungen  der 
Zähne  und  Kiefer“  mitgearbeitet,  Drüner  schrieb  das  Kapitel 
„Stereoskopie  und  Fremdkörperlokalisation“,  während  G  r  o  e  d  e  1  den 
Abschnitt  „Röntgenkinematographie“  verfasst  hat. 

Neue  Abschnitte  sind  gewidmet  u.  a.  der  Lindemannröhre,  den 
Lxpositionszeitenversuchen  von  Holthusen,  den  Röhren  mit 
Wolframantikathode  und  den  anderen  neuen  Röhrenkonstruktionen, 
den  gynäkologischen  Instrumentarien,  Bezahlung  der  Röntgen¬ 
leistungen,  Besitzrecht  der  Platten,  Kostenberechnung  eines  Röntgen¬ 
betriebes,  Schaukästen  mit  Stereoskopvorrichtung,  Merkblatt  der 
Deutschen  Röntgengesellschaft  über  den  Gebrauch  von  Schutzmass- 
regeln  gegen  Röntgenstrahlen.  Bedeutende  Erweiterung  haben  er¬ 
fahren  die  Abschnitte  „Teleröntgenographie  des  Herzens“  und  „Unter¬ 
suchung  des  Magens  und  Darmes“.  Das  Kapitel  „Stereoskopie  und 
hremdkörperlokalisation“  ist  von  36  auf  83  Seiten  angewachsen,  das 
über  „Röntgenkinematographie“  von  5  auf  30  Seiten. 

Wem  die  Tatsache,  dass  ein  Spezialwerk  binnen  10  Jahren 
4  Auflagen  erlebt,  an  und  für  sich  nichts  über  den  Wert  eines  Werkes 
besagt,  dem  müsste  hier  wenigstens  der  Name  des  Autors  die  Gewähr 
geben,  dass  es  sich  bei  dem  vorliegenden  Lehrbuche  um  das  Beste 
handelt,  worüber  die  Weltliteratur  des  Röntgenfaches  verfügt. 

Alban  Köhler-  Wiesbaden. 

Max  I  m  in  e  1  in  a  u  n:  Das  Röntgenverfahren  bei  Erkrankungen 
der  Harnorgane.  5.  Band  der  Bibliothek  der  physikalisch-medi¬ 
zinischen  Techniken.  Mit  28  Abbildungen  auf  5  Tafeln  und  42  Figuren 
im  Text.  Berlin  1913.  Verlag  von  H.  Meusser.  86  Seiten. 
Preis  7.80  M. 

Das  vorliegende  kleine  Werk  ist  vor  allem  für  Aerzte  bestimmt, 


welche  sich  mit  Urologie  beschäftigen  und  schnell  über  die  Erfolge 
und  Grenzen  des  Röntgenverfahrens  bei  Erkrankungen  der  Harn¬ 
organe  sich  unterrichten  wollen;  aber  auch  die  Röntgenologen  von 
Beruf  werden  sicherlich  manch  technische  Einzelheit,  manch  prak¬ 
tischen  Wink  des  ausserordentlich  routinierten  Untersuchers  mit 
Interesse  hören. 

Im  ersten  Teil  wird  die  Technik  der  röntgenologischen  Unter¬ 
suchungsmethoden  dieser  Organe  in  so  detaillierter  Schil¬ 
derung  gegeben,  dass  auch  weniger  geübte  Untersucher  in  die  Lage 
versetzt  werden,  bei  ihrer  Befolgung  einwandfreie  Bilder  zu  erzielen. 
Neben  den  einfachen  Aufnahmen  ist  auch  der  kombinierten  (mit 
Kollargol-,  Sauerstoff-,  Luft-  und  Wismutinjektion)  gedacht.  —  Der  1 
zweite  Teil  befasst  sich  mit  der  röntgenologischen  Diagnostik.  ' 
Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  der  Behandlung  der  Stein-  ' 
erkrankung  ein  grosser  Raum  gegönnt  ist.  Der  Verf.  berichtet  über 
die  Darstellbarkeit  der  verschiedenen  Steinarten,  über  Lokalisation 
und  Grösse  der  Steine.  Sehr  wertvoll  sind  seine  Angaben,  die  sich  • 
nicht  nur  auf  Prognose,  sondern  auch  auf  Indikation  für  die  Operation 
beziehen.  Von  äusserst  praktischer  Bedeutung  ist  das  Kapitel  über  1 
die  Fehldiagnosen,  ln  weiteren  kleinen  Abschnitten  werden  die 
Lageveränderungen,  die  Form-  und  Grössenveränderungen  der  Niere, 
der  Harnleiter  und  der  Blase  besprochen.  Auch  Bemerkungen  und 
Erfahrungen  über  die  röntgenologische  Diagnose  bei  Nierentuber-  ■ 
kulose  fehlen  nicht.  In  einem  Anhang  finden  sich  endlich  Angaben 
über  die  Diagnose  der  Prostatasteine  und  über  die  Röntgenbehand¬ 
lung  der  Prostatahypertrophie.  Die  photographischen  Abbildungen, 
welche  in  5  Tafeln  dem  Werke  beigegeben  sind,  sind  ganz  aus¬ 
gezeichnet;  seit  Hänisch’  Röntgendiagnostik  des  uropoetischen  | 
Systems  habe  ich  nichts  ähnliches  mehr  gesehen.  Sie  zeigen  uns  von  i 
neuem,  dass  diese  Untersuchungsmethode  es  häufig  ermöglicht,  bereits 
gestellte  Diagnosen  zu  bekräftigen;  in  zahlreichen  Fällen  ist  sie 
allein  ausschlaggebend  für  die  Diagnose. 

Kielleuthner  -  München. 

Emil  A.  Göldi:  Die  sanitarisch-pathologische  Bedeutung  der 
Insekten  und  verwandten  Gliedertiere,  namentlich  als  Krankheits¬ 
erreger  und  Krankheitsüberträger.  Mit  178  Figuren.  1913.  Verlag 
von  R.  Friedländer  &  Sohn.  Berlin.  155  Seiten.  9  Mark. 

Vorliegende  kleine  Schrift  ist  eine  zusammenhängende  Dar¬ 
stellung  der  Vorlesungen  des  Verf.  über  die  Insekten  und  verwandten 
Gliedertiere  in  ihren  Beziehungen  zur  Medizin,  die  er  vor  seinen 
Zuhörern  gehalten  hat. 

Den  Stoff  teilt  er  in  ein  erstes  Kapitel,  in  welchem  die 
stechenden,  heissenden  und  brennenden  Insekten 
und  Gliedertiere  abgehandelt  werden,  dann  folgt  ein  Abschnitt 
über  die  parasitischen  Insekten  und  Gliedertiere 
und  endlich  bildet  den  Schluss  ein  Kapitel  über  die  Insekten  und 
andere  Gliedertiere  als  Krankheitsüberträger,  j 
Die  Biologie  der  Insekten  steht  im  Vordergründe  und  wird  durch 
eine  grosse  Reihe  meist  bekannten  Werken  entnommene  Bilder  j 
anschaulich  erläutert.  Der  jeweilige  Uebertragungsmodus  schliesst 
sich  bei  den  einzelnen  Insekten  in  kurzer  präziser  Besprechung  an. 
Die  hervorgerufenen  Krankheiten  sind  kurz  gestreift.  Der  Zweck 
des  Buches,  auf  kurzem  Raum  eine  Uebersicht  über  das  interessante 
Spezialgebiet  der  Insektenwelt  für  Studierende  und  eine  Orientierung 
für  weitere  Kreise  zu  geben,  ist  bei  dem  vielseitigen  Material,  was  • 
hier  verarbeitet  wurde,  erreicht.  R.  O.  Neumann  -  Giessen. 

Jahreskurse  fiir  ärztliche  Fortbildung  in  12  Monatsheften,  redi¬ 
giert  von  Dr.  D.  Sarason  -  Berlin.  Februarheft  1913.  IV.  Jahrgang. 
Prof.  Aug.  Hoff  mann:  Die  Unregelmässigkeit  des  Herzschlages. 
Prof.  R.  v.  d.  Velden:  Fortschritte  der  physikalischen  Diagnostik 
des  Herzens.  Prof.  Rud.  Stä  helin:  Kreislauf  und  Lunge.  —  Die 
Tuberkulinbehandlung.  J.  F.  Lehmanns  Verlag,  München. 

Seitdem  wir  einiges  aus  den  vorliegenden  Jahreskursen  für  ärzt¬ 
liche  Fortbildung  an  dieser  Stelle  zur  Besprechung  gebracht  haben, 
sind  eine  sehr  grosse  Anzahl  für  den  Arzt  höchst  instruktiver  Bei¬ 
träge  aus  den  verschiedensten  Gebieten  der  Medizin  von  berufener 
Seite  in  ihnen  niedergelegt  worden.  Das  vorliegende  Februarheft  des 
IV.  Jahrgangs,  das  wir  hier  in  Kürze  auswahlsweise  besprechen, 
bringt  wieder  sehr  wertvolle  Beiträge,  welche  nach  ihrem  ganzen 
Inhalt  vollkommen  dazu  angetan  sind,  die  Kenntnisse  des  praktischen 
Arztes  dem  Stande  des  klinischen  Wissens  anzunähern.  Die  Unregel¬ 
mässigkeiten  des  Herzschlages,  wdlche  Hoffmanin  -  Düsseldorf, 
unter  Darlegung  der  physiologischen  Verhältnisse  dieser  klinischen 
Erscheinung,  sowie  unter  Einzelschilderung  der  verschiedenen  kli¬ 
nischen  Formen  von  Unregelmässigkeit,  erörtert,  sind  ja  gerade  für 
den  Praktiker  ein  ausserordentlich  wichtiges  Kapitel,  besonders  weil 
es  sich  dabei  auch  darum  handelt,  mit  verschiedenen  älteren  An¬ 
schauungen  über  dieses  Symptom  aufzuräumen  und  dafür  neuere, 
besser  begründete,  an  die  Stelle  zu  setzen.  Es  braucht  ja  kaum  be¬ 
sonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  prognostische  Ver¬ 
wertung  unregelmässiger  Herztätigkeit  besonders  für  die  Lebens¬ 
versicherung  und  besonders  für  die  Gutachtertätigkeit  eine  ausser¬ 
ordentlich  grosse  Rolle  spielt.  Wie  die  allzu  freigebige  Diagnose 
eines  Herzfehlers  und  die  Modediagnose  der  „Herzerweiterung“  viele 
Leute  für  ihre  ganze  Zukunft  mit  einem  Stigma  versieht  und  ihnen 
eventuell  grossen  Schaden  zufügen  kann,  worauf  auch  Hu  wyler 
(vergl.  den  Beitrag  von  v.  d.  Velden)  hinweist,  so  ist  auch  gerade 
die  Herzunregelmässigkeit  ein  von  vielen  Aerzten  immer  noch  ohne 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1391 


die  notige  Kritik  beurteiltes  Symptom.  In  dieser  Hinsicht  kann  die 
are  Darstellung  von  Hoff  mann  über  die  verschiedenen  Formen 
der  Arrhythmie,  über  Tachykardie,  Extrasystolen,  Ueberleitungs- 
storungen,  worüber  Verfasser  ja  eine  sehr  grosse  Erfahrung  besitzt, 
gewiss  nur  Qutes  wirken.  Auf  das  Einzelne  soll  hier  nicht  einge- 
gangen  werden,  wie  weisen  nur  auch  auf  die  vom  Verfasser  bei- 
gesteuerten  Kurven  nebst  ihren  Deutungen  hin,  aus  denen  hervor- 
geht,  dass  abgesehen  vom  Pulsus  alternans,  es  sich  bei  allen  eigent- 
lchen  Rhythmusstorungen  um  funktionelle  Loslösung  des  ganzen 
Herzens  in  seiner  1  atigkeit  oder  einzelner  Teile,  der  Kammern,  von 
dem  jetzt  hinlänglich  sichcrgestellten  Ursprungsort  der  Herzreize, 
ueiri  K  e  1 1  h- F  l  a  ck  sehen  Knoten,  handelt.  Im  zweiten  Aufsatz 
oespneht  v.  d.  V  e  1  d  en  -  Diiseldorf  neuere  Ergebnisse  und  Anschau- 
“^■>über  ,ge’  ^orm  und  Grösse  des  Herzens,  speziell  auch  die 
Verhältnisse  der  sogen.  Wachtumshypertrophie.  Betreff  der  Aus- 
messung  der  röntgenologisch  erzielten  Herzgrösse  tritt  Verfasser  auf 
me  -eite  Jener  Autoren,  welche  mehr  die  Herzform,  welche  das 
Rontgenbild  darbietet,  berücksichtigt  haben  wollen.  Die  Verschieb- 
Iicnkeit  des  Heizens  nach  links,  meist  mit  dem  Auftreten  eines  heben¬ 
den  v.pitzenstosses,  scheint  keine  besondere  diagnostische  Bedeutung 
zu  haben.  Mit  Recht  hebt  v.  d.  Velden  hervor,  dass  die  Fest¬ 
legung  der  linken  Herzgrenze  in  der  linken  Mamillarlinie  schon  längst 
als  unzuverlässig  fallen  gelassen  worden  ist.  Eingehende  Erörterung 
bildet  auch  die  Sichtbarmachung  von  Verwachsungen  innerhalb  des 
Brustraumes  durch  die  Röntgenplatte  oder  durch  die  Durchleuchtung. 
Mit  Recht  warnt  Verfasser,  aus  dem  besseren  Sichtbarwerden  des 
Aortenbogens  schon  die  halbe  Diagnose  auf  Beginn  der  Aortenver- 
anderung  zu  stellen.  Die  Untersuchungen  zur  Registrierung  der 
Herztone  und  Herzgeräusche  scheinen  wenig  praktisch  Verwertbares 
eigeben  zu  haben,  auch  die  Frage  über  die  Entstehung  der  akziden¬ 
tellen  Herzgeräusche  ist  immer  noch  nicht  abgeschlossen. 

Im  Kapitel  über  Respirationskrankheiten  bespricht  Stähelin- 
Basel  die  gegenseitigen  Abhängigkeiten  zwischen  Kreislauf  und  Lunge 
in  einer  zusammenfassenden  Studie,  welche  die  in-  Betracht  kommen¬ 
den  Verhältnisse  in  ein  klareres  Licht  rückt,  als  ihnen  meist  zu  Teil 
wird.  Die  Frage  über  die  Durchblutungsverhältnisse  der  Lunge 
unter  noi  malen  und  abnormen  Verhältnissen  hat  ja  gerade  in  den 
letzten  Jahren  durch  die  Aufnahme  des  künstlichen  Pneumothorax 
in  die  ärztlichen  Behandlungsmethoden  eine  ganz  neue  Bedeutung 
angenommen.  Interessant  ist,  dass  auf  Grund  dieser  neuen  Studien 
auch  dem  alten  Aderlass  für  gewisse  Zustände  ein  Teil  seiner  früheren 
Rechte  wieder  eingeräumt  wird,  ln  therapeutischer  Hinsicht  hebt 
Vertasser  hervor,  wie  sehr  berechtigt  die  medikamentöse  Bekämp¬ 
fung  des  Hustens  ist,  welcher  bei  langer  Dauer  eine  ganz  erhebliche 
Anstrengung  für  den  rechten  Ventrikel  bedeutet  und  dabei  auch  zur 
Entfernung  des  Sekretes  nur  in  gewissen  Situationen  notwendig  ist. 
ln  einem  weiteren  Abschnitte  wird  von  dem  letzteren  Verfasser  end¬ 
lich  noch  die  Methode  der  Tuberkulinbehandlung  unter  Berücksichti¬ 
gung  aller  Arten  von  Tuberkulinpräparaten  dargestellt,  wobei 
Vertasser  zu  dem  Standpunkt  kommt,  dass  bei  idealer  Behandlung 
der  Kranke  nach  wie  vor  der  Heilstätte  zugewiesen  und  dort  ge¬ 
eigneten  Falles  mit  Tuberkulin  behandelt  werden  soll,  dass  aber  dann 
bis  zum  völligen  Abschluss  dieser  Kur  der  Arzt  zu  Hause  von  einem 
bestimmten  Zeitpunkte  ab  die  Tuberkulinbehandlung  fortsetzen  kann. 
Den  Abschluss  des  Beitrages  von  Stähelin  bildet  ein  kurzer  allge¬ 
meiner  Rückblick  auf  die  neueste  Literatur  über  Lungentuberkulose. 

Dr.  Grassmann  -  München. 


Gewerbehygienische  Uebersicht. 

Von  Dr.  F  r  z.  Koelsch,  K.  Landesgewerbearzt  in  München. 

Die  Bedeutung  der  Gewerbehygiene  für  Arzt 
u  nd  Techniker  wählte  der  Badische  ärztliche  Gewerbeaufsichts¬ 
beamte  LI  o  1 1  z  m  a  n  n  als  Thema  für  seine  Antrittsvorlesung. 
S.  Zentralblatt  f.  Gewerbehygiene  I.  1.  (1913).  Holtzmann  be¬ 
zeichnet  die  Tätigkeit  des  Gewerbehygienikers  als  aufbauend,  auf 
eine  Verbindung  zwischen  Medizin  und  Technik  hinzielend  —  im 
Gegensatz  zur  separisiereiiden  Tätigkeit  der  sonstigen  Spezial¬ 
disziplinen.  Eine  Kenntnis  der  Gewerbehygiene  ist  heutzutage  für 
jeden  A  r  z  t  insbesondere  Kassenarzt  unbedingt  erforderlich;  sie  führt 
denselben  nicht  nur  zur  Erkenntnis  der  Aetiologie,  zur  rationellen 
1  herapie  und  Prophylaxe,  sondern  ist  auch  ein  unentbehrlicher  Faktor 
bei  der  Unfallbegutachtung  und  bei  der  Tätigkeit  als  Untersuchungs¬ 
und  Fabrikarzt.  Andererseits  verlangt  der  Gesetzgeber  auch  vom 
1  echniker  nicht  nur  Kenntnis  der  einschlägigen  Schutzvor¬ 
schriften,  sondern  setzt  auch  das  Verständnis  für  die  wirksame 
Durchführung  der  letzteren  voraus.  Einrichtung  und  Organisation  des 
Betriebes  muss  derart  beschaffen  sein,  dass  die  gesundheitlichen  Ver¬ 
hältnisse  der  Arbeiter  hiedurch  nicht  geschädigt  werden;  bedeutet 
doch  jeder  gewerbehygienische  Fortschritt  unmittelbar  auch  einen 
finanziellen  Gewinn  für  den  Arbeitgeber.  Eine  Reihe  von  Beispielen 
aus  der  Praxis  belegen  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung.  Verf.  will 
schliesslich  den  betriebsleitenden  Techniker  noch  zu  einer  neuen 
sozial-hygienischen  Aufgabe  beigezogen  wissen,  nämlich  zur  Fest¬ 
setzung  der  nach  Prozenten  abzuschätzenden  Erwerbsunfähigkeit 
eines  Unfallverletzten  oder  invaliden  Fabrikarbeiters;  es  dürfte  dies 
eine  wertvolle  Ergänzung  des  bisher  meist  allein  ausschlaggebenden 
ärztlichen  Gutachtens  sein.  Auch  die  Beobachtung  von  Simulanten 
könnte  so  zweckmässig  erfolgen.  Auf  diesem  angegebenen  Wege 
dürfte  ein  Zusammenarbeiten  von  Techniker  und  Arzt  ebenfalls  Er¬ 


folge  versprechen,  abgesehen  davon,  dass  damit  mancher  Unzu¬ 
friedenheit  und  Rentenhysterie  der  Boden  entzogen  würde. 

Was  die  einzelnen  Berufsschäden  betrifft,  so  bringt  zunächst  die 
Aerztl.  Sachverständigenzeitung  in  No.  7  (1913)  Sammelberichte 
b  e  i  d  i  e  Berufskrankheiten  im  Jahre  1911  nach  den 
Jahresberichten  der  deutschen  und  österreichischen  Gewerbeauf- 
sichtsbeamteii,  zusammengestellt  von  S  c  h  u  1 1  z  e. 

Dem  eben  erschienenen  Hygienischen  Sonderberichte 
des  Badischen  Gewerbearztes  Dr.  Holtzmann  (Karls- 
ruhe  1913,  b.  F.  Gutsch)  ist  zu  entnehmen,  dass  demselben  ein 
Arbeitsplatz  im  Botan.  Institut  der  Technischen  Hochschule  zur  Vor¬ 
nahme  bakteriologischer  und  sonstiger  Untersuchungen  zur  Ver¬ 
fügung  steht.  In  Rosshaarspinnereien  und  Bürstenfabriken  wurden 
mehrfach  Desinfektionsproben  vorgenommen;  auch  die  Methoden  der 
Häutedesinfektion  nach  Schattenfroh  u.  a.  wurden  nachgeprüft. 
M  1 1  z  b  randfälle  kamen  in  Rossharnspinnereien  4,  in  Gerbereien 
und  Bürstenfabriken  je  2,  in  einer  Lumpensortieranstalt  und  Metz¬ 
gerei  in  je  1  Falle  zur  Kenntnis;  bei  einigen  weiteren  Todesfällen  lag 
begründeter  Verdacht  auf  Milzbrand  vor,  ohne  dass  indes  der  bak¬ 
teriologische  Nachweis  gelang.  Milzbrandserum  und  Salvarsan  er¬ 
wiesen  sich  als  therapeutisch  wirksam.  Von  polnischen  Ziegelei- 
ai beitei n  erwiesen  sich  7  als  blatternkrank,  2  als  trachom¬ 
verdächtig.  Durch  allgemeine  Impfung  und  Isolierung  konnte  eine 
grössere  Epidemie  vermieden  werden.  In  der  Keramindustrie 
fanden  sich  eine  Anzahl  von  Bleisymptomen  bei  den  Glasierern, 
während  eine  Mehrbelastung  durch  Tuberkulose  nicht  nachweisbar 
war.  In  Verzinkereien  wurden  spezifische  Gesundheits- 
Schädigungen  nicht  festgestellt.  Erhebungen  in  Metallschleifereien 
ei  gaben  bei  den  Schleifern  keine  erhöhte  Morbidität  im  allgemeinen 
und  insbesondere  bezüglich  der  Atmungsorgane.  Hingegen  sind  die 
Schleifer  bes.  Schleifverletzungen  an  Händen  und  Armen  sowie 
Augenverletzungen  durch  Splitter  ausgesetzt.  Neuerdings  wurden 
wieder  einige  leichtere  Fälle  von  Chlorakne  beobachtet  und 
zwar  bei  der  Herstellung  von  Salzsäure  nach  dem  Verfahren  von 
H  a  r  g  r  e  a  v  e  s.  Das  Verfahren  beruht  auf  der  unmittelbaren  Ein¬ 
wirkung  von  schwefliger  Säure,  Luftsauerstoff  und  Wasserdampf  auf 
Kochsalz,  wobei  die  in  Dampfform  entweichende  Salzsäure  durch 
entgegengeleitetes  Wasser  in  hohen  Türmen  kondensiert  wird.  Die 
Arbeiter  erkranken  meist  beim  Auspacken  dieser  Türme.  Prophylak¬ 
tisch  empfiehlt  sich,  dass  diese  Arbeit  nicht  in  den  heissen  Sommer¬ 
monaten  oder  an  noch  warmen  Türmen  vorgenommen  wird,  dass 
diese  vorher  mit  Wasser  oder  Kalkmilch  durchgespült  werden,  dass 
ferner  die  Arbeiter  nur  mit  eng  anschliessenden,  paraffingetränkten 
Anzügen,  mit  Kapuze  und  Handschuhen,  Respiratoren,  mit  einge¬ 
fettetem  Gesicht  etc.  die  Türme  betreten;  nachher  ist  ein  Bad  zu 
nehmen.  —  Die  Anmeldung  bestimmter  gewerblicher  Erkrankungen 
wurde  auch  in  Baden  eingeführt,  vorerst  beschränkt  auf  Vergiftungen 
durch  Blei,  Phosphor,  Arsen  und  Quecksilber.  Bezüglich  der  Durch¬ 
führung  wurde  eine  rege  Propaganda  in  ärztlichen  Kreisen  entwickelt. 

Ueber  die  Tätigkeit  des  bayer.  Landesgewerbe¬ 
arztes  liegt  nunmehr  der  4.  Bericht  vor  (München,  Th.  Acker¬ 
mann,  1913),  dem  zu  entnehmen  ist,  dass  dessen  Wirken  im  all¬ 
gemeinen  eine  erfreulich  günstige  Beurteilung  erfuhr.  Auf  organi¬ 
satorischem  Gebiet  wurde  die  erste  Hilfe  in  gewerblichen  Betrieben 
besonders  ausgebaut,  ferner  die  Anzeige  bestimmter  gewerblicher 
Erkrankungen  durchgeführt.  Vorträge  und  Führungen  im  K.  B  Ar¬ 
beitermuseum  wurden  zusammen  26  gehalten;  die  Zahl  der  Reisetage 
betrug  89,  die  der  Revisionen  KMBetriebe  mit  rund  16800 Arbeitern. 
Der  Bericht  führt  ferner  eine  grössere  Anzahl  (12)  literarische  Ar¬ 
beiten  und  hygienische  Untersuchungen  auf,  weiterhin  die  nicht  un¬ 
interessanten  Ergebnisse  einer  Krankenhausenquete  betr.  beobachtete 
gewerbliche  Erkrankungen.  Die  seit  etwa  4  Monaten  wirkende  An¬ 
meldung  gewerblicher  Vergiftungen  seitens  der  Kranken¬ 
kassen  ergab  insgesamt  184  meldepflichtige  Fälle,  nämlich  170  Blei¬ 
vergiftungen,  4  Vergiftungen  durch  Benzin,  Benzol  und  Schwefel¬ 
kohlenstoff,  10  durch  Nitro-  und  Amidoverbindungen.  Ausserdem 
wurde  noch  eine  grössere  Anzahl  von  gewerblichen  Ekzemen  mit- 
geteilt.  Milzbrandfälle  kamen  im  Berichtsjahre  7  zur  Meldung, 
hievon  trafen  3  auf  Metzger  und  Abdecker,  je  2  auf  die  Leder-  und 
Rosshaarindustrie.  Mit  Milzbrandserum  wurden  im  allgemeinen 
günstige  Erfahrungen  gemacht. 

Eine  Ausdehnung  hat  der  g  e  w  e  r  b  e  ä  r  z  1 1  i  c  h  e  Dienst 
neuerdings  dadurch  erfahren,  dass  in  Italien  zunächst  2  Gewerbe¬ 
ärzte  aufgestellt  wurden  (Gesetz  vom  22.  XII.  12,  betr.  Organisation 
der  Gewerbeaufsicht).  Einer  dieser  Aerzte  muss  der  Zentralstelle 
des  Ministeriums  angehören. 

Die  Probleme  der  Frauenarbeit  behandeln  2  Abhandlungen 
von  M.  Hirsch:  Frauen  erwerbsarbeit,  Frauen¬ 
krankheiten  und  Volksvermehrung.  Sexualprobleme 
1912,  8.  H.  und  Hygiene  1912,  No.  7.  Verf.  führt  dabei  aus,  dass  die 
Frauenarbeit,  insbesondere  die  Erwerbsarbeit  der  Ehefrauen,  vom 
generativen  Standpunkte  aus  eingehende  Beachtung  erfordert;  eine 
Milderung  ist  zunächst  durch  gewerbehygienische  Massnahmen  bzw. 
Mutterschaftsschutz  zu  erzielen,  eine  eingreifende  Sanierung  ist  je¬ 
doch  nur  durch  Beseitigung  der  Frauenarbeit  zu  erzielen.  Genauere 
Kenntnis  der  Pathologie  der  weiblichen  Berufskrankheiten  ist  vorerst 
dringend  erforderlich;  hier  bleibt  für  den  Gynäkologen  noch  ein 
weites  Forschungsgebiet.  Unsere  bisherigen  Kenntnisse  sind  noch 
sehr  lückenhaft.  Als  Träger  der  künftigen  Generationen  beansprucht 
die  Frau  einen  besonders  eingehenden  Schutz. 


1392 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Ueber  den  Einfluss  des  Klimas  (hohe  Sommer¬ 
temperatur)  auf  die  Morbidität  der  Bergarbeiter 
ist  einem  Referate  des  Zentralbl.  f.  Qe werbehygiene,  I,  H.  1  zu  ent¬ 
nehmen.  dass  der  heisse  Sommer  des  Jahres  1911  viel  mehr  Erkran¬ 
kungen  zur  Eolge  hatte  als  früher.  Einer  Erhöhung  der  Belegschaft 
um  6000  Arbeiter  (gegen  1910)  steht  eine  Mehrung  der  Krankheits¬ 
fälle  um  23  238,  der  Todesfälle  um  219  gegenüber.  Die  bedeutendste 
Mehrung  erfuhren  die  Erkrankungen  der  Verdauungsorgane,  begün¬ 
stigt  durch  unzweckmässiges  Trinken  bei  mangelhafter  Wasser¬ 
versorgung  der  Gruben,  ferner  durch  die  Unregelmässigkeit  und  Un¬ 
zweckmässigkeit  der  Ernährung. 

Auf  die  beiden  in  gewerbehygienischer  Beziehung  beachtens¬ 
werten  Aufsätze  von  Rietschel  und  von  H.  Chr.  Nussbaum 
in  Band  36,  S.  37  bzw.  134  (1913)  des  Gesundheitsingenieurs:  Die 
Bestimmung  der  Grösse  des  stündlichen  Luft¬ 
wechsels  für  vollbesetzte  Räume  nach  Massgabe 
eines  nicht  zu  überschreitenden  Feuchtigkeits¬ 
gehaltes  der  Luft  kann  an  dieser  Stelle  nur  kurz  verwiesen 
werden. 

In  einem  Aufsatz  der  Deutschen  med.  Wochenschr.  No.  8  (1913) 
Veränderungen  und  Schädigungen  des  Auges  durch 
Licht  erörtert  F.  Schanz  neuerdings  die  Wirkungen  der  ver¬ 
schiedenen  Strahlenarten  auf  das  Auge,  in  welchem  je  nach  Wellen¬ 
länge  die  einzelnen  Medien  verschiedene  Schädigungen  erfahren.  Die 
kurzwelligen  Strahlen  reizen  zunächst  die  Bindehaut,  wo  sie  katar¬ 
rhalische  Erscheinungen,  Lichtkatarrhe,  hervorrufen.  Bei  Glasbläsern 
kommt  es  nach  20 — 30  jähriger  Berufstätigkeit  oft  zu  charakteristischen 
Trübungen  in  der  Linse,  zum  Glasmacherstar,  der  wohl  auf  die 
Wirkung  spezieller  ultravioletter  Lichtstrahlen  zurückzuführen  ist. 
Zur  Prophylaxe  empfehlen  sich  Brillengläser  etc.  aus  sog.  Euphos- 
glas,  welches  die  unsichtbaren  Lichtstrahlen  in  hohem  Grade  zu  ab¬ 
sorbieren  vermag.  Graue  Gläser  lehnen  z.  B.  die  Glasbläser  direkt 
ab,  während  die  Enphosglasbrillen  angeblich  gerne  getragen  werden, 
da  sie  das  Glas  „kalt“  erscheinen  lassen.  Wie  Fälle  aus  der  Praxis 
zeigten,  wurde  durch  das  Euphosglas  das  Fortschreiten  des  Glas¬ 
macherstars  während  4  Jahre  aufgehalten.  —  Bezüglich  des  Augen¬ 
zitterns  der  Bergleute  vergl.  die  auserordentlich  umfassende 
Abhandlung  von  Joh.  Ohm  in  Gräfes  Archiv  f.  Ophthalmologie, 
Bd.  83,  H.  1,  ref.  in  No.  13  (1913)  S.  718  dieser  Wochenschrift.  — 
Ueber  Schutz  vor  Röntgenstrahlen  vergl.  das  Referat 
S.  833/834  (No.  15)  dieser  Wochenschrift.  —  Hier  wäre  endlich  auch 
die  bereits  in  No.  6,  S.  318  ref.  Arbeit  von  H.  Pach  zu  erwähnen: 
Eine  neue  Gefahrenquelle  für  gewerbliche  Augen¬ 
verletzungen  (betr.  Verspritzen  feinster  Kupferteilchen  infolge 
Kurzschluss  bei  der  Erhitzungsprobe  elektrischer  Glühlampen). 

Die  Gefahren  der  Caissonarbeit  erörtert  Ph.  Sil¬ 
berstern  in  der  Oesterr.  Vierteljahrsschr.  f.  Gesundheitspflege  III, 
4.  H.,  1912.  Eingehende  wissenschaftliche  Untersuchungen  haben  er¬ 
wiesen,  dass  bei  5  und  6  Atmosphären  Ueberdruck  (entsprechend 
1  iefen  von  50 — 60  m)  recht  wohl  ohne  Schädigung  gearbeitet  werden 
kann;  die  von  Hai  da  ne  geäusserte  Zuversicht,  dass  auch  in 
Wassertiefen  von  100  und  mehr  Meter  vorgedrungen  werden  kann, 
erscheint  kein  Phantasieprodukt  mehr  zu  sein.  Gefährlich  ist  ledig¬ 
lich  der  allzu  rasche  Uebertritt  aus  der  Druckluft  in  die  freie  Atmo¬ 
sphäre.  Je  höher  der  Druck,  desto  reichlicher  die  Gasanreicherung 
des  Organismus;  von  Fetten  und  Lipoiden  wird  dabei  nahezu  6  mal 
so  viel  Stickstoff  absorbiert  als  vom  Blute.  Zwecks  Vermeidung  der 
Caissonkrankheit  stellte  Verf.  nachstehende  Schutzvorschriften  auf: 
Sorgfältige  Auswahl  der  Arbeiter,  nur  rüstige,  körperlich  geeignete 
Personen  sind  zuzulassen.  Das  Einschleusen  hat  langsam  (%  Minute 
auf  0,1  Atmosphäre  Druckanstieg)  zu  erfolgen  unter  Kontrolle  durch 
Ohr  und  Manometer.  Die  Schichtdauer  ist  mit  steigendem  Druck  zu 
verkürzen,  von  2  mal  täglich  je  4  Stunden  bei  1 — 2  Atmosphären  bis 
auf  je  1  Stunde  bei  3 — 3,5  Atmosphären  Ueberdruck.  Beim  Aus¬ 
schleusen  ist  für  die  1.  Hälfte  des  Ueberdrucks  K  Minute  für  je 
0,1  Atmosphären,  für  die  2.  Hälfte  3  Minuten  für  je  0,1  Atmosphären 
anzusetzen.  Bei  Arbeiten  in  einem  Ueberdruck  von  1,5  Atmosphären 
und  mehr  muss  ständiger  ärztlicher  Ueberwachungsdienst  vorgesehen 
werden.  Selbstverständlich  sind  die  nötigen  maschinellen  Einrich¬ 
tungen  mit  peinlicher  Vorsicht  zu  überwachen,  ebenso  sind  die 
Arbeiter  vor  Durchnässung  und  Temperaturschwankungen  zu 
schützen.  Endlich  darf  die  eingehende  Belehrung  der  Arbeiter  nicht 
unterlassen  werden.  Verf.  verbreitet  sich  eingehend  über  jeden  der 
aufgestellten  Leitsätze,  die  durch  die  beispiellose  Morbidität,  Invali¬ 
dität  und  Mortalität  der  Druckluftarbeiter  wohl  begründet  sind.  Das 
wichtigste  Rettungsmittel  ist  das  sofortige  Wiedereinschleusen;  eine 
Rettungsschleuse  ist  daher  bei  1,5  Atmosphären  und  mehr  Ueber¬ 
druck  unbedingt  erforderlich;  Sauerstoffdarreichungen  sind  in  der 
Rettungsschleuse  und  in  der  2.  Hälfte  der  normalen  Dekompression 
zweckmässig.  Leichte  körperliche  Bewegung  begünstigt  die  Be¬ 
schleunigung  der  Entgasung. 

Die  Gefahren  der  Elektrizität,  Unfallverhütung 
und  erste  Hilfeleistung  erörtert  S.  Je  11  i  ne  k  im  „Oester- 
reichischen  Sanitätswesen“  No.  10,  1913.  Verf.  bespricht  zunächst  die 
(bereits  in  früheren  Referaten  mitgeteilten)  verschiedenartige  Gefähr¬ 
lichkeit  des  elektrischen  Stromes  je  nach  Spannung  und  Stromstärke, 
uni-  und  multipolare  Berührung,  Dauer  der  Einwirkung;  hiezu  kommen 
noch  eine  Anzahl  individueller  Bedingungen,  wie  Widerstand  des 
Körpers,  Ausbreitungsgebiet  des  Stromes  im  Körper,  körperlicher  und 
seelischer  Zustand  und  sog.  Artfaktor,  d.  h.  verschiedene  individuelle 


Toleranz  gegen  Elektrizität.  Aus  allen  diesen  Faktoren  resultiert  erst 
die  Gefährlichkeit  bzw.  Wirkung  des  Stromes  im  konkreten  Falle. 
Die  Elektrizitätsverletzungen  sind  lokaler  und  allgemeiner  Natur; 
erstere  charakterisieren  sich  als  spezifische  Hautveränderungen,  die 
schmerzlos  sind  und  ohne  Eiterung  bzw.  Fieber  und  ohne  harte  oder 
schrumpfende  Narbenbildung  abheilen.  Eine  andere  Form  bilden  die 
Metallniederschläge  auf  der  Haut,  die  sich  in  wenigen  Tagen 
lamellenförmig  abstossen  und  der  normalen  Haut  Platz  machen.  Die 
genannten  spezifischen  Hautveränderungen  sind  keine  Brand¬ 
wunden;  letztere  treten  erst  sekundär  bei  Zündung  hinzu.  Die 
akuten  Allgemeinsymptome  (Bewusstseinsstörungen,  Herz-  und 
Atmungsstörungen,  Krampfzustände,  Reizbarkeit  etc.)  pflegen  sich 
bald  wieder  zurückzubilden.  Bei  den  Spätsymptomen  begegnen  wir 
z.  T.  funktionellen  Neurosen,  z.  T.  organisch-bedingten  Nachkrank¬ 
heiten,  welch  letztere  glücklicherweise  zu  den  Seltenheiten  gehören. 
Hiebei  scheint  die  Elektrizität  nicht  nur  im  Nervensystem,  sondern 
auch  im  Gefässsystem  ihren  Hauptangriffspunkt  zu  finden.  Der  Tod 
durch  Elektrizität  tritt  in  sehr  verschiedenen  Formen  auf,  bald  unter 
schwersten  Herz-  oder  Atmungsstörungen,  bald  unter  Bewusstlosig¬ 
keit  mit  motorischen  Reizsymptomen.  In  den  meisten  Fällen  ist  der 
elektrische  Tod  nur  ein  Scheintod,  der  erst  mangels 
kunstgerechter  und  zeitgemässer  Hilfeleistung  rasch  in  den  wirk¬ 
lichen  I'od  übergeht.  Letztere  Konstatierung  verdient  besonders  be¬ 
züglich  der  Therapie  Beachtung.  Zwecks  Verhütung  der  elektrischen 
Schädigungen  ist  zunächst  die  gewissenhafteste  Beachtung  der  neuer¬ 
dings  in  allen  Kulturstaaten  erlassenen  Schutzvorschriften  erforder¬ 
lich,  welche  durch  regelmässige  Belehrung  zu  ergänzen  sind.  Sodann 
muss  betont  werden,  dass  mit  den  Wiederbelebungsversuchen  nicht 
früh  genug  begonnen  werden  kann  und  dass  die  kunstgerechte  künst¬ 
liche  Atmung  auch  genügend  lang  zur  Durchführung  kommt;  selbst 
nach  stundenlangen  Bemühungen  sind  schon  verloren  geglaubte  Opfer 
wieder  zum  Leben  erwacht!  Unterstützend  wirken  Aderlass,  Lumbal¬ 
punktion,  Kampfer  oder  Adrenalininjektionen  u.  dgl.  Für  grössere 
Betriebe  bzw.  Elektrizitätswerke  empfiehlt  sich  die  Bereithaltung  be¬ 
stimmter  instrumenteller  Rettungsbehelfe,  die  einzeln  aufgeführt  und 
besprochen  werden.  Den  Schluss  der  sehr  lesenswerten  Abhandlung 
bildet  die  österreichische  Anleitung  zur  ersten  Hilfeleistung  bei  Un¬ 
fällen  durch  Elektrizität.  — -  Vergl.  hiezu  auch  die  Abhandlung  des¬ 
selben  Autors:  Electrical  accidents  from  the  clinical 
and  forensic  standpoint  im  Archives  of  the  Roentgen  Ray, 
London  1913. 

In  der  Chemikerzeitung  1913,  No.  18  verbreitet  sich  J.  Ram¬ 
bo  u  s  e  k  über  die  Frage  des  Bleifarbenverbotes  in 
Deutschland.  Verf.  legt  sich  2  Fragen  vor:  ist  ein  Bleifarben¬ 
verbot  technisch  durchführbar  —  und  führt  das  Bleifarbenverbot 
unter  den  jetzigen  Verhältnissen  zum  Ziel,  d.  h.  zur  Beseitigung  der 
Bleivergiftung.  Auf  die  1.  Frage  antwortet  Verf.  mit  „nein“.  Von 
den  verschiedensten  Seiten  wurde  erwiesen,  dass  das  Bleiweiss  be¬ 
züglich  seiner  Qualitäten  bisher  unersetzlich  ist;  dort,  wo  zurzeit  ein 
Bleiweissverbot  besteht,  sind  so  viele  Ausnahmen  vorgesehen,  dass 
es  praktisch  wenig  wirksam  erscheint.  Abgesehen  davon  ist  auch 
eine  Kontrolle  des  Bleifarbenverbotes  praktisch  fast  unmöglich;  schon 
die  Definition  „Innenanstrich“  bietet  Schwierigkeiten,  auch  der  Nach¬ 
weis  der  Bleifreiheit  der  verwendeten  Farben  ist  schwierig,  eine 
Bleifreiheit  der  letzteren  wohl  gar  nicht  zu  erzielen.  Die  im  Prinzip 
begrüssenswerte  Deklarationspflicht  für  bleihaltige  Farben  hat  sich 
in  Oesterreich  aus  formellen  Gründen  bisher  nicht  bewährt.  Eine 
Zulassung  b  1  e  i  a  r  m  e  r  Farben  bis  etwa  1  Proz.  Bleigehalt  ist  aus 
Gründen  der  Kontrollschwierigkeiten  und  der  Arbeiterpsychologie 
nicht  zweckmässig;  denn  der  Arbeiter  schützt  sich  nur  ausgiebig, 
wenn  die  Gefahr  wirklich  erheblich  ist.  Uebrigens  würden  auch  bei 
Zulassung  bleiarmer  Farben  die  Bleierkrankungen  nur  hinaus- 
geschoben,  nicht  aber  beseitigt,  zumal  erfahrungsgemäss  manche 
Personen  schon  für  kleine  Bleimengen  empfindlich  sind.  Ausserdem 
darf  die  wirtschaftliche  Schädigung  der  Bleifarbenindustrie  durchaus 
nicht  übersehen  werden,  die  in  Deutschland  etwa  für  15  Millionen  . 
Mark  Werte  erzeugt,  abgesehen  von  der  Rückwirkung  auf  die  Blei¬ 
hüttenbetriebe  und  deren  Arbeiter.  Verf.  tritt  daher  auf  Grund  aller  ] 
bisherigen  Erfahrungen  zunächst  für  die  energische  Durchführung  der  j 
bestehenden  Schutzvorschriften  ein,  die  durch  persönliche  Prophylaxe 
entsprechend  vervollkommnet  werden  können;  das  wichtigste  Kampf¬ 
mittel  gegen  die  Bleigefahr  ist  die  persönliche  Reinlichkeit  und  ver-  j 
niinftige  Lebensführung.  — -  Auf  die  bemerkenswerte  Dissertation 
von  M.  Gnehm  (Zürich  1912):  Die  gesetzlichen  Schutz-  j 
massnahmen  gegen  die  gewerbliche  Bleivergif¬ 
tung  in  den  europäischen  Ländern  wurde  bereits  an 
anderer  Stelle  dieser  Wochenschrift  (No.  15,  S.  830)  verwiesen.  —  1 
Einen  Beitrag  zur  gewerblichen  Bleivergiftung  bringt  ferner  Alt¬ 
hoff  in  No.  10,  1913  dieser  Wochenschrift:  Ueber  2  Fälle  von 
schwerer  Bleivergiftung  in  der  Messingindus.trie. 

—  Einen  Beitrag  zur  Klinik  und  Toxikologie  der  j 
akuten  Bleivergiftung  veröffentlicht  O  r  t  n  e  r  in  der  Med. 
Klinik  No.  14,  1913.  Der  Fall  betraf  einen  Glasmaler,  welcher  am 
Arbeitsplatz  ass  (!)  und  dabei  versehentlich  sein  Butterbrot  in  die 
Bleifarbe  legte.  Im  Urin,  insbesondere  im  Blute  waren  reichliche 
Bleimengen  nachweisbar;  punktierte  Erythrozyten  waren  nach 
einigen  Tagen  reichlich  vorhanden,  dabei  bestand  starker  Ikterus. 

3  Wochen  nach  der  Entlassung  trat  ein  Rezidiv  auf  mit  neuem 
Ikterus.  —  Eine  Abhandlung  von  J.  R  a  m  b  o  u  s  e  k  in  „Der  Amtsarzt“  I 
1912,  No.  12  befasst  sich  mit  der  Frühdiagnose  und  Häufig- 


24.  Juni  1913 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


eien  und 
bedeutungs- 
immer  noch 


keit  der  Bleivergiftung  in  Buchdrucker 
1  r'iiV  ^  11  ^  t  c  n  Gewerben.  Die  für  die  Praxis 
volle  r ruhdiagnose  der  chronischen  Bleivergiftung  steht 
im  MUtelFiunkte  der  Diskussion.  Nach  Ansicht  des  Verf.  kann  nur 
um  ch  eine  lungere  Beobachtung  und  öftere  Untersuchung  eines  er¬ 
fahrenen  Arztes  eine  Sicherung  der  Diagnose  bei  beginnender  Blei¬ 
vergiftung  erzielt  werden,  da  die  einzelnen  Symptome  (Saum,  Auf- 
tieten  der  basophilen  Granulationen  in  den  roten  Blutzellen,  ver¬ 
minderte  Resistenz  der  letzteren  gegen  hämolytische  Agentien  u.  dgl.) 
gelegentlich  überhaupt  fehlen  können  oder  nicht  fiir  Blei  spezifisch 
sind.  Was  die  Häufigkeit  der  gewerblichen  Bleivergiftung  betrifft, 
so  weist  nach  englischen  und  böhmischen  Zählungen  (Tabellen)  die 
Buchdruckerei  samt  verwandten  Gewerben  relativ  günstige  Zahlen 
aut  wahrend  besonders  in  der  Keramindustrie,  für  welche  besondere 
f T ' .  zvorschriften  noch  nicht  bestehen,  Bleivergiftungen  ziemlich 
häufig  sind. 

Auf  die  neueren  K.  B.  Lehmann  sehen  Arbeiten  über  die 
Salpetei  säure  und  die  nitrosen  Gase  im  Archiv  für 
Hygiene,  Bd.  77  wurde  bereits  an  anderer  Stelle  dieser  Wochenschrift 
verwiesen  (No.  6,  S.  316).  Bd.  78,  6.  H.  des  Archivs  enthalten  die 
Ergebnisse  der  Versuche  mit  Amylazetat  und  Zyklohexa- 
nolazetat.  Die  Gefährlichkeit  der  beiden  letztgenannten  Körper 
ist  als  relativ  gering  zu  bezeichnen.  —  Ueber  Vergiftungen  mit 
Natriumnitrit  (NaNOz)  vergl.  Ref.  in  No.  10,  S.  551  dieser 
Wochenschrift. 

Beiträg e  zur  Schwefelkohlenstoff  -  und  Benzol¬ 
vergiftung  in  akuten  und  chronischen  Versuchen 
bringt  eine  aus  dem  Lehmann  sehen  Institut  stammende  Disser¬ 
tation  von  B.  L  u  i  g,  Würzburg  1913.  Die  Versuche  sollten  die 
früheren  einschlägigen  Arbeiten  von  Lehmann  (1892  und  1907) 
nach  einigen  Seiten  ergänzen  unter  besonderer  Beachtung  der  Blut¬ 
veränderungen.  Die  Ergebnisse  der  Schwefelkohlenstoff- 
versuche  zeigten,  dass  die  akute  Giftigkeit  bei  Konzentrationen  von 
20  mg  und  darüber,  selbst  bei  10  mg  pro  Liter  Luft  sehr  ausgesprochen 
ist  und  für  die  Katze  in  kurzer  Zeit  tödlich  wirkt,  während  das 
Kaninchen  resistenter  ist.  Bei  Mengen  von  4  mg  pro  Liter  blieben 
die  Tiere  am  Leben,  jedoch  zeigte  die  Katze  auch  hiebei  schon  Ver¬ 
giftungssymptome.  Bei  den  Sektionen  fanden  sich  jedesmal  Blutungen 
in  den  Lungen  und  Schleimhautdefekte  im  Magen,  was  wohl  auf  die 
E  i  n  Wirkung  des  im  Blute  kreisenden  giftigen  Gases  zurückgeführt 
weiden  kann.  Das  Blutbild  zeigte  keinerlei  spezifische  Verände¬ 
rungen,  selbst  nicht  nach  hochgiftigen  Dosen.  Diese  Ergebnisse 
wurden  auch  durch  die  chronischen  Versuche  bestätigt.  Alle 
Katzen  erlagen  bald  den  (durchschnittlich  8  Stunden  dauernden) 
CS:-Einatmungen,  während  das  Kontrollkaninchen  keinerlei  Symptome 
zeigte.  Der  Obduktions-  und  Blutbefund  stimmte  mit  den  obigen 
Ergebnissen  überein.  —  Von  Benzol  werden  im  akuten 
Versuch  viel  grössere  Mengen  vertragen,  indem  selbst  nach 
schwerer  Narkose  bei  120  mg  pro  Liter  Luft  noch  eine  Erholung 
des  Tieres  erfolgte.  Obduktions-  und  Blutbefund  waren  negativ. 
Auch  chronische  Inhalationen  werden  relativ  gut  vertragen, 
vyobei  das  Blutbild  gleichfalls  kaum  Veränderungen  zeigt.  Vielleicht 
liessen  sich  letztere  Beziehungen  besser  an  Benzolarbeitern  studieren. 
—  Eine  weitere  Dissertation  aus  dem  L  e  h  m  a  n  n  sehen  Institut  be¬ 
handelt  die  Wirkung  des  Benzylchlorids  und  Ben- 
zalchlorids  auf  den  tierischen  Organismus.  Von 
W.  W  o  1  f,  Würzburg  1912.  Beide  Körper  sind  als  heftige  Reizstoffe 
in  der  chemischen  Technik  berüchtigt:  sie  entstehen  durch  Ein¬ 
wirkung  von  Chlor  auf  siedendes  Toluol.  Die  Versuche  (an  Katzen, 
z.  T.  Kaninchen)  ergaben  beim  Benzylchlorid  heftige  Schlsim- 
hautreizungen,  die  bei  stärkeren  Dosen  (7,0  und  17,7  mg  per  Liter  Luft) 
baldigen  Tod  zur  Folge  hatten;  aber  auch  bei  niedrigen  Dosen  wurden 
die  Schleimhäute  der  Augen  und  der  Luftwege  für  mehrere  Tage 
schwer  geschädigt,  insbesondere  bei  wiederholter  Einatmung.  Be¬ 
einflussungen  des  Zentralnervensystems  waren  nicht  nachweisbar. 
Die  Reizwirkung  des  Benzalchlorids  erschien  etwas  geringer, 
doch  dürfte  es  geringe  zerebrale  Wirkungen  besitzen.  Bei  gleicher 
Konzentration  wirkt  das  Benzylchlorid  viel  giftiger  als  das  Chlor¬ 
benzol;  die  Reizwiikung  stimmt  annähernd  mit  der  der  Salzsäure 
überein,  welche  bei  Spaltung  des  Körpers  in  Salzsäure  und  Benzoe¬ 
säure  entsteht.  Beim  Menschen  wirken  bereits  minimale  Dosen  leb¬ 
haft  reizend  auf  die  Konjunktiva:  Dosen  von  1  mg  und  mehr  lassen 
auch  für  die  Luftwege  nach  kurzer  Zeit  schwere  Reizerscheinungen 
befürchten.  Ob  eine  „Gewöhnung“  stattfindet,  müssen  weitere  Ver¬ 
suche  zeigen. 

Die  Frage  der  Ausscheidung  des  Anilins  studierte 
eingehend  J.  Rambousek  (Sitzungsberichte  d.  Kais.  Akademie  d. 
Wissenschaften  in  Wien.  Mathem.-naturw.  Klasse;  Bd.  121,  Abt.  III, 
Mai  1912).  Auf  Grund  seiner  experimentellen  Untersuchungen  kam 
Verf.  zu  nachstehenden  Folgerungen:  Das  Anilin  wird  nach  Aufnahme 
in  jeder  Form  zu  ca.  1  Proz.  mit  der  Atmung  ausgeschieden;  diese 
Ausscheidung  erstreckt  sich  bei  einmaliger  Einverleibung  über  mehr 
als  24  Stunden;  die  exhalierte  Menge  nimmt  hiebei  allmählig  ab.  Die 
Ausscheidung  von  freiem  Anilin  im  Harn  erfolgt,  wenn  überhaupt, 
konstant  nur  in  Spuren.  Hingegen  geben  Azetanilid  und  Paramido- 
phenol  zur  Anilinausatmung  keine  Veranlassung.  Zu  folgern  ist  weiter, 
dass  Anilin  nach  der  Darreichung  länger  als  24  Stunden  im  Organis¬ 
mus  kreist  und  dass  die  Paramidophenolbildung  kein  reversibler 
Vorgang  ist.  Die  Experimente  wurden  in  der  Art  vorgenommen, 
dass  die  Tiere  tracheotomiert  wurden  und  durch  eine  mit  Müller- 
schem  Ventil  versehene  T-Kaniile  atmeten;  das  in  der  Ausatmungsluft 


1393 


enthaltene  Anilfn  wurde  beim  Passieren  der  mit  verdünnter  Säure 
beschickten  Vorlage  gebunden.  Zum  qualitativen  Nachweis  diente  die 
Chlorkalkprobe,  zum  quantitativen  die  Titration  mit  einer  Nitritlösung. 
Die  einschlägige  Literatur,  beginnend  mit  den  Untersuchungen  von 
Schmiedeberg  (1878)  wird  einleitend  kurz  erörtert.  Genaue 
Versuchsprotokolle  erhöhen  den  Wert  der  Arbeit.  —  Betr.  Anilin- 
Vergiftung  vergl.  auch  die  beiden  Referate  in  No.  13,  S.  717  dieser 
Wochenschr.  nach  Nederl.  Tijdschr.  f.  Geneesk.,  1912,  II. 

Eine  neuerliche  Abhandlung  von  Er.  Kanngiesser  befasst 
sich  mit  den  Phytonosen,  d.  h.  Erkrankungen  durch 
hautreizende  Pflanzen.  Oesterr.  Aerzte-Zeitung  X.,  3.,  1913 
Vert.  fuhrt  eine  grössere  Anzahl  von  Fällen  an,  in  denen  bei  der 
Gärtnerarbeit  Hautreizungen  hervorgerufen  wurden;  allerdings  be- 
ruhen  letztere  zu  einem  Teil  auf  Idiosynkrasien.  So  berichtet  Verf. 
(nach  Mitteilungen  von  Gärtnern,  z.  T.  nach  Literaturangaben)  über 
Schädigungen  durch  Rhus  toxicodendron  (Giftsumach)  und  Rhus  Co- 
tmus  (Perruckensumach).  durch  Herakleumarten  (Bärenklau),  Thapsia 
gargamca,  Angelica-  und  Pastinacaarten.  Auch  Narzissen  und  Cry- 
santhemen  können  gelegentlich  Ausschläge  hervorrufen;  gefürchtet 
sind  die  Entzündungen  durch  den  Stich  tropischer  Nesseln  (Lapor- 
teen).  Bei  der  Behandlung  von  Rosen  werden  häufig  Hautausschläge 
beobachtet,  entweder  als  Folge  von  Stachelverletzungen  oder  von 
Chemikalien,  mit  denen  die  Rosen  gegen  Pilzkrankheiten  (Mehltau) 
bespritzt  werden.  Verf.  schliesst  seine  interessanten  Mitteilungen  mit 
der  Bitte  an  die  Aerzte,  ihm  auch  einmal  ihre  praktischen  Erfah¬ 
rungen  bekannt  zu  geben,  da  er  bisher  meist  nur  von  Laien  Material 
erhielt.  —Eine  interessante  berufliche  Pilzvergiftung  durch 
Inhalation  von  Getreidestaub  (Dreschkrankheit)  wurde 
von  Dreisbach  in  No.  11,  S.  591  dieser  Wochenschrift  mitgeteilt. 

Ueber  die  Häufigkeit  des  gewerblichen  Milzbrandes 
hegen  nunmehr  die  amtlichen  Ergebnisse  des  Jahres  1911  vor  (Medi¬ 
zinalstatist.  Mitteilung,  aus  d.  Kais.  Gesundheitsamte,  Bd.  XVI).  Dem¬ 
nach  wurden  276  (im  Vorjahre  278)  Milzbrandfälle  insgesamt  mitge¬ 
teilt,  davon  bei  rund  95  Proz.  Hautmilzbrand.  Nachweisliche 
Berufsinfektionen  waren  257  Erkrankungen  mit  36  Todes¬ 
fällen;  sie  betrafen  Landwirtschaft  138  (mit  16  Todesfällen),  Fleisch¬ 
beschauer,  Abdecker,  Iierärzte  16  (1),  Fellhandlungen,  Gerbereien. 
Ledei  arbeiten  75  (10),  Borsten-  und  Tierhaareverwertung  19  (4), 
Güterbeförderung  7,  Getreidemühle  1  (1),  Laboratoriumsarbeit  1  Bei 
einer  Anzahl  weiterer  Personen  war  die  berufliche  Aetiologie  nicht 
völlig  geklärt.  Der  Bericht  bespricht  weiterhin  die  einzelnen  Ar¬ 
beitsverrichtungen,  welche  zur  Infektion  führten.  Besonders  bedenk¬ 
lich  erscheinen  die  Notschlachtungen.  Befallen  waren  hiebei  regel¬ 
mässig  die  Haut,  in  4  Fällen  innere  Organe  bei  gleichzeitiger  Haut- 
infektion.  Bei  94  Fällen  von  Hautmilzbrand  war  der  Sitz  an  den 
Händen  und  Armen  (Kontaktinfektion),  7  mal  am  Kopf  (Kratzinfektion) 
Beim  Handel  und  Bearbeitung  von  Fellen  bestanden  4  Fälle  von 
innerem  Milzbrand,  die  übrigen  Infektionen  erfolgten  am  Kopf  (30) 
Hals  (21),  oberen  Gliedmassen  (24),  sonstigen  Körper  (7).  Bei 
61,6  Proz.  lag  demnach  eine  Kopf-Hals-Infektion  vor,  die  eine  erhöhte 
Mortalität  zur  Folge  hatte.  Auf  den  Verkehr  mit  Tierhaaren  etc 
entfielen  19  Infektionen,  von  denen  mit  Sicherheit  keine  auf  in¬ 
ländisches  Material  zurückzuführen  war.  Bemerkenswert  ist  der  töd¬ 
liche  Milzbrand  bei  einem  Maschinenmonteur  durch  Staubinfektion 
aus  russischem  Getreide;  ähnliche  Infektionen  wurden  in  Hamburg 
bereits  wiederholt  beobachtet,  1902—06  bei  5  Arbeitern  mit  4  Todes¬ 
fällen  (2  mal  davon  Lungenmilzbrand).  Auch  andere  Beobachtungen 
lassen  es  gerechtfertigt  erscheinen,  den  Staub  von  russischem  Ge¬ 
treide  und  besonders  von  russischer  Gerste  als  milzbrandverdächtig 
anzusehen.  —  Betr.  Desinfektion  milzbrandhaltiger 
Häute  etc.  vergl.  den  grundlegenden  Aufsatz  im  Archiv  f.  Hygiene 
78  Bd.,  1913  von  V.  Gegenbauer  und  H.  Reichel,  ref  in  No  s' 
S.  429  dieser  Wochenschr.  —  Die  Einwirkung  des  Salva'r- 
sans  auf  Milzbrandbazillen  behandelt  O.  R  o  o  s  experi¬ 
mentell  und  kommt  dabei  zu  dem  Schlüsse,  dass  Salvarsan  als  Spe¬ 
zifikum  gegen  Anthrax  anzusprechen  ist.  Zeilschr.  f.  immunitäts- 
forschung  und  experimentelle  Therapie,  15.  Bd.,  6.  H..  ref.  in  No.  9. 
S.  481  dieser  Wochenschr.  —  Einen  besonderen  Hinweis  verdient  die' 
u?evnVon  Glyan  uncI  E.  C.  Lewis  im  Journal  of  Hygiene. 
Bd.  XII,  1912  über  die  Ermittelungvon  Milzbrandsporen 
‘  n  i»  *  ’..n,  dustriellem  Material.  Nach  einem  Referat  von 

R.  M  ii  1 1  e  r  im  Zentralblatt  f.  Gewerbehygiene,  H.  2,  1913  steht  hiefür 
die  Kulturmethode,  gewöhnlich  auf  Agarplatten,  und  die  Impfmethode 
am  Meerschweinchen  zur  Verfügung;  letztere  Methode  verdient  den 
Vorzug.  Etwa  15  g  der  verdächtigen  Materialien  werden  15  Minuten 
bei  75—80°  im  Wasserbad  extrahiert,  dann  2  Stunden  sedimentieren 
lassen  und  von  der  obenstehenden  Flüssigkeitsschicht  8  ccm  injiziert 
Falls  das  Tier  eingeht,  muss  nach  Obduktionsbefund,  mikroskopischem 
Bild  und  Kulturverfahren  die  Differentialdiagnose  zwischen  B.  oede- 
matis  maligni,  B.  enteritidis  sporogenes  und  B.  aerogenes  capsulatus 
gestellt  werden.  Ein  Milzbrandgehalt  des  Rohmaterials  wurde  in 
Liverpool  festgestellt  an  Häuten  und  Fellen  in  28,6  Proz.,  an  Wolle 
in  22,2  Proz.,  an  Haaren  in  20,6  Proz..  an  Knochen  in  7,1  Proz  der 
untersuchten  Fälle,  insgesamt  in  21,3  Proz.  Die  Zahl  der  Sporen  im 
untersuchten  Material  ist  anscheinend  nicht  gross,  etwa  5  Sporen  und 
mehr  auf  3  g  Material. 

Ein  Aufsatz  von  W.  Hanauer  beschäftigt  sich  mit  den 
Morbiditäts-  und  Mortalitätsverhältnissen  der 
Barbiere  und  Friseure.  Vergleiche  Conrads  »ahr- 
bücher  für  Nationalökonomie  und  Statistik,  III.  Folge  (1912) 

S.  213  flg.  Nach  einleitenden  Worten  über  die  Bedeutung  der 
berufhehen  Krankheitsstatistik  etc.  bemerkt  Verf.,  dass  die  Morbidität 


1394 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


der  Berliner  Barbiere  nach  Sommerfeld  ganz  erheblich  unter 
dem  Krankenkassendurchschnitt  blieb,  während  die  Krankheits¬ 
dauer  den  Durchschnitt  erreichte  bezw.  überschritt;  zu  ähnlichen  Er¬ 
gebnissen  gelangte  auch  Bleicher  nach  dem  Material  der  Frank¬ 
furter  Ortskrankenkasse  1896.  Verf.  selbst  bringt  neues  Berliner 
Material  bei,  aus  welchem  sich  eine  sehr  erhebliche  Zunahme  der 
Erkrankungsziffern  ergibt.  Am  häufigsten  waren  die  Erkrankungen 
der  Atmungs-  und  Verdauungsorgane,  dann  der  Knochen  und  Ge¬ 
lenke,  die  Infektionskrankheiten  und  Unfallsfolgen.  Die  Zahl  der 
Harn-  und  Geschlechtskrankheiten  hat  um  das  6  fache  zugenommen. 
Die  Sterblichkeit  galt  bisher  nach  mehrfachen  Berechnungen  als  über¬ 
durchschnittlich;  das  Berliner  Material  ergibt  günstigere  Resultate 
(6,3  8,7  auf  1000  Lebende  gegen  10,8  Kassendurchschnitt).  Als 
I  odesursachen  stehen  die  Erkrankungen  der  Atmungswege  an  1.  Stelle 
(Lungentuberkulose!).  Als  soziale  Ursachen  der  Morbiditäts-  und 
Mortalitätsziffern  führt  Verf.  an:  minderwertige  körperliche  Konsti¬ 
tution,  da  der  Beruf  vielfach  von  Schwächlingen  bevorzugt  wird, 
Mängel  der  Arbeitsräume,  lange  Arbeitszeiten  mit  unregelmässigen 
oder  mangelnden  Pausen,  unzureichende  Ernährung  der  beim  Arbeit¬ 
geber  in  Kost  stehenden  jugendlichen  Gehilfen,  ausserordentlich 
mangelhafte  Unterkunftsverhältnisse.  Die  hohe  Zahl  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  scheint  durch  die  grobsinnliche  Barbierstubenunterhaltung 
und  sonstige  Berufseigentümlichkeiten  begünstigt,  nicht  zuletzt  durch 
die  berufliche  Behinderung,  rechtzeitig  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch 
zu  nehmen;  gelegentlich  wird  auch  selbst  gepfuscht.  Das  Wohnen 
beim  Meister  erschwert  die  rechtzeitige  ärztliche  Behandlung.  Diese 
verschiedenen  Missstände  rechtfertigen  eine  behördliche  Regelung  und 
deren  Kontrolle  durch  die  Gewerbeaufsichtsbeamten.  Bisher  war 
allerdings  nur  der  Schutz  des  Publikums  gegen  Krankheitsüber¬ 
tragung.  nicht  der  Gesundheitsschutz  der  Barbiere  etc.  selbst  Gegen¬ 
stand  behördlicher  Massnahmen.  Durch  überlegte  Berufswahl  wären 
schwächliche,  besonders  brustschwache  Jugendliche  vom  Barbier¬ 
berufe  fernzuhalten. 

Ueber  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  in  der 
Stein  iridustrie  liegt  ein  eingehender  Sonderbericht  des  badi¬ 
schen  Gewerbearztes  Dr.  Holtzmann  vor  (Karlsruhe  1913, 
F.  G  u  t  s  c  h).  Verf.  trennt  sein  Material  nach  Gesteinsarten,  von  der 
richtigen  Voraussetzung  ausgehend,  dass  sich  die  verschiedenen  Stein¬ 
sorten  bei  der  Bearbeitung  verschieden  verhalten  bezgl.  Staubbildung 
und  Staubform,  Art  und  Schwere  der  Bearbeitung  etc.  In  der  S  a  n  d- 
steingegend  trafen  von  175  Krankheitsfällen  einer  Kasse  118 
auf  die  Steinarbeiter  gegen  57  auf  die  sonstigen  Berufe;  19  Proz. 
der  Kiankheiten  der  Atmungsorgane  treffen  auf  die  Steinarbeiter, 
nur  2,2  Proz.  auf  die  übrigen  Berufe.  Bei  einer  Ortskrankenkasse 
waren  29,3  Proz.  sämtlicher  Erkrankten  lungenleidend,  bei  einer 
anderen  27,2  Pioz.  ln  84  Proz.  der  Fälle  war  Lungentuberkulose  die 
1  odesursache.  ln  ganz  Baden  starben  i.  J.  1910  von  je  1000  Lebenden 
1.65  an  Lungentuberkulose,  in  einer  Steinhauergegend  3,4.  in  einem 
Zentrum  der  Sandsteinindustrie  6,1  auf  1000  Lebende.  'Aehnliche 
Beispiele  finden  sich  mehrfach  angegeben  und  durch  eingehende 
tabellarische  Zusammenstellungen  belegt.  Das  Durchschnittsalter  der 
verstorbenen  Steinhauer  betrug  40  Jahre  und  bleibt  damit  weit  hinter 
dem  der  anderen  Berufe  zurück.  Auch  in  der  Granitindustrie 
sind  Erkrankungen  der  Luftwege  und  besonders  Tuberkulose  häufig, 
\v  ährend  die  Mortalitätsstatistik  eine  besondere  Häufigkeit  nicht  er¬ 
kennen  lässt.  Unter  den  Porphyr-  und  Phonolitharbei- 
t.ern  ist  die  Zahl  der  Tuberkulosefälle  sehr  klein,  bedingt  durch 
aie  Art  der  Arbeit.  Bei  den  Kalksteinarbeitern  ist  bisher 
die  Lungentuberkulose  kaum  bekannt,  vielleicht  als  Folge  der  Ver¬ 
besserung  der  Wohnungs-  und  Ernährungsbedingungen  bezw.  der 
nebenbei  betriebenen  landwirtschaftlichen  Beschäftigung.  Ausserdem 
kommen  in  der  gesamten  Steinindustrie  Rheumatosen  und  Ver¬ 
ätzungen  relativ  häufig  vor.  Als  Ursache  der  Tuberkulosehäufigkeit 
bezeichnet  \erf.  hauptsächlich  die  erbliche  Belastung  in  Verbindung 
mit  der  Staubarbeit;  daher  die  Durchseuchung  jener  Gegenden,  in 
welchen  die  Steinindustrie  seit  Generationen  zu  Hause  ist,  während 
die  Gegenden  mit  jüngerer  Steinidustrie.  mit  bisher  vorwiegend 
landwirtschaftlicher  Bevölkerung,  noch  relativ  wenig  durchseucht 
sind  und  dort  die  kommenden  Generationen  gefährdeter  erscheinen 
Vielleicht  kommt  auch  dem  häufig  festzustellenden  Alkoholmissbrauch 
eine  begünstigende  Wirkung  zu.  Im  mikroskopischen  Bilde  erscheint 
der  Granitstaub  am  bedenklichsten,  doch  sind  die  Unterschiede  zwi¬ 
schen  den  einzelnen  Staubarten  nicht  sehr  erheblich.  Zwecks  Ver¬ 
hütung  der  Lungentuberkulose  in  der  Steinindustrie  dürfte  sich  zu¬ 
nächst  die  genaue  Befolgung  der  erlassenen  Sondervorschriften  vom 
20.  111.  1912  betr.  Einrichtung  und  Betrieb  von  Steinbrüchen  und 
Steinhauereien  empfehlen.  Dem  „Besprengen“  ist  noch  mehr  Auf¬ 
merksamkeit  zuzuwenden.  Die  Bedeutung  der  freien  Nasenatmung, 
Reinlichkeitspflege,  Spuckverbot  etc.  müssen  durch  eifrige  Belehrung 
dem  Arbeiter  geläufig  gemacht  werden.  Grosser  Wert  dürfte  den 
ärztlichen  Aufnahme-  und  Zwischenuntersuchungen  zukommen.  Der- 
<n  tige  Massnahmen  dürften  nicht  nur  die  gesundheitlichen  Verhältnisse 
auf  bessern,  sondein  auch  damit  einem  stellenweise  auftretenden 
Lehrlingsmangel  abhelfen,  nachdem  sich  die  jungen  Burschen  aus 
rurcht  vor  der  als  unvermeidbar  geltenden  „Steinhauerkrankheit“ 
vielfach  anderen  Berufen  zuwenden.  —  Beziigl.  des  Einflusses 
der  Erwerbs  -  und  Arbeitsverhältnisse  der  Tabak¬ 
arbeiter  a  uf  ihre  Gesundheit  vergl.  die  Arbeit  von  Thiele 
^  ierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Medizin  u.  ö.  Sanitätswesen 
1913,  H.  1. 

Einen  sehr  eingehenden  Beitrag  zu  den  Gesundheits¬ 
verhältnissen  in  Glashütten  bringt  W  i  1 1  g  e  n  in  Con- 


cordia  1913,  H.  6.  Zwar  wäre  gegen  die  morbiditätsstatistischen 
Aufstellungen  vom  medizinischen  Standpunkte  aus  manches  einzu¬ 
wenden,  was  teils  in  dem  Urmaterial,  teils  in  dessen  Bearbeitung 
durch  Laienhände  begründet  ist;  immerhin  ist  die  Mühe  des  Verfassers 
anerkennenswert.  Im  allgemeinen  sind  die  gesundheitlichen  Verhält¬ 
nisse  der  deutschen  Flaschenglasmacher  keineswegs  als  ungünstig  zu 
bezeichnen.  Die  durchschnittliche  Summe  der  Krankheitstage  ist  er¬ 
heblich  geringer  als  bei  anderen  Berufen,  die  Erkrankungen  sind 
demnach  von  kürzerer  Dauer.  Die  Zahl  der  älteren  Glasmacher  hat 
sich  deutlich  vermehrt.  Ein  Vergleich  mit  dem  von  Hauck  s.  Z. 
gewonnenen  Material  aus  österreichischen  Glashütten  ergibt  für 
Deutschland  wesentlich  günstigere  Ziffern.  Beachtenswert  sind  die 
Angaben  über  die  Unterschiede  zwischen  den  deutschen  und  den 
österreichischen  Spezial-Schutzbestimmungen  und  insbesondere  über 
die  technischen  Schutzeinrichtungen.  Dem  Hitzeschutz  dienen  (ab¬ 
gesehen  von  der  ganzen  Bauanlage)  Luftschächte  vor  den  Ofen- 
öffnungen,  Eisen-  oder  Asbestschirme,  die  sich  z.  T.  automatisch  beim 
Hingange  zum  Ofen  öffnen,  Luftkühlanlagen  mit  Luftzuleitung  zu  den 
Arbeitsplätzen  etc.  Der  Augenschutz  wird  durch  Blenden  und  feste, 
vor  dem  Ofenloch  befindliche  Farbglasschirme  erzielt,  da  Brillen 
wegen  des  Heisswerdens  und  Anlaufens  nicht  gerne  getragen  werden. 
Zwecks  Abkühlung  der  Pfeifen  werden  dem  Arbeiter  Sätze  von  12  bis 
20  Pfeifen  in  Drehgestellen  zur  Verfügung  gestellt,  zum  Abtragen  der 
fertigen  Flaschen  in  die  Kühlöfen  sind  besondere  maschinelle  Ein¬ 
richtungen  geschaffen  worden.  Alkoholmissbrauch  wird  durch  Ver¬ 
abreichung  von  Ersatzgetränken  und  strenge  Kontrolle  verhütet.  Ein 
grosser  Fortschritt  wurde  durch  Einführung  der  Flaschenblas- 
maschinen  (Severin,  Owens)  erreicht,  wobei  allerdings  viele 
Glasbläser  entbehrlich  werden;  doch  ist  ein  völliges  Verdrängen  der 
Handarbeit  durch  die  Maschine  vorerst  nicht  zu  befürchten.  Auch  die 
Feuerungen  sind  heutzutage  wesentlich  hygienischer  (Drehrostregene¬ 
ratoren.  Kugelverschlüsse  für  die  Schürstange  etc.).  Zwecks  Staub¬ 
verhütung  wird  das  Schmelzgut  in  abgeschlossenen  Mahl-  und  Trans¬ 
porteinrichtungen  befördert  und  mechanisch  dem  Ofen  zugeführt.  Die 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  sind  nicht  ungünstig,  was  auch  in  der 
guten  körperlichen  Entwicklung  der  Nachkommenschaft  zum  Aus¬ 
druck  kommt.  —  Weiterhin  sei  auf  die  eingehende  Arbeit  von  Ley- 
m  a  n  n  im  Zentralblatt  für  Gewerbehygiene  No.  3,  1913  aufmerksam 
gemacht:  Die  Gesundheitsverhältnisse  der  Arbeiter 
der  keramischen  Industrie,  bearbeitet  nach  amtlichem 
Material.  Verf.  bemerkt  zunächst,  dass  von  älteren  Autoren  die 
Gesundheitsverhältnisse  der  Keramarbeiter  ziemlich  ungünstig  be¬ 
urteilt  wurden,  dass  insbesondere  die  Blei-  und  Tuberkulosegefahr 
als  sehr  erheblich  bezeichnet  wurde.  Infolgedessen  veranlasste  das 
Reichsamt  des  Innern  im  Jahre  1904  einschlägige  Erhebungen  der 
Gewerbeaufsichtsbeamten  bei  den  zuständigen  Betriebs-  und  Orts¬ 
krankenkassen.  Die  gewonnenen  Materialien  wurden  im  Kais.  Statist. 
Amte  bearbeitet.  Dabei  ergab  sich,  dass  die  durchschnittlichen  Er¬ 
krankungszahlen  für  die  keramische  Industrie  im  Verhältnis  zur 
Reichsstatistik  ziemlich  niedrig  sind,  dass  insbesondere  auch  die  Er¬ 
krankungen  der  Atmungsorgane  nicht  häufiger  Vorkommen  als  in  an¬ 
deren  Berufen.  Die  Frage,  ob  die  früher  festgestellte  hohe  Tuber- 
kulosesterblichkeit  der  Porzellanarbeiter  u.  dgl.  durch  spezifische  Be¬ 
rufsschäden  (Staub)  oder  nur  durch  die  ungünstige  Lebensführung  etc. 
bedingt  ist,  ist  z.  Z.  noch  als  eine  offene  anzusehen.  Augenblicklich 
sind  hierüber  noch  neue  Erhebungen  im  Gange.  Bleivergif¬ 
tungen  wurden  jährlich  etwa  88  auf  66  000  Arbeiter  (=  0,13  Proz.l 
bekannt.  Am  meisten  sind  die  Töpfer  befallen;  andererseits 
kommen  bei  Verwendung  von  Bleierzglasuren  Vergiftungen  regel¬ 
mässig  nicht  zur  Beobachtung.  Nach  den  Erhebungen  des  Verbandes 
keramischer  Gewerke  traf  i.  J.  1911  durchschnittlich  auf  je  100  Gla- 
sierer  1  Bleivergiftung. 

Eine  Sondererhebung  über  Betriebe,  in  denen  Gegen¬ 
stände  verzinkt,  verzinnt  und  verbleit  werden,  ist 
dem  Bericht  des  bayer.  Landesgewerbearztes  beigegeben  (München 
1913,  Th.  Ackermann).  In  34  einschlägigen  Betrieben  wurden 
353  Arbeiter  persönlich  untersucht.  Hiebei  wurde  bei  den  Beizern 
neben  charakteristischen  Hautveränderungen  (Gelbfärbung,  Gerbung, 
Hyperhydrosis)  besonders  Säurenekrosen  der  vorderen  Zähne  fest¬ 
gestellt.  Die  Verzinker  klagten  gelegentlich  über  giessfieber¬ 
ähnliche  Erscheinungen;  8  Arbeiter  wiesen  einen  Bleisaum  auf.  Bei 
den  Verzinnern  wurden  bemerkenswerte  Symptome  nicht  festge¬ 
stellt;  hingegen  hatten  von  den  (151)  Verbleiern  bisher  82,  also 
mehr  als  die  Hälfte,  frühere  Bleierkrankungen  durchgemacht,  93  der 
Untersuchten  klagten  augenblicklich  über  verschiedene  Beschwerden, 
die  z.  T.  auf  die  Bleiarbeit  zurückgeführt  werden  können  (82  zeigten 
Anämie,  113  Bleisaum  u.  dgl.  Aehnlicher  Befund  wurde  auch  bei  den 
(44)  Verbleiertaglöhnern  erhoben  (22  mit  Anämie,  19  mit  Bleisaum  etc.). 
Von  69  untersuchten  Arbeitern  zeigten  20  Blutdruckwerte  von  120 
bis  140,  5  Werte  über  150  mm  Hg.  Verf.  kommt  zu  nachstehenden 
Schlussfolgerungen:  Die  in  den  Verzinkereien  und  Verzinnereien  ein¬ 
schliesslich  der  Beizereien  beobachteten  gesundheitlichen  Beeinträch¬ 
tigungen  sind  als  bedenklich  nicht  zu  bezeichnen  und  können  durch 
entsprechende  lokale  Massnahmen  (Abzug  der  Dämpfe,  Ventila¬ 
toren  etc.)  leicht  behoben  werden.  Insbesondere  sind  Bleischäden  bei 
den  in  Bayern  üblichen  Arbeitsmethoden  (im  Vergleich  z.  B.  zu 
England)  unter  Verwendung  reiner  Metalle  nicht  beobachtet  worden. 
Der  Erlass  genereller  Schutzvorschriften  ist  nicht  erforderlich.  Hin¬ 
gegen  ist  die  Tätigkeit  der  Verbleier  und  Bleilöter  als  hygienisch 
bedenklich  zu  bezeichnen  und  bedarf  entsprechender  Schutzmass¬ 
nahmen  im  Sinne  der  bereits  mehrfach  für  sonstige  Bleiarbeiter  be¬ 
stehenden  Sonderverordnungen.  Diese  haben  sich  mit  entsprechenden 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1395 


Erleichterungen  auch  auf  die  Verbleierhilfsarbeiter  sowie  auf  jene 
Arbeuer  zu  erstrecken,  welche  Gegenstände  mit  hochprozentigen 
Bleilegierungen  uberziehen. 

Lieber  die  Krankheitsverhältnisse  in  der  chemi- 
sctien  Industrie  liegt  eine  neue  Zusammenstellung  (1911)  von 
m  -  m!Uriia  n  ü  vo,r '  *n  der  Zeitschrift  „Die  chemische  Industrie“ 
No.  o,  1913  abgedruckt  ist.  Insgesamt  haben  90  Firmen  Material  bei¬ 
gesteuert,  wahrend  allerdings  noch  ein  grösserer  Teil  von  Betrieben, 
so  insbesondere  die  Bleiweissindustrie,  sich  fernhält;  von  233  248  der 
Berufsgenossenschaft  unterstellten  Vollarbeitern  konnten  etwa  23Proz. 
m  *  v-  V0J‘ie£eilde  Statistik  einbezogen  werden.  Es  wurden  nur  die 
mit  Krankmeldung  einhergegangenen  Krankheitsfälle  berücksichtigt. 
Zunächst  ist  festzustellen,  dass  die  Krankheitsfälle  etwas  zugenommen 
haben  gegenüber  den  Vorjahren,  dass  hingegen  die  Krankheitstage 
sich  vermindert  haben.  Schuld  an  der  (geringen)  Zunahme  der 
Krankheitshaufigkeit  tragen  besonders  die  weiblichen  Arbeiter,  auch 
dm  „chemischen  Arbeiter"  erheben  sich  etwas  über  den  Durchschnitt, 
wahrend  die  Handwerker  etwas  darunter  bleiben.  Fast  die  Hälfte 
?!  tue  i  ranku,2?en  betrifft  die  Atmungs-  und  Verdauungsorgane  und 
Untalltolgen.  Die  Atmungswege  sind  besonders  bei  den  Arbeitern  in 
anorganischen  Beti  ieben  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Einen  relativ 
geringen  Anteil  nehmen  die  Hauterkrankungen  und  die  gewerblichen 
y^iftun,gen  ein,  insgesamt  109  Fälle  von  Intoxikationen  und 
163  Hautleiden  bei  ca.  53  000  Arbeitern. 

Die  Ge  fahren  bei  der  Herstellung  gummierter 
Gewebe  bespricht  Piperschke  im  Zentralbl.  f.  Gewerbehygiene 
I.,  1.,  1913.  Hiebei  wird  Kautschuk  in  Benzin  aufgelöst  und  die 
Lösung  in  dünner  Schicht  auf  das  betreffende  Gewebe  aufgestrichen  ■ 
das  Lösungsmittel  verdunstet,  die  Gummimasse  bleibt  auf  dem  Ge¬ 
webe  haften.  Die  Herstellung  erfolgt  auf  besonderen  Streich- 
maschmen.  Gefährdungen  können  erfolgen  zunächst  durch  Benzin¬ 
explosionen  bezw.  Brände  (hervorgerufen  durch  offene  Wärmequellen 
oder  Reibungselektrizität  mit  Funkenbildung),  dann  durch  Einatmung 
der  Benzin-  bezw.  Benzoldämpfe.  Letztere  müssen  daher  möglichst 
vollständig  abgesaugt  werden,  wobei  durch  Kondensation  ein  Teil 
des  verdampften  Benzins  (die  Hälfte  bis  zwei  Drittel)  wieder  ge¬ 
wonnen  werden  kann.  Die  Anlage  macht  sich  daher  bald  bezahlt. 
Ausserdem  müssen  auch  die  Misch-  und  Aufbewahrungsgefässe  für 
die  Gummilösung  feuersicher  konstruiert  und  aufbewahrt  werden, 
ev.  in  gesonderten  Räumen  unter  Abzug  der  Dämpfe.  Löschvorrich¬ 
tungen  sind  in  ausreichendem  Masse  bereitzustellen.  Die  elektrische 
Funkenbildung  an  den  Streichmaschinen  muss  durch  Anbringung 
metallener  Spitzenkämme  und  durch  sorgfältige  Erdung  der  Ma¬ 
schinen  verhütet  werden. 

Die  Anzeigepflicht  von  Berufskrankheiten  er¬ 
örtert  Fr.  Curschmann  im  Zentralbl.  f.  Gewerbehygiene,  I,  2.  H. 
Verf.  erwähnt  zunächst  die  (in  Bayern  bereits  eingeführte)  Meldung 
durch  die  Krankenkassen  und  deren  Bedeutung  für  die  Gewerbepatho- 
ogie  und  bezeichnet  es  als  wünschenswert,  an  Hand  eines  einheit¬ 
lichen  Fragebogens  (Muster)  einschlägiges  Material  zu  sammeln; 
gleichzeitig  fasst  er  die  wichtigsten  Tatsachen  über  die  Aetiologie, 
Symptomatologie  und  Diagnostik  etc.  der  gewerblichen  Blei-,  Phos¬ 
phor-,  Arsen-  und  Quecksilbervergiftung  in  Form  eines  Merkblattes 
zusammen.  —  In  umfassenderer  Weise  erfolgte  dies  in  einer  Arbeit 
von  H.  Krauss  in  der  Aerztlichen  Rundschau  No.  8/9,  1913:  Ge¬ 
werbekrankheiten.  Die  Ausführungen  behandeln  die  in 
Bayern  anzeigepflichtigen  gewerblichen  Erkrankungen  inkl.  der 
Schädigungen  durch  Amylazetat  und  Elektrizität  und  verdienen  daher 
besonders  bei  den  bayerischen  Aerzten  Beachtung. 

Eine  eingehende  Studie  von  F.  Curschmann  befasst  sich  mit 
dem  Probleme  der  Versicherung  gegen  Berufserkran¬ 
kungen  in  Deutschland  und  im  Auslande.  (Zeitschr.  f.  d. 
ges.  Versicherungswissenschaft,  XIII,  1913.  Verf.  bemerkt  einleitend, 
dass  verwunderlicherweise  die  Berufsschäden  (mit  Ausnahme  der 
Unfälle)  bisher  noch  nicht  einer  gesetzlichen  Entschädigungspflicht 
unterliegen.  Schuld  hieran  sind  besonders  die  Schwierigkeiten  bei 
der  Abgrenzung  des  Begriffes  Berufskrankheit.  Während  die  Erkran¬ 
kung  als  solche  vielfach  nicht  charakteristisch  ist,  lässt  sich  wohl 
die  Aetiologie  meist  klarstellen.  Neue  Schwierigkeiten  entstehen  be¬ 
züglich  der  Frühdiagnose  und  des  Beginnes  der  Erkrankung.  Nach 
der  RVO.  ist  der  Bundesrat  ermächtigt,  durch  Sondervorschriften  die 
Unfallversicherung  auf  bestimmte  gewerbliche  Berufskrankheiten  aus¬ 
zudehnen.  Auch  in  Oesterreich  wurde  bisher  von  einer  allgemeinen 
Einbeziehung  der  Berufskrankheiten  in  die  Sozialversicherung  noch 
abgesehen,  vielmehr  sollen  nur  Vergiftungen  durch  Blei,  Quecksilber 
und  Phosphor,  wenn  sie  in  einem  unfallversicherungspflichtigen  Be¬ 
triebe  auf  die  berufliche  Beschäftigung  zurückzuführen  sind,  den  Un¬ 
fällen  gleichgehalten  werden.  Einen  Schritt  weiter  ging  Ungarn,  in¬ 
dem  es  eine  Liste  gewerblicher  Erkrankungen  aufstellte,  die  gleich 
Unfällen  entschädigt  werden  sollen.  England  hat  eine  Liste  von  zur¬ 
zeit  24  Erkrankungen  aufgestellt,  die  entschädigungspflichtig  sind, 
wenn  sie  durch  bestimmte,  in  der  Liste  ebenfalls  verzeichnete  Ar¬ 
beitsprozesse  hervorgerufen  wurden.  In  Frankreich  sind  die  Berufs¬ 
erkrankungen  auf  Grund  des  bürgerlichen  Rechtes  dann  zu  entschädi¬ 
gen.  wenn  ein  Verschulden  des  Arbeitgebers  bei  ihrer  Entstehung 
nachgewiesen  wird.  Ein  Regierungsentwurf  sieht  eine  besondere  Für¬ 
sorge  für  Berufskranke  vor.  der  dem  englischen  Gesetz  ähnelt.  In 
der  Schweiz  wurde  neuerdings  eine  Liste  von  34  Stoffen  (inkl.  Infek¬ 
tionen)  aufgestellt,  „deren  Verwendung,  Entstehung  oder  Vorkommen 
den  Betrieb  als  einen  solchen  stempeln  sollen,  in  dem  gefährliche  Er¬ 
krankungen  erwiesenermassen  erzeugt  werden“.  Weitere  Aus¬ 
führungen  des  Verf.  ergehen  sich  in  einer  Kritik  der  einzelnen  Vor¬ 


schriften  bzw.  Entwürfe  und  ihrer  Durchführung  in  der  Praxis.  Ins¬ 
besondere  hebt  Verf.  die  diagnostischen  Schwierigkeiten  hervor,  die 
an  die  beteiligten  Aerzte  hohe  Anforderungen  stellen.  Eine  ent¬ 
sprechende  Ausbildung  der  Aerzte  ist  daher  die  grundlegende  Vor¬ 
bedingung. 

Ein  Aufsatz  des  Archivs  für  soziale  Hygiene,  VIII,  H.  1,  1913 
befasst  sich  mit  dem  Ergebnis  der  Lehrlingsunter¬ 
suchungen  im  Gremium  der  Wiener  Kaufmann- 
schaff.  Von  L.  Neumann,  Nachdem  bereits  im  Vorjahre  mit 
günstigem  Erfolg  ein  hygienischer  Unterricht  in  den  kaufmännischen 
Fortbildungsschulen  eingeführt  worden  war  (10  Stunden),  soll  nun- 
mehr  in  den  2.  Klassen  ein  vorläufig  2  ständiger  Wiederholungskurs 
mit  Lichtbildern  (für  die  Austretenden  auch  über  die  Sexual¬ 
beziehungen)  eingeführt  werden.  Gleichzeitig  wurden  sämtliche  neu- 
eintretende  Lehrlinge  ärztlich  untersucht,  insgesamt  2763.  Hiebei  fand 
sich  nur  bei  38,7  Proz.  ein  guter  Ernährungszustand,  bei  16  Proz.  ein 
direkt  schlechter;  auch  die  Ergebnisse  beziigl.  des  Gewichtes  und 
der  Körpergrösse  waren  nicht  befriedigend.  Erschreckend  waren  die 
Beobachtungen  über  Zahnkaries;  10/u  aller  Untersuchten  hatten 
schlechte  Zähne.  Bei  22,8  Proz.  wurde  Anämie,  bei  11  Proz.  Tuber¬ 
kulose  festgestellt,  bei  weiteren  7  Proz.  Tuberkuloseverdacht.  3  Proz. 
wiesen  Herzfehler,  11,7  Proz.  Sehstörungen  auf.  Allerdings  kommt  in 
Betracht,  dass  sich  im  Handelsgewerbe  gerade  die  schwächeren  Ele¬ 
mente  zusammendrängen,  während  z.  B.  die  Zahlen  bei  Handwerks¬ 
lehrlingen  (Metzger,  Schlosser,  Schreiner  etc.)  wesentlich  günstiger 
sind.  Prophylaktisch  wurde  zunächst  für  die  besonders  gefährdeten 
Lehrlinge  eine  ärztliche  Ueberwachung  mit  periodischen  Unter¬ 
suchungen  durchgeführt  mit  event.  Ueberweisung  in  eine  Heilanstalt, 
auch  eine  besondere  Fürsorgestelle  soll  für  diese  Ueberwachungs- 
schüler  eingerichtet  werden.  Die  weitere  Fürsorge  erstreckt  sich  vor¬ 
erst  auf  die  Berufswahl  und  Zahnpflege. 

Die  Notwendigkeit  der  Fürsorge  bei  der  Berufswahl 
mitRücksichtauf  die  Tuberkulose  betonte  jüngst  L.  T  e  - 
leky  in  der  Wiener  klin.  Wochenschr.  1913,  No.  11.  Vergl.  das 
kurze  Referat  in  No.  12  (S.  662)  dieser  Wochenschrift.  —  Einschlägig 
wäre  hier  auch  ein  Aufsatz  von  Th.  Sommerfeld  in  der  Zeit¬ 
schrift  Hygiene  1912,  No.  14/15  über  die  Berufswahl. 

Die  Bedeutung  der  Sonntagsruhe  hebt  B.  L  a  q  u  e  r  in  einem  Auf¬ 
satz  des  Archivs  f.  soziale  Hygiene,  VIII,  1.  H..  1913  hervor:  Sonn¬ 
tagsruhe  und  soziale  Hygiene.  Nach  einer  kurzen  histo¬ 
rischen  Uebersicht  betont  Verf.,  dass  die  Sonntagsruhe  bei  uns  immer 
noch  nicht  den  idealen  Zwecken  dient,  für  die  sie  aus  religiösen,  wirt¬ 
schaftlichen  und  ärztlichen  Gründen  zu  dienen  bestimmt  ist.  Ins¬ 
besondere  ist  es  der  Alkoholismus,  welcher  Gewalttätigkeiten,  ver¬ 
minderte  Leistungsfähigkeit.  Erhöhung  der  Unfallziffern,  hohe  Mor¬ 
bidität  etc.  zur  Folge  hat.  Mit  einer  Erweiterung  der  im  Interesse  der 
Erholung  unentbehrlichen  Sonntagsruhe  muss  daher  eine  Reduktion 
der  Alkoholquellen  einhergehen,  gleichzeitig  mit  einer  Verteuerung 
der  Spirituosen  und  erweiterten  Gelegenheit  zu  edlen  Vergnügungen, 
billige  Theater  und  Vorträge,  Sport,  Ausflügen  etc. 

Eine  längere,  sehr  interessante  Abhandlung  über  Reformen 
im  Fabrikbetrieb  von  E.  Kätscher  bringt  die  Sozialtechnik 
in  den  Hefter.  20/21,  1912  und  5/6,  1913.  Verf.  zeigt  an  Musterbei¬ 
spielen.  welche  neben  deutschen  Grossbetrieben  hauptsächlich  der 
englischen  und  amerikanischen  Industrie  entnommen  sind,  in  wie 
mannigfacher  und  teilweise  genialer  Weise  die  Arbeitslust  und  Ar¬ 
beitsintensität  gehoben  wird,  welch  ausgezeichnete  Fürsorge  von 
manchen  Betrieben  getroffen  wurde  zwecks  gesundheitlicher  und  kul¬ 
tureller  Förderung  der  beschäftigten  Arbeitermassen.  Die  Abhand¬ 
lung  kann  allen  Sozialhygienikern  zur  Lektüre  warm  empfohlen 
werden. 

Mit  15.  April  wurde  in  München  die  gewerbehygie¬ 
nische  Sammlung  des  Kgl.  bayer.  Arbeitermuseums 
dem  allgemeinen  Besuche  freigegeben.  Die  Sammlung  will  die  ge¬ 
werblichen  Gesundheitsschädigungen  —  soweit  möglich  —  nach  Art, 
Umfang,  Wirkung  und  Verhütung  zur  Darstellung  bringen.  In  mehr 
als  J  jähriger  Sammeltätigkeit  ist  es  dem  Ref.  gelungen,  eine  an¬ 
sehnliche  Menge  geeigneter  Objekte  zu  erwerben,  so  dass  die  neue 
Münchener  Sammlung  bis  jetzt  zweifellos  die  umfangreichste  und  voll¬ 
kommenste  aller  ähnlichen  Institute  darstellt.  Ob  sie  allerdings  bei 
der  dermaligen  finanziellen  und  insbesondere  räumlichen  Beschrän¬ 
kung  auf  die  Dauer  diesen  erfreulichen  Vorsprung  zu  behalten  vermag, 
bleibt  zunächst  fraglich;  hat  doch  beispielsweise  jüngst  erst  die  Klinik 
für  Arbeiterkrankheiten  in  Mailand  eine  Schenkung  von  10  000  Lire 
erhalten,  um  damit  eine  gewerbehygienische  Schausammlung  einzu¬ 
richten.  Mögen  sich  auch  bei  uns  bald  derartige  Mäzene  finden. 


Neueste  Journaliteratur. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  No.  17—22,  1913. 

-P  O.  Roth:  Zur  Kenntnis  der  Nitrobenzolvergiftung. 
(Med.  Klinik  Zürich.) 

...  ,  Di?,  42 jährige  Pat.  trank  als  Abortivmittel  einen  Kinderlöffel 
Mirbanöl. _  Symptome  der  Nitrobenzolvergiftung.  Heilung.  Met- 
hämoglobinbildung  ohne  mikroskopisch  erkennbare  Veränderungen 
der  Erythrozytenstruktur.  Es  kann  demnach  zur  Methämoglobinbil- 
dung  kommen,  ohne  dass  Hämoglobin  ins  Serum  ausgetreten  ist. 
Trotz  des  Fehlens  der  intravaskulären  Hämolyse  ist  aber,  wie  aus 
dem  vermehrten  Gallenfarbstoffgehalt  des  Blutserums,  der  Urobilin- 
urie,  der  schon  am  Tage  nach  der  Vergiftung  auftretenden  Verminde¬ 
rung  des  Hämoglobingehalts  und  der  Erythrozytenzahl  hervorgeht. 


1396  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


eine  vermehrte  Zerstörung  der  Erythrozyten  zustande  gekommen, 
wohl  infolge  Hyperfunktion  der  blutzerstörenden  Organe. 

2)  W.  Lang:  Leber  das  Vorkommen  säurefester  Stäbchen  im 
Blute.  (Med.  Klinik  Prag.) 

Es  fanden  sich  säurefeste  Stäbchen  im  Blute  bei  Tuberkulösen  in 
schwersten  wie  in  leichten  Fällen,  bei  klinisch  sicher  nicht  an  Tuber¬ 
kulose  Erkrankten,  ferner  bei  Individuen,  die  bei  der  Autopsie  keine 
oder  nur  ganz  alte  tuberkulöse  Veränderungen  aufwiesen. 

Die  Bedeutung  der  säurefesten  Stäbchen  im  Blut  ist  demnach 
noch  unsicher. 

No.  18.  O.  S  e  i  f  e  r  t :  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  Rhino- 
Laryngologie.  (Januar-April  1913.) 

No.  19.  A.  Schnee:  Neues  zur  Therapie  des  Morbus  Base¬ 
dow». 

Guter  Erfolg  der  kombinierten  Antithyreoidin-Pankreon-Medi- 
kation.  Die  Behandlung  fusst  auf  dem  Gedanken,  dass  beim  Morbus 
Basedow»  wahrscheinlich  ausser  der  Schilddrüse  die  anderen  Drüsen 
der  inneren  Sekretion  eine  Rolle  spielen  und  dass  die  Wirkung  des 
Antithyreoidins  durch  Zuführung  normaler  entsprechender  Organ¬ 
extrakte,  hier  des  Pankreons,  ergänzt  resp.  verstärkt  werden  kann. 

No.  20.  Ohne  Originalartikel. 

No.  21.  1)  0.  David:  Zur  Technik  der  Röntgenuntersuchung 

des  Duodenums.  Vorläufige  Mitteilung.  (Med.  Klinik  Halle.) 

Verwendung  der  Einhorn-Gross  sehen  Duodenalsonde,  Ein¬ 
spritzung  von  100  ccm.  Aufschwemmung  von  Bismuth.  carbon.  in 
Wasser. 

2)  W.  Gross:  Sammelreferat  aus  dem  Gebiete  der  Allgemeinen 
Pathologie  und  pathologischen  Anatomie. 

No.  22.  Bericht  über  den  Kongress  für  Innere  Medizin,  Wies¬ 
baden,  April  1913.  W.  Z  i  n  n  -  Berlin. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose.  Band  20,  Heft  1. 

Prof.  A.  Sata-Osaka:  Immunisierung  gegen  Tuberkulose  und 
deren  Reaktionserscheinungen  an  einigen  Tierarten.  (Neue  experi¬ 
mentelle  Untersuchungen  über  die  spezifischen  Wirkungen  des  Tuber¬ 
kuloseserums  Sata.) 

Während  diese  Mitteilungen  über  eigene  Untersuchungen  im 
Original  nachgelcsen  werden  müssen,  sei  aus  der  Zusammenfassung 
des  Verf.  folgendes  angeführt: 

„Die  Immunisierung  gegen  Tuberkulose  kann  mittels  artfremder 
lebender,  sowie  toter  Tuberkelbazillen  oder  deren  Gifte  bis  zu  ge¬ 
wissem  Grade  erzielt  werden. 

Die  Ueberempfindlichkeit  wird  nicht  nur  durch  lebende  Tuberkel¬ 
bazillen  hervorgerufen,  sondern  auch  durch  tote  Bazillen  wie  deren 
Gifte,  ebenso  die  Immunität,  welche  durch  eine  Reihe  spezifischer 
Wirkungen  des  Immunserums  in  exakter  Weise  nachweisbar  ist. 

Die  Schwierigkeit  der  Immunisation  gegen  Tuberkulose  beruht 
auf  dem  Marasmus  und  der  akuten  Anaphylaxie. 

Die  spezifische  Wirkung  des  Tuberkuloseserums  wurde  du^ch 
eine  Reihe  neuerer  Versuche  aufs  exakteste  nachgewiesen:  erstens 
durch  Antikörperprüfung,  zweitens  durch  passive  Tuberkulinempfind¬ 
lichkeit,  drittens  durch  Anaphylatoxinbildung  und  -Zerstörung,  viertens 
durch  Mischungsversuche  von  Gift  und  Serum.“ 

Hugh  M.  Kinghorn  und  David  C.  T  w  i  c  h  e  1 1  -  Saranac  Lake : 

A  clinical  Study  of  the  Complement  Fixation  Test  in  the  Diagnosis 
of  Pulmonary  Tuberculosis. 

Für  diesen  Aufsatz  gilt  das  oben  Gesagte.  Erwähnt  muss  werden, 
dass  von  38  Fällen  8  positiven  Wassermann  gaben.  (Wie  schon 
a.  a.  0.  ist  auch  hier  der,  wie  es  scheint,  einreissende  Brauch  zu 
tadeln,  die  Literatur  nur  mit  Namen  und  Zeitschriften  anzugeben,  da¬ 
gegen  den  Titel  wegzulassen.) 

H.  Klein-  Holsterhausen :  Die  kritische  Verwertung  der  Tuber¬ 
kulindiagnostik  in  der  Unfallbegutachtung. 

Zwei  in  Holsterhausen  begutachtete  Fälle.  Bei  dem  ersten 
positive  Tuberkulinreaktion,  dagegen  absolut  normaler  Lungenbefund. 
Daraufhin  hat  der  Chefarzt  Dr.  Köhler  die  Diagnose  auf  trau¬ 
matische  Hysterie,  nicht  auf  Lungentuberkulose  gestellt.  Angaben  des 
Kranken  über  früheres  Blutspucken  sind  ungenau  und  unklar  ge¬ 
wesen.  Dieser  Fall  ist  schon  anderweitig  beschrieben  (Aerztl.  Sach¬ 
verständigenzeitung  1905,  No.  15).  Der  zweite  Fall  wird  ausführlich 
dargestellt:  Unfall,  schwere  Lungenblutung;  klinisch  die  Zeichen  einer 
Lungentuberkulose.  Keinerlei  Reaktion  auf  Tuberkulin.  Daraufhin 
wird  die  Diagnose  traumatischer  Riss  in  der  Lunge,  keine  Tuber¬ 
kulose,  gestellt.  „Hier  gibt  die  Tuberkulininjektion  einen  ausschlag¬ 
gebenden  Beweis  für  das  Nichtvorhandensein  einer  Tuberkulose.“ 
(Wenn  aber  nun  dieser  Fall  einer  von  denen  war,  bei  denen  die 
ruberkulininjektion  versagte?  Ist  sie  unbedingt  einwandfrei? 
Es  ist  sicher  für  den  Untersuchten  gut,  dass  nach  einem  Jahre  eine 
Revision,  am  besten  in  der  Form  von  Anstaltsbeobachtung,  vor¬ 
geschlagen  wurde.  L.) 

Dr.  M.  S  c  h  u  m  a  c  h  e  r  -  M.-Gladbach :  Die  kutane  Diagnostik 
und  das  Eisentuberkulin. 

Verf.  kann  aus  seinen  Untersuchungen  nicht  den  Schluss  ziehen, 
dass  Eisentuberkulin  einen  Fortschritt  bedeutet,  wie  es  auch,  wie 
wahrscheinlich  keines  der  Tuberkuline,  nicht  imstande  ist,  aktive  und 
inaktive  Tuberkulose  zu  unterscheiden. 

Kreisarzt  Dr.  H  e  1  w  e  s  -  Diepholz :  Allgemeine,  ambulante 
Tuberkulinbehandlung  in  einem  ländlichen  Kreise. 

Man  hat  im  genannten  Kreise  die  ambulante  Tuberkulinbehand¬ 


lung  im  grössten  Massstabe  eingeführt.  Daraus  hat  sich,  wie  Verf. 
sagt,  folgendes  ergeben: 

1.  „Dass  die  ambulante  Tuberkulintherapie  allgemein  ohne  viele 
Schwierigkeiten  cingeführt  werden  kann.“ 

Diesem  Satz  kann  man,  da  er  sich  aus  den  örtlichen  Verhält¬ 
nissen  ergibt,  natürlich  nicht  widersprechen. 

2.  „Dass  sie  durch  ihre  guten  Erfolge  (besonders  die  im  I.  und 
II.  Stadium  der  Lungentuberkulose)  selbst  eine  indolente  Land¬ 
bevölkerung  heranzieht,  allerdings  dann  hauptsächlich,  wenn  die 
Impfungen  unentgeltlich  sind.“ 

Das  Gute  allerdings  wird  die  Massregel  haben,  dass  sie  die 
indolente  Landbevölkerung  heranzieht  und  aufmerksam  macht.  Da 
nun  mit  der  Impfung  natürlich  auch  eine  Menge  anderer  (hygienisch¬ 
diätetischer)  Ratschläge  verbunden  wurde,  so  muss  auch  für  den  ein 
Erfolg  zutage  treten,  der  ihn  einer  solchen  ambulanten  Tuberkulin- 
therape  nicht  zuschreiben  kann. 

Der  3.  Satz:  „dass  sie  durch  Ausheilung  vieler  Initialfälle  von 
Lungentuberkulose  Ausgezeichnetes  leistet  für  die  Verhütung  der 
I  uberkulose“  dürfte  wohl  von  Manchem  mit  Fragezeichen  versehen 
werden. 

Dr.  D.  0.  Kuthy-Pest:  Ueber  die  T  u  r  b  a  n  sehe  Vererbung 
des  Locus  minoris  resistentiae  bei  Lungentuberkulose. 

Die  Untersuchungen  bestätigen,  dass  die  Heredität  „im  all¬ 
gemeinen  nicht  die  ominöse  Bedeutung  besitzt,  welche  nach  der  heute 
noch  gangbaren  Ansicht  ihr  zugesprochen  wird."  Es  ergeben  sich 
sogar  Erscheinungen  einer  gewissen  Immunität  bei  Kindern  von 
Personen,  die  an  benigner  Lungentuberkulose  litten.  Wer  sich  für 
die  Hereditätsfrage  interessiert,  wird  die  Einzelheiten  des  Artikels 
mit  Interesse  lesen. 

Prof.  Dr.  A.  Bruschettini  -  Genua :  Die  spezifische  Be¬ 
handlung  mit  dem  B  r  u  s  c  h  e  1 1  i  n  i  sehen  Serumvakzin.  Vorläufige 
Mitteilung. 

Der  Artikel  gipfelt  in  dem  optimistischen  Satze  des  Verf.:  „Bis 
jetzt  ist  der  Kampf  gegen  den  Koch  sehen  Bazillus  und  dessen 
toxische  Produkte  gerichtet  worden;  ich  glaube  auch  den  Kampf  gegen 
das  bis  jetzt  vollkommen  vernachlässigte  Tuberkulosegewebe  an¬ 
geregt  zu  haben,  welches  für  mich  die  grösste  Wichtigkeit  be¬ 
ansprucht.  Der  nahen  Zukunft,  wie  wir  hoffen,  den  Kampf  und  den 
Sieg  gegen  die  Mikroorganismensymbiosen!“ 

Kreiskommunearzt  Dr.  R.  Fels-  Lennep:  Psychologische  Beob¬ 
achtungen  bei  der  subkutanen  Tuberkulindiagnostik. 

Eine  Reihe  von  einzelnen  Beobachtungen  aus  der  „kleinen 
Psychologie“,  wie  man  vielleicht  analog  der  kleinen  Chirurgie  sagen 
könnte.  Jeder  Praktiker  wird  derartige  Erfahrungen  machen,  die 
sich  nicht  in  den  Lehrbüchern  finden.  Der  Wunsch,  dass  die  Lungen¬ 
spezialisten  diesen  psychischen  Kleinigkeiten,  die  für  den  Kranken  oft 
Grcssigkeiten  sind,  ergiebig  Rechnung  tragen,  ist  berechtigt. 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Veröffentlichungen  der  Robert-Koch-Stiftung  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose.  Heft  4,  5/7.  Herausgegeben  vom 
Vorstand  der  Stiftung.  Leipzig  1913.  Verlag  von  Georg 
T  h  i  e  m  e. 

Heft  4  enthält  an  erster  Stelle  „Studien  über  spontane  Kaninchen¬ 
tuberkulose“  von  Stabsarzt  Dr.  Rothe  (Institut  für  Infektionskrank¬ 
heiten),  eine  Darstellung  einer  Epidemie,  die  unter  dem  Kaninchen¬ 
bestand  der1  Heilstätte  Heidehaus  bei  Hannover  im  Sommer  1909  be¬ 
obachtet  worden  ist.  Sic  war  durch  Bazillen  des  Typus  bovinus 
verursacht,  durch  eigenartige  Darmveränderungen  charakterisiert 
und  allem  Anschein  nach  in  allen  Fällen  als  primäre  Inhalations- 
luberkulose  aufzufassen.  Die  zweite  Studie:  „Beiträge  zur  Frage  des 
granulären  Tuberkulosevirus“  von  Dr.  R.  Bittrolff,  Assistent  am 
Hygienischen  Institut  Heidelberg  und  Dr.  K.  M  o  m  o  s  e,  Oberarzt 
der  Kaiserlich  japanischen  Marine,  beschäftigt  sich  mit  der  Nach¬ 
prüfung  der  Much  sehen  Angaben.  Die  Verfasser  kommen  sowohl 
für  den  Menschen,  für  die  Perlsucht  des  Rindes  und  des  Schweines, 
die  Geflügeltuberkulose,  die  Kaninchen-  und  Meerschweinchentuber¬ 
kulose,  wie  für  Tuberkelbazillenreinkulturen  zu  folgenden  Schlüssen: 
„Mit  der  Much  sehen  Methode  werden  keine  anderen  Formen  des 
Tuberkulosevirus  dargestellt,  als  nach  Z  i  e  h  1,  denn  1.  erwiesen  sich 
die  in  dem  untersuchten  Material  bei  der  Färbung  nach  Much  ge¬ 
fundenen  Tuberkelbazillen  bei  der  Umfärbung  nach  Ziehl  stets 
säurefest;  2.  war  in  den  nach  Ziehl  negativen  Fällen  auch  nach 
Much  nichts  zu  finden;  3.  stellten  sich  die  in  den  einzelnen  Fällen 
voi  kommenden  Granula  der  Muchpräparate  bei  der  Umfärbung  nach 
Ziehl  als  kurze  säurefeste  Stäbchen  dar.“  Im  allgemeinen  halten 
die  Verfasser  die  Ziehlfärbung  der  Much  sehen  Methode  gegenüber 
für  überlegen  wegen  der  Eindeutigkeit  der  Bilder.  „Bei  Schnitt¬ 
präparaten  dagegen  kann  die  Much  sehe  Färbung  neben  der  Ziehl- 
schen  mit  Vorteil  verwandt  werden,  da  in  den  Muchpräparaten  die 
blauschwarzen  Körnchenreihen  sich  von  dem  hellvioletten  Unter¬ 
grund  sehr  deutlich  abheben.“  —  An  dritter  Stelle  steht  eine  Mitteilung 
von  Stabsarzt  Dr.  B.  Möllers  (Institut  für  Infektionskrankheiten) 
darüber,  dass  „aus  2  Fällen  von  P  a  r  i  n  a  u  d  scher  Koniunktivitis 
Reinkulturen  von  Tuberkelbazillen  gezüchtet  werden  konnten,  welche 
nach  dem  Ergebnis  der  Tierprüfung  dem  humanen  Typus  angehörten.“ 

Die  vereinigten  Hefte  5 — 7  enthalten  Untersuchungen  über  Horn¬ 
haut-  und  Iristuberkulose  am  Kaninchenauge  von  Prof.  F.  Schick, 


24.  Juni  1913. 


MUKNCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1397 


Pmf  n  p?lv^rsltät?-Au?en|!lI>ik  in  Königsberg:  i.  Pr.,  und  von 

Jn H^rhfriWi  h  eK  [  u  s l 11  Vn  Berlin  CK.  Universitäts-Augenklinik 
Jjj-Jff  Vhffi5S-vSchl,ck  Slbt  3  S  Zusammenfassung  seiner  Ergeb- 
Tp£rirIih?«-nAh  VelWu0dune  g?nügend  verdünnter  Emulsionen  von 
Lmm^r  hH0  v-  einkuU  Urei1  gelingt  es,  bei  Impfung  der  Vorder- 
+•  lü?  Kaninchens  den  Typus  humanus  vom  Typus  bovinus 

a  dfpntiawa-gn0StlSChjZU  trennen-  Beim  Typus  humanus  kann  man 
^C1S,e  eine  abgeschwächte,  entweder  gar  nicht  progrediente 
oder  ausheilende  1  uberkulose  der  Iris  und  eventuell  auch  der  Kornea 

£2?  eh,e  Infekti°”  mit  T™us  bovinus  jedoch  Platz 

gehtIdas  Auge  an  unaufhaltsam  progredienter  und  rasch  zur 
Verkäsung  führender  Tuberkulose  zugrunde.  2.  Impfung  in  die  Ohr- 
vene  gleicht  diesen  Unterschied  aus;  denn  dann  wird  auch  die  mit 
bovinen  Stammen  erzeugte  Tuberkulose  des  Auges  stark  abee- 
schwacht  (heilt  oder  zeigt  Heilungstendenz).  3.  Impfung  in  die  Carotis 
commums  erzeugt  bei  Verwendung  des  Typus  bovinus  schnell  fort¬ 
schreitende  I  uberkulose  des  Auges  der  gleichen  Seite,  bei  Ver¬ 
wendung  des  Typus  humanus  nicht.  -4.  Randphlyktänen  lassen  sich 
duich  Einspritzung  von  Tuberkelbazillen  in  die  Karotis  (des  Typ. 
num.,  d.  Ref)  in  typischer  rasch  vergänglicher  Form  experimentell 
Kaninchen  hervorrufen.  Sie  erscheinen  nach  Ablauf  der  ge¬ 
wöhnlichen  Inkubationszeit  der  Tuberkulose  und  sind  als  echte 
Lokalisationen  von  Tuberkulose  aufzufassen.  5.  Der  komplement- 
bindende  tuberkulöse  Antikörper  hat  mit  den  Heilungsvorgängen  bei 
tuberkulöse  nichts  zu  tun.  Er  richtet  sich  nicht  gegen  das  wirksame 
rinzip  des  I  uberkelbazillus.  6.  Die  v.  Wassermann-Bruck- 
sche  Iheorie  von  der  Wirkung  der  spezifischen  Therapie  bei  Tuber¬ 
kulose  findet  durch  die  Versuche  am  Auge  keine  Bestätigung. 

H  Ber  ebenfalls  sehr  beachtenswerten  sorgfältigen  Studie  über  die 
Hornhauttuberkulose  von  Prof.  Krusius  ist  die  folgende  Zu¬ 
sammenfassung  der  Ergebnisse  beigegeben: 

1.  Quantitative  Tuberkuloseimpflingen  lassen  erkennen,  dass 
zwischen  einem  oberen  (quantitativen)  Infektionsgrenzwerte,  bei  dem 
die  Inkubationszeit  —  Null,  und  einem  unteren  (quantitativen)  Grenz¬ 
werte,  bei  dem  die  Inkubationszeit  =  unendlich,  die  Inkubationszeiten 
umgekehrt  proportional  sind  (längste  beobachtete  Inkubationkdauer 
—  41  luge,  d.  Ref.).  2.  Quantitative  Tuberkuloseimpfungen  einzelner 
Augenteile  ergeben,  dass  die  Empfänglichkeit  für  Tuberkulose  in  der 
Reihenfolge:  Glaskörper,  Vorderkammer,  Hornhaut,  Bindehaut 

(Lmse)  abnimmt.  3.  Die  Strahlenenergien  des  Radium,  Mesothorium 
und  der  Sonne  sind  sämtlich  nicht  ohne  Einfluss  sowohl  auf  die 
luberkuloseerreger,  als  auch  auf  den  infizierten  Organismus.  Es 
überwiegt  die  bazillentötende  bakteriotrope  Wirkung  die  elektive 
organotrope  Einwirkung.  Hervorzuheben  ist  in  diesem  Sinne  die 
mehrfach  ^erhöhte  Wirkung  der  „Höhensonne“  gegenüber  der  „Tief¬ 
landsonne  .  4.  Alttuberkulin,  in  die  vordere  Kammer  des  Auges  ge¬ 
macht,  wirkt  nach  rasch  ablaufenden  Reizerscheinungen  depigmen- 
tierend  auf  die  Iris.  5.  Intrakorneale  Alttuberkulindepots  lösen  an 
mtrakornealen  Tuberkuloseherden  stärkere  Herdreaktionen  aus  als 
intrakorneale  Bazillenemulsionsdepots.  6.  Intrakorneale  Bazillen¬ 
emulsionsdepots  haben  einen  knötchenförmig  fortschreitenden  intra¬ 
kornealen  Prozess  zur  Folge,  dessen  Progredienz  wahrscheinlich  aus 
der  Ueberimpfung  vereinzelter,  nicht  abgetöteter  Bazillen  zu  erklären 
ist.  7.  Bei  der  bewiesenen  immunisatorischen  Wirkung  aktiver 
Tuberkulose  darf  gerade  in  dieser  abgeschwächten  Aktivität  und  in 
der  geringen  Herdreaktionswirkung  der  Bazillenemulsion  die  Be¬ 
dingung  einer  experimentell  nachweisbaren  therapeutischen  Wirk¬ 
samkeit  erblickt  werden.  8.  Selbst  eine  mehr  als  zehnfach  über¬ 
schwellige  intrakorneale  bovine  Tuberkuloseimpfung  beim  Kaninchen 
führt  nach  anfänglich  starker  Progredienz  oft  zu  einer  spontanen 
Narbenheilung,  wenn  auch  erst  nach  mehrmonatlichem  Verlauf. 
9.  Die  einschleichende  subkutane  Tuberkulintherapie  (TA.  oder  BE.) 
lässt  bei  dieser  intrakornealen  Impftuberkulose  des  Auges  vielleicht 
eine  geringe  zeitliche  Abkürzung  des  Verlaufs,  sicher  aber  bei  völliger 
Unschädlichkeit  keine  wesentliche  und  konstant  eindeutige  spezifische 
Heilwirkung  im  klinischen  Verlaufe  erkennen.  10.  Die  prophylaktische 
subkutane  BE.-Behandlung  hat  einer  nachherigen  überschwelligen 
intrakornealen  Impftuberkulose  gegenüber  in  einem  Bruchteile  der 
Fälle  eine  erkennbare  relative  Schutzwirkung. 

K.  E.  R  a  n  k  e  -  München. 


Zentralblatt  für  Chirurgie,  1913,  No.  23. 

Dr.  W.  G  r  e  i  f  f  e  n  h  a  g  e  n  -  Reval:  Ueber  die  Behandlung  des 
geschlossenen  Pneumothorax  mit  Aspiration  und  Ueberdruck. 

Verf.  berichtet  ausführlich  über  einen  Fall  von  geschlossenem 
Pneumothorax,  bei  dem  er  durch  Kombination  von  Aspiration  der 
Luft  aus  der  Pleurahöhle  mit  intrapulmonalem  Ueberdruck  in  ganz 
kurzer  Zeit  vollen  und  dauernden  Erfolg  erzielte.  Diese  Kombination 
zwischen  Aspiration  und  vorsichtig  gesteigertem  Ueberdruck  (unter 
Benützung  des  T  i  e  g  e  1  -  H  e  n  1  e  sehen  Apparates)  ist  indiziert  bei 
nicht  infizierten,  spontanem  oder  postoperativem  Pneumo-  oder 
Hämopneumothorax  (falls  die  Blutung  steht),  oder  bei  serösen  Pleura¬ 
exsudaten,  wo  die  Lunge  ungenügend  sich  ausdehnt. 

Dr.  Max  T  i  e  g  e  1  -  Dortmund:  Hintere  Herzbeutel-  und  Pleura¬ 
drainage. 

Von  dem  Prinzip  ausgehend,  die  Drainage  stets  nach  dem  tiefsten 
Punkt  hin  anzulegen,  schildert  Verf.  die  Technik,  eine  hintere  Herz¬ 
beutel-  und  Pleuradrainage  anzulegen.  Die  Herzbeuteldrainage 
kommt  nur  bei  gleichzeitiger  Eröffnung  der  Pleurahöhle  in  Frage  und 


ist  nicht  schwer,  wenn  ausgedehnte  Pleuraadhäsionen  fehlen.  Zwei 
Skizzen  zeigen  die  richtige  Lage  des  Drains. 

.  .  Dr.  Arthur  W  a  g  n  e  r  -  Lübeck :  Ueber  einen  Fall  von  gleich¬ 
zeitiger  frischer  elastischer  Einklemmung  und  Gangrän  des  Wurm¬ 
fortsatzes  und  einer  Dünndarmschlinge. 

Verf.  schildert  einen  Fall  von  Einklemmung  und  Gangrän  der 
Appjndix  in  einem  Schenkelbrbch,  der  kompliziert  war  durch  ln- 
karzei-atton  einer  Dünndarmschlinge  infolge  elastischer  Abschnürung. 
Während  eine  isolierte  Brucheinklemmung  der  Appendix  sich  häufig 
diagnostizieren  lässt,  ist  die  Diagnose  nur  eine  allgemeine,  sobald 
eine  Appendixeinklemmung  noch  kompliziert  ist  durch  Inkarzeration 
von  Darm  oder  Netz.  Mit  1  Abbildung. 

Dr.  J.  G  o  1  a  n  i  t  z  k  i,  -  Saratow :  Ein  autoplastischer  Faden  zur 
Verwendung  bei  der  Operation  der  Herniotomie. 

Veit,  hat  bereits  öfters  mit  gutem  Erfolg  bei  Herniotomien  statt 
Katgut-  oder  Seidenfäden,  dünne,  etwas  zusammengedrehte  üewebs- 
streifen  aus  dem  resezierten  Bruchsack  benützt.  Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  ergaben  keine  wesentlichen  Unterschiede  gegenüber  Kat- 
gut  oder  Seide;  nach  4 — 7  Tagen  waren  die  Gewebsstreifen  mit  der 
Umgebung  fest  verwachsen;  bei  Eiterung  tritt  nie  Nekrose  oder  Eli¬ 
minierung  der  Fäden  ein.  Verf.  fordert  zur  weiteren  Nachprüfung  auf. 

Dr.  Fritz  L  o  t  s  c  h  -  Berlin :  Eine  einfache  Kanüle  zur  Punktion, 
Injektion  und  Infusion. 

Verf.  hat  eine  einfache  Kanüle  zur  Punktion,  Injektion  und  be¬ 
sonders  für  die  intravenöse  Blutinfusion  konstruiert,  die  er  genau 
beschreibt.  Diese  Doppelkanüle  vereinigt  die  Vorzüge  der  scharfen 
mit  denen  der  stumpfen  Kanüle,  verhindert  Lufteintritt  oder  vor¬ 
zeitigen  Blutaustritt.  E.  Heim-  Oberndorf-Schweinfurt. 


Zentralblatt  für  Gynäkologie.  1913.  No.  23. 

A.  B  a  u  e  r  e  i  s  e  n  -  Kiel:  Ueber  den  Tuberkelbazillennachweis 
durch  den  Meerschweinchenversuch. 

,.  ,Un!  ei»le  Nierentuberkulose  frühzeitig  zu  erkennen,  ist  nach  B. 
die  beste  Methode  die,  von  dem  suspekten  Harn  eine  bestimmte 
Menge  einem  Meerschweinchen  subkutan  zu  injizieren.  2—3  Wochen 
später  kann  dann  durch  die  intrakutane  Tuberkulinprobe  festgestellt 
das  Tier  tuberkulös  erkrankt  ist.  Die  sonst  angegebenen 
Methoden  sind  weniger  einfach  und  auch  nicht  so  zuverlässig. 

M.  S  c  h  w  a  b  -  Nürnberg :  Zur  Behandlung  Eklamptischer. 

Die  Lebensgefahr  bei  Eklampsie  ist  häufig  durch  COs-Ueber- 
lädung  des  Blutes  oder  Pneumonie  bedingt.  Für  solche  Fälle  emp¬ 
fiehlt  Sch.  ein  von  Brauer  bei  Morphiumvergiftung  mit  Erfolg  an¬ 
gewandtes  Verfahren:  Tracheotomie  mit  anschliessender  Sauerstoff- 
spulung  der  groben  Bronchien  durch  einen  bis  zur  Bifurkation  ein- 
geführten  Gummikatheter.  Eigene  Erfahrungen  werden  nicht  mit- 
geteilt. 

r»  .A  B.erczeller-  Pest :  Palliative  Behandlung  inoperabler 
Portiokarzinome  mit  Zuckerstaub. 

B.  hat  von  dieser  Behandlung  sehr  günstige  Erfolge  gesehen,  „so 

dass  man  beinahe  an  Heilwirkung  glauben  möchte“.  Die  Behandlung 
soll  täglich  wiederholt  werden.  J  a  f  f  e  -  Hamburg 


Gynäkologische  Rundschau.  Jahrg.  VII,  Heft  7. 

Alexander  L  o  r  e  y  -  Hamburg:  Die  Röntgentherapie  in  der 
Gynäkologie.  (Aus  dem  medizinischen  Röntgeninstitut  des  Eppen- 
or  er  Krankenhauses  und  dem  Röntgeninstitut  des  Krankenhauses 
tsethamen  in  Hamburg.) 

Ausführliche  Beschreibung  des  für  den  Gynäkologen  geeigneten 
Kontgenmstrumentariums.  Der  geeignete  Härtegrad  der  Röhre  für 
gynäkologische  Bestrahlung  beträgt  7  W.  Die  geeignetste  Technik 
ist  die  ursprünglich  von  Albers-Schönberg  angegebene  Bei 
allen  gynäkologischen  Bestrahlungen  ist  eine  exakte  Diagnose  unbe¬ 
dingte  Voraussetzung,  um  sich  vor  unliebsamen  Verwechslungen  zu 
schützen.  Von  der  Röntgenbehandlung  sind  auszuschliessen  Fälle  mit 
Verdacht  auf  Malignität,  Myome  mit  nekrotischen  Veränderungen 
Myome’  verjauchte  oder  gan£ränöse,  polypöse  und  submuköse 


Die  Schnelligkeit  des  Erfolges  hängt  sehr  wesentlich  vom  Alter 
der  1  atientin  ab;  fast  immer  wird  man  jedoch  schon  nach  der  ersten 
bestrahlungsserie  eine  deutlich  erkennbare  Besserung  wahrnehmen. 

VeiL  warnt  vor  der  Verabfolgung  zu  grosser,  Strahlenmengen, 
wie  sie  die  breiburger  Klinik  anwendet,  da  von  anderer  Seite  schwere 
Darmstörungen  beobachtet  worden  sind.  Ganz  besonders  schöne 
und  schnelle  Erfolge  lassen  sich  in  den  häufigen  Fällen  von  Metro- 
pathia  haemorrhagica  erzielen,  für  die  auch  bei  genauer  Unter¬ 
suchung  kein  anatomisches  Substrat  zu  finden  ist.  Mitteilung  von 
zwei  einschlägigen  Krankengeschichten.  Auch  bei  jüngeren  Per¬ 
sonen  gelingt  es,  durch  grössere  Dosen  eine  Amenorrhoe  zu  erzielen 
und  am  schonende  Weise  eine  Sterilisierung  herbeizuführen,  wo  im 
Interesse  der  Frau  eine  weitere  Schwangerschaft  verhindert  werden 
soll  Auch  zur  Behandlung  des  Weissflusses  und  der  Gonorrhöe  ist 
die  Röntgenbehandlung  empfohlen  worden.  Erwähnt  ist  noch  die  Be¬ 
handlung  des  Pruritus  vulvae.  Der  Verf.  mahnt  zum  Schluss,  stets 
zu  bedenken,  dass  die  Röntgenstrahlen  kein  indifferentes  Mittel  sind 
und  dass  der  Segen,  den  sie  stiften,  in  der  Hand  des  Ungeübten  sich 
in  ungeheuren  Schaden  wandeln  kann.  Nur  wer  die  Technik  voll¬ 
kommen  beherrscht,  die  Gefahren  kennt  und  zu  meistern  versteht 
darf  Röntgentherapie  treiben. 


1398 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Oskar  F rank  1-  Wien:  Zur  Technik  der  Röntgengyniatrie. 

(Aus  dem  Röntgenlaboratorium  der  Klinik  Hofrat  Schauta  in 
Wien.)  (Mit  3  Figuren.) 

Ausführliche  Beschreibung  des  vom  Verf.  modifizierten  Instru¬ 
mentariums  für  abdominale  und  vaginale  Behandlung. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift  No.  24,  1913. 

I  I  Alexis  C  a  r  r  e  1  -  New  York :  Neue  Untersuchungen  über  das 
selbständige  Leben  der  Gewebe  und  Organe. 

Verf.  berichtet  über  Versuche,  die  in  den  Laboratorien  des 
Rockefeller-Jnstitutes  in  der  Absicht  angestellt  wurden,  das  Binde¬ 
gewebe  getrennt  vom  Organismus  in  dem  Zustand  eines  dauernd 
sichtbaren  Lebens  zu  erhalten,  den  Wert  der  verschiedenen  Kultur¬ 
medien  festznstellen,  die  Technik  der  Kultur  zu  verbessern,  die 
Faktoren,  welche  das  Wachstum  der  Gewebe  regeln,  zu  studieren, 
und  endlich  Systeme  von  ganzen  Organen  im  Zustande  tätigen  Lebens 
in  vitro  aufrechtzuerhalten.  Es  zeigte  sich  z.  B.,  dass  Bindegewebs¬ 
zellen  sich  in  künstlichen  Medien  unbegrenzt  vermehren  lassen. 

2)  A.  B  r  a  u  n  s  t  e  i  n  -  Moskau :  Chemotherapeutische  Versuche 
an  Krebskranken  mittels  Seleniodmethylenblau. 

Die  beschriebene  Behandlungsmethode  scheint  beachtenswert  zu 
sein,  wenn  sie  bei  schweren,  inoperablen  und  weit  vorgeschrittenen 
Fällen  auch  nur  teilweise  und  in  einigen  Fällen  nur  temporäre  Erfolge 
erzielte.  Bei  initialen  Fällen  dürfte  sie  eine  günstigere  Wirkung  ent¬ 
falten,  besonders  ais  Ergänzungskur  zu  chirurgischen  Eingriffen.  Sie 
ist  gänzlich  unschädlich. 

3)  H.  S  p  u  d  e  -  Pr. -Friedland :  Erfolgreiche  Behandlung  von 
Gesichtskrebsen  durch  Einstichelung  von  Eisenoxyduloxyd  kombiniert 
mit  Arseninjektionen. 

Kurze  Mitteilung  von  Gesichtskarzinomfällen,  die  vom  Verf. 
durch  seine  elektromagnetische  Reizarsenbehandlung  verhältnismässig 
schnell  zur  Abheilung  gebracht  wurden. 

4)  A.  P  i  n  k  u  s s  -  Berlin:  Ueber  die  Erfolge  der  Mesothorium¬ 
bestrahlung  bei  Karzinom.  (Nach  einem  Diskussionsvortrag,  gehalten 
in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  21.  Mai  1913.) 

Cf.  pag.  1180  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

5)  W.  N  a  g  e  1  -  Berlin:  Ueber  Eklampsie.  (Nach  einem  am 
7.  März  1913  im  Fortbildungskurs  des  Dozentenvereins  gehaltenen 
Vortrage.) 

Sammelreferat  über  den  derzeitigen  Stand  der  Eklampsiebehand¬ 
lung.  Die  konservative  Methode  von  Stroganoff  erzielte  bisher 
die  besten  Resultate. 

6)  Walter  C  i  m  b  a  1  -  Altona :  Klinische  Grundlagen  der  Be¬ 
urteilung  von  normalen  Kindern  und  Jugendlichen.  (Vortrag,  auf  der 
Jahresversammlung  norddeutscher  Psychiater  und  Neurologen  in 
Altona.) 

Cf.  Spezialbericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1913. 

7)  R.  Ehrmann  und  H.  Kruspe  -  Berlin :  Die  Verdauung  des 
Lezithins  bei  Erkrankungen  des  Magendarmkanals. 

Die  Untersuchungen  der  Verfasser  zeigten,  dass  das  Lezithin 
nicht,  wie  man  annahm,  erst  durch  den  Pankreassaft  in  seine  Kom¬ 
ponenten  zerlegt  und  diese  dann  resorbiert  werden,  sondern  dass  im 
Magendarmkanal  der  grösste  Teil  des  Lezithins,  ohne  vorhergehende 
Spaltung,  direkt  als  Lezithin  resorbiert  wird. 

8)  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Zur  Technik  der  Plattfusseinlagen. 

Von  dem  Gesichtspunkte  ausgehend,  dass  die  Langesche 

Valguseinlage  der  Stellungsanomalie  des  Kalkaneus  nicht  gebührend 
Rechnung  trägt,  hat  der  Verf.  eine  geringe  und  einfache  Modifikation 
angewendet,  die  bei  richtiger  Anwendung  verschiedene  Vorteile  bietet. 

9)  Edmund  S  a  a  1  f  e  1  d  -  Berlin :  Ueber  Histopin. 

Die  von  Wassermann  aus  lebenden  Staphylokokken  mit 
Zusatz  von  Schutzkolloiden  gewonnene  Histopinfliissigkeit  ist  ein 
völlig  unschädliches  Mittel  zur  Immunisierung  der  Umgebung  von 
Furunkeln  und  übt  einen  günstigen  Einfluss  aus  in  palliativer  Hinsicht 
auf  die  Sykosis  vulgaris.  Das  letztere  sehen  wir  auch  bei  der 
Histopinsalbe.  Diese  ist  als  ein  Spezifikum  gegen  Impetigo  contagiosa 
anzusehen,  abgesehen  von  den  seltenen  Fällen,  wo  neben  den 
Staphylokokken  auch  Streptokokken  als  ätiologischer  Faktor  in  Be¬ 
tracht  kommen.  Dr.  G  r  a  ss  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  24,  1913. 

1)  B  u  ch  h  o  1  z- Berlin:  Die  öffentliche  Gesundheitspflege  ira 
Deutschen  Reiche  seit  dem  Regierungsantritt  Kaiser  Wilhelms  II. 

2)  B  a  c  m  e  i  s  t  e  r  -  Freiburg  i.  Br.:  Aerogene  oder  hämatogene 
Entstehung  der  Lungenspitzenphthise. 

Bei  Kaninchen  wurde  künstlich  eine  Einengung  der  Lungen¬ 
spitzen  vorgenommen  und  damit  eine  Lymphstauung  herbeigeführt,  die 
als  mechanisch  prädisponierendes  Moment  für  die  Entwicklung  einer 
Spitzentuberkulose  angesehen  werden  muss.  So  vorbereitete  Tiere 
Hessen  nach  Einbringung  von  Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn,  nach 
Einspritzung  von  Phthisikerblut  in  die  Bauchhöhle  oder  nach  Infek¬ 
tion  mittels  der  Tröpfcheninhalation  von  der  Spitze  ausgehende  chro¬ 
nische  Phthisen  erkennen.  Damit  ist  die  doppelte  Möglichkeit  der 
hämatogenen  wie  der  aerogenen  Entwicklung  der  Lungentuberkulose 
nachgewiesen,  die  sich  zuerst  im  perivaskulären  und  peribronchialen 
Lymphgewebe  ausbildet. 

3)  F.  Göbel-Halle:  Zum  Vorkommen  von  Tuberkelbazillen  im 
strömenden  Blut. 


Mit  Hilfe  des  Antiforininverfahrens  findet  man  ebensowohl  im 
Blute  Tuberkulöser  wie  in  dem  Gesunder  vereinzelte  säurefeste  Stäb¬ 
chen,  wohl  aber  reichlich  Gram-positive  Stäbchen  und  Granula  nach 
der  Much  sehen  Färbung.  Die  beiden  letztgenannten  Elemente  fan¬ 
den  sich  auch  im  Blute  der  üblichen  Laboratoriumstiere;  es  handelt 
sich  hier  offenbar  nicht  um  Tuberkelbazillen. 

4)  Brandes  und  C.  Mau -Kiel:  Tuberkelbazillen  im  strömen¬ 
den  Blute  bei  chirurgischen  Tuberkulosen. 

In  45  Proz.  der  untersuchten  Fälle  von  chirurgischer  Tuber¬ 
kulose  fanden  sich  Tuberkelbazillen  im  strömenden  Blute;  ein  etwa 
negativ  ausfallender  Tierversuch  ist  nicht  als  Beweis  dafür  anzusehen, 
dass  keine  Tuberkelbazillen  im  Blute  kreisen.  Es  ist  dabei  nicht  an 
ein  dauerndes  Kreisen  der  Tuberkelbazillen  zu  denken;  diese  gehen 
vielmehr  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  im  Blute  zugrunde.  Für 
Diagnose  und  Prognose  hat  der  positive  Bazillenbefund  im  Blute 
wenig  Bedeutung.  Auch  für  die  chirurgische  Tuberkulose  wäre  die 
Sanatoriumsbehandlung  mit  allgemeiner  Kräftigung  die  beste. 

5)  L.  C  a  s  p  e  r  -  Berlin :  Zur  Diagnose  der  doppelseitigen  Nieren¬ 
tuberkulose. 

Vortrag,  gehalten  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Chirurgie  am 
28.  April  1913,  refer.  in  No.  19  (1913)  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

6)  Alexander  0  s  z  a  c  k  i  -  Wien:  Zur  Verwertbarkeit  der  Uranil- 
fällung  für  den  Harnsäurenachweis  im  Blut. 

Mit  Hilfe  des  Uranilazetats  gelingt  in  einfachster  und  genauester 
Weise  eine  Eiweissfällung  aus  dem  Blute,  wodurch  der  qualitative 
und  quantitative  Nachweis  der  Blutharnsäure  ausführbar  wird. 

7)  Felix  F  r  a  n  c  k  e  -  Braunschweig:  Entfernung  eines  Gebisses 
aus  der  Speiseröhre  ohne  deren  Eröffnung  nach  seitlichem  Halsschnitt. 

Bei  allen  Fremdkörpern,  die  sich  im  oberen  Teile  der  Speiseröhre 
festgesetzt  haben  und  denen  man  aus  irgendeinem  Grunde  allein  von 
oben  und  aussen  her  nicht  beikommen  kann,  ist  nach  der  üblichen 
Freilegung  der  Speiseröhre  ohne  deren  Eröffnung  nochmals  der  Ver¬ 
such  zu  machen,  den  Fremdkörper  zu  mobilisieren  und  nach  oben 
herauszubefördern;  es  ist  dies  dem  Verf.  wiederholt  früher  und  erst 
jüngst  bei  einem  Gebiss  von  3,5  cm  Länge  und  5  cm  Breite  gelungen. 
Die  Vorteile  dieses  Verfahrens  sind  sichere  Vermeidung  der  Hals¬ 
phlegmone  und  Abkürzung  der  Heilungsdauer. 

8)  Alfred  P  e  r  s  -  Kopenhagen :  Magenresektionen. 

Kurzer  Bericht  über  25  Magenresektionen,  die  wegen  der  Dia¬ 
gnose  Karzinom  vorgenommen  worden  waren,  die  aber  9  mal  ein 
Ulcus  ventriculi  zutage  förderten.  An  den  Folgen  der  Operation  star¬ 
ben  3  Karzinomkranke;  von  den  übrigen  Karzinomkranken  ist  einer 
nach  der  Operation  bereits  8  Jahre,  ein  anderer  5  Jahre  am  Leben. 
Von  diesen  beiden  Fällen  abgesehen  betrug  die  postoperative  Lebens¬ 
dauer  4  Monate  bis  2)4  Jahre.  Möglichst  frühe  Diagnose  ist  Grund¬ 
bedingung  für  einen  guten  dauernden  Erfolg.  Der  Serodiagnostik 
misst  Verf.  gar  keinen  Wert  bei.  Indikationsstellung. 

9)  Paolo  F  i  o  r  i  -  Modena:  Die  Bindegewebszyste  des  Samen¬ 
stranges. 

Verf.  führt  die  Entstehung  dieser  wiederholt  von  ihm  beschrie¬ 
benen  Samenstrangsgeschwulst  (die  identisch  mit  der  Hydrocele  funi- 
culi  spermatici  sein  dürfte)  auf  eine  „seröse  Entzündung“  zurück. 

10)  S.  M.  Z  y  p  k  i  n  -  Moskau :  Ein  Fall  von  Aneurysma  der 
Bauchaorta  mit  Perforation  in  den  Magen  durch  das  Ulcus  rotundum. 

Die  Autopsie  des  an  Verblutung  gestorbenen  45  jährigen  Mannes 
ergab  eine  Mesaortitis  syphilitica  mit  doppelter  Aneurysmabildung 
in  der  Bauchaorta.  Das  vordere  Aneurysma  ist  dann  in  das  als 
sekundär  entstanden  zu  denkende  Ulcus  ventriculi  durchgebrochen. 

11)  K.  Imai- Osaka:  Ein  durch  Exstirpation  geheilter  Fall  von 
Aneurysma  der  Art.  anonyma. 

Die  Exstirpation  des  hühnereigrossen,  den  Anfang  der  Karotis 
in  Mitleidenschaft  ziehenden  Aneurysma  der  rechten  Subklavia  hatte 
weder  für  das  Gehirn  und  Auge  noch  für  den  Arm  irgendwelche 
schädliche  Folgen.  2  Monate  zuvor  war  bei  dem  gleichen  Manne  ein 
faustgrosses  Aneurysma  der  Art.  poplitea  ebenfalls  mit  bestem  Er¬ 
folge  entfernt  worden. 

12)  E.  F  i  s  c  h  e  r  -  Strassburg  i.  E. :  Extractum  Valerianae  aro- 
maticum  (Kern). 

Dieses  neue  Baldrianpräparat  zeichnet  sich  durch  einen  sehr  ge¬ 
ringen  Alkoholgehalt  sowie  durch  das  Fehlen  von  Brom  und  Narkoti- 
cis  bei  stärksteV  Eigenwirkung  aus. 

13)  Otto  L  e  n  t  z-Saarbriicken :  Indirekte  Uebertragung  von  Vari¬ 
zellen  und  Varizellen  bei  einer  Erwachsenen. 

Kasuistischer  Beitrag. 

14)  W.  B  i  e  r  a  s  t  -  Halle  a.  S. :  Fettstempel  zur  Anfertigung 
des  hängenden  Tropfens. 

Der  von  F.  und  M.  Lautenschläger  -  Berlin  erhältliche 
kleine  Apparat  ermöglicht  auch  dem  Ungeübten  eine  schnelle,  ge¬ 
naue  und  saubere  Fettumrandung  des  Objektträgerausschliffes. 

15)  R.  Doerr-Wien:  Die  Anaphylaxie  als  Vergiftung  durch 
Eiweissabbauprodukte. 

Erwiderung  auf  den  gleichnamigen  Artikel  von  B  i  e  d  1  und 
Kraus  in  No.  20  dieser  Wochenschrift. 

16)  Wal  b- Bonn:  Der  Nasenspülapparat  Vakuum. 

Die  Anwendung  des  von  Hendrichs  angefertigten,  mit  nega¬ 
tivem  Drucke  arbeitenden  Nasenspülapparates  ist  zu  verwerfen,  da 
er  bei  nicht  eigens  eingeübten  Kranken  die  Entstehung  einer  Otrus 
media  nicht  nur  nicht  vermeidet,  sondern  das  Eindringen  der  Spül¬ 
flüssigkeit  in  das  Mittelohr  geradezu  begünstigt. 

17)  Paul  Ranschburg  -  Budapest :  „Mikropan“,  ein  univer¬ 
seller  Handanschlussapparat  für  elektromedizinische  Zwecke. 

Beschreibung  des  Baues,  der  Ingangsetzung  und  der  Einstellung 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1399 


18)  Erich  Hesse -Berlin:  Alkoholfreie  Getränke, 
f  r  e  i  e  iißle  re  “  u  n  ^ '  d  neU  S  C '  * ni  °  n  3  ^  C 11  ’  der  mehr  °j^  Jm"- MüncheJ0'' 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

_.  ..  ^°'  ~a'  ^  c  h  u  r  und  S.  Plaschkes  -  Wien :  Zur  Indikations- 

un«  der  Pneumothoraxbehandlung  bei  Lungentuberkulose. 

u  a  betont  BeuPrecllung  von  17  Krankengeschichten  wird 

u.  a.  betont,  dass  eine  komplizierende  Pleuritis  ebenso  wie  eine 

kannredurchhFn'tfCh  dem  v°rbikle  Holmgrens  behandelt  werden 
Siti^e?  tf  nUng  ,des  Exsudats  mittels  Punktion  unter  gleich- 

MassnLime  teeen  a« ! SFk°,m.pletten,  Pneumothorax,  indem  man  keine 
Massnahme  gegen  das  Eindringen  der  Luft  trifft.  Im  übrigen  besteht 

anlm^-er  der  Dneimiothoraxbehandlung  bei  Lungentuberkulose  vor 
m  e>ner  Besserung  der  Allgemeinerscheinungen,  Entfieberung 
Abnahme  des  Sputums,  Steigen  des  Körpergewichtes.  Dass  die  An-' 
peung  des,  F  neumothorax  direkt  die  Ausheilung  des  tuberkulösen 
Prozesses  herbeifuhre,  ist  bis  jetzt  nicht  erwiesen.  Bei  Tieren  an 

anlegten  fmri  VHe  rfasser  eiI?ea  einseitigen  kompletten  Pneumothorax 
anlegten  und  dann  eine  intravenöse  Infektion  mit  Humanus-  und 
Bovinustuberkulose  setzten,  entwickelte  sich  die  Tuberkulose  nicht 
weniger  auf  der  Pneumothoraxseite,  wie  auf  der  anderen  Dasselbe 
war,  der  Infektion  von  der  Trachea  aus  der  Fall.  Die  Haupt- 
indikation  für  die  Pneumothoraxbehandlung  bilden  daher  Fälle  von 
einseitiger  Lungenerkrankung  mit  schweren  Allgemeinerscheinungen 
dagegen  ist  die  Indikation  nicht  auf  leichte  Fälle  ohne  Allgemein-’ 
erscheinungen  auszudehnen.  Kontraindiziert  ist  die  Behandlung  vor 
be‘  vorgeschrittener  Erkrankung  der  zweiten  Lunge,  Herz¬ 
fehlern,  Nierenaffektionen  und  sonstigen  Erkrankungen,  wo  für  den 

ausreShenEmSnff  Und  d‘e  langwiedge  Behandlung  die  Kräfte  nicht 

.  .  ,v‘  un.d  Baub-Wien:  Ueber  den  Lipoidgehalt 

des  Blutes,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Tuberkulose. 

47  nÜSn  ffLhmerKni?r  ,-Urz  hervorzabeben,  dass  nach  Befunden  an 
4/  manifest  Tuberkulosen  und  46  anderen  Kranken  das  Blut  der 
ersteren  einen  niedrigeren  Lipoidgehalt  aufweist.  Die  Verminderung 

CholeshteHntenngeha  tCS  ‘m  Blut  betdfft  nur  die  Ester’  nicht  das  freie 

O-  F  r  a  n  k  f  u  r  t  e  r  -  Grimmenstein:  Tuberkulinbehandlung  des 
Asthma  bronchiale. 

Bei  6  hier  beschriebenen  Fällen  von  Asthma  fanden  sich  per- 
<u^i0lilsCje  u n d  auskultatorische  Erscheinungen  an  den  Lungen 
welche  den  \erdacht  einer  Tuberkulose  bedingen.  Eine  systematische 
Ur\dt.geilSgiind  IanKe  Behandlung  mit  Tuberkulininjektionen  kann  in 
solchen  Fallen  zu  einem  Abklingen  bzw.  Aufhören  der  Asthmaanfälle 
führen,  weshalb  ausgedehntere  Versuche  in  dieser  Richtung  be¬ 
rechtigt  wären. 

E.  K  1  a  u  s  n  e  r  -  Prag:  Ueber  eine  klinisch  verwendbare  Kutan¬ 
reaktion  auf  tertiäre  Syphilis. 

Bei  der  Fortsetzung  der  in  No.  2  beschriebenen  Versuche  (siehe 
Bericht  S.  149)  an  über  500  Fällen  hat  sich  die  Kutanreaktion  mittels 
dps  L ungenextraktes  von  Pneumonia  alba  gut  bewährt.  Bei  einem 
nicntliietiscnen  Individuum  fand  sich  nie  eine,  auch  nur  zweifelhafte 
Reaktion,  desgleichen  nie  bei  primärer  und  sekundärer  Lues,  dagegen 
war  die  Reaktion  fast  immer  positiv  bei  tertiärer  Lues,  hereditärer 
Lues  und  vereinzelt  positiv  bei  Lues  in  der  Spätlatenz.  Das  Ver¬ 
fahren  kann  daher  als  eine  brauchbare  Probe  auf  tertiäre  Lues  be¬ 
trachtet  werden. 

Th.  Spietschka  -  Brünn :  Meine  Erfahrungen  über  Salvarsan. 
Das  Salvarsan  übertrifft  an  Wirksamkeit  alle  anderen  Anti- 
sypluhtika,  dauernde  Gesundheitsschädigung  hat  Sp.  nicht  beob- 
achtet.  Zur  vollständigen  Heilung  genügt  nur  ganz  selten  eine 
Injektion;  daher  empfehlen  sich  wiederholte,  am  besten  intravenöse 
Injektionen,  mit  denen  möglichst  frühzeitig  im  ersten  Primärstadium 
zu  beginnen  ist.  Besonders  gut  sind  die  Erfolge  im  Tertiärstadium. 

St.  ^erkowski  und  W.  K  r  a  s  z  e  w  s  k  i  -  Warschau :  An¬ 
wendung  des  Refraktometers  bei  chemisch-physiologischen  Unter¬ 
suchungen. 

Besprechung  der  Verwendbarkeit  des  Abbe  sehen  Refrakto¬ 
meters  mit  tabellarischen  Uebersichten.  Im  allgemeinen  ist  das 
Refraktometer  da  vorzuziehen,  wo  kleine  Flüssigkeitsmengen  zu  be¬ 
arbeiten  sind.  Ausser  der  Bestimmung  von  physikalischen  Eigen- 
scba,.  /  *s*  aucb  die  Bestimmung  des  Eiweiss-  und  Zuckergehaltes 
möglich,  aber  nur  bei  Vorhandensein  grösseref  Mengen.  Beim  Vor¬ 
handensein  mancher  Arzneien  im  Harn,  z.  B.  Salizylsäure,  zeigt  die 
Bestimmung  des  spezifischen  Gewichtes  durch  den  Refraktometer  zu 
hohe  Zahlen.  Schliesslich  geben  die  Verfasser  einige  Formeln  für 
die  Bestimmung  der  wichtigsten  Untersuchungen,  welche  zum  Teil 
von  den  Riegle  r  sehen  Formeln  abweichen. 

K.  U  1 1  m  a  n  n  -  Wien:  Zur  Organotropie  der  Salvarsan- 
praparate.  (Schluss.) 

Siehe  den  ausführlichen  Bericht  auf  S.  108/109. 

E.  M  a  y  r  -  Radkersburg:  Die  Krankenpflege  auf  dem  Laude. 
O.  Kopelzky  v.  Rechtperg  -  Wien :  Bemerkungen  zu 
Dr.  L.  T  e  1  e  k  y  s  „Ketzerischen  Betrachtungen  zur  Schularztfrage“. 

Bergeat  -  München. 


Schiffs-  und  Tropenkrankheiteii. 


(Schluss.) 

i  i^'  B  c  he  r  s  c  h  m  i  d  t  -  Hamburg:  Ueber  das  Verhalten  der 
Leukozyten  im  Blute  Malariakranker  lange  Zeit  nach  dem  Fieber- 

abfall.  (Beiheft  2  z.  Arch.  f.  Schiffs-  und  Tropenhygiene,  Bd.  16.) 

Die  mit  dem  Differentialleukozytometer  von  Schilling-  Tor- 
gau  yorgenommenen  exakten  Untersuchungen  des  Blutbildes  nach 
uberstandener  Malaria  ergaben  als  sichere  Merkmale  einer  früheren 
Malanainfektion  Vermehrung  der  grossen  Mononukleären,  Verschie¬ 
bung  des  Ar  net  h  sehen  Blutbildes  nach  links  (Vermehrung  der 
Stabkernigen)  und  Vermehrung  der  Lymphozyten.  Die  von  T  h  o  m  - 
s  o  n  gefundene,  regelmässig  zur  Zeit  des  früheren  Fieberanstieges 
einsetzende  Hyperleukozytose  konnte  Sch.  nur  in  einem  Drittel  der 
untersuchten  Falle  feststellen. 

G.  B  a  e  r  m  a  n  n  -  Petoemboekan :  Die  Assanierung  der  javani- 
schen  und  chinesischen  Arbeiterbestände  der  dem  Serdang-Doctor- 

Behicft  5  )  UI"atra’  angeschlossenen  Pflanzungsgebiete.  (Daselbst, 

:  ,  0Darch  ,eine  grosszügige,  planmässig  durchgeführte  Assanierung 
ist  es  ß.  gelungen,  in  einem  Zeitraum  von  5  Jahren  die  Sterblichkeit 
4fi  p[  den  fca-  P00°  Arbeitern  der  obengenannten  Pflanzungen  von 
PinPrQPtfca»  „10  P[°Z •  he/abzudrücken.  Dieser  Erfolg  ist  zu  verdanken 
nil-  r  /  •  einfer  str5ng  durchgeführten  Seuchenverhütung,  andererseits 
mLo»  K?lpf^ing  der  wichtigsten  übertragbaren  Krankheiten  durch 
Massenbehandlung.  Die  Methoden  der  Seuchenverhütung  —  Unter- 
füS“?  ucnl  Beobachtung  jedes  neu  eingestellten  Arbeiters  in  den 
pL  6ri75  lagen,  wahrend  deren  eine  zweimalige  Stuhluntersuchung, 
eine  Blutuntersuchung  und  ein  Widal  neben  der  allgemeinen  Unter- 

aPQam1]f„VArKe?l0rnmi,en^wIirf  !ähdich  zweimalige  Untersuchung  der 
gesamten  Arbeiterschaft,  Fahnden  nach  Bazillenträgern,  Verpflichtung 

HrhpArReiv,8'e^nr’  Jeden  Frauken  Arbeiter  so  früh  als  möglich  der  ärzt- 
hchen  Behandlung  zuzuführen  —  sind  für  ähnliche  Unternehmungen 
"  den  Tr,op(rn  geradezu  vorbildlich.  Durch  eine  Massenbehandlung 
er  Ankylostomiasis  mit  1  hymolkuren,  welche  allein  einen  Kosten- 
aufwand  von  50  000  M.  verursachten,  stieg  die  Zahl  der  vollwertigen 
Arbeiter  von  35  Proz.  auf  82  Proz.,  der  Durchschnittshämoglobinwert 

-  7£°Z-  aiU  h97  Pri°rZ'  R.ie  Erkrankungshäufigkeit  der  Amöben- 

als  deren  Ursache  Verf.  in  erster  Linie  Wasserinfektion 
beschuldigt —  sank  von  160  auf  10  000  auf  11:10  000.  die  Sterblichkeit 
von  70  aalJO:  10  000.  Auffallend  ist  die  Gutartigkeit  der  Syphilis, 
ihre  hauptsachhche  Beschränkung  auf  das  Frühstadium,  das  Fehlen 
postluetischer  Erscheinungen.  Wenn  sich  auch  eine  chronisch-inter¬ 
mittierende  Behandlung  nicht  durchführen  liess,  so  führte  doch  auch 
die  symptomatische,  aber  gründlich  gehandhabte  stationäre  Behand- 
lungr  zu  einer  Verminderung  der  manifest  Syphilitischen  von  7,5  Proz. 
auf  5,08  Proz.  Der  Wert  der  Wassermannreaktion  wurde  durch  die 
relative  Häufigkeit  latenter  Frambösie  beeinträchtigt.  Die  Malaria 
ist  im  allgemeinen  in  Sumatra  so  gutartig,  dass  allgemeine  Chinin- 

K?yHaXecfur,,  Unnotl?  pachtet  wurde-  Bei  der  Typhusbekämpfung 
stiess  das  Suchen  nach  Bazillenträgern  infolge  des  stetigen  Wechsels 
der  Arbeiter  und  des  engen  Zusammenwohnens  auf  grosse  Schwierig- 
Kciten.  Von  sonstigen  Krankheiten  sind  noch  Lungenentzündungen 
u  „  epidemische  Genickstarre  besprochen.  Beriberi  wird  merk- 
wurdigerweise  nicht  erwähnt.  Bemerkenswert  ist  das  Fehlen  von 
Atheromätose,  Stoffwechselkrankheiten  und  Tumoren.  B.  glaubt 
diese  Erscheinung  mit  dem  Fehlen  des  Alkoholgenusses  in  Zusammen¬ 
hang  bringen  zu  müssen. 

nPMfS/u PrfJ  Ps  w  :  U?ner  !e"  Mektionsmodijs  der  Ankylostomiasis  in 
Deutsch-Ostafrika.  (Daselbst,  Beiheft  6.) 

Die  Ankylostomiasis  ist  in  finanz-  und  volkswirtschaftlicher  Be¬ 
ziehung  die  bedeutendste  und  wichtigste  Seuche  Deutsch-Ostafrikas. 
Durch  Untersuchungen  in  den  verschiedensten  Teilen  des  Schutz¬ 
gebietes  gelangte  P.  zur  Erkenntnis,  dass  die  Infektion  durch  Ein- 
dringen  der  Larven  in  die  Haut  vom  Boden  aus  die  Regel  bildet,  dass 
Infektion  vom  Mund  aus  die  Ausnahme  bildet  und  dass  das  Erde-  und 
Lehmessen  überhaupt  als  Ursache  der  Wurmkrankheit  nicht  in  Be¬ 
tracht  kommt.  Die  wichtigsten  Massnahmen  der  Bekämpfung  be- 
stehen  in:  Belehrung  der  Europäer  und  Eingeborenen,  strenges  Ver¬ 
bot  der  Kotablage  ausserhalb  der  Latrinen,  Anlage  von  Aborten  und 
Latrinen  unter  polizeilichem  Zwang  und  unter  hygienischer  Kontrolle 
MassenbehandUmg  der  Wurmkranken  durch  Thymolkuren 

ti  c  V'  SRC.hÜLfnerand  W.  A.  Kuenen-Deli:  Ueber  den  Ein¬ 
fluss  der  Behandlung  des  Reises  auf  die  Beriberi  und  die  daraus  ent¬ 
stehenden  Fehlerquellen  bei  der  Beobachtung.  (Daselbst,  Beiheft  7 ) 

„  ./um  Verständnis  der  Reistheorie  und  ihrer  Bedeutung  für  die 
Beriberiatiologie  ist  die  Kenntnis  der  Prozeduren,  welche  der  Reis 
vor  dem  Vei  kauf  an  den  Konsumenten  und  vor  dem  Genuss  durch- 
macht,  unerlässlich.  Eine  eingehende,  klare  Darstellung  dieser  Ver- 
fahren  hat  die  deutsche  Beriberiliteratur  bisher  vermissen  lassen 
bo  füllt  die  verdienstvolle  Arbeit  der  Verff.  eine  fühlbare  Lücke  aus 
zumal  sie  auch  manche  Rätsel  der  Reisätiologie  der  Beriberi  auf  ein¬ 
fache  und  natürliche  Weise  löst.  Auf  die  Einzelheiten  der  Reiskorn¬ 
anatomie  und  der  in  den  Reismühlen  oder  im  Handbetrieb  vor- 
genommenen  Prozesse  kann  hier  nicht  näher  eingegangen  werden. 
Als  Grundlage  einer  Reisreform  —  der  wichtigsten  Massnahme  zur 
Verhütung:  der  Beriberi  wird  man  für  die  Reisbearbeitung  in  erster 
Linie  den  Massstab  des  PsOs-Gehaltes  aufstellen  müssen.  Aber  hier 
tauchen  neue  Fragen  auf,  wie  z.  B.  die  geringere  Haltbarkeit  der 
nur  enthülsten  oder  halbgeschliffenen  Reissorten,  ferner  das  Alter 
des  Reises.  Wichtig  ist  auch,  dass  der  „cured  oder  parboiled“  Reis 


1400 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


kein  einheitliches  Produkt  ist,  sondern  in  seinem  P-Qehalt  sehr  ver¬ 
schieden  ist.  Nächst  dem  Enthülsen,  Mahlen  und  Schleifen  ist  aber 
auch  die  Intensität  des  Waschens  und  die  Art  des  Garmachens  von 
Bedeutung  für  den  Partialnährwert  des  Reises.  Wiederholtes  langes 
Wässern.  Durchspülen  des  gedämpften,  halbgaren  ist  geeignet,  den 
P-Gehalf  des  Reises  noch  weiter  herabzusetzen.  Als  untere  Grenze 
des  PsOs-üehaltcs  muss  0,5  Proz.  gefordert  werden.  Zum  Schluss 
machen  die  Verff.  darauf  aufmerksam,  dass  manche  Formen  von 
Ankylostomiasis  nicht  selten  das  Bild  der  Beriberi  aufweisen. 

E.  P  a  s  c  h  e  n  -  Hamburg:  Bericht  über  die  Reise  zur  Erfor¬ 
schung  und  Bekämpfung  der  Pocken  in  Togo.  (Daselbst,  Bei¬ 
heft  8.) 

Das  Auftreten  von  Pocken  in  durchgeimpften  Bezirken  und  kurze 
Zeit  nach  der  Impfung  hatte  den  Verdacht  erweckt,  es  handle  sich  in 
Togo  um  eine  biologische  Varietät  (Sanaga-,  Samoa-,  weisse  Pocken). 
Der  Verdacht  hat  sich  nicht  bestätigt.  Die  trotz  der  Impfung  auf¬ 
getretenen  Pockenfälle  waren  einesteils  darauf  zurückzuführen,  dass 
manche  Impflinge  sich  bei  der  Impfung  schon  in  der  Inkubation  be¬ 
fanden,  andernteils  darauf,  dass  die  Lymphe  durch  eine  lange  Passage 
durch  Kälber  abgeschwächt  war.  Die  von  P.  am  Schluss  aufgestell¬ 
ten  Vorschläge  einer  Organisation  der  Impfung  in  Togo  dürfen  als 
Muster  für  die  Methoden  der  Lymphgewinnung  und  -konservierung  in 
den  Tropen  gelten.  Die  Hauptpunkte  für  eine  regelmässige  und  tadel¬ 
lose  Herstellung  und  Konservierung  der  Lymphe,  Einschieben  humaner 
Lymphe  oder  eines  heterologen  Passagetieres  nach  jeder  2.  Passage 
durch  das  Kalb,  regelmässige  Eislieferung  und  Aufbewahrung  der 
Lymphe  in  einem  Frigoapparat. 

L.  K  ii  1  z  -  Kamerun :  Bemerkungen  zu:  A.  Treutlein:  „Ver¬ 
dient  die  Chininprophylaxe  den  Vorzug  vor  dem  mechanischen  Ma¬ 
lariaschutz  in  den  Tropen?“  (Daselbt,  H.  14.) 

Solange  Fieberplätze  durch  gelungene  Assanierung  nicht  den 
persönlichen  Schutz  gegen  Malaria  entbehrlich  machen,  bedürfen  wir 
der  Malaria-Schutzmittel.  Welche  von  diesen  Schutzmitteln  im  ein¬ 
zelnen  Fall  anzuwenden  sind,  muss  individuell,  je  nach  Lage  der  Sache 
entschieden  werden.  K.  hält  eine  prinzipielle  Entscheidung  der  Frage: 
„Chininprophylaxe  oder  mechanischer  Malariaschutz“  für  falsch.  So¬ 
wohl  was  die  Sicherheit  der  Wirkung  als  was  die  praktische  Durch¬ 
führbarkeit  der  beiden  Methoden  anlangt,  ist  die  Chininprophylaxe 
dem  mechanischen  Malariaschutz  überlegen.  Ja,  ein  streng  durch¬ 
geführter  mechanischer  Malariaschutz  wird  wohl  stets  lästiger  emp¬ 
funden  werden  als  die  milde  Chininprophylaxe  mit  fraktionierten 
Dosen. 

W  a  1  d  o  w  -  Duala :  Chininprophylaxe  oder  mechanischer 
Malariaschutz.  (Daselbst,  H.  16.) 

Dem  Versuche  Treutleins,  noch  einmal  eine  Lanze  für  den 
mechanischen  Malariaschutz  zu  brechen,  hält  W.  auf  Grund  seiner 
langjährigen  Erfahrungen  in  Kamerun  die  unbestreitbaren  Vorzüge 
der  Chininprophylaxe  entgegen.  Wenn  sie  auch  nicht  imstande  ist, 
eine  Infektion  stets  ganz  und  mit  Sicherheit  zu  unterdrücken,  sie 
mildert  sie  aber,  und  es  ist  dann  eine  Leichtigkeit,  bei  den  ersten  Vor¬ 
boten  (Neuralgien,  Müdigkeit,  Kopfschmerz,  leichte  Temperatur¬ 
steigerung)  den  Anfall  zu  kupieren.  Erkrankungen  erfolgen  nur  bei 
Nichtbefolgung  der  richtigen  Prophylaxe,  als  welche  sich  Verf.  die 
Ziemann sehe  Methode  (jeden  4.  Tag  1,0 g)  bewährt  hat.  Schwarz¬ 
wasserfieber  hat  W.  nie  bei  Personen  gesehen,  welche  ausreichende 
Prophylaxe  trieben,  Todesfälle  nur  bei  Nichtprophylaktikern  und  Leu¬ 
ten  mit  ungenügender  Prophylaxe.  Dass  die  Chininprophylaxe  auch 
bei  jahrelangem  Gebrauch  stets  der  beste  Malariaschutz  ist  und  gut' 
vertragen  wird,  hat  W.  nicht  nur  an  sich,  sondern  auch  an  vielen 
anderen  Europäern  feststellen  können. 

Verhandlungen  der  Deutschen  Tropenmedizinischen  Gesellschaft. 

4.  und  5.  I  agung  vom  17.  bis  20.  September  1911  bzw.  3.  bis  6.  April 
1912.  (Daselbst,  Beiheft  1  u.  4.) 

Die  Mehrzahl  der  auf  den  beiden  Tagungen  gehaltenen  Vorträge 
beschäftigte  sich  mit  den  immer  noch  im  Vordergründe  des  Interesses 
stehenden  Malaria-  und  Trypanosomenfragen.  Müh¬ 
le  ns  konnte  im  Anschluss  an  die  schönen  Ergebnisse  der  Malaria¬ 
bekämpfung  in  Wilhelmshaven  über  die  Organisation  der  Malaria¬ 
bekämpfung  in  Emden  im  Jahre  1910  berichten.  Er  hat  dort  im  Ar¬ 
beiterviertel  „Transvaal“  einen  nicht  unbedeutenden  Malariaherd  ge¬ 
funden.  Fast  drei  Viertel  aller  Erkrankten  waren  Kinder  unter 
15  Jahren.  Die  wichtigsten  Bekämpfungsmassnahmen,  die  sich  auch 
in  Wilhelmshaven  bewährt  hatten,  waren:  Einführung  der  Malaria- 
Meldepflicht,  Ermittlungen  der  Parasitenträger  durch  regelmässige 
Nachfragen  und  Blutuntersuchung  aller  Verdächtigen,  Chininbehand¬ 
lung  aller  Parasitenträger,  2—3  Monate  lang  unter  ständiger  Blutkon¬ 
trolle.  In  einem  gewissen  Zusammenhang  mit  der  einheimischen 
Malaria  stehen  auch  die  erfolgreichen  Versuche  der  Mückenvertilgung, 
welche  Müh  lens  in  der  Gemeinde  Wohldorf-Ohlstedt  bei  Hamburg 
vorgenommen  hat.  Gegen  die  Hausmücken  (Culex  pipiens  und  annu- 
latus,  Anopheles  maculipennis)  wurden  Ausräucherungen  mit  einem 
Präparat  der  Firma  Riedel  (Dalmatiner  Bergblüten)  und  Aus¬ 
spritzungen  mit  einer  von  G  i  e  m  s  a  angegebenen  Tinktur  (Haupt¬ 
bestandteile:  Pyrethrumextrakt,  Kaliseife,  Glyzerin)  angewandt, 
gegen  die  Waldmücken  (Culex  nemorosus  und  cantans)  Regulierung 
der  Waldgräben  und  Petrolisierung  bzw.  Saprolisierung  aller  stag¬ 
nierenden  Tümpel.  Für  die  Chininprophylaxe  in  der  Ma¬ 
laria  trat  Rüge  auf  Grund  neuerer  Erfahrungen  ein.  Für  die 
Massenprophylaxe  glaubt  er  die  Z  i  e  m  a  n  n  sehe  Methode  (jeden 

4.  Tag  1,0  g)  oder  die  verstärkte  Halbgrammprophylaxe  (jeden  4.  und 

5.  Tag  0,5  g).  für  die  individuelle  Prophylaxe  des  Beamten,  Kauf¬ 


manns,  Ofiiziers  die  tägliche  Prophylaxe  mit  Dosen  von  0,25  bis 
0,3  g  Chinin,  hydrochlor.  empfehlen  zu  können.  An  den  Vortrag 
schloss  sich  eine  ausserordentlich  lebhafte,  höchst  lehrreiche  Dis¬ 
kussion  an.  Von  neueren  Chininpräparaten  konnten 
Werner  das  Insipin,  ein  fast  völlig  geschmackloses  Präparat  der 
Firma  Riedinger,  G  i  e  m  s  a  und  Werner  ein  das  Chinin,  hydro- 
chloric.  an  spezifischer  Wirksamkeit  übertreffendes  Präparat,  das  die¬ 
selbe  Firma  auf  Veranlassung  des  Vortragenden  hergestellt  hat,  das 
Dihydrochinin,  hydrochloric.  empfehlen.  Bei  intravenöser  Injektion, 
die  nach  den  Versuchen  von  Giemsa  und  Werner  als  die  voll¬ 
kommenste  Probe  auf  die  Leistungsfähigkeit  des  Chinins  anzusehen 
ist,  entsprechen  0,75  g  Dihydrochin.  1,0  g  Chinin. 

Ueber  die  Bekämpfung  der  Schlafkrankheit  in 
Deutsch-Ostafrika  berichtete  Steudel  auf  Grund  eigener 
Beobachtungen,  dass  am  Victoriasee  die  Gefahr  einer  Infektion  bereits 
jetzt  insofern  als  erloschen  angesehen  werden  kann,  als  in  den  Ge¬ 
bieten,  wo  noch  Schlafkranke  sind,  keine  Glossina  palpalis  mehr  ist, 
und  da,  wo  die  Ueberträgerin  noch  vorkommt,  sie  sich  nicht  infizieren 
kann,  weil  keine  Schlafkranken  da  sind.  Ein  grosser  Herd  besteht 
aber  noch  am  Tanganikasee  und  im  Russissital.  Hier  wird  die  Be¬ 
kämpfung  —  einerseits  Abholzungen  des  Busches,  andererseits  Ato- 
xylbehandlung  der  Schlafkranken  —  noch  jahrelang  fortgesetzt  wer¬ 
den  müssen.  Ein  wesentlich  trüberes  Bild  enthüllte  Ziemann  über 
die  Schlafkrankheit  in  Kamerun.  Abgesehen  von  den  mehr 
oder  weniger  verseuchten  Herden  Altkameruns,  Duala,  Akonolinga, 
Molunda,  sind  im  neuen  Gebiet  fast  das  ganze  Stromgebiet  der  Sanga, 
besonders  der  obere  Lauf  zwischen  Carnot  und  Nola,  die  Ufer  des 
Kassai  und  des  Lobaje  Massenherde  der  Schlafkrankheit.  Wo  die 
Grenzen  noch  frei  sind,  besteht  vielfach  die  Gefahr  der  Einschleppung 
von  Schlafkrankheitsherden  des  französischen  Nachbargebietes.  Die 
Behandlung  mit  Atoxyl  hat  in  Duala  im  Gegensatz  zu  den  Erfah¬ 
rungen  in  Ostafrika  und  Togo  bisher  keine  Erfolge  gehabt.  Auch  Ab¬ 
holzungen  und  Rodungen  stossen  in  den  sumpfigen  Gebieten  der 
Flussläufe  auf  grosse  Schwierigkeiten.  Alles  in  allem,  stellt  sich  die 
Schlafkrankheitsbekämpfung  in  Neukamerun  als  ein  ausserordentlich 
schwieriges  Problem  dar,  dessen  Bewältigung  ein  planmässiges  Zu¬ 
sammenarbeiten  aller  Behörden  in  der  Heimat  und  in  den  Kolonien 
und  vor  allem  Konstanz  in  den  Personalverhältnissen  der  Aerzte  und 
Beamten  erfordert.  —  Bei  Tierversuchen  mit  dem  im  Staate  Minas 
Geraes  in  Brasilien  menschenpathogenen  Schizotrypanum 
C  r  u  z  i  (Chagas)  fanden  M.  Mayer  und  da  Rocha-Lima  breite 
und  kurze  Formen  mit  sich  blau  färbendem  Protoplasma  und  schmale, 
schlanke  Formen  mit  rötlichem  Protoplasma,  Vermehrungsformen  im 
Muskel-,  Fett-  und  Bindegewebe,  sowie  in  den  Lymphdrüsen  und 
Knochenmark.  Im  Gewebe  zeigen  die  Parasiten  runde  Gestalt,  nach 
einer  gewissen  Zeit  scheint  jedoch  eine  Rückentwicklung  in  Trypano¬ 
somen  einzutreten,  durch  eine  Art  Aufrollung.  —  Das  immuni¬ 
satorische  Verhalten  verschiedener  Trypano¬ 
somenarten  prüften  Braun  und  Teichmann.  Sie  konnten 
bei  Dourine-,  Nagana-  und  Mal  de  Caderasstämmen  weder  durch 
aktiven  und  passiven  Schutzversuch  noch  durch  Erschöpfungsver¬ 
suche  Unterschiede  feststellen.  Versuche,  Mäuse  mit  Dourine-  oder 
Naganatrypanosomen  gegen  Gambiense  aktiv  zu  immunisieren,  miss¬ 
langen.  Auch  durch  Komplementbindungsversuche  konnten  Unter¬ 
schiede  zwischen  Nagana-  und  Dourinetrypanosomen  nicht  festgestellt 
werden.  Da  solche  sich  auch  nicht  für  serumfeste  und  nicht  serum¬ 
feste  Stämme  gleicher  Art  nachweisen  Hessen,  wird  die  Komplement¬ 
bindungsmethode  für  Bestimmung  von  Artdifferenzen  empfohlen.  — 
Ueber  weitere  Beiträge  zur  Aetiologie  der  Beri¬ 
beri  trug  Schaumann  vor,  dass  es  ihm  gelungen  sei,  aus  Reis¬ 
kleie,  die  sich  ja  als  Schutz  gegen  experimentelle  Polyneuritis  be¬ 
währt  hat,  2  Stoffe  zu  isolieren,  deren  einer  ein  kohlehydrathaltiges 
Phosphatid  ist,  während  der  andere  ein  phosphorhaltiges  Gemisch 
von  Kohlehydraten  darstellt.  Beide  üben  bei  Tierversuchen 
schützende  und  heilende  Wirkung  auf  die  Polyneuritis  aus  und  be¬ 
weisen  so,  dass  in  der  Tat  der  von  S.  vermutete  Mangel  an  orga¬ 
nischen  P-Verbindungen  die  Ursache  der  Polyneuritis  der  Tiere  ist.  — 
W.  Siebe  rt  wies,  gegenüber  englischen  Mitteilungen  von  Spiro¬ 
chätenbefunden  bei  Granuloma  venereu  m,  auf  die  Ueberein- 
stirrimung  der  von  ihm  gefundenen  Kapselkokken  mit  den  Befunden 
von  Donovan  und  F  1  u  hin,  auf  die  Lagerung  der  Erreger  am  Rande 
der  Herde  und  auf  die  Gleichheit  der  Befunde  in  dem  Material  der 
verschiedensten  Weltgegenden.  ■ — -  Plehn  kommt  in  einem  Referat 
über  die  Frambösiefrage  zu  dem  Schluss,  dass  theoretisch - 
an  der  Verschiedenheit  von  Frambösie  und  Syphilis  festzuhalten  ist, 
auf  Grund  folgender  Betrachtungen:  Verschiedenheit  des  Primär¬ 
affekts  beim  Menschen,  des  Impfaffekts  beim  Affen,  Jucken  des  Pri- 
märaffekts  bei  Frambösie,  Fehlen  von  Gefässveränderungen  und  um¬ 
schriebenen  Nekrosen  bei  Frambösiepapillomen,  oberflächliche  Lage¬ 
rung  der  Spirochaete  pertenuis  in  der  Epidermis,  Möglichkeit  der 
gleichzeitigen  Infektion  mit  Frambösie  und  Syphilis,  der  Autoinokula¬ 
tion  bei  Frambösie  und  Fehlen  der  Heredität.  —  Baermann  und 
S  c  h  ii  f  f  n  e  r  führten  im  Korreferat  neben  den  von  Plehn  erwähn¬ 
ten  Punkten  noch  die  Verschiedenheit  der  Uebertragungsweise,  das 
Fehlen  viszeraler  Veränderungen  und  nervöser  Erkrankungen  bei 
Frambösie,  deren  rasches  Sicherschöpfen  in  mehreren  Anfällen,  end¬ 
lich  Häufigkeit  positiver  Serumreaktion  mit  nichtspezifischen  Anti¬ 
genen  im  Spätlatenzstadium  der  Frambösie  an.  Dementsprechend  be¬ 
steht  auch  keine  gegenseitige  totale  Immunität.  B.  glaubt  jedoch 
eine  vikariierende  relative  Resistenzerhöhung  durch  Frambösie  gegen¬ 
über  Syphilis  annehmen  zu  dürfen.  —  Fülleborn  machte  auf  die 


24.  Juni  1913. 


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MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WC JCHENSCHRIET. 


fur  die  U  n  t  e  rsc  h  e  i  d  u  n  g  der  Microfilaria  d  i  u  r  n  a  und 
nocturna  wichtige  Genitalzelle  (R  Odenwald  t)  aufmerksam, 
\velche  am  besten  durch  Azur-II-Färbung  und  Qlyzerinätherdifferen- 
zierung  zur  Darstellung  gelangt.  Mf.  diurna  und  Mf.  loa  sind  iden¬ 
tisch.  Die  Übertragung  menschlicher  Filarien  auf  Tiere  durch  Ein¬ 
spritzen  ist  bis  jetzt  nicht  gelungen.  —  Ueber  die  K  1  i  n  i  k  u  n  d 
I  herapie  der  in  der  Siidsee  verbreiteten  Filarienkrank¬ 
heiten  (Menunfieber)  teilt  A.  Leber  mit.  dass  durch  Phenokoll 
der  akute  Anfall  kupiert,  die  Rückbildung  der  Schwellungen  beschleu¬ 
nigt  wird.  Die  Bekämpfung  der  Filariosen  macht  Mückenvertilgung. 
I  rennung  des  Eingeborenenviertels  von  der  Europäerniederlassung 
und  Verbot  der  Auswanderung  Infizierter  in  filarienfreie  Gebiete  not¬ 
wendig.  —  M.  Mayer  konnte  in  den  wichtigsten  Punkten  die  Be¬ 
funde  Schau  di  uns.  welche  er  in  seiner  Arbeit  ..Ueber  üenera- 
tions-  und  Wirtswechsel  bei  Trypanosomen  und  Spirochäten“  nieder¬ 
gelegt  hatte,  bestätigen.  Ausser  den  Ookineten  des  Halteridium  und 
den  im  Leib  der  Stechmücke  aus  diesen  entstehenden  Flagellaten 
tand  er  Umwandlung  der  Ookineten  in  zystenartige  Gebilde  und  Ent¬ 
stehung  von  Flagellaten  aus  ihnen  unter  Zurückbleiben  eines  Rest- 
korpers.  Die  aus  der  Mücke  auf  Novy-Agar  gezüchteten  Flagellaten 
erwiesen  sich  als  identisch  mit  denen  aus  der  Eule.  Auch  beim 
Leukozytozoon  des  Waldkauzes  traten  zeitweise  trypanosomenähn- 
hche  Stadien  auf,  in  den  Stechmücken  Ookineten  und  schmale  lange 
Flagellaten,  die  an  Spirochäten  erinnerten.  —  V.  Schilling-  Torgau 
halt  den  Säugetiererythrozyten  für  eine  vollständige  Zelle 
rnit  sehr  komplizierter  Protoplasmastruktur.  Die  mit  den  gewöhn¬ 
lichen  Methoden  nicht  färbbaren  Gebilde,  Kapselkörper  und  Zentren, 
werden  bei  Tropenkrankheiten  häufig  auch  bei  Giemsafärbung  dar¬ 
stellbar.  haben  parasitenähnliches  Aussehen  und  geben  so  häufig  An¬ 
lass  zur  Annahme,  dass  sie  protozoische  Parasiten  seien.  Das  Blut¬ 
bild  der  bei  Tropenkrankheiten  erworbenen  Anämie  bezeichnet  Sch. 
als  „a  regenerative  Anämi  e“.  Im  Tierversuch  konnte  er 
solche  Anämien  nur  durch  überstarke  Intoxikation  erzeugen.  Er 
sieht  daher  in  dem  aregenerativen  Blutbild  eine  Steigerung  der  re¬ 
generativen  Anämie  und  glaubt,  zur  Erklärung  der  Aregeneration  von 
der  Annahme  einer  primär-asthenischen  Knochenmarksbeschaffenheit 
abgehen  zu  können.  —  Z  i  e  m  a  n  n  gab  sehr  beachtenswerte  Winke 
für  die  Hygiene  des  Schlafens  und  Wohnens  in  den 
Tropen  und  bezeichnet  als  eines  der  wichtigsten  Probleme  der 
Wohnungshygiene  den  Einbau  von  Kälteerzeugungsanlagen. 

Liffran:  La  vaccination  contre  la  fievre  typhoide.  (Archive 
de  medecine  et  pharmacie  navales,  Bd.  97,  H.  5.) 

Frankreich  verliert  jährlich  8—9000  Menschen  durch  Typhus 
(Zivilbevölkerung).  Die  französische  Armee  hatte  in  20  Jahren 
21  134  Typhustodesfälle,  97  663  Typhuserkrankungen  zu  verzeichnen. 
Die  französische  Marine  hatte  von  1900—1910  6378  Typhuskranke, 
von  denen  850  starben.  Diese  enormen  Ziffern  legen  zur  Genüge  die 
Notwendigkeit  intensiver  Verhütungsmassnahmen  dar.  Unter  den 
Erfolgen  der  Typhusschutzimpfung,  wie  sie  heute  von  allen  Staaten 
und  Armeen  fast  berichtet  werden,  sind  von  Bedeutung  auch  die 
von  Chante  messe  und  Vincent  in  Marokko  beobachteten  Er¬ 
gebnisse:  Morbidität  der  Geimpften  3.53  Prom.,  der  Ungeimpften 
115,88  Prom.,  Mortalität  der  Geimpften  0.  der  Ungeimpften  8,35  Prom. 
Es  folgt  eine  eingehende  Beschreibung  der  in  den  verschiedenen  Län¬ 
dern  angewandten  Verfahren.  Auf  Grund  der  fast  überall  festgestell¬ 
ten  günstigen  Erfahrungen  schlägt  Verf.  die  Einführung  der  Typhus¬ 
schutzimpfung  in  die  französische  Marine  vor. 

Defressine,  Cazeneuve,  Olivier,  Coulomb:  Le 
Cholera  asiatique  dans  la  marine  ä  Toulon  en  novembre  1911.  (Arch. 

de  med.  et  pharm,  nav.  1912,  8,  9.) 

Fast  gleichzeitig  mit  dem  Erlöschen  der  Cholera  in  Marseille  tra¬ 
ten  in  Toulon  auf  5  Schiffen  des  dort  liegenden  Geschwaders  17  Fülle 
von  Cholera  auf,  von  denen  6  starben.  Ein  18.  Fall  betraf  einen  An¬ 
gestellten  der  Werft,  sonst  erkrankte  kein  Mensch  in  Toulon  an  Land. 
Der  gleichzeitige  Ausbruch  der  Epidemie  im  Geschwader  weist  auf 
eine  gemeinsame  Infektionsquelle  hin  und  diese  wurde  im  Wasch¬ 
wasser  gefunden,  welches  durch  Kesselspeisewasser  verseucht  wor¬ 
den  war.  Mit  Ausnahme  eines  Schiffes,  des  „Suffreu“,  wurde  sowohl 
im  Speisewasser  als  im  Waschwasser  der  verseuchten  Schiffe  der 
Choleravibrio  nachgewiesen.  Ausser  den  Erkrankten  fanden  sich 
noch  8  z.  T.  leicht  erkrankte,  z.  T.  gesunde  Keimträger.  Das  Speise¬ 
wasser,  welches  entweder  dadurch,  dass  es  in  denselben  Wasser¬ 
prähmen  wie  Waschwasser  den  Schiffen  zugeführt  war,  oder  da¬ 
durch,  dass  es  durch  dieselbe  Röhrenleitung  wie  Waschwasser  in  das 
Schiff  gepumpt  wird,  das  Waschwasser  infiziert  hat.  war  2  Schöpf¬ 
stellen  —  der  source  Rodeillac  und  dem  puits  Peyrel  —  entnommen, 
die  sich  beide  in  der  betr.  Zeit  als  verseucht  erwiesen.  Doch  konnte 
die  Verseuchung  durch  einen  zuvor  an  Land  beobachteten  Fall  nicht 
angenommen  werden,  so  dass  nur  die  Annahme  einer  Verseuchung 
der  Wasserentnahmestellen  durch  gesunde  Keimträger  übrig  bleibt. 
Auffällig  bleibt,  dass  die  Epidemie,  wenn  tatsächlich  das  Wasch¬ 
wasser  die  Infektionsquelle  war,  nicht  weiter  um  sich  griff  - —  im 
wesentlichen  waren  eigentlich  nur  2  Schiffe  betroffen,  „Vergniaud“1 
mit  9  und  ..Marceau“  mit  11  Fällen  (einschl.  der  Keimträger),  während 
„Massena“  nur  2.  „Rcpublique“  und  „Suffren“  nur  1  Fall  hatten  — , 
ferner,  dass  auf  „Patrie“.  wo  sich  Choleravibrionen  sowohl  im  Speise¬ 
wasser  als  im  Waschwasser  fanden,  keine  Fälle  beobachtet  sind. 
Immerhin  ist  diese  Epidemie  für  die  Epidemiologie  der  Cholera  auf 
Schiffen  von  grösster  Bedeutung,  da  sie  die  Schwächen  der  Wasser¬ 
versorgung  durch  gemeinsame  Rohrleitung  und  gemeinsame  Prähme 
für  Speise-  und  Waschwasser  grell  beleuchtet. 


A.  C  o  n  n  a  1 :  The  prevalence  of  filarial  Embryos  in  the  blood 
of  the  Lagos  Natives.  (The  Journal  of  trop.  Med.  and  Hygiene,  XV, 
H.  l.) 

•  ü11  .^er.  Mehrzahl  der  Fälle  wurde  Filaria  Loa,  daneben  etwa  in 
gleich  massiger  Verbreitung  Fil.  Bankrofti  und  Fil.  perstans  gefunden. 
Bei  Mischinfektionen  fanden  sich  am  häufigsten  Fil.  Loa  und  perstans 
zusammen  vor.  Der  Nachweis  von  Embryonen  von  Filaria  Loa  ge¬ 
lang  bei  32  Eingeborenen  tags  und  nachts,  bei  30  nur  am  Tage, 
während  die  Embryonen  von  Fil.  Bankrofti  in  den  meisten  Fällen 
nur  nachts  nachweisbar  waren.  Das  Alter  der  Infizierten  schwankte 
im  allgemeinen  zwischen  25  und  45  Jahre. 

S.  Co  ch  ran:  The  superficial  Lymph-Nodes  as  a  source  of 
Leishmania  for  Diagnosis  in  cases  of  Kala-azar.  (Daselbst.) 

Der  Nachweis  von  Leishman-Donovan-Körperchen  im  Ausstrich 
exzidierter  Stückchen  von  zervikalen  Lymphdrüsen  gelingt  nach  Verf. 
leichter  als  der  Nachweis  durch  Milz-  oder  Leberpunktion. 

^  1  1  °,n  K  anc*  C  r  o  w  e  1 1 :  The  etiology  of  Beriberi. 

(  rhe  Philippine  Journal  of  Science,  Vol.  VII.  Sec.  B,  No.  4.) 

In  einer  Reihe  ausserordentlich  sorgfältig  durchgeführter  Ver¬ 
suche,  welche  an  29  Gefangenen  des  Bilibid-Gefängnisses  in  Manila 
mit  deren  Zustimmung  vorgenommen  wurden,  gelang  es  denVerff, 
durch  eine  vorwiegend  aus  Reis  bestehende  Kost  in  13  Fällen  Beri¬ 
beri  oder  wenigstens  Symptome  von  Beriberi  zu  erzeugen.  2  Grup¬ 
pen  erhielten  weissen  Reis,  der  0,37  P,Os  enthielt,  daneben  als  Bei¬ 
kost  in  geringen  Mengen  Schinken,  Zwiebeln,  Fett,  Brot,  Kartoffeln, 
Bananen  und  Zucker,  eine  3.  Gruppe  bekam  ausserdem  noch  Extrakt 
von  Reishülsenabfall  (ries  polishings),  eine  4.  Gruppe  endlich  unpolier- 
ten  Reis  (red  rice)  mit  der  erwähnten  Beikost.  Eine  von  den  ersten 
beiden  Gi  uppen  wurde  weit  entfernt  von  den  übrigen  Gruppen  unter¬ 
gebracht  und  hatte  während  der  ganzen  Dauer  des  Versuches  keine 
Berührung  mit  den  anderen  Gruppen.  Gewicht  und  körperliches  Be- 
fi n den  wurden  laufend  ärztlich  geprüft.  In  allen  4  Gruppen  wurden 
Beriberifälle  festgestellt,  und  zwar  4  bzw.  5  bei  den  hier  zuerst  ge- 
genannten  Gruppen,  je  2  bei  der  mit  Hülsenextrakt  und  bei  der  mit 
unpoliertem  Reis  ernährten  Gruppe.  Die  Verf.  entnehmen  ihren  Ver¬ 
suchen,  dass  die  Beriberi  auf  Störungen  des  Stoffwechsels  beruht 
und  dass  diese  Störungen  durch  den  Mangel  eines  Stoffes  bedingt 
werden,  der  im  unpolierten  Reis  und  im  Reishülsenextrakt  vorhanden 
ist.  Aus  den  Versuchen  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass  eine  Infek¬ 
tion  als  Ursache  der  Beriberi  auszuschliessen  ist.  Während  der  gan¬ 
zen  Dauer  des  Versuches,  welcher  über  3  Monate  dauerte,  kamen 
unter  den  übrigen  Insassen  des  Gefängnisses  keine  Fälle  von  Beri¬ 
beri  vor. 

zur  Verth:  Hygiene  der  Seekriegsverletzungen.  (Marine- 
Rundschau,  April  1913.)  (Vergl.  d.  W.  1912,  S.  2556.) 

Zur  Auflösung  des  Marinelazaretts  in  Yokohama.  (Marine-Rund¬ 
schau,  März  1912.) 

Durch  Verfügung  des  Staatssekretärs  des  Reichs-Marineamts 
vom  6.  X.  11  ist  das  Marinelazarett  in  Yokohama  mit  dem  Ende  des 
Jahres  1911  aufgehoben  worden.  33  Jahre  hat  es  in  segensreicher 
Tätigkeit  das  Ansehen  deutscher  Heilkunst  und  des  deutschen  Namens 
im  fernen  Osten  gefördert.  Besonders  vor  der  Erwerbung  des 
Kiautschougebietes  ist  es  kranken  und  erholungsbedürftigen  Offizieren 
und  Mannschaften  des  Kreuzergeschwaders  ein  willkommener  Zu¬ 
fluchtsort  gewesen,  aber  auch  Angehörige  der  Handelsmarine  und 
™tler  Nationen,  Frauen  und  Kinder  fanden  Aufnahme  und  ärztliche 
Hilfe.  Durchschnittlich  wurden  jährlich  etwa  100  Kranke  auf¬ 
genommen.  Daneben  war  es  in  den  ersten  20  Jahren  mit  einer  Poli¬ 
klinik  für  die  einheimische  Bevölkerung  verbunden.  Der  mit  d°r  zu¬ 
nehmenden  Bedeutung  von  Tsingtau  immer  seltener  werdende  Auf¬ 
enthalt  der  Kriegsschiffe  in  Yokohama,  die  grossen  Lazarettanlagen 
in  Tsingtau  und  das  Genesungsheim  im  Lauschau  haben  schliesslich 
die  Marineverwaltung  veranlasst,  das  Lazarett  einzuziehen. 

Bentmann  -  Kiel. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Giessen.  Mai  1913. 

Dietz  Georg:  Untersuchungen  über  Codeonal,  ein  neues  Schlaf¬ 
mittel.*) 

K  r  i  e  g  e  r  Rudolf :  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wider¬ 
standsfähigkeit  von  Strongylus  micrurus  gegenüber  Arznei¬ 
mitteln.  *) 

Grether  Friedrich:  Beeinflussung  der  Hauttemperatur  des  Rindes 
durch  Frottieren.*) 

Karbach  Oskar:  Zur  Beurteilung  der  Knochenneubildungen  an  den 
Extremitäten  des  Hundes.*) 

T  i  e  p  p  e  r  Amandus :  Ueber  die  Gewichtsabnahme  der  Neugeborenen. 
Stegmaier  Hans:  Untersuchungen  über  Wert  und  Wirkung  des 
Arekolins  auf  den  Pansen  der  Wiederkäuer.*) 

Universität  Jena.  Mai  1913. 

Jonas  Viktor:  Der  Typhus  in  der  Grossherzogi.  Sachs.  Heil-  und 
Pflegeanstalt  Blankenhain. 

S  öl  ln  er  Albert:  Die  hygienischen  Anschauungen  des  römischen 
Architekten  V  i  t  r  u  v  i  u  s.  I.  Teil:  Allgemeine  Hygiene. 


*)  Ist  veterinärmedizinische  Dissertation. 


1402 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

XV.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für 

Gynäkologie 

in  Halle  a.  S.  vom  14. — 17.  Mai  1913. 

Berichterstatter:  Prof.  Karl  Baisch. 

III. 

Vorträge  über  die  Serodiagnostik  der  Schwanger¬ 
schaft. 

Herr  Abderhalden  -  Halle  (a.  Q.) :  Schwangerschaftssero¬ 
diagnostik. 

Abderhalden  gibt  eine  eingehende  theoretische  Begründung 
seines  diagnostischen  Verfahrens  und  betont  die  Spezifität  der  Me¬ 
thode.  Fehldiagnosen  haben  ihren  Grund  ausschliesslich  in  unrichtiger 
und  fehlerhafter  Anwendung  der  Methode.  Am  häufigsten  sind 
folgende  Fehlerquellen:  1.  Das  Blut  ist  hämolytisch  oder  nicht  ge¬ 
nügend  zentrifugiert.  2.  Die  Dialysierschläuche  sind  ungenügend  ge¬ 
prüft.  3.  Das  Organ  ist  nicht  frei  von  auskochbaren  Substanzen, 
die  mit  Ninhydrin  reagieren.  Es  kommt  dann  zur  Addition  besonders 
bei  Patienten  mit  Eiweisszerfall:  Karzinom.  Blutergüssen,  Salpin¬ 
gitis  etc.  Das  Organ  muss  stets  absolut  blutfrei  und  frei  von  Stoffen 
sein,  die  sich  auskochen  lassen  und  mit  Ninhydrin  reagieren.  Das 
Organ  muss  mit  der  fünffachen  Menge  Wasser  5  Minuten  gekocht  und 
zu  5  ccm  des  Filtrats  1  ccm  1  proz.  Ninhydrinlösung  zugesetzt  wer¬ 
den.  Die  Prüfung  des  Organs  kann  nie  zu  scharf  ausfallen.  Absolut 
sauberes,  aseptisches  und  antiseptisches  Arbeiten  ist  Grundbedingung. 
Rötliche  und  braune  Farbtöne  haben  keine  Gültigkeit,  nur  violette 
bis  blaue. 

Herren  R.  Freund  und  B  r  a  hm -Berlin:  Beiträge  zur  sero¬ 
logischen  Blutuntersuchung. 

Freund  und  Br  ahm  verfügen  bis  jetzt  über  160  Unter¬ 
suchungen  mittels  des  optischen  und  Dialysierverfah- 
r  e  n  s,  die  an  Graviden-  und  Nichtgravidenserum  vorgenommen  wur¬ 
den.  Der  klinische  Befund  deckte  sich  mit  dem  Ausfall  der  Reaktion 
bei  der  Optik  in  75  Proz.,  bei  der  Dialyse  in  69,6  Proz.  104  mal 
wurden  beide  Verfahren  gleichzeitig  geprüft,  wobei  die  Resultate 
31  mal  nicht  übereinstimmten.  Bei  Nichtgraviden  (Adnex¬ 
tumoren  und  Uterus  infant.)  fiel  die  Reaktion  in  3  Fällen  positiv 
aus  (einmal  mit  der  Optik,  dreimal  mit  der  Dialyse).  Zur  Technik 
der  optischen  Methode  ist  die  gleichzeitige  Anwendung  von  min¬ 
destens  zwei  Plazentarpeptonen  verschiedener  Herkunft  notwendig. 
Die  Versager  sind  nicht  sämtlich  der  Technik  zur  Last  zu  legen, 
sondern  könnten  auch  in  wechselndem  Fermentgehalt  eines  Serums 
beruhen. 

Herr  S  c  h  i  f  f  -  Halle :  Ist  das  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  sehe  Dialysier- 
verfahren  differentialdiagnostisch  verwertbar? 

In  No.  22,  S.  1197  dieser  Wochenschrift  erschienen. 

Herr  R  ü  b  s  a  m  e  n  -  Dresden :  Zur  biologischen  Diagnose  der 
Schwangerschaft  mittels  der  optischen  Methode  und  des  Dialysier- 
verfahrens. 

Vergl.  diese  Wochenschrift  No.  21,  S.  1139. 

Herr  Schlimpert  -  Freiburg :  Erfahrungen  mit  der  Abder¬ 
halden  sehen  Schwangerschaftsreaktion  (Dialysiermethoden  und 
Ninhydrinreaktion). 

Hinweis  auf  Fehlerquellen,  besonders  durch  Summation  unter¬ 
schwelliger,  mit  Ninhydrin  reagierender  Stoffe  im  Serum  und  in  der 
Plazenta.  Auf  Grund  günstiger  Erfahrungen  wird  vorgeschlagen,  das 
Serum  durch  sechsstündige  Vordialyse  von  Eiweissabbauprodukten  zu 
reinigen.  Von  Schwangerenserum  wird  nur  Plazenta-,  nicht  aber 
Uterus-,  Ovarie-,  Myom-  oder  Karzinomgewebe  abgebaut.  Bei  Re¬ 
aktionen  mit  Tierplazenten  und  Tierseren  wurden  mit  Kuhplazenten 
unbestimmte  (Fehler  der  Technik?),  mit  Schaf-  und  Pferdeplazenten 
günstige  Resultate  erzielt.  Schwangeres  Stutenserum  baut  Pferde¬ 
plazenten  ab  (prinzipiell  wichtig  für  die  Frage,  ob  die  Fermente 
durch  Chorionzottenverschleppung  entstehen:  die  Pferdeplazenta  hat 
keine  Chorionzotten!).  Schwangeres  Menschenserum  baut  oft  auch 
Kuh-,  Schaf-  und  Pferdeplazenta  mit  ab,  schwangeres  Tierserum  wirkt 
auf  Menschenplazenta  nur  ausnahmsweise  ein. 

Herr  P.  Schäfer:  Fermentreaktion  nach  Abderhalden. 

Vortragender  hat  nach  der  Vorschrift  von  Abderhalden 
123  Fälle  mit  dem  Dialysierverfahren  untersucht  und  65  gleichzeitig 
auch  mit  der  optischen  Methode.  Es  handelte  sich  um  62  Schwangere 
und  61  Nichtschwangere.  Schwangere  vom  ersten  bis  zehnten  Monat 
zeigten  beim  Dialysierverfahren  zwei  Fehldiagnosen,  während  Hä- 
matozelen  ein  wechselndes  Resultat  ergaben.  Bei  Nichtschwangeren 
versagte  die  Dialysiermethode  in  11  Fällen:  die  Hauptzahl  der  Fehl¬ 
diagnosen  entfallen  auf  Myome  und  Karzinome  (auf  23  Tumoren 
=  9  Fehldiagnosen).  Bei  38  Frauen  mit  normalem  Genitale  oder 
seniler  Atrophie  wurden  zwei  Fehldiagnosen  gestellt  (65  Fälle).  Bei 
der  optischen  Methode  hatte  Vortragender  zwei  Fehldiagnosen,  einmal 
im  positiven  Sinne  bei  einem  Myom,  einmal  im  negativen  bei  einer 
Nebenhornschwangerschaft  im  zweiten  Monat. 

Herr  Lichtenstein  -  Leipzig :  Ueber  das  Dialysierverfahren 
nach  Abderhalden. 

Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift. 

Herr  P  e  t  r  i  -  München :  Ueber  Fermentreaktion  im  Serum 
Schwangerer,  Kreissender  und  Wöchnerinnen. 

Im  ganzen  kamen  40  Sera  (aus  der  Klinik  D  ö  d  e  r  1  e  i  n),  je 
10  von  Schwangeren.  Gebärenden  und  Wöchnerinnen  zur  Unter¬ 


suchung.  Die  Einwirkung  jedes  einzelnen  Serums  auf  Plazentapepton¬ 
lösung  dauerte  48  Stunden.  Der  Mittelwert  der  grössten  Drehungs¬ 
änderung  des  polarisierten  Lichtes  während  der  Einwirkung  von 
Schwangerenserum  auf  Plazentapepton  betrug  0,08°,  von  Serum  aus 
der  Eröffnungsperiode  0.12°,  von  Serum  aus  der  Austreibungsperiode 
ebenfalls  0,12  °,  von  Wöchnerinnenserum  0,10  °.  Diese  Unter-  • 
schiede  lassen  deutlich  erkennen,  dass  die  abbauende  Fähigkeit  des 
Schwangerenserums  unter  der  Geburt  eine  Steigerung  erfährt,  um  im 
Wochenbett  wieder  zu  sinken.  Wahrscheinlich  kommen  die  Leuko¬ 
zyten  als  Bildungsstätte  dieser  Fermente  in  Betracht. 

Herr  R  o  s  e  n  t  h  a  1  -  Pest :  Ueber  die  Serumdiagnose  der 
Schwangerschaft. 

Vorträge  zur  Strahlenbehandlung  von  Karzinomen  J 

und  Myomen. 

Herr  E.  B  u  m  m  -  Berlin :  Ueber  die  Erfolge  der  Röntgen-  und 
Mesothoriumbehandlung  beim  Uteruskarzinom. 

Es  ist  schon  lange  bekannt,  dass  die  Epitheliome  der  Haut  durch 
die  Einwirkung  der  Radium-,  Mesothorium-  und  Röntgenstrahlen  zur 
Ausheilung  gebracht  werden  können.  Schwieriger  als  bei  diesen 
Krebsen,  die  langsam  wachsen  und  wenig  Neigung  zur  Metastasierung 
zeigen,  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  weichen  Karzinomen,  die  von 
den  Schleimhäuten  und  Drüsen  ihren  Ursprung  nehmen.  Volle  Er¬ 
folge  sind  hier  nicht  berichtet.  Seit  dem  letzten  Jahre  haben  zwei 
Umstände  eine  viel  stärkere  und  viel  tiefergreifende  Wirkung  der  Be¬ 
strahlung  ermöglicht:  Die  Verwendung  harter  Röhren  und  starker 
Filter  pnd  die  industrielle  Herstellung  relativ  grosser  Mengen  radio¬ 
aktiver  Substanzen,  welche  uns  erlaubt,  die  10-  bis  20  fache  Menge 
der  früher  angewandten  Strahlen  in  die  Neubildung  ohne  Schaden  zu 
schicken.  In  der  Berliner  Frauenklinik  wurde  seit  einem  Jahr  die 
verstärkte  Tiefenbestrahlung  verwendet  und  wurde  von  Hand  ly 
in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  im 
Juli  1912  über  die  ersten  Erfolge  berichtet.  Seitdem  wurde  die 
Strahlenwirkung  beständig  gesteigert,  so  dass  fast  10  000  Kienböck 
und  15  000  Milligrammstunden  Mesothorium  und  darüber  angewandt 
wurden.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  bei  diesen  Mengen  stehen  zu 
bleiben,  man  wird  sie  noch  beträchtlich  steigern  können.  —  Vortr. 
berichtet  über  12  Fälle,  welche  längere  Zeit  beobachtet  sind  und  ein 
gewisses  Urteil  zulassen.  —  Fall  1.  Plattenepithelkarzinom  der 
Portio  und  des  linken  Scheidengewölbes.  1927  Kienböck.  Heilung.  — 

F  a  1 1  2.  Zervixkarzinom,  blutiger  jauchiger  Trichter,  Infiltration  nach 
rechts.  8200  Kienböck  und  12  000  Milligrammstunden  Mesothorium. 
Karzinom,  Höhle  und  Sekretion  verschwunden,  Narbentrichter,  Ge¬ 
webe  mit  der  Kürette  nicht  mehr  abschabbar.  —  F  a  1 1  3.  Karzinom 
des  Scheidengewölbes,  das  Rektum  umgreifend.  3500  Kienböck  und 
8700  Milligrammstunden.  An  Stelle  des  Karzinoms  eine  harte 
Schwarte  in  einem  Narbentrichter.  Keine  Sekretion  und  Blutung 
mehr.  —  F  a  1 1  4.  Karzinom  des  Scheidengewölbes.  3400  Kienböck 
und  14  200  Milligrammstunden,  Hilfsschnitt,  um  das  Karzinomgeschwiir 
blosszulegen.  Völlige  Ueberhäutung,  klinische  Heilung.  —  Fall  5. 
Karzinom  der  Zervix,  kraterförmige  jauchende  Höhle,  10  000  Kienböck 
und  16 120  Milligrammstunden.  Kallöser  Narbentrichter  ohne  Se¬ 
kretion.  —  Fall  6.  Carcinoma  cervicis,  1900  Kienböck  und  10  400 
Milligrammstunden  Mesothorium.  Erfolg  wie  bei  Fall  5.  Mit  der 
Kürette  nichts  mehr  abzuschaben.  —  Fall  7.  Ektropionierendes 
Carcinoma  colli,  stark  jauchend,  9350  Milligrammstunden  Meso¬ 
thorium.  Ektropium  völlig  überhäutet,  keine  Sekretion  mehr.  Operiert. 

—  Fall  8.  Grosser  Karzinomtrichter  des  Kollum.  In  24  Tagen 
13  320  Milligrammstunden  Mesothorium.  Trichter  geschlossen,  keine 
Sekretion;  operiert.  —  Fall  9.  Grosses  Plattenzellenkarzinom  der 
Harnröhre  bis  znm  Blasenhals  hinaufgehend.  1900  Kienböck.  Völlige 
Heilung.  —  Fall  10.  Adenokarzinom  der  Harnröhre,  800  Kienböck 
und  4600  Milligrammstunden  Mesothorium.  Heilung  bis  auf  ein 
kleines  Ulcus  an  der  Urethralmündung.  Noch  in  Behandlung.  —  j 
Fall  11.  Rezidiv  nach  Totalexstirpation.  Grosses  Ulcus  mit  In¬ 
filtrationen.  Hilfsschnitt.  3500  Kienböck  und  14  200  Milligrammstun¬ 
den  Mesothorium.  Völlige  Ueberhäutung,  Narbentrichter.  —  Fall  12. 
Rezidiv  nach  Totalexstirpation  und  nochmaliger  Rezidivoperation, 
das  ganze  Gewölbe  in  einen  jauchigen  Krebstrichter  verwandelt. 
1218  Kienböck  und  15  350  Milligrammstunden  Mesothorium.  Heilung. 
Nur  noch  Narbentrichter,  von  dem  sich  nichts  mehr  abkratzen  lässt, 
keine  Sekretion  mehr.  —  Es  ist  zweifellos,  dass  sich  mit  Hilfe  der 
verstärkten  Röntgen-  und  Mesothoriumbestrahlung  alle  von  den 
Strahlen  erreichten  Teile  des  Karzinomgewebes  zum  Zerfall  bringen 
lassen.  Eine  gleichzeitig  auftretende  Sklerose  des  Bindegewebes 
verwandelt  das  Krebsgeschwür  in  einen  Narbentrichter  um.  Die  zer¬ 
störten  Karzinommassen  werden  zum  Teil  abgestossen  und  reinigen 
sich  dabei  die  Geschwüre  in  wenigen  Wochen.  Es  kann  aber  auch, 
wie  in  den  Fällen  von  Urethralkarzinom,  zu  einer  einfachen  Aufsau¬ 
gung  des  zerstörten  Karzinomgewebes  kommen,  Heilung  ohne  Ge¬ 
schwürs-  und  Narbenbildung.  Wie  weit  die  Wirkung  der  Bestrahlung 
in  die  Tiefe  geht  und  ob  bei  fortgeschrittenen  Fällen  noch  eine 
dauernde  Heilung  möglich  ist,  wird  sich  erst  in  einigen  Jahren  ent¬ 
scheiden  lassen.  Die  bis  jetzt  nach  der  Bestrahlung  operativ  oder 
bei  Sektionen  gewonnenen  Präparate  zeigen  noch  alle  in  der  Tiefe 
Herde  lebensfrischen  Karzinomgewebes,  auch  in  den  sub  7  und  8 
berichteten,  allerdings  nur  9  bis  21  Tage  bestrahlen  Fällen  fand  sich 
noch  in  der  Tiefe  an  einzelnen  Fällen  alveoläres  intaktes  Gewebe, 
an  der  Oberfläche  bis  auf  einige  Zentimeter  in  die  Tiefe  war  alles 
Karzinomgewebe  zerstört  oder  in  deutlichem  Zerfall.  Vortr.  betont 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1403 


noch,  dass  Vorsichtsmassregeln  bei  der  Intensivbestrahlung  nötig  sind 
und  starke  Bleifilter  beim  Mesothorium  anzuwenden  sind;  es  werden 
D  Yon , tiefer  Nekrose,  einmal  der  Blasenwand,  das  andere 
Ma  des  Beckenbindegewebes  bis  zum  Kreuzbein  berichtet.  Im  ersten 
rall  ist  auch  anatomisch  nichts  mehr  von  Karzinom  vorzufinden,  die 
Kranke  v°n  Karzinom  geheilt,  aber  der  nachfolgenden  Nekrose  und 
Urininfiltration  erlegen. 

Heiren  Krönig  und  G  a  u  s  s  -  Freiburg  i.  Br.;  Die  operations- 
losc  Behandlung  des  Krebses. 

Auf  dem  internationalen  Kongress  im  September  1912  berichtete 
der  Vortragende  (Krönig)  kurz  über  8  Fälle  von  Karzinom,  welche 
durch  Röntgen-  bzw.  Mesothoriumbestrahlungen  soweit  beeinflusst 
waren,  dass  beim  Zervix-  und  Mammakarzinom  dort,  wo  früher  bei 
tiefen  Exzisionen  stets  Krebs  nachzuweisen  war,  kein  Karzinom 
mehr  festgestellt  werden  konnte,  und  ferner  über  einen  Fall  von 
Magenkarzinom,  bei  welchem  der  früher  leicht  palpable  Tumor 
nachträglich  nicht  mehr  zu  fühlen  war.  Insofern  war  hier  etwas 
Neues  in  die  seit  langem  bekannte  Röntgen-  und  Mesothoriumbehand¬ 
lung  der  Karzinome  eingeführt,  als  die  Filtertechnik  gegen  früher 
geändert  und  Strahlendosen  gegeben  wurden,  welche  das  Vielfache 
von  dem  betragen,  was  bei  Myombehandlung  als  sehr  gross  ange¬ 
sprochen  war.  Die  Behandlung  mit  Mesothorium  wurde  in  gleicher 
Weise  mit  sehr  grossen  Strahlenquantitäten  auf  einmal,  wie  sie  früher 
niemals  zur  Anwendung  kamen,  ausgeführt,  indem  z.  B.  800  mg  Meso¬ 
thorium  auf  einmal  aufgelegt  wurden.  Damit  bei  diesen  enormen 
Dosen  unängenehme  Nebenwirkungen  vermieden  wurden,  war  es 
notwendig,  eine  richtige  Filtertechnik  auszuarbeiten.  Die  Filter¬ 
technik,  die  bei  der  Behandlung  der  Karzinome  mit  Röntgenstrahlen 
in  Anwendung  kam,  ist  ausführlich  dargelegt  worden  durch  Gauss 
und  Lembcke,  Meyer  -  Kiel,  und  Heynemann  -  Halle.  Bei 
der  Mesothoriumbehandlung  wurde  im  Prinzip  daran  festgehalten, 
dass  durch  das  Filter  die  a-  und  /^-Strahlen  ganz  absorbiert  wurden, 
und  dass  nur  y-Strahlen  zur  Einwirkung  kamen.  Die  zur  Verwen¬ 
dung  kommenden  Filter  bestanden  aus  3  mm  dickem  Bleischutz, 
Y\  mm  Gold  oder  V%  mm  Platin.  Die  Anwendung  des  dichteren  Me¬ 
talls  hat  den  Vorteil,  dass  die  verwendeten  Filterhülsen  ein  geringeres 
Volumen  darstellen,  so  dass  die  piit  Mesothorium  armierten  Filter¬ 
hülsen  leicht  in  die  Gebärmutter-  und  Karzinomhöhle  eingeführt  wer¬ 
den  können.  (Demonstration  der  vom  Instrumentenmacher  F.  L. 
Fischer,  Freiburg  i.  Br.,  Kaiserstr.,  konstruierten  Filter.)  Vor¬ 
bedingung  dieser  Filteranwendung  ist  der  Nachweis,  dass  die  vom 
Mesothorium  ausgesandten  reinen  y-Strahlen  1.  eine  biologische  Wir¬ 
kung  haben  und  2.  spezifisch  auf  das  Karzinom  einwirken.  Es  werden 
die  zum  Beweise  angestellten  Versuche  kurz  angeführt.  Die  bio¬ 
logische  Wirkung  der  reinen  y-Strahlen  wird  dadurch  demonstriert, 
dass  eine  Maus  in  eine  Bleikammer  eingeschlossen  wurde,  deren 
Wand  4  mm  Dicke  betrug.  Es  war  dann  Mesothorium  von  aussen 
auf  die  Bleikammer  gelegt,  und  die  Maus  nach  24  stündiger  Ein¬ 
wirkung  der  y-Strahlen  getötet.  Die  durch  Prof.  Asch  off  aus¬ 
geführte  Obduktion  ergab  eine  weitgehende  Zerstörung  der  Organ¬ 
zellen,  vor  allem  der  Milz.  Die  spezifische  Einwirkung  der  ö-Strahlen 
auf  die  Karzinomzellen  wurde  an  der  Hand  eines  Ulcus  rodens  de¬ 
monstriert.  Im  Gegensatz  zu  der  hier  üblichen  Verwendung  des 
weichen  Anteils  des  Mesothoriumstrahlengemisches  war  das  Meso¬ 
thorium  vor  dem  Karzinom  auch  wiederum  mit  dickem  Blei  gefiltert. 
Die  Heilung  des  Ulcus  rodens  allein  durch  die  reinen  y-Strahlen 
wird  an  einer  Moulage  demonstriert.  Krönig  bespricht  dann  kurz 
die  bisher  an  der  Freiburger  Universitäts-Frauenklinik  erzielten  kli¬ 
nischen  Resultate  beim  Karzinom.  Es  war  selbstverständlich,  dass 
bei  Karzinombestrahlungen  zunächst  der  seit  langem  bekannte  Weg 
betreten  wurde,  nämlich  Einwirkung  ungefilterter  oder  nur  schwach 
gefilterter  Röntgenstrahlen  auf  das  Karzinom,  und  dass  man  erst  im 
Laufe  der  Zeit,  unzufrieden  mit  den  erzielten  Resultaten,  zur  ge¬ 
filterten  Bestrahlung  mit  hohen  Dosen  überging.  Das  Material  ist  in 
zwei  Hauptgruppen  einzuteilen:  1.  Einwirkung  hauptsächlich  der 
ungefilterten  und  schwach  gefilterten  Röntgen-  und  Mesothorium¬ 
bestrahlung,  d.  h.  also  alte  Methode,  und  2.  stark  gefilterte  Röntgen- 
und  Mesothoriumbestrahlung  mit  sehr  hohen  Dosen,  d.  h.  neue  Me¬ 
thode.  Weiter  wurde  das  Material  noch  in  zwei  Untergruppen  ein¬ 
geteilt,  entsprechend  dem  zunehmenden  Vertrauen,  das  man  erst  all¬ 
mählich  der  Strahlenbehandlung  schenkte,  nämlich  1.  Anwendung  von 
Röntgen-  und  Mesothoriumstrahlen  zur  Vermeidung  eines  Rezidivs 
eines  operierten  Karzinoms,  2.  Anwendung  von  Röntgen-  und  Meso¬ 
thoriumstrahlen  zur  Heilung  von  nicht  operiertem  Karzinom.  Das 
gesamte  mit  Strahlen  behandelte  Karzinommaterial  umfasst  146  Kar¬ 
zinomfälle.  Mit  der  ungefilterten  oder  nur  schwach  gefilterten  Be¬ 
strahlung  örtlich  oder  abdominell  behandelt  sind  26  Karzinome.  Es 
wurden  hier  die  gleichen  Erfahrungen  gemacht,  wie  sie  schon  seit 
über  einem  Jahrzehnt  in  der  Literatur  vorliegen  von  S  u  i  1 1  y, 
Cleveland,  Leduc,  Harry,  Deutsch,  Klein,  Eltze  etc., 
nämlich  Aufhören  der  Blutung,  oberflächliche  Vernarbung  event.  sogar 
Beweglichwerden  des  Tumors  etc.  Unter  diesen  unseren  Fällen  jener 
Periode  fand  sich  z.  B.  ein  jauchendes,  stark  blutendes  Karzinom, 
welches  nach  der  Bestrahlung  5  Jahre  später  so  fest  oberflächlich 
vernarbt  war,  dass  niemals  wieder  Jauchung  noch  Blutung  auftrat. 
Dennoch  sind  alle  Fälle  jener  Zeit,  soweit  wir  Nachricht  über  sie 
haben,  gestorben.  Krönig  zieht  gleich  den  amerikanischen  und 
französischen  Autoren  den  Schluss  daraus,  dass  man  in  der  unge¬ 
filterten  Bestrahlung  mit  geringen  Dosen  sowohl  bei  der  Rüntgen- 
als  auch  bei  der  Mesothoriumbehandlung  ein  vorzügliches  Palliativ¬ 


mittel  zur  Einschränkung  der  Jauchung  und  Blutung  beim  Karzinom 
hat,  aber  kein  Heilmittel.  Bestrahlungen  zur  Verhütung  des  Rezidivs 
nach  operierten  Karzinomen,  Verfahren,  wie  sie  ebenfalls  von  den 
Franzosen  schon  lange  gefordert  wurden,  wurden  in  der  Freiburger 
Klinik  im  ganzen  in  64  Karzinomfällen  vorgenommen.  Da  sich  diese 
Behandlung  naturgemäss  über  Jahre  hinauszog,  so  ist  verständlich, 
dass  diese  Fälle  zum  Teil  mit  ungefilterter  und  zum  Teil  mit  ge¬ 
filterter  Röntgen-  und  Mesothoriumbestrahlung  behandelt  wurden. 
Die  Resultate  sind,  soweit  wir  der  Fälle  wieder  habhaft  werden 
konnten,  ausserordentlich  interessant,  weil  sie  deutlich  die  Ueber- 
legenheit  der  starken  über  die  schwachen  Dosen  zeigten.  Von  den 
64  Karzinomfällen  wurden  zur  Verhütung  des  Rezidivs  43  Fälle  fast 
ausschliesslich  mit  ungefilterter  Röntgenbestrahlung  behandelt,  wäh¬ 
rend  21  Fälle  zum  grösseren  Teil  mit  gefilterten  Strahlen  und  hohen 
Dosen  behandelt  wurden.  Der  Unterschied  ist  eklatant.  Während 
von  den  43  Fällen  nachweislich  23  an  Karzinom  gestorben  sind,  sind 
von  den  21  Fällen  sämtliche  21  nachweislich  rezidivfrei.  Einschränkend 
muss  allerdings  noch  hinzugefügt  werden,  dass  entsprechend  dem 
Entwicklungsgang  von  ungefilterter  zur  gefilterten  Bestrahlung  die 
mit  gefilterten  Strahlen  behandelten  Fälle  noch  nicht  lange  beobachtet 
sind.  Immerhin  beträgt  die  gesamte  Beobachtungszeit  seit  der 
Operation  unter  den  21  Fällen  bei  14  Fällen  länger  als  1  Jahr,  und 
zwar  bei  einem  Fall  über  5  Jahre,  bei  2  Fällen  über  4  Jahre,  bei 
7  Fällen  über  1%  Jahre.  Wenn  man  bedenkt,  dass  erfahrungsgemäss 
60  Proz.  der  Rezidive  im  ersten  Jahre  nach  der  Operation  zur  Be¬ 
obachtung  kommen,  so  haben  diese  Zahlen  immerhin  schon  bewei¬ 
sende  Kraft.  Sie  zeigen  deutlich,  dass  zur  Verhütung  des  Rezidivs 
die  Anwendung  von  geringen  Röntgendosen  mit  schwacher 
Filterung  vielleicht  sogar  schädlich  wirken,  indem  sie  wahrscheinlich 
durch  Anreizen  des  Gewebes  schlummernde,  zurückgebliebene  Kar¬ 
zinomzellen  schneller  zum  Wachstum  bringen.  Auf  der  anderen  Seite 
können  stark  gefilterte  Strahlen  mit  hohen  Dosen  angewendet  ein 
Rezidiv  weitgehend  verhüten.  Zum  Schluss  werden  die  Fälle  be¬ 
sprochen,  bei  denen  von  vornherein  eine  Operation  abgelehnt  und  das 
Karzinom  ausschliesslich  mit  stark  gefilterten  Röntgen-  und  Meso¬ 
thoriumstrahlen  bei  hohen  Dosen  behandelt  wurde.  Es  sind  dies 
im  ganzen  56  Fälle.  Ueber  die  ersten  8  Fälle  berichtete  Krönig, 
wie  bereits  eingangs  erwähnt,  schon  auf  dem  Internationalen  Kon¬ 
gress  1912.  Von  den  Testierenden  48  Fällen  sind  18  Fälle  noch  in 
Behandlung,  und  17  Fälle  sind  als  geheilt  zu  betrachten,  wenn  wir 
unter  Heilung  verstehen,  dass  bei  völligem  Wohlbefinden  und  Sym- 
ptomlosigkeit  bei  mehrfach  ausgeführten  Exzisionen  kein  Krebs  mehr 
nachweisbar  ist.  5  Fälle  sind  während  der  Behandlung  gestorben, 
7  Fälle  haben  sich  der  weiteren  Behandlung  entzogen.  Die  längste 
Dauer  der  Rezidivfreiheit  beträgt  1  Jahr  2  Monate.  An  der  Hand 
von  zahlreichen  Moulagen  werden  verschiedene  Fälle  von  Röntgen- 
Mesothorium-Tiefenbestrahlungen  demonstriert.  Darunter  ein  grosses 
Bauchdeckenrezidiv  nach  W  e  r  t  h  e  i  m  scher  Operation,  rezidivfrei 
über  1  Jahr;  1  Cancer  en  cuirasse,  rezidivfrei  seit  5  Monaten: 

1  Mammakarzinom,  rezidivfrei  seit  9  Monaten,  und  zahlreiche  Fälle 
von  Zervix-,  Portio-  und  Scheidenkarzinom.  In  Behandlung  stehen 
Oesophaguskarzinome,  1  Gesichtskarzinom,  Magenkarzinome.  Zum 
Schluss  resümiert  Krönig  folgendermassen;  Wollen  wir  ein  Kar¬ 
zinom  erfolgreich  mit  Strahlentherapie  behandeln,  so  müssen  hohe 
Dosen  von  Röntgenstrahlen  und  hohe  Dosen  von  Mesothorium  ver¬ 
wendet  werden.  Entsprechend  der  auf  einmal  applizierten  hohen 
Strahlendosis  muss  zur  Vermeidung  von  Hautschädigungen  eine  starke 
Filterung  eintreten.  Die  Filterung  soll  bei  Mesothorium  möglichst 
so  weit  getrieben  werden,  dass  alle  a-  und  /3-Strahlen  im  Filter  ab¬ 
sorbiert  sind.  Ebenso  wie  seit  langem  eine  örtliche  Oberflächen¬ 
wirkung  der  Röntgen-  und  Mesothoriumstrahlen  festgelegt  ist,  ist 
heute  mit  Sicherheit  erwiesen,  dass  es  eine  örtliche  Tiefenwirkung 
auf  das  Karzinom  durch  gefilterte  Röntgen-  und  Mesothoriumstrahlen 
gibt.  Der  sicherste  Beweis  ist  die  Beeinflussung  des  Magenkarzinoms 
durch  die  Bauchwand  hindurch.  Auf  Karzinomfälle  mit  Metastasen 
scheint  die  Röntgen-  und  Mesothoriumtiefenbestrahlung  bisher  keinen 
nachhaltigen  Einfluss  zu  haben. 

Herr  A.  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  -  München :  Röntgen-  und  Mesothorium- 
behandlung  bei  Myom  und  Karzinom  des  Uterus. 

D  ö  d  e  r  1  e  i  n  weist  zuerst  darauf  hin,  welch  grosse  Fortschritte 
die  Röntgenbehandlung  in  der  Gynäkologie  durch  die  Arbeiten  von 
Krönig  und  Gauss  aus  der  Freiburger  Klinik  erfahren  hat,  und 
warnt  davor,  frühere  Erfahrungen  mit  dieser  Behandlung  gegen  die 
Strahlentherapie  ins  Feld  zu  führen,  da  durch  die  Freiburger  Technik 
einerseits  die  der  Strahlentherapie  bisher  anhaftenden  Nachteile  und 
Gefahren,  besonders  auch  der  Verbrennung,  als  beseitigt  angesehen 
werden  dürfen,  andererseits  aber  die  Wirkung  durch  die  Verab¬ 
reichung  ungleich  höherer  Strahlendosen  soviel  erhöht  wurde,  dass 
das  ganze  Verfahren  dadurch  an  Zuverlässigkeit  und  Promptheit  des 
Erfolges  ausserordentlich  gewonnen  hat.  Es  gelingt  jetzt  in  viel 
kürzerer  Zeit  als  früher,  die  durch  Myome  oder  Metropathien  er¬ 
zeugten  Blutungen  sicher  zu  beseitigen,  wodurch  das  Gebiet  der 
Anwendung  der  Röntgentherapie  wesentlich  vergrössert  werden 
konnte.  Auch  die  früher  mit  Radium  gewonnenen  Erfahrungen  bei 
der  Krebsbehandlung  können  nicht  mit  den  jetzt  durch  Mesothorium 
zu  erzielenden  Heilerfolgen  verglichen  werden,  da  es  kaum  möglich 
war,  so  grosse  Mengen  und  solche  Strahleinenergien  zur  Anwendung 
zu  bringen,  wie  dies  mit  den  neueren  Versuchen  mit  dem  Mesothorium 
erreicht  ist.  Wer  also  die  jetzt  mit  der  neueren  Methode  der 
Röntgentherapie  und  auch  mit  der  Mesothoriumbehandlung  berichteten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


MIM 


Erfolge  beurteilen  will,  hat  diesen  Voraussetzungen  in  jedem  Falle 
Rechnung  zu  trag’en.  Durch  anatomische  Untersuchungen,  die  Redner 
durch  eine  grössere  Anzahl  mikroskopischer  Bilder  belegt,  glaubt  er 
den  Beweis  dafür  erbracht  zu  haben,  dass  die  Mesothoriumstrahlen 
spezifisch  auf  die  Karzinomzelle  einwirken,  derart,  dass  sie  die  Zellen 
zur  Auflösung  bringen.  Er  konnte  in  den  verschiedenen  Stadien  der 
Behandlung  den  fortschreitenden  Zerfall  der  Karzinomzellen  ver¬ 
folgen,  bis  sie  schliesslich  vollständig  verschwinden.  Mit  diesen 
anatomisch  nachweisbaren  Veränderungen  am  Karzinom  gehen  die 
klinischen  Erscheinungen  Hand  in  Hand.  In  überraschend  kurzer  Zeit 
gelingt  es,  das  zerfallende  Karzinomgewebe  in  derbe  Schwielen  zu 
verwandeln,  womit  gleichzeitig  die  Blutungen  und  der  Ausfluss  ver¬ 
schwinden.  die  Schmerzen  aufhören,  das  Allgemeinbefinden  sich  hebt, 
also  der  subjektive  und  objektive  Zustand  der  Kranken  sich  von  Tag 
zu  Tag  bessert.  Von  einer  definitiven  Heilung  zu  reden  ist  zurzeit 
noch  verfrüht;  dazu  bedarf  es  natürlich  jahrelanger  Beobachtung. 
Wenn  es  aber  gelingt,  durch  Anwendung  genügend  grosser  Meso¬ 
thoriummengen,  die  sich  zum  mindesten  auf  mehrere  Hundert  Milli¬ 
gramm  belaufen  müssen,  nicht  nur  an  der  Oberfläche,  sondern  bis  in 
die  Tiefe  der  letzten  Ausläufer  des  Karzinoms  die  Karzinomzellen 
zu  zerstören,  dann  ist  die  Aussicht  auf  vollständige  Heilung  ana¬ 
tomisch  wohl  begründet.  Aufgabe  der  nächsten  Zeit  wird  es  sein, 
nicht  nur  hierfür  die  genügenden  Beweise  zu  erbringen,  sondern 
gerade  wie  bei  der  Röntgenstrahlenbehandlung  auch  die  Mesothorium¬ 
therapie  der  ihr  noch  innewohnenden  Gefahren  zu  entkleiden,  was 
durch  das  Prinzip  genügender  Filterung  der  Strahlen  und  Aus¬ 
schaltung  der  das  Gewebe  verschorfenden  a-  und  ^-Strahlen  durch 
dicke  Bleifilter  erstrebt  werden  muss.  Ob  es  damit  nun  auch  gelingt, 
sehr  fortgeschrittene  Karzinome,  die  dieser  Behandlung  grosse 
Schwierigkeiten  entgegensetzen,  zu  heilen,  erscheint  fraglich  und  des¬ 
halb  empfiehlt  D  ö  d  e  r  1  e  i  n,  nicht  allzu  günstige  Karzinome  für  diese 
Anwendungsversuche  auszuwählen.  Ob  auch  tiefliegende  Karzinome 
und  Metastasen  beeinflusst  werden  können,  erscheint  noch  fraglich; 
vielleicht  aber  gelingt  es,  durch  eine  Kombination  der  Röntgentherapie 
mit  der  Mesothoriumbehandlung  auch  solche  Karzinome  günstig  zu 
beeinf,ussen. 

Herren  Gauss  und  K  r  i  n  s  k  i  -  Freiburg:  Zur  Mesothorium- 
behandiung  der  Mvome  und  Metrooathien. 

Wir  benutzten  die  uns  von  der  Industrie  bereitwilligst  zur  Ver¬ 
fügung  gestellten  grossen  Mengen  von  Mesothorium  und  das  nach 
unseren  Angaben  von  dem  Instrumentenmacher  F.  L.  Fischer- 
Freiburg  angefertigte  Instrumentarium.  Anfänglich  wurde  analog 
der  Röntgentiefentherapie  hauptsächlich  abdominell  bestrahlt.  Später 
nach  Lage  der  Dinge  vaginal,  zervikal  oder  intrauterin.  Dabei  wurde 
die  gleichzeitige  Anwendung  der  Bestrahlung  von  verschiedenen 
Seiten  vorumommen.  Die  spezielle,  für  die  beste  Wirkung  zweck- 
mässigste  Filterung  festzulegen,  war  die  Haunts^hwierigkeit  nns°rer 
Arbeit.  Die  a-Strahlen  abzublenden,  die  durch  ihre  extreme  Weich¬ 
heit  der  Haut  besonders  gefährlich  sind,  genügt  schon  eine  dünne 
Lage  von  Gaze,  Papier  oder  Gummi.  Die  Abhlendung  der  weichen 
/I-Strahlern  bedarf  schon  stärkerer  Filter.  Um  eine  weitgehende 
Tiefenwirkung  zu  bekommen,  muss  man  dagegen  vielleicht  auch  noch 
die  harten  y-StrahWi  abfiltern,  so  dass  wir  im  allgemeinen  ein  Blei¬ 
filter  von  nicht  weniger  als  1  mm  Dicke  anwenden  zu  müssen  scheinen. 
Dass  auch  die  y-Strahlen  noch  Hautschädigungen  zu  machen  imstande 
sind,  haben  wir  im  Verlaufe  unserer  Untersuchungen  erfahren  müssen, 
so  dass  auch  bei  den  starken  Filtern  besondere  Vorsicht  nötig  ist. 
Gegen  eine  im  Filter  entstehende  Sekundärstrahlung  haben  wir  durch 
Gaze-  oder  Gummiüberzug  der  Filter  zu  schützen  versucht.  Die  Er¬ 
folge  der  Mesothoriumbestrahlung  bei  Myomen  und  Metronathien 
waren  ausserordentlich  günstig.  Unter  108  bis  jetzt  mit  Mesothorium 
bestrahlten  Patientinnen  befinden  sich  102  Myome  und  Metropathien. 
Davon  80  mit  reiner  Mesothoriumbehandlung  in  Angriff  genommene 
Frauen,  und  zwar  42  Myome  und  38  Metropathien.  Es  wurde  ohne 
Rücksicht  auf  Alter.  Entblutung  der  Patientin  und  Grösse  des  Tumors 
bestrahlt.  Die  grössten  Myome  überragten  um  2  Ouerfinger  den 
Nabel. 

Die  stärkste  Anämie  betrug  18  Proz.  Hgbl.,  die  iüngste 
Myompatientin  war  20  Jahre  alt.  Bei  30  Patientinnen  ist  die  Be¬ 
handlung  abgeschlossen.  Bei  diesen  letzteren  ist  Amenorrhoe  und 
Myomschrumpfung  bis  zu  völligem  Schwund  des  Tumors  zu  ver¬ 
zeichnen.  Die  durchschnittliche  Zahl  der  Bestrahlungsserie  beträgt 
2.6  bis  zur  Amenorrhoe  bei  Myom,  und  2.3  bei  Metronathie.  Bei 
Frauen  zwischen  35 — 40  Jahren  dauert  die  Behandlung  durchschnitt¬ 
lich  8  Wochen,  zwischen  41—50  7  Wochen  und  nach  dem  50.  Jahre 
6  Wochen  bis  zur  Amenorrhoe.  Die  durchschnittliche  Gesamtdauer 
der  P.estrahlungszeit  beläuft  sich  bei  Myom  auf  176.5.  bei  Metropathien 
auf  175,8  Stunden.  Die  Amenorrhoe  besteht  bis  ietzt  durchschnittlich 
4  Monate.  Alle  Patienten  sind  arbeitsfähig  und  haben  nur  in  3  Proz. 
wesentliche  Ausfallserscheinungen.  Wir  beobachteten  in  53  Proz. 
Nebenwirkungen  im  Sinne  eines  Mesothoriumkaters,  analog  dem  von 
uns  beobachteten  Röntgenkater.  Auch  Tpmneratursteigerungen. 
Schwächeanwandlungen  und  Tenesmen  im  Bereiche  der  Blase  und 
des  Mastdarms  wurden  gelegentlich  beobachtet.  D^s  Zustande¬ 
kommen  der  Wirkung  wurde  durch  Bestrahlung  von  Tieren  unter¬ 
sucht.  Neben  anderen  Organbeeinflussungen  waren  die  pathologisch- 
anatomischen  Veränderungen  der  Ovarien  am  stärksten  in  die  Augen 
springend.  Es  wurde  durchaus  gleichartige  schwere  Beeinflussung 
des  Follikelapparates  im  Ovarium  festgestellt,  gleichgültig,  ob  die 
Tiere  mit  Mesothorium  od°r  Thorium-X  behandelt  waren.  Besonders 
auffällig  erschienen  gleichartige  Veränderungen  der  Ovarien  nach  In¬ 
jektion  von  Enzytol  (Demonstration  mikroskopischer  Bilder).  Von 


besonderer  Wichtigkeit  erscheint  das  Vorkommen  amenorrhoischer 
Zustände  bei  Fernbestrahlungen  und  Enzytolinjektionen. 

Referat.  Herr  H  a  e  n  d  1  y  -  Berlin :  Die  histologischen  Verän¬ 
derungen  der  mit  Röntgenstrahlen  und  A\esothorium  behandelten  Kar¬ 
zinomfälle. 

An  der  Oberfläche  der  untersuchten  Probeexzisionen  fand  sich 
stets  eine  schmale  Zone  von  nekrotischem  Gewebe,  darunter  eine 
Schicht  von  üranulationsgewebe.  In  allen  Präparaten  war  Sklerose 
und  hyaline  Degeneration  der  Bindegewebsfibrillen  vorhanden.  Von 
den  vor  der  Behandlung  vorhandenen  breiten  Strängen  und  Haufen 
von  Karzinomzellen  fanden  wir  gar  keine  Karzinomzellen  mehr  oder 
nur  noch  späriiche  Karzinomzellen,  die  alle  Zeichen  des  Unterganges 
zeigten.  Bei  Uteris,  die  nach  voraufgegangener  Strahlenbehandlung 
exstirpiert  worden  sind,  zeigte  sich  an  der  Oberfläche  das  gleiche; 
Nekrose,  Granulationsgewebe  und  untergehende  Karzinomzellen.  In 
der  'Liefe  aber  und  besonders  an  der  Peripherie  der  Neubildung  fanden 
sich  noch  Haufen  gut  erhaltener  Karzinomzellen,  von  denen  sich  hier 
und  da  Stränge  bis  dicht  unter  die  Oberfläche  hinzogen. 

Herr  Hans  Meyer- Kiel;  Methodik  der  Röntgentherapie. 

Meyer  empfiehlt  die  Röntgentherapie  langsam  von  der  einen 
Seite  des  Patienten  zur  anderen  hinüberschwingen  zu  lassen. 
Dadurch  werden  stets  wechselnde  Hautstellen  zu  Eintrittspforten  der 
Strahlen,  während  die  Strahlen  der  wandernden  Röhre  stets  auf 
die  in  der  Tiefe  des  Körpers  gelagerten  zu  beeinflussenden  Organe 
konzentriert  bleiben.  Die  Vorteile  dieser  Bestrahlungsvorrichtung 
sind:  grosse  Gleichmässigkeit  der  Ueberstrahlung  in  der  Tiefe,  weit¬ 
gehende  Oekonomie,  sehr  einfache  Handhabung.  Es  bedarf  nur  einer 
einmaligen  Abmessung  der  Fokushautdistanz  und  einer  Einstellung  auf 
einen  Punkt  in  der  Tiefe,  auf  den  die  Röhre  auf  ihrem  Wege  hin¬ 
steuern  soll.  Dieser  Steuerunespunkt  ist  variabel. 

Herr  H.  V  o  i  g  t  s  -  Berlin:  Mesothorium  als  Röntgenstrahlen¬ 
ersatz. 

Vergl.  den  Artikel  in  No.  22,  S.  1188  dieser  Wochenschrift. 

Herr  H  o  1  z  b  a  c  h  -  Tübingen ;  Erfahrungen  mit  der  Röntgen¬ 
therapie. 

Seit  Einführung  der  Freiburger  Filter-Nahbestrahlung  ist  von 
H  o  1  z  b  a  c  h  ein  gegen  die  Therapie  refraktärer  Fall  nicht  beobachtet. 
Die  Maximaldosis  betrug  bis  jetzt  800  X.  Die  Erythemdosis  von 
10  X  pro  Feld  kann  bei  der  3  mm-Aluminiumfilterung  dreist  über¬ 
schritten  werden:  Verbrennungen  sind  nicht  vorgekommen.  Holz- 
b  a  c  h  s  Erfolge  mit  der  Röntgentherapie  maligner  Neubildungen  sind 
bis  jetzt  unbefriedigend.  Vor  der  Z  e  1 1  e  r  sehen  Kinnabarsanabe- 
handlung  warnt  H  o  1  z  b  a  c  h  ausdrücklich.  Recht  gut  waren 
die  Resultate  mit  der  Strahlentherapie  bei  Bauchfell-  und  Geni¬ 
taltuberkulose.  Hochfiebernden  Tuberkulösen,  denen  eine  schlechte 
Prognose  gestellt  wird,  injizierte  H  o  1  z  b  a  c  h  vor  der  Bestrah¬ 
lung  Jodoformöl  in  die  Bauchhöhle.  Das  durch  die  Strahlen 
freiwerdende  Jod  scheint  eine  starke  Wirkung  auf  den  tuberkulösen 
Prozess  auszuüben. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  16.  April  1913. 

Vorsitzender :  Herr  N  o  b  i  s. 

Schriftführer:  Herr  Ochsenius. 

Herr  Ochsenius:  Ueber  B  a  r  1  ow  sehe  Krankheit. 

Von  den  Ausführungen  des  Vortragenden  dürfte  besonders  in 
pädiatrischen  Kreisen  die  Mitteilung  eines  Falles  von  Barlo  w  scher 
Krankheit  interessieren,  bei  dem  die  äusseren  Blutungen  (beiderseits 
in  Orbitalgegend)  so  gering  waren,  dass  die  Diagnose  erst  auf  Grund 
der  hämorrhagischen  Nephritis  sichergestellt  werden  konnte.  Dieser 
Fall  heilte  prompt  innerhalb  1 — 2  Wochen  aus  durch  Beigabe  von 
Gemüse  und  Suppe  zur  Nahrung.  Die  Milch  wurde  hinsichtlich  ihrer 
Bezugsquelle,  Zubereitung  und  Beschaffenheit  in  keiner  Weise  ver¬ 
ändert,  nur  die  Menge  etwas  verringert. 

Herr  Praeger:  Die  Therapie  der  Eklampsie. 

Nach  kurzer  Anführung  der  älteren  und  neueren  Eklampsie¬ 
theorien  gibt  Vortr.  eine  historische  Darstellung  der  Ekhmpsiebe- 
handlung,  die  seit  dem  18.  Jahrhundert  zeitweise  mehr  abwartend, 
zeitweise  mehr  aktiv  war.  Ausführlich  wird  auf  die  Erfolge  der 
modernen  aktiven  Therapie  seit  ihrer  Begründung  durch  Diihrssen 
-  -  der  Schnell-  bezw.  Frühentbindung  durch  Metreuryse,  tiefe  Zervix- 
inzisionen,  ev.  mit  Scheidendamminzision,  klassischen  Kaiserschnitt, 
vaginalen  Kaiserschnitt,  Erweiterung  nach  B  o  s  s  i,  zervikalen  Kaiser¬ 
schnitt,  ferner  der  Nierendekapsulation,  Mammaamoutation  und  Tre¬ 
panation  —  eingegangen,  denen  die  Resultate  der  neueren  abwarten¬ 
den  Verfahren  —  Behandlung  nach  Stroganoff,  Verbindung  des 
Stroganoff  sehen  Verfahrens  mit  primärem  grösseren  Aderlass 
nach  Zweifel,  andere  medikamentöse  Methoden.  Serumbehandlung 
entgegengestellt  werden.  Die  Zahlenreihen  bestätigen  zweifellos  die 
Ansicht,  dass  Häufigkeit  und  Schwere  der  Erkrankung  an  Eklampsie 
nicht  nur  nach  Gegenden  und  Ländern,  sondern  auch  am  gleichen 
Orte  in  den  einzelnen  Jahren  und  Jahreszeiten  wechseln,  dass  hier¬ 
durch  auch,  abgesehen  von  der  Methode  der  Behandlung,  die  ziffern- 
mässigen  Erfolge  beeinflusst  werden.  Es  folgt  daraus,  dass  nur  sehr 
grosse  Zahlenreihen  aus  längeren  Zeiträumen  für  die  Statistik  der 
ETlampsiebehandlung  wertvoll  sind.  Nach  dem  vorliegenden  Material 
ist  ein  endgültiges  Urteil  darüber,  welche  Eklampsiebehandlung  die 
beste  ist,  nicht  zu  fällen.  Für  die  geburtshilfliche  Praxis  betont 


r 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MUDlZINlSCHh:  WOCHENSCHRIFT. 


\ortr.  die  \Vichtigkeit  der  Prophylaxe,  bei  ausgebrochener  Erkran¬ 
kung  empfiehlt  er  die  1  herapie  der  „mittleren  Linie“,  eine  Kom- 
unauon  der  Z  w  e  i  f  e  1  -  S  t  r  o  g  a  n  o  f  f  sehen  Behandlung  mit  der 
.chnellentbmdung,  falls  letztere  angezeigt  und  durchführbar  ist. 
Alle  schwereren  Falle  sind  so  frühzeitig  wie  möglich  einer  Anstalt 
zuzuweisen,  wenn  eine  solche  erreichbar  ist. 

i  N()bis:  Ein  hall  von  Hornhautverletzung  mit  Eröffnung 

des  Bulbus,  drohende  Panophthalmitis,  mit  Hydrarg.-cyanat. -Lösung 
subkoniunktival  geheilt. 

Am  1.  Marz  1912  nachm.  5  Uhr  kam  ein  Hilfsmonteur  mit  Horn¬ 
hautverletzung  und  Iriseinklemmung  in  meine  Behandlung.  Heftige 
Reizung  trat  zuerst  am  5.  März  ein.  Diese  wurde  durch  Dionin- 
Xeroform-Salbe B  bis  zum  9.  März  beseitigt;  dann  trat  nachts  heftiger 
Schmerz  und  drohende  Panophthalmitis  ein,  die  durch  Hydrarg.-cyan.- 
Losung  )  (1:5000)  und  Acoin  sofort  gebessert  und  durch  weitere 
VT  subkonjunktivale  gleiche  Einspritzungen  beseitigt  wurde  Nach 
Untersuchungen  und  Spiegelung  am  22.  März  traten  nachts  neue, 
heftige  Reizerscheinungen  auf,  die  mit  gleicher,  subkonjunktivaler 
Injektion  sofort  und  nach  weiteren  3  Einspritzungen  dauernd  beseitigt 
wurde  und  vollständige  Heilung  herbeiführte. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

164b.  ordentliche  Sitzung  vom  19.  Mai  1913,  abends  7  Uhr 
im  Sitzungssaal  .des  Vereins. 

Vorsitzender:  Herr  Flesch. 

Schriftführer :  Herr  B  e  n  a  r  i  o. 

Demonstrationen : 

Herr  B.  Fischer  demonstriert  u.  a.: 

1.  Perforation  der  Anonyma  bei  3  jähr.  Mädchen  in  die  im  Be¬ 
reich  der  Kanüle  ulzerierte  Trachea.  Perforation  und  Verblutung 
2(J  läge  nach  Dekanulement  (Diphtherie,  Papillome  des  Kehlkopfs). 

..  J:  Erstickung  infolge  Totalverschluss  des  Kehlkopfs  durch  ent- 
zundlich  infiltrierte  Pachydermie.  48  jähr.  Mann. 

3.  Schwerste,  ulzerös-eitrige,  chronische  Dysenterie  mit  schwerer 
Anämie  bei  40  jähr.  Mann  ohne  jede  nachweisbare  Aetiologie 

4.  Primäres  Gallertkarzinom  der  Mamma,  62  jähr.  Mann. 

5.  Primärer  Galiertkrebs  der  linken  Lungenspitze  bei  indurie- 
render  Spitzentuberkulose.  70  jähr.  Frau.  Klinisch  Asthma. 

6.  Die  grasgrünen  Tumoren  eines  6  jähr.  Knaben  mit  Chlorom 
der  Brustwirbelsäule  und  diffuser  Tumorinfiltration  des  Periosts  der 
vV  irbelkörper.  Ausgedehnte  Tumorbildung  auf  der  Dura  des  Brust- 
riiekenmarks.  Kompression  des  Rückenmarks.  Tumormetastasen 
im  Periost  zahlreicher  Knochen  und  in  beiden  Nieren. 

Im  Blutbild  intra  vitam  zahlreiche  Myelozyten  und  Myeloblasten. 
Nachweis,  dass  die  sämtlichen  Tumoren  aus  Myelozyten  und  Myelo¬ 
blasten  aufgebaut  sind  (positive  Oxydasereaktion  an  allen  Ge¬ 
schwulstzellen). 

Diskussion:  Herr  Cuno:  Das  erste  von  Herrn  Fischer 
gezeigte  Präparat  stammte  von  einem  3  jähr.  Kind,  das  am  7.  April 
wegen  Rachen-  und  Kehlkopfdiphtherie  tracheotomiert  und  nach 
3  Tagen  dekaniiliert  werden  konnte.  Die  Diphtherie  wurde  kom¬ 
pliziert  durch  Schlucklähmung,  Pneumonie,  Empyem  und  schliesslich 
noch  Masern. 

Das  schwere  Darniederliegen  des  Kindes  verhinderte  die  Aus¬ 
heilung  der  untersten  Scheuerstelle  der  Kanüle  und  führte  am  1.  Mai, 
20  Tage  nach  dem  Dekaniilement,  durch  Perforation  der  Arteria 
anonyma  den  sofortigen  Tod  des  Kindes  herbei. 

Herr  J.  Rothschild  schildert  den  klinischen  Verlauf  des 
Falles  von  Chlorom.  Dauer  der  Erkrankung  etwa  11—12  Wochen. 
Wegen  heftiger  Schmerzen  in  der  linken  Seite  in  der  6.-7.  Woche 
der  Erkrankung  zur  Sprechstunde  gebracht.  Hämatologischer  Befund 
(Prof.  Apolant):  21000  Leukozyten,  neutrophile  Leukozyten 
1 1  Proz.,  eosinophile  Leukozyten  1  Proz.,  kleine  Leukozyten  33  Proz., 
Myeloblasten  38  Proz.,  Myelozyten  14  Proz.,  T  ü  r  k  sehe  Reizungs- 
Formen  3  Proz.  Allmählich  treten  die  Symptome  einer  Myelitis  trans¬ 
versa  auf  (völlige  Empfindungslosigkeit  vom  Nabel  abwärts, 
Blasen-  und  Mastdarmlähmung,  schlaffe  Lähmung  der  unteren  Ex- 
tiemitäten).  Innerhalb  14  Tagen  wieder  geringe  Empfindung. 
Patellar-  und  Achillessehnenreflexe  in  sehr  geringem  Grade 
(Dr.  G.  Oppenheim).  Es  entstehen  weiter,  ganz  allmählich  ein¬ 
setzend,  Lähmungen  des  rechten  Faziaüs,  der  rechten  oberen  Ex¬ 
tremität,  des  linken  Fazialis,  ferner  starker  Tremor  des  Kopfes  und 
Nystagmus  horizontal,  des  linken  Auges.  Klinische  Diagnose:  Myelo¬ 
blastenleukämie,  diffuse  Erkrankung  im  Rückenmark  und  Gehirn. 

Herr  F,  Blum:  Demonstrationen  zu  den  Vorträgen  bio¬ 
logischen  Instituts  in  der  vorigen  Sitzung. 

Herr  A.  V.  Marx:  Mikroskopische  Nierenpräparate  von 
thyreoidektomierten  Tieren. 

Diskussion  zu  dem  Vortrage  des  Herrn  Blum. 


B  Siehe  Münch,  med.  Wochenschr.  1912.  S.  662. 

-)  a)  Hydrarg.  cyanat.  0,01,  Chlornatr.  1,0,  Aqu.  dest.  ad  50,0. 
b)  Solut.  A.coini  0,1 :  10,0.  Beide  frisch  bereitet  und  von  a)  0,8, 
von  b)  0,2  eingezogen  in  Pravazspritze  und  'A — 1  Spritze  subkonjunk- 
tival  eingespritzt. 


1405 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  Juni  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Demonstrationen: 

Herr  Weygandt  und  Herr  Jakob:  Ueber  experimentelle 
Syphilis  des  Nervensystems. 

Versuche  mit  Syphilisinfektion  bei  Tieren.  Kaninchenhoden  in 
verschiedener  Weise  benutzt  bei  Kaninchen  und  Affen.  Demonstration 
eines  Kaninchens  mit  Paraparese  und  eines  Affen  mit  erhöhtem 
1  atellarrcflex  und  Pupillendifferenz.  Ein  anderes  Kaninchen  zeigt 
Zurückbleiben  im  Wachstum.  Auch  die  mikroskopischen  Verände¬ 
rungen  sind  charakteristisch:  Infiltration  der  Pia  des  Grosshirns  mit 
Plasmazellen  und  Lymphozyten.  Aehnliche  Befunde  am  Rückenmark 
schwer  entzündliche  Erscheinungen,  die  dem  Gefässverlauf  folgen, 
Granulationsherde  vom  Charakter  eines  Tumors  in  der  Grosshirnrinde» 
proliferative  und  degenerative  Vorgänge  im  Parenchym  der  peri¬ 
pheren  Nerven. 

Herr  Schottelius:  Die  Erfahrung,  dass  der  Pfannen¬ 
stiel  sehe  Querschnitt  seltener  Bauchbrüche  nach  Laparotomien 
entstehen  liess,  hat  dazu  geführt,  nach  M  enges  Vorgehen  den 
Faszienquerschnitt  zur  Beseitigung  grosser  Bauchbriiche,  Nabelhernien 
und  Rektidiastase  zu  verwenden.  Vortr.  demonstriert  2  vor  4  Jahren 
•m  4.  Schwangerschaftsmonat  durch  diese  Methode  durch  ihn  von 
ihren  grossen  Hernien  befreite  und  dauernd  rezidivfrei  gebliebene 
Frauen. 

Herr  Denks:  Fall  von  ausgedehntem,  inoperablem  Uterus¬ 
karzinom,  zuerst  solaminis  causa  Dezember  1910  nach  ausgiebiger 
Kürettage  mit  kleinen  Röntgen  dosen  bestrahlt.  Nach  A  Jahr 
war  das  Resultat  so  überraschend  gut,  dass  jetzt  die  Röntgen¬ 
behandlung  mit  kleinen  Dosen  methodisch  durchgefiihrt  wurde,  ln 
2L>  Jahren  hat  die  Pat.  in  97  Sitzungen  etwas  über  300  Kienböck- 
Einheiten  erhalten.  Jetzt  fühlt  man  per  rectum  nur  noch  2  kleine 
harte  Gebilde,  die  grossen  Tumormassen  in  den  Parametrien,  der 
geschwiirige  Krater  im  Uterus,  die  Vaginametastasen  etc.  sind  alle 
verschwunden.  Pat.  geht  es  ausgezeichnet. 

Herr  Lippmann  bespricht  die  bisher  wenig  bekannte  Tat¬ 
sache,  dass  auch  beim  gesunden  Menschen  die  Rektaltemperatur  oft 
erhöht  ist,  und  dass  der  immer  als  Norm  angesehene  Unterschied 
von  lA  "  zwischen  Achsel-  und  Rektumtemperatur  nur  für  den  ruhen¬ 
den,  nicht  aber  für  den  bewegten  Menschen  gelte.  Die  Unkenntnis 
dieser  I  atsache  hat  geführt  und  führt  noch  leicht  zu  falschen 
Schlüssen,  besonders  zur  Annahme  einer  beginnenden  Tuberkulose. 
Erst  die  Arbeit  Moros  und  Stäublis  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  beim  gehenden  Menschen  die  Rektumtemperatur  steige,  dagegen 
die  Achseltemperatur  nicht,  so  dass  dieser  Befund  bei  einem  Patienten 
z.  B.  in  der  Sprechstunde  als  normal  anzusehen  ist,  während  gleich¬ 
zeitiges  Steigen  von  beiden  Temperaturen  immerhin  den  Verdacht 
auf  Tuberkulose  nahelege. 

Bei  diesen  Untersuchungen  handelte  es  sich  um  untrainierte, 
vielleicht  auch  schwache  Patienten;  die  Befunde  könnten  daher  auch 
nur  für  solche  gelten.  L.  unternahm  deshalb  eine  Nachprüfung  im 
grossen  an  den  Teilnehmern  eines  Armeegepäckmarsches  (35  km  mit 
50  Pfund  Gepäck  in  etwas  über  4  Stunden  zurückgelegt).  Fast  alle 
Teilnehmer  waren  trainierte  Leute.  Vor  und  nach  dem  Marsche 
wurden  die  Leute  rektal  und  in  der  Achsel  gemessen. 

Es  ergab  die  Durchschnittstemperatur  aller  Gemessenen  vor 
dem  Marsche  rektal  37,6,  Achsel  37,1.  nach  dem  Marsche  rektal  38,3, 
Achsel  36,9. 

Es  war  demnach  die  Rektumtemperatur  gestiegen,  die  Achsel¬ 
temperatur  gefallen,  so  dass  die  vorher  bestehende  Differenz  von 
0,5 u  auf  1,4"  gestiegen  war.  Noch  deutlichere  Werte  ergaben  die 
Messungen  bei  den  Siegern,  die  bald  nach  der  Ankunft  gemessen 
wurden,  während  bei  den  meisten  anderen  oft  eine  längere  Zeit  ver¬ 
ging.  I 

Die  Temperaturen  der  ersten  waren  bei  ihrer  Ankunft:  1  37,2 
Achsel:  39  rektal,  2.  37,3:38,  3.  35,5:37,4,  4.  36,2:38,0. 

Also  bei  allen  eine  Differenz  von  1,5 — 2".  Besonders  interessant 
war  der  Befund  beim  3.,  der  nach  der  Ankunft  kollabierte  und 
bei  dem  sich  eine  Differenz  von  2,2 0  fand,  dasselbe  wiederholte  sich 
bei  einem  anderen  Kollaps,  wo  sogar  eine  Differenz  von  3,5°  be¬ 
stand  (35:38,5),  so  dass  bei  diesen  beiden  ein  Versagen  der  Regu¬ 
lationseinrichtungen  angenommen  wurde. 

Als  Erklärung  für  diese  starken  Differenzen  in  dem  Verhalten 
der  beiden  Temperaturen  wird  angenommen,  dass  die  Rektum¬ 
temperatur  ungefähr  die  1  emperatur  wiedergibt,  die  in  den  benach¬ 
barten  arbeitenden  Muskeln  entseht,  hier  den  Beinmuskeln.  Die 
grossen,  von  den  Beinen  heraufkommenden  Venen  bringen  die  be¬ 
nachbarten  Gebiete  auf  die  erhöhte  Temperatur.  Die  Achseltemperatur 
gab  in  unseren  Fällen  die  wieder  regulierte  Bluttemperatur  an.  Hier¬ 
für  und  gegen  die  Annahme,  dass  die  niedrigere  Achseltemperatur  nur 
eine  reine  Folge  des  Schwitzens  etc.  ist,  spricht  1.  dass  nach  anderen 
Untersuchungen  (S  t  ä  u  b  1  i)  auch  die  Hauttemperatur  in  der  Leisten¬ 
beuge  bei  diesen  Fällen  ungefähr  gleich  der  Rektum temperatur  ist 
und  2.  dass  nach  kräftigen  langen  Armübungen  ev.  die  Achsel¬ 
temperatur  die  Rektaltemperatur  übersteigt. 

Für  die  Praxis  ist  wichtig,  sich  immer  daran  zu  erinnern, 
dass  nach  Gehen  die  Rektaltemperatur  steigt  und  dass  solche  Be¬ 
funde  nur  dann  etwas  Pathologisches  bieten,  wenn  auch  gleichzeitig 
die  Achseltemperatur  erhöht  ist. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


1406 


Beim  ruhenden  Patienten  jedoch  gehen  After-  und  Achsel- 
tcmperatur  parallel. 

Herr  Rodel  ius  berichtet  über  günstige  Erfahrungen  mit 
ß  e  n  z  o  1  bei  myelogener  Leukämie.  Zur  Unterstützung  der  Röntgen¬ 
therapie  ist  ein  solcher  Versuch  jedenfalls  empfehlenswert.  Bei  einem 
18  jährigen  Manne  ging  die  Leukozytenzahl  seit  Mitte  März  nach 
350  Capsulae  Benzol.  0,5  von  228  000  auf  9000  zurück. 

Herr  Kafka  hat  mit  dem  Abderhalden  sehen  Dialysier- 
verfahren  eine  Reihe  von  Psychosen  untersucht  und  interessante  Ab¬ 
bauvorgänge  im  Serum  gefunden.  Im  allgemeinen  konnten  die  von 
Lauser  gefundenen  Vorgänge  bestätigt  werden.  Untersucht  wur¬ 
den  Dementia  praecox,  manisch-depressives  Irresein,  I  ues,  Erkran¬ 
kungen  der  Drüsen  mit  innerer  Sekretion  (Basedow,  Akromegalie, 
Hypophysentumor),  Epilepsie  usw. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Wulff:  Zur  Dia¬ 
gnose  und  Behandlung  der  Prostatahypertrophie. 

Herr  Kropeit  betont  den  Wert  der  Q  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  sehen 
Irrigationsurct’nroskopie  für  die  Diagnose,  insofern  als  die  Grösse 
und  Lage  der  Prostata,  das  Bestehen  einer  Barriere,  die  Sphinkteren- 
funktion.  die  Harnstauung  durch  bewegliche  weiche  Tumoren  in  der 
Nähe  der  Urethralmündung  erkannt  werden  können  und  eventuell  auch 
therapeutisch  beeinflussbar  sind.  Dazu  gehört  z.  B.  auch  die  Blut¬ 
stillung  bei  spontaner  Prostatablutung,  die  meist  aus  Granulationen 
und  Wucherungen  der  hinteren  Harnröhre  kommt.  Zur  Therapie  be¬ 
merkt  K.,  dass  die  Resektion  der  Vasa  deferentia  ein  empfehlens¬ 
werter  Eingriff  sei,  um  die  oft  im  Gefolge  der  Prostatektomie  auf¬ 
tretende  Epididymitis  zu  verhüten. 

Herr  K  ii  m  m  e  1 1  hat  schon  1886  mit  Schede  die  partielle  Re¬ 
sektion  ausgeführt.  —  Er  hat  sein  Material  zusammenstellen  lassen: 
52  mal  Bottini  mit  gutem  Resultat,  26  Kastrationen  mit  22  maligem 
besten  Erfolg,  seit  1902  Radikaloperation:  technisch  leicht,  weil  die 
Ausschälung  der  Prostata  aus  ihrer  Kapsel  gut  gelingt:  etwa  300  Fälle. 
Die  Mortalität  ist  bis  auf  ein  Geringes  herabgegangen,  1910  hatte  K. 
keinen  einzigen  Todesfall.  Durch  seinen  Assistenten  Kayser  hat  K. 
das  Schicksal  von  50  n  i  c  h  t  operierten  Fällen  explorieren  lassen.  Die 
Enquete  hat  K.  immer  mehr  darin  bestärkt,  den  Pat.,  wenn  er  Sklave 
des  Katheters  wird,  zu  operieren.  Die  Indikationen  soll  man  nicht 
allzu  streng  stellen. 

Herr  Jenkel  hat  früher  unter  Lumbalanästhesie  operiert,  jetzt 
wendet  er  nur  noch  Skopolamin-Morphium  und  Novokain-Adrenalin 
an.  Bei  der  Operation  wird  ein  Instrument  wie  ein  derbes  Dilata- 
torium  ins  Rektum  eingeführt  zur  Entfaltung  des  Prostatabodens. 
Dieser  Rekteurynter  erlaubt  ein  rasches  Präparieren.  Primärer  Bla¬ 
senschluss  ausser  bei  Pyelonephritis.  Von  40  Fällen  sind  4  gestorben, 
unter  denen  2  dekrepide  waren. 

Herr  D  e  s  e  n  i  s  s  demonstriert  den  von  Ruprecht  -  Bremen 
erfundenen  transportablen  Kathetersterilisator. 

Herr  W  i  c  h  m  a  n  n  empfiehlt,  im  Anfangsstadium  Versuche  mit 
statischer  Elektrizität  zu  machen  durch  Einführung  eines  Bleirohrs 
in  den  Mastdarm,  das  durch  eine  Platte  mit  der  Röntgenröhre  in  Ver¬ 
bindung  gebracht  wird. 

Herr  Wulff  vertritt  nochmals  seinen  Standpunkt  bezüglich  der 
Scheidung  zwischen  konservativer  Katheter-  und  operativer  Behand¬ 
lung.  Sexuelle  Operationen  sind  wertlos,  ihr  Erfolg  so  zweifelhaft, 
dass  sie  von  allen  Operateuren  nicht  mehr  geübt  werden.  Die 
Goldschmidt  sehe  endoskopische  Behandlung  soll  zwar  recht 
einfach  sein,  ist  aber  nicht  ungefährlich  wegen  eventueller  Nach¬ 
blutung  und  Thrombosen.  Nachprüfungen  sind  noch  notwendig. 

Werner. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  in  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  April  1913. 

Fortsetzung  der  Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  Wohl- 
vvill:  Ueber  akute  und  chronische  multiple  Sklerose. 

Herren  Nonne,  Kaffka,  Liebrecht. 

Herr  W  o  h  1  w  i  1 1  (Schlusswort) :  Die  Befunde  im  einzelnen 
können  sehr  variieren;  ältere  Herde  hat  W.  bei  seinen  Fällen  nicht 
gesehen,  will  aber  nicht  bestreiten,  dass  möglicherweise  solche  vor¬ 
handen  waren.  Liquoruntersuchung  fand  nur  in  einem  Fall  statt  und 
ergab  keine  wesentliche  Lymphozytose. 

Diskussion  zur  Demonstration  des  Herrn  Nonne:  Noguchi- 
präparate  eines  Paralytikergehirns. 

Herr  Stargardt  betont,  dass  durch  den  Nachweis  der  Spiro¬ 
chäten  bei  der  Paralyse  durch  Noguchi  die  seit  Jahren  von  ihm 
verfochtene  Ansicht  (Heidelb.  Ophthalm.  Ges.  1911  u.  1912,  Mediz. 
Ges.  Kiel  16.  XI.  1911,  Biolog.  Abteil,  des  Aerztlichen  Vereins  in 
Hamburg  26.  XI.  1912,  Jahresvers.  des  Deutschen  Vereins  für 
Psychiatrie  30. — 31.  Mai  1912),  dass  die  Paralyse  ebenso  wie  die 
Tabes  und  der  tabische  und  paralytische  Sehnervenschwund  durch 
Krankheitskeime,  die  an  Ort  und  Stelle  der  Erkrankung  ihren  Sitz 
haben,  bedingt  werden,  eine  weitere  Bestätigung  erhalten  hat.  Die 
ganze  Lehre  von  der  Metasyphilis  ist  schon  aus  pathologisch- 
anatomischen  Gründen  nicht  zu  halten.  Die  exsudativen  Prozesse 
bei  der  Paralyse,  der  Tabes  und  dem  tabischen  Sehnervenschwunde 
sind  durch  im  Blute  kreisende  Toxine  nicht  zu  erklären.  Noch 
weniger  ist  die  in  jedem  Falle  von  Paralyse  und  Tabes  verschiedene 
Ausbreitung  der  Krankheitsprozesse,  worauf  schon  Alzheimer  im 
Jahre  1904  hingewiesen  hat  und  die  Stargardt  an  20  von  ihm 


selbst  genauer  untersuchten  Fällen  von  Paralyse  nur  bestätigen  kann, 
durch  die  bisherige  Toxintheorie  zu  erklären.  Auch  die  herdförmigen 
Ausfälle  in  der  Hirnrinde  (Siemerling,  Spielmeyer)  stehen 
im  Widerspruch  mit  dieser  Theorie.  Alle  die  erwähnten  Erschei¬ 
nungen  lassen  sich  nur  erklären  durch  das  Vorhandensein  von  Krank¬ 
heitskeimen  im  Gehirn  selbst. 

Was  die  Tabes  betrifft,  so  wundert  sich  Stargardt,  dass  das 
Vorkommen  von  exsudativen  Prozessen  von  neurologischer  Seite 
(z.  B.  Sänger)  noch  immer  bestritten  wird.  Stargardt  selbst 
hat  in  4  Fällen  von  Tabes  sowohl  die  N  a  g  e  o  1 1  e  sehen  Befunde  an 
den  Meningen  und  den  Wurzeln,  wie  die  S  c  h  r  ö  d  e  r  sehen  Befunde 
von  echten  exsudativen  Prozessen  im  Rückenmark  selbst  bestätigen 
können.  Um  exsudative  Prozesse  nachzuweisen,  darf  man  allerdings 
nicht  an  Wurzeln  suchen,  die  schon  Jahre  lang  atrophiert  sind.  Hier 
findet  man  ebensowenig  mehr  entzündliche  Veränderungen,  wie  in 
der  Hornhaut,  die  vor  Jahren  an  parenchymatöser  Keratitis  e  lue 
hereditaria  erkrankt  war.  ln  Bezug  auf  den  Sehnervenschwund  hat 
Stargardt  seinen  früheren  Ausführungen,  dass  er  die  Folge  eines 
chronischen  exsudativen  Prozesses  vorwiegend  in  der  Gegend  der 
intrakraniellen  Optizi  und  des  Chiasma  ist,  nichts  hinzuzusetzen.  In 
Bezug  auf  Einzelheiten  verweist  er  auf  seine  ausführliche  Veröffent¬ 
lichung,  die  im  Juni  im  Archiv  für  Psychiatrie  erfolgen  wird. 

Stargardt  betont  nochmals  die  Zusammengehörigkeit  der 
Paralyse,  der  Tabes,  des  Sehnervenschwundes  mit  analogen  patho¬ 
logisch-anatomischen  Prozessen  an  anderen  Körperstellen,  wie  der 
Aorta,  Leber,  Niere,  Aderhaut  des  Auges.  Er  weist  vor  allem  darauf 
hin,  dass  dieselben  pathologisch-anatomischen  Prozesse  sich  in  den 
Gelenken  abspielen  und  hier  zu  dem  Bilde  der  tabischen  Arthro¬ 
pathien  führen,  die'  durch  die  bisherigen  „nervösen“  Theorien  nicht 
zu  erklären  sind,  sondern  wie  er  gezeigt  hat,  auch  auf  lokale  An¬ 
siedelung  von  Krankheitskeimen  zurückgeführt  werden  müssen 
(Arcli.  f.  Psych.,  Bd.  49,  H.  3).  Er  betont  ferner,  dass  nachdem  einmal 
bei  einem  der  mit  der  Paralyse  und  der  Tabes  zusammengehörenden 
„spätsyphilitischen,  nicht  gummösen  Prozesse“,  nämlich  der  Aortitis 
luica,  die  Spirochäten  durch  Reuter  nachgewiesen  waren,  der 
Nachweis  bei  all  den  anderen  pathologisch-anatomisch  gleichartigen 
Erkrankungen  nur  eine  Frage  der  Zeit  war. 

Was  die  Lagerung  der  Spirochäten  bei  der  Paralyse  betrifft,  so 
bemerkt  Stargardt,  dass  es  bei  der  Schlafkrankheit  der  Affen 
jetzt  Wolbach  und  Binger  gelungen  ist,  Trypanosomen  im 
Gehiirn  selbst  nachzuweisen.  Die  Trypanosomen  dringen  auch  hier 
in  das  Gehirn  selbst  ein  und  finden  sich  in  grossen  Mengen  im  Rinden¬ 
grau.  Ja  sie  vermögen  sogar  in  die  Ganglienzellen  einzuwandern. 
Die  Uebereinstimmung  dieser  Befunde  mit  den  Befunden  Noguchis 
zeigt,  dass  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Noguchi  sehen  Befunde 
nicht  berechtigt  sind.  Auch  die  Tatsache,  dass  bei  der  Paralyse 
Spirochäten  sich  in  den  infiltrierten  adventitiellen  Räumen  der  Ge- 
fässe  nur  selten  nachweisen  lassen,  findet  ihre  Erklärung  durch 
analoge  Befunde  bei  Trypanosomenkrankheiten.  Bei  der  durch 
Trypanosomen  bedingten  Keratitis  parenchymatosa  lassen  sich 
Trypanosomen  nur  2u  Beginn  der  Erkrankung,  wenn  die  infiltrativen 
Prozesse  noch  wenig  ausgesprochen  sind,  nachweisen  und  zwar 
gewöhnlich  in  grossen  Mengen.  Ist  die  Hornhaut  erst  einmal  stärker 
mit  Plasmazellen  durchsetzt,  so  gelingt  es  nur  schwer,  hier  und  da 
ein  Trypanosom  zu  finden.  Ob  die  Trypanosomen,  wie  das 
L  a  v  e  r  a  n  und  M  e  s  n  i  1  annehmen,  durch  die  Plasmazellen  ab¬ 
getötet  und  phagozytiert  werden,  oder  ob  die  Infiltration  in  anderer 
Weise  auf  die  Trypanosomen  einwirkt,  muss  vorläufig  noch  eine 
offene  Frage  bleiben. 

Herr  Jakob  gibt  zunächst  eine  kurze  Kritik  der  Original¬ 
präparate,  die  Herr  Prof.  Noguchi  an  Herrn  Prof.  Weygandt 
gesandt  hat.  welch  letzterer  verhindert  ist,  selbst  der  Sitzung  bei¬ 
zuwohnen,  und  macht  vornehmlich  auf  die  Schwierigkeiten  auf¬ 
merksam,  die  sich  bei  der  Durchmusterung  dieser  Präparate  er¬ 
gaben;  in  ihnen  sind  zahlreiche  Nervenfasern  ebenfalls  völlig  ge¬ 
schwärzt  und  die  Spirochäten  liegen  nur  ganz  vereinzelt  im  Gegensatz 
zu  den  von  Herrn  Nonne  demonstrierten  Befunden.  (Eine  derartige 
spirochätenhaltige  Stelle  eines  Originalpräparates  wird  1m  Mikro¬ 
skop  wie  Mikrophotogramm  demonstriert.)  Die  Befunde  in  den 
Originalpräparaten  sind  jedenfalls  so  einwandfrei  und  bereits  von  so 
vielen  Seiten  bestätigt,  dass  wir  mit  einer  Tatsache  rechnen  müssen. 

Die  Noguchische  Entdeckung  wirft  ein  neues  Licht  auf  jene 
interessanten  Fälle,  in  denen  anatomisch  eine  sichere  Entscheidung 
schwer  fällt,  ob  es  sich  um  eine  Meningomyelitis  luica  oder  einen 
paralytischen  Prozess  handelt,  oder  in  denen  im  mikroskopischen 
Bilde  eine  Kombination  von  Paralyse  und  luischer  Meningitis  und 
Endarteriitis  gegeben  ist.  Gerade  solche  von  dem  gewöhnlichen,  in 
seiner  charakteristischen  Eigenart  von  Nissl  und  Alzheimer 
so  scharf  charakterisierten  Befunde  abweichenden,  aber  i  m 
anatomischen  Sinne  atypischen  Fälle  von  Para¬ 
lyse  hat  J.  schon  seit  längerer  Zeit  gesammelt  und  die  Alz¬ 
heimer  sehe  Ansicht  bestätigen  können,  dass  namentlich  die  Kom¬ 
bination  des  paralytischen  Rindenprozesses  mit  ausgesprochener 
luischer  Endarteriitis  verhältnismässig  häufig  ist. 

Im  übrigen  wird  die  klinische  und  anatomische  Auffassung  des 
paralytischen  Krankheitsprozesses  insoferne  eine  Veränderung  er¬ 
fuhren,  als  an  Stelle  des  hypothetisch  geforderten  postinfektiösen 
Toxins  das  lebende  Virus  der  Spirochäte  selbst  ge¬ 
setzt  wird,  eine  Erkenntnis,  die  für  die  Therapie  neue  Unterlagen 
und  Forderungen  aufstellt. 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1407 


Schliesslich  weist  J.  darauf  hin,  dass  namentlich  auch  in  den 
Imsen  (wie  Leber,  Milz,  Nieren)  schwere  entzündliche  Verände¬ 
rungen  (Lucacs,  C  a  t  o  1  a  u.  a.)  bei  der  Paralyse  gefunden  worden 
sind  und  dass  daher  auch  die  Verhältnisse  in  diesen  Organen  alle 
Beachtung  verdienen  vornehmlich  in  Hinblick  auf  die  Frage,  ob  sich 
ebenfalls  hier  noch  Spirochätendepots  auffinden  lassen 

Herr  K  a  f  f  k  a. 

,,  ^ef,r  ^  a  s  c  h  e  n :  Durch  das  freundliche  Entgegenkommen  von 
Herrn  Nonne  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  ein  Noguchipräparat 
genau  zu  studieren.  Auf  Grund  der  Untersuchung  kann  ich  nur  be¬ 
stätigen,  dass  es  sich  bei  den  im  Präparate  liegenden  Spirochäten 
sicher  um  Spirochaeta  pallida  handelt.  Es  sind  alle  charakteristischen 
Merkmale  vorhanden:  enge,  steile  Windungen;  bei  einzelnen  Exem¬ 
plaren  konnten  bis  zu  20  Windungen  gezählt  werden.  Neben  den 
gewöhnlichen  Formen  finden  sich  Einrollungen  (Ruhestadium  S  ch  au- 
dmn  s),  Zerfall  in  kleine  und  kleinste  Fragmente.  Ich  konnte  eben¬ 
sowenig  wie  Noguchi  in  den  perivaskulären  Räumen  Spirochäten 
finden;  dagegen  glaube  ich  in  einem  Gefäss  ein  aufgerolltes  Exemplar 
gesehen  zu  haben. 

Noguchi  fand  die  Spirochäten  nur  12  mal  unter  71  Fällen  von 
1  aralyse;  er  selbst  erklärt  diesen  verhältnismässig  geringen  Pro- 
zentsatz  damit,  dass  nur  kleine  Gehirnteile  jeweils  untersucht  wurden; 
bei  ausgedehnter  Untersuchung  würde  der  Prozentsatz  vielleicht 
höher  gewesen  sein.  —  Andererseits  haben  Uhlenhuth  und  M  u  1  - 
z  e  r  mit  syphilitischem  Material,  in  dem  Spirochäten  nicht  nach¬ 
weisbar  waren,  im  Kaninchenhoden  eine  Reinkultur  von  Spirochäten 
erhalten.  Diese  auffallende  Tatsache  hat  dazu  geführt,  dass  man 
neben  den  Spirochäten  noch  nach  anderen  Formen  des  Syphilisvirus 
gesucht  hat.  Die  Arbeiten  von  Ross  und  der  im  Heft  15  der  Derma¬ 
tologischen  Wochenschrift  1913  erschienene  Aufsatz  von  MacDo- 
nagh  berichten  über  die  Lebensgeschichte  des  Mikroorganismus  der 
Syphilis. 

Ich  kann  mir  nun  nicht  denken,  dass  Schaudinn,  der  die 
Spirochaeta  pallida  in  frischen  Präparaten  bei  gewöhnlichem 
Licht  nicht  Dunkelfeld  —  zuerst  entdeckte  und  als  etwas 
Besonderes  erkannte,  dass  diesem  ausgezeichneten  Forscher  so  grosse 
Formen,  wie  sie  McDonagh  abbildet,  entgangen  sein  sollten 
Ebensowenig  konnte  sein  Mitarbeiter  Erich  Hoff  mann  die  Ar¬ 
beiten  von  Ross  bestätigen. 

Englische  Autoren  haben  über  die  Rolle  der  „infective  granula“ 
bei  bestimmten  Protozoenkrankheiten  berichtet. 

Ich  selbst  habe  1906  in  versilberten  Schnitten  eines  Primär¬ 
affektes  in  den  Lymphräumen  neben  wohlausgebildeten  Spirochäten 
sehr  schlanke,  beiderseits  sehr  spitze,  leicht  geschwungene  Stäbchen 
beschrieben,  in  denen  Lücken  sichtbar  waren.  Möglicherweise  gibt 
es  wie  bei  dem  Tuberkulose virus  eine  granuläre  Form  bei  der  Pallida. 

Die  Befunde  N  o  g  u  c  h  i  s  regen  dazu  an,  in  Zukunft  bei  der 
Sektion  kongenital  syphilitischer  Kinder  —  nicht  mazerierte 
Früchte  das  Gehirn  auf  Spirochäten  zu  untersuchen-  wir  wissen 
ja,  dass  bei  Kindern  echte  Paralysen  Vorkommen.  Man  könnte 
dadurch  möglicherweise  einen  Hinweis  über  den  Zeitpunkt  des  Auf¬ 
tretens  der  Spirochäten  im  Gehirn  überhaupt  erhalten. 

Herr  Nonne  (Schlusswort). 

Herr  Eng.  Fraenkel:  Demonstration  eines  kindlichen  Schädel¬ 
daches  eines  Falles  von  tuberkulöser  Meningitis. 

Fraenkel  demonstriert  das  bei  einer  Sektion  eines  3%  jähr. 
Kindes  gewonnene  Schädeldach,  an  dem  ein  Befund  wahr¬ 
zunehmen  ist,  der  Manchem  von  Ihnen  bisher  vielleicht  noch  nicht  zu 
Gesicht  gekommen  ist.  Sie  Werden,  auch  aus  der  Ferne,  e  i  n  e  g  a  r,  z 
extreme, »blutrote  Beschaffenheit  der  Nahtränder 
wanrnehmen,  an  der  Kranz-,  Pfeil-  und  L  a  m  b  d  a  n  a  h  t,  die 
sehr  scharf  mit  der  gewöhnlichen  Knochenfarbe  des  Schädels  kon¬ 
trastiert.  Wenn  Sie  weiter  untersuchen,  überzeugen  Sie  sich,  dass 
di  e^  Knochen  an  den  Nähten  bequem  zu  bewegen  sind. 
Es  ist  das  ein  Befund,  auf  den  einer  meiner  früheren  Assistenten, 
Herr  P  i  e  I  s  t  i  c  k  e  r,  aufmerksam  gemacht  hat  und  den  wir  seitdem 
regelmässig  bei  Fällen  von  tuberkulöser  Meningitis  jugendlicher 
Individuen,  vor  allem  jüngerer  Kinder,  konstatieren  konnten.  Es 
handelt  sich  dabei  nichtetwa,  wie  man  nach  dem  makroskopischen 
Anblick  vermuten  könnte,  um  Blutextravasate,  sondern,  wie 
mich  die  histologische  Untersuchung  belehrt  hat,  um  eine  extreme 
B  1  u  t  f  ü  1 1  e  in  den  die  Nahtränder  versorgenden  Gefässen  und 
Spongiosaräumen. 

Ich  glaube  mich  zu  erinnern,  früher  von  diesem  Befund  gelesen 
oder  gehört  zu  haben,  es  ist  mir  aber  nicht  möglich  gewesen,  bei 
erneutem  Suchen  in  der  Literatur  etwas  darüber  zu  finden. 

Ich  will  übrigens  bemerken,  dass  dieser  Befund  nicht 
absolut  pathognomonisch  für  tuberkulöse  Hirn¬ 
hautentzündung  ist.  Vermisst  habe  ich  ihn  aber, 
sofern  es  sich  um  Kinder  handelte,  deren  Schädelnähte  ganz  und  fast 
völlig  geschlossen  waren,  niemals. 

Man  beobachtet  ihn  indes  auch,  wenngleich  viel  seltener, 
bei  eitrigen  Meningiten  durch  banale  Eiter¬ 
erreger  und  ich  zeige  Ihnen  hier  das  Schädeldach  eines 
an  eitriger  Meningitis  durch  den  Diploc.  lanc.  ver¬ 
storbenen  Kindes.  Sie  werden  sich  überzeugen,  dass  die  Veränderung 
an  den  Nahträndern  nicht  entfernt  so  in-  und  extensiv  ist,  wie  an 
dem  Schädeldach  des  an  tuberkulöser  Meningitis  zugrunde  ge¬ 
gangenen  Kindes. 

Uebrigens  kommen  auch  bei  der  tuberkulösen  Hirn¬ 
hautentzündung  hinsichtlich  des  Ihnen  demon¬ 


strierten  Phänomens  graduelle  Unterschiede  vor. 
Am  r  e  g  e  1  m  ü  s  s  i  g s  t  e  n  und  stärksten  findet  man  es  a  n 
der  Kranz  -  und  P  f  e  i  1  n  a  h  t,  am  seltensten  an  der  Lambdanaht. 

Ich  betrachte  es  als  Zeichen  einer  durch  entzünd¬ 
liche  Sch  w  e  1 1  u  n  g  der  Hirnhäute  und  des  Hirns  bewirkten 
Druckes  auf  die  Schädelknochen,  unter  dessen  Einfluss  es  zu  einem 
langsamen  Auseinanderweichen  in  den  Nahtstellen  und  zu  einer  damit 
zusammenhängenden  gewaltigen  Hyperämie  der  Nahtränder  kommt. 
Diese,  namentlich  das  Gehirn  betreffende,  Schwel- 
1  u  n  g  ist  aus  Ihnen  bekannten  Gründen  bei  tuberkulöser 
Meningitis  ein  nahezu  konstantes  Vorkommnis, 
während  es  bei  den  durch  pyogene  Bakterien  erzeugten  Hirnhaut¬ 
entzündungen  keineswegs  regelmässig  und,  wenn  vorhanden,  in  sehr 
viel  geringerem  Grade  beobachtet  wird.  Dazu  kommt,  dass  die 
letzteren  im  allgemeinen  stürmisch  verlaufen  und  rasch  zum  Tode 
führen,  während  die  tuberkulösen  Meningitiden  sich 
meist  über  einen  etwas  längeren  Zeitraum  er¬ 
strecken.  Aus  diesen  beiden  Momenten  erklärt  sich  die  grosse 
Regelmässigkeit,  mit  der  man  bei  dieser  Form  der  Hirnhautentzündung 
die  geschilderten  Veränderungen  am  Schädeldach  zu  sehen  Gelegen¬ 
heit  hat. 

Diskussion:  Herren  Hegler,  Preise  r. 

Herr  Eug.  Fraenkel  (Schlusswort). 

Herr  Kimmerle  und  Herr  Schümm:  Ueber  Bence- 
Jones  sehe  Albuminurie. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

7.  Sitzung  vom  7.  April  1913. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe. 

Schriftführer :  Herr  Eug.  H  o  p  m  a  n  n. 

Herr  S  i  e  g  e  r  t:  Die  lymphatische  Disposition  —  exsudative  Dia- 
these  (Czerny)  —  im  Säuglingsalter. 

Nach  einleitender  Betrachtung  der  Geschichte  der  „lympha¬ 
tischen  Disposition“  in  der  deutschen  und  ausländischen  Medizin  bis 
zu  den  letzten  Jahren,  setzt  Vortragender,  an  Stelle  des  Verlangens 
„Diagnosen,  keine  Diathesen“  (Schlossmann)  und  „Diathesen 
neben  den  Diagnosen“  Pfaundler),  die  Forderung:  Bewertung  der 
Bedeutung  der  noch  genauer  zu  erforschenden  Diathese  für  den  je¬ 
weilig  diagnostizierten  Krankheitsprozess. 

Vortragender  sieht  in  der  entzündlichen,  skrofulösen  Diathese 
(V  i  r  c  h  o  w,  Fraenkel,  v.  Bergmann),  der  neurouratischen 
Diathese  der  Franzosen,  der  exsudativen,  lymphatischen,  neuropathi- 
schen  und  vagotonischen  Manifestationsgruppen  Pfaundlers  die 
gleiche  pathologische  Disposition,  für  welche  der  geschichtlich  sank¬ 
tionierte  Name  „lymphatische  Disposition“  (Veranlagung,  Diathese, 
Konstitution)  der  geeignetste  sein  dürfte. 

Der  Status  thymico-lymphaticus  von  Escherich-Paltauf 
ist  eine  der  Manifestationsformen  dieser  Diathese,  die  des  über¬ 
fütterten  pastösen  Lymphatikers. 

Was  speziell  das  Säuglingsalter  anbelangt,  so  bietet  es  spezielle, 
besonders  ihm  eigene  Manifestationen  der  lymphatischen  Disposition, 
die  später  verschwinden,  andererseits  fehlen  ihm  eine  Reihe  von 
solchen,  welche  erst  später  häufig  werden.  Anderere  wieder  sind 
beiden  Perioden  gemeinsam.  Zu  den  ersten  gehören:  die  grosse 
Unregelmässigkeit  der  Temperatur-  und  Gewichtskurve,  das  rasche 
Schwellen  der  gesamten  Lymphknoten,  die  Crusta  lactea,  der  Gneis 
des  Scheitels,  während  die  vagotonischen  Manifestationen:  Urtikaria, 
Pulsirregularität,  Farbenwechsel,  sowie  gewisse  neuropathische : 
Asthma,  Pseudokrupp,  Enteritis  membranacea  mehr  weniger  vom 
2.  Lebensjahre  an  sich  häufen,  die  exsudativen  Manifestationen:  chro¬ 
nisch  intermittierendes  Ekzem  der  Hautfalten,  Ellenbogenbeuge,  Knie¬ 
kehle,  Hals,  Ekzema  capillitii,  rezidivierende  Tonsillitis,  Landkarten¬ 
zunge,  Katarrhe  der  Schleimhäute,  beiden  Altern  gemeinschaftlich  sind. 

Als  erste  Frühmanifestation  der  lymphatischen  Disposition  sah 
Vortragender  das  Verhalten  der  bei  Zangenentbindung  von  der  Zange 
gepressten  oder  verletzten  Haut:  auffallend  lange  dauernde  ent¬ 
zündlich-lymphatische  Schwellung  und  Rötung,  ev.  unter  Bildung 
einer  gelben  Lymphkruste  mit  langsamer  Wiederkehr  zur  Norm 
oder  Bildung  einer  lange  sichtbaren,  leicht  starke  Injektion  zeigen¬ 
den  Narbe,  mit  Schwellung  der  regionären  Lymphdrüsen;  ferner  nach 
Zirkumzision  sehr  verzögerte  Heilung  und  verlangsamte  Rückkehr 
der  Haut  zum  normalen  Verhalten  unter  Schwellung  der  inguinalen 
Drüsen  bei  fehlender  Infektion.  Ausserdem  sind  Fehlen  der  physio¬ 
logischen  Abnahme  der  ersten  Woche  und  eine  durch  oft  ganz  unge¬ 
nügende  Nahrungszufuhr  nicht  bedingte  überraschende  Gewichts¬ 
zunahme  oder  im  Gegenteil  übergrosse  physiologische  Abnahme  und 
sehr  verspäteter  Ausgleich,  gefolgt  von  wochen-  resp.  monatelanger, 
ganz  ungenügender  Zunahme,  trotz  reichlicher  natürlicher  Nahrung, 
typische  Frühmanifestaitonen.  Als  solche  sind  ferner  häufig:  Land¬ 
kartenzunge  sowie  Hyperplasie  der  lymphatischen  Organe  des 
Rachenringes  resp.  Nasenrachenraumes  unter  geringen  vorüber¬ 
gehenden  Temperatursteigerungen,  ausnahmslos  begleitet  von  Schwel¬ 
lung  der  regionären  Lymphdrüsen.  Wo  physiologisches  Elend: 
schlechte  Wohnung,  nachlässige  Pflege  und  Ernährung  einwirkt,  ge¬ 
hören  Schleimhautkatarrhe,  Bronchitis,  Rhinitis,  Otitis  media,  Dys¬ 
pepsie  zu  den  frühen  Manifestationen  der  lymphatischen  Diathese,  so¬ 
wie  beim  neuropathischen  Lymphatiker  als  Folge  des  Kratzens  die 
Ekzematisation  der  Haut  der  Wange  ausgehend  von  der  Crusta  lactea, 


J  408 


No.  25. 


MUFNCHENFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


des  behaarten  Kopfes  ausgehend  vom  Gneis,  die  beide  dem  ersten 
Lebensjahr  angehören. 

Früh,  oft  schon  im  ersten  Lebensjahr,  scheiden  sich  deutlich  die 
von  jeher  bekannten  beiden  Typen:  der  magere,  blasse,  lebhafte, 
untermassige  erethische  Lymphatiker  mit  oft  hochgradigen  Driisen- 
schwellungen,  maximaler  Hyperplasie  der  lymphatischen  Organe  des 
Schlundkopfes,  mit  monatelangem  Gewichtsstillstand  an  der  Brust 
oder  bei  fettreicher,  kohlehydratarmer  Nahrung,  scharf  sich  unter¬ 
scheidend  von  dem  pastösen  Typus:  blühend,  iiberfett,  bald  indolent, 
bald  neuropathisch  und  dann  die  höchsten  Grade  des  Ekzema  capi- 
litii  et  faciei  bietend,  mit  stärkster  Drüsenschwellung,  oft  in  der  Form 
des  Status  thymico-lymphaticus,  spasmophil  und  gefürchtet  wegen 
der  plötzlichen  Todesfälle,  sowie  wegen  des  „Ekzemtodes“.  Bei 
fehlender  neuropathischer  Veranlagung  und  in  günstiger  physio¬ 
logischer  Lage  fehlt  das  Ekzem,  der  stets  wechselnde  Milchschorf. 
Das  pastöse,  gedunsene  Verhalten  der  Weichteile,  die  Neigung  zu 
Intertrigo,  zu  Balanitis  und  Vulvovaginitis,  zur  Adipositas,  die  Neigung 
zur  Obstipation,  kennzeichnen  den  pastösen  Lymphatiker. 

Alles  was  bisher  über  die  Aetiologie  und  Anatomie  behauptet 
wurde,  ist  strittig. 

Fest  steht  die  maximale  Vererbung  der  lymphatischen  Dis¬ 
position,  die  sie  fördernde  Wirkung  grosser  Kuhmilchmengen  von  über 
1  Liter  pro  die,  selbst  weniger,  auch  diejenige  übergrosser  Mengen 
fettreicher  Frauenmilch. 

Die  behauptete  Bedeutung  der  Hypoplasie  des  chromaffinen 
Systems  (Bartel,  Stein,  Neusser)  lässt  sich  nach  Lubarsch 
nicht  beurteilen.  Die  von  Eppinger  und  Hess  herangezogene 
Hypertonie  des  Vagus  steht  in  Widerspruch  zur  häufigen  Magen- 
atonie  und  von  Hecker  beschriebenen  Melliturie  und  Hyper¬ 
glykämie.  Gesichert  ist  anatomisch  die  alleinige  Beteiligung  der  Ab¬ 
kömmlinge  des  Mesenchyms,  direkte,  unvermittelte  Beteiligung  des 
Epithels  der  Haut  und  Schleimhäute  ist  nicht  bewiesen. 

Die  Prophylaxe  der  lymphatischen  Disposition  wäre  durch  Ehen 
nur  unter  von  ihr  freien,  gesunden  Individuen  gegeben.  Dafür  aber 
besteht  betreffs  des  menschlichen  Nachwuchses  kein  Verständnis,  nur 
beim  Vieh-  und  Pflanzenzüchter  ist  gesundes  Ausgangsmaterial  un¬ 
erlässliche  Bedingung. 

Neben  günstigen  physiologischen  Bedingungen:  gute  Wohnung, 
Luft,  Licht,  saubere  Pflege  und  Ernährung,  Fernhaltung  neuro¬ 
pathischer  Umgebung  fördert  die  Therapie:  knappe  Ernährung  mit 
Frauenmilch  und  frühzeitiger  teilweiser  Ersatz  durch  Beigabe  kleiner 
Mengen  fettarmer,  kohlehydratreicher,  zellulosehaltiger  Nahrung, 
eventuell  unterstützt  durch  kleine  Dosen  von  Lebertran  und  Eisen. 

Diskussion:  Herr  Hopmann  II:  Der  Vortragende  hat  ge¬ 
sagt,  das  Abtasten  der  Rachenmandel  (der  „Otologengriff“  in  den 
Rachen)  sei  immer  überflüssig;  die  Notwendigkeit,  die  Rachenmandel 
zu  entfernen,  könne  allein  aus  der  Schwellung  der  regionären  Lymph- 
drüsen  erkannt  werden.  Dem  kann  ich  nur  teilweise  zustimmen. 
Meist  ist  die  übermässige  Vergrösserung  der  Rachenmandel  der  be¬ 
rechtigte  Grund  zum  operativen  Eingriffe  und  die  Stärke  dieser  Ver¬ 
grösserung  kann  gelegentlich,  besonders  bei  notgedrungenem,  eiligen 
Betriebe  sicher  nur  durch  Abtasten  festgestellt  werden.  Häufige  Ent¬ 
zündungen  der  Rachenmandel  können  auch  bei  geringerer  Grösse 
die  Indikation  zur  Operation  geben,  aber  in  dieser  Richtung  sind  die 
Gaumenmandeln  viel  mehr  zu  berücksichtigen  als  die  Rachenmandel. 

H.  fragt  den  Vortr.  weiterhin,  ob  bei  lymphatischen  Kindern 
Impfschädigungen  beobachtet  worden  seien? 

Herr  Siege  rt:  Herrn  Dr.  Hopmann  jr.  möchte  ich  er¬ 
widern:  Nach  meiner  Ansicht  ist  es  niemals  nötig,  die  Rachenmandel 
manuell  abzutasten,  um  sie  als  entzündlich  verändert  nachzuweisen. 
Das  Verhalten  der  Zervikaldrüsen  und  die  anamnestischen  Erhebungen 
der  Sekundärerscheinungen,  wie  eine  nasale  Inspektion  genügen  dazu 
in  jedem  Falle. 

Für  mich  ist  Indikation  zur  rationellen  Entfernung  mindestens 
ebenso  oft  die  rezidivierende  Adenoitis  mit  ihren  allgemeinen  Folgen, 
wie  die  chronische  Hyperplasie  mit  Raumbeengung,  und  zwar  schon 
im  frühesten  Kindesalter. 

Was  die  Impfung  anbelangt,  so  regiert  lokal  das  lymphatische 
Kind  stärker  als  das  normale,  ausnahmslos  auch  mit  viel  stärkerer 
Drüsenschwellung. 

Gefährdet  im  höchsten  Masse  aber  sind  die  Lymphatiker  mit  den  be¬ 
kannten  schweren  Ekzemen  des  behaarten  Kopfes,  Gesichtes,  der  Haut 
der  Gelenke  usw.  Ihre  Geschwister  sollten  nicht  geimpft  werden, 
solange  eine  Uebertragung,  besonders  in  unhygienischen  Verhält¬ 
nissen,  möglich  ist;  auch  in  sehr  kinderreichen  Proletarierhäusern 
bestehen  grösste  Bedenken.  Dass  sie  selbst  nicht  geimpft  werden,  ist 
selbstverständlich.  In  seltenen  Fällen  sind  generalisierte,  schwere 
Infektionen  vorgekommen. 

Herr  Lohmer:  Bei  ekzematösen  Hauterkrankungen  auch  ge¬ 
ringer  Ausdehnung  hat  die  Impfung  zu  unterbleiben.  Es  ist  dies 
eine  von  den  Impfärzten  allgemein  anerkannte  und  geübte  Vorsichts- 
massregel.  Der  Impfarzt  kann  noch  mehr  tun  und  auch  bei  Fehlen 
von  ekzematösen  Erscheinungen  nach  anderen  Symptomen  lympha¬ 
tischer  Diathese  des  Impflings  forschen.  L.  glaubt  nicht,  dass  die 
lymphatische  Disposition  hinsichtlich  des  Verlaufs  der  Impfpustel- 
entwicklung  von  so  schwerwiegender  Bedeutung  ist,  wie  der  Vor¬ 
tragende  annimmt.  Liegen  Hauterkrankungen  bei  den  Geschwistern 
des  Impflings  vor.  so  ist  natürlich  ebenfalls  grosse  Vorsicht  am  Platze. 

Herr  Schubert  hat  aus  seinen  eigenen  zahlreichen  Beobach¬ 
tungen  und  den  Berichten  der  Impfärzte  nicht  den  Eindruck  ge¬ 
wonnen.  dass  die  Impfung  bei  lymphatischen  Kindern  besonders  nach¬ 
teilig  wirken  sollte.  Bei  etwa  1 00  000  Erstimpfungen  sind  ihm  ab¬ 


gesehen  von  stärkeren  Hautentzündungen  4  Schädigungen  bekannt 
geworden:  eine  Verflüssigung  der  Pusteln,  eine  Drüsenvereiterung, 
eine  Uebertragung  der  Pocken  auf  die  Wange  und  ein  Späterysipel, 
sämtlich  mit  günstigem  Ausgang.  Wäre  die  Impfung  bei  lympha¬ 
tischen  Kindern  so  schädlich,  so  hätte  man  früher,  als  man  bei  der 
Zurückstellung  von  ekzematösen  Säuglingen  weniger  ängstlich  war 
wie  heute,  viel  mehr  Schädigung  beobachten  müssen. 

Herr  Hopmann  I  möchte,  gegenüber  Aeusserungen  des  Vor¬ 
tragenden,  die  missverstanden  werden  könnten,  festzustellen,  dass 
entzündliche  Zustände  an  irgendeiner  Stelle  des  W  ai¬ 
de  y  e  r  sehen  Schlundringes  (nicht  bloss  an  der  Rachenmandel)  so¬ 
wie  ihre  Folgen  (Fieber,  Schwellung  der  regionären  Lymphdriisen, 
Verkäsungen  etc.)  als  hochwichtige  Indikation  zur  gründlichen 
Entferung  der  betreffenden  Mandelabschnitte  gelten  und  demgemäss 
gerade  auch  dann  verfahren  wird,  wenn  die  Mandeln  nur  wenig 
vergrössert,  sogar  atrophisch  geschrumpft  sind. 

Dabei  bleibt  die  andere  Indikation  unberührt,  zu  welcher  Ver¬ 
grösserung  der  Mandeln  Anlass  gibt.  Das  sind  die  mecha¬ 
nischen  Störungen  (Verstopfung  der  Atmungswege,  Erschwe¬ 
rung  des  Saugens  und  Schluckens),  welche  gerade  während  der  ersten 
Lebensjahre  bei  lymphatischer  Konstitution  oft  grosse 
Gefahren  herbeiführen.  Bei-  zahlreichen  Kindern  und  Erwachsenen 
treffen  beide  Indikationen  zusammen,  wenn  auch  häufig  die  eine  oder 
andere  überw'iegt. 

Das  oberflächliche  Abschneiden  oder  Abkratzen  (p. 
Guillotin  etc.)  ist  bei  entzündlichen  Mandeln  besonders  verwerflich, 
nicht  nur  aus  allgemein  chirurgischen  Gründen;  hier  muss  gründlich 
verfahren  werden,  eine  Anschauung,  die  Redner  stets  vertreten  hat 
und  welche  sich  immer  mehr  Bahn  bricht. 

Redner  benutzt  die  Gelegenheit,  Herrn  Prof.  Siege  rt  und  alle 
Kinderärzte  zur  Mitarbeit  bei  der  jetzt  mit  der  Schuluntersuchung 
praktisch  in  Gang  gesetzten  Intern.  Ozänasammelforschung  zu  er¬ 
suchen. 


Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Mai  1913. 

Herr  Henke  demonstriert  einen  Apparat  zur  Behandlung  des 
Asthma  bronchiale. 

Es  wird  in  die  Trachea  eine  Röhre  eingeführt,  durch  die  ein 
Schlauch  in  die  Bronchien  geführt  werden  kann.  Die  erkrankten 
Bronchien  werden  vorher  perkutorisch  und  auskultatorisch  fest¬ 
gestellt.  Durch  eine  sinngemässe  Einrichtung  kann  nach  der  Ein¬ 
führung  des  Schlauches  die  Röhre  leicht  entfernt  werden.  Das  Medi¬ 
kament  wird  in  flüssigem  Zustande  eingebracht  oder  mittels  Sauer¬ 
stoffapparates  in  pulverisiertem  Zustande  eingeblasen.  Vortragender 
hat  selbst  mehrere  Fälle  mit  sehr  gutem  Erfolg  behandelt.  Anfangs  . 
gebrauchte  er  Adrenalin,  später  Hypophysineinstäubungen.  Eine  Kom¬ 
bination  beider  Medikamente,  wie  er  sie  in  letzter  Zeit  gebraucht, 
hat  sich  am  besten  bewährt. 

Herr  Dangschat:  Beiträge  zur  Röntgendiagnose  der  Lungen¬ 
tuberkulose.  (Mit  Demonstrationen.) 

Vortragender  zeigt  eine  reichhaltige  Sammlung  von  Röntgenauf-  ^ 
nahmen  und  weist  auf  die  Wichtigkeit  der  Röntgenographie  für  die 
Diagnose  der  beginnenden  Spitzen-  und  Hilusdriisentuberkulose  hin.  * 
Sehr  deutlich  zeichneten  sich  in  einer  Reihe  von  Platten  die  vom 
Hilus  strahlenförmig  ausgehenden  Lymphgefässstränge  in  streifen¬ 
förmigen  Verdichtungen  ab,  was  Vortr.  als  einen  Beweis  für  das 
Fortschreiten  der  Tuberkulose  auf  dem  Lymphwege  ansprach.  Er 
weist  darauf  hin,  dass  in  vielen  Fällen  schon  durch  Röntgenbilder 
ein  Schluss  auf  eine  beginnende  Tuberkulose  zu  ziehen  sei,  während 
zu  der  gleichen  Zeit  auskultatorisch  und  perkutorisch  noch  kein  Be¬ 
fund  zu  erheben  wäre.  Eine  lebhafte  Debatte  schliesst  sich  hieran, 
in  der  Herr  Thelemann  für  die  hohe  Bedeutung  der  Perkussion 
und  Auskultation  neben  der  Röntgenographie  eintritt. 

Herr  Hecker  stellt  eine  Frau  vor,  die  vor  einigen  Monaten  i 
von  einem  Automobil  überfahren  wurde.  Es  wurde  seinerzeit  ein 
Beckenbruch  und  eine  doppelseitige  Hüftgelenkluxation  auf  der  ! 
einen  Seite  eine  Luxatio  anterior,  auf  der  anderen  eine  Luxatio  | 
posterior  —  diagnostiziert.  Um  Zerrungen  und  Zerreissungen  zu 
vermeiden,  musste  erst  eine  leidliche  Kallusbildung  abgewartet  w  erden,  “ 
ehe  das  Redressement  der  Gelenke  vorgenommen  wrerden  konnte.  J 
Dieses  geschah  5  Wochen  nach  dem  Unfall.  Da  bereits  starke  Binde¬ 
gewebsneubildung  eingetreten  war,  war  beiderseits  nur  die  blutige  * 
Reposition  möglich.  Die  Frau  befindet  sich  wohlauf  und  kann  leid¬ 
lich  gehen. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  Mai  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Marchand. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Payr  berichtet  kurz  über  einen  interessanten  Fall  von 
kongenitaler  Zystenniere  und  Karzinom  der  Vater  sehen  Papille. 

Der  jetzt  verstorbene  63  jährige  Patient  wurde  im  November  1911 
wegen  eines  grossen  retroperitoneal  gelegenen,  das  Colon  descendens 
komprimierenden  Tumors  vom  Vortragenden  laparotomiert. 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Zyste^niere^Än  ?jc,h  als  eine  gewaltige  linksseitige 

stark  ent^ckeltl  7vst^^etl^P°  Ci  eine  mannskopfgrosse,  besonders 
.iarK  entwickelte  Zyste  die  Darmkompression  bedingte  Es  wurde 

Ä  Äs'e3[,aperi,0neale  Palpa,i°"  UoppelseitigkeiFTles 

zum  hVUrfde  eröffne>  ihr  Inhalt  entleert,  ihre  Wände 

Pon„iir0S5-ten  1  e>l  abgetragen  und  von  ihrem  Qrund  aus  mit  dem 
mH  h  m  dlC  erreicbbareJ)  Nachbarzysten,  8—10  an  der  Zahl,  eröffnet 
und  die  sie  tragenden  Septen  durchgebrannt.  Da  die  Niere  traus- 
pei  ltoneal  freigelegt  worden  war,  liess  sich  der  untere  Fol  der  Zysten- 
™e.r*’  a?.  dem  operiert  worden  war,  bequem  durch  Vernähung  der 
.  chmttrander  der  vorderen  und  hinteren  Peritonealinzision  extra- 
ff“  =?,  «folgte  elal.e  Heil,,,,,,  „h„e  lädfwerfä. 
Interessant  ist,  dass  vor  Jahren  eine  starke  Hämaturie  bei  dem 

geftihrtehatte°baChtet  WUrde’  d'6  ZUr  Annahme  eines  BJasenpapillomes 

Bine  nochmalige  Zystoskopie  liess  einen  Tumor  in  der  Blase 

w  Jlrkennen;  Dl®  war  offenbar  durch  die  Ruptur  eines 

*■  eptums  zwischen  2  Zysten  bedingt  gewesen. 

Vor  5  Wochen  erkrankte  Patient,  der  im  Februar  1.  J.  einen 
eichten  apoplektischen  Insult  erlitten  hatte,  plötzlich  und  ohne  jeg¬ 
liche  \  orboten  an  Ikterus,  der  ohne  Remission  immer  intensiver 
wurde.  Es  wurde  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  Gallengang¬ 
karzinom  und  zwar  mit  Sitz  am  Ductus  choledochus  gestellt  da  die 
stark  vergrösserte  Gallenblase  deutlich  zu  palpieren  war.  Ange¬ 
sichts  des  bekannten  Vorhandenseins  der  auch  rechtsseitig  be¬ 
deutenden  Zystenniere  wurde  die  Möglichkeit  einer  Kompression  des 
Ductus  choledochus  durch  eine  stark  prominente  Zyste  gedacht.  Bald 
stellten  sich  schwere  cholämische  Darmblutungen  ein,  die 
auch  durch  sehr  energische  Kalziumdarreichung  nicht  zu  beherrschen 
waren.  Unoperiert  es  war  eine  Cholezystenterostomie  geplant 
gewesen  ging  Patient  vor  4  Tagen  an  einem  erneuten  apoplektischen 
Insult  zugrunde.  Die  Sektion  fand  als  Ursache  des  Ikterus  ein 
Karzinom  am  Diverticulum  Vateri. 

Herr  Vers6  demonstriert  die  frischen  Präparate  eines  Falles 
von  Zystenniere  und  Zystenleber,  welche  am  Tage  zuvor  bei  der 
Sektion  eines  63  jährigen  Oberstleutnants  gewonnen  wurden.  Trotz 
der  enormen  Grösse  der  _  Zystennieren,  von  denen  die  linke 
-6 .15.8  cm,  die  rechte  30:15,5:9,5cm  mass,  und  die  zusammen  mit 
den  herauspräparierten  grossen  Abdominalgefässen  3550  g  wogen, 
waren  intra  vitam  keine  urämischen  Erscheinungen  aufgetreten.  Da¬ 
gegen  musste  1  /•£  Jahre  vor  dem  Tode  wegen  Darmstenoseerschei¬ 
nungen  eine  Laparotomie  vorgenommen  werden  (Geh.  Med -Rat 
Payr),  wobei  die  eigentümliche  Beobachtung  gemacht  wurde,  dass 
eme  grosse  Zyste  der  linken  Niere  das  Colon  descendens  kom¬ 
primierte.  Diese  wurde  enukleiert  und  einige  andere  Zysten  mit 
dem  Thermokauter  eröffnet.  Das  bei  der  Operation  festgestellte  Vor¬ 
handensein  einer  doppelseitigen  Zystenniere  liess  bei  einem  5  Wochen 
ante  mortem  auftretenden  Ikterus  eine  Differentialdiagnose  zwischen 
einer  Kompression  des  Ductus  choledochus  und  einer  karzinomatösen 
Striktur  des  Gallenganges  nicht  sicher  stellen.  Der  Kranke  starb 
bevor  eine  Operation  unternommen  werden  konnte  infolge  eines  apo¬ 
plektischen1  Insults,  der  autoptisch  leider  wegen  Verweigerung  der 
Kopfsektion  nicht  untersucht  werden  konnte.  Als  Ursache  des  Ikterus 
fand  sich  ein  kleines  ulzeriertes  Karzinom  der  Papilla  duodenalis, 
das  die  Mündung  des  Gallen-  und  Pankreasganges  an  seinem  oberen 
Rande  stark  einengte.  Die  Leber  selbst  war  stark  vergrössert.  von 
rvu  ei?, ..  uS^fn  zu  Apfelgrösse  durchsetzt,  die  sich  teilweise  an  der 
Oberfläche  Jierauswölbten  und  mit  plattem  Epithel  ausgekleidet  waren. 
Sie  wog  2700  g.  Infolge  anhaltender  Darmblutungen,  die  aus  einem 
klemen  arodierten  arteriellen  Gefässchen  am  Grunde  des  karzinoma¬ 
tösen  Ulcus  an  der  Papilla  Vateri  herrührten,  war  eine  allgemeine 
schwere  Urämie  eingetreten,  die  eine  Verfettung  des  Herzmuskels 
nach  sich  gezogen  hatte.  Das  Herz  selbst  war  ebenfalls  etwas 
vergrössert  Sein  Gewicht  betrug  490  g.  Die  Hypertrophie  betraf 
hauptsächlich  den  linkeii  Ventrikel,  dessen  Wand  seitlich  trotz  seiner 
Dilatation  eine  Dicke  von  1,6  cm  ohne  Trabekel'  hatte.  Den  Grund 
für  diese  Hypertrophie  der  linken  Kammer  bildete  offenbar  die  hoch¬ 
gradige  zystische  Degeneration  der  Nieren,  deren  Zustandekommen 
nicht  mit  Sicherheit  auf  eine  Entwicklungsstörung  zurückzuführen  ist 
indem  die  von  Nierenblastem  gebildeten  Kanälchen  nicht  mit  den  von 
den  Uretersprossen  auswachsenden  geraden  Kanälchen  in  Verbindung 
treten. 

Herr  Heineke  spricht  unter  Demonstration  von  Photographien 
und  Rontgenbildern  über  Zahnzysten. 

Der  Vortrag  wird  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  veröffentlicht. 

Diskussion:  Herr  Sick  bespricht  einen  Fall  von 
Adamantinom,  der  seltenen,  vom  Schmelzorgan  des  Zahnes  aus¬ 
gehenden  Geschwulst,  die  auf  der  Grenze  zwischen  Zysten  und  soliden 
1  umoren  steht  und  trotz  fortschreitender  Zerstörung  des  Unter¬ 
kiefers,  dem  gewöhnlichen  Sitz  der  Geschwulst,  noch  zu  den  nicht 
bösartigen  zu  rechnen  ist. 

Bei  der  31  jähr.  Frau  war  ein  grosser  Teil  des  horizontalen 
und  der  ganze  Vertikalast  des  Unterkiefers  mit  Ausnahme  des  noch 
2/S  cm  langen  Gelenkfortsatzes  durch  die  Geschwulst  ersetzt,  so  dass 
die  Resektion  des  Unterkiefers  in  der  Höhe  des  1.  Prämolaren  not¬ 
wendig  war,  während  man  sich  im  allgemeinen  mit  der  Exkochleation 
der  meist  in  einen  festen  Bindegewebssack  eingeschlossenen  Ge¬ 
schwulst  begnügen  kann,  etwaige  Rezidive  ebenso  behandelt:  Meta¬ 
stasen  sind  bisher  nicht  sicher  beobachtet.  Die  Geschwulst  bestand 
in  unserem  Falle  nur  zum  Teil  aus  dünnwandigen  Zysten  mit  serösem 


1409 


Inhalt,  zum  grösseren  Teil  aus  solidem  körnigen  Gewebe,  das  aus 
sagoartigen  Klümpchen  zusammengesetzt  war;  dazwischen  noch 
derbM6-  ,Bindefewebssepten  und  vereinzelte  lose  Knochenscherben. 

miKr°skopisch  zeigen  die  gallertigen  Klümpchen  zierliche 
papilläre  Formen  länglicher  Gestalt,  die  untereinander  Zusammen¬ 
hängen.  Von  dem  einkapselnden  Binde¬ 
gewebe  erheben  sich  epitheliale  Ge¬ 
schwulstsprossen  mit  dendritischen  Ver¬ 
zweigungen;  sie  tragen  peripher  eine 
einschichtige  Lage  hoher  Zylinderzellen 
mit  basalen  Kernen.  Das  Innere  ist  von 
einem  lockeren  Gewebe  sehr  zierlicher 
sternförmiger  einkörniger  Zellen  ausge- 
füllt,  deren  Ausläufer  netzartig  Zu¬ 
sammenhängen.  Zwischen  diesen 
Zellen  und  Ausläufern  entstehen  die  zu¬ 
nächst  mikroskopisch  kleinen,  wohl  durch 
Schwund  der  Septen  grösser  werdenden 
Hohlräume,  die  Zysten.  Das  Gewebe 
maent  myxomähnlichen  Eindruck,  ist  jedoch  sicher  epithelialer  Ab- 
Kuntt  (Marchan  d). 

Durch  die  Möglichkeit,  den  Kiefer  ziemlich  dicht  vor  der  Ge¬ 
schwulst  zu  durchtrennen,  den  Mentalteil  einschliesslich  des  Eck- 
za  ines  stehen  zu  lassen  und  die  Mundbodenmuskeln  wie  die  Hals- 
rnuskulatur  nur  zum  Teil  ihres  Stützpunktes  zu  berauben,  wurde 
ein  Kosmetisch  und  funktionell  sehr  befriedigendes  Ergebnis  erreicht. 

dass  dle  Krau  n>eht  mit  Unrecht  die  ursprünglich  geplante  Ein- 
etzung  einer  Rippe  als  Ersatz  des  verlorenen  Kieferteiles  ablehnte. 
d  e.  ist  jetzt  seit  1  Jahr  rezidivfrei.  (Demonstration  der  Bilder  und 
Prapanite;  vergl.  auch  Dissertation  von  Frhr.  v.  Teubern:  Ueber 
das  Adamantinom,  Leipzig  1912.) 

•  ,  „He,rr  Sacbse:  Betreff  der  Therapie  der  Wurzelzysten  möchte 
ro  hinzufugen,  dass  es  durch  Wurzelfüllung  und  Wurzelspitzen¬ 
resektion  in  allen  Fällen  gelingt,  den  die  Zyste  verursachenden  Zahn 
unktionstuchtig  zu  erhalten;  auch  starke  Lockerung  desselben  ist 
Keine  Gegenindikation,  da  derartige  Zähne  nach  Ausheilung  der  Zyste 
wieder  fest  werden. 

Was  die  Operationsmethode  anbetrifft,  so  möchte  ich  doch  der 
Partschmethode  den  Vorzug  geben:  denn  die  Auskratzung  bezw. 
Entfernung  des  ganzen  Zystensackes  erfordert,  wie  auch  der  Herr 
Vortragende  sagte,  eine  lange  Zeit,  oft  Monate  dauernde  Nachbehand¬ 
lung  durch  Tamponade,  die  bei  der  Partschmethode  ganz  wegfällt 
Nur  muss  man  die  Vorsicht  gebrauchen,  um  das  zu  schnelle  Schliessen 
der  Zystenoffnung  zu  verhindern,  längere  Zeit  einen  kleinen  Glasstab, 
en  sog.  Glaskonus  von  P  a  r  t  s  c  h,  in  die  Wundöffnung  einzusetzen 
und,  geeignet  an  den  Zähnen  befestigt,  tragen  zu  lassen. 

Ich  möchte  mir  dann  erlauben  ganz  kurz  einen  differential¬ 
diagnostisch  interessanten  Fall  zu  demonstrieren:  Pat.  hatte  in  der 
Wange  einen  auf  der  Unterlage  anscheinend  gut  beweglicheil  walnuss- 
grossen  I  umor  —  in  der  Gegend  der  Wurzel  des  rechten  zweiten 
Pramolaren  —  welcher  seit  einigen  Tagen  heftige  Schmerzen  ver¬ 
ursachte.  Diagnose  des  Hausarztes:  Vereiterte  Zahnzyste.  Opera¬ 
tion:  Bogenschnitt  durch  die  Schleimhaut  und  Aufklappung  des 
Lappens,  es  tritt  ein  fester  Tumor  zutage,  der  mit  einem  dünnen  Stiel 
äuf  dem  Knochen  aufsass.  Derselbe  lässt  sich  stumpf  leicht  aus¬ 
schalen.  Makroskopisch  liess  sich  die  Natur  des  Tumors  nicht  fest¬ 
stellen:  am  wahrscheinlichsten  erschien  noch  die  Annahme  eines 
ribromyxoms. 

r  •  DieuimikL?sk°Pische  Untersuchung  zeigt,  dass  das  Gebilde 
kem  echter  Tumor  ist,  dass  es  vielmehr  aus  einer  mächtigen 
Narbengewebskapsel  besteht,  die  einen  kleinen  Abszess  umschliesst. 
In  dem  Eiter  findet  sich  ein  kleiner  pflanzlicher  Fremdkörper,  so  dass 
es  sich  um  eine  Fremdkörpereiterung  zu  handeln  scheint.  Aktino- 
myzes  wurden  nicht  gefunden.  (Demonstration  der  Präparate.) 

Herr  Heineke  bemerkt  zu  der  Demonstration  von  Herrn 
pick,  dass  die  odontogenen  Kiefertumoren  sich  fast  stets  voll¬ 
kommen  gutartig  verhalten  und  dass  man  deshalb  so  konservativ 
als  möglich  operieren  sollte.  Es  gibt  natürlich  Fälle,  wo  der  Kiefer 
durch  die  Geschwulst  so  weit  zerstört  ist,  dass  die  Resektion  oder 
Exartikulation  am  praktischsten  ist,  doch  ist  es  auch  in  solchen  Fällen 
angezeigt,  das  Periost  zu  erhalten,  da  dessen  Stehenbleiben  die 
1  rothesenbehandlung  wesentlich  erleichtert  und  bessere  Endresultate 
gibt.  In  vielen  Fällen  genügt  es  bei  solchen  Tumoren  aber,  die 
Knochenschale  aufzumachen  und  die  Geschwulstmassen  gründlich  aus 
der  Knochenschale  auszukratzen,  den  Hohlraum  dann  zu  tamponieren 
oder  mit  einer  Knochenplombe  zu  füllen.  Zwar  treten  manchmal 
Rezidive  auf,  doch  verhalten  sich  auch  diese  fast  immer  gutartig 

Herrn  Sachse  erwidert  Herr  Heineke.  dass  auch  die  Chi¬ 
rurgen  gelernt  haben,  erhaltungsfähige  Zähne  zu  respektieren  und 
bei  solchen  Fällen  zur  Erhaltung  der  Zähne  den  Zahnarzt  zu  Rate 
zu  ziehen. 

Herr  W.Richter:ZurOperationstechnikderfoili- 

k  u  1  ä  r  e  n  Za  hnzysten  im  Oberkiefer  möchte  ich  einen 
Beit  tag  aus  eigener  Erfahrung  geben,  indem  ich  eine  derartige  Zyste, 
die  den  grössten  Teil  der  Highmorshöhle  einnahm,  auf  eine  meines 
Wissens  noch  nicht  bekannte  W eise  operiert  habe. 

Es  handelte  sich  um  eine  23  jähr.  Dame,  die  bereits  vor  10  Jahren 
in  einer  chirurgischen  Klinik  angeblich  wegen  ,, Vereiterung  des 
rechten  Oberkiefers“  operiert  worden  war.  Nach  9  jähr.  Wohlbefinden 
stellte  sich  wiederum  an  der  alten  Stelle  im  rechten  Oberkiefer  eine 
Eiterung  in  den  Mund  hinein  ein.  Es  musste  deshalb  ein  schmerzen¬ 
der  Zahn  ausgezogen  werden.  Trotzdem  hörte  die  Eiterung  nicht 


1410 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


auf.  Pat.  unterzog  sich  deshalb  nochmals  einer  Kieferoperatior..  bei 
der  ein  retinierter  Eckzahn  entfernt  wurde.  Die  Operationstechnik 
war  die  nach  Partsch.  Trotz  fortgesetzter  Ausspülungen  und 
Tamponaden  verheilte  die  Oeffnung  im  rechten  Oberkiefer  in  2  Mo¬ 
naten  nicht.  Darum  liess  sich  Pat.  auf  meinen  Vorschlag  nochmals 
operieren. 

Ich  habe  in  Lokalanästhesie  zunächst  in  der  üblichen  Weise 
eine  etwa  pfennigstückgrosse  Oeffnung  in  der  rechten  Fossa  canina 
angelegt,  so  dass  der  vorhandene  ca.  pflaumengrosse  Zystenraum 
in  voller  Grösse  übersichtlich  freilag.  Sodann  wurde  die  trennende 
dünne  Zwischenwand  zwischen  Zyste  und  Oberkieferhöhle  in  ganzer 
Ausdehnung  abgetragen,  so  dass  die  Zyste  mit  der  Highmorshöhle, 
die  übrigens  vollkommen  gesund  war,  einen  gemeinsamen,  übersicht¬ 
lichen  Hohlraum  bildete.  Nun  wurde,  so  wie  es  bei  der  Operation 
nach  Caldwell-Luc  stets  geschieht,  eine  bohnengrosse  Dauer¬ 
öffnung  durch  die  seitliche  Nasenwand  in  den  unteren  Nasengang 
hinein  angelegt.  Die  Kieferhöhle  wurde  locker  mit  einem  langen 
Gazestreifen  tamponiert  und  der  Tampon  zur  Nase  herausgeführt,  um 
am  nächsten  Tage  von  dort  aus  entfernt  zu  werden.  Die  angelegte 
Wunde  in  der  Fossa  canina  wurde  genäht  und  heilte  primär  zu  bis  auf 
eine  kleine  Stelle  in  der  Gegend  des  2.  Prämolaren,  wo  die  frühere 
Fistel  gesessen  hatte.  Diese  Fistelöffnung  verkleinerte  sich  durch 
Granulationsbildung  und  schloss  sich  nach  mehrmaligen  Aetzungen 
mit  Höllenstein  binnen  6  Wochen  dauernd. 

Die  vorher  gesunde  rechte  Nase  und  Oberkieferhöhle  reagierten 
auf  den  Zuwachs  durch  den  Zystenraum  mit  einem  mehrtägigen 
„Schnupfen“,  der  mit  leichten  Kopfschmerzen  verbunden  war. 

So  ist  die  zur  Nebenhöhle  der  Nase  gemachte  folli¬ 
kuläre  Zahnzyste  ohne  weitere  Spülungen,  Tamponaden ' und 
Obturatoren,  also  mit  den  denkbar  geringsten  Beschwerden,  binnen 
kurzem  endgültig  geheilt  worden. 

Herr  Marchand  gibt  Bemerkungen  zur  Histologie  der  Zahn¬ 
zysten. 

Herr  Dünkeloh  (a.  G.):  Ueber  Ulcus  duodenl. 

An  der  Hand  eines  Krankenmateriales  von  47  Fällen  wird  über 
das  Gesamtkrankheitsbild  des  Ulcus  duodeni  ein  kurzer  Ueberblick 
gegeben  und  dann  auf  die  radiologische  Darstellung  desselben  etwas 
ausführlicher  eingegangen.  Zum  Schlüsse  werden  Röntgenbilde’-  mit 
taschenbildenden  und  perforierenden  Ulcera  duodeni  demonstriert. 

(Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  den  Grenzgebieten  für 
innere  Medizin  und  Chirurgie.) 

Diskussion:  Herr  Payr  berichtet  über  52  Fälle  von  Ulcus 
duodeni  mit  80  Proz.  guten  Dauerheilresultaten. 

Herr  H  e  in  e  k  e  fragt,  ob  genauere  Untersuchungen  über  die  Ur¬ 
sache  des  Hungerschmerzes  vorliegen.  Nach  seinen  Erfahrungen  ist 
der  Hungerschmerz  fast  stets  ein  Säureschrtierz,  der  durch  Alkalien 
ebensogut  wie  durch  Nahrungsaufnahme  bekämpft  werden  kann. 

Die  von  Herrn  Dünkeloh  erwähnte  Tatsache,  dass  Ulcus- 
kranke  sich  im  Sommer  meist  besser  befinden  als  im  Winter,  lässt  sich 
vielleicht  durch  die  stärkere  Schweisssekretion  im  Sommer  und  die 
dadurch  bedingte  Salzausscheidung  erklären.  Herr  Heineke  be¬ 
obachtete  einen  Kranken  mit  Duodenalulcus  und  starker  Hyper¬ 
azidität,  der  über  diesen  Punkt  an  sich  selbst  ganz  interessante  Be¬ 
obachtungen  gemacht  hatte.  Er  hatte  im  Sommer  stets  geringere 
Beschwerden  und  fühlte  sich  um  so  wohler,  je  heisser  es  war 
und  je  mehr  er  schwitzen  konnte.  Am  allerbesten  befand  sich  sein 
Magen,  wenn  er  an  einem  recht  heissen  Sommertage  Bergtouren 
unternehmen  konnte.  Je  stärkeres  Schwitzen,  desto  geringer  die 
Magenbeschwerden.  Während  er  sonst  den  ganzen  Vormittag  hin¬ 
durch  alle  halben  Stunden  kleine  Natronmengen  nehmen  musste, 
hörten  die  Schmerzen  sofort  auf,  sobald  er  zu  steigen  anfing  und  in 
Schweiss  geriet.  Herr  Heineke  fragt,  ob  derartige  Beobachtungen 
auch  sonst  gemacht  worden  sind. 

Herr  Payr  glaubt,  dass  der  Hungerschmerz  verschiedene  Ur¬ 
sachen  haben  kann. 

Herr  B  a  h  r  d  t  frägt  nach  der  Häufigkeit  des  Druckschmerzes 
rechts  oder  links. 

Herr  Dünkeloh  (a.  G.) :  Die  Druckschmerzen  sind  häufiger 
rechts  als  links.  Für  den  Hungerschmerz  sei  der  Säuregehalt  be¬ 
langlos. 

Herr  Payr:  Manches  spricht  für  mechanische  Ursachen  des 
Hungerschmerzes. 

Herr  Marchand:  In  der  Literatur  des  Verbrennungs¬ 
todes  spielen  Blutungen  und  Geschwüre  des  Duodenums  und 
Magens  eine  grosse  Rosse.  Seit  vielen  Jahren  habe  ich  meine  Auf¬ 
merksamkeit  bei  einer  sehr  grossen  Zahl  von  akuten  Todesfällen  nach 
Verbrennung  und  einer  gewissen  Zahl  von  später  eingetretenen  Todes¬ 
fällen  auf  solche  Befunde  gerichtet,  habe  aber  in  keinem  einzigen 
Falle  weder  eine  frische  Schleimhautblutung  noch  ein  ausgebildetes 
Geschwür  (was  ja  erst  bei  dem  langsameren  Verlauf  zu  erwarten 
sein  würde)  gefunden,  höchstens  die  so  häufig  im  Duodenum  vor¬ 
kommenden  kadaverösen  blutigen  Suffusionen  der  Schleimhautfalten. 
Ich  habe  diesen  negativen  Befund  bei  verschiedenen  Gelegenheiten 
mitgeteilt  (Das  pathologische  Institut  in  Leipzig,  in  Arbeiten  aus  dem 
pathologischen  Institut  Leipzig.  Hirzel.  Heft  3.  1906.  S.  27,  42;  47  Fälle 
und  Krehl-Marchand:  Allgem.  Pathologie.  Bd.  I.  Thermische 
Krankheitsursachen,  S.  80).  Dennoch  tritt  die  Behauptung  der  Häufig¬ 
keit  solcher  Geschwüre  immer  von  neuem  auf.  Man  hat  sie  mit 
der  Bildung  von  Thromben  in  den  Gefässen  in  Verbindung  gebracht, 
von  deren  Vorhandensein  ich  mich  ebensowenig  überzeugen  konnte. 
Wenn  also  ausgebildete  Geschwüre  im  Magen  oder  Duodenum  nach 
Verbrennung  gefunden  werden,  möchte  ich  das  für  ein  zufälliges 


Zusammentreffen  halten.  Neuerdings  hat  sich  E.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Ham¬ 
burg  in  gleichem  Sinne  geäussert. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  Februar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  Kraus. 

Herr  Rodler:  Plattenepithelkrebs  der  Stirn  mit  gutem  Erfolg 
mit  Röntgenstrahlen  behandelt.  (Demonstration.) 

Herr  Feder  lein  referiert  über  einen  Patienten  mit  voll¬ 
ständigem  Situs  inversus  und  zeigt  das  dazugehörige  Röntgenbild. 

Herr  H  e  i  n  1  e  i  n  teilt  die  Krankengeschichte  eines  67  jährigen 
Feingoldschlägers  mit,  welcher  seit  30  Jahren  mit  mehr  oder  weniger 
grossen  zeitlichen  Unterbrechungen  im  Sebastianspital  wegen  der 
Folgen  des  chronischen  Alkoholismus  verpflegt  worden  und  dort  ver¬ 
storben  war.  Pat.  hatte  vielfach  im  Rausch  Traumen  erfahren,  ins¬ 
besondere  im  Jahr  1884  durch  Sturz  von  der  Treppe  eine  starke 
Quetschung  der  Brustwand  erlitten,  welche  Jahre  hindurch  viel 
zu  Klagen  Anlass  gegeben,  aber  objektiv  stets  nur  einen  geringen 
positiven  Befund  dargeboten  hatte.  Bei  der  Sektion  fand  sich  nun 
eine  12  cm  lange  und  4  cm  breite  Kalkplatte  der  rechten  Lungen- 
pleura,  welche,  der  Umgrenzung  der  hinteren  Achselhöhlenlinie  ent¬ 
sprechend,  der  8.  Rippe  derb  zellig  adhärent  war.  Diese  Rippe  selbst 
zeigte  an  ihrer  Innenfläche,  in  der  Ausdehnung  des  durch  derbes 
fibröses  Gewebe  vermittelten  Kontaktes  mit  der  erwähnten  Kalk- 
pDtte,  kleine,  ziemlich  dichtstehende,  warzige  Osteophyten.  Eine 
gröbere  Veränderung  der  äusseren  Konfiguration  der  Rippe  fehlte, 
so  dass  die  Annahme  eines  Rippenbruches,  welcher  sonst  ähnliche 
schwere  Veränderungen  an  Rippe  und  Pleura  bewirken  kann,  aus- 
zuschliessen  war.  Günstige  Elastizitätsverhältnisse  im  geschilder¬ 
ten  Fall  haben  bei  dem  stattgefundenen  Trauma  lediglich  Kontinui¬ 
tätstrennungen  des  Periostes  der  Innenfläche  der  Rippe  mit  nach¬ 
folgender  ossifizierender  Periostitis  und  Läsionen  der  benachbarten 
Lungenpleura  mit  abschliessender  Entwicklung  einer  in  der  Aus¬ 
dehnung  genau  der  Kontur  der  angrenzenden  8.  Rippe  entsprechen¬ 
den  Kalkplatte  bewirkt. 

Im  geschilderten  Fall  war  die  Feststellung  einer  Rente  nicht  in 
Frage  gekommen,  welche  bei  dem  durch  die  äussere  Untersuchung 
erhobenen,  mit  den  erheblichen,  jahrelang  bestehenden  Beschwerden 
kontrastierenden,  geringen  objektiven  Befund  Schwierigkeiten  be¬ 
gegnet  wäre. 

Die  im  gleichen  Falle  — -  bei  Fehlen  eines  stärkeren  Lungen¬ 
emphysems  oder  Mitralisfehlers  —  bei  der  Sektion  nachgewiesene 
beträchtliche  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels  illustriert  den 
Folgezustand  der  durch  die  ausgedehnte  Obliteration  der  Pleura¬ 
höhle  und  vielleicht  auch  durch  die  bestehenden  Schmerzen  hervor¬ 
gerufenen  Beeinträchtigung  der  Rippenatmung,  des  dadurch  bedingten 
erschwerten  Einströmens  des  Blutes  in  die  Lungen  und  des  daraus 
hervorgehenden  Widerstandes  für  die  rechte  Kammer.  Präparat  wird 
vorgelegt. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  10.  Februar  1913. 

Vorsitzender:  Herr  L  i  n  s  e  r,  Herr  Klüpfel. 

Schriftführer :  Herr  Dibbelt. 

Herr  Holzbach:  Demonstration. 

Vortr.  demonstriert  einen  Bleiglastubus,  in  den  bei  der  Röntgen¬ 
therapie  die  Röhren  zum  Schutz  der  Patientin  gegen  vagabundierende 
Strahlen  eingeschlossen  werden.  Der  Tubus  weist  genau  die  gleiche 
intensiv  violette  und  scharf  abgegrenzte  Verfärbung  des  Glases  auf, 
wie  sie  die  Röntgenröhre  nach  längerem  Gebrauch  in  der  der  Kathode 
zugewandten  Röhrenhälfte  zeigt.  Die  auch  in  neueren  Büchern  immer 
wiederkehrende  Ansicht,  dass  diese  Verfärbung  durch  Metallnieder¬ 
schlag  —  von  der  Antikathode  losgerissene  Platinteilchen  —  bedingt 
sei,  lässt  sich  durch  dieses  Testobjekt  leicht  widerlegen.  Jedes 
manganhaltige  Glas,  das  längere  Zeit  der  Einwirkung  der  Röntgen- 
sfrahlen  (wie  überhaupt  von  intensiven  Lichtstrahlen)  ausgesetzt 
wird,  bläut  sich.  Davon,  dass  Antikathodenteilchen  durch  die  Glas¬ 
wand  der  Röhre  durchgeschleudert  würden,  kann  natürlich  keine 
Rede  sein.  Die  Verfärbung  dieses  Tubus  hat  ebenso  wie  die  jeder 
Röntgenröhre  ihren  Grund  in  der  Einwirkung  der  ultravioletten 
Strahlen  auf  das  Mangan  des  Glases. 

Diese  an  sich  nebensächliche  Beobachtung  ist  von  Bedeutung 
deshalb,  weil  sie  daran  erinnert,  dass  wir  imstande  sind,  mit  dem 
Licht  der  Röntgenröhre  nicht  nur  physikalische,  sondern  auch  che¬ 
mische  Veränderungen  im  bestrahlten  Medium  hervorzurufen.  Es 
können  lichtempfindliche  Substanzen  tief  im  Körperinnern  durch  die 
Röntgenstrahlen  zu  Veränderungen  gezwungen  werden,  die  unter 
Umständen  therapeutisch  nutzbar  zu  machen  sind.  So  wird  z.  B.  aus 
Jodoform  unter  der  Strahlenwirkung  Jod  frei,  eine  Tatsache,  die 
Vortr.  experimentell  zur  Vernichtung  von  Tuberkelbazillen  in  Körper¬ 
höhlen  und  auch  bereits  praktisch  bei  einem  Fall  von  inoperabler 
Nieren-Blasentuberkulose  verwertet  hat.  Versuche  über  die 
Dissoziation  anderer  Medikamente  und  die  Bindung  freiwerdender 
differenter  Stoffe  an  die  Lipoidsubstanz  der  Zelle  sind  im  Gange. 


24.  Juni  1913. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  Injektion  lichtempfindlicher  Metallverbindungen,  so  von 
Bromsilber,  das  durch  Einwirkung  von  Bromkaliumlösung  auf  essig- 
saures  oder  benzoesaures  Silber  in  der  Zelle  dargestellt  werden  kann, 
bietet  aber  noch  einen  anderen  Vorteil.  Sie  gibt  uns  die  Möglichkeit! 
die  bisher  noch  viel  zu  wenig  beachtete  Wirkung  der  sog.  Sekundär¬ 
strahlung  (cf.  Qauss,  Christen  u.  a.)  therapeutisch  zu  ver- 
werten.  Selbst  aus  kurzwelligen  Strahlen  werden,  wenn  sie  auf  dem 
Metallspiegel  des  Niederschlages  aufprallen,  infolge  der  Sekundär¬ 
strainung  wieder  genügend  weiche  Strahlen  frei,  um  Lichtwirkungen 
zu  erzielen,  welche  die  die  Substanz  glatt  durchschlagenden  harten 
Strahlen  nicht  hervorrufen  können.  Das  Problem  der  Karzinom¬ 
behandlung  durch  Röntgenstrahlen  kann  auf  diesem  Wege  wahr¬ 
scheinlich  mit  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  angegangen  werden,  als  wie 
dies  nach  den  Erfahrungen  der  Klinik  mit  der  bisherigen  Art  der 
therapeutischen  Bestrahlung  möglich  war. 

Diskussion:  Herr  v.  Qrützner. 

Herr  A.  Mayer:  lieber  die  therapeutische  Verwendung  von 
normalem  Schwangerenserum. 

Der  Vortragende  gibt  zunächst  eine  kurze  theoretische  Be¬ 
gründung  für  seinen  Vorschlag,  Schwangerschaftstoxi¬ 
kosen  mit  dem  Serum  normaler  Schwangeren  zu 
behandeln. 

Dann  berichtet  er  über  seine  therapeutischen  Erfolge  bei 
den  verschiedensten  so  behandelten  Schwangerschaftstoxikosen 
(Schwangerschaftsdermatosen,  Eklampsie). 

Bei  der  Eklampsie  ist  er  von  der  intravenösen  In¬ 
jektion  des  Serums  zur  intraduralen  Anwendung  übergegangen.  Er 
ging  dabei  davon  aus,  dass  die  vollentwickelte  Eklampsie  dem  Bilde 
schwerster  Vergiftung  des  Zentralnervensystems  entspricht.  Die  im 
Serum  zugeführten  Gegengifte  müssen  daher  am  wirksamsten  sein, 
wenn  man  das  Serum  durch  intradurale  Injektion  direkt  ans  Zentral¬ 
nervensystem  heranbringt. 

Ein  weiteres  Gebiet  für  die  Serumtherapie  scheinen  die  sep¬ 
tischen  Erkrankungen,  vor  allem  das  Puerperalfieber, 
zu  sein.  Da  manche  Wöchnerinnen  hämolytische  Streptokokken  in 
ihrem  Lochialsekret  beherbergen,  ohne  selbst  zu  erkranken,  darf  man 
theoretisch  annehmen,  dass  ihr  Serum  die  Bedeutung  des  Rekon¬ 
valeszentenserums  hat.  An  3  mit  Seruminjektion  be¬ 
handelten  Pallen  von  septischen  Erkrankungen  hat  sich  gezeigt,  dass 
diese  Behandlung  Aussicht  auf  Erfolg  bietet. 

Weiterhin  wurde  das  Serum  mit  gutem  Erfolg  angewendet  zur 
Heilung  gynäkologischer  Blutungen  und  Anämien. 

Die  Erfahrungen  über  Serumbehandlung  der  M  e  1  ä  n  a  sind 
noch  gering. 

Herr  Unser:  Ueber  Seriimbehandlung  bei  Hautkrankheiten. 

(Vortrag  erscheint  anderwärts.) 

Diskussion  zu  den  Vorträgen  2  und  3 :  die  Herren  Miller, 
v.  Griitzner,  Abegg,  Linse  r. 

Herr  Naegeli:  Funktionelle  Gesichtspunkte  aus  der  Blut¬ 
morphologie. 

An  einer  Reihe  von  Beispielen  aus  der  Pathologie  der  Erkran¬ 
kungen  von  Lymphknoten,  Milz  und  Knochenmark  wird  gezeigt,  dass 
die  eingehendste  Morphologie  dazu  benützt  wird,  über  die  Funktion 
der  blutbildenden  Organe  unter  krankhaften  Verhältnissen  Aufschluss 
zu  erhalten. 

Man  kann  dabei  von  Hyperfunktion,  Hypofunktion  und  Dys¬ 
funktion  reden,  auch  von  einseitigen  isolierten  Störungen,  und  kommt 
schliesslich  zu  einem  Urteil  über  die  Suffizienz  oder  Insuffizienz  der 
Organe. 

Dabei  müssen  die  Reaktionen  des  Blutes  nach  Regeneration  und 
Degeneration  scharf  auseinandergehalten  werden.  Die  Beurteilung, 
ob  junge  oder  alte  Zellindividuen,  ausgereifte  oder  unreife  Formen 
im  Blut  erscheinen,  spielt  dabei  eine  grosse  Rolle.  Auch  Vergleiche 
mit  embryonalem  Blut  können  wertvolle  Anhaltspunkte  geben. 

Die  ausserordentlich  grosse  Zahl  der  morphologischen  Befunde 
und  das  konsequente  Studium  bei  allen  Krankheiten  geben  schliesslich 
sehr  zahlreiche  interessante  und  besonders  auch  diagnostisch  wichtige 
Anhaltspunkte. 

Herr  Linser:  Demonstration. 

L.  stellt  8  Kinder  eines  Waisenhauses,  die  an  Mikrosporie 
erkrankt  sind,  vor.  Der  Erreger  der  Mikrosporie,  das  Mikro- 
s  po  ron  Audouini,  wird  mikroskopisch  und  kulturell  demon¬ 
striert  und  ihre  Behandlung  kurz  besprochen. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  Juni  1913. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  L.  M  e  y  e  r  demonstriert  einen  Fall  von  knöcherner  Sehnen¬ 
veränderung  nach  Trauma  (Demonstration  des  Röntgenbildes). 

Tagesordnung: 

Herr  Erich  Wossidlo:  Zur  operativen  Behandlung  der  Er¬ 
krankungen  des  Blasenhalses  und  der  hinteren  Harnröhre.  (Mit  epi- 
diaskopischen  Bildern.) 

Nach  Möglichkeit  benützt  Vortr.  das  Lufturethroskop,  nur  in 
schwierigeren  Fällen  greift  er  zum  Irrigationsurethroskop.  Er  gibt 
dann  eine  ausführliche  Darstellung  der  Behandlungsmethoden,  die  er 
bei  den  verschiedenen  hier  vorkommenden  Krankheitsprozessen  an- 


141 1 


wendet.  Die  Polypen  am  Kollikulus  sind  oft  nicht  Folgen  von  Gonor¬ 
rhöe,  öfter  von  Masturbation. 

Schwellungszustände  des  Kollikulus  behandelt  er  mit  Aetzungen, 
nur  in  renitenten  Fällen  mit  Stichelungen;  schwerere  Fälle  von  Granu¬ 
lomen  erfordern  Galvanokaustik  oder  Curettement.  Granulationen 
werden  oft  mit  Polypen  verwechselt.  Von  endourethraler  Behandlung 
der  Prostatahypertrophie  auf  galvanokaustischem  Wege  rät  Vortr. 
auf  Grund  eigener  Erfahrungen  ab. 

I  uberkulöse  Prozesse  können  in  vereinzelten  Fällen  zirkum¬ 
skripter  Erkrankungen  galvanokaustisch  behandelt  werden.  Alle  die 
verschiedenen  Eingriffe,  die  er  jetzt  nur  noch  entweder  im  Luftendo¬ 
skope  von  H.  Wossidlo  oder  mit  dem  von  ihm  selbst  angegebenen 
Operationsinstrumentarium  unter  Irrigation  vornimmt,  sind,  wie  der 
Vortr.  angibt,  relativ  leicht  ausführbar  und  führen  selten  zu  Kompli¬ 
kationen.  Er  hat  bei  über  300  derartigen  von  ihm  vorgenommenen 
Eingriffen  nur  einmal  eine  Zystitis  erlebt.  Er  führt  dies  auf  vorsichti¬ 
ges  Arbeiten  und  entsprechend  lange  Intervalle  zwischen  den  ein¬ 
zelnen  Sitzungen  zurück  und  warnt  infolge  von  beobachteten  schwe¬ 
ren  Prostataabszessen  nach  anderseits  gemachten  kurzintervalligen 
Eingriffen  besonders  hiervor  und  des  ferneren  vor  Polypragmasie. 

Diskussion:  Herr  Ernst  R.  W.  Frank  hebt  hervor,  dass 
bipolare  hochfrequente  Ströme  mit  geringer  Spannung  sehr  gut  zu 
den  Untersuchungsapparaten  verwendet  werden  können.  Er  demon¬ 
striert  ebenfalls  eine  grosse  Anzahl  von  epidiaskopischen  Bildern  vor 
und  nach  der  Behandlung. 

Herr  Roth  rühmt  die  technischen  Vorzüge  der  Gold- 
schmidt-Wossidlo  sehen  Apparatur,  welche  die  Erkrankungen 
der  Urethra  posterior  der  Behandlung  erst  zugänglich  gemacht  haben. 
Die  Krankheitserscheinungen  entsprechen  jedoch  nicht  immer  den  ana¬ 
tomischen  Befunden:  man  muss  daher  Polypragmasie  vermeiden. 

Herr  Artur  Lewin  macht  auf  die  technischen  Möglichkeiten 
von  irrtümlichen  Diagnosen  aufmerksam. 

Herr  Freudenberg  bestreitet,  dass  galvanokaustische  Ein¬ 
griffe  bei  der  Prostataoperation  besondere  Schwierigkeiten  machen. 
Galvanokaustik  hilft  bei  Impotenz  häufig  auf  psychischem  Wege. 

Aus  der  letzten  Sitzung  seien  noch  folgende  Diskussionsbemer¬ 
kungen  des  Herrn  Fritz  Lesse  r  zur  W  e  s  t  e  n  h  o  e  f  fe  r  sehen 
Diskussion  nachgetragen: 

Dass  die  antisyphilitischen  Heilmittel  die  Paralyse,  Tabes  etc. 
nicht  merklich  beeinflussen,  wird  durch  die,  diesen  Erkrankungen  zu¬ 
grunde  liegenden,  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  bedingt. 
Auch  die  Keratitis  parenchymatosa  wird  zweifellos  durch  Spiro¬ 
chäten  hervorgerufen,  verhält  sich  aber  auch  Salvarsan  und  Queck¬ 
silber  gegenüber  refraktär.  Die  Spirochäten  rufen  eine  syphilitische 
Veränderung  vielleicht  an  den  Gefässen  hervor,  die  sekundär  zu 
Ernährungsstörungen  (Hornhauttrübungen)  bzw.  Degenerationen  von 
Nervenzellen  (Tabes  und  Paralyse)  führt.  Letztere  sind  demnach 
Folgeerscheinungen  eines  syphilitischen  Prozesses  und  irre¬ 
parabel.  Salvarsan  und  Quecksilber  kann  wohl  die  Spirochäten  bei 
der  Paralyse  vernichten,  nicht  aber  die  zugrunde  gegangene  Nerven- 
substanz  wieder  hervorzaubern.  Den  Begriff  der  metasyphilitischen 
Erkrankungen  können  wir  auch  heute  noch  nicht  fallen  lassen,  nur 
müssen  wir  ihn  in  etwas  anderem  Sinne  als  früher  auslegen. 

Wolff-Eisner. 


Deutsche  Medizinische  Gesellschaft  in  Chicago. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  23.  Januar  1913. 

Vorsitzender :  Herr  J.  H  o  1  i  n  g  e  r. 

Schriftführer:  Herr  A.  Strauch. 

Herr  Danek  hält  einen  Vortrag  über  Die  therapeutische  Ver¬ 
wendung  des  Sauerstoffes  und  demonstriert  Sauerstofferzeugungs¬ 
apparate. 

An  der  Diskussion  nehmen  Teil  die  Herren  Niederer, 
Doederlein.  Strauch  und  Holinger. 

Herr  J.  Holinger  hält  einen  Vortrag  über:  Stirn-  und  Ober¬ 
kieferhöhleneiterungen. 

Die  eitrigen  Entzündungen  in  den  Nebenhöhlen  der  Nase  scheinen 
hier  diesen  Winter  häufiger  vorzukommen  als  in  den  letzten  Wintern. 
Diese  Beobachtung,  das  fast  epidemieartige  Häufen  dieser  Erkran¬ 
kungen  ist  keineswegs  neu,  sondern  wurde  schon  früher,  z.  B.  auch 
anfangs  der  90  er  Jahre  gemacht.  Die  Ursache  hievon  dürfte  wohl 
schwer  zu  finden  sein,  weil  der  bakteriologische  Befund  der  ver¬ 
schiedenen  Fälle  nicht  übereinstimmt,  und  weil  nicht  alle  Erkran¬ 
kungen  neu  sind,  sondern  ein  erneutes  Aufflackern  eines  alten,  chro¬ 
nischen  Prozesses  darstellen,  was  allerdings  nicht  immer  aus  der 
Anamnese  hervorgeht,  sondern  oft  aus  dem  starken  Geruch  und 
anderen  Eigentümlichkeiten  der  Sekrete  geschlossen  werden  muss. 
Es  ist  also  zeitgemäss,  die  Diagnose  und  die  Therapie,  besonders  die 
operative  Therapie,  in  wenigen  Worten  zu  skizzieren,  worauf  kurze 
kasuistische  Mitteilungen  Gelegenheit  bieten  werden,  auf  einige  dia¬ 
gnostische  und  therapeutische  Fragen  näher  einzugehen. 

Die  Diagnose  der  Oberkiefer-  und  Stirnbeinhöhlenentzün¬ 
dung  ist  in  seltenen  Fällen  schon  aus  den  Klagen  des  Patienten  mit 
ziemlicher  Sicherheit  zu  stellen;  spontaner  Schmerz  und  Druck¬ 
schmerz  in  der  Stil  ne  und  im  Oberkiefer,  einseitiger  Ausfluss.  Oft 
aber  müssen  wir  einen  ganzen  Hilfsapparat  in  Bewegung  setzen,  um 
zum  Ziele  zu  gelangen.  Dazu  gehört  Abtasten  der  Höhlen,  besonders 
des  Bodens  der  Stirnhöhlen  von  den  Augenhöhlen  aus,  und  des  Bodens 


1412 


No.  25. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Oberkieferhöhlen  vom  harten  Gaumen  aus  und  entlang  den  Zahn¬ 
wurzeln.  Ferner  erwähnen  wir  das  Durchleuchten  der  Höhlen  so¬ 
wohl  mit  der  einfachen  elektrischen  Lampe,  als  besonders  mit  Rönt¬ 
genstrahlen.  Auf  die  Besprechung  der  Technik  dieser  Verfahren 
wollen  wir  nicht  eingehen.  Sie  ist  nicht  einfach,  was  z.  B.  daraus 
hervorgeht,  dass  die  Herren  Röntgenologen  ihre  Vorschriften  in  den 
letzten  Jahren  mehrmals  geändert  haben,  und  jetzt  zum  Schlüsse 
gekommen  sind,  dass  man  überhaupt  kein  gutes  Bild  von  Stirn-  und 
Oberkieferhöhlen  auf  derselben  Platte  bekommen  kann,  weil  der 
Schatten  der  Schädelbasis  immer  das  eine  oder  andere  Höhlensystem 
unklar  macht,  und  weil  nur  ein  Paar  der  Höhlen  in  die  Zentralstrahlen 
eingestellt  werden  könne,  das  andere  auf  der  Platte  mehr  oder 
weniger  verzerrt  erscheint,  was  zu  Fehlern  Anlass  geben  kann.  Zu¬ 
verlässiger  sind  die  direkte  Inspektion  des  Naseninnern  und  das  Aus¬ 
waschen  der  Höhlen  mit  geeigneten  Röhren.  Bei  der  Untersuchung 
mit  dem  Nasenspekulum  erscheint  der  Eiter  bei  Stirnhöhlenerkran¬ 
kungen  entweder  lateral  oder  medial  vom  vorderen  Ende  der  mitt¬ 
leren  Muschel,  von  wo  dann  auch  mit  der  Röhre  grössere  Mengen 
Eiter  ausgewaschen  werden  können.  Bei  Oberkieferhöhleneiterungen 
sieht  man  das  Sekret  im  mittleren  Nasengang,  wo  es  von  der 
Oeffnung  der  Höhle  aus  einen  sog.  Eiterweg  über  die  untere  Muschel 
bildet.  Das  Ausspülen  geschieht  entweder  durch  die  natürliche  Oeff¬ 
nung  oder  nach  Durchstossen  der  medialen  Wand  der  Höhle  im 
mittleren  Nasengang  durch  die  künstlich  angelegte  Oeffnung.  Als 
Kanüle  benutzten  wir  die  von  Prof.  Sieben  mann  beschriebene.  Sie 
ist  viel  weiter  als  die  anderen,  schmerzt  deshalb  mehr,  bringt  aber 
dafür  oft  ganz  ungeahnte  Sekretmengen  zutage,  die  mit  den 
kleineren  Kalibern  unmöglich  gefördert  werden  konnten. 

Wir  erreichen  deshalb  oft  in  einer  Sitzung  Resultate,  die  wir 
sonst  kaum  nach  Dutzenden  erwarten  würden.  Ein  anderer  Vorteil 
der  weiteren  Spülröhren  hat  mir  die  Erfahrung  im  Laufe  der  Jahre 
gegeben;  er  betrifft  die  Indikation  zur  Operation.  Dies  wird  sofort 
klar,  wenn  ich  die  ganze  Behandlung  kurz  skizziere.  Wenn  die 
Diagnose  der  Nebenhöhleneiterung  ziemlich  gesichert  ist,  werden  wo¬ 
durch  Reinigen  der  Nase,  Saugen  und  interne  Medikation  (Anti- 
pyrin  oder  Aspirin  usw.)  versuchen,  ein  Resultat  zu  erreichen.  Ge¬ 
lingt  uns  das  nicht,  was  vielleicht  in  der  Hälfte  der  Fälle  zutrifft, 
so  wird  ausgespült.  Wir  brauchen  also  bei  einer  grossen  Anzahl 
von  Patienten  diese  unangenehme  Prozedur  gar  nicht  vorzunehmen, 
und  wo  wir  ohne  sie  nicht  auskommen,  hat  der  Patient  Zeit,  einzu¬ 
sehen,  dass  wir  ihn  nicht  unnötigerweise  quälen.  Oft  gibt  eine  Aus¬ 
spülung  Erleichterung,  ohne  dass  Eiter  im  Spülwasser  erscheint. 
Führen  aber  4 — 5  Spülungen  keine  Besserung  herbei,  so  wird  zur 
Operation  geraten,  und  unsere  Erfahrung  hat  gezeigt,  dass  wir  noch 
nie  unnötigerweise  operiert  haben.  Die  Stirnhöhle  operieren  wir  nach 
Prof.  K  i  1 1  i  a  n,  dessen  Methode  bekanntlich  darauf  hinausgeht,  nach 
Eröffnung  der  Höhle  von  aussen  die  Schleimhaut  auszukratzen.  Das 
entstellende  Einsinken  der  vorderen  Wand  kann  man  durch  Stehen¬ 
lassen  eines  Bügels  verhindern.  Zu  gleicher  Zeit  können  auch  die 
F.thmoidallabyrinthe  äusgeräumt  werden.  Die  Oberkieferhöhle  ope¬ 
rieren  wir  schon  seit  Jahren  nach  den  Angaben  von  Prof.  Denker. 
Von  der  Mundhöhle,  ausserhalb  der  Zahnreihe,  werden  die  Weich¬ 
teile  der  Wange  nach  oben  geschoben  und  von  der  Apertura  pyri- 
formis  wird  die  äussere  und  mediale  Wand  der  Höhle  so  weit  ent¬ 
fernt,  dass  wir  mit  dem  Finger  und  dem  Auge  die  ganze  Höhle  kon¬ 
trollieren  können.  Dann  wird  der  breite  Schleimhautlappen,  der  vor¬ 
her  die  laterale  Nasenwand  im  unteren  Gange  bildete,  auf  den  Boden 
der  Höhle  umgelegt,  wodurch  eine  breite  Kommunikation  von  Höhle 
und  Nase  im  unteren  Nasengang  geschaffen  wird,  welche  sich  nicht 
mehr  verengern  kann  und  durch  die  untere  Muschel  wie  durch  eine 
Kulisse  geschützt  ist.  Der  Patient  bleibt  selten  länger  als  eine  Woche 
im  Spitale.  Die  Nachbehandlung  besteht  im  mehrmaligen  Ausspülen 
der  Höhle.  Die  Resultate  sind  durchweg  gut.  Eiterungen,  die  jahre¬ 
lang  standen  und  während  Monaten  durch  eine  Alveole  ausgespritzt 
wurden,  hören  prompt  auf.  Mehrere  unserer  Patienten  sind  vorher 
von  Zahnärzten  behandelt  worden.  Bei  den  meisten  Patienten  ist 
die  ausgesprochene  Hebung  des  Allgemeinzustandes  sehr  aufgefallen, 
woraus  geschlossen  werden  darf,  dass  hier  für  Jahre  ein  chronisch 
septischer  Zustand  bestanden  hatte.  Als  pathologische  Ursache  der 
Oberkiefereiterungen  fanden  wir  Verdickung  und  polypöse  Degenera¬ 
tion  der  Auskleidung,  Nekrose  der  knöchernen  Wand  an  verschiedenen 
Orten,  einmal  des  ganzen  Alveolarfortsatzes,  und  endlich  knöcherne 
Septa,  welche  eine  Reinigung  der  Höhle  von  einer  Alveole  oder  von 
der  Nase  aus  unmöglich  machten. 

Die  Resultate  der  Stirnhöhlenoperationen  waren  nicht  so  gut, 
wohl  wegen  der  wechselnden  Anatomie  und  Pathologie  der  Höhlen’ 

Kasuistik: 

1.  Fall.  Bei  einer  60jähr.  Pat.  mit  typischen  Klagen  wurde 
der  Zustand  durch  eine  Ausspritzung  stark  verschlimmert.  Bei  der 
T?Per,aJ*on  0903)  fand  sich  in  jeder  Stirnhöhle  ein  haselnussgrosser 
Käseklumpen,  welcher  den  Au'sfiihrungsgang  der  Höhlen  verstopfte. 
Sie  waren  wahrscheinlich  durch  die  Ausspritzung  beweglicher  ge¬ 
macht  worden,  und  rührten  von  einer  vor  20  Jahren  abgelaufenen 
Erkrankung  her.  Diese  hatte  damals  zuerst  links,  dann  rechts  starken 
Exophthalmus  verursacht,  weswegen  von  2  Augenärzten  Enukleation 
'  orgeschlagen  wurde,  in  welche  die  Patientin  jedoch  nicht  eingewilligt 
hatte.  Von  da  an  bis  zu  unserer  Operation  klagte  sie  über  zeitweises 
Kopfweh  und  Fötor  aus  der  Nase. 

2.  Fall.  Bei  einer  weiteren  Pat.  wurde  bei  der  linkseitigen 
peration  die  rechte,  gesunde  Stirnhöhle  eröffnet.  Die  Scheidewand 

der  beiden  Höhlen  war  nach  links  umgelegt  und  fast  horizontal,  so 
dass  die  .linke  Stirnhöhle  nur  5  mm  hoch,  aber  fast  über  das  ganze 


Dach  der  Orbita  ausgedehnt  und  mit  übelriechendem  Sekret  angefüllt 
war. 

3.  Fall.  Eine  21  jährige  Patientin  hatte  vor  2  Jahren  Scharlach 
durchgemacht  und  litt  seither  an  Kopfweh.  Am  inneren  oberen  Win¬ 
kel  der  rechten  Augenhöhle  blieb  nach  Durchbruch  Schwellung  und 
eine  eiternde  Fistel,  welche  mehrmals  erfolglos  ausgekratzt  wurde. 
Die  Sonde  stiess  auf  rauhen,  beweglichen  Knochen.  Bei  der  Opera¬ 
tion  stiessen  wir,  nachdem  der  Knochen  von  2Vi  cm  durchgemeisselt 
war.  auf  die  Dura.  Vom  gleichen  Hautschnitt  aus  fand  sich  am  Dach 
der  Orbita,  der  Fistel  entsprechend,  ein  erbsengrosser  Sequester,  der 
durch  4  klauenartige  Osteophyten  festgehalten  wurde,  wie  ein  Dia¬ 
mant  in  der  Fassung.  War  die  Abwesenheit  der  Stirnhöhle  kongeni¬ 
tal  oder  war  die  Höhle  nach  dem  Scharlach  vereitert  und  ausgefüllt 
worden  und  der  Sequester  ein  Rest  dieses  Prozesses? 

4.  und  5.  Fall  hatten  beide  vollständig  abgeschlossene  Stirn¬ 
höhlen  und  deshalb  keinen  Eiter  in  der  Nase.  Bei  einem  (Mann  von 
40  Jahren)  kam  es  zum  Durchbruch  nach  vorn  und  zu  einem  grossen 
subperiostalen  Abszess;  Heilung  nach  Operation.  Beim  anderen 
(Mädchen  von  12  Jahren)  breitete  sich  die  Eiterung  in  der  Diploe  über 
die  Schläfe  aus  und  führte  zu  einem  grossen  Schläfelappenabszess. 
Das  Lumbalpunktat  war  unter  hohem  Drucke,  leicht  trüb,  aber  steril. 
Wir  sahen  das  Mädchen,  als  es  bewusstlos  war.  mit  gelähmtem  lin¬ 
ken  Bein  und  Arm,  mussten  aber  die  Diagnose:  Empyem  einer  nach 
der  Nase  abgeschlossenen  Stirnhöhle  mit  Hirnabszess  und  Meningitis 
gegen  mehrere  Pädiater  verteidigen,  welche  eine  epidemische  Zere- 
brospinalmeningitis  nicht  ausschliessen  wollten.  Die  Operation  be¬ 
stätigte  die  Diagnose,  das  Kind  starb  nach  12  Stunden. 

Bei  einem  6.  Patienten,  der  sehr  tiefe  Stirnhöhlen  hatte,  mach¬ 
ten  wir  die  Rücklagerung  der  Glabella  nach  Prof.  Siebenmann 
mit  Erfolg. 

Bei  einem  7.  Patienten,  dessen  Höhle  mindestens  4  cm  tief  war 
und  ohne  Scheidewand  von  einer  Schläfe  bis  in  die  andere  reichte, 
wagten  wir  dieses  Verfahren  wegen  der  Entstellung  nicht  anzuwenden 
und  füllten  die  Höhle  mit  Paraffin.  Sie  heilte  prompt,  fing  aber 
6  Wochen  später  im  Anschluss  an  starkes  Schneuzen,  das  streng  ver¬ 
boten  war,  wieder  zu  eitern  an.  Der  Röntgenologe  versicherte,  dass 
nach  beiden  Platten,  der  sagittalen  sowohl  wie  der  seitlichen,  kein 
Paraffin  in  der  Höhle  sei.  Eine  zweite  Operation  zeigte,  dass  die 
Höhle  mit  durch  Bindegewebe  stark  durchwachsenem  Paraffin  ge¬ 
füllt  war,  aber  aus  kleinen  Rezessus  sezernierte.  Der  Patient  geht 
seit  über  einem  Jahr  mit  einer  Fistel  über  der  Nase,  deren  Watte¬ 
verschluss  alle  2  Tage  geändert  wird.  Er  ist  mit  dem  Resultat  sehr 
zufrieden,  da  er  arbeitsfähig  und  seine  Kopfschmerzen  los  ist. 

Wenn  wir  im  Anschluss  an  diese  wenigen  Fälle  kurz  einige  dia¬ 
gnostische  und  therapeutische  Hilfsmittel  betrachten,  so  finden  wir, 
dass  Transillumination  und  Röntgenplatte  bei  Fall  1  und  3  einfach 
dunkle  Höhlen  gezeigt  hatten,  bei  Fall  2  kaum  eine  Ahnung  der  Ab¬ 
normität  aufkommen  Hess,  bei  Fall  5  allerdings  etwas  hätten  helfen 
können,  aber  äusserer  Umstände  wegen  fast  nicht  anzuwenden  waren. 
Bei  Fall  4  machte  der  Röntgenologe  vollständig  Fiasko.  Nicht  viel 
besser  sind  die  Verhältnisse  in  den  Oberkieferhöhlen.  Beide  Ver¬ 
fahren  zeigen  uns  entweder  helle  oder  dunkle  Höhlen.  Ob  aber 
Septen  oder  Nekrose  oder  Degeneration  der  Schleimhäute  oder 
einfache  akute  Schwellung  die  Ursache  der  Eiterung  sei,  mit  anderen 
Worten,  ob  wir  event.  erwarten  dürfen,  dass  konservative  Behand¬ 
lung  in  einem  gegebenen  Falle  zum  Ziele  führen  wird  oder  ob  ope¬ 
riert  werden  muss,  darüber  dürfen  wir  kaum  Anhaltspunkte  erwarten. 
Das  oben  beschriebene  therapeutische  und  zugleich  diagnostische 
Ausspülen  hat  sich  uns  als  viel  zuverlässiger  erwiesen. 

Wenn  wir  endlich  die  intranasale  Behandlung  der  Stirnhöhlen¬ 
entzündungen  vergleichen  mit  der  äusseren  Operation,  so  ist  ohne 
weiteres  klar,  dass  jedes  dieser  Verfahren  seine  eigenen  Indikationen 
hat.  Schlechte  Drainage  kann  durchaus  nicht  immer  für  die  Sym¬ 
ptome  verantwortlich  gemacht  werden.  In  Fall  7  z.  B.  war  die 
Höhle  frei  zugänglich,  die  dicken  Röhren  glitt°n  ohne  Schwierigkeit 
hinein  und  im  Spülwasser  waren  nur  kleine  Eiterflöckchen,  dennoch 
erleichterte  die  Ausspülung  den  Kopfwehanfall  schnell  und  voll¬ 
ständig.  Nach  der  Operation  blieb  er  ganz  weg. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Sitzung  vom  5.  Juni  1913. 

Primararzt  v.  Kutscha  -  Neunkirchen  stellt  ein  Mädchen  vor, 
bei  welchem  er  wegen  maximaler  Enteroptose  eine  Kolo-Kolostomie 

machte  und  berichtet  über  einen  zweiten  analogen  Fall.  In  beiden 
Fällen  wurde  wegen  Erscheinungen  von  Appendizitis  operiert,  der 
wurmförmige  Fortsatz  entfernt,  dabei  aber  eine  abnorme  Beweglich¬ 
keit  des  Zoekums,  ausgesprochene  Senkung  des  Magens,  abnorme 
Länge  des  Querkolons  etc.  gefunden.  Nach  der  Appendektomie  traten 
die  Beschwerden  wieder  mit  gleicher  Intensität  auf,  Schmerzen  in 
der  Ileozoekalgegend,  Druckschmerz  in  beiden  Unterbauchhälften, 
hochgradige  Obstipation.  Die  Röntgenaufnahme  Hess  ebenfalls  eine 
starke  Stagnation  im  geblähten  Zoekum  und  Colon  ascendens  und 
maximale  Enteroptose  erkennen.  Kolo-Kolostomie  in  der  Weise,  dass 
durch  Ausschaltung  eines  ca.  3 — 4  Handbreit  langen  Dickdarm¬ 
abschnittes  das  Colon  transversum  in  leichter  Krümmung  von  der 
Flexura  hepatica  zur  Flexura  lienalis  zog.  In  einem  Falle  sehr  guten 
Erfolg,  seit  18  Monaten  genügende  Stuhlentleerung,  zeitweilig  noch 


24.  Juni  1913. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1413 


Schmerzanfalle  im  Dickdarm;  im  zweiten  Falle  bestehen  noch  Stuhl- 
bescliwerden  und  Schmerzen  in  der  Zoekalgegend  bei  Gravidität.  Der 
Vortr.  bespricht  an  der  Hand  der  Literatur  die  Indikation  für  den  von 
ihm  ausgefuhrten  operativen  Eingriff. 

Dr.  Rudolf  P  a  t  a  k  berichtet  über  einen  günstig  verlaufenen  Fall 
von  Selbstaufschlitzen  des  Bauches  während  der  Schwangerschaft. 
Das  19  jährige  Mädchen  wollte,  weil  es  gravid  war.  Selbstmord 
begehen,  nahm  ein  Rasiermesser  und  schnitt  sich  mit  einem  einzigen 
kräftigen  ^chmtte  die  Bauchdecken  Und  die  Gebärmutter  auf.  Kind 
und  I  lazenta  wurden  in  einem  Kübel  Wasser  gefunden,  das  Kind 
hatte  gelebt,  war  aber  ertrunken.  An  der  chirurgischen  Abteilung  des 
Stefamespitales  wurden  die  vorgefallenen  Dünndarmschlingen  nach 
Desinfektion  wieder  reponiert;  der  Uterus  exakt  genäht,  die  Bauch¬ 
höhle  draimert.  Nach  8  Wochen  konnte  das  Mädchen  geheilt  ent¬ 
lassen  werden.  Jetzt  kam  sie  wieder  —  zur  Entbindung.  Grosse 
Bauchwandhernie,  vollständige  Wehenschwäche.  Unter  Verabfolgung 
von  Sekale  und  Pituglandol  spontane  Geburt,  sodann  normales 
Wochenbett.  Die  Literatur  kennt  nur  wenige  Fälle  von  Selbstauf¬ 
schlitzen  des  Bauches  während  der  Schwangerschaft,  wohl  aber 
keinen  zweiten  Fall  von  nachfolgender  Schwangerschaft  und  spon¬ 
taner  Geburt. 


n  f  DrAA-  lieber  demonstriert  aus  der  chirurgischen  Abteilung  des 
1  lof.  Dr.  Zucker  kan  dl  einen  62  jährigen  Mann,  der  wegen 
zweier  Blasensteine  und  eines  Harnröhrensteines  operiert  wurde 
Das  kleinhaselnussgrosse  Konkrement  in  der  Pars  prostatica 
urethrae  sass  eingekeilt  in  einer  Nische,  behinderte  nicht  den  Ka¬ 
theterismus  und  die  Sondierung  und  wurde  erst  durch  das  Röntg<m- 
bild  aufgedeckt.  Der  Mann  ist  geheilt. 


Pr°f-  Wert  heim:  Günstige  Beeinflussung  eines  weichen 
Scheidenkrebses  durch  Radiumbestrahlung. 

Es  bestand  eine  hühnereigrosse,  weiche,  blumenkohlartig  ge- 
staltete  Geschwulst  im  oberen  Drittel  der  Vagina,  das  rechte  Para- 
metrium  war  infiltriert  und  verkürzt,  der  Muttermund  nicht  festzu¬ 
stellen.  Der  Radiumträger  war  in  einer  214  mm  dicken  Bleikapsel 
eingeschlossen  und  wurde  in  die  Scheide  eingelegt.  Schon  nach 
der  dritten  Applikation  ein  deutlicher  Effekt,  nach  7  Wochen  völlige 
Einschmelzung  der  Geschwulst;  man  fand  nur  ein  seichtes  und 
weiches  Geschwür  an  der  vorderen  Muttermundslippe.  Radikalopera¬ 
tion  ohne  Schwierigkeit.  Der  exstirpierte  Uterus  liess  an  der  vorderen 
und  an  der  hinteren  Wand  des  Zervikalkanales  noch  zahlreiche,  gut 
erhaltene  Krebsnester  konstatieren.  Das  Radium  wirkt  somit  beim 
Uteruskarzinom  in  derselben  Weise  wie  Mesothorium;  auch  hier 
treten  die  bei  der  Mesothoriumbehandlung  von  D  öder  lein  und 
Bumm  jüngst  beschriebenen  Veränderungen  auf  (Vakuolenbildung  in 
den  Krebszellen.  Kernfragmentierung,  schliesslich  Auflösung  der 
nekrotisch  geworden  Zellmassen).  Ob  die  Krebsreste  bei  weiterer 
Radiumbehandlung  beseitigt  worden  wären,  muss  künftige  Beobach¬ 
tung  lehren. 


Prof.  Riehl  warnt  in  längerer  Auseinandersetzung  davor,  die  mit 
Mesothorium  gemachten  Erfahrungen  ohne  weiteres  als  auch  für 
Radium  gültig  zu  erklären.  An  der  von  ihm  geleiteten  Radiumstation 
bemühe  man  sich,  die  geeigneten  Filter  zu  ermitteln.  Er  zeigt  an 
projizierten  Autochrombildern  die  durch  Radiumbestrahlung  bei  Epi¬ 
thelialkarzinomen  der  Haut  entstehenden  Gewebsveränderungen,  führt 
aus,  dass  nach  seiner  Ansicht  die  Gammastrahlen  in  den  Geschwulst¬ 
elementen  korpuskulare  Sekundärstrahlen  (Betastrahlen)  entstehen 
lassen,  deren  ausgeschleuderte  Elektronen  für  die  Karzinomzellen 
deletär,  für  das  Stroma  anregend  wirken. 

Dr.  Otto  Sc  hi  edler  hat  während  der  letzten  4  Jahre  zahl- 
]  reiche  Fälle  von  malignen  Tumoren  aus  den  Abteilungen  Schnitz¬ 
ler  und  Rusch  mit  Radium  resp.  (seit  1%  Jahren)  mit  Mesothorium 
behandelt.  Er  erwähnt  einzelne  Fälle  (Peniskrebs,  ausgebreiteter 
Gesichtskrebs),  bei  welchem  klinische  Heilung  oder  wesentliche  Bes¬ 
serung  erzielt  wurde.  Zumal  inoperable  Fälle  sollten  in  dieser  Weise 
behandelt  werden. 

Privatdozent  Dr.  Marschik  zeigt  aus  der  Klinik  Chiari  zwei 
nach  der  neuen  G  o  1  d  m  a  n  n  sehen  Ligaturmethode  mit  Erfolg  ope¬ 
rierte  Oesophagusdivertikel.  Die  Methode  G  o  1  d  m  a  n  n  s  -  Freiburg 
besteht  darin,  dass  man  nach  Freilegung  des  Divertikels  dieses  von 
seinem  Inhalte  durch  Ausstreichen  völlig  entleert,  sodann  an  seiner 
Basis  mittels  starker  Seidenligatur  abschnürt.  Die  Ligatur  sowie  ein 
das  Divertikel  einhüllender  und  von  der  übrigen  Wunde  trennender 
;  Gazestreifen  werden  bei  der  offen  behandelten  Wunde  herausgeleitet 
Es  stossen  sich  sodann  Ligatur  und  Divertikel  von  selbst  ab  oder  man 
muss  das  Divertikel  hart  an  der  Ligatur  später  abtragen.  In  einem 
Falle  (faustgrosses  Divertikel)  kam  es  zur  Bildung  einer  Fistel,  die 
sich  nach  8  Wochen  schloss,  im  zweiten  Falle  schrumpfte  das 
Divertikel,  die  Ligatur  stiess  sich  ab,  das  Divertikel  blieb  zurück 
und  6  Wochen  später  war  die  Wunde  vollständig  geschlossen.  Der 
Vortr.  beleuchtet  die  Vorzüge  dieser  Methode. 

In  der  Diskussion  besprach  Dr.  Martin  H  a  u  d  e  k  das 
Röntgenbild  solcher  Divertikel,  während  Primararzt  Dozent  Dr. 
Lotheisen  für  die  Exzision  des  Divertikels  plädiert,  deren  End¬ 
resultate  jetzt  ebenfalls  günstige  sind. 

Dr.  Wilhelm  Li  er  zeigt  aus  der  Abteilung  Prof.  Ehrmanns 
einen  9  jährigen  Knaben,  der  mit  Morbus  Recklinghausen  und  Dys¬ 
trophia  adiposo-genitalis  behaftet  ist.  Pat.  weist  zahlreiche  braune 
Pigmentflecke  und  viele  kleine  Fibrome  der  Haut  auf.  hat  beiderseits 
Atrophia  nervi  optici,  Herabsetzung  der  Sehschärfe  und  Verminderung 
der  Intelligenz  und  dürfte  in  der  Nähe  der  Hypophyse  ein  Neurofibrom 
besitzen. 


Prof.  Ranzi  zeigt  ein  vor  3  Jahren  an  der  Klinik  v.  E  i  s  c  1  s  - 
o  e  r  g  wegen  eines  weit  nach  vorn  reichenden  Uranoschismas  mittels 
Ui  anoplastik  nach  Klein  scher  Methode  im  Verein  mit  einem 
u  11  2  c  n  b  e  c  k  -  B  i  11  r  o  t  h  sehen  Lappen  operiertes  5  jähr.  Mäd¬ 
chen.  Durch  spätere  systematische  Sprachübungen  wurde  ein  sehr 
gutes  funktionelles  Resultat  erzielt,  wiewohl  hier  nach  vorne  eine 
kleine  Lücke  zurückgeblieben  war. 


Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  5.  Juni  1913. 

1  a  S  c  h  k  e?  demonstriert  das  anatomische  Präparat  von 
.s<ln  Nebennieren,  (jje  von  ejnem  16  jährigen  Knaben  mit 

Morbus  Addisonii  stammen. 

,  .  LI-  S  c  h  1  e  s  i  n  g  e  r  und  A.  Schüller  demonstrieren  das  ana¬ 

tomische  1  räparat  eines  Osteoms  des  Schädels  mit  darunterliegendem 
Gehirngliom.  H.  Schlesinger  bespricht  die  Krankengeschichte 
r-6  u-  aJ  es‘  ^"t1?  “9  jähr.  Frau  hatte  seit  4  Monaten  Anzeichen  von 
Gehirntumor:  Kopfschmerz,  Erbrechen,  Schlaflosigkeit,  Verschlech¬ 
terung  des  Sehens,  manchmal  Doppeltsehen,  sie  stürzte  auch  zu¬ 
sammen,  ohne  dabei  bewusstlos  zu  werden,  ferner  bestanden  Stau¬ 
ungspapille  und  zeitweilig  Hirndruckerscheinungen;  als  Fernsymptom 
\\  ui  de  Abduzenslähmung  konstatiert.  Für  die  Lokaldiagnose  des 
suppomerten  Tumors  ergab  sich  kein  Anhaltspunkt.  A.  Schüller 
stellte  mittels  Röntgendurchleuchtung  fest,  dass  in  der  Stirnhöhle  ein 
Usteom  sass.  Pat.  starb  und  bei  der  Obduktion  fand  man  im  Stirn- 
hnn  genau  unter  der  Exostose  ein  Gliom.  Vortr.  hat  ausser  dem 
vorgestellten  Falle  noch  dreimal  ein  Zusammentreffen  eines  Schädel¬ 
tumors  mit  darunterliegendem  Gehirntumor  beobachtet. 

A.  Schüller  demonstriert  die  Röntgenphotographie,  welche 
m  der  rechten  Stirnhöhle  einen  Schatten  als  Zeichen  eines  nussgrossen 
Osteoms  aufweist. 

R.  B  a  u  e  r  stellt  eine  Frau  mit  rechtsseitiger  dislozierter  hydro- 
nephrotischer  und  stellenweise  verkalkter  Niere  vor.  Diese  wurde 
zufällig  als  Nebenbefumd  bei  der  Untersuchung  der  Patientin  gefunden. 
Rechts  unterhalb  des  Rippenbogens  ist  eine  kindskopfgrosse  harte 
Geschwulst  zu  tasten,  welche  sich  nach  oben  verschieben  lässt.  Pat. 
war  vor  12  Jahren  von  einem  Wagen  gestürzt  und  entleerte  damals 
blutigen  Harn.  Jetzt  hat  sie  nach  längerem  Gehen  Stechen  in  der 
rechten  Bauchgegend,  beim  Tragen  eines  Mieders  drückende 
Schmerzen  im  Bauche.  Die  rechte  Niere  sezerniert  keinen  Harn, 
der  Ureterenkatheterismus  gelingt  nur  auf  10  cm  Länge.  Die  Rönt¬ 
genuntersuchung  sprach  für  Kalkeinlagerungen  in  der  Kapsel  der 
jedenfalls  durch  das  Trauma  dislozierten  Niere.  Pat.  dürfte  jedoch 
schon  vor  dem  Unfall  eine  Wanderniere  gehabt  haben.  Die  Niere 
bietet  gegenwärtig  keine  Indikation  zur  Operation.  Pat.  hat  ausser¬ 
dem  lordotische  Albuminurie.  Die  Milchzuckerausscheidung  ist  ver¬ 
längert,  die  Jodausscheidung  ist  normal.  Vortr.  hat  mit  Dr.  H  a  b  e  t  i  n 
Funktionsprüfungen  der  Niere  in  10  verschiedenen  Fällen  vorge¬ 
nommen,  über  deren  Ergebnisse  er  berichtet. 

M.  W  e  i  s  z  bespricht  die  Jodtherapie  der  Lungentuberkulose  und 

stellt  einen  behandelten  Patienten  vor.  Dieser  hatte  eine  kavernöse 
Phthise  der  linken  und  einen  Katarrh  der  rechten  Lunge.  Er  ist  seit 
6  Jahren  tuberkulös  und  hat  schon  die  verschiedensten  medikamen¬ 
tösen  und  klimatischen  Kuren  durchgemacht,  ohne  dass  das  Leiden 
aufgehalten  worden  wäre.  Im  Verlaufe  von  5  Jahren  verschlechterte 
sich  der  Zustand  und  das  Gewicht  sank  von  70  auf  48  kg.  Patient 
zeigte  keine  Tuberkulinreaktion,  was  bei  der  klinisch  nachgewiesenen 
Phthise  ein  schlechtes  Zeichen  bildet.  Vortr.  nahm  eine  Injektionskur 
mit  Jodolain  vor,  welches  20  Proz.  Jod  neben  Kampfer  und  Guajakol 
enthält.  Zur  Unterstützung  wurde  auch  Jodnatrium  3  mal  täglich 
0,1  g  gegeben.  Nach  2Vz  monatlicher  Behandlung  hob  sich  das 
Körpergewicht  des  Patienten,  sein  Zustand  besserte  sich  und  die 
Tuberkulinreaktion  wurde  wieder  positiv.  Die  katarrhalischen  Er¬ 
scheinungen  verschwanden,  die  kavernösen  Erscheinungen  gingen  zum 
Teil  zurück,  die  Lymphozytenzahl  stieg  im  Blute  von  13  auf  24  Proz. 

S.  Plaschkes  führt  einen  Mann  mit  Mikulicz  scher  Krank¬ 
heit  vor.  Patient  bekam  vor  einigen  Monaten  eine  Anschwellung 
der  Augenlider  und  der  Bindehaut  als  Folge  einer  Schwellung  der 
Tränendrüsen,  dann  Schwellungen  aller  Speicheldrüsen,  während  er 
sonst  vollkommen  gesund  war.  Die  Untersuchung  eines  exzidierten 
Stückchens  der  Glandula  sublingualis  ergab  Tuberkulose  mit  Ver¬ 
käsung.  In  anderen  Fällen  von  Mikulicz  scher  Krankheit  sind  in 
den  erkrankten  Drüsen  lymphomatöse  Veränderungen  gefunden 
worden.  Auf  Tuberkulininjektion  sind  die  Drüsen  zurückgegangen. 

R.  Fleckseder  stellt  eine  Frau  vor,  bei  welcher  er  infek¬ 
tiösen  Ikterus  mit  Methylenblau  behandelt  hat,  nachdem  andere  Mittel 
vergeblich  angewendet  worden  waren.  Es  wurden  täglich  0,1  g 
3  mal  gegeben,  worauf  in  kurzer  Zeit  der  Ikterus  zurückging,  von 
welchem  jetzt  nur  minimale  Spuren  vorhanden  sind.  Auch  in  Fällen 
von  Ikterus  bei  Syphilis  und  in  hartnäckigen  Fällen  von  katarrhali¬ 
schem  Ikterus  erwies  sich  die  Methylenblautherapie  als  erfolgreich. 
Man  gibt  in  Gelatinekapseln  3 — 4  mal  täglich  0,1  bis  0,2  g  Methylen¬ 
blau. 


1414 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  doppelten  Sprechstunden.  —  Impfgegnerische  Hetzereien. 

Seit  geraumer  Zeit  bemüht  sich  eine  nicht  unbeträchtliche  Gruppe 
von  Aerzten,  die  schon  stark  eingebürgerte  Unsitte  des  Abhaltens 
mehrerer  Sprechstunden  an  verschiedenen  Stellen  zu  bekämpfen. 
Diese  Doppeltätigkeit  bezieht  sich  freilich  nicht  auf  die  Privatpraxis, 
hier  galt  sie  schon  immer  als  unerlaubt,  wurde  aber  doch  mehr 
oder  weniger  offen  ausgeübt,  indem  neben  der  poliklinischen  und 
kassenärztlichen  Sprechstunde  auch  eine  private  abgehalten  wurde. 
Da  aber  auch  die  kassenärztliche  Tätigkeit  eine  bezahlte,  also  keine 
poliklinische  ist,  so  fällt  sie,  streng  genommen,  wenn  sie  nicht  an 
der  Stelle  der  Privatpraxis  ausgeübt  wird,  auch  schon  in  das  Gebiet 
des  Filialwesens.  Mag  man  nun  diesen  Ausdruck  für  berechtigt 
halten  oder  nicht,  die  Aerzte  in  der  Peripherie  der  Stadt,  wo  die 
Polikliniken  mit  den  kassenärztlichen  und  nebenbei  auch  privaten 
Sprechstunden  wie  Pilze  aus  der  Erde  schiessen,  werden  dadurch 
recht  empfindlich  getroffen  und  ihr  Widerstand  ist  begreiflich.  Ebenso 
begreiflich  ist  aber  auch  die  Stellungnahme  der  Poliklinikinhaber, 
die  aus  mancherlei  Gründen  auf  die  Kassenpraxis  weder  verzichten 
noch  sie  in  die  Gegend  ihrer  Privatpraxis  verlegen  wollen,  wo  viel¬ 
leicht  gar  kein  Feld  für  die  Kassenpraxis  besteht.  So  erklärt  es  sich, 
dass  die  eifrigen  Bemühungen  jener  Gruppe  bisher  keinen  greifbaren 
Erfolg  hatten.  Man  kann  ihr  auch  die  Anerkennung  nicht  versagen, 
dass  sie  in  durchaus  loyaler  Weise  vorgegangen  ist;  so  hatte  sie  die 
Diskussion  dieser  Frage  vor  dem  Aerzteausschuss  von  Gross-Berlin 
und  dem  neu  begründeten  Zentralverbande  Berliner  Kassenärzte  ver¬ 
tagt,  als  man  ihr  bedeutete,  dass  sonst  die  mit  grosser  Mühe  zu¬ 
stande  gebrachte  Einigung  unter  den  Berliner  Kassenärzten  eine  Stö¬ 
rung  erleiden  würde.  Sie  suchte  auch  mit  vollem  Verständnis  für  die 
nun  einmal  bestehenden  Zustände  einen  Eingriff  in  diese  zu  ver¬ 
meiden  und  wollte  nur  einer  Ausbreitung  dieser  Art  des  Filialen¬ 
wesens  Vorbeugen;  sie  glaubte  aber  den  Zeitpunkt  gekommen,  die 
Frage  von  neuem  zur  Diskussion  zu  stellen  und  wählte  dazu  eine 
Generalversammlung  des  Vereins  der  freigewählten  Kassenärzte,  weil 
diesem  die  meisten  Berliner  Aerzte  angehören  und  weil  gerade  die 
grossen  kassenärztlichen  Verbände  die  Veranlassung  zur  Ausbreitung 
des  Ambulatorienwesens  gegeben  haben  und  deshalb  in  erster  Linie 
berufen  seien,  die  daraus  entstandenen  Schädigungen  zu  beseitigen. 
Es  wurde  also  der  Antrag  gestellt,  dass  kassenärztliche  Sprech¬ 
stunden  nur  an  der  Stelle  der  Privatsprechstunden  abgehalten  wer¬ 
den  dürfen;  diejenigen  Vereinsmitglieder  aber,  welche  bis  zum  1.  Ja¬ 
nuar  ihre  kassenärztlichen  Sprechstunden  ausserhalb  der  Privat¬ 
sprechstelle  abgehalten  haben,  sollen  hierzu  für  die  Krankenkassen, 
welche  zu  dem  genannten  Termin  in  einem  Vertragsverhältnis  zum 
Verein  der  freigewählten  Kassenärzte  standen,  auch  weiter  berechtigt 
sein.  Es  soll  also  nur  der  schrankenlosen  Ausdehnung  des  Ambula¬ 
torienwesens,  die  mit  der  Einführung  der  Familienversicherung  in 
Gestalt  von  Kinder-,  Frauen-  und  anderen  Ambulatorien  zu  erwarten 
steht  und  dann  ein  weiteres  erhebliches  Feld  der  Tätigkeit  des  allge¬ 
meinen  Praktikers  abgeben  würde,  vorgebeugt  werden.  Das  In¬ 
teresse,  welches  der  Erörterung  der  Frage  entgegengebracht  wurde, 
war  ein  recht  grosses,  mehr  als  700  Kollegen  waren  zu  der  Ver¬ 
sammlung  erschienen.  Nach  einem  ausführlichen  Referat  eines  der 
Antragsteller  begründete  ein  Vorstandsmitglied  den  ablehnenden 
Standpunkt  des  Vorstandes  und  dann  schloss  sich  eine  sehr  leb¬ 
hafte  Diskussion  an.  Es  würde  zu  weit  führen,  alles,  was  pro  und 
contra  gesagt  wurde,  zu  erwähnen,  der  Erfolg  war  ein  zweifelhafter: 
etwas  mehr  als  die  Hälfte  der  anwesenden  Kollegen  stimmte  für  den 
Antrag.  Das  bedeutete  Ablehnung,  denn  zur  Annahme  wäre  satzungs- 
gemäss  Zweidrittelmehrheit  erforderlich  gewesen.  Man  sieht  also, 
dass  die  Antragsteller  eine  recht  ansehnliche  Gefolgschaft  haben, 
und  muss  erwarten,  dass  sie  ihre  Bestrebungen  fortsetzen  und  die 
rrage  bei  der  nächsten  Gelegenheit  wieder  auf  die  Tagesordnung 
setzen  werden.  —  Mit  einer  weniger  erfreulichen  Hartnäckigkeit 
suchen  die  Impfgegner  ihre  Ziele  zu  erreichen  und  sie  sind  in  der  Wahl 
ihrer  Mittel  nicht  eben  von  Skrupeln  geplagt.  Kürzlich  erschienen 
in  zwei  Berliner  Vororten,  Friedenau  und  Steglitz,  plötzlich  an  den 
Anschlagsäulen  grosse  Plakate  mit  der  Ueberschrift  „Impfung,  Er¬ 
krankung,  I  od  .  Mit  Hilfe  einiger  aus  dem  Zusammenhänge  ge¬ 
rissener  ärztlicher  Aussprüche  wird  dann  vor  den  schrecklichen 
Folgen  der  Impfung  gewarnt  und  schliesslich  die  Anschaffung  einer 
Schrift  empfohlen,  welche  den  Titel  führt:  „Wie  soll  ich  mich  einer 
Impfaufforderung  gegenüber  verhalten?“  Auffallend  ist  es,  dass  diese 
Plakate,  die  ja  nichts  geringeres  als  die  Aufforderung  zum  Wider¬ 
stand  gegen  gesetzliche  Vorschriften  enthalten,  überhaupt  angebracht 
werden  konnten.  Die  Kommission  der  Aerztekammer  zur  Bekämpfung 
des  Kurpfuschertums  wandte  sich  an  die  Verwaltung  der  beiden 
\  ororte  und  wies  auf  das  Gemeingefährliche  dieses  impfgegnerischen 
I  reibens  hin;  darauf  erliess  der  Amtsvorsteher  von  Friedenau  eine 
Verfügung,  in  der  er  im  Interesse  der  öffentlichen  Sicherheit,  „weil 
der  Inhalt  des  Plakates  geeignet  erscheint,  im  Publikum  falsche  Vor¬ 
stellungen  über  die  Wirkung  der  gesetzlich  vorgeschriebenen  Impfung 
zu  erwecken  und  zur  Auflehnung  gegen  bestehende  Gesetze  aufzu- 
reizen' ,  die  sofortige  Entfernung  der  Plakte  anordnete.  Der  Bürger¬ 
meister  von  Steglitz  liess  die  Plakate  sofort  beseitigen  und  stellte 
Strafantrag  gegen  die  Verbreiter.  Die  Strafe  wird  den  „Grossberliner 
Impfgegnerbund  ,  von  dem  die  Sache  ausging,  nicht  sehr  schmerzen- 
die  —  sehr  vorsichtig  ausgedrückt  —  kühne  Agitation  konnte  aber, 


auch  wenn  sie  nur  einen  Tag  dauerte,  schon  sehr  viel  Schaden  an- 
richten.  Es  scheint,  dass  die  Impfgegner  wieder  mit  Hochdruck  ar¬ 
beiten  und  schon  jetzt  für  die  Impfdebatte  in  der  nächsten  Reichs¬ 
tagssession  Vorarbeiten.  M.  K. 


Verschiedenes. 


Säuglingssterblichkeit  in  Bayern  im  Jahre  1912. 

Nach  den  Zusammenstellungen  des  Kgl.  Statistischen  Landes¬ 
amtes  sind  im  Jahre  1912:  37  006  Kinder  unter  einem  Jahr  gestorben 
(ohne  die  Totgeborenen).  Dies  bedeutet  gegenüber  dem  voraus¬ 
gegangenen  Jahr  eine  Minderung  um  9659  =  20,7  Proz.  Dar¬ 
unter  befinden  sich  30  855  eheliche  und  6151  uneheliche  Kinder.  Setzt 
man  die  Zahl  der  im  Jahre  1912  gestorbenen  Säuglinge  in  Beziehung 
zu  der  Zahl  der  in  diesem  Jahre  Geborenen,  so  stellt  sich  die  Säug¬ 
lingssterblichkeitsziffer  im  Jahre  1912  auf  17,7  gegen  22,3  Proz.  im 
Jahre  1911.  Bei  den  ehelichen  Säuglingen  ist  die  Sterbeziffer  von 
21,3  auf  16,9  Proz.  und  bei  den  unehelichen  von  29,3  auf  23,4  Proz. 
gesunken. 

Nach  Grössenklassen  der  Gemeinden  verteilen  sich  die  im  Jahre 
1912  gestorbenen  und  die  in  diesem  Jahre  geborenen  Säuglinge  fol- 
gendermassen : 


Gemeinden 

gestorb.  Säuglinge 
absolut  Proz. 

mit  unter  2000  Einw.  23  137  62,5 

Lebendgeborene 
absolut  Proz. 
124  658  59,7 

9) 

„  20U0-  5000  „ 

4  194 

11,3 

23  335 

11,2 

„  5000—  20  000  „ 

2  673 

7,2 

15  671 

7,5 

>> 

„  20  000—100  000  „ 

3  181 

8,6 

19  496 

9,3 

V 

„  über  100  000  „ 

3  821 

10,4 

25  616 

12,3 

37  006 

100 

208  776 

100 

Darnach  sterben  auf  dem  Lande  verhältnismässig  etwas  mehr 
Säuglinge  (62,5  Proz.),  als  seinem  Prozentanteil  an  der  Gesamtmasse 
aller  Lebendgeborenen  (59,7  Proz.)  entsprechen  würde.  Die  in  der 
üblichen  Weise  (auf  100  Lebendgeborene)  berechnete  Säuglings- 
Sterblichkeitsziffer  beträgt  für  die 


1912 

Gemeinden  mit  unter  2000  Einwohner  18,6  Proz. 

„  „  2000—  5000  „  17,0  „ 

„  5000—  20  000  „  17,1  „ 

„  „  20  000—100  000  „  16,3  „ 

„  über  100  000  „  14,9  „ 


1911 

23.1  Proz. 

23.2  „ 

21.7  „ 

19,9  „ 

19.7  „ 


Gegenüber  dem  Vorjahre  ist  die  Säuglingssterblichkeit  in  allen 
Gemeindegrössenklassen  gesunken. 

Ungefähr  ein  Drittel  der  im  1.  Lebensjahr  verstorbenen  Kinder 
lebte  nicht  einmal  einen  Monat,  mehr  als  die  Hälfte  nicht  ein  Viertel¬ 
jahr. 

Es  sterben  nämlich 

von  100  der  gestorbenen  Säuglinge 


am  1.  Tag  10,5  Proz.  8,3  Proz. 

in  der  1.  Woche  18,8  „  15,9  „ 

im  1.  Monat  37,3  „  33,1  „ 

im  2.  „  12,6  „  12,6  „ 

»m  3.  „  10,4  „  10,5  „ 

im  1.  Vierteljahr  60,3  „  56,2  „ 

im  2.  „  19,9  „  21,9  „ 

im  3.  „  11,9  „  12,9  „ 

im  4.  „  7,9  „  9,0  „ 


Im  Vorjahre  waren  die  über  1  Vierteljahr  alten  Säuglinge  an 
der  Sterblichkeit  stärker  beteiligt  als  im  Berichtsjahre. 

Die  Tatsache,  dass  die  unehelichen  Säuglinge  etwas  früher  ster¬ 
ben  als  die  ehelichen,  trifft  auch  für  das  Jahr  1912  zu.  Während  von 
den  verstorbenen  ehelichen  Säuglingen  59,7  Proz.  im  1.  Vierteljahr 
starben,  beträgt  dieser  Anteilsatz  bei  den  unehelichen  62,9  Proz. 

Im  Jahre  1912  weisen  nur  2  Monate  eine  grössere  Zahl  gestor¬ 
bener  Säuglinge  auf  als  die  entsprechenden  Monate  des  Vorjahres, 
nämlich  Mai  und  Dezember: 


gestorbene  Säuglinge 

1912  1911 


absolut 

Proz. 

absolut 

Proz. 

Januar 

2  846 

7,7 

3  359 

7,2 

Februar 

3  150 

8,5 

3  250 

7,0 

März 

3  590 

9,6 

3  748 

8,0 

April 

3  434 

9,3 

3  558 

7,6 

Mai 

3  506 

9,5 

3  434 

7,3 

Juni 

2  998 

8,1 

3  205 

6,9 

Juli 

3  228 

8,7 

4  602 

9,8 

August 

3  241 

8,8 

6  368 

13,6 

September 

2  716 

7,3 

6  146 

13,2 

Oktober 

2  786 

7,5 

3  751 

8,0 

November 

2  598 

7,0 

2  602 

5,6 

Dezember 

2913 

8,0 

2  642 

5,7 

zusammen  37  006  100  46  665  100 


Einen  besonders  starken  Rückgang  gegenüber  dem  Vorjahr  wei¬ 
sen  die  Monate  Juli,  August  und  September  auf.  Er  beruht  wohl 
wesentlich  darauf,  dass  das  Jahr  1911  unter  anormaler  Hitze  zu  leiden 
hatte,  während  für  das  Jahr  1912  eine  solche  nicht  in  Frage  kam. 


24.  Juni  1913. 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHKNSCHK I FT. 


Therapeutische  Notizen. 

Ueber  seine  Erfahrungen  in  der  Behandlung  des  Erv- 
v  aPr  e  nt  ACmt  •V0!1  M  e  y  ®  r  und  R  u  p  p  e  1  hergestellten  p  o  1  v  - 
W  e  1  z  Frankfurt  i*  m  C  nl°  k  0  k  k  e  n  s  e  r  u  m  „Höchst“  berichtet 
1  «Ä  (1herap-  Monatshefte  1913,  4)  an  der  Hand 

Pfillen3wufd?Sdiem  schv'Tre"’  fieberhaften  Erysipelfällen.  In  allen 
r  allen  wurden  100  ccm  des  Serums  in  die  Kubitalvene  injiziert. 

’n  de,r  Hälfte  der  Falle  (11)  sah  Welz  unmittelbar  nach  einer 
mir ^e?|.e.nden„Serumreaktion  die  Deferveszenz  eintreten,  die  bald 
IIÜ  tCr  y?  'gen  Genesung  der  Patienten  endete.  Diese  Art  des  Tem- 
vm  Hpf  *  hS  W3n  Ir\  den  1 1  Fällen  so  gleichförmig  und  unabhängig 
tvniJhP  ^/orbergehfnde"  Krankheitsdauer,  dass  Welz  sie  als  eine 
typische  W  irkung  der  Serumtherapie  anspricht.  Das  Ausbleiben  des 

kamen8' deutet  XVefy*’ ,n  den.ab.rig:ea  Fällen,  von  denen  2  ad  exitum 
Kamen,  deutet  \\  elz  in  der  Weise,  dass  das  Serum  nicht  gegen  alle 

^BHetra‘htA°mrnden  Streptokokkenstämme  ausreichend  ist.  Um 
^  - JranPtt8:e  ahr  der  lntravenösen  Seruminjektion,  den  akuten  Kollaps 
möglichst  zu  vermeiden,  rät  W„  in  allen  Fällen  das  Serum  sehr  lang¬ 
sam  und  vorsichtig  einfliessen  zu  lassen  und  bei  den  Patienten  bei 
denen  schwere  Kreislaufstörungen  bestehen,  von  der  intravenösen 
Injektion  so  grosser  Serumdosen  ganz  Abstand  zu  nehmen.  Kr. 

Bei  den  schweren,  allen  Behandlungsmethoden  trotzenden 

P  lli!?nerv]Un^er  Kinder  hat  Bernhard  Bendix  die 
PellLdol-Vaselinsalbe  mit  überraschend  gutem  Erfolg  an¬ 
gewendet  und  unter  anderen  Fällen  auch  3  mit  sehr  schweren 

Hen,m?^hbeShfhendemD  n°!'k,igem  Gesichtsekzem  vollkommen  zur 
j„  r?cbF  iPie  Fellidolsalbe,  die  in  ihrer  Zusammensetzung 

der  Scharlachrotsalbe  verwandt  ist,  wird  von  der  Firma  Kalle 

Pp»!Hn,c  iKbn-Ch’  »  d6c  ^andeI  gebracht-  Bendix  macht  von  der 
Pelhdolsalbe  in  allen  Stadien  des  Ekzems  Gebrauch  und  rühmt  ihr 

nach,  dass  sie  ein  rasches  Zurückgehen  aller  Reizerscheinungen,  ein 
Nachlassen  des  quälenden  Juckreizes  und  rasches  Ablösen  der  Borken 
verursache.  Wie  die  Scharlachrotsalbe  regt  auch  sie  die  Haut  zu 
Epithelisierung  an,  ist  dabei  vollkommen  ungiftig  und  ist  nicht  mit 
der  intensiven,  unangenehmen  Färbekraft  des  Scharlachrots  be- 
haftet  —  Die  wertvollste  Unterstützung  der  Pellidolsalbe  sieht 
Bendix  in  sorgfältiger  Pflege  und  Wartung  des  Kindes  und  in  ge¬ 
eigneter  Diät.  (Therap.  Monatshefte  1913,  5.)  Kr. 


Für  die  Entstehung  von  Bleivergiftungen  in  Akku- 
mulatorenfabriken  schreibt  B  ö  1 1  r  i  c  h  -  Hagen  (Therap. 
Mona,snefte  1913,  5)  der  Haut  als  Eintrittstelle  für  das  Blei  eine 
bedeutende  Rolle  zu.  Nur  so  hält  er  es  für  möglich,  dass  in  dem 
vorzüglich  organisierten  Akkumulatorenbetrieb  in  Hagen  doch  immer 
noch  Bleivergiftungen  Vorkommen,  wenn  ihre  Zahl  auch  seit  der 
Einführung  vieler  sanitärer  Einrichtungen,  die  die  Möglichkeit  der 
Bleiubertragung  durch  Speisen  und  Getränke  fast  ausschliessen  und 
die  die  Zufuhr  durch  die  Luft  auch  sehr  einschränken,  sehr  gering 
geworden  ist.  Die  beste  Therapie  der  Bleierkrankung  sieht  Bott- 
rieh  in  der  Prophylaxe.  Diese  hat  schon  bei  der  Einstellung  eines 
Arbeiters  mitzusprechen,  so  dass  nur  gesunde,  kräftige  Leute  in  die 
betreffende  Fabrik  aufgenommen  werden.  Die  Akkumulatorenfabrik 
in  Hagen  geht  noch  weiter,  und  stellt  keinen  Arbeiter  ein,  der  eine 
luetische  Infektion  durchgemacht  hat,  oder  bei  dem  Verdacht  auf 
hereditäre  Belastung  besteht.  Ferner  sieht  B.  in  der  von  ihm  ge¬ 
übten  wöchentlichen  ärztlichen  Untersuchung  und  Belehrung  sämt¬ 
licher  Arbeiter  ein  wichtiges  Hilfsmittel  zur  Vermeidung  der  An¬ 
steckung  und  Stellung  der  Frühdiagnose.  In  der  von  P.  Schmidt 
angegebenen  Blutuntersuchung  auf  basophile  Erythrozyten,  die  B. 
in  / 3  seiner  Fälle  mit  Bleivergiftung  positiv  fand,  haben  wir  ein 
wertvolles  Mittel  zur  frühzeitigen  Erkennung  einer  Bleiintoxikation 
des  Organismus.  Kr 


Georg  E  i  s  n  e  r  -  Berlin  empfiehlt  warm  (Therap.  Monatshefte 
1913,  5)  die  Anwendung  von  Narkophin  in  allen  Fällen,  wo  sonst 
Morphium  gegeben  wurde.  Das  Narkophin  ist  ein  Morphin-Narkotin- 
Mekonat  mit  einem  Drittel  Morphin-  und  einem  Drittel  Narkotin¬ 
gehalt.  Es  wird  von  C.  F.  Böhringer  &  Söhne  in  Tabletten- 
und  Pulverform  und  in  Ampullen  als  3  proz.  sterile  Lösung  hergestellt. 
Das  Narkophin  hat  viele  Vorteile  gegenüber  dem  Morphium,  dem 
Opium  und  auch  dem  Pantopon: 

1 .  fallen  die  unangenehmen  Nebenerscheinungen  des  Morphiums, 
das  Erbrechen,  die  Kopfschmerzen,  die  Abgeschlagenheit,  die 
Halluzinationen  ganz  fort, 

2.  ist  die  Gefahr  der  Morphiumgewöhnung  beim  Narkophin  viel 
geringer, 

3.  ist  die  im  Narkophin  verabreichte  Morphiummenge  eine  viel 
kleinere  als  beim  reinen  Morphiumgebrauch. 

Dazu  kommt,  dass  das  Narkophin  im  wesentlichen  die  gleichen 
narkotischen  Wirkungen  auslöst  wie  das  Morphium,  nur  dass  die 
Wirkung  rascher  eintritt,  dafür  aber  auch  rascher  aufzuhören 
scheint.  Kr. 


A.  Stephan  -  Wiesbaden  hat  das  neue  Dauerhefepräparat 
„B  i  o  z  y  m  e“,  das  von  der  Biozymegesellschaft  in  Wiesbaden  in  den 
Handel  gebracht  wird,  auf  seine  chemische  Zusammensetzung,  seinen 
Gehalt  an  Zymase  und  seine  Gärkraft  hin  geprüft  und  dabei  gefunden, 
dass  es  der  frischen  Hefe  vollkommen  gleichwertig  ist.  Als  hervor- 


tagende  Eigenschaft  dieser  Dauerhefe  bezeichnet  Stephan  die 
grosse  Haltbarkeit  des  Präparats,  die  er  hauptsächlich  auf  die 
patentierte  Verpackung  mit  der  als  Exsikkans  dienenden  Stärke 
zuruckfuhrt.  (Therap.  Monatshefte  1913,  5.)  Kr. 


Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  323.  Blatt  der  Galerie  bei:  Willy 
1  h  o  r  n.  Vergl.  den  Nekrolog  auf  S.  1383  dieser  Nummer. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  den  23.  Juni  1913. 

.  Re*  dem  grossen  Interesse,  das  der  Frage  der  Abwehr- 

t  e  r  m  e  n  t  e  und  ihres  Nachweises  durch  die  Abderhalden  sehen 
Reaktionen  entgegengebracht  wird,  und  bei  der  Bedeutung,  die 
diese  Frage  für  die  wissenschaftliche  Forschung  noch  zu  gewinnen 
verspricht,  wollen  wir  nicht  unterlassen  auf  den  Vortrag  besonders 
h.nzuweisen  den  Prof.  Abderhalden  darüber  kürzlich  in 
München  gehalten  hat  und  der  auf  S.  1386  d.  No.  veröffentlicht  ist. 
Phot  Abderhalden  hat  es  ausgezeichnet  verstanden,  in  diesem 
Vortrag  die  an  sich  komplizierten  und  schwierigen  Verhältnisse  in 
elementarer  Weise  und  „voraussetzungslos“  klarzulegen,  so  dass 
denjenigen  Lesern,  die  bisher  nicht  Gelegenheit  hatten,  sich  in 
die  Abderhalden  sehen  Gedankengänge  zu  vertiefen,  das  Ver¬ 
ständnis  des  Wesens  und  der  Grundlagen  der  Abwehrferment- 
Reaktionen  ohne  weiteres  eröffnet  wird.  Aber  auch  den  mit  der 
Sache  schon  Vertrauten  wird  die  Lektüre  des  lichtvollen  Vortrags 
Genuss  bereiten. 

.  .  Gas  2m  19-  ds.  erfolgte  Ableben  des  ehemaligen  Staats¬ 
ministers  Freiherrn  v.  F  e  i  1  i  t  z  s  c  h  erinnert  an  den  langen  Zeitraum 
hoher  Blüte  (1881 — 1907),  den  das  bayerische  Medizinalwesen  unter 
diesem  Minister,  dem  als  bedeutendste  Mitarbeiter  die  Obermedizinal- 
IT116  v.  K  e  r  s  c  h  e  n  s  t  e  i  n  e  r  und  v.  G  r  a  s  h  e  y  zur  Seite  standen, 
durchlebt  hat.  Umwälzende  Neuerungen  entsprachen  nicht  dem 
Wesen  dieses  durchaus  konservativen  Staatsmannes.  Von  solchen 
ist  auch  das  Medizinalwesen  unter  ihm  unberührt  geblieben.  Da¬ 
gegen  war  die  Periode  F  e  i  1  i  t  z  s  c  h  eine  Zeit  gesunder  Entwick¬ 
lung,  in  der  vor  allem  der  Ausbau  der  sozialen  Versicherungsgesetze 
und  die  Anpassung  der  staatlichen  Gesundheitspflege  an  die  neuen 
Forschungen  über  die  Infektionskrankheiten  in  glücklichster  Weise 
stattfand.  Den  Wünschen  des  ärztlichen  Standes  trat  F.  mit  Ver¬ 
ständnis  und  Wohlwollen  entgegen.  Es  war  nicht  seine  Schuld, 
sondern  die  der  Volksvertretung,  wenn  die  wichtigsten  dieser 
Wünsche  unerfüllt  geblieben  sind. 

Der  Verein  Liegnitzer  Aerzte  hat  einstimmig  einen 
Antrag  Ri  mann  angenommen,  durch  den  der  Vertreter  des  Vereins 
beim  Aerztetag  angewiesen  wird,  gegen  den  Antrag  Leipzig- 
Land  seine  Stimme  abzugeben. 

—  Zur  Frage  der  Errichtung  einer  Universität 
Dresden,  insbesondere  einer  Medizinischen  Fakultät, 
hat  der  Aerztl.  BV.  Dresden-Stadt  in  einer  Sitzung  vom  20.  Mai  d.  J. 
Stellung  genommen  und  folgende  Entschliessung  gefasst:  „Der  BV. 
Dresden-Stadt  hat  sich  in  seiner  heutigen  Sitzung  mit  der  Frage  der 
Errichtung  einer  Universität,  insbesondere  einer  medizinischen  Fa¬ 
kultät,  in  Dresden  auf  Grundlage  des  Vortrages  des  Herrn  Ober¬ 
bürgermeister  Beutler  und  der  Schrift  von  „Philacademicus“  be¬ 
schäftigt.  Bei  voller  Würdigung  der  Grösse  und  Bedeutung  des 
Planes  hat  die  ärztliche  Standesvertretung  doch  erhebliche  Bedenken 
gegen  die  Errichtung.“ 

—  Zu  der  in  der  nächsten  Woche  stattfindenden  staatlichen 
Jahrhundertfeier  bei  der  Befreiung  s  halle  in 
K  e  1  h  e  i  m  ist  vom  Ministerium  des  Innern  auch  ein  Arzt  offiziell 
eingeladen  worden.  Hofrat  Zeit  ler  in  Straubing  wird  als  Ver¬ 
treter  der  bayerischen  Aerztekammern  der  Feier  beiwohnen. 

— -  Professor  Th.  Kocher  in  Bern  hat  das  Präsidium  der 
Schweizerischen  Gesellschaft  für  Chirurgie 
niedergelegt  und  seinen  Austritt  aus  der  Gesellschaft  erklärt.  Die 
Gründe  zu  diesem  Schritt  liegen  in  Differenzen  im  Schosse  des  Vor¬ 
standes  bei  Entscheidung  über  die  Wahl  des  Publikationsorgans  der 
Gesellschaftsverhandlungen.  Kocher  hatte  die  Veröffentlichung  in 
den  beiden  Schweizer  Blättern,  Korrespondenzb.latt  für  Schweizer 
Aerzte  und  Schweizer  Rundschau  für  Medizin,  befürwortet;  der  Vor¬ 
stand  hatte  beschlossen,  die  Rundschau  allein  mit  der  Veröffentlichung 
zu  betrauen.  Da  Kocher  der  Ansicht  war,  dass  dieser  Beschluss 
mit  den  Wünschen  der  Mitglieder  der  Gesellschaft  im  Widerspruch 
stehe,  trat  er  von  seinem  Amte  zurück.  Das  energische  Eintreten 
Kochers  für  das  ältere  Schweizer  Organ,  das  als  ausgezeichnet 
geleitetes  und,  im  besten  Sinne  des  Wortes,  echt  schweizerisches 
Blatt  eine  Zurücksetzung  gewiss  nicht  verdiente,  berührt  höchst 
sympathisch. 

—  Zu  dem  zurzeit  an  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  in  Berlin 
stattfindenden  Fortbildungskurs  für  Generalärzte  wur¬ 
den  seitens  des  bayerischen  Kriegsministeriums  die  Generalärzte 
und  Korpsärzte  Dr.  Eyerich  des  2.  Armeekorps,  Dr.  Sönning 
des  3.  Armeekorps  und  Dr.  W  ii  r  d  i  n  g  e  r  des  1.  Armeekorps  kom¬ 
mandiert. 

—  Anlässlich  des  Regierungsjubiläums  hat  das  unter  dem  Pro¬ 
tektorat  der  Kaiserin  stehende  Kaiserin-Auguste-Vik- 


1416 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  25. 


tnria-Haus  zur  Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  im 
Deutschen  Reiche  in  Berlin-Charlottenburg  beschlossen,  den  Müttern 
sämtlicher  am  Tage  des  Regicrungsjubiläums  geborenen  Kinder  das 
vom  Direktor  des  Hauses,  Prof.  L  a  n  g  s  t  e  i  n,  bearbeitete  Buch 
„Pflege  und  Ernährung  des  Säuglings“  von  Pescatore  zu 
schenken,  an  sämtliche  Mädchen  der  obersten  Volksschulklassen  in 
Charlottenburg  die  Säuglingspflegefibel  von  Schwester  Antonie  Z  e  r  - 
w  e  r  zu  verteilen  und  zwei  Freibetten,  eins  für  eine  ihr  Kind 
stillende  Mutter  und  eins  für  ein  krankes  Kind,  zu  stiften. 

Andrew  Carnegie  hat  abermals  eine  Million  Dollars  für 
medizinische  Unterrichtszwecke  gestiftet  und  zwar  für  den  Ausbau 
der  medizinischen  Abteilung  der  Vanderbilt  Universität  in  Tennessee. 

-  Eine  populärhygienische  Wanderausstellung 
„Mutter  undSäuglin  g“,  die  zunächst  die  Städte  des  deutschen 
Sprachgebietes  bereisen  soll,  wird  von  der  „Volksborngesellschaft 
für  medizinische  Aufklärung  (Sitz  Dresden)“  vorbereitet.  Das  vor¬ 
läufige  Programm  führt  folgende  Hauptgruppen  auf:  Eignung  und 
Vorbereitung  zur  Elternschaft,  —  Eigenart  des  weiblichen  Körpers 
und  seine  Veränderung  durch  die  Schwangerschaft.  —  Geburt  und 
Wochenbett,  —  Entwicklung  des  Kindes  im  Mutterleibe  und  im  ersten 
Lebensjahre,  —  Pflege  von  Mutter  und  Kind  (im  besonderen  die 
Bedeutung  von  natürlicher  und  unnatürlicher  Ernährung),  —  Säug¬ 
lingskrankheiten,  —  Säuglingssterblichkeit,  —  soziale  Fürsorge  für 
Mutter  und  Kind,  —  Geburtenrückgang.  Die  Lehren  der  wissen¬ 
schaftlichen  Forschung,  der  ärztlichen,  technischen  und  fürsorgerischen 
Erfahrung  werden  hier  dem  Volke  in  leicht  verständlichen  und  an¬ 
regenden  Darstellungen  vorgeführt.  Vorträge,  regelmässige  und  be¬ 
sondere  Führungen,  praktische  Kurse,  Schriftenverteilung,  kinemato- 
graphische  und  andere  Vorführungen  sollen  eng  angeschlossen 
werden. 

— •  Der  in  No.  20  d.  W.  erschienenen  Ankündigung  eines  ärzt¬ 
lichen  Fortbildungskurses  in  Wiirzburg,  20. — 25.  Ok¬ 
tober  1.  J„  ist  nachzutragen,  dass  Prof.  Zieler  über  Haut-  und  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  vortragen  wird. 

-  Unter  dem  Titel  „Abhandlungen  über  Salvarsan. 
Gesammelt  und  herausgegeben  von  P  a  u  1  E  h  r  1  i  c  h“  ist  der  III.  Band 
von  Salvarsanarbeiten  im  Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München 
erschienen.  Die  Arbeiten  sind  zumeist  erweiterte  Sonderdrucke  aus 
der  Münch,  med.  Wochenschrift,  doch  sind  auch  anderwärts  er¬ 
schienene  Arbeiten  in  die  Sammlung  aufgenommen.  Ehrlich  selbst 
schickt  dem  Band  eine  Vorrede  voraus  und  begleitet  ihn  mit  aus¬ 
führlichen  Schlussbemerkungen,  in  denen  er  besonders  zur  Frage  der 
Neurorezidive,  der  Salvarsantodesfälle  und  zum  Neosalvarsan  Stellung 
nimmt.  Der  Preis  des  Bandes  ist  10  M„  geb.  12  M. 

—  Von  Oppenheims  Lehrbuch  der  Nervenkrank¬ 
heiten  ist  soeben  die  VI.  wesentlich  veränderte  Auflage  erschienen. 
Eine  ausführliche  Besprechung  des  bedeutenden  Werkes  behalten 
wir  uns  vor. 

—  Pest.  Türkei.  Vom  17.  bis  31.  Mai  in  Djedda  1  Erkrankung. 
Insgesamt  sind  daselbst  vom  10.  März  bis  Ende  Mai  an  der  Pest 
31  Personen  erkrankt  und  27  gestorben.  —  Aegypten.  Vom  31.  Mai 
bis  6.  Juni  erkrankten  17  (und  starben  5)  Personen  an  der  Pest.  — 
Aden.  Vom  18.  bis  24.  Mai  14  Erkrankungen  und  10  Todesfälle.  — 
Britisch  Ostindien.  In  der  Woche  vom  11.  bis  17.  Mai  erkrankten  2841 
und  starben  2518  Personen  an  der  Pest.  —  Niederländisch  Indien. 
Vom  7.  bis  20.  Mai  wurden  auf  Java  gemeldet  212  Erkrankungen 
und  204  Todesfälle.  —  China.  Seit  Anfang  Mai  hat  sich  auch  in  der 
Stadt  Kanton  die  Seuche  verbreitet. 

—  ln  der  23.  Jahreswoche,  vom  1. — 7.  Juni  1913,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Landsberg  a.  W.  mit  29,5,  die  geringste  Pirmasens  mit  5,1  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Kattowitz,  an  Masern  und  Röteln 
in  Gladbeck,  Graudenz.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Die  Privatdozenten  Dr.  Olfred  D  ö  n  i  t  z  und  Dr.  Eugen 
Joseph,  Assistenten  bei  Geheimrat  Bier  am  klinischen  Institut 
für  Chirurgie,  haben  das  Prädikat  Professor  erhalten,  (hk.) 

Dresden.  Dem  Präsidenten  des  Kgl.  Sächs.  Landesgesund¬ 
heitsamtes,  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Renk,  wurde  der  preussische  Kronen¬ 
orden  2.  Klasse  mit  dem  Stern  verliehen. 

Greifswald.  Den  Privatdozenten  Dr.  Franz  Cohn,  Ober¬ 
arzt  an  der  Frauenklinik  und  Dr.  Georg  Schöne,  Oberarzt  an  der 
Chirurgischen  Klinik,  ist  das  Prädikat  Professor  verliehen  worden, 
(hk.) 

Heidelberg.  Dem  Professor  der  orthopädischen  Chirurgie, 
Dr.  V  u  1  p  i  u  s  wurde  das  Ritterkreuz  erster  Klasse  des  Ordens  vom 
Zähringer  Löwen  verliehen. 

Kiel.  Die  Frequenz  der  Universität  beträgt  in  diesem  Semester 
2318  Studierende.  Die  medizinische  Fakultät  zählt  803  Studierende, 
unter  diesen  33  Frauen. 

Marburg.  Die  Zahl  der  im  Sommersemester  1913  an  der 
Universität  Marburg  immatrikulierten  Studierenden  beträgt  2433 
(gegen  2052  im  Wintersemester  1912/13),  davon  27  (42)  Hörer,  die 
Zahl  der  Medizinstudierenden  ist  546  (436),  davon  24  (22)  Damen. 

München.  Die  medizinische  Fakultät  hat  den  Ministerialrat 
und  juristischen  Referenten  für  Medizinalangelegenheiten  im  Mini¬ 
sterium  des  Innern,  Ludwig  Huber,  zum  Doctor  medicinae  honor  c. 
ernannt.  Herr  Ministerialrat  Huber  hat  an  den  zahlreichen  wich¬ 
tigen  Arbeiten,  die  in  den  letzten  Jahren  aus  der  bayer.  Medizinal- 
abteilung  hervorgegangen  sind,  wie  die  Verordnung  über  den  be¬ 


zirksärztlichen  Dienst,  die  Reform  des  Hebammen-  und  des  Apo¬ 
thekenwesens,  hervorragenden  Anteil.  —  Für  das  Fach  der  Kinder¬ 
heilkunde  habilitierte  sich  in  München  Dr.  Theodor  G  ö  1 1,  Oberarzt 
der  medizinischen  Abteilung  an  der  Universitäts-Kinderklinik  und 
Poliklinik,  (hk.) 

Catania.  Dr.  A.  T  o  m  a  s  e  1 1  i  habilitierte  sich  als  Privat¬ 
dozent  für  interne  Pathologie. 

Genua.  Dr.  A.  Calderara  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  externe  Pathologie. 

Modena.  Zum  ordentlichen  Pjofessor  der  allgemeinen  Patho¬ 
logie  wurde  Prof.  Dr.  E.  C  e  n  t  a  n  ni-  Siena  ernannt. 

(T  o  d  e  s  f  ä  1 1  e.) 

Am  15.  ds*.  starb  in  Berlin  im  90.  Lebensjahre  der  ehemalige 
ärztliche  Direktor  der  Charitee,  Obermedizinalrat,  Generalarzt  Dr. 
Gustav  Wilhelm  Mehl  hausen.  Das  Chariteekrankenhaus  leitete  er 
von  1873  bis  1902.  In  diese  Zeit  fällt  ausser  verschiedenen  Er¬ 
weiterungen  die  Gründung  der  Gesellschaft  der  Chariteeärzte  und  der 
zu  grossem  Ansehen  gelangten  Chariteeannalen. 

Am  17.  ds.  starb  in  München,  79  Jahre  alt,  der  ehemalige  Chef 
des  bayerischen  Militärmedizinalwesens,  Generalarzt  z.  D.  Exz.  Dr. 
Anton  Ritter  v.  Vogl.  Nekrolog  und  Bild  des  ausgezeichneten 
Arztes,  der  lange  Jahre  hindurch  ein  hochgeschätzter  und  treuer 
Mitarbeiter  dieses  Blattes  gewesen  ist,  werden  folgen. 

Dr.  P.  V  e  r  g  e  1  y,  früher  Professor  der  allgemeinen  Pathologie 
und  Therapie  in  Bordeaux. 

Dr.  Fr.  Forchheimer,  Professor  der  Medizin  am  Ohio- 
Miami  Medical  College  in  Cincinnati. 


Korrespondenz. 

Verordnung  stark  wirkender  Arzneimittel. 

Im  Anschluss  an  den  in  No.  22  der  Münch,  med.  Wochensc'nr. 
erwähnten  Erlass  des  preussischen  Ministers  des  Innern  betr.  die 
Gebrauchsanweisung  bei  der  Verordnung  von  stark  wirkenden 
Arzneimitteln  sei  der  Hinweis  gestattet,  dass  bei  den  jetzt  in  so  aus¬ 
gedehntem  Umfange  in  Anwendung  kommenden  Arzneimitteln  in 
Originalpackung  die  Hinzufügung  einer  Gebrauchsanweisung  sehr 
umständlich  ist  und  daher  von  den  Apotheken,  auch  wenn,  was  aller¬ 
dings  oft  nicht  der  Fall  ist,  das  ärztliche  Rezept  einen  Signaturver¬ 
merk  enthält,  meist  unterlassen  wird.  Die  ja  oft  so  hübsch  aus¬ 
gestatteten  bekannten  Originalröhrchen  und  Fläschchen  der  pharma¬ 
zeutischen  Fabriken  weisen  an  ihrer  Aussenseite  zwar  häufig  alle 
möglichen  und  unmöglichen,  den  Verbraucher  gar  nicht  interessieren¬ 
den  Angaben  über  das  betreffende  Mittel  auf;  es  ist  aber  nicht  das 
kleinste  Plätzchen  für  eine  Gebrauchsanweisung  freigelassen.  Was 
für  Folgen  daraus  entstehen  können,  wenn  Patienten  so  schnell 
wirkende  Mittel  wie  Codein,  Dionin,  Digalen  usw.  ohne  schriftliche 
Gebrauchsanweisung  in  die  Hände  bekommen,  braucht  nicht  erst  ge¬ 
sagt  zu  werden. 

Es  wäre  daher  dringend  der  Erlass  einer  Vorschrift  zu  wünschen, 
dahingehend,  dass  auf  allen  Originalpackungen  von  Arzneimitteln 
genügend  Raum  für  eine  handschriftliche  Gebrauchsanweisung  vor¬ 
zusehen  sei.  Dr.  W  o  1 1  s  t  e  i  n  e  r  -  Berlin. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  23.  Jahreswoche  vom  1.  bis  7.  Juni  1913. 

Bevölkerungszahl  622000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschwäche,  einschl.  Bildungs¬ 
fehler  11  (11 x),  Altersschw.  (über  60  Jahre)  2  (5),  Kindbettfieber  —  (—), 
and.  Folgen  der  Geburt  u.  Schwangerschaft  —  (2),  Scharlach  —  (— ), 
Masern  u.  Röteln  —  (3),  Diphtherie  u.  Krupp  1  (1),  Keuchhusten  3  (1), 
Typhus  (ausschl.  Paratyphus) —(—),  akut.  Gelenkrheumatismus  1  (— ), 
übertragbare  Tierkrankh.,  d.  s.  Milzbrand,  Rotzkrankh.,  Hundswut, 
Trichinenkrankh.  —  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  Starrkrampf  —  (— ), 
Blutvergiftung  4  (1),  Tuberkul.  der  Lungen  25  (14),  Tuberkul.  and.  Org. 
(auch  Skrofulöse)  8  (2),  akute  allgem.  Miliartuberkulose  2  (— ),  Lungen- 
entzünd„  kruppöse  wie  katarrhal,  usw.  9  (11),  Influenza  —  (1),  veneri¬ 
sche  Krankh.  1  (3),  and.  übertragbare  Krankh.:  Pocken,  Fleckfieber, 
Ruhr,  Genickstarre,  Strahlenpilzkrankh.,  Lepra,  asiat.  Cholera,  Wechsel¬ 
fieber  usw.  —  (— ),  Zuckerkrankh.  (ausschl.  Diab.  insip.)  3  (3),  Alkoholis¬ 
mus  1  (— ),  Entzünd,  u.  Katarrhe  der  Atmungsorg.  3  (3),  sonst.  Krankh. 
d.  Atmungsorgane  3  (3),  organ.  Herzleiden  15  (16),  Herzschlag,  Herz¬ 
lähmung  (ohne  näh.  Angabe  d.  Grundleidens)  —  (4),  Arterienverkalkung 
3  (3),  sonstige  Herz-  u.  Blutgefässkrankh.  7  (3),  Gehirnschlag  9  (10), 
Geisteskrankh.  2  (1),  Krämpfe  d.  Kinder  5  (5),  sonst.  Krankh.  d.  Nerven¬ 
systems  5  (7),  Atrophie  der  Kinder  2  (3),  Brechdurchfall  3  (4),  Magen¬ 
katarrh,  Darmkatarrh,  Durchfall,  Cholera  nostras  16  (11),  Blinddarm¬ 
entzünd.  4  ( — ),  Krankh.  der  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse  u. 
Milz  3  (2),  sonst.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (5),  Nierenentzünd.  4  (1), 
sonst.  Krankh.  d.  Harn-  u.  Geschlechtsorg.  —  (3),  Krebs  18  (14),  sonst. 
Neubildungen  5  (1),  Krankh.  d.  äuss.  Bedeckungen  2  (—),  Krankh.  der 
Bewegungsorgane  —(1),  Selbstmord  9  {2\  Mord,  Totschlag,  auch 
Hinricht.  2  (1),  Verunglückung  u.  andere  gewalts.  Einwirkungen  4  (10), 
and.  benannte  Todesursachen  —  (2),  Todesursache  nicht  (genau)  an¬ 
gegeben  (ausser  den  betr.  Fällen  gewaltsamen  Todes)  1  (— ). 

Gesamtzahl  der  Sterbefälle:  203  (173). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


UNIVERSITY  OF  ILLINOIS-UR  B  AN  A 


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